Die ARD-Tochter Degeto hat sich verpflichtet, ab August einer Quotenregelung zu folgen, die für die Gleichstellung von Regisseurinnen sorgen soll. In mindestens 20 Prozent der Filme, die die ARD-Tochter Degeto produziert oder mitfinanziert, sollen ab Mitte August Frauen Regie führen. Degeto-Chefin Christine Strobl folgt mit dieser Selbstverpflichtung der Forderung von Pro Quote Regie. Die Vereinigung von Regisseurinnen hatte im vergangenen Jahr eine Quotenregelung gefordert, um den weiblichen Filmschaffenden mehr Gehör und ökonomische Gleichstellung zu verschaffen. Pro Quote Regie kritisiert, dass, während rund 50 Prozent der Regie-Studierenden weiblich seien, der Anteil der Regisseurinnen bei Fernsehfilmen nur bei 13 bis 15 Prozent liege. In Österreich sieht die Situation ähnlich aus, auch hier wird von unterschiedlichen Seiten Handlungsbedarf angemahnt. Aber wie soll dieser aussehen? Ist die Einführung der Quotenregelung auch für die österreichische Film- und Fernsehlandschaft sinnvoll? Diskutieren Sie im Forum. App sei nicht so angenommen worden wie geplant. Wegen zu geringer Nutzung schaltet Spiegel Online nach zwei Jahren die Fußball-App aus, die App sei nicht so genutzt worden, wie man sich das vorgestellt habe. Dafür soll der Live-Fußball-Bereich in der News-App ausgebaut werden. 'Zum Welttag der Suizidprävention ist es Zeit, das alte Dogma "Über Suizide schreibt man nicht" zu verwerfen. Denn erst Ausnahmen von dieser Regel führen zu Nachahmungen – und wer über Suizidalität dann schweigt, wenn sie nicht sensationell ist, stigmatisiert die Betroffenen weiter. Halbwissen ist oft gefährlicher als Nichtwissen. Werther-Effekt? Ja ja, schon mal gehört: Wird über einen Suizid berichtet, töten sich in der Folge mehr Menschen selbst. So wie damals, als Goethes Briefroman Die Leiden des jungen Werthers erschien. Also: Über Suizide wird nicht berichtet. Stimmt. Fast. Der 10. September ist Welttag der Suizidprävention. Wenn es darum geht, Suizide zu verhinden, müssen auch wir Journalisten unsere Verantwortung wahrnehmen – das bedeutet in diesem Fall, sich vom alten Stehsatz Über Suizide schreibt man nicht zu verabschieden. Das Dogma des Schreibverbots hält sich unter Journalisten. Dabei gibt es drei gute Gründe dafür, es aus den Redaktionen zu verbannen. Eines nach dem anderen. Tatsächlich führen bestimmte Medienberichte über Suizide zu Nachahmungen. Menschen in Krisen befinden sich oft in einer Phase quälender Orientierungslosigkeit, wie es im Leitfaden zur Berichterstattung über Suizid des Wiener Kriseninterventionszentrums heißt. Wenn man über Suizid schreibt, ist allerdings das Wie von weitaus größerer Bedeutung als das Ob. Viele Medienberichte über Suizide haben keinerlei messbare Auswirkung auf die Suizidstatistik. Manche Berichte treiben die Zahl der Suizide in die Höhe – und viele können Suizide verhindern. Vor allem in Wien wird zu diesem Thema seit Jahrzehnten intensiv geforscht. Gut bekannt ist die Studie zu den Wiener U-Bahn-Suiziden: Als sich Anfang der 1980er immer mehr Personen in U-Bahn-Stationen selbst töteten, überzeugten Wiener Wissenschafter die großen Tageszeitungen davon, die Berichterstattung massiv zurückzufahren. Die Folge war ein deutlicher Rückgang der U-Bahn-Suizide. Seitdem hat sich in der Forschung einiges getan: Wiener Wissenschafter (einige davon haben schon in den 80ern an der erwähnten Studie mitgearbeitet) haben 2010 im British Journal of Psychiatry einen Artikel veröffentlicht, in dem sie Medienberichte analysierten und mit der amtlichen Sterbestatistik in Zusammenhang setzten. Das Ergebnis dieser und vieler anderer Studien krempelt das Dogma Über Suizide schreibt man nicht gewaltig um. Die Forscher haben den untersuchten Artikeln Eigenschaften zugewiesen: Wurde die Suizidmethode erwähnt? War der Text mit einem Foto illustriert? Wurde der Suizid vereinfacht begründet (zum Beispiel: Selbstmord wegen Liebeskummer)? Diese Eigenschaften wurden als harmful, schädlich, eingeordnet. Umgekehrt codierten die Autoren auch protective items: Wurde eine Expertin oder ein Experte zitiert? Wurden Hilfsangebote für Menschen in Krisen angeführt? Die Rolle der Journalisten präsentiert sich im Licht aktueller Studien weitaus vielschichtiger, als es der viel zu einfache Stehsatz des Berichtsverbots vermuten ließe: Je nachdem, wie über einen Suizid berichtet wird, können Medien die Zahl der Nachahmungssuizide steigern – oder senken. Jetzt könnte man sagen: Berichten wir am besten gar nicht, dann können wir nichts falsch machen. Dieser Zugang hat nur einen großen Haken. Denn der Stehsatz Über Suizid berichten wir nicht funktioniert nicht lückenlos. Und er filtert genau die falschen Berichte heraus. Etwa drei Personen töten sich jeden Tag in Österreich selbst, über die allerwenigsten liest man in der Zeitung. Zu Recht, im Sinne der Zurückhaltung, allerdings meistens nicht aus Verantwortungsbewusstsein, sondern weil ein so alltäglicher Tod eben keine Geschichte ist. Aber ein Prominenter? Na ja, das können wir doch nicht verschweigen! Und weil wir ja normalerweise nicht über Suizide berichten, wissen wir jetzt nicht, wie wirs richtig machen. Dann wird im Boulevard über mehrere Tage im Detail ausgeschlachtet, wie Robin Williams gestorben ist. Oder wie genau Ludwig Hirsch starb, nacherzählt aus seiner Perspektive. Das Bitter-Ironische: In der Statistik messbare Nachahmungen sind hauptsächlich bei Prominenten feststellbar – wohl, weil sich die Menschen gerne mit ihnen identifizieren. Wird der Suizid einer unbekannten Person nicht gerade pathetisch und detailreich nacherzählt, ist die Identifikationsgefahr gering. Wir müssen – als Gesellschaft – über Suizid sprechen. Jedes Jahr töten sich in Österreich 1.200 bis 1.300 Menschen selbst. Suizid ist kein Thema, über das man schweigen kann. Jeder dieser Menschen hatte Freunde, Familie, Kollegen. Das sind viele tausend neue Betroffene, jedes Jahr. Weil die Selbsttötung ein Tabu ist, leiden sie noch stärker. Und wer an Suizid denkt, ist umso gehemmter, darüber zu sprechen. Dabei wäre genau das ein so wichtiger erster Schritt in der Prävention. Wie also berichten? Detaillierte Empfehlungen finden sich im erwähnten Leitfaden. Kernpunkt bleibt: Zurückhaltung. Richtige Suizidberichterstattung ist nicht einfach: Einerseits soll der Tod nicht vereinfacht erklärt werden – ein Suizid ist immer die Folge einer Vielzahl komplex zusammenspielender Probleme –, andererseits soll die individuelle Situation nachvollziehbar sein. Schnellschüsse wie Selbstmord wegen Geldnot! fallen also durch. Genauso soll der Suizid nicht moralisch verurteilt werden. Das passiert in vielen Fällen ganz unbewusst. Dauernd Suizid zu schreiben ist kein schöner Stil und widerspricht der reinen Schule gegen die Wortwiederholung. Der Begriff Selbstmord aber macht Betroffene zu Tätern und verstärkt das Stigma, unter dem auch die Angehörigen von Verstorbenen leiden. Umgekehrt suggeriert das Wort Freitod eine Freiheit, die in den allermeisten Fällen nicht vorherrscht: Suizidale Menschen sind alles andere als frei; sie sind gefangen in einer Abwärtsspirale, aus der sie meist nur mit fremder Hilfe ausbrechen können. Wie oben erwähnt können Medien Nachahmungssuizide auch verhindern. Etwa indem auf Kontaktstellen für Hilfesuchende aufmerksam gemacht wird. Oder indem Mythen über Suizide bewusst angesprochen und widerlegt werden. Nein, wer ankündigt, sich selbst zu töten, bettelt nicht nur um Aufmerksamkeit, sondern ist tatsächlich in akuter Gefahr. Circa 80 Prozent jener Personen, die Suizid begehen, haben das vorher angekündigt. Apropos Mythen: Die Suizidwelle nach dem Erscheinen des Werthers konnte letztlich nie nachgewiesen werden. Gut erforscht ist hingegen, dass nach sensationsträchtigen Berichten in Massenmedien die Suizidzahlen steigen – und das Aufzeigen von Alternativen viele Menschen davon abhält, sich selbst zu töten. Schreiben wir also über Suizid und über Suizidalität. Schreiben wir über eine der häufigsten Todesursachen weltweit, aber schlachten wir nicht die Details von Einzelfällen aus. Berichten wir – das hat sich in der aktuellen Forschung als besonders wirkungsvoll in der Verhütung von Selbsttötungen erwiesen – über Menschen, die eine Krise überwunden haben. Verzichten wir auf sensationelle Berichte, und üben wir uns in Zurückhaltung bei Details. Wir erreichen täglich Millionen Menschen, also nehmen wir unsere Verantwortung wahr.' Mitarbeiter überreichten Eigentümervertretern Petition gegen Personalabbau. Wien – Mehrere hundert APA-Mitarbeiter haben laut dem Betriebsrat eine Resolution unterschrieben, die am Mittwoch den Eigentümervertretern übergeben wurde. Inhalt ist ein deutlicher Protest gegen den geplanten Personalabbau (DER STANDARD berichtete) und für eine Gleichstellung der Mitarbeiter von APA-Tochterunternehmen bei automatischen Gehaltsanpassungen. Ich lehne erneute Personalkürzungen oder gar Kündigungen, wie sie derzeit insbesondere in der Redaktion geplant sind, ab und unterstütze die Forderung nach einer verpflichtenden Weitergabe der jährlichen Ist-Erhöhung der Gehälter für alle MitarbeiterInnen der APA-Gruppe, heißt es in der Resolution. Sie wurde den Teilnehmern von Aufsichtsrats- und Vorstandssitzung von denen der zeitgleich stattfindenden Betriebsversammlung übergeben. Hauptkritikpunkt der Belegschaft ist, dass Sparmaßnahmen angekündigt würden, obwohl die APA seit Jahren Gewinne schreibe. Die als Genossenschaft organisierte Agentur gehört zu 45 Prozent dem ORF, den Rest teilen sich 13 Tageszeitungen. Ihnen wirft der Betriebsrat vor, Gewinne einzustreifen und gleichzeitig Sparprogramme zu verordnen. Peter Kropsch, Vorsitzender der APA-Geschäftsführung, versteht die Aufregung nicht vollends. Die APA sei ein gewinnorientiertes Unternehmen, das auch in Zukunft stabil aufgestellt sein müsse, sagt er zum STANDARD. Der Betriebsrat glaubt, dass man die Kosten einfach unbegrenzt weiterlaufen lassen kann, so Kropsch. Für 2016 steige das Personalbudget sogar, allerdings würden automatische Gehaltserhöhungen die Kosten für den einzelnen Mitarbeiter steigen lassen. Ob die APA die Qualität auch mit weniger Mitarbeitern aufrechterhalten könne? Na klar, sagt Kropsch – unter vergleichbaren Agenturen in Europa sei man am breitesten aufgestellt, da habe ich keine Angst. Persönlich habe er außerdem nur eine geringe Beteiligung an der Betriebsversammlung wahrgenommen. Service: Jobwechsel in der Kommunikationsbranche im Überblick. Hier liefert derStandard.at/Etat Jobwechsel in der Kommunikationsbranche im Überblick. Grob sortiert nach Kalenderwochen, in denen die Infos einlangten. Quellen: Presse- und eigene Infos, andere Branchendienste wie Horizont.at und medianet.at. Wenn Sie Infos für uns haben, bitte ein Mail an etat@derstandard.at schicken. Woche 15 / 2017 Woche 14 / 2017 Woche 13 / 2017 Woche 12 / 2017 Woche 9 / 2017 Woche 8 / 2017 Woche 7 / 2017 Spannende neue Aufgaben voraus: ich mach ab Februar die Nachrichten auf @kurierat. Ich freu mich auch. https://t.co/0zC6EsrXe3 Woche 2 / 2017 Freu mich: Die ausgezeichnete Journalistin Münire Inam vom #ORFreport moderiert (alternierend mit Martina Rupp) ab 23.1. heute konkret! Wie es im kommenden Jahr weitergeht, lasse ich euch bald wissen. Es warten spannende neue Herausforderungen. Woche 45 / 2016 Stefan Huber wechselt von Media in Progress zu content garden technologies und übernimmt den Ausbau der Content Management Unit. Mich interessieren vor allem die Möglichkeiten, die sich aus der Kombination von Content und Technologie ergeben, sagt er. Woche 43 / 2016 Woche 41 / 2016 Woche 38 / 2016 Woche 37 / 2016 Woche 33 / 2016 Woche 31 / 2016 Woche 30 / 2016 Krone-Anzeigenvermarktung: Thomas Kreuzer leitet die Branchenvermarktung Special Account, Thomas Grojer übernimmt die Regionalleitung Wien und Stammausgabe. Sie folgen in ihren neuen Funktionen Friedrich Dungl nach, der als Geschäftsführer in das Niederösterreichische Pressehaus wechselt. Woche 18 /2016 Vielen Dank! Ich verspreche auch, nicht über die Alpenrepublik und das Schnitzelland zu schreiben. https://t.co/zqj0HXZ7dD Andreas Csar wechselt vom Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) als Leiter der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit zur Stelle des Pressesprechers bei ecoplus (Wirtschaftsagentur des Landes Niederösterreichs). Woche 11 / 2016 Woche 6 / 2016 Woche 5 / 2016 Woche 4 / 2016 Die ÖBB holen Sven Pusswald von der OMV als Leiter der Konzernkommunikation & Public Affairs. Was Sie über diese Woche wissen sollten - und was Sie gleich wieder vergessen können. Wien - Was hat sich diese Woche getan in der Medienwelt? Ist Ihnen da nichts entgangen? Besser noch einmal durchchecken – im Etat.at-Wochenquiz. Wir wünschen viel Spaß beim Mitmachen! Und für alle, die vorige Woche nicht so viel Zeit hatten, Medien-Nachrichten zu lesen: ein nützlicher Link. Was Sie über diese Woche wissen sollten – und was Sie gleich wieder vergessen können. Wien – Was hat sich diese Woche getan in der Medienwelt? Ist Ihnen da nichts entgangen? Besser noch einmal durchchecken – im Etat.at-Wochenquiz. Wir wünschen viel Spaß beim Mitmachen! Und für alle, die vorige Woche nicht so viel Zeit hatten, Medien-Nachrichten zu lesen: ein nützlicher Link. Medienjournalist möchte eine eigene Plattform aufbauen, die von Lesern unterstützt wird. Wieder irgendwas mit Medien: Es ist noch recht vage, was Stefan Niggemeier plant. Fix ist jedenfalls, dass der deutsche Medienjournalist das Onlinemagazin Krautreporter verlässt. Niggemeier, auch Herausgeber und Initiator des kritischen Bild-Blogs, kündigt eine neue Plattform für Medienkritik an – unter Einbeziehung der Leser. Auf seinem Blog schreibt Niggemeier, dass er zwar das Projekt Krautreporter richtig findet, die Umsetzung aber nicht nach seinen Vorstellungen verlief: Der größte einzelne Fehler war meiner Meinung nach, eine eigene Software programmieren zu lassen, was viel Zeit, Geld und Nerven gekostet hat — und teilweise auch jetzt noch nicht richtig funktioniert. Das zentrale Problem verortet er im redaktionellen Bereich. Der rote Faden habe gefehlt: Uns trieb die Lust an, ein neues Geschäftsmodell auszuprobieren, aber nicht unbedingt eine gemeinsame redaktionelle Idee. Wir taten uns schwer damit, zu definieren, worüber wir berichten wollen und wie. Mit Niggemeier verliert Krautreporter einen der bekanntesten Journalisten. Das Portal wurde vor einem Jahr nach erfolgreichem Crowdfunding aus der Taufe gehoben. Die Finanzierung gelang, nachdem über 15.000 Mitglieder ein Jahresabo um 60 Euro abschlossen. Wie es mit den Krautreportern weitergeht, wird sich nächste Woche zeigen. Von den 15.000 Mitgliedern müssen nämlich 6.000 ihr Abo verlängern, um ins zweite Jahr gehen zu können. Autorenkollektiv soll als feste Redaktion zusammenarbeiten. Umwandlung in eine Genossenschaft steht kurz bevor. Berlin/Wien – Die selbst angesagte Revolution des Onlinejournalismus wird in veränderter Form fortgesetzt: Die Krautreporter werden von einer Kapitalgesellschaft in eine Genossenschaft umgewandelt. Nun müssen 400 Genossenschafter gefunden werden, die sich mit einer Einlage von zumindest 250 Euro beteiligen. Erst wenn diese Zahl erreicht wird, kann die Genossenschaft in das Genossenschaftsregister eingetragen werden. Sollte man daran scheitern, wird die Plattform wie bisher als Gesellschaft mit beschränkter Haftung weitergeführt. Die Mitglieder haften in Höhe ihrer Einlagen – eine Nachschusspflicht besteht nicht. Unabhängig von der Einlagenhöhe wird jedes Mitglied eine Stimme bei der Generalversammlung erhalten. Die so eingenommen 100.000 Euro sollen unter anderem dazu verwendet werden, das bestehende Portal um eine Journalismus-Crowdfunding-Plattform zu erweitern. Mit dem ersten Jahr des Bestehens ist man bei den Krautreportern nicht uneingeschränkt zufrieden. 500 Texte sind bisher erschienen – weniger als anfänglich geplant. Stefan Niggermeier kritisierte bei seinem Austritt aus dem Kollektiv eine fehlende redaktionelle Linie. Die soll nun geschaffen werden, in dem man als feste Redaktion zusammenarbeitet. Auch die Vorteile einer Mitgliedschaft abseits der Genossenschaft sollen ausgebaut werden: In Planung ist beispielsweise eine Mitglieder-App. 18.000 Mitgliedschaften laufen bis Oktober aus. Davon, hat man sich als Ziel gesetzt, sollen zumindest 6.500 verlängert werden. Nach eigenen Angaben benötigt die Plattform mindestens 6.000 Unterstützer, um fortgeführt werden zu können. Nachrichten-App nach drei Jahren an Finanzierung gescheitert. New York – Die News-App Circa, die Berichterstattung speziell für Smartphones machen wollte, ist nach drei Jahren am Ende. Dem Team sei das Geld ausgegangen, der Betrieb werde bis auf weiteres eingestellt, erklärte Mitgründer Matt Galligan am Mittwoch. Das Konzept von Circa war, das Nachrichtengeschehen in kleine Häppchen runterzubrechen, die gut auf den Smartphone-Bildschirm passen, und die Nutzer mit Updates über aktuelle Entwicklungen auf dem Laufenden zu halten. Mit der Idee hatten die Macher laut Medienberichten rund fünf Millionen Dollar bei Investoren eingesammelt und mehrere etablierte Journalisten angeworben. Circa sei es nicht gelungen, ein weiteres Investment einzufädeln, bevor die Ressourcen knapp geworden seien, schrieb Galligan auf der Blog-Plattform Medium. Man hätte zwar auch versuchen können, mit Werbung oder einer Abo-Gebühr über die Runden zu kommen, räumte er ein. Aber dies hätte der Vision hinter dem Dienst widersprochen und wohl auch nicht genug eingebracht, sagte Galligan. Circa hatte bereits seit Montag nichts mehr veröffentlicht. News werden nach Interessen der Leser ausgeliefert. Wien/London – Die britische BBC bringt eine neue internationale BBC News App für iOS und Android aufs Handy. Ein personalisierter Ansatz solle Nachrichten nach Präferenzen der Leser liefern. Und die App biete eine Kombination aus Top-Stories, meist gelesenen Geschichten und persönlich ausgewählten und empfohlenen Themen aus über 50.000 Gebieten. Im Bereich My News gelangen Leser zu den Geschichten, die sie am meisten interessieren könnten. Anhand einer Liste mit Themenvorschlägen, basierend auf dem gelesenen Artikel, oder über die Eingabe in ein Suchfeld können Benutzer Themen innerhalb eines Artikels folgen und so für sich einen wirklich persönlichen Service schaffen, mit Geschichten, die thematisch oder chronologisch geordnet sind, heißt es in einer Aussendung. Seit dem Start am Freitag sei die App bereits 1,5 Millionen Mal heruntergeladen worden. Laut BBC konsumieren mittlerweile über 50 Prozent der Nutzer BBC News auf Smartphones und Tablets – 2012 waren es erst 12 Prozent. Kabarettist und Moderator rechnet mit Kommentaren im Netz ab: "Leben im digitalen Mittelalter". Der deutsche Kabarettist und Moderator Dieter Nuhr rechnet in einem Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine (FAZ) mit der pöbelnden Masse im Internet ab. Nuhr warnt vor einem zivilisatorischen Rückschritt im Internet, der sich in Shitstorms manifestiere. Exemplarisch greift er auf einen eigenen Beitrag zurück, der in einem Shitstorm resultierte. Er habe auf Facebook und Twitter mit den Worten Meine Familie hat demokratisch abgestimmt: Der Hauskredit wird nicht zurückgezahlt. Ein Sieg des Volkswillens! satirisch-ironisch darauf hinweisen wollen, dass der Bruch eines Kreditvertrages nicht durch demokratische Abstimmung legitimiert werden könne. Die Folge war ein veritabler Shitstorm. Die im Internet üblichen Beschimpfungen, Beleidigungen, Todeswünsche, Drohungen, was der Mensch halt so ausstößt, wenn er sich an seiner Tastatur unbeobachtet fühlt, habe ich wie immer staunend beobachtet, schreibt Nuhr und kommt zu dem Schluss: Die Primitivität und Aggressivität, mit der Andersmeinende im Internet verfolgt werden, scheint mir denselben psychologischen Mechanismen zu folgen, die früher zu Lynchjustiz und Pogromen führten. Und: Der Andersmeinende wird zunächst als wahlweise dumm oder böse dargestellt. Er ist also das, was man im Mittelalter als wahnsinnig oder vom Teufel bezeichnete, damals wie heute ein Tötungsgrund, nur eben heute virtuell, ein erheblicher Fortschritt, sicherlich ... Der Delinquent wird zur digitalen Vernichtung freigegeben. Der Shitstorm ist die Hexenverbrennung des 21. Jahrhunderts, Gott sei Dank bei angenehmen Temperaturen, nur sozial, nicht physisch vernichtend. Solche Vorgänge würden sich im Internet in immer schnellerer Frequenz wiederholen: Die Regel ist, dass die Vernichtung der abweichenden Meinung angestrebt wird, meist durch Überwältigung, Etikettierung, Beleidigung. Und: Die Orte, an denen die Scheiterhaufen lodern, heißen Facebook und Twitter. Ein probates Mittel zum Gegensteuern ist für Nuhr Bildung: Die Anonymität des Internets bedeutet insofern einen zivilisatorischen Rückschritt in Richtung Faschismus und Mittelalter, Pogrom und Hexenverbrennung. Es ist die Aufgabe der kommenden Jahrzehnte, unter den Akteuren im Internet eine Kultur der Aufklärung zu schaffen, um die digitale Welt in ein bürgerliches Zeitalter zu überführen. 'Werbung im Wert von 22 Milliarden Euro weltweit wird ausgeblendet, sagt eine Studie. Und damit wesentliche Teile der Finanzierung von Journalismus. Wien – Fragen über Fragen hat die Bundeswettbewerbsbehörde an Österreichs Medienhäuser und Onlineplattformen: Mit welchen Adblockern sind sie konfrontiert, wie viele User verwenden solche Werbebremsen – und wie viel Werbegeld entgeht Onlinemedien da, die sich ja größtenteils aus Werbung finanzieren? Die Wiener Wettbewerbsbehörde untersucht nach Beschwerden die Praktiken von Werbeblockern. Derzeit mit einer großen Marktbefragung – den Aufwand treibt die Behörde meist, wenn sie Sinn in einem formellen Verfahren sieht. Im STANDARD-Interview sagte Behördenchef Theodor Thanner schon 2014: „Konkret geht es hier um den Verdacht, dass Google in Zusammenarbeit mit Softwareunternehmen ein Geschäftsmodell entwickelt habe, wonach Google trotz installiertem Werbeblocker Werbung ungefiltert an die User bringen kann, während das anderen Medienunternehmen verwehrt bleibt. Es besteht daher der Verdacht, dass andere Unternehmen dadurch massiv beeinträchtigt werden, mit wirtschaftlichen Einbußen.“ Um welche Dimensionen es geht, umreißt eine Studie über blockierte Werbung und ihren Wert. Die irische Softwarefirma Pagefair erstellt sie mit Adobe und Eigeninteresse: Geschäftsgrundlage ist die Messung, wie viele User einer Seite blocken Nun besteht die Möglichkeit Werbung nach Native-Advertising-Prinzipien zu schalten. Die Flomarkt App Shpock aus Österreich kann mit etwa zehn Millionen User und einer Milliarde Seitenaufrufe – Mitte August – aufwarten. Nun schlossen die Gründer Armin Strbac und Katharina Klausberger die zweite Testphase der Werbevermarktung ab, berichtet das Branchenmedium atmedia.at. Jetzt besteht die Möglichkeit, Werbung innerhalb der App zu schalten. Die Einbindung der Anzeigen findet dabei nach Native-Advertising-Prinzipien statt. Heißt, die Werbeanzeigen sehen wie bestehende Flohmarktangebote aus. Plattform verspricht "die besten Geschichten von Frauen aus der ganzen Welt". Jetzt müssen nur noch die Leser daran glauben. Wien/Berlin – Ein Interview mit Palästinas einziger Bierbrauerin oder eine Geschichte über die schwierige Situation von Homosexuellen in Weißrussland. Das sind Beispiele für Themen, die Pauline Tillmann mit dem Onlinemagazin Deine Korrespondentin forcieren möchte. Wir wollen interessante Frauen auf der ganzen Welt vorstellen, sagt die 32-Jährige zum STANDARD. Mit dem Ziel, sie sichtbarer zu machen. Deine Korrespondentin ist eine Plattform, die von derzeit acht Korrespondentinnen gefüttert wird. Im Schnitt wird jede Woche ein Artikel veröffentlicht – etwa aus Indien, Afrika oder dem Nahen Osten. Tillmann greift dabei auf Journalistinnen zurück, die meist als Freie für verschiedene Medien arbeiten. Für einen Artikel winken 100 Euro. Bei ihr hätten jene kantigen Themen Platz, die andere Medien ignorierten. Bevor Tillmann das Portal gründete, war sie von 2011 bis Anfang 2015 selbst als Auslandskorrespondentin tätig. Stationiert in St. Petersburg, belieferte sie die ARD mit Reportagen und Radio-Features aus Russland und der Ukraine. Also aus einer Region, in der einem eigentlich nicht so schnell fad wird. Und dennoch: Tillmann wollte nicht nur als Journalistin gestalten, sondern als Medienmacherin dirigieren. Initialzündung war eine dreimonatige Recherchereise in den USA. Thema: die Zukunft des Journalismus. Ein weites Feld, zur Ernte bereit. Medien seien im Wandel: Jetzt ist die Pionierzeit, und da wollte ich dabei sein. Die Grundfinanzierung für ihr Portal schaffte sie im März via Crowdfunding. Weil aber 6500 Euro alleine noch keine monatelangen Löhne garantieren, setzte sie im Sommer auf ein Abomodell. Dem Plan, fünf Euro pro Monat zu verlangen, folgte schnell die Ernüchterung. Gerade einmal zehn Abos standen zu Buche. Viel zu wenig, um ein Geschäftsmodell zu etablieren und Grund genug, um zurückzurudern. Mit heute, Donnerstag, fällt die Bezahlschranke. Alle Artikel sind wieder frei verfügbar: Ich habe gedacht, dass in Deutschland die Zeit reif ist für Paid Content, resümiert sie, aber das ist nicht der Fall . Es gebe noch zu viele gute Inhalte im Internet, die frei seien. Ans Aufgeben denkt Tillmann nicht, ganz im Gegenteil: Wir müssen zuerst bekannter werden und versuchen es vielleicht in ein, zwei Jahren wieder mit einem Abomodell. Immerhin ist ihr Projekt schon so bekannt, dass es das Interesse von Investoren weckt. Für einen Anteil von fünf Prozent am Unternehmen erhält Tillmann 12.000 Euro. Teil des Deals ist die Aufnahme in ein Mentoring-Programm und ein Platz in einem Gemeinschaftsbüro. Neben Investoren möchte sie noch Stiftungsgelder anzapfen, Veranstaltungen organisieren und Kooperationen anleiern. Regionalzeitungen könnten etwa Deine Korrespondentin-Artikel kaufen. Ihr Motto: nicht jammern, tun: In Deutschland wird viel geredet. Von Helmut Schmidt, über Häupl und Faymann, Peter McDonald und Karl-Heinz Grasser bis hin zum Kaffeehausbesuch mit Van der Bellen hatte Cremer schon einige Bekanntheiten vor der Linse. Ist doch echt ein hübsches Bild geworden, titelt STANDARD-Fotograf Matthias Cremer seinen ersten Blogeintrag 2005. Am 21. November 2005 stellte ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch den neuen Bawag-Chef Ewald Nowotny vor. Auf derStandard.at/Photoblog zeigt Cremer seither ausgewählte Ereignisse. Fortsetzung folgt! Chinesische Online-Handelsplattform kauft 112 Jahre altes Zeitungshaus. Hongkong – Der chinesische Internetkonzern Alibaba bezahlt 2,06 Milliarden Hongkong-Dollar (242,7 Millionen Euro) für die Hongkonger Traditionszeitung South China Morning Post. Die weltgrößte Online-Handelsplattform übernehme dafür das gesamte Mediengeschäft, berichtete die Zeitung am Montag. Der Kauf des 112 Jahre alten Zeitungshauses weckt Sorgen über die Unabhängigkeit des Blattes, das bisher als kritisches Fenster zu China gilt. Die neuen Besitzer beteuern zwar, die Unabhängigkeit wahren zu wollen, wünschen sich aber eine andere Berichterstattung als in westlichen Medien. Alibaba-Vizechef Joseph Tsai kritisierte Medien, die China durch eine besondere Brille sehen. Viele Journalisten, die für westliche Medien arbeiten, dürften mit dem Regierungssystem in China nicht übereinstimmen und das färbt ihren Blickwinkel der Berichterstattung, sagte Tsai. Wir sehen die Dinge anders. Er beschrieb die Perspektive von Alibaba als neuem Eigentümer so: China ist wichtig. China ist eine aufsteigende Wirtschaft. Es ist die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt. Die Welt solle mehr über China erfahren. Die Berichterstattung sollte ausgewogen und fair sein, sagte Tsai in einem Interview der South China Morning Post. Seite will Abonnements für 3,99 Euro im Monat anbieten. Berlin – Am Mittwoch soll die neue Website von Stefan Niggemeier und Boris Rosenkranz starten: Übermedien.de heißt der neue Blog, der sich mit Medienkritik befassen soll. Nach stefan-niggemeier.de und dem Bildblog solle mit der neuen Seite auch gezielt Geld verdient werden, um davon leben zu können, sagte Niggemeier dem Branchenmedium dwdl.de. Es wird Abonnements um 3,99 Euro im Monat geben, trotzdem sollen nicht alle Inhalte hinter einer Paywall verschwinden: Auf jeden Fall wird das Archiv kostenlos sein. Bei den Öffentlich-Rechtlichen werden Inhalte nach sieben Tagen depubliziert, bei uns frei zugänglich, kündigt Niggemeier an. Niggemeiers Tätigkeit wird sich kaum ändern: Er will in seinem Themenbereich bleiben und auf übermedien.de kontinuierliche, vielfältige, tollere Medienkritik anbieten. Aber auch Empfehlungen sollen ausgesprochen werden: Beispielhafte Zeitungsartikel, gute Fernsehsendungen oder interessante Youtube-Videos. Wir wollen nicht nur einen Tunnelblick haben auf das, was misslungen ist. Debatte über die Zukunft des Fernsehens bei Digitalkonferenz: Netflix und Youtube als Konkurrenz. ZDF-Anchorman Claus Kleber outete sich zu Beginn seines Interviews auf der Münchner Digitalkonferenz DLD als Netflix-Kunde seit 1998. Damals war er Korrespondent in den USA. Heute sieht er sich als Beute und seinen Interviewpartner als Raubtier. Denn Netflix-Gründer Reed Hastings stehe mit seinem Streaming-Dienst dafür, Fernsehen, wie er es mache, zu vertreiben. Auf die Frage, ob es künftig überhaupt noch Platz gebe für lineare Medien, antwortet Hastings: Es gibt immer eine Tendenz, die Vergangenheit zu romantisieren. Jede neue Technologie bringe Bereicherungen und Verluste. Zwar produzierten die meisten Sender immer noch lineares Fernsehen und stellten ihre Inhalte dann ins Netz, allerdings gelte heutzutage: Wer eine Website produzieren könne, der könne auch ein TV-Netzwerk haben. Erst vor wenigen Tagen wurde Netflix in 130 weiteren Ländern freigeschaltet, sodass der Streamingdienst nun in 190 Staaten verfügbar ist. Auf Klebers Frage, wann es so weit sei, dass auch China dazukomme, räumte Hastings ein, er könne dies nicht einschätzen. Apple hat sechs Jahre gebraucht, um das iPhone dort auf den Markt bringen zu dürfen.Außerdem gebe es Verständnisprobleme, erzählte Hastings schmunzelnd. Chinesische Blogger dachten, dass es sich bei der Politserie House of Cards um eine Dokumentation handle. Wie Hastings im Gespräch mit Journalisten am Rande der Konferenz ausführte, werde sich Netflix weiterhin auf Filme und Serien konzentrieren. Er sieht Netflix nicht als Konkurrenz zu lokalen Angeboten. Netflix bemühe sich, Inhalte für ein globales Publikum zu produzieren. Der Onlinedienst will jedoch noch heuer eine erste TV-Serie aus dem deutschsprachigen Raum ins Programm nehmen, aber man habe noch nicht das Richtige gefunden. In Europa filmt Netflix bisher nur die Krimiserie Marseille in Frankreich. Dass Netflix, wie jüngst angekündigt, nun Inhalte regional begrenzen müsse, tut Hastings nach eigenem Bekunden leid. Das Vorgehen gegen VPN-Dienste und Proxy-Server gehe auf Druck von Rechteinhabern zurück. Nach seinen Zielen gefragt, nannte Hastings die Nutzerzahlen von Youtube: Netflix habe 70 Millionen Mitglieder, Youtube nutzten mehr als eine Milliarde jeden Monat. Robert Kyncl, der unmittelbar nach Hastings sprach, ergänzte: 82 Prozent der Youtube-Nutzer seien außerhalb der USA, jede Minute werden rund 400 Stunden an Videomaterial hochgeladen. Youtube habe auch rund 20 Millionen Content-Partner, mit denen man Inhalte gemeinsam monetarisiere, sagte der für Inhalte und Geschäftsmodelle verantwortliche Manager. Aber anders als Hastings sieht er Dienste wie Netflix und Youtube als Ergänzung. Das traditionelle Fernsehen hat bisher kaum Seher verloren. Seine Sicht: Raubtier und Beute friedlich nebeneinander. Eine ziemlich überraschende Mitteilung machte Whatsapp-Chef Jan Koum. Er kündigte bei der DLD in München an, dass der Messaging-Dienst künftig komplett auf Gebühren verzichtet. Damit wird der beliebteste Messenger der Welt kostenlos. Im Augenblick fallen 0,89 Euro nach zwölf Monaten Nutzung an. Das Bezahlmodell habe nicht gut funktioniert, räumte der Gründer und Firmenchef ein. Viele Nutzer der App besäßen keine Bank- oder Kreditkarten und hätten Sorge, nach einem Jahr den Kontakt zu Freunden zu verlieren. Die Bezahlfunktion wird daher im Laufe der kommenden Wochen aus allen Apps verschwinden. Koum betonte, dass Whatsapp dennoch weiterhin keine Werbung schalten werde und kündigte gleichzeitig den Ausbau des Angebots mit Hilfe von Facebook an, das die Firma 2014 für 22 Milliarden Dollar übernommen habe. Dieses Jahr wolle man sich vor allem darum kümmern, wie der Dienst für Unternehmen interessanter gestaltet werden könne. Verschiedene Wege würden derzeit getestet. So sei vorstellbar, dass jemand mit seiner Bank über Whatsapp kommuniziere, wenn eine verdächtige Kontobewegung festgestellt werde. Whatsapp zählt weltweit fast eine Milliarde Nutzer. Für die in der Kritik stehende Yahoo-Chefin Mayer ist die Entscheidung ein weiterer Rückschlag. Sunnyvale – Der kriselnde Internetkonzern Yahoo schafft sieben seiner elf Digital-Magazine ab. Betroffen seien Yahoo Food, Yahoo Health und Yahoo Parenting sowie Yahoo Makers, Yahoo Travel, Yahoo Autos und Yahoo Real Estate, teilte Chefredakteurin Martha Nelson am Mittwoch im zum Konzern gehörenden Blog Tumblr mit. Wir wollen uns auf die vier erfolgreichsten Bereiche konzentrieren – News, Sport, Finanzen und Lifestyle. Für die in der Kritik stehende Yahoo-Chefin Marissa Mayer ist die Entscheidung ein weiterer Rückschlag – die Medien-Offensive, für die auch einige hochkarätige Journalisten verpflichtet wurden, ging maßgeblich von ihr aus. Was die Schließungen für die Mitarbeiter bedeuten, blieb zunächst unklar. Yahoo hatte Anfang Februar angekündigt, 15 Prozent seiner Belegschaft abzubauen. Das einst bei Nutzern beliebte Internet-Urgestein hat den Anschluss an Wettbewerber wie Facebook verloren und steckt seit Jahren tief in der Krise. Einflussreiche Großinvestoren wie der New Yorker Hedgefonds Starboard Value fordern bereits Mayers Rücktritt. Die 2012 von Google gekommene Top-Managerin versucht indes, das Steuer mit radikalen Maßnahmen herumzureißen. Sie will unter anderem Konzernanteile für bis zu drei Milliarden Dollar abstoßen. Stadler gewinnt in Kategorie Medienmacher, weitere Kategoriengewinner: Benjamin Ruschin, Johanna Holzer, Niklas Wiesauer, Michael Heugl und Marcus Mandl. Wien – Die User des Branchenportals Werbeplanung.at und die Leser von update haben auch dieses Jahr ihre Stimmen bei der Wahl der Onliner des Jahres abgegeben. 60 Personen aus der österreichischen Digitalbranche standen zur Auswahl. Die Kategorie Medienmacher gewann Lisa Stadler, Social-Media- und Community-Managerin bei derStandard.at. Marcus Mandl, Geschäftsführer und Gründer der Agentur Third Man, wurde zum Onliner des Jahres in der Kategorie Agenturen gewählt. Johanna Holzer, Social-Media-Verantwortliche bei Ikea Austria, ist Onlinerin des Jahres in der Kategorie Auftraggeber. Michael Heugl, Client Service Director beim Vermarkter Httpool, gewinnt bei den Vermarktern. Niklas Wiesauer, Manager Team Invention bei der Mediaagentur Mindshare, wurde zum Onliner des Jahres in der Kategorie Aufsteiger gewählt. Benjamin Ruschin, Gründer und Geschäftsführer der Agentur Vienna Digital sowie Gründer der Community-Netzwerke WeAreDevelopers, Manageers und Marketeers, ist zum Onliner des Jahres in der Kategorie Innovatoren. Mitte Juni findet die GEN-Summit mit mehr als 600 Medienexperten in Wien statt. Mit dabei ist Spieleentwickler Marcus Bösch. STANDARD: Was ist ein Newsgame? Bösch: Ein Newsgame ist ein Spiel, das im Kontext Journalismus eingesetzt wird und – wie andere journalistische Formate – sich manchmal mehr und manchmal weniger dazu eignet, Sachverhalte zu erklären und Meinungen zu transportieren. STANDARD: Ist das nur eine Ergänzung oder eine neue Art der Berichterstattung? Bösch: Letztlich können News games etwas, was traditionelle Medien nicht können: Sie sind interaktiv und perfekt geeignet für moderne Ausspielwege – also ein moderner Zugang, bei dem noch ganz viel passieren wird. Das Interaktive und das Spielerische werden in zahlreichen zukünftigen journalistischen Produkten stattfinden. STANDARD: Nehmen User eine interaktive Berichterstattung eher an? Bösch: Bisher gibt es keine groß angelegte Studie zu dem Thema. Es gab kleinere Feldversuche: Ein Akademiker in den USA – der den Podcast The Brainy Gamer betreibt – hat seine Studierenden in drei Gruppen geteilt und sie den gleichen Sachverhalt mit einer Reportage, einer Datenvisualisierung und einem Spiel erfahren lassen. Nach mehreren Wochen hat er die Gruppen zu Details befragt, und die Spiel-Gruppe konnte sich am besten daran erinnern, weil sie eben eine eigene interaktive Erfahrung gemacht hat, und die ist nachhaltiger als das reine lineare Aufnehmen von Inhalten. Man lernt Fahrradfahren ja auch nicht durch das Lesen eines Buches darüber. STANDARD: Kosten für ein Game? Bösch: Das kommt darauf an, was man haben will. Ein einfaches Newsgame kostet ungefähr so viel wie eine Minute Tatort in der Produktion, also etwa 15.000 Euro. STANDARD: Kann man Newsgames auch für Werbezwecke nutzen? Bösch: Ein großer Vorteil von Newsgames ist, dass sie gespielt werden wollen und Nutzer damit länger auf der Seite halten. Solange Nutzer in diesem Spiel sind, kann sicherlich auch Werbung eingesetzt werden. Damit wird im Bereich Games verhältnismäßig viel experimentiert. Es gibt beispielsweise Spiele, bei denen sich der User zwischen den Levels Werbung anschauen muss, um Vorteile im Spiel zu erhalten. Damit wird die Werbung positiv konnotiert. STANDARD: Sie betreiben seit 2009 Mobile Journalism, ist das mittlerweile nicht schon Standard? Bösch: Für mich persönlich ist das schon lange Standard. Für die Tagesschau habe ich damals mobile Videoexperimente gemacht – das liegt sieben Jahre zurück. Jetzt ist das Mobilgerät aus keiner Redaktion wegzudenken. Ich erlebe allerdings in meinen Seminaren, dass die Ergebnisse trotzdem nicht immer journalistischem Qualitätsstandard entsprechen. STANDARD: Kann sich Mobile Journalism noch steigern? Bösch: Es gibt schon seit einigen Jahren Leute, die sagen, das Smartphone sei technologisch auserzählt. Was man natürlich immer machen kann, ist, die Qualität zu verbessern. Auch Virtual-Reality-Anwendungen weisen noch einen spannenden Weg. Das wird der erste Schritt sein, um danach journalistische Formate in einer Augmented oder Mixed Reality anzubieten. Posting "stammt sicher nicht von uns. Das hat wer hinaufgestellt, das kommt immer wieder vor". Graz - Auf Facebook kursiert eine Fotomontage, die syrische Kriegsflüchtlinge verunglimpft, wie die Kleine Zeitung-Online am Dienstagnachmittag berichtete. Ein Südsteirer soll das Bild ins Netz gestellt haben, von der FPÖ des Stadtbezirks Graz-Liebenau wurde es am 23. Mai, acht Tage vor der Landtagswahl, geteilt. Der Grazer Stadtrat und Stadtparteichef Mario Eustacchio distanzierte sich von der Aktion. Das Foto zeigt vier Männer mit Handyfotos ihrer Kinder und einem kleinen Plakat mit dem Text Wir machen uns Sorgen um unsere Kinder im Krieg in Syrien. In dem Posting wurde das Foto mit dem Text: Ach... Sorgen macht ihr euch um eure Kinder? Dann hab ich nur mal eine Frage... Warum seid ihr feigen Dreckschweine denn ohne sie abgehauen? kommentiert. Dem Screenshot von Kleine-Online zufolge wurde das Posting über den Facebook-Account FPÖ Graz-Liebenau geteilt. Dem Medium zufolge sagte der stellvertretende Bezirksvorsteher der FPÖ in Graz-Liebenau, das Posting stammt sicher nicht von uns. Das hat wer hinaufgestellt, das kommt immer wieder vor. Günter Wagner, Obmann der FPÖ in Liebenau, betont, er habe dieses Foto sicher nicht geteilt. Auch habe er die Facebook-Seite der Partei nicht immer im Auge. Stadtrat Mario Eustacchio unterstrich, er sei nicht für jedes Posting verantwortlich. Dieses Posting sei keinesfalls die Meinung der FPÖ. FPÖ-Bezirkstruppe sorgt für Eklat http://t.co/8yo0o5fwpW pic.twitter.com/CnXOO7VIIe Auf der Facebook-Seite scheint das Bild nicht mehr auf. Über den - nicht sehr aktiven - Account wurden zuletzt Inhalte der FPÖ Steiermark geteilt, u.a. auch ein Danke-Posting von Landtagswahl-Spitzenkandidat Mario Kunasek, aber auch Inhalte von unzensuriert.at und eine Asyl-Zeichnung, geteilt von einer niederösterreichischen FPÖ-Funktionärin. Auch ein Youtube-Video über den steirischen Spitzenkandidaten des Team Stronach, Josef Kaltenegger, ist hier verlinkt. 55 Prozent des Umsatzes – Zunächst Test. Menlo Park – Facebook nimmt das Geschäft der Videoplattform YouTube ins Visier. Das weltgrößte Online-Netzwerk teilt zunächst testweise die Werbeerlöse bei einigen Videos mit den Autoren. Anfangs gilt das nur für ein Experiment mit vorgeschlagenen Videos, die Nutzern auf Basis der bisher angesehenen Clips vorgeschlagen werden, wie Facebook am späten Mittwoch ankündigte. Da die Produzenten der Videos 55 Prozent vom Umsatz bekommen sollen, könnte das mehr neue Inhalte auf die Facebook-Plattform anlocken. Facebook wird inzwischen vor allem auf mobilen Geräten genutzt. Für den Test arbeitet das Online-Netzwerk mit mehreren Medienunternehmen zusammen. Facebook hat rund 1,4 Milliarden aktive Mitglieder, die Google-Tochter YouTube ist die weltweit führende Videoplattform mit ebenfalls mehr als einer Milliarde Nutzer. Das Teilen der Werbeeinnahmen erlaubt es Autoren von Videos, ein Geschäft mit Hilfe der Plattformen aufzubauen. Bald soll die Social Media Plattform wieder verändert werden: Artikel von Partnern sollen in kompletter Länge im Newsfeed angezeigt werden. Menlo Park (Kalifornien)/Wien - Noch dieses Monat soll auf Facebook die Funktion Instant Articles eingeführt werden. Demnach ist es dann - für große Partner wie die New York Times, Buzzfeed und National Geographic - möglich die eigenen Artikel und Videos in voller Länge, in den Neuigkeiten der User, anzeigen zu lassen. Die kompletten Werbeeinnahmen, die durch diese Funktion erzielt werden, können die Partner behalten. Somit wird Facebook durch diese Funktion vorerst keine Einnahmen erzielen. Die Social Media Plattform rechnet allerdings damit, die Verweildauer auf ihrem Medium erhöhen zu können, was dem Unternehmen wiederum steigenden Marktwert bringt. Studie: Fast die Hälfte der US-Bürger bezieht News aus dem Netzwerk. Menlo Park/Washington – Facebook ist für nahezu die Hälfte der US-Bürger im Erwachsenenalter inzwischen eine wesentliche Quelle für Nachrichten. Wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des US-Instituts Pew hervorgeht, beziehen 66 Prozent der erwachsenen Facebook-Nutzer auch Nachrichteninhalte aus dem sozialen Netzwerk. Da Facebook wiederum rund zwei Drittel sämtlicher US-Bürger im Erwachsenenalter erreiche, bedeute dies, dass das Netzwerk insgesamt 44 Prozent mit Nachrichten beliefere. Das Unternehmen steht derzeit wegen des Zuschnitts seines Nachrichtenangebots in den USA wie berichtet in der Kritik. Ausgelöst worden war die Debatte durch einen Bericht des Nachrichtenportals Gizmodo, wonach Facebook seine Rubrik Nachrichtentrends (Trending Topics) zu Ungunsten konservativer Politiker und Inhalte manipuliert haben soll. Daraufhin schaltete sich der republikanische Senator John Thune ein und verlangte von dem Unternehmen Aufklärung. In der vergangenen Woche teilte Facebook dann mit, eine interne Untersuchung habe keinerlei Hinweise auf systematische Nachrichten-Manipulationen ergeben. Einzelne oder unbeabsichtigte Verstöße gegen die Facebook-Richtlinien könnten allerdings nicht ausgeschlossen werden. Daher sollten die Richtlinien klarer formuliert und die für die Auswahl Verantwortlichen stärker kontrolliert werden, kündigte der Leiter der Facebook-Rechtsabteilung, Colin Stretch, an. Laut der Studie des Pew Research Center hat generell die Nutzung von Online-Netzwerken als Nachrichtenquelle in den vergangenen Jahren in den USA stark zugenommen. Demnach beziehen 62 Prozent der Erwachsenen Nachrichteninhalte von Facebook, Twitter, Reddit oder anderen Netzwerken, vor vier Jahren waren es noch 49 Prozent. Es gibt allerdings Unterschiede im Nutzerverhalten zwischen den verschiedenen Netzwerken, wenn es um Nachrichten geht. Laut der Pew-Studie stoßen die Nutzer von Facebook wie auch die von Instagram oder YouTube häufiger eher durch Zufall auf die Nachrichten-Inhalte, während sie online mit anderen Dingen beschäftigt sind. Unter den Nutzern von LinkedIn, Reddit und Twitter sind dagegen häufiger solche, die gezielt nach Nachrichten suchen. Rechtswissenschafter Forgo kritisiert Leistungsschutzrecht - "Es werden keine Einnahmen sprudeln" - Erwartet Auslistung österreichischer Medien bei Google. Wien - Kein gutes Haar am geplanten neuen Leistungsschutzrecht für Presseverlage lässt der Rechtswissenschafter Nikolaus Forgo. Man wird lange über dieses Gesetz streiten, es werden keine Einnahmen sprudeln, es wird die österreichischen Medienmarkt komplizierter machen und Google in seiner hohen Marktmacht stärken, meinte Forgo nach Analyse der Urheberrechtsgesetz-Novelle im Gespräch mit der APA. Der gebürtige Österreicher, der das Institut für Rechtsinformatik an der Leibniz Universität in Hannover leitet, hatte bereits im Vorjahr im Auftrag des Suchmaschinenbetreibers Google ein Gutachten zum Leistungsschutzrecht erstellt. Fazit: Eine Einführung in Österreich sei weder sachlich noch rechtlich begründet. Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ), der sich für ein modernes Leistungsschutzrecht stark macht, sprach damals von Schutzbehauptungen des Netz-Giganten in akademischem Gewand. Das geplante Leistungsschutzrecht sieht vor, dass Suchmaschinen und Newsaggregatoren künftig Entgelt zu entrichten haben, wenn sie Inhalte von Zeitungen oder Zeitschriften verwenden. Anders als in Deutschland sollen die Ansprüche und Vergütungen in Österreich über eine gemeinsame Verwertungsgesellschaft geltend gemacht werden, damit nicht einzelne Marktteilnehmer wegen des Drucks von Google & Co. ausscheren. Forgo sieht in der vorliegenden Novelle einen Sonderweg Österreichs, der wie in Deutschland und Spanien scheitern werde. Die Konzeption eines Leistungsschutzrechts hält er generell für verfehlt. Das ist der Versuch einer Förderung der Old Economy im Medienwesen, so der Rechtsinformatiker. Niemand zwingt Presseverleger, ihre Inhalte ins Internet zu stellen und für Suchmaschinenbetreiber auffindbar zu machen. Man kann das mit einem trivialen Befehl auf der Website abstellen. Tatsächlich gebe es seit 20 Jahren eine symbiotische Beziehung zwischen Suchmaschinen wie Google und Medien. Die Auffindbarkeit von Medieninhalten bringe für Medien Traffic und dieser bringe Werbeeinnahmen, erklärte Forgo. Es ist nicht plausibel, warum dieses System per se geändert werden soll. Schon die Präzedenzfälle in Deutschland und Spanien hätten nicht zu einer Steigerung der Einnahmensituation bei den Medienverlagen oder gar den Urhebern geführt. Erwartbare Reaktion sei die Verweigerung einer Lizenzvereinbarung. Niemand wird Google zu Lizenzverträgen zwingen können. Google wird wohl darauf verzichten, Lizenzverträge abzuschließen und österreichische Medien nicht mehr listen, glaubt Forgo. Der Gesetzestext sei darüber hinaus so unklar formuliert, dass er sich etwa nicht nur auf Google News, sondern auf Google generell beziehen könnte. Das heißt österreichische Medien könnten überhaupt bei Google rausfallen. Was das für den österreichischen Markt heißt, wo es jede Menge deutschsprachiger Angebote gibt, die nur einen Klick entfernt sind, muss ich ihnen nicht erklären. Rätselhaft ist für Forgo auch die vom Gesetzgeber vorgesehene Verwertungsgesellschaften-Pflicht beim Leistungsschutzrecht. Verwertungsgesellschaften brauche es ja nur dann, wenn individuelle Rechte schwer handhabbar sind, und das sei hier nicht der Fall. Für kleine Suchmaschinenbetreiber wäre das Gesetz im übrigen eine Erschwernis, was die hohe Marktmacht Googles erst recht stärke. Außerdem bleibe offen, was passiert, wenn ein Presseverleger sagt, ich möchte mein Leistungsschutzrecht nicht geltend machen. Der Rechtswissenschafter erwartet deshalb einen langen Streit um die geplante Suchmaschinen-Abgabe. Das wird nicht funktionieren, schon gar nicht in so einem kleinen Markt in Österreich. Erstaunt zeigte sich Forgo auch über den Zeitablauf der Urheberrechtsgesetz-Novelle. Der Entwurf wurde am 2. Juni abends verschickt, die Begutachtungsfrist endet am 12. Juni. Dazwischen liegen eine Feiertag und ein Fenstertag. Das sind fünf bis sechs Arbeitstage für einen komplizierten Entwurf mit einer weitreichenden Menge an Änderungen. Das ist sehr knapp. Mir ist nicht verständlich, warum jetzt diese Eile, zumal über diese Punkte ja seit Jahren gestritten wird, und es nicht so ist, dass da jetzt Konsens gefunden wurde. Jahrelang wurde das zerredet und dann plötzlich so ein Schnellschuss out of the blue. Leistungsschutz: Konzern droht, Google News in Österreich einzustellen - "Folgen für Verlage, Wirtschaft und Nutzer in Österreich". Wien/Mountain View – Der Internetkonzern und Suchmaschinenbetreiber Google warnt im Zusammenhang mit der in der Urheberrechtsgesetz-Novelle geplanten Einführung eines Leistungsschutzrechts für Presseverlage vor schwerwiegenden Folgen für das gesamte Internet in Österreich. Komme das Gesetz, werde Google News in Österreich einstellen, erklärten die Google-Manager in einem Mail an Österreichs Zeitungsverlage. Schon in Deutschland und Spanien führten ähnliche Gesetze zu erheblichen Verwerfungen - zum Schaden von Verbrauchern, Wirtschaft und insbesondere Verlagen. Der vorliegende Entwurf in Österreich geht nochmals darüber hinaus, heißt es in dem Schreiben. Man verfolge diese Entwicklung mit großer Sorge. Das Internet basiert auf dem Prinzip der Verlinkung. Nur mit Links können wir Webseiten über Suchmaschinen finden oder über soziale Netzwerke empfehlen. All dies funktioniert nur, wenn die Verlinkung frei ist. Das ist die Grundidee eines offenen Internets. Schon heute können Zeitungen und Zeitschriften bestimmen, ob ihre Artikel in der Suche oder Google News gelistet werden. Dabei liefern kurze Textausrisse (Snippets) oder Vorschaubilder (Thumbnails) den Kontext, damit Nutzer schnell auf die relevanten Seiten gelangen. Durch die permanente Weiterleitung von Lesern leistet Google einen erheblichen Beitrag zur Finanzierung der Verlage. Pro Monat leiten wir weltweit rund zehn Milliarden Klicks auf Seiten von Zeitungen, Zeitschriften und anderen Medien weiter. Gemäß einer in Kürze zu veröffentlichenden Studie ist jeder dieser Klicks zwischen sechs und zehn Cent wert. Daneben sorgt Google mit seinen Diensten für Werbung auf Verlagsseiten und schüttete im Jahr 2014 über zehn Milliarden US-Dollar an seine Partner aus. Das in Österreich geplante Leistungsschutzrecht greife laut Google in diese Grundprinzipien der Netzarchitektur ein. Das vorgeschlagene Gesetz würde uns keine andere Möglichkeit lassen, als Google News einzustellen und unsere Suchergebnisse entsprechend anzupassen, potenziell sogar bis hin zu einer (vollständigen) Entfernung von Ergebnissen. Wir würden entsprechende Eingriffe zutiefst bedauern, so Google. Unter den Folgen würde nicht nur Google leiden, sondern auch die Verbraucher in Österreich, die Hersteller von Zeitungen und Zeitschriften sowie das gesamte Internet in Österreich. Es wäre insbesondere schlecht für junge Unternehmen, die ihre Dienste ebenfalls auf dem Prinzip des offenen Netzes sowie freier Verlinkung von anderen Webseiten aufbauen. Google versteht das aber ausdrücklich nicht als Drohung: Wir möchten lediglich auf die Folgen hinweisen, die dieses Gesetz für Verlage, Wirtschaft und Nutzer in Österreich hätte. Unsere Haltung war immer, dass wir nicht für das Anzeigen von Suchergebnissen zahlen werden. Das ist auch heute noch der Fall, hieß es dazu von Google. Eine aktuelle Analyse der deutschen Bitkom zum deutschen Leistungsschutzrecht zeige laut Google 18 Monate nach dessen Inkrafttreten, dass das Leistungsschutzrecht zu einer Reduzierung der Meinungs- und Informationsfreiheit geführt habe. Leidtragende seien vor allem kleine und mittelständische Unternehmen sowie Start-ups. Eine Bezahlung für die Verlinkung von Webseiten ergebe jedenfalls keinen wirtschaftlichen Sinn. In Spanien mussten wir deshalb Google News sogar einstellen. Seitdem erhalten die Seiten von Verlagen dort deutlich weniger Internet-Traffic. Wir hoffen sehr, dass sich ein solches Szenario in Österreich vermeiden lässt. Einreichen können sowohl große Verlage als auch Einzelpersonen – Maximale Fördersumme liegt bei einer Million Euro. Wien/München – Die Digital News Initiative (DNI) von Google und europäischen Verlagshäusern hat den mit 150 Millionen Euro ausgestattete Innovationsfonds für Bewerbungen geöffnet. Um Fördermittel können sich nicht nur Verlage bewerben. Er stehe jedem in Europa offen, der im Nachrichtengeschäft tätig ist und ein innovatives, digitales Projekt verfolgt, so Google-Manager und Projektleiter Ludovic Blecher. Die erste Bewerbungsrunde endet am 4. Dezember 2015. Erste Fördergelder soll es Anfang 2016 geben. In Österreich haben bereits mehr als 40 Medien und Institutionen Interesse an einer Mitarbeit an der DNI angekündigt. Dazu gehören laut Google etwa die Kronen Zeitung, Heute, oe24.at, der Kurier oder die Vorarlberger Russmedia. Der ORF und der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) hatten in der Vergangenheit harsche Kritik an dem Projekt geäußert. Der VÖZ plädiert dafür, dass Google auf Basis eines Leistungsschutzrechts für Verlage Lizenzgebühren für Verlagsinhalte zahlt. Google lehnt eine solche entgeltpflichtige Nutzung der Presseinhalte auf seinen Seiten jedoch ab. Beim Google-Innovationsfonds werden drei unterschiedliche Projektklassen gefördert. Für Prototyp-Projekte von Organisationen und Einzelpersonen stehen bis zu 50.000 Euro zur Verfügung. Bei mittelgroßen Projekten mit einem Finanzierungsbedarf von bis zu 300.000 Euro will Google Anträge von bis zu 70 Prozent der Gesamtkosten des Projekts annehmen. Und auch bei Großprojekten von über 300.000 Euro beträgt die Förderquote maximal 70 Prozent. Die Obergrenze der Finanzierung liegt in der Regel bei einer Million Euro. Allerdings können gemeinschaftliche Projekte, an denen beispielsweise mehrere Organisationen beteiligt sind, mehr als eine Millionen Euro erhalten. Die Ausnahme gilt auch für Großprojekte, die dem allgemeinen Nachrichten-Ökosystem einen wirklich signifikanten Mehrwert bringen. Über die Auswahl der Projekte wacht ein Expertenrat, dem unter anderem der Österreicher Veit Dengler, CEO bzw. Vorstandschef der Mediengruppe Neue Zürcher Zeitung, sowie die scheidende Spiegel-Online-Geschäftsführerin Katharina Borchert angehören, die zu Mozilla nach San Francisco wechselt. Die DNI ist eine Initiative von Google mit europäischen Medienhäusern, um ein nachhaltigeres Ökosystem für Nachrichten und Innovationen im digitalen Journalismus zu fördern. Große Google-Partner sind dabei Les Echos (Frankreich), die Frankfurter Allgemeine Zeitung (Deutschland), The Financial Times (Großbritannien), The Guardian (Großbritannien), NRC (Niederlande), La Stampa (Italien), Die Zeit (Deutschland), El Pais (Spanien), Global Editors Network (GEN), the International News Media Association (INMA) und European Journalism Centre (EJC). Der Film "Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny" ist ab Freitag abrufbar. Los Gatos / Wien – Schwertkämpfer und exotische Ninjas, die auf Baumwipfeln gegeneinander kämpfen: Der mehrfach preisgekrönte chinesisch-taiwanische Blockbuster Tiger and Dragon aus dem Jahr 2000 mit Chow Yun-Fat (Anna und der König) bildet die Vorgeschichte für den Martial-Arts-Film Crouching Tiger, Hidden Dragon: Sword of Destiny, der ab Freitag auf Netflix abrufbar ist. Die Regie im zweiten Teil von Tiger and Dragon übernimmt allerdings nicht mehr Ang Lee (Brokeback Mountain, Life of Pi), sondern Yuen Woo-ping. Er hatte schon 1978 den leichtfüßigen Jackie Chan zum Drunken Master (Sie nannten ihn Knochenbrecher) transformiert. Die Geschichte der Netflix-Produktion entführt den Zuschauer in eine mystische Zeit, in der die Gravitation anderen Regeln zu folgen scheint: balancierend auf der Spitze eines Schwertes ausharren, von Baum zu Baum gleiten, mal eben drei Meter hoch springen. Fans, die der charakteristischen Kampfkunst aus chinesischer Literatur und Film – genannt Wǔxiá – verfallen sind, können sich auf die Fortsetzung der Geschichte um das Grüne Schwert der Unterwelt freuen. Die weibliche Hauptrolle der Kriegerin Yu Xiu Lian übernimmt abermals die malaysische Schauspielerin Michelle Yeoh (Die Geisha). Die Handlung beginnt etwa 17 Jahre nach dem Tod ihres Geliebten Li Mu Bai (Chow Yun-Fat), dessen mächtiges Schwert es immer noch zu beschützen gilt. Denn der böse Kriegsherr Hades Dei (Jason Scott Lee) setzt alles daran, es zu bekommen. Das Spin-off der US-Sitcom startet am Freitag mit 13 Folgen. Los Gatos / Wien – Pure Nostalgie stellt sich ein, wenn die Titelmelodie zu Full House ertönt und die glückliche Familie Tanner auf einer Wiese in San Francisco zusammen ihren Picknickkorb auspackt. Der Wiedereinstieg in die Welt der Tanners erfolgt sanft mit dem vertrauten Vorspann, den einige TV-Zuschauer vielleicht noch aus den Jahren 1987 bis 1995 kennen. Das Spin-off der US-amerikanischen Sitcom verlangte nur eine kleine Komparation und nennt sich nun Fuller House. Die 13 neuen Episoden starten am Freitag auf Netflix. Zwanzig Jahre sind vergangen, seit die damaligen Jungstars Candace Cameron (D. J.), Jodie Sweetin (Stephanie) und Ashley sowie Mary-Kate Olsen (Michelle) ihre letzte Folge des damaligen Serienhits abgedreht haben. Nun sind sie erwachsen geworden und dominieren die Neuauflage – ausgenommen die Olsen-Zwillinge, die inzwischen ihr eigenes Imperium durch Selbstvermarktung aufgebaut haben und auf eine Rolle in Fuller House verzichteten. Drehbuchautor, Produzent und Serienschöpfer Jeff Franklin konzentriert sich beim Spin-off vor allem auf die jüngere Generation und wickelt die Handlung der Serie um das aktuelle Leben der Tanner-Töchter: Im Grunde haben wir das Konzept einfach umgedreht: ‚Lasst uns drei Frauen nehmen, die drei Jungs großziehen, statt drei Männer, die sich um drei kleine Mädchen kümmern‘, erklärt Franklin. Die frühere Nachbarin und beste Freundin der ältesten Tochter Kimmy Gibbler erhält in ihrer Rolle eine Aufwertung und darf nun als Hauptfigur in das alte Haus der Familie mit einziehen, um das Frauentrio komplett zu bekommen. Was den Vater Danny (Bob Saget) und die beiden Onkel Jesse und Joey (John Stamos, Dave Coulier) betrifft, ziehen sie sich mit der ersten Episode aus dem Leben der Kinder zurück und sind nur noch gelegentlich in Gastauftritten zu sehen. Um der Serie eine politische Note und Aktualität zu verpassen, sticheln einige Gags gegen den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump, der auch in The Tonight Show von Jimmy Fallon zusammen mit dem Fuller House-Cast ordentlich gefoppt wird: Im alten Kinderzimmer von Michelle versammelt sich die Familie, um Trump zu trösten, da dieser nicht schlafen kann, und beweisen mitunter viel Selbstironie bezüglich ihres Spin-offs. Die durchschnittliche derStandard.at-Session liegt bei 8:10, die des ORF.at bei 7:30. UPDATE 10.6., Abend: Die ursprünglich hier veröffentlichten Daten waren leider fehlerhaft, wie von @PaulTikal und Talon gemeldet. Danke dafür. Wir können uns den Fehler selbst nicht ganz erklären, bedauern ihn aber sehr. (fin) Hier die korrigierte Fassung: Der Blick auf die Usetime zeigt: der durchschnittliche derStandard.at-Benutzer verbringt etwa 8 Minuten und 10 Sekunden (April: 8:00) auf der Seite, während die durchschnittliche ORF.at-Leserin 7:28 Minuten (April: 7:29) beschäftigt wird. Mit dietagespresse.com ist seit Juni 2014 eine auf Social Media-Kanälen sehr erfolgreiche, Österreichische Satireplattform in den ÖWA-Messungen vertreten. Der Einstieg war beeindruckend: damals erreichte die Seite mehr Visits als zum Beispiel Format.at, Profil.at und Futurezone.at. Die gute Performance des Einstiegs konnte die Seite nicht ganz halten: im Mai 2015 liegt sie nur vor zwei anderen Medien in unserer Medienauswahl. Allerdings hat die Satireseite stark unterschiedliche Zugriffszahlen: im November 2014 erreichte sie einen Peak, der sie vor Vienna Online und das Wirtschaftsblatt brachte. Laut Angaben der Tagespresse hatte das mit dem Artikel Aufnahmebestätigung der Kunst-Uni erst jetzt an Adolf Hitler zugestellt zu tun, der 1,2 Millionen mal angeklickt wurde. Zwei Millionen mehr als vor einem Jahr. Wien – Die Österreichische Web-Analyse (ÖWA) weist derStandard.at (als Dachangebot) im Juli 22,25 Millionen Visits aus. Das sind mehr als zwei Millionen mehr als im Juli 2014. Die ÖWA weist derStandard.at mehr als 6,8 Millionen Unique Clients und gut 93 Millionen Page-Impressions aus. Das größte österreichische Medienangebot ist der ORF mit fast 65,5 Millionen Visits im Juli. oe24.at kommt im Juli auf fast 16,6 Millionen Visits, die Onlinemedien des Kurier auf neun Millionen Visits, News Networld auf knapp acht und die Heute-Plattformen auf gut 7,6 Millionen Visits – alle Werte in der Kategorie Dachangebot. Unter den Einzelangeboten kommt derStandard.at auf 21,86 Millionen Visits, krone.at auf rund 17,54 Millionen, kleinezeitung.at auf rund 9,65 und diepresse.com auf fast 8,1 Millionen. kurier.at liegt hier bei 6,8 Millionen, heute.at bei fast 3,7. Plus bei allen Messwerten im Vergleich zum Vorjahr. Wien – Die Österreichische Webanalyse (ÖWA) weist dem Dachangebot derStandard.at im August 22,03 Millionen Visits aus. Dies ist eine Steigerung um 17,67 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die ÖWA ermittelte 4,7 Millionen Unique Clients und rund 94 Millionen Page-Impressions. Unter den Einzelangeboten kommt derStandard.at auf 21,6 Millionen Visits und eine Verweildauer von fast drei Millionen Stunden. Auf Platz zwei befindet sich krone.at mit 16,6 Millionen Visits und 1,7 Millionen Stunden. Die Onlineportale vol.at, kleinezeitung.at und diepresse.com konnten mit 806.763, 787.952 und 647.966 Stunden aufwarten. Das größte österreichische Gesamtmedienangebot war im August der ORF mit fast 64,3 Millionen Visits und 8,2 Millionen Stunden Verweildauer. Das Dachangebot der Styria Digital One erreichte 30,2 Millionen Besuche und eine Verweildauer von 2,3 Millionen Stunden. Die neue Benutzeroberfläche für Analysen von ÖWA-Daten auf derStandard.at bringt einige Neuerungen: Nun sind die Daten seit 2008 verfügbar, zuvor wurde nur die Zeit seit 2012 ausgewertet. Zudem wird aus den ÖWA-Rohdaten die Gesamtverweildauer berechnet. Die Tabelle unter dem Grafen ermöglicht einen raschen Vergleich mit den Vorjahres- und Vormonatsdaten. Die Liniengrafik ist nun aufgeräumter und zeigt jeweils den gleichen Monat der Vorjahre an, um saisonale Schwankungen auszugleichen. Rechts von der Grafik gibt es die Möglichkeit, durch Drag & Drop in die Grafik zu zoomen, um einzelne Angebote genauer zu verfolgen. Weitere Verbesserungen für das Tool sind in Planung, wir freuen uns über Feedback in den Kommentaren. Neben Page-Impressions (einzelne Seitenaufrufe), Visits (mehrere aufeinanderfolgende Seitenaufrufe) und Unique Clients (unterscheidbare Browser) gewinnt die Verweildauer zunehmend an Bedeutung. Sie zeigt, wie viel Zeit Benutzer wirklich auf der Seite verbringen, indem die Dauer aller Visits, also die Zeit zwischen erstem und letztem Seitenaufruf, zusammengerechnet wird. Nein. Die Definitionen der ÖWA sind hier eindeutig: wenn zwischen zwei Seitenaufrufen mehr als 30 Minuten liegen, zählen sie nicht in einem Visit zusammen, sondern der zweite Seitenaufruf fängt einen neuen Visit an. Update 14.9.2015: Einige Formulierungen waren uneindeutig (Besucherzahl ist nicht gleichbedeutend mit Visits, Unique Clients nicht gleichbedeutend mit User), sie wurden deshalb verbessert. User verbrachten rund drei Millionen Stunden auf der Standard.at. Wien – Die Österreichische Webanalyse (ÖWA) hat die Zugriffszahlen für März veröffentlicht. Bei den Dachangeboten kommt derStandard.at demnach im März auf 23.258.290 Visits, 4.394.093 Unique Clients und eine durchschnittliche Verweildauer von 7:57 Minuten pro Visit. Die Verweildauer in Stunden beträgt 3.081.723. Zur besseren Veranschaulichung: Wenn ein User die gesamte Verweildauer auf derStandard.at verbringen würde, müsste er rund 352 Jahre surfen. Oder: Auf dieselbe Zeit kämen 4222 Userinnen und User, wenn sie einen Monat rund um die Uhr auf derStandard.at wären. Hinweis: Die ÖWA hat ihre Messung auf eine neue Technologie umgestellt. Seit Februar sind die Unique Clients deswegen nicht mehr mit den davor veröffentlichten Unique Clients direkt vergleichbar. Das größte österreichische Medienangebot ist der ORF mit 81.411.372 Visits, dazugezählt werden neben orf.at etwa noch Zugriffe auf oe3.orf.at und fm4.orf.at. Die durchschnittliche Verweildauer auf der Seite pro Visit liegt bei 7:01 Minuten. Das Digitalangebot des Styria Verlags zählt im März 39.322.962 Visits. Die Fellner-Plattform oe24.at kommt in diesem Zeitraum auf knapp 15.227.867 Visits, die Onlinemedien des Kurier auf 10.553.247 Millionen Visits, News Networld auf 8.992.083 und die Heute-Plattformen auf 8.869.430 – alle Werte in der Kategorie Dachangebot. Bei den Einzelangeboten werden derStandard.at 22.922.917 Visits bescheinigt, krone.at kommt auf 20.383.767, kleinezeitung.at auf 10.438.355, diepresse.com auf 9.554.434 und kurier.at auf 7.993.532 Visits. Bei der Browserverteilung im März liegt Chrome mit 34 Prozent auf Platz eins, gefolgt von Internet Explorer mit 21,7 Prozent und Firefox mit 18,6. Prozent. Die Internetnutzung mit mobilen Endgeräten wie Smartphones, Tablets oder Portable Media Player liegt im März 52,8 Prozent. Geteilte Kurznachricht unterstellt einem SVP-Politiker laut Staatsanwaltschaft Nähe zum Nationalsozialismus. Zürich – Carlos Hanimann, ein Schweizer Journalist der Wochenzeitung, muss sich wegen einem Retweet auf dem Mikroblogportal Twitter vor Gericht verantworten. Am 13. Juli 2012 hatte Hanimann eine Kurznachricht des Users KueddeR – der vornehmlich anonym twittert – geteilt. Darin wurde der SVP-Kantonsrat Hermann Lei als Hermann Dölf Lei bezeichnet. Nun muss sich Hanimann vor dem Bezirksgericht Zürich wegen Verleumdung verantworten, berichtet NZZ am Sonntag. Die Staatsanwaltschaft erläutert in ihrer Anklageschrift, dass der Einschub Dölf suggeriere, dass Lei mit Adolf Hitler und dessen nationalsozialistischem Gedankengut sympathisiere. Die Staatsanwaltschaft beantragt, Hanimann mit einer Geldstrafe zu bestrafen. Der Journalist müsste im Fall einer Verurteilung rund 5500 Franken (5022 Euro) für seinen Retweet bezahlen. Jeder Journalist muss sich fragen, wie das Gespräch mit dem User gestaltet wird. Das ist längst nicht mehr ein Nischen-Thema für Online-Teams. Nebst technischen Lösungen, Ressourcen, Klarnamendebatten ist nämlich eines wichtig: Welche Einstellung steht dahinter?. Wien – Ich kann nicht so viel fressen, wie ich kotzen möchte. Die Kommentare auf Facebook sind unerträglich. Journalismus hat dann Sinn und Zweck, wenn er sich davon unterscheidet. Durch Werte, zum Beispiel, und die von ihnen geleitete Frage: Was machen wir bei der Initiierung und Moderation gesellschaftlicher Debatten anders als Plattformen wie Facebook etc., die, vermeintlich neutral, nur Infrastruktur zur Verfügung stellen? Anregungen für ein klar abgegrenztes Selbstverständnis, ein Bekenntnis zu einer konstruktiven Debattenkultur und eine gute Praxis könnte ein immer populärer werdendes (aktuell beim Forum Alpbach eingesetztes) Konzept geben: The Art of Hosting. Diese Methode – oder vielmehr Haltung – versteht sich als Kunst, Gastgeber für gute Gespräche zu sein. Sie wird in Unternehmen, Bildung und politischen Prozessen eingesetzt: Für Konfliktlösungen in Cote d’Ivoire, Gedenkkultur in Mauthausen, Sitzungsgestaltung in der EU-Kommission. Was sind einige der Grundelemente der Gastgeberkunst, die vielleicht auch Leitgedanke für den Journalismus als Host öffentlicher Diskurse sein könnte? Vieles davon trifft auch auf Journalismus zu. Medien sind keine Content-Fabriken. Medien sind Gastgeber für konstruktive gesellschaftliche Diskurse. Was eine solche Grundhaltung konkret für die Praxis, für Formate, Themen, Sprache, Gestaltung von Medieninhalten bedeutet, ließe sich wohl vorzüglich in einem Art of Hosting-Setting erkunden. Wer Lust darauf hat, schreibt mir bitte an daniela.kraus@fjum-wien.at. Verlage müssen dort sein, wo die User sind. Der Verlagsgründer und Blogger Johnny Haeusler prognostiziert die Zukunft. Salzburg/Wien – Facebook eröffnet neue Möglichkeiten zur Verbreitung journalistischer Beiträge. Die Veröffentlichung vollständiger Artikel, Bildergalerien und Videos direkt auf Facebook stellt den klassischen Journalismus vor eine Reihe von Herausforderungen, bietet aber auch die Chance, sich neu zu definieren. Das Projekt Instant-Articles ermöglicht den Verlagen, ihre Medieninhalte künftig in der mobilen Facebook-App direkt zu veröffentlichen, ohne die User auf externe Quellen der Nachrichten und Medien-Webseiten weiterzuleiten. Speziell für mobile Geräte hat Facebook eine neue Art der Onlineberichterstattung entwickelt. Dieses Projekt soll die Berichterstattung im Online-Journalismus vereinfachen und beschleunigen. Neben der zusätzlichen Reichweite über Facebook bietet das Netzwerk den Verlagen durch attraktive Vermarktungsmöglichkeiten auch eine wirtschaftliche Perspektive. Die Verlage erhalten Zugriff auf Nutzerdaten ihrer User und können analysieren, welche Beiträge besonders gefragt sind und welche Inhalte auf weniger Resonanz stoßen. Über Facebook kann eine Redaktion Rezipienten erreichen, die vorher mit der Zeitung nicht in Kontakt gekommen sind und potenziell sowohl Reichweiten als auch Werbeeinnahmen erhöhen. Am Projekt Instant-Articles nehmen aktuell neun internationale Medienhäuser teil, darunter „Bild“ und „Spiegel Online“ sowie die „New York Times“. Die österreichischen Verlage beäugen die direkte Veröffentlichung der Medieninhalte auf Facebook skeptisch. Gerlinde Hinterleitner, Online-Managerin beim STANDARD kann sich nicht vorstellen, „dass Medien, die bei Verstand sind, Usern noch mehr Grund geben wollen, Facebook überhaupt nicht mehr zu verlassen“ (Kleine Zeitung 13. 5. 2015). Soziale Netzwerke als Gatekeeper Soziale Netzwerke setzen neue Rahmenbedingungen für die Informationsverbreitung und Meinungsbildung. Über die Einbettung der „Instant Articles“ könnte die Bindung der Verlage an den Facebook Traffic noch erheblich zunehmen. Gleichzeitig unterwerfen sich User und Medienhäuser den Bedingungen von Facebook. Soziale Netzwerke haben sich als neue Gatekeeper für die Verbreitung der Nachrichten und Meinungen in der Gesellschaft etabliert. Ihre Rahmenbedingungen legen Grenzen, Formen und Inhalte der Kommunikation fest. So bestimmt ein Facebook-Algorithmus, der Edge-Rank, welche Nachrichten ein Facebook-Nutzer über seinen News-Feed zu sehen bekommt. Edge-Rank prüft die Postings von Facebook-Nutzern anhand verschiedener Faktoren auf ihre Relevanz für die befreundeten Nutzer, also jene, die den Facebook-Account „geliked“ haben (siehe dazu die Studie von Machill/Beiler/Krüger 2013: 50). Die technische Struktur von Facebook wirkt sich also direkt auf die Informationsverbreitung und Meinungsbildung aus. Eine weitere technikbasierte Einschränkung des Informations- und Meinungsflusses ist der Quellcode. Wenn Facebook-Nutzer auf mobilen Endgeräten Verlinkungen zu anderen Internetangeboten folgen wollen, werden sie nicht mehr auf die entsprechende Webseite geführt, vielmehr wird der Medieninhalt innerhalb der Plattform von Facebook wiedergegeben. Mit Hilfe des Quellcodes bindet Facebook die Nutzer an die eigene Plattform (vgl. Machill/Beiler/Krüger 2013: 52). Es sind die Gesetze der Aufmerksamkeitsökonomie: Je länger man sich auf Facebook aufhält, desto mehr Angebote stellen sich ein. And the winner is: Facebook Facebook entwickelt sich dadurch nicht nur zu einer zunehmend attraktiveren Werbeplattform, sondern auch zu einem Nachrichtenportal. Gemäß Julian Reichelt, Chefredakteur von „Bild.de“ ist „Instant Articles ein Experiment, bei dem die Vor- und Nachteile sorgfältig abzuwägen sind. Langfristig könnte „Instant Articles“ zu einem Bedeutungsverlust für die Verlage führen und je mehr Medienhäuser an „Instant Articles“ teilnehmen, desto größer wird der Druck, auch dabei zu sein. Sicher ist nur eines: Der größte Gewinner heißt Facebook. (Von Ksenia Churkina und Josef Trappel für die Forschungsgruppe Medienwandel, 19.6.2015) 'Regulierungsmaßnahmen und Förderungen, die an medienethische Anforderungen geknüpft werden, können helfen. Viel wurde in dieser Serie auf derStandard.at über Werte, Wertebildung, unveränderbare Grundwerte und damit möglicherweise zusammenhängende Aufgaben von Medien und JournalistInnen geschrieben, zuletzt etwa von Larissa Krainer im Blog vom 25. Jänner zur Orientierung im Wertedschungel, wo sie den Grundwert der Meinungsfreiheit als nicht zur Disposition stehende Säule der Demokratie verteidigt. Dem ist zuzustimmen. Es gibt in diesem Zusammenhang aber einen Grundauftrag an die Medien in einem Staat: Sie sollen den Diskurs über Gerechtigkeit – und andere normative Konzepte – in einer Gesellschaft durch Informationsvielfalt unterstützen. Das würde auch eine Antwort auf die oft gestellte Frage liefern, was Medienqualität in einem Land ausmacht und wie sich in einer mediatisierten Welt hochwertiger Journalismus von der sogenannten Laienpublizistik (© Roman Hummel) und den weniger erfreulichen Begleiterscheinungen des Onlinejournalismus und der Social-Media-Kommunikation (siehe auch den Blog von Tobias Eberwein vom 8. Februar) abgrenzt. Dazu wollen wir zunächst kurz auf einen wichtigen Gedanken des Wirtschaftsphilosophen Amartya Sen zurückgreifen. Dieser hat sich gegen Ende des 20. Jahrhunderts mit der Frage beschäftigt, was Gerechtigkeit in einer Gesellschaft ausmacht. Dabei schlägt er eine bescheidene Sichtweise vor, die anerkennt, dass in modernen Gesellschaften Wertepluralismus und ungleiche Möglichkeiten der Teilnahme an (auch Informations-)Märkten vorherrschen. Um uns darüber klarzuwerden, was wir einzelnen Personengruppen mit verschiedenen Voraussetzungen und unterschiedlichen Zielsetzungen ermöglichen wollen und worauf wir uns auch im Hinblick auf Gerechtigkeit einigen können, brauchen wir laut Sen drei Dinge: 1. eine sehr große Informationsbasis, die weit mehr als nur den Nutzen (im Sinne von zum Beispiel Einkommenssteigerungen) verschiedener Politikmaßnahmen für uns Menschen betrachtet und die tatsächlichen Verwirklichungschancen der Menschen in unserem System zeigt Marlis Prinzing fordert einen Journalismus, der sich bewusst seinem Publikum zuwendet und Zweifel, Ängste und Sorgen ernst nimmt. Verlogen, unglaubwürdig, verwöhnt: So werden Journalisten heute taxiert. Sie werden alle in einen Topf geworfen, ihre Arbeit scheint wertlos, beliebig und ein Ärgernis. Das muss aufhören. Medienpublikum, Medienmanager, Medienforscher und Journalisten sägen derzeit selber an den Ästen, auf denen sie sitzen. Gewiss gibt es Journalismus, der über die Stränge schlägt oder abgehoben ist. Und es gibt zu viele Journalisten, die selbstgefällig sind, keine Fehler zugeben und sich diebisch freuen, wenn sie einen anderen in die Pfanne hauen können. Das sei nicht kleingeredet, aber ins Verhältnis gesetzt. Wir wissen, dass es Banker gibt, die in die eigene Tasche wirtschaften und zahllose Kunden ruinieren, Automobilclubs, die Ranglisten manipulierten, Unternehmer, die mit illegalen Abschalteinrichtungen Abgasnormen umgingen, Politiker, die politische Gegner ausspionierten, korrupte Fußballfunktionäre, quacksalbernde Ärzte, Winkeladvokaten. Und wir wissen das alles oft gerade, weil es eben neben schwarzen Schafen noch andere Journalisten gibt. Ende Februar wurde Spotlight mit einem Oscar ausgezeichnet: ein Film über eine Recherche, die die Missbrauchsfälle der katholischen Kirche in Boston enthüllte. Für diese Recherche gewann das Investigativteam des Boston Globe Jahre zuvor einen Pulitzerpreis. Doch nicht nur der Enthüllung von Missständen wegen müssen wir eine Lanze brechen für einen aufklärenden, verantwortungs- und werteorientierten Informationsjournalismus. Wir brauchen Medien, die uns Arenen öffnen, in denen wir um die besten Argumente ringen und diskutieren, wie wir künftig in unserer Gesellschaft leben wollen. Hören wir auf, an Ästen zu sägen, und fordern wir einen Journalismus ein, der sich bewusst seinem Publikum zuwendet, der Zweifel, Ängste und Sorgen ernst nimmt und auch konstruktiv aufzeigt, wie Probleme gelöst werden können. Das jüngste Cover mit dem Titel "Schlacht um Wien" spitzt die heimische Politik inakzeptabel zu. Florian Klenk, der Chefredakteur, und Barbara Tóth, die Autorin, werden wahrscheinlich sagen: Das ist ironisch gemeint. Tatsache ist aber, dass das jüngste Cover des Falter mit dem Titel Schlacht um Wien die heimische Politik inakzeptabel zuspitzt. Der aggressiven Comicwelt entlehnt, wird Michael Häupl als russischer Soldat mit Kalaschnikow gezeichnet, Maria Vassilakou schultert eine Schusswaffe mit Bajonett, und H.-C. Strache zeigt man antiquiert, aber dynamisch mit einem Schlegel – er kann am wenigsten anrichten. Seltsam. Der Falter, in der journalistischen Debatte stets darum bemüht, die Macht der Sprache und der Bilder zu hinterfragen, hat mit dieser Titelgrafik gewaltig danebengegriffen. Entweder geht es der Zeitung schlecht – weshalb sie aus dem letzten Loch schießt. Oder ihre Verantwortlichen haben nicht verstanden, dass man angesichts des islamistischen Terrors, der Ereignisse im Nahen Osten, der nicht enden wollenden Gewalt in der Ostukraine die österreichische Politik nicht mit derartigen Bildbotschaften illustrieren soll. Im Inneren der Zeitung wird freilich abgerüstet. Da schreibt Tóth dann von einem Duell um Wien und übernimmt von der FPÖ den Begriff Emotionswahlkampf. Dass die Freiheitlichen ihre Bezirkszentralen War Rooms nennen, ist verständlich, dass der Falter jedoch mit Schlacht um Wien in historisch dunkle Zeiten zurückfällt, ist bedenklich. Das ist Gewaltboulevard. STANDARD-Infos aus dem ersten Arbeitskreis beim Medienminister mit Senderchefs und Verlegern. Wien – Spitzenvertreter von ORF, Privatfunk und Verlagen am Montag im Kanzleramt bei Medienminister Josef Ostermayer und mit VP-Mediensprecher Gernot Blümel haben Mittwochnachmittag eine Art medienpolitische To-Do-Liste erstellt. DER STANDARD hat erste – unbestätigte – Infos, was sie sich so vornehmen wollen. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit, und nicht durchwegs neu. Fernseh- und Radiosender wünschen sich auch verpflichtende Abgeltung, wenn ihre Inhalte auf Onlineplattformen genutzt werden – ein zentrales Thema etwa von Markus Breitenecker (ProSiebenSat.1Puls4). Das könnte nicht nur ein Thema für das Urheberrecht werden, auch die E-Commerce-Richtlinie könnte da eine Rolle spielen. Österreichs Sender, allen voran der ORF, drängen auf weitere Möglichkeiten, Inhalte nur regional anzubieten. Hintergrund: Programmrechte für den gesamten deutschsprachigen Raum kosten ein Vielfaches jener für Österreich. Wer dem Programmverkäufer aber nicht garantieren kann, dass die Inhalte nur in Österreich laufen, muss sie für den größeren Markt erwerben. Geoblocking spielt auch im Strategiepapier für den digitalen Binnenmarkt eine wesentliche Rolle – das Geoblocking abschaffen will. In einzelnen Bereichen sei dieses Ziel sehr wohl sinnvoll, hieß es in der Arbeitsgruppe. Die Privatsender wünschen sich weit weniger Werbebeschränkungen – mit dem Argument, dass ihre Onlinekonkurrenz ohne solche Beschränkungen unterwegs ist. Ein paar Lockerungsübungen für Radios könnten sich rechtlich ausgehen. Beim Fernsehen indes sind die – bisher sehr konkreten – Vorgaben der Audiovisuelle Mediendienste-Richtlinie zu beachten. Vorgaben für Onlinedienste wiederum bräuchten wohl europäische Regelungen. Thema offenbar auch wieder beim Arbeitskreis im Kanzleramt: Werbeabgabe auch auf Onlinewerbung einzuheben (wie auf alle übrigen Werbeformen) – und damit auch Werbung auf Plattformen internationaler Player zu besteuern. Das Thema betrifft vor allem das Finanzministerium, das die Werbeabgabe einhebt. Justiz- und Wirtschaftsministerium sind wohl einzuschalten bei anderen – insbesondere digitalen – Werbethemen. Wenn Werbung auf Onlineseiten mit anderen Werbe-Einblendungen überlagert wird – dann könnte das Thema für Wettbewerbsrecht und unlauteren Wettbewerb sein. Thema waren offenbar auch Kooperationen zwischen Medienhäusern – und die geltenden wettbewerbsrechtlichen Schranken dafür. Dauerbrenner in medienpolitischen Diskussionen der vergangenen Jahre: eine Medienabgabe statt der Rundfunkgebühren, die ORF-Gebühren ebenso umfasst wie Medienförderungen für Presse, Publizistik, Privatsender, Digitalmedien. Mittwochnachmittag im medienpolitischen Arbeitskreis soll das kein relevantes Thema gewesen sein. Wohl weil parallel zu dem Arbeitskreis Gespräche mit dem Verlegerverband über eine Reform der Presseförderung laufen (DER STANDARD berichtete). Über den Sommer sollen Experten der zuständigen Ministerien und der Medien(verbände) die Themen inhaltlich bearbeiten. Im Herbst ist nach STANDARD-Infos mit einer nächsten größeren Runde zu rechnen. Anwälte konnten sich nicht auf außergerichtliche Beilegung einigen – Enkelin des Journalisten Peroutka beharrt auf öffentliche Entschuldigung. Prag – Der Streit um die kontroverse Aussage des tschechischen Staatspräsidenten Milos Zeman, wonach der angesehene tschechische Journalist Ferdinand Peroutka Adolf Hitler in einem Artikel als Gentleman gelobt haben soll, geht vor Gericht. Der Anwalt Zemans und der Anwalt von Peroutkas Enkelin,Terezie Kaslova, konnten sich außergerichtlich nicht einigen, berichteten tschechische Medien am Donnerstag. Zeman hatte die Aussage im Jänner auf einer internationalen Holocaust-Konferenz in Prag gemacht. Mehrere Historiker sowie die Familienangehörigen des Journalisten Peroutka (1895-1978), der von den Nazis ins KZ deportiert worden war, hatten dem empört widersprochen. Kaslova beharrt auf einer öffentlichen Entschuldigung Zemans. Der Staatschef will sich jedoch höchstens dafür entschuldigen, dass er den Artikel bisher nicht gefunden hat. Im Juni schrieb Zeman einen Finderlohn von 100.000 Kronen (3.701 Euro) für denjenigen aus, der den angeblichen Text Peroutkas findet. Medienminister betonte Bedeutung der Pressefreiheit und kündigte "nötige Weichenstellungen" an, um Medien international zu stärken. Wien – Anlässlich des 70. Jahrestages der Ausrufung der Pressefreiheit in Österreich betonte Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) die Bedeutung freier Medien für die Demokratie. Eine funktionierende Demokratie ist ohne kritische Öffentlichkeit nicht denkbar, sagte Ostermayer. Medienpolitisch kündigte der Minister Weichenstellungen an: etwa im Bereich des Leistungsschutzrechts und einer Reform der Presseförderung. Der Fokus müsse hier auf die Sicherung von Vielfalt und Qualität gelegt werden. Wir müssen insbesondere auch danach trachten, die Online-Mediensowie die TV- und Radio-Schienen von Medienhäusern stärker in einem Gesamtkonzept zu berücksichtigen. Gespräche dazu seien in Gang. Derzeit kommen die jährlich 8,9 Millionen Euro Presseförderung hauptsächlich gedruckten Tages- und Wochenzeitungen zugute (Presseförderung 2015: Wie sie verteilt ist), sie wurde 2014 um zwei Millionen Euro gekürzt. Unter dem Titel Qualitätsförderung und Zukunftssicherung gab es außerdem Zuschüsse etwa zu den Kosten für Ausbildung, Auslandskorrespondenten und Leseförderung. Keine offizielle Bestätigung über Verhandlungsposition – Wien größter Einzelwerber unter öffentlichen Stellen. Wien – Wien ist laut den Medientransparenz-Daten der Medienbehörde regelmäßig größter Einzelwerber unter den öffentlichen Stellen Österreichs. 2014 meldete die rot-grün geführte Gemeinde mit den ihr nahestehenden Beteiligungen etwa 41,5 Millionen Euro an Werbeschaltungen. Der Großteil der eingesetzten Werbegelder geht dabei an die reichweitenstarken Boulevard- und Gratismedien Kronen Zeitung, Heute und Österreich. Ein Umstand der bei Opposition und anderen Medienimmer immer wieder für Kritik sorgt. Vor allem die SPÖ bereite damit den Boden für wohlwollende Berichterstattung auf, so der Vorwurf. Die Grünen wollen auf dieses Problem in den anstehenden Regierungsverhandlungen reagieren. Nach APA-Informationen wollen sie die Ausgaben für Inserate und Werbeschaltungen in der neuen Legislaturperiode um 50 Prozent reduzieren. Das Werbevolumen soll demnach pro Jahr um zehn Prozent gekürzt werden. Offiziell wollen die Grünen derzeit – also vor Beginn der Koalitionsgespräche nächste Woche – nicht über Inhalte und Forderungen reden. Somit könne man auch zur Verhandlungsposition in Sachen Inserate nichts sagen, betonte eine Sprecherin gegenüber der APA. Sie verwies jedoch auf Aussagen der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou in den vergangenen Wochen. Vassilakou hatte wiederholt angekündigt, über die Ausgaben in Sachen Werbung bzw. Information diskutieren zu wollen. Ein konkretes Limit hatte sie bisher jedoch noch nicht genannt. In der SPÖ wollte man sich auf Spekulationen vor den Koalitionsgesprächen nicht einlassen: Wir kommunizieren keine Inhalte, sagte ein Sprecher am Mittwoch auf APA-Anfrage. Gewerkschaft, Presserat und weitere Organisationen fordern in offenem Brief an Medienminister Ostermayer Verdoppelung der Förderungen. Wien – Österreichs Journalistenorganisationen fordern in einem offenen Brief an Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) sowie die Mediensprecher der im Parlament vertretenen Parteien die Verdoppelung der Fördermittel für die journalistische Aus- und Weiterbildung. Hintergrund des Vorschlags sind finanzielle Einschnitte bei journalistischen Ausbildungsinstitutionen. Die Bundesregierung stellt im Rahmen der Presseförderung jährlich 608.400 Euro für die journalistische Aus- und Weiterbildung zur Verfügung. Da sich der Bezieherkreis unter den Ausbildungseinrichtungen verbreitert hat, mussten die Mittel heuer erstmals aufgeteilt und jene für das Kuratorium für Journalistenausbildung (KfJ) um 40 Prozent gekürzt werden. Das Kuratorium sieht sich deshalb in seiner Existenz gefährdet. Der Presseclub Concordia, die Journalistengewerkschaft, der Verband der Parlamentsredakteure, die Initiative für Qualität im Journalismus, der Österreichische Presserat sowie der Österreichische Journalisten Club plädieren deshalb für eine Erhöhung der entsprechenden Presseförderungsmittel. Das österreichische Mediensystem ist tief greifenden Veränderungen ausgesetzt. heißt es im Brief. Die Berufsanforderungen verändern sich so enorm schnell und grundlegend, dass Weiterbildung zur notwendigen Bedingung wird. Nur wer sich aus- und weiterbildet und dabei seine Arbeit, seine Rolle und Aufgaben immer wieder reflektiert, kann professionell und selbstkritisch als Journalist agieren, so die Vorsitzenden der Journalistenorganisationen. Die Annahme eines breiteren Weiterbildungsangebotes würde zeigen, dass seine Notwendigkeit in der Branche erkannt wurde. Die öffentliche Unterstützung des Angebots würde aber ausbleiben: Im Gegenteil: Der Fördertopf wurde für die anerkannten Aus- und Weiterbildungsinstitutionen quasi halbiert, da er nun auf mehrere Angebote aufgeteilt wird. Dies führt zu existenziellen Problemen bei betriebsübergreifenden und unabhängigen Weiterbildungseinrichtungen. Andreas Koller verlangt von Medienminister Ostermayer mehr Einsatz für die österreichische Medienpolitik. Wien – Andreas Koller, Präsident des Presseclubs Concordia, fordert von Kultur- und Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) ein ähnliches Engagement für den Medienstandort Österreich wie für den Kulturstandort. Würde sich die Kulturpolitik so verhalten wie die Medienpolitik, würde sie nur den Musikantenstadl und Andreas-Gabalier-Abende fördern. Und das Burgtheater und die Salzburger Festpiele links liegen lassen, kritisiert Koller im aktuellen Public Value Bericht des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) das mangelnde Interesse an fairen Rahmenbedingungen für den heimischen Medienmarkt. Regierung und politische Parteien würden sich nur allzu bereitwillig mit dem Brot-und-Spiele-Journalismus der Boulevardmedien gemein machen, so Koller, eine moderne Demokratie sei ohne qualitätsvollen Journalismus aber ebenso wenig denkbar wie ohne Kunst und Kultur. Qualitätsvoller Journalismus hinterfragt die Handlungen der Regierenden und kontrolliert die Machthaber. Qualitätsvoller Journalismus verzichtet auf billigen Populismus und üble Volksverhetzung. Stattdessen erklärt er seinem Publikum, wie die Griechenland-Krise funktioniert, was hinter den Migrationsströmen nach Europa steckt und was es an Fragen und Problemen in unserer Welt sonst noch zu erklären gibt. Qualitätsvoller Journalismus ermöglicht es seinem Publikum, mit den Akteuren in Politik, Wirtschaft und Kultur auf Augenhöhe zu kommunizieren. Doch wo ist die Medienpolitik, die diese Leistungen der Qualitätsmedien für das Funktionieren der Demokratie würdigt? Oder diesen Medien gar bessere Lebensbedingungen schafft? (APA, 18.11.2015) 'Ö1, Funkhaus, Betriebsrat, ORF On und das Arbeitsrecht - ein Bündel Hindernisse. Wien - Im Herbst schien alles ganz schnell zu gehen mit der neuen Führungsstruktur für den ORF samt zentralem Infodirektor oder einer Infodirektorin über alle Medien. Nun könnte sie, die Struktur, auch erst 2016 mit der Generalswahl kommen. Bevor ORF-Chef Alexander Wrabetz am Donnerstag im Stiftungsrat wie alle Quartale über den Stand der Dinge berichtet: Hier ein paar bisher wenig beleuchtete Hürden, Heiterkeiten und Kollateralfragen zum Thema. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit - sachdienliche Hinweise stets willkommen. Die neue Struktur, wie sie Wrabetz mithilfe von Boston Consulting geplant hat, sieht einen Newsroom für alle ORF-Medien vor. Das ist nicht ganz neu. Aber ein kleines Detail erschwert die Sache ein wenig: Zentralbetriebsratschef des ORF ist Gerhard Moser, der Betriebsratschef des ORF-Radios. Wenn es keinen Radiodirektor mehr gibt, sondern zwei Heads für Information und Programm (Creative) über alle ORF-Medien, dann gibt es auch eher keinen Betriebsratsbereich Radio mehr. Im Arbeitsrecht sind Übergangsfristen von bis zu einem Jahr vorgesehen. Dazu kommt: Das ORF-Radio verliert mit dem Newsroom auch seinen angestammten Stadt-Standort, die Belegschaft kämpft vehement für den Erhalt. Der Stiftungsrat, oberstes Entscheidungsgremium des ORF, hat freilich schon vor bald drei Jahren den Küniglberg in Wien-Hietzing zum zentralen ORF-Standort in der Hauptstadt gestimmt und die Sache im März 2014 so richtig fix gemacht - nach etwa einem Jahrzehnt Debatte darüber. Nun bekamen Fürsprecher des Funkhauses - darunter etwa Schauspieler Karl Markovics - nach STANDARD-Infos leider keinen Termin mehr vor dem Stiftungsrat, um der ORF-Führung ihre Bedenken zu erläutern. Im Herbst wählt das ORF-Radio seinen Betriebsrat neu, und auch die Technik. Sozialdemokrat Gerhard Berti führt dort die dominierende Betriebsratsliste an, und er hat auch im Zentralbetriebsrat die meisten Mandate. Bertis Sozialdemokraten unterstützten Moser bei der Wahl zum Vorsitzenden. Anfang 2016, noch vor der nächsten (und womöglich letzten) Betriebsratswahl im Fernsehen, wird ein neuer (oder eben alter) Zentralbetriebsrat bestellt. Der bestimmt auch die fünf Stiftungsräte der Personalvertretung. Berti und Moser und die weiteren drei Vertreter des Zentralbetriebsrat, Sitz und Stimme im Stiftungsrat des ORF, gleichberechtigt auch bei der Bestellung von Geschäftsführungen. Mit dieser etwas vertrackten Situation des ORF-Radios und seiner Vertreter könnte auch zu tun haben, dass der Zeitplan des ORF-Generals in Sachen Ö1-Führung nicht recht schnurren will: Im April (2015) wollte Wrabetz den Ö1-Chef nach einem etwas schwierigen ersten Anlauf noch einmal ausschreiben, und das schon als richtigen Senderchef mit Personal- und Budgetkompetenzen wie bei Ö3 oder FM4 Finanzprüfer sind wesentliches Element der Kontrolle. Wien – Für die Gebührenzahler hat die Tätigkeit der ORF-Prüfungskommission unmittelbare Bedeutung, denn eine ihrer wesentlichen Aufgaben besteht in der Kontrolle der wirtschaftlichen, sparsamen und zweckmäßigen Verwendung des ORF-Programmentgelts. Außerdem obliegen ihr die jährlichen Abschlussprüfungen des ORF und seiner Konzerngesellschaften. Die Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) hat jetzt die zwei Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungskanzleien KPMG Austria und PKF Wien zu der nach dem ORF-Gesetz vorgeschriebenen Prüfungskommission bestellt, die aus mindestens zwei Mitgliedern zu bestehen hat. Die neue Prüfungskommission nimmt ihre Arbeit im Oktober 2015 auf, wenn die gesetzlich auf fünf ORF-Geschäftsjahre befristete Tätigkeit der gegenwärtigen Prüfungskommission endet. Die Mitglieder der ORF-Prüfungskommission werden streng nach dem Bundesvergabegesetz auf Basis einer europaweiten Ausschreibung ermittelt, sagt Mag. Michael Truppe, Mitglied des für die Wirtschaftsaufsicht zuständigen Senates I der KommAustria. Es zählt die Qualifikation, das Prüfkonzept, das die Bewerber vorschlagen, und last but not least der Preis. Wir hatten unter sehr guten Bewerbungen auszuwählen, die in allen Punkten dicht beieinander lagen. Unter dem Aspekt der Qualifikation überzeugten PKF und KPMG Austria die Medienbehörde unter anderem durch ihre bereits mehrfach in der Tätigkeit für große Unternehmen erprobte Zusammenarbeit. Zudem weisen die beiden, von den Kanzleien benannten Schlüsselpersonen persönliche Berufserfahrungen auf, die sie für die gegenständliche Aufgabe besonders geeignet erscheinen lassen. So war Peter Ertl, Mitglied des Geschäftsleitungsausschusses der KPMG, ab April 2003 ein Jahr lang Mitglied des ORF-Stiftungsrates und ist daher mit den internen Abläufen des Programmveranstalters vertraut. PKF-Geschäftsführer und Wirtschaftsprüfer Andreas Staribacher verfügt über Erfahrungen als gerichtlich beeideter Sachverständiger und war ehemaliger Finanzminister. Die gemäß gesetzlichen Vorgaben spätestens im Jahr 2017 erforderliche Überprüfung und allfällige Anpassung des ORF-Programmentgelts wird einen der Tätigkeitsschwerpunkte der neuen Prüfungskommission darstellen. Die noch im Dienst befindlichen Prüfungskommission besteht aus BDO Austria GmbH und Grant Thornton Unitreu GmbH. Medienbehörde lehnt Beschwerde ab: Kauf der TV-Rechte verstieß nicht gegen das ORF-Gesetz. Wien – Die vom ORF gezahlten Lizenzpreise für die Uefa Champions League waren nicht zu hoch. Die Medienbehörde KommAustria weist in einer aktuellen Entscheidung eine Beschwerde von Puls 4 ab. Der ORF habe nicht gegen das Gesetz verstoßen, teilt die KommAustria mit. Puls 4 hatte dem ORF Wettbewerbsverzerrung vorgeworfen. Der Gebührenfunk habe die Rechte für die Saisonen 2015/2016 bis 2017/2018 zu einem überhöhten, kaufmännisch nicht gerechtfertigten Preis gekauft. Nach derStandard.at-Infos dürften die Kosten des ORF bei etwa vier Millionen Euro pro Saison gelegen sein, jene von Puls 4 bei rund 2,5 Millionen Euro. Die KommAustria ermittelte durch eine vertrauliche Befragung, in welchem Rahmen aus dem österreichischen Markt Gebote für die Uefa-Rechte abgegeben wurden beziehungsweise zu welchem Preis der ORF den Zuschlag erhielt. Aufgrund dieser Information wurde ein Amtsgutachten erstellt, das nachweist, dass sich der ORF durch seine Beteiligung an der Versteigerung der Uefa-Rechte nicht wettbewerbsverzerrend verhalten hat. Die Methode: In einer Wirtschaftssimulation wurde der ORF zu einem Privatsender ohne Einnahmen aus Programmentgelt umgerechnet. Der Erwerb der Uefa Champions League-Rechte sei zu dem gezahlten Preis für den ORF auch ohne Einkünfte aus Programmentgelt leistbar und dementsprechend unter kaufmännischen Kriterien gerechtfertigt, begründet die Medienbehörde. Die Entscheidung der KommAustria ist noch nicht rechtskräftig. Der ORF begrüßte die Entscheidung in einer ersten Reaktion. Sie bestätigt, dass der ORF die Champions-League-Rechte völlig rechtmäßig und zu wirtschaftlich angemessenen Konditionen erworben hat, betonte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Wir sind davon ausgegangen, dass das Ergebnis eines offenen und fairen Bieterverfahrens wie im Fall der Champions League nicht im Nachhinein korrigiert werden wird und sind froh, hier nun im Sinne unseres Publikums Rechtssicherheit zu haben, so der ORF-Chef. Die bisherige Chefredakteurin Christiane Teschl wechselt für das Frühstücksfernsehen in die ORF-Generaldirektion. Wien – Der ORF hat den Posten des Chefredakteurs für das ORF-Landesstudio Niederösterreich ausgeschrieben. Hintergrund: Die bisherige Chefredakteurin Christiane Teschl wechselt – wie berichtet – in die ORF-Generaldirektion und wird das Team um das Frühstücksfernseh-Projekt Guten Morgen Österreich verstärken. Teschl wurde zuletzt als mögliche Sendungsverantwortliche für das Format, das im Frühjahr 2016 starten soll, gehandelt. In Niederösterreich wird nun ein Nachfolger für Teschl in der Verwendungsgruppe 9 (Bruttojahresgehalt mindestens Euro 58.814,70 inkl. Sonderzahlungen und UDZ. Höheres Gehalt abhängig von Erfahrung und Ausbildung) gesucht, wie es am Dienstag in der in der Wiener Zeitung veröffentlichten Stellenausschreibung heißt. Als aussichtsreichster Kandidat für den Posten wird Robert Ziegler gehandelt. Ziegler bestätigte, sich um den Posten bewerben zu wollen. Der Niederösterreich heute-Moderator ist auch Koordinator der Landesstudios in der ORF-Generaldirektion, bürgerlicher Zentralbetriebsrat und seit 2011 als Belegschaftsvertreter im ORF-Stiftungsrat vertreten. 2011 wies er in Niederösterreich Mitarbeiter per Rund-Mail an, den norwegischen Attentäter Anders Breivik nicht als christlichen Fundamentalisten zu bezeichnen, sondern als religiösen Fanatiker oder Rechtsextremisten. Nach Protesten der ORF-Redakteursvertreter und einer Beschwerde der Initiative Religion ist Privatsache befassten sich die Medienbehörde KommAustria, der Bundeskommunikationssenat und später der Verfassungsgerichtshof mit Zieglers Sprachreglung. Als letzte Instanz urteilte der Verfassungsgerichtshof, dass er damit nicht das ORF-Gesetz verletzt habe. Bis zu zwölf Millionen Euro Zusatzkosten drohen – ORF sieht Klage gelassen entgegen. Wien – Der ORF-Zentralbetriebsrat hat eine Feststellungsklage gegen den ORF beim Obersten Gerichtshof eingebracht. Thema: Anrechnung von Dienstzeiten nach einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs. Für den ORF drohen nach eigenen Angaben zwölf Millionen Zusatzkosten. Verhandlungen von Management und Betriebsrat führten offenbar zu keiner Einigung. Aus der Entscheidung des EU-Gerichtshofs wird laut Betriebsrat abgeleitet: Die in den Kollektivverträgen/FBV angeführten Vordienstzeiten sind auch dann anzurechnen und für die Einstufung ins Gehaltsschema (Biennien, Triennien etc.) heranzuziehen, wenn sie vor Vollendung des 19. Lebensjahres erbracht worden sind. Der Zentralbetriebsrat des ORF konstatiert eine bizarre Mischung aus Provokation und Ignoranz beim Management. Er habe seit 2013 auf eine EU-konforme Regelung gedrängt. Das Management sei in mehreren Verhandlungsrunden nicht auf Vorschläge des Betriebsrats eingegangen und habe ein unannehmbares Alternativmodell präsentiert. Eine letzte Frist zur innerbetrieblichen Einigung hätten ORF-Chef Alexander Wrabetz und Finanzdirektor Richard Grasl ungerührt verstreichen lassen. Deshalb habe der Betriebsrat die Klage eingebracht, die auch den ORF dazu bringen soll, diskriminierende Praktiken abzustellen beziehungsweise zu beheben und das EU-Recht umzusetzen. Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser wirft Wrabetz und Grasl stures und kurzsichtiges Verhalten vor. Es ist seit Jahrzehnten, wenn nicht überhaupt das erste Mal, der Fall, dass die Belegschaftsvertretung des ORF den Arbeitgeber klagen muss, um Rechte und Ansprüche von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durchzusetzen. Die Starrköpfigkeit von Generaldirektor und Kaufmännischem Direktor ist völlig unverständlich. Die Doppelgeschäftsführung verstehe das Personal des ORF offenbar nicht als kreatives Potenzial, sondern zunehmend als Selbstbedienungsladen zur Image- und Gewinnsteigerung. Generaldirektor und Kaufmännischer Direktor haben mit ihrem Verhalten mutwillig eine jahrzehntelang im ORF geübte und gelebte sozialpartnerschaftliche Praxis ernsthaft gefährdet. Der ORF bedauert in einer Stellungnahme gegenüber dem STANDARD den Schritt des Zentralbetriebsrats. In mehreren Verhandlungen habe die ORF-Geschäftsführung dem Betriebsrat Lösungsvorschläge angeboten, die allesamt abgelehnt worden seien. Da dem ORF eine vertretbare Rechtsmeinung vorliegt, wonach die Entscheidung des EUGH nicht zwingend auf die Kollektivverträge 1996 und 2003 anzuwenden ist, waren die Forderungen des Zentralbetriebsrats, rück- wie fortwirkende zweistellige Millionenbeträge auf Verhandlungsweg zuzusagen, natürlich nicht möglich, heißt es. Und weiter: Dem ORF-Management nun Starrköpfigkeit vorzuwerfen, erscheint insofern absurd, als es der ORF-Führung in dieser Frage um Gerechtigkeit in der Entlohnungssystematik gegangen ist: vor allem jungen gegenüber besser bezahlten langjährigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, Frauen gegenüber Männern, modernen Investitionen gegenüber weiteren Verteuerungen der Strukturen. All das wäre durch die Forderungen der Belegschaftsvertreter auf Basis des EUGH-Urteil ad absurdum geführt, und damit langjährige Bemühungen, Gehaltslücken zwischen Jung und Alt bzw. Frauen und Männern zu schließen, außerdem würde diese Belastung umgekehrt den ORF wieder zu entsprechenden Einsparungsmaßnahmen zwingen. Der ORF sehe der der Entscheidung der Gerichte gelassen und mit Interesse entgegen, da diese Frage ja nicht nur den ORF, sondern auch viele andere Unternehmen betreffe. Die unverständliche Entscheidung des EUGH gefährde die Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft und die damit verbundenen Arbeitsplätze erheblich. Nach Feststellungsklage über Vordienstzeiten. Wien – Neue Runde im ORF-internen Streit um die Anrechnung von Vordienstzeiten nach einem EU-Urteil, der den ORF zwölf Millionen Euro kosten könnte: Der Zentralbetriebsrat wirft der Geschäftsführung Halbwahrheiten und Drohungen vor. Sie versuche, einen Keil in die Belegschaft zu treiben. Die Geschäftsführung habe den Weg des Gesprächs einseitig verlassen und nicht der Betriebsrat, schreiben Vorsitzender Gerhard Moser und Vize Gerhard Berti den ORF-Mitarbeitern. Die Geschäftsführung habe entgegen ihren Angaben nur einen Vorschlag gemacht, den der Betriebsrat so zusammenfasst: Zuerst solle der Zentralbetriebsrat einer massiv nachteiligen Änderung der Anrechenbarkeit von Vordienstzeiten in den bestehenden Vertragswerken zustimmen, dann wolle die Geschäftsführung auf dieser Basis den EuGH-Spruch umsetzen. Hochgradig manipulativ und als offene Drohung verstehen sie, wie das ORF-Management die Konsequenzen aus dem EU-Entscheid beschreibt: Die Umsetzung würde die Gehaltsscheren zwischen älteren und jüngeren MitarbeiterInnen, insbesondere aber zwischen Männern und Frauen vergrößern, was zu neuen Ungerechtigkeiten in der Gehaltssystematik des ORF führen würde. Der Betriebsrat räumt unterschiedliche Vordienstzeiten-Regelungen in den vielen ORF-Kollektivverträgen und Dienstvereinbarungen ein. Geschlechterdiskriminierung findet er kühn, die beziehe sich allein auf Präsenz- oder Zivildienst. Der Betriebsrat: Die Geschäftsführung versucht, wie schon mehrfach und erfolglos in den vergangenen Jahren, einen Keil in die Belegschaft zu treiben. Frauen gegen Männer, Altverträge gegen Neuverträge, Freie MitarbeiterInnen gegen Angestellte – jahrelang hat man das mit KV03 versus FBV/KV96 probiert, jetzt tut man es mit dem mühsam ausverhandelten KV14, der immerhin an die 300 Neuanstellungen gebracht hat, die ohne den intensiven Druck der Belegschaftsvertretung nie stattgefunden hätten. Das alles wird betrieben nach dem altrömischen Motto: Teile und herrsche. Die Ankündigung neuer Sparpakete bei Umsetzung des EU-Entscheids sieht der Betriebsrat als starker Tobak: Wie man unter solchen Drohszenarien partnerschaftlich miteinander verhandeln, ja umgehen soll, kann der Belegschaft wohl niemand erklären. Conclusio des Betriebsrats: Die Belegschaft hat in den vergangenen Jahren große Opfer gebracht und damit gezeigt, wie wichtig ihr dieser ORF ist. Wichtig ist aber auch die Erfüllung gesetzlicher Rechte und Ansprüche. Um nichts anderes geht es in der aktuellen Auseinandersetzung, die jetzt leider vor Gericht stattfinden muss. Wir haben uns das so nicht gewünscht. Bürgerlicher Poier statt Sozialdemokraten Sundl. Graz – Die steirische Landesregierung hat nun offiziell den Bürgerlichen Klaus Poier als ORF-Stiftungsrat des Bundeslandes entsandt. Er löst den Sozialdemokraten Alois Sundl ab. Exlandeshauptmann Franz Voves hat nicht alleine seine Funktion, sondern auch gleich den steirischen Stiftungsrat nach der Wahl der ÖVP abgegeben. Mit Poier zieht ein VP-naher Kandidat als Steiermark-Vertreter ins oberste ORF-Gremium ein. Poier ist Assistenzprofessor am Institut für öffentliches Recht an der Karl-Franzens Universität Graz, Geschäftsführer des Klub Forum Alpbach Steiermark und Obmann des VP-nahen Kummer-Instituts. Für den steirischen Landtag war Poier von 2003 bis 2005 Mitglied im Österreich-Konvent. Damit wechselt ein Mandat von Rot zu Schwarz im Stiftungsrat, rund ein Jahr vor der Bestellung des nächsten ORF-Generals. Munter wird also im ORF und den Parteien gerechnet: Bisher stand es formal 13:13 unter den 35 Stiftungsräten für SPÖ und ÖVP. Mit dem Wechsel nun 12:14. Diese Rechnung kalkuliert allerdings nicht ein: Das Land Kärnten hat Stiftungsrat Siggi Neuschitzer nach dem Landeshauptmannwechsel von Freiheitlichen zur Sozialdemokratie nicht gewechselt. Neuschitzer versicherte Peter Kaiser aber seiner Solidarität, wie er zitiert wurde. Und: Das Burgenland vertritt im Stiftungsrat seit Jahren Brigitte Kulovits-Rupp, Sozialdemokratin und AK-Kommunikationschefin. Sie verließ den SPÖ-Freundeskreis im Stiftungsrat, als im Frühjahr 2014 ohne Debatte in der Fraktion eine neue Fraktionssprecherin und ein neuer Stiftungsratsvorsitzender verkündet wurden. ORF-Gebührentochter akzeptiert Scheine – Deutscher Journalist will mit Barem Gebührenmodell aushebeln. Wien – Rundfunkgebühren beflügeln Fantasie, Kreativität, Energie und Einsatzbereitschaft – vor allem, wenn es darum geht, den grundsätzlich für öffentlich-rechtlichen Rundfunk gedachten Beitrag nicht zu bezahlen. Ein Handelsblatt-Journalist will die deutsche Haushaltsabgabe aushebeln, indem er auf Barzahlung besteht. Ein STANDARD-Leser versuchte das nun mit der GIS. Ergebnis: Die nimmt auch Bares – unter bestimmten Bedingungen. Handelsblatt-Journalist Norbert Häring versucht – ein aufmerksamkeitsstarkes Thema für seinen privaten Blog – die in Deutschland seit 2013 für alle Haushalte geltende Abgabepflicht auszutricksen. Er ist gegen eine pauschale Abgabe für alle, die vor allem Menschen mit geringen Einkommen treffe. Auch in Deutschland gibt es übrigens Gebührenbefreiungen etwa für sozial Schwache und Menschen in Ausbildung. Härings jedenfalls originelle Idee, zugleich ein Statement für Bargeld: Er besteht auf Barzahlung, um den Aufwand für die Gebühreneinhebung drastisch zu erhöhen und das bestehende Gebührenmodell damit infrage zu stellen. derStandard.at/Web berichtete bereits ausführlich über Härings kreativen Einfall, und Häring widmete sich denn auch noch dem österreichischen Gebührensystem – das im Gegensatz zu Deutschland noch auf technische Empfangsmöglichkeit abstellt. Der deutsche Journalist konstatierte hier gar noch größere Chancen für seine Idee. Ein STANDARD-User und GIS-Kunde probierte es aus. Ergebnis seiner Korrespondenz mit der Zasterfahndung des ORF: Die Rechtsabteilung der GIS akzeptiert auch Barzahlung – da es Ihnen offensichtlich ein großes Bedürfnis ist. Bedingung: Der User trage das Risiko, dass das Geld bei der GIS einlangt, und es dürften für die GIS keine zusätzlichen Kosten entstehen. Unter diesen Voraussetzungen könne der User die Gebühr (mit Erlagscheinkosten) bei einer Bank einzahlen, als Wertbrief schicken, es zwischen neun und elf Uhr im GIS-Servicecenter in 1040 Wien vorbeibringen oder es uns sonst auf beliebige Art und Weise zukommen lassen, sodass das Geld in der Faulmanngasse einlangt. Wenn nun die Abneigung gegen Rundfunkgebühren genügend Energie und Einsatzbereitschaft mobilisiert, um die 19,78 bis 25,18 Euro pro Monat (davon 15,76 für den ORF) in der Faulmanngasse 4 vorbeizubringen, dann könnte die Schlange vor dem Servicecenter immerhin den Verkehrsfluss zwischen Naschmarkt und Operngasse zum Erliegen bringen – wenn schon nicht das Gebührensystem. Redakteure stimmten für Christa Hofmann. Wien – Das Weltjournal des ORF sucht einen neuen Redaktionschef. Donnerstag müssen sich die Bewerber einem Unternehmenshearing stellen. Am Dienstag stimmte die Redakteursversammlung ab – mehrheitlich für Redakteurin Christa Hofmann. Vor der Abstimmung schickten die scheidenden Redaktionsleiter Walter Erdelitsch und Claudia Neuhauser allen Journalisten der ORF-Hauptabteilung ein langes Mail zu Anforderungen und Team. Es endete mit dem Satz: Die Kandidatin der Redaktion Weltjournal ist Christa Hofmann, die seit 2010 auch die Abwesenheitsstellvertreterin der Sendungsverantwortlichen ist. Und: Wir wünschen allen Kandidaten und Kandidatinnen ein gutes Hearing. ORF-Chef Alexander Wrabetz besetzt den Job auf Vorschlag der TV-Direktorin. Der Vorschlag bindet ihn ebenso wenig wie das Redakteursvotum. 'Alexander Wrabetz über die Generalswahl 2016, geplante Youtube-Kanäle, die neue Fußball-App und vermeintliche Schulterschlüsse. Wien – Wie nervös macht den ORF-General der Gebührenentscheid des Verwaltungsgerichtshofs? Dieses und eine Handvoll andere Probleme, Projekte und Pläne erklärt Alexander Wrabetz im STANDARD-Interview: Wer allein über Web Radio hört, muss keine Gebühren zahlen, entschieden die Höchstrichter. Wrabetz wirkt gelassen: Der Problemdruck ist in den nächsten Jahren nicht so groß. Höchstens ein paar Tausend Menschen konsumierten ORF-Radio allein über das Web. Aber: In zehn Jahren sollte es diese Gebührenlücke nicht mehr geben – dann könnte das schon relevantere Größenordnungen haben. In politisch nicht aufgeheiztem Klima stehe die Entscheidung an: Rundfunkgebühr auch für Web-Konsum oder gleich eine Abgabe für alle Haushalte. Schon 2016 steht laut Gesetz ein Antrag auf Gebührenerhöhung an. Wie hoch die ausfallen soll, will Wrabetz noch nicht gerechnet haben. In der digitalen Welt hat der ORF einiges vor. Eine Arbeitsgruppe bastelt an Youtube-Kanälen des ORF, etwa für Comedy. Die Medienbehörde hat das Social-Media-Konzept des ORF darüber und mehr Aktivitäten auf Facebook gerade abgenickt. Vor allem ein verlängertes Marketingtool für den ORF, kein neues Geschäftsfeld, sagt er. Ein länger angekündigter ORF-Programmguide mit Empfehlungsfunktionen, auch für User, überfordert die Fernseh-IT des ORF noch. Und das Gesetz beschränkt Social-Media-Möglichkeiten des ORF für diesen Programmführer. Und er sieht heute keine Anzeichen für deren Lockerung. Als ersten Schritt kündigt Wrabetz nun eine Individualisierung der ORF-TVthek an, vor 2017. Ab Mitte September soll die Fußball-App des ORF um Nationalteam, Bundesliga, EURO und Champions League, Maßstäbe setzen, sagt Wrabetz – mehr zu Social TV und zur App hier. Wrabetz war im Frühsommer mit Medienmachern wie Niko Pelinka (Kobza Media) und Marcin Kotlowski (Wien Holding/W24) auf Kurz-Studienreise bei Google und Co im Silicon Valley. Sein Befund über die Herausforderer: Da sitzen einige Tausend bis Zehntausend der intelligentesten Kids der Welt mit den größten Geldmengen und denken nach, wie sie eine Branche nach der anderen genau zwischen die Augen treffen können. Sie denken auch darüber nach, wie sie das klassische Fernsehen und Radio zwischen die Augen treffen. Sie meinen das nicht böse. Sie sind überzeugt, dass alles Bestehende verändert werden muss. – Mehr dazu hier. Netflix etwa habe das klassische Fernsehen bisher nicht ersetzt, auch nicht in den USA – aber man muss es ernst nehmen. Der ORF setzt das Videoabrufportal Flimmit dagegen Hearing um NÖ-Chefredakteur am Mittwoch – Ziegler Favorit – Betriebsrat ortet "Bruch der Arbeitsverfassung" – ORF: Hearings bis zu neuer Betriebsvereinbarung nach bisherigen Regeln. Wien/St. Pölten – Das ORF-Hearing zur Besetzung von Leitungsfunktionen sorgt weiter für Diskussion und Irritation: Nachdem sich ORF-Chef Alexander Wrabetz erst am Wochenende kritisch zum derzeitigen Auswahlverfahren äußerte, findet am Mittwoch ein weiteres Hearing statt. Es geht um die Bestellung des Chefredakteurspostens im ORF-Landesstudio Niederösterreich, als aussichtsreichster Kandidat gilt Robert Ziegler. Der Niederösterreich heute-Moderator ist Koordinator der Landesstudios in der ORF-Generaldirektion, bürgerlicher Zentralbetriebsrat und seit 2011 als schwarzer Belegschaftsvertreter im ORF-Stiftungsrat vertreten. Neben Ziegler stellt sich ein starkes Bewerberfeld dem Hearing: Judith Weissenböck und Robert Friess, beide arbeiten im niederösterreichischen Landesstudio als Chefs vom Dienst, oder Michael Battisti, derzeit Marketing-Leiter im ORF Niederösterreich, in der Vergangenheit Nachrichtenredakteur und Büroleiter von Ex-ORF-Chefin Monika Lindner, zählen neben etlichen weiteren Bewerbern zu Anwärtern auf den Posten. Abgenommen wird das Hearing von ORF Vorarlberg-Chefredakteur Gerd Endrich, ORF-Religionschef Gerhard Klein, ORF-Markforschungsleiterin Eva Sassmann und ORF Burgenland-Programmchefin Gaby Schwarz, die als sogenannte Assessoren fungieren. Rund um diese Beisitzer hatte es vor einigen Wochen im Fall der Besetzung von Radio-Wirtschaftschefs Rupert Kluger Aufregung gegebenen. Kluger sei ein Personalwunsch der ÖVP, die Assessoren im Hearing wurden nach dieser Vorgabe ausgewählt und zwei Beisitzer kurzfristig ausgetauscht, so die Kritik damals. Der Betriebsrat kündigte die Betriebsvereinbarung zur Abhaltung der Hearings deshalb auf. ORF-Generaldirektor Wrabetz erklärte am Wochenende im STANDARD-Interview, dass er die Diskussion um Kluger zwar für entbehrlich halte, er sei sich mit der Belegschaftsvertretung aber darin einig, dass sich die Hearings nicht gut entwickelt haben. Das muss man neu aufsetzen. Insofern bin ich ganz froh, dass der Betriebsrat diese Betriebsvereinbarung aufgekündigt hat, so Wrabetz. Dass nun ein weiteres Hearing abgehalten wird, sorgt beim Betriebsrat für Kritik. Es ist schon befremdend, ein Zeitungsinterview des Generaldirektors zu lesen, in dem er seinen eigenen Unmut über das Hearing-Wesen im ORF äußert, sich beim Betriebsrat für die Beendigung der entsprechenden Betriebsvereinbarung bedankt, und statt rasch mit der Belegschaftvertretung eine Reform des Prozederes zu verhandeln, trotzdem ein Hearing anordnet beziehungsweise zulässt, sagte Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser am Montag auf APA-Anfrage. Die Belegschaftsvertretung sei über das neuerliche Hearing nicht einmal informiert worden. Moser sprach von einem Bruch der Arbeitsverfassung, denn Hearings sind sowohl Auswahl- als auch Personalbeurteilungsverfahren, und diese können nur auf Basis einer Betriebsvereinbarung stattfinden. Der ORF-Betriebsrat fordert von Wrabetz nun die ersatzlose Absage des für Mittwoch angesetzten Auswahl-Hearings für den Chefredakteursposten im Landesstudio Niederösterreich. Sollte es zu keiner Absage kommen, will der Betriebsrat eine Unterlassungsklage beim Arbeits- und Sozialgericht einbringen. Die ORF-Hearings sind derzeit nur ein Streitpunkt zwischen ORF-Geschäftsführung und Betriebsrat. Die Belegschaftsvertretung hatte die entsprechende Betriebsvereinbarung erst vor wenigen Wochen rund um die Bestellung des Radio-Wirtschaftschefs aufgekündigt. Seit Anfang August ist die Regelung außer Kraft. Für Zentralbetriebsratsobmann Gerhard Moser fehlt deshalb für weitere Hearings die Rechtsgrundlage laut Paragraf 96a Arbeitsverfassungsgesetz, wie er ORF-General Wrabetz am Montag in einem Brief mitteilte. Moser fordert die Absage, andernfalls werde es eine Unterlassungsklage geben. In der ORF-Geschäftsführung nimmt man diese Ankündigung unterdessen gelassen und vertritt eine andere Rechtsmeinung: der Betriebsrat darf zwar laut Arbeitsverfassungsgesetz bei Personalbeurteilungen mitwirken, nicht aber bei Personalauswahlverfahren. Und ein solches stelle das Hearing dar. Es stehe der Geschäftsführung deshalb frei, bis zu einer Neuregelung des Verfahrens Hearings abzuhalten, so die Argumentation. Eine Absage sei kein Thema. Wenn das Arbeits- und Sozialgericht in der Causa eine Feststellung treffe, dann bringe das Rechtssicherheit und -klarheit für die Zukunft, hieß es aus dem Umfeld von ORF-Chef Wrabetz. Erhielt bei der Abstimmung, wer die Chefredaktion übernehmen soll, mehr als doppelt so viele Stimmen. Wien – Robert Ziegler, Favorit für den Posten des neuen Chefredakteurs im ORF-Landesstudio Niederösterreich, ist nicht der Wunschkandidat der dortigen Redakteure. Bei der laut Redaktionsstatut vorgesehenen Abstimmung am Freitagvormittag kam Ziegler nach APA-Informationen auf 7 Stimmen. Judith Weissenböck, Chefin vom Dienst im ORF-NÖ, bekam mit 16 Stimmen mehr als doppelt so viel Unterstützung von der Redakteursversammlung. Ebenfalls noch vor Ziegler landete mit 9 Stimmen Redakteurssprecher Benedikt Fuchs. ORF-NÖ-Redakteurin Ursula Hofmeister wurde von 6 Redakteuren gewählt, Chef vom Dienst Robert Friess von 3. Das Ergebnis des Votums ist für die ORF-Geschäftsführung allerdings nicht bindend. Dort gilt weiterhin Ziegler als bevorzugter Kandidat. Daran habe sich auch nach dem umstrittenen offiziellen ORF-Hearing am Mittwoch dieser Woche nichts geändert, war aus dem Sender zu hören. Niederösterreich heute-Moderator Ziegler ist Koordinator der Landesstudios in der ORF-Generaldirektion, bürgerlicher Zentralbetriebsrat und seit 2011 als schwarzer Belegschaftsvertreter im ORF-Stiftungsrat vertreten. "Es handelt sich um ein Gerücht. Ich bin derzeit Chefredakteur und Leiter der Futurezone". Wien – Gerüchte, wonach der Technikjournalist und Leiter der Futurezone, Gerhard Reischl, bald zum ORF auf den Küniglberg wechseln und Start-up-Unternehmen betreuen soll, dementieren sowohl ORF als auch Reischl selbst. Es handelt sich um ein Gerücht. Ich bin derzeit Chefredakteur und Leiter der Futurezone. Die Fuzo stellt derzeit laufend Rekorde auf und hat noch viel vor. Sollt ich einmal den Job wechseln, werde ich das offiziell bekannt geben, sagt Reischl auf STANDARD-Anfrage. Über Pläne, dass Reischl wechseln soll, berichtete TV-Media. Reischl ist seit 1992 Redakteur beim Kurier. Von 2002 bis 2009 war er als Technologie-Experte im ORF zu sehen, zunächst in Willkommen Österreich, dann in Gut Beraten Österreich (Hightech-Corner) und bei Konkret. Über helfenwiewir.at werden auch Sach- und Zeitspenden gesammelt. Kooperation mit sechs NGOs. Helfen. Wie wir nennt der ORF seine heute gestartete Initiative zur Flüchtlingshilfe. Über die Website helfenwiewir.at werden dabei in Zusammenarbeit mit Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotem Kreuz, Samariterbund und Volkshilfe vor allem Wohnraumspenden koordiniert. Geldspenden werden ausschließlich an die beteiligten NGOs verteilt. Ebenfalls angeboten werden können Zeit- und Sachspenden. Das Programm befasst sich mit der Persönlichkeit der niederösterreichischen SOS-Kinderdorfmutter Angela Sasshofer. Turin/Wien – Das Ö1-Radioporträt Zwei Mütter von Isabelle Engels ist mit dem Sonderpreis des italienischen Staatspräsidenten bei der 67. Ausgaben des Prix Italia ausgezeichnet worden. Der Preis wird von einer internationalen Jury einem TV- und Radioprogramm verliehen, das Chancengleichheit besonders fördert oder Stärke und Mut der Frauen in den Vordergrund stellt. Verliehen wurde der Preis vom Bürgermeister von Turin, Piero Fassino. Zwei Mütter befasst sich mit der Niederösterreicherin Angela Sasshofer, die als Europasekretärin viele verschiedene Länder bereist und Kulturen kennengelernt und für Unternehmen in unterschiedlichen Wirtschaftsbranchen gearbeitet hat. Mit knapp 40 Jahren verspürte sie den intensiven Wunsch, noch etwas wirklich Sinnvolles zu tun, und stieß auf das SOS-Kinderdorf im benachbarten Hinterbrühl, wo sie sich um Kinder in Schwierigkeiten kümmerte. Im Frühjahr 2014 starb die SOS-Kinderdorfmutter im Alter von 54 Jahren an Krebs. Der Prix Italia ist der älteste und traditionsreichste Fernseh-, Radio- und Web-Wettbewerb. In der Kategorie Radio gibt es Preise für Produktionen in den Bereichen Hörspiel, Dokumentation und Musik. Er wurde von der RAI 1948 ins Leben gerufen. Die Teilnehmerliste des Prix Italia ist beachtlich: Autoren wie Jean Anouilh, Heinrich Böll, Bert Brecht, Italo Calvino, Jean Cocteau, Friedrich Dürrenmatt, Max Frisch oder Umberto Eco haben Arbeiten eingereicht – zu den Siegern zählten u. a. Samuel Beckett, Eugene Ionesco, Harold Pinter und Dylan Thomas. 80 öffentliche und private Radio- und Fernsehstationen sind Partner und ständige Mitglieder des Prix Italia und repräsentieren 40 Länder in fünf Kontinenten. Der Wettbewerb findet jedes Jahr in der zweiten Septemberhälfte statt, begleitet von vielen kulturellen Veranstaltungen. Anleihe zur Teilfinanzierung des Küniglberg-Bauvorhabens mit großer Mehrheit beschlossen – Rückstellungen und Frühfernsehen machen Budget zur "Herausforderung". Wien – Der ORF ist 2016 mit einem der härtesten Budgets der vergangenen Jahre konfrontiert, sagte ORF-Finanzdirektor Richard Grasl am Donnerstag nach einer Sitzung des ORF-Stiftungsrats. Rückstellungen aufgrund der Klage des Betriebsrats, steuergesetzliche Änderungen sowie das Frühfernsehen würden das Budget belasten. Mit großer Mehrheit wurde unterdessen die Begebung einer ORF-Anleihe beschlossen. Das Budget 2016 sei jedenfalls eine große Herausforderung, erklärte Grasl. Unter anderem musste derORF Rückstellungen – laut Generaldirektor Alexander Wrabetz in ausreichendem Maße – wegen der Klage des Zentralbetriebsrats im Zusammenhang mit der Anrechnung von Vordienstzeiten bilden. Auch das Frühfernsehen schlägt mit Nettokosten von sechs Millionen Euro zu Buche. Für das laufende Geschäftsjahr fiel die Bilanz positiv aus: Trotz der aktuell sehr schwierigen Lage auf dem Werbe- und Finanzmarkt wird der ORF durch die unterjährig eingeleiteten Gegenmaßnahmen aus heutiger Sicht auch 2015 wieder ein ausgeglichenes Ergebnis schaffen und ist wirtschaftlich auf Kurs, erklärte der Kaufmännische Direktor. Mit dem Anleihe-Beschluss hat der Stiftungsrat grünes Licht für die Teilfinanzierung des Standortprojekts im ORF-Zentrum am Wiener Küniglberg mittels Anleihe in Form einer Privatplatzierung gegeben. Ab nächster Woche werde man damit auf den Markt gehen, berichtete Grasl. Am 23. Oktober soll feststehen, wie viele Anleihen verkauft wurden und wie der Zinssatz aussieht. Es ist erfreulich, dass wir den nächsten Meilenstein bei unserem Standortprojekt gemacht haben, freute sich auch Stiftungsrat Thomas Zach. Allerdings kann nicht jeder, sondern können nur Großinvestoren und institutionelle Investoren die Anleihe zeichnen. Mit der Anleihe will der ORF Teile der Mittel für die geplanten Sanierungsarbeiten sowie den Newsroom-Zubau am Küniglberg aufbringen. In den vergangenen Monaten wurden laut ORF verschiedene Finanzierungsinstrumente geprüft, darunter auch die Variante eines Leasings – eine Anleihe habe sich schließlich aber als beste Vorgehensweise erwiesen. Die Federführung der Transaktion wird von der UniCredit Bank Austria übernommen. Insgesamt kostet das Bauvorhaben rund 300 Millionen Euro. "Wir haben jede Partei eingeladen, zehn Anhänger mitzubringen. 100 weitere Gäste wurden vom ORF über jene Agentur ausgewählt". Wien – Der ORF hat via Facebook FPÖ-Vorwürfe zurückgewiesen, wonach das Publikum bei der Fernseh-Elefantenrunde zur Wiener Landtagswahl nicht ausgewogen besetzt war. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte zuvor ebenfalls auf Facebook moniert, dass die Freiheitlichen weniger Parteigänger im Publikum stellen durften als die anderen Parteien. Bei der Fernsehdiskussion (5er-Runde der Spitzenkandidaten zur Wiener Wahl) hat der ORF und PULS 4 nachweislich jeder Partei 40 Karten übergeben, nur der FPÖ wurden statt 40 nur 10 Karten ausgehändigt., so Strache. Zum ORF-Puls 4-Casting für die übrigen Zuseher meinte der FPÖ-Chef: Darüber hinaus wurde laut ORF und PULS 4 ein Casting der weiteren Zuseher vorgenommen. Wer es glaubt wird selig. Ein nicht realer Querschnitt der Bevölkerung war im Publikum anwesend. Der Publikumsrat des ORF sollte sich der nicht gelebten Objektivität annehmen! smile-Emoticon Objektivität sieht jedenfalls im Querschnitt der Wiener Wählerschaft anders aus! Bei der Fernsehdiskussion (5er-Runde der Spitzenkandidaten zur Wiener Wahl) hat der ORF und PULS 4 nachweislich jeder... Der ORF wies diese Darstellung am Mittwoch zurück: Diese Behauptung ist schlicht und einfach falsch. Wir haben jede Partei eingeladen, zehn Anhänger mitzubringen. 100 weitere Gäste wurden vom ORF über jene Agentur ausgewählt, die auch Im Zentrum und andere Diskussionsformate des ORF beschickt. Weitere 100 Gäste wurden von Puls 4 ausgewählt. Hier die Namensliste aller Parteigäste bei der #Elefantenrunde. Pro Partei 10 Personen, ohne Ausnahme. #wien15 pic.twitter.com/6i7iTmqrZ2 Dass der Applaus für Strache nicht leiser war als für die anderen Teilnehmer, könne man in der ORF-TVthek nachhören. Als Beispiele nannte der Sender etwa die Diskussionspassagen zum Thema Arbeit/Wohnen bei Minute 08.03, zum Thema Verkehr bei Minute 06.08 sowie zu den Themen Asyl und Zuwanderung bei Minute 22:55. Großes Ehrenzeichen der Republik für früheren ORF-Korrespondenten Reinhard Frauscher, Silbernes für Stiftungsrat Franz Medwenitsch. Wien – Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) ehrte den früheren ORF-Korrespondenten Reinhard Frauscher sowie den Geschäftsführer des Verbands der Österreichischen Musikwirtschaft (IFPI Austria) und ORF-Stiftungsrat Franz Medwenitsch mit Ehrenzeichen der Republik. Frauscher erhielt das Große Ehrenzeichen, Medwenitsch das Silberne Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich. Ostermayer sprach von zwei Persönlichkeiten, die mit ihren Tätigkeiten die nationale wie internationale Medienlandschaft maßgeblich mitgeprägt haben. Frauscher habe – egal ob via Bildschirm oder als schreibender Journalist, ob in Rom, Bozen oder Berlin – die österreichische Bevölkerung jahrelang sachlich und kompetent informiert. Medwenitsch habe in verschiedenen Funktionen zu zukunftsweisenden Entscheidungen im ORF beigetragen, so Ostermayer. ORF einigte sich mit Produzenten bei Filmgipfel im Bundeskanzleramt auf Auftragsvolumen für die Jahre 2016 bis 2018. Wien – Der ORF sagt der heimischen Film- und TV-Wirtschaft für die Jahre 2016 bis 2018 ein Auftragsvolumen von 300 Millionen Euro zu. Dies wurde am Dienstag nach einem Filmgipfel im Bundeskanzleramt bekannt. Die Einigung sichere den TV-Produzenten eine sukzessive Erhöhung des Auftragsvolumens zu. Nach 88 Mio. im Jahr 2015 sind es ab 2016 im Schnitt 100 Mio. Euro pro Jahr, wie es aus dem Kanzleramt hieß. 2016 sind demnach vom ORF Investitionen in Höhe von 95 Millionen, 2017 sind es 100 Millionen und 2018 sind 105 Millionen Euro für heimische Ko- und Auftragsproduktionen einschließlich der jeweiligen Mittel im Rahmen der Filmförderung budgetiert. Der ORF-Stiftungsrat muss dem Filmpaket im Rahmen des ORF-Finanzplans beziehungsweise der Mittelfristplanung noch zustimmen. Der ORF ist langjähriger verlässlicher Partner und größter Auftraggeber der österreichischen Film-und TV-Wirtschaft. Es freut mich sehr, dass wir mit dieser Einigung sicherstellen können, dass die erfolgreiche Zusammenarbeit prolongiert wird, erklärte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. 300 Millionen bedeuteten nachhaltige Planungs- und Produktionssicherheit für österreichische Filme, Dokus und Serien im ORF-Programm. Damit werde das hohe Niveau des österreichischen Filmschaffens trotz großer Programmvorhaben wie etwa Olympia oder Fußball-EM auf Jahre gesichert, so der ORF-Chef. Bei dem Treffen im Bundeskanzleramt nahmen Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ), Wirtschafts-Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP), ORF-Chef Wrabetz, Finanzdirektor Richard Grasl und Fernsehdirektorin Kathrin Zechner aufseiten des öffentlich-rechtlichen Senders sowie der Rechtsanwalt, Medien- und Urheberrechtsexperte Alfred J. Noll und die Produzenten Danny Krausz und Kurt Stocker (Dor-Film), John Lueftner (Superfilm) und Helmut Grasser (Allegro Film) für die Filmwirtschaft teil. Der österreichische Film hat in den letzten Jahren eine beispiellose Erfolgsstory geschrieben. Die heutige Einigung über 300 Millionen Euro ist ein klares Bekenntnis für Zukunft des österreichischen Films, meinte Medienminister Ostermayer im Anschluss an die Verhandlungen. Damit werde die heimische Film- und Fernsehszene gestärkt, Arbeitsplätze werden geschaffen und gesichert und die künstlerisch hochwertige Film- und Fernsehproduktionen wird geschützt. Staatssekretär Mahrer sprach von einem Schritt in die richtige Richtung und einem positiven Signal für die mehr als 1.500 Beschäftigten in der Filmbranche. Danny Krausz zeigte sich im Namen der involvierten Filmverbände mit dem planungssicheren Verhandlungsergebnis zufrieden und dankte dem ORF. Es kann dadurch nur Gewinner geben. In erster Linie sind das die Seherinnen und Seher des ORF, für die wir in den nächsten drei Jahren umfangreiche österreichische Programminhalte liefern können, sagte Krausz der APA. 2016 seien durch die Einigung Programme wie der erste Teil der Trilogie Maximilian, zwei neue Landkrimis oder der Ausbau von ORF-Marken wie Spuren des Bösen gesichert, teilte der Sender mit. Im Serienbereich könnten beim Publikum beliebte Format wie Vorstadtweiber, Soko oder 4 Frauen und ein Todesfall verlängert und zusätzlich neue Angeboten umgesetzt werden. Und die Reihe Universum History könne um die Geschichte der Bundesländer erweitert werden. Bundesregierung soll Absiedlung der ORF-Radios verhindern, Anbotsfrist endet heute. Auch Häupl für Verbleib im Stadtzentrum. Wien – Der Streit um das Wiener Funkhaus beschäftigt heute auch den Nationalrat. Der Grüne Abgeordnete Wolfgang Zinggl hat einen Entschließungsantrag zum Thema eingebracht, der am Abend debattiert werden soll. Demnach soll der Nationalrat die Bundesregierung ersuchen alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um einen Verkauf des Funkhauses in der Argentinierstraße zu verhindern, sowie den Kulturstandort und die Senderidentität von Ö1 zu bewahren. Der Antrag der Grünen kommt womöglich etwas spät – das Funkhaus wurde vom ORF bereits zum Verkauf ausgeschrieben, die Anbotsfrist endet heute, Mittwoch. Der Jugendsender FM4 lebe von der örtlichen Nähe zu Zielgruppe und Musikszene, so Zinggl in seinem Antrag. Ö1 sieht der Abgeordnete durch die geplante Absiedlung auf den Küniglberg in Autonomie und Qualität bedroht. Für einen Verbleib im Stadtzentrum hat sich gestern auch der Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) ausgesprochen – zumindest für den ORF Wien, berichtet die Presse. Das Landesstudio brauche eine sichtbare Präsenz in der Stadt. es solle nicht in einem Hinterzimmer am Küniglberg landen, wird Häupl dort zitiert. Kunstschaffende und Mitarbeiter der im Funkhaus untergebrachten Radiosender Ö1, FM4 und Radio Wien protestieren seit Bekanntwerden der Umsiedlungspläne gegen den Funkhaus-Verkauf. Zuletzt demonstrierten sie am Montag vor dem Gebäude, Schriftsteller Robert Menasse kettete sich symbolisch am Haus an. Jobs im Amtsblatt ausgeschrieben – Gesamtprojekt kostet 2016 etwa zehn Millionen Euro. Wien – Der ORF sucht 23 neue Redakteurinnen und Redakteure für das ab März geplante Frühstücksfernsehen Guten Morgen Österreich. Die entsprechenden Posten mit der Verwendungsgruppe 6 hat der öffentlich-rechtliche Sender am Dienstag im Amtsblatt der Wiener Zeitung ausgeschrieben. Demnach werden fünf Redakteure für den Aktuellen Dienst in der Fernsehdirektion in Wien gesucht und jeweils zwei Redakteure für die neun ORF-Landesstudios. Guten Morgen Österreich wird nach den ORF-Plänen wochentags ab 6.00 Uhr früh ausgestrahlt und mindestens drei Stunden dauern. Gesendet wird aus einem mobilen Studio, das in den Gemeinden der verschiedenen Bundesländer unterwegs ist. Die Fernsehinformation in Wien liefert ZiBs zu. Die Castings für die Moderatoren des neuen Morgenformats laufen gerade. Das neue ORF-Frühfernsehen kostet 2016 für Pilotierung und ein dreiviertel Jahr operativen Betriebs rund zehn Millionen Euro. 'Von drei auf fünf Mandate für Schüttners Liste – gegen zweimal eines. Wien – Die bürgerliche Betriebsratsvorsitzende in der Kaufmännischen ORF-Direktion konnte ihre Mehrheit bei der Wahl am Dienstag deutlich ausbauen: Marianne Schüttners Liste legte nach STANDARD-Infos von drei auf fünf Mandate zu, zwei weitere Listen kommen nun auf je ein Mandat. Schütttners Liste Gemeinsam stark erhielt 158 Stimmen, also rund 64 Prozent und nun fünf Mandate. Die Liste Unabhängige KD (für kaufmännische Direktion) kam auf 47 Stimmen und ein Mandat, die Alternative Liste auf 40 Stimmen und ebenfalls ein Mandat. Vorige Woche steigerte die Liste von Gudrun Stindl bei den Radio-Betriebsratswahlen ihre Mandate deutlich von zwei auf fünf, sie überholte damit den bisherigen Radio-Betriebsratsvorsitzenden Gerhard Moser. Moser steht auch dem Zentralbetriebsrat des gesamten ORF vor, Anfang 2012 wurde er mit Unterstützung der stärkeren Sozialdemokraten von Technik-Betriebsratschef und Zentralbetriebsratsvize Gerhard Berti wiedergewählt. Die Kaufmännische Direktion ist ein relativ kleiner Betriebsratsbereich, der keine gröberen Verschiebungen im Zentralbetriebsrat bewirken dürfte. Die größten, hier meist spielentscheidenden Betriebsratsbereiche sind Technik und Fernsehen. Anfang 2016 bestellen Betriebsräte nach einem Wahlmännersystem mit nach Bereichsgröße unterschiedlichen Stimmgewichten den nächsten Zentralbetriebsrat Umbau "nicht extrem genau geplant" – Baukostenüberschuss als Stolperstein für Wrabetz in Vorwahlzeiten gewertet. Wien – Bei der Überschreitung der Baukosten bei der Sanierung des ORF-Zentrums zieht die Geschäftsführung die Notbremse: Generaldirektor Alexander Wrabetz verordnete einen dreimonatigen Planungsstopp. Die Kostenkontrolle soll verstärkt werden, unter anderem von einer externen Prüffirma. Zuletzt dementierte Wrabetz noch einen Planungsstopp. Um elf Millionen Euro kostet die Sanierung von Objekt 1 mehr als veranschlagt. Statt 42,8 Millionen Euro, zuzüglich eines Puffers von rund zwei Millionen für Valorisierung und acht Millionen als Reserve stehen derzeit 54,3 Millionen Euro zu Buche. 3,3 Millionen Euro sollen durch Sofortmaßnahmen eingespart werden. Drei Monate gönnt sich der ORF nun, um zu prüfen, wie er weiter verfahren will, um die vorgesehenen Gesamtkosten von 303,7 Millionen Euro zu halten. Mögliche Maßnahmen wurden beim Stiftungsrat am Donnerstag besprochen: Der für den trimedialen Newsroom vorgesehene Neubau könnte sich verkleinern, statt Renovierungen könnten Teile nur saniert werden: Der grüne Stiftungsrat Wilfried Embacher bewertet den Umbau mittlerweile als nicht extrem genau geplant. Andere Räte warnen vor Dramatisierung: Ziel ist es, innerhalb des Kostenrahmens zubleiben, sagt VP-Stiftungsrat Thomas Zach. Auf die Fertigstellung 2021 habe der Planungsstopp keine Auswirkungen, versichert Wrabetz. Das Budget 2016 beschloss das Gremium einstimmig. Der Baukostenüberschuss könnte als Stolperstein für Wrabetz in Vorwahlzeiten gewertet werden. Denn in ÖVP-Kreisen wird schon hinterfragt, ob jemand wie Wrabetz nach einem solchen organisatorischen Missmanagement weiter geeignet ist, dem Unternehmen eine neue Struktur zu geben. Auskunft zum Funkhausverkauf fiel für Zentralbetriebsrat Gerhard Moser unbefriedigend aus. Das Landesstudio Wien soll offenbar in der Argentinierstraße bleiben. Moser kündigt aktionistischen Protest an. Strobls Gage als Bauherrenvermittler bezeichnete Wrabetz als marktüblich. Kolportierte 400.000 Euro dementiert Strobl auf Anfrage: Ich habe noch gar keinen Vertrag. Bis 31. Dezember sei er ORF-Angestellter, danach selbstständig. Mit zwei Gegenstimmen segneten die Stiftungsräte das Start-up-Projekt von Finanzdirektor Richard Grasl mit Gerald Reischl als Chef und zwei Halbtagskräften mit 316.000 Euro Personalkosten ab, der STANDARD berichtete. Gerungen wird derweil auch an vermeintlichen Nebenschauplätzen: Mit Mehr Demokratie durch Auswahl, tritt die Liste von Reporter Matthias Schrom bei der Wahl des ZiB-Redakteurssprechers gegen Dieter Bornemann an. Der ORF-Stiftungsrat hat am Donnerstag das ORF-Budget 2016 einstimmig beschlossen. Der Finanzplan des öffentlich-rechtlichen Senders sieht trotz kostenintensiver Programmereignisse wie der Fußball-EM in Frankreich, der Olympischen Sommerspiele in Rio de Janeiro sowie des neuen ORF-Frühfernsehens ein ausgeglichenes Ergebnis und eine schwarze Null vor. Die Eckzahlen des Finanzplans: Für 2016 ist ein Gesamtumsatz von 942,3 Millionen Euro geplant. Das Ergebnis im Konzern (EGT) ist mit 1,6 Mio. Euro (Finanzplan 2015 1,3), das Ergebnis in der ORF-Mutter mit 0,2 Mio. angesetzt. Die Einnahmen aus den Rundfunkgebühren sollen um 0,7 Prozent auf 597,6 Mio. steigen, die Werbeerlöse um 0,6 Prozent auf 220,3 Mio. Euro. Einen maßgeblichen Beitrag zur Erreichung der Budgetziele liefert der geplante Verkauf des ORF-Funkhauses. Die Programmbudgets sollen steigen. Für das Fernsehen wurden gegenüber dem Finanzplan 2015 insgesamt um 17 Mio. Euro mehr budgetiert, Ausgaben in Höhe von 404 Mio. Euro sind geplant. Für die ORF-Radios sind 108,4 Mio. Euro vorgesehen, vier Mio. mehr als im Finanzplan 2015. Die Gesamtkosten (Rechte- und Produktionskosten) für die Fußball-EM in Frankreich betragen demnach 16,7 Mio. Euro, für die Olympischen Sommerspiele in Rio sind 11,4 Mio. budgetiert. Das neue Frühfernsehen, das Ende März starten soll, koste 2016 für Pilotierung und ein dreiviertel Jahr operativen Betriebs rund 10 Mio. Euro. Die Personalkosten des ORF steigen laut Finanzplan im nächsten Jahr leicht von 360 auf 368 Mio. Abgesegnet wurde auch die zwischen Geschäftsführung und Betriebsrat für 2016 vereinbarte Erhöhung der Gehälter, Zulagen und Honorare um 1,4 Prozent. Der bisherige Leiter der Kurier-Technologie-Plattform Futurezone, Gerald Reischl, wurde in der Stiftungsratssitzung zum neuen Start-up-Cluster-Chef im ORF bzw. zum Geschäftsführer Kooperationen in der ORF Mediaservice GmbH bestellt. Für Diskussionen sorgten im Vorfeld die Personalkosten der Gesellschaft. Für zwei Geschäftsführer und zwei Halbtagskräfte sind im Finanzplan knapp 320.000 Euro veranschlagt. Das ist nicht die Gage des Gerald Reischl, stellte Grasl dazu klar. Im budgetierten Betrag seien insgesamt mehrere Mitarbeiter und rund 30 Prozent Lohnnebenkosten enthalten, so Grasl. Ein weiteres Thema der dieswöchigen ORF-Gremiensitzungen waren die Talk-Format des ORF. Hier sprachen sich einige Stiftungsräte für einen Ausbau der Diskussionssendungen aus. Stiftungsrat und Caritas-Direktor Franz Küberl plädierte etwa für ein regionales Bürgerforum bei großen Themen in den Bundesländern. Küberl griff damit eine langjährige Forderung von Fernsehdirektorin Kathrin Zechner auf. Auch Zechner hätte gerne mehr Bürgerforen und regionale Bürgerforen. Bisher scheiterten entsprechende Überlegungen aber an Kosten und Budgets. Die Neuwahl der ORF-Geschäftsführung im Sommer 2016 spielte nur am Rande eine Rolle. Der von der SPÖ unterstützte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hatte ja bereits vergangene Woche seine Wiederkandidatur angekündigt. ORF-Finanzdirektor Richard Grasl wollte sich unterdessen zu Spekulationen über eine mögliche Gegenkandidatur gegen Wrabetz noch nicht festlegen. Es ist keine Zeit für Wahlkampf, meinte der von der ÖVP forcierte Grasl. Auf die Frage, ob er den Ruf der ÖVP spüre, sagte der Finanzchef des öffentlich-rechtlichen Senders: Ich spüre eine vorweihnachtliche Stimmung. Nach umstrittener Besetzung des Radio-Wirtschaftschefs. Wien – Ein ORF-Schiedsgericht unter der Leitung des früheren ORF-Generalintendanten Otto Oberhammer hat die Anhörungsrechte der ORF-Redakteursvertreter bei Personalentscheidungen präzisiert. Hintergrund des Verfahrens war die Bestellung Rupert Klugers zum Radio-Wirtschaftschef. Der ORF-Redakteursrat hatte wegen der Causa erstmals seit Bestehen des ORF-Redakteursstatuts 1976 ein Schiedsgericht einberufen. Kluger wurde von ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz im Sommer entgegen dem Vorschlag der betroffenen Redakteursversammlung ohne vorherige Anhörung des Redakteursrats besetzt. Vom zuständigen Radiodirektor Karl Amon gab es damals keinen Vorschlag für die Besetzung des Radio-Wirtschaftsressorts. Der Redakteursrat vermutete hinter der Entscheidung für Kluger, der zuvor Chef vom Dienst bei Ö3 war, einen Wunsch der ÖVP und sah durch das Vorgehen seine Mitwirkungsrechte missachtet. Zugleich ortete man einen Bruch des Redakteursstatuts und forderte die Einberufung des Schiedsgerichts. Dieses Schiedsgericht, dem neben Oberhammer auch der frühere Redakteursratsvorsitzende Fritz Wendl für den Redakteursrat und Wrabetz-Büroleiter Michael Wimmer für das Unternehmen angehörten, kam nun in Übereinstimmung mit den Streitparteien zur Ansicht, dass das ORF-Redakteursstatut bezüglich der Mitwirkungsrechte der ORF Journalisten an personellen Entscheidungen im Laufe der Jahre und während dieser Zeit mehrfach erfolgter Gesetzesänderungen einigen Anpassungsbedarf hat, wie es in der Entscheidung des Gerichts heißt. Und dieser Umstand eröffnet Spielräume für unterschiedliche Interpretationen. Zur Klärung dieser Spielräume hat das Schiedsgericht in seinem Schiedsspruch eine Präzisierung vorgenommen: Betreffend die Mitwirkung der Gremien der Redakteure an personellen Entscheidungen wird festgestellt, dass vor solchen Entscheidungen des Generaldirektors über die Bestellung von im § 5 Abs 3 des Redakteursstatuts genannten Leitungsfunktionen gemäß dieser Bestimmung anzuhören ist: 1. durch den zuständigen Direktor oder Landesdirektor der Redakteursausschuss bzw. die betroffene Redakteursversammlung nach rechtzeitiger Bekanntgabe der Ausschreibung und des Ausschreibungsergebnisses und 2. durch den Generaldirektor der Redakteursrat im Fall, dass einem Besetzungsvorschlag des betroffenen Gremiums nicht Rechnung getragen werden soll, unabhängig davon, ob der Direktor oder Landesdirektor einen Vorschlag erstattet (einen Besetzungsantrag gestellt) hat. Damit ist klargestellt, dass die Redakteursvertreter künftig in ähnlichen Fällen wie der Bestellung Kluger vom Generaldirektor anzuhören sind. Ironie in Georg Rihas Pausenfilm zum Neujahrskonzert. Wien – 2016 beginnt mit einer Überraschung: Wolferl is back! Pünktlich um Mitternacht entspringt er der Pendeluhr, materialisiert sich im Hier und Jetzt und flaniert bald vor staunenden Touristen durch Salzburg. Ohne Selfie geht da gar nix, der Komponist erträgt es belustigt und bedient alsbald auch Wischbildschirme. Heitere Gelassenheit bestimmt den diesjährigen Pausenfilm zum Neujahrskonzert. Mit einem Augenzwinkern gratuliert Georg Riha der Mozart-Stadt zum 200. Geburtstag. Ja, es ist ein Imagefilm für den 1. Jänner, sagt Dokumentarfilmer Riha. Aber wir spielen mit den Klischees und ironisieren sie. Nach 2000, 2006 und 2008 schickt der Dokumentarfilmer zum vierten Mal Grüße aus Österreich in die Welt. Der aus der Zeit gefallene Mozart (Roman Binder) tänzelt von einer Sehenswürdigkeit zur nächsten und ermöglicht einen musikalisch untermalten Bilderreigen von der Stadt Salzburg hinaus aufs Land, zu den Seen, Bergen und Wasserfällen, Schlössern, Klöstern und sonstigen Kulturschönheiten (Achtung, Ironie: Skipisten!). Riha und der vom ORF beigestellte Mitgestalter Ernst A. Grandits wollen Momente des Träumens ermöglichen: Bewusst machen, wie gesegnet dieses Land ist, sagt Riha, der bei diesem Film auf den Einsatz von Drohnen verzichtete. Sie sind fantastisch, aber wir stoßen immer wieder an Grenzen, sagt Riha, der beim Neujahrsfilm ganz altmodisch aus dem Helikopter filmte. Entstanden sind unter anderem meditative Flugaufnahmen. Auftraggeber sind Land Salzburg, Wiener Philharmoniker und ORF (Musikredaktion: Karin Veitl). Drohnen und Multicopter lässt Riha zu Ostern fliegen: In vier Teilen von Über Österreich zeigt er das Land zwischen Boden- und Neusiedler See aus der Vogelperspektive und greift damit ein Thema auf, das ihn sein Leben lang beschäftige, sagt Riha: Die höhere Sicht der Dinge. Entspricht 23 Prozent Marktanteil. Wien – 424.000 Menschen haben im Schnitt die Silvester-Stadlshow in ORF eins gesehen – das entspricht 23 Prozent Marktanteil, hieß es aus dem ORF gegenüber der APA. Damit lagen die Zahlen unter jenen des Vorjahres, als der Silvesterstadl noch 517.000 Fernsehzuschauer vor die Bildschirme lockte, was damals 26 Prozent Marktanteil entsprach. Über die Zukunft der Show mit den beiden neuen Moderatoren Francine Jordi und Alexander Mazza wird nach dem extrem schwachen Neustart im September und dem jetzigen Silvesterergebnis nun zwischen den Partnersendern ORF, ARD und SRF beraten, hieß es. Hier werde es zeitnah eine Entscheidung geben. Bis zu 1,116 Millionen sahen am Freitag im ORF den traditionellen Klassik-Auftakt – Weiniger Zuseher als im Vorjahr. Wien – Die Wiener Philharmoniker und der ORF konnten sich am Neujahrstag über ein Millionenpublikum freuen – auch wenn es etwas weniger Zuseher waren als im Vorjahr. Die 58. ORF-Übertragung des Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker erreichte am 1. Jänner bis zu 1,116 Millionen Interessierte (Spitzenwert des zweiten Teils) und erzielte 55 Prozent Marktanteil. Durchschnittlich sahen den zweiten Teil des Neujahrskonzerts 1,039 Millionen. Den von Ernst A. Grandits und Georg Riha (Ko-Regie und Produktion) gestalteten ORF-Film Zauberhaftes Salzburg – 200 Jahre bei Österreich sahen in der Konzertpause durchschnittlich 901.000 bei 55 Prozent Marktanteil. Den erste Konzertteil hatten wohl einige verschlafen, durchschnittlich 759.000 Zuseher bei 51 Prozent Marktanteil waren dabei. Die durchschnittliche Reichweite des gesamten Konzerts, das 75-jähriges Jubiläum feierte und heuer von mehr als 90 Ländern rund um den Globus übernommen wurde, lag bei 960.000 und 54 Prozent Marktanteil. Im Vorjahr betrug die durchschnittliche Reichweite des gesamten Konzerts 1,012 Millionen – bei einem Marktanteil von 57 Prozent. Strobls Erfolgsprämie soll Richtung 40.000 gehen – Mehr Ticket- und Sponsor-Erlöse, Nettokosten 1,5 Millionen unter Plan. Wien – Im ORF gibt es Fans von Pius Strobl, allen voran General Alexander Wrabetz, und Menschen, die weniger gut auf ihn zu sprechen sind. Vertreter beider Gruppen bestätigen STANDARD-Infos, dass Strobl gerade eine Prämie als Eventmanager des Song Contest 2015 bekommen hat, dass sie fünfstellig ausgefallen ist und 40.000 nicht ganz erreicht, aber durchaus in diese Richtung geht. Weniger Übereinstimmung erzielen die beiden Gruppen in der Bewertung dieses Umstands. Und Strobl selbst äußert sich nicht. Die Strobl weniger gut Gesinnten sprechen von einer Prämie, sie erinnern daran, dass Strobls ESC-Anstellung eigentlich im Sommer enden sollte und dann doch bis Jahresende lief, offiziell zur Abrechnung des Song Contest. Schon im September 2015 wurden intern endgültige Zahlen für den Event präsentiert. Auf die ESC-Zahlen verweisen wiederum die Fans von Pius Strobl: Statt geplanter 15 Millionen Euro seien die Nettokosten für den ORF bei 13,5 Millionen gelegen. Die Ticketerlöse überstiegen die Planung mit insgesamt deutlich mehr als fünf Millionen Euro weit. Und auch (für den ORF) günstige Kooperationen sollen mehr als zweieinhalb Millionen eingespielt haben. Diesen Hinweisen schließen Fans von Strobl noch jenen an, dass der Eventmanager nach marktüblichen Gepflogenheiten wohl weit mehr Erfolgsprämie bekommen hätte. Samt Nachsatz: Die tatsächliche Prämie sei sehr genau an hoch gesteckte Ziele geknüpft gewesen. Vor dem ESC-Job (und nach seinem unfreiwilligen Abgang als Kommunikationschef des ORF) arbeitete Strobl über seine Agentur P+S Consulting für den ORF, etwa beim großen Satkartentausch der vergangenen Jahre, beim Umstieg aller Bundesländerkanäle auf HD oder beim Öko-Charity-Eventprojekt Mutter Erde. Vertragsvolumen der P+S nach früheren ORF-Angaben: rund 200.000 Euro jährlich. P+S Consulting gehört zu 76 Prozent Strobls Frau Eva Pölzl, Privat-TV-Moderatorin und Nachlese-Redakteurin. Sie soll offenbar das neue regionale ORF-Frühfernsehen (ab März) präsentieren. Inzwischen ist Strobl nicht mehr ORF-Angestellter, sondern mit einem Beratungsvertrag Sicherheitschef des ORF sowie oberster Baumanager des ORF. Da soll er dem ORF wieder sparen helfen: Wie berichtet soll Strobl verhindern, dass Sanierung und Zubau des ORF-Zentrums 30 bis 50 Millionen über Plan liegen – soviel veranschlagte eine interne Baukostenwarnung. Der ORF beruhigte im Herbst 2015 zu dem 300-Millionen-Gesamtprojekt: Der ORF ist sehr zuversichtlich, dass die weiteren Reservepositionen nicht zur Gänze benötigt werden und damit das Gesamtprojekt sowohl zeitlich wie finanziell im Plan und auf Schiene ist. Strobl arbeitet daran (und an mehr als einem Dutzend anderer Projekte, wie es intern heißt) mit inzwischen acht Mitarbeitern im Direktionstrakt des ORF. Gemeinden können ORF-Porträts um 3.000 Euro kaufen. Wien – Österreichs Gemeinden sollen dem ORF helfen, die Kosten für das ab 29. März startende Frühstücksfernsehen Guten Morgen Österreich hereinzuspielen. Das berichten die Oberösterreichischen Nachrichten in ihrer aktuellen Ausgabe. Es werde zwar vom ORF kein Produktionskostenbeitrag eingehoben, aber jede Gemeinde kann ein Ortsporträt kaufen, welches die ORF-Profis machen, so Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer in den OÖN. Der Preis werde sich in einer Größenordnung von 3.000 Euro bewegen. Wenn pro Jahr 250 Gemeinden zugreifen, kämen so immerhin rund 750.000 Euro zusammen. Im ORF erklärte man dazu auf APA-Anfrage, dass Ortsporträts fixer Bestandteil jeder Guten Morgen Österreich-Sendung sind und nach ausschließlich redaktionellen Gesichtspunkten gestaltet werden. Die Rechte liegen beim ORF, für Produktion und Ausstrahlung des Beitrages wird selbstverständlich nichts berechnet. Über die ORF-Enterprise erhalten interessierte Gemeinden die Möglichkeit, die Rechte an der weiteren kommerziellen Nutzung des entsprechenden Beitrags nach Ausstrahlung zu erwerben und diese dann etwa auf ihre Homepage zu stellen, bei Tourismus-Messen zu zeigen etc. Laut ORF ein üblicher Vorgang, so wie generell über die ORF-Enterprise Lizenzvermarktung Material aus ORF-Sendungen erworben werden kann. Das mögliche Interesse an der Nachnutzung eines solchen Beitrags stehe übrigens auch in keinem Zusammenhang mit der Auswahl der von Guten Morgen Österreich besuchten Orte oder Gemeinden, betonte der ORF. Die neue Morgenschiene wird wochentags von 6.00 bis 9.00 Uhr ausgestrahlt. Gesendet wird aus einem mobilen Studio, das in Ländern und Gemeinden Station macht. 'Gesprochen von Felix Römer, am Samstag um 14 Uhr in der Ö1-Hörspielgalerie. Wien – Ein Kalkwerk als häusliche Bleibe? Das Unwohnlichkeitsbedürfnis des betreffenden Einmieters scheint beträchtlich. Der Protagonist in Thomas Bernhards Roman Das Kalkwerk (1970) hat sich in ein ebensolches verlassenes Industriegebäude zurückgezogen. Dort arbeitet der obsessive Monomane seit Jahrzehnten an einer Studie über das Gehör – ohne allerdings je den geeigneten Moment für eine Niederschrift derselben gefunden zu haben. Denn, so Konrad, im Kopf könne man schnell etwas haben, aber fast nie habe man etwas auf dem Papier! Mit unfreiwilliger Hilfe seiner Ehefrau unternimmt dieser Konrad verschiedenste Hörversuche (Heute nur Mitlaute!). Er spricht hunderte Male täglich einmal leise, dann wieder laut in das Ohr seiner Gattin, in ihr linkes, dann auch in ihr rechtes, aus nächster Nähe oder aus einiger Entfernung – wie es die für seine Untersuchung ausgewählte sogenannte Urbantschitsche Methode eben vorsieht. Die Dame sitzt im Rollstuhl und kann sich des unentwegten Experimentierens nicht erwehren. Als Gehörstudie ist Das Kalkwerk der Idealfall eines Hörspiels ORF/ZDF-Koproduktion wird Anfang März ausgestrahlt. Salzburg/Wien – Der ORF setzt nach seiner Landkrimi-Serie weiter auf Unterhaltung mit Lokalkolorit. Mit Die Toten von Salzburg geht nun erstmals ein bayrisch-österreichisches Ermittlerduo auf Verbrecherjagd. Die Koproduktion mit dem ZDF feierte am Dienstagabend in Salzburg Premiere. Erstmals im Fernsehen ausgestrahlt wird der TV-Krimi Anfang März. Ein Immobilienmakler wird ermordet in einem Waldstück bei Salzburg aufgefunden. Das Opfer hatte einst zahlreiche Anleger mit einem Pyramidensystem betrogen, bevor es sich nach Bayern absetzte, um nicht von der österreichischen Justiz belangt zu werden. Nicht ganz freiwillig übernehmen Kommissare aus beiden Ländern die Ermittlungen. Verschieden sind nicht nur die Herangehensweisen der neuen Partner. Der Salzburger Major Peter Palfinger (Florian Teichtmeister) sitzt seit einem Unfall beim Paragleiten im Rollstuhl. Er ist direkt, goschert und zeigt seinem Umfeld klar: Behindert – na und? Das ist doch überhaupt kein Thema. Sein bayerischer Kollege Kriminalhauptkommissar Hubert Mur (Michael Fitz) ist da anders geschnitzt. Er macht keinen Hehl daraus, dass er einen Kollegen mit Behinderung nicht ernst nimmt. Mit dem Rollmops kann er nichts anfangen. So kommt es, dass beide bei der Aufklärung des Falls zunächst neben- statt miteinander ermitteln. Unterstützung bekommt Palfinger allerdings von der schlagfertigen Nachwuchsermittlerin Irene Russmeyer (Fanny Krausz). Mich hat vor allem der Konflikt zwischen Bayern und Österreichern interessiert. Das sind an sich ja artverwandte Völker, aber eben doch mit den kleinen Unterschieden, die auch gepflegt werden, sagte der Salzburger Regisseur Erhard Riedlsperger. Die Toten von Salzburg bedient durchaus zahlreiche Klischees. Aber der TV-Krimi bedient sie gerade dort nicht, wo die Fallen am größten gewesen wären. So bleiben die Attraktionen Salzburgs kein Selbstzweck im Sinne einer Tourismuswerbung – auch wenn Stadt und Land die Produktion finanziell unterstützt haben – sondern sind unaufgeregt als Kulisse in die Geschichte integriert. Selbst in der Anfangssequenz, wo die Kamera einem Raben beim Überflug über Festung und Altstadt folgt, hängen die Wolken tief. Am stärksten ist der Film aber, wenn er auf die kleinen Diskriminierungen Behinderter im Alltag verweist, auf die schiefen Blicke der Körper-Fetischisten im Fitnessstudio, auf das ungewollte Mitleid, auf die unausgesprochene Frage, wie das als Rollstuhlfahrer so mit dem Sex klappt. Dabei bleibt der Krimi stets politisch inkorrekt: Heute ist kein Behindertentag, sagt der Regisseur einer Festspiel-Aufführung einmal, als der Kommissar im Zuge der Ermittlungen in eine Probe rollt. Dazu kommt die Souveränität, mit der der Kommissar im Rollstuhl Hindernisse meistert: Wurzeln im Wald, Kopfsteinpflaster, die steile Rampen in der Salzburger Altstadt. Dabei schreckt er auch vor waghalsigen Abfahrten von den Stadtbergen nicht zurück. Er habe viel für die Rolle recherchiert, sagte Florian Teichtmeister. Er führte Gespräche mit Betroffenen, versuchte sich anzueignen, was Menschen lernen, die sich auf ein Leben im Rollstuhl einstellen müssen und war zur Vorbereitung selbst zwei Wochen lang im Rolli unterwegs. Das machte sich bezahlt: Seine authentische Darstellung wurde am Dienstag auch von behinderten Besuchern im Premierenpublikum gelobt. Die Toten von Salzburg wird am 2. März um 20.15 Uhr auf ORF 2 ausgestrahlt, das ZDF folgt voraussichtlich im Herbst. In den weiteren Rollen zu sehen sind etwa Erwin Steinhauer, Harald Windisch, Simon Hatzl, Susanne Zrost, Max Müller und Isabel Karajan. Passen die Quoten, gilt eine Fortsetzung als nicht unwahrscheinlich. Das Drehbuch für einen zweiten Teil soll zu großen Teilen bereits fertig sein. Durchschnittlich 1,3 Millionen Zuschauer. Wien – Bis zu 1,3 Millionen Österreich sahen am Dienstagabend den diesjährigen Villacher Fasching in ORF 2. Auch wenn es bei der traditionellen Sitzung der Villacher Faschingsgilde meist wenig zu lachen gibt, verfolgten im Schnitt 1,3 Millionen Zuschauer das Treiben der Kärntner Faschingsnarren und sorgten wie jedes Jahr für eine Topquote. Der Marktanteil der Sendung lag bei 43 Prozent. Berti wieder Mosers Stellvertreter – Zentralbetriebsräte wollen "radikalen Wechsel" in ORF-Personalpolitik: "Schluss" mit Einschnitten – Stindl als neue Stiftungsrätin im Gespräch. Wien – ORF-Radio-Betriebsrat Gerhard Moser wurde am Freitag in der Konstituierenden Sitzung des ORF-Zentralbetriebsrats wieder zum Zentralbetriebsratsvorsitzenden des öffentlich-rechtlichen Senders gewählt. Mosers Stellvertreter ist wie bisher Technik-Betriebsrat Gerhard Berti. Mosers links stehende Liste Unabhängige erreichte bei der jüngsten Zentralbetriebsratswahl im ORF eine knappe Stimmenmehrheit vor der SPÖ-nahen Liste Miteinander Bertis. Beide Gruppierungen holten je vier Mandate und halten acht von elf Mandaten im Zentralbetriebsrat. Die ÖVP-nahe Gruppierung Unser ORF von Marianne Schüttner legte bei der Wahl im Februar stark zu, landete nur knapp hinter Moser und Berti und hat nun drei Mandate. Nur eine von acht Zentralbetriebsratsfunktionen ging an eine Frau. Links liegen gelassen wurde der Antrag, Schüttner mit einer von drei Stellvertreterfunktionen zu betrauen und sie zu Mosers Vize zu machen. Moser und Berti sehen den ORF und seine Belegschaft in den kommenden vier Jahren vor großen Herausforderungen. Die geplante Zusammenlegung der Standorte in Wien, neue Strukturen und Arbeitsbilder, die sich die Geschäftsführung vorstellt, werden von uns kritisch hinterfragt werden, erklärten Moser und Berti nach der Konstituierenden Sitzung in einer Aussendung. Als Hauptziel ihrer betriebsrätlichen Zusammenarbeit nannten die beiden Belegschaftsvertreter einen radikalen Wechsel in der bisherigen ORF-Personalpolitik. Personal wurde jetzt lange genug abgebaut. Einschnitte in Vertragsverhältnisse und sogenannte Sparpakete haben wir ebenfalls ertragen müssen. Damit ist jetzt Schluss. Das Unternehmen ist finanziell gut aufgestellt, was wir jetzt brauchen sind neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie konkrete Perspektiven und Fördermaßnahmen für die Belegschaft. Der bürgerlichen Liste Schüttners boten Moser und Berti die Kooperation an: Zur konstruktiven Zusammenarbeit in Sachfragen sind wir immer bereit, wir sind gespannt auf ihre Ideen. Mitte März will die neu konstituierte Belegschaftsvertretung des ORF ihr Arbeitsprogramm für die kommenden Jahre besprechen und auch die internen Strukturen des Gremiums wie etwa die Entsendungen in den ORF-Stiftungsrat festlegen. Änderungen dürfte es dabei kaum geben. Moser und Christiana Jankovis werden wieder für die linke Liste Unabhängige in den Stiftungsrat einziehen, Berti und Stefan Jung wieder für die SP-nahe Liste Miteinander. Bei der VP-nahen Unser ORF scheidet unterdessen Monika Wittmann aus dem obersten ORF-Gremium aus. Für ihren Platz ist Radio-Betriebsrätin Grudrun Stindl im Gespräch, wie es im ORF heißt. 'Bei Barbehebung für Wehrschütz – Revisionsbericht belastet Mitarbeiter – ORF will Staatsanwaltschaft befassen. Wien – In Krisen- und Kriegsgebieten, aus denen Christian Wehrschütz für den ORF berichtet, hilft oft nur Bargeld weiter. Bei einer Behebung für Wehrschütz von einem ORF-Konto verschwanden nach STANDARD-Infos rund 30.000 Euro. Der Bericht der internen Revision belastet einen Mitarbeiter des Wiener ORF-Korrespondentenbüros in der ORF-Generalintendanz, geleitet von Roland Adrowitzer. Wenn Wehrschütz Bargeld für seine Einsätze braucht, hebt er sie nach Infos aus dem ORF meist selbst in Absprache mit dem Korrespondentenbüro in Wien ab. Jedenfalls einmal erledigte das zuletzt ein Mitarbeiter des Wiener Korrespondentenbüros für Wehrschütz. Und dieses Mal sollen nach Informationen des STANDARD aus mehreren Quellen rund 30.000 Euro vom Radar des ORF verschwunden sein. Der interne Revisionsbericht besagt nach STANDARD-Infos: Wehrschütz erbat einen einstelligen Tausenderbetrag – den er nach eigenem Bekunden auch erhalten hat. Die übrigen 30.000 will er nicht erhalten haben. Laut nicht näher präzisierten Infos über den Revisionsbericht sollen neben den Aussagen weitere Indizien hier gegen den Mitarbeiter sprechen, der dienstfrei gestellt wurde. Der ORF bestätigt auf Anfrage die STANDARD-Infos über die Vorgänge und den Revisionsbericht. Der ORF will die Staatsanwaltschaft damit befassen, erklärt ein Unternehmenssprecher: Der ORF ergreift alle internen und rechtlichen Maßnahmen, um den Sachverhalt endgültig zu klären. Auf Basis der Ergebnisse der internen Revision wird somit auch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, um in weiterer Folge allfällige dienstrechtliche Konsequenzen zu ziehen und allenfalls Schadenersatzansprüche geltend zu machen. Die kaufmännische Administration des Korrespondentenbüros wurde nach Infos des STANDARD nun neu organisiert, Adrowitzer ist offenbar nicht mehr für die Abrechnung zuständig. Nach Bekanntwerden der recht üppigen Barbehebung wurden zunächst offenbar ORF-Zahlungen auf dienstliche Konten für Wehrschütz Büro bis zu der Neuorganisation gestoppt. Ein ORF-Sprecher erklärt auf Anfrage, Wehrschütz habe weiterhin wie alle anderen Korrespondenten Handlungsvollmacht über seinem Büro zugeordnete Konten. Im ORF ist nach STANDARD-Infos aber noch eine weitere Untersuchung der internen Revision über die Gebarung von Korrespondenten Thema ORF-Chef: "Entscheidung der Redaktion rechtskonform und im Rahmen der Programmrichtlinien". Wien – ORF-Chef Alexander Wrabetz verteidigt den Solo-Auftritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) in der ORF-Talk-Sendung Im Zentrum. Das Interview, das Sonntagabend knapp 600.000 Österreicher sahen, hatte in den vergangenen Tagen für heftige Kritik gesorgt. Die Entscheidung, wer in welchem Format zu welchem Thema vom ORF eingeladen wird, ist Angelegenheit der zuständigen Redaktion, so Wrabetz. Der ORF-Generaldirektor reagierte damit auf eine Anfragen-Serie von mehreren ORF-Stiftungsräten, die über das Zustandekommen der umstrittenen Programminitiative Aufklärung gefordert hatten. Die Initiative zur Im Zentrum-Sendung ging von der Hauptabteilung Aktueller Dienst (FD1) aus, antwortete Wrabetz Montagnachmittag in einem der APA vorliegenden Schreiben den Stiftungsräten. Hinter der Abkürzung FD1 steckt die von Chefredakteur Fritz Dittlbacher geleitete Fernsehinformation des ORF. Wrabetz: Die Entscheidung der Redaktion die Sendung in dieser Form durchzuführen war rechtskonform und im Rahmen der Programmrichtlinien. Frau Thurnher führte das Gespräch auf bestem öffentlich-rechtlichem Standard. Das außerordentlich hohe Publikumsinteresse unterstreicht die Plausibilität der redaktionellen Entscheidung. Das politisch umkämpfte Sonderformat landete mit 599.000 Sehern und 28 Prozent Marktanteil deutlich über dem Sendungsschnitt von Im Zentrum, der heuer bisher bei 454.000 Sehern und 22 Prozent Marktanteil lag. ÖVP, FPÖ und Grüne warfen dem ORF im Vorfeld der Übertragung mangelnde Objektivität und Ausgewogenheit vor. Die ÖVP ortete gar Bestellfernsehen im Auftrag der SPÖ und ließ durchblicken, dass man ORF-General Wrabetz bei der Wahl der neuen ORF-Führung im Sommer nicht unterstützen werde. Mehrere ORF-Stiftungsräte quer durch die politischen Lager forderten von Wrabetz in thematisch abgestimmten Anfragen Infos zur Causa. Die Einladung Faymanns begründete der SPÖ-nahe ORF-Chef mit der in ihrer Tragweite bedeutendsten Sitzung des Europäischen Rates der letzten Jahre. Erstmals seit dem EU-Beitritt ist das Verhalten des österreichischen Bundeskanzlers maßgeblich für eine Richtungsänderung der Politik auf europäischer Ebene ausschlaggebend. Erstmals besteht in einer wesentlichen europäischen Frage keine Übereinstimmung mit der Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Die Position des Bundeskanzlers unterscheidet sich maßgeblich von jener, die die österreichische Bundesregierung noch vor der Jahreswende vertreten hatte. Die Entscheidungen des Europäischen Rates haben substanzielle Auswirkungen auf die tatsächliche Entwicklung in Europa, auf Wahlauseinandersetzungen und die Sicherheitslage auf dem Kontinent. In dieser Situation entspreche es dem Informationsauftrag des ORF den Vertreter Österreichs im Europäischen Rat zu den beiden Gipfeln und der österreichischen Politik intensiv, objektiv und kritisch zu befragen, erklärte Wrabetz. Ebenso plausibel ist es, so wie in zahlreichen anderen europäischen Ländern (zuletzt Anne Will in Deutschland), eine spezielle Ausgabe eines bestehenden Informationsformates zu wählen. Das außerordentliche hohe Publikumsinteresse zeigt, dass die redaktionelle Entscheidung, in einer speziellen Situation mit einem besonderen Informationsangebot zu reagieren, richtig war. Ein ausführliches Interview unmittelbar nach Abschluss des letztwöchigen EU-Gipfels sei im Sinne eines Fernsehschemas nicht planbar gewesen, weil EU-Gipfel für gewöhnlich open end sind, schrieb Wrabetz an die Vertreter des obersten ORF-Gremiums. Die Meinungsvielfalt der österreichischen Bundesregierung im Hinblick auf die Ergebnisse des EU-Gipfels wird durch die aktuelle Berichterstattung und diverse Studio-Einladungen sichergestellt, meinte der ORF-Chef weiter. Wrabetz verwies etwa auf die jüngsten Besuche von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bei Im Zentrum und in der ZiB2 sowie von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und EU-Kommissar Johannes Hahn (ÖVP) ebenfalls in der ZiB2. Kurz steht laut Wrabetz am Dienstag darüber hinaus auch in der Sondersendung Österreich-Report um 20.15 Uhr für ein Interview zur Verfügung. Wrabetz: Das substanzielle Übergewicht von Vertretern der Volkspartei ergibt sich aus den Funktionen Außenminister, EU-Kommissar, sowie Vizekanzler und Parteivorsitzender. Die Oppositionsparteien und Organisationen der Zivilgesellschaft kamen zum Thema Flüchtlinge in den ORF-Medien von Anfang Februar bis Mitte März 593 Mal vor. Die EU-Gipfel und ihre Auswirkungen werden in den Medien des ORF zweifellos auch in den kommenden Wochen eine wichtige Rolle spielen und sowohl Vertretern der Zivilgesellschaft, der Opposition als auch der unterschiedlichen Strömungen in der Bundesregierung ausreichend Gelegenheit zur Stellungnahme geben, sodass insgesamt die Darstellung der Meinungsvielfalt zu diesem Thema umfassend gewährleistet wird. Nach der Einladung des Kanzlers zu "Im Zentrum" wettert die ÖVP weiter gegen den ORF. Unter der Regie von Klubobmann Reinhold Lopatka sollen die Parteien nun den ORF-Auftrag neu diskutieren. STANDARD: Das Faymann-Interview ist Anlass für eine Enquete in Parlament. Zu viel Bestellfernsehen im ORF, wie Sie sagen? Lopatka: Wir haben uns schon vorher damit beschäftigt, aber das Interview hat das beschleunigt, das stimmt. STANDARD: Wollen Sie im ORF weniger rote Gfrieser sehen, um mit Andreas Khol zu sprechen? Lopatka: Nein, mein Blick richtet sich nach vorn und nicht zurück. STANDARD: ORF-Chef Alexander Wrabetz verteidigte das Kanzlerinterview gegenüber Stiftungsräten. Die Initiative sei von der Redaktion ausgegangen und wurde nicht von der SPÖ-Zentrale diktiert. Glauben Sie ihm nicht? Lopatka: Das ist keine Glaubensfrage. Fakt ist, dass das die Parlamentsparteien anders gesehen haben als Herr Wrabetz. Die Stiftungsräte haben das mit ihren Anfragen klar bewertet. Es gibt auch so etwas wie vorauseilenden Gehorsam. STANDARD: Mit den Stimmen der ÖVP-nahen Stiftungsräte kann Wrabetz bei der ORF-Wahl am 9. August wohl nicht rechnen? Lopatka: Damit beschäftige ich mich nicht, sondern grundsätzlich mit der Frage, was öffentlich-rechtlicher Rundfunk leisten soll. Medienvielfalt ist in Österreich ohnehin nicht sehr ausgeprägt. Diese soll gestärkt werden. STANDARD: Was ist das Thema? Lopatka: Seit der letzten Enquete 2009 haben wir zwei neue Parteien im Parlament. Wir möchten uns mit einer für die Demokratie entscheidenden Frage beschäftigen: mit der Medienvielfalt und der Rolle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Der ORF hat sich seit 2009 in zweifacher Hinsicht entwickelt: Die Einnahmen sind gestiegen, der Marktanteil ist gesunken und das, was öffentlich-rechtlicher Auftrag ist, wurde vom ORF eingeschränkt. Wenn ich zum Beispiel an die Parlamentsberichterstattung denke. Hier wollen wir die Positionen der einzelnen Parteien ausleuchten. STANDARD: Sie könnten den ORF aus den Zwängen der Parteien holen und den Stiftungsrat entpolitisieren? Lopatka: Inhaltlich werde ich das mit meinen Kollegen besprechen. STANDARD: Außenminister Sebastian Kurz ist zu Gast im ORF-Österreich-Report, aber kein Vertreter der SPÖ. Haben Sie sich beim ORF schon über mangelnde Objektivität beschwert? Lopatka: Sie verwechseln etwas. Es gibt einen Studiogast, und es gibt ein Diskussionsformat. Im STANDARD habe ich richtigerweise gelesen, dass dieses Format – Faymann mit Moderatorin – ein Tiefpunkt der Diskussionskultur im ORF ist (Anm.: im TV-Tagebuch). STANDARD: Im Jahr 2015 stellten ÖVP-Minister aber die meiste Redezeit in den wichtigsten ORF-Nachrichtensendungen. Lopatka: Weil unsere Minister auch die aktivsten sind und jene, die am meisten gefordert sind. Seit etwa Gerald Klug Verkehrsminister ist, ist er untergetaucht. Worüber soll die ZiB berichten, wenn jemand nichts macht? STANDARD: Vizekanzler Mitterlehner hat Twitter-Regelungen für ORF-Journalisten ins Spiel gebracht. Was halten Sie davon? Lopatka: Das möchte ich bei der Enquete diskutieren. Etwa anhand von Beispielen wie der BBC und anderen renommierten Anstalten, bei denen es solche Regelungen gibt. "Wie lecker ist Österreichisch?": Diskussion über den Sprachgebrauch deutschsprachiger Medien in Bezug auf Identität und Political Correctness. Wien – Nationale und regionale Sprachidentitäten vermischen sich im alltäglichen Gebrauch gern miteinander, besonders wenn der Wortschatz multilingual ist. Unter dem Motto Wie lecker ist Österreichisch? diskutierten Vertreter der Medienwelt Dienstagmittag beim ORF-Dialogforum die Frage, wer oder was angesichts der Globalisierung die österreichische Sprachkultur prägt. Der österreichische Kulturjournalist und Moderator Heinz Sichrovsky steckt schon vor der eigentlichen Diskussion die Grenzen ab: Niemand will provinzlerischen Sprachchauvinismus und infantilen Dadaismus in der Sprache. Wortneuschöpfungen wie Mahü, Öffis und Modelmama sind ihm daher ein Gräuel. Laut Sichrovsky schleichen sich immer mehr grausige Sprachhybriden in die deutsche Sprache ein. Ingrid Brodnig (Profil) überträgt die Verantwortlichkeit der Sprachschulung auf die komplette Berufssparte der Berichterstatter: Journalisten haben die Verantwortung, den Sprachschatz zu erweitern und zu erinnern, dass die deutsche Sprache schön ist. Österreichisch ist ja nur ein Dialekt des Deutschen, und wir haben eine wunderbare Art zu Schimpfen. Jasmin Dolati, Programmchefin von Radio Wien, ist der Meinung, man müsse das Thema Sprache mehr in den Mittelpunkt rücken, um die Rezipienten zu erreichen. Nur so würden Diskussionen entstehen. So wie mit der Radio-Wien-Sendung Sprechen Sie Wienerisch?, bei der altwienerische Ausdrücke vorgestellt und erklärt werden. Auf die Frage, ob sich Anglizismen schon zu sehr in die deutsche beziehungsweise österreichische Sprache hineingefressen hätten, führt Jan Hofer, Chefsprecher der ARD-Tagesschau, an, dass der Berufsstand des Journalisten nicht dazu gemacht sei, Anglizismen wegzuputzen. Ein Berichterstatter müsse auch mit Lehnübersetzungen zurechtkommen, denn bei einer lebenden Sprache gehöre das nun einmal dazu. Und obwohl die Sprache im Journalismus klar und deutlich sein müsse, könne nicht verhindert werden, dass Wortentlehnungen entstehen. Dolati ist ähnlicher Meinung: Anglizismen seien nötig und manchmal unumgänglich. Gerade im Radio müsse man sich mehr dem alltäglichen Sprachgebrauch annähern, als nach Wort und Schrift zu reden: Man holt die Menschen ab, die so kommunizieren. Zudem wird bemerkt, dass etwaige Lehnübersetzungen nur mangels guter und sinnhafter Übersetzungen eines Wortes entstehen: So leitet man den neusprachigen Internetbegriff Troll nicht etwa von der grimmigen Märchengestalt ab, sondern von to troll, was so viel wie angeln bedeutet. Brodnig betont, dass Anglizismen an sich nicht zwingend schlecht seien, sondern der Umgang mit der englischen Sprache Nachholbedarf verlange: Wie wir die englische Sprache im Deutschen verwenden, ist schlecht. Auch in der Schweiz kämpft das Fernsehen mit der Sprache: Neben denselben Alltagshürden wie in Deutschland und Österreich kommt noch der besondere Dialekt hinzu, von dem es vier verschiedene gibt, die nicht immer jedem geläufig sind. Beat Schneider von der Schweizer Radio- und Fernsehgesellschaft (SRG) nennt als Beispiel die Krimireihe Tatort, die zwar im Dialekt gedreht wird, allerdings nur als Synchronfassung ausgestrahlt werden kann. Laut Hofer ist die Tatsache, dass die heutige Jugend mehrsprachig aufwächst, nicht so interessant wie die Zuschauerforschung, die besagt, dass Rezipienten nicht mehr so lange zuschauen wollen oder können, wie es noch vor zehn oder 20 Jahren üblich war. Man hat maximal eine Minute und 30 Sekunden Zeit, um den Zuschauer zu überzeugen. Im Vergleich zu früher hat man also eine vollkommen veränderte Medienwelt. Die Annäherung an den modernen Zuschauer sei die lebendige Sprache, erinnert Hofer. Sichrovsky macht auf den seiner Meinung nach unverständlichen Gebrauch der Korrektheitssprache aufmerksam: So hätten auch die Werke der Kinderbuchautorin Astrid Lindgren Probleme mit dem Einzug politisch korrekter Sprache. Sie hatte beispielsweise den Begriff Negerkönig in Pippi Langstrumpf verwendet – allerdings schon vor mehr als 50 Jahren – und löste damit zuletzt eine Rassismussebatte aus. Auch Christine Nöstlinger nutze Wörter wie Neger und Zigeuner in ihren Werken, was allerdings erst 30 Jahre später bemängelt werde, so Sichrovsky. Er findet dabei den Dialog mit den Kindern wichtig. Sie müssten erfahren und erklärt bekommen, weshalb solche Begriffe zur damaligen Zeit nicht so schlimm gewesen seien, wie sie womöglich heute seien. Die Begriffe wegstreichen und durch andere ersetzten – wie es beim Negerkönig der Fall war, der nun Südseekönig getauft wurde – sei schlimmer, als die Begriffe unkommentiert stehen zu lassen: Erklären ist gut.(sc, 16.3.2016) Der meistgesehene Bewerb der vergangenen Saison war einmal mehr der Slalom der Herren in Schladming mit 1,550 Millionen. Wien – Die am Sonntag abgeschlossene Weltcup-Saison im Alpinen Skisport umfasste 86 Rennen, von denen das ORF-Fernsehen 280 Stunden lang berichtete. Laut Mitteilung des ORF vom Montag waren 5,9 Millionen Zuseherinnen und Zuseher (weitester Seherkreis), das sind 81 Prozent der heimischen TV-Bevölkerung ab 12 Jahren, live dabei. Der meistgesehene Bewerb der vergangenen Saison war einmal mehr der Slalom der Herren in Schladming mit 1,550 Millionen, gefolgt von der Kitzbühel-Abfahrt mit 1,531 Millionen und dem Herren-Slalom in Kitzbühel mit 1,357 Millionen. Das meistgesehene Damenrennen war der Super-G in Cortina dAmpezzo mit 883.000 Zuseherinnen und Zusehern. All-Time-High wegen Brüssel-Terrors, "Dancing Stars", "Vorstadtweibern" und Lugner. Wien – Einen Rekord an Videoabrufen hat die TVthek des ORF im März verzeichnet. Die Livestreams und Video-on-Demand-Angebote wurden laut ORF so intensiv genutzt wie nie zuvor: 25,3 Millionen Videoabrufe wurden im gesamten ORF.at-Netzwerk inklusive TVthek gemessen. Damit wurde der bisherige Spitzenwert vom Februar 2014 (25,1 Millionen) übertroffen. Der neue Rekord geht vor allem auf Sonderereignisse wie die Terroranschläge in Brüssel zurück, nach denen die Infosendungen des ORF stark genutzt wurden, sowie auf die neuen Staffeln der Dancing Stars mit im Schnitt 205.000 On-Demand-Abrufen pro Ausgabe sowie der Vorstandweiber mit durchschnittlich 190.000 Abrufen pro Folge. Die am meisten abgerufene Einzelsendung im März war die Zeit im Bild 2 vom 29. März mit Richard Lugner, die es bisher auf 400.000 Abrufe brachte, rund 200.000 Abrufe davon machte allein das Lugner-Interview aus. Live als auch on demand Der neue Videoabrufrekord für die ORF-TVthek zeigt den steigenden Bedarf unseres Publikums nach zeit- und ortsunabhängiger Nutzung der ORF-TV-Sendungen – sowohl live als auch on demand. Die ORF-TVthek ist eine wichtige Ergänzung zum klassischen TV-Konsum und kann damit ihre Position als größte österreichische Videoplattform erfolgreich behaupten, sagte ORF-Online-Hauptabteilungsleiter Thomas Prantner. Erkenntnis des VwGH bestätigt Einhaltung des ORF-Gesetzes, nicht aber bei der App zum Ski-Weltcup – Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Wien – Der ORF hat mit dem App-Angebot zur Nationalratswahl 2013 nicht gegen das ORF-Gesetz verstoßen, sehr wohl allerdings mit jener App zum Ski-Weltcup 2013/2014. Zu diesem Erkenntnis gelangte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) in einem aktuellen Spruch. Der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) hatte in der Causa Beschwerde bei der Medienbehörde KommAustria und beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht. Der ORF wandte sich schließlich an den VwGH. Dieser gab dem öffentlich-rechtlichen Sender nun in den wichtigsten Punkten recht und stellte fest, dass der ORF mit der Wahl-App nicht gegen das Verbot eigens für mobiler Endgeräte gestalteter Angebote verstoßen habe, sondern das ORF-Gesetz eingehalten hat. Lediglich in einem Detail, nämlich bei der Rubrik Ski Stars der Ski-App, kam der VwGH zum Schluss, das der ORF diese Inhalte nicht hätte bereitstellen dürfen, weil die Infos nicht vom damals geltenden Angebotskonzept gedeckt waren. Durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs wurde das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts aufgehoben. Fünf Mandate für Liste "Klartext" von Stefan Jung, keines für Liste "KommuniAktion". Wien – Die Programmmitarbeiter des ORF-Fernsehens haben am Mittwoch ihren Betriebsrat gewählt. Nach STANDARD-Infos holte die Liste von Christiana Jankovics 304 Stimmen (mehr als 52 Prozent) und gewann gegenüber der Wahl 2012 ein Mandat dazu. Sie hält nun bei sieben Mandaten. Jankovics gehört zur Liste Die Unabhängigen, die Zentralbetriebsratschef Gerhard Moser anführt. Die Liste Klartext von Stefan Jung – bei den Zentralbetriebsratswahlen mit rotem Technikbetriebsrat angetreten – kommt mit 231 Stimmen wie schon 2012 auf fünf Mandate. Mit 43 Stimmen geht sich für die Liste KommuniAktion diesmal kein Mandat aus. 2012 kam diese Liste – angeführt von Marcus Marschalek – auf ein Mandat. Ö3-Moderatorin Claudia Stöckl gab in der Schlussphase des Präsidentschaftswahlkampfes dem Freiheitlichen Werbe-TV ein Interview – dieses wurde aber plötzlich offline genommen. Ein Frühstückstisch in Pinkafeld, eine Radiomoderatorin und ein Klavier, das im Hintergrund spielt: anlässlich der Ö3-Radiosendung Frühstück bei mir mit Claudia Stöckl mit dem FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer produzierte und veröffentlichte die FPÖ auf der Facebookseite Hofers dazu ein eigenes Werbevideo. Mittlerweile wurde der Beitrag auf der Facebookseite des FPÖ-Politikers jedoch kommentarlos gelöscht. Der Grund dafür könnte der Auftritt der ORF-Moderatorin gewesen sein, die FPÖ-TV ein Interview für das Wahlkampfvideo gab. Es war doch überraschend locker. Ich habe mir gedacht, in den letzten Zügen des Wahlkampfes wird es doch viel angespannter sein und ich hab auch alles fragen dürfen, sagte darin Claudia Stöckl im Garten von Norbert Hofer im burgenländischen Pinkafeld. Was mich besonders gefreut hat – ich hatte zwar keinen Lügendetektor – er hat zum Schluss gesagt, er hat ganz sicher kein einziges Mal gelogen. Und wir werden sehen wie das die Hörer auffassen, sagte die Ö3-Moderatorin ins weiß-blaue FPÖ-TV-Mikro. Nachdem das Video zunächst auch auf der Facebookseite von FP-Chef Heinz-Christian Strache geteilt wurde, ist es von dort ebenfalls verschwunden. Dem STANDARD liegt eine Kopie des Videos vor. Die Veröffentlichung des Videos durch die FPÖ fällt in die heiße Phase des Präsidentschaftswahlkampfes, der nächsten Sonntag endet. Das Interview der ORF-Mitarbeiterin kam der FPÖ dabei vermutlich gelegen, dem ORF wohl nicht. Im Verhaltenskodex für journalistisch tätige ORF-Mitarbeiter heißt es unter dem Punkt Unabhängigkeit von (partei)politischen Interessen: Unvereinbar mit der Unabhängigkeit sind: – Ausübung politischer Funktion oder Kandidatur dafür. – Aktives Wahlengagement. Als solches wären u.a. aufzufassen: Mitwirkung an Veranstaltungen wahlwerbender Parteien und nahestehender Organisationen oder Mitwirkung an Wahlwerbung aller Art. Der ORF war am Sonntag für eine Stellungnahme vorerst nicht zu erreichen. Nach Rundfunkvolksbegehren ab 1967 fünf Amtszeiten an der Spitze des ORF – und nach 1994 in steter Sorge um seinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Käme er noch einmal auf die Welt, würde er einen Beruf ergreifen, dessen Ende ich selbst bestimmen könnte, sagte Gerd Bacher mit 80 Jahren in einem Gespräch mit Profil: Dann wäre ich heute noch immer ORF-Generalintendant. Den ORF zu führen hielt er über Jahrzehnte für das Glück meines Lebens, erklärte er dem STANDARD 2011. 19 Jahre gelang ihm dieses Glück, fünf Funktionsperioden lang, zweimal nach politischen Ablösen wiedergewählt. Gerd Bacher ist am Samstag nur wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag an den Folgen eines Schlaganfalls in Salzburg gestorben. Bewusstseinsmaschine Bachers Bedeutung für das Land beschrieb Brigitte Wolf zu seinem 80er: Er habe die größte und wirkungsmächtigste Bewusstseinsmaschine der österreichischen Nachkriegsgeschichte gebaut, lange bedient und bis heute geprägt. Es gibt keinen Einzelnen, der das kollektive Bewusstsein Österreichs stärker beeinflusst haben kann als Gerd Bacher, schrieb die Bacher-Kennerin und ORF-Landesdirektorin. Der Größe des Glücks entsprach Bachers Unglück mit den meisten Nachfolgern. Die mussten mit einem ORF zurechtkommen, den Bacher über Jahrzehnte in diese Dimensionen gebaut hatte. Zwei TV-Programme, die keinen Wunsch nach privatem Fernsehen aufkommen lassen. Bis weit in die 1990er-Jahre konnte Bacher, selbst zwischendurch in den Diensten von Sat.1, verhindern, dass dieses qualitätsverschlechternde Unglück auch bei uns in Österreich einzieht. Neun Bundeslandradios und drei nationale Radios, darunter ein kommerzielles Popradio Ö3, lange vor Privatradios und frühes Vorbild für manche von ihnen. Jedem Bundesland sein ORF-Studio, seinen Landesdirektor, auch als direkter Ansprechpartner für den Landeshauptmann, dessen Landesregierung einen ORF-Aufsichtsrat entsendet, der bei einer Generalswahl die vielleicht entscheidende Stimme liefern kann. So pragmatische Wahltaktik muss kein Widerspruch sein zu Bachers Bild als Architekt eines unabhängigen ORF. ÖVP und SPÖ nahmen den Rundfunk so unverfroren in Besitz, dass Österreichs Zeitungen 1964 für ein Volksbegehren mobilisierten. 832.353 Menschen unterschrieben damals, bis heute eines der erfolgreichsten, mit greifbaren Ergebnissen: dem Rundfunkgesetz von 1967 unter Bundeskanzler Josef Klaus. Der war für Bacher der einzige Politiker, dem es um den ORF ging und nicht nur darum, wie es ihm im ORF ging. Informationsexplosion Mit bürgerlichen Stimmen im ORF-Aufsichtsrat und der Unterstützung der volksbegehrenden Zeitungen wurde Gerd Bacher 1967 General. Und verordnete dem ORF zuallererst eine Informationsexplosion: Journalisten fragen und hinterfragen, statt Politikern wie bisher das Mikrofon hinzuhalten. Klaus leitete denn auch die letzte ÖVP-Alleinregierung, Sozialdemokrat Bruno Kreisky wusste geschickter mit den Medien umzugehen. Um den ihm allzu eigenmächtigen Bacher loszuwerden, ließ Kreisky eine Reformkommission ein neues ORF-Gesetz erarbeiten. Neues Gesetz, neue Wahl – das Prinzip wiederholte sich 2001 unter der schwarz-blauen Regierung, um Gerhard Weis an der ORF-Spitze loszuwerden. 2012 bereitete wieder eine Arbeitsgruppe im wieder rot geführten Kanzleramt eine ORF-Reform vor. Die Themen: Schluss machen mit Bachers Hebel, gegen Parteimehrheiten doch wieder ORF-Chef zu werden – stets holte Bacher bei Generalswahlen ORF-Betriebsräte auf seine Seite, um zu gewinnen. Sie bestimmen – im Gegensatz etwa zu Aktiengesellschaften – gleichberechtigt mit Kapitalvertretern über ihre künftigen Chefs mit. Viele Betriebsräte wurden danach bald ORF-Direktoren, -Hauptabteilungsleiter oder auch über Nacht schuldenfrei. Aus der Reformarbeitsgruppe, die auch den Aufsichtsrat verkleinern sollte, wurde bis heute: nichts. Wohl weil Bacher die Mechaniken so gut kannte, forderte er, als er in seinen Siebzigern nicht mehr General werden wollte, so vehement, diese Schleichwege zur Macht im ORF zu versperren. Brillanter Denker und Redner Nur auf den ersten Blick wirkt das wie ein Widerspruch für den brillanten Denker und Redner. Wie er 2010 den Fernsehvollprofi Gerhard Zeiler an die Spitze des ORF wünschte, über dessen Quotenkurs ab 1994 Bacher maßlos enttäuscht war. Kein Widerspruch, wie Bacher zeit meines Lebens ein fortschrittlicher Konservativer war. Wie er die Kirche als beste Erziehungsmaßnahme der letzten 2000 Jahresah, aber nicht recht an Gott glauben mochte. Deshalb hatte Bacher große Schwierigkeiten, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Bacher äußerte sich zuletzt kaum noch öffentlich, und über den ORF wollte er sich öffentlich nicht mehr ärgern. Eine seiner letzten öffentlichen Reden hielt Bacher Anfang 2014 bei der Totenfeier für Verleger und Publizist Fritz Molden. Fritz, du wirst uns furchtbar abgehen, rief er seinem Lebensmenschen bebender Stimme nach. Wie furchtbar wird Bacher abgehen? Dem ORF, den Bacher nicht mehr daran erinnern wird, wie er sein könnte und sein sollte. Den Managern des ORF, den heutigen und künftigen, die Bachers so großen, vielleicht zu großen ORF nicht zuletzt mit seinen Strategien führen und mit seinen Taktiken versuchen, zu bleiben, was sie sind. Der Politik, die sein Ableben bedauern wird und sein Fehlen beklagen und weiter das machen wird, was Bacher 1967 zu beenden versprochen hat. Kurzum: Dem Land. VP-Generalsekretär sieht Doppelspitze skeptisch – "Kurier"-Chefredakteur Brandstätter ist des Dementierens müde. Wien – ÖVP-Generalsekretär und Mediensprecher Peter McDonald schließt bei der Generaldirektor-Wahl im ORF einen Gegenkandidaten zu Amtsinhaber Alexander Wrabetz nicht aus. Derzeit gibt es mit Wrabetz einen Kandidaten, dabei muss es aber nicht bleiben, sagte McDonald im Gespräch mit der APA ohne auf den in ÖVP-Kreisen favorisierten ORF-Finanzdirektor Richard Grasl eingehen zu wollen. Einer zuletzt medial kolportierten Doppelspitze mit dem von der SPÖ unterstützten Wrabetz und Grasl steht McDonald betont reserviert gegenüber. Er verwies darauf, dass dafür eine Gesetzesänderung nötig wäre, die aber nicht vorgesehen sei. Und an dem Gerücht, dass es zu einem Deal kommen könnte, wonach die ÖVP Grasl als zweite ORF-Spitze neben Wrabetz bekommen könnte und die SPÖ dafür den künftigen Rechnungshof-Präsidenten, sei nichts dran, versicherte der neue ÖVP-Mediensprecher. Er verwies auf die große medienpolitische Verantwortung gerade für den ORF als Leitbetrieb der österreichischen Medienlandschaft und betonte, dass die Bundesregierung und die Eigentümervertreter im Stiftungsrat an die Zukunft des Unternehmens zu denken hätten. Es braucht jemanden mit einem klaren Programm, um die Herausforderungen der Zukunft zu bewältigen und den ORF auf einen Zukunftskurs nach Vorbild der britischen BBC zu bringen, umriss McDonald sein Anforderungsprofil für den Job des ORF-Chefs. Er will einen starken und zukunftsorientierten ORF erhalten, der gerade in Zeiten eines rauen Wettbewerbs gut aufgestellt ist Da könnte sich Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter gefordert fühlen. Er dementiere nicht, mailt Brandstätter nach einem Bericht auf derStandard.at zur Kandidatenfrage, ohne mehr zu verraten, denn: Ich habe nicht gesagt, dass ich antrete, sondern nur, dass ich müde bin, zu dementieren. Nachnutzung des traditionsreichen Holzmeister-Baus: Wohnungen oder Hotelbetrieb. Wien - Was arbeitsamen Radioredakteuren nachgesagt wird, könnte nach den Plänen der ORF-Führung in den nächsten Jahren Realität werden: Meldezettel mit der Adresse Argentinierstraße 30a in Wien-Wieden. Genau: Das mit Clemens Holzmeister gebaute ORF-Funkhaus. Die Machbarkeitsstudie für die Nachnutzung des Gebäudes ist fertig, offenbar beim Basteln daran wurde ja Asbest im Funkhaus entdeckt. Welche Nutzung wurde da studiert? Der Hochhaus-Trakt links vom Haupteingang soll künftig zum Wohnen genutzt werden - Wohnungen oder für einen Hotelbetrieb. Das Radiokulturhaus mit historischem Sendesaal (rechts vom Haupteingang) soll auch künftig als Kulturstandort des ORF genutzt werden. Und da wären noch die Studio-Räumlichkeiten hinter dem Holzmeister-Riegel an der Argentinierstraße - mit dem später zugebauten Radio-Newsroom. Der Bereich könnte für ein Stadtstudio des ORF genützt werden, das Redakteure und Führungskräfte fordern - wenn das Radio und das Landesstudio Wien denn auf den Küniglberg zieht. Die ORF-Führung will den Verkaufsprozess für das Funkhaus in den nächsten Monaten einleiten. Zum Verkauf soll voraussichtlich der gesamte Gebäudekomplex stehen - der ORF würde dann jene Teile leasen, die er weiter nutzen will. Gegen einen Teilverkauf sollen etwa baurechtliche Fragen sprechen. Würde das Objekt aufgeteilt, müssten Brandschutz und andere Auflagen neu und getrennt festgelegt werden, heißt es im ORF. Mindestangebot 18 Mio. Euro – Anbotsfrist 11. November. Wien – Der ORF hat das Funkhaus in der Argentinierstraße in Inseraten in mehreren Tageszeitungen (Samstag-Ausgaben) nun offiziell zum Verkauf ausgeschrieben. Der Mindestpreis für das gesamte Objekt wird mit 18 Mio. Euro beziffert, die Anbotsfrist endet am 11. November 2015. Der ORF beabsichtigt, die gesamte Liegenschaft im Rahmen eines strukturierten Bieterverfahrens zu veräußert. In der Anzeige heißt es weiter, der Verkauf werde als Asset Deal abgewickelt. Die Verkäuferin behalte sich das Recht vor, Teilflächen davon im Zuge eines Rückkaufes wieder in ihr Eigentum zu übernehmen bzw. nachträglich anzumieten. Von den Interessenten werden ausführliche Unternehmensdarstellungen, Angaben zur Finanzkraft sowie detaillierte Darstellungen der Erfahrungen in vergleichbaren Transaktionen gefordert. Die Bruttogrundfläche der Liegenschaft beläuft sich laut Inserat auf 28.250 Quadratmeter. Gegen die Verkaufspläne gibt es heftigen Protest aus dem eigenen Haus und von außerhalb. So will etwa der Schauspieler Karl Markovics das Funkhaus vor Spekulanten retten und als Standort der ORF-Radioredaktion erhalten. Eine Gruppe um Markovics will den Wiener ORF-Standort Funkhaus um bis zu 60 Millionen Euro übernehmen und notfalls auch den ORF-Radiosender Ö1 kaufen.(APA, red) Volumen von 100 auf 180 Millionen Euro erhöht – ORF kann Standortprojekt dadurch "zu weit günstigeren Gesamtkosten umsetzen als ursprünglich geplant". Wien – Die Anleihe, mit der der ORF Teile der Mittel für die geplanten Sanierungsarbeiten sowie den Newsroom-Zubau am Küniglberg aufbringen will, ist bei Investoren offenbar auf großes Interesse gestoßen. Aufgrund der hohen Nachfrage wurde das Volumen der Anleihe in Form einer Privatplatzierung von 100 Millionen auf 180 Millionen Euro aufgestockt, teilte das Unternehmen am Freitag per Aussendung mit. Die sehr gelungene Finanzierung ermöglicht nun, das Standortprojekt zu weit günstigeren Gesamtkosten umzusetzen als ursprünglich geplant, erklärte ORF-Finanzdirektor Richard Grasl. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz freute sich darüber, dass nicht nur das Publikum dem ORF vertraut, sondern auch internationale Investoren den wirtschaftlich erfolgreichen und stabilen Kurs des ORF honorieren. Die Anleihe konnte nicht jeder, sondern nur Großinvestoren und institutionelle Investoren zeichnen. Die Transaktion wurde von der UniCredit Bank Austria als Lead Arranger und der RBI als Co-Lead Arranger begleitet. Insgesamt bezifferte der ORF bisher die Kosten für das Bauvorhaben am Küniglberg mit 300 Millionen Euro. Die Kapitalmarkt-Transaktion erlaube dem ORF die Finanzierung des Medienstandorts Küniglberg auf einem extrem niedrigen Fixzinsniveau, betonte auch die Bank Austria per Aussendung. Das große Interesse der durchwegs internationalen Investoren sei ein eindrucksvoller Beweis des Vertrauens in einen langfristig stabilen und erfolgreichen ORF, so Helmut Bernkopf, Bank Austria Vorstand für Privat- und Firmenkunden. Finanzausschuss tagte Montag: Konfliktthemen Standort, Funkhaus, Frühstücksfernsehen "sachlich diskutiert". Wien – Nach der Wahl ist vor der Wahl: Während im Tal die Regierungsparteien um Einheit ringen, dividiert sich am Küniglberg derzeit eher alles auseinander. Montagnachmittag trifft der ORF-Stiftungsrat zu einer außerordentlichen Arbeitssitzung zusammen. Auf der Besprechungsliste standen nach Infos von derStandard.at Themen mit Konfliktpotenzial. Punkt eins: Fortschritt der Sanierungsarbeiten. Wie berichtet, informierte Generaldirektor Alexander Wrabetz im Dezember das Aufsichtsgremium von Überschreitungen bei den Baukosten in Millionenhöhe. Montag erhielten die Stiftungsräte einen Statusbericht zum Medienstandort über Terminplan und Kosten und besichtigten überdies die Baustelle. Thomas Zach, Vorsitzender des Finanzausschuss und Leiter des ÖVP-Freundeskreises im Stiftungsrat, spricht auf Anfrage von einer sehr sachlichen Sitzung: Ziel sei weiterhin Budget und Zeitplan einzuhalten. Dafür wurden die entsprechenden Weichenstellungen gesetzt. Punkt zwei betraf das Frühstücksfernsehen Guten Morgen Österreich. Das Vorzeigeprojekt des ORF-Chefs wurde auf seine Kosten abgeklopft, offiziell belaufen sich diese auf sieben Millionen Euro. Inoffizielle Schätzungen gehen von zwölf Millionen Euro aus, je nach Berechnung. Punkt drei: Status Verkauf Funkhaus. Wer von den neun Bewerbern den Zuschlag erhält, soll laut Plan im Juni feststehen. Wrabetz selbst hat bereits Verzögerungen eingeräumt, Insider rechnen nicht mit einer Entscheidung vor der Wahl des Generaldirektors. Im Sommer wählt der ORF-Stiftungsrat eine neue Geschäftsführung. Die Bestellung des Generaldirektors erfolgt am 9. August, am 15. September jene der Fachbereichs- und Landesdirektoren. Dass die mögliche Verzögerung des Funkhaus-Verkaufs mit der Wahl der ORF-Führung zusammenhängt, bestreitet man im ORF. 'Gerhard Ruiss'' Initiative fordert "Reparatur" des Gesetzes nach Entscheid des Verwaltungsgerichtshofs. Wien – Der Verein der Gebührenzahler, bisher vor allem engagiert gegen eine Aufgabe des Wiener Funkhauses als ORF-Standort, stellt sich in Sachen Gebühren hinter den ORF. Sprecher und Mitinitiator Gerhard Ruiss verlangt eine Reparatur des ORF-Gesetzes. Der Verwaltungsgerichtshof hat Montag bestätigt, dass reine Webnutzer von ORF-Programmen keine Rundfunkgebühr zahlen müssen. Ruiss am Dienstag: Wir bezahlen nicht die ORF-Gebühr für Streamingnutzer mit. Wir bezahlen die ORF-Gebühr nicht dafür, dass die mit unseren Gebühren erbrachten Leistungen kostenlos von anderen benutzt werden können, die mit Streaming einen Weg gefunden haben, die Leistungen des ORF zu beziehen, ohne eine entgeltliche Gegenleistung dafür zu erbringen, schreibt Ruiss in einer Reaktion auf die Entscheidung. Ruiss: Wir sprechen uns gegen alle Versuche aus, nach Schlupfwegen und Schlupfwinkeln zu suchen, wie von anderen erbrachte und bezahlte Leistungen mitgenutzt werden können, ohne selbst etwas beizutragen. Eine große Mehrheit der österreichischen Bevölkerung bezahlt für die ORF-Programme, selbst noch bei geringer oder auswahlweiser Nutzung, es besteht keine Berechtigung, die große Bevölkerungsmehrheit für dumm hinzustellen, weil sie die ORF-Gebühr entrichtet, insbesondere nicht durch politische Mandatare, die damit Oppositionspolitik zu machen versuchen. Es gehe auch nicht darum, die Finanzierung des ORF zu garantieren, schreibt Ruiss, zugleich Obmann der IG Autorinnen Autoren. Es geht darum, die Gelder, die von allen, die den ORF finanzieren, sorgfältig zu verwalten, und dafür zu sorgen, dass die Programme denjenigen zugute kommen, die für ihr Entstehen den größten finanziellen Beitrag leisten.' Wird Thema in Medienreformkommission eingebracht, "wird man das ergebnisoffen diskutieren" – ORF befürchtet mittelfristig Sinken der Gebühreneinnahmen. Wien – Medienminister Josef Ostermayer (SPÖ) ist nach der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH), wonach, wie berichtet, für Computer mit Internet-Anschluss keine Rundfunkgebühren zu zahlen sind, offen für Gespräche über eine Haushaltsabgabe. Im ORF befürchtet man unterdessen in Folge der Entscheidung des Höchstgerichts ein Sinken der Gebühreneinnahmen. Mittelfristig werden die Einnahmen nach dieser Entscheidung sinken, das werden also ORF, Bund und Länder, spüren. Kernfrage ist letztlich: Stellt man mit der Gebühr auf den öffentlich-rechtlichen Inhalt ab oder auf den technischen Verbreitungsweg, erklärte Harald Kräuter, Chef der ORF-Gebührentochter GIS, im Standard. Einen Teil der ORF-Rundfunkgebühr kassieren Bund und Länder. ORF-Finanzdirektor Richard Grasl hatte sich zuvor für ein Schließen der gesetzlichen Lücke ausgesprochen. Es werde mittelfristig notwendig sein, die Rundfunkgebühr an den öffentlich-rechtlichen Inhalt und nicht an die technische Verbreitungsvariante zu koppeln, sagte Grasl. Etliche Modelle dafür – etwa die Einführung einer Haushaltsmedienabgabe – gebe es bereits. Für eine solche Haushaltsabgabe – gekoppelt mit einer Reform der Presseförderung – plädierte zuletzt auch der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Im Medienministerium zeigt man sich diesbezüglich gesprächsbereit, will sich aber in keine Richtung festlegen. Eine Haushaltsabgabe sei bisher in der jüngst gegründeten Medienreformkommission weder in der großen Runde, noch in den kleineren Arbeitsgruppen ein Thema gewesen. Die Stakeholder können das gerne in der Medienreformkommission einbringen. Wenn es eingebracht wird, wird man das Thema ergebnisoffen diskutieren, hieß es dazu aus dem Büro von Medienminister Ostermayer. Für eine gesetzliche Änderung sprach sich indes IG-Autoren-Chef Gerhard Ruiss aus, der auch einem Verband der Gebührenzahler vorsteht. Wir fordern den Gesetzgeber zur umgehenden Reparatur der gesetzlichen Grundlagen zur Finanzierung und zum Betrieb des ORF auf. Wir bezahlen die ORF-Gebühr nicht dafür, dass die mit unseren Gebühren erbrachten Leistungen kostenlos von anderen benutzt werden können, die mit Streaming einen Weg gefunden haben, die Leistungen des ORF zu beziehen, ohne eine entgeltliche Gegenleistung dafür zu erbringen, meinte Ruiss in einer Aussendung. A1 TV als Mittelding zwischen Internet und Kabel. Und: Warum müssen Offliner für ORF On zahlen?, fragen Medienjuristen. Wien – Eine ewige Streitfrage zu den Rundfunkgebühren hat der Verwaltungsgerichtshof geklärt: Computer am Breitbandnetz können zwar Radio- und Fernsehprogramme empfangen, sind aber kein Rundfunkempfangsgerät. Doch die nächsten Gebührenfragen warten schon. Die Höchstrichter schließen aus EU-Richtlinien und österreichischen Gesetzen: Internetbasiertes Livestreaming von TV-Kanälen ist durchaus Fernsehprogramm, es erfüllt aber nicht den Begriff des Rundfunks – an den der Verwaltungsgerichtshof die Gebührenpflicht knüpft. Rundfunk wird ausgestrahlt, über Antenne, über Satellit oder Kabelnetz. Das regt die juristische Fantasie an für die nächsten Streitfälle: A1 TV verbreitet zeitgleich Programme, basiert aber auf dem Internetprotokoll. Zugleich unterliegt A1 TV gleichen Vorgaben wie Kabelnetze – auch dort müssen österreichische Programme eingespeist werden, vor allem jene des ORF, und der ORF muss seine Programme dafür zur Verfügung stellen. Die Fantasie sehr sachkundiger Rundfunkjuristen reicht weiter – etwa zur Frage: Ist es womöglich unsachlich, dass auch Menschen, die keinen Internetzugang haben, die volle Rundfunkgebühr zahlen – und damit auch die Onlineangebote des ORF mitfinanzieren? Laut Austrian Internet Monitor über das erste Quartal 2015 nutzen 84 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher das Internet. Es gibt sie noch, die Offliner. 'Musik zwischen Festivals und ESC-Erfahrung - 60 Jahre Fernsehen im Herbst: Sechs Hauptabendshows und User-Einbindung. Wien - Der ORF wird 2016 wieder eine Auswahlshow für den Song Contest ins Programm bringen, kündigte TV-Direktorin Kathrin Zechner Mittwoch im ORF-Publikumsrat an. Aus den Erfahrungen mit der Song-Contest-Auswahl werden auch neue, mit der Musikwirtschaft vereinbarte TV-Musikformate entwickelt. Offenbar sind mehrere Formate in Arbeit. Nach STANDARD-Infos sind das neben der Auswahl für den Song Contest 2016 Den nächsten TV-Großeinsatz nach dem Song Contest (und vor der Bestellung der nächsten ORF-Führung 2016) kündigte Zechner ebenfalls im Publikumsrat an: Sechs Hauptabendshows soll es im Herbst zu 60 Jahre Fernsehen geben Bei Ingrid Thurnher zu Gast waren Manfred Weber, Eugen Freund, Giorgos Chondros, Peter Brezinschek, Ulrike Guérot und Christian Keuschnigg. Wien - Wird an diesem Wochenende das Drehbuch für der Tragödie letzten Teil geschrieben? Oder kommt es bei dieser Odyssee 2.0 doch noch zu einem Happy End? Über diese Fragen diskutierte Ingrid Thurnher in ORF 2 mit folgenden Gästen: Nutzen Sie dieses Forum, um sich mit anderen Zuseherinnen und Zusehern und Leserinnen und Lesern vor, während und nach der Sendung auszutauschen. (red, 21.6.2015) Raimund Löw, ORF-Korrespondent in Peking, startet eine neue europäisch-asiatische Gesprächsreihe – Erstmals zu sehen am Donnerstag in ORF 3. Wien – Es soll eine Diskussion ohne Zensur und ohne Tabus werden. Was ORF-Korrespondent Raimund Löw für das neue Format Inside Asia verspricht, ist in China eigentlich tabu: eine Debatte zwischen chinesischen Experten und Journalisten aus dem Ausland. Ein politischer Meinungsaustausch ist sehr ungewöhnlich, sagt Löw zum STANDARD. Als Vehikel dienen soll eine neue ORF-Sendung. Sie heißt Inside Asia und ist als vierteljährliches Format konzipiert – zu sehen erstmals am Donnerstag, 25. Juni, um 21.05 Uhr auf ORF 3. China rangiert im Pressefreiheit-Ranking von Reporter ohne Grenzen an Position 176 von 180 untersuchten Ländern. Dutzende Journalisten sitzen im Gefängnis, Tausende werden vom Staat kontrolliert. Als Korrespondenten sind wir dem Zensursystem für chinesische Medien aber nicht unterworfen, so Löw, dennoch sei es sehr schwierig gewesen, Diskutanten zu rekrutieren: Der Druck steigt. Der Generalverdacht sei immer im Spiel. Die chinesischen Gäste der ersten Sendung sind der Ökonomie-Professor Shi Shiwei (Wirtschaftsuniversität Peking) und Liu Liqun, Professor für deutsche Politik in Peking. Die Runde komplettieren die österreichische Botschafterin in Peking, Irene Giner-Reichl, und der China-Korrespondenten des STANDARD und der Welt, Johnny Erling. In Anlehnung an den EU-Talk Inside Brüssel möchte Inside Asia Themen aufs Tapet bringen, die Asiens und vor allem Chinas geopolitische Situation beleuchten. Mit Fragen wie: Wie verändert der Aufstieg Chinas die geopolitische Situation? Wie positioniert sich Peking gegenüber Europa und den USA? In welche Richtung gehen Wirtschaft und Gesellschaft? Welche Antworten gibt es in Asien zu den Herausforderungen unserer Zeit, vom Terrorismus bis zum Umweltschutz? Wie tief sind die Gräben in Asien 75 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges? (omark, 22.6.2015) 'Der ORF-Innenpolitikchef über Interventionen, die "Pressestunde" und unfrohe Parteien. In den Sommergesprächen will der längstdienende ORF-Innenpolitikchef, Hans Bürger, Parteichefs nach Zukunftsideen fragen – so sie welche haben. Interventionen, auch brutale, erlebte er viele – nur zu diesem Sendeformat noch nicht. STANDARD: Wann ist für Sie ein Sommergespräch mit einem Parteichef oder einer Parteichefin gelungen, wann ist es für Sie gut? Bürger: Einfache Antwort: Wenn es dem Publikum gefallen hat. STANDARD: Es geht nur um die Quote und die Benotung im Teletest? Bürger: Nein. Mein früherer Chefredakteur Karl Amon ging mit den Worten in eine Sitzung: Macht’s mich gscheiter! Wenn das Publikum von meinem Gesprächspartner ein bisschen mehr weiß als vorher, würde mich das sehr freuen. Das Sommergespräch wird aber kein großes Aufdecker-Interview, das ist nicht mein Ziel. STANDARD: Was soll dann das Publikum mehr wissen? Soll aus dem Gespräch eine Art Porträt der Person entstehen? Soll man mehr über den Parteichef, die Parteichefin wissen. Über politische Vorstellungen? Was hätten die Damen und Herren darüber noch nicht gesagt? Bürger: Vor drei Wochen hätte ich in diesem Interview noch etwas völlig Anderes gesagt, als ich heute sagen muss. STANDARD: Ursprünglich sollte es ins Philosophische gehen. Bürger: Die aktuellen Krisen in dieser Häufung – von Griechenland, Terror, Rot-Blau im Burgenland – machen es fast unmöglich, mein Ursprungskonzept durchzuziehen. STANDARD: Das Konzept war …? Bürger: John Maynard Keynes hat 1930 das Buch Die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkel veröffentlicht – ein Buch, das bis vor wenigen Wochen keiner kannte, nun aber ständig zitiert wird. Keynes sagt: 2030 wird es uns allen gut gehen und wir werden weniger arbeiten. Das wäre mein Anhaltspunkt gewesen: Was ist 2030? Ich habe die Idee noch nicht aufgegeben, wir werden über die Zukunft reden. Aber das Visionäre, Philosophische, Soziologische wird einen deutlich geringeren Raum einnehmen, als ursprünglich geplant. Aber ich würde gerne herausfinden, warum jemand überhaupt in die Politik geht. STANDARD: Reflexartiger Gedanke dazu: Dazu kann jeder das Blaue vom Himmel erzählen. Wie will ich die Welt 2030 haben, was werde ich tun für diese tolle Perspektive, wenn ich gewählt werde. Bürger: Es kann aber auch das Gegenteil eintreten – ohne dass ich das jemand unterstellen möchte: Dass ihm oder ihr dazu wenig einfällt. Wenn man sich ein bisschen mit der Zukunft beschäftigt – mit neuen Arbeitsplätzen, 3-D-Produktion, Digitalisierung, die Zukunft der Industrieproduktion bis zur Zukunft des Journalismus: Ich wäre gespannt, ob da jeder Antworten parat hat. Das würde voraussetzen, dass er oder sie sich eingehend mit dem Thema beschäftigt hat. Aber ich erzähl hier eh schon viel zuviel. STANDARD: Stand zunächst der Moderator der Sommergespräche fest, und Sie haben sich dann ein Konzept überlegt, oder gab’s vorher das Konzept, das den Zuschlag erhielt? Bürger: TV-Direktorin Kathrin Zechner und Chefredakteur Fritz Dittlbacher haben mich am 13. April ehrlich überrascht, als sie mich davon informiert haben. Und dann haben sie mich gefragt, was ich vorhabe. STANDARD: Die Sommergespräche treffen einen wie ein Blick aus heiterem Himmel Bürger: Jedenfalls für mich kam das sehr überraschend. STANDARD: Und Sie haben sich dann gefragt: Warum ich? Oder: Warum ich erst jetzt Bürger: Ich bin 30 Jahre Journalist und seit 28 Jahren im ORF. Ich war und bin durchaus bereit für diese Aufgabe. STANDARD: Sie waren schon ab 1998 Innenpolitik/EU-Planer im ORF-Fernsehen und sind seit 2002, als die Funktion wieder eingeführt wurde, Ressortleiter. Das dürfte ein einsamer Höchstwert in dieser Funktion sein. Wie hält man sich so lange in einem Unternehmen, dem sehr viel politische Aufmerksamkeit zuteil wird – wenn in der Zeit die Regierungen, die ORF-Generale, die Chefredakteure vorbeiziehen? Bürger: Offensichtlich waren die wechselnden Chefredakteure doch überzeugt, dass ich als Ressortleiter für eine bestimmte Qualität der Berichterstattung stehe. Ich leite dieses Ressort – übrigens mit früher 40 und nun nur noch 20 Leuten – nicht im stillen Kämmerlein vor mich hin. Ich beherzige einen Spruch meines heutigen Chefredakteurs im ORF: Ohne Gesicht kein Gewicht. STANDARD: Soll heißen: Kamerapräsenz. Bürger: Ich halte eine Trennung der Funktionen von Journalist und Manager für einen Grundfehler. Ich will auch weiterhin Beiträge produzieren, kommentieren, interviewen, und ich habe mittlerweile von 45 EU-Gipfeln berichtet in den vergangenen 18 Jahren. Vielleicht hat meine Qualität und ein breites Arbeitsspektrum auch manchen Chefredakteur, der mir am Anfang skeptisch gegenübergestanden ist, davon überzeugt, dass man den Bürger nicht unbedingt weghaben muss. STANDARD: Man könnte natürlich auch vermuten, Sie wären besonders milde und anpassungsfähig. Bürger: Der Vorwurf wird durch Wiederholung nicht richtiger. Meine Doktrin lautet: Gesprächsfähigkeit hinter der Kamera und Distanz am Schirm. Auch jene, die mir Anpassungsfähigkeit nachsagen, haben mir noch nie nachgesagt, ich hätte die Distanz auf dem Schirm nicht gewahrt. Ich spreche mit vielen Leuten und suche das Gespräch; aber sobald das Rotlicht an ist, bin ich äquidistant zu allen. STANDARD: Ihre Pressestunde am vergangenen Sonntag mit Kanzler Werner Faymann und Isabelle Daniel (Österreich) wurde etwa auf Twitter recht heftig kritisiert als zu freundlich, zuwenig kritisch und zuwenig innenpolitisch. Bürger: Ich habe mir vier Hauptthemen vorgenommen – Griechenland, Asyl und Flüchtlinge, Koalitionsklima und Zustand der SPÖ. Und genau das ist durchgekommen. Dass Griechenland nach der dramatischen Entscheidung vom Samstag ein bisschen länger wurde, ist klar. Und ich wüsste nicht, welche Frage gefehlt hätte. Ich glaube, alle Fragen wurden gestellt. Man kann sich in der TVthek gern auch den Gesichtsausdruck des Bundeskanzlers bei der Frage nach dem Vertrauensindex ansehen. Die hat ihn nicht besonders gefreut. STANDARD: Was bleibt nach der Pressestunde für das Sommergespräch in acht Wochen? Bürger: Die Hauptthemen sind natürlich aus heutiger Sicht abgearbeitet. Aber wenn ich mir anschaue, was alleine in den letzten vier Wochen passiert ist, sehe ich kein Problem, am 31. August viele neue Fragen zu stellen. Außerdem möchte ich den zukunftsgerichteten Aspekt zumindest auch unterbringen. Und wir werden auch über die Person einiges Neues erfahren – aber das verrate ich noch nicht. Eine kleine Überraschung wird es schon noch geben. STANDARD: Laufen langsam die Telefone heiß, und Pressesprecher fragen nach Ihren Frage und Themen? Bürger: Nein, ehrlich nicht. Ich habe jetzt 87 Pressestunden geführt. Und ein wirklich unverschämter Anruf eines Pressesprechers, den ich nicht nenne, liegt schon sehr, sehr lange zurück. Der lautete, am Samstag davor: Und wann gehen wir die Fragen durch? Das war das Ungeheuerlichste und das einzige Mal. Aber ein Pressesprecher heute braucht niemand anrufen. Er kennt die vier Themen genau, die am Tisch liegen. Die Welt ist so transparent geworden – eine wirklich unerwartete Frage ist kaum möglich. Außer eine Frage direkt zur Person – oder man hat etwas entdeckt, das Zeug zum Skandal hat. STANDARD: Wieviel Zeit eines Ressortchefs Innenpolitik im ORF-Fernsehen nehmen eigentlich Interventionen in Anspruch? Bürger: Das pendelt in den vergangenen 17 Jahren von hoch bis niedrig und auch null. Es hat Zeiten mit bis zu fünf Anrufen pro Partei pro Tag Durchschnitt gegeben. Es gibt Zeiten, in denen tagelang niemand zu intervenieren versucht. STANDARD: Wo beginnt denn die Intervention für Sie? Bürger: Wenn mich jemand anruft und auf eine Entwicklung aufmerksam macht – natürlich schau ich mir das an. Es hat mich aber auch schon jemand angerufen mit den Worten: Wenn ich diesen Originalton heute abend nicht sehe, dann wird das für Ihre weitere berufliche Zukunft nicht von Vorteil sein. Das ist eine andere Qualität. Diese Brutalität, die Berichterstattung mit der beruflichen Zukunft der Führungskraft zu verbinden, ist vorbei. Das hat es gegeben – in allen Regierungen. In die Nähe solcher Phasen kommt man meistens vor Wahlen, da steigt die Nervosität extrem. STANDARD: Wie gehen Sie mit solchen Drohungen um? Bürger: Es ist ein Riesenvorteil, wenn man schon lange dabei ist. Irgendwann nimmt man es nicht mehr persönlich. STANDARD: Vor gut einer Woche dürfte der Interventionspegel nach oben ausgeschlagen haben, als die ZiB über den Rettungskongress parteiinterner Kritiker der SPÖ-Führung berichtete. Bürger: Es ist klar, dass das die Parteiführung nicht freut. Wir waren aber trotzdem dort und haben das sehr ausführlich gebracht. STANDARD: Aber es dürfte einige Telefonate dazu gegeben haben. Bürger: Glücklich war man in der betreffenden Partei jedenfalls nicht. STANDARD: Sie werden seit vielen, vielen Jahren immer wieder für höhere Jobs gehandelt, nun etwa für einen geplanten Info-Direktor über alle ORF-Medien. Wollen Sie weitere 14 Jahre Ressortchef Innenpolitik/EU bleiben? Bürger: Das mit den 14 Jahren ginge sich zeitlich bei mir nicht mehr ganz aus. Ich wurde schon für soviele Jobs gehandelt – und ich bin immer geblieben, was ich derzeit bin. Das heißt: All diese Gerüchte waren falsch. Ich gehöre zu den ganz Wenigen im Haus, denen ihre Aufgabe extreme Freude bereitet, und die sie total ausfüllt. Ich finde die Kombination wunderbar, ein extrem tolles Team zu führen und selbst ab und zu aufs Spielfeld gehen zu können. Wenn’s nach mir geht, würde ich das gerne weitermachen.' Politik-Experten in "Zeit im Bild" und "ZiB 2" – Vertrag als Analytiker. Wien – Wenn Analytiker Analytiker analysieren: Mediaaffairs verfolgt und interpretiert gemeinhin, wie und wie ausführlich welche Politiker in welchen Medien zu Wort kommen, etwa in der Zeit im Bild und der ZiB 2. Nun wertete das Unternehmen die Auftritte von Politikexperten in diesen zwei wichtigsten Nachrichtensendungen des Landes aus. Je unübersichtlicher das politische Geschehen, desto stärker die Nachfrage nach Meinung von außen, erklärt Mediaaffairs die Auswertung. Das Ergebnis fasst man so zusammen: Filzmaier erklärt die Welt der Politik. Rund 28 Minuten kam Peter Filzmaier (Donau-Uni Krems) im ersten Halbjahr 2015 in Zeit im Bild und ZiB 2 (ohne Sondersendungen) zu Wort. Mehr als mancher Spitzenpolitiker, betont Mediaaffairs. Das überrascht freilich nicht ganz: Filzmaier hat mit dem ORF einen Vertrag als Politik-Analytiker. Der aktuelle Vertrag schließt laut Filzmaier Aufträge von politischen Parteien aus. Zwei gut im ORF beschäftigte Politik-Erklärer hat Mediaaffairs für diese Auswertung übrigens ausgeklammert, weil sie vor allem als Insider/Kenner von ÖVP beziehungsweise SPÖ eingesetzt würden: die Politikberater Heidi Glück und Josef Kalina. Zeitungen mögen vom Fotografieren absehen. Wien – Dienstag ab 14.20 Uhr überträgt der ORF live vom Wiener Zentralfriedhof von der Beerdigung des langjährigen ORF-Generals Gerd Bacher. Dienstagvormittag übermittelte der Zeitungsverband eine kurzfristige Bitte der ORF-Generaldirektion an die Chefredaktionen der Mitgliedsmedien, vom Einsatz eigener Fotografen Abstand zu nehmen. Aus Rücksicht auf die trauernde Familie, so zitierte der Zeitungsverband, ersuche das Büro des Generaldirektors die Zeitungen, auf das Fotomaterial der APA zurückzugreifen. DER STANDARD wird sich an die Bitte aus der ORF-Generaldirektion halten. Auch wenn eine Liveübertragung im Fernsehen, selbst wenn sie der ORF organisiert, potenziell zumindest so persönliche Bilder von einer Beerdigung liefert wie Zeitungsfotografen – deren Präsenz ORF-Teams übrigens erfahrungsgemäß bei jeder Liveübertragung nervös machen. Sturm bei Puls 4. Wien – Der ORF sicherte sich nach den Hinspielen auch die Übertragungsrechte für die Rückspiele der CHL-Qualifikationspartien Rapid Wien vs. AFC Ajax (4.8.) und Red Bull Salzburg vs. Malmö FF (5.8) sowie die Europa-League-Qualifikationspartien Wolfsberg vs. BVB (6.8) und Altach vs. Vitoria Guimaraes (6.8), ließ der ORF am Sonntag verlauten. Der ORF hatte schon die Übertragungsrechte an den Hinspielen RB Salzburg vs. Malmö FF (29.7.) und Rapid Wien vs. AFC Ajax (29.7.) sowie der Europa-League Altach vs. Vitoria Guimaraes, Sturm Graz vs. Rubin Kazan und Wolfsberg vs. BVB (30.7.). Das Rückspiel der Fußball-Europa-League-Qualifikation zwischen Rubin Kasan und Sturm Graz (18.00 Uhr) wird am Donnerstag, den 6. August, live vom Privatfernsehsender Puls 4 ab 17.45 Uhr übertragen. Das gab Puls 4 am Mittwoch auf seiner Webseite bekannt. Live-Übertragung am 11. August – Bildregisseur Beyer arbeitet monatelang vor – "Auch ein "Philharmonisches" mit Anne-Sophie Mutter wird von ORF 2 live übertragen. Salzburg/Wien – Mit dem Fidelio bringt ORF 2 die Salzburger Festspiele live ins Wohnzimmer. Die Inszenierung von Claus Guth mit Jonas Kaufmann als Florestan gerät am 13. August zum aufwendigen TV-Event. Bildregisseur Michael Beyer arbeitet schon seit Monaten mit dem Stück, um dann im richtigen Moment in die richtige Kamera zu schauen, wie er bei einem Pressegespräch am Mittwoch erklärte. Bis zu elf Kameras sind im Einsatz, um das Bühnengeschehen einzufangen. Die Arbeit des Bildregisseurs komme der eines Dirigenten gleich, streute ORF-Moderatorin Barbara Rett Rosen. Auch er arbeitet aus der Partitur – alles geht von der Musik aus. Um das musikalisch hochkomplexe Stück wirklich zu durchdringen müsste man Jahre damit verbringen, so Beyer. Glücklicherweise habe er in seiner Zeit als Regieassistent (unter anderem von Fidelio-Regisseur Guth) bereits diese Oper betreut. Denn bei der Live-Übertragung gelte: In der Vorarbeit entscheidet sich alles. Während der aktuellen Proben entsteht das Drehbuch und die Schnittvorlage. Größte Herausforderung der Inszenierung sei der starke und atmosphärische Einsatz von Licht und Schatten, sowie die Beziehung der Figuren und ihrer Schatten. Ich denke, das werden wir mit der Kamera gut einfangen können. Übertragen wird die Aufführung am 13. August, Ö1 überträgt bereits live die Premiere am 4. August. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz wies auf den Jubiläumscharakter der TV-Produktion hin. Vor 60 Jahren wurde der Fidelio zur Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper gespielt – das war die erste Live-Opernproduktion, die im Fernsehen übertragen wurde. Damals dirigierte Karl Böhm, den Florestan gab Anton Dermota. Daran sieht man, dass wir herausragende Produktionen nicht nur für das Publikum von heute, sondern auch für das von morgen aufzeichnen und über unsere Archive zur Verfügung stellen, so Wrabetz. Neben dem Fidelio überträgt das ORF-Fernsehen auch eine Philharmoniker-Matinee unter Riccardo Muti und mit Geigerin Anne-Sophie Mutter live am 16. August um 11 Uhr. Ö1, wo bereits die Eröffnungsoper Die Eroberung von Mexico live zu hören war, bringt auch den konzertanten Werther mit Piotr Beczala und Angela Gheorghiu am 22. August. Im Rahmenprogramm widmet sich der ORF den Festspielen umfangreich: Dokumentationen zu Werken und Akteuren des Festivals, Festspielgespräche mit Barbara Rett auf ORF III sowie spezielle Seitenblicke stehen im Fernsehen an, Ö1 sendet insgesamt 21 Konzerte und Opern. Etat;Nachfolge-Sendung des "Musikantenstadl" startet am 12. September in Offenburg. Wien – Die Verbindung zwischen Tradition und Moderne ist die zentrale Botschaft des Musikantenstadl-Nachfolgers Stadlshow, der am Dienstag in Wien vorgestellt wurde. Neben dem neuen Moderatorenteam Francine Jordi und Alexander Mazza wird es auch ein neues Bühnenbild geben, inhaltlich setzt man neben Volksmusik und Schlager auch auf neue Facetten, zudem soll die Live-Musik verstärkt werden. Ohne Veränderung des Stadls wäre dieses Format Ende diesen Jahres zu Ende, betonte Andreas Vana von der ORF-Unterhaltung die Notwendigkeit, das über 30 Jahre alte, von Karl Moik erfundene Format zu reformieren. Das Millionen-Publikum hätte eine Sendung verloren, die Musikszene eine wichtige Plattform, so Vana. Neben Schlager, Volkstümlicher Musik, RocknRoll und Swing will man verstärkt auch neue musikalische Facetten wie Brass, neue volkstümliche Musik und Dialektpop bringen. Ein eigenes Live-Orchester soll dafür sorgen, dass nicht nur CDs abgespielt werden, zu denen man die Lippen bewegt. Alles in allem gehe es um authentische Musik und echtes Lebensgefühl. Dieses will man verstärkt in die Sendung bringen, indem die Regionen der jeweiligen Austragungsorte (in Österreich, der Schweiz und Deutschland) ins Blickfeld gerückt werden. Die 38-jährige Schlagersängerin Jordi werde, wie sie bei der Pressekonferenz sagte, auch aus der Halle hinaus gehen und die Landschaft und die Leute erkunden. In der Stadlshow will man regionale Geschichten und Traditionen aufgreifen und auf sie eingehen. Auch die Kulinarik werde eine größere Rolle spielen, ganz wichtig sei auch die Förderung junger Talente. Das Moderatorenteam, das sich zuvor nicht gekannt hat, geht voller Freude an die Arbeit. Wir werden Hosts sein, die die Priorität haben, das Publikum zu unterhalten, so der 42-jährige TV-Moderator Mazza. Als Kulisse, die erst in zwei Wochen vorgestellt werden soll, dient ein moderner alpiner Raum, wo ein Gebäude drinnen steht, das der zentrale Raum sein wird, blieb Vana vage. Modisch werde man sich nicht auf Lederhosen versteifen, man habe etwas gefunden, das besser zu uns und dem, was wir darstellen, passt, so Mazza. Geplant ist nach der ersten Show am 12. September in Offenburg auch eine Silvestershow in Linz, für 2016 hat man vorerst eine Show pro Land geplant. Auf konkrete Quotenziele wollten sich Vana und seine Kollegen von der ARD und dem SRF nicht festlegen. Die Sendung geht auf eine Reise in die Zukunft. Es gibt deutliche Veränderungen, neue Inhalte, eine neue Deko, eine Öffnung im musikalischen Bereich. Die gesamte Anmutung der Sendung wird anders werden. Das wird eine Reise nicht gegen, sondern mit dem Publikum. An jeder Station hoffen wir, neue Passagiere aufzunehmen. Das ist ein längerfristiger Weg, den wir ohne Quotendruck qualitativ analysieren. Stars für die erste Sendung sind unter anderem Peter Kraus, die Poxrucker Sisters, Jürgen Drews, Marc Pircher und die Ehrlich Brothers. Etat;Ex-Fußballprofi Peter Hackmair ist neuer ORF-Analytiker – Logos von Wettanbietern würde er sich "niemals" draufpicken. Wien – Um als TV-Analytiker seine 120 Fußball-Bundesligaspiele zu übertrumpfen, dafür braucht es noch einige Jahre: Ex-Fußballprofi Peter Hackmair (28) analysiert für den ORF Fußballspiele – vorerst für eine Saison. Studiert man seine Vita, dann könnten noch viele dazukommen. Nach schweren Verletzungen beendet er bereits 2012 seine Karriere, um in andere Metiers einzutauchen: Autor, Vortragender, Weltreisender, Trainer und jetzt TV-Analytiker. STANDARD: In Österreich gibt es fast mehr Fußballexperten als Einwohner. Ein heikles Terrain, auf das Sie sich begeben? Hackmair: Ja, aber auch besonders spannend. Deswegen habe ich erst die Möglichkeit, im Fernsehen über Fußball zu reden, weil sich so viele dafür interessieren. Das ermöglicht mir diesen Job als Experte. Bei sehr vielen Sportarten ist das ja nicht der Fall. STANDARD: Sie haben am Sonntag als ORF-Analytiker debütiert. Wie waren die Reaktionen? Hackmair: Sehr positiv. Ich habe irgendwann als Spieler aufgehört, in Foren zu stöbern, aber das persönliche Feedback aus meinem engeren Umfeld war sehr gut – intern aus dem ORF, aber auch von Freunden, Bekannten und Kritikern. STANDARD: Laut ORF gab es keine Reaktionen von Zusehern, was positiv zu werten ist. Hackmair: Ich habe bereits von einem Kollegen gehört, dass keine Reaktion ein sehr gutes Feedback ist. (lacht) Grundsätzlich bin ich froh über Kritik, weil ich selbst jemand bin, der sehr gerne Kritik äußert – positiv und negativ. Im Laufe der Zeit habe ich gelernt, welches Feedback man ernst nehmen kann und welches nicht. Wird anonym hingetreten, ist es besser, das gar nicht zu wissen. Allein weil jemand vorher das falsche Trikot – im Auge des Betrachters – getragen hat, ist das Gesagte schon falsch. In Wien ist das halt mit Grün gegen Violett am ärgsten. STANDARD: Gibt es Vorbilder unter den TV-Fußball-Experten? Hackmair: Ich möchte niemanden kopieren, hole mir aber Inspiration von Mehmet Scholl (ARD-Experte und Ex-Fußballprofi, Anm.). Es ist schön, dass sich der Kreis schließt. Als Kind war er mein absoluter Lieblingsspieler. Er hat die gleiche Position gespielt und mir einfach auch als Typ gefallen. Bei der Weltmeisterschaft hat er mir imponiert, weil er sehr authentisch und fachlich gut ist. Das möchte ich auch: authentisch bleiben. STANDARD: Ist das Angebot des ORF überraschend gekommen? Hackmair: Ich wurde vor zwei Monaten kontaktiert und gefragt, ob ich mir diesen Job vorstellen kann. Der ORF hat gemeint, dass sie schon vor zweieinhalb Jahren – nach meinem Karriereende – an mich gedacht haben. Dann war ich aber auf Weltreise. Jetzt ist das Angebot völlig überraschend gekommen. STANDARD: Und dann? Wie als aktiver Fußballer: ein hartes Feilschen um Vertragsdetails? Hackmair: Nein, richtige Vertragsverhandlungen hat es nicht gegeben. Der ORF hat schnell gesagt, was man als Experte verdienen kann. Für mich war Geld nicht das entscheidende Thema, sondern nur der Job an sich, weil Fußball und Sprache jene zwei Dinge sind, die mich am meisten begeistern. Wir hatten vereinbart, dass ich den Job bei der U20-WM in Neuseeland ausprobiere. Bei den zwei Halbfinalspielen war ich im Studio, und dann war klar, dass wir den Weg gemeinsam gehen. STANDARD: Für TV-Experten gibt es nur Einjahresverträge. Können Sie sich vorstellen, den Job jahrelang zu machen? Hackmair: Vor drei, vier Jahren habe ich aufgehört, langfristig zu planen. Das hat damals schon als Spieler nicht funktioniert, weil Verletzungen dazwischengekommen sind. Ich freue mich auf diese Saison, kann aber nicht sagen, was in einem Jahr oder später passiert. Ich bemühe mich sehr, im Moment zu leben, weil ich meine Energie besser einsetzen kann. STANDARD: Sie haben viele verschiedene Länder bereist. Jetzt steht nicht mehr Neuseeland, sondern Altach auf dem Programm. Kein Problem für Sie? Hackmair: Nicht mehr. Nach ein paar Monaten auf Weltreise habe ich gedacht, dass ich überhaupt nicht mehr retour kann, weil sich eine Art Sucht nach Neuem eingestellt hat. Aber nach einem Jahr habe ich gespürt, dass meine Wurzeln in Österreich sind. Ich bin in Oberösterreich aufgewachsen, lebe jetzt in Wien und freue mich auf Altach. Diese Freiheit in meinem Leben schätze ich gerade sehr. So frei war ich noch nie, und es ist schön, dass ich im Fußball zurück bin. Mit mehr Verantwortung und mehr Freiheit als je zuvor. STANDARD: Sie trainieren in der Wiener Fußballschule teco7 Kinder. Ist das Trainergeschäft im Profibereich eine Option? Hackmair: Schön ist, dass ich sehr viele Optionen habe. In den letzten Monaten war es so: Je mehr Freiraum ich in meinem Leben schaffe, desto besser werden die Inhalte, die ihn füllen. Ich möchte in jede Tür reinschnuppern und schauen, ob das etwas für mich ist. Grundsätzlich macht mir das Trainieren Spaß. Der Plan ist aber nicht, in drei Jahren ins Profigeschäft einzusteigen. Das kann zwar passieren, ist jetzt aber nicht mein Traum. STANDARD: Der Fußball hat bei Ihnen bis ins frühe Erwachsenenalter Ihr Leben dominiert. Dann nicht mehr, schreiben Sie. Kann man sich als Trainer so eine emotionale Distanz leisten, wenn es gilt, aus Spielern das Optimum herauszuholen? Hackmair: Meiner Meinung nach ist das sehr gut. Das Fachwissen, die Basis verlierst du nicht. Als Experte hilft mir dieses Hinausblicken über den Tellerrand. Was ich in den letzten drei Jahren erlebt habe, hat nicht unmittelbar mit Fußball zu tun, hilft mir aber im Umgang mit Menschen. Etwa, wie Körpersprache einzuschätzen ist. Ein wichtiges Ziel in meinem Leben ist, mich nicht mehr vom Fußball abhängig zu machen. Als Fußballprofi war ich finanziell abhängig, dem möchte ich aus dem Weg gehen und mehrere Standbeine haben. Sobald du den Druck nicht mehr spürst, machst du es gerne und gewinnst die paar Prozent, die es ausmachen. STANDARD: Haben die paar Jahre als Profifußballer die finanzielle Basis geschaffen, um jetzt nur projektbezogen zu arbeiten? Hackmair: Ich konnte mir schon Geld auf die Seite legen, aber weit nicht so viel, dass man von ausgesorgt reden kann. Das war auch nie mein Ziel. Ich habe in die Weltreise sehr viel Geld investiert. Jetzt habe ich die finanzielle Basis mit einer Eigentumswohnung, die zum größten Teil abbezahlt ist. Es funktioniert jetzt besser als damals, weil ich mit weniger auskomme. Im Vergleich zu früher verdiene ich momentan rund ein Drittel bis maximal die Hälfte. Ich bin bescheidener geworden, mir geht nichts ab. Ich habe kein Auto, keinen Fernseher, habe meinen halben Besitz verkauft oder verschenkt und wohne mittlerweile auf 45 Quadratmetern statt 100. Mir fehlt nichts. Und das macht die Freiheit aus: Projekte bewusst aussuchen zu können. Eine Traumsituation. Meine Bücher kann ich ortsunabhängig schreiben, und der Job beim ORF erlaubt es mir, sehr frei agieren zu können. STANDARD: Als TV-Analytiker haben Sie keinen Fernseher? Hackmair: Ich habe einen relativ großen Bildschirm und streame alles. Durchzappen möchte ich nicht mehr. Außer Fußball und der Serie Breaking Bad gibt es bei mir derzeit kein TV. STANDARD: Ein Computer gilt nicht als Rundfunkempfangsgerät. Sie könnten sich von der GIS-Gebühr abmelden. Hackmair: Ja, das habe ich kürzlich gehört. Ich zahle noch GIS-Gebühren, aber anscheinend zu Unrecht. Dann spare ich mir schon wieder 20 Euro im Monat. (lacht) STANDARD: Sie waren 2007 Teil des U20-Nationalteams, das bei der Weltmeisterschaft Vierter geworden ist. Aus dem Team von damals werden etwa Junuzovic, Harnik, Kavlak oder Prödl wohl nächstes Jahr bei der Europameisterschaft in Frankreich spielen. Kommt keine Wehmut auf? Hackmair: Schon lange nicht mehr. Bei der WM war ich damals einer der Leistungsträger. Gemeinsam mit Veli Kavlak hatte ich die meisten Bundesligaspiele. Ein Jahr später, 2008, kam mit dem Kreuzbandriss die erste schwere Verletzung. Danach war es sehr schwierig, weil mich alle überholt, tolle Verträge unterschrieben haben oder ins Ausland gegangen sind. Du sitzt im Reha-Zentrum. In dieser Phase war ich schon sehr neidisch. Damals habe ich gelernt, mit Neid umzugehen. Mittlerweile ist das kein Thema mehr. Ganz im Gegenteil: Mit manchen bin ich noch befreundet, und ich freue mich riesig, dass das Nationalteam so erfolgreich ist. STANDARD: Haben Sie dem frühen Karriereende mit 25 nie nachgetrauert? Hackmair: Nein, es gab nur einen Moment auf der Weltreise, als ich ein paar Tage lang an ein Comeback gedacht habe. Das war aber schnell wieder vorbei, und seitdem geht es mir gut damit. Würde ich in der Vergangenheit leben, wäre ich nicht offen für neue Projekte. STANDARD: Viele Sponsorenlogos zieren die Kleider von TV-Experten. Bei Ihnen stand am Sonntag Mut verändert. Ihr Lebensmotto? Hackmair: Das ist mein persönlicher Slogan und mittlerweile auch Lebensmotto. Ich bin keiner, der Sponsoring ablehnt, aber gewisse Botschaften zu transportieren ist für mich wichtiger, als irgendeinen Sponsor zu vertreten. Ich möchte nur für ein Unternehmen werben, zu dem ich auch wirklich stehe. Es gibt nichts Schlimmeres, als sich zu verkaufen. Mir geht es um die Firmenphilosophie und um Werte. STANDARD: Welche Unternehmen würden Sie ablehnen? Einen Wettanbieter? Hackmair: Genau, das Logo eines Wettanbieters oder eines Glücksspielunternehmens würde ich mir zum Beispiel niemals draufpicken. Mir geht es nicht primär um das Geld, sondern um Identifikation mit einer Firma. Beim nächsten Termin werde ich für das Sozialprojekt Zukunft für Kinder in Indien werben, das ich seit vier Jahren als Pate unterstütze. Ich biete zum Beispiel auch mein zweites Buch gegen einen Preis an, den jeder selbst festlegt. STANDARD: Sie sind auch als Videoblogger aktiv. Reizt es Sie, zu diesen Youtube-Stars zu gehören? Nicht wenige verdienen mittlerweile viel Geld damit. Hackmair: Im Winter habe ich damit spekuliert, hier aktiv zu werden, habe aber dann bald gemerkt, dass mein Geschriebenes an Qualität verliert, wenn ich mir den Druck mache, jeden Tag oder auch nur einmal pro Woche ein Blogpost zu produzieren. Schreiben ist für mich Hobby und große Leidenschaft, dabei soll es bleiben. Ich habe nicht vor, Youtube-Star zu werden. STANDARD: Sie sind mit der U19 EM-Dritter geworden, mit der U20 WM-Vierter und mit Ried Cupsieger und Vizemeister: Ihr wichtigster Titel war aber die Wahl zu Oberösterreichs schönstem Fußballer, schreiben Sie ironisch. Warum? Hackmair: Mittlerweile bedeutet mir dieser Titel gar nichts mehr. (lacht) Damals aber viel, weil es symbolisch für den Sonnyboy gestanden ist. In jungen Jahren wollte ich es allen recht machen, was stark mit meiner Familiengeschichte zu tun hat. Ich bin ein Scheidungskind und habe oft versucht, Aufmerksamkeit über den Fußball zu erregen. Damals war auch so ein Titel schön, und mir war es wichtig, in der Zeitung zu stehen. Heute ist das nicht mehr so. Außerdem wurde der Titel von einer Zeitung vergeben, die man nicht so ernst nehmen darf. STANDARD: Keine Sympathie für die Kronen Zeitung? Hackmair: Da geht es nicht um Sympathie oder Antipathie. Ich habe einfach aufgehört, Boulevardmedien zu lesen. Generell konsumiere ich Medien immer weniger. Wenn, dann sehr bewusst und nur gezielt. Etat;Erstaufnahmelager im Lokalaugenschein: In Traiskirchen muss eine Schwangere im Freien schlafen, in Krumpendorf spielen Asylwerber Fußball. 21.05 Uhr, ORF 2. Wien – Wer in Traiskirchen über die Situation der Flüchtlinge berichten will, muss zum Zaun. Drinnen stehen Asylwerber und beanworten Fragen von Journalisten draußen, denen der Zutritt zum Lager verwehrt ist. Drinnen steht Ali F. 10.000 Dollar zahlte der junge Afghane einem Schlepper, der ihn und seiner Frau Shirin nach Österreich brachte. Große Strecken mussten die beiden zu Fuß zurücklegen, bevor sie nach Traiskirchen kamen. Einen Platz zum Schlafen hatten hier weder er noch Shirin, obwohl sie im neunten Monat schwanger war. Das Baby kam im Spital in Mödling zur Welt. Inzwischen ist die Familie in Unterwaltersdorf: Wenn ich gewusst hätte, dass es hier so ist, wären wir nicht hergekommen, sagt F. Nur bis zum Zaun kam auch Nina Horowitz für den Schauplatz, Donnerstag, 21.05 Uhr auf ORF 2. Gemeinsam mit Christine Grabner zeigt sie Bilder der Erstaufnahmelager im niederösterreichischen Traiskirchen und im Kärntner Krumpendorf. Nicht frei zugänglich Die Idee haben die Reporterinnen am 9. Juli: Beamte des Innenministeriums führen Medienarbeiter durch das ansonsten für Journalisten nicht frei zugängliche Lager. Zu sehen bekommen sie leere Räume: „Wir konnten uns kein eigenes Bild machen“, sagt Horowitz. Im Hof seien Flüchtlinge dann auf sie zu gekommen und hätten erzählt – von den verdreckten Toiletten, von Duschen ohne Vorhänge, von fehlenden Schlafplätzen. Als wäre man nicht in Österreich, beschreibt Horowitz die Situation in Traiskirchen. Die meisten Asylwerber wollen nicht erkannt werden. Sie haben Angst, dass das für ihr Asylverfahren schlecht sein könnte. Oder dass es für ihre Familien im Kriegsgebiet gefährlich wird, wenn die falschen Menschen sie im Fernsehen oder im Internet sehen. Horowitz bringt Ärzte und Therapeuten zum Zaun, etwa Georg Psota vom psychosozialen Dienst: Mit Österreichern würde man so nie umgehen. Die Kinderärztin Nicole Grois warnt: Wenn eine Masernwelle ausbricht, gibt es hier große Probleme. Während des Interviews wird sie zu Hilfe gerufen: Ein Kind drinnen hat Fieber, dehydriert wahrscheinlich aufgrund der großen Hitze noch vor wenigen Tagen. Die Ärztin kann nicht helfen: Sie ist auf der anderen Seite des Zauns und darf nicht rein. Beklemmend geht es weiter: Im Traiskirchner Schwimmbad fühlen sich Stammgäste gestört, weil nach 17 Uhr viele Flüchtlinge kommen, wenn der Eintritt nur noch 1,50 kostet. Und im Stift Melk erklärt ein Pater wortreich, warum das Stift keine Flüchtlinge aufnehmen kann. Der Traiskirchner Siegfried Voith erklärt, warum der Ort eine Schande ist und er sich im Stich gelassen fühlt. Die Stimmung ist aufgeladen. Anders in Krumpendorf: Seit Juli sind 240 junge Männer am Wörthersee in Zelten untergebracht. Die Krumpendorfer fühlten sich vom Innenministerium überrumpelt. An den Flüchtlingen lassen sie ihren Groll aber nicht aus, sondern kümmern sich, stellen Freizeitmöglichkeiten zur Verfügung, etwa einen Fußballplatz: Zum Aggressionsabbau, sagt der Obmann. Das Leben im Lager sei nicht einfach. In Krumpendorf traf Grabner Walaa aus Syrien. Der 26-jährige Tänzer bekam die Chance, in einem Klagenfurter Studio zu tanzen. Er fand Freunde, doch dann musste er wieder weg. Nach Thalgau in Salzburg, wieder in ein Notquartier. Walaa ist traurig – und trotzdem dankbar, weil er in Sicherheit ist. Sobald der Krieg vorbei ist, will er wieder heim. Die Kärntner Landesreferentin für Flüchtlingsfragen, Barbara Payer, zeigt die Mühen der Ebene. Payer prüft die Unterkünfte: Wenn 20 pro Woche angeboten werden, ist sie froh, wenn eines den bürokratischen Anforderungen entspricht. Niemand hat mit den hohen Antragzahlen gerechnet, sagt Payer. Auch in dieser Nacht müssen in Traiskirchen tausende Menschen unter freiem Himmel schlafen. Etat;Kanzler erreichte 722.000 Seher und insgesamt Platz acht in der Geschichte der Gesprächsreihe. Wien – SPÖ-Vorsitzender und Bundeskanzler Werner Faymann reihte sich in der Zusehergunst auf Platz vier der diesjährigen ORF-Sommergespräche ein. Im Schnitt 722.000 Zuseher (vorläufig, noch nicht gewichtet) lauschten den Ausführungen des Kanzlers. Der Marktanteil lag bei 29 Prozent. Allzeit-Spitzenreiter bei den Sommergesprächen ist weiterhin FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mit 1.007.000 Zusehern und 36 Prozent Marktanteil, gefolgt von Frank Stronach mit 827.000 Zuschauern und 34 Prozent Marktanteil. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erreichte im Interview mit Hans Bürger im Schnitt 755.000 Zuseher und damit einen Marktanteil von 29 Prozent. Es folgt Faymann und dann Grünen-Chefin Glawischnig mit 628.000 und 27 Prozent Marktanteil. An sechster und letzter Stelle folgt Matthias Strolz von den Neos mit 563.000 Zuschauern und einem Marktanteil von 23 Prozent. Es waren die bisher erfolgreichsten Sommergespräche im ORF: Gleich vier der sechs Sommergespräche schafften es im Gesamtranking unter die Top Ten, die Interviews mit Frank Stronach beziehungsweise Heinz-Christian Strache kamen jeweils auf Rekordwerte. Im Schnitt sahen 752.000 Zuseher bei 30 Prozent Marktanteil die sechs Ausgaben, in der jungen Zielgruppe 12–49 Jahre lag der Marktanteil bei 17 Prozent. Auch in der ORF-TVThek wurden die Sommergespräche so intensiv genutzt wie noch nie zuvor: Bis inklusive Sonntag, 30. August wurden insgesamt 1,81 Millionen Videoabrufe verzeichnet. Inhaltlich wurden die Sommergespräche unterschiedlich beurteilt. Kritik traf vor allem die Interviewführung von ORF-Innenpolitikchef Hans Bürger. Skeptische Stimmen – viele davon auf sozialen Medien – sahen die Politsendung als dahinplätschernd und als Plauderstunde. Die ORF-Führung sieht das naturgemäß anders: Hans Bürger, Robert Stoppacher, Fritz Melchert und dem Team ist es hervorragend gelungen, das in diesen Tagen besonders hohe politische Interesse der Bevölkerung mitzunehmen und entsprechend erfolgreich umzusetzen, lobt ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz. Nach Tweets destilliert, ergibt sich laut der Social-Media-Agentur Buzz Value folgendes Bild: Insgesamt mehr als 22.000 Tweets zu den ORF-Sommergesprächen 2015 mit @HansBuerger #orfsg15 http://t.co/uwkrvQFSXX pic.twitter.com/DulYjXqNmJ (red, 1.9.2015) Etat;Ingrid Thurnher diskutiert mit Johannes Hahn, Gergely Pröhle, Michel Reimon und Melissa Fleming. Wien – Thema der ersten Im Zentrum-Diskussion nach der Sommerpause sind die Flüchtling: Es sieht so aus, als wären alle Dämme der europäischen Flüchtlingspolitik gebrochen. Erst lässt Ungarn tausende Flüchtlinge ungehindert ausreisen, um sie dann plötzlich in Lager abzuschieben. Österreich hält sie zunächst nicht von ihrem Traumziel Deutschland zurück, um an anderer Stelle gleichzeitig drastische Grenz-Kontrollen einzuführen. All das verstärkt den Eindruck der völligen Plan- und Ratlosigkeit. Die Grenzen Europas – Wohin mit den Flüchtlingen?, fragt Ingrid Thurnher ihre Gäste ab 22 Uhr in ORF 2 bei Im Zentrum Spezial: Nutzen Sie dieses Forum, um sich mit anderen Zuseherinnen und Zusehern und Leserinnen und Lesern vor, während und nach der Sendung auszutauschen. Etat;In acht Teilen ab 20. Oktober: Ingo Pertramer, Thomas Nowak und Florian Holzer zerlegen Fleckvieh. Wien – Die Dienstagnacht auf ORF 1 bekommt eine Kochshow: Ab 20. Oktober zerlegen Fotograf und Filmer Ingo Pertramer, Privatier Thomas Nowak und Restaurantkritiker Florian Holzer ein ganzes Rind in seine Einzelteile und verarbeiten es. Die Darsteller kaufen ein ganzes, lebendiges Tier vor Ort, schlachten es und machen in Freiluft-Kochsessions haltbare Fleischkonserven. Die achtteilige Doku-Serie Ochs im Glas wird von Jenseide und Pertramerfilm produziert. (prie) Etat;Meistgesehene Folge war jene am 17. August mit durchschnittlich 1,096 Millionen Sehern. Wien – Elizabeth T. Spiras Liebesgschichten und Heiratssachen sind im ORF auch nach 19 Jahren ihres Bestehens ein Publikumshit. Insgesamt 3,44 Millionen Österreicher verfolgten zumindest kurz eine der Folgen der 19. Staffel. Die abgelaufene Staffel erreichte durchschnittlich 903.000 Seher bei einem Marktanteil von 36 Prozent. Ein Topwert seit 2012, wie der ORF am Dienstag in einer Aussendung mitteilte. Die meistgesehene Ausgabe war Episode Nummer sieben am 17. August mit bis zu 1,179 Millionen Zuschauern und durchschnittlich 1,096 Millionen Sehern bei 38 Prozent Marktanteil. Die finale Folge am Montag sahen bis zu 1,002 Millionen Zuseher, im Schnitt 944.000, der Marktanteil betrug 34 Prozent. Auch online waren die Liebesgschichten und Heiratssachen ein Publikumsmagnet: Die bisher ausgewerteten Folgen 1 bis 9 erzielten durchschnittlich jeweils 171.000 Live-Stream- und Video-on-Demand-Abrufe. Insgesamt wurden die neun Ausgaben 1,54 Millionen Mal abgefragt. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz und Fernsehdirektorin Kathrin Zechner kündigten denn auch eine weitere Staffel der ORF-Liebesgschichten an. Es freut mich besonders, dass wir die beliebte Reihe 2016 fortsetzen und mit Toni Spira und ihrem Team das 20-jährige Jubiläum feiern können, so Wrabetz. Etat;'Frank und Claire Underwood müssen nachts durchs Programm geistern, weil die Serie zu sehr ins Detail der US-Politik gehe. Wien – Auch wenn sie meist abseits der medialen Beachtung ihre Fäden ziehen, treten sie im TV auf, dann sind sie im Normalfall ein größeres Publikum gewöhnt: Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine Frau Claire (Robin Wright) geistern im ORF erst Montagnacht durchs Programm. Der Sender zeigt die dritte Staffel des politischen Intrigantenstadls House of Cards seit Ende September nach der ZiB 24 in ORF 1. Immerhin im Zweikanalton und immerhin wächst das Publikumsinteresse; alleine das Niveau ist bescheiden. Nach 35.000 Zusehern zum Auftakt (Marktanteil 5 Prozent) sahen die zweite Folge am Montag 57.000 Nachtaktive (Marktanteil 7 Prozent). Kein Grund zum Jubeln. Zum Vergleich: Die Serie Detective Laura Diamond verbuchte am Montag im Hauptabend 251.000 Zuseher. House of Cards sei für den Hauptabend einfach zu schmal, um anhaltend großes Publikumsinteresse zu generieren, antwortet ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner dem STANDARD auf die Frage, warum die Serie so spät läuft. Grund sei der detailreiche Inhalt in der Darstellung des US-amerikanischen Polit-Establishments, so Zechner weiter. Der ORF habe die Serie deswegen kosteneffizient und gezielt für einen Late-Night-Sendeplatz gekauft. Dass die Serie zwar von Kritikern bejubelt, vom breiten Publikum im deutschen Sprachraum aber nicht im ausreichenden Maß gewürdigt werde, zeige sich daran, dass der ORF der einzige Vollprogrammsender im deutschen Sprachraum sei, der House of Cards anbiete, lässt ORF-Film- und Serienchefin Andrea Bogad-Radatz auf Anfrage verlauten: Die Serie war demnach günstig in einem Rahmenvertrag zu erwerben. In Deutschland hatte zuvor ProSiebenMaxx die dritte Staffel im Programm. House of Cards war bisher für 33 Emmys nominiert und räumte dabei sechs Trophäen ab. Jeweils einen Golden Globe in der Kategorie beste Hauptdarsteller in einer Dramaserie erhielten Kevin Spacey und Robin Wright. House of Cards ist eine Netflix-Produktion. Startschuss für die dritte Staffel war in den USA Ende Februar. Wie groß das Zuseherinteresse ist, lässt der Streamingdienst offen. Zahlen werden keine veröffentlicht. Die Rechte im deutschsprachigen Raum für die ersten drei Staffeln lagen beim Bezahlsender Sky.' Etat;Ein hartes Stück Arbeit war es, ehe der "Ochs im Glas" war, erzählt Fotograf und Serienerfinder Ingo Pertramer. Dienstag im ORF. STANDARD: Ist die Beschäftigung mit Essen der Sex des Alters? Pertramer: Glaub ich nicht. Es hat mit Prioritäten zu tun. Andere haben gern schnelle Autos und tolle Uhren. Ich habe Kulinarik für mich entdeckt. In meinem gestressten Berufsleben holt mich das Kochen einfach extrem runter. Und wenn man selbst viel kocht, fragt man sich irgendwann, woher die Zutaten kommen. STANDARD: Nicht jeder geht dann gleich zur Schlachtbank. Wie entstand die Idee zu Ochs im Glas? Pertramer: Die gibt’s schon ganz lange. Beim Opa meiner Frau gab es immer ganz viel überschüssiges Obst. Wir wussten nie, was wir damit anfangen sollten. Irgendwann stieß ich auf die Rex-Glaseln und über eine Antiquitätenseite auf ein Rex-Buch von 1918. Da werden auch Tiere eingerext. Hase, Hendl, Lamm, Schwein, und zum Schluss war der Ochs. Wahnsinn, die haben einen ganzen Ochsen eingerext! Ich wollte ausprobieren, ob das möglich ist. Am Ende hatten wir 600 Gläser. STANDARD: Und Thomas Nowak und Florian Holzer waren Ihre Wunschpartner? Pertramer: Thomas kenne ich schon länger, er ist wie ich ein kulinarischer Freak und sagte sofort zu. Florian kannte ich nicht, aber ich dachte, es könnte passen. Bei den Innereien ist er der Spezialist. STANDARD: Ihr Spezialgebiet? Pertramer: Das Organisatorische, das übrigens bei einem Kochtag total kompliziert ist. Die Gläser müssen sterilisiert sein und fixfertig da stehen, Einkäufe sind zu koordinieren. Am Anfang hatten wir damit große Probleme, aber es spielte sich ein. Zum Schluss waren wir super. STANDARD: Was war die größte Schwierigkeit? Pertramer: Die Innereien zu verarbeiten, denn die halten nur zwei Tage. Wir arbeiteten bis zu 20 Stunden pro Tag und haben gekocht wie die Wahnsinnigen. Das war deprimierend: Du kochst zwei Tage Innereien, und dann sind genau 16 Gläser voll. Die ganze Zeit schüttete es in Strömen, ich war krank, es kam einiges zusammen, aber wir haben es geschafft. STANDARD: Ließen Sie sich von Experten beraten? Pertramer: Ich kontaktierte die Familie Weck und telefonierte mit dem Enkel. Er hielt uns für verrückt. Interessant war, dass in den letzten fünf Jahren offenbar so viele Gläser bestellt worden sind wie lange davor nicht. Dabei wollten sie die Produktion schon einstellen. Jetzt sperren sie in Chicago ein Geschäft auf. Wir sind am Puls der Zeit. Die Leute schauen wieder, was sie essen. STANDARD: Ochs im Glas ist ein reines Männerprodukt. Frauen hatten dabei nichts verloren? Pertramer: Wir haben es so kurzfristig entschieden, dass es einfach so passiert ist. Der Frauenanteil entspricht nicht der Quote. Finde ich auch nicht gut. STANDARD: Produziert haben Sie in Eigenregie, vorerst ohne Sender, ohne Förderung. Wie ging das? Pertramer: Es geht da um komplette Selbstausbeutung des ganzen Teams. Jetzt sind wir mit der ARD in Verhandlung. Mit dem ersten Geld, das wir verdienen, können wir uns die Untertitelung in Spanisch und Französisch leisten. Das Ganze kriegt ein Weltvertrieb aus den Niederlanden, der die Serie sehr wohl am Weltmarkt sieht. Weil er weiß, dass es selbst in Argentinien Leute gibt, die das interessiert. STANDARD: Wie haben Sie den ORF überzeugt? Pertramer: Ich komme nicht vom Fernsehen. Ich hatte eine Idee, und ich glaubte daran. Wir haben das selber aufgestellt, mit einem Menschen, der auch an uns geglaubt hat, der uns Geld geborgt hat. Und jetzt kommt es in der Dienstagnacht. STANDARD: Ist das so? Wenn Sie sich etwas in den Kopf setzen, wird es? Pertramer: In der Fotografie war ich immer Grenzgänger. Ich habe mich nie bei einer Agentur beworben, nie Werbung gemacht, sondern immer nur, was mir getaugt hat. Ich bin immer an der Finanzexistenzschwelle gewesen, weil ich ganz oft zu blöd war, irgendwelche großen Geschäfte daraus zu machen. STANDARD: Wie war es für Sie, der für gewöhnlich hinter der Kamera steht, jetzt davor? Pertramer: Schon sehr komisch. Heute vor dem Interview war mir zum Beispiel extrem schlecht. Ich spüre eine gewisse Aufgeregtheit. Mir gefällt, was jetzt passiert, aber hinter der Kamera bin ich definitiv sicherer. Am Schneideplatz sich selbst zu sehen und zu hören – unheimlich. Etat;Täglich eine Stunde mehr aktueller Sport ab 26. Oktober. Wien – Der Spartensender ORF Sport + bringt zum vierten Geburtstag ab 26. Oktober täglich eine Stunde mehr aktuellen Sport. Neu im Programm ist auch das Format Sport 20 um 20.00 Uhr. Die Erfahrung zeigt, dass Live-Programm am besten konsumiert wird. Rund um dieses können wir dank der jetzigen Ausweitung unsere attraktiven Magazine besser platzieren, so Senderverantwortliche Veronika Dragon-Berger. Laut ORF ist der Spartenkanal mit seiner Tagesreichweite Nummer eins unter den in Österreich ausgestrahlten Sportsendern, bei den Sehern unter 30 Jahren erreiche ORF Sport + auch den höchsten Marktanteil, hieß es weiter. Nun werde das Sendeschema von derzeit drei Stunden täglich neu produziertem Programm – bisher 20.15 bis 23.15 Uhr – auf vier Stunden von 19.00 bis 23.00 Uhr ausgeweitet. Die Übertragungen werden zusätzlich an den jeweils vier Folgetagen in unterschiedlichen Zeitzonen wiederholt. Etat;Dokumentarfilm über das politisch geschürte Katastrophenszenario der Überbevölkerung am Mittwoch um 20.15 Uhr auf ORF 1. Wien – Überbevölkerung ist ein Problem, das in Wahrheit keines ist. Sondern aus politischen Gründen zu einem gemacht wird. Das versucht der österreichische Dokumentarfilmer Werner Boote (Plastic Planet) in seinem Film Population Boom zu zeigen, der am Mittwoch, 20.15 Uhr auf ORF 1 ausgestrahlt wird. Ich glaube, dass Population Boom gerade jetzt durch die Flüchtlingssituation ein irrsinnig aktueller Film geworden ist, sagt der 50-jährige Wiener im Gespräch mit der APA. Er zeigt, dass wir uns einfach dazu bekennen müssen, Teil dieser globalen Gemeinschaft zu sein. Und einfach vielleicht einmal verstehen müssen, wie wichtig und wie schön es sein kann, zu teilen. Mich bedrückt das Leid der Menschen und mich bedrückt die Angst der anderen, meint Boote zur aktuellen Flüchtlingskrise – und rät zum Ansehen seiner 2013 in die Kinos gebrachten Doku, denn eigentlich ist das der Film, der ihnen diese Angst wegnimmt – die Angst vor den Fremden. Und auch die Angst davor, dass es auf der Insel der Seligen schon bald zu eng werden könnte: Wenn ich mich aufrege, dass da Zehntausende oder Hunderttausende nach Österreich kommen, kann ich nur sagen: Wenn alle Menschen der Welt nach Österreich kommen, hat jeder noch immer elf Quadratmeter, einstöckig. Dann ist aber die ganze restliche Welt menschenleer. Wovon reden wir also? Wir müssen ein bisschen teilen, das finde ich gut, und uns stark machen gegen die ganzen anderen Dinge, von Umweltverschmutzung über Profitgier und Landraub bis zu sozialen Ungerechtigkeit. Das seien nämlich die wahren Probleme, lautet die Botschaft des Films, der durch die blauäugige Unmittelbarkeit, mit der sich Boote stellvertretend für die Zuschauer ans Stellen der richtigen Fragen macht, auch durchaus vergnügliche Elemente hat. Den Weg seiner Erkenntnis startet Boote bei der Präsentation des Weltbevölkerungsberichts der UNO in New York. Hernach reist er – stets mit Schirm und Charme – von China über Indien, von Tokio bis zu den Massai und in Bangladeschs Hauptstadt Daka, wo sich auf einem Quadratkilometer 46.000 Menschen drängen. Boote erzeugt dabei stets ein Wir-Gefühl, um keine Diskrepanz zwischen Schwellen- und Industrieländern aufkommen zu lassen. Jeder Fünfte von uns ist Chinese, sagt er etwa. China hat soeben seine langjährige drakonische Ein-Kind-Politik abgeschafft. Hat das Reich der Mitte seine Lehren aus Population Boom gezogen? Boote lacht: Der Film ist tatsächlich in China gezeigt worden. Ich glaube aber nicht, dass das einen großen Einfluss hatte auf die neue Gesetzgebung. Während er das Katastrophenszenario der Überbevölkerung als künstlich geschürt zu entlarven sucht, macht ihm die immer vollständigere Überwachung größere Sorgen. In der digitalen Datenwelt scheint sich niemand mehr verstecken zu können. Alles unter Kontrolle heißt Bootes nächstes Film, der am 25. Dezember Kinostart hat. Wieder hat er die erstaunlichsten Gesprächspartner aufgetrieben. Und soviel darf verraten werden: Diesmal gibt Boote am Ende keine Entwarnung. Etat;Wien – Am Sonntag diskutierte Ingrid Thurnher mit ihren Gästen in Im Zentrum in ORF 2 das Thema Tabubruch Obergrenze – Wie viele Flüchtlinge schafft das Land?. Gäste bei Ingrid Thurnher waren Nutzen Sie das Forum, um sich mit anderen über die Sendung auszutauschen. Etat;Um 20.15 Uhr tastet Hanno Settele in "Que sera, sera! Settele sucht unsere Zukunft ..." künftige Räume ab. Wien – Mit einer Reportagestrecke am Mittwoch verstärkt ORF 1 sein Informationsangebot für junges Zielpublikum: Um 20.15 Uhr tastet Hanno Settele in Que sera, sera! Settele sucht unsere Zukunft ... künftige Räume ab. Um 21.45 Uhr folgt die Reportage Heimat-Verbunden – Durch Krieg und Flucht getrennt. Jürgen Pettinger und Nicole Kampl haben eine zerrissene Familie begleitet – erstmals zeitgleich im Exil im Libanon und in Wien. Zusätzliches Angebot ist ab Mittwoch auf meins.orf.at abrufbar. Etat;Neun von zehn Teilnehmern für Auswahlshow "Wer singt für Österreich?" am 12. Februar fix – Zoe und Vincent Bueno unter den Kandidaten. Wien/Stockholm – Neun von zehn Kandidaten, die am 12. Februar um das Österreich-Ticket für den Eurovision Song Contest 2016 kämpfen werden, stehen fest. Der ORF gab am Dienstag die Riege jener Künstler bekannt, die von einer Fachjury für die Finalshow auf ORF eins ausgewählt wurden. Darunter finden sich etwa Musicalsänger Vincent Bueno oder ESC-Vorentscheid-Wiederkehrerin Zoe. Sie werden mit der Wienerin Bella Wagner, der 17-jährigen Niederösterreicherin Elly, dem Duo aus der Jazzsängerin Farina Miss und der Violinistin Celine Roscheck, Starmania-Veteranin Lia Weller, der 19-jährigen Kärntnerin LiZZA, dem deutschstämmigen Nachwuchssänger Orry Jackson und Soulstimme Sankil Jones um den Sieg kämpfen. Dieser sichert die Fahrt zum ESC 2016, der von 10. bis 14. Mai in Schwedens Hauptstadt Stockholm über die Bühne gehen wird. Die österreichische Musikszene hat in den letzten Jahren sehr an Attraktivität und Vielfalt gewonnen. Die 2015 begonnene intensive Zusammenarbeit um den Eurovision Song Contest mit österreichischen Musikerinnen und Musikern führen wir 2016 erstmalig mit Eberhard Forcher und seinem Team weiter, erläuterte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner via Aussendung den Auswahlprozess. Ö3-Moderator und Musiker Eberhard Forcher und Redaktionsleiter Stefan Zechner zeichneten dabei zentral für die Wahl der neun Kandidaten verantwortlich. Der noch offene zehnte Platz für die Show wird hingegen von den Facebook-Fans vergeben. Auf https://www.facebook.com/ESCOesterreich konnten sich heimische Acts bis Jahresende der Öffentlichkeit vorstellen. Aus den Teilnehmern wurden nun Laura Kamhuber, Ola Egbowon, AzRaH, Sara Koell und David Siedl feat. Madelene & Mc Vio für die Endrunde ausgewählt. Am Donnerstag (14. Jänner) wird hier der Gewinner mittels Uservoting ermittelt. Die Nummer mit den meisten Likes erhält Ticket Nr. 10. Damit wird der Internetsieger die Kandidatenriege am 12. Februar ergänzen, die sich dem Votum der Fernsehzuschauer respektive einer Fachjury stellen muss. Moderiert wird die Show Eurovision Song Contest – Wer singt für Österreich? von ESC-Veteran Andy Knoll und Alice Tumler, einem Teil des Moderatorinnenterzetts beim ESC in Wien. Die Teilnehmer am österreichischen ESC-Vorentscheid 2016: (APA, 12.1.2016) Etat;Drei Saisonbilanzen und eine Jahresbilanz des Satire-Formats mit Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba. Wien – Der ORF setzt das Satireformat Wir Staatskünstler 2016 fort. Vier Sendungen der von Thomas Maurer, Robert Palfrader und Florian Scheuba gespielten Staatskünstler sind demnach heuer auf ORF eins geplant, wie der öffentlich-rechtliche Sender am Donnerstag in einer Aussendung mitteilte. Drei Saisonbilanzen im April, Juni und Oktober sowie einer großen Jahresbilanz im Dezember wurden laut ORF für 2016 fixiert. Dabei sollen die Kabarett-Stars in gewohnter und gefürchteter Art und Weise einen satirischen Blicke auf das Zeitgeschehen werfen, hieß es weiter. 2015 gab es aus Kostengründen nur einen Staatskünstler-Jahresrückblick. Satirische Auseinandersetzung mit der Gesellschaft ist hohe Kunst. Sie bedeutet, über intelligente Unterhaltung einerseits zu lachen und andererseits aktuelle Ereignisse in einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Die Staatskünstler stehen für aktuelle, gesellschaftskritische und politische Satire. Im ORF Programm sind diese Inhalte für die Vielfalt unseres Angebots wichtig, wie auch für die kritische Betrachtung unserer Zeit, erklärte ORF-Fernsehdirektorin Kathrin Zechner. Etat;Mürzzuschlager Bürgermeister kritisiert "einseitige" Reportage – ORF weist Vorwürfe zurück. Wien – Wo die Jobs verschwinden, leiden ganze Regionen. Geschäfte sperren zu, die Jungen wandern ab, schrieb der ORF in der Ankündigung zur Reportage Am Schauplatz: Die letzten Arbeiter, die am Donnerstag vor 586.000 Zusehern ausgestrahlt wurde. Gegen dieses Bild wehrt sich jetzt der Mürzzuschlager Bürgermeister Karl Rudischer via Aussendung und Offenem Brief – hier als pdf. Der ORF hingegen weist die Vorwürfe zurück. Der ORF habe ganz bewusst ein düsteres Bild und einen wirtschaftlichen Niedergang der Gemeinde Mürzzuschlag dargestellt – frei nach dem journalistischen Motto: Nur Bad News sind Good News, schreibt Rudischer in einer Aussendung und kritisiert in einem Offenen Brief an die Schauplatz-Redaktion, dass die Sendung dem Image seiner Gemeinde schade. Er schreibt: In dieser Dokumentation haben Redakteure ganz bewusst die wirtschaftliche und stadtpolitische Entwicklung der letzten Jahre ignoriert, um eine sozialromantische These vom Nichtwahrhabenwollen des Niedergangs der Arbeiterschaft in einer Stahlregion aufrecht erhalten zu können. Und weiter: Natürlich, man findet immer und überall Menschen, die einem nach ständig wiederholten Suggestivfragen wie Es ist schwer Arbeit zu finden, überlegen Sie, ob sie wegziehen? Thesen bestätigen. Und ja, für manche am Schauplatz Mürzzuschlag war der Strukturwandel traumatisch. Ich widerspreche aber entschieden und vehement der Grundaussage dieser Sendung. Die ORF-Redakteure hätte nicht einmal ansatzweise versucht, sich in ihrer Recherche der Wahrheit anzunähern. An eine Popularbeschwerde, die gegen den ORF bei der KommAustria eingebracht werden könnte, sei derzeit nicht gedacht, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Dafür wären innerhalb einer Frist von sechs Wochen 120 Unterschriften von ORF-Gebührenzahlern notwendig. In einer Stellungnahme an den Mürzzuschlager Bürgermeister und die STANDARD-Redaktion verteidigen Heidi Lackner-Prinz, Sendungsverantwortliche für Am Schauplatz und Peter Resetarits, Verantwortlicher für Am Schauplatz Gericht, die Reportage. Hier finden Sie die Antwort im Wortlaut: Sehr geehrter Herr Bürgermeister! Danke für Ihr Feedback! Wir bedauern, dass Ihnen unsere gestrige Reportage Am Schauplatz – Die letzten Arbeiter nicht gefallen hat. Ihre Unterstellung, wir hätten bewusst, um eine sozialromantische These aufrechtzuerhalten, ein negatives Bild der Stadt gezeichnet, müssen wir allerdings entschieden zurückweisen. Sie schreiben von einer attraktiven und liebenswerten Kleinstadt, in der man gut leben kann, und dass man Mürzzuschlag attestiert, dass es sich sehr positiv verändert hat. Dieses Bild hat sich in den Recherchen von Robert Gordon und Julia Kovarik leider nicht bestätigen lassen. Wir haben in den vergangenen Wochen mit vielen Ihrer MitbürgerInnen, darunter anderen Politikern, ArbeitnehmervertreterInnen und vor allem den BewohnerInnen von Mürzzuschlag gesprochen, und dabei ist ein völlig anderes Bild entstanden. Es ging fast ausschließlich um die Themen: Angst um den Job, Angst, keinen Job zu finden, Angst vor der Zukunft, Abwanderung. Viele der anderen Vorwürfe und Klagen, insbesondere auch jene, die gegen Sie erhoben wurden, haben wir, weil sie auch den Rahmen unserer Themenstellung gesprengt hätten, nicht in die Reportage aufgenommen. Wenn Sie einen ganzen Absatz Ihres Schreibens dem innovativen Wirken des Leitbetriebes Böhler Bleche GmbH. widmen und anklingen lassen, dass dies nicht gewürdigt wurde, so ist darauf hinzuweisen, dass im Beitrag ausdrücklich erwähnt wurde, dass Mürzzuschlag als Technologie-Hochburg gleich nach Linz gilt. Wir haben bei der Böhler Bleche GmbH. unter Ausnutzung der uns gebotenen zeitlichen Möglichkeiten gedreht, Arbeiter und einen Arbeitnehmervertreter interviewt und natürlich auch dies in den Beitrag einfließen lassen. Sie als Bürgermeister hatten selbstverständlich auch die Möglichkeit, in Form eines Interviews, Stellung zu nehmen, und konnten Ihre durchaus differenzierte Sichtweise auf Sendung einbringen. Im Text wurde etwa gesagt: Bürgermeister Rudischer … findet die Vorwürfe nicht gerecht. Mürzzuschlag ist ein hervorragender Industriestandort. Erlauben Sie mir noch, auf Ihren persönlichen Angriff auf Kollegin Julia Kovarik zu replizieren. Sie werfen ihr vor, Suggestivfragen gestellt zu haben. Etwa, es ist schwer, Arbeit zu finden. Sie haben sich verhört. Kollegin Kovariks Frage lautete: Ist es schwer Arbeit zu finden? Und diese Frage muss angesichts unserer Rechercheergebnisse erlaubt sein. Mit freundlichen Grüßen Dr. Peter Resetarits und Heidemarie Lackner-Prinz Redaktion Am Schauplatz (red, 15.1.2016) Etat;Präsentieren ab 29. März alternierend neues Format "Guten Morgen Österreich". Wien – Der ORF bestätigt das Engagement von Eva Pölzl und Lukas Schweighofer als Hauptmoderatoren des neuen Frühstücksfernsehens Guten Morgen Österreich – der STANDARD berichtete bereits darüber. Das neue Format wird ab 29. März alternierend von Pölzl (40) und Schweighofer (29) präsentiert, teilte der öffentlich-rechtliche Sender am Dienstag mit. Die beiden werden, jeweils gemeinsam mit einer Moderatorin bzw. einem Moderator der ORF-Landesstudios, von Montag bis Freitag durch die neue Sendung führen, so der ORF. Das frühe Aufstehen sei für Pölzl kein Problem: Ich war noch nie ein Morgenmuffel und werde den frühen Morgenstunden mit regionaler Herzlichkeit begegnen. Sehr aufregend finde ich die Tatsache, dass ich, die ich seit 20 Jahren TV-Sendungen moderiere, mit diesem Projekt dennoch Neuland betreten darf, so die gebürtige Oberösterreicherin, die zuletzt den Österreich-Blick des regionalen Privatsenderverbunds R9 moderiert hatte. Riesengroße Freude und das gewisse Kribbeln vor der Aufgabe verspürt auch Lukas Schweighofer, der verschiedene Sendungen im ORF-Landesstudio Salzburg moderiert. Aber eigentlich kann ja nichts schiefgehen, denn wir beide, die in Wien lebende Oberösterreicherin Eva Pölzl und ich, der in Salzburg verortete Steirer, werden mit Guten Morgen Österreich in halb Österreich ein Heimspiel haben, erklärte Schweighofer in der ORF-Aussendung. Etat;Diskutieren Sie mit!. Wien – Am Sonntagabend diskutierte Ingrid Thurnher mit ihren Gästen in Im Zentrum auf ORF 2, ob sich Österreich mit seinem Alleingang in eine europäische Sackgasse manövriert. Das Thema lautete Österreichs Asylgrenzen – Lösung oder Notlösung?. Die Gäste bei Ingrid Thurnher: Nutzen Sie das Forum, um sich mit anderen über die Sendung auszutauschen. Etat;Das neue Früh-Format wird wochentags zwischen 6 und 9 Uhr ausgestrahlt. Wien – In Obertauern in Salzburg startet der ORF am 29. März sein Frühstücksfernsehen Guten Morgen Österreich (GMÖ). Das neue Früh-Format wird wochentags zwischen 6 und 9 Uhr ausgestrahlt. Eva Pölzl und Lukas Schweighofer führen wie berichtet als Hauptmoderatoren gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus den Landesstudios durch die Sendung. Am 18. Februar präsentiert der ORF das mobile GMÖ-Studio, das künftig von einem Truck durch die Lande gezogen wird. Neben Sendung und Studio werden dabei auch alle Moderatoren, Sendungsexperten und das ZiB-Team der Frühschiene vorstellt. Pölzl und Schweighofer führen in Guten Morgen Österreich mit wöchentlich wechselnden Moderatoren und Moderatorinnen aus den jeweiligen Landesstudios durch die Sendung und melden sich jeden Tag aus einem anderen Ort der jeweils angepeilten Region. Pölzl übernimmt dabei die Moderationen aus Vorarlberg, Steiermark, Kärnten, Burgenland und Wien, Schweighofer jene aus Tirol, Salzburg, Oberösterreich und Niederösterreich. Zum Auftakt in Obertauern treten beide Hauptmoderatoren auf. Als Sendungsexperten wurden zuletzt Armin Assinger für Fitness und Training, Ex-Miss Austria Christine Reiler für medizinische Fragen, Karl Ploberger für Garten-Themen sowie Krone-Tier-Fachfrau Maggie Entenfellner kolportiert. Neue Gesichter dürfte es bei den Moderatoren bzw. Moderatorinnen der in Guten Morgen Österreich integrierten ZiB-Sendungen geben. Die Zeit im Bild-Redakteurinnen Rosa Lyon und Gaby Konrad sollen diese präsentieren. Das Grundkonzept von Guten Morgen Österreich: Zur vollen und halben Stunde gibt es Zeit im Bild-Sendungen, um viertel nach und viertel vor jeweils Wetter- und Verkehrsinfos, dazwischen aktuelle Tagesthemen, Beiträge aus der jeweiligen Region, Studiogäste und verschiedene Serviceelemente. Mit dem Format will der ORF die Marktführerschaft in der Morgen-Zeitzone zurückholen, wie Generaldirektor Alexander Wrabetz wiederholt betonte. Der ORF schließe damit seine letzte strategische Programmlücke, so Wrabetz. Etat;FPÖ bemüht nach Weichselbraun-Spitze gegen Stenzel den ORF-Publikumsrat – Für ORF "spielerisch-ironischer Grundton". Wien – Krönchen, Promis, Alles Walzer und ein Mini-Eklat – wie jedes Jahr verfolgte ein Millionenpublikum die ORF-Übertragung des Wiener Opernballs: 2,429 Millionen Zuschauer bzw. ein Drittel der TV-Bevölkerung verfolgten am Donnerstag den Opernball-Abend in ORF 2. Die Eröffnung um 21.40 Uhr sahen bis zu 1,562 Millionen, im Schnitt waren es 1,456 Millionen. Der Marktanteil betrug 54 Prozent – der STANDARD berichtete. Die heurige Opernball-Übertragung erzielte im Teletest die beste Publikums-Beurteilung seit der Erhebung dieser Daten in den 1990er-Jahren. Daran änderte auch ein Mini-Eklat um Moderatorin Mirjam Weichselbraun nichts. Einen Einspieler mit Opernball-Aufnahmen aus den 1980er-Jahren, in dem die damalige ORF-Moderatorin und heutige FPÖ-Politikerin Ursula Stenzel den Sänger Harald Serafin interviewt hatte, kommentierte Weichselbraun mit einer Spitze gegen die Ex-Kollegin: Ich frage mich, was aus der Interviewerin geworden ist. Wahrscheinlich nicht viel. Die Szene des Anstoßes – auf Youtube gestellt von FPÖ-TV Weichselbraun zog damit den Ärger der FPÖ auf sich, und die Freiheitlichen wollen die Opernball-Übertragung nun zum Thema im ORF-Publikumsrat machen. Von einer skandalösen Entgleisung sprach FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl am Freitag. Es stehe der Moderatorin eines öffentlich-rechtlichen Senders nicht zu, vor laufender Kamera und einem Millionenpublikum eine derart abfällige Bemerkung über Dritte zu machen, in diesem Fall über eine hochverdiente langjährige ZiB-Moderatorin, höchst erfolgreiche Politikerin und Landtagsabgeordnete der FPÖ Wien, meinte Kickl. Das steht in krassem Widerspruch zum öffentlich-rechtlichen Auftrag des ORF. Die FPÖ werde der Frage nachgehen, ob es sich um eine spontane Eingebung Weichselbrauns gehandelt habe, denn. Der Verdacht liegt nahe, dass es ein abgekartetes Spiel war und ein früheres Interview Ursula Stenzels mit Harald Serafin nur deshalb eingespielt wurde, um Weichselbraun Gelegenheit für ihre wohlvorbereitete Diffamierung zu bieten, so Kickl. Dort war man unterdessen um Beruhigung bemüht. Trademark der ORF-Moderationen beim Opernball ist ein spielerisch-ironischer Grundton, der dem gesellschaftlichen Höhepunkt des Faschings angemessen ist. Wenn dann im Laufe einer dreistündigen TV-Live-Übertragung bei aller Professionalität eine Pointe einmal nicht richtig aufgeht oder missverständlich ankommt, ist das bedauerlich und selbstverständlich nicht beabsichtigt, erklärte TV-Unterhaltungschef Edgar Böhm gegenüber der APA. Same procedure as every year hieß es unterdessen bei den Lugners. Laut dem Privatsender ATV kam es zwischen Opernball-Gottseibeiuns! Richard Lugner und Frau Cathy in der Ballnacht zum Streit. Die beiden fuhren getrennt nach Hause. Frau Lugner soll sich zu intensiv um ihren Gast Mr. Probz gekümmert haben, unschöne Streitszenen und heftige Wortgefechte waren die Folge. Ob es dieses Mal zur Scheidung reicht oder es sich nur um eine quotenbedingte Inszenierung handelt, zeigt der Sender am Freitag um 19.35 Uhr in seiner Doku-Soap Mörtel am Opernball 2016: Stress am Ball. Etat;In "Die Toten von Salzburg" spielt Teichtmeister einen Major, aber keinen Kottan – Mittwoch um 20.15 Uhr in ORF 1. STANDARD: Die Rolle des Major Robert Palfinger bietet eine spezielle Herausforderung: Sie ermitteln im Rollstuhl. Wie ging es Ihnen damit? Teichtmeister: Ich mache gerade eine interessante Erfahrung, wie sie Freunde, die Rollstuhl fahren, gut kennen: dass man ganz oft reduziert wird auf diesen Rollstuhl. Der einzige Unterschied zwischen dem einen und dem anderen ist, dass der eine seine Knie benutzt und der andere Räder. Das ist auch der Kern unserer Geschichte. Der Mensch, der der Polizist vor dem Unfall war, ist er auch danach. Man kann auch im Rollstuhl einen Backflip machen, wenn man will. STANDARD: Haben Sie geübt? Teichtmeister: Ich bin ein, zwei Wochen in Wien gefahren, und ich habe versucht, an den Drehtagen tatsächlich nur mit dem Rollstuhl zu fahren. In dem Moment, in dem ich das Hotel verlassen habe, war ich schon drinnen und habe geschaut, dass es bis zum Abend so bleibt. Für mich war überraschend, dass Rollstuhlfahren tatsächlich so unglaublich, manchmal auch unmöglich ist. In Salzburg tagtäglich damit unterwegs zu sein, ist eine körperliche Herausforderung. STANDARD: Der Gehandicapte im Film ist meist auf ein Klischee reduziert: edel, hilfreich und gut – und asexuell. Ist das nötig? Teichtmeister: Bei uns ist Sex zumindest ein Thema. Das Interesse an der Sexualität eines Menschen mit Handicap ist ja auch wieder eine Form von seltsamem Schlüssellochbohren. So wie meine und deine Sexualität niemanden etwas angeht, so wenig geht mich die des Rollstuhlfahrers etwas an. STANDARD: Vielleicht geht es nicht um Neugier, sondern darum, die Normalität darzustellen? Teichtmeister: Schon, nur haben wir im Film ohnehin schon so viele Konflikte. Zwischen Bayern, Österreichern, Behinderten, Nichtbehinderten, und dann gibt es noch einen Fall zu lösen. Es ist so selbstverständlich, aber weil es ein Interview ist, will ich es sagen: Kein Rollstuhlfahrer gleicht dem anderen. Mir hat gefallen, dass wir jemanden kennenlernen, dessen Unfall länger her ist, der sich aber nicht in Frühpension schicken lässt. Es gibt so viele Menschen, die das erleben und sagen: Warum soll ich mich jetzt zurückziehen? Das Leben geht weiter, auch mit Rollstuhl. STANDARD: Palfinger geht sehr lässig mit seiner Behinderung um. Er will sagen: Ich habe meine Autonomie nicht verloren. Teichtmeister: Ja. Das ist es. Wir wollten keinen Protest daraus machen und ein Rührstück. Ich kann jedem, der wissen will, wie sich das anfühlt, nur raten: Borgen Sie sich einen Rollstuhl aus. Fahren Sie zwei Stunden durch Wien. Sie werden mehr kapieren als tausend Worte sagen können. STANDARD: Eine Botschaft an alle, die sich über barrierefreie Zugänge beschweren? Teichtmeister: Zum Beispiel. Wenn Sie wüssten, welches Hindernis eine Gehsteigkante für einen ungeübten Rollstuhlfahrer sein kann ... Dabei habe ich mich sicher nicht ganz patschert angestellt. Ich weiß, dass man aus praktischen Gründen nicht sagen kann, man sei an den Rollstuhl gefesselt, weil mich hat es so auf die Fresse gehaut. Ich weiß, dass da keine Fesseln waren, die mich gehalten haben. STANDARD: In Die Toten von Salzburg darf sich Salzburg wieder einmal von seiner schönsten Seite zeigen. Ist Tourismusförderung im Film okay für Sie? Teichtmeister: Ich habe das Gefühl, dass Salzburg in diesem Film nicht so pittoresk inszeniert ist, wie das schon zu sehen war. STANDARD: Die Pathologie logiert in bester Aussichtslage. Meistens sind die doch im Keller. Teichtmeister: Als Wiener sage ich: Wenn es eine schöne Leich ist, warum sie nicht herzeigen? Man kommt in Salzburg eben schwer um die schönen Ecken herum. STANDARD: Wie sehen Sie Altes Geld in der Nachbetrachtung? Wieso war es kein Erfolg? Teichtmeister: Was heißt das, es war kein Erfolg? STANDARD: Kein Publikumserfolg. Teichtmeister: Darf man von einer Serie wie Altes Geld erwarten, dass sie dieselbe Zuschaueranzahl hat wie Braunschlag? STANDARD: Es wurde offenbar erwartet. Teichtmeister: Von mir nicht. Insofern stimme ich in den Tenor, es sei ein Misserfolg gewesen, überhaupt nicht ein. Viel interessanter finde ich, was die Leute mir privat sagen, und da gibt es das ganze Spektrum. Das ist sehr schön, weil dann sind wir ein bisschen mehr bei der Kunst und ein bisschen weniger bei der Berechnung. STANDARD: Hat es Ihnen gefallen? Teichtmeister: Ich stelle mir solche Fragen nicht, weil ich nicht beurteile. Für mich war der Dreh sehr besonders. Dann war das Ding fertig und nach dem Schnitt gibt man es aus der Hand, kreuzt die Finger und sagt: Hoffen wir das Beste. STANDARD: Muss man auch können. Sehen Sie sich gerne selbst? Teichtmeister: Ich habs nicht gern und schaue meistens gar nicht den ganzen Film. Der Physiker Richard Feynman hat einmal gesagt, er fühle sich wohler mit der Aussage, ich weiß es nicht, als mit der Behauptung, er wüsste es und der gleichzeitigen Angst, er könnte Unrecht haben. Da bin ich ganz bei ihm. Ich sage: Ich habe keine Ahnung. Da bin ich mir sicher. Etat;Ob sich Österreich in eine Buhmann-Rolle in Europa manövriert, fragt Ingrid Thurnher den Vizekanzler. Wien – Vom EU-Sondergipfel am Montag werden entscheidende Weichenstellungen für die künftige Flüchtlingspolitik Europas erwartet. Österreichs Kurs mit fixen Obergrenzen und Tageskontingenten zeigt einstweilen Wirkung: Es kommen deutlich weniger Flüchtlinge, dafür staut es sich in Griechenland, weil die Balkan-Staaten nachgezogen und ihre Grenzen dicht gemacht haben. Österreich muss sich dafür heftige Kritik aus Brüssel, Berlin und Athen gefallen lassen. Zu Recht? Darüber diskutieren bei Ingrid Thurnher Im Zentrum am Sonntag um 22 Uhr in ORF 2: Nutzen Sie das Forum, um sich mit anderen über die Sendung auszutauschen. Etat;Helene Maimann erinnert am Dienstag an eine Pionierin der Frauenbewegung, die 1942 von den Nazis ermordet wurde. Wien – Das Gedenkschild in der Ebendorferstraße 7 im ersten Wiener Gemeindebezirk ist verstaubt. Helene Maimann wischt die Tafel ab, so dass man erkennen kann, was darauf zu lesen ist. Käthe Leichter war von 1925 bis 1934 erste Leiterin der AK-Frauenabteilung. Sie wurde 1942 von den Nationalsozialisten ermordet. Das Bild im Film Käthe Leichter – Eine Frau wie diese, Dienstag um 22.30 Uhr auf ORF 2, hat Symbolcharakter: Vom Staub des Vergessens befreit die Journalistin Maimann die Lebensgeschichte dieser Politikerin, Wissenschafterin und Ikone der Frauenbewegung. 1895 geboren, studiert Marianne Käthe Pick an der Universität Wien Staatswissenschaft. Für das Doktorat muss sie nach Heidelberg ausweichen, da Frauen der Abschluss in Wien verwehrt ist. Dieses und andere Erlebnisse in der frühen Biografie bringen Leichter zur Arbeiterbewegung. Ihre Publikationen Handbuch der Frauenarbeit und So leben wir setzen bis heute Maßstäbe. Ich fürchte mich vor diesen Lumpen nicht, soll Leichter über die Nationalsozialisten gesagt haben. Die Geschichte ihrer Verhaftung drückt den Wahnsinn der Zeit aus: Sowohl ihrem Ehemann als auch den beiden Söhnen Heinz und Franz gelingt die Flucht nach Paris. Die Mutter wollte nur mehr die Abreise organisieren. Von einem Spitzel verraten, wird sie 1939 verhaftet. In Gefangenschaft im Wiener Landesgericht schreibt sie ihre Kindheitserinnerungen. Ende 1939 wird sie ins KZ Ravensbrück deportiert, im März 1942 ermordet. Nur noch wenige lebende Zeitzeugen kann Maimann dazu befragen. Um nicht nur Archivmaterial aneinanderreihen zu müssen, verwickelt die Journalistin die Historikerinnen Veronika Duma und Linda Erker in Dialoge. Weitere Experten geben Auskunft. Zu Wort kommt auch Käthe Leichters Sohn Franz. Der langjährige State Senator von New York war bei der Präsentation in Wien anwesend. Etat;Ab 29. März wochentags von 6.00 bis 9.00 Uhr – Mit mobilem Studio in ganz Österreich. Wien – In Obertauern in Salzburg startet der ORF am Dienstag sein Frühstücksfernsehen Guten Morgen Österreich (GMÖ). Knapp 25 Jahre nach den deutschen öffentlich-rechtlichen Sendern und über 10 Jahre nach dem österreichischen Privatsender Puls 4 nimmt damit auch der ORF die Morgenzone ins Visier. Das neue Früh-Format wird wochentags zwischen 6 und 9 Uhr ausgestrahlt. Eva Pölzl und Lukas Schweighofer führen als Hauptmoderatoren gemeinsam mit Kollegen und Kolleginnen aus den Landesstudios durch die Sendung. Am Beginn jeder Guten Morgen Österreich-Ausgabe steht die erste Früh-ZiB um 6.00 Uhr. Danach folgen drei Stunden Live-Moderation mit bekannten Frühstücks-TV-Elementen wie dem jeweiligen Top- und Service-Thema des Tages, das mit Studiogästen besprochen wird, praktischen Tipps und Tricks der Guten Morgen Österreich-Experten von Armin Assinger bis Maggie Entenfellner, Rubriken wie einem täglichen Kalenderblatt, dem Guten Morgen Wetter um viertel nach und viertel vor sowie ZiBs zur halben und vollen Stunde. Jeder Wochentag ist einem übergeordneten Thema gewidmet, von Gesellschaft und Kultur über Gesundheit und Natur, Film und Fernsehen, Arbeit und Wirtschaft bis hin zu Freizeit und Sport. In der ersten Sendung geht es unter anderem um Bilanz und Zukunft des Wintertourismus, Gartenexperte Karl Ploberger soll im Winter Obertauerns für Mittelmeer-Flair sorgen und informiert über mediterrane Kräuter, Medizin-Expertin Christine Reiler über Cholesterin, darüber hinaus wird Frühstück für alle zubereitet. Gesendet wird aus einem 35 Quadratmeter großen mobilen Studio, das aus zwei verbundenen Trailern besteht: zehn Meter lang, fünf Meter breit, vier Meter hoch, 18 Tonnen Gesamtgewicht. Gezogen werden die beiden dreiachsigen Trailer von je einer 480 PS starken MAN Steyr/Wien-Zugmaschine. Die Idee zum Truck hatte vor zehn Jahren schon Puls 4 für sein Frühstücksfernsehen Café Puls. Wegen der logistischen Herausforderung in der kalten Jahreszeit und den hohen Kosten hatte man dort die Truck-Pläne aber wieder verworfen. Neu am ORF-Frühfernsehkonzept ist vor allem der regionale Zugang. Jede Woche steht ein anderes Bundesland auf dem Tourplan, jeden Tag eine andere Gemeinde. ORF-Chef Alexander Wrabetz sprach im Vorfeld des Sendestarts von der Magie des Regionalen und davon, dass die Zuschauer auch im Fernsehen die Nähe zu ihrer Heimat wünschen. TV-Kritiker orten hinter dem vom Salzburger ORF-Landesdirektor Roland Brunhofer entwickelten Konzept darüber hinaus den strategischen Nebeneffekt, im ORF-Wahljahr bei den Bundesländern guten Wind für die amtierende ORF-Führung zu machen. Zum Auftakt von Guten Morgen Österreich geht es nach dem Osterwochenende nach Salzburg. Nach dem Start in Obertauern folgen Werfen (30. März), Grödig (31. März) und Mattsee (1. April). Danach geht es von 4. bis 8. April in Vorarlberg weiter: Feldkirch, Zwischenwasser, Rankweil, Klaus und Götzis werden angesteuert. Ab 11. April macht Guten Morgen Österreich in Niederösterreich Station, ab 18. April im Burgenland. Es folgen nochmals Salzburg sowie die Bundesländer Kärnten, Oberösterreich, Wien, Steiermark und Tirol. Der ORF will mit Guten Morgen Österreich die Marktführerschaft in der Frühzone von Puls 4 zurückgewinnen. Durchschnittlich 217.000 Österreicher sahen 2015 zwischen 6.00 und 9.00 Uhr fern. Die Wochenreichweite lag bei 1,2 Millionen Sehern. Mangels Aktivitäten liegt ORF in der Frühzone inzwischen deutlich hinter Puls 4. Der Privatsender brachte es mit Café Puls 2015 durchschnittlich auf 19,6 Prozent Marktanteil, ORF 2 auf 11 Prozent, das RTL-Frühstücksfernsehen Guten Morgen Deutschland auf 5,7 Prozent, Servus TV mit seinem Servus am Morgen auf 3,5 und das ARD/ZDF-Morgenmagazin auf 2,6 Prozent. Das Wetterpanorama hat über Jahrzehnte gut funktioniert. Aber unsere Konkurrenten haben uns in der Morgenzone überflügelt. Es kann einfach nicht mehr sein, dass wir erst um 9.00 Uhr aufsperren, so Wrabetz. Bis Jahresende will man wieder auf Platz eins vorrücken. Über 30 neue Posten wurden dafür geschaffen. Das Budget für Guten Morgen Österreich beträgt 12.000 Euro pro Stunde. Bei 600 Stunden Programm im Jahr macht das Netto-Kosten von rund 7 Millionen Euro. Wrabetz: Ein finanziell herausforderndes, aber leistbares Projekt. Ein Teil der Kosten soll durch Sponsoring wieder hereingespielt werden. Dass die dreistündige Sendung in der ORF-Programmankündigung in 28 einzeln ausgewiesene Sendungsteile gegliedert ist, habe damit aber nichts zu tun, heißt es im ORF. Die Vorabend-Leiste Willkommen Österreich wurde einst in mehrere Sendungsteile gegliedert, um das Werbeunterbrechungsverbot umgehen zu können. Um mehr Spielraum für Werbeeinschaltungen soll es bei Guten Morgen Österreich aber nicht gehen. Laut ORF sind abwicklungstechnische Gründe für die Vielzahl der ausgewiesenen Sendungsteile verantwortlich. Etat;ORF entschied für "2 im Gespräch" nach "Kriterien journalistischer Relevanz" gestützt auf Meinungsforschung. Wien – Sechs Kandidaten stehen am Stimmzettel für die Bundespräsidentenwahl am 24. April: Irmgard Griss, Norbert Hofer (FPÖ), Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Richard Lugner und Alexander Van der Bellen (Grüne). Der ORF hat nun entschieden, dass alle sechs Kandidaten zur großen Elefantenrunde auf ORF 2 eingeladen werden, aber nur fünf zu den geplanten Kurzduellen 2 im Gespräch. Baumeister Richard Lugner wird demnach nicht an dem neuen Wahl-Format des öffentlich-rechtlichen Senders teilnehmen. Der ORF hat die Entscheidung getroffen, dieses Format nach den Kriterien journalistischer Relevanz und gestützt auf Studien zweier Meinungsforschungsinstitute, die sowohl die Wahlaussichten der Bewerber als auch allgemeine Anforderungen ans Amtsverständnis untersucht haben, auf jene fünf Kandidaten zu beschränken, die aussichtsreiche Chancen auf die Stichwahl und damit das Amt des Bundespräsidenten haben, teilte der öffentlich-rechtliche Sender am Donnerstag in einer Aussendung mit. Die Reihe der Zweiergespräche mit Griss, Hofer, Hundstorfer, Khol und Van der Bellen zeigt ORF 2 am 14. April um 20.15 Uhr. Jedes der Gespräche dreht sich dabei 15 Minuten lang um ein von der Redaktion vorgegebenes Thema zur Zukunft des Landes – mit anschließender Analyse in der ZiB 2. Moderiert wird das neue Format abwechselnd von den ZiB-Moderatoren Marie-Claire Zimmermann und Tarek Leitner. Die von Ingrid Thurnher geleitete Elefantenrunde mit allen sechs Kandidaten findet am 21. April um 20.15 Uhr auf ORF 2 statt. Darüber hinaus widmet ORF 2 die Pressestunde ausführlichen Interviews mit den einzelnen Bewerbern um das Präsidentenamt: am 3. April Griss (11.05 Uhr) und Lugner (12.00 Uhr), am 10. April Van der Bellen (11.05 Uhr) und Hofer (12.00 Uhr), am 17. April Khol (11.05 Uhr) und Hundstorfer (12.00 Uhr). In ORF eins läuft wieder die ORF-Wahlfahrt mit Hanno Settele. Die Präsidentschaftskandidaten nehmen dabei am 31. März (Griss/Lugner), 5. April (Hofer/Van der Bellen) und 7. April (Khol/Hundstorfer) jeweils um 20.15 Uhr Platz im Mercedes. Die erste Fernseh-Elefantenrunde läuft übrigens bereits am 3. April beim Privatsender Puls 4 (20.15 Uhr). Schon im letzten Jahr konnten wir zeigen, dass Puls 4 punkto News-Kompetenz bei den Zusehern stark an Relevanz gewonnen hat. Dass die Hofburg-Kandidaten ihren TV-Wahlkampf auf Puls 4 starten, bestätigt diese Vorreiter-Rolle, meinte Puls 4-Info-Direktorin Corinna Milborn gegenüber der APA. Der Sender werde auch wieder Twitter-Meldungen und Live-Umfrage-Ergebnisse von OGM in die Sendung integrieren. Daneben bringt Puls ab 4. April auch das neue Format Kampf um die Hofburg – Das Duell (22.35 Uhr). In direkten Duellen sollen die Kandidaten dabei zeigen, wie sie das Amt des Bundespräsidenten anlegen würden. Wie in einem Assessment-Center werden die Bewerber um das höchste Amt im Staat vor realistische Situationen gestellt. In den Eignungstests müssen sich die Kandidaten von einer komplett neuen Seite zeigen, so Milborn. Um möglichst realitätsgetreue Situationen zu schaffen, haben wir die Aufgaben gemeinsam mit Hans Magenschab entwickelt, dem ehemaligen Büroleiter von Bundespräsident Thomas Klestil. Lugner soll bei Puls 4 sowohl in der Elefantenrunde als auch im neuen Duell-Format zum Zug kommen. Der Privatsender ATV hat am Donnerstag einen zusätzlichen Klartext-Termin für Richard Lugner bekannt gegeben. Die Klartext-Folge mit dem Baumeister der Nation wird am 13. April eingeschoben. Etat;Bei der "Wahlfahrt" geht es nicht um "Haha, reingefallen!", sagt die ORF-1-Infochefin. Im ORF wünscht sie sich mehr Tempo und weniger Arbeitskreise. STANDARD: Was wurde aus Plänen, Jay Leno könnte im US-TV wahlfahren? Totzauer: Diesbezüglich ist mir der aktuelle Stand nicht bekannt. Was ich weiß, ist, dass das Schweizer Fernsehen die Wahlfahrt übernommen hat. Es hat aber nicht so gut funktioniert. Das ist auch schwierig, denn sie sind nicht mit der ersten Garnitur gefahren, sondern mit wenig bekannten Abgeordneten. Auch die Moderatorin konnte mit der Situation, gleichzeitig zu fahren und Fragen zu stellen, ganz schwer umgehen. Mir hat das gezeigt, dass schon in der Entwicklung eines Formats die Frage des Anchors entscheidend ist. Wahlfahrt ist Hanno Settele auf den Leib geschneidert. STANDARD: Haben alle Kandidaten zugesagt? Totzauer: Sofort. Ohne Bedingungen. Wir haben ja vollkommen klare Spielregeln, und die Kandidaten wissen inzwischen, dass es nicht Sinn und Zweck ist, jemanden schlechtzumachen. STANDARD: Warum eigentlich nicht? Totzauer: Gerade die jüngere Zielgruppe möchte sich selbst ein Bild machen. Natürlich stellt man kritische Fragen, aber es geht nicht um den Moment Haha, reingefallen, jetzt habe ich mir einen Journalistenpunkt geholt!. Das würde die Offenheit der Kandidaten bremsen und das Format zerstören. Die Wahlfahrt ist aus diesem Blickwinkel nicht Armin Wolf auf Rädern. STANDARD: Die politische Situation ist seit der ersten Wahlfahrt um einiges ernster geworden. Darf man in Zeiten wie diesen Politiker zum Unterhaltungselement machen? Totzauer: Die Unterhaltung ist ja kein Selbstzweck. Der Sinn dieser spielerischen Zugänge zielt immer auf Inhalt ab. Selbstverständlich muss man die Themen Flüchtlinge, Asyl, Europa besprechen. Das ist auch drinnen, wir haben nur einen anderen Weg gefunden, den Menschen, der zur Wahl steht, mit seinen Vorstellungen zu erfassen. STANDARD: Was ändert der prominenter Sendeplatz? Totzauer: Mit dem Sendeplatz um 20.15 Uhr bekommt die Wahlfahrt noch einmal mehr Relevanz. Ich kann um 23 Uhr ganz anders mit spielerischen Elementen umgehen als im Hauptabend. Wir wollen nicht in eine verulkende, rein lustige Situation kommen. Das ist das Interessante an der Sendung, dass in dieser Spannung zwischen spielerischem Zugang und ernsten Themen aussagekräftiger Inhalt produziert wird. STANDARD: Im ORF kümmern Sie sich um Nachrichten für junge Zuschauer auf ORF 1. Ist das nicht ein untergehendes Gewerbe? Totzauer: Wir sehen seit den letzten drei Jahren, dass wir in unseren Informationsformaten auf ORF 1 Marktanteil zulegen und mit dem Altersschnitt sukzessive hinuntergehen.. STANDARD: 44 ist jetzt nicht so jung. Totzauer: Im europäischen Vergleich ist das Champions League. Wir überlegen uns zusätzlich sehr genau, welchen Content wir in welcher Form im Web anbieten. Wir sind bei m.eins mit einem Altersschnitt von 23 Jahren, und ich bin selbst überrascht, wie stark das Angebot von Woche zu Woche zulegt. Es ist nicht so, dass junge Menschen generell Information meiden. Die Frage ist, wie strickt man das Angebot? Wir sehen bei der Website zur Wahlfahrt starke Zuwächse bei den ganz jungen Usern. Darauf zielt auch unser neues Projekt Being President ab. Gemeinsam mit den Kollegen von ORF Online haben wir ein Storyboard entwickelt mit einem 360-Grad-Blick auf die Politik, wo wir das höchste Amt des Staates aus einer komplett neuen, anderen Perspektive ansehen. Wie fühlt es sich an, Präsident zu sein, was würde man selber tun, stünde man in der Hofburg, wo muss man sich auskennen? 360-Grad-Video, Storys und Interaktion mit dem Publikum greifen auf dieser Sonderseite von orf.at ineinander. Vernetzte Zukunftsprojekte dieser Art finden generell viel Unterstützung von Generaldirektor Wrabetz. Das heißt, ich sehe die Sorge mit den jungen Zusehern nicht. Sie sind da, wir müssen sie nur suchen und finden. STANDARD: Im Netz vielleicht. Aber ob sie auch im Fernsehen sind? Totzauer: Natürlich ist die Konversion vom Web ins Fernsehen bei Jungen tatsächlich schwierig. Wir wissen aber auch, dass bei Großereignissen auch ein junges Publikum beim ORF landet. Das funktioniert. Das heißt, auch jüngere Zuseher wissen, dass sie bei uns hochwertigen öffentlich-rechtlichen Content bekommen. Für mich persönlich ist es nicht so relevant, über welchen Kanal wir junge Menschen erreichen, solange unser Content lebt. Sollte es einmal nicht mehr über das lineare Fernsehen so gut funktionieren, dann werden wir andere Kanäle aufmachen. Das ist die Herausforderung. STANDARD: Das heißt, man gibt den Fernsehkanal über kurz oder lang auf? Totzauer: Nein, wir wissen, dass Fernsehen nach wie vor zu den meistgenutzten Medien gehört. Trotzdem stellen wir uns auf weitere Distributionswege ein und nützen diese. STANDARD: Ganz Kühne sagen gar den Tod der Website voraus. Nur Social Media bleibe am Leben. Totzauer: Wir müssen in den sozialen Medien präsent sein, weil wir die User von dort auf unsere Website bringen wollen. Wenn ich auf Facebook hunderttausende Likes habe, ist das zwar toll und fürs Image wichtig, es zahlt aber nicht in den ORF-Topf ein. Mark Zuckerberg sagt vielleicht einmal, so, ihr Süßen, für 10.000 Likes zahlt ihr mir im Monat 1.000 Euro, dann werden wir blöd schauen. Deshalb ist es wichtig, dass die User auf unsere digitalen Produkte kommen. STANDARD: Was ist mit Snapchat? Angeblich spielt dort die Musi für die Jungen. Totzauer: Ja. Ja, eh. Wichtig ist hier einzuschätzen, welche sozialen Plattformen mittelfristig relevant sind und welche Storys wir für relevante Plattformen anbieten können. Wer sich dort gerade über seine jüngsten Schuhfetische austauscht, wird nicht darin die Debatte über die letzten Arbeitslosenzahlen suchen. Soll heißen, wir müssen identifizieren, welche Plattformen für welche Art von Diskurs von uns verwendet werden. STANDARD: Was wünschen Sie sich vom neuen ORF-General? Totzauer: Ich würde mir wünschen, dass wir weiterhin mutig und mit Selbstbewusstsein nach vorne gehen, schauen, wohin wir wollen, und wissen, warum wir dorthin wollen. Dass wir Strukturen schaffen, in denen Bewegung möglich ist. Es ist ja nicht so, dass nur ORF 1 innovativ und ideenreich wäre. Manchmal scheitern wir an strukturellen Gegebenheiten, wo gute Ideen da sind, die dann in Arbeitskreisen zu Tode gekaut werden. Hier auch auf einer strukturellen inhaltlichen Ebene Bewegung hineinzubringen wäre notwendig. Wir müssen die Geschwindigkeit erhöhen. Der Markt verändert sich so rapide. Es ist so viel Bewegung in der gesamten Branche, dass wir einfach schneller werden sollten. STANDARD: Wo sehen Sie sich nach dem 9. August? Totzauer: Generell weiß ich ja nicht, welche Struktur wir haben werden. Mir wäre weiterhin ein Raum wichtig, den mir derzeit meine Fernsehdirektorin schafft, in dem ich Möglichkeiten für Innovation und strategische Freiheit habe, um relevante und kreative Produkte umzusetzen und auf den Boden zu bringen. Etat;Am Sonntagabend diskutierte Ingrid Thurnher mit Vertretern der Parteien. Wien – Mit einem massiv verschärften Asylgesetz will sich die Regierung gegen den Zuzug von Flüchtlingen rüsten – die Gesetzesnovelle ist heftig umstritten und stößt bei Hilfsorganisationen und Verfassungsexperten auf teils heftigen Widerspruch. Verabschiedet sich Österreich von internationalen Standards in Menschenrechtsfragen, oder ist es ein legitimer Schritt, um die öffentliche Ordnung und die innere Sicherheit zu gewährleisten – wie die Regierung sagt? Und wie wirkt sich diese Debatte auf die bevorstehende Wahl aus? Darüber diskutierten bei Ingrid Thurnher: Nutzen Sie das Forum, um sich mit anderen über die Sendung auszutauschen. Etat;Nach ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger im Vorjahr übernimmt 2016 die "Report"-Moderatorin. Wien – Susanne Schnabl moderiert die ORF-Sommergespräche 2016. Die Sommergespräche mit den Vorsitzenden der Parlamentsparteien zählen seit 1981 zum journalistischen Sommerritual und werden jeweils zwischen Ende Juli und Anfang September ausgestrahlt. Nach ORF-Innenpolitik-Chef Hans Bürger im Vorjahr übernimmt heuer die Moderatorin des ORF-Innenpolitik-Magazins Report die Gesprächsführung. Schnabl habe gemeinsam mit dem Report-Team unter der Leitung von Robert Wiesner in den vergangenen Monaten das Format zu Topquoten geführt und im neuen, erfolgreichen Sonderformat Der große Österreich-Report ihr Sensorium für die wichtigen Themen des Landes bewiesen, begründete der ORF seine Auswahl. Der Fokus der diesjährigen Sommergespräche werde deshalb auch auf diesen großen Themen und Herausforderungen für Österreich sowie aktuellen politischen Entwicklungen liegen, hieß es aus dem Sender. Etat;Die Präsentation der Tänze verfolgten durchschnittlich 769.000 Zuschauer, bei der Entscheidung ab 22.00 Uhr waren im Schnitt 809.000 Zuseher dabei. Wien – Für Sabine Petzl und Tanzpartner Thomas Kraml kam in der neunten Dancing Stars-Runde gestern, Freitag, das Aus. Die beiden erreichten beim kombinierten Jury-/Publikumsvoting die wenigsten Punkte und müssen daher die Show verlassen. Im Finale am 6. Mai treten Georgij Makazaria und Maria Santner, Thomas Morgenstern und Roswitha Wieland sowie Verena Scheitz und Florian Gschaider gegeneinander an. Die Präsentation der Tänze (20.15 Uhr) verfolgten durchschnittlich 769.000 Zuschauer (Marktanteil: 31 Prozent), bei der Entscheidung ab 22.00 Uhr waren im Schnitt 809.000 Zuseher (35 Prozent Marktanteil) dabei. Am Ende zeigt sich Sabine Petzl betrübt: Ich glaube, es hat niemandem so viel bedeutet wie mir, hier dabei zu sein, sagte sie laut ORF-Aussendung. Für viele mag es übertrieben und nicht angemessen wirken, weil es ja nur eine Show ist, doch für mich war es mehr als nur eine Show – es ist eine der wichtigsten Erfahrungen in meinem Leben. Während das Finale der zehnten Staffel des Tanzevents am Freitag ab 20.15 Uhr auf ORF eins ausgestrahlt wird, hat laut Kleine Zeitung der ORF eine elfte Staffel bereits beschlossen. Ob sie im Frühjahr oder Herbst 2017 starte, sei noch nicht entschieden. Fix sei allerdings, dass die gesamte Jury ausgetauscht werde. Etat;Bewerbungen ab sofort – Showstart im Herbst mit Moderator Steven Gätjen. Wien – Der ORF sucht ab sofort humorvolle und sympathische Familien für die neue Spielshow 4 geben alles!. In der im Herbst gemeinsam von ORF, ZDF und SRF ausgestrahlten Show mit Moderator Steven Gätjen treten vierköpfige Familien in mehreren Spielrunden gegeneinander an. Im Finale winken 100.000 Euro, hieß es am Dienstag in einer Aussendung. Bewerben können sich via extra.ORF.at jeweils zwei Erwachsene und zwei Kinder, wobei die Kinder zwischen sechs und 16 Jahren alt und die Erwachsenen nicht zwingend die Eltern sein müssen: Familien in allen denkbaren Konstellationen seien willkommen – Patchwork-Teams ebenso wie Onkeln, Tanten und Großeltern. Bei 4 geben alles! sind neben sportlichen Skills auch Geschicklichkeit und Köpfchen gefragt. Die Familienmitglieder können dabei beweisen, wie gut sie sich untereinander kennen und einschätzen können, und wie sie sich in typischen Alltagssituationen gemeinsam bewähren. Etat;807.000 Seher als Spitzenwert für erstes Halbfinale. Stockholm/Wien – Zoë hat es geschafft: Österreichs Starterin konnte mit ihrem Song Loin dici Jury und Publikum überzeugen und hat ein Ticket für das Finale des Song Contest am Samstag sicher. Durchschnittlich 706.000 Zuschauer waren via ORF 1 dabei, als die Entscheidung im ersten Halbfinale in der Stockholmer Globe Arena fiel. Das entspricht einem Marktanteil von 41 Prozent. Zwischenzeitlich verfolgten die Sendung, bei der 18 Kandidaten um zehn Finalplätze kämpften, bis zu 807.000 Seher, teilte der ORF am Mittwoch mit. Inklusive der Vorberichterstattung mit Mr. Song Contest proudly presents erreichte man mit dem ESC am Dienstagabend 1,583 Millionen Zuschauer (weitester Seherkreis). Welchen Startplatz Zoë im Finale haben wird, soll am Freitag vom schwedischen Sender SVT und der European Broadcasting Union (EBU) bekanntgegeben werden. Fest steht, dass sie in der zweiten Hälfte des Finales auf der Bühne stehen wird. Wer das Starterfeld neben den zehn Glücklichen von gestern sowie den sechs Fixstartern Schweden, Deutschland, Italien, Spanien, Großbritannien und Frankreich komplettieren wird, stellt sich beim zweiten Halbfinale am Donnerstag heraus. Etat;'Auch "Report" konnte mit 836.000 Menschen Zusehern eine hohe Quote einfahren. Wien – Politik wird in bewegten Zeiten zum Straßenfeger. Fast eine Million Zuschauer schalteten am Dienstagabend die Zeit im Bild 2 mit dem Interview des neuen Bundeskanzlers Christian Kern (SPÖ) ein, teilte der ORF am Mittwoch mit. Genau 938.000 Seher waren es, der Marktanteil betrug 40 Prozent (zwölf Jahre und älter). Damit war die ZiB 2 vom Dienstagabend die zweitstärkste dieses Jahres, nur getoppt von der Ausgabe am 21. April, als die ORF-Elefantenrunde mit den BP-Kandidaten über die Bühne ging. Im Jahresschnitt hatte die ZiB 2 bisher 584.000 Zuschauer. Auch über die Quoten für den Report zum Thema neuer Kanzler und Regierungsumbildung am Dienstag freute sich der ORF; ihn sahen 836.000 Menschen (30 Prozent Marktanteil) – laut ORF der höchste Wert am Dienstag-Sendeplatz seit 2002.' Etat;Kritisieren "widerliche Postings" über ORF-Moderatorin auf FP-Social-Media-Kanälen. Wien – Die ORF-Redakteure stellen sich hinter ihre von der FPÖ attackierte Kollegin Ingrid Thurnher. Wenn Politiker etwas behaupten, und Recherchen ergeben ein anderes Ergebnis, dann ist es notwendig, den Politiker damit zu konfrontieren, wies der ORF-Redakteursrat die Kritik der FPÖ zurück. Thurnher sei eine der besten Moderatorinnen im ORF. Außerdem kritisieren die ORF-Redakteure in einer Aussendung widerliche Postings über Thurnher in den diversen Social-Media-Kanälen der FPÖ: Diese Form von Beleidigungen, Verächtlichmachung und Unterstellungen ist einer Parlamentspartei unwürdig. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl ließ am Freitag wissen, dass sich die FPÖ selbstverständlich von allen widerlichen Postings gegen Ingrid Thurnher distanziere. Der ORF-Redakteursrat hatte solche zuvor kritisiert und die TV-Duell-Moderatorin gegen FPÖ-Kritik verteidigt. Der blaue Mediensprecher Kickl ist allerdings der Ansicht, dass bei den Recherchen über die Israel-Reise von FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer Fehler passiert seien und es in so einem Fall Journalisten nicht schlecht anstehen würde, sich zu entschuldigen. Außerdem witterte er eine Ungleichbehandlung Hofers, denn er vermisste die kritische Recherche mit einem eigenen Korrespondenten im Falle Alexander Van der Bellen. Etat;Der Marktanteil lag bei 28 Prozent – 104.000 bevorzugten das ZDF für die Übertragung. Wien – Das Champions-League-Finale zwischen Real Madrid und Atlético Madrid ließen sich am Samstag in ORF 1 im Schnitt 628.000 (zweite Halbzeit) bei 28 Prozent Marktanteil nicht entgehen. Beim Anpfiff um 20.45 Uhr waren mit 508.000 Zusehern weit weniger mit von der Partie. Die Verlängerung verfolgten im Schnitt 628.000 bei 32 % Marktanteil, das entscheidende Elfmeterschießen 634.000 bei 34 % Marktanteil. 104.000 gaben dem ZDF den Vorzug gegenüber dem ORF. In Deutschland verbuchte das ZDF mit 8,19 Millionen Zusehern eine gute Quote. Der Marktanteil betrug 31,2 Prozent. Etat;Abschied vom Leben als Mann mit Fotostrecke in einem Hochglanzmagazin. New York - Der frühere Zehnkampf-Olympiasieger Bruce Jenner (65) schließt mit seinem Leben als Mann ab. Call me Caitlyn (auf Deutsch: Nennt mich Caitlyn) prangt auf dem Titel des US-Magazins Vanity Fair - dazu das Foto einer Frau mit brünetten Haaren in weißer Korsage. Im April hatte er öffentlich gemacht, künftig nicht mehr als Mann leben zu wollen: Ich bin eine Frau. In den vergangenen Jahren war Jenner vor allem als Stiefvater von Fernsehpromi Kim Kardashian bekannt geworden. Die Print-Ausgabe der Vanity Fair soll am Dienstag kommender Woche erscheinen. Zwei Tage lang dauerte es, bis Starfotografin Annie Leibovitz (65) alle Bilder im Kasten hatte. Jenner verglich diese Zeit mit dem Olympiasieg 1976: Das war ein guter Tag, aber die letzten paar Tage waren besser. In einem Video, das das Magazin veröffentlicht hat, sagte Jenner: Vielleicht war ich bei den Olympischen Spielen, weil ich vor einer Menge Dinge weggerannt bin. Sie wolle damit die Leistung aber nicht schmälern, sie sei sehr stolz darauf. Bruce musste immer eine Lüge erzählen. Er lebte diese Lüge, so die 65-Jährige in dem Video. Caitlyn hat keine Geheimnisse. Sobald das Vanity Fair-Cover draußen ist, bin ich frei. Als Frau angesprochen zu werden, sei allerdings noch ungewohnt. Neulich habe sie einen Mann getroffen und sich gewohnheitsmäßig mit Hi, ich bin Bruce vorgestellt. Und ich dann: oh nein, es ist nicht Bruce, ich habs vermasselt. Jenner erklärte, eine Panikattacke nach einer Operation gehabt zu haben, in der ihr Gesicht im März weiblicher gemacht wurde: Was habe ich mir nur selbst angetan?, habe sie gedacht. Dieser Gedanke sei danach aber nicht wiedergekommen. Sie wolle nicht eines Tages auf dem Sterbebett liegen und sagen müssen: Du hast dein ganzes Leben verschwendet. Du hast dich nie mit dir selbst auseinandergesetzt. Das werde nun nicht mehr geschehen. Innerhalb weniger Stunden sammelte Jenner auf ihrem neuen Twitter-Account knapp 1,9 Millionen Follower. Ich bin so glücklich, nach einem so langen Ringen mein wahres Ich zu leben, postete sie. Willkommen in der Welt, Caitlyn. Ich kann es kaum erwarten, sie/mich kennenzulernen. Ihre Familie und viele Prominente reagierten äußerst positiv. Stieftochter Kim Kardashian twitterte: Sei glücklich, sei stolz, lebe dein Leben auf DEINE Art. Danke, dass du ein Teil unser aller Leben bist und deine Bühne nutzt, um das Denken der Menschen zu verändern, twitterte Lady Gaga. Sängerin Anastacia begrüßte die liebenswerte Lady. Etat;Weltverband WAN-Ifra: 2014 kamen 81,7 Milliarden Dollar aus Zeitungsverkauf Print und Online, 77,2 Milliarden aus Werbung. Washington/Wien - 159 Milliarden Euro haben Zeitungen weltweit 2014 eingenommen, berichtet der Weltverband der Zeitungen. Seine jährliche Studie World Press Trends zeigt, dass 2014 erstmals die Vertriebserlöse die Anzeigenerlöse weltweit überholt haben. Rund 81,7 Milliarden Euro nahmen Zeitungen in aller Welt im Vorjahr aus dem Verkauf von gedruckten und digitalen Ausgaben ein. Rund 77,2 Milliarden kamen laut Zeitungsweltverband WAN-Ifra aus Werbung. Größte Erlösquelle seien Leserinnen und Leser geworden, erklärte WAN-Ifra-Generalsekretär Larry Kilman in seinem Referat zur Lage der Blätter beim Weltkongress der Zeitungen in Washington. Vom Geschäftsmodell, dass Werbung Nachrichteninhalte subventioniert, könne man sich verabschieden - diese Grundannahme sei weg. In Deutschland sind die Vertriebserlöse nach Berechnungen des Bundesverbandes Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) seit 2009 höher als die Einnahmen aus dem Anzeigengeschäft, berichtet der Branchendienst dnv. Der Vertriebsanteil liege inzwischen bei 60 Prozent mit weiter steigende Tendenz. Die aktuellste am Donnerstag öffentlich verfügbaren Zahlen dazu in Österreich stammen aus 2012 - aus dem Public-Value-Bericht 2013 des Verbandes Österreichischer Zeitungen. Damals machten die Anzeigenumsätze noch 53,51 Prozent der Zeitungseinnahmen aus, 46,49 Prozent kamen damals aus dem Vertrieb. Die World Press Trends enthalten laut WAN-Ifra Daten aus mehr als 70 Ländern, die zusammen mehr als 90 Prozent des globalen Werts der Branche ausmachen. 2,7 Milliarden Menschen lesen nach diesen Daten gedruckte Zeitungen und 770 Millionen Menschen digitale Ausgaben. 93 Prozent der Zeitungserlöse kommen noch aus dem Printgeschäft. Etat;Nachfolgen wird dem 84-Jährigen sein Sohn James. Die Staffelübergabe erfolgt am 1. Juli. New York – Vor größeren Immobilienprojekten schreckt der Medienmulti auch mit 84 nicht zurück: Gerade gab er eine Absichtserklärung ab für eine weltbekannte Adresse: Two World Trade Center, vorerst nur ein Plan. Dort könnten, um 2020, Rupert Murdochs zwei Medienweltkonzerne einziehen. Wenn man sich mit den Betreibern und Entwicklern einigt. Die Welt hat Rupert Murdoch stets im Blick gehabt. Von Australien aus, wo sein Vater Zeitungsverleger war, baute er einen globalen Medienkonzern auf. Kaufte und verkaufte, führte Zeitungspreiskriege und trickste Gewerkschaften aus, erfand und verwarf Medien, machte mit seinen Kampagnen (meist konservative) Politik und Premierminister wechselnder Couleur insbesondere in Großbritannien, ließ seine Boulevardblätter Skandale und Skandälchen ausweiden – und war in den vergangenen Jahren vor allem damit beschäftigt, vor Gerichten und Kommissionen mit dem Megaskandal seiner Medien fertigzuwerden, die Telefonmailboxen von Promis und Verbrechensopfern abhörten und löschten. Millionenschwere Entschädigungen für die Abhöropfer seines Sonntagblatts News of the World belasteten Murdochs britisches Zeitungshaus um die tägliche Sun und The Times. Murdoch stellte die News ein (und setzte bald, mit neuen Verträgen, die Sun on Sunday an ihre Stelle). Seinen Medienkonzern spaltete er 2013 in einerseits in die News Corporation für seine Zeitungswelt, etwa das Wall Street Journal mit dem Finanzinformationskonzern Dow Jones und die New York Post. Die Bewegtbildaktivitäten bündelte Murdoch in der 21st Century Fox mit der TV-Gruppe um Fox und der 20th Century Fox. In Europa hat er seine Pay-TV-Aktivitäten in Großbritannien, Italien und Deutschland in der Sky-Gruppe gebündelt. Seit Jahrzehnten spekuliert die Medienbranche über Murdochs Nachfolge. Er hat sechs Kinder mit drei Frauen, alle Ehen sind geschieden. Sein jüngerer Sohn James (42), schon bisher im Vorstand an seiner Seite, übernimmt nun die operative Führung der 21st Century Fox. Lachlan Murdoch (43) wird Co-Chairman in News Corp und 21st Century Fox. Rupert Murdoch leitet den Verwaltungsrat. Mit 13,5 Milliarden Dollar Vermögen sieht Forbes Murdoch auf Rang 83 in der Welt. Voriges Jahr hat er sich für rund 57 Millionen Dollar ein Penthouse mitten in Manhattan gekauft. Etat;FPÖ-Chef sprach im ORF von Manipulation bei Bild, das vor Asylquartier entstand. "Kurier" und Fotograf sehen Kreditschädigung. Wien – Der Kurier wird FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Kreditschädigung klagen. Das bestätigte Herausgeber und Chefredakteur Helmut Brandstätter dem STANDARD. Der Grund ist die Aufregung um ein Kurier-Foto von Jürg Christandl, das ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge bei der Ankunft im Asylquartier in der Erdberger Straße in Wien-Landstraße zeigt, während FPÖ-Anhänger Nein zum Asylantenheim-Schilder hochhalten. Strache hatte sowohl in der ORF-Sendung Im Zentrum am Sonntag als auch in der ZiB 2 am Mittwoch von einer inszenierten Aufnahme gesprochen. Die Gegendemonstranten hätten es organisiert, dass ein Kind mit einem Fotografen positioniert vorbeigeführt wurde. Und so kann man mit Bildern Kinder missbrauchen, erklärte Strache in Im Zentrum und noch einmal am Mittwoch in der ZiB 2. Für Brandstätter ist das eine Lüge, die er juristisch bekämpfen wolle. Den Fotografen hatte Strache nicht namentlich genannt, das Foto wurde auf Twitter hundertfach verbreitet. FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg. pic.twitter.com/lmceQwMbYP Christandl selbst wies den Vorwurf der Manipulation bereits am Montag zurück. Das stimmt natürlich nicht und macht mich sprachlos, meinte er dazu. Ich und ein paar andere Fotografen sind da gestanden. Es war schon relativ am Ende der Protestaktion. Auf einmal sind diese Flüchtlinge Richtung Flüchtlingsheim vorbeigegangen, weil die FPÖ ja den Zugang blockiert hat. Ich sehe das, reiße instinktiv die Kamera hoch und drücke zehnmal drauf. Die Flüchtlinge haben auch nicht posiert. Das war in vier Sekunden vorbei. Ich habe daran keine Inszenierung erkennen können, und ich war schon überhaupt kein Teil einer Inszenierung und lasse mich als Fotograf nicht positionieren. Etat;Frühausgabe erscheint mit Blindtext. Berlin/Wien – Gegen 17.30 Uhr begann die Störung, die das Stromnetz rund um den Redaktionssitz der Berliner Zeitung lahmlegte. Mehrere Straßenzüge waren betroffen. Nach etwa 45 Minuten konnte die Störung behoben werden. Aufgrund des Stromausfalls wurde die Redaktion der Berliner Zeitung nicht mit ihrer Frühausgabe fertig. Es handelt sich dabei nur um einen Artikel, wie DuMont-Sprecher Björn Schmidt mitteilt. Die Kölner Zentrale half beim Belichten der Seiten, der Schaden für die Leser wurde durch perfektes Zusammenspiel absolut minimiert, so Schmidt. Wegen eines Stromausfalls sind für die Frühausgabe nicht mehr alle Texte rechtzeitig fertig geworden. pic.twitter.com/EEThG2PZ7w Als passender Hashtag, hat sich in den Sozialen Netzwerken #oxymoxy eingebürgert. Offenbar ist es wieder passiert: die Berliner Zeitung fährt momentan mit Notstorm. #oxymoxy #Stromausfall Ob ihr es glaubt oder nicht - ist schon wieder passiert. Etat;ORF wieder unter Milliarde Euro Umsatz – aber weit größer als Verlagsriesen Mediaprint und Styria zusammen – Update: Neu gereiht nach konsolidiertem Konzernumsatz. Wien – Steigende Umsätze sind eher rar unter den großen österreichischen Medienhäusern: Die Aboplattform Sky scheint 2014 in Österreich recht ordentlich zugelegt zu haben, ebenso die Privatsendergruppe ProSiebenSat.1Puls4, womöglich auch das Red Bull Media House, wenn es seine Entwicklung fortschreiben konnte. Dem ORF, dem weitaus größten Medienkonzern des Landes fehlen offenkundig die – bis 2013 – 30 Millionen Euro, mit denen die Republik ihm über die vergangenen Jahre einen Teil der Rundfunkgebührenbefreiungen abgegolten hat. Er verkleinerte sich auch selbst ein wenig: Ein Teil der Umsatzrückgänge sei auf eine Umgliederung zu sonstigen betrieblichen Erlösen zurückzuführen, hieß es auf Anfrage. 2013 war der ORF mit seiner Milliarde Umsatz größer als die drei größten Verlagshäuser zusammen. 2014 gilt das weiterhin, auch wenn er für dieses Jahr 968 Millionen Umsatz ausweist. Nach konsolidierten Konzernumsätzen (und einer Schätzung) ist er sogar größer als die vier größten Verlage zusammen. DER STANDARD sammelte für die Übersicht wieder Kennzahlen – Umsatz, EGT beziehungsweise Ergebnis vor Steuern, Zinsen, Abschreibungen – und Mitarbeiterstand. Aus unterschiedlichen Quellen und nicht immer ganz vergleichbar: Eigenangaben der Unternehmen, Firmenbuch und, wo beides nicht half oder nicht aktuell genug war: Schätzungen. Um die Umsatzwerte vergleichbarer zu machen, versuchen wir nun nach Möglichkeit und Verfügbarkeit nach konsolidierten Konzernumsätzen zu reihen, wie sie im Firmenbuch ausgewiesen werden. Dennoch sind mangels Daten noch viele Werte nur – möglichst qualifizierte – Schätzungen. Die Styria veröffentlichte Mitte Juli 2015 ihren konsolidierten Konzernumsatz für 2014 und erste Ergebnis-Kennzahlen: 327 Millionen Euro nach 339 Millionen im Jahr 2013. Zum Gruppenumsatz von 401 Millionen Euro 2013, im Firmenbuch und im Vorjahresranking des STANDARD ausgewiesen, gebe es keinen aktuellen Vergleichswert mehr, hieß es auf Anfrage bei der Styria: Aufgrund technischer Umstellungen in den Bilanzierungsregeln (IFRS) (Wegfall der Quotenkonsolidierung) komme der Konzern heuer zu anderen Umsatzzahlen. Der Marktumsatz, der Umsätze alle Styria-Beteiligungen nach ihrer Höhe einrechnet: 435 nach 442 Millionen Euro nach Konzernangaben. Das Konzernergebnis vor Steuern 2014: minus 27,7 Millionen Euro (nach plus 10,6 laut Firmenbuch 2013). Der Konzern begründet das vor allem mit Abwertung von Konzernunternehmen, mit trägem operativem Kerngeschäft (EGT ohne Sondereffekte: neun Millionen Euro) in Österreich und Kroatien) und mit Restrukturierungskosten (in Slowenien etwa stellte man die Gratiszeitungen ein, die Wiener Magazingruppe wurde umgebaut, der Wiener etwa abgegeben). Nach Rang drei folgt ein großer Respektabstand. Und die Vergleichbarkeit der Daten wird geringer. Hier werden die Schätzungen grober, manche Eigenangaben variieren weiter. Die Moser Holding ist nun neu nach konsolidiertem Konzernumsatz laut Firmenbuch (103,8 Millionen Euro) in der Übersicht gereiht. Der Innsbrucker Konzern um die Tiroler Tageszeitung moniert, dass in dieser Darstellung die Beteiligungsumsätze von großen Aktivitäten nicht realistisch abgebildet würden – insbesondere der nationale Gratiswochenzeitungsring RMA, aber etwa auch die Bundesländerinnen-Gratismagazine. Der Marktumsatz mit anteiligen Beteiligungsumsätzen, nach dem wir bisher die Moser Holding auf Platz vier eingenordet haben, ist in der Übersicht angeführt: 2014 waren das nach Angaben aus Innsbruck 181,1 Millionen Euro. Stabil entwickelten sich die Einnahmen der Mediaprint im zuletzt verfügbaren Geschäftsjahr 2013/14, das Ergebnis hat sich in dem Jahr deutlich verbessert. Stabil auch die Umsätze der Moser Holding (Tiroler Tageszeitung), das Ergebnis vor Steuern, Abschreibungen und wohl vor allem Zinsen verbesserte sich wieder ein Stück. Das wohl beeindruckendste Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stellt üblicherweise ProSiebenSat.1Puls4 in dieser Übersicht: Bei – geschätzt – rund 130 Millionen Umsatz nach gut 125 im Vorjahr erreicht die Vermarktungs- und Fernsehgruppe Ergebnisse deutlich über 20 Millionen Euro. Negative Ergebnisse finden sich etwa bei der Verlagsgruppe News, beim Niederösterreichischen Pressehaus und in der STANDARD-Gruppe, die drei haben 2014 intern restrukturiert, oder auch bei ATV. Auch die Verlagsgesellschaft der Salzburger Nachrichten wies – 2013, die letztverfügbare Zahl laut Firmenbuch, – ein negatives Ergebnis aus. Mit einem Klick auf die Medienhäuser öffnen Sie die Detaildaten, mit einem weiteren Klick darauf schließen sich die Felder wieder. Und hier finden Sie Daten wichtiger Vermarkter, Medien-Infrastrukturunternehmen und Außenwerber: Sollten uns bei der Zusammenstellung Fehler unterlaufen sein oder Daten fehlen: Sachdienliche Hinweise immer willkommen. (fid, mba, fin) Etat;'Kralinger: "Diese Welle erfasst alle Bereiche unseres Wirtschaftslebens" – "Politik muss Verantwortung übernehmen. Wien – Vor der zerstörerischen Kraft des digitalen Tsunami warnte Verleger-Präsident Thomas Kralinger Donnerstagabend beim traditionellen Heurigen des Verbands Österreichischer Zeitungen (VÖZ) – wohl in Anlehnung an Nicolas Clasen, dem Autor des Fachbuchs Der digitale Tsunami. Nicht nur Medienmanager und Verlagshäuser, sondern auch die Medienpolitik müsste auf diese Entwicklung reagieren, so Kralinger. Diese Welle erfasst alle Bereiche unseres Wirtschaftslebens. Gerade im Medien-Sektor entfaltet sie eine zerstörerische Kraft. Daher liegt es an uns Medienmanagern, neue Erlösströme abseits des klassischen Geschäfts zu erschließen, um die Zukunft des Journalismus abzusichern. Aber auch die Politik muss Verantwortung übernehmen. Wir brauchen eine reformierte Presseförderung, die auch journalistische Inhalte im Web fördert; und wir brauchen ein Leistungsschutzrecht, das unsere Inhalte vor der gewerblichen Ausbeutung durch Dritte schützt, sagte der VÖZ-Präsident. Bei der Politik will Kralinger inzwischen aber Bereitschaft zur Lösung des Problems wahrgenommen haben. Ich denke, die Bundesregierung nimmt zunehmend den Wandel aufgrund des digitalen Tsunamis wahr. Das zeigt sich anhand der eingesetzten Arbeitsgruppe zur Reform der Presseförderung und an einer weiteren Arbeitsgruppe, die sich der Reform des digitalen Medienmarktes verschrieben hat und kommende Woche startet, sowie am Entwurf für ein Leistungsschutzrecht für Presseverlage. Der nächste Schritt muss die Steuergerechtigkeit mit großen US-amerikanischen Unternehmen sein, die kaum Wertschöpfung in unserem Land generieren, aber nahezu steuerfrei Millionen-Gewinne abtransportieren.' Protest gegen Pläne zum Abbau von 65 Jobs. Rom – Zum zweiten Mal in dieser Woche sind die Journalisten der größten italienischen Nachrichtenagentur ANSA in den Streik getreten. Die Redakteure legten am Donnerstagabend die Arbeit nieder und werden bis kommenden Montag, 7.00 Uhr, streiken, wie der Betriebsrat mitteilte. Damit wird gegen einen Umstrukturierungsplan der Unternehmensführung protestiert, der den Abbau von 65 Stellen vorsieht. Die Nachrichtenagentur hat mit Verlusten in Höhe von fünf Millionen Euro zu kämpfen. In den vergangenen Jahren seien bereits zahlreiche Journalistenstellen gestrichen worden, betonte der Betriebsrat. Die Umstrukturierung gefährde die Führungsrolle der Nachrichtenagentur in Italiens Medienlandschaft und die Qualität der Berichterstattung. Die ANSA-Journalisten planen weitere Streiktage im Juli. Sie hatten diese Woche bereits von Dienstagabend bis Donnerstagvormittag die Arbeit niedergelegt. Zahlreiche Solidaritätserklärungen mit den streikenden Journalisten trafen aus Politik, der Wirtschaft und der Kultur ein. Stein des Anstoßes ist wieder das Foto mit einem Flüchtlingskind vor Wiener Asylquartier – Wiener FPÖ-Obmann sprach in Interview von gestellter Aufnahme. Wien – Nach FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache wegen Kreditschädigung erwägt der Kurier eine weitere Klage gegen einen FPÖ-Vertreter. Im Visier: Johann Gudenus. Der Wiener FPÖ-Klubobmann hat dem Kurier am Mittwoch in einem Interview auf Puls 4 Manipulation und Inszenierung vorgeworfen. Auf STANDARD-Anfrage meint Kurier-Herausgeber und -Chefredakteur Helmut Brandstätter, dass er rechtliche Schritte prüfen lasse. Er werde das Material seinem Anwalt zur Bewertung schicken. Konkret geht es um ein Foto, das Kurier-Fotograf Jürg Christandl am 3. Juni gemacht hat. Es zeigt ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge bei der Ankunft im Asylquartier in der Erdberger Straße in Wien-Landstraße, während FPÖ-Anhänger Nein zum Asylantenheim-Schilder hochhalten. Ähnlich wie Strache im Juni in der ORF-Sendung Im Zentrum und in der ZiB 2 sprach Gudenus im Puls 4-Interview von einer gestellten Aufnahme: Das ist fürs Foto gemacht worden. Laut Gudenus seien zu diesem Zeitpunkt nämlich keine Kinder im Asylquartier gewesen. Wenn Kinder missbraucht werden für Fotos (...), dann ist es etwas, für das sich eigentlich der Fotograf entschuldigen sollte, sagt er. Wohl in Anspielung auf die Klage, die der Kurier gegen Strache anstrengt, meint er, dass der Sachverhalt vor Gericht geklärt würde. FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg. pic.twitter.com/lmceQwMbYP Kurier-Fotograf Christandl selbst wies den Vorwurf der Manipulation bereits kurz nach seiner Aufnahme Anfang Juni zurück: Das stimmt natürlich nicht und macht mich sprachlos, meinte er danach zur APA. Ich und ein paar andere Fotografen sind da gestanden. Es war schon relativ am Ende der Protestaktion. Auf einmal sind diese Flüchtlinge Richtung Flüchtlingsheim vorbeigegangen, weil die FPÖ ja den Zugang blockiert hat. Ich sehe das, reiße instinktiv die Kamera hoch und drücke zehnmal drauf. Die Flüchtlinge haben auch nicht posiert. Das war in vier Sekunden vorbei. Ich habe daran keine Inszenierung erkennen können, und ich war schon überhaupt kein Teil einer Inszenierung und lasse mich als Fotograf nicht positionieren. TV weiter Top, Social Media holt auf – Offenbar keine "Lügenpresse"-Stimmung in Österreich – Tageszeitungen legen zu. Wien – Das Fernsehen gilt den Österreichern nach wie vor als vertrauenswürdigste Quelle, wenn es darum geht, sich über Politik zu informieren. Das zeigt der aktuelle APA-/OGM-Vertrauensindex zu den verschiedenen Mediengattungen. Auch Radio, Tageszeitungen und Teletext sind weiter stark. Social Media holte gegenüber der Befragung 2013 auf, abgestürzt im Vertrauensranking sind dagegen Gratiszeitungen. 500 Österreicher ab 16 Jahren wurden am vergangenen Dienstag befragt, ob sie der politischen Berichterstattung vertrauen. Aus dem Saldo von ja und nein wurde der Index ermittelt. Zuletzt war diese Umfrage im Oktober 2013 durchgeführt worden. Damals wie heute an der Spitze findet sich das Fernsehen mit einem Saldo von 50 Punkten. Damit legte es um drei Punkte zu – trotz aller Unkenrufe, dass es Informationssendungen zunehmend schwerer hätten, und einem Trend zum nichtlinearen TV-Konsum, der frühere Fixtermine wie Nachrichtensendungen relativiert. Das Überall-Medium Radio findet sich dicht dahinter mit 49 Punkten, was Gleichstand mit 2013 darstellt. Karin Cvrtila von OGM erklärt dies auch mit den TV und Radio eigenen O-Tönen, wodurch sie als authentischer eingeschätzt würden. Vertrauenswürdigste Info-Quelle Nummer drei ist der Teletext, der 39 Punkte erzielte (minus drei). Keine Vertrauenskrise haben der Umfrage zufolge die Tageszeitungen zu befürchten. In Zeiten, in denen das Schmähwort Lügenpresse zum nur teils ironischen geflügelten Wort wurde, legten sie um zwei Punkte auf 37 zu. Zeitschriften und Magazine liegen mit einem Punkt im Plus. Von der Lügenpresse-Diskussion in Deutschland sind österreichische Printmedien bisher nicht betroffen, so Cvrtila. Spannend der Blick auf Online-Plattformen und Social-Media-Kanäle. Facebook (minus 52 Punkte) und Twitter (minus 26) sind zwar weiterhin Schlusslichter der Vertrauens-Hitparade. Doch beide Channels haben gegenüber 2013 je fünf Punkte aufgeholt und sind die Gewinner der dieswöchigen Umfrage, so Cvrtila. Hier scheinen die Online-Auftritte einzelner Politiker ausschlaggebend zu sein, verweist sie auf einen Trend, den immer mehr Politiker zu nutzen suchen. Youtube (minus 20) konnte sein Saldo immerhin um zwei Punkte verbessern. Google als Informations- oder wohl eher Recherchequelle ist mit 14 Punkten im Plus, Online-Medien mit sechs Punkten. Einen gehörigen Vertrauensverlust setzte es unterdessen für Gratiszeitungen, die im Vertrauensindex acht Punkte verloren und nun bei minus 22 liegen. Eine mögliche Erklärung ist laut Cvrtila die intensive Debatte rund um Inserate und wohlmeinende Berichterstattung in gewissen Titeln. Wenig trauen die Österreicher auch Onlineforen (mit 22 Punkten im Minus) und Instagram (minus 19, erstmals abgefragt). Axel-Springer-Konzern wurde bis zuletzt als Favorit gehandelt. London/Berlin – Reuters wurde als Käufer gehandelt, ebenso Konkurrent Bloomberg, und Springer sollte vor dem Zuschlag stehen. Doch während die Medienwelt den Käufer der Financial Times in Deutschland suchte, griff ein Medienhaus aus Japan zu: Nikkei. Für fast 1,2 Milliarden Euro übernimmt der japanische Finanzinformationskonzern, der den Tokioter Börsenindex schuf, das lachsfarbene und längst überwiegend digitale Weltwirtschaftsblatt. Dem britischen Medienkonzern Pearson gehörte die Financial Times seit 60 Jahren. Er will sich nun auf Bildungsmedien konzentrieren, hier gilt er als Weltmarktführer. Seinen Buchverlag Penguin hat Pearson schon 2013 mit Bertelsmanns US-Verlagsriesen Random House fusioniert – zum weltgrößten Publikumsverlag. Dort hält Pearson 47 Prozent. Der Verkauf der renommierten, 1888 gegründeten Financial Times ist eher kein Stoff für Abgesänge auf klassische Medien. Die Financial Times meldete an die 737.000 Abos, davon rund 70 Prozent digital – allein von 2013 auf 2014 stieg die Zahl der Digitalabos um ein Drittel – bezahlter Digitalabos. Mehr als die Hälfte ihres Umsatzes macht die Financial Times inzwischen nicht mit Werbung, sondern mit Erlösen von Usern der gedruckten und der digitalen Ausgabe. Früh schon setzte die Financial Times auf kostenpflichtige Inhalte auch im Netz. Sie hat eine dafür praktische Hauptzielgruppe: Manager und Unternehmer, deren Zugänge ihre Firma zahlt. Wie bei ihrem globalen Hauptkonkurrenten Wall Street Journal, das Medienmulti Rupert Murdoch übernommen hat. Samt dem Finanzinformationskonzern Dow Jones – noch ein Börsenindex, diesmal aus New York. Nikkei übernimmt mit der Financial Times und ihrer starken Webpräsenz FT.com auch Fachmedien wie The Banker und den Investors Chronicle. Nicht im Paket sind indes die 50 Prozent der FT Group am Economist. Pearson behält den Anteil an dem erfolgreichen Politik- und Wirtschaftswochenmagazin. Nikkei ist die Kurzform von Nihon Keizai Shimbun, die größte Wirtschaftszeitung Japans. Eine äußerst gut informierte Zeitung – die allein in der jüngsten Börsensaison laut Bloomberg detaillierte Daten von gut 40 börsennotierten Unternehmen vor Bilanzveröffentlichung publizierte. Der Umsatz der FT Group betrug 2014 472 Millionen Euro bei 34 Millionen Euro operativem Ergebnis. Die Nikkei-Mediengruppe setzt laut Handelsblatt jährlich rund 2,2 Milliarden Euro um. Die FT ist übrigens nicht die erste Nikkei-Beteiligung in London: 2014 kaufte der japanische Konzern einen kleinen Anteil an Monocle – einem schicken Magazin von Tyler Brûlé. Der ist auch Kolumnist der Financial Times. Chefredakteur soll laut "NYT"-Bericht gehen. Washington – Wegen eines ungeprüften und unrichtigen Artikels über eine angebliche Gruppenvergewaltigung haben ehemalige Studenten der University of Virginia das US-Musikmagazin Rolling Stone wegen Diffamierung verklagt. Die New York Times am Mittwoch berichtet, die Ex-Studenten klagten mit der Begründung ein, der Magazinbericht, der sich später als falsch erwies, habe verheerende Auswirkungen auf sie. Laut New York Times wird Chefredakteur Will Dana, der den Artikel verantwortete, von seinem Posten zurücktreten. Einer der drei Kläger erklärte der Zeitung zufolge, Freunde und Angehörige hätten ihn aufgrund des Berichts im Rolling Stone als einen der vermeintlichen Vergewaltiger identifiziert. Bereits im Mai hatte die für die Belange der Studenten zuständige Dekanin das Magazin auf Schadenersatz in Höhe von 7,5 Millionen Dollar (6,8 Millionen Euro) wegen Rufmords verklagt. Der Artikel vom 19. November 2014 schilderte das angebliche Martyrium einer Studentin namens Jackie. Die junge Frau gab demnach an, im September 2012 von sieben Studenten im Haus der Verbindung Phi Kappa Psi brutal vergewaltigt worden zu sein. Der Artikel führte zu Protesten, zu polizeilichen Ermittlungen und sogar zu einer zeitweiligen Suspendierung der Verbindung an der Hochschule. Doch schnell kamen Zweifel an der Richtigkeit des Berichts auf. Im Dezember entschuldigte sich das Magazin deswegen und distanzierte sich von dem Bericht. Die Polizei kam im März zu dem Schluss, dass sich Jackies Schilderung nicht nachweisen lasse, und legte den Fall auf Eis. Im April veröffentlichte das Magazin auf seiner Internetseite einen ausführlichen Untersuchungsbericht der Journalistenschule an der New Yorker Columbia-Universität mit dem Titel Eine Vergewaltigung auf dem Campus – Was lief falsch? Darin werden der gesamten Rolling Stone-Redaktion Fehler beim Berichten, Redigieren, bei der redaktionellen Aufsicht und beim Faktencheck vorgeworfen. Das Magazin sei so erpicht darauf gewesen, ein erschütterndes Beispiel für sexuelle Gewalt zu schildern, dass grundlegende, routinemäßige Regeln der Berichterstattung nicht befolgt worden seien. So seien Beschuldigte oder vermeintliche Komplizen nicht befragt worden. Im Fokus steht "Digital Business" – "News Stream" soll aktuelle Nachrichten liefern. Wien – Es werde keine Sammlungen von 15 besonders witzigen Katzenbildern geben, schreibt Jakob Steinschaden, sondern etwa Interviews mit herausragenden Persönlichkeiten der Branche, Reportagen, Firmenporträts oder Start-up-Berichterstattung. Trending Topics heißt ein neues Onlineportal, das der Manstein Verlag um das Branchenmagazin Horizont startet. Geleitet wird die Seite von Jakob Steinschaden, der seit März 2014 die Themenseite Trending Topics in der Printausgabe von Horizont verantwortet. TrendingTopics.at soll das Online-Pendant dazu sein. Neben Hintergrundberichten über die digitale Wirtschaft soll ein kuratierter News Stream die relevantesten Links, Videos, Bilder und Tweets servieren. Das Wirtschaftsmagazin holt sich vier Experten an Board: Angelika Kramer, Robert Babel, Barbara Litschauer und Teoman Tiftik. Wien – Angelika Kramer, Robert Babel, Barbara Litschauer und Teoman Tiftik stehen bei Forbes Austria nun auf der Liste der neuen Mitarbeiter. Die Journalistin Angelika Kramer wird in Bälde als stellvertretende Chefredakteurin von Forbes Austria fungieren. Über neue Mitarbeiter darf sich auch das Marketing-Team freuen: Es bekommt in Person von Barbara Litschauer (zuvor REWE) und Teoman Tiftik (zuvor Biber-Magazin) Verstärkung. Barbara Litschauer übernimmt im strategischen Kommunikationsbereich alle digitalen Agenden und wird ihr Know-how vor allem im Bereich Social Media und Online Relations für Forbes Austria verwirklichen. Teoman Tiftik (28) übernimmt indes die strategische Konzeption und Betreuung von Marketingkampagnen. Der Fokus wird dabei auf der Verknüpfung von Werbekampagnen und Kooperationen liegen. Der Branchen-Profi Robert Babel (48), ehemals Wirtschaftsblatt, komplettiert das Sales-Team bei Forbes Austria. Als Vetriebsmanager und Key Account-Experte wird er individuelle Kamapagnenlösungen für Kunden und Agenturen ausbauen und verstärken. Herausgeber ist die Schweizer Onlinemarketing-Agentur Mindpark – Auflage von 200.000 Stück. Wien – Paradox heißt ein neues Musikmagazin, das seit Juni in Österreich im Umlauf ist. Als Herausgeber fungiert die Schweizer Onlinemarketing-Agentur Mindpark. Die erste Ausgabe erschien mit einer Auflage von 200.000 Stück. Künftig soll das Gratismagazin halbjährlich, später eventuell vierteljährlich erscheinen. Inhaltlich möchte sich das Heft als Anlaufstelle zur Förderung österreichischer Musik positionieren, heißt es. Wer beim überschäumenden Jahres-Event der APA fehlte – und wer statt Seiner begrüßte. Wien – Wenn die APA zu ihrem spätsommerlichen Bierigen in den Hof des alten AKH ruft, dann kommt die Medienprominenz und üblicherweise auch viel politische. Montagabend fehlte einer, und ein Neuer begrüßte. Einer, der die Geschäfte der Nachrichtenagentur und Informationsdrehscheibe des Landes künftig führt, wenn es nach durchaus verbreiteter Erwartung geht. Peter Kropsch, noch ein Weilchen Geschäftsführer der APA und offiziell ab September 2016 Manager und ab Anfang 2017 vorsitzender Geschäftsführer der deutschen Nachrichtenagentur dpa. Aus verständlichen Gründen: Kropsch braucht für sich und seine Familie eine vernünftige Bleibe in Hamburg, und auf der Suche nach eben dieser befand sich der APA-Geschäftsführer nach glaubwürdiger Auskunft, als Montagabend in der Stiegl-Ambulanz der Bierige seinen Lauf nahm. Wer also begrüßte im alten AKH? Gleich hinter dem traditionell fröhlichen Chefredakteurs-Quartett Michael Lang, Werner Müllner, Johannes Bruckenberger und Marcus Hebein – nicht weiter überraschend: ein immer sportlicherer Clemens Pig (41). Er kam mit der Übernahme der – im STANDARD nicht ganz unbekannten – Medienbeobachter Mediawatch zur APA, ist seit 2009 Prokurist der APA und seit 2014 Co-Geschäftsführer. Nun muss man den Bierigen nicht überbewerten – aber noch in diesem September dürften die Genossenschafter der APA über den nächsten Geschäftsführer entscheiden. Genossenschafter der APA sind der ORF und die österreichischen Tageszeitungen – ohne Krone und ohne Heute. Wenn es nach wesentlichen APA-Genossen geht, und keine politische oder mediale Kraft querschießt (wie zuletzt bei der Verlängerung des APA-Chefredakteurs Lang versucht), dann steuert die APA auf eine interne Lösung zu. Das lässt auf den noch recht jungen Herren schließen, der Montagabend gleich hinter der Chefredakteursriege zum Bierigen begrüßte: Clemens Pig. Aus bieriger Sicht der nächste APA-Geschäftsführer. Aber erst tagen die Gremien. Nach Freispruch im "News of the World"-Abhörprozess. London – Rebekah Brooks kehrt – wie berichtet – nach ihrem Rücktritt im Zuge eines Abhörskandals zurück zum britischen Arm des Medienimperiums von Rupert Murdoch. Sie wird News UK leiten, den Herausgeber der großen Zeitungen Sun, Times und Sunday Times, wie der Verlag am Mittwoch mitteilte. Brooks, früher Chefredakteurin der inzwischen eingestellten Skandalzeitung News of the World und der Sun, war beschuldigt worden, von illegalen Abhöraktionen bei Prominenten sowie von Bestechungen von Polizeibeamten und anderen Amtsträgern gewusst zu haben. Betroffen war unter anderem die damalige Freundin und heutige Frau von Prinz William, Kate Middleton. Ein Gericht sprach die 47-Jährige jedoch vor einem Jahr frei. 'Seit hundert Jahren deckt der Pariser "Canard enchaîné" wöchentlich einen Skandal nach dem anderen auf – und ist damit zum rentabelsten Presseprodukt Frankreichs geworden. Einmal in der Woche, genau gesagt am Dienstagabend, tut sich Seltsames in der Rue Saint-Honoré in Paris. Dunkle Limousinen aus dem Regierungsviertel der anderen Seine-Seite fahren an der Hausnummer 173 vor – doch nicht der Herr Minister steigt aus, sondern der Chauffeur. Manchmal kommen auch Eilboten per Motorrad. Sie holen etwas ab, das einem Geheimdokument ähnelt: Es ist in Rot und Schwarz gehalten, umfasst acht Seiten und noch mehr erklärende Zeichnungen. Das Papier birgt politisches Dynamit. Es vermag den Ausgang von Präsidentenwahlen zu bestimmen und Minister in die Wüste zu schicken. Deshalb wollen die höchsten Politiker im Lande schon am Vorabend wissen, was am Mittwoch die ganze Nation erfahren wird – dann erscheint an den Kiosken nämlich die neueste Ausgabe des Canard enchaîné. Voller Affären und Skandälchen, Intrigen und politischer Peinlichkeiten, nennt sich das kuriose Blatt in der Unterzeile Journal satirique paraissant le mercredi, satirische Zeitschrift mit dem Erscheinungstermin Mittwoch. Aber eigentlich betreibt es gar keine Satire: Dank einer anonymen Masse von Informanten – Türstehern, Gewerkschaftern, Sekretärinnen, politischen Widersachern – beschreibt der Canard (die Ente) die wirkliche, die real existierende Pariser Politik. Das ist, wenn schon, Realsatire. Manchmal genügt eine winzige verklausulierte Meldung im Ententeich, der meistgelesenen Rubrik im Canard, damit Feuer am Pariser Regierungsdach ist. Manchmal sind es faktenreiche Berichte, die mit vertraulichen Dokumenten belegt werden. Die neueste Ausgabe enthüllt etwa, wie Präsident François Hollande systematisch Studien- und andere Freunde an den Schalthebeln des Staatsapparates platziert. Ein Fall von Vetternwirtschaft, wie es alle französischen Staatschefs praktizierten? Schlimmer: Hollande habe die Mustergültigkeit des politischen Benehmens zur obersten Tugend seiner Amtszeit erklärt, um sich von seinem Vorgänger Nicolas Sarkozy abzuheben, erinnert sich der Canard. Da- zu listet er auf, dass der Präsi- dent Wahlversprechen (Bau von 150.000 Sozialwohnungen, Ausländerstimmrecht) schlicht vergessen habe. Dabei habe Hollande im Wahlkampf wiederholt, er werde anders als sein Vorgänger tun, was ich sage. Der Canard-Leser darf sich aber nicht nur ärgern, sondern auch amüsieren. Dafür sind die rund dreißig Karikaturen pro Ausgabe da. In der neuesten fragt der sonnengebräunte Premier Manuel Valls seinen bleichen Vorgesetzten Hollande spöttisch, ob er seinen Sommerurlaub unter dem Helm verbracht habe. Das ist eine Anspielung auf die präsidialen Motorradfahrten zur Mätresse Julie Gayet – und ein eleganter Wink, dass Hollande im August partout nicht angeben wollte, mit wem er in den Süden verreiste. Diese Art französischer Realsatire ist seit nunmehr hundert Jahren das Markenzeichen des Canard enchaîné. Am 10. September 1915, in der Anfangsphase des Ersten Weltkrieges, als in Frankreich eine knallharte Pressezensur herrschte, gaben drei mutige Journalisten die erste Nummer heraus. Ihre Mission beschrieben sie so: Le Canard enchaîné wird, nach sorgfältiger Abklärung der Sachverhalte, ausschließlich falsche Nachrichten drucken. Jeder weiß, dass die französische Presse ihren Lesern seit Kriegsbeginn und ohne jede Ausnahme einzig Nachrichten liefert, die rundum stimmen. Doch das Publikum hat genug davon! Das Publikum will zur Abwechslung falsche Nachrichten. Es soll sie bekommen. Und es bekam sie. Während die Pariser Medien einem blinden Hurrapatriotismus frönten, beschrieb der Canard die Realität des Krieges und die Verblendung der Politiker. Um die Zensur zu umschiffen, musste er dies satirisch verbrämt tun. Die französischen Soldaten verstanden allemal. Sie reichten sich das neue Blättchen in den Schützengräben weiter und begründeten in kurzer Zeit seinen Erfolg. Trotz der satirischen Tarnung wurde der Canard im Ersten wie auch im Zweiten Weltkrieg mehrmals verboten. Danach versuchten Politiker und willfährige Medien, den frechen Enterich schlicht zu ignorieren. Er deckte aber bald zu viele Missstände auf; Furore machte in den Sechzigerjahren auch die legendäre Kolumne La Cour (der Hof), die das Neueste über die monarchischen Sitten im Élysée-Palast von Charles de Gaulle berichtete. Seinen größten Coup landete der Canard, als er 1979 berichtete, wie Präsident Valéry Giscard dEstaing vom megalomanen zentralafrikanischen Kaiser Bokassa Safari-Einladungen sowie mehrere Diamanten entgegengenommen hatte. Die Affäre trug 1981 zweifellos zu Giscards Wahlniederlage gegen den Sozialisten François Mitterrand bei. Seine Wahlkämpfer schimpften den Canard vergeblich ein linkes Unterseeboot. Auch Sarkozy beklagte sich später bitter, als die Canard-Kolumne Das Journal der Carla B. (B wie Bruni) aus dem Innenleben des Palastes plauderte. Doch das geschah auf raffinierte, unanfechtbare Weise, kamen die unangenehmen Indiskretionen doch als fiktives Tagebuch daher. Eigentlich ist der Canard enchaîné gar nicht links. Gewiss, er ist noch weniger rechts. Aber er ist zuerst unabhängig, auch politisch unabhängig: Er schaut allen Regierenden, Mächtigen und Herrschern jedweder Couleur auf die Finger. Die Ente macht da keinen Unterschied. Den poulets, die Geheimdienstpolizisten, widmet sich die Ente am liebsten. Im Aufgang zur Redaktion der Rue Saint-Honoré erinnert eine ironische Marmortafel daran, dass ein paar Agenten hier einmal Wanzen angebracht hatten, um ein paar der lästigen Canard- Informanten zu eruieren. Auch deshalb stimmt die Behauptung nicht, dass die Ente mit Mitterrand sympathisiert habe: Dessen größter Skandal, das von den Poulets 1985 versenkte Greenpeace-Schiff Rainbow Warrior, war schließlich vom Canard mit aufgedeckt worden. Die Ente macht sich aber nicht nur ein Vergnügen daraus, die Machenschaften der Geheimdienste zu entlarven. Das tut sie mit allen Arten von Militärköpfen und Schwarzröcken, Oligarchen und Zensoren, politischen Heuchlern und Halunken. Diese werfen dem Blatt gerne vor, es verletze die Privatsphäre der Betroffenen. Dabei verfolgt der Canard eine klare Linie, die der frühere Chefredakteur Claude Angeli einmal so beschrieb: Wenn uns mitgeteilt wird, dass ein Bischof homosexuell sei, bringen wir das nicht. Hingegen hat die Öffentlichkeit das Anrecht auf die Information, wenn er eine Anti-Schwulen-Petition unterzeichnet. Der heutige Canard-Chef Michel Gaillard entgegnet den Kritikern seinerseits, der Schutz der Personenrechte werde meist als Vorwand benutzt, um missliebige Informationen zu unterdrücken. Dieses Argument höre er sogar aus anderen Redaktionen. Dabei ist das Hauptproblem der Medien heute nicht mehr die Staatszensur, sondern das Corps-Denken der Eliten, zu denen auch die im Élysée akkreditierten Journalisten gehören , sagt Gaillard. Warum berichteten Le Figaro oder Le Monde jahrelang nie über die Luxusreisen der Pariser Prominenz nach Tunesien? Etwa, weil ihre Redakteure selbst den Einladungen des tunesischen Ex-Diktators Ben Ali folgten? Canard-Redakteure nehmen aus Prinzip weder Geschenke noch Orden wie die Ehrenlegion an. Dafür brachten sie die Tunesien-Affäre ins Rollen. 2011 zwangen sie damit sogar Außenministerin Michèle Alliot-Marie zum Rücktritt. Der Canard gehört seinen Redakteuren (auch wenn sie ihre Anteile nicht verkaufen und nicht an der Börse spekulieren dürfen). Die Ausnahme wirkt umso auffälliger, als die anderen wichtigen Pariser Zeitungen wie Le Figaro oder Le Monde heute Großkonzernen gehören – oder Verlegern, die mit der Politik verbandelt sind und Rücksichten nehmen. Der Canard kann sich seine Freiheit und Frechheit leisten, weil er hochrentabel ist. Das ist die beste Garantie für Unabhängigkeit. Und das ist das vielleicht Erstaunlichste an der Enten-Saga: Das Blatt mit dem biederen Look eines Studentenorgans ist rentabler als alle Pariser Medien, die sich teure Liftings verpassen. Der Canard verzichtet auf jede Werbung und Online-Ausgabe; er hat seit mehr als zwanzig Jahren keinen Relaunch durchgezogen und den Verkaufspreis von 1,20 Euro nie erhöht. Im vergangenen Jahr ist die Canard-Auflage leicht gesunken. Das passiert in Zwischenwahlzeiten öfters; nach der verkaufsstarken Sarkozy-Ära sorgt der Langweiler Hollande zudem für wenig Schlagzeilen. Auch hat der Canard heute Online-Konkurrenten wie das Enthüllungsportal Mediapart, auch wenn dessen Enthüllungen eher ideologisch motiviert sind. Dennoch erreicht die Canard-Auflage immer noch 400.000 Stück – mehr als die größten Pariser Tageszeitungen. Während diese von den Schulden erdrückt werden, fährt der modeste Enterich jedes Jahr satte Gewinne ein und sitzt auf Rücklagen von 120 Millionen Euro, von denen aus er fröhlich weiterquakt.' Neue Rubrik zeigt Lösungsansätze für ein soziales, ökonomisches, politisches oder ökologisches Problem. Zürich – Der Schweizer Tages-Anzeiger setzt auf konstruktiven Journalismus. Ab 7. September erscheint unter der Rubrik Die Lösung jeden Montag ein Artikel, der Lösungsansätze für ein soziales, ökonomisches, politisches oder ökologisches Problem aufzeigt. Das Konzept wird multimedial umgesetzt, hieß es in einer Aussendung des Medienhauses. Der lösungsorientierte Journalismus will Hoffnung machen, statt nur Probleme zu beschreiben. Wir wollen diesen inspirierenden Ansatz weiter ausbauen und vom Ansatz only bad news are good news wegkommen, sagt Chefredakteur Res Strehle. Dabei werden wir gleichsam kritisch und konstruktiv sein – und auch Widersprüche und Fallstricke eines Lösungsansatzes aufzeigen. Voraussetzung für konstruktiven Journalismus bleiben deshalb kritische Recherche und Einordnung. '"Lügenpresse"-Vorwürfe gibt es auch in den USA, sagt Brooke Gladstone. Doch Medien hören schlicht auf ihr Publikum. STANDARD: Sie sprechen diese Woche in Wien bei der Media-Trends-Konferenz – worüber? Gladstone: Über die Beziehung zwischen Medien, Politik und dem Gehirn. Wie wir Politik wahrnehmen, wird maßgeblich beeinflusst durch diese zwei riesigen Filter, die aufeinander einwirken – das Filter der Medien und unser Gehirn. STANDARD: Und wie spielen diese Filter zusammen? Gladstone: Ein Beispiel: Benimmt sich ein Politiker daneben, den wir unterstützen, macht uns das unrund. Sobald wir aber selbst daran glauben, dass es für das schlechte Verhalten eine vernünftige Erklärung gibt, bekommen wir eine Dosis des Glückshormons Dopamin. Das ist die Belohnung für die Lüge, die es uns erlaubt, unsere Meinung beizubehalten. STANDARD: Wir werden also high davon, uns selbst zu belügen? Gladstone: Ja, und das alles hat Auswirkungen darauf, wie wir über Politik lesen und schreiben. Es geht nicht nur darum, Leute mit neuen Informationen zu versorgen. Das alles ist ein sehr viel subtilerer und komplizierterer Vorgang. STANDARD: Ihr Buch heißt The Influencing Machine, der Beeinflussungsapparat – worauf bezieht sich der Titel? Gladstone: Der Wiener Psychoanalytiker Victor Tausk entdeckte dieses Syndrom bei einer Frau, die davon überzeugt war, dass ein ehemaliger Geliebter mittels eines Apparats ihre Gedanken und Gefühle steuert. Immer wenn sich eine neue Technologie durchsetzt, taucht dieses Syndrom wieder auf – wir haben Angst davor, von außen kontrolliert zu werden, auch von Medien. Der Titel ist also ironisch gemeint: Wir werden nicht von einem Beeinflussungsapparat kontrolliert. Medien erhalten ihre Stichwörter von uns. STANDARD: Bekommen wir also die Medien, die wir verdienen? Gladstone: Ganz genau. Das ist der letzte Satz meines Buches! STANDARD: Das macht meinen Job ja ziemlich einfach, wenn das Publikum Schuld trägt. Gladstone: Wenn Sie nur wollen, dass Leute Ihre Artikel anklicken, werden Sie den Bullshit schreiben, den Leute anklicken. Ich nehme an, das machen Sie nicht – aber viele tun es. Sie übernehmen Verantwortung, genau wie jeder Leser verantwortlich dafür ist, zu klicken oder nicht zu klicken. STANDARD: Sie sagen, es gibt keine Objektivität. Gladstone: Objektivität ist ein Reinzustand. Ich glaube sehr wohl, dass Journalisten fair sein können, auch wenn sie nicht objektiv sind. Objektiv zu sein, in dem Sinne, dass man unbeeinflusst bleibt von den eigenen Gefühlen und Meinungen, wenn man Fakten wiedergibt – ich glaube nicht, dass das möglich ist. Denn Gefühle und Meinungen werden doch zu einem großen Teil durch Fakten und Erfahrungen erst gebildet! Davon nicht beeinflusst zu sein, würde also bedeuten, schlecht informiert zu sein. STANDARD: Die Geschichte der Medien, die Sie in The Influencing Machine erzählen, beginnt mit der Erfindung der Schrift und endet im Jahr 2045 – wie schauen Medien dann aus? Gladstone: Ich stelle es mir als nahtlose Beziehung vor, in der wir in einer virtuellen Welt parallel zur realen schweben. Intel will in naher Zukunft Implantate anbieten; es gibt Wearables, es gibt Smart Houses. Irgendwann werden all diese Maschinen nicht mehr nur Annehmlichkeiten sein, sondern das, was uns zu Menschen macht. STANDARD: Ich warte noch immer darauf, dass Sie sagen: Und dann gehen wir vor die Tür, um unsere gedruckte Tageszeitung zu holen. Gladstone: Ich denke, es wird dann sehr wohl noch Printzeitungen geben – für Menschen, die bereit sind, viel Geld dafür zu zahlen. Wer es liebt, am Sonntag die New York Times aufzublättern, wird dafür jede Woche hundert Mäuse hinlegen. STANDARD: In Deutschland und Österreich ist der Begriff Lügenpresse in rechten Kreisen populär. Gladstone: Ja, das haben wir auch! Und dann sagt die Linke, dass die Medien von einer Gruppe böser, unternehmerischer Overlords kontrolliert wird. Alles, was man tun muss, ist dem Geld zu folgen: Wer bezahlt dafür? Die Antwort beginnt dort, aber sie endet woanders. Jemand bezahlt dafür, aber jemand anderes muss es kaufen. Es ist eine wechselseitige Beziehung. Die Mehrheit der Massenmedien gehört reichen Menschen, und sie sind eine facettenreiche Gruppe. Manche sind links, manche rechts. Kleine Medien, die auch enormen Einfluss haben, sind so bunt wie die gesamte Menschheit. Das ist reiner Ausdruck des Syndroms des Beeinflussungsapparats, das ich vorhin beschrieben habe. STANDARD: Diese Verschwörungstheorien werden also nicht bald aufhören? Gladstone: Oh nein. Das ist so alt wie Kommunikation. Aber sein wir ehrlich: Es gibt genug Lügen da draußen. Die erste Verwendung von Schrift war politische Propaganda. Kommunikation wurde immer zur Manipulation genutzt. Aber zu sagen, dass das alles in der Hand einer Partei liegt, ist Unsinn. STANDARD: Eine Nebendebatte zur aktuellen Flüchtlingskrise in Europa betrifft die Frage, ob man Fotos von Toten zeigen darf oder nicht. Gladstone: Darauf gibt es keine einfache Antwort. Ich wünschte, es gäbe eine. Aber es gibt einen Unterschied zwischen einem Foto, das das Grauen zeigt – und einem Foto, das wir Violence Porn nennen. Eines vermenschlicht, das andere entmenschlicht.' In Berlin und Brandenburg erscheint am Mittwoch eine vierseitige Beilage in arabischer Sprache zur Orientierungshilfe für Flüchtlinge. Berlin – Gemeinsam bringen Bild und B.Z. in Berlin und Brandenburg eine vierseitigen Beilage in arabischer Sprache heraus, die in erster Linie als Orientierungshilfe für Flüchtlinge dienen soll, berichtet das Branchenportal meedia.de. B.Z.-Chefredakteur Peter Huth hatte dazu die Idee. Natürlich brauchen die Menschen in erster Linie ein Dach über dem Kopf, Nahrung und Kleidung, sagt Huth zur aktuellen Lage. Aber Information darüber, was mit Ihnen geschieht, wo ihnen geholfen wird, aber auch über Berlin im allgemeinen ist fast genau so wichtig. Orientierung ist der erste Schritt zur Integration. Es sollen in den nächsten Tagen kostenfreie Exemplare an Flüchtlingsheime und Erstregistrierungsstellen verteilt werden. War bisher etwa bei "Heute", "Der neue Grazer" und "Falstaff". Wien – Marlene Auer, zuletzt Chefredakteurin des Falstaff, wird mit 1. November neue Chefredakteurin des Horizont. Die gebürtige Grazerin war nach ersten Erfahrungen in der Radio- und Fernsehbranche bei Tageszeitungen wie Heute, Wochenzeitungen wie Der neue Grazer, Magazinen und Special-Interest-Medien tätig. Für den Falstaff hat Auer die Stammausgabe Österreich, aber auch die Entwicklung des Mediums in Deutschland und in der Schweiz verantwortet sowie zahlreiche Line-Extensions und Specials umgesetzt. Der Horizont ist für mich eine große Herausforderung und Ehre. Es gibt bereits konkrete Planungen zu einem sanften Relaunch und zur Neupositionierung des Portals, wurde Auer zitiert. Rupert Murdochs Konzern hält künftig 73 Prozent an den neu gegründeten "National Geographic Partners". Die seit 1888 gemeinnützigen Publikationen werden damit gewinnorientiert. Das Medienunternehmen von Rupert Murdoch, 21st Century Fox, übernimmt das Magazin National Geographic. Wie Fox und die National Geograpic Society am Mittwoch mitteilten, werde die bisher bestehende Partnerschaft mit dem 725-Millionen-Dollar-Deal (651 Mio. Euro) ausgeweitet. Fox werde einen Anteil von 73 Prozent an der neuen Mediengesellschaft National Geographic Partners halten. Diese beinhaltet das Magazin National Geographic, mehrere Kabelfernsehsender, soziale Medien, digitale Plattformen sowie andere Medien, teilte die Society, eine gemeinnützige Organisation und das Mutterhaus des Magazins, mit. Das Magazin mit dem gelben Cover hat eine 127-jährige Geschichte. Seit seiner Gründung 1888 operierte National Geographic auf gemeinnütziger Basis. Mit der Übernahme durch Fox wird der Medienbereich von National Geographic von der Gesellschaft für Geografie abgekoppelt. Die Publikationen werden in Zukunft gewinnorientiert ausgerichtet, hieß es. Zu 21st Century Fox gehören unter anderem das Filmstudio 20th Century Fox und der konservative US-Nachrichtensender Fox News und der deutsche Bezahlsender Sky. Das Unternehmen wurde 2013 von News Corp. abgespalten. Laut "Publisher Weekly" ist der Grund ein Streit bei ihrem ursprünglichen US-Verlag Little, Brown. USA/GB – Die bekannte Kinderbuch-Autorin Cornelia Funke (Tintenherz, Herr der Diebe) gründet für ihre Bücher einen eigenen Verlag – Breathing Books – in den USA und Großbritannien, berichtet das Branchenmedium turi2.de. Laut Publisher Weekly ist der Grund dafür ein Streit bei ihrem ursprünglichem US-Verlag Little, Brown der Hachette-Gruppe. Funke will pro Jahr etwa zwei bis vier Bücher veröffentlichen. Zusätzlich soll eine App der Multimedia-Firma Mirada Studios das Angebot erweitern. Die neuen Bildquellen "AFP-Bild aktuell" und "AFP-Bild Archiv" stehen bereits ab 1. Oktober zur Verfügung. Die APA – Austria Presse Agentur wechselt ihren internationalen Fotopartner: Ab Jänner 2016 wird die internationale Bildberichterstattung im APA-Basisdienst nicht mehr durch die european pressphoto agency (epa), sondern durch die Agence France Presse (AFP) bereitgestellt. Das internationale Bildangebot steigt um etwa 50 Prozent. Die AFP hat gleichzeitig in vielen Bereichen herausragende Stärken – zum Beispiel in der Berichterstattung aus Asien oder auch aus Nahost., so APA-Geschäftsführer Peter Kropsch. Der Wechsel von der epa zur AFP erfolgte laut Kropsch auch aufgrund von Auffassungsunterschieden zur Strategie der epa. Die APA ist nach wie vor Gesellschafter der epa. Oberstes Ziel der APA ist allerdings, ihren Kunden jetzt und langfristig einen Dienst bieten zu können, der den Bedürfnissen des österreichischen Marktes entspricht, erklärte Kropsch. Die neuen Bildquellen AFP-Bild aktuell und AFP-Bild Archiv stehen bereits ab 1. Oktober zur Verfügung. Auf das epa-Angebot kann ab 15. Dezember nicht mehr zugegriffen werden. Magazinchef nennt Nacktbilder im Internet-Zeitalter überholt – Deutsche Ausgabe will aber weiterhin nackte Haut zeigen. Los Angeles – Seit Jahrzehnten steht das amerikanische Playboy-Magazin für unzweideutige Bilder entblößter Frauenkörper – aber damit soll jetzt Schluss sein. Ab kommendem Frühjahr werde die berühmte Zeitschrift komplett neu gestaltet, berichtete die New York Times am Dienstag. Zwar würden Frauen weiter in provokativen Posen gezeigt, jedoch sollen sie nicht mehr völlig nackt abgebildet werden. Playboy-Gründer Hugh Hefner (89) habe einem entsprechenden Vorschlag seiner Top-Redakteure zugestimmt, hieß es. Die Zeiten hätten sich schlicht geändert, sagte Playboy-Chefmanager Scott Flanders. Den Kampf darum, unbekleidete Körper abbilden zu dürfen und Nacktheit gesellschaftsfähig zu machen, habe der Playboy schon lange gewonnen. Heute reicht ein Mausklick, um sich jeden nur vorstellbaren sexuellen Akt im Internet herunterzuladen, so Flanders. Nacktaufnahmen in Zeitschriften seien damit überholt. Um in sozialen Netzwerken wie Facebook oder Twitter zugelassen zu sein, die Fotos bereits dann sperren, wenn darauf eine Brustwarze zu sehen sind, habe das Magazin schon in der Vergangenheit einige seiner Inhalte angepasst, sagte Flanders. So ist sein Internetauftritt schon seit August 2014 völlig frei von Nackten. Seitdem sank das Alter des Durchschnittslesers von 47 auf 30 Jahre, gleichzeitig stieg die Zahl der Online-Besucher von vier Millionen auf 16 Millionen im Monat. Das neue Hochglanz-Magazin versucht nun laut seinem Chef eine Antwort auf die zentrale Frage zu finden: Was bleibt, wenn Du die Nacktheit wegnimmst? Möglicherweise besinnt sich der Playboy ja wieder mehr auf seine zweite Stärke: Interviews und Kurzgeschichten berühmter Schriftsteller. Einst hatten sogar Ikonen wie Madonna, Sharon Stone und Naomi Campbell die Hüllen fallen lassen, um im Playboy die Männerfantasien zu beflügeln. Aber diese Zeiten seien im neuen Medienzeitalter passé, so die Playboy-Macher. Nach Schätzungen der Medienorganisation Alliance for Audited Media ist die Auflage des Magazins von 5,6 Millionen Exemplaren im Jahr 1975 auf heute 800.000 geschrumpft. Im Gegensatz zu der US-Ausgabe will der deutsche Playboy weiterhin nackte Frauen im Heft zeigen. Das machte der Chefredakteur von Playboy Deutschland, Florian Boitin, am Dienstag klar. Auf die Ausrichtung und die Gestaltung des deutschen Playboy hat die Entscheidung der Amerikaner keinen Einfluss. Das heißt, wir halten an unserem erfolgreichen Konzept auch in Zukunft fest, sagte er. Der Zwölfjährige in mir ist sehr enttäuscht, sagte Redakteur Cory Jones, der Hefner den Vorschlag zur Umgestaltung unterbreitet hatte. Aber es ist die richtige Entscheidung. Privatklage Jürg Christandls bleibt nach Vorwurf der Bildmanipulation aufrecht – FPÖ-Anfrage wegen "Falter"-Journalistin. Wien – Obwohl die Abgeordneten im Parlament eine Auslieferung Heinz-Christian Straches einstimmig abgelehnt haben, ist die Fotocausa für den FPÖ-Chef juristisch noch lange nicht vom Tisch. Kurier-Fotograf Jürg Christandl bestätigt im Gespräch mit dem STANDARD, dass er alle Möglichkeiten ausschöpfen werde, um von Strache eine Rücknahme seines Vorwurfs der Bildmanipulation zu erwirken. Vom abgewehrten Strafverfahren nicht tangiert ist das Zivilverfahren. Das befindet sich noch im Instanzenzug. Christandls Anwältin rechnet Ende des Jahres mit einer Entscheidung. Strache hatte ein Foto des Kurier-Fotografen Anfang Juni beim FPÖ-Protest vor dem Aslyquartier in Wien-Landstraße als gestellt bezeichnet. Zu sehen sind ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge vor FPÖ-Anhängern, die Schilder mit der Aufschrift Nein zum Asylantenheim hochhalten. Die dokumentierte FPÖ-Aktion hatte nicht nur in sozialen Medien für Empörung gesorgt, auch Bundespräsident Heinz Fischer verurteilte den Protest vor dem Flüchtlingsquartier. FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg. pic.twitter.com/lmceQwMbYP Neben Strache klagt Christandl wie berichtet auch den Wiener FPÖ-Obmann Johann Gudenus. Er hatte ähnlich wie Strache von einer inszenierten Aufnahme gesprochen. Zum Zeitpunkt des FPÖ-Protests seien nämlich gar keine Flüchtlingskinder anwesend gewesen, behauptete auch er. Die Privatklage Christandls lautet auf Unterlassung und Widerruf der ehrenrührigen und kreditschädigenden Behauptungen, sagt Margot Rest, Christandls Rechtsanwältin, zum STANDARD. Um Schadenersatzforderungen gehe es nicht. Christandl und der Kurier, der ebenfalls klagte, hatten bereits eine einstweilige Verfügung beim Handelsgericht Wien erwirkt. Strache darf demnach nicht mehr behaupten, dass das Foto gestellt sei. Die einstweilige Verfügung wurde in ihrem wesentlichen Teil vom Oberlandesgericht Wien bestätigt. Dagegen hat Strache einen außerordentlichen Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof erhoben. Anwältin Rest rechnet mit einer Entscheidung in den nächsten zwei bis drei Monaten. Wird Christandls Ansprüchen im Zivilverfahren letztinstanzlich stattgegeben, müsste Strache seine Behauptungen öffentlich als unwahr widerrufen – falls es vorher keinen außergerichtlichen Vergleich gibt. Darauf deute derzeit allerdings nichts hin, sagt Rest. Verliert Strache den Prozess, müsste der FPÖ-Chef beziehungsweise seine Partei die Verfahrenskosten übernehmen. Seine Anschuldigungen fielen in den ORF-Sendungen ZiB 2 und Im Zentrum. Einen Widerruf nach der ZiB 2 musste im Februar etwa die grüne Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser veröffentlichen. Der Grund waren Vorwürfe gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser, Kostenpunkt: 4.000 Euro. Zweiter Schauplatz ist das Verfahren gegen Johann Gudenus, Wiener Klubchef der Freiheitlichen und designierter nicht amtsführender Vizebürgermeister. In dem Privatanklageverfahren hat das Straflandesgericht Wien eine Anfrage an den Präsidenten des Wiener Landtags zur Aufhebung seiner Immunität gestellt. Das Begehren dürfte wie bei Strache abgelehnt werden, weil Gudenus Äußerungen in Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats stünden. Das sei parlamentarische Usance und politische Notwendigkeit, hieß es vonseiten der Nationalratsabgeordneten, die bei Strache einstimmig dagegen waren. Zivilrechtlich wird Gudenus von Christandl auf Unterlassung, Widerruf der ehrenrührigen und kreditschädigenden Behauptungen und Veröffentlichung des Widerrufs geklagt. Gudenus hatte in einem Puls-4-Interview von einer gestellten Aufnahme gesprochen und dass Kinder für Fotos missbraucht würden. Auch der Kurier ließ eine Klage prüfen, verzichtete aber darauf, weil Gudenus Zielscheibe nicht die Zeitung, sondern der Fotograf selbst gewesen sei. Nebenschauplatz der gerichtlichen Auseinandersetzung rund um das Foto von der FPÖ-Aktion ist eine parlamentarische Anfrage der FPÖ-Abgeordneten Dagmar Belakowitsch-Jenewein. Sie möchte von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wissen, wie Falter-Journalistin Nina Horaczek an den Namen der Flüchtlingsfamilie gekommen sei, die Christandl vor dem Asylquartier fotografiert hatte. Horaczek veröffentlichte im Falter ein Interview mit der Familie. Belakowitsch-Jenewein urgiert eine Befragung der Journalistin nach ihren Quellen. Und fragt etwa Wie rechtfertigte die Journalistin ihr Vorgehen, Daten über illegale Wege zu erfragen? und Wurde bereits im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen nachgeforscht, wer ganz offensichtlich den Datenschutz missbraucht und Daten von Asylwerbern an Journalisten weitergibt?. Die FPÖ hat wie berichtet Horaczek den Einlass zu ihrer Feier nach der Wien-Wahl verweigert. Mit der Begründung, es gebe keine Pflicht, jemanden einzuladen. Horaczek schreibt seit Jahren ähnlich wie Profil-Journalistin Christa Zöchling, die ebenfalls keine Akkreditierung erhielt, kritisch über die Freiheitlichen. Gründer der Satirezeitung schreibt ab sofort wöchentlich in der "Wiener Bezirkszeitung". "Tagespresse"-App ab nächster Woche verfügbar. Wien – Die Online-Satirezeitung Die Tagespresse steigt ins Printgeschäft ein. Die Wiener Bezirkszeitung (BZ) veröffentlicht mit der Mittwoch-Ausgabe wöchentlich einen eigens für die BZ verfassten Satireartikel von Tagespresse-Gründer Fritz Jergitsch. Der Artikel erscheint eine Woche später auf dietagespresse.com. Jergitsch erhofft sich von der Kooperation, neue Leser zu erreichen, die nicht auf Facebook aktiv sind. Die angekündigte Tagespresse-App soll ab nächster Woche in den App-Stores von Apple und Android verfügbar sein. Christoph Biró gab in einem Kommentar längst widerlegte Gerüchte über Flüchtlinge wieder. Graz/Wien – Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat bei der Staatsanwaltschaft Graz eine Sachverhaltsdarstellung zum umstrittenen Flüchtlings-Kommentar des Chefredakteurs der Steirerkrone eingebracht. Chefredakteur Christoph Biró spricht darin von Plünderungen, sexuellen Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge – Gerüchte, die vor allem in sozialen Medien seit langem kursieren und teils längst widerlegt wurden. Laut SOS Mitmensch sei nun zu prüfen, ob der Kommentar nach dem Strafgesetzbuch als Verhetzung und/oder die wissentliche Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte zu beurteilen sei. Biró hätte in seinem Kommentar Angst und Misstrauen gegen Schutzsuchende geschürt. Für keines dieser Gerüchte gibt es bisher einen Beleg, sagt Alexander Pollak, Sprecher der Organisation, in einer Aussendung. Die steirische Landtagsabgeordnete Sabine Jungwirth (Grüne) verlangt in einem offenen Brief an den Chefredakteur der Steirerkrone die Offenlegung der Quellen seines Kommentars in der Sonntagsausgabe der Zeitung. Biró möge offenlegen, woher er etwa Informationen zu Supermarktplünderungen durch Flüchtlinge habe, was ein Sprecher des Innenministeriums auf derStandard.at dementiert hatte: Wissen Sie mehr als die Polizei und das Innenministerium?. Chefredakteur Voigt habe drei Redakteure gekündigt, berichtet das Medienportal turi2.de. Zürich/Wien – Watson.ch kündigt Sparmaßnahmen an, berichtet das Medienportal turi2.de. Die Zahlen seien unter den Erwartungen geblieben. Chefredakteur Hansi Voigt habe drei Redakteure gekündigt, wobei zwei der offenen Stellen nicht nachbesetzt würden. Ebenso sollen Mitglieder der Geschäftsleitung und Chefredaktion auf einen Teil ihrer Löhne verzichtet haben. Ob das Portal wie geplant 2016 in Österreich starten wird ist nicht klar. Watson.ch-Gründer Voigt hat im Juni im Gespräch mit der APA erklärt, er wolle Watson.at launchen – allerdings wäre zuerst der Start in Deutschland geplant. Plant, noch ungenannt, "Neues" – Anteile abgegeben. Wien – Seine Anteile am Datum-Verlag hat er schon im Juni abgegeben, nun verabschiedet er sich auch aus der Chefredaktion des politisch-gesellschaftlichen Monatsmagazins mit Qualitätsanspruch: Stefan Kaltenbrunner, 48 und seit sechs Jahren Datum-Chefredakteur, will etwas Neues machen, erklärt er auf Anfrage des STANDARD nach dem Hintergrund seines Abschieds. Was das Neue ist, verrät er vorerst nicht. Kaltenbrunner verneint, dass er womöglich in die Verlagsgruppe News zurückkehrt. Der Arabist und Afrikanist war Mitglied der Chefredaktion von E-Media, bevor er 2008 Vize, 2009 Nachfolger von Datum-Gründungschef Klaus Stimeder wurde. Er betrieb zudem eine Textagentur. Kaltenbrunner holte 2014 Stefan Apfl vom Falter zu Datum, er leitet das Magazin vorerst interimistisch. Der Datum-Verlag gehört seit Juni komplett der Medecco-Magazingruppe (Parnass, Architektur aktuell) im Besitz von Horst Pirker (55). Pirker leitet seit Juni 2014 im Hauptjob die Verlagsgruppe News (News, Woman, Profil, TV-Media, E-Media, Trend), die den österreichischen Magazinmarkt beherrscht. Pirkers Sohn Georg (28) ist Geschäftsführer von Datum-Verlag und Medecco. Im Juli 2016 löst Clemens Pig den Geschäftsführer Peter Kropsch ab. "Topziele" sind definiert: Qualität, Effizienz, Bewegtbild, "Krone". STANDARD: Nachrichtenplattformen wachsen im Web wie die Schwammerln. Haben Agenturen Chancen in Zukunft? Kropsch: Man muss zwischen kommerziellen und publizistischen Modellen unterscheiden. Agenturen bieten hohe Qualität verlässlich über lange Zeit. Da sehe ich im Moment wenige Alternativen. Beim kommerziellen Modell ist das etwas anderes. Die Marke läuft plötzlich auf einem anderen Kanal. Medienmarken müssen genau aufpassen, in welchem Ausmaß sie sich darauf einlassen müssen. Pig: Eines ist klar: Wir reden nicht pauschal von einer Medienkrise, sondern höchstens von einer Medienfinanzierungsnotwendigkeit. Die Nutzung von Onlineinhalten speziell bei mobilen Zugriffen geht deutlich nach oben. Das ist der gute Befund. Wie in dieser Entflechtung die Kapitalisierung vor sich geht, ist ein offenes Thema, und davon sind Nachrichtenagenturen in weiterer Folge betroffen. STANDARD: Zum Führungswechsel drängt sich der Rückblick auf. Wie bilanzieren Sie die Ära Kropsch? Pig: Ich ziehe keine Bilanz. Die Zukunft interessiert mich mehr. Die dpa ist in engem Austausch mit der APA, ich freue mich darauf, weitere Projekte zu entwickeln. Kropsch: Ich kann ein bisschen unverklausulierter sein. Es gab einschneidende Themen: die gemeinsame Anstrengung, die freien Mitarbeiter in neue Dienstverhältnisse einzubringen. Ich danke Gewerkschaft und Betriebsrat, dass das ohne gröbere Konflikte über die Bühne gegangen ist. Beschäftigt hat uns weiters unsere internationale Ausrichtung. STANDARD: Nicht gelungen ist, die Kronen Zeitung an Bord zu bringen. Die Hoffnung stirbt zuletzt? Kropsch: Die Kronen Zeitung zählt nach wie vor zu unseren Topzielen. Die Anzeichen schauen derzeit so aus, dass es mir vielleicht nicht gelingen wird, aber ich gebe den Stab an den Clemens weiter. Pig: Man muss in jedem Fall ein gutes Angebot liefern und es weiter probieren. Manche Dinge erfordern Beharrungsvermögen. Jedes Medium ist in einer Transformationsphase – wenn wir das richtige Angebot haben und sich ein Zeitfenster seitens der Kronen Zeitung öffnet, bin ich überzeugt, dass es gelingen kann. STANDARD: Manager, die einen neuen Job antreten, nehmen gern Mitarbeiter mit. Ziehen Sie Leute ab? Kropsch: Ich darf sagen, dass die Übersiedlung nach Hamburg mit der ganzen Familie nicht ganz untricky ist. Ob ich jemanden mitnehme – das ist noch so weit weg. STANDARD: Welche Pläne haben Sie mit dem APA-Kiosk? Kropsch: Der Kiosk ist super. Hier laufend zu investieren ist auch Teil der strategischen Vision. STANDARD: Wie weit ist Blendle ein Konkurrent? Kropsch: Wie sich immer wieder zeigt, tut es dem Markt ganz gut, wenn mehrere Player mit einer ähnlichen Idee auftreten. Das Thema Einzelabrufe von Ausgaben ist im Nutzungsverhalten noch nicht durch. Da wird es noch viele Spielarten geben. Medienmarken müssen sich überlegen, ob sie auf jedem Baum sitzen wollen, der frisch aus dem Boden sprießt. Ich bekomme alle Zustände, wenn wir wieder gute Ratschläge hören: Nehmt euch ein Beispiel an der Musikindustrie! Es gibt, glaube ich, keinen Zeitungsartikel, den man hundertmal konsumiert wie eine Musiknummer. STANDARD: Die Zukunft traditioneller Medien wird allgemein gern pessimistisch bewertet. Machen Sie sich Sorgen um Ihre Kunden? Pig: Medien tendieren dazu, sich selbst keine rosige Zukunft zu geben. Der Bedarf nach Leuchtturmfunktionen, nach Orientierung steigt aber, und den decken Nachrichtenagenturen ebenso wie die traditionellen Medienmarken. Das löst natürlich nicht das Dilemma, wie das zu finanzieren ist. Da sind wir gerade dabei, das zu lösen. Ich sehe aber überhaupt keinen Bedeutungsverlust des Journalismus. Ganz im Gegenteil. Kropsch: Wir haben manchmal einen Problemlösungsansatz wie im Italowestern: Wenn ich das Problem erschieße, geht die Sonne auf, und alles funktioniert. Wir müssen vieles probieren und heilige Kühe schlachten. STANDARD: Die wo wären? Kropsch: Medien machen es uns vor. Vor 15 Jahren wäre das Zusammenlegen von Vertrieben undenkbar gewesen, heute wird kooperiert. STANDARD: Wo sehen Sie die größten Herausforderungen in der Nachrichtenproduktion? Kropsch: Beim Bewegtbildmarkt muss sich etwas tun, sonst landet das Geschäft komplett auf Youtube. Wir müssen ein sinnvolles Inventar an österreichischen Inhalten produzieren und reden mit unseren Eigentümern darüber, unser Bewegtbildangebot massiv auszubauen. Dabei geht es nicht um Formate wie im Fernsehen, sondern auch um kurze, schnelle Schnitte zu jeder Breaking News. STANDARD: Mit gleichen Ressourcen womöglich. Wie geht sich das aus? Kropsch: Wir stehen leider vor der Realität, dass die verfügbaren Mittel nicht größer werden. Unsere Eigentümer sind empfindlich, wenn der Basisdienst nächstes Jahr etwas mehr kosten soll. Wir müssen auf die Effizienz schauen. STANDARD: Da scheinen noch einige heilige Kühe auf die Schlachtbank geführt zu werden. Pig: Nach innen hin haben wir schöne Beispiele, wie wir Effizienz steigern. Das ist unsexy, aber es ist zu tun. Gleichzeitig gibt es viele engagierte Mitarbeiter, die das mittragen und mitgehen wollen. Ich habe nicht den Eindruck, dass es an Ideen mangelt. Kropsch: Die Geschichte der APA ist eine permanente Suche nach dem richtigen Zeitpunkt. Wir sind im österreichischen Markt mit recht unterschiedlichen Geschwindigkeiten unterwegs. Wir investieren jedes Jahr rund drei Millionen Euro in Infrastrukturen, neue Technologien. Wir werden über kurz oder lang Programmierer in der Redaktion sitzen haben. Pig: Das Berufsbild der Redaktion verändert sich. Es geht darum, diese Customer-Journeys zu verstehen, am unmittelbaren Bedarf anzusetzen. Das wird das Zukunftsthema sein. Managing Director geht mit Jahresende auf eigenen Wunsch. Wien – Birgit Gasser, Managing Director der Magazine Trend und Format, verlässt die Verlagsgruppe News mit Jahresende – auf eigenen Wunsch, wie es heißt. Gasser war bei der VGN zuerst für die Vermarktung der digitalen Aktivitäten in der News Networld verantwortlich. Zuletzt war sie Managing Director und leitete die Vorbereitung der Zusammenführung von Trend und Format. Provozierendes Cover der "New York Daily News" rund um Waffendebatte. New York – Nach der Bluttat im kalifornischen San Bernardino mit insgesamt 16 Toten hat eine New Yorker Tageszeitung mit ihrer Titelseite Aufsehen erregt. Gott bringt das nicht in Ordnung stand am Donnerstag in Großbuchstaben auf der New York Daily News. Während die jüngste Gruppe unschuldiger Amerikaner in Blutlachen liegen gelassen werden, verstecken sich Feiglinge, die die Waffenplage ernsthaft beenden könnten, weiterhin hinter bedeutungslosen Plattitüden. This has been on the cover far too often. https://t.co/kpSUXcAiOA pic.twitter.com/BrHzTr5zsU Daneben druckte die Zeitung vier Twitter-Mitteilungen von US-Politikern und Präsidentschaftsbewerbern, die alle angeben, dass sie für die Opfer und Angehörigen beten wollen. Diese Formulierung ist in den USA, wo sich ein großer Teil der Menschen als religiös bezeichnet, weitverbreitet, aber auch umstritten. Zahlreiche andere Medien, Politiker und Kommentatoren im Internet schlossen sich der Daily News an und forderten angesichts immer neuer bewaffneter Attacken und Schießereien endlich Taten gegen Waffengewalt und keine nutzlosen Gebete. Andere kritisieren das provozierende Cover und riefen dazu auf, sich nicht über Gebete lustig zu machen. Die 1919 gegründete New York Daily News, die dem Medienmogul Mortimer Zuckerman gehört, gilt als deutlich weniger elitär als die New York Times und hat eine Auflage von rund 300.000 Exemplaren. Wiener FPÖ-Chef entschuldigt sich nach Vorwurf der Bildmanipulation, "Kurier"-Fotograf zieht Klage zurück. Wien – Was im Zusammenhang mit Flüchtlingen begann, endet auch mit Flüchtlingen: Johann Gudenus, Klubobmann der Wiener FPÖ, spendet an die Flüchtlingshilfe des Wiener Roten Kreuzes. Nicht weil er plötzlich sein soziales Gewissen entdeckt hat, sondern um die juristische Auseinandersetzung mit Kurier-Fotograf Jürg Christandl zu beenden. Christandl hatte Gudenus zuvor auf Unterlassung, Widerruf der ehrenrührigen und kreditschädigenden Behauptungen und auf Veröffentlichung des Widerrufs geklagt. Gudenus hatte in einem Puls-4-Interview von einer gestellten Aufnahme gesprochen und behauptet, dass Kinder für Fotos missbraucht würden. Stein des Anstoßes war – wie mehrfach berichtet – eine Aufnahme Christandls Anfang Juni beim FPÖ-Protest vor dem Aslyquartier in Wien-Landstraße. Zu sehen sind ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge vor FPÖ-Anhängern, die Schilder mit der Aufschrift Nein zum Asylantenheim hochhalten. FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg. pic.twitter.com/lmceQwMbYP Gudenus hat sich nun am Freitag auf seiner Facebook-Seite entschuldigt. Er schreibt: Eine genaue Überprüfung des Sachverhaltes hat nunmehr ergeben, dass diese Unterstellung unwahr ist, und ziehe ich diese hiemit mit dem Ausdruck des Bedauerns zurück. Im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt Christandl, dass die Sache somit juristisch vom Tisch sei. Gudenus habe der Flüchtlingshilfe des Wiener Roten Kreuzes 2.500 Euro gespendet. Es ging mir einfach um die Wiederherstellung meines Rufs, sagt Christandl, persönlich wollte ich kein Geld von Gudenus. Richtigstellung von Gudenus bezüglich meines Flüchtlingsfotos. #fpö pic.twitter.com/L8jDQ44JEp Laut Christandls Rechtsanwältin Margot Rest wurden alle Forderungen erfüllt. Gudenus habe widerrufen, gespendet und die Anwaltskosten übernommen, sagt Rest dem STANDARD. Das Geld für die Flüchtlinge komme von Gudenus persönlich und nicht aus der Klubkassa der Partei, versichert die FPÖ Wien auf STANDARD-Anfrage. Von der Causa Gudenus unberührt ist die Klage gegen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Er hatte ebenfalls von einer inszenierten Aufnahme gesprochen – etwa bei Im Zentrum oder in der ZiB 2. Zum Zeitpunkt des FPÖ-Protests seien nämlich gar keine Flüchtlingskinder anwesend gewesen, behauptete auch er. Die Privatklage Christandls lautet auf Unterlassung und Widerruf der ehrenrührigen und kreditschädigenden Behauptungen. Der Fall ist noch nicht entschieden. Das Buch "Die neue Macht der Öffentlichkeit" stellt die Frage nach dem Verhältnis zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung. Wien – Die im Moment viel diskutierte Sorge um die Qualität im Journalismus steht in unmittelbarem Zusammenhang mit einem ebenso eifrig besprochenen Bedeutungsverlust der gesamten Zunft. Inhalte nachrichtlicher Natur strömen aus allen Kanälen, ob sie glaubhaft sind, entscheidet der/die UserIn, bestenfalls stützt er/sie sich auf Mehrheitsverhältnisse: Als glaubwürdig wird interpretiert, wer oder was die meisten Likes hat. Gar manchem scheint angesichts dessen Endzeitstimmung zu befallen. Journalisten als Lieferanten verlässlicher Information wirken innerhalb solcher Deutungsmacht wie Relikte aus einer anderen Zeit. Das Bild vom Gatekeeper, der die Schleuse wartet und Nachrichten nach seinem Berufsverständnis durchfließen lässt, die wiederum auf eine homogen geordnete Öffentlichkeit treffen, ist in diesem Denkkonzept nicht weniger antiquiert. Die Frage nach dem Verhältnis zwischen öffentlicher und veröffentlichter Meinung stellt das Buch Die neue Macht der Öffentlichkeit. Der Kampf um die Meinungsmacht in Österreich, herausgegeben von Rudi Klausnitzer, Marcin Kotlowski und Markus Pöllhuber, erschienen im Cadmos Verlag. In dem 192 Seiten starken Band geben namhafte Persönlichkeiten der Branche Antworten – und diese sind zumindest nicht ausschließlich pessimistischer Natur. Die Öffentlichkeit ist im Wandel mit gravierenden Folgen für den Journalismus, diagnostiziert Rainer Esser, Geschäftsführer der Zeit. Medien müssten damit umgehen lernen, denn die zusätzlichen Kanäle seien eine große Chance für uns. Journalismus habe an Ausdrucksmöglichkeiten und Darstellungsformen gewonnen, argumentiert Esser. Den Eros der klassischen Medien, beschwört News-Chef Horst Pirker, wenngleich er ihr morbide Blässe einräumt. Jetzt werden die Mauern geschleift, die Tore verlieren ihre Funktion, beschreibt fjum-Geschäftsführerin Daniela Kraus den derzeitigen Zustand an der Nachrichtenschleuse. Die neuen Gatekeeper seien Apple, Google, Facebook Twitter, LinkedIn, Instagram, Pinterest, Tumblr, Flickr etc., schreibt Pirker. Die Meinungsmacht der Medienkonzerne im Sinken sieht STANDARD-Vorstand Alexander Mitteräcker. Er wartet langfristig, dass gewisse globale Player, die nicht journalistischen Ursprungs sind, einen Großteil des Marktes dominieren werden. Der hohe Stellenwert von Onlinemedien werde auch in Zukunft erhalten bleiben. Besonders interessant, findet Mitteräcker, wie mögliche Synergien mit klassischen Medien aussehen könnten. Rahmenbedingungen dazu stellt Medienminister Josef Ostermayer in Aussicht: Ich werde die Anstrengungen verstärken, noch in dieser Legislaturperiode einen Entwurf- für ein Medien-Gesetzespaket vorzulegen. Die Qualität des Journalisten hat viel mit deren eigenem Hintergrund zu tun, schreibt RTR-Chef Alfred Grinschgl. Ein Qualitätsurteil ließe sich nur über einzelne Vertreter des Berufsstands abgeben, aber nicht über den Journalismus selbst. Die Frage Was bedeutet das für die Demokratie?, stellt Profil-Chefredakteur Christian Rainer, und beantwortet sie selbst: In Wahrheit gibt es sehr, sehr mächtige Menschen und ihre Maschinen, die in meinen Augen eine relativ große Bedrohung für die Demokratie, damit für die Gesellschaft sein könnten. Ein Schlupfloch, wie Medien dieser Bedrohung entgehen könnten, schlägt Co-Herausgeber Marcin Kotlowski, und Geschäftsführer der WH Medien, vor: Der Veränderung können wir mit Instrumenten begegnen, die sich seit Jahrzehnten menschlicher Organisation nicht verändert haben: ein Ziel definieren und Menschen dafür begeistern, an einem Strang ziehen, Motivation und Offenheit zulassen, Früchte ernten und zum Wohl aller einsetzen. Wenn Han Solo in "Star Wars" Deutsch spricht, steckt seit 38 Jahren Synchronsprecher Wolfgang Pampel dahinter – eine Bindung auf Lebenszeit. Wien – Ob ihm der Film gefalle, könne er nicht sagen. Wolfgang Pampel hat bis jetzt nur wenige Szenen gesehen. Genau genommen nur jene, in denen Han Solo vorkommt. Und auch hier keine Details: Der Bildschirm ist beim Sprechen dunkel, man sieht nur die Gesichter. Wolfgang Pampel ist der deutsche Synchronsprecher von Harrison Ford. Und das seit fast 40 Jahren. Was 1977 mit Krieg der Sterne begann, geht mit Star Wars VII: Das Erwachen der Macht weiter. Es waren Déjà-vu-Erlebnisse, so beschreibt Pampel im Gespräch mit dem STANDARD die Synchronisierungsarbeiten, die Anfang Dezember in Berlin stattfanden. Nach so vielen Jahren die alten Helden wiederzusehen, ist merkwürdig und berührend zugleich. Damals, 1977, wurde er gefragt, ob er Probeaufnahmen machen wolle. Es habe geheißen, dass irgendein neuer US-Science-Fiction-Film ins Kino komme. Zu mir haben sie gesagt: Synchronisieren Sie diesen gutaussehenden, jungen Mann. Das war ein 35-jähriger Schauspieler, der noch auf seinen Durchbruch wartete: Harrison Ford. 38 Jahre später ist der 73-jährige Ford ein hochdekorierter Star und Pampel ein erfolgreicher Schauspieler und Synchronsprecher. Dutzende Ford-Filme wurden auf Deutsch synchronisiert. Ob Star Wars, Indiana Jones oder Blade Runner – immer mit Pampels Stimme. Und ein Ende der Beziehung, die nie zu einem persönliche Treffen führte, ist nicht in Sicht. Denn weder Ford noch Pampel denken ans Aufhören. Der eine, weil er Filme am laufenden Band dreht, der andere, weil ihm das Synchronisieren Spaß macht und er sich dem Publikum verpflichtet fühlt. Es ist fürchterlich, wenn ein bekannter Schauspieler eine neue Stimme bekommt, sagt der 70-jährige Pampel. Erst recht, wenn sie so markant ist wie seine. Man kann das den Leuten nicht antun. Eine Art Verpflichtung auf Lebenszeit, die nie in einen langfristigen Vertrag gegossen wurde. Jede Rolle wird aufs Neue verhandelt. Eigentlich keine schlechten Karten, um ordentlich bezahlt zu werden, oder? Theoretisch ja, sagt Pampel und relativiert gleich wieder. Es gehe ihm nicht ums Geld: Reich werde ich damit nicht. Vor zwei Jahren sprach Pampel im STANDARD-Porträt von einer Gage, die rund 2.500 Euro pro Ford-Film betrage. Das sei noch aktuell, sagt er heute, vielleicht ist es etwas mehr. Die Vergütung orientiere sich an der Anzahl der Takes, angemessen sollte sie sein. Schließlich müsse er für die Aufnahmen von seiner Heimat Altaussee nach Berlin fahren. Was beim ersten Stars-Wars-Film 1977 rund eine Woche dauerte, geht heute in zwei bis drei Tagen. Das Synchronisieren habe sich stark verändert, es sei steril geworden: In früheren Zeiten sind wir zusammengekommen und haben den Film gesehen. Gesprochen wurde mit dem Partner. Mehr Schauspiel, mehr Spannung sei das gewesen. Ein gegenseitiger Stimulus, der inspirierend war. Als Beispiel nennt er den Film Sabrina, eine Komödie aus dem Jahr 1995 mit Ford und Julia Ormond: Spricht eine Schauspielerin neben einem, geht vieles von selbst. Sie wirft die emotionalen Bälle zu und man wirft sie zurück – oder eben umgekehrt. Es wäre viel einfacher, die gesamte Szene zu sehen und gemeinsam zu sprechen: Heute muss jeder schauen, wo er mit seiner Fantasie bleibt. Der Regisseur erklärt die Szenen, um eine Vorstellung davon zu bekommen, aber: Schön ist das nicht. Effizienzsteigerung ist ein Grund, die Angst vor Raubkopien der andere. Aber ohne Nachteile keine Vorteile: Es geht wahnsinnig schnell und man muss die Fehler der Kollegen nicht in Kauf nehmen. Pampel würde es lieber mit dem Credo des bekannten deutschen Synchronsprecher Arnold Marquis (John Wayne, Bud Spencer) halten. Als Marquis im Studio zur Eile gemahnt wurde, habe er gesagt: Ja, ja, meiner Putze muss es hinterher gefallen. Die fragt sich im Kino nicht, wie viele Anläufe ich gebraucht habe, sondern nur, ob es gut oder schlecht ist. War es vor vielen Jahren noch Gestöhne für Pornos, später das Sprechen von Schauspielern wie Gérard Depardieu, Michael Caine und Larry Hagman oder Hörbücher, ORF-Dokumentationen und Werbungen, ist es heute nur noch Harrison Ford. Die Ausnahmen heißen Larry Hagman und 2011 Anthony Hopkins in dem Episodenfilm 360. Hopkins synchronisierte er bereits einmal, nämlich 1980 in Jahreszeiten einer Ehe mit Shirley Mac Laine und Bo Derek. Eine furchtbare Schmonzette, so Pampel. Nach so einer langen Pause sei das unglaublich spannend gewesen. Hopkins ist in der Zwischenzeit zum Star avanciert. Bei Hopkins gerät Pampel ins Schwärmen, er sei sensationell: Seine Monologe sind ein Spannungsfeld zwischen seiner Präzision und dem Eindruck, dass er zögert, also Pausen einlegt. Das ergibt eine unglaubliche Wirkung. Dallas-Fiesling Hagman hätte er gerne länger gesprochen, doch nicht weniger als der Tod trennte sie. Nach der Reanimation von Dallas 2012 habe ihn der Produzent angerufen und gesagt: Auf eine lange, gute Zusammenarbeit. Doch Hagman starb bereits Ende 2012. Umgekehrt war es bei Homer Simpson und seiner deutschen Synchronstimme, Norbert Gastell, der Ende November 86-jährig starb. Das ist der Albtraum eines Produzenten, sagt Pampel, aber so ist das Leben. Das Entsetzen der Simpsons-Fans dokumentiere sehr gut, wie Figur und Stimme zur Einheit verschmelzen. Das ist Identifikation. Synchronisieren war für Pampel immer nur ein Nebenjob, reich wird man davon nicht, sagt er, außer vielleicht in Berlin oder München. Schuftet man Schicht für Schicht, stimme das Salär: Das ist Knochenarbeit. Pampel wurde 1945 in Leipzig geboren. In der DDR lernte er die Kunst des Schauspielens, bis er 1974 nach einem Gastspiel in Wiesbaden in der Bundesrepublik blieb. Später verschlug es ihn nach Berlin ins Schillertheater und dann nach Wien. Er spielte am Wiener Burgtheater, am Theater an der Wien, im Raimundtheater, in Filmen und Musicals. Die letzten Filmrollen waren 2013 in Blutgletscher und 2014 in Die zweite Chance. Seine letzte Bühne war jene im Theater an der Josefstadt. In Pension ist er bereits, obwohl er nie offiziell Abschied als Schauspieler genommen hat. Die Option für ein Comeback hält sich der 70-Jährige offen. Obwohl er zur Premiere geladen war, wird er den neuen Film frühestens Ende Dezember, vielleicht sogar erst im Jänner sehen. So eine lange Beziehung nimmt den Zunder, obwohl Star Wars schon ein besonderes Feuerwerk sei: In der Gesamtheit ist das unübertroffen. Eine Unglaubliche Fantasie, die bis in alle Einzelheiten reicht und filmisch fantastisch umgesetzt wird. Alleine mit Geld und Special Effects lasse sich die Zuneigung des Publikums nicht erkaufen. Das ist das Spannende an dem Gewerbe, sonst wäre es sinnlos und abgeschmackt. Im Kino versucht sich Pampel zu entspannen, auch wenn das bei eigenen Filmen nicht immer leichtfällt. Und bei Star Wars? Bei gewissen Szenen kann es passieren, dass ich mir denke: Hätte ich gewusst, wie die Zusammenhänge sind, hätte ich es anders gemacht. Organisationen werben mit Rabatten um Mitglieder – Kritik: "Viel mehr Ausweise als Journalisten". Wien – Für Recherchen, bei Kontakten mit der Polizei und Behörden oder für Akkreditierungen benötigen ihn Journalisten manchmal: den Presseausweis. Ausgestellt werde er aber inflationär und nicht selten beantragt, um Vergünstigungen zu bekommen. Es gibt Presseausweise wie Sand am Meer, sagte Eike-Clemens Kullmann, Geschäftsführer des Kuratoriums für Presseausweise, zum STANDARD. Kullmann meint aber nicht die eigenen – über das Kuratorium sind derzeit 5.800 Presseausweise im Umlauf –, sondern Organisationen, die mit Presseausweisen Geschäftemacherei betrieben, denn: In Österreich existiert weder ein offizieller Presseausweis, noch gibt es einheitliche Kriterien für die Vergabe. Die Marke lässt sich nicht schützen. Wie viele insgesamt zirkulieren, lasse sich nicht seriös schätzen, nur so viel: Es sind viel mehr Ausweise als Journalisten. Computerarbeit kann zu Haltungsschäden führen, Journalisten sollten sportlich und adrett sein. So oder so ähnlich könnte das Argumentarium hinter folgenden Angeboten lauten. Physiotherapie, 10 Prozent Exklusivrabatt in einer Praxis, Rabatte bei der Ausbildung zum Sporttaucher in einer Tauchschule, Sonderkonditionen in einem Fitnesscenter, Sonderrabatt bei Maßanzügen oder 20 Prozent Sonderrabatt beim Besuch eines bestimmten Friseursalons. Das sind nur fünf von vielen Vergünstigungen, mit denen der Österreichische Journalistenclub (ÖJC) auf seiner Webseite um Mitglieder wirbt. Daneben gibt es beim ÖJC, der sich für Pressefreiheit einsetzt, Seminare anbietet und Journalistenpreise vergibt, aber auch nützliche Angebote für den Job – wie Zugang zu Mailinglisten oder eine Rechtsschutzversicherung. Um in den Genuss solcher Goodies zu kommen, ist eine Mitgliedschaft Voraussetzung. Nach einer einmaligen Aufnahmegebühr von 110 Euro ist man mit 79 Euro pro Jahr dabei. Was winkt, ist der Presseausweis – aber nur für journalistisch tätige Personen, wie betont wird. Ein Tätigkeitsnachweis durch Chefredaktion oder Herausgeber sei erforderlich, was alle zwei Jahre überprüft werde. Von den aktuell 6.500 ÖJC-Mitgliedern hätten rund zwei Drittel einen Presseausweis. Eine solchen vergibt beispielsweise auch der Deutsche Verband der Pressejournalisten (DVPJ) für Österreich und wirbt gleich mit 32 Prozent Rabatt auf Neuwagen um Mitglieder. Mehr als 1.000 Unternehmen würden Sonderkonditionen gewähren, heißt es. Nach einer einmaligen Aufnahmegebühr von 117 Euro kostet der Presseausweis nur 36 Euro pro Jahr. Verlangt wird ein Veröffentlichungsnachweis, eine Redaktionsbestätigung oder ein ähnlicher Nachweis. Einen eigenen Presseausweis bringt jetzt auch die Branchenzeitschrift Der Österreichische Journalist ins Spiel, was vorige Woche bei Journalisten auf Twitter für Verwunderung sorgte. Neue und bestehende Abonnenten würden ihn als kostenloses Extra bekommen, wie es heißt. Limitiert ist die Aktion vorerst bis Ende März 2016. Die Idee dahinter ist, es als Service für die Journalisten unter den Lesern anzubieten, sagt Johann Oberauer, Herausgeber des Journalisten zum STANDARD. Wer einen Presseausweis möchte, müsse eine Bestätigung mitschicken, journalistisch tätig zu sein – etwa vom Arbeitgeber. Es ist nicht das Ziel, dass es jeder Hausmeister bekommt, so Oberauer. Der Presseausweis stünde mit keinerlei Rabattaktionen in Verbindung. Was Leute mit einem Presseausweis machen, müssten sie selbst entscheiden, sagt Oberauer. Er gehe von einem verantwortungsvollen Umgang aus und auch davon, dass er nicht für Rabatte missbraucht werde. Zum Beispiel, um an Akkreditierungen für Veranstaltungen, über die nicht berichtet wird, zu gelangen, oder für kostenlosen Eintritt in Museen. Bis vor wenigen Jahren stellten etwa die ÖBB eine eigene Vorteilscard für Journalisten aus. Sie kostete nur die Hälfte und brachte ein Gratis-Upgrade eines Ticktes zweiter Klasse für die Erste. Er selbst habe in seinen 30 Jahren als Journalist nie einen Presseausweis gebraucht, sagt Oberauer. Für viele, vor allem jüngere Kolleginnen und Kollegen, könne er aber für das Selbstverständnis als Journalist wichtig sein. Nach den Bewertungskriterien des Medienhauses Wien dürfte es in Österreich rund 7.000 Journalisten geben. Die letzte Erhebung für den Journalisten-Report fand in den Jahren 2006/2007 statt. Damals wurden 7.100 ermittelt. Eine Zahl, die noch aktuell sei, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Die Diskrepanz zwischen der Anzahl der Presseausweise und jener der Journalisten wird damit erklärt, dass etwa ganz oder überwiegend in Public Relations Tätige für den Journalisten-Report nicht gezählt wurden. Einen Presseausweis erhielten aber wohl auch Mitarbeiter der Landespressedienste, Rathauskorrespondenzen oder von Parteipressestellen und Ministeriensprecher. Das Österreichische Kuratorium für Presseausweise wird von vier Organisationen getragen: Journalistengewerkschaft, Zeitschriften- und Fachmedienverband, Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) und Syndikat der Pressefotografen. Medienvertreter können Ausweise entweder über ihre jeweiligen Organisationen beantragen oder direkt beim Kuratorium, sollten sie etwa als Freie für mehrere Medien arbeiten oder kein Gewerkschaftsmitglied sein. Sie müssen nachweisen, dass sie mindestens 1.200 Euro pro Monat aus journalistischer Arbeit lukrieren. Ohne Trägerorganisation im Rücken kostet der Ausweis nach einer einmaligen Einschreibgebühr von 50 Euro jährlich 70 Euro. Benötigt wird eine Strafregisterbescheinigung. Jeder Antrag werde genau geprüft, betont Geschäftsführer Kullmann. Möchte jemand ein Presseschild für das Auto, sind 20 Euro zu berappen. Privilegien sind damit keine verbunden. Presseausweise müssen einen Hintergrund haben, sagt Kullmann: Das ist eine Legitimation für die Ausübung des Berufs. Jener des Kuratoriums werde bei Behörden und Polizeidienststellen anerkannt – etwa, wenn es um Auskünfte oder Zugang zu Tatorten gehe. Um den Ausweis noch mehr zu stärken, gebe es Bestrebungen, eine offizielle Anerkennung über das Innenministerium zu erwirken. Die gab es bis Innenminister Ernst Strasser (2000 bis 2004). Ex-"Datum"-Chefredakteur nimmt Thomas Trescher und Christina Pausackl mit, von Servus TV kommt Christian Schwarz. Wien – Stefan Kaltenbrunner wechselt wie berichtet mit Jänner als Chefredakteur zu Kurier Online. Im Gepäck hat der langjährige Datum-Chefredakteur die Datum-Redakteure Thomas Trescher, zuletzt Chef vom Dienst beim Monatsmagazin, und Christina Pausackl, die als freie Journalistin für Datum und Zeit arbeitete. Weiterer Zugang beim Kurier ist mit Christian Schwarz noch ein ehemaliger Datum-Journalist, der später zu Servus TV wechselte. Kaltenbrunner kam 2008 aus der Chefredaktion von E-Media aus der Verlagsgruppe News zu Datum, 2009 wurde er Chefredakteur. Datum gehört inzwischen zur Gänze der Magazinholding Medecco von Horst Pirker. VÖZ-Präsident Kralinger: Bundesregierung soll Digital-Koordinator ernennen. Wien – Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zieht eine kritische Bilanz der Medienpolitik 2015. Insgesamt ist bei den wichtigen medienpolitischen Baustellen zu wenig weitergegangen, so VÖZ-Präsident Thomas Kralinger. Bei der Abschaffung des Amtsgeheimnisses, der Reform der Presseförderung oder der Umsetzung eines Leistungsschutzrechtes hätte man größere Schritte erwartet. Österreich braucht eine digitale Agenda, wünscht sich Kurier-Geschäftsführer. Die Digitalisierung betrifft keineswegs nur Medien sondern alle Branchen. Eine aktive digitale Wirtschaftspolitik ist essenziell für die Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Österreich. Moderne Rahmenbedingungen für eine erfolgreiche Umsetzung sowohl in der Wirtschaft als auch speziell im Medienbereich müssen von der Politik rasch festgelegt werden. Zuwarten ist keine Option mehr, die Digitalisierung muss stärker als Chance gesehen werden. Ein Digitalisierungsbonus, wie ihn Bayern plant, könnte ein guter Anreiz sein. Da es sich bei den Herausforderungen der Digitalisierung um eine klassische Querschnittsmaterie zwischen Bund, Ländern und Gemeinden handelt schlägt der VÖZ vor, dass die Bundesregierung einen Koordinator ernennt, der alle digitalen Vorhaben bündelt, vorantreibt und Orientierung schafft. Zugleich fordern die Zeitungsverleger gleiche Rahmenbedingungen für Print- und Digital-Medien. Digitalisierung braucht gleiche Voraussetzungen wie der Printbereich und inländische Betreiber dürfen nicht schlechter gestellt werden, sagt Kralinger. Als Beispiel führte der VÖZ-Präsident das Urheberrecht an. Das aktuelle Urheberrecht entstammt einer Zeit vor der Digitalisierung. Es begünstigt US-amerikanische Web-Giganten, die Inhalte gewerblich nutzen, ohne die Urheber an den dadurch erzielten Gewinnen zu beteiligen. In der analogen Welt wäre dieses Vorgehen undenkbar. Auch das Medienrecht müsse dringend an die heutigen Herausforderungen angepasst werden. Während üble Nachrede und Beschimpfung im Printbereich bis zu 50.000 Euro an Entschädigung kosten können, gilt für Facebook und Twitter dieser Grundsatz nicht, kritisiert er. Daher fordert der Verband, dass alle Sozialen Netzwerke, die sich an das heimische Publikum wenden, ebenfalls für das Handeln ihrer Nutzer haftbar gemacht werden müssen. Darüber hinaus sollte die Medienkompetenz gefördert werden. Im Zuge der Bildungsreform müsse die Bundesregierung einen stärkeren Fokus auf die Vermittlung digitaler Medienkompetenzen und die Leseförderung mittels Zeitungen und Magazinen legen. Egal welche Medien junge Menschen nutzen, Informationen müssen von ihnen kritisch hinterfragt werden. Darüber hinaus muss Media Literacy jungen Mediennutzern auch die Gefahren der digitalen Kommunikationskanäle vermitteln und sie beispielsweise in puncto Datenschutz schulen, erklärte Kralinger. Klaus Stimeder, Gründer des Monatsmagazins, kritisiert die Kooperation – "NZZ.at": Keine Adressen der "Datum"-Abonnenten. Wien – Abonnenten des Monatsmagazins Datum dürfte es schon aufgefallen sein: Sie haben über die Feiertage eine kostenlose Ausgabe des NZZ.at-Magazins, des Printablegers des Onlineportals NZZ.at, erhalten, was auf Facebook und Twitter für Diskussionen sorgt. Von einer charakterlosen und abstoßenden Methode schreibt auf Facebook Klaus Stimeder, der 2004 Datum zusammen mit Johannes Weyringer gegründet hat. Er wittert Weitergabe von Adressen und fragt: Wie bitte kommt Herr Fleischhacker an die Adressdatei der Datum-Abonnenten, um sein angebliches Clubmagazin zu bewerben? Wie ist so etwas möglich? Als Geburtshelfer des NZZ.at-Magazins fungierte mit Stefan Kaltenbrunner der ehemalige Datum-Chefredakteur, der – wie berichtet – Anfang Jänner Chefredakteur bei Kurier online wird. Auf STANDARD-Anfrage sagte Kaltenbrunner, dass er mit dem Abonnenten-Deal nichts zu tun habe. Datum gehört mittlerweile der Magazinholding Medecco von Horst Pirker, dem Chef der Verlagsgruppe News. Antworten auf STANDARD-Anfragen bei Pirker und NZZ.at sind noch ausständig. Auf Twitter schreibt NZZ.at, dass man nicht im Besitz der Adressen sei, sondern dass der Auftrag direkt von Datum an die Druckerei ging und eine Kooperation sei. @SabineBuerger Der Auftrag ging von Datum direkt an die Druckerei, somit haben wir keine Daten der Datum-Abonnenten. @dChris Anita Zielina, Digitalchefin der NZZ, erklärt Stimeder auf Facebook den Deal: Wir haben mit der Geschäftsführung von Datum vereinbart, das einmalige NZZ.at-Magazin im Dezember an Datum-Abonnenten versenden zu dürfen – dafür haben wir bei den NZZ.at-Abonnenten ein Abo von Datum empfohlen. Eine ganz normale Kooperation also, bei der keine Adressdaten bei uns gelandet sind, sondern die Druckerei den Auftrag durch Datum erhalten hat, das NZZ.at-Magazin einmalig mitzuverschicken. Konzipiert wurde das NZZ.at-Magazin inhaltlich und optisch als Monatsheft. Von der Aufmachung her ähnelt es Datum. Die Auflage soll bei 20.000 bis 25.000 Exemplaren liegen. Ob das Magazin in den Regelbetrieb geht, soll vom Erfolg der ersten Ausgabe abhängen. NZZ.at-Abonnenten bekommen den Titel kostenlos per Post nach Hause geliefert. Im Zeitschriftenhandel ist NZZ.at um 7,50 Euro erhältlich. In den Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf datum.at heißt es für Datum-Abonnenten zum Thema Datenschutz: Datum sichert dem Kunden die vertrauliche Behandlung seiner für die Geschäftsabwicklung notwendigen personenbezogenen Daten zu, auch soweit diese gespeichert werden. Datum weist darauf hin, dass es die im Zusammenhang mit dem Vertrag erhaltenen Daten erheben, speichern, verarbeiten und nutzen wird, soweit dies für die ordnungsgemäße Abwicklung des Vertrages und Information erforderlich ist. Internationale Journalistenverbände protestieren. Warschau – Polens Regierung will beim umstrittenen Umbau des Mediensystems keine Zeit verlieren. Die Gesetzesvorlage liegt dem Sejm bereits vor, zitierte die Nachrichtenagentur PAP am Dienstag den für die Reform zuständigen Medienpolitiker Krzysztof Czabanski. Demnach sollte der Entwurf der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) noch während der Parlamentssitzung am Dienstag beraten werden. Betroffen sind das öffentlich-rechtliche Fernsehen und der Rundfunk. Mit der Gesetzesänderung wollen Polens Nationalkonservative diese Medien in nationale Kulturinstitute umwandeln. Bisher sind sie als staatliche Unternehmen organisiert. In erster Etappe sei der Austausch der bisherigen Vorstände geplant, schrieb PAP unter Berufung auf Czabanski. Ihre Wahl steht künftig unter stärkerem Einfluss der Regierung. In zweiter Stufe würden die nationalen Medien anders organisiert und finanziert, hieß es. Die Vereinigung Europäischer Journalisten (AEJ) hatte angekündigt, am Dienstag in Warschau einen Protestbrief an die polnische Regierung zu übergeben. Sie drückt darin ihre tiefe Besorgnis aus, dass die geplanten Reformen das öffentlich-rechtliche Fernsehen und den Rundfunk unter die direkte Kontrolle der Regierung bringen würden. Die neue polnische Regierung verstößt laut AEJ unter anderem gegen eine Resolution des Europarates. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) hatte die Warschauer Pläne schon im Vorfeld kritisiert. Mit der Reform wolle Polens Regierung mehr Einfluss auf die Medien ausüben, warnte der DJV Ende November. Täglich 510 Millionen Exemplare verteilt – Immer mehr können lesen und schreiben. Neu-Delhi – In Indien wächst die Zahl der Zeitungsleserinnen und -leser trotz eines boomenden Onlinemarktes bisher ungebremst weiter. Im Finanzjahr 2014/15 (Anfang April bis Ende März) stieg die Zahl der jeden Tag in Umlauf gebrachten Publikationen um 13,3 Prozent. Dies teilte das Ministerium für Information am Dienstag unter Berufung auf die Medienhäuser mit. Demnach wurden in Indien täglich 510 Millionen Exemplare verteilt. Im Vorjahreszeitraum war der Anstieg bei 11,2 Prozent gelegen. Die Medien dürften sich auf diesen Erfolgen aber nicht ausruhen, erklärte Informationsminister Arun Jaitley. Die Internetrevolution stelle weltweit eine große Herausforderung dar. Analysten etwa von Pricewaterhouse Coopers erklären den nach wie vor wachsenden Zeitungsmarkt in Indien mit dem Anstieg der Bevölkerung auf nun 1,25 Milliarden Menschen. Außerdem wachse die Zahl derer, die lesen und schreiben können. Indische Zeitungen kosten oft nur wenige Cent, wohingegen Smartphones und Datenpakete relativ teuer sind. Erstmals sind in Indien im vergangenen Jahr mehr als 100.000 Publikationen wie Zeitungen und Zeitschriften registriert gewesen. Am meisten gelesen wurden Publikationen in Hindi, dann folgten Englisch und Urdu. Die größte indische Tageszeitung mit mehreren Ausgaben ist die englischsprachige Times of India: 4,6 Millionen Zeitungen werden davon jeden Tag in Umlauf gebracht. Der STANDARD fragte führende Medienmanager nach ihren Vorsätzen. Wien – Hört man sich in der österreichischen Medienbranche um, könnte für das Jahr 2016 durchaus Optimismus aufkeimen. Zumindest bemühen sich die führenden Personen des Geschäfts, diesen auszustrahlen. DER STANDARD hat Österreichs Medienmanager nach ihren Erwartungen, Wünschen und Vorsätzen für das Jahr 2016 gefragt. Zusammengefasst: Das herausfordernde Jahr 2015 hat man gut gemeistert, das noch herausforderndere Jahr 2016 will man noch besser meistern. Mitunter versteckt sich jedoch Interessantes zwischen den Zeilen. Maximilian Dasch, Geschäftsführer der Salzburger Nachrichten, kündigt etwa eine Fortsetzung der Offensive für Bezahlangebote im Internet an. Mit dem Ziel, sämtliche originären journalistischen Beiträge der Salzburger Nachrichten online im Abo oder einzeln zu verkaufen. Moser-Holding-Chef Hermann Petz kündigt weitere Investitionen in den Onlinebereich, insbesondere in den Ausbau unseres regionalen Plattformen-Angebots, an. Und Eva Dichand, derzeit in New York weilende Heute-Geschäftsführerin, will extrem viel Manpower und Cash in die Entwicklung unseres Digitalbereichs stecken – und privat endlich gesünder leben. Clemens Pig, noch Co-Geschäftsführer, hat bis Juli 2016 Zeit, um sich auf die neue Aufgabe als oberster APA-Geschäftsführer vorzubereiten – er folgt ja Peter Kropsch nach, der die deutsche Agentur dpa leiten wird. 2016 wird gut, weiß er jetzt schon. Die APA will er wirtschaftlich stabil halten, damit der Agenturjournalismus ein redaktioneller Leuchtturm und sicherer Hafen in der digitalen Informationsflut ist. Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, fasst für den Verlegerverband den Vorsatz, Österreichs Medienhäuser auf dem Weg in die digitale Zukunft noch besser zu begleiten und zu unterstützen. Politischen Akteuren will er Mut zusprechen, um Presseförderung, Leistungsschutzrecht und Fairness im digitalen Wettbewerb umzusetzen und im Interesse der Branche erfolgreich abzuschließen. Markus Breitenecker, Geschäftsführer von ProSiebenSat.1 Puls 4, forciert die Berieselung junger, kreativer Menschen mit Gründer- und Unternehmergeist. Zudem solle der Standort in Wien durch regelmäßige Ventures-Pitch-Events zum Start-up-Zentrum werden. Webstars sollen auch ins Fernsehen integriert werden. Optimismus im Privat-TV, zumindest ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger bemüht sich, ihn zu versprühen (Die Beliebtheitskurve von Fernsehen steigt und steigt). 2016 setzt man auf das Erfolgsrezept Eigenproduktionen inklusive verschiedener frauensuchender Berufsgruppen. Quotenerfolge verspricht sich Gastinger auch von der Wahl zum Bundespräsidenten im Frühling und der Männerfußball-EM – offenbar wird bei ATV am Beiprogramm zur exklusiven Übertragung der Spiele im ORF gebastelt. Apropos ORF: Generaldirektor Alexander Wrabetz befindet sich drei Wochen nach Ankündigung seiner Wiederkandidatur für das höchste Amt am Küniglberg schon im Wahlkampfmodus. Den anstehenden Herausforderungen könne der ORF aktiv begegnen und in seine Zukunft investieren. Die Innovationskraft des ORF will Wrabetz weiter stärken. Dazu will er seinen Beitrag leisten – im kommenden Jahr und den folgenden!. Wer kommenden August bis 2022 wiedergewählt werden will, fasst seine Vorsätze offenbar für längere Zeiträume. Joel Goodman hielt in Manchester die Szene einer Silvesternacht fest. BBC-Redakteur Roland Hughes machte das Foto auf Twitter bekannt, ohne den Urheber zu nennen. Wien/Manchester/London – Nicht nur für Tausende auf Twitter, sondern auch für viele andere ist das Foto des Jahres 2016 bereits gefunden. Gemacht hat es der freie Fotograf Joel Goodman, als er eine Szene in der Silvesternacht in Manchester festhielt. Zu sehen ist eine Art kollektives Delirium, das der Fantasie einer Malerin oder eines Malers entsprungen sein könnte. Taumelnde, Gefallene und Passanten, die nicht nur reichlich Alkoholkonsum vereint, sondern dass sie sich zu einem bestimmten Zeitpunkt am gleichen Ort befanden. So much going on this pic of New Year in Manchester by the Evening News. Like a beautiful painting. pic.twitter.com/szKKRM4U4i Entdeckt hat das Foto der BBC-Journalist Roland Hughes als 20. Bild einer Ansichtssache mit insgesamt 31 Fotos der Zeitung Manchester News online. Der Titel: Manchester parties hard into 2016. Hughes teilte das Foto am 1. Jänner auf Twitter. Die Folgen waren über 27.000 Retweets, unzählige Montagen und zahlreiche Artikel über das Foto. In einem Blogeintrag auf bbc.com erklärt Hughes, dass er überhaupt nicht damit gerechnet habe, dass das Foto für so viel Furore sorgen werde und entschuldigte sich gleichzeitig beim Fotografen, dass er ihn in seinem ersten Tweet nicht genannt hatte. Zeitung machte Werbung für die letzte Staffel der Fernsehserie "Downton Abbey". New York – Leser der New York Times sind am Sonntag von der etwas rustikalen Aufmachung des Blattes überrascht worden. Die als beste Zeitung der USA geltende NYT erschien als The Downton Times, um für den Start der sechsten und letzten Staffel der Serie Downton Abbey am selben Tag zu werben. Hinter der Titelseite verbarg sich die eigentliche Zeitung. Unter der Datumszeile 3. Jänner 1925 (Preis: 2 Pence) wurde für neue Damenfrisuren (kurze Haare sind im Trend) geworben. Leitartikel berichteten über Die Zwanziger: Ein Jahrzehnt der Kontraste und fragten: Wenn sich die Zeiten ändern, ändert sich auch die Moral? The Downton Times arrived w/ NYT today. Did they need more marketing? pic.twitter.com/k2GRmIaxxn Die für den Sender ITV produzierte Serie um eine englische Aristokratenfamilie im ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts gehört zu den erfolgreichsten Produktionen der vergangenen Jahre. "Focus" hingegen sieht keinen Grund, sich für sein Cover mit nackter Frau und dunklen Handabdrücken zu rechtfertigen. Die Süddeutsche Zeitung entschuldigte sich am Wochenende für eine Illustration zu sexueller Gewalt. Die Illustration war in der Wochenendausgabe erschienen und zeigt eine schwarze Hand auf einem weißen Frauenkörper. Nach heftiger Kritik postete Chefredakteur Wolfgang Krach am Sonntag auf Facebook, dass die Ilusstration stereotype Bilder vom schwarzen Mann, der einen weißen Frauenkörper bedrängt bediene und könne so verstanden werden, als würden Frauen zum Körper verdinglicht und als habe sexuelle Gewalt mit Hautfarbe zu tun. Krach: Beides wollten wir nicht. Wir bedauern, wenn wir durch die Illustration die Gefühle von Leserinnen und Lesern verletzt haben und entschuldigen uns dafür. Auch Focus wurde für das Titelcover kritisiert. Es zeigt eine blonde, nackte Frau, ihr Körper ist mit dunklen Handabdrücken übersät. Focus-Chefredakteur Ulrich Reitz sieht keinen Grund sich zu entschuldigen oder sich für das Cover zu rechtfertigen. Österreich-Ableger der "Neuen Zürcher" wird ein Jahr alt – Chefredakteur Fleischhacker: Monetarisierung über Inhalte in Print noch einfacher als online. Wien – NZZ.at, der Österreich-Ableger der Schweizer Mediengruppe Neue Zürcher Zeitung, feiert am Donnerstag ersten Geburtstag. Nach inhaltlichen und technischen Anfangsschwierigkeiten blieb das am 21. Jänner 2015 gestartete Projekt, das ganz auf bezahlte Online-Abos setzt, zunächst hinter den Erwartungen zurück, seit dem optischen und inhaltlichen Relaunch im Herbst laufe es deutlich besser. Bis Sommer 2016 solle NZZ.at nun zumindest eine kritische Abo-Größe erreichen, dafür arbeite man laufend an Adaptierungen. Im Dezember erschien auch man auch die erste Ausgabe eines gedruckten NZZ.at-Magazins – Fortsetzung möglich. Bei einer Diskussionsveranstaltung zur Woche des Zeitungslesens meinte NZZ.at-Chefredakteur Michael Fleischhacker Dienstagabend, dass die direkte Monetarisierung über Inhalte in Print immer noch einfacher sei als online. Bei NZZ.at rechnet es sich noch nicht, aber es wäre auch ungewöhnlich, wenn sich sein solches Projekt im ersten Jahr rechnen würde. Geteilte Expertenmeinungen zum Informationswert der Staatsangehörigkeit eines Vergewaltigers. Die Vorfälle in Köln und Berichte über eine Vergewaltigung im Prater durch einen – wie vielerorts zu lesen war – afghanischen Asylwerber haben eine Mediendebatte über die Nennung der Herkunft Tatverdächtiger neu entfacht. Wann ist dies gerechtfertigt, wann sollten Journalisten darauf verzichten? Im Ehrenkodex des Österreichischen Presserats heißt es unter Punkt sieben, dass Pauschalverdächtigungen und Pauschalverunglimpfungen von Personen und Personengruppen unter allen Umständen zu vermeiden seien. Jede Diskriminierung wegen des Alters, einer Behinderung, des Geschlechts sowie aus ethnischen, nationalen, religiösen, sexuellen, weltanschaulichen oder sonstigen Gründen sei unzulässig. Die bloße Nennung der Herkunft eines Täters würde nicht gegen den Ehrenkodex verstoßen, sagt dazu Presserat-Geschäftsführer Alexander Warzilek zum STANDARD. Trotzdem müssten Journalisten im Einzelfall entscheiden, ob es notwendig und für die Geschichte wichtig ist, über die Herkunft eines Täters zu berichten. Das liege im jeweiligen Ermessenspielraum der Redaktion. Wird immer wieder die Herkunft betont, könne das zu Ressentiments führen. Kommt zur Nennung der Herkunft eine pauschale Verunglimpfung hinzu, dann sei das aber eindeutig ein Ethikverstoß. Wie nun kam im Wiener Vergewaltigungsfall die Information, dass es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen afghanischen Asylwerber handelte, an die Medien? Aus der Polizeipressestelle stammte sie nicht. Nationalitätsangaben würden in Pressemeldungen prinzipiell ausgespart, erläutert Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Tatsächlich berichtete die Polizeipressemeldung nur von einem 21-jährigen Tatverdächtigen. Dieser sei von Mitarbeitern einer Securityfirma festgehalten worden. Die Securitys hätten Herkunft und Status des Mannes an die Boulevardpresse weitergegeben, ist aus gut informierter Quelle zu erfahren. Keine Probleme verursacht die Nennung der Herkunft eines Verdächtigen aus medienrechtlicher Perspektive. Hier sei allein der Identitätsschutz von Opfer sowie Täter relevant, sagt die Medienrechtsexpertin Maria Windhager. Die Frage hingegen, ob die Abstammung eines Verdächtigen Informationswert habe, sei eine rein medienethische Abwägung. Diese bringt den Medienexperten Fritz Hausjell zu dem Schluss, dass Herkunft und Status des Mannes im Prater-Fall nicht in die Berichterstattung gehören. Durch derlei Berichte entstehe der falsche Eindruck, dass Vergewaltigung herkunftsbedingt sei. Anders, so Hausjell, sei dies im Fall des in Mitteleuropa offenbar neuen Phänomens der Gruppenbelästigung von Frauen durch ausländische junge Männer. Presserat-Geschäftsführer Warzilek sieht das ähnlich: Nach den Kölner Vorfällen sei die Herkunft der Täter essenziell für die Debatte, hier gab es einen Sachzusammenhang. Jedoch, so Warzilek, werde auch im Fall der Vergewaltigung in Wien debattiert, ob Asylwerber aus beispielsweise Nordafrika oder Afghanistan aufgrund von Herkunft und Erziehung Frauen leichtfertig sexuell attackieren. In der derzeitigen Diskussion erscheint mir die Herkunftsnennung daher vertretbar. Robert Schneider übernimmt von Ulrich Reitz. München – Das deutsche Nachrichtenmagazin Focus bekommt nach eineinhalb Jahren einen neuen Chefredakteur. Robert Schneider (39) wird das Amt am 1. März von Ulrich Reitz (55) übernehmen, wie Hubert Burda Media mitteilte. Reitz bleibe in der Chefredaktion als Editor at Large zuständig für die Themengebiete Politik und Debatte. Schneider ist bisher Chefredakteur der Zeitschrift Super Illu. Der Focus kämpft seit Jahren gegen rückläufige Auflagen. Seit dem Abgang von Gründungschefredakteur Helmut Markwort im Herbst 2010 gab es mehrere Wechsel an der Spitze: Zunächst leitete Wolfram Weimer das Blatt zusammen mit Uli Baur. Bereits nach einem Jahr verließ Weimer das Nachrichtenmagazin, Baur wurde alleiniger Chefredakteur. Anfang 2013 übernahm Jörg Quoos die Leitung, im Herbst 2014 Reitz. NYTimes.com/es bietet eigene Artikel und täglich zehn bis 15 übersetzte Geschichten. Die New York Times startet eine spanisch-sprachige kostenlose Onlineausgabe und will damit vor allem Leser aus Mexiko und Lateinamerika ansprechen. NYTimes.com/es bietet eigene Artikel und täglich zehn bis 15 übersetzte Geschichte. Die Seite wird von Mexico City aus betrieben, spanisch-sprachige Times-Korrespondenten liefern zu. Eigentümer Lebedev wird die Zeitung mitsamt dem Ableger "The Independent on Sunday" im März einstellen. Wien/London – Für die britische Zeitung The Independent mitsamt ihrem Sonntagsableger The Independent on Sunday kommt 30 Jahre nach der Gründung das Aus, das berichtet der Guardian am Freitag. Das Medium im Besitz des russischen Oligarchen Alexander Jewgenjewitsch Lebedew mit seiner ESI Group werde ab 26. März nur noch online erscheinen, heißt es. Die letzte Ausgabe von The Independent on Sunday soll am 20. März publiziert werden. Lebedew kaufte die 1986 gegründete Zeitung im Jahr 2010. Zu seiner Hochblüte Anfang der 1990er Jahre hatte der Indie genannte Independent eine Auflage von 400.000 Stück. Durch kontinuierliche Erosion sank diese auf zuletzt etwa ein Zehntel. Wie viele der 150 Mitarbeiter ihren Job verlieren, ist noch nicht klar. Digital sollen jedenfalls 25 neue Posten geschaffen werden. Eigenen Angaben zufolge hat der Oligarch mit seinem Medienhaus in den letzten Jahren über 80 Millionen Euro in die Zeitungen investiert. Verkauft wird die kleine Schwester i newspaper. Den Zuschlag bekommt Johnston Press. Ein Teil der Mitarbeiter dürfte zum neuen Eigentümer wechseln. Laut Guardian hatte The Independent Online zuletzt monatlich 58 Unique User. Das Portal soll profitabel sein. Das "Observer"-Magazin, das zum "Guardian" gehört, zeigte am Sonntag James Greig im Anzug. London – Ein Heiratsantrag beim romantischen Dinner oder im Fußballstadion – das kann ja jeder: Ein Brite hat am Valentinstag auf dem Titelblatt eines Magazins um die Hand seiner Freundin angehalten. Das Observer-Magazin, das zum Guardian gehört, zeigte am Sonntag James Greig im Anzug, der auf Knien einen Verlobungsring in die Kamera hält. Willst du mich heiraten, Katie?, stand groß daneben. Will you marry me? A Valentines Day proposal – on the Observer magazine cover https://t.co/OUfoMddExg pic.twitter.com/teaw6xiHzu Dazu veröffentlichte der Observer die Geschichte des Paares, das ein Jahr lang eine Fernbeziehung zwischen London und New York geführt hat und seit Ende 2014 gemeinsam in der britischen Hauptstadt lebt. Am Sonntagmittag erlöste der Guardian die Leser, die mit dem Antragsteller fieberten: Sie hat ja gesagt, twitterte das Blatt die Antwort von Katie Moore. Dem Observer zufolge war es das erste Mal, dass eine Zeitung ihr Cover für einen Heiratsantrag zur Verfügung stellte. Der ORF wird wöchentlich ein bis drei Übertragungen anbieten, über die Aufnahme in den Basisdienst entscheidet die APA-Chefredaktion. Wien – Bewegung im österreichischen Bewegtbildmarkt: Der ORF stellt künftig Videoinhalte dem APA-Basisdienst zur Verfügung. Und zwar jene für die tagesaktuelle TV-Berichterstattung erstellten Videoaufnahmen von Veranstaltungen wie Pressekonferenzen, Präsentationen oder Diskussionen als Live-Content, heißt es in einer Aussendung. Zielgruppe für die Live-Dienste sind vor allem heimische Nachrichtenportale. Eine Auswahl dieser Live-Videos ist auch via ORF-TVthek abrufbar. Der ORF wird wöchentlich ein bis drei Übertragungen anbieten, über die Aufnahme in den Basisdienst entscheidet die APA-Chefredaktion. In der immer stärker zersplitternden Medienlandschaft ist es wichtiger denn je, zu kooperieren, sagt Richard Grasl, Kaufmännischer Direktor des ORF. Der ORF geht mit dieser Zusammenarbeit mit der APA einen ersten Schritt in diese Richtung. Michael Lang, APA-Chefredakteur: Neben Text, Bild und Grafik ist Video nun das vierte integrale Format des Basisdienstes der APA. Die Kooperation mit dem ORF ist ein wichtiges Element dabei, den Anteil an hochqualitativen Bewegtbildinhalten in den APA-Diensten wesentlich zu erhöhen. (red, 15.2.2016) Anstieg von 180 auf 183 Millionen Euro – Onlineredakteure kämpfen für bessere Bezahlung. Hamburg – Die Verlagsgruppe um die Hamburger Wochenzeitung Die Zeit ist gestärkt in ihr Jubiläumsjahr gestartet. 2015 seien die Erlöse auf das Rekordniveau von 183 Millionen Euro gestiegen, nach 180 Millionen im Vorjahr, sagte Verlagsgeschäftsführer Rainer Esser der Deutschen Presse-Agentur. Der Umsatz wäre sportlicher ausgefallen, wenn wir nicht eine Ausgabe weniger gehabt hätten. Dadurch habe er sich um rund 2,5 Millionen Euro verringert. Zum Gewinn macht der Verlag traditionell keine Angaben – Esser sagte aber, dass dieser 2015 wegen hoher Investitionen unter dem Vorjahr gelegen sei. Die Wochenzeitung erschien erstmals am 21. Februar 1946. Investiert wurde 2015 vor allem in den Ausbau der Redaktionen und der Verlagsangebote. Die Zahl der Mitarbeiter stieg um 67 auf rund 600. Mehr als 100 seien für Zeit Online tätig. Ein Bezahlmodell für das Internet, das es bisher nicht gibt, könne er sich mittelfristig vorstellen, sagte Esser. Denkbar sei auch, Online-Nutzer mit eingeschaltetem Werbeblocker künftig nicht mehr zu akzeptieren. Vom jüngsten Stellenzuwachs profitierte auch die Wochenzeitung. Sie lag Esser zufolge im vierten Quartal mit durchschnittlich 511.806 Exemplaren erneut über der wichtigen Marke von einer halben Million verkaufter Exemplare. Die Wochenzeitung wurde um zwei weitere Magazine (Zeit Doktor/Zeit Geld) ergänzt, die mehrmals jährlich als Beilage erscheinen. Auch die Zeit-Akademie – Selbststudium mit DVDs und Begleitbüchern zu wissenschaftlichen Themen – sei ausgebaut worden. Wir sind ein kreatives Haus und setzen neue Ideen schnell um, sagte der Geschäftsführer zum Erfolgsrezept des Verlags, der auch Konferenzen organisiert, einen Online-Shop unterhält und Reisen anbietet. Zwei Jahre nach dem Start des Hamburg-Teils der Wochenzeitung soll dieser ausgebaut werden. Der Verlagsgeschäftsführer kündigte als Beilage ein Zeit Magazin Hamburg an, das zweimal jährlich erscheinen soll. Damit solle die Hamburg-Ausgabe noch attraktiver auch für neue Leser werden. Die Verkaufsauflage liege in der Metropolregion derzeit bei rund 40.000 Exemplaren. Vor der Einführung des Extra-Teils waren es 33.000. Der im vergangenen November eingeführte kostenlose Newsletter Elbvertiefung, der per E-Mail verschickt und unter anderem durch Anzeigen finanziert wird, habe 45.000 Bezieher. Bei der Langen Nacht der Zeit am Samstag (20. Februar) in Hamburg – ein nahezu ausverkaufter Veranstaltungsmarathon zu politischen, kulturellen, wissenschaftlichen und Zeitgeist-Themen – wird Helmut Schmidt fehlen. Der deutsche Altbundeskanzler und langjährige Mitherausgeber der Wochenzeitung starb am 10. November 2015. Ob es neben Herausgeber Josef Joffe künftig wieder einen zweiten geben wird, konnte Esser nicht zu beantworten: Das entscheiden die Gesellschafter. Es ist keiner ante portas. Die Zeit-Verlagsgruppe gehört zu gleichen Teilen der Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck und der Dieter von Holtzbrinck Medien GmbH. Neben dem Erfolgsmeldungen stehen aber auch Streikdrohungen im Raum. Onlineredakteure kämpfen für bessere Bezahlung und wollen so viel verdienen wie ihre Printkollegen. Bisher würden die Onlineredakteure laut Betriebsrat im Schnitt rund 10.000 Euro im Jahr weniger bekommen, berichtet die taz. Gegenüber der taz sagte eine Sprecherin, dass Zeit Online noch nicht profitabel sei und könne daher, um wettbewerbsfähig zu bleiben, keine entsprechenden Verträge ausgeben. Die Geschäftsführung habe den Online-Redakteuren einen zweiten Entwurf für neue Verträge vorgelegt. Laut Gewerlscjaft Verdi bleibe aber auch dieser Entwurf weit hinter Forderungen zurück. 'Institut für Freizeit- und Tourismusforschung erhob die Trends – Internetnutzung bei über 55-Jährigen innerhalb von zehn Jahren verdreifacht. Wien – Die Mediennutzung in der Freizeit wird auch in Österreich zunehmend interaktiv und digital. Online-Shopping und Online-Banking sind auf dem Vormarsch. Es wird weniger Musik via CDs und Radio gehört, ebenso weniger Zeitung gelesen. Innerhalb von zehn Jahren hat sich die Rate derjenigen, die das Internet im Alter über 55 nutzen, verdreifacht. Einige der Hauptpunkte einer vergleichenden Analyse von repräsentativen Umfragen zu dem Thema durch das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung (IFT), die am Dienstag in einer Aussendung publiziert worden sind: 14 Prozent der Österreicher nutzen aktuell (Ende 2015) regelmäßig E-Commerce (2005/06: 6 Prozent Die Onlineredaktion droht zum Jubiläum mit Arbeitsniederlegung, Bezahlschranke ab Herbst. Es gibt Filme, Lesungen und Diskussionen. Und natürlich wird allerorts an den großen Alten erinnert: Zeit-Mitherausgeber Helmut Schmidt, der im November gestorben ist. Ihren 70. Geburtstag also feiert die deutsche Wochenzeitung Die Zeit am Samstag in Hamburg mit allerlei Veranstaltungen. Weniger festlich, dafür kämpferischer geht es in Berlin zu, wo die Onlineredaktion der Zeit sitzt. Wenn die Gehaltsverhandlungen am Mittwoch kein Ergebnis bringen, wollen die Onlineredakteure streiken. Auf den Gehaltskonflikt schauen auch andere Pressehäuser und Kollegen mit großem Interesse. Wenn die Onlineredakteure der Zeit ihre Forderungen durchsetzen können, dann wäre das ein Signal für die gesamte Branche, sagt Jörg Reichel, Landesgeschäftsführer der Deutschen Journalisten Union in der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, zum STANDARD. Er verhandelt aufseiten der Arbeitnehmer mit der Geschäftsführung, fünf ergebnislose Runden hat es bereits gegeben. Die Forderung der Onlineredakteure, die von der Gewerkschaft unterstützt werden, ist simpel: Gleiches Geld für gleiche Arbeit. Sie wollen so viel verdienen wie ihre Printkollegen in Hamburg. Es ist egal, über welchen Kanal Journalisten ihre Arbeit veröffentlichen. Die Bedingungen sind ja die gleichen, sagt Reichel – zumal die beiden Berliner Redaktionen in zwei Jahren auch in ein Gebäude ziehen wollen. Bezahlschranke ab Herbst In anderen traditionsreichen deutschen Häusern (Springer, Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung) funktioniere die Bezahlung auf Augenhöhe zwischen Print und Online schon, sagen Branchenkenner. Bei der Zeit hingegen verdienen rund 120 Onlinejournalisten nicht einmal die Hälfte dessen, was für Printkollegen im Kollektivvertrag vereinbart wurde. Ähnlich sieht es in anderen, nicht so bekannten Verlagen aus: Online wird schlechter bezahlt als Print. Zeit-Geschäftsführer Rainer Esser hat gerade verkündet, dass der Umsatz der Zeit 2015 auf ein Rekordniveau von 183 Millionen Euro geklettert sei. Und im Herbst könnten sich neue Einnahmequellen auftun. Denn die Zeit schwenkt um und führt laut dem Branchenmagazin Horizont online eine Bezahlschranke ein. Nach einigen kostenfreien Artikeln wird Geld fällig. Esser erklärt das Modell so: Wir möchten unseren Lesern signalisieren, dass auch online ein Journalismus stattfindet, der nicht allein durch Werbung zu finanzieren ist – und der auch Geld wert ist. Giovanni di Lorenzo: Keine Themen ausblenden. Berlin – Nach Einschätzung von Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo ist es ein relativ kleiner, aber meinungsstarker Teil der Bevölkerung, der Medien als Lügenpresse kritisiert. Es sei Aufgabe von Journalisten, durch gute und transparente Arbeit zu zeigen, dass wir in Deutschland ganz hervorragende Medien haben. Sie dürften aber auch keine Themen ausblenden, sagte di Lorenzo dem Internetportal katholisch.de der katholischen Kirche in Deutschland. Ein Journalismus, der bestimmte Themen nicht stattfinden lässt, aus Angst, das könnte die Falschen munitionieren, macht sich angreifbar, so der Chefredakteur der in Hamburg erscheinenden Wochenzeitung. Insofern glaube ich, dass die Ereignisse von Köln nicht nur für unser Land ein Wendepunkt waren, sondern auch für den Journalismus. Unbegreiflich sei außerdem, dass ein Ereignis wie die sexuellen Übergriffe in Köln, das in der Nacht von Donnerstag auf Freitag stattfinde erst am Montag in den Medien Niederschlag finde. Das darf uns nicht noch einmal passieren. Die Zeit ist gerade 70 Jahre alt geworden. Die erste Ausgabe der Hamburger Wochenzeitung erschien am 21. Februar 1946. Unfall bei Recherchetermin in Räumen der Pressestelle. Bremerhaven – Bei der Vorführung von Dienstwaffen der Polizei Bremerhaven ist ein 44-jähriger Journalist angeschossen und verletzt worden. Der Schuss habe sich am Dienstag bei einem Recherchetermin in den Räumen der Polizeipressestelle unbeabsichtigt aus der Dienstpistole eines Beamten gelöst, sagte der Leiter der Ortspolizeibehörde, Harry Götze. Das Projektil traf den Reporter der Nordsee-Zeitung am Oberschenkel. Der Mann wurde ins Krankenhaus gebracht, Lebensgefahr bestand aber nicht. Die Nordsee-Zeitung teilte auf Facebook mit, dass es dem Journalisten nach ersten Erkenntnissen den Umständen entsprechend gut gehe. Er habe für eine Polizei-Serie recherchiert, um die Ausrüstung der Beamten vorzustellen. Polizei und Staatsanwaltschaft ermitteln nun, wie es zu dem Unfall kommen konnte. Eigentlich darf das nicht passieren, betonte Götze. Bei der Präsentation von Waffen verstehe es sich von selbst, dass sie ungeladen seien. Alle vorgeführten Waffen seien beschlagnahmt und untersucht worden. In keiner habe sich Munition befunden. Warum in der einen Schusswaffe ein Projektil steckte, werde nun untersucht. Print, Online und TV sollen effizienter zusammenarbeiten – Bis zu 50 Posten fallen weg. Berlin – WeltN24-Chefredakteur Stefan Aust hat für die Redaktionen weitreichende Reformpläne. Vor allem sollen Print, Online und TV effizienter zusammenarbeiten. Aust stellte sein neues Konzept am Mittwoch der Redaktion vor, wie eine Sprecherin des Verlags bestätigte. Ein zentrales Ziel ist demnach, Kapazitäten zu bündeln und das Ineinandergreifen der verschiedenen Mediengattungen zu verbessern. Es gehe darum, voneinander zu profitieren, statt miteinander zu konkurrieren, sagte Aust dem Mediendienst Meedia.de. Mit den Reformplänen verbunden ist der Wegfall von bis zu 50 Stellen, bestätigte die Sprecherin. Betriebsbedingte Kündigungen sollen jedoch möglichst vermieden werden. Zu WeltN24 gehören sowohl die Zeitungsredaktionen von Welt und Welt am Sonntag, die Onliner sowie der Nachrichtensender N24. Der frühere Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust ist seit acht Wochen neuer Chefredakteur von WeltN24. Durch den teilweisen Rückzug aus dem Druckgeschäft sank der Umsatz – Gewinn von 20,47 Millionen Euro. Zürich – Die Schweizer NZZ-Mediengruppe hat im vergangenen Jahr mehr Erträge aus dem Lesermarkt und bei den Business Medien erwirtschaftet und damit die Rückgänge im Werbemarkt kompensiert. Damit verbuchte sie einen Gewinn von 22,2 Millionen Franken (20,47 Millionen Euro). Durch den teilweisen Rückzug aus dem Druckgeschäft sank der Umsatz. Mit den Medienkonsumenten erwirtschaftete die Gruppe, die in Österreich mit dem journalistischen Online-Projekt NZZ.at aktiv ist, einen Umsatz von 158,4 Millionen Franken und damit ein Prozent mehr als im Vorjahr, wie sie am Donnerstag mitteilte. Verantwortlich für die Entwicklung seien die wachsende Zahl der Abonnenten und die Erlöse aus neuen Produkten, wie beispielsweise NZZ Geschichte oder FM1Today. Die Werbeeinnahmen waren um 2 Prozent rückläufig. Allerdings sind die Zahlen durch die Eingliederung der Werbevermarktung in die NZZ-Mediengruppe nur bedingt mit dem Vorjahr vergleichbar. Die übrigen Erträge stiegen um 6 Prozent. Deutlich rückläufig war der Druckertrag. Durch den Verkauf der Appenzeller Druckerei und der Schließung des Druckzentrums Schlieren ging er um 26 Prozent auf 43,8 Millionen Franken zurück. Insgesamt erwirtschaftete das Zürcher Medienhaus mit seinen vier Sparten einen Umsatz von 456,4 Millionen Franken. Im Vorjahr waren es noch 471,1 Millionen Franken. Der teilweise Rückzug aus dem Druckgeschäft führte jedoch nicht nur zu weniger Umsatz, sondern auch zu tieferen Kosten. So reduzierte sich der Betriebsaufwand gegenüber dem Vorjahr um 16,3 Millionen Franken auf 434,8 Millionen Franken. Trotz Investitionen in die Publizistik verbesserte sich das Betriebsergebnis daher vor Zinsen und Steuern auf 21, 6 Millionen um 8 Prozent. Das Geschäftsjahr zeige, dass der strategische Fokus auf Publizistik anfange zu greifen. Diesen Kurs behalten wir bei. Im nächsten Jahr werden wir so insbesondere im Geschäftsbereich NZZ Medienunsere Profitabilität verbessern, wird Konzernchef Veit Dengler in der Presseaussendung zitiert. Dem rückläufigen Print-Werbemarkt will die Gruppe weiter mit Wachstum im Lesermarkt und dem Ausbau des Geschäftsbereichs Business Medien begegnen. In diesem Jahr nahm der Umsatz in diesem Bereich um 9,1 Millionen auf 40,8 Millionen Franken zu. Verantwortlich für den Anstieg ist hauptsächlich das Konferenzgeschäft sowie die Integration des Design- und Architekturportals Architonic. Der Gewinn verbesserte sich trotz gestiegener Kosten um 0,8 Millionen auf 8,4 Millionen Franken. Mit neuen und verbesserten Digitalangeboten wollen die NZZ Medien und die Regionalmedien der Gruppe weiter wachsen. Vorsitzwechsel beim Verein Medienjournalismus Österreich. Wien – Der Verein Medienjournalismus Österreich hat bei seiner Generalversammlung am Dienstag Johannes Bruckenberger (APA) einstimmig zum Obmann gewählt. Er folgt auf STANDARD-Redakteurin Doris Priesching, die diese Funktion fast acht Jahre innehatte. Stellvertreterin bleibt Isabella Leitenmüller-Wallnöfer (Presse). Im Verein Medienjournalismus Österreich (MÖ) sind Redakteure und Redakteurinnen heimischer Tageszeitungen, Fachmedien und der Austria Presse Agentur sowie freie Journalisten vertreten. Der MÖ wurde im Sommer 2003 gegründet. Er setzt sich zum Ziel, eine kritische Öffentlichkeit gegenüber der Medienlandschaft herzustellen, heißt es in den Statuten. Dezidiert wendet sich der Verein gegen Bestrebungen, die unabhängige Berichterstattung über Medien zu verhindern, zu manipulieren oder auf sie Druck auszuüben. Selbstkontrollorgan deutscher Medien: 14 von 31 Beschwerden bezogen sich auf Titelbild von "Focus". Berlin/Köln – Der Deutsche Presserat hat sämtliche Beschwerden zur Berichterstattung über die Vorfälle in der Silvesternacht in Köln zurückgewiesen. Wie Geschäftsführer Lutz Tillmanns am Donnerstag sagte, kam der Beschwerdeausschuss in allen Fällen zu der Einschätzung, die vorgebrachte Kritik sei nicht gerechtfertigt. Insgesamt hatten das Selbstkontrollorgan nach den zahlreichen Übergriffen auf Frauen während der Silvesternacht 31 Beschwerden erreicht. Elf waren schon vor der Sitzung des Beschwerdeausschusses als offensichtlich unbegründet bewertet worden. Von den 20 übrigen Beschwerden bezogen sich allein 14 auf ein Titelbild des Nachrichtenmagazins Focus, das eine unbekleidete Frau mit mehreren dunklen Handabdrücken auf der Haut zeigte. Der Vorwurf lautete, die Darstellung sei sexistisch und rassistisch. Der Ausschuss erkannte in der Abbildung jedoch keine herabwürdigende Darstellung von Frauen. Die Darstellung überschreite auch nicht die Grenze der Diskriminierung. Die Veröffentlichung sei durch das Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Daher seien die Beschwerden unbegründet. Auch sechs weitere Beschwerden zu drei Berichten über die Silvesternacht in Köln wurden als unbegründet zurückgewiesen. Die Chefredaktion übernimmt Kurt Guggenbichler. Brunnenthal – Am Donnerstag startet in Oberösterreich mit Wochenblick eine neue Wochenzeitung. Chefredakteur ist Kurt Guggenbichler. Neue Zeiten brauchen eine neue Zeitung. Wir wollen dem Leser eine ehrliche und kritische Berichterstattung anbieten. Das können wir, im Gegensatz zu vielen anderen Zeitungen, weil wir nicht auf Inserate angewiesen sind, sagt er zum Projekt. Der 24-seitige Wochenblick wird in den ersten Wochen kostenlos in Linz und Wels an Passanten verteilt. Auch werden unterschiedliche Regionen Oberösterreichs per Post beliefert. Inhaltlich stehen Heimat-Themen und Leserberichte stehen im Vordergrund, heißt es in einer Aussendung. Menschen sollen aktiv an der Berichterstattung teilnehmen können. Guggenbichler war 25 Jahre lang bei den Oberösterreichischen Nachrichten tätig. "Wall Street Journal" beruft sich auf eingeweihte Kreise. New York – Das Playboy-Imperium könnte einem Zeitungsbericht zufolge bald den Besitzer wechseln. Die Firma Playboy Enterprises habe Investmentbanker mit der Suche nach Interessenten beauftragt, berichtete das Wall Street Journal in seiner Freitagausgabe unter Berufung auf eingeweihte Kreise. Ein Verkauf könnte demnach etwa 500 Millionen Dollar (448 Millionen Euro) einbringen. Neben dem 1953 von Hugh Hefner gegründeten Playboy-Magazin sollen auch die Lizenzrechte an der berühmten Marke und die legendäre Playboy Mansion im Kaufpaket enthalten sein. Das riesige Anwesen in dem Nobelviertel Holmby Hills von Los Angeles, bekannt für Hefners ausgelassene Partys und Tummelplatz prominenter Gäste, war bereits im Jänner für 200 Millionen Dollar zum Verkauf angeboten worden. Dabei hätte sich herausgestellt, dass Bieter auch am Rest des Unternehmens interessiert seien, heißt es in dem Zeitungsbericht. Deshalb werde nun erwogen, gleich das ganze Bunny-Imperium auf einmal loszuschlagen. Hefner hatte Playboy Enterprises 2011 gemeinsam mit einer Beteiligungsgesellschaft von der Börse genommen. Playboy prägte mit Großaufnahmen nackter Frauen (Playmates) über Jahrzehnte das Erotikgeschäft. Doch angesichts der starken Konkurrenz im Internet strebt das Magazin einen Imagewechsel an. Künftig werden weder auf der Titelseite noch im Innenteil der US-Ausgabe nackte Frauen zu sehen sein. Mit dem geänderten Konzept sollen neue Leserschichten erschlossen werden. Deutschen Verlagen droht nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs ein Eingriff durch Landesmedienanstalten – "Audiovisuelle Medienangebote" müssen gemeldet werden – Anlass war "tt.com". Hamburg/Wien – Eine Internetseite einer Tageszeitung mit Video-Material kann laut einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) vom Herbst 2015 als anzeigepflichtiger audiovisueller Mediendienst eingestuft werden – der STANDARD berichtete. In Österreich hat bereits der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) das Urteil bedauert, jetzt sorgt es auch bei deutschen Verlagen für Unmut. Andreas Schoo, Chef der Bauer Media Group, sagte zum Branchendienst meedia.de: Wenn audio-visuelle Redaktionsleistungen von Pressemarken von einer staatlichen Genehmigung abhängig wären, bedeutete dies eine Verletzung der Pressefreiheit und eine Einschränkung der Meinungsvielfalt. Die von der Politik diskutierte und forcierte Gleichstellung von Bewegtbildern der freien Presse mit den Angeboten von Rundfunkanbietern sei falsch, so Schoo. Und: Redaktionelle audio-visuelle Angebote der freien Presse müssen streng vom Rundfunkrecht getrennt werden. Wird die Regelung vollzogen, könnten deutsche Verlage eine Lizenz für ihre Videoangebote von den zuständigen Landesmedienanstalten benötigen und unterlägen der staatlichen Aufsicht. Weiter müssten sie Werbebeschränkungen beachten, die etwa für Rundfunkanstalten gelten. Konkret geht es in der Causa um einen Rechtsstreit zwischen dem Betreiber der Internetadresse der Tiroler Tageszeitung Online, der Moser Holding, und der Medienbehörde KommAustria. Audiovisuelle Medienangebote müssen in Österreich der Medienbehörde KommAustria gemeldet werden und sind abgabepflichtig. Die Regulierungsbehörde sieht einen solchen anzeigepflichtigen Dienst darin, dass die Leser der Onlinezeitung (tt.com) über einen Link zu einer Subdomain gelangen, auf der zum Textangebot ergänzende Videos abgerufen werden können. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat den Fall zur Klärung an den EuGH verwiesen. Ähnlich wie die deutschen Kollegen argumentierte in Österreich der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ). Das Urteil erkläre das Grundrecht auf Konzessionsfreiheit der Presse im Web für wertlos und bringt so einen 150-jährigen Rückschritt für die Pressefreiheit in Österreich, sagte VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger. Eine Auswahl an Zeitungsentender der vergangenen Jahre. Berlin – Nicht nur Freunde und Kollegen schicken sich in den April. Auch Zeitungen, Radio- und Fernsehsender schwindeln am Tag der Scherze gern. Eine Auswahl aus den vergangenen Jahren: Die Gleichbehandlungskommission gibt dem Exchef der "Wiener Zeitung" Recht, der bereitet nun eine Klage vor. Wien – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat die Geschäftsführung der republikseigenen Wiener Zeitung maßgeblich aus parteipolitischen Motiven umbesetzt. Zu diesem Ergebnis kommt nun die Gleichbehandlungskommission im Frauenministerium. Die Kommission vermisst sachliche Gründe für die Ablöse. Karl Schiessl, ehemaliger Geschäftsführer der Wiener Zeitung, bereitet nun eine Klage vor. 2013 hatte die Republik, vertreten vom Kanzler, den Vertrag mit Schiessl nicht verlängert. Statt des früheren Managers der Burgenländischen Volkszeitung und Geschäftsführers der ÖVP Burgenland bestellte Faymann den Parteikollegen und früheren Grazer Stadtrat Wolfgang Riedler. Schiessl rief die Gleichbehandlungskommission an. Und die gab seinen Vorwürfen nun Recht. Die Ausschreibung verlangte zum Beispiel Erfahrung in der wirtschaftlichen Leitung eines Mediums, eines Verlages oder eines vergleichbaren Unternehmens. Diese laut Senat essenzielle Erfahrung fehlte Riedler. Dass er überhaupt zum Hearing zugelassen wurde, findet die Gleichbehandlungskommission auffällig. Die Mitglieder der Auswahlkommission hätten keinerlei sachlich nachvollziehbare Begründungen dafür geliefert. Solche Anforderungen seien nicht disponibel, sonst könnte der Zweck des Stellenausschreibungsgesetzes jederzeit umgangen werden. Den Ausschlag für die Besetzung gab laut Kanzleramt ein Hearing vor einer Auswahlkommission – zwei Sektionschefs aus dem Kanzleramt, Manfred Matzka und Wolfgang Trimmel, die Aufsichtsratsvorsitzende der Wiener Zeitung, Astrid Zimmermann, deren Betriebsrat Francesco Campagner und Personalberaterin Gundi Wentner, die schon auf einem roten Ticket im ORF-Stiftungsrat saß. Die Personalberaterin habe die Erfordernisse einer fachgerechten, sachlichen und für Bewerber und Bewerberinnen fairen sowie objektiven Unterstützungsleistung nicht erkennbar erfüllt, findet die Gleichbehandlungskommission. Mangels eines objektivierbaren Auswahlprozesses hatte sie den Eindruck, dass die Personalberatung lediglich der sich hierdurch nach außen manifestierenden Objektivierung des Auswahlprozesses dienen sollte. Die Auswahlkommission habe etwa zwar das Konzept Schiessls zerpflückt, von einem Konzept Riedlers finde sich aber nichts in den Unterlagen – die das Kanzleramt übrigens erst eineinhalb Jahre nach der Anforderung der Gleichbehandlungskommission übermittelte. Das Verfahren dauerte insgesamt drei Jahre. Auch fachliche Bewertungen Schiessls seien nicht plausibel. Die Gleichbehandlungskommission folgert in der ausführlichen Entscheidung von 54 Seiten, dass Schiessls Weltanschauung – in Form seiner politischen Zuordenbarkeit zur ÖVP – tatsächlich ausschlaggebendes Motiv für dessen – für den Senat sachlich nicht nachvollziehbare – Schlechterstellung gegenüber Riedler war. Für die Gleichbehandlungskommission steht fest, dass nicht die von Mitgliedern der Auswahlkommission immer wieder pauschaliert bemängelte Qualifikation des Antragsgestellers, sondern allein dessen politische Orientierung den tatsächlichen und maßgeblichen Grund für dessen Nichtbestellung bildete. Ein wesentlicher Anlass für die Ablöse dürften Konflikte mit Wiener Zeitung-Chefredakteur Reinhard Göweil gewesen sein, dem Schiessl laut Gleichbehandlungskommission wochenlange Abwesenheit und Unerreichbarkeit vorwarf. Göweil weist diese Vorwürfe gegenüber dem STANDARD nachdrücklich zurück: Das ist unwahr und Unsinn. Göweil sieht sich geradezu in seiner Ehre gekränkt, dass die Gleichbehandlungskommission diese Aussagen ungeprüft zitiere – er sei nicht von ihr geladen worden. Die Kommission sieht den Konflikt zwischen Schiessl und Göweil im für das Arbeitsleben üblichen Spannungspotenzial und sachlich lösbar. Die Gleichbehandlungskommission empfiehlt nun einen angemessenen Schadenersatz für Schiessl. Der bereitet nun eine Klage gegen die Wiener Zeitung vor, die Klagssumme wird gerade berechnet. Schiessl auf STANDARD-Anfrage: Ich war fast ein Jahr arbeitslos und hatte natürlich auch in Folge einen Verdienstausfall. Schiessl wurde im Mai 2014 Leiter der Presseabteilung des ÖVP-Parlamentsklubs. Schiessl will in dem Verfahren nun Bundeskanzler Werner Faymann und Medienminister Josef Ostermayer als Zeugen beantragen – weil vor allem Ostermayer seine Rolle als Eigentümer immer sehr aktiv wahr genommen hat. Und es nicht davon auszugehen, dass er ausgerechnet an der Bestellung des Geschäftsführers unbeteiligt war. Friedrich Dungl "ab Sommer" neben Lydia Gepp im Amt – Martin Gebhart alleiniger NÖN-Chefredakteur. St. Pölten – Das Niederösterreichische Pressehaus in St. Pölten wird künftig von zwei Geschäftsführern geleitet. Nach Angaben des Unternehmens vom Freitag wird ab dem Sommer Friedrich Dungl neben Lydia Gepp im Amt sein. Martin Gebhart bleibt alleiniger NÖN-Chefredakteur. Gepp wird nach Angaben aus dem Pressehaus weiterhin für alle kaufmännischen Bereiche und die Druckerei verantwortlich sein. Dungl soll die Leitung des Zeitungsverlages und alle Vertriebsagenden übernehmen. Für ihn als begeisterten Niederösterreicher sei das Pressehaus immer der mediale Leitbetrieb in der Region, wie natürlich auch im Burgenland, gewesen, sagte Dungl. Man habe einen profunden Kenner der österreichischen Medienlandschaft und einen umsetzungsstarken und engagierten Geschäftsführer gewonnen, stellte Aufsichtsratsvorsitzender Johann Hörndl fest. Der 1967 in Wien geborene Dungl war zuletzt seit 2011 für die Kronen Zeitung Regionalleiter Wien und Stamm und Branchenleiter Öffentliche Institutionen. Ab 1990 war er bereits einmal bei der Mediaprint beschäftigt. Ab 1992 war er im Österreichischen Agrarverlag tätig, übernahm dort zuerst die Anzeigen- und später die Verlagsleitung des Zeitschriftenverlages. Ab 1999 wurde er Geschäftsführer der neu gegründeten Österreichischen Bauernzeitung. 2002 wechselte er als Geschäftsführer der Bezirksjournale, der Fundgrube, des Rieder Magazins und der Vogel Medien zurück zur Mediaprint. Italiens Zeitungen sind in der Krise, die Fusion von "La Stampa" und "La Repubblica" bringe eine weitere Medienkonzentration, sagt der bekannte Journalist. STANDARD: Wie schaut die Zeitungslandschaft nach der Krise, die die Medienbranche in den vergangenen Jahren auch in Italien durchgemacht hat, aus? Anselmi: Wir erleben im Westen eine generelle Krise der Printpresse. In Italien ist die Mauer von sechs Millionen verkauften Exemplaren eingebrochen. Jetzt sind wir bei knapp über vier Millionen. Wir werden uns nie erholen. Es war ein Fehler zu glauben, das Internet wäre ein Allheilmittel, noch dazu kostenlos. Die verlorengegangenen Zeitungsexemplare konnten nicht durch Online-Aktivitäten wettgemacht werden, weil die Einträge viel niedriger sind. Man hat keine Alternative gefunden. Auch die kleineren wie Il Piccolo wurden nicht verschont. Il Mattino, Il Secolo XIX, Il Gazzettino verkaufen heute weniger als die Hälfte als vor zehn Jahren. Die großen überregionalen Zeitungen Corriere della Sera, Repubblica, Sole 24 Ore erreichen nur noch je rund 300.000 verkaufte Exemplare, die Hälfte früherer Werte. STANDARD: Die Fusion der Zeitungen La Repubblica und La Stampa, die die Branche auf Kopf stellt, ist stillschweigend zur Kenntnis genommen worden. Warum? Anselmi: De facto haben wir in Italien zwei große Verlagsgruppen: eine um La Repubblica, zu der auch Il Secolo XIX und LEspresso gehören. Und die zweite um den Corriere della Sera, wo sich seit Jahren eine Clique von Herausgebern streitet und gegenseitig bekämpft. Man spekuliert auch über eine Fusion von Corriere und Sole, ich glaube aber nicht daran. Es gibt dann den Verleger Gaetano Caltagirone, der unter anderem Il Mattino, Messaggero, Gazzettino herausgibt, dem man ein Expansionspotenzial zutraut. STANDARD: Ein Problem scheint der Mangel an echten Verlegern in Italien zu sein. Die meisten sind Unternehmer. Anselmi: Pure Verleger sind rar. Eher sind es Industrielle, die ins Mediengeschäft eingestiegen sind, um Einfluss über die Politik zu bekommen: die Zeitung als Druckinstrument. Attilio Monti, langjähriger Verleger von La Nazione und Il Resto del Carlino, pflegte zu sagen: Meine Zeitungen sind meine Pistolen. STANDARD: Wie haben Italiens Zeitungen generell auf die digitale Revolution reagiert? Anselmi: Sehr langsam. Sowohl die Verleger als auch die Journalisten haben sehr spät Antworten auf die Herausforderungen des Internets gesucht. Wir sind technologisch rückständig, erst vor zehn Jahren hat man begonnen aufzuholen. STANDARD: Stellt die Fusion von La Repubblica und La Stampa eine Bedrohung für die Pressevielfalt dar? Anselmi: Sie ist ein Problem. Ich glaube aber nicht, dass sie mit der Absicht entstanden ist, ein Kartell, ein Oligopol zu bilden. Eher ist sie aus blanker Panik, zu sterben, aus einer Überlebensnot entstanden und nicht wegen irgendwelcher politischen Absichten. Erstaunlich ist allerdings die Stille, mit der die Fusion von Politik und Medien aufgenommen wurde. Alle haben einfach Angst davor, den Job zu verlieren, und die Politik fürchtet sowieso die Zeitungen nicht. Diese Angst, zu verschwinden, sagt eine Menge aus über das Gefühl, vor dem Aus zu stehen, und die großen Schwierigkeiten, vor denen die Branche steht. STANDARD: Wie ist es mit der Qualität des Journalismus in Italien im Vergleich zu anderen europäischen Ländern und den USA bestellt? Anselmi: Es gibt nicht nur die Frankfurter Allgemeine Zeitung, The Times, The Independent, The Wall Street Journal, die zum Teil eine Balance zwischen Print und Online gefunden haben. Im Europavergleich ist die Lage in Deutschland und Großbritannien besser als in Italien. In Frankreich zum Beispiel geht es dagegen vielen regionalen Zeitungen schlechter. Im Allgemeinen ist Journalismus bei uns in Italien eher unkritisch, man kämpft für die Privilegien und nicht die eigene Unabhängigkeit, der Journalismus ist an der Beziehung zur Macht interessiert. Chefredakteur Stefan Kaltenbrunner setzt auf drei Hauptbereiche: News, Stars & Kultur, Lifestyle. Wien – Der schon länger angekündigte Relaunch von kurier.at ist seit Mittwoch umgesetzt. Alle Inhalte sind jetzt in drei Hauptbereiche – News, Stars & Kultur, Lifestyle – zusammenfasst. Das reduziertere Design bringe sowohl in der Desktopversion wie auch mobil noch mehr Übersicht und Schnelligkeit, heißt es in einer Aussendung. Stefan Kaltenbrunner, Chefredakteur von kurier.at: Das neue moderne und klare Design spiegelt perfekt die Struktur unseres redaktionellen Angebotes wieder. Unsere umfassenden News- und Lifestyle-Inhalte können wir so für den User noch optimaler zur Geltung bringen. Wir bieten künftig einen noch besseren und schnelleren Nachrichtenüberblick mit mehr Serviceelementen. Erneuert wurden auch die mobilen Angebote und das Newsletter-Service. 11,5 Millionen Dokumente zu hunderttausenden Firmen in 21 Steueroasen – Recherche zu den Daten soll weitergehen. Panama-Stadt – Die Millionen von Dokumente der Panama-Papers sollen ab dem 9. Mai komplett veröffentlicht werden. Das kündigte am Mittwoch das in Washington ansässige Internationale Konsortium Investigativer Journalisten (ICIJ) an, das die Auswertung der 11,5 Millionen Dokumente durch rund 400 Journalisten in aller Welt organisiert hatte. Die Datenbank werde Informationen über mehr als 200.000 Firmen, Investmentgesellschaften und Stiftungen in 21 Steuerparadiesen von Hongkong bis zum US-Bundesstaat Nevada enthalten. Das Konsortium teilte zugleich mit, dass die Recherchen zu den Dokumenten weitergingen und weitere Artikel dazu in den kommenden Wochen und Monaten folgen sollten. Süddeutsche hatte sich an ICIJ gewandt Die Datensätze der Panama-Papers waren der Süddeutschen Zeitung zugespielt worden, die sich daraufhin an das ICIJ gewandt hatte, um deren weltweite Auswertung zu organisieren. Das Konsortium hatte in den vergangenen Jahren bereits die Recherchen zu den Steuervermeidungspraktiken multinationaler Konzerne in Luxemburg (Lux-Leaks) und mutmaßlichen Schwarzgeldkonten beim Schweizer Zweig der britischen Großbank HSBC (Swiss Leaks) koordiniert. In Österreich gehören der ORF und der Falter dem Rechercheverbund an. Durch die Auswertung der Panama-Papers wurde enthüllt, wie die in dem zentralamerikanischen Land angesiedelte Kanzlei Mossack Fonseca dutzenden Spitzenpolitikern, Sportstars und anderen Prominenten dabei geholfen hatte, Steuern zu umgehen. Die Enthüllungen riefen weltweit Steuerfahnder und Politiker auf den Plan. LSD auf dem Adventmarkt und ernste Themen sind kein Widerspruch, sagen Stefan Häckel und Judith Denkmayr über den Zugang von Vice. Wien – Vice ist seit 2007 in Österreich. Niko Alm mit seiner Agentur Super-Fi und Stefan Häckel holten das Magazin nach Österreich. Knapp zehn Jahre später firmiert das Netzwerk als Vice CEE und Anker für Osteuropa mit nach eigenen Angaben 130 Mitarbeitern, wobei zwei Drittel in der Agentur Virtue und ein Drittel für das Medium Vice arbeiten. Alm hat die Geschäftsführung verlassen und das Medienhaus stellt sich neu auf: mit der Redaktion auf der einen Seite und der Agentur Virtue auf der anderen. Virtue geht aus dem Zusammenschluss der Vice CEE Agenturen Digital Affairs, farmor, katha, opendo und nked hervor und aus der Ablöse der Agenturmarke Super-Fi. Welche Pläne mit der neuen Struktur verfolgt werden, erklären Stefan Häckel und Judith Denkmayr von Vice. STANDARD: Wenn jemand Vice nicht kennt: Wie definieren Sie sich? Häckel: In Österreich sind wir das größte Youth Mediahouse und nennen uns gerne omnimedial. Wir sind mit unseren Inhalten mobile, online, auf klassischen Portalen bis zu Kanälen wie Snapchat oder Facebook vertreten. Seit heuer auch im linearen Fernsehen. Inhaltlich bringen wir News im weitesten Sinne, ohne jetzt auf klassische Nachrichten zu setzen. Das umfasst etwa auch Essen oder Sport. Denkmayr: Wir machen Inhalte aus der Zielgruppe für die Zielgruppe. Es gibt keine starren Genrevorgaben, weil Leute mit dem Ziel kommen, was anderes zu machen. Häckel: Der Unterschied zu klassischen Medien ist, dass wir hundert Prozent der Inhalte selbst produzieren. Wir greifen auf keine Nachrichtenagenturen zurück. Unsere Kernzielgruppe geht von 19 bis 34 Jahre. Es macht keinen Sinn, dreimal dieselbe APA-Meldung zu bringen, sondern eine Geschichte mit einer neuen Perspektive zu erzählen. Entweder haben wir Geschichten, die es sonst nicht gibt, oder wir bringen Geschichten mit neuen Perspektiven. STANDARD: Manche Zuschreibungen reichen von exzentrisch bis unjournalistisch. Würden Sie das unterschreiben? Häckel: Unterschreiben würde ich gar nichts. Wir kennen solche Zuschreibungen seit Jahren. Jetzt haben wir Vice News gelauncht und da gab es Reaktionen wie: Warum macht ihr das? Ihr seid ja Hipster und könnt nicht einmal schreiben, und eure Kernkompetenz ist, mit LSD auf den Adventsmarkt zu gehen. Das machen wir eh auch, aber nicht aus Eigenliebe, sondern weil es Leute unterhält. Parallel dazu kann man ernsten, professionellen Journalismus machen. Alle Plattformen haben denselben Zugang zu Journalismus, vielleicht funktioniert dieser Zugang für die junge Zielgruppe nicht mehr. Deswegen müssen wir es anders machen und haben Vice-Reportagen auf Vice News gebracht. Und Vice News war seit dem Start vor zwölf Monaten der am schnellsten wachsende Kanal innerhalb unserer Plattformen. STANDARD: Wo liegt der Unterschied zu anderen Sendern? Häckel: Amerikanische Medien werfen uns jetzt gerne in einen Topf mit CNN. Das wird der nächste Kampf, ob sich CNN oder Vice News im digitalen Newsmarkt durchsetzt. Wir sind in diesen Sphären angekommen und wollen absichtlich keine Leute von CNN oder Al Jazeera, weil wir nicht wie sie werden möchten. Es gibt genug Leute, die keine News haben wollen, bei denen der Korrespondent vor dem Tahrir-Platz steht oder im Studio und über Sachen redet, die ich nicht sehe. Man muss Leute treffen, Kontakte knüpfen und mit denen dann zum Beispiel eine Woche verbringen und in ihre Lebensrealität eintauchen. STANDARD: Was geht besser? LSD auf Adventmärkten oder eine ausführliche Politikreportage? Häckel: Beides geht. Wir denken nicht in Zielgruppen, sondern in Wertegemeinschaften und Interessengebieten. Ich möchte nicht den ganzen Tag sture, ernste Inhalte lesen, sondern inspiriert werden. Und wenn es einmal nur lustig und sinnlos ist, ist das auch in Ordnung. Deswegen ist es ja qualitativ nicht schlecht und nicht erfunden. Denkmayr: Was zum Beispiel sehr gut funktioniert hat, war die Geschichte mit den Eiernockerln zum 20. April (Hitlers Geburtstag, Anm.). Das ist eine perfekte Geschichte für unseren Zugang. Ein anderer Artikel war jener über Drogendealer entlang der U6, als ein Redakteur von uns sehr lange unterwegs war und mit Dealern geredet hat. An die ist zum Beispiel der Falter nicht rangekommen. Wir haben ja auch nicht das Rad neu erfunden, sondern die Zutaten neu kombiniert. Nämlichen den subjektiven Zugang, die Perspektive und die Art, wie Geschichten distribuiert werden. Häckel: Wir verwehren uns diesem klassischen Silodenken. Stichwort Leistungsschutzdebatte. Das ist ein Papiertiger und lächerlich. Leute, die mit Medienkonsum wenig zu tun haben, und da meine ich jetzt nicht Verleger, sondern Politiker, maßen sich an, Modelle zu entwickeln. Auf der anderen Seite leben diese protegierten Verleger massiv von Google und anderen, weil sie von dort Traffic bekommen. Diese Logik, dass der Content so teuer ist und ich ihn nicht herschenken kann, erschließt sich uns nicht. Hat man ein Problem mit Google, muss man sich mit denen treffen. Google weiß, dass Youtube in den nächsten fünf Jahren nicht mehr allein von Katzenvideos leben wird können, sondern anderen Content braucht. Da braucht es Dialog und keine Abgrenzung. STANDARD: Es ist wahrscheinlich leichter, gegen das Leistungsschutzrecht zu sein, wenn man Vice ist und freien Journalisten nur zwischen 25 und 100 Euro zahlt. Häckel: Diese Preisliste ist nicht mehr aktuell, und wir wissen, dass andere Medienhäuser nicht rasend mehr bezahlen als wir. Unser Altersdurchschnitt liegt bei 27 Jahren. Wir haben sehr viel Zeit und Geld investiert in Gehälterstrukturen. STANDARD: Bekommen Journalisten jetzt mehr bezahlt? Häckel: Ja, das ist ein stufenweiser Prozess, der im September losgegangen ist. Denkmayr: Dieses eine Bezahlschema, das kritisiert wurde, war ein Missverständnis. Bei uns gibt es nicht nur lange Artikel, sondern auch sehr kurze Geschichten. Da wollen wir eigentlich Ideen sammeln und neue Talente rekrutieren. Das ist nicht repräsentativ für unsere Redaktion. STANDARD: Zahlen Sie gleich viel wie andere Medienhäuser? Denkmayr: Bei Freelancern sind wir sicher auf einem ähnlichen Niveau. Einige unserer Journalisten sind auch angestellt – nach dem Kollektivvertrag für Werbung. Sonst würden wir unsere Talente auch nicht halten können. Und wir beginnen in der nächsten Zeit mit der Umstellung auf den Journalistenkollektivvertrag. Häckel: Das ist ein Thema, das uns bereits seit Anfang 2007 verfolgt. Wir sind ein Gratismedium und die Monetarisierung läuft über den Werbemarkt. Man kann sich leisten, was man verdient. Andererseits haben wir gestiegene Qualitätsansprüche. Das heißt, wir ziehen die Gehälter sukzessive nach. Manchmal ist es wirklich nur der ganz kurze Facebook-Post, den man nicht mit einem recherchierten, fotodokumentarischen Journalismus vergleichen kann. STANDARD: Wie ist das Verhältnis der Direktzugriffe auf vice.com/alps zu jenen, die über Facebook kommen? Häckel: In etwa 50:50. Wir sind jung, und das ist ein Teil des Geschäftsmodells. Wir möchten dort sein, wo die Leute sind und sie von dort abholen und auf unsere Plattform bringen. Ich bin ein großer Feind der Aussage, dass sich junge Menschen nicht für Nachrichten interessieren. Das ist Schwachsinn. Denkmayr: Bei uns ist es sehr wichtig, dass die Redakteure dahinter sind. Leute, die mit digitalen Medien aufgewachsen sind, überlegen, wie sie Geschichten auf welchen Kanälen präsentieren. STANDARD: Wie viele User kommen direkt über die Startseite vice.com? Häckel: In der Größenordnung von 15 bis 17 Prozent. STANDARD: Vice ist seit Herbst bei der Österreichischen Webanalyse und liegt aktuell bei rund 1,5 Millionen Visits und 620.000 Unique Clients. Wohin soll die Reise gehen? Häckel: Wir würden uns gerne innerhalb eines Jahres verdoppeln. Das wird enorm anstrengend, wir wachsen aber schon seit den letzten zwei Jahren um rund 100 Prozent pro Jahr. Von diesem Level noch einmal so zu wachsen, ist sportlich. Wir werden aber noch weitere Plattform launchen und das Angebot diversifizieren. Nach kürzlich Broadly kommen in nächster Zeit etwa noch i-D und Vice Sports. STANDARD: In Übersee gibt es mit Viceland seit Februar einen linearen TV-Kanal. Wann geht es in Österreich mit einem Partner los? Häckel: Wir sprechen mit allen, die österreichische TV-Landschaft ist eh überschaubar. Mit dem ORF gibt es den großen Platzhirschen. Der darf nicht einfach einen Kanal aufmachen. Dann gib es die Privatsender. Wir wollen ins Fernsehen, aber nicht um jeden Preis. Denkmayr: Es muss zur Marke passen, bis jetzt hat es aber noch nicht hundertprozentig mit einem Partner geklappt. STANDARD: Welcher Partner würde am ehesten zu Vice passen? Puls 4? Häckel: Die Frage ist, ob man es als Premium- oder Free-TV macht. Es gibt zum Beispiel Gespräche mit Sendergruppen über alle Länder, aber wir reden auch mit Puls 4. STANDARD: Ist Puls 4 derzeit in der Favoritenrolle? Häckel: Es gibt auch Anbandelungen mit ATV. In Österreich gibt es ja nicht so viele Ansprechpartner, oder man sucht sich einen technischen Dienstleister und einen Vermarktungspartner. Man stellt also den Sender live und versucht Geld damit zu verdienen. Sieht man sich die Reichweiten der Nicht-ORF-Sender an, dann wird die Monetarisierung schwierig. Vielleicht wird es aber auch ein anderer Partner. Etwa ein Mobilfunker mit Verlängerung auf andere Plattformen. TV ist für uns nicht notwendigerweise nur der terrestrische, lineare Anbieter, sondern es ist ein Contentmodell. STANDARD: Und theoretisch mit vielen Partnern realisierbar? Häckel: Wir sind ein Premiumanbieter, der etwa auf HBO vertreten ist, mit einem gewissen Qualitätsanspruch. Diese internen Produktionslevels werden wir auf keiner Plattform je wieder unterschreiten. Das bedarf eines größeren Produktionsaufwands, um die richtigen Protagonisten mit gutem Storytelling in Szene zu setzen. Wir verfolgen einen universellen, globalen Anspruch, weil wir wissen, dass in Schweden der 21-Jährige dieselbe Mucke hört wie einer gleichen Alters in Österreich. Denkmayr: In Tschechien ist das dortige Vice-Office zum Beispiel mit TV sehr erfolgreich, das läuft aber nicht unter dem Label Vice. In Polen gibt es zum Beispiel konkrete Gespräche. Es geht an allen Ecken und Enden voran. Letztendlich wird alles in Viceland eingezahlt, obwohl die Zugänge ganz unterschiedlich sind, weil die Marktgegebenheiten unterschiedlich sind. Häckel: Vielleicht muss man in Österreich etwas komplett anderes machen und weniger über Viceland reden, sondern zum Beispiel ein ganz neues Newsformat produzieren. Etwa für bestehende Sender. Man liest überall, dass die TV-Nutzung zurückgeht, und alle schieben den schwarzen Peter dem Fernsehen als Technologie zu. In Wirklichkeit gehört der schwarze Peter dem Content. Die Leute wollen nicht mehr sehen, was ihnen angeboten wird, und auch nicht mehr zu diesen Uhrzeiten. STANDARD: Ist es dann realistisch, dass es bereits 2016 passiert? Häckel: Eine Formatentwicklung haben wir auf jeden Fall vor. Der lineare TV-Launch wird sich eher nicht ausgehen. Da braucht man mindestens zwölf Monate Vorlaufzeit. Wahrscheinlich werden wir vorher in der Schweiz und in Polen on air sein, obwohl wir in Österreich am längsten darüber reden. STANDARD: Könnte es mit einem einzelnen Format losgehen wie etwa Vice Reports in Deutschland, das bei RTL 2 läuft? Häckel: Ja, das ist das Einstiegsszenario. Von null auf Vollprogramm wird nicht möglich sein. Diesen Investor oder diesen Vertrauensvorschuss hätte ich in Österreich noch nicht gesehen. STANDARD: Vice wird manchmal vorgeworfen, dass es eine Vermischung zwischen Redaktion und Werbung gibt. Was sagen Sie dazu? Denkmayr: Die Mitarbeiter sitzen zwar teilweise im selben Stockwerk, die Redaktion hat aber anderes zu tun und wird nicht für Agenturarbeit verwendet. Häckel: Wir hatten sechs GmbHs, die operativ jetzt auf zwei zusammengedampft werden. Übrigbleiben Medienhaus und Agentur. STANDARD: War das bisher nicht so? In einem Interview haben Sie gesagt, dass auch die Redakteure für Content-Marketing-Lösungen arbeiten. Häckel: Ja, aber das ist eine eigene Redaktion, die für Branded Content arbeitet. Das ist nicht die klassische Vice-Redaktion. Denkmayr: Es gibt Leute, die früher in der Redaktion waren und jetzt im Branded-Content-Team arbeiten. Das heißt aber nicht, dass sie beides machen. Häckel: Wir verwenden die Redaktion mittlerweile als Bullshit-Detektor. Wenn wir mit Kunden Lösungen und Kampagnen generieren und es zu weit weg ist von der Zielgruppe, dann sagt der David Bogner als Head of Content als Erster, dass es ein Scheiß ist. STANDARD: Redakteure schauen sich die Werbung an? Häckel: Natürlich nicht jede, aber wenn es in Richtung Content geht, schon. Über die Redaktion haben wir alles gelernt, was wir können. In den letzten eineinhalb Jahren haben wir sehr viel Zeit investiert, um dieses Wissen in Kundenkommunikation zu übersetzen und Geschichten zu entwickeln. Wir sehen uns im Dreigestirn zwischen Mediaagentur und Kreativagentur mit dem großen, nicht klar umrissenen Spielfeld Digital. Es geht um Markenkommunikation und nicht um plumpe PR. STANDARD: Kritisiert wird ja, dass das für User nicht als Werbung wahrnehmbar ist. Denkmayr: Das betrifft uns nicht, da wir kein Native Advertising machen. Für Kunden machen wir zum Beispiel von der Webseite über Videos bis zum Instagram-Account sehr viel Content. Häckel: Wir wollen aus einer Geschichte mehrere Episoden machen und bauen das in eine eigene Markenwelt innerhalb unserer Plattform. Das unterscheidet sich aber vom redaktionellen Content. STANDARD: Mit Super-Fi war im Haus ja auch eine klassische Werbeagentur. Wird diese Positionierung durch die Auflösung und die Integration in die Agenturmarke Virtue aufgegeben? Häckel: Ja und nein. Wir sind keine Kreativagentur, keine Digitalagentur, keine Social-Media-Agentur und keine Event-Agentur. Wir nennen uns Creative Solutions Agency. Das klingt recht platt, ist aber sinnvoll. Uns ist egal, mit welchem Briefing ein Kunde oder eine andere Agentur kommt. Wir wollen das Bindeglied sein. Das kann Event sein, oder Social Media, was auch immer. Was wir immer mitnehmen, ist der Storytelling-Ansatz. Denkmayr: Unsere Kreation umfasst immer noch 20 Köpfe, wir haben eine relativ große Videoabteilung, Social Media, eine Digitalstrategie und Fotoproduktion im Haus. Der Anspruch ist jener, den wir für unsere eigenen Content-Produkte haben: Es soll so geil sein, dass es wer sehen will. Da enden oft klassische Kampagnen, die nach demografischen Faktoren eingebucht werden. Häckel: 2016 sollte man den Leuten nicht mehr: Kauf, du Sau ins Gesicht sagen. Wir wollen auch nicht von Zalando mit der Hose geretargetet werden, die man vor zwei Wochen angesehen hat. Wir wollen das smarter machen. Auf einmal hat die Konversation eine ganz andere Qualität, obwohl es Werbung ist. Leute müssen emotional abgeholt werden. Die Ideen von Produkten soll ins tägliche Leben der Konsumenten integriert werden. STANDARD: Vice in Österreich ist ja Anker für Osteuropa und die Schweiz. Was kommt nach Polen, Tschechien und der Slowakei? Häckel: Geplant ist, dass wir zwischen New York, Wien und Warschau die Produktentwicklung für alle 13 Plattformen machen. Etwa Apps. Weil Wien nach jenem in England der zweitgrößte Agenturstandort ist, haben wir gemeinsam mit New York die neue Strategie erarbeitet, die ab Montag kommuniziert wird, also der Launch der Agentur Virtue. Vice ist Content und Publikum, die Agentur Virtue ist Marke und Strategie. Die Agentur kann nicht ohne Vice existieren, aber Vice kann ohne die Agentur existieren. STANDARD: Vice hat sich von einem Magazin zu einem Online- und TV-Medienhaus entwickelt. Warum gibt es das Magazin noch? Als Reminiszenz an die Gründungszeit? Häckel: Sicher auch, wir sind romantische Typen. Wir pflegen und mögen das Magazin, das im Mai mit neuer Optik erscheint. Das ist die emotionale Antwort, die echte ist: Weil es funktioniert. Wir verdienen nach wie vor Geld damit. STANDARD: Aber nur ein Zehntel insgesamt. Häckel: Ja. Wir haben seit dem Jahr 2007 die Auflage immer konstant bei 26.000 Exemplaren gehalten. Wir wollten es verknappen, vergriffen haben. Inhaltlich hat sich das Magazin in Richtung Hintergrundgeschichten bewegt. Print wird es weiter gratis geben, und zwar mit direkter Distribution über Läden und Lokale. Völlig überraschend mit 53 Jahren – Seit 22 Jahren bei der ÖVP-Zeitung tätig. Linz – Der Kulturchef des Neuen Volksblatt, Andreas Hutter, ist am Freitag völlig überraschend im Alter von 53 Jahren gestorben. Der studierte Publizist und Historiker arbeitete seit 1994 bei der ÖVP-Zeitung, unter anderem in den Ressorts Außenpolitik, Magazin und Wissenschaft. Seit 2001 leitete er die Kultur. Vor seiner Volksblatt-Zeit war Hutter Dokumentar im Historischen Archiv des ORF-Fernsehens in Wien. Filmgeschichte blieb ein Schwerpunkt seiner Arbeit, zudem befasste er sich auch intensiv mit der Holocaust-Opferforschung – unter anderem mit dem Schicksal der Familie von Hollywood-Regisseur Billy Wilder in deutschen Konzentrationslagern. Immer wieder tat sich sein Team mit Eigenrecherchen auf der Suche nach den verschwundenen Linzer Klimt- und Schiele-Bildern hervor. Seine private Leidenschaft galt Italien, leicht zu erkennen an seinem Gruß Buongiorno a tutti!, seiner Kleidung oder seiner geliebten gelben Barchetta. Besonders tragisch waren die Umstände seines Todes, wie Chefredakteur Christian Haubner in einem Nachruf in der Montagausgabe der Zeitung berichtete: Wenige Stunden, nachdem die Belegschaft bei der Beerdigung eines pensionierten Kollegen gewesen war, starb Hutter völlig unerwartet in der Redaktion. Per Livestream können die User auch die Pressekonferenzen des DFB verfolgen. Hamburg – Spiegel Online zeigt zur Fußball-EM in Frankreich erstmals auch Videos von Spielszenen und arbeitet dafür mit Material von ARD und ZDF. Florian Harms, Chefredakteur von Spiegel Online: Das umfangreiche Videoprogramm zur Fußball-Europameisterschaft ist Bestandteil der systematischen Weiterentwicklung von Spiegel Online. Erstmals bieten wir unseren Nutzern auch Zusammenfassungen der wichtigsten Spiele im Video, hinzu kommt ein umfangreiches redaktionelles Programm. Spiegel-Reporter berichten täglich mit Reportagen, Interviews und Hintergrundgeschichten aus dem Quartier der deutschen Nationalmannschaft in Évian-les-Bains am Genfer See. Per Livestream können die User auch die Pressekonferenzen des DFB verfolgen. Frank Überall, Chef des Deutschen Journalistenverbands, wehrt sich gegen Lügenpresse-Vorwürfe und sieht vielfältige Bedrohungen von Journalisten. Von der Politik fordert er eine härte Gangart gegen Erdoğan. STANDARD: Sie werfen Frauke Petry von der AfD ein gestörtes Demokratieverständnis vor? Überall: Ja, jeder kann natürlich die Medien kritisieren, aber bei ihr ist das Konzept. Sie vermeidet zwar den Begriff der Lügenpresse. Dieser Begriff setzt ja voraus, dass man die Wahrheit kennt und ganz bewusst das Gegenteil berichtet. Trotzdem wird Journalisten genau das implizit unterstellt. Die AfD und Frau Petry wollen keine freie Presse. Petry hätte am liebsten Medien, die genau das berichten, was sie will. Da wehren wir uns natürlich. Journalisten machen ihren Job nach bestem Wissen und Gewissen, wollen nicht belehren oder erziehen. Wir möchten aufklären, einordnen und kommentieren. Auch Journalisten müssen Kritik aushalten, aber eine pauschale Verunglimpfung, wie es die AfD und Frau Petry machen, ist nicht erträglich. STANDARD: Ändert der Lügenpresse-Vorwurf die Art der Berichterstattung? Überall: Natürlich sollen Journalisten auch dahin gehen, wo es dreckig ist, und nicht abgehoben berichten. Wir haben es derzeit mit einer multipolaren Krise im Journalismus zu tun. Zum einen die Frage, wer für Journalismus noch zahlt. Gleichzeitig müssen wir uns wegen der aktuellen Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise in Teilen der Bevölkerung immer mehr rechtfertigen. Früher haben wir wie Propheten vom Berg hinuntergesendet. Das funktioniert nicht mehr. Wir sind längst vom Berg abgestiegen, bewegen uns aber in der Ebene noch unsicher. Ich sehe das aber als Chance. Es sind ja auch schon Formate entstanden, die das aufgreifen. Eine Fehlerkultur zum Beispiel. Auch wir Journalisten sind nur Menschen und machen Fehler. Es gehört auch die Größe dazu, diese Fehler zuzugeben und zu korrigieren. STANDARD: Die Lügenpresse-Vorwürfe kommen nicht nur aus dem rechten Lager. Überall: Man muss hier unterscheiden: Es gibt diejenigen aus der rechten Ecke, die den Begriff als Kampfbegriff gebrauchen und das demokratische System schwächen wollen. Und es gibt Menschen mit einem diffusen Gefühl der Unsicherheit, und die müssen wir als Medien auch wieder erreichen. Wir müssen uns derzeit immer wieder die Frage stellen, ob wir mit bestimmten Verhaltensweisen auf den Vorwurf der Lügenpresse einzahlen. Ich halte es da zum Beispiel als für nicht besonders hilfreich, wenn Bild-Chef Kai Diekmann ein erfundenes Interview mit Jan Böhmermann in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Für viele Menschen wird es immer schwieriger zu unterscheiden, was ein Medium ist und was nicht. Ich weigere mich, die sozialen Netzwerke als soziale Medien zu bezeichnen. Ich halte das für problematisch. STANDARD: Aber immer mehr Menschen holen sich ihre Infos von dort. Überall: Ja, und deswegen müssen wir mehr aufklären und Medienkompetenz schulen. Und darum kämpfen, dass die Glaubwürdigkeit uns als professionelle Journalisten weiter zugeschrieben wird und sich Menschen bei uns und nicht bei irgendwelchen Verschwörungstheoretikern informieren. Medienmarken müssen mit einer Glaubwürdigkeit verbunden bleiben. STANDARD: Glaubwürdig zu bleiben, zu recherchieren, in die Tiefe zu gehen, kostet Geld, weil es dazu Ressourcen braucht. Gleichzeitig haben Medien mit Umsatzeinbrüchen zu kämpfen. Was tun? Überall: Wir werden dorthin kommen müssen, dass wir im Netz nicht alles umsonst anbieten können. Das wird auf Dauer nicht funktionieren. Nach Premium Content gibt es eine Nachfrage. Es gibt die Sehnsucht nach Einordnung. Gerade in politisch unruhigen Zeiten braucht es Orientierung. Und wer sonst als die Medien soll die geben? Es braucht eine Hintergrundberichterstattung. Das Abdrucken von Agenturmeldungen mag in der Vergangenheit funktioniert haben, aber das ist kein Geschäftsmodell mehr. Hier müssen sich die Medienhäuser bewegen. Wenn sich die großen Tanker hier nicht bewegen, dann werden sich die Journalisten nach schnelleren Beibooten umsehen. Ob die großen Medienmarken in zehn Jahren noch bestehen, liegt letztlich daran, ob sie in ihr Produkt, sprich in den Journalismus, investieren. Natürlich bekomme ich Gratiscontent im Internet, aber wenn ich wirklich etwas Hochwertiges haben möchte, dann werde ich dafür bezahlen müssen. Wir als Journalisten sind derzeit in einer Situation, die für uns unbequem und auch noch unbekannt ist. Wir müssen unseren Job und den gesellschaftlichen Wert erklären. Dieser Herausforderung müssen wir uns stellen. STANDARD: Deutschland ist im Pressefreiheitsranking zurückgefallen. Als Grund werden auch Angriffe auf Journalisten durch Pegida-Anhänger genannt. Machen Sie sich Sorgen? Überall: Ja, deshalb haben wir das Blogprojekt augenzeugen.info gestartet. Dort werden solche Vorfälle dokumentiert. Wir versuchen auch, mit Experten, Polizei, den Innenministerien ins Gespräch zu kommen. Ich berichte seit gut 20 Jahren von rechtsextremen Aufmärschen, verbale Ausfälle gab es immer. Das ist zwar nervig, tut aber nicht wirklich weh. Das hat sich in den vergangenen ein, zwei Jahren verändert. Jetzt fliegen Flaschen, es fliegen Steine, es fliegen Feuerwerkskörper. Ganz gezielt auf Journalisten. Und die Polizei ist extrem zurückhaltend. Die Polizei muss natürlich das Demonstrationsrecht durchsetzen, aber auch das Recht auf Pressefreiheit. STANDARD: Das heißt, Sie sehen hier wenig Bewusstsein bei der Polizei? Überall: Ja, aus diesem Grund bin ich auch mit der Polizeigewerkschaft im Gespräch. Durch unser Blogprojekt sind Polizei und Politik aufmerksamer geworden für die Nöte, unter denen Journalisten arbeiten müssen. Es gibt eine vielfältige Bedrohungslage. Journalisten wird auf dem Heimweg von Demonstrationen aufgelauert, sie werden umringt und eingeschüchtert. Es gibt fingierte Todesanzeigen über Journalisten. Diese Einschüchterungsversuche haben massiv zugenommen. STANDARD: Die Pressefreiheit in der Türkei wird eingeschränkt, es kursieren schwarze Listen mit Journalistennamen. Überall: Wenn Journalisten am Flughafen in Istanbul festgesetzt werden und an der Einreise gehindert werden mit der Begründung, sie stünden auf einer Liste, dann frage ich mich natürlich: Was sind das für Listen? Ich will von Außenminister Frank-Walter Steinmeier wissen: Wer steht da drauf? Und kann Steinmeier garantieren, ob wir unseren Job in der Türkei frei ausüben können oder nicht? Bisher habe ich darauf noch keine Antwort bekommen. Was Erdoğan derzeit macht, bereitet mir große Sorgen. Es wirft alles um, was es an positiven Bestrebungen in der Türkei in Bezug auf Pressefreiheit gibt. Es werden willkürliche Prozesse geführt, Redaktionen werden geschlossen. Kolleginnen und Kollegen stehen auf der Straße. Weil sie ihre Arbeit gemacht haben. Erdoğan versucht massiv, auch international auf Berichterstattung Einfluss zu nehmen. STANDARD: Was erwarten Sie sich von deutschen Politikern in Bezug auf Erdoğan? Überall: Ein Beispiel: Wenn auf der einen Seite der deutsche Botschafter wegen einer lächerlichen Extra-3-Satire einbestellt wird, dann wäre es – wenn man den validen Verdacht einer schwarzen Liste von Journalisten hat – angemessen, in Berlin auch den türkischen Botschafter einzubestellen. Also ganz klar: Ich erwarte von den deutschen Politikern eine härtere Gangart gegenüber dem Autokraten in Ankara. STANDARD: Causa Merkel/Böhmermann: Wie sehen Sie hier die Rolle von Kanzlerin Merkel? Überall: Sie hat ja mittlerweile Fehler eingeräumt. Der Paragraf 103 – Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts – stammt aus der Mottenkiste der Geschichte. Ich halte die Abschaffung dieses Paragrafen für richtig. Jeder kann ja auch persönlich Strafantrag stellen, wie Erdoğan das auch gemacht hat. Insofern hätte es keine Zustimmung für die Strafverfolgung seitens der Kanzlerin gebraucht. Ich halte das für ein negatives Zeichen in Bezug auf Presse- und Satirefreiheit. Und es war ganz klar eine politische Entscheidung. STANDARD: Springer-Chef Döpfner hat das Böhmermann-Schmähgedicht verteidigt, jetzt geht Erdoğan auch gegen ihn rechtlich vor und hat eine einstweilige Verfügung beantragt, die am Dienstag vom andesgericht in Köln abgelehnt wurde. Überall: Warum wählt Erdoğan nicht das Mittel der diplomatischen Konsultation nach den Paragraphen 103 und 104 gegen Springer-Chef Mathias Döpfner? Dann könnte die Bundesregierung erneut wegen Majestätsbeleidigung ermitteln lassen, obwohl sie erklärtermaßen ja diese Vorschriften abschaffen will. Nein, man kann diesen Unsinn wirklich nicht mehr ernst nehmen. Erdoğan hat jegliche Bodenhaftung verloren. Gut, dass das Kölner Landgericht den Verbots-Wahn von Erdogan in die Schranken gewiesen hat. Das zeigt, dass man in Deutschland auf den Rechtsstaat vertrauen kann, der Presse- und Meinungsfreiheit effektiv durchsetzt. Es wäre jetzt sinnvoll, wenn der türkische Präsident seine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die deutsche Justiz beenden und nicht immer wieder neue Verfahren anstrengen würde. Auch zugespitzte Kritik muss Herr Erdoğan aushalten. (Astrid Ebenführer, 11.5.2016) "Der grüne Präsident" in Vorarlberg und Tirol – "Der halbe Präsident" in anderen Bundesländern. Wien – Halber Präsident und grüner Präsident – mit zwei verschiedenen Titelseiten berichtete die Kronen Zeitung am Dienstag über die Wahl von Alexander Van der Bellen zum neuen Bundespräsidenten. Während die größte österreichische Tageszeitung, die dem Grünen Kandidaten im Wahlkampf eher kritisch gegenüber stand, in Wien, Niederösterreich, Burgenland, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark und Kärnten mit der Schlagzeile Der halbe Präsident und einem verfremdeten Porträtfoto, das Van der Bellen halb im Licht und halb im Dunkeln zeigte, aufmachte, zierte die Krone-Ausgaben in Tirol und Vorarlberg unter der Schlagzeile Der grüne Präsident das selbe Foto ohne Schatten. In Vorarlberg und Tirol lag Van der Bellen bei der Wahl vor Hofer. Im grünen Vorarlberg probiert es die Krone mit einer anderen Titelseite. Chamäleon-Strategie. Kein Fake. #bpw16 pic.twitter.com/PMcpowrWtb Ihre regional-bipolare Seite zeigte das Massenblatt schon in den 1990er-Jahren in einer legendären Kampagne um den Semmering-Basistunnel. Die Ausgaben in Wien und in Niederösterreich schrieben damals scharf gegen das Bauvorhaben an, die regionale Mutation jenseits des Semmerings in der Steiermark berichtete fleißig für den Bau. (APA, 24.5.2016) Journalisten und anderen Mitarbeitern soll der Abgang schmackhaft gemacht werden. Wien/New York – Die New York Times will Personal abbauen. Journalisten und Mitarbeitern aus anderen Abteilungen sollen Angebote gemacht werden, das Unternehmen zu verlassen. Das gab das Medium am Mittwoch bekannt. Die Abgänge sollen wiederum Ressourcen für weitere Investitionen im Digitalbereich freimachen, heißt es. Wie viele Mitarbeiter betroffen sind und was passiert, wenn sich keine freiwilligen Personalreduktion realisieren lässt, ist noch unklar. Wo ein Jeannée über den guten Ton wacht, da wächst kein Gras mehr. Heute soll gutes Benehmen unser Thema sein. Bevor wir dazu kommen, etwas Erfreuliches. Endlich brachte das freiheitliche Magazin Zur Zeit das Geständnis eines von ihm begangenen groben Unrechts, natürlich nicht freiwillig, sondern im Namen der Republik. Das Blatt hatte im Mai vorigen Jahres unter der Überschrift Die Märchentante vom Standard die Journalistin Colette M. Schmidt des scheußlichen Verbrechens beschuldigt, sie versuche, die soziale Existenz unbescholtener Bürger, die sie für rechts halte, zu vernichten, wobei ihr offenbar alle Mittel recht seien. Bei Zur Zeit sah man diesen Verdacht dadurch erhärtet, dass Schmidt eine Patchwork-Mutter sei, bekanntlich ein Frauentyp, der die soziale Existenz unbescholtener Bürger, die er für rechts hält, nicht nur patchwork-, sondern gewohnheitsmäßig zu vernichten pflegt, wobei ihm alle Mittel recht sind. Da unbescholtene Bürger, deren soziale Existenz die Patchwork-Mutter vernichtet haben soll, weil sie sie für rechts hält, vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien auch beim besten Willen von Zur Zeit nicht beizubringen waren, vielleicht aber auch aus anderen Gründen, sah das Gericht den objektiven Tatbestand der üblen Nachrede hergestellt, weshalb die freiheitlichen Beschützer unbescholtener, aber für rechts gehaltener Bürger zu Zahlung einer Entschädigung verurteilt wurden. Als Patchwork-Mutter-Beihilfe stellte diese für wackere Freiheitliche naturgemäß eine besondere Schmach dar, für die man sich aber zu rächen wusste. Unter einem Bild der Journalistin ward enthüllt: Colette M. Schmidt, geb. 1971 in Kanada. Womit alles klar ist – was kann aus dem Ausland schon Gutes kommen! Doch jetzt zum Thema. Gutes Benehmen ist wieder gefragt, aber – glaubt man dem selbsternannten Elmayer des Boulevards – nicht überall. Besonders der griechische Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis galt als das Schreckgespenst der ministeriellen Finanzsensibelchen auf dem Brüsseler Parkett. Da sprach einer einmal Klartext darüber, was von deren Sanierungsmethoden zu halten ist, zeigte sich dann auch noch höchst ungezogen stolz auf die Verachtung, die er sich dafür von ihnen zuzog – und erntete damit den sanften Tadel des Benimm- und Wirtschaftsexperten der Krone, Michael Jeannée: Was sind Sie doch für eine üble, jämmerliche und unsympathische Figur. Ein übler, jämmerlicher und unsympathischer Täter wäre Varoufakis, ein notorischer Falschspieler. Unwahrscheinlich, dass Varoufakis seine Finanzministerkollegen ähnlich apostrophiert hat, aber wo ein Jeannée über den guten Ton wacht, da wächst kein Gras mehr. Mehr noch als der Schreck von Brüssel – mit dem Motorrad musste er auch noch vorfahren – bekam zwei Tage später in derselben Angelegenheit der Herausgeber des Falter Jeannées Fett ab, der unter dem erfrischenden Titel Schlechtes Benehmen wieder gefragt einen Lobpreis des Yanis Varoufakis ausgegeben hatte. Vielleicht nicht ganz verdient, denn Thurnher kritisiert zwar, dass man sich im Ton beleidigter Leberwürste über die prinzipiengesättigten Ausführungen des Griechen mokierte, räumt aber ein: Ja, er hätte die Eurozone retten können, hätte er das Richtige nicht nur gesagt, sondern es mit besseren Manieren vorgebracht! Leicht möglich, dass da die Ausstrahlung besserer Manieren auf neoliberal getränkte Funktionäre ein wenig überschätzt wird, und mit etwas Argumentationshilfe vom guten alten Karl Marx kann sich auch Thurnher zu dieser Erkenntnis durchringen: Aber die Empörung ist nicht schon die Opposition, sie ist vorerst nur die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie und keine Widerstandsform eigener Art. Die Stelle im Falter ist ein wenig dunkel. Ob Varoufakis Empörung wirklich nur die Folge der Vereinigung der Bourgeoisie war oder doch eher Ausdruck eines weltgeschichtlich bedauerlichen Mangels an besseren Manieren, konnte letztlich nur einer entscheiden, nämlich wiederum Michael Jeannée. Der lebt nun schon seit Jahren von dem bescheidenen Einfall, den Falter als Bolschewikenblattl zu bezeichnen, was ihn diesmal nicht von der Einleitung abhielt: Sie werden das Wiener Bolschewikenblattl Falter und seinen Chefredakteur Armin Thurnher nicht kennen, womit er seinen Leserinnen und Lesern ein geradezu diffamierendes Ausmaß an Gedächtnisschwäche unterstellte. In seinem Fall sollte man das nicht für ein Handikap halten, sondern für eine Wohltat. Es ist ein dumpfes Gegröle in Kombination mit Vernaderei in der "Krone". Wo in Österreich Menschlichkeit auf gefährliche Weise über den Rand des Erträglichen zu schwappen droht, sogar eine Innenministerin immer wieder in Gefahr gerät, humane Züge zu zeigen, greift eine Zeitung mutig und zur Mäßigung mahnend ein. Auf keinem Gebiet kann Übertreibung mehr schaden als auf dem der Asylgewährung, nichts ist gefährlicher, als einem Flüchtling mit landesunüblicher Herzlichkeit zu begegnen. Einerseits könnte es ihn zu dem Fehlschluss verleiten, hier willkommen zu sein, andererseits könnte es Landsleute in Versuchung führen, in Asylsuchenden Menschen zu sehen. Kein Blatt wäre berufener, solchen Gefahren einen Riegel vorzuschieben, als eines, das sich mit Kirchenfürsten und Kräuterpfarrern als Kolumnisten schmückt und schon deswegen in seinem freiheitlichen Bestreben nicht missverstanden werden kann. Das hat man davon, wenn man in puncto Aufnahme von Flüchtlingen ein großes Herz zeigt und eigentlich viel mehr mehr (sic!) tut, als der Bevölkerung in Wirklichkeit zumutbar ist: Man wird als Rassist beschimpft und beschuldigt, Menschen in Not loswerden zu wollen bzw. dahinvegetieren zu lassen, klagte Peter Gnam Donnerstag unter dem politisch klar positionierten Titel: Zeit, auf unsere Leute zu schauen. Wer da in puncto Aufnahme von Flüchtlingen ein großes Herz zeigt, und wer eigentlich viel mehr mehr tut, als der Bevölkerung in Wirklichkeit zumutbar ist, bleibt bei Gnam ebenso ungeklärt, wie wer jener Man sein soll, der deswegen als Rassist beschimpft wird. Ute Bock etwa musste wegen ihres großen Herzens in puncto Aufnahme von Flüchtlingen alles Mögliche über sich ergehen lassen, aber als Rassistin wurde sie deswegen noch nicht beschimpft, nicht einmal in der Kronen Zeitung. Es ist ein dumpfes Gegröle in Kombination mit Vernaderei. Die Initiatoren dieser Polit-Zündelei - es kann nur der Man sein, an dem sie zündeln – kennt man. Es sind dieselben, die seinerzeit in Wien die Besetzung der Votivkirche organisiert und so die katholische Kirche samt Kardinal Schönborn in Geiselhaft genommen haben. Die Ärmsten! In Geiselhaft genommen, und einmal nicht von der Familie Dichand! Und Gnam belässt es nicht beim Vernadern, er kann den Geifer nicht halten. Doch dieses Mal sollte man vorgewarnt sein (schon wieder ein man): Schnappt diese Chaoten, knöpft sie euch vor, hetzt er, bevor sie erneut wen auch immer in Geiselhaft nehmen können, kann man nur sagen. (Diesmal könnte es sich beim man um den Schreiber handeln.) Die Geduld eines überwiegenden Teils der Bevölkerung mit dem überbordenden Flüchtlingsproblem in Österreich ist nämlich erschöpft, und wenn die Geduld jenes von der Krone vertretenen Teils der Bevölkerung erschöpft ist, dann hat sich das überbordende Flüchtlingsproblem gefälligst in Luft aufzulösen. Falls nicht, greift der Justament-Standpunkt: ... und wenn jetzt noch welche kommen, die sagen, Flüchtlinge werden bei uns grausam malträtiert, dann erst recht. Da hilft nur eines: Es ist höchste Zeit, dass wir mehr auf unsere Leute schauen. Besser: mehr mehr. Eine, die mehr auf unsere Leute schaut, die liebe Innenministerin, durfte sich am Tag zuvor von Michael Jeannée gespendete Lorbeeren abholen. Mehr hat SP-Klubchef Andreas Schieder nicht gebraucht, als er sachlich formulierte: Die Aufnahme von Flüchtlingen ist ein bewältigbares Problem, Frau Mikl-Leitner aber damit überfordert, was auf dem Rücken der Flüchtlinge ausgetragen wird. Billiger gehts nicht, beschied Jeannée dem sauberen Herrn Schieder, der doch ideen- und ahnungslos sei. Ganz im Gegensatz zu Ihnen, Frau Johanna Mikl-Leitner. Denn nun haben Sie bei der Sondersitzung der EU-Innenminister in Brüssel mutig Tacheles geredet. Es gibt ja noch immer Politiker und -innen, die für Lob aus der Krone empfänglich sind und sich davon zu neuen Taten in ihrem Geist angestachelt fühlen. Anderswo hat man den Brüsseler Auftritt der Innenministerin vor allem als peinlich für Österreich empfunden. Aber derlei Empfindungen liegen nicht auf Blattlinie. Heult der eine Schnappt diese Chaoten, knöpft sie euch vor, wittert der andere Krieg. Das Boot ist voll. In Traiskirchen ist es am Untergehen. Und deshalb müssen die Grenzen in diesem Krieg, denn es ist fraglos eine Art Krieg, auch wenn (noch) nicht geschossen wird, geschlossen werden. Damit wieder Friede einkehrt. Man kann Weltoffenheit auch übertreiben. Strache will weltoffen sein, atmete man in dem Blatt, dessen Weltoffenheit auf jeder Seite sprichwörtlich ist, auf. Von der Kronen Zeitung angehimmelt zu werden hat auf Dauer noch keinem gutgetan, der sein Glück in der Politik versuchte und dabei auf der Blattlinie wandelte. Am längsten hat noch Jörg Haider als Ziehsohn des alten Dichand durchgehalten, aber weder Hans-Peter Martin noch Frank Stronach konnten letztlich die Erwartungen erfüllen, die da in sie gesetzt worden waren. Aber sie sind wenigstens noch am Leben, wenn stimmt, was man von ihnen hört. Grund genug, sich Sorgen um Strache zu machen. Nicht nur, dass habituelle Ausländerfeindlichkeit allmählich ihre Spuren in seinem Antlitz hinterlässt, sollte es nicht das Alter sein – (nicht erst) jetzt muss er erdulden, dass die Krone auch an ihm einen Narren gefressen hat. Strache will weltoffen sein, atmete man in dem Blatt, dessen Weltoffenheit auf jeder Seite sprichwörtlich ist, Dienstag nach dessen Sommergespräch mit einem ORF-Redakteur auf. Mehrmals betonte Strache, dass er weltoffen sei, ebenso wie die Stadt, deren Bürgermeister er werden will. Diese Betonung der Weltoffenheit war offenbar erforderlich, weil er mit derlei in der Stadt, deren Bürgermeister er werden will, bisher eher nicht aufgefallen ist. Sollten nachlesende Anhänger damit verschreckt worden sein, kam die Beruhigung umgehend: Doch die Aussagen zu Asyl und Migranten waren dann doch die alt bekannten, und die würde nicht einmal ein Kickl in Weltoffenheit drehen. Nein, und Heinz-Christian Strache gab sich betont gut gelaunt, gelassen und ruhig. In der Nachbehandlung des Ereignisses durch einen Innenpolitiker des Blattes am Donnerstag war von alldem nicht mehr die Rede, vor allem der Ausrutscher mit der Weltoffenheit war getilgt. Wie er, Strache, – gut vorbereitet – den Fragesteller mit Wortkaskaden überfällt, grenzt an Unfairness. Nichts mehr von gut gelaunt, gelassen und ruhig, aber dafür umso begeisterter: Nicht umsonst ist das Hinhauen auf die rot-schwarze Regierung im Bund und Rot-Grün in Wien derzeit Modesport Nr. 1. Wo man hinkommt, wird gelästert, und Strache redet den Leuten nach dem Mund. Damit hat er sich die Bewunderung eines Blattes, das davon lebt, den Leuten nach dem Mund zu reden, verdient. Umso lächerlicher die gestrigen Versuche diverser Medien, Strache und die FPÖ herunterzumachen. Das wäre ja noch schöner und überdies zwecklos, denn auch gegen Haider wurden Rezepte gesucht, und dann landete dessen FPÖ bei der Nationalratswahl zur Jahrtausendwende mit 27 % Wähleranteil auf Platz 2. Eine selige Erinnerung, die sich leider rasch eintrübt. Was dann folgte, war allerdings Chaos pur, weil sich die FPÖ allein vom Personal her und auch sonst als nicht regierungsfähig entpuppte. Daran hat sich bis heute nicht ein Jota geändert, aber für die Krone stirbt die Hoffnung zuletzt. Die Nagelprobe wird sein, welches Team Strache präsentieren kann, denn nur groß reden und wieder einen Polit-Bauchfleck machen, kann für Land und Leute ordentlich ins Auge gehen. Von der Metaphorik des ins Auge gehenden Polit-Bauchflecks einmal abgesehen, könnte Land und Leuten kaum Besseres widerfahren. Man muss sich aber keine Sorgen machen, der Anfall von Weltoffenheit, den die Krone an Strache diagnostizierte, wäre allein dessen Problem und hätte nichts mit seinen Einbläsern zu tun. Man muss die Welt nur klein genug fassen, um sich der Offenheit so hingeben zu können, wie Andreas Mölzer es in Zur Zeit regelmäßig tut. Zuletzt maßregelte er den oststeirischen Pfarrer, der örtliche Protestierer gegen die Aufnahme von Flüchtlingen mit Einsatz seiner Kirchenglocken zu läutern versuchte. Hat er sich irgendwann einmal überlegt, so Mölzer, was er und seinesgleichen der autochthonen österreichischen Bevölkerung antun, wenn er die schrankenlose Zuwanderung durch Wirtschaftsflüchtlinge und Scheinasylanten befördert, indem man jede Protestaktion der autochthonen Bevölkerung als unmenschlich abqualifiziert? Die Frage wäre einer Antwort wert, aber Mölzer ist gehemmt. Er tut sich schwer, weil er das eigentlich gemeinte rassenreine Ariertum der Oststeiermark vor dem Griff der Kirche zum Glockenseil retten will, dabei aber aus Gründen freiheitlicher Weltoffenheit zu einem so undeutschen Begriff wie autochthon greifen muss. Dabei ist seine Sorge angesichts der Gutmenschen, denen alles am Herzen liegt, nur nicht das Wohl der angestammten Österreicher groß. Denn was ist der angestammte Österreicher von heute anderes als ein Scheinasylant von gestern? (Günter Traxler, 22.8.2015) Christian W. Mucha: "Das hat mich von den Socken gehauen. Ich würde meiner Frau nie synthetische Rubine schenken!". Eine Nacht beim Opernball kann so manches an den Tag bringen, was besser verborgen geblieben. Oder auch nicht – so genau lässt sich das nicht sagen, wenn es einen Branchenexperten wie Christian W. Mucha, gelegentlich auch etwas respektlos auf Christian Mucha reduziert, betrifft. Es kommt immer darauf an, was man in einschlägigen Medien an öffentlicher Aufmerksamkeit lukriert, das man durch persönliche Unaufmerksamkeit an seinem Ruf als perfekter Ehemann in böswilligen Augen eingebüßt haben könnte. Vor dem Opernball war noch alles in Ordnung. Ehefrau Ekaterina kann sich glücklich schätzen: Ihr Gatte weiß, dass zu einer perfekten Ballrobe auch perfekt abgestimmte Ohrgehänge mit karminroten Rubinen gehören. Die kaufte man bei einem Wiener Juwelier – für 3000 Euro Bargeld und im Zuge von Gegengeschäften. Das wusste die Kronen Zeitung Dienstag von einem Prozess zu berichten, bei dem sich in der Folge dieses Gegengeschäftes der Gatte und der Juwelier gegenüberstanden. Doch nach dem Opernball das Erwachen: Es stellte sich laut einem Gutachter heraus, dass die Rubine synthetischer Natur sein sollen. Ob sich die erwachte Ehefrau nach dieser Expertise post festum noch glücklich schätzte, war der Krone keine Zeile wert. Umso mehr die Reaktion des Ehemannes, der sagte, was in einer solchen Situation zu sagen ist. Das hat mich von den Socken gehauen. Ich würde meiner Frau nie synthetische Rubine schenken! Kein Ehrenmann würde etwas anderes sagen, und erst recht als Ehemann muss man da einfach durch. Besonders dann, wenn man sich auf ein reines Gewissen berufen kann, wie das in Heute etwas besser herauspräpariert wurde als im Schwesterblatt. Für den Opernball hatte er seiner Ehefrau Ekaterina heuer Ohrgehänge mit 10 Edelsteinen (40 Karat) geschenkt. Aber der City-Juwelier Aviad Gadner habe ihm um rund 8.000 Euro Talmi angedreht. Aus der Differenz der Zahlenwerte, so sie richtig sind, lässt sich schließen, dass das Gegengeschäft einen Wert von 5.000 Euro umfasst haben müsste, nicht hingegen, ob es sich bei diesem Teil ebenfalls um Talmi gehandelt hat. Die Empörung des City-Juweliers vor Gericht fokussierte sich aber auf einen anderen Aspekt. Verkäufer Gadner schrie dazwischen: Echte Rubine würden doch Hunderttausende Euro kosten, schäumte er. Natürlich sind das ,Kompositsteine (künstliche Produkte). Das zeige auch das beigelegte Zertifikat. Möglicherweise ging der Schäumende auch davon aus, dass ein Mann, der als Herausgeber des Extradienstes und lange gefürchteter, wenn nicht gar berüchtigter Branchenexperte einen Ruf zu verteidigen hat, ein beigelegtes Zertifikat zu interpretieren imstande sein müsste, wenn er sich schon nichts davon zu wissen macht, dass echte Rubine doch Hunderttausende Euro kosten. Was natürlich nur unter der Voraussetzung von Bedeutung wäre, dass das Gegengeschäft über die 5.000 Euro nicht um ein Vielfaches dieser Summe hinausgegangen ist. Zurückhaltender drückte es die Krone aus. Der Juwelier leugnet die Betrugsvorwürfe strikt: Nie habe ich in so einer Absicht gehandelt! Er verweist auf ein Beiblatt zu den funkelnden Rubinen, demnach alles seine Richtigkeit habe und Mucha sehr wohl bekommen habe, was da draufstehe. Die Stimmung vor Gericht beschrieb Heute so: Ich habe zwei laute Buben daheim, aber das hier halte ich nicht länger aus, stöhnte Richterin Stephanie Wiedenhofer. Vor ihr kreischten zwei honorige Herren wie Rumpelstilzchen im Theater der Jugend. Das Flehen der Richterin fand Gehör. Nach wilden Debatten über synthetische oder behandelte Rubine, die man auch ohne Beiziehung eines Gerichts hätte klären können, gabs einen unerwarteten Vergleich: alles ein Missverständnis. Kaufpreis und Schmuck gehen retour, das Gegengeschäft geplatzt. Oder nicht? Der finanzielle Teil wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit besprochen, zog die Krone einen Schlussstrich unter die Affäre. Niemand hat einen Schaden, und darüber hinaus kam viel Schönes an die Öffentlichkeit. Nebst rührender Berichterstattung mehrere Fotos von Christian Mucha, seiner Ehefrau Ekaterina und den Rubinen, die Anlass zu dem Missverständnis wurden, das die eheliche Stimmung hoffentlich keinen Augenblick getrübt hat. Aber vor dem kommenden Opernball sollte sich der Ehemann beim Juwelenkauf zusammenreißen. Richard Lugner muss der Neid fressen. 'Lauda schüttet ein Füllhorn finanztechnischer Weisheiten über die Leser aus. Ausgerechnet in der heißen Schlussphase des Wiener Wahlkampfs musste der bekannte Ökonom und Schriftsteller Niki Lauda die Performance des fast designierten Bürgermeisters H.-C. Strache empfindlich stören. Am deutlichsten machte das Österreich sichtbar. Das Blatt eröffnete Donnerstag mit der Schlagzeile: Reich werden mit Niki Lauda. Neues Buch, hieß es weiter: Die Formel-1-Legende gibt Tipps, wie Sie zu Geld kommen und mehr daraus machen. Der angehende Oktober-Revolutionär musste sich hingegen mit dem Foto einer Frau im Badedress zufriedengeben, dessen Publikation mit dem Hinweis entschuldigt wurde: Strache-Muse versext Hollywood. Opernball-Date startet durch. All das hätte noch ein wenig unglaubwürdiger daherkommen können, etwa so: Reich werden mit H.-C. Strache, verschärft um die Behauptung, er hätte ein Buch geschrieben. Aber auch der Österreich-Version lässt sich für Strache wenig Gutes abgewinnen. Im Februar war sie Straches Begleitung am Opernball, doch das Model kann mehr. Dabei muss es schon eine außerordentliche Überwindung erfordern, Strache zum Opernball zu begleiten. Der Ruhm, den man dabei ernten kann, ist nicht ganz so groß wie das Blatt – Aufreger - behauptet. Seit dem Wiener Opernball kennt hierzulande fast jeder den Namen Kerstin Lechner (32). Das fesche Model erfüllte die in es gesetzte Erwartung und schürte mit seinem Auftritt mit Heinz Christian Strache (46) Gerüchte über eine neue Liebe. Zum Glück ist der Opernball schon lange her, denn darüber kann Lechner heute nur lachen. Heinz ist ein alter Freund meines Vaters. Er ist wie ein Onkel für mich, so das Model aus der Wachau. Protektion hat die fesche Niederösterreicherin ohnehin nicht nötig, dabei hätte ihr Onkel demnächst vielleicht wieder freie Zeit, um ihr in Hollywood beim Durchstart zum Versexen zu helfen. Davon versteht er ja eine Menge. Während die Muse über ihren Onkel heute nur lachen kann, ihr Onkel also musenmäßig wenig profitiert, schrieb Niki Lauda auf dem Boulevard Wirtschaftsgeschichte. Die Krone gönnte ihrem Liebling ein Coverfoto mit der Co-Autorin Conny Bischofberger, ebenfalls eine Koryphäe der Finanzwelt aus der Redaktion, unter dem Titel: Reich werden wie ein Weltmeister. In seinem neuen Buch, das Niki Lauda im Wiener Hotel Imperial vorstellte, spricht der Unternehmer und Selfmade-Millionär ( Ich hab ja nichts zu verschenken) erstmals über das große Tabuthema Geld. Erstmals? Das ist wenig glaubwürdig, wusste doch Österreich, Niki Lauda gilt als Geizhals und Sparmeister, was dieser im Kurier - Ich bin nicht geizig und gierig – dementierte. Und es wäre auch schade, denn in allen drei Blättern schüttet Lauda ein Füllhorn finanztechnischer Weisheiten über die Leser aus, das ihn für den nächsten Wirtschaftsnobelpreis dringend empfiehlt. Ein Beispiel aus dem Kurier: Geld verbessert den Lebensstandard. Man zieht von einer Zwei- in eine Fünf-Zimmer-Wohnung. Geht man mit Geld aber nicht vorsichtig um, sitzt man bald in einer Ein-Zimmer-Wohnung oder im Häfen. Hilfreich auch, was er, unter anderem, den Lesern von Österreich empfiehlt: Sei sparsam. Wer reich werden will, dessen Bedürfnis, Geld zu behalten, muss größer sein als sein Bedürfnis, Geld auszugeben. Schade, dass man manches erst so spät erfährt. Verfeinerung erfährt diese Theorie dann so: Man sollte nur das Geld ausgeben, das man von den Einnahmen abziehen kann und dabei immer auf das Worst-Case-Szenario achten. Viele Leute kaufen sich zu teure Autos, zu teure Wohnungen und sehen sich plötzlich nicht mehr raus. Aber damit ist nach der Lektüre von Laudas Durchleuchtung der Mysterien des Kapitals nun Schluss. 21,90 Euro sind nicht zu viel bezahlt für ein unfehlbares Rezept zum Reichwerden: Seinen eigenen Weg gehen, auch gegen Widerstände. Das Geld folgt dann schon. Aber es folgt denen, die vorausgehen, nicht den Herumirrenden, die nicht wissen, was sie wollen. Für die fasste Heute auf Seite 1 die Weisheiten zusammen. Lauda Nicht so faul! Wie sollte Strache sonst irgendwann Bürgermeister oder Kanzler werden?. Irmgard Griss will angeblich als unabhängige Kandidatin antreten – falls sich genügend Unterstützer und Geld finden, fasste der Kurier Mittwoch den Trubel um die Höchstrichterin mit höheren Ambitionen zusammen. Zumindest ein Unterstützer hat sich am selben Tag geoutet und damit ihr Dilemma deutlich gemacht: Man kann sich die Unterstützer nicht aussuchen. Total emotional, also ausschließlich vom Gefühl, vom Herzen diktiert, schreibe ich Ihnen heute ohne zu zögern: Ja, Sie wären meine Bundespräsidentin, machte Michael Jeannée in der Krone total emotional aus seinem Herzen keine Mördergrube. Schließlich konnte er gute Gründe für sein vom Herzen diktiertes Gefühl anführen: Denn Sie sind eine Dame. Das ist zwar keine der verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für den Job des Staatsoberhauptes, aber der Seinszustand Dame allein ersetzt solche für den Autor bequem, ist die Dame doch für mich das von der schwachsinnigen Zeitgeist-Genderei noch nicht vereinnahmte bzw. angepatzte Prädikat für eine kultivierte, aparte, gebildete, gewinnende, charmante, eloquente, gepflegte und stets perfekt gekleidete Frau ohne Attitüden und Koketterie. Ob sich Frau Griss in der ihr zugedachten Rolle als ein von der schwachsinnigen Zeitgeist-Genderei noch nicht vereinnahmtes bzw. angepatztes Prädikat wiedererkennt, ist nicht bekannt, eine gewisse Koketterie im Hinblick auf einen Einzug in die Hofburg ist ihr hingegen nicht abzusprechen, was Jeannées geistreiche Personsbeschreibung ein wenig relativiert. Obwohl schon jetzt klar ist, dass kein anderer Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten auch nur annähernd an die von ihm aufgezählten Qualitäten des Prädikats herankommen wird, ja sich schon wegen möglicherweise vorhandener politischer Erfahrungen eher als dumpfes Subjekt von Jeannées Ideal entfernen muss, ist die Moral aus seinem Lobgesang enttäuschend. Statt sich als Ritter für die Dame seines Herzens mannhaft in die Bresche zu werfen und meiner Bundespräsidentin den Weg über die politischen Leichen ihrer Mitbewerber in die Hofburg zu bahnen, speist er sie mit der kulinarischen Phrase ab, sie wäre zwar in der Hofburg nach meinem Gusto, aber politisch todgeweiht. Weiß er doch, dass Sie als unabhängige und von keiner Partei nominierte Kandidatin nicht die leiseste Chance haben in unserem ausgekochten Seilschaften-Österreich, leider. Da war die Verabschiedung des Prädikats mit einem Küss die Hand nur ein geringer Trost. Was unser ausgekochtes Seilschaften-Österreich angeht, trifft sich Jeannée mit anderen Verehrern der Dame. Die waren in ihrem Zentralorgan Zur Zeit allerdings noch dabei, das öffentliche Triumphgeschrei über das Wiener Wahlergebnis der Frustration darüber anzupassen, dass ihr Capo doch nicht, wie angekündigt, Bürgermeister wurde. In gleich zwei Artikeln rechnet Andreas Mölzer mit einer völlig verantwortungslosen Wählerschaft schonungslos ab. Haben zwei Drittel der Wähler noch immer nicht begriffen, was auf sie zukommt? Offenbar nicht! Woran das liegt? Klar – der Österreicher ist ein strukturkonservativer Wähler mit einem starken Hang zum Opportunismus, nach dem Motto: Die Lage ist hoffnungslos, aber nicht ernst. Man glaubt, sich schon irgendwie durchwurschteln zu können, irgendwann aber ist der Spaß zu Ende und der Herr Karl muss den Offenbarungseid leisten. Die Apokalypse ist nahe, und das opportunistische Volk hört nicht darauf, was Mölzer – hier im Auszug – zu sagen hat. Erst wenn unser Sozialsystem, die Krankenversorgung, das Pensionssystem und all das zusammengebrochen sein wird, ... erst wenn in den muslimischen Parallelgesellschaften Bürgerkrieg zwischen Sunniten und Schiiten, zwischen Kurden und Türken, zwischen Indern und Pakistani toben wird, erst wenn Frauen, Kinder und Alte nirgendwo auf die Straße gehen können ... erst dann wird die Mehrheit der Österreicher wirklich aufwachen – aber dann wird es zu spät sein. Schon um die Mehrheit der Österreicher wirklich aufwachen zu lassen, sollten Sunniten und Schiiten, Kurden und Türken, Inder und Pakistani endlich mit dem Bürgerkrieg in ihren Parallelgesellschaften loslegen. Nicht so faul! Wie sollte Strache sonst irgendwann Bürgermeister oder Kanzler werden? Der Mann kann nicht mehr ewig warten, und auf die Landsleute ist kein Verlass, weiß doch Mölzer, dass die Überzeugung der Österreicher nicht so leicht zu bewerkstelligen ist. In keiner Publikation ist dieser Menschentyp so konzentriert vertreten wie in "Zur Zeit". Es gibt so viel Trauriges in der Welt. Etwa, um ein brennend aktuelles Beispiel zu nennen, die Gleichgültigkeit gegenüber unseren Ahnen. Noch schlimmer ist: Die germanische Mythologie ist dem Großteil der Bevölkerung unbekannt. Zwar dürfte auch die indische oder griechische Mythologie dem Großteil der Bevölkerung an woran auch immer vorbeigehen, aber nicht jeder ist entwurzelt, und sensible Menschen leiden. In keiner Publikation ist dieser Menschentyp so konzentriert vertreten wie in Zur Zeit, und dort erreicht sie den höchsten Konzentrationsgrad in Andreas Mölzer. Die Gleichgültigkeit gegenüber unseren Ahnen und der Verlust der eigenen Mythen charakterisieren uns als entwurzeltes Volk und entortete Gesellschaft. Kollektive Neurosen und individuelle Sinnentehrung sind die Folgen, klagte er aktuell. Über die Sinnentehrung des Individuums kann man bei gegebener Entortung der Gesellschaft lange nachsinnen, ohne viel klüger geworden zu sein, wenn man erraten hat, dass Mölzer vermutlich Sinnentleerung gemeint haben könnte. Eine gewisse Lässigkeit im Umgang mit seinen Grundbegriffen verrät auch sein Schwanken zwischen Ahnen- und Armenkult. Gewiss, der Armenkult, wie er bei den alten Völkern zelebriert wurde oder wie er von den Römern und bis heute in Japan in der Shinto-Religion existiert, ein solcher Ahnenkult mutet archaisch an. Da ist es kein Wunder in unseren politisch korrekten Tagen, da der Begriff der Rasse tabuisiert und strafrechtlich verfolgbar ist, da man die Existenz und Wirkmächtigkeit von Völkern und der durch sie konstituierten nationalen Gemeinschaften tunlichst leugnen will, in diesen Tagen können naturgemäßig die eigenen Ahnen auch nichts zählen. Oder die eigenen Armen? Egal. Wenn einmal der Begriff der Rasse tabuisiert und strafrechtlich verfolgbar ist, kann das nur zur Folge haben, dass für das heimische Durchschnittspublikum Gandalf der Graue realer als Odin und Thor und die Figuren von Games of Thrones realer als Friedrich Barbarossa und Kaiser Maximilian sind. Wo aber Gefahr ist, lässt Zur Zeit auch das Rettende ins Kraut schießen. Ungarn als leuchtendes Vorbild feiert Zur Zeit an anderer Stelle Ungarns Ministerpräsidenten. Er zeigt den anderen, wo es langgeht, und schon wird Ungarn nicht mehr von ungebetenen Gästen belästigt. Dass nun Ungarn nicht mehr vom wandernden Volk behelligt wird, straft diejenigen Lügen, die da gebetsmühlenartig den Satz wiederholten, Zäune könnten doch die Massen nie und nimmer bremsen. Sollen sich doch andere mit den ungebetenen Gästen vom wandernden Volk behelligen lassen. Bravourös gemeistert! Es gibt aber auch gute Nachrichten – aus Österreich. Wie das neue Führungsteam um Sebastian Kurz die PolAK verändern will, versprach Donnerstag Die Presse zu enthüllen. Es ging dabei um die gute alte ÖVP-Akademie. Man wolle, sagte der neue Vorsitzende, Sebastian Kurz, vorab der Presse, die es schon gar nicht mehr erwarten konnte, die PolAk zu einem Ort machen, an dem Politik anders gedacht werde, damit sie dann anders gemacht werden könne. Mit allem war zu rechnen, wenn das politische Genie eines Sebastian Kurz explodiert, aber das überraschte sogar den abgefeimtesten politischen Beobachter. Konkret sollen an der Akademie - wer hätte das gedacht? – grundsatzpolitische Positionen vorbereitet, also vorgedacht werden. Das erste Debattenthema wird Eigenverantwortung versus Staatsverantwortung sein. Darauf ist in der ÖVP noch nie jemand verfallen. Eindringlicher hätte man gar nicht demonstrieren können, wie Politik anders gedacht werde, damit sie dann anders gemacht werden könne. Daneben soll die PolAk helfen, Fakten herauszuarbeiten. Am Beispiel Flüchtlinge: Manchen, sagt der Außenminister, gefalle nicht, dass die Unterbringung von 80.000 Asylwerbern Kosten von rund einer Milliarde Euro im Jahr verursache. Doch das sei ein Faktum - und wie vortrefflich herausgearbeitet! Nicht einmal vor neuen Trends schreckt man zurück. Man will ihnen den nötigen Raum geben, etwa der Digitalisierung. Bei so viel Neuerungswillen kann Kurzens Geständnis nicht mehr überraschen: Allerdings brauchen wir Mut zur Elite. Vor neuen Trends ist diese Woche auch eine Rechtsanwältin nicht zurückgeschreckt. Sie versandte auf Facebook Werbematerial, das sie in Jeans mit nacktem Rücken von hinten zeigte. Mit diesem Mut zur Elite schlug sie die PolAk glatt aus dem Feld. "So klingt jüdische Weltverschwörung light", meinte dazu der "Falter" und suchte nach den Verschwörern. Genetisch hatte der Falter recht, als er in Bezug auf Mölzers, Vater Andreas und Sohn Wendelin, schrieb, der Pferdeapfel fällt nicht weit vom Pferd. Als Abstammungsnachweis der hippologischen Fäkalie führte das Blatt an, der Vater habe seinerzeit die Europäische Union als Negerkonglomerat bezeichnet, der Sohn hätte dessen reinrassigen Galopp in einer Auseinandersetzung mit dem Judentum eines gewissen Raphael Sternfeld nachvoltigiert. Ohne zwischen Pferd und Pferdeapfel eine Blut-Hirn-Schranke – oder besser Darm-Hirn-Schranke? – aufrichten zu wollen, muss festgestellt werden, dass dem Blatt der Abstammungsnachweis zumindest in rein formaler Hinsicht misslungen ist. Heißt es doch im Falter: Nun hat Sohnemann Wendelin nachgelegt. Raphael Sternfeld ist Jude, schrieb der FPÖ-Abgeordnete über einen Berater des Kanzlers in Zur Zeit. Tatsächlich ist aber der redaktionelle Vorrat an Antisemitismusexperten bei Zur Zeit wesentlich größer, als ein Falter-Redakteur sich das in seiner Gutmenschlichkeit träumen lässt. Auf dem Gebiet des Antisemitismus kann dort vermutlich jeder Mitarbeiter einspringen, sollten das Pferd oder sein Apfel anderweitig hochgeistig beschäftigt sein. Und just so war es in diesem Fall. Es war ein E. K.-L., der sich unter dem Rubrikentitel Satire am Wesen von Raphael Sternfeld abarbeitete, ohne dass klar wurde, warum dieses Objekt und was an ihm satirisch verwertbar sein sollte. Es muss natürlich jedem Zur Zeit-Leser rasend komisch vorkommen, wenn sich über jemanden sagen lässt: Sternfeld kommt aus der Döblinger Cottage, hat das französische Lyzeum in Wien absolviert, dann das Studium der Politikwissenschaft. Dabei sollte der frivole Erwerb fremdsprachlicher Kenntnisse doch eher als ein skandalöser Fall von linguistischer Umvolkung in der Umgebung des Kanzlers angeprangert denn leichthin als Satire abgetan werden. Nicht Wendelin Mölzer, sondern E. K.-L. warf Sternfeld die Aussage vor, Faymann stehe immer auf der richtigen Seite. Satirisch verwertbar an einem Kanzlerberater wäre vielleicht die gegenteilige Erkenntnis. So ist auch die Frage des Satirikers denkbar unsatirisch: Ist es Kalkül, damit man auf der Stufenleiter der Karriere weiter nach oben kommt? Oder ist es bloßes Kriechertum? Wer wird schon jemanden beraten, von dem er glaubt, er stehe immer auf der falschen Seite? Kickl vielleicht, heimlich, und auf der Stufenleiter der Karriere hat es ihm sicher nicht geschadet. Satirisches Potenzial läge eventuell darin, dass Faymann gar nicht so selten auf der richtigen Seite steht, nur selten fest genug, wenn die ÖVP etwas anderes will. Aber darum geht es E. K.-L. nicht, endlich kommt er doch zum satirischen Höhepunkt, indem er Sternfeld eine große Zukunft prophezeit. Reiht er sich doch nahtlos in die Gilde jüdischer Oberschichtler, die sich dem von Links-Intellektuellen seit jeher als dumpf eingeschätzten Proletariat als weise Führer aufdrängten. Die jüdischen Oberschichtler, die er dann aufzählt – Otto Bauer, Robert Danneberg, Hugo Breitner, Julius Tandler – waren weder je Kanzlerberater noch Schüler eines französischen Lyzeums, sie waren Hassobjekte der Nazis in den 1920er- und 1930er-Jahren, und an diese schöne Vergangenheit wird man doch noch erinnern dürfen. In diese Gilde nahtlos wieder jemanden einzureihen – wenn das nicht Satire ist! So klingt jüdische Weltverschwörung light, meinte dazu der Falter und suchte nach den Verschwörern. Die FPÖ warf Susanne Winter wegen Antisemitismus aus der Partei. Verkappte Antisemiten wie Mölzer dürfen hingegen bleiben. Soweit das den Pferdeapfel betrifft, wäre der satirische Anlass zu wenig für einen Hinauswurf. Was aber Wendelin Mölzer als Chefredakteur von Zur Zeit betrifft, der solche Formen von unverkapptem Antisemitismus, nur weil als Satire ausgegeben, zulässt, wäre ein Hinauswurf gerechtfertigt, schon aus Gründen der Genderge rechtigkeit. Er könnte ja als wilder Abgeordneter neben Susanne Winter sitzen. Ob er neben dem als Herausgeber von Zur Zeit tätigen Pferd Chefredakteur bleibt, ist auch schon egal, rückt doch in dem Blatt sofort ein neuer Satiriker nach, wenn einer verschwinden sollte. Als solcher darf dort etwa auch der Schriftleiter der Aula auftreten, der seiner satirischen Ader freien Lauf lässt, indem er Flüchtlinge als Zivilokkupanten beschreibt. Da fallen Satire und Patriotismus zusammen. Der "Öko-Terminator" in der "Krone": Als Titelbild des Tages wurde noch "Arnie radelt zum Klima-Gipfel geboten". Um die Erde steht es bekanntlich schlecht. Da ist man für jede Idee dankbar, was noch zu retten wäre. Prall vor Stolz auf Österreich ist das kaum Glaubliche zu konstatieren: Unser Umweltminister hatte eine. Mit einem allseits beachteten Überraschungscoup betrat Minister Rupprechter am Montag in Paris das internationale Klimagipfel-Parkett. Le Ministre dAutriche holte seinen berühmten Landsmann, unseren Öko-Terminator Arnold Schwarzenegger, ans Mikrofon, verkündete die Kronen Zeitung am Dienstag. Die Überraschung der Delegierten aus aller Welt angesichts des ministeriellen Bauchredners ist nachzuvollziehen, der Auftritt kam keine Minute zu früh. In dieser heiklen, schicksalhaften Phase kam der Auftritt unseres Öko-Terminators Arnold Schwarzenegger gerade recht. Die Erde soll sich vor Freude etwas rascher gedreht haben, als die steirische Eiche, die schon längst eine Umweltbrücke zwischen Wien, Graz und Kalifornien gebaut hat, die Mächtigen dieser Welt neuerlich zum Handeln, zur Action - Aktschn – aufrief. Das allein hätte die Erde nicht gerettet, aber als Schwarzenegger betonte, auf Österreich stolz zu sein, die Liebe zur Natur habe er in der Steiermark als Kind schon gelernt, da ging es ihr gleich viel besser. Sie weiß, in der Kronen Zeitung, in deren Privatbesitz sich unser Öko-Terminator befindet, ist sie gut aufgehoben. Schließlich ist Schwarzeneggers Österreich-Repräsentantin die Krone-Kolumnistin Monika Langthaler, die dieses Treffen auch eingefädelt hatte. Als Titelbild des Tages wurde noch Arnie radelt zum Klima-Gipfel geboten: Der Terminator in blauen Shorts samt Fahrrad unterm Eiffelturm. Sollte er tatsächlich in diesem Aufzug zum Klima-Gipfel geradelt sein, wird der tosende Applaus, den der Krone-Umweltredakteur gehört haben will, nicht zuletzt den reschen Wadeln der steirischen Eiche gegolten haben. Der Abschlussappell von Arnold und Andrä: Helft uns, die Erde zu retten! darf einfach nicht ungehört verhallen – der Rest der Welt sollte sich geschmeichelt fühlen, den beiden helfen zu dürfen. Weiter hinten im Blatt wurden Geschenke an die Natur verteilt, wozu Krone-Herausgeber Christoph Dichand, Bundeskanzler Faymann und Walter Hödl vom Naturschutzbund die fotografische Staffage bildeten. Das Antlitz des Bundeskanzlers spiegelte trefflich den Zustand der Erde wider, vielleicht verzogen bei dem Gedanken, was ein Mark Zuckerberg aus eigenem Vermögen gespendet hätte, während sich die Krone immer nur mit Spenden ihrer Leser beweihräuchert. Auch News konnte sich aus Anlass des Klimagipfels nicht enthalten, seine Leserinnen und Leser mit den Weisheiten Arnold Schwarzeneggers zu konfrontieren, und das etwas tiefer schürfend als die Krone. Die Frage, was müssten Politiker ändern, um erfolgreich auf den Klimawandel aufmerksam zu machen, parierte Schwarzenegger so: Politiker müssten sofort Lösungen präsentieren, sobald sie über den Klimawandel sprechen. Eine brillante Idee! Wenn er sie auch in Paris vorgetragen hat, wird seine Einschätzung verständlich: Ich bin eigentlich optimistisch, was das Ergebnis des Klimagipfels betrifft. Die Konkurrenz auf dem Boulevard hat Schwarzeneggers Wirken in Paris etwas distanzierter reportiert. Der Kurier betonte Rupprechters Eintreten für die Krone: Österreichs Umweltminister hat am Montag die Monotonie im Plenarsaal ein wenig durchbrochen, indem er Arnold Schwarzenegger (sehr zum Missfallen der Grünen) aufs Podium holte und ihm die Hälfte seiner vier Minuten Redezeit überließ. Dass ein österreichische Minister die Hälfte seiner ohnehin knappen Redezeit vor einem wichtigen internationalen Forum als Freundschaftsdienst an die Trophäe eines Blattes abgibt, in dem er selbst gut wegkommen will, mag eine nationale Eigenheit sein. Was er in den zwei Minuten gesagt hat, die ihm Arnold Schwarzenegger überlassen hat, war dem Kurier keine Zeile wert, ebenso wenig war da von tosendem Applaus die Rede. Österreich erlaubte sich neben der Erwähnung Schwarzeneggers in einer Kurznotiz eine besondere Rohheit. Schlechte Nachrichten für den Umweltminister während des Weltklimagipfels. Im neuen Klimaschutzindex der deutschen Umweltorganisation Germanwatch rutschte Österreich von Platz 36 auf Platz 45 weiter ab. Bereits im Vorjahr war Österreich um fünf Plätze zurückgefallen. Da hilft jetzt nur noch der Terminator. "Österreich" fasste sein Dilemma zwischen Pflicht und Neigung zusammen: "Er liebt Philippa – Er will Stenzel – Straches neue Frauen". Ballsaison ist Strache-Saison. Kein Politiker nutzt das Narrentreiben so gekonnt wie er, Wählerinnen zu gewinnen, und wenn er sich dafür wieder einmal eine neue Lebensgefährtin zulegen muss. Er ist eben ein Politiker, der keine Anstrengung scheut. Aber heuer dürfte er es ein wenig übertrieben haben, machte ihm doch auch eine andere erst vor kurzem erblühte Liebe zu schaffen. Österreich fasste sein Dilemma zwischen Pflicht und Neigung Mittwoch in dem Aufmacher zusammen: Er liebt Philippa – Er will Stenzel – Straches neue Frauen. Den Anfang freiheitlicher Ballberichterstattung machte Sonntag die Kronen Zeitung mit einer Fotodokumentation. Bei Wiens Bällen derzeit immer flott zu dritt unterwegs: FPÖ-Chef Strache mit seinen beiden möglichen Präsidentschaftskandidaten, dem Vizebürgermeister Gudenus und Ex-Bezirkschefin Stenzel. Der flotte Dreier litt nur ein wenig darunter, dass es sich dabei um zwei durch eine dünne Linie getrennte Fotos handelte, wobei auf einem Strache und Gudenus bei beim flotten Zweier zu sehen waren, und ahnungsvoll separiert von ihnen die Ex-Bezirkschefin. Um welchen Ball es sich dabei handelte, war egal, denn öffentlich wahrgenommen wird Strache derzeit vor allem als eifriger Besucher von Bällen. Und zwar auffälligerweise zumeist in Begleitung von zwei seiner möglichen Präsidentschaftskandidaten: Wiens Vizebürgermeister Johann Gudenus und der Ex-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel. Nach dem Polizeiball war das Trio zuletzt im Parkhotel Schönbrunn beim Heiligen Sava Ball, den man umgangssprachlich auch den Serben-Ball nennt. Doch schon nahte der Heilige-Hubertus-Ball, den man umgangssprachlich Jägerball nennt. Österreich überschlug sich Dienstag förmlich, die Bedeutung des FPÖ-Obmanns als Nimrod vor dem Herrn deutlich zu machen. Der bildunterlegten Ankündigung auf Seite 1, Strache mit Model auf dem Jägerball folgte auf Seite 26 die ganze Wahrheit. Es war das Ballgespräch des Abends: FPÖ-Chef Strache strahlte mit fescher blonder - was sonst? – Begleitung am Jägerball. Philippa Beck heißt die Schöne, sie ist - was sonst? – Model, aus Wien – und gerüchteweise schon seit einiger Zeit an der Seite von HC. Und da niemand gern allein auf die Pirsch geht: Auch der als möglicher blauer Hofburg-Kandidat gehandelte Johann Gudenus kam in glamouröser Begleitung seiner Freundin Tajana. Ursula Stenzel hatten die beiden Platzhirsche im Unterholz verloren. Die Nase vorn hatte allerdings Heute, da wurde schon Dienstag knallhart enthüllt. Lange hat Heinz-Christian Strache (46) ein großes Geheimnis um seine neue Liebe gemacht. Heute kann enthüllen: Der FP-Chef ist seit mindestens September des Vorjahres mit der Wienerin Philippa Beck liiert. Obwohl das für Insider sogar optisch zu erkennen war, flog die Affäre erst beim Jägerball auf: Strache trägt aus modischen Gründen mehrere dünne, geflochtene Armbänder. Seit Herbst eines mehr – ein Geschenk, handgefertigt, von seiner 27-jährigen Flamme. Beim Ball der Trophäensammler konnte die letzte Handwerksarbeit nicht verborgen bleiben. Neben der handwerklichen Begabung bringt die Flamme reiche Erfahrung nicht nur als Gewinnerin des Madonna-Modelcontests 2007 und als Moderatorin einer Wettershow mit, sie war auch Pressesprecherin von Parteigründer Frank Stronach, hatte nach der Nationalratswahl 2013 allerdings genug von der Politik – bis ihr der blaue Oppositionschef über den Weg lief. Man muss sich nur die Nase zuhalten, dann hält man es in der Politik schon aus: 2015 wechselte sie als Pressereferentin in den FPÖ-Nationalratsklub. Zähneknirschend musste Österreich den Heute-Aufmacher Halali! Strache zeigt neue Liebe Mittwoch im Blattinneren nachziehen. Die Geheimnisse von Straches neuer Liebe waren da zwar nicht mehr geheim, aber Endzeitstimmung war angesagt. Strache über seine neue Beziehung: Das Beste kommt bekanntlich zum Schluss. Schon so früh? Er ist doch noch nicht einmal Bundeskanzler! Jetzt aber – Rätsel! Obwohl er doch das Ballgespräch des Jägerballs war, kam er Dienstag in der pflichtgemäß umfangreichen Jägerballberichterstattung von Kurier und Krone mit keinem Wort, keinem noch so kleinen Bild vor. Sogar der mit Hirschhorn hochdekorierte Profil-Herausgeber in inniger Umarmung mit dem Dompfarrer – beide in der Society sonst kaum je anzutreffen – wurden eines Fotos gewürdigt. Stenzels Rache? Nein, nur typisch – Lügenpresse! (Günter Traxler, 30.1.2016) "Die weltgrößte Sammlung an Habsburger-Artefakten bleibt Österreich für immer erhalten", jubelte die "Krone". Mag es um den Ruf von Politikern derzeit nicht allzu gut bestellt sein, mögen sich die Zweifel an ihren Fähigkeiten, Probleme gelegentlich in den Griff zu bekommen, häufen – es gibt keinen Grund zu resignieren, denn Rettung naht. Und es war der Kurier, der diese Verheißung spendete. Spindeleggers neuer Job: Politikern auf den richtigen Weg helfen. Nicht jeder Talentescout hätte so tief gegraben, bis er auf diesen ehemaligen Vizekanzler gestoßen wäre, andere hätten sich vielleicht schon mit einem Pröll zufriedengegeben. Aber wenn die Aufgabe, Politikern auf den richtigen Weg zu helfen, unter den Nägeln brennt, gilt es nicht vorzeitig zu erlahmen. Die SPÖ-Spitze zum Beispiel versuchte dieser Tage, sich dem Sumpf des Opportunismus am eigenen Zopf zu entziehen, indem sie internetverlesene Mitglieder ihrer Partei befragen ließ, wo denn der richtige Weg in der Flüchtlingspolitik entlanggehe. Sie wäre besser bedient gewesen, hätte sie sich an Spindelegger gewandt. Der ist nämlich, entspannt mit eineinhalb Jahren Abstand von der Politik, endlich wieder wo untergeschlüpft. Bei Raiffeisen hätte es nicht so lange gedauert, aber dort ist man schon voll. Seit 1. Jänner ist der frühere Vizekanzler und ÖVP-Chef Generaldirektor des ICMPD (Internationales Zentrum für Migrationspolitikentwicklung). Glückwunsch ihm und allen Migranten! Ich beabsichtige nicht, wieder in die Politik einzusteigen, erstickte Spindelegger eventuell aufsteigende Panik im Keim, macht aber dann doch einen Rückgriff auf sein früheres Leben: Ich frage mich oft: Was würde ich tun, wäre ich in der Regierung? Oder besser: Was würde ich als Regierungspolitiker brauchen, um den richtigen Weg einzuschlagen? Hätte er sich diese Fragen schon im Zugriff auf sein vormaliges Leben gestellt, wäre vielleicht manches anders gekommen, und es gäbe heute niemanden, der Politikern auf den richtigen Weg helfen kann. Genau diese Hilfe für die Politik will Spindelegger in seinem neuen Job erarbeiten, und an originellen Ideen mangelt es nicht. Wir brauchen ein europäisches Gesamtkonzept für Migrationsprozesse. Wir müssen Kontrolle über die Migrationsprozesse gewinnen, sprudelt er nur so voll Ideen, die vor ihm noch nie jemand hatte. ICMPD hat 150 Mitarbeiter und finanziert sich über Projekte für die EU, was immer das heißen soll. Die Koalition kann viel Geld sparen, indem sie ihr lächerliches Hickhack um Zahl und Versorgung von Asylwerbern einstellt, sie braucht sich nur noch von Spindelegger auf den richtigen Weg helfen lassen. Eine kulturelle Großtat des nö. Landeshauptmanns konnten Kurier und Kronen Zeitung preisen. Die weltgrößte Sammlung an Habsburger-Artefakten bleibt Österreich für immer erhalten, bejubelte das Kleinformat das Zusammenspiel landesherrlichen Mäzenatentums mit topgastronomischer Sammlerleidenschaft. Historiker wissen – es sind oft Zufälle, die den Lauf der kleinen und größeren Geschichte bestimmen, geriet der Krone-Reporter ins Philosophieren. Mit der Sammlung des Wiener Topgastronomen Mario Plachutta war das nicht anders. Denn Landeshauptmann Pröll war mit seiner Frau Sisi - schon wieder eine! – in der Wollzeile zum Dinner beim Koch-Maestro geladen, als die Sprache nicht auf die Rechnung, sondern auf die Kaiserhaus-Sammlung kam. Und jetzt Hochspannung! Patriot Pröll zögerte keine Sekunde, mitten im Dinner mit seiner Frau Sisi, das kostbare kulturelle Erbe für Österreich zu bewahren und vor asiatischer Gier zu retten. Denn es gab auch schon Angebote aus China. Dieser Tage wechselten 2000 einzigartige Artefakte den Besitzer. Das war knapp. Noch aber ruhen die Barthaare von Kaiser Franz Joseph – garantiert einzigartig – nebst dem persönlichen Notizbüchlein von Karl I. in Leder mit Silbermontierung sowie Kaiserin Elisabeths Fächer bestens gesichert und ökologisch temperiert in den Hallen der renommierten Kunsttrans-Spedition von Manfred Vikas am Stadtrand von Wien. Neben dem weiß-goldenen Service, das einst Kaiser Ferdinand I. gehörte, finden sich auch ungarische Krönungserde in vergoldetem Behälter - garantiert einzigartig – und die Rose vom Sterbebett der Kaiserin Elisabeth unter den Objekten. Was Prölls Patriotismus die Steuerzahler kostet – waren es 2,6 Millionen? – verschwieg die Krone. Patriotismus hat eben seinen Preis, und was hätten die Chinesen schon mit den Barthaaren von Kaiser Franz Joseph, ökologisch temperiert, angefangen? (Günter Traxler, 7.2.2016) "Terroristen, eure Rechnung wird nicht aufgehen!" hieß es da auftrumpfend auf schwarzem Grund über die halbe Seite 1. Das mediale Entsetzen über die Attentate in Brüssel war dem Anlass entsprechend, die Kronen Zeitung erfand dafür sogar das Wort Rache-Terror, jeder Buchstabe rot unterlegt. Aber richtig hineingesagt haben es den Mördern nur die Salzburger Nachrichten. Terroristen, eure Rechnung wird nicht aufgehen! hieß es da auftrumpfend auf schwarzem Grund über die halbe Seite 1. Darunter ließ Chefredakteur Manfred Perterer eine Ergießung folgen, die zwischen privatmoralischer Zerknirschung über den Zustand Europas und apokalyptischen Versprechen einer Änderung besagten Zustandes irrlichterte. Europa ist in den vergangenen Jahren schwach und schlapp geworden. Nicht im Geld-Nachjagen und Globalisieren. Da sind wir groß. Sondern im Leben und Hochhalten unserer ideellen Werte. Das muss den Salzburgern durch Mark und Bein gegangen sein. Immer weniger von uns sind bereit, für sie auch einzustehen und notfalls zu kämpfen: Frieden, Freiheit, Demokratie, Rechtsstaat und Menschenrechte. Wir erachten diese zentralen Werte als selbstverständlich, allerdings nur dort, wo mit der Einziehung von Obergrenzen Rechtsstaat und Menschenrechte nicht gerade ein wenig mit den Füßen getreten werden. Wir nehmen sie gerne in Anspruch – haben es nur weniger gern, wenn andere das auch tun – aber kümmern uns nicht um ihre Pflege, denn da wird es rasch ein wenig mühsam. Aber damit ist jetzt laut Perterer Schluss! Jetzt heißt es: Auf in den Kampf, geschundenes Europa, unter dem Panier der Salzburger Nachrichten kann gar nichts schiefgehen. Natürlich nicht, wie manche radikale Kräfte erhoffen, mit rechter oder linker Ausgrenzungspolitik. Nicht mit Hass auf Zugezogene, vor allem Muslime, der hiermit einzustellen ist. Ebenso natürlich aber auch nicht mit einem Nachtwächterstaat, unter dessen Argusaugen – wer dächte da nicht sofort an die Innenministerin – unser Streben nach Freiheit erstickt. Aber, endlich hüpft die Katze aus dem Sack, mit der notwendigen Härte, die auf dem Boden des Rechtsstaates wächst. Wie viel an dem Boden der Rechtsstaatlichkeit erwachsende Härte notwendig sein könnte, lässt Perterer offen, er ist lieber Optimist. Aus diesen schwarzen Tagen für Europa kann ein neues europäisches Bewusstsein für das Gemeinsame, das Verbindende hervorgehen. Muss aber nicht, wie nicht bloß die europäischen Innenminister nach jedem Attentat aufs Neue beweisen, wenn sie – von wem eigentlich? – endlich mehr Verbindendes beim Austausch von Informationen fordern. Doch jetzt wird alles anders, denn das neue Fundament heißt Haltung. Das ist mehr als ein seichtes Bekenntnis. Haltung ist fest und wehrhaft. So wie unsere Demokratie, für die ein paar Zeilen vorher immer weniger von uns bereit waren einzustehen und notfalls zu kämpfen. Wo dieses neue Fundament, mehr als ein seichtes Bekenntnis, stehen soll – nicht nur Ungarn böte sich an –, egal, unsere Demokratie, sie hat ein großes Herz. Aber sie zeigt auch klar die Grenzen auf. Und sie kennt keine Toleranz gegenüber den Intoleranten, außer eventuell im Fall der FPÖ. Europa, ward Perterer zum Sprecher des Kontinents, ist bereit, seine Freiheit entschlossen und solidarisch zu verteidigen. Das aufgeklärte Abendland, so weit existent, knickt nicht ein. Jetzt gut herhören, ihr Terroristen, und wenn ihr noch so feige und hinterhältig mordet: Eure Rechnung wird nicht aufgehen! Da kann man nur hoffen, dass die feigen und hinterhältigen Mörder aufmerksame Leser der Salzburger Nachrichten sind, auf ihren Chefredakteur hören und ihre Attentate auf ein Europa, das in den vergangenen Jahren schwach und schlapp geworden ist, einstellen, weil doch Europa ab sofort bereit ist, seine Freiheit entschlossen und solidarisch zu verteidigen. Die Krone vom selben Mittwoch wusste nichts von einem neuen Fundament, dafür umso mehr davon, dass FPÖ-Chef Strache wieder einmal leider recht behalten hat. Bestätigen ließ sie sich das von einem Zeugen, den sie der Presse vom Sonntag entnahm. Dort meinte der Unternehmer Martin Schlaff, die FPÖ und Strache bleiben nicht in der Schmuddelecke, von wo sie herauszuholen ein altes Anliegen der Krone ist. Noch ist die FPÖ drin, doch um den Wert dieser Andeutung einer bloßen Möglichkeit dem Leser klarzumachen, befleißigte man sich besonderer Präzision beim Namen des Zeugen: Martin Schlomo Mordechai Joschua Schlaff. Mehr lässt sich für Strache nicht tun. 'Laurent Léger von "Charlie Hebdo", einer der Überlebenden des Attentats, über die Schwierigkeit, ohne die getöteten Kollegen weiterzuarbeiten. STANDARD: Wie geht es Ihnen, sechs Monate nach dem Anschlag auf die Redaktion? Léger: Wie jemandem, der immer noch nicht recht weiß, was ihm widerfahren ist. Ich bin glücklich zu leben. Zugleich bin ich oft müde, und die Absenz verstorbener Freunde ist schwierig, bisweilen unerträglich. Immer wieder kehren Bilder jenes Tages bruchstückweise zurück. STANDARD: Auch von den Tätern mit ihren Kalaschnikows? Léger: Ja, auch wenn ich ihre vermummten Gesichter nicht gesehen habe. Ich arbeite weiterhin sehr viel, das lenkt ab, gibt einen gewissen Halt. Viele Mitarbeiter in der Verwaltung von Charlie, von denen kaum jemand spricht, haben viel Mühe, darüber hinwegzukommen. STANDARD: Wo steht die Redaktion heute? Léger: Die Redaktion produziert jede Woche eine Ausgabe, das lässt kaum Zeit, über anderes nachzudenken oder sich auszuruhen. Wir merken, wie sehr uns mitdenkende Köpfe fehlen. Das gilt für die Texte wie die Zeichnungen. Wir haben Mühe, neue Karikaturisten zu finden, die auf unserer Linie liegen, und die politische Vorarbeit zu leisten, die jede gute Zeichnung in unserem Blatt erfordert. STANDARD: Zudem will Ihr Starzeichner Luz aussteigen. Léger: Ja, er wird uns im Herbst verlassen. Aber wir haben Verständnis dafür; er will sich neu finden. STANDARD: Fühlt sich die Redaktion noch von derselben Solidarität wie gleich nach dem Attentat getragen? Léger: Charlie Hebdo wurde eher als Symbol unterstützt – sogar von Leuten, die uns nie gelesen hatten. Bei unserer politisch engagierten Arbeit sind wir nach wie vor sehr allein. Das ist nichts Neues. Die übrigen Pariser Medien haben sich schon immer darauf beschränkt, die Aussagen der Politiker wiederzugeben. STANDARD: Ihr Blatt hat seit langem keine Mohammed- Karikaturen gebracht. Léger: Kann sein – aber das war kein bewusster Entscheid. Uns geht es nicht um Mohammed, sondern, wenn schon, um die Frage der Religion an sich. Wir interessieren uns zum Beispiel für konkrete Themen wie etwa die gemäßigte Scharia in Ländern wie Tunesien. Aber wir sind nicht auf den Propheten fixiert, und die Frage der Karikaturen ist für uns keine Obsession. Jeder Zeichner ist bei uns frei. Wir auferlegen uns keine Einschränkungen, aber wir fühlen uns auch nicht verpflichtet zu irgendwas. Entscheidend ist die Aktualität. Wenn zum Beispiel ein neuer Arabischer Frühling ausbricht, kann sich die Frage von neuem stellen. STANDARD: War die Redaktion in letzter Zeit auch durch interne Querelen und den plötzlichen Geldsegen abgelenkt? Léger: Ja, es gab Spannungen, aber wir haben schon vieles geregelt und sind daran, weitere Lösungen zu finden. STANDARD: Konkret hatten Sie im März mit elf anderen Charlie -Mitarbeiten einen Aufruf unterzeichnet, Charlie müsse frei bleiben. Frei gegenüber was? Léger: Wir arbeiten an einer neuen Besitzerstruktur. Heute liegen die Aktien bei drei Personen oder -gruppen. Wir streben ein Beteiligungsmodell an, seine genauen Modalitäten sind aber noch offen.' Ab 6. Jänner auch in Österreich erhältlich. Paris – Mit einer Sonderausgabe in einer Million Exemplaren will das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo den Jahrestag der Anschläge gegen die Redaktion begehen. Insgesamt eine Million Stück des Pariser Magazins sollen gedruckt werden. In Österreich ist die Sonderausgabe ab 6. Jänner erhältlich, wie der Verlag Morawa am Mittwoch auf APA-Anfrage mitteilte. Nach dem Anschlag vom 7. Jänner 2015 ist Charlie Hebdo seit Mitte Jänner auch in Österreich wöchentlich (Erscheinungstag Donnerstag) erhältlich. Zur genauen Auflagenzahl wollte sich Morawa nicht äußern, gab jedoch bekannt, dass diese im mittleren dreistelligen Bereich liege. In Deutschland sind 50.000 Hefte der Sonderausgabe erhältlich, wie der Pressevertrieb IPS in Meckenheim erklärte. Der Anschlag auf Charlie Hebdo, bei dem zwölf Menschen starben, war im Jänner Auftakt zu einer drei Tage währenden Terrorserie mit insgesamt 17 Opfern. Die erste Ausgabe des Magazins mit der Karikatur eines um die Opfer trauernden Mohammeds erreichte mit mehreren Nachdrucken eine Auflage von fast acht Millionen Exemplaren. Die Zahl der Abonnenten stieg auf mehr als 200.000. Vor den Anschlägen hatten rund 30.000 Leser pro Woche das Blatt gekauft. Mitarbeiter der Tageszeitung hätten sich nicht an die Hausordnung gehalten. St. Pölten/Wien – Das Landesgericht St. Pölten hat die Tageszeitung Heute aus dem Presseverteiler gestrichen. Präsident Franz Cutka begründete die Maßnahme damit, dass sich Mitarbeiter des Mediums nicht an die Hausordnung halten würden. In einer Aussendung am Dienstag führte er mehrere derartige Fälle an. So sei die Streichung vom Verteiler des wöchentlichen Pressespiegels u.a. unter Verweis auf die Hausordnung bereits im Jänner angedroht worden. Im Juli habe es eine ausdrückliche Ermahnung gegeben. Am 4. November habe ein Heute-Fotoreporter versucht, gegen das mit dem Pressespiegel mitgeteilte Fotografier- und Filmverbot zuwiderzuhandeln. Nicht zuletzt wurde laut Cutka für den heutigen Tag – ein 17-Jähriger musste sich wegen Verherrlichung des IS verantworten – nach Punkt 9 der Hausordnung ein Fotografier- und Filmverbot für das gesamte Gebäude des Landesgerichts St. Pölten erlassen. Das Verbot wurde am Eingang und in den Stockwerken kundgemacht. Dennoch habe gegen 11.35 Uhr ein Fotoreporter der Tageszeitung Aufnahmen im Gerichtsgebäude gemacht. Auf das Fotografier- und Filmverbot angesprochen, meinte er nur, dass die Verhandlung eh schon aus sei. "Heute"-Chefin will sich am einen oder anderen interessanten Start-up beteiligen – New Yorker Boulevard-Kampagnen würden "salonlinken Gutmenschen" in Österreich "Herzinfarkt" bescheren. Wien/New York – Bei den Medien sind die USA nach wie vor Avantgarde, der Elitegedanke ist nachahmenswert, doch die Infrastruktur des täglichen Lebens ist oft rückständig. Das ist die erste Zwischenbilanz der Verlegerin und Heute-Herausgeberin Eva Dichand nach vier Monaten Studienzeit zwischen New York und Silicon Valley. Unsere bisherige Erfahrung ist jedenfalls, dass man enorm viel lernen kann. Hier tut sich so viel, dass einem der Kopf saust, schreibt Dichand, die seit September mit ihren Kindern und ihrem Mann und Kronen Zeitung-Herausgeber Christoph Dichand in New York lebt, in einem Essay für die aktuelle Ausgabe des neu konzipierten Wirtschaftsmagazins trend. Die Dichands besuchten bisher traditionelle Verlagshäuser wie New York Times, Washington Post oder Los Angeles Times sowie neue Internet-Konzerne und verfolgten Pitching Events mit Medien-Start-ups. Laut Dichand ging es dabei um Datenanalyse-Software, neue Redaktionssysteme und Trackinglösungen. Das eine oder andere Start-up könnte auch für meine Verlagsgruppe interessant sein, zum Beispiel in den Bereichen User-generated Content oder Gesundheit. An anderen werden wir uns als Finanzinvestoren beteiligen. Mit der Finanzpower der digitalen Giganten könnten althergebrachte Medienhäuser kaum mithalten, berichtete die Heute-Eigentümerin im trend weiter. Der klassische Qualitätsjournalismus werde dagegen zum Luxusprodukt für eine kleine Elite, teuer gekauft und mit viel Geld gesponsert. Generell ist das eher frustrierend. Die U-Bahn-Gratiszeitungen in New York seien journalistisch nicht sonderlich ergiebig, so Dichands Eindruck. Ihre Zeitung Heute liege da näher bei Rupert Murdochs New York Post. Deren Kampagnen – etwa gegen den New Yorker Bürgermeister – wären in Österreich allerdings nicht vorstellbar. Unsere salonlinken Gutmenschen, die sich schon so dauernd über den sogenannten Boulevard – direkt oder via Presserat – aufregen, würden wohl einem Herzinfarkt erliegen, wenn sie so etwas lesen würden. Kaum jemand mache mit Nachrichten im klassischen Sinn Geld. Die großen Mediengruppen generierten ihr Wachstum aus Digitalbereichen, die null mit ihrem ursprünglichen Geschäft zu tun haben. Dass sich da jemals ein Bezahlmodell für journalistische Inhalte durchsetzen wird, mit dem ein Verleger Hunderte Journalisten bezahlen wird können, bezweifle ich, schreibt die Heute-Chefin. Sie habe das "natürlich nie gesagt", antwortet "Heute"-Herausgeberin Dichand – Ex-Chefredakteur Ainetter: "Das Zitat ist genauso gefallen". Wien/München – Wolfgang Ainetter – früher Chefredakteur von Heute und News und jetzt bei der Bild-Zeitung – beschreibt anlässlich der Hofburg-Wahl auf bild.de seine Sicht auf Österreich. Wie österrechts wird unser Nachbar? lautet der Titel des Artikels, er thematisiert dort auch die Einflussnahme der Politik auf Medien. Um ihre Macht abzusichern, kaufen sich Politiker in die Medien ein, schreibt Ainetter. Und: Als mein Team enthüllte, dass die SPÖ vier Jahre lang direkt aus der Parteizentrale Hunderte gefälschte Leserbriefe über die großartige Regierungsarbeit an Redaktionen im ganzen Land geschickt hatte, sagte meine Herausgeberin: Ich verbiete Ihnen kritischen Journalismus. Ich ging, die verantwortlichen Politiker blieben im Amt. Falter-Chefredakteur Florian Klenk machte auf Twitter auf dieses Zitat aufmerksam: ,Ich verbiete Ihnen kritischen Journalismus soll @EvaDichand zu ihrem CR @WAinetter gesagt haben, sagt dieser: https://t.co/y1V64DohF5 Sie habe das natürlich nie gesagt, twittert dazu Heute-Herausgeberin Eva Dichand: @florianklenk Schreiben Sie doch nicht so einen Schwachsinn ohne mich wenigstens zu fragen. Das habe ich natürlich NIE gesagt. Wolfgang Ainetter bleibt dabei, das Zitat sei genau so gefallen: @florianklenk Das Zitat ist genauso gefallen. Ainetter leitete bis Herbst 2011 die Heute-Redaktion, er verließ die Wiener Gratiszeitung im Streit mit Herausgeberin Dichand. Bis Ende 2014 war er Chefredakteur von News, seit Februar 2016 steuert er die Regionalausgaben der Bild-Zeitung. Wochenend-STANDARD erreicht 13,1 Prozent der Wiener ab 14 – Werte sind mit Vorjahresstudie nicht vergleichbar. Wien – Österreichs kontinuierliche Umfrage über Leserzahlen und Reichweiten von Zeitungen und Magzinen änderte die Erhebungsmethode Anfang 2014 deutlich. Die zwischen Juli 2014 und Juni 2015 bei einer Stichprobe von 15.568 Personen gemachte Befragung besteht nun zu 60% aus Online- und zu 40% aus persönlichen Interviews. Vergleiche mit früheren Media-Analysen sind also unzulässig. 5,5 Prozent der Menschen ab 14 Jahren sagen nun, sie lasen am Vortag den gedruckten STANDARD, die Wochenendausgabe kommt auf 6,8 Prozent, in Wien auf 13,1 Prozent. Vier Prozent Reichweite erhob man für Die Presse unter Lesern ab 14, in der Bundeshauptstadt 7,2 Prozent, am Wochenende bundesweit 4,5. Am Markt der Gratiszeitungen behauptet sich Eva Dichands Heute mit 13,1 Prozent und hält Österreich mit 8,6 Prozent klar auf Distanz. Mit anderer Befragungsmethode in der Media-Analyse 2013/14 erreichte das Fellner-Blatt noch 9,8 Prozent. Die Verbund österreichischer Regionalmedien kommt auf 49,1 Prozent. Die Fernsehbeilage Tele gaben 20,4 Prozent an, zu lesen. Österreichs Magazin-Landschaft bleibt bei der Reichweite außer dem 14-tägigen Weekend (14,2 Prozent), Lesezirkel (10,9) und Ganze Woche (10,5) im einstelligen Bereich: News kommt auf 5,8 Prozent. In der Messung des Vorjahres lag das Wochenmagazin bei 6,5 Prozent. Profil lasen 4,6 Prozent erhob die Media-Analyse. Die Media-Analyse weist dem STANDARD die höchste Reichweite unter Österreichs Akademikern aus (siehe Tabelle rechts): 15,3 Prozent der Absolventinnen und Absolventen von Universitäten, Hochschulen und Fachhochschulen geben an, sie haben am Vortag diese Zeitung gelesen oder durchgeblättert. Hanusch: "Auflagensteigerung führt nicht automatisch zu Reichweitensteigerung" – Methodenumstellung gemeinsam mit "Österreich" beschlossen. Wien – Der Verein Media Analysen weist Kritik von Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner an den jüngsten Ergebnissen der Reichweiten-Erhebung für Printmedien zurück. Die Media-Analyse attestierte der Tageszeitung Österreich für 2015 einen signifikanten Rückgang bei den Lesern. Fellner kritisierte darauf hin, dass die Zahlen in krassem Widerspruch zur jüngsten Auflagenkontrolle stünden. Wenn es so einfach wäre ..., meinte dazu Helmut Hanusch, Präsident des Vereins ARGE Media Analysen, am Freitag zur APA. Eine Auflagensteigerung führt nicht automatisch zu einer Reichweitensteigerung. Wenn ein Mehr an Auflage durch den Leser nicht aktiv gefordert wird, kann eine Auflagensteigerung dazu führen, dass Mitleser zu Erstlesern werden und die Reichweite davon unbeeinflusst bleibt bzw. kann die Reichweite ebenso sinken, weil insgesamt weniger Personen den Titel in die Hand nehmen. Eine Auflagensteigerung war und ist kein Allheilmittel, um Reichweiten zu steigern, erklärte Hanusch. Fellner hatte auf entsprechende Auflagensteigerungen seines Blattes in der Auflagenkontrolle (ÖAK) hingewiesen und eine Umstellung von Face-to-face-Befragung auf Internet-Umfrage für das schlechte Abschneiden seines Blattes in der Media-Analyse (MA) verantwortlich gemacht. Die neue Befragungsmethode führt dazu, dass wichtige Zielgruppen – vor allem jüngere, urbane und mobile Leser – offensichtlich nicht mehr ausreichend erreicht werden, so Fellner, der zudem von einer einseitig beschlossenen Maßnahme des Vereins Media Analysen sprach. Das ist schlicht und ergreifend falsch. Die Methodenumstellung wurde nicht einseitig beschlossen. Es gibt einen einstimmigen Beschluss der Generalversammlung des Vereins ARGE Media Analysen vom 28. November 2013. Bei dieser Generalversammlung waren Vertreter von Österreich anwesend, so Hanusch. Bei der Erhebung der Daten handle es sich um eine international anerkannt und bewährte Methode, die etwa auch der Media Server anwende, in dem alle Mediengattungen und Agenturen vertreten sind. Dass jüngere, urbane und mobile Leser nun nicht mehr ausreichend erreicht würden, ließ Hanusch nicht gelten. Tatsache ist, dass es gerade die steigende Mobilität der Menschen ist, die uns dazu veranlasst hat, die Methode zu ändern. Die Media-Analyse werde sich laut Hanusch den Zeichen der Zeit jedenfalls nicht widersetzen. Der Mobilität in der Bevölkerung muss Rechnung getragen werden, so der Vereinspräsident. Es gibt wohl kaum eine andere Studie, die so genau, objektiv und extern, nämlich getrennt von den erhebenden Instituten, geprüft und kontrolliert wird wie die MA. Die MA entsteht konsensual unter allen Marktteilnehmern und ist unter diesen nicht umstritten. Studiendesign, Methode und Umsetzung werden immer gemeinsam diskutiert, beschlossen und auch getragen. Tageszeitung "gehört aus Gewohnheit dazu" – Ifes erhob im Auftrag der Arge Media-Analysen qualitative Daten in Print, Radio, TV, Web und sozialen Medien. Wien – Werbung wirkt am stärksten in Printmedien. Zu dem Ergebnis kommt eine von Ifes im Auftrag des Vereins Arge Media-Analysen durchgeführte Studie. Demnach weisen sowohl Tages- als auch regionale Wochenzeitungen und Magazine die höchsten Werte auf, wenn es um die Frage geht, wie stark Werbung innerhalb verschiedener Mediengattungen wahrgenommen wurde. Ifes erhob Daten auf der Basis von 3.087 Interviews über die qualitative Mediennutzung von Print, TV, Radio, Medienwebseiten und sozialen Medien. Gefragt wurde nach rationalen und emotionalen Motiven der Nutzung in diesen Gattungen. Ziel sei es, so Studienleiter Christoph Tschuchnik, Medien als Werbeträger zu sondieren. Bei rationalen Motiven rangieren soziale Medien und die Medien Webseiten an vorderster Stelle der Mediennutzung, gefolgt von Printmedien. Emotionale Medienbedürfnisse befriedigen ebenfalls soziale Medien am stärksten. Radio und Fernsehen wurden hier am zweithäufigsten genannt. Wer am Morgen gut informiert werden will, greift laut Studie zuerst zur gedruckten Tageszeitungen, hört Radio oder nutzt den Internetauftritt einer Tageszeitung. Verlässliche Informationen zu politischen Ereignissen suchen die meisten ebenso in Print-Tageszeitungen, danach in TV, Radio und Internet. Geht es um die Bindung an ein Medium, erzielen gedruckte Tageszeitungen Höchstwerte bei der Mediennutzung: Für die meisten gehört eine Tageszeitung aus Gewohnheit dazu. Starke Werte erzielen hier ebenfalls soziale Medien und Radioprogramme. Ein weiteres Kapitel der Studie widmete sich neuen medialen Wirklichkeiten: Sie bestätigt, was jeder einzelne aus eigener Beobachtung wahrnehmen kann: Die Nutzung von Smartphones steigt stark. Während 2010 noch zehn Prozent Smartphones nutzten, lag der Wert 2015 nahe 70 Prozent. Ebenfalls angestiegen ist die Nutzung von Tablets. Unter zehn Prozent nutzten 2012 die mobilen Geräte, 2015 waren es 30 Prozent. Bei beiden ist die Tendenz steigend. "Inter_View" erscheint am 9. Jänner einmalig. Wien – Die Tageszeitung Kurier bringt am 9. Jänner ein einmaliges Interview-Magazin auf den Markt. Titel: Inter_View. 28 Persönlichkeiten – von Fernsehen bis Kunst, von Musik bis zur Kulinarik – geben darin Einblicke in ihr Leben und ihre Arbeit. Kurier-Chefredakteur Helmut Brandstätter verspricht Gespräche, die einen tieferen Einblick in die Persönlichkeit der Gesprächspartner geben, sowie hochwertige Porträtfotos. Das neue Magazin kostet im Zeitschriftenhandel 7,50 Euro, hat 104 Seiten im Format C4 und erscheint in einer Auflage von rund 20.000 Exemplaren in Österreich und Deutschland. Darüber hinaus ist Inter_View auch in diversen Online-Kiosken erhältlich. Die redaktionelle Leitung für das Printprodukt lag bei Kurier-Medienredakteur Christoph Silber. Hörfunkspot nicht gesendet, "Kurier"-Chefredakteur ortet "Zensur". Wien – Weil der ORF einen Hörfunkspot des Kurier abgelehnt hat, steigt Chefredakteur Helmut Brandstätter auf die Barrikaden. In dem Spot bewirbt Brandstätter die Tageszeitung, indem er die Tagespolitik kommentiert: Neben dem Flüchtlingskoordinator könne die Regierung weitere bestellen: Wie wärs auch mit einem Bildungskoordinator oder einem Pensionskoordinator oder einem ...? Oder die Regierung packt die Probleme selbst an, anstatt entgeistert auf die guten Umfragewerte der FPÖ zu starren. Der ORF gibt dazu kein Statement ab, von der Vermarktungstochter ORF Enterprise kam vorerst kein Rückruf. Brandstätter ortet Zensur und vorauseilende Feigheit im ORF. Achtseitige Ausgabe wird gemeinsam mit Caritas und Freiwilligen auf Englisch, Arabisch und Farsi produziert – Verteilung an Hotspots. Wien – Mit einer Auflage von 50.000 Stück richtet sich der Kurier in einer Sonderausgabe an Flüchtlinge in Österreich. Das achtseitige Produkt wird gemeinsam mit der Caritas und Freiwilligen auf Englisch, Arabisch und Farsi produziert. Die Ausgabe soll Orientierung und Antworten auf die wichtigsten Fragen geben, die Menschen nach ihrer Ankunft in oder auf der Reise durch Österreich haben. Verteilt wird es an Hotspots wie Bahnhöfen. Sie übernimmt das Ruder von Gerald Reischl, der zum ORF wechseln dürfte. Wien – Claudia Zettel übernimmt ab 1. Jänner 2016 die Chefredaktion der Kurier-Technologieplattform Futurezone. Sie folgt damit auf Gerald Reischl, der sich beruflich neu orientieren wird, wie es in einer Aussendung heißt – wohl in Richtung Küniglberg. Reischl dürfte zum ORF wechseln, um das ab Jänner geplante Start-up-Cluster zu betreuen. Die Ausschreibungsfrist für einen Geschäftsführer bzw. eine Geschäftsführerin Kooperationen in der ORF Mediaservice GmbH lief Ende November aus. Im September dementierte Reischl noch, dass er zum ORF gehen werde. Auf STANDARD-Anfragen, ob sein Dementi noch aktuell sei, reagierte er zuletzt nicht. Beim Kurier gekündigt hat er jedenfalls schon vor einigen Wochen – also noch vor Beginn der Ausschreibung. Spätestens bei der nächsten Sitzung des ORF-Stiftungsrates am 17. Dezember könnte es dann mit seiner Bestellung offiziell werden. Der ORF möchte am Küniglberg 15 bis 20 Neugründungen ansiedeln. Claudia Zettel ist nach Stationen bei ATV und pressetext seit 2010 bei der zum Kurier gehörenden Futurezone tätig. Zuletzt war sie stellvertretende Leiterin des Ressorts Digital/Futurezone. Neue Organisationsstruktur und neue Produktionsabläufe geplant – Sozialplan und Mitarbeiterstiftung könnten die Maßnahmen begleiten. Wien – Der Aufsichtsrat des Kurier hat diese Woche laut APA-Informationen eine Restrukturierung der Tageszeitung beschlossen. Der Kurier soll demnach eine neue Organisationsstruktur und neue Produktionsabläufe bekommen. Als Vorbild dienten internationale Medienhäuser wie die Welt und der Guardian, hieß es. Die Arbeitsabläufe würden an den digitalen Wandel angepasst. Im Zusammenhang damit werden derzeit auch mögliche Änderungen an der Ressortstruktur und Ressortzusammenarbeit sowie an der Buchstruktur der Zeitung analysiert. Die neuen Strukturen und Arbeitsweisen sollen dazu beitragen, die Kosten der Zeitung zu senken. Bis Ende 2017 sollen damit rund drei Millionen Euro eingespart werden. Ein Sozialplan und eine Mitarbeiterstiftung könnten die Maßnahmen begleiten, hieß es aus internen Kreisen. STANDARD-Infos, wonach über 30 Jobs abgebaut werden könnten, kommentiert Kurier-Geschäftsführer Thomas Kralinger auf Anfrage nicht, bestätigt aber die APA-Infos: Ja, es ist richtig, dass es in unserem Haus Überlegungen zu einer grundsätzlichen Veränderung der Organisationsstruktur und auch neuer Arbeitsverteilung sowie Produktionsabläufe gibt. Ziel sei es, für die Änderung des Medienkonsumverhaltens besser und zukunftsträchtig aufgestellt zu sein, um den ständig steigenden Kosten begegnen zu können. Welche Auswirkungen das auf die Mitarbeiteranzahl haben werde, sei zum derzeitigen Zeitpunkt noch nicht zu beantworten. Bereits mehrere Beschwerden beim Presserat – Koller: Tote haben Anspruch auf Achtung ihrer Würde – Polizei will "rigoros" vorgehen. Neusiedl am See/Eisenstadt – Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsdrama auf der Ostautobahn (A4) gibt es Kritik an einem von der Kronen Zeitung veröffentlichten Foto der toten Flüchtlinge. Leser des Boulevardblatts zeigten sich am Freitag beim Aufschlagen der Zeitung entsetzt: Auf Seite 3 war ein Bild der toten, zusammengepferchten Körper auf der Lkw-Ladefläche zu sehen. Die Veröffentlichung wird auch ein Fall für den Presserat. Dort sind bis Freitagnachmittag bereits 35 Beschwerden (Stand: 17:00 Uhr) gegen die Krone eingelangt. Andreas Koller, Sprecher eines der Senate im Presserat sowie Vertreter der Initiative Qualität im Journalismus: Ich halte diese Fotos für unentschuldbar. Ich will nicht eine allfällige Entscheidung des Presserats vorwegnehmen, aber Faktum ist, dass Tote auch dann, wenn es sich um Flüchtlinge handelt, Anspruch auf Achtung ihrer Würde haben. Daher ist es inakzeptabel, sie nach ihrem grausamen Tod aus purer Lust an der Sensation im Zeitungsboulevard zur Schau zu stellen, sagte der Innenpolitik-Chef der Salzburger Nachrichten. Der Senat 3 des Presserats wird sich bereits am Dienstag mit der Causa beschäftigen, sagte Alexander Warzilek, Geschäftsführer des Presserats, zum STANDARD. Im Raum steht ein Verstoß gegen die Menschenwürde. Im Vorjahr wurde die Kronen Zeitung mit 16 Verstößen am öftesten von allen Medien vom Presserat gerügt. Am meisten Beschwerden, nämlich 66, hat es bis jetzt nach einem Heute-Artikel wegen Diskriminierung von Muslimen gegeben. Laut Krone zeige das veröffentlichte Foto die Dramatik des Todeskampfes von Männern und Frauen im Laderaum ohne Sauerstoff. Auf STANDARD-Anfrage verteidigt Richard Schmitt, redaktioneller Berater des Krone-Herausgebers und Chefredakteur der Krone Multimedia, die Vorgehensweise: Das Foto zu bringen war eine gemeinsame Entscheidung der Chefredaktion. Die Gesichter der Todesopfer sind nicht zu sehen, die Identität somit geschützt. Bei einer Tragödie dieses Ausmaßes muss eine entsprechende Bebilderung möglich sein. Und: Medien wie Bild und Le Monde hätten um Übermittlung des Fotos angesucht. Die Bild-Zeitung tat es der Krone in ihrer Samstagsausgabe tatsächlich gleich und zeigt die Fotos ebenfalls. Die Rechtfertigung für die Verwendung des Bildes unter dem Titel Das Foto der Schande: Das Bild dokumentiere alles, was die Flüchtlingskatastrophe 2015 so unerträglich macht. Es seien eben nur solche erschütternden, zeitgeschichtlichen Fotos, die Politik und Öffentlichkeit endlich aufzurütteln vermögen. Laut Schmitt wird die Krone den Verkaufserlös an die Bild verdoppeln und als Spende für die Flüchtlingsbetreuung an NGOs weitergeben. Niemand verdient an diesem Foto aus dem Burgenland – es ist ein erschütterndes Zeitdokument. Wie auch die Fotos von den Stränden im Mittelmeer. In den sozialen Netzwerken entbrannte nach der Veröffentlichung eine Diskussion darüber, ob Medien solche Fotos zeigen dürfen. Auch bei den Behörden ist das Bild Thema. Es dürfte entstanden sein, als Polizisten den Laderaum des Transporters öffneten. Ob das im Zuge der Amtshandlung oder extra für einen Krone-Fotografen geschah, wird noch untersucht. Kronen Zeitung bringt Foto der aneinandergepressten Leichen im LKW auf Seite 3. Unverpixelt. Grauenhaft. pic.twitter.com/s7vPjItfoE Bei den Polizeibehörden und im Innenministerium wird die Veröffentlichung des Fotos jedenfalls nicht gern gesehen. Man werde nachverfolgen, wie es dazu kam, sagte Innenministeriumssprecher Alexander Marakovits. Unklar war am Freitag, ob es sich um ein weitergegebenes Polizeifoto handelt oder das Bild auf anderem Weg zustande kam. Laut Marakovits war ein Hineinfotografieren in den Lkw nur am Beginn möglich, als die Polizisten erstmals den Laderaum öffneten. Danach sei die Tür immer nur so weit geöffnet worden, dass kaum etwas zu sehen war. Klar ist, dass die Aufarbeitung des Falles selbst die höchste Priorität hat. Aber wir kümmern uns auch darum, wie die Veröffentlichung des Fotos zustande kam, sagte der Sprecher. Offensichtlich besteht hier eine Komplizenschaft zwischen den Sicherheitsbehörden und der Krone, so Marakovits. Auch der burgenländische Polizeidirektor Hans Peter Doskozil sagte am Freitagabend in der ZiB2, man werde wegen der Veröffentlichung des Bildes rigoros vorgehen. Er geht davon aus, dass es von Polizisten weitergegeben wurde. Man sei diesbezüglich bereits in Kontakt mit der Staatsanwaltschaft, so Doskozil. Diese Form der Öffentlichkeitsarbeit ist widerwärtig, sagte Presseratsmitglied Koller. Die Allianz zwischen der größten österreichischen Tageszeitung sowie Polizeibehörden und Innenministerium sorgt seit vielen Jahren für Diskussionen. Die Krone erhält regelmäßig bevorzugten und exklusiven Zugang zu Polizeiinfos, im Gegenzug gibt es publizistische Unterstützung für die Innenminister und immer dann, wenn die Polizei mit öffentlicher Kritik konfrontiert ist. Bezeichnet Flüchtlingskommentar als "Fehler" und setzt "für einige Zeit aus" – "Ich habe das Augenmaß verloren" – "Krone": "Schlussfolgerungen, die nicht restlos überprüfbar sind". Christoph Biró, Chefredakteur der Steiermark-Ausgabe der Kronen Zeitung, wird sich aus eigenen Stücken für einige Zeit aus der Redaktion zurückziehen. Dies teilte die Krone Dienstagabend in einer Stellungnahme gegenüber der APA mit. Ein Kommentar Birós zur Flüchtlingssituation hatte zuvor für heftige Kritik und zahlreiche Beschwerden beim Österreichischen Presserat gesorgt. Biró schrieb in der Sonntagsausgabe der Steiermark-Krone von Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge. Nun spricht Biró von einem Fehler: Ich bin seit 39 Jahren Journalist. Ich habe gelernt, Fakten von Indizien zu unterscheiden und Beweise zu würdigen. Hintergrundinformationen zu bekommen zählt zum Handwerk. In meiner Kolumne vom Sonntag habe ich aber das Augenmaß verloren. Natürlich gibt es auch unter den Flüchtlingen schwarze Schafe und böse Vorfälle. Auch ich persönlich habe diesbezüglich eine Enttäuschung erlebt, nachdem meine Frau und ich in unserem Urlaub Syrern Deutschunterricht gegeben haben. Diese Enttäuschung hat wohl mitgespielt, dass ich die Zustände so überzeichnet habe. Das war ein Fehler, wie er mir in 39 Jahren noch nicht passiert ist. Fehler passieren? Ja, aber dieser ist besonders bedauerlich. Man muss bei diesem Thema ein ganz besonderes Fingerspitzengefühl haben. Und das habe ich vermissen lassen. Laut Kronen Zeitung sei der Kommentar Birós Ausfluss der Beurteilung der aktuellen Lage rund um die Flüchtlingssituation am Grenzübergang Spielfeld bzw. die Flüchtlingslager in der Steiermark. Diese Situation mache vielen Menschen Sorgen. Sorgen, die die Kronen Zeitung auch sehr ernst nimmt. Man informiere wie andere Medien ausführlich über die Zustände und Missstände in der Flüchtlingsfrage und spare dabei auch nicht mit notwendiger Kritik. Zugleich distanziert sich die Tageszeitung vom Steiermark-Chefredakteur: In seinem Kommentar hat Christoph Biró in überspitzter Form Missstände angeprangert, sich dabei aus persönlichen Erlebnissen zu vermeintlichen Tatsachenfeststellungen und Schlussfolgerungen hinreißen lassen, die nicht restlos überprüfbar sind. Die Menschenrechtsorganisation SOS Mitmensch hat zuvor bei der Staatsanwaltschaft Graz eine Sachverhaltsdarstellung zum umstrittenen Flüchtlings-Kommentar des Chefredakteurs eingebracht. Biró spricht darin von Plünderungen, sexuellen Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge – Gerüchte, die vor allem in sozialen Medien seit langem kursieren und teils längst widerlegt wurden. Laut SOS Mitmensch sei zu prüfen, ob der Kommentar nach dem Strafgesetzbuch als Verhetzung und/oder die wissentliche Verbreitung falscher, beunruhigender Gerüchte zu beurteilen sei. Chefredakteur Christoph Biró nimmt nach Hetzkommentar seinen Posten offenbar schnell wieder auf. Graz/Wien – Nur kurz könnte der Rückzug Christoph Birós als Chefredakteur der Steirerkrone dauern: Schon Mitte November soll er seine Funktion wieder aufnehmen, berichtete die Kleine Zeitung am Donnerstag. Biró hatte in einem Kommentar in der Sonntagsausgabe der Steiermark-Krone von Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge geschrieben. Den Artikel bezeichnete er danach als Fehler und kündigte an, für einige Zeit auszusetzen. Spätestens Mitte November kehrt Biró aber wieder zurück, berichtet die Kleine Zeitung nun. Offiziell urlaube er. Ob es nach seiner Rückkehr Konsequenzen für ihn geben wird, lässt sich vorerst nicht bestätigen. Eine STANDARD-Anfrage bei Klaus Herrmann, Chefredakteur der Kronen Zeitung in der Wiener Muthgasse, blieb am Donnerstag vorerst unbeantwortet. Birós Frau erklärte im Gespräch mit der APA jedoch, dass man von einer Rückkehr im November nichts gehört habe. Die Kleine Zeitung scheint da mehr zu wissen. Wir wissen es selbst nicht. Es ist alles offen, so Birós Frau. Nach APA-Informationen soll diese Entscheidung aber nicht ganz freiwillig gefallen, sondern auch auf Drängen von Krone-Herausgeber und -Chefredakteur Christoph Dichand und seinem neuen geschäftsführenden Chefredakteur Klaus Herrmann zustande gekommen sein. Für Medienexperten und Branchenkenner ist die Causa Biró – der Steiermark-Chefredakteur schrieb von angeblichen sexuellen Übergriffen und Sachbeschädigungen durch Flüchtlinge und sprach danach von überzeichneten Zuständen und einem Fehler – ein besonders markantes Beispiel für den Schlingerkurs der Kronen Zeitung seit dem Tod ihres legendären Gründers und Herausgebers Hans Dichand. Galt damals die Vielfalt der Meinungen ihres Herausgebers und der Redakteure als offizielle Krone-Blattlinie, wobei die Meinungen Dichands stets oberste Maxime waren und von der Redaktion empathisch antizipiert und an die Leser weitergetragen wurden, herrscht heute oft chaotische Vielfalt, und der Tanker Krone treibt inhaltlich-schlingernd vor sich hin. Da macht jeder, was er will, fasste es ein Krone-Mitarbeiter gegenüber der APA zusammen. Ein Befund, den auch der Kommunikationswissenschafter Fritz Hausjell teilt. Er berichtet von innerredaktionellen Auseinandersetzungen bei Österreichs größter Tageszeitung. Die Krone driftet seit einiger Zeit zwischen der alten Garde, die einen strikten Kampagnenkurs fährt und auf altbekannte Ressentiments setzt, um so den vermeintlichen Anforderungen der Leserschaft zu gefallen, und einer jüngeren Generation von Krone-Journalisten, die der Ansicht ist, man kann verknappten und zugespitzten Boulevardjournalismus auch ordentlich und ohne Ressentiments machen. Dementsprechend sehe die Zeitung jeden Tag ein bisschen anders aus, so Hausjell. Ähnlich sieht dies profil-Herausgeber Christian Rainer, der in der Vergangenheit selbst als möglicher Krone-Chefredakteur im Gespräch war. Die Krone hat keine klar erkennbare Linie mehr. Das gilt auch in der Frage der Flüchtlinge. Und nicht nur die Redaktion ist in sich gespalten, sondern offenbar auch einzelne Personen, meinte Rainer im Hinblick auf das Fehlereingeständnis Birós. So falsch der Kommentar Birós war, so groß ist meine Hochachtung vor der Entscheidung, sich für einige Zeit aus dem Spiel zu nehmen. Boulevard-Kenner Wolfgang Ainetter, er war Heute-Chefredakteur und arbeitete für die deutsche Bild-Zeitung, ortet die Krone ebenfalls auf Schlingerkurs. Friedrich Dragon war der letzte große Blattmacher. Seit er gehen musste, konnte niemand die Lücke füllen, die er hinterlassen hat. Deshalb lese man auf Seite 2 der Krone mitunter gänzlich Anderes als auf Seite 4. Dichand hatte das Gespür, Dragon war der Blattmacher, so Ainetter. Eine Entwicklung, die nach Meinung Rainers aber auch positive Seiten hat: Man muss dankbar sein, dass es keine klare Linie gibt. Die wäre sonst nämlich wesentlich härter. Darauf weist auch Medienwissenschafter Hausjell hin. Bei der Flüchtlingswelle rund um den Balkan-Krieg Anfang der 1990er-Jahre gab es in der Krone ein einhelliges negatives Bild über Flüchtlinge, erinnert der Medienforscher. Als in Deutschland erste Flüchtlingsheime brannten, bezeichnete Krone-Publizist Humbert Fink Rassenhass als quasi-bürgerliche Tugend und Richard Staberl Nimmerrichter oder Michael Jeannée lieferten ein ständiges Grundrauschen zum Anti-Ausländerkurs des Blattes. Heute berichtet die Krone viel differenzierter in der Flüchtlingsfrage. Wenn die Krone jetzt aber wieder stärker in diese Lade greift, dann besteht die Gefahr, dass diese alte Stereotypisierung bei den Lesern wieder abgerufen wird, sagte Hausjell. Birós Kommentar habe diesem alten Stil der Kronen Zeitung entsprochen. Dieser alte Stil war zwar mit Erfolg verbunden, aber man merkt jetzt auch in der Krone, dass dieser Erfolg nicht mehr so gesichert ist. Das hat weniger mit der Leserschaft, als mit der Wettbewerbssituation, den Gratiszeitungen und den neuen digitalen Angeboten zu tun. Es ist jedenfalls das erste Mal, dass in der Krone jemand für so eine Berichterstattung Konsequenzen ziehen musste. Für den Kommunikationswissenschafter liegt das auch daran, dass die Redaktion seit dem Tod Hans Dichands innerlich demokratischer geworden ist. Amnesty-Generalsekretär Patzelt wehrte sich gegen Kolumnen des "Krone"-Postlers: "Totalverdrehung ins Gegenteil". Wien – Nächster Etappensieg für Amnesty International und Generalsekretär Heinz Patzelt in der juristischen Auseinandersetzung mit der Kronen Zeitung und ihrem Kolumnisten Michael Jeannée. Das Handelsgericht Wien hat nach STANDARD-Informationen eine einstweilige Verfügung gegen die Krone und Jeannée erlassen. Weder die Krone noch Jeannée dürfen künftig behaupten, Heinz Patzelt habe gesagt, dass eine Durchsuchung von Häftlingen durch Justizwachebeamte an der Menschenwürde der Gefangenen kratze, ihre Privatsphäre verletze oder ein zelebriertes Demütigungsritual sei. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Die Kronen Zeitung legte Rekurs ein. Nächste Station ist das Oberlandesgericht Wien. Hintergrund des zivilrechtlichen Verfahrens sind zwei Kolumnen von Krone-Postler Michael Jeannée, in denen er – wie berichtet – mit Verweis auf einen Bericht der Salzburger Nachrichten die Frage nach Patzelts Geisteszustand stellte. Erschienen sind sie im Februar 2016. Nach einer Razzia der Polizei in Justizanstalten Österreichs – im Beisein der Kronen Zeitung – sagte Patzelt den Salzburger Nachrichten: Wenn man aus einer Durchsuchung eine Medienshow macht, dann kratzt das an der Menschenwürde der Strafgefangenen. Auch sie haben eine Privatsphäre. Hier wurde aber das Signal gesendet, dass sie Menschen ohne Rechte sind. Weiter sprach er in Bezug auf die mediale Inszenierung von einem öffentlich zelebrierten Demütigungsritual. In seiner Kolumne Post von Jeannée schrieb der Krone-Kolumnist am 12. Februar (unten im Wortlaut): Heinz Patzelt, würde ich Ihnen, dem Generalsekretär von Amnesty International Österreich, hier und jetzt unterstellen, dass Sie meiner Meinung nach leider nicht mehr richtig ticken ... erfüllte das wahrscheinlich den Tatbestand einer (klagbaren) Ehrenbeleidigung. Zu viel der Ehre für mich! Und weiter: ... dann, Herr Patzelt, muss die Frage nach Ihrem Geisteszustand erlaubt sein. In der Ausführung des Urteils heißt es, dass die unwahren Tatsachenbehauptungen der Beklagten ehrenbeleidigend und kreditschädigend seien. Dem Kläger werde eine falsche Behauptung unterstellt und damit sein Ansehen massiv geschädigt, da er in der Öffentlichkeit als Menschenrechtsexperte bekannt sei. Und: Darüber hinaus wird seine legitime öffentliche Kritik an der Beiziehung von Boulevardmedienvertretern zu einer Razzia nicht richtig wiedergegeben, sondern sogar in ihr Gegenteil verzerrt. Hier wurde die Grenze weit überschritten, sagt Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt zum STANDARD. Seine Organisation trete für Meinungsfreiheit ein, aber eine Totalverdrehung ins Gegenteil sei eine Diffamierung, die er sich persönlich nicht gefallen lassen könne – schon gar nicht als Repräsentant einer Organisation, deren wichtigstes Asset Glaubwürdigkeit sei. Er habe nämlich nicht die Razzien per se kritisiert, bei denen Waffen und Drogen sichergestellt wurden, sondern die Medienshow dahinter. Neben der Unterlassungsklage auf zivilrechtlichem Wege läuft noch ein medienrechtliches Entschädigungsverfahren und das Gegendarstellungsverfahren von Patzelt gegen die Kronen Zeitung. Wie berichtet, veröffentlichte die Krone zwar bereits eine Richtigstellung, nachdem Amnesty eine Gegendarstellung begehrte. Damit ist die Causa aber noch nicht vom Tisch, sagt Anwältin Maria Windhager, die Patzelt und beispielsweise auch den STANDARD vertritt. Die Richtigstellung sei nicht innerhalb der vorgegebenen Frist erfolgt, sondern verspätet. Im Raum stehe jetzt eine Geldbuße und eine neue Gegendarstellung. War mehr als 40 Jahre Sportredakteur der "Krone". Wien – Christoph Chris Wikus, langjähriger Sportchef der Kronenzeitung, ist in der Nacht auf Montag nach langer, schwerer Krankheit im Alter von 68 Jahren gestorben. Wikus war mehr als 40 Jahre lang Sportredakteur der Krone und von 2003 bis zu seiner Pensionierung 2013 auch deren Sportchef. Fünf Töpfe mit insgesamt 35 Millionen Euro soll die Reform bringen – Wunsch nach Bildungsförderung und Digitalmedienförderung – Keine Einbußen für Rundfunk. Wien – Der Verband Österreichischer Zeitungen (VÖZ) hat in seinem aktuellen Jahresbericht erstmals Details zum Verleger-Vorschlag für eine Reform der Presseförderung vorgelegt. Die Presseförderung neu soll demnach 35 Millionen Euro betragen – der STANDARD berichtete bereits Ende Februar über die Pläne. Gegenüber dem derzeitigen Modell würde dies einen Mehraufwand von 26,1 Millionen Euro betragen. Zur Finanzierung schlägt der VÖZ eine Haushaltsmedienabgabe vor. Durch die erzielbaren Mehreinnahmen einer solchen Haushaltsmedienabgabe, die das bestehende System des Programmentgelts in Verbindung mit Rundfunkgebühren ersetzen soll, sei das vorgeschlagene Modell der Presseförderung Neu ohne Einbußen für den Rundfunk und ohne zusätzliche Belastungen für den einzelnen GIS-Zahler zu finanzieren, heißt es in dem dieser Tage veröffentlichten VÖZ-Bericht. Für die Vergabe der Presseförderung schlagen die Zeitungsverleger fünf Töpfe vor: vier Millionen Euro für die Förderung qualitätsfördernder Maßnahmen, 13 Millionen für eine sogenannte Vielfaltsförderung, sechs Millionen für Bildungsförderung, vier Millionen zur Förderung der Lese- und Medienkompetenz und acht Millionen Euro Digitalpresseförderung. Mit dem Topf Förderung qualitätsfördernder Maßnahmen soll laut VÖZ die Produktion hochwertiger und unabhängiger journalistischer Inhalte unterstützt werden: Lehrredaktionen, die Beschäftigung von Auslandskorrespondenten sowie deren Reise- und Aufenthaltskosten, Investitionen in das von Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite getragene Kuratorium für Journalistenausbildung, sonstige Aus- und Fortbildungsveranstaltungen sowie die Unterstützung von Presseclubs werden genannt. Die vielgescholtene Vertriebsförderung soll nach dem VÖZ-Konzept zu einer Vielfaltsförderung weiterentwickelt werden: Gedruckte Zeitungen und Magazine, welche vorwiegend der allgemeinen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Information und Meinungsbildung dienen, sollen auf Basis der Verkauften Auflage mit einem Fördervolumen von 13 Millionen Euro gefördert werden. Die Förderung soll auf Kaufzeitungen beschränkt bleiben, da primär oder ausschließlich durch Anzeigen finanzierte Presseerzeugnisse einen wesentlich geringeren Beitrag zur Meinungs- und Medienvielfalt leisten. Ausgenommen werden sollen auch Kundenzeitschriften, Presseorgane von Interessenvertretungen, Gebietskörperschaften sowie Druckschriften öffentlicher-rechtlicher Institutionen. Dieser Fördertopf soll nach Meinung der Verleger auch auf den geografischen Fokus und das Verbreitungsgebiet Rücksicht nehmen. Auch eine Mindestzahl hauptberuflich tätiger Journalisten soll festgeschrieben werden. Je mehr Mitarbeiter nach Journalisten-Kollektivvertrag angestellt sind, desto mehr Fördermittel soll es geben. Abzüge soll es für Tageszeitungen geben, die dem selben Medieninhaber gehören oder im selben Medienverbund erscheinen. Als neuen Bereich schlägt der Zeitungsverband eine Bildungsförderung vor. Aus diesem Topf soll in Projekte zur vertiefenden hochwertigen journalistischen Aufbereitung von Themen aus den Bereichen Gesellschaft & Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Gesundheit und Sport, Österreichische und Europäische Geschichte oder Soziales, Generationen, Religion, Brauchtum investiert werden. Die vertiefende Behandlung kann in Sonderausgaben, Beilagen, eigenen Themenrubriken oder anderen journalistischen Formaten geschehen. Die Förderung soll laut VÖZ an die Bedingung geknüpft werden, dass der Förderwerber sich einer repräsentativen Einrichtung der Selbstkontrolle im Bereich der österreichischen Presse unterworfen hat. Dieser soll die Kompetenz zur Beurteilung der journalistischen Aufbereitung geförderter Bildungsprojekte zukommen. Aus dem Topf der Lese- und Medienkompetenzförderung sollen eine Million für die Pädagogikeinrichtung Zeitung in der Schule und drei Millionen Euro für die Zurverfügungstellung von kostenfreien Abonnements an Schulen aufgewendet werden, heißt es im Vorschlag weiter. Durch die Entwicklung spezifischer Unterrichtsmaterialien und Programme, die gemeinsam mit Zeitungen und Magazinen im Unterricht eingesetzt werden, soll besonders die Integration von Schülern mit Migrationshintergrund unterstützt werden. Mittels Digitalpresseförderung sollen schließlich Digitalprojekte unterstützt werden. Aufgrund starker öffentlich-rechtlicher Onlineportale sei die Etablierung wirtschaftlich tragfähiger Dienste von hochwertigen privaten digitalen journalistischen Angeboten derzeit nicht möglich. Die Förderung von innovativen Projekten im digitalen Bereich soll deshalb die Vielfalt der digitalen Angebote steigern, so die Verleger. Fördergegenstände wären demnach Investitionen in Paywall-Modelle, um die wirtschaftliche Tragfähigkeit von digitalen redaktionellen Angeboten abzusichern. Weiters sollen innovative digitale Textmedienpublikationen wie interaktive Grafiken, Videos, Audiostreams oder redaktionell begleitete Foren gefördert werden. Die Vorschläge des VÖZ sind Grundlage für die derzeit laufenden Verhandlungen in kleineren Arbeitsgruppen. Ziel ist eine Presseförderung, die nicht nur den Verlegerinteressen Rechnung trägt, sondern auch von der EU-Kommission. Denn eine reformierte Presseförderung muss bei der EU notifiziert werden, so wie dies 2013 beim reformierten dänischen Modell geschehen ist. Die dänische Presseförderung wird nun jährlich mit rund 52 Millionen Euro gefördert, wobei die Höchstförderung pro Medium und Jahr 2,5 Millionen Euro beträgt. Schließt aus Tarnung der Waffe und "Intellektuellen-Look": "Standard-Leser". Wien – Intellektuellen-Look und eine Ausgabe des STANDARD veranlassten Österreich zur Schlagzeile: Standard-Leser überfiel Post-Filiale in Wien. Nun fällt Medienkonsum, jedenfalls jener des STANDARD, – im Gegensatz zu weniger legalen Tätigkeiten – nicht unter die medienrechtlich gebotene Unschuldsvermutung. Wenn Österreich STANDARD-Lektüre aber so wesentlich erscheint: Mit mutmaßlicher STANDARD-Leser hätte sich die Zeitung die durchaus realistische Möglichkeit offengehalten, dass sich der Mann zwar im Besitz einer STANDARD-Ausgabe befand und diese äußerst missbräuchlich verwendete, um eine Waffe unauffällig in eine Postfiliale zu bringen, sie aber ebenso wenig gelesen hatte wie sonst eine Ausgabe dieser Zeitung, selbst wenn er einen Intellektuellen-Look zu schätzen scheint – auch der könnte natürlich gewiefte Tarnung sein. Bevor nun jemand jene 1,188 Millionen Menschen*, die laut Media-Analyse zumindest einmal pro Woche eine Ausgabe STANDARD lesen oder durchblättern (andersgeartete Verwendung wird hier nicht abgefragt) pauschal verdächtigt, möchte derStandard.at/Etat gerne noch ein paar nähere Hinweise auf den mutmaßlichen Täter und – womöglichen – STANDARD-Leser auf Abwegen liefern (hier endet die Ironie): Für zielführende Hinweise, die zur Ausforschung des Tatverdächtigen führen, ist eine Belohnung von 2.000 Euro ausgelobt. Sachdienliche Hinweise werden vom Landeskriminalamt Wien, Ermittlungsdienst, Journal unter der Telefonnummer 01-31310-33230 entgegengenommen und vertraulich behandelt. Eine Angestellte erlitt bei dem Überfall einen Schock und musste psychologisch betreut werden. Oberlandesgericht muss Marktabgrenzung noch einmal vornehmen – Anwalt Gugerbauer: Rechtliche Einordnung bestätigt. Wien – Der Streit zwischen Österreich und Wiener Linien, ob sie neben Heute auch Zeitungsboxen anderer Blätter in den U-Bahn-Stationen zulassen müssen, geht in eine neue Runde. Der Oberste Gerichtshof hat das Verfahren an die erste Instanz zurückverwiesen. Sie muss den Markt präziser abgrenzen. Die rechtlichen Beurteilung, dass Wien und die Wiener Linien hier privatwirtschaftlich handeln – und damit wettbewerbsrelevant –, das habe der OGH bestätigt, sagt Mediengruppe-Österreich-Anwalt Norbert Gugerbauer auf STANDARD-Anfrage. Die Stadt Wien und die Wiener Linien hatten etwa argumentiert, dass die Vergabe von Stellflächen ein hoheitlicher Akt sei – und damit nicht dem Kartellrecht unterliege. Die Wiener Linien haben bisher nicht zur Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Stellung genommen. Das Oberlandesgericht Wien hat Österreich als Kartellgericht erster Instanz nach jahrelangem Verfahren in zentralen Punkten Recht gegeben: Die Wiener Linien müssen neben Heute- auch Österreich-Boxen innerhalb der U-Bahn-Haltestellen erlauben. Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner sah damit bestätigt, dass die Wiener Linien klar kartellrechtswidrig gehandelt hätten, indem sie nur Heute Boxen in ihren Stationen erlaubten. Die Wiener Linien beriefen sich auf einen Vertrag mit Heute (davor hatte ihn der eingestellte Mediaprint-Vorgänger U-Express). Die Verkehrsbetriebe beriefen gegen die Entscheidung der ersten Kartell-Instanz. Das Oberlandesgericht muss nun noch einmal den relevanten Markt abgrenzen. Laut Gugerbauer sind laut OGH zwei Punkte zu berücksichtigen: In den relevanten Markt des Gratiszeitungsvertriebs in und um Stationen öffentlicher Verkehrsmittel wären auch sogenannte Leitern einzubeziehen: Das sind Gestelle, auf denen mehrere Zeitungs-Entnahmetaschen hängen. Diese Leitern vermietet ein Dienstleister mit einer speziellen Sonderkonzession der Stadt Wien Medienunternehmen. Laut Gugerbauer nutzte die Mediengruppe Österreich diesen Vertriebsweg bis etwa vor einem Jahr. Inzwischen würden sie aber der Krone zur Verfügung gestellt. Zweite Aufgabe für eine neue Marktabgrenzung: Handverteilung von Zeitungsexemplaren, etwa vor U-Bahn-Stationen. Die Frage laut Gugerbauer: Können solche Verteilaktionen quasi den Wettbewerbsvorteil von Entnahmeboxen in der Station ausgleichen. Der Anwalt der Mediengruppe Österreich: Als breitflächiger Ersatz für Entnahmeboxen ist die Handverteilung ungeeignet. Er verweist auf die hohen laufenden Kosten für die Verteilung: Das steht in keinem Verhältnis. Mediengruppe Österreich und Wiener Linien können in den nächsten Wochen zu der Entscheidung des Obersten Gerichtshofs Stellung nehmen. Das Verfahren vor dem Oberlandesgericht dürfte im Herbst wieder anlaufen – und wohl vor der Wiener Wahl im Oktober eher nicht zu einer neuen Entscheidung kommen. Nach dem Erst-Entscheid hat Fellner angekündigt, Österreich werde den gesamten bisher entstandenen Schaden in einem eigenen zivilrechtlichen Verfahren gegen die Wiener Linien geltend machen. Intern rechnet man bei Österreich mit sechs- bis siebenstelligem Mehraufwand pro Jahr für Verteilaktionen, um einen Wettbewerbsnachteil der Boxenstandorte auszugleichen. Österreich wird auch weitab von Stationen öffentlicher Verkehrsmittel an großen Straßenkreuzungen verteilt. "Österreich" und "Kronen Zeitung" veröffentlichten unverpixeltes Foto eines völlig Unbeteiligten – Mit "Krone" außergerichtliche Einigung. Wien – Weil sie nach dem Germanwings-Unglück, bei dem am 24. März 2015 alle 150 Insassen ums Leben kamen, ein falsches Foto des vermeintlichen Co-Piloten veröffentlicht hatte, der die Maschine zum Absturz gebracht haben dürfte, ist am Montag in Wien eine Klage gegen die Tageszeitung Österreich behandelt worden. Das unverpixelte Bild des verwechselten Mannes hatte sich wie berichtet am Cover des Blatts befunden. Das Foto zeigte nicht den Co-Piloten, sondern einen völlig unbeteiligten jungen Mann, der lediglich denselben Vornamen wie der Co-Pilot trägt. Das Bild, das offenbar von einem Tweet stammte, hatte sich über Bild-Agenturen rasch und sogar bis nach Südamerika verbreitet. In Österreich saß neben Österreich, wo das falsche Foto in der Wien-Ausgabe publiziert wurde, auch die Kronen Zeitung dem Irrtum auf. Die Krone brachte das Foto des gebürtigen Deutschen, der in Bern lebt, in sämtlichen Ausgaben ebenfalls unverpixelt am Titelblatt. Wie die Medienanwältin Maria Windhager, die Wiener Rechtsvertreterin des Mannes, nun im Straflandesgericht anmerkte, habe sich die Kronen Zeitung im Unterschied zu Österreich bereits am nächsten Tag für die Verwechslung entschuldigt und eine Richtigstellung ins Blatt gerückt. Man habe sich mit der Krone auch umgehend auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt, sodass in diesem Fall die Sache gar nicht gerichtsanhängig wurde. Über die Höhe der von der Krone geleisteten finanziellen Wiedergutmachung wollte Windhager unter Verweis auf ihre anwaltliche Verschwiegenheitspflicht keine Angaben machen. Gegen Österreich machte Windhager demgegenüber die medienrechtlichen Tatbestände der üblen Nachrede, die Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs, die Verletzung des Identitätsschutzes sowie die Verletzung der Unschuldsvermutung geltend. Der Störwert der inkriminierten Veröffentlichung sei so hoch, dass damit verbundene schwerwiegende Auswirkungen außer Frage stünden, erklärte die Anwältin sinngemäß. Ihr Mandant sei immerhin als Massenmörder hingestellt worden. Richter Stefan Apostol beraumte für Mitte September einen weiteren Verhandlungstermin an, zu dem der Kläger nach Wien reisen und als Zeuge zu den konkreten Auswirkungen aussagen soll. Möglicherweise wird aber das Verfahren bis dahin ebenfalls außergerichtlich beigelegt. Der Österreich-Rechtsvertreter Peter Zöchbauer zeigte sich einer solchen Lösung grundsätzlich nicht abgeneigt. Es müsse allerdings einen Generalvergleich geben, der ein weiteres, am Wiener Handelsgericht anhängiges Verfahren mitumfasst, stellte Zöchbauer fest. Der Presserat hat sowohl die Kronen Zeitung als auch Österreich für die unverpixelte Bildveröffentlichung abgemahnt. Diese sei mit dem Ehrenkodex für die österreichische Presse nicht vereinbar. Es handle sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die journalistische Genauigkeit und gegen den Persönlichkeitsschutz des Abgebildeten. 7.500 Euro wegen unter anderem übler Nachrede und Verletzung der Unschuldsvermutung. Urteil noch nicht rechtskräftig. Wien – Die Tageszeitung Österreich ist am Montag wegen der Veröffentlichung eines falschen Fotos des Copiloten nach dem Germanwings-Unglück zu einer Entschädigung von 7.500 Euro verurteilt worden. Das unverpixelte Foto hatte sich auf dem Cover befunden, der abgebildete 38-jährige Deutsche klagte daraufhin das Blatt – DER STANDARD berichtete. Zudem wurde der Zeitung die Veröffentlichung des Urteils aufgetragen. Der Richterspruch ist allerdings noch nicht rechtskräftig. Beide Parteien werden das Urteil bekämpfen. Die Rechtsvertreterin des Deutschen, Medienanwältin Maria Windhager, gab vorerst keine Erklärung ab, Österreich-Anwalt Peter Zöchbauer kündigte volle Berufung an. Das im März abgedruckte Foto zeigte nicht den Copiloten, sondern einen völlig unbeteiligten Mann, einen gebürtigen Deutschen, der nun in Bern lebt. Einzige Gemeinsamkeit des 38-Jährigen mit dem Copiloten waren die Vornamen. Das Bild, das vom Facebook-Profil des 38-Jährigen stammte und offenbar über einen Tweet veröffentlicht wurde, gelangte zu einer Bildagentur, die das Foto sogar bis nach Südamerika verbreitete. Der Deutsche wurde von Verwandten und Freunden kontaktiert, was es denn damit auf sich habe, dass sein Konterfei unter den Schlagzeilen des Germanwings-Absturzes zu finden sei. Reporter aus aller Welt riefen beim Arbeitgeber des 38-Jährigen in der Schweiz an, sodass schlussendlich die gesamte Presseabteilung des Unternehmens damit beschäftigt war, den Irrtum richtigzustellen. Auf Facebook wurde der Mann attackiert und beleidigt. Alle möglichen Leute, die mich für den Echten hielten, haben mich beschimpft und verflucht, erzählte der extra nach Wien gereiste Kläger. Auch die Lebensgefährtin des 38-Jährigen – von den Journalisten als Freundin eines Mörders gejagt – wurde bei einem Geschäftsessen mit ihrem Chef von 30 bis 40 Reportern belagert und um ein Interview gebeten. Die Medien kontaktierten nicht nur ihre gesamte Familie, sondern riefen auch bei ihrem ehemaligen Universitätsprofessor und dem Bürgermeister ihres Heimatortes in Italien an. Bis der Irrtum aufgeklärt war, verging etwa ein Monat, sagte der 38-Jährige, doch privat ist die Verwechslung bis heute Thema. Als er von dem falschen Foto erfahren habe, habe er noch geglaubt, dass sich das schnell aufklären werde. Doch plötzlich war sein Gesicht in Zeitungen, im Fernsehen und im Internet zu sehen. Es war sehr schockierend, zu sehen, wie die Medien arbeiten. Da schreibt jemand etwas über Twitter, und innerhalb von einer Stunde glauben alle weltweit, dass das eine belegte Nachricht ist. In Österreich saß neben Österreich, wo das falsche Foto in den Ausgaben von Wien, Burgenland, Ober- und Niederösterreich publiziert wurde, auch die Kronen Zeitung dem Irrtum auf. Die Kronen Zeitung hatte sich allerdings bereits am nächsten Tag für die Verwechslung entschuldigt und eine Richtigstellung ins Blatt gerückt. Man habe sich mit der Krone auch umgehend auf einen außergerichtlichen Vergleich geeinigt, sodass in diesem Fall die Sache gar nicht gerichtsanhängig wurde, sagte Windhager. Österreich wurde nun wegen der medienrechtlichen Tatbestände der üblen Nachrede, der Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs und der Verletzung der Unschuldsvermutung verurteilt. Die Verletzung des Identitätsschutzes war für Richter Stefan Apostol nicht gegeben, da der in der Schweiz sesshafte Mann nur von einem österreichischen Freund darauf angesprochen wurde, dass er konkret auf dem Titelblatt von Österreich zu sehen sei. Der Presserat hatte sowohl die Kronen Zeitung als auch Österreich für die unverpixelte Bildveröffentlichung abgemahnt. Diese sei mit dem Ehrenkodex für die österreichische Presse nicht vereinbar. Es handle sich um einen schwerwiegenden Verstoß gegen die journalistische Genauigkeit und gegen den Persönlichkeitsschutz. '"Stars" und "Time Out" neue Beilagen – Fellner: "Zweithöchste Trafik-Verkaufszahl nach ''Krone''". Wien – Die Mediengruppe Österreich dreht weiter an der Magazin-Schraube und baut ihre Produktlinie aus. Am Donnerstag erscheint als Beilage zur Tageszeitung Österreich erstmals das Zeitungs-Magazin Stars. Ab 28. Jänner kommt das Event-Magazin Time Out dazu. Damit hat Österreich jeden Tag ein Farb-Magazin plus einer 16 bis 32 Seiten starken eigenen Sport-Zeitung und kostet durchgängig 2,90 Euro, erklärte Herausgeber und Eigentümer Wolfgang Fellner gegenüber der APA. Montags liegt der Zeitung Gesund&Fit bei, dienstags das Anfang Jänner gestartete Magazin ReiseLust, mittwochs die NaturLust, die nun neu im Wochenrhythmus erscheint, am Donnerstag Stars, Time Out sowie die TV- und Rätsel-Beilage, freitags des Kochmagazin Cooking, am Samstag das Frauenmagazin Madonna. Fellners Strategie dahinter: Wir wollen dem Leser eine neues Lese-Erlebnis für die Kauf-Zeitung bieten. Zusätzlich zur klassischen Tageszeitung, die es in Wien und den meisten Hauptstädten ja auch gratis gibt, erhält der Käufer nun ein Farb-Magazin und eine eigene Sport-Zeitung. Damit wird die Zeitung zum Familien-Produkt, sie bietet gleich drei Angebote zum Preis von 2,90. Und die Magazine der Mediengruppe sollen ab dem Folgetag auch als Einzelprodukte in Trafiken und Supermärkten erhältlich sein. Die Entwicklung der ersten beiden Wochen bestätige die neue Strategie, so Fellner. Die Zeitung mit Magazin und Sport-Zeitung verkauft trotz des nun deutlich erhöhten Kauf-Preises über 60 Prozent mehr als die reine 1-Euro-Tageszeitung zuvor. Die reine Trafik-Verkaufsauflage ist in den ersten beiden Wochen von Montag bis Freitag von knapp 10.000 auf über 16.000 gestiegen. Österreich hat nun – trotz Verkaufspreises von 2,90 Euro – nun die zweithöchste Trafik-Verkaufszahl nach der Krone, berichtete der Österreich-Herausgeber. Es sei damit gelungen, die Tageszeitung neben dem Erfolg als Gratis-Zeitung in diesem Jahr auch als Kauf-Zeitung deutlich attraktiver zu machen.' Zeitung hat Vorab-Meldung zurückgezogen, laut der der Bundeskanzler das Lohnniveau des Heimatlandes für ausländische Arbeiter in Österreich gefordert hätte. Wien – Gleicher Lohn für gleiche Arbeit würde Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) fordern, berichtete die Tageszeitung Österreich vorab per APA-OTS-Presseaussendung – und zwar, was Ostarbeiter betreffe. Das heißt: Ein Arbeitnehmer, der etwa aus Ungarn nach Österreich arbeiten kommt, soll die gleiche Entlohnung erhalten, wie in Ungarn, heißt es in der Presseaussendung, die allerdings kurz darauf wieder zurückgezogen wurde. Faymann dürfte falsch zitiert worden sein. In der Samstag-Ausgabe der Zeitung wird Gleicher Lohn für gleiche Arbeit so erklärt, dass Ungarn in Österreich die gleiche Bezahlung wie Österreicher erhalten sollen. Der sozialdemokratische Bundeskanzler spricht sich aber – wie in der zurückgezogenen Aussendung angekündigt – insgesamt für einen restriktiveren Zugang für Arbeitskräfte aus der östlichen EU aus. "Der Börsianer" reiht Profil-Redakteur auf Platz eins, STANDARD-Aufdeckerin Renate Graber auf Platz zwei. Wien – Der Börsianer hat zum zweiten Mal nach 2013 mittels Umfrage unter Journalisten die besten Wirtschafts- und Finanzjournalisten Österreichs ermittelt. Den ersten Platz holte dabei profil-Redakteur Michael Nikbakhsh. Er bietet als einziger Topmagazinjournalist den Tageszeitungen Paroli und fragt selbst dort noch nach, wo es vielen schon zu heiß ist. Dem Aufdecker der Meinl-Affäre und Träger diverser Journalistenpreise konnte auch der Skandal rund um seine Berichterstattung zur vermeintlichen Geldkuvertübergabe zwischen Hans Niessl und Manfred Swarovski nichts anhaben, hieß es dazu im Börsianer. Auf Platz 2 landete Renate Graber vom STANDARD, Platz 3 ging an Presse-Redakteur Josef Urschitz. Der Hauptpreis geht an Veronika Dolna für einen Beitrag in der "Furche". Die News-Journalistin Veronika Dolna hat mit ihrem Artikel Zwei-Klassen-Recht beim Kinderschutz für die Wochenzeitung Die Furche den mit 3.000 Euro dotierten Österreichischen Journalistenpreis Kinderrechte gewonnen. Daneben wurden auch Felix Lills Presse-Beitrag Der Nachwuchs im Klassenkampf sowie Bianca Bleis STANDARD-Artikel Glückliche Bräute: Gefangene hinter indischen Fabrikmauern ausgezeichnet. Die Preise werden von der gemeinnützigen Privatstiftung Hilfe mit Plan Österreich gemeinsam mit der niederösterreichischen Kinder- und Jugendanwaltschaft und der Donau-Universität Krems für Medienbeiträge vergeben, die beispielhaft auf die Rechte von Mädchen und Buben aufmerksam machen. Die Preisverleihung findet am 7. März in Baden-Baden statt. Baden-Baden – Mit dem Deutschen Medienpreis 2015 wird der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Ban Ki-moon, ausgezeichnet. Die Preisverleihung findet am 7. März in Baden-Baden statt. Die Auszeichnung würdigt den Repräsentanten der einzig weltumspannenden internationalen Organisation in ihrem 70. Jubiläumsjahr. Die Arbeit Bans, der demnächst zehn Jahre an der Spitze der Vereinten Nationen steht, erfüllt nach Meinung der Jury gerade in der heutigen Zeit die Kriterien des Medienpreises in besonderer Weise. Inmitten einer Welt der bedrohlichen politischen Konflikte und humanitären Krisen arbeitet Ban unermüdlich für die Solidarität und den Zusammenhalt der internationalen Gemeinschaft. 'ORF-"Report"-Moderatorin Susanne Schnabl-Wunderlich und "Falter"-Redakteurin Barbara Tóth wurden mit dem Hochner- bzw. Vorhofer-Preis ausgezeichnet. Ihre Reden im Wortlaut. Wien – Falter-Redakteurin Barbara Tóth und ORF-Report-Moderatorin Susanne Schnabl-Wunderlich sind am Montag mit zwei der renommiertesten heimischen Journalismuspreise ausgezeichnet worden. Tóth wurde mit dem Kurt-Vorhofer-Preis für Printjournalismus geehrt, Schnabl erhielt den Robert-Hochner-Preis für Fernsehen bzw. Radio. Die Preisverleihung fand in der Präsidentschaftskanzlei der Wiener Hofburg statt. Hier sind die Reden der Preisträgerinnen im Wortlaut: Susanne Schnabl-Wunderlich: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundeskanzler, geschätzte Kollegen und Kolleginnen, liebe Familie, Robert Hochner und die ZiB 2. So endeten regelmäßig meine mehr oder weniger langweiligen Oberstufen-Schultage in einer kleinen Kärntner Bezirksstadt. Zum Tagesausklang der Blick hinaus in die Welt und der Blick auf das, was unsere Gesellschaft maßgeblich prägt: die Politik. Und dabei, beim Zuschauen, hab ich viel gelernt bzw. beobachtet, was mir damals noch nicht so bewusst war, nämlich wie kritische Öffentlichkeit funktioniert: sachlich, faktenorientiert, unaufgeregt, auf Augenhöhe, at it’s best. Plötzlich beginnen die Gedanken im elterlichen Wohnzimmer zu kreisen, es wird diskutiert – spätabends – vor dem Fernseher. Mit Robert Hochner und seit Robert Hochner hat sich der öffentlich-rechtliche Journalismus verändert, emanzipiert. Seine journalistische Grundhaltung gilt seither als Maßstab, sich keiner Meinung gemein machen, sondern kritische Distanz allem und jedem gegenüber – ohne wenn und aber. Und dennoch sind wir seit geraumer Zeit mehr denn je mit der Frage unserer Glaubwürdigkeit konfrontiert. Die Skepsis gegenüber uns, dem was wir tun, den klassischen Medien, die ist da – befeuert von und in den sozialen Netzwerken – und sie lässt sich nicht einfach wegdiskutierten. Da formiert sich, da existiert eine kritische Öffentlichkeit. Das ist ja grundsätzlich begrüßenswert, die Deutungshoheit in einer Demokratie nicht nur einigen wenigen zu überlassen. Aber was, wenn sich diese Öffentlichkeit in einer Parallelwelt bewegt, gebaut auf dem Fundament von Gerüchten, Spekulationen, Verschwörungen, Anwürfen und Diffamierungen? So ein Weltbild ist da schnell konstruiert. Dazu braucht es keine Zeitungen, Gespräche mit anderen, Radio- Fernsehinterviews und Berichte oder schnell ein paar Fakten googeln, um sich eine Meinung zu bilden. Nein, es braucht nur einen Klick, und fertig ist das meist stromlinienförmig durch Algorithmen generierte Weltbild auf Facebook; meist eine Selbstbestätigung, das immer wiederkehrende Echo der eigenen Meinung. Schwarz-Weiß, die gegen uns, und fertig. Dabei geht es selten um die Suche nach der Wahrheit, sondern mehr um die Erregung von Aufmerksamkeit, die härteste digitale Währung. Aber das geht ans Existenzielle des Miteinanders, der Demokratie, die nun einmal auf öffentliche Räume angewiesen ist. Wir können und müssen dem nur eines entgegensetzen und anbieten: Fakten, gründliche Recherche, Sachlichkeit, Tiefe und vor allem Breite, einen allumfassenden Blick, der sich nicht von 140 Zeichen in einer Blase einengen lässt; die Nabelschau also verlassen, nicht ausschließlich Treiber und Agent von Sensationen oder gar Polit-Spins, Schwarz-Weiß-Geschichten, Gut gegen Böse sein. Ja, Journalismus braucht die Zuspitzung und starke Bilder, aber es geht dabei um Qualität, die den Dialog, die Auseinandersetzung widersprechender Ansichten, die Pluralität abbildet, fördert und garantiert. Kurzum: Es liegt an uns Journalisten, in einer globalisierten, immer komplexeren und zugleich fragmentierten Welt die Grauschattierungen zwischen Schwarz und Weiß, die vielen bunten, oft leisen Perspektiven abseits der lauten digitalen Echokammer herauszuarbeiten. Das ist fordernd, und ja, das ist anstrengend und braucht einen langen Atem. Ich will Ihnen dazu kurz aus meinem, unseren Redaktionsalltag erzählen: Es war der 15. September 2015. Seit Tagen kamen zehntausende Menschen über die österreichische Grenze, und, wie wir nunmehr neun Monate später wissen, waren es Hunderttausende, die durch Österreich reisten. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir in der Report-Redaktion nicht all umfassend – frei nach Rudolf Augstein – sagen, was ist. Wir konnten nur fragen, was ist? Und all die Fragen der Bevölkerung, getragen von Hilfsbereitschaft bis hin zu tiefster Unsicherheit, aufgreifen und nach vielen möglichen Antworten suchen. Das war die Idee Robert Wiesners und einer großartigen Redaktion: der Österreich-Report am 15. September. Während der Vorbereitungen auf diese Sendung und auch exakt ein halbes Jahr später, als wir denselben Fragen noch einmal in einer hundertminütigen Hauptabendsendung nachgingen, musste ich immer wieder an ein Zitat von Ingeborg Bachmann denken, an das Denken selbst, das noch nicht um eine Richtung besorgt ist, sondern nur eines will: Erkenntnis. Also nachfragen in alle Richtungen, ohne wenn und aber. Sachlich bitte nicht mit langweilig zu verwechseln. Natürlich soll die Aufmerksamkeit auf unserer Seite sein. Nicht vorgeben, zu wissen, was ist, wenn sich noch alles im Fluss Befindliche eben nicht klar und präzis einordnen lässt. Und vor allem dranbleiben, immer wieder nachfragen, wenn die ersten lauten Schlagzeilen längst verhallt und vergessen sind. Dafür brauchen wir – gerade im Hinblick auf die nächsten, den ORF betreffenden entscheidungsreichen Monate – die besten, die kritischsten, unabhängigsten, kreativsten und verantwortungsbewusste Köpfe. Pluralität in den Redaktionen, die braucht es mehr denn je. Mehrstimmigkeit, um die Breite der Gesellschaft abzubilden, zu garantieren. Distanz jedem und allem gegenüber. Der Unabhängigkeit stets verpflichtet. Das ist unser Geschäftsmodell, und die Währung dazu ist unsere Glaubwürdigkeit. Und es braucht mehr denn je Transparenz. Unser Job ist es zu erklären, aber auch wir sollten uns unserem Publikum erklären, warum wir etwas tun und warum eben nicht, kurzum, wie kritische Öffentlichkeit – abseits von Likes und Shitstorms – funktionieren soll und kann. Clarissa Stadler hat über ihren verstorbenen Mann Robert Hochner geschrieben: Er war ein großer Journalist, weil er kein Besserwisser, sondern ein Mehrwisser war. Und er hat bewiesen, dass man mit Wachsamkeit und Kritik der Wahrheit ein Stück näher kommt. Mehrwisser, das sollten unsere Zuseher und Zuseherinnen nach jeder Sendung sein im Vertrauen, der Wahrheit mit und durch uns ein Stück näher gekommen zu sein. In diesem Sinne sage ich Danke für diese Auszeichnung, die ich in Demut und als Ansporn entgegennehme. Und lassen sie mich bitte noch ein persönliches Dankeschön aussprechen: Danke an meine Familie, insbesondere an meine Eltern, die selbstständiges Denken und kritisches Hinterfragen – nicht nur am Küchentisch – stets forderten und förderten. Dir, lieber Nicola, weil Geschwister dafür die besten Sparringspartner sind. Vor allem dir, lieber Thomas, für deinen unverblümten, klaren, weiten Blick fernab jeder Blase. Und danke, liebe Kathi Zechner, für die Möglichkeit und das Vertrauen, den kritischen Fragen jenen Platz zu geben, den sie brauchen. Die Rede von Barbara Tóth im Wortlaut: Sehr geehrter Herr Bundespräsident, Herr Bundeskanzler, Liebe Kolleginnen und Freundinnen, Liebe Familie. Dieser Preis macht demütig und stolz. Demütig, weil ich mich einreihen darf unter vorbildliche Persönlichkeiten, darunter alleine drei Kollegen des Falters: Armin Thurnher, Florian Klenk und Sibylle Hamann. Stolz, weil ich meines Wissens nach die erste Journalistin bin, die diesen Preis bekommt und deren erste Muttersprache nicht Deutsch war. Es ist zur guten Tradition geworden, dass die Preisträgerinnen des Kurt-Vorhofer-Journalistenpreises ihre kurze Rede auch dafür nutzen, etwas Grundsätzliches zum Journalismus in Österreich zu sagen. Auch ich möchte das tun – verbunden mit einem Danke an jene Menschen, ohne die ich heute Abend hier nicht stehen würde. Denn dieser Preis zeichnet zwar mich aus, aber er gebührt mehreren. Danken möchte ich deshalb zu allererst der Redaktion des Falters, allen voran Florian Klenk und Armin Thurnher. Ich schätze meine journalistische Heimat dafür, dass sie sich als Redaktion und als Thinktank gleichermaßen versteht. Mal sehen, was die Zukunft bringt, aber in den vergangenen Jahren wäre ein Politikjournalismus unendlich lähmend gewesen, der sich nur auf das Rezensieren und Bewerten des von der Politik Angebotenen beschränkt. Im Falter konnte ich diesen kritischen und konstruktiven journalistischen Ansatz leben. Wir schauen genau hin, aber wir denken auch mit, manchmal auch vor. Das ist sehr, sehr viel wert und in Österreich alles andere als selbstverständlich. Danken möchte ich zweitens jenen Menschen, die mich in meiner Ausbildung als Historikerin geprägt haben. Oliver Rathkolb, bei dem ich meine Dissertation verfasst habe und von dem ich das Handwerk der Zeithistorikerin gelernt habe, das sich mit meiner Arbeit als politische Journalistin, wie ich meine, perfekt ergänzt. Lieber Oliver, dein Blick auf die Geschichte, das Suchen nach Kontinuitäten und Brüchen statt nach einfachen Erklärungsmustern, sind essenziell für mich. Danken möchte ich auch Karel Schwarzenberg, mit dem ich das Vergnügen hatte, im Rahmen zweier Buchprojekte viele Gespräche zu führen. Von Ihnen, Herr Schwarzenberg, lernte ich eine Großzügigkeit, eine heitere Gelassenheit gegenüber aktuellen Ereignissen. Sie prägten mich gegen eine gewisse Hysterie und einen Alarmismus, gegen diesen Kulturpessimismus im Allgemeinen, der gerade im letzten Jahr – diesem historischen Jahr mit großen Fluchtbewegungen – viele erfasst hat. Das ist logisch, große Ereignisse verunsichern, fordern heraus. Aber Aufgabe von uns Journalisten ist es nicht, auf den Erregungskurven mitzusurfen, sondern im historischen Kontext einzuordnen, und dabei eine verlässliche Stimme der Vernunft – wie die Jury es schön formuliert hat – zu bleiben. Seit kurzem gibt es ein Masterstudium Zeitgeschichte und Medien. Hätte es das 1993, als ich immatrikulierte, gegeben, ich hätte es gewählt. Und ich kann es nur jedem, der politischen Journalismus machen will, empfehlen. Lernen sie Geschichte, Herr Redakteur, dieses Zitat Bruno Kreiskys ist einfach zeitlos. Danken möchte ich als Drittes – und vorletztes – Franz Küberl und Margit Fischer. Lieber Franz, wir haben ein Jahr gemeinsam für ein Buch recherchiert und haben österreichweit Caritas-Einrichtungen besucht. Durch dich habe ich gelernt, gesellschaftspolitische Themen – immer und zuallererst – als soziale Frage zu analysieren. Ob jemand arbeitslos ist oder schlecht in der Schule, ist keine Frage der Gene, der Hautfarbe oder des Migrationshintergrunds. Es ist eine Frage unseres Bildungssystems und der Ziele, die sich eine Gesellschaft setzt. Liebe Margit, ich durfte bei deiner Biografie mitarbeiten – was du dafür getan hast, um Kindern aus nichtprivilegierten Haushalten den Zugang zur Wissenschaft zu ermöglichen, ist einfach großartig. Gäbe es mehr Menschen wie dich, wäre das für unsere Gesellschaft so wichtig. Das bringt mich zum Schluss. Mein vierter Dank geht an meine Familie. Es ist anders, wenn man in einem Haushalt aufwächst, wo jedes deutsche Wort, das man nicht kannte, von der Mama im Wörterbuch nachgeschlagen wird – und zwar immer, auch mitten beim Abendessen. Und der Papa parallel dazu in einem Taschenbuch, es hieß Sag es treffender nach Synonymen sucht. Das prägt, das sensibilisiert für Sprache und Stil. Es ist auch anders, wenn man – wie ich – eine gelernte Österreicherin im wahrsten Sinne des Wortes ist. Ich bin mit einer gewissen inneren Distanz zu diesem Land aufgewachsen, ich habe nicht alles als gegeben hingenommen und nicht nur im Zweifelsfall hinterfragt. Ich habe eine österreichische, eine tschechische, eine ungarische und eine europäische Identität. Mit vielen Bindestrichen. Eine Redaktion, die einem Raum zum Nachfragen und Denken gibt. Eine solide, zeitgeschichtliche Ausbildung als Basis, um aktuelle Politik zu beurteilen. Gelassenheit und Distanz. Die soziale Frage dabei immer im Blick zu behalten. Und die Liebe zur Sprache, eine Art Lebensliebe. Das sind die Zutaten für journalistische Exzellenz, wie ich sie ausüben darf. Nein, es ist leider nicht selbstverständlich, dass ich als Tochter eines Ungarns und einer Tschechin, die 1969 nach Österreich kamen, diesen wunderbaren Preis bekomme. Menschen mit Migrationshintergrund sind in Österreichs Medienlandschaft nach wie vor zu selten. Redaktionen spiegeln die Diversität Österreichs, das ein Einwanderungsland im Herzen Europas geworden ist, noch viel zu wenig wider. Ich hoffe, das ändert sich bald und ich kann mit meinen Texten auch einen kleinen Beitrag dazu leisten. Dann können wir alle stolz sein.' Tageszeitung zeigt falsche Person als mutmaßlichen Verdächtigen. Wien - Der Senat 2 des Presserats bewertete den Artikel Hockey-Crack prügelt Polizisten ins Spital - erschienen auf Seite 12 der Tageszeitung Österreich vom 23.03.2015 - und stellte einen Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse fest. In dem Artikel wird behauptet, dass der Südtiroler Eishockeytormann Roland F. in einer Arrestzelle einen Wiener Polizisten brutal zusammengeschlagen haben soll. Neben dem Artikel wird ein Foto von Roland F. gezeigt. Sein Gesicht ist zwar mit einem schwarzen Balken versehen, der Betroffene ist jedoch trotzdem - insbesondere wegen seiner markanten Gesichtszüge - für sein Umfeld erkennbar. Die Leser, die den Presserat eingeschaltet haben, behaupten, dass nicht Roland F. den Polizisten attackiert habe, sondern ein anderer Eishockeyspieler, der so wie Roland F. 22 Jahre alt sei und aus demselben Ort in Südtirol stamme. Der Senat stellte fest, dass der mutmaßliche Täter in anderen Medien mit M. G. abgekürzt wurde. Eine Anfrage des Presserats beim Bundesministerium für Inneres hat ergeben, dass die Initialen des Verdächtigen tatsächlich M. G. lauten und dass kein Tatzusammenhang zu einer Person Roland. F. besteht. Roland. F. wurde in der Tageszeitung Österreich mit abgekürztem Nachnamen als Verdächtiger genannt und - wenn auch mit einem schwarzen Balken versehen - abgebildet, ohne dass er mit der Straftat irgendetwas zu tun hat. Zudem wurde sein Heimatort in Südtirol angeführt. Darin erkennt der Senat zum einen eine Persönlichkeitsverletzung im Sinne des Punktes 5 des Ehrenkodex. Der Senat merkte auch noch an, dass es aufgrund der Angaben im Artikel verhältnismäßig einfach ist, Roland F. im Internet ausfindig zu machen. Zum anderen liegt aber auch ein grober Verstoß gegen Punkt 2.1 des Ehrenkodex vor, wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit in Recherche und Wiedergabe von Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind. Aufgrund des gleichen Alters, der gleichen Herkunft und des Umstandes, Eishockeyspieler zu sein, hat der Verfasser des Artikels den unbeteiligten Roland F. fälschlicherweise für den von der Polizei festgenommenen Verdächtigen gehalten. Ein Gegencheck der vermutlich im Internet recherchierten Informationen über Roland F. erfolgte nicht. Der Senat fordert die Medieninhaberin der Tageszeitung Österreich auf, die vorliegende Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund mehrerer Mitteilungen von Lesern ein Verfahren durch (selbständiges Verfahren aufgrund einer Mitteilung). In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel oder ein journalistisches Verhalten den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Die Medieninhaberin der Tageszeitung Österreich hat von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht. Die Medieninhaberin der Tageszeitung Österreich hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen. Vier Beschwerden beim Presserat wegen Kolumne über Amnesty-Bericht zu Traiskirchen und eine wegen jener zu Polizeigewalt – Amnesty prüft Schritte. Wien – Die Kronen Zeitung hat im Jahr 2014 insgesamt 16-mal gegen den Ehrenkodex der österreichischen Presse verstoßen – so oft wie kein anderes Medium. Zwei der Verstöße gingen auf das Konto von Krone-Postler Michael Jeannée. Weitere könnten in Kürze dazukommen. Ungemach droht Jeannée aber nicht nur vom Presserat, sondern auch von seiner Zielscheibe: Amnesty International will den jüngsten Ausritt des Kolumnisten nicht einfach hinnehmen, sagt Generalsekretär Heinz Patzelt. Jeannées Post an Amnesty International vom 15. August nahmen vier Leser zum Anlass, sich mit einer Beschwerde an den Presserat zu wenden. Das teilte das Kontrollorgan der österreichischen Presse auf STANDARD-Anfrage mit. Über seine Kolumne zu Polizeigewalt vom 13. August beschwerte sich ein Leser. Jeannée fabulierte nach dem kritischen Bericht von Amnesty International zu den Zuständen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen von ein paar Damen und Herren, die aus London eingeflogen wurden, in einem vornehmen Luxushotel abstiegen, sich in klimatisierten Limousinen nach Traiskirchen kutschieren ließen, dort sechs Stunden völlig sicher umherstaksten, das eine oder andere Gespräch führten, anschließend wahrscheinlich gepflegt zu Abend aßen und wieder verschwanden. Jeannee war noch nie dort, aber: Das überfüllte Lager Traiskirchen ist kein Paradies, aber ein Garten Eden pic.twitter.com/J5EHFFNpEO Amnesty International dementierte umgehend, dass Mitarbeiter aus London eingeflogen wurden, was Jeannée am 19. August in einer zweiten Kolumne zu Amnesty International mit Mea culpa! Aber: So what? kommentierte. Was Jeannée über die Organisation geschrieben habe, liege weit über der Ebene, die wir hinnehmen können, sagt Generalsekretär Patzelt zum STANDARD. Patzelt schrieb bereits im aktuellen Falter kryptisch von einer Auseinandersetzung mit Jeannée, die auf einer anderen Ebene zu führen sei. Ob das juristische Schritte sind oder etwa in Form einer Kampagne erfolgen soll, wollte er auf Anfrage nicht präzisieren. Das genaue Vorgehen werde derzeit mit der Zentrale in London akkordiert: Wir überlegen, was die angemessene Reaktion ist. Michael Jeannée legt nach. Einfach widerlich! pic.twitter.com/q7x1dlKZG3 In seiner Kolumne vom 13. August ging Jeannée auf das Video ein, das der Falter und das Magazin Vice veröffentlicht hatten. Zu sehen ist darin der Übergriffes eines Polizisten auf einen mutmaßlichen Taschendieb im Bezirk Wien-Leopoldstadt Ende Juli. Einer von zwei Beamten packt den rücklings gefesselten Mann an der Kehle und schleudert ihn mit dem Kopf voran zu Boden. Michaela Kardeis, die Vizepräsidentin der Wiener Polizei, sprach in einer Reaktion auf den Vorfall von eindeutigem Fehlverhalten und unverhältnismäßiger Körpergewalt. Jeannée schreibt unter anderem: Weder wird da misshandelt noch mit besonderer Brutalität gegen den Tatverdächtigen vorgegangen. Falter-Chefredakteur Florian Klenk denunziert er als Polizistenhasser. #Jeannée verharmlost morgen #Polizeigewalt und schimpft auf Bolschewikenblattl @falter_at und @florianklenk. pic.twitter.com/zquqVcMxDe Vom österreichischen Presserat wurde Jeannée bisher sechsmal gerügt. Die Kronen Zeitung ist nicht Mitglied des Selbstkontrollorgans. Berichte über günstiges Telefonieren und Küchenstudios waren für das Kontrollgremium nicht als entgeltliche Einschaltung erkennbar. Wien – Der Kurier verstieß mit zwei Artikeln gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Werbeartikel seien nicht ausreichend gekennzeichnet worden, stellt der Presserat fest. Berichte über günstiges Telefonieren und Küchenstudios waren für das Kontrollgremium nicht als entgeltliche Einschaltung erkennbar. Lesern müsse möglich sein, zwischen bezahlter Werbung und redaktionellen Beiträgen unterscheiden zu können. Kralinger: "Wirklichkeitsfremd" – Presserat soll sich um Wichtigeres kümmern. Wien – Der Kurier hat den Tadel des Presserats wegen unzureichender Kennzeichnung von Werbungzurückgewiesen. Thomas Kralinger, Geschäftsführer der Zeitung, kritisierte den Presserat in einer ungewöhnlich scharf formulierten Aussendung im Gegenzug als realitätsfern bzw. wirklichkeitsfremd. Man könne die redaktionelle Aufbereitung von aktuellen Marktinformationen nicht mit der Arbeitsweise eines Journalisten etwa bei politischer oder wirtschaftlicher Information vergleichen, schrieb Kralinger. Er kann die Argumentation des Presserats nicht nachvollziehen bzw. bezeichnet sie als falsch. Denn der Rat selbst habe sowohl festgestellt, dass für die beanstandeten Artikel nicht bezahlt worden sei, als auch, dass es eine unterscheidbare Kennzeichnung der Artikel gegeben habe. Offenbar seien dem Presserat die Texte einfach nur zu freundlich erschienen, so Kralinger sinngemäß: Man könnte die Ausführungen des Presserats auch so interpretieren, dass Berichte über neue Produkte von Unternehmen zwingend eine negativ-kritische Grundausrichtung haben müssen, um überhaupt so von Journalisten im Senat als adäquate Berichterstattung zugelassen zu werden. Das aber sei mitnichten die Haltung des Kurier, daher widerspricht in diesem Fall der Standpunkt des hochgeschätzten Presserats der Realität im Jahr 2015 und unserem Verständnis von Information über Marktneuheiten. Der Presserat möge daher seine Maßstäbe und die Beurteilung von angeblich zu freundlicher Produktberichterstattung generell überdenken und sich außerdem um aktuell wesentlich wichtigere Themen kümmern, erklärte Kralinger abschließend. Er war bis 2012 Präsident des Presserats und ist überdies Präsident des VÖZ und damit einer maßgeblichen Trägerorganisation des Presserats. Chefredakteur argumentierte mit öffentlichem Interesse an der Attacke. Wien – Einen Ethikverstoß ortet der Presserat in einem Artikel der Tageszeitung Heute vom August diesen Jahres. Der Text über eine religiös motivierte Messerattacke gegen eine 16-Jährige wurde in der Gratis-Zeitung mit einem Foto illustriert, das den jüdischen Extremisten dabei zeigt, wie er der jungen Frau in den Rücken sticht. Das Opfer ist mittlerweile gestorben. Der zuständige Senat des Presserats sieht darin eine Verletzung der Punkte 5 (Persönlichkeitsschutz) und 6 (Intimsphäre) des Ehrenkodex der österreichischen Presse. Christian Nusser, Chefredakteur der Zeitung, argumentierte in einer Stellungnahme im Presseratsverfahren für die Veröffentlichung des Fotos. Es sei weltweit gezeigt worden und die Eltern des Opfers seien von sich aus an die Öffentlichkeit getreten. Außerdem habe der Presserat bereits die Veröffentlichung eines Fotos mit Verweis auf das öffentliche Interesse geduldet, das die Ermordung eines Menschen zeigt: Die Zeitschrift Profil zeigte damals am Cover, wie ein französischer Polizist im Zuge des Attentats auf Charlie Hebdo erschossen wird. Der Presserat folgte dieser Argumentation nicht. Die Ermordung der jungen Frau bewege sich nicht in der gleichen Dimension wie der Anschlag in Paris. Außerdem habe es sich beim Opfer nicht um einen erwachsenen Polizisten, sondern um eine minderjährige Privatperson gehandelt. Der Presserat forderte Heute auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen – die Gratiszeitung ist nicht Mitglied des Selbstkontrollorgans. Heute-Chefredakteur Nusser sagt auf Anfrage des STANDARD, dass die sonderbare Entscheidung in seiner Zeitung nicht veröffentlicht werde. (red, 21.12.2015) Autor Duswald nannte KZ-Häftlinge aus Mauthausen "Landplage" und "Massenmörder". Wien – Der Aula-Bericht von Manfred Duswald mit dem Titel Mauthausen-Befreite als Massenmörder beschäftigt jetzt auch den Österreichischen Presserat. Es wurde dazu ein eigenständiges Verfahren eingeleitet, bestätigt der Presserat. Ende März wird sich der Senat 3 damit beschäftigen. Geprüft werde, ob ein Verstoß gegen Punkt sieben des Ehrenkodex – Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung – vorliegt. Duswald bezeichnete darin 1945 aus dem KZ Mauthausen befreite Häftlinge als Landplage und Kriminelle, die raubend und plündernd, mordend und schändend das unter der Befreiung leidende Land plagten. Der grüne Parlamentarier Harald Walser hatte wegen des Artikels Anzeige erstattet. Die Grazer Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Duswald und den Aula-Herausgeber Martin Pfeiffer ein, was für breite Empörung sorgt. Die Begründung: Es sei nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte. Weiters heißt es, dass sich unbestritten unter den KZ-Häftlingen Rechtsbrecher befanden. Den Missbrauch eines Zwölfjährigen neutral als "Sex" und stark verharmlosend als "heißes Date" zu bezeichnen verstößt gegen den Ehrenkodex der Presse. Wien – Der Senat 2 des Presserats rügt Österreich: Der Artikel Pater (73) hatte Sex mit Zwölfjährigem, erschienen auf Seite 14 der Tageszeitung Österreich vom 9. November 2015 ist ein Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. In dem Artikel wird berichtet, dass ein 73-jähriger Ex-Pater vor Gericht stehe und ihm der sexuelle Missbrauch eines Unmündigen vorgeworfen werde. Zudem wird angemerkt, dass er den Minderjährigen für ein heißes Date bezahlt haben solle. Darüber hinaus wird der Zwölfjährige als Stricher und Lustknabe bezeichnet. Ein Leser sieht in der Bezeichnung heißes Date eine schwere Verharmlosung von sexueller Gewalt gegenüber Minderjährigen. Der Senat hält fest, dass der Zwölfjährige nicht identifizierbar ist. Den Missbrauch eines Zwölfjährigen allerdings neutral als Sex und in der Unterüberschrift stark verharmlosend als heißes Date zu bezeichnen, hält der Senat für unzulässig und für einen Verstoß gegen Punkt 2 des Ehrenkodex (Genauigkeit), insbesondere gegen Punkt 2.1., wonach Gewissenhaftigkeit und Korrektheit bei der Wiedergabe von Nachrichten oberste Verpflichtung von Journalistinnen und Journalisten sind. Weiters ist der Senat der Auffassung, dass die abwertende Bezeichnung des zwölfjährigen Opfers als Stricher und Lustknabe die Gruppe jener Minderjährigen, die in dieses Milieu abgerutscht sind und sexuell missbraucht und ausgebeutet werden, pauschal verunglimpft und diffamiert. Als Opfer von Straftaten ist diese Gruppe besonders schutzwürdig. Daher verstößt der Artikel auch gegen Punkt 7 des Ehrenkodex (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung). Der Senat fordert Österreich auf, die Entscheidung freiwillig zu veröffentlichen. Im vorliegenden Fall führte der Senat 2 des Presserats aufgrund der Mitteilung eines Lesers ein Verfahren durch. In diesem Verfahren äußert der Senat seine Meinung, ob ein Artikel den Grundsätzen der Medienethik entspricht. Österreich habe von der Möglichkeit, an dem Verfahren teilzunehmen, keinen Gebrauch gemacht, informiert der Presserat. Zeichnung verstoße gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse, urteilt der Presserat und ortet eine "Pauschalverunglimpfung". Wien – Die Zeichnung auf dem Cover der Falter-Ausgabe von Anfang Jänner ist nach Ansicht des Österreichischen Presserats ein Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Das teilt das Selbstkontrollorgan am Montag in einer Aussendung mit. In der Zeichnung (siehe Cover links) sind fünf weinende Frauen dargestellt, die von einer großen Anzahl von Männern sexuell belästigt werden sowie ein Polizist, der weggedrängt wird. Eine Leserin habe sich an den Presserat gewandt und kritisiert, dass die Männer als spezifisch nordafrikanisch portraitiert würden. Alles Fremde würde nach Ansicht der Leserin dabei degradiert, Sexismus würde ausschließlich als muslimisches und fremdes Problem gesehen. Der Herausgeber und Chefredakteur des Falter und die Zeichnerin haben von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, an der Verhandlung teilzunehmen. Die Zeichnerin bringt etwa vor, dass es eine Tatsache sei, dass es sich bei den Vorfällen in Köln überwiegend um Nordafrikaner gehandelt habe. Eine Pauschalverunglimpfung liege daher nicht vor. Die Zeichnerin betone, dass es sich bei ihrem Werk nicht um eine (überhöhende) Karikatur sondern um die Abbildung eines Sachverhaltes in Form einer Illustration handle. Auf Fotos des Domplatzes in Köln sei zu sehen, dass sich dort praktisch fast nur nordafrikanische Männer aufgehalten hätten. Die Männer seien aber nicht als spezifisch nordafrikanisch portraitiert, dies sei einfach die Art, wie sie zeichne. Sexismus und sexuelle Gewalt würden durch die Illustration weder als fremdes, noch als ausschließlich muslimisches Problem dargestellt und die Zeichnung sei auch nicht rassistisch. Für die Beurteilung durch den Senat des Presserats komme es nicht auf die Absicht an, die eine Zeichnerin mit dem Werk verfolge, sondern vielmehr und ausschließlich darauf, wie dies von den Lesern wahrgenommen werde, so die Begründung. Im Kontext mit den Vorfällen in Köln werden ein Prototyp eines Mannes aus dem nordafrikanischen bzw. arabischen Raum konstruiert. Durch die Uniformität der Darstellung werde suggeriert, dass es sich dabei nicht um einzelne Individuen, sondern um eine homogene Gruppe handle, bei der sich alle Mitglieder gleich verhalten würden, so der Senat weiter. Nach Ansicht des Senats weist die Zeichnung damit ein generalisierendes Element auf. Darin erkennt der Senat eine Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung dieser Personen. Die Veröffentlichung des Titelbildes verstößt somit gegen Punkt 7 (Schutz vor Pauschalverunglimpfungen und Diskriminierung) des Ehrenkodex. Auf Facebook kündigte Falter-Chefredakteur Florian Klenk an, dass die Wiener Stadtzeitung in ihrer nächsten Ausgabe dazu Stellung nehmen werde. Die Zeichnerin des "Falter"-Covers musste die Zusammenarbeit mit dem feministischen Magazin beenden. Wien – Die Zeichnerin des vom Presserat gerügten Falter-Covers, Bianca Tschaikner, und das feministische Magazin Anschläge beenden ihre Zusammenarbeit. Laut Falter-Chefredakteur Florian Klenk steht die Beendigung der Zusammenarbeit in direktem Zusammenhang mit der Anfang Jänner gezeigten Coverillustration. Das feministische Magazin Anschläge haut @BTschaikner raus, weil sie Übergriffe in arabischen Ländern und Köln thematisiert, berichtet Emma Die Gegendarstellung folgte prompt auf Facebook. Laut Anschläge wurde die Zusammenarbeit einvernehmlich beendet: Tschaikner sieht das anders: die an.schläge stehen nicht zu ihren eigenen entscheidungen. die zusammenarbeit wurde nicht einvernehmlich beendet https://t.co/pI4DkSzcTr Unterdessen regt Armin Wolf eine Podiumsdiskussion zum Thema an: Würde sehr gerne zu einer Podiumsdiskussion zw. @Presserat @florianklenk u. @RichardSchmitt2 gehen. Wäre das nix, @fjumwien o. @NZZat? Der Presserat hatte das Titelbild gerügt, auf dem mittels Illustration die Übergriffe in Köln zur Silvesternacht thematisiert wurden. Eine Leserin habe sich an den Presserat gewandt und kritisiert, dass die Männer als spezifisch nordafrikanisch porträtiert würden, hieß es. Nach Ansicht des Presserats handelt es sich bei dem Cover um Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung. UETD-Beschwerde gegen "Österreich" zurückgewiesen: Kein Verstoß gegen Menschenwürde oder den Persönlichkeitsschutz – Einbettung des Gedichtes in Artikel entscheidend. Wien – Der Presserat sieht in der Veröffentlichung des Böhmermann-Schmähgedichtes über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in der Tageszeitung Österreich keinen medienethischen Verstoß. Die Union Europäisch-Türkischer Demokraten Österreich (UETD) hatte sich an den Presserat gewandt und den Artikel Erdogan will jetzt Komiker einsperren kritisiert. Der Senat 2 des Presserats habe entschieden, in dieser Angelegenheit kein Verfahren einzuleiten, da kein medienethischer Verstoß vorliege, teilte der Sprecher des Senates 2 mit. Der Senat erkennt in der Veröffentlichung des Gedichts keinen Verstoß gegen die Menschenwürde oder den Persönlichkeitsschutz. Laut Senat ist dabei entscheidend, wie das Gedicht in den beanstandeten Artikel eingebettet ist, heißt es. In dem beanstandeten Artikel geht es um die politischen Auswirkungen eines Satirebeitrags über Staatspräsident Erdogan in der ZDF-Fernsehsendung des deutschen Komikers Jan Böhmermann. In dem Beitrag liest Böhmermann ein Schmähgedicht vor, in dem Erdogan u.a. mit Sodomie und Kindesmissbrauch in Verbindung gebracht wird. Das Schmähgedicht ist neben dem Zeitungsartikel im Wortlaut wiedergegeben. Im Artikel wird angemerkt, dass Böhmermann in dem Beitrag erklären wollte, was in Deutschland als Schmähkritik nicht erlaubt sei. Erdogan gehe nun strafrechtlich gegen Böhmermann vor. Im Einleitungstext zu dem Gedicht wird die Frage gestellt, ob dieses Gedicht wirr oder Kunst sei. Österreich drucke das Gedicht ab, damit sich die Leserinnen und Leser selbst eine Meinung bilden können. Den Abdruck des Gedichts empfand die UETD als eklatante Beleidigung des türkischen Staatspräsidenten und hatte deswegen Beschwerde beim Presserat eingebracht. Der Satirebeitrag Böhmermanns hat sich laut Senat zu einer staatspolitischen Affäre entwickelt und europaweit für Aufsehen gesorgt. Nach wie vor gebe es zahlreiche Diskussionen in der Öffentlichkeit, aber auch unter Juristen, ob dieser Beitrag gerechtfertigt sei oder nicht. Der beanstandete Artikel nehme auf diesen öffentlichen Diskurs Bezug. Da es sich um eine allgemeine politische Debatte von entsprechendem öffentlichem Interesse handelt, reichen die Presse- und Meinungsfreiheit nach Ansicht des Senats besonders weit. Im vorliegenden Artikel werde das Gedicht nur deshalb gebracht, weil darüber eine öffentliche politische Diskussion entstanden sei. Die Leser werden umfassend über die Umstände der Affäre informiert und dazu aufgefordert, sich selbst ein Bild zu machen. Allerdings hätte man nach Auffassung des Senats auch noch den Anlass für Böhmermanns Gedicht erwähnen können, nämlich die übertriebene Reaktion Erdogans auf einen anderen (harmlosen) Satirebeitrag über ihn in der deutschen Fernsehsendung extra3. Der Senat weist weiters darauf hin, dass heftige Beleidigungen und Beschimpfungen wie in dem abgedruckten Gedicht im Normalfall zwar einen Ethikverstoß darstellen. Auch ein Politiker wie Präsident Erdogan, der bewusst am öffentlichen Leben teilnimmt, müsse sich nicht alles gefallen lassen. Bei jeder medienethischen Bewertung gelte es jedoch, den spezifischen Kontext der Veröffentlichung zu berücksichtigen. Im Kontext der aktuellen politischen Affäre ist es nach Meinung des Senats unproblematisch, das Gedicht abzudrucken. Hinzu kommt, dass das Gedicht in dem Artikel zum Teil sogar kritisch bewertet wird – so heißt es etwa in dem Einleitungstext zum Gedicht, dass man die Empörung vieler Türken verstehen könne, so der Senat. Im vorliegenden Fall ist der Senat 2 laut eigenen Angaben aufgrund einer Mitteilung eines Lesers tätig geworden und hat seinen medienethischen Standpunkt geäußert. Die Medieninhaberin der Tageszeitung Österreich hat sich der Schiedsgerichtsbarkeit des Presserats bisher nicht unterworfen. Kinder mit Migrationshintergrund würden pauschal verunglimpft. Wien – Der Österreichische Presserat hat die rechtskonservative Wochenzeitung Zur Zeit wegen Pauschalverunglimpfung und Diskriminierung verurteilt. Das Blatt hatte ein Bild von Kindergartenkindern veröffentlicht, auf dem unter anderem auch Kinder mit schwarzer Hautfarbe und anderem Migrationshintergrund zu sehen waren. Die Bildunterschrift dazu lautete: Kindergarten in Wien: Die rassische Durchmischung ist unübersehbar. Der Presserat sah darin einen Verstoß gegen den Ehrenkodex für die österreichische Presse. Der Begriff rassische Durchmischung sei in der heutigen Zeit nicht mehr adäquat. Der Begriff erinnere an die NS Zeit, in der eine rassische Vermischung verhindert werden sollte und wurde. Das Foto wurde einem Artikel beigefügt, in dem Missstände der Wiener Stadtregierung aufgezeigt wurden. Vor diesem Hintergrund wurde offenbar bewusst eine derartig negativ konnotierte Formulierung gewählt und Kinder mit Migrationshintergrund pauschal verunglimpft, da offenbar ein vermeintlicher weiterer Missstand aufgezeigt werden sollte, wie der Presserat urteilte. Zudem sei auch der Persönlichkeitsschutz der Kinder missachtet worden. Diese würden für ideologische Zwecke missbraucht und öffentlich an den Pranger gestellt. Bei Kindern greife der Persönlichkeitsschutz aber besonders stark, so der Presserat. Bei Zur Zeit handelt es sich laut der Enzyklopädie Wikipedia um eine Wochenzeitung mit rechtskonservativer deutschnationaler Ausrichtung. Herausgegeben wird das Blatt vom ehemaligen EU-Parlamentarier und FPÖ-Funktionär Andreas Mölzer sowie dem FPÖ-nahen früheren ORF-Chefredakteur Walter Seledec. Rechnungshof prüfte Anzeigen und Kooperationen der Bundesimmobiliengesellschaft - "Hoher Anteil der nicht zu meldenden Bagetellbeträge an den Gesamtausgaben". Wien - Claudia Schmied, Beatrix Karl, Maria Fekter und je nach Ansichtssache auch Karlheinz Töchterle und Reinhold Mitterlehner. Die Riege der Minister, mit denen die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und ihre Tochtergesellschaften ihre Werbung schmücken wollte, ist lange - und nach dem Medientransparenzgesetz eigentlich verboten. Das stellte der Rechnungshof bei einer Überprüfung der Anzeigen und Medienkooperationen der BIG fest. Unter die Lupe genommen wurde der Zeitraum Juli 2012 bis September 2014. Geortet wurden vier Kopfverbot-Verstöße, wovon allerdings zwei auf Entwürfen von Inseraten beruhen, die nicht geschalten wurden. Insgesamt 147 Werbeaufträge und Medienkooperationen vereinbarte die BIG von Juli 2012 bis September 2014. Laut dem RH-Bericht in einer Nettogesamthöhe von 263.241,40 Euro. Die ARE, eine Tochtergesellschaft der BIG, buchte im gleichen Zeitraum um 266.016,99 Euro. Rund die Hälfte der Werbeaufträge (48 Prozent) unterlag bei der BIG nicht der Meldepflicht an die KommAustria nach dem Medientransparenzgesetz, bei der ARE waren es 31 Prozent. Die Bagatellgrenze liegt bei 5.000 Euro. Im RH-Bericht heißt es dazu: In Hinblick auf das Ziel des Gesetzes, Transparenz über die tatsächlich geleisteten Entgelte für Werbeaufträge zu ermöglichen, wies der RH auf den verhältnismäßig hohen Anteil der nicht zu meldenden Bagatellbeträge an den Gesamtausgaben sowie auf den hohen Anteil der aufgrund der Bagatellgrenze nicht zu meldenden Werbeaufträge und Medienkooperationen hin. Neben Intransparenz und der mehrmaligen Missachtung des Kopfverbots kritisiert der Rechnungshof noch eine Beilage der BIG (BIG Business), die in einer Auflage von 16.000 Stück über die Presse vertrieben wurde. Die Kosten von 39.000 Euro, die an die Presse flossen, wurden der KommAustria nicht gemeldet, heißt es: Diese Vorgangsweise der BIG eröffnet eine unbegrenzte Möglichkeit, mit Geldern, die für die Beilegung des BIG Business zu einer Tageszeitung geleistet werden, Werbungen bzw. Förderungen über ein periodisches Medium abzuwickeln. So entstünde weder eine Bekanntgabepflicht, noch müssten die inhaltlichen Vorgaben des Medientransparenzrechts etwa das Kopfverbot eingehalten werden. Von zwei Verwechslungen der Belegexemplare für die Rechnungshofprüfer spricht die BIG. Die tatsächlich veröffentlichten Beiträge seien jeweils ohne Konterfei von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Karlheinz Töchterle erschienen, heißt es in einer Stellungnahme, die die BIG dem STANDARD übermittelte: Dem Rechnungshof wurden bedauerlicher Weise Entwürfe der Redaktionen vorgelegt. Bleiben also zwei statt vier Kopfverbot-Verstöße. Nicht viel bei insgesamt 220 Aufträgen, meint die BIG. Kein Verstoß sei die hohe Anzahl an Bagatellfällen, die der Rechnungshof in seinem Bericht konstatierte. Zur Beilage in der Presse schreibt die BIG: Die Nichtmeldung der Vertriebskosten für das nicht periodisch erscheinende Magazin der BIG, BIG Business, basiert auf einer Rechtsauskunft der zuständigen Behörde KommAustria. Aus Sicht der BIG ist die Abwicklung des Magazinvertriebs rechtskonform. Das Medientransparenzgesetz verpflichtet öffentliche Rechtsträger, ihre Werbeausgaben quartalsweise der Medienbehörde KommAustria bekanntzugeben. Bei wiederholten Verstößen drohen Strafen bis zu 60.000 Euro. Ziel des Gesetzes werde nicht erreicht, bilanzieren die Prüfer – Ein Drittel bis Hälfte der Werbeaufträge werde nicht erfasst. Wien – Kein gutes Haar lässt der Rechnungshof am Medientransparenzgesetz, das 2012 in Kraft getreten ist. Statt der erhofften Transparenz über den Umgang öffentlicher Stellen mit Werbeaufträgen, gebe es nach wie vor einen Schleier, der über den Inseraten liege, lautet die Conclusio der Prüfer. Ein Dorn im Auge ist dem Rechnungshof nicht zuletzt die so genannte Bagatellgrenze von 5.000 Euro pro Quartal. Aufgrund der Bagatellgrenze sind ein Drittel bis die Hälfte der Werbeaufträge nicht in den von der KommAustria veröffentlichten Listen enthalten, urteilt der Rechnungshof und empfiehlt, das Gesetz zu modifizieren. Bund, Länder, Gemeinden und staatsnahe Unternehmen geben pro Jahr rund 200 Millionen Euro für Inserate und Werbekooperationen aus. Die tatsächlichen Ausgaben dürften aber hochgerechnet um 60 oder 100 Millionen Euro jährlich darüber liegen, falls die Rechnung des Kontrollorgans stimmt, wonach ein Drittel bis die Hälfte der Werbeaufträge nicht erfasst werden. Von Mitte 2012 bis Ende 2014 wurden insgesamt etwa 494 Millionen Euro an Ausgaben für Werbung gemeldet. In dem Bericht an das Parlament heißt es: Das Ziel der Medientransparenzgesetze – mehr Transparenz bei Medienkooperationen, Werbeaufträge und Förderungen – wird durch Probleme bei der Vollständigkeit und Richtigkeit der Meldungen, durch Verstöße gegen die Verpflichtung, entgeltliche Werbeeinschaltungen als solche zu kennzeichnen, durch Verstöße gegen das Sachlichkeitsgebot sowie gegen das sogenannte Hinweis- und Kopfverbot nicht erreicht werden. Nach dem Medientransparenzgesetz sind alle Werbeausgaben von staatlichen und staatsnahen Unternehmen an den Rechnungshof meldepflichtig, die an mindestens viermal pro Jahr erscheinende Medien gehen, sobald in dem jeweiligen Medium im Quartal Inserate im Wert von 5.000 Euro oder mehr geschaltet wurden. Ihre Ausgaben melden müssen neben staatlich eingerichteten Stellen wie Ministerien, Landesregierungen, Universitäten auch bei Firmen, an denen der Staat mit 25 Prozent oder mehr beteiligt ist. Eine öffentliche Stelle kann also für fast 20.000 Euro im Jahr in einem Medium werben, ohne dass diese Inserate in den Statistiken Niederschlag finden. Wie berichtet hat der Rechnungshof erst kürzlich die Anzeigen und Kooperationen der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) geprüft und einen hohen Anteil der nicht zu meldenden Bagetellbeträge an den Gesamtausgaben konstatiert. Bereits zuvor rügte das Kontrollorgan das Wiener Museumsquartier. Hier orteten die Prüfer Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht und viele Aufträge unter der Bagatellgrenze von 5.000 Euro. Kritisch wurde auch das Land Tirol und die Werbebuchungen von Juni 2012 bis Ende 2013 beurteilt – hier ging es vor allem um Falschmeldungen und Kontrolldefizite. In seinem neuesten Bericht empfiehlt der Rechnungshof unter anderen Punkten beispielsweise: Die Höhe der Bagatellgrenze von 5.000 EUR pro Quartal und Medium bzw. Medieninhaber zu überdenken oder: Eine gesetzliche Verpflichtung zur Meldung von Gründungen, Auflösungen sowie Veränderungen in der Eigentums und Beteiligungsstruktur von den der RH Kontrolle unterliegenden Rechtsträgern sowie im Zusammenhang mit der halbjährlichen Aktualisierung der vertretungsbefugten Organe durch den RH wäre einzuführen. Ende 2014 hat der Rechnungshof auf den administrativen Aufwand hingewiesen, der seit Inkraftreten des Gesetzes im Juli 2012 entstanden ist. In den zweieinhalb Jahren habe das Gesetz der Behörde rund 1.200 Arbeitstage gekostet, schreibt der RH in seinem Tätigkeitsbericht. Der RH übermittelt der Medienbehörde KommAustria zwei mal jährlich Listen mit jenen Rechtsträgern, die unter Rechnungshof-Kontrolle stehen, inklusive der Adressen sowie der vertretungsbefugten Organe. 3,8 Millionen Euro Bruttowerbewert gingen vor der Wien-Wahl an die "Krone", 3,4 Millionen an "Heute" und 3,3 Millionen an "Österreich". Wien – Die Onlineplattform Dossier zählt seit August Inserate von Parteien und öffentlicher Hand in den sechs reichweitenstärksten Wiener Printmedien – das entspricht etwa einem Zeitraum von 70 Tagen vor der Wien-Wahl. Pro Tag geht es dabei um einen Bruttowerbewert von durchschnittlich 230.000 Euro. Die genauen Zahlen müssen zwar laut Medientransparenzgesetz vor der Medienbehörde RTR offengelegt werden, sind aber erst 2016 einsehbar. Ein Grund mehr für Dossier-Gründer Florian Skrabal, das Inseraterennen zu starten: Es ist eine Wiener Spezialität, viel Steuergeld für Inserate auszugeben. Keine andere österreichische Gemeinde inseriert annähernd so viel wie die Hauptstadt – in absoluten Zahlen und in Relation zur Einwohnerzahl. Dabei geht es um die Verschwendung von Steuergeld und um eine demokratiepolitisch heikle Praxis, die etwa in Deutschland verboten ist. Im Wahlkampf fließt der Löwenanteil der Werbeausgaben der Parteien in den Printbereich – auch weil politische Werbespots im öffentlich-rechtlichen Rundfunk verboten sind. Allerdings schalten während der Wahlen nicht nur Parteien Werbung, auch öffentliche Einrichtungen annoncieren Dossier zufolge in dieser Zeit mehr. Auf die Mediaanalyse 2014 bezogen, wählte Dossier die sechs reichweitenstärksten Tageszeitungen in Wien für das Inseraterennen aus und ließ sie gegeneinander antreten. Analysiert wurden Heute mit einer Reichweite von 35,4 Prozent, die Kronen Zeitung mit 24,3 Prozent, die Gratisausgabe von Österreich mit 22,0 Prozent, der Kurier mit 16,5 Prozent, DER STANDARD mit 11,2 Prozent und die Presse mit 7,7 Prozent Reichweite. Den ersten Platz belegt die Krone. Sie verbuchte innerhalb der gemessenen 70 Tage einen Bruttowerbewert von 3,8 Millionen Euro für politische und öffentliche Inserate. @dossier_ um a. knoll zu zitieren: haben wir den schas jetzt gewonnen? ja, oder? https://t.co/u5CJsUY9bl Die Gratiszeitung Heute landete auf Platz zwei mit einem Bruttowerbewert von 3,4 Millionen Euro, während das Gratisformat Österreich mit einem Bruttowerbewert von 3,3 Millionen Euro auf Platz drei kommt. Abgeschlagen liegen Kurier (1,8 Millionen Euro), Presse (1,5 Millionen Euro) und STANDARD (1,2 Millionen Euro). Die Wochenmagazine News, Profil und Falter kamen auf rund 1,8 Millionen Euro. Die Stadt Wien und ihre Betriebe inserierten im Wahlkampf laut Dossier wesentlich mehr als alle Parteien zusammen. Der Bruttowerbewert der Inserate der Stadt betrug demnach 4,7 Millionen Euro, jener der Parteien 3,7 Millionen. Zur Preisverleihung mit anschließender Podiumsdiskussion im Rahmen des Nzz.at-Clubabends am Montagabend waren die Vertreter der drei Gewinner (Krone, Heute, Österreich) eingeladen. Erschienen sind allerdings nur der ehemalige Heute-Chefredakteur Wolfgang Ainetter und der derzeitige Chefredakteur Christian Nusser. Außerdem zu Gast waren Skrabal und Helge Fahrnberger, Leiter des Medien-Watchblogs Kobuk. Den Pokal für den ersten Platz nahm Heute-Chefredakteur Nusser im Namen der Kronen Zeitung entgegen. @NZZat @sahelzarinfard @dossier_ am einfachsten wärs, kollege nusser würde uns den preis mitnehmen. ginge das? Weitere Urkunden und Preise werden persönlich oder postalisch weitergeleitet. Die Wiener Werbeausgaben gehen großteils an Boulevardmedien. Alle Parteien bekämen gleich viel Raum in den jeweiligen Medien, sagt Nusser. Von Ainetter auf Gefälligkeitsinterviews angesprochen – zuzüglich einer Rüge des Presserats –, will Nusser nichts davon wissen, da der Presserat einseitig handle. Außerdem sei Heute wirtschaftlich unabhängig. Kurzzeitig stellte sich Fahrnberger auf Nussers Seite und erklärte, dass Heute weniger Kampagnenjournalismus betreibe als Kurier und Österreich und somit der bessere Boulevard sei. Zudem gab Fahrnberger zu bedenken: Ohne Heute würden weniger Menschen Journalismus blind konsumieren. Das eigentliche Problem sieht Fahrnberger bei den Eigentümern der Boulevardmedien, denn diese würden Politik machen – nicht nur mit dem Ziel, eigene Interessen zu verfolgen, sondern auch, um wirtschaftliche Ziele zu stemmen. Geworben wurde etwa mit einem Sticker auf der "Kronen Zeitung", die Kosten hierfür beliefen sich auf knapp 36.700 Euro. Wien – Das Innenministerium hat von September bis Jahresende 2015 rund 300.000 Euro für Werbemaßnahmen ausgeben, um neue Polizisten zu gewinnen. Das geht aus der Beantwortung einer Team Stronach-Anfrage hervor. Geworben wurde etwa mit einem Sticker auf der Kronen Zeitung, die Kosten hierfür beliefen sich auf knapp 36.700 Euro. Werbemaßnahmen wie der abziehbare Sticker in der Krone sollen dazu beitragen, die hohe Zahl der Aufnahmebewerber bei der Polizei zu erhalten bzw. zu steigern, hieß es seitens des Innenressorts. Neben den Gesamtkosten für diese Sticker-Aktion Ende November in der Höhe von knapp 36.700 Euro flossen insgesamt rund 279.000 Euro in Inserate oder Infotrailer bei unterschiedlichen Medien. Der höchste Betrag ging im abgefragten Zeitraum an die Tageszeitung Österreich mit knapp 40.400 Euro. Die Werbung wirke, denn laut Ministeriumsangaben wurden im vergangenen Jahr 2.429 Bewerbungen (1.812 Männer und 617 Frauen) gezählt, hieß es. Das Team Stronach zeigte sich davon jedoch nicht überzeugt. Die Abgeordnete Martina Schenk erklärte in einem Statement gegenüber der APA: Es zeigt sich, dass trotz der hohen Arbeitslosigkeit der Job eines Polizisten aufgrund der schlechten Rahmenbedingungen nicht attraktiv ist. Sonst wäre dieser Werbeaufwand nicht nötig. E-Papers von DER STANDARD, "Die Presse", "Kleine Zeitung" und "Wirtschaftsblatt" können zum monatlichen Fixpreis per App gelesen werden. Graz/Wien – DER STANDARD geht mit drei Tageszeitungen der Styria-Gruppe eine neuartige Kooperation ein. Mit der App epaper.at lesen User den STANDARD, die Presse, die Kleine Zeitung und das Wirtschaftsblatt in der E-Paper-Ausgabe für 34,90 Euro pro Monat. Bestehende Abonnenten einer der Zeitungen zahlen nur 12,90 Euro monatlich, um sich alle Produkte auf den Bildschirm zu holen. Das Flatrate-Abonnement umfasst die E-Paper-Ausgaben (PDF-Version der Printmedien) der Verlage und kann mittels einer App (Android und iOS für Smartphone und Tablet) bezogen werden. Das Abonnement ermöglicht die gleichzeitige Nutzung durch jeweils maximal zwei Endgeräte pro Gerätetyp (zum Beispiel zweimal iPhone, zweimal Tablet). Die E-Paper-Ausgaben können heruntergeladen und dann auch offline gelesen werden. Das Flatrate-Abonnement ist nur als Sieben-Tage-Abonnement für das gesamte E-Paper-Bündel erhältlich. Ein Download der aktuellen Ausgabe ist täglich ab 5 Uhr früh möglich. Einzelne Artikel können auf die Merkliste gesetzt und so für spätere Lektüre vorgemerkt werden. Ältere Ausgaben sind im Archiv abrufbar, mittels Suchfunktion können die Angebote aller Verlage durchstöbert werden. Zudem ist es möglich, sich Artikel vorlesen zu lassen. 'Satire dürfe alles, sagt "Spiegel"-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer. Er verteidigt Böhmermann und kritisiert Merkel. Wien – Am Donnerstag ist Spiegel-Chefredakteur Klaus Brinkbäumer in Wien, um im Rahmen der Journalismustage eine Keynote zu halten. Zuvor beantwortet er dem STANDARD via Mail Fragen zur geplanten Bezahlschranke bei Spiegel Online, dem geleakten Spiegel-Innovationsreport und was Satire so alles darf. STANDARD: Seit dem Jahr 2000 hat der Spiegel rund 70 Prozent seiner Anzeigen verloren, neue Online-Erlöse sollen einen Teil kompensieren. Wann installiert Spiegel Online die angekündigte Bezahlschranke und welche Erwartungen haben Sie? Brinkbäumer: Wir sind digital schon jetzt erfolgreich: 50.000 digital verkaufte Spiegel-Hefte und ein höchst profitables Spiegel Online sind eine wunderbare Ausgangsbasis. Jetzt geht es uns darum, die exklusiven und besonderen Spiegel-Inhalte noch deutlich wirkungsvoller als bisher ins Digitale zu transportieren und dort dann schlauer als bisher unseren Journalismus zu verkaufen. Mit den Tests fangen wir in wenigen Wochen an, und dann werden wir sehen, wann es fehlerlos funktioniert. STANDARD: Welche Teile wandern hinter die Bezahlschranke? Brinkbäumer: Das Wort Bezahlschranke zählt nicht zu meinen Lieblingswörtern, weil es so rigoros und abweisend klingt. Wir wollen das großartige Spiegel Online ja nicht kaputtmachen und auch unsere Leser nicht davonjagen, sondern ihnen einen besonderen Journalismus anbieten, für den sie dann gern und auf unkomplizierte Weise bezahlen. Was neu für viele Medienhäuser ist: Experimentierfreude, Kritikfähigkeit, auch die Fähigkeit, sich auf die Wünsche der Leser und Kunden einzulassen. Generell wird es so sein, dass Nachrichten und Tagesaktualität eher kostenlos bleiben und Exklusives und der klassische, hochwertige Spiegel-Journalismus eher Geld kosten. STANDARD: Gibt es ein Vorbild, an dem Sie sich hier orientieren? Zum Beispiel New York Times oder bild.de? Brinkbäumer: Bild.de nicht, die New York Times schon eher. Sie hat früh verstanden, dass eine digitale Verkaufsstrategie etwas ganz anderes ist als die großen, alten Print-Zeiten: Die Angebote werden kleinteiliger, man probiert und verwirft viel schneller, man lernt täglich. Die Financial Times macht es gut, viele andere auch. STANDARD: Ein zunehmendes Problem sind Adblocker. Mit welcher Strategie gehen Sie dagegen vor? Können Sie sich eine technische Lösung vorstellen, wie sie etwa Gruner+Jahr und Axel Springer vorexerzieren, um Inhalte vor Werbeverweigerern zu blockieren? Brinkbäumer: Ja, ich kann mir das vorstellen, weil der Qualitätsjournalismus sich refinanzieren muss. STANDARD: Immer mehr Medien beschränken ihre Foren oder drehen sie überhaupt ab. Geht damit ein Stück Meinungsfreiheit und Diskussionskultur verloren, wie Kritiker meinen, oder haben Medien einfach keine Möglichkeit, des Hasses Herr zu werden? Brinkbäumer: Es braucht jedenfalls eine Moderation, weil wir antisemitische Äußerungen oder manches andere, das nicht tolerierbar ist, ja nicht einfach deshalb durchgehen lassen können, weil das Internet halt so liberal und offen ist. Wir versuchen im Moment übrigens den umgekehrten Zugang: Der Spiegel stellt sich der Diskussion, wir sind deutlich offener als früher, viel besser erreichbar, und die Erfahrungen sind gut. Die meisten Leser wollen eine ernsthafte Auseinandersetzung, und auf die lassen wir uns gern ein. STANDARD: Eine heftige, emotionale Debatte ist der Lügenpresse-Vorwurf, mit dem Medien konfrontiert werden. Was macht der Spiegel, um aus dieser Glaubwürdigkeitskrise herauszukommen? Brinkbäumer: Wir machen weiter. Kein Medium sollte sich von Lügen und Verunglimpfungen einschüchtern lassen, und der Lügenpresse-Vorwurf ist beides, Verunglimpfung und Lüge. Wir suchen ganz und gar ernsthaft nach der Wahrheit und recherchieren so präzise, wie wir nur können. Der Spiegel ist frei und unabhängig, kein Politiker und kein Anzeigenkunde sagt uns, was wir zu schreiben haben. Und dennoch sollten sich Medien der Debatte stellen; schon deshalb, weil Fehler selbstverständlich vorkommen. Die müssen wir zugeben und erläutern. STANDARD: Immer wieder taucht der Vorwurf auf, dass die Herkunft von Tätern verschwiegen wird. Sind Sie mit den Empfehlungen des Deutschen Presserats einverstanden, hier zurückhaltend zu agieren, oder wünschen Sie sich eine andere Regelung? Brinkbäumer: Der Presserat weiß, was er tut, da muss ich keine Ratschläge geben. Und man kann die Herkunft eines Straftäters auch unaufgeregt nennen, also auf eine Weise, die nicht Rassismus und Xenophobie schürt. Bei mutmaßlichen Tätern, also vor einem rechtsgültigen Urteil, müssen Journalisten ohnehin zurückhaltend berichten. STANDARD: Der Spiegel hat den Türkei-Korrespondenten aus Angst vor Repressalien abgezogen. Kapitulieren Sie vor Erdoğan, oder geht es nicht anders? Brinkbäumer: Sehen Sie sich den vorletzten Spiegel-Titel an, Der fürchterliche Freund, eine Erdoğan-Karikatur. Nein, natürlich schreiben wir weiter, aber für unseren Korrespondenten Hasnain Kazim wurde es in der Türkei gefährlich, und er konnte ohne die ihm verweigerte Akkreditierung schlicht nicht arbeiten. STANDARD: Heftig diskutiert werden die Schmähkritik von Jan Böhmermann und das Verhalten des ZDF. Darf Satire alles, oder ist Böhmermann zu weit gegangen? Brinkbäumer: Satire darf alles, ja. Ich finde nicht alles gut, das tut vermutlich niemand, aber genau darum darf es ja eben nicht gehen: Die Freiheit der Kunst oder die Meinungsfreiheit dürfen nicht da enden, wo es wehtut. Kanzlerin Merkel hätte sich auf keinen Fall auf Erdoğans Seite stellen dürfen. STANDARD: Was sagt es über ein Medienhaus aus, wenn ein Entwurf des Spiegel-Innovationsreports nach außen weitergegeben wird? Brinkbäumer: Gar nicht so viel, jedenfalls nichts Schlimmes. Wir möchten aus dem Spiegel ein multimediales und hochmodernes Unternehmen machen, und dazu gehört, dass wir Schwächen erkennen und diskutieren. Chefredaktion und Geschäftsführung haben den Innovationsreport in Auftrag gegeben, und so etwas hat nur Sinn, wenn dann angstfrei Kritik geäußert wird. Ich mag diese Offenheit. Eine Indiskretion ist nie schön, weil sie Einfluss auf den internen Umgang hat. Aber in meiner Zeit als Chefredakteur war es die erste, wir arbeiten hier ja längst diskret und voller Kraft und Vertrauen zusammen. STANDARD: EinHilfeschrei und Weckruf wurde der Report von Medienjournalisten genannt. Wie würden Sie ihn bezeichnen? Brinkbäumer: Als engagiert, leidenschaftlich. Der Innovationsreport lobt nicht, und das war auch nicht seine Aufgabe. Er zeigt Probleme und Lösungswege, und das sollte er tun. Wissen Sie, die meisten Spiegel-Leute sind ehrlich stolz auf dieses Haus, es gehört ihnen, es ist unser aller Spiegel, und er ist das beste Medium Deutschlands. Ich kann mich über Debatten und Selbstkritik wirklich nicht aufregen, beides ist ganz gesund. STANDARD: Wenn Ihnen ein solcher Bericht eines Medienhauses zugespielt worden wäre: Wie hätte die Schlagzeile des Spiegel dazu gelautet? Brinkbäumer: (lacht) Ich hätte ihn jedenfalls erst einmal gelesen und hinterher die Schlagzeile formuliert. Manche Medienjournalisten schreiben lieber wütende Texte, ohne den Gegenstand ihrer Berichterstattung zu kennen. STANDARD: Sie meinten in einer ersten Stellungnahme, dass Sie nicht mit allen Kritikpunkten übereinstimmen. Welche teilen Sie? Brinkbäumer: Verzeihen Sie mir, aber die öffentlich diskutierte Fassung ist ein Entwurf und einige Monate alt. Die inhaltliche Diskussion führen wir hausintern. STANDARD: Im Report werden auch die zahlreichen unterschiedlichen Marken kritisiert – mit 37 Logos der Spiegel-Firmengruppe. Ihre Meinung dazu? Brinkbäumer: Zunächst einmal ist es eine Freude, dass der Spiegel so viele erfolgreiche Tochterblätter und -unternehmen hat, aber wie gesagt: Wir lesen den Innovationsreport, diskutieren ihn und treffen unsere Entscheidungen; und all das hausintern. STANDARD: Dem Zeit-Verlag steht womöglich ein Streik der Online-Redakteure ins Haus. Auch beim Spiegel gibt es Differenzen zwischen Online- und Printredaktion. Wann werden die Onliner gleich viel verdienen wie die Printkollegen? Ist das ein Ziel? Brinkbäumer: Das wesentliche Ziel ist, das ganze Unternehmen Spiegel so kraftvoll auszurichten, wie es nur eben geht. Dazu gehören perfektes Zusammenspiel und perfekte Strukturen, und Ungerechtigkeiten helfen dabei natürlich nicht. STANDARD: Generell hat man das Gefühl, als sei man beim Spiegel noch recht weit von einer gemeinsamen Kultur, einem An-einem-Strang-Ziehen entfernt. Stimmt dieses Gefühl, oder täuscht es? Brinkbäumer: Oh ja, klar, das täuscht. Sie hören schon lange nichts mehr von Streit zwischen Online und Print, oder? Den Spiegel und nicht die Zeit betreffend, meine ich? Mein Kollege Florian Harms und ich vertrauen einander, weil jeder um die Stärken des anderen weiß, und das Gleiche gilt für die Redaktionen. Bei all den großen Projekten der vergangenen 15 Monate, den großen Enthüllungen ebenso wie den akuten Kriseneinsätzen, hat das ganze Haus Hand in Hand zusammengearbeitet. Wir können das erstaunlich gut.' User zeigte in einem Video, wie sich die Werbeblockersperre umgehen lässt – Axel Springer schickte laut golem.de Unterlassungserklärung und will Zahlung von Anwaltskosten. Berlin/Wien – Für Nutzer von Werbeblocker hat Axel Springer die redaktionellen Inhalte des Portals Bild.de gesperrt – derStandard.at berichtete. Wer die sonst frei zugänglichen, werbefinanzierten Berichte und Videos trotzdem ohne Reklame sehen möchte, muss dafür neuerdings ein gesondertes Abo abschließen. Die monatlichen Kosten betragen 2,99 Euro. Dass Axel Springers Vorstoß in einem Katz-und-Maus-Spiel zwischen dem Seitenbetreiber und Usern münden wird, meinten danach einige Experten. Ein Nutzer hat zum Beispiel auf Youtube ein Video veröffentlicht, in dem demonstriert wird, wie sich die Sperre auf bild.de mit Hilfe von Filterbefehlen in dem Werbeblocker Adblock Plus umgehen lässt. Laut dem deutschen Technologieportal golem.de bleibt die Hilfe nicht ohne Konsequenzen, denn in einem Schreiben vom 20. Oktober mahnt eine Anwaltskanzlei im Auftrag der Bild GmbH einen Nutzer ab. Verlangt wird eine Unterlassungserklärung und die Zahlung von Anwaltskosten in Höhe von fast 1.800 Euro. Der Gegenstandwert wird mit 50.000 Euro angegeben, schreibt golem.de. Nicht nur auf Youtube, sondern in diversen deutschen Foren kursieren seit Springers Vorstoß vorige Woche Anleitungen, wie sich die Sperre von bild.de umgehen lässt. Laut golem.de hatte der Nutzer in seinem Erklärvideo erläutert, wie sich die installierten Filterlisten mit eigenen Befehlen ergänzen lassen, so dass sich das Angebot von Bild.de weiterhin nutzen lässt. Die Anwaltskanzlei beruft sich in dem Schreiben auf eine Urheberrechtsverletzung, die der User begangen hätte. Laut dem deutschen Medienportal meedia.de gibt es mit dem Axel Springer Blocker eine Browsererweiterung für den Google-Browser Chrome. Das Tool eines Programmierers blocke alle Webseiten des Verlages und sei eine satirische Antwort auf Axel Springers Werbeblockersperre, heißt es. Boulevard-Blatt berichtet über Syrer, der angeblich in Österreich Asyl haben wollte, aber nach Deutschland weitergeschickt wurde. Wien – Der raue Ton zwischen Wien und Deutschland wird von der deutschen Boulevard-Zeitung Bild zusätzlich befeuert. Das Blatt berichtete am Mittwoch online unter der Schlagzeile So trickst uns Österreich aus über einen Syrer, der angeblich in Österreich Asyl haben wollte, aber nach Deutschland weitergeschickt wurde. Die oberösterreichische Polizei wies das zurück. Der Asylwerber Namens Mohamad soll trotz eines Zettels, auf dem I want have Asyl Austria stand, von den Österreichern dazu angehalten worden sein, weiter in Richtung deutscher Grenze zu gehen, dort würde er nach Wien kommen, schreibt die Bild. Solche Vorfälle passieren laut der Zeitung ständig. Die oberösterreichische Polizei wies das auf APA-Anfrage als kompletten Schwachsinn zurück. Diese Geschichte verfüge über keinerlei Wahrheitsgehalt. Menschen, die in Österreich Asyl beantragen, werden im Land behalten. Das würden die Zahlen belegen. Sieben bis acht Prozent der Migranten, die in Österreich einreisen, stellen hier einen Asylantrag. Das seien 500 pro Tag. Österreich nehme damit mehr Asylwerber als Deutschland auf. Hintergrund sind die Facebook-Postings des Autors nach Anschlägen in Paris. Hamburg – Der gekündigte Welt-Kolumnist Matthias Matussek will mit einer Kündigungsschutzklage gegen seinen ehemaligen Arbeitgeber, den Axel-Springer-Verlag, vor Gericht ziehen. Das berichtet die Süddeutsche Zeitung. Wie berichtet sorgte ein Facebook-Posting von Matussek nach den Anschlägen in Paris für Wirbel. Matussek schrieb: Ich schätze mal, der Terror von Paris wird auch unsere Debatten über offene Grenzen und eine Viertelmillion unregistrierter junger islamischer Männer im Lande in eine ganz neue frische Richtung bewegen.. Versehen war das Posting mit einem Smiley. Welt-Chefredakteur Jan-Eric Peters nannte den Beitrag durchgeknallt. Danach war der Konflikt weiter eskaliert, am 17. November hat sich die Welt von Autor Matussek getrennt. Günther Lachmann soll sich der rechtspopulistischer Partei als Berater angeboten haben. Berlin – Die Tageszeitung Die Welt trennt sich von ihrem Redakteur Günther Lachmann. Das bestätigte Chefredakteur Stefan Aust am Samstagabend der Deutschen Presse-Agentur. Hintergrund der Entscheidung sind Vorwürfe, Lachmann habe sich der AfD als Berater angeboten. Aust sprach von einem groben Verstoß gegen journalistische Grundsätze. Lachmann bestätigte der dpa ebenfalls die Trennung, wollte aber auf Anfrage keine weitere Stellungnahme abgeben. Die Affäre ins Rollen gebracht hatte der nordrhein-westfälische AfD-Vorsitzende Marcus Pretzell. Auf Facebook behauptete er Ende Jänner: Herr Lachmann wollte zwar die AfD mit Frauke Petry und Jörg Meuthen beraten, aber er wollte seinen Job als Journalist bei Die Welt nicht aufgeben und dort weiter verantwortlich sein für die Berichterstattung über die AfD. Nach Angaben Austs wies Lachmann die Beschuldigungen zunächst zurück und gab zudem eine Eidesstattliche Versicherung ab. Damit wollten wir auch deutlich machen, dass wir die Vorwürfe vollständig aufgeklärt haben wollen, sagte der Chefredakteur. Am Samstag habe der Redakteur dann aber die Echtheit mehrerer Mails an die AfD bestätigt. Aus den Mails geht klar hervor, dass Lachmann der AfD eine Art Konzeptvorschlag für eine Neuausrichtung der Partei geschrieben hat, sagte Aust. Das sei mit einer journalistischen Tätigkeit für die Welt nicht zu vereinbaren. Medien müssten ihre Abhängigkeit von Anzeigen reduzieren, sagt Axel-Springer-Manager Christoph Keese. Bild.de sei profitabel. STANDARD: In einem STANDARD-Interview 2010 haben Sie auf die Frage, ob sich die Gratiskultur im Internet noch stoppen lässt, geantwortet: Ich kenne leider niemanden, der das weiß und beantworten kann. Können Sie diese Frage jetzt, sechs Jahre später, beantworten? Keese: Die Gratiskultur ganz stoppen zu wollen ist wahrscheinlich weder machbar noch wünschenswert. Rein werbefinanzierte Angebote kann es durchaus geben. Wichtig ist, eine funktionierende Zahlkultur zu etablieren. Dabei sind in den vergangenen Jahren deutliche Fortschritte erzielt worden. Die erfolgreichen Bezahlmodelle bei bild.de und welt.de ermutigen uns, diesen Weg weiterzugehen. Mittlerweile setzten schon über 100 deutsche Zeitungsverlage auf Bezahlmodelle. Einige davon hatten das vor ein paar Jahren noch ausgeschlossen. Auf Dauer wird es vermutlich so sein wie im Fernsehen – mit Bezahlfernsehen und kostenlosen Sendern. STANDARD: Bild.de hat 310.000 User, die für exklusive Inhalte auf Bild Plus zahlen. Wird das Portal einmal komplett hinter einer Bezahlschranke verschwinden? Keese: Wir haben damit gute Erfahrungen gemacht. Bei jedem einzelnen Artikel wird entschieden, ob er kostenlos oder im Abo angeboten wird. Viele Befürchtungen, die anfangs geäußert wurden, haben sich nicht bestätigt. Heute ist klar: Zahlen schreckt Menschen nicht davon ab, Artikel zu lesen. Im Gegenteil. Was einen Preis hat, hat einen Wert. STANDARD: Welche Artikel animieren zum Zahlen? Nachrichten, Society oder Sport? Keese: Das lässt sich nicht pauschal sagen und ändert sich auch. Die Stärke des Modells ist, dass es sich flexibel handhaben lässt. Die Redaktion entscheidet jeden Tag aufs Neue. Vor Einführung von Bezahlmodellen wurde vermutet, dass Leser nur für exklusive Inhalte zahlen würden. Das hat sich nicht bewahrheitet. Es kommt weniger auf die Exklusivität einer Geschichte an, als auf den Ton, in dem sie erzählt wird. Das Wie ist mindestens so wichtig wie das Was. Durch das Wie kann man sich von der Konkurrenz unterscheiden, auch wenn das Thema überall auf der Welt kostenlos verfügbar ist. STANDARD: Auch bei einer nüchtern gehaltenen Meldung der deutschen Nachrichtenagentur dpa? Keese: Das würde ich bezweifeln. Aber eine Geschichte, die auf einer dpa-Meldung aufbaut und eigene Recherchen in der besonderen Sprache und Haltung der Redaktion hinzufügt, findet ihr Publikum auch in Zahlmodellen. STANDARD: Je reißerischer die Überschrift, desto besser die Verkaufszahlen? Keese: Nein, so funktioniert das nicht. Zahlmodelle belohnen Qualität. Sie stellen ein langfristiges Verhältnis zwischen Medium und Publikum her. Wer ein Abo abgeschlossen hat, setzt auf Verlässlichkeit. Gerade das schafft Platz für Kreativität. Natürlich muss man Appetit auf eine Geschichte wecken. Das bedeutet aber nicht, dass man ins Unseriöse abgleitet. Man kann das vielleicht mit Trailern von Kinofilmen vergleichen. Die haben alle ungefähr die gleiche Länge, aber es gibt sehr unterschiedliche Erzählformen, mit denen das Interesse geweckt wird. Dass es reißerische Trailer gibt, heißt nicht, dass alle Trailer reißerisch sind. Im Journalismus darf man keine übertriebenen Erwartungen wecken. Ein Artikelanriss, die Titelseite einer Zeitung, das Cover einer Zeitschrift – das sind immer auch Produktversprechen. Diese Versprechen sollten eingelöst werden. STANDARD: Schreibt bild.de schwarze Zahlen? Keese: Ja, bild.de ist profitabel. Es lohnt sich, nicht allein auf Anzeigen zu vertrauen, sondern auch Vertriebserlöse zu erzielen. Medien sollten sich nicht allzu abhängig von Anzeigen machen. Das macht sie leichter erpressbar. Zwei Standbeine sind besser als eines. Nichts macht so unabhängig wie viele Leserinnen und Leser, die für die Arbeit der Redaktion zahlen. STANDARD: Die verkaufte Auflage der Bild-Zeitung liegt aktuell bei zwei Millionen Exemplaren. Vor fünf Jahren waren es noch drei Millionen. Wie lange wird es die gedruckte Bild noch geben? Keese: Noch sehr lange. Das gilt für alle Zeitungen. Sie werden länger leben, als viele Auguren glauben. Wir glauben an Papier. Es wird immer einen Markt für gedruckte Tageszeitungen und Magazine geben. Nur wird er weitaus kleiner sein als früher. Das an sich ist aber nicht schlimm, denn etwas Aufregendes, Neues ist hinzugekommen: die Digitalisierung. Sie bietet fantastische Möglichkeiten für Journalismus. Es gibt allen Grund, zuversichtlich zu sein. Wir haben uns vorgenommen, die Idee der Zeitung vom Medium Papier zu emanzipieren. Die Idee der Zeitung ist viel größer als das Bedrucken von Papier. Es geht um die verantwortliche Absenderschaft von Information, Kommentar und Unterhaltung – das ist Zeitung, ganz gleich, ob sie auf Papier oder elektronisch erscheint. Verlage stellen sich strategisch am besten so auf, dass es egal wird, ob der von ihnen produzierte Journalismus digital oder auf Papier verbreitet wird. Wir sind auf dem besten Weg dorthin. STANDARD: Die Transformation Axel Springers in ein digitales Medienhaus ist schon seit Jahren im Fluss. Der Großteil der Erlöse fußt auf digitalen Geschäftsfeldern, die aber nicht unbedingt etwas mit Journalismus zu tun haben. Keese: Das ist auch nicht viel anders als früher. Selbst in den Blütezeiten der Zeitung kam der größte Teil der Erlöse aller Verlage aus Anzeigen- und Rubrikenmärkten. Der kleinere Teil kam direkt von Lesern. Heute ist das genauso, auch bei uns. Nur dass viele Rubrikenmärkte heute unter anderer Marke erscheinen. Springer hat eine überzeugende digitale Transformation absolviert: 60 Prozent der Umsätze, 70 Prozent der operativen Gewinne und etwa 80 Prozent der Anzeigenumsätze kommen aus dem Netz. Der Erfolg unserer Rubrikenportale drängt den Journalismus nicht in den Hintergrund. Drei Viertel der digitalen Gesamtreichweite stammt von journalistischen Angeboten. 44 Prozent unserer Erlöse kommen aus dem Segment Bezahlmodelle, also größtenteils aus Journalismus, und rund 27 Prozent der Ergebnisse. Das ist nicht viel anders als zu den Hochzeiten von Print. STANDARD: Ein großes Thema sind Adblocker. Bild.de steuert mit technischen Maßnahmen dagegen, indem die Inhalte für Adblocker-User gesperrt werden. Auf der anderen Seite verlieren Sie mit dieser Maßnahme Reichweite. Sind Sie mit den ersten Erfahrungen zufrieden? Keese: Unsere Initiative gegen Adblocker zeigt Wirkung. Wir gehen rechtlich gegen Adblocker vor und machen unseren Lesern attraktive Angebote. Wir laden sie ein, auf Adblocker zu verzichten. Dadurch konnten wir die Adblocker-Rate um 80 Prozent senken. Die vermarktbare Reichweite von bild.de ist um zehn Prozent gestiegen. Verlage können Adblocker nicht einfach hinnehmen. Journalismus muss bezahlt werden. Leser können nicht erwarten, dass sie weder Geld zahlen noch Anzeigen anschauen. Entweder Leser deaktivieren den Adblocker, oder sie schließen das Spezialabo Bild Smart für monatlich 2,99 Euro ab. Dann bekommen sie Bild Plus ohne Werbung. STANDARD: Sie klagen einerseits mit Eyeo den größten Anbieter von Adblockern, auf der anderen Seite fordern Sie User auf bild.de zum Whitelisting auf und fördern damit deren Geschäftsmodell. Keese: Generell halten wir das Geschäftsmodell der Adblocker für ausbeuterisch. Wenn neben Blacklisting auch noch Whitelisting tritt, ist das besonders verwerflich. Das ist eine Art von Schutzgeldabpressung. Man kann nicht Werbung blockieren mit der Behauptung, Leser vor Werbung schützen zu wollen, und dann hintenherum Geld nehmen, um die Werbung seiner Schutzgeldopfer durchzulassen. STANDARD: Eine andere juristische Auseinandersetzung ist das Leistungsschutzrecht. Werden Sie jemals Geld von Google erhalten? Keese: Ja, da sind wir zuversichtlich. Die VG Media, die unsere Rechte vertritt, hat schon Geld bekommen. Zwar nicht von Google, aber von einer anderen Suchmaschine. Hier ist ein signifikanter sechsstelliger Betrag für die Nutzungsrechte eines Jahres geflossen. Das ist erst der Anfang. Der Gesetzgeber hat klar festgelegt, dass Suchmaschinen und Aggregatoren an Verlage zahlen müssen, wenn sie deren Inhalte nutzen. Google verweigert die Zahlung. Also musste die VG Media den Gerichtsweg einschlagen. Das ist ihre gesetzliche Pflicht. Sie darf sich nicht damit zufriedengeben, wenn ein Nutzer sich weigert, für die Nutzung von Inhalten zu zahlen. Der Rechtsweg geht über vier Instanzen. Die erste Instanz liegt mit durchaus ermutigenden Ergebnissen hinter uns. Verwertungsgesellschaften brauchen einen langen Atem. Das ist keine Überraschung, denn das ist in der mehr als 100-jährigen Geschichte der deutschen Verwertungsgesellschaften immer schon so gewesen. Die Gema (Musik, Anm.) nimmt für ihre Künstler fast eine Milliarde Euro pro Jahr ein. So viel wird es bei uns sicher nicht werden, wir werden aber mit hoher Wahrscheinlichkeit Geld von Google bekommen. STANDARD: Wann ist es realistisch? Das Gesetz wurde 2013 verabschiedet. Keese: Wir haben uns immer auf einen langen Rechtsweg eingestellt. Wie lange der dauert, hängt von vielen Faktoren ab. Wir machen unsere Ansprüche rückwirkend auf den 1. August 2013 geltend. Das ist der Zeitpunkt, zu dem das Gesetz in Kraft trat. Wir verzichten nicht auf Geld, auch wenn das Verfahren noch drei oder fünf Jahre dauert. 'Pirker: Print-Erscheinungsfrequenz "noch offen" – "Trend" soll "deutlich häufiger" als bisher erscheinen. Wien – Nach vorerst unbestätigten Informationen des STANDARD stellt die Verlagsgruppe News ihren Wirtschaftswochentitel Format nun doch ein, voraussichtlich mit Jahresende. Das wurde laut mehreren Quellen am Montag intern mitgeteilt. News-Boss Horst Pirker bezeichnet das als Spekulation. Pirker auf STANDARD-Anfrage: Klar und öffentlich bekannt ist seit Monaten, dass wir spätestens Anfang 2016 die Angebote für die Business-Community unter der Marke Trend bündeln werden. Die Erscheinungsfrequenz in Print in 2016 war bisher und ist auch heute noch offen. Wie oft der dann neue Trend tatsächlich erscheinen wird, werden wir über den Sommer erarbeiten. Das hängt ein Stück weit auch von der Entwicklung des Marktes und – mehr noch – von der Orchestrierung von Print und Digital ab. Sicher ist jedenfalls, dass der neue Trend deutlich häufiger erscheinen wird als der alte Trend. Interne Sprachregelung: Vorerst sollen Format und Trend unter ihren Titeln weiter erscheinen, spätestens zu Jahresende soll eine Entscheidung über das weitere Vorgehen fallen. Intern rechnet man früher damit. Format sollte nach bisherigen Plänen unter der Marke Trend weiter wöchentlich erscheinen, wie etwa im Februar berichtet. Pirker, seit Juni 2014 Geschäftsführer der Verlagsgruppe News, plant, die gedruckten und digitalen Wirtschaftspublikationen des marktbeherrschenden Magazinkonzerns unter der Marke Trend zu bündeln. Format wird derzeit von rund zehn angestellten Journalisten und Freelancern produziert. Mit aktuellem Informationsstand lässt sich auch aus einer Story von Medianet vorige Woche ein Aviso Pirkers ableiten. Die Branchenzeitung schreibt da: Zwei weitere Problemkinder der Verlagsgruppe: Trend und Format. Beide adressieren eine ähnliche Zielgruppe, bekräftigte Pirker seine Überlegungen von Anfang dieses Jahres, die Titel zu vereinen. Wir werden nur ein Angebot an die Community richten, die stärkere Marke Trend wird überleben. Eine definitive Entscheidung dazu werde noch diese Woche fallen; jedenfalls kündigte Pirker etwas ganz Neues für die Business-Community an. Das monatliche Wirtschaftsmagazin hat Oscar Bronner schon 1970 gegründet. Format ist eine Entwicklung der News-Gründer Wolfgang und Helmuth Fellner, zunächst als Montags-Nachrichtenmagazin im Oktober 1998 frontal gegen Profil (damals Kurier-Magazingruppe) positioniert. Der Angriff gelang strategisch – die Kurier-Magazine wurden 2001 in der Formil-Fusion der schon marktbeherrschenden News-Gruppe einverleibt, der Kurier daran beteiligt.' Magazin verpflichtet den Sky-Fußballexperten für Kolumnen. Wien – Der Sky-Fußballexperte Marcel Reif schreibt nun für Profil. Seine erste Kolumne erschien in der aktuellen Ausgabe unter dem Titel Das Ende der Romantik. Reif werde künftig alle zwei Wochen zu lesen sein, lässt Profil via Aussendung wissen. Der 66-Jährige arbeitet seit vielen Jahren als Kommentator und Experte für RTL und Sky. Für den Berliner Tagesspiegel schrieb er auch Kolumnen. "Größerer Schritt" bei Redesign Anfang 2016 geplant, Benimmkolumne mit wechselnden Autoren, darunter Rudolf Fußi. Wien – Das Wochenmagazin News arbeitet nach dem Redesign im Frühjahr an Nachschärfungen bei Design und Konzept. Wir arbeiten laufend an kleinen Verbesserungen, Anfang des Jahres ist dann noch ein größerer Schritt geplant, sagte Chefredakteurin Eva Weissenberger auf APA-Anfrage. Zugleich konzentriere man sich derzeit auf die Arbeit an Marke und Zielgruppendefinition. Änderungen gibt es auch bei den zahlreichen Kolumnen. Eine SMS-Dialog-Kolumne auf der Leben-Seiten wurde gekippt, stattdessen erscheint dort die Rubrik Gewissensbisse, die an die Gewissensfrage des Süddeutsche Zeitung Magazins erinnert. In den Gewissensbissen beantworten jeweils drei Personen aus einem Pool von 15 Autoren – darunter Redakteure, Pfarrer und Therapeuten – eine moralische Frage. Den Anfang machen der Kommunikationsberater Rudolf Fußi, die News-Medienredakteurin und studierte Theologin Julia Schnizlein und News-Reporter Christopher Wurmdobler. Thema: Darf ich fremde Mails lesen? (APA, 16.10.2016) ORF dementiert "Bild"-Gerüchte über Einstellung – ARD, ORF und SRF beraten nach Silvestershow. Wien – Nach gerade einmal einer Episode wackelt die Stadlshow, das Nachfolgeformat des traditionsreichen Musikantenstadls, ganz gewaltig. Nach einem Bericht der Bild-Zeitung vom Mittwoch hätten sich die beteiligten Sender entschieden, die Show sterben zu lassen. Der ORF weist das zwar zurück, allerdings soll die Show nach der Silvesterausgabe von den Sendern auf den Prüfstand gestellt werden. Die Behauptung, dass intern schon eine Entscheidung gefallen ist, entspricht nicht den Tatsachen, heißt es im ORF. Neben dem ORF sind auch noch die ARD und das Schweizer Fernsehen SRF beteiligt. Die Partnersender haben beschlossen, nach der Silvesterausgabe nochmals zu beraten und dann über die Zukunft der Stadlshow zu entscheiden, teilte der Bayerische Rundfunk in München mit. Der ORF äußerte sich wortgleich – ebenso die Agentur von Moderator Alexander Mazza (42), der gemeinsam mit Francine Jordi (38) in die Fußstapfen von Andy Borg (55) getreten ist, um so etwas wie einen Stadl 2.0 ins Leben zu rufen. Dieses Ziel hatten die Sender formuliert, als sie im vergangenen Jahr das Aus für Moderator Borg verkündeten. Über die Sendungen 2016 haben wir noch nicht gesprochen, sagt Jordis Manager Wolfgang Kaminski. Nach Informationen der Bild-Zeitung sollen für das kommende Jahr noch keine Hallen gebucht sein. Dass die Macher mit der ersten Stadlshow aus Offenburg, die am 12. September in Deutschland nur 2,46 Millionen Menschen (9,6 Prozent Marktanteil) einschalteten, nicht zufrieden sein dürften, liegt auf der Hand. Die Kritiken für die Show waren zum Teil vernichtend. In Österreich erreichte die erste Ausgabe der Stadlshow immerhin 526.000 Zuschauer und 22 Prozent Marktanteil. So wird schon die zweite Ausgabe der Show zu Silvester aus Linz zur alles entscheidenden Bewährungsprobe. In den nächsten Tagen wollen sich die Verantwortlichen mit den Moderatoren zusammensetzen, um zu beraten, was anders werden soll in Sendung Nummer zwei, sagt Jordis Manager Kaminski und verspricht: Die Zuschauerwünsche und -kritiken werden Einfluss auf die Gestaltung der Show haben. Auch er räumt ein: Die Quote am 12. September war alles andere als berauschend. Die Bild berichtete am Mittwoch sogar von Gerüchten, es habe inzwischen wieder verworfene Überlegungen des ORF gegeben, den unfreiwillig ausgeschiedenen Moderator Andy Borg (55) wieder ins Stadl-Boot zu holen. Ob das stimmt, ist völlig unklar. Borg holte im vergangenen Jahr mit seinem Silvesterstadl allerdings in Deutschland immerhin 3,93 Millionen Zuschauer (Marktanteil 17,8 Prozent) vor die Fernseher – fast eineinhalb Millionen mehr als Mazza und Jordi mit ihrer ersten Stadlshow. 'Ab Jänner mit neuem Layout als wöchentlicher "Trend" und monatlicher Premium-"Trend" – Chefredakteur Lampl: "Das ''Format'' stirbt nicht, es stirbt nur die Marke". Wien – Das Wochenmagazin Format erscheint am 17. Dezember zum letzten Mal unter dem Titel Format. Ab Jänner fusioniert die Verlagsgruppe News (VGN) ihre Wirtschaftsmagazine Format und Trend. Die beiden Titel werden künftig unter der Marke Trend publiziert, die wöchentliche Frequenz bleibt aufrecht. Zudem erhält das Wirtschaftsmagazin ein neues Layout. Der Trend erscheint künftig wie das Format wöchentlich am Freitag, einmal im Monat kommt eine Premium-Ausgabe. In Summe gibt es dadurch etwa zwölf Ausgaben im Jahr weniger. VGN-Geschäftsführer Horst Pirker bestätigte im Gespräch mit der APA die Umstellung zum Jahreswechsel. Nach der Weihnachtspause gibt es am 15. Jänner mit einer Leseprobe, die an alle Format- und Trend-Abonnenten geht, einen ersten Ausblick auf den neuen Trend. Am 22. Jänner bringt der Verlag die erste normale wöchentliche Trend-Ausgabe auf den Markt, am 29. Jänner erscheint der erste Premium-Trend. Das Angebot, das die Format-Leser bisher erhalten haben, ändert sich nicht, auch wenn es die Marke nicht mehr gibt, erklärte Andreas Lampl, der gemeinsam mit Andreas Weber die Chefredaktion der Wirtschaftsmagazine stellt, im Gespräch mit der APA. Das Format stirbt ja nicht, es stirbt nur die Marke. Format-Leser bekommen durch die monatliche Aufwertung sogar mehr dazu. Das Grundkonzept ist laut Lampl für das Wochenprodukt am bisherigen Format orientiert, und einmal im Monat gibt es eine von Umfang und Tiefe her deutlich aufgewertete Ausgabe, die dem ursprünglichen Trend entspricht. Der Meinungsteil wird deutlich erweitert und es soll ein größerer Fokus auf internationale Wirtschaftsberichterstattung gelegt werden, so Lampl. Komplett neu ist das Layout, das sich deutlich vom jetzigen Format und auch vom jetzigen Trend unterscheidet. Moderner und etwas lauter werde es sein, um auch jüngere Zielgruppen anzusprechen. Wir wollen beweisen, dass man Wirtschaft spannend verpacken kann. Die wöchentliche Ausgabe wird im Schnitt 92 Seiten haben, wie bisher das Format. Der monatliche Premium-Trend im Minimum 132 Seiten, wobei hier der Seitenumfang – je nach Inseratenlage oder Sonderthemen – nach oben hin offen ist. Format wurde 1998 von der News-Gruppe und den Fellner-Brüdern als Nachrichtenmagazin in Konkurrenz zu Profil gestartet. 2001 kam es zur Fusionierung der Magazine der News-Gruppe mit dem Trend/Profil-Verlag. Format wurde danach immer stärker in Richtung Wirtschaftsmagazin fokussiert, ein nachhaltiger wirtschaftlicher Erfolg blieb allerdings aus.' 'VGN-Boss Pirker: "War immer allen Beteiligten klar – und sie sind auch dazu bereit" – Fellners offenbar nicht. Wien – Österreichs marktbeherrschender Magazinkonzern, die Verlagsguppe News, braucht Geld von seinen Gesellschaftern, um Verluste abzudecken. Das bestätigt Horst Pirker, der den Verlag von News, Profil, Woman, TV-Media, Trend, Gusto, Autorevue seit Juni 2014 führt und umstrukturiert. Er positionierte etwa News mit neuer Mannschaft neu am Wochenende, fusionierte die Wirtschaftsmagazine Trend und Format und stoppte etwa First. Die News-Gruppe gehört zu 56 Prozent der Hamburger Bertelsmann-Tochter Gruner+Jahr. 18,7 Prozent hält die News-Gründerfamilie Fellner, die nun die Mediengruppe um Österreich betreibt. Gruner und Fellner besitzen über eine gemeinsame Beteiligungsgesellschaft 74,7 Prozent an der Verlagsgruppe. 25,3 Prozent hält der Kurier, eine Tochter von Raiffeisen und deutscher Funke-Mediengruppe. Pirker schweigt auf Anfrage zu STANDARD-Infos, wonach 2015 acht bis neun Millionen Minus angefallen seien, andere Quellen sprechen sogar von noch schlechter erwarteten Ergebnissen. Die Bilanz 2015 sei noch nicht abgeschlossen, erklärt Pirker dazu; ihre Testierung durch die Wirtschaftsprüfer stehe aber außer Zweifel, erklärt er. In der Bilanz 2014 steht, die Geschäftsführung finde wegen der Sanierungsmaßnahmen überwiegend wahrscheinlich, dass ab 2016 wieder positive Jahresergebnisse erzielt würden und die jederzeitige Zahlungsfähigkeit gewährleistet ist. 2014 sank der Umsatz laut Bilanz von 99 auf 89 Millionen Euro; das Ergebnis vor Steuern, Zinsen und Abschreibungen betrug minus 4,6 Millionen Euro, der Jahresverlust 5,4 Millionen. Pirker: Richtig ist, dass die Verlagsgruppe News – wie bekannt und veröffentlicht – in den letzten Jahren, wie viele andere Medienunternehmen verlegerischer Herkunft, negative Betriebsergebnisse hinnehmen musste. In den vielen erfolgreichen Jahren hätten die Gesellschafter die Gewinne – mit Recht – immer zur Gänze entnommen. Also müssten sie jetzt zur Abdeckung der negativen Betriebsergebnisse der letzten Jahre (nicht bezifferte) Mittel zuführen. Pirker: Das war immer allen Beteiligten klar, und dazu sind sie auch bereit. Nicht alle Beteiligten offenbar: Die News-Gründerfamilie Fellner hält durchgerechnet 18,7 Prozent an dem Magazinkonzern. Doch als die Fellners 2006 Österreich starteten, setzte der deutsche News-Mehrheitseigentümer Gruner+Jahr durch, dass die Fellners nur noch eine Finanzbeteiligung ohne Mitspracherechte an der News-Gruppe halten, wenn sie ihr schon mit täglichen Magazinbeilagen Konkurrenz machen. Die damals ausverhandelten neuen Verträge sollen die Fellners aber dezidiert von Nachschusspflichten ausnehmen. Auf den Passus sollen die Fellners nun pochen. Auch der Kurier soll (naturgemäß) nicht gerade gern und eilig zu – offenbar millionenschweren – Nachzahlungen bereit sein. Die drei Eigentümergruppen der Verlagsgruppe News schweigen gleichermaßen auf STANDARD-Anfragen zu den genannten Informationen.' 'Bestandsgarantien für 2017 will Horst Pirker für kein Magazin der Verlagsgruppe News abgeben. Er will aber "um jeden Titel kämpfen". Wien – Die Gesellschafter der Verlagsgruppe News (VGN) greifen dem Magazinriesen finanziell unter die Arme. Es wird jedenfalls Eigenkapital in einer zweistelligen Millionenhöhe zugeschossen werden, sagte Horst Pirker, Chef der Verlagsgruppe News, am Freitag zur APA. Zuvor sprach Pirker mit dem STANDARD über den Sanierungskurs, die Zukunft von News, Erfolgschancen für digitale Bezahlmodelle und seinen Ausstieg aus Datum. STANDARD: Die Verlagsgruppe News hat das Jahr 2014 mit fünf Millionen Euro Minus abgeschlossen, 2015 sollen es sogar acht bis neun Millionen sein. Können Sie diese Zahl bereits bestätigen? Pirker: Nein, das kann ich nicht bestätigen. Operativ haben wir das Niveau von 2014 gehalten, wir versuchen aber in der Bilanz für 2015 einiges an Vorsorgen unterzubringen. Abhängig ist es dann davon, in welchem Umfang die Wirtschaftsprüfer diese Rückstellungen anerkennen. Dann werden wir die Bilanz für 2015 legen. STANDARD: Mehrheitsgesellschafter Gruner + Jahr hat gemeint, dass die Zahlen für Österreich 2015 schlechter waren als ein Jahr davor. Pirker: Die Abweichungen gegenüber 2014 kommen aus der Dotierung von Rückstellungen. Das sind Vorsorgen für Veränderungen und Maßnahmen, die wir zwar 2015 beschlossen, aber 2015 noch nicht durchgeführt haben. Ein Beispiel ist die Einstellung von Format, die erst im Jänner 2016 umgesetzt wurde. Dafür bildet man Rückstellungen, die beispielsweise für Abfindungen verwendet werden. Das ist eine normale Mechanik, die es in jedem Unternehmen gibt, bei uns in der jetzigen Restrukturierungsphase eben in einer größeren Dimension. STANDARD: Wie lauten die Vorgaben von Gruner + Jahr? Pirker: Es gibt diesen von mir vorgelegten Plan von vor etwa eineinhalb Jahren. Ich bin davon ausgegangen, dass wir den Turnaround 2016 schaffen. Nicht nur im Ergebnis, sondern auch in den Auflagen, Leserzahlen und Anzeigenumsätzen. Also in den wichtigsten Parametern. Einige haben wir bereits gedreht. Etwa die verkaufte Auflage ist bei fast allen Titeln nach vorher zum Teil signifikanten Rückgängen gestiegen. Die Leserzahlen haben wir im Schnitt laut Zahlen der Mediaanalyse stabilisiert, und die Anzeigenerlöse wurden 2015 leicht gesteigert. Ob wir das Ergebnis im Lauf dieses Jahres oder erst kommendes Jahr drehen können, hängt von äußeren und inneren Rahmenbedingungen ab. Das traue ich mich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht zu sagen. Nur so viel: Von jetzt an sollten wir in den nächsten zwölf Monaten das Ergebnis drehen können. STANDARD: Vor einem Jahr haben Sie gesagt, dass 2016 schwarze Zahlen geschrieben werden sollen. Pirker: Das ist noch immer möglich. Das Jahr 2016 hat anzeigenseitig für alle Marktteilnehmer schwach begonnen. Bei uns waren dafür März und April sehr stark. Je nach Entwicklung wird sich zeigen, ob es sich 2016 ausgeht oder wir noch ein paar Monate länger warten müssen. STANDARD: Beim Amtsantritt haben Sie gesagt, dass die Wende innerhalb von drei Jahren gelingen muss, sonst sind Sie gescheitert. Jetzt ist in etwa Halbzeit. Pirker: Ich wäre gerne schon einen Schritt weiter, aber die Chance, diese Umkehr innerhalb von drei Jahren zu schaffen, ist intakt. STANDARD: Laut Mediaanalyse sind die Leserzahlen von News stabil, die verkaufte Auflage steigt. Stimmt der Kurs? Pirker: Das ist ein erster Schritt. Am meisten überrascht hat mich, dass bereits die Mediaanalyse eine Stabilisierung zeigt. News hat gegenüber 2014 – innerhalb der Schwankungsbreite – um einen Zehntelpunkt zugelegt. Das ist aber für die Perspektive des Titels nicht ausreichend. Wir müssen mehr erreichen als bisher. Anzeigenseitig hat sich News trotz einer 30-prozentigen Preissenkung auf dem Niveau 2014 stabilisiert, aber wir sind mit dem Titel News sicher noch nicht durch. STANDARD: Wie stark belastet News die gesamte Verlagsgruppe? Pirker: Das wirtschaftliche Ergebnis ist bei News seit einigen Jahren ausgeprägt negativ. Diesen Zustand kann man nicht beliebig fortsetzen. Die Größenordnung liegt etwa bei rund vier Millionen Euro. Der größte Teil des Verlustes der Verlagsgruppe News kommt durchgerechnet von News. Im Portfolio der Verlagsgruppe mit den vielen Titeln liegt News nach Umsatz bei etwas mehr als zehn Prozent des Umsatzes. In dieser Hinsicht ist News nicht so entscheidend, aber im Ergebnis sehr. STANDARD: Können Sie eine Bestandsgarantie geben, dass News 2017 noch erscheint? Pirker: Eine Bestandsgarantie kann es heute für keinen Titel geben. Weder in der Verlagsgruppe News noch sonst irgendwo. Ich mache aber, was ich am Anfang versprochen habe: um jeden einzelnen Titel kämpfen. STANDARD: Auf den Covers der letzten Wochen waren etwa die Queen, Essen, Kiffen, Marcel Hirscher und Dagmar Koller. Sind Sie mit der inhaltlichen Positionierung von News zufrieden? Pirker: Das hat die Chefredakteurin (Eva Weissenberger, Anm.) mit ihrem Team so entwickelt, und ich finde, dass es eine der möglichen Positionierungen für ein Magazin ist, das möglichst breit im Interesse der Bevölkerung liegen soll. Es gibt sicher auch andere Zugänge für General-Interest-Magazine, wie sie auch bei News versucht wurden. Unter Peter Pelinka sollte es ein Qualitätsnachrichtenmagazin sein, obwohl wir mit Profil bereits eines im Haus hatten. Es gab aber auch den Versuch, es ganz boulevardesk zu gestalten, etwa unter Atha Athanasiadis. Jetzt trägt der Versuch die Handschrift von Eva Weissenberger, und dafür müssen wir uns sicher nicht schämen. STANDARD: Wenn ich Sie jetzt interpretieren darf: Es klingt nicht so, als wären Sie mit der Ausrichtung zufrieden? Pirker: Das ist eine nicht zutreffende Interpretation. International gibt es eine große Herausforderung für General-Interest-Titel, das zieht sich weltweit durch alle Märkte. Dazu gibt es viele Zugänge, einige davon wurden in der Vergangenheit versucht und damit auch verbraucht, jetzt ist ein neuer da. Und für diesen Zugang schäme ich mich ausdrücklich nicht – weder qualitativ noch quantitativ. STANDARD: Die Differenz zu Profil ist jetzt groß genug? Pirker: Das denke ich, ja. Das ist einer der Vorteile dieser Positionierung. Die Unterscheidbarkeit zu Profil hat sich vergrößert und ist jetzt wohl ausreichend. STANDARD: Zum Trend: Ist das Sparprogramm abgeschlossen? Pirker: Ja, aber es war nicht primär ein Sparprogramm, sondern ein Offensivprogramm. Von einem monatlichen zu einem wöchentlichen Trend. Von der Auflage, vom Inhalt und der Gestaltung war es eindeutig eine Aufwärtsbewegung. Dass wir den zweiten Wirtschaftstitel, nämlich Format, aus dem Markt genommen haben, hat Restrukturierungserfordernisse ausgelöst, die wir aber sozial verträglich gelöst haben. STANDARD: Mit drei Abgängen und Änderungskündigungen? Pirker: Es hat zwei oder drei Abgänge gegeben, die waren mit einem Sozialplan unterlegt, aber keine Änderungskündigungen. Und sonst noch einvernehmliche Gehaltsanpassungen. STANDARD: Laut Mediaanalyse hatte der Trend drei Prozent Reichweite. Sind Sie zufrieden? Pirker: Der Trend lebt nicht davon, ob er drei, fünf oder sieben Prozent hat, sondern ob ihn die richtigen Leute lesen. Nämlich die an Wirtschaft Interessierten. Da spielt die Frage der absoluten Reichweite in der gesamten Leserschaft eine ganz untergeordnete Rolle. STANDARD: Die Magazine sind neu aufgestellt. Digital passiert nicht viel, hat man das Gefühl. News.at sollte beispielsweise im Herbst 2015 einen Relaunch bekommen. Wann geht es da los? Oder geht es überhaupt los? Pirker: Es geht sicher weiter. Anmerken möchte ich, dass wir im digitalen Bereich unsere Umsätze um 20 bis 30 Prozent steigern können. Es ist also etwas in Bewegung, auch wenn es für den redaktionell Interessierten nicht immer sichtbar ist. Die Bedeutung von Digital hat für unser Haus signifikant zugenommen. Dennoch werden die inhaltlichen und gestalterischen Verbesserungen noch ein paar Monate auf sich warten lassen. Wir arbeiten gerade an einer einheitlichen technischen Plattform, was nicht so einfach zu lösen ist. STANDARD: Ein Redaktionssystem für alle Portale? Pirker: Es ist sogar ein CXM-System. Es soll die sogenannte Customer Journey komplett abbilden. Dieses Werkzeug würde uns technisch in die Spitze der Medienunternehmen bewegen. Meines Wissens gibt es das in Österreich noch nicht. STANDARD: Kommt dann auch eine Zentralisierung der Nachrichten? Ein Team beliefert alle Portale? Pirker: Nein, ich halte von der nachrichtlichen Komponente ziemlich wenig, weil die meisten Tageszeitungen oder sonstige Medien wie orf.at sich alle auf die kurzfristigen Nachrichten aus der APA stürzen und somit überall ähnliche Geschichten zu finden sind. Magazine sind Hintergrundmedien, die zu einer anderen Perspektive beitragen sollen. Das soll man nicht nur in Print so halten, sondern auch digital. Der Newsletter von NZZ.at trägt etwa mehr zu meinem täglichen Medienkonsum bei als die in höchstem Maße redundanten Nachrichten, die über viele Tageszeitungsportale kommen. STANDARD: Wird sich dann news.at komplett von der Tagesaktualität verabschieden? Pirker: Das wird Eva Weissenberger mit ihrem Team festlegen, aber grundsätzlich sollte es so sein, dass die Erwartungen an ein Magazin auch digital abgebildet werden sollen. Die Aufgabenteilung unter den einzelnen Mediengattungen soll noch disziplinierter eingehalten werden, und dass Tageszeitungen an Nachrichten näher dran sind als Magazine, ist keine Überraschung. Aber selbst die Tageszeitungen kommen mit der Aktualität nicht mehr mit. Man spricht ja auch von einer Magazinierung der Tageszeitungen. STANDARD: News.at hat beispielsweise laut Zahlen der Österreichischen Webanalyse innerhalb von zwei Jahren über eine Million Unique Clients verloren. Pirker: Sie haben sich auf die Zahlen spezialisiert, die nicht so toll ausschauen. Die überwiegende Anzahl unserer Zahlen ist positiv, nur eine Minderheit negativ. Auch digital. News.at hat ja bereits eine Veränderung erfahren, weil dort beispielsweise keine Erotik- oder Spieleseiten mehr abgehandelt werden. Die veränderte Nutzung sollte niemanden überraschen, weil sich die Inhalte geändert haben. Inhalte, die niedrige Reflexe und Instinkte bedienen, erfreuen sich einer breiteren Zuwendung als jene, die einen höheren Anspruch stellen. STANDARD: Ohne Erotikinhalte sind auch viele Klicks weggebrochen? Pirker: Ein Großteil, ja. Für erotische Inhalte im weiteren Sinn bin ich sehr, aber nicht für die Abkürzung zur ausbeuterischen Darstellung von zumeist Frauen. Für die bin ich nicht. Die hat aber diesen Dienst nicht zuletzt auch mitgeprägt. STANDARD: Sie haben gesagt, dass Sie bei General-Interest-Portalen keine Chance sehen, mit Bezahlschranken Erfolg zu haben. Was kommt dann? Pirker: Wir machen bereits einige Versuch mit Bezahlsystemen. Etwa mit Blendle bei profil.at sind wir die Ersten in Österreich, und bei Read.it sind wir auch in der ersten Gruppe dabei. Das sind interessante Versuche, wie und was funktioniert, es ändert aber nichts an der Grundthematik, dass digitale Angebote von Tageszeitungen und Magazinen nahezu nicht zu monetarisieren sind. STANDARD: Ist das der Grund für die Zurückhaltung im digitalen Bereich? Pirker: Auch das spielt natürlich eine Rolle, dass die Attraktivität von Investitionen in diesem Bereich überschaubar ist. Man sehe sich an, was etwa beim Guardian passiert, der digital ein Weltstar war und ist und jetzt mit einem Kostenabbau von 25 Prozent über die gesamte Gruppe reagieren muss, um zu überleben, obwohl dort keine kapitalistisch-kommerziellen Interessen dahinterstecken. Der Guardian gehört ja einer Foundation. STANDARD: Es gibt auch positive Beispiele wie die New York Times oder Spiegel Online, der schwarze Zahlen schreibt. Pirker: Wo hier das positive Beispiel sein soll, ist mir verborgen geblieben. Die New York Times hat einen Eigentümerwechsel hinter sich, weil sich die traditionellen Eigentümer das offensichtlich nicht mehr leisten konnten. Jetzt haben sie sich mit Carlos Slim den reichsten oder zweitreichsten Mann der Welt ins Haus geholt. So brüllend erfolgreich kann das also nicht gewesen sein. Beim Spiegel sprechen die jüngsten Veröffentlichungen auch eine klare Sprache. Es ist keine der Prosperität. Die einzige Entwicklung, die in Summe positiv ist, ist jene der Zeit. Allerdings spielt hier der digitale Auftritt eine Nebenrolle. Dominant ist einerseits Print und andererseits ein Eco-System, das von Kongressen und Büchern bis zu Reisen geht. Die Zeit ist ein Beispiel, das uns allen Mut macht und Ansporn sein sollte. Es ist aber nicht von der digitalen Entwicklung getrieben. STANDARD: Beim Spiegel sind seit dem Jahr 2000 70 Prozent der Printanzeigen flöten gegangen, was online zum Teil kompensiert wurde. Pirker: Das ändert aber nichts daran, dass sich der Jahresgewinn gerade wieder halbiert hat (auf 25 Millionen Euro, Anm.). Das passiert auf relativ hoher Flughöhe, weil das in dem großen deutschen Markt stattfindet. Es freut niemanden, das zu beobachten. Ich schätze und mag den Spiegel sehr, aber das war, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, die zweite Halbierung in Serie. STANDARD: Trotzdem sind es schwarze Zahlen, und in einigen Monaten soll eine Bezahlschranke bei Spiegel Online zusätzliche Erlöse bringen. Pirker: Mir ist im General-Interest-Bereich keine nennenswerte erfolgreiche Monetarisierung bekannt. Natürlich gibt es viele Verleger, die sagen, dass sie mit Online schon Geld verdienen. Man muss sich aber die Inhalte der Printredaktionen und die Printerlöse wegdenken, dann würde es anders aussehen. STANDARD: In Deutschland setzte bereits ein Drittel der Verleger auf bezahlte Inhalte im Netz. Pirker: Es passiert ja, aber es bewegt sich nichts. Die Größenordnungen, die dort finanziell verarbeitet werden, sind leider sehr bescheiden. Es wäre schön, wenn wir staunend beobachten könnten, dass Bezahlschranken so gut funktionieren, weil das für den Journalismus und damit für die Gesellschaft von großer Bedeutung ist. STANDARD: Wie läuft der Versuch des Einzelartikelverkaufs über Blendle bei profil.at? Pirker: Da es Blendle Österreich ja nicht gibt, sind wir auf Blendle Deutschland. Es freut uns, dass immer wieder einmal Profil mit einem Beitrag an der Spitze des Deutschland-Rankings steht. Eine Marke wie Profil, die es in Deutschland nicht gibt, setzt sich also aufgrund der attraktiven Inhalte durch. Das ist ermutigend, kommerziell aber leider derzeit bedeutungslos. STANDARD: Und trotzdem könnte trend.at folgen und auch auf Blendle setzen? Pirker: Ja, das kann durchaus sein. STANDARD: Die Verlagsruppe News ist mit ihren Titeln auch in der Medien-App Read.it vertreten, was aus Lesersicht sehr gut ist. Und aus Unternehmenssicht? Pirker: Es gibt immer wieder Leute, die sagen, dass es ein Wahnsinn ist, dass wir auf Read.it gehen. Aber: Wenn wir nichts versuchen, kann nichts entstehen. Die Logik des Internets ist ja Trial and Error. Die Logik der Medien zuvor war geprägt von Businessplänen. Im digitalen Zeitalter ist das völlig anders, das sind sogenannte agile Projekte. Wir probieren, lernen und verändern. Das macht es spannender, aber eben auch schwieriger. STANDARD: Bringt die Präsenz auf Read.it zumindest ein bisschen Geld? Pirker: Bei uns sind es keine nennenswerte Beträge, und ich denke, das ist auch bei den anderen so. STANDARD: Für 2016 haben Sie Neuerscheinungen angekündigt. Kommt da noch was? Pirker: Mit Lola gibt es ja bereits eine Neuerscheinung. Das erscheint zunächst viermal im Jahr und ist ein Magazin des 21. Jahrhunderts mit hochgradiger Social-Media-Integration. STANDARD: Und in weiterer Folge? Pirker: Unsere Hauptaufgabe ist, das Haus insgesamt in Ordnung zu bringen. Solche innovativen Ausbrüche gehen im Moment im Einzelfall, aber nicht in der Breite. STANDARD: Ein anderes Thema ist Datum. Sie waren Eigentümer bei dem Monatsmagazin. Warum wollten Sie nicht mehr? Pirker: Datum entspringt einer selbstlosen journalistischen Initiative und wurde durch eine zumindest teilweise selbstlose Initiative aufrechterhalten. Ich habe es ja nicht selbst gekauft, sondern war zunächst nur als Investor in der von Reinhold Gmeinbauer gegründeten Medecco Holding. Ich wollte das Heft zurück in journalistische Hände geben und war mir darüber mit Stefan Kaltenbrunner einig. Dann kam das Angebot vom Kurier, zu dem er auch als Chefredakteur Online mit Teilen seines Teams ging. Finalisiert wurde das mit seinem Nachfolger Stefan Apfl. Meiner Meinung nach kann man ein solches Projekt kommerziell nicht betreiben. STANDARD: Datum gibt es aber schon mehr als zehn Jahre und mit schwarzen Zahlen. Nur mit Selbstausbeutung? Pirker: Möchte man alle Regeln, Kollektivverträge et cetera einhalten, und das würde ich wollen, dann lässt sich das meiner Ansicht nach kommerziell nicht darstellen. Als korrekter Unternehmer kann man ein System der Selbstausbeutung nicht zur Geschäftsgrundlage machen. Das wird dann ja zur Fremdausbeutung. Das kann und will ich nicht. Deswegen wollte ich es in journalistische Hände zurückführen, ohne auch nur einen Cent dafür zu nehmen. STANDARD: Und zu dieser Erkenntnis sind Sie mit Medecco erst nach zwei, drei Jahren gekommen? Pirker: Der Versuch braucht ja Zeit. Reinhold Gmeinbauer hat mit großem Einsatz versucht, Datum kommerziell zu führen. Das ist im Ergebnis nicht gelungen; er ist dann ausgestiegen, und ich habe das Projekt zu hundert Prozent übernommen. Aus meiner unternehmerischen Perspektive ist das wirtschaftlich nicht machbar, als Basisinitiative kann das gutgehen, weil es ein wertvolles Medium ist. Ich hätte das Medium ja auch einstellen können, habe es aber lieber dem Chefredakteur übergeben, weil ich wollte, dass Datum weiterbesteht. STANDARD: Eine Neuausrichtung war kein Thema? Pirker: Ich finde, dass es ein erstklassiges Magazin ist. Eines der meistausgezeichneten in Österreich. Diese Preise hat Datum auch verdient. Hätte man an der Positionierung gedreht, hätte man die Gründungsidee und den genetischen Code verraten.' Neue Rubrik namens "profil//shortlist" eingeführt. Wien – Das zur Verlagsgruppe News (VGN) gehörende Nachrichtenmagazin Profil hat online auf profil.at eine neue Rubrik namens profil//shortlist. Hier gibt es täglich drei kurze Storys zum Tag, in pointierter Form. Am Freitag waren dies eine Chronologie zum Drama um Dilma, die Frage, wie es der künftige Kanzler Christian Kern mit dem Boulevard hält, und eine Abstimmung über weibliche Emojis. Laut einer VGN-Aussendung stammen die Artikel aus den jeweiligen Profil-Ressorts. Auch Rätsel, Gewinnspiele und Videos der Redakteure sowie ein täglicher E-Mail-Newsletter sind demnach geplant. Eine intern entwickelte Hybrid-App soll folgen. Weil die Tageszeitung "Cumhuriyet" über angebliche Waffenlieferung der Türkei nach Syrien berichtete, droht der Präsident mit schweren Konsequenzen. Istanbul - Wenige Tage vor den Parlamentswahlen droht der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan einer kritischen Zeitung, dass deren Berichterstattung Konsequenzen haben würde. Die Berichterstattung der regierungskritischen Cumhuriyet grenze an Spionage, sagte Erdogan bei einer Rede am Sonntag, wie türkische Medien am Montag berichteten. Die Journalisten, welche über eine angebliche Waffenlieferung des türkischen Geheimdienstes MIT an syrische Extremisten berichtet hätten, würden dafür schwer bezahlen, er werde sie nicht durchkommen lassen, so Erdogan. Der Chefredakteur der Cumhuriyet, Can Dündar, verteidigte in der Montagsausgabe des Blattes seine Berichterstattung. Wir sind keine Staatsbeamten, wir sind Journalisten, schrieb Dündar. Die Zeitung habe lediglich Bilder derjenigen veröffentlicht, die mit ihrer Arbeit die Republik verteidigen würden. Die Cumhuriyet hatte am Freitag berichtet, der türkische Geheimdienst MIT habe Rebellengruppen dabei unterstützt, Waffen an Rebellengruppen ins benachbarte Bürgerkriegsland Syrien zu schmuggeln. Das Blatt veröffentlichte Fotos vom Jänner 2014, auf denen Granaten auf einem Lastwagen des Geheimdienstes bei Adana nahe der syrischen Grenze entdeckt worden waren. Zusätzlich war auf der Internetseite der Cumhuriyet ein Video veröffentlicht worden, dass die Staatsanwaltschaft in Adana bei der Durchsuchung des Lastwagens zeigte. Der Lastwagen war im Auftrag der Staatsanwaltschaft in Adana gestoppt worden, die dann feststellte, dass dieser voll beladen mit Waffen in Begleitung von MIT-Agenten auf dem Weg nach Syrien war. Offiziell hatte es sich um eine Lieferung humanitärer Hilfsgüter gehandelt. Nach der Aktion wurden die beteiligten Staatsanwälte und Soldaten ihrer Posten enthoben. Nach Veröffentlichung der Bilder und des Videos in der Cumhuriyet leitete die Staatsanwaltschaft in Istanbul umgehend Ermittlungen gegen die Zeitung ein. Gegen Dündar wird unter anderem wegen Verbreitung von Terrorpropaganda und Spionage ermittelt. Die Bilder und das Video dürfen nicht mehr gezeigt werden. Dündar gehört zu den prominentesten, regierungskritischen Journalisten der Türkei. Die Cumhuriyet hat regelmäßig Ärger mit der islamisch-konservativen AKP-Regierung. So hat das Blatt als einziges Printmedium in der Türkei nach dem Anschlag auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo Mohammed-Karikaturen abgedruckt. Ministerpräsident Ahmed Davutoglu hatte die Aktion zuvor kritisiert, die Pressefreiheit erlaube nicht die Beleidigung religiöser Werte. Nun drohen zwei Journalisten der Cumhuriyet bis zu viereinhalb Jahre Haft. Die Istanbuler Staatsanwaltschaft wirft den beiden vor, mit dem Zeigen der Karikatur den öffentlichen Frieden gestört und den Propheten sowie die religiösen Gefühle der Menschen in der Türkei verunglimpft zu haben. Kritik auch aus Österreich - Reporter ohne Grenzen: Missachtung jeglicher menschlichen Würde. Riad - Der Oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens hat die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi zu tausend Stockhieben und zehn Jahren Gefängnis bestätigt. Die letztinstanzliche Entscheidung des Gerichts sei unwiderruflich, sagte Badawis nach Kanada geflüchtete Ehefrau Ensaf Haidar. Sie befürchtet nun, dass ihr Mann schon in Kürze die nächsten Hiebe erdulden muss. Dieses Urteil hat mich schockiert, sagte Haidar. Sie sei optimistisch gewesen, dass es mit dem Beginn des Fastenmonats Ramadan und dem Amtsantritt des neuen Königs Salman eine Begnadigung für politische Häftlinge wie meinen Mann geben werde, sagte sie. Das Schicksal Badawis bewegt die weltweite Öffentlichkeit seit Monaten. Der 31-jährige Blogger war wegen Beleidigung des Islams verurteilt worden. Bisher musste Badawi Anfang Jänner 50 Hiebe erdulden. Weitere Hiebe wurden zunächst aus medizinischen Gründen verschoben. Badawis Ehefrau sagte am Sonntag, sie befürchte, dass die Auspeitschungen bereits in wenigen Tagen fortgesetzt werden könnten. Kritik auch von Österreich Die Strafe hatte international Entsetzen ausgelöst, zahlreiche Politiker forderten das ultrakonservative Königreich zur Freilassung Badawis auf. Kritik kam unter anderem von den Vereinten Nationen, den USA, und mehreren EU-Staaten, darunter Österreich. Wegen der harten Strafen gegen Badawi geriet auch das von Saudi-Arabien finanzierte Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog in die Kritik. Auch am Sonntag zeigten sich die Grünen entsetzt über den Fall Badawi. Das bringt die Frage des vom saudischen Regime finanzierten Abdullah-Zentrums in Wien wieder weit nach vorne auf der Agenda, sagte die Grünen-Abgeordnete Alex Korun. Kurz bezeichnet Urteil als Unrecht Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat das Urteil gegen den saudiarabischen Blogger Raif Badawi als Unrecht bezeichnet. Wir werden daher auch nicht locker lassen und darauf drängen, dass dieses Urteils nicht vollstreckt wird, sondern eine Begnadigung von Badawi erfolgt, sagte Kurz laut einer Aussendung am Sonntag. Es müsse möglich sein, seine Meinung zu äußern, wie der Blogger es getan habe. Reporter ohne Grenzen: Missachtung jeglicher menschlichen Würde Reporter ohne Grenzen (ROG) sieht in der Entscheidung des Gerichtshofes eine grobe Missachtung jeglicher menschlichen Würde. Darüber hinaus zeige die saudische Regierung auch eine völlige Ignoranz gegenüber der Protesthaltung in großen Teilen der Welt gegenüber dieser Strafe, sagt Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Menschen aus verschiedensten Ländern hatten sich mit Kampagnen und Demonstrationen in den vergangenen Monaten international gegen die Peitschenhiebe eingesetzt, auch Reporter ohne Grenzen hatte zu Unterschriften für eine Petition aufgerufen. Badawi war im Juni 2012 festgenommen worden. Sein Vergehen aus Sicht der Herrscher besteht darin, dass er in seinem Blog immer wieder die Religionspolizei für ihre harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islams kritisierte. Zudem setzte er sich für eine Diskussion darüber ein. Ein von Badawi mitgegründetes Internetforum wurde gesperrt. Redakteur erneuert Kritik an deutscher Bundesregierung und Kairo. Doha/Berlin/Kairo – Nach seiner vorübergehenden Inhaftierung in Deutschland ist der prominente ägyptische Journalist Ahmed Mansour nach Katar zurückgekehrt. Mansour landete am Dienstagabend auf dem Flughafen der katarischen Hauptstadt Doha und wurde dort von der Führung seines Senders Al-Jazeera sowie von seiner Familie begrüßt. Mansour erneuerte seine Vorwürfe gegen die deutsche Bundesregierung: Es gibt Lobbys, die (den ägyptischen Machthaber Abdel Fattah) al-Sisi in der Welt fördern, sagte der 52-jährige Journalist auf Arabisch. Sie üben Druck auf die deutsche Regierung aus, weil die ägyptische Regierung Müll ist und wertlos, fügte Mansour hinzu. Seine Festnahme in Berlin bezeichnete er als politisch. Mansour war am Samstag in Berlin festgenommen und am Montag auf Anweisung der Berliner Generalstaatsanwaltschaft wieder freigelassen worden. Auch das Auswärtige Amt hatte nach eigenen Angaben eine Freilassung empfohlen. Die ägyptischen Behörden hatten gegen Mansour einen Haftbefehl erwirkt, den Interpol zunächst weitergegeben hatte. Später teilte Interpol allerdings den nationalen Behörden auch in Deutschland mit, es betrachte den ägyptischen Haftbefehl als politisch motiviert. Mansours Anwalt Andreas Wattenberg bezeichnete es daher als unverständlich, warum sein Mandant in Deutschland trotzdem zur Fahndung ausgeschrieben worden sei. Belege für seinen Vorwurf, es habe eine politische Einflussnahme aus Kairo auf die deutsche Bundesregierung gegeben, lieferte Mansour allerdings nicht. Mansour war in Ägypten vergangenes Jahr in Abwesenheit wegen Folter und anderer Vorwürfe zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Die politische Brisanz des ägyptischen Vorgehens gegen den bekannten Journalisten blieb in Berlin zunächst offenbar unbemerkt: Aus den ersten von Ägypten übermittelten Ersuchen ging weder eine Tätigkeit von Ahmed Mansour als bekannter Journalist noch ein offensichtlicher politischer Hintergrund hervor, der für die bearbeitende Ebene erkennbar gewesen wäre, hieß es in Regierungskreisen. Es seien bereits Konsequenzen gezogen worden: Die Bundesregierung hat sofort organisatorische Maßnahmen ergriffen, um in Zukunft solche Fälle früher zu identifizieren. Haft wegen Vorwurf der "Unruhestiftung" wegen Unterstützung der Hongkonger Demokratie-Proteste. Peking – Die chinesische Journalistin und Zeit-Mitarbeiterin Zhang Miao ist freigelassen worden. Nach neun Monaten in Haft wurde die 40-Jährige am Donnerstagabend in Peking auf freien Fuß gesetzt, wie Diplomaten am Freitag berichteten. Die Behörden hätten sich entschieden, keine Anklage zu erheben, berichtete die Zeit unter Hinweis auf ihren Anwalt. Ihr war Unruhestiftung vorgeworfen worden. Zhang Miao war im Oktober in Peking auf dem Weg zu einer Dichterlesung zur Unterstützung der prodemokratischen Proteste in Hongkong festgenommen worden. Die deutsche Botschaft begrüßte die Freilassung. Wir sind erleichtert, dass es endlich zur Haftentlassung gekommen ist, hieß es in einer Mitteilung. Die Regierung habe sich wiederholt und auf verschiedenen Ebenen für ihre Freilassung eingesetzt. Nach ihre Festnahme war auch die Zeit-Korrespondentin Angela Köckritz, mit der Zhang Miao zusammengearbeitet hatte, mehrmals von der Polizei verhört und mit Konsequenzen bedroht worden. In einem aufsehenerregenden Artikel dokumentierte die deutsche Journalistin, die China inzwischen verlassen hat, im Jänner die Vorfälle. In China waren im vergangenen Herbst landesweit Dutzende von Aktivisten wegen Sympathiekundgebungen für die Forderung der Hongkonger nach freien Wahlen festgenommen worden. Journalistenorganisation sieht Einschränkung der Meinungsfreiheit. Wien – Die Journalistenorganisation Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die Abschaffung von Blasphemiegesetzen innerhalb der Europäischen Union. Nach dem Vorbild von Island, das sechs Monate nach dem Attentat auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo im Jänner nun das Blasphemiegesetz abschaffte, sollten sich auch die EU–Länder zu einem solchen Schritt entscheiden, heißt es in einer Aussendung. Blasphemiegesetze dürfen unter keinen Umständen dazu benutzt werden, die Meinungs- und Informationsfreiheit einzuschränken. Die Freiheit der Meinungsäußerung ist in den Menschenrechten in Artikel 19 verankert und muss unantastbar bleiben, so Rubina Möhring, Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich. Daher sei es wichtig, dass die Länder der Europäischen Union die Einschränkung der Meinungsäußerung, wie sie derzeit in Form von Blasphemiegesetzen bestehe, beseitigen. Reporter ohne Grenzen weist darauf hin, dass auch Österreich noch ein Gesetz hat, das die Herabwürdigung religiöser Lehren verbietet. (§188 StGB): Wer öffentlich eine Person oder eine Sache, die den Gegenstand der Verehrung einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft bildet, oder eine Glaubenslehre, einen gesetzlich zulässigen Brauch oder eine gesetzlich zulässige Einrichtung einer solchen Kirche oder Religionsgesellschaft unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, unter denen sein Verhalten geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Weitere Länder mit Blasphemiegesetz in der EU sind laut Reporter ohne Grenzen Dänemark, Deutschland, Griechenland, Irland, Italien, Malta die Niederlande und Polen. In Saudi-Arabien und dem Iran würden immer wieder Journalisten und Blogger unter dem Vorwurf der Blasphemie verhaftet und hart bestraft – zuletzt wurde der saudische Blogger Raif Badawi im Mai 2014 zu 1000 Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Am Dienstag wurde Präsident des Presseclubs ermordet. Manila – Auf den Philippinen ist zum zweiten Mal innerhalb einer Woche ein Journalist erschossen worden. Teodoro Escanilla habe sich für die Menschenrechte engagiert und kritisch über Übergriffe des Militärs berichtet, sagten Mitarbeiter am Donnerstag. Unbekannte waren am Mittwochabend in das Haus Excanillas in Barcelona rund 370 südöstlich der Hauptstadt Manila eingebrochen und hatten das Feuer auf ihn eröffnet. Am Dienstag war der Präsident eines Presseclubs in Tagum City im Süden, Gregorio Ybanez, erschossen worden. Nur in Syrien wurden nach Angaben des Komitees zum Schutz von Journalisten 2014 mehr Journalisten ermordet als auf den Philippinen. Gérard Biard verteidigt das Satiremagazin bei Verleihung des M100-Medienpreises gegen Kritik. Ganz wohl fühlte sich Gérard Biard nicht: Charlie Hebdo ist zu einem Symbol für Medienfreiheit geworden. Dabei ist es als Satirezeitschrift nicht unsere Rolle, Symbol zu sein, sagte der Chefredakteur anlässlich der Verleihung des renommierten Medienpreises M100 in Potsdam am Donnerstagabend. Zuvor hatte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier das islamistisch motivierte Attentat am 7. Jänner auf die Redaktion des Satiremagazins in Paris, bei dem neun Mitarbeiter starben, als Anschlag auf Freiheit und Demokratie bezeichnet. Für Laudator Ferdinand von Schirach war es ein Blutbad wegen ein paar Zeichnungen. Dieser Preis gebühre den Toten, aber auch den Lebenden. Appell zum Weitermachen Der Schriftsteller sprach den Chefredakteur direkt an: Ihre Zeitung ist frech und frivol und wütend – und immer wieder unerträglich. Seine Rede beendete er mit einem Appell: Wir bitten Sie, machen Sie weiter mit Charlie Hebdo, solange es irgendwie geht! Biard sagte, niemand in der Redaktion habe vor dem Anschlag ein Held sein wollen. Aber die Überzeugung und Werte, für die wir eintreten, sind universelle Werte, die allen gehören und für die jeder kämpfen muss. Die Attentäter hatten ihren Anschlag mit Mohammed-Karikaturen des Magazins begründet. Anders als vielfach behauptet habe sein Magazin auch nie den Islam kritisiert, sondern den Islamismus als politische Ideologie, sagte Biard. Das sei mit einem politischen Programm gleichzusetzen. Das hat nichts mit Blasphemie zu tun. Recht auf Blasphemie Gleichzeitig forderte er dazu auf, das Recht auf Blasphemie zu verteidigen. Blasphemie ist ein Ausdruck der Anfechtung der Macht. Es sei auf allen Ebenen notwendig, die Meinungsfreiheit zu verteidigen. Sonst haben die recht, die töten. In seiner Rede nahm der Chefredakteur nicht Bezug auf die jüngste Ausgabe seines Magazins, die heftige Reaktionen hervorgerufen hatte. Darin ist der tote Flüchtlingsbub Aylan zu sehen und im Hintergrund die Werbung einer Fastfood-Kette. Im Gespräch mit Journalisten verteidigte Biard die Karikatur: Die Zeichnung mache sich nicht über den Tod des Kindes lustig. Damit habe man deutlich machen wollen, dass der Westen den tausenden Flüchtlingen außer Konsumkultur nichts zu bieten habe. Satire muss einen Schock provozieren. Man muss mit dieser Meinung nicht einverstanden sein, aber wer deshalb zum Mord aufruft, verwechselt Meinung mit Verbrechen, sagte Biard. Extreme Sicherheitsvorkehrungen Die Preisverleihung im Rahmen der Medienkonferenz M100 zum 70. Jahrestag des Potsdamer Abkommens begleitete die Potsdamer Polizei nach eigener Darstellung mit einem außergewöhnlich hohen Sicherheitsaufwand und begründete dies mit der Gefährdungslage. Alle Teilnehmer mussten mehrere Sicherheitschecks über sich ergehen lassen. Details unklar – Jason Rezaian wird der Spionage beschuldigt. Teheran/Washington – Gegen den seit mehr als einem Jahr im Iran inhaftierten US-Reporter Jason Rezaian ist ein Urteil gefällt worden. Das gab der Generalstaatsanwalt Gholamhossein Mohseni Ejei am Sonntag bekannt. Die Details wollte er aber nicht sagen, bis das Urteil rechtskräftig ist. Rezaian und seine Anwältin könnten Berufung einlegen, sagte Ejei nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA. Dem Iran-Korrespondenten der Washington Post werden Spionage für die USA und Propaganda gegen die Islamische Republik Iran vorgeworfen. Rezaian soll über eine US-Journalistin Insider-Informationen an das Weiße Haus weitergeleitet haben. Der 39-Jährige bestreitet dies. Er sei im Iran lediglich seiner journalistischen Arbeit nachgegangen. Die US-Regierung hat die Anklagen als absurd zurückgewiesen und die sofortige Freilassung Rezaians gefordert. Security-Mitarbeiter verweigerte Nina Horaczek den Einlass – "So etwas habe ich noch nicht erlebt". Wien – HC Strache. Sein Aufstieg. Seine Hintermänner. Seine Feinde lautet der Titel des Buches, das Falter-Redakteurin Nina Horaczek über den FPÖ-Chef geschrieben hat. Zu den Feinden dürfte die Journalistin selbst gehören: Sie durfte nicht von der FPÖ-Party nach der gestrigen Wien-Wahl berichten, der Einlass wurde ihr verwehrt. Schon bei der Schlusskundgebung der Freiheitlichen Donnerstag stellte die Partei der Journalistin keine Akkreditierung aus, weil ihre Anfrage zu spät gekommen sei. Kollegen anderer Medien seien aber danach noch akkreditiert worden, sagt Horaczek. Auch für die gestrige Wahlparty sei ihr kein Pressezutritt von der FPÖ erteilt worden. Ins Festzelt konnte Horaczek am frühen Abend dennoch. Erst als sie später wieder zur Feier wollte, hätte ein Security-Mitarbeiter am Eingang sie nicht hineingelassen – nach einem Blick auf sein Handy. Horaczek vermutet, er hätte darauf ein Foto von ihr gespeichert. Sie sei zur Seite gebeten worden, wo der Sicherheitschef der Partei ihr erklärt habe, dass sie im Auftrag von FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl nicht zur Wahlfeier durchgelassen werden dürfe. Horaczek kritisiert das höchst unübliche Vorgehen. Seit 15 Jahren berichte sie nun schon über die FPÖ, aber so etwas habe ich noch nie erlebt. Der Standard hat bei der FPÖ um eine Stellungnahme angefragt. Am 31. Oktober soll die Belegschaft des Staatsfunks einen Schwur auf Spaniens Flagge leisten. Im öffentlich-rechtlichen Fernsehsender brodelt es. Spaniens staatlicher Rundfunk (Radiotelevisión Española, RTVE) hat bessere Zeiten gesehen. Doch just nach der Regionalwahl in Katalonien vom 27. September, bei der die TVE-Sender bei den Quoten wieder einmal mit 6,6 Prozent abgeschlagen hinter LaSexta (12,3 Prozent) rangierten, hatte RTVE-Generaldirektor José Antonio Sánchez Domínguez ein patriotisches Heureka-Erlebnis. Am 31. Oktober soll die Belegschaft einen Schwur auf Spaniens Flagge leisten. Wörtlich um sein Versprechen, Spanien und seine Interessen zu verteidigen, abzugeben, hieß es im internen Rundschreiben, das El Mundo vorliegt. Sánchez musste diesen Vorstoß prompt dem Parlament auf Antrag der Vereinigten Linken (IU) erklären. Relativierend meinte er: Man habe lediglich die Einladung eines Nachbarn, der Telekomunika tionsbrigade der Armee, im in ternen Mailverteiler der RTVE verbreitet. Sánchez ist freilich ein TV- und Presseveteran: Bei der rechtsmonarchistischen Tageszeitung ABC war er Chefredakteur, aber auch Kolumnist der rechten La Razón und Kommentator beim Bischofskonferenzradio Cadena COPE. Zwischen 2002 und 2004 war er auf Vorschlag des Partido Popular (PP) bereits einmal RTVE-Generaldirektor. Nach einem Abstecher zum Telekomgiganten Telefónica leitete Sánchez von 2011 bis 2014 Telemadrid, das ebenso häufig wegen Manipulation von sich hören ließ wie nun die RTVE. Bis nach Brüssel gelangen Mitarbeiterklagen über Einflussnahme und Parteilichkeit in den TV-Nachrichten, Debatten- und Sendeformaten sowie über die Schaffung einer Parallelredaktion und die Entlassung kritischer Kollegen. Zuletzt kam der Sender anlässlich des katalanischen Nationalfeiertags, der Diada (11. September), in die Kritik. Die Abend nachrichten auf La2 zeigten kein einziges Bild der Pro-Unabhängigkeitsdemonstration auf Barcelonas Avinguda Meridiana mit knapp 1,5 Millionen Teilnehmern. Bereits zuvor, um die Kommunalwahlen Ende Mai, empörten sich die eigenen Mitarbeiter per Aussendung massiv über die RTVE, die ein reines Propagandaorgan der Regierung sei. Selbst Grafiken sind vor Manipulationen nicht sicher: wie auf einer zu Arbeitslosen diesen Februar. Darauf zeigte man die 4,4 Millionen von 2014 als weniger an als die 4,1 Millionen von 2009. Nicht zuletzt dient die RTVE als Karriereoption für jene, die der Regierungspartei Partido Popular nahestehen. So erhielt die Pressesprecherin von Madrids Exbürgermeisterin Ana Botella (PP), Elena Sánchez Pérez, den mit 75.000 Euro Jahressalär dotierten Posten der Programmchefin der TV- Moderatorin Mariló Montero. Die Gewerkschaft findet das Gehalt unmoralisch: Es sei mehr als das Dreifache eines Medienmitarbeiters in dieser Position. Mit knapp 1,2 Milliarden Euro Jahresbudget, das seit dem von Expremier José Luis Rodríguez Zapatero durchgesetzten Werbeverbot – von Kultursponsoring und Produktplatzierungen abgesehen – fast gänzlich aus der Staatskasse gespeist wird, kommt die RTVE nach wie vor nicht aus. Für 2015 ist ein Minus von 70 Millionen Euro avisiert. Über die Legislaturperiode von Premier Mariano Rajoy (PP) seit Ende 2011 hinweg hat der staatliche Rundfunkmoloch rund 430 Millionen Euro an zusätzlichen Schulden angehäuft. China vor Syrien und Iran auf Ranking von Freedim House. Peking – Die Unterdrückung der Internetfreiheit ist in keinem Land der Erde so schlimm wie in China. Noch vor Syrien und dem Iran führt das Reich der Mitte die diesjährige Liste der Länder an, die Nutzer wegen kritischer Kommentare verfolgen und Inhalte zensieren, wie die amerikanische Organisation Freedom House am Mittwoch berichtete. Die Internetzensur, unter der nach Umfragen auch die Hälfte der deutschen Firmen in China leidet, ist voraussichtlich ein Thema beim Besuch von Kanzlerin Angela Merkel am Donnerstag in Peking. Chinesen litten unter der Verfolgung von Gerüchten sowie Regeln zur Identifikation von Nutzern und Störungen von Tunnelverbindungen, mit denen Sperren im Internet umgangen werden können. Die Probleme seien nicht neu, doch hätten sie sich verschärft, heißt es. Demnach sind Google und seine Dienste in China weitgehend blockiert. Menschenrechtsverteidiger würden wegen Äußerungen im Internet inhaftiert. Prominentes Beispiel sei der Bürgerrechtsanwalt Pu Zhiqiang, der sich in Verbindung mit 28 Beiträgen in sozialen Medien wegen Streitsucht vor Gericht verantworten müsse. Auch sei die 71-Jährige Journalistin Gao Yu, die für die Deutsche Welle gearbeitet hatte, zu sieben Jahren Haft verurteilt worden, weil sie Staatsgeheimnisse an eine ausländische Webseite gegeben haben soll. Dabei handelte es sich offenbar um ein Parteidokument, in dem zum Kampf gegen westliche Ideen aufgerufen wurde. Chinas Zensur habe auch verstärkt Online-Kommentare zu den prodemokratische Demonstrationen in Hongkong oder der Berg- und Talfahrt der chinesischen Börsen unterdrückt. Chefs von liberalem Nachrichtenmagazin wurden nach der Wahl festgenommen. Ankara – In der Türkei sind am Dienstag zwei regierungskritische Journalisten unter dem Vorwurf eines Putschversuchs angeklagt worden. Der Chefredakteur und der leitende Redakteur des liberalen Nachrichtenmagazins Nokta seien wegen des Vorwurfs festgenommen worden, die Regierung gewaltsam stürzen zu wollen, teilte das Magazin über Twitter mit. Hintergrund ist die Titelseite des Magazins nach der Parlamentswahl vom Sonntag. Die Aufmacherseite zeigte Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit der Aufschrift Montag, 2. November, Beginn des türkischen Bürgerkrieges. Die Polizei hatte am Montag die Nokta-Büros in Istanbul gestürmt und die beiden Journalisten Cevheri Guven und Murat Capan festgenommen. Ein Gericht in Istanbul ordnete anschließend an, dass die jüngste Ausgabe des Blatts aus dem Handel genommen werden müsse, da die Öffentlichkeit darin zu einem Verbrechen angestachelt würde. Während des Wahlkampfes in der Türkei waren die Behörden wiederholt gegen Medien vorgegangen, die sich kritisch über Staatschef Erdogan äußerten. Vor laufender Kamera wurde etwa der Sitz des Medienkonzerns Koza-Ipek gestürmt und die Kontrolle über zwei Fernsehsender übernommen. Die Polizei setzte dabei Tränengas und Wasserwerfer ein. Bei Nokta gab es bereits im September eine Razzia wegen eines Titelblatts, das sich satirisch mit Erdogan auseinandersetzte. Chomsky und Reporter-ohne-Grenzen-Chef Deloire fordern die Gipfelteilnehmer auf, dem undemokratischen Kurs der Türkei nicht tatenlos zuzusehen. Wien – Gegen die repressiven Praktiken der türkischen Regierung gegenüber Journalisten protestieren der amerikanische Intellektuelle Noam Chomsky und der Generalsekretär von Reporter ohne Grenzen, Christophe Deloire, in einem offenen Brief. Anlass ist der Gipfel der Staats- und Regierungschefs der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im türkischen Belek. Journalisten seien wichtige Wächter der Demokratie, heißt es in dem Brief. Machthaber, die ein Land kontrollieren möchten, ohne von Kritikern belästigt zu werden, vergäben automatisch Maulkörbe an Journalisten. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan sei in der Vergangenheit ein Meister darin gewesen, Journalisten zum Schweigen zu bringen. Während nun viele Journalisten aus dem Ausland angereist seien, um über den G20-Gipfel zu berichten, sei vielen türkischen Kollegen die Akkreditierung verwehrt worden. Oppositionsmedien zu unterdrücken sei eine schlechte Angewohnheit der Türkei geworden, die auf Platz 149 von 180 Ländern in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht. So stürmten vier Tage vor der Parlamentswahl am 1. November Polizisten die Zentrale der Mediengruppe Ipek und ordneten die Schließung zweier oppositioneller Tageszeitungen und eines Fernsehsenders an. Nachdem die Regierung die Kontrolle über das Management der Mediengruppe übernommen und 71 Journalisten gekündigt hatte, erschienen die Tageszeitungen Bugün und Millet mit einem Foto Erdoğans auf der Titelseite und der Überschrift Der Präsident inmitten seines Volkes. Am Dienstag werden sich 18 Herausgeber und Redakteure vor dem Gericht wegen angeblicher terroristischer Propaganda verantworten müssen. Einer der Journalisten, der Redakteur der Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, war bereits von Erdoğan der Spionage angeklagt worden, weil seine Zeitung einen Artikel veröffentlicht hatte, der beweist, dass es Waffenlieferungen vom türkischen Geheimdienst über die syrische Grenze gegeben hatte. Chomsky und Deloire fordern die am G20-Gipfel teilnehmenden Länder auf, dem undemokratischen Kurs der Türkei nicht tatenlos zuzusehen. Man brauche eine stabile Türkei als Partner, und das sei nur zu erreichen, wenn demokratische Diskussionen zugelassen werden. Nach Darstellung des DJV-Vorsitzenden führten Übergriffe und Morddrohungen von Rechtsextremisten bereits dazu, dass manche Journalisten nicht mehr in dem Bereich arbeiten wollten. Berlin – Der Deutsche Journalistenverband (DJV) hat eine zunehmende Gewaltbereitschaft rechtsgerichteter Gruppen gegen Medienvertreter beklagt. Verbandschef Frank Überall sagte am Dienstag im Deutschlandradio Kultur, er habe sich nie vorstellen können, einmal Angst bei der Ausübung des Berufs haben zu müssen: Das kannte ich nur aus autoritären Regimen. Früher seien Journalisten bei rechtsextremen Aufmärschen angeschrien und angepöbelt worden – mittlerweile ist es wirklich so, dass einem das Mikrofon aus der Hand geschlagen wird, dass die Kamera geblendet wird, dass eine Kollegin in einen Hauseingang geschubst und bespuckt wird. Nach Darstellung des DJV-Vorsitzenden führten Übergriffe und Morddrohungen von Rechtsextremisten bereits dazu, dass manche Journalisten nicht mehr in dem Bereich arbeiten wollten: Das ist sehr schade, weil wir viele Kolleginnen und Kollegen brauchen, die Fakten sammeln, die Fakten prüfen auch in der rechtsextremen Szene, die erklären und die einordnen. Insgesamt habe er den Eindruck, dass die Bürger wacher und kritischer geworden gegenüber journalistischer Arbeit, sagte Überall: Nicht jeder, der Lügenpresse! ruft, ist automatisch direkt rechtsextrem, sagte der DJV-Vorsitzende. Es gebe durchaus Menschen, die sich von den Medien nicht mehr vertreten fühlen. Unterdessen wurde ein neuer Fall von Gewalt gegen Journalisten bekannt. In Dresden wurde bei der Demonstration der fremdenfeindlichen und antiislamischen Pegida-Bewegung am Montagabend ein Kameramann verletzt. Nach Polizeiangaben wurde der 43-Jährige von Unbekannten geschlagen. Er wurde zur Untersuchung in ein Krankenhaus gebracht. Die Polizei stellte einen 28-jährigen Tatverdächtigen sowie zwei Begleiter. Es wurden Ermittlungen wegen Körperverletzung eingeleitet, wie die Polizei am späten Montagabend mitteilte. Vermutlich Reaktion auf Ausweisung eines russischen Journalisten aus Polen. Moskau – Der Russland-Korrespondent der polnischen Zeitung Gazeta Wyborcza ist des Landes verwiesen worden. Wacław Radziwinowicz sei die Akkreditierung entzogen worden, teilte das linksliberale Blatt am Freitag mit. Er habe 30 Tage Zeit, um Russland zu verlassen. Beobachter sehen darin eine Reaktion auf die jüngste Ausweisung des russischen Journalisten Leonid Swiridow aus Polen. Der polnische Inlandsgeheimdienst ABW hatte Swiridow Medienberichten zufolge der Spionage bezichtigt. Wegen des Ukraine-Konflikts sind die Beziehungen zwischen Russland und Polen derzeit auf einem Tiefpunkt. Radziwinowicz hatte seit 1997 aus Moskau berichtet. Der serbische Journalistenverband warnt, dass die Medienfreiheit in Gefahr ist. Belgrad – In Serbien sind seit Jahresbeginn 34 Angriffe auf Journalisten registriert worden. Zehn Journalisten wurden körperlich angegriffen, drei Angriffe richteten sich gegen ihr Eigentum. In weiteren Fällen wurden Medienvertreter verbal attackiert oder unter Druck gesetzt. Dies teilte der serbische Journalistenverband NUNS am Dienstag in Belgrad mit. Im Vergleich zum Vorjahr hätte sich die Situation verschlechtert, hieß es bei einer Pressekonferenz des Medienverbandes. 2014 wurden vom Journalistenverband NUNS 22 Angriffe auf Journalisten registriert. Die Medienfreiheit sei stark gefährdet, kritisierten NUNS-Vertreter. Eine Umfrage habe jüngst außerdem an den Tag gelegt, dass 20 Prozent der Journalisten in Serbien zur Selbstzensur bereit wäre, um sich ein stabiles Einkommen zu sichern. Laut Diplomaten kommt das Nichtverlängern eines Presseausweises faktisch einer Ausweisung gleich. Peking – Eine französische Journalistin muss China wegen unliebsamer Berichterstattung zum Jahresende verlassen. Der Staat werde den Presseausweis der Korrespondentin des Nachrichtenmagazins Le Nouvel Observateur, Ursula Gauthier, nicht verlängern, bestätigte das Außenministeriums am Samstag auf seiner Webseite. Zwar garantiere China die Rechte ausländischer Medien und Journalisten. Aber es werde niemals die Freiheit tolerieren, sich für den Terrorismus auszusprechen, wurde Außenamtssprecher Lu Kang zitiert. Die Journalistin hatte im November in einem Artikel kritisiert, dass Chinas Bekundung der Solidarität mit Frankreich nicht ohne Hintergedanken sei. Peking wolle sich vielmehr Zustimmung für seine umstrittene Politik gegenüber den muslimischen Uiguren in der Unruheprovinz Xinjiang sichern. Das Außenministerium hatte der Korrespondentin des Nachrichtenmagazins Le Nouvel Observateur bereits am Freitag telefonisch mitgeteilt, dass sie keinen neuen Presseausweis erhalte werde, wenn sie sich nicht öffentlich für einen Bericht zu Pekings Reaktion auf die Terroranschläge von Paris entschuldige. Laut Diplomaten kommt das Nichtverlängern des Presseausweises faktisch einer Ausweisung gleich. Ein solcher Schritt sei laut Gesetz möglich, wenn er der "nationalen Sicherheit" diene. Istanbul – Nach dem mutmaßlichen Anschlag in der türkischen Millionenmetropole Istanbul hat die Regierung eine Nachrichtensperre verhängt. Zur Begründung teilte die Medienaufsicht RTÜK am Dienstag mit, ein solcher Schritt sei laut Gesetz möglich, wenn er der nationalen Sicherheit diene. Eine dpa-Reporterin wurde an der Absperrung daran gehindert, Fotos vom Ort der Detonation zu machen. Die Polizisten verlangten ihren Presseausweis, um ihn zu überprüfen. Eine Moderatorin von CNN Türk sagte, wegen der Nachrichtensperre könne der Sender nur noch eingeschränkt berichten. Nach Informationen der staatlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu gab es mindestens zehn Tote. 15 weitere Menschen seien verletzt worden. Ob unter den Opfern auch Österreicher waren, war zunächst noch unklar, hieß es aus dem Außenministerium auf Anfrage der APA. Journalisten begrüßen Entscheidung. Harare – Das Verfassungsgericht in Simbabwe hat mit der Annullierung eines umstrittenen Gesetzes die Pressefreiheit in dem Land im südlichen Afrika gestärkt. Nach dem Urteil der neun Richter in Harare sollen Journalisten nun nicht mehr wegen übler Nachrede strafrechtlich verfolgt werden können. Das ist ein wichtiger Schritt in Richtung Meinungsfreiheit in Simbabwe, erklärte das in New York ansässige Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) am Mittwochabend. Die Regierung hat die Kriminalisierung übler Nachrede zu oft als Maulkorb für unabhängige Journalisten eingesetzt, sagte der CPJ-Direktor Robert Mahoney. Die Klage war von vier betroffenen örtlichen Journalisten und vom Medieninstitut für das Südliche Afrika (MISA) eingereicht worden. Die Organisation begrüßte das Urteil vom Mittwoch und betonte, dass es in einer demokratischen Gesellschaft keinen Platz für eine Unterdrückung der Meinungsfreiheit gebe. Der Kampf gehe weiter. Simbabwe rangiert auf dem Index für Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen von 180 beobachteten Ländern auf Platz 131. Der Organisation zufolge werden Journalisten und Medienhäuser dort regelmäßig eingeschüchtert. Anna Therese Day und ihrem Kamerateam wird vorgeworfen, bei der Einreise falsche Angaben gemacht zu haben. Dubai/Washington – Die Menschenrechtsorganisation Reporter ohne Grenzen forderte am Montag die Regierung des Königreichs Bahrain auf, die US-Journalistin Anna Day (26) und drei Mitglieder ihrer Kamera-Crew wieder freizulasssen. Day und ihre Mitarbeiter waren am Sonntag festgenommen worden – laut der bahrainischen Zeitung Mira‘at al-Bahrain während sie das Vorgehen der Sicherheitsbehörden im von Schiiten bewohnten Dorf Sitra während Protesten dokumentierten. Laut Angaben des bahrainischen Innenministeriums machten die US-Journalisten bei der Einreise falsche Angaben und nahmen an einer gesetzwidrigen Versammlung teil. Einer der Journalisten habe sich an gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt. Days Familie appellierte an die Behörden, die Journalisten freizulassen. Die Behauptung, dass sie an illegalen Aktivitäten beteiligt waren oder irgendwas anderes getan haben, als ihrer journalistischen Arbeit nachzugehen, ist unmöglich, sagte ein Sprecher der Familie in einer Mitteilung. Das arabische Königreich Bahrain wird von einem sunnitischen Herrscherhaus regiert. Die Mehrheit der Bevölkerung ist jedoch schiitisch. Während der arabischen Aufstände vor fünf Jahren ließ die Regierung Proteste von Schiiten mit Gewalt niederschlagen. (Reuters, APA, red) Verfassungsgericht hatte Haft für nicht rechtens erklärt. Istanbul – Die seit drei Monaten inhaftierten türkischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül sind wieder frei. Die beiden hätten Freitagfrüh das Silivri-Gefängnis in Istanbul verlassen, berichteten türkische Medien. Das Verfassungsgericht hatte das Vorgehen gegen den Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet und seines Bürochefs in Ankara am Vortag für nicht rechtens erklärt. Mit zwölf gegen drei Richterstimmen hatte es entschieden, dass die Rechte auf persönliche Freiheit und Sicherheit von Dündar und Gül verletzt wurden. Der Fall hatte auch international scharfe Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdoğan ausgelöst. Die beiden Männer wurden von ihren Familien und Kollegen vor dem Gefängnistor jubelnd empfangen. Die für Terrordelikte zuständige Staatsanwaltschaft in Istanbul wirft den Journalisten, die Ende November in U-Haft kamen, Spionage und einen Umsturzversuch gegen die Regierung vor. Sie sollen mit Berichten über Waffenlieferungen des türkischen Geheimdiensts an islamistische Rebellen in Syrien Staatsgeheimnisse verraten haben. Die Staatsanwaltschaft forderte lebenslange Haft. Die Festnahmen hatten in der Türkei und anderen Ländern Empörung ausgelöst. Der Fall gilt als Beispiel für eine zunehmende Unterdrückung der Presse unter Erdoğan. Der Europarat und mehrere Journalistenverbände kritisierten die Inhaftierungen. Dündar warf der EU vor, die Drangsalierung der türkischen Medien Türkei aus Rücksicht auf die erhoffte Zusammenarbeit mit der Türkei in der Flüchtlingsfrage totzuschweigen. Die zwei Reporter Can Dündar und Erdem Gül wurden zwar freigelassen, doch noch immer droht ihnen Haft – Sie zeigen sich dennoch kämpferisch. Istanbul – Wir wollten Erdogan ein Geburtstagsgeschenk machen, sagt der Chefredakteur der regierungskritischen Cumhuriyet, Can Dündar, vor laufenden Kameras. Denn an diesem Freitag hat der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan Geburtstag. Neben Dündar steht sein Hauptstadtkorrespondent Erdem Gül ein wenig ungläubig schauend. Dann lächelt Dündar und wünscht dem Staatsoberhaupt alles Gute. Rund drei Monate nach ihrer Festnahme wurden Freitag früh die beiden prominenten türkischen Journalisten Dündar und Gül von der Tageszeitung Cumhuriyet nach einer Entscheidung des obersten Gerichtshofes aus der Haft entlassen. Aber immer noch droht den beiden lebenslange Haft, das Verfahren gegen sie wurde nicht eingestellt. Bis zum Beginn ihres Prozesses am 25. März dürfen sie damit auf freiem Fuß sein, jedoch nicht die Türkei verlassen. Dündar und Gül wurden von ihren Familien und Kollegen vor dem Gefängnistor mit Applaus empfangen. Ich denke, das ist eine historische Entscheidung, sagte Dündar. Das Urteil sei auch ein Sieg für andere Journalisten und die Meinungs- und Pressefreiheit. Und: Sie werden es bereuen, dass sie uns inhaftiert haben. Als Journalisten würden sie weitermachen und hätten noch weitere Geschenke für Erdogan, kündigte Dündar an. Dann erinnerte er an jene Journalisten, die immer noch in türkischen Gefängnissen sitzen. Die Cumhuriyet jubelte in ihrer Onlineausgabe: Es gibt noch Richter in der Türkei. Die Präsidentin von Reporter ohne Grenzen Österreich (ROG), Rubina Möhring, lobte die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Sie mahnte aber auch: Der Haftentlassung muss nun die Einstellung des immer noch drohenden Verfahrens und die Aufhebung aller absurden Vorwürfe folgen. Man sei wegen des drohenden Verfahrens immer noch extrem besorgt, so Möhring. Dündar und Gül stehen nur vor Gericht, weil sie ihre journalistische Arbeit getan haben. Dündar und Gül waren am 26. November vergangenen Jahres wegen des Verdachts auf Spionage und Geheimnisverrats in Haft genommen worden. Davon saßen sie insgesamt 40 Tage in Isolationshaft. Die Staatsanwaltschaft forderte lebenslänglich. Ihre Verbrechen: Die Zeitung hatte im Mai zuvor Bilder veröffentlicht, die Lastwagen des türkischen Geheimdienstes MIT zeigen sollen, als diese Anfang 2014 Waffen über die Grenze nach Syrien transportiert haben sollen. Der Moment, in dem der Staat scheitert, lautete eine der dazugehörigen Cumhuriyet-Schlagzeilen. Staatspräsident Erdogan selbst hatte daraufhin Anzeige gegen die Journalisten erstattet. Er drohte im Staatssender TRT damit, der Journalist werde einen hohen Preis für die Veröffentlichung zahlen und nicht ungestraft davonkommen. Zwar nannte er nicht den Namen Dündar, aber jedem war klar, wen er meinte. Schon zuvor hatte es immer wieder Berichte und Geschichten über Waffenlieferungen nach Syrien an islamistische Kämpfer gegeben. Ankara hatte diese bisher immer zurückgewiesen, und erklärt, es handle sich um humanitäre Sendungen für die turkmenische Minderheit im Nachbarland. Doch noch nie zuvor wurden Journalisten so sehr wegen solch eines Berichtes unter Druck gesetzt, wie Dündar und Gül. Als kurz nach ihrer Festnahme am 30. November ein EU-Sondergipfel anlässlich der Flüchtlingskrise stattfand, baten die zwei in einem offenen Brief aus dem Silivri-Gefängnis um Beistand. Wir hoffen aber auch, dass die bestmögliche Lösung für die Flüchtlingskrise Sie nicht daran hindern wird, weiterhin die westlichen Werte wie Bürgerrechte, Meinungs- und Pressefreiheit hoch zu halten und sie zu verteidigen, schrieben sie, und weiter: In diesem Sinne bitten wir Sie gerade jetzt sehr eindringlich um Ihre Solidarität. Im Namen aller in der Türkei verhafteten Journalisten. Willkommen zurück, schriebt der prominente Journalist Hasan Cemal in der Internetzeitung T24 am Freitag. Ein Licht der Hoffnung ist in der Dunkelheit erschienen, freut sich Cemal, und weiß. Aber es gibt noch viel zu tun. Kolumnist Bag rechnet, dass es regierungskritische Zeitung in wenigen Wochen nicht mehr geben wird. Ankara/Berlin/Wien – Als einen Akt des staatlichen Terrors bezeichnet Süleyman Bag die Zwangsübernahme der türkischen Tageszeitung Zaman und der Nachrichtenagentur Cihan durch die konservativ-islamische Regierung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan. Der Chefredakteur der deutsch-türkischen Plattform DTJ-Online, Zaman-Kolumnist und frühere Chefredakteur von Zaman Deutschland war am Montag auf Besuch in Wien. Am 4. März, kurz vor Mitternacht, stürmte die türkische Polizei das Gebäude von Zaman, ging mit Wasserwerfern, Tränengas und Platzpatronen gegen friedliche Demonstranten vor. Mit der feindlichen Übernahme hat die Pressefreiheit in der Türkei einen neuen Tiefpunkt erreicht, kommentiert Bag die Ereignisse, durch die die regierungskritischen Medien ausgeschaltet wurden. Druck auf Journalisten werde unter Erdogan systematisch ausgeübt, sagt Bag. Wie jetzt mit Zaman und Cihan verfuhr Erdogan mit der regierungskritischen Ipek-Holding. Es ist damit zu rechnen, dass es Zaman in wenigen Wochen nicht mehr gibt, warnt Bag. Die Auflage der einst größten Zeitung des Landes schrumpfte von 650.000 auf 18.000 Exemplare. Zaman-Chefredakteur Abdülhamit Bilici stehe unter Beobachtung und sei mit Repressalien konfrontiert, berichtet Bag. Wie in Deutschland gibt es auch in Österreich eine Niederlassung von Zaman. In Wien produziert Bilal Baltaci mit zwei weiteren Redakteuren eine Wochenzeitung. Wie in der Türkei werde jetzt in Deutschland und in Österreich Druck auf Werbekunden ausgeübt: Kunden haben Angst zu schalten, sagt Baltaci. Vertriebspartner würden falsch informiert. Das deutsche Büro zählt 23 Redakteure und produzierte bis vor der Übernahme 30.000 Stück, jetzt nur noch 14.000. In Wien habe sich die Auflage von 5000 Stück ebenso halbiert, sagt Baltaci. Gleichzeitig erstarken Gegenbewegungen: Die Kollegen haben nicht aufgegeben, sagt Bag. Es werde eine neue Zeitung produziert mit einer starken Auflage von 200.000 Exemplaren. Selbstkritik übt Bag an seiner Zeitung, weil bei Protesten im Gezi-Park 2013 gegen Demonstranten geschrieben wurde: Wir haben die Lage falsch eingeschätzt. Von den Anschlägen in Ankara vom Sonntag distanziert er sich: Wir alle verurteilen diese Handlungen, egal wer der Attentäter ist. Den EU-Deal mit der Türkei sieht er als problematisch, weil die Auseinandersetzung unabhängig von Werten geführt werde, für die die EU stehe. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis wird Haidar am 23. April im Rahmen eines öffentlichen Festakts in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt entgegennehmen. Riad/Frankfurt/Wien – Der in Saudi-Arabien zu zehn Jahren Haft und 1.000 Peitschenhieben verurteilte Blogger Raif Badawi und seine Frau, die Menschenrechtsaktivistin Ensaf Haidar, werden mit dem Deschner-Preis der Giordano-Bruno-Stiftung ausgezeichnet. Den mit 10.000 Euro dotierten Preis wird Haidar am 23. April im Rahmen eines öffentlichen Festakts in der Deutschen Nationalbibliothek Frankfurt entgegennehmen. Mit der Preisvergabe ehrt die Giordano-Bruno-Stiftung Raif Badawi und Ensaf Haidar für ihren gemeinsamen, mutigen und aufopferungsvollen Einsatz für Säkularismus, Liberalismus und Menschenrechte, der weit über Saudi-Arabien hinaus Bedeutung hat, erklärte der Stiftungs-Vorstandssprecher Michael Schmidt-Salomon am Mittwoch in einer Presseaussendung. Zugleich soll der Festakt dazu dienen, die Aufmerksamkeit der deutschen Medien und der deutschen Politik noch einmal auf die skandalöse Behandlung Badawis zu lenken. Der Deutsche Bundestag hat zwar Ende Jänner die unverzügliche Freilassung des Sacharow-Preisträgers gefordert, sich aber mehrheitlich nicht dazu entschließen können, stärkeren Druck auf Saudi-Arabien auszuüben, was wir für einen schweren Fehler halten, so Schmidt-Salomon. Österreichische Politiker wie Bundespräsident Heinz Fischer und Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) haben mehrfach Badawis Freilassung gefordert. Aus dem saudischen Außenministerium hieß es, man verbitte sich jede Einmischung. Mit dem Deschner-Preis werden Menschen ausgezeichnet, die sich in herausragender Weise auf dem Gebiet der Religions- und Ideologiekritik engagiert haben. Das Europaparlament zeichnete den Blogger 2015 mit dem Sacharow-Menschenrechtspreis aus, den ebenfalls seine Frau Ensar Haidar in Straßburg entgegen nahm. Der saudische Blogger Raif Badawi war im Mai 2014 zu zehn Jahren Haft, 1.000 Stockhieben, einem 20-jährigen Arbeitsverbot und einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er in Internetforen den Islam beleidigt haben soll. Die ersten 50 Stockhiebe hat er bereits erhalten, die weiteren Hiebe wurden vorläufig ausgesetzt, offiziell aus Gesundheitsgründen. Der Vorstoß des Militärs folgt ähnlichen Maßnahmen Erdogans, der ein Gülen nahestehendes Blatt unter staatliche Aufsicht stellen ließ. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Türkischer Präsident im CNN-Interview: "Führe keinen Krieg gegen die Medien". Ankara/Washington – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat die Medien bei aller Kritik zu einem fairen Umgang mit der Politik aufgefordert. Wir sollten Kritik nicht mit Beleidigungen und Diffamierung verwechseln, sagte der Staatschef im Interview mit dem Sender CNN am Donnerstag (Ortszeit). Es müsse Grenzen geben, auch für Satire. Es sei nicht in Ordnung, ein Thema in einer Karikatur bis zur Unkenntlichkeit zu verbiegen, sagte Erdogan in der CNN-Sendung Amanpour. Es sei nur natürlich, dass er in so einer Situation Rechtsanwälte einsetze, um zu seinem Recht zu kommen. In Deutschland hatte das NDR-Fernsehmagazin extra 3 am 17. März einen satirischen Beitrag über Erdogan ausgestrahlt, der auf YouTube mittlerweile fast fünf Millionen Mal angeklickt wurde. Der Beitrag des Satire-Magazins mit der Musik von Nenas Hit Irgendwie, irgendwo, irgendwann enthält Textzeilen, wie Ein Journalist, der irgendwas verfasst, was Erdogan nicht passt, ist morgen schon im Knast. Der türkische Präsident reagierte erbost, der deutsche Botschafter in Ankara wurde einbestellt. Im Interview mit der CNN-Journalistin Christiane Amanpour betonte Erdogan, dass er keinen Krieg gegen die Medien führe. Wir haben nie etwas getan, um die Medienfreiheit einzuschränken. Die türkische Regierung habe viel Geduld gezeigt. Deutschland will prüfen – Böhmermann-Unterstützung von Springer-Chef Döpfner. Berlin/Ankara – Die türkische Regierung hat in einer Verbalnote an das deutsche Außenministerium die Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen seines Erdogan-Gedichts gefordert. Regierungskreise bestätigten am Sonntag einen entsprechenden Bericht des Tagespiegel. Der türkische Botschafter in Deutschland übermittelte die Forderung. Regierung will zügig entscheiden Die deutsche Regierung werde den Inhalt der Note sorgfältig prüfen und zügig entscheiden, wie mit dem Verlangen nach Strafverfolgung umzugehen sei, hieß es. Dazu würden Mitarbeiter des Kanzleramts, des Auswärtigen Amts und des Justizministeriums Anfang der kommenden Woche zusammenkommen. Schmähkritik in Neo Magazin Royale Böhmermann hatte das Gedicht über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mit dem Titel Schmähkritik am 31. März in seiner satirischen TV-Show Neo Magazin Royale präsentiert – und vorher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Seitdem ermittelt die Staatsanwaltschaft. Unterstützung von Döpfner Am Sonntag erhielt Jan Böhmermann Unterstützung von Springer-Chef von Mathias Döpfner. Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht, schreibt er in einem Offenen Brief, der am Sonntag in der Welt veröffentlicht wurde. Dass Ihr Gedicht geschmacklos, primitiv und beleidigend war, war ja – wenn ich es richtig verstanden habe – der Sinn der Sache, schreibt Döpfner, sie haben doch einfach alle beleidigenden, insbesondere alle in der muslimischen Welt beleidigenden Stereotype zusammengerafft, um in grotesker Übertreibung eine Satire über den Umgang mit geschmackloser Satire zu machen. Auch Komiker Dieter Hallervorden nimmt sich der Causa und legt mit Erdogan, zeig mich an! ein eigenes Spottlied nach. Hallervorden nennt darin Erdogan einen Terroristen und erinnert ihn: Viele User sind noch frei – auch in der Türkei. Zeitpunkt der Behandlung unklar – Regierung kann über Leitungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden. Warschau – Die polnische Oppositionspartei Nowoczesna hat das umstrittene Mediengesetz der nationalkonservativen Regierung vor das Verfassungsgericht gebracht. Auch Vertreter anderer Oppositionsparteien hätten den Antrag unterschrieben, das Gesetz auf seine Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen, sagte die Nowoczesna-Abgeordnete Marta Golbik am Donnerstag in Warschau. Nach dem Ende Dezember erlassenen Gesetz kann die Regierung über Leitungsposten in den öffentlich-rechtlichen Medien entscheiden. Seit Anfang des Jahres ist ein Vertreter der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) Fernsehdirektor. Zahlreiche leitende Redakteure wurden entlassen, andere kündigten von sich aus. Unklar ist, wann das auch von EU-Vertretern und internationalen Journalistenorganisationen kritisierte Gesetz vom Verfassungsgericht untersucht wird. Nach dem ebenfalls im Dezember verabschiedeten Gesetz über das Verfassungsgericht muss das Tribunal die Fälle in chronologischer Reihenfolge bearbeiten. Die Verfassungshüter hatten dieses Gesetz im März für verfassungswidrig erklärt. Die Warschauer Regierung weigert sich jedoch, das Urteil anzuerkennen. Prüfung soll ein paar Tage dauern – Vorsitzender des Journalistenverbands fände Verfahren in Ordnung, rechnet aber nicht mit Anklage. Berlin/Ankara/Mainz – Die Affäre um ein Gedicht des Satirikers Jan Böhmermann wird mitten in der Flüchtlingskrise zunehmend zu einer Bewährungsprobe für die deutsch-türkischen Beziehungen. Der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert bestätigte am Montag, dass die Türkei eine Verbalnote im deutschen Außenministerium eingereicht habe mit der Aufforderung, gegen den ZDF-Moderator ein Strafverfahren einzuleiten. Die Anfrage werde nun geprüft, sagte Seibert und betonte mit Blick auf die Freiheit von Kunst und Presse: Die Grundwerte des Grundgesetzes sind unverhandelbar. Hintergrund ist ein als Schmähkritik vorgetragenes Gedicht Böhmermanns über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in der ZDF-Sendung Neo Magazin Royale. Die türkische Regierung bezieht sich mit ihrer Forderung auf Paragraf 103 des deutschen Strafgesetzbuchs. Darin heißt es: Wer ein ausländisches Staatsoberhaupt (...) beleidigt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe, im Falle der verleumderischen Beleidigung mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Die deutsche Regierung muss nun dazu Stellung beziehen. Gibt sie der Aufforderung der Türkei statt, nimmt die Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Laut Seibert prüfen derzeit Mitarbeiter von Auswärtigem Amt, Kanzleramt und Justizministerium die türkische Forderung. Auf welcher Ebene die Prüfung laufe, wollte er nicht sagen. Die Minister seien daran zunächst aber nicht beteiligt. Die Prüfung werde ein paar Tage dauern, aber nicht Wochen. Dem Ergebnis wolle er nicht vorgreifen. In der Sache hatte sich Böhmermann auch an Kanzleramtsminister Peter Altmaier gewandt. Dieser lehnte eine Stellungnahme mit der Begründung ab, die Anfrage Böhmermanns sei privat gewesen. Die Staatsanwaltschaft Mainz, die schon wegen mehrerer Anzeigen gegen Böhmermann und ZDF-Verantwortliche ermittelt, wurde nach eigenen Angaben bisher nicht über das Strafverlangen der Türkei informiert. Hier liegt noch nichts vor, und ich bin auch von keiner amtlichen Seite diesbezüglich unterrichtet, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller mit. Für eine Strafverfolgung in solchen Fällen brauche es neben dem Strafverlangen auch eine entsprechende Ermächtigung der Regierung. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbands (DJV), Frank Überall, findet ein Strafverfahren gegen Böhmermann grundsätzlich in Ordnung. Aufgabe der Staatsanwaltschaft ist dabei aber immer, Be- und Entlastendes zusammenzutragen, sagte Überall am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der starke Protest Erdoğans gegen die NDR-Satiresendung Extra 3 – was Auslöser für Böhmermanns Schmähgedicht war – sei zwar eine instinktlose Provokation gewesen, sagte Überall. Böhmermann hat darauf aber mit einer nicht minder instinktlosen Provokation reagiert. Er habe damit rechnen müssen, dass die Schmähkritik an Erdoğan juristisch auf den Prüfstand gestellt werde. Ein Strafverfahren wäre völlig in Ordnung, sagte der DJV-Chef, der allerdings nicht damit rechnet, dass das Gericht Anklage erhebt. Und ich kann und will mir nicht vorstellen, dass Böhmermann tatsächlich verurteilt wird. Der Satiriker habe mit seinem Gedicht außerdem eine Debatte darüber ausgelöst, was Satire darf. Das muss man ihm zugutehalten. In der Türkei dürften wir diese Diskussion mit Sicherheit nicht führen. Und ich bin glücklich, in einem Land zu leben, in dem das möglich ist. Das ZDF will Böhmermann trotz des Ärgers die Treue halten. Dessen Neo Magazin Royale stehe nicht zur Disposition, teilte der Sender mit. Die Sendung wird wie bisher fortgeführt. Die Late-Night-Show werde am Donnerstagabend in der Mediathek und auf ZDF neo sowie am Freitag im ZDF zu sehen sein. Das Gedicht hatte das ZDF jedoch nach der Sendung vom 31. März aus seiner Mediathek entfernt. Böhmermann, der am Freitagabend für eine frühere Satireaktion (Varoufake) in Abwesenheit den begehrten Grimme-Preis erhielt, hält sich seit Tagen aus der öffentlichen Diskussion heraus. Eine Einladung zur Talkshow von Anne Will schlug er aus – die Runde diskutierte am Sonntagabend in der ARD das Thema Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?. Unterstützung erhielt Böhmermann von Springer-Chef Mathias Döpfner. Ich finde Ihr Gedicht gelungen. Ich habe laut gelacht, schrieb er in einem offenen Brief, der am Sonntag in der Welt veröffentlicht wurde. Dass Ihr Gedicht geschmacklos, primitiv und beleidigend war, war ja – wenn ich es richtig verstanden habe – der Sinn der Sache, schrieb Döpfner, sie haben doch einfach alle beleidigenden, insbesondere alle in der muslimischen Welt beleidigenden Stereotype zusammengerafft, um in grotesker Übertreibung eine Satire über den Umgang mit geschmackloser Satire zu machen. Auch Komiker Dieter Hallervorden nahm sich der Causa an und legte mit Erdoğan, zeig mich an! ein eigenes Spottlied nach. Hallervorden nennt Erdoğan darin einen Terroristen und erinnert ihn: Viele User sind noch frei – auch in der Türkei. Ebru Umar war nach Kritik an Präsident Erdogan festgenommen worden. Einem "Bild"-Fotoreporter wurde die Einreise in die Türkei verweigert. Istanbul/Den Haag – Die niederländische Journalistin Ebru Umar, die nach Kritik an Präsident Recep Tayyip Erdogan in der Türkei zur Befragung festgenommen worden war, ist wieder frei. Sie dürfe das Land aber nicht verlassen, schrieb die türkischstämmige Journalistin am Sonntag auf Twitter. Grund der Festnahme seien zwei kritische Tweets gewesen. Umar war in der Nacht auf Sonntag festgenommen worden. Nach Angaben des niederländischen Außenministeriums ist unklar, was ihr zur Last gelegt wird. Außenminister Bert Koenders begrüßte die Freilassung, betonte jedoch, dass damit das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei. Er hatte bei seinem türkischen Amtskollegen gegen die Festnahme protestiert und erklärt, dass die Meinungsfreiheit ein hohes Gut sei. Das müsse auch ein Bewerberstaat für die EU-Mitgliedschaft respektieren. Umar betonte, dass sie von der Polizei gut behandelt worden sei. Ich will so schnell wie möglich in die Niederlande zurück, sagte sie. Wann der Landesarrest, wie sie sagte, aufgehoben werde, konnte sie nicht sagen. In der Nacht hatte die Kolumnistin selbst auf Twitter mitgeteilt, dass sie in ihrem Ferienhaus im westtürkischen Kusadasi festgenommen worden sei. Ebru hatte sich in Kolumnen in der niederländischen Tageszeitung Metro und auf Twitter häufig sehr kritisch über Erdogan geäußert. Etwa eine Stunde vor der Festnahme hatte ihr jemand auf Twitter mitgeteilt, dass er wegen ihrer Tweets die Polizei alarmiert habe. Die Bild-Zeitung berichtet unterdessen über die Behinderung eines ihrer Reporter in der Türkei. Der griechische Fotojournalist Giorgos Moutafis sei am Samstagabend auf dem Atatürk-Flughafen in Istanbul zur Rückreise nach Athen gezwungen worden, meldet die deutsche Zeitung am Sonntag. Eigentliches Ziel seiner Reise sei Libyen gewesen. Laut Bild wurde dem Reporter bei der Passkontrolle erklärt, sein Name stehe auf einer Liste von Personen, die nicht in die Türkei einreisen dürften. Die Gründe dafür seien nicht genannt worden. Auch dem deutschen Außenministerium sei nicht bekannt, auf welcher Grundlage eine Einreise in die Türkei verweigert worden ist, schrieb die Zeitung. In der vergangenen Woche wurde bereits dem ARD-Journalisten Volker Schwenck die Einreise in die Türkei verweigert. Der Leiter des ARD-Studios in Kairo wollte von Istanbul weiter in das türkisch-syrische Grenzgebiet reisen, um dort mit syrischen Flüchtlingen zu sprechen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte dazu, Schwenck habe vor seiner Einreise keinen Antrag auf journalistische Tätigkeit gestellt. In der Türkei ist derzeit ein starker Anstieg von Prozessen gegen Kritiker des seit 2014 amtierenden und zunehmend autoritär herrschenden Erdogan zu beobachten. Derzeit laufen rund 2.000 Verfahren, viele gegen Künstler, Journalisten und Intellektuelle, aber auch gegen Privatpersonen. Die ehemalige Chefredakteurin der unter staatliche Aufsicht gestellten Zeitung Zaman sagte im März, sie werde aus Angst vor Repressalien nicht aus Belgien in die Türkei zurückkehren. Der "Spiegel"-Korrespondent wurde bedroht, musste die Türkei verlassen und berichtet seit März aus Wien. Von der Politik wünscht er sich mehr Rückendeckung für Journalisten. STANDARD: Sie mussten die Türkei verlassen, haben keine Akkreditierung mehr bekommen. Wurde Ihnen jemals der Grund genannt? Kazim: Offiziell heißt es immer noch, meine Akkreditierung werde geprüft. Mir wurde immer am Telefon gesagt, dass das mit einem Wechsel an der Spitze des Presseamts zu tun habe. Deswegen würde das so lange dauern. Ich halte das für einen vorgeschobenen Grund. Es haben viele deutsche Journalisten keine Akkreditierung bekommen. Und mir war klar, dass ich die Akkreditierung als einer der Letzten bekommen würde. In Wahrheit hat das damit zu tun, dass einzelnen Leuten in der Regierung nicht gefällt, was ich schreibe. STANDARD: Begonnen haben diese Probleme nach Ihren Berichten vom Bergwerkunglück in Soma 2014. Kazim: Genau. Ich hatte 2014 darüber geschrieben und einen Überlebenden mit den Worten zitiert: Scher dich zum Teufel, Erdogan! Dieses Zitat wurde mir in den Mund gelegt. Zunächst von AKP-Trollen im Internet, dann griffen es auch die regierungsnahen Zeitungen auf und schrieben, dass ich der Journalist sei, der Erdogan beleidigt habe. Danach berichteten regierungskritische Zeitungen darüber mit dem Duktus: Endlich kritisiert jemand Erdogan!‘ Damit war die Behauptung, ich hätte das gesagt, kaum mehr aus der Welt zu kriegen. Die Drohungen nahmen zu, tausende davon kamen über Twitter, Facebook, E-Mail. Die Leute erkannten mich sogar auf der Straße. STANDARD: Sie fühlten sich bedroht? Kazim: Ja, aber es war vor allem eine virtuelle Bedrohung, da die meisten Drohungen ja über das Internet kamen. Meine Frau und ich entschieden deshalb, in der Türkei zu bleiben. Aber meine Redaktion war dann der Meinung, dass es zu gefährlich sei. Es reiche ja, wenn einer davon es ernst meint. Ich wurde also gebeten, das Land zu verlassen. Letztlich hatten die Kollegen recht. STANDARD: Sie waren dann für kurze Zeit in Deutschland. Kazim. Ja. In der Zeit war auch zufällig Erdogan in Köln. Dort hat er mich zweimal in seiner Rede erwähnt. Ich war bei der Veranstaltung, wurde dort ausgebuht. Von 15.000 Leuten. In dem Moment wurde mir klar, warum der Veranstalter UETD (Union Europäisch-Türkischer Demokraten, Anm.) darauf beharrt hatte, dass ich Bodyguards bekomme. Die Aggression gegen mich war massiv spürbar. STANDARD: Was hätte Ihnen passieren können, wenn Sie jetzt nicht die Türkei verlassen hätten? Eine Anklage wegen Präsidentenbeleidigung? Oder ein Prozess wegen Unterstützung einer terroristischen Organisation, wie es Can Dündar, dem Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet, noch bevorsteht? Kazim: Das wurde mir von mir nahestehenden Personen, auch von Staatsanwälten, so gesagt. Auch von deutscher Seite wurde ich gewarnt, dass das alles möglich sei. Ich wurde gewarnt, dass ich vorsichtig sein soll. Anklagen wegen dieser zwei Punkte sind ja die klassischen Vorwürfe gegen Journalisten. Das stand im Raum. Wenn gegen mich eine Anklage gekommen wäre, wäre ich mit einer Ausreisesperre belegt worden. Dann hätte ich das Land nicht mehr verlassen können, wäre in der Türkei gefangen gewesen und hätte auch als Angeklagter nicht mehr schreiben können. Wir haben also entschieden, es nicht so weit kommen zu lassen. Ein geschickter Schachzug der Regierung in der Türkei. Auf diese Weise hat sie es geschafft, mich aus dem Land zu drängen. Und offiziell kann sie sagen, sie prüfe noch immer. STANDARD: Führen diese Einschüchterungsversuche gegenüber Journalisten auch zu einer Art Selbstzensur? Kazim: Das hängt natürlich immer von den einzelnen Personen ab. Ich kenne Kollegen, die sehr vorsichtig geworden sind. Auch ich habe immer genau überlegt, was ich schreibe und wie ich das formuliere. Aber das mit dem Zitat im Titel würde ich wieder machen. Das muss einfach möglich sein. Es geht nicht nur um das Schreiben, sondern auch um das Recherchieren. Kollegen von mir wurden festgehalten, nur weil sie mit syrischen Flüchtlingen gesprochen haben. Es wird auch nicht gerne gesehen, wenn Journalisten in von Kurden besiedelte Gebiete reisen. Die Regierung will nicht, dass man sieht, auf welche Art und Weise dort vorgegangen wird. Weil es dort nicht nur um einen Kampf gegen Terrorismus, sondern auch um Grausamkeiten gegen die Zivilbevölkerung geht. Das ist nicht verhältnismäßig. Die Journalisten dort einzuschüchtern hat sich in den vergangenen Monaten massiv verstärkt. Ich kenne zwar keinen Kollegen, der deshalb sagt, dass er nicht mehr dorthin fährt, aber es ist eine gewisse Sorge da. Ich halte es auch für problematisch, wenn die Politik dazu schweigt. STANDARD: Sind Sie zufrieden, wie die deutsche Politik in Ihrem Fall gehandelt hat? Kazim: Kanzlerin Merkel hat meinen Fall zweimal angesprochen, die deutsche Botschaft in Ankara war sehr engagiert und hat sich im Hintergrund bemüht. Aber sie haben sich nicht öffentlich dazu geäußert mit dem Argument, dass das ein Gesichtsverlust für die Türken wäre und letztlich nicht zum Ziel meiner Akkreditierung führen würde. Diese Argumentation konnte ich nachvollziehen. Wir sehen daran aber auch, dass die Türkei zunehmend die Grenze zur Presseunfreiheit verschiebt. Stichwort: Umgang mit Satire, Einreiseverbot für Journalisten usw. STANDARD: Die Politik soll sich also lauter zu Wort melden? Kazim: Ja, man würde immerhin uns Journalisten damit den Rücken stärken. Es muss jetzt laut und deutlich gesagt werden, dass es so nicht geht. STANDARD: In der Causa Böhmermann hat Merkel es immerhin schon als einen Fehler bezeichnet, dass sie bereits recht früh Böhmermanns Schmähgedicht als bewusst verletzend bezeichnet hatte. Kazim: Ja. Sie meinte auch, dass ihr Urteil damals die Richtung in dem Fall vorgegeben habe. Das sehe ich genauso. Das war ein Fehler. STANDARD: Wie beurteilen Sie, dass Böhmermanns Strafverfolgung zugelassen wird? Kazim: Ich halte das für falsch. Es ist absurd zu sagen, dass wir den Paragrafen 103 für unsinnig halten, aber das Verfahren zulassen. Es wäre ein wichtiges politisches Signal gewesen, die offizielle Strafverfolgung nach diesem Paragrafen nicht zuzulassen. Ich hätte es richtig gefunden, zu sagen: Erdogan steht es frei, persönliche Strafanzeige zu stellen. STANDARD: Vor der Türkei waren Sie als Korrespondent in Pakistan. Wie ist die Lage der Pressefreiheit dort? Kazim: Als Auslandskorrespondent muss man in jedem Land gucken, wo die roten Linien sind. In Pakistan sind Themen wie Religion und die Verbindung zwischen religiösen Extremisten und dem Militär heikel. Dafür kann man über die Regierung schreiben, was man will. Das ist in der Türkei anders. Bei Religion sollte man auch vorsichtig sein, aber das ist nicht ganz so heikel. Viel problematischer ist es, wenn man über die Regierung oder Korruptionsvorwürfe schreibt. Mein subjektives Gefühl als Journalist, der dort gelebt hat: Ich fand es in der Türkei im Vergleich zu Pakistan sehr viel unfreier. Weil die Bedrohung unmittelbarer ist. Man bekommt sofort hunderte Mails, auch weil es viele deutschsprechende Türken gibt. Es ist einfach anstrengender. STANDARD: Sie sind seit kurzem in Wien – geht Ihnen Istanbul ab? Kazim: Die Stadt an sich fehlt mir. Ich bin zum ersten Mal in meinem Leben aus einer Stadt herausgerissen worden. Ich bin nicht freiwillig gegangen. Ich musste gehen, weil die Regierung mir die Akkreditierung verweigert hat. Das macht den Abschied natürlich schwerer. STANDARD: Wann werden Sie wieder hinfahren? Kazim: Mir wird von verschiedenen Seiten derzeit davon abgeraten. An eine Anklage glaube ich nicht, aber es könnte passieren, dass ich nicht hineingelassen werde. Im Moment würde ich mir diese Erfahrung gerne ersparen. STANDARD: Ihr erster Eindruck von Wien? Kazim: Wien war mein erster Wunsch. Nach Pakistan und Istanbul hatten meine Frau und ich die Sehnsucht nach einem ruhigen, stabilen Ort ohne Bomben. Ich werde aber weiter in Krisengebiete reisen, als Basis brauche ich aber derzeit eine stabile Stadt. Wien als Stadt zum Leben funktioniert hervorragend. Umso mehr wundere ich mich, dass hier so viele – auch aus Protest – die FPÖ wählen. Ich bin aber derzeit dabei, zu lernen und zu verstehen, warum. STANDARD: Im Ranking von Reporter ohne Grenzen ist Deutschland – auch wegen Übergriffen auf Journalisten durch Pegida-Aktivisten – um vier Plätze zurückgefallen. Kazim: Für Journalisten ist es auch in Deutschland derzeit eine schwierige Zeit, Stichwort Lügenpresse. Ich habe Sorge, dass man anfängt, dem Leser nach dem Mund zu schreiben. Ich halte auch nichts von dem derzeit beliebten Ansatz, wir müssten den Dialog suchen und mit den Lesern auf Augenhöhe kommunizieren. Wir werden teilweise auf so niedrigem Niveau beschimpft, da will ich keine Augenhöhe. Aber natürlich muss man die Menschen und ihre Sorgen ernst nehmen. Man muss aber auch viel Wert darauf legen, darauf zu pochen, wie wichtig journalistische Arbeit ist, dass sie Geld kostet und es auch Anstrengung seitens der Leser erfordert, Dinge zu durchdringen. Es gibt eben kein Schwarz-Weiß. Verband kritisiert Knappheit an Arbeitsplätzen und finanzielle Engpässe. Bern – Forderungen nach redaktioneller Unabhängigkeit in der Schweiz sind am Dienstag im Zentrum des Tages der Pressefreiheit gestanden. In der Schweiz sind Journalisten laut Gewerkschaft Syndicom zwar kaum an Leib und Leben bedroht. Ihre Arbeit werde aber verschiedentlich behindert. Medienfreiheit bleibe Theorie, wenn die Produktions- und Arbeitsbedingungen unwürdig seien, hieß es in einer Mitteilung. Nur ein fairer Gesamtarbeitsvertrag lege den Grundstein für angemessene Arbeitsbedingungen von festangestellten Medienschaffenden und Freelancern. Und nur mit gut dotierten Redaktionsbudgets lasse sich journalistische Recherche betreiben, betonte Syndicom. Die Medien könnten ihrer Aufgaben als Wachhunde der Demokratie nur bei garantierter Unabhängigkeit gegenüber allen politischen und wirtschaftlichen Akteuren erfüllen. Der Journalistenverband impressum macht darauf aufmerksam, dass die Pressefreiheit auch in der Schweiz beschränkt und gefährdet sei. Die Knappheit an Arbeitsplätzen und die finanziellen Engpässe traditioneller Medien führten zu Medienkonzentrationen und sogar zu Lohndumping. Medienkonzentrationen dünnten die Medienvielfalt aus, Entlassungen bedrohten die Pressefreiheit und außerdem würden ganze Publikationen verschwinden. Nicht selten werde vor Gericht versucht, die Pressefreiheit abzuwürgen, kritisierte impressum. In Bern führten die SRG und der Verband Schweizer Medien eine Tagung zum Thema journalistische Recherche und unzensierte Berichterstattung durch. Recherchefreiheit sei nicht nur eine Freiheit der Medienschaffenden, sondern auch eines der wichtigen Instrumente, um das Funktionieren der Demokratie zu gewährleisten, heißt es in einer Medienmitteilung. In der internationalen Rangliste der Pressefreiheit 2016 von Reporter ohne Grenzen belegt Finnland weltweit erneut den Spitzenrang. Die Schweiz verbesserte sich vom 20. auf den 7. Rang und gehört damit zu den Ländern, die punkto Pressefreiheit innert Jahresfrist die größten Fortschritte erreicht haben. Österreich dagegen fiel um vier Plätze auf den elften Rang zurück. Schritt könnte erneut den Unmut der türkischen Regierung nach sich ziehen. Berlin – Die deutsche Bundesregierung will auch zum Berufungsprozess gegen die regierungskritischen Journalisten Can Dündar und Erdem Gül in der Türkei einen diplomatischen Beobachter ins Gericht schicken. Das kündigte das Auswärtige Amt am Montag in Berlin an. Der Schritt könnte erneut den Unmut der türkischen Regierung nach sich ziehen, die bereits die Beobachtung des ersten Prozesses durch westliche Diplomaten scharf kritisiert hatte. Cumhuriyet-Chefredakteur Dündar war am Freitag in Istanbul zu fünf Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt worden, Ankara-Büroleiter Gül zu fünf Jahren. Am ersten Verhandlungstag war der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, zusammen mit anderen Diplomaten als Beobachter im Gerichtssaal gewesen. Erdmann war im März gleich zweimal ins türkische Außenministerium einbestellt worden, unter anderem ging es dabei um seine Teilnahme an dem Prozess. Nach dem ersten Verhandlungstag fand der Prozess gegen Dündar und Gül bis zur Urteilsverkündung unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Termin für den Berufungsprozess steht noch nicht fest. Regierungssprecher Steffen Seibert sagte, die Bundesregierung gehe davon aus, dass die Türkei die Grundprinzipien ihrer eigenen Verfassung bewahre, insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz und das Recht auf ein faires Verfahren. Dündar und Gül waren wegen der Veröffentlichung geheimer Dokumente verurteilt worden. Hintergrund war ein Cumhuriyet-Bericht über angebliche Waffenlieferungen der Türkei an Extremisten in Syrien. Deutsche Kanzlerin geht auf Distanz und verweist in Telefonat mit Ministerpräsident Davutoglu auf ZDF-Konsequenzen. Berlin/Istanbul – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hat sich von einem Gedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan distanziert. In einem Telefonat mit Ministerpräsident Ahmet Davutoglu seien sich beide am Sonntagabend einig gewesen, dass es sich um einen bewusst verletzenden Text handle, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. Merkel habe auf die Konsequenzen verwiesen, die das ZDF gezogen habe. Zudem habe sie erneut den hohen Wert betont, den die deutsche Regierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Böhmermann hatte in seiner Sendung Neo Magazin Royale ein Gedicht vorgetragen, das als Schmähkritik an Erdogan gekennzeichnet war. Das ZDF hat die Sendung inzwischen aus der Mediathek im Internet entfernt. Die Parodie zum Umgang Erdogans mit Satire entspreche nicht den Ansprüchen, die das ZDF an die Qualität von Satiresendungen stelle, hatte der Sender als Begründung mitgeteilt. Böhmermann selbst hat betont, der Beitrag habe die Grenze der Satire in Deutschland aufzeigen sollen. Der Moderator reagierte mit dem Gedicht auf die Proteste der Türkei an Medienbeiträgen in Deutschland. So war der deutsche Botschafter in der Türkei, Martin Erdmann, unlängst wegen eines Videos in der NDR-Satiresendung Extra 3 ins Außenministerium zitiert worden. In dem Beitrag wird Erdogan wegen seines Vorgehens gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verspottet. Auf die Frage von Journalisten, ob sich Merkel im Gespräch mit Davutoglu für den TV-Beitrag entschuldigt habe, sagte Seibert: Ich habe Ihnen das gesagt, was dazu zu sagen ist. Im übrigen sei es in dem Telefonat ganz wesentlich um die Umsetzung des EU-Türkei-Flüchtlingsabkommens gegangen. Beide seien sich einig gewesen, dass dieses erfolgreich umgesetzt werden müsse. Die Diskussion um das Schmähgedicht über den türkischen Präsidenten Erdoğan hat sich zu einem Politikum entwickelt. Wie beurteilen Sie die Kontroverse?. Die Türkei verlangt eine Strafverfolgung, zudem hat Recep Tayyip Erdoğan mittlerweile auch persönlich Strafantrag gestellt. Jan Böhmermann hatte als Replik auf die Aufregung um einen satirischen Extra 3-Beitrag über den türkischen Präsidenten selbigen in einem Gedicht angegriffen. Aber anders als bei der Reaktion auf den Extra 3 -Beitrag, bei dem die deutsche Bundesregierung die türkische Beschwerde zurückwies, stellt sich das offizielle Deutschland nicht hinter Böhmermann und seine Reime. Mehr noch, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel schaltete sich früh in die Diskussion ein, bezeichnete den Beitrag als bewusst verletzend. In der deutschsprachigen Medienlandschaft ist man sich uneins, was von dem Gedicht zu halten ist. Das Problem ist, dass dieses Gedicht rassistisch ist, heißt es in einem Kommentar auf jetzt.de Es wirke so, als hätte die Redaktion eine Kiste voller Klischees über Kanaken aufgestellt und dann in Reimform gegossen. Dass die Schmähkritik eben nicht Erdoğan treffe, sondern eine Aneinanderreihung von Beschimpfungen sei, mit denen Türken seit Jahrzehnten beleidigt werden würden, ist der Hauptkritikpunkt. Andere wiederum verweisen auf den Kontext: Böhmermann kündigte vor dem Beitrag an, nun ein Beispiel für strafrechtlich relevante Satire zum Besten zu geben. Mit dem Verweis, dass er selbiges natürlich nie tun würde. Böhmermann, so das Fazit des Spiegels, erklärte Satirefreiheit, indem er mit ihr spielte. Im STANDARD-TV-Tagebuch wird argumentiert, dass die Frage, was Satire darf oder nicht, von einem ganz anderen Problem ablenke: Ein Staatsoberhaupt, das es mit Meinungsfreiheit nicht so hat, verlangt von der Regierung eines anderen Landes, gegen diese Form der Kritik vorzugehen. Und wir diskutieren schon wieder, was Satire darf, statt dem einfach nur energisch entgegenzutreten. Nun geht es aber nicht mehr allein darum, ob es sich um eine gelungene Satire handelt oder nicht. Die EU setzt bei der Flüchtlingspolitik auf die Türkei als starken Partner. Durch den Antrag auf Strafverfolgung sind Böhmermanns Zeilen zu einem Politikum geworden. Ungeachtet, ob der Antrag auf Strafverfolgung gebilligt wird oder nicht, ist der Fall Böhmermann ein interessantes Beispiel dafür, wie sich politischer Diskurs und Unterhaltungsindustrie kreuzen. Hätte Jan Böhmermann an die politischen Auswirkungen denken müssen? Geht sein Schmähgedicht trotz des Kontextes zu weit? Oder hat er genau das erreicht, was er wollte: Die Grenzen von Satire aufzuzeigen und eben die politische Dimension dessen, was geduldet wird und was nicht, sichtbar zu machen? (jmy, 11.4.2016) Deutsche Regierung prüft aber weiter Ankaras Forderung nach Strafverfolgung – Kritik von Sozialdemokraten und wenig Zustimmung in Umfrage. Berlin – Im Streit um eine mögliche Strafverfolgung des Satirikers Jan Böhmermann wegen seiner umstrittenen Satire über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan hat die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die Bedeutung der Meinungsfreiheit in Deutschland hervorgehoben. Diese Grundwerte gelten unbeschadet aller politischen Probleme, die wir miteinander besprechen, sagte Merkel am Dienstag in Berlin. Die Kanzlerin betonte, dass sie in der Flüchtlingskrise eine gemeinsame Lösung mit der Türkei anstrebe. Die Frage des Flüchtlingsabkommens zwischen Ankara und der Europäischen Union sei von der Kontroverse um die Böhmermann-Satire und dem Schutz der Meinungsfreiheit in Deutschland aber völlig entkoppelt. Merkel erklärte, dass das türkische Ersuchen nach einem Strafverfahren wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts von der Bundesregierung sehr sorgfältig geprüft werde. Die Prüfung werde in den nächsten Tagen abgeschlossen. Böhmermann hatte Erdogan in einem Gedicht, das er in seiner Sendung Neo Magazin Royale als Schmähkritik angekündigt hatte, mit Worten unter der Gürtellinie beleidigt. Für das von der Türkei verlangte Vorgehen wegen Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts ist die Zustimmung der Bundesregierung erforderlich. Am Montag stellte Erdogan daneben auch persönlich Strafanzeige gegen Böhmermann wegen Beleidigung. Dieser Rechtsweg kann unabhängig von der Entscheidung der Bundesregierung beschritten werden. Mit dem Fall ist die Staatsanwaltschaft Mainz befasst. Merkel gerät wegen ihres Umgangs mit der Affäre innenpolitisch zunehmend unter Druck. Die Kanzlerin hatte Böhmermanns Gedicht in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu als bewusst verletzend bezeichnet. Kritiker werfen ihr vor, beim Schutz der Meinungsfreiheit vor der türkischen Regierung einzuknicken. Auch in den Reihen der eigenen Regierung wird das Strafverfahren gegen Böhmermann kritisch gesehen. Wir sind skeptisch, ob das Strafrecht der richtige Weg sein kann, verlautete am Dienstag aus dem Umfeld von Außenminister Frank-Walter Steinmeier, einem Sozialdemokraten. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sagte indes, seine Partei sei bereit, eine entsprechende Regelung in Paragraf 103 des Strafgesetzbuchs ersatzlos zu streichen, auf die sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan berufe. Laut einer Umfrage spricht sich die Mehrheit in Deutschland gegen Ermittlungen der Staatsanwaltschaft aus. 54 Prozent aller Befragten, die die Debatte über das Gedicht verfolgt hatten, finden laut einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov die Ermittlungen gegen den Satiriker ganz und gar nicht angemessen. Lediglich sechs Prozent befürworten diese. "Zu allem bereit" – "Aus Plaste und Elaste ist ihr Rückgrat gemacht" – "Tschüss, Kunstfreiheit" – Verleger ist für weite Auslegung künstlerischer Freiheit. Berlin – Der deutsche Komiker Dieter Hallervorden hat im Satirestreit nachgelegt und ein Lied auf Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gedichtet. Seinen neuen satirischen Song mit dem Titel Merkel – zu allem bereit postete er am späten Sonntagabend bei Facebook. Sie war einst junger Pionier. Sie hat schon früher gut taktiert. Und danach auf Jungfrau Maria gemacht. Und uns jetzt ein Stückchen Scharia gebracht, singt er darin. Hallervorden reagiert damit auf die Entscheidung der Berliner Bundesregierung, auf Wunsch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan den Weg für ein gesondertes Strafverfahren gegen den Satiriker Jan Böhmermann frei zu machen. In seinem Liedtext heißt es auch: Aus Plaste und Elaste ist ihr Rückgrat gemacht. Über den Diktator wird hier nicht mehr gelacht. Tschüss, Kunstfreiheit. Böhmermann hatte Ende März in seiner Fernsehshow Neo Magazin Royale mit einem Schmähgedicht gegen Erdogan ein gewaltiges politisches Echo ausgelöst. Am Wochenende kündigte Böhmermann eine Fernsehpause an. Es gebe möglicherweise bedeutsamere Themen als die Diskussion um ein Gedicht, stand auf seiner Facebook-Seite am Samstag. Darüber hinaus ist die Redaktion davon überzeugt, dass ein weiterer Song von Dieter Didi Hallervorden zum Thema unbedingt zu verhindern ist. Jan Böhmermanns Verleger Helge Malchow plädiert für möglichst wenig Beschränkungen bei der künstlerischen Freiheit. Ich bin der Meinung, dass eine freie Gesellschaft eine extrem weite Auslegung von künstlerischer Freiheit braucht, sagte er der Süddeutschen Zeitung (Montag). Natürlich könne man Böhmermanns Gedicht über den türkischen Präsidenten sexistisch oder rassistisch finden. Aber das würde irgendwann zu einer Kunst führen, bei der freies Denken verboten wäre. Malchow warnte: Dann gibt es nur noch puritanisches Sprechen, keine Ironie mehr, keine Satire, keine Kunst. Malchow hat Böhmermanns Buch Alles, alles über Deutschland: Halbwissen kompakt im Kölner Verlag Kiepenheuer & Witsch auf den Markt gebracht und ist in der Vergangenheit mehrfach für seine Autoren wie Heiner Müller, Bret Easton Ellis, Maxim Biller vor Gericht gezogen, wenn es um die Freiheit der Kunst ging. Böhmermann hatte in seiner satirischen ZDF-Show Neo Magazin Royale den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in dem Gedicht mit drastischen Worten angegriffen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte die deutsche Justiz am Freitag ermächtigt, gegen ihn zu ermitteln. Böhmermann hat angekündigt, eine Fernsehpause einzulegen. Ich habe das Gefühl, dass ihn das emotional stark getroffen hat. Aber auch nicht umbringt, sagte Malchow der Zeitung. "Ich wäre schon längst in einem Hochsicherheitsgefängnis", sagt der Late-Night-Talker zur Causa. Washington – John Oliver, scharfzüngiger und treffsicherer Late-Night-Talker in den USA, springt Jan Böhmermann bei. Er sei sehr froh, dass Amerika anders als Deutschland kein Gesetz habe, das einen für ein Gedicht hinter Gitter bringe, sagte Oliver. Ich wäre schon längst in einem Hochsicherheitsgefängnis. Erdoğan hat eine unglaublich dünne Haut, sagte Oliver. Er ist schuld, er macht es einem viel zu leicht, sich über ihn lustig zu machen. Oliver zitierte Erdoğans Vergleiche von Israel mit Hitler-Deutschland sowie frauenfeindliche Aussagen des Präsidenten. An die Adresse Erdoğans fügte er hinzu: Wenn Du so ängstlich darauf bedacht bist, nicht verspottet zu werden, versuch doch mal, die freie Rede weder in Deinem Land noch in anderen zu unterdrücken und Dich generell so zu verhalten, dass nicht jeder sehen will, wie man Dir in den Hintern tritt. Böhmermann hatte Ende März in seiner Fernsehshow Neo Magazin Royale ein drastisches Gedicht auf den türkischen Präsidenten verlesen und damit eine größere Affäre ausgelöst. Fragwürdige Methoden der Produktionsfirma von "Schwiegertochter gesucht"– RTL kündigt bereits Konsequenzen an, und die Landesmedienanstalt prüft die Causa. Berlin/Wien – Ein Monat ohne das Neo Magazin Royale (NMR) ist zu Ende. Ein Monat ohne NMR und auch ohne dessen Moderator Jan Böhmermann, der seit seinem Schmähgedicht auf den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan Ende März jeder Menge politischer und medialer Aufregung ausgesetzt war und sich deshalb bis Donnerstagabend in die selbstverordnete TV-Pause zurückgezogen hatte. Jetzt ist er wieder da. War was?, so der Titel der Ausgabe vom 12.5. Die Erdogan-Affäre war da natürlich Thema. Willkommen zurück bei Deutschlands gesetzestreuester Unterhaltungsshow, ließ er seine Satire-Sendung einleiten. Auf dieser Sendung ist viel Druck. Oft verstoßen Gags gegen die Menschenwürde, sagte er dann selbst zum Auftakt. So werde er jetzt keine Witze mehr über Adolf Hitler machen, denn es könnte sein, dass mir das als Störung der Totenruhe ausgelegt wird. Zudem hatte er sein Publikum eingeladen, Gags einzuschicken, die er vortrug und mit je 103 Euro honorierte – in Anspielung auf den Strafrechts-Paragrafen 103 wegen Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter, der mit ausdrücklicher Genehmigung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Grundlage für die Strafverfolgung gegen Böhmermann ist. Vor allem aber übernahm Gast Gregor Gysi, der frühere Linken-Fraktionschef, die Aufgabe, zu sagen, was zu sagen war. Darunter, dass ihm das Gedicht, mit dem Böhmermann Erdogan unter der Gürtellinie angegriffen hatte, nicht gefallen habe, weil es alle Vorurteile bedient. Wenn das Gedicht trotzdem so viel Zustimmung bekomme, liege das jedoch daran, dass Erdogan wirklich eine Scheißpolitik mache: Er verbietet die größte Oppositionszeitung, er verfolgt die Kurden in der Türkei, er bombardiert die Kurden in Syrien, die gegen den Islamischen Staat kämpfen. Die Bundesregierung sage dazu fast gar nichts, und das geht nicht. Und Gysi teilte auch heftig in Richtung Merkel aus. Ich kann doch nicht sagen, den einen, den will ich noch verurteilt sehen, kommentierte er die Genehmigung der deutschen Kanzlerin zur Strafverfolgung Böhmermanns auf Grundlage eines Paragrafen, den sie selbst abschaffen wolle. Zudem sei der ganze Paragraf verfassungswidrig, weil er mit zweierlei Maß messe: Warum solle die Beleidigung Erdogans schwerer wiegen als die eines jeden anderen? Böhmermann selbst hatte sich indes Gedanken über eine andere wichtige, mächtige Frau, eine füllige Frau in ganz speziellen Sakkos gemacht. Und ihr nicht nur das großartige Herzstück der Ausgabe, sondern auch deren Hashtag #verafake gewidmet: Vera Int-Veen, Moderatorin der RTL-Menschenopfer-Sendung Schwiegertochter gesucht. Nun schon im zehnten Jahr macht jene es sich zur Aufgabe, Menschen schwer an der Grenze zur geistigen Behinderung vor TV-Publikum einander zuzuführen. Fürs Lebens- und Liebesglück des romantischen Russen Waldemar, des kundigen Konditors René, des attraktiven Andersliebenden Kevin – ja, Alliterationen mag man – oder des vermeintlichen einsamen Eisenbahnfreundes Robin. Jenen und dessen Vater entlarvte Böhmermann als vom NMR in die Kuppelshow eingeschleuste Schauspieler – und infolge menschenverachtende Zustände wie den allen Kandidaten vorgelegten Abzockvertrag (fünf Euro Gage je Drehtag). Weiters von RTL kitschsteigernd umdekorierte Wohnungen und plump vorgeschriebene Texte: Inszenierungen, um den Voyeurismus zu bedienen und zur besseren Vermarktung – um die 90.000 Euro verdient der Sender mit einer Werbeminute während der Show. Ein anderes Highlight: Die vom Teilnehmer eingeforderte schriftliche Erklärung, er sei nicht geistig beeinträchtigt. Böhmermann hat sich damit nach dem Tumult der letzten Wochen auf relativ sicheres Terrain begeben – ohne an Qualität vermissen zu lassen. Statt glattes Politparkett gibt’s Medienkritik. Auch gut! Auch wichtig! Das Unrecht kann schließlich – und tut es zumeist – auch viel banaler daherkommen denn per präsidialen Rundumschlägen. Böhmermann selbst äußerte sich vor der Ausstrahlung seiner neuen Sendung schockiert über die Reaktionen auf sein Erdogan-Gedicht. Ich war dann doch überrascht, dass die Grenzen der Freiheit nicht so großzügig und weit ausgelegt werden, wie ich das bisher immer gedacht habe, sagte er dem ZDF. Ihm sei es darum gegangen, Grenzen auszuloten. Für Aufsehen sorgte am Donnerstag im Bundestag der CDU-Abgeordnete Detlef Seif, der in einer Debatte über die Abschaffung des Paragrafen 103 Böhmermanns Gedicht komplett im Parlament vortrug. Damit ist der Text auch in der Mediathek des Bundestages abrufbar. Das ZDF hatte die umstrittene Sendung Böhmermanns von Ende März damals aus seiner Mediathek gelöscht – offiziell aus Qualitätsgründen, wie Böhmermann ironisch anmerkte. Freitag am Nachmittag reagierte auch RTL auf Böhmermanns #verafake. Der Sender verspricht Konsequenzen. Bei der Produktion einer Folge von Schwiegertochter gesucht sind Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht gemacht worden, sagt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. Die Produktion der aktuellen Staffel werde daher von einem neuen Team realisiert. In der Stellungnahme entschuldigt sich auch die Produktionsfirma Warner. Geschäftsführer René Jamm wird folgendermaßen zitiert: Respekt an Herrn Böhmermann. Wir sind ihm komplett auf den Leim gegangen, denn er hat uns einen sympathischen Schwiegersohn präsentiert. Wir haben uns in ihn verliebt und in diesem Fall gleichzeitig unsere redaktionelle Aufsichtspflicht missachtet. Wir werden dafür die Verantwortung übernehmen und inhaltlich sowie personell umstrukturieren. Jamm verteidigt allerdings einige Punkte, die Böhmermann an dem Format kritisierte – hier im Detail nachzulesen. Eine Vorprüfung des RTL-Formats leitet die Landesmedienanstalt Niedersachsen ein. Direktor Andreas Fischer sagt zu deutschen Medien: Die Teilnehmer der Sendung haben in diesem Fall überhaupt keine Zeit bekommen, sich die Unterlagen in Ruhe durchzulesen. Die gesamte Abwicklung erinnert eher an Haustürgeschäfte als an seriöses Geschäftsgebaren. Der Sender plant weiterhin mit dem "Neo Magazin Royale". Hamburg – TV-Satiriker Jan Böhmermann ist bisher beim ZDF zu Hause – aber könnte sich das ändern? Ein kurzer Satz aus seiner jüngsten Neo Magazin Royale-Sendung hat Spekulationen darüber aufkommen lassen, er plane, den Sender zu verlassen. Seine weitere Zukunft beim ZDF sei ungeklärt, berichtete stern.de am Freitag. Böhmermann hatte am Donnerstagabend zu seinem Gast und TV-Kollegen Steven Gätjen gesagt: Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab ja demnächst vor, das andersrum zu machen. Die ZDF-Pressestelle wies gegenüber stern.de allerdings darauf hin, dass das Böhmermann-Zitat mit Nein, ist ein Spaß ende. Der Sender plane weiterhin mit dem Neo Magazin Royale. Das nächste Mal ist die Sendung für Donnerstag, 2. Juni, geplant. Danach verabschiedet sich der Moderator und Grimme-Preisträger zunächst in die Sommerpause. Die Zahlen für Neo Magazin Royale bleiben auf vergleichsweise hohem Niveau: Am Donnerstagabend sahen die ZDFneo-Sendung 410.000 Zuschauer, deutlich mehr als vor Beginn der Böhmermann-Affäre vor zwei Monaten. Bei Böhmermanns Comeback nach seiner rund einmonatigen Fernsehpause am 12. Mai hatte Neo Magazin Royale sogar 620.000 Zuschauer – rund dreimal so viele wie im Schnitt zuvor. Zuletzt befeuerte der Entertainer selbst Spekulationen über einen Senderwechsel – und relativierte umgehend. Berlin – Es ist nicht übertrieben zu sagen, der deutsche TV-Satiriker Jan Böhmermann habe Geschichte geschrieben. Und auf jeden Fall wochenlang für Aufregung gesorgt, für eine Staatsaffäre, eine einstweilige Verfügung, einen drohenden Prozess wegen Beleidigung und eine umfangreiche Debatte zur Frage, was Satire darf und was nicht. Ganz abgesehen davon, dass er zwischenzeitlich unter Polizeischutz stand und rund vier Wochen im Fernsehen pausierte. Zwei Monate ist es inzwischen her, dass er sein umstrittenes, viel kritisiertes Gedicht Schmähkritik in seiner ZDFneo-Sendung Neo Magazin Royale vorgetragen und damit eine Kette von Reaktionen ausgelöst hat, die nicht absehbar waren. Zu Ende ist die Böhmermann-Affäre noch nicht. Was bleibt? Als der Grimme-Preisträger Böhmermann (35) am 31. März die Verse über den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan vorlas, hat vermutlich niemand geahnt, wie hoch die Wellen bald danach schlagen würden. Und als das ZDF am Tag darauf mitteilte, der Beitrag entspreche nicht den Ansprüchen, die der Sender an die Qualität von Satiresendungen stelle, und man werde ihn nicht wiederholen, gab es in den sozialen Medien noch Diskussionen, ob das alles nur ein Fake sei – zwischen Böhmermann und dem Sender abgesprochen. Schließlich war es der 1. April. Und Fakes gehören bei Böhmermann zum Konzept. Spätestens als die Staatsanwaltschaft Mainz ein Ermittlungsverfahren einleitete, war allerdings klar, dass es bei Böhmermanns Gedicht um mehr als einen Aprilscherz ging. Die türkische Regierung verlangte rechtliche Schritte gegen Böhmermann vor dem Hintergrund des Paragrafen 103 des deutschen Strafgesetzbuches, der ausländische Staatsoberhäupter und Regierungsmitglieder vor Beleidigung schützen soll. Zu den bleibenden Folgen der Böhmermann-Affäre könnte die Abschaffung dieses Paragrafen zur Majestätsbeleidigung gehören, für die sich inzwischen auch die deutsche Regierung stark macht. Und sonst? Joan Bleicher, stellvertretende Direktorin des Instituts für Medien und Kommunikation der Universität Hamburg, sieht die Folgen der Böhmermann-Affäre ausgesprochen kritisch: Sie hält es für wahrscheinlich, dass Comedians und Kabarettisten nun vorsichtiger und unpolitischer werden und sich aus Angst vor negativen Konsequenzen auf Gags zurückziehen, bei denen jemand auf einer Bananenschale ausrutscht. Bestimmte Sachen traut man sich nicht mehr. Die Diskussion, was Satire darf, habe sich verändert, angesichts der Erfahrung, dass strafrechtliche Folgen nicht auszuschließen seien. Die Devise Satire darf alles gilt nicht mehr. Keine gute Entwicklung, findet Bleicher. Bernhard Pörksen, Medienwissenschaftler an der Universität Tübingen, glaubt, dass die Böhmermann-Affäre als Lehrbeispiel der Erregungsdynamik im digitalen Zeitalter in Erinnerung bleiben wird: Gute und schlechte Witze, schlichte Beleidigungen und die Schmähsatire auf einem Spartensender lassen sich heute blitzschnell verbreiten, sie sind mit einem Mal global sichtbar, argumentiert Pörksen. Das heißt: Der Resonanzraum für Satire und Schmähkritik ist die Weltbühne des Internet. Das mache der Fall eindrücklich klar. Die Diskussion um Böhmermanns Gedicht habe auch gezeigt, dass das digitale Zeitalter eines der medial verursachten Daueraufregung sei. Was an einem Ort der Welt achselzuckend akzeptiert wird, wird anderswo als furchtbare Erniedrigung betrachtet, als entsetzliche Beleidigung, die man unter keinen Umständen hinnehmen kann. Alles, was gesagt wird, kann plötzlich in anderen Zusammenhängen wieder auftauchen – und zum Anlass für Wut und Entrüstung werden. Ob Böhmermann abgesehen von Wut und Entrüstung auch noch mit einer Anklage wegen Beleidigung konfrontiert wird, ist zwei Monate nach seiner Dichterlesung offen. Und wie so ein Prozess wohl ausgeht, erst recht. Und noch ein Fragezeichen: In seiner jüngsten Neo Magazin Royale-Sendung hat Böhmermann zu seinem Gast Steven Gätjen gesagt: Du hast gerade den Sprung geschafft vom Privatfernsehen zum öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Ich hab ja demnächst vor, das andersrum zu machen. Will er das ZDF verlassen? Er ergänzte dann allerdings sofort: Nein, ist ein Spaß. An diesem Donnerstag ist Neo Magazin Royale noch einmal zu sehen – danach ist Sommerpause. Das ZDF hält fest, dass Böhmermanns Neo Magazin Royale am 25. August fortgesetzt werde, teilte das ZDF in Mainz am Montag auf Anfrage mit. Neue Oberösterreich-Lizenz dürfte an Antenne/Ö24 gehen – Radio-Novelle erleichtert Sendern Zusammenschlüsse. Wien – Die Ö24/Antenne-Radios der Familie Fellner (Österreich) sammeln weiter munter Lizenzen: Nach Bregenz/Dornbirn 2014 und der Obersteiermark 2014 soll in diesen Tagen der Zuschlag für eine neue Lizenz in Linz (89,2 MHZ) rechtskräftig werden. Und schon ab Samstag erschließt sich Österreichs privaten Radiomachern insgesamt eine neue Dimension. Zwischen bundesweit – was bisher nur Kronehit schafft – und den alten Lokal- und Regionalradios wird mit 1. August ein Mittelding Gesetz: überregionale Lizenzen, die bis zu 45 Prozent der österreichischen Bevölkerung erreichen können. Mögliche Nachteile: Solche neuen, überregionalen Lizenzen erlauben keine lokale Werbung für kleinere Einheiten als Bundesländer – und mehrere überregionale dürfen sich nicht zu einer bundesweiten Lizenz zusammenschließen. Machen wir, sagt vorerst keiner der vom STANDARD befragten Radiomacher. Am bestimmtesten noch Ralph Meier-Tanos, Geschäftsführer von 88.6, das allein in Niederösterreich auf einem guten Dutzend regelmäßig zu erneuernder Lokallizenzen sendet, zudem in Wien und im Burgenland auf regionalen. Aber auch Meier-Tanos bleibt eher unbestimmt: Natürlich schauen wir uns jede Möglichkeit an, die durch die Novelle entstehen kann. Eine so weitreichende Entscheidung wolle aber gut überlegt sein. Diese Woche hätte sich nach STANDARD-Infos durchaus für grundlegende Debatten darüber geeignet: Die Gesellschafter von 88.6 – die Medien Union Ludwigshafen aus dem deutschen SWMH-Konzern – sollen diese Woche turnusmäßig in Wien vorbeigeschaut haben. Radio Arabella sind weder Euphorie über die Novelle anzumerken noch Anzeichen, dort würden Lizenz-Vereinigungen schon eifrig vorbereitet. Die STANDARD-Anfrage blieb ohne greifbares Ergebnis – wie auch bei anderen Frequenzsammlern. Stephan Prähausers Welle 1 rauscht inzwischen jugendlich über weite Teile des Landes, von Tirol über Stammland Salzburg und Kärnten nach Oberösterreich. In Tirol hat die Welle etwa mehrere Lokalfrequenzen, die sich womöglich zusammenführen ließen. In Tirol könnten das womöglich auch diverse Lokalradios der Familie Fellner, zudem präsent in Wien (Ö24), Salzburg (Antenne Salzburg), Teilen der Steiermark, Vorarlbergs und Oberösterreichs – nun offenbar ergänzt um die Landeshauptstadt Linz. Eine Anfrage bei Niki Fellner nach Ambitionen auf überregionale Lizenzen blieb bisher unbeantwortet. Eine bundesweite Lizenz dürfte sich auch mit Linz schwer ausgehen – dafür müssen die gesammelten Lokal- und Regionallizenzen 60 Prozent der Bevölkerung technisch erreichen. Obmann-Stellvertreter des Vereins Digitalradio und Geschäftsführer des Privatsenders Radio Arabella, forderte von der Medienpolitik eine "gesetzgeberische Willensbekundung". Wien – Der Testbetrieb für den Digitalradio-Standard DAB + dürfte um ein weiteres Jahr verlängert werden. Dies erklärte Alfred Grinschgl, Geschäftsführer des Fachbereichs Medien in der Rundfunk und Telekom Regulierungs-GmbH, am Dienstag bei den Österreichischen Medientagen. Wolfgang Struber, Obmann-Stellvertreter des Vereins Digitalradio und Geschäftsführer des Privatsenders Radio Arabella, forderte zugleich von der Medienpolitik eine gesetzgeberische Willensbekundung, die den Weg für die Etablierung von Digitalradio in Österreich ebnet. ORF-Radiodirektor Karl Amon meinte, dass DAB + für den ORF nur dann Sinn hat, wenn man die digitalen Möglichkeiten nutzen und ausbringen kann – wir wollten einen neuen Sender testen, das wurde uns gesetzlich untersagt, deshalb warten wir lieber. Für Life Radio-Chef Christian Stögmüller ist Digitalradio erst dann Thema, wenn man eine erkleckliche Anzahl an Hörern erreicht. Stögmüller und Kronehit-Geschäftsführer Ernst Swoboda präsentierten bei den Medientagen unterdessen den neuen Radioplayer Österreich (radioplayer.at). Der Radioplayer vereint den Großteil der heimischen Privatradios auf einer Plattform. Die vertretenen Sender können via Computer und Internet oder via Smartphone- und Tablet -App gehört werden. Die Privatsender haben auch die ORF-Radios auf die neue Plattform eingeladen. Der ORF hat eine mögliche Teilnahme aber vorerst auf Eis gelegt.(APA, 22.9.2015) Radiojournalistin bestreitet, über angebliche Trunkenheit des ukrainischen Präsidenten berichtet zu haben. Moskau/Berlin – Schwer betrunken habe der ukrainische Präsident Petro Poroschenko versucht, einen Linienflug nach Moskau zu besteigen. Das berichtet der russische Fernsehsender TW Zentr und beruft sich dabei auf die deutsche Radiojournalistin Christina Nagel vom Westdeutschen Rundfunk (WDR) – doch die bestreitet, jemals über einen solchen Vorfall berichtet zu haben. Es gab weder einen Anruf von einer angeblich vertrauenswürdigen Quelle, noch so einen Bericht bei uns, weder von mir noch von irgendeinem anderen, sagt sie gegenüber dem Deutschlandradio Kultur. Einiges spreche dafür, dass die ganze Geschichte erstunken und erolgen sei. Der WDR habe eine Beschwerde bei der russischen Botschaft in Berlin angekündigt. Nach Liquidationsbeschluss für alle drei Gesellschaften der Tiroler Lokalradio-Gruppe. Innsbruck – Ungewiss ist die Zukunft des Tiroler Lokalradios Welle 1. Nach APA-Informationen gibt es Liquidationsbeschlüsse für alle drei Gesellschaften der Tiroler Lokalradio-Gruppe: Lokalradio Innsbruck GmbH (Welle 1 Innsbruck), Radio Oberland GmbH (Welle 1 Oberland), Außerferner Medien GmbH (Welle 1 Außerfern). Hintergrund ist die schwierige wirtschaftliche Lage der Sendergruppe und auf dem Tiroler Radiomarkt. Welle 1-Geschäftsführer Andreas Gstrein zeigte sich auf APA-Anfrage dennoch optimistisch. Keines der Tiroler Privatradios läuft derzeit profitabel, sagte Gstrein. An ein Aus für die Welle 1-Sender mit Jahresende glaubt der Radio-Manager nicht. Voraussichtlich geht es weiter, so Gstrein. Demnach könnte es Veränderungen in der Eigentümerstruktur geben. Details zu potenziellen Käufern wollte er nicht nennen. Eine Entscheidung erwartet Gstrein in ein bis zwei Wochen. Die Welle 1-Lokalradios befinden sich derzeit im Eigentum privater Unternehmer. An Welle 1 Innsbruck ist auch die Tiroler Moser Holding (Tiroler Tageszeitung), die mit ihrem regionalen Life Radio größter privater Radioveranstalter in Tirol ist, mit rund 5 Prozent beteiligt. Erika Pluhar, Markus Meyer, Martin Schwab, Petra Morzé und Otto Schenk wählten und interpretierten für die Sendung "Du holde Kunst" ihre Favoriten. Wien – Rund 180.000 Menschen hören jeden Sonntagmorgen die Ö1-Sendung Du holde Kunst mit ihrer Mischung aus Lyrik und Musik. Im Mai werden ihnen dabei die Lieblingsgedichte prominenter Schauspieler zu Gehör gebracht: Erika Pluhar (1.5.), Markus Meyer (8.5.), Martin Schwab (15.5.), Petra Morzé (22.5.) und Otto Schenk (29.5.) haben dafür ihre Favoriten ausgewählt und interpretiert. Ein gutes Gedicht sei das eindringendste Mittel der Belebung des Gemüts, zitiert Kurt Reissnegger, Leiter von Literatur und Hörspiel bei Ö1, Immanuel Kants Kritik der Urteilskraft. Den Anfang dieser Belebungsversuche unternimmt morgen, Sonntag, Erika Pluhar mit Gedichten von Rainer Maria Rilke, der auch bei vielen ihren Kollegen auf der Leseliste steht. Burgschauspieler Markus Meyer, von der ORF-Hörspiel-Jury zum Schauspieler des Jahres 2015 gekürt und demnächst am Burgtheater in Carlo Goldonis Der Diener zweier Herren zu sehen, hat sich u.a. für Erich Kästner, Bertolt Brecht, Rainer Werner Fassbinder, Mascha Kaléko, Johann Wolfgang von Goethe und Fritz Grünbaum entschieden, während sich Martin Schwab als Kurt Tucholsky-Fan entpuppt. Seine Auswahl umfasst ausschließlich Gedichte des 20. Jahrhunderts, darunter Karl Kraus, Ernst Jandl, Ingeborg Bachmann und Wolf Biermann. Bachmann findet sich neben Rose Ausländer, Christian Morgenstern, Hilde Domin, Hermann Hesse und Hugo von Hofmannsthal auch unter den Lieblingsgedichten von Petra Morzé, deren Auswahl sich zumindest autorenseitig gar nicht so sehr von jener Otto Schenks unterscheidet. Der 85-jährige Publikumsliebling beginnt seine Auswahl mit Bertolt Brechts Gegen Verführung: Lasst Euch nicht verführen / zu Fron und Ausgezehr! Was kann Euch Angst noch rühren? / Ihr sterbt mit allen Tieren / und es kommt nichts nachher. Die Beiträge werden in unterschiedlichen Sprachen produziert, darunter neben Deutsch auch Arabisch, Farsi und Englisch. Stuttgart – Flüchtlinge machen Radio: Seit Mai gibt es in Stuttgart, Donaueschingen und Frankfurt ein Radioprojekt für Geflüchtete. Der Sender Good Morning Deutschland berichtet live aus Flüchtlingsunterkünften und lokalen Radiostudios und überträgt Diskussionen von Bürgern mit Flüchtlingen. Außerdem sind Lieder aus den Herkunftsländern zu hören. Die Beiträge werden in unterschiedlichen Sprachen produziert, darunter neben Deutsch auch Arabisch, Farsi und Englisch. Die Live-Sendungen findet jeweils dienstags, mittwochs und sonntags von 17 bis 20 Uhr statt, die Sendungen sind auch als Internet-Stream online abrufbar. Ins Leben gerufen wurde das Internetradio vom Bremer Komponisten für Neue Musik Hannes Seidl in Kooperation mit dem Südwestrundfunk (SWR) sowie dem Leiter der Donaueschinger Musiktage, Björn Gottstein. Resonanz der Bevölkerung auf die Empfangsqualität und die neuen Programme sei "überwältigend positiv". Wien – Am 28. Mai jährt sich der Start von Digitalradio Österreich. Die Digitalradio-Betreiber zogen am Dienstag eine positive Bilanz des Projekts. Die Resonanz der Bevölkerung auf die Empfangsqualität und die neuen Programme ist überwältigend positiv, weshalb die DAB+ Hörer auch nicht mehr auf das neue, vielfältige Angebot verzichten wollen, so Digitalradio Österreich-Geschäftsführer Gernot Fischer. Mit den beiden Sendern am DC Tower und in Liesing erschließen wir nun ein Gebiet, das weit über die nördliche und östliche Landesgrenze sowie nach Süden bis zum Wechselgebiet reicht. Damit konnten die 15 digitalen Hörfunkprogramme rund 2,5 Millionen Menschen erreichen. Erste Datendienste seien ebenfalls bereits on air, erklärte Fischer. Der Handel habe inzwischen auf die gesteigerte Nachfrage nach DAB+ fähigen Radiogeräten reagiert. Der Trend gehe dabei in Richtung hybrider Geräte, die analoge und digitale Signale empfangen können, berichtete Digitalradio Österreich-Obmann Thomas Pöcheim. In Summe sind laut Pöchheim rund 400.000 DAB+ fähige Radiogeräte in Umlauf. Ein weiterer Meilenstein ist das erste DAB+ fähige Smartphone, das im März von LG in Paris vorgestellt wurde. Im zweiten Pilotjahr werden laut Fischer vorbehaltlich behördlicher Genehmigungen 16 Sender mit an Bord sein. Die Must-Carry-Frequenz des ORF wird demnächst von einem Radioprogramm eines bekannten österreichischen Unternehmens betrieben werden. Der ORF und das größte heimische Privatradio Kronehit nehmen an dem Digitalradio-Projekt bisher nicht teil. Spätestens 2018 soll der Regelbetrieb für Digitalradio in Österreich starten. Journal-Panorama: Ernüchternde Bilanz, Radio Stimme: Seenothilfe aus Wien, Berlin, Tunis und Rabat, Hörspiel-Studio: Cordoba Juni 13.45 Uhr, Auf Laut, Nachtquartier: Die Abbildung des Abwesenden. 18.25 REPORTAGEJournal-Panorama: Ernüchternde Bilanz – Das Ende der Roma-Dekade in Bulgarien Vor gut zehn Jahren unterzeichneten in Sofia Regierungsvertreter von acht Staaten eine Erklärung. Ihr Ziel: Diskriminierung und soziale Ungleichheit von Roma wirksam zu bekämpfen. Heuer geht die Roma-Dekade offiziell zu Ende. Die Bilanz ist ernüchternd, wie ein Blick nach Bulgarien zeigt. Bis 18.55, Ö1 20.00 MAGAZINRadio Stimme: Seenothilfe aus Wien, Berlin, Tunis und Rabat Mit dem Notfalltelefon von Watch The Med haben Aktivisten eine Anlaufstelle für in Seenot geratene Flüchtlinge im Mittelmeer geschaffen. Im Schichtdienst betreiben die Freiwilligen aus Europa und Afrika die Notfallnummer. Bis 21.00, Radio Orange 94.0 im Raum Wien und auf o94.at 21.00 HÖRSPIELHörspiel-Studio: Cordoba Juni 13.45 Uhr Ror Wolf stellt Originalkommentare des „Schicksalsmatches“ 1978 zu einer humorvollen Collage zusammen: Aus deutscher Perspektive klingt das kühl, mit gedämpftem Hochmut. Aus österreichischer Sicht: leidenschaftlich, mitleidend und mitsiegend. Bis 22.00, Ö1 21.00 MAGAZINAuf Laut Warum die einen es lieben und andere es niemals verstehen werden: vom wilden Campen in freier Natur. Die Welt des Campingplatzes und die Zeltnachbarn auf dem Festivalgelände. Elisabeth Scharang führt durch die Sendung. Bis 22.00, FM4 0.08 TALK & MUSIKNachtquartier: Die Abbildung des Abwesenden Zu Gast bei Xaver Forthuber: Kunst- und Pressefotograf Michael Schmid. In Graz präsentiert Schmid eine „Phototrilogie“ über Roma-Frauen, die er bewusst im Zentrum des urbanen Raums zeigt. Bis 1.00, Ö1 (Sandra Čapljak, 7.7.2015) ORF-Radios kommen im zweiten Halbjahr 2015 auf 72 Prozent Marktanteil, die Privatradios auf 24. Wien – Rund fünf Millionen Österreicher hören täglich ORF-Radios, die Privatsender erreichen rund 2,2 Millionen Österreicher. Die durchschnittliche Hördauer pro Tag lag im 2. Halbjahr 2015 bei 186 Minuten (rund drei Stunden). Im Vergleichszeitraum 2014 waren es noch 191 Minuten. Die ORF-Radios konnten laut Radiotest im zweiten Halbjahr 2015 zwar ihre Dominanz halten, verlieren aber bei der Tagesreichweite signifikant und kommen hier bei den Hörern ab zehn Jahren (Montag bis Freitag) aktuell auf 64,6 Prozent (2014: 66,5 Prozent) und einen rückläufigen Marktanteil von 72 Prozent (2014: 74 Prozent). Die Privatradios verbuchten 28,6 Prozent (29,1 Prozent) Reichweite und legten bei den Marktanteilen mit 24 Prozent (23 Prozent) etwas zu. Ö3 bleibt mit einer Reichweite von 34,9 Prozent (36,4 Prozent im 2. Halbjahr 2014) und einem stabilem Marktanteil von 31 Prozent größter Sender, verliert aber bei den Reichweiten signifikant: Von 36,4 Prozent auf 34,9 Prozent. Die ORF-Regionalradios folgen mit 30,7 Prozent (2014: 31,5 Prozent) Reichweite und 34 Prozent (35 Prozent) Marktanteil. Ö1 verlor und kommt auf 7,4 Prozent (2014: 8,8 Prozent) Tagesreichweite und fünf Prozent (2014: sechs Prozent) Marktanteil. FM4 legt sowohl bei der Reichweite (3,9 Prozent gegenüber 3,7 Prozent) als auch bei den Marktanteilen (drei gegenüber zwei) gegenüber dem 2. Halbjahr 2014 zu. ORF-Hörfunkdirektor Karl Amon zeigte sich mit den Radiotest-Ergebnissen in Summe zufrieden. Die ORF-Radios sind Publikumslieblinge. Das Ö1-Morgenjournal im Auto, Ö3 via Live-Stream im Büro, FM4 zum Nachhören – kein anderes Medium ist so ein einfach verfügbarer und zeitgemäßer Tagesbegleiter wie das Radio. Der ORF biete nicht nur Inhalte für unterschiedliche Interessen an, sondern auch über unterschiedliche Verbreitungswege. Kronehit kam auf eine nationale Reichweite von 12,4 Prozent (2014: 12,2 Prozent) sowie einem stabilen Marktanteil von acht Prozent. Geschäftsführer Ernst Swoboda dazu: Wir freuen uns sehr, dass der Erfolgslauf von Kronehit so klar und stark weitergeht. Das ist auch für den dualen Rundfunk in Österreich sehr wichtig, Kronehit war und ist auf dem Weg dorthin die Zugmaschine. Die Privatradiovermarkterin RMS errechnet, welche Tagesreichweiten (Montag bis Sonntag, Publikum ab zehn Jahren) sich gegenüber den Daten vor einem Jahr signifikant verändert haben. Im zweiten Halbjahr 2015 waren das gegenüber dem zweiten Halbjahr 2014: (red, APA, 28.1.2016) "Besonders kleine Sender könnten stark betroffen sein", sagt Petra Hauser von media.at. Wien – Mehr als 200 Bruttowerbemillionen wurden 2015 in Österreich in den Äther geschickt. Allein 111 Millionen Euro fließen laut Berechnungen des Marktforschers Focus in die ORF-Radios, der Rest geht an die Privatsender. Auch wenn die Gattung Radio nur knapp fünf Prozent der gesamten Werbevolumina generiert, handelt es sich um beträchtliche Summen. Dementsprechend verschnupft reagieren Vermarkter und Mediaagenturen, als das Marktforschungsinstitut GfK seinen Auftraggebern mitteilte, dass die Reichweiten des Radiotests – wie berichtet – auf Fehlern bei der Erhebung beruhen. Die Verzerrung der Marktdarstellung soll im Bereich von ein bis drei Prozentpunkten liegen. Nach STANDARD-Infos zugunsten der marktdominanten ORF-Radios. Bei Ö3 könnten es bis zu drei Prozentpunkte sein, bei den Regionalsendern etwas weniger. Die berichtigten Ergebnisse sollen in den nächsten Tagen vorliegen. Ö3 kam etwa laut Radiotest im zweiten Halbjahr 2015 auf eine Reichweite von fast 35 Prozent bei Hörern ab 10 Jahren. RMS Austria, Vermarkter österreichischer Privatradios, behält sich Schadenersatzforderungen an GfK vor. Besorgniserregend ist diese Entwicklung für Petra Hauser, die mit ihrer Mediaagentur media.at in Österreichs Radiosendern 16 Bruttowerbemillionen bewegt. Weitreichende Wettbewerbsverzerrungen könnten die Folge sein, sagt sie zum STANDARD. Besonders kleine Sender könnten stark betroffen sein. Umfassende und transparente Aufklärung fordert auch Joachim Feher von der MediaCom: Die Interessen unserer Kunden werden wir sehr deutlich vertreten. Er habe Zweifel an Radiotest-Ergebnissen schon im September 2015 GfK mitgeteilt. Wien – Nach den Manipulationen beim Radiotest fordert Österreich-Herausgeber Wolfgang Fellner nun eine Sonderprüfung der Media-Analsye, an der das Marktforschungsunternehmen GfK ebenfalls beteiligt ist. Nach unseren Information ist das Team, das den Radiotest fälschte, auch für die Media-Analyse zuständig, sagte Fellner am Donnerstag. Den Rücktritt des GfK-Geschäftsführers Alexander Zeh wertet Fellner als Schuldeingeständnis, dass mehr dahinter steckt. Aus seiner Sicht sollte man darüber nachdenken, GfK auszutauschen. Die Mediengruppe Österreich, die auch Radio Ö24 betreibt, habe schon im September 2015 die Ergebnisse des Radiotests bezweifelt und dies in einem Brief auch GfK mitgeteilt. Die anschließende Aufklärung sei mangelhaft gewesen und werde nun ein Nachspiel haben. Auch bei der aktuellen Media-Analyse habe man schon bei Erscheinen der Studie darauf aufmerksam gemacht, dass diese nicht stimmen könne, so Fellner. Der Medienmanager sieht sich nun in seiner Kritik bestätigt. 'Florian Novak von Lounge FM fordert nach den Erhebungsfehlern eine grundlegende Reform des Radiotests mit neuem Träger. STANDARD: Die Fehler beim Radiotest sorgen für Wirbel in der Branche, umfassende Aufklärung wird gefordert. Wie kann das Vertrauen wiederhergestellt werden? Novak: Der Radiotest ist ein Instrument aus dem letzten Jahrhundert, das der dynamischen Veränderung in der Mediennutzung ohnehin nur unzureichend Rechnung trägt. Heute ist das womöglich schwer vorstellbar, aber wer sich erinnern kann, zu Beginn des Radiotests hatte der Hörfunk quasi noch eine Monopolstellung als das einzige mobile Medium. Und entsprechend ist das Forschungsdesign, das Menschen auf ihr Erinnerungsvermögen abklopft GfK weist bewusste Benachteiligung der Privatsender zurück – Marktforscher prüft Klage gegen Kronehit-Chef Swoboda wegen dessen Aussagen. Wien – Nach den aufgeflogenen Manipulationen beim Radiotest richten der Marktforscher Gfk und die Radiosender nun ein gemeinsames sogenanntes Revisionskomitee ein, teilte GfK am Freitag nach einem Treffen mit den Auftraggebern mit. Laut GfK wurde kein Sender bewusst benachteiligt. Dem Kronehit-Chef Ernst Swoboda droht das Marktforschungsunternehmen mit Klage. Die bisherigen Untersuchungen seitens GfK haben ergeben, dass weder eine grundsätzliche Bevorzugung noch grundsätzliche Benachteiligung spezifischer Sender bewusst vorgenommen worden ist, erklärte GfK in einer Aussendung. Es ergaben sich außerdem keinerlei Anhaltspunkte für irgendeine Form der Einflussnahme auf die Studienergebnisse durch den ORF oder die privaten Sender. Entsprechende Spekulationen und Anschuldigungen vom neuen Präsidenten des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP) und Geschäftsführers von KroneHit, Ernst Swoboda, seien für eine sachorientierte Aufklärung nicht hilfreich. GfK weist auch Swobodas unseriöse Schadensabschätzungen zurück. Man prüfe angesichts seiner öffentlichen Stellungnahmen rechtliche Schritte gegen Swoboda. Swoboda hatte in einem Interview mit der APA gesagt: Ich schätze das Volumen wird irgendwo bei 15 bis 20 Millionen sein, um das die Privatsender geschnalzen worden sind, und die der ORF zu viel bekommen hat. Aufgabe des nun eingerichteten Revisionskomitees sei es, die von GfK vorgenommenen Glättungen der Radiotest-Daten detailliert aufzuarbeiten und sich auf ein einvernehmliches, methodisches Vorgehen zu einigen, bei dem methodische Weiterentwicklungen auf wissenschaftlich korrekter Basis sowie in transparenter Abstimmung mit allen Mitgliedern der Arbeitsgemeinschaft Radiotest vorgenommen werden, heißt es in der Aussendung weiter. Für den Radiotest 2016 wird ein externer Auditor eingebunden. Wir freuen uns, dass wir nach dem intensiven Dialog mit unseren Kunden durch die Einrichtung eines Revisionskomitees nun einen gemeinsamen Weg in die Zukunft einschlagen können, erklärte Thomas Bachl, Geschäftsführer von GfK Austria. Sein Co-Chef Alexander Zeh war kurz nach Bekanntwerden der Radiotest-Manipulationen zurückgetreten. Marktanteile von Ö3 und ORF-Regionalradios wurden raufgeschrieben, Private downgegradet. Die schlimmsten Verzerrungen gab es in der Steiermark und Vorarlberg, Privatsender fordern Schadenersatz. Wien – Die Radiotest-Manipulationen durch das Marktforschungsinstitut GfK könnten in den vergangenen fünf Jahren einen Schaden von bis zu 20 Millionen Euro verursacht haben. Nutznießer der Verfälschungen war offenbar der ORF. Während die Daten von Privatsendern teils massiv downgegradet wurden, sollen viele Zahlen des ORF geschönt worden sein. Das sind die ersten Ergebnisse einer derzeit laufenden Überprüfung. Wie berichtet, wurden vor zehn Tagen Erhebungsfehler beim Radiotest publik. Jetzt kommt auch das Ausmaß ans Licht. Der Geschäftsführer von GfK, Alexander Zeh, ist bereits zurückgetreten. Dementiert wird allerdings, dass es einen Zusammenhang mit den Manipulationen gibt. Es gibt jeden Tag mehr Erkenntnisse, und es steht inzwischen fest, dass die kommerziellen Radioangebote des ORF, insbesondere Ö3, aber auch die Regionalradios österreichweit hinaufgeschrieben wurden, berichtet Ernst Swoboda, Geschäftsführer von Kronehit und seit dieser Woche Vorsitzender des Verbands der Privatsender (VÖP), im Gespräch mit der APA. Die ORF-Sender wurden mit höheren Werten ausgewiesen, die Privaten dafür mit niedrigeren. So wies GfK im ersten Halbjahr 2015 in der werberelevanten Zielgruppe (14 bis 49 Jahre) für Ö3 41 Prozent Marktanteil aus, tatsächlich waren es nach Prüfung der manipulierten Daten nur 38 Prozent. Für den ORF insgesamt wurden 64 Prozent ausgewiesen, der wahre Wert lag bei 60 Prozent. Der private Vermarktungsring RMS Top wurde im Gegenzug mit 33 statt 36 Prozent Marktanteil ausgewiesen. In einzelnen Bundesländern waren die Manipulationen durch GfK offenbar noch gravierender. In der Steiermark wurde die Antenne Steiermark von 31 auf 24 Prozent Marktanteil hinuntergestuft, in Vorarlberg die Plätze von Antenne Vorarlberg und Ö3 einfach umgedreht. Steiermark und Vorarlberg sind die zwei schlimmsten Bundesländer, wo die führenden Regionalsender massiv runtergeschrieben worden sind und dafür die ORF-Sender massiv in die Höhe, so Swoboda. In der Steiermark wären Ö3 und Antenne Kopf an Kopf gewesen, ausgewiesen wurde Ö3 mit Riesenvorsprung. In Vorarlberg war die Antenne weit vor Ö3, im Ausweis war es genau umgekehrt. Das sind die Daten 2015, und wir haben die Information, dass es 2014 und die Jahre davor für die Privaten schlimmer war. Das Werbevolumen auf dem österreichischen Radiomarkt beträgt etwa 100 Millionen Euro, ein Prozent Marktanteil macht demnach eine Million Euro aus. Allein 2015 könnten also drei bis vier Millionen beim ORF statt bei den Privatsendern gelandet sein. Nach bisherigen Informationen sollen die Manipulationen zumindest bis ins Jahr 2011 zurückreichen. Swoboda: Ich schätze, das Volumen wird irgendwo bei 15 bis 20 Millionen sein, um das die Privatsender geschnalzen worden sind und die der ORF zu viel bekommen hat. Die Motive für die Manipulationen sind nach wie vor unklar. Bei dieser Dimension fehlt mir momentan jede Erklärung. Klar ist, das ist bis in die Führungsspitze der GfK Österreich bekannt gewesen. Das ging über viele Jahre, ganz systematisch. Es gibt bis dato keinen objektivierbaren Anhaltspunkt, dass der ORF etwas davon gewusst hätte, sagt der VÖP-Vorsitzende. Er vermutet, dass GfK dem ORF einfach Gutes tun wollte, weil es von dort immer wieder Aufträge für Erhebungen gab. Solche Fälle orten wir in letzter Zeit verstärkt, so Swoboda. Ich habe Indizien dafür, dass das auch bei den Verwertungsgesellschaften passiert. Dort scheint es so zu sein, dass auch die Privaten diskriminiert werden und der ORF bevorzugt behandelt wird. Wobei, dort geht es nicht um kriminelle Machenschaften, sondern um Verträge, die anders ausgelegt sind. Die Privatsender wollen nun die Werbegelder für die nicht ausgewiesenen Marktanteile zurückhaben. Wir werden selbstverständlich Schadenersatz fordern. Primär von der GfK, aber ich lasse auch gerade prüfen, welche Möglichkeiten es gibt, sich das direkt vom ORF zu holen. Der ORF hat unsere privaten Kontakte, Leistungen verkauft, und daher hätten wir gerne, was er als Kaufpreis dafür bekommen hat. Das ist ein ganz simpler zivilrechtlicher Zugang, sagt Swoboda. In der Juristensprache ist von einem ungerechtfertigten Verwendungsanspruch durch den ORF die Rede. Dieser gilt unabhängig von der Schuldfrage. Darüber werden wir mit dem ORF reden müssen – und vielleicht nicht nur reden. Der ORF meldete unterdessen Zweifel an den neuen Daten von GfK an: Auch der nun vorliegende Datenbestand lässt erhebliche Zweifel offen, ob die nun auch korrigierten Werte die Marktverhältnisse korrekt abbilden. Da sie aber ohne Alternative sind, wird der ORF vorerst auf Basis dieser Daten seine Sender vermarkten. Darüber hinaus werden ausnahmsweise auch die Daten des ersten Quartals 2016 veröffentlicht. Ein Revisionskomitee soll nun die Datenreihen der Jahre 2011 bis 2015 überprüfen. Diese sollen in etwa sechs Monaten vorliegen. Update Am Abend veröffentlichte der ORF Zahlen, die belegen sollen, dass die Manipulationen auch zulasten von ORF-Radios in bestimmten Zielgruppen gingen. So etwa beim Marktanteil von Radio Wien (14 statt 13 Prozent), Radio Burgenland (40 statt 39), Ö3 in Salzburg (33 statt 32) oder Ö3 in Tirol (32 statt 31) (alle Zahlen 2. Halbjahr, Zielgruppe zehn Jahre und älter). In der jungen Zielgruppe (14 bis 49) sei der Marktanteil von Ö3 in Tirol im 2. Halbjahr 2015 um drei Punkte geringer ausgewiesen worden (43 statt 40). In einer Aussendung heißt es: Die heute von der APA publizierten Daten sind nicht auditierte Daten, und der ORF bezweifelt, dass sie den Markt korrekt abbilden. Völlig unverständlich nannte der ORF zuvor die Entgleisung Swobodas, der den Schaden auf 15 bis 20 Millionen Euro geschätzt und entsprechende Forderungen an GfK und ORF angekündigt hatte. Die Skandalisierung durch Swoboda dient jedenfalls nicht dem Ziel, das Vertrauen im Markt zurückzugewinnen, sondern offensichtlich nutzt er seine neue Position als VÖP-Präsident dazu, Politik gegen den ORF zu machen. Das ist schärfstens zurückzuweisen, teilte der ORF mit. Der ORF werde jedenfalls in aller Sachlichkeit an der Aufarbeitung des Falles, der nicht vom ORF verursacht worden ist, mitwirken, erklärte Hörfunkdirektor Karl Amon. Serienpremieren "Sense 8", "Twisted" und "Extant", dazu Wissen über Macht vom Herrn Schuh und restlos alles über "Kaiser" Franz. Darf man es zwischendurch auch einmal auf die ganz altmodische Art machen? Sich vor den Fernseher setzen, einschalten und sich berieseln lassen? Sicher, aber nur, wenn es sich lohnt. Die ultimative 2-do-Liste von derStandard.at: Montag: Dass es eine unbefleckte Empfängnis sein könnte, glaubt der schwangeren Astronautin Molly niemand. Also hat sie, ein Jahr nach einer Einzelmission im Weltall, nicht nur vor ihrer Familie Erklärungsbedarf. Serienpremiere von Extant - der ORF wagt sich langsam, aber sicher in die Gefielde des Binge Watching - drei Folgen am Stück, ab 21.05 Uhr, ORF 1. In den USA startet demnächst die zweite Staffel. Dienstag: Wer mehr wissen will, muss unbedingt um 22.35 Uhr ORF 2 einschalten und genau hinhören: Herr Schuh und die Macht in Kreuz & quer - Philosophieunterricht vom Lieblingsprofessor. Mittwoch: Dass die Schuljahre keineswegs nur lustig sind, erfahren die Teenager in Twisted. Der 16-jährige Danny soll seine Tante ermordet haben, saß seine Strafe ab und kehrt nun in seine alte Heimat zurück. Serienstart auf RTL2, 21.55 Uhr. Die bedrohte Welt der Bienen erforscht Terra Mater, 20.15 Uhr. Donnerstag: Kein Feiertag ohne Michel aus Lönneberga, heute die Folge mit den Männchen. Ja, wir können schon mitreden, so oft wurde das liebe Bübelein seit 1972 wiederholt. Aber macht das wirklich etwas aus? Rituelles Fernsehen um 9.20 Uhr, ORF 1. Olli Dittrich hat Fakten über den Kaiser zusammen getragen: Schorsch Aigner - der Mann, der Franz Beckenbauer war. 23.30 Uhr, ARD. Freitag: Die Netflix-Serienpremiere der Woche steht an: Sense 8. Die Serie von J. Michael Straczynski (Babylon 5) den beiden Matrix-Machern Andy und Lana Wachowski handelt von acht Menschen, die auf der ganzen Welt in besonderer Weise miteinander verbunden sind. Daryl Hannah spielt mit! Den neuesten Marketing-Schmäh zerpflückt Arte in der Doku Schlank durch Schokolade, 21.50 Uhr. Samstag: In Paris spielen die Damen um den Sieg der French Open. 15 Uhr, Eurosport. Sonntag: Herrenfinale bei den French Open, 15 Uhr, Eurosport. Im Tatort lockt die Gier: Den österreichischen Beitrag mit Adele Neuhauser und Harald Krassnitzer inszenierte Robert Dornhelm, 20.15, ORF 2 und ARD. Gegen die Wegwerfindustrie tritt der Lebensmittelaktivist David Groß auf: Sein beeindruckendes Engagement zeigt Wastecooking, 23.05 Uhr, ORF 2. Ist was für Sie dabei? (Doris Priesching, 1.6.2015) Damals gab es Clinch um die Auswahl der Gäste - Jauch wollte seinen Anwalt einladen. Talkmaster Günther Jauch (58) hört - wie berichtet - bei der ARD mit Jahresende auf. Die ARD-Talksendung Günther Jauch läuft damit nach vier Jahren aus. Den Sendeplatz übernimmt Anne Will. Laut dem Spiegel hat Jauch der ARD bereits im April vergangenen Jahres mit der Kündigung seines Vertrages gedroht. In dem Schreiben beklagte er Eingriffe in seine journalistische Unabhängigkeit und kritisiert das fehlende Vertrauen seitens der ARD. Vorausgegangen waren dieser Drohung Auseinandersetzungen zwischen dem für seine Sendung zuständigen NDR und Jauch über die Gästeauswahl für dessen Talk, berichtet der Spiegel. Jauch plante eine Sendung über den Umgang der Presse mit Prominenten und wollte dafür auch Medienanwalt Christian Schertz einladen, der zugleich Jauchs Anwalt ist. Der NDR monierte, dass Moderator und Gast nicht unbefangen agieren könnten, wenn sie zugleich Anwalt und Mandant seien. Das habe Jauch so erzürnt, dass er mit seiner Kündigung drohte. Für die ARD ist das Ende seiner Sendung ein schwerer Schlag: Die Sendung erreichte durchschnittlich 4,62 Millionen Zuschauer, das entspricht einem Marktanteil von 16,2 Prozent. Premiere bei der RTL-Show von Günther Jauch. In der ORF-"Millionenshow" nahmen bis jetzt alle die erste Hürde. Wien - Erstmals in der Geschichte der RTL-Show Wer wird Millionär? ist ein Gast bei der allerersten Frage rausgeflogen. Eine Studentin scheiterte bei Günther Jauch innerhalb von 45 Sekunden und fuhr mit null Euro und vier unbenutzten Jokern nach Hause - so etwas gab es nach RTL-Angaben noch nie in den eineinhalb Jahrzehnten seit Bestehen des Quotenrenners. Pech im Spiel und Glück in der Liebe - so kommentierte die Studentin in der Bild-Zeitung ihr schnelles Aus. Eigentlich habe ihr Freund bei der Rate-Sendung mitmachen wollen - sie selbst habe sich nur als Unterstützung spaßeshalber auch beworben und sei dann ausgewählt worden. Es war eine tolle Erfahrung und ich habe die Herzen des Publikums gewonnen und nicht die Million, so die Studentin. Aber den Hauptgewinn habe ich ja schon mit meinem Freund. In der Sendung hatte die Kandidatin gesagt: Schnell, aber schön und ich bin um eine Erfahrung reicher. Vor Millionen von Fernsehzuschauern war die Frau mit folgender 50-Euro-Frage konfrontiert: Seit jeher haben die meisten ...? A: Dober Männer, B: Cocker Spaniels, C: Schäfer Hunde, D: Riesen Schnauzer (richtige Antwort C: Schäfer Hunde). Darauf sagte die Kandidatin: Ich hätte jetzt gesagt Riesen Schnauzer. Günther Jauch: Ja, sagen Sie es auch? Kandidatin: Ja! Günther Jauch: Definitiv? Kandidatin: Ja, es sind Schnurrbärte. Günther Jauch: Die meisten Riesen haben Schnauzer? Seit jeher? Kandidatin: Machen Sie mir jetzt keine Angst. Günther Jauch: Nein, Angst kann ich Ihnen jetzt nicht mehr machen. Ich kann jetzt nur noch Schrecken verbreiten. Dann löste der Moderator auf: Seit jeher haben die meisten Schäfer Hunde. Kandidatin: Ernsthaft? Oh, Gott! In Österreich ist in der ORF-Version Die Millionenshow bisher noch nie ein Kandidat bzw. eine Kandidatin an der ersten Frage gescheitert, teilte der ORF am Dienstag mit. Die Autoshow ist einer der international erfolgreichen Kassenschlager für die BBC. London - Nach dem Aus für Jeremy Clarkson bei Top Gear wird Moderator Chris Evans sein Nachfolger in der britischen Kult-Autoshow. Der 49-Jährige hat einen Dreijahresvertrag unterschrieben, wie die BBC am Dienstagabend bekanntgab. Ich verspreche, dass ich alles mir Mögliche tun werde, um zu respektieren, was bisher los war, und die Show nach vorn zu bringen, ließ Evans mitteilen. Die letzte Folge mit dem Moderatorentrio Jeremy Clarkson, James May und Richard Hammond wird in Großbritannien noch diesen Sommer ausgestrahlt. Wer Evans Co-Moderatoren werden, war am Dienstag noch nicht bekannt. Die Sendung läuft im deutschen Fernsehen bei RTL Nitro und DMAX und bei Motorvision TV auf Sky. Die BBC hatte den scharfzüngigen Moderator Clarkson im März vom Dienst freigestellt und damit einen Proteststurm unter Fans entfacht. Der 55-Jährige hatte mit seinem derben Humor und politisch unkorrekten Sprüchen schon oft Ärger gemacht und sich schließlich mit den Produzenten überworfen. Top Gear ist einer der international erfolgreichen Kassenschlager für die BBC. Medienmogul lässt jüngere Generation ran - Sohn James wird Vorstandschef. New York - Rupert Murdoch gibt im Alter von 84 Jahren den Chefposten beim US-Unterhaltungsriesen 21st Century Fox ab - sein Sohn James übernimmt das Amt. Der STANDARD berichtete bereits über die Staffelübergabe. Der 42-Jährige wird bereits ab Juli den Job als Vorstandsvorsitzender antreten, wie das Unternehmen am Dienstag mitteilte. Auch Murdochs älterer Sohn Lachlan wird befördert. Gemeinsam mit seinem Vater soll der 43-Jährige künftig den Verwaltungsrat führen. Damit bestätigt sich, was von etlichen US-Medien bereits in der Vorwoche berichtet worden war - der Milliardär und Unternehmer teilt die Macht mit der jüngeren Generation und stellt die Weichen für seine Nachfolge. Allerdings zweifeln viele Beobachter, ob der als kontrollierend geltende Altmeister die Fäden beim Medienkonzern, zu dem auch der deutsche Bezahlsender Sky gehört, in der neuen Konstellation wirklich aus der Hand geben wird. Lachlan und James sind beide versierte und verdiente Manager. Zusammen [...] werden wir uns anstrengen, unser Unternehmen in Zeiten des dynamischen Wandels unserer Branche zu neuen Ebenen des Wachstums [...] zu führen, ließ Rupert Murdoch verlauten. Die neue Aufgabenverteilung verspricht formal Teamwork in Führungsfragen. Dabei erhält auch Lachlan, obwohl ohne Vorstandsposten, viel Einfluss - die untere Managementebene berichtet an ihn und James gemeinsam. Die Personalrochade an der Konzernspitze rückt vor allem Rupert Murdochs rechte Hand Chase Carey in den Hintergrund. Der 61-Jährige leitete bis zuletzt als COO das operative Geschäft im Vorstand, James Murdoch war bisher sein Vize. Carey soll noch bis zu seinem Vertragsende Mitte Juni 2016 Mitglied des Verwaltungsrats bleiben. Er wird aktiv eingebunden sein, um Lachlan und James in ihren neuen Rollen zu unterstützen, teilte Rupert Murdoch mit. Neben zahlreichen Fernsehsendern gehört zum Murdoch-Konzern das Filmstudio 20th Century Fox. Das Geschäft mit Zeitungen wie dem Flaggschiff Wall Street Journal und Büchern wurde vor zwei Jahren unter dem Druck von Investoren in die Schwestergesellschaft News Corp abgespalten, wo Rupert Murdoch weiter den Hut auf hat. Vorausgegangen war ein Abhörskandal bei der britischen Sonntagszeitung News of the World, die später eingestellt wurde. Dieser Fall, bei dem Reporter Handy-Mailboxen von Prominenten angezapft oder Polizisten für Informationen bezahlt haben sollen, machte auch James Murdoch zu schaffen. Er war damals für die Printgeschäfte in Großbritannien verantwortlich. Ermittlungsberichte konnten aber keine eindeutigen Belege für ein Fehlverhalten seinerseits finden. Für Fox war der Imageschaden so groß, dass die Übernahme der britischen Senderkette BSkyB abgeblasen werden musste. Rupert Murdoch hatte 1953 im Alter von 22 Jahren von seinem Vater zwei Tageszeitungen und einen Radiosender in Australien geerbt. Er übernahm nach und nach weitere Blätter und stieg zu einem nationalen Schwergewicht auf. In den 1960ern wagte er den Sprung nach Großbritannien, in den 70ern folgten die USA. Zuerst kaufte er wieder Zeitungen, später das Filmstudio 20th Century Fox und schließlich stieg er ins Fernsehgeschäft ein. Zuletzt schätzte das Magazin Forbes sein Vermögen auf 13,3 Mrd. Dollar (11,9 Mrd. Euro). Murdoch gilt als Medienzar der alten Schule - kontrollierend, stur und aggressiv in geschäftlichen Dingen. Sein großer Traum vom weltumspannenden Firmenimperium scheiterte jedoch im vergangenen Jahr. Mit der Übernahme von Time Warner, die ihm Namen wie CNN oder HBO gebracht hätte, wollte Murdoch sein Lebenswerk krönen. Doch er biss mit einem Angebot über 80 Mrd. Dollar auf Granit und zog sich dann enttäuscht zurück. Bester Dokumentarfilm ist "Dui Rroma" von Iovanca Gaspar für Okto. Wien – Mit seiner Annäherung an den Auslöser des Ersten Weltkriegs in Form eines investigativen Thrillers hat sich Andreas Prochaska den 47. Fernsehpreis der Erwachsenenbildung in der Sparte Film gesichert: Die ORF/ZDF-Produktion Das Attentat – Sarajevo 1914 wurde für Prochaskas Regie und das von Martin Ambrosch verfasste Drehbuch bei der Verleihung am Mittwochabend im Wiener Rathaus prämiert. Mit Das Attentat lieferte Prochaska im April 2014 das Kernstück des ORF-Schwerpunkts zum Ersten Weltkrieg und erzählte die Geschichte des Untersuchungsrichters Leo Pfeffer (Florian Teichtmeister), der sich nach dem Attentat auf Thronfolger Franz Ferdinand in Sarajevo 1914 auf die Suche nach der Wahrheit begibt. Auf eine Art Spurensuche hat sich auch Iovanca Gaspar begeben, die für ihren auf Okto TV gesendeten Dokumentarfilm Dui Rroma in der Sparte Dokumentation ausgezeichnet wurde. Darin erzählt Hugo Höllenreiner, ein Sinti aus Deutschland, der mehrere Konzentrationslager überlebte und Opfer von Josef Mengele war, seine Lebensgeschichte. Sein Gesprächspartner, der in Rumänien geborene und in Wien lebende Komponist Adrian Gaspar, verarbeitet das Gehörte mithilfe seines ersten symphonischen Werks für Orchester, Chor und Bass, der Symphonica Romani – Bari Duk, das die Doku unterlegt. In der Kategorie Sendereihe wurden Sendungsentwickler Markus Mooslechner sowie Sendungsgestalter Robert W. K. Styblo für das Servus-TV-Format TM Wissen ausgezeichnet. Darin gewähren originelle Wissenschafter, die fernab der Öffentlichkeit Großes leisten, Einblick in ihr Leben und ihre Arbeit. Zusammen mit dem 47. Fernsehpreis für Erwachsenenbildung wurde auch der Axel-Corti-Preis für herausragende Leistungen im Bereich Funk und Fernsehen vergeben. Dieser ging heuer an den ORF-Fernseh-Wirtschaftsressortleiter Christoph Varga, der von der Jury für seine professionelle Vermittlung komplexer wirtschaftlicher Zusammenhänge geehrt wurde. Der Privatsender RTL hat die Besetzung für seine Dschungelcamp-Sommeredition bekannt gegeben. Köln/Wien – 27 ehemalige Kandidaten des erfolgreichen Formats spielen anlässlich des zehnten Staffeljubiläums um den Wiedereinzug eines Promis ins Dschungelcamp 2016. Motto: Ich bin DER Star! Lasst mich wieder rein! Nur einer bzw. eine kann den Weg zurück schaffen. In der RTL-Sommer-Show Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein! gehen die Ex-Kandidaten ab 31. Juli täglich live um 22:15 Uhr auf verschiedene Missionen im Großstadtdschungel. Neben Lugner kämpfen etwa der Schlagersänger Costa Cordalis, Nadja abd el Farrag, die Schauspieler Julia Biedermann, Mathieu Carrière und Brigitte Nielsen, die Erotikmodels Micaela Schäfer und Melanie Müller oder der Sänger Michael Wendler um den Wiedereinzug in den australischen Dschungel. Auch die Sommer-Ausgabe des Formats moderieren Sonja Zietlow und Daniel Hartwich. Stargast im Studio ist Dr. Bob. Zuletzt sahen – nach ARD-Angaben – im Durchschnitt nur noch eine Million Zuschauer zu. Berlin/Wien – Finale für die ARD-Serie Verbotene Liebe: Nach 4.664 Episoden ist am Freitag (18.50 Uhr), nach etwas mehr als 20 Jahren Schluss, teilte die Programmdirektion am Donnerstag in München mit. Als Grund wurde der nachlassende Zuschauerzuspruch für die Vorabendserie angegeben. Zuletzt sahen jeden Freitag nach ARD-Angaben im Durchschnitt nur noch eine Million Zuschauer zu, der Marktanteil lag bei 4,8 Prozent. Am folgenden Freitag (3. Juli) nimmt Schauspielerin Cordula Stratmann den Sendeplatz mit ihrer neuen Serie Die Kuhflüsterin ein. Die Verbotene Liebe hat ein Stück Fernsehgeschichte geschrieben, indem sie früh für Toleranz in der Liebe und Akzeptanz der gleichgeschlechtlichen Partnerschaft eingetreten ist, wurde Programmdirektor Volker Herres zitiert. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich bei uns gesellschaftlich einiges verändert, einstige Tabus wurden hinterfragt und sind heute vielerorts keine mehr. Als "Zentralanstalt der österreichischen Identität" sah Gerd Bacher den ORF und baute einen großen, übergroßen Rundfunk für ein kleines Land. Und litt danach beständig darunter, was seine Nachfolger und die Politik aus der Medienorgel machten. Wien – Käme er noch einmal auf die Welt, würde er einen Beruf ergreifen, dessen Ende ich selbst bestimmen könnte, sagte Gerd Bacher mit 80 dem Profil: Dann wäre ich heute noch immer ORF-Generalintendant. Den ORF zu führen hielt er über Jahrzehnte für das Glück meines Lebens, erklärte er dem Standard 2011. 19 Jahre gelang ihm dieses Glück, fünf Funktionsperioden lang, zweimal nach politischen Ablösen wiedergewählt. Am Samstag ist Gerd Bacher ist nur wenige Monate vor seinem 90. Geburtstag an den Folgen eines Schlaganfalls in Salzburg gestorben. Bachers Bedeutung für das Land beschrieb Brigitte Wolf zu seinem 80er: Er habe die größte und wirkungsmächtigste Bewusstseinsmaschine der österreichischen Nachkriegsgeschichte gebaut, lange bedient und bis heute geprägt. Es gibt keinen Einzelnen, der das kollektive Bewusstsein Österreichs stärker beeinflusst haben kann als Gerd Bacher, schrieb die Bacher-Kennerin und ORF-Landesdirektorin. Der Größe des Glücks entsprach Bachers Unglück mit den meisten Nachfolgern. Diese mussten mit einem ORF zurechtkommen, den Bacher über Jahrzehnte in diese Dimensionen gebaut hatte. Zwei TV-Programme, die keinen Wunsch nach privatem Fernsehen aufkommen lassen. Bis weit in die 1990er-Jahre konnte Bacher, selbst zwischendurch in den Diensten von Sat.1, verhindern, dass dieses qualitätsverschlechternde Unglück auch bei uns in Österreich einzieht. Neun Bundeslandradios und drei nationale Radios, darunter ein kommerzielles Popradio Ö3, lange vor Privatradios, und frühes Vorbild für manche von ihnen. Jedem Bundesland sein ORF-Studio, sein Landesdirektor, auch als direkter Ansprechpartner für den Landeshauptmann, dessen Landesregierung einen ORF-Aufsichtsrat entsendet, der bei einer Generalswahl die vielleicht entscheidende Stimme liefern kann. So pragmatische Wahltaktik muss kein Widerspruch sein zu Bachers Bild als Architekt eines unabhängigen ORF. ÖVP und SPÖ nahmen den Rundfunk so unverforen in Besitz, dass Österreichs Zeitungen 1964 für ein Volksbegehren mobilisierten. 832.353 Menschen unterschrieben 1964, bis heute eines der erfolgreichsten, mit greifbaren Ergebnissen. Das Rundfunkgesetz von 1967 unter Bundeskanzler Josef Klaus. Dieser war für Bacher der einzige Politiker, dem es um den ORF ging und nicht nur darum, wie es ihm im ORF ging. Mit bürgerlichen Stimmen im ORF-Aufsichtsrat und der Unterstützung der volksbegehrenden Zeitungen wird Gerd Bacher 1967 General. Und verordnet dem ORF zuallererst eine Informationsexplosion: Journalisten fragen und hinterfragen, statt Politikern wie bisher das Mikrofon hinzuhalten. Klaus leitete denn auch die letzte ÖVP-Alleinregierung, Sozial demokrat Bruno Kreisky wusste geschickter mit den Medien umzugehen. Um den ihm allzu eigenmächtigen Bacher loszuwerden, lässt Kreisky eine Reformkommission ein neues ORF-Gesetz erarbeiten. Neues Gesetz, neue Wahl – das Prinzip wiederholt sich 2001 unter der schwarz-blauen Regierung, um Gerhard Weis an der ORF-Spitze loszuwerden. 2012 bereitete wieder eine Arbeitsgruppe im wieder rot geführten Kanzleramt eine ORF-Reform vor. Die Themen: Schluss machen mit Bachers Hebel, gegen Partei-Mehrheiten doch wieder ORF-Chef zu werden. Stets holte Bacher bei Generalswahlen ORF-Betriebsräte auf seine Seite, um zu gewinnen. Sie bestimmen – im Gegensatz etwa zu Aktiengesellschaften – gleichberechtigt mit Kapitalvertretern über ihre künftigen Chefs mit. Viele Betriebsräte wurden danach bald ORF-Direktoren, -Hauptabteilungsleiter oder auch über Nacht schuldenfrei. Aus der Reformarbeitsgruppe, die auch den Aufsichtsrat verkleinern sollte, wurde bis heute: nichts. Wohl weil Bacher die Mechaniken so gut kannte, forderte er, als er in seinen Siebzigern nicht mehr General werden wollte, so vehement dessen Abschaffung. Nur auf den ersten Blick wirkt das wie Widerspruch für den brillanten Denker und Redner. Wie er 2010 den Fernsehvollprofi Gerhard Zeiler an die Spitze des ORF wünschte, über dessen Quotenkurs ab 1994 Bacher maßlos enttäuscht war. Kein Widerspruch, wie Bacher Zeit meines Lebens ein fortschrittlicher Konservativer war. Wie er die Kirche als beste Erziehungsmaßnahme der letzten 2000 Jahre sah, aber nicht recht an Gott glauben mochte. Deshalb hatte Bacher große Schwierigkeiten, an ein Leben nach dem Tod zu glauben. Bacher äußerte sich zuletzt kaum noch öffentlich, und über den ORF wollte er sich öffentlich nicht mehr ärgern. Eine seiner letzten öffentlichen Reden hielt Bacher Anfang 2014 bei der Totenfeier für Verleger und Publizist Fritz Molden. Fritz, du wirst uns furchtbar abgehen, rief er seinem Lebensmenschen bebender Stimme nach. Wie furchtbar wird Bacher abgehen? Dem ORF, den Bacher nicht mehr daran erinnern wird, wie er sein könnte und sein sollte. Den Managern des ORF, den heutigen und künftigen, die Bachers so großen, vielleicht zu großen ORF nicht zuletzt mit seinen Strategien führen und mit seinen Taktiken versuchen, zu bleiben, was sie sind. Der Politik, die sein Ableben bedauern wird und sein Fehlen beklagen, und weiter das machen wird, was Bacher 1967 zu beenden versprochen hat. Kurzum: dem Land. Mit Tochter Eurosport – Sublizenzierungen geplant – ORF "blickt Verhandlungen entgegen". München/Lausanne/Wien – Der US-Fernsehkonzern Discovery erhält nach eigenen Angaben vom Montag exklusiv die Fernseh- und Onlinerechte für Europa an den Olympischen Spielen von 2018 bis 2024 vom IOC. Discovery tritt mit seiner Konzerntochter Eurosport auf und kündigt auch einen Olympia-Kanal an. In der Discovery-Aussendung ist von geschätzten Rechtekosten von 1,3 Milliarden Euro die Rede. Sublizenzierungen an andere Sender seien geplant, heißt es in einer Aussendung von Discovery. Mit durchschnittlich zehn Sendern pro Markt und den führenden Online- und OTT-Sportangeboten werden Discovery und Eurosport für eine größere Reichweite sorgen, auf mehr Bildschirmen als je zuvor – über 700 Millionen Zuschauer in ganz Europa werden die Spiele sehen können, heißt es in der Aussendung: Die Berichterstattung von Discovery und Eurosport wird durch eine breite Free-TV-Abdeckung und innovative Partnerschaften mit Rundfunkanstalten und Distributoren ergänzt. Die Vereinbarung umfasst laut Discovery die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang 2018, die Olympischen Sommerspiele in Tokio 2020 sowie die Olympischen Spiele 2022 und 2024, deren Austragungsorte noch nicht feststehen. Discovery hat nach eigenen Angaben die Rechte für alle Regionen in Europa mit Ausnahme Russlands erworben, in Großbritannien und Frankreich nur die Rechte für 2022 und 2024. Wie sieht der ORF den Paket-Deal? Vorerst eher vage die Antwort vom Küniglberg: Der ORF blickt möglichen Verhandlungen mit Discovery ebenso entgegen, wie dies beim Erwerb der Olympia-Rechte 2014 und 2016 gegenüber dem Rechteinhaber Sportfive der Fall war. Offen blieb zunächst, ob ARD, ZDF oder auch der ORF Sublizenzen von der Eurosport-Mutter Discovery erwerben können. IOC-Präsident Thomas Bach sah die öffentlich-rechtlichen Anstalten bei einer internationalen Telefon-Schaltkonferenz am Nachmittag noch nicht aus dem Rennen. Die Rechte sind im Moment exklusiv in den Händen von Discovery Communications und Eurosport. Aber sie sind bereit, Verhandlungen aufzunehmen über Abkommen mit anderen Übertragungsanstalten, sagte Bach auf Anfrage der dpa. Der überraschende Mega-Deal mit Discovery und Eurosport, der die öffentlich-rechtlichen Sender kalt erwischt hatte, bedeute nicht, dass jetzt irgendjemand aus dem Rennen ist. Wer im Rennen sein möchte, kann sich jederzeit an Discovery wenden, meinte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees. Sie haben gehört, wie offen Discovery ist, da in Diskussionen oder Verhandlungen einzutreten. ARD und ZDF teilten in einer Stellungnahme mit, die Entscheidung des IOC zur Kenntnis zu nehmen. Zugleich gab man sich ratlos bis entsetzt: ARD und ZDF hatten ein angemessenes Angebot abgegeben. ARD und ZDF sind langjährige Partner des IOC und berichten nicht nur bei den Olympischen Spielen, sondern auch in den Jahren zwischen den Spielen kontinuierlich über olympische Sportarten. Damit tragen ARD und ZDF in wesentlichem Maße zur Popularisierung der olympischen Sportarten bei. Aus der Pressemitteilung des IOC geht nicht hervor, was die Rechtevergabe an die internationale Sendergruppe für den deutschen Fernsehmarkt bedeutet. Beim ORF hofft man – siehe oben – jedenfalls noch auf eine Sub-Lizenz. Die öffentlich-rechtlichen Sender Europas waren bisher Dauer-Partner des IOC. Sie berichten auch im kommenden Jahr von den Sommerspielen in Rio de Janeiro. Discovery hat für das exklusive Rechtepaket 1,3 Milliarden Euro an das Internationale Olympische Komitee bezahlt. Das Unternehmen sendet unter anderem über seine Tochter Eurosport. In Deutschland und Österreich ist der Spartensender im Gegensatz zu anderen Ländern frei empfangbar. Eine Sublizenzierung für Free-TV wäre also theoretisch nicht notwendig. Es dürfte wohl eine Frage des Preises werden, ob ARD, ZDF und ORF bei Olympia noch zum Zug kommen. Hilton war mit einem Propellerflugzeug über Dubai unterwegs, als ihr der Sender einen "Streich" spielte. New York – Nach einem Streich mit einem vorgegaukelten Flugzeugabsturz will Paris Hilton (34) die Macher einer ägyptischen Fernsehshow verklagen. Hilton sei in Todesangst gewesen, berichtete das Promiportal TMZ.com unter Berufung auf Vertraute der Erbin. Sie habe ihre Anwälte bereits eingeschaltet. Auch ihre Mutter zeigte sich deutlich: Niemand mag einen guten Streich mehr als ich. Aber das war grausam, sagte sie Entertainment Tonight. Scariest moment of my life. 😭✈️ I really believed the plane was going to crash & we were all going to die. http://t.co/nWG1eQjl4P Hilton war mit einem Propellerflugzeug über Dubai unterwegs, als der Pilot beide Motoren ausstellte und mit der Short, als kleiner Transporter nicht gerade für Kunstflüge gebaut, in den Sturzflug ging. Die Kamera hielt fest, wie Hilton entsetzt kreischte. Ängstlichster Augenblick meines Lebens, twitterte sie später. Ich dachte wirklich, die Maschine stürzt ab und wir müssen alle sterben. Samsung-Studie: Menschen verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher – 62 Prozent der Haushalte haben bereits ein Tablet. Schwalbach/Wien – Der Fernseher hat dank neuer Streaming-Angebote laut einer Umfrage seine Stellung weiter ausgebaut. Die Europäer verbringen heuer täglich rund eine halbe Stunde mehr als im Vorjahr vor dem TV-Gerät, ergab eine Studie im Auftrag des Elektronik-Riesen Samsung. Die Nutzung von Video on Demand, bei dem Filme direkt aus dem Netz angesehen werden, ist danach um ein fünffaches auf 24 Prozent gestiegen. Bei den Ausgaben dafür liegen die Österreicher unter dem europäischen Schnitt. Sie lassen pro Monat 7,50 Euro für Dienste wie Netflix oder Amazon Prime springen. Die Studienautoren erklären die geringeren Investitionen damit, dass in Österreich Video-on-Demand-Angebote noch nicht so lange verfügbar seien. In Portugal sind es beispielsweise 14,68 Euro, in Italien 13,89 und in Spanien 13,45 Euro pro Monat, die für Streaming ausgegeben werden. Im Schnitt stehen zwei Fernsehgeräte in jedem europäischen Haushalt. Rund 187 Minuten würden die Europäer täglich vor dem Fernseher verbringen, die Menschen in Österreich und Deutschland 184 Minuten. Im europäischen Schnitt ergibt das ein Plus von 30 Minuten. Nach dem Fernseher als beliebtester Bildschirm folgt der Studie zufolge das Tablet. In 64 Prozent der europäischen Haushalte gebe es inzwischen ein solches Gerät, in Deutschland verfüge jeder zweite Haushalt über ein Tablet, in Österreich sind es laut Studie sogar 62 Prozent. Das gleichzeitige Twittern während des Fernsehens sei inzwischen zur Gewohnheit der Nutzer geworden. Ob zum Verwalten von Dokumenten, Streaming von Online-Inhalten oder Lesen von Magazinen – insgesamt 73 Minuten pro Tag nutzen die Europäer ihr Tablet, 37 Minuten mehr als im Vorjahr. Samsung hatte seinen Techonomic Index im vergangenen Jahr herausgebracht. Für die Ergebnisse wurden auch in diesem Jahr 18 000 Europäer im Alter von über 16 Jahren aus 18 Ländern befragt. Durchgeführt wurde die Studie von der Marktforschungsfirma Lightspeed GMI. Die Meinungsforschungsgesellschaft Ipsos Mori steuerte zusätzlich noch Interviews mit 5000 Menschen im Alter von 18 bis 65 Jahren bei. Kündigt eigene Sendung an – "Lassen uns weder von ORF noch Politik instrumentalisieren". Wien – ATV verabschiedet sich von den Gesprächen über eine gemeinsame Wahlkonfrontation mit ORF und Puls 4 zur Wien-Wahl. Eine gemeinsame TV-Konfrontation sei nur bei gleichberechtigter Beteiligung aller Sender möglich, ließ ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger Donnerstag verlauten. Der Sender plant nun eine eigene Wahlkonfrontation und will den Bürgermeister und SP-Spitzenkandidaten Michael Häupl dazu einladen. Der ORF spricht von absurden Unterstellungen. Die Sender verhandelten vorige Woche erstmals über eine gemeinsame Sendung (DER STANDARD berichtete) – der Wiener Bürgermeister will nur an einer TV-Konfrontation zur Wahl, vor allem wohl mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, teilnehmen. Eine weitere Gesprächsrunde war wie berichtet für diese Woche geplant. Nach dieser zweiten Runde am Mittwoch entschied sich ATV zum Ausstieg. Wir hatten von Anfang an Zweifel, ob eine Sendung mit ORF und Puls 4 zusammen machbar sei, erklärt Gastinger in der Aussendung: Wir werden aber die Umsetzung einer so entscheidenden Wahldebatte nicht anderen überlassen. Eine Sendung, bei der der ORF für Gesprächsführung, Regie und Produktion verantwortlich sein soll, ist für uns unvorstellbar, begründet Gastinger den Ausstieg seines Sender weiter. O-Ton: ATV lässt sich weder vom ORF noch von der Politik instrumentalisieren. Der ORF schloss – wie berichtet – eine gleichberechtigte Gesprächsführung der drei Sender aus. ATV werde ein eigenes innovatives Sendungskonzept entwickeln, kündigt der Sender an. Die Ausstrahlung einer ORF-Produktion komme für ATV nicht in Frage: Wir werden keine von Gebührenzahlern finanzierte Sendung des ORF auf ATV ausstrahlen. Und Gastinger weiter: Wer Sendezeit bei ATV möchte, kann gerne Werbung bei uns buchen. Auch die Werbezeiten waren – wie berichtet – ein Streitpunkt schon bei der ersten Gesprächsrunde. Privatsender gingen mit dreimal sechs Minuten Werbepause in die Verhandlungen. Der ORF darf aber Infosendungen nicht mit Werbung unterbrechen – auch wenn ihm da etwa im Vorabend oder für das Frühstücksfernsehen durchaus schon Modelle eingefallen sind. ATV-Infochef Alexander Millecker, schon zuletzt im STANDARD skeptisch, erklärt die Entscheidung via Aussendung so: Eine gemeinsame Sendung ist nur dann sinnvoll, wenn sie von gleichberechtigten Partnern produziert wird. Alles andere ist für uns inakzeptabel. Insbesondere, wenn die politische Unabhängigkeit der Sendung dadurch nicht gewährleistet wäre. Unsere journalistischen Ansprüche können wir nur in einer eigenen Sendung wahren. Millecker äußert in der Aussendung auch einen schweren Vorwurf oder Verdacht gegen ORF-Journalistinnen und Journalisten: Weichgespülte Interviewfragen oder gar politische Beißkörbe wird es in einer ATV-Wahlsendung niemals geben. Diese Aussage erzürnte die ORF-Redakteursvertreter. Sie wehren sich in einer Aussendung gegen solche ihrer Meinung nach pauschalen Verunglimpfungen. Dass die Sendung nun nicht in dieser Form stattfindet, bedeutet für ATV nicht, auf Diskussionen mit den Spitzenkandidaten und -kandidatinnen zu verzichten. Das ATV-Publikum hat sich eine vernünftige Wahlberichterstattung und -konfrontation verdient und die wird es auch bekommen, bestätigt Millecker. Und selbstverständlich laden wir den Listenersten der SPÖ, Michael Häupl, zu dieser meinungsbildenden Auseinandersetzung ein. Im Gegensatz zu ATV verhandelt Puls 4 weiter mit dem ORF: Wir führen noch ergebnisoffene Gespräche, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Der ORF weist in einer Aussendung die ATV-Unterstellungen zurück. ORF-Unternehmenssprecher Martin Biedermann: Es gab bis zuletzt mit den Beteiligten sehr konstruktive Gespräche, in denen die meisten zu klärenden Punkte bereits abgehakt waren. Der ORF ist überrascht, dass ATV sich nun plötzlich aus der geplanten Kooperation zurückzieht. Die absurde Unterstellung seitens ATV, die politische Unabhängigkeit einer solchen Diskussionssendung sei nur bei einer Beteiligung von ATV gewährleistet, weist der ORF scharf zurück. Dass ATV offensichtlich nicht auf Werbeunterbrechungen verzichten wollte, die dem ORF schon per Gesetz untersagt sind, und nun den Spieß mit haltlosen Untergriffen umzudrehen versucht, ist sehr bedauerlich. Aus der Aussendung erfuhr auch ORF-Verhandler und Wien-Chefredakteur Paul Tesarek vom jähen Abschied des Senders. Wien – Mit einem Termin für die gemeinsame Wien-Wahlkonfrontation von ORF, ATV und Puls 4 ging man Mittwoch auseinander. Kommende Woche wollten Vertreter der drei Sender Locations für die Diskussion der Spitzenkandidaten inspizieren. Doch Donnerstag um 9.46 Uhr kam – wie berichtet – die harsche Absage von ATV per Aussendung. Aus der erfuhr auch ORF-Verhandler und Wien-Chefredakteur Paul Tesarek vom jähen Abschied des Privatsenders. Der ORF reklamierte auch Mittwoch die Diskussionsleitung für sich. Bei einer Wiener Landtagswahl übernimmt das im ORF gemeinhin der Wien-Chefredakteur. Selbstverständlich aber wären Moderatoren der drei Sender präsent gewesen, jeder sollte Fragen ohne Einschränkung stellen können, erinnert sich Tesarek an das Gespräch. ATV-Chef Martin Gastinger ließ Donnerstag verlauten: Eine Sendung, bei der der ORF für Gesprächsführung, Regie und Produktion verantwortlich sein soll, ist für uns unvorstellbar. ATV-Infochef Alexander Millecker forderte gleichberechtigte Partner: Weichgespülte Interviewfragen oder gar politische Beißkörbe wird es in einer ATV-Wahlsendung niemals geben. Der ORF und sein Redakteursrat wiesen die pauschale Verunglimpfung als Unterstellung zurück. Laut Tesarek trug ein ATV-Mann die Idee für eine gemeinsame Debatte schon vor etwa einem Jahr an ihn heran. Der Bürgermeister griff sie schließlich auf, sagt der ORF-Verhandler. Der ORF wollte in Werbepausen für die Privaten Einspielungen zeigen, die das nächste Diskussionsthema einleiten. Der ORF wollte am 7. Oktober diskutieren – weil die Privaten nicht am Mittwoch wollten, einigte man sich auf Montag, den 5. Oktober. Wie geht Puls 4 nun mit der etwas plötzlichen Absage um? Wir führen noch ergebnisoffene Gespräche, hieß es in einer ersten Stellungnahme. Unfall bei Abseil-Aktion an Kölner Schokoladenmuseum – Konzerte abgesagt. Köln – Der Schlagersänger Michael Wendler hat sich bei den Dreharbeiten für das nächste RTL-Dschungelcamp die Hand gebrochen. Der 43-Jährige sollte beim Dreh für eine sogenannte Großstadtdschungel-Mission am Kölner Schokoladenmuseum abgeseilt werden. Statt dabei rechtzeitig vom Seil gestoppt zu werden, sei Wendler am Dienstag mit der Hand auf dem Boden aufgekommen, sagte ein RTL-Sprecher. Wendlers Management teilte mit, der Sänger habe sich einen komplizierten Bruch in der Hand zugezogen und sei noch am Dienstag operiert worden. Die in den kommenden Tagen in Deutschland geplanten Konzerte wurden abgesagt. Wendler ist einer von 27 Kandidaten bei der Show Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein. Ehemalige Dschungelcamp-Bewohner spielen darum, wer bei der zehnten Staffel im nächsten Jahr wieder in den australischen Dschungel darf. Die Sendungen werden ab 31. Juli ausgestrahlt. Aus Österreich ist Christine Mausi Lugner mit dabei. Drohung einer unbekannten Frau hatte zum Abbruch des "Topmodel"-Finales geführt. Köln – Die Bombendrohung während der ProSieben-Show Germanys next Topmodel im Mai kam aus einer Telefonzelle in Köln. Das hat die Mannheimer Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitgeteilt. Die Drohung einer unbekannten Frau hatte zum Abbruch des Topmodel-Finales geführt. Knapp 10.000 Menschen mussten die Halle verlassen. Die Kripo sucht nun Zeugen. (APA/16.7.2015) Gottschalk hatte die volle Gage von 2,7 Millionen Euro erhalten, obwohl die Sendung acht Monate vor Vertragsende abgesetzt worden war. Düsseldorf – Die umstrittene Millionen-Gage für Thomas Gottschalk für seine abgesetzte ARD-Vorabendshow Gottschalk live beschäftigt jetzt die Politik. Als Konsequenz aus den Vorgängen im Frühjahr 2012 denkt Nordrhein-Westfalens Landesregierung über Änderungen im WDR-Gesetz nach. Das geht aus zwei am Donnerstag veröffentlichten Antworten auf Anfragen der Piraten im Düsseldorfer Landtag hervor. Gottschalk hatte die volle Gage erhalten, obwohl die Sendung acht Monate vor Vertragsende abgesetzt worden war. Aufsichtsgremien des WDR waren nicht beteiligt. Der Sender hatte argumentiert, dies sei bei werbefinanzierten Formaten nicht erforderlich. Die Landesregierung prüft nun die Regelungen und will dem Landtag nach der Sommerpause einen Entwurf für ein neues WDR-Gesetz vorlegen. RTL und Sat.1 nehmen C- bis Z-Promis, darunter Christine "Mausi" Lugner, unter Vertrag. Köln/Wien – Für C- bis Z-Promis wird es in den nächsten Wochen richtig stressig. Dutzende von ihnen sind für die deutschen Sommerloch-Sendungen bei RTL und Sat.1, Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein! und Promi Big Brother, unter Vertrag genommen worden. Urlaub? Der muss ausfallen – vielleicht wäre bei dem einen oder anderen dafür auch gar kein Geld da gewesen. Vom kommenden Freitag (31. Juli, 22.15 Uhr) an kämpfen in der neuen RTL-Show Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein! insgesamt 27 altbekannte Protagonisten der letzten Sendungen um den Wiedereinzug ins nächste australische Dschungelcamp. Zwei Wochen später startet auf Sat.1 die dritte Staffel von Promi Big Brother mit zwölf noch geheimen Kandidaten. Kakerlaken-Alarm nun auch im August oder Maden-Cocktails im Sommer titelten einige Magazine bereits im Frühjahr, als der Kölner Sender die abgewandelte Form von Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! bekannt machte. Und welche Tiere müssen diesmal heruntergewürgt werden? Keine Tiere! Die bleiben in Australien!, betont ein RTL-Sprecher und räumt gleich mit dem zweiten sich hartnäckig haltenden Gerücht auf: Es handelt sich auch nicht um ein Camp. Die Promis schlafen alle zu Hause. Um Überwindung soll es bei den Prüfungen nicht gehen, vielmehr um Intelligenz, psychologisches Gespür und Teamgeist. Nur knapp ein Drittel der Challenges sind laut RTL Mutproben. Beim Dreh zu einer davon war der Schlagersänger Michael Wendler Mitte Juli in Köln abgestürzt und hatte sich einen komplizierten Bruch an der Hand zugezogen. Ein Seil, das ihn stoppen sollte, war zu lang. Instinktiv fing sich der 43-Jährige mit den Händen ab – und musste notoperiert werden. Mitmachen bei der Großstadtdschungel-Mission will er trotzdem. Neben ihm sind unter anderem dabei: Costa Cordalis, Micaela Schäfer, Brigitte Nielsen, Carsten Spengemann, Eike Immel, Walter Freiwald, Ingrid van Bergen, Peter Bond, Mathieu Carrière, Joey Heindle und aus Österreich Christine Mausi Lugner. In neun Shows (täglich ab 22.15 Uhr) treten jeweils drei Ex-Teilnehmer aus einer Staffel gegeneinander an. Zum Finale am 8. August steht dann fest, welcher der Dschungelstars zur Jubiläumsstaffel im Jänner noch einmal ins australische Outback darf. Moderiert – oder eher gelästert – wird auch in der Sommer-Edition von den Dschungelexperten Sonja Zietlow und Daniel Hartwich. Stargast im Studio ist Dr. Bob. Ohne die Tierchen aus dem Dschungel dürfte der allerdings wenig zu tun haben. Kaum ist diese Show vorbei, geht es am 14. August bei Sat.1 weiter: Zwölf mehr oder weniger Prominente lassen sich bei Promi Big Brother einsperren und rund um die Uhr von Kameras beobachten. Die Staffel im letzten Jahr erreichte Top-Quoten. Mehrfach schalteten mehr als drei Millionen Zuschauer in Deutschland ein. Nino de Angelo, Desiree Nick Offiziell ist noch nichts über die künftigen Bewohner bekannt. Laut Bild-Zeitung könnten Party-König Michael Ammer, Nino de Angelo, Désirée Nick, Menowin Fröhlich und Wilfried Gliem in das Haus in Köln-Ossendorf einziehen. Ex-GNTM-Teilnehmerin und Playmate Gina-Lisa Lohfink soll laut Stern auch auf der Auswahl-Liste stehen. Mehrere 10.000 Euro Gage könnte sie dafür erhalten. Nino de Angelo kassiert angeblich 200.000 Euro. Zu den möglichen Teilnehmern will Sat.1 sich nicht äußern. Oft wissen wir selbst bis zur letzten Minute nicht, wer dabei ist, sagt ein Sprecher und stöhnt: Die Vertragsverhandlungen... Die Live-Sendungen am Freitag werden von Jochen Schropp moderiert. Cindy aus Marzahn kommentiert – und hat sicher wieder einiges zu tun: Irgendwer zeigt sich doch immer bereitwillig nackig in der Badewanne. Irgendwer bandelt auch garantiert wieder mit jemandem an. Und Nervensägen gibt es in der C- bis Z-Promigarde schließlich auch zur Genüge. Doch das Wichtigste: Alle sind ja immer gaaanz authentisch. Bleibt weitere zwei Jahre Moderator. Baden-Baden – Guido Cantz bleibt weitere zwei Jahre Moderator der ARD-Unterhaltungsshow Verstehen Sie Spaß?. Sein Vertrag wurde bis 2017 verlängert, sagte Cantz am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur in Baden-Baden. Ich bin stolz und glücklich, diese traditionsreiche Show präsentieren zu dürfen. Es ist eine Sendung, die mir großen Spaß macht und die mir viel bedeutet. Cantz moderiert die Samstagabendshow des Südwestrundfunks (SWR) mit Filmen der versteckten Kamera seit April 2010. Am 1.8.2015, 20.15 Uhr, präsentiert er in der ARD eine Best-Of-Ausgabe. In diesem Jahr wird Verstehen Sie Spaß? 35 Jahre alt. Die Sendung läuft seit 1980 und gehört damit zu den wenigen Klassikern im deutschen Fernsehen. Nach Angaben des SWR schalten im Durchschnitt pro Ausgabe knapp fünf Millionen Zuschauer ein, dies entspreche einem Marktanteil von 16 bis 17 Prozent in Deutschland. Vor Cantz hatte sieben Jahre lang Frank Elstner die Sendung präsentiert. Drei Menschen ohne Wohnsitz bekommen ein Praktikum – Sendung im September geplant. Berlin – In einer neuen Sat.1-Sendung versuchen drei Obdachlose, dem Leben am Rande der Gesellschaft zu entgehen. Von der Straße in den Job heißt das Format, das am 13. September zunächst einmalig läuft. Drei Menschen ohne Wohnsitz bekommen ein Praktikum bei einer Hotelgruppe und dürfen zeigen, was sie können. Ein Sendersprecher bestätigte am Donnerstag entsprechende Berichte von Branchendiensten. Drei Obdachlose, ein Ziel: zurück in die Mitte der Gesellschaft, heißt es in der Ankündigung von Sat.1. Nachts schlafen sie auf Pappe, tagsüber suchen sie ihr Essen im Mülleimer, und im Winter frieren sie unter freiem Himmel. Die Streetworker Asgard Niemeier und Guido Fahrendholz wollen diesen Teufelskreis durchbrechen. Die beiden Sozialarbeiter unterstützen die drei Teilnehmer. Sat.1-Sendung beginnt am Freitag. Köln – Ex-DSDS-Finalist Menowin Fröhlich zieht für Sat.1 in das Promi Big Brother-Haus. Das teilte der Sender am Montag mit. Zuvor hatte Bild darüber berichtet. Der Sänger und Ex-Gefängnisinsasse will in der Show an seinem ramponierten Ruf arbeiten: Ich sehe das als riesige Chance, den Leuten zu zeigen, wer ich wirklich bin. Mein Image ist immer nur der asoziale Schläger, der gut singen kann. Bei Promi Big Brother ziehen zwölf mehr oder minder prominente Bewohner für zwei Wochen in ein Haus und werden rund um die Uhr von Kameras überwacht. Die von Jochen Schropp moderierte Sendung beginnt am Freitag (14. August, 20.15 Uhr). Fröhlich glaubt sich angesichts seines bisherigen Lebensweges gerüstet für die Show, in der zum Beispiel auch keine Handys erlaubt sind: Ich habe es drei Jahre im Knast ohne ausgehalten, dann werde ich 14 Tage wohl auch überleben. Der 27-Jährige hatte 2010 im Finale der RTL-Sendung Deutschland sucht den Superstar (DSDS) gesungen. Amazon lässt angeblich 250 Millionen Dollar für die neue Sendung mit dem Ex-"Top Gear"-Trio der BBC springen. Bei einem Vermögen, das Forbes auf fast 48 Milliarden Dollar schätzt, ist sehr, sehr, sehr teuer natürlich relativ. Mit diesen Worten beschrieb Amazon-Gründer und Multimilliardär Jeff Bezos die Kosten für den TV-Coup, den Amazon mit der Verpflichtung des Top Gear-Trios der BBC rund um Starmoderator Jeremy Clarkson gelandet hat. Kolportiert wird eine Summe von 250 Millionen Dollar, die Amazon in die neue Autoshow pumpt. Nächstes Jahr wird sie auf Amazon Prime zu sehen sein. Das Trio, das neben Clarkson von Richard Hammond und James May komplettiert wird, sei eine Menge wert, sagte Bezos zum britischen Sunday Telegraph. Und: Das wissen sie auch. Die neue Autoshow soll für Amazon Prime ein Turbo sein, um mit dem Bezahldienst international gegen Konkurrenten wie Netflix zu bestehen. In Österreich kostet Amazon Prime beispielsweise 49 Euro pro Jahr. Top Gear gilt als Exportschlager der BBC mit bis zu 200 Millionen Fans weltweit. Amazon hofft, dass viele Zuseher der Kultshow dem von der BBC geschassten Clarkson folgen werden. Die BBC setzt Top Gear mit Chris Evans fort. Die neue Autoshow sei aber nur ein Teil, wenn auch kein unwichtiger, des Angebots, das Amazon Prime in der Pipeline habe, sagte Bezos und spricht von einem goldenen Zeitalter des Fernsehens. Vor allem Serien wie die Amazon Dramaserie Transparent seien ein sehr rentables Investment. Wie berichtet startet die zweite Staffel im Dezember. "Die Politiker-WG" ab Montag soll innerhalb einer Woche Veränderungen im Problemviertel Duisburg-Marxloh bewirken. Duisburg – Der deutsche WDR hat für eine Dokumentation sieben Politiker in eine Wohngemeinschaft gesteckt – im sozialen Brennpunkt Duisburg-Marxloh. Begleitet von der Kamera sollen sie für die drängendsten Probleme aus der Nachbarschaft nach Lösungen suchen. Wie sich die Politiker von CDU, SPD, Grünen, der Linken und der FDP in ihrer WG-Woche geschlagen haben, zeigt Die Politiker-WG am 24. August um 21 Uhr. Big Brother machen wir nicht. Es geht um die Inhalte – wir wollen keine Inszenierungen, erklärte der Redakteur Simon Pützstück. Wir wollen es echt haben, authentisch. Darum gehen wir mitten ins Viertel. Die Truppe aus Kommunal-, Landes- und Bundespolitikern ist dafür in einer ehemaligen Bäckerei untergekommen. Zwar bleiben die persönlichen WG-Zimmer auch während des Experiments privat – aber bei den täglichen Besprechungen, beim Frühstück oder Abendessen im Gemeinschaftsraum sind Kameras und Mikrofone an. Kernfragen seien Wie schlagen sich Politiker im echten Leben? und Stimmt das Bild: Politiker packen nicht mit an? Dafür hätten die Protagonisten drei Projekte auf ihrem Aufgabenzettel: einen Jugendtreff organisieren, etwas für die Versorgung von Menschen ohne Krankenversicherung tun und ein Projekt für gute Ernährung auch mit wenig Geld auf die Beine stellen. Zu Wochenbeginn sei vor allem viel diskutiert, dann aber auch etwas angepackt worden, sagt Pützstück im Rückblick. Ein Ergebnis: Auf Initiative der Politiker-WG kam jüngst erstmals ein mobiler Jugendtreff ins Viertel. Ob die Jugendlichen das Angebot annehmen, muss sich in den kommenden Wochen zeigen. Unterschiedliche Facetten von Heimat stehen von 4. bis 10. Oktober im Fernsehen, Radio und Netz im Fokus. Hamburg – Die Themenwoche der ARD befasst sich dieses Jahr mit dem Thema Heimat. Es geht vom 4. bis 10. Oktober in Fernsehen, Radio und Netz um unterschiedliche Facetten von Heimat, auch aktuell und auch politisch. Die Themen Heimat und Flüchtlinge gehören zusammen, sagte Schauspielerin Natalia Wörner (47, Unter anderen Umständen), eine der Paten der Themenwoche, am Mittwoch in Hamburg. Alle Anfeindungen und Beschimpfungen bei uns müssen aufhören. Wir müssen lernen, mit irrationalen Ängsten umzugehen. Die gebürtige Schwäbin Wörner reist für ein Projekt des Vereins Kindernothilfe am kommenden Sonntag in den Libanon zu syrischen Flüchtlingsfamilien. Eine Patenschaft für die diesjährige Themenwoche haben neben Wörner auch Sänger Herbert Grönemeyer (59) und Fußballer Mesut Özil (26) übernommen. Grönemeyer ist zwar in Göttingen geboren, hat aber eine besondere Liebe zum Ruhrgebiet und sagte: Heimat ist kein Ort, es ist ein Gefühl. Wir Deutschen neigen ja schnell zum Überschwang. Das zeigt sich auch in der aktuellen Debatte um Flüchtlinge. Da müssen wir klar Haltung zeigen und denen, die Flüchtlinge bedrohen oder angreifen, deutlich machen, dass sie gegen eine Wand laufen. Die Woche befasst sich laut ARD sich mit der vielfältigen, reichen Kultur, die Heimat ausmacht, aber auch mit der modernen Heimat – den aktuellen Trends und dem Heimatgefühl der jungen Generation. Wir müssen den Heimatbegriff neu definieren: Was verbinden wir heute damit? Dazu soll unsere Themenwoche eine Hilfestellung geben, sagte ARD-Programmdirektor Volker Herres. Zum Auftakt gibt es am Sonntag (4. Oktober) von 6.00 bis 18.00 Uhr im Ersten ein ganz besonderes Format: Deutschland. Dein Tag. Schon vor einem Jahr, am Sonntag, dem 5. Oktober 2014, ist eine einmalige Momentaufnahme entstanden. Die ARD hat an jenem Sonntag 82 Menschen in ganz Deutschland zwölf Stunden lang in Echtzeit begleitet – bei Dingen, die die Deutschen an einem typischen Sonntag so machen. Weitere Höhepunkte sind ARD-Filme wie Leberkäseland mit Neda Rahmanian und Helen Woigk (am Montag, 5. Oktober, 20.15 Uhr) nach dem Buch der Autorin Lale Akgün, Blütenträume mit Nadeshda Brennicke und Max Herbrechter (am Mittwoch, 7. Oktober, 20.15 Uhr) und Heimat ist kein Ort mit Jörg Schüttauf und Karoline Lodyga am Freitag, 9. Oktober, 20.15 Uhr. Am 5. Oktober im Hauptabend – Corinna Milborn und Paul Tesarek moderieren – ORF überlegt noch Duell zwischen Häupl und Strache. Wien – Der ORF und der Privatsender Puls 4 haben sich auf eine gemeinsame Elefantenrunde zur Wiener Landtagswahl geeinigt. Hintergrund: Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) zeigt sich im Vorfeld der Wien-Wahl am 11. Oktober nur zu einer Fernsehkonfrontation bereit. Der Landeshauptmann wünschte deshalb eine Kooperation der heimischen TV-Anstalten. Zu Mittag bestätigten der ORF und Puls 4 die APA-Informationen über die Finalisierung der Zusammenarbeit. Gesendet wird die 90 minütige Konfrontation auf ORF 2 und Puls 4 aus den Wiener Sofiensälen am Montag, 5. Oktober. Die Moderation vor Live-Publikum übernehmen Puls 4-Infochefin Corinna Milborn und ORF Wien-Chefredakteur Paul Tesarek. ATV zog sich – wie berichtet – im Juni von dem Projekt zurück, weil man sich in den journalistischen Planungen nicht auf Augenhöhe gleichberechtigt sah, und plant ein eigenes Wahlkampf-Format. Nun ziehen der ORF und Puls 4 die Wahlkonfrontation mit den Spitzenkandidaten gemeinsam durch. Umstritten war lange, wie der ORF und der Privatsender die Werbung unter einen Hut bringen. Dem ORF ist Unterbrecherwerbung untersagt. Puls 4 wird jetzt auch durchsenden, heißt es auf STANDARD-Anfrage. Der ORF überlegt darüber hinaus auch noch ein TV-Spitzenduell zwischen Bürgermeister Häupl und seinem Herausforderer Heinz-Christian Strache von der FPÖ. Sowohl Häupl als auch Strache sind zu einer direkten Konfrontation im ORF bereit, heißt es. Offizielle Stellungnahmen gab es dazu vorerst nicht. Eine ganze Reihe direkter Konfrontationen gibt es im Vorfeld der oberösterreichischen Landtagswahl am 27. September. Zwischen 1. und 17. September bringt der ORF Oberösterreich via Bundesland heute (19.00 Uhr) sechs knapp 20-minütige Duelle der Spitzenkandidaten der im Landtag vertretenen Parteien ÖVP, FPÖ, SPÖ und Grüne: Den Anfang machen ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer und FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner. Die Elefantenrunde findet am 20. September, eine Woche vor der Wahl, am Pressestunde-Sendeplatz um 11.05 Uhr statt. Neben den Spitzenkandidaten der Landtagsparteien sind dazu auch die im Nationalrat vertretenen NEOS eingeladen. ORF 2 zeigt die oberösterreichische Spitzenrunde österreichweit. ORF III überträgt ebenfalls und lässt im Anschluss eine Journalistenrunde über die Wahlkonfrontation diskutieren. Die Tochter der Pumuckl-Erfinderin entschied, dass der Kobold wieder pummelig wird. München – Erst dick, dann schlanker und jetzt wieder dick: Der Kobold Pumuckl soll künftig wieder in gewohntem Umfang auftreten. Das kündigte die Tochter der Pumuckl-Erfinderin Ellis Kaut im Münchner Merkur an. Pumuckl bekommt seinen Bauch zurück, sagte Uschi Bagnall dem Blatt. In der vor mehr als 30 Jahren mit Gustl Bayrhammer und der Stimme von Hans Clarin gestarteten Fernsehserie Meister Eder und sein Pumuckl hatte Pumuckl stets ein rundes Gesicht und Kugelbauch. In der vergangenen Woche hatte der Kosmos-Verlag Zeichnungen des rothaarigen Kobolds in einem neuen, modernen Stil veröffentlicht. Die plötzlich erschlankte Figur hatte für großen Wirbel gesorgt. Anlass für die neue Buchausgabe, die am 11. September erscheinen soll, sind der 95. Geburtstag Kauts am 17. November und das Erscheinen des ersten Pumuckl-Buchs vor 50 Jahren im Stuttgarter Herold-Verlag. Die Tochter der Pumuckl-Erfinderin versicherte jetzt der Zeitung: Es wird nur dieses eine Buch mit der dünnen Figur geben. Apropos erschlankt: Für Aufregung hatte bereits vor zwei Jahren ein anderer Liebling aus Kindheitstagen gesorgt. Biene Maja verlor im 3D-Look deutlich an Gewicht. So wurde aus dem zweidimensionalen Pummelchen eine dreidimensionale Biene mit Wespentaille. Das ZDF begründete das so: Während Maja in 2D mit ihren alten Proportionen niedlich ist, hätte sie in 3D wie eine Hummel gewirkt. Mit der Biene Maja von 1976 hat die Neue wenig zu tun. (APA, red, 26.8.2015) ARD will für die Jahre 2017 bis 2020 offenbar so viel Geld für Sportübertragungen ausgeben wie nie zuvor. Köln – ARD und ZDF bemühen sich um eine Sublizenz für die Übertragungsrechte der Olympischen Spiele von 2018 bis 2024. Rechteinhaber ist seit Ende Juni Discovery Communications, die Muttergesellschaft des Spartensenders Eurosports. Discovery zahlt dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) für sämtliche TV- und Multiplattform-Übertragungsrechte für die vier Olympischen Spiele 1,3 Milliarden Euro. Ich kann bestätigen, dass das ZDF gemeinsam mit der ARD in Gespräche mit Discovery/Eurosport eintreten wird, um die Möglichkeit einer Sublizensierung von TV-Rechten an den Olympischen Spielen ab 2018 zu diskutieren, teilte ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz dem Sport-Informations-Dienst (SID) mit und bestätigte damit einen entsprechenden Bericht der Bild-Zeitung. ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky stellte fest: Die Gespräche mit den Rechtehaltern der Olympischen Spiele 2018-2024 stehen noch an. Zu Inhalten oder Umfang einer möglichen Sublizensierung können wir uns daher momentan noch nicht äußern. Die ARD will – laut Bild – im kommenden Haushalt für die Jahre 2017 bis 2020 offenbar so viel Geld für Sportübertragungen ausgeben wie nie zuvor. Demnach beantragt die ARD 1,163 Milliarden Euro, das wären 66 Millionen Euro mehr als im laufenden Vier-Jahres-Haushalt. Mit diesem Geld will sich das Erste nicht nur um Olympia und die weitere Austrahlung der Sportschau bemühen, sondern hat als weiteres Großprojekt auch den Wiedereinstieg in die Übertragungen von den Qualifikationsspielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft für die EM 2020 und WM 2022 ins Visier genommen. Man prüfe, so Axel Balkausky, generell programmlich attraktive Sportrechte. Dazu gehören natürlich auch die Qualifikationsspiele einer Fußball-EM. Derzeit hält der Kölner Sender RTL die Rechte an den Ausscheidungsspielen zur EM 2016 und WM 2018 und erreichte bei den Zuschauerzahlen zuletzt zweistellige Millionen-Werte. Die Spiele des Weltmeisters sind aber nicht nur für die ARD ein lohnendes Objekt. Das ZDF meldet ebenfalls Interesse an. Auch die Übertragungsrechte an den Quali-Spielen der deutschen Fußball-Nationalmannschaft ab 2018 sind für das ZDF ein Thema, bestätigte Gruschwitz dem SID. ARD und ZDF besitzen die TV-Rechte an der EM-Endrunde 2016 in Frankreich und der WM-Endrunde 2018 in Russland. "Guter Wille reicht nicht" und Frauen seien "chronisch" unterrepräsentiert.. Stuttgart – In drei Jahren soll bei jedem fünften Tatort, Polizeiruf 110 oder ARD-Mittwochsfilm eine Frau Regie führen. Mit gutem Willen allein lasse sich der Anteil weiblicher Regiebesetzungen offenbar nicht ausbauen, sagte Programmdirektor Volker Herres am Mittwoch nach einer ARD-Intendantentagung in Stuttgart. Das Ziel von 20 Prozent sei aber nur ein erster Schritt, den man mit den Produzenten gemeinsam erreichen wolle, sagte Herres weiter. Die ARD-Sender hätten bereits begonnen, Serienproduktionen gezielt mit Regisseurinnen zu besetzen. Für die Erstling-Debütfilme sei ein Verhältnis von 50:50 fast schon erreicht, hieß es. Wie hoch der Anteil an Regisseurinnen bei den fiktionalen Produktionen aktuell ist, ließ Herres offen. Er sei aber sehr gering. Frauen seien chronisch unterrepräsentiert. "Ich will etwas Festes, Greifbares in meiner Hand", sagt der Regisseur. Hollywood – Inmitten steigender Beliebtheit von Online-Videodiensten wie Netflix, Hulu oder Amazon hält einer weiter an VHS-Kassetten und DVDs fest: Quentin Tarantino. Ich kann mit Streaming nichts anfangen, schreibt der US-Kultregisseur (Inglourious Basterds) in Tom Rostons Buch I Lost It At The Video Store. Ich will etwas Festes, Greifbares in meiner Hand. Ich schaue auch keine Filme auf dem Laptop. Der 52-Jährige habe sogar erst kürzlich seine haptische Filmbibliothek ausgebaut, indem er das Inventar der kalifornischen Videothek Video Archives aufgekauft hat. Sie sind in Konkurs gegangen, also habe ich ihr gesamtes Inventar gekauft, vermutlich so um die 8.000 Kassetten und DVDs, wird Tarantino, der vor seinem Durchbruch mit Pulp Fiction 1994 in der Videothek arbeitete, vom Filmportal Indiewire aus dem Buch zitiert. Ich nehme auch noch Filme, die im Fernsehen laufen, auf Kassette auf, damit die Sammlung wächst. Tarantino besitzt in Los Angeles zudem das New Beverly Cinema, das ausschließlich analoge Filme vorführt. Tarantino drehte zuletzt The Hateful Eight, der rund um Weihnachten in den US-Kinos starten soll. Der Western dreht sich um acht Charaktere, darunter ein Kopfgeldjäger und ein General, die in einem Wintersturm an einer Postkutschenstation in den Bergen festsitzen. Samuel L. Jackson, Kurt Russell, Bruce Dern, Jennifer Jason Leigh und Demian Bichir gehören zur Besetzung. Politiker sollen Lösungsansätze für Flüchtlingskrise diskutieren. ORF wartet ab. Genf – Der Verband öffentlich-rechtlicher Sender, kurz EBU, plant für November eine Fernsehdebatte mit europäischen Staats- und Regierungschefs. Sie sollen konstruktiv Lösungsansätze für die Flüchtlingsproblematik diskutieren – statt konfrontativ wie gewohnt. Das kündigte Ulrik Haagerup, Infochef des Dänischen Rundfunks DR und Autor von Constructive News am Rande einer ORF-Visite in Wien an. Die EBU bestätigt das Projekt, bisher gebe es keine Zusagen. Der ORF wartet eine Konkretisierung ab, bevor er über eine Ausstrahlung der Debatte entscheidet, hieß es Mittwoch auf STANDARD-Anfrage. ProSieben.Sat1-Puls 4 und RTL-Gruppe verweisen auf AGB und liefern keine weitere Begründung – ATV behandelt "alle Parteien gleich" und bringt Spots – FPÖ wirft Sendern Zensur vor. Wien/Unterföhring – Die FPÖ ist bei mehreren privaten TV-Sendern mit Werbespots zur Wien-Wahl abgeblitzt. Vier 30-sekündige Clips wurden von der ProSieben.Sat1-Puls 4-Gruppe sowie vom RTL-Werbezeitenvermarkter IP Österreich mit Verweis auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen abgelehnt. Der Privatsender ATV will hingegen alle Parteien gleich behandeln und sendet die FPÖ-Spots. Im Gegensatz zum öffentlich-rechtlichen ORF, dem Parteienwerbung laut ORF-Gesetz untersagt ist, dürfen die Privatsender in ihren Werbeblöcken auch Botschaften von Parteien verbreiten. Das Gros der Privatsender macht davon Gebrauch. Im Vorfeld der Wiener Landtagswahl ist das erstmals anders: Verschiedene Spots der FPÖ wurden nicht angenommen, die Freiheitlichen werfen den Sendern Zensur vor. Die ProSiebenSat.1-Puls 4-Gruppe wies unter anderem ein Werbevideo mit FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache und der von der ÖVP übergelaufenen FP-Kandidatin Ursula Stenzel zurück, in dem ein Asylrecht als Schutz auf Zeit statt Türen auf für alle propagiert wird. Eine Forderung, die so ähnlich auch schon von der ÖVP erhoben wurde. Eine Begründung gab der Sender nicht an. In einem Schreiben an die FPÖ wurde lediglich auf die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der TV-Gruppe verwiesen. Beanstandet wurden auch Werbespots zu den Themen Wohnen, Senioren und Wirtschaft. Diese müssten adaptiert und um einige der Inhalte gekürzt werden. Das tat die FPÖ laut eigenen Angaben auch. Allerdings zu spät, denn plötzlich waren die Werbezeiten anderweitig vergeben. Wir können die Aussagen in etwa bestätigen, hieß es dazu bei ProSieben.Sat1-Puls 4. In unseren AGBs ist festgehalten, dass wir uns vorbehalten, Spots abzulehnen. Jetzt so kurz vor dem Termin sind unsere Werbezeiten aufgrund der guten TV-Nachfrage tatsächlich ausgebucht, sodass wir vermutlich nicht mehr alle Spot-Wünsche zur Gänze erfüllen können. Aber Restwerbezeiten werden genützt. Warum die FPÖ-Spots abgelehnt wurden, erklärte der Sender nicht. Puls 4 sorgte zuletzt bereits mit einer Werbevereinbarung mit den Neos für Diskussionen. Der Sender trat im Gegensatz zu anderen Medien einem Neos-Angebot für gestaffelte Werbehonorare näher, die sich nach Abschneiden und Erfolg der Partei bei der Wiener Landtagswahl richten. Und im Superwahljahr 2013 brachte Puls 4 eine Hauptabend-Doku über Frank Stronach, bei der es offenbar eine enge Zusammenarbeit mit dem Team Stronach gab. Wirtschaftlicher oder redaktioneller Einfluss wurde jedoch von beiden Seiten dementiert. Ablehnung für die aktuellen FPÖ-Werbespots gab es aber auch vom RTL-Werbezeitenvermarkter IP Österreich, an dem die deutsche RTL-Gruppe und die Kronen Zeitung jeweils zur Hälfte beteiligt sind. Mit Bezug auf unsere AGB werden wir Ihre Spots Unternehmen, Senioren, Wohnen und Schutzzeit nicht ausstrahlen. Alle von uns an Ihr geschätztes Unternehmen gestellten Angebote sind hinfällig, teilte IP-Geschäftsführer Walter Zinggl den Freiheitlichen in einem der APA vorliegenden Schreiben mit. Entsprechend unseren AGB kann die IP jeden Spot ohne Angabe von Gründen ablehnen. Das haben wir in diesem Fall getan. Ich kenne momentan nur einen Fall im Bereich der Wirtschaftswerbung, wo wir das ebenfalls getan haben, erklärte Zinggl dazu auf Nachfrage. Anders die Haltung beim heimischen Privatsender ATV: Wir behandeln alle Parteien gleich, und wir spielen alle Spots zu den gleichen Konditionen, sagte ATV-Sprecherin Lisa Fuchs der APA. Die FPÖ-Spots hält ATV für harmlos. Ein Asylrecht mit Schutz auf Zeit, wie es in einem der Spots heißt, fordere ja auch die ÖVP. Wir haben die Spots aller Parteien gesichtet und überprüft, ob sie im Einklang mit unseren AGBs stehen. Diskriminierende Werbung würden wir nicht bringen, das gilt aber generell für jede Werbung. Bei der FPÖ gehen ob der Ablehnung ihrer Werbeaktivitäten im Fernsehen die Wogen hoch. Diese Vorgangsweise zeigt allzu deutlich, dass die österreichischen Privatsender mit Ausnahme von ATV in Wahrheit längst über den redaktionellen Bereich von Nachrichtensendungen und Reportagen Zensur gegenüber der Freiheitlichen Partei üben, kritisierte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl im parteieigenen Youtube-Kanal FPÖ-TV. Aus diversen Sendungen ist man das gewöhnt, dass Information schon längst mit Kommentaren, die alle gegen die FPÖ gerichtet sind, vermischt werden. Im Bereich von Werbeeinschaltungen ist das allerdings neu, so Kickl. (APA, 2.10.2015) Zwischenzeitig meldete die APA, dass Puls 4 doch noch Restplätze für die FPÖ-Spots gefunden hätte. Der Sender dementiert dies aber. Die Erfolgsgeschichte aus dem Radio und Internet wird im Fernsehen fortgesetzt – Produziert von Fox 21 Television. Wien – Der erfolgreiche US-Podcast Serial wird für das Fernsehen adaptiert. In Serial rekonstruiert US-Journalistin Sarah Koenig in zwölf Episoden die Geschichte eines Kriminalfalls aus dem Jahr 1999 – und Millionen Menschen lauschten ihren Recherchen. In Baltimore wurde die Highschool-Schülerin Hae Min Lee ermordet. Ihr Ex-Freund Adnan Syed sitzt seitdem in Haft, hat die Tat aber immer abgestritten. Der Stoff soll jetzt ins Fernsehen kommen. Die Rechte teilt sich Fox 21 Television Studios mit den Autoren und Produzenten Christopher Miller und Phil Lord (Lego Movie). Laut US-Medienberichten soll es sich bei der TV-Adaption aber nicht um eine Dokumentation des Mordfalls handeln, sondern um einen Einblick in die Arbeit des Produzententeams um Sarah Koenig und Julie Snyder. In den USA hörten sich bei der Ausstrahlung durchschnittlich drei Millionen durch die einzelnen Episoden. Serial sorgte aber nicht nur in den USA, sondern auch in Europa für Lobeshymnen. Der Startschuss zur zweiten Staffel soll noch im Herbst erfolgen. Dieses Mal geht es um den mutmaßlichen US-Army-Deserteur Bowe Bergdahl, der 2009 in Afghanistan gefangengenommen und später im Austausch gegen Guantanamo-Häftlinge freigelassen wurde. Eine dritte Staffel ist für Frühjahr 2016 avisiert. Beide Sender bringen unabhängig voneinander Landesporträt aus der Vogelperspektive. Wien – Drohnen und Multicopter über Österreich: Die Schönheiten des Landes aus der Vogelperspektive zeigt am Mittwoch Servus TV. In dem Dreiteiler Österreich von oben setzen Martin Betz, Hans-Peter Stauber und Kurt Reindl auf Cineflex-Technologie, Kran und Flugaufnahmen und filmen Natur, Geschichte und Leben einer idealtypischen Familie in Österreich mit der schwebenden Kamera. Luftaufnahmen plant auch der ORF: Für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk ging Dokumentarfilmer Georg Riha in die Luft. In Über Österreich zeigt er ebenso Naturschönheiten, geplant ist die Ausstrahlung des Films 2016. Kritik in sozialen Netzwerken an seiner Interviewführung. Wien – Der ORF und der Privatsender Puls 4 erzielten mit der Elefantenrunde zur Wiener Landtagswahl Montagabend Top-Quoten – derStandard.at berichtete. Und während Puls 4-Infochefin und Anchor-Woman Corinna Milborn für ihre Moderation gute Rückmeldungen erhielt, gab es an der Performance von ORF Wien-Chefredakteur und Moderator Paul Tesarek einige Kritik. In sozialen Netzwerken wurde Tesareks Interviewführung von Politikexperten als seltsam beurteilt. Die Kritikpunkte: Bei Themen wie Steuern oder Verkehr brachte sich Tesarek inhaltlich in die Diskussion ein und vertrat nicht ganz unparteiisch die Argumentationslinie der regierenden SPÖ-Grün-Koalition, gegenüber der NEOS-Kandidatin Beate Meinl-Reisinger trat der ORF-Moderator unhöflich bis unwirsch auf. Höhepunkt: Tesarek sprach Meinl-Reisinger mit falschem Namen als Reinl-Reisinger an, die daraufhin meinte, Tesarek könne gerne auch Reinl-Meisinger sagen. Dass Tesarek auch noch einen Homoehe-Scherz beisteuerte, sorgte bei einigen Sehern ebenfalls für Verwunderung. FPÖ-Chef Strache meinte in Richtung Tesarek schließlich, dass ohnehin jeder Zuseher wisse, wie man ORF-Chefredakteur beim ORF Wien werde. Strache spielte damit offenbar auf den Umstand an, dass einigen ORF-Landesstudios eine besondere Nähe zur jeweiligen Landeshauptmann-Partei nachgesagt wird. Der ORF wies die Kritik an Tesarek am Dienstag zurück. Paul Tesarek ist Chefredakteur und Moderator mit jahrzehntelanger unbestrittener journalistischer Erfahrung und Kompetenz. Geschmäcklerische Bewertungen von Moderationen gibt es bei jeder politischen Diskussion. Das kommentieren wir nicht, erklärte ORF-Kommunikationschef Martin Biedermann. Warum der ORF bei einer solchen österreichweit im Hauptabendprogramm ausgestrahlten TV-Debatte zur mit Spannung erwarteten Wahl nicht erfahrene Talk-Moderatoren und Politik-Journalisten wie Ingrid Thurnher, Armin Wolf oder Hans Bürger einsetzt, erklärt man mit der föderalen Struktur des öffentlich-rechtlichen Senders. Da es eine Diskussion zur Wiener Landtagswahl war, wurde die Sendung wie auch sonst in anderen Bundesländern vom Landesstudio produziert und daher auch vom Chefredakteur des Landesstudios moderiert, so Biedermann. Seit Anfang Oktober strahlt MTV in Deutschland nur noch den Feed des Schweizer Programms aus. MTV – früher der Musiksender schlechthin – erlebt schon seit Jahren einen kontinuierlichen Abstieg im deutschsprachigem Raum. Nun hat der amerikanische Medienkonzern Viacom – mit Sitz in New York City – die Bemühungen um den Sender runtergeschraubt: seit Anfang des Monats übernimmt MTV in Österreich und Deutschland einfach das Programm von MTV Switzerland, berichtet das Online-Medienmagazin dwdl.de. Es seien jedoch weiterhin minimale regionale, individuelle Programmanpassungen möglich, wie Viacom-Sprecherin Christina Blankenburg am Dienstag auf eine Anfrage von dwdl.de berichtet. Diverse Programmänderungen sollen allerdings für alle drei Länder gleichermaßen gelten. 'WDR erweitert die Produktion um Beiträge in Arabisch, Kurdisch und Dari. Wien/Köln – Die Sendung mit der Maus erweitert ihr Angebot an Lach- und Sachgeschichten in Fremdsprachen. Den Anfang machen erste Beiträge in Arabisch, Kurdisch und Dari. Sie sind bereits unter maus-international.wdr.de zu sehen, weitere werden folgen. Das kündigte der Westdeutsche Rundfunk (WDR) in einer Aussendung an. Die Intention sei es, Kindern, die neu sind in Deutschland, den Einstieg in die fremde Kultur und Lebensweise zu erleichtern. International ist Die Sendung mit der Maus schon länger unterwegs ORF 3 zeigt ein Filmporträt der 1938 emigrierten Fotografin, die auch Richard Nixon und Fidel Castro ablichtete. Wien – Als Lisl Steiner 1945 nach Wien zurückkehrt, trifft sie zuallererst auf einen Rauchfangkehrer. Die Begegnung wird ihr Symbol für Glück, seither hat Steiner ein Faible für die Männer in den schwarzen Anzügen. In ihre Heimat New York lässt sie irgendwann sogar Ruß importieren. Den Rauchfangkehrerball hat sie seither nie ausgelassen. Rauchfangkehrer spielen auch eine Rolle in der ORF-Dokumentation Lisl Steiner – Coming Home? von Thomas Hackl und Martina Hechenberger. Die Interviews mit der Fotografin von Miles Davis, Fidel Castro, Richard Nixon, Martin Luther King, Pelé und vielen anderen mehr entstanden bei einem ihrer Besuche in Wien und waren faszinierend und ein großer Spaß, sagt Hackl zum STANDARD. Die Geschichte der 88-Jährigen ist voller Dramatik. Mit elf emigriert sie nach Argentinien. Über ihre Arbeit mit dem Naziregisseur Carl Ritter sagt sie: Wir haben uns wie Menschen benommen. Er war ein netter alter Herr, und damals gab es noch kein Google. Ich konnte nicht wissen, was für ein Verbrecher er war. (prie) Republikanischer US-Präsidentschaftsbewerber ist am 7. November Gastgeber der NBC-Show. New York – Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump moderiert eine Ausgabe der US-Comedysendung Saturday Night Live. Trump werde die Sendung am 7. November – also fast auf den Tag genau ein Jahr vor der US-Präsidentschaftswahl – moderieren, teilten die Veranstalter am Dienstag in New York mit. Die Show beim Sender NBC, die immer von wechselnden Stars moderiert wird, gilt in den USA als Kult. Dutzende Prominente wie Justin Bieber, Steve Martin, Paul McCartney oder Bill Murray traten dort schon auf. Zuletzt war Trump 2004 Gastgeber der Show. Nachdem sich der Milliardär im Sommer abfällig über Latinos geäußert hatte, beendete der TV-Sender NBC die Zusammenarbeit mit ihm eigentlich und kündigte an, die von Trump produzierten Wahlen zur Miss USA und Miss Universe nicht mehr auszustrahlen. Bei der Show The Apprentice hat Arnold Schwarzenegger Trump ersetzt. Norddeutscher Rundfunk erklärt auf Nachfrage: "Das war keine Panne. Aufklärung folgt". Hamburg – Die ARD-Sendung Tagesthemen hat Sonntagabend viele Zuschauer mit einem gruseligen Anblick irritiert. In den ersten Sekunden war in der Mitte des Nachrichtenstudios – offenbar durch einen optischen Effekt – nur die untere Hälfte eines Menschen zu sehen. Zwischen Nachrichtensprecher Jan Hofer und Moderator Thomas Roth stand ein Paar Beine, denen offensichtlich der Oberkörper abhandengekommen war. Keine Panne, Aufklärung folgt Auf Nachfrage zeigte sich der Norddeutsche Rundfunk zunächst geheimnisvoll: Das war keine Panne. Aufklärung folgt. Die Sendung verfolgten im Schnitt 3,38 Millionen Zuschauer. Die Tagesthemen-Redaktion twitterte: Sie haben es bemerkt: Bei uns hat sich gestern jemand eingeschlichen. Immerhin war die Hose gewaschen und gebügelt. Sie haben es bemerkt: Bei uns hat sich gestern jemand eingeschlichen. Immerhin war die Hose gewaschen und gebügelt. pic.twitter.com/BbDmM7kit2 Auch im ARD-Morgenmagazin waren oberkörperlose Hosenbeine zu sehen: Tja, was sollen wir sagen... Für mehr Beinfreiheit am Montagmorgen! https://t.co/rop0G7RNxB Huch, @ardmoma! pic.twitter.com/oOvot3lWuQ (APA, 19.10.2015) Präsidentschaftskandidatin outet sich als Fan von "House of Cards", "The Good Wife" und "Madam Secretary". New York – US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton plauderte am Dienstagabend (Ortszeit) in Stephen Colberts Late Show über ihren Serienkonsum. Spät aber doch habe sie mit ihrem Mann Bill den Politthriller House of Cards fertiggeschaut. Ebenfalls am Programm stehen im Hause Clinton die CBS-Serien The Good Wife und Madame Secretary. Das mit der App und dem Quiz ging für Jörg Pilawa schon einmal böse aus. In "Spiel für dein Land" am Samstag um 20.15 Uhr auf ORF 2 probiert er es wieder – notfalls unplugged. STANDARD: In Zeiten wie diesen geziemt es sich, nach den Wurzeln großer Persönlichkeiten zu fragen: Was wissen Sie über Ihre Herkunft? Pilawa: Der Name Pilawa verrät es schon: Mein Vater wuchs in Polen, dem damaligen Ostpreußen auf. Er war Jahrgang 1924 und wurde gegen Ende des Krieges eingezogen. Er kam nach Russland und floh über die Ostsee. In Dänemark geriet er in britische Gefangenschaft, aus der er wieder floh. Später siedelte er sich im norddeutschen Raum an und holte seine Familie nach. Es war ihm nicht vergönnt, die Spuren seiner Kindheit aufzusuchen. Er starb 1986, bevor der Eiserne Vorhang fiel. STANDARD: Was bedeuten Ihnen diese Wurzeln? Pilawa: Für mich ist es wichtig zu wissen, woher man kommt. Ich hatte das große Glück, in meinem Leben viel von der Welt sehen zu dürfen und nicht nur die Hotspots. Ich weiß, dass kein Mensch seine Heimat freiwillig verlässt. STANDARD: Zurück ins Hier und Jetzt: Drei Länder, eine App und theoretisch knapp 100 Millionen, die miträtseln. Fürchten Sie sich? Pilawa: Ich freu mich drauf, es kann viel passieren. Ich mache den Job seit 25 Jahren. Aber hier noch einmal die Möglichkeit zu haben, nicht nur in ein schwarzes Loch – sprich: eine Kamera – zu moderieren, sondern einen Rücklauf zu haben, ist ein Reiz. Es kann auch viel schiefgehen. STANDARD: Wie beim ersten Quizduell im Mai, als gar nichts ging. Gibt es diesmal einen Plan B? Pilawa: Wenn die App nicht funktioniert, haben wir im Studio gleich viele Deutsche wie Österreicher und Schweizer sitzen, und dann spielen wir einfach Quiz unplugged. Skeptisch macht mich allerdings, dass die Techniker sagen, es kann nichts passieren. Das sagten sie vor dem ersten Quizduell auch. STANDARD: Und damals haben Sie es auch schon nicht geglaubt? Pilawa: Doch, damals stellte ich mich noch hin, trommelte testosterongesteuert auf meinen Oberkörper und rief: Wir erfinden das Fernsehen neu! Und dann: Wupp! Alles zusammengebrochen. STANDARD: Sie gingen trotzdem als Sieger hervor. Wie behielten Sie die Nerven? Pilawa: Da ist ganz viel Routine dabei. Wäre mir das vor 25 Jahren passiert, hätte ich mich wahrscheinlich weinend auf die Treppe gesetzt. Aber in dem Moment legte ich den Schalter um und sagte: Mach aus der Not eine Tugend. Wir müssen im Fernsehen wieder viel mehr live machen.Fernsehen ist über die Jahre unglaublich steril geworden. Alle Pannen werden rausgeschnitten, es wird nur noch am Fließband produziert. STANDARD: Eine Kostenfrage wohl? Pilawa: Es ist wesentlich teurer. Für eine Liveshow bekomme ich vier aufgezeichnete Sendungen. Das Quizduell machen wir immer noch live, und es passiert immer wieder etwas, aber ich liebe es. STANDARD: Man stellt sichs stressig vor. Wie viel Gewicht verlieren Sie in einer Liveshow? Pilawa: Bei einer Samstagabendshow, die zweieinhalb oder drei Stunden dauert, können es so zweieinhalb Kilo sein. STANDARD: Mit Ihrer Firma Herr P entwickeln Sie das Rundumkonzept, auch zu dieser Show. Wie viel Arbeit steckt dahinter? Pilawa: Es bedarf einer extremen redaktionellen Vorbereitung. Mir war wichtig, dass wir kein Klischeefernsehen machen, nicht sagen: In Österreich gibts Schmäh, Kaffeehäuser, in der Schweiz Käse, Schokolade, Franken und in Deutschland Paragrafenhengste. Wir wollen Geschichten zeigen, die in den Ländern selbst für einen Aha-Effekt sorgen. STANDARD: Käme jemand auf die Idee, Wetten, dass ..? wiederzubeleben: Wären Sie jetzt bereit? Pilawa: Nein. Ich bin jetzt 50 und grundsätzlich entspannter, und da sage mir: Komm, reicht auch. STANDARD: Und ziehen sich zurück auf Ihre Insel in Kanada? Pilawa: Ohne Internet und ohne fließend Wasser. Das ist sehr schön, Robinson Crusoe für fünf Wochen zu sein. Aber auch keinen Tag länger. Wolfgang Herles kritisiert in seinem Buch den Quotenfetischismus. Der TV-Journalist Wolfgang Herles geht in Pension. Zum Abschied vom ZDF hat er dem Sender ein stacheliges Stück Medienkritik überreicht: Die Gefallsüchtigen. Herles lässt nichts aus, was ihm am öffentlich-rechtlichen Sender der Quotenjunkies aufgestoßen ist: die Hofberichterstatter (Berichte über CDU-Parteitage als C-Dur Feldgottesdienste zu Ehren der heiligen Angela gestalten), Talkshow-Clowns (Patentschwätzer, bei denen der Anzug oft besser sitzt als die Gedanken), Skandal- und Alarmschreier (in der Katastrophe ist das Medium ganz bei sich). Die Politik läuft nach Angela Merkels einzigem Kompass – den Umfragewerten. 2009 bis 2013 hat allein das Bundespresseamt 600 Umfragen in Auftrag gegeben. Herles beginnt mit dem Quotenfetischismus. Die Quote ist der Gessler-Hut, vor dem sich alle verneigen – so als ob Zahlen für Qualität bürgten. Kampflos ergibt sich das ZDF der Diktatur der Quote. Die Quote misst nur das Gefallen, und wer in den Medien an Quoten glaubt, gehört für Herles ebenso zu den Gefallsüchtigen wie jene Programmdirektoren, Rundfunkräte, Politiker etc., die sich an Umfragen ausrichten. Medien und Politikern – den gefallsüchtigen Zwillingen – liegt nichts ferner als Kritik, Provokation und Aufklärung. Medien und Politiker folgen der Macht des Marktes, die Konsumtrends, Lebensstile, Einstellungen und Wertorientierungen erzeugt. Ergebnis: Homogenisierung, Konformismus und Seichtigkeit rundum. Das Programm verkommt bei fast allen Sendern zum platten Unterhaltungsprogramm. Die Qualitätskrise hat nicht nur das Gebührenfernsehen erfasst, das – so Herles – ohne großen Verlust für die Gesellschaft abgeschafft werden könnte, sondern auch Privatsender und Printmedien. Die Privatsender wirkten in vieler Hinsicht als Trendsettter im Wettstreit um die qualitative Niveausenkung, in dem sich die öffentlich-rechtlichen Sender nicht abhängen lassen wollten und nach Kräften mithielten. In den Printmedien endete der Kampf um die Mitte beim Abschreiben und Fremddenkenlassen (Ulrich Jörges) in einem allgemeinen Konformitätsdruck. Im Online-Journalismus kommt der Zeitdruck hinzu, der die Qualität zusätzlich senkt. Verheerend wirken sich auch kostensparende Kooperationsdeals zwischen vormals linksliberalen und konservativen Zeitungen aus. Das Netz und die sozialen Netzwerke entwickeln sich zu einer Gerüchteschleuder (Mathias Müller von Blumencron, FAZ). Herles Diagnose ist richtig, seine Therapie – radikale Programmreform (weniger Geld für teure Sportrechte und vulgäre Unterhaltung, mehr für Bildung, Kultur und Politik), Abschaffung des Gebührenfernsehens und Finanzierung aus Steuermitteln – plausibel. Es ist nicht einzusehen, warum das öffentlich-rechtliche Fernsehen Sportveranstaltungen mit hochbezahlten Profis beim Kauf von überrissen teuren Übertragungsrechten oder idiotische Unterhaltungssendungen wie den European Song Contest indirekt subventionieren soll. Ein Buch als Abschiedsgeschenk an die große Quoten-Sekte. Besser wäre es gewesen, wenn Herles seine Kritik und seine Vorschläge vorgetragen hätte, als er noch redaktionelle Verantwortung trug. Insofern kommt das Buch leider zu spät, um jene Wirkung zu entfalten, die man ihm wünscht. Serienstar aus "Law & Order" wollte 2008 US-Präsident werden. Washington – Der langjährige US-Senator und Schauspieler Fred Thompson ist tot. Wie seine Familie am Sonntag mitteilte, starb der Star der TV-Serie Law and Order im Alter von 73 Jahren an Krebs. Er sei friedlich im Kreis seiner Familie entschlafen. Thompson hatte nicht nur in seinen Filmen, sondern auch in seinem Leben viele Rollen übernommen, er war Anwalt, Senator, Schauspieler und wollte 2008 sogar Präsident werden. Geboren in Alabama und mit 17 Jahren bereits verheiratet, begann seine Karriere als Anwalt für die Republikaner in der Watergate-Affäre. Eher zufällig stolperte der Jurist dann ins Filmgeschäft. Der Regisseur Roger Donaldson interviewte ihn Ende der 70er zu einem Politik-Skandal in Tennessee, zu dessen Aufklärung Thompson als Ermittler beigetragen hatte. Donaldson war von dem Zwei-Meter-Mann mit der Bassstimme so beeindruckt, dass er ihm eine Rolle anbot: Thompson sollte sich in dem Film über die Affäre selbst spielen. Das Debüt wurde ein Erfolg. Es folgten zahlreiche Rollen in TV-Serien und in Thrillern wie Stirb Langsam 2 oder Jagd auf Roter Oktober. Mit großem Erfolg spielte er über Jahre zudem den kantigen, aber herzensguten New Yorker Ermittler Arthur Branch in Law & Order. Zwischen 1994 und 2003 vertrat Thompson seinen Heimatstaat Tennessee als Senator in Washington. Der Republikaner war für seine streng konservativen Ansichten bekannt. Als er im Jahr 2007 beschloss, sich um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner zu bewerben, wurde er schon mit Ronald Reagan verglichen, dem anderen Hollywoodstar im Weißen Haus. Doch blieb seine Kampagne erfolglos und er gab vorzeitig auf. Fred glaubte fest daran, dass die Größe unserer Nation der harten Arbeit, dem Glauben und der Rechtschaffenheit seines Volkes geschuldet sei, erklärte seine Familie. Er sei stets von der Einzigartigkeit seiner Heimat überzeugt gewesen, in dem jeder Bub und jedes Mädchen die Chance habe, es im Leben zu etwas zu bringen. Thompson war zweimal verheiratet, er hat fünf Kinder und mehrere Enkel. Nach Zank zwischen Betreiber M7 Group und ORF ebnete die KommAustria den Weg – Start im November mit Streaming- und Video-on-Demand Angeboten. Wien – Nach ORF und Sky drängt nun ein dritter Anbieter mit einem Zusatzangebot noch vehementer in den österreichischen Satelliten-TV-Markt. Im Laufe des Novembers startet HD Austria eine eigene TV-Plattform für hochauflösendes Fernsehen, die auf über zwei Millionen Satelliten-Haushalte in Österreich spitzt. Konsumenten haben dann die Wahl zwischen der HD Austria-Plattform und der ORF Digital-Plattform, die mittels ORF-Digital-SAT-Karte läuft. Bis jetzt konnte HD Austria nur über die ORF Digital-Sat-Karte und seit Juli 2012 via Satellit zusätzlich über die Sky Smartcard empfangen werden. Diese Angebote bleiben bestehen. Je nach Paket variiert der Preis zwischen 7,90 Euro pro Monat und 14,90 Euro für 40 HD-Sender – von den HD-Sendern ORF 1, ORF 2 sowie den frei empfangbaren – etwa ARD, ZDF, Arte und 3sat – bis zu Puls 4 sowie deutschen Privaten wie den RTL-Sendern, ProSieben Austria, SAT.1 Österreich und kabel eins austria. Im teureren Produkt sind 15 zusätzliche Sender wie MTV, Hustler TV oder Eurosport 2 inkludiert. Nicht im Portfolio ist derzeit ATV. Mit dem Privatsender spießt es sich noch, wie Martijn van Hout, M7 Manager für Deutschland und Österreich, am Dienstag bei der Präsentation sagte. Die Verhandlungen seien noch nicht abgeschlossen. Hinter HD Austria steht die M7 Group mit Sitz in Luxemburg mit bis jetzt nach eigenen Angaben 3,5 Millionen Kunden in Europa. Sie vermarktet HD-Programme deutscher Privatsender über Satellit gegen eine Zugangsgebühr. In Österreich hat das Unternehmen weitere zwei Millionen Kunden im Visier: So viele Satelliten-Haushalte gibt es derzeit. Laut Senderangaben verfügen 72 Prozent von ihnen über einen HD-Fernseher. Dem Start ist ein längerer Rechtsstreit zwischen HD Austria und dem ORF vorausgegangen, der STANDARD berichtete. Im September konnte er schließlich über die KommAustria beigelegt werden. Es gab große Widerstände im ORF, sagt Martijn van Hout, sie wollten nicht, dass wir eine gemeinsame Plattform haben. Der ORF stellt über seine Tochter ORS die technische Infrastruktur für die ORF-Sat-Karte. Die wesentliche Hürde sei die Zustimmung des ORF gewesen, um auch die öffentlich-rechtlichen Programme entschlüsselt empfangen zu können. Aufgrund der marktbeherrschenden Stellung sei das ein Quasi-Monopol, kritisiert van Hout, das der ORF verteidigen wollte. Gerungen wurde beispielsweise neben finanziellen Punkten um Sendeplätze, erzählt van Hout. Private Kanäle sollten etwa erst ab Sendeplatz 100 gelistet werden. Nach allen ORF-Programmen, woraufhin HD Austria bei der Medienbehörde Beschwerde einreichte. Einige Forderungen musste HD Austria schlucken, etwa dass die ORF-Gebührentochter GIS Zugriff auf die Kundendaten habe. Das sei auch bei Sky der Fall. HD Austria setzt auf ein hybrides System: Wir möchte lineares Fernsehen und Streaming verbinden, so van Hout – mit interaktive Funktionen wie Replay TV, Multiscreen- und Video-on-Demand-Services. Diese Streaming-Inhalte sollen in Kürze in einer Testversion der HD Austria NOW App für Konsumenten verfügbar sein. Asset ist ein elektronischer Programmführer. Videodienste wie Youtube sind nicht über eigene Apps verfügbar, derzeit liefen Verhandlungen mit einem anderen Anbieter. Um welchen es sich handelt, wollte van Hout nicht verraten. Die neue HD-Austria-Plattform ist ein zusätzliches Angebot für österreichische Satelliten-Haushalte zum Empfang aller verschlüsselten Programme von HD Austria und ORF und wird parallel zur bestehenden Mitbenutzung der ORF-Digital-Plattform gestartet – HD-Austria-Programme können also auch weiterhin auf der ORF-Karte freigeschaltet werden. Nur Streaming über die Plattform zu nutzen und auf lineare Programme zu verzichten, geht derzeit nicht. So könnten sich Kunden theoretisch die ORF-Gebühren sparen. Im Handel befinden sich zwei verschiedene Receiver mit den Micro-SAT-Karten. Sie kosten 69 bzw. 159 Euro. Der ORF wehrt sich laut APA gegen Aussagen des Satellitenfernsehanbieters HD Austria, der auf seiner Österreich-Plattform neben privaten TV-Sendern in HD-Qualität auch ORF-Programme anbieten will, ohne dass die Kunden eine ORF-Karte brauchen. Es gibt selbstverständlich kein ORF-Karten-Monopol, so der ORF am Dienstagabend in einer Aussendung. In Österreich sind Pay-TV-Anbieter wie etwa Sky seit vielen Jahren präsent und verbreiten die Programme von mehr als 100 TV-Sendern. Falsch sei auch, dass es für Hersteller von Fernsehern und Satelliten-Empfangsgeräten zwingende Vorgaben des ORF gebe – etwa eine Reihung privater HD-Sender an hinterster Stelle in der Sendeliste. Laut ORF sind HD-Austria-Geräte nicht mit ORF Digital kompatibel. Wer nach der Testphase kein kostenpflichtiges HD-Austria-Abo abschließt, wird auf den vorderen, fix eingestellten und nicht veränderbaren Sendeplätzen in der Programmliste nur noch ein schwarzes Bild vorfinden, so der Sender. Nachfolger gesucht für Helmut Reitze gesucht. Frankfurt – Der Intendant des Hessischen Rundfunks (hr), Helmut Reitze, legt aus gesundheitlichen Gründen sein Amt nieder. Das teilte der hr am Freitag in Frankfurt/Main nach einer Sitzung des Rundfunkrats mit. Der 63-Jährige werde noch bis Anfang nächsten Jahres im Amt bleiben, bis der Rundfunkrat über die Nachfolge entschieden habe, hieß es weiter. Reitze ist seit 2003 Intendant des Hessischen Rundfunks. Seit einiger Zeit spüre ich, dass meine Energie nicht mehr ausreicht, um mit voller Kraft mein Amt als Intendant auszufüllen, sagte Reitze am Freitag. Reitze war am 18. Oktober 2002 mit dem hauchdünnen Vorsprung von nur einer Stimme vom hr-Rundfunkrat gewählt worden. Der gebürtige Nordhesse war der erste Journalist auf dem Chefsessel des hr, der sechstgrößten ARD-Anstalt. Trotz sorgsamen Wirtschaftens war es Reitzes Vorgänger, Klaus Berg, nicht gelungen, einen ausgeglichenen Haushalt zu hinterlassen. In seiner fast 13-jährigen Amtszeit hat Reitze den hr mit mehreren Sparrunden finanziell konsolidiert und zahlreiche Programmreformen angestoßen, teilte der hr mit. Das hr-fernsehen konnte während seiner Amtszeit durch eine strikte Ausrichtung auf Hessen seine Einschaltquoten erheblich steigern. "Service für Zuwanderer": Wichtigste Informationen werden an Wochentagen zweimal, am Wochenende einmal täglich aktualisiert. Hamburg – Die Redaktion der Tagesschau bietet im Internet nun auch Nachrichten in arabischer Übersetzung an. Das teilte die ARD am Montagabend auf tagesschau.de mit und sprach von einem Service für Zuwanderer in Deutschland. Weiter hieß es: Die Tagesschau in 100 Sekunden gibt es ab sofort auch auf Englisch und Arabisch. Die wichtigsten Informationen des Tages werden an Wochentagen zweimal, am Wochenende einmal täglich aktualisiert. Das Angebot ist allerdings stumm, es werden allein Schrifttafeln eingeblendet. Der Nachrichtenüberblick in 100 Sekunden wird in beiden Sprachen von Montag bis Freitag um 11 Uhr und um 18 Uhr aktualisiert. Am Wochenende und an Feiertagen wird einmal täglich um 13 Uhr aufgefrischt. Die ARD entschied sich für den umstrittenen Künstler, die Fernsehzuschauer stimmen am 18. Februar über den Song ab. Berlin – Die ARD will Xavier Naidoo zum Eurovision Song Contest schicken. Der will so schön und so gut singen wie noch nie in meinem Leben. Damit dürfen die Zuschauer bei der Show Unser Song für Xavier am 18. Februar nur noch über den Song abstimmen, mit dem Naidoo ins Rennen gehen soll. Ich hab richtig Lust auf den ESC! Dieser völkerverbindende Wettbewerb ist für mich etwas ganz Besonderes. Und klar, ich trete an, um das Ding nach Hause zu holen, wurde Naidoo auf der Seite eurovision.de zitiert. Zuerst hatte die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber berichtet. Ich will in den drei Minuten auf der Bühne zeigen, dass wir auch in Deutschland Musik mit Leidenschaft machen. Und zeigen, wofür ich stehe – für Liebe, Freiheit, Toleranz und Miteinander, sagte Naidoo. ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber sagte, Naidoo sei ein Ausnahmekünstler, der seit 20 Jahren seinen Platz im deutschen Musikleben habe. Deshalb sei er direkt nominiert worden. Wir bitten die besten Produzenten und Komponisten Deutschlands, für Xavier zu schreiben. 2015 war Deutschland mit null Punkten (wie Österreich) auf dem letzten Platz gelandet. Die ARD ändert damit ihr Konzept. Bisher gab es einen Wettbewerb, aus dem der deutsche ESC-Kandidat hervorging. Vergangenes Mal hatte Sieger Andreas Kümmert die Wahl nicht angenommen, sodass die zweitplatzierte Ann-Sophie in Österreich antrat. Naidoo hat seine Alben in Deutschland millionenfach verkauft. Mit Dieser Weg lieferte er 2006 den Hit zum Fußball-Sommermärchen. Den Musikpreis Echo bekam er sechsmal, zuletzt in diesem Jahr. Derzeit ist er mit den Söhnen Mannheims anlässlich des 20-jährigen Bandjubiläums auf Tour. Mehrfach sorgte der Mannheimer für politische Diskussionen – etwa als er am Tag der deutschen Einheit vor den rechtspopulistischen Reichsbürgern sprach, die Deutschland nicht als souveränen Staat anerkennen. 2011 hatte er im ARD-Morgenmagazin erklärt: Wir sind nicht frei. Wir sind immer noch ein besetztes Land. Der nächste Song Contest findet im Mai 2016 in Stockholm statt, nachdem der Schwede Mans Zelmerlöw dieses Jahr mit seinem Song Heroes gewonnen hat. (APA, 19.11.2015) Gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa verteidigt ARD-Unterhaltungskoordinator Thomas Schreiber die Entscheidung für Naidoo. Man habe gewusst, dass der Künstler polarisiere. Die Frage sei, ob alle Hassäußerungen, die es in den sozialen Netzwerken gibt, eine sachliche Grundlage haben. Xavier Naidoo stehe für Toleranz gegenüber allen Lebensentwürfen in Deutschland und habe kürzlich auch eine Resolution für die Gleichstellung der gleichgeschlechtlichen Ehe unterschrieben. Entscheidend für Schreiber sei, dass Xavier Naidoo sich auf die Idee einlässt, das Publikum entscheiden zu lassen, mit welchem Lied er nach Stockholm fahre. (red) Ganzseitige Anzeige in "Frankfurter Allgemeiner Zeitung". Frankfurt am Main – Prominente solidarisieren sich mit Xavier Naidoo: In der Samstagsausgabe der Frankfurter Allgemeinen Zeitung schalteten Künstler eine ganzseitige Anzeige mit mehr als 120 Unterzeichnern, darunter auch Andreas Gabalier und Christina Stürmer. In schwarzer Schrift auf rotem Grund heißt es: Menschen für Xavier Naidoo. Weitere Erklärungen gibt es nicht. Naidoo war vom NDR als deutscher Vertreter für den Eurovision Song Contest 2016 nominiert worden, musste dann aber wegen einiger umstrittener Äußerungen zurückziehen. Zu den Unterzeichnern der Solidaritätsadresse, die laut Stern knapp 70.000 Euro kostete, zählen auch die Schauspieler Til Schweiger, Mario Adorf und Jan Josef Liefers, die Sänger Heinz Rudolf Kunze, Annette Humpe und Thomas D. sowie die frühere deutsche Grünen-Politikerin Antje Vollmer. Kritiker hatten Naidoo Homophobie und Rechtspopulismus vorgeworfen. Kollegen aus dem Musikgeschäft hatten seinen Rauswurf bereits in den vergangenen Tagen kritisiert – nicht aus Sympathie für Naidoos politische Äußerungen, sondern aus Verärgerung über den Umgang des Fernsehsenders mit dem Künstler. Telefonieren verdrängte Radiohören von Platz zwei. Wien – Die Österreicher sehen in ihrer Freizeit am liebsten fern. Gleich 89 Prozent gaben bei einer Umfrage für das Institut für Freizeit- und Tourismusforschung an, mehrmals pro Woche das TV-Gerät einzuschalten. Telefonieren mit dem Handy verdrängte mit 84 Prozent erstmals Radiohören (79 Prozent) vom Platz zwei. Genau wie Radiohören hat auch das Lesen von Zeitungen, Zeitschriften oder Illustrierten weiter an Bedeutung verloren. Online-Formate entsprechen eher den Bedürfnissen der Jüngeren als die traditionellen Printmedien. Dieser Umstieg wird sich laut den Forschern weiter fortsetzen. Neben dem Medienkonsum gehören erholsame Tätigkeiten zu Hause zu den häufigsten regelmäßig ausgeübten Freizeitaktivitäten der Österreicher. Lokalbesuche und Wandern/Spazieren gehen sind die beliebtesten aktiven Freizeitbeschäftigungen. Die Ausübung von Hobbys, wie etwa Sammeln oder Basteln, befindet sich mit nur mehr 18 Prozent im Jahresvergleich gesehen auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Auch Freunde einzuladen, erscheint im Moment für weniger Mensch attraktiv – ob als Folge der Bequemlichkeit, der vielen Alternativen im Freizeitangebot oder der zunehmenden Versingelung bleibt allerdings offen. Der längerfristige Zeitvergleich macht deutlich, dass in den Lebensstilen der Menschen zwar nie abrupte Veränderungen stattfinden, manche Entwicklungen aber klar als nachhaltig zu erkennen sind. Die mittelfristige Berechenbarkeit für Wirtschaft und Politik ist, entgegen mancher Boom- bzw. Trendberichterstattung, aus diesen Studien nachweisbar. Sie kann und muss daher aber rechtzeitig erfasst, bzw. ihre Auswirkungen entsprechend realistisch abgeschätzt und durch anzupassende Rahmenbedingungen vorweg genommen werden, sagte Institutsleiter Peter Zellmann. Am Dienstag um 20.15 Uhr – ORF 2 strahlt die Dokumentation am 17. Jänner um 23.05 Uhr aus. München – Hitler ist seit 70 Jahren tot – und darin liegt ein Problem, heißt es zu Beginn des Films. Er hat uns ein Erbe hinterlassen: seine Gedanken. Arte zeigt am Dienstag (20.15 Uhr) die Dokumentation Mein Kampf – Das gefährliche Buch. Denn 70 Jahre nach dem Tod des Diktators laufen mit dem Jahr 2015 die Urheberrechte an dem Machwerk aus – der STANDARD berichtete. In Österreich wird die Dokumentation von Manfred Oldenburg ab Mittwoch, dem 16. Dezember 2015, auf Flimmit zu sehen sein. ORF2 strahlt die Sendung am 17. Jänner 2016 im dok.film um 23.05 Uhr aus. Ergänzend dazu steht im Anschluss, um 0.00 Uhr in ORF 2, die Aufzeichnung Helmut Qualtinger liest Mein Kampf aus dem Jahr 1985 auf dem Programm. Der Freistaat Bayern als Rechtsnachfolger nutzte die Urheberrechte bisher, um Nachdrucke in Deutschland zu verhindern. Das geht ab 2016 nicht mehr. Ein ambitioniertes Forschungsprojekt des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) in München will allen, die Mein Kampf nun möglicherweise wieder auf den Markt werfen wollen, den Wind aus den Segeln nehmen und plant für Anfang Jänner die Veröffentlichung einer kommentierten Ausgabe der Hetzschrift. Renommierte Wissenschafter haben jahrelang an dem Projekt gearbeitet. Die Dokumentation zeigt, mit welchen Schwierigkeiten das Projekt zu kämpfen hatte, das einst vom Freistaat Bayern initiiert wurde – bis Horst Seehofer (CSU) die staatliche Unterstützung nach einem Besuch in Israel völlig überraschend widerrief. Nackenschlag und Tiefschlag nennt das der IfZ-Projektleiter Christian Hartmann. Im Film kommt auch die prominente Kritikerin des Projektes, die Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, zu Wort, die bewegend von ihren Erinnerungen an den Holocaust berichtet – ebenso wie die Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. Meine Mutter hat keine Nummer bekommen. Sie ist gleich ins Gas gegangen. Wissenschafter kommen zu Wort – darunter die Politikwissenschafterin Barbara Zehnpfenning, die versucht, zu beschreiben, warum Mein Kampf jahrelang ins Lächerliche gezogen wurde. Wir neigen dazu, Hitler lächerlich zu machen, uns über ihn lustig zu machen, sagt sie in der Arte-Dokumentation. Weil wir möglicherweise befürchten, dass wir in ihm etwas finden könnten, was auch in uns schlummert. Hitler schrieb die Hetzschrift 1924 als Häftling in der Festung Landsberg. Er entwickelte darin unter anderem seine menschenverachtende Rassentheorie. Der erste Band erschien im Juli 1925, der zweite folgte im Dezember 1926. Der Absatz des Buches war gesichert – auch, weil nach 1933 jedes Paar bei der Eheschließung ein Buch im Standesamt bekam. Bis 1945 erreichte Mein Kampf in Deutschland eine Auflage von 9,8 Millionen Exemplaren. Aus dem Ideenschutt der Jahrhunderte baut er sich ein Weltbild zusammen, sagt Hartmann vom IfZ. Und: Die Bereitschaft zum Mord, die ist in Mein Kampf ganz klar zu erkennen. Urheberrecht erlischt Ende des Jahres, Arte-Dokumentation um 20.15 Uhr. Wien – 70 Jahre nach dem Tod Adolf Hitlers erlischt das Urheberrecht des Freistaats Bayern auf Mein Kampf. Ab 2016 ist es möglich, die Hetzschrift nachzudrucken – DER STANDARD berichtete ausführlich. Diesen Umstand nimmt der Dokumentarist Manfred Oldenburg heute, Dienstag, 20.15 Uhr auf Arte, zum Anlass, die Veröffentlichung angesichts der Opfer infrage zu stellen: Ist dies eine unerträgliche Provokation, wenn die Pläne des Mörders ihrer Familie offen für jedermann zugänglich sind? In Antiquariaten und Web ist das Buch erhältlich, im freien Handel bisher nicht. Die Inhalte haben Sprengkraft, sagt der Historiker Christoph Hartmann. Er sieht die Gefährlichkeit der Ideologie in den mehr als 700 Seiten gut versteckt und lange Zeit unterschätzt. Der Film erzählt die Genese des Buches, wie Hitler einen inneren Monolog niederschreibt, der sich anfangs nur schlecht verkauft. Erst als Hitler Reichskanzler wird, explodieren die Verkaufszahlen. Allein 1933 werden 900.000 Bücher verkauft. Am Ende beträgt die Gesamtauflage zwölf Millionen Bücher. Überlebende des Holocaust kommen zu Wort. Nach 1945 wollten die Menschen nichts mehr mit dem Buch zu tun haben, und auch heute ist es ein Tabuthema, mit dem man nicht so recht umzugehen weiß: Der bayrische Ministerpräsident Horst Seehofer drohte, wer das Buch publiziere, werde strafrechtlich überprüft. Damit sabotierte er gleichzeitig ein ambitioniertes Projekt des deutschen Instituts für Zeitgeschichte, das die Hetzschrift in einer 2000-seitigen kommentierten Ausgabe Anfang Jänner herausbringt. Die Anbindung zur Gegenwart drängt sich auf: Flüchtlinge kommen ins Land, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel wird beschimpft, 2015 brennen Asylheime. Die Wut auf alles Fremde war zentrales Thema in Mein Kampf. Wir neigen dazu, dass wir uns über Hitler lustig machen, weil wir befürchten, dass etwas von ihm in uns schlummert, sagt die Politologin Barbara Zehnpfennig. Mein Kampf. Das gefährliche Buch ist ab Mittwoch, dem 16. Dezember, auf Flimmit abrufbar. ORF 2 strahlt die 52-minütige Doku am 17. Jänner um 23.05 Uhr aus. Um 0.00 Uhr steht die Aufzeichnung Helmut Qualtinger liest Mein Kampf aus dem Jahr 1985 auf dem Programm. Finale erzielte in Deutschland 2 Prozent Marktanteil. Berlin – Der Privatsender Sixx denkt vorerst nicht an eine Neuauflage seiner Dauershow Big Brother. Aktuell ist keine weitere Staffel Big Brother auf Sixx geplant, teilte eine Sendersprecherin auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit und bestätigte damit einen Bericht des Branchendienstes DWDL.de. Am Dienstag wurde die 26-jährige Wienerin Lusy zur Siegerin der Show gekürt – sie strich 100.000 Euro ein. Sie gehörte zu mehreren Kandidaten, die zum Teil seit September in einem von Kameras überwachten Haus in Köln zubrachten und jeden Tag auf Sixx in einer Tageszusammenfassung zu sehen waren. 580.000 Zuschauer (Marktanteil: 2,0 Prozent) verfolgten das Drei-Stunden-Finale. Vier Jahre hatte die Show Big Brother pausiert. Im Jahr 2000 hatte das Format in Deutschland auf RTL II Premiere. Sixx verbuchte mit den Tageszusammenfassungen einen Durchschnitt von 1,8 Prozent Marktanteil beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren – ordentlich, aber nicht herausragend. Sender ist in Kanada, im Süden Afrikas, Australien, Israel und Georgien, später auch in Brasilien und den USA empfangbar. Köln/Luxemburg – Die Mediengruppe RTL Deutschland bringt Mitte Jänner einen international empfangbaren Bezahlsender für im Ausland lebende Deutsche an den Start. Der Sender RTL International, der ab 18. Jänner als Pay-TV-Kanal und ab März über eine App und online empfangbar ist, richtet sich auch an deutsche Urlauber im Ausland sowie Menschen, die die deutsche Sprache erlernen. Zunächst gehe der Sender in Kanada, im südlichen Afrika, in Australien, Israel und Georgien an den Start. Weitere Länder sollen nach und nach folgen, darunter auch die USA und Brasilien. Nachrichten, Regionalprogramme, Serien RTL International soll aktuelle RTL-Inhalte zeigen. Live ausgestrahlt werden nach Senderangaben Nachrichtensendungen wie RTL Aktuell oder Punkt 12. Auch die Regionalprogramme sollen verfügbar sein und deutsche Serien wie Alarm für Cobra 11 und Doctors Diary. RTL International sei ein Angebot für eine bisher vernachlässigte Zielgruppe: die Millionen Deutschen im Ausland, erklärte Projektleiter Stefan Sporn. Der Sender sei für Menschen gedacht, die nicht den Kontakt nach Hause verlieren und täglich wissen wollen, was in Deutschland gerade passiert und was die Menschen dort aktuell bewegt, betonte der für die digitalen Spartenkanäle zuständige Manager Klaus Holtmann. Fünf Kandidaten würden zehn Duelle bedeuten – Fernsehsender warten bei ihren Plänen ab, bis alle Kandidaten feststehen – ATV schließt gemeinsame Sendungen mit ORF aus. Wien – Bundespräsidentenwahl 2016: Nachdem aller Voraussicht nach erstmals seit 1998 wieder mindestens fünf Kandidaten im Rennen sind, bringen sich hinter den Kulissen auch die TV-Sender in Stellung. Wobei die Vielzahl der Bewerber Einzelduelle im Fernsehen unwahrscheinlicher macht, bei fünf Kandidaten wären es nämlich bereits zehn Duelle. Bei entsprechend vielen Kandidaten führt das zu einer Unzahl an Duellen, meint etwa der ATV-Chefredakteur Alexander Millecker. Einzelkonfrontationen würden auch einen logistischen Aufwand bedeuten. Diese Sendungen muss ja auch wer produzieren, so Millecker. Momentan gebe es keine Präferenz, ob man eher Einzelduelle oder eine gemeinsame Elefantenrunde aller Kandidaten ausstrahlen werde. Der private ORF-Konkurrent will für finale Entscheidungen abwarten, bis bei allen Parteien die Kandidaten feststehen, vorerst arbeite man mit Hypothesen, erklärte Millecker. Aus seiner Sicht sei noch völlig offen, was die FPÖ macht. Für ATV habe die Bundespräsidentenwahl jedenfalls eine ähnliche Wertigkeit wie Nationalratswahlen. Auch beim ORF ist die Entscheidung, wie dort die Kandidaten gegeneinander antreten sollen, noch nicht gefallen. Es werde jedenfalls eine umfassende Berichterstattung zur Wahl geben, teilte ORF-Sprecher Michael Krause mit. Dafür stehen jede Menge erfolgreiche und etablierte Formate im ORF zur Verfügung. Welche das genau sein werden, wird entschieden, sobald die Anzahl der Kandidaten feststeht, voraussichtlich ab Ende Jänner. Im ORF haben Einzelduelle bei Präsidentschaftswahlen – anders als bei Nationalratswahlen – keine Tradition. In der Vergangenheit trafen die Kontrahenten erst bei einer Stichwahl direkt aufeinander. Einzelduelle bieten vor allem den Vertretern der kleineren Parteien, eine öffentliche Plattform. Die größeren Parteien sind einer solchen medialen Aufwertung der politischen Gegner eher abgeneigt. ATV schließt gemeinsame Sendungen mit ORF aus Die Parteien und deren Kandidaten haben bei TV-Konfrontationen jedenfalls ein wichtiges Wort mitzureden. Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) etwa hatte sich im Vorfeld der Wien-Wahl im vergangenen Oktober nur zu einer einzigen Fernsehkonfrontation bereit erklärt. ORF und Puls 4 veranstalteten daraufhin die Elefantenrunde mit den Spitzenkandidaten gemeinsam. ATV lehnte dies damals ab und schließt auch bei der nun bevorstehenden Bundespräsidentenwahl eine solche gemeinsame Sendung aus. Das wird es ganz sicher nicht geben, so Millecker. Puls 4 plant sowohl Einzel-Interviews mit jedem Kandidaten als auch eine Elefantenrunde vor der Wahl. Am Tag der Bundespräsidentenwahl plant der Sender eine Sondersendung Wahlschauen mit Puls 4 mit Kommentatoren und Experten im Studio und Außenstellen in der Hofburg und den Parteien. Außerdem soll es auf Puls 4 noch viele weitere Sondersendungen geben, die allerdings erst geplant werden, wenn alle Kandidaten fix feststehen. Nachrufe in "Kulturmontag" und "Kultur heute", Hits des Musikers auf 3sat und etliche Radio-Sondersendungen auf Ö1, Ö3 und FM4. Wien/London – In memoriam David Bowie ändern der ORF und 3sat ihr Programm und gedenken des Thin White Duke mit etlichen Sondersendungen. So werden am Montag im Rahmen von Kulturmontag (22.30 Uhr, ORF 2) und Kultur heute (19.50 Uhr, ORF 3) Nachrufe auf den Künstler gezeigt. Auf 3sat ist um 22.25 Uhr David Bowie – Hits of a Pop-Hero aus der Reihe Clips zu sehen. Aber auch die ORF-Radios nehmen das Ableben Bowies, der im Lauf seiner langen Karriere etliche Wandlungen durchmachte und sich in verschiedensten Inkarnationen als Popchamäleon etablierte, zum Anlass, an den Musiker zu erinnern. So sind den ganzen Tag über Songs von Bowie auf FM4 zu hören, diskutiert in Connected ab 15 Uhr eine Runde aus Musikern, Journalisten und anderen Bowie-Fans über den Künstler und gibt es schließlich abends eine Bowie-Spezialausgabe von Heartbeat (22 Uhr). Neben der aktuellen Berichterstattung im Lauf des Tages widmet sich auch Ö3 mit einer Sondersendung Bowie, der am Sonntag nur wenige Tage nach seinem 69. Geburtstag gestorben ist. Die Ausgabe von Solid Gold Spezial um 19 Uhr moderiert Eberhard Forcher. Auf Ö1 ist unter dem Titel Goodbye Ziggy (17.30 Uhr) eine von Wolfgang Schlag gestaltete Ausgabe der Spielräume zu hören. Und auch das Nachtquartier von Mittwoch auf Donnerstag (0.08 Uhr) steht im Zeichen von Bowie, wobei Lyrikerin Judith Nika Preifer sowie Ö1-Redakteur Hans Groiss sich weniger gewürdigter Songs des Musikers annehmen. "Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein" war nur für aktuelle Jubiläumsstaffel gedacht. Berlin – Kurz vor dem Start des zehnten Dschungelcamps Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! hat RTL verkündet, dass es 2016 keine Sommershow zu dem Erfolgsformat geben werde. In einem am Mittwoch veröffentlichten Interview des Branchendienstes DWDL.de sagte RTL-Programmgeschäftsführer Frank Hoffmann: Den Sommer-Dschungel werden wir in diesem Jahr nicht wiederholen. Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein war als Event zur Jubiläumsstaffel gedacht. Im vergangenen August waren in der RTL-Show Ich bin ein Star – Lasst mich wieder rein! fast alle Ex-Dschungelkönige noch einmal angetreten. Die Schauspielerin Brigitte Nielsen gewann. Sie ist nun beim regulären Dschungelcamp wieder dabei, das an diesem Freitag losgeht. US-Schauspieler wird erster nichtbritische Moderator der Kultsendung. London – Friends-Schauspieler Matt LeBlanc (48) wird an der Seite von Chris Evans (49) die Neuauflage der britischen Kult-Autoshow Top Gear moderieren. Der US-Darsteller wird damit der erste nichtbritische Moderator in der fast 40-jährigen Geschichte der Sendung, wie die BBC am Donnerstag mitteilte. Als Autonarr und Riesenfan von Top Gear, bin ich geehrt und aufgeregt, wurde LeBlanc zitiert. Details werden im Frühjahr bekannt gegeben. Berlin – TV-Entertainer Thomas Gottschalk ist möglicherweise bald mit einem neuen Show-Format im Fernsehen zu sehen. Spiegel TV entwickle ein neues Format für den 65-Jährigen, berichtete das Handelsblatt unter Berufung auf Unternehmenskreise. Nach dpa-Informationen gibt es ein entsprechendes Entwicklungsprojekt der RTL-Tochter Info Network und von Spiegel TV. Weitere Einzelheiten will RTL demnach im Laufe des Frühjahrs bekannt geben. Laut Handelsblatt handelt sich um ein Gottschalk-untypisches Format. Der langjährige Wetten, dass..?-Moderator solle eine Sendung moderieren, die so etwas wie ein Quartalsrückblick sei. Dunja Hayali muss in sozialen Netzwerken Beleidigungen und Bedrohungen einstecken. Ihre Bitte an die Zuschauer: "Bleiben Sie fair. Differenzieren Sie. Wahrheit braucht einfach Zeit.". Hollywoodstars sorgen für den Glamour, die Stars aus Deutschland für die Statements: Bei der 51. Verleihung der Goldenen Kamera haben am Samstagabend in Hamburg Prominente aus Film und Fernsehen die Besten ihrer Branche geehrt. Aus Hollywood kamen die Oscarpreisträgerinnen Helen Mirren, Julianne Moore sowie Frauenschwarm Gerard Butler. Doch der eigentlich Star des Abends wurde unverhofft die TV-Journalistin Dunja Hayali. Sie wurde für ihre objektive Berichterstattung über die Flüchtlingskrise der Goldenen Kamera ausgezeichnet. Ich würde den Preis sofort zurückgeben, wenn ich die Situation in Deutschland damit ändern könnte, sagte Hayali und setze mit einer Rede gegen Hass und Lügenpresse-Rufe fort. Wir sind Journalisten, wir sind keine Übermenschen, wir machen Fehler. Deswegen sind wir aber noch lange keine Lügner, sagte Hayali und rief Leser und Zuschaue dazu auf mit den Journalisten zu diskutieren, aber nicht einfach blinden Hass zu verbreiten. Wie bei ihrer beeindruckenden Dankesrede riss es die mehr als 1.000 Zuschauer in den Hamburger Messehallen auch beim Auftritt von Edin Hasanovic von den Sitzen. Der 23-Jährige saß ahnungslos im Publikum, als Sängerin Namika ihn während ihres Auftritts mit dem Preis als Nachwuchsdarsteller überraschte. Ich freue mich so sehr, weil ich so unfassbar brenne für diesen Beruf, sagte Hasanovic und bedankte sich bei seiner Mutter, die mit ihm in den Armen 1992 aus Bosnien flüchtetet. Elton lässt als Gastgeber in Live-Show prominente Kandidaten gegeneinander antreten. Berlin – Elton, 44-jähriger Dauerzögling von TV-Entertainer Stefan Raab (49), tritt in die Fußstapfen seines ehemaligen Lehrmeisters. In der ProSieben-Show Schlag den Star, von der in diesem Jahr drei Folgen live gesendet werden sollen, lässt Elton als Gastgeber prominente Kandidaten gegeneinander antreten, wie der Münchner Privatsender am Freitag mitteilte. Am 9. April ist Eltons Premiere vorgesehen. In 15 Runden spielen zwei Stars um 100.000 Euro. Im vergangenen Sommer brachte ProSieben die Show, die seit sieben Jahren im Programm ist, noch als Aufzeichnung. Im Hintergrund verdient Altmeister Raab aber noch mit. Produziert wird die Sendung nämlich von der Raab TV-Produktion GmbH im Auftrag von ProSieben. "Beleidigung der patriotischen Gefühle" – Demonstration gegen Sendung. Riga – Eine BBC-Sendung über einen fiktiven prorussischen Aufstand sorgt in der ostlettischen Region Latgale für Proteste gegen die geplante Ausstrahlung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. In einem offenen Brief verurteilten die knapp 20 Gemeindevertreter die Sendung als Provokation der Bewohner der Region und Beleidigung der patriotischen Gefühle der dort lebenden Nationalitäten. Rund 50 Angehörige der russischen Minderheit demonstrierten in Riga gegen die Sendung, in der ein militärischer Konflikt zwischen dem Westen und Russland dargestellt wird. Weil Rebellen mit russischer Hilfe Städte im lettisch-russischen Grenzgebiet übernehmen, gerät die Welt in der BBC-Sendung an den Rand eines Atomkriegs. Der Sender LTV verteidigte die am Freitagabend geplante Ausstrahlung. Es würden nicht reale Situationen dargestellt, sondern Szenarien durchgespielt, die im Falle eines Konflikts zwischen den Großmächten auftreten können. Nach der BBC-Erstausstrahlung vor gut zwei Wochen hatten sowohl der lettische Außenminister Edgars Rinkevics als auch der russische Botschaft das Szenario der Sendung kritisiert. Regisseur und Autor Mario Sixtus schneidet ZDF-Formate zu einer dramatischen Verfolgungsjagd. Am Montag um 23.55 Uhr im ZDF. Wien – Die Menschen im Web, die Masken tragen und Datenbrillen zerstören. Ein schlechter Scherz? Nein, ein TV-Experiment: Regisseur und Autor Mario Sixtus schneidet ZDF-Formate und inszenierte Moderationen zu einer dramatischen Verfolgungsjagd, angeführt von Sarah Rebecca Gerstner. Michelle Spark (Gerstner) hat ein körperliches Handicap: Sie kann Gesichter nicht erkennen. Die Hilfe, die ihr die moderne Computertechnologie stellt, wird zum Fluch. Denn die Datenbrille erkennt nicht nur Antlitze, sondern scannt die ganze Person: Privates wird öffentlich. Die ZDF-Medien sind dabei: Operation Naked am Montag, 23.55 Uhr im ZDF. Medienkonzern geht konventionellen Weg über Kabel, weil noch sehr viel Geld in Fernsehwerbung investiert werde. New York – Der Medienkonzern Vice startet am Montag einen eigenen Fernsehsender in den USA. Empfangbar ist der Kanal mit dem Namen Viceland über Kabel, wie das Unternehmen mitteilte. Wir wollen, dass es eine ganz andere Art von Fernsehen wird, sagte Geschäftsführer Shane Smith vor kurzem dem Hollywood Reporter. Vice Media hat sich rasant von einem werbefinanzierten Gratis-Magazin mit provokanten Inhalten zum spartenreichen Unterhaltungskonzern entwickelt. Er ist vor allem für unkonventionelle Reportageformate bekannt. Seit einigen Jahren werden Fernsehproduktionen von Vice bereits bei dem Bezahlsender HBO ausgestrahlt. Dass es der Konzern nun ausgerechnet mit einem Kabelsender probiert, überrascht insofern, als dass viele in der Zielgruppe eigentlich nicht mehr auf die konventionelle Art fernsehen. Smith begründete den Schritt damit, dass immer noch sehr viel Geld in Fernsehwerbung investiert werde. 'Zweitschlechtester Wert seit Messung 1974. Hollywood – Mit 34,3 Millionen Zuschauern bei der 88. Oscar-Verleihung muss der US-Sender ABC die niedrigste Einschaltquote für die Gala seit acht Jahren verkraften. Das Marktforschungsinstitut Nielsen ermittelte demnach den zweitschlechtesten Wert für die TV-Übertragung der Preisvergabe seit Messung 1974. Den Negativrekord hält weiter das Jahr 2008, als lediglich 32 Millionen Amerikaner einschalteten. Unklar ist, ob die Debatte um die erneut rein weiße Nominierungsliste in den Schauspielsparten und der damit verbundene Protest und Boykottaufruf durch Pastor Al Sharpton dafür verantwortlich ist. Schon im Vorjahr musste ABC mit 36,6 Millionen Zusehern bei der von Neil Patrick Harris moderierten Verleihung einen Rückgang von 18 Prozent gegenüber 2014 hinnehmen. Der mit Spannung erwartete, von Kritikern gefeierte Eröffnungsmonolog des afroamerikanischen Komikers Chris Rock sowie der erste Oscar für Leonardo DiCaprio konnten den Abstieg jedenfalls nicht verhindern. Der Favoritensieg von DiCaprio als bester Hauptdarsteller bei seiner fünften Schauspiel-Nominierung war immerhin laut Twitter der am meisten getweetete Oscar-Moment der Geschichte. 440.000 Tweets wurden pro Minute zu dem Thema abgesetzt Rechnungshof-Prüfbericht warnt laut Medien vor Finanzloch. München – Der Bayerische Rundfunk (BR) will seinen Sparkurs verschärfen. Vor allem die Bewertung der Pensionslasten sei ein zunehmendes Problem, sagte Verwaltungsdirektor Albrecht Frenzel am Freitag in München. Er reagierte damit auf einen bisher unveröffentlichten Prüfbericht des Bayerischen Obersten Rechnungshofs, über den der Münchner Merkur berichtete. Demnach hat der BR in diesem Jahrzehnt bereits 101 Millionen Euro Defizit angehäuft. Der Rechnungshof hat recht, wenn er sagt, da besteht Handlungsbedarf, sagte Frenzel der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dabei vernachlässigt er aber, dass wir bereits seit 2013 in Abstimmung mit unseren Aufsichtsgremien massiv gegensteuern. Zwischen 2014 und 2016 spare der Sender 100 Millionen Euro ein. Bis 2025 sollen im Fernsehproduktionsbetrieb überdies 450 Planstellen gestrichen werden. Auch im Programm wird es Einschnitte geben. Dem Zeitungsbericht zufolge monieren die Rechnungsprüfer, dass die Sparprogramme des Senders zu spät gekommen seien und nicht weit genug gingen. Der BR werde unzureichend gesteuert und habe die Kosten nicht genügend im Griff. Wenn der Sender im Zeitraum bis 2020 alle Rücklagen aufbrauche und alle Eigenmittel einsetze, werde noch immer ein Fehlbetrag von 329 Millionen Euro auflaufen. Frenzel betonte dagegen: Wir erwirtschaften ausgeglichene operative Ergebnisse und haben kein Steuerungsdefizit. Der öffentlich bilanzierte Fehlbetrag ergebe sich nicht aus dem operativen Ergebnis. Das neue Bilanzrecht sieht vor, dass Pensionsrückstellungen nach einem am Kapitalmarkt orientierten Zins zu berechnen sind. Der Bewertungszins ist von sechs auf derzeit unter vier Prozent gesunken. Der Rechnungshof hat die BR-Finanzen von 2010 bis 2014 geprüft und will seinen Bericht am Dienstag vorstellen. Sängerin bereits mit Golden Globe für Rolle in Serie ausgezeichnet. Los Angeles Die US-Sängerin Lady Gaga (29) will nach eigenen Angaben wieder vor die Fernsehkamera treten. In einem Interview mit dem New Yorker Radiosender Z100 bejahte der Popstar am Freitag die Frage, ob sie zu der TV-Miniserie American Horror Story zurückkehren werde. Lady Gaga machte aber keine weiteren Angaben dazu, wann und in welcher Rolle dies geschehen würde. Die sechste Staffel der beliebten Serie soll noch in diesem Jahr in den USA ausgestrahlt werden. Mitte Jänner hatte die Sängerin für ihre Rolle in American Horror Story: Hotel ihre erste Golden-Globe-Trophäe als Schauspielerin in Empfang genommen. Dies sei einer der größten Momente ihres Lebens, stammelte der sichtlich überraschte Star auf der Bühne. Ich wünschte mir, Schauspielerin zu werden, bevor ich Sängerin wurde, erklärte Lady Gaga in ihrer Dankesrede. Neue Serie von Attacken des Multimilliardärs gegen die Journalistin auf Twitter. Washington – Der US-Sender Fox News hat dem republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump vorgeworfen, extrem und krankhaft von der Moderatorin Megyn Kelly besessen zu sein. Anlass ist eine neue Serie von Attacken des Multimilliardärs gegen die Journalistin von Fox News auf Twitter. Darin bezeichnete er Kelly in den vergangenen Tagen wiederholt als verrückt sowie völlig überbewertet und rief zum Boykott einer von ihr moderierten Sendung auf. Der konservative Sender sprach am Freitag von einem endlosen Schwall grober und sexistischer verbaler Angriffe auf Kelly, die eine hervorragende Journalistin sei. Das Verhalten Trumps sei unter der Würde eines Mannes, der das höchste Amt im Land anstrebe. Die Fehde geht auf die erste TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber im August zurück. Da hatte Kelly als Moderatorin Trump auf frühere äußerst herablassende Bemerkungen über Frauen angesprochen. Trump reagierte empört und boykottierte eine zweite von Fox News veranstaltete Debatte. An einer dritten nahm er teil, aber stieß sich dann an Kellys nach seiner Ansicht unfaire Berichterstattung über die jüngste Serie von Vorwahlen am vergangenen Dienstag. Er folgt Eva Pölzl nach, die Moderatorin des neuen Frühstücksfernsehens im ORF wird. Wien – Ab 8. April wird Alfons Haider das Regionalmagazin Österreich Blick auf R9 moderieren. Er folgt damit Eva Pölzl nach, die wie berichtet Moderatorin des neuen ORF-Frühstücksfernsehens Guten Morgen Österreich wird. Haider wird die Zuschauer jeden Freitag um 20.00 Uhr sowie samstags und sonntags jeweils um 10.00 Uhr als neuer Anchorman durch das Magazin führen. Neben seiner neuen Aufgabe bleibe Haider auch im ORF engagiert und werde weiter Opernball und Starnächte moderieren,. Wir sind sehr glücklich mit Alfons Haider. Er steht für das Österreich von heute und morgen, vor Ort, kritisch, jedoch warmherzig, engagiert und unnachgiebig, meinte R9-Geschäftsführer Marcin Kotlowski. Österreichs Stärke sind seine vielseitigen Regionen. Das gilt auch für deren Regional-Privat-Fernsehsender, die uns auf R9 einen interessanten Wohlfühl-ÖsterreichBlick zeigen. Es ist schön dabei zu sein, so Haider. Der R9-Verbund, dem die Lokalsender W24, Schau TV, LT1, N1, KT1, Tirol TV, Ländle TV, Kanal 3 und RTS angehören, wird zudem vom RTL-Werbezeitenvermarkter IP Österreich vermarktet. Das Hauptaugenmerk, das die Autoren verbindet, liegt auf dem Nationalsozialismus. Wien – Der deutsche Regisseur Christoph Rüter (Brasch, 2011) begleitet für seinen Dokumentarfilm Krimis und das Dritte Reich (Mittwoch ab 22.10 Uhr auf Arte) drei international bekannte Schriftsteller, die Experten der nationalsozialistischen Ära sind, 18 Monate lang bei ihren Recherchen. Das Hauptaugenmerk, das die Autoren verbindet, liegt dabei auf dem Nationalsozialismus. Durch diese Epoche würden die Werke eine atmosphärische Dichte, die in keiner anderen Konstellation möglich wäre, erzeugen. Und obwohl das Dritte Reich in der deutschen Unterhaltungsliteratur lange gemieden wurde, hegen viele Menschen ein Interesse daran, was den Erfolg der jeweiligen Autoren ausmacht. Für den Film begleitet Rüter beispielsweise die französische Autorin Dominique Manotti, die Quartiere der Gestapo in Paris erkundet. Der britische Literat Philip Kerr hingegen zeigt, wie er vom Werbetexter zum Historiker wurde und erklärt sein Interesse an der Wannseekonferenz 1942. Für ihn ist das Schreiben von Kriminalromanen wie eine Sucht. Und der deutsche Journalist und Schriftsteller Volker Kutscher begibt sich in ein ehemaliges Konzentrationslager, um aus seinem neuen Roman Märzgefallene: Gereon Raths fünfter Fall vorzulesen. Er gibt damit Einblicke in einen Rosenmontagszug von 1933. Mit der Dokumentation zeigt Christoph Rüter dem Zuschauer einen Überblick über tatsächliche Ereignisse und deren Verbindung zum heutigen Genre des Kriminalromans.(sc, 23.3.2016) Fernsehchef Scolik: "Künftig nicht mehr getrennt nach Radio, Fernsehen und Internet aufgestellt" – "In meinem Bereich entstehen trimediale Ressorts". München/Wien – Der Bayerische Rundfunk (BR) exerziert vor, was beim ORF noch in Überlegung ist, und hat sich mit 1. April eine neue Struktur verpasst. Der neue BR-Fernsehchef und ehemalige ORF-Manager Reinhard Scolik wird in Zukunft in bestimmten Themenbereichen auch für Radio und Internet verantwortlich sein. Künftig werden wir nicht mehr getrennt nach Radio, Fernsehen, Internet aufgestellt sein, sondern unsere Themen von Anfang an medienübergreifend planen und recherchieren und diese unserem Publikum auf allen Ausspielwegen anbieten, erklärte Scolik in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). In meinem Bereich entstehen solche trimedialen Ressorts für Kultur, Unterhaltung und Heimat, Religion, Bildung und Wissenschaft. Das heißt, ich bin von heute, dem 1. April, an zuständig für Kultur und Heimat – auch im Radio. Der Volksmusik-Sender BR Heimat gehört dann beispielsweise zu mir, so Scolik. Der BR wird durch die geplanten Strukturreformen effizienter werden. Mittelfristig werde man dadurch mehr Inhalte mit weniger personellem Aufwand produzieren können. Zugleich soll das Programm des Bayerischen Rundfunks bayerischer und jünger werden, wie Scolik gegenüber der FAZ sagte. Wenn wir den Gesamtaltersschnitt an sechzig Jahre heranrücken, dann haben wir es richtig gemacht. Aktuell liegen wir bei 66 Jahren. Mehr bayerische Identität im Programm bedeute aber keinen Rückzug aus der ARD. Wir liefern qualitätsvolles Programm für alle Bereiche zu. Aber die Mittel sind knapper geworden, und der bayerische Markt ist unser Kernmarkt. Ziel innerhalb der ARD sind deshalb vermehrt Projekte, die wir auch in der Zweitverwertung in Bayern gut brauchen können. Auf Entlassungen will der Fernsehchef, dessen Sender in den nächsten Jahren wegen der angespannten Finanzlage kräftig sparen muss, möglichst verzichten. Ich glaube, dass man einen nötigen Stellenabbau mit einem vernünftigen Konzept, neuen Strukturen und Instrumenten wie Nichtwiederbesetzung von Stellen, Umschulung und Versetzung erreichen kann, erklärte Scolik der Frankfurter Allgemeinen. Keine weiteren Einsparungen soll es indes beim Tatort geben. Man muss Formate, die gut gehen und Flaggschiffe sind, auch gut ausstatten. Erfolgsprodukte stark finanziell zu beschneiden hat keine Logik. So gesehen, muss sich keiner Sorgen machen, dass der Tatort noch kleiner geschrumpft wird. Überrascht hat Scolik an seinem neuen Arbeitsplatz die Zahl der Sitzungen: Ich dachte nicht, dass man hier den ORF übertreffen kann. Schulz: Auch der türkische Präsident muss mit Satire leben können. Berlin/Straßburg – EU-Parlamentspräsident Martin Schulz hat den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan scharf kritisiert. Es ist nicht hinnehmbar, dass der Präsident eines anderen Landes verlangt, dass wir in Deutschland demokratische Rechte einschränken, weil er sich karikiert fühlt, sagte der SPD-Politiker der Zeitung Bild am Sonntag. Satire ist ein Grundelement der demokratischen Kultur. Politiker müssten damit leben, auch der türkische Staatspräsident. Die Türkei hat sich mehrfach wegen einer ARD-Satire beschwert, in der Erdogan wegen seines Vorgehens gegen die Meinungs- und Pressefreiheit verspottet wird. Der Umgang der Regierung in Ankara mit oppositionellen Medien wird seit längerem international kritisiert. So wurden die Zeitung Zaman wie auch die Nachrichtenagentur Cihan unter staatliche Zwangskontrolle gestellt. Zudem läuft ein Prozess gegen Cumhuriyet-Journalisten, denen Spionage vorgeworfen wird. Wir dürfen zu Grundrechtsverletzungen in der Türkei nicht schweigen, nur weil wir in der Flüchtlingsfrage zusammenarbeiten, sagte Schulz. Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten. Mainz – Nach dem Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann über den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan hat die Mainzer Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Es werde wegen des Verdachts der Beleidigung von Organen oder Vertretern ausländischer Staaten geführt, teilte die Leitende Oberstaatsanwältin Andrea Keller am Mittwoch mit und bestätigte damit einen Bericht von Spiegel online. Zuvor seien rund 20 Strafanzeigen von Privatpersonen eingegangen. Böhmermann hatte das Gedicht mit Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen, in seiner TV-Sendung Neo Magazin Royale auf ZDF neo vorgetragen. Dass sich Böhmermann mit seinem Schmähgedicht höchstwahrscheinlich strafbar gemacht hat, das berichtete zuvor bereits der deutsche Tagesspiegel unter Berufung auf eine juristische Prüfung, die das deutsche Auswärtige Amt (AA) einholen ließ. Die Prüfung wurde laut dem Bericht vor dem Telefonat von Bundeskanzlerin Angela Merkel mit dem türkischen Premierminister Ahmet Davutoğlu am Sonntag in Auftrag gegeben. Böhmermann hatte Erdoğan unter anderem als Ziegenficker bezeichnet. Die Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhaupts kann nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches mit bis zu drei Jahren Gefängnis geahndet werden und, wenn die Beleidigung in verleumderischer Absicht erfolgt, sogar mit bis zu fünf Jahren, schreibt der Tagesspiegel. Ein Strafverfahren gegen Böhmermann würde allerdings nur in die Gänge kommen, wenn ein offizieller Antrag der türkischen Botschaft beim Auswärtigen Amt eingebracht wird. Das sei nach dem Telefonat Merkels mit Davutoğlu eher unwahrscheinlich, heißt es, aber nicht ganz ausgeschlossen. Böhmermanns Schmähgedicht sorgte auch in der Türkei für Empörung. Am Samstag wurde das Auslandsstudio des ZDF mit faulen Eiern beworfen. Das ZDF hatte seinen Beitrag aus der ZDF-Mediathek und im Youtube-Kanal von Neo Magazin Royale entfernt. ZDF-Satiriker und Preisträger sagt seine Teilnahme an der Verleihung des Preises ab. Marl – Der wegen seiner Satire über den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in die Kritik und ins Visier der Staatsanwaltschaft geratene ZDF-Moderator Jan Böhmermann hat seine Teilnahme an der Verleihung des Grimme-Preises am Freitagabend abgesagt. Bei Facebook zeigte sich Böhmermann zutiefst angegriffen von der Debatte um seine Person. Ich fühle mich erschüttert in allem, an das ich je geglaubt habe, schrieb er. Deshalb bitte er um Verständnis, nicht in Marl feiern zu können, erklärte Böhmermann. Das Grimme-Institut bestätigte die Absage. Weitergehende Angaben zu den Gründen habe Böhmermann gegenüber dem Institut nicht gemacht, sagte ein Sprecher. Wir finden das natürlich sehr bedauerlich. Böhmermann wolle den ihm für eine Satire über den ehemaligen griechischen Finanzminister Giannis Varoufakis zugedachten Preis aber annehmen, er verzichte nicht darauf. Er hat im Prinzip die Öffentlichkeit abgelehnt, nicht den Preis, sagte der Sprecher. Böhmermann hatte in der vor einer Woche ausgestrahlten Folge seiner Satiresendung Neo Magazin Royale Erdogan scharf angegriffen, sein Haussender ZDF distanzierte sich von der Satire und strich sie aus dem Archiv. Mittlerweile ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz gegen Böhmermann. Neuhauser und Sigl beliebsteste Serien-Schauspieler – Romy für Information ging an Maischberger. Wien – Die Wiener Hofburg ist am Samstagabend ganz im Zeichen der 27. Verleihung des Film- und Fernsehpreis Romy gestanden. Als beliebteste Schauspielerin in der Kategorie Film wurde Ursula Strauss für Meine fremde Frau ausgezeichnet, bei den Herren konnte sich Tobias Moretti – bereits zum siebenten Mal – als Romy-Gewinner feiern lassen. Otto Schenk erhielt für sein Lebenswerk eine Romy in Platin. Schenks Laudator Michael Niavarani erklärte: Otti, du bist einfach ein Meisterwerk. Er könne nichts anderes als wahrhaftig sein. Er könne den Rollen kein Leben einhauchen, weil er die Rolle ist, sagte Niavarani über Schenk. Unter Standing Ovations kam dieser auf die Bühne und bedankte sich. Aber ich lasse mir diese Ehre nicht einfach so gefallen, ich habe noch Einiges vor, kündigte Schenk an. Die Romy-Publikumspreise, die auf Basis von Abstimmungen via Internet und per Post ermittelt wurden, sind heuer in insgesamt sechs Kategorien verliehen worden. Zur Gala des vom Kurier ausgetragenen und live in ORF 2 übertragenen Fernsehpreises kam das Who is Who der deutschsprachigen TV-Branche. Zur beliebtesten Serien-Schauspielerin wurde Adele Neuhauser gekürt. Für die Tatort-Ermittlerin und Vier Frauen und ein Todesfall-Darstellerin ist es Romy Nummer vier. Zum beliebtesten Serien-Schauspieler wurde Bergdoktor Hans Sigl gewählt. Da er nicht kommen konnte, nahm Kollegin Nicole Beutler seine goldene Statuette entgegen. Die deutsche Fernsehmoderatorin Barbara Schöneberger, die die Romy-Gala bereits drei Mal moderierte, stand heuer erneut auf der Bühne, allerdings nicht als Showmasterin, sondern als Gewinnerin in der Kategorie Show/Unterhaltung. Ich habe schon jeden Preis im deutschen Raum vergeben, und ganz ehrlich, ich habe die Hoffnung schon aufgegeben, dass ich einen Preis gewinne. In der Kategorie Information setzte sich die deutsche Talkerin Sandra Maischberger gegen die Kollegen aus Österreich durch. In ihrer Dankesrede zeigte sich die Gewinnerin überrascht: Ich dachte, es gibt hier eine Obergrenze für Preise an Deutsche. Kurier-Herausgeber Helmut Brandstätter nannte Maischberger eine der profiliertesten Journalistinnen in Deutschland. In seiner Rede sprach Brandstätter die Pressefreiheit an und mahnte, wachsam zu sein, etwa wenn Extremisten Theaterstücke stören. Die Auszeichnung für das TV-Ereignis des Jahres ging an den ORF für die Austragung des Eurovision Song Contests. Diese Romy gebühre den Mitarbeitern, sagte ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz bei der Überreichung an ihn und Programmdirektorin Kathrin Zechner. Und auch das österreichische Fußball-Nationalteam heimste eine Romy ein: Die Qualifikation der ÖFB-Truppe für die Europameisterschaft in Frankreich war der TV-Moment des Jahres. Bei den Romy-Akademiepreisen, wo nach der Verleihung am Donnerstagabend noch zwei Kategorien offen waren, gewann die Brenner-Verfilmung Das ewige Leben die Romy für den besten Kinofilm und der deutsche Schauspieler Florian David Fitz wurde als Autor für das beste Drehbuch – für den Film Der genialste Tag – ausgezeichnet. Dem Fernsehpublikum bekannt wurde von Hassel als beharrlich und eher unspektakulär ermittelnder Kommissar Edgar Brinkmann. Hamburg – Der Schauspieler und ehemalige Frankfurter Tatort-Kommissar Karl-Heinz von Hassel ist tot. Er starb nach kurzer schwerer Krankheit am Dienstag in Hamburg, bestätigte seine Ehefrau Karin von Hassel der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch. Dem Fernsehpublikum bekannt wurde von Hassel als beharrlich und eher unspektakulär ermittelnder Kommissar Edgar Brinkmann in den Tatort-Filmen des Hessischen Rundfunks. Stets korrekt gekleidet, als Markenzeichen mit einer Fliege, ermittelte er von 1984 bis 2001. In den vergangenen Jahren war von Hassel vor allem auf Theaterbühnen in Düsseldorf, Hannover und Essen zu sehen. Schreibt mit Ehefrau Evi Romen an TV-Dreiteiler und verlegt Handlung ins heutige Wien – FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer "kokettiert mit brandgefährlicher Ideologie". Wien – Einen ORF-Landkrimi als Kammerspiel dreht David Schalko aktuell rund um die Wiener Höhenstraße. Sein nächstes Projekt legt der Autor und Regisseur aber wesentlich größer und ambitionierter an: Schalko arbeitet mit seiner Ehefrau und Filmemacherin Evi Romen an einer Adaption von Fritz Langs Filmklassiker M – Eine Stadt sucht einen Mörder aus dem Jahr 1931, erzählte er am Montag Journalisten am Rande des Höhenstraße-Drehs. Geplant sei die Neuauflage als Fernseh-Dreiteiler, und da muss man noch schauen, ob das finanziert wird, so Schalko, dem bewusst ist, dass das Projekt eine Fallhöhe hat – weil einen das Feuilleton eh schon vorher hasst und angreift. Aber das macht mir nichts, meinte der 43-Jährige, weil ich die Idee faszinierend finde und es einer meiner Lieblingsfilme ist. Eine Stadt als Protagonist habe ihn gereizt, wobei Schalko seine Fassung nicht wie das Original in Berlin, sondern in Wien ansiedeln will. In seinem ersten Tonfilm überhaupt erzählte der gebürtige Wiener Fritz Lang legendär von einem psychopathischen Triebtäter (Peter Lorre), der – weil die Polizei versagt – von der Unterwelt gejagt wird. Ich finde es sehr zeitgemäß, diese Mobilisierung von Städten und diese leise Etablierung von Faschismus, die da stattfindet in Zusammenhang mit Einschränkung von Bürgerrechten, Überwachung, etc. Das ist eigentlich das Thema des Films für mich und macht dann auch als Remake Sinn, weil man vergleicht, wie das 1931 war und wie das jetzt ist. Schalko ist dafür bekannt, sich prägnant zu gesellschaftlichen wie auch politischen Entwicklungen zu äußern, so auch nach dem ersten Durchgang der Bundespräsidentschaftswahl am Sonntag. Mit Oh, du peinliches Österreich hat er den Sieg des FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer mit 35,05 Prozent im ersten von vielen Facebook-Postings betitelt und wurde dafür in Kommentaren u.a. als Nestbeschmutzer und linkslinke Bazille beschimpft. Ich finde es schwierig, dass man das gar nicht mehr so sagen darf, weil dann behauptet wird, da kommen die Linken mit der Nazi-Keule, so Schalko. Aber es ist halt nicht wurscht, welche Ideologie der vertritt. Es ist ganz klar, wofür er steht und dafür ist er gewählt worden. Hofer kokettiere offenkundig mit einer Ideologie, die brandgefährlich ist. Das ist ein Status Quo der Gesellschaft, und das ist nicht nur in Österreich so, sondern auch in Deutschland, Holland oder Dänemark, und in ganz Osteuropa ist das mittlerweile etabliert und salonfähig. Da finde ich es auch total gerechtfertigt, seine Meinung offensiv kundzutun. Sorge, dass das den Rechten in die Hände spielen könnte, mache er sich nicht, so bedeutend bin ich nicht. Und auch in Bezug auf die Stichwahl zeigte er sich hoffnungsvoll: Der weite Abstand von 14 Prozentpunkten zwischen Hofer und Alexander Van der Bellen werde sich noch einmal relativieren, ist er überzeugt. Die Frage ist nur, wer wen mobilisiert am Ende des Tages. Vorerst nur einmalig dreistündige Live-Sonntagabendshow geplant. Berlin – Thomas Gottschalk meldet sich mit einer neuen Show zurück: Am 5. Juni (20.15 Uhr) wird der ehemalige Wetten, dass..?-Moderator drei Stunden live in Berlin die Sonntagabendshow Mensch Gottschalk – Das bewegt Deutschland präsentieren, teilte die Produktionsfirma Spiegel TV am Dienstag mit. Laut einem RTL-Sprecher gibt es nur die eine Ausgabe, danach sehe man weiter. Gottschalk will in der Show Themen und Menschen vorstellen, über die Deutschland spricht. Unterhaltsam und journalistisch gleichermaßen, dabei je nach Thema humorig, emotional oder hintergründig soll er laut Spiegel TV durch einen breiten Themenparcours des Zeitgeschehens führen. Dazu kommen Einspielfilme und Studiogäste, mit denen er den Fragen und Emotionen nachgehen will, die die Deutschen aktuell bewegen. Mit Buzzerdrücken und Punktestand-Abfragen bin ich durch – ich bleibe Showmaster, aber die aktuelle Lage unseres Landes ist spannender als jeder rote Teppich in Hollywood, sagte Gottschalk laut Mitteilung. Deshalb möchte ich mich mit interessanten Gästen austauschen und das so ernsthaft wie notwendig und so unterhaltsam wie möglich. In der Sendung soll es unter anderem um Deutschland vor der Fußball-EM, den Sommerurlaub und der möglichen Terrorgefahr in Europa gehen, außerdem um die mobile Zukunft, das autonome Fahren, um Sängerin Nena sowie um Krebs und die Möglichkeiten, ihn zu behandeln. Wiener Stadtfernsehen mit neuer Zukunftsstrategien für Digitalbereich und für eine internationale Positionierung des Standorts Wien vor. Wien – Der Stadtsender W24, Tochter des Mischkonzerns Wien-Holding, lud am Mittwoch zur Präsentation zukünftiger Strategien im Digitalbereich: Wir werden vom regionalen Fernsehanbieter zum digitalen Contentproduzenten in der Region, sagt Geschäftsführer Marcin Kotlowski. Seit 2012 investiert das Stadtfernsehen sein Budget auch in den Digitalbereich: Im letzten Jahr seien rund 500.000 Euro für die Herstellung von Content ausgegeben worden. Laut Finanzgeschäftsführer Markus Pöllhuber befindet sich der TV-Markt im Umbruch. Und auch das Werbevolumen gehe insgesamt zurück: 2017 soll das World Wide Web den Fernsehmarkt im Bereich Werbung überholt haben. Ein Grund mehr in digitalen_Content zu investieren. Im Rahmen der Präsentation stellte das Stadtfernsehen auch neue Programm-Highlights vor: das adaptierte Kulinarikformat Hat’s g’schmeckt? mit Gastrokritiker Florian Holzer und das Unterhaltungsformat #Pop! mit Peter Schreiber. Die Sendung ÖsterreichBlick mit Alfons Haider soll weiterhin – in Absprache mit dem ORF – regionale Beiträge bieten. Bis Ende des Jahres will W24 seine technische Reichweite mit Hilfe von diversen Kabelanbietern erhöhen und somit für weitere 700.000 Haushalte in Wien und Umgebung erreichbar werden. Die Mediengruppe hat 2015 einen konsolidierten Umsatz von 5,2 Millionen Euro erwirtschaftet. Der Werbeumsatz betrug 1,3 Millionen Euro. Heuer werden 1,5 Millionen Euro Werbeumsatz angepeilt. Profil berichtete vergangene Woche über zwei Millionen Euro Subventionen aus dem Privatrundfunkfonds, die der Stadtsender seit 2011 erhalten haben soll. Laut Wien-Holding erfüllt W24 alle Kriterien für die Fördermittel. Bislang war der private Compress-Verlag für die Auslandskommunikation der österreichischen Hauptstadt zuständig. Seit Anfang des Jahres befindet sich die Agenda in der Hand der Eurocomm-PR, einem Unternehmen der Wien-Holding. Sie hat die Aufgabe, die Öffentlichkeitsarbeit der Stadt Wien in den Städten Belgrad, Budapest, Krakau, Ljubljana, Prag, Sarajevo und Zagreb fortzusetzen. TV-Nachrichtensender von der Entscheidung "geschockt und irritiert". Bagdad – Der arabische Nachrichtensender Al-Jazeera darf nach eigenen Angaben vorerst nicht mehr im Irak arbeiten. Die irakische Kommunikations- und Medienbehörde habe das Büro in der Hauptstadt Bagdad geschlossen und entziehe dem Sender die Lizenz, berichtete Al-Jazeera am Mittwochabend. Als Grund seien Verstöße gegen die allgemeinen Verhaltensregeln genannt worden. Al-Jazeera wies die Vorwürfe zurück, man sei von der Entscheidung geschockt und irritiert. Der Irak hatte dem Netzwerk mit Sitz in Doha im Emirat Katar bereits vor zwei Jahren vorläufig die Lizenz entzogen, sie später aber wieder erteilt. "Österreicher wählen eben so, wie sie es vom Schnitzel kennen: möglichst flach und schön braun": Tiroler Student zeigte ZDF-Sendung an. Wien – Die Ergebnisse der Bundespräsidentenwahl und die 35,5 Prozent, die FPÖ-Kandidat Norbert Hofer an dem Wochenende erreichte, lösten in Deutschland und Österreich Diskussionen aus. Auf der Facebook-Seite der ZDF-Heute-Show wurde dazu am Montag nach der Wahl ein Bild veröffentlicht, das ein Schnitzel in Form eines Hakenkreuzes zeigt. Dazu der Text: Österreicher wählen eben so, wie sie es vom Schnitzel kennen: möglichst flach und schön braun. Es seien bereits zwei Strafanzeigen bezüglich des Postings bei der Staatsanwaltschaft Mainz eingetroffen – eine aus Österreich, die andere aus Deutschland, berichtet die Hannoversche Allgemeine. Die Anzeige aus Österreich stammt laut Tiroler Tageszeitung von einem Tiroler Jus-Studenten (ehemaliges FPÖ-Mitglied). Er beziehe sich auf den Paragrafen 103 des Strafgesetzbuchs: Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte zuvor angekündigt, Paragraf 103 erst 2018 abzuschaffen. Neue fünfteilige Quizshow-Reihe für den Sommer geplant. Köln – Günther Jauch übernimmt bei RTL eine neue fünfteilige Quizshow-Reihe. Bei 500 – Die Quiz-Arena müssen die Kandidaten insgesamt 500 Fragen aus unterschiedlichen Wissensbereichen beantworten, wie RTL am Freitag mitteilte. Dabei gibt es weder Joker noch die Möglichkeit, aus mehreren Antworten die richtige auszuwählen, anders als beim ebenfalls von Jauch moderierten Quiz Wer wird Millionär?. Wie viele Kandidaten antreten, verrät RTL noch nicht, genauso wenig wie die Ausstrahlungstermine. Sie sollen aber in die Sommerpause fallen, in die sich Wer wird Millionär? am 6. Juni verabschiedet und die bis Ende August dauert, wie ein RTL-Sprecher am Freitag sagte. Wer wird Millionär? ist RTL zufolge die erfolgreichste und am längsten laufende Quizshow Deutschlands. Ob 500 – Die Quiz-Arena die Chance bekommt, daran anzuknüpfen, ist noch offen. Aktuell ist es eine fünfteilige Eventshowreihe. Danach schauen wir weiter, sagte der Sprecher. Das Vorbild der Show ist die Sendung 500 Questions, die im US-Sender ABC erstmals 2015 zu sehen war. RTL zitiert Jauch mit der Einschätzung: Für die Spieler ist es ein Quiz am Limit. Die schlauesten Kandidaten werden beim vielleicht schwierigsten Quiz der Welt antreten. Wer bestehen will, braucht ein sehr gutes Allgemeinwissen, strategisches Geschick, Durchhaltevermögen und sehr starke Nerven. Ab Juni Nachrichtenlaufband mit österreichischen Inhalten, eigene Österreich-Programminhalte ab Herbst – Vermarktung durch Goldbach Media. Wien – Der Nachrichtensender N24 startet am 1. Mai sein Österreich-Fenster N24 Austria. Noch im Juni wird N24 Austria über den ganzen Tag in einem eigenen Nachrichtenlaufband sowohl österreichische als auch internationale Nachrichten anbieten. Mittelfristig sind auch originär österreichische Sendungen geplant, teilte der Sender am Freitag mit. Gespräche mit potenziellen Partnern finden derzeit statt. Dem Branchenmagazin Horizont erklärte N24-Geschäftsführer Torsten Rossmann, dass man in den kommenden Wochen und Monaten am Sender schrauben und auch eigene Inhalte bringen werde. Ab dem Herbst sei, wenn es gut laufe, mit eigenen Programminhalten zu rechnen. Ich bin da auch völlig offen für gemeinsame Ideen mit österreichischen Partnern, so Rossmann. Langfristiges Ziel: ein Prozent Marktanteil. Für die Vermarktung des neuen Angebots kooperiert N24 mit der Goldbach Media Austria, die den Verkauf von TV-Werbezeiten übernehmen wird. Der TV-Sender N24 ist Teil der WeltN24 GmbH, die zur Axel Springer SE gehört. N24 startete im Jänner 2000 als Nachrichtensender der ProSieben-Gruppe. 2010 wurde der Kanal aus dem Senderverbund ProSiebenSat.1 herausgelöst und an Privatinvestoren verkauft, darunter Ex-Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust, der 26 Prozent an dem Fernsehsender mit rund 300 Mitarbeitern übernahm. Im Dezember 2013 übernahm schließlich Springer die Mehrheit an N24 und führte den Sender unter der Federführung von Aust in den vergangenen Jahren mit seiner Welt-Gruppe rund um die gleichnamige Tageszeitung zusammen. Marktanteile im April: ORF legte zu, Puls 4 verzeichnet bei 12- bis 49-Jährigen höchsten Wert der Sendergeschichte. Wien – Die Bundespräsidentenwahl beschert Fernsehsendern ein Quotenhoch im April: Die ORF-Sendergruppe verzeichnet im Vergleich zum Vorjahreszeitraum ein Plus von 2,8 Prozentpunkten Marktanteil. Zurückgeführt wird dies beim öffentlich rechtlichen Sender auch auf das neue Frühstücksfernsehen. ORF eins und ORF 2 verzeichneten laut dem Unternehmen im April in der Altersgruppe ab zwölf Jahren 33,2 Prozent Marktanteil, dies ist ein Zuwachs um 2,8 Prozentpunkte im Vergleich zu April des Vorjahres. ORF eins erzielte einen Anteil von 10,7 Prozent (plus 1,4 Prozentpunkte) und ORF 2 kam auf 22,5 Prozent (plus 1,4 Prozentpunkte). Hauptgründe für die Zuwächse seien die Berichterstattung zur Präsidentschaftswahl sowie Guten Morgen Österreich. Die Frühstückssendung an den Wochentagen bringe ein Plus von rund 0,5 Prozentpunkten. Ein Plus von 7,2 Prozentpunkten verzeichnet Puls 4 mit nunmehr 3,6 Prozent Marktanteil in der Zielgruppe 12+. Bei den Zuschauern von 12 bis 49 Jahren schafft der Privatsender sogar einen Marktanteilsrekord in der Sendergeschichte. Gegenüber April 2015 verzeichnet Puls 4 ein Plus von 16,9 Prozentpunkten und schafft einen Marktanteil von 4,9 Prozent. Stärkste Sendung war die Elefantenrunde zur Bundespräsidentenwahl am 3. April mit einer Durchschnittsreichweite von 382.000 Zusehern ab zwölf Jahren. Stabil hält sich ATV mit 2,6 Prozent Marktanteil im Apri. Stärkste Sendung war hier die Berichterstattung zur Bundespräsidentenwahl am 24. April mit 190.000 Zuschauern. Staatsanwaltschaft Mainz sieht von Ermittlungen ab: überspitzte Darstellung, Beleidigung von Staatsoberhäuptern nicht erfüllt. Wien – Die Staatsanwaltschaft Mainz sieht von Ermittlungen nach Klagen zum Hakenkreuz-Schnitzels auf der Facebook-Seite der Heute-Show ab. Es sei kein Verdacht für strafbares Verhalten gegeben, informiert die Staatsanwaltschaft in einer Presseaussendung. Eine Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten sei schon deshalb nicht erfüllt, weil sich der Beitrag ersichtlich nicht mit dem Bundespräsidenten der Republik Österreich befasse. Auf der Facebook-Seite der ZDF-Heute-Show wurde am Montag nach der Bundespräsidentenwahl ein Bild veröffentlicht, das ein Schnitzel in Form eines Hakenkreuzes zeigt. Dazu der Text: Österreicher wählen eben so, wie sie es vom Schnitzel kennen: möglichst flach und schön braun. Dazu waren mehrere Anzeigen eingegangen. Die Abbildung in Form eines Hakenkreuzes stelle ebenfalls kein strafbares Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen im Sinne des Strafgesetzbuches dar, argumentiert die Staatsanwaltschaft: Für das Publikum wird das Wahlergebnis – in überspitzter Form – dergestalt kritisch beleuchtet, dass diesem ein Erstarken eher rechtsgerichteter politischer Kräfte zu entnehmen sei. Verband der Privatsender möchte in einer Enquete neue Rahmenbedingungen diskutieren. Wien – Nach dem zuvor angekündigten Aus für Servus TV und dem anschließenden Rückzieher, den Sender doch weiter zu führen, fordert der Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) eine Reform des Rundfunkmarktes und eine Enquete zum Thema. Markus Breitenecker, stellvertretender VÖP-Vorstandsvorsitzender und Geschäftsführer von Puls 4, sagt in einer Aussendung: Wir befinden uns in einem hochkompetitiven Umfeld: Auf der einen Seite der ORF, der mit 600 Millionen Euro pro Jahr vom Staat unterstützt wird und trotzdem sowohl bei seiner Programmgestaltung in der Prime Time als auch in der Vermarktung wie ein Privatsender agiert. Auf der anderen Seite internationale Mediengiganten wie YouTube oder Facebook, die unseren gesetzlichen Regelungen nicht unterliegen und dadurch und durch Skaleneffekte enorme Vorteile haben. In dieser Wettbewerbssituation sei es äußerst schwierig, teilweise sogar unmöglich, einen Privat-TV Sender kommerziell erfolgreich zu führen, so Breitenecker. Ähnlich klingt auch Ernst Swoboda, Vorstandsvorsitzender des VÖP und Geschäftsführer von Kronehit: Der duale Rundfunkmarkt ist in Österreich weiterhin unterentwickelt. Der ORF dominiert aufgrund seiner Privilegien auch nach fast 20 Jahren noch immer den Markt, während die Entwicklungsmöglichkeiten für privaten Rundfunk weiterhin sehr beschränkt sind. Swoboda wünscht sich eine Enquete unter Einbeziehung von nationalen und internationalen Experten. Ziel sei es, moderne und den internationalen Standards entsprechende Rahmenbedingungen für den österreichischen Rundfunkmarkt zu definieren. Ansetzen möchte er bei der Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und bei einem präziseren Programmauftrag für den ORF. Angehörige des 2009 in russischer Haft gestorbenen Anwalts hatten Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte beklagt. Stuttgart – Arte wird den umstrittenen Dokumentarfilm Der Fall Magnizki des russischen Regisseurs Andrej Nekrassow nicht zeigen. Weil es rechtliche Probleme gebe, werde der Film über den 2009 in russischer Haft gestorbenen Anwalt Sergej Magnizki so nicht ausgestrahlt, erklärte der Sender. Die Angehörigen Magnizkis hatten die Verletzung ihrer Persönlichkeitsrechte beklagt. Arte hatte zunächst auf die für 3. Mai geplante Ausstrahlung verzichtet, um die Vorwürfe inhaltlich und rechtlich zu prüfen. Seither protestierten auch Menschenrechtsvertreter und EU-Politiker gegen den Film. Nekrassow steht im Kreuzfeuer der Kritik, einen Film im Stil von Kremlpropaganda abgeliefert zu haben. Magnizki hatte russischen Beamten vorgeworfen, sich illegal Firmen angeeignet und den Staat um 230 Millionen Dollar betrogen zu haben. Die Angehörigen werfen den Behörden vor, Magnizki in Haft zu Tode gefoltert zu haben. Nach Darstellung des Kreml starb der Anwalt an einem Herzinfarkt. Regisseur Nekrassow untermauert diese Version und spricht von einer Schmierenkampagne gegen seinen Film. Der Tod des 37 Jahre alten Magnizki gilt international als Symbol für eine korrupte und in kriminelle Machenschaften verwickelte russische Polizei. Der Fall führte unter anderem zu Sanktionen der USA gegen Russen. Angaben des Senders zu Folge sahen 432.000 Zuseher über 12 Jahre das unmoderierte Duell. Wien – Sehr zufrieden zeigt sich ATV mit dem Interesse am Duell der Hofburg-Kandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen Sonntagabend: Angaben des Senders zu Folge sahen 432.000 Zuseher über 12 Jahre das unmoderierte Duell, 447.000 die anschließende Analyse. Damit habe es sich um die reichweitenstärkste Eigenproduktion in der Geschichte des Senders gehandelt. In der Primetime (20.15 – 22.00 Uhr) war ATV nach eigenen Angaben am gestrigen Abend bei den 12-49-Jährigen Österreichs Marktführer unter allen Sendern. Am 18. Mai läuft die 6000. Folge – Noch nie hat eine Serie in Deutschland 6.000 Folgen erreicht – Gastauftritte von Schröder und Wowereit, Sprungbrett für Gesangskarrieren. Köln – Gute Zeiten, schlechte Zeiten ist so etwas wie die Mutter aller deutschen Daily Soaps. Was seit 1992 nicht alles passiert ist! Liebschaften, Trennungen, verschollene Verwandte, Entführungen, Autobomben. am 18. Mai läuft die 6000. Folge. Ein Vater, der eine Beziehung mit seiner Tochter eingeht, eine Leiche, die verschwinden muss und eine Ananas als Tatwaffe. Ja, eine Ananas. Gute Zeiten, schlechte Zeiten (GZSZ) hat zuletzt mal wieder einen Plot erzählt, der zwischen bittersüßer Liebesgeschichte, Drama und ein paar Skurrilitäten schwankte. Und der unter GZSZ-Fans den immensen Drang hervorgerufen hat, nun endlich wissen zu wollen, in was das alles gipfeln wird. Erleichterung ist nun in Sicht. Morgen, Mittwoch, um 19.40 Uhr läuft auf RTL die 6000. Folge – in Spielfilmlänge. Traditionell kracht es da, auch inhaltlich. Nach Angaben von RTL hat noch nie eine Serie in Deutschland 6.000 Folgen erreicht, ein Rekord. GZSZ läuft seit 1992 mit guten Einschaltquoten, wenige Sendungen prägten so das Gesicht des Privatsenders. Es ist ein kleiner GZSZ-Kosmos entstanden, der auch in andere Bereiche herüberschwappt – man denke an die mehr oder minder erfolgreichen Gesangskarrieren einstiger GZSZ-Schauspieler wie Oliver Petszokat (besser bekannt als Oli P., 37) oder Yvonne Catterfeld (36). Oder die Politik. Gerhard Schröder (er bestellte eine Rechnung) und Klaus Wowereit hatten jedenfalls Gastauftritte. In der Jubiläumsfolge muss nun die Leiche von Frederic Riefflin (Dieter Bach) verschwinden, dem Ganzen ist eine dramatische Inzest-Geschichte vorausgegangen. Ab 20.15 Uhr soll der Plot monothematisch erzählt werden, erklärt Producer Damian Lott. Das ist für GZSZ eher ungewöhnlich. Normalerweise haben wir bei GZSZ ja eine Drei-Strang-Dramaturgie, sagt Lott. Das bedeutet im Idealfall: eine Liebesgeschichte, ein humoriger Plot und daneben noch eine Drama-Erzählung. Es ist die Mischung, die GZSZ so beliebt gemacht hat. Am Jubiläumsabend soll diese Struktur in den ersten 30 Minuten der Folge auch beibehalten werden – danach folgt der Wechsel. Der Eindruck, dass gewisse Muster bei GZSZ wiederkehren, ist nicht ganz falsch. Wer der Serie guckt, hat Serien-Fiesling und Deutschlands besten Anwalt Jo Gerner (Wolfgang Bahro) gefühlt schon zigmal verschlagen und mit hochgezogener Augenbraue hinter einer Häuserecke hervorlugen sehen. Das macht vielleicht auch einen Teil des Kults aus. Man kann sagen, dass es etwa 20 Grundplots gibt, nicht nur für eine tägliche Serie. Das Entscheidende ist, sie gut zu erzählen, meint dazu Schauspielerin Ulrike Frank, die bei GZSZ die Katrin Flemming spielt. Das Spannende ist immer, wie die einzelnen Protagonisten sich darin behaupten, sagt Producer Lott. An Katrin Flemming lässt sich ein weiterer Reiz von GZSZ beobachten. Was ihr nicht schon alles widerfahren ist! Die Serie lebt auch davon, manche Geschichte hemmungslos zu überzeichnen. Ich erinnere mich, wie Katrin Flemming Jo Gerner an einen Eisenhaken gehängt hat, um zu erfahren, ob ihre gemeinsame Tochter Johanna noch lebt, berichtet Schauspielerin Frank aus dem Leben ihres Serien-Ichs. Der Anwalt hatte der Flemming zwei Millionen geboten, damit sie das Kind bekommt, das sie eigentlich nicht haben wollte. Danach entführte er sie. Frank nennt das vielleicht schon ein bisschen extrem. Aber letztendlich sei es eine spannende Geschichte gewesen. Producer Lott nennt solche Wendungen Larger than life (größer als das Leben). Das sei oft so bei einem Daily Drama. Das ist auch das, was die Zuschauer lieben, meint Lott. Manche Plots seien natürlich zu skurril, um wirklich stattzufinden und doch angeknüpft an den Alltag. Da wird auch mal aus einer Ananas ein Corpus Delicti. (APA/dpa, Jonas-Erik Schmidt) Schwedischer Produzent: Kontinentale Song Contests in Asien und Amerika vermutlich erster Schritt. Stockholm – Bereits seit Jahren wird immer wieder darüber spekuliert, nun gibt es offenbar konkretere Gespräche: Laut einem Bericht des schwedischen Senders SVT diskutieren Rundfunkverantwortliche aus Europa, den USA und China bereits über einen weltweiten Song Contest mit dem möglichen Titel Worldvision. Der schwedische ESC-Produzent Martin Österdahl sagte in dem am Pfingstmontag ausgestrahlten Programm Gomorron Sverige, China und die USA hätten diesbezüglich mit der Europäischen Rundfunkunion EBU bereits Kontakt aufgenommen. Derzeit diskutierten die Verantwortlichen mehrere mögliche Modi, darunter die Variante kontinentaler Teilbewerbe unter den Titeln Eurovision, Americavision und Asiavision mit einem gemeinsamen Finale. Ab wann das ganze aktuell werden könnte, ist derzeit jedoch noch nicht absehbar. Österdahl zufolge wäre der erste Schritt, dem ESC entsprechende Bewerbe in Amerika und Asien auf die Beine zu stellen. Nach Berlin und Jerusalem zeichnet Volker Heise bayerische Alltagskultur auf. Doris Dörrie, Franz Xaver Bogner unter den Regisseuren. Am 3. Juni startet der Bayerische Rundfunk das Fernsehexperiment 24h Bayern. 100 Kamerateams und vier Hubschrauber sind im Einsatz, um eine 24-stündige Momentaufnahme des Lebens im Freistaat festzuhalten. Projektregie ist wie schon bei 24h Berlin und 24h Jerusalem Volker Heise. Ein Interview mit ihm lesen Sie hier. Die Bandbreite der beteiligten Regisseurinnen und Regisseure, die die Protagonisten in ihrem Alltag begleiten, reicht von Studenten der Hochschule für Film und Fernsehen (HFF) bis hin zu bekannten Regienamen: unter anderem Doris Dörrie, Corinna Belz, Regina Schilling, Franz Xaver Bogner, Andres Veiel, Thomas Riedelsheimer, Jörg Adolph und Marcus H. Rosenmüller. Sie liefern das Material, aus dem am Ende eine repräsentative Momentaufnahme quer durch die Gesellschaft entsteht, seien es Arbeiter am Band, Kinder, die auf die Welt kommen, eine Tierärztin im 24h-Stunden Notdienst, Flüchtlinge auf Asyl hoffend oder Polizisten im Einsatz, sei es der Alltag von Kommunalpolitikern, Chefredakteuren, Landwirten, Managern oder Künstlern – im Kindergarten, im Standesamt, an der Tankstelle, in der Notaufnahme, im Kloster… Ein Jahr später, Anfang Juni 2017, hält der Sender einen kompletten Tag für die Ausstrahlung dieses filmischen Zeitdokuments im BR Fernsehen frei. Eingebunden werden auch die Zuschauer: Über Website und App kann jeder seinen ganz persönlichen 3. Juni zwischen 6 Uhr morgens und 6 Uhr des darauffolgenden Tages visuell festhalten und die Bild- und Videobeiträge den Machern von 24h Bayern online zur Verfügung stellen. Die besten User-Beiträge werden Teil der 24h Bayern-Dokumentation. Chris Evans und Co-Pilot Matt LeBlanc treten das schwere Erbe von Jeremy Clarkson an – Auftaktsendung sahen 4,4 Millionen. London – Statt Jeremy Clarkson drücken jetzt Chris Evans und Co-Pilot Matt LeBlanc auf das Gaspedal: Am Sonntag startet auf BBC 2 die Neuauflage der Kult-Autoshow Top Gear mit 4,4 Millionen Zusehern, was zwar einem beachtlichen Marktanteil von 28 Prozent entspricht, aber dennoch die schlechteste Quote der Sendung seit zehn Jahren ist. Der von der BBC nach seinen Eskapaden geschasste Jeremy Clarkson konnte beim Finale im Juni 2015 noch 5,3 Millionen Leute vor den Fernseher holen. Dass Radiomoderator Evans und Friends-Schauspieler LeBlanc auf BBC die Lücke der originären Top Gear-Crew füllen können, bezweifeln viele. Der Tenor der ersten Kritiken geht eher in Richtung Flop Gear statt geglückter Neuauflage. Jermemy Clarkson arbeitet derzeit gemeinsam mit seinen Top Gear-Weggefährten Richard Hammond und James May an einer üppigen Autoshow für den Onlinesender Amazon Prime, die unter dem Namen The Grand Tour firmieren soll. Für vorerst geplante 36 Episoden stehen den Machern kolportierte 250 Millionen Euro zur Verfügung, was einem Budget von fast sieben Millionen Euro pro Folge entspricht. Bei der BCC durften Clarkson und Co nur rund 1,5 Millionen Euro verprassen. Der Start von The Grand Tour ist für Herbst 2016 geplant. (red, 30.5.2016) In der Auftaktsendung präsentiert sie jene fünf Wirte, die auf der Suche nach einer Frau sind. Wien – Arabella Kiesbauers neues Format Wirt sucht Frau startet diesen Mittwoch um 20.15 Uhr auf ATV. In der Auftaktsendung präsentiert sie den Sehern jene fünf Wirte, die ihr Singleleben satt haben und auf der Suche nach einer Frau sind. Hans, Karl, Hannes, David und Max sind zwischen 27 und 46 Jahren alt, betreiben Gasthäuser, Pubs und Hotels und wollen im Fernsehen die Liebe finden. Gasthäuser sind gesellige Orte, gutes Essen ist meine Leidenschaft. Bei Wirt sucht Frau bin ich bestens aufgehoben, sagt Kiesbauer. Bis Ende März können sich Frauen bewerben. Aus den Bewerbungen suchen sich die Männer ihre Favoritinnen aus und laden diese für einige Tag zu sich ein. Wie viele Damen der Wirt einlädt, bleibt ihm überlassen. Die Fortsetzung gibt es dann ab Ende April in fünf Folgen. Start voraussichtlich im Oktober – Schwarze Zahlen 2016/17 realistisch, nicht zuletzt durch Abbau der Sportredaktion. Wien – ATV-Eigentümer Herbert Kloiber hält an Plänen für einen dritten Sender fest. Dieser wird aber kein herkömmlicher TV-Kanal, sondern ein IP-basiertes Streamingangebot sein, sagte er dem Kurier. ATV smart werde voraussichtlich Mitte Oktober starten. Allerdings setzt Kloiber weiter auf lineares Programm, wobei ATV smart auch Video-on Demand-Kapazitäten haben soll. Ein klassischer TV-Sender wäre nach Kloibers Ansicht nicht mehr zeitgemäß. Programmlich werde man neben Inhalten, die auch von ATV und ATV 2 bekannt sind, sowie Teilen der Tele-München-Library (Spielfilme, Serien, Dokus, Opern) auch Kurz- und Kürzestinhalte, wie sie heute verstärkt online genutzt werden, einplanen. Das Angebot von ATV smart geht deutlich über das hinaus, was die ATV-Gruppe jetzt ausmacht. Klares Ziel für ATV sei, dass es im Budgetjahr 2016/17 nicht mehr negativ bilanziert, so Kloiber. Wir kommen diesem Ziel immer näher. Dabei helfe auch der Abbau der Sportredaktion, der zwar nicht von heute auf morgen passiere, aber notwendig sei: Ohne Sportrechte und mit angepasster Personalstruktur können wir Millionen sparen. Wird gemeinsam mit Frenkie Schinkels die Spiele der Europa League analysieren. Wien – Der Privatsender Puls 4 vergrößert sein Fußballteam. Im Rahmen der UEFA Europa League wird Franz Schiemer gemeinsam mit Frenkie Schinkels die Spiele analysieren. Fränky und Frenkie werden ab 17. September die Spiele von Rapid Wien, Österreichs einzigem Vertreter, unter die Lupe nehmen. Der 29-jährige Schiemer holte auf Klubebene mit der Austria Wien und Red Bull Salzburg insgesamt vier Meister- und vier Cup-Titel. Vergangenes Jahr gab der Innenverteidiger seinen Rücktritt bekannt. Der Kicker, der neben seiner Fußballkarriere ein Masterstudium für Projekt- und Sportmanagement absolviert hat, brachte es insgesamt auf 254 Bundesliga-Spiele. Sendung erreichte im Schnitt nur knapp 19.000 Zuseher – Ab 19. Oktober gibt es "Family Guy". Wien – Mila Superstar? Mitnichten. Puls 4 beendet Milas Suche nach Mr. Right bereits nach rund eineinhalb Monaten. Der Grund ist die anhaltende Quotenflaute. Mila stand unter der Woche immer um 19.20 Uhr auf dem Programm und konnte im Schnitt in der Zielgruppe ab 12 Jahren nur 18.700 Zuseher (1,6 Prozent Marktanteil) fesseln, heißt es bei Puls 4 auf STANDARD-Anfrage. Schwesternsender Sat.1 hatte bereits Mitte September nach nur zwei Wochen die Notbremse gezogen und Mila aus dem Programm gekippt. Die Romantic-Comedy ist nun nur mehr täglich um 16.05 Uhr beim ProSiebenSat.1-Frauensender Sixx zu sehen. Statt Mila sendet Puls 4 ab 18. Oktober um 19.05 Uhr die Serie Family Guy in einer Doppelfolge. Morgensendung "Café Puls" beginnt ab 30. November um 5.30 statt 6.00 Uhr – ORF-Frühstücks-TV startet im März. Wien – Das Frühstücksfernsehen des Privatsenders Puls 4 beginnt künftig eine halbe Stunde früher. Ab 30. November sendet Café Puls bereits ab 5.30 Uhr Nachrichten, Wetterprognosen und Lifestyle-Geschichten. Laut Senderchef Johannes Kampel reagiert man damit auf die Nachfragen unserer sehr früh aufstehenden Zuschauer, so könne man außerdem mit noch mehr Sendezeit unseren Inhalt weiter stärken. Zumindest eine Nebenrolle bei der Entscheidung dürften allerdings die Pläne des ORF für ein Frühstücksfernsehen gespielt haben. Guten Morgen Österreich soll Ende März 2016 erstmals auf Sendung gehen. In der – wenig lukrativen – Frühschiene produziert in Österreich derzeit nur Puls 4 eigenen nennenswerten Content. 56 Jungunternehmer wollen in acht Sendungen Investoren für ihre Idee begeistern – Immer dienstags um 20.15 Uhr auf Puls 4. Wien – Die Puls 4 Start-Up-Show 2 Minuten 2 Millionen geht am 8. März um 20.15 Uhr in die dritte Runde. 56 Jungunternehmer bekommen in acht Sendungen die Chance in zwei Minuten sechs Investoren für ihre Idee zu gewinnen. Hans Peter Haselsteiner, Winzer Leo Hillinger, Marie-Helene Ametsreiter (SpeedInvest), Michael Altrichter (Business Angel of the Year 2014), Müsliriegelproduzent Heinrich Prokop und Daniel Zech (SevenVentures Austria) sind als Investoren dabei. "Neugierde-Effekt ist verpufft, die Tendenz hat sich gedreht" – "Der Küniglberg hat mitbekommen, dass wir ATV überholt haben" – Puls 4 klopft in Zielgruppe bei fünf Prozent Marktanteil an. Wien – Puls 4-Senderchef Johannes Kampel sieht das Frühstücks-TV-Duell mit dem ORF bei den unter 50-Jährigen fürs erste entschieden. Der Neugierde-Effekt ist verpufft, die Tendenz hat sich gedreht, sagte Kampel. Während der ORF mit Guten Morgen Österreich bei den Sehern über alle Altersgruppen hinweg vorne liegt, hält Cafe Puls bei den unter 50-Jährigen die Marktführerschaft. Wir liegen im Mai wieder deutlich vorne. Wir halten aktuell bei knapp 24 Prozent Marktanteil und liegen um 33 Prozent vor dem ORF-Format. Wir hatten zuletzt keine Tagesquote mehr, wo wir hinten nach waren. Das hat sich damit glaub ich erledigt und das bestärkt, sagte Kampel. Wir können unser Angebot nun noch in Richtung unserer Zielgruppe der unter 50-Jährigen verstärken. Auch punkto Informationsanteil sieht Kampel Cafe Puls im Vergleich zum ORF-Frühstücksfernsehen gut aufgestellt. Wir können mit unserem Studio in Wien Gäste sehr schnell und aktuell einladen und punkten auch mit unserer Presseschau. Der ORF tut sich da mit seiner Bundesländer-Tour schwerer. Der Einbau der Regionalität ist einfach weiter von den News weg. Darum hat der ORF vor der Bundespräsidentenwahl ja auch ausnahmsweise gleich mehrere Tage an einem Ort – im Wiener Museumsquartier – halt gemacht. Bei Puls 4-Frühstücksfernsehen werde Regionalität anders ausgelebt. Wenn es passt, gehen wir auch mal raus, aber wir schreiben es uns nicht auf die Fahnen. Und wir schaffen keinen Truck an, so Kampel. Bei der kommenden Fußball-EM will man etwa mit Reporterteams in Frankreich und in Österreichs Fanzonen mitmischen. Generell freut es mich immer mehr, dass wir vom ORF anscheinend als Hauptkonkurrent gesehen werden, meinte der Puls 4-Senderchef. Das Match Café Puls gegen Guten Morgen Österreich hat den Fokus auf uns als Mitbewerber gelenkt, und der Küniglberg hat mitbekommen, dass wir ATV überholt haben. Kampel hält es etwa für keinen Zufall, dass der ORF auf das von Puls 4 übertragene Europa-League-Finale in der Gegenprogrammierung mit einer Doku über den Werdegang österreichischer Fußball-Stars reagiert hat. Mit der Entwicklung des Senders ist Kampel denn auch höchst zufrieden. Wir stehen in unserer Zielgruppe knapp vor 5 Prozent Marktanteil. Im April haben wir mit 4,9 Prozent schon angeklopft, im Mai liegen wir aktuell bei 4,6 Prozent. Den Grund dafür sieht Kampel in einer konsequenten Programmierung von Sender-Slots. Die Dienstag-Programmierung laufe mit Bist Du deppert! und 2 Minuten 2 Millionen ebenso gut wie die Fußball-Europa League am Donnerstag. Auch der Montag habe sich mit dem neuen Witze-Format verbessert. Daran haben wir konsequent gearbeitet, und das ist auch von unseren Zusehern angenommen worden. Jetzt arbeiten wir uns von Slot zu Slot vorwärts. Für das zweite Halbjahr sind eine Reihe von neuen Formaten in Vorbereitung. Wir wollen den Comedy-Trend fortsetzen, berichtete der Puls 4-Senderchef. "Angelique" im ORF-2-Hauptabend mit 290.000, "Ziemlich beste Freunde" in ORF mit 404.000. 600.000 ermittelten mit dem Tatort-Team in "Der Inder" auf ORF 2 – 111.000 tauchten auf Servus TV in "Die geheime Welt unserer Babys" – "Frühlingskinder" auf ZDF erreichte 226.000 Zuseher. 225.000 verfolgten in ORF 1 "King Arthur" – 84.000 informierten sich bei "ATV Aktuell" – 116.000 waren bei "Criminal Minds" auf Sat.1. 590.000 vergnügten sich mit den "Seitenblicken" – 104.000 verfolgten "ATV Aktuell" – 147.000 gaben sich die "Simpsons" auf ProSieben. "Wenn die Musi"-Jubiläum verfehlt mit sommerlichen 575.000 die Top 3 von ORF 2 – Dafür das Qualifying für den Grand Prix von Ungarn in ORF 1. Wien – Da half auch keine Lederhose: Andreas Gabalier, Andy Borg, die Seer und Co traten im Hauptabend zur Jubiläums-Liveshow von Wenn die Musi spielt an – immerhin ein gutes Viertel der Fernsehzuschauer am Samstagabend war dabei. Aber: mit 575.000 fand das volkstümliche Spektakel aus St. Oswald nicht in die Top 3 von ORF 2. Gegen die Standards war nicht anzusingen: Vorne diesmal die Zeit im Bild, dahinter ausnahmsweise Bundesland heute mal neun, und vor den Seitenblicken auch noch die Sportnachrichten. A propos: In die Top 3 von ORF 1 kam am Samstag gar schon das Qualifying für den Grand Prix von Ungarn. Und was sahen die Österreicherinnen und Österreicher am Samstag (und Freitag) sonst so? Die Details hier: (red, 26.7.2015) 300.000 erfreuten sich am Erfolg der Altacher in Portugal – 138.000 schauten auf Puls 4 Sturm Graz auf die Beine. 282.000 gaben sich "Der letzte Bulle" in ORF 1 – 169.000 interessierten sich für Fußball im ZDF. 31,5 Prozent nach 30,1 Prozent ein Jahr davor – Puls 4 und ATV unter den Quoten von August 2014. Wien – Der ORF konnte seinen Marktanteil im August 2015 gegenüber dem Vorjahr deutlich steigern. Die beiden Hauptprogramme des öffentlich-rechtlichen Senders erreichten im August 31,5 Prozent (August 2014: 30,1 Prozent) der Bevölkerung ab 12 Jahren. ORF eins kam dabei auf 9,9 (2014: 9,1), ORF 2 auf 21,6 (2014: 21,0) Prozent. Der Privatsender Puls 4 verbuchte im August einen rückläufigen Marktanteil von 3,1 Prozent (2014: 4,1), ATV blieb mit 2,5 Prozent (2014: 2,6) einigermaßen stabil, und der Red Bull-Sender Servus TV kam auf eine Quote auf 1,6 Prozent Marktanteil (2014: 1,7). Die bisher erfolgreichste Dschungelcamp-Folge konnte Larissa Marolt 2014 für sich verbuchen. Dungay – Bei der zehnten Staffel der Unterhaltungssendung Ich bin ein Star – Holt mich hier raus! zieht der Privatsender RTL alle Register: Dem Zuschauer werden am Anfang eine Kontaktsperre und zwei Lager geboten, die gegeneinander antreten müssen. Doch die Neuerung geht am vierten Tag verloren: Die Kandidaten werden in das Base-Camp gebracht und die Gruppen zusammengelegt. Es war nie geplant die Neuerungen bis zum Ende der Sendung aufrechtzuerhalten, sagt RTL-Sprecher Claus Richter auf Anfrage des STANDARD dazu. Gewinner der Herzen Meine Stärke ist meine Ausdauer. Meine Schwäche ist, würde ich sagen … Hm …, seine Fehler sind ihm nicht bewusst, obwohl über Menderes Bağcı unlängst im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung zu lesen war, dass er der Prügelknabe von Dieter Bohlen sei und es als Deutschland sucht den Superstar-Witzfigur zu einem gewissen Kultstatus gebracht hat. Von dieser weniger positiv klingenden Beschreibung des Entertainers abgesehen, lässt sich aus diversen Medien entnehmen, dass Bağcı zum heimlichen Star der Sendung avanciert. Auch seine Facebook-Fanpage konnte einen eindeutigen Zulauf an Kommentaren und Fans verzeichnen: darunter viel Zuspruch und der Wunsch der Facebook-Fans Bağcı soll doch Dschungelkönig werden. Nach seinem Outing, dass er an einer unheilbar chronisch-entzündlichen Darmerkrankung leidet und laut huffingtonpost.de sogar spezielles Essen bekommt, wird in einigen Foren diskutiert, ob die Sendung an sich noch seinem eigenen Schema folgt. Kritik und Quoten Nachdem Schlagersänger Gunter Gabriel und Schauspieler Rolf Zacher bislang für alle Prüfungen gesperrt waren – wohl aus gesundheitlichen Gründen – kristallisiert sich die Frage heraus, wozu man solche Stars in den Urwald schickt, wenn man sie nicht einmal mit Telefonvotings zum Maden essen zwingen kann, kritisieren Zuschauer im Netz. Gabriel hat sich allerdings schon verabschiedet und die Sendung für sich beendet. In den vergangenen Jahren haben es polarisierende Persönlichkeiten im Urwald nicht leicht gehabt, beispielsweise Larissa Marolt: Die bisher erfolgreichste Dschungelcamp-Folge konnte das österreichische Model 2014 zwar für sich verbuchen (mit einem Spitzenwert von 550.000 Zuschauern aus Österreich), zur Dschungelprüfung musste sie allerdings ganze zehn Mal antreten und hält damit den Rekord. Durchschnittswert der Sendung am Montag lag bei 223.000 österreichischen Zusehern – da besteht noch Aufholbedarf. Am Ende kann man nur Sophia Wollersheim – Dschungelkandidatin – zitieren: Ganz ehrlich: Das ist menschenunwürdig, was ihr hier mit uns macht. 'Nach einem Quartal: 1 Prozent Marktanteil im Schnitt – Sender: "Nach wie vor überzeugt" von Format. Salzburg/Wien – Es ist still geworden um das Projekt zweier österreichischer Riesen: Red-Bull-Milliardär Dietrich Mateschitz tat sich mit Österreichs Reichweitenriesen Kronen Zeitung zusammen für ein tägliches Regionalmagazin im Vorabend von Servus TV. Das klang nach Frontalangriff auf das quotenstärkste tägliche Fernsehformat des Landes – Bundesland heute im ORF. Diesen Montag war Servus Krone drei Monate on air. Ebenso lange liegt auch sein bisheriger Spitzenwert zurück: 37.000 Menschen verfolgten die Premiere am 27. April – beworben mit einer ganzen Titelseite der Krone. Seither schaffte Servus Krone laut Teletest an fünf Tagen 30.000 bis höchstens 33.000 Zuschauer. Zweimal verfolgten im Schnitt nur 1000 Menschen den Blick in die Bundesländer mit den Redaktionen der Kronen Zeitung. Bundesland heute mit seinen neun Regionalausgaben im ORF kam beim Start von Servus TV auf weit mehr als eine Million Zuschauer. In der fernsehunfreundlich heißen Vorwoche pendelten die Quoten des ORF-Formats zwischen 780.000 und 930.000. Servus Krone kam im Schnitt seiner ersten drei Monate auf 14.000 Zuschauer; im Juli waren es 11.000. Durchschnittsalter des Servus-Krone-Publikums: 58 Jahre, rund 70 Prozent des Publikums sind laut Teletest älter als 50. Für einen Fernsehsender und Regionalnachrichten wirkt das fast schon jugendlich. Servus TV arbeitet offenkundig an dem Format und seiner Quote: Seit Montag beginnt Servus Krone schon um 18.10 Uhr statt um 18.30 und dauert ein Stück länger bis 18.40 – bisher begann das Nachfolgeprogramm um 18.50 Uhr. Wir sind sicher, dass die geänderte Startzeit und die Verlängerung der Sendezeit einen positiven Effekt auf die Reichweite haben werden, hieß es auf STANDARD-Anfrage beim Sender. Nach dem ersten Monat, Servus Krone hatte damals durchschnittlich 16.000 Zuschauer, zeigte sich Servus-Geschäftsführer Martin Blank mit dem Zuspruch zufrieden. Die Werte der Sendung würden nach dem Hoch am Start und erwartbaren Rückgängen danach steigen, etwa bei jungen Zuschauern. Wie sieht man das Format zwei Monate später bei Servus TV? Wir sind nach wie vor überzeugt von unserem Bundesländer-Magazin, ließ man am Montag auf Anfrage verlauten. Servus arbeite grundsätzlich kontinuierlich an der Optimierung unseres Vorabendprogramms. Zur Optimierung hat Servus TV schon nach wenigen Tagen on air ein Format zurück in die Box geholt, das am 27. April zusammen mit Servus Krone gestartet ist. Der tägliche Kurztalk Tagesthema ist offenkundig noch nicht in passender Verfassung: Bisher soll nach Infos aus Salzburg noch nicht entschieden sein, ob, wann und wie das Tagesthema auf den Bildschirm zurückkehrt. Im Sommer sinken Zuschauerzahlen und Reichweiten mit der Höhe der Temperaturen und den Urlaubsreisen. Der Marktanteil ist unabhängiger von Saisonen und Wetterlagen – er bezieht sich nur auf jene, die gerade fernsehen. Der Marktanteil von Servus Krone liegt mit 1 Prozent seit Start im oder eher unter dem Schnitt des Senders. Viermal schlug er auf drei Prozent aus, 20 von 92 Sendungen hatten zwei Prozent. 13 Sendungen laut Teletest null Prozent – die meisten davon im Juni, drei im Juli. Null meint: Aus der geringen Zahl der Zuschauer in Teletest-Haushalten lässt sich nicht mehr auf das gesamte Fernsehpublikum hochrechnen. Der Senderschnitt von Servus hat sich etwa im Juni bewegt: 1,8 Prozent Marktanteil, nach 1,4 Prozent im Juni 2014. Vor einem Jahr aber profitierten die Quoten des großen Konkurrenten ORF von der Fußball-WM. Ohne solche Events beim großen öffentlich-rechtlichen Rundfunk tut sich die Konkurrenz grundsätzlich leichter – aber nicht jeder Kanal kann das auch in Quote umsetzen, das zeigten andere Privatsender in diesem Juni. Servus Krone – kolportiertes, unbestätigtes Budget: rund sieben Millionen Euro, grob ein halbes ORF-Landesstudio – ist nur ein Teil einer millionenschweren Kooperation zwischen der Krone und Servus: Seit Jahresbeginn promotet die Krone auf der vorletzten Seite den Red-Bull-Sender täglich mit einer großen Programmliste und mehreren redaktionellen Programm-Storys. 2,285 Millionen Menschen schaut laut Media-Analyse täglich in die Krone. Der ORF bereitet für 2016 ein weiteres, sehr regional angelegtes Format vor – drei Stunden Früh-TV von sechs bis neun Uhr. Servus TV hat im April 2013 sein Frühstücksfernsehen Servus am Morgen gestartet, in Deutschland mit Jahreswechsel 2014/15 wegen Zuschauermangel eingestellt – und die Ausgabe für Österreich zumindest auf Urlaub geschickt: Derzeit ist Servus am Morgen nicht im Programm. Kommt das Format im Herbst wieder?, fragte DER STANDARD beim Sender nach. Die Auskunft: Servus am Morgen ist derzeit in der Sommerpause.' Sender sei "wirtschaftlich untragbar geworden" – Sendeschluss für Ende Juni kolportiert – Mehr als 240 Mitarbeiter betroffen. Salzburg – Red-Bull-Gründer Dietrich Mateschitz stellt überraschend den Betrieb von Servus TV ein. Das teilte das Red Bull Media House am Dienstag in einer Presseaussendung mit. Servus TV wurde im Jahr 2009 als Sender mit hohem Anspruch an Qualität und Unterhaltung gestartet. Obwohl wir Jahr für Jahr einen nahezu dreistelligen Millionenbetrag in Servus TV investiert haben, lässt sieben Jahre nach Einführung die aktuelle Markt- und Wettbewerbssituation keine wirklich positive Entwicklung erwarten, hieß es in der Aussendung. Die Marktanteile von Servus TV bewegen sich seit dem Start im Bereich von ein bis zwei Prozent. 2015 erreichte der Sender in der Gesamtbevölkerung ab zwölf Jahren einen Marktanteil von 1,7 Prozent – 2014 waren es 1,5 Prozent. Nicht einmal die Kooperation mit der reichweitenstarken Kronen Zeitung manövrierte den Kanal von der Nische in die Breite: Das tägliche Regionalmagazin Servus Krone im Vorabend sehen sich nur ein paar Tausend Leute an. Der Sender sei daher für das Unternehmen wirtschaftlich untragbar geworden, hieß es. Man habe sich der Sorgfaltspflicht eines ordentlichen Geschäftsmannes entsprechend entschlossen, den Betrieb von Servus TV einzustellen. Die Veränderungen am globalen Medienmarkt bestärken uns in dieser Entscheidung, weil digitale Angebote die klassischen, linearen Programme verdrängen. Der Sendebetrieb werde bis auf weiteres uneingeschränkt weiterlaufen. Was uneingeschränkt weiterlaufen bedeutet, ist noch unklar: Salzburg.com berichtet, dass der Sendebetrieb Ende Juni eingestellt werden soll. Alle 264 Mitarbeiter seien bereits gekündigt worden. Das kommentierte Servus TV nur indirekt: Die AMS-Meldung muss formal mit einem Datum versehen sein, hieß es. Bestätigt wurde ein Mitarbeiterstand von über 240. Die Gewerkschaft fordert einen Sozialplan für die Betroffenen. Den genauen Zeitplan für die Einstellung des Sendebetriebs werden wir professionell und gemeinsam mit unseren Mitarbeitern und Partnern erarbeiten, hieß es am Dienstag aus der Pressestelle des Senders. Und: Wir können den 30. Juni nicht bestätigen. Kein Indiz für den Zeitpunkt des Sendestopps, aber möglicherweise dafür, dass die Entscheidung schnell fiel, ist der Umstand, dass der Sender auf seiner Website das Werbeinselschema ab Juni 2016 zum Download zur Verfügung stellt. Grund für das Aus von Servus TV sind aber nicht nur die mangelnde Reichweite und die damit fehlenden Werbemillionen, sondern eine Mitarbeiterinitiative: Mateschitz soll wegen eines Rundmails von einer externen Mailadresse empört gewesen sein. Darin wurde vorgeschlagen, online über die Gründung eines Betriebsrats abzustimmen – was bessere Verträge zur Folge gehabt hätte. Deshalb habe es dem Red-Bull-Boss gereicht, berichteten Mitarbeiter, die auch erst am Dienstag über das Ende informiert wurden. Mateschitz bestätigte den Befund: Die Betriebsratsidee sei nicht gerade dienlich gewesen, sagt er – mehr dazu hier. Im Haus hätte es aber ohnehin keine Zustimmung für die Gründung eines Betriebsrats gegeben. Keiner hat auf die Mail positiv reagiert. Es war nie die Rede von einer Betriebsratsgründung, sagten Mitarbeiter. Einige Betroffene würden nun die Hoffnung hegen, anderweitig im Red Bull Media House unterzukommen. Das Ende betrifft aber nicht nur die Servus-TV-Mitarbeiter, sondern auch jene der Produktionsfirmen, etwa der hauseigenen Terra Mater, die aufwendige Dokumentationen für den Kanal dreht. Servus TV sei ein wichtiger Partner im deutschsprachigen Raum, heißt es dort auf STANDARD-Anfrage: Durch den Wegfall wird die Zusammenarbeit mit anderen Sendern und Medienpartnern intensiviert. Erst im April wurde wie berichtet Ferdinand Wegscheider zum neuen Senderchef berufen, Martin Blank musste gehen. Der frühere Burgtheater-Direktor und interimistische Servus-Programmdirektor Matthias Hartmann gab die Programmagenden ab. Harald Maier übernahm die kaufmännische Leitung. Mit Servus TV verliert Österreichs Fernsehlandschaft einen Qualitätssender, der auch im Sport eine Lücke hinterlässt. Der Sender hatte erst im April die Zusammenarbeit mit der Erste Bank Eishockey Liga um drei Jahre verlängert. Im Jänner sicherte sich Servus TV die Rechte an der MotoGP-WM. Das Red Bull Media House plant den weltweiten Kanal Global TV. Der für das Frühjahr angekündigte Start wurde erst kürzlich verschoben. Im November hieß es noch auf STANDARD-Anfrage, dass Servus TV bleiben werde, wenn Global TV kommt. Das Printmagazin Servus in Stadt und Land sei von der Maßnahme nicht betroffen. Servus TV galt seit der Gründung als Experimentierfeld für Mateschitz internationale TV-Pläne, dessen Vermögen das Wirtschaftsmagazin Forbes auf 13,2 Milliarden Dollar schätzte. RTR-Grinschgl: "Erheblicher Verlust" – VÖP: "Alarmsignal" – Cap: "Bedauerlich" – McDonald: "Schade" – Opposition fordert Reform der ORF-Gebührenfinanzierung. Wien – Medienbranche und -politik haben am Dienstag gleichermaßen bestürzt das angekündigte Aus für den Privatsender Servus TV zur Kenntnis genommen. RTR-Medienchef Alfred Grinschgl sprach von einem Verlust, der Verband Österreicher Privatsender sah ein Alarmsignal für die Medienpolitik. Die Mediensprecher von SPÖ und ÖVP äußerten Bedauern, die Opposition forderte Reformen. Wirklich bedauerlich findet SPÖ-Mediensprecher Josef Cap die angekündigte Einstellung. Die Fernsehmacher hätten sich wirklich bemüht und einen gut gemachten Kanal produziert, sagte er im APA-Gespräch. Nun würden hoch qualifizierte Mitarbeiter ihren Job verlieren und natürlich die Breite des Angebots eingeschränkt. ÖVP-Mediensprecher Peter McDonald bezeichnete das Aus für Servus TV als sehr schade für die österreichische Medienlandschaft, hieß es in einem Statement. Österreich verliert damit einen Sender, der durch qualitätsvoll aufbereitete Inhalte, aber auch Nischenprogramme eine große Bereicherung dargestellt hat. Die FPÖ forderte in ihrer Reaktion eine Reform der TV-Finanzierung, denn Servus TV entspricht in seiner Programmgestaltung und seinen Inhalten in weiten Teilen deutlich mehr dem Anspruch an einen öffentlich-rechtlichen Sender als der von Zwangsgebühren genährte ORF, wie Mediensprecher Herbert Kickl in einer Aussendung schrieb. Auch NEOS-Mediensprecher Niko Alm findet, die Servus-Einstellung sei Anlass, über die Gebühren nachzudenken. Er sei natürlich nicht erfreut, wenn ein privater Anbieter von öffentlich-rechtlichen Inhalten, ein Medium weniger im Markt angiert, meinte er auf APA-Anfrage. Das zeigt einmal mehr, dass man darüber nachdenken muss, ob man nicht die Förderung öffentlich-rechtlicher journalistischer Inhaltsproduktion anders aufstellt als auf einen Öffentlich-Rechtlichen zu konzentrieren. Das Team Stronach forderte in Person von Mediensprecher Christoph Hagen ebenfalls ein Umdenken bei der ORF-Finanzierung. Grinschgl, Geschäftsführer des Fachbereichs Medien der RTR-GmbH, verlieh seiner Bestürzung Ausdruck. Servus TV war ein privates Fernsehprogramm, das mit inhaltlich und technisch hochwertigen Produktionen in erheblichem Maß zum public value auf unserem TV-Markt beigetragen hat, schrieb er in einer Aussendung. Die Einstellung des Programms ist ein erheblicher Verlust für die österreichische Medienlandschaft. Wir denken dabei aber auch an die vielen Mitarbeiter, die sich mit Herzblut für das Programm eingesetzt haben. Ernst Swoboda, Vorstandsvorsitzender des VÖP, reagierte schockiert und betonte, dass die derzeitigen Rahmenbedingungen massiv die Entwicklung eines wirtschaftlich tragbaren, privaten Rundfunkmarkts behinderten. Der Sender habe hochqualitative, teilweise öffentlich-rechtliche Inhalte privat finanzieren müssen, und sein Ende sei nun die bittere Konsequenz einer Medienpolitik, die den ORF zugleich mit Gebühren Kommerz-TV betreiben lasse. An handwerklichem Können ist Servus TV nicht gescheitert. Woran aber dann?. Eines ist Dietrich Mateschitz nicht zum Vorwurf zu machen: Er sei zu wenig entscheidungsfreudig. Kurz entschlossen zieht der Red-Bull-Milliardär einen tiefroten Strich unter sein privates Fernsehabenteuer. Mit seinem feinen Fingerspitzengefühl für subtile Botschaften hat er für die Ankündigung des Endes von Servus TV nicht irgendeinen Tag ausgesucht, sondern ausgerechnet den Internationalen Tag der Pressefreiheit. Das Signal ist nicht zu übersehen: Wann die Medien- und Pressefreiheit endet, entscheiden die Eigentümer. Mit Servus TV verliert die österreichische Privatfernsehlandschaft einen gewichtigen Sender. Immerhin beschäftigt Servus TV mehr als 240 Mitarbeitende und hat in den letzten Jahren zahlreichen Nachwuchskräften einen Einstieg ins Medienbusiness ermöglicht. Der Sender hat mit Programm hoher Qualität auf sich aufmerksam gemacht. Filme, Dokumentationen und Diskussionssendungen orientierten sich an Maßstäben, die sonst an große und öffentlich finanzierte Sender angelegt werden. Da hat Servus TV sehr gut abgeschnitten. Das Publikum allerdings hat sich Servus TV standhaft verweigert. Bei einem Marktanteil von zuletzt 1,7 Prozent haben gerade einmal 123.000 Zuschauerinnen und Zuschauer regelmäßig bei Servus TV hereingeschaut. Auch Servus Krone in Zusammenarbeit mit der Kronen Zeitung ist beim Publikum durchgefallen. Und doch geht nach knapp zehn Jahren mit Servus TV mehr verloren als nur ein Sender. Verloren geht der Tatbeweis, dass in einem kleinen Land wie Österreich hohe Fernsehqualität auch von privaten Veranstaltern erbracht werden kann, und nicht nur vom gebührenfinanzierten öffentlichen Rundfunk. Das glanzlose Ende von Servus TV beweist nun eher das Gegenteil – dass selbst mit großzügiger finanzieller Rückendeckung ein solcher Sender nicht nachhaltig betrieben werden kann. An handwerklichem Können ist Servus TV nicht gescheitert. Woran aber dann? Für einmal lässt sich das Scheitern eines Mediums nicht mit dem Markt und dessen Wandel erklären. Denn Servus TV musste sich nie ernsthaft auf dem Fernsehmarkt behaupten. Vielmehr stand der branchenfremde Süßgetränkekonzern Red Bull für die auflaufenden Verluste gerade. Nur so konnte sich Servus TV die kostspieligen Produktionen leisten. Dafür bezahlt haben weder die Zuschauer noch die werbungtreibende Wirtschaft. Von Marktverhältnissen kann also nicht die Rede sein. Gescheitert ist Servus TV vielmehr an der Hand des eigenen Eigentümers, die nun nicht mehr bereit ist, den Sender weiterzufüttern. So erfreulich der Beitrag von Servus TV zur Medienvielfalt auch ist, so dramatisch ist dessen Nachhaltigkeitsrisiko. Auf dieses Risiko weist die kommunikationswissenschaftliche Forschung schon lange hin. Mogul-Medien im Eigentum von branchenfremden Unternehmen sind zwei enormen Risiken ausgesetzt: Erstens der Einflussnahme der Eigentümer auf die redaktionellen Inhalte. So hat der Unternehmer Silvio Berlusconi seine politische Karriere mit dem redaktionellen Zugriff auf seine Mediaset-Fernsehsender (und später auf die RAI) durchgesetzt. Risiko zwei: die Abhängigkeit von den Launen der Eigentümer und der Wirtschaftlichkeit von deren Kerngeschäft. Al Jazeera leidet aktuell darunter, dass Geldgeber Katar aufgrund der tiefen Ölpreise die Sparschraube brutal anzieht. Unabhängig davon, wie gut (oder schlecht) die Berichterstattung auf Al Jazeera ausfällt. In diesem Sinne ist auch Servus TV ein Mogul-Sender. Selbst wenn sich dem Vernehmen nach Dietrich Mateschitz nicht direkt in die Arbeit der Redaktion eingemischt hat (Risiko eins), so fällt der Sender jetzt Risiko zwei zum Opfer: Nicht dass bekannt wäre, dass Red Bull in Schwierigkeiten stecken würde, aber der Eigentümer hat schlicht die Geduld mit oder das Interesse an Servus TV verloren – oder beides. Mogul-Sender als kostspielige Hobbys abzutun wäre aber zu einfach. Dafür leisten die Programmschaffenden viel zu ernsthafte Arbeit, mit sehenswertem Erfolg. Für die medienpolitische Beurteilung stellt sich aber die Frage, ob derart wohlhabende professionelle Hobbyisten mit Fördermillionen unterstützt werden sollen, wenn sie sich zu keinerlei Bestandsgarantie verpflichten. Servus TV hat allein im Jahr 2015 über 2,2 Millionen Euro aus dem Privatrundfunkfonds erhalten. Aus der Sicht der Steuerzahlenden stellt sich diese Investition jetzt als wenig nachhaltig heraus. Zum Vergleich: Die größte Empfängerin von Presseförderung war 2015 die Tageszeitung Die Presse mit 957.000 Euro. Die Einstellung von Servus TV sollte ein weiterer Anstoß sein, endlich ein neues Konzept zur Förderung publizistischer Inhalte zu implementieren. All das ist verkraftbar. Mateschitz kann den Abschreiber in seinen Büchern verkraften, der Privatrundfunkfonds kann in Zukunft mehr Fördergeld an die überlebenden Sender ausschütten und die 123.000 Stammseher von Servus TV werden eine neue Fernsehheimat finden. Unwiederbringlich dahin ist aber das famose Experimentierfeld, das Servus TV für junge Fernsehmacherinnen und Fernsehmacher zur Verfügung gestellt hat. Moderne, zeitgemäße Fernsehkultur braucht solche Entfaltungs- und Freiräume – dieser Verlust wiegt wohl am schwersten. Ausgewählte Tweets zu Dietrich Mateschitz und Servus TV. JournalistInnen sollten jetzt über #ServusTV berichten. Und dann über solidarische Maßnahmen beraten. Dank an Dkfm Mateschitz für nochmaliges Überdenken seiner Entscheidung. Danke für die Jobs und diesen großartigen Sender. @ServusTV Wenn Mateschitz bloß beleidigt war, was passiert dann erst wenn er einen wirklich schlechten Tag hat?! #ServusTV Sag mir einen Satz mit Mateschitz! - Mate shits on labor rights. Ganz starke erste Mai-Woche für die Gewerkschaftsbewegung. Mateschitz hat also lieber keinen Sender als einen Sender mit Betriebsrat. #servusTV Aber ohne Betriebsrat wirds natürlich wirtschaftlich tragbar und die Sache mit den digitalen Angeboten sicher auch nicht so schlimm... Bekannter hat dieses seltsame Schaustück den Sender sicher gemacht. Sympathischer wohl nicht. #Mateschitz Fernsehen auf Feudalherren-Art #ServusTV Vielleicht führt die ServusTV Geschichte zu einer tiefergehenden Debatte über die Arbeitsbedingungen im Privat-TV. #callmenaive arbeitnehmerInnen rechte sind hart erkämpft und unveräußerbar. kollegInnen sollten sich mit #servusTV solidarisch zeigen! Forcher von GPA-djp Salzburg zeigte sich erleichtert. Fuschl/Wals/Wien – Mit Erleichterung hat die Gewerkschaft auf den Weiterbetrieb von Servus TV reagiert. Weitere Auseinandersetzungen und ein herber Verlust in der Salzburger Medienlandschaft bleiben uns somit erspart, erklärte Gerald Forcher, Geschäftsführer der GPA-djp Salzburg, am Mittwoch in einer Aussendung. Die Einstellung des Senders sei nun völlig vom Tisch. Forcher betonte, dass sich die GPA-djp nie in die inneren Angelegenheiten des Senders eingemischt habe. Die Entscheidung, ob Mitarbeiter ihre innerbetrieblichen Mitwirkungsrechte wahrnehmen wollen, obliege ausschließlich ihnen selbst. Diesbezüglich werden wir alle Entscheidungen akzeptieren. Die Gewerkschaft sei darüber informiert, dass es bei Servus TV Mitarbeiter gegeben habe, die eine Betriebsratswahl angedacht haben, erklärte Forcher im APA-Gespräch. Es hat aber keine Einberufung für eine Betriebsversammlung gegeben. Es haben nur einige darüber nachgedacht, ob das sinnvoll wäre oder nicht. Das anonyme Rund-Mail sei auch nicht von der Gewerkschaft gekommen. Wir mischen uns von außen nirgendwo ein. Wir unterstützen nur jene, die Unterstützung suchen. Es sei bei Servus TV definitiv kein Wahlverfahren eingeleitet und auch nicht vorbereitet worden. Es hat nur eine Diskussion unter einigen Mitarbeitern stattgefunden, sagte Forcher. In die Erleichterung um den Erhalt ihrer Arbeitsplätze mischt sich unter Mitarbeitern Zukunftsangst. Offen sagen traut sich das keiner. Wien/Wals – Ungläubiges Staunen, wortreich dargebrachte Dankbarkeit, bloße Verachtung: Das emotionale Spektrum reicht weit, nachdem Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz wie berichtet am Mittwoch das tags zuvor verkündete Ende von Servus TV zurücknahm und weiteren Sendebetrieb versprach. Nach Erleichterung stellt sich freilich auch eine gewisse Katerstimmung ein. Mit der Aktion habe Mateschitz ein für alle Mal erreicht, dass es nie einen Betriebsrat geben wird, sagt ein Mitarbeiter zum STANDARD. Die Liste, auf der mehr als 200 Mitarbeiter unterzeichneten, sie würden keinen Betriebsrat wollen, sei unter größtem sozialem Druck und nicht anonym entstanden. Bekannt sei nun eben auch, wer nicht unterschrieben habe. Ganz viele hätten gegen ihre Haltung unterschrieben: Ohne Druck würde das Ergebnis anders aussehen, sagen Insider. Wie groß die Verunsicherung ist, zeigen Gerüchte, wonach die ganze Aktion ein abgekartetes Spiel gewesen sein könnte: Danach wäre die Doodle-Umfrage zur Betriebsratsidee auf Betreiben Mateschitz’ in Umlauf gebracht worden, um Befürworter mundtot zu machen. Dafür spreche, dass Mateschitz noch vor ein paar Wochen mit seinem neuen Senderchef Ferdinand Wegscheider detaillierte Programmpläne vor der Belegschaft diskutiert habe. Das mag weit hergeholt sein, aber als sicher gilt, dass Mateschitz sich mit Gewerkschaftern einigte, nachdem die Mitarbeiter in bestem Wissen und Gewissen um des Erhalts ihrer Jobs willen ihre Belegschaftsrechte für immer geopfert haben. Der Firmenpatriarch dürfte aber auch selbst froh sein um den Verbleib: Das Sender-Aus hätte massive Rechtsstreitigkeiten nach sich gezogen. Verträge, Kooperationen, Sendelizenzen lassen sich nicht so einfach kündigen. Erleichterung kommt auch von außen: ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz begrüßt insbesondere für Mitarbeiter und Lieferanten, dass Herr Mateschitz sein Mäzenatentum für den Sender fortsetzt. Helmut Brandstätter, Kurier-Chef und Moderator von Servus TV, ist für die Mitarbeiter natürlich sehr froh. Brandstätter regt an, über die heimische Medienlandschaft nachzudenken. Der ORF habe viel Geld und kauft damit zum Teil einfach Serien ein. Gratiszeitungen würden ebenfalls vom Staat finanziert, obwohl der Presserat regelmäßig Verurteilungen ausspreche. Wo es um Qualität, aber auch um Kontrolle der Politik gehe, werde seit Jahren nur mehr gespart. Sohn des Medienmoguls Rupert Murdoch löst Nick Ferguson ab, der Ende April geht. London – Beim britischen Bezahlfernsehkonzern Sky nimmt der Einfluss der Murdoch-Familie wieder zu. James Murdoch, Sohn des Medienmoguls Rupert Murdoch, wird künftig wieder an der Spitze des Aufsichtsrats stehen, wie das Unternehmen am Freitag in London mitteilte. Murdoch löst damit Nick Ferguson ab, der Ende April abtritt. Sky gehört zu etwa 39 Prozent zum Medienimperium der Murdoch-Familie. James Murdoch war schon bis 2012 dem Aufsichtsrat vorgestanden. Im ersten Geschäftshalbjahr (bis Ende Dezember) stieg der Umsatz des britischen Konzerns währungsbereinigt um 5 Prozent auf 5,7 Mrd. Pfund (7,5 Mrd. Euro), in Deutschland lag das Plus bei 10 Prozent. Konzernweit legte das operative Ergebnis um 12 Prozent auf 747 Mio. Pfund zu. Die Dividende soll um zwei Prozent auf 12,6 Pence je Aktie erhöht werden. Im zweiten Quartal hat Sky 337.000 neue Kunden hinzugewonnen, insgesamt sind es nun 21 Millionen. Die Gruppe ist in fünf europäischen Ländern aktiv, im vergangenen Geschäftsjahr übernahm sie auch Sky Deutschland und Sky Italien. Der Sender kämpft im Wettbewerb um Spielfilme und Serien unter anderem gegen die Konkurrenz neuer Anbieter wie Netflix oder Amazon. 82-Jährige in gutem Zustand. Los Angeles - Die aus der Kultserie Raumschiff Enterprise bekannte US-Schauspielerin und Sängerin Nichelle Nichols hat einen Schlaganfall erlitten. Die 82-Jährige sei guter Laune und könne essen sowie normale Unterhaltungen führen, teilte ihr Management am Donnerstagabend (Ortszeit) auf Nichols Facebook-Seite mit. Sie habe zu Hause einen leichten Schlaganfall bekommen und sich anschließend untersuchen lassen. Eine Computertomografie sei negativ ausgefallen, auf das Ergebnis einer Magnetresonanztomografie warte man noch. Bei Star Trek, wie die legendäre TV-Serie im Original hieß, schrieb Nichols Geschichte: Als die Schwarze 1968 in der Rolle der Lieutenant Uhura ihren Kollegen William Shatner alias Captain Kirk küsste, war es der erste Kuss zwischen einer Schwarzen und einem Weißen der US-Fernsehgeschichte. Ende Februar ist Nichols Enterprise-Kollege Leonard Nimoy, der den Halb-Vulkanier Mr. Spock gespielt hat, mit 83 Jahren gestorben. Ehe scheitert an Narkolepsie. New York - Schon wieder geht eine Prominentenehe kaputt, und das nach 26 Jahren: Marge und Homer Simpson lassen sich scheiden. Gleich in der ersten Folge der neuen Staffel, die demnächst in den USA anläuft, würden sich die beiden offiziell trennen, sagte Simpsons-Produzent Al Jean in einem Interview der Variety. Nach all den Jahren wird klar, dass Homer (die Schlafkrankheit) Narkolepsie hat und das ist eine enorme Belastung für die Ehe. Homer und Marge trennen sich und Homer verliebt sich in seine Apothekerin, die von Lena Dunham gesprochen wird. Bart, Lisa und Maggie sind echte Scheidungskinder. Denn 26 Serien-Jahre hin oder her - die drei Kinder sind nach wie vor zehn, acht und ein Jahr alt. Gerade erst war vom Mord an Bart Simpson zu Halloween zu lesen (Link). Mit eisigem Charme jagt Chloë Sevigny Serienmörder nach dänischem Vorbild. "Nordic Noir" steht anhaltend hoch im Kurs, ab Dienstag bei Sky. Wien – In einer Liste der auffälligsten Outfits von Fernsehmördern wäre der erste Killer aus Those Who Kill garantiert vertreten: Der Serienmörder in der Auftaktfolge Gekreuzte Arme trägt einen weißen Schutzanzug und grüne Gummihandschuhe. Wenn er spricht, ist Atem an der Plexiglasscheibe der Gesichtsmaske sichtbar. Kutlivierter Serienmörder Der Täter ist von gepflegter Erscheinung, verfügt über feine Gesichtszüge und gutes Benehmen, trägt das Haar streng nach hinten gebürstet und spricht lächelnd unheilvolle Sätze: „Das hier ist keine traurige Geschichte. Sie hat ein glückliches Ende.“ Und: „Angst entsteht nur dadurch, dass man nicht weiß, was als nächstes kommt.“ Fehlen nur „Favabohnen“ und ein „ausgezeichnetes Glas Chianti“. 25 Minuten brauchen Detective Catherine Jensen und der Profiler Thomas Schäfer, bis sie den Killer aufgespürt haben. Doch wie das Drehbuch will, läuft etwas gründlich schief, und statt dem Killer stehen die Ermittler plötzlich eigenen Abgründen gegenüber. Zehn Folgen geht das Krimiduo Jensen/Schäfer in Those Who Kill, ab heute, Dienstag im Abokanal Sat.1 Emotions im Angebot von Sky auf Serienkillerjagd. Darüber hinaus haben sie mit eigenen Dämonen zu kämpfen. Jensen, die als Kind in ihrer Familie selbst Erfahrung mit Missbrauch und Gewalt machen musste. Schäfer, weil er sich zu sehr einlässt und dabei vor die Hunde zu gehen droht. Those Who Kill ist ein weiteres Produkt einer adaptierfreudigen TV-Industrie. 2011 ermittelten Katrine Ries Jensen (Laura Bach) und Thomas Schaeffer (Jakob Cedergren) in der deutsch-dänischen Serie Nordlicht – Mörder ohne Reue. 2014 übernahm A&E das Format, besetzte es mit Chloë Sevigny (Kids, Big Love) und James D’Arcy (Marvel’s Agent Carter) neu und fügte dem Genre Nordic Noir ein weiteres Kapitel hinzu. Die Praktik brachte bereits bei The Killing (Kommissarin Lund) und The Bridge (Die Brücke) vorzügliche Ergebnisse und verweist auf den anhaltend hohen Kurs skandinavischen Fernsehens am internationalen Programmmarkt. Der Kurs wird beibehalten, wie jüngste Beispiele zeigen: Der US-Sender AMC adaptierte etwa die schwedische Science-Fiction-Serie Humans mit William Hurt. Maximaler Verwertung darf sich So finster die Nacht (Let the Right One In) rühmen: Der Kinofilm basiert auf dem Roman von John Ajvide Lindqvist und wurde 2008 verfilmt. Zwei Jahre später gab es das US-Kinoremake Let Me In. Jetzt plant A&E die Serie. Nordischer Chic Der Einfluss des Nordens auf die amerikanische Serienkultur ist gleichfalls nicht zu unterschätzen. Stoffe wie True Detective und Fargo können als gewichtige Nebenprodukte der nordischen Qualitätsproduktion interpretiert werden. Dessen Absturz ist nicht in Sicht: Bereitschaft zu Innovation, sorgfältige Figurenentwicklung, vielschichtige Handlungsstränge sind weiterhin gefragt – nicht nur bei Krimistoffen: Wie die Alliierten im Zweiten Weltkrieg die Pläne Hitler-Deutschlands zur Entwicklung der Atombombe verhinderten, zeigt The Saboteurs in sechs Folgen. Norwegens öffentlich-rechtlicher Rundfunksender NRK schaffte 1,7 Millionen Zuschauer, die höchste Quote einer Dramaserie der letzten 15 Jahren. 1864 ist mit 23 Millionen Euro die teuerste je in Dänemark gedrehte Fernsehserie. In acht Folgen wurde der deutsch-dänische Krieg in Szene gesetzt. In Die Erbschaft (Arvingerne) kämpfen Geschwister mit dunklen Familiengeheimnissen, darunter Trine Dyrholm (Das Fest). Aus Belgien kommt Cordon: Ein Virus bedroht die Bevölkerung Antwerpens, mit dabei ist Veerle Baetens, heimischem Publikum als belgische Ermittlerin in The Team bekannt. Vermisste Kinder werden in der Mysteryserie Jordskott gesucht. Eine Ermittlerin steht vor einer grausamen Entscheidung: Um ein Kind zu retten, setzt sie ihr eigenes Leben aufs Spiel. Mit Adaptionen amerikanischer Fernsehstationen ist bei allen zu rechnen. Bei Those Who Kill ging der Plan, allerdings nicht auf. Zu sehr sind Fälle und Auflösung mit Effekten und Posen überladen. Der eiskalte Charme Sevignys strahlt selten, etwa wenn sie ihrer Nichte Praxistipps für den Umgang mit lästigen Schulkollegen gibt: „Du musst böser sein als sie.“ Die erste Staffel ist die letzte. Nicht immer ist die Serienkopie gut wie das Original. Französische Version von "House of Cards" soll Anfang 2016 Premiere feiern. Wien – Marseille, die erste französische Eigenproduktion des Online-Dienstes Netflix, hat seinen Hauptdarsteller gefunden: Gerard Depardieu wird als langjähriger Bürgermeister Robert Taro den Cast der achtteiligen Serie anführen, die als französische Version der Politserie House of Cards umschrieben wird. Das Engagement des Schauspielers war bereits kolportiert worden, am Freitag meldete Netflix den Vollzug. Anfang 2016 soll Marseille Premiere feiern. Marseille wird als achtteilige Geschichte von Macht, Korruption und dem Kampf gegen die Reichen vor der Kulisse der französischen Hafenstadt angekündigt. Im Zentrum steht der seit 25 Jahren regierende Bürgermeister Robert Taro (Depardieu), der zu den kommenden Wahlen einen ehrgeizigen, jüngeren Mann (Benoit Magimel) als seinen Nachfolger vorstellt. Neben Magimel (41) und Depardieu (66) stehen auch Geraldine Pailhas, Nadia Tarif, Pascal Elso und Gerard Meylan in Frankreich vor der Kamera. Regie bei den acht Episoden führen u.a. Florent Emilio Siri, Xavier Gens und Cedrig Anger. Hinter Marseille stehen Produzent Pascal Breton und Serienschöpfer Dan Franck, der etwa gemeinsam mit Olivier Assayas das Drehbuch von Carlos – Der Schakal verfasste und die französische Miniserie La Vie devant elles schrieb. Ein sympathischer Ermittler, aber nicht zum Anhören: Mit der hochdeutschen Fassung verliert sich jeglicher morbider Charme, ab Dienstag auf 3sat. Scheinbare Nebenfiguren werden in Krimis gerne zu Hauptfiguren erhoben. So gehen Allgemeinmediziner, Pfarrer, Gerichtsmediziner, Pathologen, Schriftsteller, Rettungsfahrer, Tatortreiniger und ganz viele weitere mehr der Polizei zur Hand und helfen mit, dass die Aufklärungsrate im Krimigenre anhaltend nahe der 100 Prozent bleibt. Eine Randerscheinung ist auch Luc Conrad (Mike Müller), Der Bestatter, Serienheld der Schweizer Krimiserie, ab Dienstag, 22.25 Uhr, auf 3sat. Wobei Held relativ ist: Ein sanftmütiges Schwergewicht ist hier am Werk mit Gespür fürs Täterprofil. Wenn eine Leiche an Bord ist, fährt er besonders vorsichtig (Mir wird ja hinten auch immer schlecht.). Kulisse für diesen dominanten Ermittler sind eine sympathische Polizistin, ein Gehilfe mit autistischen Zügen, eine bodenständige Sekretärin, ein schmallippiger österreichischer Gerichtsmediziner. Mit dem Dienstfahrzeug fährt Conrad vor, schält sich behäbig aus dem Leichenwagen – die Wirbelsäule ist es dieses Mal nicht, sondern Muskelkater vom Dirigieren der Möbelpacker. In Folge eins hat es Conrad mit einem Pflegefall zu tun, der tot aufgefunden wird und mit einer Leiche in der Textilbranche, dahinter steckt Organhandel, und es ist, wie es immer sein muss: Alle liegen falsch, nur einer irrt nicht. Was in Österreich Schnell ermittelt ist, ist den Schweizern Der Bestatter – national höchst beliebter Serienstoff, möglichst mit dem europäischen Markt kompatibel. Schweizerdeutsch erschien den Produzenten als hiefür nicht geeignet, also wurde synchronisiert. Die hochdeutsche Fassung wirkt dabei so hölzern, dass man sich fast nach unverständlichem Schwyzerdütsch sehnt. Die Synchronstimme Müllers ist der Deutsche Douglas Welbat – die deutsche Stimme des Krümelmonsters. Guter Witz, aber ein schlechter Dienst am Kunden. Der morbide Charme verliert sich völlig. In der Schweiz gibts das schon seit drei Staffeln, das SRF setzt moderne Mittel zur Publikumsbindung ein: Der Bestatter verfügt über eine informative Homepage, in sozialen Medien wird eingeladen zu diskutieren. Warum man diesem Publikum Untertitel nicht zumuten wollte, wissen die Seriengötter. Mit neuen und altbekannten Helden: Noah Bennet (Jack Coleman), Matt Parkman (Greg Grunberg), Hiro Nakamura (Masi Oka), Angela Petrelli (Christine Rose). Dass die Superhelden-Serie – die nach vier Jahren und vier Staffeln 2010 eingestellt wurde – wiederbelebt wird, ist bekannt. Nun wurde der erste längere Trailer zur Heroes-Fortsetzung veröffentlicht. In dem dreiminütigen Trailer – der bei der San Diego Comic Con als Premiere veröffentlicht wurde – sieht man neben neuen Darstellern auch altbekannte Gesichter, die in der ersten Trailerversion nicht zu sehen waren: Noah Bennet (Jack Coleman), Matt Parkman (Greg Grunberg), Hiro Nakamura (Masi Oka), Angela Petrelli (Christine Rose), Mohinder Suresh (Sendhil Ramamurthy) und ein erwachsen gewordener Micah Sanders, der noch immer von Noah Gray-Cabey gespielt wird. Im Mittelpunkt der 13-teiligen Mini-Serie stehen allerdings die neuen Helden. Autor und Produzent ist wieder Heroes-Schöpfer Tim Kring. Die erste Folge läuft am 24. September 2015 auf NBC. 'Achtteilige Serie "First Day of Camp" als Prequel zu Kultkomödie aus 2001 – Bradley Cooper, Paul Rudd, Amy Poehler wieder an Bord. Wien – Bevor Bradley Cooper zum Sexiest Man Alive, Paul Rudd zu Ant-Man und Amy Poehler zum Comedy-Star wurde, waren sie im Jahr 2001 allesamt in Wet Hot American Summer zu sehen. Hierzulande weitgehend unbekannt, avancierte die im Kino gefloppte Sommercamp-Satire im US-Fernsehen zu Kult. Grund genug für Netflix, die nun berühmtere Truppe für eine achtteilige Serie wieder zusammenzutrommeln. Seit Freitag sind alle Folgen auf Netflix abrufbar. Der Gag dabei: 14 Jahre später ist Wet Hot American Summer: First Day of Camp als Prequel zwei Monate vor dem ursprünglichen Film angesiedelt. Erzählte der vom letzten Tag der irrwitzigen Betreuer und altklugen Kinder im fiktiven Camp Firewood in Maine im Jahr 1981, schildern Michael Showalter und David Wain nun in acht Folgen, wie alles mit dem ersten Camp-Tag begann. Und die teils mittlerweile berühmten Schauspieler, die schon 2001 zu alt waren, um jugendliche Betreuer zu spielen, sind wieder an Bord, um nun eben in ihren Vierzigern hormongesteuerte Teenager darzustellen. Allein diese Prämisse macht First Day of Camp bereits ziemlich lustig. Vorausgesetzt, man kann über älter gewordene Comedy-Stars in furchtbar schlechten Perücken, knallbunten Outfits und weißen Stutzen lachen. Wie schon die Kultkomödie ist die Serie von trockenem Humor und liebenswert schrägen Charakteren geprägt, persifliert mit von Ernst in Lächerlichkeit umschlagenden Szenen typisch US-amerikanische 80er-Jahre-Camp-Filme und funktioniert nach einer losen Sketch-Struktur. In ebendieser erfahren wir nun, wie alles begann: Wie die hübsche Katie (Marguerite Moreau) mit dem angeberischen Ungustl Andy (großartiger Auftritt und als einziger kein bisschen gealtert: Paul Rudd) enden konnte und welcher Frau Coop (Co-Schöpfer Showalter) zu Sommerbeginn ursprünglich hinterhergelaufen ist; wie die Welt zwischen der neurotischen Bastlerin Gail von Kleinenstein (Molly Shannon) und dem cholerischen Kantinenkoch Gene (Christopher Meloni) vor der Scheidung bzw. sogar noch vor der Heirat kurzzeitig in Ordnung war; und dass Lindsay (Elizabeth Banks) eigentlich eine eingeschmuggelte Musikjournalistin ist, die ein Feature über das Camp-Leben schreiben soll. Verwoben werden die ersten Interaktionen untereinander sowie mit den ankommenden Camp-Kindern – die man im realen Leben wohl nie dieser Horde anvertrauen würde – mit Proben für ein semiprofessionelles Musical und mit einer riesigen Verschwörung, die radioaktiven Abfall und einen von US-Präsident Reagan gesandten Attentäter beinhaltet. Neben Mad Men-Star Jon Hamm als auf die Camper angesetzter Killer, Jason Schwartzman als rechte Hand von Camp-Leiterin Beth (Janeane Garofalo) und John Slattery als abgehalfterter Musical-Produzent sind auch Lake Bell, Kristen Wiig, Michael Cera und sogar Weird Al Yankovic neu dabei. Damals wie heute herausstechend und mit der wohl interessantesten Vorgeschichte: Amy Poehler (Parks and Recreation) und Bradley Cooper (Silver Linings Playbook) als unschlagbar schräges, pseudofröhliches Duo, das mit erzwungener Professionalität ein Camp-Musical auf die Beine stellt. Sind Susie und Ben im Prequel ein körperliche Nähe vermeidendes Paar, wird Ben am Ende des Sommers den hübschen McKinley (Michael Ian Black) in einer geheimen Zeremonie am See heiraten. Und First Day of Camp zeigt, wie das erste Treffen der beiden die Romanze in Gang bringt. Nicht die teils nonexistente, teils absurde Handlung, sondern Nostalgie macht den Reiz von First Day of Camp aus. Mehr noch als der Konnex zum ursprünglichen Film ist es die Freude alle paar Minuten, ein bekanntes Gesicht zu sehen: Da ist der heutige Hollywoodstar, der heimlich in der Hütte schmust, dort der Marvel-Superheld, der ein seltsames Balz-Ritual abzieht, hier die Wes-Anderson-Muse, die aus einem radioaktiven See kostet. Gemeinsam kreieren sie eine absurdkomische, liebenswerte Atmosphäre, in der jeder nur so alt ist, wie er sich fühlt. Nicht zuletzt ist Camp Firewood mehr als nur ein Camp: Es ist ein Lebensgefühl.' Drogenboss und wo Gott wohnt: Netflix und Amazon starten die nächsten Qualitätsserien, beide können sich sehen lassen. Wien – Im Kolumbien des Jahres 1989 herrschen für Kriminelle paradiesische Zustände: kein Internet, kein Handy, keine US-Regierung, die alles mithören kann. Höchstens Satellitentelefone, und um diese abzuhören, musste man direkt darüberfliegen, erklärt DEA-Agent Steve Murphy. Nur die Stinkreichen verfügen über ein solches. Gut für die Polizei. Pablo Escobar ist reicher als alle. Und als der weltgrößte Drogenboss eines Abends in seinen Riesenapparat die Worte Heute geht es los spricht, geschieht das ganz Unglaubliche: Ein Flugzeug der Drogenbehörde DEA fliegt genau in dem Moment über die Hacienda Escobars und fängt das Signal auf. Eine Software identifiziert die Stimmen, die Razzia ist schnell beendet – und das ist die Geschichte von Pablo Escobar. Was davor geschah, erzählt Netflix seit Freitag in zehn Folgen der Serie Narcos mit Wagner Moura in der Rolle des Titelhelden. Eine Schreckensherrschaft mit scheinbarer Wahlfreiheit präsentiert sich dem Zuschauer, und eine Biografie des Größenwahns: Ich bin Pablo Emilio Escobar Gaviria. Ich habe meine Augen überall. Eines Tages werde ich Präsident der Republik Kolumbien werden. Jeder bekam, was er wollte: Silber oder Blei. Die Story von Aufstieg und Fall des international agierenden Paten ist brutal, verrückt und voll von unwirklichen Momenten. Dem Irrwitz tragen Stil und Sprache Rechnung: Die Autoren Chris Brancato, Eric Newman, Carlo Bernard und der Regisseur José Padilha behelfen sich mit überdrehtem Comicstil, frieren Bilder ein, schneiden flotte Latinomusik dazu – unverkennbar hat hier jemand seinen Tarantino gut studiert. Präsident wurde Escobar nie, aber ein heimlicher Regent mit Hofstaat, und wenn dieser ins Spiel kommt, erreicht Narcos fast Sopranos-Größe. Wenn er etwa vor der Mutter sanft ist wie ein Lamm: Hermilda Gavria näht große Taschen ins Sakko des Drogenkuriers. Wie viel da reinpasst? Ungefähr fünf Kilo, Schatz, sagt sie zufrieden und gibt ihrem Sohn einen Kuss. Die Verantwortung der USA ist keine geringe. Noch mehr, insofern die beste Gesellschaft Miamis sich mit Escobars Drogen durchs Jahr schnupfte, während die Polizei Marihuana suchte. Mit Narcos bespielt der Streamingdienst gezielt den lateinamerikanischen Markt, nicht ohne den Rest der Verbreitungsländer zu vergessen. Fünf Millionen Abos zählt Netflix in Lateinamerika seit dem Start 2011. Gemessen an 66 Millionen Fernsehhaushalten, ist noch Luft nach oben, also wird fleißig produziert. Immer öfter geht Netflix aus den USA hinaus: Serien in Frankreich, Großbritannien, Kanada und Japan sind im Werden. 2016 sind Ausgaben von fast fünf Milliarden Dollar für Programm geplant. Konkurrent Amazon will da nicht hintanstehen und stellt am Freitag, den 4. September eine beachtenswerte Dramaserie ins Netz: In Hand of God erhält der nicht ganz ehrenwerte Richter Pernell Harris Botschaften von Gott, die ihn zu Gerechtigkeit und Güte mahnen. Ron Perlman (Beauty and the Beast, Sons of Anarchy) erlebt seine Wunder. Ob "Akte X", "Supergirl", "Minority Report": verlängern, wiederbeleben, kopieren. Viel Spielraum für Neues bleibt nicht – mit Videos. Manches ist schon dagewesen. Der Déjà-vu-Effekt begleitet seit geraumer Zeit die Serienproduktion. Im Zeitalter der mannigfachen Abspielkanäle sind Inhalte gefragter denn je, gleichzeitig gibt es das ungeteilte Interesse der Branche das Risiko niedrig zu halten. Was tun? Bestehendes verlängern, Altes wiederbeleben, Erfolgreiches nachmachen. Unter diesen Vorzeichen präsentiert sich der US-Serienmarkt im Herbst: Wiedergeher Anfang 2016 öffnen Scully und Mulder wieder die X-Files. 15 Jahre nach Tom Cruise nützt Stark Sands in Minority Report als Precog seine Fähigkeiten zur Verbrechensbekämpfung. Den unheimlichen Freizeitpark Westworld gab es 1973 mit Yul Brynner. 2016 ersetzt ihn J.J. Abrams (Lost) für HBO durch Anthony Hopkins. Limitless erzählt nach dem gleichnamigen Kinofilm die Geschichte eines Schriftstellers, der mit einer experimentellen Droge Verbrechen klärt. Ganz im Trend der beliebten Superhelden liegt Supergirl. Für den Film Crouching Tiger, Hidden Dragon II: The Green Legend gewann Netflix Michelle Yeoh. Übernatürlich In Blindspot staunt Jane Doe (Jaimie Alexander) eines Morgens nicht schlecht: Sie steckt in einer Tasche und trägt plötzlich Ganzkörpertattoo. Seine Familie vor Außerirdischen beschützt Josh Holloway (Lost) in Colony, Ort des Geschehens: zukünftiges Los Angeles. Heroes Reborn: Tim Kring legt bei NBC die Helden-Geschichten neu auf. Darauf freuen sich viele. Schlachten Ash vs. Evil Dead Der Held stellt sich Dämonen. TV-Sender Starz hält sich mit Details bedeckt, eine Kettensäge dürfte allerdings eine gewisse Rolle spielen. The Bastard Executioner versricht Blut, Schweiß und Degen auf den Spuren von Game of Thrones mit Lee Jones und Katey Segal. The Man in the High Castle von Amazon entwirft ein kühnes Konstrukt: Der Zweite Weltkrieg endete nicht mit dem Sieg der Alliierten, weite Teile der USA sind von Deutschen und Japanern besetzt. Das Leben: ein Drama Don Johnson (Miami Vice) wandelt in Blood & Oil auf den Spuren von J.R. Mit dem romantischen Intrigantenstadl aus den 1980ern hat das wenig zu tun: Schmutzig! Martin Scorsese entwickelt Vinyl, eine Dramaserie über das Rockbusiness der 1970er. Beasts of No Nation ist der Titel eines Films von True-Detective-Autor Cary Fukunaga nach der gleichnamigen Erzählung von Uzodinma Iweala: Idris Elba (The Wire, Luther) in den Bürgerkriegswirren Westafrikas. Alt, aber gut Fortgesetzt werden: im September Modern Family, Grey’s Anatomy und Krimischlachtross CSI in der 15. (!) Staffel. Im Oktober warten neue Folgen von The Walking Dead, Homeland, Fargo, Jane the Virgin, im Dezember Transparent. Anfang 2016 gehen Game of Thrones, Girls, Veep, Silicon Valley und The Leftovers weiter. Und: Die Polizeiserie The Wire bekommt HD-Glanz. Freunde der Serien und schweren Bücher können übrigens in der vom Taschen-Verlag herausgegebenen Schwarte Informatives zu ausgewählten Serien nachlesen: TV-Serien. Taschens Auswahl der letzten 25 Jahre auf 744 Seiten um 49,99 Euro. War ursprünglich nur für einen Sommer gedacht. New York – Die amerikanische Serie Under the Dome wird abgesetzt. Nach Ende der gerade in den USA laufenden dritten Staffel werde es keine vierte geben, teilte der Sender CBS am Dienstag in New York mit. Als Misserfolg kann man die Serie dennoch nicht bezeichnen, denn eigentlich war die auf einer Geschichte von Stephen King beruhende Produktion nur für einen Sommer gedacht, es wurden drei daraus. In Under the Dome geht es um eine Kleinstadt in Maine, über die sich plötzlich eine gewaltige Glaskuppel senkt. Die mysteriöse Käseglocke schirmt den Ort komplett ab und lässt die Einwohner mit ihren Problemen allein. In Österreich läuft Under the Dome aktuell immer montags um 21.05 Uhr auf ORF eins. Neue Staffel soll im Jänner in den USA anlaufen. Los Angeles – Megan Fox wird eine wiederkehrende Gastrolle in der US-Serie New Girl übernehmen. Das teilte der Sender Fox am Donnerstag mit. Die Schauspielerin wird in der fünften Staffel die Rolle der Reagan spielen und kurzzeitig die Lücke füllen, die Hauptdarstellerin Zooey Deschanel hinterlässt. Die 35-Jährige war im August Mutter geworden und hatte deshalb eine Auszeit genommen. Vor ihrer Karriere als Action-Star in Blockbustern wie Transformers und Teenage Mutant Ninja Turtles war die 29-jährige Fox bereits in mehreren TV-Comedys zu sehen, etwa bei Two And A Half Men. Die neue New Girl-Staffel soll im Jänner 2016 im US-Fernsehen anlaufen. Sechste Staffel startete in den USA, inhaltlich mag sich vieles wiederholen: Es bleibt blutig. New York/Wien – So muss Serie sein: 15.000 Menschen jubelten im New Yorker Madison Square Garden, als vergangenen Freitag endlich, endlich die sechste Staffel von The Walking Dead anhob. Ein Spektakel, das der US-Sender AMC in perfekter Hollywood-Manier inszenierte: Zombies reichten apopkalyptisches Popcorn. Sonntagabend war dann im regulären Fernsehen der Staffelstart, und die Fans wurden nicht enttäuscht, wieder ging es an die Eingeweide. Auch in der sechsten Staffel zeigt sich das Ensemble munter und spielfreudig. Keine Rede von Serienüberdruss. Den muss man auch nicht künstlich herbeireden. Inhaltlich mag sich vieles wiederholen, ein Prequel Fear the Walking Dead tritt gewiss an der Stelle, irgendwann ist auch jedes Leben aus dem letzten Untoten ausgezutzelt. Aber in der Wiederholung liegt die Kraft: die kleine eingeschworene Gemeinde sehen manche längst im Stil der Waltons agieren, die sich tapfer gegen die Invasoren zur Wehr setzt: Nacht, Rick! Die Begeisterung gibt den Produzenten Recht: Die letzte Folge der fünften Staffel sahen 17 Millionen Menschen. Die erste Folge der ersten Staffel verfolgten noch 11,2 Millionen – es war der höchste Wert einer Serienpremiere in der Geschichte des US-Kabelfernsehens. Für die sechste Saison werden ähnliche Höchstwerte erwartet, der Buzz in sozialen Medien ist ebenso beispiellos. Die Reaktionen auf die Premiere fielen mäßig begeistert aus: Wenigstens gebe es die Hoffnung, die Serie behalte die Idee des Humanismus bei, wodurch sie funktioniere und verzichte auf allzu wiederholende dramatische Tricks, urteilte etwa der Hollywood Reporter. Auf Fox bei Sky startet die neue Saison Montag. Dunham feiert schon seit 2012 Erfolge mit der Comedy-Serie "Girls". New York – Der US-Bezahlsender HBO hat eine Pilotfolge des neusten Serienprojekts Max von Girls-Hauptdarstellerin Lena Dunham bestellt, berichtet Deadline Hollywood. Die Handlung soll im Jahr 1963 angesiedelt sein, als die Frauenbewegung einen ihrer größten Sprünge nach vorne machte. Die Hauptfigur Maxine Woodruff, gespielt von Lisa Joyce, soll einen kleinen Posten bei einem renommierten Magazin annehmen und in die anrollende zweite Welle des Feminismus geraten. Dunham feiert schon seit 2012 Erfolge mit der Comedy-Serie Girls, bei der sie Autorin, Regisseurin, ausführende Produzentin und Schauspielerin ist. Die HBO-Serie wurde mit fünf Emmy-Nominierungen gewürdigt. Neben der Serie spielte sie auch in Filmen wie Supporting Characters, The Inkeepers – Hotel des Schreckens und This is 40. CBS plant zum 50. Geburtstag eine neue Serie, die im Jänner 2017 in den USA starten soll. New York – Zurück in die Zukunft: Raumschiff Enterprise kommt wieder ins Fernsehen. Der Sender CBS kündigte am Montag den inzwischen fünften Ableger des Serienklassikers an. Die Serie, die bisher nur den schlichten Arbeitstitel Star Trek hat, soll im Jänner 2017 in den USA zu sehen sein und auch international vermarktet werden. Ob und wann sie auch in Österreich zu sehen ist, ist aber unklar. Die neue Serie soll sich stärker am Original anlehnen, aber viele neue Charaktere haben. Man kann den Fans zu keinem besseren Zeitpunkt eine neue Serie geben als jetzt, zum 50. Geburtstag des Originals, sagte CBS-Fernsehchef David Stapf. Jeder hier hat großen Respekt für dieses Projekt und wir freuen uns, es in die geschickten Hände von Alex Kurtzman zu legen – jemandem, der diese Welt und ihr Publikum kennt. Kurtzman hatte bereits an den letzten beiden Kinofilmen mitgewirkt. Raumschiff Enterprise wurde im September 1966 gestartet und war damals kein Hit. Die Serie um Captain Kirk und seinen Ersten Offizier Spock, den spitzohrigen, streng logisch denkenden Vulkanier, wurde nach nur drei Staffeln eingestellt. Sie entwickelte sich aber zum Klassiker und die Enterprise wurde nicht nur für ein Dutzend Kinofilme wieder flottgemacht, sondern auch für mehrere Fernsehserien, von denen die erste, The Next Generation (1987 bis 1994), die erfolgreichste war. Die letzte, Star Trek: Enterprise, wurde nach vier mageren Staffeln 2005 abgesetzt. Die von Sky und dem französischen Canal+ produzierte Serie erzählt die Geschichte einer serbischen Räuberbande episch dicht, mehrsprachig und mit starker europäischer Färbung. Ab 12. November. Wien – Logistik ist alles. Für den gut geplanten Banküberfall bedeutet das vor allem: zu Ende denken! Rechtzeitig das Gebäude verlassen, in entgegengesetzte Richtungen laufen, Polizeibarriere bilden – einer steckt den Lastwagen in Brand, ein anderer zündet den Pkw an, Beute im Vorbeigehen übergeben, und wenn es eng wird, sich in einer Mülltonne verstecken. Zwei schaffen es, der dritte nicht. Der schießt auf den Polizisten – und trifft ein Kind. Die Beute wird zur Bürde in The Last Panthers, einer vom französischen Canal+ und von Sky produzierten Dramaserie. Was macht man mit Schmuck im Wert von 15 Millionen Euro, wenn der Abnehmer kalte Füße bekommt? Das Zeug zu verscherbeln versucht der Serbe Milan (Goran Bogdan) an den räudigsten Plätzen zwischen Marseille und Belgrad. Schon sehr bald landet er in der sprichwörtlichen Rue de la Gack. The Last Panthers folgt der wahren Geschichte eines raffinierten Verbrechernetzes, bei der Polizei rosarote Panther genannt, weil sie einmal – wie in der berühmten Filmvorlage – ihre Beute in Gesichtscreme versteckten. Seit mehr als 20 Jahren unternimmt die Bande vom Balkan aus Raubzüge in Europa, Asien und den Golfstaaten. Gefasst wurde zumindest ein Teil der Räuber 2012 in Wien, wo sie unter anderem im 17. Bezirk einen Juwelier überfallen hatten. Wien kommt in den sechs Teilen nicht vor. Nichtsdestotrotz ist das Setting faszinierend anders im Vergleich zu austauschbarem USA- und Skandinavien-Krimi-Einheitsschauplätzen. Die Verbrecherjagd wird eingeleitet von einem traurigen Titelsong David Bowies und getragen von einem Ensemble, das in unterschiedliche Lebenswelten weist: Naomi (Samantha Morton), die für eine Versicherung ebenfalls an die Klunker will. In Rückblenden wird ihre Geschichte erzählt: als Blauhelm auf dem Balkan. Khalil (Tahar Rahim), der im berüchtigten Viertel Les Agnettes in Marseille wohnt und damit seinen Startvorteil im kriminellen Umfeld nützt. Und Tom, der große John Hurt, Naomis Boss und raffinierter als alle. Nicht zuletzt in der Originalfassung gewinnen die Panther Authentizität: Alle sprechen ihre eigene Sprache, nur Englisch wird nicht untertitelt. Vorbild an Vielfalt. Er könne sich vorstellen, sich als Bürgermeister zur Wahl zu stellen – "Im Herzen bin ich ein heimlicher Politiker". Hollywood – Der US-Schauspieler Bryan Cranston (59, Breaking Bad) kann sich nach eigenen Angaben vorstellen, später einmal in die Lokalpolitik zu gehen. Im Herzen bin ich ein heimlicher Politiker, sagte er dem US-Magazin Playboy. Er könne sich vorstellen, sich als Bürgermeister zur Wahl zu stellen, wenn er irgendwann mit der Schauspielerei aufhöre und in einem kleinen Ort lebe. Er würde dann Prostitution und Cannabis legalisieren, erzählte er. Cranston verkörperte in der US-Serie Breaking Bad den krebskranken Chemielehrer Walter White, der zur Absicherung seiner Familie Drogen kocht. Die Stadt Albuquerque im US-Staat New Mexico, in der Breaking Bad spielte und die über 500.000 Einwohner hat, könnte als Ort für sein Vorhaben auch infrage kommen, sagte Cranston weiter. Er habe dort noch ein Haus. Er habe es nie verkauft, weil er sich nicht eingestehen wollte, dass die Zeit bei Breaking Bad vorbei sei. Außerdem habe ich es an Bob Odenkirk vermietet. Odenkirk spielt die Hauptrolle in der Breaking-Bad-Nachfolgerserie Better Call Saul. Kommenden Donnerstag startet auf RTL die achtteilige Dramaserie um einen DDR-Spion wider Willen in den 1980er-Jahren. Wien – Der Einsatz von K.-o.-Tropfen durch Stasi-Mitarbeiter in der DDR gilt als historisch erwiesen. Dokumentiert ist etwa der Fall eines Westberliner Journalisten, der nach kritischen Artikeln betäubt und in den Osten verschleppt wurde. Nach einem Prozess saß er für mehrere Jahre hinter Gittern. Kaffee mit K.-o.-Tropfen trinkt Martin Rauch (Jonas Nay) in Deutschland 83, ab Donnerstag, 20.15 Uhr auf RTL, und sie verändern sein Leben. Nach diesem einen Schluck wird ihm der Stasi-Mitarbeiter Walter Schweppenstette (Sylvester Groth) mit schnellem Griff den Mittelfinger und damit den Widerstand brechen. Den Schmerz bekommt der junge DDR-Grenzsoldat aber gar nicht richtig mit, denn die dem Heißgetränk beigemischte Substanz sorgt für blitzschnelle Bewusstlosigkeit. Munter wird der Ostberliner Parteisoldat in einer westdeutschen Protzvilla. Der verletzte Finger wurde verarztet. Im Auftrag der Stasi soll er spionieren, Informationen beim Militär einholen. Wir schreiben das Jahr 1983, es ist Kalter Krieg, die Pershing stehen bereit, nuklear wird getestet auf Teufel komm heraus, im Radio plärrt 99 Luftballons. Fortan wird Martin als Moritz (Deckname: Kolibri) den inneren Konflikt zwischen Auftragserfüllung und Gewissensbissen leben. Zu tun bekommt er es mit frostigen Zeitgenossen, etwa Maria Schrader und Ulrich Noethen. Acht Folgen hat RTL der von Ufa produzierten Dramaserie vorerst gegeben und damit so etwas wie ein kleines Fernsehwunder geschaffen. Ungewöhnlich genug, startete das deutsche Epos im Juni zuerst im amerikanischen Sundance TV und wurde dort mit Lobeshymnen bedacht. Ein genialer, unerwartbarer Blick auf den Kalten Krieg, lobte die New York Times. Entertainment Weeklyvergleicht es hinsichtlich der detailgetreuen Darstellung einer Zeitspanne gar mit Mad Men. So sehr, dass noch vor dem Sendestart in Deutschland, Österreich und der Schweiz eine zweite Staffel möglich scheint. Ufa-Chef Nico Hofmann erklärte sich schon bereit. RTL signalisierte Zustimmung, will aber noch die Einschaltquoten abwarten. Entstanden ist Deutschland 83 mit klarer Ausrichtung auf US-Produktionen. Die Idee hatten Anna und Jörg Winger. Geschrieben wurde im Showrunner-Prinzip von einem deutsch-amerikanischen Autorenteam. Edward Berger (KDD) und Samira Radsi (Anduni – Fremde Heimat) führten Regie. Die Musik stammt von Reinhold Heil, bekannt für seine Musik in Cloud Atlas und als Mitglied der Nina-Hagen-Band. Fixer Bestandteil des Soundtracks sind gut abgespielte Songs der Deutschen Welle: Nena gefiel im Westen – und heimlich auch im Osten. Deutschland 83 ist das derzeit ambitionierteste Stück fiktionalisierter Zeitgeschichte im deutschsprachigen Raum und letztlich ein Signal, dass sich auch deutsche Produktionen dem Serienphänomen zuwenden. In dieser Größenordnung Vergleichbares ist vorerst nicht zu warten. 2016 startet in der ARD Die Stadt und die Macht, ein Politdrama im Stil von Borgen und House of Cards. Frühestens für 2017 ist die Krimiserie Berlin Babylon von ARD und Sky geplant. ZDF-Miniserie mit Komiker Bastian Pastewka soll das deutsche "Breaking Bad" werden – Start am 2. Jänner. Mainz – Es soll das deutsche Gegenstück zum US-Hit Breaking Bad werden: Das ZDF startet mit einer fünfteiligen Miniserie ins neue Jahr. Der Titel: Morgen hör ich auf. In der Hauptrolle: Der Komiker Bastian Pastewka. Die Serie ist hochwertig produziert und überrascht mit einem hübschen Genre-Mix. Morgen hör ich auf wird am Samstag um 21.45 Uhr erstmals im Zweiten zu sehen sein. Im Mittelpunkt steht Familie Lehmann, die in Bad Nauheim ein schlichtes Eigenheim bewohnt. Vater Jochen (Bastian Pastewka) gehört eine Druckerei. Seine Frau Julia (Susanne Wolff) jobbt in einer Boutique und vergnügt sich mit ihrem Liebhaber (Torben Liebrecht). Das Ehepaar hat drei Kinder, zwei heftig Pubertierende und ein Nesthäkchen. Doch hinter der ach so heilen Fassade bröckelt es ganz schön: die Lehmanns sind komplett pleite. Jochen kommt daher in seiner zunehmenden Verzweiflung auf die glorreiche Idee, Geld zu drucken (aber nur 50-Euro-Scheine), um seine hohen Schulden abzahlen zu können – und gerät dummerweise an einen windigen Ganoven aus der Frankfurter Unterwelt (gespielt von Georg Friedrich im breiten Wiener Dialekt), der sich bei den Lehmanns einquartiert und die ganze Familie in ein ziemliches Chaos stürzt. Anleihen an die US-Serien Breaking Bad oder Die Sopranos sind kaum zu übersehen, aber die deutsche Serie vermag mit spitzen Sätzen (Auf der Bank ist ihr Falschgeld völlig sicher) und leisem Humor zu überzeugen. Bastian Pastewka (43) überrascht erneut mit sehr ernsthaften Zügen, liefert eine überzeugende Vorstellung eines kriminell werdenden Familienvaters – und ergänzt sich bestens mit seiner Partnerin Susanne Wolff. "Making a Murderer" rollt einen Mordfall aus 2005 neu auf und lässt Zuseher wütend zurück – Hobbykriminalisten formieren sich. Wien – Irgendwann stirbt die Hoffnung, dass jemand sagt: Reingelegt, alles nur Fiktion!, denn was Netflix mit Making a Murderer serviert, ist nicht nur eine exzellent gemachte Dokumentation, sondern verdammt schwere Kost. Sie liegt lange im Magen und lässt Zuseher ratlos zurück, wer der Mörder einer 25-jährigen Fotografin ist. Im Mittelpunkt steht der jetzt 53-jährige Steven Avery aus der kleinen Gemeinde Manitowoc im US-Bundesstaat Wisconsin. Die Geschichte in Kurzform, ohne zu viel von der Handlung vorwegzunehmen: 1985 wurde Avery wegen Vergewaltigung verurteilt. Zu Unrecht, wie sich erst 2003, also 18 Jahre nach der Tat, dank eines DNA-Tests herausstellte. Der Fall sorgte landesweit für Empörung und war Anlass für eine Gesetzesinitiative, die Averys Namen trug. Doch der vermeintliche Held fällt wieder. Just als er 2005 eine Entschädigung erhalten sollte, verschwindet eine Frau. Ihre letzte Spur führt zu Averys Schrottplatz. Das Opfer, Teresa Halbach, sollte dort Fotos machen. Avery beteuert seine Unschuld, landet aber wieder vor Gericht, wo er zum Teil auf jene Polizisten trifft, die 1985 die Pannen zu verantworten hatten. Seit der neuerlichen Festnahme 2005 sind die Filmemacher Laura Ricciardi und Moira Demos mit der Kamera dabei. Sie haben aus fast 700 Stunden Material zehn Stunden destilliert, um daraus für Netflix zehn Episoden herauszuschälen. Die Folgen bestehen aus Archivaufnahmen vor Gericht, aufgezeichneten Gesprächen aus Gefängnissen, Interviews mit Averys Angehörigen und seinen Anwälten. Im Schlepptau der Prozesse: Journalisten, für die Privatsphäre ein Fremdwort scheint und die sich wie Hyänen auf die Betroffenen stürzen. Für den Betrachter bedeutet das ein ständiges Oszillieren zwischen Ekel vor der Sensationsgier und Spannung, wie die Geschichte weitergeht. Es sind Averys Verteidiger, die das Geschehen diktieren. Sie versuchen Medien zu instrumentalisieren, um Stimmung für ihren Mandanten zu machen. Die Perspektive ist einseitig, weil Ankläger und Angehörige des Mordopfers aus verständlichen Gründen seltener vor die Kamera treten. Irritierend an dem Fall sind nicht nur viele Fragen, die zum Mord selbst offenbleiben, sondern auch das Agieren der Polizei. So wird etwa Averys Neffe zum Verhör aus der Schule geholt. Der damals 16-jährige Brendan Dassey ist die zweite Hauptfigur. Mit äußerst fragwürdigen Methoden bekommen die Ermittler ein Geständnis des geistig zurückgebliebenen Schülers, dass auch er in den Mord involviert gewesen sei. Sogar sein eigener Pflichtverteidiger arbeitet gegen ihn. Auch hier bleiben viele Fragen offen. Making a Murderer ist nach dem Podcast Serial und der HBO-Serie The Jinx rund um den Geschäftsmann Robert Durst das nächste Format aus dem True-Crime-Genre, bei dem reale Verbrechen rekonstruiert werden. Die Folge ist eine Art öffentliche Mördersuche mit ethisch bedenklichen Zügen. Den Filmemachern wird vorgeworfen, Indizien für Averys Schuld nicht dokumentiert zu haben. Und die Angehörigen des Opfers werden zehn Jahre nach der Tat noch einmal mit dem Verbrechen konfrontiert. Unverpixelt und namentlich, was zur Folge hat, dass vor allem die Ermittler einem Mob ausgesetzt sind. Auf Social-Media-Kanälen formierten sich nach der Ausstrahlung im Dezember bereits tausende Hobbykriminalisten, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens verlangen, denn Making a Murderer lässt bei vielen das Vertrauen in das US-Justizystem erodieren. Zwei Petitionen zur Freilassung wurden bereits von einer halben Million Menschen unterzeichnet. (Oliver Mark, 9.1.2016) Trailer: Making a Murderer Soll Einblick in die Welt des mexikanischne Drogenbarons bieten – Univision kündigt den Start für Herbst an. Miami – Der spanischsprachige US-Sender Univision plant eine Serie über das Leben von Joaquin El Chapo Guzman. Der mexikanische Drogenboss war kürzlich festgenommen worden, nachdem er vor knapp einem halben Jahr aus einem Hochsicherheitsgefängnis geflohen war. Das Drehbuch soll Andres Lopez Lopez verfassen, der selbst einmal Mitglied eines Drogenkartells war. Die Geschichte von Chapo Guzman war eine der spannendsten im vergangenen Jahr und wir freuen uns, unserem Publikum einen Einblick in seine Welt bieten zu können, wird Alberto Ciurana, Programmchef von Univision, in einem Statement zitiert. Unser Team hat die vergangenen Monate hart gearbeitet, um eine Story zu entwickeln, die die Zuschauer tief in diese dunkle und faszinierende Welt eines der gefürchtetsten Verbrechers aller Zeiten führt. Erst am Dienstag wurde ein Interview, das Hollywood-Star Sean Penn mit Guzman während dessen Flucht geführt hat, in voller Länge vom Rolling Stone veröffentlicht. In dem 17-minütigen Video spricht der Chef des mächtigen Sinaloa-Kartells über seine Familie, seine Kindheit, über Drogenhandel und Drogensucht. Knapp zwei Wochen nach dem US-Start geht ab Donnerstag auch im ORF "Akte X" weiter. Traumquoten wie in den USA erwartet Serienchefin Andrea Bogad-Radatz zumindest für die erste Folge. Wien – Die Quote stimmt. 16,2 Millionen waren am 24. Jänner neugierig genug, um in den USA nach den NFL-Championships die ersten zwei von sechs neuen Folgen von Akte X sehen zu wollen. Zusammen mit digitalen Abrufen kommt der wiederbelebte Mysterydino gar auf sagenhafte 20 Millionen. Folge drei in der Woche darauf fiel zwar deutlich ab, 9,7 echte Millionen waren immerhin dabei, wenn die gut gealterten Exagenten Scully und Mulder der ganz großen Weltverschwörung auf den Grund gehen und jetzt ganz schön feststecken. Schon ab Donnerstag gehen im ORF die Ufos in die Luft: Wir erwarten bei der ersten Folge großes Interesse, sagt ORF-Serienchefin Andrea Bogad-Radatz. Der Österreich-Start, der zeitnah zu dem in den USA erfolgt, ist ungewöhnlich. Free-TV-Sender stehen meist am Ende der Verwertungskette, die Ausstrahlung erfolgt oft Monate nach der US-Premiere. Das könnte sich ändern. Rasch auszustrahlen ist hier sehr notwendig, sagt Bogad zum STANDARD. Viele würden sonst aus Neugierde im Internet schauen. Der ORF sendet sogar noch vor ProSieben. Ein Deal macht das möglich: Wir haben eine Vorausstrahlung ausgehandelt. Für den Werbefensterumsatz der ProSieben-Gruppe wäre es sogar ungünstig, wenn ORF und ProSieben zeitgleich senden. ProSieben würde mehr Zuschauer an den ORF verlieren als gewinnen. Das Bemühen, knapp an den Premieren der Herkunftsländer dran zu sein, ist letztlich auch eine Frage des Geldes. Für eine Primetime-Miniserie der obersten Liga mit zeitnahem Start sind dem Rechteinhaber – in dem Fall 20th Century Fox – mehr als 20.000 Euro pro Folge für mehrere Spielungen zu zahlen. Die Bereitschaft zu investieren sei vorhanden, es fehle schlicht am passenden Angebot, sagt Bogad und spricht ein Dilemma an, das in Zeiten der großen Fernsehblase überraschen mag: Wir wünschen uns mehr Mainstreamserien, bei denen sich das Investment rentieren würde. Vorerst ist der Bedarf gesichert: Nach Akte X warten neue Folgen von Sherlock, danach die NBC-Krankenhausserie The Night Shift. Legendäre Jam-Session von Elvis Presley, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins vor 60 Jahren bildet Ausgangspunkt. Memphis – Der US-Sender CMT plant eine Miniserie über den Aufstieg des Rock n Roll ab Mitte der 1950er-Jahre. Ausgangspunkt für die acht geplanten Folgen ist das Musical Million Dollar Quartet, das sich um eine legendäre Jam-Session mit Elvis Presley, Johnny Cash, Jerry Lee Lewis und Carl Perkins dreht, die 1956 in Memphis (Tennessee) stattfand. Der Sender und die Produktionsfirma machen sich nun auf die Suche nach Schauspielern, die junge Pioniere des Rock n Roll wie Elvis, Cash, BB King oder auch Ike Turner verkörpern, wie das Fachblatt Variety vermeldet. Eine TV-Serie über den American-Football-Star O. J. Simpson rollt den "Prozess des Jahrhunderts" neu auf. Das amerikanische Fernsehpublikum erlebt ein Déjà-vu – und schaut wieder zu. Wien – Sie müssen entschuldigen, wenn ich Sie vorhin angestarrt habe, sagt der Chauffeur der Luxuslimousine zu seinem Fahrgast. Ich habe noch nie eine Berühmtheit gefahren. – Ist okay, erwidert der Mann auf der Rückbank. Und erinnert sich an seine Begegnung mit dem berühmten Baseballspieler Willie Mays: Es war unglaublich. Fortan habe es nur einen Wunsch gegeben: Zu werden wie er. Der Mann auf der Rückbank ist O. J. Simpson, wir schreiben den 12. Juni 1994, 23.15 Uhr. Vor der Haustür des Schauspielers und American-Football-Stars bellt ein Hund. Dessen Pfoten sind blutig. Was folgt, wird heute als Prozess des Jahrhunderts bezeichnet. Seit 2. Februar spielt die Fernsehserie The People vs. O. J. Simpson – American Crime Story die Ereignisse von damals nach. Mit regem Publikumsinteresse: 5,1 Millionen sahen an dem Abend die erste Folge, das bedeutet einen Rekord für den Abosender FX. Hinter dem Erfolg steht der Fall, der wochenlang die amerikanische Öffentlichkeit beschäftigte, ein munteres Ensemble, allen voran Cuba Gooding jr. (Jerry Maguire) als O. J. Simpson sowie David Schwimmer (Friends) und John Travolta (Pulp Fiction) als dessen Anwälte Robert Kardashian und Robert Shapiro. Die von Scott Alexander und Larry Karaszewski entworfene Dramaturgie sollte auch in den nächsten neun Folgen keine Wünsche offenlassen. Zumal die True Crime Story den Zeitnerv trifft. In dem Jahr, in dem Fox das traditionelle Wettsingen American Idol in seinem 15. Jahr wegen Zuschauerschwundes einstellt, das US-Publikum also – unfassbar! – doch einmal genug von Retortenmusik hat, zeigt sich verstärkt ein weiteres Grundinteresse unter Fernsehschauern: die Lust, wahre Verbrechen in dramatisierter Form zu schauen. Das muss nicht nur wie im Fall O. J. Simpsons die qualitätvoll aufgepimpte Spielart der guten alten Gerichtsshow sein. Produktionsstätten schaufeln derzeit massenhaft wahre Geschichten herein: etwa jene von Charles Manson in Aquarius, von Robert Oppenheimer in Manhattan, die Frauen der ersten US-Astronauten in The Astronaut Wives Club, das Netflix-True-Crime-Schlachtschiff Making a Murderer und Podcasts wie Serial von Sarah Koenig. Sie alle sind – hoch erwünscht – virales Gut in sozialen Medien. Diskutiert wird da unter anderem die Frage, wie der Prozess heute ablaufen würde. Damals berichteten CNN, Court-TV und eine Handvoll Bezahlsender live, brachten Sex, Crime und Hollywood in medial aufgeladene US-Haushalte. Verhandelt wurde nicht nur ein Verbrechen, sondern ein System aus Rassismus und Vorverurteilung. Simpson wurde freigesprochen, trotz erdrückender Beweise. Seit 2008 sitzt er wegen eines Raubüberfalls im Gefängnis. Würde sich die Aufmerksamkeit potenzieren, weil inzwischen Handy, Facebook und Twitter den veröffentlichten Dialog mitbestimmen? Jeffrey Toobin, Autor des Buches, auf dem die Serie basiert, glaubt nicht: Heute werden Zweiminutenvideos viral und keine monatelangen Prozesse, schreibt Toobin im New Yorker. Die maximal beschleunigte Mediengesellschaft wäre für mehrere Monate nicht zu fesseln, lautet seine Theorie. Da könnte was dran sein. Steht ab 4. März auf dem Programm – In Österreich und Deutschland ist die Serie parallel dazu beim Bezahlsender Sky zu sehen. Wien – Der Streamingdienst Netflix hat den ersten Trailer zur vierten Staffel seiner Erfolgsserie House of Cards veröffentlicht. Im Mittelpunkt steht das angespannte Verhältnis zwischen Frank (Kevin Spacey) und Claire Underwood (Robin Wright). In den USA startet die vierte Staffel am 4. März auf Netflix. In Österreich und Deutschland liegen die Rechte für die Erstausstrahlung der Politserie bei Sky. Wann House of Cards auch in Österreich auf Netflix zu sehen sein wird, steht noch nicht fest. Wie berichtet hat Netflix bereits die fünfte Staffel bestellt. Wermutstropfen für Fans: Serienschöpfer und Showrunner Beau Willimon wird dann nicht mehr dabei sein. Produzent Tom Luse: "Ein enormer Spannungsbogen, der die Zuschauer überraschen wird". München – Die Zombies erwachen aus der Winterpause und kehren am Montag – 24 Stunden nach US-Start – zurück auf die deutschsprachigen TV-Bildschirme. Mit dem zweiten Teil der sechsten Staffel von The Walking Dead beglückt die AMC-Serie seine Fans mit acht neuen Folgen. Die Erstausstrahlung im deutschsprachigen Raum findet um 21 Uhr auf Fox statt – wahlweise in deutscher Synchronfassung oder im englischen Original. Davor strahlt der Pay-TV-Sender um 20.10 Uhr Nicht das Ende (Staffel 6, Folge 8) aus. Produzent Tom Luse schwärmt im Interview mit E! Entertainment Television, dass die neuen Folgen ein wildes Erlebnis seien: Es ist etwas, worauf man sich nicht vorbereiten kann. (...) Ich glaube, es wird einen enormen Spannungsbogen in den Episoden geben, der die Zuschauer überraschen wird. Hauptdarsteller Andrew Lincoln sagte der US-Zeitschrift Entertainment Weekly, er habe Magenschmerzen gehabt, als er das Drehbuch las. Es sei der erste Tag innerhalb der sechs Jahre der Produktion gewesen, an dem er zu spät zur Arbeit kam. Er schob es auf das Drehbuch, das ihn nachts nicht schlafen habe lassen. Die US-Serie ließ seine Zuschauer an verschiedenen Spots in der Geschichte zurück – hier eine Übersicht: In der vierten "House of Cards"-Staffel geht die First Lady mit ihrem Gatten auf die Blutwiese. Für Schauspielerin Robin Wright war das zum Lachen. Wien – Die Nächte sind einsam im Oval Office. Die First Lady hat das gänzlich Undenkbare getan, ihr Designertäschchen gepackt und das Weite gesucht. Seither schläft Mr. President schlecht und ficht im Traum verbotene Zweikämpfe aus. Wir haben so viel gelacht, sagt Robin Wright über den Dreh dieser Szene am Beginn der vierten Staffel von House of Cards, in der die Watschen nur so fliegen und die mit einem beherzten Hieb in den Präsidentenschritt einen schmerzhaften Höhepunkt findet. Alle dreizehn Episoden der vierten Staffel sind ab heute, Freitag, parallel zum US-Start im Originalton über die mobilen Dienste von Sky abrufbar. Freitags läuft eine Folge auf Sky Atlantic HD auf Deutsch oder im Original. Wir waren wie Actiondarsteller und hatten Spaß wie kleine Kinder, die miteinander raufen, sagt sie. Claire Underwood schafft, was bisher noch niemandem gelang: Der Präsident geht in die Knie. Aber Achtung: Nur ein Traum. Auf die Blutwiese Die derzeit frostigste Gattin des US-Fernsehuniversums wird in den dreizehn Folgen der Netflix-Serie noch einige Male zustoßen, um ihren einst geliebten Gatten vom Thron zu stoßen. Und dieser wird sich mit Händen und Füßen wehren. Es geht auf die Blutwiese. Da ist immer Liebe hinter dem Kampf. Sie sind ein Team, beharrt Wright bei einer Telefonkonferenz mit dem STANDARD: Wenn eine Alpha-Frau und ein Alpha-Mann aufeinandertreffen, ergibt das interessante Konflikte und eine schöne Dynamik. Das ist wahr und bleibt stark untertrieben. Seit 2013 interpretiert Wright die Frau des charmanten Bösewichts Frank Underwood (Kevin Spacey), der vom Kongressabgeordneten zum Präsidenten der Vereinigten Staaten aufstieg und dabei wie die jetzige First Lady mehr als nur Ellenbogentaktik gebrauchte. Die Eiseskälte ihrer Rolle bekam sie in der Vorbereitung lange nicht zu fassen, erzählt Wright. Es war frustrierend. Dann sah ich in einer dieser Dokumentationen von Richard Attenborough den ameriknischen Adler, das Wappentier. Und da wusste ich es: Das ist sie. Sie ist der amerikanische Adler. Sie kämpft um die Beute und beschützt ihre Lieben mit Königswürde, Stoizismus und stiller Stärke. Wahlscharmützel Die Karriere der 49-jährigen Kalifornierin begann im Fernsehen: in der US-Soap California Clan (Santa Barbara) in den 1980er-Jahren. Die Komfortzone ließ sie hinter sich mit Filmen wie Die Playboys und Im Vorhof zur Hölle mit ihrem damaligen Ehemann Sean Penn. Steven Spielberg adelte sie als Forrest Gumps bessere Hälfte. Für die Claire Underwood gewann sie den Golden Globe. Die Realität ist tatsächlich befremdlicher als Fiktion, sagt Wright, angesprochen auf aktuelle Wahlscharmützel mit Donald Trump. Das will etwas heißen, denn das Echtheitszertifikat erhielt die Schauspielerin bereits persönlich: Nach der ersten Staffel sprachen wir mit einem hochrangigen Politiker. Er lobte die Serie in den höchsten Tönen. Wir wollten wissen, wie realistisch wir aktuelle Themen in die Storyline einbringen. Er sagte, zu 99 Prozent stimme alles. Das eine Prozent? Er hätte keinen Journalisten getötet, sagt Wright lachend. Und niemals würde man ein Schulgesetz so schnell durch den Kongress bekommen, wie das in der Serie geschah. Seit der zweiten Staffel führte Wright auch Regie in einzelnen Folgen: Die Produzenten fragten mich, wahrscheinlich weil ich am Set meinen Mund nicht halten konnte, sagt Wright. Sie öffneten mir diese Tür, und es ist für mich nichts anderes als eine Lernstunde, ein unschätzbares Geschenk. Amerikanerin war schon als Teenager ein Filmstar, aber erst die Rolle in der TV-Kultserie "Sex and the City" machte sie weltbekannt – Geburtstag am 9. April. New York – Die wohl am häufigsten gestellte Frage zuerst: Ist Cynthia Nixon privat auch wie Miranda? Die Rolle der zynisch-zähen Anwältin in der Erfolgsserie Sex and the City hatte Nixon Ende der 90er-Jahre zum Weltstar katapultiert. Ich wäre absolut eine Miranda, antwortete die Schauspielerin darauf vor kurzem dem britischen Guardian. Ich bin überhaupt nicht wie die anderen. Die anderen, das sind ihre drei Schauspielkolleginnen Sarah Jessica Parker, Kim Cattrall und Kristin Davis, die in der Serie ihre besten Freundinnen Carrie, Samantha und Charlotte spielen, mit High Heels, Cocktails und romantischen Männerfantasien. Miranda sticht mit ihrem deutlich geringeren Glamour-Faktor und ihrer demonstrativen Unabhängigkeit von Männern heraus. Niemand hatte mich vor der Serie je als sexy wahrgenommen, erzählte Nixon der New York Times. Aber es gab dann dieses unglaubliche Zusammenkommen von Ereignissen, so dass ich, die nie wirklich Sport gemacht und nie wirklich Stöckelschuhe getragen hatte, plötzlich in dieser Serie über Sex und Körperpflege war. Miranda macht Nixon zum Weltstar – aber diese wird sie auch nicht mehr so richtig los. Seit dem Ende derSerie 2004 und zwei anschließenden Kinofilmen dazu hat Nixon, die am Samstag (9. April) 50 Jahre alt wird, sich hauptsächlich ans Theater zurückgezogen. Herausragende Rollen in Kino oder Fernsehen gab es bisher seitdem nicht mehr. Dabei war Nixon schon lange vor Sex and the City in der Branche erfolgreich. Bereits als Teenager stand die 1966 in New York geborene Schauspielerin vor der Kamera. Bei ihrem ersten Kinofilm Kleine Biester war sie gerade einmal 14 Jahre alt. Niemals hätte sie da gedacht, dass sie als Kinderstar eines Tages mit knapp 30 Jahren noch einmal so großen Erfolg haben könnte. Man wusste, dass einem das Verfallsdatum auf die Stirn gestempelt war und dass jeder es sehen konnte, sagte Nixon einmal. Doch alles sollte anders kommen. Auch privat erlebte die Schauspielerin, die an der New Yorker Upper West Side lebt, Höhen und Tiefen. Nach einer mehr als 15 Jahre dauernden Beziehung mit ihrem Studienkollegen Danny Mozes und zwei Kindern trennte sich das Paar 2003. Ein Jahr später kam Nixon mit Christine Marinoni zusammen, inzwischen sind die beiden verheiratet und haben einen Sohn. Die Beziehung sorgte für aufgeregte Schlagzeilen, aber Nixon reagierte darauf stets pragmatisch, ganz wie Miranda. Ich habe nie gefühlt, dass es da einen unterbewussten Teil von mir gab, der aufgewacht ist oder sich geoutet hat, es gab keinen Konflikt, es gab keine Versuche, etwas zu unterdrücken. Ich habe diese Frau kennengelernt, ich habe mich in sie verliebt – und ich bin nun mal eine bekannte Person. Sender und Drehstart laut UFA Fiction noch unklar. Potsdam – Hinter die Kulissen des Boulevardjournalismus blickt eine neue Serie mit dem Titel Giftschrank. Die fiktive Geschichte über die Welt eines Boulevard-Magazins und seines mächtigen Chefredakteurs soll in sechs jeweils 45-minütigen Folgen fürs Fernsehen verfilmt werden, teilte die Produktionsfirma UFA Fiction am Freitag in Potsdam mit. Im titelgebenden Giftschrank verschwinden die Geschichten, die das Magazin zunächst lieber nicht drucken will. Sender und Drehstart seien noch unklar, sagte eine Sprecherin. Giftschrank sei eine Mischung aus House of Cards, der US-Serie über Intrigen und Korruption im amerikanischen Politbetrieb, und Kir Royal, einem deutschen Fernsehklassiker von Helmut Dietl über den Boulevardreporter Baby Schimmerlos. Drehbuchautor der neuen Serie von UFA Fiction ist der Journalist Philipp Jessen, der selbst Erfahrung im Boulevard hat. UFA Fiction hat in der Vergangenheit schon eine Reihe von oft preisgekrönten Serien produziert, etwa Deutschland 83 für RTL, die mit dem diesjährigen Grimme-Preis ausgezeichnet wurde, oder den Dreiteiler Kudamm 56, der im März im ZDF zu sehen war. Auch wenn Netflix nicht müde wird, zu betonen, das französische Serienepos mit Gérard Dépardieu habe nichts mit "House of Cards" zu tun: Ähnlichkeiten bestehen. Paris – Allem Anschein nach wurde der Regisseur Florent Siri schon mehrmals gefragt, ob die französische Netflix-Serie Marseille Ähnlichkeiten mit der US-amerikanischen Netflixserie House of Cards aufweise. Beim Interview in Paris auf die Tatsache angesprochen, greift der Regisseur zur Seite, holt eine Frank-Underwood-Maske hervor und hält sie über sein Gesicht: Wir sind Frank Underwood. Ironie, freilich, denn mit dem vielgepriesenen US-Schurken will man nichts gemein haben: ... , sagt Siri in Paris. Das kann man sehen, wie man will. Einige Parallelen lassen sich unbestreitbar erkennen, sie haben weniger mit Inhalten zu tun, mehr mit dem Stil, auf den das US-Streamingportal setzt und mit dem es seine Erfolge einfährt. Erstmals soll das mit einer französischen Serie gelingen. Im Bestreben nach weltweiter Präsenz mit Originalinhalten setzt Netflix auf ein inzwischen bewährtes Konzept. Man nehme: Kevin Spacey, Jane Fonda, Ricky Gervais sind Zugpferde für die Inhalte. Im Fall von Marseille ist Unverwechselbarkeit gegeben: Für Florent Siri ist Gérard Depardieu der wichtigste noch lebende Schauspieler Frankreichs. Er ist so groß wie die Stadt Marseille selbst, das heißt, er ist ein beeindruckendes Monster. Mehr braucht es nicht. Siehe etwa Narcos, Bloodline, Marvels Jessica Jones. Aber auch im Fall von Marseille gibt es reichlich zu erzählen: Als die Kommunalwahlen in Marseille anstehen, bereitet Robert Taro, Bürgermeister der letzten 20 Jahre, einen letzten Coup vor: das Votum für die Konstruktion eines Kasinos im historischen Zentrum von Marina durchzusetzen. Doch sein langjähriger Zögling Lucas Barrès macht ihm einen Strich durch die Rechnung. Von da an fliegen die Fetzen. David Fincher (House of Cards), Vince Gilligan (Better Call Saul), Tina Fey (Unbreakable Kimmy Schmidt), um nur einige zu nennen. In diesen Dimensionen bewegen sich die Marseille-Macher noch nicht, aber Florent Siri hat sich in Frankreich einen Namen gemacht mit Actionthriller wie Das tödliche Wespennest oder Hostage. Der Schriftsteller Dan Franck schrieb immerhin die Biografie von Zinédine Zidane. Mehrere hundert Millionen Dollar pumpt das Streamingportal jährlich in Eigenproduktionen. Allein die Serie The Crown über die britische Königin verschlang kolportierte 120 Millionen Euro, wohl nicht viel weniger gab Netflix für Marseille aus. Ob Washington D.C., das Gefängnis von Litchfield oder Florida Keys – das Umfeld ist wichtige Begleitmusik und wird meist prächtig in Szene gesetzt. Eine Stadt wie Marseille scheint für diese Strategie wie geschaffen, die Metropole ist schön und gefährlich zugleich, nach Florent Siri wie eine Frau, die jedermann begehrt, um die alle kämpfen, für die sie betrügen, weil sie sie leben. Alle Netflix-Serien sind dem On-Demand-Charakter angepasst, so auch diese: Der Kunde ist sein eigener Programmchef, und dieser soll nach Möglichkeit so viele Folgen wie möglich am Stück schauen. Darauf setzt auch Marseille: Du kannst dich mit den Charakteren anfreunden, du kannst sie mögen. Darum geht es beim Schreiben, erklärt Dan Franck. Im November geht es in Großbritannien weiter mit The Crown über die Mädchen- und Regentinnenjahre der Queen. 2017 folgt mit Babylon ein erstes deutsches Episodenwerk. Die Zutaten: dieselben. (prie, 5.5.2017) Die zweite Staffel beunruhigte in Neapel. Ab Dienstag läuft sie im Abofernsehen auf Sky Atlantic HD. Wien – Nach der ersten Staffel der Fernsehserie Gomorrha setzte die ehrenwerte Gesellschaft ein Zeichen, mit dem sie ihre Macht demonstrierte: Dreharbeiten zur zweiten Saison verweigerte sie an Originalschauplätzen rund um Neapel die Genehmigung. Offiziell beklagten die Bürgermeister Imageschaden durch die in der Serie gezeigte Brutalität. Immerhin gebe es auch ehrliche Menschen in Neapel, argumentierten Gemeindevertreter. Es ging offenbar auch so. Denn ab Dienstag bricht im Abo-TV Sky Atlantic HD erneut der ungebremste Sturm der Camorra los und fordert mit zerstörerischer Wut in zwölf neuen Folgen seine zahlreichen Opfer. Ein Mann wird auf einer Trage weggeführt. Er ist schwer verletzt, hängt am Defibrillator, wird wiederbelebt. Getrocknetes Blut klebt am nackten Oberkörper, Narben klaffen in seinem Gesicht. Der Neueinsteiger weiß in dieser ersten Sequenz nicht, woher die Verletzungen stammen, aber die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass es sich um die Folgen einer Gewalttat handelt. Wer die erste Staffel gesehen hat, muss nicht rätseln: Leichen pflastern die Wege von Ciro (Marco DAmore), Pietro (Fortunato Cerlino) und dem Rest der brutalen Gang der Camorra, die in vielen Bereichen des kommunalen und gesellschaftlichen Lebens Neapels mitspielt. In der Fortsetzung wird wieder abgerechnet. Die erste Staffel endete mit einem Blutbad, Jungpate Ciro muss die Konsequenzen fürchten. Sein früherer Boss und jetziger Erzfeind sinnt auf Rache. Die Geschichte folgt den Aufzeichnungen des italienischen Schriftstellers Roberto Saviano, der intensiv in der Szene recherchierte. Bis ins letzte Detail beschrieb Saviano Verbrechen der Camorra und nannte führende Köpfe beim Namen. Das Buch verkaufte sich mehr als zehn Millionen Mal, der danach gedrehte Film gewann 2008 den Jurypreis in Cannes. Seit Erscheinen des Buches 2006 muss sich Saviano vor der Rache der Mafia verstecken. Die von Jan Mojtos Betafilm und Sky Italia produzierte Serie wurde in mehr als 130 Länder verkauft. Auch in der zweiten Staffel wird auf Authentizität Wert gelegt. Stilistisch changieren die Regisseure zwischen Actionfilm und Reportage. Geht auf. Im Mittelpunkt dieses opulenten Fernsehgemäldes um eine Familie, die keine Liebe kennt, steht Udo Kier als milliardenschwerer Wiener Patriarch, der eine neue Leber braucht. Wien – Ein internationaler Festivalreigen, Platinstatus für die DVD und ein VoD-Erfolg auf Flimmit. Nun hat das Warten für das TV-Publikum ein Ende, denn die achtteiligen ORF-Familiensaga Altes Geld wird ab 2. November auf ORF 1 ausgestrahlt. Jeweils Montag um 20.15 Uhr bzw. zum Auftakt in Doppelfolge. Im Mittelpunkt dieses opulenten Fernsehgemäldes um eine Familie, die keine Liebe kennt, steht Udo Kier als milliardenschwerer Wiener Patriarch, der eine neue Leber braucht. In weiteren Rollen spielen Sunnyi Melles, Nora von Waldstätten, Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Edita Malovcic, Ursula Strauss, Thomas Stipsits, Robert Palfrader, Simon Schwarz, Cornelius Obonya, Herbert Föttinger, Johannes Krisch, Florian Teichtmeister, Yohanna Schwertfeger, Michael Maertens, Carlo Ljubek, Raimund Wallisch, Julian Loidl, Clemens Berndorff, Shifra Milstein und Lukas Miko. Gedreht wurde in Wien und Niederösterreich (u. a. Gaweinstal-Pellendorf, Puchberg am Schneeberg, Reichenau an der Rax, Stockerau und Vösendorf) sowie in Namibia. Altes Geld ist eine Koproduktion von ORF und Superfilm, mit Unterstützung von Fernsehfonds Austria, Filmfonds Wien und Land Niederösterreich. Verkauf der Schalko-Serie in die USA steht vor dem Abschluss, zuerst ist aber Österreich an der Reihe: ab 2. November montags im ORF. Wien – Der ORF zeigt David Schalkos Altes Geld ab 2. November wöchentlich. Nach Österreich könnte die Serie auch in den USA laufen. Verhandlungen mit ITV-Studios für die Rechte an einem Remake stünden kurz vor dem Abschluss, sagt John Lueftner, der Altes Geld mit Superfilm produziert, zum STANDARD. Den weltweiten Vertriebsweg für das Original soll nach der Finalisierung die britische ITV Gobal übernehmen. Nach Braunschlag, von dem der Sender ABC ein Remake plant, wäre Altes Geld der zweite Export einer Schalko- und Superfilm-Serie in die USA. Mit Altes Geld schlägt der ORF den Vertriebsweg ein, den er bereits mit Braunschlag gegangen ist. Vor der Ausstrahlung im Fernsehen ist die Serie auf DVD erschienen. Zusätzlich sind die acht Episoden als Video-on-Demand auf der Plattform Flimmit verfügbar. Am Mittwoch lud der ORF zur Präsentation der Serie. Die Ingredienzien der Groteske, bei der es um Geld und eine Leber geht: ein Patriarch, seine verkommene Familie und ein saufender Bürgermeister. Mit dabei sind etwa Udo Kier, Sunnyi Melles, Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Thomas Stipsits, Ursula Strauss, Johannes Krisch und Robert Palfrader. Ein halbes Jahr nach dem DVD-Start zeigt der ORF ab Montag Schalkos bildgewaltige Miniserie. Wien – Diese Frage musste ja kommen, sagt Produzent John Lueftner. Mit den Vorstadtweibern, nein, mit denen möchte er sich nicht messen. Solche Traumquoten wird es nicht geben. Wir sind kantiger. Der ORF zeigt ab Montag David Schalkos (Buch und Regie) achtteilige Familiensaga Altes Geld. Zuerst in Doppelfolgen um 20.15 Uhr, später einzeln. An jenem Sendeplatz, wo sonst US-Serien ein beschauliches Dasein fristen oder eben Glücksfälle wie die Vorstadtweiber durch die Decke gehen. 856.000 sahen der illustren Damenrunde im Schnitt zu. Die Vorzeichen für einen ähnlichen Publikumserfolg stehen auch für Altes Geld gut. John Lueftner hat die fünf Millionen Euro teure Groteske mit seiner Superfilm gemeinsam mit David Schalko produziert. Auf das Konto des kongenialen Duos gehen etwa Willkommen Österreich, Aufschneider oder 2012 die Miniserie Braunschlag. Die internationale Serie The Team produzierten sie als Österreich-Partner mit. Für Altes Geld sammelten sie ein Starensemble. Neben dem Patriarchen Udo Kier, der als Rolf Rauchensteiner sein Vermögen für eine neue Leber verspricht, spielen noch Sunnyi Melles, Nora von Waldstätten, Nicholas Ofczarek, Manuel Rubey, Ursula Strauss oder Robert Palfrader mit, um nur einige zu nennen. Das waren die Wunschschauspieler, sagt Lueftner zum STANDARD. Bis auf eine Ausnahme: Gert Voss. Er starb mitten in den Dreharbeiten. Das war ein totaler Schock für alle, betrauert der Mensch Lueftner und der Filmemacher setzt nach: Das Schlimmste, das einem Produzenten passieren kann. Drehpläne mussten umgeschmissen werden, Geld ging verloren. Eine menschliche Tragödie, die in der Filmwelt auch zum Versicherungsfall wird. Zum Glück hatte er zu diesem Zeitpunkt erst wenige Drehtage. Udo Kier sprang in die Bresche, es wurde nachgedreht. Wie Braunschlag wurde Altes Geld als DVD bereits vor der ORF-Ausstrahlung in den Markt geworfen. Mit Erfolg: 10.000 Verkäufe seit März. Die Serie fungiert für den ORF auch als Kurbel für die Videoplattform Flimmit. Promotiontechnisch ist das super, sagt Lueftner. Das Produkt sei in aller Munde, konnte bei Festivals reüssieren und Kritiker begeistern. In der Tat besticht Altes Geld durch eine visuelle Wucht und schauspielerische Brillanz, die sonst nur wesentlich teureren Produktionen innewohnt. Schalkos Stärke, die grenzenlose Kreativität, ist aber sogleich die Schwäche von Altes Geld. Bonmots und Pointen treten nicht selten an die Stelle von Dialogen. Dominierten bei Braunschlag noch Dialekt und Lokalkolorit, so ist Altes Geld internationaler angelegt. Nicht zuletzt, um die Serie leichter verkaufen zu können. Ob bei Wahnsinn made in Österreich ein deutscher Sender aufspringt? Produzent Lueftner ist vorsichtig. Der Humor sei womöglich zu schwarz, die Sprache zu radikal für ARD und ZDF. Erste Exporterfolge sind aber schon da. Wie berichtet steht der Verkauf der Remake-Rechte an eine US-Produktionsfirma vor dem Abschluss. Den weltweiten Vertriebsweg für das Original möchte die britische ITV Global. Weitere mögliche Märkte seien Skandinavien und die Beneluxländer. Auf Synchronisierungen werde verzichtet. Zum Glück sei das Trend, sagt Lueftner und verweist auf die Hitler-Serie, die RTL für 2017 plant: Du kannst Hitler nicht Englisch reden lassen, nur damit das Amerikaner kaufen. Untertitelungen würden reichen. Wie Braunschlag ist auch Altes Geld auserzählt. Mehr Absurditäten gehen praktisch nicht. Eine neue Serie will Lueftner 2017 drehen, um die Trilogie der Gier zu komplettieren. Ein deutscher Sender soll als Koproduzent an Bord sein. Die Rampe für Deutschland. Dennoch, warnt Lueftner, seien internationale Koproduktionen nicht das Allheilmittel, um TV-Budgets zu vergrößern. Viele Sender bedeuten, dass viele Interessen befriedigt werden müssten. Es besteht die Gefahr, dass du den Faden der Geschichte aus dem Fokus verlierst. Dann kämen noch diverse Fördertöpfe ins Spiel und du musst in Salzburg eine Bergsteiger-Szene drehen, weil etwa das Land Salzburg die Serie mitfinanziert. Ein schwieriges Unterfangen, das sich bei der länderübergreifenden Serie The Team gerade noch ausgegangen sei. Die zweite Staffel soll nächstes Jahr gedreht werden. Das Thema: Flüchtlinge. HBO gab den Sendetermin für die sechste Staffel der Fantasyserie bekannt – ACHTUNG: Spoiler. Wien – Dreieinhalb Monate müssen Fans von Game of Thrones noch auf den Start der neuen Staffel warten: Am 24. April 2016 ist es soweit, dann zeigt HBO die sechste Etappe seiner Erfolgsserie. Das gab der US-Sender am Donnerstag bekannt. 4.24.16 #GoTSeason6 pic.twitter.com/WPxP2FPvvm Bereits vor einigen Wochen veröffentlichte HBO einen Teaser zur neuen Staffel, der für einige Diskussionen auslöste, weil darin eine Figur auftaucht, die für tot gehalten wird. Für Enttäuschung bei Fans sorgte zuletzt Autor George R.R. Martin, da sich das neue Buch zur Erfolgsserie verzögert. The Winds of Winter ist nicht fertig, schrieb Autor George R.R. Martin in seinem Fan-Blog. Martin hatte gehofft, das Manuskript bis zum Jahresende seinem Verlag übergeben zu können, damit die sechste Folge der weltweit erfolgreichen Fantasy-Saga A Song of Ice and Fire (Das Lied von Eis und Feuer) Anfang des neuen Jahres gedruckt werden könnte. Im Sommer gab es Spekulationen, dass die TV-Serie nach acht Staffeln ihr Ende finden werde. Das sagte HBO-Chef Michael Lombardo unter Berufung auf die Produzenten und Drehbuchautoren David Benioff und Dan Weiss. Lombardo sagt weiter, dass er sich eine Nachfolgesendung von Game of Thrones etwa in Form einer Vorgeschichte vorstellen könne. Programme wurden an der Technischen Universität München entwickelt. München – Wer stirbt als nächstes in der Serie Game of Thrones? Studenten der Technischen Universität München (TUM) haben Programme entwickelt, die gestützt auf Internet-Recherchen berechnen, wie es weitergeht. Der Algorithmus hat bisher 74 Prozent der Todesfälle vorausgesagt. Für die nächste Woche startende sechste Staffel sagt das Programm Theon Greyjoy eine 74-prozentige Todeswahrscheinlichkeit voraus. Der Schurke Ramsay Snow muss nur mit 64 Prozent Wahrscheinlichkeit über den Jordan. Auch die weltbewegende Frage, ob Jon Snow tot ist, meinen die Studenten auf https://got.show beantworten zu können, wie die TUM am Dienstag mitteilte. Auf ihrer Website präsentieren die Informatik-Studierenden die wichtigsten der von verschiedenen Werkzeugen des maschinellen Lernens generierten Daten. Die Website analysiert auch, was die Fans auf Twitter über Hunderte von GoT-Charaktere sagen. Darüber hinaus programmierten die Studierenden auch eine interaktive Karte. Mit ihr können Fans die Game of Thrones-Welt erkunden und die Reisen der wichtigsten Figuren nachvollziehen. Im Herbst starten nicht nur neue Serien, auch lang ersehnte neue Staffeln stehen auf dem Programm. Was ist Ihr Highlight?. Das nennen wir einen fulminanten Start: Vor zwei Wochen wurde das erste Serienforum veröffentlicht und war mit fast 900 Postings ein wahrer Erfolg. Diese Woche widmen wir uns den Neustarts im Herbst. Nach der Sommerpause beginnen traditionellerweise neue Staffeln und Serien, und auch dieses Jahr ist für jeden Geschmack etwas dabei (eine Auswahl amerikanischer Serien wurde bereits vorgestellt). Wer bereits in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts Akte X-Fan war, kann sich Anfang 2016 auf sechs neue Folgen der Serie freuen. Kostümschinken-Liebhaber kommen mit der sechsten Staffel von Downton Abbey auf ihre Kosten, bei Country-Fans stehen die neuen Folgen von Nashville hoch im Kurs. Wer es düsterer mag, kann sich auf neue Episoden von American Horror Story freuen, Dr. Who gibt es bereits seit 1963 und startet im September mit Staffel Nummer neun. Welcher neuen Serie fiebern Sie bereits entgegen? Den Staffelstart welcher Serie können Sie kaum noch erwarten und warum? Was erwarten Sie von der jeweiligen neuen Staffel? Haben Sie spezielle Wünsche die Handlung oder die Charaktere betreffend? (kub, 3.9.2015) Neue Trailer, neue Staffeln, neue Serien – welche Produktion beschäftigt Sie zurzeit?. Youre in the great game now and the great game is terrifying: Tyrions bedeutungsschwangerer Satz im Trailer der sechsten Staffel von Game of Thrones trägt einiges zur allgemeinen Hysterie und Vorfreude der Fans bei. Die Leser der Buchreihe können aus Materialmangel nicht mehr spoilern, alle sitzen im selben Boot. Bevor es am 24. April so weit ist und sich Drachen in die Lüfte schwingen, neue Komplotte geschmiedet werden und die nächsten Lieblingsfiguren in das grüne Gras von Westeros beißen, gilt es, die Zeit mit anderen Serien zu überbrücken. So kommt es bei den Underwoods in House of Cards zum Showdown zwischen den zerstrittenen Eheleuten. Ob die Serie die aktuellen Geschehnisse im amerikanischen Vorwahlkampf an Dramatik und Absurdität überholt hat, bleibt allerdings dahingestellt. Auf Netflix feierte das neue Serienformat Love Premiere, während in The Walking Dead Zombies weiterhin daran arbeiten, die Weltbevölkerung zu dezimieren. Und mit Fuller House wurde ein 90er-Jahre-Seriendinosaurier zum Leben erweckt. Ob das eine gute Idee war, ist fraglich. Welche Serie können Sie gerade nicht aufhören zu schauen? Gibt es eine Neuerscheinung, die Sie empfehlen können? Oder vielleicht einen wiederentdeckten Serienschatz aus der Vergangenheit? Welche Serie oder aktuelle Staffel hat Sie enttäuscht? Und was sind Ihre Gedanken und Interpretationen zum neuen GoT-Trailer? (aan, 10.3.2016) Ein Format des Schreckens und der Liebe: Familienserien und was dieses Format heute sein kann. Seine Familie kann sich niemand aussuchen. Ein bisschen besser ist das bei Fernsehfamilien. Mittlerweile ist das Spektrum so breit, dass sich jede und jeder was findet. Mamas arbeiten außer Haus, Papas machen Hausarbeit, und nicht immer mögen sich alle. Diesmal ging es in unserer kleinen Serienreif-Familie darum, wie sich dieses Format verändert hat, welche anderen Geschichten erzählt werden können und warum Roseanne uns nostalgisch macht. Julia Meyer: So aus dem Bauch heraus würde ich behaupten, dass Familienserien im Allgemeinen nicht den besten Ruf genießen. Oder anders: Wenn ich das Wort höre, denke ich ganz undifferenziert an ein Genre, dessen erzählerische Grenzen recht eng sind und dessen Strukturen vorhersehbar. Und bei dem die Moral am Ende jeder Folge siegt. Doris Priesching: Liebe Julia, ich würde behaupten, dein Bauch trügt dich. Klar gibts die tranigen mit der muffeligen Moral, aber doch nicht nur! Roseanne, die allergrößte, hat sämtliche Konzepte durcheinandergewürfelt und hat lange Jahre ein irres Bild der typischen amerikanischen Kleinstadthölle abgeliefert. Oder Cybill – zwei Töchter von zwei verschiedenen Vätern, beide sind noch in Kontakt mit der Mutter, deren beste Freundin auf Haus und Mann aber sowas von pfeift. In bester Erinnerung ist mir auch noch – ich komm nicht auf den Namen, unter dem sie bei uns lief, in Deutschland hieß sie Familienbande. Mit den Hippie-Eltern und den straighten Kindern, Michael J. Fox war dabei, und es gab nur ganz wenig Moral. Oder die außerirdische Familie Hinterm Mond gleich links. Hysterisch göttlich! Oder Malcolm mittendrin, die beste Familiencomedy von allen. Daniela Rom: Gerade bei Malcolm mittendrin, aber auch bei Roseanne steht im Zentrum eigentlich die in beiden Fällen zumeist recht harmonische Beziehung zwischen den Eltern. Da ist zwar das Außenbild: Die Chaostruppe mit vielen Kindern, ohne Geld und in irgendwelchen schlecht bezahlten Jobs. Innen drin ist aber recht viel eitel Wonne, zumindest zwischen Mama und Papa. Michaela Kampl: Es gibt eben ziemlich viele unterschiedliche Familienkonzepte in Serien. Das Format ist einfach ein Gefäß, das mit allem Möglichen gefüllt werden kann. Da sind die Klassiker, wie die Cosby Show, dann die ein bissi moderneren Varianten mit Männern in der Hausarbeiter-Rolle wie bei Wer ist hier der Boss? oder auch Abseitiges wie die Alles-ist-gut-wenn-wir-nur-an-Gott-glauben-und-uns-alle-liebhaben-Himmlische Familie. Und dann waren da auch noch die Arbeiterklassen-Serien, wie Roseanne oder Eine schrecklich nette Familie. Letztere hab ich übrigens nie gemocht. Nie. Nie. Nie. Im Gegensatz zu Roseanne. Die war immer super. Abgesehen vom Ende, das war ein wenig verstörend. Julia Meyer: Okay, dann hatte mein Bauchgefühl eingangs wohl nicht ganz recht. Zu den Bundys fällt mir ein, dass dies eine Serie war, die mich als Kind ziemlich verstört hat. Die Lieblosigkeit und die Wurschtigkeit, mit der sich die Familienmitglieder begegnet sind, revidierte so ziemlich alles, was ich mir bis dato unter der Idee Familie zusammengedacht hatte. Familie wird hier ja eher über die unterschiedlichen Fronten zwischen den Mitgliedern definiert als über den Zusammenhalt. Einheit funktioniert nur über den Kontrast gegenüber den bürgerlichen Sehgewohnheiten der Zuschauerschaft. Doris Priesching: Al Bundy mochten Buben, ich fand die auch alle schrecklich unkomisch. Man muss aber den Begriff der Fernsehfamilie weiter fassen. Sobald ich mich einer Serie völlig verschreibe, sind die Protagonisten auch meine Familie. Roseanne – mit ihr bin ich groß geworden. Sie hat mich wirklich geprägt. Jetzt werde ich gleich sentimental. Daniela Rom: Wenn wir ein wenig in die Gegenwart kommen ... Doris Priesching: ... danke! Daniela Rom: ... dann sind Familienserien ein Kaleidoskop unterschiedlichster Lebensentwürfe. Also, wenn wir Familienserie ganz eng fassen, fallen mir so Sache wie Brothers and Sisters, Parenthood oder Modern Family ein. Da gibt es immer einen älteren Charakter, der gewollt oder ungewollt ein neues Leben beginnt: die Witwe, die die Liebe neu entdeckt, oder der Geschiedene mit einer blutjungen neuen Frau. Dann gibt es so gut wie immer einen schwulen Sohn oder eine lesbische Tochter, den Familienvater oder die Supermama, die Karrieristen, und irgendein Problemkind nimmt Drogen, durchlebt Beziehungskatastrophen, ist ein Verbrecher oder alles zusammen. Eigentlich ist das der Mix, aus dem solche Familienserien gestrickt werden, da ist für jeden was dabei. Im Vergleich zu den Serien die du genannt hast, Michi, ist das vielschichtiger – muss jetzt nicht unbedingt heißen, dass es besser ist. Michaela Kampl: In den Familienserien spiegeln sich eben auch gesellschaftliche Entwicklungen. Wenn bei Familienbande, das war die Serie mit Michael J. Fox, die Mutter arbeiten ging, war das zu einer Zeit, als sich mehr und mehr Frauen für Arbeit außerhalb der Familie entschieden. Und aktuell sind es Familien, die nicht der traditionellen Kernfamilienrolle – Mama, Papa, Kinder plus Haustier – entsprechen, die in den Familienserien vorkommen. Der Begriff Familie wurde also auch im Fernsehen erneuert oder vielleicht eher erweitert. Und es kann jetzt etwas anderes gezeigt werden als vor 50 oder 30 Jahren. Julia Meyer: Einerseits stimmt das sicherlich. Gesellschaftliche Umbrüche lassen neue Rollen zu: die alleinerziehende Mutter aus Gilmore Girls, das schwule Paar mit der adoptierten Tochter aus Vietnam in Modern Family. Aber letztlich ist es auch immer wieder frustrierend, wie harmlos genannte Beispiele bleiben. Doris Priesching: Vergesst mir Big Love nicht! Da wurden Moralvorstellungen geradezu gesprengt. Daniela Rom: Stimmt. Es gibt da aber schon eine nicht unspannende Entwicklung: Da gibts einmal die klassischen Familiengeschichten, die in der Liga von den Waltons oder Unsere kleine Farm spielen: ein bissi heile Welt, zumindest innerhalb der Familie, die Familie als Anker und Stütze bei allen Problemen. Dann kommen die Serien, wo es um irgendwas Spezielles geht: Party of Five – Eltern tot, Kinder allein machen Familie, Malcolm mittendrin – das Wunderkind und alle rundherum. Und nun kommen wir offenbar wieder zu den normalen Familiengeschichten ohne besonders ausgefallenen Plot zurück. Nur ist eben nicht mehr alles heil und die Familie nur super, sondern auch der Quell von vielem Übel. So wie in echt halt. Doris Priesching: Vielleicht haben sich die Erwartungen des Publikums verändert. Waltons, Unsere kleine Farm waren ja in einer Zeit, in der sich Eskapismus noch anders abgespielt hat als heute mit den unendlichen Möglichkeiten der Zerstreuung. Die Zuschauer sind in gewisser Weise abgebrühter geworden, weil sich auch das eigene Familienbild verändert hat, Es muss sich ja nicht gerade so abspielen wie in Shameless. Julia Meyer: Vielleicht haben sich die Erwartungen aber auch eben nicht geändert. Klar, ich würd dir auch erstmal recht geben, dass – was jetzt auch schon öfter erwähnt wurde – das starre Familienbild von Vater, Mutter, Kind heute altbacken daherkommt. Aber es hat von der Zuseherseite meiner Meinung nach auch den Effekt, dass gerade die wilden Familienserien eine Art beruhigende Wirkung haben. Nach dem Motto Also, so arg ist es bei uns nicht bzw. Ui, das kenn ich, Gott sei Dank sind wir keine Ausnahme. Der anhaltende Erfolg von Familienserien ist ja auch deswegen gesichert, weil es das anschlussfähigste Format aller Zeiten ist: Familie, in welchen Konstellationen auch immer, hat jede und jeder. Michaela Kampl: Wahrscheinlich gibt es darauf keine eindeutige Antwort. Aktuell gibt es in der Familiendarstellung eine größere Offenheit – auch dessen, was in der Erzählung passiert. Also mehr als die 25 Minuten Konflikt und am Ende ist alles gut. Es ist demnach nicht alles anders geworden, sondern einfach mehr nebeneinander möglich. Ich frag mich, ob es überhaupt noch Tabus in Familienserien gibt. Doris Priesching: Die Serie, die sich übrigens am ehesten noch am alten Konzept der klassischen Familienserie orientiert, ist Downton Abbey. Die Hermetik hat ja fast was von der Schwarzwaldklinik – und ist auch schwer morallastig. Trotzdem ist das einfach unheimlich lässig anzusehen. Daniela Rom: Downton Abbey ist wahrscheinlich deswegen so klassisch, weils die Zeit halt hergibt. Aber eigentlich sind einige Charaktere gegen den Strich gebürstet, uneheliche Kinder, Sex vor der Ehe und alternde Damen mit Liebesleben – alles da. Julia Meyer: Hahahaha, Schwarzwaldklinik! Aber ja, ich würd auch sagen: Downton Abbey ist Eskapismus pur! Klar, die Figuren sind mitunter – wie du sagst, Dani – gegen den Strich gebürstet. Aber gleichzeitig ist die Zeit sehr gefällig nach den Bedürfnissen der Zuschauerinnen erzählt. Die im Rückblick fortschrittlichen Bewegungen werden als jeweils persönliche Errungenschaft der Figuren dargestellt, und die lassen dann halt auch nichts aus – von sozialistischen Ideen übers Hosentragen bis zu feministischen Aufbäumungsversuchen: Es werden aus heutiger Sicht (erzählerisch nicht uninteressant) unterschiedliche Emanzipationsstadien beleuchtet. Aber es läuft dann doch immer auf eine moderne Perspektive hinaus oder auf eine Wie schwer es auch ist, es lohnt sich-Sichtweise. Von daher: Eskapismus. Aber ich mag ja Eskapismus. Shameless hab ich ja noch nicht gesehen. Aber ich sollte anscheinend? Daniela Rom: Shameless ist wohl die ehrlichste Serie, wenn es um kaputte Familien geht, die dennoch irgendwie funktionieren. Auch wenn es schon ein wenig arg viel Drama für eine Familie Gallagher ist. Michaela Kampl: Übrigens könnten auch Die Sopranos die beste Familienserie der Welt sein. (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 11.6.2015) Und jetzt diskutieren Sie: Wie stehen Sie zu Familienserien? Welche sind Ihre Lieblingsfamilien, welche halten Sie gar nicht aus? "Homeland", "The Wire" oder "The Americans" – überall wird überwacht, aber jedes Mal anders. Willkommen zur siebten Ausgabe von Serienreif und gleichzeitig einer Art Special. Anlass ist die Schwerpunktausgabe des STANDARD zum Thema Die überwachten Bürger, die am Samstag erscheint. Wir reden also diesmal darüber, was Überwachung in Serien sein kann, ob sich dort die Realität widerspiegelt oder überzeichnet wird und fragen uns, warum Datensammeln eigentlich immer positiv dargestellt wird. *** Doris Priesching: Was mir zum Thema spontan einfällt, ist The Wire, erste Staffel. Wie sie dieses Büro aufgebaut haben und sich systematisch Zugang zu sämtlichen Kanälen verschafft haben – in der Genauigkeit war das bisher noch nicht zu sehen. Die Abgehörten reagierten umgekehrt genauso professionell. Diese genau abgestimmte Handy-Tauscherei und dieses Hase-Igel-Spiel, wer ist jetzt wem um eine Nasenlänge voraus – also ich denke, man könnte bis heute viel lernen von The Wire. Michaela Kampl: The Wire kann mir sowieso die Welt erklären. Bei der Überwachung fand ich spannend, dass das so low key war. Ich hab die Serie, zumindest die erste Staffel, erst so zehn Jahre nach der Ausstrahlung gesehen. Zwischen The Wire-Serienstart und jetzt hat sich auf dem Überwachungsgebiet viel getan. Das mit den Pagern und dem Code war richtig klassische Detektivarbeit. Da wurde nicht einfach ein Handy angezapft oder Kameras versteckt. Diese technischen Möglichkeiten hatten McNulty und Bunk noch nicht und Handys hatte sowieso kaum wer. Also mussten Pager zugeordnet und Nummerncodes geknackt werden. Aber auch im Fernsehn spiegelt sich der technische Fortschritt wider. Das nächste Überwachungslevel für mich war dann Homeland, die erste Staffel, wo jede Bewegung von Brody aufgezeichnet wird. Und ohne dass Carrie wie McNulty vorher lange irgendwelche Staatsanwälte beknien musste. Überwachung wird in den beiden Serien anders gezeigt. Einmal als Katz-und-Maus-Spiel in The Wire mit einer Art Gleichberechtigung zwischen Verfolgern und Verfolgten, und in Homeland als Totalität, die für den Überwachten aber unsichtbar bleibt. Julia Meyer: Diese Totalität hat dann ja auch die Konsequenz, dass ich mich ja oft leise gefreut habe, wenn die CIA trotz allem Brody nicht durchschauen kann. Beispielsweise dann, wenn Brody heimlich in der Garage betet. Wenn dieses ganze extrem ausgeklügelte System, das den Menschen und sein Umfeld so gnadenlos ins Visier nimmt, fehlbar ist. Natürlich ist auch der brüchige und ja tendenziell sympathische Charakter Brodys Grund für diese heimliche Freude. Bei The Wire hab ich übrigens hauptsächlich die Bilder genossen. Teilweise minutenlang nix verstanden. Doris Priesching: Der Vorteil von Homeland war ja, dass man verstand, was gesprochen wurde. The Wire in OF – was für Helden. Schummrig wird es einem allerdings schon, wenn man so sieht, was alles möglich ist. Oder ist das eh alles nicht wahr? Daniela Rom: Ich kann mit einem anderen Gegensatzpaar aufwarten: The Americans und The Good Wife. Einmal ganz abgesehen davon, dass ich The Americans für das Genialste halte, was ich seit langem gesehen habe, wird uns da sehr schön die noch oldere school von Überwachung gezeigt, nämlich die im Kalten Krieg. Das russische Spion-Paar sitzt da nicht selten stundenlang im Auto herum, oder lässt mithilfe liebeskranker Damen oder Herren selbst das Büro des FBI verwanzen. Überwachung ist hier halt nur ein Teil des Agenten-Werkzeugkastens. In The Good Wife hingegen gibt es einen über mehrere folgen gespannten Erzählstrang, der sich klar mit der ganzen aktuellen NSA-Kiste auseinandersetzt. Im Endeffekt kommt Alicia drauf, dass über die zweite oder dritte Ecke nicht nur sie, sondern auch die Anwaltskanzlei überwacht wird. Dann kriegt sie auch immer wieder die drei NSA-Buben zu sehen, die den ganzen Tag Telefongesprächen lauschen, und sich dann auch ihre Gedanken machen, zum Bespiel, ob es denn eine Liebelei zwischen Alicia und Will gibt. Doris Priesching: Ich weiß nicht, ob ich das hier sagen darf: Aber von The Good Wife habe ich eine Staffel geschafft, und The Americans steht immer noch auf meiner Liste. Ist mir jetzt so rausgerutscht. Also schwindle ich mich jetzt einfach hinauf auf die Metaebene. Interessant ist doch schon, dass das Abhören in Serien so gut wie immer gut und gerecht ist, weil die Überwachten ja immer eine Gefahr für die Gesellschaft sind. Das Orwellsche wird stillschweigend akzeptiert. Die Achse des Bösen muss ausgelöscht werden. Im US-Fernsehen ist man sich da einig. Ich erinnere an 24, wo der Agent lange im Sinne der Gerechtigkeit wüten durfte, ehe irgendwann jemand doch bemerkte, dass das eigentlich Folter ist. Daniela Rom: Du darfst alles sagen. Und ich bleib mal bei The Americans – gerade da ist für mich dieses uramerikanische Ding, wir sind die Guten und die anderen die Bösen und wir haben immer Recht, aufgehoben: Die Russen sind zwar auch hier die Bösen, aber die Amis kommen auch nicht sonderlich gut weg. Aber zurück zum Thema Überwachung. Michaela Kampl: Generell scheint in aktuellen Serien oft die Unschuldsvermutung umgedreht zu werden. Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten. Ausnahmen gibt es aber auch. Oder gab es zumindest. In einzelnen Akte X-Folgen, meine ich mich zu erinnern, tauchen NSA-Agenten auf und wissen immer was, das Mulder längst ahnt, sagen aber nix, haben schlechte Anzüge und unsympathisch sind sie auch. Aber Akte X ist schon ein Weilchen her. Vielleicht hat sich da auch die Darstellung von Überwachung geändert. Hier sei kurz erwähnt, dass ich Gillian Anderson für die beste, schönste und gescheiteste aller Fernsehdetektivinnen halte. Auch in The Fall sehr gut. Offtopicschwärmerei Ende. Aktuell fällt mir grad keine Serie ein, die Überwachung problematisiert. Person of Interest vielleicht. Aber da muss ich zugeben, noch keine Sekunde davon gesehen zu haben. Julia Meyer: Einen ein bisschen anderen Aspekt in puncto überwachte Bürger bringen sämtliche Serien um forensische Kriminalistik à la CSI ins Spiel. Da gibt es ja selten den Oberbösen, der über Staffeln hinweg gejagt wird, sondern im Normalfall halbwegs abgeschlossene Fälle pro Folge. Logisch ist, dass in einer Krimiserie das Ansammeln, die Auswertung und die Aufbereitung von Daten einen großen Teil der Handlung darstellt. Was das Ganze aber von bis jetzt genannten Serien unterscheidet, ist – meiner Meinung nach –, dass die Methoden wirklich nie hinterfragt oder reflektiert werden. Informationen über Bürger zu haben ist per se gut. Erneut gilt hier: Wer nichts zu verbergen hat, hat nichts zu befürchten, aber deutlich radikaler. Je mehr Information, desto besser. Gut und böse sind in diesen Bruckheimer-Produktionen dämlich einfach verteilt. Zudem werden die Informationen, wie zum Beispiel bei CSI Miami, visuell derart wuchtig dargestellt, dass sie eine spezielle Ästhetik, sprich Schönheit entwickeln. Michaela Kampl: Es ist zu einem großen Teil auch die Populärkultur, die unsere visuelle Vorstellung von Überwachung formt. Ja, wir kennen Videokameras im öffentlichen Raum, aber wie das genau auf der anderen Seite des Schirms ausschaut, weiß ich eher aus Homeland als aus eigener Erfahrung. Ich glaub, ich kann das eher wegstreichen. Aus eigener Erfahrung weiß ich nur, wie U-Bahn-Überwachungsbildschirme ausschauen. Daniela Rom: Spannend wird es, wenn bei dem Thema Überwachung gezeigt wird, dass auch alle gesammelten Daten entweder falsch interpretiert werden können oder die Interpretation zwar stimmt, aber dennoch nicht zum Mörder führt. Noch einmal zu The Good Wife: Da wird am Schluss des Erzählstranges der Chef der NSA-Abteilung reingelegt, indem Anrufe von Menschen mit arabisch klingenden Namen wegen eines vermeintlich zu verkaufenden Autos bei ihm in Scharen anrufen – und er ein Problem kriegt. Das hat mich zwar sehr amüsiert, auf der anderen Seite ist es aber schon irre, was aus irgendwelchen Metadaten herausgelesen werden kann. Julia Meyer: DIE Serie zur Datenverarbeitung ist da ja vielleicht Person of Interest. Leider macht sie meiner Meinung nach zu wenig daraus. Die Grundidee ist spannend, dann ist es aber eigentlich eine ziemlich oberflächliche Sache. Die Maschine, die die Daten für zukünftig geplante Verbrechen sammelt und auswertet, wird genau gar nicht erklärt. Und auch nicht hinterfragt. Dass sich der Erfinder Gedanken darüber macht, was relevante und irrelevante Verbrechen sind und ob nicht auch die unwichtigen, also die nicht staatsgefährdenden Morde relevant sind, mag ja noch interessant sein. Dann entwickelt sich aber aus der Entscheidung, sich der unwichtigen Fälle anzunehmen, eine ziemlich plumpe Rächergechichte. Die sich auch stur in jeder Folge wiederholt. Es ist damit nicht sonderlich weit weg von den CSI-Geschichten und die Metaebene bricht eigentlich weg. Deswegen hab ich auch schnell wieder aufgehört das Ganze zu schauen. Wer weiß, vielleicht habe ich deswegen einen Umschwung verpasst. Wissen Sie es, werte Userinnen und User? (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 26.6.2015) Schöne Kostüme und scharfe Trennung zwischen Herrschaft und Untertanen – am Sonntag lief im britischen TV die erste Folge der letzten Staffel von "Downton Abbey". Die Familiensaga Downton Abbey geht derzeit in die sechste und damit letzte Runde. Am Sonntag strahlte der britische Sender ITV den Anfang vom Ende der Granthams aus. Wir – die Serienreif-Damen – sind nicht völlig am Boden zerstört, dass es keine weitere Staffel mehr geben wird. Denn zuletzt waren die Geschichten schon ein wenig platt, dünn, langweilig. Da halfen auch die schönen Kostümchen nicht mehr. Deswegen die Frage: Ist Downton Abbey das neue Reich und Schön? Doris Priesching: Ich seh das nicht so eng, und gegen Reich und Schön habe ich auch nichts. Ganz abgesehen davon, dass Reich und Schön ungefähr 7000 Folgen hat und Downton Abbey um ca. 6950 weniger. Natürlich ist seit der zweiten, spätestens dritten Staffel die Luft raus, und alles wiederholt sich. Julian Fellowes hat es sich einfach gemacht, indem er die Figuren ausgewalzt hat – und jetzt wirken sie eben ein bisschen platt. Ich schau’s trotzdem, allein wegen Maggie Smith. Ich vermisse sie jetzt schon. Daniela Rom: Ach ja, die Dowager Countess ist schon das Großartigste, was Downton Abbey zu bieten hatte. Vor allem im Dauerclinch mit der Frau Crawley. Da ist so viel Witz drin, das reicht für sechs Staffeln. Beim Rest der Geschichte allerdings war die Luft eigentlich bald mal draußen. Und dann sterben einfach alle, um das Drama am Kochen zu halten. Ich muss gestehen, ich bin ein großer Fan der Optik von Downton Abbey und generell ein Fan von britischem Adelsspaß. Dass die Serie aber spätestens ab Staffel zwei immer mehr versoapisierte, hat meinen anfänglichen Enthusiasmus aber doch gedämpft. Julia Meyer: Ja, Maggie Smith mit ihrem Elektrizitätstick war lustig. Ich fand auch die Idee, dass Marys Verlobter auf der Titanic stirbt, lustig. Ich fand ehrlich gesagt alles, was tragisch sein sollte, irgendwie lustig. Vor allem wenn die Schauspielerin von Lady Mary versucht hat, ihrer Rolle Profil zu geben, und das irgendwie mit Pathos verwechselt hat. Am lustigsten fand ich den Tod des Diplomaten Mr. Pamuk. Doris Priesching: Lady Mary ist übrigens auch im wirklichen Leben als Michelle Dockery eine richtige Lady. Wir haben uns beim Interview kaum zu fragen getraut, so ein Eisberg saß da vor uns. Taylor Schilling übrigens auch, aber das ist eine andere Geschichte. Dockery erinnerte mich ein wenig an Christiane Hörbiger, der man auch nachsagt, dass sie seit ihrer Rolle bei den Guldenburgs glaubt, eine Gräfin zu sein. Interessantes Phänomen! Julia Meyer: Ich hab nach einem Gossip Girl-Marathon mal gedacht, ich wäre die 16-jährige Serena van der Woodsen. Und dann im Supermarkt auch so geschaut. Passiert also den besten. Michaela Kampl: Wer mich besonders nervt von der ganzen Familie, ist Lord Grantham. Der macht so gut wie alles immer richtig, und wenn er mal was nicht richtig macht, macht er es so, dass ich ihm nicht böse sein kann. Der verjubelt das Familienvermögen gleich zweimal, und dann müssen die Ladys den Karren wieder aus dem Dreck ziehen. Oder er steigt einem hübschen Zimmermädchen nach oder versteht nicht, warum seine Tochter einen irischen Revolutionssympathisanten heiraten will. Aber am Ende geht dann alles irgendwie immer gut aus – egal was passiert. Daniela Rom: Er ist halt so der gute Lotsch, der aber immer noch in der Vergangenheit festhängt. Da heiratet er zwar seine Amerikanerin, aber wenn es um den Hof geht, machen wir bitte alles so, wie wir es immer gemacht haben. Da ist auch das Spannungsverhältnis zu seiner Mutter, der vermeintlichen Betonschädelin, sehr interessant. Letztlich ist die alte Violet eine Revoluzzerin, selbst wenn sie zuerst verächtlich mit dem Kopf wackelt. Wenn die Enkelin dann unehelich schwanger ist, dann ist Violet zur Stelle und hat einen Plan. Michaela Kampl: Was mich an Downton Abbey stört, ist auch dieses Gefühl, das sie von einer historischen Periode vermitteln. Das eigentlich eh alles super ist, wie es war. Die Angestellten und die Hausherren sind doch wie eine große Familie, und dass den einen alles und den anderen nichts gehört, ist ja sowieso kein Problem, weil sich alle mögen. Und die Reichen geben dann den Armen eh was, und so kann es dann für immer bleiben. Das grenzt an Geschichtsfälschung und regt mich auf. Das ist die eine Seite. Auf der anderen schau auch ich schon gern zu, was sich so tut auf dem Grantham-Anwesen, wer mit wem und was und wo und überhaupt und die Kleider und so. Daniela Rom: Hmmm, ich verstehe, was du meinst – ob das allerdings schon Geschichtsfälschung ist, weiß ich nicht. Ich finde ja dieses ständige Hinweisen darauf, dass die ganzen Hauselfen urwichtig sind und dass es zur Aufgabe der Gutsherren gehört, Jobs zu schaffen, eher bezeichnend für das ureigene Verständnis dieser Klasse. Dass das wahrscheinlich nicht immer so eitel Wonne wie bei den Granthams war, ist aber auch klar. Und dass der Lord und sein Butler immer Buddies waren, wohl auch. Michaela Kampl: Ja, Jobs schaffen, eh. Aber das ist so ein bissi der gute, wohlmeinende Industrielle, dem dann die Leute dankbar sein müssen, dass sie ihre Arbeitskraft zu miesen Bedingungen verkaufen dürfen, weil es keine Alternative gibt. Downton Abbey bedient hier eine Sehnsucht nach einer Zeit, wie sie so nicht existiert hat – ähnlich wie der Manufactum-Katalog. Aber ich weiß schon, es ist eine Fiktion und ein wenig Kostümschinken und keine Dokumentation. Manchmal bin ich da milder, manchmal nicht. Es gibt auch die Theorie, dass Downton Abbeys rigides Klassensystem bei den Zuschauern besonders gut ankam, weil zur gleichen Zeit in der echten Welt die Finanzkrise tobte und drohte, vieles sicher Geglaubtes auf den Kopf zu stellen. Fun Fact: Julian Fellowes, der Drehbuchautor, sitzt auch für die britischen Tories im House of Lords. Daniela Rom: Ich sag ja eh nicht, dass das Bild des wohlmeinenden, umsorgenden Gutsherren der Wahrheit entspricht – es ist das Eigenverständnis. Darauf wird ständig hingewiesen, und das finde ich schon interessant. Dass es da offenbar immer noch einen tief verwurzelten Wunsch nach den alten gesellschaftlichen Spielregeln gibt und –da geb ich dir recht, Michi – damit nach einer Gesellschaft, die in dieser idealisierten Form nie existierte. Dass der gute Herr Fellowes auch eher aus Upstairs kommt denn aus Downstairs, spiegelt sich dann auch in der Serie wider. Der Blickwinkel ist immer klar jener von den Besitzenden auf die Untergebenen, selbst wenn die Angestellten gleich viel dargestellte Zeit in der Serie kriegen. Julia Meyer: Ja, voll. Wir hatten das im Zuge des Familienserien-Blogs schon mal angerissen: Dowton Abbey ist halt Eskapismus pur. Das ist ja nichts Schlechtes, aber ich finde, dass die Serie ihre Zeit nicht ernst nimmt. Die Rollen sind schon arg einfach gestrickt, und anders als beispielsweise bei Mad Men ist die 2015er-Perspektive der Serienmacher schon sehr spürbar. Und alles läuft dann im Endeffekt auf moderne Moralvorstellungen hinaus. Das historische Setting ist meiner Meinung nach oft nur Dekor. Aber vielleicht bin ich auch zu streng. Doris Priesching: Was mir am Anfang so gut gefallen hat, war dieses ständige Nichteskalieren von Situationen. Es musste nicht immer zum Schlimmsten kommen. Das begann mit dem Unkrautsalz, das schon fast zum Dinner serviert wurde – war es Unkrautsalz? Egal, irgendwas Giftiges, jedenfalls wurde es in der letzten Sekunde verhindert. Es ging so weiter, nie kam es zur unumkehrbaren Katastrophe, es gab immer irgendwie einen Ausweg. Das war ungewöhnlich fürs Dramafernsehen, das sich ja meistens von einem emotionalen Höhepunkt zum nächsten schrauben muss. Das Ende dieses zarten Leichtigkeit kam mit dem Tod diverser Hauptdarsteller. Daniela Rom: Stimmt, in Staffel drei war Schluss mit lustig. Ich meine, die haben da zwei Hauptfiguren ins Gras beißen lassen. Zwei! Das muss ein Serienfan-Herz erst mal verkraften. Michaela Kampl: Ja, das war schlimm. Und hat irgendwie nicht zum Rest der Erzählweise gepasst. Sonst ging es da zum Teil darum, wer eine Gartenshow gewinnt, und dann das. Ich sag euch ehrlich, ich bin überwiegend froh, dass es nach dieser Staffel vorbei ist. Dann kann die Suppe nicht noch dünner werden – und ich kann Dowton Abbey in einigermaßen guter Erinnerung behalten kann. Irgendwie die letzte Chance, nicht zu Reich und Schön zu werden. Also mit ein paar Scones, süßem Rahm und schwarzem Tee wird wohl auch dieser Abschied bittersüß und erträglich werden. Julia Meyer: Teile der Serie wurden übrigens auf dem Anwesen von Deborah Mitford gedreht, der jüngsten der Mitford-Schwestern. Im englischen Raum ist die Familie sehr bekannt. Unity Mitford war zum Beispiel eine gute Freundin Hitlers und schoss sich zu Kriegsbeginn in den Kopf. Ihre Schwester Jessica war wiederum Kämpferin im spanischen Bürgerkrieg, Sozialistin, Menschenrechtsaktivistin und auch sonst ziemlich einzigartig. Und die älteren Schwestern galten in den 20er-Jahren als die ersten It-Girls ever. Der Vergleich zwischen dem Leben der Mitford-Schwestern und Downton Abbey taucht in der englischen Presse oft auf. Ich empfehle jeder und jedem, die sich für die Zeit und/oder bewegte Biografien vom Anfang des vergangenen Jahrhunderts interessieren, Susanne Kippenbergers Buch Das rote Schaf der Familie. Da gehts wirklich wild zu. (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 22.9.2015) Wie viel wirr muss sein? Wann wird es nervig? Und sind Männer und Frauen gleich seltsam?. Er ist sozial ungeschickt bis hin zu richtig unhöflich, Hinterbliebene und Verbrechensopfer können bei ihm nicht auf Mitgefühl zählen, Menschen sind ihm manchmal sogar zuwider: Der Ermittler – egal ob Polizei-, Privat- oder sonst was – von heute ist weniger die gebeutelte Figur, die sich mit Alkohol und Drogen über die Runden zu helfen versucht, als vielmehr der psychisch angeknackste oder gesellschaftlich inkompatible Außenseiter. Egal ob Sherlock oder Carrie Mathison aus Homeland, das Bromance-Gespann aus Hannibal oder der einsame, traurige Detective aus River – das Serienreif-Quartett ist diesmal der Frage nachgegangen: Wie seltsam müssen gute Ermittler sein? *** Daniela Rom: Wenn man sich die großen Erfolge der vergangenen Jahre anschaut, anscheinend eher sehr seltsam. Die Frage ist halt, wie man dieses seltsam charakterisiert und woher die Seltsamkeit kommt. Bei River (übrigens eine fette Empfehlung für alle, die es noch nicht gesehen haben) und Die Brücke sind die Hauptermittler zumindest einmal sozial ziemlich inkompatibel – ob sich dahinter ein konkretes Krankheitsbild versteckt, wage ich nicht zu beurteilen. Ist aber auch egal: Der in sich gekehrte, weirde Ermittler ist offenbar die neue Blaupause, die Erfolg garantiert. Auch Sherlock passt in ein ähnliches Muster – wenn auch alle aus unterschiedlichen Gründen seltsam sind. Spannend wird es auch dann, wenn durch diese vermeintlichen persönlichen oder psychischen Unzulänglichkeiten überhaupt erst das Lösen komplexer Fälle möglich wird – ebenfalls wieder River und Sherlock als Beispiele. Doris Priesching: Die Psychos unter den Ermittlern nehmen inzwischen pandemische Ausmaße an. Irgendwie darf da offenbar keiner mehr normal sein. Julia Meyer: Es ist halt irgendwie eine Parallelentwicklung zu echten Welt. Wo früher alles, was von der Norm abwich, eher als nicht näher analysierte Eigenheit galt, sind solche Eigenheiten heute klarer als Abweichung von einer psychischen Norm gekennzeichnet. Gleichzeitig ist es interessant, dass eine Welt, die immer wirrer erscheint, medial, also zum Beispiel in Serien, eben nicht die ordnenden Heldinnen oder Helden hervorbringt, sondern Menschen, die selber in vielerlei Hinsicht wirr sind. Siehe Carrie bei Homeland. Von der möchte ich eher nicht beschützt werden. Sie erscheint mir schon nicht mehr reizend labil. Daniela Rom: Meinst du, früher sei ein Sherlock als nicht abweichend von der psychischen Norm gekennzeichnet wahrgenommen worden, oder verstehe ich da gerade etwas falsch? Es ist ja auch so, dass gerade Detektive und Polizisten gerne als gebrochene Charaktere dargestellt werden. Vor 20, 30 Jahren haben die halt alle gesoffen oder waren unkontrolliert bis gewalttätig, wenn sie für die gute Sache unterwegs waren und die bösen Jungs gefangen haben. Mir scheint, mittlerweile ist der Detektiv eher der psychisch Labile, sehr in sich selbst Gefangene, der über die (vermeintlichen) Defizite zum Superverbrechenslöser wird. Julia Meyer: Ja, genau, früher haben sie tendenziell eher gesoffen oder waren cholerisch. Heute, so kommt es mir vor, werden die psychischen Knäckse analytischer inszeniert. Und sind dann halt schnell auch krankhaft. Michaela Kampl: Mir kommt vor, dass da zum Teil auch alte Männlichkeitsbilder erodieren. Also das Saufen und Rauchen und Geschiedensein reicht nicht mehr, um als interessante Männerfigur wahrgenommen zu werden. Da füllt dann leicht ein psychischer Knacks diese Leere in der Erzählung. Für Frauen als Hauptrollen scheint es aber zu reichen, so zu tun, als wären sie ein Mann in einem 80er-Jahre-Krimi – also saufen, rauchen und unverbindlichen Sex haben –, um als spannende Frauenfigur zu gelten. Beispiele wären Kommissarin Lund oder auch Antigone Ani Bezzerides in der zweiten Staffel von True Detective. Doris Priesching: Unter diesem Bündel an hysterischen Charakteren sticht für mich Carrie Mathison hervor, ihr Name trägt das mad zumindest lautsprachlich schon in sich. Ihr Zusammenbruch am Ende der ersten Staffel war einfach brutal. Das hatte etwas von einer Urgewalt im Niedergang und hat mich sehr berührt. Weil oft wird ja das Kaputte in den Kommissaren erzählt und nicht so sehr in den Folgen dargestellt. Bei Carrie ist die Neurose pathologisch und wird lange Zeit medikamentös verdeckt. Ihr Krankheitsbild – und auch die Behandlung – erinnern stark an Sylvia Plath. Die Isolation, die Gewalt, die Stromschläge und die Einsamkeit haben in der Unmittelbarkeit etwas von der Glasglocke: Das war einfach schockierend und stark. Spätestens seit der zweiten Staffel werden diese Zusammenbrüche aber als inszenatorisches Mittel eingesetzt, um dramaturgische Defizite auszugleichen. Und seither ist es mit Carrie ein bisschen schwierig. Um nicht zu sagen nervig. Michaela Kampl: Kleiner Einwurf: Würden wir Carrie auch so nervig finden, wenn sie ein Mann wäre? Und würden bipolare Ausbrüche bei einer männlichen Hauptrolle ähnlich erzählt werden? Doris Priesching: Interessante Frage. Bei Männern würde man das gar nicht akzeptieren, denk ich. Aber ich kann mich täuschen. Julia Meyer: Ich bin mir eigentlich recht sicher, dass die Figur dann nicht so nervig wäre. Beweise habe ich aber auch keine dafür. Daniela Rom: Ich finde den Sherlock in Elementary auch supernervig, obwohl er ein Mann ist. Es geht um die Geschichte – und ja, ich bin kein Homeland-Fan. Auch weil mir Carrie auf die Nerven geht, aber nicht nur deswegen. Doris Priesching: Die entrückten Ermittler sind auch Ausdruck eines antiautoritärisierten Gesellschaftsbildes, das in gewisser Weise auch herbeiinszeniert wird. Früher waren die Ermittler Helden mit der weißen Weste und in diesem Sinn so eine Art Idealvaterersatz, jedenfalls eine klärende Instanz. Diese patriarchalen Kommissare waren in der Anfangszeit des Fernsehens immer Männer. Inzwischen sind sie von ihren Podesten gestoßen, aber irgendwie bleiben sie trotzdem geadelt. Ich würde mir mittlerweile auch einmal einen ganz aalglatten, sauberen Polizistenhelden wünschen. Saga Norén aus Die Brücke wäre ja theoretisch so eine, allerdings darf sie das nicht bleiben. Eine perfekte Ermittlerin kann offenbar kein perfekter Mensch sein. Man beschädigt damit schon auch Figurenmuster und Geschlechterrollen. Den Frauen gegenüber ist das jedenfalls nicht nett, dass Martin Rohde der Gmiatliche und Menschliche ist und sie die Asoziale. Hervorragend im Beruf, aber menschlich eine Katastrophe. Was wohl Barbara Sichtermann dazu sagen würde? Michaela Kampl: Die Brücke ist meiner Meinung nach bei der Geschlechterrollenfrage ein schwieriger Fall. Ich finde es gut, dass eine Frau die asoziale Kollegin spielt, die einen Mann braucht, der das Porzellan, das sie emotional zerdepscht, hinter ihr aufkehrt. Dass dann aber schnell das Anstrengende-Frau-ist-gleich-Zicke-Urteil da ist, wundert mich nicht. Daniela Rom: Gerade bei Die Brücke, finde ich, ist das in der Gesamtbetrachtung gar nicht der Fall. Klar, Saga ist die sozial Inkompatible. Aber Martin steigt auch nicht gut aus – er mag zwar sozial agieren können, trotzdem rennt alles schief, auch im Privaten. Und auch der ganze Fall ist ja rund um ihn aufgebaut in der ersten Staffel. Außerdem scheint es eine Art Gegenbewegung zu geben. Nehmen wir nur einmal Detective Solverson aus Fargo II (genauso wie die Frau Solverson aus Fargo I). Das ist die totale Antithese zu alldem, was wir bisher beschrieben haben. Ein Normalo im besten Sinne, freundlich, gewissenhaft, unbestechlich, nett zu Frau und Kind, und der kommt sogar ohne regelmäßige Auszucker in irgendeine Richtung aus. In US-Medien wurde da viel über den new decent guy diskutiert. Eine ähnliche Figur ist Watson in der BBC-Sherlock-Serie. Der zuckt halt manchmal ein bisschen aus. Doris Priesching: Ganz oft ist der psychisch angeschlagene Kommissar, Detektiv und so weiter ein Trick, um besser in den Fall hineinzukommen. Wie verleihe ich meiner Figur eine unverwechselbare Identität? Indem ich ihr eine psychische Auffälligkeit gebe. Das wird inflationär eingesetzt und gelingt nicht immer so gut wie bei Sherlock. Die Frage ist dann, ob die besseren Ermittler nicht sogar einen psychischen Schaden haben müssen, damit sie in dem kranken System, in dem sie sich bewegen, agieren können und ihre Lösungen bringen können. Michaela Kampl: Das ist wie Schatten und Licht, das eine gibts ohne das andere nicht. Diese Nähe zum anderen, zum Bösen oder zum Kriminellen, kommt bei Fernsehcops immer wieder einmal vor. Wie beim Tatort mit Schimanski oder bei The Wire. Also eigentlich müssten wir auch mitfragen: Sind die Bösewichte auch seltsamer geworden? Julia Meyer: Na ja, mir fällt da halt Will Graham bei Hannibal ein. Gut, basiert auch auf einer Buch- beziehungsweise Filmvorlage. Aber der nimmt das Prinzip schon ziemlich ernst. Er isst jetzt nicht unbedingt Menschen. Aber die Figur des Profilers wird hier schon ziemlich weit getrieben. Das ständige sich Hineinversetzten in ein krankes Hirn, was immer wieder darin mündet, dass nicht nur Realität und Wahn sich vermengen, sondern die Nähe zum Bösen sogar eine symbiotische Beziehung ergibt. Michaela Kampl: Der riecht auch mal an ihm. Große Bromance. Symbiotisch sind auch Sherlock und Moriarty. Julia Meyer: Na ja, dieses Bromance-Ding ergibt sich halt oft aus diesem Wir sind besser als der Rest. Da ist die moralische Komponente letztlich komplett wurscht. Wichtiger, scheint mir, ist jetzt in diesen beiden Fällen das Ich einsamer Wolf – du einsamer Wolf, ergo: Wir sind eigentlich das perfekte, natürlich geniale, Paar. Doris Priesching: Womit wir bei Akte X wären. Aber dazu vielleicht ein andermal. (Michaela Kampl, Julia Meyer, Doris Priesching, Daniela Rom, 19.1.2016) Hodor, ein paar Mörder und ein bisschen Hokuspokus – und was sonst noch in Folge zwei der sechsten Staffel geschah. Spoiler! Spoiler! Spoiler! – Wer Angst hat, hier etwas über den Inhalt von Game of Thrones zu erfahren, der fürchtet sich ganz zu Recht. Sagen Sie dann bloß nicht, wir hätten Sie nicht gewarnt vor den folgenden Informationen aus Westeros. Zu sehen ist Game of Thrones zeitgleich mit der US-Ausstrahlung auf Sky Online. Jon Snow lebt. BAM! Auch wenn dieses grunderschütternde Ereignis erst ganz, ganz zum Schluss der Folge zwei eintritt – seien wir uns ehrlich: Das ist eigentlich das Einzige, was uns seit dem Start von Staffel 6 interessiert. Dabei machte es erst gar nicht den Anschein, dass eine Wiederauferstehung tatsächlich ansteht, wurde doch schon die Beseitigung der Leiche per Verbrennen vorbereitet. Wildlinge und ein Riese gemeinsam mit den paar loyalen Snow-Anhängern stürmten Castle Black – gerade noch rechtzeitig, um Ser Davos und die trauernden Gesellen und Schneemänner zu retten. Für ein bisschen Gerechtigkeit sorgte schließlich, dass der Snow-Verräter Allisar Thorn im Häfn landet – weitere Bestrafungen sind wohl nicht auszuschließen. Die rote Zauberin Melisandre ist zwar wieder jung, aber in Depristimmung. Sie plagen große Selbstzweifel: Nix funktioniert, keine Prophezeiung stimmt, alle tot – das hilft selbst dem heitersten Gemüt nur schwer auf die Sprünge. Doch Ser Davos schafft es, die rote Frau davon zu überzeugen, dass sie es mit einer Wiederbelebung des toten Snow doch wenigstens versuchen soll. Wiederbelebung geht so: ein bisschen Leiche waschen, Haarlocken abschneiden und verbrennen, noch ein bisschen Leiche waschen, dann Haare waschen, zwischendrin ein Hokuspokus und Abrakadabra. Und: nichts. Gar nichts. Keine Regung, kein Herzschlag. Die arme Melisandre sieht sich bestätigt in ihrem Zweifelmodus. Die Herren von der Nightwatch verlassen mit ihr enttäuscht den Raum. Jon Snow bleibt tot. Aber dann kommt er doch, der erste tiefe Atemzug nach ein paar Tagen Leichenschlaf. Jon Snow is back! Wie er zurückkommt, werden wir dann in den nächsten Folgen beobachten können. Ob der plüschige Jon Snow ein bisschen kälter und härter aus den paar Tagen Totsein zurückkehrt? Oder sonstige Schäden davongetragen hat? Zurückgekehrt aus der Versenkung der Staffel 4 ist in Folge zwei auch der Halbbruder von Jon Snow, Bran Stark. Mit seinem Lehrmeister Three-eyed Raven reist er in Visionen der Vergangenheit – was auch erklärt, warum wir den gehbehinderten jungen Mann auf Pressefotos in der Gegend herumstehend sehen konnten. Jedenfalls findet sich Bran zu Hause wieder, Jahre zuvor, und sieht seinem Vater und dessen Geschwistern als Kinder beim Kämpfenlernen am Hof von Winterfell zu. Vielleicht wird auf diese Weise, also per Rückvision, auch das Geheimnis um die Eltern von Jon Snow gelüftet. Ein Wiedersehen gibt es auch mit Hodor. Der heißt in der Vergangenheit noch Wylis und kann mehr sprechen als: Hodor. Viel mehr kriegt Bran dann in der Gegenwart auch nicht aus seinem treuen Begleiter heraus, als er ihn fragt, was denn geschehen sei. Wir können wohl auch hier davon ausgehen, dass wir diese Geschichte erzählt bekommen werden. In Kingslanding gibt es ein bisschen Familienzoff. Cersei darf auf Anweisung des Königs Tommen, ihres gemeinsamen Sohnes mit ihrem Bruder (ja, das stimmt so), nicht an der Beerdigung ihrer Tochter Myrcella teilnehmen. Da schnappt sich Vater Jaime seinen Buben und redet ihm ins Gewissen. Tommen ist eh schon ganz fertig wegen der Sekte der Spatzen. Dass er weder seine Frau vor dem Gefängnis noch seine Mutter vor dem Walk of Shame retten konnte, ist doch gar viel für den jungen König. Er geht dann auch zu seiner Mama und entschuldigt sich, und Mamas verzeihen alles. Jaime bleibt unterdessen in der Great Sept, wo ihm der freundlich-feindliche Great Sparrow entgegentritt. Der Kingsslayer überlegt laut und mit gezogener Waffe, den Sektenguru zu töten. Doch die Sparrows, die creepy religiösen Brüder, sind wie immer nicht weit, und es passiert vorerst einmal nicht. Eunuchenwitze und die Einsicht, dass es in Meereen gerade nicht so super rennt, bringen uns zum dritten Lannister-Geschwisterkind, Tyrion. Der entpuppt sich als Drachenflüsterer, schließlich hat er sich schon als Kind Drachen gewünscht, aber keine bekommen. Die zwei verbleibenden Drachenkinder von Daenerys harren angekettet ihrer Tage, doch Tyrion befreit sie, was sie ihm schnurrend wie Kätzchen danken. Bei den Boltons schmieden Roose und Ramsay zuerst seelenruhig weiter Kriegspläne. Als die freudige Nachricht hereingetragen wird, dass Rooses Sohn geboren sei, ahnt man schon Fürchterliches. Doch alles scheint prima, Ramsay gratuliert und umarmt seinen Vater. Und ersticht ihn. Der neue Lord von Winterfell ist jetzt er. Im Norden soll verkündet werden, Roose sei von seinen Feinden vergiftet worden. Ramsay bleibt Ramsay, was nichts Gutes für die Mutter und das Baby heißt. I prefer to be an only child, sagt er, bevor er die Hunde auf die beiden loslässt. Unterdessen kriegt Arya Stark weiterhin eins übergezogen, als Training. Bis Jaqen Hghar auftaucht. Der schaut aus wie Jesus und fragt die übliche Frage, ob sie einen Namen hat. Als sie bei A girl has no name bleibt, befreit er sie aus ihrem Bettlerdasein und stellt sogar in Aussicht, dass sie ihr Augenlicht wiedererlangen könnte. Wir werden sehen. Schwester Sansa Stark, eigentlich auf dem Weg in Richtung Castle Black zu Halbbruder Jon (zu dieser Zeit noch tot), muss Abschied nehmen von Theon (Reek), denn der will auch nach Hause (der Titel der Folge hat schon seinen Sinn). Womit wir unseren letzten Abstecher dieser Folge machen, nämlich auf die Iron Islands. Da wird der amtierende König und Vater Theons, Balon Greyjoy, von seinem verschollenen Bruder ermordet. Was heißt: Die Iron Islands werden ihren neuen König wählen – da stehen dann wahrscheinlich der im Rückkehren begriffene Theon, seine Schwester Yara und der neu erschienene Onkel Euron zur Auswahl. Götter, Ritter und Geschenke – und was sonst noch in der dritten Folge der sechsten Staffel von "Game of Thrones" geschah. Wer keine Spoiler will, sucht am besten mit geschlossenen Augen nach dem Schließbutton des jeweiligen Browsers. Und schaut wieder hier vorbei, wenn Episode 3 der sechsten Staffel über den eigenen Bildschirm geflimmert ist. Hier werden die Inhalte der aktuellen und der vorhergehenden Staffeln besprochen. Auch im Forum. Also: SPOILER-ALARM! Beginnen wir diesmal mit einer sehr allgemeinen Zusammenfassung: Folge drei der sechsten Staffel mit dem Titel Eidbrecher gibt uns allen ein bisschen Zeit zum Verschnaufen und setzt die Spielfiguren erneut in ihre Positionen für die angehenden Züge. Und nun zu den Details: Seit vergangener Woche wissen wir, dass Jon Snow wieder lebt. Warum das so ist, an dieser Frage kiefeln eigentlich alle. Der Wiederbelebte selbst ebenso wie die Wiederbeleberin Melisandre, Ser Davos und der ganze Rest der Nachtwache. Erinnern kann sich Jon Snow vor allem an den Mord an ihm, danach war nichts – keine guten Aussichten für alle, die sich im Jenseits noch etwas erhofften. Die erstaunten Blicke der Nachtwächter kommentiert Wildling Tormund mit: Die halten dich für irgendeine Art von Gott. Ein bisschen Schmähführen und pubertäre Peniswitze später weiß Tormund: Jon Snow ist noch der Alte – mehr oder weniger. Nachdem die Verräter gehängt werden, übergibt Jon Snow seinen Mantel und damit das Kommando über die Nachtwache an Eddison Tollett. Der weiß nicht so recht, wie ihm geschieht, doch Jon verlässt Castle Black unbemantelt in Richtung – ja, wohin eigentlich? Unterdessen entfernen sich Sam, Gilly und das Baby von Castle Black und fahren Richtung Süden. Das Schiff schwankt durch die Wellen, was dem Magen von Sam nicht sonderlich guttut. Trotz Übergebens erklärt er Gilly, dass er sie nicht mit in die Zitadelle nehmen kann, sondern dass er sie bei seiner Familie unterbringen wird. Nur zur Erinnerung: Sam will Maester werden, damit er Jon zur Seite stehen kann. Dass dieser nicht mehr Lord Commander ist, weiß Sam aber nicht. Gute Freunde kann jedenfalls ein Nicht-Commander auch gut brauchen. An einem Schauplatz in der Vergangenheit wird die Reise Bran Starks und seines Mentors, Three-eyed Raven, fortgesetzt. Bran beobachtet seinen Vater, Ned, als jungen Mann, es ist kurz nach dem Mord an dem irren König, und Ned sucht nach seiner Schwester Lyanna. Bei einem Kampf zwischen ihm und seinen Gefolgsmännern und zwei Rittern beginnt Brans Bild, das er von seinem Vater hat, zu wackeln. Statt, wie es Ned erzählt hat, in einem fairen Kampf erdolcht ein Gefolgsmann einen der Ritter hinterrücks, und Ned bringt das Ganze zu Ende. Eltern sind halt doch auch nur Menschen und nicht die idealisierten Helden der Kindheit. Das gilt wohl für die Starks genauso wie für alle anderen. Der Kampf findet unter einer Festung statt. Nach vollbrachter Erledigung der Feinde hört Ned eine Frau in der Burg schreien – ist es seine Schwester? Das wissen wir noch nicht. Und Bran – entsetzt von den Taten seines Vater – ruft ihn. Es ist nicht ganz klar, ob Ned ihn gehört hat, jedenfalls dreht er sich um. Es stellt sich damit die Frage, ob das heißen könnte, dass Bran irgendwie in die Vergangenheit eingreifen kann. Episode 3 bringt uns diesbezüglich nicht weiter, es bleibt bei bloßer Spekulation. Erneut zwingt Three-eyed Raven den jungen Bran in die Gegenwart zurück, was diesem auch diesmal nicht wirklich passt. Anderenorts latscht Daenerys weiter mit den Dothraki in Richtung Witwentempel. Dort erfährt sie, dass es noch keineswegs sicher ist, ob sie dort überhaupt bleiben darf. Schließlich hat sich Dany ja nicht an die Traditionen gehalten und ist mit ihren Drachenkindern vondannen gezogen. Jetzt wird entschieden, wie mit der Witwe verfahren wird. Die übrigen Ladys in dem Tempel sind – nun ja – nicht ganz freundlich gestimmt. Das könnte noch lustig werden. In Meereen versuchen Varys und Tyrion derweil, der Verschwörung der Söhne der Harpye auf den Grund zu gehen. Die Geldgeber sind gefunden, nun werden Pläne geschmiedet, wie des Problems Herr zu werden ist. Der Zombie-Ritter in Kingslanding heißt ab dieser Woche offiziell Ser Gregor – womit die Spekulation ein jähes und sehr unspektakuläres Ende hat. Seine Arbeitsgeber, die Lannisters, sinnen auf Rache. Kleine Vögelchen (Varys ehemalige Kinderspione) sollen helfen, alle Missgünstlinge, Feinde und mögliche Verschwörer aufzufinden. Jaime, Cersei und Gregor platzen in eine Sitzung des kleinen Rates, mit dem Effekt, dass alle geschlossen den Raum verlassen. Derweil besucht der Kindkönig Tommen den High Sparrow und verlangt, dass seine Mutter endlich die Ruhestätte seiner verstorbenen Schwester besuchen darf. Darf sie nicht, sagt High Sparrow, weil sie zuerst all ihre Sünden gestehen muss, um dann Tommen ein bisschen etwas über seine eigenen Mommy-Issues zu erzählen. Die Stark-Tochter Arya wird weiterhin mit Stockschlägen drangsaliert. Das heißt, sie ist immer noch beim Training, und sie ist immer noch blind – bis sie sich endlich gegen die Prügel wehren kann. Auf die übliche Frage gibt sie Jaqen Hghar die übliche Antwort: Dieses Mädchen hat keinen Namen. Dann noch ein Schluck aus dem Zauberbecher, und Arya kann wieder sehen. Offen bleibt bei dieser Geschichte, ob Arya es geschafft hat, sich ihren Platz zu erschwindeln. Als sie gefragt wurde, wer alles auf ihrer Todesliste steht, hat sie nicht alle Namen genannt. Oder habe ich da etwas verpasst? Und dann gibt es noch Ramsay Bolton. Dem wird von einem ehemaligen Stark-Gefolgsmann ein Geschenk überbracht: Es ist Rickon Stark, der jüngste der Stark-Geschwister, mit der Wildlingin Osha. Da bleibt wohl nicht viel mehr zu sagen, als: oje. (Daniela Rom 9.5.2016) Schlagen, schleimen, schluchzen: Folge fünf hält Schlachten und Gefühle bereit. Und wieder einmal eine mitreißende Schlussszene. Alle, die nicht wissen wollen, was in der fünften Folge der sechsten Staffel von Game of Thrones passiert, dürfen sich gratulieren: Sie sind schon fertig mit dem Text und können sich Wichtigerem zuwenden, zum Beispiel können sie den neuen Bundespräsidenten feiern oder ausbuhen. Alle anderen lesen weiter und behalten die Nerven. Wir müssen jetzt ganz stark sein. Schon wieder? Ja. Dabei sieht es zunächst gar nicht danach aus. Denn rein inhaltlich ist die sechste Staffel in der Mitte angelangt, das heißt: Sie befasst sich mit scheinbaren Nebensächlichkeiten. Fast alle sind wieder am Weg von irgendwo nach nirgendwo, entweder emotional oder geografisch – meist nicht zu friedlichen Zwecken. Die Folge trägt den Titel The Door – eine Anspielung auf Hodor (Hold the Door) – und hält eine gewaltige Schlussszene bereit. Hodor ist der Riese der Herzen. Das passiert in Folge fünf: Lady Sansa erhält Besuch von Littlefinger. Die Begegnung verläuft äußerst frostig, war er doch derjenige, der das arme Mädchen der Bestie Ramsay Bolton auslieferte. Die Entschuldigungen des Bordellbetreibers wirken ein wenig hilflos und kommen bei Sansa nicht an. Zumal sie die neue Zielstrebigkeit lebt und Großes plant: Mein Bruder und ich werden den Norden erobern. Zum Abschied gibt Littlefinger noch einen Tipp, wo sie Kämpfer abziehen könnte. Sansa schaut finster, aber insgeheim weiß sie: Der Schleimer hat recht. Brienne macht Sansa weiter den spannenlangen Hansel und zieht los, um Soldaten zu rekrutieren. Ayra lässt sich inzwischen weiter grün und blau prügeln, um bei Jaqen Hghar eine vernünftige Ausbildung als Kämpferin zu genießen. Man möchte die blauen Flecken nicht zählen, aber Gott sei Dank heilen die Wunden schnell. Allein der zornige Gesichtsausdruck verrät, dass es ihr schön langsam mit dem Gehautwerden reicht. Jaqen Hghar findet das auch und erzählt die Legende von den gesichtslosen Männern, gibt ihr eine neue Identität und einen Killerauftrag. Den auszuführen, wird dem Mädchen, das keine Wünsche hat, umso leichter fallen, als die Auserwählte eine Schauspielerin in einem Theaterstück ist, das sich über ihren Vater Ned lustig macht. Ironie ist nicht unbedingt die Stärke der geprüften Regententochter. Satire ist auch im Fantasiereich Westeros ein hartes Geschäft. Yara Greyjoy schwingt sich zur Präsidentin, pardon: Königin der Eisernen Inseln auf. Aber die Machobande ihrer Untertanen kommt damit nicht gut zu Rande, allen voran Onkel Euron. Er verspricht Bedeutsames – man könnte auch sagen: das Blaue vom Himmel. Das hilft zunächst einmal nichts, denn Yara und Theon schnappen sich die Schiffe und machen sich schnell vom Acker. Der Onkel ist böse, und wieder einmal heißt es: jeder gegen jeden. Daenerys löst sich vom todkranken Jorah, dieser sagt zum Abschied die berühmten drei Worte. Die herrische Natur der Drachenmutter kommt wieder durch, dieses Mal beauftragt sie Jorah, nach einer Heilung für seine Krankheit zu suchen, so lange – ja, wie lange eigentlich: bis es aus ist? Aber den Befehlen seiner Königin hat man zu gehorchen, vielleicht findet sich ja ein Guru und verhilft zur Spontanheilung. Tyrion und Varys stecken irgendwie marketingmäßig fest: Dass Daenerys dem Volk Frieden gebracht hat, weiß selbiges nicht so recht zu schätzen. Es braucht also eine Lichtgestalt, es braucht: Kinvara, Hohepriesterin des roten Tempels, Flamme der Wahrheit, Licht der Weisheit, erste Dienerin des Herrn des Lichts. So einen Titel muss man erst einmal erwerben. Wer, wenn nicht sie? Da kommt etwas auf uns zu. Tiefenpsychologisch relevant ist weiterhin die Erweckungsgeschichte von Bran, die auch für uns allerlei Neuigkeiten bringt. Wir erfahren: wie die weißen Wanderer entstanden sind – brutal! – und schließlich, wie der Wonneproppen Hodor zu seinem Namen kam, siehe Hold the Door – zum Weinen! Brans Visionen werden schön langsam lebensbedrohlich, und zwar nicht nur für ihn selbst. Es geht drunter und drüber. Da braucht jemand dringend einen Arzt! (Doris Priesching, 23.5.2016) In der Netflix-Serie "Unbreakable Kimmy Schmidt" gibt er das Großstadtdickerchen. Privat schwärmt Burgess für die völlig unlustige Gruseliade "Penny Dreadful". Paris – Eine als besonders wirksam geltende Therapiemethode für Menschen in psychischer Bedrängnis heißt Perspektivenwechsel: Dinge so zu schauen, als sähe man sie das erste Mal. Alles so schön bunt hier! Das garantiert zumindest anfangs berauschende Aha-Erlebnisse, so lange jedenfalls, bis die rosa Klarheit abflacht und ernüchtert anzuerkennen ist, dass neben dem Schönen und Guten auch reichlich Garstiges sowohl in der Welt als auch nebenan und überhaupt erst innendrin existiert. Dann heißt es stark sein. Stark wie Serienheldin Kimmy Schmidt. Die unerschütterliche Frohnatur aus der Netflix-Serie Unbreakable Kimmy Schmidt ist vor nicht allzu langer Zeit dem wortwörtlichen Untergrund einer finsteren Sekte entstiegen und von dort – Kulturklatsch! – mitten in den Höllentiegel New York geplumpst. Dort arbeitet sie sich seit einem Jahr nach der Idee von Tina Fey (Saturday Night Live, 30 Rock) und Robert Carlock (Friends) am urbanen Wahnsinn ab und leistet mit unkaputtbarem Optimismus Widerstand gegen städtische Grundpessimisten und -chauvinisten. Der Witz, der im Aufeinanderprallen von Enthusiasmus und Sarkasmus entsteht, zieht. Die absurd-komischen Abenteuer mit Ellie Kemper spielten sich auf Netflix soeben in die zweiten Saison. An ihrer Seite hat Kimmy Schmidt einen sanft-wuchtigen Mitstreiter – in der Serie heißt er Titus Andromedon, in echt Tituss Burgess. Ich liebe die Rolle!, sagt der US-Schauspieler beim Gruppeninterview in Paris. Den Typus des sensiblen Großstadtneurotikers kenne er nur allzu gut: Ich habe Freunde, die sind wie er. Der ein-s-ige Serien-Titus heißt mit bürgerlichem Namen Ronald Wilkinson und war einen Tag verheiratet. Die Eheschließung sorgte für Schweißbäche. Noch bei der Hochzeitsfeier nahm er seinen blütenweißen Mantel und wechselte mit neuem Namen das Ufer, zu sehen in der ersten von 13 neuen Folgen. Mit der Rolle hat sich der New Yorker Broadway-Künstler in null Komma nichts Kultstatus erspielt. Das sei Fey und Netflix zu verdanken, sagt er: Es ist einfach nett, mit einem Netzwerk zu arbeiten, das eine Figur wie Titus nicht als bloße Weihnachtsdekoration verwendet: Er ist der Weihnachtsbaum. Als Zuschauer zieht es Burgess zu düsteren Adressen. Zuletzt sah er Penny Dreadful von Showtime, jenes Dauerschauer erzeugende britisch-amerikanische Serienepos mit Gruselhelden von Frankenstein über Dorian Gray bis Van Helsing, in dem es von genreklassischen Vampiren, Werwölfen und anderen unheimlichen Fabelwesen nur so wimmelt. Burgess liebt Penny Dreadful, weil Schauspieler und Storylines großartig sind. Gespielt werden die Geschichten von Eva Green (James Bond), Timothy Dalton (James Bond), Josh Hartnett (Pearl Harbour) und Reeve Carney (ab Herbst als Riff Raff in der neuen Rocky Horror Picture Show). Bisher 18 Folgen aus der Produktionsschmiede von John Logan, Sam Mendes und Pippa Harris gibt es, bald noch mehr. Burgess erinnert die Serie an Into the Woods, das US-Grusical von Rob Marshall aus dem Jahr 2014, in dem Größen wie Meryl Streep, Emily Blunt und Anna Kendrick einen auf Rotkäppchen, Rapunzel und Aschenbrödel machen. Nicht unkomisch. Als TV-Kommissariat genutztes Gebäude wird Flüchtlings-Unterkunft. Kiel – Der Kieler Tatort-Kommissar Axel Milberg (59) wird bei künftigen Dreharbeiten ein ungewöhnliches Publikum haben. Das Gebäude der ehemaligen Marinetechnikschule, in dem Szenen aus dem TV-Kommissariat gedreht werden, wird ab heute, Montag, zu einer Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge. Bis zu 800 Menschen können dort untergebracht werden. Milberg alias Kommissar Borowski und sein Team sollen trotz der außergewöhnlichen Umstände in dem Gebäude weitermachen. Gemeinsam mit der Stadt und den Hilfsverbänden haben wir einen Weg gefunden, dass Borowski in seinem bekannten Kommissariat bleiben kann, sagte der ausführende Produzent, Johannes Pollmann, der Deutschen Presse-Agentur. Wir werden uns auf das Nötigste beschränken, damit möglichst viele Flüchtlinge Platz finden. Etwa zwei Drittel des bisher für die Aufnahmen genutzten Raumes würden abgegeben. Für den Dreh wird das mit Sicherheit eine Herausforderung, aber jetzt kommt es vor allem darauf an, zu helfen, sagte Pollmann. Der "Tatort Schwarzwald" mit Harald Schmidt als Kriminaloberrat Gernot Schöllhammer soll kein Klamauk werden. Stuttgart – Harald Schmidt kommt zurück. In ungewohnter Rolle wird der einstige Moderator, Entertainer und Kabarettist auf den Bildschirm zurückkehren. Als Kriminaloberrat Gernot Schöllhammer leitet er von Ende 2016 an die Ermittlungen des neuen Tatort-Teams im Schwarzwald. Den Namen habe er selbst erfunden, behauptete er am Dienstag in Stuttgart. Ich finde, er passt – und klingt schon wie der erste Fall. Entschieden tritt Schmidt Befürchtungen entgegen, es könne beim Tatort Schwarzwald zu klamaukig werden. Das ist ja für alle nachprüfbar: Ich habe mich vom Lustigen verabschiedet. Er brauche keine kleine Rolle beim Tatort, um lustig zu sein, der Südwestrundfunk (SWR) aber genauso wenig. Sein Büro schlägt Schöllhammer in Freiburg auf. Er wisse noch nicht genau, was er machen werde, weil er das Buch noch nicht kenne. Aber ich gebe wohl Befehle: Sprengt jetzt das Stadion oder Wir schließen den Flughafen oder Wir fluten den Landtag – irgendwie so was. Er verkörpere einen heterosexuellen, katholischen Familienvater. Das deutsche Fernsehen sei reif für einen derart radikalen Lebensentwurf. SWR-Fernsehfilmchefin Martina Zöllner wird zum Kabarettanteil im Tatort Schwarzwald noch deutlicher: In die Münster-Richtung wollten wir nicht. Die dortigen Krimis werden von Fans oft als zu klamaukig kritisiert. Schmidt outet sich aber als großer Axel-Prahl-Fan, der als Hauptkommissar Frank Thiel in Münster ermittelt. Er schaue regelmäßig sonntags den Tatort – meist aber, um zu lästern. Eva Löbau (43) und Hans-Jochen Wagner (46) sind die Schauspieler, die der SWR als Kommissare Franziska Tobler und Friedemann Berg ins Rennen schickt, die aber zwangsweise zunächst mal im Schatten von Schmidt stehen. Man werde ihn schon runter ziehen, sagt Löbau. Und der Star selbst spielt seine Rolle sofort runter: Es könnte sein, dass ich am Ende gar nicht weiß, wer der Mörder ist. Als Region der Mythen und Sagen preist der SWR den Schwarzwald. Mögliche Themen für den Tatort seien nicht schwer zu finden: der erbitterte Streit um den Nationalpark, Trendsportarten im Wald, der florierende Öko-Tourismus. Da lassen sich eine ganze Menge Themen denken, sagt Zöllner. Der Schritt aufs Land sei mit Bedacht gewählt worden. Man habe einen Kontrast zu den Tatort-Teams in Stuttgart und Ludwigshafen gesucht. Mit der Entscheidung für den Schwarzwald als Ermittlungsort geht auch ein beispielloser Wettstreit zu Ende. Dieser begann quasi mit dem Moment, als die ARD das Aus für den Bodensee-Tatort in Konstanz verkündete und bekanntgab, einen Eins-zu-eins-Ersatz im Südwesten zu suchen. Regelrechte Bewerbungen der Städte seien eingegangen, hieß es beim SWR. Mehr als 100 Bürgermeister aus Städten und Gemeinden im Schwarzwald signalisierten mit ihren Unterschriften Unterstützung. Das Duo war ursprünglich als einmaliges Feiertags-Event angedacht gewesen. Berlin – Nora Tschirner und Christian Ulmen machen als Tatort-Kommissare in Weimar weiter. Die dritte Tatort-Folge Siegfried und Roy soll im ersten Quartal 2016 gezeigt werden. Das Duo war bisher zweimal ermittelnd in Dorn und Lessing zu sehen, aber ursprünglich als einmaliges Feiertags-Event angedacht gewesen. Nach dem Aus für den Erfurter Tatort in diesem Jahr seien sie nun aber zum einzigen und dauerhaften Thüringen-Tatort geworden. Auch wenn der Eventcharakter weg sei: Sie bleiben ein Event, sagte die Intendantin des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR), Karola Wille, in einem Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Schauspieler hält Kritiker für ahnungslos und schreibt auf Facebook einen Verehrerbrief an den Regisseur. Berlin – Til Schweiger (52) hält seine neue Tatort-Folge für bahnbrechend und die Kritiker für ahnungslos. Der Filmemacher und Kommissar-Darsteller im Hamburger Tatort veröffentlichte in der Nacht auf Montag auf Facebook eine Art Verehrerbrief an Regisseur Christian Alvart. Darin attestiert Schweiger ihm, mit der am Sonntag ausgestrahlten Folge ein Stück deutsche Fernsehgeschichte geschaffen zu haben: Kompromisslos, atemlos, viril, phantastisch für das schmale Geld ... andere verschwenden das Budget für zwei moppelige Kommissare, die ne Currywurst verspeisen oder ein Bier vor einem bayrischen Imbiss zocken. Über die Kritiker schrieb Schweiger: Wenn sie ehrlich wären, würden sie zugeben, dass du was Außergewöhnliches geschaffen hast! Das kriegen sie aber nicht hin, weil sie schwach und klein sind! Er, Schweiger, habe viel mehr Ahnung von Filmkunst als die meisten Trottel, die darüber schreiben. Auf Facebook erhielt das Posting neben mehreren hundert Likes auch zahlreiche kritische Kommentare. 'Heino: "Dieser ''Tatort'' verhöhnt nicht nur meine Kollegen, sondern auch unsere vielen Fans". Berlin – Der neue Sachsen-Tatort über einen Mord in der Volksmusikszene hat einige Schlagersänger verärgert. Das Drehbuch kann nur ein Mann geschrieben haben, der von banalen Vorurteilen gegenüber Volksmusik geprägt ist und sich nie wirklich mit uns beschäftigt hat, sagte Musiker Heino (77) der Bild-Zeitung vom Montag. Dieser Tatort war überflüssig und verhöhnt nicht nur meine Kollegen, sondern auch unsere vielen Fans, erklärte Heino. In dem am Sonntag ausgestrahlten ARD-Krimi Auf einen Schlag, dem ersten Fall der Dresdner Kommissarinnen Karin Gorniak (Karin Hanczewski) und Henni Sieland (Alwara Höfels), drehte sich die Welt der Volksmusik um Geschäfte, alternde Stars und den schönen Schein. Den Tatort-Machern ist nichts Besseres eingefallen, als unsere Branche gehörig durch den Dreck zu ziehen. Schade, dass man uns Volksmusiker immer so negativ darstellen muss, sagte das Schunkelduo Marianne (63) und Michael (66) dem Blatt. Drehbuchautor Ralf Husmann (Stromberg) hatte sich für seinen ersten Tatort die Volksmusikszene ausgesucht, weil dort nach eigenen Worten noch Rock n Roll drin ist.' Nach Til-Schweiger-"Tatort" fraglich, "ob das heute überhaupt noch funktionieren kann". Berlin – Der schon lange geplante Tatort fürs Kino mit dem Ermittler-Duo aus Münster kommt offenbar nicht voran. Unser Kino-Tatort ist noch in der Pipeline, wie man so schön sagt, sagte Schauspieler Jan Josef Liefers (51), der neben Axel Prahl (56) eine Hauptrolle spielt, in einem Interview mit der Fernsehzeitschrift Gong. Aber die jüngsten Erfahrungen mit Tatort im Kino haben bei potenziellen Partnern Zweifel aufgeworfen, ob das heute überhaupt noch funktionieren kann, so Liefers. Zu Beginn des Jahres hatte Schauspieler Til Schweiger, der den in Hamburg ansässigen Ermittler Nick Tschiller spielt, den Tatort mit dem Titel Tschiller: Off Duty ins Kino gebracht. Nur knapp 300.000 Zuschauer zahlten bis Ende März Eintritt. Viele Zuschauer glaubten wohl, dass ein Tatort fürs Kino genauso von ihren Rundfunkgebühren finanziert würde wie einer für den Sonntagabend im TV und sahen gar nicht ein, warum sie nun auch noch Geld für eine Kinokarte ausgeben sollten, sagte Liefers. Die ARD plant, den Kino-Tatort mit Schweiger noch ins TV zu bringen. Für mich war und ist der einzige Grund für einen reinen Münster-Kino-Tatort, dass wir frei finanziert im Kino eine Art von Geschichte erzählen können, die fürs Fernsehen gar nicht möglich wäre, sagte Liefers. Thiel und Boerne retten die Welt, aber ohne Geballer. Ihren nächsten TV-Auftritt haben sie am 8. Mai mit dem Krimi Ein Fuß kommt selten allein. Des Kaisers ewige Armee, Rock am Ring 2015, Heute konkret: Urlaubsspezial, Hoagascht, Love and Other Drugs, Wildnis wider Willen, Glauben ist alles!. 17.30 DOKUMENTATIONDes Kaisers ewige Armee: Chinas Terrakotta-Krieger Die Nachricht von der Entdeckung der Terrakotta-Armee ging 1974 um die ganze Welt. Erste Ausgrabungen förderten jedoch nur einen Bruchteil dieses Schatzes zutage. Die Dokumentation zeigt exklusiv die Forschungsarbeiten des University College London. Bis 18.25, Arte 18.00 LIVERock am Ring 2015 Das ausverkaufte Musikfestival am Flugplatz Mendig wird live übertragen. Das Line-Up startet mit Skindred, Papa Roach und Enter Shikari. Es geht weiter mit Clueso, Marilyn Manson und Motörhead. Den Abschluss machen die Foo Fighters, Die Toten Hosen, Slipknot und The Prodigy. Bis 3.00, Eins Plus 18.30 MAGAZINHeute konkret: Urlaubsspezial – damit die Reise nicht zum Reinfall wird Jedes Jahr stapeln sich die Beschwerden über Pannen bei Ferienreisen. Auf der einen Seite enttäuschte Konsumenten, auf der anderen Seite uneinsichtige Reiseveranstalter, die sich weigern, Schadenersatz zu bezahlen. Bis 18.51, ORF 2 19.40 MAGAZINHoagascht Junge Frauen und Männer interessieren sich wieder für alte Techniken: Sie lernen Ranzen sticken, Stoff drucken, Hosenträger sticken, Stutzen stricken und filzen. Christina Brunauer findet heraus, ob das nur ein kurzer Trend oder die Wiederentdeckung alter österreichischer Tradition ist. Bis 20.10, Servus TV 20.15 VIAGRALove and Other Drugs – Nebenwirkung inklusive (USA 2010, Edward Zwick) Jamie (Jake Gyllenhaal) arbeitet als Pharmavertreter bei Pfizer, wo der Womanizer seinen Charme besonders gut einsetzen kann. Dann trifft er auf Maggie (Anne Hathaway), die ihn eiskalt abblitzen lässt. Eine brisante Liebesgeschichte mit ein wenig zu vielen positiven Wendungen. Bis 22.00, ORF 1 20.15 ABENTEUERWildnis wider Willen Freunde des Primitive-Skills-Experten Matt Graham kidnappen ihn und setzten ihn im Dschungel von Costa Rica aus. Dort leben 130 verschiedene Schlangenarten, Wespen und Krokodile. Ab 21.15 Uhr muss sich der Raubtierexperte Casey Anderson im Pemberton Icefield durchschlagen. Bis 22.15, Dmax 20.15 KUMPELGlauben ist alles! (Keeping the Faith, USA 2000, Edward Norton) Ben Stiller und Edward Norton lieben als Rabbi und Priester zwar nicht denselben Gott, wohl aber dieselbe Frau. Gemein freilich: Nur einer darf das auch. Liebenswert, nicht nur wegen Jenna Elfman. Bis 22.15, ZDF Neo 20.15 ARCHÄOLOGIEIndiana Jones und der Tempel des Todes (Indiana Jones and the Temple of Doom, USA 1984, Steven Spielberg) Die Fortsetzung zu Spielbergs Welterfolg Jäger des verlorenen Schatzes: fulminant zu Beginn, etwas langweilig in der Mitte, brutal und sentimental zugleich am Ende. Harrison Ford in seinem Element. Ein Kinofeuerwerk ohnegleichen! Bis 22.30, Sat 1 22.05 IDYLLPingpong (D 2006, Matthias Luthardt) Nach dem Tod seines Vaters fällt der junge Paul (Sebastian Urzendowsky) in ein emotionales Loch. Dann taucht er unangemeldet bei seinem Onkel (Falk Rockstroh) auf. Ein schlichtes Set mit einer einfachen Geschichte und tadellosen schauspielerischen Leistungen. Bis 23.35, Eins Festival 22.15 PILOTEPISODEInspector Lynley: Gott schütze dieses Haus (1) Der Dorfpfarrer entdeckt in Keldale, einem Dorf im englischen Yorkshire, die enthauptete Leiche von Bauer Tey. Neben ihm kauert seine traumatisierte, blutverschmierte Tochter Roberta. Ausstrahlung der zweiten Hälfte der Pilotfolge: Freitag, 12.6 um 22 Uhr. Bis 23.25, ZDF Neo 22.45 DOKUMENTATIONUniversum History: Diplomatische Liebschaften – Die Mätressen des Wiener Kongresses Wien 1814: Der Wiener Kongress – das erste Gipfeltreffen der Weltgeschichte: Europäische Führungsspitzen und Diplomaten-Delegationen beratschlagten von 1814 bis 1815 über die politische Aufteilung Europas. Fürst Metternich, Kanzler der Habsburgermonarchie, zieht im Hintergrund die Fäden – und nicht nur er hat die Gegenwart der einflussreichen Damen genossen. Bis 23.35, ORF 2 23.40 MAGAZINKurzschluss: Schwerpunkt „Tanz und Kurzfilme“ 1) Porträt – Aylin Tezel: Für ihren Film Tanz mit ihr hat Aylin Tezel das Drehbuch geschrieben, Regie geführt und die Hauptrolle gespielt. Ab 23.45 Uhr. 2) Zoom – Approaching the Puddle: Eine junge Frau kommt nach einem Regenschauer an einem leeren Parkplatz vorbei. Die zahlreichen mit Wasser gefüllten Schlaglöcher ziehen sie magisch an. Ab 0.10 Uhr. 3) Ab 0.24 Uhr wird der Kurzfilm Diva gespielt: Eine ehemalige Tänzerin schreitet über den roten Teppich. Sie sehnt sich nach Aufmerksamkeit und führt eine Darbietung des Werkes Largo von 1927 auf. Bis 0.30, Arte (Sandra Čapljak, 5.6.2015) Sonntag statt "Pressestunde" - mit Föderl-Schmid, Brandstätter, Weissenberger, Pandi. Wien - Das Thema der Pressestunde war Freitag klar, wer darüber diskutiert, brauchte diesmal noch bis Samstag: Statt einer Pressestunde zur rot-blauen Koalition im Burgenland diskutieren nun Herausgeber, Chefredakteure und leitende Journalisten in einer Runde der Chefredakteure. SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessls Zusammenarbeit mit der FPÖ widmen sich also Sonntag ab 11.05 in ORF 2: Leben, leben – bis zuletzt, Terra Mater: Amur – Asiens Amazonas, Weltjournal: Indien – Das Heirats-Business, Weltjournal +: Wertlos – Frau sein in Indien. 18.05 THEMENABENDLeben, leben – bis zuletzt! Unheilbare Erkrankungen oder das Alter führen zu einer veränderten Einstellung zum Tod: 1) This Jenny – bis zum Schluss Nach verlorenem Kampf gegen den Krebs beschließt Jenny zu sterben. 2) Um 18.30 Uhr: Nano Spezial Der Bundestag will eine gesetzliche Neuregelung der Sterbehilfe. 3) Um 19.00 Uhr: Du musst kämpfen, Johnny! Johnny ist 14 und hat Krebs. Dreimal dachte er, er habe ihn schon besiegt. 4) Um 19.30 Uhr: Kulturzeit: In Würde leben – in Würde sterben 70 Prozent der Bevölkerung befürworten das Recht auf einen selbstbestimmten Tod. 5) Um 21.15 Uhr: Und wenn wir alle zusammenziehen (Et si on vivait tous ensemble, F 2012, Stéphane Robelin) Eine Handvoll älterer Leute meistert ihr Leben trotz Krankheit. 6) Um 21.45 Uhr: Two Weeks – Anitas Abschied (Two Weeks, USA 2006, Steve Stockman) Anita liegt im Sterben – ihre Kinder kehren ins Elternhaus zurück. Bis 1.25, 3Sat 18.30 MAGAZINHeute konkret: Unfallursache Ablenkung Nicht selten ist Ablenkung die Ursache für Unfälle im Straßenverkehr. Der ÖAMTC hat die Ablenkung bei verschiedenen Tätigkeiten im Auto gemessen. Bis 18.51, ORF 2 20.15 MAGAZINTerra Mater: Amur – Asiens Amazonas (2/3) Über eine Strecke von 2000 Kilometern trennt der Amur Russland und China. Der chinesische Teil des Amurbeckens wird intensiv bewirtschaftet – dennoch konnten Urwälder erhalten werden. Bis 21.15, Servus TV 22.15 MAGAZINAuslandsjournal spezial Antje Pieper präsentiert einen Faktencheck zu Griechenland. Bis 22.45, ZDF 22.30 MAGAZINWeltjournal: Indien – Das Heirats-Business Die junge Generation in Indien bevorzugt arrangierte Ehen, wie es der Tradition entspricht. Bis 23.05, ORF 2 22.30 MAGAZINZoom: Die Macht von Amazon Ein Viertel des gesamten deutschen Handels wird von Amazon organisiert – Bericht über den amerikanischen Handelsriesen. Bis 23.00, ZDF 23.05 REPORTAGEWeltjournal +:Wertlos – Frau sein in Indien Radha Bedi macht sich auf eine Reise durch Indien. Mädchen und Frauen erzählen ihr, welchen Belästigungen sie immer wieder ausgesetzt sind. Bis 23.50, ORF 2 23.20 TALKMarkus Lanz Gäste: Peter Urban (Journalist), Olli Dittrich (Schauspieler), Maren Gilzer (Schauspielerin), Eberhard Figgemeier (Reporter), Thomas Ehrenberg (RLS-Erkrankter). Bis 0.55, ZDF 23.35 MAGAZINZapp Ein Jahr Krautreporter – wie es weitergeht. Bis 0.05, NDR (Andreas Haberl, 16.6.2015) Die Deutschen, Nano, Universum: Amerikas Naturwunder, Indien – Gewalt im Lande Gandhis, iLove, Willkommen Österreich, Jerry Maguire. 14.45 DOKUMENTATIONSREIHEDie Deutschen (1–5/10) Fünf Folgen am Stück zur Geschichte der Deutschen: Die Dokumentarreihe spannt den Bogen von den Anfängen unter Otto dem Großen im 10. Jahrhundert bis zur Ausrufung der ersten deutschen Republik 1918. Die Teile sechs bis zehn folgen am Donnerstag ab 14.45 Uhr. Bis 18.30, 3sat 18.30 MAGAZINNano Kristina zur Mühlen präsentiert: 1) Verlorener Kampf gegen das Vergessen. 2) Der Dreck kommt nicht weg. Bis 19.00, 3sat 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Amerikas Naturwunder – Die Magie der Wüste In Arizona, im Südwesten der USA, liegt der Saguaro-Nationalpark, ein besonders schützenswertes Gebiet der USA. Grund dafür ist der in der Sonora-Wüste weltweit einzigartige Bestand an Kandelaberkakteen. Die dritte Folge der Universum-Reihe zeigt den Artenreichtum der einzigen subtropischen Wüste Amerikas. Bis 21.05, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONIndien – Gewalt im Lande Gandhis Gewalt erschüttert ganze Bereiche der indischen Gesellschaft: Man denke an das Kastenwesen, die Indifferenz gegenüber den Armen, die Selbstverständlichkeit der Kinderarbeit, die Gewalt gegen religiöse Minderheiten oder das brachiale Vorgehen von Armee und Polizei bei Protesten, obwohl die Verfassung den Bürgern das Recht dazu garantiert. Bis 21.10, Arte 20.15 FACEBOOKiLove – geloggt, geliked, geliebt (A Case of You, USA 2013, Kat Coiro) Schriftsteller Sam (Justin Long) verliebt sich in die Kellnerin (Evan Rachel Wood) seines Lieblingscafés. Um ihr Herz zu gewinnen, studiert er ihr Facebook-Profil, und gibt vor, ihr Traummann zu sein. Netter Liebesfilm, der bis in die Nebenrollen prominent besetzt ist: Busy Philipps, Sienna Miller, Peter Dinklage, Brendan Fraser und Vince Vaughn. Bis 22.10, Super RTL 21.05 MAGAZINReport Themen bei Susanne Schnabl: 1) Griechenland – Die Folgen des Neins: Alexander Sattmann und Ernst Johann Schwarz analysieren die Auswirkungen der griechischen Volksabstimmung. 2) Asyl – schwierige Herbergssuche: Das Innenministerium stellt neue Zelte auf. 3) 50+ und ohne Job: Helga Lazar und Martina Schmidt berichten über das schwierigste Kapitel der Jobkrise. 4) Urlaub im Stau: Münire Inam und Jakob Horvat über die Nervenprobe zum Ferienstart. Bis 22.00, ORF 2 22.00 TALKWillkommen Österreich Ein Rückblick auf die Highlights aus acht Jahren: von Dagmar Koller, Conchita Wurst und Niki Lauda über Marcel Hirscher, Josef Hader, Michael Mittermeier bis zu Dolly Buster, Herbert Grönemeyer und Nena. Bis 22.35, ORF 1 22.30 MAGAZINkreuz & quer: Das Christentum und die Sexualität Die zweite Folge der dreiteiligen Serie widmet sich dem Thema der sexuellen Revolution, die bereits zum Beginn der Neuzeit die westliche Gesellschaft überrollte. Zunehmend stellte die Kirche selbst den ehelichen Geschlechtsverkehr als sündig dar, im Gegensatz zu Martin Luther. Ab 23.25 Uhr geht es um Die biblischen Plagen – Finsternis über Ägypten. Bis 0.10, ORF 2 22.30 GELDJerry Maguire – Spiel des Lebens (USA 1996, Cameron Crowe) Der Sportagent Jerry (Tom Cruise) träumt vom Erfolg, kann aber den Yuppie nicht ablegen. Dorothy (Renée Zellweger) folgt ihm dabei brav auf Schritt und Tritt und kümmert sich nebenher um ihren Sohn Ray (Jonathan Lipnicki). Da bleibt nur noch zu sagen: Führ mich zum Schotter! Bis 0.40, WDR 23.10 DOKUMENTATIONGeraubte Kunst: Auf der Jagd nach verlorenen Schätzen Als größter Kunstraub der Geschichte gilt der Diebstahl der Mona Lisa von 1911. Der Italiener Vincenzo Peruggia wollte das Meisterwerk „befreien“ und in die Heimat des Künstlers bringen. Bis 23.55, ZDF Info 23.58 KILLERKalifornia (USA 1993, Dominic Sena) Eine Romantikfahrt sollte die Reise zu berühmten Serienkillerschauplätzen ohnehin nicht werden. Als sich her ausstellt, dass Brad Pitt ein ungesundes Naheverhältnis zu David Duchovnys Studienobjekten unterhält, kann Juliette Lewis ihre Zuneigung auf Dauer nicht aufrechterhalten. Nicht jugendfreie Fahrt im Riesenschlitten. Bis 2.02, Tele 5 0.10 KATHEDRALEDie Säulen der Erde (1/4) (The Pillars of the Earth, D/CAN 2010, Sergio Mimica-Gezzan) König Heinrich I. stirbt, und es entbrennt ein Streit um seine Nachfolge: Heinrichs Tochter Matilda darf als Frau den Thron nicht besteigen, daher lässt sich ihr Neffe Stephan zum König krönen. Doch Matilda hat einen Sohn, der ebenfalls Anspruch auf den Thron erhebt. Ereignisreiches Historiendrama mit Rufus Sewell als charismatischem Steinmetzen. Der zweite Teil folgt am Mittwoch. Bis 1.55, ORF 2 (Sandra Čapljak, 7.7.2015) Barbara Stöckl spricht mit Eva Dichand, Rudi Dolezal mit Austro-Pop Legenden, dazu das Polit-Drama Lincoln. 20.15 ÜBERBEHÜTETGeneration Weichei – Wenn Mama und Papa nur das Beste wollen Beim Streben, ihrem Kind die bestmöglichen Entwicklungschancen zu bieten, übertreiben manche Eltern. Bis 21.00, 3sat 20.15 VERÄNDERUNGThe Hours – Von Ewigkeit zu Ewigkeit (USA/GB 2002, Stephen Daldry) Die Verfilmung des Romans Die Stunden erzählt von drei Frauen aus unterschiedlichen Generationen, deren Leben durch Virginia Woolfs Roman Mrs. Dalloway verbunden ist. Nicole Kidman in der Rolle der Virginia Woolf, Julianne Moore als Laura Brown und Meryl Streep als Clarissa Vaughn. Bis 22.30, ATV 2 20.15 RETROSPEKTIVAustropop-Legenden Der Musikvideoproduzent Rudi Dolezal spricht mit den Musikern hinter den Hits des Austropop – vom Dialektlied über Sprechgesang bis zum englischen Hit-Export. Mit Andy Baum (Slow Down), KGB (Motorboot), Hans Krankl alias Johann K. (Lonely Boy) und vielen anderen. Bis 21.15, Servus TV 21.05 DISKUSSIONInside Brüssel Zu Gast bei Peter Fritz sind der griechischer Politiker Kostas Chrysogonos (Syriza, Griechenland), Evelyn Regner (SPÖ), Barbara Kappel (FPÖ) sowie Siegfried Muresan (EVP, Rumänien). Themen: Griechenland, Globalisierung und Urheberrecht. Bis 21.50, ORF 3 21.05 REPORTAGEAm Schauplatz: Letzter Halt Praterstern Die Karlsplatzkinder sind umgezogen. Der neu renovierte Bahnhof Prater stern ist das neue Zentrum der Drogen- und Obdachlosenszene. Alfred Schwarzenberger hat sich darunter gemischt. Bis 22.00, ORF 2 21.50 MAGAZINIm Brennpunkt: Kinder als Selbstmordattentäter Einblick in das Leben der jungen Buben, die in Afghanistan von den Taliban zu Selbstmordattentätern re krutiert werden. Bis 22.25, ORF 3 22.15 DISKUSSIONTalk im Hangar 7: Bedrohte Heimat: Wie viel Mensch verträgt die Natur? Helmut Brandstätters Gäste: Christiane Brandenburg (Boku), Georg Rebernig (Umweltbundesamt), Peter Wohlleben (Förster), Josef Eder (Landesjäger meister) und Martin Balluch (Tierrechtsaktivist). Bis 23.25, Servus TV 22.25 DISKUSSION60 Minuten.Politik: Reformstau, Asylchaos und Schuldenhoch – Wie steht es um Österreich? Die Chefredakteure Christoph Takacs (ORF 3) und An dreas Koller (Salzburger Nachrichten) diskutieren mit Andreas Schieder (SPÖ), Reinhold Lopatka (ÖVP), Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ), Eva Glawischnig (Die Grünen), Waltraud Dietrich (Team Stronach) und Matthias Strolz (Neos). Bis 23.30, ORF 3 22.30 MAGAZINEco Themen: 1) Griechenland: Ein Drama nimmt seinen Lauf. 2) Leichter zur Firmengründung: Das Geld von der Crowd. 3) Der Boom der Flussdampfer. Bis 23.00, ORF 2 22.45 POLITDRAMALincoln (USA 2012,Steven Spielberg) Amerika, Ende 1864. Der amerikanische Bürgerkrieg geht ins vierte Jahr. In seiner zweiten Amtsperiode steht US-Präsident Abraham Lincoln vor der Aufgabe, die Sklaverei abzuschaffen. Das geht nicht ohne die Kunst der Argumentation und Tricks. Daniel Day-Lewis in der Rolle des Präsidenten Abraham Lincoln, Joseph Gordon-Levitt als sein Sohn Robert und Tommy Lee Jones als Gegner der Sklaverei. Bis 01.00, Das Erste 23.00 TALKStöckl Barbara Stöckl spricht mit Medienmanagerin Eva Dichand, dem Kabarettisten und Autor Marius Jung, dem Mathematiker und Wirtschaftstheoretiker Elmar Weixlbaumer und der Musikerin und Schwester von David Alaba, Rose May Alaba. Bis 0.05, ORF 2 Kulturzeit, Im Bauch von Florenz: Der Mercato Centrale, Kopfüber in die Nacht, Thema, Kulturmontag: Lebendiger Winnetou-Kult, Operation Walküre – mit Videos. 18.30 MAGAZINHeute konkret: Zwei Jahre nach dem Hochwasser – Warum das Leben nicht weitergeht 151 Familien und ein Schicksal: Sie müssen sich bis Ende des Jahres entscheiden, ob sie ihr Zuhause – das Eferdinger Becken – verlassen und ein neues Leben anfangen möchten. Die Investition ins neue Leben können sich viele nicht leisten, die Auflagen sind – wenn sie bleiben – für viele eine Farce. Bis 18.51, ORF 2 18.30 MAGAZINNano Das Wissenschaftsmagazin beschäftigt sich mit Großspionage und Armut durch Krebs. Bis 19.00, 3sat 19.20 MAGAZINKulturzeit Tina Mendelsohn präsentiert: 1) Srebrenica – Die Schuld der Blauhelme. 2) Börne-Preis für Kaube. 3) 1. Todestag Nadine Gordimer. 4) 1. Todestag Lorin Maazel. Bis 20.00, 3sat 19.30 DOKUMENTATIONIm Bauch von Florenz: Der Mercato Centrale Bunte Farben, anregende Gerüche, lautes Feilschen von Händlern und Kunden: In Florenz, der Hauptstadt der Renaissance, wurde das Konzept des Lebensmittelmarktes geboren. Vor mehr als 1000 Jahren kamen die Bauern aus der Toskana ins Zentrum der Stadt und verkauften dort ihre Waren an die Handwerker, Kaufleute und Bankiers. Diese Tradition hat sich bis heute lebendig erhalten. Bis 20.15, Arte 20.15 SCHMUGGELKopfüber in die Nacht (Into the Night, USA 1985, John Landis) Klassischer Mittelstandsmensch (Jeff Goldblum) verlässt das sichere Heim. Da ist es um ihn geschehen: Er hilft einer von Mörderbanden gejagten Frau (Michelle Pfeiffer), sein Leben beginnt, einen Salto rückwärts zu schlagen, bei dem Gaststar David Bowie auch noch irgendwie seine Finger im Spiel hat. Bis 22.05, Arte 21.10 MAGAZINThema Christoph Feurstein präsentiert: 1) Badeunfälle – die unterschätzte Gefahr. 2) Was zusammenhält – Goldene Hochzeit mit der ersten Liebe. 3) Teddy Podgorski wird 80. 4) Brennen für den Weltrekord. 5) Machbar in Not – Wohnraum für Flüchtlinge. Bis 22.00, ORF 2 22.30 MAGAZINKulturmontag: Lebendiger Winnetou-Kult, heftiger Asylzwist Clarissa Stadler zeigt: 1) Winnetou lebt weiter! Fährtensuche bei den ewigen Fans. 2) Vom Techniküberdruss und dem Trend zum Verzicht. 3) Flüchtlinge in Not – Warum das Asylthema Österreich spaltet. 4) Ab 23.15 Uhr: Neue Dokumentation Teddy Podgorski – Eine Fernsehlegende wird 80. Bis 0.15, ORF 2 22.45 REPORTAGESpiegel TV Österreich Reporter haben verschiedene Gefängnisse und Justizvollzugsanstalten besucht und berichten über die unterschiedlichen Haftbedingungen. In San Marino gibt es nur ein einziges Gefängnis – und das hat sogar nur einen einzigen Insassen. In Kalifornien können Sträflinge durch Sterbebegleitung im Gefängnishospiz vorzeitig entlassen werden. Und in Norwegen gibt es sogar eine Luxus-Verwahranstalt. Bis 0.45, Puls 4 23.15 BOMBEOperation Walküre – Das Stauffenberg-Attentat (Valkyrie, USA/D 2008, Bryan Singer) Tom Cruise als Carl von Stauffenberg, der 1944 vergeblich versuchte, Hitler zu töten. Allein diese Besetzung sorgte bereits während der Dreharbeiten für reichlich Aufregung. Der fertige Film überzeugt dennoch als solider Thriller, der trotz des bekannten Ausgangs bis zur letzten Minute fesselt. Bis 1.05, NDR 23.25 REPORTAGEDie Reportage: Badesaison in Wien In Wien strömen jedes Jahr 2,5 Millionen Menschen in die Bäder. Während sich die Gäste vergnügen, haben die Bademeister hart zu kämpfen. Die Reportage zeigt das Treiben von der Poolparty über den Urlaub in der Badekabine bis zur Aufreißzone. Bis 0.30, ATV Der Berg ruft, Tod nach Ritual, Kottan ermittelt: Kansas City, Die vier Söhne der Katie Elder, Columbo – mit Videos. 18.30 MAGAZINHeute konkret: Wie verhält man sich richtig, wenn die Wohnung brennt? Flüchten ist naheliegend, aber auch bei etwaiger Evakuierung durch die Feuerwehr ist einiges zu beachten. Bis 18.51, ORF 2 20.15 ABENTEUERFILMDer Berg ruft (D 1938, Luis Trenker) Das Matterhorn-Epos macht den Auftakt zum Bergwelten Kino, das bis Ende August immer freitags auf dem Programm steht. Luis Trenker führte nicht nur Regie, sondern schlüpfte auch in die Rolle des italienischen Bergsteigers Jean-Antoine Carrel, der 1865 als Erster das Matterhorn erklomm. Bis 22.05, Servus TV 20.15 GENRETod nach Ritual (Rituels Meurtriers, F 2011, Olivier Guignard) Verkohlt, verstümmelt und misshandelt: Die Leichen dreier Freimaurer werden in Paris gefunden. Gleichzeitig möchte in New York der US-Konzern Identity Net Corp das französische Unternehmen Net Surf kaufen. Zwei Sachverhalte, die in einer Geschichte münden. Kommissarin Clara (Florence Loiret Caille) und ihr Kollege Bastien (Eric Elmosnino) ermitteln in einem Dickicht aus politischen und wirtschaftlichen Verstrickungen. Bis 21.35, Arte 21.50 INSPEKTOR GIBTS KANKottan ermittelt: Kansas City (Ö 1982, Peter Patzak) Jimmy Tamek (Hanno Pöschl) ist ein Speedway-Narr. Im Kurvenrausch verliert er nicht nur Rennen, sondern auch seine Frau an Herbert Maroltinger, dem Speedway-Meister des letzten Jahres. Beim nächsten Bewerb stirbt der Rivale nach einem mysteriösen Unfall. Der Verdacht fällt auf Jimmy und Kottan (Lukas Resetarits) ermittelt. Bis 22.55, ORF 3 22.05 WESTERNKLASSIKERDie vier Söhne der Katie Elder (The Sons of Katie Elder, USA 1965, Henry Hathaway) Wo John Wayne und Dean Martin auftauchen, ist Zoff nicht weit. Als Katie Elder stirbt, kommen ihre Söhne zur Beerdigung nach Texas zurück, um ihre Revolver zu ziehen. Bis 0.25, Servus TV 22.40 DOKUMENTATIONUniversum History: Katharina die Große – Die Mutter Russlands 21 Männer als Liebhaber, und schon wird man als Nymphomanin tituliert: Katharina die Große und Zarin von Russland auf ihre Bettgeschichten zu reduzieren wird der Herrscherin bei weitem nicht gerecht. 34 Jahre lang leitete sie das russische Reich, reformierte die Bildung, gab dem Land eine Verwaltung und vergrößerte das Territorium mit Kriegen. Auf den Spuren einer Frau, die als 14-jährige deutsche Prinzessin nach Russland zog, um ab 1762 als Kaiserin zu amtieren. Bis 23.30, ORF 2 23.00 MAGAZINAspekte Die Themen: 1) Brotfrucht global – Social Gardening gegen Hungersnöte. 2) Lust am Töten. Was Breivik, IS und Co vereint. 3) Inside Iran – Jafar Panahis neuer Film Taxi Teheran. 4) Live auf der Bühne: Akkordeonvirtuose Vincent Peirani. 5) Museumslotto: Porzellanmuseum Meißen. Bis 23.45, ZDF 23.25 MAGAZINKurzschluss Die Filmemacherin und Musikerin Janna Ji Wonders spricht über Liebe, Musik und ihren ersten Liebesfilm I Remember. 2) Vicky Krieps spielt Helene, eine der beiden Protagonistinnen, in Lena Knauss neuem Liebesfilm M wie Martha. Bis 0.45, Arte 23.30 INSPEKTORColumbo: Stirb für mich (Candidate for Crime, USA 1973, Boris Sagal) Im Kampf um den Senatorenposten lässt Nelson Haywards (Jackie Cooper) Wahlkampfmanager Harry Stone (Jackie Cooper) verlauten, dass die Mafia Hayward ermorden will. Um seine Bekanntheit weiter zu steigern, ermordet Hayward seinen Manager und tarnt die Tat als Anschlag auf sich. Columbo (Peter Falk) schnüffelt im Schlachtfeld der Politik. Bis 1.00, ORF 2 'Panorama, Darknet, Erlebnis Bühne mit Barbara Rett, Sleepers, Warschau ''44, Mein Klagenfurt, Spiegel TV Magazin, Donnie Darko – mit Videos. 13.05 MAGAZINPanorama: Besser fernsehen Die Sendung bietet einen Überblick über 60 Jahre ORF: 1968 konnte der ORF den millionsten Fernsehteilnehmer begrüßen. 1957 gewährte der ORF einen Blick hinter die Produktionskulissen. 1995 wurde das beliebte Testbild zu Grabe getragen. Bis 13.30, ORF 2 19.00 REPORTAGEDarknet – Im Untergrund des Internet Wolfram Kuhnigk – investigativer Journalist – spricht mit Ermittlern der Polizei, mit Dealern, die ihren Stoff nur noch über das Darknet verkaufen, mit den Entwicklern des TOR-Browsers, IT-Experten, dem BKA, Menschenrechtsaktivisten und der Hackerelite Deutschlands. Bis 20.00, RTL 2 20.00 THEMENABENDOktoskop: Werkschau Ascan Breuer Zu Gast bei Amina Handke ist der Filmemacher, Sozial- und Kulturwissenschafter Ascan Breuer. Er hat eine Auswahl seiner Filme aus dem Dokumentarischen Labor mit dabei: Riding my Tiger, Teheran – Lost and Found, Paradise Later und Jakarta Disorder. Bis 21.10, Okto 20.15 MAGAZINErlebnis Bühne mit Barbara Rett: Tosca aus dem Römersteinbruch Wie schon in den Vorjahren mit seinen erfolgreichen Interpretationen von La Bohème und Aida zeigt sich Regisseur Robert Dornhelm – heuer erstmals unter der Intendanz von Maren Hofmeister – auch für Giacomo Puccinis Meisterwerk über Liebe, Verrat, Begehren und Mord verantwortlich. Bis 22.10, ORF 3 20.15 RACHEDRAMASleepers (USA 1996, Barry Levinson) Hell’s Kitchen in den 1960er-Jahren: Vier Jugendliche sind für den Unfalltod eines Passanten verantwortlich. Sie werden in das berüchtigte Wilkinson-Heim für jugendliche Straftäter geschickt und erholen sich zeit ihres Lebens nicht mehr von den Misshandlungen, die sie dort erfahren. Bis 23.05, RTL 2 22.00 KRIEGWarschau ’44 (POL 2014, Jan Komasa) 1944: Stefan (Józef Pawlowski) lebt noch bei seiner Mutter. Ohne jegliche Perspektive in seinem Leben schließt er sich einer Untergrundgruppe an. Während die russischen Truppen auf Warschau vorrücken, beginnt im Zen trum der Stadt der Aufstand gegen die deutschen Besatzer. Bis 23.55, ZDF 22.35 DOKUMENTARFILMMein Klagenfurt Die Prominenten dieser Dokumentation, die durch die Grätzel ihrer Kindheit und Jugend führen, sind Sängerin und Schauspielerin Dagmar Koller, die Discoqueen der Siebzigerjahre Penny McLean sowie die Kärntner Eishockeyfamilie Kalt rund um Eishockeylegende Dieter Kalt senior. Bis 23.40, ORF 2 23.40 MAGAZINTitel, Thesen, Temperamente 1) Seis mografen des Klimawandels – Doku ThuleTuvalu über die Folgen der Erderwärmung. 2) Literarisches Schlachtengemälde – Der neue Roman des Putin-Gegners Wladimir Sorokin. 3) Terrorkalifat in Afrika – Mike Smith schildert in seinem Buch den Aufstieg von Boko Haram. 4) Eleganter Star der Kunstwelt – Danh Võs Installationen in Venedig und in Köln. 5) Melancholische Komödie – Coconut Hero, ein Film übers Erwachsenwerden. Bis 0.10, ARD 23.55 MAGAZINSpiegel TV Magazin 1) Abschiebung im Eilverfahren: Streit um die Balkan-Flüchtlinge. 2) Die Wal-Kämpfer – Reportage über die Ökoaktivisten der Sea Shepherd. 3) Normal oder paranormal? – Wünschelrutengänger im wissenschaftlichen Stresstest. Bis 0.40, RTL 0.20 ZEITREISENDonnie Darko (USA 2000, Richard Kelly) Einer der großen Independent-Erfolge: In Richard Kellys verschrobenem Coming-of-Age-Drama wird Jake Gyllenhaal von einem Hasen vor dem Ende der Welt gewarnt. Bis 2.10, 3sat' Kochend heißes Fernsehen: "Junge Leute brauchen Liebe", "Le nozze die Figaro", "Mamma Mia", "Salami Aleikum", "Bright Star" – mit Videos. 11.05 MUSIK MUSIKJunge Leute brauchen Liebe (Ö 1961, Géza von Cziffra) Axel liebt Annie, Annie liebt Charles, Charles liebt nur sich selbst. Mit etwas gutem Willen und viel Schlagermusik – man nannte sie damals „flott“ –, kommen am Ende alle zusammen, weil: „Was du mir sagst, klnigt wie Musik“. Und: „Du bist für mich bestimmt“. Conny Froboess, Peter Weck, Johannes Heesters. Sommer ist’s, das Seichte ist zu genießen. Bis 12.30, ORF 2 17.55 OPERLe nozze di Figaro Die Premiere der Mozart-Oper in der Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf live von den Salzburger Festspielen wartet mit einer Reihe virtueller Zusatzangebote auf. So wird die gesamte Oper als Live-Stream auf derStandard.at übertragen, darüber hinaus stellt Servus TV einen digitalen Opernführer: Während die Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Dan Ettinger aufspielen, sind auf www.servustv.com/opernfuehrer zu jeder Szene Handlung, Erklärungen und Bechtolfs Kommentare abrufbar. Um 21.30 Uhr folgen Bilder von den Proben der diesjährigen Jedermann-Aufführung. Bis 22.15, Servus TV 18.55 MAGAZINHighlights – Das Kulturmagazin Warum lange suchen, wenn der Kenner im eigenen Haus sitzt? Herbert Kloiber, ATV-Eigentümer und Freund der klassischen Kultur, analysiert die Salzburger Festspiele. Bis 19.15, ATV 2 20.00 DANCING QUEENMamma Mia! (USA/GB 2008, Phyllida Lloyd) Mit den wiederaufbereiteten Abba-Nummern ließ sich mindestens einen Sommer lang jede lahme Party in Schwung bringen. Der Wert dieses Musicals liegt darin, dass die Produzenten die Stimmen seiner Protagonisten (Pierce Brosnan!) in ihrer wackeligen Pracht beließen. Herausragend Meryl Streep, Bonus für Christine Baranski. Da will man gerne Zugaben! Bis 21.50, SRF 2 20.15 WURSTSalami Aleikum (D 2009, Ali Samadi Ahadi) Der Deutsch-Iraner Mohsen (Navid Akhavan) soll die elterliche Schlachterei retten und findet sich kurz nach der Wende in der ostdeutschen Provinz wieder. Sein Vater (Michael Niavarani) hält ihn für einen Versager, aber dann begegnet Mohsen seiner Traumfrau – zwei Kopf größer und Vegetarierin. In Deutschland und Österreich 2010 ein Kinohit, zu Recht. Multikulti wird gestreckt, gedehnt, gezogen und kommt am Ende in die Wurstmaschine. Bis 21.45, ZDF Kultur 21.50 REPORTAGEAlltagsgeschichten: Denn Hundeherzen schlagen treu Dackelschäfer Moritz verabscheut Wildwestfilme mit lautem Gebell, Tierfilme liebt er heiß. Ein Mann hält sieben Kampfhunde, die sich untereinander nicht vertragen. Auch unter den Vierbeinern gibt es Originale. Elizabeth T. Spira bat die dazu gehörenden Zweibeiner gleich mit vor die Kamera. Das war 1991, glaube keiner, dass es das heute nicht mehr gibt. Bis 22.35, ORF 2 22.00 DOKUMENTATIONPeace’n’Pop Was Friedenskampf mit Pop zu tun hat von 1950 bis 2015 in zwei Teilen. Zentrale Erkenntnis: Alles nach John Lennon war eher ein Witz. Bis 23.50, Arte 22.35 MAGAZINSpiegel TV Magazin: Chinas Schande – Die Kinder der Todeskandidaten Eine Hilfsorganisation kümmert sich um die Kinder von zum Tode Verurteilten. Auswirkungen eines unmenschlichen Justizsystems. Bis 23.25, RTL 0.00 LIEBESLEIDBright Star – Meine Liebe. Ewig (Aus/GB/USA 2009, Jane Campion) Campion (Das Piano) inszeniert die traurig-schöne Romanze zwischen dem Dichter John Keats (Ben Whishaw) und Fanny Brawne (Abbie Cornish). Er schrieb ihr einige seiner schönsten Zeilen, sie trauerte nach seinem Tod sechs Jahre. Bis 1.53, ARD Panorama: Badefreuden | Nachtzug nach Lissabon | The Descendants | Looper | Die Jury | Schrei nach Freiheit | Sine Nombre – mit Videos. 7.30 MUSIKSCHWERPUNKTDays of Rock Aufzeichnungen von Live-Konzerten verschiedener Rockbands. Darunter um 9.30 Uhr Dire Straits, um 14.55 Uhr Slash, um 17.40 Uhr Muse und um 0.15 Uhr Iron Maiden. Bis 23.05, ORF 3 13.05 MAGAZINPanorama: Badefreuden 1) 1982 war die Aufregung gewaltig, als die Damen ab nun – amtlich von der Bäderverwaltung genehmigt – oben ohne in der Sonne schwitzen durften. 2) Bevor der Traumjob Wirklichkeit war, wurde es ernst: Nicht jeder bestand die harte Aufnahmeprüfung zum Bademeister und Bassin-Aufseher. 3) Das Wiener Strandbad Gänsehäufel bildet ein eigenes Universum unter den Bädern der Stadt. Bis 13.30, ORF 2 20.00 THEMENABENDOktoskop: Werkschau Iris Blauensteiner Die Filmemacherin ist zu Gast im Studio bei Lukas Maurer. Mit dabei hat sie ihre Filme Doublage, Und eine von ihnen singt sowie den Kurzspielfilm Schwitzen, der die letzten Tage der Freundschaft zweier Mädchen zeigt. Bis 22.30, Okto 20.15 REISENachtzug nach Lissabon (Night Train to Lisbon, CH/D/PT 2013, Billie August) Der geschiedene Gymnasiallehrer Raimund Gregorius (Jeremy Irons) unterrichtet Latein und alte Sprachen in Bern. Eines Morgens rettet er auf dem Weg zur Schule eine junge Portugiesin, die von einer Brücke ins Wasser springen will. Als sie kurz darauf verschwindet, hinterlässt sie ein Buch des portugiesischen Autors Amadeu de Prado. Zwischen den Blättern entdeckt er eine Zugfahrkarte nach Lissabon – kurzerhand beschließt er, sich nach Lissabon zu begeben. Der Film besticht vor allem durch die Leistung seiner Darsteller. Bis 22.25, ATV 20.15 SELBSTFINDUNGThe Descendants – Familie und andere Angelegenheiten (The Descendants, USA 2011, Alexander Payne) Großartig adaptiertes Drehbuch, dass mit einem Oscar ausgezeichnet wurde: Familienvater Matt King (George Clooney) erfährt, dass seine im Koma liegende Frau vor ihrem Unfall eine Affäre hatte, und bemerkt, dass er vom Leben seiner Töchter bislang kaum etwas mitbekommen hat. Matt beschließt, dem Nebenbuhler einen Besuch abzustatten. Bis 22.00, ORF 1 20.15 ZEITREISELooper (USA/VRC 2012, Rian Johnson) 2040 arbeitet Joe (Joseph Gordon-Levitt) erfolgreich als ein sogenannter Looper – ein Attentäter, dessen Auftrag es ist, per Zeitreise aus dem Jahre 2070 zurückgeschickte Menschen zu töten. Verbrecherorganisationen nutzen diese illegale Methode immer wieder, um ihre Opfer in die Vergangenheit zurückzuschicken, damit die Looper sie gegen einen horrenden Batzen Geld töten und damit sie die Existenz der Betroffenen gänzlich auslöschen. Regisseur Johnson schafft es, das alte Thema Zeitreisen neu zu beleben. Bis 22.25, RTL 20.15 RASSISMUSDie Jury (A Time to Kill, USA 1996, Joel Schumacher) In einer amerikanischen Kleinstadt wird ein zehnjähriges farbiges Mädchen von zwei rassistischen Halbstarken vergewaltigt. Der Vater des Opfers, der Arbeiter Carl Lee Hailey Samuel L. Jackson), übt Selbstjustiz und erschießt die beiden Täter im Gerichtsgebäude. Unterstützt von der begabten Jurastudentin Ellen (Sandra Bullock), übernimmt der junge und noch unerfahrene Anwalt Jake Brigance (Matthew McConaughey) Haileys Verteidigung. Geschickt konstruierte Geschichte. Bis 23.05, Puls 4 20.15 APARTHEIDSchrei nach Freiheit (Cry Freedom, UK 1987, Richard Attenborough) Chefredakteur Donald Woods (Kevin Kline) berichtet im Südafrika der 70er zunächst kritisch über Steve Biko (Denzel Washington), ändert jedoch nach einem Treffen seine Meinung über den schwarzen Anti-Apartheid-Kämpfer. Woods sieht nun deutlicher die un zumutbaren Lebensumstände für die schwarze Bevölkerung. Großartige Leistung von Denzel Washington. Bis 22.50, Arte 0.05 FLUCHTSine Nombre (Mex/USA 2009, Cary Fukunaga) Willy (Edgar Flores) ist Mitglied einer Gang, die brutalen Regeln folgt. Als herauskommt, dass er sich regelmäßig mit seiner Freundin außerhalb des Bandenterritoriums trifft, wird diese getötet. Willy tötet seinen Bandenchef, als dieser sich an der jungen Sayra (Paulina Gaitán) aus Honduras vergehen will. Sayra nähert sich auf der Flucht nach Amerika ihrem Retter. Brillantes Regiedebüt Fuku nagas. Bis 1.38, ARD Das Mädchen Irma la Douce, Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte, Central Station, Am Schauplatz: Nicht einmal ein Bett. 20.15 EIFERSUCHTDas Mädchen Irma la Douce (Irma la Douce, USA 1963, Billy Wilder) Billy Wilders Fassung des gleichnamigen Bühnenmusicals. Nestor Patou (Jack Lemmon), ein naiver junger Gendarm, lässt eine Razzia in der Stammkneipe der Pariser Bordsteinschwalben, einschließlich der stadtbekannten Irma (Shirley MacLaine), durchführen. Zufällig befindet sich Patous Vorgesetzter Inspector Lefevre unter den Freiern, woraufhin Nestor prompt seinen Job verliert. Bis 22.35, ORF 3 20.15 DOKUMENTATIONKapitalismus: Eine Liebesgeschichte (Capitalism: A Love Story, USA 2009, Michael Moore) Mit einem ironischen Spendenaufruf für die Vorstände diverser US-Banken wendet er sich an die Bürger Amerikas, sich ein Herz zu fassen und diejenigen zu unterstützen, die die aktuelle Finanzkrise verursacht haben. In typischer Manier seiner Vorgängerdokumentationen zeigt Moore die Ursachen der Finanzkrise auf – unterhaltsam zwar, aber auch etwas platt. Bis 22.50, ATV 2 21.05 REPORTAGEAm Schauplatz: Nicht einmal ein Bett Für tausende Flüchtlinge gibt es im reichen Österreich offenbar nirgendwo einen Platz. Sie müssen in Zelten oder sogar unter freiem Himmel schlafen. Völlig eskaliert ist vor kurzem die Lage im überfüllten Flüchtlingslager Traiskirchen, längst das Symbol für eine gescheiterte Asylpolitik. Bis 22.00, ORF 2 22.25 MAGAZINEco Angelika Ahrens präsentiert folgende Themen: 1) Flüchtlinge: was die Unterbringung kostet. 2) Wetterpro gnosen: Wiener Institute machen Millionenumsätze 3) Nachhilfe: gute Geschäfte zulasten der Eltern.Bis 23.00, ORF 2 22.35 RUSSLANDDie letzte Nacht des Boris Gruschenko (Love and Death, F/USA 1975, Woody Allen) Satire über den Russlandfeldzug Napoleons. Neben dem für Allen klassischen Slapstik kann man erste Züge der Morbidität und Nachdenklichkeit seines späteren Werkes erkennen: Boris (Woody Allen), ein an sich friedfertiger Tagträumer, soll Napoleon (James Tolkan) ermorden. Bis 0.05, ORF 3 23.00 AUTOBIOGRAFIEFünf Jahre Leben (D/F 2013, Stefan Schaller) Verfilmung der Biografie von Murat Kurnaz, der auf einer Pilger reise in Pakistan grundlos festgenommen wurde und daraufhin unschuldig in Guantanamo saß. Herausstechend ist die Inszenierung des Duells zweier starker Persönlichkeiten: Kurnaz (Sascha Alexander Gersak) und Verhörspezialist Gail Holford (Ben Miles). Bis 0.30, ARD 22.50 SUCHECentral Station (Central do Brasil, BR/F 1998, Walter Salles) Dora (Fernanda Montenegro) bessert sich ihre Pension als Briefeschreiberin am Hauptbahnhof von Rio de Janeiro auf. Eines Tages kommen Ana und ihr neunjähriger Sohn Josué (Vinícius de Oliveira) zu Dora, um per Brief ein Kennenlernen zwischen Josué und seinen Vater zu arrangieren. Als Ana plötzlich stirbt, macht sich Dora mit Josué auf die Suchen nach seinem Vater. Regisseur Salles zeichnet ein unerbittlich ehrliches Bild über eine triste soziale Wirklichkeit angesichts des Neoliberalismus. Bis 0.54, ATV 2 23.00 TALKStöckl Was sich André Heller und Erika Pluhar, das glamouröseste Künstlerpaar im Österreich der 70er-Jahre, nach äußerst turbulenten und längst vergangenen Ehejahren heute noch zu sagen haben, was sie verbindet und worüber sie streiten, erzählen sie Barbara Stöckl. Bis 0.00, ORF 2 23.45 REMAKEQuarantäne (Quarantine, USA 2008, John Erick Dowdle) Ein Jahr nach dem großen Erfolg des spanischen Horrorfilms REC, stürzte sich Hollywood auf das Drehbuch. Oft bis ins Detail gleich inszeniert, wird Dowdles Arbeit zur Medienkritik. Die junge Fernsehjournalistin Angela (Jennifer Carpenter) begleitet ein Feuerwehrteam zu einem Apartmenthaus. Der vermeintliche Routine-Einsatz entpuppt sich jedoch als Albtraum. Die Bewohner sind von einer mysteriösen Krankheit infiziert und das Haus wird unter Quarantäne gestellt. Bis 1.05, ORF 1 0.00 ENTSCHEIDUNGAm Himmel der Tag (D 2012, Pola Beck) Pola Beck baut ihr gelungenes Regiedebüt rund um eine dramatische Wende und entrissene Chancen auf. Lara (Alyn Tezel) ist Mitte 20, als sie ungewollt schwanger wird. Gerade weil ein Baby das Gegenteil von ihrem chaotischen Leben voll von Partys verspricht, entscheidet sie sich für das Kind. Bis 1.25, BR 1.05 ALIENSWorld Invasion: Battle Los Angeles (Battle: Los Angeles, USA 2011, Jonathan Liebesman). Die Erde wird ohne Vorwarnung von Außerirdischen angegriffen. Eine Metropole nach der anderen wird eingenommen. Die letzte Bastion, die noch Widerstand leisten kann, ist Los Angeles. Laute, gewalttätige und zynische Aneinanderreihung von Kämpfen. Bis 2.55, ORF 1 Hänsel und Gretel: Hexenjäger, Sin City, Männer, die auf Ziegen starren, Der Tod ritt dienstags, Constantine. 20.15 MÄRCHENADAPTIONHänsel und Gretel: Hexenjäger (Hansel & Gretel: Witchhunter, USA/D 2013, Tommy Wirkola) Bestenfalls als Vorgeschichte diente dem Drehbuch das Märchen der Gebrüder Grimm: Vor 15 Jahren konnten sich die Waisenkinder Hänsel (Jeremy Renner) und Gretel Gemma Arterton) aus den Fängen einer gefährlichen Hexe befreien. Weil ihnen seither Flüche und dunkle Zaubersprüche nichts anhaben können, sind die beiden in der Zwischenzeit zu legendären Hexenjägern herangewachsen. Bis 22.00, ATV 20.15 DOKUMENTATIONSteep – Steil am Limit Die Dokumentation behandelt die Frage nach Abschätzung der Sicherheit und nach dem Umgang mit der Todesgefahr bei der Steilabfahrt. Protagonist Douglas Coombs, häufig als der größte Steilabfahrer aller Zeiten bezeichnet, kam wenige Tage nach Abschluss der Dreh arbeiten bei einer Abfahrt ums Leben. Bis 22.00, Servus TV 20.15 SCHRIFTSTELLERDie Jungfrau auf dem Dach (USA/D 1953, Otto Preminger) Schwerpunktabend zum oftmals verfilmten Werk von Schriftsteller Carl Zuckmayer. Patty (Johanna Matz), eine unverdorbene Bühnenelevin, lernt auf dem Empire-State-Building den in Frauensachen erfahrenen und erfolgreichen Architekten Donald kennen. Um 22.00 Uhr Der Hauptmann von Köpenick aus dem Jahr 1956, von Regisseur Helmut Käutner. Ohne Papiere keine Arbeit und ohne Arbeit keine Papiere. Der Schuster Wilhelm Voigt (Rühmann) bewegt sich in einem Teufelskreis – bis er sich in Uniform schmeißt und damit die Bürokratie austrickst. Bis 23.35, ORF 3 22.00 COMICVERFILMUNGSin City (Frank Miller’s Sin City, USA 2005, Robert Rodriguez) Im Stile des Film noir versucht der Polizist Hartigan (Bruce Willis) in der verruchten Stadt Sin City für etwas Gerechtigkeit zu sorgen. Drei Bücher und eine Kurzgeschichte aus der gleichnamigen Comic-Reihe verarbeitet Regisseur Rodriguez zu einer verschachtelten Story. Bis 0.30, ATV 22.00 RIVALENDer Tod ritt dienstags (I giorni dell’ira, I/D 1967, Tonino Valerii) Nachdem Revolverheld Talby (Lee Van Cleef) zu Scotts (Giuliano Gemma) Verteidigung einen Mann erschießt, entwickelt sich zwischen beiden eine Freundschaft. Unter der Anleitung seines neuen Freundes wird aus Scott ein brutaler Bandit. Als Talby erkennt, dass Scott zum besseren Schützen wird als er selbst, beschließt er, seinen Partner aus dem Weg zu räumen. Packende Darstellung der Hauptrollen. Bis 0.10, Servus TV 22.35 ESOTERISCHMänner, die auf Ziegen starren (The Men who stare at Goats, USA/UK 2009, Grant Heslov) Hippie-Fantasien treffen auf die Armee und werden zum wirren Durcheinander. Bobs (Ewan McGregor) Ehefrau verlässt ihn für seinen Chefredakteur. Um es sich selbst zu beweisen und ihr zu imponieren, reist er kurz entschlossen in den Irak. Als Kriegsberichterstatter kommt er nicht weit. Stattdessen trifft er zufällig den verschroben wirkenden Ex-Soldaten Lyn Cassady (George Clooney). Dieser behauptet, eine Art Jedi-Ritter zu sein. Bis 0.01, 3sat 22.40 DOKUMENTATIONUniversum History: Rebellion gegen Rom (2/2) – Die Schlacht im Teutoburger Wald Die römischen Legionen waren das Kämpfen in schwerem Gelände, vor allem im Wald, nicht gewohnt. Arminius kannte diese Schwäche der römmischen Soldaten. Nachdem er die zerstrittenen germanischen Stämme hinter sich vereint hatte, gelang es ihm, im Dickicht des Waldes drei Legionen annähernd komplett zu vernichten. Bis 23.25, ORF 2 23.00 MAGAZINAspekte Katty Salié und Jo Schück mit folgenden Themen: 1) Raus aus dem Schatten – Wittenberg widmet sich Lucas Cranach dem Jüngern. 2) „Syrian Metal is War“ – Syrischer Filmemacher auf der Flucht 3) Wer sagt hier ich? – Eine Kulturgeschichte des (Werbe-)Gesichts. Im Studio zu Gast ist Schauspielerin und Autorin Adriana Altaras. Bis 23.45, ZDF 23.20 MAGAZINKurzschluss: Auf der Suche nach dem Ich 1) Regisseur Neil Triffett über seine Identitäts-Dramödie Emo – Das Musical. 2) Die australische Produzentin Sam Jennings über Neil Triffetts Kurzfilm und die Identitätssuche von Jugendlichen im Schmelztiegel Highschool. 3) Die schwedische Filmemacherin Lovisa Sirén über ihren Film Pussy Have the Power und das Genderthema in der schwedischen Kreativszene. Bis 0.50, Arte 22.35 TEUFELConstantine (USA 2004, Francis Lawrence) John Constantine (Keanu Reeves) sieht seit seiner Kindheit Dämonen, Engel und allerlei andere nichtirdische Wesen. Irgendwann wird ihm dies alles zu viel und er versucht, sich selbst umzubringen. Als Selbstmörder wandert er in die Hölle. Technisch top inszeniert. Bis 1.00, ProSieben 'Edgar Reitz'' Saga "Die andere Heimat", Herzschmerz in "Eine Handvoll Briefe", "Weltjournal" über Flucht und IS, Serienstart "The Game" – mit Videos. 18.30 MAGAZINNano: Forschung sensationell Das Magazin widmet sich in einer Spezialausgabe dem komplexen Verhältnis zwischen Wissenschaft und Medien. Bis 19.00, 3sat 20.15 FILMEPOSDie andere Heimat (D/F 2013, Edgar Reitz) Platz nehmen auf der Couch, hier wartet Besonderes! Edgar Reitz’ vierte Hunsrück-Saga führt in die Mitte des 19. Jahrhunderts zu einem wissbegierigen Sohn des Dörfchens Schabbach, der sich beim Lesen ins ferne Brasilien träumt. 230 Minuten in Schwarz-Weiß, die sich unbedingt lohnen. Bis 23.55, Arte 20.15 SOMMERLICHEine Handvoll Briefe (Ö 2015, Wolfgang Murnberger) Zeitgerecht zum Beginn einer neuen Hitzewelle sorgt Wolfgang Murnberger für eine wohldosierte Portion an Herzenswärme. Zum 40. Geburtstag kriegt Ursula Strauss die Krise: Ein Koffer mit Liebesbriefen rührt die vielbeschäftigte Managerin und hilft ihr bei der Einsicht, dass es im Leben auch noch anderes gibt als Geschäft und Geschäftigkeit. Gut, dass Florian Teichtmeister auch noch da ist. Bis 21.45, ORF 2 20.15 MAGAZINTerra Mater: Dingos – Australiens wilde Hunde Es handelt sich um eine Art „Urhund“: Seine Wurzeln reichen bis vor 5000 Jahre zurück, er macht Jagd auf Schlangen und ist in der Bevölkerung nicht sonderlich beliebt. Der Forscher Brad Purcell versucht ein Umdenken in der Öffentlichkeit zu bewirken. Bis 21.15, Servus TV 21.05 DISKUSSIONWahl 2015 Über Bildung, Arbeitslosigkeit, Wohnen und Integration diskutieren auf Serbokroatisch: Amela Mirković (Die Grünen Wien), Ahmed Husagić (SPÖ Wien) und Olivera Stajić (der STANDARD). Ihr Gastgeber ohne Wahlrecht: Dino Šoše. Bis 22.05, Okto 22.00 SERIEThe Game Wir schreiben das Jahr 1972: Joe Lambe ist Agent des britischen Geheimdienstes und bekommt es mit einem russischen Überläufer zu tun: Es droht eine große Aktion. Sechs Folgen. Bis 23.45, WDR 22.25 MAGAZINWeltjournal: Flucht nach Europa Das wohl bekannteste Flüchtlingslager in Jordanien, Zaatari, liegt nur einige Kilometer von der syrischen Grenze entfernt und entwickelt sich zu einer festen Siedlung. Im Lager sind Restaurants, Friseure und eine Hauptstraße mit Marktständen und Geschäften. Mittlerweile ist es zur viertgrößten Stadt Jordaniens mit rund 82.000 Einwohnern geworden. Die meisten von ihnen hoffen, dass sie eines Tages nach Hause zurückkehren können. Doch nach längerem Aufenthalt beschließen viele, ihre Zukunft in Europa zu suchen. Bis 23.00, ORF 2 22.30 KRIEGSWAHNSINNApocalypse Now Redux (USA 1979, Francis Ford Coppola) Um 49 Minuten verlängert und neu geschnitten: Joseph Conrads Reise ins Herz der Finsternis als Paradigma einer Produktion: Mehrere Jahre drehte Francis Ford Coppola auf den Philippinen, verschliss seinen ganzen Reichtum, seine Arbeitskraft und jene seiner Mitarbeiter – und schuf ein überlebensgroßes, zwiespältiges und mitreißendes Epos. Die Suche Martin Sheens nach dem desertierten Marlon Brando, der im Dschungel von Kambodscha sein privates Schreckensregiment errichtet hat, wird zur Odyssee. Bis 1.40, BR 23.00 REPORTAGEWeltjournal +: Hilfeschrei – Frauen unter IS-Terror Khalil al-Dakhi war Rechtsanwalt, bis seine Heimatstadt im Nordirak von den Kämpfern des IS überrannt wurde. Jetzt hat er die Rettung von Frauen und Mädchen zu seiner Aufgabe gemacht. Der Job ist gefährlich, drei seiner Mitstreiter wurden bereits getötet. Doch Khalil al-Dakhi will nicht aufgeben. Bis 23.45, ORF 2' Oktoskop: Aus der Zeit, Safe House, Die Flucht, Gib dem Affen Zucker, Casablanca , 8 Mile. 20.00 THEMENABENDOktoskop: Aus der Zeit (Ö 2006, Harald Friedl) Für alte Geschäfte bleibt oft kein Platz mehr. Aus der Zeit handelt von vier dieser Läden und den Menschen, die sie betreiben. Wie eine stille Beobachterin fängt die Kamera das Geschehen ein – den Stillstand, die Selbstgespräche, die Dialoge. Regisseur Harald Friedl ist zu Gast im Studio bei Lukas Maurer. Bis 21.45, Okto 20.15 VERSTECKSafe House (USA 2012, Daniel Espinosa) Ein Jahr hat Matt Weston (Ryan Reynolds), der für die CIA in Südafrika ein Safe House leitet, auf seine Bewährungschance gewartet. Sein erster Gast, Tobin Frost (Denzel Washington), ist ein kultivierter Killer, ein abtrünniger Spitzenagent der CIA, der seit fast zehn Jahren verschwunden ist und Geheiminformationen an den Meistbietenden verkauft. Der Film ist eine einzige actionreiche, durchgängige Verfolgungsjagd. Bis 22.00, ORF 1 20.15 GENREDie Flucht (1+2) (D 2007, Kai Wessel) Lena Gräfin von Mahlenberg (Maria Furtwängler) kehrt 1944 aus Berlin in ihre ostpreußische Heimat zurück. Dort angekommen, wird die selbstbewusste junge Frau nicht nur mit ihren alten Familienkonflikten, sondern auch mit der desolaten Situation der Zivilbevölkerung konfrontiert. Als die Ostfront immer näher rückt, beginnt ein gewaltiger Flüchtlingsstrom – auch Lena bricht im tiefsten Winter mit einem Treck gen Westen auf. Aufwändig produziert und mit viel Drama versehene historische Fakten. Bis 23.15, 3sat 20.15 GENREGib dem Affen Zucker (Innamorato pazzo, I 1981, Castellano Pipolo) Italienische Neuverfilmung von Ein Herz und eine Krone. Busfahrer Barnaba (Adriano Celentano) will Prinzessin Christina (Ornella Muti) für sich gewinnen. Bis 22.20, Tele 5 20.15 FLUCHTCasablanca (USA 1942, Michael Curtiz) Hommage an die Schauspielerin Ingrid Bergman, hier als Ilsa Lund: Während des Zweiten Weltkriegs ist Casablanca Zufluchtsort für politische Flüchtlinge aus Europa, die nach Amerika wollen. Sie treffen sich im Café Américain, dessen Besitzer Rick Blaine (Humphrey Bogart) aus enttäuschter Liebe zum melancholischen Zyniker geworden ist. Bis 21.45, Arte 21.55 RÜCKBLICKAlltagsgeschichten: Das Glück ist ein Vogerl Eine Folge von Elisabetz T. Spiras Dokumentationsreihe aus dem Jahr 1995: ein Porträt über das Zusammenleben von Menschen und Vögeln. Die Beziehungen zu Burlis, Pipsis und Boberln sind seltsam, geheimnisvoll und manchmal hintergründig. Bis 22.40, ORF 2 22.05 RAP8 Mile (USA/D 2002, Curtis Hanson) Jimmy (Eminem) lebt mit seiner alkoholabhängigen Mutter (Kim Basinger) und seiner kleinen Schwester in einem heruntergekommenen Wohnwagen. Sein karges Auskommen verdient er sich am Fließband, wo er von einer Karriere in der von Afroamerikanern dominierten Rap-Szene Detroits träumt. Eminems autobiografisches Kinodebüt, zu dem er selbst die Filmmusik geschrieben hat. Bis 0.15, RTL 2 22.40 SCHWERPUNKTLegenden der Leinwand – Ingrid Bergmann Am 29. August hätte Ingrid Bergmann ihren 100. Geburtstag gefeiert. Regisseurin Lyndy Saville zeichnet in ihrer Dokumentation mit Interviews und Ausschnitten aus legendären Produktionen ein Porträt der Schauspielerin, die ihr Leben dem Film geopfert hat. Um 23.35 Uhr Wem die Stunde schlägt (For Whom the Bell Tolls, USA 1943, Sam Wood). Während des Spanischen Bürgerkriegs kämpft der Amerikaner Robert Jordan (Gary Cooper) auf der Seite der Republikaner. Auch die junge Maria (Ingrid Bergmann), in die sich Robert verliebt, gehört zu den Partisanen. Bis 1.30, ORF 2 23.30 MAGAZINTitel, Thesen, Temperament Max Moor mit den Themen: 1) Gespräch mit Colin Crouch über sein Buch Die bezifferte Welt. 2) Navid Kermani und sein Ungläubiges Staunen. 3) Die High Line – New Yorks spektakulärer Park auf Stelzen. 4) Queen of the Desert – Werner Herzogs Film über Gertrude Bell, die mächtigste Frau im Nahen Osten zu Beginn des letzten Jahrhunderts. 5) Zeit, nach den Ursachen zu fragen: die Hintergründe der Flüchtlings katastrophe. Bis 0.00, ARD Sondersitzung des Nationalrates, Konkret: Lernen von den Profis, Universum, Hot Fuzz, KulturWerk: Heinz Zednik, Les Misérables, Ladykillers, Die Stadt der Blinden. 11.00 LIVESondersitzung des Nationalrates Der Nationalrat beschließt das neue Durchgriffsrecht des Bundes, mit dem die Schaffung von Quartieren für Asylwerber in Ländern und Gemeinden erleichtert werden soll. Kommentar: Patricia Pawlicki. Bis 13.00, ORF 2 18.30 MAGAZINKonkret: Lernen von den Profis – Kochen um fünf Euro mit Sohyi Kim Sohyi Kim absolvierte die Kochausbildung bei ihrer japanisch-koreanischen Mutter. Heute lebt sie in Österreich als Köchin und Autorin von Kochbüchern. Nun zaubert sie ein Fünf-Euro-Menü für eine Jury. Bis 18.51, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Amerikas Naturwunder – Das Erbe des Roten Flusses (5/5) Der Grand Canyon zählt zum Unesco-Weltnaturerbe. Das Gebiet um das weltberühmte Tal, das der Colorado-River geschaffen hat, wird in drei Regionen aufgeteilt: den Südrand, der die meisten Besucher anzieht, den höher gelegenen und kühleren Nordrand und die innere Schlucht. Das Erscheinungsbild des großen Grabens verändert sich auch abseits der Jahreszeiten. Bis 21.05, ORF 2 20.15 MAGAZINKulturWerk: Heinz Zednik Zu Gast bei Barbara Rett ist der österreichische Charaktertenor, der 2015 seinen 75. Geburtstag und auch sein 50-jähriges Staatsopernjubiläum feiert. Bis 21.10, ORF 3 20.15 POLIZEIHot Fuzz (GB 2007, Edgar Wright) Der übererfolgreiche Polizist Nicholas Angel (Simon Pegg) erfährt eine Karrierebremse durch die Versetzung an den sichersten Ort Englands. Doch plötzlich fordern mysteriöse Todesfälle seinen Einsatz. Wahnwitzige, blutige und dunkelschwarze Komödie, die Krimi-traditionen aufs Korn nimmt. Bis 22.25, RTL Nitro 21.05 MAGAZINReport Themen bei Susanne Schnabl: 1) Tödliche Fahrt: Flüchtlingsdrama auf der Ost-Autobahn. 2) Sperrzone Traiskirchen: Vorwürfe über unmenschliche Zustände. 3) Zu Gast im Studio ist Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, ÖVP. 4) Herbst der Wahlen: Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien. 5) Milchpreis: Preissturz bei Milch frustriert die Bauern. Bis 22.00, ORF 2 22.05 FLUCHTLes Misérables – Gefangene des Schicksals (2/4) (F/USA/D/I/E 2000, Josée Dayan) Jean Valjean (Gérard Depardieu) muss mit seiner Ziehtochter Cosette (Virginie Ledoyen) aus Montreuil nach Paris fliehen. Es dauert nicht lange bis Kommissar Javert (John Malkovich) ihnen auf die Schliche kommt. Top ausgestattete, aufwendig inszenierte Geschichtsstunde mit hervorragender Besetzung. Bis 23.50, Servus TV 22.15 KRIMINELLLadykillers (The Ladykillers, USA 2004, Joel und Ethan Coen) Fünf Gangster belagern den Keller einer vertrauensseligen alten Dame, um den Tresorraum des New Orleans Riverboat Casinos auszuräumen. Tiefschwarze Kriminalkomödie. Bis 0.30, Super RTL 22.30 MAGAZINKreuz & quer: Wunder Partnerschaft – Was Paare zusammenhält Es gibt Partnerschaften, die ein Leben lang halten. In diesem Film erzählen sieben Paare, wie es ihnen immer wieder von Neuem gelingt, ihre Liebe am Leben zu erhalten. Ab 23.25 Uhr: Herr Schuh und die Liebe. Bis 0.05, ORF 2 0.05 ÜBERLEBENDie Stadt der Blinden (Blindness, BR/CAN/JPN 2008, Fernando Meirelles) Ein Mann wird blind. Dann seine Ehefrau. Danach der Augenarzt... Schnell werden es immer mehr. Um der unerklärlichen Epidemie Herr zu werden, sperrt man die Blinden in eine verlassene psychiatrische Klinik und überlässt sie sich selbst. Ein Katastrophenfilm der anderen Art mit Julianne Moore und Mark Ruffalo. Bis 2.00, Arte Mit dem Bürgeranwalt zum Helene Fischer Konzert, danach Eine Leiche zum Dessert und mit Harry Potter auf die Titanic – mit Videos. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt Themen: 1) Aufnahme in Musikschule verweiger. 2) Lärm durch Disco – nachgefragt. 3) Kampf gegen Schottergrube: In der Salzburger Gemeinde Seekirchen möchte ein geschäftstüchtiger Landwirt eine Schottergrube errichten. Bis 18.20, ORF 2 20.15 KONZERTHelene Fischer Drücken Sie die Play-Taste: Es ist, als ob man in einen aalglatten, unkaputtbaren und kaum schwitzenden Cyborg das Programm von Radio Wien eingebaut hätte. (Christian Schachinger, der STANDARD). Höhepunkte vom Konzert aus dem Berliner Olympiastadion. Bis 22.20, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONUngarn Aufstand 1956 – Triumph und Tragödie Der Abend steht im Zeichen der Aufständigen: Der gebürtige Ungar und STANDARD-Autor Paul Lendvai beschreibt anhand prominenter Zeitzeugen und mit bisher nicht gezeigtem Archivmaterial die dramatischen Ereignisse, die unser östliches Nachbarland im Herbst 1956 erschütterten. Um 21.05 Uhr geht es um den Kampf um Prag im August 1968, um 21.50 Uhr porträtiert Agnieszka Piotrowska Lech Walesa, den Anführer der Solidarnosc. Bis 22.50, ORF 3 20.15 SCHMAUSENEine Leiche zum Dessert (Murder by Death, USA 1976, Robert Moore) Truman Capote treibt als exzentrischer Millionär seine Spielchen: Der Welt bekannteste Detektive sollen in seinem Landhaus einen Mordfall lösen. Gefordert sehen sich unter anderen Peter Sellers, Peter Falk, David Niven, Maggie Smith und Sir Alec Guinness. Kriminalistisch-komödiantisches Whodunit. Bis 22.05, Servus TV 20.15 NACHWUCHSHEXERHarry Potter und die Heiligtümer des Todes – Teil 1 (Harry Potter and the Deathly Hallows: Part 1, GB/USA 2010, David Yates) Ein Ende musste sein, entschied J. K. Rowling – aber bitte nicht so plötzlich, sagte die Filmindustrie. Deshalb ein Schluss in Raten, die erste hier: Das Heranwachsen eines unverstandenen Hexenschülers wird nicht einfacher, dafür sorgen Voldemort und Jünger. Bis 23.00, RTL 20.15 SPASSChuzpe – Klops braucht der Mensch! (D 2015, Isabel Kleefeld) Edek kehrt nach 60 Jahren zurück zu seiner Tochter Ruth (Anja Kling) und sorgt für ein spezielles, liebenswertes Chaos. Schöne Altersparaderolle für Dieter Hallervorden, der zuletzt in Worten nicht unbedingt stilsicher auftrat.Bis 21.45, ARD 20.15 DAS GROSSE LECKTitanic (USA 1997, James Cameron) Es ist ein Handwerk, und es ist perfekt: Kate Winslet und Leonardo DiCaprio im spektakulärsten Schiffsleck aller Zeiten.Bis 0.00, Puls 4 22.50 DISKUSSIONBotschafterInnen-Diskussion – Globale Perspektiven Zehn österreichische BotschafterInnen (u.a. aus Südafrika, Washington, Kairo und Neu-Delhi) mit ORF-Chefreporter Roland Adrowitzer zu aktuellen Fragen der internationalen Politik. Bis 0.25, ORF 3 2.00 SCHRILLHairspray (USA 2007, Adam Shankman) Wollen Sie Johnny Depp tanzen sehen? Dann sei Ihnen dieses Remake des 1980er-Kultfilms von John Waters ans Herz gelegt. Wer es darin sonst noch krachen lässt: John Travolta, Michelle Pfeiffer und Queen Latifah. Bis 3.50, Puls 4 Joko gegen Klaas – Das Duell um die Welt, Und Äktschn, James Dean – Ein Leben auf der Überholspur, Blow, Kill Bill Vol. 1, Die Vögel. 10.15 APPETITVERDERBERFleisch – Ein Lebensmittel zwischen Tabu und Delikatesse Fleisch ist zur Massenware geworden. Der Film von Gustav W. Trampitsch spannt einen Bogen von der rituellen Opfergabe zum Massenschnitzel aus der Industriefritteuse. Gesprochen von Cornelius Obonya, fragt die Doku auch nach den Konsequenzen des anwachsenden Fleischkonsums für Mensch, Tier und Umwelt. Ideales Vorprogramm für ein vegetarisches Mittagessen. Bis 11.00, 3sat 17.30 JURISTEREIBürgeranwalt Themen bei Peter Resetarits: 1) Diebstahl im Schlafwagen: Ein Ehepaar wurde im Nachtzug nach Venedig bestohlen und will Schadenersatz von den ÖBB, weil das von innen verschlossene Abteil nicht sicher war. 2) Disput um Deponie: Bürger protestieren gegen eine geplante Deponie in Markgrafneusiedl. Volksanwalt Fichtenbauer auch. Bis 18.20, ORF 2 18.40 WISSENSCHAFTNewton: Wenn der Speicher voll ist Wir sammeln gigantische Datenmengen an: Dokumente, Fotos, Videos, Musik. Doch Festplatten sind nicht für die Ewigkeit gebaut – was passiert also mit unserer digitalen Hinterlassenschaft? Die Sendung beleuchtet die aktuelle Forschung zu langfristigen und sicheren Datenspeichern. Bis 19.05, ORF 1 20.15 POSTPUBERTÄTJoko gegen Klaas – Das Duell um die Welt Klaas Heufer-Umlauf und Joko Winterscheidt fordern einander wieder in sinnlosen Aktionen heraus. Auf der ganzen Welt, übertrieben spektakulär und nicht unlustig mitanzuschauen. Bis 0.10, Pro7 20.15 ACTIONSpy Game – Der finale Countdown (USA 2001, Tony Scott) Nathan Muir (Robert Redford) und Tom Bishop (Brad Pitt) retten einander als CIA-Männer das Leben. Scharfer Schnitt, rasantes Tempo und eine vertrackte Story über miese Geheimdienstpolitik zeichnen den Streifen aus. Bis 22.45, Puls 4 20.15 KOMÖDIEUnd Äktschn (D/Ö 2014, Frederick Baker) Amateurfilmer Pospiech (Gerhard Polt) sieht seine große Chance gekommen, als der örtliche Sparkassenchef (Michael Ostrowski) einen Filmwettbewerb ausruft: Er will Hitlers Privatleben verfilmen. Hinreißende Provinzposse. Bis 21.50, BR 20.15 PORTRÄTJames Dean – Ein Leben auf der Überholspur (USA 2001, Mark Rydell) Der damals selbst noch junge James Franco mimt Hollywood-Legende James Dean und bringt die innere Zerrissenheit des früh gestorbenen Dean überzeugend rüber. Sehenswertes Biopic, das mit Emmy-Awards und einem Golden Globe ausgezeichnet wurde. Bis 22.05, Servus TV 21.45 POLITDRAMADie innere Sicherheit (D 2000, Christian Petzold) Normalität ist für Jeanne (Julia Hummer) ein Fremdwort. Ihre Eltern (Barbara Auer und Richy Müller) leben im terroristischen Untergrund und sind ständig auf der Flucht. Ein Film, der von der Doppelmoral der vermeintlichen Weltverbesserer handelt – und vom Erwachsenwerden unter diesen Umständen. Petzold hat dafür den Deutschen Filmpreis erhalten. Bis 23.25, Eins Festival 22.05 GANGSTERDRAMABlow (USA 2001, Ted Demme) George (Johnny Depp) macht Karriere als Drogendealer. Irgendwann wird er eingesperrt und verspricht seiner Tochter, den Beruf zu wechseln. Optisch aufgewertet wird die – eh schon sehr stylische – Sache durch Penélope Cruz und Franka Potente. Basierend auf einer wahren Geschichte. Bis 0.30, RTL 2 0.30 BLUTRUNSTKill Bill Vol. 1 (USA/Japan 2003, Quentin Tarantino) Uma Thurman hat eine Rechnung offen. Mit Bill, den sie – erraten – gerne töten möchte, und ein paar anderen. Quentin Tarantino versteht sein Geschäft und lässt Thurman im gelb-schwarzen Motorradanzug 100 Minuten lang blutig ihr Samuraischwert schwingen. Dabei bleibt kein Kopf auf dem anderen. Bis 2.25, RTL 2 1.30 HORRORDie Vögel (The Birds, USA 1963, Alfred Hitchcock) Ich hätte den Film nicht gedreht, wenn es sich um Geier oder andere Raubvögel gehandelt hätte. Alfred Hitchcock lässt ganz gewöhnliche Alltagsvögel auf Tippi Hedren hacken und macht seinen Horror-Klassiker damit erst richtig schaurig. Bis 3.25, ZDF Heute konkret | Wien-Wahl 2015. Diskussion der Spitzenkandidaten | Blancanieves | Kulturmontag | Neun Kilometer nach Europa | Nowhere Boy. 9.15 AFFENKÖNIGThe Forbidden Kingdom (USA/CHN 2008, Rob Minkoff) Das Gipfeltreffen der langjährigen Genregrößen Jackie Chan und Jet Li bleibt ohne übertriebene Brutalität, eingebettet in ein zauberhaftes Märchen. Bis 11.00, ProSieben 18.30 MAGAZINHeute konkret: Das Ende vom Wildpark Enghagen – Finden die Tiere ein neues Zuhause? In baufälligen, illegal errichteten Gebäuden fristen die tierischen Bewohner des Wildparks Enghagen seit Jahren ein tristes Dasein. Ein Rechtsstreit zwischen Pächter und Eigentümer sowie fehlende Papiere sorgen dafür, dass mehr als 100 Tiere festsitzen. Bis 18.51, ORF 2 18.45 WAHLKAMPFPuls 4 News Täglich kommt ein Wiener Spitzenkandidat zum Liveinterview. Den Beginn macht Beate Meinl-Reisinger (Neos). Dienstag: Maria Vassilakou (Die Grünen). Mittwoch: Manfred Juraczka (ÖVP). Donnerstag: Heinz-Christian Strache (FPÖ). Freitag: Michael Häupl (SPÖ). Bis 19.10, Puls 4 20.15 LIVEWien-Wahl 2015. Diskussion der Spitzenkandidaten Corinna Milborn (Puls-4-Infodirektorin) und Paul Tesarek (ORF-Wien-Chefredakteur) moderieren die Gesprächsrunde vor Livepublikum aus den Wiener Sofiensälen. Nach rund einer Stunde Diskussionszeit wird Wolfgang Bachmayr eine erste OGM-Blitzumfrage präsentieren. Bis 21.50, ORF 2, und bis 22.55, Puls 4 21.50 FARBLOSBlancanieves – Ein Märchen von Schwarz und Weiß (F/ESP 2012, Pablo Berger) In Spanien lebt der berühmte Stierkämpfer Antonio Villalta (Maribel Verdù). Als seine Frau die Geburt der gemeinsamen Tochter Carmen (Macarena Garcìa) nicht überlebt, fristet er ein verdrossenes Dasein und heiratet erneut. Der im Stil eines Stummfilms in Schwarz-Weiß gehaltene Film beruht lose auf dem Märchen Schneewittchen der Gebrüder Grimm. Bis 23.30, Arte 22.25 REPORTAGEDie Reportage: Unsere Zukunft – Die neuen Parteien Derzeit gibt es in Österreich rund 1000 registrierte politische Parteien. Diese Vielfalt ist ein wesentliches Kriterium für Demokratien, so steht es im Innenministerium geschrieben. Von der Männerpartei bis hin zu den Monarchisten ist die Couleur sehr unterschiedlich. Bis 0.25, ATV 22.30 MAGAZINKulturmontag Clarissa Stadler mit: 1) Wien wählt – die kulturellen Vorlieben der Spitzenpolitiker. 2) Mein Kampf beim steirischen Herbst. 3) Er ist wieder da: Verfilmung der Hitler-Satire von Timur Vermes. 4) Galerie Niederösterreich: neues Museum für Krems. 5) Mädchen für alles: der neue Roman von Charlotte Roche. 6) Retro spektive Frank Gehry im Lacma Los Angeles County Museum of Art und neue Biografie. 7) les.art: Zu Gast sind die Schriftsteller Monique Schwitter und Clemens Setz. Bis 0.00, ORF 2 23.35 REPORTAGENeun Kilometer nach Europa Nirgendwo sonst erreichen derzeit so viele Flüchtlinge Europa wie hier: Lesbos in Griechenland. Florian Danner begleitet in der Reportage Flüchtlinge bei ihren ersten Schritten auf europäischem Boden – viele erzählen, warum sie überhaupt geflüchtet sind. Bis 23.55, Puls 4 23.40 BIOPICNowhere Boy – Als John Lennon ein Junge war (GB/Kanada 2009, Sam Taylor-Wood) Aus der Jugend eines Engländers, der es noch weit bringen sollte: die Anfänge von John Lennon, fein inszeniert. Mit Aaron Taylor-Johnson als John Lennon. Bis 1.10, MDR 0.30 MAGAZIN10 vor 11 Die moderne Forschung hat das Schwarz-Weiß-Bild von der Reformation, wie es im 19. Jahrhundert gemalt wurde, stark verändert. Auch vor der Wende von 1517 existierte auf beiden Seiten, die einander nach der Reformation gegenüberstanden, eine starke spirituelle Vielfalt. Bis 0.55, RTL Bürgeranwalt | Kulturpalast | Zeitgeschichte: Der Riss der Zeit | Spuren | West Side Story | Einer von uns: Der Homo sapiens | American Gangster | Bright Lights, Brilliant Minds: Vienna 1908. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt Peter Resetarits präsentiert: 1) Bestraft fürs Arbeiten? 2) Nachgefragt – die Einkommens lücke. 3) Behindert nach der Geburt: Jonas und Lukas kamen gesund zur Welt. Dann führte eine Virusinfektion bei den damals Neugeborenen zu gesundheitlichen Komplikationen. Bis 18.20, ORF 2 19.30 MAGAZINKulturpalast Zu Gast bei Nina Fiva Sonnenberg: Künstler Tino Sehgal und die katalanische Performerin Angélica Liddell. Zum Thema: Kunst versus Gottesdienst. Bis 20.00, 3sat 20.15 DOKUMENTATIONZeitgeschichte: Der Riss der Zeit – Die Vertreibung von Intelligenz und Kultur Helene Maimann spürte der Vertreibung nach Hitlers Machtergreifung und ihren Folgen nach und sprach mit der Psychoanalytikerin Elisabeth Brainin, dem Filmhistoriker Christian Cargnelli, dem Wissenschaftshistoriker Friedrich Stadler, der Kunsthis torikerin Sabine Plakolm und dem Soziologen Christian Fleck. Bis 21.05, ORF 3 20.15 WAHRE BEGEBENHEITSpuren (Tracks, AUS 2013, John Curran) Robyn Davidson (Lily Pearl/Mia Wasikowska) plant eine Reise: Sie will 2700 Kilometer durch die australische Wüste bis an die Küste des Indischen Ozeans wandern, begleitet nur von einem Hund und vier Kamelen. Weil ihr das nötige Geld fehlt, arbeitet sie mehrere Monate für einen Kamelhändler. Faszinierender Selbstfindungstrip mit beeindruckenden Naturlandschaften. Bis 22.25, Servus TV 20.15 GESANG UND TANZWest Side Story (USA 1961, Robert Wise/Jerome Robbins) Zwei Jugend banden rivalisieren in einem New Yorker Elendsviertel – die Jets und die Sharks. Tony (Richard Beymer) lässt sich von Riff (Russ Tamblyn), dem Anführer der Jets, überreden, zu einer Tanzveranstaltung zu kommen, bei der auch die Sharks erwartet werden. Natalie Woods, unvergessen als Maria, Maria, Maria, Maria!. Bis 22.40, 3sat 20.15 DOKUMENTATIONSREIHEEiner von uns: Der Homo sapiens – Die afrikanische Wiege Vor 200.000 Jahren streifte der erste Homo sapiens durch die afrikanische Savanne, heute umfasst die Weltbevölkerung mehr als sieben Milliarden Menschen. Die Dokureihe stellt aktuelle Erkenntnisse der Evolutionsforschung vor. Ab 21.10 Uhr: Asien – Die große Reise. Ab 22.05 Uhr: Australien – Ein Volk am Ende der Welt. Bis 23.00, Arte 22.10 HEROINAmerican Gangster (USA 2007, Ridley Scott) Frank Lucas (Denzel Washington), ursprünglich Fahrer eines Mafiabosses, zieht nach dessen Tod ein eigenes Drogenimperium hoch. In den Särgen gefallener Soldaten schmuggelt er Heroin aus Vietnam in die USA. Detective Roberts (Russell Crowe) versucht Lucas zu überführen. Sehr gut gezeichnete Hauptcharaktere. Bis 0.30, ZDF Neo 23.10 DOKUMENTATIONSREIHEBright Lights, Brilliant Minds: Vienna 1908 James Fox erzählt die Geschichte Wiens im Jahr 1908: das Jahr, in dem Gustav Klimt den Kuss malte, Sigmund Freud den Ödipuskomplex entdeckte, und Egon Schiele verstörende Bilder der Menschheit, die auf die puren Grundbedürfnisse reduziert sind, schuf. Aber es war auch die Heimat von Trotzki, Lenin und Hitler. Bis 0.00, BBC World News 1.05 SYSTEM21 (USA 2008, Robert Luketic) Ben (Jim Sturgess) ist ein überragender Student am Massachusetts Institute of Technology. Er träumt davon, ein Medizinstudium aufzunehmen: Dazu braucht er allerdings Geld, sehr viel Geld. Da kommt ihm das Angebot seines Mathematikprofessors Micky Rosa (Kevin Spacey) gerade recht. Spannend und temporeich. Bis 3.00, ORF 1 1.20 MÖRDERISCHZodiac – Die Spur des Killers (USA 2007, David Fincher) Ein Serienmörder tötet Paare. Erst als der Journalist Robert Graysmith (Jake Gyllenhaal) die Sache in die Hand nimmt, kommt Bewegung in die Ermittlungen. Doch zu welchem Preis: Graysmith muss erkennen, dass sein Interesse am Mörder größer ist, als er dachte. Fincher arbeitete zum Teil noch mit Analogkameras und lieferte ein technisches wie inszenatorisches Meisterstück ab. Bis 3.50, ZDF Bürgeranwalt | Dokupedia: Erfindungen für die Zukunft | Schätze der Welt: Wien | Kulturpalast | Wiener Vorlesungen | Marvins Töchter | Wir kaufen einen Zoo. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt 1) Verluste wegen Atomkonferenz. 2) Nachgefragt: Lösung im Schulstreit? 3) Verpfuschte Reihenhäuser. Bis 18.20, ORF 2 18.20 DOKUMENTATIONDokupedia: Erfindungen für die Zukunft – Die Manipulation der Gene In der sechsteiligen Reihe präsentiert Schauspieler James Woods in jeder Episode wissenschaftliche Durchbrüche, die das Bild der Zukunft wesentlich prägen könnten. Von Designerbabys bis zur Aktivierung inaktiver Gene. Bis 19.20, ATV 19.00 MAGAZINSchätze der Welt: Wien – Dem Tod seine Stadt Das Verhältnis zum Tod zeigt Österreichs Hauptstadt vor allem an Plätzen wie der Hofburg und dem Herzgrüfterl der Augustinerkirche sowie der Gruft der Michaelerkirche.Bis 19.15, ARD Alpha 19.30 MAGAZINKulturpalast: Kunst und Krieg Nina Sonnenberg begrüßt Regisseur Milo Rau: Sein Film Das Kongo Tribunal durchleuchtet die wirtschaftlichen und politischen Gründe für den seit 20 Jahren andauernden Kongokrieg. Am 5. November erhält Rau den mit 10.000 Euro dotierten Konstanzer Konzilspreis für europäische Begegnungen und Dialoge. Bis 20.00, 3sat 20.00 VORLESUNGWiener Vorlesungen analytischdiskursiv: Über das Wienerische Hubert Christian Ehalt im Gespräch mit Autor Robert Sedlaczek und dem Soziologen Roland Girtler über historische Wurzeln und aktuelle Entwicklungen des Wiener Großstadtdialekts. Bis 21.35, Okto 20.15 FAMILIEMarvins Töchter (Marvin’s Room, USA 1996, Jerry Zaks) Zwanzig Jahre haben sich die Filmschwestern Diane Keaton und Meryl Streep gemieden. Eine Leukämieerkrankung lässt die Familie zusammenkommen, denn eine Knochenmarkspende ist die einzige Rettung. Starbesetztes Drama mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro. Bis 22.05, Servus TV 20.15 TIERLIEBHABERWir kaufen einen Zoo (We Bought a Zoo, USA 2011, Cameron Crowe) Benjamin Mee (Matt Damon) sucht ein neues Heim für sich und seine Kinder. Zum Glück ist gerade ein baufälliger Zoo frei. Gegen die Auflage, die Tiere zu versorgen, kauft er das Gelände. Allein könnte er die Arbeit allerdings nicht bewältigen, deshalb geht ihm Tier pflegerin Kelly in Form von Scarlett Johansson zur Hand. Außergewöhnliche Geschichte. Bis 22.10, ORF 1 20.15 ERFOLGSDRUCKTod eines Handlungsreisenden (Death of a Salesman, USA 1985, Volker Schlöndorff) Willy (Dustin Hoffman) ist ein erfolgloser Handelsvertreter. Sein Sohn Biff (John Malkovich) versucht sich ebenfalls in diesem Beruf, scheitert jedoch. Das Drama passt von der Aktualität des Themas auch gut in die heutige Zeit: Der amerikanische Traum ist noch immer ein tragender Begriff in der Gesellschaft. Bis 22.25, 3sat 20.15 MAGAZINGalileo Big Pictures: Wow! Sie werden Ihren Augen nicht trauen! Der Inder Pradyumna Kumar durchquert für seine große Liebe Indien, Afghanistan, den Iran und die Türkei auf einem Fahrrad. Ein bengalischer Tiger, ein amerikanischer Schwarzbär und ein afrikanischer Löwe als tierische Dreier-WG. Abdallah zeigt 50 beeindruckende Bilder und erzählt die Geschichten dahinter. Bis 23.15, ProSieben 20.15 THEMENABENDZeit.geschichte: Flucht ins Ungewisse Am Beispiel einiger Menschen beschreiben Robert Gokl und Tom Matzek den gefährlichen, schwierigen und abenteuerlichen Lebensweg vertriebener Österreicher. Ab 21.10 Uhr: Der ungehorsame Konsul – Exil in Portugal. Ab 21.55 Uhr: Lisl Steiner – Coming Home? Ab 22.45 Uhr: Almas kleiner Fotograf. Ab 23.50 Uhr: Oskar Pilzer – Die bewegte Geschichte der Wiener Filmateliers. Bis 0.40, ORF 3 22.05 PAPIStarbuck (CAN 2011, Ken Scott) David (Patrick Huard) ist ein Verlierer. Er arbeitet als Lieferant in der Großmetzgerei seines Vaters. Eines Tages erfährt er, dass er aufgrund mehrfacher Samenspenden 533 Kinder hat. Der Roadtrip durch die Leben seiner Kinder ist amüsant, doch man steuert etwas zu problemlos auf die herzerwärmende Auflösung hin. Bis 0.15, Puls 4 Pressestunde | Panorama: Spiele der Kindheit | Metropolis | Erlebnis Bühne | Oktoskop: Videokunst | Außenseiter in Österreich | After Earth | Departed – Unter Feinden. 11.05 DISKUSSIONPressestunde Bei der Wiener Landtagswahl ist die ÖVP erstmals unter die 10 Prozent-Marke gefallen. Martina Salomon (Kurier) und Wolfgang Geier (ORF) befragen Reinhold Mitterlehner, Vizekanzler und Bundesminister für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft sowie Bundesparteiobmann der ÖVP. Bis 12.00, ORF 2 13.05 MAGAZINPanorama: Spiele der Kindheit Prominente erinnern sich in der Sendereihe Wir von 1979 an ihre Kindheitsspiele zurück: So zum Beispiel Elfriede Ott, die ihre Freizeit spielend im Volksgarten verbrachte, oder Otto Schenk, der sich mit Räuber und Gendarm im Stadtpark die Zeit vertrieb. Nina Horowitz über Tamagotchi und Zauberwürfel.Bis 13.30, ORF 2 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat Lakis Jordanopoulos präsentiert 1) Migrantenvertreter im Wiener Landtag. 2) Willkommen, wir helfen Dir – wie ESRA jungen Flüchtlingen hilft. 3) Neues Bewusstsein in den österreichischen Behinderten-Communities. Bis 14.00, ORF 2 16.50 MAGAZINMetropolis 1) Metropolenreport: Frankfurt. 2) Umberto Ecos Nullnummer. 3) Die Kriegstagebücher von Astrid Lindgren. 4) Das Gastland der diesjährigen Frankfurter Buchmesse: Indonesien. 5) Starke Frauen – starke Themen: was Indonesiens Schriftstellerinnen bewegt. 6) Skalpell statt Zeichenstift – Wie Georgia Russell aus Büchern Kunst macht. Bis 17.30, Arte 16.55 REIHEWas ich glaube: 7 x Glück Jakob von Uexküll, Mitbegründer des alternativen Weltwirtschaftsgipfels und Initiator des World Future Council (Weltzukunftsrats) hat den Right Livelihood Award 1980 ins Leben gerufen. Er ist davon überzeugt, dass der Einzelne nur dann glücklich sein kann, wenn auch die Menschen um ihn herum glücklich sind. Bis 17.00, ORF 2 18.40 MAGAZINErlebnis Bühne mit Barbara Rett: Galakonzert der Wiener Philharmoniker Ganz im Zeichen von Wolfgang Amadeus Mozarts 250.Geburtstag stand das Konzert der Wiener Philharmoniker unter der Leitung von Daniel Harding bei den Salzburger Festspielen 2006. Ab 20.15 Uhr: Idomeneo. Bis 23.20, ORF 3 20.00 THEMENABENDOktoskop: Videokunst – Dorit Margreiter Zu Gast bei Amina Handke: Die Installations-, Videokünstlerin und Fotografin Dorit Margreiter thematisiert in ihren Werken das Spannungsverhältnis von Öffentlichem und Privatem und widmet sich ethnologischen, architektonischen sowie politischen Zusammenhängen. Bis 21.10, Okto 20.15 REPORTAGEDer Themenabend: Außenseiter in Österreich Andreas Moravec wirft einen Blick an den Rand unserer Gesellschaft. Ob skurriler Wohnsitz, auf fälliges Handeln oder ein eigenartiges Hobby – Menschen, die sich anders verhalten, werden oftmals an den Rand gedrängt. Schätzungen zufolge leiden in Österreich rund 30.000 Menschen am Messie-Syndrom. Bis 21.50, ATV 20.15 ÜBERLEBENAfter Earth (USA 2013, M. Night Shyamalan) Vor mehr als 1000 Jahren kam es auf der Erde zu einer globalen Katastrophe. Die Menschen verließen die Erde, um auf dem Nachbarplaneten Nova Prima ein neues Leben anzufangen. General Raige (Will Smith) und sein Sohn Kitai (Jaden Smith) sind bei einem Routineflug in einen schweren Asteroidensturm geraten und müssen auf der unbewohnten Erde notlanden. Packendes Science-Fiction-Abenteuer. Bis 21.45, ORF 1 22.00 DISKUSSIONIm Zentrum: Politik hautnah – Wie man Wahlen gewinnen kann Ingrid Thurnher diskutiert mit Gerald Hackl, Bürgermeister von Steyr, Veronika Mickel, Bezirksvorsteherin Wien-Josefstadt, Andreas Rabl, design. Bürgermeister von Wels, Silvia Nossek, design. Bezirksvorsteherin Wien-Währing, Journalistin Sibylle Hamann sowie Autor Thomas Hofer. Bis 23.05, ORF 2 22.35 MAFIADeparted – Unter Feinden (The Departed, USA/HK 2006, Martin Scorsese) Billy (Leonardo DiCaprio) wird in eine Organisation unter der Führung von Gangsterboss Costello (Jack Nicholson) eingeschleust. Bald hat er das Vertrauen des Mafiaoberhauptes gewonnen. Colin (Matt Damon) ist Billys Pendant. Gelungenes Remake des Gangsterfilms Infernal Affairs. Der passende Cast rundet die Neuinterpretation ab. Bis 1.40, Pro Sieben 23.05 DOKUMENTARFILMSo schaut‘s aus – G‘schichten vom Willi Resetarits Gleich drei unterschiedliche musikalische Karrieren hat Willi Resetarits erfolgreich gemeistert: politisch mit intellektuellem Hintergrund, proletarischer Vorstadt-Rocker und ebenso luftig wie schwebend. Durch sein politisches und humanistisches Engagement ist der Vollblutmusiker zu einer starken Integrationsfigur geworden. Bis 0.15, ORF 2 23.30 MAGAZINTitel, Thesen, Temperament 1) Wir schaffen das! 2) Gastland Indonesien. 3) Umberto Ecos Nullnummer. 4) Endspiel – die Metamorphosen des Wladimir Putin. 5) Philosoph Richard David Precht. 6) Ist das Internet die DDR von heute? Schriftsteller Jonathan Franzen. 7) Die Kriegstagebücher Astrid Lindgrens. Bis 0.00, ARD heute konkret, erLesen: Krimi-Special, Todschick – Die Schattenseite der Mode, Alles Schwindel, Report, Willkommen Österreich, kreuz und quer, Ochs im Glas, Good Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia. 18.30 MAGAZINheute konkret Die Ice Bucket Chal lenge, bei der sich etliche Social-Media-Nutzer aufmerksamkeitsintensiv mit Eiswasser übergossen, ist längst vorbei. Sie sollte auf die Krankheit Amyotrophe Lateralsklerose (ALS) aufmerksam machen. Eine Gruppe von Bridge-Spielern sammelt dagegen bis heute Geld für einen 55-jährigen Wiener, der an ALS erkrankt ist. Bis 18.51, ORF 2 20.15 LITERATURerLesen: Krimi-Special Zu Gast bei Heinz Sichrovsky: 1) Bernhard Aichner, der nach seinem Erfolgsthriller Totenfrau nun mit Totenhaus den zweiten Teil der Brunhilde-Blum-Trilogie veröffentlichte. 2) Edith Kneifl, deren historischer Wien-Krimi Totentanz im Stephansdom soeben erschienen ist. 3) David Schalko, Schöpfer der schon im Vorfeld hochgelobten ORF-Serie Altes Geld. 4) Andreas Gruber, der in seinem aktuellen Buch Racheherbst einen Serienmörder jagen lässt. Bis 21.10, ORF 3 20.15 UNTERSUCHUNGTodschick – Die Schattenseite der Mode 2013 sterben beim Einsturz einer Textilfabrik in Bangladesch mehr als tausend Menschen. Die großen Kleidungskonzerne, für die Menschen dort unter schlimmsten Bedingungen produzierten, gelobten Besserung. Der Film untersucht, ob sich Arbeitsbedingungen und Sicherheit in den Fabriken tatsächlich gebessert haben. Bis 21.10, Arte 20.15 KOMÖDIEAlles Schwindel (A/D 2012, Wolfgang Murnberger) Klimts Kuss wird aus dem Museum entwendet – doch der echte hängt eh im Schrank von Museumswächter Albert (Udo Samel). Ursula Strauss posiert einstweilen mit Benno Fürmann in Kuss-Pose. Bis 21.45, 3sat 21.05 POLITMAGAZINReport Themen bei Susanne Schnabl: 1) Quartiere gesucht: Noch immer schlafen hunderte Flüchtlinge in Zelten. 2) Pühringer sucht Partner: Schwarz-Grün geht sich in Oberösterreich nicht mehr aus, Schwarz-Blau schon. 3) Stadträte ohne Aufgabe: Warum es in Wien nach wie vor Politikposten ohne Zuständigkeit gibt – und wie andere Bundesländer das Problem gelöst haben. 4) Jung, ohne Schule, ohne Job: Immer mehr Jugendliche gehen weder in die Schule noch einer Arbeit nach. Bis 22.00, ORF 2 22.00 LATENIGHTWillkommen Österreich Zu Gast bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann sind der Gastrokritiker Florian Holzer (Ochs im Glas, siehe unten) und Schlagerstar Semino Rossi. Bis 23.00, ORF 1 22.35 RELIGIONkreuz und quer Was Gott verbunden hat, soll der Mensch nicht trennen: Die römisch-katholische Kirche nimmt diesen Satz sehr wörtlich. Wer sich scheiden lässt und wieder heiratet, hat in der Kirche einen schweren Stand. Das Ideal der ewigen Ehe hält dem Realitäts-Check oft nicht stand und ist deshalb innerkirchlich ein großer Streitpunkt. Anschließend: Diskussion mit Theologen, Klerikern und Therapeuten. Bis 0.05, ORF 2 23.30 EINKOCHEREIOchs im Glas Drei Supermarktskeptiker, ein Ochse, 600 Rex-Gläser. In einer zweiwöchigen Freiluftkochaktion verarbeiteten Ingo Pertramer, Thomas Nowak und Florian Holzer ein ganzes Rind – und stießen dabei an ihre Grenzen. Zum Glück war die Kamera dabei und zeigt das Foodie-Spektakel in acht Folgen. Bis 23.55, ORF 1 0.00 GANGSTEREPOSGood Fellas – Drei Jahrzehnte in der Mafia (Goodfellas, USA 1990, Martin Scorsese) Ein strahlendes Fresko, ein beängstigendes Pandämonium, eine neoveristische Oper, ein Meisterwerk: Martin Scorseses phänomenale Lebensgeschichte des Gangsters Henry Hill. Sie sehen beste Schauspielerei (Ray Liotta und Lorraine Bracco, Robert De Niro, Ray Liotta, Joe Pesci, Paul Sorvino). Bis 2.20, Arte (Sebastian Fellner/Oliver Mark, 20.10.2015) Verschollene Filmschätze | Universum: Amerikas Naturwunder | Die Wirtschaftsmacht der Gotteskrieger | Good Bye, Lenin! | Erlesen | Report | Der große Diktator | Kino Kino. 15.40 DOKUMENTATIONSREIHEVerschollene Filmschätze: 1940. Charlie Chaplin dreht Der große Diktator Die Dreharbeiten zu Charlie Chaplins Der große Diktator beginnen im September 1939 in Hollywood, nur wenige Tage nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Arbeit am Film dauert an, während Hitler immer größere Teile Europas verwüstet. Bis 16.10, Arte 18.30 MAGAZINKonkret: Made & Heuschrecke: Das Fleisch der Zukunft? Wenn es nach der Meinung der Welternährungsorganisation FAO geht, kann die Menschheit in Zukunft ohne den Verzehr von Insekten nicht mehr satt werden. Was in Ländern wie Thailand, China oder Afrika bereits weitestgehend normal ist, zählt hierzulande immer noch eher zu den Mutproben. Bis 18.51, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Amerikas Naturwunder – Der Wald der Schwarzbären (7) Im siebenten, von Jan Haft gestalteten Teil der Dokumentation gibt es die zahlreichen Schwarzbären im Yellowstone Nationalpark zu bestaunen. Sie sind das Symbol dieses großartigen Schutzgebiets in den Appalachen. Bis 21.05, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONIS – Die Wirtschaftsmacht der Gotteskrieger Erdöl, Schutzgelder und Plünderungen – zahlreiche Geldquellen machen den Islamischen Staat (IS) zur bestfinanzierten Terrororganisation der Welt. Jérôme Fritel und Stéphane Villeneuve haben einen Monat im Irak verbracht, um den Finanzierungsmechanismen und den Wurzeln dieser Terrororganisation nachzuspüren. Bis 21.10, Arte 20.15 IMITATIONGood Bye, Lenin! (D 2002, Wolfgang Becker) Sommer 1990: Alex’ Mutter lag acht Monate lang im Koma und hat die Wende verschlafen. Um ihr den sicheren Herzattackentod zu ersparen, belebt Alex die DDR auf 79 Quadratmetern wieder. Wolfgang Becker mixt geschickt Realität und Satire und brachte den zündenden Impuls zum Ostalgie-Trend.Bis 22.35, Servus TV 20.15 MAGAZINErlesen Gäste bei Heinz Sichrowsky: Alex Capus (Schweizer Schriftsteller), Hera Lind (deutsche Sängerin, Schriftstellerin und Fernsehmoderatorin) und Michael Köhlmeier (österreichischer Schriftsteller). Bis 21.05, ORF 3 21.05 MAGAZINReport Mit Susanne Schnabl: 1) Fluchtpunkt Lesbos. 2) Grenz-Ordnung. 3) Bundesheer im Flüchtlingsdienst. 4) Mindestsicherung neu?Bis 22.00, ORF 2 21.25 SATIREDer große Diktator (The Great Dictator, USA 1940, Charles Chaplin) Ein jüdischer Friseur sieht dem Diktator zum Verwechseln ähnlich, was eine erstaunliche Entwicklung zutage fördert. Charlie Chaplins grandiose Satire auf Adolf Hitler. Bis 23.25, ZDF Kultur 21.45 MAGAZINKino Kino 1) Der letzte Wolf: Regisseur Jean-Jacques Annaud erzählt von den extremen Dreharbeiten mit Wölfen und anderen wilden Tieren. 2) Macbeth: Michael Fassbender und Marion Cotillard bei der Weltpremiere in Cannes. 3) Madame Marguerite oder die Kunst: Hauptdarstellerin Catherine Frot im Interview. Bis 22.00, 3sat 22.00 TALKWillkommen Österreich Zu Gast bei Stermann und Grissemann sind die Schauspielerin Sunnyi Melles (Altes Geld) und Kabarettist Thomas Maurer. Bis 23.00, ORF 1 22.00 SÄNGEREine Hochzeit zum Verlieben (The Wedding Singer, USA 1998, Frank Coraci) Zeitreise in die 1980er: Zu den Klängen von Nena, Falco und Boy George finden Drew Barrymore und ihr föhngewellter Hochzeitssänger Adam Sandler zueinander. Bis 0.00, Super RTL 22.35 MAGAZINKreuz & quer: Martin Luther – Ein Mönch gegen Höllengeschäfte Die Dokumentation zeichnet nach, wie sich Luther vom Reformer zum Reformator entwickelte, wie sich der Vatikan – vorerst blind gegenüber Missständen – ungeschickt verhielt und sich die Fronten zunehmend verhärteten, bis es zur Kirchenspaltung kam. Ab 23.25 Uhr: Kloster zu verkaufen. Bis 0.10, ORF 2 22.45 MAGAZINMenschen bei Maischberger: Flüchtlingsdrama: Europa außer Kontrolle? Zu Gast: Simone Peter (Bundesvorsitzende), Norbert Blüm (Ex-Bundesminister), Stephan Mayer (Innenpolitischer Sprecher), Richard Sulik (Europa-Abgeordneter) und Ulf Küch (Bund Deutscher Kriminalbeamter). Bis 0.00, ARD 0.20 TICKSBesser geht‘s nicht (As Good As It Gets, USA 1997, James L. Brooks) Eine der erfreulichsten Komödien der späten 1990er-Jahre mit Jack Nicholson und Helen Hunt: die Wandlung eines mit Zwangsneurosen behafteten Misanthropen zum liebenswerten Mitmenschen. Bis 2.33, ARD Ausgesetzt in der Wildnis | Die herzkranke Gesellschaft | Bergwelten: Barbara Zangerl | Interview mit einem Vampir | Shrink – Nur nicht die Nerven verlieren. 17.15 REALITY-TVAusgesetzt in der Wildnis: Zuschauer-Special Mehr als 20.000 Fans haben sich für dieses einmalige Abenteuer beworben: Für Joe Resto und Sean Lacoste wird ein Traum wahr. Zusammen mit Survival-Profi Bear Grylls geht es für sie in die Wildnis von British Columbia. Bis 18.15, Dmax 18.30 MAGAZINHeute konkret: Käse ohne Milch – große Empörung über neue EU-Vorgabe Die EU will in Italien die Vorschrift streichen lassen, nach der Käse nur aus frischer Milch gemacht werden darf. Eine Slow-Food-Bewegung setzt sich für den Erhalt dieser Regel ein. Alexander Kofler berichtet aus Rom. Bis 18.51, ORF 2 20.15 REPORTAGEDie herzkranke Gesellschaft Es ist paradox: In Deutschland werden fast drei Mal so viele Blutdruckmittel und Cholesterinsenker geschluckt wie vor 15 Jahren. Doch Herzinfarkt und Schlaganfall haben nicht abgenommen. Ein Film von Ute Jurkovics und Irene Stratenwerth. Bis 21.00, 3sat 20.15 DOKUMENTARBERICHTBergwelten: Barbara Zangerl – Aus dem Schatten der Meister Die Vorarlbergerin Barbara Zangerl schaffte als erste Frau die legendäre Alpen-Trilogie: End of Silence, Kaisers neue Kleider und Silbergeier. Mit den Erstbegehern dieser Routen – Beat Kammerlander, Stefan Glowacz und Thomas Huber, kehrt sie zurück. Ab 21.15 Uhr: Retroalpin – Schussfahrt vom Everest. Bis 22.20, Servus TV 20.35 MUSIKMAGAZIN12 Minutes Live: Mieux Christoph Prager und Felix Wolfersberger sind die Masterminds von Mieux. Das Wiener Elektro-Duo veröffentlichte ihr letztes Release Are you happy im Mai 2015 auf dem Internetportal Bandcamp. Bis 20.50, Okto 22.35 BLUTDURSTInterview mit einem Vampir (Interview with the Vampire, USA 1994, Neil Jordan) Forcierte Unmoral des androgynen Lestat (Tom Cruise) gegen die melancholische Restmoral des untoten Skeptikers Louis (Brad Pitt). Beide durchstreifen die Jahrhunderte und durchleben die immer konzentrierter werdenden visuellen Welten von Neil Jordans Melodram. Ab 1.00 Uhr: Königin der Verdammten mit Aaliyah in der Rolle der Akasha.Bis 2.40, RTL 2 22.45 DOKUMENTATIONUniversum History: Luis Trenker – Ein Mann und seine Legenden Regisseurin Karin Duregger bittet Experten vor die Kamera: etwa den US-amerikanischen Filmhistoriker Kamaal Haque, die Zeithistorikerin Eva Pfanzelter, den Trenker-Biografen Stefan König oder Trenkers einstigen Agenten Hans-Jürgen Panitz. Die Dokumentation reflektiert den Mythos Trenker. Bis 23.35, ORF 2 23.00 MAGAZINAspekte Katty Salié und Tobias Schlegl mit 1) Salman Rushdies neues Buch – Der Kampf von Fanatismus und Vernunft. 2) Charlie Chaplin als Autor – Einziger Roman Chaplins erschienen. 3) Motörhead auf Tour – Ein Gespräch mit Lemmy. Bis 23.45, ZDF 0.05 KLOSTERDer Name der Rose (Le Nom de la rose, D/F/I 1986, Jean-Jacques Annaud) Sean Connery und Christian Slater huschen durchs Gemäuer der von Umberto Eco erdachten Benediktinerabtei. Sie kümmern sich weniger um Mordserien als um Aristoteles’ zweites Buch der Poetik.Bis 2.10, SRF 1 0.45 MAGAZINKurzschluss: Schwerpunkt Südafrika 1) Reportagen über Südafrika. 2) Kurzfilm-Initiative Female Only – Filmmaker Project. 3) Armed Response von Donovan Graham. 4) Ab 0.55 Uhr: Beach Flags von Sarah Saidan. 5) Ab 1.15 Uhr: Hasenscharte von Louis Bélanger. Bis 1.40, Arte 1.45 PSYCHOLOGIEShrink – Nur nicht die Nerven verlieren (USA 2009, Jonas Pate) Ganz Hollywood legt sich bei Kevin Spacey auf die Couch. Als Spacey selbst am Boden zerstört ist, öffnet ihm eine Klientin die Augen. Schwarzhumorige Satire mit Mark Webber, Jack Huston und Robin Williams. Bis 3.20, ORF 1 Bürgerforum: Flüchtlinge, Meister des Todes, La dolce vita – Das süße Leben, Der Pornograph, Auf der Suche nach Mr. Goodbar. 18.30 MAGAZINKonkret: Multivitaminprodukte um 9000 Euro Nahrungsergänzungsmittel, die wundersame Heilung oder Wohlbefinden versprechen: Es gab immer schon Menschen, die solche Heilmittelchen an vorwiegend ältere Kunden verscherbeln. Nun informieren Konsumentenschützer. Ein Bericht von Onka Takats. Bis 18.51, ORF 2 20.15 DISKUSSIONBürgerforum: Flüchtlinge – kein Ende in Sicht? Mit Peter Resetarits und dem Publikum diskutieren Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Heinz-Christian Strache (FPÖ), Eva Glawischnig (Grüne), Matthias Strolz (Neos) und Robert Lugar (Team Stronach). Bis 22.20, ORF 1 20.15 DOKUMENTATIONWie viel Islam verträgt Deutschland? In Deutschland werden in 35 Jahren geschätzt sieben Millionen Muslime leben. Das Land steht damit vor großen sozialen Veränderungen. Bis 21.00, ORF 2 20.15 THEMENSCHWERPUNKTKlimapolitik: Wann, wenn nicht jetzt? Im Dezember versammeln sich die Mitglieder der Vereinten Nationen in Paris, um bei der UN-Klimakonferenz über die Zukunft der Erde zu verhandeln. Zum ersten Mal nehmen am Klimagipfel nicht nur Politiker, sondern auch Wissenschafter teil. Um 21.50 Uhr folgt in Klima ein Interview mit Jean-François Julliard, dem französischen Journalisten und Generalsekretär von Greenpeace France. In Klimagötter (22 Uhr) geht es um Versuche von amerikanischen und sowjetischen Militärs während des Kalten Krieges, das Klima gezielt zu manipulieren. Mit Bio in die Zukunft ist um 23.30 Uhr der biologischen Landwirtschaft gewidmet. Bis 0.20, Arte 20.15 WAFFENMeister des Todes (D 2014, Daniel Harrich) Ein junger Mitarbeiter (Hanno Koffler) eines Waffenherstellers realisiert, wie sein Arbeitgeber illegal Waffen nach Mexiko schleust. Nachdem er Zeuge der Brutalität des mexikanischen Drogenkriegs wird, möchte er auspacken – doch das wird zur Gefahr für seine Familie. Bis 21.45, 3sat 21.50 KLASSIKERLa dolce vita – Das süße Leben (I/F 1960, Federico Fellini) Regiemeister Federico Fellini nimmt die Hautevolee im Rom der 1950er-Jahre aufs Korn. Im Mittelpunkt steht Klatschreporter Marcello (Marcello Mastroianni) und seine exzessive Interpretation von Leben. Bis 0.40, ORF 3 22.00 TALKWillkommen Österreich Zu Gast bei Grissemann & Stermann sind Opernsängerin Angelika Kirchschlager sowie Burgschauspieler und Autor Joachim Meyerhoff. Bis 22.55, ORF 1 22.30 SCHULDENDer Pornograph (Le pornographe, F 2001, Bertrand Bonello) Nach einer Pause von 20 Jahren kehrt Pornoregisseur Jacques (Jean-Pierre Léaud) in sein Metier zurück, um Schulden zu tilgen. Doch in all den Jahren hat sich vieles verändert. Nicht mehr gefragt ist sein künstlerischer Ansatz, es dominiert die Devise BP (Billiger Porno). Bei den Dreharbeiten taucht auch noch sein radikal konservativer Sohn Joseph (Jérémie Renier) auf, der seine Arbeit verachtet. Bis 0.15, ZDF Kultur 22.40 PSYCHODRAMAAuf der Suche nach Mr. Goodbar (Looking for Mr. Goodbar, USA_1977, Richard Brooks) Während sie tagsüber ihrem Beruf als Lehrerin für gehörlose Kinder nachgeht, streift Theresa (Diane Keaton) nachts durch die Straßen, um ihre bürgerlichen Ketten abzulegen. Ihre Suche nach Sex und harten Drogen führt sie in die Bar mit dem originellen Namen Mr. Goodbar. Bei einer Tour lernt sie den jungen Gangster Tony (Richard Gere) kennen. Bis 1.15, Servus TV 22.55 MAGAZINkreuz & quer: Fleischlos die Welt retten – Vera goes Veggie Neues Terrain für Talkerin Vera Russwurm: Ihre Dokumentation zeigt die ethische und moralische Motivation hinter dem Verzicht auf Fleisch und andere tierische Produkte. Um 23.40 Uhr folgt Die Akte Klima. Naturschützer und Filmemacher Ulrich Eichelmann entlarvt Umweltsünden, die im Namen des Klimaschutzes begangen werden. Bis 0.25, ORF 2 Alice im Wunderland, Der Stadtneurotiker, Hart, aber fair, Thema, Lola rennt, Kulturmontag, Pro und Contra. 20.15 FANTASY-ANIMATIONAlice im Wunderland (USA 2010, Tim Burton) Nicht so gut wie die literarische Vorlage, bemäkelten einige, aber abseits solcher Vergleiche hat diese Verfilmung ihre Pluspunkte: Zu nennen seien hier nur Johnny Depp als wahnsinniger Hutmacher und Helena Bonham Carter als abgrundtief böse, nach rollenden Köpfen gierende Rote Königin. Bis 22.25, Sat. 1 20.15 KOMÖDIEDer Stadtneurotiker (Annie Hall, USA 1977, Woody Allen) Zu Woody Allens 80. Geburtstag am Dienstag: Woody Allen verliebt sich in Diane Keaton, und weil sie beide über allerlei küchenpsychologisches Werkzeug verfügen, entsteht daraus keine leichte Beziehung. Oskargekrönt und immer wieder schön. Marshall McLuhan spielt sich hier übrigens selbst. Im Anschluss: das monumentale Doku-Porträt Woody, a documentary. Bis 21.45, Arte 21.00 TALKHart, aber fair: Vom Wutbürger zum Brandstifter – woher kommt der rechte Hass? Bei Frank Plasberg diskutieren: Frauke Petry (AfD), Boris Pistorius (SPD), Dunja Hayali (Journalistin), Joachim Lenders (Polizeigewerkschafter) und Georg Mascolo (Journalist). Bis 22.15, ARD 21.10 MAGAZINThema Christoph Feuerstein präsentiert folgende Themen: 1) Zu Tode gequält – der brutale Weg zum Schnitzel. Illegale Filmaufnahmen von Tierrechtsaktivisten bieten einen Einblick in die brutale Fleischindustrie. 2) Der Fall des 14-jährigen Florian P., der 2009 in Krems durch eine Polizeikugel starb, schockierte die Öffentlichkeit. Über das Leben danach erzählt seine Mutter im Interview. 3) Sunnyi Melles: Schauspielerin und Prinzessin. Derzeit ist Melles als Ehefrau des kranken Rauchensteiner zu sehen. In Deutschland trägt sie den Titel Prinzessin. Bis 22.00, ORF 2 22.00 LAUFLola rennt (D 1998, Tom Tykwer) Lola und ihr Freund Manni im Bett. Rotlicht. Manni: Lola, wenn ich sterben würde, was würdste da machen? Lola: Ich würd dich nicht sterben lassen. Ein Stern am deutschen Kinohimmel der späten 1990er-Jahre, der einsam und verlassen glänzt. Bis 23.35, Servus TV 22.30 MAGAZINKulturmontag Die Themen, präsentiert von Martin Traxl: 1) Integration mit Wertekatalog? Die Frage nach dem echten Österreicher. 2) Eine Gesellschaft im Schock – Terror und Überwachung als öffentliches Trauma. 3) Das weltweit agierende Medienimperium des Terrornetzwerks IS. Magazine, Radiostationen und Dokumentationen informieren über die Heldentaten des Islamischen Staates. Bis 23.00, ORF 2 22.30 TALKPro und Contra: Krieg der Supermächte in Syrien – welche Interessen verfolgen Putin, Obama und Co.? Bei Corinna Milborn diskutieren: Berivan Aslan (Nationalratsabgeordnete, Die Grünen), Herbert Scheibner (ehem. Verteidigungsminister, FPÖ/BZÖ), Don F. Jordan (ehem. Deutschland-Korrespondent des Guardian), Anna Rose (Deutschland-Korrespondentin der russischen Zeitung Rossijskaja gaseta). Bis 23.35, Puls 4 M – Eine Stadt sucht einen Mörder | André Hellers Menschenkinder | Dave | Eine wahre Geschichte – The Straight Story | Weltjournal | Zoom | Bananas. 18.30 MAGAZINHeute konkret: Was dürfen Konsumenten im Supermarkt? Viele naschen Obst, öffnen Verpackungen, testen ungeöffnete Kosmetika. Was gesetzlich in Ordnung ist, was nicht sein sollte und womit man sich womöglich sogar strafbar macht. Bis 18.47, ORF 2 20.15 DOKUTerra Mater: Feuerwerk im Ozean Wird es abends dunkel, kommt im Ozean jenes Nassgetier an die oberen Wasserschichten, die sich sonst nur ganz unten tummeln, wo es sowieso finster ist. Dokumentarfilmer Rick Rosenthal filmte das Spektakel. Bis 21.15, Servus TV 20.15 MONUMENTM – Eine Stadt sucht einen Mörder (D 1931, Fritz Lang) Einer der ersten deutschen Tonfilme. Ein Kindermörder versetzt eine gesamte Großstadt in Angst. Als sich auch die Unterwelt auf die Jagd nach dem Phantom macht, wird es eng für den Mörder. Fritz Langs M wird oft als das wichtigste Werk der deutschen Filmgeschichte bezeichnet. Nicht zu unrecht. Bis 22.00, Arte 20.15 GESPRÄCHAndré Hellers Menschenkinder Zu Gast bei André Heller ist der Kärntner Schriftsteller Josef Winkler. Für seinen Roman Menschenkind wurde er 1979 mit dem zweiten Platz beim Ingeborg-Bachmann-Preis geehrt. Im Gespräch mit Heller erzählt Winkler von seiner Sprach-Besessenheit und den prägenden Themen seiner Literatur. Bis 21.25, ORF 3 21.50 KOMÖDIEDave (USA 1993, Ivan Reitman) Dave Kovic (Kevin Kline) wird nach einem Schlaganfall des Präsidenten der USA (auch Kevin Kline) als sein Double eingesetzt. Er beginnt mit dessen zwielichtiger Politik aufzuräumen und versteht sich – im Unterschied zum echten Präsidenten – auch mit First Lady Sigourney Weaver ganz hervorragend. Bis 0.00, ATV 22.20 ROADTRIPEine wahre Geschichte – The Straight Story (USA/GB/F 1999, David Lynch) Alvin Straight (Richard Farnsworth) besucht seinen sterbenskranken, tausende Kilometer entfernt lebenden Bruder auf einem motorisierten Rasenmäher. Ein authentischer, lakonisch erzählter Film voller Melancholie und Liebe zur Langsamkeit. Bis 0.35, Servus TV 22.30 MAGAZINWeltjournal Die Objektivität als unerreichbare journalistische Qualität bleibt bei der Berichterstattung über Kriege und Konflikte besonders oft auf der Strecke. Filtern, auswählen und vereinfachen als redaktionelle Grundfunktionen werden nicht nur in Russland und China in den Dienst der staatlichen Propaganda gestellt. Das Weltjournal hinterfragt auch die Unabhängigkeit großer europäischer Leitmedien am Beispiel der Berichterstattung über den Konflikt zwischen der Ukraine und Russland. Bis 23.05, ORF 2 23.05 REPORTAGEWeltjournal +: Gewalt-Rausch – Propagandafilme des IS So einfältig und rückständig die Methoden der Terrormiliz IS sind, so professionell nutzt sie moderne Medien, um junge Menschen im Westen zu rekrutieren. Hinter den stupiden Schlächtern steht ein PR-Apparat, der sich – so wird vermutet – aus internationelen Fachleuten zusammensetzt. Dabei wird ausgerechnet die Bildsprache der verhassten westlichen Popkultur wiederverwertet. Bis 23.50, ORF 2 23.15 DOKUZoom: Spur nach Moskau – Warum musste Litwinenko sterben? Der ehemalige KGB-Offizier Alexander Litwinenko starb 2006 in Großbritannien an einer Vergiftung durch radioaktives Plutonium. Im Gerichtsverfahren in London werden Details zum_Mord bekannt. Bis 0.00, ZDF 23.15 KOMÖDIEBananas (USA 1971, Woody Allen) Das zweite Regiewerk des Geburtstagskinds zeigt das Slapstick-Ende des weiten Spektrums Allens. Der neurotische New Yorker Fielding Mellish stolpert in die Revolution einer (fiktiven) südamerikanischen Diktatur. Bizarrer Spaß. Bis 0.40, ORF 3 Roland Düringer in Autorevue TV, vom Leiden der Weihnachtsgänse, Härtetest mit Hansi Hinterseer, Bubenspiele in Rambo und Das fünfte Element. 19.20 MAGAZINKulturzeit Cécile Schortmann mit den Themen des Kulturmagazins: 1) Kinofilm: Dämonen und Wunder. 2) Kinderbuchtipps. Bis 20.00, ORF 2 18.50 MAGAZINAutorevue TV Christian Clerici spannt Roland Düringer vor den Karren: Der einstige Benzinbruder behauptet von sich, nur noch minimalistisch unterwegs zu sein. Zum Beweis absolviert er den Geschicklichkeitstest am Roller. Bis 19.20, ATV 20.15 MEISTERKLASSEEin (un)möglicher Härtefall (Intolerable Cruelty, USA 2003. Joel Coen) Catherine Zeta-Jones rächt sich an Staranwalt George Clooney, weil dieser ihrem untreuen Mann bei der Scheidung geholfen hat – dabei hätte er besser auf sich selbst achten sollen. Bis 21.45, ZDF Neo 20.15 DOKUMENTATIONDie Weihnachtsganstragödie Rund 25.000 Tonnen Gänsefleisch verzehren die Deutschen jährlich. Aber nur etwa zehn Prozent davon stammen aus deutschen Landen. Der Rest wird importiert, vor allem aus Polen und Ungarn – zu ganz anderen Produktionsbedingungen. Bis 21.00, 3sat 21.00 MAGAZINMakro: Musterschüler Spanien Sorgenkind auf Wachstumskurs: Erstmals seit 2011 ist die Zahl der Erwerbslosen unter die Fünf-Millionen-Marke gesunken, trotzdem hat ungefähr jeder Fünfte Spanier keine Arbeit. Unter den Jugendlichen sogar jeder Zweite. Bis 21.30, 3sat 21.05 LEHMANNNeue Vahr Süd (D 2010, Hermine Huntgeburth) Sven Regener schrieb schon 2004 das Prequel zum Romanerfolg Herr Lehmann. Die Regisseurin verfilmte bereits Fontanes Effie Briest. Hier nimmt sie sich Regeners absurder 1980er-Alltagsgeschichte an. Bis 22.35, Eins Festival 21.15 MAGAZINHansi Hinterseer – Einfach Weihnachten. Gäste, G’schichten & viel G’spür Härtetest für Weihnachtsverweigerer: trifft er in einer schönen Umgebung liebe Leute, heute Kabarettistin Monika Gruber und Skispezl Franz Klammer. Gefährlich bärig. Bis 22.20, Servus TV 22.00 HAU DRAUFRambo (First Blood, USA 1982. Ted Kotcheff) Sylvester Stallone ist nicht der erste Verdächtige, wenn von geistreichem Kino die Rede ist. First Blood ist jedoch einer seiner besten Filme: Als von der Gesellschaft ausgestoßener Kriegsheimkehrer trägt sein Massaker an der halben Bevölkerung eines US-Städtchens aber auch nicht zur Deeskalation bei. Bis 23.50, RTL2 22.25 ANTIHELDDer Wildeste unter Tausend (Horseman, Pass By, Martin Ritt, USA 1963) Vater gegen Sohn, alt gegen neu: Melvyn Douglas und Paul Newman spielen als ein Viehzüchter und dessen draufgängerischer Sohn das alte Lied, eine Rinderseuche erschwert die Sache zusätzlich. Drei Oscars. Bis 0.15, Servus TV 22.35 ERDE RETTENDas Fünfte Element (The Fifth Element, FRA/USA 1997. Luc Besson) New York, 2259: Die Agenten des Bösen, angeführt von Gary Oldman, attackieren die Erde. Allein Bruce Willis kann die Herrschaft des Antielements verhindern. Hübsche Setdesigns der Comiczeichner Moebius und Jean-Claude Mézières, ein bisschen Blade Runner und Metropolis, dazu Kostüme von Jean-Paul Gaultier. Der Plot ist allerdings derart nerdig. Bis 0.30, 3sat 22.45 DOKUMENTATIONUniversum History: Die Geschichte der Menschheit ist im 20. Jahrhundert angekommen und schließt hier: Trotz nie dagewesenem Reichtum und Wohlstand steht der Planet vor existenziellen Überlebensfragen. Es ist, so der Folgentitel, das Zeitalter der Extreme. Bis 23.35, ORF2 23.10 MAGAZINk3 Anlässlich des zehnjährigen Bestehens zeigt der Bürgersender Okto ausgewähltes Programm aus der ersten Sendewoche aus dem Jahr 2005. Darunter: das bis Ende 2007 produzierte Experimentalformat k3. Nicht nur der Inhalt, sondern auch die Form ist Kunst. Bis 23.40, Okto Jahresrückblicke, Weihnachtskitsch, The Big Lebowski – mit Videos. 18.30 MAGAZINHeute konkret Diskriminierungsfall Handwerkerbonus? Ein Wiener kritisiert das Finanzministerium: Er hat sein Badezimmer barrierefrei umbauen lassen, weil er an ALS, einer Erkrankung des Nervensystems, leidet. Dafür hat er mit einem Zuschuss aus dem Handwerkerbonus gerechnet – immerhin 600 Euro. Doch der Topf war bereits ausgeschöpft. Die Kritik des Mannes: Das System bevorzuge gesunde Menschen, die schnell handeln können. Bis 18.51, ORF 2 20.15 RETROSPEKTIVE2015 – Die Jahresrückblickshow Der ORF blickt auf das vergangene Jahr zurück. Ö3-Moderator Robert Kratky führt durch die Sendung mit Skisportlern, ORF-Journalist Hans Bürger, ORF-Meteorologe Sigi Fink, dem Grazer Bürgermeister Siegfried Nagl, Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, den Fußballern Marko Arnautovic und Sebastian Prödl und noch mehr Skisportlern. Showprogramm: The Makemakes, Tagtraeumer und Cellist Clemens Sainitzer. Bis 22.45, ORF 1 20.15 SHOWDas Beste aus TV total 2015 Stefan Raab verabschiedet sich aus dem TV und bringt den totalen Jahresrückblick. Vier Stunden lang. Wer von Raab noch nicht genug hat, wird es wohl spätestens dann haben. Bis 0.15, ProSieben 20.15 WEIHNACHTSSTIMMUNGTatsächlich ... Liebe (Love Actually, GB/USA 2003, Richard Curtis) 135 Minuten Glückseligkeit für Liebhabende des gepflegten Weihnachtskitschs. Die Geschichten der verschiedenen Figuren sind ineinander verwoben und allesamt wunderbar erzählt: Hugh Grant als verliebter Premierminister, Martin Freeman als verliebtes Porno-Lichtdouble. Alan Rickman und Emma Thompson als kriselndes Ehepaar. Nicht zuletzt Liam Neeson als Witwer, der seinem Stiefsohn zum Liebesglück verhilft. Brav: Das Schweizer Fernsehen sendet das schöne britische Englisch im Zweikanalton. Bis 22.20, SRF 2 Speed, Themenmontag: Frank Sinatra, Verhandlungssache. 18.30 MAGAZINHeute konkret Die Familie einer 98-jährigen Frau wirft deren Sachwalterin vor, schlecht für sie zu sorgen. Eine Vorsorgevollmacht kann in solchen Fällen Sicherheit schaffen. Rechtsanwältin und Sachwalterin Susanne Schwarzenbacher erklärt im Studio, wie eine solche Vollmacht funktioniert. Bis 18.51, ORF 2 20.15 RASANTSpeed (USA 1994, Jan de Bont) Damals ein großer Erfolg für Kameramann Jan De Bont im Regiestuhl: Ein Bus rast dahin und darf nicht zum Stillstand kommen, weil sonst die Bombe darin hochgeht. Keanu Reeves und Sandra Bullock kommen einander in dem Getümmel näher. Bis 22.40, Kabel eins 20.15 SCHWERPUNKTThemenmontag: Frank Sinatra Zum 100. Geburtstag des Ausnahmekünstlers Sinatra. Die Dokumentation Frank Sinatra – Amerikas goldenes Zeitalter (20.15 Uhr) erklärt die außergewöhnliche Karriere des Entertainers. Um 21.05 Uhr folgt ein Mitschnitt des Livekonzerts im New Yorker Madison Square Garden im Oktober 1974. Abschließend eine von Sinatras berühmtesten Schauspielrollen in Der Mann mit dem goldenen Arm (22.00 Uhr). Bis 0.00, ORF 3 21.00 TALKHart, aber fair: Flucht, Terror, Skandale – wie hat 2015 unser Land verändert? Rückblickende Diskussion mit folgenden Gästen: Edmund Stoiber, ehem. Bayrischer Ministerpräsident, CSU), Serdar Somuncu (Schriftsteller und Kabarettist), Claudia Roth (B90/Grüne), Herfried Münkler (Politikwissenschafter) und Christoph Schwennicke (Chefredakteur Cicero). Bis 22.15, ARD 21.10 MAGAZINThema Christoph Feuerstein präsentiert folgende Themen: 1) Kindergärten unter der Lupe – wie viel Religion darf sein? Besuche in einem islamischen, einem katholischen und einem jüdischen Kindergarten. 2) Mord in Tirol – ein Witwer kämpft gegen die Justiz. Der Ehemann eines Mordopfers will den 25 Jahre zurückliegenden Fall wieder aufrollen. 3) Flüchtlingsschicksale im Libanon. Offiziell sind 1,5 Millionen Flüchtlinge im Libanon, tatsächlich dürften es noch mehr sein. Bis 22.00, ORF 2 22.30 MAGAZINKulturmontag Themen, präsentiert von Martin Traxl: 1) Die ungleiche Gesellschaft – Wie sich soziale Konflikte durch die Flüchtlingskrise verschärfen. 2) Sexualität im Wien der Jahrhundertwende – Arthur Schnitzlers Anatol im Theater in der Josefstadt. 3) Die große Personale des österreichischen Designers Josef Frank im Wiener Mak. Bis 23.15, ORF 2 22.40 ACTIONTHRILLERVerhandlungssache (The Negotiator, USA 1999, F. Gary Gray) Samuel L. Jackson als Chicagoer Polizist und Spezialist für Verhandlungen in Sachen Geiselnahmen, der selbst zum Kidnapper wird. Kevin Spacey als ambitionierter Kollege, der ihn nun zum Gespräch bitten muss. Soll heißen: Spacey und Jackson immer nahe am Big Bang. Bis 1.30, Kabel eins 23.15 DOKUMENTATIONLegenden der Leinwand – Frank Sinatra Die Dokumentation fokussiert auf das schauspielerische Schaffen des weltweit populären Entertainers. Für seine Darstellung eines Soldaten in Verdammt in alle Ewigkeit (1953) wurde er mit dem Oscar für die beste Nebenrolle ausgezeichnet. Ebenfalls werden Sinatras Familien- und Liebesleben beleuchtet. Bis 0.00, ORF 2 Konkret: Contergan-Skandal | Der Batman von Mexiko | Erlesen | "Mein Kampf" – Das gefährliche Buch | Die Geister, die ich rief | Fanboys. 18.30 MAGAZINKonkret: Contergan-Skandal – Neue Chancen und alte Gefahren Mit dem Medikament Contergan behandelte man Ende der 1950er werdende Mütter. Etwa 12.000 Kinder kamen aufgrund des Inhaltsstoffs Thalidomid mit körperlichen Missbildungen zur Welt. Den umstrittenen Wirkstoff verwendet man heute noch. Ein Bericht von Judith Langasch. Bis 18.51, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Der Batman von Mexiko – Retter der Fledermäuse Die BBC-Dokumentation von Tom Mustill zeigt die vom Aussterben bedrohten Zugfledermäuse auf ihrer Reise von den Tempeln der Maya bis zu den Grenzen der USA. Erstmals zu sehen: die Geburt einer Blütenfledermaus. Bis 21.05, ORF 2 20.15 MAGAZINErlesen Gäste bei Heinz Sichrovsky: Vatikanexperte und Bestsellerautor Andreas Englisch, Rom-Korrespondentin Mathilde Schwabeneder, Uno-Experte Kilian Kleinschmidt und Autor Andreas Salcher. Bis 21.05, ORF 3 20.15 DOKUMENTATIONMein Kampf – Das gefährliche Buch Am 1. Jänner 2016 endet das Urheberrecht von Adolf Hitlers Propagandaschrift Mein Kampf. Manfred Oldenburg geht der Frage nach, ob der ultranationalistische Inhalt heute noch gefährlich sein könnte. Dabei wird deutlich, dass die mentalen Anknüpfungspunkte immer noch vorhanden sind. Bis 21.10, Arte 20.15 HUMBUGDie Geister, die ich rief (Scrooged, USA 1988, Richard Donner) Sehr frei nach Charles Dickens spielt Bill Murray einen zynischen und grantigen Fernsehproduzenten, den ein paar recht infernalische Geister wieder auf den richtigen Weg bringen wollen. Eine Reihe von Gästen taucht in Cameos auf: Miles Davis und David Sanborn sind als Straßenmusikanten zu sehen. Bis 22.05, Servus TV 20.15 OLYMPIACool Runnings – Dabei sein ist alles (USA 1993, Jon Turteltaub) Derice (Leon Robinson) will an den Olympischen Spielen in Seoul teilnehmen. Die Qualifikation zum Kurzstreckenlauf hat nicht gereicht, aber da gibt es ja noch Irv (John Candy). Der wird kurzerhand Trainer der ersten jamaikanischen Bobmannschaft: Das geht über eure Vorstellungskraft, Jamaika hat ’ne Bobmannschaft! Bis 22.15, ATV 21.05 MAGAZINReport Themen bei Susanne Schnabl: 1) Asylstrategie: Während Österreich über einen kurzen Zaun mit Lücken debattiert, plant die EU-Kommission ein komplett neues Grenzschutzkonzept für die gesamte Union. 2) Gast im Studio ist Johannes Hahn, EU-Kommissar für Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen. 3) Das Jahr der Extreme: das Jahr der Flüchtlinge und des Terrors, das Jahr der politischen Veränderungen und wirtschaftlichen Umbrüche. 4) Wachteln ohne Schutz: Bilder, die den Appetit auf weihnachtliche Leckerbissen verderben könnten. Bis 22.00, ORF 2 22.00 TALKWillkommen Österreich Zu Gast bei Dirk Stermann und Christoph Grissemann: der österreichische Fußballspieler Marc Janko (FC Basel) und der deutsche Komiker und Autor Michael Mittermeier. Bis 22.55, ORF 1 22.30 MAGAZINKreuz & quer: Dänischer Albtraum – Flüchtlinge in der Warteschleife Die Dokumentation zeigt Wasiullah, einen Flüchtling aus Afghanistan, der vor vier Jahren nach Dänemark gekommen ist. Seinen Asylantrag lehnte man dort mehrfach ab. Er flüchtete weiter nach Italien, wo er auf der Straße leben muss. Ab 23.20 Uhr: kreuz und quer diskussion – Menschenrechte: Können wir sie uns noch leisten? Bis 0.15, ORF 2 23.45 NERDFanboys (USA 2009, Kyle Newman) 1998: Linus (Chris Marquette) ist an Krebs erkrankt und wird die Premiere von Star Wars: Episode I nicht mehr erleben. Deshalb beschließen seine Freunde Hutch (Dan Fogler), Windows (Jay Baruchel) und Eric (Sam Huntington), mit ihm nach Kalifornien zu fahren, um dort auf der Skywalker Ranch von George Lucas eine Kopie des Films zu stehlen. Schneller und lustiger Roadtrip, vollgestopft mit Nerd-Elementen. Bis 01.05, BR Charles Dickens Große Erwartungen (2/3) | Der Gendarm von Saint Tropez | Konkret: Pflegegeldrückstufung | Monte Christo | Stolz und Vorurteil | Shakespeare in Love. 13.05 GENTLEMANCharles Dickens Große Erwartungen (2/3) Pip (Douglas Booth) hat sich an das Luxusleben in London gewöhnt, dass ihm sein geheimer Gönner beschert. Doch er beginnt, Schulden anzuhäufen. Letzte Folge: Mittwoch, 13.05 Uhr. Bis 14.10, Servus TV 17.25 KLASSIKERDer Gendarm von Saint Tropez (Le Gendarme de St. Tropez, F/I 1964, Jean Girault) Louis de Funès in der Rolle seines Lebens, als cholerischer Gendarm: Nach der Versetzung aus einem kleinen Bergdorf, will er in Saint-Tropez für Recht und Ordnung sorgen. Bis 19.00, 3sat 18.30 MAGAZINKonkret: Pflegegeldrückstufung – wenn Gesetze unmenschlich erscheinen Nach einer Hirnblutung und vielen Therapiesitzungen kann der Familienvater Jürgen Schöller einige Finger bewegen. Ein Grund für die Behörden, seine Pflegestufe von 7 auf 5 herabzustufen. Ein Bericht von Patricia Aradi. Bis 18.51, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Wildnis am Strom – Nationalpark Donau-Auen Die Landschaft der Donau-Auen ist seit 1996 durch die Ausrufung zu einem Nationalpark geschützt. Zwei Jahre lang war das Interspot-Filmteam rund um Autor und Regisseur Franz Hafner unterwegs, um große und kleine Ereignisse zu dokumentieren, die das Jahr in der Wildnis am Strom bestimmen. Ab 21.05 Uhr: Stadt der Gladiatoren – Carnuntum. Bis 22.00, ORF 2 20.15 RACHEMonte Christo (The Count of Monte Cristo, GB/USA/IRL 2002, Kevin Reynolds) Edmund Dantès (James Caviziel) hat die Liebe seines Lebens gefunden: Mercédès (Dagmara Dominczyk). Sein bester Freund Fernand Mondego (Guy Pearce) hat allerdings auch ein Auge auf die schöne Dame geworfen. Nach erfundenen Vorwürfen, die Mondego gegen ihn vorbringt, findet er sich im Gefängnis Château d’If wieder. Caviziel als überzeugender Graf von Monte Christo mit Luis Guzmán als Jacopo. Bis 22.15, ZDF neo 22.05 UNTERHALTUNGWir Staatskünstler – Die Jahresbilanz 2015 Robert Palfrader, Florian Scheuba und Thomas Maurer waren in ganz Österreich unterwegs und haben dabei unter anderem Hans Niessl und sein Bundesland mittels Kamera überwacht, dem Team Stronach in der Steiermark einen neuen Spitzenkandidaten geschenkt und die Stelle gefunden, an der Harald Dobernig für ihn peinliche Akten in einen Fluss geworfen hat. Bis 23.10, ORF 1 22.15 KLASSENUNTERSCHIEDStolz und Vorurteil (Pride and Prejudice, USA/GB 2005, Joe Wright) Die Adaption von Jane Austens Gefühlsroman wurde in Grund und Boden gejubelt, allen voran Keira Knightley. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung verglich diese gar mit Audrey Hepburn. Überzeugen Sie sich selbst vom hinreißenden Spiel der zarten Lizzy mit der Liebe! Bis 0.15, ZDF neo 22.35 MAGAZINkreuz & quer: Wie hast du’s mit der Religion? In Marion Priglingers Dokumentation sprechen Eltern darüber, wie sie zum katholischen Glauben stehen, wie sie mit der christlichen Tradition in Österreich umgehen und welche Bedeutung der Glaube in ihrer Kindererziehung heute noch hat. Ab 23.10 Uhr: Die Kinder des Kardinals. Bis 23.50, ORF 2 0.00 DOKUMENTATIONSREIHEFrauen, die Geschichte machten: Elisabeth von England 1533–1603: Elisabeth I. war als Die jungfräuliche Königin bekannt. Sie mischte damals als ein zige Frau in der Weltpolitik mit und herrschte 45 Jahre lang über England. Ab 0.50 Uhr: Katharina II. Bis 0.50, Arte 1.10 THEATERShakespeare in Love (USA 1998, John Madden) Der junge William Shake speare (Joseph Fiennes) verspricht seinem Auftraggeber ein Stück, das noch nicht existiert. Er beginnt mit der Inszenierung von Romeo und Julia. Währenddessen verliebt er sich in die vergebene Viola (Gwyneth Paltrow) und muss sich mit Intrigen und wei teren Stolpersteinen herumschlagen. Beschwingter Trip durch die Theater-Kultur zu Shakespeares Zeiten. Bis 3.05, ZDF Der Hobbit – Eine unerwartete Reise, Je suis Charlie, je suis Paris, Mythos Geschichte, American Beauty. 20.15 FANTASYSPEKTAKELDer Hobbit – Eine unerwartete Reise (The Hobbit: An Unexpected Journey, NZ/USA/GB 2012, Peter Jackson) Das beschauliche Leben im Auenland nimmt für den Hobbit Bilbo Beutlin (Martin Freeman) ein jähes Ende, als der Zauberer Gandalf (Ian McKellen) ihn auf ein gefährliches Abenteuer schicken will. Erster von drei Filmen nach dem Kinderbuch von J. R. R. Tolkien, der an die Herr der Ringe-Trilogie anknüpft. Ein Zuckerl der Kinoleinwand, bildgewaltig, verträumt und humorvoll inszeniert. Bis 23.00, ZDF 20.15 THEMENABENDJe suis Charlie, je suis Paris Am 7. Jänner 2015 erschütterte das Attentat auf die französische Satirezeitung Charlie Hebdo Frankreich und die Welt, zehn Monate später wurde Paris in einer Terrornacht mit 130 Toten wieder Ziel islamistischer Anschläge. Zuerst bilanziert um 20.15 Uhr Je suis Charlie, je suis Paris die tragischen Ereignisse, um 21.15 Uhr folgt Waffen für den Terror, danach, um 21.40 Uhr, ein Gespräch mit dem belgischen Karikaturisten Pierre Kroll,um 21.50 Uhr geht es weiter mit Dschihad: Der Kampf der Mütter, um 22.50 Uhr mit Die Karikatur: Kunst und Provokation! und um 23.45 Uhr kommen bei Ausgelacht?! Zeichner und Karikaturisten zu Wort. Bis 0.40, Arte 20.15 DOKUMENTATIONUniversum: Das Große Barriere Riff ist das längste von Lebewesen geschaffene Bauwerk der Erde und zählt zu den sieben Naturweltwundern. Es erstreckt sich über 2200 Kilometer entlang der Nordostküste Australiens. Als Baumeister fungieren wenige Millimeter kleine Korallen. Sie schaffen die Lebensgrundlage für abertausende Meerestier- und Pflanzenarten in einer unerreichten Vielfalt und Farbenpracht. Bis 22.00, ORF 2 20.15 SPURENSUCHEMythos Geschichte Viele mythische Personen prägen die österreichische Kulturgeschichte – vom Herrn Karl bis zur Tante Jolesch. Aber was wissen wir wirklich von diesen Figuren, fragt Gerhard Jelinek in einem Themenabend und begibt sich auf Spurensuche. Zum Auftakt um 20.15 Uhr gibt es die Einführung mit Auf den Spuren österreichischer Mythen. Um 21.05 Uhr folgt Die Tante Jolesch oder Der Untergang des Abendlandes, um 22.10 Uhr Helmut Qualtingers genialer Monolog Der Herr Karl und um 23.15 Uhr André Hellers Doku Qualtinger. Bis 0.45, ORF 3 21.55 KOMÖDIESalami Aleikum (D 2009, Ali Samadi Ahadi) Mohsen (Navid Akhavan ) ist ein schüchterner Träumer, der kein Blut sehen kann. Als sein Vater den Gewerbeschein als Fleischhauer verliert, muss er einspringen und fällt auf einen Betrug herein. Beim Versuch den Familienbetrieb zu retten, strandet er im deutschen Osten, wo er irrtümlich für einen Großinvestor der Textilindustrie gehalten wird. Aus Liebe zu einem Mädchen spielt er den reichen Iraner, bis plötzlich seine Eltern auftauchen. Wer auf Michael Niavarani steht, wird sich auch über diesen Humor freuen. Bis 23.25, ORF 1 0.05 GESELLSCHAFTSSATIREAmerican Beauty (USA 1999, Sam Mendes) Sam Mendes demontiert den amerikanischen Traum von suburbaner mittelständischer Normalität: Lester Burnham bricht aus seinem langweiligen Dasein aus. Mit Kevin Spacey in der Hauptrolle und Annette Benning als materialistischer Kleinstadtzicke. Bis 1.55, ORF 2 0.15 GESELLSCHAFTSDRAMAVollgas (Ö 2001, Sabine Derflinger) Immer am Limit, immer mit Vollgas – so lebt Evi (Henriette Heinze), Saisonkellnerin und alleinerziehende Mutter in einem österreichischen Wintersportort. Bald gerät sie an ihre Grenzen. Spielfilmdebüt von Tatort- und Vorstadtweiber-Regisseurin Derflinger. Bis 1.50, ORF 1 IRA-Drama "Shadow Dancer", großes Geklopfe mit Jackie Chan in "Shang-High Noon" und Daniel Craig in "Cowboy & Aliens". 13.25 KRIMINALFILMDas Rätsel der grünen Spinne (D 1960, Franz Marischka) In einer Bar wird eine junge Sängerin in ihrer Garderobe ermordet. Das Lokal bleibt geöffnet, Kriminalrat Bock liegt auf der Lauer. Er kann aber einen zweiten Mord nicht verhindern. Mit Adrian Hoven, Renate Ewert, Hans von Borsody, Jochen Brockmann. 14.55, ORF 2 20.15 DÜRRENMATTJustiz (D/CH 1993, Hans W. Geissendörfer) Professor Winter isst im ehrwürdigen Zürcher Restaurant Du Théâtre. Dort wird er vor den Augen vieler Bekannter, darunter ein Staatsanwalt und der Polizeichef, erschossen. Der Schütze ist Regierungsrat Isaak Kohler. Er wird verurteilt, das Motiv ist unklar. Kohlers Tochter Helene bittet den jungen Anwalt Spät, den Fall neu aufzurollen. Verfilmung des gleich namigen Romans. Bis 22.00, 3sat 20.15 UNTERGETAUCHTHMS Erebus: Das arktische Totenschiff taucht auf 1845 stach der Brite Sir John Franklin mit der HMS Erebus und der HMS Terror in See, um die Nordwestpassage zu finden. Seine Expedition schlug fehl. Beide Schiffe blieben im Eis stecken und die Besatzung kam ums Leben. Im September 2014 wurde das Wrack der HMS Erebus in der Arktischen See ausfindig gemacht. Bis 21.55, Arte 20.15 PAARPROBLEMEDie Zeit mit euch (D 2015, Stefan Krohmer) Ein Treffen mit Freunden gerät zum Beziehungsstriptease. Klaus liebt eine Jüngere, die ein Baby von ihm erwartet. Für seine Frau Marlene Schock und zugleich Neuanfang. Vera beendet eine jahrelange Affäre, Christiane leidet, weil sich ihr Mann immer mehr gehen lässt. Emotionale Turbulenzen, fabelhaft in Szene gesetzt von Herbert Knaup, Ulrike Kriener, Henry Hübchen. Bis 21.45, Eins Festival 22.00 KOMÖDIE Shang-High Noon (USA 2000, Tom Dey) Im Jahre 1881 reist der chinesische Hofgardist Chon Wang mit einer kaiserlichen Abordnung in die USA, um die entführte Prinzessin Pei Pei aus den Fängen eines Verräters zu befreien. Die Rettung ist allerdings alles andere als einfach. In den Hauptrollen: Jackie Chan und Owen Wilson. Bis 23.40, BR 22.15 SCI-FI-WESTERN Cowboys & Aliens (USA 2011, Jon Favreau)_Jake Lonergan (Daniel Craig) erwacht mitten im staubigen Wilden Westen und muss es mit hartgesottenen Revolverhelden wie Woodrow Dolarhyde (Harrison Ford) und Sheriff Taggart (Keith Carradine) gegen eine Übermacht angriffslustiger Aliens aufnehmen. Actionspaß. Bis 0.10, ORF 1 22.20 POLITIKShadow Dancer (GB/Irland 2012, James Marsh) Mitte der 1990er-Jahre ist der Nordirland-Konflikt in vollem Gange. Bei einem Anschlag in London wird die IRA-Kämpferin Collette (Andrea Riseborough) vom englischen Geheimdienst verhaftet. Der britische Agent Mac (Clive Owen) überredet sie, als Informantin nach Belfast zurückzukehren. Intelligenter Agententhriller. Bis 0.10, Servus TV 23.55 DRAMA Der Chinese (S/D/A 2011, Peter Keglevic) Bei einem Massenmord sterben fast alle Bewohner eines nordschwedischen Dorfes. Auch die Eltern der Richterin Brigitta Roslin sind unter den Opfern. Da die Ermordeten alle miteinander verwandt waren, wähnt auch Brigitta sich in Lebensgefahr. Sie stellt eigene Nachforschungen an. Sehenswert: Suzanne von Borsody als Richterin Roslin. Bis 2.53, Das Erste 0.35 TATIVILLEPlaytime (F/I 1967, Jaques Tati) Die Stadt – hypermodern, komplex und unmenschlich – steht im Mittelpunkt. Tati ließ sein ultramodernes Paris am Rande des echten konstruieren. Ein Labyrinth, in dem er sich verirrt und das er mit seiner Neugier durcheinanderbringt. Bis 2.35, Arte David Beckham – Abenteuer Amazonas, An jedem verdammten Sonntag, Concussion – Leichte Erschütterung, Weltjournal: Menschliche Roboter, Die blonde Sünderin. 20.15 REISE David Beckham – Abenteuer Amazonas Der Fotograf Anthony Mandler, Mechaniker Derek White und Jugendfreund Dave Gardner begleiten Fußballer David Beckham auf einer 1300 Kilometer langen Reise durch das Amazonasgebiet. Bis 21.45, ORF 1 20.15 MAGAZINTerra Mater: Wilder Kaukasus Die erste Folge des Zweiteilers zeigt die landschaftlichen Gegensätze von Bergwelt, Tiefland und Meeresküste zwischen Schwarzem und Kaspischem Meer. Bis 21.20, Servus TV 20.15 FOOTBALL An jedem verdammten Sonntag (USA 1999, Oliver Stone) Schonungslose Abrechnung mit dem Profisport: Al Pacino spielt einen alternden Trainer, dessen Team gerade dabei ist, die Play-offs zu verpassen, als sich auch noch der Quarterback verletzt. Jamie Foxx ist der junge Ersatzmann. Er ist talentiert, taugt aber nicht zum Führungsspieler. Cameron Diaz macht allen als geldgierige Clubbesitzerin das Leben zur Hölle. Bis 23.24, ATV 2 22.00 IN MEMORIAM David Bowie, der Weg zur Legende Das Porträt lässt David Bowies Karriere Revue passieren und blickt bis ins Jahr 1971 zurück, als mit Ziggy Stardust alles begann. Zu Wort kommen Weggefährten wie Mick Ronson, Brian Eno, Tony Visconti und Nile Rodgers. Bis 23.00, Arte 22.25 AMOUR FOU Concussion – Leichte Erschütterung (USA 2013, Stacie Passon) Vorortmama Abby will ihrem faden Leben einen neuen Kick geben. Sie mietet eine Zweitwohnung in Manhattan und startet ihr Leben als lesbische Prostituierte. Mit dem Ziel, ihre beiden Leben strikt zu trennen, schafft sie eine zweite Identität unter dem Namen Eleanor. Das US-Independent-Debüt mit der großartigen Robin Weigert wurde auf der Berlinale 2013 mit dem Teddy Award ausgezeichnet. Bis 0.00, 3sat 22.30 MAGAZINWeltjournal: Menschliche Roboter – Die Zukunft hat begonnen Die Folge zeigt, wie verblüffend ähnlich die humanoiden Roboter in Japan ihren menschlichen Vorbildern tatsächlich sind, und setzt sich mit den Fragen auseinander, was das für unsere Zukunft bedeutet und ob sie unsere Lebensweise ebenso radikal verändern werden wie Computer, Internet und Smartphones. Bis 23.00, ORF 2 22.35 SPIELEREI Die blonde Sünderin (La baie des anges, F 1962, Jacques Demy) Der Bankangestellte Jean Fournier (Claude Mann) hat beim Roulette gewonnen. Das Glückskind trifft auf die blonde Spielerin Jackie (Jeanne Moreau). Er verliebt sich in sie, aber sie kann nicht von ihrer Leidenschaft lassen. Bis 0.05, ORF 3 22.45 TALKMaischberger Thema von Sandra Maischbergers erster Mittwochsendung: Flüchtlinge verdächtigt, Bürger verunsichert: Angstrepublik Deutschland. Gäste sind Andreas Scheuer (CSU-Generalsekretär) Volker Beck (Bundnis 90/Grüne), Emma-Redakteurin Chantal Louil, Kriminologe Christian Pfeiffer, Studentin Michelle und Aiman Mazyek, Zentralrat der Muslime. Bis 0.00, ARD 23.05 IN MEMORIAM Ziggy Stardust and the Spiders from Mars (USA 1973, D. A. Pennebaker) David Bowie tritt in diesem klassischen Konzertfilm als sein androgynes Alter Ego Ziggy Stardust auf. Regisseur D. A. Pennebaker präsentierte 2003 eine komplett restaurierte Schnittfassung. Die Tonmischung besorgte Tony Visconti. Bis 00.25, Arte 23.05 REPORTAGEWeltjournal +: Giftige Geschäfte – Elektroschrott Der illegale Export von Elektroschrott ist ein Millionengeschäft, das die Umwelt schädigt und das Leben und die Gesundheit vieler Menschen zerstört. Bis 23.50, ORF 2 23.25 IDENTITÄTSKRISE Five Easy Pieces – Ein Mann sucht sich selbst (USA 1970, Rob Rafelson) Robert Dupea, früher schlechter Pianist und jetzt Gelegenheitsarbeiter, ist unzufrieden – mit seinem Leben, seiner Freundin, seiner Arbeit. Er kündigt und wagt einen Neuanfang. Legendär: Jack Nicholsons Suche nach dem Sinn, Karen Black hilft dabei. Bis 1.05, Servus TV Pressestunde | Hohes Haus | Panorama: Die perfekte Männerfrisur | Metropolis | Erlebnis Bühne: KulturWerk | End of Watch | Der Untergang des Alpenlandes | Sonny Boy – Eine Liebe in dunkler Zeit. 11.05 DISKUSSIONPressestunde Zu Gast im Studio ist Konrad Kogler, Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit. Die Fragen stellen Andreas Koller (Salzburger Nachrichten) und Brigitte Handlos (ORF). Bis 12.00, ORF 2 12.00 MAGAZINHohes Haus Fritz Jungmayr präsentiert 1) Tafelsilber: Aktuell gibt es eine Debatte über die OMV. Im Studiogespräch nimmt der Wirtschaftswissenschafter Stephan Schulmeister vom WIFO dazu Stellung. 2) Brexit: Die Europäische Union beabsichtigt, der Regierung Großbritanniens ein Reihe von Sonderregelungen bei den EU-Verträgen zu erlauben. 3) Raumwärme: Um die Klimaziele von Paris erreichen zu können, müsste der Raumwärmeverbrauch um mindestens 30 Prozent gesenkt werden. 4) Flugobjekte: Michael Klonfar hat sich angeschaut, was sich alles im österreichischen Luftraum tummelt und welche Regelungen gelten. Bis 12.30, ORF 2 13.05 MAGAZINPanorama: Die perfekte Männerfrisur Nina Horowitz zeigt die Haarpracht der Männer von den 60er und 70er Jahren, über strenge Haarvorschriften für Soldaten bis hin zum Musical Hair, das einen Meilenstein in der Popkultur und der Haarmode darstellt. Bis 13.30, ORF 2 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat Silvana Meixner präsentiert: 1) Bürgermeister – vereinigt euch! 2) Integration im Weinviertel. 3) schwarzweißlila – Mit Witz und Humor gegen Rassismus. Bis 14.05, ORF 2 17.25 MAGAZINMetropolis 1) Metropolenreport Zürich – 100 Jahre Dada. 2) Kampf der Türkei gegen die Kurden. 3) Ausstellung Picasso. Fenster zur Welt. 4) Josef Fischnaller. 5) Uraufführung South Pole. 6) Frank Woeste. Bis 18.10, Arte 19.25 MAGAZINErlebnis Bühne: KulturWerk – Schauspiellegende Elisabeth Orth Schauspiellegende Elisabeth Orth erzählt im Gespräch von ihren Anfängen mit Kaffeekochen und Textbücher-Abstauben im Theater an der Josefstadt. Barbara Rett präsentiert ab 20.15 Uhr mit Mozarts Idomeneo die dritte und finale Jubiläumsaufführung anlässlich zehn Jahre Wiedereröffnung Theater an der Wien als Opernbühne. Bis 23.35, ORF 3 20.00 THEMENABENDOktoskop: splace Magazin Zu Gast im Studio bei Amina Handke präsentieren Sabine Kienzer und Tina Frank Werke aktueller und ehemaliger Studenten der Kunstuniversität Linz. Bis 21.25, Okto 22.00 DISKUSSIONIm Zentrum: Zu wenig zum Leben – Wie viel Mindestsicherung ist angemessen? Zu Gast bei Ingrid Thurnher: Sonja Wehsely (Sozialstadträtin Wien, SPÖ), Peter McDonald (Generalsekretär, ÖVP), Manfred Haimbuchner (Landeshauptmannstellvertreter OÖ, FPÖ), Karin Heitzmann (Institut für Sozialpolitik, WU Wien) und Christian Keuschnigg (Ökonom, Universität St. Gallen). Bis 23.05, ORF 2 22.00 KARTELLEnd of Watch (USA 2012, David Ayer) Die zwei Hauptdarsteller Jake Gyllenhaal und Michael Peña überzeugen in ihrer Rolle als Cops im Schmelztiegel der US-Kriminalität. Im Stil einer Documentary gedreht, geht die Geschichte unter die Haut. Bis 23.45, ORF 1 23.05 DOKUMENTARFILMDer Untergang des Alpenlandes – D.U.D.A! Werner Pirchner Der Berliner Regisseur Malte Ludin begibt sich in seinem Film auf Spurensuche nach dem österreichischen Jazzmusiker, Künstler und Dichter Werner Pirchner. Bis 0.30, ORF 2 23.30 MAGAZINTitel, Thesen, Temperamente 1) Dabiq: Das Zentralorgan des IS. 2) Kollektiv Assemble: Designer, Architekten und Künstler. 3) Colonia Dignidad: Der neue Film von Florian Gallenberger. 4) So klingt die Welt: Field Recordings. 5) Der Boulevard der Einwanderer: Die Kantstraße in Berlin als Labor der Integration. Bis 0.00, ARD 23.35 EROBERUNGSonny Boy – Eine Liebe in dunkler Zeit (NL 2011, Maria Peters) Rika (Ricky Koole) hat sich vor kurzem von ihrem untreuen Mann getrennt. Für die 1920er Jahre schon ein großer Schritt, besonders mit vier Kindern, die durchgefüttert werden wollen. Aus Geldmangel nimmt sie den 17 Jahre jüngeren Studenten Waldemar (Sergio Hasselbaink) aus Surinam als Untermieter auf. Nachdem sie ein Kind von ihm bekommt, marschieren die Nationalsozialisten ins Land ein. Berührende Geschichte, mit Oscar-Nominierung. Bis 1.48, ARD 1.20 MYSTERIÖSHoly Motors (F 2012, Leos Carax) Carax schickt Denis Lavant in seinem ersten Langfilm durch Paris. Dabei nimmt Lavant die Gestalt unterschiedlicher Figuren ein: er wird zur Bettlerin, zu einem Tänzer und einem Auftragsmörder. Ohne Handlung aber mit sehr viel Mystery – nur bedingt verwirrend. Bis 3.05, SRF 1 'Berlinale-Eröffnung, Akte X, Schauplatz über Leben mit Mindestsicherung und Brennpunkt über IS und Friedensengagement. 19.20 LIVEEröffnung der Berlinale 2016 Anke Engelke, Cécile Schortmann und Rainer Maria Jilg kommentieren die Eröffnung des Berliners Filmfests. Bis 21.00, 3sat 20.15 SERIEAkte X – Die unheimlichen Fälle des FBI Agent Mulder und Scully sind wieder ein Paar – rein dienstlich, versteht sich. Ihre gemeinsame Vergangenheit holt sie jedoch immer wieder ein und machen diese Serienwiederaufnahme zu einem sehenswerten Revival. Bis 21.00, ORF 1 21.05 DISKUSSIONInside Brüssel Gäste von Peter Fritz: Peter Kaiser (Landeshauptmann von Kärnten), Franz Obermayr (FPÖ), Valentina Pop (Wall Street Journal) und Shakuntala Banerjee (ZDF). Die Themen: 1) Europa in der Schuldenfalle. 2) Flüchtlinge: Jeder für sich allein. 3) Feiern mit ungutem Gefühl. Karneval in Deutschland, Fasching in Österreich. Bis 21.55, ORF 3 21.05 TALKFingerzeig Deutschlands erste Talkshow in Gebärdensprache. Gestaltet wird sie von einer offenen TV-Redaktion aus jungen, großteils gehörlosen, Menschen. Sogenannte Voicings sorgen dafür, dass auch hörende ZuseherInnen den spannenden Diskussionen folgen können. Bis 21.35, Okto 21.00 SO SCHÖNDer englische Patient (The English Patient, USA 1998, Anthony Minghella) Ralph Fiennes ist Graf Almásy, Gentleman-Abenteurer in kurzen Hosen Intime Missverständnisse, mehr Spuren des Bösen, das Typische am Wiener Schnitzel und der beste Film aller Zeiten. 20.15 KRIMISpuren des Bösen: Liebe (Ö/D 2015, Andreas Prochaska) Ein neuer Fall mit dem nachdenklichen Ermittler Richard Brock. Wieder einmal wird eine junge Frau ermordet. Ein Mann ist geständig, er war es aber nicht. Der Polizeipsychologe wird auf eigene Faust aktiv und stößt einmal mehr an seine Grenzen. Bis 21.50, ORF 2 20.15 MAGAZINTerra Mater: Der Strauß – Zum Laufen geboren Zwei Straußenpaare müssen den richtigen Zeitpunkt für Nachwuchs wählen. Überleben werden nur jene Jungen, die knapp vor Beginn der Regenzeit zur Welt kommen. Bis 21.15, Servus TV 20.15 WARTEZIMMERTerminal (The Terminal, USA 2004, Steven Spielberg) Krakozhia, das fiktive osteuropäische Land, aus dem Viktor (Tom Hanks) stammt, ist nicht mehr existent. Für den Reisenden ist ein US-Flughafen die Endstation, er bezieht dort Quartier, um fortan durch die kühlen Hallen des weitläufigen Flughafenkomplexes zu menscheln. Bis 22.45, Kabel eins 21.55 GESPRÄCHSciencetalk: Norbert Bischofberger Der Biochemiker entwickelte das Grippemedikament Tamiflu und wird seither Bill Gates der Pharmabranche genannt. Im Gespräch mit Barbara Stöckl. Bis 22.30, ORF 3 22.25 EXPERIMENTIntimacy (F 2000, Patrice Ché reau) Ein Mann, eine Frau, ein Experiment: Patrice Chéreau lässt Kerry Fox und Mark Rylance die rein körperliche Beziehung proben. Das Zusammentreffen wird von Gefühlen, Missverständnissen und Forderungen belastet. Bis 0.20, 3sat 22.30 MAGAZINMenschen & Mächte: Unser Schnitzel Peter Liska schaut unter die Panier: Streifzug durch Wirtshäuser, Imbissbuden, Großküchen, Ernährungsinstitute, Arztpraxen, Bauernhöfe, Schlachthäuser und das ORF-Archiv. Bis 23.30, ORF 2 22.45 MAGAZINMenschen bei Maischberger: Sozialstaat unter Druck – Kosten uns die Flüchtlinge zu viel? Gäste: Wolfgang Grupp (Unternehmer), Roland Tichy (Publizist), Leni Breymaier (Ver.di), Edeltraud Sack (Tafel-Leiterin), Bernd Raffelhüschen (Wirtschaftswissenschafter), Marcel Fratzscher (Wirtschaftswissenschafter), Alireza Faghihzadeh (Flüchtling und Lehrling). Bis 0.00, ARD 23.10 KRIEGSVERBRECHENSturm (D/DK/NL 2009, Hans-Christian Schmid) Hannah Maynard (Kerry Fox) ist Anklägerin beim Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien in Den Haag. Es gelingt ihr, eine in Berlin lebende Bosnierin zu überzeugen, gegen einen mutmaßlichen Kriegsverbrecher auszusagen. Bis 0.45, BR 23.25 DOKUMENTARFILMDas Golddorf – Asyl im Heimatidyll (D 2015, Carolin Genreith) Die Filmemacherin Carolin Genreith besucht während eines Dreivierteljahres immer wieder den Ort Bergen im Chiemgau und begleitet zwei Flüchtlinge, die dort untergebracht wurden und die sich mit einem neuen Leben und einer neuen Umgebung arrangieren müssen. Über Parallelwelten in einem bayerischen Mikrokosmos im Schatten der Berge. Bis 0.40, SWR 23.30 REPORTAGEWeltjournal +: Tückisches Gift – Machen Unkrautvernichter krank? Recherche des investigativen Journalisten Andreas Rummel. Seine Reise führt durch Europa und bis Lateinamerika, auf der Spur des Unkrautvernichters Glyphosat, der seit 40 Jahren Lebensmittel, Wasser und Luft bedroht. Bis 0.20, ORF 2 1.25 IM RAUSCHDorfpunks (D 2009, Lars Jessen) Verfilmung von Rocko Scha mo nis Erinnerungen an die wilden 1980er-Jahre mit allerlei verbotenen Substanzen, unter anderem spielt Haarfestiger eine tragende Rolle. Bis 3.00, Eins Festival 1.30 MEISTERWERKCitizen Kane (USA 1940, Orson Welles) In dutzenden Umfragen zum besten Film aller Zeiten gewählt, hat Orson Welles’ glanzvolles Debüt die Jahre seit seinem Entstehen bestens überdauert. Von Puristen des USGenre-Kinos wird dem Film gelegentlich sein Manierismus, seine Uneinheitlichkeit vorgeworfen – doch sind es gerade diese Attribute, die ihn zur Sensation im Filmgeschehen der frühen 1940er-Jahre machten. Die Filmbiografie des Zeitungsmagnaten besteht aus wilden Brüchen, radikal wechselnden Erzählperspektiven und einer Reihe filmischer Stilmittel, die damals als unerhört galten. Bis 3.25, Servus TV Scobel über Organhandel, Am Schauplatz über erste Schritte eines syrischen Balletttänzers in Österreich und "Die langen hellen Tage" in Georgien. 21.00 MAGAZINScobel: Organhandel – Der Wert des Menschen: Illegaler Handel mit menschlichen Organen boomt Gert Sobel diskutiert mit Huige Li (Mediziner und Pharmakologe), Johann Pratschke (Chirurg) und Urban Wiesing (Medizinethiker), inwieweit Deutschland in den Organhandel verstrickt ist, und sucht eine Antwort auf die Frage, wie diese besonders brutale Form von Sozialdarwinismus entsteht. Bis 22.00, 3sat 21.05 DISKUSSIONInside Brüssel Peter Fritz diskutiert mit den Europaabgeordneten Paul Rübig (ÖVP) und Barbara Kappel (FPÖ) sowie mit den EU-Korrespondenten Bojan Pancevski von der britischen Wochenzeitung Sunday Times und Florence Autret von der französischen Zeitung La Tribune über folgende Themen: 1) Flüchtlingsgipfel: Europa vor der Spaltung? 2) EU ohne Großbritannien? 3) Bargeld ade? Bis 21.50, ORF 3 21.05 REPORTAGEAm Schauplatz: Erste Schritte Der syrische Balletttänzer Walaa kam als Flüchtling nach Österreich. Nach zwei Jahren, die er in unterschiedlichen Zeltlagern verbrachte, erhielt er die Chance eines Auftritts beim Europaballett St. Pölten und einen fixen Ausbildungsplatz. Bis 22.00, ORF 2 21.50 MAGAZINIm Brennpunkt: Die weiße Afar Die Australierin Valerie Browning lebt in Äthiopien, nachdem sie vor über 20_Jahren einen Afar-Nomaden ge heiratet hat. Auch im 21. Jahrhundert zieht das muslimische Hirtenvolk mit seinem Vieh noch von Weideland zu Weideland. Bis 22.25, ORF 3 22.15 TALKMaybrit Illner: Auf verlorenem Posten. Scheitert Merkel an Europa? Zu Gast sind Thomas Oppermann (SPD), Markus Söder (Finanzminister Bayern), Politikwissenschafterin Almut Möller, Unternehmerin Sina Trinkwalder, Gabor Steingart (Handelsblatt) und Falko Liecke (Bezirksstadtrat Berlin-Neukölln). Bis 23.15, ZDF 22.15 DISKUSSIONTalk im Hangar-7: Bioweltmeister Österreich: Essen wir wirklich so gesund? Gäste bei Michael Fleischhacker: Tobias Moretti (Schauspieler und Biolandwirt), Sarah Wiener (Fernsehköchin und Autorin), Johannes Gutmann (Gründer der Biomarke Sonnentor), Maximilian Ledochowski (Ernährungsmediziner) und Clemens Arvay (Autor und Biologe). Bis 23.25, Servus TV 22.25 DISKUSSION60 Minuten.Politik: Sozialstaat Österreich – Kommt die Mindestsicherung neu? Christoph Takacs (ORF 3) und Klaus Herrmann (Kronen Zeitung) diskutieren mit Markus Vogl (SPÖ), Werner Groiß (ÖVP), Dagmar Belakowitsch-Jenewein (Stv. Klubobfrau FPÖ), Judith Schwentner (Sozialsprecherin Die Grünen), Gerald Loacker (Sozialsprecher Neos) und Robert Lugar (Klubobmann Team Stronach). Bis 23.30, ORF 3 22.30 MAGAZINEco Angelika Ahrens präsentiert: 1) OMV im Umbruch: Sparen und verkaufen. 2) Bargeld unter der Lupe: Der Kampf um große Scheine und kleine Münzen. 3) Jobs für Flüchtlinge: Wie Betriebe Flüchtlingen helfen. Bis 23.05, ORF 2 22.45 RACHEDie langen hellen Tage (Grzeli nateli dgeebi, D/F/GE 2013, Nana Ekvtimishvili / Simon Groß) Die 14-jährigen Freundinnen Eka (Lika Babluani) und Natia (Miriam Bokeria) wachsen 1992 in Georgien auf, das nach Erlangen der Unabhängigkeit in Gewalt und Anarchie versinkt. Bedrückendes Sittenbild mit ästhetischen Aufnahmen. Bis 0.25, Arte 23.05 TALKStöckl Zu Gast bei Barbara Stöckl: Schauspieler und Autor Samuel Koch, Bergsteiger Wolfgang Nairz, Schauspielerin und Sängerin Katharina Straßer sowie Musiker Johnny Bertl. Bis 0.05, ORF 2 Bürgeranwalt | Katrin Bauerfeind assistiert | Das Leben der Anderen | Das Glück der großen Dinge | Kaiser Franz Joseph und der Erste Weltkrieg | Silver Linings | Liebe | Waltz with Bashir. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt 1) Konflikt mit türkischem Kulturverein in Salzburg. 2) Nachgefragt: Aufregung um Funkmast in Kitzeck. 3) Flutlichtanlage im Wohngebiet in Innsbruck. Bis 18.20, ORF 2 19.30 MAGAZINKatrin Bauerfeind assistiert – Best of Staffel 4 Sieben neue Jobs, sieben voll gepackte Arbeitstage und sieben neue Chefs hatte Katrin Bauerfeind in der vierten Staffel. 3sat zeigt die Höhepunkte aus dieser. Bis 20.00, 3sat 20.15 DDR-DRAMADas Leben der Anderen (D 2006, Florian Henckel von Donnersmarck) Stasi-Hauptmann Gerd Wiesler soll den Schriftsteller Georg Dreymann und dessen Lebensgefährtin, die Theaterschauspielerin Christa-Maria Sieland, ausspionieren. Aber Wiesler tut sich schwer mit dem Job, moralische Konflikte brechen auf. Ulrich Mühe, Martina Gedeck und Sebastian Koch beeindrucken in den Hauptrollen. Bis 22.20, 3sat 20.15 FAMILIEDas Glück der großen Dinge (What Maisie Knew, USA 2012, Scott McGehee, David Siegel) Die sechsjährige Maisie (Onata Aprile) hat es nicht leicht. Streit und heftige Diskussionen zwischen den Eltern gehören zu ihrem Alltag. Mit der Scheidung beginnt auch der Streit um das Sorgerecht. Verfilmung des Romans von Henry James mit Julianne Moore und Steve Coogan als überforderte Eltern. Bis 22.05, Servus TV 20.15 GESCHICHTEKaiser Franz Joseph und der Erste Weltkrieg Der Krieg könnte zum Sargnagel für die Monarchie werden, sagte der österreichische Generalstabchef Franz Conrad von Hötzendorf im Herbst 1914 im Gespräch mit Kaiser Franz Joseph. Er sollte recht behalten. Die Dokumentation von Andreas Novak beleuchtet die ersten drei Kriegsjahre, von 1914 bis zum Tod Kaiser Franz Josephs im November 1916. Bis 21.10, ORF 3 20.15 KOMÖDIESilver Linings (USA 2012, David O. Russell) Pat Solitano war ein paar Monate in der Psychiatrie, jetzt zieht er wieder zu seinen Eltern. Seine Exfrau Nikki geht ihm nicht aus dem Kopf, er will sie zurückgewinnen, darf ihr aber einer gerichtlichen Verfügung folgend nicht näher als 150 Meter kommen. Da lernt er Tiffany kennen, die sich nach dem Tod ihres Mannes in einer Krise befindet. Sie soll ihm helfen. Kurz weilige Komödie mit Bradley Cooper, Jennifer Lawrence, Robert De Niro. Bis 22.05, ORF 1 22.00 ALTERLiebe (Amour, F/D/Ö 2012, Michael Haneke) Anne (Emanuelle Riva) und Georges (Jean-Louis Trintignant), beide über 80, sind seit Jahrzehnten glücklich verheiratet. Dann erleidet Anne einen Schlaganfall, Georges pflegt sie, ist aber überfordert. Hanekes präzise Studie über Liebe und Krankheit im Alter gewann 2013 den Oscar für den besten fremdsprachigen Film. Bis 0.00, 3sat 22.20 GESPRÄCH UND MALEREIDer Meisterfälscher Diesmal porträtiert Fälscher Wolfgang Beltracchi den Komiker Otto Waalkes. Bis 22.50, 3sat 23.05 ANIMATIONWaltz with Bashir (ISR/D/USA 2008, Ari Folman) Regisseur Ari Folman war 1982 als israelischer Soldat während des ersten Libanonkriegs im Libanon stationiert war. Der Trickfilm basiert auf realen Interviews und Ereignissen und wurde mit einem Golden Globe ausgezeichent. Sehenswert. Bis 0.30, RBB 23.55 EHEKRISEZeiten des Aufruhrs (Revolutionary Road, USA/GB 2008, Sam Mendes) Mitte der 50er-Jahre: Seit sieben Jahren sind Frank (Leonardo DiCaprio) und April Wheeler (Kate Winslet) verheiratet. Jetzt steht die Ehe vor dem Aus. Weder ist Frank in seinem Bürojob glücklich noch April als biedere Haufrau und Mutter. April will ausbrechen aus ihrem faden Vorstadtleben und macht Frank den Vorschlag, nach Paris zu gehen und dort noch einmal neu anzufangen. Bis 1.45 ORF 1 0.55 BIOGRAFIEPollock (USA 2000, Ed Harris) Der US-amerikanische Maler Jackson Pollock (Ed Harris) trifft 1941 in New York auf seine Künstlerkollegin Lee Krasner (Marcia Gay Hayden). Sie heiraten. Mäzenin Peggy Guggenheim entdeckt Pollock, er wird zum Superstar der abstrakten Kunst. Doch der Ruhm tut ihm nicht gut. Er zerbricht an seinem Erfolg, hat Selbstzweifeln und verfällt dem Alkohol. Bis 2.45, Servus TV 2.00 THRILLERIm Zeichen des Bösen (Touch of Evil, USA 1958, Orson Welles) US-Grenze zu Mexiko: Der Drogenfahnder Miquel Vargas (Charlton Heston) und seine Frau sind Zeugen eines Bombenanschlags. Am Explosionsort trifft Vargas den korrupten US-Polizei-Captain Hank Quinlan (Orson Welles), für den der Schuldige schnell gefunden ist. Spannende Good-Cop-Bad-Cop-Story. Bis 3.35, ZDF Lars und die Frauen | Liberace – Zu viel des Guten ist wundervoll | Inside Brüssel | Scoble | Am Schausplatz | Im Brennpunkt | Jagd nach Gerechtigkeit | Talk im Hangar 7 | Eco. 20.15 EINZELGÄNGERLars und die Frauen (Lars and the Real Girl, USA 2007, Craig Gillespie) Ryan Gosling als schüchterner Einzelgänger, der seiner Familie eine Sexpuppe als Freundin vorstellt. Tragische Geschichte. Bis 22.20, ATV2 20.15 ÜBERFLUSSLiberace – Zu viel des Guten ist wundervoll (Behind the Candelabra, USA 2013, Steven Soderbergh) Michael Douglas spielt den Pianisten Władziu Valentino Liberace. Seine heimliche Homosexualität war zu Anfang seiner Karriere nicht nur in den USA ein Tabuthema. Mit Matt Damon wunderbar verfilmt. Bis 22.45, Vox 21.00 DISKUSSIONInside Brüssel Peter Fritz diskutiert mit Angelika Mlinar (Neos), Knut Fleckenstein (SPD), Janis Emmanouilidis vom European Policy Centre und Martyna Czarnowska (Wiener Zeitung) über: 1) Türkei – der Schlüssel zum Erfolg? 2) Syrien – hält die Waffenruhe? 3) Atomkraft wieder im Kommen. Bis 21.50, ORF 3 21.00 MAGAZINScobel: Weltmeere vor dem Kollaps? Gert Scobel diskutiert mit Nele Matz-Lück (Juristin), Hans-Otto Pörtner (Biologe und Klimaforscher) und Nikolaus Gelpke (Meeresbiologe). Bis 21.50, 3sat 21.05 REPORTAGEAm Schauplatz: Der gemachte Winter Klimaforscher gehen davon aus, dass die Durchschnittstemperatur in den Alpen um zwei Grad angestiegen sei. Somit wackelt die Lebensgrundlage für den ganzen Winterindustriezweig. Bis 22.00, ORF 2 21.50 MAGAZINIm Brennpunkt: Madagaskar – Das hässliche Gesicht des Paradieses In Madagaskar herrscht Dürre. 14 Millionen Menschen leben in extremer Armut und haben nur ein Ziel – täglich genug Wasser und Nahrung zu finden. Bis 22.25, ORF 3 22.00 GERICHTJagd nach Gerechtigkeit: Das Tribunal von Den Haag (Hunt for Justice, D/CAN 2005, Charles Binamé) 1996: Die Juristin Louise Arbour wird zur ersten Chefanklägerin des neuen Kriegsgerichtshofs im niederländischen Den Haag ernannt. Man rechnet mit ihrem Scheitern, und mit der Zeit muss sie feststellen, dass sie eine Anklägerin ohne Polizeigewalt ist. Bis 23.25, Arte 22.15 DISKUSSIONTalk im Hangar 7: Was treibt Kinder in den Jihad? Zu Gast bei Michael Fleisch hacker: Ednan Aslan (Islamwissenschafter), Reinhard Haller (Psychiater), Moussa Al-Hassan Diaw (Religions pädagoge), Christian Klar (Schuldirektor in Wien) und Alexander Osman (Kommunikationswissenschafter). Bis 23.25, Servus TV 22.15 TALKMaybrit Illner: Integration oder Spaltung – Was kostet uns der soziale Frieden? Zu Gast: Jens Spahn (CDU, Staatssekretär Finanzministerium BFM), Ralf Stegner (SPD, Stellvertretender Parteivorsitzender), Rita Knobel-Ulrich (Autorin, Filmemacherin), Andreas Hollstein (CDU-Bürgermeister Altena in NRW), Clemens Fuest (ZEW, Präsident des Ifo-Instituts) und Mazour Hossein Sharifi (Flüchtling aus Afghanistan). Bis 23.15, ZDF 22.25 DISKUSSION60 Minuten.Politik: Pensionsreform – Aufgehoben oder verschoben? Christoph Takacs (ORF 3) und Eva Weissenberger (News) diskutieren mit Karl Blecha (Präsident Pensionistenverband SPÖ), Ingrid Korosec (Bundesobfrau Seniorenbund ÖVP), Johann Herzog (Generalsekretär Seniorenring FPÖ) und Werner Thum (Vorsitzender ÖGB-PensionistInnen). Bis 23.30, ORF 3 22.30 MAGAZINEco Angelika Ahrens präsentiert im Wirtschaftsmagazin: 1) Kampf um Jobs: zu wenig Arbeit, zu viele Pendler. 2) Iran: ein Riesenmarkt erwacht. 3) Kampf um Kundinnen: die Strategien von Palmers, Wolford, Huber und Co. Bis 23.00, ORF 2 23.05 TALKStöckl Zu Gast im Nighttalk bei Barbara Stöckl: Viktor Gernot (österreichischer Kabarettist, Schauspieler, Fernsehmoderator und Musiker), Melanie Ruff (Gründerin, Geschäftsführerin und Unternehmerin), Elisabeth Stadler (Vienna Insurance Group) und Roland Assinger (ehemaliger österreichischer Skirennläufer und heutiger Trainer). Bis 0.05, ORF 2 Europastudio: EU ohne Briten? | Panorama: Zum Weltfrauentag | Metropolis | Erlebnis Bühne: Mütter | Im Zentrum: Politkuh oder Sündenfall | Bear Grylls: Stars am Limit – Barack Obama. 11.05 DISKUSSIONEuropastudio: EU ohne Briten? Paul Lendvai diskutiert mit Anne McElvoy (The Economist), Stefanie Bolzen (Die Welt), Daniel Vernet (Publizist) und Christian Ultsch (Die Presse). Bis 12.00, ORF 2 13.05 MAGAZINPanorama: Zum Weltfrauentag Wie weit der Weg zur Gleichberechtigung trotz verbesserter Gesetzeslage in den 1970er-Jahren noch war, zeigten Trautl Brandstaller und Monika Lindner in ihrer Reportage Gleiche Arbeit – gleicher Lohn von 1978. Bis 13.30, ORF 2 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat 1) Migrantinnen in Österreich. 2) Weitblicke mit Christine Nöstlinger und Mirjam Unger. 3) Binge Eating Disorder. Bis 14.00, ORF 2 16.50 MAGAZINMetropolis 1) Metropolenreport: Breslau. 2) Michelle Dorrance in New York. 3) Das Wunder von Perm. 4) Gila Lustiger in Paris. 5) Hieronymus Bosch im Net Noordbrabant Museum. 6) Rosefeldt in Berlin. Bis 17.35, Arte 19.25 MAGAZINErlebnis Bühne: Mütter – Christa Ludwig Die große Konzertsängerin Christa Ludwig im Gespräch mit Journalistin Hermi Löbl. Ab 20.15 Uhr: Ariadne auf Naxos. Bis 23.45, ORF 3 21.45 DISKUSSIONAnne Will: Flüchtlingsdrama vor dem Gipfel – Ist Europa noch zu retten? Gäste: Heiko Maas (SPD), Sebastian Kurz (ÖVP), Katja Kipping (Die Linke), Ka trin Göring-Eckhardt (Die Grünen) und Richard Sulík (SaS). Bis 22.45, ARD 22.00 DISKUSSIONIm Zentrum: Politcoup oder Sündenfall – Österreichs Flüchtlingspolitik auf dem europäischen Prüfstand Zu Gast: Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Johannes Voggenhuber (Die Grünen), Gerda Falkner (Politologin), Valentin Inzko (Diplomat) und Stephan Löwenstein (Journalist, FAZ). Bis 23.05, ORF 2 23.05 DOKUMENTARFILMZum Weltfrauentag: Wenn Frauen Frieden machen Inmitten des Israel-Palästina-Konflikts gründen Anat aus Israel und Rola aus Palästina gemeinsam ein Logistikunternehmen. Ab 0.05 Uhr: Vivienne Westwood – Do it yourself. Ab 1.00 Uhr: Coco Chanel. Bis 3.15, ORF 2 23.05 MAGAZINTitel, Thesen, Temperament 1) Pekings Pop-Ikone Helen Feng. 2) Juli Zeh: Unterleuten. 3) Fotos von Thomas Struth. 4) Doku: Im Strahl der Sonne. 5) Der Kopp-Verlag in der Kritik. Bis 0.00, ARD 23.15 SURVIVALBear Grylls: Stars am Limit – Barack Obama Bear Grylls nimmt Barack Obama, Präsident der Vereinigten Staaten mit in die Wildnis. Bis 0.10, Dmax Die Piraten – Ein Haufen merkwürdiger Typen | Terror von rechts – die neue Bedrohung | Makro: China im Umbruch | Der Schakal | Universum History: Auf der Suche nach Hitlers Volk. 18.30 MAGAZINHeute konkret: Neophyten – Aliens im Garten Das Magazin berichtet diesmal von der Messe Blühendes Österreich in Wels und zeigt, wie exotische Pflanzen die heimische Artenvielfalt bedrohen. Bis 18.51, ORF 2 20.15 ANIMATIONDie Piraten – Ein Haufen merkwürdiger Typen (The Pirates! – In an Adventure with Scientists, GB/USA 2012, Peter Lord, Jeff Newitt) Der Piratenkapitän ist ein sehr Netter, aber für seinen Job völlig ungeeignet. Trotzdem will er unbedingt Pirat des Jahres werden. Er kapert mit seiner Mannschaft das Schiff von Charles Darwin, an Bord ist auch Polly, ein Exemplar einer angeblich ausgestorbenen Papageienart. Lustiger Stop-Motion-Spaß von den Machern von Wallace & Gromit und Chicken Run. Bis 22.00, Sat.1 20.15 DOKUMENTATION Terror von rechts – die neue Bedrohung Die Dokumentation von Thomas Reutter geht der Frage nach, wie konsequent Deutschland gegen Rechtsterrorismus vorgeht. Er kommt zum Schluss, dass Anschläge banalisiert, Ermittlungsansätze beiseitegeschoben und Täter verharmlost würden. Bis 21.00, 3sat 21.00 MAGAZINMakro: China im Umbruch Statt billiger Werkbank will China in Zukunft auf Hightech und Konsum setzen. Wohin bewegt sich Chinas Wirtschaft? Bis 21.30, 3sat 22.00 KOMÖDIELang lebe Ned Devine! (Waking Ned, GB/IRL 1998, Kirk Jones) Schön blöd: Vor lauter Aufregung über einen Lottogewinn stirbt der arme Ned. Die Dorfgemeinschaft von Tullymore beschließt daraufhin, den Gewinn nicht an die Lottobehörde zurückfallen zu lassen. Doch dafür muss Ned wieder lebendig werden. Skurrile Komödie mit Ian Bannen und David Kelly. Bis 23.45, Servus TV 22.35 THRILLERDer Schakal (The Day of the Jackal, GB 1973, Fred Zinnemann) Frankreich 1963: Nach gescheiterten Anschlägen auf den Staatspräsidenten Charles de Gaulle setzt die Terrororganisation OAS einen Profikiller auf den Präsidenten an. Die Polizei ist ihm auf den Fersen. Legendärer Thriller mit Edward Fox, nach dem Buch von Frederick Forsyth. Bis 0.50, 3sat 22.40 DOKUMENTATIONUniversum History: Auf der Suche nach Hitlers Volk (1/2) Auf Basis der Aufzeichnungen des in Wien geborenen US-Soldaten Saul Padover versucht der Zweiteiler von Peter Hartl und Alexander Berkel eine Antwort auf die Frage zu finden, warum ein Großteil der Deutschen immer noch loyal hinter dem Führer stand, obwohl die Niederlage Deutschlands schon offenkundig war. ORF 2 zeigt den zweiten Teil am 8. April. Bis 23.35, ORF 2 23.00 MAGAZINAspekte Themen sind: 1) US-Schriftsteller über Donald Trump. 2) Benjamin von Stuckrad-Barre über sein neues Buch Panikherz. 3) Kunst-Biennale in Marrakesch. 4) Punk der Klassik szene: Dirigent Teodor Currentzis. Bis 23.30, ZDF 23.35 KRIMIColumbo: Alter schützt vor Morden nicht (Try and Catch Me, USA 1977, James Frawley) Krimiautorin Abigail Mitchell glaubt, dass ihre Nichte von deren Mann Edmund getötet wurde, und ermordet diesen aus Rache. Aber der clevere Kommissar schöpft bald Verdacht und klärt den Fall wie immer auf seine ganz eigene Weise. Bis 00.45, ORF 2 23.40 MAGAZINKurzschluss Diese Woche stellt das Filmmagazin den Künstler Jochen Kuhn vor und zeigt seine Animationsfilme Sonntag 3 und Immer müder. Auf dem Programm stehen auch Erledigung einer Sache von Dustin Loose und ein Porträt der Filmakademie Baden-Württemberg. Bis 0.25, Arte Swimming Pool, Asterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät, Die Toten vom Bodensee – Stille Wasser, The Queen, The Doors. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt Die Themen bei Peter Resetarits: 1) Zu Unrecht bestraft: Sonja R. wurde im Ortsgebiet von Weißkirchen in der Steiermark geblitzt, weil sie mit 39 km/h statt der angeblich erlaubten 30 km/h unterwegs war. 2) Schadhaftes Medikament? Die Ärztin Sigrid K. leidet unter der seltenen Krankheit myalgische Enzephalomyelitis. Bis 18.20, ORF 2 19.30 ABEND MIT SHAKESPEAREKulturpalast: Shakespeare lebt (5/5) 400 Jahre und kein bisschen tot. Den Auftakt der William-Shakespeare-Festspiele machen Nina Sonnenberg und Lars Eidinger (Richard III. an der Berliner Schaubühne), die der Frage nachgehen, warum der Dramatiker auch heute noch fasziniert. Um 20.15 Uhr folgt eine Aufführung von Romeo und Julia aus dem Thalia-Theater in Hamburg (2014) und um 23.10 Uhr die Dokumentation Das Shakespeare-Rätsel, die sich auf biografische Spurensuche begibt. Bis 23.55, 3sat 20.15 PSYCHOKRIMISwimming Pool (F/GB 2003, François Ozon) Krimiautorin Sarah (Charlotte Rampling) und die junge Julie (Ludivine Sagnier) teilen sich ein französisches Landhaus. Die eine treibt es wild, die andere schreibt es auf – bis beide den gleichen Mann wollen. Dass Regisseur Ozon ein Händchen für Frauenkrimis mit Klasse hat, wissen wir seit 8 Frauen. Hier lotet er die Grenzen zwischen Realität und Fiktion aus. Bis 21.50, Eins Festival 20.15 KOMÖDIEAsterix & Obelix – Im Auftrag Ihrer Majestät (Asterix & Obelix – Au service de Sa Majesté, FRA/ESP/HUN/ITA 2012, Laurent Tirard) Julius Cäsar (Fabrice Luchini) greift mit seinen Truppen Britannien an. Königin Cordelia (Catherine Deneuve) schickt einen Gesandten in das berühmt-berüchtigte, wehrhafte Dorf in Gallien, um Hilfe gegen die Römer zu erbitten. Und so machen sich Asterix (Edouard Baer) und Obelix (Gérard Depardieu) mit einem Fass Zaubertrank auf den Weg. Allerdings haben sie auch Grautvornix (Vincent Lacoste), den nervigen Neffen des Häuptlings, im Schlepptau. Viertes Realfilmabenteuer der munteren Gallier. Bis 21.55, ORF 1 20.15 KRIMIDie Toten vom Bodensee – Stille Wasser (AUT/DEU 2016, Andreas Linke) Nächster Teil der Krimireihe: Am Bodensee hat ein Fischer eine Frauenleiche in seinem Netz entdeckt. Auf den ersten Blick ein tragischer Badeunfall, der sich jedoch schnell als gewaltsamer Tod herausstellt. Zeiler (Nora von Waldstätten) und Oberländer (Matthias Koeberlin) nehmen die Ermittlungen auf. Bis 21.50, ORF 2 20.15 ROYALThe Queen Wohl keine andere Persönlichkeit hat die Geschicke des englischen Königshauses der Neuzeit so geprägt wie sie. Sie sitzt mit eisernem Willen auf dem Thron und hält nach wie vor die Fäden in der Hand: Queen Elizabeth II. – eine Jahrhundertikone. Am 21. April feiert die Königin ihren 90. Geburtstag. Im Anschluss um 21.45 Uhr folgt der Dokumentarfilm Die Ahnen der Queen – Sachsen- Coburgs Hochzeit mit der Macht. Bis 23.00, Arte 22.20 JIM MORRISONThe Doors (USA 1990, Oliver Stone) Der junge Jim Morrison (Val Kilmer) lernt an in Los Angeles den Musiker Ray Manzarek (Kyle MacLachlan) kennen. Er schließt sich seiner Garagenband an, die er bald als The Doors zu Weltruhm führt. Doch der schnelle Aufstieg zum Weltstar fordert seinen Tribut. Stone gelingt eine Biografie ohne Beschönigungen. Bis 1.05, ATV 2 0.55 DROGENHalf Nelson (USA 2006, Ryan Fleck) Daniel (Ryan Gosling) ist Geschichtelehrer. Er versucht auf unkonventionelle Weise, den afroamerikanischen Jugendlichen ihre eigene Geschichte zu vermitteln. Statt eines platten Problemfilms findet man ein reiches emotionales Panorama in einem schlichten Setting. Bis 2.40, Servus TV Heute konkret | Kulturzeit | Terra Mater | Promised Land | Geronimo | Am Ende des Tages | Weltjournal | Weltjornal + | Zoom | Die Erben | Arabeske. 18.30 MAGAZINHeute konkret Claudia Reiterer be richtet von dubiosen Werbeveranstaltungen, die mit Haushaltsartikeln ihr Unwesen treiben. Bis 18.47, ORF 2 19.20 MAGAZINKulturzeit Die Themen des Kulturmagazins: 1) Polens Historiker und der Zweite Weltkrieg. 2) Der Untergrund des Denkens. Ein Gespräch mit dem Philosophen Philipp Hübl. Bis 20.00, 3sat 20.15 MAGAZINTerra Mater: Südafrika (2) Die zweite Folge des Dreiteilers rückt die tropische Ostküste in den Mittelpunkt. Hier tummeln sich Nilkrokodile und Weißkehlwarane, die Savanne ist die Heimat der Elefanten. Bis 21.15, Servus TV 20.15 ÖKODRAMAPromised Land (USA 2012, Gus Van Sant) Gus Van Sant erzählt von den skrupellosen Machenschaften mächtiger Erdgasunternehmen: Matt Damon verkörpert den hemdsärmeligen Verhandler im Außendienst, der der verarmten Landbevölkerung für Frackingverträge ein besseres Dasein verspricht. Ein spannendes Sujet, das Kapitalismus und ökologische Verwerfungen zusammenbringt. Im Anschluss ist Van Sants meisterhaftes Biopic Last Days in Erinnerung an Kurt Cobain zu sehen. Bis 21.55, Arte 22.15 HÄUPTLINGGeronimo (USA 1993, Walter Hill) Walter Hill erzählt die Flucht des Häuptlings Geronimo (Wes Studi) aus dem Reservat, seinen letzten Kampf um das Land und seine endgültige Gefangennahme. Angelehnt an Robert Aldrichs Ulzana’s Raid zeichnet Hill das differenzierte Bild eines Menschen, der durch seinen verzweifelten Überlebenskampf zur Legende verklärt wird. Bis 0.25, Servus TV 22.25 AUSFAHRTAm Ende des Tages (Ö 2013, Peter Payer) Nicholas Ofczarek nimmt als alter Schulfreund mit Miezekatzentattoo die Verfolgung auf der Westautobahn auf. Ein wilder, rasender, manchmal freilich etwas ziellos umherirrender Rachefilm mit Simon Schwarz, Anna Unterberger. Bis 23.55, 3sat 22.30 MAGAZINWeltjournal: Ausnahmezustand Frankreich Seit den Terroranschlägen gilt in Paris der Ausnahmezustand. Dieser räumt den Behörden umfassende Befugnisse ein, unter anderem ermöglicht er Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss. Bis 23.05, ORF 2 23.05 REPORTAGEWeltjournal +: Belgiens Kampf gegen Radikalisierung Brüssel gilt als ein Hotspot radikaler Islamisten. Die Reportage geht der Frage nach, warum sich gerade so viele belgische Muslime radikalisieren. Bis 23.50, ORF 2 23.15 MAGAZINZoom: Überlebt Volkswagen? Seitdem der Abgas-Skandal publik wurde, ist der Konzern mit weltweit fast 600.000 Beschäftigten in Turbulenzen geraten. Bis 23.45, ZDF 23.30 DOKUMENTATIONDie Erben: Schreiben gegen das Vergessen Junge Schriftsteller schreiben über den Zweiten Weltkrieg und den Holocaust. Ruth Zylberman hat vier Autoren – Daniel Mendelsohn, Yannick Haenel, Laurent Binet und Marcel Beyer – zu ihren Beweggründen befragt. Bis 0.25, Arte 23.50 GREGORY PECKArabeske (Arabesque, USA 1966, Stanley Donen) Gregory Peck als Professor Pollock und Sophia Loren als gekidnappte Yasmin Azir sind auf der Flucht vor unsichtbaren Verfolgern. Ein fulminanter Abenteuerfilm mit prächtiger Ausstattung. Zum gestrigen 100. Geburtstag Gregory Pecks. Wer die romantische Komödie bevorzugt und Peck lieber an der Seite von Audrey Hepburn auf einer Vespa sieht, kann zu Ein Herz und eine Krone (22.55, ORF 3) ausweichen. Bis 1.30, ORF 2 'Linda Hamiltons Muskelspiel in "Terminator 2", weiter Dokus die Baumeister der Republik und Flucht aus Alcatraz. 17.30 MAGAZINBürgeranwalt mit Peter Resetarits: 1) Der gläserne Spender: Knapp 600 Millionen Euro haben die Österreicherinnen und Österreicher im Vorjahr gespendet. 2) Hausnummernchaos: Herr K. bewohnt seit Jahrzehnten sein Haus in guter Lage in Wien. Er hat die Nummer 79 in seiner Gasse. Sein Nachbar aber offenbar auch. 3) Diebstahl im Banksafe. Bis 18.20, ORF 2 20.15 DOKUMENTATIONBaumeister der Republik Porträts von Karl Renner und Theodor Körner stehen am Anfang dieses Abends, der an große Köpfe des Landes erinnert. Um 21.55 Uhr folgt ein Film über den Publizisten und Presse-Herausgeber Otto Schulmeister. Erschlagt mich, ich verrate nichts! zeigt Leben und Wirken der Widerstandskämpferin Käthe Sasso. Bis 23.45, ORF 3 20.15 RATIONALISTHomo Faber (BRD/F/Griechenland 1991, Volker Schlöndorff) Die Regiegröße Schlöndorff inszeniert Max Frischs Fabel von archaischen Bedingungen des betont technokratischen Menschen mit Julie Delpy und Sam Shepard als gefälliges, dem Buchstaben verpflichtetes Filmwerk. Bis 22.05, 3sat 20.15 VERSTRAHLTHulk (USA 2003, Ang Lee) Anhand der Comicverfilmung mit dem grünen Monster kann dem Amerika-Bild von Regisseur Ang Lee nachgespürt werden: Direkte Querbezüge zur jüngeren (Kriegs-)Geschichte des Landes stellen sich ein, wenn das muskelbepackte Wesen auch gegen das Fremde im eigenen Leib kämpft. Bis 23.00, Vox 20.15 DOKUMENTATIONAlcatraz – Der Wahrheit auf der Spur Das berüchtigte Gefängnis vor San Francisco galt als ausbruchsicher. 1962 gelang den Brüdern John und Clarence Anglin sowie ihrem Mithäftling Frank Morris die Flucht. Die Häftlinge verschwanden spurlos. Obwohl ihre Körper nie gefunden wurden, gingen die US-Behörden später vom Tod der Geflohenen aus. Erstmals häufen sich Hinweise, dass John und Clarence Anglin überlebt haben könnten. Die Doku des History-Kanals im Angebot des Abosenders Sky geht diesen Spuren nach. Bis 21.45, History 22.35 TSCHINBUMMArmageddon (USA 1998. Michael Bay) Und wieder rast ein Komet auf die Erde zu und droht sie zu zerstören. Bruce Willis als weltbester Ölbohrer soll das Desaster abwenden, ihm zur Seite Liv Tyler und Ben Affleck. Heroisch, heldenhaft und ziemlich laut. Bis 1.35, Puls 4 0.35 TRUNKENBOLDCat Ballou – Hängen sollst du in Wyoming (USA 1965. Elliot Silverstein) Eine junge Lehrerin aus dem Osten rechnet im Wilden Westen, unterstützt von einem trunksüchtigen Revolverhelden, mit den Mördern ihres Vaters ab. Die kommerziell erfolgreichste Genre-Parodie der 1960er-Jahre: Süßeste (und natürlich schrecklich verführerische) Unschuld Jane Fondas; tolpatschigste Duell-Torkelei Lee Marvins; brechtischeste Balladenform, stilvoll vorgetragen von Nat King Cole und Stubby Kaye. Bis 2.05, RBB 0.45 ARGDas Ding aus einer anderen Welt (The Thing, USA 1982. John Carpenter) Böse Schlittenhunde: Die Mannschaft einer amerikanischen Antarktis-Station holt sich einen Schlittenschlepper und somit ein fremdes Ding ins Haus, das John Carpenter – geschult an Howard Hawks – mit einem zynischen Kurt Russell und ziemlich tollen Spezialeffekten bekämpft. Bis 2.25, RTL 2 1.00 URARGTerminator 2 – Tag der Abrechnung (Judgement Day, USA 1991, James Cameron) Der Reiz des Muskels: Linda Hamilton als durchtrainierte Überlebenskünstlerin, der anachronistische Arnold auf der Seite des Guten. Bis 3.25, ZDF' Wien-Marathon, Mozart-Tag, Pressestunde mit Alexander Van der Bellen, Anne Will über Erdogan-Kritik, Im Zentrum diskutiert Panama Leaks und Staffelstart von Downton Abbey. 8.30 SPORTVienna City Marathon Alles rennet! Von der großen Laufwalz berichten Oliver Polzer, Christian Wolff, Michael Buchleitner, Christoph Sumann. Bis 12.00, ORF 2 9.55 THEMENTAGErlebnis Bühne: Mozart Ein Tag im Zeichen des Genies, mit Konzerten und Opern, unter anderem Le nozze di Figaro (20.15) unter Nikolaus Harnoncourt, 2014 im Theater an der Wien. Mit Bo Skovhus, Christine Schäfer, Ildiko Raimondi, Mari Erismoen, Andrè Schuen, Elisabeth Kulman. Bis 0.40, ORF 3 11.05 DISKUSSIONPressestunde: Alexander Van der Bellen Fragen stellen STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid und Thomas Langpaul (ORF). Bis 12.00, ORF 2 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat Themen: 1) 50 Jahre Anwerbeabkommen mit Jugoslawien. 2) Jugoliga – alte Legende: Gastarbeiterfamilien aus Ex Jugoslawien sind in Österreich längst verwurzelt. 3) Jagoda Lessel, geb. Obradovic, kam 1968 als diplomierte Krankenschwester nach Wien. Bis 14.00, ORF 2 20.00 THEMENABENDOktoskop: Gespenster (D 2005, Christian Petzold) Der Film verdichtet das Schicksal dreier Frauen zu einer bewegenden Begegnung, die ihre Flüchtigkeit, Unnahbarkeit und Sehnsucht in Momente größter Nähe umschlagen lässt. ukas Mauerer spricht mit dem Regisseur. Bis 21.30, Okto 20.15 SERIEDownton Abbey V In Großbritannien lief bereits die letzte Folge, hier spitzt sich noch einmal alles schön zu: Ewiges Ringen eint die Herrschaftsfamilie und ihre Untergebenen. Staffel fünf, zwei Folgen immer sonntags. Bis 22.40, ATV 21.45 DISKUSSIONAnne Will: Streit um Erdogan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei? Gäste: Serdar Somuncu (Kabarettist) Elmar Brok (CDU), Sevim Dagdelen (Die Linke), Bernhard Pörksen (Medienwissenschafter) Fatih Zingal (Union Europäisch-Türkische Demokraten. Bis 22.45, ARD 22.00 DISKUSSIONIm Zentrum: Alle gegen Panama – Auf der Jagd nach Steuersündern Gäste bei Ingrid Thurnher: Helmut Ettl (Finanzmarktaufsicht), Dieter Böhmdorfer (ehem. Justizminister), Anja Cupal (Steuerberaterin), Rudolf Elmer (Whistleblower), Martina Neuwirth (Ökonomin). Bis 23.05, ORF 2 22.50 JAGD AUF BIN LADENZero Dark Thirty (USA 2012, Kathryn Bigelow) Kathryn Bigelows preisgekrönter Film erzählt die Geschichte, als habe die Folter dazu beigetragen, das Versteck Osama Bin Ladens im pakistanischen Abbottabad ausfindig zu machen. Damit sind nicht alle einverstanden. Großes Schauspiel, und hier herrscht Einigkeit, von Jessica Chastain. Bis 23.20, Puls 4 Chinas wilder Fluss | Heute konkret | Kulturzeit | Traumhaus Baumhaus | Klartext | Unsere Evolution | Terra Mater | Der Pferdeflüsterer | Plusminus | 2 Tage Paris | Weltjournal | Weltjournal +. 14.30 DOKUMENTATIONChinas wilder Fluss – An den Ufern des Mekong Von seiner Quelle in den Bergen Tibets fließt der Mekong durch sieben Länder, bevor er das Südchinesische Meer erreicht. Die Dokumentation folgt dem Strom und den alten Handelspfaden an seinen Ufern. Bis 15.15, WDR 18.30 MAGAZINHeute konkret Thema bei Claudia Reiterer ist das Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln. Bis 18.51, ORF 2 19.20 MAGAZINKulturzeit Die Themen des Kulturmagazins: 1) Grundeinkommen in der Schweiz. Ein Gespräch mit dem Soziologen und Philosophen Sascha Liebermann. 2) Agitprop 2.0. Bis 20.00, 3sat 19.30 DOKUMENTATIONTraumhaus Baumhaus Es ist ein ganz besonderer Ort, dort oben in den Bäumen – ob man sich nun seine eigene kleine Welt erträumt und erbaut, sich als Einsiedler zurückzieht oder als Unternehmer richtige Hotels in den Wipfeln errichtet. Die Dokumentation besucht Baumhausbewohner in Frankreich, Deutschland und Schweden. Bis 20.15, Arte 19.45 TALKKlartext Zu Gast beim Talk mit Martin Thür ist Richard Lugner. Bis 20.15, ATV 2 20.15 DOKUMENTATIONUnsere Evolution Die Dokumentation beschäftigt sich in zwei Teilen mit der Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen: Welche Gen-Mutationen haben uns vom Urmenschen zum modernen Homo sapiens entwickeln lassen? Und führt das genetische Know-how dazu, die menschliche Spezies von Grund auf neu zu formen? Bis 21.45, 3sat 20.15 DOKUMENTATIONTerra Mater: Südafrika (3) In der letzten Folge des Dreiteilers dreht sich alles ums Überleben in der Trockenheit. Das betrifft an der Südspitze Afrikas vor allem Schuppentiere und Wildhunde. Bis 21.15, Servus TV 20.15 ROMANTIKDer Pferdeflüsterer (The Horse Whisperer, USA 1998. Robert Redford) Eine maßgeschneiderte Rolle für den großen Moralisten Robert Redford, der hier die New Yorker Karrierejournalistin Annie Mac-Lean (Kristin Scott Thomas) und ihre verunfallte Tochter betreut. Das bedeutet Tod, Verzweiflung, beglückende Naturerlebnisse – und natürlich auch ganz große Romantik. Bis 23.34, ATV 2 21.45 MAGAZINPlusminus Themen des Wirtschaftsmagazins sind u._a. versteckte Mieterhöhungen, das Geschäft mit Rabattaktionen und der dubiose Handel mit Solaranlagen. Bis 22.15, ARD 22.25 CHARMANT2 Tage Paris (Deux jours à Paris, F/D 2007, Julie Delpy) Komisches Aufein anderprallen diverser Klischees über neues Amerika und altes Europa: Neurotischer Ami (Adam Goldberg) besucht mit libertärer Freundin (Julie Delpy) deren Eltern in Paris. Vor allem der exzentrische Vater der Französin treibt mit dem armen New Yorker sein Spiel. Charmantes Regiedebüt der multitalentierten Julie Delpy. Bis 0.00, 3sat 22.30 MAGAZINWeltjournal: Die Nahrung der Zukunft Im Rahmen des ORF-Schwerpunkts Mutter Erde beschäftigt sich das Magazin mit der globalen Herausforderung des Bevölkerungswachstums. Im Jahr 2050 werden neun Milliarden Menschen ernährt werden müssen. Bis 23.05, ORF 2 23.05 REPORTAGEWeltjournal +: Essen für den Müll Die beiden Filmemacher Grant Baldwin und Jenny Rustemeyer haben sich in einem Selbstversuch sechs Monate lang ausschließlich von Lebensmitteln ernährt, die sie auf Müllhalden gefunden haben. Bis 23.50, ORF 2 Europastudio: Türkei/Deutschland | Meine Stadt: Antwerpen | Bundespräsidentenwahl | Metropolis | Erlebnis Bühne | Anne Will: Abhängig von Erdoğan | Game of Thrones. 11.05 DISKUSSIONEuropastudio: Türkei/Deutschland – Die labile Brücke in der Flüchtlingskrise Es diskutieren Margaretha Kopeinig (Kurier-Korrespondentin, Brüssel), Cengiz Günay (Österreichisches Institut für internationale Politik), Seyran Ateş (Anwältin, Menschenrechtsaktivistin) und Heribert Prantl (Chefredaktion Süddeutsche Zeitung). Bis 12.00, ORF 2 11.20 DOKUMENTATIONSREIHEMeine Stadt: Antwerpen Der Wiener Architekt Jakob Dunkl ist begeistert von der flämischen Metropole Antwerpen und geht der Frage nach, wie sich die Hafenstadt in behutsamem Tempo revitalisiert. Bis 11.46, Arte 13.05 MAGAZINPanorama In den Beiträgen, die von Johannes Hoppe präsentiert werden, geht es um den von Menschen produzierten Müll. Bis 13.30, ORF 2 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat 1) Pflegeeltern für junge Flüchtlinge. 2) Muttersprachige Musik mit internationalem Erfolg. 3) Tanja Prušnik – Kunst im Bewusstsein der Freiheit. Bis 14.05, ORF 2 16.30 BP WAHLWahl 16: Bundespräsidentenwahl – Hochrechnung Der Wahlabend startet mit Vorberichten und Rückblick auf vergangene Bundespräsidentenwahltage. Ab 17.00 Uhr gibt es die erste Hochrechnung. Ab 17.40 Uhr: Hans Bürger moderiert eine Runde der Parlaments-Klubobleute. Ab 18.20 Uhr: Runde der Kandidatin und der Kandidaten. 19.00 Uhr: Update. 19.30 Uhr: verlängerte ZiB. Ab 21.50 Uhr: Armin Wolf mit einer ZiB 2 spezial. Ab 22.20 Uhr: Im Zentrum Spezial. Bis 23.25, ORF 2 16.45 BP WAHLBundespräsidentschaftswahl 2016 Zuerst: Kommentare, Analysen und Interviews zur Entscheidung um das höchste Amt im Staat. Danach gibt es ein neues Politikformat mit Martin Wassermair (Politikredaktion), Fanny Rasul (Politikwissenschafterin), Ga briele Kepplinger, Sarah Hujber und Stefan Hageneder. Auch per Live stream. Bis 20.00, Dorf TV 16.45 MAGAZINMetropolis 1) Metropole: Shakespeares London. 2) Was wäre House of Cards ohne Shakespeare? 3) Der IS und der Westen – wie umgehen mit dem Terror? 4) Hamid Sulaiman zeichnet den Krieg. 5) Rebecca Raue – Heimat anders denken. 6) Die surreale Welt von Adam Green. Bis 17.30, Arte 19.25 MAGAZINErlebnis Bühne: Zubin Mehta – Partitur eines Lebens Der indische Ausnahmedirigent Zubin Mehta feiert seinen 80. Geburtstag. Mit Wien verbindet er nicht nur die intensiven Arbeitsjahre mit den Wiener Philharmonikern, sondern auch seine musikalisch pointierte Studienzeit. Ab 20.15 Uhr: Un ballo in maschera – Ein Maskenball. Bis 22.00, ORF 3 20.00 THEMENABENDOktoskop: Train Of Hope September 2015: Der Film bringt durch vielfältige Porträts der freiwilligen Helfer die facettenreiche Vielfalt von Menschlichkeit zum Ausdruck. Regisseurin Anna Ixy Noever ist zu Gast bei Robert Buchschwenter. Bis 21.15, Okto 21.45 DISKUSSIONAnne Will: Abhängig von Erdoğan – Zu hoher Preis für weniger Flüchtlinge? Gäste: Peter Altmaier (Chef des Bundeskanzleramts, Flüchtlingskoordinator der Bundesregierung), Martin Schulz (Präsident des Europäischen Parlaments), Cem Özdemir (Parteivorsitzender), Mustafa Yeneroğlu (Abgeordneter der Großen Nationalversammlung der Türkei) und Selmin Çalışkan (Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland). Bis 22.45, ARD 22.20 BP WAHLIm Zentrum Spezial Zu Gast: Peter Filzmaier (Politikwissenschafter), Eva Zeglovits (Institut für empirische Sozialforschung, Ifes), Wolfgang Bachmayer (österreichische Gesellschaft für Marketing, OGM), Heidi Glück (Strategieberaterin) und Josef Kalina (Kommunikationsexperte). Bis 23.05, ORF 2 23.05 DOKUMENTARFILMEdelweiss, Star der Alpen – Mythos, Kitsch, Realität Richard Rodgers und Oscar Hammerstein schrieben Text und Melodie des Broadway-Musical The Sound of Music, obwohl keiner der beiden jemals ein Edelweiß gesehen hatte, geschweige denn in den Alpen gewesen war.Bis 0.30, ORF 2 3.00 STAFFELSTARTGame of Thrones [S6/E1] Start der sechsten Staffel. Wer nicht alleine schauen will, geht am Montag in die UCI Kinowelt zur GoT-Sky Night (nur mit Ticket). Die nächsten Folgen laufen immer montags um 21.00 Uhr, wahlweise auf Deutsch oder Englisch auf Sky Atlantic HD. Mobile Sky Dienste >> Weiterlesen: Dinner ist coming – Game of Scones Backbuch 'Menschen & Mächte: Der 1. Mai, Oktoskop: Edge Becs, Monty Python – Der Sinn des Lebens, Im Zentrum, The Wolf of Wall Street, Hubert von Goisern: Brenna tuat''s schon lang. 11.05 DOKUMENTATIONMenschen & Mächte: Der 1. Mai – Ein Feiertag macht Geschichte Eine Dokumentation über den illegalen Kampftag der Arbeiterbewegung Ende des 19. Jahrhunderts bis hin zum Staatsfeiertag mit Volksfestcharakter. Ein Film von Robert Gokl. Bis 12.00, ORF 2 12.00 MAGAZINHohes Haus Patricia Pawlicki präsentiert: 1) Recht und Ordnung: Im Studio diskutiert Patricia Pawlicki mit Wolfgang Gerstl von der ÖVP und Alev Korun von den Grünen. 2) Hoher Besuch: Zu Gast: Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon, der eine lange Beziehung zu Wien hat. 3) Schock und Smoke: Warnhinweis und Schockbilder. Bis 12.30, ORF 2 12.00 DISKUSSIONInternationaler Frühschoppen: Die Stunde der Populisten – Europa driftet nach rechts Was bedeutet der Erfolg der Rechtspopulisten für Europa? Was macht den Reiz der Populisten aus? Versagen die etablierten Parteien? Darüber diskutiert Gastgeber Michael Hirz mit Journalisten aus fünf Ländern. Aus Österreich ist Standard-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid dabei. Bis 13.00, Phoenix 13.30 MAGAZINHeimat, fremde Heimat Silvana Meixner präsentiert: 1) Garten der Begegnung. 2) bockwerk als Ausweg aus dem tristen Alltag. 3) Weitblicke mit dem Unternehmer Heini Staudinger. Bis 14.00, ORF 2 16.45 MAGAZINMetropolis 1) Metropolenreport Rom. 2) Li Edelkoort. 3) Kugelbauten von Antti Lovag. 4) Faada Freddy. 5) Wolfgang Bauer: Die geraubten Mädchen – Boko Haram und der Terror im Herzen Afrikas. 6) Nuit Debout. Bis 17.30, Arte 20.00 THEMENABENDOktoskop: Edge Becs (AT 2013, Harald Huto) Drahdiwaberl-Chef Stefan Weber trifft Falco an der Ecke Drahdiwaberlgasse/Falcogasse. Billy Wilder holt Marilyn Monroe am Heldenplatz ab, und die Kaiserin saust mit Rollerblades über die Donaubrücke. Um 21.35 folgt das Making-of zum Film, der die Grenzen von Raum und Zeit verschwinden lässt. Bis 23.35, Okto 20.15 KOTZEREIMonty Python – Der Sinn des Lebens (GB 1982, Terry Jones, Terry Gilliam) Der Kinofilm macht ein schlichtes menschliches Leben zum Zentrum aggressiven Humors. Zum Zerreißen schräge Gags mit dem kotzenden Lokalgast als unappetitlichem Höhepunkt. Bis 22.25, Tele 5 22.00 DISKUSSIONIm Zentrum: SPÖ vor der Zerreißprobe – Was nun? Zu Gast bei Ingrid Thurnher: Hans Niessl (Landeshauptmann Burgenland, stellvertretender SPÖ-Bundesparteivorsitzender), Michael Schickhofer (Landeshauptmann-Stellvertreter Steiermark, SPÖ), Julia Herr (Vorsitzende der Sozialistischen Jugend), Josef Cap (stellvertretender SPÖ-Klubobmann), Franz Löschnak (ehemaliger Vize-Bundesparteivorsitzender und Innenminister, SPÖ) und Anton Pelinka (Politikwissenschafter). Bis 23.05, ORF 2 22.15 SPEKULANTENThe Wolf of Wall Street (USA 2013, Martin Scorsese) Für 22 Monate ging Banker Belfort (Leonardo DiCaprio) ins Gefängnis. Zuvor hatte er, der in den 90er-Jahren zum Inbegriff des betrügerischen Finanzakrobaten geworden war, ein Sex-und-Drogen-Leben auf Kosten anderer geführt. Sehenswert! Nicht nur wegen Di Caprio. Bis 1.10, SRF 2 23.05 DOKUMENTARFILMHubert von Goisern: Brenna tuats schon lang Hubert von Goisern macht Weltmusik und bleibt dennoch seiner Heimat innig verbunden. Sein Werdegang ist voller Brüche und Widersprüche. Der Film ist die Dokumentation seiner Lebensgeschichte – eines Amalgams zwischen den Welten und Kulturen. Bis 0.35, ORF 2' Der Stachel im Fleisch | Prince of Persia | Clockwise | Heimat in der Ewigen Stadt | Cultus – Der Feiertag im Kirchenjahr | Ondine | Sommernachtskonzert | Coming Out | Unbreakable. 13.00 TALKDer Stachel im Fleisch Zu Gast bei Martin Wassermair sind Felix Stalder (Medientheoretiker, Publizist) und Gerfried Stocker (Leiter Ars Electronica Center). Thema: Politik der Digitalität. Bis 14.00, Dorf TV und dorftv.at 15.35 DOLCHPrince of Persia – Der Sand der Zeit (USA 2010, Prince of Persia: The Sands of Time, Mike Newell) Wer bei der Verfilmung des gleichnamigen Videospiels auf die Geschehnisse und Charaktere der Game-Welt hofft, wird enttäuscht. Hollywood hat seinen eigenen Weg gefunden, Videospiele zu verstümmeln. Gyllenhaal: bemüht in seiner Rolle. Bis 17.25, ORF 1 17.25 KOMÖDIEClockwise – In letzter Sekunde (GB 1986, Christopher Morahan) John Cleese spaltet wie Paul McCartney: War Cleese Hirn, Herz oder Nemesis der legendären Spaßguerilla Monty Python? In Clockwise spielt Cleese den Schuldirektor unter Termindruck in bekannt gehetzter Art. Bis Servus TV, 19.20 17.35 DOKUMENTATIONHeimat in der Ewigen Stadt – Oberösterreicher in Rom Einige Oberösterreicher haben sich die italienische Hauptstadt zur Wahlheimat erkoren und Karriere gemacht: Franz Xaver Brandmayr – geboren in Wels – ist Rektor des Päpstlichen Instituts Collegio Teutonico di Santa Maria dell’Anima in Rom und zugleich Rektor der Bruderschaft Santa Maria dell’Anima. Christine Maria Grafinger aus Gmunden ist die Verantwortliche für das Archiv der Präfektur der Vatikanischen Bibliothek. Bis 18.05, ORF 2 18.20 FEIERTAGCultus – Der Feiertag im Kirchenjahr: Fronleichnam Was es mit dem Fronleichnam und der dazugehörigen Prozession auf sich hat, erklärt Pater Florian. Bis 18.35, ORF 3 19.30 DOKUMENTATIONDer Weg der Weisheit: Auf Pilgerpfaden durch Japan (1/2) Der älteste Pilgerweg Japans – der Saigoku – erstreckt sich über eine Länge von 1300 Kilometern. Die Dokumentation begleitet die buddhistische Priesterin Maruko Tsuyuno auf ihrer Pilgerreise. Der zweite Teil wird am Freitag ab 19.30 Uhr ausgestrahlt. Bis 20.15, Arte 19.52 MAGAZINFeierAbend: Verschwundene Kinder Journalistin Wal Ferrao setzt sich seit Jahren für die Rechte der Kinder in Brasilien ein, denn jeden Tag verschwindet in Rio de Janeiro ein Kind. Sie gründete zwei Einrichtungen, in denen sie Mütter und Geschwister von Verschwundenen und Ermordeten zur Gruppentherapie zusammenbringt. Ein Film von Gundi Lamprecht. Bis 20.05, ORF 2 20.15 THEMENTAGMythos Wald – Tierparadies und Schattenreich Die Doku erzählt die Geschichte dichter Urwälder, die einst ganz Mitteleuropa bedeckten. Eigens angefertigte Kameraausrüstung ermöglicht lange Zeitraffer und extreme Zeitlupen. Film von Jan Haft. Bis 21.45, 3sat 20.15 MELODRAMOndine – Das Mädchen aus dem Meer (Ondine, USA/IRL 2009, Neil Jordan) Der erfolglose Fischer Syracuse (Collin Farrell) kann es kaum glauben, als in seinem Netz keine Fische, sondern Ondine (Alicja Bachleda-Curus) zappelt. Märchenhaftes Liebesdrama vom Oscarpreisträger. Bis 22.15, ATV 2 21.05 MUSIKSommernachtskonzert der Wiener Philharmoniker Live aus Schönbrunn: Dirigent Semyon Bychkov und das französische Klavierduo Katia und Marielle Labèque. Neben Francis Poulencs Klavierkonzert für zwei Klaviere spielt das Ensemble auch Werke von Georges Bizet, Maurice Ravel und Johann Strauß Sohn. Eintritt frei. Bis 22.45, ORF 2 22.15 DRAMAComing Out (DDR 1989, Heiner Carow) Der einzige DDR-Film, der eine zentrale homosexuelle Thematik aufweist. Carow musste sieben Jahre lang um das Projekt kämpfen. Bis 0.05, Arte 22.45 COMICUnbreakable – Unzerbrechlich (Unbreakable, USA 2000, M. Night Shyamalan) David (Bruce Willis) ist der einzige Überlebende eines schweren Zugunfalls. Das sieht Comic-Fan Elijah (Samuel L. Jackson) als Zeichen. Nach The Sixth Sense entführt Shyamalan die Zuschauer in die Welt der Superhelden. Bis 0.35, SRF 2 Zuglegenden | Die Waffen der Frauen | Banditen | Die Schlachtfabrik | Universum History | aspekte | Kurzschluss | Mitternachtsspitzen. 6.30 BAHN FREI Thementag: Zuglegenden Der Thementag auf 3sat steht mit mehreren Dokumentationen, Reportagen und Filmen im Zeichen der Eisenbahn: Den Auftakt macht mit Rheingold ein Bericht über den Luxuszug der Deutschen Reichsbahn. In Der Reblaus-Express und andere Bahnschmankerl (11.40) reist man gemütlich ins Waldviertel, im legendären Glacier Express (13.40) zwischen dem mondänen Zermatt und dem luxuriösen St. Moritz. Und in Transsiberian – Reise in den Tod (22.00) schickt Brad Anderson ein hochkarätiges Ensemble mit der Transsibirischen Eisenbahn in einen düsteren Thriller. Unter den Reisenden befinden sich Woody Harrelson, Emily Mortimer und Ben Kingsley. Bis 5.50, 3sat 20.15 WORKING GIRLDie Waffen der Frauen (Working Girl, USA 1988, Mike Nichols) Melanie Griffith wird als Working Girl Tess von ihrer Chefin ausgetrickst: Sigourney Weaver stiehlt ihr eine Idee – und eine gute noch dazu. Gut, dass die gemeine Chefin sich ein Bein bricht: freie Bahn für Tess. Sechs Oscar-Nominierungen für ein Stück böses, gutes 1980er -Jahre-Kino. Bis 22.00, ZDF Neo 22.15 WORKING POORBanditen! (Bandits, USA 2001, Barry Levinson) Als Rückblende aufgebaut, erzählt Barry Levinson die Geschichte der beiden Gauner Joe (Bruce Willis) und Terry Lee (Billy Bob Thornton). Die Banküberfälle laufen wie geschmiert, bis die von ihrer Ehe frus trierte schöne Kate (Cate Blanchett) auftaucht. Angeblich hatte Levinson mit Bandits keine Komödie im Sinn, doch seine Hauptdarsteller waren offenbar anderer Ansicht. Netter Spaß für zwischendurch. Bis 0.35, Servus TV 22.40 DOKUMENTATIONDie Schlachtfabrik Nicht die Tiere, sondern die in den Schlachtfabriken arbeitenden Menschen stehen in dieser Dokumentation im Mittelpunkt: Sie zeigt den Alltag einer französischen Schlachthalle mit vier Schlachtanlagen, in denen rund hundert Arbeiter beschäftigt sind. Ein Jahr lang haben Raphaël Girardot und Vincent Gaullier die Schlächter, die nach eigenen Aussagen in der Lebensmittelindustrie arbeiten, gefilmt und befragt: am Fließband, im Pausenraum, in den Sitzungen und im Umkleideraum. Bis 23.31, Arte 22.45 DOKUMENTATIONUniversum History: Chinas verbotene Stadt (2) Sie gilt sie als die wichtigste Frau in der Geschichte Chinas: die Konkubine Cixi. Fast ein halbes Jahrhundert lang lenkte sie die Geschichte des Reichs, nachdem ihr die heimliche Machtübernahme im Reich der Mitte gelungen war. Der zweite und letzte Teil der Geschichtsdoku reinszeniert das Leben jener Frau, die jahrzehntelang die Politik Chinas bestimmte. Bis 23.30, ORF 2 23.00 MAGAZINaspekte Die Themen: 1) Ein dänisches Künstlerkollektiv plant in Kopenhagen die Ausstellung Märtyrermuseum, in der es um Menschen gehen soll, die bereit waren, für ihre Sache zu sterben. 2) Was ist konservativ? Über die Unschärfe einer Idee. 3) Olympia im Selbstversuch: Ilija Trojanow trainiert. 4) Genie an den Tasten: Daniil Trifonov. Porträt eines Ausnahmepianisten. 5) Münchener Biennale startet Neues Musiktheater ganz ungewöhnlich. Bis 23.30, ZDF 23.40 MAGAZINKurzschluss Das Thema des Kurzfilmmagazins lautet heute Nacht Lieben und Leiden: Pascal Aquien, Dozent für englische Literatur an der Sorbonne und Biograf von Oscar Wilde, kommentiert den Animationsfilm Die Nachtigall und die Rose, der nach der gleichnamigen Erzählung des englischen Schriftstellers entstanden ist. Im Anschluss spricht die Cecilia de Arce über ihren Kurzfilm Jede Dritte: Die Studentinnen Simone und Zelda arbeiten an einem gemeinsamen Abschlussprojekt – bis eine ungewollte Schwangerschaft ihre Freundschaft auf die Probe stellt. Bis 0.25, Arte 1.55 SCHRECK DICHMitternachtsspitzen (Midnight Lace, USA 1960, David Miller) Immer wieder gerne gesehen: ein spannender Psychothriller mit Doris Day und Rex Harrison in einem nebeligen London und mit einem schrecklichen Schluss. Die Day beweist, dass sie mit ihrer glockenhellen Singstimme auch ziemlich gut kreischen kann. Bis 3.40, ZDF 'Kanadas Nationalparks, Die Liebe, der Bärenjäger und die Taiga, Thema, Die Reportage: Geiselnahme, Love Steaks, Kulturmontag. 18.30 MAGAZINHeute konkret: Wechseljahre und bioidente Hormone Manche leiden kaum unter den Symptomen der Wechseljahre, für andere sind die Beschwerden eine große Belastung. Das Magazin sucht nach nebenwirkungsfreien Alternativen zur Hormontherapie. Bis 18.51, ORF 2 19.30 DOKUREIHEKanadas Nationalparks: Gwaii Haanas – Wilde Schönheit im Pazifik Der Gwaii-Haanas-Nationalpark in Kanada birgt eine Vielzahl bedrohter Tierarten. Die Dokumentationsreihe führt in dieser Folge durch die artenreiche Tierwelt von British Columbia. Bis 20.15, Arte 19.30 TALKPeter und Paul – Der Wiener Wirtschaftstalk Mit einer gesunden Portion Wiener Schmäh besprechen Peter Müller und Paul Leitenmüller alles rund um das Thema Wirtschaft und Werbung. Bis 20.30, W24 20.15 THEMENMONTAGThemenmontag: Die Liebe, der Bärenjäger und die Taiga Als sich Karin Haß und der Pelztierjäger Slava trafen, verliebten sie sich. Der Liebe wegen gab sie alles in Hamburg auf und zog in die Taiga. Dort lebt sie ohne fließendes Wasser, ohne Laden um die Ecke, ohne Arzt und Strom nur gelegentlich vom eigenen Aggregat. Ab 21.05 Uhr: Landheimat. Ab 21.55 Uhr: Unterwegs nach Heimat. Bis 23.35, ORF 3 21.00 TALKHart, aber fair: Heilung um jeden Preis – wie teuer darf Medizin sein? Gäste bei Frank Plasberg: Birgit Fischer (Verband forschender Arzneimittelhersteller e.V.), Wolfgang Huber (ev. Theologe, ehem. EKD-Ratsvorsitzender), Marion Rink (Rheuma- und Leukämie-Patientin Vox, tragödisch wie im blutverschmierten Badezimmer von Klytämnestra und Ägist. Vor sechzehn Jahren beendete Herr Kamp eine Beziehung mit Frau Kerner. Er nahm sich die Freiheit, eine andere zu ehelichen, und wurde Familienvater. Nun ist er schöne 41 Jahre alt und kann sich seines Glücks leider doch nicht erfreuen. Denn die Ex, Nina Kerner, anhaltend beleidigt und im Gefühl des Verstoßenwordenseins gefangen, packt dann und wann ihre performativen Fähigkeiten aus, um aus Neid den Familienfrieden der Kamps zu stören und Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Unlängst hat sie im Hotelzimmer einen Showdown mit Schlaftabletten fingiert. Frau Kamp hält das langsam nicht mehr aus, zumal ihr Mann immer wieder Schuldgefühle seiner Verflossenen gegenüber hegt und umso leichter ihrem Getue erliegt. Oje, oje. Zum Glück ist das alles nur erfunden (wobei jede Realität das Gezeigte gewiss überbietet). Die konfliktbeladenen Szenen entstammen der Pseudodokusoap Hilf mir doch! auf Vox (ein Ableger der Sendung Verklag mich doch!) und werden von gecasteten Laienschauspielern vorgespielt. In lebensnaher Maske und Kostüm agieren die unverbrauchten Mimen dann so tragödisch, als stünden sie im blutbeschmierten Badezimmer von Klytämnestra und Ägist. An wen aber richtet sich der Appell Hilf mir doch!? Sind es wir Zuseher, die uns aufgefordert sehen sollen, den Streitparteien beizustehen, indem wir zuschauen? Oder wird hier der Psychotherapeut angepriesen, der zwischen den Szenen seine fachkundigen Kommentare abgibt? (Die Sendung möchte dem Publikum nämlich Mut machen, sich im Bedarfsfall an den Therapeuten zu wenden.) Wir vermuten Letzteres. Aber lasst euch nicht unnütz Geld aus der Tasche ziehen! (Margarete Affenzeller, 5.6.2015) Einen Tatort zu sehen reicht nur bedingt um einen zu machen - kein Schmäh. Mit ihrem neuen Fall haben Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) keine rechte Freude. Weil ihr Chef das Opfer kennt, sollen sich die Wiener Mordkommissare einen vermeintlichen Arbeitsunfall in einer Chemiefabrik genauer anschauen. Was sie sehen, ist ein Sumpf aus Habgier, Rachegelüsten und übertriebener Loyalität. Gier ist der Titel dieser Tatort-Folge (Sonntag, 20.15 Uhr, ORF 2/ARD), Regie führte Robert Dornhelm, Macher von Filmen wie Echo Park, Requiem für Dominic und Kronprinz Rudolf. Maria Köstlinger spielt die Geschäftsfrau Sabrina Wendler, die sich durch den Verkauf der Firma ein luxuriöses Leben in der Karibik erhofft. Gemeinsam mit ihrem Liebhaber will sie dorthin abhauen. Ihr Ehemann Peter (Anian Zollner) sitzt in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher. Mit ihm ist aber trotzdem zu rechnen, gekonnt zieht er die Fäden. Frau Schneider, seine Sekretärin, hilft ihm dabei. Seit vierzig Jahren ist die treue Seele für die Wendlers tätig. Dass zu viel Loyalität aber schaden kann, wird auch sie noch merken. Dornhelm ist kein Tatort-Kenner, vor den Dreharbeiten zu Gier habe er nur einen gesehen. Und das merkt man. Er packt zu viel in den Fall. Wirtschaftskriminalität, persönliche Bereicherung, Globalisierungskritik, verletzte Gefühle, Gewalt in der Ehe werden verhandelt. Die Figuren wirken konstruiert. Herausgekommen ist ein recht altmodischer Kriminalfall, Spannung will kaum aufkommen. Da hilft auch der Einsatz von Splitscreens nicht. Und auf den Schmäh zwischen Eisner und Fellner muss man fast ganz verzichten. Schade drum. Bei Trennungen können schon mal Tränen fließen, auch wenn man damit Schlimmeres zu vermeiden versucht. Die steirische Landespolitik hat dem ORF ein Traumprogramm beschert. Voves, der scheidende Landesfürst, sank seinem Nachfolger gerührt in die Arme. Die Reformpartner vermengten vor laufender Kamera ihre Tränen. Wem da aus lauter Mitgefühl keine dicken Tropfen Kernöls über die Wange liefen, der hat ein Herz aus Eisenerz. Spätabends wurde die Sache noch interessanter. Ingrid Thurnerr lud an den Runden Tisch, und beide waren sie gekommen: Gerald Klug und Reinhold Lopatka. Klug blickte finster drein, als ob dem Bundesheer ein paar Kübelwagen gestohlen worden wären. ÖVP-Mephisto Lopatka schien bemüht, kein Frohlocken laut werden zu lassen. Man hätte das Vertrauen der Sozialdemokratie schnöde „missbraucht“, sagte Klug. Die Journalistin des Kurier fasste die Errungenschaften der Voves-Ära noch einmal zusammen. Der Landeshauptmann habe „Gitarre gespielt und Reformen gemacht“. An der Reihenfolge wird man sein Erbe künftig erkennen. Es war regelrecht verwunderlich, dass Hermann Schützenhöfers Eignung als Turmbläser unerörtert blieb. Klugs Stimmung vermochten derlei Aussichten nicht mehr zu heben. Sein Steirerblut, dieser dicklichste aller Säfte, kochte insgeheim. Er und drei andere hatten in der Landespartei gegen den Teufelspakt gestimmt. Es sollte alles nichts nützen. Langsam, ganz langsam gewann wieder seine liebenswürdige Marotte die Überhand. Klug pflegt in Momenten der redlichen Nachdenklichkeit an jedes Wortende die Endsilbe „-na“ zu kleben. Und während der Politologe Filzmaier noch Ideologie und Strategie sorgsam gegeneinander abwog, da musste Klug schon wieder auf etwas „hinweisna“. Volksna(h) halt. Zuseher müssen durch sehr viel Grau aus Kilowattstunden, Umweltzertifikaten und den Grundzügen der deutschen Energiewende waten. Krimis, die in der Ökoszene spielen, haben meist eine klare und schwarz-weiße Rollenverteilung: Konzernchef böse, weil Ausbeuter und Kapitalist. Umweltaktivist gut, da er Tiere, Menschen oder gleich den ganzen Planeten retten will. So startet auch der Bremer Tatort Wer Wind erntet, sät Sturm am Sonntag um 20 Uhr 15. Ein Umweltaktivist ist nach einem Einsatz in einem Offshorewindpark in der Nordsee verschwunden. Zuvor hatte er per Video darauf aufmerksam gemacht, dass Zugvögel massenhaft durch die Rotorblätter der Windräder geköpft werden. Das passt seinem ehemals guten Freund, dem Windparkbetreiber, natürlich gar nicht ins Konzept – zumal er dringend einen neuen Kredit braucht und ein böser Hedgefonds schon gierig auf sein kleines Unternehmen schielt. Doch bald wird aus Schwarz Weiß und aus Weiß Schwarz, beziehungsweise im Fall eines äußert ambitionierten Umweltaktivisten Dunkel-Schwarz. Der schreckt, um Vögel zu retten, nicht vor Mord an Menschen zurück und hat keinen Genierer, dafür auch noch ein Plastiksackerl (immerhin ein grünes) zu verwenden. Doch bevor es zu dieser farblichen und persönlichen Umwandlung kommt, müssen die Zuseher durch sehr viel Grau aus Kilowattstunden, Umweltzertifikaten und den Grundzügen der deutschen Energiewende waten. Das ist einigermaßen ermüdend, und spätestens nach der Hälfte des Krimis wünscht man den tapferen Bremer Ermittlern Inga Lürsen (Sabine Postel) und Nils Stedefreund (Oliver Mommsen) nur noch eines: Dass sie bei ihrem nächsten Einsatz wieder eine Beziehungstat mit ganz vielen Emotionen aufklären dürfen. Das Mordopfer fährt Audi, der Auftragskiller BMW. Hauptkommissar Lannert fährt eigentlich immer nur mit. Am Ende sind wir gescheiter und sehr müde. Der Mercedes-Stern prangt turmhoch im Zentrum der Stadt. Dennoch wird im heutigen Tatort aus Stuttgart in der Folge Der Inder (Buch und Regie: Niki Stein) sehr wenig auf motorisierten Lokalpatriotismus gesetzt. Das Mordopfer, ein Politiker, der in den (realen) Bauskandal namens Stuttgart 21 verwickelt ist, in dem es grundsätzlich um die Tieferlegung des Stuttgarter Hauptbahnhofs, gefährdetes Grundwasser und jede Menge Immobilienprojekte geht, fährt Audi. Der Auftragskiller fährt BMW. Nur Ermittler Sebastian Bootz (mindestens zurückhaltend und drei Tage lang nicht rasiert dargestellt von Felix Klare) setzt auf eine schwäbische Marke, allerdings nicht auf Mercedes. Wie sang einst Georg Danzer über Männer mit Angeberautos: „Dei neicha Freind foahrt an Porsche, sag eam er soi in Oarsch geh.“ Hauptkommisaar Thorsten Lannert (Richy Müller) fährt eigentlich immer nur mit – was sich in einer gewissen Leblosigkeit im Gesicht wie auch im gesamten restlichen Bewegungsapparat ausdrückt. Müller, der in den 1980er-Jahren im deutschen Film so etwas wie der Martin Semmelrogge ohne Haftbefehle war, ist im Privatleben übrigens ein begeisterter Rennfahrer mit C-Lizenz. Er schwört auf Porsche. Da soll sich einer auskennen. Die heutige Folge hin- und herlt mit gewohnt didaktischem Bildungsauftrag ein wenig zwischen Politik, Wirtschaft und Sittenbild. Es zieht sich oft auch wie ein Strudelteig. Dieser wird wie üblich in solchen Fällen mit einer Miles-Davis-Gedächtnistrompete unterlegt. Er nimmt dem Tatort noch mehr Tempo als üblich raus. Am Ende sind wir gescheiter und sehr müde. Gut unterhalten haben wir uns nicht. 'Subtil und mit trockenem Humor, den unsere deutschen Nachbarn oft besser beherrschen als wir, lässt Autor Theo Heyen die Kleingärtner meist einfach schalten und walten. Was machen zwei Deutsche auf einer Insel? Sie gründen einen Verein. Und im Grünen? Einen Kleingartenverein. Und was machen sie dort? Sie exekutieren das Bundeskleingartengesetz. Nach Punkt und Komma, man ist schließlich nicht zum Spaß hier. Wenn die Hecke laut Vereinsstatut maximal 180 Zentimeter hoch zu sein hat, dann hat sie eben maximal 180 Zentimeter hoch zu sein ... wo ist das Maßband? Die Vorstadtidylle in Mönchengladbach will hart erkämpft sein. Die ZDF-Dokuserie Die Kleingärtner weist schonungslos hin auf die existenziellen Probleme der titelgebenden Spezies. Deren größtes – unmittelbar nach dem der Zollstock-Suche – ist offensichtlich das Ende der humanen Stoffwechselkette Nach CSI, CTU, NCIS, GSI, SVU kommt jetzt TAU, die Spezialeinheit für Verfolgte: Maggie Q und Kollege Dylan MacDermott haben gut zu tun. Der Sicherheitsgedanke ist dem fiktionalen Fernsehen in fast paranoider Weise verhaftet. Wie viele Spezialeinheiten es gibt, die sich um die Absicherung oder Wiederherstellung von Leib und Leben von Menschen kümmern, lässt sich kaum beziffern. Männer und Frauen von CSI, CTU, NCIS, GSI, SVU und etliche mehr setzen sich dafür ein. Man könnte es inflationär nennen. Mehr als sechs Millionen Menschen werden in den USA jedes Jahr von Stalkern belästigt, erfahren wir am Beginn der neuen Serie Stalker (ab Montag, 21.50 Uhr, ORF 2). Betroffen ist jede sechste Frau, jeder neunte Mann. Häufigste Ursache ist enttäuschte Liebe, verletzter Stolz. Soziale Medien gelten als Ursache Nummer eins, dass sich Stalkingfälle in den vergangenen Jahren häufen. Die Menschen geben zu viel von sich preis, sagt Detective Beth Davis (Maggie Q): Jeder kann zum Stalker werden. Was tun? Richtig, eine Spezialeinheit muss her. In Stalker (ab Montag, 21.50 Uhr, ORF 2) ist es die TAU, Sondereinheit des Los Angeles Police Department zum Aufspüren von Menschen, die in unnatürlicher Weise die Nähe zu einem anderen suchen. Beth und ihr schöner, geheimnisvoller Kollege Jack Larsen (Dylan MacDermott) haben jede Menge zu tun. Ein Stalker muss gefasst, der andere ausgeschaltet werden, bevor Schlimmeres passiert, und einen Cliffhanger für die nächste Folge braucht es auch. Die Beteiligten sind je nach Bedarf einfühlsam, entschlossen, sensibel, hart im Nehmen, superprofessionell: Wir sind auf Nummer sicher! Wer in Folge eins der Täter ist, weiß man beim ersten Auftritt, und so ist am Ende gewiss, dass ein Arbeitskreis nur eines bezweckt: den nächsten. Die Gegenwart kommt beim Schwelgen in Erinnerungen zu kurz – Sonntag 22.45 in ORF 2. Es gehört zu den Privilegien der Veteranen, dass sie in Erinnerungen schwelgen dürfen. Darin findet sich immer jene Wehmut, die das Gefühl begleitet, dass es früher besser war. Die am Sonntag im ORF 2 ausgestrahlte Dokumentation Meine Leopoldstadt über den zweiten Wiener Gemeindebezirk bot reichlich von dieser Nostalgie. An einem Tisch zu sitzen kamen in der Leopoldstadt aufgewachsene Erzähler wie Jazz Gitti, Lydia Kolarik vom Schweizerhaus, Louie Austen und der Künstler Rudi Holdhaus. Zusätzlich memorierten der Autor Robert Menasse und Richard Lugner ihre Kindheit im zweiten Bezirk. Mit den von Regisseur Chico Klein unterfütterten historischen Beiträgen ergab das ein individuell gefärbtes Mosaik der Leopoldstadt. Menasse klärte volksbildnerisch über die Geschichte der Marienbrücke auf, Lugner darüber, wo im Zweiten man am besten einen lädierten Fiat Topolino im dritten Gang anstartet. Holdhaus besuchte Orte seiner Kindheit und zeigte, was daraus geworden ist. Die Gegenwart kam dabei zu kurz. Warum ziehen heute so viele Leute in den Zweiten, warum boomt der Bezirk? Warum kamen keine jener Menschen zu Wort, die den Bezirk heute mitgestalten und lebenswert machen? Das Angebot an Lokalbetreibern und den Bezirk prägenden Personen und Phänomenen ist ja nicht gerade klein. Andererseits ist es den Leopoldstädtern wahrscheinlich lieber, ihre kleinen Alltagsgeheimnisse bleiben solche. Die vielen Busse, die bewegungsfaule Touristen tagtäglich auf Fotosafari durch den Hieb kutschieren, empfinden manche Bewohner auch ohne aktive Beteiligung der Gäste am Bezirksleben bereits als Belästigung. War das schon die Bearbeitung von Maschek?. Da war ein Moment, ganz zu Beginn des ersten ORF-Sommergespräches dieses Jahres, da überlegte man kurz, ob das noch die Originalsendung oder schon eine Bearbeitung der Männer vom Maschek war: Hans Bürger, der heuer mit den Bundesparteichefs plaudert, stand da strahlend mit dem glücklich grinsenden Neos-Chef Matthias Strolz vor den Glasscheiben des Ringturms und erzählte den Zusehern: Wir haben vor Beginn der Sendung einen Regenbogen gesehen über der Stadt Wien, wie ich ihn selbst noch nie gesehen habe. Was hatten die beiden vor der Sendung konsumiert? Ein Schelm, wer Böses denkt! Die Kamera schwenkte sogleich auf den – tatsächlich beeindruckenden – Regenbogen, an dessen Ende bestimmt ein irischer Kobold mit seinem Goldtopf saß oder mit einer Kastanie spielte. Das Format, das sich 2014 mit Interviews in den Bundesländern und fragenden Studiogästen zu viel vorgenommen hatte, ist wieder klarer. Bürger fragt nach, wo es sein muss, und das oft wirklich unterhaltsam. Etwa als er Strolz mit seinem legendären Kastanien-Gedicht in der Kronenzeitung konfrontiert: War Ihnen fad? spricht er aus, was viele dachten. Fad nicht, so Strolz, er würde es aber nicht mehr in dieser Form publizieren. Wir empfehlen fürs nächste Mal einen Hexameter. Die Hubschrauberperspektive auf große Themen, weg vom Tagesdetail, die Bürger versprach, löste er ein. Manchmal brachte Strolz, der gewohnt lange antwortete, auch Dinge auf den Punkt. Etwa als er Österreichs Asylpolitik als Managementversagen rügte: Wir halten sie wie Weidevieh bei Wind und Wetter. Sonst sagte er auch viel. Goldtopf wurde dabei aber keiner gehoben. 'Kate und Camilla Parker-Bowles würden zanken, seit Stiefschwiegermutter der Schwangeren riet, sich zu sorgen. Nach der Geburt des Thronfolgers würde sich ihr William eine Geliebte suchen. Sommer 2014 hat er sich an der Seite von Anna Natrebko (als Luna) etwas verausgabt. Gott sei Dank war Placido Domingo nun aber wieder Teil der Salzburger Festspiele. Nicht als Luna. Bei einer Gala stieß er singend u.a. mit Rolando Villazón auf offener Bühen an. Die ZiB2 war dabei, es ging um stolze 40 Jahre Domingo in Salzburg. Und: Beruhigend, wenn eine Konstante des Opernbetriebs erscheint. Würde Domingo abtreten, wäre es, als zöge sich das britische Königshaus aus der Öffentlichkeit zurück. Der Vergleich hinkt natürlich. Geht es bei Sängern um das Finden richtiger Töne, ist dem Queenmilieu Gegenteiliges zu empfehlen, auch wenn dies brüsk dementiert würde: Ihre Rolle als Auserwählte müssen die Royals durch skandalöse Misstöne beleben. Erst übles Benehmen sichert ihnen (mediales) Überleben und vergebende Verehrung. Jedenfalls, solange sich die Queen nicht scheiden lässt. Anders Künstler wie Domingo. Was sie nach Opernschluss trieben, blieb hinter den Kunstleistungen verborgen. Im ZiB2-Beitrag sah man einen Bescheidenen, der mit gütigem Blick bekundete, nur glücklich zu sein, so er singen darf. Solches könnten sich die Royals nicht dauerhaft erlauben, weshalb Heute leben zu glauben ist, dass sich endlich wieder etwas Skandalöses zusammenbraut. Hört, hört: Kate und Camilla Parker-Bowles würden zanken, seit Stiefschwiegermutter der Schwangeren riet, sich zu sorgen. Nach der Geburt des Thronfolgers würde sich ihr William eine Geliebte suchen. Und auch William zürne Camilla. Sie hätte Charles, Williams Vater, betrogen. Domingo würde solch Gerüchte unkommentiert lassen. Höchstens packte ihn Wehmut 'Allzu oft wird man als Seher vom Gefühl beschlichen, dass der Regisseur gesagt hat: "Ganz wunderbar, diese Anekdote! Aber gangert’s noch ein bissl authentischer?". Man trommle ein paar Prominente aus Musik, Theater, Funk und Farbfernsehen zusammen, deren Gemeinsamkeit darin besteht, im gleichen Wiener Gemeindebezirk aufgewachsen zu sein. Dann setze man sie an einen Heurigentisch und heiße sie, sich locker, spontan und frei von der Leber weg über ihren Hieb, ihr Grätzl, ihr Gasserl zu unterhalten. Man bedenke aber, dass es sich um eine ORF-Produktion handelt: Heraus kommen also G’schichtln, die eh recht nett und eh recht amüsant sind. Wobei eh und recht im Wienerischen Ausdruck des 50-Prozent-Superlativs sind. Passt also eh, mehr oder weniger halt. Allzu oft wird man als Seher vom Gefühl beschlichen, dass der Regisseur Halt, Stopp, Cut! gerufen und gesagt hat: Ganz wunderbar, diese Anekdote! Aber gangert’s noch ein bissl authentischer? Vielleicht mit einem kleinen, glucksenden Spontanlacher? Nach dem 23. Versuch passt dann die Szene. Oder a ned. Passt scho. Die Streifzüge der Protagonisten durch ihren Bezirk sind da schon um einiges unterhaltsamer; wenn etwa der Penzinger Schauspieler Reinhard Nowak (den man TV-habituell eher nach Sulz im Wienerwald, Hinterholz 8, verortet) am Bahnhof steht und bei der Berechnung von Pendlerzahlen würdevoll scheitert: 32 mal 200? Na, sehr vü hoid. Die Serie läuft schon länger, und so sind einige No-na-Highlights wie Favoriten und Simmering bereits abgehandelt. Daher bekommen jetzt auch Klagenfurt und Salzburg eine Chance. Und wer weiß, vielleicht widmet man sich bald dem Wiener Mikrokosmos: Denn so eine Battle of the Grätzls mit Rennbahnweg und Per-Albin-Hansson-Siedlung Ost, des warat scho wos.' Resümée: Ein U-Bahn-Schacht im Ruhrgebiet kann ein Dschungelcamp in Australien nicht ersetzen. Die Bombe platzte zu früh im Finale der Dschungel-Heimkehrershow. Der Goldpapierregen ergoss sich, als der Sieger noch gar nicht gekürt war und sorgte für einen flüchtigen Moment an Authentizität: Sonja Zietlow und Daniel Hartwich erschraken ehrlich, kurz wackelte das einstudierte Programm. So ein Bild hat Seltenheitswert. Denn das Echte ist ein rares Gut im Unterhaltungsfernsehen. Brigitte Nielsen kann ein Lied davon singen. Die Siegerin war buchstäblich überwältigt und rief begeistert: „Ich muss am erst alle diese wunderbaren Leute, dat diese Abend angeruft habe: ich danke euch alle!“ Gut möglich, dass Nielsen hauptsächlich deshalb gewonnen hat, weil sie neben Otto und Gretchen Mankusser in der deutschen Fassung von Malcolm in the Middle zweifellos das charmanteste Dänendeutsch spricht. Sie habe in ihrem Leben viele Fehler gemacht, parlierte die Nielsen weiter, aber sie „habe immer aufgestanden – mit Positivität.“ Das ist schließlich nicht irgendetwas, und allein für den Satz: „Du musst natürlich sein“, gebührt ihr die goldene Anstecknadel für die beste Realsatire. Als Resümée lässt sich festhalten, dass ein U-Bahn-Schacht im Ruhrgebiet ein Dschungelcamp in Australien nicht ersetzen kann. Viele der „Prüfungen“ erinnerten an Topfschlagen beim Kindergeburtstag. Mit dem avantgardistischen Possenspiel des eigentlichen Camps hatte das Ganze nichts zu tun. Das Publikum verstand schnell und blieb fern. Der Nielsen-Sieg geht in Ordnung, ebenso hätte man sie allerdings ein weiteres Mal ohne lähmende Sommershow nominieren können. Und Costa Cordalis gleich dazu. Der Winter kann kommen. Im nebeligen Frankfurt wirken Menschen, Polizisten und andere Verbrecher, als könnten sie eine Vitaminspritze oder etwas anderes Schnelles vertragen.. Ein Teller Suppe birgt mehr gefährliche Strudel als diese Flaute im Wasserglas. Wir befinden uns in Frankfurt am Main. Es herbstelt, der Nebel liegt über der Stadt. Es könnte auch Smog sein. Aber Smog wäre ja bedrohlich. Das hier ist einfach ... Nebel. Er lullt uns ein. Im Nebel sehen wir in diesem aktuellen Tatort: Hinter dem Spiegel mit Margarita Broich und Wolfram Koch Menschen, Polizisten und andere Kriminelle. Letztere kommen aus Staaten, die früher durch eine Mauer vor uns geschützt wurden. Heute müssen sie sich auf dem freien Markt durchschlagen. Schlagen ist wörtlich gemeint. Die Menschen starren im Nebel, im Dunkeln oder in grau-weißen Resopalräumen schräg an der Kamera vorbei ins Nichts, in den Abgrund der menschlichen Existenz. Im Englischen heißt das: into the void. Da stehen nicht einmal Bäume herum. Ist da jemand? Ein Polizist verschwindet. Er war korrupt. Ein Pate aus dem Osten wird so gespielt, wie man sich gemeinhin Paten aus dem Osten vorstellt. Die Skyline von Frankfurt kratzt an der Himmelstür. Wir ahnen, dass niemand aus dieser Stadt eingelassen werden wird. Menschen, Polizisten und andere Verbrecher starren weiter an der Kamera vorbei ins Nichts. Alle wirken müde und abgekämpft und so, als ob sie eine Vitaminspritze oder irgendetwas Schnelles vertragen könnten. Wenn nicht die dringliche elektronische Tanzmusik im Hintergrund wäre (Frankfurt Techno-City, DJ Sven Väth, guuude Lauuune, yeah!) könnte man so wie üblich nach der Hälfte einschlafen und dann zum Ende wieder aufwachen und sich trotzdem noch auskennen. Dieses Mal aber starren wir zurück. Warum? Einfach so. So, 13. 9., ORF 1, 20.15 Uhr. Kommissar Kotzbrocken (Ernst Stötzner) hat nicht mit Muttis furienhafter Hartnäckigkeit gerechnet. Matis? Matis ... Matis! Jedes Mal einen Euro, wenn Maria (Natalia Wörner) flehend, ängstlich oder entsetzt nach ihrem Sohn ruft – und man käme finanziell bald an Bill Gates heran. Aber wir wollen diesbezüglich nicht so kleinlich sein. Denn die alleinerziehende Mutter hat es am Montag um 20.15 Uhr im ZDF-Krimi Die Mutter des Mörders nicht so leicht. Ihr 20-jähriger Sohn Matis (Lucas Reiber) ist geistig behindert und steht im Verdacht, das attraktive, blonde, langbeinige und hochnäsige Nachbarsgör aus der Luxusvilla von nebenan erschlagen zu haben. Die Beweise sind erdrückend, ein Geständnis gibt es auch bald. Doch Kommissar Kotzbrocken (Ernst Stötzner) hat nicht mit Muttis furienhafter Hartnäckigkeit gerechnet. Matis? Matis ... Niemals. Sie weiß, dass ihr Sohn unschuldig ist, und das wird sie beweisen. Und wie sie das tut! Allmächtiger ... Ein so hanebüchenes Drehbuch hat kein(e) Schauspieler(in) verdient – und auch kein Zuseher. Ein erfahrener und altgedienter Kommissar, der die Behinderung des Jungen bei Verhören einfach ignoriert. Ein geistig zurückgebliebener Mordverdächtiger, der keinen Rechtsbeistand hat. Daneben ermittelt die heilige Mutter Maria so plump, dass kurzerhand das eine oder andere Leben auf der Strecke bleibt. Ein Lichtblick nebst der schauspielerischen Leistung von Lucas Reiber ist immerhin der Psychiater (Sylvester Groth), der Matis begutachtet. Ein Rätsel aber bleibt Axel Prahl, der den Busfahrer für die behinderten Kinder so rumpelstilzchenhaft übertrieben gibt, dass sich der Verdacht aufdrängt: Es hat ihn einfach nicht gefreut, weil sein Pathologe Professor Karl-Friedrich Boerne diesmal nicht dabei war. Das Drehbuch will es, dass der Jubiläums-Tatort auf dem Oktoberfest spielt. Leitmayer und Batic ermitteln dort ein wenig müde vor sich hin. Es gibt Ereignisse, die viele Menschen hinnehmen wie schlechtes Wetter. Man hofft, dass sie bald vorbeigehen. Der Wiener Opernball etwa. Oder der Kölner Karneval. Und das Oktoberfest in München. Mit dem Saufen und Schunkeln, dem Grölen und Grapschen auf der Wiesn können auch die Kommissare Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Ivo Batic (Miroslav Nemec) nicht viel anfangen. Doch das Drehbuch will es, dass der Jubiläums-Tatort für die beiden (es ist ihr 70. Fall) saisongerecht auf dem Oktoberfest spielt. Dort, im Festzelt Amperbräu, kippen die Leute reihenweise von der Bierbank, was an und für sich so unspektakulär ist wie Schnee im Winter. Doch es stellt sich bald heraus, dass da jemand nachhilft und Liquid Ecstasy in den Maßkrug kippt. Der Leitmayer-Franz wäre sowieso lieber in Italien, der Batic-Ivo muss die kroatischen Tanten bändigen, die auch zum Feiern nach München gekommen sind. Und so ermitteln die beiden, die einander in den vergangenen Jahren immer ähnlicher geworden sind, ein wenig müde vor sich hin. Anfangs gibt es viele Wiesn-Szenen zu sehen – als müsse alles hergezeigt werden, was da so an blinkenden Ringelspielen und schäumenden Bierkrügen mit der Kamera eingefangen wurde. Danach wird eine brave G‘schicht ohne jeglichen Tiefgang erzählt. Lichtblicke sind allerdings Gisela Schneeberger als resche und geschäftstüchtige Wiesn-Wirtin und Mavie Hörbiger als deren Servierkraft. Und die Kommissare sind einem nach 15 Jahren so ans Herz gewachsen, dass man die fade Story nachsieht. Die letzte Wiesn heißt der Tatort. Das gilt hoffentlich nur für die Bierleichen, nicht für die Kommissare. Ute Bock hat vor Jahren erkannt, dass mit der Flucht nach Europa noch lange nicht alles ausgestanden ist. Altes kann zeitlos sein – oder sogar brandaktuell. Das trifft für den 2010 entstandenen Film Die verrückte Welt der Ute Bock ganz besonders zu – eine gute Idee des ORF, ihn für die Sonntagabend-Reihe dok.film auf ORF 2 aus dem Archiv zu holen. Das Porträt über die heute 73-jährige Mutter Teresa von Österreich ist ein dokumentarischer Episodenfilm über die Mühen der Tiefebene in der Betreuung von Obdachlosen und Flüchtlingen. Krankheit, Hunger, Angst. Bürokratie, Polizei, Hass. Die wahren Episoden werden nicht nur von Schauspielern, sondern auch von Frau Bock und den Flüchtlingen selbst nachgestellt. Großartig etwa Josef Hader als Polizist, der zwischen Gesetzestreue und Liebe hin- und hergerissen wird. Oder Dolores Schmidinger, die die Verlogenheit so brillant spielt, dass man sie ihr glauben würde, wüsste man es nicht besser. Hier herzzerreißend, da humorvoll: Der Film macht jedenfalls sehr, sehr nachdenklich. Was wird einmal sein, wenn die heutigen Flüchtlinge alle in Österreich, Deutschland, Schweden angekommen sind und bemerken müssen: So sicher sind sie gar nicht, plötzlich zweifeln wir ihre Leidensgeschichten an, plötzlich schlägt die Hilfsbereitschaft der Polizei in bürokratiegetriebenes Drohgehabe um. Niemals aus freien Stücken, wird man ihnen sagen, aber: Auch wir müssen uns ans Gesetz halten. Ja, natürlich. Es ist ein großes Verdienst dieses Filmes, in Erinnerung zu rufen, dass mit der Flucht nach Europa noch lange nicht alles ausgestanden ist. Ute Bock hat das vor Jahren erkannt und zu handeln begonnen. Hantig, aber herzlich. Nach einem Schlaganfall und monatelanger Rekonvaleszenz hat sie jetzt wieder zu arbeiten begonnen. Alles Gute, Frau Bock. Und: danke. Womöglich ist die Uhrzeit ohnehin egal, denn wirkliche Fans warten nicht auf den ORF. Frank Underwood (Kevin Spacey) und seine Frau Claire (Robin Wright) sind zurück – auch im ORF. Auf dem Gipfel der Macht angekommen, orchestriert das Duo wieder gekonnt seine Marionetten, wenn auch mit weniger Verve als zuvor. In den USA ist die dritte Staffel von House of Cards seit Ende Februar auf Netflix erhältlich. In Deutschland und Österreich liegen die Erstausstrahlungsrechte bei Sky. Netflix konnte hier erst Ende August nachziehen, um seine selbstproduzierte Erfolgsserie zu zeigen. Und der ORF? Kauft die neue Staffel und rückt sie ab heute am US-Serienmontag um 23.45 Uhr ins Programm. Nach der ZiB 24, die ihren Namen schon längst nicht mehr verdient und je nach Sendeschema zu einer ZiB 23.25 oder ZiB 23.40 mutiert. Stringente Programmplanung sieht anders aus. Warum so ein Serienjuwel so spät gezeigt wird, liegt nicht daran, dass der ORF vorbildlichen Jugendschutz betreibt, weil die Staffel erst ab 18 Jahren freigegeben wäre. Sondern? Ja, woran eigentlich? Vielleicht ist es bereits die Kapitulation vor den Streamingdiensten. Womöglich ist die Uhrzeit ohnehin egal, denn wirkliche House of Cards -Fans warten nicht auf den ORF. Sie haben die neue Staffel längst gesehen – auf Netflix oder Sky, oder sie wurde in den Weiten des Internets gefunden. Legal? Illegal? Ganz egal. Hauptsache, schnell und idealerweise am Stück. Das ist der Wunsch von TV-Konsumenten und der Stimulus für den Erfolg von On-demand-Portalen. Da kann der ORF nicht mit – muss er auch nicht. Schon gar nicht mit einem Serienhit, der im Nachtprogramm versteckt wird. So oder so: Die Ära, mit US-Serienhits das Publikum zu bezirzen, dürfte jedenfalls vorbei sein. Vassilakou nennt Strache einen Märchenonkel, den sie nach der Wahl auf Ibiza urlauben sieht. TV-Diskussionen taugen als Existenzbelege: Es ist etwa nunmehr klar, dass ÖVP-Kandidat Manfred Juraczka existiert. Er fordert in der Puls-4-ORF-Debatte in der Flüchtlingsfrage Vernunft und Anstand. Der Mann machte gute TV-Figur, es war aber nicht leicht. Zu diesem Zeitpunkt waren Michael Häupl und H.-C. Strache, der zum dritten Mal angeblich Bürgermeister werden will, schon heftig aneinandergekracht. Beide empfinden tiefstes Zutrauen zur Charakterlosigkeit des anderen. Beide argumentierten auch mit Fotos, die den Gegner der Herzlosigkeit oder Förderung ferner Politmächte überführen sollten. Wirklich angriffig war aber Maria Vassilakou. Die Grüne nennt Strache einen Märchenonkel, den sie nach der Wahl auf Ibiza urlauben sieht, denn Häupl bleibt Bürgermeister. Außerdem sei Strache beim Hetzen Erster, beim Helfen Letzter und ein Politzwerg. Alle gegen Strache, beklagte der FPÖler folgerichtig, wobei er Vassilakous Zorn als Form geheimer Strache-Zuneigung deutete, aus der er offenbar Kraft schöpfte (zu Häupl: Wenn es um Charakter geht, bin ich schon Sieger). Juraczka nannte Strache eine bald zu schützende Minderheit. Eine koalitionäre Verschmelzung mit der FPÖ will selbiger dennoch nicht ausschließen. Neos-Kandidatin Beate Meinl-Reisinger wiederum konnte sich nicht vorstellen, Strache zum Bürgermeister zu machen. Außerdem sei Politik faul, aufgebläht und korrupt. Der Bürgermeister, in Summe etwas zu gelassen in seinem Stuhl versunken, bekundete in seinem Schlusswort, gegenüber Strache weder Furcht noch Zuneigung zu spüren. Woraus der Gemeinte wohl dann keine Kräfte bezog. 'Warum der 34-jährige Jan Böhmermann trotzdem edel und wahr ist? "Der Trick bei Ironie ist: Es ist immer das Gegenteil gemeint von dem, was man sagt". Für alle, die statt vor Bildschirmen zu hocken noch raus in die die echte Welt und frische Herbstluft gehen, ist die Pulloverzeit angebrochen. Beim Neo Magazin Royale (NMR) hat das Kleidungsstück aber ganzjährig Saison. Zum einen weil William Cohn, der lasziv-greise Ansagerboy, ganz besonders ausgefallene sein Eigen nennt. Zum anderen weil jedem, der in Jan Böhmermanns Aufmerksamkeitsfeld gerät, empfohlen sei, sich warm anzuziehen. Denn auf jener der Spießbürgermoral abgewandten Seite des Denkens, wo er sich bewegt, ist Political Correctness bloß ein intellektueller Hemmschuh. Warum der 34-Jährige trotzdem edel und wahr ist? Der Trick bei Ironie ist: Es ist immer das Gegenteil gemeint von dem, was man sagt. Politisch links, gar gutmenschig, kann er auf die Weise Position beziehen, ohne rührselig daherzukommen. Und so baut Böhmermann mit Lausbubeneifer Wespennester, in die er dann hineinsticht; stürzt sich in den Mainstream, um ihn von innen zu irritieren. Mimikry heißt das auf dem Niveau, das er bedient. Auch Themen wie den schleißigen Umgang mit privaten Daten packt das NMR derart handlich an. Anliegen und Nonsens, Investigator und Tanzmaus – Vielfalt ist kein Widerspruch. Das liegt nicht jedem. Die grauen ZDF-Gebührenzahler mögen für den Shiny Floor blechen, das Netzpublikum aber ist jenes, an das sich der Info-Unterhaltungs-Hasardeur vornehmlich richtet: jung, gebildet liberal, frei und radikal. So versteht man sich. Oft reichen Stichworte, um die Nachrichtenlage der Woche abzuarbeiten, der # ist auf Facebook und Twitter das gemeinsame Werkzeug. Weil TV-Zuseher für die Quote aber auch kein Schaden sind: Donnerstag, 22.20 Uhr! (Michael Wurmitzer, 7.10.2015)' Falke hat ein schlechtes Gewissen, weil er den Afrikaner zuvor bei der Verhaftung verdroschen hat. Das ist ja mal was Neues. Es ist – im echten Leben – Oktober. Und am Sonntag um 20.15 Uhr ermitteln die Tatort-Bundespolizisten Thorsten Falke (Wotan Wilke Möhring) und Katharina Lorenz (Petra Schmidt-Schaller) ebenfalls im Herbst und nicht, wie so oft, in ganz anderer Jahreszeit. Der 3. Oktober, Tag der Deutschen Einheit, liegt zwar schon ein paar Tage zurück, muss aber im neuen Tatort Verbrannt noch einmal als Aufhänger herhalten, denn es geht um Heimat und ums Dazugehören. Einer afrikanischer Asylbewerber wird verdächtigt, mit falschen Pässen zu handeln, und daher eine Nacht in Polizeigewahrsam genommen. Doch zur Vernehmung des Unschuldigen (wie sich herausstellt) kommt es nicht mehr, da er in der Zelle verbrennt. Falke hat ein schlechtes Gewissen, weil er den Afrikaner zuvor bei der Verhaftung verdroschen hat. Also ermitteln er und Lorenz kurzerhand drauflos, was schon recht merkwürdig ist. Absehbar hingegen ist, was sie aufdecken: Die Polizei hat Dreck am Stecken, hält aber zusammen, bis das schwächste Glied dann doch auspackt. Weil das alles recht trist ist, findet der Herbst farblich nicht nur in der Natur seinen Niederschlag, sondern auch in diversen deprimierend hässlichen braungrauen Räumen der Polizeiwache. Das sorgt für Stimmung, aber nicht für Spannung. Für Lorenz ist es der letzte Fall. Sie steigt aus, weil sie dem Druck im Polizeidienst nicht gewachsen ist. Bevor Falke weitermacht, müsste allerdings angesichts der Dresche für den Verdächtigen und einer späteren völlig misslungenen Verhaftung mal gefragt werden, ob sein Fall nicht doch langsam einer für die interne Ermittlung als einer für den TV-Zuseher ist. Kann gut sein, dass der Privatsender mit dem Late-Night-Format seine zukünftige Stefan-Raab-Leere bald gestopft haben wird. Wie viele Piercings hat der meistgepiercte Mann der Welt laut Guinness-Buch der Rekorde? Hinweis: Mehr als die Hälfte davon trägt er im Genitalbereich. Na? Mehr Fragen solcher Art können wir nur hoffen, demnächst gestellt zu bekommen. Denn das Fernsehvergnügen ist immens, wenn eine in Anzug, Krawatte und schimmernden Roben um einen Pokertisch versammelte Abendgesellschaft den substanziellen Nonsens zur Königsdisziplin hochspielt. Kann gut sein, dass der Privatsender ProSieben mit dem Late-Night-Format Das Duell um die Geld (sic! – eine Anspielung auf Duell um die Welt) seine zukünftige Stefan-Raab-Leere bald gestopft haben wird. Eingebettet in den Circus Halligalli von Joko Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf machte der Zwitter aus Poker- und Quizshow am Montagabend ziemlich beste Figur. Ein formvollendeter Croupier (Oliver Kalkofe) sorgt für kühle Stimmung und eine schmunzelfreie Zone. Millionenshow war einmal. Keine Schmähtandelei hat hier Platz, denn die Lage ist ernst: Wie viele Zacken haben weltweit übliche Kronkorken? Hinweis: Die Schwangerschaft der Elefantenkuh dauert in etwa so lange. Na? Dieses Hochamt des Schätz- und Ratespiels gibt der Fernsehunterhaltung wieder jenen Stil zurück, der ihr im Trashverwurstungs- und Zwangsgrinserzeitalter schändlich abhandengekommen ist: nachtschwarzes Studio, Abendgarderobe, ausführliches Deutsch (Das Duell um die Geld). Hier weht der trockene Wind des B- und C-Weltgeists, der das Lachen richtigerweise seinen Zuschauern überlässt. Zwei externe Kommentatoren verlauten es: Die Laune geht jetzt langsam flöten. Grandios. Allerdings hat Karow (Mark Waschke) noch etwas anderes zu erledigen, er sucht immer noch auf eigene Faust den Mörder seines Polizistenkollegen. Opfer tot, Kommissare ermitteln, legen dabei menschliche Abgründe und auch ein wenig eigenes Privatleben frei, Täter gefunden, Abspann. So funktioniert der Tatort seit Jahrzehnten, und man hat sich ganz gut daran gewöhnt. Am morgigen Sonntag aber, wenn die beiden Berliner Nina Rubin (Meret Becker) und Robert Karow (Mark Waschke) zum zweiten Mal ermitteln, läuft es so nicht ab. Natürlich, eine Leiche gibt es, eine recht grauselige noch dazu. Sie wird bei Abrissarbeiten in einem Säurefass gefunden, die Folge heißt dementsprechend Ätzend. In besserem Zustand als das Opfer ist der Herzschrittmacher desselben, und so meinen Rubin und Karow die Identität des Getöteten schnell feststellen zu können. Doch Überraschung: Unter seinem Namen finden sie das putz muntere Oberhaupt einer iranischen Flüchtlingsfamilie, die unauffällig, rechtschaffen, aber illegal in Berlin lebt. Die Tätersuche ist ziemlich unspannend, dafür entschädigen die neuen Ermittler und ein Berlin-Bild, das recht authentisch rüberkommt. Allerdings hat Karow noch etwas anderes zu erledigen, er sucht immer noch auf eigene Faust den Mörder seines Polizistenkollegen. Das ist ja nichts grundsätzlich Schlechtes, aber eine echte Überforderung für den Zuseher, wenn er den ersten Fall der beiden Das Muli nicht gesehen oder wieder vergessen hat – immerhin liegt die Erstausstrahlung acht Monate zurück. Zusätzlich braucht Rubins chaotisches Privatleben Zeit und Raum, es ist also alles ein bisserl viel. Der Mörder wird hier natürlich nicht verraten, eines aber doch: Karows Geschichte endet auch am morgigen Sonntag noch nicht. Also gut aufpassen! (Birgit Baumann, 14.11.2015) Es empfiehlt sich dieser Tage, Lanz zu ertragen, wenn es um die Aufarbeitung der Terroranschläge in Paris geht. So ausdauernd der ORF mithilfe seiner Korrespondenten in Echtzeit informiert – gegenwärtig ist Eva Twaroch in Frankreich im Dauereinsatz –, so sehr verordnet sein Programmmenü den Fans eine Diät, was Reflexionsformate anbelangt. Ist beim öffentlich-rechtlichen Nordnachbarn nahezu täglich eine Runde versammelt, um auch Aktuelles zu durchleuchten, muss hierzulande (unter der Woche) auf die Gnade eines runden Tisches gehofft werden. Unausweichlich also das Rüberrollen zum Nachbarn. Es empfiehlt sich dieser Tage sogar, Lanz zu ertragen, wenn es um die Aufarbeitung der Terroranschläge in Paris geht. Da sitzt also Literat Salman Rushdie, der weiß, was Todesangst bedeutet – neben ihm: Carla Amina Baghajati, die einst keine Muslima war. In jener Zeit aber, als Rushdie sich wegen seiner Satanischen Verse mit Überlebensfragen auseinandersetzen musste, ging Baghajati in eine Buchhandlung, um Rushdies Buch zu erwerben. Es lag jedoch in Griffnähe der Koran. Den wählte sie schließlich. Leider geraten beide erst zu Ende der Sendung ein bisschen aneinander. Rushdie, der froh ist, ohne Religion aufgewachsen zu sein, rügt freundlich: Hätten Sie besser das andere Buch gekauft! Baghajati: Man kann beide Bücher lesen. Rushdie: Klar können Sie beide lesen, eines der beiden ist ja sogar gut ... Baghajati wirkt ein bisschen gekränkt. Die Runde war zu groß, um Baghajati und Rushdie intensiv ins Gespräch zu bringen. Schade. Aber immerhin gab es eine Plattform, die sie zusammenführte. Am Mittwoch, nach 23 Uhr, also an einem Tag und zu einer Abendzeit, da früher ein Club 2 verhindert hätte, dass zu Lanz rübergerollt wird. Einmal mehr ist bewiesen, dass gute TV-Produktionen auch ohne Megastars auskommen können. Es bleibt einem im Hals stecken wie ein Widerhaken: Nicht die Alliierten, sondern die Achsenmächte haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen und teilen sich die USA auf – rechts die Nazis, links die Japaner. Dazwischen eine neutrale Zone. Nicht Wien, sondern ein Kaff im nasskalten Colorado ist die Drehscheibe der Weltspionage. Wir schreiben das Jahr 1962, und wir erleben hier den nächsten Streaming-Blockbuster – diesmal vom Internetriesen Amazon: The Man in the High Castle ist eine nahezu perfekt durchkomponierte Politikspionageverschwörungsapokalypsenkiste, angelehnt an den US-Roman Das Orakel vom Berge von Philip K. Dick. Hitler hat Parkinson, und Goebbels wartet bloß darauf, dass er stirbt, um Japan mit einem Atomkrieg fertigzumachen. Das muss verhindert werden. Wie bitte? Hitler lebt und ist Garant eines – wenngleich kalten – Friedens? Na bumm. Seis drum, schlucken wir das, der Story wegen. Was wir erleben, ist eine paranoid-düstere Welt: Überwachung, Angst, Widerstand, Verrat. Nur manchmal gleitet die packende Story voll raffinierter Handlungsstränge und Wendungen in banales Räuber-und-Gendarm-Spiel ab. Und doch: Man wird definitiv in diese Serie hineinkippen. Schon bald wird man wissen wollen, welchen Cliffhanger sich die Produzenten (unter anderen Ridley Scott) für das Ende der ersten Zehn-Folgen-Staffel ausgedacht haben. Und einmal mehr ist bewiesen, dass gute TV-Produktionen auch ohne Megastars auskommen können: Alexa Davalos (Kampf der Titanen), Rufus Sewell (The Tourist) und Cary-Hiroyuki Tagawa (Planet der Affen) spielten bisher in Nebenrollen. Hier zeigen sie, dass sie auch in der ersten Reihe glänzen. 'Es scheint, Heller hätte auf die Winkler-Ausgabe der Interviewreihe Menschenkinder zielsicher hingearbeitet. Das Wort Menschenkind hat André Heller nicht selbst geprägt. Dass er es aber mit Blick auf den Autor Josef Winkler verwendet, darf als die notwendige Schärfung eines viel zu schwammigen Begriffs gelten. Es scheint, Heller hätte auf die Winkler-Ausgabe der Interviewreihe Menschenkinder zielsicher hingearbeitet. Aus dem hauptamtlichen Poeten ist ein Zuhörer geworden. Endlich? Das Zuhören gehörte immer schon zu den Heller’schen Primärtugenden. Er war auf das Äußerste gespannt, als er auf John Lennon traf. Er lauschte dem liebenswürdigen Geplauder Andy Warhols. Nur simple Gemüter können glauben, das Zuhören sei, da es für passiv gehalten wird, keine Kunst. Dabei wirkt Winkler zunächst gar nicht entspannt Werdende Dichter erfahren: Roche benötigt zwei Jahre für ein Buch, da sie die Zehnfingertechnik nicht beherrscht. Sie schien nicht erschüttert, als Grissemann zugab, beim Lesen ihres Buches nur eine kleine Erektion verspürt zu haben. Na gut. Immerhin hat er sie entfesselt angesagt: Wie schaffe ich es, meine Babysitterin zur Sexsklavin zu machen? Wie ruiniere ich meine Ehe? Und wie bringe ich meine Eltern um? Meine Damen und Herren – Charlotte Roche! Auch später ließ sich die Dichterin allerdings nichts Markantes anmerken, blieb unspektakulär. Sie gab trocken Einblick in den Kalender ihrer Ängste, sprach über Flugangst oder die Furcht von instabilen Gebäuden. Eine Phobikerin wie du und ich. So normal. Vergleichsweise schockierend jedoch die Einblicke in die Schreibwerkstatt, aus der zuletzt Mädchen für alles herausgezaubert wurde. Werdende Dichter erfahren: Roche benötigt zwei Jahre für ein Buch, da sie die Zehnfingertechnik nicht beherrscht. Sie tippt mit zwei Fingern, und ihr Tagesablauf müsse so was von voodoo mäßig, wie in einer Religion, superspießig ablaufen. Damit ich morgens produktiv sein kann, esse ich Rapunzel-Müsli. So ein Biomüsli halt. Wenn ich das nicht esse, denk ich, ich kann nicht schreiben. Jedenfalls muss alles genau gleich ablaufen. Ich darf auch nicht aufs Handy gucken. Wenn mir eine Freundin irgendeine Sche... schreibt, krieg ich schlechte Laune. Ich kann dann nicht schreiben. Soziale Kontakte können mich aus der Bahn werfen. Ernüchternd kann die Wahrheit sein: Literatur à la Roche tankt Kräfte an der Müsliquelle und wächst an der hohen Mauer von Disziplin und Abgeschiedenheit zu etwas heran, das bei Grissemann eine Erektion bewirkt. Wenn auch nur eine kleine. Auch wenn der Film hin und wieder dahinträllernd in eine echte Schmonzette rutscht, ist er ein solider Feiertagsfamilienfilm. In einem Landgasthaus im tiefen Österreich aufwachsen, wo einen jeder vor allem wegen der dunkleren Hautfarbe ablehnt: Das sind harte Voraussetzungen für einen Zehnjährigen. Die Mutter ist tot, der Vater unbekannt, der Großvater gemein, und die Großmutter schweigt. Der kleine Benedikt aber macht das Beste daraus. Denn er hat eine engelsgleiche Gesangstimme und einen Plan: Er will zu den Wiener Sängerknaben und mit ihnen nach Amerika, denn dort vermutet er seinen Vater. In Wolfgang Murnbergers Kleine große Stimme spielt Wainde Wane mit großer Begabung den ebenso begabten Benedikt. Auch wenn der Film hin und wieder dahinträllernd in eine echte Schmonzette rutscht, ist er auch ein solider Feiertagsfamilienfilm. Da sah man Dienstagabend in ORF 2 das berührende Spiel von Margarethe Tiesel als Oma, Erwin Steinhauers gesetzten Direktor und Karl Merkatz und David Rott als Vater und Sohn Goldberg, die den Holocaust überlebten und sich liebevoll um den Buben kümmern. Da wurde auch zwischen lieblichen Liedern ungeschönt Österreich als jener Herd gezeigt, auf dem in alten grindigen Töpfen Antisemitismus und Rassismus vor sich hin köcheln. Manchmal schwappen sie über und vermischen sich zu einer stinkenden klebrigen eingebrannten Kruste, etwa als Vater Goldberg mit Benedikt seine arisierte Wohnung aufsucht und der neue Bewohner seine Maske fallen lässt. Es muss aufhören, sagt der wiedergefundene Vater und US-Besatzungsoldat (Tyron Ricketts) über den Hass und klopft sich aufs Herz, der Krieg ist vorbei. Ja, es muss aufhören. Aber zum Glück spielt der Film 1955. Und für Benedikt hat er ein Happy End. Die aufwendig und ziemlich detailverliebt verfilmten zehn Folgen beruhen lose auf einem bereits 1962 erschienenen gleichnamigen Roman. Von der Großmutter ist der Spruch überliefert, dass Englisch ganz einfach sei. Man müsse sich nur einen Knödel in den Mund schieben, um dann einfach weiter deppert daherzureden, wie einem der Schnabel gewachsen sei. Wenn man sich vorstellt, wie im Gegenzug US-Schauspieler Deutsch sprechen, die in einer von Amazon produzierten Serie Nazis geben müssen, hat man eine ungefähre Ahnung, was den Reiz der ersten Staffel von The Man in the High Castle ausmacht. Es wird mächtig zurückgeknödelt. Die aufwendig und ziemlich detailverliebt verfilmten zehn Folgen beruhen lose auf einem bereits 1962 erschienenen gleichnamigen Roman des gern adaptierten Science-Fiction-Großmeisters Philip K. Dick (Blade Runner, Total Recall, Minority Report, Paycheck, Screamers ...). Die Nazis und die Japaner haben den Zweiten Weltkrieg gewonnen und sich den nordamerikanischen Kontinent geteilt. Doch es regt sich im Jahr 1962 Widerstand, der bis in jeweilig höchste Verschwörungsebenen und Diktatur-Verwaltungshauptbüros reicht. Nicht nur bezüglich Süüüg hoil! und Jawooohl, Obrrrssssdurmbämfuuuhror schoss man hier den sprichwörtlichen Vogel, Pardon, deutschen Adler ab. Als Titelsong dient obendrein eine ziemlich stark Gänsehaut machende, spukige Version des alten Anti-Nazi-Musical-Hits aus The Sound of Music: Öööödälwuaisssss, Öööödälwuaisssss .... Die durchaus klischeehaften Nazis haben jedenfalls alle Lacher auf ihrer Seite. Das ist wirklich lustiger Trash. Hitler wird übrigens von einem Holländer gegeben, der redet wie Johannes Heesters. Ab 18. Dezember wird es nun eine deutsche Synchronfassung geben. Das kann nicht gutgehen. Was von der Papierform her als Pointen-All-Star-Band anmutet, ist mitunter schon zum Plausch von Hobbyclowns geschrumpft. Verbalsex mit Freunden! Michael Mittermeier freut sich in den Seitenblicken, hernach Stermann & Grissemann betratschen zu können. A super Alte seien die beiden. Der eine Österreicher, der andere Deutscher. Wann hat man schon eine Alte, die beides ist?, so Mittermeier. Bei Willkommen Österreich muss es sich dann weisen. Was von der Papierform her – Comedian trifft seine Lieblinge zum Verbalsex – als Pointen-All-Star-Band anmutet, ist mitunter schon zum Plausch von Hobbyclowns geschrumpft. So viel Talent auf so engem Platz – das summiert sich nicht zwangsläufig zu heiterster Ungeheuerlichkeit. Es lohnte jedoch, genau hinzuhören: Fragt Stermann etwa, ob es Mittermeier gelingen würde, einen IS-Terroristen zum Lachen zu bringen? Der grübelt für seine Verhältnisse lang, meint dann jedoch leider recht leise, sodass es vielen entging: Keine Ahnung – es kommt wohl drauf an, wie mein Kopf fällt ... Nicht übel! Während der Hut vor dieser Pointe gezogen wurde, kam das Trio auch schon zur Conclusio, am sichersten lebe es sich doch in der Nachbarschaft von Massenmördern. Und auch, wenn nicht klar war, ob das jetzt Verbalsex war, entstand der Gedanke, mit Mittermeier möge jedes Willkommen Österreich-Jahr enden, während Russkaja grölend die Jahreswechselpause einläutet. So wie diesmal. Ein bissel fehlte der ersten Ausgabe das Naive, das Charlotte Roche beigetragen hat. Das Format Talkshow zerlegen wollten Jan Böhmermann und Charlotte Roche, als sie 2012 mit ihrer Gesprächsrunde antraten. Nach zwei Staffeln war Schluss, der Tisch verwaiste. Jetzt ist er wieder besetzt. An Böhmis Seite: Olli Schulz. Mit dem Format hadern tut man nach wie vor: Schaut, so funktioniert Fernsehen, das wissen wir, woll’n wir aber nicht! Ebenso offen wie die Konstruktionspläne des Studios liegen deshalb Sympathien und Antipathien am Tisch. Dazu Stabmikrofone, Whiskey und Zigaretten. Reden statt talken wollen die beiden Lausbuben – kämen sie nicht sich selbst in die Quere! Dem Wortursprung nach meint moderieren mäßigen, steuern, lenken. Wenn Böhmi und Schulz aber eines nicht tun, dann diese drei. Stattdessen haben sie Freude am Unfrieden. Böhmermann kann gut vorlegen, aber weniger gut zuhören. Da kann er sich von Gangsta-Rapper Kollegha noch einiges abschauen, der hat Wettermann Jörg Kachelmann und Psychiater-Hochstapler Gert Postel mehr entlockt. Das Interesse am nächstmöglichen Gag ist eben oft größer als das an einem Gegenüber wie Til-Schweiger-Drehbuchautorin Anika Decker. So ist es nur gerecht, dass auch die Gäste ihre gewohnten Programme abspulen. Das kühne Konzept, gegen seine Gäste zu moderieren, geht damit bedingt auf: Auch das kann wirklich komisch sein, Gespräch geht aber anders. Der Gästemund tut manchmal so wenig Neues kund, man hätte auch Pappfiguren an den Tisch setzen können. Dann wäre man wieder bei der Radiosendung, die Olli und Jan seit Jahren bestreiten. Ein bissel fehlte der ersten Ausgabe das Charmante und Naive, das Roche beigetragen hat. Böhmermann moralisiert gern, wie Postel diagnostizierte, und Autorin Sibylle Berg als hochkarätige Ansagerin steht ihm da in wenig nach. Ne okaye erste Sendung mit Luft nach oben, so das Selbsturteil. Genau! (Michael Wurmitzer, 11.1.2016) Er ist stumm, aber immer verlässlich da. Nur am Montag war er nicht stumm. Da spielte er in die Stille hinein ein trauriges Lied. Er war immer da. Im Hintergrund wechselnder Programme sendet er verlässlich 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Ein Knopfdruck genügt, und da ist er, poppt auf während Dokus über nordirische Schafhirten oder mitten im französischen Spielfilm, der Lieblingsarztserie aus den USA oder in der aggressiv machenden Möbelwerbung, die man nur ohne Ton erträgt: der ORF-Teletext. Er ist stumm, aber immer verlässlich da. Nur am Montag war er nicht stumm. Da spielte er in die Stille hinein ein unfassbares und trauriges Lied. Und dann noch eines und immer mehr. Es hörte den ganzen Tag nicht auf. Immer wieder konnte man es auf der Startseite 100 abrufen: Oh no, dont say its true (Ashes to Ashes), schrillte es da. Leise, dann immer lauter, dröhnte der Verweis auf Seite 110: Look up here. I am in Heaven (Lazarus). Und dort tönte es zwischen den flirrenden Buchstaben heraus: My death waits like a beggar blind (My Death). Zu Mittag sangen die stummen Buchstaben auf der bunten Seite weiter: News guy wept and told us (...) cried so much his face was wet, then I knew he was not lying. I heard telephones, opera house, favorite melodies. (Five Years). Die Lieder verschwanden den ganzen Tag nicht von der Seite. Weil die Nachricht, die alle so überrascht hatte, nicht verschwand. Weil die Hoffnung, dass es sich um einen schlechten Scherz, eine Ente oder eine gehackte Seite handelte, nur Sekunden lebte. Später sangen die Lieder auf der Seite von Menschen, die in Brixton auf der Straße sein Leben feierten. Die Musik bleibt für immer da. Sie wird verlässlich weiterspielen. So lets drink to that and the passing time! (My Death). 'Von der Papierform her dürfte das TV-Duell recht launig und entspannt werden. Am Montag bezeichnete sich Andreas Khol als mittlerweile milder und weiser. Er sei abgeklärter als in jener fernen Zeit, da er Reden von Finanzminister Karl-Heinz Grasser als Geniestreiche bejubelt hatte. Und es wirkte der ÖVP-Kandidat (in schwarz-blauer Zeit auch Parlamentspräsident) in der ZiB 2 nicht künstlich ins Korsett der Gelassenheit gepresst. Khol war ein ruhiger Khol – auch als er den FPÖ-Wählern schöne blaue Augen machte. Darauf lässt sich für den Präsidentschaftswahlkampf strategisch aufbauen Bis ins Schlafzimmer dringt das Fernsehteam vor, um Schräges zutage zu fördern. Es ist immer das Gleiche. Messi-Wohnungen, Fetischdeko, Kettenraucher: No na lockt ATV in der Sendung So denkt Österreich (Montag, 21.20 Uhr) mit Sozialvoyeurismus. Man läutet im Gemeindebau sämtliche Türen durch und hofft, in die Lebensrealität des einen oder anderen Originals eintreten zu dürfen. Ein paar Arbeitslose, Frühpensionisten oder Schichtarbeiter werden am helllichten Tag schon zu Hause sein! Und siehe da: Ja! FKK-Fan Erwin wartet schon, auch Johann und Herta machen auf, detto Alfred und Michael. Bis ins Schlafzimmer dringt das Fernsehteam vor, um Schräges zutage zu fördern. Es ist immer das Gleiche: Puppen- und Feuerzeugsammlungen, selbstgestickte Nacktbilder und ungemachte Betten. Na und? Sosehr die Dokumentation ihr Anliegen auch in Richtung Realsatire driften lässt und die Schwenks durch die Zimmer mit extrapfiffiger Musik unterlegt – die aufgesuchten Menschen haben etwas zu sagen, und zwar mehr als die Allerweltsfragen vermuten lassen (z. B. Was ist Glück?). Alfred kennt vom Koran bis zu den Mormonen so einiges und findet: Jede Religion hat etwas Gutes und etwas Schlechtes. Johann hat zufälligerweise auch den Koran gelesen und meint, da steht das Gleiche drin wie in der Bibel. Erwin ist gläubig, aber hundertprozentig konfessionslos. In die Amtskirche hat er längst das Vertrauen verloren. Und Michael: Dem Psychotherapeuten – Quotenmann der Mittelschicht – wurde über Nacht die ärztliche Lizenz entzogen, da ihn ein Patient angeschwärzt hat. Nachdem dieser später als IS-Anhänger verurteilt wurde, darf Michael wieder praktizieren, hat aber leider keine Patienten mehr. Das gibt wiederum uns zu denken. Spannender mag man jene Fälle finden, bei denen nicht ganz klar ist, ob das Problem nun beim Projekt liegt oder nur bei dem vielen dafür ausgegebenen Geld. Man hat es oft nicht leicht als Satiriker in Zeiten wie diesen. Die Wirklichkeit ist harte Konkurrenz. Ein Scherzbold hätte sich manche jener Fälle, die Gerald Fleischhacker am Dienstag in Bist du deppert! präsentierte, kaum schöner ausmalen können. Die Witze der fröhlichen Kabarettistenrunde waren oft nur Draufgabe, während man der Frage nachging, wohin unser Steuergeld fließe. Da wäre zum Beispiel der Fall jener Schulverwaltungssoftware, die die Stadt Wien 2010 in Auftrag gab, unbeschadet des Umstands, dass es derlei Programme bereits gab. Das hätte noch sinnvoll sein können, hätten Stadtschulrat und Magistrat sich darüber einigen können, welche unverzichtbaren Features sie eigentlich gern eingebaut gehabt hätten. Haben sie aber nicht, sagt Fleischhacker. Vier Jahre später waren 4,4 Millionen Euro beim Teufel und die Software durchwachsen. Dass die Story an sich schnell erzählt wäre, die Einzelheiten des Missverständnisses nicht ganz einfach zu eruieren sein dürften, kompensierten Rudi Roubinek und Günther Leiner mit einem Sketch zwischen Stadtbeauftragtem und faulem Programmierer. Spannender mag man aber jene Fälle finden, bei denen nicht ganz klar ist, ob das Problem nun beim Projekt liegt oder nur bei dem vielen dafür ausgegebenen Geld. Etwa jenen eines Lifts für Fische im Inn, der es den Tieren ermöglicht, eine Wehr zu überwinden. Klingt nicht unvernünftig, oder? Allein man hätte für die veranschlagten 2,5 Millionen Euro sämtliche Gemeindegebäude in den Bezirken_Landeck und Imst mit Personenliften ausstatten können, und am Ende kostete es eh 4,7 Millionen – Na, hoffentlich zahlen die Fische wenigstens! (Roman Gerold, 3.2.2016) Neudörfl, das CNN-Wintermärchen in einem politisch auf Frost heruntergekühlten Bundesland. Man darf sich das Bild, das sich die restliche Welt von Österreich macht, nicht auch noch von uns Einheimischen zerstören lassen. Da fügt es sich ebenso lehrreich wie angenehm, dass der Sender CNN in den Bezirk Mattersburg hinübergeblickt hat. Genauer gesagt: in das idyllische Neudörfl. Verträumt schaut die Kamera auf den zugefrorenen Dorfteich der 4000-Seelen-Gemeinde. Rudolf Steiner, der Begründer der Anthroposophie und der gerundeten Tischecken, verbrachte übrigens ebenso einen Teil seiner Jugend in dem malerischen Flecken wie auch Josip Broz Tito, der spätere Staatenlenker auf dem Balkan. Kalt ist es im Burgenland geworden. Dieser bedauerliche Umstand rührt nicht nur daher, dass Norbert Darabos den Flüchtlingen unter Umständen die Mindestbeihilfe kürzen will. Die Flüchtlinge aber, die nach Neudörfl gekommen sind, haben Glück gehabt. Die klugen Köpfe und guten Geister der Gemeinde warmherzig zu nennen wäre noch untertrieben. CNN zeigte einen Bosnienflüchtling, der bereits vor 22 Jahren in Neudörfl Aufnahme fand. Er arbeitet heute als Badewärter am Teich. Ein Lebensretter. Man sah eine afghanische Großfamilie. Auf den Mienen der quer durch Europa gehetzten Flüchtlinge spielte ein Lächeln der Erleichterung. Sie haben nicht nur Verpflegung und eine menschenwürdige Unterkunft gefunden, sondern besitzen die Aussicht auf ein geregeltes Dasein. Neudörfl, das CNN-Wintermärchen in einem politisch auf Frost heruntergekühlten Bundesland. Im lokalen Kindergarten herrscht ein heiteres Babylon. 21 Sprachen erklingen in der Krippe. CNN erklärt uns, wie’s geht: Migranten nicht als Bürde betrachten. Umberto Eco erklärt in seinem Buch "Über Spiegel und andere Phänomene" die sogenannte deduktive Denkweise. Angenommen, vor mir auf dem Tisch liegt ein Säckchen. Wenn ich weiß, dass es weiße Bohnen enthält, kann ich mit Sicherheit behaupten: Alle Bohnen in diesem Säckchen sind weiß. Ich greife also hinein und nehme eine weiße Bohne heraus. So erklärt Umberto Eco in seinem Buch Über Spiegel und andere Phänomene mithilfe des berühmten Beispiels des Philosophen Charles Sanders Peirce die sogenannte deduktive Denkweise. Was aber passiert, wenn vor mir ein Säckchen liegt, von dem ich nicht weiß, was es enthält? Und wenn ich hineingreife und eine weiße Bohne nach der andren herausnehme? Dann werde ich davon ausgehen, dass alle Bohnen im Säckchen weiß sind – jedenfalls so lange, bis ich die erste schwarze erwische. Doch jetzt kommt, so Eco, der ein gewitzter Schlawiner war, das Beste: Auf dem Tisch liegen ein Säckchen und daneben eine Handvoll weißer Bohnen. Also stelle ich einfach mal ein Gesetz auf, dem zufolge das Säckchen weiße Bohnen enthält. Was das alles mit Fernsehen zu tun hat? Ganz einfach. Ich hätte wissen können, dass gestern Abend auf Arte Der Name der Rose gezeigt wurde und hätte deshalb eingeschaltet. Oder ich hätte vor dem laufenden Gerät sitzen und dabei, sagen wir beim Umschalten, auf den Film stoßen können. Oder aber, und damit hätte auch Eco großen Spaß gehabt: Ich lese in Über Spiegel und andere Phänomene das Kapitel Die Abduktion in Uqbar, und weil mein Blick beim Umblättern zufällig auf den Fernseher fällt, schalte ich das Gerät ein und gehe davon aus, dass auch im Fernsehen an den großen Schriftsteller und Essayisten erinnert wird – und habe die größte Freude an der Überraschung, plötzlich Der Name der Rose zu sehen. Der deutsche Schauspieler wird allzu oft mit dem Münster-"Tatort" in Verbindung gebracht. Die ZiB 24 im ORF kann manchmal nicht nur lehrreich, sondern auch recht lustig sein. Vor allem dann, wenn Jan Josef Liefers bei Lisa Gadenstätter zu Gast ist. Der Schauspieler wird ja allzu oft mit dem Münster-Tatort in Verbindung gebracht. Dieser Pathologen-Blödelschmäh dort und auch seine Werbung für goldene Küsschen bleiben hängen. Das ist schade. Denn der Mann hat in echt einen viel besseren Schmäh. Immerhin hat er seine erste Gitarre aus dem Bett seiner Großmutter gebastelt – quasi der ungewöhnliche Auftakt für seine musikalische Karriere. Freilich nutzt er die Infosendung, um seine Band Radio Doria und seine Tournee zu bewerben. Ist ja auch okay. Er macht das recht geschickt, bringt dort vor allem sein gesellschaftspolitisches Engagement sympathisch und leise unter. Von diesem Understatement könnte sich ein anderer Tatort-Kommissar nicht nur ein Scheibchen abschneiden, der oft viel zu laut für sich und seinen Einsatz für Arme trommelt. Liefers war vor drei Jahren in Aleppo in Syrien. Dort hat er schon damals die Apokalypse gesehen, wie er sagt, und wundert sich, dass die Politik überrascht war, als sich viele Flüchtlinge auf den Weg nach Europa machten. Wenn du nicht zum Problem gehst, kommt das Problem zu dir, sagt er. Und in Richtung deutsche Politik: Wir predigen Frieden, sind aber der drittgrößte Waffenexporteur. Momentan sei keine Zeit für Vernunft, das komische Bauchgefühl sei stärker als alles andere. Darum auch das zweistellige Wahlergebnis der AfD. Aber das wird sich auch wieder regulieren. Danke, dieser Optimismus tut in Zeiten wie diesen gut. Dafür sei auch der nächste schlechte Schmäh im Münster-Tatort verziehen. 'Als gesichert kann nur gelten, dass Hofer Waffen und Kater lieber hat als Wehrmachtsdeserteure. Wie jemand tatsächlich tickt, ist erst in stressiger Grenzsituation erfassbar. Auch bei Norbert Hofer, FPÖ-Präsidentschaftskandidat, wird das so sein. Aus seiner zarten Stimme und seiner sensiblen Art Eignungen für den Posten des Hofburgregenten abzulesen, wäre somit auch unhöflich. Natürlich bringt eine TV-Situation Anspannung mit sich Susanne Bier inszeniert die Adaption eines Romans von John Le Carré in Bond’schem Hochglanzformat. Nehmen Sie sich am besten nichts vor, wenn Sie bei The Night Manager einchecken. Binge-Watching ist angesagt: Zwei, drei, ach nein: vier Folgen am Stück sind Pflicht, wenn Tom Hiddleston alias Jonathan/Thomas/Andrew usw. Jagd macht auf Hugh Laurie in der Gewandung des Waffenschiebers Richard Roper. Die dänische Regisseurin und Oscar-Preisträgerin Susanne Bier (In einer besseren Welt) inszeniert die Adaption eines Romans von John Le Carré sehr gekonnt in Bond’schem Hochglanzformat, doch dankenswerterweise zitiert sie ihn bloß hie und da. Und vor allem: Die Prot agonisten bleiben Menschen. Jeder hat seine Schwächen, jeder hat sympathische Züge, ja sogar die vielen bösen Buben. Deren Gegengewicht sind die Frauen. Sie versuchen, die Welt wieder ein bissl mehr in Ordnung zu bringen. An vorderster Front Geheimagentin Angela Burr. Schwanger, gereizt, hartnäckig. Wie schon in Broadchurch spielt Olivia Colman aus der zweiten Reihe heraus die Hauptrollen an die Wand. Ebenso wie Tom Hollander als Ropers machiavellistischer Höfling. Zum Niederknien. Der coole Tom Hiddleston könnte hingegen ein bisschen mehr in sich reinschauen lassen, schließlich ist er ein Zerrissener mit bis zu vier Identitäten. Aber er macht einen tollen Job und ist zu Recht im Gespräch als Daniel Craigs Nachfolger im Dienste Ihrer Majestät. Was nicht so recht funktionieren will, ist der Bösewicht. Hugh Laurie bleibt Doctor House und wird nicht zu Doctor No: Fies? Ja, mit viel Genuss. Aber Massenmörder? Never. Und? Endet es so, wie es enden muss? Klar. Wenngleich: Wer weiß das schon? Immerhin haben wir es hier mit Altmeister John Le Carré zu tun. "Wer wird Präsident?": Wenn die Pflicht, antworten zu müssen, einem den ruhigen Abend stört. Nicht nur, dass Puls 4 dem ORF mit seinen Vorwahlsendungen zur Bundespräsidentenwahl Konkurrenz machen will. Dass alle Kandidaten der Einladung des Privaten folgen, könnte dem ehemaligen Platzhirsch Sorgen machen. Allerdings zeigte die Elefantenrunde auch, dass Politdiskussion nicht so leicht ist (gleich wie einen Live-Stream hinzukriegen). Das Moderatorenduo Corinna Milborn/Thomas Mohr war kaum mehr als Stichwortgeber. Man verteilte Taferl: Ja oder Nein sollten alle im ersten Schritt ihre Positionen kundtun. Welch Umstand, dass ausgerechnet Baumeister Richard Lugner zu Bedenken gab, so einfach sei es nicht getan! Nur Norbert Hofer hatte damit wenig Probleme. Für ihn ist die Welt ja auch entweder Daham oder Islam. Bei einem Seherrat der 500 sammelte er damit jedenfalls Sympathie und hatte zuletzt die meisten (26 Prozent) hinter sich. Zu denken gab das den Mitstreitern wenig, es stünden noch drei Wochen Wahlkampf bevor. Die größte Freude an den Umfragen schien Puls 4 selbst zu haben. Gleich wie an den eingeblendeten Postings und einer tiefschürfend-investigativen Angehörigenbefragung, die der angesichts abgelutschter Themen (Regierung absetzen? Strache angeloben?) wenig erquicklichen Runde wiederholt nichts Substanzielles beigaben. Gute Figur machte die dann bei Frauenrechten in Fahrt gekommene Irmgard Griss. Das mit dem Lächeln kriegte sie auch hin! Besser als Alexander Van der Bellen, dem die Pflicht, antworten zu müssen, wohl den ruhigen Abend gestört hat. Rudolf Hundstorfer sagte wenig und schien fast froh darüber. Andreas Khol warf sich keine Spur von altersmüde in den Ring. Und Lugner? Der bringt die gelernten Verfassungsartikel respektabel aus dem Munde, wenn man ihn ausreden lässt. So kann eine lasche Moderation auch ihr Gutes haben. Puls 4 meldet großes Zuschauerinteresse: 372.900 sahen zu, das entspricht einem Marktanteil von 14,3 Prozent. Statt der Einschüchterung energisch entgegenzutreten, diskutieren wir schon wieder, was Satire darf. Wer hätte gedacht, dass man einmal deutschen Humor verteidigen muss? Der türkische Präsident hat ZDF geschaut und ist seitdem um sein öffentliches Bild in Deutschland besorgt. Nun verlangt er, ein Strafverfahren gegen Moderator Jan Böhmermann und dessen Blödeleien einzuleiten. Immerhin beweist Tayyip Erdoğan damit, dass er an das Ausland keine anderen Maßstäbe anlegt. Weil sich Kanzlerin Angela Merkel in dem Fall nicht besonders engagiert gezeigt hat, lautete das Thema beim Anne Will-Talk am Sonntag Streit um Erdoğan-Kritik – Kuscht die Bundesregierung vor der Türkei?. Einzig CDU-Politiker Elmar Brok versuchte den Kurs der eiernden Kanzlerin zu kaschieren, indem er auf Merkels persönliche Meinungsfreiheit pochte. Keine so gute Idee, denn das brachte die diplomatischen Zwänge nur noch stärker ans Licht. Wir reden nicht über Geschmack, meinte der Kabarettist Serdar Somuncu. Tatsächlich ist die Böhmermann-Debatte ein Beispiel für die Selbstbeschuldigungen Europas, wie sie der Philosoph Slavoj Žižek kritisiert. Ein Staatsoberhaupt, das es mit Meinungsfreiheit nicht so hat, verlangt von der Regierung eines anderen Landes, gegen diese Form der Kritik vorzugehen. Und wir diskutieren schon wieder, was Satire darf, statt dem einfach nur energisch entgegenzutreten. Zum Glück waren die Versuche des Medienwissenschafters Bernhard Pörksen, Böhmermanns Gedicht zu kategorisieren, selbst etwas komisch. Ein Zwitter sei es, ein neues Format gar, die Schmähsatire. In Wien gibt es dafür ein anderes Wort. Die Parodie einer Schmährede ist, na? Natürlich ein Schmäh. Mit Zweierdiskussionen zu je einer Viertelstunde summierten sich die Schnellduelle auf mehr als zweieinhalb Stunden. Und das Pflaster wuchs sich zum Ganzkörperverband aus. Wer ein Pflaster entfernt, minimiert den Schmerz durch schnelles Abreißen. Ähnliche Überlegungen dürften auch am Küniglberg angestellt worden sein: Die Zweierdiskussionen zwischen den Präsidentschaftskandidaten wickelte der ORF am Donnerstagabend alle auf einmal ab. Und damit war der Versuch der Schmerzvermeidung auch schon wieder gescheitert: Denn mit Zweierdiskussionen zu je einer Viertelstunde summierten sich die Schnellduelle auf mehr als zweieinhalb Stunden. Und das Pflaster wuchs sich zum Ganzkörperverband aus. Dabei war zehnmal 15 Minuten schon die kürzere Variante: Kandidat Richard Lugner steht zwar auf dem Stimmzettel, durfte aber nicht mitreden. Nicht relevant, beschloss der Rundfunk. Aus Protest schenkte der Baumeister vor dem ORF-Zentrum Freibier aus. Die Kandidaten im Studio schenkten sich derweilen gegenseitig ein, wenn auch hauptsächlich von ihren Wahlkampfteams vorbereitete Angriffe auf das jeweilige Gegenüber. Etwa Rudolf Hundstorfer, der erfahren haben will, dass Irmgard Griss einige in Wien aufgestellte Plakate nicht genehmigen hat lassen. Das Wählersegment der Magistratsbeamten mit verdichtetem Verwaltungsrechtsbewusstsein dürfte der rote Parteiveteran damit gut erreichen. Die Pflasterstrategie des ORF ist – zumindest teilweise – aufgegangen: Zehnmal 15 Minuten Zweierdiskussion sind vergleichsweise schnell vorbei. Zu früh gefreut hat sich Richard Lugner womöglich über die Dokumentation, die der ORF später sendete: Menschen und Mächte spezial: Baumeister der Republik handelt vom höchsten Amt. Nicht vom skurrilsten Kandidaten. Bis 29. April fliegen die Eurofighter wieder – Richtig! Die Flieger, die jahrelang die Innenpolitik beherrschten. Einunddreißig Sekunden dauerte der Beitrag auf Steiermark heute nur: Seit Montag und bis 29. April fliegen nämlich die Eurofighter wieder. Wahrscheinlich hatte man Montagabend einen nachrichtenschwachen Tag hinter sich oder Angst, dass die Eurofighter ganz vergessen werden könnten. In Zeltweg starteten sie jedenfalls und donnern nun über ganz Österreich hinweg. Richtig! Die Flieger, die jahrelang die Innenpolitik beherrschten. Zu teuer waren sie den einen damals. Unnötig fanden sie manche Mitbürger sogar. Wir wissen nun, dass es ihnen gutgeht und sie fleißig fliegen üben. Es gab in den steirischen Abendnachrichten offenbar einen Flugschwerpunkt. Nicht nur bei den Kampfjets im Aichfeld wurde Nachschau gehalten, auch am Grazer Flughafen Thalerhof. Immer schon wollten wir nämlich wissen, was gerade die steirischen Passagiere am meisten beim Fliegen nervt. Genau das beantwortete ein unerschrockenes Reporterteam. Ganz ohne Scheu fragte man nach, was Steirer, die prinzipiell nichts so schnell aus Ruhe bringt, ausrasten lässt. Es waren erhellende Antworten. Keine Dauertratschen oder Leute, die missionieren wollen, ertrage eine in der Abflughalle befragte Dame. Über körperliche Ausdünstungen rege er sich eher auf, meint ein Mann. Sie möge dafür keine Dicken, stößt eine auf den Check-in Wartende bitter hervor. Sie alle haben echte Sorgen, doch wie kann man helfen? Tatkräftigen Rat weiß Moderatorin Petra Rudolf. Heiter und doch ernst blickte sie nach Ende des zweiminütigen Beitrags in die Kamera. Ihr Rat an die Landsleute ist simpel und effizient: Ein Gin Tonic an Bord helfe notfalls auch. Recht hat sie. Roman Rafreider nahm den ehemaligen griechischen Finanzminister ins Kreuzverhör. Zu Unrecht bleibt die ZiB 24 im Schatten der ORF-Nachrichtenzentrale ZiB 2. In dieser Zentrale werden zwar Gefechte ausgetragen, die es verdienen, im Haus der Geschichte eine Dauerbleibe zu erhalten. Auch Zeitgenossen, die noch nicht einmal in Planung sind, sollen sich über den Irrwitz verflossener Epochen informieren können, sollte es dereinst weder ORF noch TVthek geben. Aber, wie gesagt, auch die ZiB 24 kann es – nur wird es mitunter übersehen. Selbst Medienprofi (und griechischer Ex-Finanzminister) Yanis Varoufakis, der seine kreditgebenden EU-Kollegen episch-akademisch zur Verzweiflung getrieben haben soll, freute sich einfach, in der Show zu sein. Auch er, der Europa mit eigener Partei helfen will, übersah, dass der zur Tarnung glattpoliert wirkende Roman Rafreider im Begriff war, einen Fragen- und Behauptungsgriller anzuwerfen. Sind Sie gescheitert? oder Sie als Spieltheoretiker haben das Spiel verloren, man hat Sie in die Wüste geschickt! oder aber: Lassen Sie mich zu Ende fragen, hier macht man das so! Rafreider gab auch Seherfragen weiter: Wie viel verdient er, nachdem er sich auf Kosten seines Landes einen Namen gemacht hat? Varoufakis blieb höflich, verwies auf seine Homepage, auf der Einnahmen aufgelistet seien, und wirkte – bis auf finster-ungläubige Blicke – nie irritiert. Rafreider aber kam zart entfesselt rüber. Er drohte, beim einstigen Varoufakis-Widersacher Wolfgang Schäuble anzurufen, um Worte des Griechen zu überprüfen, und drohte sodann, Varoufakis wieder vorzuladen. War um eine Nuance zu viel. Auch ohne diese wäre der Plausch ein Kandidat für das Haus der Geschichte, falls es je eröffnet wird. Das Format der unmoderierten Konfrontation war am Scheitern nicht schuld. Man muss nur Leute einladen, die miteinander reden wollen. Flugbegleiterinnen müssen auch bei Turbulenzen die Nerven behalten, freundlich und höflich sein. Fast wie Bundespräsidenten. Stellen Sie sich folgende Szene vor. Flugbegleiterin: Möchten Sie Tee oder Kaffee? Ein Fluggast, nennen wir ihn Herrn H.: Sie haben aber schöne blaue Augen. Flugbegleiterin: Danke … möchten Sie Tee oder Kaffee? H.: Aber so schöne blaue Augen! Flugbegleiterin: Könnten Sie mir sagen, ob Sie Tee oder Kaffee wollen, die anderen Passagiere warten. H.: Ah, jetzt funkeln sie aber ganz böse, die blauen Augen: Flugbegleiterin: Sie wollen meine Frage nicht beantworten, gut, dann nicht. Sie schiebt ihren Getränkewagen genervt weiter. Szenenwechsel: Im ATV-Studio hat man am Sonntag einen Raum wohltuend karg gestaltet: Vor einem weißen Vorhang bloß ein dunkler Tisch mit zwei Stühlen, wo die Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen ohne Moderation miteinander reden sollten. Kein Wettkochen, kein Hymnenraten. Reden. Wäre der Tisch noch rund und nicht eckig gewesen, die Ähnlichkeit mit dem Raum, in dem 1975 Bruno Kreisky und Josef Taus aufeinandertrafen, wäre noch größer gewesen. Doch damals wurde – durchaus auch heftig – inhaltlich gestritten. NLP (Neurolinguistisches Programmieren) war da noch in den Kinderschuhen weit weg in Kalifornien. Zwischen Van der Bellen und Hofer gab es kein Gespräch, das diese Bezeichnung verdient. Hier saß ein programmierter Hofer, der Fragen auswich und mit Gegenfragen, Spott und Angriffen, die nichts mit den Themen zu tun hatten, konterte. Das oft zitierte freundliche Gesicht der FPÖ offenbarte sich als das grinsende Gesicht der FPÖ. Und Van der Bellen? Er schmiss nach 20 Minuten die Nerven, war seinem Gegenüber nicht gewachsen, konnte seinen metaphorischen Getränkewagen aber auch nicht einfach aus dem Studio schieben. So nahm er am wechselseitigen Beflegeln teil. Der Erkenntnisgewinn für die Zusehenden auf der Sachebene: null. Das Format, das ATV nach 41 Jahren wieder ausprobieren wollte, war am Scheitern nicht schuld. Es hat sich auch in anderen Ländern durchaus bewährt. Man muss nur Leute einladen, die wirklich miteinander reden wollen. Am Donnerstagabend mussten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer noch eine große Runde drehen: 105 Minuten bei Ingrid Thurnher auf ORF 2. Wenn die Musik verstummt, ist nur mehr ein Sessel frei. Wie beim Spiel Reise nach Jerusalem, bei dem Kinder um den Sesselkreis laufen, aus dem immer mehr Sessel entfernt werden, bleiben in der letzten Runde nur zwei Kandidaten übrig. Sie sind am längsten gelaufen. Am Donnerstagabend mussten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer noch eine große Runde drehen: 105 Minuten bei Ingrid Thurnher auf ORF 2. Sie wirkten müde dabei. Selbst das Publikum wirkte müde. Wie Pappkameraden saßen die Zuseher da. Ganz selten erlaubte man sich einen Szenenapplaus. Nach dem desaströsen Duell am Sonntag auf ATV analysierte Thurnher dieses zu Beginn fast wie die letzte Sitzung einer Paartherapie. Beide gaben zu, dass sie entgleist waren, entschuldigen wollten sie sich nicht. Doch man blieb im Ton respektvoll. Thurnher führte souverän durch den Abend und klopfte Haltungen, etwa zu EU, Werten oder der Trennung von Staat und Kirche ab. Nur bei der Sache mit Hofers Israel-Reise wurde es ungemütlich. Hofer will am 30. Juli 2014 eine Frau mit Handgranate und Maschinengewehr am Tempelberg gesehen haben, die neben ihm erschossen wurde. Thurnher konfrontierte ihn mit Recherchen, die dem widersprachen. Da wurde Hofer böse: Er werde als Behinderter beleidigt, seine Frau und sein Kind beschimpft, warf er Thurnher vor, die nichts davon gesagt hatte. (Tatsächlich soll an dem Tag eine Frau angeschossen und leicht verletzt worden sein, aber an der Klagemauer, ohne Maschinengewehr und Handgranate.) Am Ende lachte Hofer wieder – über Van der Bellen. Der sagte, er freue sich, bald als Präsident den Dritten Nationalratspräsidenten (Hofer) in der Hofburg begrüßen zu dürfen. 'Der Präsidentenwahlkampf schien auch nach der Wahl weiterzugehen. Schließlich wurde es ein Abend der angespannten Ratlosigkeit: Bei den FPÖ-Granden, die zunächst (mit Österreich-Taferln bewaffnet) den Namen der Republik annähernd fehlerfrei herausbrüllten, wurde es stiller. Siegeserwartung wich der Zukunftssorge, Norbert Hofer suchte den seinen die Möglichkeit einer Niederlage nahezubringen. Alexander Van der Bellen hingegen wirkte überrascht, seine Aufholarbeit bis zum Patt erledigt zu haben. Es wurde aber auch ein Abend, an dem Im Zentrum ein entfesselter Apologet der FPÖ zu entdecken war. Norbert Steger – einst durch Jörg Haider vom Parteithron katapultiert – schien den bissigen Herbert Kickl in sich entdeckt zu haben. Steger beanspruchte dreifache Redezeit, da er sich von drei Kontrahenten umgeben sah. Franz Fischler (einst ÖVP-Minister), Monika Langthaler (einst Grüne) und selbst der SPÖler Karl Blecha, der schon einiges erlebt hat, kamen aus dem Kopfschütteln nicht wirklich heraus. Klar ließ sie Steger im Notfall ausreden. Übermächtig schien aber sein Drang, FPÖ und Hofer zu besingen, wobei seine Werbearien auf Lebenserfahrung fußten: Menschen, die aus einer Gegend kommen, wo man Wein trinkt, sind keine Extremisten, schnurrte Steger, um danach offensiv einer gelassenen Diskussion über Grundsätzliches im Wege zu sein. Fischler nannte dies – recht verärgert – Kampfrhetorik, und Langthaler gab es schließlich auf, von Steger eine ernsthafte Antwort auf punktgenaue Fragen zu erwarten. Es schien der Präsidentschaftswahlkampf also auch nach der Wahl weiterzugehen 'Menschen halten sich stumm an Taferln fest Ein unvergessliches Bild der Enttäuschung. Irgendwie kann man es sich nicht vorstellen, dass es vorbei ist. Reporter Wolfgang Geier, im Innenministerium ausharrend, kann es um 15.45 Uhr nicht fassen, dass das Ende der Unklarheit naht. Doch das Rednerpult gibt Geier Gewissheit. Es ist aufgestellt, es wartet auf Innenminister Wolfgang Sobotka. Weit weg scheint der Sonntagabend, weit weg die jubelnden FPÖ-Granden, die den Namen der Republik herausgebrüllt hatten, als der ORF sie auf Sendung brachte. Norbert Hofer hatte womöglich etwas geahnt "Warnsignal, Weckruf für Europa", unkten Kommentatoren in deutschen TV-Sendern. Zu feiern gab es aus ihrer Sicht nichts. Während Österreich noch ganz im Taumel des geschlagenen Gladiatorenkampfs lag, dröhnte andernorts schon der Wahlkater. Die schlechte Stimmung resultiert aus einem Blick aufs große Ganze, das trotz des designierten Entschleunigungspräsidenten eine ungute Schlagseite bekommen hat. Warnsignal, Weckruf für Europa, unkten Kommentatoren in deutschen TV-Sendern. Zu feiern gab es aus ihrer Sicht nichts: Mitten in Europa zeigen sich fremdenfeindliche Rechtspopulisten leider einmal mehr im Aufbruch, stellte Brigitte Abold in den ARD-Tagesthemen sachlich-nüchtern fest – eine Tatsache, die im ORF nur sekundär beachtet wurde. Hier blieb die Einordnung des Geschehens weitgehend auf das zwischen zwei Kontrahenten ausgetragene Wahlduell reduziert. Auf praktischen Verstand ausgerichtet war das Interview mit dem Politologen Karl-Rudolf Korte. Was man gegen Rechtspopulisten tun könne, wurde Korte in der ZDF-Sondersendung gefragt. Der antwortete kurz und gut: Selber attraktiv werden. ORF-Diskussionsleiterin Ingrid Thurnher meinte ebendort auf diese Frage, nicht-rechtspopulistische Parteien sollten mehr soziale Medien nützen, und generell wirke Authentizität immer. Manchmal wünscht man sich allerdings ein bisschen weniger davon und etwas mehr Professionalität. Dieses Mal seien ja viele eigentlich gezwungen worden, Van der Bellen oder Hofer zu wählen, mit denen sie sich sonst nicht identifizieren würden, leitete Lisa Gadenstätter ihre Frage an den ehemaligen Justizminister und FPÖ-Politiker Dieter Böhmdorfer in der ZiB 24 ein – und lieferte diesem damit eine Steilvorlage für die schlechte Politik von Rot-Schwarz. "Star Wars", "Assassin’s Creed", "Doctor Who" und jede Menge Cosplay – Finn Jones und Jessica Henwick über "Game of Thrones" und Theorien zum Ausgang der Serie. Wien – Zwei Tage Comic Con in Wien sind zu Ende: 16 Stunden mit Star Wars, Assassin’s Creed, One Piece, Zelda, Game of Thrones, Doctor Who, Cosplay und Co. 153 Aussteller und Händler machten sich am Wochenende in der Messehalle Wien breit. Bis zu 15.000 Besucher wurden bei der von Reed Exhibitions und ReedPOP geplanten Veranstaltung erwartet. Entertainment-Gäste wie Giancarlo Esposito (Breaking Bad), Natalia Tena (GoT, Harry Potter), Jessica Henwick (GoT), Finn Jones (GoT), Neve McIntosh (Doctor Who) und William Houston (Sherlock Holmes, Dracula Untold) standen für Autogramme und Live-Interviews bereit. Auch Comic-Künster gab es vor Ort zu bewundern: neben Größen wie dem Schlumpf-Zeichner Miguel Diaz, Jae Lee (Marvel, Before Watchmen: Ozymandias and Batman/Superman) und Nicolas Mahler (Der Mann ohne Eigenschaften) haben auch weniger bekannte Künstler in der Artist Alley Besuchern die Möglichkeit geboten ein Souvenir zu ergattern. Der spanische Künstler Rob Perez zog vor einiger Zeit nach Wien und behilft sich mit einer – nicht so unbekannten – Tageszeitung als Leinwand. Here is a #sneekpeak into my #spaceman #artbook! To be released tomorrow at @vieccviennacomiccon booth 606 at our @inktank.at! Only 5 in existence! Signed and numbered just for you 😘 hope to see you there! Thanks to @rapunze for the help! #instaart #igartist #artist #art #viennaartist #todowien #vieccinktank #viecc #viennacomiccon #thanks Ein von Rob Perez (@deadbeathero) gepostetes Video am 20. Nov 2015 um 11:02 Uhr Keine Comic Convention wäre eine richtige Comic Convention ohne die treuen Fans, die mit aufwendigen Kostümen die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Neben Profis wie LeeAnna Vamp, Kana, Leon Chiro, Othien und Nana Kuronoma haben auch Amateure ihren Spaß am Verkleidungstrend Cosplay. und wer kennts?? Ein Highlight für treue Game of Thrones Fans war sicher auch das Live-Interview mit Finn Jones (Loras Tyrell Ritter der Blume) und Jessica Henwick (Nymeria Sand) auf der Mainstage am Samstag. Während Henwick ein paar Brocken deutscher Sätze zum Besten geben konnte, da sie für eine Rolle Deutsch übt, musste sich Jones mit seiner Muttersprache Englisch behelfen. Die wichtigste Frage, die momentan alle GoT-Fans beschäftigt, wurde gleich am Anfang gestellt: Ist Jon Snow wirklich tot? Und scheinbar lautet die traurige Antwort: Ja. Ach kommt schon, er ist schon sieben mal auferstanden, jetzt ist er definitiv tot., meint Jones dazu. Neben einer jeweils kurzen Biographie der beiden Schauspieler erfuhr man, dass Henwick die Schauspielangebote beinahe zugeflogen sind: als sie mit 16 Jahren auf einem Casting in London war, engagierte man sie vom Fleck weg und schrieb die Rolle – die eigentlich für eine jüngere Schauspielerin gedacht war – extra für sie um. Auch bei Game of Thrones hatte sie enorm viel Glück: für ihre Rolle als Nymeria Sand war eigentlich eine dunkelhäutige Schauspielerin gedacht. Doch Henwick wollte unbedingt die Peitsche wie Indiana Jones schwingen und bestand auf der Rolle. Jones – im Gegensatz – musste sich seine Rollen immer hart erarbeiten. Es war harte Arbeit. Da war keine Magie., sagt Jones. Für seine Rolle als Loras Tyrell musste er den üblichen Castingweg bestreiten. Nach zwei Monaten Wartezeit und weiteren Recalls hat er es dann aber doch geschafft. Fan-Fragestunde Interessanter als die übliche Fragestunde waren die Fragen der VIECC-Besucher – hier ein Auszug mit Theorien zum Ende der Staffel und seltsamer Fanfiction: Ein Fan fragt, wie es denn so wäre, die ganze Zeit nackt auf dem Set herumzurennen. JONES: Eigentlich lustig. Du musst zwar vorher Diät halten und ins Fitnesscenter gehen... HENWICK: Ach wirklich? Du machst eine Diät? JONES: Nein, nicht wirklich. Aber ich liebe es. Es ist ein echter Aspekt deiner Arbeit: du kannst nichts verstecken. Du bist zwar nie ganz nackt: man hat dann diese kleinen Eierbecher. Aber ich genieße es. Ob die Drehbücher komplett durchgelesen werden, wenn man sie bekommt – fragt ein anderer Besucher der VIECC. JONES: Ich lese immer das Drehbuch. Aber ich vergesse schnell was ich gelesen habe und deshalb schau ich mir die Serie an, wie ihr alle. HENWICK: Ich lese nur meine eigenen Szenen – was nicht gerade ideal für einen Schauspieler ist – aber ich bin selbst großer Fan und will mich überraschen lassen. Ein Besucher scheint eine scheinbar sehr wichtige wichtige Frage zu stellen: Wer soll den Eisernen Thron am Ende der Serie bekommen?, die murrende Menge verstummt. JONES: Ich glaube, da wird es keinen Thron mehr geben. Ein großer Kampf zwischen Eis und Feuer – der Finale Kampf. Die werden sich alle in diesem Krieg gegenseitig eliminieren. Alle werden sterben! Aus der Asche werden sich die blutigen Kinder erheben... HENWICK: Ach ja, die blutigen Kinder... JONES: Ich glaube ja, das letzte Buch ist eine Traumsequenz. Wir müssen den Thron loswerden. Ich glaube, das ist das Beste, was möglich wäre. HENWICK: Ich glaube das auch. Es muss einfach eine Demokratie werden. Jones Theorien über das mögliche Finale verstreut der Schauspieler, wie er sagt, gern unter den Leuten. Auf die Frage hin, ob sie Fanficiton lesen würden, erklärt Jones, dass er es ein paar mal versucht habe, es allerdings seltsam wäre, wenn er Bilder von Männern in eindeutigen Posen findet, auf denen sein Kopf montiert wurde. Vor seinen Freunden müsse er sich rechtfertigen, dass sie nicht echt seien und seine Mutter wäre auch nicht erfreut darüber. Ein Fan stellte sogar eine Mini-Challange, die Henwick eindeutig gewann: Beschreiben Sie GoT in weniger als einer Minute. Henwick machte es kurz: Drachen, Brüste, Krieg – Jones formulierte eine, wie er meinte intellektuelle Antwort: Eine Familie, die ihre Macht ausbauen will. Update am 10.12.2015 Kommunikative Klammer bleibt dabei das Rauch-Tal als Key-Viual. Wien/Hamburg - Die Rauch Fruchtsäfte GmbH & Co OG verpflichtet die deutsche Kommunikationsagentur Kolle Rebbe als neue Leadagentur. Die Hamburger werden die strategische und kreative Weiterentwicklung sowohl der Dachmarkeals auch aller Submarken begleiten. Kommunikative Klammer bleibt dabei das Rauch-Tal als Key-Viual und Heimat des Rauch-Baumes. Schwerpunkte im Mediaplan bleiben vorerst OoH, Print und Film. Eine Ausweitung auf neue Kanäle ist bereits geplant. Als Mediaagentur bleibt MEC Global verantwortlich. (red, 1.6.2015) CreditsBei Rauch: Geschäftsleiter Marketing & Vertrieb: Daniel Wüstner | Head of International Marketing: Erich Teufel | Bei Kolle Rebbe: GF Kreation: Stefan Wübbe | GF Strategie: Ralph Poser | GF Beratung: Andreas Winter-Buerke | Executive CD: Rolf Leger | CD Art: Tobias Fritschen | CD Text: David Wegener | Beratung: André Martens Agentur sicherte sich den Werbeetat und startet mit dem ersten Spot für die Biermarke. Wien - Die neu aufgestellte Agentur DDB Wien holte sich unter dem Führungsduo Andreas Spielvogel und Thomas Tatzl den Werbeetat der österreichischen Biermarke Zipfer. DDB Wien übernimmt die Leadfunktion für den gesamten Markenauftritt von Zipfer inklusive aller Sortenkampagnen. Susanna Düsing ist Client Service Directorin. Im Zentrum des neuen Zipfer-Auftritts stehe der eigene Weg, so die Agentur in einer Aussendung. Umgesetzt wurde die Botschaft im ersten Spot in Form eines Klassentreffens. Der neue Zipfer TV Spot ging im Juni on Air. Print-, Promotion- und Sponsoringkampagnen folgen in den nächsten Wochen. Johannes Newrkla, Franz Merlicek, Lukas Grossebner und Peter Mayer sind Gesellschafter. Wien – Kolportiert wurde es schon länger, jetzt ist auch amtlich, welche Kreativphalanx hier ihre Kräfte bündelt: Franz Merlicek, Johannes Newrkla, Lukas Grossebner und Peter Mayer gründen die Agentur Merlicek-Grossebner. Darauf weist horizont.at mit Verweis auf das Wirtschaftsblatt hin. In der Styria-Zeitung gibt es eine Rubrik, die Neu im Geschäft heißt und in der regelmäßig Unternehmensgründungen veröffentlicht werden. Aus einem Eintrag vom 12. Juni geht hervor, dass in Wien die Agentur Merlicek-Grossebner mit Sitz in der Kirchengasse gegründet wurde. Als Geschäftsführer und Gesellschafter fungiert Johannes Newrkla, Gründer der Werbeagentur Bluetango und lange bei Demner, Merlicek & Bergmann. Franz Merlicek ist Gesellschafter der neuen Agentur. Er verließ Demner, Merlicek & Bergmann nach dem Streit zwischen seiner Frau Rosa Haider-Merlicek und Mariusz Demner über die Ausrichtung der Agentur. Ebenfalls an Bord sind Lukas Grossebner, zuletzt Executive Creative Director bei Heimat, Berlin und zuvor bei DDB Tribal Wien, und Peter Mayer, der von DDB Tribal Wien kommt. Simon Schwaighofer gründet die Agentur New Vienna. Wien – Nach zehn Jahren für Springer & Jacoby, wo er den Kunden Mercedes-Benz betreute, und acht Jahren für Red Bull macht sich Simon Schwaighofer selbstständig. Er gründet die Agentur New Vienna mit Sitz in der Wiener Berggasse. Im Fokus der Agentur stehen Design, Werbung und Architektur, so Schwaighofer in einer Aussendung. An den Start geht das Unternehmen mit drei Mitarbeitern und zwei Partneragenturen – eine befindet sich in San Diego (digital experience) und die andere in St. Veit an der Glan (concept art). Who the Huck is Finn?. Wien – Im Rahmen einer breit angelegten Out of Home-Kampagne, inszenieren die Macher des Lifestylegetränks Huck Finn-Mindrefresher, ihren Drink via einer 28x14 Meter großen Megaboard-Graffiti-Aktion an der Wiener Votivkirche. Danke an Rebel73, Royal TS und Emilone. Es war mir eine Ehre, dass ihr für mich gemalt habt. Und danke an alle Wiener, die dabei waren. Hier ist ein Making Of von der Aktion. #mindrefresher #graffiti #ilovevienna #rebel73 #royalts #emilone #huckfinn #whothehuckisfinn #votivkirche #wien. Die Graffiti-Artists Rebel73, RoyalTS und emilone arbeiteten über Tage an der Gestaltung. Das fertige Werk zeigt eine von Mark Twains Romanhelden Huck Finn inspirierten Traumwelt, in schwarzer Farbe auf weißem Hintergrund, die sich rund um das Produkt rankt. Das Motto des Mindrefresher´s – ein Traum von einem Leben, frei von Zwängen und Vorurteilen – findet sich weiters als Slogans auf City Lights und 24-Bogen Plakaten in ganz Wien wieder: Leben jeden Tag, als ob…, Bereue nichts, was… oder Verbote sind dazu da, um…. Das Megaboard der Wiener Votivkirche ist vom 15.7.2015 bis zum 15.8.2015 ausgestellt. (red, 28.7.2015) Auftraggeber: Huck Finn Deutschland GmbHFotocredit: Huck Finn Deutschland GmbH / GewistaVideocredit: Huck Finn Deutschland GmbH Die Hello bank! startet in Österreich – Die Kampagne dazu kommt von Rahofer. Die Hello bank! startet in Österreich und begrüßt ihre zukünftigen Kunden. Diesen Launch hat die Agentur Rahofer begleitet: die Salzburger Agentur konzipierte die Launch-Kampagne, das CD und das Design der Filialen. Zu sehen ist das Ergebnis aktuell im TV, auf Plakaten, Citylights und Rolling Boards, im Print, online sowie in den digitalen Stationen der Wiener Linien. Auftraggeber: Hellobank BNP Paribas Austria AG | Marketingleitung: Valerie Heller | Agentur: Rahofer | Filmproduktion: Wiener Klappe | Tonstudio: Blautöne | Fotograf: Michael Winkelmann Der Kobza-Werbeholding-Manager über Expansionspläne, seinen Silicon-Valley-Club und Glück mit ORF-Redakteuren. Wien – Er war mit 20 Pressesprecher der Unterrichtsministerin, mit 23 leitete er den SPÖ-Freundeskreis im ORF-Aufsichtsrat und organisierte dort die Wiederwahl von Alexander Wrabetz zum ORF-General mit. Als der Sozialdemokrat gleich danach Ende 2011 Wrabetz’ Büroleiter werden sollte, rebellierten die ORF-Redakteure. Wenn die ORF-Bewerbung ein Fehler war, sagt Niko Pelinka heute, dann hat er a) daraus gelernt und der Fehler hat sich b) gelohnt. Pelinka (28) managt seit gut drei Jahren die Werbeholding von Rudi Kobza, eine der großen im Land mit Lowe GGK, McCann und FCB, beteiligt auch am Bundesländersenderzusammenschluss R9 und dem Medienhaus um den Biber. Pelinka hat mit Unternehmerin Eveline Steinberger-Kern, der Frau des ÖBB-Chefs, mit Digitalinvestor Markus Wagner und Kobza den Innovation Club für den Austausch österreichischer Manager mit dem Silicon Valley gegründet, übrigens als GmbH. Niko Pelinka hat dieses Interview auf dem Rückflug von Schanghai autorisiert – ein Campus-Standort von sechs der Londoner Hult International Business School, an der er gerade ein Executive MBA absolviert. STANDARD: Sie waren vor ein paar Wochen mit einer kleinen, feinen Reisegruppe aus Österreich – etwa mit ORF-General Alexander Wrabetz und W24-Chef Marcin Kotlowski – im Silicon Valley bei Google, Facebook und Co. Was kann die Kommunikationsbranche da lernen? Pelinka: Nicht nur die Kommunikationsbranche – die der digitale Wandel ja schon voll erfasst hat – sollte sich das ansehen. Europas gesamte wirtschaftlichen und institutionellen Entscheidungsträger sollte sehr genau schauen, was die digitale Transformation dort mit Wirtschaft und Gesellschaft tut – das gilt für Banken, in der Mobilität, im Gesundheitswesen, Bildung. Jede Branche wird in den nächsten Jahren von jenen Playern geprägt, die die digitale Transformation bestmöglich bewältigen. STANDARD: Sie haben für all diese Branchen auch gleich eine Art Club gegründet, quasi ein missionarisches Silicon-Valley-Reisebüro. Pelinka: Ja, gemeinsam mit den Unternehmern Eveline Steinberger-Kern und Markus Wagner. Wir haben einen Club gegründet, die Plattform Innovation Club, die einen strukturierteren Austausch zwischen dem Valley und Österreich ermöglichen soll. Der Club organisiert branchen- und themenspezifische Touren nach Kalifornien – also etwa für Financial Services, Medizintechnik, Mobilität, Energie. Und in Österreich gibt es dazu Vernetzungsveranstaltungen mit spannenden Speakern. Und wir wollen zum dritten österreichischen Unternehmen anbieten, Trainee-Arbeitsplätze in dynamischen Coworking Spaces in der Bay-Area zu organisieren. Das ist eine Non-Profit-Idee für einen strukturierten Austausch mit einem dynamischen Wirtschaftsraum. STANDARD: Und wenn diese Positionierung und das Netzwerken auch zum Beispiel dem Agenturgeschäft nützen, wird das nicht stören. Pelinka: Das ist nicht die Grundidee des Clubs. Da geht es um Ermöglichung, um Innovationsbereitschaft der österreichischen Gesellschaft. Aber natürlich: Wer drüben war, versteht, dass er oder sie noch viel zu tun hat. Und natürlich wollen wir mit den Leuten daran arbeiten, dass sie ihre Schlüsse umsetzen können. Steigende Innovationsbereitschaft geht einher mit steigender Bereitschaft, dafür Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen. STANDARD: Und welchen Schluss haben Sie aus Ihrer Studienreise für Medien und Kommunikation mitgenommen? Pelinka: Knapp gesagt: Alles verändert sich. Und wir wissen heute natürlich noch nicht genau, wohin. Alle zwei, drei Jahre verändert sich diese Welt grundlegend. Aber man kann die Richtung ein bisschen besser erahnen, wenn man sich zum Beispiel im Silicon Valley umsieht. Und: Man kann von dort einen positiven Zugang zu diesem Wandel mitnehmen. In Europa ist die Grundhaltung zu Veränderung eher Verunsicherung und pessimistisch. Im Valley diskutiert man Ideen nicht lange, wägt nicht so lange Gefahren und Möglichkeiten ab – sondern geht mit der Idee sehr schnell zum Kunden. STANDARD: Was nimmt man spezifischer für die Werbung mit? – Sie sind ja Geschäftsführer einer Holding von Rudi Kobza über eine Reihe von Werbe-, PR- und sonstigen Agenturen. Pelinka: Wir gründen alle ein bis zwei Jahre neue Agenturen oder Dienstleister – weil es Spezialistentum braucht für die sich ständig verändernde Kommunikationsbranche. Mit klassischen Überlegungen komme ich zum Beispiel in der digitalen Bewegtbildwelt nicht unbedingt weiter: Einen tollen Spot aufwendig zu produzieren und ihn einfach online zu stellen wird relativ wenig Erfolg haben. Hier kann ich eine relativ junge Zielgruppe erreichen, die ich über etablierte Kanäle nicht erreiche. Aber ich muss zugleich völlig andere Gesetzmäßigkeiten akzeptieren. STANDARD: Und das eine oder andere etablierte Medium wundert sich, dass kein klassisch journalistisches Interview herauskommt, wenn LeFloid die deutsche Kanzlerin interviewt. Pelinka: Ich bin ziemlich überzeugt, dass es in seiner Welt und in seiner Community vollkommen egal ist, was etablierte Medien darüber schreiben. Diese Kanäle erfordern eine andere Denkweise. Und man muss die Relevanz dieser Kanäle erkennen. STANDARD: Also gründen Sie – mit Diego5 – ein Youtube-Netzwerk, eine Mischung aus Youtuber-Vermarktung und Werbe-Dienstleistung in dieser Welt. Wie wirbt man eigentlich vernünftigerweise auf Youtube – und da meine ich nicht Preroll-Spots? Pelinka: Präsent sein allein hilft in der digitalen Bewegtbildwelt nichts: Die Kanäle auf Youtube sind vielleicht am ehesten vergleichbar mit klassischem Fernsehen. Man wird als Unternehmen selbst zu einem Medium, statt sich der Medien zu bedienen. STANDARD: Haben Sie einen Beispielfall auf Ihrer Kundenliste? Pelinka: Diego5 ist gerade erst am Start, aber wir arbeiten mit einigen Kunden an spannenden Projekten. Ein international wirklich spannendes Format ist zum Beispiel Coke TV in Deutschland, ein regelmäßiges Fernsehformat, das den Coke-Lifestyle transportiert. STANDARD: Die halbe Funktion von Diego5 ist die Vermarktung von Youtube-Stars. Kann man damit Geld verdienen? Pelinka: Im Moment: nein. Das ist ein mittel- bis langfristig angelegtes Projekt, wir sind Österreichs erstes Multichannel-Network und seit kurzem auch formeller Youtube-Partner. Diese Networks, im Prinzip ist das die Idee einer Art Künstler- und Talentagentur für Youtube, sind ja international längst etabliert, etwa die Maker Studios, hinter denen Disney steht. Diese Künstler haben eine nicht zu unterschätzende Relevanz aufgebaut – aufgrund ihrer Nutzerzahlen, aber auch aufgrund ihrer Deutungshoheit in bestimmten Zielgruppen. Jetzt geht es darum, deren Partner zu sein, und andererseits, sie für gemeinsame, sinnstiftende Projekte mit der werbetreibenden Wirtschaft zusammenzubringen. STANDARD: Da kommt jetzt doch ein wenig Schleichwerbeverdacht auf. Pelinka: Natürlich müssen Kooperationen klar gekennzeichnet sein. Das hat sich in dieser Community aber relativ schnell etabliert, auch ohne gesetzliche Regelungen. STANDARD: Mir scheint, dass die Schmerzgrenze des Publikums beim Überlappen von redaktionellen Inhalten und Werbung, beides im weiteren Sinne, höher liegt, als man glaubt. Pelinka: Das gilt wahrscheinlich nicht nur für ein jüngeres Publikum. Wir bewegen uns hier im weiten Feld von Branded Entertainment – Red Bull tut das etwa auch im Printsektor mit hervorragenden Beispielen wie Red Bulletin, das übrigens auch Qualitätszeitungen gerne beilegen. Natürlich leben wir in einer Zeit, in der die Grenzen zwischen PR und Marketing und Inhalten verschwimmen. STANDARD: Wenn Sie erst mittel- bis langfristig Geld verdienen, jedenfalls im einen Teil der Neugründung … Pelinka: ... dann tun wir womöglich etwas sehr Amerikanisches: In der Strategie praktisch aller sozialen Medien stand ganz oben das Ziel, rasch eine größtmögliche Community aufzubauen. Und erst viel später kam die Frage der Monetarisierung. Das geht natürlich in einer Welt voller Venture Capital viel leichter. Aber der Gedanke gefällt mir sehr gut: Im wahrscheinlich kapitalistischsten und leistungsorientiertesten Wirtschaftsraum der Welt wird erst sekundär und sehr langfristig an Monetarisierung gedacht. Das könnte auch für uns relevant sein – wir in der Kommunikations- und Medienbranche schauen ja sehr schnell: War das ein Erfolg? STANDARD: Das muss man sich – mit begrenzten Mitteln – aber auch leisten können. Pelinka: Betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten existieren natürlich immer. Aber wir haben in Österreich eine noch immmer sehr vitale Volkswirtschaft. Die könnte schon mehr Experimentieren zulassen. Bisher war die Bereitschaft dazu überschaubar. Aber langsam findet auch hier – mit herausragenden ersten Beispielen – ein Umdenken statt. STANDARD: Dafür denken die Facebooks dieser Welt schön langsam auch merkbar ans Geldverdienen. Pelinka: Soziale Medien beginnen jetzt, nachdem sie einen ordentlichen Börsengang hinter sich haben, mit Monetarisierung. Da müssen nun alle feststellen, dass das profitorientierte Unternehmen sind und dass soziale Netwerke primär dafür da sind, Geld zu verdienen. Das wurde in den letzten Jahren vergessen. Facebook schien vielen als Selbstzweck, als Initiative, die Welt zu vernetzen. Aber das ist ein börsennotiertes Unternehmen, das Profite machen möchte und dementsprechend überlegt: Wie hol ich aus meinem wunderbaren Produkt möglichst viel Geld heraus? STANDARD: Fürs Erste hilft bei Diego5 die Werbe-Dienstleistung bei der Monetarisierung. Pelinka: Wir gehen davon aus, dass die Monetarisierung gemeinsam mit Youtube-Stars in den nächsten Jahren immer besser funktionieren wird. Aber natürlich ist die Dienstleistung für Unternehmen ein wichtiges wirtschaftliches Standbein von Diego5. Aber diese Gründung zeigt auch: Wir zeigen in der Kobza Media Group immer wieder die Bereitschaft, zu experimentieren, etwas auszuprobieren, auch mit dem Risiko des Scheiterns. Auch wenn man mit einem Projekt vielleicht gegen eine Wand läuft. STANDARD: Sie leiten die Holding von Rudi Kobza. Zu der gehören einerseits drei Werbeagenturen – Lowe GGK, McCann, FCB Neuwien – und Kobza Integra für PR, die Digitalagentur Integra Performance, Diego 5, die Eventagentur Alphaaffairs – und andererseits Beteiligungen an Biber und dem Regional-TV-Programm R9. Wie passen dazu die Medien? Pelinka: Da haben sich spannende Gelegenheiten ergeben. Bei R9 zum Beispiel wollte Marcin Kotlowski (Wien Holding, W24), der dieses Projekt maßgeblich geprägt hat, einen Partner aus der Kommunikationsbranche an Bord, der aber keine Eigeninteressen verfolgt. Die Medienbeteiligungen sind nicht der strategische Hauptfokus der Gruppe. Wir sind Dienstleister im Kommunikationsbereich und wollen das auch bleiben. Und wir werden uns in den nächsten ein, zwei Jahren auch wieder das eine oder andere überlegen, wie wir weiter wachsen können. STANDARD: Wie zum Beispiel? Pelinka: Unser Fokus ist längst der deutschsprachige Raum. Die Grenzen verschwimmen auch geografisch. Deutschland könnte eine spannende Perspektive ein. STANDARD: Vermutlich im Digitalbereich? Pelinka: Da gibt es die Grenzen schon heute nicht mehr. Diego5 hat bereits eine Niederlassung in Berlin – und erste große und spannende Kunden aus Deutschland. Auch weil wir hier mit Sandra Thier eine Partnerin an Bord haben, die Deutschland nach zehn Jahren RTL2-Nachrichten gut kennt. STANDARD: Was kann man sich konkreter unter den Deutschland-Plänen vorstellen? Pelinka: Unser Ziel in Deutschland ist, als relevanter Player in den Kommunikationsdienstleistungen wahrgenommen zu werden und Erfolg zu haben. Wir planen unsere Gruppe in die Richtung, dass wir Dienstleistungen auch nach Deutschland transferieren können. STANDARD: Mit eigenen Büros in Deutschland? Pelinka: Ich kann mir durchaus vorstellen, dass wir das nach Diego5 auch bei anderen Agenturen unserer Gruppe so weiterdenken. Schon weil wir beobachten, dass immer mehr deutsche Agenturen versuchen, Österreich bei ihren Kunden einfach mitzubetreuen. Bei Medien brauchen wir gar nicht darüber reden – Sevenone Media und andere tun das ja schon eine ganze Weile. Die Grenzen lösen sich auch hier auf. STANDARD: Womöglich auch zwischen Kommunikationsgenres: Kann man noch genau trennen zwischen einer Integra Performance und einer Mediaagentur? Wäre eine eigene Mediaagentur nicht eine logische Fortentwicklung, oder legt sich dann die internationale Werbeholding IPG quer, die ja an Ihren Agenturen beteiligt ist – und an der einen oder anderen Mediaagentur in Österreich? Pelinka: Mediaagenturen sind wichtige Partner im klassischen Werbegeschäft. Aber im Digitalbereich, in Social Media, im Bereich Targeting liefert die Integra Performance Resultate, die mit jeder Mediaagentur zumindest mithalten können – wenn nicht sogar respektablere Ergebnisse. Denn ihr Fokus liegt allein auf dem Digitalbereich. Und gerade hier, wo das Einkaufsvolumen nicht mehr diese Relevanz hat, kommen auf Mediaagenturen große Hausaufgaben zu. STANDARD: Weil? Pelinka: Facebook, Google und Co sind eher eine Herausforderung in Technik und Knowhow, aber weniger im Einkaufsvolumen. Möglichst großes Einkaufsvolumen ist aber eine zentrale Idee hinter den Mediaagenturen – um bei Medien möglichst gute Konditionen zu erzielen. In einer Welt, in der diese Konditionen viel fixer und ohnehin schon günstig sind, geht es um Knowhow. Das bringt auch Media- und Kreativfunktionen wieder zusammen. Und wir können unsere Maßnahmen in der digitalen Welt noch viel genauer auf ihre Effizienz überprüfen – und prognostizieren. STANDARD: Sie machen übrigens nicht den Eindruck, als würden Sie es sehr bereuen, dass Sie 2011/12 nicht – wie geplant – Büroleiter von ORF-General Alexander Wrabetz geworden sind. War der Protest der ORF-Redakteure womöglich sogar ein Glücksfall? Pelinka: Hier gibt es zwei Ebenen. Auf der persönlichen Ebene – von pekuniär bis Lebensqualität – kann ich das nur voll unterstreichen. Und auf der Erfahrungsebene: Ditech-Gründer Damian Izdebski hat gerade ein Buch über seine besten Fehler geschrieben. Wenn meine Bewerbung damals einer war – dann habe ich daraus zumindest einiges gelernt, und ich bin – glaube ich auch – dadurch gewachsen. Insofern hat sich’s ausgezahlt. Auch hier lässt sich das Prinzip aus dem Valley anwenden: Man muss den Mut haben, Dinge auszuprobieren – manche funktionieren, manche nicht. STANDARD: Was war denn der Fehler? Pelinka: Die Ereignisse von damals reflektiere ich lieber für mich. Ganz allgemein: Ich würde es heute nicht mehr so tun wie damals. Und ich bin froh, nun in anderen Welten als der direkt politischen spannende Erfahrungen sammeln zu können. STANDARD: Und der politische ORF ist kein Thema mehr für Sie? Pelinka: Null. Das habe ich völlig abgeschlossen. Der ORF war ein spannender Grenzbereich zwischen Politik und Wirtschaft. Aber die Welt ist groß und spannend, und es gibt viele interessante Aufgaben auf dieser Welt. STANDARD: Aber die Kobza-Agenturen haben, soweit ich das überblicke, doch einen ordentlichen Anteil am politiknahen Geschäft – zuletzt kritisierte der Rechnungshof einiges an Verkehrssicherheitskampagnen für das Infrastrukturministerium. Pelinka: Ich würde schätzen, dass wir nicht einmal 20 Prozent unseres Umsatzes mit öffentlichen Institutionen und öffentlichkeitsnahen Unternehmen machen. Wenn ich mir den Anteil der öffentlichen Hand an der kommerziellen Kommunikation in Österreich ansehe – dann ist unser Anteil unterproportional. Wir haben aufgrund unserer Network-Struktur einen relativ hohen Anteil an internationalem Geschäft. Und dass eine der größten Kommunikationsgruppen in Österreich auch öffentliche Unternehmen unter ihren Kunden hat, und das teilweise schon seit einem Jahrzehnt und mehr, ist nicht weiter ungewöhnlich. Strategisch stehen sie nicht im Fokus. Entscheidung um die Ausschreibung soll gefallen sein. Wien –Zwar ist noch nichts öffentlich kommuniziert worden, geht es aber nach der Branchenzeitung Horizont, soll die Entscheidung rund um den Etat der Rewe Drogeriekette Bipa bereits gefallen sein. Die Nachfolge von Demner, Merlicek und Bergmann soll demnach die deutsche Agenturgruppe Heimat antreten. Heimat ist bisher nicht in Österreich aktiv gewesen und würde mit dem Bipa-Etat gleichzeitig den Markteintritt feiern. Die Agentur mit Sitz in Berlin und Hamburg beschäftigt 230 Mitarbeiter und betreut unter anderem Hornbach. Schweizer Riesen in TV, Telekommunikation und Verlagen legen Werbevermarktung zusammen. Zürich/Wien – Noch fehlt der Segen der Schweizer Wettbewerbs- und Medienbehörden. Sie müssen noch prüfen, ob der öffentlich-rechtliche Schweizer Rundfunk, der größte, knapp mehrheitlich staatliche Telekomkonzern und der knapp zweitgrößte Verlagskonzern der Schweiz ihre Werbevermarktung zusammenlegen. Die SRG, die Swisscom und der Verlagsriese Ringier mit der größten Kauftageszeitung Blick wollen eine gemeinsame, noch namenlose Werbetochter gründen. Sie soll TV-Werbung und Radiosponsoring in der SRG verkaufen, Werbung in den Zeitungen, Zeitschriften, Radio- und Fernsehkanälen sowie den Onlineplattformen von Ringier und in den TV- und Onlineplattformen der Swisscom. Deren Nutzungsdaten soll die Tochter zur Vermarktung nutzen. Die neuen Werbepartner begründen ihren geplanten Zusammenschluss mit der digitalen, globalen Konkurrenz: Allein Google und Facebook erreichten im vergangenen Jahr einen Marktanteil von gegen 50 Prozent im digitalen Werbemarkt der Schweiz, erklärt etwa Marc Walder, CEO von Ringier. Je ein Drittel der Anteile werden die Partner halten – zwei davon aus dem öffentlichen Bereich. Die SRG würde ihre Werbevermarktungstochter in die gemeinsame Aktiengesellschaft einbringen. In Österreich müssten sich für ein vergleichbares Projekt der ORF, A1 und die Krone zusammentun. Der Vergleich würde dennoch hinken: Der SRG ist – im Gegensatz zum ORF – Werbung im Radio verboten und nur Sponsoring erlaubt. Auch Onlinewerbung ist der SRG im Gegensatz zum ORF untersagt. Nur wenn dieses Onlinewerbeverbot aufrecht bleibt, wollen sich die anderen Verlage nicht gegen die Werbetochter querlegen, signalisiert der Präsident des Schweizer Zeitungsverbands, Hanspeter Lebrument. Swisscom, SRG und Ringier ließen verlauten, ihre geplante Werbetochter wäre offen für weitere Partner. Freilich vorerst nicht als zusätzliche Aktionäre, sondern als Vermarktungskunden. Der ORF hat schon einmal ab 1998 für Privatradios der Mediaprint-Zeitungen Werbung vermarktet. Werbemittlung für andere Unternehmen verbietet das Gesetz dem ORF inzwischen. Auch der ORF arbeitet an einer gemeinsamen Vermarktung mit österreichischen Verlagen – in einem wesentlichen Segment der Onlinewerbung. Der Plan von ORF und Zeitungen: Der öffentlich-rechtliche Rundfunk würde anderen Onlineplattformen, insbesondere von Zeitungen, Nachrichtenvideomaterial zur Verfügung stellen. – Soweit er selbst über die Rechte verfügt, das schränkt den möglichen Umfang ein. Der ORF würde dafür nach dem geplanten Modell einen Anteil an den Werbeumsätzen um diese Videos bekommen. Diese Zusammenarbeit wird von der Bundeswettbewerbsbehörde eingehend geprüft. Vor wenigen Wochen soll die Behörde die Betreiber des Projekts über Bedenken gegen Teilaspekte informiert haben. Prognose für das Wahljahr 2016: Großteil wird in TV gepumpt, eine Milliarde soll in digitale Kanäle fließen. Washington/Wien – Auch wenn Donald Trump mit seinen praktisch unbegrenzten Wahlwerbemitteln prahlt – die US-Werbe-Analysten Borrell Associates legen sich auf eine Zahl fest: 11,4 Milliarden Dollar, gut 10,3 Milliarden Euro also, werden 2016 in den USA in politische Werbung investiert werden. Das würde ein Wachstum um rund ein Fünftel gegenüber dem jüngsten Präsidentschaftswahljahr 2012 bedeuten. Die Präsidentschaftswahl im November 2016 ist nach der Analyse nur einer von 29.000 Wahlgängen in den USA – wiewohl die größte und werbestärkste. Rund die Hälfte der prognostizierten 11,4 Milliarden Werbedollar wird laut Borrell im Zusammenhang mit lokalen und regionalen Abstimmungen investiert. Unter den US-Bundesstaaten soll allein Kalifornien für 1,2 Wahlwerbemilliarden gut sein, Texas für 896 Millionen und Florida für 800 Millionen Dollar. Der größte Teil der 11,4 erwarteten Milliarden geht ins Fernsehen: 6,7 – der Wert kombiniert die großen TV-Networks wie CBS, ABC, NBC und Fox sowie Pay-Angebote von CNN bis HBO. Erstmals soll der Werbeaufwand in digitalen Medien mehr als eine Milliarde Dollar ausmachen. Unter den potenziellen Präsidentschaftskandidaten hat Hillary Clinton bisher am meisten herkömmliche Spenden eingesammelt. Stand Ende Juni: 47,5 Millionen Dollar. Republikaner Jeb Bush lag da bei 11,4 Millionen Spenden. Aber: politische Komitees – Super-PACs – steuerten zu Bushs Wahlkampfbudget mit 103,2 Millionen weit mehr bei. Über solche Super-PACs nahm Clinton bis dahin 20,3 Millionen ein. Donald Trump wies die Federal Election Commission Mitte 2015 praktisch keine Spenden aus, aber 1,8 Millionen Dollar Kredite – Anleihen bei seinem eigenen Kapital. Trump budgetiert bisher mit 1,9 Millionen Dollar – und hatte Ende Juni schon 1,4 Millionen ausgegeben. Ikea Schweiz lässt den Literaturkritiker im neuen Katalog blättern: "Mehr Bilder als Personen". Wien – Was fehlte dem Buch, wenn es ein schöngeistiger Roman wäre?, fragt Hellmuth Karasek. Seine Antwort: Alles. Als einer der einflussreichsten Literaturkritiker im deutschsprachigen Raum hat Karasek schon viele Bücher rezensiert. Ein Novum ist der Ikea-Katalog. Mit 220 Millionen gedruckten Exemplaren hat der Katalog eine Auflage, von der andere nur träumen können. Besprochen wurde er noch nie. Ikea Schweiz wollte das ändern und hat den Literaturkritiker für eine Werbekampagne engagiert, angeblich ohne inhaltliche Vorgaben zu machen. Karasek habe den Katalog nach seinem Gutdünken und nach den gleichen Maßgaben rezensiert, wie er das bei anderen Werken der Belletristik zu tun pflegt, heißt es. Das Ergebnis ist ein knapp fünfminütiger Clip, der am Freitag online gestellt wurde. Kreiert hat ihn die Agentur Wirz aus Zürich. Und so kommen aus Karaseks Munde schöne Sätze wie: Es erzählt viel, ist aber vollgemüllt. Es ist ein möblierter Roman. Und: Die Personen müssen sich zwischen die Möbel drängen. Sie kommen selten zu Wort. Sie reden kaum zusammenhängend. Am Ende fällt sein Urteil milde aus, auch wenn anspruchsvolle Literatur anders aussehe: Aber es wäre genauso gut, wenn man ein Buch mit Postleitzahlen nach fehlenden Personen absuchen würde. Dass sich das 81-jährige ehemalige Mitglied des Literarischen Quartetts von Ikea als Werbefigur vor den Karren spannen lässt, sorgt nicht nur für Begeisterung ob des PR-Coups und Karaseks Selbstironie, sondern vereinzelt auch für Kritik. Die ersten Reaktionen reichen von genial bis peinlich. Wifo-Werbeklimaindex: Branche hat Nachfrageproblem – Auch im europäischen Vergleich stehen die heimischen Werber derzeit nicht gut da. Wien – Zeitverzögert wurde nun auch die heimische Werbebranche von der Konjunkturflaute erfasst. Die Nachfrage sei ins Stocken geraten und die Preise seien unter Druck, räumte Fachverbandsobfrau Angelika Sery-Froschauer am Donnerstag bei einem Pressegespräch ein. Wir sind am Limit. Mit der Krise hat der Preisverfall begonnen. Nun bringen wir die Preise nicht mehr rauf, so die Kammer-Obfrau. Auch im europäischen Vergleich hinkt Österreich nach. Während Deutschland einen Aufwärtstrend erlebe, gehe die Branche in Österreich den umgekehrten Weg. Sonst hätten sich Deutschland und Österreich meist in die gleiche Richtung entwickelt, sagte Verbands-Geschäftsführer Markus Deutsch. Das schlechte Konjunkturumfeld, großer Wettbewerb sowie die Sparvorgaben der öffentlichen Institutionen machten es den österreichischen Werbern schwer. Dass die Branche schon besser dastand, zeigt auch der Werbeklimaindex des Wifo für das zweite Quartal 2015, der die Stimmung der Betriebe widerspiegelt. Der Index ist deutlich von 23 Punkten zu Jahresbeginn auf nunmehr 8 Punkte gesunken. Die Betriebe beurteilen die aktuelle Geschäftslage schlechter als zuletzt und auch der Blick in die Zukunft ist nicht gerade rosig. Die Umsätze stagnieren und bei den Beschäftigten ist kein Aufschwung zu erwarten. Die Werbebranche umfasst knapp 29.000 Betriebe – darunter Werbeagenturen, Werbegrafik-Designer, PR-Berater, Markt- und Meinungsforscher sowie Werbetexter. In Summe beschäftigten sie mehr als 28.000 Personen und erwirtschaften Umsätze von 5,3 Mrd. Euro. 65 Prozent der Unternehmen sind Einpersonen-Unternehmen (EPU). Trotz schwierigen Umfelds verzeichnete die Branche Neuankömmlinge: 2014 wurden 1.641 neue Werbeunternehmen gegründet. Demner, Merlicek & Bergmann entwickelt neue Kampagne. Wien – Merkur-Testimonial Fränz erinnert sich im neuen TV-Spot von Demner, Merlicek & Bergmann an seine Kindheit. Die Kampagne startet am 27. August und wird sich neben TV und Print auch auf Flugblättern, am POS und Online wiederfinden. Ab Mitte September im TV, Print, Online, Out-Of-Home und am POS. Wiener Neudorf – Die Berliner Agentur Heimat übernahm die Entwicklung der Herbstkampagne von Hornbach. Dabei blieben sie ihrem Stil und der Diktion treu. Die Kampagne Es gibt immer was zu tun. wird ab Mitte September im TV, Print, Online, Out-Of-Home und am POS eingesetzt. Agentur: HEIMAT, Berlin | Produktion: Trigger Happy Productions GmbH | Regie: Pep Bosch | Kamera: Paco Femenia | Online: Digital Straik, Hamburg (red, 18.9.2015) Nach Agenturwechsel von Mercedes verlieren 20 der 60 Mitarbeiter ihren Job. Hamburg – Der Verlust des Verkaufsliteratur-Etats von Mercedes-Benz führt bei der auf Relationship-Marketing spezialisierten Hamburger Agentur Jung von Matt/365 zu drastischen Konsequenzen: 20 von 60 Mitarbeitern wurden deswegen entlassen, berichtet das Webportal des Wochenmagazins Werben & Verkaufen, wuv.de. Der Fortbestand von JvM/365 sei offenbar nicht gesichert. Das ebenso wie Meldungen, wonach die Geschäftsführer Hans Albers und Meik Vogler bereits gekündigt haben, ist bis dato aber noch nicht bestätigt, heißt es auf wuv.de. Der Mercedes-Etat wanderte zur Berliner Agentur Antoni, betrieben von André Kemper und Tonio Kröger. Wiener Agentur gestaltete für das Preisvergleichsportal zwei TV-Spots. Wien – Eigentlich darf ich das gar nicht, aber heute gebe ich Ihnen noch einen Sonderrabatt dazu! sprach der schleimige Versicherungsvertreter mit dem übergroßen Kopf und wird zur Strafe dafür zerplatzt. Die potentielle Kundin sucht sich ihre Autoversicherung jetzt, ohne Verkaufsschmäh, im Internet. Dieses Idealszenario für durchblicker.at hat die Wiener Agentur FCB Neuwien für das Online-Preisvergleichsportal entwickelt und schaltet es als Werbung in TV und Internet. In zweiter Ausführung: die gleiche Geschichte, nur mit einer Nachbarin, die vor dem furchtbar aufwendigen Stromanbieterwechsel warnt. Jung von Matt\Donau konzeptionierte TV-Spot für das Autoportal. Wien – Ich bin Autogott heißt es im neuen TV-Spot des Autoportals autogott.at, an dem die STANDARD Medien AG beteiligt ist. Idee und Konzept zur Kampagne stammt von Jung von Matt\Donau, für die Umsetzung zeichnet Tiago Lima-Koch verantwortlich. Die Clips werden ab November im Fernsehen ausgestrahlt. Bewusstseinskampagne soll Auseinandersetzung mit dem Sterben fördern – Aktion kostet "einige hunderttausend Euro". Wien – Die Bestattung Wien startet ihre erste Bewusstseinskampagne, mit der das Thema Tod enttabuisiert werden soll. Ab 28. Oktober werden unter dem Slogan Abschied leben auf mehr als 500 City-Lights drei Sujets affichiert, die sich um Bestattungswünsche und Gedanken über das eigene Ableben drehen. Rund um Allerheiligen wird außerdem eine spezielle Hotline eingerichtet. Die Aktion schlage mit einigen Hunderttausend Euro zu Buche, sagte Geschäftsführer Jürgen Sild am Donnerstag auf Nachfrage in einer Pressekonferenz. Das konkrete Budget wollte der Bestattungs-Chef nicht nennen. Die Kampagne läuft jedenfalls in zwei Wellen, wobei die zweite Phase für das Frühjahr 2016 vorgesehen ist. Für die Gestaltung ist die Agentur Young & Rubicam verantwortlich. Der Tod ist nach wie vor ein Tabuthema, sagte Markus Pinter, Geschäftsführer der Bestattung & Friedhöfe Wien GmbH. Viele Hinterbliebene würden nach einem Sterbefall oft ratlos dastehen, da sie beispielsweise über Begräbniswünsche ihrer Lieben nicht Bescheid wüssten. Die Plakate, die Herr und Frau Wiener mit Zitaten wie Bemalt meinen Sarg bunt und kommt ja nicht in Schwarz oder Bevor ich Falco treffe, soll er auf meinem Begräbnis singen zu Wort kommen lassen, sollen dazu anregen, über das Thema Sterben zu sprechen. Zu diesem Behufe wird von 28. Oktober bis 5. November in Kooperation mit dem Wiener Landesverband für Psychotherapie eine Telefonhotline unter dem Motto Tod und Reden eingerichtet. Sie ist jeweils zwischen 19.00 und 21.00 Uhr erreichbar. Pinter verwies auf die Bedeutung des Abschiednehmens aus psychologischer Sicht: A schene Leich ist ganz wichtig für die Angehörigen. Credits: Agentur: Young & Rubicam | Kreation: Alexander Hofmann, Michael Millmann, Nikolaus Link | Fotos: Markus Rössle (APA, red, 22.10.2015) Im Zentrum der Kommunikation steht die Pensionsabsicherung. Wien – Die Agentur Zum goldenen Hirschen startet im Oktober die nächste Kampagne für die Generali Versicherung. Im Zentrum der Kommunikation steht die Pensionsabsicherung. Die verschiedenen Spots kommen in TV, Online und im Kino zum Einsatz. Regie führte Marten Persiel (This ain’t California). (red, 23.10.2015) Credits: Verantwortlich bei Generali Versicherung AG | Marketing-Leitung: Tilman Buchner | Werbeleitung: Barbara Trenkwalder | Projekt-Leitung: Katja Baumgarth-Blagusz, Martin Jesser | Verantwortlich bei Zum goldenen Hirschen Wien | Creative Director: Hannes Böker, Alexander Zelmanovics | Art Director: Hannes Böker | Senior Copywriter: Dorothee Bernhard | Copywriter: Michael Pelzl | Graphic Designer: Simon Pointner | Client Service: Gerhard Martinek | Senior Account Manager: Petra Eggenreich | Account Manager: Pia Pichler | Filmproduktion: Mican Film | Regie: Marten Persiel | DOP: Felix Leiberg | Tonstudio: MG Sound | Fotograf: Robert Staudinger Umgesetzt wurde die neue Kampagne mit der Agentur moodley brand identity. Wien – Dinosaurier machen auf Citylights, Online-Bannern und auf Facebook darauf aufmerksam, was uns bevorsteht, wenn wir weiterhin auf Energie aus fossilen Rohstoffen setzen. Das sei die Botschaft, die Ökostrom in der neuen Kampagne transportieren möchte, heißt es in einer Aussendung. Die Kampagne wurde von Brunhild Gabriel, zuständig für Marketing und Produktmanagement bei der oekostrom AG, gemeinsam mit der Agentur moodley brand identity geplant. Marketing Rockstars geht jetzt als Fifteen Seconds weiter – Erste Speaker für das Festival in Graz im Juni 2016 bekannt. Wien – Marketing Rockstars geht künftig als Festival Fifteen Seconds weiter. Laut Veranstalter soll es ein Festival für Vordenker sein, das am 16. und 17. Juni 2016 in der Stadthalle Graz stattfindet. Insgesamt sollen laut den Initiatoren 80 Speaker nach Graz gebracht werden. Ein paar Namen sind schon bekannt, darunter befinden sich etwa Jean-Remy von Matt (Gründer von Jung von Matt), Anne Gowan (Head of Direct, The Guardian) oder Steve Cumming (Head of Partnerships, Chelsea FC). Neue Kampagne für die Winterzeit. Wien – Die Agentur Lowe GGK konzipierte die neue Weihnachtskampagne für die Österreichischen Lotterien. Die Promotion wird ab sofort mittels Anzeige, Hörfunk, TV, POS in den Annahmestellen und online eingesetzt. (red, 1.12.2015) Auftraggeber: Österreichische Lotterien | Marketing: Elisabeth Römer-Russwurm, Monika Reider, Theresa Dorfmaier, Elisabeth Totschnig | Agentur: Lowe GGK Werbeagentur GmbH | Geschäftsführung:Rudi Kobza, Michael Kapfer | Executive Creative Director: Dieter Pivrnec | Beratung: Christof Benzer, Tatiana Löffler | CD: Andreas Eisenwagen | Text: Andreas Eisenwagen | Grafik: Sabine Steinacher | Filmproduktion: Vienna Paint/Andreas Fitzner | Tonstudio: MG Sound Ureinwohner im Staat Oaxaca fühlen sich diskriminiert. Atlanta/Mexiko-Stadt – Nach heftiger Kritik von Ureinwohnern und Menschenrechtsgruppen hat Coca-Cola einen Werbespot in Mexiko zurückgezogen. Das kurze Werbevideo habe eigentlich eine Botschaft von Zusammenhalt und Glück zwischen Gemeinschaften transportieren sollen, erklärte der US-Getränkekonzern am Mittwoch in Atlanta. Coca-Cola bedauere das Missverständnis. In dem Werbespot ist eine Gruppe junger, hübscher Weißer zu sehen, die fröhlich sägen, schweißen und pinseln und dann mit einer Kühlbox voller Coca-Cola-Flaschen in das abgelegene Dorf Totontepec im südmexikanischen Bundesstaat Oaxaca fahren. Dort errichten sie einen großen roten Weihnachtsbaum mit Lichtern aus Coca-Cola-Flaschen – die Ureinwohner vom Volk der Mixe sind begeistert und stehen andächtig vor dem Baum. Eingeblendet sind die Wörter Wir werden vereint bleiben in der Mixe-Sprache. Diese Art Werbung fördert Diskriminierung und Rassismus, kritisierte Elvira Pablo von Aser Litigio, einer Gruppe zur Verteidigung der Rechte von Ureinwohnern. Der Werbespot fördere einen Riss in der Gesellschaft, indem er den Gemeinschaften eine Konsumkultur aufzudrücken versucht, die sie nicht kennen. Auch andere mexikanische Gruppen verurteilten die Werbung, weil sie Vorurteile verstärke, Ureinwohner seien kulturell rückständig. Coca-Cola entfernte den Spot am Dienstag aus den sozialen Netzwerken. Es war niemals unsere Absicht, jemanden zu beleidigen oder herabzusetzen, erklärte das Unternehmen. Unsere Absicht war genau das Gegenteil dessen, wofür wir kritisiert wurden. Strategische Beratung, Vernetzung aller Kommunikationskanäle, klassische PR-Arbeit. Wien – Grayling übernimmt die PR für Media-Saturn und seine zwei Handelsmarken Media Markt und Saturn. Strategische Beratung und die Vernetzung aller Kommunikationskanäle stehen neben der Unterstützung der klassischen PR-Arbeit im Fokus. Die Kommunikationsbranche und den Handel verbindet ein zentraler Treiber: die Digitalisierung. Smart Online und Offline verbinden, das gilt für den Handel und für die Kommunikation. Wir freuen uns ganz besonders, dass wir Media Markt und Saturn als Nummer 1 und Nummer 2 in dieser für die gesamte Branche spannenden Phase kommunikativ begleiten und beraten dürfen, sagt Sigrid Krupica, CEO von Grayling. Bowie war auch als Testimonial für Werbekampagnen tätig. David Bowie ist am Sonntag im Alter von 69 Jahren gestorben. Er starb nach 18-monatigem Kampf gegen sein Krebsleiden. Bowie war auch als Testimonial für Werbekampagnen tätig, hier eine Auswahl: Pepsi-Spot mit David Bowie und Tina Turner David Bowie für Louis Vuitton Spot für Wassermarke Vittel Der Mann der vom Himmel fiel: Werbung für XM Radio Crystal Japan Sake: Bowie am Klavier (red, 12.1.2016) Biermarke stellt Frauen in den Mittelpunkt – und will sie ermutigen "Männer zu einem moderaten Trinkverhalten zu motivieren". Linz/Amsterdam – Heineken startet eine globale Marketingkampagne, die sich für verantwortungsvollen, moderaten Alkoholkonsum einsetzt. Das Kampagnenmotto Moderate Drinkers Wanted wird global über das ganze Jahr 2016 implementiert. Die Kampagne inkludiert einen neuen TV-Spot, unterstützt von interaktiver und digitaler Aktivierung sowie Medienkooperationen und PR. Erstmals stellt Heineken für eine Kampagne Frauen in den Mittelpunkt – und ermutigt sie, Männer zu einem moderaten Trinkverhalten zu motivieren, heißt es in einer Aussendung. Der Spot wird unter anderem in der ersten Woche über Facebook zielgerichtet nur an Frauen ausgespielt. Der TV-Spot, der in Los Angeles gedreht wurde, stammt von Publicis Italien und dem Regisseur Nicolai Fuglsig. Gianluca Di Tondo, Senior Director von Heineken: 59 Prozent der Befragten aus der Millenniums-Generation geben an, dass sie ihren Alkoholkonsum beim Ausgehen hauptsächlich deswegen einschränken, damit sie die Kontrolle behalten. Hier spielen Social Media eine große Rolle – man will kontrollieren, wie man hier dargestellt wird. Moderater Alkoholkonsum ist also bereits cool. Aber um einen weiteren Anreiz zu schaffen, legen wir den Fokus jetzt auf die Frauen – und den Einfluss, den sie auf unsere Zielgruppe – in diesem Fall die Männer -haben. Gabriele Faber-Wiener, neue Vorsitzende des PR-Ethikrats, will Verstöße von Unternehmen und Medien künftig nicht nur auf-, sondern auch anzeigen. STANDARD: Haben durch die Digitalisierung ethische Vergehen zugekommen? Faber-Wiener: Die Verlockung ist größer. Auch der ökonomische Druck auf Medien wird größer. Man versucht derzeit, möglichst alles in Zahlen zu messen. In Unternehmen und PR-Agenturen herrscht bei digitalen Medien zudem oft noch zu wenig Unrechtsbewusstsein. Für die vielen neuen Formen und Kanäle haben wir oft auch noch keine ausreichenden rechtlichen Regelungen. Zuerst braucht es den Diskurs, dann erst kommt das Gesetz. Das heißt, überall dort, wo es keine Gesetze gibt, ist Ethik umso notwendiger. STANDARD: Finden in Boulevardmedien mehr ethische Vergehen statt als in Qualitätsmedien? Faber-Wiener: Das kann man nicht genau zuordnen. Die Bandbreite reicht von plumpen Koppelungsgeschäften bis hin zu Medienkooperationen, die nicht eindeutig gekennzeichnet sind. Das hängt auch damit zusammen, dass nicht in allen Medien Chefredaktion und Geschäftsführung getrennt sind. Damit ist das Dilemma vorprogrammiert. STANDARD: Nicht nur Auftraggeber, auch Medien lassen unethisches Verhalten zu. Faber-Wiener: Umso wichtiger ist – auch durch die digitale Entwicklung – auch in Zukunft Journalismus, der unabhängig ist. Es geht für alle Beteiligten letztlich darum, Motive offenzulegen. Tue ich das nicht, bleibe ich angreifbar. Ethisch problematisches Verhalten unterminiert die Glaubwürdigkeit. Warum soll ich als Kunde für ein Medium bezahlen, wenn ich merke, dass es alles bezahlte Schleichwerbung ist? STANDARD: Warum weisen zum Beispiel Medien nicht immer aus, wenn Reisen bezahlt wurden? Faber-Wiener: Es ist bis auf wenige Ausnahmen in Österreich Branchenusus, es nicht zu machen. Und es ist eine Frage des Mutes. Aber es auszuweisen würde auch für Medien Glaubwürdigkeit bringen, denn Ethik schafft ja auch klare und erkennbare Positionen. STANDARD: Der PR-Ethikrat kann keine Sanktionen verhängen. Es wird immer wieder der Vorwurf der Zahnlosigkeit laut. Faber-Wiener: So zahnlos sind wir nicht. Wir sind kein Gericht, unsere Macht ist die Öffentlichkeit. Wenn wir Stellungnahmen einfordern, bewegt das sogar sehr viel in einem Unternehmen. Auftraggeber reden sich oft auf das Medium aus, das stimmt zwar rechtlich. Aber ein Auftraggeber hat genauso die Verantwortung, zu schauen, ob eine Maßnahme ethisch korrekt ist. Wir wollen künftig auch Fälle anzeigen und vor Behörden bringen, STANDARD: Das ist neu. Faber-Wiener: Ja. Wenn eindeutig ist, dass ein rechtlicher Verstoß vorliegt, muss man das auch ganz klar rechtlich ahnden. Momentan gibt es drei Fälle, bei denen wir schauen, wie die Behörden reagieren. Es handelt sich hier um klare Paragraf-26-Fälle, also die nichtkorrekte Kennzeichnung von Werbung. STANDARD: Worauf wollen Sie sich in Ihrer Amtszeit konzentrieren? Faber-Wiener: Unser Auftrag bleibt bestehen: das Aufzeigen von Verstößen. Wir sind ein Selbstkontrollorgan. Wir wollen aber noch mehr präventiv arbeiten. Die Macht und die Kommunikatoren haben sich massiv verändert, von Organisationen hin zu Einzelpersonen. Für wen soll zum Beispiel der Paragraf 26 künftig gelten? Sollten Blogger auch darunterfallen? Das sind Fragen, mit denen wir uns beschäftigen. Wir kooperieren hier auch international. STANDARD: Sie kündigen eine stärkere Zusammenarbeit mit Organisationen wie Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung an. Faber-Wiener: Dadurch haben wir eine breitere Wirkung, auch bei deren Mitgliedern. Außerdem wollen wird uns noch besser mit dem Presserat vernetzen, arbeiten mit dem Werberat enger zusammen. Und wir wollen Zugang zu öffentlichen Mitteln, wie sie der Werbe- und Presserat seit langem erhalten. Mit rot-weiß-rote Dachmarke und dem Motto "Rudolf Hundstorfer 2016. Die verbindende Kraft". Wien – Rudi Kobza und Lowe GGK werben wie berichtet für Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer Aufbauend auf dem Portrait von Hundstorfer, das auf YouTube derzeit rund 115.000 Views verzeichnet, wird die Kampagne weitere Positionen und Anliegen von Rudolf Hundstorfer österreichweit kommunizieren, heißt es in einer Aussendung. Dabei soll die rot-weiß-rote Dachmarke unter dem Motto Rudolf Hundstorfer 2016. Die verbindende Kraft, die durchgängige Klammer bilden. Der Kampagnenbeginn auf den Social Media-Kanälen ist wie berichtet für den 23. Februar 2016 geplant. Wirtschaftskammer-Funktionär Allerstorfer sieht trotz Fairnessabkommen ein gutes Geschäft. Wien – Trotz Fairnessabkommen – die Kandidaten wollen erst ab Ende März plakatieren – sieht die Außenwerbung rund um die Präsidentschaftswahl ein gutes Geschäft. Konkurrenz belebt das Geschäft, sagt Andreas Allerstorfer, Sprecher der Berufsgruppe Ankündigungsunternehmen in der Wirtschaftskammer. Er rechnet, dass die Kandidaten dank des spannenden Hofburg-Rennens insgesamt zwei Millionen Euro für Plakatwerbung ausgeben. Das im Fairnessabkommen vereinbarte Limit von 2.250 großflächigen Plakaten pro Kandidat sei ein auch in der Wirtschaft üblicher Wert. Generell bewertete Allerstorfer das von SPÖ, ÖVP, Grünen und der unabhängigen Irmgard Griss ausverhandelte Abkommen als positiv. In der auf vier Wochen beschränkten Intensivphase des Wahlkampfs gingen sich zwei Plakatwellen aus. Allerstorfer rührte bei der Gelegenheit auch die Werbetrommel für Wahlplakate. Sie seien wichtig für die Wahlkampf-Stimmung, auch um die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Außerdem seien sie ein Signal an die Parteibasis und die Funktionäre in den Bundesländern. Das Plakat garantiere hohe Präsent im öffentlichen Raum und sei Garant dafür, dass die Kernbotschaft direkt beim Betrachter ankommt und der Inhalt nicht durch ein redaktionelles Umfeld indirekt beeinflusst werde. David Alaba verkündet: "I bin a kika!" – Um ein frecheres Image zu kreieren, wurde der Fußballer David Alaba als Markenbotschafter engagiert. Wien – Nachdem die Zusammenlegung des Werbeauftritts von kika und Leiner im Vorjahr nach kurzer Zeit wieder aufgehoben wurde, will kika mit einer neuen Markenstrategie nun eine breitere, jüngere Zielgruppe ansprechen. Um ein frecheres Image zu kreieren, wurde der Fußballer David Alaba als Markenbotschafter engagiert. Der seit November aktive Online-Shop soll weiter ausgebaut werden. Neben TV-Spots – die unter der Leitung des deutschen Regisseurs Matthias Bierer kreiert werden – die auf allen reichweitenstarken österreichischen Sendern zu sehen sind, findet sich das Motiv der Identifikation und Zugehörigkeit zu kika auch in den Hörfunk-Spots mit David Alaba wieder. In der Außenwerbung, in Prospekten, Flyern und der neuen Kundenkarte, sowie in der Kommunikation in den 32 Filialen kommt das Grundmotiv mit David Alaba ebenfalls zum Einsatz, unterstützt von dem Slogan I bin a kika!. Der Marktanteil von kika/Leiner liegt bei 24 Prozent, die Lutz-Gruppe als größter Konkurrent hält etwa ein Drittel. Zurzeit werden in Österreich 32 kika und 18 Leiner Filialen betrieben, die Marke kika ist mit 21 Möbelhäusern auch in Ungarn, Tschechien, der Slowakei und Rumänien präsent. ProSiebenSat.1 Puls 4 ist jetzt Exklusivvermarkter für Display- und Videowerbungen des Amazon-Universums. Wien – Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) wirft ein Auge auf die für Österreich angekündigte Vermarktungspartnerschaft zwischen der Amazon Media Group und ProSiebenSat.1 Puls 4. Die Privatsendergruppe fungiert künftig als exklusiver Vermarkter für sämtliche Display- und Videowerbeformen des Amazon-Universums, wie die beiden Medienunternehmen vergangene Woche mitteilten. Ob dies negative wettbewerbsrechtliche Auswirkungen auf den österreichischen Medienmarkt haben könnte, will die BWB nun zumindest beobachten. Die Bundeswettbewerbsbehörde will sich die Details der Partnerschaft zwischen Puls und Amazon anschauen und das Thema beobachten. Eine formelle Prüfung gibt es aber vorerst nicht, wie ein Sprecher der Behörde zur APA sagte. Es ist das erste Mal, dass Amazon mit einem externen Partner zusammenarbeitet, um Werbeplatzierungen zu verkaufen. Der US-Internet-Konzern positioniert sich im Werbebereich zunehmend als Alternative zu Google. Die Kooperation der Puls 4-Gruppe mit Amazon kam überraschend. Erst im Vorjahr hatte Puls 4-Geschäftsführer Markus Breitenecker, der auch Vorstand im Verband Österreichischer Privatsender (VÖP) ist, einen Schulterschluss österreichischer Medienunternehmen gegen die Big Five Facebook, Google, YouTube, Amazon und Apple gefordert. Breitenecker sprach den Internet-Gigangen Bedrohungspotenzial für den österreichischen Medienmarkt zu. Informell heißt es nun aus der Sendergruppe, dass man mit der Zusammenarbeit mit Amazon eine Frenemy-Strategie verfolge. "Können wir. WOMAN." lautet die Botschaft – Entwickelt wurde die Kampagne gemeinsam mit MarkenStern. Wien – Österreichs Frauenmagazin Woman startet einen neuen Markenauftritt, entwickelt wurde die Kampagne gemeinsam mit der Agentur MarkenStern. Können wir. WOMAN. lautet die Botschaft. Im Mittelpunkt stehen Österreichs Frauen in all ihrer Individualität, mit ihren konkreten Zielen, Wünschen und Sehnsüchten, ihren Persönlichkeiten und Lebensphasen. Heldin ist nicht die Marke, sondern die Frau, heißt es in einer Aussendung. Der neue Auftritt startet mit einer crossmedialen Kampagne in Print, TV, Kino, Hörfunk, OOH, Digital. Unterstützt und abgerundet wird die neue Markenkommunikation durch eine Hashtag-Kampagne #könnenwir über Social Media. Euke Frank, Herausgeberin und Chefredakteurin: Mit der neuen Kampagne wollen wir ein Mal mehr zeigen: Wir sind Wegbegleiter für alle Frauen in diesem Land, egal in welchem Alter, egal in welcher Lebenssituation sie sich befinden, egal wie klein oder groß ihre Anliegen sind. Und deshalb spielen in unseren neuen Spots auch ganz authentische Frauen die Hauptrolle. Der cineastische TV-Spot soll die Botschaft "Lass dein inneres Raubtier raus und folge deinem Instinkt" verbreiten. Wien – Zur Eröffnung der Eissaison startet Magnum mit einer neuen Kampagne. Der Claim Release the Beast umfasst TV, OOH, Online, Mobile und PR. Der cineastische TV-Spot soll die Botschaft Lass dein inneres Raubtier raus und folge deinem Instinkt verbreiten. Die TV-Kampagne startete am 20. März in Österreich mit einer einmaligen Road-Block-Ausstrahlung des 60-Sekunden-Spots, in weiterer Folge läuft der 30-Sekunden-Spot im TV. Verantwortlich für die Kreation zeichnet LOLA Madrid. Produktionsfirma war Propaganda. Gefilmt wurde in Los Angeles und Regie führte Martin Werner. Den Song High Ball Stepper komponierte und arrangierte Jack White. BuzzDriver – Agentur für moderne Kommunikation e.U. Strengere Regeln für Gesundheitsaussagen in der Werbung gefordert. Berlin – Die deutsche Verbraucherorganisation Foodwatch kritisiert irreführende Werbung mit Vitaminen bei vielen Lebensmitteln. Für winzige Cent-Beträge würden Hunderten Produkten künstlich Vitamine zugesetzt, um ihnen einen gesunden Anstrich zu verpassen, erklärte Foodwatch-Expertin Michaela Kruse. Obwohl auf den Verpackungen mit Vitaminen geworben werde, seien in einer eigenen Untersuchung 190 von 214 Produkten zu süß, zu salzig oder zu fettig gewesen. Dies sei etwa bei Fruchtgummis, Energydrinks oder Milchgetränken der Fall gewesen. Maßstab waren den Angaben zufolge Kriterien für eine ausgewogene Ernährung, welche die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang 2015 vorgestellt hatte. Foodwatch fordert eine gesetzliche Regelung, dass nur noch Produkte mit Gesundheitsaussagen beworben werden dürfen, die diesen Vorgaben entsprechen. Dabei gehe es etwa um Anteile von Fett, Zucker, Salz sowie den Kaloriengehalt. Verbraucherschützer kritisieren schon seit längerem Lebensmittel mit versprochenem Extra-Nutzen für die Gesundheit. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) monierte 2015 nach einer Stichprobe in Deutschland, teils würden gesundheitsbezogene Aussagen über die EU-weit erlaubten Formulierungen hinaus verstärkt. Hinweise wie ungesüßt würden oft missverstanden. Produkte mit viel Zucker und Fett sollten nicht mit Gesundheitsbezug beworben werden dürfen. Seit 2012 gilt in der EU eine Liste mit erlaubten gesundheitsbezogenen Aussagen (Health Claims), die zugelassen und wissenschaftlich fundiert sein müssen. Deutschland will gesetzlich gegen sexistische Reklame vorgehen – Werberat: Gesetz schafft Ablehnung und Verweigerung. Wien – Nach den Plänen der deutschen Bundesregierung soll sexistische Werbung verboten werden. Justizminister Heiko Maas möchte laut einem Spiegel-Bericht künftig Plakate und Anzeigen verbannen, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren. Zustimmung zu der Initiative kommt von Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Sie kann sich eine ähnliche Regelung für Österreich vorstellen: Ich begrüße den Vorstoß aus Deutschland, sexistische Werbung zu verbieten. Ich setze mich seit Jahren für die Bekämpfung der sexistischen Werbung ein, sagt Heinisch-Hosek zum STANDARD. Im aktuelle Regierungsprogramm sei die Bekämpfung von Sexismus in Werbung und Medien eine sehr wichtige politische Forderung, so Heinisch-Hosek. Einen Baustein sieht sie in der Installierung des Antisexismusbeirats, der seit 2011 beim Werberat angesiedelt ist. Sensibilisierung der Werbewirtschaft hält die Frauenministerin weiter für notwendig, denn: Im Jahr 2013 betrafen 47 Prozent aller Beschwerden beim Werberat die geschlechterdiskriminierende Werbung, im Jahr 2014 waren es 21 Prozent. Die Tendenz ist im neuen Jahr wieder stark steigend: 2015 waren es 38 Prozent. Wie berichtet war der Werberat 2015 mit 284 Beschwerden konfrontiert, 168 davon führten zu Entscheidungen. Wie so ein Verbot in Deutschland aussehen könnte, wird derzeit debattiert. Geplant ist demnach eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Im Streitfall würde ein Gericht die Entscheidung treffen. Ablehung kommt von Agenturseite. Der deutsche Agenturverband GWA will entschlossen dagegen vorgehen, eine weitere sinnlose Freiheitseinschränkung zu akzeptieren, kündigt Ralf Nöcker, Geschäftsführer des Gesamtverbands Kommunikationsagenturen GWA, gegenüber wuv.de an. Auch der heimische Werberat kann dem deutschen Vorstoß nichts abgewinnen: Auch in Österreich kennen wir Vorstöße dieser Art. Prinzipiell setzt sich der Österreichische Werberat bereits seit Jahren gegen Werbeverbote ein, und gerade in diesem sensiblen Bereich kann ein gesetzlich geregeltes Verbot nicht zielführend sein, sagt Präsident Michael Straberger zum STANDARD. Die Gründe dafür seien vielschichtig. Das beginnt bereits bei der Definition von Geschlechterdiskriminierung. Was für die einen bereits die Toleranzgrenze überschreitet, ist für die anderen kein Problem. Exemplarisch dazu könne die Diskussion über Stereotype in der Werbung herangezogen werden, dabei scheiden sich die Geister bereits seit Jahren. Straberger: Darüber hinaus unterliegt das Thema Geschlechterdiskriminierung einer Dynamik, die fast jährlich neue Aspekte und Erkenntnisse aufwirft. Im Sinne einer Selbstregulierung können diese neuen Entwicklungen zeitnah diskutiert und relativ leicht in einen Ethikkodex integriert werden. Gesetze sind in ihrer Ausrichtung starr und unflexibel. Was bringt also ein Gesetz, das nächstes Jahr bereits veraltet ist? Es gehe um eine notwendige intensive Auseinandersetzung mit der Thematik. Aus der gängigen Praxis des Werberats gesprochen, dass wir die Teilaspekte von diskriminierender Werbung permanent diskutieren, sagt Straberger. Und diese permanente Auseinandersetzung schaffe Akzeptanz, Sensibilisierung und Bereitschaft zur Umsetzung. Ein Gesetz schafft Ablehnung und Verweigerung. Auch in der Exekution sind Gesetze völlig sinnlos, weil sie für die Kurzlebigkeit von Werbung keinen Effekt bringen. In Zusammenarbeit mit der Designagentur Rosebud setzt Jullien das Leitmotiv des MQ "Kultur hat viele Gesichter" fort. Wien – Die Illustrationen des französischen Grafikers, Illustrators, Videokünstlers und Fotografen Jean Jullien stehen bei der neuen Werbekampagne des Museumsquartiers im Mittelpunkt. Jullien wurde weltweit bekannt, als er in der Nacht der Pariser Terroranschläge zum Pinsel griff, um seine Trauer auszudrücken – mit einem zum Eiffelturm umgestalteten Peace-Zeichen. In Zusammenarbeit mit der Designagentur Rosebud setzt Jullien das Leitmotiv des MQ Kultur hat viele Gesichter fort. Die neue Kampagne ist ab sofort im MQ sowie ab 28. April in ganz Wien zu sehen. (red, 18.4.2016) MQ/Konzept & Design: Rosebud, Illustrationen: Jean Jullien Bernhard Kerres war Opernsänger und Intendant des Wiener Konzerthauses. Der Gründer von "Hello Stage" über Krise, Wandel und Veränderung. STANDARD: In Österreich hält man gern am Status quo fest, tut sich mit Wandel und Veränderungen schwer. Ein Klischee? Kerres: Das ist nicht nur ein Problem in Österreich, sondern generell in Europa. Und es ist ein schwerwiegendes Problem für die Zukunft Europas. Wenn mich ausländische Freunde zu Österreich befragen, beschreibe ich satirisch, dass Österreich einmal das Zentrum eines der größten Reiche der Welt war. Österreicher agieren nach wie vor so, als ob wir dieses Reich steuern und verwalten würden. Allerdings gibt es dieses Reich seit langem nicht mehr. STANDARD: Was müsste politisch passieren, damit Veränderung und Wandel stattfinden? Kerres: In der europäischen Politik haben wir ein systemimmanentes Problem. Wir haben eine Funktionärsdemokratie – oder -oligarchie. Und dieses Funktionärssystem wird sich nicht selber abschaffen. Daher auch die großen Probleme, die wir derzeit in Europa haben. Es ist für mich unverständlich, dass wir es zulassen, seit Monaten keine direkten Züge zwischen Wien und München verkehren zu lassen, Passkontrollen innerhalb Europas wieder aufzubauen und vieles mehr. Und keiner steht auf, um zu sagen, dass wir stolz auf unser Europa sind und dass das Errichten von Sperren und Zäunen nicht im Sinne Europas ist. STANDARD: Wie beurteilen Sie das Ergebnis der Bundespräsidentschaftswahl? Auch aus kulturpolitischer Sicht? Kerres: Für mich ist das ein weiteres Alarmzeichen der tiefen Krise des politischen Systems in Österreich. Unvorstellbar, dass beide Kandidaten, die von den Großparteien unterstützt wurden, nicht nur verloren haben, sondern an letzter Stelle der ernstzunehmenden Kandidaten gelandet sind. Und beide Parteien erfreuen sich weiter der Krise, denn der Wandel würde nicht nur das System, sondern auch die handelnden Personen infrage stellen. Heinz Fischer hat, was die Kultur und andere Themen betrifft, die Latte sehr hoch gelegt. Seine Frau und er waren regelmäßig privat in Konzerten des Wiener Konzerthauses, als ich dort Intendant war. Sie hatten ein besonderes Interesse für die zeitgenössische Musik. Er war der Politiker, der öfter als alle anderen zusammen im Haus war – dies inkludiert die Politiker mit Ressortverantwortlichkeit für Kultur. Ich freue mich, dass Alexander Van der Bellen von vielen Künstlerinnen und Künstlern unterstützt wird – von Martin Grubinger, Doron Rabinovici bis zu Willi Resetarits und vielen mehr. Meine Stimme ist ihm sicher. STANDARD: Gerade die Musikbranche durchlebt derzeit große Veränderungen, Stichwort Digitalisierung. Kerres: Die Musikbranche durchlebt große Veränderungen, seit es sie gibt. Joseph Haydn hat den Fürsten Esterházy eine Spielorgel hinterlassen, als er nach London aufbrach, um als freier Musiker und Komponist nicht für die Höfe, sondern für das interessierte Publikum tätig zu sein. Die Digitalisierung der Musik führt dazu, dass so viel Musik wie noch nie zuvor gehört wird. Und in der Klassik haben wir eine gewaltige Zukunft: Wir haben die besten Medieninhalte dieser Welt. Jedes Medienunternehmen würde uns um diese Inhalte beneiden. Und wir haben das beste Publikum in unserer Geschichte, da es weltweit einen signifikant höheren Bildungsgrad als je zuvor gibt, der direkt mit dem Genuss klassischer Musik korreliert. STANDARD: Wo liegen dann die Probleme? Kerres: Unser größtes Problem sind die Dinosaurier: Es gibt zu viele Menschen in der Musikbranche, die krampfhaft versuchen, den Status quo zu halten. Dabei gibt es auch durchaus wesentliche Themen, die gelöst gehören, wie zum Beispiel eine faire und transparente Rechtsabgeltung. Aber die Dinosaurier werden aussterben, und damit können wir beginnen, Musik noch mehr zu genießen und zu verbreiten, immer mit dem Respekt und auch den entsprechenden Abgeltungen, die den Schöpfern und Ausführenden der Musik zustehen. STANDARD: Beispiele aus dem Musikbereich, die wichtig sind, um den Wandel voranzutreiben? Kerres: In der klassischen Musik müssen wir den Elitestatus brechen. Schon 1967 rief Pierre Boulez dazu auf, die Opernhäuser in die Luft zu sprengen. Einiges ist seither dank seiner und vieler anderer geschehen. Trotzdem entspricht der heutige Opern- und Konzertbetrieb nicht einer jüngeren Generation. In Silicon Valley hat mich fasziniert, wie viele junge Menschen regelmäßig Klassik hören, aber nicht in die Oper oder die Konzerthäuser gehen. Sie gehen aber begeistert zu den kleinen, privat organisierten Konzerten. Da haben wir noch ein großes Stück Weg vor uns. STANDARD: Warum tun sich viele Menschen so schwer mit Veränderungen? Kerres: Veränderung bringt immer die Angst vor dem Unbekannten mit sich. Daher braucht es eine größere Überwindung, Veränderung voranzutreiben, als den Status quo beizubehalten. STANDARD: Haben es kreative Menschen leichter, mit Krisen und Veränderungen umzugehen? Kerres: Wahrscheinlich. Kreative Menschen gehen teilweise bewusst an und über Grenzen, um Neues zu entdecken. Teilweise tun sie das ganz unbewusst und selbstverständlich. Johann Sebastian Bach hat sich bewusst mit der neuen, wohltemperierten Stimmung auseinandergesetzt und in seinem Werk Das wohltemperierte Klavier nicht nur mit einer neuen Welt der Musik gespielt, sondern sie für die Musik dadurch gefestigt. Ohne ihn – und einige andere – wären all die Elemente, die die heutige Musik ausmachen, gar nicht möglich gewesen. STANDARD: Ist eine Krise eigentlich auch immer eine Chance? Kerres: Nein. Es ist gut, wenn wir versuchen, so zu denken, denn das gibt uns Kraft, die Dinge anzupacken. Aber es gibt Krisen, in denen nicht wirklich Chancen liegen. Ich denke dabei vor allem an persönliche Krisen – eine schwere Krankheit, den Verlust eines geliebten Menschen. Neue Dachmarkenkampagne von Young & Rubicam startet – Plakatwerbung als Schwerpunkt. Wien – In Österreich wurden bisher sechs Regionen des Landes zu Nationalparks erklärt. Nichts berührt uns wie das Unberührte, lautet die Botschaft der neuen Dachmarkenkampagne der Nationalparks Austria. Entwickelt wurde sie von Young & Rubicam. Ziel sei es, die gemeinsamen Werte aller österreichischen Nationalparks zu vermitteln, diese als Naturerbe in den Köpfen und Herzen der Österreicher zu verankern und den Wert unberührter Natur erlebbar zu machen, heißt es in einer Aussendung. Die aufmerksamkeitsstarken Sujets zeigen die Vielfalt der einzelnen Nationalparks und schaffen einen Gegenpol zum hektischen Alltag, erklärt Ludwig Schleritzko, Projektleiter Öffentlichkeitsarbeit Nationalparks Austria. Die Umsetzung der dreijährigen Dachmarkenkampagne erfolgt in Form von Multisujets, zudem gibt es jährlich zeitliche Schwerpunkte im Frühjahr und Herbst. Der Rollout 2016 gliedert sich in drei Wellen: Hauptmedium ist das Plakat ab Ende April 2016 bis Anfang Mai 2016, gefolgt von TV-Spots und Rolling-Boards im Mai 2016. Mit der neuen Dachmarkenkampagne holen wir die unberührte Natur an urbane Plätze und präsentieren die Nationalparks als Erholungsmöglichketen vor der Haustüre, beschreibt Y&R Executive Creative Director Alexander Hofmann. Parallel zur Kampagne startet die Wiener Full-Service-PR-Agentur Loebell Nordberg ab sofort mit der strategischen Beratung, Pressearbeit und medialen Positionierung von Nationalparks Austria. Im Vordergrund stehen die Bekanntheitssteigerung der Dachmarke sowie die Bewusstseinsbildung für die Leistungen und Werte von Nationalparks Austria. Fleischhacker hielt Projekt für "unproblematisch", spricht aber von einer "Fehleinschätzung". Mit der NZZ-Führung sei es nicht abgesprochen gewesen – NZZ: "Entspricht nicht der offiziellen Policy". Wien – Am auffälligsten, wenn man den i3 das erste Mal öffnet, ist, dass er – obwohl er relativ klein und kompakt ist – ein unglaublich großes Raumgefühl vermittelt: Das sagt ein Testimonial über den neuen BMW i3. Der Name des Testimonials: Michael Fleischhacker, Chefredakteur von NZZ.at. In der BMW-Kampagne Stories of Life – inspired by BMW i preist Fleischhacker die Vorzüge des BMW i3, das Video zeigt ihn auch in den Räumen von NZZ.at – gemeinsam mit Redakteuren. Fleischhacker lieferte auch Blogbeiträge für die BMW-Seite storiesoflife.at. Am Dienstag waren das Video und die Blogbeiträge (29.3.: Ich mag ihn wirklich sehr, unseren BMW i3, aber der größte lebende BMW-i3-Fan ist mit Sicherheit mein Sohn, 8.4.: Glaubensfragen – Beschleunigung schlägt ökologischen Schweinehund) noch auf storiesoflife.at abrufbar, am Mittwoch waren der Film und die Beiträge dort nicht mehr zu finden. Das Video war von mir nicht freigegeben, also wurde es wieder vom Netz genommen, sagt Fleischhacker darüber zum STANDARD. Ob die Tätigkeit als BMW-Werbeträger mit der Position als NZZ.at-Chefredakteur vereinbar sei, beantwortet Fleischhacker so: Nachdem es sich um ein Projekt handelt, das ich mit der Agentur als Privatperson vereinbart habe, ohne jedes Honorar und ohne jede Geschäftsbeziehung zwischen BMW und NZZ.at, hielt ich es für unproblematisch. Eine Fehleinschätzung, wie ich heute weiß. Er habe weder Geld noch eine andere Gegenleistung dafür bekommen, sagt Fleischhacker. Und für den Drehtag habe ich mir selbstverständlich Urlaub genommen. Mit der Leitung der Neuen Zürcher Zeitung sei das Projekt nicht abgesprochen gewesen. Er habe es für nicht genehmigungspflichtig gehalten. BMW wollte keine Stellungnahme abgeben und verweist auf die betreuende Agentur Vice. Dort bestätigt man dem STANDARD, dass das Video auf Wunsch Fleischhackers offline genommen wurde, weil es von ihm nicht freigegeben gewesen sei. Online war es seit 14. April. Ob Fleischhacker mit arbeitsrechtlichen Konsequenzen rechnen muss, will Myriam Käser, Sprecherin der Neuen Zürcher Zeitung, dem STANDARD nicht sagen. Sein Auftritt für BMW entspreche jedenfalls nicht der offiziellen Policy. Derzeit würden in Zürich neue, detaillierte Guidelines erarbeitet, um eine klare Trennung zwischen Werbung und Redaktion auch in Zukunft sicherzustellen. Festgehalten werden soll darin, welche Formate für uns in Frage kommen und welche nicht. Auch Werbeauftritte werden wir in diesem Rahmen regeln. Die Guidelines werden wir Werbekunden zur Verfügung stellen, aber auch unseren Lesern und anderen Interessierten zugänglich machen. Mit Fleischhacker und seiner Werbung für BMW habe das nichts zu tun, Anlass sei die Tatsache, dass es immer wieder neue Werbeformate gibt. (ae, 28.4.2016) Der Rapid-Kapitän ist Teil des neuen Spots von Demner, Merlicek & Bergmann. Wien – Nach sechs Jahren Zusammenarbeit mit der Spanischen Hofreitschule steigt Wiener Zucker vom Pferd und schlägt einen andere Richtung in der Markenkommunikation ein. Im Fokus solle künftig der Sport stehen, heißt es. Als Werbeträger fungiert dabei mit Steffen Hofmann der Kapitän von Rapid Wien. Der neue TV-Spot wird am Montag erstmals ausgestrahlt und von Printsujets begleitet. Für die Konzeption zeichnet wieder die Agentur Demner, Merlicek & Bergmann verantwortlich – für die filmische Umsetzung das Filmhaus Wien, Regie führte wie schon zuletzt der englische Regisseur Trevor Melvin. Die Agentur entwickelte den neuen Spot für die Rewe-Eigenmarke. Wien – Demner, Merlicek & Bergmann konzipierte die neue Kampagne für Vegavita, die Eigenmarke von Rewe. Im TV-Spot soll die ganze Bandbreite an fleischlosen Lebensmitteln präsentiert werden, so die Agentur. Im Schnitt sollen 20 Prozent der Sendezeit zwischen sieben und 23 Uhr für Werbung reserviert werden dürfen. Brüssel – Die EU-Kommission will die Regelung für Fernsehwerbung lockern. Laut Handelsblatt könnten dann Privatsender künftig alle 20 Minuten kommerzielle Spots zeigen. Im Schnitt sollen 20 Prozent der Sendezeit zwischen sieben und 23 Uhr für Werbung reserviert werden dürfen. Aktion vor der Hofburg-Wahl soll "Umarmend" und gegen Spaltung und Polarisierung wirken. Vor der Entscheidung wer der nächste Bundespräsident Österreichs wird, sorgt eine Werbeaktion für Aufsehen und virale Verbreitung auf Social Media. #Bussi nennt sich die Aktion, die von Privatpersonen ins Leben gerufen wurde, die laut Presseaussendung keiner Partei oder offiziellen Gruppierung angehören. Gegen Spaltung Ziel von #Bussi: Österreich braucht jetzt dringend ein Bussi. Wohin man gerade hinschaut wird polemisiert, polarisiert, protestiert und politisiert. Wird gespalten und getrennt. Das #bussi steht für mehr als nur eine Entscheidung an einem Sonntag. Es ist die tägliche Entscheidung, Andere und Andersdenkende mit dem Herzen zu sehen. Das Bussi verbindet, im wörtlichen aber auch im übertragenen Sinne. Ein Bussi mag zwar für manche harmlos daherkommen, nur ist gerade ein Bussi oft das Mutigste was man geben kann. Etwas Umarmendes in einer Zeit des Wegstoßens. Etwas Entschlossenes in einer Zeit des Zitterns. Etwas Einfaches in einer sehr komplexen Zeit. Auf Facebook gibt es bereits 7.000 Freunde der Aktion, hier wurden auch schon Videos wie dieses geteilt: Wer mitmachen möchte, muss einfach ein Bussi-Foto oder Selfie auf Facebook posten und mit einem kurzen Erklärungstext ergänzen, auch über Twitter kann ein #bussi verschickt werden. (red, 21.5.2016) Vor "The Force" für VW und "Always #LikeAGirl". Mountain View/Wien - Google ließ die Werbebranche unter den 20 beliebtesten Youtube-Spots in den ersten zehn Jahren des Portals abstimmen - und zwar die User des Werbeblogs von Mutterkonzern Google. Das Ergebnis hat Google in diesen Tagen veröffentlicht. Die Branchenabstimmung gewann demnach Kobe vs. Messi: The Selfie Shootout von Crispin Porter + Bogusky für Turkish Airlines: Platz zwei ging in dieser Branchenabstimmung an einen unserer Allzeit-Lieblingsspots - The Force von Deutsch Los Angeles für Volkswagen: Der dritte Platz: Always #LikeAGirl von Leo Burnett, Starcom MediaVest Group: Jean-Claude Van Damme kam mit The Epic Split von Forsman & Bodenfors für Volvo Trucks auf Platz 4: Platz 5: Dove Real Beauty Sketches - Youre more beautiful than you think von Ogily Brazil/PHD/Mindshare: (red, 4.6.2015) Das neue Betriebssystem iOS 9 erlaubt die Integration eines Werbeblockers. Die Zugriffszahlen auf Webseiten über mobile Endgeräte schnellen in die Höhe, was hinterherhinkt sind noch die Werbeeinnahmen, die über Smartphones oder Tablets generiert werden. Ein empfindlicher Dämpfer droht Verlagen jetzt von Apple. Das am Montag vorgestellte, kommende Betriebssystem iOS 9 soll nämlich erstmals die Integration von Werbeblockern erlauben. Darauf weist der US-Branchendienst NiemanLab hin. Ein entsprechender Eintrag findet sich auf Apples Entwickler-Website. Künftig können Drittentwickler demnach Erweiterungen für den mobilen Browser Safari anbieten, mit denen sich Cookies, Bilder, Ressourcen, Pop-Ups und andere Inhalte blockieren lassen. Zum Leidwesen von Medienhäusern, die dann um Vermarktungsmöglichkeiten gebracht werden. Erlöse aus mobiler Werbung können mit den Nutzerzahlen noch nicht Schritt halten. Die New York Times surfen über 50 Prozent der User bereits über mobile Endgeräte an, was allerdings nur in zehn Prozent der Einnahmen aus digitaler Vermarktung resultiert. Deutsche Verlage kämpfen derzeit auch mit juristischen Mitteln gegen AdBlocker-Software, die von vielen Usern verwendet wird, um Werbung auf Webseiten zu blockieren. Mit der Konsequenz, dass Medien erhebliche Einnahmen verloren gehen. Der Bundesverband Digitale Wirtschaft ließ die Adblocker-Rate für Deutschland erheben und kommt auf über 20 Prozent – "Erheblicher Schaden für Digitale Wirtschaft". Wien/Düsseldorf – Teilen der Nutzerschaft fehle immer noch das Bewusstsein für die Bedeutung von Werbung für die Refinanzierung kostenfreier Angebote im Internet. Mit diesen Worten kommentiert der Deutsche Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) in einer Aussendung die Adblocker-Rate von 21,49 Prozent. Der Verband ließ über seine Mitgliedermedien erheben, wie viele User deutscher Onlinemedien einen Adblocker installiert haben und damit Werbung auf Webseiten blockieren. Wie bereits oben erwähnt: Jeder Fünfte killt Onlinewerbung. Mit dem Resultat, dass Webangeboten Werbeeinnahmen in Millionenhöhe entgehen. Hier entsteht also ein erheblicher Schaden für die Digitale Wirtschaft, der in letzter Konsequenz das konsensuale Ziel eines freien Internets für alle gefährdet, kritisiert Oliver von Wersch, Gruner+Jahr und stellvertretender Vorsitzender Online-Vermarkterkreis, via Aussendung. 2014 betrugen in Deutschland die Investitionen in Onlinewerbung quer über alle Kanäle 5,4 Milliarden Euro. Diese Zahl ist das Ergebnis einer Studie des Internet Advertising Bureau (IAB). Eingerechnet sind sowohl Spendings für Displaywerbung als auch Suchmaschinenmarketing. In Deutschland liefern sich gerade Medienhäuser wie Zeit Online oder Handelsblatt einen Rechtsstreit mit Eyeo, Herausgeber des Adblockers AdBlock Plus. Verlage argumentieren, dass Eyeos Geschäftsmodell gegen Kartellgesetze verstoße und Urheberrechte verletze. Eyeos setzt Anbieter von Werbung gegen Geld auf eine weiße Liste. AdBlock Plus blendet die Anzeigen dann nicht aus. Einen Etappensieg konnte Eyeo bereits vor Gericht feiern, Medien wie Axel Springer kündigten aber weitere juristische Schritte an. Um die Abhängigkeit von Werbung zu reduzieren, bietet in Deutschland beispielsweise das Technologieportal golem.de eine werbefreie Version der Seite an. Bei technikaffinen Usern ist die Adblocker-Rate noch um einiges höher. Im Jänner, drei Monate nach der Einführung, kam golem.de auf 1.600 Digitalabos. DerStandard.at, ebenfalls werbefinanziert und kostenfrei nutzbar, ruft seine Userinnen und User seit vergangenem Herbst dazu auf, entweder den Adblocker zur deaktivieren oder alternativ ein FairUse-Abo zu erwerben. Wollen Leser nicht auf einen Adblocker verzichten, dann können sie das FairUse1-Abo um 12 Euro pro Monat abschließen. Kombiniert mit einem Print-, Kompakt- oder E-Paper-Abos sind es 6 Euro monatlich. Das FairUse2-Abo mit mit reduzierter Werbung (ohne Animation, Ton, Videos, Overlays und kein Flash) kostet 10 Euro pro Monat bzw. kombiniert mit einem anderen Abo schlägt es mit 4 Euro zu Buche. Monatlich küren die Userinnen und User von derStandard.at die beste Online-Kampagne. Stimmen Sie ab, welche Kampagne Ihnen im Mai am besten gefallen hat. Der STANDARD vergibt einen neuen Preis für die beste crossmediale Kampagne. Wien – Die Crossmedia-EtatMaus hat ein Zuhause gefunden. Verliehen wurde sie erstmalig am Dienstag im Rahmen des Sommercocktail-Festes im Wiener Gartenpalais Liechtenstein im Beisein von 700 Gästen. Der STANDARD hat hiermit neben der schon seit mehr als zehn Jahren vergebenen etat.maus für die besten digitalen Kampagnen eine Auszeichnung ins Leben gerufen, welche die beste crossmediale Werbekampagne prämiert. Zur Wahl standen Kampagnen, die in den letzten 365 Tagen nicht nur eine einzelne Mediengattung bedienen, sondern die die Stärken von Print und online nützen. Im Vordergrund des Online-Votings auf derStandard.at standen die Kreativität und der rote Faden, mit denen die Kampagnen die jeweiligen Zielgruppen ansprechen. Auf die Shortlist und damit vor die strengste Jury in Form der UserInnen des Channels etat.at kamen die Werbeauftritte der Firmen Erste Bank und Sparkassen, T-Mobile Austria, MAS – Morbus Alzheimer Syndrom, Mazda Austria, Kapsch AG, Austrian Airlines AG, Verbund AG und Carpe Diem. Die Crossmedia-EtatMaus wurde schließlich an den Gewinner Erste Bank und Sparkassen verliehen. Der Preis steht für die crossmedialen Kampagne zur Einführung des neuen Online-Bankings George. Die kreative Idee stammt von Jung von Matt/Donau Werbeagentur und wurde medial durch die Mediaagentur MEC Agentur für Mediaplanung ausgespielt. Der zweite und der dritte Platz gingen an Mazda Austria und T-Mobile Austria. Zufrieden zeigte sich Mario Stadler, Marketingleiter von Erste Bank und Sparkassen: Wir freuen uns sehr über die große Zustimmung der STANDARD-Leser zu unserer crossmedialen Kampagne zu George, dem modernsten Banking Österreichs und dass wir dadurch unsere George-Fangemeinde weiter vergrößern konnten. In Zukunft wird die für crossmediale Werbekampagnen stehende Crossmedia-EtatMaus einmal pro Jahr verliehen – wie auch bisher durch die kritische Bewertung der Leserinnen und Leser. Gemeinschaftsprojekt "The Walking Dead Scary Shelter" des Seriensenders Fox und Sky Österreich gewinnt. Los Angeles/Wien - Fox International Channels Germany konnte bei den PromaxBDA Global Excellence Awards in Los Angeles mit seinen Marketing-Maßnahmen drei Gold und zwei Silber Awards gewinnen. Das Gemeinschaftsprojekt The Walking Dead Scary Shelter des Seriensenders Fox und Sky Österreich gewann den Preis in der Kategorie Promotional Viral/ Web/ Mobile Content sowie in der Kategorie Print - Outdoor. Darüber hinaus darf sich Fox Deutschland über die Auszeichnung in Gold in der Kategorie Dramatic Program Campaign Using Multiple Media für die Gesamtkampagne zu The Walking Dead freuen. Der deutsche Fox-Sender überzeugte zudem die weltweite Jury mit dem Mailing The Walking Dead Survival Box, das in den Kategorien Marketing Presentation - Print or Specialty und Print - Art Direction & Design: Press Kit jeweils Silber gewann. Ikea Österreich gewinnt Silber mit DDB Group aus Hamburg – HIV-Kampagne für das "Vangardist"-Magazin von Saatchi & Saatchi Geneva holt sich den Healthcare- und PR-Grand-Prix. Antwerpen/Wien – Beim diesjährigen Eurobest Festival of European Creativity geht Frankreich mit insgesamt 71 Awards als Sieger hervor. Vorjahressieger Großbritannien landet im Awards-Ranking auf dem dritten Platz und Deutschland holt sich den zweiten Platz. Sechs Grands Prix gehen nach Großbritannien und drei nach Frankreich. Nachdem Österreich im Vorjahr keine Awards abräumen konnte, gewinnt die österreichische Agentur der Jung von Matt/Donau mit der Kampagne Smart for Two und den Sujets Jackie, Tokyo und Snake Bronze in der Kategorie Outdoor nach Österreich. Die Kampagne konnte sich im Juni bereits beim Cannes Lions International Festival of Creativity durchsetzen und holte auch dort Bronze in den Kategorien Outdoor und Press. Für den österreichischen Auftraggeber Ikea Österreich gewinnt die deutsche DDB Group aus Hamburg mit den Sujets Billy, Gnedby und Kallax Silber in der Kategorie Outdoor. Grand Prix für das österreichische Magazin Vangardist Die Sonderausgabe des österreichischen Magazins Vangardist, die beim Cannes Lions International Festival of Creativity acht Löwen abstaubte, wurde beim Eurobest Festival mit dem Grand Prix in den Kategorien PR und Healthcare ausgezeichnet. Der Award geht an die Schweizer Werbeagentur Saatchi & Saatchi Geneva unter der kreativen Leitung von Jason Romeyko. Die limitierte Auflage des Magazins wurde mit einer Mischung aus Druckerfarbe und Blut von HIV-positiven Menschen gedruckt. Die Idee war bereits im Juni beim Werbefestival in Cannes erfolgreich. Österreich entsendet heuer drei Jury-Mitglieder nach Cannes – Dian Warsosumarto über seine Eindrücke als Juror. STANDARD: Sie haben in der letzten Woche Direktwerbung in Cannes juriert. Was genau verstehen Sie unter Direct. Warsosumarto: Das war die erste Frage die wir uns als Jury gestellt haben. Direktwerbung muss in erster Linie messbar sein, einen Call-to-Action kommunizieren und im besten Fall eine Kundenbeziehung herstellen oder verlängern. Historisch gesehen sprechen wir bei Direct ja von Mailings, also One-to-one Kommunikation mit einem Responseelement. Durch das Internet und mobile Endgeräte hat sich aber alles verändert, somit ist in Direct alles, von Flat Mailing bis hin zu Social Activations und Apps, vertreten. Für mich persönlich war es eine ungemein bereichernde Erfahrung bei dieser Kategorie jurieren zu dürfen. Vor allem weil es sich dabei um eine der innovativsten Kategorien handelt. STANDARD: Können Sie uns etwas über den Direct-Grand-Prix-Case erzählen? Warsosumarto: Wir haben uns beim Grand Prix für eine unheimlich disruptive Idee von Volvo entschieden. Als andere Automarken während des Superbowls Millionen ausgegeben haben um im TV präsent zu sein hat Volvo auf Twitter zu gesetzt. Wer während eines TV-Spots des Mitbewerbes einen Tweet mit Hashtag #Volvocontest gewteetet hat konnte einen Volvo gewinnen. So hat es die Marke geschafft, dass Konsumenten während eines Mercedes, Chevy oder Audispots nicht auf den Fernseher sondern in das Handy geschaut haben. Beim Grand-Prix geht es ja in erster Linie darum, wegweisende Ideen zu prämieren die in unserer Industrie neue Impulse setzen. Das haben wir beim #VolvoContest-Case am stärksten heraus gespürt. STANDARD: Wie haben Sie auf die Nominierung als Juror reagiert? Was bedeutet es Ihnen persönlich? Wie fühlt es sich an, quasi auf der anderen Seite zu stehen? Warsosumarto: Ich war zuerst einmal ziemlich baff und obwohl es viel Arbeit ist, ist es vor allem– so komisch es klingt – ein einzigartiges Privileg mit internationalen Kollegen und Kolleginnen eine Woche lang in einem Raum eingesperrt zu sein. Wir haben durchschnittlich 10 Stunden am Tag hunderte Cases aus 25 verschiedenen Sichten betrachtet und argumentiert. Diesen Grad an Professionalismus und Liebe zu Kreation, Ideen und Exekution ist kaum zu übertreffen. Das schöne ist, dass man trotz aller Unterschiede ähnliche Werte und das gleiche Qualitätsempfinden teilt. Meine Agentur und ich werden von dieser Erfahrung hoffentlich noch viele Jahre profitieren. STANDARD: Um als Juror ausgewählt werden zu können, muss man selbst bereits in Cannes ausgezeichnet worden sein. Welche Bedeutung hat Ihr Löwen für Sie? Warsosumarto: Cannes-Löwen sind für uns Kreative enorm wichtig. Sie sind, wenn man will, so etwas wie eine universelle Währung, die in jeder Agentur weltweit angenommen wird. Aus Agentursicht sind Löwen ein effektives Marketing- und Rekrutierungstool. Das Festival hat es in den letzten Jahrzehnten geschafft einen internationalen Standard für gute Werbung zu schaffen. Somit trägt man auch als Juror große Verantwortung, diesen Standard aufrechtzuerhalten. STANDARD: Was ist für Sie Ihre bis dato wichtigste Auszeichnung? Warsosumarto: Die wichtigsten Auszeichnungen haben mein Team und ich im letzen Jahr mit dem Samsung Power Sleep Projekt erhalten. Obwohl wir damit in Cannes leider nur Shortlistplatzierungen gewonnen haben war es ein Wahnsinns Gefühl mit Arbeiten wie dem Epic Split oder Pharrell Williams Happy-Video auf der Titanium-Shortlist zu stehen oder auch vor der Cannes Innovation-Jury zu präsentieren. Zudem haben wir heuer für die gleiche Arbeit einen D&AD Pencil gewonnen. Besonders stolz sind wir bei Cheil aber auf unseren Webby-Award für Power Sleep. Soweit ich weiß ist das bisher nur einmal in Österreich vorgekommen. Der Webby prämiert nämlich viel mehr als nur Werbung, hier werden die relevantesten und international erfolgreichsten Inhalte des Webs prämiert – Apps, Websites, Performer – einfach alles. STANDARD: Woran liegt es Ihrer Meinung nach, dass Österreich nach den letzten Jahren heuer relativ wenige Einreichungen hat? Warsosumarto: Im letzten Jahr hat sich in der österreichischen Agenturszene viel getan. Sehr erfolgreiche Agenturen hatten kreative Abgänge zu verzeichnen und womöglich hat es auch budgetäre Gründe. Einreichen sollte man als Agentur aber ohnehin nur, wenn man sich sicher ist, etwas wirklich exzellentes gemacht zu haben. Für eine Probier ma´s halt-Strategie ist der Mitbewerb zu stark und die Kosten zu hoch. STANDARD: Welches Verhältnis haben Sie persönlich zur Veranstaltung in Cannes? Warsosumarto: Cannes ist für mich das Beste, das die Werbewelt zu bieten hat. Wahnsinnig gute Arbeiten, die cleversten Leute unserer Industrie, gutes Wetter und dazwischen auch mal ein kaltes Bier. Eine ziemlich runde Sache. Werbestärkste Marken in ORF, ATV und Puls 4: XXX Lutz vor Post und Kika Leiner. Wien – Nachdem Nivea vorige Woche Platz eins der werbestärksten Marken in österreichischen TV-Kanälen eroberte, ist dieses Mal wieder ein Möbelhaus die Nummer eins: XXX Lutz vor der Post und Kika Leiner lautet das Ranking. Das berichtet Adspired über Kalenderwoche 26. Analysiert nach Werbezeit führt Kika Leiner vor XXX Lutz und UPC. Adspired liefert derStandard.at/Etat Woche für Woche Daten über die Bruttowerbevolumina der Marken und Branchen in ORF 1 und ORF 1, ATV und ATV 2 und Puls 4 – die rund die Hälfte des Markts repräsentieren dürften. Adspired misst die ausgestrahlten Werbespots in einer Reihe von Fernsehkanälen und rechnet ihre Dauer und Platzierung nach den Tariflisten der Sender um. Diese Bruttowerbevolumina können also Rabatte und andere Sonderkonditionen nicht berücksichtigen und liegen deutlich über real bezahlten Buchungen. Wer stieg in Kalenderwoche 26 mit dem höchsten Werbedruck ein, war also in Woche 25 in den beobachteten Sendern nicht präsent? Vorne liegen die Österreichische Post mit ihrem Weltrekordversuch vor Raffaelo und Wiener Zucker. Wer war in Kalenderwoche 26 nicht mehr in ORF 1 und 2, ATV und ATV 2 sowie Puls 4 präsent – gereiht nach den Werbebudgets in der Woche zuvor? McDonalds legte als größter Werber eine Pause ein. Welche Branchen hatten in der vorigen Woche den höchsten Werbedruck? Unverändert liegen die Nahrungsmittelketten weit vorne in ORF 1, ORF 2, ATV, ATV 2 und Puls 4. Werbestärkste Marken in ORF, ATV und Puls 4 – Stärkste Neueinsteiger der Woche: DM und Merkur. Wien – Vermöbelter Sommer: Die sechste Woche schon liegt XXXLutz laut Adspired unter den werbestärksten Marken in österreichischen TV-Kanälen vorne, vorige Woche vor Hutchison 3 und Billa. Adspired liefert derStandard.at/Etat Woche für Woche Daten über die Bruttowerbevolumina der Marken und Branchen in ORF 1 und ORF 1, ATV und ATV 2 und Puls 4 – die rund die Hälfte des Markts repräsentieren dürften. Adspired misst die ausgestrahlten Werbespots in einer Reihe von Fernsehkanälen und rechnet ihre Dauer und Platzierung nach den Tariflisten der Sender um. Diese Bruttowerbevolumina können also Rabatte und andere Sonderkonditionen nicht berücksichtigen und liegen deutlich über real bezahlten Buchungen. Die stärksten TV-Werber der Woche nach Bruttowerbevolumen und nach Werbezeit laut Adspired-Daten. Mit den Buttons oben lassen sich die Kategorien umschalten: Wer stieg in Kalenderwoche 31 mit dem höchsten Werbedruck ein, war also in Woche 30 in den beobachteten Sendern nicht präsent? DM liegt diesmal vor Merkur und Internorm. Wer war in Kalenderwoche 31 nicht mehr in ORF 1 und 2, ATV und ATV 2 sowie Puls 4 präsent – gereiht nach den Werbebudgets in der Woche zuvor? Telering, Mannerschnitten bremsten sich diesmal ein – und die TV-Werbung für das FM4 Frequency Festival. Welche Branchen hatten in der vorigen Woche den höchsten Werbedruck? Nahrungsmittel liegen in ORF 1, ORF 2, ATV, ATV 2 und Puls 4 vor Hygiene und Möbelhandel. Die Werbedauer kann der XXXLutz allerdings für sich entscheiden – werbestärkster TV-Neueinsteiger ist Bawag P.S.K.. Wien – Der Möbelkonzern XXXLutz wurde diese Woche von der Spar Handelswaren AG in Sachen Werbedruck überrumpelt. Bei Werbedauer liegt XXXLutz allerdings wie gewohnt auf Platz 1 in österreichischen TV-Kanälen. In der Woche 36 liegt der Möbelkonzern vor Kika/Leiner und T-Mobile Austria. Adspired liefert derStandard.at/Etat Woche für Woche Daten über die Bruttowerbevolumina der Marken und Branchen in ORF 1 und ORF 1, ATV und ATV 2 und Puls 4 – die rund die Hälfte des Markts repräsentieren dürften. Adspired misst die ausgestrahlten Werbespots in einer Reihe von Fernsehkanälen und rechnet ihre Dauer und Platzierung nach den Tariflisten der Sender um. Diese Bruttowerbevolumina können also Rabatte und andere Sonderkonditionen nicht berücksichtigen und liegen deutlich über real bezahlten Buchungen. Die stärksten TV-Werber der Woche nach Bruttowerbevolumen und nach Werbezeit laut Adspired-Daten. Mit den Buttons oben lassen sich die Kategorien umschalten: Wer stieg in Kalenderwoche 36 mit dem höchsten Werbedruck ein, war also in Woche 35 in den beobachteten Sendern nicht präsent? Wer war in Kalenderwoche 36 nicht mehr in ORF 1 und 2, ATV und ATV 2 sowie Puls 4 präsent – gereiht nach den Werbebudgets in der Woche zuvor? Rexona bremste sich dieses Mal am stärksten ein. Welche Branchen hatten in der vorigen Woche den höchsten Werbedruck? Nahrungsmittel liegen in ORF 1, ORF 2, ATV, ATV 2 und Puls 4 vor Möbelhandel und Telekommunikation. Scharfe Verurteilung von Agentur Mhoch3, Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner sowie Medienberater Langsner. Wien – Der PR-Ethikrat rügt die Agentur Mhoch3, die Anwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner sowie den Berater Herbert Langsner wegen Manipulation der Öffentlichkeit im Alijew-Verfahren. Durch die Beauftragung von Postingaktivitäten hätten die Unternehmen die öffentliche Meinung zum Verfahren Rachat Alijew und in weiterer Folge sogar die Gerichtsbarkeit zu beeinflussen versucht, so der PR-Ethikrat. Die Agentur Mhoch3 wurde bereits in einem früheren Verfahren wegen der planmäßigen Täuschung von Online-Usern durch Fake-Postings im Auftrag mehrerer Unternehmen scharf vom Ethikrat verurteilt. Der aktuelle Fall wiegt aus Sicht des Rates jedoch noch schwerer, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Demnach hätte Mhoch3 als Auftragnehmer der Rechtsanwaltskanzlei Lansky, Ganzger + Partner sowie deren Berater Langsner die Stimmung in der österreichischen Öffentlichkeit so zu beeinflussen versucht, dass die Staatsanwaltschaft sich genötigt sähe, Alijew anzuklagen bzw. nach Kasachstan auszuliefern. Zu diesem Zweck seien zahlreiche Mhoch3-Dienstnehmer in Online-Foren aktiv gewesen, hätten dabei aber gefälschte Identitäten benützt und mit ihren Postings auch die Unschuldsvermutung verletzt. Aufgedeckt wurden die Aktivitäten vom Monatsmagazin Datum. Aus Sicht des Ethikrats ist schon die Beeinflussung und positive Bewerbung von Produkten, Angeboten oder einem Unternehmensimage durch gefälschte Postings verwerflich. Wenn jedoch damit auf die Beeinflussung eines Strafverfahrens abgezielt wird und ein Mensch systematisch zum Mörder gestempelt werden soll, bekommen die fragwürdigen Methoden noch eine ganz andere Tragweite, erklärte der Rat. Diese Vorgangsweise ist durch einen behaupteten Branchen-Usus oder das Fehlen entsprechender Ethikkodizes nicht zu rechtfertigen. Der Ethikrat kritisierte erneut die Vorgangsweise der Verwendung von falschen Identitäten in Onlineforen, hinter denen keine realen Personen stehen. Dies sei als planmäßige Täuschung der User zu werten. Bei den Bloggern handle es sich auch nicht – wie von Mhoch3 argumentiert – um Online-Journalisten, sondern um bezahlte Auftragnehmer der Agentur, die damit in einem Abhängigkeitsverhältnis zu Mhoch3 und damit zu den Kunden der Agentur stehen. Darüber hinaus deklarierten diese ihr Auftragsverhältnis nicht. Der Ethikrat sprach deshalb gegen die Agentur Mhoch3 eine Rüge wegen planmäßig verdeckter Manipulation der Öffentlichkeit zum Zweck der Beeinflussung eines Strafverfahrens zulasten eines Beschuldigten aus. Die Gegendarstellung von Mhoch3 habe den Rat nicht überzeugt. Sie sei in sich widersprüchlich, denn das Argument der angeblich freien Meinungsäußerung durch die Blogger greife nicht, da schon aus der Stellungnahme von Mhoch3 selbst deutlich werde, dass die Agentur die Identitäten und Postings der Auftragnehmer kannte und auch kontrollierte. Damit sei die Erfüllung des Kommunikationsauftrags wohl Voraussetzung für die Beschäftigung als Blogger gewesen. Besonders hervorzuheben sei im vorliegenden Fall das Ziel der Kampagne, nämlich die planmäßige Unterminierung der Unschuldsvermutung durch bezahlte, getarnte Blogger. Eine ebenso scharfe Rüge sprach der Ethikrat gegen Lansky, Ganzger + Partner aus. Die Postingaktivitäten wurden laut Rat von Anwalt Gabriel Lansky in einer Stellungnahme zu den Vorwürfen nicht grundsätzlich bestritten. Er will allerdings diesen Auftrag zum Schutz und zur Wahrung des Rufes seiner Mandantschaft – der Witwen der ermordeten Bankmanager – erteilt haben. Schließlich sei man davon ausgegangen, dass Mhoch3 eine profilierte Agentur sei und rechtlich korrekt handle. Im Übrigen sei die Abwicklung des Auftrags durch seinen Medienberater Langsner erfolgt, einen Auftrag für hunderte Postings mit Nicknames habe die Kanzlei nicht erteilt. Die zur Verfügung stehenden Unterlagen sprechen laut Ethikrat allerdings eine andere Sprache und zeigten deutlich, dass bereits der Vertrag mit Mhoch3 ein strategisches Vorgehen enthielt und die Anwaltskanzlei in die Kampagne stark involviert war. Die gewählte Vorgangsweise, gezielt die Unschuldsvermutung durch anonyme bezahlte Blogger zu unterminieren, ist verwerflich und einer Rechtsanwaltskanzlei besonders anzukreiden, so der Ethikrat. Wenn Dr. Lansky die Postings nicht in Auftrag gegeben haben will, so musste er zumindest Kenntnis von der Gangart haben. Einerseits gab es Leistungsberichte der Agentur. Andererseits lässt das zitierte Besprechungsprotokoll (in welchem klargemacht wurde, dass Alijew mit Mord assoziiert werden sollte) keinerlei Zweifel am Ziel der Kampagne zu. Wie bei einem derartigen Kommunikationsziel selbstverständlich vorausgesetzt wird, dass die Unschuldsvermutung in allen Beiträgen eingehalten wird (Zitat aus der Stellungnahme von Lansky, Ganzger + Partner) sei dahingestellt. Der Ethikrat rügte daher die Kanzlei Lansky, Ganzger + Partner wegen Beteiligung an der planmäßigen verdeckten Manipulation von Online-Usern zum Zweck der unsachlichen Beeinflussung eines Strafverfahrens zulasten eines Beschuldigten. Eine Rüge gleichen Inhalts setzte es auch gegen den Medienberater Langsner. Die gewählten Mittel der an der Posting-Kampagne gegen Alijew beteiligten Unternehmen seien ethisch nicht vertretbar: Die Beschäftigung von Bloggern, die unter dem Schutz einer falschen Identität nicht nur die User über ihren Auftrag täuschen, sondern – mehr noch – die Unschuldsvermutung massiv verletzen, ist auch nicht mit einer allenfalls notwendigen Verteidigungsstrategie zu rechtfertigen. Besonders vorzuwerfen ist, dass den verhetzenden, teilweise rassistischen Postings nicht sofort Einhalt geboten wurde. Sie finden sich teilweise heute noch im Netz. Die Duldung einer derartigen Vorgangsweise ist nach ethischen Kriterien zu verurteilen, so der Ethikrat. Alijew wurde die Beteiligung an der Ermordung von zwei kasachischen Bankern vorgeworfen. Der in Kasachstan in Ungnade gefallene Alijew wurde deshalb in Österreich angeklagt und erhängte sich im Februar in seiner Zelle in der Justizanstalt Wien-Josefstadt. Museums-Experten rechnen mit 25 bis 60 Millionen Euro ohne Tiefspeicher - KHM wittert Chance für Realisierung großer Lösungen - Zweifel am zeitlichen Fahrplan. Wien - Mit seiner Ankündigung, in der Neuen Burg ein Haus der Geschichte einrichten zu wollen, hat Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) vor einem halben Jahr alle Beteiligten überrascht. Die räumliche wie budgetäre Redimensionierung des Weltmuseum Wien eröffne die Chance, quasi zwei Museen zum Preis von einem zu bekommen, lautete die Botschaft. Das Projekt dürfte jedoch erheblich teurer werden. Dass man mit jenen 11 Millionen Euro, die bei der Errichtung des Weltmuseum Wien im Corps de Logis eingespart werden, auskommen könnte, glaubt niemand mehr. Die Bandbreite der Schätzungen der von der APA befragten Experten ist jedoch enorm - sie reicht vom Doppelten bis zum Vielfachen, von 25 bis 60 Millionen Euro. Teurer Tiefenspeicher Dazu kommt noch der von der Österreichischen Nationalbibliothek angestrebte Tiefspeicher, der Eingang in das Regierungsübereinkommen gefunden hatte und nun laut Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) möglicherweise auch den Bedürfnissen der Universität Wien Rechnung tragen könnte. Dessen Errichtung könnte nach Schätzungen mit weiteren 30 bis 60 Millionen zu Buche schlagen. Im Kunsthistorischen Museum (KHM) wittert man aber auch die Chance, alte Projekte in diesem Zusammenhang neu zu beleben: die Unterkellerung des Maria-Theresien-Platzes sowie einen Besuchertunnel zwischen KHM-Hauptgebäude und dem Weltmuseum Wien unter dem Burgring. Auch auf die Notwendigkeit von Generalsanierungen des Hauptgebäudes und der Neuen Burg weist die KHM-Spitze in diesem Zusammenhang hin. Pi mal Daumen Im KHM soll Stefan Fleck, der für den allseits als vorbildlich und kostengünstig angesehenen Depotbau in Himberg mitverantwortlich war, erste Kalkulationen angestellt haben. Die Existenz dieses Papiers will der kaufmännische Geschäftsführer Paul Frey nicht bestätigen. Und eine Daumen mal Pi-Schätzung sei unseriös, ehe man das wissenschaftliche Konzept und das Raumkonzept des Haus der Geschichte und die sich daraus ergebenden Konsequenzen kenne: Ich weiß zwar genau, wie groß die Zahl Pi ist, wie lange der Daumen ist, wissen wir aber im Moment nicht annähernd. Dennoch wagen sich manche aus der Deckung: Inklusive Tiefspeicher mindestens 90 bis 120 Millionen Euro, nennt ein hochrangiger Museumsexperte eine geschätzte Gesamtzahl. Mit zumindest 50 Millionen exklusive Tiefspeicher rechnet der ehemalige KHM-Generaldirektor Wilfried Seipel. Auf 20 bis 25 Millionen (ohne Tiefspeicher) kommt ein anderer, konservativ kalkulierender Fachmann, der für die bereitliegenden 11 Millionen Euro nur ein müdes Lächeln übrig hat: Damit wird sich das wohl nicht ausgehen. Barrierefreiheit, Klimakonzept Größter Kostenfaktor ist wohl die bauliche Adaptierung der Neuen Burg, samt Herstellung von Barrierefreiheit und Umsetzung eines zeitgemäßen Klimakonzepts. Denn die klimatischen Bedingungen in der Neuen Burg stellen die Verantwortlichen vor große Herausforderungen: Einmal die Balkontüre aufmachen, und die Luftfeuchtigkeit verändert sich dramatisch, weiß Renate Goebl, Mitarbeiterin am Haus der Geschichte-Konzept von Claudia Haas. Für die Neuaufstellung einer Sammlung kalkulieren die Fachleute zwischen 1.000 und 4.000 Euro pro Quadratmeter, bei der Kunstkammer sollen die Kosten zwischen 6.000 und 7.000 Euro (alles inklusive) gelegen sein. Allein dies zeigt schon die große Bandbreite der möglichen Kosten - zumal auch die für das Haus der Geschichte mehrfach genannten 3.000 Quadratmeter keine reinen Ausstellungsflächen sein dürften. Diese in der Neuen Burg freizumachen dürfte auch problematisch werden. Absiedeln, verpacken, wieder aufstellen Höchstwahrscheinlich wird die Sammlung Alter Musikinstrumente weichen müssen. Derzeit sind auf 1.700 Quadratmetern rund 750 teilweise hoch fragile Objekte ausgestellt. Eine Neuaufstellung auf rund 1.000 Quadratmetern könnte im Mezzanin der Neuen Burg oder im obersten Geschoß des Kunsthistorischen Museums erfolgen, erklärte Ostermayer im gestrigen Kulturausschuss. Zumindest ersteres stößt auf wenig Gegenliebe im KHM, wo man für die durch Streichung des Korridor des Staunens des Weltmuseums wieder disponiblen Flächen lieber dem Ephesos Museum zuschlagen möchte. Klar ist jedoch: Auch die Absiedelung, Verpackung, vorübergehende Lagerung und Neuaufstellung der alten Instrumente sind ein nicht geringer Kostenfaktor. Ostermayer, meint ein hochrangiger Museumsexperte, sei beim Haus der Geschichte schlecht beraten worden, die finanziellen Konsequenzen schätzt er als enorm. Wie die meisten Befragten glaubt auch er nicht daran, dass sich das Museum tatsächlich 2018 bereits eröffnen lasse. Bis Sommer soll eine international zusammengesetzte Expertengruppe unter Leitung des Historikers Oliver Rathkolb die inhaltliche Konzeption vorbereiten, erläuterte der Kulturminister gestern den Parlamentariern den weiteren Fahrplan: Auf diesem Grundgerüst aufbauend würde der Kostenrahmen errechnet und die Aufteilung der Räumlichkeiten erfolgen. Dann werde man das Projekt ausschreiben. All das, was Professor Rathkolb jetzt ankündigt, ist nie finanzierbar, glaubt Renate Goebl. Hinzu komme das Zerstören der einen Sache mit Folgekosten und ein Kaputtsparen einer anderen Sache. Die geschätzten Kosten belaufen sich ihrer Meinung nach jedenfalls fast auf jene eines Neubaus für das Haus der Geschichte. Nahezu parallel müssten dann die Stellen für Kuratoren, Museums- und Sammlungsleiter sowie die großen baulichen Maßnahmen ausgeschrieben und vergeben werden. Für den reinen Ausstellungsaufbau wird dann ein Vorlauf von ein bis eineinhalb Jahren benötigt. Eine Eröffnung im Jahr 2018 hält Goebl daher für völlig unrealistisch. 'Ausbildungsinstitut als Ausweichquartier. Wien - Ein Teil der österreichischen Parlamentarier wird ab 2017 mitten im Wissen amtieren: in der Österreichischen Nationalbibliothek. Dort ist die Parlamentsdirektion bei ihrer Quartiersuche für die Zeit der Renovierung des Hohen Hauses jüngst mit der Anfrage vorstellig geworden, ob ein paar tausend Quadratmeter zu haben seien. So viel wird es nicht werden, aber laut Nationalbibliothek-Chefin Johanna Rachinger könnte man rund 850 Quadratmeter Fläche freimachen: das hauseigene Ausbildungsinstitut. Dessen fünf Mitarbeiter, die Seminarteilnehmer und Studierenden müssten dann aber ihrerseits übersiedeln. In der Nationalbibliothek, die Seminare und in Kooperation mit der Uni Wien einen Masterlehrgang durchführt, geht man davon aus, dass das Ersatzquartier fürs Ersatzquartier die alte WU wird. Sie war ursprünglich als Übergangsbleibe fürs Parlament gedacht, dann wurde es aber die Hofburg. Dort findet aber nicht alles Platz: Bis zu 9000 Quadratmeter Fläche werden in Form von temporären Gebäuden (so etwas wie Containern) zur Verfügung gestellt. Die Plenarsitzungen werden ab Mitte 2017 in den Redoutensälen stattfinden Die ÖVP gab dem Altkanzler eine fürstliche Geburtstagsfeier. Für Angela Merkel ging am Montag die Sondersitzung der Eurogruppe vor. Die deutsche Bundeskanzlerin wäre der Stargast gewesen, konnte ihrer Einladung zur Feier der ÖVP anlässlich Wolfgang Schüssels 70. Geburtstag aber nicht nachkommen. Dafür machten zahlreiche andere aktive und frühere Politiker ihre Aufwartung beim Fest mit Freunden in der Orangerie des Schlosses Schönbrunn. 650 Gäste machten das Fest zu einem größeren, als es das 70-jährige Jubiläum der ÖVP Anfang Mai war. Die meisten ausländischen Gäste, wie der ehemalige bayerische CSU-Ministerpräsident Edmund Stoiber, CDU-Fraktionschef Volker Kauder, der als Merkel-Vertreter einsprang, oder der ehemalige tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg, erhielten großen Applaus, der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán nur verhaltenen. Anstrengender Chef Die heimische Patronanz wurde angeführt vom Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf, Vizekanzler und Parteiobmann Reinhold Mitterlehner, den Landeshauptleuten Erwin Pröll, Günther Platter und Wilfried Haslauer, Klubchef Reinhold Lopatka sowie nahezu der gesamten schwarzen Ministerriege. Auch Weggefährten aus anderen Parteien wurden gesichtet, etwa die ehemalige Vizekanzlerin unter Schüssel, Susanne Riess. Molekularbiologe Josef Penninger erzählte vom gemeinsamen Kicken beim FC Wirtschaft. Schüssel wolle nach wie vor im Sturm spielen und die Tore schießen. Die ehemalige Außenministerin und Kabinettchefin des Altkanzlers, Ursula Plassnik, wusste von einem anstrengenden weil anspruchsvollen Chef zu berichten. Langer Abend Anekdoten wie diese gab es während des zweieinhalbstündigen Programms einige zu hören. Lob regierte den Abend, durch den Schauspielerin und Intendantin Nina Blum führte, Schüssels Tochter. Zu hören gab es zwischendurch immer wieder klassische Musik, Tenor Michael Schade gab am Ende das obligatorische Happy Birthday zum Besten. Schüssel selbst appellierte in seiner Ansprache für Solidarität in der Flüchtlingsproblematik. Außerdem meinte er, sich nicht darum gerissen zu haben, ÖVP-Obmann zu werden. Er habe es dann aber doch zwölf Jahre gemacht. Es wird gelauscht, abgehört, mitgelesen. Von wem? Bei wem? Auch bei mir? DER STANDARD widmet sich am 27. Juni in einer Schwerpunktausgabe dem allgegenwärtigen Thema Überwachung. George Orwell packte 1949 seine Albtraumfantasie von einem totalitären Überwachungsstaat in eine Jahreszahl: 1984 hieß der Roman, in dem der Große Bruder alles überwacht – sogar die Gedanken. 66 Jahre später scheint die Orwellsche Schreckensvision partiell realisiert. Es wird heimlich gelauscht und abgehört und mitgelesen. Von wem? Bei wem? Auch bei mir? Wer sind die Überwacher? Wer die Überwachten? Edward Snowden, ein US-Whistleblower, hat die weltweiten Spionagepraktiken aufgezeigt, der NSA-Skandal zieht mittlerweile auch Spuren in Österreich, und die Frage nach Überwachung, Datenschutz und persönlicher Freiheit hat eine neue Dringlichkeit bekommen. DER STANDARD widmet daher seine nächste Schwerpunktausgabe am 27. Juni dem Thema Die überwachten Bürger. Begleiten Sie uns durch die Welt der Geheimdienste und Datenschützer, gehen Sie mit dem Londoner Künstler James Bridle in die Luft, und überwachen Sie mit uns unsere Überwacher. Sollten Asylsuchende Jobs annehmen dürfen, würde das die Arbeitslosigkeit um 0,23 Prozentpunkte erhöhen, sagt Wifo. Wien – Das Sozialministerium hat die bisher unter Verschluss gehaltene Studie über die Arbeitsmarktöffnung für Asylsuchende publiziert. Demnach würde eine Erleichterung des Arbeitsmarktzugangs für Asylwerber zu einem Anstieg der Arbeitslosigkeit führen. Zuvor hatte sich das Ministerium noch gegen eine Veröffentlichung ausgesprochen, Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hatte aber seine strikte Haltung gegen eine Öffnung des Jobmarkts wiederholt. Die Studie ging zum Zeitpunkt des Erstellens von 33.000 Anträgen im Jahr 2015 aus und rechnet bei dieser niedrigen Antragszahl mit einer einmaligen Erhöhung des Arbeitskräftepotenzials um bis zu 10.000 Personen. Kurzfristig würde sich die Arbeitslosigkeit dadurch um 0,23 Prozentpunkte erhöhen. Das Innenministerium rechnet nunmehr bereits mit 70.000 Asylanträgen im Jahr 2015, also mehr als doppelt so vielen. Das würde die Zahl der Arbeitslosen also noch deutlicher erhöhen. Vor diesem Hintergrund ist für mich eine Öffnung des Arbeitsmarkts für Asylwerber nicht vertretbar, sagte Hundstorfer. Wir haben bereits jetzt 17.122 anerkannte Flüchtlinge und subsidiär Schutzbedürftige in Arbeitslosigkeit, unser Hauptaugenmerk ist es, diese in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Hundstorfer verwies darauf, dass für diese Personen die Mittel für Deutschkurse ab Mittwoch noch einmal aufgestockt wurden. Ein weiteres Ergebnis der Studie ist, dass eine Öffnung des Arbeitsmarkts zu um 0,04 bis 0,08 Prozent niedrigeren Löhnen für österreichische Arbeitskräfte und zu einer geringfügigen (0,04 Prozentpunkte) Verringerung des Zugangs in Beschäftigung in einzelnen Branchen, etwa der Landwirtschaft, führt. Generell gilt: Je kürzer die Dauer von Asylverfahren, desto geringer sind die Auswirkungen einer Liberalisierung auf den Arbeitsmarkt. Ein Blick auf die Qualifikationsstruktur ergibt, dass Asylwerber mehrheitlich Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren (75 Prozent) mit einem sehr hohen Anteil an mittleren Qualifikationen sind. Dieser Anteil sinkt jedoch und ist je nach Herkunftsland sehr unterschiedlich. 33,47 Prozent der Asylwerber verfügen maximal über einen Pflichtschulabschluss, 56 Prozent über eine mittlere Ausbildung. Die Studie besagt weiters, dass die Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen schwierig ist. Besonders benachteiligt sind Frauen und erst kurz im Land befindliche Personen. Die Probleme ergeben sich durch besonders unvorteilhafte Migrationsbedingungen, durch die schlechte Anerkennung von Ausbildungen im Herkunftsland, durch lange Stehzeiten außerhalb des Arbeitsmarkts während des Asylverfahrens und durch die Ansiedlung der Betroffenen in Regionen, in denen die spezifischen Qualifikationen der Asylwerber nicht nachgefragt werden. In Österreich ist ein eingeschränkter Arbeitsmarktzugang für Asylwerber nach drei Monaten möglich. Sie können dann nach Erhalt einer Bewilligung einer befristeten Saisonbeschäftigung im Tourismus oder in der Landwirtschaft nachgehen. Jugendliche Asylwerber bis 25 Jahren können eine Beschäftigungsbewilligung für einen Lehrberuf mit nachgewiesenem Lehrlingsmangel erhalten. Laut Grundversorgungsgesetz können Hilfstätigkeiten in den Betreuungseinrichtungen und Unterkünften (Küchenbetrieb, Reinigung, Instandhaltung) und maximal drei Wochen dauernde oder anlassbezogene Hilfstätigkeiten mit gemeinnützigem Charakter bei Bund, Land oder Gemeinde (Betreuung von Park- und Sportanlagen) ausgeübt werden. Solche gemeinnützige Tätigkeiten gelten allerdings nicht als Arbeitsverhältnis. Ein erschwerter Arbeitsmarktzugang hat laut der Studie aber wenig Auswirkung darauf, wie viele Asylwerber in ein Land kommen. Nach den Ergebnissen internationaler Studien wären eine intensive Bekämpfung des Schlepperwesens und potenziell auch die Aufnahmebedingungen für Flüchtlinge in einem Asylland wirksamere Maßnahmen zur Verringerung von Flüchtlingszahlen als eine Beschränkung des Arbeitsmarktzugangs, so das Wifo. "A 9 mm kost ned viel" – Zwei Prozesse um Einträge in soziale Netzwerke in Linz – Zweiter Fall endete mit Unzuständigkeitsurteil. Linz – Zwei Männer sind am Montag unabhängig voneinander wegen islamfeindlicher Postings in Linz vor Gericht gestanden. Einer fasste drei Monate bedingt aus, in der zweiten Causa fällte Vorsitzender Klaus Bittmann ein Unzuständigkeitsurteil: Die Vorwürfe seien zu schwer für einen Einzelrichter, ein Schöffensenat müsse sich damit befassen. Sämtliche Entscheidungen sind nicht rechtskräftig. Einem 27-Jährigen aus dem Bezirk Linz-Land wurde vorgeworfen, im März dieses Jahres auf Facebook zu einem Beitrag über ein Asylheim gepostet zu haben: Glei weg damit, a 9 mm kost ned viel .... Der Mann war von Anfang an geständig. Ich habe nicht lange überlegt, ich habe einfach etwas dazu geschrieben, sagte er vor Gericht. Ich habe nur gemeint, dass die, die sich nicht an unsere Kultur anpassen, wieder zurückgeschickt werden. Die Formulierung Neun-Millimeter – für die Staatsanwaltschaft als bedingter Vorsatz, dass Asylwerber im schlimmsten Fall ermordet werden zu werten – sei ihm einfach so eingefallen. Er interessiere sich für Waffen nur von Youtube her, selbst hab ich nichts. Nicht rechtskräftig Das Gericht verurteilte den geständigen, unbescholtenen Mann zu drei Monaten bedingt, allerdings mit der Auflage, Bewährungshilfe in Anspruch zu nehmen. Die Staatsanwaltschaft gab keine Erklärung ab. Dem Angeklagten stehen, da er keinen Verteidiger hatte, drei Tage Bedenkzeit zu. Auch dem zweiten Poster, der sich am Montag vor dem Landesgericht Linz verantworten musste, legt die Staatsanwaltschaft zur Last, auf Facebook zu Gewalt gegen Muslime bis hin zum Mord aufgefordert zu haben. Der 41-Jährige soll unter anderem geschrieben haben: Es wird so lange weitergehen, bis die letzten von euch aus Europa entfernt sind oder Thors Hammer werde zuschlagen. Zu einem Bericht über ein islamistisches Selbstmordattentat soll er gepostet haben: Wir zünden auch eine Bombe inmitten von Moslems. Weiters wirft ihm die Staatsanwaltschaft das Teilen einer Karikatur, die diese Religionsgemeinschaft verunglimpft, und die Beschimpfung einer Nationalratsabgeordneten mit Migrationshintergrund vor. Die Staatsanwaltschaft sieht in den Postings neben Verhetzung, Aufforderung zu mit Strafe bedrohten Handlungen und Beleidigung auch den Tatbestand des versuchten Landzwangs verwirklicht. Dieses Delikt dürfe aber nicht vor einem Einzelrichter verhandelt werden, sondern müsse vor ein Schöffengericht, erklärte sich Bittmann für unzuständig. Dagegen sind theoretisch Rechtsmittel möglich. Weder die Staatsanwaltschaft noch der Angeklagte, der sich nun einen Verteidiger besorgen muss, gaben eine Erklärung ab. Der Fall dürfte neu verhandelt werden. Nur 16 Prozent der Wiener wünschen sich FPÖ-Chef als Bürgermeister – aber gut doppelt so viele würden seiner Partei die Stimme geben. Die SPÖ hat derzeit nur einen knappen Vorsprung vor der FPÖ, Bürgermeister Michael Häupl liegt aber deutlich vorn. Linz/Wien – Drei Monate vor der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien hat sich die FPÖ auf drei Prozentpunkte an die Bürgermeisterpartei SPÖ herangearbeitet. Das geht aus einer in der Vorwoche durchgeführten Market-Umfrage für den STANDARD hervor. Demnach würde die SPÖ von zuletzt 44,34 Prozent bei der Landtagswahl 2010 auf 35 Prozent fallen. Bei der vorigen Umfragewelle im April dieses Jahres hat die Market-Hochrechnung noch 37 Prozent für die SPÖ ergeben. Die FPÖ war damals noch unter der vielfach als magisch bezeichneten 30-Prozent-Marke gelegen. Läuft also alles auf das vielzitierte Duell zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und Bürgermeister Michael Häupl hinaus? Market-Wahlforscher David Pfarrhofer hält diese Sicht für falsch, für Strache sei sie sogar gefährlich: Wir stellen ja nicht nur die Sonntagsfrage – und daher wissen wir, dass sich die Wiener Strache nur schwer als Bürgermeister vorstellen können. In der Bürgermeisterfrage hat Strache zwar einen harten Kern von Fans, die sagen, sie wünschen sich Strache als Bürgermeister. Das sind aber nur 16 Prozent. Und wenn man jene, die in der Bürgermeisterfrage unentschlossen sind, fragt, wer denn am ehesten infrage käme, nennt kaum jemand Strache. Mehr noch: Auch unter den erklärten FPÖ-Anhängern sind nicht alle dafür, dass ihr Parteichef Bürgermeister wird. Pfarrhofer: In der Bürgermeisterfrage hat Michael Häupl als Einziger seine Parteiwähler geschlossen hinter sich – dazu kommen dann noch kleine Gruppen aus den Wählerschaften der Grünen, Schwarzen und sogar der Blauen, die Häupl – wenn sie könnten – als Bürgermeister wählen würden, obwohl sie einer anderen Partei ihre Stimme geben wollen. Die SPÖ punktet bei Wählern, die sich selber als alteingesessen bezeichnen etwa gleich stark wie bei jenen, deren Vorfahren zugezogen sind. Die FPÖ zieht alteingesessene Wiener ähnlich stark an – während Wahlberechtigte, die selbst zugezogen sind oder das von ihren Vorfahren sagen, besonders zu den Grünen neigen. Was die Rohdaten der Market-Umfrage deutlich zeigen, ist die Überalterung der Anhänger der SPÖ: Sie bekommt überdurchschnittlich viele Stimmen von Wahlberechtigten über 50 – und auffallend wenige von jenen, die noch unter 30 sind. Bei den Grünen, dem Koalitionspartner auf Landesebene, ist das umgekehrt. Bei den Jungwählern sind die Grünen überhaupt die meistgenannte Partei. Dasselbe gilt in der Bürgermeister-Direktwahlfrage: Da ist Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou die erste Wahl der Jungen, vor Häupl und Strache. Junge Befragte nennen Vassilakou mehr als doppelt so oft wie ältere Wahlberechtigte. Allerdings: Die Grünen kommen nicht weit vom Fleck. In unserer Hochrechnung kommen sie nur auf 14 Prozent, das ist nur wenig über dem Ergebnis von 2010, sagt Market-Studienleiter Pfarrhofer. Manfred Juraczka, der Spitzenkandidat der ÖVP, wird nur von vier Prozent der Wahlberechtigten in der Bürgermeisterfrage genannt – auf Nachfrage bei Unentschlossenen kommen dann allerdings noch drei Prozentpunkte dazu. Seiner Partei traut die Market-Hochrechnung zwölf Prozent zu – und damit einen weiteren Abstieg in der Wählergunst: Von 2005 auf 2010 hatte die Volkspartei 4,8 Prozentpunkte eingebüßt. Jetzt droht ihr ein Verlust von weiteren zwei Prozentpunkten. Die Neos dürften in Wien – anders als bei den Wahlen in den ländlich geprägten Bundesländern Steiermark und Burgenland – doch eine erhebliche Rolle spielen, rechnet Wahlforscher Pfarrhofer: Man darf nicht erwarten, dass da die Bäume in den Himmel wachsen – aber im städtischen Bereich kann man durchaus davon ausgehen, dass die Neos als attraktive Alternative gesehen werden. Und zwar auch von Leuten, die sonst eher zu den Grünen tendieren. Auch wenn wir aufgrund der Stichprobengröße nur wenige erklärte Neos-Wähler haben, so fällt doch auf, dass von denen doch recht viele angeben, dass sie zuletzt eine Stimme für die Grünen abgegeben hätten. Team Stronach kritisiert "mangelnden Sparwillen der Regierungsvertreter" – Kurz ist Ausgabenkaiser. Wien – Die Bundesregierung hat im Jahr 2014 insgesamt knapp 2,7 Mio. Euro für Repräsentation ausgegeben. Das geht aus der Beantwortung einer Anfrageserie des Team Stronach hervor. Abgeordnete Martina Schenk kritisierte den mangelnden Sparwillen der Regierungsvertreter. Verteidigungsministerium nannte keine Details Die höchsten Repräsentationsausgaben hat das Außenministerium mit knapp 498.000 Euro zu verzeichnen. Im Landwirtschaftsministerium wurden für diesen Budgetposten rund 369.000 Euro ausgegeben. Etwa 333.000 Euro waren es im Vorjahr im Infrastrukturministerium und 300.000 Euro im Finanzministerium. Bei Kanzleramtsminister Josef Ostermayer beliefen sich die Repräsentationsausgaben auf rund 284.000 Euro und bei Bundeskanzler Werner Faymann (beide SPÖ) auf 170.000 Euro. Die geringste Summe wurde im Gesundheitsministerium benötigt, wo es lediglich 6.800 Euro waren. Das Verteidigungsressort nannte keine Details. Sparsames Familienministerium Die Kosten für Lebensmittel und Getränke etwa bei Veranstaltungen wurden extra angeführt, wobei das Justiz- sowie das Innenministerium hier auch die Verpflegung etwa in Justizanstalten angab und somit auf einen sehr hohen Betrag kam – das Justizressort etwa auf insgesamt 9,7 Millionen Euro. Abgesehen davon belief sich der Betrag etwa im Finanzministerium auf 203.000 Euro. Im Wirtschaftsministerium wurden knapp 74.000 Euro für Lebensmittel und Getränke ausgegeben und im Infrastrukturministerium 73.000 Euro. Im Familienministerium hingegen waren es nur 8.500 Euro. Sparen sieht anders aus, meinte Team Stronach-Mandatarin Schenk zu den in den Beantwortungen genannten Summen. Wechselseitiger Austausch von Unfreundlichkeiten über Presseaussendungen. Klagenfurt – In der Kärntner Regierungskoalition ist ob des zu schnürenden Sparpakets ein Zwist zwischen SPÖ und ÖVP aufgebrochen. Landesrat Christian Benger (ÖVP) hatte in den letzten Tagen mehrmals – auch bei gemeinsamen Pressekonferenzen – massive Sparmaßnahmen in den SP-Ressorts Verwaltung, Gesundheit und Soziales gefordert. Von der SPÖ kamen Gegenattacken, auch am Donnerstag gab es Auseinandersetzungen. Den Schwarzen stoßen vor allem die hohen Kosten der öffentlichen Krankenhäuser auf. Sie werfen Gesundheitsreferentin Beate Prettner (SPÖ) mangelnden Sparwillen vor. Dass das Landeskrankenhaus Villach um 60 Millionen Euro saniert und erweitert – obwohl das Klinikum Klagenfurt nur 35 Kilometer entfernt sei, wie von ÖVP-Seite immer wieder betont wird – macht die Sache aus schwarzer Sicht nicht besser. Das öffentliche Spitalswesen in Kärnten ist überdurchschnittlich teuer und unterdurchschnittlich effizient, tönte es am Donnerstag aus der Wirtschaftskammer, die eine Pressekonferenz zum Thema Kärntens krankes Gesundheitswesen veranstaltet hatte. Prettners Reform- und Einsparungspläne seien lächerlich, meinte dabei Präsident Jürgen Mandl. Unterschiedliche Zugangsweisen Landeshauptmann-Stellvertreterin Prettner konterte im Gespräch mit der APA, ÖVP-Landesrat Benger solle für Reformen bei der Landwirtschaft sorgen. Etwa sei es nicht nachvollziehbar, dass es für 1.300 Schüler im landwirtschaftlichen Schulwesen acht Standorte gebe. Einen Koalitionszwist ortete sie allerdings nicht. Man habe eben unterschiedliche Zugangsweisen und es sei Teil des politischen Alltags, dass Parteien unterschiedliche Standpunkte vor der Bevölkerung darstellten. Als weitere Sparmaßnahme im Gesundheitsbereich könne sie sich vorstellen, die Abgangsdeckung bei den privaten Spitälern zu verringern. Derzeit gleiche das Land 98 Prozent der Verluste aus, den Anteil könne man auf 92 bis 90 Prozent senken. Der ÖVP warf sie beim Thema Gesundheit ein doppeltes Spiel vor. SPÖ-Klubobmann Herwig Seiser forderte die ÖVP auf, mit Phrasendreschereien aufzuhören, und zu sagen, welches Krankenhaus sie schließen wolle. Krause Ideen und Theorien Doch nicht nur bei der Gesundheitspolitik gab es Unstimmigkeiten. Am vergangenen Freitag hatte die Koalition etwa bei einem gemeinsamen Medientermin zum Sparpaket die Erhöhung von Verkehrsstrafen angekündigt. Benger meinte dann in einem Interview mit dem Kurier, bevor dies passiere, werde man im Sozialbereich sparen. Das brachte die SPÖ-Landtagsabgeordnete Ines Obex-Mischitz auf. Sie warf dem ÖVP-Landesrat in einer Aussendung unter anderem vor, mit krausen Ideen und Theorien seine Partner und die Kärntner Bevölkerung zu provozieren. Angesichts der öffentlich ausgetauschten Unfreundlichkeiten meinte FPÖ-Landesparteisekretär Ewald Mödritscher: Es kracht im koalitionären Gebälk. Die Koalition stehe am Abgrund. Egal ob in Asylfragen oder dem Gesundheitswesen, die Zerfallserscheinungen dieser Koalition treten mittlerweile täglich zutage. Der Streit lähme das Land. Die ÖVP müsse sich entscheiden, ob sie Regierungs- oder Oppositionspolitik betreiben wolle. Staatssekretär Mahrer schlägt größere Lösung als bloßes Geschichtsmuseum vor: Am Ring soll ein Haus für die Bürger entstehen, in dem auch Zukunftsfragen thematisiert werden. Wien – Das seit 1997 diskutierte Vorhaben für ein Haus der Geschichte wird von der ÖVP mit einem alternativen Konzept infrage gestellt. Harald Mahrer denkt dabei lieber groß als klein. Und wenn der Staatssekretär im Wissenschafts- und Wirtschaftsministerium an das geplante Haus der Geschichte denkt, dann denkt er nicht nur an die neuere Geschichte ab 1848 (wie sie bisherigen Plänen folgend gezeigt werden soll), sondern er denkt weiter zurück – und einen, wenn nicht zwei Schritte nach vorn. Zunächst: Warum müsse ein Haus der Geschichte in ein bestehendes Objekt ziehen, noch dazu in die in Aussicht genommene Neue Burg, wo die Musikinstrumentensammlung des Kunsthistorischen Museums weichen müsste. Lieber hätte Mahrer einen Neubau – als Haus der Zukunft. Und zwar nicht irgendwo, sondern gegenüber dem Naturhistorischen Museum, zwischen Ringstraße und Heldenplatz, neben dem Äußeren Burgtor – da ist jetzt eine Hundeauslaufzone, ich hätte dort lieber einen Ort der Begegnung. Das wäre eine Signatur unserer Zeit im Machtparallelogramm Parlament-Bundeskanzleramt-Hofburg und Haus der Zukunft. Wo ist denn in Österreich der Raum, wo über die Zukunft öffentlich gesprochen wird? Hier könnte man einen schaffen. Darüber will Mahrer einen Dialog anstoßen. Gibt es schon etwas zu sehen davon, einen Plan, eine architektonische Lösung? Zu früh, winkt Mahrer ab. Jetzt gelte es einmal, die Fantasie zu bemühen. Ein paar Fantasien hat er ja – etwa jene, dass dieses neue Haus am Ring aus Holz errichtet werden sollte, als Zeichen der Leistungsfähigkeit der heimischen Holzwirtschaft – und weil Holzbauten modular an neue Bedürfnisse angepasst werden könnten. Wer soll das bezahlen? Der Mathematiker Rudolf Taschner, der Mahrers Projekt unterstützt, antwortet philosophisch: Das Problem ist immer: Geld. Und die Lösung des Problems ist auch immer: Geld. Dieses könnte aus ganz unterschiedlichen Quellen kommen, sagt Mahrer: Große Projekte haben auch große Unterstützer. So könne die Republik den Baugrund stellen, und Unternehmen könnten den Bau sponsern. Oder sogar die EU – wenn nämlich das neue Haus auch europäische Dimensionen aufweist. Womit wir bei den Inhalten wären. Da plädiert Taschner für radikal neue Ansätze: Ein Haus der Geschichte muss auch ein Haus der Zukunft sein – wenn Wien nicht Venedig, eine tote Stadt, werden will. Die Venezianer haben die Pest mit Grandezza besiegt, das droht uns im ersten Bezirk auch. Aber wir dürfen nicht nur in der Kulisse leben, wir müssen Geschichte als Auftrag für die Zukunft verstehen. Da gelte es, bei der Aufklärung anzusetzen – denn die Revolution von 1848 sei ohne die Wirkungsgeschichte der Aufklärung nicht zu verstehen. Und es gelte, neben den historischen Höhepunkten Möglichkeitsräume für die Zukunft zu schaffen. Taschner: Da ist einmal die Mobilität. Dass wir heute noch ein Auto besitzen – da sagt man in Zukunft doch: Was soll das? Zweitens die demografische Entwicklung: In einer alternden Gesellschaft werde Arbeit stärker automatisiert werden müssen – gleichzeitig gehe es um die Frage: Sind wir überhaupt zur Muße fähig? (Conrad Seidl, DER STANDARD, 5.8.2015) Kernarbeitszeit in Schulen soll von sieben bis 17 Uhr sein – An zwei Tagen soll Schule dank Kurssystem halbtägig sein. Wien – Bis zum 17. November will die Bundesregierung die Ergebnisse der Bildungsreformgruppe präsentieren. Das bekräftigte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) am Mittwoch im Rahmen einer Pressekonferenz. Mit dem Koalitionspartner ÖVP habe man in Fragen der Schulautonomie weitgehend Einigung erzielt. Künftig soll den Schulleitern etwa mehr Mitsprache bei der Personalauswahl gewährt werden, wiewohl die Bundesministerin den Direktoren in dieser Frage die völlige Autonomie nicht einräumen will. Neben dem Mitspracherecht bei der Personalauswahl sollen Direktoren Lehrer dazu verpflichten können, bestimmte Kurse zur Weiterbildung zu belegen. Im neuen Dienstrecht sind Lehrer bereits jetzt dazu verpflichtet, sich 15 Stunden pro Schuljahr in der unterrichtsfreien Zeit fortzubilden. Diese Regelung galt bisher auch für Landeslehrer. Für Vertragslehrer des Bundes war eine Fortbildungspflicht nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt. Weiters soll der Versetzungsschutz der Pädagogen gelockert werden. Die Direktoren selbst sollen größeren Verwaltungseinheiten aus eventuell auch mehreren Schulen vorstehen. Heinisch-Hosek will den Unterrichtsalltag außerdem dem Tagesrhythmus der Kinder anpassen, die Halbtagsschule sei nicht mehr zeitgemäß. Dem Koalitionspartner – der sich zumindest auf Bundesebene gegen die flächendeckende Ganztagsschule ausspricht – hat die Bildungsministerin bei der Pressekonferenz einen Vorschlag gemacht, der als Kompromissangebot gedeutet werden könnte. Schule der Zukunft So könnten Schulkinder auch nur an drei von fünf Unterrichtstagen ganztägig in der Schule sein, an zwei Tagen soll nachmittags ein Kurssystem angeboten werden. Die Eltern hätten somit an diesen Tagen Wahlfreiheit. Die Kinder könnten gegebenenfalls für außerschulische Freizeitaktivitäten herausgenommen werden. Als Vorbild für die verschränkte ganztägige Schule diene das Schulsystem in Hamburg, so Heinisch-Hosek. Die verschränkte Ganztagsschule mit einem über den Tag verteilten Wechsel aus Unterrichts-, Freizeit- und Lerneinheiten ist für die Ministerin nach wie vor die Schule der Zukunft. Sie sollte grundsätzlich von sieben bis 17 Uhr geöffnet sein, mit einer bestimmten Kernarbeitszeit, die sich etwa mit Sport- und Hausübungseinheiten und einem gemeinsamen Essen abwechselt. Neigungsgruppen sollen fordern und fördern Außerdem soll die Schule auf unterschiedliche Talente, Begabungen und Förderbedürfnisse eingehen. Diese sollen in Neigungsgruppen abgedeckt werden. Derzeit werden die Ergebnisse der Bildungsreform-Arbeitsgruppe politisch geprüft, erklärte Heinisch-Hosek. Durch den Austausch der beiden Landeshauptleute Erwin Pröll (ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ) durch Günther Platter (ÖVP) und Michael Häupl (SPÖ) habe sich für Heinisch-Hosek stimmungsmäßig nichts geändert: Diese habe sich weder verbessert noch verschlechtert. Bei der Bildungsreform setzt die SPÖ offenbar auf die fortschrittlichen Ansätze innerhalb der ÖVP. In den westlichen Bundesländern nimmt die ÖVP scheinbar eine andere Haltung an, als diese die allgemeine Beschlusslage vorsieht, sagte Gerhard Schmied, Bundesgeschäftsführer der SPÖ, über die bekannten Vorstöße aus Tirol, Salzburg und Vorarlberg im Hinblick auf eine gemeinsame Schule der Zehn- bis Vierzehnjährigen. Voll des Lobes war er diesbezüglich zudem für die Industriellenvereinigung und die Wirtschaftskammer. Schmied wähnt außerdem Rückenwind für die Kernforderungen der SPÖ von den eigenen Mitgliedern. So haben 5.000 Rote an einer Onlinebefragung zum Thema Bildung teilgenommen. 96 Prozent von ihnen gaben an, dass sich das Schulsystem für mehr Chancengerechtigkeit einsetzen soll. 87 Prozent sprachen sich für das zweite verpflichtende Kindergartenjahr aus. 86 Prozent gaben an, dass die SPÖ den Druck für eine gemeinsame Schule erhöhen soll. Jurist muss Unterstützungserklärungen für Kandidatur 2016 sammeln. Wien – Der steirische Jurist Martin Wabl möchte erneut zur Bundespräsidentenwahl antreten. Er wird von Mutbürgern unterstützt, einem nach eigenen Angaben gemeinnützigen Verein, der sich für echte Demokratie einsetzt. Wabl muss aber trotzdem die erforderlichen Unterstützungserklärungen sammeln. Es ist sein vierter Versuch – er wollte bereits 1998, 2004 und 2010 antreten, scheiterte aber an den Unterstützungserklärungen. Bei der Nationalratswahl 2013 kandidierte er auf der Liste der Christlichen Partei Österreichs, für die SPÖ war er im steirischen Landtag und später auch im Bundesrat tätig, ehe er aus der Partei austrat. Noch nie haben sich so wenige Österreicher keine Zuwächse erhofft. Aber nur ein Viertel glaubt, dass es in Zukunft schlechter wird. Linz – Nur elf Prozent der Österreicherinnen und Österreicher erwarten, dass es ihnen in den kommenden Monaten finanziell besser gehen wird als jetzt. Das ist der niedrigste Wert, den das Linzer Market-Institut in einer Reihe vergleichbarer Umfragen für den STANDARD erhoben hat. Zum Vergleich: Im Herbst 2013, als die Frage zuletzt gestellt wurde, meinten noch 21 Prozent, dass es in den folgenden Monaten aufwärtsgehen würde. Allerdings: Der Anteil jener, die eine Verschlechterung ihrer finanziellen Situation erwarten, ist mit 24 Prozent seit vielen Jahren weitgehend konstant – die große Mehrheit erwartet eine konstante Entwicklung der persönlichen wirtschaftlichen Situation. Es sind vor allem Frauen, die in hohem Maß weder eine positive noch eine negative Entwicklung der persönlichen finanziellen Situation erwarten. Die größten Optimisten finden sich unter Wählern von Grünen, ÖVP und Neos. Relativ hohe Erwartungen hegen auch die Befragten mit hoher Bildung. Als besonders pessimistisch erweisen sich die Wähler der Freiheitlichen – und jene, die politisch nicht entschlossen sind. Eher eine Verschlechterung der persönlichen ökonomischen Verhältnisse erwarten Bewohner Ostösterreichs und Menschen mit solider beruflicher Bildung, aber ohne akademischem Abschluss. Pinke in Oberösterreich suchen "auffällige Kreativmonster" für Gratisarbeit – Gewerkschaft kritisiert "Unterwanderung gültiger Kollektivverträge". Ist dir langweilig? Mach mit beim coolsten Polit-Start-up Österreichs und sichere dir eine Top-Referenz in deinem Lebenslauf! Wir haben kein Geld, um dich zu bezahlen, aber wir haben leckeren Kuchen. Mit diesem Text versuchen die Neos in Oberösterreich kostenloses Personal zu gewinnen. Gesucht wird beispielsweise ein Grafiker oder eine Grafikerin im Ausmaß von 10 bis 40 Wochenstunden, ehrenamtlich. Als Lohn winken lässige Arbeitskollegen, mit denen man viel Spaß hat und abends auf ein Bier geht. Außerdem leckere Croissants oder selbst gebackenen Kuchen jeden Tag. Dafür erwarten sich die Neos offenbar Grafik-Profis. Wenn du Paint verwendest, solltest du nicht mehr weiterscrollen. Vielleicht ist ein anderer Job besser für dich. Wir haben ja zum Glück mehrere zur Auswahl, heißt es. Auffällige Kreativmonster Auch von den Gratis-Callcenter-Agents haben die Neos genaue Vorstellungen: Deine Computerkenntnisse enden nicht bei Facebook, sondern du kannst auch mit Word und Excel umgehen. Wer seine kostenlosen Dienste als Projektmanager Aktionismus anbieten will, muss ein Kreativmonster sein und es lieben aufzufallen und zu provozieren. Wer einmal Journalist werden will oder eng mit der Presse verbandelt sein will, möge sich laut Neos als Mitarbeiter in der Pressestelle bewerben. Kritik von Gewerkschaft BerufseinsteigerInnen bis zu 40 Stunden ohne Bezahlung beschäftigen zu wollen, das hat mit Ehrenamt gar nichts zu tun: Wer den Berufseinstieg junger Menschen als ehrenamtliche Arbeit bezeichnet, der unterwandert gültige Kollektivverträge und er raubt den Betroffenen ihre Zukunftsperspektive, kritisiert Helmut Gotthartsleitner, Bundesjugendsekretär der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier, den Aufruf der Neos. Die Neos seien aufgefordert, alle ihre Mitarbeiter, auch die sogenannten Ehrenamtlichen, in ordentlichen Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen, heißt es in der Presseaussendung der Gewerkschaft. Neos: Wahlkampfzeiten sind Ausnahmezeiten Wahlkampfzeiten sind Ausnahmezeiten. Ohne ehrenamtliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die täglich auf der Straße stehen und uns in der Kampagnenarbeit unterstützen, kann Wahlkampf nicht funktionieren. Das gilt nicht nur für Neos, sondern für alle politischen Parteien, teilen die Neos Oberösterreich in einer schriftlichen Stellungnahme dem STANDARD mit. Man sei dankbar dafür, dass es so viele – gerade junge – Menschen gibt, die auch Teile ihrer Sommerferien oder ihres Urlaubs opfern, um mitzuhelfen. Auf Facebook äußerte sich die Spitzenkandidatin der Neos in Oberösterreich, Judith Raab folgendermaßen: Ich war einige Zeit ehrenamtliche Bewährungshelferin. Müssen wir den Verein, der das organisiert jetzt auch beschimpfen? (burg, 18.8.2015) 'Nein, wirklich unglücklich sind die Österreicher nicht. Aber zufrieden sind sie auch nicht. Und dieses Gefühl macht sich politisch Luft: an der Wahlurne – oder am Stammtisch. Früher, mag man glauben, war alles besser. Sagt die Erinnerung. Sogar die Zukunft, ergänzt der Zynismus. Lachen am Stammtisch. Ja, sogar die Zukunft, bestätigt die Meinungsforschung – und legt Zahlen vor, die dem Stammtisch vielleicht ein wenig kompliziert erscheinen mögen: Noch vor ein, eineinhalb Jahrzehnten meinte etwa die Hälfte der Bevölkerung, dass sich Österreich so alles in allem in die richtige Richtung entwickle. Jetzt glauben das gerade noch 19 Prozent. Sag ichs doch, schallt es vom Stammtisch. Hier sitzen sie, die satten Pessimisten. Die Wähler von Protestparteien. Diese Mehrheit, die sagt, sich in den letzten Wochen über die EU geärgert zu haben. Jene 49 Prozent, die sich über die Bundesregierung ärgern – mehr noch als über den Straßenverkehr, die Arbeit oder auch das eigene Einkommen. Ehrlich gesagt: Geht es jemandem hier schlecht? Na ja. Persönlich eigentlich nicht. Die Meinungsforscher fassen das gerne in die Frage: Wenn jemand über Sie sagen würde: Das ist ein glücklicher Mensch, hätte er oder sie dann recht? Und seit Jahren antworten darauf nur maximal vier Prozent (in einer Umfrage in der Vorwoche waren es gar nur zwei Prozent), dass die Behauptung ganz und gar falsch wäre, weitere zwölf Prozent bezeichnen sich als eher nicht glücklich. Aber 86 Prozent – auch dieser Wert ist über die Jahre weitestgehend konstant – bezeichnen sich als eher schon oder auf jeden Fall glücklich. Der Anteil der völlig glücklichen Menschen an der österreichischen Bevölkerung beträgt aktuell 25 Prozent, er schwankt erfahrungsgemäß zwischen 23 und 31 Prozent. Warum also das Geraunze? Es mag im Volkscharakter liegen, wie Dichter vermutet haben: S war ned Wien, wann net durt, wo ka Gfrett is, ans wurt, denn des Gfrett ohne Grund gibt uns Kern, halt uns gsund, analysierte Josef Weinheber in Wien wörtlich. Es mag auch an der Geschichte liegen, wie Stephan Rudas in Österreich auf der Couch vermutete: Die österreichische Seele ist ja geprägt vom Scheitern verschiedener emanzipatorischer Ansätze, von einem Arrangement mit der Obrigkeit (wie es auch der vorgenannte Weinheber der Nazi-Diktatur gegenüber praktiziert hat) bei gleichzeitiger innerer Distanz zu deren jeweiligen Vorgaben. So überstanden die Österreicher Habsburg und Hitler, so schwindelten sie sich bei der Gegenreformation durch, und so halten sie es auch in der Demokratie. Allein, was not tut und was Gott gefällt, / der klare Blick, der offne, richtge Sinn, / da tritt der Österreicher hin vor jeden, schrieb Grillparzer vor 190 Jahren – nicht ohne zu spotten, dass der Österreicher dann eben nicht die Initiative ergreift, gestaltet, verändert, sondern er tut was? Denkt sich sein Teil und lässt die anderen reden! Geschimpft wird dann im Privaten. Denn so recht zufrieden kann man nicht mit sich und der Welt sein, wenn man sich so verhält. Nun ließe sich einwenden, dass die politische Situation heute doch ganz anders sei als im Biedermeier: Kann man denn nicht frei seine Meinung sagen, kann man nicht frei wählen? Doch, kann man. Aber man merkt eben immer weniger, dass das etwas bewirken würde. Richtungsentscheidungen sind unmöglich Tatsächlich konnte man bei einer Nationalratswahl vor 40 oder 50 Jahren noch eine klare Richtungsentscheidung fällen: 1966 fiel diese mehrheitlich zugunsten der ÖVP aus. Österreich bekam die biedere Alleinregierung von Josef Klaus, der wirtschaftlich modern, gesellschaftlich aber konservativ agierte. Vier Jahre später war Schluss damit: 1970 wurde Bruno Kreisky mit relativer, 1971 und zwei weitere Male mit absoluter Mehrheit gewählt. Kreisky modernisierte das Land gesellschaftlich. Gemeinsam war Klaus und Kreisky, dass sie jeweils gut die Hälfte der Bevölkerung hinter sich hatten. Da kann man großzügig sein: Klaus konnte das Rundfunkvolksbegehren umsetzen, das seiner Gefolgschaft ebenso wenig schmeckte wie die 40-Stunden-Woche, bei der er dem Druck der Linken nachgab. Kreisky wiederum nahm etwa bei der Straffreistellung der Abtreibung, der betrieblichen Mitbestimmung oder der Öffnung der privaten Wälder für alle Erholungsuchenden auf die Befindlichkeiten von Kirche, Wirtschaft und Volkspartei Rücksicht – und opferte das von ihm propagierte Atomkraftwerk Zwentendorf einer Volksabstimmung. Dennoch bekamen die Kreisky-Wähler im Wesentlichen das, was sie wollten. Und die Kreisky-Gegner waren mit der Regierung und dem von ihr bestimmten Kurs des Landes nicht ganz unzufrieden. Auch wenn an den schwarzen Stammtischen damals auch ganz kräftig auf die Roten geschimpft wurde – und umgekehrt. Aber in der hohen Politik herrschte den scharfen ideologischen und sachpolitischen Gegensätzen zum Trotz ein gewisser Konsens. Wer die Hälfte der Bevölkerung hinter sich weiß, kann eben dem anderen Teil ein wenig entgegenkommen. Das hat sich mit der Auflösung des Zweiparteiensystems (die FPÖ spielte bis 1986 nur zweimal als Mehrheitsbeschaffer der SPÖ eine kleine Rolle) in den 1980er-Jahren gründlich geändert. Es ist nur nicht gleich aufgefallen. Denn die große Koalition, zu der Österreich 1987 zurückgekehrt ist, hat bei aller gefühlten Zerstrittenheit immerhin ein großes gemeinsames Problem (die Isolation des Landes nach der Wahl Kurt Waldheims zum Bundespräsidenten) und ein großes gemeinsames Projekt (den vor allem in der SPÖ umstrittenen Beitritt Österreichs zur Europäischen Gemeinschaft) zu bewältigen gehabt. So etwas schweißt zusammen, so etwas hält auch die eigenen Leute bei der Stange beziehungsweise am eigenen Stammtisch. Aber nur, solange diese verbindenden Elemente bestehen. Und es eröffnet auch Angriffsflächen – Jörg Haider hat sie genutzt. Da war viel taktisches Kalkül dabei Kann man zu viel helfen? Ja, meinen 43 Prozent der Österreicher. Nur elf Prozent erklären, dass eigentlich mehr für die Flüchtlinge getan werden müsste. Linz – 85 Prozent der Österreicher meinen, dass Österreich stolz auf das sein kann, was unser Land für Flüchtlinge getan hat – mehr als jeder Zweite davon bekundet sogar sehr großen Stolz. Besonders ältere Befragte stimmen dieser Aussage zu – eher zurückhaltend sind Grün-Wähler, die sich noch mehr Engagement wünschen würden, erläutert David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut, das die Umfrage für den Standard durchgeführt hat. Er verweist darauf, dass viele Befragte sozial erwünschte Antworten geben – etwa Mitleid mit Bootsflüchtlingen bekunden. Andererseits gebe es aber eine gar nicht so kleine Minderheit von 43 Prozent, die meint, dass Österreich schon zu viel des Guten für die Flüchtlinge tue. Die Bundesregierung kann es nicht – und die EU kann es erst recht nicht. Das ist die klare Antwort, die 82 beziehungsweise sogar 89 Prozent der Wahlberechtigten in einer aktuellen Umfrage des LinzerMarket-Instituts auf die Frage geben, ob die jeweilige Institution die Probleme mit den Flüchtlingen im Griff hätte. Und: 47 Prozent sind voll und ganz der Meinung, dass die EU Österreich in der derzeitigen Situation allein lasse. Besonders ältere und weniger gebildete Personen üben starke Kritik an der EU-Flüchtlingspolitik. Gleichzeitig zeigt sich, dass die gestiegene Zahl der Flüchtlinge die Prioritätensetzung stark verändert hat: Der Wunsch, dass Flüchtlinge gerecht in der ganzen EU verteilt werden sollten, rangiert jetzt als Topaufgabe für die Bundesregierung, gefolgt von dem Schutz vor Terror – noch im Juni lagen beide Themen hinter den Sorgen um Arbeitsplätze, dem Wunsch nach Steuerentlastung und der Forderung nach Ausbildung für alle Menschen unter 18 Jahren, erinnert sich Market-Studienleiter David Pfarrhofer. Die in der Vorwoche durchgeführte Umfrage belegt auch: Die Österreicher sind zwar stolz auf die geleistete Hilfe – aber 43 Prozent sagen gleichzeitig, dass Österreich schon zu viel des Guten getan hätte. Die entsprechende Frage lautete: Es haben sich ja verschiedene Staaten und Institutionen um Hilfe für die Flüchtlinge gekümmert. Wer hat da zu wenig gemacht, wer hat gerade richtig agiert, und wer tut vielleicht zu viel des Guten? 41 Prozent sagten, Österreich agiere gerade richtig, elf Prozent sagten, es habe zu wenig getan. Für Deutschland lauten die Vergleichszahlen: 49 Prozent zu viel, 35 Prozent gerade richtig und ebenfalls elf Prozent zu wenig. Und für das eigene Heimatbundesland sagen 28 Prozent, dass es zu viel für die Flüchtlinge tue. Der Caritas unterstellen bei dieser Frage 27 Prozent zu viel Engagement, den ÖBB 25 Prozent und dem Roten Kreuz 21 Prozent. Der Standard ließ weiter fragen: Und wie ist das mit den politischen Parteien Österreich? Ich lese Ihnen nun die Parteien vor und bitte Sie, mir zu sagen, ob die jeweilige Partei derzeit im Großen und Ganzen das Richtige tut oder ob sie eher das Falsche tut. Von der Kanzlerpartei SPÖ sagen 41 Prozent, dass sie das Richtige tue, ebenfalls 41 Prozent sagen, dass die SPÖ das Falsche mache. Für die ÖVP, die die zuständige Innenministerin stellt, sind die Werte ähnlich: 41 Prozent sagen, sie tue das Richtige, 38 Prozent meinen, was die ÖVP tue, sei falsch. Bei allen anderen Parteien überwiegt die Einschätzung, dass diese Partei das Falsche tue. Das gilt für die FPÖ mit 52 Prozent beinahe im gleichen Ausmaß wie für die Grünen (47 Prozent) – obwohl diese beiden Parteien bekanntlich gegensätzliche Ansichten vertreten. Pfarrhofer: Bei beiden Parteien sagen auch jeweils 31 Prozent, dass sie das Richtige täten – die Positionen der Grünen halten eben eher die höher Gebildeten für richtig, die der FPÖ eher die Bildungsfernen. Die österreichische Diplomatie soll sich vehement dafür eingesetzt haben, dass es mit dem neuen Job des Ex-Vizekanzlers klappt. Der ehemalige ÖVP-Chef und Vizekanzler Michael Spindelegger sattelt beruflich wieder um. Ab Jänner wird er als Generaldirektor das Internationale Zentrum für die Entwicklung von Migrationspolitik leiten. Momentan ist Spindelegger noch Präsident der Agentur zur Reformierung der Ukraine. In seinem Abschlussbericht habe er der Organisation seine Reformvorschläge vorgestellt. Auf die neue Aufgabe als Generaldirektor des International Centre for Migration Policy Development freue er sich. Die Stelle wurde öffentlich ausgeschrieben, Spindelegger hatte sich beworben. Beim Hearing wurden neben ihm noch zwei weitere Kandidaten gehört und beispielsweise auf politisches Leadership hin beurteilt. Es folgte eine Abstimmung unter den 15 Mitgliedsstaaten des Zentrums. Mit einer einfachen Mehrheit fiel die Wahl auf Spindelegger. Manche sahen in einem anderen Bewerber ihren Wunschkandidaten. In Tobias Billström zum Beispiel, einem Mann mit einschlägigen Erfahrungen in Migrationspolitik – Billström war Minister für Asyl- und Migrationsfragen in Schweden. Ebenso Frisco Roscam Abbing, der Niederländer ist seit 2000 im Hauptverwaltungsrat der europäischen Kommission für Einwanderung und Asylpolitik. Ausschlaggebend für den Abstimmungsausgang zugunsten Spindeleggers soll die Unterstützung der österreichischen Diplomatie gewesen sein. Kontakte zu Südost- und Mitteleuropa sollen maßgeblich geholfen haben. Was tun, wenn eine Wahlliste mehr Mandate als Kandidaten hat? Juristische Erkundungen in gesetzlich rutschigem Gelände. Wien – Es gibt Wahlergebnisse, mit denen kann man Verfassungsjuristen eine echte Freude bereiten. Etwa, wenn eine Ein-Mann-Liste aus dem Stand sechs Mandate erringt. Franz Hochstöger, der dies bei der oberösterreichischen Gemeinderatswahl am 27. September in St. Georgen am Walde (Bezirk Perg) geschafft hat, hat damit zwar fünf Sitze zu viel, irgendwie, aber kann es in der Demokratie überhaupt ein Zuviel geben? Eben. Ich finde das schön!, freut sich Verfassungsjurist Theo Öhlinger im STANDARD-Gespräch über solche Fälle. Sie zeigen die Politikverdrossenheit der Menschen, dass sich nicht genug Menschen für Wahllisten finden, dass aber zugleich engagierte Kandidaten viel Zustimmung erhalten – und dass dies eigentlich gar nicht vorgesehen ist. Eine echte Rechtslücke also, konstatierte Verfassungsjurist Heinz Mayer. Oder: ein schönes Schlamassel. Wie also damit umgehen? Mit den überzähligen, freien, unbesetzten Mandaten? In jedem Fall ein kniffliges juristisches und demokratiepolitisches Problem. Mayer hält eine freihändige Verkleinerung um die leeren Gemeinderatssitze unter die in der oberösterreichischen Gemeindeordnung genannte Größe für nicht gesetzeskonform. Dort ist je nach Einwohnerzahl eine bestimmte Zahl an Gemeinderäten vorgegeben. Für St. Georgen am Walde wären das 25 und nicht 20. Anders ist die Rechtsposition der für Wahlen zuständigen Direktion im Amt der oberösterreichischen Landesregierung. Laut Kommunalwahlordnung können nicht mehr Mandate zugewiesen werden, als Bewerber für die Partei vorhanden sind, erklärt Direktor Michael Gugler. Die restlichen Mandate bleiben unbesetzt, und der Gemeinderat ist in der nächsten Periode kleiner. Die Grenzen wären dort zu sehen, wo die Anwesenheits- und Beschlussquoren nicht mehr erreicht werden. Es sei letztlich das Risiko der einzelnen Liste, auch für einen überraschenden Wahlerfolg genug Personal zu haben. Derzeit ist nur eine Maximalgröße von höchstens doppelt so vielen Kandidaten, wie es dann Gemeinderäte gibt, vorgesehen. Mit der Vorgabe einer Mindestzahl würde man vielleicht solche Initiativen ausschließen, warnt Gugler. Diese Auskunft, einfach einen entsprechend kleineren Gemeinderat zu bilden, bekam auch der wiedergewählte Bürgermeister von Munderfing (Bezirk Braunau). Das wäre korrekt, sei ihm in der Bezirkshauptmannschaft erklärt worden, sagt Martin Voggenberger (ÖVP) zum STANDARD. Sein Gemeinderat wird demnach mit 23 statt 25 Mandataren an den Start gehen. Wie das? Nun, die lokale FPÖ hatte zwei Kandidaten und gewann drei Mandate. Da eine blaue Kandidatin aber auf ihr Mandat verzichtet, bleiben zwei Gemeinderatssitze ungenutzt: So etwas hatten wir noch nie. Der Gemeinderat von Bad Leonfelden (Bezirk Urfahr-Umgebung) tagte übrigens in den vergangenen sechs Jahren mit 24 statt 25 Mitgliedern: Liste E.L.W.I.S hatte vier Kandidaten, aber fünf Sitze. Theo Öhlinger, dem es gefällt, wie hier die politische Realität den gesetzlichen Wahlregeln ein Schnippchen schlägt – klassische Parteien tun sich erfahrungsgemäß leichter, einen langen Wahlvorschlag personell zu besetzen –, meint jedenfalls: Hier muss der Gesetzgeber aktiv werden. Gerade für Gemeindewahlen sollte man Regelungen treffen und ein Wahlrecht schaffen, das primär auf Personen abstellt und nicht auf Parteien. Die Gemeindeebene ist dafür ein gutes Experimentierfeld. Für die vorliegenden Zu-viele-Mandate-zu-wenige-Kandidaten-Problemfälle plädiert Öhlinger vorerst für Pragmatismus: Der Gemeinderat muss jetzt einmal in der Form – um die unbesetzten Sitze verkleinert – zusammentreten, aber er sollte sich zurückhalten in seiner Tagesordnung und auf leicht verschiebbare Beschlüsse verzichten. Als juristisch sauberste Lösung wäre er eher für Neuwahlen in diesen Gemeinden. Ein Nachnominieren für ungenutzte Plätze wäre hingegen sehr problematisch. Das widerspricht dem Grundsatz der direkten, unmittelbaren Wahl. Ähnlich sieht das Werner Zögernitz, Präsident des Instituts für Parlamentarismus und Demokratiefragen: Ich kann nicht Mandatare dazuerfinden. Wenn jemand nicht auf einer Wahlliste drauf ist, dann kann er später nicht drin sein im Gemeinderat. Zögernitz sieht das Downsizing der genannten Gemeinderäte mit Personalmangel offen gesagt relativ locker, sagt er zum STANDARD: Ein Gemeinderat kann ohnehin keine Gesetze beschließen. Aber die Debatte um die unbesetzten Mandate zeige, warum es im Nationalrat so wichtig ist, dass er aus 183 Abgeordneten besteht und immer nachbesetzt werden muss, denn sonst kann eine Verfassungswidrigkeit entstehen. So widersprüchliche Dinge aber, in denen die politische Gemeinderealität nicht in den vorhandenen Gesetzen abgebildet ist, sollten Anlass sein, dass man für die Zukunft das Kommunalwahlgesetz ändert, meint der Parlamentarismusexperte: Es ist sicher vernünftig, diese Lücke rechtsstaatlich zu schließen. Beschluss soll im Dezember-Landtag erfolgen. Innsbruck – Nach Diskussionen über Mehrfachbezüge und Pensionsprivilegien geht die Tiroler Landesregierung jetzt in die Offensive. Mit einem Sonderpensionsbegrenzungsgesetzwill sie Sonder- und Zusatzpensionen von Funktionären oder Bediensteten in Landesbetrieben kürzen, wenn die Bezieher von Mehrfachpensionen über der Höchstbemessungsgrundlage liegen, berichtete die Tiroler Tageszeitung (Montagsausgabe). Ein entsprechender Gesetzesentwurf gehe jetzt in Begutachtung. Der Beschluss des Gesetzes soll im Dezember-Landtag erfolgen, hieß es in der TT unter Berufung auf die Klubobleute der Regierungsparteien ÖVP und Grüne, Jakob Wolf und Gebi Mair. Gestaffelte Kürzung geplant Mit dem Tiroler Sonderpensionsbegrenzungsgesetz würden die Firmenpensionen wie etwa beim Landesenergieversorger Tiwag gestaffelt gestutzt, sollten die Ruhestandsbezüge die monatliche Höchstbeitragsgrundlage nach dem allgemeinen Sozialversicherungsgesetz überschreiten. In die Höhe der Sonder- und Zusatzpensionen könne das Land nicht eingreifen, deshalb würden die Pensionssicherungsbeiträge erhöht. Je nach Höhe seien im Entwurf Beiträge von fünf, zehn, 20 oder 25 Prozent vorgesehen. Wolf und Mair kündigten gleichzeitig eine Änderung des Innsbrucker Gemeindebedienstetengesetzes an. Das Recht für Beamte der Stadt, nach 35 Dienstjahren mit 58 Jahren in Pension gehen zu können, sofern sie vor 1987 pragmatisiert wurden, soll fallen. Mit dieser Änderung werde man dafür sorgen, dass sich ein Fall wie jener des Tiwag-Vorstandsvorsitzenden Bruno Wallnöfer nicht wiederholen könne, meinte Mair. Der mit Jahresende in den Ruhestand tretende Wallnöfer war zuletzt wegen seiner Stadtpension heftig kritisiert worden. Seit Herbst 2006 bezieht Wallnöfer zusätzlich zu seiner Tiwag-Chefgage von zuletzt kolportierten 350.000 Euro brutto (inklusive Bonus) 14-mal im Jahr eine Pension als früherer Innsbrucker Magistratsbeamter in Höhe von rund 4.100 Euro netto. Wallnöfer betonte, er sei 34 Jahre städtischer Bediensteter gewesen (von 1972 bis 1994 im Magistrat mit teilweiser Reduktion für seine Polit-Funktionen). Mit 58 Jahren, also im Herbst 2006, erwarb er laut Gesetz den Anspruch auf die städtische Pension. Neben dem Fall Wallnöfer hatte in jüngster Vergangenheit in Tirol auch der Fall des Ex-ÖVP-LAbg. Anton Pertl für Aufregung gesorgt. Dieser legte nach Kritik an der Höhe seiner Bezüge sein Landtagsmandat zurück. Pertl war in die Kritik geraten, weil er neben seinem Abgeordnetengehalt unter anderem auch rund 9.000 Euro monatlich von der Tiwag als Zentralbetriebsratsobmann bezog. Das Land leitete inzwischen eine Überprüfung seiner Bezüge ein. Pertl dürfte mehr verdient haben, als das Bezügebegrenzungsgesetz zulässt. Innsbrucker Bischof kehrt in seine Heimat zurück. Linz – Die Übergabe ist für römische Verhältnisse durchaus rasch gegangen. Im April reichte der Linzer Bischof Ludwig Schwarz pünktlich zu seinem 75. Geburtstag das offizielle Rücktrittsgesuch bei Papst Franziskus ein. Jetzt ist die Nachfolge an der Spitze von Österreichs zweitgrößter Diözese (990.000 Katholiken) geregelt: Der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer stellt den Tiroler Bischofsstab in die Ecke und wird als 14. Oberhirte in den Linzer Bischofshof einziehen. Offiziell will man den Wechsel in der Diözese Innsbruck noch nicht kommentieren, gilt es sich doch an das Protokoll einer Bischofsernennung zu halten: Bereits Dienstag zu Mittag wird der Ministerrat die päpstliche Entscheidung absegnen, Mittwochvormittag soll dann die offizielle Bekanntgabe aus dem Vatikan folgen. Scheuer ist seit 2003 Bischof der Diözese Innsbruck. Der von seinem Naturell her besonnene Kirchenmann gilt als intellektueller Mann der Mitte – liberal und stets offen für Reformen in der Kirche. Der 60-jährige ist gebürtiger Oberösterreicher und war stets der Wunschkandidat vieler in der Diözese Linz. Der künftige Linzer Oberhirte wurde am 10. August 1955 in Haibach geboren. Er studierte in Linz und Rom Theologie und wurde 1980 in Rom zum Priester geweiht. Von 1985 bis 1988 arbeitete er als Assistent bei Gisbert Greshake an der Albert-Ludwig-Universität in Freiburg, wo er nach einer dreijährigen Unterbrechung, während der er als Spiritual am Linzer Priesterseminar tätig war, auch unterrichtete. Ehe Scheuer als Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an die Theologische Fakultät Trier berufen wurde, unterrichtete er außerdem an den Universitäten in Salzburg und St. Pölten. Die Übernahme der Diözese Linz durch Scheuer hat am Dienstag die Zustimmung der Regierung erhalten. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bestätigten dies nach dem Ministerrat. Laut Konkordat ist der Vatikan dazu verpflichtet, der Bundesregierung vor einer Bischofsernennung den Namen des Kandidaten mitzuteilen. Die Regierung kann gegen die Ernennung Gründe allgemein politischer Natur geltend machen, was sie in der Regel aber nicht tut und was auch diesmal nicht geschah. 'Großer Auftritt für die Organisatorin des Volksbegehrens, das einen EU-Austritt erzwingen will – zuhören wollte sie aber nicht. Wien – Dort, wo sonst die Minister sitzen, saß am Donnerstag Inge Rauscher. Aber nur kurz. Die erfahrene Aktivistin, die schon in vielen Bürgerinitiativen tätig war, ist diesmal als Vertreterin des EU-Austritts-Volksbegehrens eingeladen, ihre Positionen vor dem Verfassungsausschuss des Parlaments darzulegen – und wegen des Umfangs des Themas hat man den Plenarsaal des Nationalrats als Ort gewählt. Auf den Abgeordnetensitzen: die Mitglieder des Verfassungsausschusses, dahinter einige wenige Zuhörer – man hat den Saal schon voller gesehen. Auf der Regierungsbank: Staatssekretärin Sonja Steßl als Vertreterin der Bundesregierung sowie die von den Parlamentariern bestellten Experten. Und eben Inge Rauscher. Sie lässt das Besucherticket in ihrem weißen Plastiksackerl verschwinden und holt eine vorbereitete Erklärung heraus. Sie darf gleich zu Beginn des Hearings sprechen, zehn Minuten Redezeit sind ihr zugestanden. Ihre Wortmeldung nutzt sie, um die Parlamentarier (die sich als Volksvertreter bezeichnenden Abgeordneten) zu schmähen und gleichzeitig zu verlangen, dass sie, die Wutbürgerin, eigentlich mehr Zeit brauche. Weil die von ihr organisierten EU-Gegner ja das eigentliche Volk seien: Diese Sitzung soll der gesetzlich vorgeschriebenen Vorberatung der Plenardebatte des gesamten Nationalrats über dieses Volksbegehren dienen, das trotz weitgehenden Medienboykotts von 261.056 ÖsterreicherInnen unterzeichnet wurde. Jedes erfolgreiche Volksbegehren stellt die stärkstmögliche Unterstützung eines Gesetzesantrags in der jeweiligen Sache durch das Volk in direkter Willensbekundung dar, wie ihn kein anderer Gesetzesbeschluss im Nationalrat geltend machen kann. Die Erklärung, die sie im Sitzen vom Blatt liest, ist gespickt mit Anklagen gegen die massive Migrationswelle, die erst nach der Eintragungswoche des Volksbegehrens eingesetzt hat, und gegen die parlamentarische Praxis, durch die über eine Viertelmillion sehr bewusste Österreicher praktisch mundtot gemacht und entmündigt und deren Vertreter zu Statisten degradiert würden, weil die Behandlung des Volksbegehrens unnötig verschleppt würde. Vor allem aber geht es – wie schon in der Kampagne vor der Eintragungswoche im Sommer – gegen die EU, die Rauscher eine immer weniger europäische Union und eine Wirtschafts-Nato nennt. Da will sie raus. Da glaubt sie – unter Berufung auf eine im STANDARD publizierte Imas-Umfrage – 45 Prozent der Bevölkerung hinter sich zu haben. Da bricht es aus ihr heraus: Bei dieser zutiefst demokratischen Forderung geht es um nichts weniger als um die Wiedergewinnung der Substanz eines freien, selbstständigen und neutralen Österreichs in seiner Gesamtheit. Es geht um die Wiedergewinnung der Identität Österreichs in seinem inneren Zusammenhalt, um die Umkehr von der Rekord-Arbeitslosigkeit und Rekord-Staatsverschuldung durch Wiederaufbau der volkswirtschaftlichen Basis unseres Landes, nämlich der mittelständischen Wirtschaft und der Ernährungssouveränität durch unsere Bauern und damit auch um umwelt- und tiergerechtere Produktionsweisen gegenüber jenen der die EU beherrschenden multinationalen Großkonzerne Ex-Minister fühlte sich von Facebook-Posting in seiner Ehre gekränkt und klagte wegen übler Nachrede. Salzburg – Ex-Innenminister Ernst Strasser ist am Dienstag mit seiner Berufung gegen das Urteil für den Salzburger Partnervermittler Peter Treichl vor dem Oberlandesgericht Linz gescheitert. Strasser klagte Treichl wegen übler Nachrede, weil dieser ihn auf Facebook als Betrüger bezeichnet hatte. In erster Instanz wurde Treichl freigesprochen, wogegen Strassers Anwalt Michael Wukoschitz Berufung anmeldete. Das Oberlandesgericht Linz bestätigte den Freispruch aber. Hintergrund der Privatklage des Ex-Ministers war ein Posting, das Treichl am 14. Jänner auf Facebook veröffentlichte. Darin behauptete Treichl, dass Strassers Lebensgefährtin, ihm Know-how und Kunden gestohlen sowie Geld unterschlagen habe. Abschließend schrieb Treichl: Strasser und sei Freindin ... Gleich und gleich gesellt sich gern ... hot scho sein Grund warum er sitzen muss ... für mich persönlich sans beide Betrüger. Strasser, der derzeit mit einer Fußfessel eine dreijährige Haftstrafe wegen Bestechlichkeit verbüßt, fühlte sich in seiner Ehre gekränkt und wollte Schadenersatz. Einzelrichter Aleksandar Vincetic sprach Treichl in erster Instanz am 9. Juli frei mit der Begründung, Treichl habe mit dem Posting ein Werturteil und keine Tatsachenbehauptung ausgesprochen. Dieser Rechtsmeinung schloss sich am Dienstag auch das OLG Linz an und leistete der Berufung nicht Folge. Kanzler fordert einheitliche EU-Standards in der Asylpolitik. Wien – Bundeskanzler Werner Faymann hat sich am Sonntag erneut dafür ausgesprochen, die Asylstandards innerhalb der EU zu vereinheitlichen. Nur so sei eine Verteilung der Flüchtlinge EU-weit umzusetzen, sagte Faymann in der ORF-Pressestunde am Sonntag. Trotz zuletzt gesunkener Flüchtlingszahlen sieht er keinen Grund zur Entspannung: Die EU-Beschlüsse zur Krisenbewältigung seien bisher nicht umgesetzt worden. Bezüglich einer Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen könne es keine fiktive Stopptaste geben, so Faymann: Wer eine Reduktion will und wer will, dass der Satz der deutschen Kanzlerin, Wir schaffen das, auch Realität wird, der muss dafür sein (...), dass es Europa gemeinsam unternimmt: die Frage der Aufteilung, die Frage der Grenzsicherung und die gemeinsame Politik in Syrien. Eine andere Art von Obergrenze als die durch ganz konkrete politische Maßnahmen kann es nicht geben, sagte Faymann. Das Einzäunen von Österreich werde das Problem nicht lösen. Zu Kontrolleinrichtungen sage er Ja, aber: Ich habe niemandem versprochen, dass ich das Flüchtlingsproblem löse, indem ich einen Zaun um Österreich baue. Das ist ein Unsinn. (...) Und jetzt verspreche ich auch keine Stopp-Taste, auf die wir dann gemeinsam als Bundesregierung alle draufdrücken und sagen: Jetzt ist Schluss, die Leute sollen bitte wieder umdrehen, nach Hause gehen, in Frieden leben. Sondern ich verspreche, dass wir uns dafür einsetzen, dass weniger kommen, weil wir vor Ort mehr machen. Es sei noch eine Fülle zu tun: Wir haben weder die Außengrenzen gesichert, noch funktionieren die Hotspots (die geplanten Erstaufnahmezentren an den Außengrenzen, Anm.), noch funktionieren die Rückführungsregelungen. Nach der Einrichtung der Hotspots müsse gesichert sein, dass jene Flüchtlinge, die sich an einer dieser Einrichtung an den EU-Außengrenzen nicht registrieren und in ein anderes Land der EU weiterreisen (und dann aufgegriffen werden), an einen der Hotspots zurückgeführt werden. Von dort müsse die Verteilung innerhalb der EU erfolgen, so Faymann. Sollte jemand schon einem EU-Staat zugeteilt sein, und auf eigene Faust in einen anderen EU-Staat aufbrechen, dann müsse er ebenfalls in das ihm zugeteilte Land rückgeführt werden, betonte der Kanzler: Die Außengrenze soll so gesichert werden, dass jeder in unsere Aufnahmezentren muss. Wenn sich jemand vorbeischwindelt, darf er nicht belohnt werden, indem er sich selber aussucht, wo er hingeht und die anderen warten auf die Verteilung. Da würde ja der, der sich an was hält, übrigbleiben. Damit diese Aufteilung innerhalb der Union aber funktioniere, müsse man die Asyl-bedingungen europaweit vereinheitlichen, betonte der Kanzler. Einmal mehr forderte er Solidarität auch von den östlichen EU-Ländern ein. Es könne nicht die Lösung sein, dass (wie bisher) drei Staaten – nämlich Deutschland, Schweden und Österreich – den Großteil der Flüchtlinge aufnehmen: Das geht so nicht weiter, so Faymann. Bei 500 Millionen Menschen (innerhalb der EU, Anm.) schaut die Zahl von eineinhalb Millionen Menschen (die der Flüchtlinge, Anm.) gleich viel kleiner aus, als wenn man das auf drei Länder verteilt. Erneut stellte Faymann die Drohung von Kürzungen der Fördermittel für jene EU-Mitgliedsländer in den Raum, die sich in der Flüchtlingsfrage nicht solidarisch verhalten. Die ÖVP sieht in den Aussagen Faymanns zur Flüchtlingspolitik einen Schwenk in die richtige Richtung. Der Bundeskanzler-Schwenk kommt zwar verspätet, ist aber dafür umso erfreulicher, sagte Generalsekretär Peter McDonald. Die ÖVP ortet beim Bundeskanzer ein schrittweises Einbekennen, dass man die Flüchtlingsströme eindämmen müsse. Scharfe Kritik kam von der FPÖ: Faymann träumt von einer Lösung auf EU-Ebene, statt eigenverantwortlich zu handeln. Seine Träumereien werden zum finanziellen, gesellschafts- und arbeitsmarktpolitischen Albtraum für die Österreicher werden, sagte FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Vollinhaltliche Zustimmung hingegen erntete der Bundeskanzler von den Grünen. Er habe klar herausgearbeitet, dass die Herausforderung der Flüchtlingsversorgung europäisch lösbar sei, erklärte Menschenrechtssprecherin Alev Korun. Da ist ihm vollinhaltlich zuzustimmen, statt sich mit Einzäunungsfantasien in die Tasche zu lügen. Mit der koalitionären Zusammenarbeit mit der ÖVP ist der SPÖ-Chef trotz Misstönen in jüngster Vergangenheit zufrieden: Ja, wir sind unterschiedliche Parteien, sagte Faymann, aber: Wir arbeiten weit besser zusammen, als das vielen recht ist in diesem Land. Eine Aussage zur Entscheidung über einen roten Bundespräsidentschaftskandidaten ließ sich Faymann nicht entlocken. Man werde das innerhalb der SPÖ im Jänner entscheiden. Nur so viel: Ich bleibe bei meiner Aussage, dass Rudi Hundstorfer ein hervorragender Kandidat wäre. FPÖ kritisiert Ausgaben für Web-Auftritte und fordert Nutzung von Synergieeffekten. Wien – Die Kosten für die Ministeriums-Websites unterscheiden sich erheblich. Sowohl bei der Erstellung als auch bei der Betreuung gibt es enorme Schwankungen, ergaben die Beantwortungen einer Serie von parlamentarischen Anfragen der FPÖ. Der freiheitliche Abgeordnete Hermann Brückl forderte am Donnerstag gegenüber der APA, vermehrt Synergieeffekte zu nutzen. Mehr als 4 Millionen Euro sind von den Ressorts in den vergangenen Jahren für Web-Auftritte ausgegeben worden. Obwohl alle Ministerien Disziplin bei der Beantwortung der Anfragen an den Tag gelegt haben, ist ein direkter Vergleich sehr schwierig. So sticht das Landwirtschaftsministerium laut FPÖ mit rund 2,5 Millionen an Kosten für seine Website in den vergangenen drei Jahren zwar deutlich heraus. Rund 14.500 Euro hat hingegen das Verteidigungsministerium laut eigenen Angaben im selben Zeitraum für den Web-Auftritt ausgegeben. Keine einheitliche Handhabung Unterschiedliche Handhabung gibt es auch bei den Aufträgen für die Website-Wartung: Während viele Ressorts externe Firmen für Erstellung und Wartung heranzogen haben, erstellte etwa das Innenministerium seinen Auftritt vollständig intern, wie aus der Anfragebeantwortung hervorgeht. Zusätzliche Kosten fallen in mehreren Ministerien auch für diverse Service-Websites an. So betreut das Landwirtschaftsministerium als Spitzenreiter auch den Web-Auftritt des Familienministeriums sowie zahlreiche Service-Websites und etwa Statistik-Tools. Grund zur Kritik findet die FPÖ dennoch. Die externen Kosten für die Webauftritte der Ministerien müssen dringend gesenkt werden, fordert der Abgeordnete Brückl. Gerade angesichts eines Rekord-Defizits müsse die Regierung alle Sparmöglichkeiten nutzen, denn: Es ist nicht zielführend, wenn jedes Ministerium sein eigenes Süppchen kocht. Sollen an Wirtschaftsminister Mitterlehner gehen – Schieder: Lopatka soll sich aus "destruktiver Phase" befreien. Wien – ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka provoziert wieder den Koalitionspartner. Im Ö1-Morgenjournal schlug er am Freitag vor, dass die SPÖ die Arbeitsagenden abgibt und diese von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) übernommen werden. Begründet wird die Initiative von Lopatka mit der gestiegenen Arbeitslosigkeit, für die er vor allem den ehemaligen Arbeitsminister und heutigen SPÖ-Präsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer verantwortlich macht. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder forderte Lopatka daraufhin zur Sacharbeit auf. Ihn erinnert der ÖVP-Klubchef an einen Hybridpolitiker, der Regierung und Opposition in sich vereinen wolle. Lopatka solle sich aus seiner schon Monate andauernden destruktiven Phase zu befreien, denn seine Vorgangsweise sei schlecht für die ganze Regierungsarbeit. Wenn Lopatka auf dem Arbeitsmarkt etwas weiterbringen wolle, solle er auf den Wirtschaftsminister einwirken, dass dieser sich etwa bei der Entlastung der Betriebe von Bürokratie oder der Entrümpelung der Gewerbeordnung engagiert. FPÖ und Neos quittierten Lopatkas Vorstoß mit Unverständnis. Die Arbeitsmarktagenden ins schwarze Wirtschaftsministerium zu verlegen würde nichts bringen, erklärten beide Parteien in Aussendungen. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl findet, die ÖVP sei um keinen Deut besser als die SPÖ, deswegen würde auch eine Verlagerung des Arbeitsmarkt-Themas nichts am kollektiven Versagen der Regierungsparteien ändern. Neos-Sozialsprecher Gerald Loacker sah ebenfalls keine sinnhafte Debatte: Man kann doch nicht ernsthaft glauben, dass die Verschiebung von Zuständigkeiten irgendetwas an der Rekordarbeitslosigkeit ändert. Er ortete taktische Spielchen bei Lopatka. FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian zeigte sich befremdet von skurrilen Wortmeldungen Lopatkas und verwies auf die Wirtschaftskrise 2008, die den Arbeitsmarkt nachhaltig beeinflusse. Dass die Arbeitsmarktagenden bis 2008 im Wirtschaftsressort angesiedelt waren, wie Lopatka seine neueste Forderung argumentiert, ist keine Erklärung dafür, dass damals die Arbeitslosigkeit geringer war als heute. Sowohl die Präsidentschaftskandidaten von SPÖ und ÖVP als auch die Parteispitzen Werner Faymann und Reinhold Mitterlehner haben schwache Umfragewerte. Linz – Könnte der Bundeskanzler direkt gewählt werden, bekäme FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache mehr Stimmen als Amtsinhaber Werner Faymann: Strache käme (wie schon im Dezember) auf 22 Prozent der Stimmen, Faymann auf 18 und ÖVP-Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner läge etwa gleichauf mit Faymann mit 17 Prozent. Vor etwas mehr als einem Jahr, im Februar 2015, war Mitterlehner von einem doppelt so großen Anteil der Befragten ins Kanzleramt gewünscht worden. Danach ging es stetig bergab, bis zu einem Tiefpunkt im Dezember 2015 mit nur je zwölf Prozent für Faymann und Mitterlehner. Nun ist das alles Theorie, der Bundeskanzler wird ja nicht direkt gewählt. Direkt gewählt wird allerdings der Bundespräsident – und da sieht es in der aktuellen Market-Umfrage für den Standard (400 Wahlberechtigte wurden in der Vorwoche befragt, die Fragen sind in der Grafik dokumentiert) für die Kandidaten der Koalition derzeit auch nicht rosig aus. Ex-Sozialminister Rudolf Hundstorfer kommt in dieser Umfrage auf neun Prozent, ein weiteres Prozent der Befragten sagt auf Nachfrage (die jenen gestellt wird, die sich bei der Frage nach ihrer Präferenz unentschlossen gezeigt haben), dass Hundstorfer am ehesten infrage käme. Auf ähnlichem Niveau sind die Werte für den ÖVP-Kandidaten Andreas Khol: Sieben Prozent der Befragten würden aus heutiger Sicht Khol wählen, auch er gewinnt in der Nachfrage einen Prozentpunkt dazu. Das ist ein ähnliches Niveau, wie es auch Richard Lugner erreicht. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer sagt dazu: Man darf daraus nicht schließen, dass Khol und Lugner gleich schlechte Chancen haben, die Wahl zu gewinnen. Der Wahlkampf ist noch gar nicht richtig angelaufen, und man darf die Wahlkampfmaschinen von SPÖ und ÖVP nicht unterschätzen: Da werden noch viele angesprochen werden, die jetzt unentschlossen sind oder einen anderen Kandidaten bevorzugen. Auch die FPÖ wird sich im Vergleich mit den anderen Parteien schwertun, für Norbert Hofer zu mobilisieren – für die Frau Griss gilt das noch viel mehr. Die ehemalige OGH-Präsidentin Griss hat am Wochenende ihre erste Österreich-Tour in Tirol (mit Unterstützung der ÖVP-Abspalter Fritz Dinkhauser und Elisabeth Zanon) abgeschlossen. In der Market-Umfrage erreicht die Selfmade-Kandidatin 15 Prozent (keine weiteren Prozente in der Nachfrage) – das ist ähnlich gut wie der in den Rohdaten führende Grün-Kandidat Alexander Van der Bellen (17 plus 1) und der vor allem in der Nachfrage starke FPÖ-Kandidat Hofer (14 plus 4). Ob Hofer davon profitieren kann, dass die FPÖ bei der Sonntagsfrage zur Nationalratswahl (mit hochgerechneten 32 Prozent) deutlich besser in der Wählergunst liegt als die SPÖ (23 Prozent) und die ÖVP (22 Prozent)? Pfarrhofer ist da vorsichtig: Die Stärke der FPÖ ist nicht zuletzt eine Stärke der Person Strache. Strache hat in der Kanzlerfrage mehr Zulauf als Hofer in der Präsidentenfrage. Es ist schwer zu sagen, ob Hofer der FPÖ nutzt und umgekehrt – sicher ist nur, dass Van der Bellens Popularität bisher nicht auf die Grünen abfärbt – da ergibt die Hochrechnung ein Stagnieren bei 14 Prozent und neun Prozent für Eva Glawischnig in der Kanzlerfrage. Ich würde im Moment noch keine Wetten abschließen, wer letztlich in die Stichwahl kommen wird und welcher Partei der Wahlausgang letztlich nutzen wird. DER STANDARD wollte wissen, welche Kandidaten (bei möglichen Mehrfachnennungen) denn überhaupt für wählbar gehalten werden – auch dieses Ergebnis ist in der Grafik klar abzulesen: Van der Bellen (30 Prozent), Hofer (28) und Griss (26) liegen auf ähnlichem Niveau. Hundstorfer und Khol liegen mit 20 beziehungsweise 19 Prozent klar dahinter, und den Baumeister Lugner halten überhaupt nur zwölf Prozent für allenfalls wählbar. Nur etwa drei Prozent können sich derzeit vorstellen, einen anderen Kandidaten zu wählen als die immer wieder Genannten. Allerdings: Laut einem Bericht der APA hatte bis Sonntag noch keine Bewerberin und kein Bewerber die nötigen Unterschriften für eine Kandidatur beisammen. Die Bewerber der Nationalratsparteien wissen demnach nicht, wie viel Unterschriften sie bisher haben. Irmgard Griss hat gut die Hälfte, Elfriede Awadalla etwas weniger – und Richard Lugner hält es für möglich, diesmal zu scheitern. 1998 hatte Lugner die Kandidatur mit 8279 Unterschriften locker geschafft. Schwer tun sich die Steirer: Gernot Pointner hat leider bis dato noch viel zu wenige Unterschriften beisammen. Die Energetikerin Karin Kolland ortet großes Interesse an ihrer Kandidatur, nannte aber keine Zahl. Der pensionierte Richter Martin Wabl fürchtet schon jetzt, auch in seinem vierten Anlauf an den 6000 Unterstützungserklärungen zu scheitern. Scharfe Verurteilung der Brüsseler Anschläge durch Bundespräsident, alle Parteien und Islamische Glaubensgemeinschaft. Wien – Mit Entsetzen hat das offizielle Österreich auf die Terroranschläge in Brüssel reagiert. Vertreter aller Parlamentsparteien, Bundespräsident Heinz Fischer, Kardinal Christoph Schönborn sowie die Islamische Glaubensgemeinschaft verurteilten die Attacken auf die belgische Hauptstadt aufs Schärfste. Grund für Panik in Österreich sieht die Regierung nicht. Zwei Krisenstäbe wurden jedoch eingerichtet. Eine Erhöhung der Sicherheitsstufen in Österreich wurde nicht vorgenommen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) betonte, dass seit den Anschlägen in Paris auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen koscheren Supermarkt ohnehin von einer erhöhten Terrorgefährdung ausgegangen werde. Es handle sich derzeit für Österreich allerdings um eine abstrakte Gefährdung. Der Direktor des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, Peter Gridling, wollte für Österreich keine Entwarnung geben: Wir können uns da nicht ausnehmen. Die Bedrohung durch den islamistischen Terror ist hoch. Als Sofortmaßnahme nach den Brüsseler Anschlägen wurden heute die Sicherheitsvorkehrungen an den Flughäfen verstärkt. Zudem wurde die polizeiliche Präsenz an Bahnhöfen, in öffentlichen Verkehrsmitteln sowie rund um Gebäude internationaler Organisationen erhöht. Koordiniert werden die Aktivitäten von einem Krisenstab, dem Vertreter von Innen-, Außen-, Verteidigungs- und Infrastrukturministerium angehören. Zudem gibt es noch einen kleineren Krisenstab im Außenamt für konsularische Angelegenheiten. Als Zeichen der Trauer und Solidarität wurden österreichische und EU-Fahnen an Parlament, Hofburg und Kanzleramt bis morgen Abend auf Halbmast gesetzt. Das Wiener Rathaus wurde schwarz beflaggt. Bei aller Bestürzung über die Vorfälle in Brüssel wurde von praktisch allen politischen Repräsentanten betont, dass man dem Terror nicht nachgeben dürfe. Terrorismus und Angriffe auf die Zivilbevölkerung dürfen uns nicht von unserem demokratischen Weg abbringen, meinte etwa Bundespräsident Heinz Fischer. Europa müsse den Terror gemeinsam bekämpfen und seine demokratischen Werte entschlossen verteidigen, unterstrichen in einer gemeinsamen Aussendung Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zu den heimtückischen Terrorakten. In einer kurzen Erklärung zu den Brüsseler Terroranschlägen hat Faymann Belgien jede erforderliche Unterstützung Österreichs zugesichert. Gerade jetzt werde Europa enger zusammenrücken. Schließlich sei Brüssel auch als Zentrum Europas angegriffen worden. Seine kurze Ansprache leitete Faymann mit dem Satz Heute ist der Tag der Trauer ein. Der Regierungschef kondolierte Familien und Freunden der Opfer und versicherte, auch zukünftig nichts unversucht zu lassen, Attentate zu verhindern. Toleranz, Menschlichkeit, Demokratie und Solidarität würden sich nicht von feigen Taten erschüttern lassen. Europa stehe zusammen, Seite an Seite, so der SPÖ-Chef bei seiner Erklärung im Kanzleramt. Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) sprach von einem erneuten Versuch, Europa zu destabilisieren, zu spalten und seine Bürger zu verunsichern. Kardinal Christoph Schönborn appellierte an die Besonnenheit: Der Hass darf bei uns nicht siegen. Äußerst scharf reagierte die Islamische Glaubensgemeinschaft. Sie wandte sich in einer Aussendung gegen die irren Allmachtsfantasien von islamistischen Terroristen, denen nichts heilig sei: Jeder Allahu akbar-Ruf (Anm.: Gott ist größer), mit dem sie ihre Verbrechen begleiten, ist eine Gotteslästerung. Ein radikales Vorgehen gegen radikale Islamisten forderte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ein. Diese sollten notfalls auch in eigenen Gefängnissen untergebracht werden. Neos-Obmann Matthias Strolz wiederum versicherte, man werde gemeinsam zueinanderstehen – in Freiheit, Gleichheit, Geschwisterlichkeit. Grünen-Bundessprecherin Eva Glawischnig betonte: Wir lassen uns die demokratischen Werte in Europa und unsere errungenen Freiheiten nicht von Hass und Terror nehmen. Von Team-Stronach-Klubchef Robert Lugar kam der Appell, dem feigen Terror nicht zu weichen. Seit 2004 sind die Einnahmen der Kammern um 45 Prozent auf 403 Millionen Euro gestiegen. 403 Millionen Euro – so viel haben die neun Arbeiterkammern Österreichs im Jahr 2014 aus der Kammerumlage eingenommen. In den vergangenen zehn Jahren sind die Einkünfte um 45 Prozent gestiegen. Das geht aus Zahlen des Sozialministeriums hervor, die eine parlamentarische Anfrage der Neos zutage gefördert hat. Zum Vergleich die Inflation: Die Preise sind im gleichen Zeitraum um 23 Prozent gestiegen. Woher kommt dieser Zuwachs? Die Einkünfte der Arbeiterkammer sind an die Zahl der Beschäftigten gekoppelt. Jeder Arbeitnehmer liefert automatisch ein halbes Prozent seines Bruttoeinkommens ab. Steigt die Zahl der Beschäftigten, steigen die Einkünfte der AK. Mit 101 Millionen Euro hat die Arbeiterkammer Wien im Vergleich zu allen anderen Landesarbeiterkammern am meisten aus Mitgliedsbeiträgen eingenommen. Ihr kommt eine Sonderrolle zu, weil sie auch die Geschäfte der Bundesarbeitskammer übernimmt. Dafür liefern die Landesarbeiterkammern drei Prozent ihrer Jahreseinkünfte ab. Sie hat so auch die höchsten Personalkosten zu stemmen: 49 Millionen Euro gibt die Arbeiterkammer Wien für ihre 587 Vollzeitangestellten aus. Insgesamt stehen in Österreich 2.612 Personen auf der Gehaltsliste der Arbeiterkammern. In den vergangenen zehn Jahren hat sich der Personalstand nicht drastisch verändert. Er ist seit 2004 um neun Prozent oder 217 Vollzeitstellen gestiegen. Die Unterschiede von Bundesland zu Bundesland sind dabei deutlich: Während die Arbeiterkammer Salzburg jede zehnte Vollzeitstelle abgebaut hat, ist der Personalstand der Arbeiterkammer Tirol um 50 Prozent gestiegen. Trotz der moderaten Personalzunahme sind die Ausgaben dafür insgesamt um 45 Prozent auf 190,4 Millionen gestiegen. Das ist mit jährlichen Erhöhungen des Kollektivvertrages und automatischen Gehaltsvorrückungen erklärbar. Aus den Zahlen geht auch hervor, dass die AK noch länger für ihre Altpensionisten zahlen wird. Der jährliche Pensionsaufwand lag bei 22,7 Millionen Euro, gleichzeitig wurden auch personalabhängige Rückstellungen im Ausmaß von 135 Millionen gebildet. Für Neos-Abgeordneten Gerald Loacker steht fest, dass die Arbeiterkammerumlage gesenkt werden muss. Seine Anfrage, ob die Regierung im Rahmen der Steuerreform darüber geredet habe, blieb unbeantwortet. Neben der Abschaffung der verpflichtenden Mitgliedschaft und der Einführung eines freiwilligen Modells will der Abgeordnete mehr Transparenz auf dem Lohn- und Gehaltszettel und die AK-Umlage ausweisen. Die Wahl zum Bundespräsidenten, einfach erklärt: Der Verein Leicht Lesen übersetzt komplizierte Politiksprache. Wer alt ist, braucht nicht mehr arbeiten gehen. Dann bekommt man Geld vom Staat. Das Geld kommt von allen Menschen, die arbeiten gehen. Drei Sätze erklären das Wort Pension. Der Begriff Jurist/Juristin braucht sieben Sätze – dafür bleiben nach der Lektüre keine Fragen offen. Die Bundespräsidentschaftswahl, leicht verständlich erklärt: Das bietet der Wiener Verein Leicht Lesen in Kooperation mit der Lebenshilfe Wien. Alle Informationen sind online abrufbar. Auf 56 DIN-A4-Seiten bieten Leicht-Lesen-Gründerinnen Maria Seisenbacher und Elisabeth Laister kompakte Infos zum Wahlvorgang und zu den Eckpunkten der Kandidatenprogramme. Das ist keine Liebhaberspielerei, sondern staatliche Aufgabe: Österreich hat sich in der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen dazu verpflichtet, Informationen frei zugänglich zu machen. Auf Wahlen umgelegt heißt das: Auch Wahlberechtigte mit kognitiven Einschränkungen müssen sich die wichtigsten Infos zu Urnengängen ohne fremde Hilfe beschaffen können. Österreich hat sich verpflichtet, dieses Recht ab dem Jahr 2020 zu gewährleisten. Seisenbacher und Laister füllen einstweilen diese Lücke. Förderungen erhalten sie dafür nicht. Rund 64.000 Wahlberechtigte haben laut Schätzungen des Sozialministeriums eine Lernschwäche oder geistige Probleme. Die Gesamtzahl aller Wahlberechtigten, die mit den kompliziert formulierten Informationen nicht umgehen können, liegt aber wohl darüber. Leichte Sprache folgt fixen Standards: Kurze Sätze, nur ein Gedanke pro Satz, keine Fremdwörter, außerdem eine Schriftgröße von mindestens 14 Punkt und einfach lesbare Schriftarten. Texte in dieser Sprache zielen somit auch auf Menschen mit Sehbeeinträchtigungen ab. Jede Übersetzung besteht aus zwei Teilen, aus der Übertragung in die einfachere Sprache und aus der Abnahme durch eine Prüfgruppe. Ein Text gilt erst dann als fertig übersetzt, wenn er von mehreren Betroffenen gegengelesen wurde. Im Fall der Bundespräsidentschaftswahl-Broschüre bestand die Prüfgruppe aus Menschen mit Lernschwierigkeiten, die auf unverständliche Passagen hinwiesen und Korrekturen vorschlugen. Je abstrakter und schwammiger ein Text, desto schwerer sei er zu übersetzen, so die Expertinnen. Von allen Hofburgkandidaten habe Norbert Hofer (FPÖ) den Übersetzerinnen das größte Kopfzerbrechen bereitet, sagt Seisenbacher: Hofer verwende viele Begriffe, unter denen jeder etwas anderes versteht, wie etwa Kultur oder Tradition. Zudem seien einige dieser Begriffe emotional stark aufgeladen. Etwa der Begriff der Wirtschaftsflüchtlinge: Man muss den Begriff zuerst objektiv erklären, darf aber auch nicht verschweigen, für welche Konflikte er sorgt. Leichte-Sprache-Texte richten sich auch an Menschen mit Deutsch als Zweitsprache, deren Sprachkenntnisse für kompliziertere Texte noch nicht ausreichen. Je nach Adressatenkreis eines Textes wird auch die Prüfgruppe variiert: Übersetze man beispielsweise Infos für Flüchtlinge, setze sich auch die Prüfgruppe aus Flüchtlingen zusammen. So können auch kulturelle Missverständnisse vermieden werden. Wobei Leichte Sprache kein Ersatz für Standardsprache sei, sondern eine Ergänzung, betont Laister. Für viele sei sie ein Anreiz, sich überhaupt hinzusetzen und zu lesen. Kanzler hält an Asylobergrenze fest, Notstandsverordnung soll bei Erreichen in Kraft treten. Wien – Bundeskanzler Christian Kern will Flüchtlingen rascher einen Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir das beschleunigen können, sagte der designierte SPÖ-Vorsitzende im STANDARD-Interview. Mir ist schon bewusst, dass das angesichts der Arbeitsmarktlage im Moment eine weitere Belastung bringt. Man müsse aber mit der Integration so früh wie möglich beginnen. Das deutsche Modell, gemäß dem Flüchtlinge bereits drei Monate nach dem Stellen ihres Asylantrags und nicht erst nach dessen Anerkennung einen Job annehmen dürfen, bezeichnete Kern als interessant. Die mit dem Koalitionspartner getroffene Vereinbarung bezüglich der Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen will Kern einhalten. Wir würden einen großen Fehler machen, das wieder aufzuschnüren. Bei Erreichen der Obergrenze spätestens im September würde die Notstandsverordnung greifen. Darüber werde gerade mit der ÖVP verhandelt. Eine Reduktion der Mindestsicherung für Ausländer lehnt Kern dagegen klar ab. Der Kanzler geht davon aus, dass der SPÖ-Parteitag den Beschluss, es dürfe keine Zusammenarbeit mit der FPÖ geben, revidieren und einen Kriterienkatalog für den Umgang mit anderen Parteien formulieren werde. STANDARD: Sie haben nach der Bundespräsidentenwahl gesagt: Wir haben das verstanden. Was heißt das genau? Kern: Wir müssen die Problemlagen genau anschauen und Lösungen dafür produzieren. Das Dilemma ist ja, dass wir einerseits eine Analyse haben, bei der wir uns sehr schnell finden. Die bezieht sich auf Investitionsschwäche, eine Nachfrageschwäche in der Wirtschaft, daraus resultierend ein Problem mit Arbeitslosigkeit, daraus resultierend ein Problem mit Wirtschaftswachstum und Inflation. Es gibt einfach ein paar objektive Baustellen, die man einmal konkret analysieren und benennen muss, dann muss man versuchen, so rasch als möglich Lösungen zu finden. Das Zweite, was wir auch verstanden haben, ist, dass wir politische Positionen, die wir für richtig halten, auch öffentlich argumentieren müssen. Ich teile die Analyse der Unzufriedenheit und glaube zu wissen, woher diese Unzufriedenheit kommt. Aber es war schon bemerkenswert, dass sich der Protest in eine Richtung entladen hat, bei der Probleme erst recht nicht zu lösen sind. Was wir erlebt haben, sind politische Konzeptionen, die Österreich nicht nur auf den Pannenstreifen führen, sondern direkt in die Schredderanlage. Dem muss man eine konkrete Politik entgegensetzen und andererseits die Auseinandersetzung mit politischen Lösungsvorschlägen suchen, die in Wahrheit nur Scheinlösungen sind. STANDARD: Was hat für Sie jetzt Priorität? Kern: Das Erste ist das Thema Wirtschaftsstandort, Arbeitsmarkt und Beschäftigung. Das halte ich für das wichtigste Bündel. Wir haben nicht so sehr ein Problem in der Analyse oder in der Maßnahmenentwicklung. Das Problem ist die Umsetzung, daran mangelt es. STANDARD: Bis wann soll der New Deal stehen? Bis Herbst? Kern: Das ist das Ziel, wobei ich meine, dass wir nicht bis Herbst warten können. Wir werden eine Reihe von Maßnahmen schon vorher vorschlagen. Aber mit der Frage, wie Österreich 2025 aussehen soll, werden wir gut beraten sein, einen ein bisschen längeren Nachdenkprozess zu haben. STANDARD: SPÖ und ÖVP haben sich in der Bildungspolitik in den vergangenen Jahren blockiert. Welche konkreten Reformschritte planen Sie? Die SPÖ hat zuletzt ganz vehement die Gesamtschule gefordert. Ist das auch Ihr Anliegen? Kern: Wir müssen uns von Dogmen trennen. Das muss in allererster Linie im Bildungsbereich passieren, und das gilt für alle Seiten. Bildungs- und Innovationspolitik sind auch die beste Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. Das steht außer Streit. Aber wenn ich mich jetzt nach wenigen Tagen im Amt hinstellen und Ihnen erklären würde, dass wir bereits für alle Probleme Lösungen haben, dann wäre das Scharlatanerie. Wir brauchen keine hundert Tage, aber ein bisschen mehr als hundert Stunden. STANDARD: Sie verstehen sich offensichtlich ganz gut mit dem Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Hat er Ihnen schon Bewegung angedeutet? Kern: Nicht nur angedeutet. Es ist uns beiden bewusst, dass wir hier spürbare Fortschritte brauchen. Wir haben da gar keine Wahlmöglichkeit. Wenn Sie sich den Vertrauensverlust anschauen, der hier eingetreten ist, dann geht es nur noch um die Frage, ob wir hier gegensteuern oder ob wir dem Prozess der Auflösung zuschauen. Letzteres werden wir ganz sicher nicht tun. Ich glaube auch, dass wir sehr schnell wieder zu deutlich mehr Zustimmung der Wähler kommen. Das ist meine Haupterkenntnis aus der Bundespräsidentenwahl. Eine Spaltung halte ich für eine falsche Analyse. Der Wählermarkt wird bunter. Die Leute sind bereit, ihre Positionen gegenüber Kandidaten und Inhalten anzupassen. Und das ist eine Riesenchance. Nicht nur für die FPÖ, sondern auch für uns. Der Protest hat sich in eine Richtung entladen, bei der keine Lösungen angeboten, sondern Zustände verschlechtert werden. Das herauszuarbeiten, halte ich für ganz wichtig: diese Argumentation zu führen, das klarzumachen. Dieser Kampf um die Hegemonie im Land hat mit dieser Bundespräsidentenwahl erst richtig begonnen. STANDARD: Wird es einen Kriterienkatalog für den Umgang mit anderen Parteien geben, wie Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser das vorgeschlagen hat? Kern: Ich halte das für sehr vernünftig. Das, was wir derzeit in den Umfragen haben, muss längst nicht das Limit für eine SPÖ sein. Wir müssen den Führungsanspruch mit sozialdemokratischen Ideen in modernem Gewand stellen. Danach werden wir eine Situation haben, dass sich die anderen an uns zu orientieren haben. Dann werden wir definieren, was Kriterien sind, die jemand erfüllen muss, der mit uns zusammenarbeiten will. Dazu gehört ein klares Bekenntnis zu Europa, ein klares Bekenntnis zu Patriotismus versus Chauvinismus, und da gehört der Kern der Vranitzky-Theorie dazu, nämlich dass wir nicht mit Parteien zusammenarbeiten, die gegen Minderheiten hetzen oder die Menschen aufgrund von Kultur, Herkunft, Vornamen diskriminieren. Das ist ein No-Go. Wenn Sie jetzt fragen, ob die FPÖ in der heutigen Form jemand ist, der diesen Katalog erfüllt, dann würde ich sagen: Das glaube ich nicht. STANDARD: Auf Bundesebene. Kern: Auf Bundesebene. Auf Gemeindeebene ist es, wie wir wissen, längst anders. STANDARD: Wird der Beschluss, nicht mit der FPÖ zu koalieren, offiziell fallen? Kern: Ich gehe davon aus, dass das der Vorschlag sein wird, weil der Beschluss bei weitem die Realitäten nicht mehr abbildet, weder auf Gemeinde- noch auf Länderebene. Das heißt, der Beschluss ist in Wahrheit schon gefallen. STANDARD: In der ÖVP meinen manche, Kern wird den Zauber des Neubeginns nutzen, um die guten Umfragewerte noch etwas besser werden zu lassen, und dann von sich aus vorzeitig in Neuwahlen gehen. Kern: Als ich mich entschlossen habe, das zu tun, war meine Einschätzung immer glasklar, dass sich in diesem Land etwas zum Besseren wenden muss. Wenn man anfangen würde, auf Umfragewerte zu schielen oder taktische Spielchen zu beginnen, ist man denkbar schlecht beraten. Die Periode läuft bis Ende 2018. Wir sollten bis zum letzten Tag versuchen, Dinge voranzubringen. STANDARD: Sie bekommen nun ein neues Gegenüber in der Hofburg, wird es da auch eine neue Form der Zusammenarbeit geben? Kern: Ich habe Van der Bellen gewählt. Das ist aus meiner Sicht eine erfreuliche Wahlentscheidung gewesen. Van der Bellen hat einen Politikansatz, der ähnlich ist wie unserer. Van der Bellen steht für eine positive Politik, er steht für eine Politik der Chancen, er steht für eine Politik der Hoffnung und nicht für eine Politik der Verzweiflung und der Abwertung von Minderheiten. Insofern gibt es einmal einen Wertekonsens, der uns verbindet. STANDARD: In Deutschland darf ein Flüchtling schon drei Monate nach einem Asylantrag arbeiten. Wäre das eine Regelung, die man hier auch umsetzen soll? Kern: Wir müssen gemeinsam überlegen, wie wir das beschleunigen können. Wir können kein Interesse daran haben, die Leute in die Illegalität zu drängen, der Kleinkriminalität auszusetzen, ihnen keine Beschäftigung zu geben. Die Menschen sind da. Wenn wir ihnen keine Perspektive geben, dann werden wir Phänomene produzieren, die wir erst recht nicht wollen. Man muss sich ganz genau anschauen, wie man den Flüchtlingen am Arbeitsmarkt, auch im Rahmen der Bildung und im Rahmen der Gesundheit, eine Perspektive geben kann. Mir ist schon bewusst, dass das angesichts der Arbeitsmarktlage im Moment eine weitere Belastung bringt, das ist ganz klar. Aber wir müssen uns die Frage stellen, welchen Preis das hat, wenn wir diese Frage nicht positiv beantworten. Und dann wird man eine Abwägung vorzunehmen haben. Aber es ist klar, dass wir, wenn die Menschen hier sind, gut beraten sind, mit der Integration so früh als möglich zu beginnen. STANDARD: Im August, spätestens im September wird die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen erreicht sein. Was passiert dann mit den Menschen, die noch an die Grenze kommen? Kern: Die entscheidende Frage ist, wie viele Menschen wir bei uns aufnehmen können. Die Einschätzung ist bisher gewesen, dass das die 37.500 sind. Das ist ein Richtwert. Das ist sinnvoll, ich will auch an diesem Richtwert festhalten. Alles, was bislang beschlossen worden ist, erfährt meine vollumfängliche Unterstützung. Wir würden einen großen Fehler machen, das wieder aufzuschnüren. Die 37.500 sind der Richtwert, zu dem wir stehen und den wir auch einzuhalten gedenken. STANDARD: Und dann tritt die Notstandsverordnung in Kraft? Kern: Das verhandeln wir gerade mit der ÖVP. Die Notstandsverordnung ist das äußerste Mittel, das zur Verfügung steht. Wenn wir das machen, muss es auch funktionieren. Dann stellt sich die Frage, wie die Asylverfahren zu handhaben sind, um den Zufluss nach Österreich zu reduzieren. Es müssen auch enorme Anstrengungen gesetzt werden, um die Rückführungen möglich zu machen. Das muss funktionieren. Es hat keinen Sinn, wenn wir sagen, wir schicken die abgelehnten Asylwerber zurück, und haben keinen Weg, wie das gehen kann. STANDARD: Die ÖVP fordert eine Deckelung für den Bezug der Mindestsicherung und einen reduzierten Zugang für ausländische Staatsbürger, also für Flüchtlinge. Was ist denn da Ihre Position? Kern: Wir sind sehr gut beraten, ein stabiles Netz der sozialen Sicherheit aufzubauen. Eine Deckelung der Mindestsicherung kommt für uns nicht infrage. Ich will da keine Dogmen formulieren. Aber wenn man sich die Zahlen anschaut, um die es da geht, dann ist das keine Überdotierung. Da hängt keiner in der Hängematte drinnen. STANDARD: Sollen Ausländer anders behandelt werden als Inländer? Kern: Ich würde eine Differenzierung nicht wollen. Es gibt einen Asylstatus. Wir können die Menschen, die das Asylverfahren absolviert haben, nicht als Bürger zweiter Klasse behandeln. Da schaffen wir uns die nächsten sozialen Probleme. Die spannendere Frage wird allerdings sein, wie wir langfristig die Finanzierung sicherstellen und wie wir eine wirtschaftliche Dynamik sicherstellen, damit möglichst wenige Leute die Mindestsicherung beanspruchen müssen. (Alexandra Föderl-Schmid, Michael Völker, 24.5.2016) Erste Auslandsreise führt den Kanzler in die Schweiz – Merkel, Hollande und Renzi bei Jungfernfahrt durch längsten Bahntunnel der Welt – EU-Spitzen zeigen Eidgenossen die kalte Schulter. Berlin – Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) reist am Mittwoch zur Eröffnung des Gotthard-Eisenbahntunnels in die Schweiz und wird dort zum ersten Mal auch seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel treffen. Dies verlautete am Montag aus Diplomatenkreisen in Berlin. Ein offizieller Besuch in Berlin kommt jedoch frühestens in der zweiten Juli-Hälfte zustande, hieß es. Die Regierungszentralen in Wien und Berlin suchen noch nach einem passenden Termin für den Antrittsbesuch des dienstjüngsten EU-Regierungschefs bei der dienstältesten EU-Regierungschefin. Merkel ist in der ersten Juni-Hälfte durch Auslandsreisen und feste Inlandstermine nicht verfügbar. Mitte Mai hatte sie Bundespräsident Heinz Fischer empfangen, der ihr bei seinem Abschiedsbesuch in Berlin unter anderem vom Kanzlerwechsel berichtete. Kerns Vorgänger Werner Faymann (SPÖ) galt in der Flüchtlingskrise als engster Verbündeter der deutschen Kanzlerin, stieß diese aber im Jänner durch einen Kurswechsel vor den Kopf. Merkel übte daraufhin offene Kritik an der österreichischen Entscheidung, in Abstimmung mit den Staaten des Westbalkans den Flüchtlingsstrom an der mazedonisch-griechischen Grenze zu stoppen. Kern distanzierte sich von einer Abschottungspolitik nach ungarischem Vorbild, bekannte sich aber zu den umstrittenen Verschärfungen der Asylgesetze. Mit Spannung wird erwartet, welchen Ton Merkel ihm gegenüber anschlagen wird. Die Eröffnung des längsten Bahntunnels der Welt am Mittwoch könnte auch zu einem kleinen EU-Gipfel werden. Merkel, der französische Präsident Francois Hollande und der italienische Ministerpräsident Matteo Renzi werden zu den Staatsgästen zählen, die als erste durch den 57 Kilometer langen Basistunnel zwischen Erstfeld im Kanton Uri und Bodio im Tessin fahren werden. Spitzenvertreter der EU-Institutionen wie Ratspräsident Donald Tusk oder Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker haben die Schweizer Einladung jedoch ausgeschlagen, berichtete die Neue Zürcher Zeitung. Die Beziehungen zwischen Bern und Brüssel sind gespannt, weil die Schweizer Stimmbürger vor zwei Jahren für eine Deckelung der Personenfreizügigkeit für EU-Bürger gestimmt haben. Sollten dieses Volksvotum umgesetzt werden – eine entsprechende Frist läuft kommendes Jahr aus – will die EU die Schweiz vom gemeinsamen Binnenmarkt ausschließen. Kanzler und Vizekanzler treten nach dem Ministerrat vor die Medien. Wien – Nach dem Ministerrat am Dienstag traten Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) vor die Medien. Noch vor dem Sommer will die Regierung ein Paket für Start-Ups präsentieren und auch im Bildungsbereich eine Initiative vorlegen, erklärte Kern. Laut Mitterlehner sieht die Regierung vor allem bei der Gewerbeordnung Spielraum, um den Einstieg ins Unternehmertum zu vereinfachen. Kern sprach sich auch für Effizienzsteigerungen bei den Sozialversicherungen aus. Bezüglich der Unregelmäßigkeiten bei der Präsidentschaftswahl warnte er davor, die Misstrauen gegenüber der demokratischen Institutionen zu schüren. Bundesmittel sollen laut Kurz in den kommenden Jahren vervierfacht werden. Alle Kinder sollen bei Schuleintritt "Unterricht in deutscher Sprache folgen" können. Ein hier gerngesehener Freund, wie Landeshauptmann Günther Platter sagt, ist derzeit auf Tirol-Besuch: Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (beide ÖVP) kam am Mittwoch für ein Arbeitsgespräch vorbei. Und das mit dem Freund, das sage er nicht leichtfertig, ergänzte Tirols Landeschef auf der gemeinsamen Pressekonferenz. Sprache ist die Basis für gelungene Integration, waren sich dann auch beide einig und verkündeten eine Verlängerung der Bund-Länder-Vereinbarung zur sprachlichen Frühförderung von Kindern. In den kommenden drei Jahren will der Bund dafür 60 Millionen Euro zur Verfügung stellen, weitere 30 Millionen Euro kommen von den Ländern. Das ist eine Vervierfachung der Bundesmittel, sagt Kurz. Besser früh investieren als später teuer reparieren. Das Ziel ist, dass alle Kinder, wenn sie in die Schule kommen, schon so gut Deutsch sprechen, dass sie dem Unterricht folgen können. In Tirol läuft bereits seit dem Jahr 2008 ein Projekt zur sprachlichen Frühförderung im Kindergarten. Die Drei- bis Sechsjährigen stehen besonders im Fokus, weil da das Erlernen der deutschen Sprache am leichtesten ist, sagt Platter. Nach Angaben des Landes sind in Tirol derzeit in 450 Kindergärten ausgebildete Sprachförderpädagogen im Einsatz. Pilotprojekt im Betriebskindergarten des Innenministeriums zum Thema Grundrechte. Wien – Der Kasperl hat’s auch nicht leicht. Eigentlich will er nur seine Großmutti besuchen. Aber erst muss er durch den unheimlichen Finsterwald, dann kommt er auch noch in Konflikt mit dem dubiosen Wächter Heimlich, der nichts weniger ist als der Erfüllungsgehilfe des üblen Zauberers Unerbittlich. Der verbietet dem Kasperl sein Lieblingslied und jeglichen Widerspruch. Der Kasperl muckt auf und landet im Gefängnis – wo übrigens auch sein Freund Pezi und ein nicht näher definierter Kollege mit blauem Fell schmachten. Zum Glück gibt es die gute Fee Amnestia, die alle befreit und den Zauberer bekehrt, dass man so nicht mit Menschen umspringen darf und Vielfalt super ist. Schluss, Verbeugung, tosender Applaus des Publikums. Das Kasperltheater, das gerade etwa 20 Kleinkinder im Betriebskindergarten des Innenministeriums (BMI) gebannt verfolgt haben, hat einen höheren moralischen Zweck: Den Kleinen sollen auf diese Weise spielerisch die Menschenrechte nähergebracht werden. Sie sei stolz, ein solches Pilotprojekt zu starten, meint Johanna Eteme, die Leiterin der Abteilung Grund- und Menschenrechte im Ministerium. Die Initiative ging vom Innenressort aus, unterstützt wird sie vom Kindergartenbetreiber Kinder in Wien (Kiwi), wo man sich vorstellen kann, dass wir das auch auf die anderen Kiwi-Kindergärten ausweiten, sagt Kiwi-Chefin Monika Riha. Bei Kiwi sieht man dieses Pilotprojekt als Erweiterung des Faustlos-Schwerpunkts, wo Kleinkinder lernen sollen, ihre Konflikte ohne Gewalt auszutragen – und als einen Beitrag zur Lösung der aktuellen Flüchtlingskrise. Die Handlung des Stücks und die falschen Werte des bösen Zauberers werden in der Folge mit den Kindern bearbeitet. Abteilungsleiterin Eteme bespricht mit den Kindern in den darauffolgenden Tagen die Moral der Geschichte. Gemeinsam werden die Themenbereiche Anderssein, Vorurteile, Gleichberechtigung und Toleranz in Bildern festgehalten. Die Werke der Kindergartenkinder sollen versteigert werden, der Erlös kommt einer NGO zugute, die sich um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge kümmert. Das Theaterstück wurde von der unabhängigen Menschenrechtsexpertin Gudrun Rabussay-Schwald gestaltet und gespielt, es ist keine Premiere, sondern wurde schon öfter aufgeführt, etwa im Rahmen von Amnesty-International-Veranstaltungen. Neu ist dagegen der Austragungsort Kindergarten. Besonders wichtig: Kasperl, Großmutti, die gute Fee, aber auch der böse Zauberer und der Wächter kommen nach Vorstellungsende vor den Vorhang. Die Handpuppen treten mit den Kindern in Interaktion, schütteln die Hände oder geben sogar Bussi. Auch der böse Zauberer, der eigentlich nur geliebt werden will, bietet sich zum Streicheln an und verspricht, künftig netter zu sein. Nicht alle im Betriebskindergarten des Innenministeriums scheinen ihm die plötzliche Wandlung abzunehmen. Sperrt ihn ein!, fordert ein Bub. Am Ende gelingt es dem Kasperl dann doch, dengestrengen jungen Mann umzustimmen (stu., 9.9.2015) Raumbedarf im Ausmaß von 7000 Quadratmetern. St. Pölten – Die Fachhochschule St. Pölten soll weiter ausgebaut werden. Der Raumbedarf wird laut einer Aussendung auf 7000 Quadratmeter Nettogeschoßfläche geschätzt, das sei etwa die Hälfte des derzeitigen Gebäudes. Es wird eine Machbarkeitsstudie erstellt, die Erweiterung sollte bis zum Wintersemester 2018 oder 2019 realisiert werden. Seit dem Jahr 2007 stieg die Anzahl der Studierenden von 1300 auf 2400 und werde sich bis zum Studienjahr 2018/2019 auf 2900 bzw. in den Folgejahren auf über 3000 erhöhen. Neben der Lehre wurden auch die Bereiche Forschung und Wissenstransfer nachhaltig entwickelt, das Projektvolumen wurde von 437.000 Euro im Jahr 2007 auf 1,8 Mio. Euro ausgebaut. Da die Kapazität nicht mehr ausreichte, wurden als Übergangslösung neben Büroraum-Containern Räumlichkeiten im Businesszentrum St. Pölten (BIZ) und in der Herzogenburgerstraße 68 angemietet. In St. Pölten wird praxisbezogene Hochschulausbildung in den Bereichen Medien & Wirtschaft, Medien & Digitale Technologien, Informatik & Security, Bahntechnologie & Mobilität, Gesundheit und Soziales angeboten. Heinisch-Hosek sieht keine gravierenden Probleme mit Flüchtlingskindern. Wien – Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) kann sich auch größere Gesamtschul-Testregionen vorstellen. Sie stehe zwar weiter zu der Einigung der Bildungsreform-Arbeitsgruppe über die Maximalgröße von 15 Prozent der Schüler bzw. Schulen in einem Bundesland. Einer breiten parlamentarischen Bewegung hin zu einem Mehr werde sie sich aber nicht verschließen. Die Umsetzung der Eckpunkte der Bildungsreform werde in einer politischen Steuerungsgruppe, die auf ÖVP-Seite Staatssekretär Harald Mahrer und Familienministerin Sophie Karmasin sowie auf SPÖ-Seite Staatssekretärin Sonja Steßl und die Bildungsministerin umfasst, vorbereitet. Ein erster Teil einer großen Schulrechtsnovelle betrifft laut Heinisch-Hosek die Neugestaltung des Überganges zwischen Kindergarten und Volksschule. Bisher war etwa die Weitergabe von Informationen zwischen Kindergarten und Volksschule nicht überall gestattet. Schon im Herbst 2016 soll hier die Zusammenarbeit neu geregelt werden. Die Gesetze würden bis Juni oder Juli im Nationalrat beschlossen. Aufgrund der Neuregelung der Behördenstruktur benötige man dafür eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat. Die Stimmen der Regierungsparteien alleine reichen auch für die Schaffung der Möglichkeit zur Errichtung von Modellregionen für die gemeinsame Schule der Sechs- bis 14-Jährigen nicht aus. Der nunmehrige Plan, dass eine solche Region nur 15 Prozent der Schulstandorte und Schüler in einem Bundesland umfassen darf, stieß aber nicht nur bei den Grünen als möglichem Mehrheitsbeschaffer auf Kritik, sondern auch in Teilen der SPÖ und der ÖVP. Positiv wertet die Ministerin, dass sich die ÖVP zum ersten Mal seit langer Zeit in Richtung späterer Trennung von Kindern bewege. Ein wiederkehrendes Problem im Bildungsministerium ist das strukturelle Budgetdefizit, das unter anderem dadurch entsteht, weil die Bundesländer mehr Lehrer anstellen, als es die Stellenpläne vorsehen, das Ministerium diese dann aber im Rahmen des Finanzausgleichs bezahlen muss. Mit Sparmaßnahmen in ihrem Ressort allein könne man diese Schieflage – heuer ungefähr 340 Millionen Euro – jedenfalls nicht in den Griff bekommen. Das alleine zu stemmen wäre zu viel verlangt, da fast unser gesamtes Budget in Fixausgaben gebunden ist und ich nicht vorhabe, irgendeine Reform zurückzunehmen. Es wird daher eine gemeinsame Anstrengung der Bundesregierung brauchen, um hier Ordnung zu schaffen, sagte Heinisch-Hosek. Von der in der Bildungsreform geplanten einheitlichen Verrechnung aller Lehrer verspricht sich Heinisch-Hosek vor allem Transparenz. In weiterer Folge könne man vielleicht auch Doppelgleisigkeiten abbauen, die wir hier zentral bisher nicht sehen. Ich unterstelle aber nicht, dass das bisher missbräuchlich verwendet wird, erklärte die Ministerin, die in dem Zusammenhang noch keinen konkreten Einsparungsbetrag beziffern kann. Eine zusätzliche neue Herausforderung im Schulsystem ist die Integration schulpflichtiger Flüchtlingskinder, deren Gesamtzahl mittlerweile bei 8500 bis 9000 liegt. Das sei verkraftbar, da der Anteil zusätzlicher Schüler noch unter einem Prozent der Gesamtschülerzahl liege. Migrations- und Bildungsforscherin Barbara Herzog-Punzenberger über religiöse Sektierer und soziale Segregation in privaten Bildungsstätten. STANDARD: Um die islamischen Kindergärten ist eine heftige Debatte ausgebrochen – ausgelöst durch eine Studie, die Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) bei Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik an der Uni Wien, in Auftrag gegeben und schon im Stadium der Vorstudie veröffentlicht hat. Es geht um Missionierungs- und Abschottungsvorwürfe gegenüber einigen islamischen Kindergärten in Wien. Was leiten Sie aus dieser Debatte ab? Herzog-Punzenberger: Österreich ist bekannt für seine religionsfreundliche Haltung im Schulwesen – es dürfen nicht nur alle anerkannten Religionsgemeinschaften Religionsunterricht in der öffentlichen Schule anbieten, sondern die Religionspädagoginnen und -pädagogen werden sogar vom Staat bezahlt. So weit, so gut. Was aber bis zum Ende des verpflichtenden Schulbesuchs eine viel grundsätzlichere Frage darstellt, ist die der Trägerschaft von Bildungseinrichtungen. Und das berührt die sehr grundsätzliche Auffassung vom Verhältnis zwischen privaten und öffentlichen Bildungseinrichtungen in der Phase der sekundären Sozialisation, also während der soziokulturellen Integration jedes Kindes und Jugendlichen in die Gesellschaft. STANDARD: Die islamischen Kindergärten stehen ja nur exemplarisch für den gesamten Sektor der privaten Einrichtungen, die es neben dem öffentlichen Angebot gibt. Herzog-Punzenberger: Ja, und dabei gilt es mindestens zwei Dimensionen zu bedenken: die Sozialisation des einzelnen Kindes und die Zusammensetzung der Kinder – und damit ihrer Familien in jeder dieser Einrichtungen. Während die primäre Sozialisation eines Kindes in der Familie stattfindet und sozusagen die Grundausstattung an emotionalen, sozialen und kognitiven Fähigkeiten erbringt, sind außerfamiliäre Institutionen für die Integration jedes Individuums in die moderne, plurale Gesellschaft verantwortlich. Das ist insofern wichtig, als es hier in Österreich, anders als in Gesellschaften, die über Verwandtschaftsclans, also die erweiterte Familie, organisiert sind, in einer demokratischen, republikanischen, wohlfahrtsstaatlichen, sozial und kulturell vielfältigen Gesellschaft, bestimmte Fähigkeiten braucht, die gerade nicht in der Familie erlernt werden können. STANDARD: Die da wären? Herzog-Punzenberger: Das sind nicht nur kognitive Kompetenzen, sondern – zunehmend wichtiger – soziale, emotionale und politische Kompetenzen. Vorbereitung auf eine faktisch immer vielfältiger werdende Welt braucht schichtmäßig, sprachlich und kulturell vielfältige Klassen und Schulen. Allerdings lernen Kinder und Jugendliche erst unter der Anleitung von kompetenten Pädagoginnen und Pädagogen in solcherart vielfältigen außerfamiliären Institutionen ihre Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit erkennen und erproben. Das Ziel dabei ist, Verantwortung für das gemeinsame Wohl und Gefühle der Selbstwirksamkeit zu entwickeln. Diese positiven Erfahrungen sind die beste Basis gegen die Verführungen von Sektiererei, Verschwörungstheorien und Radikalisierung in jede Richtung. STANDARD: Und was heißt das für die Rolle privater Bildungsträger? Herzog-Punzenberger: Bei der aktuellen Diskussion um islamische Kindergärten steht die Segregation im Sinne der Religion im Blickpunkt. Dabei gerät die Segregation nach sozialer Schicht und nach Einwanderungsgeschichte in den Hintergrund. Aber Faktum ist: Die private Trägerschaft von Kindergärten und Schulen führt in den allermeisten Fällen zu Segregation. Privatschulen verfügen über eine andere Zusammensetzung der Schülerschaft als die in denselben Bezirken liegenden öffentlichen Schulen. STANDARD: Wie sieht die Verteilung nach bestimmten Kriterien aus? Herzog-Punzenberger: Das ist statistisch leicht festzustellen. Der Anteil der Eltern, die über einen höheren Bildungsabschluss und eine höhere berufliche Position verfügen, ist in den privaten Institutionen wesentlich höher. In vielen Schulbezirken ist es auch sehr auffällig, dass der Anteil von Kindern aus zugewanderten Familien in den privaten Einrichtungen wesentlich niedriger ist, manchmal sogar bei wenigen Prozenten oder null, während der Durchschnitt der umliegenden öffentlichen Schulen über 20 oder 30 Prozent liegt. Die Zahlenverhältnisse zeigen, dass den Kindern und Jugendlichen privater Einrichtungen oftmals vorenthalten wird zu lernen, wie in sozial und kulturell vielfältigen Teams gespielt, gearbeitet und gemeinsam Ziele erreicht werden. Dies ist aber ein notwendiger Baustein, um Vorurteile abzubauen oder gar nicht erst entstehen zu lassen. Und, nebenbei gesagt, Charity-Aktionen können die Verantwortung für Ungleichheit höchstens überpinseln, den Alltag des Zusammenlebens und Zusammenlernens aber nicht ersetzen. STANDARD: Welche Schlussfolgerungen ziehen Sie daraus für die Frage, wer für wen welche Bildungsangebote machen soll? Herzog-Punzenberger: Aufgrund der Aufgabe pädagogischer Einrichtungen, Kinder und Jugendliche in die Gesellschaft zu integrieren, steht für mich die private Trägerschaft von Bildungseinrichtungen während dieser Phase grundsätzlich infrage. Während am einen Ende Kindergärten einem religiösen Sektierertum frönen, dienen am anderen Ende Privatschulen der Reproduktion von Eliten, die von den realen gesellschaftlichen Verhältnissen von Kindheit an relativ wenig Ahnung haben. Das führt weder zur Weiterentwicklung einer demokratischen, republikanischen, wohlfahrtsstaatlichen Gesellschaft, noch stärkt es die gemeinsame Wertebasis für unser vielfältiges Österreich. Darum sollten wir die private Trägerschaft bei Kindergärten und Schulen abschaffen – oder aber unterziehen wir sie einem grundsätzlichen Wandel, der an der Wertebasis unserer Gesellschaft orientiert ist. STANDARD: Leichter gesagt als getan. Wie könnte diese Abschaffung der Privatschulen und -Kindergärten konkret realisiert werden? Herzog-Punzenberger: Dort, wo es möglich ist, würden die Einrichtungen von der öffentlichen Hand übernommen, und wo dies nicht möglich ist, muss man sich überlegen, wie die Schülerinnen und Schüler auf die öffentlichen Einrichtungen der Nachbarschaft aufgeteilt werden können. Grundsätzlich gehört jede Wohnadresse zu einem Schulsprengel, und das gilt zumindest für die ersten neun Schulstufen. Es sollte doch möglich sein, dass die Kinder aller Familien gemeinsame öffentliche Schulen besuchen. Das genaue Prozedere der Überführung müsste man im Detail gut überlegen. STANDARD: Und die Alternative grundsätzlicher Wandel – wie könnte der bewerkstelligt werden? Herzog-Punzenberger: Der grundsätzliche Wandel betrifft das Bewusstsein. Es muss den Verantwortlichen von pädagogischen Einrichtungen, den Eltern und den Pädagoginnen und Pädagogen völlig klar werden, dass Selektion und Abschottung nach Schichthintergrund für den Zusammenhalt der Gesellschaft einen Preis hat, und sie sollten sich fragen, was sie dagegen tun. Wenn die soziale Zusammensetzung der Familien stark von jener der Nachbarschaft oder des Gemeindedurchschnitts abweicht, ist die Frage, ob die öffentliche Unterstützung durch Lehrergehälter überhaupt noch gerechtfertigt ist. Die Wertebasis und ihre alltägliche Einübung muss in den pädagogischen Einrichtungen ebenso wichtig sein wie die kognitiven Ziele, denn Wissen und Intelligenz bewahren weder vor Opportunismus, Teilnahmslosigkeit oder grauenhaften Gesellschaftsentwürfen. Öffentliche Institutionen sind davon nicht ausgenommen, aber viele Standorte haben grundsätzlich schon größere Herausforderungen zu bewältigen als jene in privater Trägerschaft, nicht zuletzt wegen der Abwanderung in private Parallelinstitutionen. Hunderte Forscher werden 2017 umfassenden Bericht zu Entwicklung der Gesellschaft vorlegen – Heimische Wissenschafter federführend beteiligt. Wien – In einem umfassenden Bericht wollen führende Sozialwissenschafter aus der ganzen Welt im nächsten Jahr neue Denkansätze für eine gerechtere Zukunft präsentieren. An dem wissenschaftlichen Großprojekt sind auch österreichische Forscher federführend beteiligt. Vorarbeiten zum Kapitel mit dem Titel Wie kann Bildung den sozialen Fortschritt fördern? werden ab heute in Wien geleistet. Im Rahmen des International Panel on Social Progress (IPSP) haben es sich Hunderte Wissenschafter aus mehreren Forschungsfeldern zur Aufgabe gemacht, das 21. Jahrhundert neu zu denken, wie es in einem Positionspapier heißt. Die Krise der entwickelten Staaten habe in den vergangenen Jahrzehnten vielerorts die Hoffnung auf eine gerechtere Gesellschaft zerstört. Statt ein eigenes Ideal zu entwerfen, folgen Entwicklungsländer zunehmend dem Beispiel westlicher Demokratien. Obwohl die Armut in einigen Ländern abgenommen hat, erinnern die sozialen Probleme an die Frühphase des westlichen Kapitalismus, heißt es auf der Online-Plattform der Initiative, in deren dreiköpfigem wissenschaftlichen Beirat die österreichische Wissenschaftsforscherin und frühere Präsidentin des Europäischen Forschungsrates (ERC), Helga Nowotny, sitzt. Christiane Spiel als Koordinatorin Die soziale Kluft nimmt in vielen Bereichen nicht nur nicht ab, sondern wird sogar größer. Das betrifft nicht nur den Zugang zu wirtschaftlichen Ressourcen und Sozialsystemen, sondern unter anderem auch Unterschiede bei der Nutzung wichtiger Technologien oder den für soziale Entwicklung zentralen Bereich der Bildung. Als Koordinatorin und Leitautorin des Bildungs-Kapitels fungiert die Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien. Im Rahmen des Wiener Workshops werden Wissenschafter aus mehreren europäischen Ländern sowie aus Südafrika, Brasilien, Indien, USA und Israel bis Samstag einen Entwurf dieses Teils des Berichts erarbeiten. Erste Texte für den Endbericht sollen bis Sommer folgen. Die Veröffentlichung des ersten IPSP-Reports ist für die erste Jahreshälfte 2017 geplant. Hoschülerschaft sieht keine großen Fortschritte. Wien – Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) übt Kritik an der vom Wissenschaftsministerium geplanten Novelle zum Studienförderungsgesetz. Diese bringe zwar einige kosmetische Verbesserungen, große Probleme bleiben allerdings ungelöst, hieß es in einer Aussendung. Die Begutachtungsfrist für den Gesetzesentwurf läuft heute, Freitag, aus. Unter anderem sollen Studienbeihilfe-Bezieher im Alter von über 27 Jahren künftig einen monatlichen Zuschlag in der Höhe von 30 Euro erhalten. Zusätzlich profitieren sollen jene Beihilfenbezieher in dieser Altersgruppe, die noch bei ihren Eltern wohnen. Sie würden in den Genuss der sogenannten erhöhten Studienbeihilfe kommen – dies ist derzeit nur jenen Studenten vorbehalten, die als auswärtige Studenten am Studienort wohnen. Erhöht werden auch die Studienabschluss-Stipendien: Der Mindestbetrag steigt von 500 auf 700 Euro monatlich, der Höchstbetrag von 1.090 auf 1.200 Euro. Darüber hinaus werden die Stipendien von der Privatwirtschafts- in die Hoheitsverwaltung übertragen – künftig gibt es also einen Rechtsanspruch darauf. Außerdem soll die Rückzahlung von Studienbeihilfen wegen mangelnden Studienerfolges großzügiger gehandhabt werden. Das Ableisten eines Freiwilligen Sozialen Jahres wird beihilfenrechtlich dem Präsenz-und Zivildienst gleichgestellt. All diese Maßnahmen lösen laut ÖH aber nicht das Grundproblem bei der Studienbeihilfe: Trotz steigender Studentenzahlen sinkt die Zahl der Beihilfenbezieher. Grund sei die fehlende Inflationsanpassung bei den Einkommensgrenzen. Nur Verwarnung, keine Suspendierung. Bregenz – Ein Vorarlberger Mathematik-Lehrer hat Matura-Arbeiten im Sinne der Schüler wohlwollend korrigiert. Dies bestätigte Landesschulinspektorin Christine Schreiber im ORF-Radio Vorarlberg. Der Lehrer wurde juristisch ermahnt, eine Suspendierung erfolgte nicht. Er sei von einem externen Prüfer ersetzt worden, die Arbeiten wurden korrekt nachkorrigiert, sagte Schreiber. In Niederösterreich hatte ebenfalls ein Mathematik-Lehrer Matura-Klausuren nachträglich manipuliert, eine unter Anleitung des Lehrers nach der Matura. Der Landesschulrat leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren ein, der Lehrer wurde suspendiert. Anders als in Niederösterreich, handle es sich in Vorarlberg nicht um Betrug, betonte Schreiber. Der Professor habe das Ergebnis im Sinne der Schüler etwas verbessert. Mit der ordentlichen Korrektur der Arbeiten sei der Fall in Vorarlberg erledigt. Gewerkschafter Kimberger: Pädagogen mit Sonderverträgen anstellen. Wien – Der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Paul Kimberger, fordert mehr Personal, um die steigende Zahl an Flüchtlingskindern an den Schulen bestmöglich betreuen zu können. Ähnlich wie in den 90er-Jahren werde es notwendig sein, Lehrer aus den Herkunftsländern der Flüchtlinge mit Sonderverträgen anzustellen, sagte Kimberger am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Das Bildungsministerium hatte zuletzt ein Rundschreiben an die Landesschulräte ausgeschickt, um über die rechtlichen Grundlagen für die Aufnahme von Flüchtlingskindern zu informieren und auf unterstützende Maßnahmen hinzuweisen. Für Kimberger erfolgt dieser Schritt zu spät. Man habe schon vor Monaten darauf hingewiesen, dass es Vorbereitungsmaßnahmen brauche. Ohne zusätzliche Pädagogen – vor allem für Fremdsprachen – und Sozialarbeiter werde es eine scheinbar unlösbare Aufgabe. In der SPÖ wundert man sich über die Aussage von Kimberger: Es ist bedauerlich, dass Kimberger gerade ein so sensibles Thema wie Flüchtlingskinder für billige Polemik missbraucht. Gefordert sind jetzt nicht verbale Angriffe, sondern ein voller und gemeinsamer Einsatz für die Sache, so SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid in einer Aussendung. Mit seiner Forderung nach mehr Schulpsychologen rennt Kimberger mit großer Geste offene Türen ein. Denn es ist kein Geheimnis, dass das Bildungsministerium mehr Ressourcen benötigen wird, betonte Schmid. Deshalb verhandle Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) mit dem Finanzminister auch über zusätzliche Mittel. Im Bildungsministerium rechnet man aufgrund von Zahlen des Innenministeriums mit 5.000 zusätzlichen schulpflichtigen Kindern aufgrund der Flüchtlingssituation im neuen Schuljahr. Das sind etwas weniger als ein Prozent aller Kinder zwischen sechs und 14 Jahren, also im schulpflichtigen Alter, hieß es. Unklar ist aber die Verteilung auf die einzelnen Länder bzw. Schulen. Da sich der Aufenthaltsort der Asylwerber durch neue Quartiere ändern kann, können die Landesschulräte nicht exakt planen. Insgesamt sollte es aber keine Platzprobleme geben: Die 5.000 Schüler entsprechen in etwa dem jährlichen demografischen Schülerrückgang. An Volksschulen, Haupt- und Neuen Mittelschulen gibt es laut Statistik Austria insgesamt etwas mehr als 28.000 Klassen – hochgerechnet käme damit in etwa in jede sechste Klasse ein Flüchtlingskind. Auch die Klassenschülerhöchstzahl von 25 an den Pflichtschulen soll nicht überschritten werden. Das geht sich sicher aus, hieß es etwa aus dem Wiener Stadtschulrat. Es gebe auch genügend Schulen mit Klassen mit nur 22 oder 23 Schülern: Zur Not eröffnet man da oder dort eine neue Klasse. Jugendliche sollen vor Ende der Schulpflicht auf Fähigkeiten getestet werden. Salzburg – In Salzburg geht in den kommenden Wochen der Talente-Check in Betrieb. Auf dieser Teststrecke – laut Wirtschaftskammer (WK) Österreichs modernste – sollen möglichst flächendeckend die Salzburger Schüler kurz vor Ende der Schulpflicht auf ihre Fähigkeiten und Talente hin ausgetestet und danach ausführlich beraten werden. Die WK hat alleine drei Millionen Euro in die Ausstattung investiert. Bildungs- und Wirtschaftsreferent Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) sprach am Donnerstag bei der Präsentation von einem Meilenstein in der Bildungspolitik. Viel zu lange seien Kinder und Jugendliche über ihre schulischen Schwächen definiert worden. Wir gehen einen anderen Weg: Jeder Mensch hat irgendwelche Talente und besondere Fähigkeiten. Und was wer gut macht, das macht er gerne, und was wer gerne macht, bereitet Freude und bringt Erfolg, so Haslauer. Und daher wolle Salzburg erstmals flächendeckend seine Jugendlichen nach deren Talenten definieren. Viele Jugendliche wählen mit 13 oder 14 Jahren einen Beruf, der nicht passt. Daher gebe es eine enorme Drop-out-Quote. Bis zu einem Drittel verlassen den eingeschlagenen Weg. Und Misserfolg sei demotivierend, sagte der Landeshauptmann. Deshalb wolle man die Talente bewusst machen und die jungen Menschen mit ihren Eltern beraten. Die Jugendlichen sollten das Gefühl bekommen: Ich bin etwas wert. Großteil der Schüler nimmt schon heuer teil Obwohl der Betrieb erst im Oktober startet – davor läuft ein Probebetrieb -, haben sich bereits 120 Schulklassen mit rund 3.000 Schülern angemeldet, berichtete Landesschulratspräsident Johannes Plötzeneder. Das ist die Hälfte der etwa 6.000 Schüler pro Jahrgang im Bundesland. Er gehe davon aus, das bereits heuer etwa zwei Drittel aller 13- und 14-Jährigen aus allen Schultypen den Test durchlaufen. Die Teilnahme sei freiwillig. Die Tests dauern vier bis fünf Stunden, wobei eine ganze Klasse gleichzeitig teilnehmen kann. In dem 700 Quadratmeter großen Räumlichkeiten, die speziell für junge Menschen gestaltet wurden, gilt es, 30 Station zu durchlaufen. Dabei werden die Jugendlichen auf ihre Intelligenz, das technische Verständnis, das räumliche Denken, die Feinmotorik, die Stressbelastung, Interessen und das Persönlichkeitsbild getestet, sagte Talente-Check-Leiterin Gabriele Tischler. In der Pause können sich die Schüler auf einer Kletterwand bewegen. Nach der Auswertung erhält jeder Teilnehmer gemeinsam mit seinen Eltern noch ein rund einstündiges Beratungsgespräch mit einem Psychologen, das vor Ort in der Schule stattfindet. Der jährliche Betrieb darf bis zu eine Million Euro kosten, die von Land und Wirtschaftskammer zu gleichen Teilen zur Verfügung gestellt werden. Wir investieren mit Freude in die Zukunft der jungen Menschen, sagte WK-Präsident Konrad Steindl. "Mobile Learning" startet an 94 österreichischen Schulen – Schulen erhalten leihweise bis zu 20 Tablets –. Wien – Mit dem Projekt Mobile Learning werden insgesamt 94 österreichische Schulen bei der Integration neuer Technologien im Unterricht unterstützt. Jeweils eine E-Learning-erfahrene Schule bildet in der Regel mit zwei Einsteigerschulen einen regionalen Cluster. Das Projekt wird vom Bildungs- und Infrastrukturministerium gemeinsam getragen und wurde am Donnerstag in Wien vorgestellt. 31 regionale Cluster Im Rahmen des Projekts soll Schulen ermöglicht werden, eigene Zugänge zum Einsatz neuer Technologien zu entwickeln und ihre E-Learning-Konzepte dann nachhaltig am Schulstandort zu verankern, heißt es in einer Aussendung. Aus österreichweit 68 Einreichungen wählte eine Expertenjury im Sommer 31 regionale Cluster aus. Die Schulen erarbeiten ab jetzt gemeinsam pädagogische Konzepte, die im laufenden Schuljahr umgesetzt werden. Die jeweils erfahrenere Schule soll die Einsteiger auf Augenhöhe beratend unterstützen. Jede teilnehmende Schule erhält bis Ende Juni 2016 leihweise ein Set von bis zu 20 Tablets für den Einsatz im Unterricht. Außerdem werden im Rahmen des Projekts mehrere Begleitmaßnahmen wie schulinterne und schulübergreifende Fortbildungsmaßnahmen im Cluster, Online-Seminare oder Safer-Internet-Workshops angeboten. Kein finanzieller Druck für Eltern Für einen guten Unterricht ist es wichtig, eine Vielfalt an Medien zuzulassen und dabei gleichzeitig darauf zu achten, Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierten und sinnvollen Umgang mit digitalen Medien hinzuführen. Dennoch darf dadurch kein finanzieller Druck auf die Eltern entstehen, so Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek anlässlich der gemeinsamen Projektpräsentation mit Infrastrukturminister Alois Stöger (beide SPÖ) an einer Wiener Volksschule. Das Projekt schaffe Chancengleichheit, erklärte Stöger. Das Infrastrukturministerium stellt daher für die Finanzierung der Tablets rund eine Million Euro aus dem Bereich der Breitbandmilliarde bereit. Vom Bildungsministerium kommen zusätzlich 62.000 Euro sowie das erforderliche Personal für das in die Bildungsstrategie efit21 eingebettete Projekt. Bernd Saurer war Bridge-Juniorenweltmeister und ist, anders als Krauss, kein schlagender Burschenschafter. Wien – Groß ist er mittlerweile geworden, der Rathausklub der Wiener FPÖ. Um das zu demonstrieren, hielten die Freiheitlichen anlässlich einer Klubklausur am Mittwoch eine Pressekonferenz ab. Die Journalisten durften in der Mitte des Sitzungsraums Platz nehmen, umringt von 34 Abgeordneten. Das sind sieben mehr als bisher. Während im Rathaus die rot-grüne Hauptverhandlergruppe mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Maria Vassilakou (Grüne) über Budget, Ämter und Ressorts verhandelte, verkündeten die Freiheitlichen neue Personalia. So wird Klubjurist Bernd Saurer (41) für das der FPÖ zustehende Amt als Stadtschulratsvize nominiert. Über diesen Posten herrschte Aufregung, weil Häupl im Vorjahr die Bestellung von Maximilian Krauss verweigert hatte. Krauss, 22 Jahre alt und schlagender Burschenschafter, hatte Häupl als Türken-Bürgermeister bezeichnet und wollte Zuwanderer mit türkischem Blut in ihre Heimat zurückschicken. Der Posten ist seither vakant, weil die FPÖ keinen neuen Kandidaten nominieren wollte. Mit Saurer – der Juniorenweltmeister im Kartenspiel Bridge, aber kein schlagender Burschenschafter ist – soll sich das ändern. Entscheiden muss das Kollegium mit Stadtschulratspräsident Häupl. Dieser strebt eigentlich die Abschaffung des Amtes an. Geschehen muss das aber im Nationalrat, der Posten ist in der Verfassung verankert. Der Vize, der lediglich das Recht auf Akteneinsicht und Beratung hat, verdient rund 4.400 Euro brutto pro Monat. Krauss sitzt künftig im Gemeinderat. Der designierte Vizebürgermeister Johann Gudenus (FPÖ) kündigte an, als Stachel im faulen Fleisch der Stadtregierung die durch den Wahlerfolg erlangten Kontrollrechte einzusetzen. So könnte eine U-Kommission im Gemeinderat zur Finanzgebarung einberufen werden. Laut dem nicht amtsführenden Stadtrat Eduard Schock gibt es von der Stadt Wien Daten zur mittelfristigen Haushaltsführung, die bis 2019 eine Neuverschuldung von 1,5 Milliarden Euro vorsehen. Im Büro von Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) wird darauf verwiesen, dass das Papier nur ein Steuerungsinstrument und Voranschlag sei. Man werde sich wie vereinbart an den Stabilitätspakt halten, der ab 2016 ein Nulldefizit vorsieht, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Eine Einschätzung, die die FPÖ nicht glauben will. Gesamtschülerzahl weiter rückläufig, an Volksschulen aber wieder leicht steigend. Wien – Eine rückläufige Gesamtschülerzahl, aber Rekordbesuchszahlen bei höheren technischen Lehranstalten (HTL) sowie bei Bildungsanstalten für Kindergarten- und Sozialpädagogik und einen weiteren Schülerverlust der Hauptschulen/Neuen Mittelschulen in Richtung AHS-Unterstufen zeigen neue Zahlen der Statistik Austria für 2014/15. Damit wird jeweils der Trend der vergangenen Jahre fortgesetzt. Mit 1,086 Millionen Schülern gab es 2014/15 mehr als 101.000 Schüler weniger als noch vor zehn Jahren. Das entspricht einem Minus von 8,5 Prozent gegenüber 2004/05 bzw. 0,6 Prozent gegenüber 2013/14. Grund dafür ist der Geburtenrückgang seit den frühen 1990er-Jahren. An den Volksschulen kündigt sich allerdings langsam eine Trendumkehr an: Zwar sank die Schülerzahl in dieser Schulart im Zehnjahresvergleich um knapp 37.000 Kinder bzw. 10,1 Prozent auf rund 328.000. Allerdings stieg sie gegenüber dem Vorjahr leicht um knapp 400 Schüler (0,1 Prozent). Schon in den vergangenen Jahren gab es mehr oder weniger eine Stagnation. Ab 2016/17 rechnet die Statistik Austria wieder mit konstant steigenden Schülerzahlen in Volksschulen. Auch in den Schulen der Zehn- bis 14-Jährigen (Sekundarstufe I) schlug der Schülerrückgang durch – allerdings in unterschiedlicher Stärke: 2014/15 besuchten mit rund 208.000 Kindern um 61.000 Personen weniger eine Hauptschule bzw. Neue Mittelschule als zehn Jahre davor die Hauptschule (minus 22,7 Prozent). Auch die AHS-Unterstufe verzeichnete mit einem Minus von drei Prozent leichte Rückgänge (2014/15: rund 112.800). In Relation hat sie damit gegenüber 2004/05 aber stark an Anteilen gewonnen: Vor zehn Jahren kamen auf 100 AHS-Unterstufen-Schüler noch 232 Kinder an Hauptschulen, 2014/15 waren es nur mehr 185 an Hauptschulen bzw. aus diesen hervorgegangenen NMS. Im Bereich der Sekundarstufe II zeigt sich ein differenziertes Bild: Berufsschulen (minus 1,4 Prozent), berufsbildende mittlere Schulen (BMS, minus 16,8 Prozent) und Polytechnische Schulen (minus 27,3 Prozent) verzeichnen im Zehnjahresvergleich Rückgänge, während die AHS-Oberstufe (plus 12,4 Prozent) und die berufsbildenden höheren Schulen (BHS, plus 2,1 Prozent) dazugewinnen. An den BHS ist die Situation dabei je nach Ausbildungszweig allerdings unterschiedlich. Die HTL erreichten mit knapp 64.000 Schülern 2014/15 einen neuen Rekordwert (plus 7,7 Prozent gegenüber 2004/05), während die Handelsakademien Schüler einbüßten (minus 8.8 Prozent). Die wirtschaftsberuflichen höheren Schulen kamen auf ein Plus von sechs Prozent, verloren allerdings gegenüber dem Vorjahr. Die größten Sieger sowohl im Zehnjahres- als auch im Vorjahresvergleich sind die Bakip (Kindergartenpädagogik) bzw. Basop (Sozialpädagogik): An ihnen lernten 2014/15 rund 12.200 Schüler – das ist ein Plus von 37,4 Prozent gegenüber 2004/05 bzw. von 3,6 Prozent gegenüber 2013/14. Relativ unbeeindruckt von der Entwicklung der Gesamtschülerzahl bleibt die Zahl der Lehrer: Trotz des Schülerrückgangs stieg deren Gesamtzahl (nach Vollzeitäquivalenten) leicht auf rund 105.300. Im Jahr davor lag sie noch bei rund 105.100, 2012/13 bei 105.000.(APA, 14.12.2015) Eine Direktorin wurde von ihrer Schulinspektorin schikaniert. Den Grund sieht sie in der politisch besetzten Schulverwaltung. Wien / St. Pölten – Ich halte Sie für krank. Ich zweifle an Ihren Manieren. Sie leiden an Realitätsverlust. Ich habe schon zwei bis drei Direktoren in die Pension gelobt, Sie sind die Nächste. Diese Sätze sind bei nur einer Besprechung zwischen einer niederösterreichischen Landesschulinspektorin und Direktorin Evelyn Mayer gefallen. Nach vier Jahren hat der Oberste Gerichtshof im November endgültig entschieden: Die jahrelangen Schikanen und Anschuldigungen der Vorgesetzten gegen die Direktorin waren Mobbing und die Ursache für ihre Depressionen. Das Bildungsministerium plant nun die Einsetzung von Mobbingpräventionsbeauftragten in den Bundesländern. Mayer ist erleichtert über das Urteil, sieht darin aber nur einen Teilerfolg. So will man nach vierzig Jahren nicht gerne aus dem Berufsleben aussteigen, sagt sie zum STANDARD. Sie sei aus ihrem Job als Leiterin der Schule für wirtschaftliche Berufe in Biedermannsdorf gejagt worden und habe sich in ihrem kleinen Wohnort nicht mehr frei bewegen können. Ich konnte ja nicht jedem erklären, was wirklich vorgefallen ist. Wegen eines Burnouts wurde sie für dienstunfähig erklärt und vergangene Woche gegen ihren Willen in Pension geschickt. Begonnen hat der Konflikt im Jahr 2007. Aus der Sicht Mayers verschlechterte sich damals das Verhältnis zu der für sie zuständigen Landesschulinspektorin zunehmend, heißt es in dem OGH-Urteil, das dem STANDARD vorliegt. Die Inspektorin warf ihr unter anderem vor, die Schüler unter Druck gesetzt zu haben, der Stundentafel – der Anzahl der Unterrichtsstunden pro Schulfach – zuzustimmen, die diese nicht wollten. Diese Vorwürfe trafen nicht zu, schreibt das Gericht. Im Herbst desselben Jahres sagte die Inspektorin einer anderen Schuldirektorin, dass es in Biedermannsdorf zugehe. Als Mayer nachfragte, was sie denn gemeint habe, tat die Inspektorin diese Nachfrage als Gequake ab, mit dem sie nicht behelligt werden wollte. Es folgten Machtdemonstrationen: Die Inspektorin erlaubte der Direktorin nicht, Gesprächsprotokolle von Dienstbesprechungen zu ergänzen, und verlangte von ihr, das Protokoll ohne Änderungen zu unterschreiben. Mayer ging dazu über, diese gar nicht mehr zu unterschreiben. Arbeitsaufträge wurden spontan geändert, sodass der bisherige Aufwand Mayers zunichte gemacht wurde. Mayer musste Vorgaben erfüllen, die anderen Schulleitern nicht gestellt wurden. Von Mitte 2010 bis zu ihrer Pensionierung vor einigen Tagen war Mayer wegen einer Depression im Krankenstand. Zur Klage gegen den Bund entschied sie sich 2011. Ursache für die Erkrankung ist das von der Klägerin als schikanös, herabsetzend und ungerechtfertigter Angriff auf ihre Person empfundene Verhalten der Nebenintervenientin (die Inspektorin, Anm.) als ihrer Vorgesetzten, stellt der OGH fest. Über die Ursachen für das Mobbing kann Mayer nur spekulieren. Einerseits habe sie sich bei Konflikten über die Stundentafel und Französischlehrer gegen die Landesschulinspektorin durchgesetzt. Das habe dieser nicht gefallen. Andererseits habe sie sich auch dagegen gewehrt, Teil einer Informationskette an den niederösterreichischen Landeshauptmann Erwin Pröll zu werden. Ich weiß nicht, ob es anders gelaufen wäre, wenn ich das nicht getan hätte. Was muss sich am System ändern, damit Fälle wie jener von Mayer nicht mehr passieren? Solange Posten politisch besetzt werden, wird es dieses Problem geben, sagt die Betroffene. Ich bin eine Nullnummer und habe nicht ins System gepasst. Von den Behörden ist sie enttäuscht. Vor ihrer Klage 2011 hat Mayer ihren Fall bei den zuständigen Sektionschefs des Bildungsministeriums vorgebracht, aber weder eine Reaktion noch Unterstützung bekommen. Wir wollen keine öffentliche Hinrichtung, habe es nur geheißen. Es gibt Belege dafür, dass die Behörden Mayer als Mobbingtäterin hinstellen wollten. Der amtsführende niederösterreichische Landesschulratspräsident Johann Heuras sowie Andreas Thaller, Generalsekretär im Bildungsministerium, verweisen in ihren Stellungnahmen an den STANDARD darauf, dass der Fall Mayers nicht eindeutig war. Das Landesgericht St. Pölten hatte der Klägerin zwar Recht gegeben, das Oberlandesgericht Wien hatte sie aber in zweiter Instanz abgewiesen. Erst vor dem OGH hat die Direktorin Recht bekommen. Heuras betont, dass sämtliche Vorfälle nicht in seine Amtszeit fallen. Der damals zuständige Landesschulratspräsident Hermann Helm ist wie die mobbende Landesschulinspektorin bereits in Pension. Heuras nimmt die Entscheidung des OGH zur Kenntnis, sagt er. Es ist meine Aufgabe als amtsführender Präsident, daraus die Lehren zu ziehen und Schritte zu setzen, dass sich Verstöße gegen das Mobbingverbot, ganz im Sinne der Bediensteten, nicht wiederholen und somit zukünftig keine Notwendigkeit bestehen wird, derartige Verfahren zu führen. Das OGH-Urteil werde genau analysiert und die Organe der Schulaufsicht über die rechtlichen Rahmenbedingungen unterrichtet. Das Bildungsministerium bereitet unterdessen die Einsetzung von Mobbingpräventionsbeauftragten vor. Pro Bundesland soll es zwei bis drei dieser Beauftragten geben, heißt es zum STANDARD. Diese sollen Betroffene auf Wunsch beraten und unterstützen und über die Folgen von Mobbing aufklären. In getrennten oder gemeinsamen Gesprächen mit den betroffenen Personen soll der Sachverhalt dokumentiert und an einer Lösung gearbeitet werden. Auch ein Leitfaden gegen Mobbing wird erarbeitet. Darin werden Betroffene unter anderem über Beschwerderecht und Ansprechpersonen informiert. Evelyn Mayer wird von diesem Vorhaben nicht mehr profitieren. Auch der Rechtsstreit mit dem Bund ist noch nicht vorbei. Die Parteien müssen sich auf eine Schadenssumme einigen. Derzeit rechnen wir noch, sagt Mayer. Es geht um ihren Verdienstentgang, Kosten für die Therapie sowie Prozesskosten. Österreich hat 2014 rund 18,2 Milliarden Euro für sein Bildungssystem springen lassen. Besonders bei Kindergärten und Universitäten sind die Ausgaben gestiegen. Wien – Österreichs Bildungsausgaben sind seit Beginn des Jahrtausends um 64 Prozent von 11,1 Milliarden auf 18,2 Milliarden Euro gestiegen. Damit wachsen die Bildungsausgaben weiterhin stärker als die Wirtschaftsleistung. Diese Entwicklung hält seit 2009 an, wie neue Zahlen der Statistik Austria zeigen. Im selben Zeitraum lag die Teuerungsrate bei 32,8 Prozent (Statistik Austria). Nicht alle Bildungseinrichtungen profitieren von diesem Anstieg in gleichem Maß. Relativ gesehen gibt es große Unterschiede: So hat sich das Budget für Kindergärten und Universitäten seit 2000 verdoppelt, während die Ausgaben für den Pflichtschulsektor nur knapp über der Inflationsrate stiegen. Das mag auch daran liegen, dass der Pflichtschulbereich mit 5,9 Milliarden Euro der größte Budgetposten in den Bildungsausgaben ist. Andererseits sind die Zahlungen des Bundes für die Hochschulen (Universitäten und Fachhochschulen) von zwei Milliarden (2000) auf 3,9 Milliarden Euro gestiegen. Davon gingen 3,2 Milliarden Euro in den Universitätsbereich. Unter dem Titel der Universitätsmilliarde hat das Finanzministerium den Unis im Zeitraum zwischen 2013 und 2015 zusätzliche Mittel zur Verfügung gestellt. Der Anstieg der Mittel im Pflichtschulsektor ist auf den Ausbau der Neuen Mittelschulen zurückzuführen. Damit diese Zahlen besser einzuordnen sind, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Schüler-, Studenten-, Lehrer- und Klassenzahl in Österreich: Der Großteil der Ausgaben entfällt auf das Personal. Sechs von zehn Euro werden für Gehälter aufgewendet, im Jahr 2014 waren das 11,2 Milliarden Euro. Sachaufwände schlugen mit vier Milliarden und Transfers mit knapp zwei Milliarden Euro zu Buche. 796 Millionen Euro wurden investiert. Diese Kostenstruktur hat sich in den vergangenen 15 Jahren kaum verändert. Zu den Schülern und Studenten: Wegen des höheren Personalbedarfs ist der Mitteleinsatz pro Kopf in Sonderschulen entsprechend höher. Der Finanzaufwand pro HAK- oder Berufsschüler ist höher als für einen Studenten an der Universität. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat der Bildungsreform nur zugestimmt, weil sie keine neuen Kosten verursachen soll. Abgesehen vom zweiten verpflichtenden Kindergartenjahr sollen alle Maßnahmen kostenneutral sein: Bildungskompass ab dreieinhalb Jahren, Modellregionen für die Gesamtschule oder auch das Highspeed-Internet für alle Schulen. Mitnichten. Als Beispiele: Zusätzliche Dokumentation durch das Kindergartenpersonal muss bezahlt werden. Internetprovider sind keine Wohlfahrtsorganisationen. Die Ergebnisse der Modellregionen sollen wissenschaftlich untersucht und evaluiert werden. Und abseits der Bildungsreform steigt wegen der Flüchtlingskrise die Schülerzahl. Bundeselternverband verweist auf breite Proteste in Tirol. Wien – Der Bundeselternverband an mittleren und höheren Schulen hat sich am Freitag vehement gegen Modellregionen zur Gesamtschule wider den Willen von Schülern, Eltern und Lehrern ausgesprochen. Keine einzige Gesamtschule ohne ausdrückliche Zustimmung der Schulpartner, heißt es in der Aussendung. Der Verband warnt, dass die Politik die umstrittenen Modellregionen durchdrücken wolle. Die Elternvertreter kritisierten, dass laut den Eckpunkten der Bildungsreform Schulen auch ohne Zustimmung der Schulpartner in Modellregionen fallen können, solange eine Obergrenze von 15 Prozent der Schulen bzw. Schüler pro Bundesland eingehalten wird. Hier werde versucht, entgegen der gültigen Rechtslage die Mitbestimmungsrechte der Schulpartner zu kippen, so die Kritik des Verbands. Besonders kritisch ist demnach die Lage in Tirol: Bildungslandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) wolle dort eine Modellregion umsetzen ohne direkt Betroffene oder Schulpartner auch nur fragen zu wollen. Die Landesrätin hatte auf die entsprechende Möglichkeit in der Vereinbarung von SPÖ und ÖVP verwiesen. Seither formiert sich in Tirol Widerstand gegen die laut Bundeselternverband zum Teil ideologisch motivierte Zwangsbeglückungen: Die Initiative Pro Gymnasium bekämpft die Bemühungen mit teils deftiger Diktion, mittlerweile wurde auch eine parlamentarische Petition mit über 1.200 Unterschriften eingereicht. Auch in Vorarlberg, wo alle Parteien für einen das ganze Bundesland umfassenden Schulversuch eintreten, haben Gesamtschulgegner in der Initiative zusammengefunden. Diese will gegen einen möglichen Schulversuch im ganzen Land, für den sich auch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner einsetzen will, notfalls auch juristisch vorgehen. Eltern könnten bis zum Verfassungsgerichtshof (VfGH) gehen, sollten Kinder in Vorarlberg künftig im Gegensatz zu den übrigen Bundesländern kein Gymnasium mehr besuchen können. Das verstoße nämlich gegen den Gleichheitsgrundsatz, so ihre Argumentation. Kaufpreis wird mit 35 Millionen Euro beziffert. St. Gilgen – Die Anfang April in die Insolvenz geschlitterte private St. Gilgen International School scheint gerettet zu sein. Eltern haben die Schule um kolportierte 35 Millionen Euro gekauft, der Elternverein fungiert zukünftig als Schulbetreiber, sagte Bürgermeister Otto Kloiber und bestätigte damit am Sonntag einen Bericht der Salzburger Nachrichten. Der Vertrag mit dem Liegenschaftseigentümer Alexander Serda ist demnach bereits unterzeichnet. Freitagabend soll es zum Durchbruch gekommen sein. Der Elternverein teilte der Zeitung in einer Stellungnahme mit, dass es auf Basis des von Red Bull ausgearbeiteten Businessplans gelungen sei, den Fortbestand der Schule ausschließlich aus Mitteln der Eltern zu finanzieren. Der bisherige Eigentümer H.I.G. Holding soll laut einem Übereinkommen den Schulbetrieb bis Ende des Schuljahrs finanzieren, am 1. Juli werde dann der Schulbetrieb schuldenfrei an die Elternvertretung übergeben. Serda verzichtet bis Ende des Schuljahrs auf die Miete, teilten die Eltern mit. Die Privatschule war mit 5,7 Millionen Euro Schulden in die Insolvenz geschlittert. Beim Landesgericht Salzburg wurde Anfang April ein Sanierungsverfahren mit Eigenverwaltung eröffnet. Als Insolvenzursache gab die Schuldnerin einen Schülerrückgang im vergangenen Jahr und einen damit verbundenen Einnahmenschwund an. Die maximale Schüleranzahl liegt bei 150 Internatsschülern und 100 weiteren Schülern, die außerhalb des Geländes wohnen. Nur etwas mehr als jeder Dritte hat einen tertiären Abschluss, in Litauen sind es 57,6 Prozent. EU-Schlusslicht ist Italien. Brüssel – Österreich ist im vergangenen Jahr beim Anteil der tertiären Bildungsabschlüsse an der Gesamtbevölkerung nur auf Rang 18 der 28 EU-Staaten gelegen. Nach Daten von Eurostat, das neben Hochschulstudien auch Abschlüsse an berufsbildenden höheren Schulen (BHS) dem tertiären Sektor zurechnet, erreichten lediglich 38,7 Prozent der 30- bis 34-jährigen in Österreich dieses Niveau. 2014 war Österreich noch auf 40,0 Prozent gekommen. Spitzenreiter Litauen konnte dagegen von 53,3 auf 57,6 Prozent zulegen. Am anderen Ende der Skala erreichte EU-Schlusslicht Italien einen Anstieg von 23,9 auf 25,3 Prozent. Der EU-Durchschnitt lag 2015 bei 38,7 Prozent, entspricht also genau dem Österreich-Wert. Als Kernziel Europa 2020 wird für die EU ein Wert von 40 Prozent angestrebt – Österreich hat ein nationales Ziel von nur 38 Prozent vorgegeben und damit bereits erreicht. Ausgehend von einem Anteil von 23,6 Prozent an Personen mit tertiärem Bildungsabschluss im Jahr 2002 stieg dieser Wert im vergangenen Jahr EU-weit auf 38,7 Prozent (wegen eines Zeitreihenbruchs kein Ausgangswert für Österreich verfügbar, Anm.). Mit einem Anstieg von 24,5 auf 43,4 Prozent in diesem Zeitraum ist der Effekt noch deutlicher ausgeprägt, wenn nur Frauen betrachtet werden, hieß es am Mittwoch in einer Eurostat-Aussendung. Bei Männern stieg der Anteil lediglich von 22,6 auf 34,0 Prozent. Einziger Ausreißer ist hier Deutschland mit einem geringfügig höheren Männerwert (32,4 Prozent) im Vergleich zu Frauen (32,2 Prozent). In Österreich verzeichneten im Vorjahr 40,0 Prozent der Frauen und 37,5 Prozent der Männer einen tertiären Abschluss. 70 Prozent schätzen die diesjährige Matura als schwer ein. Wien – Rund 40 Prozent der Teilnehmer an einer von der Bundesschülervertretung initiierten Onlineumfrage rechnen mit einem Fünfer bei der diesjährigen Mathematikmatura. Rund 3.000 Schüler haben bisher an der Erhebung teilgenommen, sagte Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda der APA. Etwa 70 Prozent schätzen die Mathe-Matura demnach als schwer oder sehr schwer ein. Gnesda will deshalb in der kommenden Woche mit dem Bildungsministerium sprechen. Rund 60 Prozent der Befragten gaben an, dass die vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) zur Verfügung gestellten Übungsaufgaben von den Prüfungsaufgaben abgewichen seien. Gnesda will daher sicherstellen, dass bei den Kompensationsprüfungen (bei denen negative Noten ausgebessert werden können) gleiche oder ähnliche Aufgabenformate wie im Übungspool verwendet werden. Weiteres Ergebnis: Drei Viertel der Befragten gaben an, die Deutschmatura mit der Hand geschrieben zu haben – davon hätten aber 60 Prozent lieber auf den Computer zurückgegriffen. Das müsse den Schülern künftig auch ermöglicht werden, sagt Gnesda. Bei der Matura absolvieren die Schüler die Aufgaben im Regelfall derzeit so, wie sie es aus dem Unterricht gewohnt sind. Die Schüler sind für ihre Einschätzungen bei der Umfrage auf das eigene Gefühl und erste inoffizielle Rückmeldungen ihrer Lehrer angewiesen. Die Notenkonferenzen finden Mitte beziehungsweise Ende der kommenden Woche statt, die Kompensationsprüfungen stehen am 6. und 7. Juni an. Die Grünen üben Kritik an der vermeintlich im Vergleich zum Vorjahr schwierigeren heurigen Mathematik-Reifeprüfung: Ein schwankender Schwierigkeitsgrad führt die Zentralmatura ad absurdum, so Bildungssprecher Harald Walser in einer Aussendung. Der Mathe-Didaktiker Werner Peschek hielt in der Pressedie Aufgaben dagegen objektiv für nicht schwerer als 2015. Es sei Lehrern unverständlich, dass der Schwierigkeitsgrad heuer im Vergleich zum letzten Jahr höher und die Fragestellungen völlig anders gewesen sein, meinte Walser. Laut Schüler-Rückmeldungen sei besonders die Formulierung der Aufgabenstellungen durch das Bildungsforschungsinstitut Bifie eine Hürde gewesen. Dass ausgerechnet die Lesekompetenz für die Mathematik-Matura so ausschlaggebend sein würde, damit haben die KandidatInnen nicht gerechnet. Im vergangenen Jahr setzte das Bifie im Teil A stärker auf Multiple-Choice-Aufgaben. Auch das wurde kritisiert, diesmal ist das Pendel ins andere Extrem umgeschlagen. Peschek erklärt möglicherweise schlechtere Ergebnisse bei der Matura anders. Vom Mathematischen her war sie sehr ähnlich. Allerdings habe es etwas weniger Routineaufgaben gegeben. Das ist auch gut so. Aber das kann zur Folge haben, dass die Klausur für Schüler, die mehr auf Reproduktion geübt haben, schwieriger erscheint. Für jene, die mehr auf Verständnis geübt haben, macht es keinen Unterschied. Walser fordert ein Forschungsprojekt zur Formulierung von Fragestellungen, das diese für alle verständlicher machen soll. Ein solches sei zuletzt aber abgelehnt worden. Das ist nicht nachvollziehbar. Das Bildungsministerium muss dringend dafür sorgen, dass die Zentralmatura endlich in einem absehbaren Format und jährlich vergleichbarem Schwierigkeitsgrad bereitgestellt wird. Im Burgenland dürfte es im AHS-Bereich bei der Mathematik-Matura rund 20 Prozent Fünfer gegeben haben. Allerdings könne es noch Abweichungen geben, da noch nicht alle Arbeiten fertig korrigiert seien, so Landesschulratspräsident Heinz Josef Zitz. Im BHS-Bereich habe es deutlich weniger Fünfer gegeben. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren bei der schriftlichen Mathe-Matura an den AHS im Burgenland (das damit auch in etwa im Österreich-Schnitt lag) etwa zehn Prozent der Arbeiten negativ. Es gebe aber auch heuer Klassen, in den es keinen einzigen Fünfer gegeben habe und jede Menge Sehr Gut, so Zitz. Insgesamt sei dies ein Ergebnis, das für die Schwierigkeit der Mathematik-Matura akzeptabel sei, wobei diese heuer schwerer gewesen sei. Prüfer empfehlen, Teamteaching zu reduzieren – Ministerin verweist auf Autonomie. Für einen Schüler in der AHS-Unterstufe gibt das Bildungsministerium durchschnittlich 4800 Euro aus. Ein Hauptschüler hat im Schuljahr 2013/14 rund 6700 Euro gekostet, an der Neuen Mittelschule (NMS) sind es 7500 Euro. Der Rechnungshof fordert nun in einem Bericht vom Mittwoch eine Kostensenkung. Eine erste Evaluierung der Neuen Mittelschule im März 2015 hat gezeigt, dass der neue Schultyp weder die erhofften Leistungsverbesserungen noch mehr Chancengleichheit bringt. Auf diese Studie bezieht sich der Rechnungshof, wenn er angesichts der Forschungsergebnisse empfiehlt, weniger Geld in die NMS fließen zu lassen. Konkret schlagen die Prüfer vor, nur mehr vier statt sechs Teamteaching-Stunden für die Neue Mittelschule zu finanzieren. Diese Unterrichtseinheiten, in denen zwei Lehrer in der Klasse stehen, verursachten 97 Prozent der Zusatzkosten für den neuen Schultyp. Gelobt wird das Bildungsministerium dafür, dass die Sachkosten an den Neuen Mittelschulen gesenkt wurden. Aus dem Büro von Bildungsministerin Heinisch-Hosek (SPÖ) heißt es zum STANDARD dazu, dass die sechs Zusatzstunden nicht nur für Teamteaching zur Verfügung stünden, sondern auch für umfassende pädagogische Fördermaßnahmen. Die Schulen könnten diese autonom einsetzen. Kritik übt der Rechnungshof an den Maßnahmen für Schüler mit Migrationshintergrund. Die Tatsache, dass für die Finanzierung der Sprachförderung das Integrationsministerium zuständig sei, führe zu einer weiteren Kompetenzzersplitterung. Zwar seien seit der letzten Prüfung im Jahr 2013 die Empfehlungen des Rechnungshofs teilweise umgesetzt worden, messbare Zielvorgaben für die Förderung von Schülern mit Migrationshintergrund gebe es aber immer noch nicht. Im Bildungsministerium verweist man darauf, dass die Ziele sehr wohl im Lehrplan festgelegt seien und dass die Lehrkräfte diese dokumentierten. Als mangelhaft bezeichnet der Rechnungshof in seinem Bericht die Zielvorgaben für das Österreichische Zentrum für Begabtenförderung, das von Bildungs- und Wissenschaftsministerium finanziert wird. Das Bildungsministerium soll überprüfen, ob es die Aufgaben des Zentrums selbst übernehmen kann. Davon abgesehen fehle überhaupt eine Strategie zur generellen Ausgestaltung der Begabungsförderung in Österreich. Wie in all seinen Berichten zum Schulsystem fordert der Rechnungshof auch im aktuellen eine Vereinheitlichung der Kompetenzen im Schulsystem. Derzeit ist der Bund für höhere Schulen zuständig, während Pflichtschulen in die Verantwortung der Länder fallen. Pühringer, Wallner, Platter halten Heinisch-Hosek zentralistischen Ansatz vor. Auf den Abgang der Landeshauptleute Erwin Pröll (ÖVP, Niederösterreich) und Hans Niessl (SPÖ, Burgenland) aus der Bildungsreformkommission reagierten die Amtskollegen recht unterschiedlich: Während die SPÖ rasch Wiens Bürgermeister Michael Häupl für Niessl nachnominierte, stellte Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) gleich klar, dass er für Pröll nicht nachrücke. Verständnis zeigte er aber für dessen Vorgehen. Meine beiden Kollegen sind nicht ausgeschieden, weil sie gegen eine Reform sind, erklärte Pühringer. Aber sie glauben nicht daran, dass eine Reform unter Heinisch-Hosek möglich ist. Die andere Seite will eine komplette Zentralisierung – und dafür stehe man ebenso wenig zur Verfügung wie für rein kosmetische Änderungen. Zurückhaltender Pühringers Salzburger Parteifreund Wilfried Haslauer: Er will in der Reformgruppe weiter mitarbeiten. Das Bemühen, die Verhandlungen wie geplant bis zum 17. November abzuschließen, sei da. Für Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) dagegen ist die Entscheidung von Pröll und Niessl nicht nachvollziehbar. Er habe als Mitglied der Reformgruppe den Eindruck, dass viel weitergegangen ist und wir zwei von drei Hauptbereichen außer Streit gestellt haben. Die Schulautonomie sei ausdebattiert. Der zweite Punkt – die bundeseinheitliche Bildungspolitik, die Gesetzgebung, Lehrerqualifikation- und ausbildung, die Standards – stünde auch außer Streit. Einzig offenes Problem sei die Verwaltung. Wir dürfen nicht die so wichtige Bildungsreform an dieser Frage, an einer vermeintlichen Machtfrage scheitern lassen, sagt Kaiser. Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) hingegen wirft Heinisch-Hosek – ähnlich wie Pühringer – vor, den Vorschlag der Landeshauptleute, Bildungsdirektionen einzurichten, durch Zentralbürokratie zu konterkarieren. Schulautonomie und Zentralbürokratie würden sich im Grundsatz widersprechen. Und auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) bleibt dabei: Ein zentralistischer Ansatz führt sicher nicht zu Verbesserungen im Bildungssystem. Er stehe hinter dem Landeshauptleutebeschluss, Bildungsdirektionen in den Ländern einzurichten. Nachsatz: Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass auch die Ministerin dies als den besten Bildungsweg für unsere Kinder erkennt. In einem Rundschreiben macht das Bildungsministerium auf unzulässige Praktiken aufmerksam. Nicht alle begrüßen das. Wien – Ein Bub in hellblauer Latzhose und mit lila Kapperl auf dem Kopf wirft einem Mädchen im rosa Leiberl und Jeans eine Kusshand zu. Beide tragen bunte Kinderuhren. Neue Kollektion Frühling/Sommer steht unter dem Foto. Mitzubringen für die Schule heißt es auf der Seite, auf der sich das Inserat findet. Die Werbeagentur Young Enterprises ist auf Schulwerbung spezialisiert. 2013 verteilten 800 Volksschulen die Mitteilungshefte der Agentur, auf 17 der 56 Seiten wirbt ein Unternehmen. Diese Art der Werbung ist eigentlich nicht zulässig und soll künftig eingedämmt werden. Der Oberste Gerichtshof hat das Mitteilungsheft von Young Enterprises im vergangenen Jahr wegen aggressiver Geschäftspraktiken verboten. Das Bildungsministerium zieht nun nach und macht die Landesschulräte auf die Regeln für kommerzielle Werbung an Schulen aufmerksam. Das Ministerium betont darin, dass schulfremde Werbung zwar zulässig sei, aber damit die Aufgaben der Schule nicht beeinträchtigt werden dürften. Zudem dürfe Werbung nie auf Kosten der pädagogischen Glaubwürdigkeit gehen. Schulleitungen entscheiden darüber, ob in ihrem Haus für schulfremde Zwecke geworben wird. Diesbezügliche Verträge muss allerdings der Schulerhalter erlauben. Jedenfalls ist das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb einzuhalten. Im Fall des mit Werbung gespickten Mitteilungsheftes war dem nicht so, weil die Schüler nicht sofort und unmittelbar erkennen konnten, dass es sich dabei um Werbung handelt, weil Mitteilungshefte üblicherweise ein Schulutensil sind. Die Lehrer und die Schulleitungen haben das Heft verteilt, was dem Rundschreiben zufolge als unzulässige Beeinflussung zu werten ist. Wenn Werbematerialien von Schulpersonal an die Schüler weitergegeben werden, werde ihnen vorgespiegelt, dass die Schule die Produkte für gut befindet. Somit würden die Schulen ihr Autoritätsverhältnis ausnutzen. Das ist aus schulrechtlicher Sicht nicht tragbar. Als ein Beispiel aggressiver Geschäftspraktik nennt das Ministerium auch das Verteilen von Geschenkboxen eines Geldinstituts. In einem Büchlein, dass an die Schüler verschenkt wurde, wird die Geschichte einer Schulanfängerin erzählt, die von ihren Eltern ein Jugendkonto bekommt, auf dem ihr Taschengeld eingezahlt wird. Wenn diese Art von Werbegeschenken verteilt würde, müssten die Schüler darin eine Empfehlung der Schule für Jugendkonten sehen, kritisiert das Ministerium. Auch Werbung während des Unterrichts ist verboten – kommt aber trotzdem vor. Ein Geldinstitut habe Markenrucksäcke verteilt, heißt es in dem Schreiben. Dies ist in keinem Fall zulässig. Die Schüler seien zur Teilnahme am Unterricht verpflichtet und müssten sich die Werbung deshalb anhören, was den Tatbestand der Nötigung erfülle. Zudem würden solche Praktiken auch gegen das Indoktrinationsverbot an Schulen verstoßen. Ebenfalls verboten ist es, dass Schulen selbst Werbebotschaften mit Logos, Emblemen, Marken, Mustern, Firmennamen und sonstigen Produkt- und Unternehmensbezeichnungen transportieren und etwa auf ihrem Briefpapier abdrucken. Sie dürften als Teil der öffentlichen Verwaltung nicht den Anschein erwecken, sich mit bestimmten Unternehmen zu identifizieren, heißt es im Rundschreiben. Nicht alle sind von dem Papier begeistert. Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) sagte am Sonntag in den Salzburger Nachrichten: Der Bund nimmt den Schulen ein weiteres Stück Autonomie. Der Schulleitung würde damit die Fähigkeit abgesprochen, sorgsam mit Werbung und Sponsoring umgehen zu können. Im Unterrichtsministerium kann man diese Kritik nicht nachvollziehen. Es ist weiterhin die Entscheidung des Direktors, welche Werbung an der Schule stattfindet. Die Schulleiter müssen das verantworten, sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Im Schreiben habe man lediglich die neuesten Urteile zum Thema ergänzt, Werbung zu schulfremden Zwecken sei weiter zulässig. All diese Urteile gehen auf Klagen des Vereins für Konsumentenschutz (VKI) zurück. Peter Kolba, Leiter der dortigen Rechtsabteilung, sagt zum STANDARD: Rechtlich ändert sich durch das Rundschreiben nichts, es gibt den Schulleitern nur Beispiele zur Orientierung. Kolba ist das nicht genug. Er würde manche Arten von Werbung in der Schule generell verbieten. Etwa wenn in Volksschulen besonders aggressiv geworben wird. Derzeit würde sich das Bildungsministerium hier an den Schuldirektoren abputzen. Werbeplakate an Schulen würde Kolba weiterhin zulassen. Er spricht sich aber dafür aus, dass eigene Agenturen diese Werbung für Schulen organisieren. Derzeit würde vor allem die Marketingagenturen verdienen und die Schulen nur ein Butterbrot. Dies sei auch bei den Werbeaktivitäten der Raiffeisen der Fall. Der VKI hat gegen aggressive Werbung der Raiffeisen Niederösterreich geklagt und einen Vergleich erzielt. Die Bank hat sich dazu bereiterklärt, ihre Praktiken zu unterlassen. Mödlhammer ist Bürgermeister von Hallwang in Salzburg. Der Raiffeisenverband ist dort laut den Salzburger Nachrichten der größte Schulsponsor. Die Bank berät gerade mit dem Landesschulrat über die Auswirkungen des Schreibens auf das Sponsoring. Glawischnig gibt grünen Landesräten Starthilfe für Wahlkämpfe in Oberösterreich und Wien. Linz/Wien – Im oberösterreichischen und Wiener Wahlkampf setzen die Grünen vor allem auf das Thema Bildung. Am Dienstag trafen sich die grünen Bildungslandesräte mit Grünen-Chefin Eva Glawischnig in Linz. Dort stellte die Obfrau auch gleich eine Koalitionsbedingung für den Bund, obwohl die Nationalratswahlen noch in weiter Ferne liegen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir auf Bundesebene mit Rot oder Schwarz zusammenarbeiten, ohne dass das Bildungsressort in grüne Hände gelegt wird, sagte Glawischnig. Die Grünen fordern außerdem eine Kindergartenplatzgarantie für alle Eltern sowie eine Garantie, dass alle Kinder lesen, schreiben und rechnen können und dass das Parteibuch aus der Schule fliegt, also keine Rolle mehr bei Postenbesetzungen spielt. Das seien die Ziele für die kommenden fünf bis zehn Jahre, sagte Glawischnig. Bisher habe es seitens der Bundesregierung, die bis 17. November eine Bildungsreform versprochen habe, keine akkordierten Vorschläge gegeben. Auch die Wirtschaft verlange immer wieder eine diesbezügliche Reform, sagte der oberösterreichische Umweltlandesrat Rudi Anschober. Das IV-Bildungspapier deckt sich ziemlich mit unseren Vorstellungen, sagte Glawischnig, sie sehe in der Industriellenvereinigung einen unvermuteten Partner. Das zweite große Gestaltungsprojekt – neben Energiewende und Umweltschutz – in der nächsten Legislaturperiode ist eine Bildungsoffensive für Oberösterreich, kündigte Anschober an. Als drei Kernpunkte nannte er die beste Volksschule, die Entbürokratisierung und die Beseitigung von Doppelgleisigkeiten. Viele Zukunftsentscheidungen würden im Klassenzimmer gefällt, und es sei auch ein Faktor für den wirtschaftlichen Standort. Bei der Gesamtschule nimmt Vorarlberg eine Vorreiterrolle ein. Nach einem Forschungsprojekt mit 20.000 Befragten gaben Bildungsexperten grünes Licht für die landesweite Umstellung auf eine gemeinsame Schule für die Zehn- bis 14-Jährigen. Die Umsetzung werde sechs bis sieben Jahre dauern, kündigte Umweltlandesrat Johannes Rauch an. Er appellierte an den Bund: Lasst uns das machen in Vorarlberg. Wir können dazu beitragen, dass der Grabenkampf zwischen Rot und Schwarz aufgeweicht wird. In Salzburg seien im vorigen Jahr zwölf Millionen Euro in den Kindergarten investiert worden, berichtete die Landesrätin für Kinderbildung, Familien und Integration, Martina Berthold. 600 Plätze seien geschaffen worden, 400 sollen noch hinzukommen. Ein Schwerpunkt liege auf altersübergreifenden Gruppen. Die Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou forderte eine Kindergartenplatzgarantie ab dem zweiten Lebensjahr. Dann beherrsche jedes Kind bis zur Einschulung so gut Deutsch, dass es dem Unterricht folgen könne. Dazu müssten 10.000 neue Plätze geschaffen werden. 22,4 Prozent der 14-Jährigen in Wien könnten kaum oder schlecht sinnerfassend lesen oder rechnen. Deswegen wollen wir in Wien unter anderem 1.000 neue Lehrer. Für die Finanzierung der Pädagogen ist allerdings der Bund zuständig. Auch im Hinblick auf die zu integrierenden Flüchtlingskinder forderte Vassilakou: Lasst uns nicht zuwarten, sondern gleich jetzt zusätzliche Lehrer einstellen. Mit der Initiative "Neustart Schule" fordern 23 Organisationen eine schlankere Schulverwaltung. Wien – Der zwölfjährige Peter zeigt Georg Kapsch den schwarzen Peter. Der Chef der Industriellenvereinigung stoppt seine Rede für eine Bildungsrevolution und gibt an den nächsten Referenten weiter. Um die Vorschläge von 23 Rednern und Rednerinnen in einer Pressekonferenz unterzubringen, musste sich die Initiative Neustart Schule etwas einfallen lassen. Jeder darf – überwacht von Schüler und Schauspieler Peter – deshalb nur eine Minute lang sprechen. Wenn jemand zu lange redet, hält Peter eine Spielkarte mit dem schwarzen Peter hoch. Die überparteiliche Initiative Neustart Schule wurde vergangenes Jahr von der Industriellenvereinigung gegründet. Am Dienstag präsentierte die Plattform gemeinsam mit 22 anderen Interessenvertretern, Bildungsinitiativen und Nichtregierungsorganisationen ihre Vorschläge für eine Bildungsreform. Kleinster gemeinsamer Nenner: mehr Autonomie, eine schlanke Schulorganisation und eine Aufwertung der Elementarpädagogik. Gemeinsam wollen die Organisationen vor der geplanten Verkündung der Schulverwaltungsreform am 17. November Druck auf die Regierung ausüben. Das System ist überverwaltet und verpolitisiert, sagte Kapsch. Um die Schulverwaltung zu modernisieren, schlägt die Initiative etwa vor, dass sich die Schulleitungen ihr Personal selbst aussuchen können sollen. Die Finanzierung der Schulen soll über ein Pro-Kopf-Budget erfolgen und nicht mehr über den Finanzausgleich mit den Ländern. Überhaupt wollen die Organisationen die Entmachtung der Länder. Der Bund soll allein für die Gesetzgebung und deren Ausführung zuständig sein, Bildungsziele vorgeben und einen Qualitätsrahmen für alle Schulen erstellen. Auch für die Kindergärten soll dem Konzept zufolge nur mehr der Bund zuständig sein. Judit Marte-Huainigg, bei der Caritas zuständig für Bildungspolitik, führte aus, warum die Finanzierung des Schulsystems derzeit ihrer Ansicht nach nicht funktioniere. Wenn du eine Sandburg bauen willst, und du führst einen Sack mit Sand zu deiner Burg, und dieser Sack hat Löcher, dann wirst du am Ende deines Weges zu wenig Sand für die Burg haben. Genauso sei es im Schulsystem. Das Geld geht auf die Reise, aber landet in diversen Amtsstuben, und am Schulstandort kommt zu wenig an. Deshalb müsste man die Schulträger direkt finanzieren. Hier orientiere sich die Plattform am niederländischen Modell, wo die Schulen anhand eines Sozialindex Geld pro Schüler bekommen, erklärte Michael Landertshammer, Leiter der Abteilung für Bildungspolitik in der Wirtschaftskammer. In seiner Funktion als Präsident des Hilfswerks unterstützt auch Othmar Karas, Delegationsleiter der ÖVP-Abgeordneten im EU-Parlament, die Initiative. Die ideologische Debatte müsse beendet werden, sagt er. Es muss auch die Debatte darüber, welcher Landeshauptmann in der Bildungsgruppe sitzt, beendet werden. Erst kürzlich sind die Landeshauptmänner Erwin Pröll (ÖVP) und Hans Niessl (SPÖ) aus jener Arbeitsgruppe ausgestiegen, die sich um die Schulverwaltungsreform kümmern soll. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) hat in einer Stellungnahme die Vorschläge der Initiative begrüßt. Auch für mich ist ganz klar, dass verflochtene Zuständigkeiten entwirrt werden müssen und ein Paradigmenwechsel im Schulsystem erfolgen muss. Durch mehr Entscheidungsgewalt am Schulstandort könne auch eine Qualitätssteigerung gelingen. Wir sind gemeinsam auf einem guten Weg in Richtung 17. November. Das Bildungsministerium braucht dringend mehr Geld. Woher nehmen? Man könnte ja die Lehrverpflichtung erhöhen. Wien – Rot-Schwarz stilisiert es seit einiger Zeit quasi zum koalitionären Safe Harbor: Nach dem Motto, wenn SPÖ und ÖVP am 17. November (irgend)eine gemeinsame Schul(verwaltungs)reform verkaufen können, dann sei das eine Art Leistungsbeweis für diese Regierung und sie wäre damit zumindest eine Zeitlang in sicheren Gewässern. Schwierig genug, dieses Unterfangen. Aber vorher ist ein anderes bildungspolitisches Boot gerade massiv vom Kentern bedroht: das Schulbudget. Eine der größten finanziellen Baustellen, schleppt das Bildungsministerium derzeit doch ein fast schon als chronisch zu bezeichnendes, weil strukturelles Minus von 343 Millionen Euro mit sich herum. Bei den laufenden Verhandlungen zwischen Bildungs- und Finanzministerium fliegen dem Vernehmen nach, symbolisch gesprochen, denn auch die Fetzen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird kommenden Mittwoch (14. Oktober) seine erste Budgetrede halten – und bis dahin muss klar sein, wie mit dem Finanzloch umgegangen wird. Es ist mehr als ein Schaukampf zwischen Schelling und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Das Thema hat das Potenzial, zur Überlebensfrage für die Koalition zu werden. Denn wie der STANDARD von Insidern erfahren hat, könnte ein politisch höchst brisanter Konfliktherd wieder angefacht werden: nämlich eine Erhöhung der Lehrverpflichtung um zwei Stunden. Das Thema hat man nicht fallengelassen. Damit ist Heinisch-Hoseks Vorgängerin Claudia Schmied 2009 gescheitert, und im Frühjahr führte der prophylaktische Protest der Lehrergewerkschafter (Eckehard Quin: Das gibt eine offene Feldschlacht) dazu, dass der Plan, auf diesem Weg schnelles Geld für das Schulbudget flüssigzumachen, fürs Erste vertagt wurde. Aber die Not ist groß. Tatsächlich ist der Spielraum in einem Ressort, das von acht Milliarden Euro Gesamtbudget fast sieben Milliarden für Personal, also Lehrerinnen und Lehrer, ausgibt, gegen null gehend. Woher also nehmen und nicht stehlen? Zumal ein mit der Sache Befasster die Ausgangslage so beschreibt: Der Finanzminister hat wahrscheinlich die klarste Linie von allen in der Regierung: Mehr Geld gibts nicht. Aber er hat auch am wenigsten zu verlieren. Mehr zu verlieren hätte da schon Heinisch-Hosek, die eine Erhöhung der Lehrverpflichtung – eine Wochenstunde mehr würde zwischen 150 und 180 Millionen Euro bringen – politisch wohl nicht überleben würde. Vor allem nicht, wenn sie es allein durchziehen müsste. Würde sie nicht. Und darum, so wird kolportiert, werde bereits realistisch diskutiert, wohin im Ernstfall mit der Ministerin, die als SPÖ-Frauenchefin parteiintern in einer nicht zu unterschätzenden Position ist. Ein Parlamentssitz wäre das Mindeste – und könnte im Zuge von mehr oder weniger großräumigen Personalrochaden nach der Wien-Wahl allemal verfügbar werden. Das wäre das Szenario, falls die Regierungsspitze – und nur sie könnte die große Nummer zur Geldvermehrung im Bildungsministerium via Lehrverpflichtungserhöhung stemmen – sagt: Wir ziehen das durch. Wir haben ein tragfähiges Budget, den Lehrergewerkschaftern stellen wir uns gemeinsam entgegen – und das wird nicht lustig! Aber wir sind Macher, und am 17. November gibts eine Schulreform mit ein paar netten Wohlfühlelementen wie Schulautonomie, und gut ist es. Dann wäre das Schulbudget jedenfalls endgültig Chefsache geworden. Die Entscheidung ist aber noch nicht gefallen, allerdings landen schon jetzt alle budgettechnischen Details über die Bande Koordinierung in Person von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) im Kanzleramt. Vor der Wien-Wahl wird es zur Frage Höhere Lehrverpflichtung zur Budgetsanierung – ja oder nein? ohnehin keine Letztentscheidung geben, glauben Beobachter. Zu viele unbekannte Variablen. Danach bleiben zwei Tage und vielleicht eine Nacht, um bis Mittwoch ein tragfähiges Schulbudget ins Gesamtbudget zu packen. Nebenwirkungen inklusive. Ministerium: Gesetzliche Grundlage für Unterricht von außerordentlichen Schülern fehlt. Wien/Graz – Im Fall von über Jahre hinweg an steirischen Polytechnischen Schulen unterrichteten, nicht mehr schulpflichtigen jungen Flüchtlingen bleibt das Bildungsministerium dabei, dass diese Praxis bis 1. Dezember beendet werden muss. Das sagte Terezija Stoisits, Beauftragte für schulpflichtige Flüchtlinge im Bildungsministerium, am Freitag. Eine Gesetzesänderung werde es jedenfalls nicht geben. An den steirischen Polytechnischen Schulen werden seit längerem unbegleitete minderjährige Flüchtlinge im Alter von über 15 Jahren als außerordentliche Schüler unterrichtet. In diesem Schuljahr seien es etwa 150, so Stoisits, die betonte, dass das nur in der Steiermark so gehandhabt wird. An Polytechnischen Schulen kann das neunte – und damit letzte verpflichtende – Schuljahr absolviert werden, wenn man vorher ordentlicher Schüler war. Als außerordentlicher Schüler kann man für eine bestimmte Zeit geführt werden, wenn man nicht ausreichend Deutsch kann, um dem Unterricht zu folgen. An Polys seien außerordentliche Schüler daher nicht vorgesehen. Das wurde 2003 per Erlass geregelt, sagte Stoisits. Nachdem dem Ministerium kürzlich bekannt wurde, dass das in der Steiermark anders gehandhabt wird, erging am 22. Oktober ein weiterer Erlass als Erinnerung. In der Freitag-Ausgabe der Kleinen Zeitung äußerten Direktoren betroffener Schulen Unverständnis über diese vom Ministerium veranlasste und von der Landesregierung umgesetzte Abweisung der Schüler und plädierten für eine Gesetzesänderung, die deren Verbleib in den Klassen ermöglicht. Dazu sieht das Ministerium aber keine Veranlassung. Bei jugendlichen Flüchtlingen von 15 bis 18 Jahren gehe es oft um Alphabetisierung und das sei im Poly-Lehrplan definitiv nicht enthalten. Diese Problematik könne in diesem Schultyp, in dem es in erster Linie um Berufsorientierung gehe, nicht gelöst werden, so Stoisits. Man suche jetzt bundesweit nach alternativen Möglichkeiten, um der Gruppe der nicht mehr schulpflichtigen jungen Flüchtlinge Basisbildung in rechtskonformem Rahmen zu geben. Das müsse in Projekten, respektive Kursen geschehen, für die es auch zusätzliche Mittel im Rahmen der Integrationsbemühungen geben wird. Stoisits geht davon aus, dass die nun betroffenen ehemaligen außerordentlichen Schüler in solchen Kursen ihren neuen Platz finden. Im Idealfall ändere sich für diese Jugendlichen nur, dass sie dann formal Teilnehmer an Kursen sind, die beispielsweise an Nachmittagen und möglicherweise sogar an den gleichen Schule abgehalten werden. Bevor die Schulreform präsentiert werden kann, steht noch ein Verhandlungsmarathon an. Andere denken schon an den Tag danach. Wien – Ein Punkt auf der koalitionären Krisenagenda wurde am Freitag abgehakt: Der Zaun, der keiner sein soll, ist nun doch einer, aber ein kurzer, der die Flüchtlinge an der slowenisch-steirischen Grenze leiten soll. Auch an einer anderen Grenze, jener zwischen Bund und Ländern, drohen SPÖ und ÖVP sich zu verheddern. Bis Dienstag – da soll die Bildungsreform vorgelegt werden – muss geklärt sein, wer künftig alle 120.000 Lehrerinnen und Lehrer verwalten soll. Der Bund zentral, jedes der neun Länder auf eigene Tour oder irgendein Modell dazwischen. Auf den letzten Metern sind noch hohe Hürden zu nehmen, am Wochenende und am Montag sind hochrangige, langwierige Verhandlungsrunden angesetzt. Vermutlich werden auch Kanzler und Vizekanzler dazustoßen müssen. Derzeit untersteht die Pflichtschullehrerverwaltung den Ländern, die Bundeslehrer dem Bund, der aber alle finanzieren muss und nur sehr eingeschränkte Einsicht hat. Nicht nur der Rechnungshof kritisiert das Auseinanderfallen von Aufgaben-, Ausgaben- und Finanzierungsverantwortung. Wohlschmeckend Vor allem schwarze Landeshauptleute (der Salzburger Wilfried Haslauer ist Verhandler) setzen die ÖVP mit Verländerungswünschen unter Druck. Auch dem Niederösterreicher Erwin Pröll würde diese Variante schmecken. Über der Machtfrage schweben finanzielle Argumente: Laut Experten des Bildungsressorts könnten bei einer zentralen Bundesverwaltung 470 Millionen Euro eingespart werden. Land Salzburg und das von Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich getragene Institut für Föderalismus nennen 20 Millionen Euro Verbilligung durch Verländerung aller Lehrer. Allerdings, darauf wies das Institut für Höhere Studien hin, rechnen die Föderalisten mit Verwaltungskosten, das Ministerium jedoch mit Ausgaben für Lehrer pro Schüler. Und da seien die in den Ländern, die jetzt selbst verwalten, im Schnitt um 3,5 Prozent teurer als der Österreich-Schnitt, während jene, für die der Bund mitverwaltet, um 2,4 Prozent billiger waren. Wie in der Schule, wenn man lange nichts gelernt hat Einer, den ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner als Bildungsexperten hinzugezogen hat, findet: Die Macht im Schulsystem gehört weder auf Landes- noch auf Bundesebene. Sie gehört an die Schule, zum Direktor. Und der wird durch die Bildungsstandards kontrolliert. In der Arbeitsgruppe sitzt Andreas Salcher nicht, er prophezeit den Verhandlern aber: Jetzt wird es zwei, drei sehr lange Nächte geben. Wie in der Schule, wenn man lange nichts gelernt hat. Eines ist sicher: Auch wenn am Ende ein zwar umfangreiches Papier herauskommt, das die wirklich heiklen Fragen womöglich wieder vertagt: Dann beginnt die Debatte über die Kosten. Der Finanzminister wurde in die bisherigen Verhandlungsrunden noch gar nicht miteinbezogen. Andreas Salcher hat bereits einige Rechnungen angestellt. Auch wenn er der Letzte ist, der sagt, wir müssen im Bildungssystem einsparen. Aber wir müssen gewaltig umschichten. Stichwort Klassenschülerhöchstzahl, eine wahnsinnig populäre Maßnahme, zeitgleich ein gewaltiger Kostentreiber: 332 Millionen würden pro Jahr dafür aufgewendet, damit nicht mehr als 25 Schüler in jeder Klasse sitzen. Dabei habe nicht zuletzt die Hattie-Studie (eine Meta-Bildungsstudie) gezeigt: Bringt kaum etwas für den Lernerfolg! Außer man senkt die Schülerzahl auf zwölf pro Klasse. Stichwort Lehrerdienst- und Besoldungsrecht: Hier spricht sich Salcher für eine Jahresarbeitszeit aus und die muss zur Gänze in der Schule erbracht werden. Saisonales Bildungssystem Im Standard-Gespräch erklärt er: In Wahrheit haben wir mit dem Halbtagsschulsystem und den drei Monaten Ferien nur ein saisonales Bildungssystem. Spätestens in vier, fünf Jahren sei das derzeitige System absolut unfinanzierbar. Daher gilt Salchers größte Sorge dem Zeitplan. Zur Erinnerung: Die Regierung hat sich einen Umsetzungshorizont von zehn Jahren gesetzt. Salcher: Ich glaube, dass wir diese zehn Jahre nicht mehr haben. Andererseits: Meine große Hoffnung ist, dass ihnen das Geld ausgeht – und es damit zu echten Reformen kommen muss. Christiane Spiel ist positiv überrascht von der Bildungsreform. Sie weise in die richtige Richtung. STANDARD: Ist die nun vorgelegte Bildungsreform ein großer Wurf? Spiel: Ich bin positiv überrascht. Es ist natürlich nicht der riesigste Wurf, aber es geht alles in die richtige Richtung. STANDARD: Positiv überrascht, weil? Spiel: Weil wirklich kritische Punkte angegangen wurden – das zweite verpflichtende Kindergartenjahr, der Elementarbereich. Die Autonomie war ja schon lange angekündigt. Und die Frage Bund-Länder-Verwaltung ist zumindest in einer Form gelöst, die wirklich wesentlich besser ist als befürchtet. Man muss vielleicht sogar sagen, den Föderalismus, den wir haben, der zieht sich ja durch alle Politikfelder und wird wahrscheinlich nicht so schnell und nur über den Bildungsbereich aufzulösen sein. Wenn man da jetzt gemeinsame Datenklarheit und -transparenz hat, ist das vielleicht gar nicht schlecht zum Abbau von wechselseitigen Ressentiments. STANDARD: Es wird zwar ein verpflichtendes zweites Kindergartenjahr formuliert, allerdings mit einer Opt-out-Möglichkeit. Ist das nicht ein Widerspruch in sich? Spiel: Ich wäre sehr für die volle zweijährige Verpflichtung. Aber offensichtlich gab es hier starke Widerstände. Ich wäre deswegen dafür, weil es ja für alle Kinder Vorteile bringt. Es ist für die Kinder, die noch dazulernen müssen und nicht so begabt sind, sehr schön, wenn sie von anderen Kindern etwas lernen, und wir brauchen Durchmischung. Und auch für Kinder aus sozial höheren Schichten, wo die Eltern hochgebildet sind und ihnen viel bieten können, ist eine Peergruppe, in der sie lernen, mit anderen Kindern oder mit Konflikten umzugehen, Empathie zu haben und auch Verantwortung zu übernehmen, ebenfalls ganz wichtig. Solche Lernerfahrungen sind nicht so leicht zu bieten, trotz viel Geld und hohem Bildungsstandard. STANDARD: Thema Autonomie – klingt immer gut, aber wird jetzt alles gut in Österreichs Schulen? Spiel: Es geht ganz klar in die richtige Richtung und ist daher total zu begrüßen. Eine volle Autonomie mit noch viel mehr Freiheiten für die Schulleitung würde insofern gar nicht gehen, weil wir ja noch ein Lehrerdienstrecht haben, das viele Dinge verhindert. Ich glaube auch, wenn wir uns die Schulleitungen derzeit ansehen, dann sind nicht alle so weit darauf vorbereitet, denn Autonomie heißt ja immer auch gleichzeitig Verantwortungsübernahme. Das heißt, ich muss mich trauen, Entscheidungen zu treffen, ich muss sie begründen können, ich muss eine Qualitätssicherung über diese Entscheidungen machen, ich muss Personalführung können, ich muss Mitarbeitergespräche führen. Das sind viele Dinge, die auch Techniken brauchen, ein Handwerkszeug eines Managements. Das ist noch ganz wichtig, dass auch das parallel vermittelt wird. STANDARD: Müssen die Schulen also Autonomie erst lernen? Spiel: Ja, denn plötzlich viel Autonomie zu haben ist auch bedrohlich. Wir müssen auch aufpassen, dass wir nicht in die Richtung gehen, die viele Schulleiterinnen als Gefahr gesehen haben, dass es eine Autonomie der Mangelverwaltung wird. Aber eine schrittweise Autonomie mit der Zielperspektive, sie zu erhöhen und irgendwann auch das Lehrerdienstrecht entsprechend anzupassen sowie ein mittleres Management zu schaffen, wären die notwendigen nächsten Schritte. Der erste Schritt ist jedenfalls getan. Dazu werden wir aber auch Qualifizierungsmaßnahmen und mehr Schulentwicklung brauchen. Denn Autonomie heißt ja auch, dass sich dann die ganze Schule entwickelt. STANDARD: Die gemeinsame Schule darf mit einer 15-Prozent-Obergrenze in Modellregionen, aber nicht in einem ganzen Bundesland probiert werden. Wien und Vorarlberg wollten das ja. Verdient das den Namen gemeinsame Schule? Spiel: Das hängt wohl auch mit den gesetzlichen Bestimmungen zusammen, dass solche Modellregionen nicht in ganzen Bundesländern eingeführt werden dürfen. Der Hauptpunkt ist, ich kann aus wissenschaftlicher Sicht dann eine Modellregion gut machen, wenn ein entsprechend großer Anteil von allen Schultypen vertreten ist und auch nicht die Gefahr besteht, dass viele Eltern lieber ihr Kind in ein weitentferntes Gymnasium schicken, weil sie nicht wollen, dass es in eine gemeinsame Schule geht. Das heißt, es ist dann wirklich eine gute Modellregion, wenn sie die Schultypen, aber auch die Einzugsgebiete der Schüler gut abbildet und ich sie dann mit einer ähnlichen Region vergleichen kann, die nicht als Modellregion geführt wird. Wir müssen ja auch überlegen, welche Ziele formulieren wir, was erwarten wir, dass sich ändert? Das muss auch gut vorbereitet werden und darf nicht einfach so ho ruck gemacht werden. Wenn zum Beispiel nur höchstmotivierte Schulen teilnehmen, dann kann ich die Ergebnisse einer Evaluation nicht generalisieren. Daher sollten die Modellregionen möglichst repräsentativ ausgewählt werden. Die Stadt Wien will, darf aber nicht: Die Bildungsreform verbietet eine flächendeckende Gesamtschule. Der neue Stadtschulratspräsident Jürgen Czernohorszky erklärt, warum er trotzdem Fortschritte sieht. STANDARD: Sie plädieren für eine gemeinsame Schule der Sechs- bis 14-Jährigen in ganz Wien, doch laut nun beschlossener Bildungsreform werden solche Modellregionen für maximal 15 Prozent der Standorte und Schüler erlaubt. Ein schwerer Rückschlag? Czernohorszky: Natürlich wäre es mir lieber, wenn es keine Begrenzung gäbe. Aber die Bildungsreform ermöglicht zumindest erste Schritte auf einem langen Weg, der vor uns liegt. Das Ziel bleibt: Die Schule muss alle Kinder individuell fördern, statt manche zurücklassen und voreilig auf einen Bildungsweg mit weniger Chancen zu schicken. Diesen Anspruch erfüllt das Schulsystem momentan nicht. Bildung wird in Österreich in großem Maße vererbt. STANDARD: Aber führt die vorgeschriebene Begrenzung das Projekt nicht ad absurdum? Viele Eltern werden ihre Kinder wohl erst recht ins Gymnasium schicken, womit die gemeinsamen Schulen zum Sammelbecken der Benachteiligten verkommen. Czernohorszky: Ich sehe die positive Seite: Das Reformpapier bringt eine wichtige Weichenstellung. Außerdem hängt nicht alles an der Schulorganisation, man kann auch an anderen Schrauben drehen, um eine Schule zu schaffen, in der Kinder und Lehrer auf Augenhöhe agieren. STANDARD: Der Bund will nichts für Modellregionen dazuzahlen. Verstehen Sie das? Czernohorszky: Ich glaube nicht, dass die Entscheidung endgültig gefallen ist, das wird eine Frage der Ausgestaltung. Die Zuteilung der Ressourcen erfolgt immer auch beim Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern. Und ja, Städte wie Wien, die vor größeren Herausforderungen stehen und auf diese mit aufwendigeren Projekten reagieren, brauchen mehr finanzielle Unterstützung. Da erwarte ich ein spannendes Match für die Zukunft. STANDARD: Wie sehen Sie die Reform sonst? Czernohorszky: Bei Verhandlungspartnern, die in vielen Fragen eigentlich in entgegengesetzte Richtungen wollen, kann auch Stillstand oder gar Rückschritt herauskommen. Diesmal aber sind eindeutige Schritte nach vorn gelungen, etwa bei der Elementarpädagogik: Die Kindergärten werden endlich als Bildungseinrichtung gesehen, was zu besserer Qualität führen wird. STANDARD: Künftig sollen zwei Kindergartenjahre Pflicht sein. In den meisten Bundesländern sind aber ohnehin über 90 Prozent der Kinder in diesem Alter in Betreuung. Ist die Ausweitung nur ein symbolischer Schritt? Czernohorszky: Mehr ist immer besser. Aber es stimmt: In Wien brauchen wir die Pflicht nicht wirklich. Schon jetzt gehen die meisten Kinder, ob nun vier oder fünf Jahre alt, in den Kindergarten – weil es gute Einrichtungen ohne finanzielle Hürden gibt. STANDARD: Die ausgeweitete Kindergartenpflicht soll nicht gelten, wenn nachweislich kein Förderbedarf besteht. Sinnvoll? Czernohorszky: Ich verstehe nicht wirklich, wie das in der Praxis funktionieren soll. Da kommt es auf die Details an. STANDARD: Die Lehrer werden nun erst recht wieder von einer gemeinsamen Behörde von Bund und Ländern verwaltet. Ist das nicht genauso kompliziert wie jetzt schon? Czernohorszky: Dass sich Bund und Länder in einer Behörde zusammentun, ist zumindest eine Verwaltungsvereinfachung. Wie das gelebt wird, wird noch eine spannende Frage. Vieles in der Schulverwaltung ist für Schüler und Eltern schwer verständlich – auch ich als designierter Stadtschulratspräsident stehe da vor einer Herausforderung. Ein Bildungsanwalt soll die Wiener Modellregion zur gemeinsamen Schule vorbereiten. Wien – Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) rechnet mit der Einführung einer gemeinsamen Schule als Regelschule in Wien bis 2025. Er sei überzeugt, dass dieser Prozess in zehn Jahren machbar ist, technisch machbar ist, finanziell machbar ist und auch umgesetzt werden kann, sagte Häupl im Ö1-Morgenjournal am Mittwoch. Ob das flächendeckend sein werde, werde zu diesem Zeitpunkt dann entschieden. Häupl hat als Ländervertreter die Bildungsreform mitverhandelt. Kleines Hindernis für eine Umsetzung in den Regelschulbetrieb innerhalb von zehn Jahren könnte der Zeitplan für die Modellregionen sein: Die erstmalige Evaluierung dieser ist nämlich ebenfalls erst 2025 vorgesehen. Häupl sieht in der nunmehrigen Einigung aber auch symbolisch viel erreicht: Jetzt haben wir einmal den Fuß in der Tür, dass es kein grundsätzliches Nein mehr zur gemeinsamen Schule gibt seitens der Konservativen. Das ist eine Menge wert. Vorbereiten soll die Modellregion in Wien übrigens ein eigener weisungsfreier Bildungsanwalt. Die Installierung dieser neuen Funktion hat Rot-Grün im Koalitionsübereinkommen festgeschrieben. Als aussichtsreichster Kandidat wird derzeit der Bildungsexperte Daniel Landau gehandelt, der für die Grünen den Einzug in den Gemeinderat knapp nicht geschafft hat. Die Bildungsanwaltschaft soll zudem mediatorisch tätig sein, um Konflikte zu vermeiden, und zeitgemäße Pädagogik gemeinsam mit dem Stadtschulrat vorantreiben, heißt es im Regierungspakt. Die Regierung braucht für ihre Schulreform die Zustimmung von Grünen oder FPÖ. Bisher zeichnet sich diese nicht ab, die Grünen sind aber verhandlungsbereit. Wien – Die Regierung steht bei ihrer Bildungsreform vorerst ohne Verfassungsmehrheit da. Grünen-Bildungssprecher Harald Walser hat sich bei einer Pressekonferenz am Mittwoch zwar verhandlungsbereit gezeigt, gleichzeitig aber Bedingungen gestellt – allen voran großzügigere Modellregionen bei der Gesamtschule und die Entpolitisierung der Bildungsdirektionen. Für die Umsetzung der Bildungsreform – zumindest für die neuen Bildungsdirektionen und die Modellversuche zur Gesamtschule – braucht die Regierung eine Verfassungsmehrheit und damit die Zustimmung von FPÖ oder Grünen. FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz schloss am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal aus, dass die Freiheitlichen mitstimmen, wenn ihnen einzelne Punkte nicht passen. Den Vorschlag zur Schulverwaltung lehne die FPÖ etwa ab. Das Team Stronach hat eine Zustimmung ausgeschlossen. Die Neos sind zwar verhandlungsbereit, haben aber nicht genügend Mandate. Der grüne Bildungssprecher Walser sagt: Wir sind bereit, auch Dinge mitzutragen, die nicht unsere 100-prozentige Zustimmung haben. Entscheidend sei aber das Gesamtpaket. Und das enthalte derzeit noch viel Lyrik, wenig Substanz und keinen Mut. Die Grünen würden sich als beinharte Verhandler erweisen wollen. Dass Gesamtschulversuche maximal 15 Prozent der Schulen eines Bundeslands erfassen sollen, ist den Grünen zu wenig. Insbesondere bei kleinen Bundesländern wie Vorarlberg, wo die Landesregierung ein Modellprojekt starten möchte, reiche das nicht aus. Es muss möglich sein, dass Bundesländer zu Modellregionen werden, sagt Walser. Außerdem fordert Walser die Entpolitisierung der Schulverwaltung, ein Jahresarbeitszeitmodell für Lehrer statt der Erbsenzählerei bei den gehaltenen Stunden und die Abschaffung der schulautonomen Tage. Parallel zur gestärkten Schulautonomie müsse es auch mehr Mittel geben, etwa für Schwerpunktsetzungen: Wenn Schulautonomie zur Mängelverwaltung verkommt, werden wir nicht zustimmen können. Nikolaus Scherak, stellvertretender Klubchef der Neos, geht davon aus, dass vieles nicht so kommen wird, wie es gestern präsentiert wurde. Von einer Vision sei jedenfalls kaum etwas zu bemerken, daher glaubt er auch nicht, dass man etwa die aus Neos-Sicht zentrale umfassende Schulautonomie noch hineinverhandeln kann. Trotzdem sei man zu Gesprächen bereit. Angesichts der Tatsache, dass es für manche Änderungen eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Nationalrat brauche, seien aufgrund der Mandatsverhältnisse nun die Grünen der logische erste Ansprechpartner der Regierungsparteien, sagt Scherak. Die Grünen könnten etwa statt der geplanten 33 Prozent, die dann beispielsweise AHS-Unterstufen vom Lehrplan abweichen dürften, 38 oder 39 Prozent herausverhandeln. Eine substanzielle Änderung wäre das freilich nicht. An solchen Stellschrauben zu drehen macht aus Scheraks Sicht wenig Sinn. Das Team Stronach will der Bildungsreform auf keinen Fall zustimmen. Vor allem die Pläne zu den Modellregionen für die gemeinsame Schule sind laut Klubchef Robert Lugar eine gefährliche Drohung, wie er es am Mittwoch bei einer Pressekonferenz nannte. Vorstellen kann er sich lediglich, einzelne Punkte der Reform herauszugreifen und umzusetzen. Es fehlten notwendige Schritte zur Entmachtung der Bundesländer. Der Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wirft Lugar ideologische Gründe für das seiner Meinung nach verfehlte Bildungskonzept vor. Ich weiß, die Ministerin hat es nicht leicht, gestand er ihr im Hinblick auf die Bundesländer-Vertreter als Verhandlungspartner aber auch zu. Das Team Stronach will nun mit allen Mitteln gegen die Reform ankämpfen, denn: Das sind nordkoreanische Drohungen. Das Bund-Länder-Papier lässt viele Fragen bewusst offen. DER STANDARD beantwortet ein paar. Frage: Kann ein Bundesland eine AHS zur Teilnahme an einer Gesamtschulmodellregion zwingen? Antwort: Ja, so ist es im Reformpapier vorgesehen. In einer Modellregion sind alle Schulen der Region eingebunden. Wenn alle wirklich alle sein sollen, dann müssen sie zur Teilnahme an einer Modellregion für eine gemeinsame Schule der 6- bis 14-Jährigen verpflichtet werden können. Freiwillig könnte es schon jetzt solche Modellregionen geben – mit einer entscheidenden Hürde: Alle Schulpartner – Eltern (pro Schüler ein Erziehungsberechtigter) und Lehrer/-innen – müssen jeweils mit Zweidrittelmehrheit zustimmen. Sagt eine Gruppe nein, ist der Schulversuch geplatzt. Der Reformplan sieht künftig nur noch beratende Einbindung der Schulpartner vor. Frage: Gibt es in Österreich Bezirke ohne AHS-Standort? Antwort: Laut AHS-Lehrergewerkschaftschef Eckehard Quin (FCG) gibt es Wien, Tirol, Vorarlberg und Salzburg keinen einzigen Bezirk ohne AHS. Im Burgenland und in Kärnten findet sich in zwei Bezirken kein Gymnasium, in Ober- und Niederösterreich ist je ein Bezirk ohne Gymnasium und in der Steiermark haben vier Bezirke keinen AHS-Standort. Die laufende Gesamtschulregion im Zillertal ist insofern etwas speziell, als es dort ohnehin kein Gymnasium gibt. Frage: Muss eine Gesamtschulmodellregion miteinander verbundene bzw. benachbarte Bezirke umfassen, oder sind auch verstreute Bezirke möglich, die man zusammengefasst? Antwort: Laut Regierungsplan soll das jeweilige Land beim Bund einen Vorschlag plus Konzept, wie die Modellregion gestaltet sein soll, einbringen. Im Bildungsministerium geht man davon aus, dass alle relevanten Stakeholder sicherlich eingebunden werden. Der Bund bzw. das Bildungsministerium muss genehmigen. Frage: Was sagt die AHS-Lehrergewerkschaft zur geplanten Zwangsverpflichtung zur Gesamtschule? Antwort: AHS-Gewerkschaftsvorsitzender Quin hält es für nicht sinnvoll, welchen Schulversuch auch immer gegen den Willen der Betroffenen durchzuziehen, weil der dann auch pädagogisch zum Scheitern verurteilt ist. Wenn die betroffenen Schulpartner aber so wie derzeit mit Zweidrittelmehrheit gemeinsam sagen, sie wollen das, dann bin ich der Letzte, der sage, die sollen das nicht. Frage: Hat ein begrenztes Gesamtschulmodell überhaupt Sinn? Was wird man daraus ableiten können? Antwort: Modellregionen werden vermutlich nicht die gewünschten Erkenntnisse bringen, sagt der Bildungsforscher Stefan Hopmann (Uni Wien). Von einer Modellregion auf ein theoretisch flächendeckend eingeführtes Gesamtsystem schließen zu wollen, mache wissenschaftlich wenig Sinn. Ob es Ausweicheffekte geben wird, wird davon abhängen, wie die konkreten Modellregionen von den Ländern gestaltet werden, ob sie Schlupflöcher bieten für jene Eltern, die ihr Kind unbedingt in die AHS schicken wollen. In Wien wird das verkehrstechnisch sicher leichter möglich sein als in einem großen Bundesland. Frage: Warum ist die Frage, ob der Bund oder die Länder die Lehrer verwalten, in der Praxis wichtig? Antwort: Das Hauptproblem bisher ist vor allem, dass die unterschiedliche Verwaltung – hier die Länder, die derzeit die Pflichtschullehrer/-innen in ihrem Bundesland verwaltet haben, dort der Bund, dem die Bundesschulen unterstehen – unterschiedliche Verrechnungs- und Informationssysteme haben. So sind die Geldflüsse für den Bund, der am Ende immer alles finanziert, nur schwer oder gar nicht nachvollziehbar. Wer über die Lehrer/-innen bestimmt, hat letztlich auch die Hand darauf, wie und ob bildungspolitische Reformen realisiert werden können, denn das Personal ist eine zentrale Ressource zur Gestaltung von Schule. Frage: Künftig erfolgt die Verrechnung aller Lehrer/-innen über das Bundesrechenzentrum. Wie ist das derzeit organisiert? Antwort: Derzeit werden nur die Bundeslehrer/-innen über das Bundesrechenzentrum abgerechnet, während die Lehrer/-innen in den Pflichtschulen (Volks-, Haupt-, Neue Mittel-, Polytechnische, Sonder- und Berufsschulen) neunmal unterschiedlich je nach Bundesland abgerechnet werden – was Teil des Problems der Intransparenz der Finanzierung ist, das nun behoben werden soll. Frage: Die schulischen Öffnungszeiten sollen künftig gemeinsam mit den Schulpartnern festgelegt werden – mit welchen Mehrheiten? Antwort: Aus dem Bildungsministerium heißt es dazu, die Frage der Entscheidungsfindung ist derzeit noch nicht in Stein gemeißelt bzw. fixiert. Derzeit entscheidet das partnerschaftliche Gremium vor Ort mit Zweidrittelmehrheit. Es gebe viele Rückmeldungen, die dahin gehen, dass es mit einfacher Mehrheit beschlossen werden soll. Dieses Thema ist auf dem Weg zur Gesetzeswerdung der Bildungsreform zu gestalten. Frage: Die Direktoren sollen im Einvernehmen mit der Schulbehörde die Lehrer aussuchen? Was heißt das? Antwort: Ziel des Regierungsplans ist es, dass sich die Schule die Lehrer/-innen aussuchen kann, die am besten für den Standort passen, heißt es im Ministerium. Aufgrund der unterschiedlichen Schulschwerpunkte haben die Schulen unterschiedlichen Personalbedarf, aus Sicht der Lehrer/-innen könnte man sagen, sie kommen auf einen Arbeitsmarkt, auf dem sie ihre jeweiligen Kompetenzen anbieten können. Frage: Im Rahmen der Autonomie sollen die Direktoren bis zu fünf Prozent pädagogisches Lehrpersonal in Supportpersonal umwandeln können. Was bedeutet das konkret? Antwort: Die Lehrergewerkschaft fordert schon lange mehr Supportpersonal, das scheitert bisher am Geld. Künftig können Direktoren intern umschichten, indem sie einzelne Lehrerposten einsparen und stattdessen Schulpsychologen oder Sozialarbeiter einstellen. Wie soll das gehen? Da sie bei der Klassenbildung flexibler sein sollen, könnte durch größere Klassen der Lehrerbedarf sinken und Geld für andere Schuljobs frei werden. Frage: Warum sind überhaupt noch so viele Reformbereiche ungeklärt? Antwort: Weil für Teile der geplanten Bildungsreform eine Verfassungsmehrheit notwendig ist, die Regierung im Parlament also zumindest die Zustimmung der FPÖ oder der Grünen braucht, um eine Zweidrittelmehrheit zu bekommen. Nach den Verhandlungen ist also vor den Verhandlungen. Elternvertreter wollen bei Lehrereinstellung mitreden. Wien – Im Alter von 3,5 Jahren sollen Kinder künftig im Rahmen eines Eltern-Kind-Pädagogen-Gesprächs einem Screening unterzogen werden, in dem die Sprachfähigkeiten und der Entwicklungsstand des Kindes festgestellt werden sollen. In der Folge sollen die Entwicklungsfortschritte bis zum letzten Schultag dokumentiert werden. Unter der Überschrift individueller Bildungskompass hat die Regierung diese Maßnahme im Rahmen der Bildungsreform am Dienstag angekündigt. Details müssen erst festgeschrieben werden. Im Dezember wird eine Expertengruppe unter der Leitung des Genetikers Markus Hengstschläger – in Auftrag des Staatssekretärs Harald Mahrer (ÖVP) – eingesetzt. Gefragt, ob es Sanktionen geben soll, wenn Eltern ihre Kinder diesem Screening nicht unterziehen, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus Mahrers Büro: Das ist noch nicht definiert. Diese Frage wird die Expertengruppe klären. Andreas Ehlers, Vorsitzender des Dachverbands der Elternvereine an den Pflichtschulen, begrüßt die Idee des Bildungskompasses: Alles, was den Werdegang eines Kindes fördert, ist zu unterstützen. In der Schule werden bereits jetzt im Rahmen der Bildungsdokumentation Daten der Kinder erfasst. Die Dokumentation ab 3,5 Jahren würde lediglich die Lücke zwischen Kindergarten und Pflichtschule schließen, so Ehlers. Bisher sei diese Schnittstelle total unterbelichtet. Allerdings fordert Ehlers ein Mitspracherecht der Elternvereine bei der Frage, welche Daten der Kinder künftig erfasst werden sollen. Einerseits müsse geklärt werden, ob die erfassten Daten im Sinne des Fortkommens des Kindes nachhaltig wirken. Andererseits müsste auch die Frage des Datenschutzes ausführlich diskutiert werden. So soll sichergestellt werden, dass nicht Gott und die Welt Zugang zu den erfassten Daten hat. Mitsprache für die Elternvereine fordert Ehlers übrigens auch bei der Frage, welche Kompetenzen Lehrer und Lehrerinnen mitbringen sollen, die an Schulen künftig neu eingestellt werden. Der Genetiker gilt als "Vater" des Bildungskompasses. Das soll ein Büchlein sein, das Kinder vom Kindergarten an begleitet. STANDARD: Können Sie uns erklären, was der Bildungskompass genau sein soll? Markus Hengstschläger: Nach Vorbild des Mutter-Kind-Passes soll etwas Ähnliches für die Bildung eingeführt werden. Die Details gibt es noch nicht, die werden im Rahmen einer Expertengruppe ausdiskutiert, die sich derzeit formiert. Der Nationalrat stimmt dann darüber ab. Im September 2016 soll der Kompass starten. STANDARD: Was ist die Idee? Hengstschläger: Das Ziel ist, den Start in die Schuleingangsphase für alle Österreicher fair und gleich zu gestalten. STANDARD: Erstmals sollen Kinder mit 3,5 Jahren getestet werden. Wie kann das ablaufen? Hengstschläger: Die Erstuntersuchung können zum Beispiel Kindergartenpädagoginnen oder Psychologen durchführen. In der Neuausrichtung der Kindergartenausbildung sollen die Pädagoginnen jedenfalls darauf vorbereitet werden. Aber auch die Ressourcen gehören aufgestockt. STANDARD: Nehmen wir an, es wird festgestellt, das Kind hätte logopädischen Förderungsbedarf. Was soll dann geschehen? Schon jetzt sind die Wartelisten zu lang. Hengstschläger: Das ist dann eine Bringschuld des Staates. Wenn Förderbedarf besteht, muss es die nötigen Instrumente geben. Denn jedes Kind hat das Recht, optimal gefördert zu werden. Wir wollen das Wort Strafe vermeiden, aber es gibt eine Mitwirkungspflicht. STANDARD: Wollen Sie die Teilnahme an die Kinderbeihilfe koppeln? Hengstschläger: Das geht nicht. STANDARD: Welche Informationen sollen im Kompass stehen? Hengstschläger: Die sprachlichen und kognitiven Fähigkeiten werden getestet, den Rest wird die Expertengruppe definieren. Der Bildungskompass hat jedenfalls nicht das Ziel, sich nur auf die Schwächen zu konzentrieren. STANDARD: Wie wollen Sie den Datenschutz sicherstellen? Hengstschläger: Der Mutter-Kind-Pass ist nicht öffentlich zugänglich, so soll es auch hier sein. STANDARD: Wo sollen die Informationen gespeichert werden? Hengstschläger: Ich hätte gerne, dass der Bildungskompass nur ein Büchlein ist. STANDARD: Wer soll Zugriff haben? Hengstschläger: Es gibt neuralgische Punkte, an denen wir wissen wollen, ob etwas zu tun ist. Die Schuleingangsphase etwa, hier sollen Lehrer Zugriff haben. Ebenso notwendig ist das bei offenen Fragen. Auch der Peak nach oben ist ein Grund nachzuschauen. STANDARD: Bekommen Eltern den Bildungskompass mit nach Hause? Hengstschläger: Ich bin dafür, das wird allerdings noch diskutiert. STANDARD: Der Bildungskompass soll Schritt für Schritt mit Gesundheitskomponenten verknüpft werden. Wie soll das aussehen? Hengstschläger: Es kann bei einer Testung ja auch etwas herauskommen, was im Sinne von Pathologie interpretiert werden muss. Das kann man nicht mit einem Kurs beheben. Da braucht es medizinische Dienstleistung. Heißt: Hier muss es eine Verschaltung geben. STANDARD: Und wenn ich womöglich bereits bearbeitete Defizite nicht bei der nächsten neuralgischen Stelle vorlegen will? Hengstschläger: Sie sprechen von der Problematik, dass ein Lehrer, weil informiert, die Situation vielleicht anders behandelt und irgendeine Schranke für Eltern und Kind eingebaut werden könnte. Die Freiheit, solche spezifischen Informationen herauszunehmen, könnte man andenken. STANDARD: Was, wenn mein Kind immer schon Probleme mit einem bestimmten Lehrer hat? Hengstschläger: Wenn es ein unüberbrückbares Problem ist, dann muss man das vermeiden. Eine Frage allerdings, die sehr STANDARD: ... praxisrelevant ist. Hengstschläger: Aber die lösen wir. Da haben die Eltern im Einzelfall ein Vetorecht. Es kann nicht sein, dass die Karriere eines Menschen von einem Menschen abhängt, der ihn nicht leiden kann. STANDARD: Wie praktikabel ist das Opt-out beim Pflichtkindergarten? Hengstschläger: Welches Interesse dahintersteckt, durchschaue ich noch nicht. Auch dass man in Vorbereitung auf das zweite Kindergartenjahr mindestens drei Monate den Kindergarten besuchen muss, steht im Papier, ist aus meiner Sicht aber schwer umsetzbar. STANDARD: Ersetzt der Bildungskompass irgendwann die Note? Hengstschläger: Damit kann ich einiges anfangen. Das müssen aber andere entscheiden (Katrin Burgstaller, Karin Riss, 29.11.2015) SPÖ-Abgeordneter Jarolim fürchtet, die Reform könne zum Nachteil der Schüler geraten. Wien – Der SPÖ-Nationalratsabgeordnete Hannes Jarolim übt scharfe Kritik an den Verhandlungsergebnissen der Regierung zur Bildungsreform. Vor allem die 15-Prozent-Obergrenze für Gesamtschulen pro Modellregion hält Jarolim für eine Unverschämtheit. Damit nimmt man den Jugendlichen mit Nachdruck die Bildungschancen. Dass der Koalitionspartner ÖVP auf dieser willkürlich gesetzten Grenze beharre, empfinde ich als Bösartigeit, Anmaßung und Widerwärtigkeit, sagte er dem STANDARD. Laut Jarolim darf die Angelegenheit nicht der Politik alleine überlassen werden. Da müssen wir mobilisieren, müssen die Bevölkerung mit in dieses Thema hineinziehen. Staatssekretär Harald Mahrer (ÖVP) hatte vor zwei Wochen gemeinsam mit Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) die Ergebnisse der Bildungsreform präsentiert. Heinisch-Hosek ließ diese Woche aber durchblicken, dass sich im parlamentarischen Prozess bei der Quote noch etwas bewegen könnte. Mahrer und ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka konterten: An der 15-Prozent-Grenze werde nicht gerüttelt. Beharren auf Gymnasium ist Provinzialismus pur Mahrer stellt sich als der große Innovator da. Und da, wo es darauf ankommt, steigt er voll auf die Bremse, sagte Jarolim. Das zwischen ÖVP und SPÖ ausgehandelte Ergebnis sei eine Schmach, die man nicht auf sich sitzen lassen kann. Die 15-Prozent-Quote und das Beharren der ÖVP auf dem Gymnasium sei Provinzialismus pur. Da muss man unbedingt was ändern. Die Bildungsreform gerate ansonsten zum Nachteil der Schüler. Vorarlberger ÖVP-Abgeordneter: Hätten uns mehr erwartet Man solle den noch nicht einmal angelaufenen Parteiengesprächen im Haus nicht vorgreifen, die Kirche im Dorf lassen, sagte Thomas Lang, Sprecher des Zweiten Nationalratspräsidenten Karlheinz Kopf, eines Vorarlbergers. Norbert Sieber, der zweite ÖVP-Abgeordnete aus dem Bundesland, das so gerne Modellregion wäre, sieht die 15-Prozent-Quote als Wermutstropfen in der Bildungsreform. Wir hätten uns mehr erwartet, sagt er aus der Sicht des Vorarlbergers. Aus Sicht des Klubmitglieds wird Sieber der Bildungsreform als Gesamtpaket zustimmen. Schließlich sei sie auch innerhalb der ÖVP ein Etappensieg. Viel Hoffnung, die Quotenbestimmung wieder wegzubekommen, hat er nicht: Die Meinung im Klub ist doch sehr verfestigt. Aus dem Büro von Landeshauptmann Markus Wallner heißt es: Der Ball liegt beim Nationalrat. Schulverwaltungsreform ist ein hartes Geschäft – für Bund und Länder. Braucht Kärnten acht Landwirtschaftsschulen? Drei reichen, sagt der rote Bildungskoordinator. Tun sie nicht, kontert die ÖVP. Ein Exempel. Wien – Mit der Reform der Schulverwaltung im Großen haben Bund und Länder bzw. das SPÖ-geführte Bildungsministerium und einige ÖVP-Landeshauptleute gerade gröbere Schwierigkeiten. Dass Schulverwaltung im Kleinen, also auf Landesebene, auch eine harte Nuss sein kann, zeigt exemplarisch ein Beispiel aus Kärnten. Es geht um den landwirtschaftlichen Schulbereich. Den hält der von Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) eingesetzte bildungspolitische Koordinator Herbert Würschl für ein Verwaltungsmonstrum, wie er im STANDARD-Gespräch sagt: Das gehört dringend reformiert, um zu einer effizienten und sparsamen Schulverwaltung zu kommen. Gefordert sei da der zuständige Agrarlandesrat Christian Benger, der auch ÖVP-Landeschef ist. Die land- und forstwirtschaftlichen Fachschulen – sie zählen zu den berufsbildenden mittleren Schulen – fallen in die Kompetenz der Länder und werden in Kooperation mit dem Landwirtschaftsministerium verwaltet. Auf STANDARD-Anfrage verwies Landesrat Benger auf die reformorientierte Vorreiterrolle des landwirtschaftlichen Schulwesens in Kärnten, das bestmögliche Ausbildungsqualität für den ländlichen Raum garantiert, was die einzig steigenden Schülerzahlen aller Schulbereiche in Kärnten mehr als verdeutlichen. Wir sind finanziell unter Druck, entgegnet der Bildungskoordinator und verweist auf Umstrukturierungen im Pflichtschulbereich, wo das Land Kärnten Lehrerinnen und Lehrer einsparen und Kleinschulen zusammenlegen müsse – und zugleich haben wir für acht landwirtschaftliche Schulen 120 Schulverwalter. 15 Schulverwalter pro Schule sind zu viel. Zur Verwaltung rechnet Würschl vom Landesrat abwärts die landwirtschaftliche Schulabteilung im Land (für die Pflichtschulen gibt es eine eigene Schulabteilung, in der Würschl tätig ist), die Direktoren, eine Personalvertreterin und 103 Mitarbeiter wie zum Beispiel Hauswarte, Wirtschafter oder Melker und Sekretärinnen in den Schulen. Diese Lesart stößt in Bengers Büro auf scharfen Widerspruch: Bei den Angestellten rund um die Schulen und Schulgüter von Verwaltungspersonal zu sprechen, ist schlichtweg falsch und zeugt von Unkenntnis oder parteipolitischer Polemik. Eine Landwirtschaftsschule mit Internat und landwirtschaftlichem Gut brauche neben klassischen Schultätigkeiten über Reinigung und Betriebsküche naturgemäß auch Bearbeiter für Grün- und Ackerland, Wald, Teichwirtschaft und Weinbau bis zu Tierhaltung – dafür seien aber auch wirtschaftliche Erträge in Millionenhöhe zu verbuchen. Weiterer Kritikpunkt Würschls: 164 Lehrerinnen und Lehrer für rund 1200 Schülerinnen und Schüler machten die Landwirtschaftsschulen mit einem Lehrer-Schüler-Verhältnis von 1:7 zum teuersten Schultyp und damit teurer als technisch bestausgestattete HTLs, kritisiert er. Zudem gebe es einen knapp 30-prozentigen Lehrerüberhang, um den der Dienstpostenplan, den das Landwirtschaftsministerium – so wie das Unterrichtsministerium für die Pflichtschulen – vorgebe, überzogen sei. Für das finanziell angeschlagene Land Kärnten verursache das laut Würschl zusätzliche Kosten von mehr als 1,8 Millionen Euro pro Jahr. Auch das hält man im Büro des Agrarlandesrats für irreführend. Seit 2010 habe man die Dienstposten von 184 auf 163 reduziert, obwohl aktuell das landwirtschaftliche Schulwesen der einzige Bereich mit leicht steigenden Schülerzahlen ist. Laut Finanzausgleich habe der Bund – hier das zuständige Landwirtschaftsressort – fünfzig Prozent der Lehrerkosten zu tragen, sei von dieser Vorgangsweise jedoch einseitig abgegangen und habe für alle Bundesländer eine Obergrenze eingeführt. Es entstehen dadurch für die Länder jährliche finanzielle Mehrbelastungen für Personalkosten. Der Rechnungshof empfahl 2011, die land- und forstwirtschaftlichen Schulen in eine umfassende Reform des österreichischen Schulwesens einzubeziehen. Würschl will noch mehr Strukturreformen. Acht Schulstandorte seien – 2014/15 gab es dort laut Statistik Austria 1268 Schülerinnen und Schüler – schlicht zu viel: Das ist Geldvernichtung auf Kosten der Kärntner Steuerzahler. Diese Schülerzahlen rechtfertigen maximal drei Schulstandorte. Die Gesamtschülerzahl aller landwirtschaftlichen Schulen Kärntens entspreche einer durchschnittlichen AHS oder BMHS. In Bengers Büro verweist man auf den Bedarf an Profis als Hofübernehmer. Ungeachtet dessen seien im Zuge des Strukturentwicklungskonzepts der Fachschulen schon vor zehn Jahren Standortreduktionen gestartet und mittlerweile bereits eine 36-prozentige Verringerung der Schulstandorte gesetzt worden. Die rot-schwarz-grüne Regierungskoalition habe zudem die Fusion des Standorts Drauhofen mit der Fachschule Litzlhof beschlossen. Eine Fusion anderer Art fordert Würschl als Mittel gegen einen Bürokratiedschungel sondergleichen, da sich die zwei Verwaltungsschienen auf Landesebene mit der allgemeinen und der landwirtschaftlichen Schulabteilung im Bund fortsetzen. Für die höheren Landwirtschaftsschulen ist das Landwirtschaftsressort zuständig: Das Unterrichtsministerium müsste natürlich für alle Schulen zuständig sein, so werden nur teure Doppelgleisigkeiten produziert. Grotesk, dass da zwei Apparate verwalten. 'Ein Gesetzesentwurf des Bildungsministeriums sieht die Abschaffung der Ziffernnoten vor. Wien – Sitzenbleiben in der Volksschule soll künftig der Vergangenheit angehören. So sieht es zumindest das Bildungsministerium von Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) in einem Gesetzesentwurf vor. Die Änderung passiert im Rahmen der Bildungsreform, bei der SPÖ und ÖVP auch Alternativen zu Ziffernnoten möglich machen wollen, berichtete das Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch. Bisher gibt es dazu mehr als 2.000 Schulversuche. Statt der Noten von 1 bis 5 sollen künftig alle Volksschüler verbale Leistungsbeurteilungen bis einschließlich der dritten Klasse bekommen. Wenn die Erziehungsberechtigten trotzdem Ziffernnoten wollen, können sie diese zusätzlich verlangen. Laut dem Entwurf für das Schulrechtspaket soll es Bewertungsgespräche mit Eltern oder Erziehungsberechtigten über Lern- und Entwicklungsstand, Lernfortschritte, Leistungsstärken sowie Begabungen geben. Am Ende jedes Semesters stehen schriftliche Semester- und Jahresbeurteilungen statt Ziffernnoten an. Die Gefahr des Sitzenbleibens entfällt. Derzeit fallen jedes Jahr rund 1.600 Kinder an den Volksschulen durch – das sind etwa 0,5 Prozent. Moderne Pädagogik darf ein Wiederholen der Schulstufen in diesem Altersbereich nicht zulassen, heißt es in dem Entwurf, der dem STANDARD vorliegt. Freiwilliges Wiederholen von Schulstufen soll es nur in Ausnahmefällen geben. Der Vorschlag des SPÖ-geführten Bildungsministeriums muss erst mit der ÖVP akkordiert werden, die Verhandlungen darüber laufen. Vom Entwurf irritiert zeigt sich ÖVP-Bildungssprecherin Brigitte Jank. Wir haben uns mit dem Koalitionspartner darauf geeinigt, dass der Schulstandort autonom entscheidet, ob es statt der Ziffernnote eine alternative Leistungsbeurteilung gibt, sagt sie mit Verweis auf den Ministerratsvortrag zur Bildungsreform, in dem es tatsächlich heißt, dass die Leistungsbeurteilung an Volksschulen zum schulautonomen Gestaltungsraum werden soll. Als ÖVP ist uns das Bekenntnis zu Leistung wichtig. Eine erstmalige Beurteilung, ob die Bildungsziele erreicht sind, in der vierten Klasse ist problematisch, weil dann das letzte Volksschuljahr wiederholt werden müsste, sagt Jank. Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien hält verbale Beurteilungen statt Ziffernnoten für sehr förderlich und unterstützend. Volksschüler hätten vor dem Schuleinstieg die Eigenwahrnehmung, ganz viel zu können. Nach dem Schuleintritt werde ihnen klar, dass andere Mitschüler bestimmte Dinge besser können. Ihr Selbstwertgefühl wird reduziert, sagt Spiel zum STANDARD. Eine differenzierte verbale Rückmeldung über das, was die Schüler gut und was sie besser machen können, ermögliche es, Selbstwertgefühl und Motivation wieder zu steigern. Zudem sei das Hauptproblem von Ziffernnoten, dass sie maßgeblich vom Maßstab der Lehrperson abhängen. Viele Lehrer würden ihre Schüler daran messen, wie gut die Kollegen in der Klasse sind. Das ist weder fair noch motivierend, sagt Spiel. Motivierender sei es für Schüler, wenn sie auch daran gemessen werden, ob sie sich im Vergleich zu ihren früheren Leistungen gesteigert haben. All das kann ich in einer Ziffernnote alleine nicht abbilden. Auch, dass das Sitzenbleiben abgeschafft werden soll, begrüßt die Bildungspsychologin. Positive Effekte beim Wiederholen einer Klasse sind sehr selten, sagt sie. Einerseits würden durch das Sitzenbleiben die sozialen Kontakte der Schüler zerstört, oft sei es aber auch nicht sinnvoll, ein ganzes Jahr zu wiederholen, wenn die Schüler nur in einem Fach Probleme hätten. Besser sei eine frühzeitige Förderung von schwachen Schülern Bildungsministerin Heinisch-Hosek will verbale Beurteilung statt Ziffernnoten zum Regelfall machen. Wien- Sitzenbleiben in der Volksschule soll künftig der Vergangenheit angehören. So sieht es zumindest Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) in einem Gesetzesentwurf vor. Im Ministerratsvortrag zur Bildungsreform war davon allerdings noch keine Rede. SPÖ und ÖVP hatten lediglich vorgesehen, dass der Schulstandort autonom entscheidet, ob es alternative Leistungsbeurteilungen gibt. Jetzt will Heinisch-Hosek Fakten schaffen: Die künftig Bewertungsgespräch genannte verbale Beurteilung soll von der ersten bis zur dritten Klasse verpflichtend sein. Eltern und Erziehungsberechtigte sollen dabei über Lern- und Entwicklungsstand, Lernfortschritte, Leistungsstärken sowie Begabungen informiert werden. Jedes Semester stehen schriftliche Semester- und Jahresbeurteilungen statt Ziffernnoten an. In den Erläuterungen zum Gesetzesentwurf folgert man, dass Kinder der 1. bis zur 3. Schulstufe jedenfalls zum Aufsteigen in die nächsthöhere Schulstufe, also bis in die 4. Klasse berechtigt sind. Damit sei ein höchstmögliches Maß an Individualisierung möglich. Denn: Moderne Pädagogik darf ein Wiederholen von Schulstufen in diesem Altersbereich nicht zulassen. Bildungsministerin soll sich an Vereinbarungen halten In der ÖVP sieht man das ganz anders. Bildungssprecherin Brigitte Jank erklärt: Die Bildungsministerin sollte sich an Vereinbarungen halten. Eine erstmalige Beurteilung, ob die Bildungsziele erreicht sind, sei in der vierten Klasse problematisch. Der Entwurf aus dem Bildungsministerium sieht Ausnahmen zwar vor, diese seien aber äußerst restriktiv zu handhaben. Bisher fallen pro Schuljahr lediglich 0,5 Prozent der Volksschüler durch. Kinder jener Eltern, die zusätzlich Noten einfordern, sollen laut Entwurf auch bei negativer Beurteilung aufsteigen. Und, ebenfalls neu: Auch die Verhaltensbeurteilung soll entfallen und durch eine Beschreibung der Entwicklungssituation ersetzt werden. Bildungspsychologin sieht positive Effekte Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Uni Wien hält verbale Beurteilungen statt Ziffernnoten für sehr förderlich und unterstützend . Eine differenzierte Rückmeldung über das, was die Schüler gut und was sie besser machen können, ermögliche es, Selbstwertgefühl und Motivation zu steigern. Das Problem von Ziffernnoten sei, dass sie maßgeblich von der Lehrperson abhängen. Auch, dass das Sitzenbleiben abgeschafft werden soll, begrüßt die Bildungspsychologin. Positive Effekte beim Wiederholen einer Klasse sind sehr selten, sagt sie. Für acht Schüler aus Groß-Siegharts kommen diese Pläne zu spät: Sie alle müssen heuer die dritte Klasse wiederholen, was der Volksanwaltschaft so außergewöhnlich erscheint, dass sie ein Prüfverfahren eingeleitet hat. Volksanwalt Peter Fichtenbauer mutmaßt, man habe auf dem Rücken der Kinder Organisationspolitik betrieben und die nachfolgende Klasse mit nur elf Schülern auffüllen wollen. Die Direktorin wollte auf Standard -Anfrage nicht Stellung nehmen. Gehörlose Schulkinder ohne Recht auf Unterricht in Gebärdensprache – Grüne Behindertensprecherin Jarmer fordert ausgebildete Lehrer. Wien – Es gibt in Österreich eine Gruppe von Kindern mit nichtdeutscher Muttersprache, die im Schulbereich systematisch vernachlässigt wird: gehörlose Kinder, von denen es rund 1000 bis 2000 gibt, dazu weitere 10.000 bis 20.000 mit gehörlosen Eltern(teilen). Ihre Muttersprache ist die Gebärdensprache, die sie von klein auf über das Auge erwerben – so wie hörende Kinder die deutsche Lautsprache über das Hören. Die deutsche Sprache müssen sich Gehörlose und Hörgeschädigte systematisch wie eine Fremd- oder Zweitsprache aneignen. In einem Umfeld, das die grüne Behindertensprecherin Helene Jarmer anlässlich des internationalen Tags der Muttersprache am Sonntag (21. Februar) scharf kritisiert: Noch immer haben gehörlose Kinder kein Recht auf Unterricht in ihrer eigenen Muttersprache. Die meisten von ihnen werden nach Sonderschullehrplan unterrichtet. Dabei ist die Gebärdensprache seit 2005 in der Verfassung als eigene Sprache verankert und auch in der von Österreich ratifizierten UN-Behindertenrechtskonvention explizit erwähnt. Lehrerinnen und Lehrer, die gehörlose Kinder unterrichten, müssen jedoch nicht die österreichische Gebärdensprache (ÖGS) beherrschen. In der Lehrerausbildung ist sie nicht verpflichtend, und Interessierte, die die ÖGS lernen wollen, müssen das in ihrer Freizeit tun und selber zahlen. Für Jarmer, auch Präsidentin des österreichischen Gehörlosenbundes, ein Skandal, sagte sie zum STANDARD: Man kann nicht einfach ohne Kenntnisse der österreichischen Gebärdensprache in einer Klasse mit gehörlosen Kindern stehen und sich von den Kindern ein paar Gebärden zeigen lassen. Weder gebe es in Österreich ein eigenes Unterrichtsfach Gebärdensprache (so wie für Englisch oder Französisch) noch ordentliche Unterrichtsmaterialien für gehörlose Kinder. In Deutschland gibt es etwa an der Humboldt-Uni zu Berlin ein Lehramtsstudium für Sonderpädagogik mit Gebärdensprachpädagogik oder ein Bachelorstudium Deaf Studies (Sprache und Kultur der Gehörlosengemeinschaft). Gnesda sieht das Schreiben an die Schulsprecher aufgrund des Partei-Werbeverbots als problematisch. Wien – Verstimmung bei Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda löst ein Brief von Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss an zahlreiche Schulsprecher aus. Wir würden uns sehr freuen, wenn du deine Mitschüler über Irmgard Griss informieren würdest, damit ihre Kandidatur ermöglicht werden kann, heißt es darin etwa. Gnesda bezeichnet den Brief aufgrund des Polit-Werbeverbots an Schulen als problematisch. Ich möchte dich und dein Umfeld über unsere Kampagne informieren, heißt es im Brief. Denn die Kandidatur von Irmgard Griss ist die einer Bürgerin, die von Bürgern beauftragt wurde zu kandidieren. Das ist in Österreich so nicht vorgesehen. Das darf es eigentlich nicht geben. Dementsprechend haben wir auch Hindernisse vor uns, deren Überwindung die Unterstützung vieler Einzelner benötigt. Das soll offenbar mit Hilfe der Schulsprecher bzw. der Schüler gelingen. Praktischerweise ist auch gleich ein Leitfaden für die Unterstützungserklärungen mit dem Bild der Kandidatin beigelegt. Gnesda erinnerte dabei an dem vom Bildungsministerium aus Anlass der Präsidentschaftswahlen erneuerten Erlass zum Verbot politischer Werbung an Schulen, der von der Schülervertretung begrüßt werde. Natürlich unterstützen wir eine objektive Aufklärung über die Bundespräsidentschaftswahlen im Rahmen des Unterrichts, sagt Gnesda zur APA. Hier ist es aber wichtig, dass man sich ein objektives Bild über die Wahlen bilden kann, ohne von Parteiwerbungen beeinflusst zu sein. Vorfälle wie dieser zeigten die Wichtigkeit der Einführung eines Pflichtfachs Politische Bildung im Regelunterricht. Wenn jeder auf eigene Faust Werbung macht, kann man sich nicht objektiv informieren. Nur ein Drittel der Schulsprecher sind Frauen – SP-nahe Aktion Kritischer Schüler_innen und fordert Frauenförderung an den Schulen. Wien – Die Schülervertretung in Österreich ist derzeit männlich dominiert, zeigt ein am Montag präsentierter Bericht der Aktion kritischer Schüler_innen (AKS) für das Schuljahr 2015/16. Zwar sind mehr als die Hälfte der Schüler weiblich, doch nur ein Drittel der Schulsprecher sind junge Frauen, zeigt die Untersuchung von einem Viertel der AHS und berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS). Konkret sind rund 35 Prozent der Schulsprecher weiblich, an den AHS sind es gar nur 30 Prozent. Unter den Landesschulsprechern liegt der Frauenanteil bei 39 Prozent. Da diese auch die Bundesschülervertretung stellen, ist auch hier der Frauenanteil gering. Dass Frauen unterrepräsentiert sind, liegt laut AKS jedoch nicht an einem Mangel an weiblichen Bewerbern, vielmehr ortet die SP-nahe Schülervertretung eine gläserne Decke. Janina Hellwagner, Bundesfrauensprecherin der AKS, sieht die Gründe für das Ungleichgewicht in der schulischen Vertretungsebene in der Vermittlung klassischer Rollenbilder auch in der Schule und im Fehlen weiblicher Vorbilder in Spitzenpositionen. AKS-Bundesvorsitzende Christina Götschhofer fordert deshalb Maßnahmen zur Frauen- und Mädchenförderung an den Schulen. (APA, 7.3.2016) ÖVP-Obmann: Wien wäre von Lösung für Vorarlberg nicht betroffen. Wien – ÖVP-Obmann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat die Kritik seines Wiener Parteichefs Gernot Blümel in Sachen Gesamtschule zurückgewiesen. Ihm gehe es darum, Vorarlberg die Umsetzung der dort gewünschten Modellregion zu ermöglichen. Wien betreffe diese Debatte dagegen überhaupt nicht. Es gebe in dieser Frage auch keinen Beschluss des Bundesparteivorstands – auf einen solchen hatte Blümel hingewiesen –, lediglich eine Koalitionseinigung auf die 15-Prozent-Regelung für Modellversuche. Da Vorarlberg damit aber nicht Modellregion werden könne, hatte der Wissenschaftsminister als zweiten Parameter eine absolute Schülerhöchstzahl ins Spiel gebracht. Mit Wien habe das aber nichts zu tun. Tirols Landeshauptmann und Bildungsreform-Verhandler Günther Platter (ÖVP) hat indes die Einhaltung der beschlossenen Pakete eingemahnt. Denn dann habe man die Chance, die Reform umzusetzen, sagte Platter am Dienstag bei der Pressekonferenz nach der Regierungssitzung in Innsbruck. Wir haben ein Verhandlungsergebnis. Er halte sich jedenfalls an das, was man vereinbart habe, so Platter. Angesprochen auf Mitterlehners Ankündigung, sich für eine Obergrenze von 5.000 Schülern als Zusatz zur 15-Prozent-Grenze starkzumachen, meinte er: Wenn ein Zusatz von der Koalition gewünscht sei, soll mir das recht sein. Anders als momentan muss nicht das Schuljahr positiv abgeschlossen werden, sondern jedes Semester. Wien – Bei der Umstellung auf die neue Oberstufe (NOST) rückt vor allem das einzelne Semester als Maßeinheit in den Mittelpunkt. Anders als derzeit muss nicht das Schuljahr insgesamt positiv abgeschlossen werden, sondern jedes Semester. Umgekehrt bleiben positive Teilleistungen auch bei einem Gesamt-Fünfer erhalten, bis zu zwei negative Semestermodule können in die nächste Klasse mitgenommen werden. Die NOST sollte ursprünglich spätestens 2017/18 an allen mindestens dreijährigen Oberstufenformen ab der 10. Schulstufe (6. Klasse AHS bzw.zweiter Jahrgang oder zweite Klasse an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen, land- und forstwirtschaftlichen Schulen sowie Bundesanstalten für Kindergarten- bzw. Sozialpädagogik) starten. Derzeit wird sie an rund 200 von knapp 750 Oberstufen-Standorten – vor allem BHS -erprobt. Gymnasien dürfen den Start aber um bis zu zwei Jahre verschieben.Insgesamt sind im Endausbau pro Jahrgang an den AHS etwa 22.000 Schüler und an den BHS etwa 25.000 Schüler betroffen. Grundidee ist eine sogenannte Semestrierung des Lernstoffs: Dieser wird in je ein Semester umfassende Module unterteilt. Somit müssen sowohl im ersten als auch im zweiten Semester alle Fächer positiv abgeschlossen werden.Betroffene Schüler erhalten einen Lehrer als individuellen Lernbegleiter,der diese unterstützen soll. Eine entsprechende Fortbildung für Lehrer wird bereits angeboten. Ein Fünfer in einem Modul kann durch eine sogenannte Semesterprüfung ausgebessert werden. Gleichzeitig gehen in einem Semester erbrachte positive Teilleistungen nicht verloren. Die Semesterprüfung umfasst nur den Teil des Stoffs, der nicht beherrscht wurde. Sie kann insgesamt zweimal wiederholt werden. In die nächste Klasse aufsteigen darf der Schüler auch mit höchstens zwei negativen Modulen in den Semesterzeugnissen. Diese müssen dann aber vor dem Maturaantritt nachgeholt werden. Einmal im Verlauf der Oberstufe ist ein Aufsteigen mit drei Nicht genügend bzw. Nichtbeurteilungen in die nächste Schulstufe möglich, sofern die Klassenkonferenz dies beschließt. Bei Klassenwiederholungen bleiben positiv erbrachte Leistungen erhalten. Am anderen Ende des Leistungsspektrums können Schüler auch einzelne Gegenstände durch das Ablegen von Semesterprüfungen vorziehen und dann überspringen. In diesen können sie dann auch früher zur Matura antreten. Einigung zwischen Lehrergewerkschaftern und Direktoren im Bildungsministerium. Wien – Auch die berufsbildenden mittleren Schulen (BMS) bekommen die Möglichkeit, die Reform der Oberstufe um bis zu zwei Jahre zu verschieben. Diese Einigung wurde bei einem Gespräch mit Lehrergewerkschaftern und Direktoren am Mittwoch erzielt, heißt es aus dem Bildungsministerium in einer Stellungnahme zum STANDARD. Das BMBF nimmt die Sorgen und Bedürfnisse der einzelnen Schulen sehr ernst. Bereits Anfang der Woche war bekannt geworden, dass die allgemeinbildenden höheren Schulen (AHS) eine Fristverlängerung bekommen. Gesetzlich vorgesehen ist nach wie vor ein Start der Oberstufenreform mit dem Schuljahr 2017/18. Die AHS- und BMS-Standorte, die sich noch nicht ausreichend vorbereitet fühlen, können autonom entscheiden, ob sie mit der Umsetzung der neuen Oberstufe ein oder zwei Jahre später beginnen wollen, so das Ministerium. Aus dem Bereich der berufsbildenden höheren Schulen (BHS) sei dagegen kein Wunsch nach einer Möglichkeit zur Verschiebung gekommen. Die Reform sieht vor, dass Schüler ab der zehnten Schulstufe bei einem Fünfer in einem Fach nicht mehr das ganze Jahr wiederholen müssen, eine Prüfung ist lediglich in dem Teilgebiet vorgesehen, in dem die Schüler negativ beurteilt wurden. An rund 200 Schulen – das ist etwa ein Viertel der Standorte – wird das Modell bereits erprobt. Trotzdem haben Eltern- und Lehrervertreter davor gewarnt, dass einige Schulen noch mehr Zeit brauchen, um das System umzustellen. Jürgen Rainer, Lehrergewerkschafter für die berufsbildenden Schulen, sagt im Gespräch mit dem STANDARD: Manche Lehrpläne sind noch nicht fertiggestellt. Er geht davon aus, dass einige berufsbildende Schulen aufgrund von Schulversuchen bereits jetzt bereit für die Oberstufenreform sind, andere aber nicht. Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda befürwortet eine Fristverlängerung. Ihm geht die Reform aber noch nicht weit genug. Schüler sollten auch einzelne Fächer abwählen können, sobald sie eine Grundkompetenz erworben haben, sagt er zum STANDARD. Auch der Bundeselternverband begrüßt den Schritt des Ministeriums, macht aber auf weiteren Verbesserungsbedarf aufmerksam: Insbesondere Lehrpläne und Verwaltungssoftware, aber auch Fragen des Wiederholens von nicht bestandenen Semesterbausteinen, müssen unbedingt verbessert, abgeschlossen und entsprechend kommuniziert sein, bevor die Einführungsfrist zu laufen beginnt. Eltern, Lehrer und Direktoren sollen über Abschaffung der Noten entscheiden. Wien – Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zieht bei der Abschaffung der Ziffernnoten in der Volksschule offenbar doch zurück. Laut einem Papier des Ministeriums, das der Presse vorliegt, soll die Entscheidung entgegen ursprünglichen, von der ÖVP abgelehnten Plänen am Schulstandort fallen. Konkret soll das Schulforum – Eltern, Lehrer und Direktor oder Direktorin – über die Abschaffung der Noten entscheiden. Trifft es keine Entscheidung, obliegt diese dem Schulleiter. Gefällt den Eltern das nicht, eröffnet ihnen der neue Entwurf noch eine Chance, doch zu der gewünschten Beurteilungsform zu kommen: Den Erziehungsberechtigten soll es unbenommen sein, in Ergänzung zur autonomen Entscheidung am Standort für ihr Kind eine der beiden Varianten zu wählen, heißt es in dem Papier. Zusätzliches Zeugnis Die Eltern können sich für ihr Kind also ein zusätzliches Zeugnis – entweder in Ziffernform oder als Pensenbuch, Lernfortschrittsdokumentation et cetera – wünschen. Heinisch-Hosek hatte ursprünglich geplant, Ziffernnoten bis inklusive der dritten Klasse durch schriftliche Semester- oder Jahresinformationen zu ersetzen. Eltern hätten aber weiter eine herkömmliche Beurteilung verlangen können. Eine Bestätigung, dass die Ministerin ihre Pläne tatsächlich geändert hat, war aus ihrem Ressort vorerst nicht zu erhalten. Nur sechs von zehn Schülern der vierten Volksschulklasse können sinnerfassend lesen. Ganze 13 Prozent bleiben beim Lesen völlig zurück. Wien – Am Wohlfühlfaktor kann es nicht liegen. Kinder, die die vierte Volksschulklasse besuchen, haben in Österreich eine positive Einstellung zur Schule: 36 Prozent gehen sehr gern, weitere 34 Prozent gern in die Schule. Positiv ist ihre Assoziation zur Klasse: 53 Prozent sind mit ihrer Klasse sehr zufrieden, weitere 30 Prozent sind zufrieden, und weitere zwölf Prozent haben eine neutrale Haltung zur Klasse. Das ist aber nur ein Nebenergebnis der Studie Standardüberprüfung Deutsch (4. Schulstufe), für die im vorigen Mai 75.297 Kinder an 2.995 Volksschulen getestet wurden. Im Kern ging es um die Deutschkompetenzen – und diese sind mangelhaft. Untersucht wurden mehrere Aspekte des Beherrschens der Unterrichtssprache. Unter anderem ging es darum, wie weit das Leseverständnis von Volksschülern nach vier Jahren Unterricht geht. Dazu mussten altersadäquate lineare und nichtlineare Texte (darunter verstehen die Prüfer etwa Tabellen und Grafiken) unterschiedlicher Länge und inhaltlicher, struktureller und sprachlicher Komplexität gelesen werden. 62 Prozent der Geprüften erreichen oder übertreffen am Ende der vierten Schulstufe die für das Leseverständnis definierten Lernziele und verfügen über ein sicheres Leseverständnis. Das heißt im Umkehrschluss: Beinahe vier von zehn Kindern erreichen das Lernziel nicht. Genauer aufgeschlüsselt: 25 Prozent der Kinder erreichen die Standards teilweise und verfügen über elementare Lesefähigkeiten. 13 Prozent erreichen die Standards nicht und weisen Schwächen auf. Die Forscherinnen vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) betonen allerdings: Das ist weniger besorgniserregend, als es auf den ersten Blick erscheint. Das Ergebnis sei bloß nicht das, was wir uns von der vierten Schulstufe erwarten. Ins selbe Horn stößt auch Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek: Das Ergebnis zeigt, dass das österreichische öffentliche Bildungswesen sehr gut funktioniert. Und sie sieht auch Fortschritte gegenüber einer – allerdings weniger breit angelegten – Studie aus dem Jahr 2010. Die Fortschritte seit damals beziffern die Forscherinnen Simone Breit und Claudia Schreiner im Bereich Lesen mit durchschnittlich 23 Punkten, im Bereich Sprachbetrachtung mit 24 Punkten. Dabei wird jeweils eine Skala angelegt, die 500 Punkte als durchschnittliches Ergebnis der Vorstudie von 2010 zur Grundlage hat. Diese Skala ermöglicht auch den Vergleich zwischen einzelnen Gruppen von Schülern: Von Bundesländer-Ergebnissen bis Testformat. Für die Studie Standardüberprüfung Deutsch (4. Schulstufe) wurden im vergangenen Mai 75.297 Kinder an 2.995 Volksschulen in Österreich getestet. Zentral ging es dabei um die Deutschkompetenzen – und diese stellten sich als äußerst mangelhaft heraus. Ein detaillierter Blick auf Ergebnisse und Methode der Überprüfüng: Die Leistungsunterschiede bei den Deutsch-Standards ergeben sich vor allem durch Stereotype, sagt Bildungspsychologin Spiel. Wien – Fast zwei Drittel der Risikogruppe beim Lesen sind Buben. Das zeigen die Ergebnissen der Bildungsstandards am Ende der vierten Klasse Volksschule. Buben waren in allen abgeprüften Kompetenzen im Fach Deutsch schwächer als ihre Kolleginnen. Laut der Bildungspsychologin Christiane Spiel von der Universität Wien ergibt sich der Unterschied durch die Stereotype, die Schülern von Eltern und Lehrern nach wie vor vermittelt werden: Mädchen sind fleißig, und Buben sind faul und lesen nicht gerne. Bei Buben führe das dazu, dass sie furchtbar cool seien und nicht lernen, sagt Spiel zum STANDARD. Da diese Stereotype tief in der Gesellschaft verankert seien, sei es besonders schwierig gegenzusteuern. Man muss man auf allen Ebenen dagegenarbeiten. Etwa in der Lehrerausbildung. Auch die Eltern müssten dazu sensibilisiert werden Geschlechtsstereotype zu vermeiden zum Beispiel beim Spielzeugkauf oder bei der Berufswahl der Kinder. Denn Stereotype bedeuten immer eine Einschränkung der Möglichkeiten. Und es braucht Rollenbilder. Es reiche aber nicht aus, wenn etwa mehr Männer an der Volksschule als Lehrer unterrichten. Wenn diese Männer diese Stereotype weiter vermitteln, bringt es nichts. Wesentlich größer als der Abstand zwischen Buben und Mädchen ist allerdings jener zwischen Volksschulkindern, deren Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, und jenen aus akademischen Haushalten. Beim Leseverständnis liegen drei Jahre Lernzeit zwischen diesen Gruppen. Die Lösung liegt für Spiel unter anderem in einer anderen Art der Schulfinanzierung. Wie viele andere Bildungsexperten und Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) schlägt Spiel einen Sozialindex vor. Demnach würden Schulen etwa mehr Geld für Schüler bekommen, deren Eltern einen niedrigen Bildungsabschluss haben. Wie genau ein solches System funktionieren könnte, hat Johann Bacher von der Universität Linz bereits erarbeitet. In den Schulen gibt es höchst unterschiedliche Bedingugen, sagt Spiel. So werde die Klassenschülerhöchstzahl in Wien viel öfter ausgeschöpft als auf dem Land. Weitere Risikofaktoren, die in manchen Schulen viel öfter vorkommen als anderswo: sozioökonomisch schwache oder schlecht ausgebildete Eltern und Migrationshintergrund. Dazu kommt, dass Klassen, die viele Kinder aus diesen Risikogruppen besuchen, wiederum ein Risikofaktor sind. Wenn solche Schulen mehr Geld bekämen, könnte man diese Faktoren ausgleichen, sagt Spiel. Auch im Sinne der Bildungsgerechtigkeit. Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger findet diesen Vorschlag zwar begrüßenswert, kann aber nicht so recht an dessen Umsetzung glauben. Die Ministerin hat schon viel angekündigt, in den Klassen angekommen ist nichts davon. Er fordert vor allem zusätzliches Unterstützungspersonal wie Schulpsychologen und Sozialarbeiter. Zudem müssten in der ersten und zweiten Klasse Volksschule zwei Lehrer pro Klasse stehen. So kann man jedes Kind je nach Bedürfnis fördern. Kinder mit Defiziten und solche, die eine Hochbegabung haben. Überrascht von den Ergebnissen ist Kimberger jedenfalls nicht, er wisse über die Situation in den Volksschulen Bescheid. Genauso wenig neu sind die Daten für Stefan Hopmann, Bildungsforscher an der Universität Wien. Im Gespräch mit der Austria Presse Agentur sagt er: Wir haben seit 20 Jahren ähnliche Ergebnisse. Wenn Heinisch-Hosek – wie bei der Präsentation am Donnerstag – diese als Beleg dafür sehe, wie gut das österreichische Schulsystem funktioniere, sei das blanker Zynismus. Anstatt über das Schulsystem zu diskutieren, müsse man den Wissensstand jedes einzelnen Schülers kennen und Risikoschülern intensivere Begleitung und Förderung auch in kleineren Gruppen geben. Auch Bildungspsychologin Spiel spricht sich dafür aus, dass Pädagogen in Weiterbildungen gezielt lernen, wie Schwächen von Schülern erkannt werden können. Nur wenn man wisse, wo steht das Kind und was braucht es, könne man richtig fördern. Damit auch Kinder aus Risikogruppen der Gesellschaft nicht verlorengehen, schlägt sie statt der Schulpflicht eine Bildungspflicht vor. Möglichst alle Schüler sollten ein Bildungsminimum erreichen – unabhängig von ihrem Alter. Fehlbetrag wird nach Finanzausgleich und Bildungsreform neu bewertet. Wien – Während die Koalition ein Sicherheits- und Integrationspaket vereinbart hat, bleibt eine zweite Baustelle im Bundesbudget vorerst offen: Die strukturelle Lücke im Bildungsministerium wird auch im aktuellen Finanzrahmen nicht geschlossen. Geplant ist laut APA-Informationen eine Neubewertung im Herbst – nach Abschluss der Finanzausgleichsgespräche und der Bildungsreform. Damit läuft auch heuer wieder alles auf ein Nachtragsbudget für das Bildungsministerium hinaus. Schon im Vorjahr musste Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) 300 Mio. Euro nachschießen, weil in vergangenen Jahren etwa Gehaltssteigerungen nicht voll im Budget abgebildet wurden bzw. Dienstposten bei den Landeslehrern überzogen wurden. Für heuer bezifferte Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) den Fehlbetrag mit 550 Mio. Euro. Geschlossen werden soll die Lücke dem Vernehmen nach vorerst nicht. Stattdessen wurde zwischen SPÖ und ÖVP vereinbart, den Fehlbetrag nach Abschluss der Finanzausgleichsverhandlungen und nach Beschluss der Bildungsreform noch einmal zu prüfen und erst dann zu bereinigen. Für Heinisch-Hosek ist dies trotzdem ein Grund zur Freude: Denn es zeichnet sich eine positive Entwicklung für das Bildungsbudget ab. Auch meine Bestrebungen, die Maßnahmen und Projekte im Bereich der Integration zu sichern und auszubauen, hatten Erfolg, hieß es auf APA-Anfrage. Als fix angekündigt hat die Koalition ein Sicherheits- und Integrationspaket. So wird der Sondertopf Integration (für Innen-, Bildungs-, Sozial- und Integrationsressort) rückwirkend für heuer und für das kommende Jahr deutlich aufgestockt. Mehr Geld soll es bis 2020 auch für Polizei und Heer geben, wobei letzteres bis zu 1,3 Mrd. Euro fordert. Beim Innenministerium ist informell von bis zu 600 Mio. Euro zusätzlich bis 2020 die Rede. Präsentiert werden soll der Finanzrahmen für die Jahre 2017 bis 2020 kommenden Dienstag. Das Detailbudget für das kommende Jahr folgt im Herbst. Grundsätzliches Ziel ist die Einhaltung des auf EU-Ebene vereinbarten strukturellen Nulldefizits, wobei darunter ein (um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigtes) Defizit von 0,45 Prozent der Wirtschaftsleistung verstanden wird. Im Vorjahr wurde dieses Ziel dem Vernehmen nach deutlich unterschritten. "Tatsächliche finanzielle Erfordernisse" sollen bei Finanzausgleichsverhandlungen und Bildungsreform evaluiert werden. Wien – Vorerst offen bleibt im neuen Finanzrahmen die sogenannte strukturelle Lücke im Bildungsbudget. Allerdings wird konkret angekündigt, die tatsächlichen finanziellen Erfordernisse für 2016 bis 2020 im Rahmen der Finanzausgleichsverhandlungen bzw. der Bildungsreform zu evaluieren und im Rahmen einer Budget- sowie Finanzrahmennovelle zu bedecken, heißt es im Strategiebericht der Regierung. Die strukturelle Lücke ist bereits in vergangenen Jahren durch nicht vollständige Abgeltung von Gehaltssteigerungen entstanden. Im Vorjahr war der Fehlbetrag durch eine nachträgliche Budgetanpassung in Höhe von rund 300 Millionen Euro bedeckt worden. Für heuer geht man im Bildungsministerium vorerst von einer Lücke von rund 550 Millionen Euro aus. Die steigenden Lehrerkosten werden auch konkret angesprochen: Infolge der konsequent verfolgten Maßnahmen und Reformen im Zusammenhalt mit dem strukturell bedingten hohen Anteil an Personalaufwendungen war und ist die Untergliederung 30 (Budgetkapitel Bildung und Frauen, Anm.) von der effektiven Entwicklung des Personalaufwandes überproportional betroffen. Gleichzeitig wird etwa auf die Sondermittel für die Integration von Flüchtlingen verwiesen, die das Bildungsressort erhält. Der Finanzrahmen verlangt Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) aber auch Sparmaßnahmen ab: Dessen ungeachtet überbindet das Bundesfinanzrahmengesetz 2017 bis 2020 dem Bildungsressort weitere Anstrengungen bei den Ermessensausgaben, um den von der Bundesregierung verfolgten Budgetpfad einhalten zu können. Im Uni bzw. Wissenschaftsbereich-Bereich gab es in zwei Punkten Erhöhungen gegenüber dem vorherigen Finanzrahmen: Einerseits wurde nach der Einigung auf eine Neuregelung des Klinischen Mehraufwands (KMA) an den Medizinischen Universitäten bzw. an der Medizin-Fakultät der Uni Linz das KMA-Budget um 172 Millionen Euro erhöht. Andererseits stellt das Wissenschaftsministerium für die Realisierung eines Centre for Stem Cell Research am Institute of Molecular Biotechnology (IMBA) der Akademie der Wissenschaften 15 Millionen Euro zur Verfügung. Initialzündung für die Verwirklichung des schon länger angedachten Projekts dürften die Überlegungen von IMBA-Direktor Josef Penninger im Vorjahr gewesen sein, ins Ausland zu wechseln. Ministerium und Stadt Wien stellten daraufhin zusätzliche Mittel in Aussicht. Soll für gleiche Bildungschancen an Problemschulen sorgen – Mehr Lehrer und Sozialarbeiter. Wien – Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) wünscht sich eine Verteilung der Mittel für zusätzliche Fördermaßnahmen an Schulen nach einem Sozialindex. Ein solcher Chancenindex setze punktgenau an den Standorten und somit in den Klassen an. Das bedeutet Chancengerechtigkeit für alle, erklärte Hammerschmid am Dienstag in einer Aussendung. Der Begriff Chancenindex wird von den meisten Befürwortern mittlerweile statt Sozialindex verwendet. Auch Hammerschmids Vorgängerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte sich für einen Sozialindex in der Schulfinanzierung eingesetzt. Das bedeutet, dass die Finanzierung von Schulen beziehungsweise bestimmter Aufgaben an Schulen anhand von Faktoren wie Bildungsstand, Beruf und Einkommen der Eltern beziehungsweise Migrationshintergrund und andere Erst- oder Umgangssprache als Deutsch erfolgt. Je nach Modell hat das einen bestimmten Einfluss auf die Zahl der Lehrer an den Standorten und die Ausstattung mit Unterstützungspersonal wie Sozialarbeiter und Psychologen. Derzeit werden die Schulen im Wesentlichen anhand der Zahl der Schüler am jeweiligen Standort finanziert. Zuschläge gibt es für Aufgaben wie Sprachförderung bei einer hohen Anzahl an Schülern mit Sprachproblemen. Die soziale Zusammensetzung spielen dagegen keine Rolle. 'Experten fordern im Nationalen Bildungsbericht eine bessere Aufteilung von starken und schwachen Schülern. Leistungsgruppen seien überholt. Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, und er wird die Fülle haben 'Von AHS-Übertrittsquoten bis zu Vorschulstufe. Wien – Im Folgenden eine Auswahl der wichtigsten Ergebnisse aus dem Nationalen Bildungsbericht 2015. Am Ende jedes Absatzes findet sich in Klammer der jeweilige Indikator, unter dem die Informationen in Band 1 nachzulesen sind. AHS-ÜBERTRITTSQUOTEN: Nur 30 Prozent der sozialen Ungleichheiten beim Übergang von der Volksschule zur AHS-Unterstufe sind durch Leistungsunterschiede zu erklären. Vergleicht man nur Schüler mit gleicher durchschnittlicher Mathematikkompetenz, treten 64 Prozent an das Gymnasium über, wenn die Eltern über Hochschulbildung verfügen, aber nur 24 Prozent, wenn die Eltern maximal Pflichtschulabschluss oder eine Berufsausbildung mitbringen. ALLTAGSSPRACHE: In den Volksschulen spricht mehr als ein Viertel der Kinder eine andere Alltagssprache als Deutsch – die Verteilung ist dabei aber äußerst unregelmäßig: In Schulen in dünn besiedelten Gebieten sind es acht Prozent, in dicht besiedelten Regionen 51 Prozent. Allein Wien kommt dabei auf 56 Prozent, die urbanen Gebiete Oberösterreichs und Salzburgs aber ebenfalls auf 48 bzw. 47 Prozent. In der vierten Klasse Volksschule sprechen mehr als zwei Drittel der Schüler mit Migrationshintergrund zu Hause sowohl Deutsch als auch ihre Herkunftssprache, nur 23 Prozent sprechen in der Familie gar kein Deutsch. Das Herkunftsland hat keinen Einfluss. Unter den Sonderschülern sind Kinder mit nicht-deutscher Alltagssprache mit 31 Prozent (im Vergleich zu 23 Prozent an den Volksschulen) überrepräsentiert. BILDUNGSABBRUCH: Für 6,4 Prozent eines Jahrgangs war 2013/14nach Absolvierung der Schulpflicht Schluss mit der Ausbildung, 2009/10 waren es noch 7,2 Prozent. Besonders hoch ist der Anteil mit 13,1 Prozent unter männlichen Jugendlichen mit nichtdeutscher Alltagssprache, bei Mädchen aus dieser Gruppe sind es 10,4 Prozent. Besonders viele Jugendliche, die nach der Pflichtschule keine weitere Ausbildung machen, gibt es in Wien (8,5 Prozent). BILDUNGSAUSGABEN: Die staatlichen Ausgaben pro Schüler unterscheiden sich nicht nur nach Schultypen, sondern auch stark nach Bundesländern. Am günstigsten sind angesichts der wenigen Wochenstunden die Volksschulen mit 7.000 Euro pro Schüler und Jahr, AHS-Unterstufen kommen auf 8.400 Euro, Neue Mittelschulen sowie berufsbildende Schulen auf rund 11.400 Euro. Bei den Pflichtschulen schwanken die Kosten je nach Bundesland um rund 1.000 Euro. COMPUTERAUSSTATTUNG: Österreichs Schulen sind im internationalen Vergleich gut mit Computern ausgestattet, pro 2,9 Sekundarschülern steht ein PC zur Verfügung. Zwischen 2009 und 2012 hat sich die Ausstattung in diesem Bereich allerdings laut PISA-Studie nicht weiter verbessert. GESCHLECHTERROLLEN: Bei der Schul- und Ausbildungswahl in den weiterführenden Schulen spielt das Geschlecht in Österreich eine starke Rolle. Nur ein Drittel der Schüler ist in Schulformen, wo das Geschlechterverhältnis relativ ausgeglichen ist. An AHS hingegen besucht nur ein Drittel Schulen mit Geschlechterdominanz. Unterschiede gibt es auch bei den Abschlüssen: Bundesweit schließen mehr Mädchen als Burschen die Schule mit der Reifeprüfung ab. MATHEMATIK-KOMPETENZEN: Zwischen 2010 und 2013 haben die Schüler der vierten Klasse Volksschule ihre Mathe-Kenntnisse deutlich verbessert. Haben bei der Ausgangsmessung (Baseline-Testung) 2010 noch 19 Prozent die Bildungsstandards nicht erreicht, waren es 2013 nur noch elf Prozent. Gleichzeitig stieg der Anteil derer, die die Standards erreicht (von 59 auf 65 Prozent) und übertroffen haben (von sechs auf 12 Prozent). SCHULISCHE NACHMITTAGSBETREUUNG: 13 Prozent der Pflichtschüler gehen zumindest teilweise in Nachmittagsbetreuung. Die politische Erwartung, durch Ganztagsschulen Bildungschancen vom sozialen Hintergrund zu entkoppeln, geht den Daten zufolge derzeit allerdings nicht auf, denn je höher der Sozialstatus, umso eher werden Schulen mit Nachmittagsbetreuung besucht. SCHULTYPEN: Beim Besuch der Schultypen gibt es deutliche Unterschiede nach Bundesländern. So besuchten 2013/14 in Wien 53 Prozent der Schüler die AHS-Unterstufe, der Anteil ist damit doppelt so hoch wie in anderen Bundesländern. In anderen Bundesländern dominiert die Neue Mittelschule. Allerdings besuchen in Städten generell rund 50 Prozent der Schüler eine AHS. Auch bei den weiterführenden Schulen gibt es deutliche Unterschiede: In Oberösterreich und den westlichen Bundesländern besuchen relativ viele Schüler Berufsschulen, in Wien 29 Prozent ein Gymnasium und damit doppelt so viele wie in Oberösterreich. SEGREGATION: Kinder nichtdeutscher Alltagssprache sind meistens in Klassen mit einer Mehrheit von Kindern nichtdeutscher Muttersprache. Sitzen sie dadurch mit vielen Schülern mit unterdurchschnittlichen Deutschkenntnissen in der Klasse, haben die einzelnen Schüler schlechtere Chancen, Defizite in der Unterrichtssprache auszugleichen. SONDERPÄDAGOGISCHER FÖRDERBEDARF (SPF): In Österreich hatten 2013/14 rund 5,3 Prozent der Pflichtschüler SPF wegen psychischer oder körperlicher Behinderung, das sind mehr als in früheren Jahren. Der Anteil reicht dabei von 3,9 Prozent der Pflichtschüler (Tirol) bis zu 6,5 Prozent (Wien). Im Vergleich zu früher werden immer mehr SPF-Schüler gemeinsam mit nicht-behinderten Kindern unterrichtet. Gleichzeitig ist jedoch die Zahl der Kinder mit SPF, die an Sonderschulen unterrichtet werden, konstant geblieben. Insgesamt besuchen 17 Prozent aller Pflichtschüler Klassen mit Integrationsschülern. SOZIOÖKONOMISCHES RISIKO: Ein Drittel der Volksschüler gehört zu mindestens einer jener drei sozialen Gruppen, die ein erhöhtes Risiko haben, ihre Bildungspotenziale nicht auszuschöpfen: nichtdeutsche Alltagssprache, bildungsferner Haushalt und/oder niedriger Berufsstatus der Eltern. Sieben Prozent weisen mindestens zwei der Risikofaktoren auf, zwei Prozent alle drei. In Ballungsräumen treffen sogar auf 12 Prozent der Volksschüler mehrere Risikofaktoren zu. VORSCHULSTUFE: Immer mehr Kinder werden in Vorschulklassen eingestuft (2006: 7,2 Prozent Jugendsprecher Julian Schmid sieht nach Befragung von 8.300 Personen noch immer viel Verunsicherung bei Maturanten. Wien – Die Grünen wollen nach dem Ende der ersten schriftlichen Zentralmatura weiterhin Reformen bei der neuen Reifeprüfung. Es gibt eine große Unzufriedenheit unter den Schülern, sagt Nationalratsabgeordneter Julian Schmid. Der Jugendsprecher hat über die Homepage der Grünen eine Umfrage zur neuen Matura durchgeführt. Insgesamt haben 8.300 Personen daran teilgenommen und die Reifeprüfung in Schulnoten bewertet. Eines der Ergebnisse: Die Befragten beurteilen die Umsetzung der Zentralmatura mit der Note 4,2. Freilich ist die Umfrage nicht repräsentativ. Ob tatsächlich Maturanten daran teilgenommen haben, lässt sich über eine Online-Befragung nicht feststellen. Schmid ist sich aber sicher, dass er vor allem Maturanten befragt hat. Er habe die Umfrage vor allem über Facebook bei Schülern beworben. Der Fragebogen konnte von 19. bis 29. Mai – also kurz nach der schriftlichen Matura – ausgefüllt werden. Am schlechtesten urteilen die Teilnehmer der Befragung über die Tatsache, dass an unterschiedlichen Schulen unterschiedliche Hilfsmittel benutzt werden können. Dafür gibt es die Note 4,4. Derzeit dürfen die Maturanten jene Hilfsmittel verwenden, die sie aus dem bisherigen Unterricht gewöhnt sind. Das heißt, dass in Mathematik manche einen Taschenrechner verwenden, mit dem sie Graphen darstellen können, und andere Schüler nur einfache Rechner, sagt Schmid. Er will deshalb im Nationalrat einen Antrag einbringen und die Regierung dazu auffordern, eine einheitliche Regelung für alle Schulen einzuführen. Auch aus Gesprächen mit Schülern wisse er, so Schmid, dass es unter den Maturanten auch zwei Tage vor der Reifeprüfung viel Unsicherheit darüber gegeben habe, wie die Matura tatsächlich aussehen werde. Trotz dieser großen Unsicherheit ist die neue Matura aber im Durchschnitt ähnlich ausgegangen wie die alte. Ersten Daten zufolge sind etwa in Mathematik 10,5 Prozent der Schüler durchgefallen. Früher waren es einer Faustregeln zufolge – zentral gesammelte Ergebnisse gab es damals nicht – zwischen zehn und 15 Prozent. Ich bin froh, dass es trotzdem gut gelaufen ist, aber es gibt auch Klassen, in denen zwei Drittel der Schüler durchgefallen sind, sagt Schmid. Es gelte nun herauszufinden, warum die Informationen über die Matura immer noch nicht in der Klasse landen. Die Befragten von Schmids Umfrage bewerten die Informationslage vor der neuen Reifeprüfung durchschnittlich mit der Note 3,9. Bestätigt sieht sich Schmid auch in der Forderung, die Vorbereitungsstunden für die mündliche Matura zu erhöhen. Auf die Frage, ob die Stunden ausreichend sind, geben die Teilnehmer der Befragung die Note 4,1. Wir sollten dafür sorgen, dass die kommenden Jahrgänge nicht so verunsichert sind, sagt Schmid. Er fordert die Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sowie das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) dazu auf, auf die Anliegen der Schüler und Schülerinnen zu hören. Annullierung und Wiederholung im Herbst. Wien - In zwei Wiener Schulen wird die Mathematik-Zentralmatura großflächig annulliert. Grund dafür sind erschwindelte Ergebnisse aufgrund mangelnder Aufsicht in je einer Klasse, berichten die Salzburger Nachrichten (Mittwoch-Ausgabe). Im Stadtschulrat wollte man die konkreten Fälle auf APA-Anfrage weder bestätigen noch dementieren. Die betroffenen Schüler müssen die Matura in diesem Fach wiederholen. Bei einer der Schulen soll es sich laut SN um das Oberstufenrealgymnasium Hegelgasse 14 handeln, wo sich fast eine ganze Klasse die Mathematik-Matura erschwindelt haben soll. Aufgrund mangelhafter Aufsicht dürften die Maturanten die Aufgaben fotografiert und via Mobiltelefon an ihre Nachhilfelehrer geschickt haben. Manche Schüler sollen damit in Web-Foren geprahlt haben. Eine Kommission des Stadtschulrats wurde aktiv, die die Arbeiten genauer unter die Lupe nahm und feststellte, dass offensichtlich geschummelt wurde. Für den Lehrer könnte es disziplinäre Konsequenzen geben. Auch im Oberstufenrealgymnasium Henriettenplatz in Rudolfsheim-Fünfhaus soll es zu einem ähnlichen Fall gekommen sein. Auch dort soll laut SN die Stadtschulratskommission die Arbeiten fast einer kompletten Klasse als erschwindelt qualifiziert haben. Die Direktoren der beiden Schulen wollten sich nicht öffentlich zu den Vorwürfen äußern. Im Stadtschulrat betonte man gegenüber der APA, dass es Schummeln auch bei der Matura schon immer gegeben habe. Wichtig sei, dass man bei Verdachtsfällen konsequent einschreite und die Schulaufsicht entsprechend eingreife. Die Premiere der Zentralmatura wirft folgenreiche Fragen auf. Es gab da ein paar besondere Auffälligkeiten: unerwartete und allen Studien widersprechende Geschlechterunterschiede, große regionale Differenzen und einen besonderen schulischen Problemfall. Wien – Die Bildungsministerin war sehr zufrieden mit der Premiere der Zentralmatura 2015. Günter Haider ist es nicht. Im Gegensatz zu Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sieht der Bildungswissenschafter von der Universität Salzburg höchsten Handlungsbedarf für die schon in drei Monaten anstehende zweite Runde der Zentralmatura. Am 9. Mai müssen dann nicht nur wie im Vorjahr alle AHS, sondern auch die berufsbildenden höheren Schulen (BHS) ran. Haider sieht keinen Grund zur Zufriedenheit, vielmehr kritisiert er die Beschwichtigungsphilosophie angesichts von Zentralmaturaergebnissen, bei denen die Alarmglocken schrillen müssten, sagt er im STANDARD-Gespräch. Drei Detailprobleme müssten demnach dringend wissenschaftlich analysiert und erklärt werden, bevor damit ein nächster Maturajahrgang konfrontiert werde. Geschlechterunterschiede: Besonders überraschend sind die erheblichen und österreichweit durchgehenden Unterschiede in den negativen Ergebnissen in Englisch zuungunsten der Mädchen beim ersten schriftlichen Maturahaupttermin: 60 Prozent mehr Fünfer für Mädchen (6,9 Prozent) als für Buben (4,3 Prozent). Das ist insofern sehr ungewöhnlich, als in jeder Studie der westlichen Welt über Englischtests der Schülerinnen und Schüler die Mädchen durchweg besser abschneiden, sagt Haider, bei den Bildungsstandards 2013 in der achten Schulstufe sogar deutlich besser. In Vorarlberg, wo übrigens der Gendereffekt im Ländervergleich immer am größten ist, scheiterten gleich dreimal so viele Mädchen wie Buben schriftlich in Englisch. Und bei der schriftlichen Matura ist plötzlich alles anders? Wie das? Haider nennt zwei Erklärungen: Entweder es liegt am Instrument Matura, also an der Methode und den Inhalten der Fragestellungen, oder aber es resultiert aus dem Schulsystem oder der Didaktik. Das muss man sich anschauen. Da dieser Effekt in allen Bundesländern und Schulformen auftritt, sei aber sehr wahrscheinlich, dass Merkmale der Prüfung selbst diesen Geschlechtereffekt mit hervorrufen, sagt Haider. In Mathematik wiederum, dem Fach mit den bei weitem schlechtesten Ergebnissen, zeigt sich das, was auch sonstige Studien zeigen: Die Mädchen (12,6 Prozent) schneiden schlechter ab als die Buben (7,6 Prozent) und erzielten um zwei Drittel mehr negative Abschlüsse beim schriftlichen Termin (siehe Grafik rechts). Muster bekannt, macht es aber nicht besser, kritisiert der Bildungsforscher: In Mathematik nimmt man den riesigen Gendereffekt offensichtlich quasi als naturgegeben hin. Das ist er natürlich nicht, sondern eher ein Produkt des Schulsystems und seines Unterrichts. Hier sei eine inhaltliche Analyse der Aufgaben im Hinblick auf den Geschlechter-Bias nötig, zumal das Ausmaß der Differenz bei der Zentralmatura überrasche – insbesondere, wenn man den Notenvergleich in den letzten Klassen ins Treffen führe. Gute Noten im Zeugnis und dann bei der schriftlichen Matura schlecht abschneiden?, fragt Haider. Ein ähnliches Phänomen gab es beim Aufnahmetest an den Medizin-Unis, bei dem Mädchen auch schlechter abschnitten, obwohl sie bessere Schulnoten hatten als die Buben. In Deutsch liegen die Ergebnisse ungefähr im Erwartungsbereich anderer Untersuchungen – mit leichtem Vorteil der Mädchen. Regionale Differenzen: Ganz und gar nicht im Normalbereich, sondern als völlig schleierhaft verortet Haider die Unterschiede zwischen den Bundesländern: Das ist deshalb verwunderlich, weil es sich bei der AHS-Zentralmatura ja um eine einheitliche Prüfung in einem national einheitlichen Schultyp mit einheitlichem Lehrplan, gleichen Schulbüchern, vergleichbaren Ressourcen und gleich ausgebildeten Lehrerinnen und Lehrern handelt- ohne formale regionale Unterschiede. Beispiel Salzburg: Erzielte bei den Bildungsstandardüberprüfungen 2012 in Mathematik und 2013 in Englisch überdurchschnittliche Ergebnisse – und findet sich nun mit den zwei bzw. drei Jahre älter gewordenen Schülern auf dem vorletzten Platz vor Vorarlberg? Unerklärlich für den Bildungswissenschafter. Auch ein Nachbarschaftsvergleich macht Haider stutzig: Bei den Mathe-Bildungsstandards in der achten Schulstufe lag Salzburg noch knapp hinter dem strukturell ähnlichen und sehr gut abschneidenden Oberösterreich – und bei der Zentralmatura ist das Land plötzlich weit abgeschlagen. Einen Instrumenteneffekt hält Haider in Mathematik für eher unwahrscheinlich, er tippt, wie sein Kollege Ferdinand Eder, darauf, dass in Oberösterreich der Unterricht besser ist, auch weil es dort eine sehr fortschrittliche Lehreraus- und -fortbildung für die AHS-Lehrer gibt, zum Beispiel Mathematikdidaktik, die sich hier wohl bemerkbar macht, denn bei den Bildungsstandards sind die Ergebnisse der zwei benachbarten Bundesländer ja noch fast gleich gut. Problemfall Borg: Zum Teil verheerende Ergebnisse im Vergleich mit den achtjährigen Langform-AHS lieferten die vierjährigen Bundesoberstufenrealgymnasien (Borg): Zwischen den zwei AHS-Formen klaffen enorme Leistungslücken, sagt Haider und kritisiert scharf die Geheimhaltungspolitik der Landesschulräte und des Ministeriums, die sich weigerten, Daten herauszugeben. Zwei Länder hat Haider eruiert: In Salzburg gab es in den AHS-Langformen in Mathematik rund 8,5 Prozent Fünfer, in den Borgs dagegen rund 24 Prozent. In Kärnten erzielten die Borgs in Mathe 28 Prozent, in Englisch 23 negative Ergebnisse, die achtjährigen Gymnasien nur neun bzw. sieben Prozent. Haiders Forderung: Da muss man schultypenspezifisch nachdenken, was man tun kann, um die Borgs auf dasselbe Niveau zu bringen wie die AHS-Langform, damit auch die Schülerinnen und Schüler dort eine faire Chance haben bei einer Zentralmatura. Eine Möglichkeit wäre, die Oberstufenrealgymnasien um ein Jahr auf fünf Jahre zu verlängern, wie vor langen Zeiten üblich. Dieses zusätzliche Jahr könnten die Borgs gut gebrauchen. Bleibt noch ein Detail, das Haider etwas auffällig findet: Nach den mündlichen Kompensationsprüfungen, mit denen ein Fünfer für die schriftliche Maturaarbeit ausgebessert werden konnte, kam es zu einer fast wundersamen Leistungssteigerung, die den Experten etwas irritiert: Die österreichweite Fünferquote sank nämlich laut Angaben des Bildungsministeriums im Juni 2015 (siehe Grafik) im Fach Deutsch von zuerst 3,3 auf 0,6 Prozent, in Englisch von 5,8 auf 2,6 Prozent, und in Mathematik blieben von 10,5 Prozent schriftlich Durchgefallenen letztlich 4,1 Prozent picken. Plötzlich können sies? Oder hat es den Wunsch für ,sanfte Kompensationsprüfungen gegeben?, fragt der Bildungswissenschafter, ob dieser raschen Leistungsverbesserung skeptisch. Haider stößt sich generell an der Informationspolitik zur Zentralmatura. Die Ministerin habe nur ein Blitzlicht geliefert, aber keine differenzierten Endergebnisse. Auch die Bundesreifeprüfungskommission schweigt. Das ist sehr ungewöhnlich und komisch im Sinne von Transparenz. In allen anderen Ländern mit Zentralmatura gibt es eine öffentliche Auswertung. Auf der Ressort-Homepage sind nur die Ergebnisse der schriftlichen Klausuren publik. Die Maturaergebnisse müssten aber detailliert analysiert und dann Schlussfolgerungen für den nächsten Termin gezogen werden. Denn, so Haider: Es wäre unverantwortlich und rechtlich heikel, in der Praxis als diskriminierend aufgetauchte und daher bekannte Probleme bewusst nicht rechtzeitig zum nächsten Termin zu beheben. Vor allem aber wäre es unfair gegenüber den mehr als 40.000 betroffenen Maturantinnen und Maturanten. Die Prüfungshefte für den Maitermin werden demnächst gedruckt: Der Zug fährt. Im Bildungsministerium hieß es auf STANDARD-Anfrage bezüglich konkreter Änderungen bei der Zentralmatura, dass es neu eine österreichweit einheitliche Beginnzeit um 8.30 Uhr gebe. Zudem seien die Unterstützungsangebote zur Vorbereitung auf die Reifeprüfung neu konzipiert worden. Ein Endergebnis werde erst Ende Februar nach dem zweiten Nebentermin öffentlich kommuniziert. Die Gender-Unterschiede solle eine Studie erhellen, und den regionalen Differenzen will man mit der Schulaufsicht in den Ländern durch Maßnahmen zur standortbezogenen Schulentwicklung entgegenwirken. Walser: schlechte Ergebnisse "Standortfrage oder Schultypenproblem". Wien – Die Grünen verlangen in einer parlamentarischen Anfrage Auskunft über die genauen Ergebnisse der Zentralmatura im Vorjahr. Die Ursachen für die teils gravierenden und unerwarteten Leistungsunterschiede zwischen Geschlechtern, Bundesländern und Schulformen müssten genau untersucht werden, so Bildungssprecher Harald Walser. Die wichtigste Frage lautet, ob schlechte Leistungen ein Problem einzelner Schulstandorte sind, oder ob ganze Schulformen systematisch schlechtere Ergebnisse liefern, betonte Walser. So sollen etwa (vierjährige) Oberstufenrealgymnasien schlechter abgeschnitten haben als achtjährige AHS-Langformen. Die AHS ist eine bundesweit nach gleichen Lehrplänen arbeitende und mit vergleichbaren Ressourcen ausgestattete Schulform. Sollten die Gründe standortbedingt sein, wie es zuletzt der Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie), Jürgen Horschinegg, dargelegt habe, müssten schulautonom Maßnahmen getroffen werden, so Walser: Das könnten Weiterbildungen für Lehrkräfte, aber auch die Einrichtung von Übergangsstufen für neue eintretende Schüler sein. Allerdings könnten die Aussagen des Bifie-Direktors nicht überprüft werden, weil die entsprechenden Daten zwar vorhanden, aber nicht zugänglich sind. In der Anfrage verlangt Walser unter anderem Auskunft über die genaue Verteilung der Ergebnisse auf den einzelnen Notenstufen in allen Fächern sowie die Resultate der Kompensationsprüfungen bei der Zentralmatura. Außerdem will er die Ergebnisse der Vorwissenschaftlichen Arbeiten und der mündlichen Matura wissen sowie Erklärungen für das unterschiedliche Abschneiden von Burschen und Mädchen in Mathematik und Englisch. (APA. 17.2.2016) Zehn unterschiedliche Formate allein an BHS – AHS haben einheitliche Aufgaben. Wien (APA) – Komplett unterschiedliche Aufgaben und auch Beurteilungen gibt es bei der Mathematik-Zentralmatura für AHS und BHS. Während zumindest an allen AHS die Aufgaben einheitlich sind, gibt es an den BHS jeweils einen BHS-einheitlichen und einen je nach BHS-Form unterschiedlichen Teil. An den AHS besteht die Mathe-Klausur aus zwei Teilen zu je 24 Punkten und dauert 270 Minuten. Den ersten Teil bilden 24 sogenannte Typ-1-Aufgaben, bei denen die Schüler Grundwissen und Grundfertigkeiten ohne darüber hinausgehende Eigenständigkeit nachweisen müssen. Die Aufgaben können dabei nur als gelöst (ein Punkt) bzw. nicht gelöst (null Punkte) bewertet werden. Nach 120 Minuten muss das Teil-1-Aufgabenheft abgegeben werden. Der zweite Teil besteht aus vier bis sechs umfangreicheren Typ-2-Aufgaben (mit je zwei bis sechs Unteraufgaben), bei denen eine selbstständige Anwendung von Wissen und Können erforderlich ist. Pro Unteraufgabe können dabei null bis zwei Punkte verteilt werden. Für die Bearbeitung des zweiten Teils stehen 150 Minuten zur Verfügung. Für ein Genügend müssen im ersten Teil zwei Drittel der Aufgaben richtig gelöst, also 16 Punkte erreicht werden – unabhängig von der Punkteanzahl im zweiten Teil. Ausnahme: Im zweiten Teil können noch extra gekennzeichnete sogenannte Ausgleichspunkte gesammelt werden, die für den ersten Teil angerechnet werden. Wer also etwa 13 Punkte im ersten Teil und drei Ausgleichspunkte im zweiten sammelt, ist ebenfalls noch positiv. Die Ausgleichspunkte werden ausschließlich für bestimmte, eigens gekennzeichnete Aufgabenstellungen vergeben. Unter der Voraussetzung, dass im ersten Teil bzw. mit den Ausgleichspunkten 16 Punkte erreicht wurden, gibt es bis 23 Punkte einen Vierer, zwischen 24 und 32 Punkten einen Dreier, zwischen 33 und 40 Punkten einen Zweier und ab 41 Punkten ein Sehr Gut. Die Aufgaben haben unterschiedliche Formate: Neben offenen Formaten, bei denen einfach die Antwort zu einer Aufgabenstellung ins Aufgabenheft geschrieben werden muss, gibt es noch Zuordnungsaufgaben (Antwortmöglichkeiten müssen Aussagen zugeordnet werden), Konstruktionsaufgaben (Ergänzung von Punkten, Geraden bzw. Kurven), diverse Multiple-Choice-Formate sowie Lückentexte. Auch an den BHS werden im ersten, an allen Schulen gleichen Teil die Grundkompetenzen abgefragt. Hier sind zumindest vier Aufgaben mit je zwei bis vier Unteraufgaben zu lösen, wobei für jede Unteraufgabe ein bis drei Punkte vergeben werden. Für den zweiten Teil gibt es dann zehn verschiedene Varianten (sechs für die unterschiedlichen Formen der Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) und je eine für Handelsakademien(HAK), Humanberufliche Schulen(HUM), Bildungsanstalten für Kindergarten- bzw. Sozialpädagogik (BAKIP bzw. BASOP), Höhere Schulen für Land- und Forstwirtschaft (HLFS). Enthalten sind zwei bis vier komplexe Aufgaben, für jede Unteraufgabe werden ein bis vier Punkte vergeben. Die Dauer ist mit 4,5 Stunden gleich wie an den AHS. Allerdings gibt es an den BHS aufgrund der vielen Matura-Varianten keinen vergleichbaren, fixen Punkteschlüssel. Im Zuge der Aufgabenentwicklung werden alle Punkte einer Aufgabe von externen Mathematiklehrern nach ihrer Schwierigkeit bewertet. Daraus ergibt sich dann eine Gesamtschwierigkeit für jedes Klausurheft. Um die unterschiedliche Schwierigkeit in den einzelnen Klausurheften auszugleichen, wird der Beurteilungsschlüssel deshalb angepasst. Sowohl an AHS als auch BHS dürfen aus dem Unterricht gewohnte technologische Hilfsmittel (z. B. Taschenrechner) und approbierte Formelsammlungen grundsätzlich verwendet werden. (APA, 2.5.2016) Neben den AHS sind erstmals auch flächendeckend die BHS beteiligt. Nach der Deutschmatura folgt am Dienstag Mathematik. Wien – Ohne Probleme ist am Montag der erste Tag der Zentralmatura mit den Klausuren im Fach Deutsch über die Bühne gegangen. Weder das Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) noch die Landesschulräte oder die Bundesschülervertretung verzeichneten Auffälligkeiten. Am Dienstag steht das Fach Mathematik am Programm. Die Zentralmatura findet heuer zum zweiten Mal an allen AHS und erstmals auch an allen berufsbildenden höheren Schulen (BHS) statt. Insgesamt absolvierten heute rund 40.500 Schüler einen Teil ihrer Reifeprüfung. Die Deutsch-Matura ist die einzige Klausur, die an allen Schulen einheitlich ist. Die Prüfungskandidaten konnten dabei eines aus drei Aufgabenpaketen auswählen, die jeweils unter einer thematischen Klammer standen. Jedes der drei Pakete bestand aus zwei voneinander unabhängigen Aufgabenstellungen. Die Maturanten mussten innerhalb von fünf Stunden zwei Texte verfassen. Auch Bundesschulsprecher Maximilian Gnesda absolvierte die Deutsch-Reifeprüfung. Nach seinen Angaben stand der erste Aufgabenkomplex unter dem Motto Stadtleben, wobei etwa zwei Gedichte zu analysieren waren. Das zweite Aufgabenpaket widmete sich dem Thema Tourismus, das dritte der Gesundheit. Nach Gnesdas Einschätzung und ersten Rückfragen in den Ländern hätten sich 90 Prozent für das Gesundheits-Thema entschieden – er selbst auch. Aus einer Textvorlage aus der Wochenzeitung Die Furche war dabei ein Leserbrief zum Thema Selbstversorger zu verfassen. Für den zweiten Teil musste – ebenfalls auf Grundlage eines Furche-Texts – eine Meinungsrede verfasst werden, wie Gesundheitsförderung an der Schule funktionieren könnte. Morgen folgt mit der Mathematik auch gleich das Angstfach für Gnesda und einen Großteil der anderen Maturanten. Allerdings gibt es dabei nicht die eine Mathe-Matura, sondern gleich elf verschiedene Varianten – eine einheitliche für die AHS und zehn unterschiedliche je nach BHS-Form. Für den BHS-Schüler Gnesda ist nach der Mathe-Klausur die schriftliche Matura schon vorbei – er absolvierte seine betriebswirtschaftliche Fachklausur (die nicht zentral vorgegeben wird, Anm.) bereits in der Vorwoche. Für die meisten anderen Schüler geht es aber noch weiter: mit Englisch am 11. Mai, Französisch am 12. Mai, Italienisch am 13. Mai, Spanisch bzw. den Minderheitensprachen am 18. Mai sowie Latein und Griechisch am 19. Mai. Die Deutsch-Maturaaufgaben sind ab Dienstag auf der Homepage des Bifie abrufbar. Wer einen Fünfer hat, kann am 6. bzw. 7. Juni zu einer Kompensationsprüfung antreten. FPÖ sieht Zentralmatura schiefgelaufen. Wien – Die Volksanwaltschaft prüft wieder einmal in Sachen Zentralmatura: Nach zu wenig Literatur 2014 stehen nun die möglichen schlechten Ergebnisse mancher Schulen bei den Mathematik-Klausuren im Fokus. Volksanwalt Peter Fichtenbauer nimmt sich den Sorgen der Schülerinnen, Schüler und der Eltern an und hat in diesem Fall umgehend ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet, hieß es in einer Aussendung. Nicht nur die scheinbar unverhältnismäßige Schwierigkeit der Aufgaben, sondern auch konkrete Vorgaben zu Prüfungsbedingungen in einzelnen Schulen sollen beleuchtet werden, betonte man weiter. Wenn an manchen Schulen Taschenrechner, an anderen PC-Programme verwendet werden dürfen, ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse infrage zu stellen, so Fichtenbauer (FPÖ). Man erwarte sich eine Stellungnahme des Bildungsministeriums. Es kann nicht sein, dass Schüler, die ohne Probleme bis in die Abschlussklassen aufsteigen, dann bei der Matura ausgesiebt werden – noch dazu mehr als die Hälfte aller Angetretenen, meinte auch FPÖ-Bildungssprecher Walter Rosenkranz in einer Aussendung. Die neue Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) müsse sofort handeln. Diese Mathematik-Matura zeigt, dass unsere Jugend Versuchskaninchen für SPÖ-Bildungsutopien ist. Möglicherweise hat das BMBF mit dieser schiefgelaufenen Zentralmatura den jungen Menschen ein Jahr gestohlen. - Sehr unübersichtlich sind für den Direktor des Bundesinstituts für Bildungsforschung (Bifie), Jürgen Horschinegg, noch die Resultate der Zentralmatura, die heute, Donnerstag, mit den Klausuren in Latein und Griechisch endet. In der Mathematik gebe es eine große Bandbreite an Rückmeldungen, so Horschinegg zur APA. Die technische Abwicklung sei durchwegs positiv gelaufen. Obwohl mit den erstmals vollzählig teilnehmenden berufsbildenden höheren Schulen (BHS) heuer die doppelte Menge an Schulen zu bewältigen war, sei die gesamte schriftliche Reifeprüfung problemlos abgelaufen, betonte Horschinegg. Da sind wir auf einem guten Weg. Daher werde man hier möglichst wenig ändern – bei der Eingliederung ins Bildungsministerium, das 2017 die Zentralmatura übernimmt, werde man sich bemühen, die Struktur möglichst zu belassen. Auch inhaltlich wird die Matura im kommenden Jahr gleich bleiben. Wir sind übereingekommen, in den ersten drei Jahren nichts zu ändern. Wenn man jetzt schon anfängt, an den Inhalten zu schrauben, ist ja nicht mehr herausfindbar, welche möglichen Probleme rein an der Organisation liegen oder ob sich bestimmte Dinge nicht ohnehin mit der Zeit einspielen. Erst ab 2018 seien inhaltliche Änderungen möglich, so Horschinegg: Und auch das geht nicht von einem Tag auf den anderen. Da muss die Community eingebunden werden und die Wissenschaft. Erst wenn didaktisch und in den Lehrplänen Änderungen implementiert seien, könnten sie auch bei der Matura gelten. Schwer tut sich Horschinegg noch mit der Bewertung der heurigen Mathe-Matura: Wir hören von Standorten, wo sie furchtbar ausgefallen sein soll, von anderen, dass sie angemessen war bzw. gut ausgefallen ist. Solange man keine validen Zahlen habe, fische man aber im Trüben: Man kann das weder widerlegen noch für bare Münzen nehmen. Erst wenn man im Juni nach den Kompensationsprüfungen alle Daten habe, könne man wirklich die Zahlen gegenüberstellen – und auch dann wisse man noch nicht die Gründe. Sämtliche Aufgaben der Matura seien in Feldtests schon einmal oder mehrere Male abgefragt worden, so der Bifie-Direktor. Dabei habe sich gezeigt, dass sie mit der gleichen Wahrscheinlichkeit gelöst wurden wie die Matura-Aufgaben des Vorjahrs. Anschließend seien sie nochmals von Fachpraktikern, Mathematikern und Didaktikern überprüft und für in Ordnung befunden worden. Eines sei aber auch klar: Wirklich wissen, wie die Aufgaben bei der Matura ankommen, tut man erst, wenn man sie gemacht hat. Ein Restrisiko hat man immer. Ausnahme: Außer man stellt immer dieselben Fragen, aber das wäre ja unsinnig. Noch unsinniger wäre es, wenn man nur andere Zahlen nimmt – davon wollen wir ja weg und hin zu einem besseren Verständnis von Mathematik. Das von der Schülervertretung aufgebrachte Thema des unterschiedlichen Technologieeinsatzes hält Horschinegg für systemimmanent. Wir haben jetzt eine sehr unterschiedliche Wirklichkeit an den Schulen. Manche Schulen bzw. manche Klassen arbeiten im Unterricht technologieunterstützt, andere nicht. Wir müssen bei der Matura daher den Spagat schaffen: Wir wollen den einen nichts wegnehmen, den anderen aber auch nichts aufzwingen. Die Aufgaben seien daher so gestaltet worden, dass sie ohne Technologieeinsatz lösbar seien und mit nicht leichter werden. Die Aufgaben sind ja nicht einfach in den Computer einzugeben und der wirft dann die Lösung aus. Wenn man etwa in Mathe die Beispiele verstanden habe, brauche man gar keine Computerprogramme für die Lösung – und wenn ich es verstanden habe und mit Technologieunterstützung noch einen Gegencheck machen will, ist das auch okay. (APA, 15.05.2016) Muslimische Kindergärten sind stark religiös geprägt, so ein Zwischenergebnis. Kurz will mehr Kontrollen. Wien – Eine vom Integrationsministerium in Auftrag gegebene Untersuchung zu islamischen Kindergärten und -gruppen in Wien zeigt ein eher ernüchterndes Bild. Bei den Trägern werden teils extremistische Gruppen als Hintermänner vermutet, die Erziehung ist stark religiös geprägt und erfolgt nicht immer auf Deutsch. Interreligiöser Dialog findet de facto nicht statt. Erstellt wurde das Papier vom Institut für islamische Studien der Universtität Wien unter der Leitung von Ednan Aslan. Dieser betont in den – der APA vorliegenden – Zwischenergebnissen der Untersuchung, dass man eigentlich nur von einer Vor-Studie sprechen könne. Um tatsächlich Rückschlüsse für Verbesserungen in den über 150 islamischen Kindergärten und 450 Kindergruppen ziehen zu können, würde es eine auf drei Jahre ausgelegte Studie benötigen. Dennoch präsentiert der Experte aus den Untersuchungen des letzten halben Jahres bereits erste Tendenzen. Unter anderem wurden die Motive angesehen, wieso Eltern ihre Kinder in die religiösen Einrichtungen geben. Wenig überraschend handelt es sich um überwiegend sehr konservative Familien, die sich für die islamischen Einrichtungen entscheiden. Sie erhoffen sich durch die Erzieherinnen islamische Vorbilder. Weiteres Motiv ist der Schutz der Kinder vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft. Kritisch im Bereich der Pädagoginnen wird angemerkt, dass unterschiedliche Kenntnisse der deutschen Sprache vorlägen. Zudem ist in keiner einzigen der untersuchten Kindereinrichtungen ein Mann engagiert. In einer Ausschreibung werden Frauen mit Kopftuch zur Bewerbung motiviert und ihre Vorbildrolle hervorgehoben. Zwar vermerkt die Vorstudie, dass es durchaus Bemühungen gebe, ein normaler Kindergarten zu sein, allerdings wird neben dem offiziellen Angebot in fast allen untersuchten Einrichtungen mit einem gesonderten in der Regel in der Muttersprache verfassten Curriculum gearbeitet, das von einem in den Koranschulen kaum zu unterscheiden sei. Unterschiedlich ist der Gebrauch der deutschen Sprache. Teilweise ist die Muttersprache gar nicht erlaubt, aber teilweise fast ausschließlich in Verwendung. Dies kommt wohl auch daher, dass die meisten Gruppen aus homogenen ethnischen und nationalen Gruppen bestehen. Besonders kritisch wird der Bereich der religiösen Erziehung betrachtet, wo traditionelle Bilder dominierten. Kinder würden mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert. Selbstständiges Denken und Handeln sei verpönt. Wird die Erwartungshaltung der Eltern in religiöser Sicht nicht erfüllt, werden die Kinder abgemeldet. Schwer durchschaubar ist laut den Studienautoren, wer genau hinter den Betreibern der Einrichtungen steckt. Bei einzelnen könnte es aber Verbindungen zur radikalen Organisationen geben. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert nun, vor der Vergabe der Lizenzen für die Kindergärten eine besondere Untersuchung der Trägervereine vorzunehmen. Die Studienautoren raten hier der Stadt, auf externe Unterstützung zurückzugreifen. Zudem plädiert Kurz für eine Erhebung der Anzahl islamischer Kindergärten mittels Register sowie für verstärkte unangekündigte Kontrollen. Schließlich verlangt er eine bessere Ausbildung der Pädagoginnen. Nötig sei es, die Politik des Wegschauens zu beenden, hin zu mehr Ehrlichkeit: Weg von einer Laissez-faire-Politik hin zu einem klaren Abverlangen unsrer Werte und Bekenntnis zu unserer Lebensweise, sagt der Minister in einer schriftlichen Stellungnahme. 'Integrationsexperte Kenan Güngör bestätigt, was eine neue Untersuchung islamischen Kindergärten nachsagt. Die Wiener Regierung wehrt sich gegen Kritik. Wien – Kenan Güngör überraschen die Erkenntnisse nicht. Was eine vom Integrationsministerium in Auftrag gegebene Untersuchung zutage förderte, deckt sich im Prinzip mit den Erfahrungen des gut vernetzten Soziologen. In einem Teil der islamischen Kindergärten Wiens, sagt Güngör, gäbe es tatsächlich Probleme, die Sorgen machen sollten. Manche muslimische Kindergärten rückten Religion massiv in den Vordergrund, etwa indem exzessiv Koransuren auswendig gelernt würden, erzählt der Fachmann im STANDARD-Gespräch und fürchtet als Folge die Verengung der Lebensperspektive der Kinder. Für ebenfalls bedenklich hält er den Umstand, dass einige Einrichtungen Buben und Mädchen trennten. Überdies gebe es Kindergärten, in denen Deutsch definitiv zu kurz komme, kritisiert Güngör. Wie viele der geschätzten 150 islamischen Kindergärten und 450 Kindergruppen in Wien in die Kategorie bedenklich fallen, können weder Güngor, der an eine Minderheit glaubt, noch die neue Untersuchung hieb- und stichfest beantworten. Autor Ednan Aslan vom Institut für islamische Studien der Uni Wien hat bisher nur 30 Institutionen analysiert – und von denen ließen sich lediglich fünf auf ein Gespräch mit dem Religionspädagogen ein. Ein großer Teil der Kindergärten versuche, einen wertvollen Beitrag zur Gesellschaftsfähigkeit der Kinder zu leisten und eine theologisch begründete Isolation zu vermeiden, schließt Aslan aus seiner begrenzten Vorstudie. Ein nicht gering zu schätzender Teil verfolge hingegen eine Form der religiösen Erziehung, die Kinder nicht auf die Gesellschaft vorbereite, sondern sie vor dieser zu schützen versuche. Um die Studie flächendeckend zu vollenden, heißt es aus dem ÖVP-geführten Integrationsministerium, brauche es die Kooperation der Stadt Wien – doch dort sei an hoher Stelle abgewinkt worden. Ressortchef Sebastian Kurz sagt: Die Politik des Wegschauens müsse ein Ende haben. Den Vorwurf der Ignoranz lässt die zuständige Wiener Stadträtin Sonja Wehsely nicht auf sich sitzen. Schon 2014 habe man Kurz und Aslan gebeten, geäußerte Vorwürfe mit konkreten Fakten und Adressen zu belegen, damit die Stadt einschreiten könne – doch alle Schreiben seien unbeantwortet geblieben. Ich hoffe, sagt Wehsely, dass die Kooperationsbereitschaft heute größer ist. Klar sei, dass Islamismus keinen Platz in Wien habe, sagt die SPÖ-Politikerin: Hielten sich Kindergärten nicht an die Spielregeln, drohten Konsequenzen bis hin zur Schließung. Längst würden deshalb Kontrollen durchgeführt, auch ohne vorherige Ankündigung. Dass die Stadtregierung weggeschaut habe, könne man nicht behaupten, sagt Integrationsexperte Güngör, allerdings sollten die Kontrollen und Auflagen noch verschärft werden. Unangemeldete Besuche müssten Standard sein Der Zwischenbericht des Islamwissenschafters Ednan Aslan sorgt für Aufregung. Die Aussagekraft der Daten ist allerdings überschaubar. Mit den Ergebnissen seiner Vorstudie zur Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien hat Ednan Aslan, Professor am Institut für Islamische Studien der Universität Wien, eine breite Debatte ausgelöst. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) nahm die Darstellung des Universitätsprofessors zum Anlass, politische Anliegen bei der Integration voranzutreiben. Die Sichtung der Vorstudie, die dem STANDARD vorliegt, zeigt allerdings, dass deren wissenschaftliche Aussagekraft beschränkt ist. Auf Seite drei des gerade einmal 14 Seiten umfassenden Zwischenberichts (ohne Deckblatt, Inhaltsverzeichnis und Anhang) räumt der Studienautor ein: Die Ergebnisse der Studie in dieser Phase können nur als Vorstudie betrachtet werden, weil nämlich die ideologische, ethnische und theologische Vielfalt der über 150 Kindergärten und 450 Kindergruppen eine auf drei Jahre aufgeteilte ausführliche Studie benötigt, um daraus relevante Daten für die Verbesserung der Situation muslimische Kindergärten und Gruppen ableiten zu können. Das Forschungsprojekt an der Universität Wien ist vom 1. Juli bis 31. Dezember 2015 anberaumt. Fünf Kindergärten nahmen teil Für die Vorstudie wurden ausgewählte Kindergärten einer Analyse unterzogen, um pädagogische Schwerpunkte zu erheben und zu erfahren, welche pädagogischen Zugänge leitend sind. Nach welchen Kriterien diese Kindergärten ausgewählt wurden, macht Aslan nicht transparent. Nur so viel: Bei den angefragten Kindergärten wurde darauf geachtet, Kindergärten mit unterschiedlicher kultureller und religiöser Ausrichtung anzufragen. Drei von 15 angefragten Kindergärten sagten schließlich zu, an dem Projekt mitzuwirken. Zudem wurden Pädagogen und Obmänner von türkischen sowie von arabisch und bosnisch dominierten Kindergärten interviewt. Insgesamt stützt sich Aslan auf Experteninterviews aus fünf Kindergärten. Außerdem wurden Gespräche mit Eltern geführt. Wie viele Eltern befragt wurden, geht aus dem Vorbericht nicht hervor. Außerdem liegt dem Bericht kein verschriftlichtes Protokoll der Gespräche bei. Das Transkript anzufügen ist im Sinne der wissenschaftlichen Nachvollziehbarkeit eine gängige Praxis, auf die in der Vorstudie verzichtet wurde. Weiters wurden Dokumente der Kindergärten, etwa Texte, Webseiten et cetera, analysiert. In seiner Auswertung stellt Aslan fest: Es zeigt sich wenig Offenheit der islamischen Kindergärten, an dem Forschungsprojekt mitzuwirken. In welcher Form Aslan seine Anfrage gestellt hat, geht aus dem Bericht nicht hervor. Genau das wäre allerdings im Sinne der Nachvollziehbarkeit von Relevanz. Mangelnde Nachvollziehbarkeit Die Erwartungen an den islamischen Kindergarten einer nicht genannten Anzahl von Eltern führt Aslan ebenfalls in seiner qualitativen Auswertung an. Darin heißt es etwa: Schutz der Kinder vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft. Zudem seien die Eltern, deren Kinder solche Kindergärten besuchen, überwiegend sehr konservativ eingestellt und bringen ihre Kinder mit entsprechenden Erwartungen in die islamischen Kindergärten. Offenbar sind in den genannten Kindergärten nicht nur Pädagoginnen mit islamischem Religionsbekenntnis tätig. So ist in dem Bericht die Rede von unterschiedlicher Religionszugehörigkeit unter den qualifizierten Erzieherinnnen. Allerdings wird nicht näher darauf eingegangen. Betreuerinnen in Kindergruppen sehen sich in ihrer Rolle als eigentliche Vorbilder für die Kinder und nehmen ihre missionarische Rolle sehr ernst, schreibt Aslan. Aufgrund welcher Quelle er dieser Schluss zieht, ist ebenfalls kaum nachvollziehbar. In weiterer Folge analysiert Aslan das Bildungsangebot (kaum Unterschied von einem Curriculum in Koranschulen), die Sprachförderung (Es ist in diesem Umfeld fast unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln) sowie die religiöse Erziehung in den Kindergärten (Kinder werden mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert, und es wird ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen). Zuletzt werden in dem Forschungsbericht Vernetzungen diverser islamischer Vereine mit Kindergärten aufgelistet. Dass für eine tiefere Analyse der Kindergärten Gruppendiskussionen mit Kindern und eine teilnehmende Beobachtung nötig wären, räumt Aslan ebenfalls ein. Auf Anfrage des STANDARD heißt es vonseiten der Universität Wien, man sei prinzipiell an Qualitätssicherung der Forschung interessiert. Dementsprechend fänden regelmäßig Evaluierungen statt. Fazit: Aslan präsentiert in seiner Vorstudie gesellschaftspolitischen Sprengstoff und stützt sich dabei auf wenig Datenmaterial, speziell was den konkreten Einblick in Kindergärten betrifft. Auf die in Studien sonst übliche Gewährleistung der intersubjektiven Nachvollziehbarkeit, die umfassende Transparenz sowie die Offenlegung und Begründung der einzelnen Untersuchungsschritte wird weitgehend verzichtet. Aslan verteidigt Studie Im Ö1-Mittagsjournal erklärte Aslan, dass er mit seiner Studie nicht Politik machen, sondern den Kindern helfen wolle: Mir geht es nicht darum, dass ich die Politik von Integrationsminister Sebastian Kurz unterstütze oder die Politik der Stadt kritisiere. Man habe die Debatte versachlichen und verstehen wollen, wo Radikalisierung ansetze – nämlich sehr früh, wenn die Betreuungseinrichtungen die Kinder zur Isolation ermutigen. Aslan wies Kritik zurück, dass seine Studie nur sehr oberflächlich durchgeführt wurde. Wir wissen, was wir tun. Er verwies darauf, dass die Arbeit seines Instituts auch international Anerkennung finde. Jedenfalls habe sich herausgestellt, dass viele Kindergärten einiges zu verbergen hätten. Von der Stadt Wien wünsche er sich mehr Kooperation bei der Analyse muslimischer Kindergärten. Mitglieder der Gruppe "Jugend für das Leben" besuchen Schulen. In der Steiermark sind sie nicht mehr erwünscht. Wien – Das Modell aus Plastik kostet einen Euro. Auf der Homepage der Initiative Jugend für das Leben können Interessierte sich einen Fötus im Alter von zwölf Wochen bestellen. Die Gruppe versteht sich als Bewegung für den Lebensschutz in Österreich. Die Abtreibungsgegner halten auch Vorträge in Schulen, in denen es eigentlich um Sexualaufklärung gehen sollte. Dort verteilen sie Föten aus Plastik und zeigen auch ein Video, das ein Ultraschallbild eines Fötus zeigt. Die bewegten Bilder stammen aus dem umstrittenen Film Der stumme Schrei, in dem auch ein Fötus während der Abtreibung gezeigt wird. Jüngst hat ein Einsatz in der Neuen Mittelschule Mureck in der Steiermark für Aufregung gesorgt. Eine Mutter beschwerte sich beim Landesschulrat, nachdem ihr Kind verstört heimgekommen ist. Der Landesschulrat hat die Initiative nun von der Liste seiner Empfehlungen für den Besuch des Religionsunterrichts gestrichen. Besuche von externen Experten seien zwar begrüßenswert, müssten aber genau geprüft werden, heißt es in einem Schreiben. Kritik an den Schuleinsätzen der Initiative kommt jetzt von den Grünen. Es ist unzumutbar, 14-Jährige mit Abtreibungsvideos zu konfrontieren. Das ist nicht sachliche Aufklärung, sondern Angstmache und ekelerregende Schocktherapie, sagt Bildungssprecher Harald Walser zum STANDARD. Er will nun in einer parlamentarischen Anfrage vom Bildungsministerium wissen, wie oft die Initiative bereits in Schulen im Einsatz war und welche Maßnahmen angedacht sind, um solche Art von Lebensschutz-Workshops zu unterbinden. Wolfgang Kostenwein, psychologischer Leiter des Instituts für Sexualpädagogik, sieht in den Handlungen der Initiative eine sozialpädagogische Grenzüberschreitung, die Jugendliche in eine Richtung dränge. Bei Sexualpädagogik gehe es darum, Menschen darin zu unterstützen eine für sich passende Entscheidung zu treffen, sagt er zum STANDARD. Es müssten mehrere Aspekte miteinbezogen werden, etwa auch, wie sich ein Kind auf das Leben der Mutter auswirke. Carina Eder, Pressesprecherin von Jugend für das Leben, findet es schade, dass die Steiermark die Einsätze an den Schulen ablehnt. Die Schüler seien sehr interessiert und nicht angeekelt von den Informationen, die ihre Initiative zur Verfügung stelle. Das Austeilen der Plastikföten verteidigt sie im Gespräch mit dem STANDARD. Das ist Anschauungsmaterial. Man teile den Schülern lediglich biologische Fakten über Föten mit. Über Verhütungsmittel werden die Jugendlichen in den Kursen nicht aufgeklärt, räumt sie ein. Vielmehr gehe es darum, den Schülern Alternativen zu Abtreibungen aufzuzeigen. Lehrergewerkschafter: "In der Praxis völliger Nonsens". Wien – An ganztägig geführten AHS-Unterstufen sollen künftig die Aufgaben in der individuellen Lernzeit am Nachmittag absolviert werden. Das sieht eine Verordnung von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) vor. Lehrervertreter glauben allerdings nicht, dass sich dadurch in der Praxis etwas ändert: Das ist für die Tribüne, so der Chef der AHS-Lehrergewerkschaft, Eckehard Quin, zur APA. Die ab dem kommenden Schuljahr geltende Verordnung sieht unter anderem die Neugestaltung der Betreuungspläne für ganztägige Schulen vor. Zu den Hausübungen heißt es etwa: An ganztägigen Schulen sollen die Aufgabenstellungen aus dem Unterricht (z.B. Hausübungen) hinsichtlich Quantität und Qualität in Abstimmung mit den Pädagoginnen und Pädagogen des Betreuungsteils erfolgen. Die Aufgaben sind so zu stellen, dass sie nach Möglichkeit im zeitlichen Ausmaß der im Betreuungsteil für die individuelle Lernzeit anberaumten Wochenstunden (meist vier pro Woche, Anm.) erledigt werden können. Lernzeit Ebenfalls geregelt wird das Ausmaß der Lernzeit: Dabei wird zwischen gegenstandsbezogener und individueller Lernzeit unterschieden. Erstere wird von Lehrern gehalten (grundsätzlich drei Stunden pro Woche) und dient der Sicherung und Festigung des Unterrichtsertrags, etwa durch Üben. In der individuellen Lernzeit (vier Stunden pro Woche) sollen Hausübungen erledigt und etwa für Prüfungen gelernt werden. Das Ausmaß der Lernzeiten kann schulautonom geändert werden: Möglich sind auch nur eine Stunde gegenstandsbezogene Lernzeit pro Woche (bei dann acht Stunden individueller), zwei Stunden (bei sechs Stunden individueller), vier Stunden (bei zwei Stunden individueller Lernzeit) oder in Sonderfällen fünf Stunden (ohne individuelle Lernzeit). Hier setzt auch die Kritik der Lehrer an: Werden etwa zwei Stunden individuelle Lernzeit pro Woche festgelegt, müssten in diese 100 Minuten nach Möglichkeit sämtliche Hausübungen aus allen Fächern gepackt und nebenbei noch für Prüfungen gelernt werden. In ihrer Stellungnahme zur Verordnung sehen die Gewerkschafter darin de facto ein Hausübungsverbot. Selbst bei vier Stunden individueller Lernzeit sei die Vorgabe in der Praxis kaum umsetzbar, so Quin. Wobei ich die Intention durchaus verstehe: Wenn ein Kind an einer ganztägigen Schule ist, soll es nachher nichts mehr tun müssen. In verschränkter Ganztagsschule o.k. Nur in der Praxis sei das völliger Nonsens, meinte Quin: Im Schnitt besuchen ein paar Kinder einer Klasse eine ganztägige Schulform, meist in der nichtverschränkten Form und auch nicht an jedem Tag der Woche. Wenn jetzt vier Kinder einer Klasse in der Nachmittagsbetreuung sind und der Rest nicht, muss sich die Hausübung jetzt an diesen vier Kindern orientieren. Das werde vor allem zu Protesten beim Rest führen, wenn diese vier zu den leistungsstarken oder -schwachen Schülern zählen. Man kann das in der Praxis nicht leben – völlig unabhängig, wie man jetzt dazu steht, meinte Quin. Das ist vielleicht in der verschränkten Form der Ganztagsschule (wird von allen Kindern einer Klasse besucht, Anm.) realistisch umsetzbar, und dort wäre das auch o.k. Allerdings würden sicher 90 Prozent der Kinder, die eine ganztägige Schulform besuchen, eben nicht die verschränkte Variante besuchen, sondern die Nachmittagsbetreuung. Dort ist das nicht umsetzbar, deshalb wird sich in der Praxis nicht viel ändern. Das sei auch der Grund, warum in der Verordnung so oft die Wörter nach Möglichkeit und soll vorkommen – im Endeffekt werde vieles daher eben nicht möglich sein. Ministerium versteht Kritik nicht Im Bildungsministerium kann man die Kritik der AHS-Lehrer nicht nachvollziehen. Ziel müsse sein, dass die Kinder in diesen Schulformen ohne Schultaschen nachhause kommen, hieß es in einer Stellungnahme. Die Hausübungen sollten soweit möglich bereits in der Schule gemacht werden können. Mit den neuen Betreuungsplänen, die in ähnlicher Form auch an den Pflichtschulen gelten, würde die Grundlage für höhere Qualität in ganztägigen Schulen gelegt, das Angebot im Freizeitteil und in der Lernzeit damit konkretisiert und klare Zielvorgaben erstellt. Durch die Verankerung im Lehrplan werde außerdem die Qualitätskontrolle durch die Schulaufsicht ermöglicht. Es sind Zielvorgaben die je nach den gegebenen Rahmenbedingungen umgesetzt werden sollen und den Standorten auch Gestaltungsfreiräume lassen. Unter anderem sollen die Aufgabenstellungen aus dem Unterricht – also Hausübungen – von der Quantität und Qualität her so gestellt werden, dass sie grundsätzlich im Zuge der ganztägigen Schule bewältigt werden können. 'An Volksschulen um 15 Prozent, an Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen um 38 Prozent. Wien – Die Zahl der außerordentlichen Schüler ist zwischen den Schuljahren 2011/12 und 2013/14 stark gestiegen. An den Volksschulen wuchs deren Zahl um rund 15 Prozent, an den Haupt- bzw. Neuen Mittelschulen um 38 und an den AHS-Unterstufen um 31 Prozent. Das zeigt die Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage durch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ). Wird bei der Schülereinschreibung festgestellt, dass ein Kind nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfügt, erhält es laut Schulunterrichtsgesetz den Status der Außerordentlichkeit: Schulpflichtige SchülerInnen, die aufgrund mangelnder Deutschkenntnisse dem Unterricht nicht ohne weiteres folgen können, sind für die Dauer von maximal zwölf Monaten als außerordentliche SchülerInnen aufzunehmen. Dieser Status kann für ein weiteres Jahr verlängert werden, wenn die Sprache ohne eigenes Verschulden nicht ausreichend erlernt werden konnte – ist man allerdings erst einmal ordentlicher Schüler, kann man nicht mehr in die Außerordentlichkeit rückversetzt werden. Am höchsten fiel der Zuwachs an außerordentlichen Volksschülern in Tirol (plus 66 Prozent Bettina Bussmann über Bischöfe in Talkshows, die Kunst der Differenzierung, unverrückbare und verhandelbare Werte, ein Pflichtfach Philosophie und die Arena der guten Gründe. STANDARD: Das derzeit dominierende Thema ist die Flüchtlingskrise. Sollten sich Philosophinnen und Philosophen öfter in den gesellschaftspolitischen Diskurs einbringen bzw. haben sie einen gesellschaftlichen Auftrag? Bussmann: Absolut, ich finde, sie tun es viel zu selten. Das bewundere ich zum Teil an Frankreich, da haben die Philosophen eine ganz andere Stellung. Wenn da Talksendungen sind, sind nie der Bischof oder Kirchenvertreter da, sondern die Philosophen. Das hat natürlich eine Geschichte, aber ich finde, dass sich die Philosophen auch in Österreich und Deutschland stärker – viele tun das ja auch schon – an diesen Diskursen beteiligen sollten. Wir haben einen großen Erfahrungsschatz an Ideen und Methoden, die uns helfen können, diese Fragen anzugehen. Harald Welzer, ein Sozialpsychologe, hat das Buch Selbst denken. Anleitung zum Widerstand geschrieben. Er sagt, was wir heute brauchen, ist gar nicht so sehr Wissen. Wissen haben wir genug, was uns fehlt, sind Unterscheidungskriterien, die Fähigkeit, bei allem zu unterscheiden, was sind gute Gedanken, was schlechte, wo sind zugrunde liegende Prinzipien, die uns vielleicht weiterhelfen. STANDARD: Philosophinnen und Philosophen sollten oder könnten also die Gesellschaft die Kunst der Differenzierung lehren, zumal die Politik meist eher holzschnittartig agiert? Bussmann: Ja, es ist auf der einen Seite die Kunst der Differenzierung, auf der anderen Seite aber auch die Fähigkeit, grundsätzlich zu werden. Das heißt, welche grundsätzlichen Fragen müssen wir uns eigentlich stellen? Im Grunde geht es, wenn wir etwa bei der Flüchtlingsfrage sind, um die Frage, wie wollen wir leben? Genauso auch, wenn es um unser Verhältnis zur Umwelt, zu den Tieren, den digitalen Medien oder zur Bildung geht. Wie wollen wir leben? Philosophen könnten da helfen, weil sie solche Fragen stellen. Da sind sie dann auch Störenfriede, weil sie unbequeme Fragen stellen. STANDARD: Mit der Flüchtlingsfrage taucht auch immer wieder die Wertefrage auf. Es soll Wertekurse für Asylwerber geben. Wie soll sich die Gesellschaft darüber verständigen bzw. was sind denn unsere Werte? Bussmann: (lacht) Das ist genau die Frage, der ich mich jetzt mal enthalte. Ich möchte sagen, wie man das sehen kann. Wenn Flüchtlinge in unser Land kommen, haben sie sich erst mal an unsere Gesetze zu halten. Das ist unabhängig von der Wertefrage. Ich werde auch oft gefragt, wie sich Lehrer in der Schule zu verhalten haben, wenn dort jemand prügelt usw. Da muss ich doch Werte vertreten, heißt es dann. Ja, natürlich, dem Grundgesetz bin ich verpflichtet. Die Philosophie ist zunächst einmal sicher den Menschenrechten verpflichtet, aber die Frage ist, sind diese Werte dann, so wie es beispielsweise in der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung steht, selbstevident? Sind sie nicht. Vieles muss verhandelbar bleiben. Bevor man sich da auf einen Konsens einigt, sollte man erst einmal in die Arena der guten Gründe gehen und schauen, was sind Werte, auf die wir uns alle einigen können. Oft wird da ein Schritt übersprungen, indem schon Werte zugrunde gelegt werden, die im Grunde gar nicht mehr verhandelt werden. STANDARD: Kann man daraus auch ein Argument für Philosophieunterricht in der Schule ableiten – heute vielleicht mehr denn je? Bussmann: Ja, die Lebenswelt, in der wir heute leben, ist nicht nur sehr komplex und unübersichtlich, sie verlangt nach Orientierung. Orientierung gibt ein Reflexionsfach wie die Philosophie, die sich immer mit der Komplexität der Fragen beschäftigt hat. Nicht nur die Flüchtlingsfrage, auch die Globalisierung, das Verhältnis von Mensch und Umwelt, wovon die Klimakatastrophe nur ein Aspekt ist – das sind alles originär philosophische, natürlich auch ethische Fragen. Und wenn ich Philosophie sage, meine ich immer Philosophie einschließlich Ethik. STANDARD: Warum diese Betonung? Bussmann: In Österreich wird ja schon lange versucht, Ethikunterricht einzuführen. Dafür bin ich natürlich auch, aber ich glaube, wir brauchen einen umfassenderen Philosophieunterricht, weil noch viele andere Fragen, die der Ethikunterricht nicht primär abdeckt, auftauchen. Wir leben in einer wissenschaftlichen bzw. wissenschaftsorientierten Welt, in der viele Erkenntnisse über empirische Methoden gewonnen werden. Dazu müssen wir bei den Schülerinnen und Schülern Kompetenzen fördern, die sie befähigen, das zu verstehen, aber auch zu hinterfragen. Wir sollten wirklich sokratische Störenfriede heranziehen und in die Gesellschaft entlassen. Das wollen die Schülerinnen und Schüler auch. Darum ist die Einführung eines Pflichtfachs Philosophie überfällig, möglichst ab der fünften Schulstufe, und dieses soll auch mit dem Fach Psychologie besser verzahnt sein als bisher. STANDARD: Und was sollen diese sokratischen Störenfriede dann können? Bussmann: Das fängt damit an, dass man Phänomene wahrnimmt – an sich selber und an anderen. Hinschauen, was geht eigentlich vor. Diese Wahrnehmung muss heute, auch bedingt durch die hauptsächliche Konzentration auf Smartphone und Computer, geschult werden. Dann geht es darum, dass man sich mit anderen Menschen auseinandersetzt, in einen Dialog geht, der getragen sein soll durch Respekt und gute Gründe, die wir haben, um unsere Meinung zu vertreten. Der Philosophieunterricht ist prädestiniert für diese Denk- und Argumentationsschulung. STANDARD: Inwiefern ist er das? Bussmann: Wir brauchen vor allem einen konfessionsungebundenen, weltanschaulich neutralen Unterricht. Wir brauchen einen Ort, wo wir uns in einem Gespräch über die Werte, die wir haben oder haben sollten, und die Frage, wie wir eigentlich leben wollen, auseinandersetzen müssen. Sokratische Störenfriede sind die, die in diesen Dialog gehen, die nicht nur sich selber kritisch befragen, sondern auch die anderen Menschen und das System, in dem sie leben, die mutig sind, Fragen zu stellen. Ich habe ein bisschen das Gefühl, wenn ich an Immanuel Kants Spruch Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen denke, es fehlt der Mut, das zu tun. Diesen Mut kann man aber fördern, indem man einen Ort schafft, wo das getan wird. STANDARD: Interpretiere ich Sie richtig, Philosophie für alle Schülerinnen und Schüler wäre Ihnen fast wichtiger als Ethik, weil die Auseinandersetzung mit Wissenschaft in unserer Gesellschaft dringlicher ist als die mit Religionen bzw. Glaubensfragen? Bussmann: Ich würde sagen, beides ist sehr wichtig. Ja, Ethik ist längst überfällig, und es passiert so gut wie nichts. Deshalb sage ich Philosophie, weil ich ein Fach möchte, das nicht von vornherein einen Konsens auf bestimmte Werte vornimmt. Man muss darüber reden, wie sich Ethik- und Philosophieunterricht, gerade, was die Wertefrage angeht, zu verhalten haben. Oft sieht es doch so aus, dass man bestimmte Werte nicht zur Debatte stellt, also dass es manchmal doch unter der Hand eine Form von Gewissensschulung ist. Das sollte es nicht sein. Das nennt man Indoktrinations- oder Überwältigungsverbot bzw. Neutralitätsgebot. Darüber muss man reden, und da finde ich Philosophie einen besseren Begriff, weil er umfassender und neutraler ist. Zusätzlich behandelt die Philosophie aber auch die immer dringlicher werdende Frage, was die wissenschaftlichen Methoden und Ergebnisse für unsere Erkenntnis und unser Leben leisten. Zweifel an pädagogischer Befähigung der Lehrerin. Groß-Siegharts/Wien – Neun Sitzenbleiber an einer dritten Klasse der Volksschule Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen a.d. Thaya) im vergangenen Schuljahr haben die Volksanwaltschaft auf den Plan gerufen. In dem Fall sei an der pädagogischen Befähigung der Lehrerin zu zweifeln und der dringende Verdacht eines Missstandes in der Schulverwaltung gegeben. Traumatisierend Volksanwalt Peter Fichtenbauer, zuständig für die Überprüfung der Verwaltung im Bereich Schulwesen, habe ein amtswegiges Prüfverfahren eingeleitet. Insbesondere werde hinterfragt, ob dieser Fall der Schulaufsichtsbehörde bekannt war und ob eine Überprüfung der pädagogischen Qualität des Unterrichts erfolgt ist. Fichtenbauer: Ein solches Ereignis ist traumatisierend für Kinder. Sollten pädagogische Mängel festgestellt werden, so müssen dienst- bzw. disziplinarrechtliche Schritte gegen die Verantwortlichen ergriffen werden. Er wisse von acht Fällen, sagte der zuständige Pflichtschulinspektor Franz Weinberger am Donnerstag auf APA-Anfrage. Es habe sich an der Volksschule Groß-Siegharts um eine außerordentlich leistungsschwache Klasse vom Schuleintritt weg gehandelt. Weinberger verwies darauf, dass es in der ersten und zweiten Klasse die Möglichkeit der Umstufung gebe. Dies hätten Eltern trotz Empfehlung abgelehnt. In der dritten Klasse habe es im Halbjahr acht angekündigte Nicht genügend gegeben. Laut Weinberger sahen die Eltern von vier Kindern dann ein, dass eine Umstufung notwendig gewesen wäre. Sie hätten eine freiwillige Wiederholung beantragt. Mit dem Nicht genügend in den vier anderen Fällen sei nur eine Familie nicht einverstanden gewesen. Die Jahrestagung des Impulszentrums Cooperatives Offenes Lernen befasst sich mit Demokratielernen. Steyr/Wien – Eigenverantwortung, Kooperation und selbstständige Unterrichtsplanung. Das Impulszentrum Cooperatives Offenes Lernen (COOL) hat vor 20 Jahren den sogenannten Dalton-Plan zum pädagogischen Grundprinzip seiner Schulen gemacht. Die Lehrer sollen den Schülern als Begleiter im Lernprozess auf Augenhöhe begegnen, in Klassenräten haben die Schüler die Möglichkeit, Konflikte zu lösen, und sie dürfen auch einen Teil des Unterrichts selbst bestimmen. So soll die Schule möglichst demokratisch organisiert sein, um auch die Schüler demokratische Prozesse zu lehren. Ebendieses Demokratielernen hat sich COOL zum Thema der diesjährigen Jahrestagung in Steyr gemacht. Dass das Thema so aktuell werden sollte, hat sich Leiterin und Mitgründerin Helga Wittwer bei der Planung vor einem Jahr nicht gedacht. Besonders vor dem Hintergrund, dass nun auch viele Flüchtlinge in Schulklassen sitzen, habe die Demokratievermittlung an Bedeutung gewonnen. Bei Politischer Bildung geht es um viel mehr als nur Parteien oder Wahlen. Es geht um die Polis, das gesellschaftliche Zusammenleben, sagt Wittwer. Während Flüchtlinge in Kursen die Grundwerte der österreichischen Gesellschaft lernen sollen, sagt der Vortragende Florian Wenzel vom Centrum für angewandte Politikforschung in München, dass es die demokratischen Grundwerte an sich nicht gibt. Einen absoluten Grundwertekatalog für Flüchtlinge hält er für problematisch. Der Sozialwissenschafter hat das israelische Fortbildungskonzept Mehr als nur Demokratie adaptiert. Dieses beschreibt, wie Schüler im Unterricht Demokratie lernen sollen – nämlich indem sie die Frage nach der Demokratie immer wieder neu stellen. Es gibt keine Sicherheit für Demokratie, sagt Wenzel. Jeder sei selbst dafür verantwortlich, diese zu gestalten. Für den Unterricht bringt er folgendes Beispiel: Schüler sollen in Kleingruppen die für sie zentralen Werte einer Demokratie sammeln und davon die fünf wichtigsten auswählen und präsentieren. Anschließend diskutieren sie, wie demokratisch der Prozess war. Vielleicht wurden Vorschläge von privilegierteren Schülern bevorzugt, während ein Einwand einer Schülerin einer Minderheitengruppe vernachlässigt wurde. Dieses Überraschungsmoment zeigt den Schülern, dass es in Demokratien unsauber zugehen kann und sie möglicherweise gar nicht so demokratisch gehandelt haben, wie sie dachten, sagt Wenzel. Da komme das Leben daher, und das ist der Ausgangspunkt für Demokratie als Lebensform. Für Wenzel soll das Demokratielernen nicht in einem Pflichtfach Politische Bildung stattfinden, sondern in Elementen, die mit Kooperation und Verantwortung zu tun haben. Etwa in Klassenräten und in Fächern, die thematisch passen. An den berufsbildenden Schulen, an denen die COOL-Initiative entwickelt wurde, ist Politische Bildung ein Pflichtfach – in allen anderen Schulformen soll es bis zum Schuljahr 2018/2019 in der gesamten Unterstufe als Pflichtmodul im Fach Geschichte und Sozialkunde verankert werden. Derzeit läuft ein Pilotprojekt in der sechsten Schulstufe und ein neuer Lehrplan des Pflichtmoduls erprobt. Die Begutachtungsphase des Lehrplans läuft bis diesen Freitag. "Keine ökonomische Ausbildung und keine wissenschaftlichen Publikationen" – "Affront für alle (österreichischen) Wirtschaftsforscher" – Heinisch-Hosek soll Schulbuch zurückziehen. Wien – Das Schulbuch Geospots (7. und 8. Klasse AHS) erzürnt zahlreiche Wirtschaftswissenschafter. Der Gemeinwohlökonom und Ex-Sprecher von Attac Österreich, Christian Felber, wird dort in einer Grafik in einer Reihe mit John Maynard Keynes, Karl Marx, Milton Friedman und Friedrich August von Hayek genannt. Die Forscher haben deswegen nun einen Offenen Brief an das Bildungsministerium geschrieben. Die Auswahl einer Person, die über keine ökonomische Ausbildung verfügt und keine wissenschaftlichen Publikationen aufweist, stellt einen Affront für alle (österreichischen) Wirtschaftsforscher dar, heißt es im Aufruf zur Unterzeichnung des Briefs. Zwar teile man das Ziel, unterschiedliche Wirtschaftstheorien und Fragestellungen der Ökonomie vorzustellen, heißt es dann im von bisher 26 Ökonomen unterzeichneten Schreiben selbst. Eine geeignete Person sei aber nach den Kriterien einer entsprechenden internationalen Bedeutung sowie weithin anerkannter wissenschaftlicher Arbeit zu wählen. Wenn es um Fragen des Gemeinwohls und Gemeinschaftsgüter gehe, schlagen die Ökonomen Wirtschafts-Nobelpreisträgerin Elinor Ostrom vor. Lege man den Fokus auf Globalisierungskritik, kämen auch Joseph Stiglitz oder Paul Krugman in Frage, bei einem Akzent auf Verteilungsfragen Thomas Piketty oder der aktuelle Nobel-Laureat Angus Deaton. Felber, der vorwiegend als politischer Aktivist auftritt, wird aber abgelehnt. Dessen Gemeinwohltheorie erfülle nicht die üblichen Kriterien der Wissenschaftlichkeit. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) wird schließlich aufgefordert, das im Veritas Verlag erschienene Lehrbuch in der aktuellen Form nicht weiter für den Einsatz an Schulen zuzulassen. (APA, 7.4.2016) Rund 80.000 Schüler der achten Schulstufe werden überprüft. Wien – Mit den Überprüfungen der Bildungsstandards im Fach Deutsch in der 4. Klasse AHS bzw. Neue Mittelschule (NMS) wird kommenden Mittwoch (20. April) der erste Zyklus der 2012 begonnenen umfassenden Schülertestungen abgeschlossen. Insgesamt nehmen daran rund 80.000 Schüler der 8. Schulstufe teil, die Ergebnisse werden im ersten Quartal 2017 vorliegen. Die Bildungsstandards werden in fünf Disziplinen abgeprüft: Deutsch und Mathematik jeweils in der vierten und achten Schulstufe sowie Englisch nur in der achten Schulstufe. Begonnen wurden die Erhebungen 2012 mit Mathematik in der achten Schulstufe – mit den Deutsch-Tests in der gleichen Altersgruppe wird nun der erste Durchlauf beendet. 2017 fängt der Zyklus dann wieder von vorne an. Vom Test ausgenommen sind außerordentliche Schüler, Jugendliche, die in Deutsch nach dem Lehrplan der Sonderschule bzw. einer niedrigeren Schulstufe unterrichtet werden, sowie Schüler mit Körper- oder Sinnesbehinderung, sofern sie selbst mit allenfalls im Unterricht und bei der Standardüberprüfung zur Verfügung stehenden Unterrichts- oder Hilfsmitteln unter den Testbedingungen die gestellten Aufgaben nicht lösen können. Der Test dauert insgesamt 120 Minuten, dazwischen gibt es zwei Pausen. Im Anschluss ist noch ein Fragebogen etwa über den familiären Hintergrund bzw. die Lernmotivation zu bearbeiten. Überprüft werden die vier Bereiche Lesen, Schreiben, Sprachbewusstsein (z.B. Grammatik, Rechtschreibung) sowie Zuhören und Sprechen. Kleine Einschränkung: Der Bereich Sprechen wird aufgrund des hohen Aufwands (paarweises Testgespräch, das von Assessoren bewertet wird) nur anhand einer Stichprobe an etwa 120 Schulen abgetestet – diese Überprüfungen finden auch extra im Mai und Juni statt. Die Schüler müssen unter anderem Fragen zu davor gehörten Texten beantworten, außerdem werden das allgemeine Leseverständnis sowie das überfliegende Lesen (schnelle Suche nach Information) anhand von vorgegebenen Texten und dazu gestellten Fragen überprüft. Darüber hinaus muss ein Text zu einer vorgegebenen Aufgabenstellung verfasst werden, in dem je nach Angabe argumentiert, erzählt oder informiert werden muss. Weiters müssen Testhefte zu Themen wie Wortbildung, Grammatik, Sprach- und Schreibnormen bearbeitet werden, in manchen Klassen kommt auch ein zehnminütiges Lückendiktat zum Einsatz. Die Ergebnisse der Testungen haben keinen Einfluss auf die Noten der Schüler. Nur der Schüler selbst erfährt, wie er persönlich abgeschnitten hat. Der Lehrer bekommt das (anonymisierte) Gesamtergebnis seiner Klasse, die Schulleitung das ihrer Schule bzw. der einzelnen Klassen, die Schulaufsicht die allgemeinen Teile der Schulberichte sowie Regionalergebnisse, die Landesschulräte die Landesergebnisse sowie das Bildungsministerium einen Bundesbericht. Verglichen werden die Ergebnisse zum letzten Mal mit den Resultaten einer 2009 durchgeführten Ausgangsmessung (Baseline-Testung) mit rund 11.000 Schülern. Ab 2017 können als Vergleichsmaßstab dann schon die Resultate des ersten Test-Zyklus herangezogen werden. Gerald Lembke über verbesserte Noten durch Laptop-Verbot im Uni-Hörsaal, wischkompetente Kinder und verlerntes Lernen. STANDARD: Ausgerechnet Sie, der Professor für digitale Medien, haben etwas fast ketzerisch Anmutendes getan: Sie haben die Laptops aus dem Hörsaal verbannt. Warum? Lembke: Ich habe die Computer nicht verbannt, sondern die Nutzung während der Vorlesung geregelt. Vorher war es so, wie man das an Hochschulen kennt: Der Student kommt rein, klappt seinen Laptop auf, macht damit etwas und merkt gar nicht, dass der Dozent bereits im Raum ist. In den letzten paar Jahren hat die Aufmerksamkeit der Studierenden auch in kleineren Kursverbänden, nicht nur in den großen Hörsälen, stetig abgenommen, weil die Ablenkungsmöglichkeiten durch digitale Medien so immens sind. Wir haben dann in einem langen Prozess eine Regelung gefunden, die da lautet, dass der Dozent auch rechtlich die Kompetenz hat, im Rahmen seines didaktischen Stils Computer zu erlauben oder nicht. STANDARD: Wie reagierten die Studierenden auf diesen Entzug? Lembke: Kurzfristig zeigten sie generell ein Unverständnis und sagten: Wieso, wir schreiben ja mit diesen Computern mit. Wir wissen aber, dass es bei einem Großteil nicht zur Mitschrift genutzt wird, sondern für Facebook, Snapchat und Ähnliches. Langfristig wurde es sehr positiv aufgenommen. Insbesondere die leistungsorientierten Studenten sind recht froh über die Regelung, weil Ruhe eingetreten und die Konzentration deutlich gestiegen ist. Und wir haben – verglichen mit einer Kontrollgruppe eines Parallelkurses – festgestellt, dass sich der Notendurchschnitt pro Semester um drei Zehntel verbessert hat. STANDARD: Sie sprechen von digitaler Ambivalenz. Warum? Lembke: Auf der einen Seite bringen uns Smartphones, Tablets & Co ganz viel Freiheit und Autonomie. Wir können von jedem Ort zu jeder Zeit unsere Arbeit machen, E-Mails prüfen etc. Das ist fantastisch. Auf der anderen Seite entdecken wir, dass wir diese Technologien immer weniger beherrschen. Nicht wir beherrschen diese Technologien, das Smartphone beherrscht uns. Wir sehen, dass Erwachsene das Smartphone durchschnittlich drei Stunden pro Tag aktiviert haben und bis zu 150 Aktivierungen pro Tag machen, im statistischen Mittel eine Stunde nur für Facebook. Die Nutzungszahlen wachsen stetig. Wir haben in der Zielgruppe 13 bis 17 eine Nutzungsdauer von über sieben Stunden pro Tag. Das Smartphone ist in dieser Gruppe absolut unersetzlich und beherrscht das Leben der Jugendlichen. Das nenne ich ambivalent: Es ist fantastisch und ein Fluch zugleich. STANDARD: Welche Schlüsse ziehen Sie daraus? Lembke: Wir haben, seit das iPhone 2007 die mobile Revolution initiierte, immer noch nicht gelernt, damit als neues Kulturgut intelligent umzugehen. Da werden jetzt einige sagen: Ach, Junge, das ist doch nicht so schlimm, das wird schon. Das war beim Radio so und beim Fernseher auch. Ja, aber diese Vergleiche hinken, weil ein Fernseher war in den 1960er-Jahren nicht überall verfügbar. Heute ist ein Smartphone 24 Stunden sieben Tage die Woche verfügbar. Die Verführungen sind ganz andere, und man kann das mit Drogen vergleichen, die jederzeit verfügbar sind. Die, die den Umgang mit Stoffen wie Alkohol nicht gelernt haben, fallen leicht in eine Abhängigkeit. Gleiches sehen wir ja auch schon in der mobilen Mediennutzung. STANDARD: Eine Ihrer Thesen lautet: Der beste Start ins digitale Zeitalter ist eine Kindheit ohne Computer – klingt idyllisch und nett, im Jahr 2016 aber illusorisch. Lembke: Ich plädiere dafür, dass die Nutzung von digitalen Medien und mobilen Endgeräten angepasst wird an das jeweilige Lebensalter und die kognitive Entwicklung. Die ist bei Kleinkindern null vorhanden, um damit medienkompetent umzugehen. Es führt auch zu keinen positiven Effekten, wenn man versucht, diese Geräte im Kleinkindbereich bis sechs Jahre einzuführen mit dem doch so apologetischen Argument Ja, je früher die damit spielen, umso medienkompetenter werden die. Alle Studien belegen das Gegenteil. Das gilt auch für das Schulalter ab sechs, sieben Jahren. Natürlich spielt der breitflächige Einsatz von digitalen Medien in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle, und ich will sie auch in keinster Weise verbieten, aber wir müssen Kinder dann damit konfrontieren, wenn sie in der Lage sind, diese Medien auch kritisch für sich selber zu bewerten. STANDARD: Wann wäre das? Lembke: Bis zehn, zwölf Jahre plädiere ich dafür, die reale Welt kennenzulernen und die basalen, kognitiven Qualifikationen, Rechnen, Schreiben, Lesen vernünftig zu lernen, den kritischen Umgang mit einem Printprodukt oder auch mit TV und Radio zu lernen und nicht auf dem Tablet. STANDARD: Sie gehen so weit zu sagen: Raus mit den Computern aus der Schule! Sehen Sie überhaupt keine sinnvolle Verwendung für Digitaltechnologien in der Schule? Lembke: Ich sehe immenses Potenzial des Einsatzes von Computern in Schulen und Hochschulen, aber ich sehe keinen positiven Sinn in Kindergärten und in der Schule bis zehn Jahre. Ich wehre mich vor allem dagegen, dass man unsere Schulen flächendeckend mit neuen Technologien vollstopft und Kinder sich irgendwie spielend und wischend auf diesen Plastikscheiben bewegen. Kinder haben eine unglaublich schnelle Lernfähigkeit, solche Geräte zu bedienen. Damit hat ein Kind vielleicht eine hohe Wischkompetenz, aber keine Medienkompetenz. Sicher gibt es da und dort Modellprojekte und Schulen, wo dann herausinterpretiert wird, Mensch, guck mal, was die Kinder Tolles machen, die können mit sieben Videos von Ameisen drehen. Das ist alles schön und nett, aber es ist Mittel zum Zweck, es darf niemals einen pädagogischen Prozess substituieren. Der Lehrer, der Pädagoge muss insbesondere in dieser Lerngruppe zwingend im Mittelpunkt des pädagogischen Lernprozesses stehen. Das kann ein Computer niemals machen. STANDARD: Der Untertitel Ihres Buchs Die Lüge der digitalen Bildung heißt Warum unsere Kinder das Lernen verlernen. Warum? Lembke: Lernen heißt, dass ich mir Wissen und Information aneigne, die ich in meinem Kopf speichere, die sich an andere Informationen andockt. Wenn ich eine Sprache lerne, lerne ich ja nicht den kompletten Wortschatz von 50.000 Wörtern, sondern einzelne Wörter und dann immer weitere. Die digitalen Medien verhindern das, weil man denkt, das Wissen ist im Internet, ich brauche nichts mehr lernen und speichern muss ich schon gar nicht mehr, weil das finde ich ja alles bei Google und Co. Wir wissen in Deutschland, über 70 Prozent der Menschen kennen nicht die Telefonnummer ihres Lebenspartners. Sie ist ja gespeichert. Im Lernprozess exponiert sich dieses Phänomen. Ach, ich muss nicht schreiben, ich kann ja tippen. Ich muss nicht rechnen, es gibt eine App dafür, ich muss nicht lesen, weil die App liest mir den Text vor. Ich finde diese Entwicklung nicht positiv und plädiere dafür, dass diese grundlegenden Fähigkeiten der Auseinandersetzung mit der realen Welt wichtiger sind. Die virtuelle Welt bringt schon ihre Vorteile mit sich, aber sie darf die reale Welt nicht bestimmen. Wir müssen uns auch handlungskompetent einbringen. Die Virtualität lenkt uns davon massiv ab, weil wir in der virtuellen Welt ganz viel Entertainment und Flucht vor realen Problemen und eine schön gemalte Welt auf dem Handy haben. Damit können wir Erwachsene schon kaum umgehen, und Kinder schon gar nicht. 'Lehrer sollen mehr über den Umgang mit traumatisierten Schülern erfahren. Pädagogische Hochschulen bieten Fortbildungen. Wien – Mit 8.000 schulpflichtigen Flüchtlingskindern rechnet das Bildungsministerium für dieses Jahr. Sobald sie als Asylwerber in die Grundversorgung aufgenommen worden sind, sitzen sie als außerordentliche Schüler in den österreichischen Klassen. Wie Pädagogen mit Kindern umgehen sollen, die eine hunderte Kilometer lange Flucht aus Kriegsgebieten hinter sich haben, wird derzeit in mehreren Tagungen und Workshops an den Pädagogischen Hochschulen (PH) behandelt. Das Wichtigste ist, den Kindern möglichst schnell eine normale Struktur zu geben, sagt die Psychotherapeutin Barbara Preitler. Preitler arbeitet für Hemayat, ein Betreuungszentrum für Folter- und Kriegsüberlebende, und wird am 12. November bei einer Lehrerkonferenz der Pädagogischen Hochschule Wien anlässlich der Flüchtlingssituation über Auswirkungen von Traumatisierungen bei Kindern und Jugendlichen sprechen. Man könne davon ausgehen, dass jedes Kind, das aus einem Kriegsgebiet geflüchtet ist, seelische Verletzungen davongetragen habe, sagte die Psychotherapeutin zum STANDARD. Wie alle traumatisierten Menschen hätten auch Kinder ein hohes Ruhebedürfnis und würden viel Sicherheit brauchen. Die Schule sei der ideale Rahmen, da hier Strukturen klar vorgegeben würden. Trotzdem bräuchten Lehrer eine Art Basisschulung darin, was Pädagogen im Umgang mit traumatisierten Schülern vermeiden und was sie fördern sollen. So sollten sie etwa nicht zu eindringliche Fragen zur Lebensgeschichte stellen. Die Kinder dürfen erzählen, aber sie müssen nicht. Oft seien Fragen nach dem genauen Heimatort oder nach den Eltern sehr belastend, wenn damit Kriegserlebnisse verbunden werden oder ein Elternteil im Krieg gestorben ist. Wenn trotzdem bestimmte Fragen aus administrativen Gründen notwendig seien, müssten die Lehrer diese Gründe transparent machen, sagt Preitler. Man sollte ihnen das Gefühl geben, dass sie die Kontrolle haben. Helfen könnten Pädagogen ihren Schülern einfach, indem sie eine normale Beziehung zu ihnen aufbauen. Kriege seien ja durch Menschen verursacht, und für traumatisierte Schüler sei es wichtig zu sehen, dass Menschen auch gut sein können. Um den Großteil der Flüchtlingskinder müssten sich Lehrer wohl nicht extra kümmern, sagt die Psychotherapeutin. Wenn bei manchen Schülern schwere seelische Verletzungen vorliegen, würde sich das etwa durch aggressives Verhalten oder totalen Rückzug äußern. Dann könnten sich die Pädagogen entweder an den Schulpsychologischen Dienst oder Vereine wie Hemayat wenden. Wobei grundsätzlich mehr in die Schulpsychologie investiert werden sollte, sagt Preitler. Konferenzen wie jene in Wien könnten nur der Anstoß für weitere Angebote für Lehrer und Schüler sein. Auch Lehrergewerkschafter Paul Kimberger forderte am Donnerstag im Ö1-Mittagsjournal mehr Pädagogen und Psychologen für die Schulen. Das sei angesichts der steigenden Zahlen an Flüchtlingen notwendig. Neben Konferenzen, die auch in anderen Bundesländern abgehalten und wo etwa auch rechtliche Grundlagen von Asyl und Sprachförderung vermittelt werden, bieten die PHs auch Workshops zu interkulturellem Lernen an Das Gesetz zur Ausbildungspflicht für Personen bis 18 soll noch heuer in Begutachtung gehen. Junggewerkschafter äußern Kritik. Wien – Jene rund 90.000 Schüler, die derzeit die neunte Schulstufe besuchen, sollen bereits ab kommendem Herbst dazu verpflichtet werden, eine Ausbildung bis zum 18. Lebensjahr zu machen. Ein Gesetzesentwurf soll noch in diesem Jahr in Begutachtung gehen, heißt es aus dem Sozialministerium zum STANDARD. In das Vorhaben involviert sind vier Ressorts: Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Ein Begleitausschuss mit Ländervertretern und den Sozialpartnern arbeitet mit. Laut Sozialministerium beginnen pro Jahrgang rund 5.000 Jugendliche nach Absolvierung der neunjährigen Schulpflicht keine weiterführende Ausbildung oder brechen diese ab. Diese Zahl soll mit der Ausbildung bis 18 schrittweise und nach Möglichkeit auch deutlich reduziert werden, heißt es aus dem Sozialministerium. Dreh- und Angelpunkt der Ausbildungspflicht soll das bereits bestehende Jugendcoaching sein. Alle bereits bestehenden Angebote des Arbeitsmarktservice und des Sozialministeriumsservice sowie die überbetrieblichen Lehrwerkstätten müssten aufeinander abgestimmt werden. Wie Jugendliche zu einer weiterführenden Ausbildung motiviert werden können, schildert das Wirtschaftsministerium auf Anfrage des STANDARD. Wird die Ausbildungspflicht ohne Vorliegen eines zulässigen Ausnahmegrundes nicht erfüllt, haben die Koordinierungsstellen des Sozialministeriumsservice mit den Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten Kontakt aufzunehmen und die weitere Vorgangsweise abzuklären, heißt es. Gemeinsam mit Betreuungseinrichtungen würde dann ein Perspektivenplan erstellt. Dabei soll berücksichtigt werden, ob der Jugendliche den Schulbesuch fortsetzen oder neu aufnehmen kann. Auch andere Wege zur Erfüllung der Ausbildungspflicht würden derzeit geprüft. Das Familienministerium will Maßnahmen der Prävention und Information für Jugendliche und deren Erziehungsberechtigte setzen, damit es zu keinem Schulabbruch kommt. Das Wirtschaftsministerium verweist zudem darauf, dass mit der Novelle des Berufsausbildungsgesetzes bereits jetzt niederschwellige Lehrangebote geschaffen werden können. Jugendliche, die aufgrund ihrer persönlichen Voraussetzungen keine volle Lehre machen können, bekommen die Möglichkeit, einzelne Teile einer Lehrausbildung abzuschließen. Neue Ausbildungsplätze müsse man nicht schaffen, heißt es aus dem Wirtschaftsministerium. Auch das Sozialministerium geht davon aus, dass es in einem ersten Schritt keine neuen Plätze braucht. Durch den demografischen Wandel würden österreichweit Ausbildungsplätze frei. Ein Monitoringsystem soll darüber Auskunft geben, wo Kapazitäten nötig sind. Sascha Ernszt, Vorsitzender der Gewerkschaftsjugend, ist skeptisch, was die Pläne der Regierung betrifft. Es ist nicht klar, ob genügend angemessene Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen. Eine Ausbildungspflicht würde auch Rechte beinhalten, etwa das Recht darauf, eine Lehrstelle in der Nähe des Wohnorts zu bekommen. Ernszt warnt außerdem davor, dass Jugendliche zu Ausbildungen gezwungen werden könnten, die nicht ihrem Interesse entsprechen. Das wäre erst recht kontraproduktiv. Vorgesehen sind übrigens auch Strafen. Eltern von Jugendlichen, die der Ausbildungspflicht nicht nachkommen, sollen in letzter Konsequenz zahlen müssen. Orientieren sollen sich die Strafen an jenen fürs Schuleschwänzen. Eltern müssen 440 Euro zahlen, wenn ihre Kinder der Schule unentschuldigt fernbleiben. Zunächst ist aber ein Beobachtungszeitraum für die neu geschaffene Ausbildungspflicht vorgesehen. Sanktionen sind erst ab Herbst 2017 geplant. Die Ausbildungspflicht wird nicht der Schulpflicht gleichgesetzt, da sie nicht allein auf den Schulbesuch, sondern auf weiterführende Ausbildungen abzielt. Laut dem Gesetzesentwurf des Sozialministeriums sollen Arbeitsverträge einfach für nichtig erklärt werden können. Wien – Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wird zwar möglicherweise wegen der Bundespräsidentschaftskandidatur bald das Amt des Sozialministers zurücklegen, am Freitag hat er aber noch einen lange erwarteten Gesetzesentwurf vorgelegt: Künftig soll eine Ausbildungspflicht bis 18 gelten. DER STANDARD beantwortet die wichtigsten Fragen zu dem Vorhaben. Frage: Wen betrifft die neue Ausbildungspflicht? Antwort: Sie gilt grundsätzlich für alle Jugendlichen unter 18 Jahren. Wer die allgemeine Schulpflicht erfüllt hat, muss laut dem Gesetzesentwurf des Sozialministeriums entweder eine weiterführende Schule besuchen oder eine berufliche Ausbildung absolvieren. Als berufliche Ausbildung zählt sowohl die Lehre in einem Betrieb als auch eine überbetriebliche (also vom Staat organisierte) Lehrausbildung. Die Ausbildungspflicht gilt auch als erfüllt, wenn AMS-Maßnahmen im Ausmaß von mindestens 16 Wochenstunden besucht werden. Frage: Um wie viele Betroffene geht es? Antwort: Ursprünglich ging man von 10.000 Jugendlichen pro Jahr aus, die über keine weiterführende Ausbildung verfügen. Mittlerweile hat das Sozialministerium diese Zahl auf 5.000 nach unten revidiert. Frage: Gibt es auch Ausnahmen von der Ausbildungspflicht? Antwort: Ja. Zunächst gilt die Ausbildungspflicht erst dann als verletzt, wenn man länger als vier Monate keiner Ausbildung nachgeht. Nicht zur Anwendung kommt das Gesetz weiters in Phasen, in denen Jugendliche Kinderbetreuungsgeld beziehen, ein freiwilliges Sozialjahr oder den Präsenz- beziehungsweise Zivildienst leisten. Frage: Wie soll überprüft werden, ob die Ausbildungspflicht erfüllt wird? Antwort: Laut Gesetz sind zunächst die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten verpflichtet, Koordinierungsstellen zu verständigen, wenn ein Jugendlicher keiner schulischen oder beruflichen Ausbildung nachgeht. In jedem Bundesland soll eine solche Koordinierungsstelle eingerichtet werden, die sich um die Unterstützung der Jugendlichen kümmern soll. Gleichzeitig werden die Schulen, Lehrlingsstellen, das AMS und die Krankenkassen verpflichtet, die Daten von Jugendlichen, die eine Ausbildung beginnen oder beenden, an die Statistik Austria zu schicken. Darauf können die Behörden dann zugreifen. Frage: Was passiert, wenn man der Ausbildungspflicht nicht nachkommt? Antwort: Die erwähnten Koordinierungsstellen sollen in solchen Fällen Kontakt zu den Jugendlichen und den Erziehungsberechtigten aufnehmen. In weiterer Folge soll gemeinsam mit den Betroffenen ein Perspektiven- und Betreuungsplan erstellt werden. Es soll also festgelegt werden, welche Art von Ausbildung am sinnvollsten wäre. Zuständig dafür ist – je nach Zielgruppe – das AMS oder eine Servicestelle des Sozialministeriums, wobei die Aufgabe in der Praxis an Beratungs- und Betreuungseinrichtungen übertragen werden kann. Frage: Wann drohen Strafen? Antwort: Zunächst: Geldstrafen drohen nur den Eltern, nicht den Jugendlichen. Sie können – wie bei Verletzungen der Schulpflicht – zwischen 100 und 500 Euro ausmachen, im Wiederholungsfall können sie auf 200 bis 1.000 Euro steigen. Die Geldbuße droht aber nur, wenn sich die Erziehungsberechtigten bewusst querlegen oder die Jugendlichen sogar daran hintern, Ausbildungsangebote wahrzunehmen. Scheitert es am Einsichtsvermögen der jungen Leute, liegt keine Strafbarkeit vor. Frage: Was passiert, wenn ich trotz Ausbildungspflicht mit 16 einen Job als Hilfsarbeiter annehme? Antwort: Dann leitet das Sozialministerium ein Prüfverfahren ein, ob die Beschäftigung gegen die Ausbildungspflicht verstößt. Zunächst werden die Eltern und die Jugendlichen zu einem Beratungsgespräch geladen. Wird dieser Einladung wiederholt nicht nachgekommen, gilt das Arbeitsverhältnis automatisch als nichtig. Auch wenn im Zuge des Prüfverfahrens herauskommt, dass die Tätigkeit nicht mit dem Perspektiven- oder Betreuungsplan vereinbar ist, wird diese für nichtig erklärt. Der Arbeitgeber kann diesen Jugendlichen dann also nicht mehr weiterbeschäftigen. Frage: Warum möchte man nicht, dass die Jugendlichen als Hilfsarbeiter tätig sind? Antwort: Weil ungelernte Arbeitskräfte das mit Abstand höchste Arbeitslosenrisiko haben. Solche Beschäftigungsverhältnisse sind meist niedrig entlohnt und bieten kaum Chancen der persönlichen beruflichen Weiterentwicklung, heißt es dazu in den Erläuterungen des Gesetzesentwurfs. Frage: Ist der Entwurf mit der ÖVP akkordiert? Antwort: Nein. Im Wirtschaftsministerium von Reinhold Mitterlehner (ÖVP) zeigte man sich am Donnerstag überrascht, dass Hundstorfer den Entwurf bereits ausgeschickt hat. Weitere Verhandlungen seien nötig. Alleingänge zur eigenen Profilierung dienen nicht der Sache, heißt es. Auch in der Wirtschaftskammer wird bekrittelt, dass der Entwurf nicht den bisherigen Beratungen entspreche. Man könne nicht mit der Ausbildungspflicht starten, solange es im Bildungssystem nicht die entsprechenden Ausbildungsmöglichkeiten gebe. Kritisch wird in der ÖVP auch gesehen, dass Arbeitsverträge über Hilfstätigkeiten einfach für nichtig erklärt werden können. Und auch die Finanzierungsfrage (im ersten Jahr 22 Millionen, ab 2019 sogar 80 Millionen Euro) sei ungeklärt. Frage: Ab wann soll das Gesetz gelten? Antwort: Der Großteil soll bereits mit 1. Juli in Kraft treten. Es würde also für Jugendliche zur Anwendung kommen, die mit Ende des Schuljahrs 2015/16 ihre allgemeine Schulpflicht erfüllt haben. Der Paragraf zu den Sanktionen soll aber erst am 1. Juli 2017 in Kraft treten. Favoriten mit höchster Zahl an Geringqualifizierten. Kärnten und Steiermark als Hochburgen der Lehre. Wien – Der Bildungsstand in den einzelnen Bezirken Österreichs ist höchst unterschiedlich. Bezirken wie Wien-Innere Stadt mit einem Akademikeranteil von fast 50 Prozent stehen solche mit nur sieben Prozent gegenüber (Südoststeiermark). Umgekehrt verfügt in Wien-Favoriten mehr als ein Drittel höchstens über einen Pflichtschulabschluss – in Wien-Innere Stadt und Hermagor sind es nur elf Prozent. Über ganz Österreich gerechnet verfügten 2013 laut Daten der Statistik Austria 19 Prozent der Bevölkerung zwischen 25 und 64 Jahren höchstens über einen Pflichtschulabschluss. 35 Prozent wiesen als höchste abgeschlossene Ausbildung eine Lehre auf und jeweils 15 Prozent eine berufsbildende mittlere Schule (BMS) oder eine Matura. 16 Prozent absolvierten eine Universität, Fachhochschule bzw. eine hochschulverwandte Lehranstalt (z.B. Pädagogische bzw. Sozialakademie). Die Statistik Austria listet aber auch die entsprechenden Daten für alle 95 politischen Bezirke Österreichs sowie zusätzlich jene der 23 Wiener Bezirke auf. Besonders viele Personen mit höchstens Pflichtschulabschluss finden sich in den Wiener Bezirken Favoriten (34 Prozent), Brigittenau (33 Prozent) und Rudolfsheim-Fünfhaus (31 Prozent), Simmering und Meidling (je 29 Prozent). Wien als Ganzes kommt auf 24 Prozent. Auch andere städtisch geprägte Regionen wie Wels (28 Prozent), Dornbirn (27 Prozent), Wiener Neustadt (26 Prozent) oder Steyr (25 Prozent) verfügen über einen hohen Anteil an Geringqualifizierten. Bei den eher ländlich geprägten Gebieten haben etwa Schärding (25 Prozent) und Güssing (24 Prozent) viele Personen mit der Pflichtschule als höchstem Abschluss. Besonders wenig Geringqualifizierte weisen umgekehrt die Innere Stadt in Wien sowie die Bezirke Hermagor (je elf Prozent) sowie Klagenfurt Land, Villach Land, Mödling, Graz Umgebung, Urfahr Umgebung und Wien-Josefstadt (je zwölf Prozent) auf. Bei den Akademikern (inklusive hochschulverwandte Ausbildung) kommen die Wiener Bezirke Innere Stadt (47 Prozent), Josefstadt (45 Prozent), Neubau (44 Prozent) und Alsergrund (43 Prozent) auf die höchsten Werte. Insgesamt hat Wien einen Akademikeranteil von 24 Prozent. Außerhalb Wiens verfügen die Landeshauptstädte Graz (31 Prozent), Innsbruck (28 Prozent), Eisenstadt und Salzburg (je 24 Prozent) sowie der Bezirk Mödling (26 Prozent) über eine hohe Akademikerdichte. Vergleichsweise gering ist diese dagegen in der Südoststeiermark (sieben Prozent), Hartberg-Fürstenfeld, Leibnitz, Voitsberg, Gmünd, Waidhofen/Thaya und Zwettl (jeweils acht Prozent). Ein niedriger Akademikeranteil heißt aber nicht unbedingt ein generell geringes Bildungsniveau, wie der Blick auf den Bezirk Hermagor zeigt: Dort liegt etwa der Akademikeranteil bei nur elf Prozent – umgekehrt haben aber ebenfalls nur elf Prozent lediglich einen Pflichtschulabschluss als höchste Ausbildung. So sind etwa Kärnten und die Steiermark die österreichweiten Hochburgen der Lehre. In den beiden Bundesländern haben 42 bzw. 41 Prozent der Bevölkerung eine Lehre als höchsten Abschluss – in einzelnen Bezirken wie Spittal/Drau und Liezen (je 48 Prozent) erreicht dieser Wert fast die 50-Prozent-Marke. Zum Vergleich: In Wien sind es nur 23 Prozent, ähnliche Werte haben die meisten Bezirke mit hohem Akademikeranteil. Lugar sieht Kärntner Eltern aus Sonderschulen gedrängt. Wien – Kritik an Plänen von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) zum geplanten sukzessiven Abbau von Sonderschulen bis 2020 kommt vom Team Stronach: Klubobmann Robert Lugar fürchtet die mutwillige Zerstörung eines funktionierenden Systems ohne adäquate alternative Angebote für Kinder und Eltern, wie er am Donnerstag vor Journalisten erklärte. In Kärnten beobachte man etwa, dass Eltern dazu gedrängt würden, ihre Kinder nicht mehr in die Sonderschule zu geben. Dann erkläre man, dass es keinen Bedarf mehr gebe und nehme das als Argument für die Schließung von Einrichtungen, so der Team Stronach-Bildungssprecher, der im heutigen Unterrichtsausschuss einen Antrag zu dem Thema einbringen will. Am Beispiel Kärnten könne man die zukünftige Entwicklung in Österreich ungefähr ablesen, zeigte sich Lugar überzeugt. Modelle, in denen beispielsweise Kinder mit Behinderungen in kleinen Gruppen in das Regelschulwesen integriert werden, würden in vielen Fällen keinen Sinn machen, erklärten betroffene Eltern. Wenn Kinder und Jugendliche – etwa Autisten – in großen Gruppen nicht zurechtkommen, funktioniere der inklusive Ansatz nicht. An vielen Regelschulen fehlen auch die nötigen Therapie-Angebote. Die Erfahrung zeige auch, dass an Sonderschulen der Austausch mit Eltern besser funktioniere. Sprachförderung im Kindergarten wird vom Bund künftig stärker gefördert, kündigte Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) in Vorarlberg an. Bregenz – 20 Millionen Euro wird der Bund jährlich für frühe Sprachförderung in den Bundesländern zur Verfügung stellen. Besser früh investieren als später teuer reparieren, begründete Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) die Mittelaufstockung bei einem Besuch im Landhaus Bregenz. Für die Vorarlberger, in Sachen Integration aus Sicht des Ministers beispielgebend, bedeutet das eine Erhöhung von 250.000 auf eine Million Euro pro Jahr. Geld, das man vor allem in den Deutschunterricht und die Aus- und Weiterbildung von Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen stecken werde, sagte Landeshauptmann Markus Wallner (VP). Ergänzt durch Landesmittel stünden künftig 1,5 Millionen Euro jährlich für die frühe Sprachförderung zur Verfügung. Wallner empfahl Kurz, das Vorarlberger Sprachscreening-Modell bundesweit zu übernehmen. Die umfassende Erhebung der Sprachkompetenz von Kindergartenkindern habe sich bewährt. Alle Vier- und Fünfjährigen, egal welcher Muttersprache, werden in Vorarlberg auf ihre Sprachentwicklung hin getestet. Zeigt ein Kind Auffälligkeiten, wird es zusätzlich gefördert. Für die Sprachförderung wurden 478 Pädagoginnen und Pädagogen zusätzlich ausgebildet. Regionale und kommunale Sprachfördernetzwerke unterstützen zudem Lehrende und Eltern. Sprachkurse sollen künftig auch Werte vermitteln, teilte Kurz mit. Die Vermittlung der Grundwerte österreichischer Rechtskultur, dritter Schwerpunkt im 50 Maßnahmen umfassenden nationalen Integrationsplan, soll auf Basis der Rot-Weiß-Rot-Fibel geschehen. Die Broschüre wird seit 2013 zur Vorbereitung auf die Staatsbürgerschaft eingesetzt. Wallner: Die Vermittlung von Werten wird von der Bevölkerung immer stärker eingefordert. Hier haben wir noch Nachholbedarf. Mindestens 1.435 Euro monatlich ab 2016. Wien – Der Mindestlohn für Kindergartenhelferinnen in privaten Einrichtungen steigt im kommenden Jahr um 2,5 Prozent. Ab 1. Jänner 2016 verdienen die rund 5.000 Arbeitnehmer – überwiegend Frauen – zumindest 1.435 Euro pro Monat, teilte die Gewerkschaft vida am Montag mit. Ziel bleibt ein Mindesteinkommen von 1.500 Euro, betonte die für Soziale Dienste zuständige vida-Sekretärin Michaela Guglberger. Außerdem werden alle Beträge auf den nächsten Euro aufgerundet – und es gibt eine neue Schmutzzulage. Die erschwerten Reinigungsarbeiten bei Umbauarbeiten – z.B. wenn die Einrichtung stark verstaubt ist – werden mit fünf Euro pro Stunde abgegolten. Auch für Au-pairs wird der Mindestlohn angehoben, um 2,4 Prozent auf 415,72 Euro – das ist die Geringfügigkeitsgrenze für 2016. Das Entgelt (15 mal pro Jahr) gebührt für 19 Wochenstunden inklusive Arbeitsbereitschaft, zusätzlich muss die Gastfamilie Wohnung und Verpflegung bereitstellen sowie die Hälfte der Kosten des Deutschkurses bezahlen. Gemäß dem Hausgehilfen- und Hausangestelltengesetz haben Au-pairs Anspruch auf 15 Monatsentgelte im Jahr. Oberösterreich beginnt, weitere Länder folgen – Eltern sollen von Vorteilen überzeugt werden. Wien – Um schon möglichst früh viele Kinder in den Kindergarten zu bekommen, sollen künftig Eltern in Gesprächen von der Sinnhaftigkeit eines Besuchs überzeugt werden. Gerade starten die ersten Beratungen in Oberösterreich, die anderen Bundesländer folgen bis zum Herbst, bestätigte das Familienministerium am Freitag Medienberichte. Laut Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) zeigen alle Studien, dass sich der Kindergartenbesuch positiv auf sprachliche und soziale Fähigkeiten auswirkt und zu einem höheren Bildungsgrad führt. Fünfjährige müssen hierzulande bereits seit einigen Jahren in eine Betreuungseinrichtung, die Pflicht auch für vierjährige Kinder wurde im Vorjahr von der Regierung vorerst auf Eis gelegt. Stattdessen sollen die Eltern jener Vierjährigen, die nicht in den Kindergarten gehen – das sind rund 4.500 oder knapp fünf Prozent – in einem Gespräch mit Pädagogen ihre Beweggründe erklären und dann von den Vorteilen eines Besuchs überzeugt werden. Einen entsprechenden Gesprächsleitfaden hat das Ministerium für die Länder ausgearbeitet. Verläuft das Projekt positiv, könne es sein, dass man kein zweites verpflichtendes Jahr brauche, bekräftigte Karmasin. Falsches Transparent vorübergehend auf Messe für Lehrer in Linz. Linz – Ein Foto vom Stand der Pädagogischen Hochschule Oberösterreich sorgt derzeit für Häme in den sozialen Netzwerken. Auf der Interpädagogica wurden die oberösterreichischen Pädagogen vorübergehend als pädergogische Hochschule präsentiert. Das postete die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG Wiener Lehrerinnen) auf Facebook. Der Veranstalter soll den Stand falsch beschriftet haben, sagte Gottfried Lutz von der PH zu den Oberösterreichischen Nachrichten. Der Fehler sei sofort korrigiert worden. Kein einziger Besucher der Messe habe das Schild zu Gesicht bekommen, teilte ein Vertreter der PH dem STANDARD mit. Neue, verlängerte Ausbildung für Sekundarstufe ist für Studentenvertreter ein "Irrsinn". Wien – Geht es nach der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH), wurde bei der neuen Lehrerausbildung ein grundlegender Fehler gemacht: Das Bildungssystem wurde nicht als Ganzes mitgedacht. Als Folge könnte ein Lehrermangel an den Neuen Mittelschulen (NMS) drohen, warnt Generalsekretärin Magdalena Goldinger (Fraktion Engagierter Studierender, Fest) im Gespräch mit der APA. Bisher gab es für die Sekundarstufe eine dreijährige Ausbildung für die Pflichtschullehrer (v.a. Hauptschule, NMS) und eine viereinhalbjährige bzw. in technischen Fächern fünfjährige Fachausbildung plus ein Jahr Unterrichtspraktikum für Lehrer an mittleren und höheren Schulen (AHS, berufsbildende mittlere und höhere Schulen, BMHS). Die neue Lehrerausbildung sieht stattdessen vor, dass alle Lehrer für die Altersgruppe der Zehn- bis 19-Jährigen gemeinsam ausgebildet werden und danach auch an allen betreffenden Schultypen unterrichten können. Die Folge, befürchtet Goldinger: Es werde immer schwieriger werden, Lehrer für NMS in Ballungsräumen zu finden. Diese könnten vermehrt auf Gymnasien mit ihrer zumindest in Ballungsräumen tendenziell einfacheren Klientel ausweichen. Derzeit gebe es diese Möglichkeit wegen der separaten Ausbildung nur begrenzt. Wer sich für die derzeit deutlich kürzere Ausbildung zum NMS-Lehrer entschieden hat, landet dann in der Regel auch an einer NMS. Mit der neuen Lehrerausbildung kommt eine teils drastische Verlängerung der Ausbildungsdauer auf künftige Pädagogen der Sekundarstufe zu: Sie müssen laut Gesetz künftig einen vierjährigen Bachelor und – als Voraussetzung für einen unbefristeten Dienstvertrag – einen mindestens eineinhalbjährigen Master absolvieren, dazwischen ist noch eine einjährige Einführung in die Berufspraxis durch speziell ausgebildete Mentoren (Induktionsphase) vorgesehen. In der Praxis dürfte beim Master die im Gesetz vorgesehene Dauer ausgereizt werden. Die Verbünde aus Unis und PH arbeiten alle an zweijährigen Studienplänen, wie das Bildungsministerium der APA bestätigt. Das macht künftig insgesamt sechs Jahre Fachausbildung plus ein Jahr Berufseinführung für angehende Sekundarstufenlehrer, das allerdings nicht mehr als Teil der Ausbildung gilt. Für Goldinger, die selbst das Lehramt für NMS studiert, ist die künftige Ausbildungsdauer ein Irrsinn: Man schickt die Leute in eine sechsjährige Ausbildung, die aber extrem spezifisch ist und in einen Beruf führt, in dem man kaum Entwicklungsmöglichkeiten hat. Sie warnt auch vor einem abschreckenden Effekt auf jene, die nicht direkt nach der Schule mit der Lehramtsausbildung beginnen. Diese Gruppe werden wir teilweise verlieren, glaubt sie. Zwar gebe es extra Übergangsregelungen für Quereinsteiger aus der Wirtschaft, aber dabei gehe es vor allem um Fächer mit Lehrermangel. Im Bildungsministerium verteidigt man gegenüber der APA die Dauer der neuen Ausbildung: Eine deutliche Verlängerung bringe die neue Studienarchitektur nur für die bisherigen Pflichtschullehrer und es sei wohl nachvollziehbar, dass die mit der neuen Lehrerausbildung geplante Ausweitung von Fachinhalten und Praxis für ein Studium, das für zwei Fächer qualifiziert, nicht mehr in drei Jahren machbar sei. Gerade für die NMS in Ballungsräumen sei die Ausweitung besonders sinnvoll, so Angela Weilguny, für Pädagogische Hochschulen zuständige Sektionschefin: In anderen Ländern würden schließlich auch die Besten an schwierige Schulen geschickt, weil man ihnen zutraue, dass sie trotzdem guten Unterricht zustande bringen. Zum Qualitätsunterschied komme noch dazu, dass Lehrer künftig nicht mehr nur für die Zehn- bis 14-Jährigen, sondern für die gesamte Sekundarstufe ausgebildet werden. Die Zeiten, in denen man 40 Jahre nur in einem Berufsfeld gearbeitet hat, sind lange vorbei, so Weilguny. Durch die neue Studienarchitektur könnten künftige Lehrer zwischen den Altersgruppen wechseln, mit unterschiedlichen Voraussetzungen experimentieren und sich in unterschiedlichen Einsatzbereichen bewähren. Mehrheit glaubt aber, dass es dafür mehr Ressourcen braucht – Sonderverträge wie in Bosnien-Krise gefordert. Wien – Die Pflichtschullehrer können sich mit der Aufgabe der Integration von Flüchtlingskindern großteils identifizieren. Das zeigt eine am Montag präsentierte Online-Umfrage der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG). An der im März und April durchgeführten Umfrage der ARGE Burnout nahmen rund 11.000 der 70.000 Pflichtschullehrer teil. Drei Viertel von ihnen konnten sich mit der raschen Aufnahme von Flüchtlingskindern an den Schulen völlig oder überwiegend identifizieren. 17 Prozent zeigten sich neutral, knapp jeder Zehnte lehnte diese überwiegend oder ganz ab. Nur knapp ein Drittel der Pädagogen war allerdings der Ansicht, dass die Integration mit den bestehenden Ressourcen an den Schulen auch gelingen kann. 45 Prozent waren der gegenteiligen Ansicht, ein Viertel zeigte sich neutral. Der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Paul Kimberger, verlangte bei einer Pressekonferenz vor allem zusätzliche Mittel für Sprachförderung, Muttersprachenlehrer und Unterstützungspersonal wie Sozialarbeiter, Dolmetscher und Psychologen. Erste Zusagen für den Bereich Sprachförderung gebe es bereits, zumindest Ankündigungen bei den Sozialarbeitern. Am wichtigsten ist für Kimberger eine ähnliche Vorgangsweise wie vor rund 20 Jahren: Als damals viele Flüchtlingskinder aus Ex-Jugoslawien nach Österreich gekommen seien, habe man sehr schnell Lehrer aus diesen Ländern mit Sonderverträgen angestellt. Eine deutlich negativere Einstellung haben die Lehrer zur angestrebten Inklusion behinderter Kinder, also dem gemeinsamen Unterricht in Regelklassen. Mit diesem Ziel konnten sich gerade einmal 36 Prozent völlig oder überwiegend identifizieren. Knapp 40 Prozent zeigten sich ablehnend, ein Viertel neutral. Knapp drei Viertel waren außerdem der Ansicht, dass Inklusion mit den vorhandenen Ressourcen sicher oder eher nicht erfolgreich sein kann. Nach 2014 erhob die ARGE Burnout in der Studie außerdem wieder die Belastung der Lehrer: 47 Prozent wiesen dabei einen Normalwert auf, 26 Prozent wurden als belastet (vorübergehende Erschöpfung, aber erholungsfähig) eingeordnet, 15 Prozent als überlastet (Selbstzweifel) und zwölf Prozent zur Risikogruppe (Verzweiflung) gezählt. Damit ähneln die Lehrer von ihrer Einordnung her vor allem Ärzten, während sich etwa Richter als weniger belastet einstuften. Gegenüber 2014 nahm einerseits die Gruppe jener Lehrer zu, die Normalwerte aufwiesen (von 43 auf 47 Prozent), aber auch die Risikogruppe (von zehn auf zwölf Prozent). Erstere ist nach Vermutungen Kimbergers aufgrund der Pensionierung älterer, ausgelaugterer Kollegen gestiegen, letztere aufgrund des zunehmenden Arbeits- bzw. Zeitdrucks. Diesen gaben die Pädagogen nämlich auf Nachfrage als besonders belastend an, gefolgt von störenden Schülern, nicht kooperativen Eltern und mangelnder Wertschätzung in der Öffentlichkeit. Gewerkschaft: "Frechheit" – Vor allem Wien und Vorarlberg betroffen. Wien/Bregenz – Aufgrund von Lehrermangel unterrichten schon seit längerem kurz vor dem Abschluss stehende Studenten der Pädagogischen Hochschulen (PH) mit Sondervertrag an den Pflichtschulen. Diese könnten nun um die ab heuer mögliche Option ins neue Dienstrecht umfallen, berichten die Vorarlberger Nachrichten (Mittwoch-Ausgabe). Im Bildungsministerium versucht man eine Lösung zu finden, hieß es auf APA-Anfrage. Das Problem bestehe vor allem in den von einem Lehrermangel betroffenen Bundesländern Wien und Vorarlberg, so der Vorsitzende der Pflichtschullehrer-Gewerkschaft, Paul Kimberger, gegenüber der APA. In den anderen Bundesländern gebe es dagegen nur Einzelfälle. Er schließt nicht aus, dass deshalb Stellen unbesetzt bleiben. Noch keine Lehrer und doch nicht neu Das neue Dienstrecht, das aufgrund der höheren Anfangsgehälter primär für Pflichtschullehrer attraktiv ist, gilt eigentlich erst ab 2019/20. Bis dahin haben neu eintretende Junglehrer aber die Möglichkeit, (unwiderruflich) zwischen altem und neuem Dienstrecht zu wählen. Das gilt aber nicht für die eigentlich noch nicht als Lehrer geltenden PH-Studenten – sie können einerseits jetzt nicht das neue Recht wählen (weil sie noch keine vollen Lehrer sind) und andererseits nicht nach Abschluss ihres Studium ins neue wechseln (weil sie dann nicht mehr neu in den Schuldienst eintreten). Ihnen bleibt nur das alte Dienstrecht. Das ist eine Frechheit, so Kimberger. Während der Dienstrechts-Verhandlungen habe es die fixe Zusage gegeben, dass alle Pädagogen optieren dürfen. Dementsprechend habe man auch über diese Möglichkeit informiert. Im Bildungsministerium habe man allerdings vor kurzem die Rechtsmeinung geändert. Ich halte das für verantwortungslos, das gehört schleunigst geändert. Nicht ausschließen Kritik übt auch die Vorarlberger Schullandesrätin Bernadette Mennel (ÖVP) in den VN: Dass noch nicht fertig ausgebildete Lehrer einen Sondervertrag mit geringerer Entlohnung erhalten, geht in Ordnung. Aber man kann diese jungen Menschen doch nicht vom attraktiveren neuen Dienstrecht ausschließen. Und das für immer! Im ungünstigsten Fall führe die derzeitige Vorgehensweise zu einem Mangel an Pädagogen, so Kimberger. Die PH-Studenten würden sich dann nämlich überlegen, ob sie nicht zuerst fertigstudieren und erst dann an die Schulen kommen. Dann könnten sie nämlich das neue Dienstrecht wählen. Gespräche über generelle Genehmigungen Im Bildungsministerium weist man in Sachen Lehrerdienstrecht darauf hin, dass die Anstellung von Lehrern grundsätzlich erst nach Abschluss der Ausbildung erfolgen soll – unabhängig vom Dienstrecht. Man sei aber bereits in Gesprächen mit dem Bundeskanzleramt, um generelle Genehmigungen für den Abschluss von Sonderverträgen zu bekommen, hieß es auf APA-Anfrage. Das derzeit geltende Dienstrecht enthält die Möglichkeit, ungeprüfte Lehrkräfte in einer niedrigeren Entlohnungsstufe anzustellen. Daneben gibt es bei akutem Lehrermangel generell die Möglichkeit, auch bei Nichterfüllung der Anstellungsvoraussetzungen einen Sondervertrag abzuschließen. Das neue Dienstrecht biete hingegen für die nach den alten Ausbildungsvorschriften Studierenden keine Möglichkeit der Anstellung außerhalb eines Sondervertrages. Sollte ein Land für das neue Dienstrecht einen Sondervertrag abschließen wollen, müsste es ans Bildungsministerium herantreten, das wiederum die Zustimmung des Bundeskanzleramts dafür einholen muss. Unabhängig davon sei man aber bereits im Gespräch mit dem Kanzleramt, generelle Genehmigungen für bestimmte Personengruppen zu erhalten. Sprachförderung wird über alle Parteien hinweg als Mittel zur Integration gesehen. Andere Wahlkampfideen für die Bildungsreformen können kaum umgesetzt werden. Wien – Aus einer hölzernen Schatzkiste holt Johanna Wlcek einen kleinen Apfel, ein weißes Puppenleiberl, ein rotes Modellauto und eine Lokomotive aus Holz. Was ist das?, fragt sie und hält den Apfel in die Höhe. Ein Apfel, brüllen fünf Kinder gleichzeitig. Die Sprachförderin sitzt mit zwei Mädchen und drei Buben im Kreis am Boden. Wlcek kommt dreimal in der Woche in den Kindergarten in der Arnethgasse im 16. Bezirk und spielt mit jenen Kindern, bei denen ein Förderbedarf festgestellt wurde. Heute geht es um Überbegriffe für Wortgruppen. Was kann man mit einem Apfel machen?, fragt Wlcek. Ihn essen, antwortet ein fünfjähriges Mädchen. Die Kindergartenpädagogin holt eine Karte hervor, auf der neun verschiedene Lebensmittel abgebildet sind. Das alles ist Essen, erklärt sie. Das Puppenleiberl gehört zur Kleidung, das Auto ist ein Fahrzeug und die Holzlokomotive gehört zu den Spielsachen. In den Wahlprogrammen der Wiener Parteien wird hinsichtlich der Bildungspolitik Sprachförderung oft als Schlüssel zur Integration genannt. Die FPÖ verspricht Deutsch vor Schule in Form von eigenen Klassen, auch die ÖVP ist für solche Vorbereitungsklassen. Die Grünen setzen den Fokus auf die Kindergärten und fordern Sprachförderung auch in der Erstsprache, zudem versprechen sie die Garantie für einen Kindergartenplatz ab dem zweiten Lebensjahr. Die Neos fordern einen flexiblen Betreuungsschlüssel im Kindergarten, um Defizite in der Sprache früh abbauen zu können. Die SPÖ will Kinder ab dem vierten Lebensjahr in deren Spracherwerb fördern. Schon jetzt ist bundesweit das letzte Kindergartenjahr für Fünf- und Sechsjährige verpflichtend. Ob jene Kinder, die eine Förderung brauchen, eine solche auch bekommen, hängt auch von ihrem Glück ab. Derzeit sind nur 130 Sprachförderer in den 350 Wiener Kindergartengruppen tätig. Wenn in einer Gruppe nur ein Kind Förderbedarf hat, bekommt es keine Extrasprachförderung zugeteilt, dies ist erst ab drei Kindern der Fall. Die Stadt Wien hat allerdings eine Verdopplung des Personals für die Sprachförderung bis nächstes Jahr angekündigt. Möglich ist dies durch 15 Millionen, die der Bund bis zum Kindergartenjahr 2017/18 zuschießt, Wien zahlt noch 7,5 Millionen dazu. Hier ist auch die Crux aller bildungspolitischen Vorhaben auf Wiener Ebene: Meistens sind die Länder vom Bund abhängig. Viele der Forderungen der im Wahlkampf stehenden Wiener Parteien können diese im Gemeinderat jedenfalls nicht umsetzen. Die ÖVP etwa fordert den Erhalt und den Ausbau der Gymnasien. Dafür ist die Unterrichtsministerin zuständig. Die ebenfalls von der Volkspartei geforderte Förderung von Brennpunktschulen könnte die Stadt aber übernehmen. Die FPÖ fordert in ihrem Wahlprogramm ebenfalls den Erhalt der Gymnasien und individuelle Abschlussprüfungen statt der Zentralmatura, beides liegt in der Verantwortung des Bundes. Eine Verschlankung des Wiener Stadtschulrats ließe sich aber umsetzen. Die Grünen wollen tausend Lehrer mehr an Wiens Pflichtschulen, auch hier muss erst einmal die Unterrichtsministerin Geld lockermachen. Wie die ÖVP fordern auch die Grünen mehr Geld für Brennpunktschulen. Im Gegensatz zur Volkspartei steht die Forderung nach einer gemeinsamen Schule für alle Kinder zwischen sechs und 14 Jahren. Die Schulen entfesseln wollen die Neos. Demnach sollen die Schulen autonom werden, was – schon wieder – nicht Sache der Länder ist. Die auf Wien zugeschnittene Forderung: 120 Millionen Euro, die nach der Vorstellung der Partei etwa durch die Halbierung der Parteienförderung und weniger Eigenwerbung für die Stadt gewonnen werden, sollen in zusätzliches Personal an Schulen fließen. Ganz oben auf der Liste der Neos steht das Ende des Einflusses der Parteien auf die Schulen. Diese Forderung findet sich bei jeder Partei, außer bei den Roten. Die SPÖ verspricht einen Kindergartenplatz für jedes Kind, 50 bis 70 zusätzliche Kindergartengruppen pro Jahr und den Ausbau der Ganztagsschule. Zudem sollen im Bildungssystem die Talente und das glückliche Leben des Kindes im Vordergrund stehen und nicht egoistisches Profitdenken. "Offene" Fragen schwieriger – Probleme bei Interpretationen. Wien – Österreichische Volksschüler erzielen bei Multiple-Choice-Aufgaben vergleichsweise bessere Ergebnisse als bei offenen Formaten, wo sie selbst eine Antwort formulieren müssen. Das zeigt eine Auswertung im Expertenbericht zur Volksschul-Lesestudie PIRLS. Sie haben außerdem Schwierigkeiten beim Interpretieren von Informationen bzw. von literarischen Texten. In dem vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) herausgegebenen Bericht analysieren Wissenschafter die Detailergebnisse der 2011 durchgeführten Volksschul-Vergleichsstudien PIRLS. Insgesamt erreichten die österreichischen Schüler der vierten Klasse Volksschule 529 Punkte und lagen damit über dem Schnitt aller Teilnehmerländer (512 Punkte), aber etwas unter dem EU-Schnitt (534). Die PIRLS-Aufgaben überprüften dabei vier verschiedene sogenannte Verstehensprozesse: Erkennen und Wiedergeben explizit angegebener Informationen, Ziehen einfacher Schlussfolgerungen, Interpretieren sowie Verknüpfen von Gedanken und Informationen und Untersuchen und Bewerten von Inhalt, Sprache und einzelnen Textelementen. Dazu wurden noch zwei Leseabsichten untersucht – einerseits um literarische Erfahrungen zu machen und andererseits um Informationen zu gewinnen. Durch die Analyse einzelner Aufgaben untersuchten Karl Blüml und Sandra Filzmoser, welche Aufgabenarten den heimischen Schülern vergleichsweise leicht oder schwer fielen. Verglichen wurde dabei einerseits mit dem Schnitt aller PIRLS-Länder und andererseits mit Deutschland (wegen des ähnlichen Schulsystems und der gleichen Sprache) und England (wegen der Hypothese, dass Schüler in angelsächsischen Ländern mit dem Multiple-Choice-Format vertrauter sind). Ergebnis: Grosso modo lassen sich im Vergleich zu Deutschland und England keine gravierenden und durchgehenden Unterschiede erkennen. Vor allem ließ sich kaum bestätigen, dass eine Gewöhnung an das Multiple-Choice-Format einen Unterschied ausmachte. Vielmehr war es umgekehrt: Österreichische Kinder haben mit offenen Antworten bei Informationstexten deutlich größere Schwierigkeiten als deutsche und englische, sie liegen nur knapp über dem PIRLS-Schnitt. Generell galt: Österreichische Kinder haben bei geschlossenen Antwortformaten (Multiple Choice) im Vergleich mit anderen Ländern bessere Ergebnisse als bei den offenen. Sie sind beim Identifizieren direkt im Text genannter Informationen und bei einfachen Schlussfolgerungen erkennbar besser als beim Verknüpfen und Interpretieren von Informationen und beim Untersuchen und Bewerten von Inhalt und Sprache in einem Text. Außerdem haben sie ein Problem damit, wenn sie in literarischen Texten Interpretationen vornehmen sollen, die nicht direkt aus dem Text erschließbar sind und die sie dennoch aus dem Text belegen sollen. Umgekehrt haben die österreichischen Kinder vergleichsweise weniger Probleme mit dem Verständnis von eher schwer eingestuften Texten und damit, aus einem Text Informationen zu entnehmen und daraus einfache Schlüsse zu ziehen. Für die Forscher leitet sich daraus etwa ab, dass die Kinder mehr Anleitung zum genauen Lesen brauchen, um Details wahrzunehmen und diese in einen interpretatorischen Zusammenhang zu bringen. Außerdem seien auch die Nicht-Sprach-Fächer gefordert, Lese- bzw. Textverstehen mit den Kindern zu trainieren und einzufordern. Mehr Übung brauche es außerdem im eigenständigen Formulieren von Antworten. Die meisten Stunden entfallen auf Türkisch, gefolgt von Bosnisch/Kroatisch/Serbisch und Albanisch. Wien – Rund 33.900 Schüler haben 2013/14 nichtdeutschen muttersprachlichen Unterricht besucht. Gegenüber dem Schuljahr davor war das ein Anstieg um 1.100 Schüler (drei Prozent), die Zahl der muttersprachlichen Lehrer wuchs auf 422 (zwei Prozent). Das zeigen Zahlen des Bildungsministeriums, die die Medienservicestelle Neue Österreicher/-innen aufbereitet hat. Die meisten Schüler mit nichtdeutschem muttersprachlichem Unterricht finden sich in Wien (18.478) vor Oberösterreich (4.090), der Steiermark (2.683), Vorarlberg (2.306), Niederösterreich (2.328), Salzburg (1.590), Tirol (1.574), Kärnten (660) und dem Burgenland (211). Dementsprechend werden die meisten Unterrichtsstunden in Wien abgehalten (4.528 von österreichweit 7.228 Wochenstunden), auch die meisten muttersprachlichen Lehrer unterrichten in Wien (242 von 422, 57 Prozent). Am Sonntag erinnert die Unesco mit dem Tag der Muttersprache an die Bedeutung von Sprachpflege. In Österreich wird Schülern mit Migrationshintergrund seit den 1970er-Jahren muttersprachlicher Unterricht angeboten, derzeit als verbindliche oder unverbindliche Übung (ohne Benotung) oder als Freigegenstand (mit Benotung). Insgesamt wurden 25 Sprachen im muttersprachlichen Unterricht angeboten. Die meisten Unterrichtsstunden wurden für den Unterricht auf Türkisch verwendet (3.102 von 7.728), gefolgt von Bosnisch/Kroatisch/Serbisch (BKS, 2.761) und Albanisch (417). Als einzige Unterrichtssprache wurde BKS im gesamten Bundesgebiet unterrichtet, Türkisch gab es in allen Ländern außer Kärnten. Daneben gibt es auch muttersprachlichen Unterricht in Arabisch, Bulgarisch, Chinesisch, Dari (Neupersisch), Französisch, Italienisch, Kurdisch/Kurmanci, Kurdisch/Zazaki, Pashto (vor allem in Afghanistan und Pakistan gesprochen), Persisch, Polnisch, Portugiesisch, Romanes, Rumänisch, Russisch, Slowakisch, Slowenisch, Somali, Spanisch, Tschechisch, Tschetschenisch und Ungarisch. Das Netzwerk Sprachenrechte lehnt eine Deutschpflicht in Schulpausen ab. Wien – Nach einem zweiwöchigen Urlaub in Spanien setzt man sich ins Flugzeug. Wir begrüßen Sie auf dem Flug nach Wien, sagt die Flugbegleiterin ins Mikrofon. Sie freuen sich, wenn in der AUA etwas auf Deutsch kommt. Endlich wieder etwas, das Sie im Detail verstehen, sagt der Germanist Hans-Jürgen Krumm. So erklärt er das Bedürfnis von Zuwanderern, sich in ihrer Erstsprache zu unterhalten. Jene Sprache, die man als erste gelernt hat, biete eine Sicherheitsinsel, sagt der emeritierte Sprachlehrforscher von der Universität Wien. In der Schule können sich Kinder so etwa über das verständigen, was sie auf Deutsch nicht verstanden haben. Zudem sei die Förderung und Wertschätzung der Erstsprache besonders wichtig dafür, dass Flüchtlingskinder überhaupt Deutsch lernen können. Es sei krimineller Unsinn, wenn nun etwa der Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) Kindergartenkindern fünf Lieder und Gedichte auf Deutsch verordnen will. Krumm ist Mitglied des Netzwerk Sprachenrechte. Die Plattform verbindet Sprachwissenschafter, Linguisten, Politologen und Juristen und hat sich zum Ziel gesetzt, für Sprachenrechte einzutreten. Die aktuelle Debatte über eine Deutschpflicht in Schulpausen, wie sie etwa Oberösterreich fordert, lehnen die Wissenschafter ab, wie sie auf einer Pressekonferenz am Freitag betonten. Man muss die Kinder dort abholen, wo sie sind, sagt Krumm. Anstatt nur deutsche Lieder zu lernen, könne man die Kinder etwa bitten, ein Lied aus ihrer Heimat mitzubringen. Sonst schmeiße ich sie ins eiskalte Wasser. Im Kindergarten werde ja auch nicht von einem Tag auf den anderen der Dialekt verboten, selbst wenn das später nicht die Unterrichtssprache sei. Krumm fürchtet, dass die Pflicht zu deutschsprachigen Liedern dazu führen würde, dass Eltern, die nicht gut Deutsch sprechen, sie mit ihren Kindern falsch einüben. Etwas falsch Gelerntes ist schwer wieder aus dem Kopf zu bekommen. Eine Deutschpflicht in Schulpausen verstoße gegen die Menschenrechtskonvention, sagt Volker Frey, Generalsekretär des Klagsverbands zur Durchsetzung der Rechte von Diskriminierungsopfern. Artikel 8 sieht das Recht auf Achtung des Privatlebens vor. Die vertrauliche Kommunikation mit anderen Menschen gehöre zu diesem Recht, so der Jurist. Während des Schulunterrichts könne aber natürlich eine Verwendung der deutschen Sprache angeordnet werden. Verena Plutzar vom Fachbereich für Deutsch als Zweitsprache an der Universität Wien sieht in dem Vorhaben Oberösterreichs einen verzweifelten Versuch, Kinder in ihrem Spracherwerb zu unterstützten. Die Idee gehe aber in die genau entgegengesetzte Richtung. Sprachen würden dann besonders gut gelernt, wenn man positive Erlebnisse damit verbinde. Wenn Sprachen verboten werden, verhindert das eine solche positive Beziehung. Was aber, wenn Kinder in der Pause Türkisch sprechen und sich andere Mitschüler gepflanzt fühlen? Den Kindern anschließend im Unterricht die Möglichkeit geben, ihre Kollegen zu fragen, worüber sie gesprochen haben, sagt Krumm. Man muss das Schimpfen verbieten, aber nicht die Sprache. Wichtig sei es, die Sprachen aufzuwerten, damit sie nicht nur benutzt werden, um Dampf abzulassen. Lehrer könnten etwa monatlich einen Sprachentag veranstalten, an dem auch Arabisch, Serbisch oder Türkisch im Unterricht verwendet wird. Aus der Deutschpflicht in Oberösterreich dürfte jedenfalls ohnehin nichts werden. Die schwarz-blaue Landesregierung hat den Bund in einer Resolution dazu aufgefordert, das Schulunterrichtsgesetz dahingehend zu ändern. Das Bildungsministerium lehnte den Vorschlag bisher jedoch als menschenrechtswidrig ab. Der Unterricht in separaten Klassen soll vermieden werden, ergibt eine OECD-Studie. Wien/Paris – Die OECD warnt in einer am Donnerstag erschienenen Studie auf Basis der Pisa-Daten vor einer Konzentration von Migrantenkindern in Schulen, die bereits mit sozialen Problemen zu kämpfen haben. Kurzfristig sollte gezielte Sprachförderung parallel zur schnellen Integration in reguläre Klassen erfolgen, heißt es im Bericht: Unterricht von Migranten in separaten Klassen sollte nach Möglichkeit vermieden werden. Weitere kurzfristige Handlungsempfehlungen der OECD: Migranten sollten dazu ermuntert werden, ihre Kinder möglichst rasch in qualitativ hochwertigen Einrichtungen der frühkindlichen Bildung anzumelden. Und: Alle Schulen sollten in die Lage versetzt werden, Migranten aufzunehmen. Mittelfristig rät die OECD, Schüler gemischt und nicht nach Leistungsniveau getrennt zu unterrichten: Frühe Aufteilung auf verschiedene Schulzweige und Klassenwiederholung sollten vermieden werden. Außerdem wird empfohlen, Eltern von Migrantenkindern zusätzlich zu unterstützen. Unbedingt vermieden werden soll dagegen eine Zusammenfassung von Schülern mit Migrationshintergrund an benachteiligten Schulen: Die Konzentration von Schülerinnen und Schülern aus schwierigen sozialen und ökonomischen Verhältnissen hat einen stärkeren Einfluss auf die Leistungen aller Schüler an solchen Schulen, als ein hoher Anteil an Schülern mit Migrationshintergrund. Im Regelfall seien Migranten sehr motiviert, wenn es um gute Bildung gehe, konstatiert die Studie: Allerdings seien die Schulsysteme nicht in gleichen Maße erfolgreich, diese hohe Motivation in Bildungserfolg umzumünzen. Das gelte auch, wenn man den Erfolg von Migranten aus einzelnen Herkunftsländern vergleiche. Auffällig: Länder wie Australien, Kanada, die USA und Großbritannien, aber auch Israel, schaffen es, trotz hoher Migrantenanteile an den Schulen die Leseleistungen zwischen einheimischen Schülern sowie Migranten erster bzw. zweiter Generation praktisch anzugleichen. In den meisten europäischen Ländern – darunter Österreich, aber auch Finnland – fallen die Ergebnisse der Migrantenkinder beim Pisa-Test dagegen wesentlich schlechter aus. Deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Ländern zeigen sich auch in der Entwicklung der Pisa-Leistungen der Migranten im Vergleich zwischen den Jahren 2003 und 2012: In Österreich und auch OECD-weit zeigten sich dabei praktisch keine Veränderungen. In Deutschland verbesserte sich die Mathematik-Performance der Migranten zweiter Generation dagegen um gleich 44 Punkte (von 432 auf 476). Deutliche Abstürze gab es dagegen in Frankreich und Finnland, wobei in diesen beiden Staaten auch die Leistungen der Einheimischen in diesem Zeitraum (wenn auch etwas weniger stark) abnahmen. Ednan Aslan über Salafisten und Islamisten als Kindergartenbetreiber in Wien und Moscheen, in denen ein islamischer Staat herbeigesehnt wird. STANDARD: Ihre Vorstudie über islamische Kindergärten in Wien und der Befund, dass es da Abschottungs- und Missionierungstendenzen gibt, sorgten für große Aufregung, ÖVP gegen SPÖ, Bund gegen Stadt Wien, aber auch Kritik an der Wissenschaftlichkeit. Warum sind Sie so früh damit rausgegangen? Aslan: Ich habe diese Studie für das Integrationsministerium gemacht, was das Ressort aus meiner Studie macht, liegt nicht in meiner Verantwortung. Mein sehr ausführlicher Abschlussbericht wird jedoch bestätigen, dass wir vor großen Herausforderungen in diesem Bereich stehen. Was die Politik daraus macht, ist eine andere Sache. Aber die Politiker müssen handeln, sie müssen etwas unternehmen. STANDARD: Wie viele Kindergärten sind demnach problematisch? Aslan: Wir haben 71 Kindergartenträgervereine analysiert mit mindestens zwei und höchstens sechs Standorten. Konservativ geschätzt kommen wir so auf rund 150 Kindergärten. Kindergruppen sind da nicht berücksichtigt. Wir haben bei diesen Trägervereinen vier Organisationstypen. Die erste Gruppe betrachten wir als intellektuelle Salafisten. Sie arbeiten sehr legalistisch, legen großen Wert auf Bildung und vermeiden Konflikte mit der Gesetzgebung, betreiben aber intern eine konservative, sehr textorientierte Theologie. STANDARD: Was bedeutet das? Aslan: Wenn in einem Kindergarten die Stellung der Gesetzgebung in der islamischen Theologie höher geschätzt wird als die Vernunft, die Frau als minderwertiger dargestellt wird als der Mann oder gesagt wird, Islam ist kein Ersatzlager, Islam hat eine umfassendere Vorstellung von einer Gesellschaft, dann geht das in Richtung salafistische Theologie. Die zweite Gruppe nennen wir politische Islamisten. Dazu gehören Organisationen wie Milli Görüs oder die Muslimbruderschaft, die sehr aktiv zahlreiche Kindergärten und -gruppen in Österreich betreiben. Diese Gruppe betrachtet Religion und Politik nicht getrennt. Für sie sind die politischen Ansprüche des Islam ein politischer Auftrag, den sie in verschiedenen Institutionen zu verwirklichen versuchen – auch in Kindergärten. STANDARD: Wie definieren Sie Trägervereingruppen drei und vier? Aslan: Die dritte Gruppe sind Wirtschaftsunternehmen, die gewinnorientiert arbeiten. Sie können einen Dönerladen betreiben, sie können auch einen Kindergarten betreiben, was die Klientel will, wird angeboten. Wenn die Kundschaft mehr Religion will, dann machen wir mehr Religion, will sie weniger, dann weniger. Die vierte Gruppe bezeichnen wir als Alternativgruppe. Das sind junge Erzieherinnen und Pädagoginnen, die etwas besser machen wollen als die Stadt. Die machen bessere Elternarbeit, bessere Sprachangebote, die bemühen sich um das Wohl des Kindes. Diese kleine Gruppe sollte besser gefördert werden, damit sich eine neue Pädagogik, eine neue Vorstellung des Islam in Österreich entfalten kann. Um den Einfluss der Theologie und der Betreibereinstellungen in den Kindergärten besser eruieren zu können, brauchen wir eine umfassendere Studie mit intensiver Beobachtung. STANDARD: Aber Sie gehen davon aus, dass die Ideologie der Träger in die Kindergartenarbeit einfließt? Aslan: Ja, davon gehe ich aus. In welchem Umfang, wissen wir nicht, aber es wäre naiv zu glauben, dass eine politische oder theologische Organisation plötzlich in einem Kindergarten auf ihre Ziele verzichtet, wenn etwa die Muslimbruderschaft sagen würde, wir wollen mit Politik nichts mehr zu tun haben. Das wäre eine Selbstauflösung. So, als würde zum Beispiel die SPÖ sagen, wir machen nicht mehr Politik, oder der Kardinal sagt, ich werde morgen heiraten. STANDARD: Wie viele Kindergärten gehören zu welcher Trägergruppe? Aslan: Die Zahlen stehen im Endbericht, aber das überlasse ich dem Ministerium. STANDARD: So, wie Sie die Gruppen definiert haben, die Salafisten und die Islamisten und ihre Einstellung zur Politik: Sind die im Grunde genommen nicht demokratiegefährdend beziehungsweise antidemokratisch? Aslan: Wenn man ihre Schriften analysiert, wird Demokratie dort nicht als Teil des Islam betrachtet. Demokratie ist für solche Gruppen ein Instrument, das sie vorübergehend brauchen und für ihre Zwecke missbrauchen, aber sie kann keine Grundlage für eine islamische Gesellschaft sein. STANDARD: Also sind das Gruppen, die im Grunde genommen einen islamischen Staat haben wollen? Aslan: Wir haben insgesamt ein Problem. Sie werden in Wien in keiner Moschee jemanden finden, der auf die Frage Wollen Sie einen islamischen Staat? Nein sagt. Es werden alle Ja sagen, vielleicht ergänzen, das ist schwierig zu gründen, et cetera. Daher sage ich immer wieder: Wenn uns die Bilder des IS stören und schockieren, dann müssen wir uns auch damit auseinandersetzen, ob das nicht doch mit einer bestimmten Theologie zu tun hat. Ich gehe davon aus, dass die IS-Leute in der Vertretung der klassischen Lehre die besseren Theologen sind. Aber wenn wir wollen, dass diese Lehre, die sie besser vertreten, keine Grundlage für die Gegenwart der Muslime sein darf, dann müssen wir uns an unseren Universitäten, in unseren Moscheen intensiver damit auseinandersetzen. Bücher aus dem 9., 12. oder 14. Jahrhundert, die wir gern in unseren Moscheen predigen, sind auch Grundlagen für den IS. STANDARD: Ein Beispiel, bitte. Aslan: In vielen Moscheen in Österreich gab es Ende 2015 Warnungen vor Silvester. Es ging nicht darum, dass man Muslime vor Alkohol warnt, sondern sie wurden vor den westlichen Werten gewarnt. In einer Freitagspredigt eines Verbandes in Österreich, die man im Netz lesen kann, werden Muslime gewarnt, dass sie den Nichtmuslimen nicht die gleiche Liebe und Anhänglichkeit entgegenbringen sollten. Also dass man sie nicht als Glaubensbruder oder -schwester, wie gleichwertige Menschen lieben soll. Diese Predigt haben wir in unserem Bericht auf Deutsch und Türkisch veröffentlicht. Mir geht es darum, dass die Muslime das, was sie sagen, auch vernünftig reflektieren müssen. Wir haben auch bestimmte antiwestliche Karikaturen aus islamischen Kreisen veröffentlicht. Die Darstellung des Westens in sozialen Medien und die Darstellung der Muslime in rassistischen, rechtsnationalen Medien unterscheiden sich kaum voneinander. Große Nase, Weihnachtsmann ist ein Alkoholiker, das kann ja kein Vorbild sein ... Wir pflegen bestimmte Feindbilder nicht nur, wir fördern sie sogar. Der IS ist zwar eine schreckliche Erfahrung für die Muslime, aber aus dieser Erfahrung sollte man lernen, was es bedeutet, wenn wir bestimmte theologische Inhalte unüberlegt weitergeben. STANDARD: Sie sagten im Spiegel: Islam ist natürlich das, was wir daraus machen. Die Art, wie wir ihn ausüben und leben, entspricht dem Grad unserer geistigen Reife. Welchen Grad geistiger Reife bescheinigen Sie dem Islam heute? Aslan: In Österreich haben wir eine dramatische Situation. Wir haben hier sehr viele Verteidiger des Islam, die das aus unterschiedlichsten Gründen tun. Aber ich glaube nicht, dass sie diese professionelle Verteidigung aus rein religiösen Interessen organisieren, sondern vielmehr aus politischen, teilweise aus wirtschaftlichen Gründen. Aber nur wenige Muslime können diese Verteidigung inhaltlich begründen. Bei diesen Vorfällen in Köln und in anderen Ländern kann man sicher nicht alles auf den Islam reduzieren, aber ich würde mir wünschen, dass die Muslime zunächst eine Frage zulassen: Hat das mit dem Islam etwas zu tun? STANDARD: Und – hat es? Aslan: Es hat nicht nur, aber auch etwas mit einer bestimmten Theologie zu tun. Wir haben sehr viele theologische Werke, die die Frau als Werkzeug des Mannes darstellen. Wir haben jede Menge erfundene Aussagen des Propheten Mohammed, die die Stellung der Frau, überhaupt die Frau als minderwertiges Wesen darstellen. Da sind wir herausgefordert, diese Stellung neu zu überdenken. Kann ein Prophet wirklich so etwas sagen? STANDARD: Haben Sie die Vorfälle in Köln überrascht? Aslan: Wir wissen seit Jahren, dass etwa in Ägypten beinahe 70 Prozent der Frauen belästigt werden, von den Ausländerinnen, die dort leben, 96 Prozent. Das heißt, dass Muslime dieses Problem kennen. Das ist nicht neu, aber dort wird mehr darüber gelacht, als dass wir uns mit dieser Situation kritisch auseinandersetzen. STANDARD: Was heißt das im Hinblick auf die Integration von zigtausenden Flüchtlingen, für die Religion vielfach eine andere, wichtigere Rolle spielt als in unserer postreligiösen Gesellschaft? Aslan: Im Vorjahr sind 90.000 Flüchtlinge zu uns gekommen, vor allem Afghanen, Syrer, Iraker. Es ist eine Tatsache, dass mehr Menschen aus islamischen Ländern kommen. Was ich mir wünschen würde als Lösung, ist, dass man zunächst die Probleme offen anspricht. Die Situation zu beschönigen oder bestimmte Probleme zu ignorieren hilft uns nicht. STANDARD: Welche meinen Sie? Aslan: Zum Beispiel, woran scheitert die Integration überhaupt in Europa? Wir haben ein schlechtes Zeugnis, was die Integration der Muslime in Österreich betrifft. STANDARD: Scheitert sie an der Religion, am Islam? Aslan: Nicht unbedingt, aber wir müssen uns mit der Frage auseinandersetzen, warum wir das bis jetzt nicht geschafft haben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir das, was wir seit 50, 60 Jahren nicht geschafft haben, jetzt in einem Jahr zum Beispiel mit Afghanen, Syrern oder Irakern lösen werden. Wenn wir die Hintergründe dieses Scheiterns nicht offen diskutieren und verstehen, wird es uns kaum gelingen, neue Konzepte zu entwickeln. Wenn ein Politiker sagt, wir haben in den Kindergärten überhaupt kein Problem, dann haben wir etwas falsch verstanden. Wenn wir von der Stadt hören, wir haben einiges verbessert, würde ich mir wünschen zu hören: Was haben sie verbessert? Was war falsch? STANDARD: Was ist Ihr Vorwurf an die Stadt Wien? Aslan: Ich bekomme immer wieder den Vorwurf von der Stadt, warum ich bestimmte Kindergärten und -gruppen nicht nenne. Das tut der Stadtrechnungshof auch nicht – aus Datenschutzgründen. Ich kann meine Interviewpartnerinnen aus forschungsethischen Gründen nicht bekanntgeben. Aber Sie sehen in unserem Abschlussbericht, dass wir zahlreiche Informationen aus dem Netz, aus den Flyern, Publikationen und Vereinsregisterauszügen entnommen haben. Wenn es meinen Mitarbeiterinnen gelingt, solche Inhalte zu finden, sollte das auch den Mitarbeiterinnen der Stadt gelingen. Die Stadt kann auch nicht sagen, uns interessieren solche Trägervereine nicht, wir schauen nur, was im Kindergarten passiert, das ist keine Kontrolle. Sie sagen ja auch nicht, eine rechtsradikale Gruppe betreibt einen Kindergarten, uns egal, dass sie rechtsradikal sind, wir schauen, was im Kindergarten passiert. Diese Vorstellung ist ziemlich naiv. Wenn die Stadt mit salafistischen oder islamistischen Organisationen zusammenarbeitet, hat das sicherlich Nebenwirkungen. STANDARD: Dürfte in Österreich eine Organisation wie Milli Görüs überhaupt einen Kindergarten betreiben, oder ist das sowieso ein No-Go? Aslan: Sie können schon Kindergärten gründen, aber die politischen Interessen bestimmter Organisationen sollten nicht politisch oder staatlich gefördert werden. Ich schließe einen Wandel dieser Organisationen nicht aus, aber zumindest unter den Funktionären sehe ich dafür heute kein Zeichen. Wenn die türkische Regierung sagt, wir werden in Wien eine Imam-Hatip-Schule finanzieren, und in den türkischen Medien ganz stolz darüber berichtet wird, muss die österreichische Regierung die Interessen solcher ausländischer Staaten vernünftig analysieren. Worum geht es? Geht es wirklich um eine Religion oder um ausländische Kolonien in einem bestimmten Staat? Wenn ich das staatlich oder städtisch fördere, muss ich wissen, was ich tue, wenn ich wirklich ein Integrationskonzept habe. Aber den Eindruck habe ich nicht, dass die Stadt oder der Staat das haben. STANDARD: Welche Konsequenzen sollen aus Ihrer Studie folgen? Aslan: Wenn Eltern religiöse Erziehung wollen, kann man nicht sagen, wir verbieten religiöse Erziehung. Wir brauchen ein Konzept, einen Rahmenplan, wie viel Religiosität ein Kindergarten oder eine Kindergruppe verkraften kann. Das setzt die Grenzen einer vernünftigen Religiosität. Dass ein Kind ein Bittgebet oder ein Lied lernt, ist nicht das Problem. Man muss die Religionsausübung aber auch qualifiziert kontrollieren. Wenn Sie in einem muslimischen Kindergarten sind, können Sie nicht nur kontrollieren, ob die Türen oder Tische in Ordnung sind oder die Kindergartenpädagoginnen über bestimmte Qualifikationen verfügen. Da müssen Sie etwas mehr können, um die theologischen und pädagogischen Herausforderungen verstehen zu können, wenn etwa Koranunterricht gemacht wird. Die eigentliche pädagogische Herausforderung besteht darin, welche Stellung die Religion in einem Kindergarten hat. Religion kann, wenn man es gut macht, einen wichtigen Beitrag für die Integration der Kinder leisten, wenn ein Kind die anderen auch aus religiöser Perspektive verinnerlichen kann – Thomas ist gleich viel wert wie ich, Ali Mohammed. Einen Kindergarten sofort zu schließen, wenn irgendwo Religion sichtbar ist, ist nicht die Lösung. Die Religion an sich darf nicht kriminalisiert werden. Seit Oktober sind 3.300 schulpflichtige Kinder im System angekommen. Die Gewerkschaft will mehr Unterstützungspersonal. Auch im vergangenen Semester sind neue Flüchtlingskinder an Österreichs Schulen gekommen. Zwischen 1. Oktober und 7. Jänner ist ihre Zahl an den Pflichtschulen um rund 3.300 auf 8.500 gestiegen. Insgesamt besuchen 540.000 Schüler eine Pflichtschule, die Flüchtlingskinder machen also 1,6 Prozent aus. Ein Resultat der steigenden Zahl schulpflichtiger Kinder sind höhere Ausgaben. Laut einer parlamentarischen Anfragebeantwortung rechnet Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) für 2016 mit 64 Millionen Euro Mehrkosten wegen zusätzlicher Lehrerstellen. Insgesamt 75 Millionen Euro zusätzlich gibt es aus dem Integrationstopf, dessen Aufteilung die Regierung am Dienstag im Ministerrat beschlossen hat. Das Bildungsministerium bekommt nach eigenen Angaben 24 Millionen. Fließen soll das Geld unter anderem in 180 bis 200 neue Stellen für Sprachförderung und in 80 Stellen für mobile Einsatzteams aus Sozialarbeitern und Psychologen. Diese Maßnahmen tragen wesentlich dazu bei, die knapp 9.000 Flüchtlingskinder gut in Schule und Gesellschaft zu integrieren und die Lehrer zu entlasten und zu unterstützen, sagt Heinisch-Hosek zum STANDARD. Für die niederösterreichische Bildungslandesrätin Barbara Schwarz (ÖVP) ist das nicht genug. Ihr Bundesland hat mit 2.138 die meisten schulpflichtigen Flüchtlingskinder aufgenommen. Die angekündigten Maßnahmen würden dem System Schule sicher guttun, jedoch finanzieren wir in Niederösterreich bereits jetzt über 80 zusätzliche Planstellen, deren Kosten zum Großteil das Bundesland tragen muss, sagt Schwarz zum STANDARD. Sie wünscht sich von der Ministerin ein koordiniertes Vorgehen mit den Bundesländern. Eine Gesamtstrategie fordert auch Pflichtschulgewerkschafter Paul Kimberger (FCG). Für das zusätzliche Geld sei er dankbar, aber wir sehen jetzt schon, dass die Lehrer ausgehen. Es sei notwendig, das Unterstützungspersonal von Schulpsychologen und Sozialarbeitern in Österreich internationalen Standards anzugleichen. Auch in Deutschland ist Bildung für Flüchtlingskinder eine Herausforderung für die Bundesländer. Der Mehrbedarf an Lehrern ist hier bereits beziffert: Man geht von 20.000 zusätzlichen Stellen aus. Anders als in Österreich werden Flüchtlinge in speziellen Förderklassen und nicht in Kursen unterrichtet. Von diesen Willkommensklassen gibt es mittlerweile mehr als 8.200 in ganz Deutschland. Dort werden zunächst jene Kinder in kleineren Gruppen auf den Regelunterricht vorbereitet, die keine Deutschkenntnisse haben und/oder die lateinische Schrift nicht beherrschen. Derzeit sind rund 200.000 Kinder in solchen Willkommensklassen untergebracht. Sie sollen nach einem Jahr an derselben Schule in die Regelklassen wechseln können. Der OECD-Bildungsexperte Andreas Schleicher hält derartige Willkommensklassen auf Dauer jedoch für keine gute Lösung. Er kritisiert, dass die Kinder die deutsche Sprache nicht schnell genug erlernen, weil sie zu viel unter sich blieben und zu wenig Kontakt zu deutschsprachigen Schülern haben. Viel zusätzliche Förderung für Flüchtlingskinder und andere "Seiteneinsteiger". Wien – In der Debatte um die Integration von Flüchtlings- und Migrantenkindern gilt Hamburg als eines der Vorbilder. Das deutsche Bundesland setzt dabei unter anderem auf einen Sozialindex für Schulen, nach dem etwa Lehrerstunden vergeben werden, sowie zeitlich begrenzte Vorbereitungsklassen für Quereinsteiger, schilderte die Erziehungswissenschafterin Ursula Neumann (Uni Hamburg) am Donnerstagabend bei einer Diskussionsveranstaltung auf Einladung der Initiative Bildung grenzenlos und dem Institut für Germanistik der Universität Wien. Die Situation in Hamburg sei mit jener in Wien etwa vergleichbar, befand Neumann: In Wien haben knapp 40 Prozent der Schüler eine andere Muttersprache als Deutsch, in Hamburg (wo nicht die Muttersprache erhoben wird) verfügen 45 Prozent über Migrationshintergrund. Zwei Meilensteine Die Sprachförderung an den Schulen beruhe auf zwei Meilensteinen, betonte die Wissenschafterin: Einerseits auf dem 2006 verabschiedeten Hamburger Sprachförderkonzept sowie anderseits auf der Erarbeitung eines schulspezifischen Sozialindex: Je nach Zusammensetzung der Schülerschaft entscheidet dieser etwa über die Größe der Klassen beziehungsweise die Zuteilung von Lehrerstunden und Unterstützungspersonal. Das Konzept selbst basiert grundsätzlich auf einer integrativen Sprachförderung in den einzelnen Fächern, wird aber auch durch additive Sprachförderung in Form zusätzlicher Lernzeit für Kinder mit Sprachproblemen ergänzt. Im Alter von rund viereinhalb Jahren müssen in Hamburg alle Kinder an jener Schule vorgestellt werden, die sie später besuchen werden. Dort wird dann bei Tests erhoben, ob etwa ein ausgeprägter oder besonders ausgeprägter Förderbedarf besteht – ist dies der Fall, wird das Kind zum Besuch einer Kindertagesstätte verpflichtet, wo es Sprachfördermaßnahmen erhält. Für Flüchtlingskinder und andere Seiteneinsteiger, hat man folgenden Weg ins Schulsystem eingeschlagen: Einerseits gibt es bereits in den zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen Lerngruppen, die allerdings nicht alle Kinder erfassen. Kommen die Kinder dann in eine Schule, wird nach Alter differenziert: Kinder im typischen Schulanfangsalter kommen jedenfalls in Regelklassen und erhalten dort neben dem normalen Unterricht zusätzliche Sprachförderung. Basisklassen, Vorbereitungsklassen, Regelklassen Kinder ab acht Jahren müssen zunächst zum sogenannten Schulinformationszentrum beziehungsweise zum Berufsinformationszentrum (ab 16), wo sie einer Schule zugewiesen werden. Sind sie nicht alphabetisiert oder müssen sie erst das lateinische Alphabet erlernen, besuchen sie zunächst schulformübergreifende Basisklassen (Größe: zehn Schüler), um grundlegende Deutschkenntnisse zu erlangen. Deren Besuch ist mit höchstens zwölf Monaten limitiert, anschließend wird in eine Vorbereitungs- oder eine Regelklasse gewechselt. Sind die Kinder bereits ausreichend alphabetisiert, geht es in eine Internationale Vorbereitungsklasse (15 Schüler). Auch deren Besuch ist mit zwölf Monaten limitiert, anschließend wird in eine Regelklasse der selben Schule gewechselt. Dort erhalten die betroffenen Schüler noch weiter zusätzlichen Sprachunterricht. Zentrale Personen an den Schulen sind sogenannte Sprachlernkoordinatoren an den Schulen. Das sind speziell aus- und fortgebildete Lehrer, die die Sprachförderung an den Schulen organisieren und koordinieren sowie den Kontakt zu öffentlichen Stellen und wissenschaftlichen Einrichtungen halten. Je nach Anzahl der Schüler mit Sprachproblemen werden sie für eine bestimmte Anzahl an Stunden pro Woche für diese Funktion freigestellt. Zusätzlich kommen noch Sprach- und Kulturmittler, deren Aufgabe über jene von Dolmetschern hinausgeht sowie Sozial- und bei Bedarf Sonderpädagogen. Schulen erhalten den Textentwurf für die Hausordnung nach den Semesterferien. Linz – In der Diskussion um die umstrittene Deutschpflicht an Schulen in der Pause hat der oberösterreichische Landesschulrat seinen Textentwurf für die Hausordnungen fertiggestellt. Wir bemühen uns, auch außerhalb des Unterrichts Deutsch als gemeinsame Sprache zu verwenden, um Vorurteile und Ausgrenzungen zu vermeiden, heißt es in der Empfehlung. Sie soll nach den Semesterferien an die Schulen gehen. Wir haben nie von Pflicht gesprochen, sagte Landesschulratspräsident Fritz Enzenhofer zur APA. Ziel sei es aber, dass auf dem Schulareal Deutsch als gemeinsame Sprache forciert werde. Der Textentwurf, der von Juristen geprüft wurde, kann von den Schulpartnern in die jeweilige Hausordnung aufgenommen werden. Erste Rückmeldungen seien positiv. Eine derartige Regelung werde von vielen Schulen befürwortet, sagte Enzenhofer. Die schwarz-blaue Landesregierung hat die Forcierung von Deutsch als Schulsprache in autonomen Regelungen in ihr Regierungsprogramm geschrieben. Kritik an dem Vorhaben kam von den Grünen. Eine Auswertung zweier Bildungsstudien zeigt, dass auch türkischstämmige Schüler bei den Leseleistungen aufholen. Wien – Die Leistungsunterschiede beim Lesen zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund haben seit dem Jahr 2000 abgenommen. Das zeigen Daten aus der Volksschul-Vergleichsstudie Pirls und der Pisa-Studie. Vor allem türkischstämmige Schüler haben stark aufgeholt, heißt es im Pirls-Expertenbericht. Trotzdem sind die Unterschiede zwischen einheimischen und zugewanderten Kindern noch hoch. In dem vom Bundesinstitut für Bildungsforschung (Bifie) herausgegebenen Bericht analysieren Wissenschafterinnen Detailergebnisse der 2006 und 2011 durchgeführten Pirls-Studie (4. Klasse Volksschule) sowie der zwischen 2000 und 2012 erhobenen Pisa-Studie (Kinder im Alter von 15 bzw. 16 Jahren). Resultat: Migrantenkinder erzielten bei Pisa 2012 (449 Punkte) wesentlich bessere Ergebnisse als bei Pisa 2000 (409 Punkte), während die Leistung der Kinder ohne Migrationshintergrund praktisch gleichgeblieben (2000: 502 Punkte, 2012: 499) ist. Bei Pirls wiederum blieben die Leistungen der Migrantenkinder in etwa konstant (2006: 498, 2011: 495), während sich jene der einheimischen Volksschüler signifikant verschlechterte (2006: 547, 2011: 537). Auffällig: Zwischen Pisa 2000 und Pisa 2012 hat sich der Migrantenanteil unter den 15/16-Jährigen von elf auf 17 Prozent erhöht. Außerdem hat sich zwischen Pisa 2003 (vorher wurden die Herkunftsländer nicht erhoben) und 2012 die Zusammensetzung der Migrantenkinder an den Schulen deutlich geändert: Stammten 2003 noch 71 Prozent aus den klassischen Zuwandererländern Türkei und Ex-Jugoslawien, waren es 2012 nur mehr 55 Prozent. 45 Prozent stammten aus anderen Ländern – und davon rund ein Achtel aus Deutschland. Von diesen drei Zuwanderergruppen erzielten die türkischstämmigen Jugendlichen die schwächsten Lese-Leistungen und jene aus anderen Ländern die besten. Die Zunahme der Migrantenleistungen geht damit zu einem Teil auf den höheren Anteil der besser lesenden Jugendlichen aus den anderen Staaten zurück. Bemerkenswert war laut Bericht aber auch die positive Entwicklung der Lesekompetenz türkischstämmiger Jugendlicher bei der letzten Pisa-Studie 2012 – sie erzielten im Schnitt um 40 Punkte mehr als in den drei Studien davor. Dabei könnten etwa Initiativen der Community eine Rolle spielen, die sich durch eine starke Bildungsorientierung auszeichnen wie etwa die Gülen-Bewegung, schreiben die Autorinnen. Die generell besseren Migrantenleistungen könnten aber auch auf verbesserte schulische Rahmenbildungen zurückzuführen sein: So werde in der Lehreraus- und -fortbildung ein stärkerer Fokus auf Interkulturalität, Mehrsprachigkeit und Deutsch als Zweitsprache gelegt. Ein beträchtlicher Teil der Leistungsunterschiede zwischen Schülern mit und ohne Migrationshintergrund lassen sich laut Bericht mit dem sozialen Hintergrund erklären: Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund wachsen im Durchschnitt unter wesentlich schlechteren sozioökonomischen Bedingungen auf als jene ohne. Bei gleichem sozialen Hintergrund würden die Leistungsunterschiede nur in etwa halb so hoch ausfallen. Eine Onlineplattform soll bei der Anerkennung von Ausbildungen helfen. Ob das Kurz-Vorhaben funktioniert, wird aber bezweifelt. Wien – Ankündigungen gab es schon reichlich. Bereits vor zwei Jahren versprach Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) einen großen Wurf für ein Berufsanerkennungsgesetz. Durch dieses sollen es Zuwanderer leichter haben, ihre im Ausland erworbenen Qualifikationen entsprechend anrechnen lassen zu können. Bisher funktioniert das nämlich alles andere als optimal. Laut OECD sind in Österreich 31 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund für ihre Jobs überqualifiziert. Kurz vor Weihnachten hat Kurz dann endlich einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der – so zumindest der Plan – die Verfahrensabläufe vereinfachen soll. Kernpunkt ist ein vom Integrationsfonds betriebenes elektronisches Anerkennungsportal. Sowohl im In- als auch im Ausland soll man über dieses Tool Anträge stellen sowie Zeugnisse und andere Ausbildungsnachweise hochladen können. Die Anträge sollen dann an die zuständigen Behörden – es gibt zahlreiche involvierte Stellen auf Bundes- und Landesebene – weitergeleitet werden. Viele Zweifel An der Umsetzbarkeit gibt es aber massive Zweifel, wie nun Stellungnahmen zum Entwurf zeigen. Kritisiert wird weiters – wie auch vom Finanzministerium – dass der finanzielle Mehraufwand vom Außenministerium angesichts der großen Zahl an Verfahren nicht konkret beziffert wurde. Klarstellung zu Asylwerbern gefordert Gleich mehrere Stellen – darunter ÖGB und Industriellenvereinigung – vermissen Klarstellungen, wonach auch Asylwerber schon während des Verfahrens die Anerkennung ihrer Qualifikationen beantragen können. Bei der Gewerkschaft ist man generell skeptisch, ob sich durch das neue Gesetz etwas zum Besseren wandelt. Zwar soll die Verfahrensfrist eigentlich bei maximal vier Monaten liegen. Da diese aber erst nach Einlangen der vollständigen Unterlagen beginne, die Behörde ein Monat für die Eingangsbestätigung Zeit habe und mit einer Reihe unvollständiger oder fehlender Unterlagen zu rechnen sei, wird sich an den tatsächlichen Zeiten in der Praxis wenig ändern, so die ÖGB-Prognose. Daher werde leider nicht für mehr Klarheit im Anerkennungsdschungel gesorgt. Austausch über die besten Praxismodelle im Umgang mit Flüchtlingen in der Schule am Mittwoch. Brüssel – Die EU-Bildungsminister beraten am Mittwoch in Brüssel erstmals über die Flüchtlingskrise. Dabei geht es um die Rolle der Bildung, der Bürgerrechte und des Fremdsprachenerwerbs, hieß es im Vorfeld des EU-Ministerrates in Ratskreisen. Für die EU-Staaten soll die Debatte die erste Gelegenheit zu einem Erfahrungsaustausch bieten, sagte ein Vertreter der niederländischen EU-Ratspräsidentschaft am Montag. Die Staaten könnten sich insbesondere über die besten Praxismodelle informieren. Das Ergebnis der Debatte sei offen, die späteren EU-Vorsitze werden den Angaben das Thema weiterführen, auch die EU-Kommission soll im Lauf des Jahres konkrete Initiativen präsentieren. Die EU-Bildungsminister beraten auch darüber, wie Europas Grundwerte durch Bildung vermittelt werden können. Damit soll die Deklaration von Paris nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt und in Kopenhagen vom Vorjahr nachbereitet werden. Dabei sollen die Bildungsminister von Frankreich, Tschechien und Spanien am Mittwoch zu unterschiedlichen Aspekten Stellung nahmen, so etwa zur Medienkompetenz, der Ausbildung von Bürgerrechten- und pflichten sowie zu Befugnissen der Lehrer. Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) nimmt an dem EU-Ministerrat nicht teil, hieß es in Delegationskreisen. Ednan Aslans Endbericht liegt nun vor – Er fordert klare Vorgaben für Kindergartenbetreiber. Wien – Das Geraune um die Studie über islamische Kindergärten in Wien hat seit Freitagmittag ein Ende: Auf der Institutshomepage von Studienautor Ednan Aslan, Professor für Islamische Religionspädagogik, ist der 178 Seiten umfassende Projektbericht Evaluierung ausgewählter Islamischer Kindergärten und -gruppen in Wien – Tendenzen und Empfehlungen öffentlich einsehbar. Ihm sei diese Öffentlichkeit auf der Uni-Website wichtig, sagte Aslan zum STANDARD. Von der Außenministeriumshomepage führt ein Link zur Aslan-Seite. Auf der Ministeriumseite von Ressortchef Sebastian Kurz (ÖVP), der die Studie finanziert, wird der Aslan-Bericht – ein qualitativ-empirisches Forschungsprojekt zu ausgewählten Kinderbetreuungseinrichtungen in der Stadt Wien genannt, das die Grundlage für eine gemeinsame Untersuchung mit der Stadt Wien sei. Was ist das zentrale Ergebnis aus Aslans Sicht? Intellektuelle Salafisten und politische Islamisten sind die dominierenden Gruppen in der islamischen Kindergartenszene in Wien. Das habe die Analyse der Betreiber von islamischen Kindergärten und Kindergruppen in Wien eindeutig gezeigt, sagt Aslan. Diese zwei von insgesamt vier Gruppen, die sich schon im Rahmen einer vorab veröffentlichten, ersten Exploration, die er bereits in einem STANDARD-Interview Ende Jänner genannt hatte, seien jene, von denen nicht zu erwarten ist, dass sie ihre ideologische Linie in ihrer Arbeit im Kindergarten zurückstellen. Die beiden anderen Gruppen subsumiert Aslan unter Wirtschaftsunternehmen, die den Kindergarten als finanziell lukrative Firma verstehen und führen, und dann gebe es noch eine kleine Alternativgruppe, die sich um bessere pädagogische Arbeit als die anderen bemühe und die gefördert werden müsste, sagt Aslan. Die Gruppe der intellektuellen Salafisten umschreibt der islamische Religionspädagoge als wichtige theologische Gruppe, die die Kinder entmündigen und mit veralteter Pädagogik einschüchtern will. In der Studien-Zusammenfassung heißt es dazu im Punkt Religiöse Bildung/Erziehung, dass vielfach Religionsunterricht angeboten werde, Eltern würden ihre Kinder sogar wieder abmelden, wenn sie die erwartete religiöse Erziehung nicht bekommen. Die Studienautoren haben auch beobachtet: Bisweilen sollen Kinder auch vor dem moralischen Einfluss der Mehrheitsgesellschaft geschützt werden. Täglich oder mehrmals in der Woche Islam/Koran- oder Moralunterricht sei ein wichtiger Teil in den Kindergärten – für Eltern und Betreiber. Allerdings sei die Intention eines solchen Angebots zu differenzieren. Während teilweise Pädagoginnen oder teilweise auch Eltern den Islamunterricht keinem Kind aufgezwungen wissen wollen, scheinen BetreiberInnen eher davon auszugehen, dass der Islam die einzige richtige Lebensform ist und die Kinder dahin geführt werden müssen. Dies lässt sich auch durch Äußerungen der Leitungen bestätigen. Für nichtmuslimische Kinder gilt hingegen die Freiwilligkeit: sie können, müssen aber nicht an diesem Unterricht teilnehmen. Islamische Feste werden gefeiert, ob Feste anderer Religionen gefeiert oder auch nur erwähnt werden, hänge von den Pädagoginnen ab. Gerade im Umgang mit Festen sieht Aslan einen aussagekräftigen Punkt. Stellenweise falle nämlich auf, dass religiöse Praktiken wie eben Feste zu feiern eher von einem trennenden Gedanken getragen sind – bei Leitungen und pädagogischem Personal. Und hier auch wieder der Verweis auf die Betreiber und deren Ideologie, denn der Umgang mit Festen scheint mit dem Ansinnen der BetreiberInnen konform zu gehen, ist zu lesen. Konkret schreibt Aslan, dass in verschiedenen Kindergärten zwar auch christliche Feste angeboten werden, allerdings beteiligen sich die muslimischen Kinder daran nicht, während anders herum christliche bzw. nichtmuslimische Kinder freiwillig an muslimischen Festen teilnehmen können. Die Freude an Festen, das Unvoreingenommene von Kindern, die kindliche Neugier auf ,das Andere wird hier unterbunden bzw. verdeckte Missionierung betrieben. In diesem Zusammenhang heißt es weiters: Die Werteerziehung scheint teilweise von einer konservativen Theologie getragen zu sein, die in erster Linie der Mehrheitsgesellschaft keine Bedeutung beimisst, sondern ,ihre Kinder vor dieser schützen möchte. Diese Beobachtung lasse sich bei allen befragten Gruppen machen. Zusammengefasst resümiert Aslan die religiöse Erziehung der Kinder in islamischen Kindergärten so: Pluralitätsfördernde Impulse kommen oft zu kurz. In der religiösen Erziehung bestimmen traditionelle Bilder die Erziehung der Kinder, es wird beispielsweise mit strafenden und belohnenden Gottesbildern gearbeitet. Dabei werden Kinder mit einem veralteten Sündenverständnis eingeschüchtert, und es wird ihnen die Entwicklung zur Mündigkeit genommen. Die eigene Religion wird mitunter vor anderen Religionen und Weltanschauungen aufgewertet. Generell konstatierte Aslan, dass es wenig Offenheit bei den islamischen Kindergärten gab, am Forschungsprojekt teilzunehmen. Ja vielmehr sei die Forschungsarbeit nach Veröffentlichung der ersten Ergebnisse zusätzlich erschwert worden, indem einige Kindergärten oder -gruppen ihre Internetpräsenz gelöscht und Daten so unzugänglich gemacht hätten. Darum habe man auch weniger Kindergärten als erhofft untersuchen können. In die Analyse eingegangen sind als Grundlage alle jene 71 Kindergärten und 56 Kindergruppen, die als islamisch identifiziert worden sind, heißt es im Bericht. Danach wurden 15 Trägervereine telefonisch oder per Mail angefragt, ob sie bereit seien, an dem Projekt Islamische Kindergärten teilzunehmen. Acht waren bereit zu leitfadengestützten Interviews, dort werden insgesamt 1.940 Kinder in 19 Kindergärten und -gruppen betreut. Im Hinblick auf die Betreiber steht in der Studie: Es ist aufgrund des bisherigen Standes der Analyse davon auszugehen, dass salafistische bzw. islamistische Organisationen in der Kinderbetreuung nicht so einfach auf ihre politischen Ziele verzichten können. Die in der Studie kurz angeführte Darstellung der Ideologie der Vereine bzw. dieser Akteure schlägt sich zweifellos auf die Pädagogik nieder. Aslan sagt dazu im STANDARD-Gespräch: Wir brauchen neue Maßnahmen, dass nicht jeder einen Kindergarten gründen kann. So wie für Kindergartenpersonal müsse es auch für Betreiber solche Vorgaben geben. Es gehe nicht an, dass ein Vertreter der Muslimbruderschaft, der einen Kindergarten in Wien betreibt, offen sagt, man unterstütze den Krieg in Syrien oder in einem Video zu sehen sei, in dem es heiße, wir wollen in Europa missionieren, sagt Aslan: Dieser Mann kann nicht neutral in einem Kindergarten arbeiten. Das ist eine naive Vorstellung. Zum Unterpunkt Sprachförderung steht im Endbericht, dass die deutsche Sprache sehr unterschiedlich gefördert wird. In einem islamischen Kindergarten wünschte man sich dafür mehr Unterstützung durch das zuständige Magistrat in Wien. In einem anderen Kindergarten ist den Kindern die Verwendung der Muttersprache untersagt und sie werden angehalten, Deutsch zu sprechen. Die meisten islamischen Kindergärten seien in der Regel ethnisch und national homogen zusammengesetzt, ist zu lesen. Was bedeutet: In diesen Gruppen ist die Förderung der deutschen Sprache eine besondere Herausforderung für die Kindergärten. Es ist in diesem Umfeld fast unmöglich, ein Gefühl für die deutsche Sprache zu entwickeln. Aslan spricht selbst nur von einer Vorstudie, die nun vorliege, es seien umfangreichere Studien über die islamischen Kindergärten in Wien notwendig. Diese flächendeckende Untersuchung wurde am Freitag auch per Aussendung konkreter angekündigt. Die Arbeiten daran sollen bis Mai 2017 abgeschlossen sein. Folgende Wissenschafterinnen und Wissenschafter werden beteiligt sein: Neben Ednan Aslan werden Susanne Heine (Universität Wien, Evangelisch-Theologischen Fakultät), Maria Fürstaller (Universität Wien und FH Campus Wien), Elisabeth Raab-Steiner (FH Campus Wien), Wolfgang Mazal (Universität Wien) und der Diplomsoziologe Kenan Güngör mit dabei sein. Die Stadt Wien, so wurde versichert, stellt die dafür erforderlichen Daten bereit. Man werde den Zugang zu allen Kinderbetreuungseinrichtungen gewähren und auch Vereinsregisterauszüge vorlegen, wurde beteuert: Eine wichtige Fragestellung wird sein, ob die pädagogischen Konzepte jener privaten institutionellen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kindergärten und Kindergruppen) in Wien, mit den Grundwerten der österreichischen Verfassung, Kinder- und Menschenrechte sowie dem Wiener Bildungsplan übereinstimmen. Ebenso solle untersucht werden, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Auch die verwendeten Sprachen, den religiösen Hintergrund oder die Annahme von Sprachförderangeboten will man sich genauer ansehen. Erforscht wird auch die Erwartungshaltung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Weiters wird eine Liste mit allen islamischen Kindergärten oder -gruppen und deren Betreibern sowie Trägervereinen erstellt. In Wien ist kein Platz für Radikalismus und Extremismus. Wenn es Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Die Stadt Wien schaut genau hin und hat bereits gehandelt, verwies Jugendstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf eine nun bereits erfolgte Aufstockung der Kontrolleure. Auch Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) beteuerte, dass Radikalisierung im Kindergarten keinen Platz haben dürfe. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verwies auf die nunmehrige Einigkeit: Wir ziehen hier in der flächendeckenden Untersuchung an einem Strang. Es ist notwendig, Klarheit und Transparenz zu haben, damit die richtigen politischen Maßnahmen gesetzt werden können. Bund und Stadt engagieren sechsköpfiges Forscherteam. Wien – Die vom Integrationsministerium und der Stadt Wien angekündigte flächendeckende Untersuchung islamischer Kinderbetreuungseinrichtungen in Wien wird von einem sechsköpfigen Forscherteam erstellt, wie am Freitag in einer Aussendung mitgeteilt wurde. Die Arbeiten daran sollen bis Mai 2017 abgeschlossen sein. Auch der erste Islamkindergarten-Bericht, der zuletzt für Aufregung sorgte, liegt nun vor. An der – nach einem gröberen Zwist zwischen Rathaus und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) vereinbarten – gemeinsamen Untersuchung werden folgende Wissenschafter beteiligt sein: Neben Ednan Aslan von der Uni Wien, dem Autor der ersten Vorstudie, werden Susanne Heine (Universität Wien, Evangelisch-Theologischen Fakultät), Maria Fürstaller (Universität Wien und FH Campus Wien), Elisabeth Raab-Steiner (FH Campus Wien), Wolfgang Mazal (Universität Wien) und der Diplomsoziologe Kenan Güngör mit dabei sein. Die Stadt Wien, so wurde versichert, stellt die dafür erforderlichen Daten bereit. Man werde den Zugang zu allen Kinderbetreuungseinrichtungen gewähren und auch Vereinsregisterauszüge vorlegen, wurde beteuert: Eine wichtige Fragestellung wird sein, ob die pädagogischen Konzepte jener privaten institutionellen Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen (Kindergärten und Kindergruppen) in Wien, mit den Grundwerten der österreichischen Verfassung, Kinder- und Menschenrechte sowie dem Wiener Bildungsplan übereinstimmen. Ebenso solle untersucht werden, welche Werte und Normen in der Praxis tatsächlich gelebt werden. Auch die verwendeten Sprachen, den religiösen Hintergrund oder die Annahme von Sprachförderangeboten will man sich genauer ansehen. Erforscht wird auch die Erwartungshaltung der Eltern bzw. Erziehungsberechtigten. Weiters wird eine Liste mit allen islamischen Kindergärten oder -gruppen und deren Betreibern sowie Trägervereinen erstellt. In Wien ist kein Platz für Radikalismus und Extremismus. Wenn es Probleme gibt, müssen diese angegangen und gelöst werden. Die Stadt Wien schaut genau hin und hat bereits gehandelt, verwies Jugendstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) auf eine nun bereits erfolgte Aufstockung der Kontrolleure. Auch Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) beteuerte, dass Radikalisierung im Kindergarten keinen Platz haben dürfe. Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) verwies auf die nunmehrige Einigkeit: Wir ziehen hier in der flächendeckenden Untersuchung an einem Strang. Es ist notwendig, Klarheit und Transparenz zu haben, damit die richtigen politischen Maßnahmen gesetzt werden können. In einer eigenen Klasse lernen jugendliche Flüchtlinge in der Privatschule Dr. Roland Deutsch. Manche müssen erst schreiben lernen. Wien – Die Schüler schauen ihren Lehrer Georg Buchinger erst schweigend an. Dann beginnen sie auf Arabisch und Farsi zu murmeln, die Diskussionen werden lauter. Einer der Jugendlichen zieht sein Handy aus der Jeanstasche und beginnt zu tippen. Schaust du auf Google Translate nach? Das ist schlau, sagt Buchinger. Der Bursche sagt ein Wort auf Arabisch. Aaahhh, raunt es durch die Reihen. Einige Schüler senken ihre Köpfe und schreiben das neu gelernte Wort Seite in ihr Vokabelheft. Buchinger steht vor einem Smartboard, einer digitalen Tafel mit Internetverbindung, in einem Klassenzimmer vor siebzehn Schülern. In der ersten Reihe sitzen sieben Mädchen, in jenen dahinter die Burschen. Die Jugendlichen sind zwischen 15 und 19 Jahre alt, es sind Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan, dem Irak und Pakistan. Sie sind nicht mehr schulpflichtig und werden deshalb nur teilweise an den staatlichen berufsbildenden Schulen unterrichtet. Direktor Matthias Roland hat deshalb im Februar in seiner Privatschule Dr. Roland im siebten Wiener Bezirk eine Klasse für Flüchtlinge in diesem Alter eingerichtet. Die Lehrer der Schule unterrichten dort kostenlos und freiwillig. Buchinger unterrichtet eigentlich Englisch, heute lehrt er gemeinsam mit Deutschlehrerin Stephanie Mayer in der Flüchtlingsklasse deutsche Vokabel. Weil es keine gemeinsame Sprache gibt – nur manche der Schüler sprechen Englisch –, arbeiten die Lehrer mit Bildern. Um etwa den Unterschied zwischen einer Badewanne und einer Dusche zu erklären, googelt Mayer am Smartboard nach Badewannen und zeigt die Bilder. Die Flüchtlinge besuchen den Kurs nachmittags von Montag bis Freitag für vier Unterrichtsstunden. Fast alle sind im Flüchtlingsquartier in der Vorderen Zollamtstraße im dritten Bezirk untergebracht. An diesem Donnerstag hat Deutschlehrerin Stephanie Mayer Geschenke für sie mitgebracht. Sie durften sich etwas zu Ostern wünschen. Du hast geschrieben, dass du Schuhe möchtest, sagt Mayer langsam und deutlich zu einem Schüler, der alleine in der zweiten Reihe sitzt, und zeigt dabei auf ihre eigenen Schuhe. Ich wusste nicht, welche Art du möchtest. Möchtest du Sportschuhe oder andere Schuhe?, fragt sie und zeigt dabei auf Turnschuhe, die sie einem Mädchen geschenkt hat. Der junge Afghane sagt nichts, seine Mitschülerin, die 18-jährige Fatima Qalandari, sagt etwas auf Farsi zu ihm. Er antwortet, ebenfalls auf Farsi. Er möchte Sportschuhe, sagt Fatima zur Lehrerin auf Deutsch. Fatima ist vor kurzem aus dem Flüchtlingsquartier in der Vorderen Zollamtstraße ausgezogen und lebt jetzt mit ihrer Familie in Achau in Niederösterreich. Die Schülerin trägt ein schwarzes Kopftuch und einen hell geblümten, knielangen Rock über einer schwarzen Hose. Ich muss jeden Tag eine Stunde mit dem Zug fahren, erzählt sie auf Englisch. Weil ihr der Kurs aber so gut gefällt, nimmt sie den Weg trotzdem auf sich. Die Kosten des Monatstickets der Jugendlichen übernimmt die Schule. Fatima ist vor einem halben Jahr nach Wien gekommen, sie besucht den Kurs seit dem Start im Februar. Die 18-Jährige stammt aus dem 6000 Kilometer entfernten Ghazni in Afghanistan. Sie möchte professionelle Judosportlerin werden. Das geht in Afghanistan nicht, das geht nur in Europa. Die Schüler lernen, das Verb arbeiten zu konjugieren. Ich arbeite, du arbeitest, er, sie, es arbeitet, wir arbeiten, ihr arbeitet, sie arbeiten, sagen die Schüler im Chor. Manche lauter als andere. Was arbeite ich?, fragt Mayer. Du arbeitest in die Schule, antwortet ein Mädchen. Ich arbeite in DER Schule, korrigiert die Lehrerin. Was möchtest du arbeiten?, fragt sie Mohammed, der in der letzten Reihe sitzt. Fußball, sagt der. Ich möchte als Fußballspieler arbeiten, schreibt Mayer auf das Smartboard. Ein Schüler möchte Chirurg werden, ein Mädchen aus dem Irak Ärztin, ein anderer Bursch Apotheker. Der Leistungsstand ist sehr unterschiedlich, erzählt Mayer in einer Pause. Zwei der Schüler können nicht schreiben. Andere sprechen und schreiben fließend Englisch. Diese verschiedenen Gruppen gemeinsam zu unterrichten sei nicht einfach. In einer der vier Stunden unterrichten deshalb Buchinger und Mayer gemeinsam. Der Lehrer führt neue Vokabel ein, während die Lehrerin mit den beiden Analphabeten Schreibübungen macht. Die Lehrer hier sind besser, antwortet ein junger Iraker auf die Frage, worin sich diese Schule von jener aus seinem Herkunftsland unterscheidet. Ja, sie sind auch freundlicher, sagt eine Kollegin, die auch aus dem Irak stammt. Bei uns waren die Lehrer nicht gut, sagt Fatima. Deutsch ist sehr schwer, aber ich will es lernen. Der Kurs endet mit dem Schuljahr im Juni. Dann bekommen die Jugendlichen eine Besuchsbestätigung, in der die Dauer, der Unterrichtsstoff und die Anzahl der Einheiten festgehalten sind. Im Herbst ist eine Fortsetzung geplant. Falls sich Lehrer aus anderen Schulen freiwillig melden, geht sich vielleicht sogar eine zweite Klasse aus, hofft Direktor Roland. Nicht mehr schulpflichtige Kinder haben kein Recht auf Schulbesuch – Zustimmung des Schulleiters nötig. Innsbruck – Die müssten Heilige sein, wenn ihnen da kein Blödsinn einfallen würde, sagt Andrea Haselwanter-Schneider, Klubobfrau der Liste Fritz. Die Tiroler Oppositionspartei hat kürzlich eine schriftliche Anfrage zum Thema Versorgung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gestellt. Aus der Beantwortung geht hervor: In Tirol leben derzeit (Stand Februar) 216 junge Flüchtlinge, die allein ankamen, 123 von ihnen besuchen aktuell weder eine Schule, noch haben sie eine Lehrstelle. Darüber, ob manche in Betrieben beschäftigt sind, gebe es keine Informationen, heißt es in dem Antwortschreiben der zuständigen Landesrätin Christine Baur (Grüne). Psychologische Betreuung könne im Einzelfall in den bestehenden Einrichtungen wahrgenommen werden. Da gibt es dringenden Handlungsbedarf. Gerade die ohne Eltern zu uns geflüchteten Kinder und Jugendlichen brauchen besondere Unterstützung, sagt Haselwanter-Schneider. Schulpflichtig ist der Großteil der in Tirol lebenden unbegleiteten Minderjährigen allerdings nicht. Nur 28 der 216 jungen Flüchtlinge sind unter 14 Jahre alt – sie würden auch alle eine Pflichtschule besuchen. Nicht mehr schulpflichtige Kinder haben kein Recht auf einen Schulbesuch, heißt es in einer Stellungnahme aus dem Büro von Baur. Nur mit Zustimmung der Schulleitung könnten die Jugendlichen als außerordentliche Schüler aufgenommen werden. Darum sei man bemüht, vor allem weil alle sehr gerne in die Schule wollen. Es sei schwer zu vermitteln, dass das zum Teil aus rechtlichen Gründen so lange dauere. Derzeit gebe es sechs Übergangsklassen, in denen auf das Regelschulsystem vorbereitet wird. Das Angebot sei von den Ressourcen abhängig, die das Bildungsministerium zur Verfügung stellt. Eine gesetzliche Ausbildungspflicht für Jugendliche bis zum Alter von 18 Jahren ist derzeit in Begutachtung, in Kraft treten soll sie aber frühestens im Juli. Bei fast der Hälfte der in Tirol lebenden unbegleiteten Minderjährigen handelt es sich um 16- oder 17-Jährige. Die meisten sind aus Afghanistan geflohen, gefolgt von Syrien, Somalia, dem Irak und dem Iran. Fünf wurden als Staatenlose registriert. Nur 22 der insgesamt 216 unbegleiteten jungen Flüchtlinge haben bis jetzt einen positiven Asylbescheid bekommen oder sind subsidiär schutzberechtigt – alle anderen befinden sich noch im Asylverfahren. Berliner Projekt "gegen Unterdrückung im Namen der Ehre" startet im Mai in Salzburg – Keine Finanzierung durch Bildungsministerium. Wien (APA) – Die Grünen wollen das Berliner Projekt Heroes – Gegen die Unterdrückung im Namen der Ehre nach Wien holen. Im Rahmen des Projekts halten junge Männer mit Migrationshintergrund Workshops in Schulen ab, um patriarchalische Strukturen infrage zu stellen und Gleichaltrige zum Umdenken zu bewegen, erklärte Menschenrechtssprecherin Alev Korun bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Die Initiative wurde 2007 in Berlin gegründet und ist mittlerweile in sieben deutschen Städten, unter anderem in Köln und München, vertreten. Am 2. Mai startet Heroes außerdem in Salzburg. In Wien sei die Durchführung an der Finanzierung durch das Bildungs- und Frauenministerium in letzter Minute gescheitert, kritisierte Korun und appellierte an Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) das Projekt doch noch umzusetzen. Wir trainieren junge Männer zwischen 16 und 22 Jahren, die aus einer Kultur kommen, in der der Begriff Ehre eine große Rolle spielt, erklärte der Berliner Gruppenleiter und Theaterpädagoge Yilmaz Atmaca. Die Ausbildung dauere etwa ein Jahr, anschließend gehen die Burschen mit selbst erarbeiteten Rollenspielen an Schulen. An den Workshops nehmen sowohl Schülerinnen als auch Schüler teil. Ziel ist es, den Jugendlichen andere Perspektiven und Möglichkeiten anzubieten, den Begriff Ehre anders zu definieren und Mitmenschen nicht im Namen der Ehre zu unterdrücken, sagte Atmaca. Laut einer Evaluation, für die Schüler ein Jahr vor und ein Jahr nach Durchführung der Workshops befragt wurden, habe sich gezeigt, dass sie sich danach ganz klar gegen Frauenunterdrückung und Gewalt in der Familie ausgesprochen hätten. 16 Jahre Erziehung kann man in zwei Stunden nicht komplett infrage stellen, es ist ein langfristiges Projekt, sagte Atmaca. Wir investieren in die nächste Generation, in die Zukunft. In den Rollenspielen wird zum Beispiel eine Szene nachgestellt, in der ein junger Mann seine Schwester mit ihrem Freund in einem Kaffeehaus entdeckt. Für einen Burschen, der aus patriarchalischen Strukturen kommt, sei es inakzeptabel, dass ein fremder Mann in die Nähe ihrer Schwester kommt, so Atmaca. Damit sie beide Seiten besser verstehen lernen, wird die Schwester wird dabei von einem Burschen gespielt. Wir arbeiten mit den Menschenrechten und lehnen es ab, Fragen mit religiösen Begründungen zu beantworten, betonte Atmaca. Wichtig sei, dass die Heroes aus derselben Kultur wie die Jugendlichen, mit denen sie arbeiten, stammen, also prinzipiell verstehen, was der Begriff Ehre für sie bedeutet. Es geht um positive Vorbilder, sagte Korun. Laut Korun würden sich die Kosten für das Projekt auf 90.000 Euro belaufen. In einer Stellungnahme gegenüber der APA begründete das Bildungsministerium die Ablehnung der Finanzierung damit, dass Schüler von dem Projekt frühestens in zwei Jahren profitieren könnten. Man habe sich stattdessen für Sofortmaßnahmen entschieden und hat auch heuer wieder 600 Workshops für Respekt & Zusammenleben in der Schule bereitgestellt. Jeder zweite Lehrling ist laut einer Studie der Meinung, dass ihm im Alltag weit weniger Respekt entgegengebracht wird als Maturanten und Akademikern. Das Institut für Jugendkulturforschung hat 300 Lehrlinge in Österreich über ihre berufliche Situation befragt. Dabei zeigt sich: Die Lehrlinge sind mit ihrer Ausbildung recht zufrieden, vor allem mit jenem Teil der Lehre, der im Ausbildungsbetrieb stattfindet. 70 Prozent gaben an, sie würden wieder eine Lehre machen, und zwar im selben Beruf und im selben Betrieb. Über 80 Prozent sagten, sich im Betrieb wohl zu fühlen, 90 Prozent finden ihre Ausbilder kompetent, freundlich und nett. Demgegenüber empfinden Österreichs Lehrlinge offenbar einen Anerkennungsmissstand, wie es im Forschungsbericht ausgedrückt wird. So werfen fast 60 Prozent der Lehrlinge Österreichs Politikern vor, nur die Anliegen der Maturanten und Studierenden zu vertreten, sich aber nicht um die Anliegen der Lehrlinge zu kümmern. Jeder zweite Lehrling sei der Auffassung, dass ihm im Alltag weit weniger Respekt entgegengebracht wird, als Maturanten und Akademikern. Maßgeblich dafür ist offenbar auch die monatliche Lehrlingsentschädigung. 70 Prozent der Befragten empfinden diese als zu gering. Das Wollen verlernt Das mangelhafte Image der Lehre führt laut Institut für Jugendkulturforschung dazu, dass vor allem Kinder aus Familien mit geringer Bildungsaspiration und wenig Zukunftsoptimismus eine Lehre antreten. Kinder aus solchen Familien haben vom Lebensstart an das Wollen verlernt. Die Konsumkultur ist für sie interessanter als die Arbeitswelt. Den Glauben an den sozialen Aufstieg mittels Berufserfolg hätten sie verloren. Für die Lehrbetriebe seien solche Jugendliche ein Problem: denn sie haben oft, neben dem Mangel an arbeitsbezogenem Sozialbewusstsein, eine Vielzahl an Sozialdefiziten, heißt es in der Studie. Beides zusammen schränke den Leistungswillen und Selbstverwirklichungsoptimusmus beträchtlich ein. Betriebe würden folglich in den sogenannten war of talents ziehen, um die verbliebene Elite der Ausbildungswilligen für sich zu gewinnen. Handlungsanleitung für die Politik Zu seiner Gesellschaftsdiagnose bietet das Institut für Jugendkulturforschung eine Handlungsanleitung für die Politik. Diese lautet: 1. Gebt den Lehrlingen mehr Geld, und zwar nicht in zehn Jahren, sondern jetzt und 2. hört auf mit dem unsäglichen und unerträglichen Kult um Universitäten und andere Formen der Elitenbildung. Junge Flüchtlinge hätten "viel zu viel Freizeit" und sollten früh mit einer Lehre beginnen können, sagt der Flüchtlingsbeauftragte. Wien – Christian Konrad, Flüchtlingsbeauftragter der Bundesregierung, drängt darauf, jungen Asylwerbern eine Lehre zu ermöglichen. Unbegleitete Minderjährige, die weder Schule noch Berufsausbildung besuchen, seien ein wachsendes Problem, sagte er am Samstag in Kurier und ORF-Radio: Sie hätten viel zu viel Freizeit, weil sie schlicht nicht arbeiten dürften. Zumindest junge Menschen, die realistische Aussichten auf Asyl haben, sollten schon vor ihrer Anerkennung als Flüchtling eine Lehre beginnen können, so Konrad. Es sei unmöglich, wenn die jungen Leute ein Jahr warten müssen. Es brauche rasche Gesetzesänderungen. Der Arbeitsmarkt für Flüchtlinge war ja vergangene Woche Thema eines Gipfels von Regierung und Sozialpartnern. Um die dort deponierten Vorschläge zu bewerten, will sich die Regierung sechs Wochen Zeit lassen – zu lange nach Ansicht Konrads. Er verweist überdies auf Deutschland, wo mithilfe großer Konzerne eine regelrechte Lehrstellenoffensive gelungen sei. 98,61 Prozent der Stimmen für den 44-jährigen Niederösterreicher. Wien – Die Gewerkschaft der Lehrer an berufsbildenden mittleren und höheren Schulen (BMHS) hat einen neuen Vorsitzenden: Mit 98,61 Prozent der abgegebenen Stimmen wurde beim Gewerkschaftstag am Freitag Roland Gangl (44) von der Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) für die kommenden fünf Jahre an die Spitze gewählt. Gangl folgt damit auf den 65-jährigen Steirer Jürgen Rainer (FCG), der seit 2005 Chef der BMHS-Lehrergewerkschaft war und diesmal nicht mehr kandidiert hat. Der Niederösterreicher Gangl, der als Experte für Dienstrechtsfragen gilt, war bereits in den vergangenen zehn Jahren Rainers Stellvertreter. Beim Bundestag haben die Delegierten – neben der FCG, die die absolute Mehrheit stellt, sind das die Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) und die Unabhängigen Lehrergewerkschaftern (ÖLI-UG) – die Bundesregierung einstimmig aufgefordert, künftig ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung zu stellen, um die Jugendlichen optimal auf die beruflichen Herausforderungen vorbereiten zu können. Außerdem müssten Lehrer von administrativen Tätigkeiten entlastet und das versprochene Supportpersonal zur Verfügung gestellt werden. 'Mit Abstand größte Ausländergruppe unter Professoren. Wien – Deutsche Hochschulen setzen stark auf österreichische Professoren: 2013 waren 565 Professoren aus Österreich an ihnen beschäftigt – sie stellen damit ein Fünftel aller ausländischen Professoren an den Universitäten und Fachhochschulen und stechen Schweizer (317), US-Amerikaner (250) und Niederländer (212) klar aus, zeigt der Bericht Wissenschaft weltoffen 2015 des deutschen Bildungsministeriums. Die Anziehungskraft ist dabei wechselseitig: Allein seit dem Jahr 2010 sind laut den Uni-Wissensbilanzen knapp 400 Professoren von deutschen an österreichische Universitäten berufen worden. 9305 österreichische Studenten in Deutschland Bei den Studenten sieht es etwas anders aus: Die größte Ausländergruppe an den deutschen Hochschulen waren 2014 die 28.381 Chinesen mit einem Anteil von 13 Prozent. Österreich folgt mit 9.305 Studenten (4,3 Prozent) hinter Russland (11.126 US-Ökonom und UNO-Berater möchte, dass Unis "nach draußen gehen" – Kritik an Orientierung an Fachgrenzen und wissenschaftlichem Mainstream. Alpbach – Die Welt braucht die Universitäten – und die Hochschulen sollten sich insgesamt stärker an der Suche nach Lösungen für die dringlichen Probleme der Welt beteiligen. Das erklärte der US-Ökonom Jeffrey Sachs Mittwoch Abend in einem Vortrag bei den Hochschulgesprächen in Alpbach. Auch Wissenschafter sollten sich stärker über Fachgrenzen hinwegsetzen und sich weniger am Mainstream orientieren. Die reale Welt funktioniert etwas anders als der Uni-Hörsaal. Das hat Sachs am eigenen Leib erfahren, als ihn die bolivianische Regierung 1985 mitten in einer Wirtschaftskrise als Berater im Kampf gegen die damalige Hyperinflation engagierte. Er habe damals nicht immer gewusst, was er eigentlich tat. Zum Glück konnte ich aber helfen, erklärte Sachs. Komplexe Herausforderungen Diese Erfahrung habe ihm verdeutlicht, dass Universitäten nach draußen gehen müssen – nicht nur um Theorien zu überprüfen, sondern um ihr Wissen sinnvoll für die Gesellschaft, die Erhaltung der Umwelt, in der Medizin oder für die Verbesserung des Wirtschaftssystems einzusetzen, so der Leiter des Earth Institute an der Columbia University in New York und hochrangige Berater der Vereinten Nationen (UNO). An komplexen Herausforderungen mangle es in der Welt außerhalb der Hochschulen jedenfalls nicht: Es gehe um den Aufbau und die Umsetzung einer weltweiten Strategie für nachhaltige ökonomische Entwicklung. Bei diesem notwendigen Umbau des gesamten Systems im laufenden Betrieb, bei mittlerweile mehr als sieben Milliarden Menschen auf der Erde, brauche es jede Expertise, die man bekommen kann. Die Universitäten hätten viel davon und sollten sich auch aktiver einbringen. In dem Zusammenhang müsse man auch andere Denkansätze einbringen und sich trauen, diese vorzulegen, dabei aber so präzise wie möglich argumentieren. Seltsame Regeln Das Hervorbringen neuer Denk- und Handlungsansätze sei unter den momentanen Bedingungen jedoch nicht unbedingt die große Stärke des universitären Systems. Einerseits müssten sich Studenten oftmals vor allem daran orientieren, was die Professoren interessiert. Professoren und Jungforscher unterlägen wiederum dem ständigen Druck, Publikationen in großen Fachzeitschriften, die den Mainstream in den jeweiligen Fächern abbilden und nach seltsamen Regeln zu einem großen Teil auch selbst definieren, unterzubringen. An diesem System würden viele fachübergreifend und außerhalb der üblichen Bahnen denkende Menschen scheitern. Ich glaube, wir sollten an den wichtigen Problemen arbeiten, auch wenn sie in den Fachjournalen keinen Niederschlag finden, erklärte Sachs. Hochschulen seien wunderbare Orte, an denen sich schon seit Jahrhunderten Generationen treffen, um voneinander zu lernen und wo Forscher nahezu jede Woche Neues und Spannendes herausfinden. Es gebe gute Gründe, warum Universitäten gemeinsam mit den Religionen zu den beständigsten Institutionen der Welt zählen, so der Ökonom. Leider würde ihre Rolle von öffentlichen oder privaten Geldgebern nur allzu oft auf die Lehre reduziert. Budgetpolitik orientiere sich zu wenig an den Jüngeren, sagt Christoph Badelt, scheidender Rektor der WU Wien. STANDARD: Ihr Büro ist schon leer. Was haben Sie mit nach Hause genommen? Badelt: Fast nichts. Ich bleibe auf dem Campus und übersiedle ins Department für Sozioökonomie. Das meiste ist im neuen Büro. Ich habe dort weniger Platz, aber das bringt die neue Funktion eben mit sich. STANDARD: Ihre Zeit als Rektor war von der Debatte über die Unterfinanzierung der Universitäten geprägt. Sie schlagen Studiengebühren vor. Andere Rektoren sagen, dies sei nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Badelt: Ich sage nicht, dass man mit Studiengebühren alleine die Unterfinanzierung lösen kann. Als die Studiengebühren 2001 eingeführt wurden, stellten sie aber zum Beispiel an der WU immerhin 15 Prozent unseres Uni-Budgets. Man müsste Studiengebühren, ein Stipendiensystem und eine geregelte Studienplatzfinanzierung kombinieren. Ich würde so weit gehen, die Berufstätigkeit miteinzubeziehen. Wenn die Studierenden aus irgendeinem Grund weniger Kurse schaffen, würden sie auch weniger zahlen. STANDARD: Haben Sie dieses Konzept schon dem Wissenschaftsminister vorgeschlagen? Badelt: Ich habe es schon einer Reihe von Wissenschaftsministern vorgeschlagen. Ich weiß nicht, ob ich es auch mit Reinhold Mitterlehner besprochen habe. Im Ministerium würde darüber aber ohnehin Konsens bestehen. STANDARD: Wissenschaftsministerium und Finanzministerium sind in der Hand der ÖVP, Mitterlehner ist zudem ÖVP-Chef und Vizekanzler. Er hätte genug Einfluss, um mehr Geld aufzustellen. Badelt: Mitterlehner und sein Vorgänger Karlheinz Töchterle haben entgegen dem Budgettrend eine Budgeterhöhung für die Universitäten herausgeholt. Diese löst aber das Grundsatzproblem nicht. Im Rückblick glaube ich, dass es auch Nachteile hat, wenn das Finanz- und das Wissenschaftsressort in der Hand einer Partei liegen. Die SPÖ kann damit locker sagen, dass sie für den freien Zugang ist, und wenn mehr Geld gebraucht wird, muss man das eben zur Verfügung stellen. Das hat schon populistische Elemente. STANDARD: Wie könnte man dieses Dilemma lösen? Badelt: Strukturell haben wir das Problem, dass es leider eine wechselseitige Blockade gibt. Die ÖVP mauert bei der Gesamtschule und die SPÖ beim Uni-Zugang. Wenn man das auflösen könnte, wäre schon viel gewonnen. STANDARD: Gibt es einen Weg, um dieser ideologischen Diskussion auszuweichen? Badelt: Sie können es abwertend ideologisch oder neutraler gesellschaftspolitisch nennen. Ich habe den Eindruck, dass hier die Positionen so festgefahren sind, weil es dem anderen gegenüber ein sehr großes Misstrauen gibt. Die SPÖ glaubt, dass die bürgerliche Seite untere soziale Schichten von den Unis fernhalten will. Aufseiten der ÖVP gibt es die Fantasie, dass die SPÖ um den Preis einer naiven Gleichmacherei das Niveau an den Schulen senken will. Diese Überzeugungen sitzen tief und sind irrational. Meine Kritik an den beiden Koalitionsparteien ist, dass sie nie geschafft haben, das aufzubrechen. STANDARD: Zurück zum Budget: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass es für die Universitäten nicht mehr Geld gibt? Badelt: Natürlich ist das Budget immer Ausdruck der Schwerpunktsetzungen. Als jemand, der theoretisch selbst schon nahe dem Pensionsalter ist, sage ich, dass wir zum Beispiel eine sehr starke Orientierung an den finanziellen Interessen der Älteren haben. Die Alten haben einfach eine bessere Lobby, das sind viele Wählerstimmen. Ich beneide keinen Finanzminister, aber der Idealfall wäre eine Umorientierung. STANDARD: Sie schlagen also vor, die Pensionen zu kürzen und das Geld in die Unis zu investieren? Badelt: Man muss die Pensionen nicht kürzen, aber etwa die Zugänge erschweren. Ich verstehe nicht, warum pumperlgsunde 55-Jährige in Pension gehen können. Alleine in meiner persönlichen Umgebung kenne ich eine Menge solcher Leute. Das wird es auf Dauer nicht spielen. STANDARD: Schaut die Politik hier zu stark auf Wählerstimmen? Badelt: Ich kann natürlich leicht reden, ich muss nicht wiedergewählt werden. Persönlich glaube ich aber, dass eine geradlinige Politik, die Unpopuläres beschließt, schlussendlich vom Wähler honoriert wird. SPÖ und ÖVP haben mit einer Zweidrittelmehrheit begonnen, jetzt ist es fraglich, ob sie überhaupt noch eine Mehrheit schaffen. Die bisherige Politik der Koalition war also auch kein Erfolgskurs. STANDARD: Sie nehmen sich ein Jahr Auszeit. Was haben Sie vor? Badelt: Ich will mich neu orientieren, Dinge durchdenken und dann mit voller Kraft weitermachen. Ich habe viele Auslandsreisen geplant. Derzeit stehen Argentinien, Australien und Neuseeland auf dem Programm. Das geschieht zum Teil im Zusammenhang mit meiner Arbeit als Professor, aber ich mache auch Urlaub. STANDARD: Was ist Ihnen als Rektor Ihrer Meinung nach am besten gelungen? Badelt: Die WU ist heute eine andere als vor dreizehn Jahren. Das hat die Gesetzesänderung möglich gemacht, die Universitäten konnten autonom handeln. Wir sind internationaler, und wir sind besser, das traue ich mich in aller Arroganz zu sagen. Der neue Campus, der ein sichtbares Resultat meiner Jahre ist, ist für mich eher ein Symbol dieser Änderungen. STANDARD: Was ist Ihnen in Ihrer Amtszeit als Rektor am wenigsten gelungen? Badelt: Das Auseinanderklaffen von Budgets und Studierendenzahlen ist nicht zufriedenstellend. Ich sage das, obwohl die Wirtschaftsuniversität Wien zusätzliche Mittel bekommen hat. Aber das Grundsatzproblem, das sich aus dem mehr oder weniger ungeregelten Zugang ergibt, ist nicht gelöst. STANDARD: Als Chef der Universitätenkonferenz haben Sie sich kein Blatt vor den Mund genommen. Als heuer klar war, dass die Unis nur 615 Millionen Euro mehr für die nächsten Jahre bekommen, hat die Uniko gesagt: Es war nicht mehr drin. Wie erklären Sie sich die Zurückhaltung? Badelt: Wenn wir sagen, ein bestimmter Millionenbetrag ist zu wenig, dann denkt sich der Verhandlungspartner, dass wir unverschämt sind. Man kann nicht zu allem Nein sagen, wenn man langfristigen an einem guten Klima interessiert ist. Der frühere Finanzminister Karl-Heinz Grasser hat mir in den Budgetverhandlungen ins Gesicht gesagt: Nehmen Sie das und sagen Sie nach außen, dass Sie zufrieden sind, oder sie kriegen gar nichts. In seiner Direktheit hat Grasser das formuliert, was sich auch heute Politiker denken. STANDARD: Gibt es einen Traumjob, der Ihnen noch vorschwebt? Badelt: Ich kehre als Professor in eine privilegierte Position zurück. Das Schöne ist, dass ich die Professur immer machen kann. Wenn es andere interessante Angebote gibt, dann bin ich denen natürlich auch nicht abgeneigt. Ich bin gesund und tatkräftig und werde sicher noch viele Jahre arbeiten. STANDARD: Warum gehen Sie nicht in Pension? Badelt: Weil ich meine Arbeit liebe. Das ist die beste Vorsorge für das Alter. Solange ich nicht das Gefühl habe, dass ich den anderen auf die Nerven gehe mit dem, was ich sage und schreibe, werde ich sicher arbeiten. Ich hoffe, in meinem privaten Netzwerk genügend Leute zu haben, die mich darauf aufmerksam machen, sollte ich übersehen, dass sich dieser Zustand ändert. STANDARD: Welchen Rat geben Sie Ihrer Nachfolgerin? Badelt: Gar keinen. Ich habe mir vorgenommen, ihre Arbeit nicht zu kommentieren, und wenn, dann nur privat, wenn sie mich darum bittet. Das Letzte, was man braucht, sind ungebetene Ratschläge vom Vorgänger. Pensionsexperte übernimmt Leitung der US-Hochschule in Wien. Der Sozialwissenschafter und Pensionsexperte Bernd Marin wird neuer Direktor der Webster University in Wien. Das gab Julian Schuster, Provost der Mutter-Uni in St. Louis (USA), am Dienstag vor den Mitarbeitern der Privatuniversität bekannt. Marin tritt am 15. Oktober sein Amt an. Der 1948 in Wien geborene Wissenschafter ist erst vor wenigen Tagen als Direktor des European Centre for Social Welfare Policy and Research, das er 27 Jahre leitete, ausgeschieden. Schuster bezeichnete Marin als den bei weitem besten Nachfolgekandidaten für Arthur Hirsh, der sich nach 15 Jahren an der Webster-Spitze zurückzieht. Die Uni hat im Vorjahr ein neues Gebäude an der Wiener Praterstraße bezogen. Sie hat mehr als 500 Studenten aus aller Welt. Das Joanneum Research verglich den Status Quo der österreichischen Forschung mit jender in Schweden und Dänemark. Wien – Mehr Geld, schlankere Förderstrukturen, die Einführung einer Studienplatzfinanzierung an den Unis sowie eine Verlagerung von Studienplätzen an die Fachhochschulen empfiehlt eine Studie von Joanneum Research zur Stärkung des Forschungssystems. Für die am Donnerstag vorgestellte Untersuchung wurde der Status Quo Österreichs mit jenem der Innovation Leader Schweden und Dänemark verglichen. Generelle Erkenntnis der Studien-Autoren ist, dass Österreich nach wie vor ein Input-Problem aufweist. In anderen Worten: Das Geld fehlt. Dänemark und Schweden hätten bereits in der Vergangenheit mehr in Forschung und Entwicklung investiert. Außerdem ortet die Studie etwa in Dänemark schlankere und einheitlichere Strukturen in Bezug auf politische Zuständigkeiten für Forschung und Innovation – diese seien im Wesentlichen in einem Ministerium und zwei angeschlossenen Fördervergabestellen konzentriert. Mehr Wettbewerb Strukturell sollte die wettbewerbliche Finanzierung für Forschung deutlich an Bedeutung gewinnen, wird weiters empfohlen. Außerdem müsse Österreich mehr unternehmen, um die in Dänemark und Schweden ausgeprägte Kultur der privaten Finanzierung von Forschung und Entwicklung, insbesondere durch Stiftungen, zu implementieren – immerhin seien diesbezüglich durch das Gemeinnützigkeitspaket erste Schritte gesetzt worden. Die Finanzierung der Hochschulen müsse ebenfalls auf skandinavisches Niveau gehoben werden, betonen die Studienautoren. Außerdem brauche es institutionelle Reformen wie die Konzentration von Forschung auf eine vergleichsweise kleine Zahl von Institutionen – etwa durch eine aktive Politik der Zusammenlegung von Hochschulen wie in Dänemark. Außerdem wird eine Verlagerung von Studienplätzen von den Unis in Richtung Fachhochschulen sowie eine Verbesserung der Doktoratsausbildung etwa durch eine verstärkte Beschäftigung von Doktoranden an den Unis bzw. durch Kooperationen mit der Industrie vorgeschlagen. Im Bereich des Uni-Budgets wird die Einführung einer Studienplatzfinanzierung angeregt. Weiters konstatiert die Studie einen viel höheren Anteil der öffentlichen Forschungsfinanzierung in Österreich als in den beiden Vergleichsländern. Zur Erhöhung der privaten Mittel müsse etwa die Risikofinanzierung des Privatsektors ausgebaut werden. Aufbauend auf der Studie empfiehlt der ERA Council, das forschungspolitische Beratungsgremium des Wissenschaftsministers, eine realistische Zielsetzung bei der Forschungsstrategie – so sei etwa das Ziel einer Forschungsquote von 3,76 Prozent bis 2020 derzeit schwer realisierbar. Zwar stellt der Rat wie die Studie fest, dass das Wissenschaftssystem in Österreich im Vergleich zu den führenden Ländern unterfinanziert ist. Er empfiehlt aber keinesfalls einfach nur mehr Geld in das österreichische FTI-System zu pumpen. Gleichzeitig müssten auch Reformen angegangen werden – so sollte etwa bei den Uni-Leistungsvereinbarungen die Nichterreichung bestimmter Ziele mit finanziellen Konsequenzen für die Unis verbunden werden. Geld allein schafft keine Innovationen. Daher müssen wir die vorhandenen Strukturen optimieren und den Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Wirtschaft weiter stärken, sagte auch Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) in einer Aussendung. Die Empfehlung des Councils sieht man im Ministerium aber nur als schwer umsetzbar an: In Österreich werde im Unterschied zu Dänemark und Schweden nicht nur ein geringer Teil der Uni-Mittel über das Globalbudget in den Leistungsvereinbarungen vergeben, sondern fast die gesamten. Falls eine Studienplatzfinanzierung nicht möglich sein sollte, regt der Rat als Alternative Zugangsbeschränkungen an den Unis an: Nur das Bachelorstudium sollte dann frei zugänglich sein, für Master- und PhD-Studien gelte dann ein selektiver Zugang. Auch der Council plädiert für eine Verlagerung von Studienplätzen von Unis in Richtung FH sowie eine Bündelung von Institutionen und Fachbereichen innerhalb und außerhalb des Wissenschaftssystems und eine bessere Abstimmung von Ressourcen, Zielen und Maßnahmen. Das gilt auch für die FTI-Ressorts in den Ministerien. Die Kunsthistorikerin Elisabeth Brenner legte alle Prüfungen seit der Schulzeit mit ausgezeichnetem Erfolg ab. Graz – Mit der 1951 geborenen Kunsthistorikerin Elisabeth Brenner wird an der Uni Graz in der kommenden Woche eine Seniorstudentin sub auspiciis praesidentis – also im Beisein des Bundespräsidenten – promoviert werden. Die bei Graz ansässige pensionierte Gymnasialprofessorin für Mathematik und Englisch rekonstruierte in ihrer Doktorarbeit das ursprüngliche Zisterzienserkloster Stift Rein. Die Auszeichnung wird nur jenen Absolventen zuteil, die ihre gesamte Ausbildung von der Oberstufe über die Matura bis hin zum Studium stets mit ausgezeichnetem Erfolg absolviert haben. Außerdem darf die Durchschnitts-Studiendauer nicht überschritten werden. Aus Sicht von Rektorin Christa Neuper sind die akademischen Spitzenleistungen der Promovierenden ein eindrucksvolles Beispiel für erfolgreiches lebenslanges Lernen. Universitäten seien Orte der Forschung sowie der Aus- und Weiterbildung, und das gilt selbstverständlich auch für Studierende in der zweiten Lebenshälfte, von deren Begeisterung und Wissensdurst die hohen Schulen enorm profitieren, sagte Neuper am. Die spätberufene Kunsthistorikerin Brenner wurde 1951 im oberösterreichischen Gmunden geboren, ging dort zur Schule und studierte in Salzburg Mathematik, Anglistik und Amerikanistik. Elisabeth Brenner war jahrelang Lehrerin für Mathematik und Englisch an Gymnasien in der Obersteiermark und in Graz, bis sie 2004 in den vorzeitigen Ruhestand versetzt wurde. Ein Jahr später begann sie mit dem Studium der Kunstgeschichte, das sie jüngst mit einer Dissertation über die romanischen Ursprünge des nördlich von Graz gelegenen Zisterzienserstiftes Rein abgeschlossen hat. Die neue Doktorin wird die Auszeichnung – einen Ehrenring, dessen Siegelplatte das Bundeswappen sowie die Inschrift sub auspiciis Praesidentis enthält – am 10. Dezember in der Aula der Universität Graz entgegennehmen. 64 Jahre alte Steirerin unterrichtete Mathematik, Englisch und Tanz, bevor sie sich der Kunstgeschichte zuwandte. Graz – Eine 64 Jahre alte Steirerin ist am Donnerstag an der Universität Graz mit einer Promotion unter den Auspizien des Bundespräsidenten ausgezeichnet worden. Die spätberufene Kunsthistorikerin Elisabeth Brenner war früher Gymnasialprofessorin für Mathematik und Englisch – und hat unter anderem ORF-Dancing Stars-Profi Willi Gabalier im Turniertanz unterrichtet. Wer sub auspiciis praesidentis rei publicae promoviere, habe einen schon ganz außergewöhnlichen Lebensweg und ganz strenge Erfordernisse hinter sich gebracht, betonte Bundespräsident Heinz Fischer in seiner Ansprache und beglückwünschte die neue Doktorin für ihre Leistungen. Ihre Freude über den Erfolg einer Frau, die ihren beruflichen Werdegang schon hinter sich, aber noch viel vor hat, zeigte Rektorin Christa Neuper: Die Universität Graz versteht sich als Bildungspartnerin für alle Generationen. Wir wollen Interessierte ein Leben lang begleiten – von niederschwelligen Angeboten bis zu solchen für den harten Kern, so die Rektorin. Für die Uni Graz war es die erste Promotion einer Studierenden 60 plus. Zurzeit zähle die Universität Graz an die 230 Senioren als Studierende. Beliebteste Fächer seien die Kunstgeschichte, aber auch Geschichte, Philosophie oder die Rechtswissenschaften. Die neue Doktorin der Kunstgeschichte wurde 1951 im oberösterreichischen Gmunden geboren, ging dort zur Schule und studierte in Salzburg Mathematik, Anglistik und Amerikanistik. Danach war Elisabeth Brenner bis 2004 als Lehrerin für Mathematik und Englisch an Gymnasien in der Obersteiermark und in Graz tätig. Die Folgen einer Erkrankung zwangen die Gymnasialprofessorin in den vorzeitigen Ruhestand und sie bedeuteten auch ein Ende ihrer Tanztrainertätigkeit, die sie seit 1988 ausübte. Ein Tänzer brachte sie dann allerdings zur Kunstgeschichte. Sie wurde von einem ihrer Schüler – Willi Gabalier, der an der Uni Graz mittlerweile ebenfalls ein Kunstgeschichtestudium absolviert hat – zu einer Vorlesung an die Uni Graz mitgenommen. Ich wusste schon nach kurzer Zeit, dass das das Richtige für mich ist, so Brenner im Gespräch mit der APA. Ihr Studium hat Brenner mit einer Dissertation über die romanischen Ursprünge des nördlich von Graz gelegenen Zisterzienserstiftes Rein abgeschlossen. Der Verhaltensforscher und Nobelpreisträger habe nationalsozialistisches Gedankengut verbreitet. Salzburg – Die Universität Salzburg hat dem Verhaltensforscher und Medizinnobelpreisträger Konrad Lorenz die Ehrendoktorwürde aberkannt. Lorenz habe aktiv nationalsozialistische Ideologie verbreitet und das im Verfahren zur Verleihung des Ehrendoktorats 1983 verschwiegen, begründete die Universität ihre Entscheidung. Neben Lorenz wird auch dem deutschen Wirtschaftsrechtler Wolfgang Hefermehl aus demselben Grund die Ehrendoktorwürde aberkannt. Der 1989 gestorbene Lorenz war Mitglied der NSDAP, führte erbbiologische Studien im besetzten Polen durch und vertrat die Rassenlehre. Durch die Hervorhebung der Ausmerzung bzw. Auslese als wesentlicher Maßnahme für das Überleben der Menschheit und ihrer Verbindung mit dem Rassismus und der nordischen Bewegung als Grundlage des Staates verbreitet Lorenz wesentliche Elemente der rassistischen Ideologie des Nationalsozialismus, heißt es in der Begründung. Dieser Umstand lasse Lorenz als unwürdig erscheinen, als Ehrendoktor der Uni Salzburg geführt zu werden. Hefermehl machte Karriere bei der SS: Ab 1934 war er SS-Sturmführer, seit 1941 SS-Obersturmführer, 1942 erfolgte die Einberufung zur Waffen-SS. Literarisch habe er sich bei der Formulierung von Kernelementen der nationalsozialistischen Arisierungsgesetzgebung als Landgerichtsrat im Justizministerium führend beteiligt. Hervorzuheben ist nach Ansicht des Uni-Senats der Aufsatz Die Entjudung der deutschen Wirtschaft in der Zeitschrift Deutsche Justiz 1938, in dem er Berufsverbote für Juden und Zwangsarisierungen forderte. Die Universität Salzburg hat als erste österreichische Uni im Jahr 2014 eine gründliche Untersuchung hinsichtlich einer nationalsozialistischen Belastung geehrter Persönlichkeiten eingeleitet. Die Aberkennungen sind die ersten konkreten Konsequenzen. Im Oktober 2014 hat die Universität bereits dem ehemaligen Leiter des Naturkundemuseums Haus der Natur und Träger des SS-Totenkopfrings, Eduard Paul Tratz, die 1973 verliehene Ehrendoktorwürde aberkannt. Weitere Aberkennungen könnten folgen. Die Überprüfung der Verstrickung von durch die Universität Geehrten in nationalsozialistisches Unrecht wird fortgesetzt und soll 2016 abgeschlossen werden. Danach werde die Studie veröffentlicht. Die Universität habe etliche aus heutiger Sicht falsche Entscheidungen über die Zuerkennung von Ehrungen an Personen mit nationalsozialistischer Vergangenheit getroffen, erklärte der Universitätssenat im Einvernehmen mit dem Rektorat. In den Verfahren sei die Verstrickung mit dem Nationalsozialismus niemals thematisiert worden, systematische Auslassungen zu den Jahren 1933 bis 1945 in den Lebensläufen vieler Gelehrter seien hingenommen und nicht hinterfragt worden. Durch diese Praxis hat sich die Universität selbst mit Schuld beladen, indem sie nämlich einer Kultur des Verschweigens, Vergessens und Verdrängens Vorschub geleistet hat, heißt es in dem Beschluss. Schritt der Uni Salzburg für Naturschutzbund "international diffamierende Schande". Salzburg – Der Österreichische Naturschutzbund (ÖNB) hat in einer Stellungnahme gegenüber dem ORF Salzburg die Aberkennung der Ehrendoktorwürde des Biologen Konrad Lorenz durch die Universität Salzburg als international diffamierende Schande kritisiert. Demnach sei der Widerruf ein geradezu lächerlicher Versuch einen österreichischen Wissenschafter und Nobelpreisträger zu disqualifizieren. Lorenz – übrigens langjähriger Ehrenpräsident des Naturschutzbundes – hätte einen wesentlichen Beitrag für das Österreich der Nachkriegszeit gebracht. Er selbst habe sich mutig und fachlich versiert für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt eingesetzt, schrieb der ÖNB. Die Abwehr des Kernkraftwerkes Zwentendorf und die Erhaltung der Donauauen seien nur zwei Beispiele dafür in Österreich, erklärte der Naturschutzbund in seiner Stellungnahme. Die Universität Salzburg hatte dem Verhaltensbiologen Lorenz im Dezember das im Jahr 1983 verliehene Ehrendoktorat aberkannt, weil er aktiv Elemente der rassistischen nationalsozialistischen Ideologie verbreitet hätte. (2.1.2016) Ein Motivationsschreiben und ein Gespräch entscheiden über die Zulassung zur Sigmund-Freund-Universität. Wer keine guten Noten hat, fliegt raus: Dieses Prinzip gilt an der Sigmund-Freud-Privatuniversität (SFU) in Wien auch für Lehrende. Sie müssen sich laufenden Beurteilungen durch die Studierenden stellen. Abschreckend dürfte das nicht wirken, laut SFU-Rektor Alfred Pritz gibt es reges Interesse von Juristen aus Akademia und Praxis, die ab Herbst am neuen Jus-Bachelorzweig der SFU arbeiten möchten. Wir können uns vor Anfragen nicht retten, sagt Pritz. Das dürfte auch an den Gehältern liegen, die etwas höher seien als an öffentlichen Unis. Höher sind auch die Studienkosten. 8.000 Euro pro Semester, also insgesamt 48.000 Euro müssen Studierende zahlen, um ein elitäres Betreuungsverhältnis zu erhalten. Auf jeden Lehrenden kommen hier nur drei Studierende – im Durchschnitt der österreichischen Unis sind es 16,9 Studenten pro Lehrkraft. Pro Studienjahr werden nur 50 Studierende aufgenommen, über die Zulassung entscheiden ein Motivationsschreiben und ein klärendes Gespräch. Sechs Semester dauert das Studium, das auch berufsbegleitend belegt werden kann. Ob danach ein Masterabschluss an der SFU möglich ist, der ja Voraussetzung wäre, um etwa Anwalt, Richter oder Notar zu werden, ist nicht fix. Er rechne aber damit, in einem Jahr als Anbieter akkreditiert zu sein, sagt Pritz. Staatsrechtler Bernd-Christian Funk, langjähriger Professor für Staats- und Verwaltungsrecht am Wiener Juridicum, ist nach seiner Emeritierung von der öffentlichen Uni nun interimistischer Dekan des privaten Studiums. Er weiß, dass es an staatlichen Unis angesichts der hohen Studierendenzahl und der damit nicht mithaltenden Finanzierung schwierig ist, qualitativ hochwertig betreuen zu können. Der Bachelor an der SFU unterscheide sich von den insgesamt fünf öffentlich angebotenen Jusstudien – mit Wirtschaftsrecht an der WU Wien sind es sogar sechs – auch in der inhaltlichen Konzeption, sagt Vizerektorin Jutta Fiegl: Die Studierenden würden nicht nur Rechtswissenschaft lernen, sondern auch Kommunikationsstrategien und Persönlichkeitsentwicklung. Es ist wichtig für künftige Juristen zu erkennen, dass der Weg zum Gericht die ultima ratio sein sollte, meint auch Funk. Ein verpflichtendes Praktikum und ein hoher Anteil von Praktikern an den Lehrenden sollen für einen weniger theorielastigen Charakter sorgen. Auch ein Quereinstieg weg von anderen Unis sei möglich. Was anrechenbar ist, wird angerechnet, sagt Pritz, das gelte auch für Auslandsstudien. Unter den Lehrenden des Jus-Bachelors finden sich mehrere bekannte Namen wie die frühere Richtervereinigungspräsidentin und Leiterin der Wilhelminenberg-Kommission, Barbara Helige, die Politikwissenschafterin Kathrin Stainer-Hämmerle, der Rechtssoziologe Arno Pilgram und der Rechtsanwalt Leopold Specht. Verträge würden teilweise unbefristet abgeschlossen, Kündigungen seien dennoch möglich. Was den Andrang an Bewerbern für das Studium betrifft, sagt Pritz: Wir hoffen, dass sich 50 dafür interessieren. Wenn es mehr sind, freuen wir uns. Vor Themen, die nicht seine sind, hat der in Wien tätige Ghostwriter Pierre Guerchon keine Scheu. Sein Geld verdient er damit, dass manche ihren wissenschaftlichen Ehrgeiz aufgegeben haben. Wien – Die Frage, ob seine Arbeit fragwürdig oder gar unmoralisch sei, habe auch er sich oft gestellt, sagt Pierre Guerchon*. Beantworten sollte er sie aber erst am Ende eines längeren Gesprächs. Er bestellt einen Espresso, zwei weitere folgen noch. Ein schlanker, nicht sehr großer Mann mit dunklen Locken im schwarzen Rollkragenpulli. Guerchon, 26 Jahre alt, gebürtiger Franzose, ist Ghostwriter. Das heißt: Er schreibt akademische Arbeiten für jene, die sie nicht selbst schreiben wollen – aus welchen Gründen auch immer. Saoirse Whitman ist sein Pseudonym. Whitman nach dem US-amerikanischen Dichter Walt Whitman, Saoirse ist Irisch und bedeutet Freiheit, sagt Guerchon und zieht an seiner Zigarette. Man merkt ihm an, dass er nichts willkürlich tut. Er denkt scheinbar viel nach, will mehr erfahren, mehr von der Welt, mehr über sein Gegenüber. Aber jetzt soll er einmal von sich selbst erzählen, auch das fällt ihm nicht schwer. Angefangen hat alles im Bekanntenkreis. Einmal habe er seiner Mitbewohnerin bei einer Hausübung geholfen, ein zweites Mal bei einer Seminararbeit. Nach einiger Zeit bedeutete helfen dann: Schreib es für mich!, sagt Guerchon, der seine Doktorarbeit an einer französischen Uni schreibt. Und so haben wir es schließlich gehandhabt, weil es einfach schneller ging. Mit der Zeit hätten ihn Freunde der Mitbewohnerin um Hilfe gebeten, da hat der Doktorand begonnen, für seine Arbeit Geld zu nehmen. Anfangs waren es 7,50 Euro pro Seite, das hat sich kaum ausgezahlt. Mittlerweile verlangt er zehn. Im Vergleich: Bei größeren Agenturen zahlt man das Vier- bis Zehnfache. Gefragt, wie viel er im Monat verdient, sagt er: vielleicht neuf cent Euro, 900 Euro. Damit könne man in Wien gut durchkommen, meint Guerchon, der zuletzt in Paris gelebt hat. Sein Kundenkreis erweitert sich stetig, durch Weiterempfehlungen, aber auch durch Online-Inserate. In denen steht dann etwa: Ich helfe beim Verfassen und Redigieren von Magisterarbeiten. Das ist wie ein Code, jeder weiß, was damit gemeint ist, sagt Guerchon, der in Frankreich Geopolitik studiert hat. Für andere geschrieben hat er bereits in Soziologie, Politikwissenschaft, Geschichte und Psychologie. So beeindruckend die Bandbreite erscheint, so üblich ist es in der Branche, Arbeiten in Fächern zu schreiben, die man nie studiert hat. Wissenschaft ist wie Brot backen. Der Teig ist immer derselbe, danach fügt man unterschiedliche Zutaten hinzu. Dissertationen schreibt Guerchon, der perfekt Deutsch spricht, nicht. Am liebsten, sagt er, seien ihm Masterarbeiten. Das sind im Gegensatz zu Hausübungen oder Seminararbeiten schon Forschungen. Das heißt, ich muss überlegen und analysieren und nicht nur zusammenfassen oder beschreiben. Dass er auf seine Arbeiten fast nur Sehr gut bekommt, macht ihn sichtlich stolz. Der 26-Jährige scheint überzeugt, das System Wissenschaft zu bereichern – eher jedenfalls als seine Kunden, die meist wenig Ahnung und keinen Respekt vor wissenschaftlichem Arbeiten hätten. Auf Beschwerden oder Änderungswünsche gehe er daher auch nicht ein. Wenn sie sagen: Nimm doch diese Theorie, schreib das anders, sage ich: Mach es doch selbst. Am liebsten ist ihm, wenn er durch die Auftragsarbeiten selbst dazu lernt. Dazuzulernen, das war auch der Grund, aus dem er sich nach seiner Ankunft in Wien vor eineinhalb Jahren für sein bereits zweites Masterstudium inskribieren wollte. Im Fach Geografie. Von der Universität Wien kam eine Absage. Seine bisherigen Studienabschlüsse könnten wegen mangelnder Vergleichbarkeit nicht anerkannt werden, hieß es. Das löste Wut aus, eine Wut, die heute immer noch da ist. Solch einem System gegenüber müsse man nicht ehrlich sein, sagt Guerchon. Wie viele Ghostwriter in Österreich tätig sind, dazu gibt es keine gesicherten Zahlen. Das deutsche Magazin Zeit Campus hat für den Ghostwriter-Report akademische Ghostwriter um eine Einschätzung gebeten. Die Angaben lagen im Schnitt bei 50 Vollzeitghostwritern in Österreich, Deutschland und der Schweiz. Was Pierre Guerchon nach Abschluss seiner Doktorarbeit plant? Ich möchte mir einen richtigen Job suchen, sagt der junge Mann, der anonym bleiben will, weil er Angst hat, Ghostwriting könnte seiner Karriere schaden. Ältere Studierende können künftig mehr Geld bekommen – der ÖH ist dieser Schritt zu wenig. Wien – Zumindest ein wenig mehr Geld soll es künftig für Österreichs Studierende geben. Das Wissenschaftsministerium will das Beihilfensystem anpassen. Das passiert auf Anraten der Arbeitsgruppe Soziale Absicherung Studierender in der Hochschulkonferenz, die sich die Verbesserung der sozialen Ausgewogenheit des Studienförderungssystems zum Ziel gesetzt hat. Geplant ist etwa eine Reihe an Verbesserungen für ältere Empfänger von Studienbeihilfen. Beihilfenempfänger über 27, die noch bei den Eltern wohnen und bisher maximal 475 Euro monatlich bekommen haben, sollen künftig die höchstmögliche Studienbeihilfe von 679 Euro monatlich bekommen. Das betrifft rund 350 Personen. Hinzu kommt für alle Beihilfenbezieher über 27 Jahre ein jährlicher Zuschlag von 360 Euro – das sind etwa 30 Euro im Monat. Alle in dieser Altersgruppe werden daher künftig bis zu 8508 Euro im Jahr beziehen können. Von der Maßnahme werden laut Wissenschaftsministerium rund 10.000 Studierende profitieren. Wir nutzen die vorhandenen Spielräume, um die finanzielle Situation der Studierenden zu verbessern, sagt Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP): Nach den Erleichterungen für Personen mit Kindern stehen nun die älteren Studierenden im Fokus. Erstmals soll auch das Freiwillige Soziale Jahr in die vierjährige Selbsterhalterzeit einberechnet werden. Soziales Engagement unserer Studierenden darf kein Nachteil für ein Selbsterhalterstipendium sein, sagt Mitterlehner zum UniSTANDARD. Die inhaltlichen Arbeiten zu den neuen Regelungen sind bereits gestartet, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Geplant ist, dass die Regelungen schon Mitte März in Begutachtung gehen und ab kommendem Wintersemester gelten. Kostenpunkt: rund fünf Millionen Euro pro Jahr. Der Betrag soll durch eine bessere Mittelverwendung und zurück gezahlte Beihilfen finanziert werden. Der Österreichischen Hochschülerschaft gehen die Vorschläge aber noch nicht weit genug. Es müsse die Bemessungsgrundlage für die Beihilfen – das Einkommen der Eltern – endlich an die Inflation angepasst werden, sagt Magdalena Goldinger , Generalsekretärin der ÖH-Bundesvertretung. Denn dies sei seit 1994 nicht mehr passiert. Dafür würden allerdings die Mittel fehlen. Natürlich sind es Verbesserungen für Studierende. Das sind Nettigkeiten, die leider nur wenige Studierende treffen, sagt sie zum UniSTANDARD. Das Beihilfensystem in der jetzigen Form sei nicht mehr zeitgemäß. Es nehme keine Rücksicht auf die neue Situation von Studierenden. Diese würden nun länger studieren, während des Studiums arbeiten. Dies müsse bei einer richtigen Reform alles berücksichtigt werden, sagt Goldinger. Bei Leistungsvereinbarung ab 2018 müsste Steigerung "etwas höher ausfallen", sagt Tilmann Märk. Wien – Der Rektor der Universität Innsbruck, Tilmann Märk, geht mit seinem vom Universitätsrat einstimmig abgesegneten Team in die nächste Rektoratsperiode, die 2020 enden wird. Die vergangenen vier Jahre seien sehr erfolgreich gewesen, sagte Märk am Donnerstag bei einer Pressekonferenz in Innsbruck. Dies würden die Zahlen und Indikatoren belegen, etwa seien die Drittmittel auf 50 Millionen Euro gestiegen. Im Jahr 2003 lagen sie noch bei zehn Millionen Euro . In den vergangenen zwölf Jahren haben sie sich somit verfünffacht, erklärte er. Und Drittmittel würden immer wichtiger, um kompetitiv mit anderen Universitäten bestehen zu können. Märk zeigte sich abermals mit der jüngst ausverhandelten Leistungsvereinbarung für den Zeitraum von 2016 bis 2018 zufrieden: Wir haben entsprechend abgeschnitten. Und immerhin habe man erreicht, dass der Status quo ohne Einsparungen gehalten werden könne, was davor nicht immer möglich gewesen sei, so der Rektor. Für die darauffolgende Periode brauche es jedoch eine Steigerung, die etwas höher ausfallen sollte, meinte Märk, wiewohl er zu bedenken gab, dass es freilich eines Blickes in die Zukunft bedürfe. Denn schließlich sei es etwa von der Zahl der Studierenden oder der Inflation abhängig. Sollte es keine höhere Steigerung geben, müssten dann wohl Einsparungen vorgenommen werden. Auf die Frage, ob dafür auch weitere Zugangsbeschränkungen infrage kommen könnten, meinte der Rektor: Ein freier Hochschulzugang ist ein hohes Gut, würde man das ändern wollen, müsste man über die Gesamtsituation reden. Die Zahl der Studierenden stieg an der Leopold Franzens Universität zuletzt auf rund 28.500, die Zahl der Absolventen lag bei knapp 4.000 pro Jahr. Zudem sei die Innsbrucker Universität international, schließlich kommen rund 40 Prozent der Wissenschafter und Studenten aus dem Ausland. Als fünf wichtige Ziele für die kommende Rektoratsperiode nannte Märk die Absicherung der Spitzenposition der Uni Innsbruck in Österreich, eine weitere Hebung der Qualität in Forschung und Lehre, die Aufwertung der Lehre, den Ausbau der Infrastruktur sowie die Absicherung der Finanzierung. Der UNISTANDARD hat sich die Bildungspolitik hinter den Menschen im Rennen um die Hofburg angesehen. Wien – Die großen im Nationalrat vertretenen Parteien haben ihre Kandidaturen für die Bundespräsidentschaftswahl bekannt gegeben. Es-Sozialminister Rudolf Hundstorfer geht für die SPÖ ins Rennen, die ÖVP schickt Seniorenbund-Obmann Andreas Kohl und die FPÖ fährt mit dem dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer auf. Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen will als unabhängiger Kandidat zum Bundespräsidenten gewählt werden. Ebenso Irmgard Griss, ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofes. Ob und wieso es die Kandidaten an eine Hochschule verschlagen hat, mit welchen Hürden sie zu kämpfen hatten und mit welchen Arbeiten sie die Uni wieder verlassen haben, hat der UNISTANDARD erfragt. Ein Hochschulstudium hat der Sozialdemokrat Rudolf Hundstorfer nicht gemacht. Aus einfachen Verhältnissen stammend, sei es nicht leicht gewesen, eine gute Ausbildung zu erlangen. Dennoch habe ich den sogenannten sozialen Aufstieg geschafft, darauf bin ich stolz, sagt er. Aus der Ausbildung als Bürokaufmann habe er aber mitgenommen, strukturiert zu arbeiten. Im Bildungsbereich will sich Hundstorfer für eine bessere Grundausbildung einsetzen. Als Arbeits- und Sozialminister hat er die Ausbildungspflicht bis 18 Jahre auf den Weg gebracht. Das war mir sehr wichtig, sagt er. Ein Anliegen ist ihm die Chancengleichheit für alle: Jeder und jedem sollte der Zugang zur Hochschule möglich sein. Der Mensch stehe im Staat im Mittelpunkt und habe seine Lehren aus den Gräueln des Nationalsozialismus und Kolonialismus gezogen – eine Erkenntnis, die Andreas Khol (ÖVP) in seinem Studium gewonnen hat. In seiner Habilitationsschrift befasste sich Khol mit dem internationalen Menschenrechtsschutz. Für das Amt als Bundespräsident habe er aber auch Sprachkenntnisse in Englisch und Französisch, Wissen in puncto Völkerrecht und Verfassungsrecht aus dem Studium mitgenommen: Das sind essenzielle Grundlagen für die Aufgaben des Bundespräsidenten, sagt Khol. Gewinnt er das Rennen um die Hofburg, will er sich für einen möglichst individualisierten und personalisierten Studienablauf starkmachen. Die HTL für Flugtechnik beendete der Freiheitliche Norbert Hofer mit einer Arbeit über die Konstruktion und die aerodynamische Berechnung eines Motorflugzeugs und der thermodynamischen Berechnung eines vierzylindrigen Kolbentriebwerks. Ich habe mich schon immer für das Fliegen begeistert, sagt Hofer. Die Ausbildung stelle ein starkes Fundament für das gesamte Leben dar. Wesentlichster Punkt ist für Hofer die Durchlässigkeit des gesamten Bildungssystems und die Sicherung von Ausbildungs- und Studienplätzen in Österreich. Es sei nicht hinzunehmen, dass durch Numerus-clausus-Opfer talentierte Menschen in Österreich keinen Studienplatz zur Verfügung gestellt bekommen. Seine Diplomarbeit schrieb Alexander Van der Bellen (Grüne) über staatliche Fonds, es folgte die Dissertation und die Habilitation in mathematischer Auswahlfunktionen und gesellschaftlichen Entscheidungen. Vereinfacht gesagt, geht es dar um, wie eine Gesellschaft zu Entscheidungen kommt, so Van der Bellen. Gelernt hat er daraus nicht nur für den Wahlkampf, sondern auch, dass das Zusammenwirken von Staat und Wirtschaft sehr komplex und wichtig ist für eine Gesellschaft. Ab dem dritten Studienjahr musste er sich das Studium selbst finanzieren. Eine Hürde war zudem, dass er für die Habilitation spezifische Gebiete der Mathematik nachholen musste. Ohne die hätte ich die Fachliteratur nicht lesen können. Als Juristin musste Irmgard Griss erst keine Abschlussarbeit schreiben. Sie hängte aber einen Master an der Harvard Law School an das Studium der Rechtswissenschaften an und beendete es mit einer Arbeit über internationales Privatrecht. Ihr Fokus lag dabei auf Rechtsvergleichung. Das hat mich schon immer sehr interessiert, da man dadurch auch das eigene Recht besser versteht, sagt Griss. Dadurch habe sie auch gelernt, ein Rechtsgebiet neu zu denken. Diese Offenheit könne sie auch für das Amt der Bundespräsidentin nutzen. Sollte Griss in der Bildungspolitik künftig mitmischen, würde sie sich an erster Stelle für Chancengleichheit einsetzen – mit einem fairen und großzügigen Stipendiensystem etwa. Bei FHs umgekehrt – Forschungs- und Wissenstransfer-Spitzenwerte für TU Wien – Internationale Ausrichtung in Österreich fast durchgehend gegeben. Wien – Die österreichischen Unis sind in den Bereichen Forschung und internationale Orientierung tendenziell gut aufgestellt, schneiden aber bei der Lehre eher schlecht ab. Das zeigt das neue, von der EU initiierte Hochschulranking U-Multirank, das am Montag veröffentlicht wurde. Das Ranking kommt dabei ohne Rangliste aus, zahlreiche Teilbereiche in vielen Fächern werden im Schulnotensystem bewertet. Insgesamt wurden die Leistungen von 1.300 Hochschulen weltweit in fünf Teilbereichen (Forschung, Lehre, Wissenstransfer, internationale Orientierung und regionales Engagement) mittels 31 Indikatoren im Schulnotensystem bewertet. Die meisten Indikatoren wurden anhand öffentlich zugänglicher bibliometrischer Daten berechnet, andere wurden von den Unis bereitgestellt – deshalb scheinen etwa fast alle britischen und US-Unis bei manchen Indikatoren nicht auf: Sie lieferten keine Daten. Aus Österreich waren die Unis Wien, Graz, Innsbruck, Salzburg und Linz, die Medizin-Unis Wien, Graz und Innsbruck (letztere nur mit öffentlichen Daten) sowie die beiden Technischen Universitäten (TU) Wien und Graz, die Wirtschaftsuniversität (WU) und die Universität für Bodenkultur (Boku), die private Modul University und vier Fachhochschulen (IMC Krems, Wiener Neustadt, Kärnten, Kufstein) mit dabei. Alle erreichten in irgendeiner Kategorie ein A (sehr gut), umgekehrt setzte es auch zahlreiche E (schwach). Bei der Lehre schnitten etwa die Fachhochschulen (vor allem Krems und Wr. Neustadt) recht gut ab. Anders die Unis: Vor allem die TU Wien und die Uni Graz stachen negativ hervor. Gemessen wurde dabei vor allem der Prozentsatz der Studienanfänger, die ihr Studium überhaupt bzw. in der vorgesehenen Zeit absolvierten. Umgekehrt war die Lage bei der Forschung: Hier ließen die Bewertungen der FH zu wünschen übrig, dafür erhielt die TU Wien in allen Kategorien nur As oder Bs. Auch beim Wissenstransfer (z.B. Drittmittel, Patente, Spin-Offs) verzeichnete die TU Wien in fast allen Bereichen Spitzenwerte, gute Bewertungen erzielte auch die TU Graz. Umgekehrt kassierte die Modul University in allen bewerteten Wissenstransfer-Bereichen ein E, mehr Schatten als Licht gab es auch für die Uni Wien und die WU. Durchwegs gute Noten setzte es dagegen bei der internationalen Orientierung (z.B. Studentenmobilität, internationales Personal): Hier scorte die Modul University wiederum durchgehend Bestnoten – gleiches gilt für das IMC Krems. Schwäche der heimischen Hochschulen in diesem Bereich: Es gibt nur vereinzelte fremdsprachige Bachelor-Programme, die meisten erhielten hier nur ein E. Ohne Berücksichtigung der nicht gewerteten Indikatoren, erhielten die meisten A-Wertungen, nämlich jeweils elf, die Uni Linz und die Universität für Bodenkultur (Boku), gefolgt von der TU Wien (10), der Uni Innsbruck und der TU Graz (jeweils 9), sowie der Uni Graz, den Medizin-Unis Graz und Wien und der FH IMC in Krems (jeweils 8). Bei den E-Wertungen rangieren die österreichischen Unis zwischen den Unis Wien und Innsbruck (jeweils 1) und der WU-Wien (5). Mit dem unter Federführung des Center for Higher Education Policy Studies (CHEPS) in den Niederlanden und des deutschen CHE Centrum für Hochschulentwicklung konzipierten U-Multirank sollen Hochschulen differenzierter bewertet werden: Verglichen werden sie dazu multidimensional, also in den verschiedenen Leistungsbereichen: Dadurch soll man jene Aspekte vergleichen können, die am meisten interessieren. Daher wird auch kein Gesamtwert über einzelne Indikatoren hinweg errechnet und keine beste Hochschule oder die besten 100 Hochschulen gekürt. Die Daten stammen von den Hochschulen, aus internationalen bibliometrischen und Patentdatenbanken sowie aus Studentenbefragungen. 57 Prozent der verglichenen Hochschulen sind aus Europa, 16 Prozent aus Nordamerika, 18 Prozent aus Asien und neun Prozent aus dem Rest der Welt. Ganz ohne Ranking kommt aber auch das U-Multirank nicht aus, mit der Veröffentlichung bereitgestellt wurden Top-25-Listen in ausgesuchten Bereichen. Hier kommt etwa die FH Wr. Neustadt sogar einmal auf den Spitzenrang – nämlich beim Prozentsatz der Forschungs-Publikationen mit mindestens einem ausländischen Co-Autor. Knapp dahinter liegen die Uni Liechtenstein sowie Hochschulen aus Saudi-Arabien und Katar. Nötige Zusatzmittel für nächste Leistungsvereinbarungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Wien – Herb enttäuscht ist die Universitätenkonferenz vom neuen Finanzrahmen. Die für die Unis nötigen Mittel von rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich für die Jahre 2019 bis 2021 seien darin nicht berücksichtigt, sagte Uniko-Präsidentin Sonja Hammerschmid am Freitag. Nötig seien sowohl mehr Professuren als auch Mittel für Geräte, den Wissenschaftsfonds FWF und eine Teuerungsabgeltung. Wir haben seit längerer Zeit gehofft, dass wir mit unseren Themen auch Berücksichtigung finden, betonte Hammerschmid. Der Herr Wissenschaftsminister hat bei unserem Neujahrsempfang ja auch gesagt, er hat es intellektuell begriffen, worum es geht. Daher habe man sich erwartet, dass die Berechnungen der Uniko im Finanzrahmen auch abgebildet seien. Bildung nicht so hoch geschätzt Bei entsprechendem Willen wären Zusatzmittel auch durchaus möglich, argumentierte die uniko-Präsidentin: Beim Thema Sicherheit hat man ja gesehen: Prioritäten können gesetzt werden und werden auch gesetzt – manchmal auch sehr spontan und kurzfristig aus der Situation heraus. Offenbar schätze man aber Bildung, Wissenschaft und Forschung nicht hoch genug ein. Bei der Sicherheit fließen aus dem Ärmel geschüttelt gleich mehrere Milliarden heraus. Den Löwenanteil des Mehrbedarfs der Unis macht mit 540 Millionen Euro eine Teuerungsabgeltung (zum Beispiel Inflation bzw. Lohnerhöhungen) aus. Mit 465 Millionen Euro beziffert die uniko 1.025 zusätzliche Professuren zur Verbesserung der Lehrbedingungen, 240 Millionen Euro entfallen auf zusätzliche Reinvestitionen in die Geräteinfrastruktur. Mit 80 Millionen Euro müsse die derzeit schlechte FWF-Dotierung bei Overheadkosten und Doktorandenkollegs ausgeglichen werden, weitere 210 Millionen Euro sollen in FWF-Exzellenzcluster fließen. Noch ausgeklammert seien dabei Raum- und Gebäudekosten, so Hammerschmid. 500 Millionen pro Jahr fehlen Es geht uns um 500 Millionen Euro pro Jahr ab 2019. Und die stehen in den Finanzrahmen nicht drinnen, kritisierte Hammerschmid. Abgebildet seien lediglich der Klinische Mehraufwand an den Medizin-Universitäten bzw. der Medizinfakultät der Uni Linz sowie ein Spezialprojekt (Zentrum für Stammzellforschung am Institut für Molekulare Biotechnologie/IMBA). In diese Berechnungen einbezogen wurden bereits die Einführung von flächendeckenden Zugangsregeln. Ich kann nicht von einer kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung sprechen und die Zugänge offen halten, so Hammerschmid. Das geht sich nicht aus. Man wolle sich endlich auch international üblichen Betreuungsverhältnissen annähern – das seien über alle Studien gerechnet 40 prüfungsaktive Studenten pro Professur bzw. äquivalenter Stelle. Ohne die Zusatzmittel müsse man sich große Restrukturierungsmaßnahmen einfallen lassen, betonte die uniko-Präsidentin. Im Extremfall bedeute das ein Zurückfahren der Personalkapazitäten und am Ende des Tages auch Kündigungen – je nach dem Paket, das dann tatsächlich kommt. Für die Studenten resultiere dies umgekehrt in schlechteren Betreuungsverhältnissen oder auch einer Konsolidierung des Angebots, also weniger Lehrveranstaltungen oder sogar Studien. Aber der Wissenschaftsminister hat gesagt, er hat es verstanden – deshalb gehe ich davon aus, dass die zusätzlichen Mittel in irgendeiner Form kommen. Ministerium vertröstet Das Wissenschaftsministerium verwies die Universitäten in einer Reaktion auf die Verhandlungen zu den nächsten Leistungsvereinbarungen (LV). Welches tatsächliche Budget für die LV-Periode 2019–2021 zur Verfügung stehe und wie hoch eine allfällige Steigerung ausfalle, werde bis 31. Dezember 2017 mit dem Finanzministerium verhandelt. Die Kulturhauptstadt Breslau ist wesentlich vom hohen studentischen Anteil geprägt. Breslau – Jahrelang wurde gebaut, renoviert und vorbereitet: Dieses Jahr will sich Breslau als europäische Kulturhauptstadt von seiner schönsten Seite präsentieren. Das kulturelle Bild der Stadt wird nicht zuletzt auch durch einen sehr hohen Anteil an Studierenden geprägt. Auf 630.000 Einwohner kommen knapp 150.000 Studierende. Das ist ein weitaus größerer Anteil als beispielsweise in Berlin (160.000 Studierende bei 3,5 Millionen Einwohnern) oder Wien (190.000 Studierende bei 1,8 Millionen Einwohnern). Wenn ich nur wegen des Studiums nach Breslau gekommen wäre, dann würde ich vor allem das rege Nachtleben sehr schätzen, sagt Amadeusz Stepien, der aus der Stadt stammt und derzeit Radio- und TV-Journalismus an der Universität Breslau studiert. Die meisten der Lokale befinden sich in unmittelbarer Nähe des zentralen Marktplatzes. Der Platz, der Rynek genannt wird, stellt den kulturellen Mittelpunkt der Stadt dar und war Mitte Jänner auch Schauplatz der Eröffnung der Kulturhauptstadt 2016. Den Titel als Kulturhauptstadt, den sich Breslau dieses Jahr mit dem spanischen San Sebastián teilt, wollte man auch nutzen, um als weltoffene Touristenstadt attraktiver zu werden. Seit der polnischen Parlamentswahl im Oktober 2015 hat die international umstrittene Regierung unter Führung der PiS ihren Einfluss auf den Verfassungsgerichtshof und die öffentlich-rechtlichen Medien massiv ausgeweitet. Robert Alberski, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Breslau, befürchtet, dass die Regierung auch ihren Einfluss auf die Hochschulen vergrößern werde. Die Gelegenheit dazu wird die Wahl der Rektoren und Dekane sein, die in den nächsten Monaten stattfindet. An vielen Universitäten, auch in Breslau, gibt es Kandidaten, die stark mit der regierenden Partei verbunden sind. Laut Alberski nehme der große Anteil an Studierenden aber keinen Einfluss auf die Politik in der Stadt: Polnische Studenten sind heute politisch nicht sehr aktiv, viel weniger als Studenten in Deutschland und Österreich. Der Politikwissenschafter glaubt auch, dass es kein Potenzial für Studentenproteste gegen die Regierung gebe. Eine große Anzahl Studierender lehnt die ehemalige Regierungspartei PO ab und stimmte für die PiS, die Kukiz-Bewegung und die Partei Korwin. An Demonstrationen des Komitees zur Verteidigung der Demokratie (KOD) beteiligten sich hauptsächlich Menschen über 40, junge Menschen nahmen in der Regel nicht daran teil. Angesprochen auf die politischen Veränderungen im Land, verweist Stepien auf die Korruptionsskandale und Affären der letzten Regierungsperioden, die wohl auch ein Grund für den Erfolg der PiS waren. Ich glaube, die meisten Studierenden interessieren sich sehr für Politik. Leider sind sie politisch stark gespalten. Viele sind entweder extrem rechts- oder linksgerichtet. Vorerst steht Breslau im Zeichen der Kulturhauptstadt 2016, in deren Rahmen bis Ende des Jahres 1000 einzelne Events stattfinden werden. Welche Spuren diese an den Unis und unter den Studierenden hinterlassen werden, wird sich zeigen. Der Forschungsstandor sei wegen der Geldnot des Wissenschaftsfonds FWF gefährdet, sagt die "Junge Kurie" der Akademie der Wissenschaften. Wien – Die aus herausragenden Nachwuchsforschern zusammengesetzte Junge Kurie der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) warnt vor einer ernstzunehmenden Gefährdung des Forschungsstandort Österreich. In einem am Montag veröffentlichten Hilferuf begründen sie dies mit der Geldnot des Wissenschaftsfonds FWF und den daraus resultierenden, mit Anfang April geänderten Antragsrichtlinien. Die Wissenschafter verweisen in einem Offenen Brief auf die wichtige Rolle des FWF, der die Basisfinanzierung der österreichischen Grundlagenforschung sichere und dabei helfe, diese so kompetitiv zu machen, dass österreichische Forschungsgruppen in der Regel wesentlich mehr Mittel aus der europäischen Forschungsförderung lukrieren als die Republik Österreich in diese einzahlt. Der positiven Entwicklung der österreichischen Forschungslandschaft in den vergangenen 15 Jahren stehe aber die Finanzierung des FWF in den vergangenen Jahren diametral entgegen: Eine steigende Anzahl von international hervorragend begutachteten Anträgen treffe auf ein seit Jahren stagnierendes FWF-Budget. Die Förderung weltweit richtungsweisender Ideen wird damit immer häufiger abgelehnt, kritisiert die Junge Kurie. Zudem würden erfolgreiche FWF-Instrumente wie Spezialforschungsbereiche oder Doktoratskollegs ausgesetzt bzw. abgeschafft. Ihr Ausfall bedeutete den ersten Schritt in Richtung grober Vernachlässigung der Entwicklungsmöglichkeiten erstklassiger Forschung in Österreich. Und die neuen FWF-Antragsrichtlinien hätten unabsehbare Folgen für die Finanzierung der Wissenschaften in Österreich. So dürfen Wissenschafter künftig nur maximal zwei Einzelprojekte beim FWF haben und auch die Mitarbeiterzahl in Projektanträgen mit erheblichem Sach- und Gerätekosten ist auf zwei limitiert. Dadurch würden fundamental unwissenschaftliche Kriterien zur Bewertung wissenschaftlicher Ideen eingeführt, was weitreichende Konsequenzen hinsichtlich Flexibilität und Zusammenarbeit innerhalb der Wissenschaftsgemeinschaften erwarten lasse, kritisieren die Nachwuchsforscher. Wird nichts gegen die prekäre finanzielle Lage des FWF unternommen, fehlen essenzielle Perspektiven für die besten Nachwuchswissenschafter. Dann wird Österreich mittel- bis langfristig an Attraktivität für die Spitzenforscher von morgen verlieren, und die zahlreichen hervorragenden österreichischen Forschungsgruppen werden sich nicht dauerhaft halten können, betont die Junge Kurie, die für eine kritische Revision der aus Geldnot getroffenen Strukturänderungen beim FWF, sowie für eine dem reichen Land Österreich angemessene Förderung der Grundlagenforschung plädieren. Präsident der Akademie der Wissenschaften: "Es kann so nicht weitergehen". Wien – Der Präsident der Akademie der Wissenschaften, Anton Zeilinger, erwartet vom neuen Bundespräsidenten kräftige Unterstützung für die Wissenschaft. Diese sei in einer kritischen Situation. Es kann so nicht weitergehen, dass der Wissenschaftsfonds FWF nicht mehr Mittel bekommt, sagte Zeilinger der APA anlässlich der traditionellen jährlichen Feierlichen ÖAW-Sitzung am Freitag. Der Bundespräsident ist oberster Schirmherr der Akademie der Wissenschaften, insofern verfolgt man auch an dort mit Interesse die Wahl am Sonntag. Zeilinger will nicht zu den beiden Kandidaten Stellung nehmen. Allgemein sei es aber für uns ganz wichtig, dass der Bundespräsident Verständnis dafür hat, dass Wissenschaft international ist. Vom neuen Amtsinhaber erwarte er sich daher, dass er uns hier ganz stark unterstützt, besonders bei europäischen Projekten. Ebensolche Unterstützung erwartet sich Zeilinger für die finanzielle Ausstattung des seit Jahren mit Budgetproblemen kämpfenden FWF. Die Junge Kurie der ÖAW hat erst kürzlich angesichts der Geldnot des FWF vor einer ernstzunehmenden Gefährdung des Forschungsstandorts Österreich gewarnt. Ich erwarte mir von der Politik, dass das ernst genommen wird, sagte Zeilinger speziell unter Verweis auf den wissenschaftlichen Nachwuchs, dem man reelle Chancen bieten müsse, seine Ideen umzusetzen. Er verstehe durchaus, dass man im Finanzrahmengesetz die Sicherheitsausgaben kräftig erhöht habe, ich verstehe aber nicht, dass man nicht gleichzeitig die Ausgaben für Wissenschaft kräftig erhöht hat. Damit komme man so weit, dass wir uns gut sichern können, aber nicht mehr wissen, was wir sichern sollen, so Zeilinger, der eine abnehmende Geduld in der Scientific Community ortet. Nach Jahren der – auch in der Öffentlichkeit geführten – Diskussion um die ÖAW-Reform habe man diese nun sehr kollegial abgeschlossen, sagte Zeilinger. Die Akademie hat sich eine neue Satzung und eine neue Geschäftsordnung gegeben. Damit werde die geplante Trennung von Gelehrtengesellschaft und Forschungsträgerorganisation weitgehend umgesetzt. Die Klammer zwischen diesen beiden Bereichen bildet der Präsident, die beiden Akademie-Klassen (als Gelehrtengesellschaft teilt sich die ÖAW in eine philosophisch-historische und eine mathematisch-naturwissenschaftliche Klasse, Anm.) seien insbesondere für die wissenschaftlichen Aktivitäten der Mitglieder, aber nicht mehr für die Administration der ÖAW-Institute zuständig. Eine weitere notwendige Brücke zwischen den Bereichen bilde noch der Akademierat, in dem aber künftig keine Personen mehr sitzen dürfen, die an einem ÖAW-Institut beschäftigt sind. Mitglieder des Akademierats sind zwölf ÖAW-Mitglieder sowie vier externe Experten, die in ihren Entscheidungen aber nicht der Gelehrtengesellschaft verantwortlich seien. Mehr kann man die beiden Bereiche nicht separieren, das wäre nicht sinnvoll, sagte Zeilinger. Mit dem Vorschlag, künftig nur mehr eine Mitgliederkategorie in der Akademie zu haben (derzeit gibt es wirkliche und korrespondierende Mitglieder), ist das Präsidium gescheitert. Wir haben dafür die Mehrheit der ÖAW-Mitglieder gefunden, aber nicht die notwendige Zwei-Drittel-Mehrheit. Das nehme ich demokratisch zur Kenntnis, sagte Zeilinger. Weitere Änderungen betreffen die Junge Kurie der ÖAW, die künftig Junge Akademie heißen wird, die Umsetzung des Public Corporate Governance Kodex, der eine weitgehende Entflechtung zwischen persönlichen Interessen und Entscheidungsstrukturen erfordert, sowie stärke Kontrollrechte des Finanzchefs. Das ist abgehakt, jetzt können wir uns noch stärker den aus meiner Sicht wichtigen Aufgaben zuwenden, sagte Zeilinger. Dazu zählt die weitere Internationalisierung der Akademie, auf die der ÖAW-Chef seit seinem Amtsantritt vor knapp drei Jahren setzt, zuletzt etwa durch ein neues Kooperationsabkommen mit Kuba. Von Beginn an hat Zeilinger auch das Ziel verfolgt, dass sich die Akademie verstärkt aktuellen Themen widmet und sich gegenüber der Politik öffnet. Zwei in diesem Sinn begonnene ÖAW-Studien sollen noch in diesem Jahr abgeschlossen werden. Eine wird sich dem Thema Digitaler Stillstand widmen, die andere dem Thema Mobilität. Markus Müller, ab Oktober Rektor der Med-Uni Wien, sorgt sich um den Forschungsstandort Österreich. STANDARD: Gleich nach Ihrer Wahl zum Rektor der Med-Uni Wien haben Sie 200 Millionen Euro mehr gefordert. Die Verhandlungen über die Leistungsvereinbarung laufen: Ist die Forderung aufrecht? Müller: Das brauchen wir für eine Vorwärtsstrategie. Wir haben einen hohen Anspruch, weil wir die einzige medizinische Institution in Österreich sind, die international sichtbar ist. Ich muss daher die politischen Meinungsbildner überzeugen, dass man besonders in Zeiten einer finanziell angespannten Situation, die Kräfte bündeln muss, um damit das Steuergeld bestmöglich einzusetzen. Sicher nicht, indem man nach dem Gießkannenprinzip vorgeht. STANDARD: Das heißt: Weniger Med-Fakultät Linz, mehr Med-Uni Wien? Müller: Genau. Es gibt offenbar einen starken Willen, dass es die Medfakultät in Linz gibt, aber zur Sinnhaftigkeit gibt es entsprechende Gutachten. Uns wurde aber versprochen, dass es nicht auf Kosten anderer Standorte geht. STANDARD: Gibt es von Wissenschaftsminister Mitterlehner positive Signale? Müller: Wir sind in intensiven Verhandlungen. Der Herbst wird kritisch. Wir brauchen allein für die Ärztegehälter etwa 70 Millionen Euro mehr. Wir sind noch nicht bei klaren Zahlen, es gibt derzeit grundsätzlich unterschiedliche Vorstellungen, die wir bis Jahresende klären müssen. STANDARD: Insgesamt werden 615 Millionen Euro mehr für alle Unis in Aussicht gestellt, wie wahrscheinlich sind 200 Millionen alleine für die Wiener Med-Uni? Müller: Wir können nur unter bestimmten Bedingungen eine Vorwärtsstrategie garantieren. Wie realistisch die Summe ist, weiß ich nicht. Es ist ja bekannt, dass die Universitäten unterfinanziert sind. Bei der Forschungsquote sind wir vom Pfad abgekommen, der von der Regierung unterschrieben wurde. Es nennt zwar niemand das Kind beim Namen, aber derzeit schaffen wir es nicht, Österreich wettbewerbsfähig zu halten. Wenn sich das Budget nicht in der Dimension von 200 Millionen Euro bewegt, wird es schwer, mit den internationalen Spitzenunis mitzuhalten. STANDARD: Zu Semesterbeginn treten Sie als Rektor an. Zuletzt war die Stimmung zwischen Ihrem Vorgänger Wolfgang Schütz und den Ärzten angespannt. Hat sich das gelegt? Müller: Es war aus verschiedenen Gründen eine schwierige Zeit, aber die Stimmung ist schon seit 2011 schlecht. Im vergangenen Herbst war es sicher am Schlimmsten. Die EU-Richtlinie zur Ärztearbeitszeit war zwar seit zehn Jahren bekannt, aber die politisch Verantwortlichen haben so getan als würde es sie nichts angehen. Alle Träger waren gefordert, etwas zu tun und alle sind unter Druck gekommen. STANDARD: Eine Einigung wurde in letzter Minute erzielt. Neben der Grundgehaltserhöhung wird jeder Arzt 8.000 Euro bekommen. Müller: Wir mussten den finanziellen Anreiz für unsere Ärzte Nachtdienste zu machen, verringern. Diese Dienste waren ein Instrument, um auf ein adäquates Gehalt zu kommen. Die Bereitschaft für alternative Dienste, wie Wechseldienste oder Rufbereitschaft, ist jetzt höher. Es werden nicht mehr so viele Ärzte in der Nacht anwesend sein, das passt auch zu einer besseren Work-Life-Balance. Wir erarbeiten für jede Klinik bis April 2016 ein eigenes Dienstmodell. STANDARD: Immer wieder mussten Stationen die Kapazitäten zurückfahren. Die Geldfrage ist geklärt, die Ärzte müssen weniger arbeiten, mehr Personal gibt es nicht, aber auch nicht weniger Patienten. Laufen alle Kliniken in Vollbetrieb? Müller: meines Wissens ja. Die Flexibilisierung der Dienstzeit wird der entscheidende Ansatz sein. Wir müssen vom jetzigen Modell mit den rigiden Nachtdiensten und den darauffolgenden Ruhezeiten wegkommen, damit die Ärzte dann anwesend sind, wenn auch die Patienten kommen. STANDARD: Hatte das AKH bisher zu viele Nachtdienste? Müller: Ich glaube ja. Es hat sich in der Medizin sehr viel in den tagesklinischen Bereich verschoben. Da haben wir nichts davon, wenn die Ärzte in der Nacht da sind. Hinzu kommt die eigenwillige Steuerung des österreichischen Systems. Das war scheinheilig, es hatte etwas von einer Kellnermentalität: geringe Grundgehälter aufgrund der Ärzteschwemme. Durch die Nachtdienste hat man den Ärzten Geld zukommen lassen, obwohl es nicht immer einen konkreten Bedarf gegeben hat. STANDARD: Nach Ihrer Wahl haben Sie 20 bis 30 Prozent mehr Personal gefordert. Bleiben Sie dabei? Müller: Wenn wir eine Optimierung der Diensträder zustande bringen, brauchen wir nicht mehr Personal. Es braucht auf vielen Ebenen eine Effizienzsteigerung. Es gab eine Qualifizierungsspirale nach unten: Ärzte mussten pflegerische Tätigkeiten ausüben und Arztbriefe schreiben, die Pflegekräfte mussten Essen austragen. Die verschiedenen Arbeitsgruppen wurden nicht gemäß ihrer Qualifikation eingesetzt. STANDARD: War das ein Managementfehler? Müller: Es ist ein österreichischer Fehler. Das ist international nicht salonfähig. Die Harvard Medical School ist größer als die Med-Uni Wien, bildet aber nur 700 Studierende aus. Wir haben 7000. Das führt zu der Frage, wie das Gesundheitssystem gesteuert wird. Weil Ärzte früher billig waren, haben wir auch so viele Spitäler. Die billigste Ressource war die Arbeitskraft. Deshalb gab es diesen Anreiz, Ärzte nicht gemäß ihrer Qualifikation einzusetzen. Es waren vergeudete Ressourcen. STANDARD: Wie kann man das Gesundheitssystem dann besser steuern? Müller: Aus unserer Sicht ist die Idee mit den Primärversorgungszentren (PHC) im Prinzip sinnvoll, weil die Gesundheitsversorgung in Österreich sehr spitalslastig ist. Viele fahren mit der U6 ins AKH, wenn er Kopfweh hat. Sie wären aber im niedergelassenen Bereich besser aufgehoben. Dennoch ist es erstaunlich, dass in der Nähe des AKHs, obwohl es das größte Spital Österreichs ist, kein PHC geplant ist. STANDARD: Es war angedacht, dass in der Notfallambulanz eine Ordination eines praktischen Arztes eingerichtet wird. Müller: Das ist ein PHC light. Das ist ein wichtiges Projekt, aber die Finanzierung ist nicht geklärt. Ich war selbst zwei Jahre auf der Notfallambulanz. Es kommen viele Patienten, die keine Behandlung im AKH benötigen. Bei unserem Patientenaufkommen ist zwar ein Allgemeinmediziner nett, aber nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Schöner wäre ein PHC in direkter Nähe, zum Beispiel statt des Goldenen Kreuzes. Das wäre sinnvoller als das Privatspital. STANDARD: Liegt es im Interesse der Stadt Wien, dass das AKH einen Großteil der Wiener Gesundheitsversorgung übernimmt? Müller: Das AKH ist dazu da, komplizierte Fälle zu übernehmen, wo eine aufwendige Infrastruktur notwendig ist. Für simples Bauchweh oder rote Augen ist das AKH viel zu teuer. Das kann nicht im Interesse der Stadt Wien sein. Wir haben ein Abstimmungsprojekt laufen, welche Leistungen bei uns angeboten werden und welche in den sechs Schwerpunktspitälern. Von Graz nach Tokio führten Parissa Haghirian ihre Studien der BWL und Sinologie. Heute hat sie dort eine Professur für Internationales Management – und kehrt nur bisweilen gern nach Österreich zurück. Sie ist die einzige österreichische Professorin im Bereich Internationales Management in Japan und eine von nur drei westlichen Frauen in diesem Bereich: Was hat die 1970 in Graz Geborene nach Tokio geführt? Sie wollte ursprünglich nur Sprachen studieren, geworden ist es eine Kombination aus Japanisch und BWL. Der Japanbezug war früh da, schon als Studentin hat sie vier Jahre in Asien gelebt, zwischen 20 und 27 für verschiedene japanische Firmen gearbeitet. An der WU in Wien hat sie 2003 ihren PhD zu Communicating Corporate Knowledge within European-Japanese Multinational Corporations abgeschlossen – und war ihrer Zeit voraus: Die Kombination aus Geisteswissenschaften und BWL, das ging damals gar nicht. Die Arbeitsbedingungen an der WU waren eine Katastrophe, bei meiner Dissertation konnte ich beide Ansätze nicht verbinden. Da musste nach Vorschrift geforscht werden. Also folgte sie einem Ruf als Assistenzprofessorin nach Fukuoka in Südjapan, als erste Frau und erste Ausländerin an der Fakultät. Da waren lauter Opis im Kollegium, aber die waren sehr lieb zu mir, erzählt sie lachend. 2006 konnte sie dann nach Tokio wechseln, interkulturelles Management begann da gerade en vogue zu werden. Auf einmal war das ideal, was ich studiert hatte, ich hatte einen eigenen Zugang, weil BWL allein nicht abdecken kann, was da gefordert ist. Es folgten ganz klassisch Assistant- und Associate-Professur, seit April dieses Jahres hat sie eine volle Professur an der Sophia-Universität in Tokio. Ich war die Letzte, die auf Lebenszeit angestellt wurde, erzählt sie. In Japan ist man entweder angestellt, dann ermöglicht einem das auch eine gute Planbarkeit der akademischen Laufbahn, oder es gibt gar keine Regeln. Ist man erst einmal in dem System drinnen, ist die Universität sehr unterstützend. Die Universität als Arbeitgeber begrüße den Austausch mit Firmen: Man wird nicht behindert, solange man den Lehrauftrag gut erfüllt. Von der WU kommend, hat mir das viel Antrieb gegeben. Über 700 Unis gebe es in Japan, rund 100 bis 250 Bewerberinnen kämen auf eine Professorenstelle an ihrer Uni. Die Sophia University ist unter den Top drei der privaten Universitäten, erklärt sie. Rund 22.000 Studenten machen die Aufnahmeprüfung, aber nur 1200 bekommen einen Platz. Ein Studienjahr inklusive Platz im Wohnheim koste an der Privatuni umgerechnet rund 10.000 Euro, aber es gebe ein gutes Stipendiensystem, die staatlichen Unis seien billiger. Japanische Unis seien extrem bürokratisch, aber auch extrem demokratisch: Der größte Unterschied zu Österreich ist die Grundeinstellung, dass der Einzelne nie gescheiter ist als alle anderen. Das führt zu einem völlig anderen Führungsstil. Alle dürfen sich einbringen, aber auch alle müssen mitreden, erklärt sie. Das führe manchmal zu längeren Diskussionsprozessen. Bei uns an der Uni geht es schneller, da sind die Hälfte an der Fakultät Ausländer, sagt sie lachend. Dem interkulturellen Management habe sie sich erst langsam angenähert: Ich wollte das Thema wirklich nicht machen, erklärt sie. Parissa ist ein persischer Name, ihr Vater kommt aus dem Iran. Ich bin immer wieder auf meine interkulturellen Wurzeln angesprochen worden und wollte mich nicht damit befassen. Aber manche Themen holen einen halt ein. An der WU ist mir noch gesagt worden: Das wird sich erledigen, heute spricht eh schon jeder Englisch. Aber da haben sie sich getäuscht, sagt sie. Heute unterrichtet sie im Executive-Training-Programm der Europäischen Union, das europäische Manager für Japan vorbereitet. Es braucht schon eine wissenschaftliche Basis, um solche Dinge wertfrei zu bearbeiten, ist sie überzeugt. An einer österreichischen Universität zu arbeiten kann sie sich nicht mehr vorstellen. Aber: So weit wegzuziehen hört sich schon leichter an, als es ist, sagt sie. Ich habe mich jahrelang gemartert – bleibe ich dort oder nicht? Heute hat sie einen Zweitwohnsitz in Wien und kommt vier- bis fünfmal im Jahr nach Europa. Für mich hat sich das gut entwickelt, zieht sie Resümee: Jetzt haben wir fast 40 Prozent Frauen an der Fakultät, aber es war schon hart, für mich gab es keine Role-Models. Im Jahr der Nuklearkatastrophe von Fukushima, 2011, war sie gerade freigestellt und hatte eine Gastprofessur in München – trotzdem entschloss sie sich danach, nach Tokio zurückzukehren. Auf einmal nicht mehr im ‚Feld‘ zu forschen hat mich wahnsinnig gestört, erklärt sie. Also lebt sie mit der Gefahr, genauso wie mit den Erdbeben: Man gewöhnt sich daran. Schlimm ist es nur, wenn ich gerade unterrichte und die Verantwortung für die Studenten habe, das ist schon eine Belastung. Trotzdem überwiegt die Begeisterung: Mit ersten Juni ist in Japan gerade ein neuer Corporate-Governance-Kodex erlassen worden, der vorsieht, dass jeweils zwei unabhängige externe Direktoren in Aufsichtsräten vertreten sein müssen – Frauen bevorzugt. Er soll den japanischen Unternehmen neue Impulse geben. Das wird spannend zu beforschen. Angehende Studierende bringen unterschiedliche Mathematik-Fertigkeiten mit – "Schock" zu Studienbeginn lässt sich meistens nicht ganz vermeiden. Wien – Seit 2008 bietet die Technische Universität (TU) Wien Studienanfängern die Möglichkeit, ihre Mathe-Kenntnisse um den Semesterbeginn in eigenen Kursen aufzufrischen. 2014 nahmen daran etwa 2.000 Studenten teil, auch die am 21. September beginnenden Kurse werden so gut besucht sein. Einen gewissen Schock zu Studienbeginn gebe es in Regel aber immer noch, sagte einer der Verantwortlichen. Die Idee zum Auffrischungskurs sei aus den ingenieurswissenschaftlichen Fächern gekommen, so Andreas Körner vom Institut für Analysis und Scientific Computing der TU. Hier habe eine gewisse Unzufriedenheit über die Mathe-Fertigkeiten der neuen Studenten geherrscht. Bei den nunmehrigen Kursen gehe es nicht darum, Inhalte vom Beginn eines technisch-mathematischen Studiums an der TU vorweg zu nehmen, sondern um das Auffrischen des Mathematik-Stoffs aus den verschiedenen Mittelschulbereichen. Im Gegensatz zum Mathematik-Studium studieren in den Fächern Elektrotechnik, Maschinenbau oder Bauingenieurswesen an der TU immer noch mehr männliche Studenten. Viele davon leisten gleich nach der Matura ihren Präsenz- oder Zivildienst ab. Dieses zeitliche Loch reiße oft auch ein Loch in die mathematischen Fertigkeiten. Bei den Studentinnen, die nach der Matura direkt an die Uni wechseln, sei das entsprechend weniger der Fall, sagt Körner. Seit vier Jahren findet der aus Vorlesungen, von Tutoren angeleiteten Übungen in Kleingruppen und E-Learning-Übungen bestehende Kurs in zwei Tranchen Ende September und Anfang Oktober statt. Mittlerweile nehmen fast alle Anfänger eines einschlägigen Studiums (Architektur-, Chemie- und Raumplanungsstudenten sind nicht inkludiert) daran teil. Da das heimische Schulsystem sehr pluralistisch aufgebaut ist, zeige sich immer wieder, wie unterschiedlich die mathematischen Fertigkeiten – nicht Fähigkeiten – entwickelt sind, sagt Körner. In manchen Schulformen würden einzelne Themenbereiche einfach nicht behandelt. An bestimmten HTLs würde beispielsweise Vektorrechnen gar nicht unterrichtet. Insgesamt zeige sich: HTL-Schüler haben öfter ein gefestigteres Handwerkszeug, während AHS-Schüler oft mehr mit Sätzen und Beweisen, also dem auf der Uni gelehrten abstrakteren Zugang zur Mathematik, anfangen können, so Körner. Aufgrund der Arbeit in den Kleingruppen trauen sich angehende Studenten dort eher Fragen zu stellen als in den Übungen in den ersten Semestern. Nehmen weibliche Studenten in den Gruppen teil, seien sie meist sehr aktiv und brillieren oft, so Körners Eindruck. Es sei schade, dass noch so wenige Frauen ihren Weg in die klassischen Ingenieurswissenschaften finden. Eine umfassende Evaluation des Auffrischungskurses gebe es zwar noch nicht. In Mathematik-Übungen im Bereich Elektrotechnik beobachte man aber geringere Ausfallsraten im ersten Semester. Der Tenor ist, dass der Kurs hilfreich ist, um klarzustellen, dass Mathematik in einem technischen Studium doch einen größeren Stellenwert hat als man zu Beginn erwartet, erklärte Körner. Trotzdem sei der Beginn eines Studiums an der TU für viele immer noch mit einem gewissen Schock verbunden. Vielen nunmehrigen Mitarbeitern oder Professoren an der TU sei es aber ebenso gegangen. Platz elf in "Times Higher Education"-Rangliste – dank Südtirolern und Deutschen. Wien/Innsbruck – Die Universität Innsbruck ist bei einer Sonderauswertung des Times Higher Education World University Rankings unter die internationalsten Universitäten gereiht worden. Die Uni klassierte sich unter anderem aufgrund ihrer Vielzahl an deutschen und Südtiroler Studenten auf Platz elf. An der Spitze liegt die Qatar University, gefolgt von der Universität Luxemburg und der University of Hongkong. Für die Auswertung der 200 internationalsten Unis wurde der Anteil der Studenten bzw. des Personals aus dem Ausland sowie der Anteil der wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit mindestens einem Co-Autor aus einem anderen Staat herangezogen. In den Top Ten sind außerdem die Eidgenössische Technische Hochschule (ETH) Lausanne, die Universität Genf, die University of Macau, die ETH Zürich, die Uni St. Gallen, die National University of Singapore und das Imperial College London vertreten. Neben der Uni Innsbruck sind aus Österreich noch die Uni Wien (Platz 31), die Medizin-Uni Wien (Platz 102), die Technische Universität (TU) Wien (Platz 133), die TU Graz (Platz 183) sowie die Uni Graz (Platz 186) in die Rangliste aufgenommen worden. Kardiologe an Med-Uni zum zweiten Mal ausgezeichnet – Zwei hervorragende Absolventen an TU Graz. Graz/Linz – Drei Grazer Universitätsabsolventen haben am Montag im Beisein von Bundespräsident Heinz Fischer sub auspiciis praesidentis rei publicae ihre Doktoratsurkunde erhalten. Andreas Eitzlmayer und Carlo Alberto Boano kommen von der Technischen Universität Graz, ein weiterer von der Medizinischen Universität. Dort hat der 35-jährige Kardiologe Peter Rainer schon zum zweiten Mal sub auspiciis promoviert. Die spezielle Auszeichnung einer Promotion im Beisein des Bundespräsidenten gibt es für Absolventen österreichischer Universitäten nur dann, wenn die Oberstufe mit Vorzug und das Studium mit Auszeichnung absolviert und ein auszeichnungswürdiges Verhalten an der Hochschule als auch außerhalb derselben bescheinigt worden ist. Der gebürtige Salzburger Peter Rainer (geb. 1981) hat bereits im Jahr 2006 in der Humanmedizin sub auspiciis promoviert. In den vergangenen Jahren hat er an der Johns Hopkins University in Baltimore (USA) hinsichtlich der molekularen Ursachen der kardialen Hypertrophie – der Verdickung des Herzmuskels und der daraus resultierenden Herzschwäche – geforscht. An der Med-Uni Graz erforscht der Assistenzprofessor die Umbauvorgänge, die bei Herzerkrankungen auftreten und letztlich zu Herzinsuffizienz führen, weiter. Speziell widmet er sich den Folgen des akuten Myokardinfarkts und des langwährenden Bluthochdrucks. Am Montag promovierte er im Fach Medizinische Wissenschaft. Ausschließlich Bestnoten haben auch der Verfahrenstechniker Andreas Eitzlmayr und der Telematiker Carlo Alberto Boano an der Technischen Universität Graz erbracht: In Stockholm und Turin hat Boano (geb. 1985 in Alba) studiert, bevor er an die TU Graz wechselte. In seiner Doktorarbeit am Institut für Technische Informatik analysierte er den störenden Einfluss der Umgebung auf die Leistung des Internet der Dinge. Mit Letzterem wird ein System aus miniaturisierten Computern, die drahtlos miteinander kommunizieren und als winzige Systeme in alle möglichen Gegenstände integriert sein können, bezeichnet. Boano hat die Wirksamkeit einer Methode bewiesen, mit deren Hilfe störende Umgebungseinflüsse vorhergesagt und kompensiert werden können. Seit dem Vorjahr ist er Assistenzprofessor am Institut für Technische Informatik in Graz. Andreas Eitzlmayr (geb. 1985 in Wels) hat eine Methode entscheidend weiterentwickelt, mit der die Simulation der Strömung und Vermischung in komplex geformten Mischapparaten wie zum Beispiel Extrudern ermöglicht wird. Die Erkenntnisse seien vor allem für pharmazeutische Prozesse relevant, hieß es dazu vonseiten der TU Graz. Nach mehreren Jahren beim Grazer Research Center Pharmaceutical Engineering (RCPE) hat es den Verfahrenstechniker nun in ein oberösterreichisches Unternehmen gezogen. 'Studieren in New York ist aus vielen Gründen aufregend. Dass die Columbia-Universität einen hochmodernen Scanner besitzt, macht das Ganze noch attraktiver. Das Abendessen – wenn man es denn so nennen darf – war bereits abgeräumt. Die Crew würde in Kürze das Licht löschen, um bei der Landung in ein paar Stunden wenigstens den Eindruck einer Nachtruhe zu hinterlassen, und tief unter uns befanden sich vielleicht ein paar Zipfel von Island und ansonsten nur das weite Nichts des Atlantischen Ozeans. Ich lehnte den Kopf in meinen Sitz, versuchte irgendwie Beine, Rücken und die viel zu kleine Decke zu sortieren und schloss die Augen. Es war November 2010, und ich saß in einem Flugzeug von New York nach Berlin. Möglicherweise war ich verheult, definitiv hatte ich einen Kloß im Hals. Nein, ich wollte bitte auf keinen Fall nach Hause: nicht in den grauen Berliner Winter, nicht meine Diplomarbeit schreiben und mir auch nicht einen neuen Job suchen. Ich wollte weiter nachts statt tags leben, Kaffee trinken und mein weniges Geld für Bier in Bars und Sandwiches in dem Frühstückscafé um die Ecke des schäbigen Hostels in Brooklyn ausgeben Koalition bestehend aus VSStÖ, Gras und KSV-Lili geht in die nächste Runde. Rote Studierendenvertreterin Camila Garfias wird Vorsitzende. Wien – Wenig überraschend hat sich am Mittwoch die Hochschülerschaft an der Universität Wien (ÖH Uni Wien) konstituiert. Die seit 2007 bestehende Exekutive aus dem Verband sozialistischer Studierender (VSStÖ), den Grünen und Alternativen Studierenden (Gras) und dem Kommunistischen Studierendenverband Linke Liste (KSV-Lili) will ihre Arbeit auch in den kommenden zwei Jahren fortsetzen. Zudem werden sich die unabhängigen Basis- und Institutsgruppen (BaGrus), die nur auf Studienvertretungsebene kandidieren, an der Koalition beteiligen. Bei den Wahlen im Mai erreichten der VSStÖ und die Gras jeweils sieben, der KSV-Lili zwei der 27 Mandate an der Uni Wien. Die Aktionsgemeinschaft belegte auf der größten Uni des Landes mit acht Mandaten knapp Platz eins. In der konstituierenden Sitzung wurde Camila Garfias (VSStÖ) zur Vorsitzenden gewählt. Die ÖH Uni Wien geht voller Tatendrang in die nächsten zwei Jahre, sagt Garfias: Wir werden den Studierenden nicht nur mit einem breiten Beratungs- und Förderungsangebot zur Seite stehen, sondern auch in bildungs- und gesellschaftspolitischen Debatten eine starke Stimme für Studierende sein. Gratulation an das neue Vorsitzteam der @oeh_uniwien: @Camila_Garfias @MissStAnger und Tina Sanders! #oeh15 #univie pic.twitter.com/ux3lHHceqo Die 21-Jährige Wienerin studiert Soziologie im Bachelor an der Universität Wien. Nach den vergangenen ÖH-Wahlen besetzte Garfias im Juli 2013 das Bildungspolitische Referat der ÖH Uni Wien und wurde Sprecherin der studentischen Kurie im Senat der Uni Wien. Im Oktober 2014 wechselte sie in das Vorsitzteam. In den kommenden zwei Jahren will Garfias eine große bildungspolitische Kampagne fahren. Weitere Schwerpunkte will die rote Studierendenvertreterin mit Veranstaltungsreihen zu den Themen Antifaschismus und Geschlecht setzen. Als Stellvertreterinnen wurden die 29-jährige Karin Stanger (Gras) und die 27-jährige Tina Sanders (KSV-LiLi) gewählt. Wir stellen uns weiterhin klar gegen Zugangsbeschränkungen und gegen die Einführung von Studiengebühren, sagt Stanger. Das Schaffen von studentischen Freiräumen, ein klares Bekenntnis zu antifaschistischer Arbeit und zu Feminismus seien für die ÖH Uni Wien keine leeren Worthülsen. Sanders will für die exzessive Überschreitung des allgemeinpolitischen Mandats der ÖH eintreten. Ihr geht es darum, Bildung im Kapitalismus generell zu hinterfragen. Die neue Exekutive wird ihre Arbeit mit 1. Juli 2015 aufnehmen. Alle Hochschulen sollen ihre Finanzierung offenlegen, sagt das neue Vorsitzteam der ÖH. Philip Flacke, Meryl Haas, Lucia Grabetz und Magdalena Goldinger starten in ihre Amtszeit. STANDARD: Für die nächsten zwei Jahre vertreten Sie die Interessen der Studierenden – was ist Ihr wichtigstes Anliegen? Goldinger: Wir wollen uns dafür einsetzen, dass Universitäten, Privatunis und Fachhochschulen ihre Finanzen offenlegen. Das wird ein längeres Projekt, weil man sich immer auf das Amtsgeheimnis beruft. STANDARD: Wie soll das gehen? Haas: Wir wollen in Österreich ein ähnliches Projekt wie die deutsche Initiative hochschulwatch.de forcieren. Indem wir Druck aufbauen, wollen wir eine Gesetzesänderung erreichen und das Amtsgeheimnis bei den Uni-Finanzen abschaffen. Flacke: Die deutsche Regelung der Offenlegung der Finanzen wäre auch für Österreich eine sehr gute Lösung. Nachdem immer wieder gefordert wird, dass der Bildungssektor ausfinanziert wird, würden wir auch gerne einmal wissen, wohin das Geld geht. STANDARD: Was wären weitere Schritte, falls die Hochschulen tatsächlich ihre Finanzen offenlegen? Grabetz: Wir könnten Druck aufbauen und sagen, dass wir mehr Geld für die Lehre wollen – wir hätten dann eine bessere Argumentationsgrundlage, damit das Geld wirklich bei den Studierenden ankommt. Es wird ständig über responsible science gesprochen, aber man weiß nicht, was hinter diesem Begriff steht, wenn die Finanzen nicht offenliegen. STANDARD: Wäre nach Vorbild der deutschen Zivilklausel auch für österreichische Unis wichtig, gewisse Geldgeber auszuschließen? Flacke: Man muss sich bei Waffenherstellern oder Diktatorenregimen, die Forschung finanzieren, schon die Frage stellen, in welche Richtung da geforscht wird. Das amerikanische Verteidigungsministerium ist einer der größten Geldgeber für Forschung weltweit – mit exklusiven Zugriffsrechten auf die Ergebnisse vor der Veröffentlichung. Wenn man mit Forschern von technischen Hochschulen spricht, sagen die einem schon mal durch die Blume, dass sie auch Raketenleitsysteme entwickelt haben – da ist klar, wo der Auftrag herkommt. Ein Thema ist auch die Pharmaindustrie: In die Medikamentenentwicklung fließen Millionen an Drittmitteln, da wird aber nicht wirklich geforscht, sondern nur ein wenig die Zusammensetzung geändert und ein neues Patent beantragt – das sind Missstände, die wir offenlegen wollen. In Deutschland ist das möglich, in Österreich noch nicht. Goldinger: Außerdem gibt es Fachhochschulstudiengänge, die von Unternehmen finanziert werden. Da geht es darum, den Studierenden klarzumachen, wer ihren Studienplatz finanziert. STANDARD: Bei welchen Forschungsprojekten ist die Drittmittelfinanzierung ein Problem? Haas: Im letzten Jahr wurde aufgedeckt, dass universitäre Forschung in Österreich vom Pentagon mitfinanziert wird. Im Zeitraum 2009-14 wurden 8,8 Millionen Euro an verschiedene Universitäten und an die Akademie der Wissenschaften vergeben. STANDARD: Sie stellen den ersten Vorsitz der Hochschülerschaft (ÖH), der auch die Studierende von Privatuniversitäten vertritt. Diese haben allerdings wenig Interesse an der ÖH-Wahl gezeigt – warum? Goldinger: Dazu muss man sich die Stimmung in der Gesellschaft ansehen. Jetzt haben wir ein Klima, wo Wählen an sich unattraktiv ist. Die Leute an eine Wahlurne zu bringen ist jetzt sehr schwierig. STANDARD: Wie können Sie die ÖH attraktiver machen? Grabetz: Ein großes Problem, das wir seit Jahren merken, ist, dass die ÖH eine Interessenvertretung ist, die auf Ehrenamtlichkeit basiert. Das macht den Zugang zur ÖH und zur ÖH-Arbeit nicht für alle möglich. Wir machen einen 70-Stunden-Job mit einer Aufwandsentschädigung von 550 Euro – da müssen wir ansetzen. STANDARD: Das hört man oft zum Amtsantritt, dann kann sich das Vorsitzteam doch nie auf eine Neuregelung einigen – vertreten Sie nun eine gemeinsame Position? Flacke: Meine Fraktion und ich selbst sehen die ÖH-Arbeit schon als ehrenamtliche Tätigkeit. Grabetz: Ach so? Flacke: Eine gerechte Bezahlung wäre finanziell gar nicht möglich. Durch das neue Hochschülerschaftsgesetz hat sich die finanzielle Lage der ÖH zugespitzt. STANDARD: Inwiefern? Flacke: Wir haben nun circa 100.000 Euro pro Jahr weniger zur Verfügung. Es gab früher eine Deckelung der Rückstellungen, die in unsere Rücklagen geflossen sind – die sind jetzt weg. Goldinger: Wir müssten unsere Beratung einstellen, aber das ginge zulasten der Studierenden. STANDARD: Trotz knapper Finanzen hat die ÖH zuletzt einen Hilfsconvoi für Flüchtlinge organisiert – inwiefern ist es Aufgabe der ÖH, Helfer an die ungarische Grenze zu schicken? Grabetz: Das ist auf jeden Fall Aufgabe der ÖH, weil es Aufgabe von uns allen ist, jetzt etwas zu tun. Alles, was wir auf der ÖH dafür tun können, tun wir auch: Medikamente beschaffen, Deutschkursunterlagen zusammenstellen oder einfach vor Ort helfen. Flacke: Die Opposition fordert immer, wir sollen uns den Problemen der Studierenden annehmen. Wenn ich jetzt Studierenden frage, was wir tun sollen, sagen sie, wir sollen Flüchtenden helfen – es ist ein Studierendenthema. STANDARD: Herr Flacke, Sie sind der erste ÖH-Vorsitzende aus Deutschland – wird sich die ÖH künftig den Interessen ausländischer Studierender besonders annehmen? Flacke: Nein. Ich differenziere nicht, aus welchem Staat ein Studierender kommt, sondern sehe mir seinen Status an und versuche, die beste Lösung zu finden. STANDARD: Warum stellen Sie als Kandidat der viertstärksten Fraktion den Vorsitzenden? Der Wählerwille ist das wohl nicht. Flacke: Es geht nicht um das Symbol, sondern um den Inhalt. Die Studierenden bekommen zwar mich zum Vorsitzenden, aber die Politik von uns vier Fraktionen. 'Geschäftsführung schloss zwischen 2006 und 2008 risikoreiche Derivativgeschäfte ab. Wien – Der Rechnungshof (RH) kritisiert in einem am Freitag veröffentlichten Bericht Finanzspekulationen der in den 1950er Jahren von der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) initiierten Österreichischen Studentenförderungsstiftung. Unter anderem hätten die Kontrollmechanismen versagt. Auch bei der Vergabe von Heimplätzen durch die Stiftung ortet der Rechnungshof Mängel. Die 1959 vom damaligen Zentralausschuss der ÖH gewidmete Studentenförderungsstiftung soll für bedürftige Studenten Wohnraum bereitstellen und verwalten sowie Stipendien und sonstige Unterstützungen gewähren. Unter dem Markennamen home4students unterhält sie heute Studentenheime in Österreich mit Häusern in Wien, Innsbruck, Salzburg, Graz und Klagenfurt. Zur Kontrolle der Geschäftsführung wurde ein 15-köpfiges Kuratorium eingerichtet, von dem die Mehrheit (acht Personen) von Studentenvertretern gestellt wird – allerdings nicht anhand der aktuellen Mehrheitsverhältnisse in der ÖH, sondern anhand der Sitzverteilung im Jahr der Gründung: Vier Mitglieder stellt daher die VP-nahe AktionsGemeinschaft (AG 'Fotos mit Mitgliedern von schlagender Studentenverbindung aufgetaucht. Salzburg – Die Aufkündigung der grün-roten Koalition an der ÖH Salzburg hat auch für Wirbel innerhalb des Verbands Sozialistischer StudentInnen gesorgt. Von den grünen Studierenden wurde dem Salzburger VSStÖ ein Rechtsruck unterstellt, verbunden mit dem Vorwurf, der stellvertretende ÖH-Vorsitzende Maximilian Wagner sei Mitglied eines pflichtschlagenden waffenstudentischen Corps. Der Bundes-VSStÖ reagierte prompt auf Twitter und erklärte: Wir sind Antifaschist_innen. Er wird für uns keine Funktion mehr ausüben. Ein Ausschlussverfahren läuft schon. Wagner hätte als VSStÖ-Kandidat in der neuen rot-schwarzen Koalition den ÖH-Vorsitz in Salzburg von Katharina Obenholzner (Gras), die am Freitag abgewählt wurde, übernehmen sollen. Auf STANDARD-Anfrage erklärt der Bundessprecher des VSStÖ, Julian Traut, jedoch erneut: Es läuft ein Ausschlussverfahren. Wagner wird auch keine ÖH-Funktion mehr haben. Grund dafür seien Fotos, die den ehemaligen stellvertretenden ÖH-Vorsitzenden mit Mitgliedern einer schlagenden Studentenverbindung zeigen. Dass Wagner einmal Mitglied einer Verbindung war, sei dem VSStÖ bekannt gewesen. Sobald wir erfahren haben, dass er noch aktiv ist, haben wir das Ausschlussverfahren eingeleitet, sagt Traut. Wer nun den Vorsitz für den VSStÖ Salzburg übernehmen solle, sei noch unklar. Wagner bestätigt im Gespräch mit dem STANDARD, dass er in einer Studentenverbindung war, aber das ist keine Burschenschaft, auch keine österreichische Verbindung mit nationalem Gedankengut. Derzeit sei er kein aktives Mitglied, da er nicht vor Ort sei. Die Verbindung habe das Toleranzprinzip Rektoren bekommen damit 2016 einen neun Präsidenten. Wien – Die Universitätenkonferenz, kurz uniko genannt, bekommt 2016 einen neuen Präsidenten: Amtsinhaber Heinrich Schmidinger (Uni Salzburg) strebt keine dritte zweijährige Amtszeit mehr an. Ich habe die Herausforderung unterschätzt, so Schmidinger in den Salzburger Nachrichten. In dem Amt kann man etwas bewirken, wenn Unis und Forschung für die Politik nicht nur eine nebengeordnete Rolle haben. Das ist offensichtlich nicht der Fall. Sonst müssten wir nicht seit Jahren dieselben Forderungen erheben, begründete der Rektoren-Chef seinen Schritt. Nicht nur die Forderungen sind die gleichen – auch die Reaktion auf die knappen Kassen der Unis. Da die von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ausverhandelten zusätzlichen 615 Millionen Euro für die Jahre 2016 bis 2018 immer stärker für Aufgaben wie die Finanzierung der neuen Ärzte-Arbeitszeitregelung oder von FWF-Kosten herangezogen werden, die bisher nicht von den Unis getragen werden mussten, stellte Schmidinger erneut die Streichung von Studienangeboten mit nur wenigen Studenten bzw. von Projekten wie der School of Education in den Raum. Rund ein Viertel der Professoren werden aus den eigenen Unis berufen. Wien – An den österreichischen Universitäten werden nicht nur die Studenten immer internationaler: In den vergangenen zehn Jahren wurden außer 2011 jeweils mehr Professoren von ausländischen Unis berufen als aus dem Inland – vor allem von deutschen Hochschulen wechseln viele Wissenschafter nach Österreich. Rund ein Viertel der Professoren wird aus der eigenen Uni berufen. Die Universitäten berufen jedes Jahr zwischen 200 und 300 Professoren neu: Diese Neo-Professuren werden je nach Herkunftsuni in den Wissensbilanzen der Hochschulen in fünf Kategorien geteilt: Eigene Universität, andere national, Drittstaaten, Deutschland und andere EU. In den meisten Jahren stellen dabei die Professoren aus Deutschland die größte Gruppe. 2013 übertrumpften sie sogar die zusammengerechneten Berufungen aus der eigenen und anderen österreichischen Unis. 2014 wurden insgesamt 238 Professoren berufen: 53 kamen aus der eigenen Uni, 57 aus anderen österreichischen Universitäten, 66 aus Deutschland, 37 aus der restlichen EU und 25 aus Drittstaaten. Über die Jahre gerechnet wird insgesamt ein Viertel der Professoren aus der eigenen Universität berufen: In den vergangenen fünf Jahren wurden 342 von 1.280 Professuren durch interne Kandidaten besetzt. Spitzenreiterin bei Hausberufungen ist dabei die Musikuni Wien: Sie besetzte in den vergangenen drei Jahren 15 von 27 Professuren mit Hauskandidaten. Das vergleichbare Mozarteum in Salzburg kam im gleichen Zeitraum auf nur eine Hausberufung bei ebenfalls 27 Professuren, die Kunstuni Graz auf drei von 17. Selbst die Uni Wien besetzte nur 18 Professuren intern – und das bei insgesamt 160 neuen Professoren. Klage auf Schmerzensgeld und Verdienstentgang in Höhe von 41.455 Euro. Innsbruck – Eine Professorin der Universität Innsbruck hat ihren Arbeitgeber und damit die Republik Österreich wegen Mobbings auf Schmerzensgeld und Verdienstentgang in Höhe von 41.455 Euro verklagt. Im Sommer 2012 hatten Studenten gegen die Erziehungswissenschaftlerin rebelliert, das Rektorat reagierte mit einer alternativen Lehrveranstaltung. Seit August 2014 sei die Frau dienstunfähig, berichtete die Tiroler Tageszeitung. Den Grund dafür sehe sie im Verhalten ihr gegenüber. 2012 kritisierten die Studenten den herabwürdigenden Umgangston und die hohen Durchfallquoten der Professorin des Instituts für Erziehungswissenschaften. Das Rektorat der Universität führte daraufhin eine Parallel-Lehrveranstaltung ein, die so gut angenommen wurde, dass die Professorin die für ihre Vorlesungen erforderlichen Hörerzahlen nicht mehr aufbrachte. Laut TTfolgte ein öffentlicher Uni-Newsletter zu diesem Thema. Die Dienstunfähigkeit der Professorin stelle schlichtweg Mobbing dar, begründete ihre Anwältin. Die Frau sei von ihrer direkten Vorgesetzten und den Universitätsverantwortlichen öffentlich diffamiert worden. Einen Vergleich lehnte die Klägerin ab. Im Spätherbst soll der Fall in Innsbruck verhandelt werden, dazu würden etliche Zeugen, u.a. Universitätsrektor Tilmann Märk, geladen werden. 'Manchmal reitet den Professor der Schalk. Seine Frisur lässt einen an Anekdoten von einem verrückten Professor denken – und für verrückt haben ihn wohl viele ernsthafte, einem bürgerlichen Karrierebegriff zuneigende Mitglieder seiner Familie gehalten, als Bernd Marin sich in den 1960er-Jahren ausgerechnet der Sozialwissenschaft zuwandte. Andererseits war man von ihm ja einiges gewohnt: In der Volksschule habe ich entdeckt, dass ein schlimmer Bub zu sein lustiger ist, als ein Vorzugsschüler zu sein. Und auch schlimme Buben können Karriere machen Nach 13 Jahren zieht sich Badelt als Leiter der Wiener Wirtschaftsuniversität zurück, die Informatikerin Hanappi-Egger übernimmt. Wien – Nach 13 Jahren als Rektor der Wirtschaftsuniversität (WU) hat Christoph Badelt am Montag seiner Nachfolgerin Edeltraud Hanappi-Egger (51) auch symbolisch die Amtsgeschäfte übergeben. Die Informatikerin und Gender- und Diversitätsforscherin wurde feierlich in ihr Amt eingeführt und machte sich im übertragenen Sinn auf einen Weitwanderweg. Einen solchen absolvierte die neue Rektorin tatsächlich Ende August – und hatte auf den 125 Kilometern in einer Woche Zeit, Parallelen zwischen ihrem neuen Amt und der Wanderung zu entdecken. Unter anderem übe man sich im Umgang mit Aufs und Abs und lerne, sich die Kräfte einzuteilen. Außerdem gebe es oft verschlungene Pfade. Und manchmal muss man einen Umweg in Kauf nehmen. Das Universitätswesen sah Hanappi-Egger im Umbruch. Es wird stärker darum gehen, sich der öffentlichen Legitimation zu stellen. Insgesamt seien die Anforderungen an die öffentlichen Unis immens gewachsen. Diese brauchten daher ein breites Leistungsportfolio. Leistung will sie künftig umfassend und relativ zu den Rahmenbedingungen betrachten: So solle etwa der Forschungsoutput in Relation zu den Arbeitsbedingungen gesehen und die Lehre umfassend in die Bewertungen einbezogen werden. Hanappi-Egger ist die erste Frau an der Spitze der WU: Die gebürtige Eisenstädterin studierte von 1982 bis 1987 Informatik an der Technischen Universität (TU) Wien. Ab 1988 folgten Auslandsaufenthalte in Stockholm, Bremen und Toronto. Kurz nach ihrer Promotion 1990 wurde sie zunächst Vertragsassistentin am Institut für Gestaltungs- und Wirkungsforschung der TU, nach einem Forschungsaufenthalt am Work Research Institute in Oslo 1992 dann Universitätsassistentin. Von 1993 bis 1996 widmete sich Hanappi-Egger als Stipendiatin an der Akademie der Wissenschaften (ÖAW) dem Thema Computerunterstützte Gruppenentscheidungssysteme. 1996 habilitierte sie sich im Bereich Angewandte Informatik an der TU, wo sie bis 2001 als außerordentliche Professorin tätig war. Es folgte ein Forschungsaufenthalt an der Universität Bielefeld. 2002 kam die Forscherin als Gastprofessorin und Leiterin der Abteilung Gender and Diversity in Organizations an die WU. Seit 2004 ist sie dort Professorin. In ihrer Forschungsarbeit setzt sich Hanappi-Egger mit Themen wie Gender- und Organisationstheorien, der Informationsgesellschaft und neuen Technologien oder Unternehmens- und Diversitätsmanagement auseinander. Sie war außerdem Vorsitzende des Verbandes der Professorinnen und Professoren und des Senats der WU. Von Verwaltungsgerichtshof: Unterlegene Kandidatin sah sich bei Rektorwahl 2009 benachteiligt. Innsbruck – Der Verwaltungsgerichtshof hat eine Beschwerde des Arbeitskreises für Gleichstellungsfragen im Zusammenhang mit der Wahl des Rektors der Medizinischen Universität Innsbruck im Jahr 2009 endgültig abgewiesen. Dies teilte der Universitätsrat der Med-Uni am Donnerstag mit. Die damals unterlegene Kandidatin Margarethe Hochleitner hatte sich wegen ihres Geschlechts benachteiligt gesehen. Der Universitätsrat hatte im April 2009 aus einem Dreiervorschlag den mittlerweile verstorbenen Herbert Lochs zum neuen Rektor gewählt. Die damalige Vizerektorin Hochleitner, die ebenfalls im Vorschlag war, kam nicht zum Zug. Eine Beschwerde des Arbeitskreises wurde zunächst vom Wissenschaftsministerium zurückgewiesen, woraufhin die Causa zur Bundesgleichbehandlungskommission wanderte. Diese sah eine Diskriminierung Hochleitners aufgrund ihres Geschlechtes als gegeben an. Eine Schiedskommission, die danach mit einer abermaligen Prüfung beauftragt wurde, wies die Beschwerde jedoch ab. Hochleitner hatte zudem eine Schadenersatzklage wegen Diskriminierung angestrengt, blitzte damit aber sowohl vor dem Landesgericht als auch vor dem Oberlandesgericht ab. Japanische Pritzker-Preisträgerin bleibt nach Gastprofessur der Universität für angewandte Kunst zumindest fünf Jahre erhalten. Wien – Stararchitektin Kazuyo Sejima übernimmt ab kommendem Semester eine ordentliche Professur an der Universität für angewandte Kunst in Wien. Die 59-Jährige absolvierte bereits dieses Semester eine Gastprofessur an der Kunstuniversität. Die nun fixierte Professur ist zunächst auf fünf Jahre angelegt. Somit wird diese hervorragende und innovative Architektin die bereits begonnene Lehrtätigkeit fortsetzen und ausbauen, erklärte Rektor Gerald Bast am Montag in einer Aussendung über die Verpflichtung der japanischen Pritzker-Preisträgerin, die 2010 als erste Frau die Architekturbiennale von Venedig geleitet hatte. Ihre bekanntesten Bauwerke sind das New Museum of Contemporary Art in New York, der Zollverein-Kubus in Essen und der Serpentine Gallery Pavilion in London. Akademikerkinder profitierten von Beschränkungen bei Medizin, Psychologie, Publizistik, Biologie. Wien – Die Kinder von Akademikern haben von der Einführung von Zugangsbeschränkungen an Unis profitiert – ihr Anteil an der Zahl der Studienanfänger hat sich in den betroffenen Fächern erhöht. Das zeigt eine am Dienstag bei einer Tagung der Arbeiterkammer (AK) präsentierte Studie. Für die Untersuchung wurde die Entwicklung in Medizin, Veterinärmedizin, Psychologie, Publizistik und Biologie analysiert. Zugangsbeschränkungen wurden in Österreich in Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) im Jahr 2005 eingeführt. Die Studienautoren verglichen die soziale Zusammensetzung der Studienanfänger beziehungsweise Studenten jeweils vor und nach der Implementierung. In der Humanmedizin betrug der Anteil der Akademikerkinder in den Jahren zwischen 2000 und 2004 maximal 41 Prozent. Nach Einführung der Beschränkung stieg er auf 54,5 Prozent und verblieb seither über der 50-Prozent-Marke. Ein Teil dieser Entwicklung kann durch den Anstieg der ausländischen Studenten – vor allem aus Deutschland – erklärt werden, die generell einen höheren familiären Bildungshintergrund aufweisen. Da es allerdings eine Quotierung der Plätze gibt – 75 Prozent für Inländer, 20 Prozent für EU-Bürger und fünf Prozent für Studierende aus Drittstaaten –, schlägt dieser Effekt nicht allzu hoch zu Buche. Ein hoher Akademikerkinder-Anteil im Medizinstudium ist übrigens kein österreichisches Phänomen: Laut Wissenschaftsministerium stammen in Deutschland sogar 68 Prozent der Medizinstudenten aus einem Akademikerhaushalt, in der Schweiz sind es 57 Prozent. Ein ähnliches Bild wie in der Humanmedizin zeigt sich auch in der Veterinärmedizin, wo es seit 2005 Eignungstests samt Aufnahmegesprächen gibt, allerdings keine Quotenregelung. Dort lag der Anteil der Akademikerkinder an den Studienanfängern im Jahr vor der Beschränkung bei 34 Prozent und stieg bis ins darauffolgende Studienjahr auf 46 Prozent. Zieht man den Effekt der sozial bessergestellten Bildungsausländer ab, bleibt eine um einige Prozentpunkte bessere Repräsentation der Kinder von Hochschulabsolventen. In beiden Fächern stieg der Anteil jener Studienanfänger, die über die AHS an die Universität kamen – in der Humanmedizin weniger stark, in der Veterinärmedizin stärker. Der Frauenanteil in beiden Fächern sank (wobei dieser allerdings in der Veterinärmedizin nach wie vor über 70 Prozent liegt). Auch in der Psychologie und der Publizistik stieg der Anteil der Akademikerkinder stark an – den Großteil dieses Effekts machten aber die ausländischen Studienanfänger aus, die im Schnitt aus sozial höheren Schichten kommen. Deutlich zeigt sich der Effekt in der Biologie, für die 2005 Zugangsbeschränkungen eingeführt, 2007 aber wieder ausgesetzt wurden. Im Jahr der Einführung der Beschränkung nahm der Anteil der Akademikerkinder unter den Studienanfängern um rund acht Prozentpunkte auf 43 Prozent zu, verblieb im Jahr darauf auf diesem Niveau und sank nach Aussetzung der Regelung wieder auf unter 40 Prozent. Die 2013 eingeführten neuen Zugangsbeschränkungen in Architektur, Biologie, Pharmazie, Informatik und Wirtschaftswissenschaften wurden noch nicht berücksichtigt. Eine Evaluierung des Instituts für Höhere Studien (IHS) war hier aber zuletzt zum Schluss gekommen, dass sich die soziale Zusammensetzung der Studienanfänger nicht verändert hat. Dass der familiäre Hintergrund einen großen Einfluss auf den Bildungserfolg hat, zeigt eine weitere von der AK in Auftrag gegebene Studie der Wirtschaftswissenschafter Rene Böheim und Christina Judmayr (Uni Linz). Die Forscher haben Daten von über 190.000 Geschwisterpaaren in Österreich analsysiert. Ihr Fazit: Wer Geschwister mit Pflichtschulabschluss hat, wird kaum Akademiker oder Akademikerin werden. Die Wahrscheinlichkeit, einen Uni-Abschluss zu machen, liegt für diese Gruppe bei drei Prozent. Dass sie einen Lehrabschluss oder eine berufsbildende mittlere Schule machen, ist viel wahrscheinlicher: Hier liegt die Quote bei 44 Prozent. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 39 Prozent haben diese Personen ebenfalls höchstens einen Pflichtschulabschluss. Demgegenüber haben Geschwister von Akademikern mit einer Wahrscheinlichkeit von 77 Prozent mindestens eine Matura – die Wahrscheinlichkeit, als höchsten Bildungserfolg einen Pflichtschulabschlusses zu haben, beträgt dagegen nur rund fünf Prozent. Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine Analyse der Einkommenssituation. Da die Geschwister in der analysierten Stichprobe vergleichsweise jung waren, erwarten die Studienautoren, dass die Bedeutung des familiären Hintergrunds für ältere Geschwisterpaare aufgrund der höheren Bildungsmobilität jüngerer Jahrgänge noch bedeutsamer ist. Die Korrelationen zwischen den Geschwistern ähneln dabei den Werten für Dänemark und Schweden. In Deutschland und den USA ist der Zusammenhang sogar noch größer. Anhand der Daten nicht überprüft werden konnten die Gründe für die Wichtigkeit der Herkunft für den Lebenserfolg. Die Bedeutung könne sowohl natürlich wie auch sozial bedingt sein. Da allerdings eine frühe Trennung von Kindern in eine akademische und eine nicht-akademische Laufbahn zu größerer Ungleichheit bei Bildung als eine spätere Trennung führt, ist zu vermuten, dass die Ausgestaltung des Bildungssystems hier ein wichtiger Faktor ist, heißt es in der Studie. Allgemein kann man sagen: Je stärker der Zusammenhang zwischen familiärer Herkunft und späterem Lebenserfolg, desto geringer ist die Chancengleichheit einer Gesellschaft. Ähneln sich also die Bildungsabschlüsse beziehungsweise Einkommen von Geschwistern, spricht das für eine ungleiche Chancenverteilung. Die HochschülerInnenschaft (ÖH) sieht sich durch die Studien bestätigt, dass Uni-Zugangsbeschränkungen zu weniger sozialer Durchmischung führen. Auf lange Sicht würden Kinder von Nicht-Akademikern vom Studieren abgehalten. Man habe bereits in den vergangenen Wochen davor gewarnt, dass Zugangsbeschränkungen sich negativ auf die soziale Durchmischung auswirken werden, so der stellvertretende ÖH-Chef Florian Kraushofer (Fachschaftslisten) in einer Aussendung. Das Wissenschaftsministerium versuche momentan durch äußerst kurzfristige Studien darüber hinwegzutäuschen. Die ÖH fordert daher einmal mehr ein Ende der protektiven Elitenpolitik an den Hochschulen und ein Ende der Zugangsbeschränkungen. Für die Universitätenkonferenz (uniko) bedarf es ob der Studie einer gründlichen Betrachtung. Die kürzlich vom Ministerium vorgelegten Evaluierungen der Zulassungsregelungen ließen zwar den Schluss zu, dass sich im Medizinstudium die Bildungsschicht aus Ärztinnen und Ärzten großteils selbst reproduziert. Darüber hinaus seien aber keine Hinweise auf strukturelle Auswirkungen auf die soziale Durchmischung erkennbar, so uniko-Präsident Heinrich Schmidinger. Zehn Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs zu Aufnahmeprüfung gibt es noch immer keine dauerhaften Steuerungsinstrumente für die Universitäten, sagt Heinrich Schmidinger. Wien – Enttäuscht von der Politik zeigt sich zehn Jahre nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zum Uni-Zugang die Universitätenkonferenz (uniko). Die damaligen Hoffnungen auf dauerhafte und effiziente Steuerungsinstrumente entpuppten sich leider als Schimäre, so uniko-Präsident Heinrich Schmidinger. Wie sich im Rückblick auf die vergangenen zehn Jahre herausstellt, wurden die damals installierten Zugangsregeln (für das Medizin- und Psychologiestudium in Österreich) nur unter dem Druck des Europäischen Gerichtshofs und nicht aus innerer Einsicht der handelnden Politiker installiert. Seither müssen sie alle paar Jahre im Zuge von UG-Novellen neu beschlossen werden, bemängelte Schmidinger. Dabei würden die Chancen eines geregelten Universitätszugangs in überlaufenen Fächern auf der Hand liegen: Verringerung der Drop-Out-Rate, Verbesserung der Studienbedingungen, Erhöhung der Leistungen in Forschung und Lehre an den Universitäten und damit Steigerung der Reputation von Österreich als Wissenschaftsstandort. All diese Möglichkeiten seien teils widerwillig vollzogen, teils aus ideologischen Gründen ausgeblendet worden. Folgerichtig zieht sich seit zehn Jahren ein Fleckerlteppich an UG-Novellen durch die Universitätslandschaft. Dazu käme eine Studieneingangsphase, deren Ergebnisse kaum strukturelle Auswirkung zeigen. Die Chancengleichheit für Studenten aus bildungsfernen bzw. sozial schwächeren Schichten dürfe laut Schmidinger nicht reflexartig im Widerspruch zu Zugangsregelungen ins Treffen geführt werden. Diese müssten so gestaltet werden, dass sie schwächere Gruppen stärken und Studienbedingungen gewährleisten, die es benachteiligen Gruppen ermöglichen, nicht nur ein Studium zu beginnen, sondern auch abzuschließen. Nach der Audimax-Besetzung an der Uni Wien 2009 habe man auf die Einführung einer untrennbar mit Platzbeschränkungen verbundenen Studienplatzfinanzierung durch die rot-schwarze Regierung gehofft: Doch die Bundesregierung hat sich mittlerweile von ihren eigenen Vorgaben und Vorhaben verabschiedet: Das 2011 gemeinsam von Wissenschaftsressort und der uniko in intensiver Detailarbeit entwickelte Modell wurde 2014 wegen fehlender Budgetmittel auf Eis gelegt. Ob es jemals in die Tat umgesetzt wird, steht in den Sternen. Zehn Jahre nach dem EuGH-Urteil fehlten den österreichischen Universitäten somit nach wie vor die geeigneten Instrumente, die sie für die Handhabung der Autonomie – und auch zur Hebung der stets geforderten Effizienz – benötigten, sagte Schmidinger: Die jeweils zuständigen Mitglieder der Bundesregierung – in den vergangen zehn Jahren waren das immerhin fünf verschiedene Wissenschaftsministerinnen und -minister – mussten diesen Missstand offenbar aus Koalitionsräson ebenso in Kauf nehmen wie die Folgen der ungelösten Probleme des Hochschulzugangs. Nach Ansicht der Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) war die Einführung von partiellen Zugangsbeschränkungen die falsche Reaktion auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Zugangsbeschränkungen lösen nicht das Problem, dass es zu wenige Plätze gibt und die Unis nicht ausfinanziert sind, so die neue ÖH-Generalsekretärin Magdalena Goldinger. Die richtige Reaktion wäre gewesen, für ausfinanzierte Hochschulen und eine bessere Orientierung zu sorgen, sagte Goldinger. Das Urteil sei vermutlich auch nur der Anlassfall für Maßnahmen gewesen, die ohnehin gekommen wären – vielleicht in dem Ausmaß nicht sofort. So war es aber schneller und leichter zu verkaufen. Mit den Beschränkungen sei auch die Idee der Ökonomisierung der Bildung in den Vordergrund gerückt. Und damit auch die Einstellung, dass alles einen Sinn haben muss. Gegen diese Entwicklung werde man sich engagieren. Paradox sind für Goldinger auch die derzeitigen Pläne von Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), neue Zugangsbeschränkungen in Jus und Chemie einzuführen – gerade angesichts der jüngsten, fast eine halbe Million Euro schweren Mint-Kampagne, mit der für ein Studium der Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik geworben wurde. Mit den Leistungsvereinbarungen sei die Teuerung nicht abgedeckt, sagt Rektor Schmidinger. Wien – Die Universitäten können mit ihrem Budget für die nächsten drei Jahre die Teuerung nicht abdecken. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) erhöht ihr Budget zwar von 2016 bis 2018 um insgesamt 615 Millionen Euro im Vergleich zu den drei Jahren davor. Dieses Geld reiche allerdings nicht einmal aus, um die Inflation zu begleichen, sagt der Präsident der Universitätenkonferenz (Uniko), Heinrich Schmidinger. Bei steigenden Studierendenzahlen kann daher von einer Verbesserung der Betreuungsverhältnisse an den Universitäten keine Rede sein, so Schmidinger am Freitag. Mitterlehner hatte bei der Nationalratssitzung am Donnerstag erklärt, dass sein Ministerium die Gespräche zu den Leistungsvereinbarungen bereits mit 18 von 22 Universitäten abgeschlosssen habe. Das Betreuungsverhältnis werde unter anderem durch die Umsetzung des Qualitätspakets Lehre verbessert, hieß es aus dem ÖVP-Klub. In den Studienfeldern Architektur, Informatik, Biologie, Wirtschaft und Pharmazie gebe es 95 Professorinnen und Professoren zusätzlich. Das verbessert die Relation beträchtlich, so Mitterlehner. Dem widerspricht Schmidinger. Die Rektoren könnten die Zuversicht Mitterlehners nicht teilen und sähen kaum Spielraum für Qualitätsschübe. Der Forschungsoutput soll nicht alleinige Bezugsgröße sein, sagt Hanappi-Egger. Wien – Die neue Rektorin der Wiener Wirtschaftsuniversität, Edeltraud Hanappi-Egger, will statt der reinen Messung des Forschungsoutputs künftig vielschichtigere Leistungsbeurteilungsmodelle für Mitarbeiter finden. Als Vorbild könne dabei das sogenannte Performance relative to opportunities-Modell in Australien dienen, sagte Hanappi-Egger am Montag. Bei der Leistungsbeurteilung gehen wir von reduzierten Sichtweisen aus, etwa von sehr linearen traditionellen Biografien, wo es keine Unterbrechungen gibt, betonte Hanappi-Egger. Gleichzeitig sind da Lebensphasen, wo viel passiert. Man soll lehren, sich in der Universitätsentwicklung engagieren oder in der Forschungskommunikation. Insofern dürfe man etwa bei Berufungen oder Evaluierungen nicht nur den reinen Forschungsoutput messen, sondern etwa auch das Engagement in der Lehre, in der Zivilgesellschaft oder in der Forschungskommunikation. Wir müssen erkennen, dass Leistungserbringungen immer in Abhängigkeit von gewissen Lebensumständen passieren, meinte Hanappi-Egger. Auf diesem Gedanken baue das performance relative to opportunities-Modell auf. Ich kann natürlich immer die Zahl der Journal-Publikationen zählen und sagen: 15 Publikationen sind mehr als zwölf. Wenn allerdings die 15 Publikationen von einem Inhaber einer Vollzeitstelle kämen und die zwölf von einem Teilzeit-Mitarbeiter, ergebe sich schon ein umfassenderer Informationsgehalt, nannte sie ein Beispiel. Initiativen plant die neue Rektorin auch bei den Studierenden: Hier gehe es darum, zu einer besseren sozialen Durchmischung zu kommen. Hanappi-Egger wollte sich dabei auf keine zu erreichenden Kennzahlen festlegen – es geht einmal ums bewusste Wahrnehmen und darum, sich dem Thema zu widmen. So könne man etwa die Einladungspolitik für Schulen an den Campus schärfen bzw. aktiv Schulen besuchen und vor Ort informieren. Dann könne man auch identifizieren, welche Pre-Study-Angebote es brauche – etwa neben reiner Information auch Kursangebote. Außerdem sei man gerade am Überlegen, welche Stipendien man hochbegabten Studierenden anbieten könne, die aus einem sozial schwächeren Background kommen. Am Prüfstand stehen außerdem gerade die Forschungsfördermodelle der WU. Darüber hinaus schaue man, wie man Tenure-Track-Modelle anbieten könne – also Laufbahnmodelle, die Nachwuchswissenschaftern bei Erfüllung bestimmter Kriterien eine durchgängige Beschäftigungsmöglichkeit bieten. Die neue Präsidentin der Universitätenkonferenz fordert Umschichtungen im Budget zugunsten der Hochschulen. Einen offenen Unizugang für alle Studenten hält sie für unrealistisch und naiv. Wien – Sonja Hammerschmid, die neue Vorsitzende der Universitätenkonferenz (Uniko), fordert Umschichtungen im Budget zugunsten der Hochschulen. Das werde notwendig sein, sagt die Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität im STANDARD-Interview: Wenn man so weitermacht wie bisher, riskiert man alles. Wir könnten unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Diese Forderung will sie auch mit dem Wissenschafts- und dem Finanzminister diskutieren. Einen offenen Uni-Zugang für alle Studierenden hält Hammerschmid für unrealistisch und naiv. So viele Ressourcen könnten nicht auf einen Schlag in die Lehre fließen. Die neue Uniko-Präsidentin, die dieses Amt am 1. Jänner 2016 vom Rektor der Universität Salzburg, Heinrich Schmidinger, übernehmen wird, will eine Evaluierung aller überlaufenen Studien und will dann über neue Zugangsbeschränkungen diskutieren. STANDARD: Sie bezeichnen sich selbst als ideologisches Arbeiterkind. Was meinen Sie damit? Hammerschmid: Schlichtweg, dass ich in einer Arbeiterfamilie aufgewachsen bin. Mein Vater ist Kraftfahrzeugmechanikermeister und war bei einer Industriefirma im Qualitätsmanagement tätig. Meine Mutter war Assistentin in einem Sanitärbetrieb. STANDARD: Wie schwer war es für Sie, eine akademische Laufbahn einzuschlagen? Hammerschmid: Für mich war es insofern einfach, weil mich meine Eltern dazu getrieben haben. Dafür bin ich sehr dankbar. Für sie war klar, meinem Bruder und mir die bestmögliche Ausbildung angedeihen zu lassen, um uns alle Wege offenzuhalten. STANDARD: Trotzdem sprechen Sie sich für Zugangsbeschränkungen und Studiengebühren aus. Viele fürchten, dass diese Maßnahmen Arbeiterkinder abschrecken. Warum sind Sie dafür? Hammerschmid: Zugangsregelungen sind mir wichtig, weil ich will, dass die Studierenden die bestmögliche Ausbildung bekommen. Ich verstehe nicht, warum gerade die Studierendenvertreter sagen, sie wollen offene Zugänge. Es ist die Qualität ihres Studiums, die leidet. Es ist völlig unrealistisch, dass mit einem Schlag so viel mehr Ressourcen in die Lehre fließen, dass die Betreuungsverhältnisse passen. Das ist naiv. Studiengebühren sollte man nur sehr moderat und abgefedert mit einem Stipendiensystem einführen. Zu meiner Zeit gab es zwar keine Studiengebühren, aber ich selbst bin das beste Beispiel dafür, dass man als Arbeiterkind studieren kann. STANDARD: In welchen Fächern hätten Sie gerne Zugangsregelungen? Hammerschmid: Man muss das evaluieren. Es gibt Massenfächer, wo die Betreuungsrelationen einfach nicht passen. STANDARD: In stark nachgefragten Fächern wie Publizistik gibt es schon Aufnahmeverfahren. Hammerschmid: Ich würde bitten, sich zuerst die Kapazitäten anzuschauen. Bisher wurden Studierendenobergrenzen eingeführt, ohne sich an den Kapazitäten der Unis zu orientieren. STANDARD: Erst ein naturwissenschaftliches Studium, dann eine der ersten Rektorinnen, jetzt erste Präsidentin der Universitätenkonferenz. Was bewegt Sie dazu, in Männerdomänen vorzudringen? Hammerschmid: (Lacht.) Das hat überhaupt nichts mit Männerdomänen zu tun. STANDARD: Es scheint systematisch. Hammerschmid: Aber nicht von mir geplant. Ich will gestalten. Mir ist es ein Anliegen, die Rahmenbedingungen für die österreichischen Universitäten ein Stück weiterbringen zu können. Dadurch, dass ich Naturwissenschaften studiert habe, war ich naturgemäß in einem Feld, das vor allem in den Führungspositionen männerdominiert war. So ist das für mich völlig normal und nichts Außergewöhnliches. STANDARD: Hat es Momente gegeben, wo es schwer für Sie war, eine der wenigen Frauen zu sein? Hammerschmid: Nein. Ich habe mich nie diskriminiert gefühlt. Auch in meiner wissenschaftlichen Karriere nicht. STANDARD: Bei Ihrer Antrittsrede als Rektorin haben Sie gesagt, dass für Ihr Selbstvertrauen vor allem Ihr Vater ausschlaggebend war. Wie kann man Mädchen fördern, die so einen Vater nicht haben? Hammerschmid: Es liegt viel an Rollenbildern. Wir brauchen Vorbilder, die wir vor den Vorhang holen. Damit kann man Mädchen auch vermitteln, dass Karriere mit Familie vereinbar ist. STANDARD: Braucht es eine Frauenquote, um diese Vorbilder zu bekommen? Hammerschmid: Quoten sind eine Erste-Hilfe-Maßnahme, die viel bringt. Durch die Quotenregelung an den Universitäten ist es völlig selbstverständlich, die Organe gendergerecht zusammenzusetzen. Damit kommt Gleichstellung viel stärker ins Bewusstsein. Da können sich Unternehmen ein Scheibchen abschneiden. STANDARD: Sie gelten als Netzwerkerin. Wie haben Sie sich Ihr Netzwerk aufgebaut? Hammerschmid: In meiner Funktion als Bereichsleiterin im Austria Wirtschaftsservice war es notwendig, Kundengruppen aufzubauen. Wenn ich neue Programme entwickelt habe, hat das meine Netzwerke enorm erweitert. Ich habe dort eng verzahnt mit dem Wissenschafts- und dem Wirtschaftsministerium gearbeitet. Dadurch habe ich auch ein politisches Netzwerk bekommen. Man muss die Kontakte natürlich auch pflegen. Netzwerke sind zwingend notwendig, um Themen umzusetzen. STANDARD: Ihr Vorgänger Heinrich Schmidinger hat am Ende seiner Amtszeit gesagt, dass seine Amtsführung wohl zu leise war. Was wollen Sie anders machen? Hammerschmid: Ich habe noch kein Generalrezept, aber ich lasse mich jedenfalls nicht leicht entmutigen. Was mir gelingen muss, ist eine gemeinsame Position aller Universitäten. Mit diesen Forderungen müssen wir dann zum Wissenschaftsminister und – ganz wichtig – zum Finanzminister. Auch andere Stakeholder wie die Industriellenvereinigung oder die Räte sind wichtig. Sie können Botschafter für uns sein, es gilt, sie mit ins Boot zu holen. Und das kann ich, das weiß ich. Es wird auch sehr wichtig sein, unsere Leistungen öffentlich zu machen. Wenn wir die breite Masse davon überzeugen können, dass sie einen Nutzen davon haben, wenn wir gute Leistungen bringen können, dann entsteht ein Druck seitens der Wähler auf die Politik. STANDARD: Dass die Wissenschaft viel leistet, sagt die Regierung schon jetzt. Das Problem ist, dass das Geld fehlt. Hammerschmid: Das hat mit Prioritätensetzung zu tun. Es stimmt, es steht im Regierungsprogramm und wird gerne bei Reden gesagt, aber die Handlungen dazu fehlen mir. Solange der Druck nicht höher ist, wird das auch so bleiben, fürchte ich. STANDARD: Sie fordern die Einführung einer kapazitätsorientierten Studienplatzfinanzierung, die bisher aus budgetären Gründen verschoben wurde. Wie wollen Sie es schaffen, dass sie wirklich kommt? Hammerschmid: Es wird eine Umschichtung im Budget notwendig sein. Wenn man so weitermacht wie bisher, riskiert man alles. Wir könnten unseren Wohlstand und unsere Wettbewerbsfähigkeit verlieren. Wenn es um die Zukunft des Landes und die jungen Menschen geht, dann muss man Prioritäten setzen. STANDARD: Sie sind von der Wissenschaft ins Management gewechselt, weil es Sie frustriert hat, wenn Experimente nicht aufgegangen sind. Was machen Sie, wenn die Arbeit als Uniko-Präsidentin genauso frustrierend ist? Hammerschmid: Das wird sie nicht sein, das weiß ich. In bin lange genug in der Universitätenkonferenz gesessen, um zu sehen, was geht und was nicht geht. Der wissenschaftliche Alltag eines Molekularbiologen ist ein anderer. Die Experimente dauern jahrelang. Wenn sie am Ende in die falsche Richtung aufgehen, kann man das schlichtweg in den Mistkübel werfen. Das ist nicht meine Welt. Ich liebe Verwaltung, Management und Führungsaufgaben. "Müsste dringend ganz anders gelöst werden" – Geld für "Haus der Geschichte" nicht gut angelegt. Wien – Die Organisation der Uni-Gebäude über die Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) sei ökonomisch und politisch ein Blödsinn, sagt Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste, im APA-Interview. Derzeit zahlen die Unis Miete an die BIG – mit Geld, das sie vom Wissenschaftsministerium bekommen. Die BIG führt das Geld wieder ans Wirtschaftsministerium ab. Von diesem Kreislauf profitieren letztlich nur die Banken, sagt Blimlinger. Die Frage der Gebäude müsste dringend ganz anders gelöst werden. Blimlinger kritisiert auch an den Leistungsvereinbarungen zwischen Unis und Ministerium. Die Vorbereitungen und Verhandlungen dafür würden ein ganzes Jahr laufen, eine Basarsituation, die für beide Seiten entwürdigend ist und bei der wahnsinnig viel Zeit draufgeht. Drittmittel seien außerdem für Kunstuniversitäten viel schwieriger zu bekommen als für wissenschaftliche Universitäten. Jene 111 Millionen Euro, die Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) für das erst zu bauende Haus der Geschichte veranschlagt, sieht Blimlinger nicht gut angelegt – sie sitzt selbst in der Steuerungsgruppe für das Projekt. Der Bau würde sich auch mit dieser Summe nicht ausgehen. Es habe außerdem nie eine Community aus Museumsleuten, Historikerinnen und Historikern gegeben, die gesagt hat: Super, machen wir ein Haus der Geschichte! Geschichte müsse heute kleinteilig und zielgruppenorientiert vermittelt werden. Auch das Haus der Zukunft, das nach aktuellen Plänen ans Haus der Geschichte angehängt werden soll, lehnt Blimlinger ab: Es kann gar nichts. Die elf Millionen Euro, die nach Ostermayers Plänen beim Weltmuseum eingespart werden, sollten laut Blimlinger lieber in bestehende Heimat- und Bezirksmuseen sowie in die Begrünung des Heldenplatzes investiert werden. Vom Ausmaß der Unterwanderung der Akademie der bildenden Künste durch Nationalsozialsten vor 1938 war Blimlinger überrascht. Man habe immer gewusst, dass die Akademie keine Hochburg von Modernität und Progressivität war. Aber dass es derartig viele illegale Nazis gegeben hat, dass man aufgrund der Nürnberger Gesetze de facto niemanden als jüdisch entlassen musste, weil man schon vorher niemanden hineingelassen hat – das hat mich schon überrascht. Schweizer Ägyptologe folgt auf deutschen Philosophen Jürgen Mittelstraß. Wien – Der ehemalige Rektor der Universität Basel und Ex-Vorsitzende der Schweizer Rektorenkonferenz, Antonio Loprieno (60), ist am Freitag zum neuen Vorsitzenden des Wissenschaftsrats gewählt worden. Der Ägyptologe löst Jürgen Mittelstraß ab, der das Gremium seit 2005 geleitet hat. Zu Loprienos Stellvertretern wurden die Juristin Gabriele Kucsko-Stadlmayer und der Physiker Rainer Blatt bestellt. Loprieno wurde am 20. Juli 1955 in Bari (Italien) geboren und ging in Bozen, Palermo, Verona und Brüssel in die Schule. Nach seinem Studium der Ägyptologie, Sprachwissenschaft und Semitistik an der Universität Turin und einer anschließenden vierjährigen Assistenzzeit folgte ein längerer Forschungsaufenthalt am Ägyptologischen Seminar der Universität Göttingen sowie im Jahr 1984 die Habilitation. Es folgten Berufungen als Professor an die Universität Perugia und die University of California in Los Angeles. 2000 wechselte Loprieno an die Universität Basel, deren Rektor er 2005 wurde. 2008 wurde der Ägyptologe außerdem zum Präsidenten der Rektorenkonferenz der Schweizer Universitäten gewählt. Im Juli 2015 beendete Loprieno seine Tätigkeit als Rektor, um sich verstärkt der Forschung zuzuwenden. Das österreichische Hochschulsystem kennt er etwa aus seiner Zeit als Mitglied des Expertenteams zur Erarbeitung eines Hochschulplans. Die Funktionsperiode in seinem neuen Amt beträgt sechs Jahre. Der zwölfköpfige Wissenschaftsrat berät sowohl den Wissenschaftsminister als auch die Universitäten sowie den Nationalrat und die Landtage in Angelegenheiten der Universitäten und allgemeinen wie speziellen Fragen der Wissenschaftspolitik und der Kunst. Das Gremium erarbeitet Analysen, Stellungnahmen und Empfehlungen, alle drei Jahre legt es dem Nationalrat einen Tätigkeitsbericht vor. Uni möchte Gebühren einheben, andere dürften nachziehen. ÖH kritisiert auch geplante Hürden für Informatikstudien. Wien – Geht es nach dem Rektorat der Uni Wien, soll es künftig 50 Euro kosten, den Aufnahmetest für ein Studium mit Zugangsbeschränkung zu probieren. Das ist geplant, bestätigt eine Sprecherin der größten österreichischen Uni. Inwieweit die Pläne tatsächlich umgesetzt werden, könne man noch nicht sagen – die inneruniversitären Prozedere für solche Entscheidungen seien kompliziert und von Fach zu Fach unterschiedlich. Unklar ist deshalb auch, für welche Fächer und ab wann die Gebühren kommen. Setzt sich das Rektorat durch, prescht die Uni Wien vor. Denn Gespräche über ein bundesweit akkordiertes Vorgehen für gebührenpflichtige Aufnahmetests laufen in der Universitätenkonferenz (Uniko) bereits, wie ihr Sprecher bestätigt. Ein Ergebnis gebe es aber noch nicht. Das Thema steht auf der Tagesordnung der nächsten Uniko-Sitzung am Montag. Einzelne Unis, etwa die Med-Uni Wien, verlangen bereits Geld für den Aufnahmetest. Rechtlich möglich ist so eine Gebühr, das stellte der Verfassungsgerichtshof (VfGH) im Herbst 2015 fest: Ein Kandidat für ein Lehramtsstudium an der Uni Innsbruck klagte gegen den Kostenbeitrag für den dortigen Aufnahmetest. Der VfGH wies die Klage letztlich ab. Die Gebühr sei eine ablauftechnische Maßnahme, die die Ernsthaftigkeit von Registrierungen sicherstellt – und ist damit rechtens. Die Studierendenvertretung der Uni Wien ist – erwartungsgemäß – wenig erfreut über die Pläne. Eine weitere Hürde fürs Studium sieht Karin Stanger (Gras) vom Vorsitzteam der ÖH Uni Wien als völlig inakzeptabel. Für angehende Studierende ohne Unterstützung der Eltern würde die Gebühr das Studium oft unmöglich machen. Das dürfte an der Uni Wien künftig auch jene treffen, die Informatik oder Wirtschaftsinformatik studieren wollen. Zugangsbeschränkungen in diesen Fächern stehen den Unis nach dem Gesetz schon bisher frei, die Uni Wien möchte ab kommendem Herbst davon Gebrauch machen. 370 Plätze in Informatik-Fächern muss die Uni laut Gesetz mindestens anbieten. Nachziehen dürfte dann die Technische Universität (TU) Wien. Zugangsbeschränkungen in Informatik seien als Reaktion auf den Vorstoß der Uni Wien angedacht, sagt Vizerektor Karl Matyas. Schließlich sei mit einem signifikanten Anstieg der Interessenten zu rechnen, wenn die Uni Wien den Zugang reguliert. Kritik von der ÖH kommt auch an dieser Maßnahme – letztlich siebe ein Aufnahmetest meist Frauen und sozial Schwache aus. Zudem sei es vonseiten des Wissenschaftsministeriums widersinnig, viel Geld in Werbung für technische Fächer zu investieren, den Unis dann aber nicht genug Mittel zur Verfügung zu stellen. Zur Förderung technischer und naturwissenschaftlicher Fächer bekenne man sich selbstverständlich, heißt es aus dem Ministerium. Das bedeute aber nicht, dass jederzeit an jedem Standort in jedem Fach eine beliebige Anzahl von Studienplätzen zur Verfügung gestellt werden kann. Unterscheidung in PhD-Studien und Doktoratsstudien soll fallen – Dafür bessere Betreuung und angemessene Finanzierung. Wien – Die Universitäten wollen eine generelle Möglichkeit zur Einführung von Zugangsbeschränkungen für Doktoratsstudien. Derzeit gibt es diese nur, wenn ein solches Studium als PhD-Studium eingerichtet ist. Diese Unterscheidung solle nicht länger aufrechterhalten werden, heißt es in einem Positionspapier der Universitätenkonferenz (uniko). Im Moment unterscheidet das Universitätsgesetz (UG) zwischen Doktoratsstudien und PhD-Doktoratsstudien. Während bei letzteren qualitative Zulassungsprüfungen vorgeschrieben werden dürfen (allerdings keine zahlenmäßige Beschränkung), sind in die normalen Doktoratsstudien alle Absolventen eines facheinschlägigen Diplom- oder Masterstudiums aufzunehmen. Künftig sollen alle Doktorats-Curricula unter Berücksichtigung der vertikalen Durchlässigkeit des Hochschulsystems qualitative Zulassungsbedingungen vorschreiben können, heißt es im Papier. Im Doktoratsstudium selbst soll es dafür dann eine stärkere Konzentration auf den Forschungsaspekt und mehr Unterstützung geben. Die Curricula müssten dem Umstand Rechnung tragen, dass Doktoratsstudien zu einem wesentlichen und großen Teil aus dem Dissertationsprojekt bestehen, welches stets individuellen Charakter hat. Es wird daher empfohlen, in den Studienplänen ein geringes Ausmaß an zu absolvierenden Lehrveranstaltungen festzulegen und den Hauptteil des Arbeitspensums im Verfassen der Dissertation bzw. im Erstellen des Dissertationsprojekts festzulegen. Die Unis müssten die Doktoranden außerdem als Early Stage Researchers bzw. (bei künstlerischen Studien) Early Stage Artists ansehen. Es muss Aufgabe der Universitäten sein, Sorge dafür zu tragen, dass keine Doktorandin und kein Doktorand aufgrund mangelhafter Betreuung das Studium abbricht. Diese Verantwortung können Universitäten nur wahrnehmen, wenn es ihnen ermöglicht wird, dem internationalen Standard entsprechend nach Qualitätskriterien eine Auswahl zu treffen. Dazu soll es eine laufende Qualitätssicherung bei der Dissertation geben – von der Betreuungszusage über eine Dissertationsvereinbarung, Fortschrittsberichte, Betreuerentwicklung, flankierende Maßnahmen bis zur Ermöglichung von Mobilität etwa durch Auslandsaufenthalte. Außerdem sollen die Doktoranden in eine Gruppe von (Senior) Peers integriert werden, also im relevanten Forschungsgebiet tätige Wissenschafter. Schließlich sollten die Dissertanten während ihres Doktoratsstudiums auch finanziert werden – die zusätzlichen Mittel seien von staatlicher Seite zur Verfügung zu stellen. In Sachen Doktorat wollen sich die Universitäten grundsätzlich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen: Erneut spricht sich die uniko im Positionspapier entschieden gegen eine Aufhebung der Unterschiede innerhalb des Hochschulsektors aus. Zuletzt hatten die Fachhochschulen für sich auch das Promotionsrecht eingefordert. Das Promotionsrecht ist das Proprium der Universitäten, formuliert die uniko. Sie seien aufgrund ihrer Profilierung in der Forschung/Entwicklung und Erschließung der Künste und ihrer entsprechenden Infrastruktur für Forschung/Entwicklung und Erschließung der Künste in der Lage, international übliche Qualitätsstandards zu gewährleisten. Die Wahrnehmung des Promotionsrechts zähle zu unseren Kernaufgaben und ist ein klares Alleinstellungsmerkmal der Universitäten, so uniko-Präsidentin Sonja Hammerschmid in einer Aussendung. Kooperationen mit anderen Einrichtungen beim Doktoratsstudium sollen zwar möglich sein – eine Verpflichtung dazu lehnt die uniko aber ab. Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) will bei der Doktoratsausbildung Kooperationen zwischen Universitäten und anderen Hochschulen forcieren. Grundsätzlich habe eine Arbeitsgruppe der Hochschulkonferenz festgelegt, dass die Promotion als universitäres Recht bestehen bleiben solle, sagt Mitterlehner. Allerdings sollten kooperative Doktoratsprogramme verstärkt eingesetzt werden. Derzeit würden diese Kooperationsmöglichkeiten zwischen Universitäten und Fachhochschulen (FH) nicht ausreichend genutzt, hieß es in einer Aussendung. Neue Förderansätze können hier unterstützend wirken. Derzeit erarbeite man im Ministerium ein Modell für institutionalisierte Kooperationen in der Doktoratsausbildung, in dem etwa gemeinsame Curricula entwickelt werden können. Denkbar ist für das Wissenschaftsministerium die von der uniko geforderte Ausweitung der Zulassungsbeschränkungen auf normale Doktoratsstudien – eine Angleichung an die Regelungen bei PhD-Studien sei eine Option, hieß es auf Anfrage. Die Fachhochschulkonferenz (FHK) erneuerte ihre Forderung nach der Möglichkeit zur Akkreditierung eigener Doktoratsprogramme an FH. Das Doktorat als universitäres Privileg ist nicht mehr zeitgemäß, hieß es in einer Aussendung. Außerdem würden mittlerweile sowohl das Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), die Donauuniversität Krems als auch die Privatuniversitäten bereits Doktoratsstudien anbieten – dies sei also schon längst kein Alleinstellungsmerkmal der öffentlichen Universitäten mehr. Die Österreichische HochschülerInnenschaft (ÖH) spricht sich gegen eine weitere Zulassungsbeschränkung von Doktoratsstudien aus. Die Einsicht der uniko ob der Verbesserungswürdigkeit der Doktoratsstudien ist begrüßenswert und löblich, der Hang zu reaktionärem Protektionismus bedenklich, sagt Generalsekretärin Magdalena Goldinger in einer Aussendung. Ab kommenden Studienjahr höchstens 400 Studienanfänger. Wien – Die Universität für Bodenkultur (Boku) beschränkt ab dem kommenden Studienjahr den Zugang zum Bachelorstudium Lebensmittel- und Biotechnologie. Die Zahl der Studienanfänger wird in einer Verordnung des Rektorats auf 400 festgelegt – bewerben sich mehr Interessenten, wird ein mehrstufiges Aufnahmeverfahren durchgeführt. Die Möglichkeit einer Platzbeschränkung besteht seit 2013 für alle Unis in den Studienfeldern Architektur, Biologie, Informatik, Pharmazie und Wirtschaftswissenschaften. Die Boku hat bisher allerdings darauf verzichtet. Auch wegen der Beschränkungen in verwandten Fächern wie Biologie oder Pharmazie an anderen Unis sei die Zahl der Studienanfänger von rund 250 pro Jahr auf zuletzt rund 400 angewachsen, so Vizerektor Georg Haberhauer. Aufgrund der Laborbedingungen sei die Beschränkung deshalb nötig geworden. Die Studenten seien praktisch durchgängig im Studium im Labor tätig. Wir fahren dort schon jetzt mehrere Schichten, auch am Abend und am Wochenende, betonte Haberhauer. Eine Beschränkung des Studiums der Landschaftsarchitektur ist dagegen derzeit nicht vorgesehen. Studienwerber müssen sich zunächst online registrieren. Tun das mehr als 400 Interessenten, müssen ein Online-Self-Assessment bzw. ein Aufnahmetest über Fachwissen, Basisfähigkeiten und kognitive Fähigkeiten absolviert werden. Für die Teilnahme am Aufnahmeverfahren sind wie an vielen anderen Unis 50 Euro zu bezahlen. Die Fristen bzw. der Testtermin werden ab 1. März auf der Boku-Homepage veröffentlicht. "Signifikante Ausweitung der privaten Mittel" bei Forschung nötig – Zweiprozentige Hochschulquote derzeit weit entfernt. Wien – Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) mahnt weitere Anstrengungen zur Erreichung einer Forschungsquote von 3,76 Prozent bis 2020 sowie einer Hochschulquote von zwei Prozent des BIP ein. Für die Erreichung des Forschungsziels brauche es eine signifikante Ausweitung der privaten Mittel, heißt es in einer Aussendung. Auch an den Hochschulen gebe es Potenzial für mehr private Finanzierung. Die Regierung hat sich in diversen Strategiepapieren das Ziel gesetzt, bis 2020 die Forschungsquote auf 3,76 Prozent zu steigern – ein Drittel der dafür nötigen Mittel sollen dabei von der öffentlichen Hand getragen werden. Im Regierungsprogramm enthalten ist außerdem das Ziel, für Hochschulen zwei Prozent des BIP aufzuwenden (ohne Aufteilung auf öffentliche und private Mittel). Derzeit liegt die Forschungsquote praktisch genau bei drei Prozent und damit im europäischen Spitzenfeld, allerdings unter den Werten von Dänemark, Finnland und Schweden. 2015 wurden insgesamt 10,1 Mrd. Euro für Forschung ausgegeben – um 2020 auf 3,76 Prozent des BIP zu kommen, müsste dieser Wert laut einer Wifo-Vorausschätzung auf knapp 15 Mrd. Euro anwachsen. Unter Annahme einer gleichmäßigen jährlichen Steigerung der Mittel wie seit 2011 liegt die öffentliche Forschungsfinanzierung derzeit auf Zielkurs, so das Wifo. Die private Finanzierung bleibt jedoch hinter den für eine Zielerreichung notwendigen Mitteln zurück. Die Ursachen dafür lägen in einer Kombination aus dem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld und der auf Branchen mit mittlerer bis mittelhoher Forschungsintensität konzentrierten Wirtschaftsstruktur. Die Hochschulquote Österreichs beträgt derzeit knapp 1,5 Prozent und liegt damit über jener von Deutschland und der Schweiz, allerdings weit hinter den USA und Südkorea und auch hinter den skandinavischen Ländern. Bezieht man in diese Betrachtung die (in Österreich vergleichsweise hohen) Studentenzahlen mit ein, ist der Abstand zu den Spitzenländern aber größer als im Forschungsbereich. In Österreich werden die Hochschulausgaben zu fast 95 Prozent (OECD: 69 Prozent) von der öffentlichen Hand getragen, liegen aber trotz Steigerung in den vergangenen Jahren unter dem Niveau, das für eine Zielerreichung im Jahr 2020 nötig wäre – die dann geplanten Ausgaben von fast acht Mrd. Euro würden eine Ausweitung von rund 3,1 Mrd. Euro oder 69 Prozent gegenüber 2014 bedeuten. Um den bisher erfolgreichen Pfad fortzusetzen, müssten die entsprechenden Mittel im neuen Bundesfinanzrahmen 2017-2020 budgetiert werden, so das Wifo. Gleichzeitig sei auf die Hebelwirkung der Aufwendungen auf die private Finanzierung zu achten. Potenzial zur Steigerung der Effizienz der Mittelverwendung im Forschungsbereich sieht das Wifo in verstärkter Evaluierung und Umschichtung zu jenen Instrumenten mit dem größten Effekt. Nachholbedarf gegenüber der vorgegebenen Strategie ortet das Wifo beim Ausbau der im Wettbewerb (also etwa über den Wissenschaftsfonds FWF) vergebenen Finanzierung der Grundlagenforschung. Diese trage besonders zur Qualitätssteigerung an Hochschulen bei: Derzeit ist jedoch keine Zunahme der kompetitiven Förderung von Grundlagenforschung zu beobachten. Immer mehr Studierende entscheiden sich für Universitätslehrgänge, die bis zu 45.000 Euro kosten. Dass die teuren Abschlüsse oft nicht anerkannt werden, ist vielen Absolventen nicht klar. Wien – Nicht jeder Rektor hat Freude damit, dass den österreichischen Universitäten das Einheben von Studiengebühren großteils untersagt ist – jedenfalls für die herkömmlichen Studiengänge. Bachelor, Master und Doktorat sind prinzipiell kostenfrei. Aber es gibt eine Ausnahme: Für sogenannte Universitätslehrgänge dürfen die Unis Geld verlangen. Unter Studierenden erfreuen sie sich zunehmender Beliebtheit: Waren es 2012 noch 17.844 Studierende in Unilehrgängen, sind es aktuell 20.190. Davon studieren 14.137 in Masterlehrgängen. Neben englischsprachigen und berufsbegleitenden Angeboten locken Universitätslehrgänge mit Spezialisierungen, die sonst fehlen, zum Beispiel Kulturmanagement an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Wien, Traffic-Accident-Research an der Technischen Universität Graz oder Sexualtherapie an der Uni Innsbruck. Neben den hohen Kosten haben die Lehrgänge einen weiteren Haken für Studierende, über den sie zu Beginn oft schlecht informiert werden: Schließt man den Lehrgang mit einem Mastertitel ab, sind damit nicht unbedingt die gleichen Berechtigungen verbunden wie mit einem Titel, der durch ein Masterstudium erworben wurde. So passiert es immer wieder, dass sich Studierende für einen Lehrgang entscheiden, weil dieser mit der Berechtigung auf ein Doktoratsstudium wirbt, tatsächlich werden die Abgänger aber nicht zugelassen. Ein solcher Fall, den die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) aktuell betreut, liegt dem Unistandard vor. Verena Kontschieder hat an der Wirtschaftsuniversität Wien ihren Bachelor abgeschlossen und sich im Anschluss für ein Masterstudium an der postgradualen Bildungseinrichtung Diplomatische Akademie entschieden, das in Kooperation mit der Technischen Universität Wien angeboten wird. Bei der Zulassung sei ihr versichert worden, dass sie nach dem viersemestrigen Masterstudium Environmental Technology & International Affairs (ETIA) ein Doktorat anschließen könne, sagt Kontschieder. Nun kämpft sie mit einer Rechtsbeschwerde um die Doktoratsberechtigung. Die Vertreter der Diplomatischen Akademie sehen ihrerseits keine Schuld. Denn: Sowohl auf der Webseite, der Informationsbroschüre wie auch in Aufnahmegesprächen wird erwähnt, dass es sich um einen postgradualen Unilehrgang handelt. Eine allgemeine Aussage zur Zulassung zu Doktoratsstudien wurde nicht getroffen. Nach Abschluss erhielt Kontschieder eine vorläufige Betreuungszusage für ein Dissertationsthema an der Wirtschaftsuni Wien. Die Doktoratsabweisung kam völlig überraschend, ich hielt sie für ein Missverständnis, sagt sie. Ihr Antrag wurde mit der Begründung abgewiesen, das ETIA-Studium sei lediglich ein Universitätslehrgang und stelle daher kein für die Zulassung zum PhD-Studium gleichwertiges Studium dar. Kontschieder sei kein Einzelfall, sagt Studierenden-Ombudsmann Josef Leidenfrost: Es gibt immer wieder Informationsmängel bezüglich der Frage, ob jeder Masterabschluss zu einem Doktorat berechtigt. Es müsse mehr Aufklärungsarbeit erfolgen. Auch die Hochschülerschaft erhält immer wieder Fragen in puncto Anrechnung von Masterlehrgängen, so Magdalena Goldinger (Fraktion Engagierter Studierender – Fest) vom Vorsitzteam der Bundesvertretung. Momentan sei dennoch keine gesetzliche Änderung geplant, um alle Absolventen von Unilehrgängen für Doktoratsstudien zuzulassen, heißt es aus dem Wissenschaftsministerium. Per Gesetz sind alle Unilehrgänge außerordentliche Studien. Die Studierenden sind demnach außerordentliche Studierende. Leistungen aus Lehrgängen können zwar prinzipiell schon anerkannt werden, die Entscheidung liegt aber immer bei der anerkennenden Uni.Auch außerhalb der Uni gibt es für die Anerkennung von Universitätslehrgängen keine klaren Richtlinien: Von Unternehmen werden die Absolventen von Masterlehrgängen meist gleichwertig wie Masterstudienabsolventen eingestuft. Im Bundesdienst wiederum werden Masteruniversitätslehrgänge nur wie Bachelorstudien eingestuft, die Absolventen sind somit vom höheren Dienst ausgeschlossen. Trotz der unklaren Anerkennung bauen die Unis ihre Lehrgänge immer weiter aus, denn im Gegensatz zu regulären Studien sind Lehrgänge für sie kostendeckend. Nach der Donau-Uni Krems, die neben Doktoratsstudien nur Lehrgänge anbietet, hat die Uni Klagenfurt den höchsten Anteil an Lehrgangsstudierenden, nämlich 1802 bei 10.321 ordentlichen Studierenden. An der Med-Uni Graz ist das Verhältnis 598 zu 4166. Während für ordentliche Masterstudien nur in Ausnahmefällen Studiengebühren von 363,36 Euro pro Semester anfallen, kosten Masterlehrgänge im Schnitt 2500 Euro pro Semester – mit Luft nach oben. MBA-Programme der WU Wien kommen auf 45.000 Euro. Die Beiträge haben sich laut Gesetz an den tatsächlichen Kosten zu orientieren, so das Ministerium. Kontschieder zahlte 24.400 Euro für ihr Studium. Sie hofft nun, eine Zulassung zum Doktorat an der TU München zu erlangen. Benjamin Hackl begann als Schüler sein Mathematikstudium an der Uni Klagenfurt, nun startet er sein Doktorat. STANDARD: Sie sind mit 20 Jahren der jüngste Absolvent eines Masterstudiums an der Uni Klagenfurt und können Dipl.-Ing. auf Ihre Visitenkarte schreiben. In der Redaktion hat eine Kollegin gescherzt: Der Doogie Howser von Klagenfurt. Diese US-Serienfigur wurde mit 14 der jüngste Arzt des Landes, sein reales Vorbild praktizierte mit 22 als Arzt. Was ist das für ein Gefühl, mit 20 Uniabsolvent zu sein? Hackl: (lacht) Es ist ein relativ spannendes Gefühl, nachdem ich schon seit mehreren Jahren darauf hinarbeite und das jetzt abgeschlossen ist, was aber auch ein bisschen seltsam ist, also ein lachendes und ein weinendes Auge. STANDARD: Wie und wann sind Sie denn überhaupt an die Universität Klagenfurt gekommen? Hackl: Ich habe mich im Alter von 15 an der Uni eingeschrieben. Es gibt das Programm Schüler/innen an die Hochschulen des Österreichischen Zentrums für Begabtenförderung. In diesem Rahmen bekommt man eine Freistellung für die Schule, und ich bin dann an einem Tag in der Woche an die Uni gekommen und habe dort Kurse belegt. Auf die Idee bin ich damals gekommen, weil ich das Talentecamp besucht habe, eine Veranstaltung der Universität, wo man ein bisschen Einsicht in die verschiedenen Fachrichtungen bekommt. Das war eine Woche mehr oder weniger so wie Unterricht, nur dezidiert Mathematikunterricht. Das habe ich ziemlich spannend gefunden, und dann ist die Idee entstanden, dass ich das weitermachen könnte. STANDARD: Haben Sie das selbst in die Wege geleitet, oder hatten Sie Unterstützung? Hatten die Eltern einen Bezug zur Uni und waren treibend, weil es ja eher ungewöhnlich ist, dass ein 15-Jähriger sagt, ich möchte an die Uni gehen? Hackl: Da waren mehrere Personen beteiligt. Auf der einen Seite war da die Sekretärin bei uns in der Schule am Bundesrealgymnasium Viktring, die uns darauf hingewiesen hat, dass es dieses Talentecamp gibt und dass ich mir das mal anschauen möge. Auf der anderen Seite haben mich natürlich meine Eltern unterstützt in meiner Entscheidung. Mein Vater ist selbstständiger Informatiker, und meine Mutter ist Therapeutin. STANDARD: Wie war es dann konkret, Schule und Uni zu verbinden? Wie muss man sich das vorstellen? Hackl: Es ist Gott sei Dank an einem Tag in der Schule nicht so viel passiert, dass es nicht mehr nachzuholen gewesen wäre. Das hat immer funktioniert, dass ich den Stoff, der an dem Tag passiert ist, dann nachgeholt habe. Und an der Uni habe ich es fast immer geschafft, dass alle meine Kurse an dem einen Tag gestaffelt waren. STANDARD: Warum gerade Mathematik? Hackl: Es ist einfach die Liebe zur Mathematik da. Man muss Mathematik einfach mögen, damit man gut arbeiten und sie studieren kann. STANDARD: Was ist das Schöne an der Mathematik? Hackl: Auf der einen Seite die Ästhetik der Sprache selbst und auf der anderen Seite natürlich auch die Exaktheit, dieses Verbinden einer gleichzeitig ästhetischen und formal-exakten Sprache ist faszinierend. STANDARD: Doogie Howser firmierte als Wunderkind. Würden Sie sagen, Sie sind ein Genie? Hackl: (lacht) Nein, würde ich nicht sagen. Ich bin nur einfach mathematisch interessiert. STANDARD: Wie haben Sie denn den Mathematikunterricht in der Schule empfunden? War das der Impuls, dass Sie das Gefühl hatten, da eröffnet sich eine Welt, die Sie fasziniert? Hackl: Die Schule hat die Rolle gespielt, dass sie mich auf das Talentecamp an der Uni Klagenfurt aufmerksam gemacht hat. Der Unterricht per se wars eigentlich nicht. STANDARD: Haben Sie sich in der Schule auch gelangweilt? Hackl: Teilweise, aber erst, nachdem ich zu studieren angefangen habe, ab da war der Schulunterricht langweilig. Es war nix mehr Neues da. STANDARD: Hätten Sie sich also als sehr begabter Schüler in der Schule einen anderen Mathematikunterricht gewünscht? Hackl: In meinem zweiten Semester, da war ich dann in der sechsten Klasse und habe das Wahlpflichtfach Mathematik besuchen können, hatte ich das Glück oder den Zufall, dass einer der Dozenten von der Uni das bei mir in der Schule unterrichtete. Das hat sich schön ergänzt. Ich habe also in der Schule immer eine Anlaufstelle gehabt. In der Fünften hat es das noch nicht gegeben, aber da hätte ich mir auch keinen anderen Unterricht gewünscht. Der hat genau gepasst. STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie an der Uni gemacht – immer als Jüngster? Hackl: In den Vorlesungen hat man es am Anfang de facto nicht mitgekriegt, denn da bin ich meistens immer irgendwo hinten gesessen. Das war egal. In den Übungen wars dann ähnlich, da bin ich zwar auch immer hinten gesessen, aber da kommt dann halt der Punkt, wo man einmal an der Tafel vorn etwas vorrechnen muss. Das ist dann schon ein bisschen seltsam gewesen, am Anfang zumindest. Später, als man mich gekannt hat, dann nicht mehr. STANDARD: Sind Sie auch einmal bei einer Prüfung durchgefallen? Hackl: Durchgefallen nie, nein. STANDARD: Und gibt es Fächer, die Ihnen zumindest in der Schule überhaupt nicht gelegen sind? Hackl: Die Schule ist positiv abgelaufen, aber es waren trotzdem Fächer dabei, die nicht so ganz meinem Geschmack entsprochen haben. Also ich bin nicht sonderlich künstlerisch veranlagt. STANDARD: Hatten Sie das Gefühl, dass Sie – abgesehen von der mathematischen Kompetenz, in der Sie mit den anderen zumindest gleichauf oder sogar weiter als sie waren – den Älteren an der Uni in bestimmten Dingen auch unterlegen waren? Immerhin waren Sie ein Teenager. Haben Sie sich an der Uni manchmal auch etwas verloren oder überfordert gefühlt? Hackl: Es war am Anfang natürlich eine neue Erfahrung, dieses Vorlesung-Übung-Prinzip habe ich aus der Schule natürlich nicht gekannt. Das war neu für mich, hat sich aber auch relativ schnell eingependelt. Das, was ein bisschen mehr Probleme gemacht hat, war, dass ich, einfach dadurch, dass ich ein Quereinsteiger war und meine ganzen Kurse mehr oder weniger kreuz und quer gemacht habe, nie wirklich in einem Jahrgang dabei war. Ich hatte zwar schon einige Kollegen, mit denen ich dann mehr zu tun hatte, aber es war nie wirklich so, dass ich sagen konnte, ich bin jetzt im Jahrgang soundso. STANDARD: Sie haben in Ihrer Teenagerzeit studiert. Konnten Sie auch richtig Teenager sein, oder haben Sie das Gefühl, dass Sie vielleicht auch etwas versäumt haben? Hackl: (lacht) Das kommt darauf an, was Sie unter richtig Teenager sein verstehen. STANDARD: Gute Gegenfrage. Vielleicht die Tatsache, dass ein Studium effizient und erfolreich zu organisieren und durchzuziehen ja doch auch eine andere Verantwortung und auch Disziplinierung des eigenen Lebens bedeutet, als eine strukturierte Schule zu durchlaufen. Hackl: Ein Teil Disziplin gehört schon dazu, und vielleicht war’s einfach so, dass ich zumindest an einem Tag in der Woche ein bisschen disziplinierter war als an den restlichen Tagen. STANDARD: Wie soll es nun weitergehen? Sie sind momentan als Projektassistent an der Uni Klagenfurt. Hackl: Ja, ich bin in einem Projekt von Clemens Heuberger angestellt und habe da einen Platz für die nächsten drei Jahre. In diesem Rahmen kann ich meine Dissertation schreiben. STANDARD: Mit welchem Bereich der Mathematik beschäftigen Sie sich speziell? Hackl: Mit Kombinatorik. Das ist der gleiche Bereich, mit dem sich Stephan Wagner, der unlängst im STANDARD porträtiert wurde, beschäftigt. Er kommt von der Stellenbosch University in Südafrika und ist der erste Fellow am neu gegründeten Karl Popper Kolleg an der Uni Klagenfurt. Wir kooperieren unter anderem mit ihm. STANDARD: Ist Ihr Ziel, weiterhin an der Universität zu bleiben? Hackl: Vorerst ja. Ich möchte auf jeden Fall ein Doktorat fertigmachen, da werde ich sicher auch ins Ausland gehen, da würde sich wegen unserer Kollegen Helmut Prodinger und Stephan Wagner unter anderem Südafrika anbieten. Ob’s danach wirklich weitergeht mit der Universität, kann ich jetzt einfach nicht sagen. Das ist zu früh. STANDARD: Sie haben die Situation der Universität in sehr jungen Jahren erlebt. Was würden Sie sich von der Unipolitik wünschen? Hackl: Schwierige Frage. Die Situation mit den Anstellungsverhältnissen ist auf jeden Fall nicht sonderlich förderlich für Jungwissenschafter, das kann man genauso sagen. Stichwort Prekariat. Es gibt wenige neue Stellen, und die, die ausgeschrieben werden, sind oft auf genau eine Person zugeschnitten. Auch die Kettenvertragsregel ist nicht förderlich. STANDARD: Die Regierung streitet oft und gern über das Thema Unizugang. Welche Position vertreten Sie im Zusammenhang mit Zugangsregelungen? Hackl: In den technischen Studien haben wir das Problem schlicht und ergreifend nicht, zumindest in Klagenfurt schon gar nicht. An den größeren Unis verstehe ich, dass es Platzprobleme gibt. Ich habe da keine vorgefertigte Meinung zu dem Thema. Es gibt überzeugende Argumente für und es gibt überzeugende Argumente gegen Zugangsbeschränkungen. STANDARD: Noch ein unipolitisches Streitthema sind Studiengebühren. Wie würden Sie sich da positionieren? Sie haben in einer Zeit studiert, in der keine zu zahlen waren. Hackl: Genau, ich bin aber prinzipiell für Studiengebühren, weil sie unter anderem auch die Finanzierung der Universitäten ein bisschen entlasten würden. Ich habe mich damit aber nicht im Detail beschäftigt. STANDARD: Was würden Sie sich für Schülerinnen und Schüler, die besonders begabt sind, von der Bildungspolitik wünschen? Hackl: Ich würde mir wünschen, dass Lehrer besser darauf achtgeben, dass sie Schüler in der Klasse haben, die sich vielleicht wirklich sehr für die Materie interessieren, und dass es mehr Hinweise auf das österreichische Zentrum für Begabtenförderung gibt. Das wird meines Wissens nach so gut wie überhaupt nicht gemacht. STANDARD: Was machen Sie, wenn Sie sich nicht gerade mit Mathematik beschäftigen? Hackl: Im Sommer zum Beispiel gern an den See gehen, der zum Glück keine acht Gehminuten von der Uni entfernt ist. Ich bin auch musikaffin und spiele ein bisschen Gitarre. Wer erst später im Leben zu studieren beginnt, hat mit einigen Hürden zu kämpfen, aber auch schon wichtige Erfahrungen gesammelt. Gehören auch Sie zu den Quereinsteigern? Teilen Sie Ihre Erlebnisse im Forum!. Von der Schule direkt an die Uni – für ein Viertel der österreichischen Studierenden ist das nicht die Lebensrealität. Diese gehören zu den Quereinsteigern mit verzögertem Studienbeginn und sind im Schnitt 28 Jahre alt. Was durchaus seine Vorteile haben kann. Man war schon in der echten Welt unterwegs, hatte schon den einen oder anderen richtigen Job, in dem man wertvolle Erfahrungen sammeln konnte, war auf Reisen und hat vielleicht auch in Sachen Familienplanung schon erste Schritte gesetzt. Und es ist ein gutes Gefühl, sich nach reiflicher Überlegung mit voller Überzeugung für ein Studium zu entscheiden, für das man sich mit 18 vielleicht noch gar nicht interessiert hätte. Andererseits kann ein späterer Studienbeginn die Sache auch erschweren. Es gibt Leichteres, als das Studium mit seinem Beruf unter einen Hut zu bringen. Muss man dann im Job Stunden streichen, ergeben sich bald finanzielle Probleme, wenn man auf keine finanzielle Unterstützung hoffen kann. Andererseits kann es auch das Studium immens in die Länge ziehen, wenn man durch den Brotjob gezwungen ist, auf Sparflamme zu studieren. Und es kann auch durchaus irritieren, wenn man mit über 30 in einer Übung mit lauter Achtzehnjährigen sitzt. Unsere User hatten zu dem Thema schon einiges zu berichten: Haben auch Sie erst nach einigen Jahren zu studieren begonnen? Welche Hürden mussten Sie bezwingen? Welchen Problemen begegneten Sie im Alltag? Welche Vorteile sehen Sie in Ihrer Entscheidung? Würden Sie es noch einmal genauso machen? (aan, 31.5.2016) Wer kompetent ist, verfügt über entsprechende Kenntnisse und Fähigkeiten, so das Alltagsverständnis. Der Pädagoge Jochen Krautz kommt aber zu einem anderen Schluss. STANDARD: Weshalb ist die Zuschreibung kompetent für Sie mit Vorsicht zu genießen? Krautz: Weil sie nicht hält, was sie verspricht. Jeder will heute einen kompetenten Menschen als Ansprechpartner. Ob Arzt, Bankberater, Kfz-Mechaniker oder Verkäufer, alle sollen sie kompetent sein. Was soll also schlecht daran sein, wenn bereits die Schüler auf Kompetenz hin unterrichtet werden, fragt sich der Laie. Nun, schlecht daran ist, dass das in den Schulen und Universitäten eingeführte Kompetenzkonzept massiv das Bildungsverständnis verändert. Bildung zielte auf Selbstständigkeit im Denken auf der Grundlage von Wissen und Können. Die Vermittlung von Kompetenzen hingegen zielt auf vordergründiges Funktionieren, auf Bereitschaft zur Anpassung an den globalen Wandel. Das halte ich für hochproblematisch, zumal von den Betrieben zunehmend beklagt wird, dass dieses selbstständige Denken faktisch ab- anstatt zunimmt, wie es die Verfechter des Kompetenzkonzeptes versprechen. STANDARD: Was macht den Kompetenzbegriff in der grassierenden Verwendung so suspekt? Krautz: Beim Kompetenzbegriff in seiner aktuellen Fassung geht es um kognitive Fähigkeiten zur anwendungsbezogenen Problemlösung. Damit fällt ein großer Teil dessen, worum es in der Schule gehen sollte, schon einmal unter den Tisch. Ziel dieser Verkürzung war es, Bildung messbar zu machen. Kompetenzen lassen sich nun zwar messen, das aber nur unter Vernachlässigung aller anderen Dimensionen von Bildung. Da Kompetenzen als funktionale Fähigkeiten prinzipiell inhaltsneutral sind, wird zunehmend gleichgültig, woran ich sie erwerbe. Lesekompetenz kann ich an einem anspruchsvollen Gedicht, aber auch an Whatsapp-Nachrichten üben. So lange ist es noch gar nicht her, da galt die Auffassung, dass Goethe oder Schiller noch etwas mehr zu bieten haben als SMS-Texte, etwa Fragen nach Glück und Verantwortung, nach Lebenssinn und Empfinden für eine ästhetische Sprachform. Und genau das ist kein überflüssiges Brimborium, sondern hilft dabei, einen eigenen, verantwortlichen Ort in der Welt zu finden. Quid ad me? Was geht mich das an? – Das war mal eine didaktische Leitfrage: Wie können junge Menschen von etwas angesprochen werden? Wie können sie zu einem Verstehen, Wissen und Können kommen, das ihnen dabei hilft, selbstbestimmt und verantwortlich durchs Leben zu gehen? Von alldem weiß Kompetenz nichts. STANDARD: Mit anderen Worten: Kompetenzorientierung senkt das Bildungsniveau? Krautz: Das ist das Problem! Hinzu kommt: Kompetenzen sind auch ethisch neutral: Mit Rechenkompetenz kann ich Finanzmanipulationen berechnen, mit Sozialkompetenz auch eine Mafiagang führen. Bildung und Erziehung fallen im kompetenzorientierten Unterricht zunehmend auseinander. Lehrpläne werden zur aberwitzigen Ansammlung von Teilkompetenzen, nach denen man nicht mehr unterrichten kann. Auch diese Klage erfahrener, nicht ideologievernebelter Pädagogen ist zutreffend. Zu Recht weisen sie darauf hin, dass mit der Kompetenzorientierung die sachliche Logik der Fächer und damit auch die Struktur des Denkens verlorengeht. Laut OECD, der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, die für den Pisa-Test und dieses Kompetenzkonzept verantwortlich ist, geht es ganz ausdrücklich nicht um geisti- ge Selbstständigkeit, sondern um Anpassungsfähigkeit. STANDARD: Wer auf Kompetenzen hin getrimmt ist, hat einen blinden Fleck beim kritischen Urteilsvermögen? Krautz: Das vollzieht sich subtil, aber deutlich. Die Kritik daran ist nicht gegen die jungen Menschen gerichtet, die so verbildet wurden. Aber junge Menschen lernen zunehmend zu funktionieren und das Gegebene nicht zu hinterfragen. Damit sinkt zugleich das Interesse an den Dingen. Man studiert dann, um fertig zu werden. Die Sache aber, das eigene Fach, das interessiert einen eigentlich nicht mehr. Fragen nach Wahrheit und Geltung, die Unterscheidung von Meinung und Argument, die Reflexion von Methoden werden kaum mehr angenommen, weil sie in dieser funktionalistischen Welt überflüssig erscheinen. STANDARD: Aber legt sich die Wirtschaft in einer Zeit, in der ein umfassendes Denken in Interdependenzen und Wirkungszusammenhängen betriebliche Überlebensvoraussetzung ist, mit dem schmalspurigen Kompetenzkonzept nicht ein Kuckucksei ins Nest? Krautz: Und was für eines! Das ist ja die bittere Ironie der Geschichte: Ein angeblich im Namen der Wirtschaft auf Kurs gebrachtes Bildungssystem wird zunehmend dysfunktional gerade für die Bedürfnisse der Wirtschaft selbst. Man schießt sich in der Tat ins eigene Knie, schreit dann laut auf und bemerkt nicht, dass man den Revolver selbst in der Hand hält. Zu lange hat die Wirtschaft den Bildungsökonomen in den Bildungsabteilungen der eigenen Interessenverbände vertraut, die diesen Unsinn seit 15 Jahren in einer Flut von Gutachten und Expertisen propagieren. Es wird Zeit, dass sich gerade die Wirtschaft überlegt, was sie ernsthaft will: geistige Eunuchen oder demokratiefähige Bürger, die etwas wissen und können. In weiterer Perspektive wird man zudem fragen müssen, was dieser Kulturkampf, den die OECD weltweit führt, eigentlich soll. Wem dient die geistige Verarmung und kulturelle Entwurzelung ganzer Länder? Wem dient es, Volkswirtschaften zu ruinieren? Den Menschen, ihrer Kultur, der Demokratie und eben auch einer menschwürdigen Wirtschaft sicher nicht. Ich fürchte auch, dass es dabei um mehr geht als um die Privatisierung einiger profitabler Bereiche im Bildungswesen. Das sind – zumindest im deutschsprachigen Raum – Nebeneffekte für daran interessierte Konzerne. Letztlich scheint es um die Steuerbarkeit und Steuerung von Menschen zu gehen, indem man ihnen das Denken abgewöhnt. Österreichs Fachhochschulen regeln die Aufnahme von Flüchtlingen individuell: Manche sind restriktiv, andere sehen fehlende Zeugnisse nach. Die Möglichkeit zu studieren hat jeder. So lautet eine Aussage, die alle Fachhochschulen in ihren Stellungnahmen mehrfach betonen. Ob Asylwerber oder Asylberechtigter spiele eigentlich keine Rolle, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Nachsatz: Wenn die Bewerber alle nötigen Zeugnisse liefern können, die Sprache beherrschen und die reguläre Aufnahmeprüfung positiv absolvieren. Was aber, wenn die Zeugnisse auf der Flucht verlorengegangen sind? Was, wenn das Deutsch doch noch nicht ausreicht? Und müssen Flüchtlinge Studiengebühren zahlen? Die wichtigsten Fragen zusammengefasst: Zugang zum Studium: Die rechtliche Grundlage bildet der sogenannte Gleichheitsgrundsatz, geregelt im FH-Studiengesetz. Dieser verpflichtet Fachhochschulen dazu, alle Studierenden gleich zu behandeln. Das gilt bereits für die Aufnahme. Unter die Zugangsbedingungen fallen für alle: Geburtsurkunde, Meldezettel, ein Zeugnis, das die Universitätsreife bescheinigt, müssen im Original und gegebenenfalls auch beglaubigt vorgelegt werden, auch facheinschlägige Berufserfahrung zählt, falls nachweisbar. Dokumente: Einige der Fachhochschulen greifen bei der Aufnahme von Flüchtlingen auf kulantere Lösungen zurück. An der FH Oberösterreich wird etwa die Hochschulreife auch vorläufig in einem persönlichen Interview getestet , nachdem Geflüchtete es schwerer hätten, diesen zu erbringen. Für die Aufnahme zum Bachelorstudiengang Electrical Engineering würden den Bewerbern beispielsweise Fragen aus den Bereichen Physik, Naturwissenschaften und Mathematik gestellt werden. Auf Empfehlung des Wissenschaftsministeriums haben FHs aktuell die Möglichkeit, von der Vorlage einzelner Urkunden abzusehen, wenn glaubhaft gemacht wird, dass deren Beibringung innerhalb einer angemessenen Frist unmöglich oder mit übergroßen Schwierigkeiten verbunden ist. Viele FHs geben an, davon Gebrauch zu machen. An der FH Vorarlberg gibt es eine Zusammenarbeit mit der Caritas, die Flüchtlinge im Bewerbungsprozess beratend unterstützt. Außerordentliche Hörer: Entscheidet die jeweilige Fachhochschule, dass die erbrachten Zeugnisse und Dokumente für eine Aufnahme nicht ausreichen, steht es auch Flüchtlingen offen, als außerordentliche Hörer an Vorlesungen teilzunehmen. Erforderliche Sprachkenntnisse: Ob Deutsch oder Englischkenntnisse verlangt werden, hängt von der Unterrichtssprache des jeweiligen Studiengangs ab. An der FH Technikum Wien ist das Deutschlevel B2 Voraussetzung. Die FH Wiener Neustadt verlangt, je nach Studiengang, das Deutschniveau C1 oder C2. Einige FHs bieten kostenlose Kurse für Flüchtlinge an. Reichen Sprachkenntnisse nicht aus, wird man an den meisten FHs auch nicht zum Aufnahmeverfahren zugelassen. Wie reguläre internationale Studierende sind Flüchtlinge dann aber berechtigt, den Vorstudienlehrgang zu besuchen und die Deutschkenntnisse auf das geforderte Niveau zu heben. An der FH Vorarlberg arbeitet man derzeit an einem Zugang über den Vorstudienlehrgang für Asylwerber, da es hier möglich ist, dass bei negativem Aufenthaltsbescheid Ausfälle in den Jahrgängen eintreten, die bezüglich des Studienplatzes nicht mehr nachbesetzt werden können. Aufnahmeprüfungen: Auch hier gilt: Die Prüfung ist für alle Interessenten gleich, egal ob Flüchtling oder nicht. An jenen FHs, wo Prüfungen durchgeführt werden, sollen diese also auch von Flüchtlingen absolviert werden. Asylwerber oder Asylberechtigte müssen sich wie jeder andere auch für die vorhandenen Plätze bewerben – Extraplätze werden beim Großteil der Fachhochschulen nicht geschaffen. An der FH Technikum kann man sich aber vorstellen, zusätzliche Plätze zu schaffen, wenn ausreichend Kapazitäten vorhanden sind. Studiengebühren: Auch hier gilt bei den meisten Fachhochschulen der Gleichheitsgrundsatz. Wenn die Studierenden Gebühren zahlen müssen, gilt das auch für Flüchtlinge, heißt es bei den meisten. Die 363,36 Euro pro Semester werden etwa an der FH St. Pölten, der FH Campus Wien oder an der FH Wiener Neustadt eingehoben – die FH Technikum erlässt hingegen die Studiengebühren für Flüchtlinge, ebenso die FH Salzburg und die FH Kärnten. Beihilfen und Mindestsicherung: Bei Vorliegen einer Asylberechtigung haben die Studierenden Anspruch auf Studienförderung. Problematisch kann es allerdings für Asylberechtigte werden, die keinen Anspruch auf Studienförderung haben und ein Vollzeitstudium aufnehmen, da in diesem Fall die Mindestsicherung durch das AMS ausfallen könnte, denn: BezieherInnen der Bedarfsorientierten Mindestsicherung müssen bereit sein, ihre Arbeitskraft einzusetzen und dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen. Dies kann im Falle eines Studiums in der Regel nicht angenommen werden, heißt es im Sozialministerium. Anrechnung: Studienerfolge aus dem Ausland können angerechnet werden, falls nachweisbar. Wie die FHs reagieren, falls ein Großteil der Personen diese Nachweise nicht bringen können und auch an der ehemaligen Hochschule niemand erreicht werden kann (weil etwa in Syrien die meisten Unis geschlossen wurden), wird aus den Antworten nicht ersichtlich. Das dürfte auch daran liegen, dass es noch nicht viel Erfahrung mit Flüchtlingen an Fachhochschulen gibt: Flüchtlinge an FHs: An den meisten heimischen Fachhochschulen studieren noch keine Flüchtlinge. An der FH Oberösterreich belegen vier Asylberechtigte das Fach Electrial Engineeing und zwei – allerdings als außerordentliche Studierende – Medizintechnik. An der FH Salzburg studieren aktuell drei Flüchtlinge aus Syrien: Ein 32-Jähriger besucht den Master Innovation and Management in Tourism, da er eine adäquate Vorbildung in Syrien abgeschlossen und die reguläre Aufnahme bestanden hat (siehe Seite 3). Zwei jüngere Syrer besuchen als außerordentliche Hörer den Bachelorstudiengang Innovation and Management in Tourism. Einige FHs geben an, dass sie nicht wissen, ob Asylwerber oder Asylberechtigte unter den Studierenden sind. Die FH des BFI weist etwa darauf hin, dass der Status aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht erhoben wird. Für alle in- und ausländischen Bewerber, unabhängig vom Status, gelten die gleichen Aufnahmekriterien. Engagement: Werden die bürokratischen Anforderungen auch unterschiedlich gehandhabt, so eint die FHs das Engagement vieler Studierender und Lehrender auch abseits des regulären Betriebs. Viele sind in Notquartieren im Einsatz, teilweise wurden Gebäudeteile der FHs selbst zu Quartieren. Mehrere Sammelaktionen – von Computern über WLAN-fähige Handys bis zu Kleidung – wurden gestartet, Führungen und Begegnungsnachmittage für junge Flüchtlinge organisiert. Warum die Fachhochschulen keine Koordinierungsstelle in Flüchtlingsfragen brauchen und was gegen Polarisierung hilft, erklärt Kurt Koleznik, Generalsekretär der Fachhochschulkonferenz. STANDARD: Welche Rolle nehmen die Fachhochschulen in der Flüchtlings- und Integrationshilfe wahr? Koleznik: Helfen, wo es geht. Die Hochschulen wissen, dass sie Teil der Zivilgesellschaft sind, und so bringen sie sich auch ein – vom Studentenheim, das zur Verfügung gestellt wird, über Deutschkurse bis zu Spenden. Mitarbeiter haben Anspruch auf Extraurlaub, wenn sie karitativ tätig sind. Oft ist es das Engagement Einzelner, etwa wenn verschiedene Veranstaltungen für minderjährige unbegleitete Flüchtlinge ins Leben gerufen werden. STANDARD: Die Universitäten haben das koordinierende Projekt more im Ausbau – brauchen die Fachhochschulen keine solche Koordinierungsstelle? Koleznik: Wir haben das überlegt, sind aber zum Schluss gekommen, dass die FHs vor Ort wirken und sich den Bedürfnissen entsprechend in ihren Regionen mit Initiativen und Vereinen koordinieren. So kann geschehen, was jeweils gebraucht wird. STANDARD: Wie sieht es denn mit der Zulassung zum Studium aus, sind besondere Programme für Asylwerber geplant? Koleznik: Grundsätzlich reicht es nicht, nur Flüchtling zu sein. Aufnahmetests müssen sein. Allerdings haben wir da gewissen Spielraum, etwa wenn jemand die Hochschulreife behauptet, aber keine Zeugnisse vorweisen kann, dann bieten sich Feststellungsprüfungen an – oft sind die Hochschulen, an denen die Flüchtlinge zuvor eingeschrieben waren, ja auch bekannt. Dennoch ist das zu überprüfen – das gilt auch für Nostrifizierungen. Die Standards sind zu halten. Aber es besteht die Möglichkeit, etwa Gruppen bei den Aufnahmetests zu bilden, weil es etwa nicht immer günstig ist, AHS-Absolventen mit Asylberechtigten in einer Gruppe zu testen. Wobei da auch nützlich ist, dass wir insgesamt 46 Studiengänge in Englisch anbieten. STANDARD: Besteht vonseiten Asylberechtigter derzeit viel Interesse daran, in eine heimische FH zu kommen? Koleznik: Bis jetzt ist die Nachfrage sehr gering. Das kann sich aber ändern, wir starten die neuen Aufnahmetests im Frühjahr. Ich erwarte Interesse mit gewisser Zeitverzögerung – es spielt ja so vieles mit, die Leute müssen auch erst einmal ankommen, würdig wohnen können, die Kriegstraumata bearbeiten. STANDARD: Die Rolle der Fachhochschulkonferenz? Koleznik: Wir sind für die rechtliche Beratung da – für alles, was Anrechnungen und Nostrifizierungen betrifft oder Stipendienmöglichkeiten. STANDARD: Zu den Profilen im tertiären Sektor: Gibt es Neuigkeiten aus den intersektoralen Arbeitsgruppen? Es sollten ja die Universitäten entlastet werden. Koleznik: Dieser Prozess beginnt im neuen Jahr, wir hatten diese Diskussion eingefordert, jetzt beschäftigt sich die Hochschulkonferenz damit. Es geht im Kern darum, die berufsfeldbezogenen Studien zu den FHs zu verlagern. STANDARD: Wie etwa Jus? Koleznik: Ja, oder Maschinenbau, nichtärztliche Gesundheitsberufe, die Elementarpädagogik. Da wäre viel drinnen für die Fachhochschulen und damit gleichzeitig für die Profilschärfung Universitäten/FHs. STANDARD: Was kann gegen Polarisierung und gegen das Ausnützen und Schüren von Ängsten in der Migrationsdebatte getan werden? Koleznik: Die Wahrheit ist zumutbar. Jedem. Politiker sollen Karten auf den Tisch legen und Klartext reden. STANDARD: Aber Angst lässt sich nicht mit Zahlen und Argumenten auflösen. Koleznik: Oh doch, mit Offenheit und Glaubwürdigkeit – natürlich nicht mit Argumenten, die mit einem Rucksack voll hidden agenda daherkommen. Fachhochschulkonferenz lässt nicht nach: "Kein Privileg der Unis". Wien – Bekannt positioniert und diskursfreudig, hat die Wissenschaftssprecherin der Grünen, Sigrid Maurer, nun noch einmal nachgelegt: Den Begehrlichkeiten der Fachhochschulen, selbst Doktoratsstudien anbieten zu dürfen, muss eine klare Absage erteilt werden. Maurer weiter: Die Fachhochschulen können das für ein Doktoratsstudium nötige Forschungsumfeld nicht bieten. Der Sündenfall, ein Promotionsrecht an eine Institution zu vergeben, die dieser Aufgabe wissenschaftlich nicht gewachsen ist, ist bereits mit der Donau-Uni Krems passiert, das darf sich nicht wiederholen. Das Doktorat diene der wissenschaftlichen Qualifizierung und der Forschung, nicht der Statusverbesserung. Zuvor hatte die Fachhochschulkonferenz (FHK) Anfang Februar in einer Aussendung das Thema Doktorat wieder aufs Tapet gebracht und von Notwendigkeit von extern akkreditierten Doktoratsprogrammen an Fachhochschulen, um es dem angewandt forschenden akademischen Sektor zu ermöglichen, gesprochen. Grundstein des Ärgers ist ein von der Universitätenkonferenz entwickeltes Positionspapier, das ein Kooperationsverständnis der Universitäten im Doktoratsbereich beschreibt. Darin werde zum Ausdruck gebracht, dass allein die Universitäten entschieden, ob und wie sie kooperierten, wettert FHK-Generalsekretär Kurt Koleznik. Diese Vorgangsweise entspreche zwar dem Selbstverständnis der klassischen Universitäten, schwäche aber gleichzeitig Innovation im Bereich der angewandten akademischen Forschung an den Fachhochschulen. Durch die Stärke der universitären Autonomie hätten die Fachhochschulen keine Möglichkeit, sich in ihren Forschungsfeldern weiterzuentwickeln. Damit die Stärke der Universitäten nicht zur Schwäche der Fachhochschulen werde, müssten einheitliche Rahmenbedingungen geschaffen werden. Die Universitätenkonferenz ist der Überzeugung, dass das Promotionsrecht das Privileg der öffentlichen Universitäten ist und spricht sich des Weiteren gegen eine Entdifferenzierung innerhalb des Hochschulraumes aus. Hier müsse, so Koleznik, entgegenhalten werden, dass sowohl das Institute of Science and Technology Austria (IST Austria), die Donauuniversität Krems – eine Weiterbildungsuniversität ohne grundständige Studien – wie auch die Privatuniversitäten neben den öffentlichen Universitäten bereits Doktoratsstudien anbieten und dies daher schon längst kein Alleinstellungsmerkmal der öffentlichen Universitäten mehr sei. Dass die erwähnten Hochschultypen dieses eigenständige Recht neben den klassischen Universitäten eingeräumt bekommen haben, sei für die Entwicklung ihres eigenständigen Forschungsprofils richtig und wichtig gewesen, sagt die FHK ganz im Gegensatz zu Maurers Beurteilung als Sündenfall. Man müsse, so die Forderung, den Fachhochschulen künftig zumindest die Chance geben, Doktoratsprogramme zur Akkreditierung einzureichen. So könne gewährleistet werden, dass tatsächlich eine wertfreie Beurteilung durch neutrale Experten darüber erfolgt, ob Fachhochschulen in der Lage sind, entsprechend hochqualitative Doktoratsprogramme zu etablieren. Überblick ist das A und O. Schon 30 Minuten Planen pro Woche kann helfen – To-do-Listen gibt es längst auch digital. Permanent zu viel zu tun, permanent zu wenig Zeit. So geht es vielen Studierenden. Vor allem, wenn sie neben dem Studium einem Beruf nachgehen – und auch noch ein paar Stunden pro Woche für Privates übrigbleiben sollen. Professionelles Zeitmanagement kann Abhilfe schaffen, weiß Elisabeth Hefler von der Psychologischen Beratungsstelle für Studierende in Wien. Ein guter Plan ist unabdinglich, sagt die Psychologin. Das kann beispielsweise ein Semesterplan sein. Darin sollten Prüfungen und Abgaben ebenso eingetragen werden wie der Zeitpunkt, an dem man beginnt, sich dafür vorzubereiten. Zusätzlich brauche es Wochenpläne. Dann kann man sehen: Wo habe ich zwischen der Arbeit Zeit, um zu lernen? Hefler rät dazu, Zeitpläne schriftlich festzuhalten. Das ist eine Arbeitsentlastung für unser Gedächtnis und dient außerdem der Selbstmotivation. Wichtig sei zudem, bei der Planung realistisch zu bleiben – es passiert relativ häufig, dass sich Studierende Ziele setzen, zu viele Dinge einplanen, die sich dann nicht umsetzen lassen – das demotiviert. In einem Zeitplan sollten nicht nur Pflichtaktivitäten – Arbeit, Uni, Erledigungen – vermerkt werden, sondern auch Freizeitaktivitäten. Sie sollten ebenso einen fixen Platz im Kalender haben. Erholung ist schließlich wichtig, um sich wieder den Aufgaben widmen zu können, so Hefler. Umgekehrt solle man nicht eine ganze Woche strikt durchplanen, damit zumindest noch ein wenig Raum für Spontaneität bleibt. Der Vorteil auch: Sie geraten nicht sofort aus dem Konzept, wenn der Computer abstürzt, sagt Hefler. Die Grundregel des Zeitmanagements: Mindestens 40 Prozent der Zeit sollen frei bleiben. Schon durch 30 Minuten Planung pro Woche könne man mehr Zeitsouveränität gewinnen. Der Sonntagabend ist ein bewährter Zeitpunkt dafür, um sich einen Überblick über die kommende Woche zu verschaffen und die Prioritäten zeitlich zu ordnen, sagt Hefler. Auch auf Tagesbasis empfiehlt die Psychologin To-do-Listen. Beim Erstellen einer solchen solle man sich ständig von der Frage leiten lassen: Bringt mich das, was ich jetzt genau tue, meinem wichtigsten Ziel näher?, schreibt Zeitmanagement-Trainer Ivan Blatter auf seinem Blog. Detaillierte Anleitungen, um das Wichtigste des Tages zu bestimmen und zu notieren, gibt es zuhauf, die wohl bekannteste ist Getting Things Done (kurz GTD). Entwickelt vom Managementberater David Allen sieht sie vor, alles aufzuschreiben, was einem im Kopf herumgeht – um ihn dann frei für wirklich Wichtiges zu haben und trotzdem nichts zu vergessen. Eine andere Methode ist Master your Workday Now. Hier werden Aufgaben in Critical Now (unbedingt heute zu erledigen) und Opportunity Now (kann in der nächsten Woche erledigt werden) unterteilt. Alles Weitere fällt in die Kategorie Over the Horizon. Priorisierung sei jedenfalls entscheidend beim Erstellen einer To-do-Liste, sagte Jochen Mai, Kommunikations- und Strategieberater, der Süddeutschen Zeitung. Bei der Frage, wie man das macht und mit welcher Methode, wird es schnell knifflig und persönlich. Einig scheinen sich Berater jedenfalls darin zu sein, dass die Liste möglichst kurz und simpel sein solle – schließlich dient sie ja dazu, den Überblick zu behalten. Seit geraumer Zeit gibt es To-do-Listen auch digital. Über die Applikation Todoist können Nutzerinnen und Nutzer etwa nicht nur Projekte und Aufgaben zusammenschreiben, sondern sie auch mit anderen teilen – und das auf mehreren Geräten gleichzeitig, denn die Synchronisation erfolgt automatisch. Die App empfiehlt ihren Usern zudem, größere Aufgaben aufzuteilen und Prioritäten zu setzen. Zusätzlich können die Aufgaben auch in Kategorien wie Arbeit, Privates oder Einkaufen unterteilt werden. Erledigt man sie, sammelt man Punkte. Ähnlich funktioniert Wunderlist: Hier kann man Aufgaben online sammeln, Einkaufszettel oder Filmlisten anlegen. Sind die Punkte erledigt, werden sie abgehakt und automatisch aus der Liste gelöscht. Freunde und Kollegen können die Punkte kommentieren. Für regelmäßige Aufgaben – zum Beispiel das Aufräumen des Schreibtisches – gibt es die App Full. Über sie lässt sich auch überprüfen, wie oft tatsächlich saubergemacht oder Ziele verfehlt wurden. Routinen – also jeden Tag zu einer gewissen Zeit aufzustehen und schlafen zu gehen, soweit das eben geht – und sich Ziele zu stecken bezeichnet Psychologin Hefler als durchaus gewinnbringend für das Zeitkonto. Wichtig sei jedoch, die Ansprüche an sich selbst nicht zu hoch zu schrauben. Man sollte etwa akzeptieren, dass man für sein Studium länger braucht, wenn man nebenbei arbeitet. Fachhochschulen wollen ihre Studierenden zum Gründen ermutigen. Dafür sprechen die vielen Angebote. Wie viele dann tatsächlich ein Start-up gründen, ist nicht überall erfasst. Wien – Die Fachhochschule Oberösterreich hat mitgezählt: 52 Unternehmen seien bislang von Absolventen gegründet worden. Das bekannteste darunter ist freilich Runtastic, das zunächst 2013 für 22 Millionen Euro vom Medienkonzern Axel Springer übernommen und 2015 von Adidas gekauft wurde. Die Erfolgsgeschichte der oberösterreichischen Fitness-App dient vielen Gründern als Motivation und den Fachhochschulen als Ansporn, Studierende zu unterstützen. Die Palette reicht dabei von der Zurverfügungstellung eines großen Netzwerkes und Business-Know-how über spezielle Unterstützung – etwa mit Design Thinking -, Canvas und Businessplan. Studierenden unter die Arme gegriffen wird aber auch bei der Suche nach Investmentkapital und Förderungen. Angetreten mit der Message, in seiner Zeit als Rektor vor allem Start-ups zu fördern, ist letzten Oktober Gerhard Blechinger. Mit ihren Studiengängen sei die Fachhochschule Salzburg prädestiniert für Unternehmensgründungen, ist der neue Rektor überzeugt: Gründungsinitiativen sowohl von Studierenden als auch aus dem Lehrkörper heraus sind herzlich willkommen und gehören gefördert. Seit Jänner 2016 gibt es ein eigenes FH Startup Center in Salzburg. Durch spezielle Formate und Serviceleistungen werden Gründungsinteressierte in verschiedenen Phasen – sei es in der Seed Phase oder in der Pre Start und Start Phase – unterstützt. Außerdem ist die Fachhochschule Teil eines Inkubatorennetzwerks, wo auch das Land, die Wirtschaftskammer, Co-Working-Spaces und die Uni aktiv ist. Auch in anderen Bundesländern gibt es solche Zusammenschlüsse, für die man sich meist bewerben muss. So auch in St. Pölten: Beim 2014 gegründeten creative-pre-incubator haben sich bereits mehr als 100 Studierende beworben. Eine Jury aus externen Experten wählt aus den Bewerbungen die Projekte aus, die beim Entwickeln der Geschäftsidee und der Unternehmensgründung unterstützt und in die Start-up-Szene eingeführt werden. Die Studierenden bekommen in dem zweisemestrigen Programm einen Co-Working-Space zur Verfügung gestellt, nehmen an mindestens vier Workshops teil, erhalten zwei Mal pro Woche ein Coaching und werden laufend an der FH betreut. Auch hier wurden die Absolventen auf ihrem Weg verfolgt: Man rechnet aktuell mit etwa 60 Gründerinnen und Gründern. Ein neues Konzept wird aktuell an der Fachhochschule Technikum in Wien ausgearbeitet. Auch hier soll es darum gehen, wie Start-ups und Spin-offs von Studierenden und Mitarbeitern bestmöglich unterstützt werden können – ab Herbst diesen Jahres. Gerade als rein technische Fachhochschule sehe man sich für dieses Thema prädestiniert. Anfang März wurden erstmals die Studierenden und Alumni zu einem Start-up-Talk geladen, die Resonanz sei dabei sehr groß gewesen. Außerdem seien Studierende des Masters Innovations- und Technologiemanagement dabei, zu erheben, wie gründungswillig die Gesamtheit der Studierenden ist. Natürlich sind Unternehmensgründungen und Start-ups nicht erst seit kurzem ein Thema für Fachhochschulen: Entrepreneurship sei von jeher ein Grundpfeiler der Hochschulen gewesen, gleichbedeutend mit dem Praxisbezug, so der Tenor. In einem letztes Jahr von der Fachhochschulkonferenz gestarteten Rundruf zum Thema stieß man auf viele Wünsche – vor allem finanzieller Natur. Denn was sich Studierende vor allem wünschen würden, sei Raum. Dem kommt man aktuell beispielsweise in Kärnten nach. Zusätzlich zum schon bestehenden Smart Lab Carinthia der FH Kärnten, wo etwa 3D-Druck, CNC-Fräsen und elektronische Arbeitsplätze genutzt werden können, sollen angehenden Gründern ab diesem Sommer auch die Gründergaragen zur Verfügung stehen: für Assembling, Optimierung sowie zur sicheren Verwahrung der Prototypen. Aktuell betreue man 19 Projekte, eine Handvoll ist bereits in die Gründung übergegangen. Eine gute Idee zu finden steht natürlich am Anfang und ist für viele die größte Herausforderung beim Gründen. An der FH Krems haben Studierende dafür 101 Tage Zeit: Im Bootcamp des IMC FoundersLAB sollen aber auch bereits Prototypen entwickelt, Märkte und Zielgruppen befragt und Geschäftsmodelle verworfen und verfeinert werden. Der krönende Abschluss: das Pitchen vor Investoren. Letzteres lernen Studierende mitunter auch bereits in Lehrveranstaltungen. Aus den Fachhochschulen ist zu hören, dass man sich auch im regulären Studienplan darauf konzentriere, den Studierenden Basics für die Unternehmensgründung mitzugeben. Wichtig sind dabei Praxisforen mit Expertinnen und Experten sowie Lehrveranstaltungen zu Businessplan, Marketing, Recht und Entrepreneurship. Während man letztes Jahr bei der Fachhochschulkonferenz noch von einem Ost-West-Gefälle sprach, fällt auf, dass sich binnen eines Jahres bereits vieles verändert hat und auch im Westen Angebote hinzugekommen sind. Auch den kooperierenden Unternehmen scheint der neue Gründergeist an den heimischen Fachhochschulen zu gefallen: Viele beteiligen sich an Transferzentren, spenden Zeit, Wissen oder stellen Räumlichkeiten zur Verfügung. (Lara Hagen, 11.4.2016) Board-Sitzung in Paris – Kooperation mit Unesco und Anwerbung neuer Mitglieder geplant. Wien/Paris – Das umstrittene Abdullah-Zentrum in Wien sucht einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin für die frühere Vizegeneralsekretärin Claudia Bandion-Ortner. Am Mittwoch will das Board of Directors bei einer Sitzung in Paris außerdem über künftige Kooperationen – möglicherweise mit der Unesco – und die Anwerbung neuer Mitglieder beraten. Bandion-Ortner musste nach einer fragwürdigen Bemerkung in einem Profil-Interview – Es wird nicht jeden Freitag in Riad geköpft – ihren Posten räumen. Beste Aussichten auf den Job haben laut Insidern die Spanier. Im Gespräch sollen dem Vernehmen nach ehemalige Diplomaten, darunter ein spanischer Ex-Außenminister, sowie der österreichische Diplomat Karl Schramek und Ex-Vizekanzler Michael Spindelegger sein. Letzterer dementiert diese Gerüchte aber heftig: Da sei gar nichts dran. Wir können nicht nachvollziehen, woher diese Gerüchte stammen, sagte Bernhard Schragl von der Agentur für die Modernisierung der Ukraine, deren Präsident Spindelegger ist. Erst im April einigten sich die Gründungsmitglieder Saudi-Arabien, Spanien, Österreich und der Vatikan (Beobachterstatus) nach monatelanger Kritik an der Arbeit des Zentrums auf Neuerungen. Der Plan dafür enthält ein klares Bekenntnis zur Religionsfreiheit, einen stärkeren Fokus auf das Verhältnis von Religionsfreiheit und Menschenrechten sowie die Zielsetzung einer Öffnung und neuen Kommunikationskultur in Erfüllung der Dialogaufgaben. Außerdem sollen neue Mitglieder angeworben werden, die sich auch an der Finanzierung beteiligen können. An den Statuten – also am Grundmandat des Zentrums – ändert sich aber nichts, auch nicht daran, dass Saudi-Arabien das Zentrum weiterhin mit rund 15 Millionen Euro finanziert. Die Menschenrechtssituation in Saudi-Arabien wird in dem geplanten Neuanfang auch nicht explizit erwähnt. Konkret vermissen Kritiker wie die SPÖ eine Verurteilung der Auspeitschungen des Bloggers Raif Badawi durch das Abdullah-Zentrum. Auch NGOs kritisieren die katastrophale Menschenrechtssituation im Golfstaat. Erst am Dienstag wurde bekannt, dass Saudi-Arabien heuer bereits 100 Menschen geköpft haben soll, im gesamten Jahr 2014 waren es 87. Das Zentrum selbst war für eine Stellungnahme dazu nicht erreichbar. Die Vereinbarung ist zwischen den Vertragsparteien gemacht worden, daher wird sie nur von den Mitgliedstaaten kommentiert. Wir beginnen mit der Umsetzung der Zukunftsstrategie, hatte Zentrumssprecher vor einem Monat gesagt. Den Fall Badawi wollte das Zentrum erneut nicht kommentieren. Wien – Am Mittwoch hat der Prozess gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und den ehemaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer begonnen. Dem Ex-TA-Chef werden im Zusammenhang mit der Vergabe des Blaulichtfunks an das Konsortium Tetron im Jahr 2004 Untreue und falsche Beweisaussage im Korruptionsuntersuchungsausschuss vorgeworfen. Mensdorff-Pouilly muss sich wegen Beitragstäterschaft zur Untreue verantworten. Beide bestreiten die Vorwürfe, es gilt die Unschuldsvermutung. Der Prozess startete mit der Einvernahme der Angeklagten. Vorerst sind fünf Verhandlungstage anberaumt. Der Staatsanwalt sieht bei Zahlungen von 1,1 Millionen Euro der Telekom Austria an Mensdorff-Pouilly keine Gegenleistung, wie dieser sagte. Den Angeklagten werde daher Untreue vorgeworfen. Fischer steht zudem wegen des Verdachts der falschen Beweisaussage vor dem Korruptions-Untersuchungsausschuss im Jahr 2012 vor Gericht. Für Fischers Anwalt Otto Dietrich ist der zweite Anklagepunkt hinfällig, weil sich Fischers Aussage nicht ändern werde. Mensdorff-Pouillys Verteidiger Harald Schuster erklärte, dass die Gelder per Überweisung geflossen seien, was untypisch für Bestechung sei. Außerdem sei das Geld ordnungsgemäß versteuert worden und nach wie vor im Einflussbereich von Mensdorff-Pouilly und es habe keine Kickback-Zahlung an Fischer gegeben. Die entscheidende Frage des Prozesses sei die der Gegenleistung, sagte Schuster beim Prozessauftakt. Richter Michael Tolstiuk befragte zu Beginn der Verhandlung Rudolf Fischer. Es ging auch darum, ob Fischer als Vorstand die Befugnis hatte, ein Beratergeschäft in der Höhe von mehr als einer Million Euro abzuschließen. Fischer sagte, er sei sich sicher gewesen, bei einem Volumen von 100 Millionen Euro die 1,1 Millionen Euro unterzubringen. Für den Aufsichtsrat sei dies kein Thema gewesen. Ich hätte gleich in der Zeitung inserieren können und schreiben, dass Mensdorff zum Abschuss freigegeben ist, sagte der angeklagte Ex-Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer am Mittwoch im Tetron-Prozess dazu, warum die Abrechnung mit Lobbyist und Jagdausflug-Organisator Alfons Mensdorff-Pouilly erst vier Jahre später, 2008, erfolgte. Das Problem sei gewesen, dass die Gewerkschaft in der Telekom rot war und Mensdorff-Pouilly schwarz. Wäre die Zusammenarbeit aufgekommen, hätte es keine weitere Zusammenarbeit mehr gegeben, so Fischer. Das war die Crux an der Sache. Man habe vermeiden müssen, dass das publik wird. Zudem habe Fischer nicht gewusst, ob sein Nachfolger auch mit Mensdorff-Pouilly zusammenarbeiten möchte. Ich wollte diese Altlast bereinigen, so Fischer zur Abrechnung im Jahr 2008. Mensdorff-Pouilly sei außerdem ab 2006 wegen der offenen Forderungen unrund geworden. Daraufhin fragte der Staatsanwalt, ob Fischer die Verjährungsfrist von Forderungen kenne. Fischer antwortete, dass er persönlich immer zu einem Vertragspartner stehe – auch, wenn Vereinbarungen mündlich getroffen worden sind. Ihm wäre es zudem wurscht gewesen, wenn bei den 2008 ausgestellten Rechnungen die tatsächlichen Projekte, also die Beratungsleistungen, als Zahlungsgrund angegeben worden wären. Aus der Sicht von Fischer betraf die Leistung an Mensdorff-Pouilly die Reorganisation des Alcatel-Motorola-Konsortiums, damit die Telekom nicht mehr Teil des Bieterkonsortiums ist, sondern nur noch Infrastruktur-Lieferant. Dadurch sei das Risiko bei der Vergabe minimiert worden. Auch Mensdorff-Pouilly bekannte sich nicht schuldig. Auf die Frage des Staatsanwalts, der ihn mit einer Aussage im Ermittlungsverfahren konfrontierte, wonach er kein Geld für Tetron genommen habe, sagte Mensdorff: Das war eine Schutzbehauptung, aber das durfte ich sagen. Hätte er eine Zahlung im Zusammenhang mit der Telekom erwähnt, wäre das nach dem U-Ausschuss in den Medien herumgeschoben worden, so Mensdorff vor Gericht. In der Causa Tetron geht es um die Neuvergabe des Blaulichtfunks durch den damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP). Schmiergeldverdacht steht im Raum. Lobbyist Mensdorff-Pouilly soll über mehrere Jahre insgesamt 4,4 Millionen Euro von Alcatel, Motorola und Telekom kassiert haben. Die genannten Unternehmen mit ihrem Konsortium Tetron haben den Auftrag bekommen. Dem ursprünglich siegreichen Konsortium mastertalk wurden später 30 Millionen Euro Schadenersatz auf Steuerzahlerkosten gezahlt. Wien – Der frühere Telekom-Finanzvorstand und nunmehrige Kronzeuge Gernot Schieszler hat am Donnerstag im Tetron-Prozess geschildert, dass der wegen Untreue angeklagte Ex-Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer 2004 oder 2005 auf ihn zugekommen sei, und dass dieser gesagt habe, es sei noch etwas aus der Vergangenheit offen. Weißt eh, mit dem Ali, erzählte der Zeuge. Er sei unter Druck gesetzt worden, die Rechnung mit dem Lobbyisten Alfons Ali Mensdorff-Pouilly zu begleichen. Unter anderem vom damaligen Alcatel-Vorstand und ÖVP-Bundesrat Harald Himmer. Ich wollte das vom Tisch haben. Als er schließlich ein geeignetes Projekt gefunden hat, rechnete er mit Mensdorff-Pouilly ab. Der Lobbyist bekam 2008 insgesamt 1,1 Millionen Euro für das Projekt Alpha überwiesen. Für Alpha hat Mensdorff-Pouilly allerdings nie Leistungen erbracht. Dass er das überhaupt gemacht habe, nannte Schieszler am Donnerstag vor Gericht völlig vertrottelt. Die beiden wegen Untreue Angeklagten, der Ex-Telekom-Austria-Festnetzvorstand Rudolf Fischer und der Lobbyist Alfons Mensdorff-Pouilly, sind am Donnerstag auf Antrag der Staatsanwaltschaft erneut – diesmal getrennt voneinander – einvernommen worden. Es ging darum, herauszufinden, wofür denn nun die 1,1 Millionen Euro geflossen sind. Staatsanwalt Volkert Sackmann ersuchte die Medien im Sinne der Wahrheitsfindung die Liveberichterstattung während der gesonderten Einvernahme einzustellen. Die tickernden Journalisten kamen der Bitte nach. Fischer tat sich schwer, genaue Leistungen zu benennen, die Mensdorff-Pouilly für ihn erbracht haben soll. Es sei um Hintergrundinformationen zur politischen Lage um zum Wettbewerb in jenen osteuropäischen Ländern gegangen, in denen die Telekom tätig werden könnte. Auch Mensdorff-Pouilly konnte die konkreten Beratungsdienstleistungen nicht auflisten. Ich kann das nicht, sagte er. Der Lobbyist sagte weiters, er habe Fischer Informationen über die politische und wirtschaftliche Lage in Osteuropa beschafft. Mensdorff-Pouilly und Fischer stehen wegen einer Zahlung von 1,1 Millionen Euro an Mensdorff-Pouilly vor Gericht. Die Staatsanwaltschaft kann keine Gegenleistung erkennen und sieht daher den Tatbestand der Untreue erfüllt. Fischer sagte am Mittwoch, der Vertrag habe aus einem fixen Anteil von 800.000 Euro bestanden sowie einem Erfolgsanteil – für vier Jahre der Beratung. Die 800.000 Euro hätten sich für Fischer folgendermaßen ergeben: 500.000 für Tetron, 300.000 für die vierjährige Beratungen zu Osteuropa. In der Causa Tetron geht es um die Neuvergabe des Blaulichtfunks durch den damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP). Schmiergeldverdacht steht im Raum. Lobbyist Mensdorff-Pouilly soll über mehrere Jahre insgesamt 4,4 Millionen Euro von Alcatel, Motorola und Telekom kassiert haben. Die genannten Unternehmen mit ihrem Konsortium Tetron haben den Auftrag bekommen. Dem ursprünglich siegreichen Konsortium mastertalk wurden später 30 Millionen Euro Schadenersatz auf Steuerzahlerkosten gezahlt. Wien – Im Tetron-Prozess gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und den ehemaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer sagte am Montag der Ex-Vorstandsvorsitzende der TA, Boris Nemsic, aus. Nemsic war im Amt, als der Vertrag zwischen Mensdorff-Pouilly von der Telekom abgeschlossen wurde, der dem Lobbyisten 1,1 Millionen Euro sicherte. Die Staatsanwaltschaft hat keine Gegenleistungen für das Geld gefunden und Fischer und Mensdorff-Pouilly deshalb wegen Untreue und Beitragstäterschaft zur Untreue angeklagt. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe und geben an, dass Mensdorff-Pouilly für das Geld Beratungen rund um das Konsortium Tetron sowie über mögliche Akquirierungen in Südosteuropa geleistet hat. Nemsic sagte im Zeugenstand aus, dass er keine Wahrnehmungen zur Zahlung an Alfons Mensdorff-Pouilly habe. Kronzeuge und Ex-Telekom-Vorstand Gernot Schieszler hatte am Donnerstag ausgesagt, dass er Nemsic von einer offenen Rechnung an Mensdorff-Pouilly informiert habe. Er hat den Kopf geschüttelt und ist weggegangen, sagte Schieszler. Er könne sich daran nicht erinnern, sagte Nemsic. Er könne nichts von der Zahlung an Mensdorff-Pouilly gewusst haben, weil er damals an keiner operativen Entscheidung beteiligt gewesen war, da er kurz darauf aus dem Unternehmen ausschied. Zu der Tatsache, dass Mensdorff-Pouilly erst Jahre nach seinen Beratungen rund um Tetron und Südosteuropa von der Telekom bezahlt wurde, sagte Nemsic, dass es durchaus üblich sei, Berater erst später zu bezahlen, wenn die Informationen nützlich gewesen seien. Ein Investmentbanker hat 90 Prozent Leerlauf. Zu möglichen Unternehmensübernahmen in Osteuropa sagte Nemsic, dass die Telekom vor allem im Mobilbereich ausbauen wollte und nicht im Festnetzbereich. Das war die Strategie. Es sei aber durchaus möglich, dass man sich im Festnetzbereich nach Unternehmen umgeschaut habe, die man übernehmen könnte. Er selbst habe keine Beratung zu Osteuropa gebraucht, weil er viele Kontakte dorthin habe und die Sprache spreche. Es sei aber normal, dass man sich von Leuten beraten lässt, die Kontakte und Netzwerke in dem Land haben. Keiner ist so gescheit, dass er alles alleine machen kann. In der Causa Tetron geht es um die Neuvergabe des Blaulichtfunks durch den damaligen Innenminister Ernst Strasser (ÖVP). Schmiergeldverdacht steht im Raum. Lobbyist Mensdorff-Pouilly soll über mehrere Jahre hinweg insgesamt 4,4 Millionen Euro von Alcatel, Motorola und Telekom kassiert haben. Die genannten Unternehmen mit ihrem Konsortium Tetron hatten den Auftrag bekommen. Dem ursprünglich siegreichen Konsortium mastertalk wurden später 30 Millionen Euro Schadenersatz auf Steuerzahlerkosten gezahlt. Ehemaliger Vorstandsvorsitzender sagte zur Zahlung der Telekom an Mensdorff-Pouilly aus. Wien – Im Tetron-Prozess gegen den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly und den ehemaligen Telekom-Vorstand Rudolf Fischer war am Montag der Ex-Vorstandsvorsitzende der TA, Boris Nemsic, als Zeuge geladen. Von den Zahlungen an Mensdorff habe er erst aus den Medien erfahren, sagte Nemsic. Er war im Amt, als der Vertrag zwischen Mensdorff-Pouilly und der Telekom abgeschlossen wurde, der dem Lobbyisten 1,1 Millionen Euro sicherte. Die Staatsanwaltschaft hat keine Gegenleistungen für das Geld gefunden und Fischer und Mensdorff-Pouilly deshalb wegen Untreue und Beitragstäterschaft zur Untreue angeklagt. Die beiden Angeklagten bestreiten die Vorwürfe und geben an, dass Mensdorff-Pouilly für das Geld Beratungen rund um das Konsortium Tetron sowie über mögliche Akquirierungen in Südosteuropa geleistet hat. Nemsic sagte im Zeugenstand aus, dass er keine Wahrnehmungen zur Zahlung an Alfons Mensdorff-Pouilly gehabt habe. Kronzeuge und Ex-Telekom-Vorstand Gernot Schieszler hatte am Donnerstag ausgesagt, dass er Nemsic von einer offenen Rechnung an Mensdorff-Pouilly informiert habe. Er hat den Kopf geschüttelt und ist weggegangen, sagte Schieszler. Er könne sich daran nicht erinnern, sagte Nemsic. Er könne auch nichts von der Zahlung an Mensdorff-Pouilly gewusst haben, weil er damals an keiner operativen Entscheidung beteiligt gewesen war, da er kurz darauf aus dem Unternehmen ausschied. Zu der Tatsache, dass Mensdorff-Pouilly erst Jahre nach seinen Beratungen rund um Tetron und Südosteuropa von der Telekom bezahlt wurde, sagte Nemsic, dass es durchaus üblich sei, Berater erst später zu bezahlen, wenn die Informationen nützlich gewesen seien. Ein Investmentbanker hat 90 Prozent Leerlauf. Zu möglichen Unternehmensübernahmen in Osteuropa sagte Nemsic, dass die Telekom vor allem im Mobilbereich ausbauen wollte und nicht im Festnetzbereich. Das war die Strategie. Es sei aber durchaus möglich, dass man sich im Festnetzbereich nach Unternehmen umgeschaut habe, die man übernehmen könnte. Zukäufe im Festnetzgeschäft seien aber nicht spruchreif geworden. Es wurde meinen Erinnerungen nach nie eine konkrete Sache in den Aufsichtsrat gebracht, so Nemsic. Er selbst habe keine Beratung zu Osteuropa gebraucht, weil er viele Kontakte dorthin habe und die Sprache spreche. Es sei aber normal, dass man sich von Leuten beraten lässt, die Kontakte und Netzwerke in dem Land haben. Keiner ist so gescheit, dass er alles alleine machen kann. Die Möglichkeit, dass sich Fischer von Nemsic über Osteuropa beraten ließ, schloss der Zeuge durch seine Berichte über die Konkurrenzsituation innerhalb der Telekom aus. Wenn Fischer ihn angesprochen hätte, hätte er ihm das Projekt sofort abgedreht, berichtete Nemsic. Am Wiener Straflandesgericht wurde am Mittwoch der Untreueprozess gegen Ex-Telekom-Austria-Vorstand Rudolf Fischer und den Lobbyisten Alfons Mensdorff-Pouilly fortgesetzt. Als Zeugen geladen waren erneut ehemalige und aktive Mitarbeiter der Telekom. Die Befragungen brachten wenig Stichhaltiges zutage. Für Aufmerksamkeit sorgte ein vom Staatsanwalt vorgelegtes Protokoll über eine Aussage Mensdorffs während seiner U-Haft im Jahr 2009. Damals hatte er ausgesagt, sich nicht mehr zu erinnern, ob er schon einmal Geschäfte mit der Telekom gemacht hatte. Auf die Frage, ob das der Wahrheit entsprochen habe, antwortete er nun: In der U-Haft ist man so abgelenkt, ich weiß nicht, ob ich da die Wahrheit gesagt habe. Fischer gibt Schutzbehauptung zu Fischer wiederum bezeichnete eine eigene Aussage vor der Internen Revision der Telekom im Jahr 2009, wonach Gelder an Mensdorff nur für Ostgeschäfte, nicht aber für Beratungen rund um die Vergabe des Blaulichtfunks geflossen seien, als Schutzbehauptung. Ich wollte nicht, das das Ganze weitere Kreise zieht, so Fischer. Für Donnerstag sind weitere Aussagen geplant, unter anderen soll der ehemalige Alcatel-Österreich-Chef und ÖVP-Bundesrat Harald Himmer als Zeuge auftreten. Der frühere Telekom-Manager Gernot Schieszler hatte vergangene Woche erklärt, Himmer habe sich mehrmals erkundigt, ob die Zahlung von Mensdorff schon erfolgt sei. Für Freitag ist Noch-Telekom-CEO Hannes Ametsreiter als Zeuge geladen. Mit einem Urteil ist diese Woche nicht mehr zu rechnen. Dem Vernehmen nach dürfte es erst nach einer längeren Sommerpause dazu kommen. Vermutete Untreue Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass es sich bei den an Mensdorff geflossenen 1,1 Millionen Euro um Bestechungsgeld für die Vergabe des Blaulichtfunks des Innenministeriums an das Tetron-Konsortium von Alcatel und Motorola mit der Telekom als Infrastrukturlieferanten handelt, kann es aber nicht beweisen. Angeklagt ist lediglich der Tatbestand der Untreue. Fischer und Mensdorff rechtfertigen die Zahlung mit Beratungsdienstleistungen und Lobbying. Die österreichische Regierung sollte transparenter werden, sagt die NGO. Wien – Die Österreich-Abteilung von Transparency International fordert von der Bundesregierung verstärkte Bemühungen um mehr Transparenz. Konkret trat die NGO am Freitag dafür ein, Österreich möge sich dem Open Government Partnership (OGP) anschließen, einer multilateralen Initiative, deren Mitgliedsstaaten sich zu mehr öffentlicher Transparenz sowie Korruptionsbekämpfung verpflichten. Das Austrian Chapter von Transparency International verwies am Freitag in einer Aussendung auf die im September verabschiedeten UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung, wo unter anderem auch eine Reduktion von Korruption beziehungsweise Bestechung und der Aufbau leistungsfähiger, rechenschaftspflichtiger und transparenter Institutionen vorgesehen sei. Das OGP habe dies in einer Erklärung umgesetzt, womit sich die insgesamt 66 Mitgliedstaaten zu mehr Transparenz in öffentlichen Institutionen verpflichteten. Österreich aber sei – anders als 20 der 28 EU-Mitgliedsstaaten – beim OGP nicht an Bord, bedauerte Vorstandsvorsitzende Eva Geiblinger. Um auch in Österreich eine nachhaltige wirtschaftliche und soziale Entwicklung zu gewährleisten, braucht es ein klares Bekenntnis zu Transparenz und Antikorruption sowie adäquate Mittel für jene, die sich für die Erreichung dieser Ziele einsetzen, sagte sie. Kärntner SPÖ-Chef Kaiser und andere sollen sich bei Geschäften mit parteieigener Werbeagentur der Untreue schuldig gemacht haben – "Format" zitiert aus Abschlussberichten. Klagenfurt – Die Ermittler des Bundesamts zur Korruptionsbekämpfung (BAK) haben in ihren Abschlussberichten zur Kärntner Topteam-Affäre Untreuevorwürfe gegen die frühere SPÖ-eigene Werbeagentur und Parteichef Peter Kaiser als bestätigt angesehen. Das berichtete das Magazin Format am Donnerstag. Kaiser hatte in der Vergangenheit stets betont, dass er von einer Einstellung des Verfahrens ausgehe. Dem Magazin zufolge, das aus den BAK-Berichten zitiert, sahen die Ermittler den Verdacht bestätigt, dass Kärntens nunmehriger Landeshauptmann im Jahr 2009 – damals noch Gesundheitsreferent in einer freiheitlich geführten Landesregierung – mittels sechs gefälschter Rechnungen der Werbeagentur rund 140.000 Euro aus Landesmitteln beiseitegeschafft hatte. Kaiser und seine Mitarbeiter befürchteten offenbar, dass Geld für eine Kampagne im folgenden Jahr vom freiheitlichen Finanzlandesrat Harald Dobernig nicht mehr freigegeben würde. In einem BAK-Bericht heißt es: Die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen, wurde damit wissentlich missbraucht und das Land Kärnten geschädigt. Außerdem wurde die Differenz zwischen den 140.000 Euro und einer später erstellten Kalkulation, die Kosten von rund 76.000 Euro veranschlagte, nicht für das Land zurückgefordert. Der Betrag wurde gezielt auf sechs Rechnungen aufgeteilt, um eine Genehmigung durch Dobernig zu umgehen. Die Agentur hat die Rechnungen betriebsintern wieder storniert. Der Grund dafür erschließt sich den Ermittlern nicht, allerdings halten sie finanzstrafrechtliche Vergehen in dem Zusammenhang für möglich. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft wollte den Bericht auf Anfrage inhaltlich nicht kommentieren. Sprecherin Alexandra Baumann verwies auf den Vorhabensbericht ihrer Behörde, den die Oberstaatsanwaltschaft Wien derzeit prüfe und dann zur weiteren Begutachtung ans Justizministerium weiterreichen werde. Ob im Vorhabensbericht Einstellung oder Anklage empfohlen wird, wird wie üblich nicht bekanntgegeben. Kaiser hatte angekündigt, im Fall einer Anklage zurückzutreten. Die Ermittlungen in der Causa laufen seit 2012. Wir kennen keinen Vorhabensbericht und gehen aufgrund der unsererseits geleisteten Aufklärung im Rahmen der Ermittlungen weiter von einer Einstellung des Verfahrens aus, sagte ein Sprecher Kaisers am Donnerstag. Der Format-Bericht beziehe sich auf den polizeilichen Abschlussbericht und enthält bis auf einige Mutmaßungen und eigenwillige Schlussfolgerungen nichts Neues. Prozess gegen ehemaligen Südtiroler Landeshauptmann wegen des Verdachts der Amtsunterschlagung und illegalen Parteienfinanzierung. Bozen – Im Prozess gegen Südtirols Alt-Landeshauptmann Luis Durnwalder (SVP) wegen des Verdachts der Amtsunterschlagung und illegalen Parteienfinanzierung hat Staatsanwalt Igor Secco am Freitag am Bozner Landesgericht drei Jahre Haft für den Ex-Politiker gefordert. Am Nachmittag begannen die Plädoyers von Durnwalders Verteidigern. Wann es zu einem Urteil kommen wird, war vorerst unklar. Der Alt-Landeshauptmann soll laut Anklage Gelder aus dem Sonderfonds nicht rechtmäßig verwendet haben. Es geht um einen Betrag von 556.000 Euro. Durnwalder hatte Ende Februar im Prozess ausgesagt, dass er keinen Cent in die eigene Tasche gewirtschaftet habe. 45 Jahre lang hätten auch seine Vorgänger gleich gehandelt und niemand habe die Vorgehensweise beanstandet. Erst jetzt im Nachhinein werde behauptet, dass einiges nicht in Ordnung gewesen sei. Trinkgeld für Musiker Die Gelder aus dem Sonderfonds mussten laut den damals geltenden Bestimmungen nicht belegt werden. Durnwalder hat jedoch über jede Ausgabe in einem Heft Buch geführt. In der Zwischenzeit wurde der Sonderfonds vom Südtiroler Landtag abgeschafft. Der Alt-Landeshauptmann hatte mit dem Geld Trinkgelder an Musikkapellen bei Feierlichkeiten, Essen oder Geschenke im Rahmen seines Amtes bezahlt. Da er unter anderem nach zwei Aussprachen mit Vertretern der Jungen Generation in der SVP Getränke bezahlt hat, wird dem 74-Jährigen auch illegale Parteienfinanzierung zur Last gelegt. 'Gemma Bundesheer schauen! Nationalfeiertag auf dem Heldenplatz – Faymann: "Umgang mit Flüchtlingsbewegung ist Nagelprobe für EU". Wien – Der Tourist überquert den Zebrastreifen hinter dem Parlament, dreht sich um, schaut etwas irritiert. Wie? Was? Was ist denn das? Blickt nach vorn, vergewissert sich mit einem Schulterblick nach hinten. Aha! Das also sind die berühmten, für manche berüchtigten, Ampelmädchen in Wien. Aber eigentlich zieht es den Mann mit der Kamera dorthin, wo es an diesem Feiertag auch wieder viele Österreicherinnen und Österreicher, neben auffällig vielen Gästen aus dem Ausland, hinzieht: zum Heldenplatz. Denn der 26. Oktober ist Nationalfeiertag, und das heißt: Gemma Bundesheer schauen! Findet dies heuer noch auf dem historisch aufgeladenen Platz vor der Hofburg statt, muss für nächstes Jahr eine Alternative gefunden werden, weil dann die Ausweichcontainer des Parlaments, das umgebaut werden soll, dort stehen werden, wo seit dem Wochenende Hubschrauber, Kletterwände und die unvermeidliche Fressmeile aufgebaut sind. Welche Bedeutung aber hat der Nationalfeiertag für die Menschen, die sich an diesem sonnigen Vormittag im Volksgarten an den Heldenplatz heranpirschen? Die ältere Dame vor dem Rosengarten: Im Grunde keine, ich bin nur hier, weil es heute so schön ist, sagt sie zum STANDARD. Und die Neutralität? Ist nicht so dramatisch wichtig für mich. Anders sieht das Herr Josef, der vor dem Theseustempel in der Sonne sitzt: Der Nationalfeiertag ist für jeden Österreicher wichtig, und für mich ist an der Neutralität wichtig, dass man zu keinem Militärbündnis gehört. Österreich hat ja das Glück, dass es – bis auf die Schweiz – von Natostaaten umgeben ist, darum müssen wir uns nicht engagieren, sagt der 73-Jährige. Dass an so einem Tag Heerscharen zur Leistungsschau des Bundesheeres pilgern, würde er aber nicht unbedingt als große Affinität zum Heer interpretieren: Ein sicherer Arbeitsplatz ist den Leuten sicher wichtiger als der Patriotismus zum Bundesheer. Auch Frau Auguste, 78-jährige Bewohnerin von Wien-Josefstadt, die mit ihrem Mann nach dem Besuch des Stephansdoms zum Heldenplatz gekommen ist, befindet die Neutralität schon für wichtig, weil es uns gutgeht. Ich glaube schon, dass wir ein sicheres Land sind, und das Bundesheer leistet da seinen Beitrag dazu. Zur selben Zeit hängt ein kleines Mädchen von einem Seil gesichert in luftiger Höhe in der Kletterwand, die das Jägerbataillon 24 – das Motto der Lienzer Gebirgsjäger lautet Voran unter dem Edelweiß – aufgebaut hat, und klettert ruhig bis ganz nach oben. Zurück auf dem sicheren Boden, erzählt die erst achtjährige Pia, warum sie das kann: Ich klettere seit drei Jahren im Alpenverein Knittelfeld. Für ihre Mama Silvia bedeutet der Nationalfeiertag Frieden. Und die Neutralität? Die ist sicher wichtig, weils gut läuft. Begehrte Fotoobjekte sind Militärhubschrauber samt Militärs, aber auch Maschinengewehre, und ein etwas pseudomartialisches Bild mit einem Panzerabwehrrohr 66/79 wollen sich vor allem junge Männer nicht entgehen lassen. Szenen, die für so manche Flüchtlingsfamilie, die mit ihren Kindern über das Areal schlendert, durchaus ambivalent sein dürften. Militär zum Anfassen und Spielen, oder, wie Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) etwas später sagen wird: Das Bundesheer ist kein Angriffsheer, sondern eines der Verteidigung. Punkt 10.30 Uhr geht dann der offizielle Teil des Tages los: Die Bundeshymne läutet das Programm ein. Im Publikum haben sich ein paar Leute mit einem Transparent postiert, auf dem Heer, schütze unsere Grenze! zu lesen ist. Vorn marschieren Bundespräsident Heinz Fischer, Bundeskanzler Werner Faymann und Verteidigungsminister Gerald Klug – als SPÖ-Politiker alle drei stilecht mit roter Krawatte unterwegs – ein. Der Wiener Militärkommandant Kurt Wagner begrüßt die Gäste, und die Kapelle gibt den Marsch Wien bleibt Wien. Das muss es an diesem Tag ohne den Hausherrn: Bürgermeister Michael Häupl wird vertreten von Landtagspräsident Harry Kopietz. Vonseiten des Bundes sind unter anderem noch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sowie Nationalratspräsidentin Doris Bures anwesend, auf klerikaler Seite ist die evangelische Kirche durch Bischof Michael Bünker repräsentiert. Bereits zum 20. Mal findet die Leistungsschau des Heeres an diesem Ort statt, erklärt Wagner, und er ist der Erste, der die Leistungen des Bundesheeres – gerade auch in diesen Tagen – in die aktuellen Geschehnisse, ausgelöst durch die Flüchtlingsbewegung, einordnet. Den 1.360 anzugelobenden Rekrutinnen und Rekruten – beim Bundesheer wird sorgfältig gegendert – wünscht Wagner eine fordernde und erlebnisreiche Zeit beim Bundesheer. Kopietz erinnert an die Tragödie des 20. Jahrhunderts, die auch auf diesem Platz ihren Ursprung genommen hat, und dankt dann dem Bundesheer für seine professionelle Hilfe bei Naturkatastrophen, im Ausland und aktuell an den Grenzen und auf vielen Bahnhöfen, um zu helfen, dass die Flüchtlinge menschenwürdig versorgt werden können. Man könne stolz sein auf die Hilfsbereitschaft der Österreicher. Kopietz erinnert aber auch an die an diesem Montag 60 Jahre alte Neutralität. Damals habe es ein Bekenntnis aller politischen Lager zum sozialen Frieden gegeben. Seit 1955 muss niemand mehr Angst haben, dass unser Bundesheer auf die eigene Bevölkerung schießt. Bevor Verteidigungsminister Klug ans Mikrofon tritt, erschallt der Marsch Oh, du mein Österreich über den Heldenplatz, hinten in Konkurrenz zum Gedudel aus irgendwelchen Radios. Klug mag solche Termine, er ist es, der auch ein bisschen Pathos nicht scheut, wenn er zu den Soldatinnen und Soldaten spricht. So auch am Nationalfeiertag. Dieser Tag habe eine ganz herausragende Bedeutung durch die Wiedererlangung der staatlichen Souveränität und die immerwährende Neutralität, die vor 60 Jahren als Verfassungsgesetz beschlossen worden sei. In der Früh haben die Spitzen der Republik der toten Soldaten und Opfer des Widerstands durch die traditionellen Kranzniederlegungen bei der Krypta und beim Weiheraum am Burgtor gedacht. Klug betont vor allem auch die Rolle der EU: Sie hat geeint, was entzweit war, und versöhnt, was verfeindet war. Doch, und das ist in diesen Zeiten ein Wink mit dem Zaunpfahl: Die EU ist aber kein Selbstläufer. Sie ist getragen von Solidarität, die man auch aktiv nach außen leben muss, so Klug mit Blick auf die Flüchtlingsfrage. Klug berichtet vom Einsatz des österreichischen Bundesheers im Zusammenhang mit der Flüchtlingshilfe. Derzeit biete das Heer rund 900 Flüchtlingen eine sichere Unterkunft, es versorge täglich 4.000 bis 6.000 Menschen mit Verpflegung, es koordiniere federführend die Transporte der Flüchtlinge nach Deutschland, 1.500 Soldaten seien im sicherheitspolizeilichen Assistenzeinsatz tätig. Klugs Schlussfolgerung daraus: Auf unser Bundesheer ist Verlass. Und, so fügte der Verteidigungsminister hinzu: Das Bundesheer hat noch Kapazitäten. Wir können zusätzliches Personal schicken, sobald das Innenministerium grünes Licht gibt. Und er betont noch einmal: Kein europäisches Land kann dieses Problem alleine lösen. Im Publikum raunt da ein Vater seinem Sohn jedoch zu: Die Ungarn hams ganz guat zagt ... Und neben den beiden – und den Heer, schütze unsere Grenze!-Transparentträgern – steht ein junge Frau mit schwarzer Kappe und hält wortlos eine rot-weiß-rote Flagge in die Höhe, auf der Fuck EU steht. Das findet ein graumelierter Herr vor ihr dann so gar nicht lustig und quittiert den Auftritt lautstark mit: Und auf des sans stolz?! Nazis raus! Doch bevor sich der kleine Unruheherd entzündet, sind auch schon ein paar Polizisten da, die die junge Frau – Ich hab ja gar nix gesagt – ruhig in ein Zelt nebenan bringen. Ein anderer Herr wiederum findet das seltsam und meint: Ist das demokratisch, dass die da jetzt weggehen muss? Vorn ist Minister Klug gerade dabei, den Zuhörerinnen und Zuhörern zu versichern: Die Österreicherinnen und Österreicher können sich auch in Zukunft auf ihr Bundesheer verlassen. Kurz werden die Verheißungen des reformierten Grundwehrdienstes referiert, durchs Publikum stolpert eine Frau mit mehreren blauen Luftballons und fragt: Wo komm ich hier zum Glücksrad?, und dann wünscht der Verteidigungsminister mit Inbrunst den Rekrutinnen und Rekruten eine ereignisreiche, spannende und unfallfreie Grundwehrdienstzeit. Alles Gute und viel Soldatenglück! Es lebe das österreichische Bundesheer! Es lebe die Republik Österreich! Das mögen die Menschen, dafür gibt es im Publikum satten Applaus. Es folgt Bundeskanzler Werner Faymann, der die Wiederauferstehung Österreichs als Glanzleistung der Diplomatie würdigt und darauf hinweist, dass Frieden nur am Verhandlungstisch möglich ist. Nach der internationalen Wirtschaftskrise hat uns nun die Flüchtlingskrise voll erfasst. Der Umgang mit der Flüchtlingsbewegung ist für die EU zur Nagelprobe geworden, sagt Faymann und betont ebenfalls den Aspekt europäischer Solidarität. Immerhin hätten seit Anfang September mehr als 300.000 Flüchtlinge Österreich passiert, fünf Prozent von ihnen haben hierzulande einen Asylantrag gestellt. Ein älterer Herr im Publikum kontert: Wie viele kommen noch? Um das gehts nämlich. Faymann geht es derweil darum, zu erklären, welches Heer heute so bejubelt wird von den Menschen, die gekommen sind: Es ist kein Angriffsheer, sondern eines der Verteidigung und des Schutzes, aber auch der Hilfe und Solidarität innerhalb und außerhalb Europas. Sprachs und wünschte Ihnen und uns allen einen schönen Nationalfeiertag 2015. Dann ist der Oberbefehlshaber des Heeres, Bundespräsident Heinz Fischer, an der Reihe. Er lobt die Neutralität, die sich in sechs Jahrzehnten in eindrucksvoller Weise bewährt hat. Das Geburtsjahr der Neutralität, 1955, sei insgesamt ein besonderes historisches Jahr gewesen, habe es doch auch den Staatsvertrag, das Wehrgesetz – die Geburtsstunde des Bundesheers – und den Beitritt zur Uno gebracht. Mit dem EU-Beitritt 1995 seien diese Säulen der Republik noch ergänzt worden, sagt Fischer. Der Bundespräsident verliert auf dem Heldenplatz kein Wort zur Flüchtlingsfrage – das hebt er sich für seine traditionelle Fernsehansprache an die Nation auf –, stattdessen erzählt er von seiner eigenen Erfahrung beim Bundesheer. Neben etlichen Entbehrungen sei die Grundwehrzeit für ihn alles zusammengenommen eine Periode, wo man gefordert wird, wo man Leistung erbringen muss, wo Kameradschaft wichtig ist und man etwas für unsere Gesellschaft tut. Es folgt der obligate Dank an das Bundesheer und der Schlusssatz: Ich wünsche dem Bundesheer, der Republik alles Gute. Nach einer weiteren musikalischen Darbietung sind dann die Kirchenmänner an der Reihe, zu den Militärs in Uniform und den Zivilisten im Publikum und auf der Politikertribüne zu sprechen. Der erste Redner in Bundesheeruniform zitiert das Vaticanum und beschwört die Liebe Gottes, seine Kraft, die die Soldatinnen und Soldaten stärken und begleiten solle. Ein zweiter religiöser Vertreter sagt dann: So lasst uns beten, dass die Soldaten ihre Zeit nicht als verlorene Zeit betrachten. Er bittet darum, dass die heilige Dreifaltigkeit den friedensstiftenden Dienst segnen möge. Und erstmals spricht auch ein Imam – Abdulmedzid Sijamhodzic – vor den neu anzugelobenden Jungsoldaten im Namen Allahs, des Allerbarmers, des Barmherzigen auf dem Heldenplatz bei der Angelobung. Gut ein Dutzend rechtsextreme Identitäre halten währenddessen Imam geh ham- und Nicht mit uns-Zettel hoch. Andere Besucher des Festakts versuchen teilweise, den Rechtsextremen die Zettel zu entreißen. Die Angelobung selbst geht dann zackig und lautstark im Takt über die Bühne. Das Treuegelöbnis kommt wie aus einer Kehle, sie geloben alle, mein Vaterland, die Republik Österreich und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen; ich gelobe, den Gesetzen und den gesetzmäßigen Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volk zu dienen. Dafür gibt es vom Publikum auch brav Applaus. Bundes- und Europahymne gehen dann für viele – auf dem Weg zu den diversen Buden mit Gröstl, Brezeln, Zuckerwatte, Würsteln und Langos – dann schon wieder unter in etwas profanerer Musik, die dort als Konkurrenz aus Lautsprechern kommt. Bis zum nächsten Jahr, auch wenn noch nicht sicher ist, wo der Schlachtruf Gemma Bundesheer schauen! dann genau hinführen wird.' Bundespräsident: Neutralitätsgesetz "gute Entscheidung". Wien – Bundespräsident Heinz Fischer hat die aktuelle Flüchtlingsbewegung ins Zentrum seiner Ansprache zum Nationalfeiertag gestellt und bei der Bevölkerung um Verständnis für die Asylsuchenden geworben. Den Beschluss des Neutralitätsgesetzes vor 60 Jahren hält er für eine gute Entscheidung, es habe sich in vielfacher Hinsicht bewährt, erklärte Fischer. 2015 dürften laut Schätzungen der Behörden mehr als 500.000 Flüchtlinge das Staatsgebiet betreten, 85 Prozent davon seien Durchreisende. Rund 80.000 Personen werden einen Asylantrag stellen, so Fischer. Es werde dabei sorgfältig geprüft, ob ein Asylgrund vorliegt, betonte er. Natürlich gibt es viele Österreicherinnen und Österreicher, die sich Sorgen machen, Unsicherheit verspüren und sich vor Belastungen fürchten, die mit dieser Flüchtlingsbewegung verbunden sind. Er appellierte daher an die Bevölkerung, sich in die Notsituation der Flüchtlinge zu versetzen, denn: Es handle sich nicht um eine anonyme Masse, sondern um einzelne Menschen mit individuellen Schicksalen. Der Bundespräsident hielt aber auch fest, dass jene, die in Österreich Zuflucht suchen, die Rechtsordnung beachten und respektieren müssen. Er geht jedenfalls davon aus, dass Österreich das Flüchtlingsthema auch in Zukunft stark beschäftigen wird und hofft, dass der Bürgerkrieg in Syrien zumindest eingedämmt werden kann. Fischer geht auch davon aus, dass die geplante Errichtung von Aufnahmezentren für Flüchtlinge an den EU-Außengrenzen ihre Wirkung erzielen und es zu einer gerechteren Verteilung in Europa kommt. Was die Sicherheit des Staates betrifft, erklärte Fischer: Wir treten aus fester Überzeugung dafür ein, Flüchtlingen menschenwürdig zu begegnen. Aber wir können und werden nicht darauf verzichten, ein souveräner Staat zu sein, der die Sicherheit unserer Bürger garantiert. Unsere staatlichen Institutionen können das. Dass der Einsatz staatlicher Machtmittel immer nur unter dem Grundsatz der Angemessenheit erfolgt, sei bewährte Praxis und unterscheide einen demokratischen Rechtsstaat von autoritären Systemen, so Fischer. Sehr erfreulich sei das Engagement der Österreicher bei der Betreuung von Flüchtlingen. Dies gelte auch für Polizei, Bundesheer, ÖBB und andere öffentliche Einrichtungen. Der Bundespräsident bedankte sich bei all jenen, die sich in den Dienst der Menschlichkeit stellen: Vergessen wir nicht, dass jedes Land und jeder Mensch im Laufe der Geschichte in eine Situation kommen kann, in der man auf die Hilfe anderer angewiesen ist. Die Österreichische Neutralität ist für Fischer Ausdruck einer Friedensgesinnung, die den Krieg nicht als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln betrachtet und die Hauptaufgaben unseres Bundesheeres in der Landesverteidigung, in der Beteiligung an internationalen Friedensaktionen und in der Unterstützung unserer verfassungsmäßigen Einrichtungen sieht. Wiesenthals Enkelin versucht die Familiengeschichte des Shoah-Rechercheurs zu erforschen. Wien – Ein einsames Gefühl sei es, keine Familie zu haben, sagt Racheli Kreisberg-Greenblatt – umso mehr, wenn diese Familie einmal groß und verzweigt gewesen war, bevor ihre Mitglieder ermordet oder jene, die überlebten, in alle Welt versprengt wurden. Simon Wiesenthal, der große Rechercheur der NS-Verbrechen, war diesbezüglich einer von vielen. Nachdem man uns alle ausgemordet hat, haben wir niemanden, schreibt er in einem Brief im Jahr 1963 über seine Verwandtschaft. Wiesenthals Enkelin, die in Israel lebende Racheli Kreisberg-Greenblatt, machte es sich zur Aufgabe, nachzuforschen, wer sie waren, die vielen Opfer der Wiesenthal-Familie – und ob es nicht doch noch weitere Überlebende gibt. Die Ergebnisse stellte sie im Rahmen eines Vortrags im Jüdischen Museum Wien, veranstaltet vom Wiener Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien (VWI), am Montag in Wien vor. Ausgangspunkt ihrer Recherche war die Zahl 89: So viele Familienmitglieder väter- und mütterlicherseits habe Wiesenthal im Holocaust verloren, so steht es in allen Biografien geschrieben. Doch wer war wie auf diese Zahl gekommen? Mir hat mein Großvater nie gesagt, dass es genau 89 Opfer waren, und wenn ich ihn fragte, erhielt ich keine Antwort, sagt Kreisberg-Greenblatt, die 38 Jahre alt war, als Simon Wiesenthal 2005 im Alter von 96 Jahren verstarb. Wiesenthal, der sein Leben lang Namen recherchiert hatte, war in seiner eigenen Familie nicht weit gekommen. Alle, die meinen Großvater kannten, wussten, was für ein enormes Gedächtnis er hatte, sagt seine Enkelin. Umso erstaunlicher war es, wie wenig ich vorfand, sagt sie, und zeigt auf einen ausgedünnten Stammbaum. Seit sie mit ihrer Recherche begann, sind viele Äste hinzugekommen. Es war wie bei vielen Nachkommen von Shoah-Überlebenden eine äußerst schwierige Recherche: Im Holocaust wurde vieles von dem, was Ahnenforschern üblicherweise an Quellenmaterial zur Verfügung steht, verwüstet – also Briefe, Grabsteine, Urkunden der jüdischen Gemeinden, Fotos. Kreisberg-Greenblatt, die im Hauptberuf Biotechnologin ist und in Israel ein Reiseveranstalterunternehmen managt, klammerte sich an Postkarten und Briefe ihres Großvaters, Korrespondenzen aus den frühen Nachkriegsjahren und aus den 1960ern, um erste Rechercheschritte zu tun. Er sei 1908 im galizischen Buczacz geboren, schreibt Wiesenthal in einem Brief im Jänner 1961, er erwähnt darin auch den Geburtsort seiner Eltern. Die Enkelin lässt sich dort Heiratsurkunden ausheben. Sie stößt so auf eingeheiratete Familiennamen, recherchiert sie in der für viele Überlebende unersetzlichen Datenbank des Holocaust-Memorial-Zentrums Yad Vashem in Jerusalem und kittet in mühsamer Kleinstarbeit diverse Löcher in der Genealogie. Bis dato hat Kreisberg-Greenblatt 42 Namen ermordeter Familienmitglieder herausgefunden. Für sachdienliche Hinweise ist sie weiterhin dankbar. Einblicke in das Wirken Simon Wiesenthals und seine Sichtweise der offiziellen Vergangenheitspolitik der Stadt Wien eröffnen auch die Ausstellung Wiesenthal in Wien, die anlässlich des zehnten Todestages im vergangenen September eröffnet wurde und noch bis 8. Mai im Museum Judenplatz zu sehen ist. Karlsböck: "Schluss mit ideologisch motivierter Verunglimpfung verdienter österreichischer Persönlichkeiten durch selbsternannte Moralwächter". Salzburg – Massive Kritik an der Aberkennung des Ehrendoktorats des österreichischen Verhaltensforschers und Nobelpreisträgers Konrad Lorenz durch die Uni Salzburg im Dezember hat FPÖ-Wissenschaftssprecher Andreas Karlsböck in eine parlamentarische Anfragebeantwortung an Wissenschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) gepackt. Er spricht darin von einer dubiosen und zutiefst ideologischen Entscheidung. Der Senat der Uni Salzburg hat im Einvernehmen mit dem Rektorat das 1983 an Lorenz verliehene Ehrendoktorat wegen aktiver Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie aberkannt. Dies gilt, wie Karlsböck in der Anfrage schreibt vielen als schäbiger Akt gegenüber einem weltweit anerkannten Verhaltensforscher, der sich heute nicht mehr wehren kann. Es muss endlich Schluss sein mit der ideologisch motivierten Verunglimpfung verdienter österreichischer Persönlichkeiten durch selbsternannte Moralwächter, die sich – ausgestattet mit der Gnade der späten Geburt – selbstgerecht anmaßen, gleichsam als wissenschaftliche Zwerge über Titanen ihres Fachs zu urteilen, schreibt Karlsböck. Von Mitterlehner will er u.a. wissen welche Ehrendoktorate in den vergangenen zehn Jahren von der Universität verliehen und welche aberkannt wurden, wie die Beschlussfassung dafür verlief, welche externen Expertisen für die Entscheidungsfindung herangezogen wurden und ob es Standardverfahren für die Aberkennung gebe. Nach langem Zögern ist es so weit: Die Koalition einigt sich, Österreichs Gedenkstätten aus dem Innenministerium auszulagern. Was lange währt, wird endlich Gesetz. Jenes über die Ausgliederung der Gedenkstätten in eine Bundesanstalt, nach Vorbild der Bundesmuseen, ging am Dienstag in Begutachtung. Dies ist 2016 schon der zweite Schritt der Regierung, die Aufarbeitung von Österreichs jüngerer Geschichte gesetzlich sicherzustellen. Bei den Gedenkstätten war das durchaus ein länger Prozess. SPÖ und ÖVP konnten sich über ein dreiviertel Jahr lang nicht über die genaue Ausgestaltung der Auslagerung einigen. Nach dem Beschluss über die Errichtung eines Hauses der Geschichte, den Kulturminister Josef Ostermayer mit Nachdruck betrieben hatte, ging es am Ende aber doch schnell – dem Vernehmen nach auch, weil der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil, als Spiegelminister auf SPÖ-Seite zuständig, im Gegensatz zu seinem Vorgänger keinen Widerstand mehr leistete. Die künftige Bundesanstalt öffentlichen Rechts wird zwar weiter dem Innenministerium unterstehen, aber mehr Unabhängigkeit und Bewegungsspielraum erhalten. Erstmals wird es möglich sein, interdisziplinär und international zu arbeiten – sich etwa an internationalen Gedenkstättenprojekten zu beteiligen. Barbara Glück, die den Gedenkstätten- und Kriegsgräberfürsorgedienst im Innenministerium leitet, zeigt sich dem STANDARD gegenüber froh über die Entscheidung. 1947 hatten die Allierten der Republik Österreich die ehemaligen Konzentrationslager mit der Auflage übergeben, diese zum dauerhaften Gedenken zu bewahren. Glück: Mit diesem Gesetz haben wir heute dafür die Grundlage geschaffen. Für Historikerin Glück geht es auch darum, das Erinnern in das Heute zu transferieren. Die Frage Was hat das Geschehen damals mit uns zu tun, müsse die künftige Gedenkarbeit noch viel mehr dominieren. Die finanzielle Grundlage dafür ist da. In der Vorlage wird die Dotierung der Anstalt für die kommenden fünf Jahre festgeschrieben: 4,1 Millionen Euro für 2017, 4,2 Millionen für 2018, 4,3 Millionen für 2019 – und so weiter. De facto ist das mehr als bisher. Auch 2016 war die Gedenkarbeit mit 4,1 Millionen dotiert, allerdings mussten um dieses Geld auch 57 Kriegsgräberstätten erhalten werden. Das fällt künftig weg: Die Kriegsgräberfürsorge verbleibt in der mittelbaren Bundesverwaltung, in der Obhut des Innenressorts. Der Bundesanstalt wird ein Kuratorium übergeordnet, das die wissenschaftliche Aufsicht hat. In diesem sollen die auch jetzt zuständigen Ressorts vertreten sein: das Innenministerium, das Wirtschaftsministerium, das Finanz-, Bildungs- und Wissenschaftsministerium sowie das Außenministerium. Der Posten des Geschäftsführers wird, ebenso wie die kaufmännische und die pädagogische Leitung, neu ausgeschrieben. Und er bekommt künftig zwei Beiräte beigestellt. Im ersten sind die Opfervertreter, die Glaubensgemeinschaften und die Sozialpartner repräsentiert, der zweite ist ein wissenschaftlicher Beirat, der interdisziplinär und international besetzt werden soll. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ist zufrieden: Mit dem neuen Gesetz komme die Regierung ihrer Verantwortung nach, Verdrängen und Vergessen-wollen nicht zuzulassen, sagte Mikl-Leitner zum STANDARD: Wir schaffen eine zeitgemäße Struktur, mit der die Gedenkstätten auch für die Zukunft dauerhaft abgesichert werden, auch finanziell. Die Gedenkarbeit muss als Teil unseres demokratischen Selbstverständnisses gesetzlich verankert werden. Noch vor dem Sommer soll das Gesetz den Nationalrat passieren, Anfang 2017 soll es in Kraft treten. SPÖ-Klubchef will bei Wien-Wahl "beinharte" Auseinandersetzung mit FPÖ. Wien – SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder tritt für eine Cooling-off-Phase vor einem Klubwechsel von Abgeordneten ein. Im APA-Interview nennt er eine Zeitspanne von drei bis sechs Monaten, bis man einer anderen Fraktion beitreten können soll. Schieder selbst will auch nach der Wien-Wahl Klubchef bleiben. Die Frage eines Wechsels in die Stadtpolitik – allenfalls sogar als Bürgermeister – stelle sich nicht. Denn für Schieder hat Wien mit Michael Häupl den vermutlich besten und jedenfalls erfahrensten Bürgermeister weltweit. Dass die SPÖ hinter die Freiheitlichen zurückfallen könnte, glaubt der Klubchef, der nebenbei SP-Bezirksparteiobmann in Penzing ist, nicht. Schieder geht davon aus, dass die Bürger in der Stadt zunehmend spüren, was sie an diesem Wiener Lebensstil haben. Daher würden sie wohl jene Partei wählen, die Probleme zu lösen versuche , und nicht jene, die keine Lösungen anbiete und nur Probleme groß rede. Kein Herren-Match Schieder empfiehlt für den Wahlkampf jedenfalls eine direkte Auseinandersetzung mit den Freiheitlichen. Dabei gehe es nicht um ein Herren-Match zwischen Häupl und (Heinz-Christian) Strache, wie dies der FPÖ-Obmann gerne hätte, sondern um eine beinharte Auseinandersetzung über Inhalte, wie man sich ein Zusammenleben vorstellt. Mit wem die SPÖ koalieren soll, ließ Schieder offen: Jede Koalition hat den Nachteil, dass sie eine Koalition ist. Alle möglichen Partner hätten ihre Vor- und Nachteile. An den Grünen gefällt dem Klubchef etwa nicht, was diese für verrückte Ampel-Schaltungen zu verantworten hätten, und bei der ÖVP müsse man schauen, was von der nach der Wahl überhaupt noch über sei. Bedenkliche Entwicklung Was seinen parlamentarischen Alltag angeht, ist Schieder mit der Volkspartei auch nicht immer glücklich, etwa was das Abgeordneten-Fischen von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka angeht. Es sei eine bedenkliche Entwicklung in der Demokratie, wenn es zugehe wie am Transfermarkt zwischen Fußball-Klubs. Es schade der Glaubwürdigkeit der Politik, wenn es einzelnen unter der Devise Wer will mich? nur um das Sichern des eigenen Leiberls gehe und andere diese aufnähmen: Wir brauchen keine Edith Klingers der Politik, die herrenlose Abgeordnete aus dem Team Stronach absaugen. Selbst will sich Schieder nicht umschauen, ob es in anderen Fraktionen für die Sozialdemokratie geeignete Abgeordnete gäbe: Als einer der wenigen Klubobleute habe ich das Privileg, dass die interessanten Personen schon alle in meinem Klub sind. Daher habe ich auch nicht das Problem wie andere Klubs, mir andere Leute anlachen zu müssen, um Fachkompetenz von außen zu holen. Dass der vormals Grüne Senol Akkilic in Wien zur SPÖ gewechselt ist, hält Schieder übrigens nicht für vergleichbar mit der Wanderung der Stronach-Abgeordneten zur ÖVP. Denn Akkilic habe sich aus inhaltlichen Gründen der Sozialdemokratie angeschlossen. Neuer Vorschlag Um Polit-Transfers zurückzudrängen, plädiert Schieder dafür, dass Abgeordnete nicht mehr direkt in andere Klubs wechseln dürfen. Drei bis sechs Monate soll man sich nach dem Austritt aus einem Klub neu orientieren und dann schauen, ob man tatsächlich woanders dazu passt. Der entsprechende Vorschlag wird vom roten Klubchef im Geschäftsordnungskomitee eingebracht. Ohne Bange blickt Schieder seiner zu erwartenden Befragung im Hypo-U-Ausschuss entgegen, auch wenn es um die mittlerweile vielfach kritisierte Verstaatlichung der Bank geht, bei der er noch Staatssekretär im Finanzministerium war. Eine Verteidigungsstrategie brauche er sich da nicht zurecht zu legen. Denn die Spielräume mit einer Gefahr der sofortigen Pleite sei so eng gewesen, dass man das Handeln des Finanzministeriums gut begründen könne. Zufrieden ist der Klubchef mit der U-Ausschuss-Reform, die sich nach einem ein bisschen holprigen Anfang bewährt habe. Das neue System habe der Sachlichkeit gut getan. Auch dass es eine einheitliche Sichtweise der Parlamentarier in Fragen wie Schwärzungen oder Ladungen gebe, sei ein gutes Zeichen für die demokratische Kultur. Zweifel, ob die Nationalratspräsidenten tatsächlich die idealen Vorsitzenden sind, teilt Schieder nicht. Er lobt die sachliche, zurückgenommene Arbeit von Parlamentschefin Doris Bures (SPÖ), ist aber bereit, diese Frage bei einer Evaluierung der Ausschuss-Reform noch einmal zu diskutieren. Portal stellt Informationen zu Politikern bereit – Bei Wien-Wahl: Keine Quereinsteiger bei Rot und Grün. Die Website Meine Abgeordneten hat sich prominente Unterstützung geholt. Irmgard Griss soll das Advisory Board der Plattform unterstützen. Die Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission und ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs wird nicht selten als Antwort auf Politikverdrossenheit genannt. Immer wieder wird sie von beinahe allen Parteien als Bundespräsidentschaftskandidatin ins Spiel gebracht, am Montag wollte sie eine Kandidatur nicht ausschließen. Sie habe noch nicht ernsthaft darüber nachgedacht. Im Beirat der Transparenzdatenbank soll sie ihr Wissen als Juristin und als Beobachterin der österreichischen Politik einbringen. Meine Abgeordneten hat es sich zur Aufgabe gemacht, Informationen zu Politikern zu recherchieren und zur Verfügung zu stellen. Griss scheint begeistert von der Idee zu sein, denn es sei keine Website, die ausspioniert, sondern eine, die Wählern öffentliche Informationen zusammensucht und zugänglich macht. Außerdem würden die Netzwerke der Politiker dargelegt, um zu zeigen, wer welche Verbindungen über Ausschüsse, Vorfeldorganisationen oder Vereine zu anderen Politikern hat. Selbstverständlich gelte das nur für Mitgliedschaften aus jenen Vereinen, die auch Mitgliederlisten veröffentlichen. Dass es auch Vereine gebe, die diese Informationen nicht öffentlich zugänglich machen, bedauert Griss. Redaktionsleiterin Marion Breitschopf und Vorstandsmitglied Paul Beyer-Klinkosch betonen, dass nur Informationen aus öffentlichen Quellen zusammengetragen wurden. Für die Wien-Wahl wurden auch alle Kandidaten und vor allem die neuen Anwärter der Parteien abgeklopft. Das Resultat ist durchaus interessant: Sowohl bei der SPÖ als auch bei den Grünen arbeiten beinahe alle neuen Kandidaten im Umfeld der Parteien – bei der SPÖ etwa in parteinahen Betrieben wie den Wiener Stadtwerken, bei den Grünen beispielsweise im Büro von Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou. Für Breitschopf drängt sich der Schluss auf, dass sich frischer Wind jenseits des Partei-Establishments kaum durchgesetzt habe. Bei der FPÖ ist für Breitschopf die Listengestaltung allerdings auch eigenwillig. Auf dem ersten Platz der Landesliste findet sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der aber auch in allen Flächenbezirken wie Simmering, Floridsdorf, Donaustadt oder Favoriten die Liste anführt. Neo-FPÖlerin Ursula Stenzel kandidiert nicht nur in der Innenstadt auf Platz eins, sondern auch in allen bürgerlichen Bezirken wie Döbling und Innen-West. Es sei dadurch schwer prognostizierbar, wer einzieht. Außerdem gebe es eine Kandidatin, über die bis auf ein Foto keine Informationen vorhanden sind. Griss kann das nicht nachvollziehen. Das ist ein Schuss ins Knie, die Abgeordneten sollten ein Interesse daran haben, Informationen zur Verfügung zu stellen, um Verdächtigungen vorzubeugen. Erstmals bei Europadebatte rund um Asylkrise auch EU-Mandatare am Wort. Wien – Der Nationalrat hat am Mittwoch die internationale Dimension der Flüchtlingskrise debattiert, und zwar erstmals mit Beteiligung von Europaparlamentariern. Die Bruchlinien zwischen den Fraktionen waren dennoch keine neuen: Während sich SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos für europäische Lösungen aussprachen, plädierten FPÖ und Team Stronach für geschlossene Grenzen. Pro Klub durfte in der Aktuellen Europastunde ein Europa-Mandatar ans Rednerpult. Den Anfang machte Othmar Karas, EU-Abgeordneter der ÖVP, der dies als überfällig bezeichnete. Es habe den Anschein, als wäre Österreich nach 20 Jahren Mitgliedschaft endlich in der EU ankommen. Mit Evelyn Regner (SPÖ-EP) war er sich einig, dass die Flüchtlingskrise nur gemeinsam in Europa bewältigt werden könne. Es zeuge vom Verlust des Realitätssinns, hier national agieren zu wollen, meinte diese. Harald Vilimsky (FPÖ-EP) nahm hingegen den ungarischen Regierungschef Viktor Orban in Schutz. Dieser habe als einziger die europäischen Regelwerke beachtet, während die deutsche Kanzlern Angela Merkel und Werner Faymann (SPÖ) in Österreich auch Wirtschaftsmigranten, Glücksrittern und Helfern des IS die Tore geöffnet hätten. Unterstützung erhielt er dafür nur vom Team-Stronach-Nationalratsabgeordneten Christoph Hagen, der sich mangels eines EU-Abgeordneten seiner Fraktion zu Wort meldete. Vilimsky nutzte seinen Auftritt auch zur Wahlwerbung: Bei den Urnengängen in Oberösterreich und Wien könne man mit einer Stimme für die FPÖ der von SPÖ und ÖVP verantworteten Flüchtlingsmisere eine Absage erteilt werden. FP-Abgeordneter Roman Haider bezeichnete Faymann angesichts seiner Aussagen über die Eisenbahntransporte in Ungarn als völlig durchgeknallt, was ihm einen Ordnungsruf einbrachte. Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek – die sich wie Karas bessere Sitzplätze als jene neben dem Präsidium wünschte – wies all dies vehement zurück. Wir sind ein Kontinent der Einwanderung, wir waren es immer schon, betonte sie. Die Vizepräsidentin des EU-Parlaments grenzte sich aber auch von der ÖVP ab. Die Gelder an UNICEF und UNHCR seien unter der Ägide schwarzer Außenminister gekürzt worden, kritisierte sie. EU-Abgeordnete Angelika Mlinar von den Neos ortete angesichts der Problematik ein Hinterherhinken der Politik. Seitens der SPÖ meldete sich auch Klubchef Andreas Schieder (SPÖ) zu Wort. Er hatte ein Stück Draht vom 1989 abgebauten Eisernen Vorhang mit. Die FPÖ wolle Österreich wieder einzäunen, verwies er auf ein Interview von Parteichef Heinz-Christian Strache. Das wünsche ich mir in keinem Fall. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka sah die EU in der schwersten Krise ihrer Geschichte und attackierte ebenfalls die FPÖ. Die einfachen Antworten sind nicht immer die richtigen, und die richtigen Antworten sind nicht immer einfachen, sagte er. Er warf den Freiheitlichen vor, schamlos die Sorgen der Menschen auszunützen für politisches Kleingeld. Mithilfe von Taferln in den schwarzen Abgeordnetenreihen warb er für Asyl auf Zeit und das jüngst präsentierte Acht-Punkte-Programm seiner Partei. Schutz für Schutzbedürftige, aber einer Grenzziehung Richtung Wirtschaftsmigration forderte Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) Er plädierte für einen Systemwechsel Richtung Hilfe vor Ort. Dort müsse man auch Asylanträge stellen können, statt mit dem bisherigen System Schlepper faktisch zu unterstützen. Man müsse die Ärmsten der Armen nach Europa bringen, nicht die fittesten und jene mit viel Geld. Außerdem brauche es funktionierende Kontrollen an den Außengrenzen. Wenn wir das schaffen, dann bekommen wir auch die Asylkrise in den Griff. Um Asyl geht es nach der Europastunde auch im ersten regulären Tagesordnungspunkt im Nationalrat. Beschlossen wird das Durchgriffsrecht des Bundes bei Asylquartieren sowie härtere Maßnahmen gegen Schlepper. Dazu gibt der Nationalrat gibt dem Bund heute ein Durchgriffsrecht, in Gemeinden Flüchtlingsquartiere zu schaffen. In der Debatte dazu zeigte sich, dass nur FPÖ und Team Stronach diese Maßnahme ablehnen. Grüne und Neos schlossen sich der Koalition an, die argumentierte, dass nur so eine menschenwürdige und auf fairen Kriterien beruhende Unterbringung möglich sei. Ganz anders sieht das die FPÖ. Deren Klubchef Heinz-Christian Strache ärgerte sich – rasch mit einem Ordnungsruf versehen – darüber, dass die Regierung die Last ihres Scheiterns, Unvermögens, Amtsmissbrauchs, ihrer Gesetzesbrüche nun auf Länder, Gemeinden und Bürger ablade. Die Regierung kontrolliere nicht, sie differenziere nicht und lasse alle Flüchtlinge ins Land. Dabei gebe es kein Menschenrecht auf Wohlstandsflüchtlinge. Straches Vorbild sitzt in Budapest: Ich sage Respekt für (Ungarns Premier Viktor) Orban, der die eigene Bevölkerung vor illegaler Masseneinwanderung schützt. Ungarn halte als einziges Land die EU-Regeln ein und das werde ihm mit unglaublichen Beschimpfungen gedankt. Er schäme sich für Kanzler Werner Faymann (SPÖ), den das Vorgehen der ungarischen Behörden an den Holocaust erinnert hatte. Ziemlich ähnlich sah die Kritik von Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar aus. Die Regierung habe sämtliche Gesetze außer Kraft gesetzt und wider jede Vernunft jeden ins Land gelassen und damit auch gegen EU-Regeln verstoßen. Klüger wäre es Schutzzonen vor Ort zu schaffen: Dann brauchen wir nix zu verteilen. Was jetzt geschehe sei, Flüchtlinge aufs ganze Land zu verteilen, ohne zu wissen, ob sie überhaupt bleiben könnten. Mit ihrer Kritik blieben die beiden Parteien alleine. Sowohl die Grünen, die die Verfassungsmehrheit sichern, als auch die Neos hielten der Koalition für einmal die Stange. Grünen-Klubobfrau Eva Glawischnig stellte klar, dass dieses Gesetz eines zum Ziel hat, nämlich Unterkünfte für Schutzsuchende zu schaffen. Warum das nötig sei?: Weil es einfach kalt wird und Zelte nicht beheizbar sind. Direkt ins Visier nahm sie die FPÖ wegen deren Unterstützung für Ungarns Asylpolitik. Seien die Freiheitlichen tatsächlich dafür, auf Kinder, Frauen, Schwangere (mit Gummipatronen) zu schießen, wie dies Orban genehmigt habe? Neos-Menschenrechtssprecher Nikolaus Scherak wunderte sich, warum die FPÖ immer nur dann vermeintliche Verfassungsprobleme namhaft mache, wenn es gegen Flüchtlinge gehe. Angesichts der Zustände in der Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen sei ihr diese Idee nicht gekommen. Dass es das Durchgriffsrecht braucht, steht für Scherak fest, da es ohne verbindliche Vorgaben die gleichen Unterbringungsprobleme gäbe wie bis jetzt. Auch für SPÖ-Klubobmann Schieder handelt es sich um eine notwendige Maßnahme. Wie es nun auch auf EU-Ebene zwischen den Staaten versucht werde, gehe es hierbei innerhalb des Landes um eine faire Aufteilung. Zudem wirke das Gesetz nur als Ultima Ratio, wenn sich Länder bzw. Gemeinden nicht an Vorgaben halten: Wenn die Bundesländer die Quote halten, ist man im Leo. VP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl verwies darauf, dass man mit einer Sondersituation konfrontiert sei, wie man sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gekannt habe. Dafür habe man eine Lösung gefunden, die sicher stelle, dass jeder in Grundversorgung eine Unterkunft bekommen. Dies sei keine Entscheidung für die Zukunft. Denn wer am Ende des Verfahrens kein Asyl erhalte, werde das Land zu verlassen haben. Am Mittwochnachmittag hat der Nationalrat das Verfassungsgesetz zur Unterbringung von Flüchtlingen jedenfalls im Zuge einer namentlichen Abstimmung mit klarer Mehrheit beschlossen. Vor der Zustimmung von Rot,Schwarz, Grün und den Neos wurden während der Debatte noch einzelne kleinere Änderungen eingebracht, um den Unmut vor allem des Gemeindebunds zu dämpfen. So wurde etwa vereinbart, Bürgermeister mindestens eine Woche vor der Unterbringung von Asylsuchenden zu informieren. Abgelehnt wurde (ebenfalls in namentlicher Abstimmung) ein freiheitlicher Antrag auf Volksabstimmung zum Durchgriffsrecht. Ein Antrag auf Ministeranklage, wie ihn die FPÖ für Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) vorbereitet hat, wird erst bei der morgigen Sondersitzung eingebracht. Fast unter ging in der Debatte, dass neben dem Durchgriffsrecht auch eine Verschärfung der Schlepper-Bekämpfung beschlossen wird. Konkret können Schlepper auch bei einer geringen Zahl an geschleppten Flüchtlingen leichter in U-Haft genommen werden. Um das dafür notwendige Strafausmaß zu erreichen, reicht es künftig, wenn gewerbsmäßig drei Personen geschleppt werden. Bisher war der Wert bei zehn gelegen. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) sprach von einer höchst sinnvollen Maßnahme und sicherte zu, dass es für den Fall der Fälle die nötigen Haft-Kapazitäten gebe. Dass man das Thema sehr ernst nehme, zeige sich darin, dass es heuer schon fast 500 Anklagen wegen Schlepperei gegeben habe. 'Nationalratspräsidentin bedauert, dass Reformvorschlag keine Mehrheit findet. Wien – Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hat am Freitag bedauert, dass der Reformvorschlag des Verfassungsrechtlers Theo Öhlinger zum Thema Klubwechsel keine ausreichende Unterstützung im Geschäftsordnungskomitee des Parlaments gefunden hat. Ich halte Öhlingers Vorschlag nach wie vor für diskussionswürdig, meinte sie in einer Aussendung. Eine Reform der Regelung bei Klubwechseln wird uns mit Sicherheit in Zukunft weiterhin begleiten, so Bures. Öhlinger hat sanfte Reformwege aufgezeigt, die keinesfalls gegen die Freiheit des Mandats gerichtet sind. Die Schieflage zwischen dem freien Mandat und dem Wählerwillen bleibt nun aber bestehen. In der Bevölkerung kommt dabei das Gefühl auf, dass die Entscheidung der Wählerinnen und Wähler nicht respektiert wird. Öhlinger hatte unter anderem vorgeschlagen, die Förderung der Nationalratsklubs zu Beginn der Legislaturperiode nach oben hin zu deckeln. Ein Klub sollte also zu einem späteren Zeitpunkt nicht mehr Klubförderung beziehen können, als es seiner Größe am Wahltag entspricht. Bei einer Verkleinerung durch Verlust eines Abgeordneten sollte ein Klub allerdings weniger Förderung erhalten. Die Deckelung der Klubförderung nach oben würde finanzielle Beweggründe für Klubwechsel ausschließen und die Glaubwürdigkeit der Politik stärken, so Bures. In den vergangenen Monaten haben sieben Abgeordnete des Nationalrates den Klub jener Partei, für die sie bei der letzten Wahl kandidiert haben, verlassen. Sie sind entweder einem anderen Parlamentsklub beigetreten (Rouven Ertlschweiger, Marcus Franz, Kathrin Nachbaur und Georg Vetter vom Team Stronach zur ÖVP) oder aber wurden sogenannte wilde Abgeordnete ohne Klubzugehörigkeit (Jessi Lintl vom Team Stronach Polizeiaufgebot sicherte Jagdveranstaltung von Mensdorff-Pouilly im Burgenland wegen "allgemeiner Gefahr". Wien – Die Jagd, die Alfons Mensdorff-Pouilly am Samstag im burgenländischen Bildein veranstaltet hat, zieht weite Kreise. Nach einer Anzeige gegen Mensdorff wegen Tierquälerei werden jetzt auch Parlament und Innenministerium mit der Causa befasst. Der Grüne Peter Pilz stellt eine Anfrage betreffend Platzverbot für Gatterjad. Bei der Veranstaltung waren in einem Gatter Wildschweine aus einem Zuchtbetrieb sowie Rehe, Hirsche und andere Tiere von Treibern vor die Flinten der Jagdgäste getrieben worden, die von Hochständen aus schossen. Um empörte Tierschützer fernzuhalten, rückte die Polizei mit einem Großaufgebot aus und erließ ein Platzverbot unter Berufung auf das Sicherheitspolizeigesetz. Dieses Platzverbot sei rechtswidrig gewesen, behauptet Pilz. Die allgemeine Gefahr für Leben oder Gesundheit mehrerer Menschen, auf die sich die Polizei berief, setze gefährliche Angriffe voraus. Wenn schon, dann seien diese von der Jagdgesellschaft zu erwarten gewesen. Also hätte die Jagd – und nicht der Protest dagegen – verboten werden müssen. Pilz verweist in seiner Anfrage an die Innenministerin auch auf die Situation in Spielfeld. Dort fehlten Polizisten. Pilz: Warum ist Ihnen die Geschäftssicherheit Mensdorff-Pouillys wichtiger als die öffentliche Sicherheit Österreichs? (völ, 10.11.2015) Die wilde Abgeordnete dürfte beim Österreich-Ableger des "Compact Magazins" mitwerken. Wien – Als Susanne Winter einen Facebook-Kommentar lobte, der die zionistischen Geldjuden als das Problem darstellte, wurde es sogar der FPÖ zu bunt. Die Macher des deutschen Compact-Magazins dagegen stehen hinter der Nationalratsabgeordneten, die die Freiheitlichen vergangenes Jahr aus der Partei geworfen hatten – und dürften sie nun am Österreich-Ableger des Lügenpresse! schreienden Blattes mitwerken lassen. Bekannt ist Compact für krude Covergeschichten wie Die Königin der Schlepper (Merkel) und Onkel Asyl (Gauck). In der aktuellen Ausgabe beschreibt Chefredakteur Jürgen Elsässer das Drama der umjubelten Winter, die aufgrund eines Fauxpas zum Staatsfeind Nr. 1 gemacht wurde, mit dem steirischen Charme. Als freie Abgeordnete werde sie sich aber 2016 an der Markteinführung von Compact-Österreich beteiligen. Auf die Frage des STANDARD, wie genau sie an der Markteinführung der Wahrheitspresse in Österreich beteiligt sein werde, verweist Winter auf Chefredakteur Elsässer – dieser allerdings gibt der Mainstream-Presse keine Auskünfte. Kameras des Überwachungssystems zertrümmert, danach freiwillig gestellt. Wien – Schrecksekunde beim Wiener Parlament: Ein Mann mit einem Baseballschläger hat Montagnachmittag unmittelbar vor dem Gebäude randaliert. Es wurde niemand verletzt, nur zwei Kameras des Überwachungssystems sind beschädigt worden. Nach einer ersten Befragung wurde er laut Polizei in die Psychiatrie gebracht. Er hat angegeben, gegen das System zu sein, sagte Sprecher Roman Hahslinger am frühen Abend. Der Vorfall hat sich kurz nach 13.00 Uhr ereignet. Ein Mann ist mit einem Baseballschläger auf die Überwachungskameras losgegangen, berichtete Polizeisprecher Christoph Pölzl. Er sei zunächst zum Besucherzentrum gekommen – dieses ist direkt an der Ringstraße gelegen und frei zugänglich – und habe dort die beiden Kameras beschädigt. Die Kameras sind beim Besucherzentrum im Eingangsbereich angebracht. Das Ganze hat sich sozusagen vor unserer Tür abgespielt, der Mann ist aber nicht ins Parlament gelangt, betonte eine Sprecherin der Parlamentsdirektion gegenüber der APA. Nach der Randale beim Besucherzentrum rannte der Mann laut der Sprecherin über die Außenrampe zum zentralen Eingang des Parlaments vor der Säulenhalle, der außer bei hochrangigen Staatsbesuchen aber immer verschlossen ist. In die Halle selbst, ein zentraler Begegnungsort im Parlament, wo Veranstaltungen und Ausstellungen stattfinden und der von innen nur über Sicherheitsschleusen erreicht werden kann, sei er nicht gelangt. Der Mann habe den Schläger schließlich weggeworfen und sich auf der Rampe festnehmen lassen, sagte Polizeisprecher Pölzl. Er habe sich auf der Stelle kooperativ gezeigt und keine Gegenwehr geleistet. Das für Donnerstag geplante Plenum wurde abgesagt – eine Entscheidung, die den drei Oppositionsparteien nicht behagt. Wien – Neos, Grüne und Team Stronach haben am Dienstag erneut unabhängig voneinander die Absage der Plenarsitzung, die für Donnerstag geplant war, kritisiert. Es gebe sehr wohl genug Themen, die zu behandeln wären, so der Tenor der Oppositionsfraktionen. Ursprünglich waren für die aktuelle Woche zwei Sitzungen des Parlaments angesetzt gewesen – eine am Mittwoch und eine am Donnerstag. Die zweite wurde aber bereits vergangene Woche aus Mangel an Beschlussvorlagen von der Parlamentspräsidiale abgesagt. Seit September haben wir im Plenum die Arbeit des Rechnungshofs nicht mehr behandelt, sagt Gabriela Moser, die Rechnungshofssprecherin der Grünen. Wie man nun sogar eine Plenarsitzung absagen kann, verstehe ich nicht. Für die Sitzung am Mittwoch sind deswegen gleich zehn Berichte des Rechnungshofsausschusses nacheinander geplant. Zudem kritisierte die Grüne, dass die Regierung bei der Umsetzung der Reformvorschläge des Rechnungshofs nur einen wohlwollend formuliert mangelhaften Ehrgeiz an den Tag legt. 2015 seien so nur drei Viertel aller Forderungen des Rechnungshofs umgesetzt worden, im Jahr davor waren es noch vier Fünftel. Mehr parlamentarischen Tatendrang wünscht sich auch der Klubobmann des Teams Stronach, Robert Lugar. Man muss das Selbstbewusstsein des Parlaments als Machtzentrum der Politik wieder mehr stärken, so Lugar bei einer Pressekonferenz. Denn Themen, die Österreich betreffen, gibt es sehr wohl genug: Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit oder Flüchtlinge nennt der Abgeordnete. Lugar: Das ist scheinbar für die Regierung nicht wichtig genug. Dazu rief er auch zu einer Allianz von ÖVP, FPÖ und Team Stronach im Parlament auf, die Mehrheiten abseits der großen Koalition bieten würde. Auch die Neos kritisierten nach der Absage der Plenarsitzung die Regierung. Klubchef Matthias Strolz meinte, dass sich die Koalition vor wichtigen Entscheidungen drücke. Sowohl bei der Bildungs- als auch bei der Pensionsreform herrsche Stillstand, der von der Regierung nicht beendet werde. Wir sind auf der Verliererstraße, sagt Strolz und forderte die Regierung auf, den Weg für Neuwahlen freizumachen. In den Jahren der Sanierung bis 2020 – FH-Studierende entwickelten Kommunikationskonzepte. Wien – Das Parlament geht in der Zeit der Gebäudesanierung auf Tour durch Österreichs Schulen. Parlamentsführungen sind in dieser Zeit (2017 bis 2020) nicht möglich, deshalb gibt es ein eigens konzipiertes mobiles Informationsangebot, hieß es am Mittwoch in einer Pressemitteilung. Zentrales Element ist dabei ein Gesetzgebungsspiel. Die Wanderpräsentation unter dem Titel Demokratie in Bewegung – das Parlament kommt zu Dir soll zum Mitmachen und Mitdenken anregen. Ab Februar 2017 – also bereits vor der eigentlichen Übersiedlung – wird sie durch alle Regionen Österreichs tingeln. Die Inhalte (und ihre pädagogische Aufbereitung) kommen von der Parlamentsdirektion. Organisation, Logistik und Vermittlung vor Ort übernimmt das Gesellschafts- und Wirtschaftsmuseum. Ziel ist es, Schülern und Lehrlingen Aufgabe, Funktion und Zusammensetzung des Parlaments anschaulich näher zu bringen. Lehrer als Multiplikatoren erhalten begleitendes Lehrmaterial. Mit der Zeit der Generalsanierung haben sich auch 40 Studierende der Fachhochschule (FH) Wien der Wirtschaftskammer auseinandergesetzt. Sie haben Kommunikationskonzepte erstellt und kürzlich präsentiert, die nun in die Öffentlichkeitsarbeit des Parlaments im Ausweichquartier einfließen sollen. Die in sechs Teams erarbeiteten Konzepte zielten durchwegs darauf ab, die Anwesenheit des Parlaments am Heldenplatz als Belebung und Bereicherung zu verstehen. Man solle die außergewöhnliche Situation nutzen, um parlamentarische Arbeit nach außen zu tragen, Interesse für Demokratie zu wecken und neue Formen der Beteiligung auszuprobieren, so die Empfehlung. Pavillons in Holzsteckbauweise – Baubeginn Anfang Oktober. Wien – Die Strabag AG hat den Auftrag für das Ausweichquartier des Hohen Hauses während des Parlamentsumbaus erhalten. Die temporären Pavillons auf dem Heldenplatz und im Bibliothekshof der Hofburg sollen in Holzsteckbauweise errichtet werden, teilte die Parlamentskorrespondenz am Dienstag mit. Die Kosten für das Interimsquartier sind per Gesetz mit 51,4 Mio. Euro limitiert. Baubeginn ist Anfang Oktober. 18 Bieter aus dem In- und Ausland hatten einen Teilnahmeantrag gestellt, sechs von ihnen wurden zur Angebotslegung eingeladen. Das Angebot des österreichischen Unternehmens wurde eindeutig bestgereiht, hieß es. Zuschlagskriterien seien – neben den Kosten – Qualität, Funktionalität, und Ökologie gewesen. Ich freue mich, dass eine Lösung gefunden wurde, die nicht nur im vorgegebenen Kostenrahmen liegt, sondern auch im Sinne der Nachhaltigkeit ist, kommentierte Nationalratspräsidentin und Bauherrin Doris Bures (SPÖ) die Entscheidung. Im Sommer 2017 wird das Parlament in die Hofburg übersiedeln. Für Büroräume und Sitzungslokale werden auf dem Heldenplatz und im Bibliothekshof insgesamt drei temporäre Pavillons errichtet. Der Auftrag dazu wurde am Dienstag nach einem EU-weit ausgeschriebenen zweistufigen Verhandlungsverfahren unterzeichnet. Die Strabag AG werde dabei als Totalunternehmer fungieren. Die Generalplanung wird von Werkstatt Grinzing WGA ZT Gmbh übernommen. Mit der Auftragserteilung beginnt jetzt die Planung auf Basis des vom Parlament erstellten Raum- und Nutzungskonzepts. Der Entwurf soll Ende Mai vorliegen. Im Frühsommer wird die Burghauptmannschaft die technische Infrastruktur wie Strom, Wasser, Kanal und Datenleitungen errichten. Die Pavillons auf dem Heldenplatz werden jeweils drei Geschoße umfassen, der Pavillon im Bibliothekshof vier. Die schlüsselfertige Übergabe soll im April 2017 stattfinden. Sozialleistungen für Flüchtlinge machen 1,6 Milliarden Euro aus, zwei Prozent der gesamten Sozialausgaben. Wien – Die Regierung rechnet heuer mit zwei Milliarden Euro Flüchtlingskosten – davon 1,6 Milliarden Euro für Sozialleistungen. Das geht aus dem der APA vorliegenden Stabilitätsprogramm hervor, das am Dienstag nach Brüssel geschickt wurde. Die EU-Defizitziele kann Österreich heuer nur unter Ausklammerung der Zusatzkosten für Flüchtlinge erreichen, wobei die Regierung darauf drängt, das auch 2017 zu erlauben. Dass die nach Brüssel gemeldeten Summe größer ist als die bisher von der Regierung genannte Milliarde Euro liegt auch daran, dass darin nun auch Kosten der Länder und Gemeinden (etwa für den Länderanteil an der Grundversorgung und für die Mindestsicherung) eingerechnet sind. Den Ländern wird wegen der Zusatzbelastung erlaubt, anstatt des im Stabilitätspakt vereinbarten Nulldefizits ein Defizit von 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung zu schreiben. Im Stabilitätsprogramm schlüsselt das Finanzministerium die Auswirkungen der Flüchtlingskrise auf den gesamten Staatshaushalt für heuer und die vergangenen zwei Jahre auf (siehe Tabelle): Demnach sind die Gesamtkosten von 442 Millionen Euro im Jahr 2014 im Vorjahr auf 757 Millionen Euro angestiegen. Heuer sollen es rund zwei Milliarden Euro sein. Dies vor allem wegen der Kosten für die Versorgung der im Vorjahr ins Land gekommenen Flüchtlinge: Demnach gab es 2015 88.175 Erstanträge auf internationalen Schutz, heuer sollen es maximal 37.500 sein (Obergrenze). Die 1,6 Milliarden Euro Sozialleistungen für Flüchtlinge entsprechen übrigens etwa zwei Prozent der gesamten österreichischen Sozialausgaben (73,6 Milliarden Euro, Stand 2015). Auf EU-Ebene ist vereinbart, die 2015 und 2016 angefallenen Mehrkosten für die Flüchtlingsbetreuung bei der Abrechnung der Budgetziele (strukturelles Nulldefizit) zu berücksichtigen: Im Vorjahr machte dieser Anstieg 0,1 Prozent der Wirtschaftsleistung aus, heuer dürften es 0,4 Prozent sein. Das Finanzministerium weist das strukturelle Defizit daher in zwei Varianten aus: einmal ohne und einmal mit den zusätzlichen Flüchtlingskosten – letzteres deshalb, weil die EU-Kommission formal nicht das Herausrechnen der zusätzlichen Flüchtlingskosten aus dem Defizit zulässt, sondern nur ihre Berücksichtigung angekündigt hat. Seit 2013 erreichten 92 Bürgerinitiativen das Parlament. Ein Drittel davon wurde weiter behandelt.. Salzburg – Das politische Gezerre um und dann im Hypo-Untersuchungsausschuss ist noch in guter Erinnerung. Was kaum jemand weiß: Die Initiative für die Einrichtung des Ausschusses ging ursprünglich von einem 19-jährigen Vorarlberger aus. Der junge Mann startete eine Petition im Kampagnennetzwerk avaaz.org. Das Echo war enorm. Dann kam die Bürgerinitiative des Kabarettisten Roland Düringer mit 250.000 Unterstützern dazu. Der U-Ausschuss konnte im März 2015 starten. Beispiele wie der Hypo-Ausschuss oder die Erweiterung des Umweltinformationsgesetzes nach dem Kärntner HCB-Skandal seien nur die prominente Spitze der Arbeit des Petitionsausschusses im Nationalrat, berichtet Ausschussvorsitzender Michael Pock (Neos) im STANDARD-Gespräch. Pock hat zur Halbzeit der Legislaturperiode einen Zwischenbericht vorgelegt. Eine Arbeit, die beispielsweise im Deutschen Bundestag die Parlamentsadministration jedes Jahr selbst macht. In Österreich wurden in den vergangenen zweieinhalb Jahren insgesamt 92 Bürgerinitiativen im Ausschuss behandelt. Immerhin ein Drittel wurde nicht nur zur Kenntnis genommen und damit de facto abgelehnt, sondern an die Fachausschüsse weitergeleitet und so der parlamentarischen Behandlung zugeleitet. Thematisch führen Bildungsthemen, regional führen Wien und Tirol die Liste der Bürgereingaben an. Die rote Laterne haben Niederösterreich und Salzburg. Die unmittelbare Möglichkeit für Bürger, in den Gesetzgebungsprozess einzugreifen, ist auch ein Mittel gegen den Politfrust und den Populismus, sagt Pock. Die Menschen stünden der Politik weit weniger ohnmächtig gegenüber, als oft geglaubt wird. Man müsse sie nur mehr an die Institutionen binden und weniger an Parteien. FPÖ fordert erneut Neuwahlen. Wien – Die Ermordung einer Putzfrau am Wiener Brunnenmarkt ist Thema einer Dringlichen Anfrage im Nationalrat, die am Donnerstag von den Freiheitlichen an Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) gerichtet wird. Nach Ansicht der FPÖ zeigt der Fall exemplarisch, dass der Staat nicht mehr imstande sei, seine Bürger zu schützen. Bei der Tat war Anfang Mai ein Kenianer offenbar grundlos nächtens mit einer Eisenstange auf die Putzfrau, die am Weg zur Arbeit war, los gegangen. Der Fall hatte auch medial hohe Wellen geschlagen, da der Mann in der Vergangenheit vielfach angezeigt worden war, eine Haftstrafe abgesessen hat und psychisch auffällig war. Ausgewiesen werden konnte er nicht, da es mit seinem Heimatstaat kein entsprechendes Abkommen gibt. In gesamt 27 Fragen an Brandstetter versuchen die Freiheitlichen nun herauszufinden, ob es in dem Fall ein Behördenversagen gab. Speziell soll der Minister klarstellen, wie er die vermeintliche Untätigkeit der Staatsanwaltschaft zu sanktionieren gedenkt. Schließlich war der Kenianer schon einige Monate vor der Tat einmal mit einer Eisenstange auf Menschen losgegangen. Überhaupt wollen die Freiheitlichen wissen, ob der Justizminister als Konsequenz aus dem Fall Reformen einzuleiten gedenkt. Speziell regt die FPÖ an, die Schnittstellen Polizei-Staatsanwaltschaft und Polizei-psychiatrische Einrichtungen zu verbessern. Geht es nach den Freiheitlichen, würde freilich Brandstetter die Reformen gar nicht mehr selbst durchführen können. Denn die Freiheitlichen wollen im heutigen Plenum über einen Fristsetzungsantrag den Weg zu Neuwahlen öffnen. Zustimmung dafür ist aber mehr als unwahrscheinlich. Kern fordert in seiner Antrittsrede Visionen statt Populismus und Stillstand – was er genau will, verrät er aber nicht. Wien – Christian Kern ist ein Renner, nicht nur im Kreis der Genossen. Wie ihm seine Frau beim Frühstück erzählt habe, hat fast eine Million Menschen das auf Facebook gestellte Video von seinem ersten Auftritt geliked und geteilt, berichtet er – und ich habe den Eindruck, das waren nicht nur Familienmitglieder und Freunde aus der ÖBB. Doch so viel Sympathie bringe auch eine Verpflichtung mit sich, fügt Kern an und nimmt Anleihe bei Sisyphus: Es geht darum, einen Stein an die Spitze zu rollen. Nachdenklich gibt sich Christian Kern, als er zu seiner ersten Rede als frisch angelobter Bundeskanzler vor die Abgeordneten im Nationalrat tritt. Er beschwört zwar den Optimismus, der die schlechte Laune, diese Wachstumsbremse schlechthin, vertreiben soll, spricht aber auch von absehbaren Fehlschlägen und Frustrationen. Ja, ein Scheitern sei möglich, sagt Kern, aber wenn, dann werden es die richtigen_Motive sein, aus denen wir scheitern. Was er garantieren könne: Dass wir mit jeder Faser unseres Wollens, dass wir mit unserer gesamten Leidenschaft und mit jeder Minute unseres Denkens versuchen werden, die Dinge in die richtige Richtung zu lenken. Doch welche Dinge will der neue Regierungschef in welche Richtung lenken? Die Antworten in Kerns weitgehend vom Blatt gelesenen, aber angesichts der handschriftlichen Notizen offenbar selbst verfassten Rede, beschränken sich auf Grundsätze. Weltoffenheit statt geistiger Verengung, Zukunftsglauben statt Hoffnungslosigkeit propagiert der designierte SPÖ-Vorsitzende, er will den Markt so weit wie möglich gewähren und den Staat so weit wie nötig intervenieren lassen. Ein Zitat, das dem einstigen Bundeskanzler Franz Vranitzky unterstellt wird (wer Visionen hat, braucht einen Arzt), dreht Kern um: Den Arzt brauche im Jahr 2016 derjenige, der keine Visionen habe. Die Gesellschaft dürfe Kinder nicht zu Verlierern machen, weil sie den falschen Vornamen tragen oder von den Eltern nicht gefördert werden, sagt der Redner – ein Plädoyer für die Gesamtschule? Kern nimmt das Wort nicht in den Mund. Vom Wohlstandszuwachs im Land dürfe nicht nur eine kleine Minderheit profitieren – ein Bekenntnis zu Vermögenssteuern? Kern lässt es offen. In der EU müsse es mehr Spielraum für öffentliche Investitionen geben – ein Angriff auf die strengen Sparvorgaben? Kern konkretisiert es nicht. Für die Unverbindlichkeit bietet die Ansprache eine Begründung. Mein Verständnis ist es nicht, dass wir über Dogmen, Doktrinen und fertige Konzepte reden, sagt Kern den Abgeordneten, mein Verständnis ist, dass wir eine offene Diskussion führen. Diese habe er in der jüngeren Vergangenheit vermisst: Inhalt sei durch taktischen Opportunismus ersetzt worden, oft gehe es nur mehr darum, wer mit einem Siegerlächeln das Schlachtfeld verlässt. Vieles mehr hat Kern am Status Quo der Politik zu bekritteln, ausführlich breitet er das Sündenregister aus. Keine generelle Politikverdrossenheit, aber Ärger über jene Kapselpolitik, die an den tatsächlichen Sorgen der Menschen vorbeilaufe, habe sich breitgemacht, und natürlich das Gefühl des Stillstandes. Betrachte man die Leistungen von Regierung und Parlament im Detail, dann müsse man diesem Eindruck vielfach widersprechen, räumt Kern ein, doch angesichts der flachen pragmatischen Lösungen seien die Zukunftsbilder abhanden gekommen: Es ist nicht mehr klar, wohin wir unser Land führen wollen. In dieses geistige Vakuum kriecht umso leichter das Vorurteil und die billige Pointe. Einen Ruck will Kern in Österreich auslösen, um den Populismus in die Schranken zu weisen: Ab heute läuft der Countdown um die Menschen und Herzen in unserem Land. Die Freiheitlichen klatschen im Gegensatz zu Grünen und Neos demonstrativ nicht, doch vom Nachbarn auf der Regierungsbank fällt die Reaktion herzerwärmend aus. Ich will antwortet Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auf die Erneuerungsappelle und ergänzt mit Geste in Richtung ÖVP-Ministerriege: Ich glaube, unsere Seite will auch. Allerdings brauche die Regierung die Selbstgeißelung nicht übertreiben, denn für das schlechte Image der Politik sei nicht sie allein verantwortlich. Mitterlehner, mit mahnendem Blick ins Plenum: Auch die Opposition ist Teil des Bildes, dass wir abgegeben haben. Um die Ehre der Koalition zu retten, unternimmt Mitterlehner noch einige Exkurse in die eigene Leistungsbilanz, ehe er Kern eine Weisheit mit verpackter Warnung mitgibt. Jedem Neuen wohnt ein Zauber inne, sagt Mitterlehner, der in der öffentlich-medialen Wahrnehmung rasch vom schneidigen Django zum Platzhalter mit Ablaufdatum abgestiegen war: Ich habe das selbst erlebt. Gesetzliche Bestimmungen wurden laut Parlamentsdirektion eingehalten. Wien - Die zur ÖVP übergelaufenen Team-Stronach-Mandatare Marcus Franz und Georg Vetter haben mit ihrem Karussell bei der Anstellung parlamentarischer Mitarbeiter keine Gesetze verletzt. Das teilte die Parlamentsdirektion am Dienstag mit. Diese prüft zwar alle Arbeitsverhältnisse schon bei der Einstellung von parlamentarischen Mitarbeitern. Im Falle von Franz und Vetter erfolgte nun aber eine neuerliche Prüfung. Wie der Kurier berichtete, hatte neben den beiden auch Stronach-Abgeordnete Jessi Lintl Verwandte oder nahestehende Personen der jeweils anderen angestellt. Dieses Vorgehen bedeutet aber keinen Verstoß gegen die Regelung, wonach ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen Abgeordnetem und Mitarbeiter einen Vergütungsanspruch (maximal 4291 Euro pro Monat) ausschließt. Was bleibt, ist eine schiefe Optik. Franz selbst sieht darin kein Problem. Bei Mitarbeiterverhältnissen gehe es um Vertrauen, sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Es handle sich um engagierte junge Leute, die Verwandtschaft zu einem Klubkollegen sei kein Hindernis. Dennoch versprach er eine Neuaufstellung im Zuge seines Fraktionswechsels. Bei einem Rundruf des STANDARD beteuerten alle anderen im Nationalrat vertretenen Parteiklubs, bei ihnen gebe es - soweit nachvollziehbar - keine ähnlichen Konstrukte mit Mitarbeitern, die anderen Abgeordneten nahestehen. Bei den Neos etwa verweist man darauf, dass Parlamentarier sich ihre Mitarbeiter frei aussuchen, dies aber auch mit dem Klubdirektor abklären. Für Marion Breitschopf, Projektleiterin der Plattform Meine Abgeordneten, ist klar, wie der Eindruck möglicher Günstlingswirtschaft verhindert werden kann: Das geht nur, wenn die Parteien die Listen ihrer parlamentarischen Mitarbeiter offenlegen. Bisher sind diese Listen nicht öffentlich zugänglich. Die Parlamentsdirektion verweist auf datenschutzrechtliche Gründe, handle es sich doch um privatrechtliche Arbeitsverträge. Die Mandatare der drei Großparteien verdienen besonders gut neben ihrem Abgeordnetengehalt. Nur zwei Mandatare der Grünen kommen über 1.000 Euro im Monat. Jährlich müssen die Abgeordneten des Nationalrats und des Bundesrats ihre Nebeneinkünfte angeben. Ende Juni endete die Meldefrist für das Jahr 2014. Angegeben werden die Quellen für das Einkommen sowie die Einkommenskategorie, in der sich der Abgeordnete im jeweiligen Jahr befand. Im Nationalrat stellt die FPÖ die größte Gruppe in der Spitzenkategorie. Vier der insgesamt neun Nationalratsabgeordneten, die monatlich mehr als 10.000 Euro zusätzlich verdienten, sind Abgeordnete der Freiheitlichen. Darunter Herbert Kickl, der für seine strategische Arbeit bei der Partei ein mindestens fünfstelliges Monatsgehalt bezieht. Der einzige andere Parteiangestellte in dieser Gruppe war SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Neben ihm hatte noch ein weiterer SPÖ-Abgeordneter über der 10.000-Euro-Grenze verdient. Die ÖVP stellte drei Nationalratsabgeordnete in der höchsten Kategorie. Grüne verdienen wenig Am anderen Ende des Spektrums stehen die Grünen. Mehr als die Hälfte der 24 grünen Nationalratsmandatare verdienten nichts zu ihrem Abgeordnetengehalt hinzu. Nur zwei grüne Abgeordnete kamen auf einen Zuverdienst von mehr als 1.000 Euro im Monat: Gabriela Moser und Bruno Rossmann. Nach Marcus Franz, der mittlerweile ebenso wie Georg Vetter zur ÖVP gewechselt ist und in der Statistik zu dieser gezählt wird, war Kathrin Nachbaur Spitzenverdienerin im Team Stronach. Als Geschäftsführerin der Frank Stronach Beteiligungs GmbH, Angestellte bei der Firmengruppe des Parteigründers und Leiterin der Parteiakademie verdiente sie mehr als 7.000 Euro. Gemeinsam mit den ÖVP-Abgeordneten Brigitte Jank und Angelika Winzig gehörte sie zu den drei Frauen, die zwischen 7.000 und 10.000 Euro dazuverdienten. Weibliche Spitzenverdienerin war die ÖVP-Abgeordnete Michaela Steinacker, die als Generalbevollmächtigte einer Raiffeisen GmbH und als Delegierte einer Privatstiftung in der höchsten Kategorie landete. Auch im Bundesrat verdienen die Abgeordneten der ÖVP und SPÖ gut. Die Volkspartei stellt vier der sechs Bundesratsmandatare, die mehr als 7.000 Euro im Monat verdienen. Auch Magnus Brunner, der als einziges Bundesratsmitglied mehr als 10.000 Euro verdient, gehört der ÖVP an. (Michael Bauer, 2.7.2015) Gegen die Stimmen von FPÖ, Neos und Team Stronach wurde beschlossen, Wirtshäuser und Beisln, Restaurants und Cafés ab 2018 mit totalem Rauchverbot zu belegen. Wien – Nach jahrelangem Hin und Her bekommt auch Österreich ein Rauchverbot in der Gastronomie. Mit den Stimmen der Koalition und der Grünen hat der Nationalrat Mittwochmittag beschlossen, dem Tabakkonsum in Lokalen ab Mai 2018 ein Ende zu setzen. Auch Wasserpfeifen und E-Zigaretten sind vom Verbot erfasst. In der Parlamentsdebatte übten die Freiheitlichen heftige Kritik an den strikten Regelungen. Ihr Mandatar Josef Riemer sprach von einem totalitären Gesetz. Konkret beklagte er die aus seiner Sicht überschießenden Strafen, die einen Gast im Wiederholungsfall 1.000 Euro und den Wirt bis zu 10.000 Euro kosten könnten. Ebenso wenig Zustimmung kam vom Team Stronach, auch wenn sich Klubobfrau Waltraud Dietrich selbst als überzeugte Nichtraucherin deklarierte. Sie gab u.a. zu bedenken, dass sich Anrainer von rauchenden Gästen vor den Lokalen belästigt fühlen könnten. Von den Neos bekannte sich Gesundheitssprecher Gerald Loacker zwar zum Nichtraucherschutz. Das Gesetz lehnte seine Fraktion jedoch als Murks ab. Er kritisierte, dass es in Hotels weiterhin Raucherräume geben dürfe, womit die Restaurants dort bevorteilt seien. Zudem fand es Loacker seltsam, dass im Tabakgesetz nichttabakhaltige Wasserpfeifen verboten würden. Kritik kam von der Opposition auch daran, dass selbst in Vereinslokalen das Rauchen verboten und damit in die Privatsphäre eingegriffen wird. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) verteidigte die Regelung, da es ansonsten – wie in Deutschland – wieder zu Umgehungsmöglichkeiten kommen würde. Insgesamt gab sich die Ministerin hochzufrieden mit dem Gesetz – und zwar auch im Sinne des Arbeitnehmerschutzes. Zudem werde ein großer Schritt gesetzt, um die Menschen vom Rauchen abzuhalten. ÖVP-Gesundheitssprecher Erwin Rasinger betonte ebenfalls, es sei das Recht der Demokratie, Beschränkungen einzuführen. Das Verbot in der Gastronomie sei dabei ein wichtiges Signal, weil mehr als 18 Prozent aller Todesfälle in Österreich mit dem Rauchen zusammenhingen. Die grüne Klubobfrau Eva Glawischnig, die für eine kürzere Übergangsfrist gewesen wäre, sah in dem Gesetz einen historischen Beschluss. Dieser sei gut für den Arbeitnehmerschutz und auch für den Kinderschutz, könnten sich Kinder doch auch nicht aussuchen, in welchen Lokalteil ihre Eltern mit ihnen gehen. Für Gastronomiebetriebe, die nach dem letzten Gesetz in getrennte Raucherlokalteile investiert haben, gibt es als Anreiz für einen Umstieg vor dem 1. Juli 2016 eine steuerliche Prämie in der Höhe von 30 Prozent für getätigte Umbauinvestitionen. Parlament beschloss im letzten Jahr 123 Gesetze – Rekord an schriftlichen Anfragen. Wien –Der Nationalrat ist im abgelaufenen Parlamentsjahr zu 48 Sitzungen mit einer Gesamtdauer von 303 Stunden und 13 Minuten zusammengetreten und hat dabei 123 Gesetze beschlossen. Dazu kommen 32 genehmigte Staatsverträge und zwei Vereinbarungen mit den Bundesländern. Das geht aus der Bilanz der Tagung 2014/15 hervor. 30,9 Prozent der Gesetzesbeschlüsse fielen laut Parlamentskorrespondenz einstimmig. Damit bleibt der Wert etwas unter dem Durchschnitt der letzten Gesetzgebungsperioden. Auch in anderen Belangen macht sich bemerkbar, dass nunmehr sechs gewählte Parteien im Nationalrat sitzen: Die Zahl der schriftlichen Anfragen hat mit 3.850 absolutes Rekordniveau erreicht, gleiches gilt für die Anträge von Abgeordneten. Mehr als 700 Mal haben die Mandatare ihre Forderungen in selbstständige Gesetzes- und Entschließungsanträge gegossen. Zu den Plenarsitzungen kommen 138 Ausschusssitzungen, 24 Unterausschusssitzungen, 20 Sitzungen des Hypo-Untersuchungsausschusses und 16 Sitzungen der beiden Enquete-Kommissionen zur Stärkung der Demokratie in Österreich und zur Würde am Ende des Lebens. Sechs der Nationalratssitzungen waren Sondersitzungen außerhalb des regulären Arbeitsplans, die, mit einer Ausnahme, stets auf Initiative einer oder mehrerer Oppositionsparteien einberufen wurden. Im Rahmen der 48 Plenarsitzungen nahmen die Abgeordneten auch 33 Berichte der Regierung, des Rechnungshofs und der Volksanwaltschaft in Verhandlung. Zudem hielten sie elf Aktuelle Stunden, vier Aktuelle Europastunden und neun Fragestunden mit 108 Fragen und 81 Zusatzfragen ab. Dazu kommen sieben Erklärungen von Regierungsmitgliedern. In 69 Entschließungen erhielt die Regierung Arbeitsaufträge vom Nationalrat. Die mit Abstand meisten parlamentarischen Anfragen gehen erneut auf das Konto der FPÖ (2.496), gefolgt von den NEOS (418), vom Team Stronach (393) und von den Grünen (366). Von Seiten der SPÖ wurden insgesamt 114 Anfragen gestellt, von der ÖVP 50. Dazu kommen 13 Anfragen von fraktionslosen Abgeordneten. Auf Verlangen der Opposition diskutierte der Nationalrat über zehn Dringliche Anfragen sowie vier Dringliche Anträge und hielt 17 Kurze Debatten zu schriftlichen Anfragebeantwortungen einzelner Regierungsmitglieder und Fristsetzungsanträgen ab. Insgesamt drei Mal versuchten FPÖ und Grüne mit einem Misstrauensvotum den Rücktritt eines Regierungsmitglieds bzw. der Bundesregierung zu erzwingen, jeweils ohne Erfolg. Das Parlament zog auch viele Bürger an. Bei insgesamt 5.000 Führungen und Hausbegehungen erhielten mehr als 90.000 Besucher, unter ihnen viele Schüler, Informationen über die Arbeit der Parlamentarier. Im April begrüßte Nationalratspräsidentin Doris Bures den millionsten Besucher im Parlament seit 2005. Viele Besucher hatte auch die Website des Parlaments (www.parlament.gv.at). Rund 2,8 Millionen User sorgten seit Tagungsbeginn für mehr als 250 Millionen Clicks. Die Demokratiewerkstatt des Parlaments setzte ihre 2007 begonnene Geschichte fort. Die Zahl der Kinder und Jugendlichen, die seither an den Workshops zur Vermittlung demokratischer Werte und politischer Bildung teilgenommen haben, liegt bereits bei 76.500. Im abgelaufenen Schuljahr besuchten 9.500 Schüler 450 Workshops. 4.300 Jugendliche konnten bisher für ihr besonderes Interesse mit dem Titel Demokratiewerkstatt-Profi ausgezeichnet werden. Glawischnig: "Raub der Souveränität" Athens – "Enorm hoher Privatisierungsdruck" – ESM-Unterausschuss erteilte Verhandlungsmandat. Wien – Die Grünen wollen bei der Abstimmung im Nationalrat über die Aufnahme neuer Verhandlungen zur Griechenland-Hilfe mit Nein stimmen. Wie Bundessprecherin Eva Glawischnig finden die Grünen es zwar positiv, dass ein Grexit verhindert worden sei, sähen jedoch die Art und Weise, wie das geschah, extrem kritisch. Raub der Souveränität Griechenland werde durch die EU-Auflagen gleichsam unter europäisches Kuratel gestellt – das sei ein Raub der Souveränität und eine Aushebelung demokratiepolitischer Grundsätze. Besondere Kritik übte Glawischnig auch an den Reformauflagen: Es sei nicht wirklich zielführend, die bisherige Austeritätspolitik weiterzuführen und damit extreme soziale Verwerfungen in Kauf zu nehmen. Sie kritisierte auch den enorm hohen Privatisierungsdruck. Die Grünen hätten sich mehr positive Initiativen gewünscht, um Griechenland wirtschaftlich wieder fit zu machen, etwa im Bereich der Landwirtschaft oder der erneuerbaren Energien. Auch Neos, Team Stronach und FPÖ dagegen Die Neos werden wie auch die anderen Oppositionsparteien am morgigen Freitag im Nationalrat keiner Ermächtigung für Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zu Verhandlungen für weitere Griechenland-Hilfen zustimmen. Das kündigte Klubchef Matthias Strolz in einem Blog-Eintrag an. Die geplante ESM-Stabilitätshilfe halte er für ein ungeeignetes Maßnahmenpaket, schreibt Strolz. Selbst der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras sage, er glaube nicht an die meisten der Maßnahmen und habe nur zugestimmt, weil er erpresst worden sei. Das geplante Paket sei nichts anderes als die nächste Runde einer Insolvenzverschleppung. Der österreichische Nationalrat soll kommenden Freitag seinen Segen zu den Verhandlungen über ein neues Hilfsprogramm für Griechenland geben. Für einen Beschluss im Plenum ist eine einfache Mehrheit notwendig, die durch SPÖ und ÖVP gegeben ist. Die Regierungsparteien wollen bei dem Votum mit Ja stimmen. ESM-Unterausschuss erteilte Verhandlungsmandat Das österreichische Parlament hat einen weiteren Schritt Richtung zusätzliche Hilfen für Griechenland gesetzt: Der ESM-Unterausschuss erteilte Donnerstagfrüh mit den Stimmen der Regierungsparteien SPÖ und ÖVP Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) das Mandat, im Gouverneursrat über ein neues Griechenland-Paket zu verhandeln, bestätigte Ausschuss-Vorsitzende Gabriele Tamandl (ÖVP) der APA. Es habe im Ausschuss eine umfassende Information und Faktendarlegung durch den Finanzminister gegeben, sagte Tamandl. Danach habe eine konstruktive Diskussion stattgefunden. Die Oppositionsparteien stimmten nicht mit. Der stellvertretende Klubchef der Grünen, Werner Kogler, begründete die Ablehnung des Verhandlungsmandats für ein neues Griechenland-Hilfsprogramm mit der seiner Meinung nach nicht vorhandenen Tragfähigkeit der Schulden des Landes. Diese sei laut ESM-Bestimmungen aber Voraussetzung für finanzielle Unterstützung. Zudem hält er weite Teile des geplanten Programms für falsch. Es handle sich um den 15. Aderlass der griechischen Wirtschaft, so Kogler. Die zusätzlichen Ausgabenkürzungen und Steuererhöhungen seien die falsche Medizin. Ausschüsse werden aufgestockt – Auch im Hypo-U-Ausschuss bleibt alles gleich. Nun ist es fix: Die parlamentarischen Ausschüsse werden aufgestockt, damit das Team Stronach trotz Abgeordnetenschwunds daran teilnehmen kann. Das wurde am Dienstag bekannt. Die Vollausschüsse werden jeweils auf 28 Mandatare vergrößert, die Unterausschüsse bleiben in der jetzigen Form bestehen. Auch der Hypo-Untersuchungsausschuss wird weiter in der derzeitigen Zusammensetzung stattfinden, sagte Bures. Für zukünftige U-Ausschüsse müssten die Klubs noch eine Lösung für die Zusammensetzung finden. Kanzler Faymann will mit Ungarns Premier Klartext reden, Vizekanzler Mitterlehner fand deutliche Worte zur "Panikmache" der FPÖ. Wien – Auf Viktor Orbán ist Werner Faymann derzeit nicht gut zu sprechen. Gesetze sind einzuhalten, richtete der Kanzler seinem ungarischen Amtskollegen am Dienstag bei der früh am Morgen angesetzten Regierungssitzung im Parlament aus. Am Montag waren 3.650 aus Ungarn kommende Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof eingetroffen, auch am Dienstag hielt der Zustrom an. Man werde die Sache genau untersuchen und eine klare Sprache gegen Ungarn finden, kündigte Faymann an. Nur weil die Dublin-Verordnung (sie regelt, dass jenes EU-Land zuständig ist, in dem Flüchtlinge zuerst EU-Boden betreten) schlecht funktioniere, könne Budapest das Abkommen nicht komplett aussetzen. Faymann will auch bilaterale Gespräche mit Tschechien und der Slowakei führen, um seiner Forderung nach europäischen Quoten Nachdruck zu verleihen. Hierzulande aber werden die rot-schwarzen Regierungsspitzen demnächst mit dem neuen Flüchtlingskoordinator Christian Konrad in Klausur gehen. Dabei sollen angesichts der vielen Schutzsuchenden die Themen Wohnen, Arbeit und Integration behandelt werden. Für Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wird es auch darum gehen, Flüchtlinge als Chance und nicht als Bedrohung zu sehen. Viele seien gut qualifiziert, betonte der Wirtschaftsminister. Gleich nach dem Ministerrat nahmen die Koalitionäre auf der Regierungsbank im Nationalrat Platz, um auch bei der Sondersitzung zum anstehenden Durchgriffsrecht des Bundes zur Unterbringung von Flüchtlingen (mitunter gegen den Willen der Länder und Gemeinden) rigorose Töne anzuschlagen – allerdings in Richtung FPÖ. Davor rief Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) das Hohe Haus angesichts der Tragödie mit 71 toten Asylwerbern im Burgenland zu Menschlichkeit und Solidarität sowie zu einer Gedenkminute auf – doch die andächtige Stimmung sollte nicht allzu lange währen. Angesichts des Gesetzes, das SPÖ und ÖVP am 23. September mit den Grünen in den Verfassungsrang hieven wollen und dem auch die Neos zustimmen werden, hielt Faymann in seiner Rede vor den Abgeordneten fest: Österreich wird eine Entscheidung zu treffen haben, ob wir Kriegsflüchtlinge, die um ihr Leben laufen, mit Stacheldraht oder mit menschlichen, ordentlichen Quartieren empfangen. Auch Mitterlehner sprach sich vehement für Solidarität mit den Flüchtlingen aus. Dass die vom Bund geplante Quote beim Schaffen von Quartieren zu hoch sei, stellte er in Richtung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache in Abdrede. Wovor fürchten Sie sich? 1,5 Prozent sind zumutbar! Etwas anderes zu behaupten sei eine Beleidigung unserer humanitären Tradition. Dazu geißelte Mitterlehner Ausdrücke wie Wirtschaftsflüchtlinge und Asylbetrug, die von den Blauen gern verwendet werden. Wir reden hier nicht über Material, wir reden über Menschen! Davon unbeeindruckt polterte Strache angesichts der Massenzuwanderung: Ich sehe keinen Chef und keine Lösung in dieser Sache. Ich sehe einen Koordinator – wofür brauchen wir Sie noch Herr Kanzler, Herr Vizekanzler? Dass die Koalition die Unterbringungsproblematik durch eine Entmachtung der Länder und Gemeinden lösen wolle, sei Anlass zur Sorge, deswegen werde er, Strache, einen Antrag auf eine Volksabstimmung darüber einbringen. Und überhaupt seien nicht alle, die kommen, Menschen im Sinne der Genfer Konvention, deswegen brauche es lückenlose Kontrollen an den Grenzen mithilfe des Heeres. Die grüne Chefin Eva Glawischnig hielt dazu fest: Wir wollen Menschenleben schützen und nicht Grenzen! Die FPÖ wolle in den Gemeinden ja sogar die Unterbringung von unbegleiteten Kindern verhindern, doch das Durchgriffsrecht werde auch zu einer Normalisierung der Situation beitragen. Dazu kündigte Glawischnig an, den Vorschlag der Regierung zu unterstützen, EU-Förderungen mit einer gerechten Flüchtlingsverteilung zu verknüpfen. Trotz Zustimmung zum Durchgriffsrecht forderte Neos-Boss Matthias Strolz von Faymann und Mitterlehner auffallend aggressiv einen Nationalen Aktionsplan zum Flüchtlingsdrama ein. Das Sterben von Asylwerbern heute im Straßengraben sei nur der Anfang gewesen, morgen lägen die Menschen womöglich schon in unseren Vorgärten. Hannes Fazekas übernahm am Mittwoch das Nationalratsmandat von Hubert Kuzdas. Hannes Fazekas (SPÖ), ehemaliger Bürgermeister von Schwechat, ist am Mittwoch im Parlament angelobt worden. Er übernahm das Mandat von Hubert Kuzdas und sagte im Gespräch mit dem STANDARD, dass er sich auf die neue Herausforderung freue. Auf die Frage nach dem Reißverschlusssystem zugunsten der Frauenquote entgegnete Fazekas: Die Wahlliste wurde 2012 so beschlossen. Er rücke nach, weil er der eben Nächste auf der niederösterreichischen Landesliste sei und die gesetzlichen Bestimmungen das vorsehen würden. Er habe sich die Überlegung nicht leicht gemacht, aber sich schlussendlich gegen einen Mandatsverzicht zugunsten der Frauenquote entschieden. Es ist nicht das erste Mal, dass der Männeranteil im SPÖ-Parlamentsklub konstant bleibt, obwohl Frauenministerin Heinisch-Hosek eine Frauenquote von mindestens 40 Prozent erreichen wollte. Vor der Sommerpause hatte Norbert Darabos sein Mandat an Jürgen Schabhüttl abgetreten. Ausgelöst hatte die SPÖ-interne Diskussion die Nachbesetzung des Mandats der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer. Ihr folgte der oberösterreichische Gewerkschafter Walter Schopf nach. Sonja Ablinger, die sich ebenfalls um das Mandat bemüht hatte, ging leer aus. Ein Parteischiedsgericht bestätigte Schopf als Nachfolger. Es folgte Kritik der SPÖ-Frauen, die auf die Erfüllung der Frauenquote pochten. Die SPÖ änderte schließlich ihr Statut, um in Sachen Frauenquote Klarheit zu schaffen. Diese Klarheit hat die SPÖ mit dem Zusatz unter Berücksichtigung der gesetzlichen Bestimmungen geschaffen. Das Statut besagt, dass das Erhalten und Erzielen der Frauenquote durch das Nachrücken sichergestellt werden soll. Durch den Zusatz jedoch werde die Erfüllung der Quote wiederum hinter die Wahlordnung gestellt, sagt Ablinger dem STANDARD. Die Quotenregelung wurde durch dieses Statut verschlechtert. Die Quote bleibt gleich. Wahlrecht schlägt Statut, heißt es aus dem Frauenministerium zur Angelobung von Fazekas. Die große Ansage von Heinisch-Hosek war wohl nur ein Lippenbekenntnis, kommentiert Ablinger im Gespräch mit dem STANDARD. Traurig sei das, aber wer keine politische Auseinandersetzung in Sachen Frauenquote führt, kann nur verlieren. Für Fiona Kaiser, stellvertretende Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, macht Angelobung Fazekas deutlich, dass die Regularien zur Nachbesetzung nicht greifen. Es gibt immer noch keine ordentliche Lösung. Die SPÖ-Frauen haben gegen das Urteil des Parteischiedsgerichts Berufung eingelegt. Der Vorsitzende des Bundesschiedsgerichtes Hannes Jarolim sagte zum STANDARD, dass das Schiedsgericht im Herbst tagen werde. Jetzt wird durchgegriffen: Mit klarer Mehrheit beschloss der Nationalrat das Recht des Bundes, Flüchtlingsunterkünfte in Gemeinden zu schaffen. Erstmals durften EU-Abgeordnete reden. Wien – Die ÖVP setzt beim Flüchtlingsthema neuerdings auf Taferlkommunikation. Der erste Versuch – Vizekanzler, Innenministerin sowie Außen- und Justizminister halten mit betroffenen Mienen ein großes, weißes Taferl in die Kamera, auf dem der ÖVP-Aktionsplan Asyl skizziert ist – geriet zumindest in den sozialen Medien zum viralen Erfolg, weil weiße Taferln die ideale Unterlage für diverse Photoshop-Spielereien sind. Nachzuvollziehen unter dem Hashtag #taferlgate. Am Mittwoch taferlte die ÖVP gleich in großer Gruppe wieder. Im Parlament tauchte während der Rede von Klubchef Reinhold Lopatka in der aktuellen Europastunde zum Thema Die europäische und internationale Dimension der Flüchtlingskrise aus den schwarzen Reihen ein Schilderwald auf, der den Kampf gegen Schlepper! oder Kein Asyl à la carte propagierte. Aber nicht alle wollten im Hohen Haus eine Sloganlitfaßsäule geben, Ex-Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle etwa hielt sich auffällig raus. Lopatka referierte das Vortagstaferl und rieb sich vor allem an der FPÖ, die er wissen ließ: Die einfachen Antworten sind nicht immer die richtigen, und die richtigen sind nicht immer einfach. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) machte sich dann für einen Systemwechsel hin zu mehr Hilfe vor Ort stark, denn: Wir unterstützen mit unserem System Schlepper. Zudem könnten mit dem Geld, mit dem in Österreich ein Asylwerber ein Jahr lang unterstützt werden könne, in der Türkei 19 versorgt werden. Politik müsse Strategien entwickeln und auch Grenzen setzen, was Migration nach Europa betrifft. Europa war an diesem Premierentag buchstäblich im Nationalrat präsent, denn zum ersten Mal überhaupt durften die österreichischen EU-Abgeordneten in ihrem nationalen Parlament mitreden, wenngleich etwas am Katzentisch bzw. auf Mitarbeiterbänken hinter der Regierungsbank und neben dem Präsidium platziert. Die Argumentationslinien waren recht klar: SPÖ, ÖVP, Grüne und Neos plädierten für eine europäische Lösung, FPÖ und Team Stronach wären lieber wieder für geschlossene Grenzen. ÖVP-EU-Mandatar Othmar Karas beschrieb die Flüchtlingskrise als Beispiel, bei dem sich Europa solidarisch bewähren müsse, und zitierte Frankreichs Außenminister Robert Schuman, der 1950 die Schaffung einer Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl vorschlug und sagte: Europa lässt sich nicht mit einem Schlage herstellen und auch nicht durch eine einfache Zusammenfassung. Es wird durch konkrete Tatsachen entstehen, die zunächst eine Solidarität der Tat schaffen. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder – mit einem Stück des 1989 abgebauten Eisernen Vorhangs – betonte: Europa braucht gemeinsame Antworten – aber keine neuen Zäune um Länder herum. Auch Grünen-EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek erinnerte vor allem die FPÖ daran, dass wir alle – alle 28 Länder – Europa sind. Solidarität geht nur gemeinsam. Die Solidarität der Freiheitlichen war an diesem Mittwoch jedoch vor allem auf ein Land fokussiert. Mehrfach gab es Lob für Ungarn und Premier Viktor Orbán, aus Sicht der FPÖ quasi der letzte Hort der Rechtstreue in der EU: Die Einzigen, die die europäischen Regeln noch beachten, sagte FPÖ-EU-Abgeordneter Harald Vilimsky. Nicht nur er nutzte die im TV live gebotene Gelegenheit, um die Zuschauerinnen und Zuschauer im Sinne der FPÖ an die bevorstehenden Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien zu erinnern. Wem die Asylpolitik der Regierung nicht passe, der kann etwas dagegen tun – mit einer Stimme für die FPÖ. Bravo! Bravo!, akklamierte die blaue Ecke. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache griff zu starken Worten, als er das später von SPÖ, ÖVP, Grünen und Neos mit Verfassungsmehrheit beschlossene Durchgriffsrecht des Bundes zur Schaffung von Flüchtlingsunterkünften in den Gemeinden (1,5 Prozent der lokalen Bevölkerung) als Umverteilung der Last ihres Scheiterns, Unvermögens, Amtsmissbrauchs, ihrer Gesetzesbrüche auf Länder und Gemeinden bezeichnete – zu stark. Es gab einen Ordnungsruf. Mit Ausnahme des Team Stronach unterstützte keine Fraktion den Antrag der FPÖ auf Verfassungsklage. Wien – Im Verfassungsausschuss, der am Montag im Hohen Haus getagt hat, ist die FPÖ mit ihrer Forderung, Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wegen Gesetzesverletzung beim Verfassungsgerichtshof anzuklagen, abgeblitzt. Darüber informierte die Parlamentskorrespondenz. Die FPÖ hat ihre Anträge im September eingebracht und damit begründet, dass die zwei Regierungsmitglieder mit dem Offenhalten der österreichisch-ungarischen Grenze dazu beigetragen hätten, dass das Fremdenpolizeigesetz von den Behörden nicht vollzogen wurde. Es sei notwendig, die geltenden Bestimmungen anzuwenden, um die Sicherheit in Österreich zu gewährleisten, betonte FPÖ-Abgeordneter Harald Stefan in der Debatte. Da Flüchtlinge nicht registriert würden, wisse man nicht, welche Personen einreisen und ob darunter auch Verbrecher seien. Wittmann: Grenzöffnung rechtskonform Mit Ausnahme des Team Stronach unterstützte keine Fraktion das Ansinnen der Blauen. Ausschussobmann Peter Wittmann (SPÖ) und ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl sagten, dass die Öffnung der Grenzen für die Flüchtlinge gemäß dem Schengener Grenzkodex rechtskonform gewesen sei, da es sich um einen humanitären Notfall gehandelt habe. Auch das Strafrecht erlaube es, einen entschuldigenden Notstand geltend zu machen, betonte Wittmann. Den Flüchtlingsstrom hätte man nur durch den Einsatz von Schusswaffen stoppen können, zitiert die Parlamentskorrespondenz Wittmann. Reformen im Jugendstrafrecht und Änderungen bei Elternteilzeit auf Tagesordnung. Wien – Der Nationalrat geht kommende Woche in sein Jahres-Finale. Zwar werden bei den Sitzungen am Mittwoch und Donnerstag keine allzu spektakulären Beschlüsse gefällt, doch ist die Liste der zu verabschiedenden Gesetze eine lange. Unter anderem werden größere Reformen im Jugendstrafrecht und im Arbeitsrecht auf den Weg gebracht. Zudem gibt es mehr Geld in der Flüchtlingsbetreuung. Am Thema Asyl kommt ohnehin seit Monaten keine Plenarwoche mehr vorbei. Diesmal sind es wieder einmal die Freiheitlichen, die den Startschuss zu einer entsprechenden Debatte geben. Als Thema für die Aktuelle Stunde am Mittwoch haben sie Sicherheit statt Asylchaos vorgegeben. Will die FPÖ noch nachlegen, hätte sie in einer Dringlichen Anfrage dazu die Gelegenheit, sind die Freiheitlichen doch von den Oppositionsparteien für eine entsprechende Initiative als erste an der Reihe, sollten sie das wünschen. Fixiert wird am Mittwoch, dass rückwirkend mehr Geld für die Versorgung von Flüchtlingen aufgebracht wird. Besondere Berücksichtigung findet dabei die Unterbringung von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen in Klein-Gruppen. Dafür gibt es rückwirkend mit August immerhin 95 statt 77 Euro pro Tag. Größere Reformen verabschiedet werden in der Jugendgerichtsbarkeit. Ziel bei den diversen Maßnahmen ist, die Verhängung von U-Haft bei Jugendlichen möglichst zu verhindern. Unter anderem wird bei Straftaten, für die Bezirksgerichte zuständig sind – z.B. Diebstahl oder Körperverletzung – Untersuchungshaft ausgeschlossen. An die Spitze der Tagesordnung haben die Abgeordneten aber ein anderes Dauer-Thema gestellt, nämlich das leistbare Wohnen. Eine Entschärfung der Situation am Wohnungsmarkt erhofft man sich durch die Errichtung einer Wohnbau-Investitionsbank, die bis zu 700 Millionen Euro an EU-Mitteln kostengünstig und langfristig an gewerbliche und gemeinnützige Bauträger sowie an Gebietskörperschaften für den Wohnbau vergeben kann. 30.000 Wohnungen sollen so in den nächsten sieben Jahren entstehen. Das Donnerstag-Programm wird mit einer Fragestunde eingeleitet, die diesmal Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ins Hohe Haus bringt. Thematisch dominieren dann Arbeits- und Sozialrecht. So muss künftig bei All-In-Verträgen der Grundlohn am Dienstzettel angegeben werden. Konkurrenzklauseln sind nur noch bei Einkommen über 3.200 Euro möglich. Ein wenig flexibilisiert wird die Arbeitszeit und zwar, wenn eine aktive Reisezeit vorliegt. Änderungen implementiert werden bei der Eltern-Teilzeit. Künftig muss die Arbeit um mindestens 20 Prozent reduziert werden. Die Mindestarbeitszeit in dieser Periode soll mit zwölf Stunden pro Woche festgelegt werden. Frauen, deren eingetragene Partnerin oder Lebensgefährtin durch medizinisch unterstützte Fortpflanzung ein Kind bekommt, wird es ermöglicht, Elternkarenz in Anspruch zu nehmen. Weitere Beschlüsse der Plenarwoche betreffen die Anhebung der Beamten-Gehälter um 1,3 Prozent, die Abschaffung des Wien-Standorts des Bildungsinstituts Bifie, Erleichterungen für gemeinnützige Stiftungen, die Senkung diverser Gerichtsgebühren sowie einen leichteren Karenz-Zugang für Pflegeeltern. Wohl bis zum Plenum hart gerungen wird aufgrund des Widerstands aus Teilen der ÖVP um das Bundesvergabegesetz, das das Bestbieter-Prinzip gegenüber dem Billigstbieter-Prinzip bei größeren Bau-Aufträgen stärken soll. Letzter Beschluss für 2015 – Bures erinnert an "besonderes schwieriges Jahr" im Zeichen des Terrors und der Flüchtlinge. Wien – Neos-Klubobmann Matthias Strolz wird ausgeliefert. Der Nationalrat gab am Donnerstag dem Antrag der Fernmeldebehörde statt, die wegen der Massen-SMS der Wiener Neos am Tag der Gemeinderatswahl ein Verwaltungsstrafverfahren gegen Strolz eingeleitet hat. Das war der letzte Beschluss des Nationalrats für 2015, er tritt erst am 27. Jänner wieder zusammen. Dass Strolz vom Verfahren der Fernmeldebehörde für Wien, Niederösterreich und das Burgenland betroffen ist, liegt daran, dass die Wiener Landespartei über keine Rechtspersönlichkeit verfügt und der Bundesparteichef sie nach außen vertritt. Anlass für das Verfahren ist eine Massen-SMS vom 11. Oktober mit dem Text Heute ist Wahltag in Wien! Nütze deine Stimme und entscheide, in welche Richtung Wien in Zukunft gehen soll. Beate Meinl-Reisinger. Dafür drohen laut Telekommunikationsgesetz bis zu 37.000 Euro Geldstrafe. Zum Abschluss der Sitzung erinnerte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) an den Beginn des Parlamentsjahrs 2015 – die Sondersitzung aus Anlass der Anschläge auf das Magazin Charlie Hebdo. Seither hätten IS-Terror, der Krieg in Syrien und die große Flüchtlingsbewegung uns alle in Österreich und Europa bewegt und vor allergrößte Herausforderungen gestellt und werden uns noch weiter fordern. Arbeitsreich sei dieses Jahr auch jenseits dieser Ereignisse historischer Dimension gewesen, so Bures unter Verweis auf die 113 beschlossenen Gesetze. Schon früher am Abend hatte der Nationalrat einstimmig eine unverbindliche Entschließung zum Syrien-Problem gefasst. Die Regierung wird darin ersucht, weiterhin einen aktiven Beitrag zu leisten, um den mit den Gesprächen in Wien begonnen Prozess zur friedlichen Regelung des Konflikts zu unterstützen und sich gemeinsam mit den EU-Partnern für ein breites national und international abgestimmtes humanitäres Hilfsprogramm für die Menschen im Irak und in Syrien einzusetzen. Der Nationalrat hielt im vergangenen Jahr 54 Sitzungen ab. Nur wenige Gesetzesvorlagen wurden einstimmig beschlossen. Wien – 113 Gesetze in 312,5 Stunden und 54 Sitzungen, sechs Sonder- und 171 Ausschusssitzungen, 4.194 schriftliche Anfragen an die Regierung, neun davon Dringliche, drei Dringliche Anträge, 48 Sitzungen des Hypo-U- Ausschusses – das ist die Nationalrats-Bilanz 2015 in Zahlen. An Themen ragen Griechenlandkrise, Bürgerkrieg in Syrien samt Flüchtlingsstrom sowie der islamistische Terror hervor. Das Parlament blickt auf ein bewegtes und arbeitsames Jahr zurück, 2015 werde als besonders schwieriges Jahr erinnerlich bleiben, resümiert Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) in der am Montag veröffentlichten Jahresrückschau des Nationalrats. Relativ gering war 2015 die Zahl der einstimmig beschlossenen Vorlagen: Nur 30 Mal – bei 113 Gesetzen – stimmten alle sechs Fraktionen zu. Die Debatten verliefen oft recht hitzig, 36 Ordnungsrufe wurden erteilt. Beschäftigt haben die Abgeordneten auch zwei Enquetekommissionen, zur Würde am Ende des Lebens sowie zur Stärkung der Demokratie in Österreich. Im Besucherzentrum wurde am 1. April der millionsten Besucher empfangen und das Angebot an politische Bildung für Jugendliche wurde um das Lehrlingsforum erweitert. FPÖ will Verfassungskonformität vorab vom VfGH prüfen lassen. Wien – Der Verfassungsausschuss des Parlaments will die Möglichkeit erörtern, Staatsverträge noch vor Abschluss des Ratifizierungsprozesses auf ihre Verfassungskonformität zu testen. Ein entsprechender Antrag der FPÖ wurde im Verfassungsausschuss am Donnerstag laut Parlamentskorrespondenz zwar abgelehnt. Dennoch soll ein Gutachten des Verfassungsdienstes eingeholt werden. Nach Meinung der Freiheitlichen würde mit einer Vorabprüfung von Staatsverträgen durch den Verfassungsgerichtshof (VfGH) eine Rechtsschutzlücke geschlossen und die Gefahr einer divergierenden Rechtslage im Außen- und Innenverhältnis der Republik gebannt. SPÖ, ÖVP und NEOS lehnten den Antrag ab. Der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt soll nun noch offene Fragen klären. Mehr Geld für Sicherheit und Integration – Strukturelles Defizit 2015 offenbar nahe an Nulllinie. Wien – Die Verhandlungen über den Finanzrahmen bis 2020 gehen in die Zielgerade. Als Schwerpunkt nennt das Finanzministerium die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Vorliegen soll das Zahlenwerk am 26. April, zwei Tage nach der Präsidentenwahl. Dabei dürfte die Koalition auch Positives zu verkünden haben: das strukturelle Defizit ist 2015 dem Vernehmen nach nahe an der Nulllinie gelegen. Der nun geplante Beschluss am 26. April erfolgt um eine Woche später als ursprünglich angedacht und zum letztmöglichen Termin, denn bis Monatsende muss die Regierung ihre mittelfristige Budgetplanung der EU-Kommission übermitteln. Konkrete Zahlen sind noch nicht zu erfahren. Als inhaltlicher Schwerpunkt werden in Regierungskreisen Sicherheit und Integration genannt. Mehr Geld soll es dementsprechend für Innen- und Verteidigungsministerium sowie für Integration, Arbeitsmarkt und Bildung geben. Für den Bereich Integration sollen die zusätzlichen Mittel dem Vernehmen nach über die bloße Verlängerung des für heuer beschlossenen Sonderbudgets (75 Millionen Euro) hinaus gehen. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) hat zuletzt auch darauf gedrängt, im Pensionsbereich eingesparte Mittel für den Arbeitsmarkt umschichten zu dürfen. Was das Verteidigungsbudget angeht, berichtete der Kurier von rund einer Milliarden Euro zusätzlich bis 2020. Das Finanzministerium wollte zu den laufenden Gesprächen keine Details nennen. Herausforderung Nummer eins sei aber die Flüchtlingssituation, so die Sprecherin von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP). Und angesichts der angespannten Konjunktur- und Arbeitsmarktsituation sowie der Kosten für Steuerreform und Flüchtlinge sei die Budgetplanung kein Spaziergang, weshalb man auf effizienten Mitteleinsatz und Strukturreformen dränge. Keine konkreten Angaben gibt es vorerst auch zum (um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte bereinigten) strukturellen Defizit. Zur Erinnerung: laut EU-Vorgabe musste Österreich im Vorjahr ein strukturelles Nulldefizit schaffen – also ein Minus von 0,45 Prozent der Wirtschaftsleistung. Dass dieser Wert im Vorjahr unterschritten wurde, gilt angesichts der guten Budgetdaten als fix. Dem Vernehmen nach ist das Minus allerdings noch niedriger ausgefallen und nahe an der tatsächlichen Nulllinie gelegen. Dies wäre eine beachtliche Verbesserung, vor allem angesichts der Tatsache, dass die Regierung der EU-Kommission ursprünglich nicht einmal das strukturelle Nulldefizit (also die Minus 0,45 Prozent) fix zusagen wollte. Letzte Enquetesitzung am 16. September – Bürger erarbeiteten ebenfalls gemeinsame Stellungnahme. Wien – Die Enquetekommission zur Demokratiereform tritt am nächsten Mittwoch (16. September) das letzte Mal zu einer Sitzung zusammen. Die Oppositionsparteien werden ihre Erkenntnisse daraus bereits am Dienstag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz präsentieren. Ein gemeinsames Statement gibt es auch von den teilnehmenden Bürgern, hieß es gegenüber der APA. SPÖ und ÖVP hatten bereits Anfang Juli, vor Abschluss der Enquete, ihre Vorschläge präsentiert und sich damit den Ärger der anderen Fraktionen zugezogen. Die ursprüngliche Idee, über erfolgreiche Volksbegehren automatisch eine Volksbefragung durchzuführen, legten sie nämlich gleich auf Eis. Mehr direkte Demokratie soll jedoch auf Landesebene ermöglicht werden. Opposition fordert Konsequenzen Die Oppositionsvertreter stimmen sich nun laut den Grünen über einen Minderheitenbericht ab. Diesen wollen sie am Dienstag nächster Woche gemeinsam der Öffentlichkeit vorstellen. Zwar sei man in einigen Fragen unterschiedlicher Ansicht, es gebe jedoch eine große Kompromissbereitschaft, zumal die auf die lange Bank-Schiebe-Technik der Regierungsparteien unzumutbar sei, stellte Grünen-Verfassungssprecherin Daniela Musiol gegenüber der APA fest. Ein eigenes Statement haben auch die Enqueteteilnehmer aus der Bevölkerung erarbeitet. Erstellt wurde der Beitrag von jenen sechs der acht Bürger, die immer bei den Veranstaltungen dabei waren, erklärte eine ihrer Vertreterinnen, Barbara Ruhsmann. Die gemeinsame Stellungnahme entspreche im wesentlichen dem 2013 von SPÖ, ÖVP und Grünen ausverhandelten Demokratiepaket. Wir wollen, dass es umgesetzt wird, betonte Ruhsmann. Die Vertreter aus der Bevölkerung werden auch in der letzten Sitzung erscheinen und erklärten, dass wir nicht zufrieden sind damit, wie das verlaufen ist, kündigte sie weiters an. Der Hauptbericht werde von SPÖ und ÖVP gemeinsam erstellt, hieß es aus dem roten Parlamentsklub. Im wesentlichen umfasse dieser die Anfang Juli bei der Pressekonferenz vorgestellten Punkte. Die Bürgerstatements sind dann Teil des Hauptberichts. Nach dem Beschluss des Berichts in der letzten Enquetesitzung am 16. September werden die Erkenntnisse auch im Nationalrat thematisiert. Keine Einigung auf verpflichtende Volksentscheide – Opposition und Volksvertreter enttäuscht. Wien – Harald Petz wollte erst gar nicht verhehlen, wie enttäuscht er von der Politik ist. Er sei geschockt, mit welchen Begründungen SPÖ und ÖVP eine große Demokratiereform ablehnen, sagte Petz. Er war einer von acht per Los ermittelten Bürgern, die gemeinsam mit einer parlamentarischen Enquetekommission Modelle zum Ausbau der direkten Demokratie erarbeiten sollten. Eigentlich sollte die Gruppe, die am Mittwoch das letzte Mal tagte und die seit Dezember 2014 zahlreiche Experten lud, festlegen, unter welchen Voraussetzungen es nach erfolgreichen Volksbegehren verpflichtende Volksbefragungen geben soll. Bisher wurden Volksbegehren ja sehr oft einfach schubladisiert. Kompromiss stand schon Vor zwei Jahren gab es sogar schon einen Kompromiss zwischen SPÖ, ÖVP und Grünen. Demnach sollte immer dann eine (ohnehin nicht bindende) Volksbefragung durchgeführt werden, wenn zehn Prozent der Wahlberechtigten ein Volksbegehren unterschreiben. Bei Verfassungsänderungen sollte die Hürde 15 Prozent sein. Nach Kritik vom Bundespräsidenten und von anderen Stellen ruderte man aber zurück und setzte die Kommission ein. Nun wollen die Regierungsparteien, wie erstmal bereits im Sommer verkündet wurde, nur mehr kleinere Reformen. In den Ländern und Gemeinden soll die direkte Demokratie ausgebaut werden, für die Bürger soll es künftig – ähnlich wie in der Schweiz – objektive Abstimmungsbüchlein zum jeweiligen Abstimmungsthema geben, wie SPÖ-Verfassungssprecher Peter Wittmann erklärte. Eigene Sitzungen Volksbegehren, die von mehr als 100.000 Leuten unterschrieben werden, sollen künftig in einer eigenen Parlamentssitzung behandelt werden, bei der die Proponenten auch ein Rederecht haben. Bei Gesetzesvorhaben soll es online eine Art Vorverfahren geben, an dem sich Interessierte beteiligen können. Für FPÖ, Grüne, Neos und Team Stronach geht das viel zu wenig weit. Sie haben bereits am Dienstag einen Minderheitenbericht veröffentlicht. Für FPÖ-Justizsprecher Harald Stefan ist nun klar, dass die Regierungsparteien gar nie ein Interesse am Ausbau der direkten Demokratie hatten. Ähnlich die Grüne Daniela Musiol: Sie warf Rot und Schwarz vor, nie einen Kompromiss versucht zu haben. Für Neos-Vertreter Nikolaus Scherak spricht die Koalition der Bevölkerung die Mündigkeit ab. ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl möchte die Kritik im STANDARD-Interview so nicht stehenlassen und stellt auch einen neuen Anlauf für verpflichtende Volksbefragungen in Aussicht. STANDARD: Einer der Bürgervertreter hat sich im Parlament geschockt gezeigt, dass trotz aller Versprechen nun nach erfolgreichen Volksbegehren keine automatische Volksbefragung oder Volksabstimmung kommt. Was sagen Sie dem? Gerstl: Dass grundlegende Änderungen der Verfassung immer einer Zwei-Drittel-Mehrheit bedürfen. Wir brauchten ein neues Wir-Gefühl im Parlament. STANDARD: Aber es gab schon einen gemeinsamen Entwurf von SPÖ, ÖVP und Grünen. Gerstl: Der fast nur auf Kritik gestoßen ist – beim Bundespräsidenten, bei den Höchstgerichten. Die Einwände gingen auch in unterschiedliche Richtungen. Es gab dann keinen gemeinsamen Willen, diese Kritik einzuarbeiten. Ich sehe hier klar die Opposition in der Verantwortung. Es erschüttert mich auch, dass das nicht möglich war, weil ich ein Verfechter eines Umbaus der Verfassung bin. STANDARD: Man hat aber schon das Gefühl, dass die Regierungsparteien nach der Kritik vom Präsidenten abwärts kalte Füße bekommen haben. Gerstl: Nein, das hängt nicht mit kalten Füßen zusammen, sondern mit unserem Anspruch, es gut zu machen. Wir können nicht Regelungen beschließen, die von jedem Juristen an jeder Uni zerlegt werden. Das hat keinen Sinn. STANDARD: Die Wähler könnten sich aber schon gepflanzt fühlen. Der frühere ÖVP-Chef Spindelegger hatte automatische Bürgerabstimmungen noch zur Koalitionsbedingung erklärt. Gerstl: So darf man das nicht stehenlassen. Wir werden eine große Änderung durchführen. Die Länder und Gemeinden sollen künftig häufiger Volksabstimmungen und Volksbegehren durchführen. Wir wollen diese derzeit noch vorhandene verfassungsrechtliche Grenze aufbrechen. STANDARD: Der Verfassungsrechtler Theo Öhlinger hat in der Enquete aber auch erklärt, dass das bei den Ländern mangels Kompetenzen wenig bringt. Gerstl: Er hat aber auch gesagt, dass es auf Gemeindeebene viele Möglichkeiten gibt. Wir werden uns das anschauen. Wenn es intensiv genutzt wird, können wir den nächsten Schritt auf Bundesebene setzen. STANDARD: Dann würde man also einen neuen Anlauf starten? Gerstl: Selbstverständlich. Direkte Demokratie ist ein ständiger Prozess. Jetzt wird ein erster großer Schritt gesetzt, dem weitere folgen sollen. 'Mit digitaler Technik könnte die Verwaltung vereinfacht, die Bürgerbeteiligung gestärkt und die Gesetzgebung abseits von Wahlen demokratisiert werden. Wien – Wahlen werden auch in der Demokratie der Zukunft ihre Bedeutung haben – aber die Politik der Zukunft wird viel weniger durch Wahltermine als durch ständige Kommunikation bestimmt sein, sagt Stefan Schennach. Als sozialdemokratisches Mitglied des Bundesrats und langjähriger Sprecher der Grünen im Parlament hat Schennach Erfahrung mit dem Gesetzgebungsprozess. Und er weiß auch um dessen erwartbaren Wandel. Der Bundesrat hat unter der am Sonntag turnusmäßig zu Ende gegangenen Präsidentschaft von Gottfried Kneifel (ÖVP) versucht, den Veränderungen Rechnung zu tragen: Im November gab es eine Enquete zum vom Bundesrat erstellten 118 Seiten starken Grünbuch zum digitalen Wandel Pilgermaier sieht "kleinstmöglichen gemeinsamen Nenner" – Zeit für Aktenstudium sollte nicht zu Ausschusszeit zählen. Wien – Eine Änderung in der neu gestalteten Verfahrensordnung von parlamentarischen Untersuchungsausschüssen wünscht sich der Verfahrensrichter im Hypo-U-Ausschuss, Walter Pilgermaier. Bezogen auf das Aktenstudium meinte Pilgermaier am Montag im Rahmen einer Podiumsdiskussion: Der Zeitdruck mit parallelem Aktenstudium und Ausschussarbeit ist zu groß. Das sei eine der Lehren aus den ersten Monaten des U-Ausschusses. Die benötigte Zeit für Beschaffung und Aufbereitung der Akten dürfe nicht in die Maximaldauer des Ausschusses eingerechnet werden. Damit gehe viel Zeit verloren. Der Ausschuss könne nicht strukturiert arbeiten, solange die Akten nicht aufbereitet worden seien und Zeit für das Studium bleibe: Das gehört entflochten. Wichtige Streitkultur Generell habe es eine Anlaufphase gebraucht, um das neue Regelwerk umzusetzen. Dabei bezog sich der frühere Präsident des Oberlandesgerichts Innsbruck vor allem auf den Umgang mit Schwärzungen. Es war wichtig, dass das jetzt gleich am Anfang so intensiv ausgestritten wurde. Ich halte das für sehr positiv wegen der Auswirkungen auf weitere U-Ausschüsse. Zu dem System der Geheimhaltungseinstufungen sagte Pilgermaier, es sei komplex, aber nicht zu komplex. Es sei eben notwendig, ins Detail zu gehen und solche Dinge sorgfältig zu regeln. Grundsätzlich sei hier ein Kompromiss nicht einfach, es gibt ja auch Geheimhaltungsinteressen. Hier sieht Pilgermaier keinen Bedarf für Nachjustierungen: Ich glaube, es läuft nicht schlecht. Kleinstmöglicher Nenner Auch hinsichtlich der Aufteilung der Redezeiten meint Pilgermaier, die Fraktionen hätten einen Modus gefunden, mit dem alle leben könnten. Ich glaube, es ist der kleinstmögliche gemeinsame Nenner. Eigentlich bräuchte man für manche der komplexen Sachverhalte detaillierte Nachfragen und einen Fahrplan, der ein, zwei Tage in Anspruch nehmen würde, relativierte er die Möglichkeiten aus der Perspektive eines jahrzehntelang tätigen Strafrechtlers. Skepsis hinsichtlich der Einhaltung des Zeitplans im U-Ausschuss teilt Pilgermaier nicht. Ich habe nicht den Eindruck, dass eine Mehrheit den Ausschuss abdrehen will, ist er optimistisch. Gigantische Informationsquellen Was in seinem Entwurf des Abschlussberichts stehen wird, darüber wollte Pilgermaier noch nichts sagen. Natürlich habe ich mir ein Bild gemacht von bisherigen Aussagen, was plausibel ist und was nicht, aber bevor ich das nicht von allen Auskunftspersonen habe – da fragen Sie besser einen Politiker. Der Endbericht verwerte außerdem mehr als die Aussagen der Auskunftspersonen. Es gebe in Form der Akten ja auch eine zweite gigantische Informationsquelle. Könnte jemand vom Inhalt des Endberichts enttäuscht werden, was die eindeutige Benennung von Verantwortlichen angeht? Das kommt darauf an, was Sie sich erwarten. Ich bin jedenfalls kein Pistolero. Ich arbeite gründlich, bin niemandem verpflichtet und werde einen guten Bericht machen. Was rauskommt, da mag sich jeder selbst ein Bild machen. Neue Position Pilgermaiers Position des Verfahrensrichters wurde mit der im vergangenen Jahr beschlossenen U-Ausschuss-Reform neu geschaffen. Er unterstützt die Ausschussvorsitzende Doris Bures bzw. ihre Stellvertreter. Der Verfahrensrichter führt die Erstbefragung von Auskunftspersonen durch und begleitet den Ausschuss außerdem beratend. Besonders wichtig ist die Aufgabe, den Entwurf des Abschlussberichts zu erstellen. Folgt auf Podgorschek, der nach Oberösterreich wechselt. Wien/Klagenfurt – Gernot Darmann ist wie erwartet ab dem heutigen Mittwoch Fraktionsführer der Freiheitlichen im Hypo-Untersuchungsausschuss. Darmann bestätigte gegenüber der APA eine entsprechende Entscheidung im Klub. Der Kärntner folgt Elmar Podgorschek, der Landesrat in Oberösterreich wird. Darmann galt als logische Wahl für Podgorscheks Nachfolge. Er werde als Fraktionsführer weiterhin versuchen, dass sich die Freiheitlichen sachlich und federführend in die Ausschuss-Arbeit einbringen, sagte Darmann zur APA. Unabhängig vom bevorstehenden Winter werden sich Rot und Schwarz warm anziehen müssen, wenn sie versuchen, die Ausschuss-Arbeit zu blockieren. Nun würden im Ausschuss nämlich die wesentlichen Phasen starten, die Verstaatlichung ohne Not und die Jahre danach, in denen die ÖVP-Finanzminister geschlafen haben. Politische Erfahrung in Kärnten gesammelt Die Frage, ob er denn froh sei, dass sich die Untersuchung der Kärntner Zeit dem Ende zuneige, zumal er ja auch in der Landespolitik aktiv war, wies Darmann zurück: Er kenne den einen oder anderen Politiker von damals, aber was in der ersten Untersuchungsphase herausgekommen sei, sei vielmehr der desaströse Zustand der Bankenaufsicht auf staatlicher Seite, betonte Darmann. Dementsprechend sieht sich der Freiheitliche sehr wohl als Aufklärer: Ich habe ganz klar in den letzten Monaten vorgelebt, dass ich nichts zugedeckt habe. Ganz im Gegenteil sei es an SPÖ und ÖVP gelegen, dass es über 20 Anträge gebraucht habe, bis der U-Ausschuss eingesetzt war. Der 40-jährige Darmann war zwischen 2006 und 2008 Landesparteisekretär der Freiheitlichen in Kärnten, danach zwischen 2009 und 2013 Landtagsabgeordneter, wobei er 2012/2013 auch als Klubobmann fungierte. Neues Mitglied im vierköpfigen FPÖ-Team im U-Ausschuss ist der Kärntner Erwin Angerer. Christian Hafenecker wird Darmanns Stellvertreter. (APA, 21.10.2016) Seniorenbund-Obmann lobt Steuerreform, kritisiert aber "Gesprächsverweigerung" des Kanzlers. Wien – ÖVP-Seniorenbund-Chef Andreas Khol findet die Arbeit der Koalition im ersten Halbjahr zwar besser als allgemein erwartet, vermisst aber Reformen bei Pensionen, Gesundheit und Pflege. Die Regierung habe Handlungsbedarf, weil Hick-Hack allzu leicht ein Streit auf dem Deck der Titanic sein könnte, mahnte Khol. Bei der Steuerreform warf er Kanzler Werner Faymann (SPÖ) Gesprächsverweigerung vor. Die Bilanz der Regierung kann sich durchaus sehen lassen, meinte Khol am Dienstag bei einer Pressekonferenz etwa mit Blick auf die Steuerreform. Da seien zwar Wünsche der Senioren offen geblieben, aber man kann nicht alles haben, hat meine Schwiegermutter immer gesagt. Ein Wermutstropfen sei, dass rund 230.000 Ausgleichszulagen-Bezieherinnen und -Bezieher von der Negativsteuer für Pensionisten ausgenommen seien. Besonders geärgert hat Khol dabei, dass der Seniorenrat monatelang um einen Gesprächstermin mit dem Kanzler gebeten, aber keinen bekommen habe. Aufgeben tut man einen Brief, kündigte Khol denn auch einmal mehr entsprechende Musterprozesse vor den Höchstgerichten an. Für die Regierung sei es jedenfalls überlebensnotwendig, die Stimmung und ihr eigenes Ansehen zu verbessern, glaubt Khol. In den vergangenen Tagen habe immerhin ein neuer Ton geherrscht, hätten die Koalitionspartner doch gegenseitig ihre jeweiligen Vorschläge begrüßt. Die kalte Progression in den Griff zu bekommen, wie am Montag von der ÖVP forciert, sei eine jahrelange Forderung des Seniorenbunds. Man wolle dafür aber nicht, wie sich der Gewerkschaftsbund das vorstelle, jedes Jahr neu eine Mini-Steuerreform verhandeln, sondern wie offensichtlich vom Finanzminister angedacht eine Formel, dass die Beträge der Steuerstufen automatisch zur Einkommens-Entwicklung angehoben werden. Finanziert werden könnte das alles über Einsparungen durch eine Verwaltungsreform, etwa auch über das zuletzt von der SPÖ wieder beworbene Amt der Bundesregierung. Pensions- und Gesundheitsreformen auf der Wunschliste Handlungsbedarf für die Koalition herrscht nach Khols Ansicht wenig überraschend beim Thema Pensionen: Da kritisiert er einmal mehr, dass das Bonus/Malus-Modell noch immer nicht beschlossen ist. Auch das Pensionsmonitoring sei immer noch offen, wobei Khol genug hat vom halbjährlichen Streit, welche veröffentlichten Zahlen nun stimmen. Nicht genug passiert nach Meinung der ÖVP-Senioren auch im Gesundheitsbereich. Die wahlkämpfende Obfrau des Wiener Seniorenbundes, Ingrid Korosec, verlangte etwa eine Überarbeitung der gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Erstversorgungszentren (Primary Health Care Center) und Gruppenpraxen. Dass es lediglich ein Pilotprojekt in Wien gebe, kanns nicht sein. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) müsse hier mehr Druck machen, forderte sie. Die Hausarzt-Verträge müssten neu verhandelt werden: Beratung und Vorsorge gehörten in den Vordergrund, die Öffnungszeiten massiv ausgeweitet. Hinter den Kulissen haben sich SPÖ und ÖVP beim Arbeitsmarktpaket schon angenähert. Wien – Vor den Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich wird es wohl nicht mehr das Licht der Welt erblicken. Hinter den Kulissen sind sich SPÖ und ÖVP bei den Eckpunkten für ein Arbeitsmarktpaket aber schon relativ einig. Von einer klassischen Bonus-Malus-Regelung zur Beschäftigung älterer Arbeitnehmer hat man sich wie berichtet verabschiedet. Im Regierungsprogramm war noch angedacht, für jede Branche eine verpflichtende Quote an Mitarbeitern über 55 einzuführen. Wer darüber ist, hätte einen Bonus bekommen. Bei Unterschreitung hätte ein Malus bezahlt werden müssen. Betont wird aber von allen Seiten: Finalisieren müsse das Paket die Regierungsspitze. Und: Einen Abschluss wird es nur für ein Gesamtpaket, nicht aber für Teilaspekte geben. Wie berichtet sollen ja auch strengere Regeln für Arbeitslose mitbeschlossen werden. Wie es ein Verhandler sagt: Wenn die andere Seite eine Rosine herausnimmt, nehmen wir auch eine heraus. Mikl-Leitners Pläne bleiben geheim, das Konzept der Koalition soll am Mittwoch vorliegen. Mitterlehner warf der Kanzlerpartei "Profilierungsversuche" vor. Wien – Obwohl Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) schon seit Wochen mit dem Zaunpfahl winkt, hielt die Innenministerin auch am Montag ihre Pläne für die Neugestaltung des slowenisch-steirischen Übergangs geheim. Nach der Sitzung des schwarzen Vorstands sowie der Bundesparteileitung enteilte sie in Richtung Flughafen, weil ein Sondertreffen mit ihren EU-Amtskollegen in Brüssel anstand. Eine Stichelei in Richtung des Koalitionspartners SPÖ, der bereits mehrere Modelle ohne Zaun zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs im Süden vorgelegt hat, konnte sich die Innenministerin dennoch nicht verkneifen. Ich kann schweigen, sagte sie kurz und knapp. Dafür ging nach der Beratung der ÖVP-Gremien Parteichef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner zum Angriff auf den roten Regierungspartner über. Er warf der Kanzlerpartei angesichts der Vorlage diverser Pläne für Spielfeld Profilierungsversuche vor – und genau das führe zur Verunsicherung in der Bevölkerung. Dazu hielt Mitterlehner zur Rolle seiner eigenen Partei im aktuellen Streit fest: Wir haben uns an diesem Chaos nicht beteiligt. Einen Koalitionsbruch schloss Mitterlehner in der ZiB 2 vorerst aus: Es reicht noch nicht. Zur Erinnerung: Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sprach sich mit ranghohen Militärs für eine Wartezone und eine Grenzraumsicherung samt gemischter Patrouillen aus, dazu ventilierte die SPÖ via Krone für zaunlose Grenzkontrollen einen Dreipunkteplan (Kommandozentrale, Leitsystem, mehrere Übergänge). Bedenken, dass Mikl-Leitner trotz alledem einen Zaun entlang der steirischen Grenze hochziehen lassen könnte, versuchte Mitterlehner zu zerstreuen. Nein, Österreich könne im Schengen-System damit kein Vorreiter sein. Und nein, es gehe nicht um eine Abschottung über hunderte Kilometer und schon gar nicht um eine bauliche Maßnahme, wie sie Ungarns Premier Viktor Orbán gesetzt hat. Als Konzept gab der ÖVP-Chef allerdings recht vage aus, dass wegen der Masse an Flüchtlingen die Grenzen besser geschützt sowie Sicherheits- und Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden müssen – vor allem im Hinblick darauf, dass Deutschland eines Tages die Aufnahme von Asylwerbern verknappt und dann der Strom entzerrt gehört. Bis Mittwoch soll die Regierung laut Vizekanzler ein gemeinsames Konzept vorlegen, rascher ginge es einfach nicht, weil der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, derzeit Gespräche in Slowenien führe. SPÖ-Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle beruhigt auf STANDARD-Anfrage, ob sich anstatt einer Einigung der Streit noch weiter auswachsen könnte: Es finden zurzeit intensive Gespräche zwischen den zuständigen Ressorts statt – daher wird es auch eine entsprechende Lösung geben. Nachsatz: Ziel ist es, die neuen baulichen Maßnahmen politisch abzuklären, aber rein rechtlich kann Mikl-Leitner das so gestalten, wie sie will. 'Im Jänner könnte Rot-Schwarz sich neu aufstellen – auch ein Tausch von Ressorts zwischen ÖVP und SPÖ ist denkbar. Wien – Für die SPÖ gibt es bereits einen Stichtag, es ist der 15. Jänner, da treten Vorstand und Präsidium zusammen. Tagesordnungspunkt: die Bundespräsidentschaftskandidatur. Zum jetzigen Zeitpunkt wird davon ausgegangen, dass der Kandidat Rudolf Hundstorfer heißt, auch wenn viele in der Partei, zunehmend auch Hundstorfer selbst, davon Bauchweh haben. Die Chancen, sich gegen Erwin Pröll, Alexander Van der Bellen, Irmgard Griss und einen FPÖ-Kandidaten (genannt werden Ursula Stenzel und Josef Moser Der Kalender verheißt eine Schonzeit: Abgesehen von der machtpolitisch zweitrangigen Kür des Präsidenten finden 2016 keine relevanten Wahlen statt. Doch das neue Jahr ist für die Regierung nur scheinbar unscheinbar. Wien – Eine Prognose für 2016 ist nicht gewagt: SPÖ und ÖVP werden weniger Pleiten kassieren als heuer. Das ist allerdings kein Kunststück, denn im Gegensatz zum Annus horribilis 2015, das vier Landtagswahlen mit ebenso vielen Niederlagen brachte, müssen sich die Koalitionsparteien im neuen Jahr keinem Urnengang überlokaler Bedeutung stellen. Gekürt wird lediglich der Bundespräsident – eine Persönlichkeitswahl, die prestigeträchtig, aber machtpolitisch zweitrangig ist. Der Jahreswechsel läutet somit eine Schonzeit ein, wie es sie in dieser Länge in der Zweiten Republik erst einmal gegeben habe, analysiert der Politologe Peter Filzmaier: Bis März 2018 stehen nur diverse Gemeinderatswahlen an. Eine gute Gelegenheit für die Regierung also, um Probleme sachlich und ohne Wahlkampfhysterie abzuarbeiten – theoretisch. In der Praxis aber, verweist Filzmaier auf das erste derartige Zeitfenster in den Jahren 2011 und 2012, sind die Turbulenzen in der vermeintlichen Ruhephase erst so richtig losgegangen. Macht es die Koalition diesmal besser? Die Zeichen stehen auch zum Jahresbeginn 2016 auf Sturm. Die ÖVP will dem Koalitionspartner bis Ende Februar Pensionsreformen abringen, etwa eine raschere Anhebung des Frauenpensionsalters und eine Art Automatik, die das System an die steigende Lebenserwartung anpasst. Besonders den in der SPÖ einflussreichen Gewerkschaftern fehlt dafür jedes Verständnis: Laut Prognosen fielen die Kosten für die Pensionen ohnehin niedriger aus als gedacht – von einem Budgetloch keine Spur. Auch die jüngsten Zahlen aus dem Sozialministerium (siehe unten) bestärken jene Stimmen aus dem ÖGB, die sagen: Es gibt keinen Grund, nachzugeben. Für symptomatisch hält Fritz Plasser die Debatte über die Pensionen. Weder in dieser noch in anderen Fragen kann der Politologe unüberbrückbare Differenzen erkennen, die sich nicht am Verhandlungstisch ausräumen ließen. Doch Entfremdung in der Koalition scheine über die Jahre so weit fortgeschritten zu sein, sagt Plasser, dass ihre Kompromissfähigkeit ausgereizt ist. Einen Stimmungsaufschwung verheißt das neue Jahr allerdings auch im Frühjahr nicht. Ab Februar werden SPÖ und ÖVP auf Kampagnenmodus schalten, die Präsidentenwahl, die wohl am 24. April stattfindet, wird zumindest einer Koalitionspartei einen Frustrationsschub bescheren. Keine gute Basis für einen neuen Willen zur Gemeinsamkeit (Plasser), um als Regierung verlorenes Vertrauen zurückzuerobern. Etwa zur gleichen Zeit steht eine Entscheidung an, die realpolitisch viel weiter reichende Folgen hat als die Wahl des Staatsoberhauptes. Bis Jahresmitte will der Bund mit Ländern und Gemeinden einen neuen Finanzausgleich ausgeschnapst haben. Dabei werden 90 Milliarden Euro an Staatseinnahmen aufgeteilt – nach Willen des Finanzministers künftig nach einem neuen Modus. In der Feilscherei um Geld und Einfluss werden die Weichen gestellt, ob die Regierung in der Zukunft mit den Ländern Krieg oder (teuer erkauften) Frieden hat. Und dann ist da noch die Causa prima der letzten Monate: Gelingt es nicht, auf internationaler Ebene den Flüchtlingsstrom einzudämmen oder auf mehr Länder umzuleiten, erwartet Österreich mit Frühlingsbeginn ein ähnlich großer Andrang wie im vergangenen Herbst. Ist das auf Dauer finanziell und politisch verkraftbar? Die ÖVP hat bereits ein Nein deponiert und für eine zahlenmäßige Obergrenze plädiert. Die SPÖ tut sich mit einer Antwort schwerer, sie ist gespalten: Die eine Seite steht hinter der liberalen Linie von Parteichef Werner Faymann, die andere hinter der restriktiveren Gangart des burgenländischen Landeschefs Hans Niessl. Nicht nur das Flüchtlingsproblem treibt der FPÖ Anhänger zu. Für die Schlüsselfrage hält Filzmaier die hohe Arbeitslosigkeit, die mehr als die polarisierende Asyldebatte die Stimmung der breiten Masse dauerhaft dämpfe. Die Vorzeichen sind für 2016 nicht allzu rosig. Das Wachstum wird laut Prognose zwar zulegen, aber zu schwach ausfallen, um die Arbeitslosigkeit zu senken – im Gegenteil: Weil mehr Jobsucher aus dem In- und Ausland auf den Arbeitsmarkt strömen, ist mit weiterem Anstieg zu rechnen. Viele Schwierigkeiten warten also in diesem nur scheinbar unscheinbaren neuen Jahr. Hält die Koalition das durch? Die SPÖ habe null Interesse an Neuwahlen, sagt Filzmaier, zumal sie im besten Fall das Gleiche wie jetzt – Kanzler einer Koalition – erreichen könne. Auf Seite der ÖVP habe die erfolgsträchtigste Variante eines Hazardspiels einen Haken: Mit Außenminister Sebastian Kurz als Spitzenkandidat in eine Wahl zu gehen, könne sich Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner kaum wünschen. Nach Vernunftkriterien sehe ich keine Neuwahlen, sagt der Politikwissenschafter, relativiert jedoch mit einem Hinweis auf das Jahr 2008, als die rot-schwarze Koalition zum bisher letzten Mal vorzeitig brach: Damals habe ich dasselbe geglaubt. Asylnovelle noch nicht auf Tagesordnung. Wien – Die Regierung findet kommenden Dienstag erstmals im neuen Jahr zu einer Sitzung zusammen. Inhaltliche Highlights hat der erste Ministerrat 2016 allerdings nicht zu bieten, wie ein Blick auf die Tagesordnung zeigt. Die Asylgesetznovelle ist offenbar noch nicht beschlussreif. Und auch sonst sind nach derzeitigem Stand keine Regierungsvorlagen zu erwarten. Immerhin beschließt die Regierung, auch heuer wieder den Ehrenschutz für den Opernball zu übernehmen. Ansonsten ist laut Bundeskanzleramt unter anderem die Arbeitsmarktsituation Thema, denn Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) legt den Kollegen die Arbeitslosenzahlen vom Dezember 2015 vor. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) wird als österreichischer Gouverneur bei der Asiatischen Infrastruktur Investitionsbank nominiert, Finanzministeriums-Sektionschef Harald Waiglein wird stellvertretender Gouverneur. Soll Veränderungen bei Treffen mit Landessozialreferenten umsetzen. Wien – Bevor er in den Präsidentschaftswahlkampf ziehen kann, muss sich Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) weiter mit Kritik des Koalitionspartners in seinem Ressortbereich herumschlagen. Anlass ist diesmal die Mindestsicherung. Nägel mit Köpfen VP-Klubchef Reinhold Lopatka und Sozialsprecher August Wöginger fordern den Minister in einer Aussendung auf, die mit ihm vereinbarten Korrekturen der Leistung nun auch tatsächlich umzusetzen. Bei der Landessozialreferentensitzung kommenden Freitag müssten Nägel mit Köpfen gemacht werden. Dabei pochen die ÖVP-Politiker auch auf Punkte, bei denen mit Hundstorfer keine Verständigung erzielt werden konnte, etwa auf eine Deckelung der Mindestsicherung bei 1.500 Euro. Ansonsten werden etwa ein stärkerer Fokus auf Sachleistungen sowie ein Wiedereinsteigerbonus forciert. Erstes Koordinierungstreffen Hundstorfer weist den Druck der ÖVP in Sachen Mindestsicherung zurück. Beim Treffen mit den Landessozialreferenten am Freitag handle es sich um eine erste Runde. Daher werde es wohl auch noch kein fixes Ergebnis geben. Überdies sollte VP-Klubchef Reinhold Lopatka klar sein, dass dem Bund bei der Mindestsicherung nur eine Koordinierungsrolle zukomme. Beschlossen werden müsste eine Reform auch von den neun Landtagen. Jede Menge Diskussionsbedarf erwartet Hundstorfer jedenfalls noch bei einer Deckelung der Leistung, wie sie von der ÖVP propagiert wird. Beim Umbau des roten Regierungsteams befolgt Werner Faymann alle internen Gesetze – auch zur eigenen Absicherung. Wien – Einen großen Wurf kann Andreas Babler in Werner Faymanns Regierungsumbau nicht erkennen. Doch eine Personalentscheidung für die rote Mannschaft hält der Traiskirchner Bürgermeister, als Parteirebell der Initiative Kompass berüchtigt, dem Kanzler und SPÖ-Chef zugute: dass er nun Burgenlands Polizeichef Hans Peter Doskozil zum Verteidigungsminister befördern will. Doskozil hat sich bei all den Wahnsinnigkeiten, die sich rund um den Flüchtlingsandrang abgespielt haben, eine gute Reputation erworben, sagt Babler. Dabei sind mir sein hohes Verantwortungsbewusstsein und seine sensible Sprachwahl aufgefallen. Vom neuen Minister erhofft sich der oberste Traiskirchner, dass er auf das Hickhack mit der ÖVP rund um die Unterbringung von Asylwerbern nicht mehr einsteigt. Weil Rudolf Hundstorfer Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl werden soll, braucht Faymann nicht nur einen neuen Sozialminister. Alois Stöger, bisher im Infrastrukturressort, soll Hundstorfers Amt erben, an seiner Stelle Verteidigungsminister Gerald Klug Verkehr übernehmen. Die milliardenschweren Digitalagenden wiederum dürften zu Faymanns Staatssekretärin Sonja Steßl wandern, was einem Machtzuwachs im Kanzleramt gleichkommt. Der einzige neue rote Mann der Stunde ist also Doskozil, der Innenministerin Johanna Mikl-Leitner auf der schwarzen Seite besser Paroli bieten soll. Ein roter Stratege erklärt das Kalkül hinter Faymanns Schachzug kurz und bündig: Doskozil weiß um die Bösartigkeit seines Widerparts Bescheid. Im Umfeld von Noch-Verteidigungsminister Klug erklärt man sich dessen Abzug so: Ob Zaun oder Gewaltszenarien an der Grenze – Mikl-Leitner hat es geschafft, ihn ständig in einen Streit hineinzuziehen. Das ruiniert einen mit der Zeit. Für den Politologen Peter Filzmaier ist das Bemerkenswerteste an dieser Regierungsumbildung, dass jene Landesorganisation, die Faymann am meisten zusetzt, nun gestärkt wird. Doskozil, einst Büroleiter von Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, soll als vertrauensbildende Maßnahme in der Flüchtlingskrise eingesetzt werden, auch um als Ex-Uniformierter die Flanke zu den Freiheitlichen dichtzumachen. Wenn er sich bewährt, so der Experte, könnte Faymann Doskozil als Niessl-Nachfolger in Stellung bringen, denn: Das Image von Landesrat Norbert Darabos ist seit dem rot-blauen Pakt ramponiert. PR-Profi Josef Kalina, einst Berater von Kanzler Viktor Klima, hält die Beförderung Doskozils für einen Profilschärfungsversuch. Es gehe Faymann darum, das Verteidigungsministerium als Ort für Sicherheit zu positionieren. Auch er findet: Doskozil habe in Mikl-Leitner eine harte Gegnerin, aber: Das ist wie beim Trainerwechsel im Fußball, Doskozil geht jetzt in ein Spiel, das er schon lesen kann. Bei den roten Postenbesetzungen folgt auch Faymann den klassischen Spielregeln, beobachtet Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik: Wenn der prominenteste Gewerkschafsvertreter Richtung Hofburg zieht, bekommen die Leute mit Gewerkschaftslink eine Promotion und steigen auf. Gemeint sind Klug und Stöger. Nach Ansicht von Ennser-Jedenastik hat Faymann damit die ungeschriebenen innerparteilichen Gesetze befolgt. Ein Kenner von Faymann bestätigt, was er jetzt macht, dient auch seiner eigenen Absicherung in Hinblick auf den Parteitag 2016. Gilt es nur noch die Bundespräsidentschaftswahl siegreich zu absolvieren. Wobei, wie Ennser-Jedenastik erklärt: Eine Niederlage Hundstorfers könnte zwar gegen Faymann verwendet werden, wäre dann aber bloß der Anlass und nicht der Grund für einen Rücktritt. Die Wechsel von Klug und Stöger und der Neueintritt von Hans Peter Doskozil wurden offiziell. Wien – Bundespräsident Heinz Fischer hat Dienstag Mittag die schon länger angekündigte Regierungsumbildung abgesegnet. Das Staatsoberhaupt gelobte den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) an und genehmigte die Ressortverschiebungen, die durch den Austritt von Sozialminister Hundstorfer aus der Regierung vorgenommen wurden. Demnach betreut der bisherige Infrastrukturminister Alois Stöger nunmehr das Ressort Soziales. Seinen Job übernimmt Gerald Klug, der bis dato dem Verteidigungsministerium vorstand. Hundstorfer, der nach sieben Jahren aus der Regierung ausscheidet, wird ja für die SPÖ bei der Bundespräsidentenwahl kandidieren. Die Chance auf einen vorzeitigen Einzug in die Hofburg ließ er am Dienstag aus. Hundstorfer blieb der Angelobung fern. Dies änderte aber nichts an den wohlwollenden Worten, mit denen er vom Bundespräsidenten bedacht wurde. Fischer lobte, dass Hundstorfer viel zur Entwicklung des Sozialstaats in Österreich beigetragen habe. Er habe seine sehr intensive Aufgabe zum Wohle der Republik wahrgenommen. Schon im Ministerrat war das Wirken des langjährigen Sozialministers mit Lob bedacht worden. Kanzler Werner Faymann (SPÖ) wies unter anderem auf Hundstorfers Maßnahmen zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit hin und lobte ihn unter anderem auch als Freund, auf den man sich verlassen kann. Der Präsidentschaftskandidat selbst meinte anlässlich seiner letzten Regierungssitzung, es habe sich um eine tolle Zeit gehandelt mit vielen Ups und Downs. Es sei aber auch viel weiter gegangen. Dabei seien auch Meilensteine wie das Pensionskonto gelungen. Nun gelte die Devise: Auf zu neuen Ufern. Im Gegensatz zu Hundstorfer hatte die Regierungsspitze den neuen Minister zur Angelobung in der Hofburg begleitet. Ferner konnte sich Doskozil über die Anwesenheit seiner Schwester und seines Bruders freuen. Auch Generalstabschef Othmar Commenda ließ sich die Angelobung nicht entgehen. Schließlich war auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl, dessen Büroleiter Doskozil einst war, in der Präsidentschaftskanzlei zur Stelle. Was Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Hans Peter Doskozil (SPÖ) alles vereint – und was sie trotzdem trennt. Wenn Hans Peter Doskozil vor die Truppen des Bundesheers tritt, hat sein Habitus noch viel vom pannonischen Obersheriff aus ruhigen Tagen. Der neue Verteidigungsminister, bei solchen Anlässen mitunter in Jeans anzutreffen, schreitet nicht die Reihen ab, er schlendert. Seine Reden an die strikt geradeaus blickenden Soldaten hält Doskozil aus dem Stegreif, anstatt zackig zu dozieren. Und nach dem martialischen Exerzierritual will er seinen Männern, auf ganz locker, die Hände schütteln. Doch die haben vorschriftsgemäß zu salutieren. Ganz anders machen sich dagegen die Auftritte von Johanna Mikl-Leitner mit der Exekutive aus. Die Innenministerin, stets adrett gekleidet und in hohen Stöckelschuhen, nimmt kerzengerade Haltung ein. Ihre Statements vor den Mikros sind gut einstudiert, um nicht zu sagen, auswendig gelernt. Und nach dem offiziellen Akt tätschelt Mikl-Leitner ihre Gesprächspartner, Polizisten wie Journalisten, gern am Oberarm. Egal, ob die das wollen oder nicht. Doch der rote Dosko und die schwarze Mi-Lei, wie die beiden genannt werden, sind nur auf den ersten Blick ein ungleiches Paar. Mitten in der Flüchtlingskrise und angesichts ständiger Terrorgefahr stilisieren die koalitionären Spindoktoren den 45-jährigen Burgenländer und die 1964 geborene Niederösterreicherin zum wichtigsten Sicherheitsgespann der Republik hoch. Diese zwei sollen die Bevölkerung vor sämtlichen Bedrohungen so gut wie möglich schützen. Bei ihrer Premiere als neues Team im Jänner sprach Mikl-Leitner im ZiB 2-Studio noch in schulmeisterndem Ton von Obergrenzen für Asylwerber, während Doskozil das Ganze da noch als bloße Richtwerte abtat. Doch mittlerweile passt zwischen das Ministerduo kein Blatt mehr. Unlängst, als der Heeresminister, auch mit den Generälen schon per Du, mehr Mittel für das finanzmarode Militär einforderte, sekundierte die Innenministerin, dass es mehr Schlagkraft brauche. Nach dem Schließen der Balkanroute statten sie am Wochenende Bulgarien gemeinsam einen Blitzbesuch ab, um einer Verlagerung der Migrationsströme vorzubeugen. Doskozil lobt die offene Art von Mikl-Leitner und ihre Handschlagqualität – und umgekehrt kommt von ihr fast wortident dasselbe. Längst haben ihre Kabinette einen Nichtangriffspakt geschlossen, wie ein Insider berichtet. Statt eine ihrer berüchtigten Sticheleien anzubringen, ergänzt Mikl-Leitner dieser Tage bloß: Der Dosko kann hart arbeiten – aber man kann mit ihm auch auf einen Absacker gehen. Schätzen gelernt haben sich der groß gewachsene Doskozil und die zierlich-zähe Innenministerin schon am 27. August 2015. Jenem Tag, an dem das ganze Ausmaß der Flüchtlingsmisere unter den Augen internationaler Kameras endgültig Österreich erreicht hat. Bei einem gemeinsamen Termin in Nickelsdorf – Doskozil war noch burgenländischer Polizeidirektor – traf die Nachricht ein, dass auf der Ostautobahn ein abgestellter Schlepper-Lkw mit erstickten Flüchtlingen sichergestellt wurde. 71 Tote sollten es sein. Noch am Grenzübergang traf Doskozil mit seiner einstigen Chefin zum Krisenstab zusammen, um dann in Eisenstadt an die Öffentlichkeit zu treten. Unwichtig war da im Burgenland plötzlich das ewige Gequengel rund um Quoten und Quartiere. Die Schreckensnachricht hat uns mitgenommen, erinnert sich Doskozil heute. Mikl-Leitner hält zu den dramatischen Stunden fest: Das schweißt zusammen. Nur wenige Tage später, als Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und seine deutsche Amtskollegin Angela Merkel (CDU) noch an einem Strang zogen, war der Name Doskozil österreichweit ein Begriff. Mit ruhiger Hand managte er in Nickelsdorf wochenlang die Politik des Durchwinkens zum großen Nachbarn, aber auch des Notversorgens der zehntausenden ankommenden Asylwerber, die hierzulande Schutz wollten. Doch mit der Angelobung als Verteidigungsminister und dem Asylgipfel der Regierung haben Doskozil und Mikl-Leitner einen anderen Kurs eingeschlagen. Bei anhaltendem Flüchtlingsandrang will er Grundwehrdiener notfalls wie früher entlang der grünen Grenze patrouillieren lassen, obwohl er noch im Sommer die Auffassung vertrat, eine lückenlose Sicherung sei dort nicht möglich. Abgewiesene Asylwerber möchte Doskozil mit den Transportflugzeugen des Militärs zurückverfrachten – eine alte Forderung der FPÖ. Auch Mikl-Leitner, schon lange als Hardlinerin verschrien, hat längst formuliert, was heuer im schlimmsten Fall an der Grenze droht: mehr Zäune samt Gewalteinsätzen, wenn die Lage eskaliert. Ein Kenner beider Minister sagt: Im Gleichschritt sorgen sie so für eine Militarisierung der inneren Sicherheit. Doskozil drängt das Heer zu Polizeiaufgaben – und Mikl-Leitner macht das Feld auf dafür. Doskozil sei das bewusst, Mikl-Leitner aber eher nicht. Der Verfassungsrechtler Heinz Mayer, der den jahrzehntelangen Assistenzeinsatz des Militärs im Burgenland oft als bedenklich gegeißelt hat, hält fest, dass sich auch durch einen neuerlichen derartigen Aufmarsch die grüne Grenze nicht abdichten lässt. Aber als ehemaliger Präsident des Yachtklubs Neusiedl hat Mayer Doskozil im Zuge eines Clinchs mit den dortigen Ortsvätern schon vor Jahren kennengelernt – und ist seitdem davon überzeugt: Ich halte ihn für einen vernünftigen, sachlichen Menschen, der die Grenzen des Rechtsstaats gut kennt und auch akzeptiert. Eine weitere Parallele, die sich bei Doskozil und Mikl-Leitner auftut: Er und sie wissen die für die jeweils eigene Regierungshälfte unangenehmsten Landeshauptleute hinter sich. Burgenlands Hans Niessl, der mit seiner rot-blauen Koalition in Eisenstadt den SPÖ-Vorsitzenden Faymann brüskiert hat, und den Niederösterreicher Erwin Pröll, der schon jedem ÖVP-Obmann vor Reinhold Mitterlehner das Leben schwer gemacht hat. Niessls Gunst erwarb sich Doskozil, der in jungen Tagen als Polizeischüler nebenher Rechtswissenschaften studierte, weil er als fertiger Jurist zur Jahrtausendwende standhaft blieb. Unter Innenminister Ernst Strasser (ÖVP) hatte Doskozil als FSG-Gewerkschafter und roter Gemeinderat in Grafenschachen das falsche Parteibuch, deswegen musste er vier Jahre warten, ehe er als Fremdenrechtsexperte ins Ressort geholt wurde. Später holte Niessl Doskozil wieder nach Eisenstadt, wo er zum Büroleiter des Landeshauptmannes aufstieg und danach an die Spitze der Polizei wechselte. Die gebürtige Hollabrunnerin Mikl-Leitner wiederum, studierte Wirtschaftspädagogin, wurde von Strasser entdeckt, der sie als Landesgeschäftsführerin zur Marketingleiterin für die niederösterreichische Volkspartei machte. Mit einem Wahlkampf, in dem sie Pröll zum omnipotenten Star, dem Lowlander, emporgehoben hat, holte sie 2003 im flachen Land die absolute Mehrheit zurück. Zur Belohnung stieg Mikl-Leitner zu Prölls Soziallandesrätin auf, 2011 dann zur Innenministerin. Der Landesfürst machte ihr seither auch stets die Mauer, als die Regierung von einer einheitlichen Asyllinie noch weit entfernt war. Ich habe das Gefühl, dass die Innenministerin in der Regierung über weite Strecken alleine gelassen wird, sagte Pröll im Sommer. Doch längst werden Mikl-Leitner wie Doskozil auch für höhere Weihen gehandelt. Sie gilt als mögliche Nachfolgerin Prölls. Er, ebenfalls als Niessl-Nachfolger im Gespräch, wurde von einer Fangruppe auf Facebook schon als möglicher Kanzler hochgeliked. Auch in Gewerkschaftskreisen wird Doskozil bereits als Potentat für den Ballhausplatz gehandelt. Böse Zungen behaupten allerdings, dass der Dosko am liebsten selber Innenminister werden würde. Der Grüne Peter Pilz prophezeit angesichts des jüngsten Hypes um die beiden grimmig: Diesen Strache-Lookalike-Wettbewerb gewinnt weder Doskozil noch Mikl-Leitner, sondern allenfalls Sebastian Kurz. Denn: Ein Verteidigungsminister kann kein Schatten-Innenminister und die Innenministerin nicht ständig die Hilfskraft des Außenministers sein. Laut jüngstem APA-Vertrauensindex liegt das ÖVP-Vorzeigetalent Kurz tatsächlich gleich hinter Staatsoberhaupt Heinz Fischer auf Platz zwei. Doskozil konnte sich in den wenigen Wochen seiner Amtszeit zum SPÖ-Regierungsmitglied mit den höchsten Vertrauenswerten vorarbeiten – und Mikl-Leitner holt jetzt stetig auf, liegt aber immer noch im Schlussfeld. Werden sie also bald noch mehr Härten ankündigen? Während des Wahlkampfes im letzten Frühjahr bot Niessl seinen Polizeichef jedenfalls als Kronzeugen dafür auf, dass wegen der steigenden Kriminalität im Burgenland an öffentlichen Plätzen rasch mehr Überwachungskameras montiert werden müssen. Es blieb beim Gepolter. Bis heute ist im Innenressort von keiner pannonischen Sicherheitsbehörde je ein Antrag auf Dauerobservation eingetrudelt. Laut STANDARD-Informationen war es im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zu massiven Verwerfungen zwischen Sobotka und Pröll gekommen. Wien/St. Pölten – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wechselt zurück nach Niederösterreich und wird dort Landeshauptmann-Stellvertreterin. Für sie übernimmt VP-Finanzlandesrat Wolfgang Sobotka das Innenressort. Ein entsprechender Bericht der Tiroler Tageszeitung wurde der APA aus Parteikreisen bestätigt. Die Rochade soll morgen im Parteivorstand der ÖVP fixiert werden. Mikl-Leitner soll in St. Pölten zur Nachfolgerin von Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) aufgebaut werden. Sobotka, dem ebenfalls Ambitionen für diesen Job nachgesagt wurden, wird dafür mit dem Amt des Innenministers entschädigt. Wann Pröll sein Amt zurücklegt, war vorerst noch unklar. Möglicherweise wird er mit seinem 70. Geburtstag im Dezember heurigen Jahres seine Funktionen an die neue Landeshauptmann-Stellvertreterin Mikl-Leitner übergeben. Die bisherige Innenministerin gilt schon seit langem als Prölls Wunschkandidatin. Als noch davon ausgegangen wurde, dass der Landeshauptmann zur Hofburg-Wahl antritt, wurde Mikl-Leitner bereits fix als seine Nachfolgerin gehandelt. Die 52-Jährige gehörte bereits von 2003 bis 2011 der niederösterreichischen Landesregierung an. Davor war sie unter Pröll als Landesgeschäftsführerin in der niederösterreichischen ÖVP tätig. Laut STANDARD-Informationen war es im Vorfeld der Präsidentschaftswahlen zu massiven Verwerfungen zwischen Sobotka und Pröll gekommen, weil der Finanzlandesrat Mikl-Leitner im Falle einer Kandidatur des Landeshauptmanns keinen Platz in der Landesregierung machen wollte. Sogar ein geplantes Geburtstagsfest für Sobotka Anfang Jänner wurde abgesagt – offenbar aufgrund dieser internen Streitereien. Sobotka war immer wieder als Finanzminister im Gespräch. Aktuell hätte das für Pröll den angenehmen Nebeneffekt gehabt, dass der im St. Pöltener Landhaus unbeliebte Hans Jörg Schelling abgesägt wäre. Nun soll Schelling im Rahmen des Finanzausgleichs weiter geschwächt werden. Es herrscht jedenfalls keine günstige Ausgangslage für die Zusammenarbeit zwischen Sobotka und Schelling in der Bundesregierung. Im Streit um eine Beteiligung der Bundesländern an den Hypo-Schulden richtete Sobotka Schelling bekanntlich drohend aus, bei Philippi sehen wir uns wieder. Ein Sprecher von Erwin Pröll bestätigte im Gespräch mit dem STANDARD, dass Mikl-Leitner in die niederösterreichische Landesregierung wechselt. Bei ihrem Wechsel in die Bundesregierung 2011 sei nur eine dreijährige Amtszeit geplant gewesen. Die Entscheidung vom Wechsel der Innenministerin nach St. Pölten werde aller Wahrscheinlichkeit nach im Parteivorstand am Sonntagabend gefällt. Von Mikl-Leitner war vorerst keine Bestätigung für ihren Wechsel nach Niederösterreich zu erhalten. Allerdings hieß es auf Anfrage der APA aus ihrem Büro: Dass ihr Herz die Innenministerin nach Niederösterreich zieht, ist kein Geheimnis. Von Waidhofen a.d. Ybbs nach St. Pölten und nun in die Wiener Herrengasse. St. Pölten/Wien – Der mögliche neue Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist seit mehr als drei Jahrzehnten auf kommunal- und landespolitischer Ebene tätig. Zuletzt war er seit 16. April 1998 niederösterreicher Finanzlandesrat und seit 26. Februar 2009 auch Landeshauptmann-Stellvertreter. In der Wiener Herrengasse wartet auf den seit 5. Jänner 60-Jährigen nun erstmals ein Job in der Bundespolitik. Sobotka begann seine politische Tätigkeit 1982 als Gemeinderat in Waidhofen a.d. Ybbs. 1992 wurde er Stadtrat für Finanzen und Fraktionsobmann der ÖVP. Von Jänner 1996 bis April 1998 – als er Landesrat wurde – lenkte er als Bürgermeister die Geschicke seiner Heimatstadt. Sobotka hat Geschichte (Uni Wien), Violoncello/Musikpädagogik und Musikerziehung (Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien) sowie Dirigieren (Brucknerkonservatorium Linz) studiert. 1976 wurde er AHS-Lehrer. Von 1980 bis 1987 war er Stadtarchivar, ab 1988 Musikschulleiter in Waidhofen a.d. Ybbs. 1987 erhielt Sobotka einen Lehrauftrag an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst Wien. Der designierte Minister ist verheiratet und hat sechs Kinder. Als Finanzlandesrat gab es für Sobotka lange viel Gegenwind im Zusammenhang mit der Veranlagung der niederösterreichischen Wohnbaugelder. Der ÖVP-Politiker sah sich wegen des spekulativen Charakters der Geschäfte sogar mit Rücktrittsaufforderungen konfrontiert – etwa durch die SPÖ im Dezember 2008, die später sogar strafrechtliche Untersuchungen einleiten ließ. In einem Sonderlandtag war das Thema ebenfalls diskutiert worden. Eine neue Debatte brach Anfang 2010 nach einem Rohbericht des Rechnungshofes aus. Die ÖVP Niederösterreich blieb dabei, dass die Veranlagungen ein wichtiges Finanzierungsmittel des Landes Niederösterreichs geworden seien. Sobotka selbst wies die Kritik als reine politische Angriffe zurück. Eine Forderung von SPÖ, FPÖ und Grünen nach einem U-Ausschuss im Jahr 2010 wurde von der ÖVP abgelehnt. Die Wohnbaugelder sorgten auch im Wahlkampf 2013 für Streit. Die Grünen brachten damals eine Sachverhaltsdarstellung bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) ein. Das Verfahren wurde letztlich eingestellt. Im Mai 2013 verabschiedete der NÖ Landtag die 15a-Vereinbarung zwischen Bund und Ländern zu einer risikoaversen Finanzgebarung. Diesmal führe kein Weg mehr an einer radikalen Debatte über Reformen in der SPÖ vorbei, sagt Kärntens Landeshauptmann. STANDARD: Nur noch elf Prozent für die ehemalige Großpartei SPÖ. Was jetzt? Peter Kaiser: Es ist schlicht ein Desaster, die schlimmste Niederlage, seit ich politisch aktiv bin. Und das ist auch schon 40 Jahre her. Hier ist eine Riesenunzufriedenheit gegen die Regierung abgeladen worden, gepaart mit der alles überlappenden Asylproblematik und den damit verbundenen Sicherheitsfragen, den Sorgen um den Arbeitsplatz und die Angst um einen Wohlstandsverlust. Die Bundespräsidentenwahl war da eine sehr willkommene Gelegenheit, weil sie ja an sich eine Persönlichkeitswahl war und weniger gesamtpolitische Veränderungen auf dem Spiel standen. Wir müssen jetzt zeigen, dass es für die SPÖ einen Weg zwischen Humanität, internationalen Verpflichtungen und der Sicherheit gibt. Die FPÖ wird immer weiter lizitieren. Da müssen wir klarmachen, dass die Position der FPÖ, dass niemand mehr reinkommt, ebenso absurd ist wie die Vorstellung von total offenen Grenzen. STANDARD: Seit den späten 1980er-Jahren, seit die FPÖ bei Wahlen in rote Arbeiterhochburgen einbricht, werden in der SPÖ regelmäßig Reformen eingefordert. Immer wieder ist dann von einem Neubeginn die Rede. Warum sollte er ausgerechnet diesmal gelingen? Kaiser: Es bleibt uns jetzt ja nichts anderes übrig. Wenn wir eine derart auf die Rübe bekommen, müssen wir radikal über alles reden, wir müssen unsere Lage ohne Tabus besprechen. STANDARD: Die entscheidende Frage in der SPÖ ist doch, wer sich durchsetzen wird? Die Ideologen oder die Machtpolitiker, die, um an der Macht zu bleiben, notfalls auch mit der FPÖ koalieren wollen. Kaiser: Wenn die SPÖ jetzt glaubt, nur auf eine der beiden Varianten schielen zu können, wird sie totalen Schiffbruch erleiden. Wir müssen beides verbinden und natürlich auch danach trachten, dass wir als Partei eine gestaltende politische Kraft bleiben. Was es dem Land gebracht hat, als ÖVP und FPÖ regierten und die SPÖ in Opposition war, haben wir ja gesehen. Darunter leiden wir in Österreich noch heute. STANDARD: Soll die SPÖ eine Wahlempfehlung abgeben und wen werden Sie im zweiten Wahlgang wählen? Kaiser: Ob es einen Sinn macht, dass die Partei eine Empfehlung abgibt, da bin ich mir nicht so sicher. Ich persönlich werde Alexander Van der Bellen wählen. "Kein Wettbewerb": ÖVP-Chef will auf Sacharbeit setzen. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat mehrfach versichert, dass er derzeit keine Umbildung seines Regierungsteams plane. Wir haben eine gute Regierungsmannschaft, qualitativ hochwertig, sagte Mitterlehner, auch wenn er sich mit Gerüchten herumschlagen muss, dass wenigstens zwei seiner Minister wackeln würden. Zuletzt wurden Familienministerin Sophie Karmasin und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter genannt, aber Mitterlehner winkte ab. Die ÖVP hat heuer bereits einen Wechsel vorgenommen: Im April wechselte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als Landesrätin und stellvertretende Landeshauptfrau nach Niederösterreich, sie wurde in der Regierung durch den niederösterreichischen Landesrat Wolfgang Sobotka ersetzt. Insgesamt sind von der ÖVP noch mehr Minister aus der Originalbesetzung des Kabinetts Faymann II im Amt, das im Dezember 2013 angelobt worden ist: Außenminister Sebastian Kurz, Justizminister Wolfgang Brandstetter, Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter und Familienministerin Sophie Karmasin. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner ist mittlerweile sogar Vizekanzler. Diesen Posten bekam Mitterlehner im Zuge einer großen Regierungsumbildung im September 2014. Auf ÖVP-Seite ausgelöst hatte sie der damalige Vizekanzler und Finanzminister Michael Spindelegger, der den Hut draufhaute. Den Finanzminister macht seither Hans Jörg Schelling, früher Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungen. Staatssekretär Jochen Danninger wurde durch Harald Mahrer ersetzt. Mitterlehner will sich jetzt nicht durch die Rochaden auf SPÖ-Seite unter Druck setzen lassen. Wir wollen da auch jetzt nicht in einen Wettbewerb gehen: Wer bildet vielleicht mehr um oder hat dann mehr Männer oder Frauen oder sonst was. Das bringt keinen Vorteil und wäre eher nur für die Galerie aufgebaut. Das wollen wir nicht. Wir setzen da auf die Sacharbeit, sagte Mitterlehner. Reuters: "Wenig Zweifel, dass er unter Druck die Ruhe bewahrt", "NZZ": Kanzler Kern muss Tabus brechen. Wien – Internationale Medien kommentierten den Antritt von Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) am Dienstag und seine ersten Äußerungen. Seine Kampfeslust zeigt sich bereits in kritischen Anmerkungen, zu allererst an die Adresse seiner Partei und seines Vorgängers, denen er inhaltsleeres Handeln, mangelnde Fähigkeit in die Zukunft zu blicken und Machtversessenheit vorgeworfen hat. Im Gegensatz dazu versichert Kern, dass er niemals die sozialdemokratischen Prinzipien opfern werde, um sich an der Macht zu halten. Als Journalist, der er war, hat er seinen Kollegen saftige Schlagzeilen über die österreichische Politik geliefert. So forsch ist schon lange kein österreichischer Sozialdemokrat mehr aufgetreten. (...) Sein selbstbewusster Auftritt machte deutlich, dass es dem 50-Jährigen nicht nur um kleine Reparaturarbeiten in der SPÖ und der von ihr und der konservativen ÖVP gebildeten Großen Koalition geht. Kern setzt offenbar vielmehr auf einen Neustart – und darauf, dass die seit Jahrzehnten regierende Große Koalition bei den Bürgern verlorengegangenes Vertrauen zurückgewinnt. Kern hat sich einen Namen gemacht als effektiver Manager, als im September zehntausende Migranten aus Ungarn nach Österreich kamen. Seine Bahnhöfe wurden wochenlang zu Flüchtlingsunterkünften und Verteilzentren umfunktioniert. Während andere Länder an der Migrantenroute (...) überwältigt wurden, herrschte in Wien Ordnung. Jetzt bekommt Kern die Belohnung, dessen Art in vielem seinen dunklen, eng geschnittenen Anzügen gleich: Scharf und Business-like. Es gibt wenig Zweifel daran, dass er unter Druck die Ruhe bewahrt. Während eines TV-Interviews von einem Wiener Bahnhof inmitten der ersten Flüchtlingswelle im September näherte sich ein Mann von hinten und schrie in sein Ohr. Kern verzog nicht einmal eine Augenbraue. Im Rückblick wird die Kanzlerschaft des Christian Kern wohl danach beurteilt werden, ob es ihm gelungen ist, den Einfluss starker Interessengruppen zurückzudrängen. Zwei Gelegenheiten bieten sich an, gleich damit zu beginnen. Zum Ersten sollte Kern eine Reform des nicht tragfähigen Rentensystems und des kriselnden Arbeitsmarkts auf die Agenda setzen. Und er sollte dies ohne Einbindung der Sozialpartner tun. Für österreichische Verhältnisse wäre das ein Tabubruch. Aber es stellte ein mutiges Signal dar, dass Politik und Interessenvertretung in Österreich nicht dasselbe sein müssen. Zum Zweiten sollte Kern die laufende Neuverhandlung des Finanzausgleichs nutzen. Formell liegt es in der Kompetenz der Bundesregierung, die Finanzströme zwischen dem Bund und den Bundesländern zu bestimmen. Es ist dies potenziell der wichtigste Hebel des Bundes, um den Landesfürsten Zugeständnisse abzuringen. (...) Wenn Kern verkrustete Strukturen aufbrechen will, könnte und sollte er hier schnell ein mutiges Zeichen setzen. Den Landesfürsten Paroli zu bieten, das wäre wirklich etwas Neues für Österreich. Christian Kern ist ein exzellenter Manager und hervorragender Networker, der auch denjenigen zuhören kann, mit denen er nicht einverstanden ist, räumen auch seine Gegner ein. Deshalb wird es ihm nicht schwerfallen, die Regierung zu führen. (...) Kern übernimmt nicht nur die Führung der Regierung, er wird auch die Partei, die aus den letzten 18 Wahlen als Verliererin hervorging, vereinheitlichen und neu erfinden müssen. Die Suche nach der Balance zwischen den konservativen Geiern und den sozialdemokratischen Tauben in der Bundesregierung wird für den neuen sozialdemokratischen Kanzler viel leichter sein, als ein magisches Rezept zu finden, um die Wähler zurückzugewinnen. Wie die erste Runde der Präsidentschaftswahl zeigte, sind sie zu den Freiheitlichen übergelaufen, mit einer Reduktion von Sozialleistungen wird der neue Kanzler aber nur schwer diejenigen, die man früher die Arbeiterklasse nannte, ansprechen können. Es sieht immer mehr danach aus, dass ihm eine unmögliche Aufgabe bevorsteht. Gewerkschaft, Wirtschafts- und Arbeiterkammer sauer auf Vizekanzler: Man sei nicht Teil des Problems, sondern der Lösung. Wien – Die Tonalität war ungewöhnlich. Vor allem für einen Politiker, der fast 30 Jahre lang in der Wirtschaftskammer tätig war. Die Sozialpartnerschaft müsse sich komplett ändern, deponierte ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner im Kurier. Deren altbekannte Rituale brauche man nicht mehr, Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter würden zu sehr darauf schauen, was sie der eigenen Klientel gerade günstig verkaufen können, zum Teil fehle der Praxisbezug, und daher wolle die Regierung nun mehr auf andere Experten hören, sagte Mitterlehner. Keine Klientelpolitik Bei den Angesprochenen kam die Kritik am Sonntag nicht gut an. Wenn er sich nicht auf unsere Vorschläge verlassen will, soll er selber welche machen, deponierte Mitterlehners früherer Chef, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, im Gespräch mit dem STANDARD. Den Vorwurf der Klientelpolitik, wonach die Arbeitgeber immer nur ein Riesenpaket an Maßnahmen und Steuererleichterungen fordern würden, ohne deren Gegenfinanzierung darzustellen, will Leitl so nicht stehen lassen: Wir schauen immer auf den Standort, nicht auf die Klientel. Und: Die Sozialpartnerschaft ist nicht perfekt, aber sie funktioniert. Das würden gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern ausgearbeitete Konzepte in den Bereichen Bildung, Pensionen, Migration und Wachstum belegen. Wir haben Lösungen vorgelegt, ganz ohne altbekannte Rituale. Die Konzepte seien aber nicht umgesetzt worden. Den Stillstand im letzten Jahrzehnt hat die Regierung zu verantworten. Verschnupft reagierte auch Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske. Wir sind Teil der Lösung, nicht Teil des Problems, ließ er den ÖVP-Chef wissen. Derartige untergriffige Argumentation schadet der Beziehung. Auch er betonte, die Sozialpartner hätten stets Lösungsvorschläge gemacht, aber die Regierung ist stets säumig geblieben. Zuletzt habe man beim Thema Arbeitsmarkt und Asyl ein konkretes Konzept vorgelegt, aber: Bis heute hat die Regierung nicht einmal geantwortet, beklagte sich Kaske. Kein Verständnis hat er auch für die Mitterlehner-Aussage, wonach die Arbeitnehmer ständig neue Schutzbestimmungen fordern würden. Wann immer die Interessen unserer Mitglieder betroffen sind, werden wir uns zu Wort melden, weil das auch unser Auftrag ist, so Kaske. An uns noch nie gescheitert Für den ÖGB reagierte am Sonntag Vizepräsidentin Renate Anderl. Gerade in schwierigen Zeiten solle das Gespräch mit den Sozialpartnern gesucht werden, appellierte sie in Richtung Mitterlehner. An diesen seien gute Lösungen jedenfalls noch nie gescheitert. Anderl: Die Aufforderung zur ,Umorientierung der Sozialpartner entbehrt daher jeder Grundlage. Erste Aussagen des neuen Kanzlers und designierten SPÖ-Chefs Christian Kern deuten freilich ebenfalls darauf hin, dass sich die Regierung etwas von den Sozialpartnern emanzipieren will. Er sprach wiederholt davon, man wolle auf breiter Basis Experten und auch die Opposition in Entscheidungsfindungsprozesse einbinden. Explizit sozialpartnerkritische Aussagen gab es von Kern, der auch als ÖBB-Chef dafür bekannt war, gut mit der Eisenbahnergewerkschaft zu können, bis jetzt aber nicht. In der Wiener Zeitung sagte er zuletzt: Die Sozialpartnerschaft ist wichtig in Österreich, es kommt aber darauf an, welche Entscheidungen den Prozessen folgen. Und eines ist auch klar: Gesetze müssen im Parlament beschlossen werden. Der Kanzler erwartet wie Reinhold Mitterlehner Bewegung bei den Sozialpartnern. Seine Kritik fällt allerdings deutlich vorsichtiger aus. Wien – Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sieht sich durch die Reaktion der Sozialpartner auf seine Kritik bestätigt. Wenn man die ganze Empörung jetzt hernimmt, ist das eher eine Bestätigung, dass die Vorwürfe in der Sache nicht falsch sind, sagte der Vizekanzler am Montag. Als Beispiel für seine Kritik nannte Mitterlehner das Thema Arbeitszeitflexibilisierung: Diese sei in ganz Europa ein Thema, werde aber von der Arbeitnehmerseite in Österreich immer mit Forderungen nach zusätzlichen Sozialleistungen wie einer sechsten Urlaubswoche verknüpft. Das eine sei standortmäßig angebracht, das andere derzeit einfach nicht machbar. Das Ganze kann man auch umdrehen, verwies Mitterlehner auf die Wirtschaftskammer und mögliche Änderungen bei der Gewerbeordnung. Die Sozialpartner würden gut daran tun, die Botschaft zu hören und nicht auf den Boten abzustellen, sagte Mitterlehner. Er habe Sachkritik geübt und sehe durchaus die Bereitschaft zu einer inhaltlichen Auseinandersetzung. Mit seiner Kritik hatte der ÖVP-Chef für massiven Unmut bei den Sozialpartnern gesorgt. Im Kurier hatte er festgehalten, dass altbekannte Rituale nicht mehr zeitgemäß seien und Arbeitnehmer- und Arbeitgebervertreter nicht mehr einseitige Klientelpolitik betreiben sollten. Er selbst wolle künftig mehr auf andere Experten hören. Wirtschaftskammer, Gewerkschaftsbund und Arbeiterkammer hatten darauf heftig reagiert. Die Regierung sei gefordert, seit Jahren vorliegende Konzepte der Sozialpartner in den Bereichen Bildung, Pensionen, Integration oder Arbeitsmarkt umzusetzen. Bis jetzt habe sie aber kaum etwas weitergebracht. Den Stillstand im letzten Jahrzehnt hat die Regierung zu verantworten, sagte etwa Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl zum Standard. Für Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske ist klar: Wir sind Teil der Lösung, nicht des Problems. Auch der ÖGB sieht auf Sozialpartnerebene keinen Handlungsbedarf. Allerdings sieht auch der neue Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) durchaus Handlungs- und Bewegungsbedarf bei den Sozialpartnern, wie er vergangene Woche in einem Gespräch mit dem STANDARD festgehalten hatte. Kern ortet auch bei den Sozialpartnern ein großes Unbehagen. Die Entwicklungen im Land seien in niemandes Interesse, den Sozialpartnern müsse man wohl nicht erklären, was die Probleme seien. Aus Gesprächen mit Gewerkschaft, Arbeiterkammer, Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wisse er, dass es dort die Bereitschaft gebe, etwas zu tun. Kern verwies allerdings auch darauf, dass die Gesetze im Parlament und nicht von den Sozialpartnern beschlossen würden. Es gehe darum, zusammenzuarbeiten und nicht gegeneinander zu arbeiten. Er wisse jedenfalls, dass er einen Überzeugungsdialog führen müsse. Letztendlich gehe er davon aus, dass er sich auf die Unterstützung der Sozialpartner verlassen könne. Sein Verständnis von Politik sei allerdings nicht, dass er Forderungen von irgendeiner Seite in den Ministerrat durchreiche und diese dann so im Parlament beschlossen würden. Er sei ein Anhänger einer faktenorientierten Politik, führte Kanzler Kern aus, und Entscheidungen resultierten aus Prozessen und nicht aus den Wünschen von Interessenvertretungen. Die Verfassung regle jedenfalls klar die Position der einzelnen Organe. Im Grunde vertritt Kern damit die gleiche Position wie Mitterlehner, drückte seine Erwartungshaltung aber deutlich vorsichtiger aus. Deckelung bei Betriebsübergabe auf 0,5 Prozent des Verkehrswertes gilt nur für schuldenfreie Unternehmen. Wien - Die Hotellerie sieht sich durch die geplante Steuerreform weiter schwer benachteiligt. Zu den Problemen gehöre die Erhöhung der Umsatzsteuer von zehn auf 13 Prozent und die Umstellung der Grunderwerbssteuer bei Schenkung und Erbschaft auf den Einheitswert. Mit der Erhöhung der Umsatzsteuer auf 13 Prozent werde man im internationalen Vergleich benachteiligt, kritisiert die ÖHV. Auch werde die Erhöhung schon ab 1. April 2016 in Kraft treten und nicht wie angekündigt ab 1. Mai. Nur wenn Reisen bis zum 1. September 2015 zur Gänze bezahlt werden, bleibt der zehnprozentige Steuersatz auch bei einem Reiseantritt nach dem 1. April 2016 - so eine frühe Bezahlung sei aber unüblich, heißt es in der Stellungnahme des ÖHV zur Steuerreform. Das gelte auch für den Verkauf über Plattformen oder Reiseveranstalter. Investitionen Um der Steuererhöhung zu entgehen regt der ÖHV an, stattdessen pro Übernachtung einen Euro abzuführen - bei zuletzt 131,9 Mio. Nächtigungen im Jahr. Das sei leicht zu administrieren, der Standort würde profitieren und es stellt jedenfalls eine deutliche Verbesserung gegenüber den geplanten Steuererhöhungen dar, meint der ÖHV. Man könnte die Höhe indexieren. Ein Teil der Mittel sollte der ÖW und der ÖHT zur Bewerbung und zur Förderung von Investitionen im Tourismus zur Verfügung gestellt werden. Der Bund würde die Mittel dafür sparen und ÖW und ÖHT würden vom eigenen Erfolg profitieren. Grunderwerbssteuer Der ÖHV kritisiert auch, dass zwar künftig die Grunderwerbssteuer bei unentgeltlicher Übertragung mit 0,5 Prozent des Verkehrswertes gedeckelt ist, diese Grenze aber nicht gelte, wenn mit dem Betrieb bzw. der Immobilie Hypotheken übernommen werden, die 70 Prozent des Grundstückswertes überschreiten. Dann seien wie beim Verkauf 3,5 Prozent vom Grundstückswert als Steuer abzuführen. Das sei für Unternehmerfamilien die viel investieren ein Problem. Auch dass die Abschreibung für bestehende Gebäude verlängert wird, ist als massiver Eingriff in bestehende Businesspläne, bei knapper Kalkulation und zum Nachteil der Unternehmer abzulehnen, so die Stellungnahme. Die Neuregelung sollte nur für Gebäude gelten, die nach dem 1.1.2016 errichtet oder angeschafft werden, regt der ÖHV an. Mödlhammer drängt auf aufgabenorientierte Geldaufteilung im Finanzausgleich – Neue Aufgaben nicht mehr zu finanzieren. Wien – Den österreichischen Gemeinden steht das Wasser bis zum Hals. Vor allem kleine Kommunen kommen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Geldmitteln nicht mehr aus. Sie können absolut keine neuen Aufgaben übernehmen, warnte Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer bei einer Pressekonferenz am Mittwoch und drängte einmal mehr auf eine neue Aufteilung der Gelder zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Durch die Steuerreform bzw. den damit verbundenen Einnahmenausfall werde die finanzielle Situation der Gemeinden weiter verschärft. Die Lohnsteuersenkung koste die Gemeinden 400 bis 500 Mio. Euro im Jahr. Heuer sei die Situation durch zu erwartende Vorzieh-Effekte bei der Grunderwerbssteuer nicht so schlimm, aber 2016 wird eine lange Dürre bei den Gemeinden, aber auch bei den Ländern und beim Bund ausbrechen. 2016 wird eine richtige Herausforderung werden, so Mödlhammer. Er warne daher eindringlich davor, den Gemeinden neue Aufgaben aufzubürden, sprach er sich klar gegen die Einführung eines zweiten Gratis-Kindergartenjahres aus. Die Gemeinden hätten genug damit zu tun, die bestehenden Aufgaben zu bewältigen. Alles, was an neuen Ideen herumschwirrt, ist nicht finanzierbar, so Mödlhammer. Die Gemeinden seien an ihrer Belastungsgrenze angelangt. Sie geben 90 Prozent ihrer Mittel für die Bewältigung der bestehenden Basisaufgaben aus, früher seien das nur zwei Drittel gewesen. Ein weiteres Gratis-Kindergartenjahr würde 30 bis 50 Mio. Euro kosten, und das sei nicht mehr machbar. Mödlhammer betonte mit Verweis auf eine aktuelle Erhebung der Statistik Austria, dass man der ländlichen Abwanderung etwas entgegensetzen müsse und die betroffenen Gebiete in der Steiermark, Niederösterreich, Oberösterreich oder Salzburg nicht aushungern dürfe. Der Gemeindebundpräsident drängte einmal mehr darauf, den Finanzausgleich zu reformieren und die Gelder zwischen Bund, Ländern und Gemeinden aufgabenorientiert zu verteilen und nicht mehr nach dem sogenannten abgestuften Bevölkerungsschlüssel, der größere Städte und Gemeinden bevorzugt. Zur Untermauerung seiner Forderung hat der Gemeindebund eine Studie von der Leopold-Franzen-Universität in Innsbruck erstellen lassen. Demnach haben kleinere Gemeinden unter 20.000 Einwohner keinerlei finanziellen Spielraum und damit auch keine Gestaltungsmöglichkeiten mehr. Die Ertragsanteile, die sie im Zuge des Finanzausgleiches erhalten, reichen nicht, um die Basisaufgaben (Kindergarten, Schulen, Altenpflege, Infrastruktur, etc.) zu erfüllen. Die Finanzierung dieser Aufgaben ist nur durch zusätzliche Finanzzuweisungen und Zuschüsse sowie die Gemeindeabgaben möglich. Kleine Gemeinden sind laut der Studie aber auch hier am finanziellen Limit. Während Gemeinden zwischen 500 und 2.500 Einwohnern lediglich einen Spielraum von 70 bis 100 Euro pro Einwohner haben, verfügen große Kommunen mit über 50.000 Einwohnern über 300 Euro pro Einwohner. Das bedeute aber nicht, dass groß besser sei. So hätten große Gemeinden in der Verwaltung ein Einsparungspotenzial von 20 bis 100 Mio. Euro, während bei den Kleinen dieses Potenzial nur bei 2,5 Mio. Euro liege, erklärte Kurt Prombeger von der Uni Innsbruck. Das liege unter anderem daran, dass große Städte Reformen, etwa im Bereich der Pensionen, verabsäumt hätten. Die Abschaffung des Bankgeheimnisses hat eine alte Debatte belebt: Nicht die Bürger, der Staat müsste gläsern werden, sagen Kritiker. Ist der Staat intransparent? Eine Spurensuche mit sechs Fallbeispielen. Vergabepolitik | Stadt Wien | Budget | Kulturförderung | Transparenzgesetz | Sport Die Dunkelziffer öffentlicher Auftragsvergaben Weniger als 20 Prozent aller Vergaben werden veröffentlicht, davon sind zwei Fünftel unzureichend dokumentiert Wie viel Geld welche Firmen von öffentlichen Stellen in Österreich bekommen, ist nicht bekannt. Ein jährliches Beschaffungsvolumen von zwischen 32 und 35 Milliarden Euro schätzt die EU-Kommission in Österreich. Ein Großteil davon fällt jedoch unter jene Grenze, ab der die Verträge publiziert werden müssen: Von den 35 Milliarden Euro im Jahr 2013 wurden nur sechs Milliarden Euro im Amtsblatt der EU veröffentlicht. Unter einem Vertragswert von 100.000 Euro dürfen öffentliche Stellen Aufträge direkt an Firmen vergeben. Damit soll der Verwaltungsaufwand reduziert werden, den ein öffentliches Bieterverfahren mit sich bringt. Die Direktvergaben von öffentlichen Stellen sind die große Dunkelziffer beim Vergabevolumen. In einem Bericht über Direktvergaben des Wirtschafts- und Verkehrsministeriums kommt der Rechnungshof zum Schluss, dass die geprüften Ministerien auf Basis der (...) Datenlage weder den Informationspflichten gegenüber dem Parlament (...) noch den internationalen Meldepflichten in qualitativ angemessener Weise nachkommen konnten. Auch das BKA teilte der EU-Kommission bei der Übermittlung des Auftragsvolumens der Direktvergabe für das Jahr 2012 mit, dass die Daten im besten Fall einen ungefähren Näherungswert für schätzungsweise weniger als 50 Prozent des denkmöglichen Auftragsvolumens darstellten. Die Daten seien keinesfalls als repräsentativ zu erachten. Ab einem Auftragsvolumen von 125.000 Euro müssen Aufträge, die öffentliche Stellen vergeben, im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht werden. In den Jahren 2012 bis 2014 wurden Daten von fast 10.000 abgeschlossenen Verträgen publiziert. Allerdings ist auch bei den so veröffentlichten Aufträgen die Datenqualität fragwürdig: In mehr als zwei Fünfteln der Verträge fehlen wichtige Daten wie die Anzahl der Bieter oder das Auftragsvolumen, wie aus einer STANDARD-Recherche hervorgeht. In der überwiegenden Anzahl der unvollständigen Verträge wurde der Betrag nicht angegeben. Vollständige Angaben sind jedoch wichtig, um Unregelmäßigkeiten bei Vergabeverfahren zu überprüfen. In einer Studie für die Europäische Kommission wurden 27 Indizien beschrieben, die auf korrupte Vergaben hinweisen. Darunter: ungewöhnlich hohe Auftragssummen oder eine geringe Anzahl von Bietern. Jedoch fehlen oft gerade diese Angaben. Das macht es schwieriger, Unregelmäßigkeiten bei Vergabeverfahren zu entdecken. Für Mathias Huter, den Generalsekretär des Forums Informationsfreiheit, reicht die Informationslage nicht aus: Beschaffungen sind in Österreich für Bürger de facto nicht nachvollziehbar. Verträge zwischen Firmen und öffentlichen Stellen seien nicht öffentlich. Auch auf Anfrage geben Behörden in der Regel keine Auskünfte zu dem Thema. Für die Öffentlichkeit bleibt im Dunkeln, wer Aufträge der öffentlichen Hand bekommt, folgert Huter. Dass es auch anders geht, zeigt die Slowakei: Alle Vergabeverträge mit einem Wert von mehr als 10.000 Euro müssen veröffentlicht werden, erst danach sind sie gültig. Etwa 99 Prozent der Verträge, die unsere direkten Nachbarn im Amtsblatt der EU veröffentlichen, beinhalten sowohl Betrag als auch die Anzahl der Bieter. Das Vereinigte Königreich publiziert Transaktionen über 500 Pfund. (mba) Zangerl hält die Reform für diskriminierend und kündigt rechtliche Schritte an. Innsbruck – Tirols AK-Chef Erwin Zangerl (ÖVP) hat am Donnerstag erneut gegen die im Zuge der Steuerreform beschlossene Grunderwerbssteuer gewettert. Diese sei in der vorliegenden Form ungerecht, eigentumsfeindlich, belastet den Mittelstand und widerspricht dem Gleichheitsgrundsatz, bemängelte er in einer Aussendung und kündigte rechtliche Schritte an. Ferner kritisierte der Arbeiterkammerpräsident in diesem Zusammenhang den seiner Ansicht nach mangelnden Einsatz der Tiroler Nationalräte von ÖVP und SPÖ. Auch sei ein Schreiben unbeantwortet geblieben, indem die Arbeiterkammer ihren massiven Protest an Vizekanzler Reinhold Mitterlehner und Finanzminister Hans Jörg Schelling (beide ÖVP) kundgetan habe. Zangerl wähnt in seiner Kritik Rechts-Experten hinter sich. Diese würden die unterschiedliche Bewertung von Grundstücken und Immobilien von Bauern, Unternehmen und Privaten ebenfalls als diskriminierend beurteilen und sie verfassungsrechtlich infrage stellen. Zudem sind die westlichen Bundesländer laut Zangerl massiv benachteiligt. In Salzburg, Tirol und Vorarlberg seien Grundstücke und Immobilien deutlich teuerer. Durch die Grunderwerbssteuer würden Bürger bestraft, die sich im Laufe harter Arbeitsjahre unter größten Entbehrungen ein Haus oder eine Wohnung erspart haben. Landwirte und ihre Interessenvertreter sehen die Steuerreform als Erfolg. Rückenwind hätten die neuen Einheitswerte verliehen, sagt Bauernbundchef Jakob Auer. STANDARD: Die Landwirtschaft ist ganz gut ausgestiegen bei der Steuerreform. Viele Vorschläge, gegen die Sie sich vehement ausgesprochen haben, kommen nicht. Auer: Im Großen und Ganzen ja. Es ist ganz akzeptabel für uns, was da herausgekommen ist. Größter unangenehmer Druckpunkt für uns ist die erhöhte Mehrwertsteuer beim Einkauf von Tieren und beim Tierfutter. Die trifft uns hart. Denn die Steuer steigt da von zehn auf 13 Prozent, das ist ein ziemlicher Kostenschub. STANDARD: Auch bei den Registrierkassen müssen die Bauern mitmachen? Auer: Ja. Ich habe mich dafür ausgesprochen, dass die Grenze, ab der Registrierkassen eingeführt werden müssen, höher ist als 7500 Euro Barumsatz im Jahr. Und zwar hätte ich gemeint, ab 30.000 Euro. Da hätte es dann eine Verhältnismäßigkeit zwischen Kosten und Aufwand gegeben. Denn 7500 Euro – das muss man einmal auf den Monatsumsatz umrechnen. Da haben wir uns gegenüber der SPÖ nicht durchgesetzt. Das trifft alle Hofläden und ist für die eine unangenehme Hürde. STANDARD: Bei der Grunderwerbsteuer bleibt dafür alles beim Alten. Auer: Nur bei den Teilen, die die die Land- und Forstwirtschaft selbst betreffen. Hier bildet weiterhin der Einheitswert die Steuerbasis. Wenn man einen Bauernhof übergibt oder verkauft, wird aber der Wohnbereich des Hofes steuerlich genauso behandelt wie alle anderen privaten Immobilien. Hier gilt auch für Bauern ein Staffeltarif für die Grunderwerbsteuer – wie bei den anderen Steuerpflichtigen auch. STANDARD: Die Besteuerung von landwirtschaftlichem Grund und Boden wurde in der Vergangenheit viel kritisiert, da die Einheitswerte, auf denen die Besteuerung aufsetzt, veraltet sind. Da hat sich ja jetzt einiges geändert. Auer: Die Einheitswerte bleiben, und zwar weil sie zum 1. Jänner 2015 reformiert wurden. So wird der einfache Einheitswert weiter als Bemessungsbasis für die Grunderwerbsteuer dienen. Hätte es diese Reform der Einheitswerte nicht gegeben, dann würden die bäuerlichen Betriebe jetzt garantiert nach Verkehrswerten besteuert werden. Deshalb werte ich das, was wir ausverhandelt haben, als Erfolg. Denn vom Verkehrswert kann der Landwirt nicht abbeißen – und der Grund ist das Betriebsvermögen, die Lebensgrundlage der Landwirte. STANDARD: Doch müssen künftig auch die Bauern bei Verkäufen von Immobilien 30 Prozent vom Verkehrswert zahlen? Auer: Ja. Wenn ein Bauer ein Grundstück, zum Beispiel ein Feld, verkauft, das dann als Industriegrund genutzt wird oder für eine Parzellierung vorgesehen ist, dann muss der Verkäufer auch höhere Steuern zahlen als bei einer landwirtschaftlichen Bewirtschaftung. Dazu stehe ich auch. In solchen Fällen müssen künftig 30 Prozent des Verkehrswerts gezahlt werden. Bisher waren es 25 Prozent. STANDARD: Warum stemmen Sie sich eigentlich so gegen Vermögensteuern? Auer: Eine Vermögensteuer, das wäre eine Sterbesteuer für die Bauern gewesen. Niemandem würde einfallen, dass er den Wert einer Firma, also ihre Substanz, besteuert, denn das käme einer Enteignung gleich. Das ist bei den Bauern nicht anders. STANDARD: Viele betreiben die Landwirtschaft im Nebenerwerb. Wie sieht es da aus? Auer: Es gibt rund 91.000 Nebenerwerbsbetriebe. Die profitieren von der Steuerreform, so wie jeder andere Steuerzahler bei seinem Einkommen aus unselbstständiger Arbeit profitiert. Das Abschaffen der kalten Progression würde 2019 zu einem Einnahmenausfall von 1,23 Milliarden Euro führen. Wien – Der Budgetpfad von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) steht, wie berichtet, ohnehin bereits auf tönernen Füßen. Da die Gegenfinanzierung der gerade beschlossenen Steuerreform mehr als fraglich ist, könnte Österreich im nächsten Jahr ein EU-Verfahren wegen einer erheblichen Abweichung von den eigenen Zielen winken, deponierte zuletzt der Vorsitzende des Staatsschuldenausschusses, Bernhard Felderer. Auch das Wifo äußerte bereits Zweifel, ob das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts im Jahr 2019 erreichbar ist. Mit dem Kurswechsel der ÖVP beim Thema kalte Progression wird es wohl noch deutlich schwieriger werden, den Budgetpfad einzuhalten. Der Einnahmenausfall, den Schelling am Montag mit mindestens 400 Millionen Euro pro Jahr bezifferte, dürfte nämlich mittelfristig wesentlich größer ausfallen. Anpassung ab 2017 Der Hintergrund der Debatte: Derzeit werden die Steuerstufen nicht an die Inflation angepasst. Folglich rutschen jedes Jahr Menschen in die nächsthöhere Steuerstufe, obwohl sie nicht automatisch mehr Kaufkraft haben. Diesen Effekt bezeichnet man als kalte Progression. Schelling möchte ab 2017 eine Anpassung der Steuerstufen an die Inflation, wodurch es zu Steuerausfällen kommen würde. Die Innsbrucker Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) hat für den STANDARD simuliert, wie groß die Effekte wären. Als Basis wurde die aktuelle Inflationsprognose des Wifo genommen (1,6 Prozent für die Jahre 2016 und 2017, dann leicht steigend auf 1,8 Prozent im Jahr 2019). 375 Millionen im ersten Jahr Im ersten Jahr läge der Einnahmenausfall mit 375 Millionen Euro sogar leichter unter der Schätzung des Finanzministers. Da der Inflationseffekt aber immer auf das Vorjahr draufgerechnet werden muss, käme es bereits 2018 zu einem Steuerausfall von 780 Millionen, 2019 wären es dann bereits 1,23 Milliarden. Diese Summen müsste die Regierung also einsparen (oder durch andere Steuern kompensieren), wenn sie ihre selbst gesetzten Budgetziele noch erreichen will. Foglar fordert Vorschläge ÖGB-Chef Erich Foglar forderte Schelling daher am Dienstag via Ö1-Mittagsjournal bereits auf, Finanzierungsvorschläge vorzulegen. Die Gewerkschaft hatte sich im Vorjahr selbst für eine Kompensation der kalten Progression eingesetzt. Mit der Einschränkung: Es solle erst dann eine Anpassung geben, wenn die kumulierte Inflation der letzten Jahre fünf Prozent übersteigt. Angesichts der aktuell niedrigen Teuerungsraten würden also einige Jahre vergehen, bis es beim ÖGB-Modell zur ersten Anhebung der Steuerstufen käme. Die Steuereinnahmen in den ersten fünf Monaten des Jahres deuten jedenfalls nicht darauf hin, dass es zusätzlichen Spielraum gibt. Zwar gibt es in einigen Bereichen durchaus kräftige Anstiege, diese sind aber bereits eingeplant. Generell gibt es bisher im Vollzug für das laufende Jahr keine unerwarteten Entwicklungen, hieß es aus dem Ressort. Obere Einkommensgruppen profitieren stärker Die Auswertung der GAW zeigt auch, dass die obersten Einkommensgruppen besonders stark vom Aus der kalten Progression profitieren würden, bei den untersten zehn Prozent wäre der Effekt relativ gering. Betont werden muss freilich, dass die Hochrechnungen stark davon abhängen, ob die Inflationsprognosen tatsächlich halten. Außerdem gibt es unter Ökonomen unterschiedliche Berechnungsmethoden. So gibt es auch Modelle, die auf die realen Einkommenszuwächse und nicht auf die Inflation abstellen. Zahlen, die nach Brüssel geschickt wurden, waren offenbar recht pessimistisch. Die Grünen wollen nun wissen, wie der Finanzminister auf seine Zahlen kommt. Wien – Die Steuerreform tritt zwar erst Anfang 2016 in Kraft, sie hat aber bereits in den ersten Monaten des aktuellen Jahres Spuren hinterlassen. Die Einnahmen aus der Kapitalertragsteuer (KESt) auf Dividenden lagen im ersten Halbjahr nämlich weit über Plan, wie aktuelle Zahlen des Finanzministeriums zeigen. Konkret wurden 1,16 Milliarden Euro an den Fiskus überwiesen, was einem Anstieg um 26 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Viele Firmen haben also offenbar Dividendenausschüttungen vorgezogen, weil sie befürchteten, die erhöhte KESt (künftig sind es 27,5 statt 25 Prozent) könnte bereits während des Jahres eingeführt werden. Zinsen weiter niedrig Auch insgesamt sieht der Budgetvollzug des ersten Halbjahres nicht schlecht aus. Die gesamten Einnahmen lagen bei 38,19 Milliarden Euro und somit um 4,6 Prozent über dem Vorjahr. Für das Gesamtjahr hat Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) ein Plus von 4,2 Prozent eingeplant. Auch auf der Ausgabenseite liegt man gut: Zwar führen die hohen Zahlen an Arbeitslosen und Asylwerbern zu nicht geplanten Mehrbelastungen, die Zinszahlungen liegen aber weit unter Plan. Obwohl der Minister also eigentlich nur auf Kurs ist, wurde seine Position gegenüber Brüssel gestärkt. Wie das möglich ist? An die EU-Kommission wurde eine deutlich niedrigere Steuerschätzung geschickt. Konkret wurden die Einnahmen im Strategiebericht der Regierung, der jedes Jahr im April versendet wird, um 1,5 Milliarden Euro niedriger angesetzt als im Budgetvoranschlag. Erreicht man nun also die ursprünglichen Einnahmenziele, dürfte es leichter fallen, das nach Brüssel gemeldete Ziel eines strukturellen Defizits von nur 0,5 Prozent im aktuellen Jahr zu erreichen. Der grüne Budgetsprecher Bruno Rossmann will nun von Schelling wissen, warum die Steuerschätzung im Strategiebericht derart vorsichtig ausgefallen ist. Er bringe den Angaben immer weniger Vertrauen entgegen. Daher fordere er eine Offenlegung der Annahmen für die Schätzung der wichtigsten Steuern. Das kann und darf kein Geheimnis sein. In anderen Ländern hätten die Parlamentarier einen wesentlich besseren Einblick. Präsident Moser warnt vor Folgen der Budgetknappheit und lässt Kandidatur für Bundespräsidentenwahl offen. Wien – Rechnungshofpräsident Josef Moser warnt vor reduzierter Prüftätigkeit, sollte sein Budget nicht aufgestockt werden. Man hat dem Rechnungshof mehr Aufgaben übertragen, gleichzeitig kürzt man die Mittel, kritisiert Moser gut eine Woche vor der Budgetrede im APA-Interview. Moser wird am Dienstag 60, seine Amtszeit endet im Juni 2016. Ob er zur von der FPÖ ventilierten Präsidentschaftskandidatur bereit wäre, lässt Moser offen. Zwar versichert er, dass ich mit 60 nicht in den Ruhestand treten werde. Natürlich wolle er seine Erfahrungen einbringen, um etwas zum Positiven zu verändern. Zuerst werde er aber seine Aufgabe im Rechnungshof erfüllen und dann für sich selbst rechtzeitig die Weichen stellen. Die Frage stellt sich derzeit nicht Dementsprechend gibt sich Moser bezüglich der von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache ins Spiel gebrachten Präsidentschaftskandidatur zurückhaltend: Die Frage stellt sich derzeit überhaupt nicht. Mein Amt dauert bis Ende Juni, genauso wie beim Bundespräsidenten auch. Ihm gehe es nun darum, den Rechnungshof bestens aufgestellt an seinen Nachfolger zu übergeben, betont Moser: Besser als den Rechnungshof mit seiner aktuellen Reputation kann man eine Institution nicht übergeben. Da bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mehr als dankbar. 20 Planstellen unbesetzt Als große Herausforderung für seinen Nachfolger sieht Moser aber die nach mehreren Sparbudgets angespannte Finanzlage des Rechnungshofes. Schon jetzt müsse der Rechnungshof aus Geldmangel 20 Planstellen unbesetzt lassen. Die bis 2019 vorgesehenen Mittel würden nicht einmal die jährlichen Struktureffekte beim Personal (also Lohnrunden und Biennalsprünge) abdecken und die Rücklagen seien 2016, spätestens 2017 aufgebraucht. Damit kann sicher nicht das Auslangen gefunden werden, wenn man nicht in die Richtung geht, dass man die Prüftätigkeit des Rechnungshofes reduziert, warnt Moser. Weiteres Sparpotenzial im Haus sieht Moser nicht, denn in den vergangenen Jahren sei massiv eingespart worden und es werde jede Synergie genutzt. Dazu kämen zusätzliche Aufgaben: Die Zahl der zu prüfenden Stellen sei seit seinem Amtsantritt auf 6.000 gestiegen, die Zahl der Querschnittsprüfungen habe zugenommen und mit Medientransparenz- und Parteiengesetz sei neuer bürokratischer Aufwand entstanden. Das geht zu Lasten des Prüfens, kritisiert Moser. Reformen unausweichlich Dass der sprichwörtliche große Wurf bei der Verwaltungsreform trotz beständiger Mahnungen ausgeblieben ist, wertet Moser nicht als Misserfolg, denn: Der Rechnungshof hat massiv zur Bewusstseinsbildung beigetragen. Reformen hält er für unausweichlich, denn letztlich habe die Politik angesichts knapper werdender Mittel nur die Alternative, entweder die Effizienz zu steigern oder Leistungen zu kürzen: Da ist die Frage, wie lange lassen sich die Bürgerinnen und Bürger das noch gefallen. Zuversichtlich ist Moser bezüglich eines einheitlichen Haushaltsrechts für Länder und Gemeinden. Er geht davon aus, dass es eine einheitliche Verordnung inklusive Änderung der Finanzverfassung geben wird. Der von den Ländern befürwortete Umweg über einen Staatsvertrag (15a-Vereinbarung) werde sicherlich nicht kommen, glaubt der Rechnungshofpräsident. Er habe seit 2004 betont, dass ein einheitliches Haushaltsrecht nötig sei. Es freut mich, dass das im Parlament fünf Fraktionen einbekannt haben, so Moser, der seinen Geburtstag übrigens im Ausland verbringt: Auf einer Konferenz der internationalen Rechnungshof-Organisation INTOSAI in Brasilien. Finanzminister Hans Jörg Schelling steht vor seiner ersten Budgetrede: Ein wackeliges Nulldefizit könnte in ein Sparpaket münden, das Sprengkraft für die Koalition birgt.. Wien – Wenn Finanzminister Hans Jörg Schelling kommenden Mittwoch im Parlament sein erstes Budget vorstellt, liegt die Latte – zumindest rhetorisch – tief: Vorvorgängerin Maria Fekter hatte die Budgetrede zur lähmenden Vorlesestunde degradiert, Michael Spindelegger sprach zwar freier, aber weitgehend pointenlos. Dafür dürfte Schelling beim Berechnen des Budgets für das Jahr 2016 eine andere Richtmarke Sorgen bereiten. Laut EU-Vorgaben muss Österreich ein Nulldefizit erreichen, was gemäß der relevanten Vorgaben bedeutet: Das strukturelle, ergo um Konjunkturschwankungen und Einmaleffekte wie die Bankenhilfe bereinigte Minus im Staatshaushalt darf maximal 0,54 Prozent der Wirtschaftsleistung betragen. Österreich hat dieses Ziel bereits im Vorjahr, und damit früher als verlangt, erreicht (siehe Grafik). Doch im kommenden Jahr, glauben Experten, droht ein Rückfall. Der Grund ist das einzige Prestigeprojekt der Regierung: Bereits 2016 wollen rund vier Milliarden Euro Einnahmenausfall aus der Lohn- und Einkommensteuersenkung kompensiert werden. Dies soll gelingen, indem Steuerbetrug rigoros bekämpft wird – mit scharfen Kontrollen und der Registrierkassenpflicht für Unternehmen. Fachleute halten sie Erwartungen à la longue für durchaus realistisch, kurzfristig – 1,9 Milliarden im kommenden Jahr – aber für überzogen. Das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) und der Rechnungshof sind skeptisch, der Fiskalrat hat im Juli bereits ein strukturelles Defizit von einem bis 1,6 Prozent prophezeit. Schelling hingegen beharrt bisher auf seinen 0,5 Prozent und wird diese wohl auch ins Budget schreiben. In der Folge hätte er zwei Möglichkeiten, die Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit im Budget zu überbrücken. Schelling kann auf Zeitgewinn setzen, auf geänderte Umstände hoffen und Mahnbriefe aus Brüssel wegen Zielverfehlung riskieren. Oder aber der ÖVP-Politiker ruft nach einem neuen Sparpaket. Ein passender Zeitpunkt böte sich im Frühling des nächsten Jahres: Bis Ende Februar wollen SPÖ und ÖVP entscheiden, ob neue Pensionsreformen nötig sind, wobei die schwarze Seite vom Ja bereits überzeugt ist. Es ist keine gewagte Prognose, dass eine solche Debatte ein potenzieller Sprengsatz für die fragile Koalition wäre. Ob dieser detoniert, hängt auch von der ebenfalls im Frühjahr angesetzten Präsidentenwahl ab: Die Gewinnerpartei könnte Absprungsgelüste verspüren. Den Ressorts drohen die üblichen Rasenmäherkürzungen, wobei die Lage vor allem für das Bildungsministerium prekär ist. Ministerin Gabriele Heinisch-Hosek schleppt ein permanentes Budgetloch (derzeit 340 Millionen) mit, hat aber wegen fixer Personalkosten kaum Spielraum zum Stopfen. Bisher zeigten sich schwarze Finanzminister unerbittlich – zum Schaden der roten Ressortchefin, die sich schon im Vorjahr mit einem umstrittenen Kürzungsplan in eine politisch selbstmörderische Situation manövrierte. Geld drauflegen muss Schelling hingegen zwangsläufig wegen des Flüchtlingszustroms nach Österreich. Der Minister bezifferte die Kosten für das kommende Jahr mit 0,3 Prozent des BIP, was etwa einer Milliarde Euro entspricht. Vorausblickende Investitionen, um das Problem in Krisenstaaten an der Wurzel zu packen, sind damit offenbar nicht gemeint: Abgesehen von einer Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds kündigte das Außenministerium an, die ohnehin spärlichen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit nicht zu erhöhen. Steirischer Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk will Verschiebung um ein Jahr und eine Klärung der technischen Voraussetzungen für Registrierkassen. Graz – In Sachen Registrierkassenpflicht bereitet die Sparte Gewerbe und Handwerk der steirischen Wirtschaftskammer eine Verfassungsbeschwerde vor. Wirtschaftskammer-Präsident Josef Herk machte sich am Donnerstag für die Verschiebung der Pflicht um ein Jahr stark. Er kritisierte den fehlenden Investitionsschutz für Betriebe und bezeichnete die Verpflichtung ab einem Jahresumsatz von 15.000 Euro als unzumutbar für viele kleine Firmen. Der Obmann der steirischen Wirtschaftskammer-Sparte Gewerbe und Handwerk, Hermann Talowski, lässt eine Verfassungsbeschwerde gegen die Registrierkassenpflicht vorbereiten: Zentrale Argumente sind auch hier die Frage der Verhältnismäßigkeit der Umsatzgrenze zur Registrierkassenpflicht sowie die offenen technischen Fragen: Wenn der Verordnungsgeber noch nicht weiß, was er will, kann man nicht die Unternehmer strafen, wenn sie die Verordnung nicht umsetzen, so Talowski. Der Spartenobmann will die Beschwerde Ende Oktober einbringen. Aufgrund unklarerer Rahmenbedingungen gibt es laut Herk für die Unternehmer derzeit bei der Anschaffung einer Registrierkasse keinen Investitionsschutz: Die Vorschriften für den sogenannten Manipulationsschutz würden nämlich erst ab dem 1. Jänner 2017 in Kraft treten und selbst der Startcode für die notwendige Sicherheitseinrichtung soll erst mit 1. Juli 2016 vorliegen. Es stelle sich daher die Frage, was mit jenen Registrierkassen passiert, die in der Zwischenzeit – weil vorgeschrieben – gekauft werden, und danach vielleicht wieder nicht dem Gesetz entsprechen, führte Herk aus. Herk verglich am Donnerstag die Situation mit einem Fahrzeugkauf: Wer will ein Auto kaufen, von dem in wenigen Monaten die Zulassungsbestimmungen möglicherweise nicht mehr passen? Es gehe nicht um die grundsätzliche Frage, ob Registrierkasse ja oder nein, sondern schlicht um die Klärung der technischen Voraussetzungen, die vor der Anschaffung kommen muss, hielt Herk fest. Weiterer Kritikpunkt ist die aus seiner Sicht noch offene Frage der Verhältnismäßigkeit von Verpflichtung und Umsatzhöhe: Während die bisherige Barbewegungsverordnung die Grenze mit 150.00 Euro Jahresumsatz festgelegt hat, sollen Betriebe nun bereits ab 15.000 Euro eine Registrierkasse einsetzen müssen. Für viele kleine Betriebe ist das unzumutbar, betonte Herk. Die Verordnung von Finanzminister Hans Jörg Schelling ist fertig – Gemeinden unter 10.000 Einwohner haben bis 2020 Zeit. Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat die lange angekündigten einheitlichen Budgetregeln erlassen. Länder und Gemeinden über 10.000 Einwohner müssen die neuen Vorgaben ab dem Budget 2019 anwenden, alle anderen Gemeinden ab 2020. Spätestens bis dahin müssen sie ihre Budgets auf doppelte Buchführung umstellen und vergleichbare Angaben über Landes- und Gemeindefinanzen liefern. Die derzeitige Voranschlags- und Rechnungsabschlussverordnung stammt aus 1997. Zeitgemäß sind die darin festgelegten Regeln nicht mehr: Die EU schreibt längst eine mehrjährige Finanzplanung vor und das veraltete System der kameralistischen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung wurde vom Bund bereits vor Jahren durch eine doppelte Buchführung (Doppik) ersetzt. Einige Länder sind hier mittlerweile nachgezogen. Kritik gibt es auch an der mangelnden Transparenz und Vergleichbarkeit der Länderbudgets. So stellte der Rechnungshof wiederholt fest, dass die Länder die eigentlich zur Vereinheitlichung gedachten Budgetregeln unterschiedlich auslegen. So werden zentrale Begriffe (wie Finanzschulden oder Rücklagen) unterschiedlich definiert, auch eine einheitliche Darstellung der Vermögenswerte fehlt. Ein genauer Vergleich der Budgets und Schulden von Ländern und Gemeinden ist damit nicht möglich. Die neue Verordnung soll die meisten dieser Kritikpunkte nun beheben: Ländern und Gemeinden wird die Umstellung von der Kameralistik auf eine Ergebnis-, Finanzierungs- und Vermögensrechnung vorgeschrieben. Bestandteil wird laut Entwurf daher auch eine Eröffnungsbilanz über das Landesvermögen zum 1.1.2019 sein. Zentrale Begriffe wie Finanzschulden, Haftungen, Rückstellungen etc. werden genau definiert. Nicht vorgeschrieben wird Ländern und Gemeinden allerdings eine mehrjährige Budgetplanung. Außerdem gilt die Verordnung zwar für Länder, Gemeinden sowie deren Tochterfirmen, nicht aber für Gemeindeverbände. Dies deshalb, weil zur Regelung dieser Punkte eine Änderung der Finanzverfassung nötig wäre. Die Verordnung ist der mittlerweile zumindest fünfte Anlauf in Richtung einheitlicher Budgetregeln, seit der Bund sein eigenes Haushaltsrecht 2007 modernisiert hat. Eine verpflichtende Übernahme der neuen Bundesregeln durch die Länder scheiterte damals. 2010 versuchte das Finanzministerium eine Vereinheitlichung mittels 15a-Vereinbarung, ein Jahr später sollten die neuen Regeln gemeinsam mit der Schuldenbremse erlassen werden. Beide Male ohne Erfolg. Erst in Gefolge des Salzburger Spekulationsskandals kam wieder Bewegung in die Sache: Gemeinsam mit dem Spekulationsverbot 2013 vereinbarten Bund und Länder, bis Juni 2014 ein neues Haushaltsrecht zu verhandeln. Zwar ließ Finanzminister Michael Spindelegger (ÖVP) diese (auch im Regierungsprogramm verankerte) Frist verstreichen, sein Nachfolger Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat die Reform nun aber auf Schiene gebracht. Gemeinsam mit Rechnungshofpräsident Josef Moser, dessen Zustimmung für die Verordnung nötig war und der jahrelang dafür geworben hatte. Dass der Finanzminister den Ländern Vorschriften für eine einheitliche Darstellung ihrer Finanzlage machen darf, ist im Finanzverfassungsgesetz geregelt. Wie weit er dabei gehen darf, ist jedoch seit Erlass der Bestimmung 1948 strittig. Unter Finanzminister Hannes Androsch (SPÖ) vereinbarten Bund, Länder und Gemeinden daher 1974, die Regeln gemeinsam auszuhandeln (Heiligenbluter Vereinbarung). Diese Verhandlungspflicht hätten die Länder gerne in einen Bund-Länder-Vertrag über einheitliche Budgetregeln übernommen. Nun wurde die Verordnung aber ohne eine solche 15a-Vereinbarung erlassen. Für Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) ist mit der Verordnung, die er am Freitag unterzeichnet hat, das Thema einheitliches Haushaltsrecht für Bund, Länder und Gemeinden nach 41 Jahren Diskussion abgearbeitet. Den Vorwurf, dass Bund und Länder bei diesem heiklen Thema zerstritten wären, wies der Minister bei einem Mediengespräch am Montag zurück. Die nun erlassene Verordnung sei kein Diktat des Bundes, sondern unter Einbindung der Länder und Gemeinden entstanden. Dass die Länder am morgigen Dienstag zusätzlich noch unter sich eine 15a-Vereinbarung beschließen wollen, ist für Schelling auch kein Widerspruch. Mit dieser würden sich die Länder untereinander zu den neuen Haushaltsregeln verpflichten. Der Inhalt der Länder-Vereinbarung sei aber deckungsgleich mit der Verordnung des Bundes. Grüne pochen auf Änderung Anders sieht das der Budgetsprecher der Grünen, Bruno Rossmann. Er warnte eindringlich davor, dass die Länder die noch offenen Punkte untereinander regeln. Mit diesen 15a-Vereinbarungen droht nicht nur eine Verwässerung, sondern auch ein uneinheitliches Flickwerk. Das haben die Erfahrungen vieler 15a-Vereinbarungen gezeigt. Die Haftungsobergrenzen und das Spekulationsverbot sind ein Lehrstücke in dieser Hinsicht. In diesen Bereichen gibt es zwar einheitliche 15a-Vereinbarungen, aber das Spekulationsverbot wurde in drei Bundesländern gar nicht umgesetzt und die Qualität der Umsetzung ist völlig unterschiedlich. Bei Haftungsobergrenzen agierten die Bundesländer völlig uneinheitlich und vielfach sogar gegen die geschlossenen Vereinbarungen. Die Grünen haben die Verordnung begrüßt, fordern aber weiterhin eine Änderung der Finanzverfassung. Die Verordnung sei ein erster Meilenstein, sie lasse aber einige zentrale Punkte, die durch eine Änderung der Finanzverfassung geregelt werden sollten, offen, so Rossmann in einer Aussendung am Montag. Zu diesen offen Punkten gehören neben einem Spekulationsverbot etwa die mittelfristige Budgetplanung, einheitliche Haftungsobergrenzen, Regelungen für Gemeindeverbände und die wirkungsorientierte Budgetierung. Von einer Abarbeitung, wie Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) behaupte, kann daher keine Rede sein, so Rossmann. Haftungen noch vage – Registrierkassen-Schonfrist. Wien – Ein einheitliches Haushaltsrecht von Bund, Ländern und Gemeinden wird nach 41 Jahren Verhandlungen Realität. Eine entsprechende Verordnung hat Finanzminister Hans Jörg Schelling am Freitag unterzeichnet, wie er am Montag vor Journalisten erklärte. Es geht dabei um die Umstellung der Budgetplanung, bei der künftig auch die Länder neben den Zahlungsflüssen Vorsorgen und Risiken abbilden müssen, beispielsweise Rückstellungen für Prozessrisiken. Die Bundesländer sollen – allerdings erst ab 2019 – auch die Vermögenslage abbilden. Künftige Verpflichtungen wie Pensionsleistungen finden ebenfalls im neuen Haushaltsrecht, das der Bund längst umgesetzt hat, Eingang. Noch nicht sehr weit gediehen sind klarere Regeln bei den Haftungen, deren Obergrenze die Länder durch großzügige Risikogewichtungen leicht erreichen. Die Haftungen für die Hypothekenbanken beispielsweise haben einige Provinzen gleich mit null Risiko versehen. Laut Schelling soll hier die Bewertung nach objektiven Kriterien erfolgen, wobei er andeutete, dass die Länder die Gewichtung der Garantien nicht selbst vornehmen dürfen. Erschwert wurde die Einigung durch ein langwieriges Tauziehen, das auch nicht endgültig abgeschlossen ist. Ursprünglich sollte die Verordnung mit einer Bund-Länder-Gemeinden-Vereinbarung (einer sogenannten 15a-Vereinbarung) kombiniert werden, wogegen sich der Rechnungshof zur Wehr setzte. Nun schließen die Länder untereinander – also ohne Bund – einen Vertrag gleichen Inhalts wie die Verordnung. Schelling bezeichnete den Schritt als Selbstbindung und Schutzmechanismus. Es sei klar, dass eine Änderung der Rechnungslegungsvorschriften immer in Verhandlungen mit den Gebietskörperschaften erfolge. Die Gemeindeverbände werden übrigens von den neuen Budgetverpflichtungen nicht erfasst, sehr wohl aber Gemeinden mit mehr als 10.000 Einwohnern. Schelling äußerte sich zufrieden über den Abschluss und erhofft sich davon mehr Transparenz. Derzeit sei es leichter, den Haushalt von Österreich und Deutschland zu vergleichen als jenen von Wien und Niederösterreich, so der Minister. Schelling nahm auch Stellung zu der von Vizekanzler Reinhold Mitterlehner am Sonntag verkündeten Schonfrist bei der Registrierkassenpflicht. Im ersten Halbjahr 2016 wird nun per Erlass Straffreiheit gewährt. In den ersten drei Monaten gibt es überhaupt keine Sanktionen, von April bis Juni muss dann ein Nachweis erbracht werden, warum kein funktionstüchtiges System angeschafft wurde. Als Beispiel für einen triftigen Grund nannte Schelling Lieferprobleme bei der Registrierkasse. Schelling äußerte sich verwundert auf den Widerstand gegen die Maßnahme. Es gebe Systeme, die per Handy funktionierten. Verordnung soll in zwei Wochen vorliegen – Bis 31. März 2016 keine Strafen für säumige Betriebe. Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) befürchtet bei der Registrierkassenpflicht keinen Einnahmenentfall durch die späteren Strafen. Im ersten Quartal 2016 sollen Betriebe nur beraten werden, für die darauffolgenden drei Monate sind die Firmen gefordert, eine Begründung zu nennen, für den Fall, dass sie keine Registrierkasse besitzen. Die Verordnung soll in zwei Wochen vorliegen. In den ersten drei Monaten des Jahres 2016 (bis 31. März) soll beim Umrüsten auf die Registrierkassen Straffreiheit gewährt werden. In einem zweiten Schritt bis 30. Juni 2016 müsse der betroffene Betrieb eine nachvollziehbare Begründung liefern, warum die Umstellung noch nicht erfolgt sei – etwa bei einem Lieferengpass. Wird eine Begründung vorgelegt, sei keine Strafe vorgesehen, hieß es aus Schellings Büro. Der Finanzminister erklärte am Dienstag vor dem Ministerrat gegenüber Journalisten, er rechne selbstverständlich mit den kalkulierten Einnahmen, denn die Frist für die Einführung werde nicht verändert und bleibe bei 1. Jänner 2016. Wir werden nicht gleich mit der Strafe auf die Betriebe zukommen. Das ist, glaube ich, ein fairer Vorgang, so Schelling. Er forderte allerdings von den Unternehmen und der Wirtschaftskammer eine Art freiwillige Selbstverpflichtung ein. Diese müssten dafür Sorge tragen, dass keine Kassen ausgeliefert werden, die 2017 den Anforderungen nicht entsprechen. Diese Anforderungen seien den Herstellern von Kassen und Software bereits bekannt, so der Minister. Der Nationalrat hat das Budget für 2016 mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen. Das Maastricht-Defizit ist im erlaubten Rahmen. Wien – Der Nationalrat hat Donnerstagabend mit den Stimmen der Koalition das Budget 2016 beschlossen. Vorgesehen sind Ausgaben von 77 Milliarden Euro und Einnahmen von 71,9 Milliarden Euro. Das gesamtstaatliche Maastricht-Defizit soll mit 1,4 Prozent der Wirtschaftsleistung zum sechsten Mal in Folge unter der dreiprozentigen EU-Vorgabe liegen. Ob das (um konjunkturelle Effekte) bereinigte strukturelle Nulldefizit erreicht wird, ist Ansichtssache. Dieses ist eingehalten, wenn der Abgang nicht über 0,5 Prozent des BIP liegt. Das ist mit 0,66 Prozent nicht der Fall. Da allerdings die zusätzlichen Kosten für die Flüchtlingskrise von der EU anerkannt werden dürften, könnte Österreich dann diese Vorgabe der Union doch noch erreichen. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) zeigte sich jedenfalls bei der Debatte zum abschließenden Budgetkapitel Finanzen zuversichtlich, dass man seitens der EU eine positive Einschätzung zum Vorgelegten erhalten werde. An der Gestaltung des strukturellen Defizits übte er neuerlich Kritik. Über die Methodik werde man reden müssen. Mit dem Budget beschlossen wurde auch der im Oktober angekündigte, 688,8 Millionen Euro schwere Nachtragshaushalt für das laufende Jahr. Mehr als die Hälfte (350 Millionen Euro) erhält das Unterrichtsministerium zur Bezahlung von Lehrergehältern, an das Innenministerium fließen 230 Millionen Euro zur Bewältigung der Flüchtlingskrise und weitere 72 Millionen Euro als erste Tranche der im Jänner beschlossenen Sicherheitsoffensive. Die Opposition brachte in den Abendstunden noch diverse Forderungen ein, etwa die FPÖ jene nach Einführung eines Reverse-Charge-Systems bei der Mehrwertsteuer, mit dem man die auch von Schelling angestrebte Abschaffung der kalten Progression finanzieren könne. Schelling zeigte sich abwartend und verwies auf einen alternativen Vorschlag der EU-Kommission, der kommen werde. Bei der Mehrwertsteuer national auszuscheren sei nämlich nicht so einfach. Die Grünen warben ihrerseits für eine einkommensneutrale öko-soziale Steuerreform mit einem Volumen von vier Milliarden. Von den Neos kam neuerlich der Vorwurf, dass durch die Steuerreform mit der Anhebung der Höchstbeitragsgrundlage die Sonderpensionisten zu Profiteuren würden, da sie nun geringere Zusatzbeiträge zahlen müssten. Schelling wies sinkende Einnahmen aus diesem Posten als falsch zurück. Von Team Stronach-Klubchef Robert Lugar kam grundsätzliche Kritik am Budget, das nicht mehr als ein Fortschreiben der vorigen sei. Schelling forderte er auf, mit den Ländern hart ins Gericht zu gehen und eine Föderalismus-Reform anzugehen. Lediglich 20 Prozent erwarten persönliche Entlastung. Wien – Die Entlastungszahlen liegen zwar klar auf dem Tisch, doch die Österreicher glauben nicht daran, von der Steuerreform zu profitieren. Laut einer Umfrage des Linzer market-Instituts für den trend sind nur 20 Prozent überzeugt, dass der angekündigte Effekt auch bei ihnen ankommen wird. 66 Prozent zweifeln demnach massiv an den Versprechen der Steuerreform. Verhalten sind auch die Einschätzungen zu den gesamtwirtschaftlichen Effekten: Nur 43 Prozent erwarten sich laut Umfrage von der Steuerreform eine Ankurbelung der Konjunktur durch die gestiegene Kaufkraft. Blieben ihnen tatsächlich netto mehr als 1.000 Euro jährlich mehr, würden die meisten Befragten damit laufende Ausgaben finanzieren, sparen und Schulden zurückzahlen. 65 Prozent rechnen nicht mit wirtschaftlichem Aufschwung im heurigen Jahr. Linz – Nur jeder zweite österreichische Wahlberechtigte sieht der nahen Zukunft mit Optimismus und Zuversicht entgegen, vor allem die Wähler der FPÖ und die politisch nicht deklarierten Befragten neigen stark zur Aussage, dass sie eher skeptisch und pessimistisch gestimmt seien. Das geht aus der vor zwei Wochen durchgeführten Market-Umfrage für den STANDARD hervor. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: Wir haben diese Frage immer wieder zum Jahreswechsel gestellt, seit den 1990er Jahren ist uns nicht mehr so viel Pessimismus entgegengeschlagen. Im Jahrzehnt 1999 bis 2010 gab es immer eine Mehrheit zwischen 66 und 77 Prozent, die optimistisch gestimmt war. Extrem pessimistisch sind auch die Erwartungen, was das Jahr 2016 bringen wird – und das, obwohl die Aussagen, zu denen die Befragten Zustimmung oder Ablehnung äußern konnten, generell positiv formuliert waren. Wir haben nicht gefragt: Fürchten Sie, dass es zu einem Terroranschlag kommen wird oder Fürchten Sie, dass es mehr Kriege auf der Welt geben wird, erklärt Pfarrhofer. Stattdessen haben wir ausdrücklich gefragt, ob die Steuerreform die Befragten und ihre Familie entlasten würden, erklärt der Sozialforscher. Das Ergebnis ist aber kaum anders als in einer Umfrage aus dem Frühjahr: Damals – kurz vor Beschluss der Steuerreform auf Regierungsebene – wurde den Befragten als Antwortoption vorgeben, dass es für sie und ihre Familie Belastungen, Entlastungen oder keinen persönlichen Effekt geben würde. Je ein Viertel meinten damals, dass es für sie Verbesserungen beziehungsweise Verschlechterungen geben würde – rund die Hälfte der Befragten erwartete keine Änderungen. Ein Dreivierteljahr der Diskussion hat da wenig geändert. Jetzt sagen eben 29 Prozent, dass die Steuerreform sie und ihre Familie entlasten würde – die große Mehrheit meint, das sei nicht der Fall, erläutert Pfarrhofer. Am ehesten seien Anhänger der SPÖ, die die Vorzüge der Reform auf allen ihren Kommunikationskanälen getrommelt hat, positiv gestimmt. Auffallend stark sind die Sorgen bezüglich Terrorismus. 60 Prozent sehen ihn als kaum ein Thema für Österreich. Aber: Vier von zehn Wahlberechtigten sagen, dass es nicht gelingen werde, 2016 Terroranschläge in Österreich zu verhindern. In früheren Umfragen – vor den Attentaten von Paris – konnte Market eine stetig sinkende Sorge vor Terror feststellen. Die Anhänger der Regierungsparteien sind übrigens deutlich zuversichtlicher als andere, dass Terroranschläge ausbleiben werden. Ganz weit oben auf der Liste der Sorgen – beziehungsweise weit unten auf der Grafik, die das jeweilige Thema positiv interpretiert – ist die Umverteilungsfrage. Der STANDARD ließ die Aussage testen die Kluft zwischen Reichen und Armen wird kleiner werden. Dem konnten nur sechs Prozent zustimmen – 94 Prozent gehen davon aus, dass das im Jahr 2016 nicht eintreten wird. In früheren Umfragen hatte Market mit anderer Fragestellung ein ganz ähnliches Ergebnis bekommen: Vor zwei Jahren machten sich 44 Prozent sehr große Sorgen und 44 Prozent etwas Sorgen, dass die Kluft zwischen Arm und Reich weiter auseinandergehen werde. Das geht einher mit großem Wirtschaftspessimismus: Nur 35 Prozent rechnen, dass es im eben begonnenen Jahr wirtschaftlich aufwärts gehen werde. Männer und höher gebildete Befragte sind eher positiv gestimmt – auch hier sind es wieder die FPÖ-Anhänger und die politisch nicht gebundenen Befragten, die besonderen Pessimismus äußern. Nur 14 Prozent meinen, dass es den Gewerkschaften im heurigen Jahr gelingen werde, höhere Lohn- und Gehaltsabschlüsse als bisher durchzusetzen. Finanzminister legt Vorschlag vor, wie automatisches Hinaufrücken in höhere Steuerstufe vermieden werden könnte. Dass etwas gegen das Auffressen der Löhne und Gehälter durch steigende Steuern getan werden muss, da sind sich SPÖ und ÖVP einig: Konkret geht es um die sogenannte Kalte Progression, also um den Effekt, dass durch das stetige Steigen von Gehältern und Löhnen viele Menschen automatisch in höhere Steuerklassen rutschen, obwohl sie sich mit ihrem Geld nicht etwa mehr kaufen können. Seit längerem will die Regierung etwas dagegen unternehmen, dass durch die Kalte Progression der Entlastungseffekt der Steuerreform 2016 aufgefressen wird. Doch wie diese Reform aussehen soll, ist ungewiss. Finanzminister Hans Jörg Schelling schlägt nun vor, dass die Steuerstufen automatisch angepasst werden, sobald die Inflation fünf Prozent oder mehr beträgt. Das berichtete das Ö1-Morgenjournal. Der ÖVP-Minister will sich das Mietrecht zum Vorbild nehmen, auch hier werden die Mieten teilweise angepasst, sobald die Inflation einen bestimmten Wert übersteigt. Laut Schelling würde das rund 400 Millionen Euro kosten. Die SPÖ hat sich bisher strikt gegen einen solchen Automatismus gewehrt. Man wolle sich weiterhin Spielraum bewahren, um bei günstiger Budgetlage auch stärker entlasten zu können als es der Automatismus vorsehen würde, so das Argument. Auch am Freitag kam aus der roten Regierungshälfte wenig Positives zu Schellings Vorstoß. Im Ö1-Mittagsjournal sprach sich Staatssekretärin Sonja Steßl für die stärkere Valorisierung unterer Einkommen aus. Grundsätzlich gab sich Steßl zwar nicht ablehnend, einen Automatismus lehne sie aber ab. Die von ihr gewünschte Begünstigung niedrigerer Einkommen begründete sie damit, dass das Wohnen oder Nahrungsmittel oft einer stärkeren Teuerung unterliegen. Dies betreffe vor allem kleine und mittlere Einkommen. Die Grünen unterstützten die Abschaffung der kalten Progression im System der Einkommensteuer, Knackpunkt ist für sie aber die Finanzierung. Budgetsprecher Bruno Rossmann sprach sich daher in einer Aussendung am Freitag für die Wiedereinführung einer Erbschafts- und Schenkungssteuer aus. Von der ÖVP kam umgehend Ablehnung. Superwahljahr 2015 ließ Ausgaben in die Höhe schnellen – Im September liegen ÖVP, SPÖ und FPÖ nah beieinander. Wien – Österreichs politische Parteien und Institutionen haben 2015 bisher 29 Millionen Euro für Werbung ausgegeben. Grund dafür sind laut dem Marktforschungsunternehmen Focus die Landtagswahlen in Wien, Oberösterreich, Steiermark und Burgenland. 2010 gaben politische Parteien und Institutionen 19 Millionen aus. Damals gab es Wahlen in Wien, Steiermark und Burgenland. Das ist ein Plus von circa 50 Prozent, sagte Focus-Marktforscher Ronald Luisser am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien. Und die Wahlperiode ist noch nicht zu Ende. Ein paar Millionen dürften in der Schlussphase des Wiener Landtagswahlkampfes noch dazukommen. Dabei sind die tausenden Plakatständer in den Focus-Werbewertberechnungen beziehungsweise der ganze September noch gar nicht berücksichtigt. Gravierendste Änderung in der Wahlwerbestrategie in den vergangenen Jahren: Die Werbeausgaben der Parteien werden zunehmend auf das Wahlkampffinale und die letzten zwei Wochen vor einer Wahl konzentriert. Die Werbeschlacht zum Wahltag hin wird immer intensiver. Wir haben eine hohe Anzahl an Unentschlossenen. Da ist es für die Parteien wichtig, in den letzten zwei Wochen vor der Wahl Werbepräsenz zu zeigen, erklärte Focus-Geschäftsführer Klaus Fessel. Und es gibt einen starken Fokus auf die Medienkanäle Print und Außenwerbung. 90 Prozent der Wahlwerbung geht in diese beiden Mediengattungen. Politische Parteien und Institutionen leisten in Wahljahren einen hohen Beitrag zur Werbekonjunktur, erläuterte Luisser. Wir werden dadurch im Jahr 2015 einen Werbeimpuls von etwa fünf Prozent in der klassischen Werbung haben: Jeder 20. Werbeeuro kommt dieses Jahr von politischen Parteien oder politiknahen Institutionen. Besonders der Wien-Wahlkampf lässt die politische Werbung steigen. Stärkste Werber sind laut Focus SPÖ und ÖVP: Die SPÖ gab demnach heuer bisher 9,9 Millionen Euro aus, die ÖVP 9,8 Millionen, die FPÖ 5,3 Millionen, die Grünen 2,8 Millionen, Neos und Team Stronach je 700.000 Euro. Im September rückten die großen Parteien bei den Werbeausgaben zusammen. Die SPÖ gab laut Focus 3,1 Millionen aus, die ÖVP 2,9 Millionen und die FPÖ 2,6 Millionen. Neben Kronen Zeitung und Österreich profitierten – je nach Landtagswahl – vor allem regionale Printmedien von den Werbeaktivitäten der Parteien. Auf die Krone entfielen laut Focus von Jänner bis September 15,2 Prozent der politischen Werbung, auf die Gratiszeitung Österreich 11,3 Prozent, auf die Woche Steiermark 9,5 Prozent, die Oberösterreichischen Nachrichten 8,4 Prozent, die Bezirksrundschau Oberösterreich 7,7 Prozent, Heute 6,0 Prozent, und Kleine Zeitung 5,5 Prozent. Im September, dem Monat vor der Wien-Wahl, gingen über 40 Prozent des Printvolumens an nur drei Zeitungen – Krone, Österreich und Heute. Parteien gaben 2013 zu viel für Wahlkampf aus – Entscheidung über Berufung des Teams Stronach noch offen. Wien – SPÖ und ÖVP haben ihre Geldstrafen wegen Überschreitung der Wahlkampfkostengrenze bei der Nationalratswahl bzw. der niederösterreichischen Landtagswahl 2013 akzeptiert. Wie die Parteien der APA bestätigten, wurden die Strafen mittlerweile bezahlt. Offen ist damit nur noch die Berufung des Team Stronach gegen den Strafbescheid des Parteien-Senats im Kanzleramt. Grundsätzlich gilt für alle Wahlen eine Kostengrenze von sieben Millionen Euro. Die SPÖ hat diese Grenze bei der Nationalratswahl 2013 um exakt 326.874,22 Euro überschritten und musste dafür 15.000 Euro Strafe zahlen. Deutlicher fiel die Überschreitung bei der ÖVP aus, die 4,3 Millionen Euro über dem Limit lag. Auch sie hat die Strafe (300.000 Euro) akzeptiert und bezahlt. Deutlich überzogen hat auch die niederösterreichische ÖVP, die sich allein ihren Landtagswahlkampf 2013 8,9 Millionen Euro kosten ließ (also 1,9 Millionen Euro zu viel) und dafür 100.000 Euro Geldbuße leisten musste. Offen ist damit nur noch die Berufung des Teams Stronach gegen seinen Strafbescheid. Das Team hatte das Limit um 6,7 Millionen Euro überzogen und damit fast das doppelte der zulässigen Wahlkampfkosten ausgegeben. Die Geldbuße von 567.000 Euro wollte man nicht ohne Weiteres hinnehmen. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts gegen die Beschwerde steht nach Angaben der Partei noch aus. Michael Häupl, SPÖ, und Erwin Pröll, ÖVP, wurden beide vor kurzem parteiintern heftig kritisiert. Die politische Legende besagt, die beiden hätten einander so richtig vor gut einem Vierteljahrhundert kennengelernt. Damals saß man nach einem erbitterten Streit zwischen Wien und Niederösterreich ums Geld bei einem Glas Zierfandler aus Gumpoldskirchen zusammen – und noch einem und noch einem. Am Ende des Abends stellten die nahezu gleichaltrigen Politiker Michael Häupl (heute 66, SPÖ) und Erwin Pröll (heute 69, ÖVP) fest: Sie reden gern miteinander. Sie schätzen, mögen einander sogar. Und das Wichtigste: Zusammen sind sie ein Machtfaktor, an dem in Österreich so bald keiner vorbeikommt. Vor seiner Angelobung als Landeshauptmann trug Erwin Pröll einen extratiefen Scheitel, ein frisurentechnisches Phänomen. Die Berater des schwarzen Politikers hatten richtig erkannt, dass diese Frisur und ihr Träger keine politische Zukunft haben könnten, waren aber zu feig, ihm das selber zu sagen. Also schickten sie einen jungen Fotografen vor, dem sie folgenden Satz auftrugen: Ein Landeshauptmann muss eine ehrliche Frisur haben! Pröll ging zum Friseur und wurde 1992 mit Glatze als Landeshauptmann von Niederösterreich angelobt. Der Haarkranz sollte zur Insignie der Macht werden, die in der ÖVP von St. Pölten ausgeht. So wie das eigensinnige Retrobärtchen von Michael Häupl (seit 1994 Wiener Bürgermeister), das signalisiert, dass man das Rathaus zu fragen hat, wenn man im Kanzleramt Erfolg haben will. Immer noch. Pröll und Häupl zelebrieren ihre gelb-blau-rote Freundschaft seit Jahrzehnten höchst erfolgreich über Stadt-, Landes- und Parteigrenzen hinweg. Allein: Zuletzt schwächelten beide Seiten der langerprobten Achse. Pröll hat sich als Präsidentschaftskandidat selbst aus dem Spiel genommen. Der Einfluss, den er seitdem auf die ÖVP und damit auch auf die Bundesregierung ausübt, mag etwas gelitten haben. Bei den Schwarzen sitzt die Enttäuschung über die späte Absage Prölls, dem eine Hofburg-Kandidatur nicht in die Lebensplanung gepasst hat, tief. Andreas Khol ist bestenfalls die zweitbeste Wahl. Pröll ist das nur recht. Auch wenn der Unmut über Prölls egozentrisches Weltbild in der ÖVP intensiv ausgetauscht wird, findet sich niemand, der diesen auch öffentlich vorträgt. Zu stark ist nach wie vor die Macht des Niederösterreichers – und die Wucht, mit der er seinen Launen und dem Unmut, wenn sich dieser einmal angestaut hat, freien Lauf lassen kann, ist legendär. Das verbindet Pröll mit dem Wiener Bürgermeister. Auch dessen polternde Art ist weithin gefürchtet. Dennoch erdreisteten sich nach dem jüngsten Asylgipfel einige Wiener Stadträtinnen, dem Bürgermeister in die Parade zu fahren. Renate Brauner, Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger stemmten sich unisono gegen Obergrenzen für Flüchtlinge – die Häupl zuvor beim Gipfel, wenn auch unter dem Synonym Richtwerte, mitbeschlossen hatte. Obwohl man sich wenige Tage später bei einem internen Treffen auf dem Kahlenberg wieder versöhnte, ging eine Schockwelle durch die SPÖ. War dies der Startschuss für die Demontage des mächtigen alten Herrn von Wien, bahnt sich hier etwa, in zufälliger Parallele zu St. Pölten, auch ein Generationswechsel in Wien an? So simpel ist es freilich nicht. Häupl schwächelt – schwach ist er nicht. Seine passive Haltung nach dem Asylgipfel erklärt sich auch aus einer Verkettung unglücklicher Zufälle. Aufgrund eines grippalen Infekts konnte der Wiener Bürgermeister an der SPÖ-internen Vorbesprechung nicht teilnehmen. Daraufhin lud das Kanzleramt den burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl ein – Häupls Gegenpol in der Flüchtlingsfrage. Die Weichen für die Obergrenzen waren gestellt. Häupl wusste, er hätte stärker dagegenhalten müssen. Er, der bereits zwei Wahlen mit akzentuierter Anti-FPÖ-Linie für sich entschieden hat, ist überzeugt, dass der SPÖ ein Einschwenken auf die blaue Linie nichts bringt. Die sogenannten Tangentenbezirke, jene rot regierten Bezirke entlang der Wiener Stadtautobahn Südosttangente, wo die FPÖ stark ist, sehen das anders. Längst sind sie mit Häupls Kurs in der Ausländerfrage ebenso wie mit seiner rot-grünen Koalition nicht zufrieden. So ist auch die jüngste Wortmeldung des von diesen Bezirken unterstützten Wiener Wohnbaustadtrats Michael Ludwig zu verstehen, der die grüne Willkommenskultur geißelte – gemeint hat er in Wahrheit auch die rote des Michael Häupl. Ludwig und seine Unterstützer stehen Gewehr bei Fuß, um post Häupl dem Niesslschen Beispiel zu folgen. Genau das will Häupl verhindern. Allein: Ihm steht seine Loyalität zum situationselastischen Werner Faymann im Wege. Nicht, dass er ihn für den Besten im Kanzleramt hielte. Aber: Es gibt keinen Besseren, pflegte er bis dato Kritik am Kanzler wegzufegen. Das hat wohl auch damit zu tun, dass Häupl Faymanns Macher war – und dass mächtige ältere Herren ungern zugeben, wenn sie sich geirrt haben. Dazu kommt, dass die nächste Wahl schon wieder vor der Tür steht – in diesem Fall die Bundespräsidentenwahl. Wer den parteiinternen Frieden stört, wird für etwaiges schlechtes Abschneiden des eigenen Kandidaten (in dem Fall noch dazu des Wieners Rudolf Hundstorfer) verantwortlich gemacht. Häupl geht Loyalität über alles – er wird sich hüten, gerade jetzt eine Dolchstoßlegende zu schaffen. Doch nach der Wahl, so meinen Insider, sei alles möglich – vor allem dann, wenn Hundstorfer nicht gewinne oder, worst case aus roter Sicht, nicht in die Stichwahl komme. Mit Häupl ist dann jedenfalls wieder zu rechnen. Und auch Pröll hat klar deponiert, dass er noch nicht fertig ist. Er hat dies auch bei Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner angesprochen. Und bei ein paar Vertrauten, die darauf pochen, sogar schon ein paar Tage früher als Mitterlehner Bescheid bekommen zu haben. Dass Sebastian Kurz in den Plänen, die Pröll für die Zukunft der Partei entworfen hat, eine entscheidende Rolle spielt, ist in der ÖVP ein offenes Geheimnis. Pröll hält Kurz für ein Ausnahmetalent, will den 29-Jährigen aber nicht kurzfristig verheizen, also sind die Pläne eher mittel- bis langfristiger Natur. Quasi Hofübergabe in der ÖVP. Es ist offensichtlich, dass sich Kurz durch das Vertrauen, das Pröll ihm entgegenbringt, geschmeichelt fühlt, und er tut gut daran. Pröll beherrscht das: Leuten durch seine Gunst Bedeutung verleihen. Er kann Gunst und Bedeutung auch wieder entziehen. Pröll verlässt sich auf sein Netzwerk, das er sehr sorgfältig geknüpft hat und das weit über die Parteikreise hinausreicht. Michael Häupl spielt da zweifellos eine wichtige Rolle. Mit Werner Faymann hält Pröll Kontakt – weil der eben Bundeskanzler ist und Pröll ihn lieber einbindet als ausschließt. Herzlich ist dieser Kontakt aber nicht, eher der Sache geschuldet. Und die Agenda ist aus Prölls Sicht klar: Er lebt den Föderalismus, im Kleinen wie im Großen. Nur vor Ort könne man wissen, was und wie es die Menschen brauchen. Und in Niederösterreich ist Pröll nahezu allgegenwärtig. Er weiß es also, davon ist er überzeugt. Das betrifft Behördenstrukturen ebenso wie das Gesundheitssystem und den Schulbereich. Dass die Landeslehrer (die vom Bund bezahlt werden) auch formal zum Bund wandern könnten, wird Pröll zu verhindern wissen. Bei Lehrern und Direktoren geht es um zu viel Macht und Posten, als dass die Länder dieses Feld dem Bund überlassen würden. Hier macht es Pröll taktisch geschickter als sein Freund Häupl, der sich von Faymann immer wieder einbinden lässt, um Loyalität zu erzwingen, für die es freilich keine Garantie gibt. Und zwar vice versa: Auch Häupl kann sich nicht darauf verlassen, dass das, was heute Parteilinie ist, morgen noch gilt. Das ist die Zwickmühle, aus der sich Häupl befreien muss. Pröll hält sich die Seinen im Bund dagegen immer schon um eine Armlänge auf Distanz, mindestens. Er ist sein eigenes Reich. Noch. Wie die SPÖ eine Fotoshow zum 1. Mai zeigte und dann plötzlich wieder verschwinden ließ. Wien – Der 1. Mai lief für die SPÖ ja nun nicht ganz so, wie sich eine stolze Sozialdemokratie ihr Hochamt wünschen würde. Und das lag nicht daran, dass am Sonntag, dem Tag der Arbeit, an dem in Wien traditionell roter Maiaufmarsch vor das Rathaus am Ring angesagt ist, das Wetter nicht prachtvoll, sondern eher mau war. Nein, es begab sich, dass aus der roten Basis vor der Tribüne mit der SPÖ-Parteiprominenz just bei der Rede des Bundeskanzlers, der auch die SPÖ anführt, gebuht wurde. Werner Faymann wurde aber nicht nur hörtechnisch mit Missmut konfrontiert, auch optisch war sichtbar, dass ein Gutteil der roten Marschierenden nichts lieber hätte als einen anderen Parteivorsitzenden. Da gab es Transparente mit der Aufschrift Putzt euch, und macht Platz für die echten SozialdemokratInnen oder Notstand: Rote, die blaue Politik machen. Immerhin, tröstlich für den SPÖ-Chef, es gab auch rot unterlegte Schilder mit der Aufschrift Werner, der Kurs stimmt. Insgesamt also nicht nur Stoff für schöne Bilder vom Maiaufmarsch in Wien – es sei denn, man klickte sich durch eine Fotoshow, die die SPÖ-Bundesorganisation, die sich über rund 80.000 Besucherinnen und Besucher freute, am Sonntag auf das Fotoportal Flickr stellte. Mit lauter schönen Bildern. Das irritierte dann doch ein paar Menschen, die entweder via Selbstanschauung vor Ort oder aber über diverse andere Medien ein etwas anderes Bild der Lage vermittelt bekommen hatten. Da war nicht alles Friede, Freude und rot glasierter Eierkuchen. Kann diese OTS als Abschiedsmeldung und als letzter Inszenierungsversuch auf flickr gewertet werden? https://t.co/7Mpu1mFLqs #SPÖ Flickr-Fotos zeigen nur Pro-Faymann-Schilder. Die SP blendet die Realität völlig aus, warum @eulerrolle? Wozu? https://t.co/fzRvpDJWPt Und schwups war die etwas zu selektiv geratene Fotoauswahl über die SPÖ-Vorführung im Rahmen des 1. Mai wieder verschwunden. Flickr meldet nur noch Error 404: Seite nicht gefunden. SPÖ-Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle ließ via Twitter wissen: @DennisBeck_w Nicht wundern, Album wurde gelöscht. Diese Fotoauswahl war so nicht zur Veröffentlichung bestimmt. Ein Foto konnte für die Nachwelt allerdings gerettet werden. Hier ist es: Dieses Foto kann nicht gelöscht werden. Eine Schönheit. pic.twitter.com/ue3xmwdnh4 ATV-Klartexter Martin Thür hat Klarsicht bewiesen und diese Schönheit aus dem roten Bilderreigen schnell genug gespeichert. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner ist skeptisch ob eines roten "Quereinsteigers". Für den Nachfolger von Werner Faymann hat die Volkspartei in Salzburg drei rote Linien vorgegeben. Der rote Wunschkandidat, ÖBB-Chef Christian Kern, ist für die Schwarzen "ein sehr teurer Manager". Wenn Al Jazeera und ZDF zum Ministerrat kommen, dann ist etwas passiert. Nach dem Rücktritt von Werner Faymann am Montag war der Medienrummel im Bundeskanzleramt am Dienstag besonders groß. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wurde vom Bundespräsidenten mit den Amtsgeschäften des Kanzlers betraut, bis ein Nachfolger gefunden ist. Nach dem Ministerrat trat Mitterlehner solo vor die Presse und nannte einige Wünsche an den nächsten Kanzler – beim Parteivorstand in Salzburg wurden diese präzisiert. Nach der dreistündigen Sitzung bestätigte Mitterlehner die Darstellung des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll. Für eine weitere Zusammenarbeit mit der SPÖ stellt die ÖVP drei Bedingungen: Alle Anwesenden hätten sich im Parteivorstand dafür ausgesprochen, derzeit keine Neuwahlen anzustreben, so Mitterlehner. Man wolle den SPÖ-Personalvorschlag abwarten. Einen Quereinsteiger sah Mitterlehner am Abend in der ZiB 2 allerdings mangels Regierungserfahrung und Teilhabe an der Verhandlung des Regierungsprogramms skeptisch. Daher wollen wir uns ansehen, wer das ist, und für was er steht, sagte der Vizekanzler im ORF zu der anstehenden Personalentscheidung beim Koalitionspartner SPÖ. Mitterlehner gab zu bedenken, dass es beim Amt des Kanzlers um eine andere Qualität gehe als etwa bei einem Ministeramt. In den letzten 30 Jahren habe der Bundeskanzler zuvor stets Regierungsverantwortung innegehabt, bevor er dieses Amt bekleidete. Ich glaube, dass es für einen Quereinsteiger nicht so einfach ist, dass man das von heute auf morgen machen könne, so Mitterlehner. Denn ein Quereinsteiger habe ja etwa das Regierungsprogramm nicht mitverhandelt. Indirekte ... Auf die Frage, ob er den wohl aussichtsreichsten Kandidaten – ÖBB-Chef Christian Kern und Medienmanager Gerhard Zeiler – ihre Qualifikation abspreche, wollte Mitterlehner nicht direkt antworten. Ich würde mir einmal die Entscheidung anschauen und das dann bewerten. Es geht weniger darum, dass wir die Person infrage stellen. Die ÖVP wolle sich die Entscheidungen einmal anschauen und uns mit Inhalten auseinandersetzen, sagte Mitterlehner. Seine Partei wolle wissen, was der oder die Neue bringt. Denn die inhaltliche Frage sei die entscheidende, betonte der Vizekanzler. Da steht uns schon zu, das jetzt ins Spiel zu bringen, sprach Mitterlehner seine Forderungen – etwa die Fortführung des eingeschlagenen strikteren Kurses in der Flüchtlingsfrage – an. Sollte der neue SPÖ-Chef von diesem Kurs abweichen, würde das Gesprächsbedarf ergeben: Sagt uns jetzt der neue Kanzler, er möchte eine ganz andere Linie haben, ist das für uns sicher ein Grund für Beratungen. Hier gibt es wenig Verrückbares aus unserer Sicht, wenig Bewegliches, betonte Mitterlehner – und drohte damit indirekt dann doch mit Neuwahlen. ... und direkte Kritik an Kern Unverblümte Kritik an einem der roten Kandidaten überließ Mitterlehner am Mittwoch Klubobmann Reinhold Lopatka. Im Ö1-Morgenjournal bezeichnete dieser den derzeitigen ÖBB-Chef als sehr teuren Manager. Als Kern 2010 seinen Job als ÖBB-Chef angetreten ist, habe der Zuschussbedarf der ÖBB 3,7 Milliarden Euro betragen. In der Zwischenzeit sei er auf über fünf Milliarden angestiegen. Kern habe höhere Gehaltsabschlüsse als im öffentlichen Dienst und eine Reduzierung der Arbeitszeit zu verantworten, hielt der ÖVP-Klubobmann dem möglichen neuen SPÖ-Vorsitzenden und Bundeskanzler entgegen. Der niederösterreichische SPÖ-Vorsitzende Matthias Stadler wies diese Kritik ebenfalls im Ö1-Morgenjournal zurück. Der Bürgermeister von Sankt Pölten wollte sich nicht auf solche Spielereien einlassen und sich nicht auf dieses Niveau begeben. Darüber hinaus hielt er fest, dass sich die SPÖ in der Vergangenheit auch nicht die Obmänner der ÖVP ausgesucht habe. Dass auch in der ÖVP personelle Veränderungen anstehen könnten, ist nach Bekunden Mitterlehners kein Thema. Eine Sicht, die auch Salzburgs ÖVP-Chef und Landeshauptmann Wilfried Haslauer im Presse-Interview teilt. Trotzdem werden auch in der Volkspartei bereits Pläne für die Zeit nach Mitterlehner geschmiedet. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder erteilte dem ÖVP-Forderungskatalog im ORF-Report eine Absage: Solche Vorgaben wären der Stil von Wolfgang Schüssel, und das wollen wir auf keinen Fall haben. Die SPÖ fordere auch nicht zum jetzigen Zeitpunkt etwa ein Nein zu TTIP. Wie lange Mitterlehner mit den Kanzlergeschäften betraut ist, hängt vor allem davon ab, bis wann die SPÖ einen Kanzler findet. Die Verfassung sieht kein automatisches Ende der Tätigkeit eines Vizekanzlers vor, der interimistisch übernimmt, sagt Verfassungsrechtler Theo Öhlinger zum STANDARD. Für den theoretischen Fall, dass Mitterlehner zurücktritt, gibt es keine spezielle Regelung. Das müsste dann der Bundespräsident übernehmen, sagt Öhlinger. Mitterlehner scheint sich mit seinen jetzigen Amtsgeschäften recht wohlzufühlen. Häupl sagt, er will mich das nicht sechs Wochen machen lassen. Schauen wir uns das an, sagte er in Bezug auf den aktuellen SPÖ-Chef Michael Häupl, der mit einem Team Faymanns Nachfolger finden soll. Die Steiermark könne Vorbild sein, meinte Mitterlehner schmunzelnd: Dort war 2015 zwar die SPÖ stimmenstärkste Partei, den Landeshauptmannsessel bekam dann aber die Volkspartei. Volkspartei diskutiert Szenarien, Neuwahlen will aber niemand anzetteln. Wien – Es ist die Zeit der politischen Planspiele – auch in der ÖVP. Die zwei naheliegenden Fragen rund um das kurzfristig einberufene Treffen des Bundesparteivorstandes in Salzburg Dienstagnachmittag: Neuwahlen? Und: Wie geht es personell an der Spitze der Volkspartei weiter? Neuwahlen will in der ÖVP niemand. Auch wenn Vorarlbergs Landeshauptmann Markus Wallner von einer 50:50-Wahrscheinlichkeit spricht, die deutliche Mehrheit der schwarzen Granden spricht sich gegen vorgezogene Nationalratswahlen aus – allen voran der steirische Landeschef Hermann Schützenhöfer und der Oberösterreicher Josef Pühringer. Auch Wirtschaftsbund-Obmann Christoph Leitl ist dezidiert gegen Neuwahlen, sagte er vor dem Parteivorstand. Ein Personalwechsel an der Spitze der Bundespartei steht offiziell auch nicht zur Debatte. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll sieht keinen Grund für eine personelle Änderung, nur weil die SPÖ jemand austauscht. Planspiele der jungen Schwarzen In den verschiedenen Planspielen sieht die Sache freilich schon ganz anders aus. Da werden Ideen für die Zeit nach Reinhold Mitterlehner gewälzt. In der Jungen Volkspartei (JVP) werden bereits Szenarien für die Nachfolge von Außenminister und derzeit auch JVP-Chef Sebastian Kurz durchgespielt. Denn: Würde er den Chefsessel in der Mutterpartei einnehmen, bräuchte die Jugend einen neuen Obmann. Kurz soll zwar in der Vergangenheit mehrfach betont haben, die Bundesparteiführung noch nicht übernehmen zu wollen – allerdings vor allem, solange Werner Faymann sein Gegenüber gewesen wäre, heißt es aus seinem Umfeld. Insbesondere wenn ÖBB-Chef Christian Kern SPÖ-Vorsitzender werden sollte, wird in der Volkspartei befürchtet, dass der Koalitionspartner Aufwind bekommt. Dem müsste man etwas entgegnen. Zwar hat auch die ÖVP von ihrem letzten Obmannwechsel profitiert – damals war die Rede vom Django-Effekt –, doch das liegt nun bereits eineinhalb Jahre zurück. Einem starken Kandidaten wie Kern müsste die Volkspartei also Nachwuchshoffnung Kurz gegenüberstellen, wird in ÖVP-Kreisen diskutiert. Dem Vernehmen nach wäre der in dieser Konstellation auch bereit, das Zepter zu übernehmen. Pühringer-Nachfolge Ein Indiz für eine mögliche schwarze Rochade könnte auch eine eben wieder aufkeimende Diskussion in der oberösterreichischen ÖVP sein. Dort mehren sich dem Vernehmen nach die Stimmen jener, die sich Reinhold Mitterlehner als Nachfolger von Landeshauptmann Pühringer wünschen. Für Mitterlehner wäre dies ein elegantes Exitszenario, sollte es auf schwarzer Bundesebene noch turbulenter werden. Hinzu kommt, dass es in der oberösterreichischen Volkspartei noch große Zweifel gibt, ob der eigentlich als Pühringer-Nachfolger aufgebaute Landesrat Thomas Stelzer tatsächlich dem Amt gewachsen wäre. Vorwurf: 150.000 Euro Klubförderung nicht korrekt verwendet – Abgeordnete rechtfertigen sich: "War kurzfristiges Darlehen an Unternehmer". Klagenfurt – Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt ermittelt gegen zwei Kärntner BZÖ-Politiker. Wie die Kleine Zeitung in ihrer Dienstagsausgabe berichtet, besteht der Verdacht des Förderungsmissbrauchs: 150.000 Euro Klubförderung sollen nicht sachgemäß verwendet worden sein. Die BZÖ-Abgeordneten weisen die Vorwürfe zurück. Konkret hat die Staatsanwaltschaft Wilhelm Korak und Johanna Trodt-Limpl im Visier, die beiden Mitglieder der Interessengemeinschaft BZÖ im Kärntner Landtag. Auf APA-Anfrage rechtfertigte sich Korak: Die 150.000 Euro habe man verwendet, um einem Kärntner Autohändler mit einem zinslosen Darlehen kurzfristig unter die Arme zu greifen – der habe das Geld auch schon lange wieder zurückgezahlt. Ich kann mir nicht erklären, was daran verwerflich sein soll, wenn man einer Firma hilft, bei der fünf Arbeitsplätze auf dem Spiel stehen. Noch dazu ist dabei überhaupt kein Schaden entstanden, sagte Korak. Der Autohändler habe im Herbst 2015 während einer Umbauphase Geld benötigt. Das Darlehen des BZÖ sei nie in Gefahr gewesen, so Korak: Wir haben uns das natürlich genau angeschaut und gesehen, dass das Unternehmen finanziell nicht schlecht dagestanden ist, es erwartete sogar eine Rückzahlung vom Finanzamt, die mehr als die 150.000 Euro ausgemacht hat. Auf die Frage, ob denn der Autohändler keinen Kredit bei einer Bank bekommen hätte, sagte Korak: Das wäre natürlich möglich gewesen, hätte aber zu lange gedauert. Einen Monat nach dem Darlehen habe das Unternehmen die 150.000 Euro auch wieder zurückgezahlt. Dass es trotzdem ungewöhnlich sei, dass eine politische Partei als Kreditgeber auftritt, gibt Korak zu: Doch wenn man auf die Wirtschaftlichkeit schaut, muss man hin und wieder Wege gehen, um einer Firma und den Mitarbeitern zu helfen. Damit gegen Korak und Trodt-Limpl weiterermittelt werden kann, wurde ein Auslieferungsantrag gestellt, über den der Kärntner Landtag entscheiden muss. Bei der Sitzung am Donnerstag steht dieser Antrag noch nicht auf der Tagesordnung. Wenn es soweit ist, werden die beiden BZÖ-Politiker ihrer Auslieferung zustimmen, kündigten sie an. Fehlerhafte Bilanz 2013, Partei will berufen – Keine Strafe wegen Wahlkampffinanzierung durch Parlamentsklub. Wien – Das BZÖ ist als erste Partei zu einer Geldbuße wegen eines unrichtigen Rechenschaftsberichtes verurteilt worden. Weil in der Bilanz für das Jahr 2013 keine Angaben zur niederösterreichischen Landespartei gemacht wurden, verhängte der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) im Kanzleramt 15.000 Euro Strafe. Die Partei will berufen und fehlende Unterlagen nachliefern. Dass die Finanzen des niederösterreichischen BZÖ im Rechenschaftsbericht 2013 fehlen, ist Folge parteiinterner Wirren: Nach dem Ausschluss des EU-Abgeordneten Ewald Stadler gab die Landespartei ihre Selbstauflösung bekannt, die Bundesspitze kündigte daraufhin einen Neustart an. Zwar erfolgte die Auflösung nach Ansicht des Senats im Kanzleramt nicht statutenkonform. Dennoch steuerte die alte Landespartei für die Parteibilanz 2013 keine Unterlagen bei, bei der neuen Landespartei gab es 2013 keine Finanzbewegungen zu vermelden. Der Rechnungshof wertete das Fehlen der Niederösterreicher jedenfalls als Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht – was nun auch der Senat so sah und eine Geldbuße verhängte. Allerdings wurde der mögliche Strafrahmen von bis zu 30.000 Euro für fehlerhafte Rechenschaftsberichte nur zur Hälfte ausgeschöpft. BZÖ-Chefin Johanna Trodt-Limpl kündigte auf APA-Anfrage Berufung an: Wir werden das beeinspruchen und die Unterlagen nachbringen. Apropos: Auch die bereits fällig gewesene Bilanz für 2014 will die Partei noch nachliefern. Nicht weiter nachgegangen ist der Rechnungshof dem Vorwurf, das BZÖ habe Teile des Nationalrats-Wahlkampfes 2013 verbotenerweise durch den Parlamentsklub finanziert. Dem Senat wurde lediglich mitgeteilt, dass die Vorwürfe mangels originärer Einschau- und Prüfungsrechte nicht entkräftet werden konnten. Dieser stellte das Verfahren daraufhin ein. Damit bleibt dem BZÖ, wie zuvor schon der FPÖ, eine Strafe wegen verbotener Wahlkampffinanzierung durch den Parlamentsklub erspart. Die Entscheidung bezüglich ähnlicher Vorwürfe gegen die SPÖ dürfte dieser Tage folgen. Bereits beim Bundesverwaltungsgericht anhängig ist die Berufung des Teams Stronach gegen die 567.000 Euro Geldstrafe wegen Überschreitens der Wahlkampfkosten-Obergrenze bei der Nationalratswahl 2013. Die Volkspartei muss 300.000 Euro Strafe zahlen. Auch die Sozialdemokraten haben die Obergrenze bei der Nationalratswahl überzogen, die Geldbuße liegt bei 15.000 Euro. Wien – Die SPÖ soll wegen Überschreitung der Kostengrenze im Nationalratswahlkampf 2013 insgesamt 15.000 Euro zahlen. Die Geldbuße für die ÖVP wird 300.000 Euro betragen. Das hat der Parteien-Senat im Kanzleramt festgelegt. Ob die Parteien berufen werden, ist offen. Aus Formalgründen eingestellt wurden Verfahren wegen mutmaßlich illegaler Wahlkampffinanzierung durch Parlamentsklubs. Ungemach drohen könnte der SPÖ noch wegen der unvollständigen Liste ihrer Parteifirmen. Erlaubt gewesen wären der SPÖ bei der Nationalratswahl Wahlkampfkosten von sieben Millionen Euro – geworden sind es um exakt 326.874,22 Euro mehr. Mit der nun verhängten Geldbuße hat der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat im Kanzleramt den möglichen Strafrahmen von zehn Prozent der Überziehungssumme nicht ganz zur Hälfte ausgeschöpft. Ob die SPÖ bezahlen oder Berufung einlegen wird, lässt die Partei auf Anfrage offen. Sie hat dafür vier Wochen Zeit. Das Team Stronach hat gegen seine Geldbuße (567.000 Euro bei 13,5 Millionen Euro Wahlkampfkosten) bereits berufen. Ungemach drohen könnte der SPÖ noch, weil auf der dem Rechnungshof gemeldeten Liste ihrer Parteiunternehmen vier Firmen fehlten. Irrtümlich, wie die SPÖ versichert. Der Senat will vor einem Urteil noch klären, wie der Irrtum zustande kam, wen eine allfällige Geldbuße also treffen würde. Mutmaßlich illegale Wahlkampffinanzierung roter Parlamentsklubs hat der Senat inhaltlich nicht geprüft, sondern die Verfahren aus Formalgründen eingestellt. So hat die Kärntner SPÖ einen Teil ihres Landtags-Wahlkampfes 2013 über den Landtagsklub abgerechnet und damit die besonders strenge Kärntner Wahlkampfkostengrenze unterlaufen, obwohl das Parteiengesetz Spenden der Klubs an die Parteien untersagt. Ähnliche Pläne hegte auch die Bundes-SPÖ vor der Nationalratswahl, bezahlte die ursprünglich beim Parlamentsklub angesiedelte Plakatkampagne nach Protesten der Grünen aber selbst. In beiden Fällen hat der Senat das Verfahren, wie zuvor schon bei FPÖ und BZÖ, eingestellt. Ein vom Rechnungshof übermittelter Medienbericht über die Vorwürfe gegen die Kärntner SPÖ genügte dem Senat nicht für ein Bußgeld-Verfahren. Und im Fall der Bundes-SPÖ reichte dem Senat die bloße Mitteilung des Rechnungshofes, die bereits bekannten Vorwürfe nicht entkräften zu können, ebenfalls nicht aus. Akzeptiert wurden vom Senat die vom Rechnungshof kritisierten Umgehungskonstruktionen, mit denen mehrere rote Vorfeldorganisationen – allen voran Pensionistenverband und Fraktion Sozialdemokratischer Gewerkschafter (FSG) – den Regeln des Parteiengesetzes entkommen wollten. Sie haben zusätzliche Vereine zwischen sich und die Partei geschaltet, gelten damit formal nicht mehr als Vorfeldorganisationen und könnten damit etwa Einnahmen aus Spenden und Inseraten unter Verschluss halten. Auch die ÖVP hat den Bescheid des Parteien-Transparenz-Senats bereits erhalten. Die verhängte Geldbuße wegen Überschreitung der Wahlkampfkosten soll 300.000 Euro betragen. Insgesamt hatte die ÖVP 11,2 Millionen Euro an Wahlkampfkosten ausgeben, also rund 4,2 Millionen Euro mehr als eigentlich zulässig. Die ÖVP will das Urteil erst einmal genau prüfen. Vom Tisch sein sollen hingegen diverse vom Rechnungshof beanstandete Mängel beim Rechenschaftsbericht, wie etwa die mögliche Nichteinbeziehung von Gliederungen der Partei und die Unvollständigkeit der Liste der Beteiligungsunternehmen. Die Wahlwerbungsausgabenüberschreitung sei unter anderem auf die komplexe Partei-Struktur zurückzuführen, hatte die ÖVP bereits zuvor argumentiert. Obwohl der Bescheid der ÖVP bereits zugestellt wurde, ist er noch nicht auf der Website des Bundeskanzleramts veröffentlicht worden. Dies dürfte erst in der kommenden Woche geschehen. Allein die ÖVP muss 400.000 Euro Strafe zahlen. Bescheide des Transparenzsenats zeigen, welche Gesetzeslücken es gibt. Wien – Der erste Durchgang ist absolviert. Alle Parlamentsparteien halten spätestens seit Montag Bescheide des im Kanzleramt angesiedelten Unabhängigen Parteien-Transparenzsenats in Händen, der ihnen schwarz auf weiß zeigt, ob beziehungsweise wo es Verfehlungen in Sachen Transparenz bei den jüngsten Wahlkämpfen gab. Der STANDARD gibt einen Überblick über die Bescheide und zeigt auch die Schwächen im neuen Gesetz auf. Zunächst: Wegen Überschreitung des Wahlkampfkostenlimits von sieben Millionen Euro müssen SPÖ, ÖVP, Team Stronach und BZÖ Geldstrafen zahlen (die Sprüche sind aber noch nicht rechtskräftig). Den Verfahren vor dem Transparenzsenat gehen Meldungen vom Rechnungshof (RH) voraus. Die dortigen Prüfer beklagen aber, dass ihre Arbeit im Wesentlichen auf die Entgegennahme, formale Kontrolle und Veröffentlichung der von den Parteien gemeldeten Informationen beschränkt ist. Zusammensetzung unklar Ein Beispiel: Der Rechnungshof hätte gern gewusst, wie sich die Beträge für die Wahlwerbung zusammensetzen (also zum Beispiel Folder, Inserate, Geschenke, Kinospots etc.). Der Transparenzsenat hielt aber fest, dass die Parteien dies laut Gesetz nicht müssen. Es reicht die Meldung einer Summe (die von einem Wirtschaftsprüfer bestätigt werden muss). Wenn der Rechnungshof Zweifel hätte (die aber mangels Einblick in die Bücher schwer begründbar wären), könnte er einen zweiten Wirtschaftsprüfer einschalten. Der Grüne Dieter Brosz kritisiert die extrem formalistische Auslegung der Gesetze durch den Transparenzsenat und den RH. Das ist fast schon Sabotage. Damit ist aber auch klar, dass wir die Gesetze nachschärfen müssen. Die Prüfer müssten auch in die Bücher einsehen können. Ähnlich wie der Parteienfinanzexperte Hubert Sickinger plädiert auch Brosz für die Schaffung von Straftatbeständen bei Verletzung des Parteiengesetzes – vergleichbar mit Deutschland. Die Grünen würden jedenfalls entsprechende Gesetzesanträge vorbereiten, sagte Brosz. Moser für Kontrollrechte bei Parteien und gegen Bagatellgrenze bei Inseratenaufträgen. Wien – Rechnungshofpräsident Josef Moser hat am Donnerstag neuerlich echte Kontrollrechte gegenüber den Parteien gefordert. Außerdem plädierte Moser im Rechnungshofausschuss des Nationalrats für eine Nachschärfung des Medientransparenzgesetzes. Die Koalitionsparteien sagten laut Parlamentskorrespondenz Gespräche auf Ebene der Klubobleute zu. Die Unzufriedenheit Mosers mit dem 2012 beschlossenen Transparenzpaket ist nicht neu. Er stößt sich insbesondere daran, dass der Rechnungshof die Rechenschaftsberichte der Parteien prüfen muss, ohne aber in deren Finanzen Einblick nehmen zu dürfen. Bei Unklarheiten muss er sich mit Rückfragen bzw. der Beauftragung von Wirtschaftsprüfern begnügen. Sollte weiterhin Interesse an der Kontrolle der Parteibilanzen bestehen, dann sollte dies zumindest mit originären Einschau- und Prüfungsrechten verbunden werden, sagte Moser nun im Parlament. Kritik übte er auch an fehlenden Sanktionen für nicht übermittelte Rechenschaftsberichte. Und bei Parteispenden sieht Moser Umgehungsmöglichkeiten durch Splitting in kleinere Einzelbeträge. Beim Medientransparenzgesetz forderte Moser das Überdenken der Bagatellgrenze von 5.000 Euro pro Quartal und Medium: Grundsätzlich müssen öffentliche Unternehmen und Behörden ihre Inseratenaufträge offenlegen. Wird die Bagatellgrenze unterschritten, kann die Offenlegung jedoch unterbleiben. In Prüfungen zu dem Thema hat der Rechnungshof festgestellt, dass damit ein Drittel bis zur Hälfte der öffentlichen Werbemaßnahmen nicht in den entsprechenden Listen der Medienbehörde KommAustria aufscheinen. Die Opposition forderte daher Nachbesserungen beim Transparenzpaket. Die Vertreter von SPÖ und ÖVP im Ausschuss, Elmar Mayer und Hermann Gahr, zeigten sich für Änderungen offen und traten für diesbezügliche Gespräche auf der Ebene der Klubobleute ein. Nach den Urnengängen im Burgenland und in der Steiermark tun sich diverse Koalitionsvarianten auf. DER STANDARD verschafft den Überblick. Nach dem Wahlsonntag mit den enormen Zuwächsen für die FPÖ wird jetzt sowohl im Burgenland als auch in der Steiermark sondiert, um Koalitionen zu schmieden. DER STANDARD bringt die möglichen Varianten im Überblick, dazu die bereits erfolgten Absagen. Nach den roten Verlusten von sechs Prozent will Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) mit allen Parteien, auch den Freiheitlichen, Gespräche führen, bevor er konkrete Koalitionsverhandlungen aufnimmt. Der Landesparteivorstand würde auch eine rot-blaue Koalition einstimmig mittragen, hat Niessl schon versichert. Das heiße aber nicht, dass man eine solche auch anstrebt. ÖVP-Chef Franz Steindl will auch mit den anderen Parteien sondieren. Rechnerisch gingen sich im östlichsten Bundesland vier verschiedene Bündnisse aus. Allerdings: Die grüne Spitzenkandidatin Regina Petrik hat für ihre Partei noch am Wahlabend eine Koalition mit der FPÖ und der Liste Burgenland ausgeschlossen, denn: Letztere sei immerhin eine FPÖ-Abspaltung, so ihre Begründung. Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) würde nach den dramatischen Einbrüchen für Rot und Schwarz am liebsten die Reformpartnerschaft mit Hermann Schützenhöfer (ÖVP) fortsetzen. Allerdings erhält der schon prominente Unterstützung, wie etwa von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka, dass er Verhandlungen mit den Blauen aufnehmen soll. Denn so könnte Schützenhöfer Landeshauptmann werden. Er selbst hat sich noch nicht so eindeutig zur Zusammenarbeit bekannt wie Voves. Dafür hielt Schützenhöfer fest: Es solle niemand glauben, dass der Erstplatzierte automatisch Anspruch auf den Landeshauptmann habe, allerdings gelte das auch für den Zweiten. Die Frage stelle sich am Ende der Verhandlungen. Rechnerisch gibt es drei Koalitionsoptionen: Eine Koalition mit der FPÖ wird es für die SPÖ aber nicht geben, hielt Voves am Montagabend ausdrücklich fest, nachdem sich die roten Gremien mit dem Wahlergebnis beschäftigt hatten. Die SPÖ bleibt dabei: Keine Koalition mit der FPÖ im Bund. Neuer Bundesgeschäftsführer könnte erst Anfang Juli feststehen. Wien – Nicht unerwartet hat das SPÖ-Präsidium zu den Folgen von Rot-Blau im Burgenland keine wesentlichen Ergebnisse gebracht. Die SPÖ legte sich bloß ein weiteres Mal fest, dass es auf Bundesebene keine Koalition mit den Freiheitlichen geben soll. Die Nachfolge von Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos blieb ungeklärt. Parteichef Werner Faymann nannte nach dem rund dreistündigen Präsidium auch bloß eine Deadline, bis wann die Besetzung der Bundesgeschäftsführung geklärt sein soll: Spätestens beim nächsten Bundesparteivorstand am 3. Juli will der SPÖ-Chef seinen Personalvorschlag unterbreiten. Blümel kritisiert SPÖ ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel forderte den Regierungspartner SPÖ am Dienstag auf, ihre internen Probleme schnellstmöglich zu lösen. Die rot-blaue Koalition entpuppe sich offensichtlich immer mehr als innerparteiliches Dilemma der SPÖ – eine Partei, die eigene Beschlüsse nicht umsetzt und Linien nicht einhält, heißt es in einer ÖVP-Presseaussendung. Bezeichnend sei, dass es der SPÖ nicht einmal gelingt, sich auf einen neuen Bundesgeschäftsführer zu einigen. Blümel weiter: Wir brauchen einen handlungsfähigen Partner auf Bundesebene, der sich mit den bevorstehenden Herausforderungen für das Land statt mit sich selbst beschäftigt. Glawischnig wiederum sieht jetzt schon alle Dämme in der SPÖ gegenüber der hetzerischen und Hypo-Milliarden-Verzocker-Partei FPÖ brechen. Denn nach dem gestrigen Parteipräsidium der SPÖ sei klar: Der Parteitagsbeschluss keine Koalition mit den Freiheitlichen auf allen Ebenen gelte vorerst und bestenfalls gerade noch auf Bundesebene. Die Länder hätten den Freibrief bekommen für eine Koalition mit ihrer FPÖ. Wer die Rolle des Bundesgeschäftsführers übernehmen soll, ist offenbar tatsächlich noch nicht geklärt. Nicht einmal fix ist, ob es einen oder zwei Bundesgeschäftsführer geben wird. Auf entsprechende Fragen gab Faymann wohl mit Blick auf die Ära von Laura Rudas und Günther Kräuter zu, dass sich solch eine Konstellation nicht so wahnsinnig bewährt habe. Andererseits sei eine Arbeitsaufteilung wohl auch möglich. Inhaltlich betonte der SPÖ-Chef in seiner kurzen Steh-Pressekonferenz, in der Partei seien sich im Wesentlichen alle einig, mit einer FPÖ, die für Verhetzung stehe, keine Koalition im Bund eingehen zu wollen. Einen Freibrief für die Länder, das auf ihrer Ebene zu tun, wird es wohl nicht geben. Faymann betonte dazu, dass es dafür einen Parteitagsbeschluss bräuchte und er dafür keine Notwendigkeit sehe. Aus dem Bundeskanzleramt hieß es noch vor dem Präsidium Montagmittag, bereits jetzt hätten die Länder freie Hand bei der Regierungsbildung gehabt. In den Statuten sei nicht geregelt, dass Bundesparteitagsbeschlüsse die Eigenständigkeit overrulen. Die Beratung im Parteipräsidium hätte die bereits übliche Praxis lediglich formalisieren sollen. Faymann sagte im Vorfeld des Präsidiums zum STANDARD: Die SPÖ ist keine Diktatur, in der der Parteivorsitzende die demokratisch herbeigeführten Entscheidungen anderer Landesorganisationen ignoriert und diesen von oben Befehle erteilt. Eine große Spaltung in der Partei sah Faymann ebenso wenig wie eine Führungsdebatte. Dass man manchmal unterschiedlicher Meinung sei, habe es in der SPÖ immer schon gegeben. Hier würden die Vorsitzenden ja auch nicht immer mit 100, sondern manchmal auch nur mit 80 oder 83 Prozent gewählt, spielte Faymann auf seine eigenen schwachen Ergebnisse bei den vergangenen zwei Parteitagen an. Dass sich Niessl für die FPÖ entschieden hat, erklärte Faymann mit der Gefahr eines Verlusts des Landeshauptmann-Postens durch eine Kooperation von ÖVP, Freiheitlichen und Liste Burgenland. Immerhin habe er dabei im Vorfeld nicht gelogen, sondern die Option schon vor der Wahl genannt. Dazu habe Niessl auch eine Mitgliederbefragung als Entscheidungshilfe gewählt, argumentierte Faymann, freilich nicht ohne hinzuzufügen, dass er selbst keine veranstalten würde. Die Entscheidung für eine rot-blaue Koalition im Burgenland stieß im Vorfeld der Präsidiumssitzung auf deutliche Ablehnung. Niessl zeigte sich davon ungerührt. Rot-Blau sei die einzig machbare Variante gewesen. Das Präsidium war kurzfristig einberufen worden, nachdem sich in der Partei teils heftige Empörung über die rot-blaue Zusammenarbeit erhoben hatte, die zusätzlich davon angefacht wurde, dass eine Koalition mit der FPÖ durch einen Bundesparteitagsbeschluss eigentlich ausgeschlossen sein sollte. Dass hier den Ländern Sonderrechte gewährt werden sollten, forderte vor dem Präsidium niemand. Ganz im Gegenteil stellte etwa Tirols Landeschef Ingo Mayr klar, dass Bundesparteitagsbeschlüsse auch in den Ländern zu gelten hätten. Wiens Bürgermeister Michael Häupl hat zwar als Landesvorsitzender durchaus Verständnis, dass man eine gewisse Autonomie brauche, aber auch für ihn gilt: Bundesparteitagsbeschlüsse sind einzuhalten. Niessl selbst war durchaus der Meinung, dass man darüber sprechen sollte, ob man hier eine Regelung finden könne, die zwischen Bund und Ländern unterscheide. Dass er sich nicht an den Parteitagsbeschluss gehalten hat, konterte er mit der von seiner Landespartei durchgeführten Urabstimmung an der Basis, die die Option Rot-Blau geöffnet hatte. Überhaupt sei die Koalition mit den Freiheitlichen aus einem pragmatischen Zugang entstanden, sei sie doch die einzige Chance auf eine stabile Regierung gewesen. Häupl wollte nicht einschätzen, ob ihm Rot-Blau im Burgenland bei der Wien-Wahl im Herbst schaden könnte, und wollte Niessl gegenüber auch keine großen Schuldzuweisungen vornehmen: Ich habe persönlich kein gestörtes Verhältnis zu meinem Freund Hans Niessl. Klar sei ohnehin, dass die Wiener SPÖ mit den Freiheitlichen keine Regierungszusammenarbeit eingehen werde. Nämliches versicherte auch Kanzler und Parteichef Werner Faymann: Auf Bundesebene gibt es keine Koalition mit der FPÖ. Das wird auch so bleiben. Von keinen guten Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen konnte Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser berichten. Allerdings war er der Einzige, der Verständnis für Niessl zeigte. Wäre der keine Kooperation mit der FPÖ eingegangen, hätte dies jemand anderer gemacht, so Kaiser mit Blick auf die burgenländische ÖVP. Keine inhaltlichen Bewertungen wollte vor Beginn des Präsidiums ÖGB-Präsident Erich Foglar abgeben. Einzig, dass es keine gute Situation sei und er sich über diese naturgemäß nicht freue, erklärte der Gewerkschaftschef. FSG-Vorsitzender Wolfgang Katzian hatte schon am Nachmittag klargemacht, dass für ihn Rot-Blau klar abzulehnen sei. Diese Linie vertreten auch die Jugendorganisationen. Die Sozialistische Jugend demonstrierte vor dem Parlament in einer kleinen Gruppe gegen Rot-Blau, die gemäßigtere Junge Generation macht durch ihre Chefin Katharina Kucharowits beim Präsidium direkt klar, dass sie die Koalition mit der FPÖ ablehnt. Besonders stört Kucharowits, dass mit Niessl sogar ein stellvertretender Parteivorsitzender einen Parteitagsbeschluss bricht. Koalition mit Freiheitlichen im Burgenland als Grund - Auch Kritik an Faymann. Wien - Die ehemalige SPÖ-Abgeordnete Sonja Ablinger tritt aus der Partei aus. Als Grund nannte sie unter anderem die Koalition von SPÖ und FPÖ im Burgenland, berichtete der Kurier. Ablinger hatte in einem parteiinternen Konflikt um das nach dem Tod von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer frei gewordene Mandat gegenüber dem Gewerkschafter Walter Schopf das Nachsehen. In ihrem Blog führt Ablinger aus, was sie zum Parteiaustritt bewegt hat. Für mich ist eine Grenze erreicht. Es geht nicht mehr, sagte Ablinger. Ein leichter sei der Parteiaustritt nicht, aber angesichts dessen, wohin sich die SPÖ entwickelt habe, sei er unabdingbar. Schon dass der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) angekündigt hatte, mit der Landes-FPÖ über eine Koalition zu verhandeln, hat Ablinger laut eigener Aussage erschüttert. Kritik übte die ehemalige Abgeordnete auch an Bundeskanzler Faymann (SPÖ) wegen seiner zurückhaltenden Reaktion. Im März hatte ein Schiedsgericht der SPÖ Oberösterreich die Entscheidung der Parteigremien bestätigt, dass der Gewerkschafter Walter Schopf und nicht die damalige oö. Frauenvorsitzende Ablinger auf das Mandat der verstorbenen Nationalratspräsidentin Barbara Prammer nachrücken soll. Es war von Ablinger mit Verweis auf die Quotenregelung beansprucht worden, obwohl sie hinter Schopf gereiht war. Kärntner Landeshauptmann: Niessl muss bei kleinstem Ausbruch der FPÖ Reißleine ziehen. Wien/Klagenfurt - Als lächerlich und geradezu scheinheilig bezeichnet der stellvertretende SPÖ-Bundesparteiobmann, Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser, die anhaltende Kritik von ÖVP und Grünen an Rot-Blau im Burgenland. Es sei bezeichnend, dass jetzt jene, deren Parteien in der Vergangenheit und aktuell mit der FPÖ im Bett liegen, sich jetzt zu politischen Moralaposteln aufspielten. Kaiser verwies in einer Aussendung darauf, dass die ÖVP mit den Freiheitlichen Anfang des Jahrtausends eine Bundesregierung gebildet habe, in der sie sich geradezu politisch prostituiert habe. Dazu käme, dass die steirische Volkspartei in geradezu aufdringlicher Manier mit den Freiheitlichen flirte, um von Platz zwei aus zum Landeshauptmann-Posten zu kommen. Die Grünen wiederum seien in Wiener Neustadt mit der FPÖ verbandelt. Daran erinnerte auch SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos in einer Aussendung. SPÖ habe Burgenlanddebatte abgeschlossen Der scheidende Parteimanager signalisierte gleichzeitig, dass auch der Koalitionspartner ÖVP nicht groß reden brauche. In der Steiermark wolle man trotz des schlechtesten Ergebnisses überhaupt den Landeshauptmann und auch in Niederösterreich habe die ÖVP als Zweite in einigen Städten und Gemeinden Allianzen gegen die SPÖ gebildet, um die Macht zu erobern. Dazu komme, dass Parteichef Reinhold Mitterlehner selbst im Bund eine Zusammenarbeit mit der FPÖ nicht ausschließe. Die SPÖ habe jedenfalls die Burgenlanddebatte in der gestrigen Präsidiumssitzung abgeschlossen und werde sich nun mit vollstem Engagement und unter Mitwirkung eines in Kürze zu bestellenden neuen Bundesgeschäftsführers den tatsächlichen Anliegen der Menschen widmen, betonte Kaiser. Der Landeshauptmann schloss für sich und Kärnten Rot-Blau aus. Und auch Niessl sei klar, dass er mit Argusaugen beobachtet werde und beim kleinsten Ausbruch der FPÖ die Reißleine ziehen müsse. Sonja Ablinger über die Versäumnisse der Sozialdemokratie und die Chancen für eine Linkspartei in Österreich. STANDARD: Wie fühlt es sich an, nach 30 Jahren nicht mehr Mitglied der SPÖ zu sein? Ablinger: Es ist schwer, aber es wäre noch schwieriger gewesen, diesen Schritt nicht zu tun. STANDARD: Wäre es nicht besser gewesen, weiterhin daran zu arbeiten, die SPÖ von innen zu verändern? Ablinger: Das war eine sehr persönliche Entscheidung. Es wird ein völlig falscher Kurs eingeschlagen. Alles, was mir wichtig ist, ist nicht mehr durchsetzbar. Ich sehe keine Chance mehr, in der SPÖ etwas zu ändern. STANDARD: Das Parteipräsidium hat am Montagabend Rot-Blau offenbar zur Kenntnis genommen. Für Hans Niessl hat der Bruch des Bundesparteitagsbeschlusses wohl keine Konsequenzen. Müsste es nicht zu einem Aufschrei kommen? Ablinger: Genau das ist der Punkt. Wenn die Bundespartei orientierungslos reagiert und in so einer wesentlichen Glaubwürdigkeitsfrage sinngemäß sagt, die sollen machen, was sie wollen, dann kann ich einfach nicht mehr mit. STANDARD: Warum ist es so weit gekommen? Ablinger: Diese Entwicklung hängt mit der Diskussionskultur in der SPÖ zusammen. Die innerparteiliche Demokratie kommt ständig unter Druck. In den letzten Jahren folgte bei kritischen Debatten stets der Ruf zur Geschlossenheit. Das habe ich persönlich oft erlebt. Die Partei hat verlernt, kritisch zu reflektieren. Wir stehen in Österreich und in Europa vor einer komplexen Herausforderung. Darauf kann man nicht ständig mit dem Ruf zur Geschlossenheit reagieren. In der SPÖ wird alles schöngeredet und niedergehalten. Deshalb konnte auch Rot-Rlau so einfach durchrutschen. STANDARD: Parteichef Faymann sagt sinngemäß, die Linie ist, die Länder dürfen koalieren, mit wem sie wollen, im Bund gibt es keine Koalition mit der FPÖ. Ablinger: Mit Verlaub, das ist keine Linie, das kann auch niemand nachvollziehen. STANDARD: Könnte man mit einem Obmannwechsel die Situation in der SPÖ verbessern? Ablinger: Eigentlich will ich nichts mehr dazu sagen, denn es ist nicht mehr meine Angelegenheit. Ich glaube, dass die Probleme der SPÖ tiefer liegen, als dass man sie mit Personalrochaden lösen könnte. STANDARD: Was sind die Probleme? Ablinger: Bei der letzten Nationalratswahl hat die SPÖ die geringste Zustimmung seit 1919 erhalten. Die Frauen der SPÖ Oberösterreich haben daraufhin einen Antrag auf einen Sonderparteitag gestellt. Der SPÖ gelingt es nicht, auf den Strukturwandel, der sich seit den 1980er-Jahren vollzieht, richtig zu reagieren. Wir waren der Meinung, die SPÖ müsste endlich darauf Antworten finden. Auch auf die Wirtschaftskrise findet die SPÖ die völlig falschen Antworten. Die Arbeitslosigkeit steigt monatlich. Das ist das Ergebnis einer Politik, die versucht, sich aus der Krise herauszusparen. Das hat bereits in den 30er-Jahren nicht funktioniert. Immer mehr Leute, die auch von der Krise betroffen sind, verlieren das Vertrauen in die Sozialdemokratie. Sie haben das Gefühl, es gibt keine Sicherheiten mehr für sie. Die Sozialdemokratie müsste sich für alternative Modelle in Wirtschaft und Gesellschaft auch alternative Bündnispartner suchen. Mit den Signalen, die die SPÖ aber oft sendet, wird das nicht funktionieren. STANDARD: Wer könnten diese Bündnispartner sein? Ablinger: Es gibt in der Gesellschaft viele progressive Kräfte. Aber wenn man denen zum Beispiel ständig Verschärfungen bei den Asylgesetzen vor den Latz knallt, wird man keine Bündnisse herstellen können. STANDARD: Hat die FPÖ die richtigen Antworten? In der Steiermark, aber auch im Burgenland, hat sie massiv zugelegt. Ablinger: Nein, sie hat nicht die richtigen Antworten. Das Schlimme ist: Die FPÖ mobilisiert Stimmungen gegen Zugewanderte und alle, die ihr nicht recht sind. Die FPÖ versucht mit Mobilisierung und mit Ängsten Wahlen zu gewinnen. Sie produziert die falschen Antworten. Die FPÖ produziert ein Klima, das die Gesellschaft spaltet und Hass aufeinander erzeugt. STANDARD: Auf dem Mosaik-Blog, wo Sie als Redakteurin beteiligt sind, hieß es kürzlich, es wäre Zeit für ein linkes Projekt. Würden Sie sich für eine neue Linkspartei engagieren? Ablinger: Ich verstehe, dass es viele solche Debatten gibt. Ich selbst bin in der Schule beschäftigt und ehrenamtliche Vorsitzende des Frauenrings sowie des Gewaltschutzzentrums. Ich hätte keine Ressourcen dafür. STANDARD: Würde eine Linkspartei in Österreich reüssieren? Ablinger: Das ist schwierig zu beurteilen. Ich denke, dass es von vielen in Österreich ein Bedürfnis gibt nach einer neuen linken Kraft. STANDARD: Zur Causa Ablinger, wo es um die missachtete Frauenquote im SPÖ-Parlamentklub ging, wurde ja ein Bundesschiedsgericht einberufen. Hat das eigentlich schon getagt? Ablinger: Meines Wissens nicht. STANDARD: Hat sich Herr Faymann oder sonst jemand aus der SPÖ-Spitze wegen Ihres Parteiaustrittes bei Ihnen gemeldet? Ablinger: Nein. Das erwarte ich ehrlich gesagt auch nicht. STANDARD: Denken Sie, dass noch weitere Parteiaustritte folgen? Ablinger: Das will ich nicht beurteilen. Das ist eine sehr persönliche Entscheidung, die jeder selbst trifft. Faymann bestellt neuen Bundesgeschäftsführer und schickt auch Pressesprecher in die Löwelstraße. Der Nachfolger von Norbert Darabos als Bundesgeschäftsführer der SPÖ heißt Gerhard Schmid. In der Öffentlichkeit und auch innerhalb der SPÖ ist Schmid noch weitgehend unbekannt, er ist allerdings ein enger Vertrauter des Bundeskanzlers. Werner Faymann hatte Schmid 2007 in das Kabinett des Verkehrsministers geholt, seit 2008 ist Schmid Mitarbeiter im Kabinett im Bundeskanzleramt, im Jänner 2015 machte ihn Faymann dort zum stellvertretenden Kabinettschef. Schmid kommt aus der Wiener SPÖ, er ist in der SPÖ Hietzing engagiert, wo er erst Vorsitzender der Sozialistischen Jugend und seit April 2011 schließlich Bezirksparteivorsitzender war. Offenbar hat Faymann bewusst jemand aus der Wiener Sozialdemokratie gesucht, um auch den Wiener Bürgermeister Michael Häupl zu befriedigen, der im Oktober Landtagswahlen zu bestreiten hat. Noch bevor Faymann Schmid gefragt hat, waren etliche in der SPÖ, die auch für diesen Job infrage gekommen wären, in Deckung gegangen. In der jetzigen Situation den Parteimanager in der Löwel-straße zu machen, galt vielen als Himmelfahrtskommando. Der drohende Verlust der SPÖ in Wien sowie die unsichere Zukunft von Bundeskanzler und SPÖ-Chef Faymann ließen potenzielle Kandidaten schon im Vorfeld abwinken. Die berufliche Laufbahn von Norbert Darabos, der jetzt als Landesrat nach Eisenstadt übersiedelt und sich nachsagen lassen muss, äußerst biegsam und meinungsflexibel zu sein, hatte dazu geführt, dass das Renommee des Jobs als Parteimanager schließlich erheblich beschädigt wurde. So hatte Darabos die Freiheitlichen zuerst massiv bekämpft, die Koalition der SPÖ mit der FPÖ im Burgenland dann aber als einer der ersten Bundespolitiker als gelungenes Experiment bezeichnet. Faymann bezeichnete Schmid als besten Mann für diesen Job. Dieser sei seit fast vierzig Jahren ein wichtiger und engagierter Mitstreiter der österreichischen Sozialdemokratie und habe sich im Rahmen seiner vielseitigen Tätigkeiten stets für ein soziales und friedliches Zusammenleben aller Menschen eingesetzt. Schmid selbst erklärte, es sei ihm eine Ehre und große Freude, die Geschäftsführung jener Partei zu übernehmen, für die er seit Jahrzehnten mit vollem Herzen tätig sei. Faymann dankte er für das Vertrauen. Offiziell bestellt wird Schmid erst im Bundesparteivorstand am 3. Juli. Neu besetzt wird auch der Posten des Kommunikationschefs in der SPÖ: Matthias Euler-Rolle, bisher neben Susanna Enk Pressesprecher von Bundeskanzler Faymann, wird künftig nach außen hin kommunizieren. Peter Slawik bleibt Chef der SK (Sozialistischen Korrespondenz). Euler-Rolle, der als Radiomoderator arbeitete und bis 2014 Programmchef des Wiener Privatradiosenders 98.3 Superfly war, wurde 2014 von Kanzleramtsminister Josef Ostermayer als Pressesprecher für die Bereiche Kunst und Kultur geholt, ehe er im Jänner 2015 zu Faymann wechselte. Wiener Bürgermeister ortet Probleme bei der Kommunikation der Bundes-SPÖ - Auch Katzian klar gegen Koalition. Wien - Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hat seine Ablehnung gegenüber einer Koalition mit der FPÖ bekräftigt. Er sehe keine inhaltlichen Überschneidungen mit der FPÖ. Das solle man zur Kenntnis nehmen, sagte Häupl am Samstag in der Ö1-Radioreihe Im Journal zu Gast. Der Bundes-SPÖ, die nach den Landtagswahlen von allen Seiten heftig kritisiert wird, attestierte Häupl Kommunikationsprobleme. In der Wiener SPÖ gebe es weit und breit keine Mehrheit für Rot-Blau. Eine Mitgliederbefragung habe man schon früher gemacht, eine neue sei daher unnötig. Dass die SPÖ durch die rot-blaue Koalition im Burgenland und den Verlust des Landeshauptmannsessels in der Steiermark unter Druck geraten ist, bestritt Häupl nicht. Genutzt hat uns das in beiden Fällen nicht. Das sei aber nicht die Schuld von Parteichef Werner Faymann. Der Vorsitzende könne keine Befehle ausgeben. Ich gehe davon aus, dass wir keine Führerpartei sind, so Häupl. Der Bürgermeister ortet trotzdem Handlungsbedarf in der SPÖ-Parteizentrale. Bei der Kommunikation gebe es die größten Probleme, da gibt es einiges zu tun. Faymann sei aber in keiner Weise infrage gestellt. Auf die Frage, ob ÖBB-Vorstand Christian Kern der künftige SPÖ-Chef sein könnte, meinte Häupl: Kern sei politiktauglich, er, Häupl, wisse aber nicht, ob dieser wirklich mit Begeisterung wechseln würde. Ein klares Nein zu Rot-Blau kam am Samstag auch vom FSG-Vorsitzenden Wolfgang Katzian. Der GPA-Chef bezeichnete Rot-Blau in der aktuellen Ausgabe des Nachrichtenmagazins profil als schweren Fehler. Alles, wofür die FPÖ steht, ist mit unseren Grundwerten unvereinbar. Weder SPÖ noch GPA dürften diese Haltung aufgeben. Wenn wir die nicht mehr haben, was bleibt uns dann noch? Katzian hält die Auseinandersetzung über Rot-Blau für nicht ausgestanden und beendet, auch wenn manche das gerne hätten. Ich werde sie führen und habe dazu kommende Woche eine Konferenz der SPÖ-Gewerkschafter einberufen. Wenn ich nicht durchkomme, muss ich mir überlegen, was ich tue. Zu Wort meldete sich zudem der KZ-Überlebende Rudolf Gelbard. Für mich persönlich ist es besonders wichtig, dass der Bundeskanzler keinen Zweifel daran lässt, dass er eine Koalition mit der FPÖ auf Bundesebene ausschließt. Mein Vertrauen liegt vor allem in der klaren Haltung von Werner Faymann gegen hetzerische und antisemitische Tendenzen begründet. Und in seiner klaren Absage an die FPÖ, sagte Gelbard in einer Aussendung. Ich habe erlebt, zu welchen Gräueln Hass und Hetze führen können, so Gelbard. Es sei daher gut, dass Faymann dafür sorge, dass die Hetze der FPÖ nicht regierungsfähig wird. Der Altkanzler im STANDARD-Interview: "Signalwirkung weit über die pannonischen Grenzen hinaus". Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) geht mit der rot-blauen Koalition von Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) im Burgenland hart ins Gericht: Wenn es bei diesem Tabubruch vor allem darum ging, den Posten des Landeshauptmannes zu retten, dann hätte man dabei nicht vergessen dürfen, was das für eine Signalwirkung haben kann, sagt er im STANDARD-Interview. Unter anderem stößt sich Vranitzky daran, dass nun in Teilen der Partei sowie in der Gewerkschaft diskutiert wird, ob der Niesslsche Weg Zukunft haben könnte – obwohl sich die Strache-FPÖ einer Wortwahl bediene, die in Bezug auf Verhetzung nichts zu wünschen übrig ließe. STANDARD: Während Sie für längere Zeit im Ausland weilten, hat Landeshauptmann Niessl im Burgenland eine rot-blaue Koalition geschmiedet – entsetzt darüber? Vranitzky: Ich war jedenfalls in höchstem Maße überrascht - und nicht gerade positiv, wie Sie sich vorstellen können. Wenn es bei diesem Tabubruch vor allem darum ging, den Posten des Landeshauptmannes zu retten, dann hätte man dabei nicht vergessen dürfen, was das für eine Signalwirkung weit über die pannonischen Grenzen hinaus haben kann. STANDARD: Weil man in der SPÖ nun gespalten ist, ob die Blauen als Koalitionspartner taugen? Vranitzky: Genau, denn in Teilen der Partei sowie in der Gewerkschaft wird jetzt diskutiert, ob der Niesslsche Weg für einen selbst Zukunft haben könnte. STANDARD: Nachdem man sich fast drei Jahrzehnte lang an Ihre Doktrin gehalten hat, dass mit der FPÖ kein Staat und auch kein Bundesland zu machen ist. Ist für Sie die FPÖ unter Heinz-Christian Strache keinen Deut besser als unter Jörg Haider? Vranitzky: Für mich war ab dem Parteitag 1986 in Innsbruck, bei dem Jörg Haider die FPÖ unter gröbsten Rülpsern aus der NS-Zeit übernommen hat, klar, dass es für einen Sozialdemokraten unmöglich ist, mit einer solchen Partei eine Regierung zu bilden. Danach folgte ja dann noch das Lob für die ordentliche Beschäftigungspolitik im Dritten Reich, die Auftritte vor Mitgliedern der ehemaligen Waffen-SS, und, und, und. Zwar setzt sich das alles nicht eins zu eins bei Heinz-Christian Strache fort, aber es werden sehr wohl auch für Sozialdemokraten höchst bedenkliche Positionen bezogen. STANDARD: Etwa angesichts der vielen Flüchtlinge, die nach Österreich kommen? Vranitzky: Genau. Die FPÖ will diese Menschen, die unter unmenschlichen Bedingungen hierherkommen, einfach zurückschicken. Dazu kommt eine Wortwahl, die in Bezug auf Verhetzung nichts zu wünschen übrig lässt. Daher kann sich aus meiner Sicht ein Sozialdemokrat auch nicht mit einer Strache-FPÖ in einem Regierungsbündnis treffen – noch dazu, wo diese nun eine Rechtsaußenfraktion im EU-Parlament gebildet hat, die von der Chefin des französischen Front National angeführt wird. STANDARD: Wie kann man den erneuten Aufstieg der FPÖ stoppen – Ihnen selbst wurde einst ja auch vorgehalten, die Partei mit Ihrer Ausgrenzung groß zumachen. Vranitzky: Ich bin bis heute davon überzeugt, dass man dieser Partei genug entgegensetzen kann – und zwar eigene, überzeugende Politik. Leider hat die derzeitige Regierung bisher einige Felder offen gelassen, wo Strache ungehindert vorstoßen konnte. STANDARD: Welche konkret? Vranitzky: In fast allen Meinungsumfragen kommt zum Vorschein, dass die Koalition nicht besonders schlagkräftig wirkt. Denn seit Jahren reden wir über die Notwendigkeit einer Verwaltungs-, einer Bildungs-, einer Gesundheitsreform. Die Bürger wenden sich mittlerweile ab, weil sie glauben, da wird sowieso nichts draus. Wenn dann noch kurzfristig Probleme auftauchen, wie die vielen Asylwerber und die schlechten Arbeitsmarktprognosen, dann hat es einer mit einfachen Parolen besonders leicht. Da sagen sich nicht wenige: Na, das von dem verstehe ich wenigstens. STANDARD: Einige rote Gewerkschafter und rote Bürgermeister meinen nun, deshalb müsse man diese FPÖ in die Verantwortung nehmen, um den Leuten ihre Schwächen vor Augen zu führen. Ein Kalkül, das aufgehen könnte – oder ein hochgefährliches Ansinnen? Vranitzky: Mit diesen risikobehafteten Überlegungen kann ich gar nichts anfangen. Das hat die Ära von Schwarz-Blau unter Wolfgang Schüssel ja gezeigt, was uns das kosten kann – und da rede ich noch gar nicht davon, wie sehr uns das Hypo-Debakel bis heute belastet. Denken Sie daran, wie wir ein ganzes Jahr nach Angelobung dieser Regierung darum kämpfen mussten, dass uns das Ausland wieder demokratiepolitisch ernst nimmt. Denken Sie an all die Minister der FPÖ, die Versager gewesen sind. Und die Blauen konnten bisher weder unter Haider noch unter Strache Lösungen für gravierende Probleme anbieten. STANDARD: Hätte SPÖ-Chef Werner Faymann die umstrittene Koalition im Burgenland verhindern können – oder zumindest stärker dagegen auftreten sollen? Vranitzky: Ich will da keine Zensuren verteilen. STANDARD: Als SPÖ-Chef ist er für Sie unumstritten? Vranitzky: Sie werden sich sicher vorstellen können, dass ich hier keinesfalls eine Personaldebatte führen werde. STANDARD: Gut, aber wie hätten Sie als Kanzler gehandelt – auch auf die Entscheidungsautonomie der Bundesländer verwiesen? Vranitzky: Ich verstehe, dass sich in der SPÖ jetzt nicht monatelang mit koalitionstechnischen Debatten beschäftigen will. Sondern eher damit, wie es zu den schlechten Wahlergebnissen für die SPÖ gekommen ist, damit man die Aktivitäten neu justieren kann. Bei stärkeren Ergebnissen ist man auch in einer besseren Position in Regierungsverhandlungen. STANDARD: Angesichts der Wirtschaftsflaute und Unterbringungsprobleme von Flüchtlingen klingt das aber einfacher als es ist? Vranitzky: Das Problem ist, dass die großen Themen Europas oft nur in dümmlichen Scharmützeln über diverse Verordnungen der EU-Kommission abgehandelt werden. Dabei müssen wir derzeit mit der Wirtschaftsschwäche genauso fertigwerden wie damit, dass Teile des kriegsgebeutelten Nahen Ostens und Afrikas Europa überrennen. Da müssen auch in der Union die gemeinsamen Anstrengungen verstärkt werden – und die Bevölkerung dabei mitgenommen werden, denn ansonsten wenden sich weitere den EU-Gegnern zu. STANDARD: Doch wie können Faymann und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner eine gemeinsame Aufteilung der Asylwerber erwirken? Vranitzky: Das ist ganz harte Sisyphosarbeit, keine Frage. Aber man kann sehr wohl in der Union seine Stimme erheben, dass es so nicht weitergehen kann und darf. Der größte Denkfehler ist jedenfalls, dass die etablierten Parteien überall, wo die Rechtspopulisten die Oberhand gewinnen, deren Kampfrufe abkupfern – das ist ja auch in Frankreich so, das Italien die Bürde mit den Asylwerbern überlässt. Man jagt aber den Straches und Le Pens keine Wähler ab, indem man sich wie sie gebärdet. Wenn Mikl-Leitner versucht, Strache zu kopieren, wählen die Leute trotzdem Strache. Häupl schwört die SPÖ auf eine harte Auseinandersetzung mit der FPÖ ein. Konterkariert wird Häupls Abwehrkampf von roten Linzern. Wien – Warm-up für einen heißen Herbst prangte hinten an der Wand. Vorne auf der Bühne in der Marx-Halle skizzierte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Montagabend vor rund 700 Funktionären, warum sie im Wahlkampf rote Wähler mobilisieren müssen. Wer am 11. Oktober nicht zur Wahl geht, überlässt das Feld Strache – und hat den Vogel am 12. im Rathaus sitzen. Sehr kurzfristig hatte die Wiener SPÖ für diese Mitarbeiterkonferenz geladen, die eigentlich erst für den August geplant war. Sie wurde zum Auftakt eines Anti-FPÖ-Wahlkampfes der Sozialdemokraten: Denn nach der rot-blauen Koalition im Burgenland musste Häupl agieren, alle Unklarheiten bei den Wiener Mitarbeitern beseitigen und sie auf einen Gegner einschwören. Politik hat zu tun mit Haltung, Charakter und Anstand. All das gibt es bei der FPÖ nicht, sagte Häupl. Eine Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen werde es nicht geben. Das Ziel der Zusammenkunft war auch, die Genossen noch vor dem Sommer mit Material zu versorgen, das im Wahlkampf gegen den Aufwind der Freiheitlichen verwendet werden soll. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler präsentierte das 24-seitige Werk Blaubuch FPÖ, das Funktionären auch am Stammtisch als Argumentationsgrundlage gegen eine FPÖ in Regierungsverantwortung dienen kann. Ich bitte euch, das Heft an einem stillen Ort durchzulesen, wo auch immer ihr wollt, sagte Häupl. Wichtiger sei, wo man die Inhalte erzähle. Dort, wo blöd geredet wird. Erinnert wird im Buch an verurteilte Freiheitliche genauso wie an FPÖ-Skandale in Regierungsbeteiligung wie die Hypo-Milliardenpleite oder die Ausländerhetze der FPÖ. Parteichef Heinz-Christian Strache findet sich, quasi als Gottseibeiuns der Wiener SPÖ, mit seinen politischen Ansichten auf vielen Seiten des Dokuments wieder. Wien ist ein Gesamtkunstwerk, sagte Häupl. Für mich ist undenkbar, es diesen zu überlassen, die es zerstören. Die Reaktion der FPÖ folgte prompt: Es ist ein Armutszeugnis für eine Regierungspartei, einer Oppositionspartei den Kampf ansagen zu müssen, sagte Wiens Klubchef Johann Gudenus. Konterkariert wurde Häupls klare Abgrenzung von der FPÖ von ebenfalls wahlkämpfenden Linzer Genossen, die Montagfrüh entlang einer Straße mit Taferln gegen ein großes Asyl-Zentrum in Linz mobilmachten. Die FPÖ, die erst vor drei Wochen in Wien mit einer Taferlaktion vor einem Asylwerberheim für Empörung gesorgt hatte, applaudierte in Aussendungen. ÖVP, Grüne und Neos verurteilten die Aktion. Damit färbt sich die SPÖ weiter konsequent tiefblau ein, sagte die oberösterreichische Landessprecherin der Grünen, Maria Buchmayr. Die Wiener SPÖ distanzierte sich auf Twitter, Häupl sagte dem STANDARD: Ich hätte es nicht gemacht. Der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) entschuldigte sich zu Mittag: Ich bedaure die unglückliche Wortwahl bei der Plakataktion. "Das gehört zur Normalität der SPÖ". Wien – SPÖ-Chef Werner Faymann sieht seine Position an der Spitze der Partei nicht geschwächt. Internes Rumoren, wie etwa zuletzt beim Rettungskongress der Parteijugend, beunruhige ihn nicht, sagte er am Dienstag im Pressefoyer nach dem Ministerrat. In der Partei werden immer diskutiert: Machen Sie sich keine Sorgen. Das gehört zur Normalität in der SPÖ, sagte er auf Journalistenfragen. Solche Diskussionen hat es immer gegeben, blickte Faymann zurück bis in die Zeit des legendären Kreisky, als einige Zeit das Verhältnis zum VSStÖ auf Eis gelegen sei. In der SPÖ darf jeder seine Meinung äußern. Wenn das einen Parteivorsitzenden der SPÖ beunruhigt, dann wäre er nicht der Richtige. Hundstorfer: Nicht notwendig Wer sich allerdings zur aktuellen Führung der Partei bekenne, habe in der Regel mit weniger öffentlicher Aufmerksamkeit zu rechnen, so ein kleiner Seitenhieb des Bundeskanzlers auf die Medien. Er verspüre jedenfalls sehr viel Unterstützung aus den Funktionärsreihen und einen klaren Zug nach vorne. In Bezug auf das jüngste Aufzeigen von Medienmanager Gerhard Zeiler meinte Faymann nur: Wenn sich jemand für eine Funktion bewirbt, dann steht ihm das zu, das ist nicht verboten. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) ließ vor der Regierungssitzung wissen, er halte eine Führungsdebatte für nicht notwendig. Und er selbst würde Zeiler auch nicht darum bitten, die Partei zu übernehmen, meinte er launig auf eine entsprechende Frage. Zeiler hatte ja erklärt, er würde nicht Nein sagen, wenn die Entscheidungsträger der SPÖ mich fragen sollten. Seit September 2012 kein positiver Vertrauenswert mehr – Strache verbesserte sich in sieben Jahren um 41 Punkte. Wien – Nicht nur parteiintern hat Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) an Boden verloren, auch bei den Wählern büßte er Vertrauen ein – und zwar ziemlich stark: Im APA-OGM-Vertrauensindex rutschte er von +29 Punkten im März 2009 auf nun nur mehr -15 Punkte ab. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache legte in diesem Zeitraum fast gleich viel zu, von -49 auf -8 Punkte. Im Vertrauens-Plus war Strache aber nie. Das heißt, dass es Strache in den APA-OGM-Umfragen noch nie auf mehr Habe Vertrauen- als Habe kein Vertrauen-Nennungen gebracht hat. Denn der Vertrauensindex bildet den Saldo aus diesen beiden Antworten von in der Regel 500 Befragten ab. Für Faymann überwog hingegen lange das Vertrauen: +24 hatte er, als ihm Bundeskanzler Alfred Gusenbauer vor ziemlich genau sieben Jahren als Parteichef wich. Gusenbauers Werte waren damals noch weit schlechter als die Faymanns jetzt: Auf minus 41 Punkte (gleich viel wie Strache) war der demontierte SPÖ-Chef gefallen, nachdem ÖVP-Vizekanzler Wilhelm Molterer mit Es reicht im Juli 2008 Neuwahlen ausgelöst hatte. Faymanns Werte entwickelten sich im Zick-Zack – mit dem ersten starken Einbruch im September 2008: Kurz vor der Wahl fiel der SPÖ-Spitzenkandidat erstmals ins Minus, mit neun Punkten. Das lag wohl am Wahlkampfüberdruss, damals hatte (in einer Umfrage nur über die Listenersten, nicht wie üblich für rund 30 Bundespolitiker) kein einziger Spitzenkandidat ein Vertrauens-Plus. Bei der Wahl am 28. September setzte es für Faymann auch ein Minus: Um sechs Punkten fiel die SPÖ auf 29,26 Prozent. Die ÖVP verlor noch mehr, die SPÖ blieb Erste – und Wahlsieger Faymann ging wieder mit der ÖVP (jetzt mit Josef Pröll an der Spitze) zusammen. Das wiederaufgelegte Rot-Schwarz kam gut an, im März 2009, nach drei Monaten hatte Faymann seinen Spitzenwert +29. Verluste bei EU- und Landtagswahl, Bankenkrise, explodierendes Budgetdefizit und steigende Arbeitslosigkeit, dazu noch einige Koalitionsquerelen (etwa über den EU-Kommissionsposten) ließen das Vertrauen aber schnell schmelzen: Im November 2009 stand Faymann nur mehr mit drei Punkten im Plus. Seither reichte es für kein zweistelliges Plus mehr. Eine Zeitlang überwog aber meist noch das Vertrauen in den Kanzler. Erst seit September 2012 hat die Mehrheit der Befragten kein Vertrauen mehr in ihn – mit nur einer Ausnahme: Im Wahlkampf 2013 kam er mit zwei Punkten ins Plus und überholte den ÖVP-Chef, mittlerweile Michael Spindelegger. Dabei blieb es auch bei der Nationalratswahl: Am 29. September 2013 lag die SPÖ mit 26,82 Prozent wieder vor der ÖVP (23,99). Wieder wurde die Große Koalition verlängert – diesmal, auch angesichts des damals bekannt gewordenen Hypo-Debakels, aber mit weit weniger Applaus. Faymann fasste im Dezember 2013 sein erstes zweistelliges Vertrauensminus (zwölf Punkte) aus – Spindelegger fiel im Februar 2014 auf -19 Punkte. Im August ging Spindelegger. Sein Nachfolger, Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner, glänzte seit langem mit guten Vertrauenswerten, immer klar im Plus. Mit dem Aufstieg zum ÖVP-Chef und Vizekanzler wurden sie wieder zweistellig. Aktuell hat er zwar etwas verloren, steht aber auf +12. Der beste Wert des Bundeskanzlers im heurigen Jahr waren -9 im April: Da bescherte ihm die frisch präsentierte Steuerreform einen Zuwachs um vier Punkte. Die Erholung dauerte aber nicht lange: Im Juni waren es nur mehr -15 – nach zwei Wahlen mit saftigen Verlusten, Rot-Blau im Burgenland, schwarzem LH in der Steiermark und intensiv diskutierten Problemen mit der Unterbringung der Flüchtlinge. Wahlsieger war beide Male die FPÖ. Deren Chef Strache, sonst so gut wie immer Letzter oder Vorletzter, ist jetzt im Vertrauensindex Siebent-schlechtester der 26 bewerteten Politiker – mit einem erstmals nur mehr einstelligen Vertrauensminus von acht Punkten. SPÖ führt "keine Obmanndebatte" – Vorstand und Präsidium segnen Personalrochaden ab. Wien – Schon bevor die roten Gremien am Freitag stundenlang zu den internen Personalrochaden kreißten, war man um Geschlossenheit rund um Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann bemüht. Wiens Bürgermeister Michael Häupl legte vorher ein Bekenntnis ab, dass der Vorsitzende von der Wiener Partei mit Sicherheit nicht angezweifelt werde – und das sage er reinen Herzens. Auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek hielt fest: Es gibt keine Obmanndebatte. Hinter verschlossenen Türen traten dann Präsidium und Vorstand zusammen, um die Auswirkungen des politischen Bebens nach den Landtagswahlen im Burgenland und in der Steiermark zu beheben. Mit dem Abgang von Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos, jetzt Landesrat der rot-blauen Koalition in Eisenstadt, war etwa der strategisch wichtige Posten in der SPÖ-Zentrale vakant geworden, der einstimmig mit Gerhard Schmid, bisher Vize-Kabinettschef von Faymann, besetzt wurde (eine Enthaltung). Der 55-jährige Wiener gilt als besonnener Vertrauter Faymanns, der auch als Verbinder zu den Landesparteien fungieren soll, die den Parteichef in letzter Zeit mehrmals in arge Bedrängnis gebracht haben – allen voran Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl, der das umstrittene Bündnis mit den Freiheitlichen einging und zuletzt auch noch die Bildungsreformkommission der Koalition verlassen hat. Da Niessl durch Abwesenheit glänzte, versicherte auch just dessen Neo-Landesrat Darabos, Faymann habe sich nichts vorzuwerfen – und sitze damit fest im Sattel. Trotzdem entsandte Faymann noch einen engen Wegbegleiter in die Parteizentrale. Sein bisheriger Pressesprecher Matthias Euler-Rolle, ab sofort Kommunikationschef der SPÖ, attackierte unlängst schon Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler via Aussendung für dessen Initiative Kompass, die der Orientierungslosgkeit der SPÖ entgegensteuern will: U. a. tat Euler-Rolle da die Gegenbewegung als selbstbezogenes mediales Getrommel eines einzelnen Bürgermeisters ab. Babler kontert im STANDARD-Gespräch, mit dieser Aktion habe sich der neue Kommunikationschef ins Knie geschossen, indem er versucht habe, die erfolgreiche Initiative kleinzureden. Denn es gäbe mittlerweile hunderte Mitglieder – darunter auch Ex-Ministern und Abgeordnete –, die bei der Gruppe, der neben SJlern auch Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger angehört, mitarbeiten wollen. Babler: Die Arroganz der Bundespartei richtet sich von selbst. Innerhalb der nächsten zehn Tage werde veröffentlicht, wie viele Leute sich bei Kompass gemeldet hätten, die den Niedergang der SPÖ abwenden wollen – bis dahin gelte es noch zu klären, wie man mit der Veröffentlichung von Namen umgehe. Abgesehen von Euler-Rolles Funktion (drei Gegenstimmen) segneten die SPÖ-Granden nach Jörg Leichtfrieds Wechsel in die steirische Landesregierung Evelyn Regner als neue Delegationsleiterin im Europaparlament ab. Das Mandat von Leichtfried geht an die Tirolerin Karoline Graswander-Hainz. Für Familien und Frauen sowie Umwelt- und Naturschutz zuständig. Eisenstadt – Der SPÖ-Klub Burgenland hat sich neu aufgestellt und neben dem neuen Klubobmann Robert Hergovich nun zwei Frauen im Führungsteam. Landtagsabgeordnete Edith Sack ist weiterhin stellvertretende Klubobfrau, neu dazu kommt in dieser Funktion Mattersburgs Bürgermeisterin Landtagsabgeordnete Ingrid Salamon. Beide seien einstimmig gewählt worden, sagte Hergovich bei einer Pressekonferenz am Freitag. Mehr Eigenverantwortung für Bereichssprecher Sack bleibe weiterhin Familien- und Frauensprecherin, Salamon wird für den Umwelt- und Naturschutz sowie für den Bereich Abfall- und Wasserwirtschaft zuständig sein. Innerhalb des Klubs habe man das Rollenbild der Bereichssprecher neu definiert. Der Anspruch sei mehr Eigenverantwortung und starke Professionalisierung, erläuterte Hergovich. Jeder Bereichssprecher werde Gesetze in seinem Zuständigkeitsbereich von Anfang an mitbegleiten, mitverhandeln und mitkommunizieren. Sack, die laut dem Klubobmann eine wichtige Playerin im SPÖ-Klub sei, kündigte als eines der großen Ziele an, dass man sich dafür einsetzen werde, dass mehr Väter in Karenz gehen können. Salamon will sich für den Schutz des Trinkwassers stark machen. Burgenland vor ÖVP-Fundamentalopposition schützen Generell wolle die SPÖ das Burgenland vor der Fundamentalopposition der ÖVP schützen, sagte Hergovich. Das sei eine wichtige Nebentätigkeit. Als Beispiele nannte er die angebliche Schließungsabsicht dreier Spitäler im Burgenland von Ex-Landesrätin Michaela Resetar (ÖVP) und die ungerechtfertigte Schuldzuweisung Thomas Steiners, Eisenstädter Bürgermeister und ÖVP-Burgenland-Chef, an Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) beim Thema Asyl. Die ÖVP wehrte sich bei einer anschließenden Pressekonferenz gegen den Vorwurf, Fundamentalopposition zu betreiben. Klubobmann Christian Sagartz erklärte, davon könne keine Rede sein. 'Die Entwicklung seiner Partei schmerze ihn, sagt Hannes Androsch. Für die Wahlen im Herbst fürchtet er Schlimmes und mahnt: Es sei Pflicht der SPÖ, für die Bundespräsidentenwahl einen Kandidaten aufzustellen. Altaussee/Wien – Die SPÖ sei perspektivlos, orientierungslos, hilflos, konzeptlos, kulturlos, sagte Hannes Androsch, Ex-Vizekanzler und Finanzminister unter Bruno Kreisky, im STANDARD-Gespräch. Die Parteiführung schaffe es nicht, klare politische Botschaften zu platzieren und den Menschen auch unangenehme Wahrheiten zu vermitteln. Aus dem Reformstillstand erwachse Österreich bereits ein Standortnachteil, den Föderalismus haben wir aus dem Ruder laufen lassen. Das manifestiere sich im Schul- und Gesundheitswesen, bei der Jugendwohlfahrt und in geradezu erschütternder Weise bei der Asyl-Frage. Für die Wahlen in Oberösterreich und Wien im Herbst erwartet Androsch schlechte Ergebnisse. Und er mahnt: Dennoch müsse die SPÖ für die Bundespräsidentschaftswahlen einen geeigneten Kandidaten aufstellen. Das seien nicht unbedingt jene, die sich anbieten. Eine Nichtkandidatur bei der Präsidentschaftswahl käme einer bedingungslosen Kapitulation gleich. STANDARD: Seit Wochen plagt sich die Bundesregierung bei der Unterbringung von Flüchtlingen, Amnesty kritisiert die Zustände in Traiskirchen. Was sagen Sie dazu? Androsch: Wir haben eine stolze humanitäre Tradition, Flüchtlinge aufzunehmen. Manche haben das ja auch selbst als Kinder erlebt, diese Turbulenzen, Millionen Vertriebene nach dem Krieg. Ich bin als Siebenjähriger selbst Zeuge davon gewesen. Und danach ging es weiter – vom Ungarnaufstand über das Ende des Prager Frühlings im 1968er-Jahr bis hin zu den tragischen Bosnienkonflikten. Nie gab es Probleme, diese Menschen aufzunehmen. Dass wir jetzt mit dem Problem nicht fertig werden, das ist eine Schande – ebenso wie die Zustände in Traiskirchen. Wir sehen derzeit ein fundamentales Versagen Die Sozialdemokratie als "Bewahrerin der alten Zeit" habe bis heute kaum Antworten auf die brennenden Fragen der Gegenwart gefunden, sagt SPÖ-Landesrat Jörg Leichtfried. Er fordert einen Sonderparteitag im Bund zur inhaltlichen Neuorientierung der SPÖ. Graz – Es sind nicht nur die schlechten Umfragedaten, die drohenden Wahlniederlagen in Wien und Oberösterreich, die ihm Sorgen machen. Die Sozialdemokratie sei als Ganzes, als Bewegung in Gefahr, sagt der ehemalige Delegationsleiter der SPÖ im EU-Parlament und jetzige steirische Landesrat Jörg Leichtfried. Die Sozialdemokratie verfüge nicht im notwendigen Ausmaß über konkrete Antworten auf die Fragen und Probleme der Zeit. Leichtfried ruft seine Parteispitze in Wien auf, intensiv über einen Sonderparteitag nachzudenken, der zu neuen, zeitgemäßen Inhalten in der Partei führen könnte. Es muss einen Grund haben, warum die Sozialdemokratie in ganz Europa eigentlich fast immer Wahlen verliert. Da kann man nicht mehr sagen, es liegt an den handelnden Personen. Da muss schon ein großflächiges Problem dahinterstecken, sagt Leichfried im Gespräch mit dem Standard. Die Sozialdemokratie werde als konservative Bewegung wahrgenommen, als Bewahrerin der alten Zeit. Aber nicht einmal diese Rolle könne sie befriedigend ausfüllen. Denn die sozialdemokratischen Parteien seien konfrontiert mit Kürzungen im Gesundheitsbereich, in der Bildung oder im Sozialsektor. Die Lebenssituation werde für jene, die auf die staatlichen Systeme angewiesen sind, immer kritischer, sagt Leichtfried. Aber das noch größere Problem ist, dass wir keine Visionskapazitäten für die neue Zeit haben. Wir können kaum konkrete Ideen für die Zukunft anbieten. Andere konservative, neoliberale und rechtpopulistische Bewegungen werden als Vorwärtsgehende empfunden. Die wollen nichts bewahren, die wollen, dass vieles anders wird. Da sehr viele Menschen mit ihrer Lebenssituation unzufrieden sind, sind solche politischen Angebote – unabhängig vom meist unsinnigen Inhalt, der verbreitet wird – offenbar attraktiv, sagt der SPÖ-Politiker. Die Sozialdemokratie könne bis heute keine befriedigenden Antworten auf die großen Themen der Zeit, wie den Umbruch in Nordafrika oder im Nahen Osten mit all den Flüchtlingsströmen, die digitale Revolution oder die Klimakatastrophe bieten. Die gesamte Arbeitswelt verändert sich derart radikal, und wenn die Menschen hilfesuchend zur Sozialdemokratie hinschauen und fragen, was meint ihr dazu, kommt von uns zu wenig zurück. Hin und wieder würden zwar einzelne Ideen, wie eine Finanztransaktionssteuer, aufpoppen, das aber sei zu wenig, da ist kein Gesamtsystem ersichtlich, sagt Leichtfried, der auch eine mangelnde europäische Orientierung der Sozialdemokratie bemängelt. Diese fehlende Internationalisierung mache es auch in der Konfrontation mit Rechtspopulisten, die eine Renationalisierung wollen, schwer zu argumentieren. Leichtfried: Man kann halt schwer um eine Idee streiten, an die man selbst nicht glaubt. Leichtfried wünscht sich möglichst schnell einen Sonderparteitag, der ausschließlich inhaltlicher Programmatik gewidmet sein soll: Wenn wir jetzt nicht rasch mit konkreten Ideen reagieren, werden wir weiter Wahlen verlieren. Kanzler Wener Faymann schlägt einen "Fünf-Punkte-Plan" zur Belebung der Wirtschaft vor. Wien – Angesichts der Wachstumsschwäche und Rekordarbeitslosigkeit in Österreich will Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Konjunkturpaket umsetzen. In Faymanns Fünf-Punkte-Plan befinden sich teilweise mit dem Koalitionspartner vereinbarte Maßnahmen, darunter das nicht umgesetzte Wohnbaupaket. Man darf sich an die Arbeitslosigkeit nicht einfach gewöhnen, sagte Faymann dem Kurier. Der Fünf-Punkte-Plan des Bundeskanzlers umfasst neben dem Wohnbau den Stromnetzausbau, Investitionen in wachstums- und beschäftigungsfördernde Institutionen, eine Aussetzung der Richtwertmieten-Erhöhung im April 2016 sowie zinsgünstige Darlehen für kleine und mittlere Unternehmen. Von dem Paket erhofft sich der Bundeskanzler eine Stärkung der Kaufkraft und damit der Konjunktur. Beim Wohnbau fordert Faymann im die Umsetzung des im März auf der Regierungsklausur in Krems vereinbarten Wohnbaupakets. 6.000 Wohneinheiten sollen pro Jahr entstehen. Der Stromnetzausbau soll über die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren vorangetrieben werden. Auf EU-Ebene will Faymann erreichen, dass wachstums- und beschäftigungsfördernde Investitionen nicht mehr ins Defizit gerechnet werden. Faymann rechnet weiterhin mit einem Arbeitsmarktgipfel im Herbst. Seit Mai können sie Gewerkschaft, Arbeiterkammer und Wirtschaftskammer nicht auf gemeinsame Maßnahmen einigen. Ich kann nur an die Sozialpartner appellieren, zu einem Ergebnis zu kommen. Die Bevölkerung misst uns nicht an dem, das Richtige zu wollen, sondern das Richtige zu machen, sagte Faymann. Zur Frage, wie es mit den zahlreichen Flüchtlingen und Asylwerbern in Österreich weitergehen soll, verwies der Bundeskanzler auf die Regierungsklausur am kommenden Freitag. Auch eine Senkung der Bankensteuer könnte als Maßnahme zur Wirtschaftsbelebung Realität werden. Verpackt wird sie in dem Konjunkturpaket, das die Regierung gerade schnürt, wie DER STANDARD kürzlich berichtete. Die Banken seien bereit, einen Fonds zu befüllen, der Finanzierungen von bis zu einer Milliarde Euro ermöglichen soll. Die ehemalige SPÖ-Abgeordnete mischt im Wahlkampf in Oberösterreich mit und wirbt in Linz für Eva Schobesberger. Die ehemalige SPÖ-Abgeordnete und Rebellin Sonja Ablinger hat nach ihrem Parteiaustritt im Juni offenbar eine neue politische Heimat gefunden. Im Wahlkampf in Oberösterreich unterstützt Ablinger als Mitglied eines Personenkomitees die grüne Linzer Bürgermeisterkandidatin Eva Schobesberger. Langer Konflikt in SPÖ Ablinger hatte nach 30 Jahren das SPÖ-Parteibuch abgegeben. Als Grund nannte sie unter anderem die Koalition mit der FPÖ im Burgenland. Ablinger hatte aber auch im parteiinternen Konflikt um das nach dem Tod von Nationalratspräsidentin Barbara Prammer frei gewordene Mandat gegenüber dem Gewerkschafter Walter Schopf das Nachsehen. Die Debatte um die Frauenquote zog sich über mehrere Wochen. Scharf kritisiert wurde Ablinger damals unter anderem vom Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SP). Im März hatte dann ein Schiedsgericht der SPÖ Oberösterreich die Entscheidung der Parteigremien bestätigt, dass Schopf und nicht die damalige oberösterreichische Frauenvorsitzende Ablinger auf Prammers Mandat nachrücken soll. Ablinger hatte es mit Verweis auf die Quotenregelung beansprucht, obwohl sie hinter Schopf gereiht war. Grenze erreicht Für mich ist eine Grenze erreicht. Es geht nicht mehr, sagte Ablinger bei ihrem Rücktritt. Leicht sei der Parteiaustritt nicht, aber angesichts dessen, wohin sich die SPÖ entwickelt habe, sei er unabdingbar. Schon dass der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) angekündigt hatte, mit der FPÖ über eine Koalition zu verhandeln, habe sie erschüttert. Kritik übte die ehemalige Abgeordnete immer wieder auch an Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) wegen seiner zurückhaltenden Reaktion. Oberösterreichs SP-Vizechefin wirft Parteikollegen zu geringes Bemühen vor, Antworten auf die Sorgen der Menschen zu finden. STANDARD: Sie haben gefordert, dass das schlechte Ergebnis in Oberösterreich schonungslos analysiert werden muss. Wie lautet Ihre Analyse? Kaiser: Dass die Flüchtlingsthematik alles überlagert haben soll, ist eine Ausrede. Das stimmt einfach nicht. Die SPÖ hat schon seit mehreren Jahren schlechte Umfragewerte. Bei 18 bis 23 Prozent lagen wir in den Umfragen seit 2014 immer wieder. STANDARD: Warum haben so wenige Menschen die SPÖ gewählt? Kaiser: Die SPÖ macht bereits seit Jahren für Arbeiter und Arbeiterinnen keine glaubwürdige Politik mehr. Sie schreibt zwar wichtige Themen auf Wahlplakate, zum Beispiel Gerechtigkeit für alle, aber in der Politik, die sie umsetzt, ist von diesen Sprüchen wenig zu spüren. Die SPÖ hat neoliberale Krisenrezepte wie den Fiskalpakt und die Schuldenbremse mitbeschlossen. Das hat nichts mit sozialdemokratischer Politik zu tun. Die Leute merken, dass es keine Konsequenzen hat, wenn man die SPÖ wählt. Es macht kaum einen Unterschied zur ÖVP oder zu anderen Parteien. STANDARD: Hat die FPÖ die richtigen Antworten für die Arbeiter? Kaiser: Die FPÖ gibt keinesfalls die richtigen Antworten, aber sie gibt zumindest irgendwelche Antworten. Zuspitzen auf Sündenböcke ist die falsche Antwort. Aber ich denke, dass das auf fruchtbaren Boden fällt, weil es keine alternativen Erklärungsversuche gibt. STANDARD: Sind die Funktionäre Ihrer Partei zu abgehoben? Haben sie den Kontakt zu den Bürgern verloren? Kaiser: Die agierenden Personen sind tatsächlich sehr oft weit davon weg, was in einem Betrieb passiert und was die Sorgen und Ängste der Menschen sind. Und sie machen sich keine Mühe, glaubwürdige Antworten auf die Sorgen zu finden. Das sieht man an der Steuerreform: Für alle wurde ein bisschen etwas herausgeholt, für die Besserverdienenden etwas mehr. Die wirklichen Probleme, die fehlende Umverteilung, zu niedrige Löhne und die hohe Arbeitslosigkeit, werden wieder nicht thematisiert, geschweige denn angegangen. STANDARD: Am 2. Oktober findet in Oberösterreich der erste Kompass-Kongress der Parteirebellen statt. Was soll dort passieren? Kaiser: Wir erwarten etwa 100 Menschen. Wir werden in Kleingruppen verschiedene Themen diskutieren. Es soll der Start sein, sich zu organisieren, um etwas zu verändern. STANDARD: Hat sich nach der Wahl Unmut breitgemacht über die Führungspersönlichkeiten im Bund oder im Land? Kaiser: Im Bund gibt es diesen Unmut schon länger. Betreffend Landespartei bin ich mir unsicher. Ich glaube, es machen sich in der SPÖ Lethargie und Resignation breit. STANDARD: Es hat oft geheißen, die Zukunft des Parteivorsitzenden Werner Faymann wird von den Landtagswahlen abhängen. Wird er bald Geschichte sein? Kaiser: Ich kann nicht einschätzen, ob sich am Kurs der Bundespartei etwas verändert hat. Ich glaube nicht. STANDARD: Efgani Dönmez von den Grünen hat für die Bürgermeister-Stichwahl in Linz eine Wahlempfehlung für den ÖVP-Kandidaten ausgesprochen. SPÖ-Chef Klaus Luger kooperiere mit türkischen Rechtsextremen. Können Sie das nachvollziehen? Kaiser: Das ist inhaltlich nachvollziehbar, ich kritisiere die Zusammenarbeit mit den faschistischen Grauen Wölfen. Aber ich schließe mich der Empfehlung nicht an. Ehemalige Abgeordnete ist aus Partei ausgetreten und wird auch nicht Mitglied der Initiative "Kompass". Wien/Linz – Sonja Ablinger, die frühere SPÖ-Abgeordnete und heutige Frauenring-Vorsitzende, begrüßt die SPÖ-interne Initiative Kompass. Diese habe sehr vernünftige Vorschläge, selbst mit dabei ist sie aber nicht, erklärte Ablinger, die wegen der rot-blauen Koalition im Burgenland schließlich ganz aus der Partei ausgetreten ist. Nicht überrascht hat sie das oberösterreichische Wahlergebnis. Richtig überraschend war das Wahlergebnis leider nicht, in der Deutlichkeit natürlich schon, meinte Ablinger zum dritten Platz ihrer ehemaligen Partei bei der oberösterreichischen Landtagswahl am vergangenen Sonntag. Die starken Verluste von SPÖ und ÖVP seien aber nicht allein mit dem Flüchtlingsthema zu erklären: Das ist eine Ausrede. Die SPÖ sei seit der Wahlniederlage 2009 nicht mehr auf die Füße gekommen. Es ist ein Wahlergebnis, das Parteien bekommen, wenn sie das Gefühl vermitteln, die dringend anstehenden Probleme nicht zu lösen, verwies sie etwa auf die Rekordarbeitslosigkeit, Reallohnverluste und soziale Unsicherheit. Die Regierung jedoch antworte mit den falschen Konzepten: Sparen und Budgets runterschreiben, damit verschärfen sie nur die Krise, das sieht man in ganz Europa. Dort, wo soziale Unsicherheit wächst und die Themen nicht angesprochen werden, das ist das Feld, wo Rechtspopulismus wächst. Dass die ÖVP nun den Fehler wiederhole und sich rechts der FPÖ positioniere: Das ist eigentlich unpackbar. In Linz hält der Oberösterreich-Ableger der Initiative Kompass am Freitag seinen ersten Kongress im Bundesland ab. Ablinger begrüßt dies, auch wenn sie als aus der Partei Ausgetretene selbst nicht mitmacht. Die Partei brauche eine wirklich ernsthafte Analyse der Ursachen und eine Belebung der innerparteilichen Demokratie. Kompass biete sehr vernünftige Vorschläge und habe bereits großes Interesse ausgelöst. Ihr Parteiaustritt sei nicht leichtfertig passiert und somit kann sie sich in nächster Zeit auch keine Rückkehr vorstellen: Wenn die SPÖ wieder eine kämpferische Bewegung wird und versucht, eine wirkliche Alternative zu sein zum neoliberalen Mainstream, dann würde sie vielleicht wieder mitkämpfen, so Ablinger. Dass sich Kompass von der Partei abspalten könnte, das erwartet sie nicht. Die Initiative bemühe sich viel eher, die SPÖ wieder auf Kurs zu bringen. Mit einer Neuausrichtung gehe auch eine personelle Neuerung einher, räumte sie ein. Grundsätzlich sei jedoch die inhaltliche Neupositionierung die notwendigere Aufgabe. Durch das Schönreden des derzeitigen Parteivorsitzenden Werner Faymann fühle sich die Bevölkerung nicht ernst genommen und: Da verliert man natürlich auch als Sozialdemokrat jede Glaubwürdigkeit. Noch keinen Termin kennt sie für das Bundesschiedsgericht zur Nachfolge auf dem Mandat der verstorbenen Barbara Prammer. Das oberösterreichische Schiedsgericht hatte die Entscheidung der Parteigremien bestätigt, dass der nachgereihte Gewerkschafter Walter Schopf, und nicht Ablinger aufgrund der Quotenregelung, nachrücken soll. Ablinger zog sich daraufhin als Frauenvorsitzende in Oberösterreich zurück. Das sagt viel über die innerparteiliche Demokratie aus, wie mit Statuten umgegangen wird. Andreas Babler fordert Neuaufstellung der SPÖ, Kernschichten hätten Abneigung gegen "Lifestyle" der Handelnden. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) fordert im Gespräch mit dem STANDARD eine umfassende personelle und inhaltliche Neuaufstellung der SPÖ im Bund. Gerade in den Gemeindebauten, wo unsere ehemaligen Kernschichten leben, bestünde eine große Abneigung gegen den Lifestyle der handelnden Personen. Ein glaubwürdiger Bundesparteivorsitzender müsse es schaffen, intellektuelles Wissen und hemdsärmeliges, geradliniges Auftreten zu kombinieren, sagt Babler. STANDARD: Die SPÖ hat in Wien relativ gut abgeschnitten. Kann man daraus schließen, dass auch mit der SPÖ im Bund alles okay ist? Babler: Im Gegenteil. Die Wiener SPÖ hat sich von der Bundespartei differenziert, und das hat den Erfolg ausgemacht. In Wien liegt die SPÖ zirka neun Prozent vor der FPÖ. Auf Bundesebene ist es gemäß den aktuellen Umfragen genau umgekehrt, da liegen wir deutlich hinter der FPÖ. Das hat natürlich einen Grund: die andere Art, Politik zu machen, und die fehlende Glaubwürdigkeit. STANDARD: Kanzler Werner Faymann ist in den vergangenen Wochen in der Flüchtlingsfrage doch entschieden aufgetreten und war mit der Wiener SPÖ auf einer Linie. Wo sehen Sie die Differenzierung? Babler: Das stimmt so nicht. Viele Menschen sind sehr enttäuscht von der SPÖ im Bund im Umgang mit der Flüchtlingsfrage. Es gab bereits in den letzten eineinhalb Jahren ein gravierendes Versagen in der Flüchtlingspolitik und -betreuung. Der traurige Höhepunkt dieser Entwicklung war der Besuch von Amnesty International in Traiskirchen. Die Flüchtlinge mussten unter Faymanns Regierungsverantwortung monatelang unter freiem Himmel schlafen. Als Politiker glaubwürdig zu sein beruht auf jahrelanger Arbeit. Man kann sie nicht binnen weniger Wochen erlangen. Häupl hat zum Beispiel trotz Übererfüllung der Quote minderjährige unbegleitete Flüchtlinge aus Traiskirchen nach Wien geholt. STANDARD: Kann die Bundes-SPÖ aus dem Ergebnis den Schluss ziehen, dass man mit linker Politik durchaus auch in schwierigen Zeiten Wahlen gewinnen kann, und ihre Politik dementsprechend ausrichten? Babler: Wichtig ist zu zeigen, dass man eine grundsätzliche Einstellung zum Helfen hat, egal ob jemand obdachlos ist, auf Mindestsicherung angewiesen ist oder eben auf der Flucht ist. Im Bund ist in diesen Fragen nur eine Beliebigkeit erkennbar, aber keine Linie. Das Vertrauen in die Bundes-SPÖ ist verspielt. Das lässt sich nicht mehr so leicht korrigieren. Wir gewinnen dort, wo Person, Profil und Glaubwürdigkeit ein stimmiges Bild ergeben. Das kriegen wir im Bund nicht mehr hin. Das gilt nicht nur für Werner Faymann. STANDARD: Welche Eigenschaften muss diese Person haben, um die Glaubwürdigkeit der Bundes-SPÖ zurückzugewinnen? Babler: Diese Person muss mehrere Eigenschaften in sich tragen. Nämlich Profil und Haltung, damit nicht nur nach Stimmungslagen und nach Tagesgeschehen Politik gemacht wird. Wir brauchen jemanden, der in Zusammenhängen denkt, Visionen und Programme vorlegt. Bei der Flüchtlingsfrage geht es zum Beispiel darum, diese nicht nur zu bewältigen, sondern auch darum, darüber nachzudenken, was die Ursachen für die Flucht sind, beispielsweise der unregulierte Welthandel. Wir sind als Partei permanent damit beschäftigt, Dinge abzuwehren und uns zu verteidigen. Es fehlt an einem selbstbestimmten Programm. Zum Beispiel braucht es eine Abkehr vom stumpfsinnigen Tabu, keine wesentliche Kritik an der EU zu üben. Wir dürfen diese Kritik nicht nur den nationalistischen Rechten überlassen. Außerdem brauchen wir jemanden, der es schafft, für und mit Leuten, denen es nicht so gut geht, Politik zu machen. Der es schafft, intellektuelles Wissen und hemdsärmeliges, geradliniges Auftreten zu kombinieren. Da ist es vor allem wichtig, beispielsweise Arbeiterinnen und Arbeiter zu erreichen. Das schafft die aktuelle Partie nicht. STANDARD: Einen intellektuellen Proleten? Und wer soll das sein? Babler: Darüber werden wir jetzt nicht in der Öffentlichkeit diskutieren. Fest steht, dass es gerade in den Gemeindebauten, wo unsere ehemaligen Kernschichten leben, eine große Abneigung gegen den Lifestyle der handelnden Personen gibt. In den 1990er-Jahren hat die sogenannte Verbonzung der Spitzenpolitiker begonnen, die sich bis heute durchzieht. Heute nennt man das Abgehobenheit und Entfremdung. Diese Entfremdung der SPÖ zieht sich auf sämtlichen politischen Ebenen durch. Da muss es ein Umdenken geben. STANDARD: Warum wurden die Funktionäre so abgehoben? Babler: Weil wir als Partei aufgehört haben, kritisch zu hinterfragen, welche Existenzberechtigung die Sozialdemokratie in der heutigen Zeit noch hat. Konkret: für wen sie eigentlich Politik macht. Dabei gibt es wichtige gesellschaftliche Strukturen zu beleuchten: etwa wer die Verfügungsgewalt über Wissenschaft, Technik, Forschung, Telekommunikation hat oder unter welchen Bedingungen Kredite des Internationalen Währungsfonds vergeben werden. STANDARD: Faymann hat schon viele Obmanndebatten und Wahlniederlagen überstanden. Warum sollte es diesmal anders sein? Babler: Die Belohnung der Wiener SPÖ-Politik durch die Wähler ist ein starkes Zeichen in diese Richtung. Egal wo man hinfährt, die personelle Kritik wird in den Gewerkschaften und in Parteistrukturen offen formuliert. Mit einer kleinen Regierungsumbildung wird es nicht getan sein. Es braucht eine fundamentale personelle und vor allem inhaltliche Neuaufstellung in der Sozialdemokratie. Wir brauchen als Sozialdemokraten und Sozialdemokratinnen wieder politische Würde, damit man auch stolz ist, dieser Partei anzugehören. Ein Antrag zur Einberufung des Schiedsgerichts wurde bereits beim letzten Bundesparteivorstand eingebracht – und vertagt. Die Junge Generation der SPÖ bemüht sich darum, ein parteiinternes Schiedsgericht einzuberufen, weil Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl entgegen dem Beschluss des letztens Bundesparteitags eine rot-blaue Koalition gebildet hat. Einen entsprechenden Antrag haben die jungen SPÖler, vertreten durch JG-Bundeschefin und Nationalratsabgeordnete Katharina Kucharowits, bereits beim vorletzten Bundesparteivorstand eingebracht. Nach Informationen des STANDARD wurde die Abstimmung über die Einsetzung des Schiedsgerichtes damals vertragt. Am Dienstag traf sich das Gremium erneut, aber auch diesmal wurde offenbar nicht darüber abgestimmt. Vielmehr soll es noch Gespräche zwischen der JG und Niessl geben. Sollte doch ein Schiedsgericht einberufen werden, könnte dieses auch über Konsequenzen befinden. Sollte es zum Schluss kommen, dass Niessl nicht statutenkonform gehandelt hat, könnte eine Verwarnung oder eine Rüge ausgesprochen werden. Aber auch wesentlich weitreichendere Konsequenzen stünden zu Disposition – etwa ein Parteiausschluss. Bereits im Jahr 2004 haben die Genossen beim Bundesparteitag dafür gestimmt, dass es keine Koalition mit einer rechtspopulistischen FPÖ geben soll. Auf Begehr der JG wurde diese Ablehnung auf allen politischen Ebenen beim letzten Bundesparteitag im Jahr 2014 bekräftigt. In diesem Antrag, dem die Genossen zugestimmt hatten, wird die FPÖ als rechtsextreme Partei bezeichnet. Sie schaffe durch irrationale Schuldzuweisungen fiktive Zusammenhänge und Feindbilder, die Menschen diskriminieren, verhetzen und so einen tiefen Keil in die Gesellschaft und die soziale Struktur treiben. Verwiesen wird auch auf die Vernetzung mit der radikalen Rechten in Europa. Als Sozialdemokratische Partei ist es unsere antifaschistische Aufgabe, klar gegen diese Entwicklung und FPÖ-Verhetzung Stellung zu beziehen, uns in keinem Fall auf eine Kooperation einzulassen und die Fehlerhaftigkeit und Kurzschlüssigkeit in der FPÖ-Argumentation aufzuzeigen, heißt es. Der entsprechende Beschluss: Die SPÖ spricht sich klar gegen eine Koalition mit der FPÖ auf allen politischen Ebenen aus. Nach Bildung der rot-blauen Koalition im Burgenland wurden in der SPÖ Zweifel laut, ob sich eine vom Bund grundsätzlich unabhängige Landesorganisation an den Bundesparteitagsbeschluss halten muss. Genau diese Frage zu klären bezeichnet der JG-Wien-Vorsitzende Marcus Gremel im Gespräch mit dem STANDARD als ein Ziel des Schiedsgerichts. Zudem wünsche er sich eine Nachschärfung bei den Statuten, damit etwaige Missverständnisse künftig vermieden werden können. Auf Anfrage des STANDARD lehnt Kucharowits es ab, den Antrag auf Einberufung des Schiedsgerichts vorzulegen. Dem Vernehmen nach wirft die JG in diesem Text Niessl parteischädigendes Verhalten vor. Bei Österreichern zwischen 15 und 34 kämen Rot und Schwarz zusammen nicht einmal auf 18 Prozent Wähleranteil. Die Generation der Österreicher im Alter zwischen 15 und 34 Jahren weist starkes Desinteresse an gängigen Formen der Politik auf. Knapp jede/jeder Fünfte zeigt sich sehr interessiert, weitere 36 Prozent so einigermaßen. Aber jeder Zweite kann damit nichts anfangen. Dabei ist der Optimismus bezüglich der Zukunft groß (81 Prozent). Neun von zehn jungen Österreichern sind mit ihrem Leben generell glücklich. Das sind einige der Kernergebnisse einer global angelegten Studie der Stiftung für progressive Studien (FEPS), eines Thinktanks von Europas Sozialdemokraten in Brüssel, über die Generation Millennium, die in Österreich mit dem Renner-Institut erstellt wurde. Mehrere EU-Staaten, auch die USA und Kanada, wurden untersucht. Hierzulande wurden repräsentativ 1.105 Personen befragt, ergänzt durch Tiefeninterviews. Das Hauptproblem er Jungen: Vertrauensverlust. Eine beziehungsweise einer von zwei Befragten stimmte der Aussage zu, dass die Bürger bei Wahlen ihre Zukunft mitbestimmen. Aber nur jede/jeder Vierte glaubt, dass Wählen einen Unterschied macht, die Verhältnisse ändert. Das Gefühl zu haben, dass die Politiker den Jungen nicht zuhören, es als schwierig empfunden wird, sich in den bestehenden Strukturen zu engagieren, wird als eines der Hauptmotive für Politfrust angegeben. Mehr als drei Viertel der M-Generation sind stark an Musik und Film, Social Media, Neuer Technologie, Kochen und Lesen interessiert. Politik liegt neben Theater und Religion weit dahinter. Gesund sein, mit Freunden zusammen, Familie, das ist dieser Generation am wichtigsten. Geld zu verdienen, Erfolg zu haben, das kommt erst danach. An Politik teilhaben, auf Gemeindeebene tätig zu sein liegt an letzter Stelle. Entsprechend schlecht fallen die Ergebnisse für traditionelle Parteien aus: Wären am Sonntag Wahlen, würden 79 Prozent der 15- bis 34-Jährigen wählen (in Italien oder Ungarn wären es 70 beziehungsweise 60). Die FPÖ käme mit 19 Prozent Stimmenanteil auf den ersten Platz. Die Grünen könnten mit 17 Prozent rechnen, die Neos mit zehn. Die Sozialdemokraten kämen auch auf zehn, die ÖVP auf acht Prozent – die regierende große Koalition hätte gemeinsam nur 18 Prozent Stimmanteil. Kleinstparteien wie Piraten und Kommunisten würden nicht über die Vier-Prozent-Hürde kommen (siehe Grafik). Der Rest ist unentschlossen oder wollte keine Angaben machen. 60 Prozent der Jungen lehnen die Wahlpflicht ab. Bemerkenswert ist, dass 56 Prozent glauben, ihre Eltern wären an Politik mehr interessiert gewesen. Nur 15 Prozent sehen es umgekehrt. Fast alle sind davon überzeugt, dass Wahlen in 20 Jahren generell per Internet stattfinden. Jeder Zweite glaubt, dass Spitzenkandidaten auf Social Media wie Twitter und Facebook setzen müssten, nur ein Viertel begrüßt klassische Wahlevents – ein globaler Trend, sagt dazu die Forscherin Maria Freitas. Am häufigsten wurde bemängelt, dass Junge nicht ernst genommen würden (64 Prozent), sich nichts ändert, die Strukturen überaltert seien und Politik vom realen Leben weit entfernt. Spannend auch der Fragenkomplex, wie Österreich in 20 bis 30 Jahren aussehen werde. Wichtigstes Thema ist der Erhalt der Umwelt (88 Prozent), dann folgen Wirtschaft und Arbeit. Das Land werde viel bunter sein, lautet der Tenor der Jungen, viele Einwanderer würden kommen, und es werde weiter einen starken technologischen Wandel geben. Letzteres korrespondiert mit der Unzufriedenheit über die staatlichen Investitionen: 49 Prozent der Befragten finden, dass viel zu wenig für sie getan werde, nur 14 Prozent sehen es umgekehrt. 'In Linz machte die SPÖ nach, was die ÖVP in der Landesregierung vorlebte: Sie schloss einen Pakt mit der FPÖ. Doch diesmal bleibt der Aufschrei der Parteispitze aus: Die Linzer Liaison sei weit weg von jeder Koalition. Linz/Wien – Vor drei Wochen war die SPÖ-Spitze empört. Scharf protestierte sie gegen jenes Arbeitsübereinkommen, das die ÖVP mit der FPÖ in Oberösterreichs Landesregierung schloss. Die FPÖ ist eine Partei, die nicht regieren kann, wetterte Klubchef Andreas Schieder, Parteiobmann Werner Faymann sagte: Um zu sehen, dass die FPÖ keine Antworten hat, muss man sie nicht regieren lassen. Im Internet sammelte die SPÖ-Zentrale Unterschriften gegen Schwarz-Blau. Nun haben die Freiheitlichen in Oberösterreich wieder einen Pakt zustande gebracht, und abermals sprechen die Beteiligten von einem Arbeitsübereinkommen. Partner ist diesmal allerdings die SPÖ: In der Hauptstadt Linz schloss der rote Bürgermeister Klaus Luger mit seinem blauen Gegenüber Detlef Wimmer einen Pakt, der nicht nur Vereinbarungen zu Themen wie Soziales und Infrastruktur umfasst. Auch das wichtige Finanzressort teilen sich die beiden Parteien künftig. Protestieren die obersten Genossen in Wien nun wieder? Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid sieht dafür keinen Anlass: In Linz ist das etwas ganz anderes, sagt er. Es handelt sich um keine Koalitionsansage und schon gar keine echte Koalition, sondern lediglich um Vereinbarungen zu einzelnen Vorhaben. Die SPÖ schließe ja auch mit den Grünen und der ÖVP derartige Abkommen, ähnlich der im Nationalrat üblichen Zusammenarbeit in Sachfragen. Dass der rot-blaue Pakt angesichts des geteilten Finanzressorts eine tiefergreifende Qualität habe, sieht Schmid nicht so. Es habe eine Vier-Parteien-Einigung über die Ressortverteilung gegeben, außerdem resultiere diese aus der Logik der Konzentrationsregierung, in der prinzipiell alle Parteien vertreten sind: Wenn es einen blauen Vizebürgermeister gibt, muss man einen Modus Vivendi finden. Das ließe sich allerdings auch für die oberösterreichische Landesregierung behaupten, die genauso nach dem Konzentrationsprinzip funktioniert. Macht Luger in Linz nicht das Gleiche, was ÖVP-Chef Josef Pühringer vorexerziert hat? Schmid sieht einen entscheidenden Unterschied: Pühringer hat sich von der FPÖ zum Landeshauptmann wählen lassen, Luger wurde von den Linzer Bürgern gewählt. Abgesehen vom Schulterschluss im Finanzressort beabsichtigen SPÖ und FPÖ einige strukturelle Reformen: Die Unternehmensgruppe Linz soll künftig in einer Holding-Konstruktion effizienter organisiert werden. Außerdem soll das Magistrat Linz mit den Bezirkshauptmannschaften von Linz-Land und Urfahr-Umgebung enger zusammenarbeiten – eine Fusion nicht ausgeschlossen. Leistungen der Stadt sollen, soweit möglich, an die Bedingung des Hauptwohnsitzes gebunden werden, genannt werden Mietverträge für geförderte Wohnungen. Überdies gibt es eine Reihe von Bekenntnissen, gegen Kaputtsparen, für eine Stärkung der Polizei. Und, für Freiheitliche lehrreich: Es zählt der Mensch und sein positiver Beitrag zur Gesellschaft Infrastrukturminister wird Vizeparteichef – Für Entholzer "schwer in Ordnung". Linz – Der oberösterreichische Arbeiterkammer-Präsident und ÖGB-Chef Johann Kalliauer (62) zieht sich aus seinen Funktionen als stellvertretender Vorsitzender der Landes-SPÖ und aus dem Parteipräsidium zurück. Als Vize-Parteichef folgt ihm Infrastrukturminister Alois Stöger nach, wie SPÖ-Chef Reinhold Entholzer der APA bestätigte. Der Wechsel soll beim Parteitag Mitte Jänner vollzogen werden. Wie berichtet will Entholzer dort erneut als Vorsitzender kandidieren, er soll aber nur mehr vier statt 14 Stellvertreter haben. Dem neuen Team sollte ursprünglich neben Frauenvorsitzender Sabine Promberger, der dritten Landtags-Präsidentin Gerda Weichsler-Hauer und dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger auch Kalliauer angehören. Dieser wollte das aber vorher noch in der FSG abklären. Dass nun stattdessen Stöger mit an Bord ist, ist für Entholzer schwer in Ordnung. Wer Kalliauer im Präsidium nachfolgt, war vorerst offen. Stöger wird immer wieder – für den Fall, dass er als Minister abgelöst werden sollte – als möglicher Parteichef der Sozialdemokraten in seinem Heimatbundesland Oberösterreich gehandelt. Aufgewertete Ablösekandidaten, mehr Kompetenz für des Kanzlers Zukunftshoffnung und ein neues Gesicht für die Flüchtlingspolitik: Die SPÖ baut ihr Team sanft um. Es ist in der SPÖ zu einem gängigen Karrieremuster geworden: Minister werden von Genossen und Medien als Ablösekandidaten gehandelt – um in der Folge in ein noch einflussreicheres Amt aufzusteigen. Demnächst wird ein solcher Sprung gleich zwei Ressortchefs gelingen. Die SPÖ wird am Freitag Rudolf Hundstorfer zum Präsidentschaftskandidaten küren und bei der Gelegenheit auch ihr Regierungsteam umbauen. Laut dem Plan, der nicht offiziell bestätigt ist, aber als fix gilt, wird Alois Stöger das nach Hundstorfers Ausstieg vakante Sozialministerium übernehmen. Der einst als Schwachstelle verschriene Oberösterreicher landet damit nach den Stationen Gesundheit und Verkehr im wichtigsten Ressort in SPÖ-Hand. Warum, ist schnell erklärt: Die Gewerkschaft will es so – und aus der Führungsgarde hat sich weder ÖGB-Chef Erich Foglar noch ein anderer Kandidat vorgedrängt. Nicht geschadet hat die Mitgliedschaft in der Gewerkschaft auch Stögers Nachfolger im Verkehrsministerium: Entgegen allen Ablösegerüchten wird künftig der bisherige Verteidigungsminister Gerald Klug über Bahn und Straße wachen und damit ein weit höheres Budget verwalten als bisher. Dabei hat der Steirer in seinem bisherigen Job nicht nur laut der in Umfragen dokumentierten Wählermeinung, sondern auch in den Augen der SPÖ-Spitze keine gute Figur gemacht – von ungelenken Medienauftritten über fruchtlose Scharmützel mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner von der ÖVP bis hin zu einer Privilegiendebatte wegen einer Privatfahrt mit seinem Dienstchauffeur. Doch für Kanzler und Parteichef Werner Faymann zählt eine Eigenschaft am meisten: Loyalität – und die habe Klug trotz aller Fehler bewiesen, sagt ein SPÖler: Faymann lässt niemanden fallen, der nicht illoyal war. Alles andere würde das Vertrauen der Minister in ihren Chef untergraben. Allerdings dürfte Klugs neues Ministerium abgespeckt werden. Einen Teil der Kompetenzen und des Budgets soll Sonja Steßl, bei Faymann hoch angeschriebene Staatssekretärin im Kanzleramt, erben. Wandern könnte die über diverse Förderprojekte ausbezahlte sogenannte Breitbandmilliarde, mit der das Internet auf dem Land ausgebaut werden soll – ein schönes Betätigungsfeld für die 34-jährige Steßl, um sich als Zukunftspolitikerin zu stilisieren. Entschieden ist das dem Vernehmen nach aber noch nicht. Frischen Wind erhofft sich die SPÖ vor allem vom einzigen Newcomer der Rochade: Hans Peter Doskozil, bisher Polizeichef im Burgenland, soll der roten Linie in der Flüchtlingskrise ein vertrauenswürdiges Gesicht verleihen. Dass ihm das gelingen könnte, hat der 45-Jährige vergangenen Sommer bewiesen. Sachlich und überlegt trat er auf, als in einem Lkw auf der Ostautobahn 71 tote Flüchtlinge gefunden wurden. Auch den wochenlangen Andrang von Asylwerbern an der burgenländischen Grenze managte Doskozil so souverän wie möglich. Was noch für ihn spricht: Als Uniformträger kann Doskozil auf einen Vertrauensvorschuss im Verteidigungsministerium bauen, als Ex-Büroleiter des burgenländischen Landeshauptmanns Hans Niessl auf einen guten Draht zum prominentesten Abweichler von der offiziellen Parteilinie in der Flüchtlingspolitik. Ob die SPÖ mit Doskozil einen Kurswechsel einleitet? In der Sache zeichnet sich das nicht ab, in der Rhetorik durchaus. Einen Vorgeschmack gab Faymann selbst, indem er in der Krone verschärft ausdrückte, was im Prinzip längst gilt: Wirtschaftsflüchtlinge müssten abgewiesen werden – wenn möglich bereits an der Staatsgrenze. Mit Aufständen ist nicht zu rechnen, wenn Vorstand und Präsidium der SPÖ am Freitag die Kandidatur Hundstorfers und wohl auch die damit verknüpften Rochaden offiziell besiegeln werden. Die Amtsübergaben werden dann etwa zwei Wochen auf sich warten lassen, bis dahin soll sich der Nochsozialminister mit Wahlkampf zurückhalten: In der SPÖ verspricht man einen sauberen Schnitt. In vielen Feldern "exzellent", aber auch hinschauen wo es nicht so gut läuft – Resümee über eineinhalb Jahre im BMVIT. Wien – Der scheidende Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) hat vor seinem Wechsel ins Arbeits- und Sozialministerium einen Rückblick über eineinhalb Jahre an der Spitze des BMVIT gezogen. Mit jährlichen fünf Milliarden Euro Investitionen in Infrastruktur und Technologie sichere das Ministerium 80.000 Arbeitsplätze. In der Standortdiskussion zeigte er sich zuversichtlich: Österreich fällt nicht zurück. Einer der Kritiker, Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl, sehe das Glas immer nur halb voll, rügte Stöger, obwohl seit 1986 alle Wirtschaftsminister aus dem ÖVP-Wirtschaftsbund kämen. Stöger verwies auf seine Besuche von österreichischen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, wo er die Innovationskraft gesehen habe. Wir sind in vielen Feldern exzellent, meinte der Minister. Als Beispiele nannte er die Seilbahntechnik, Motorenentwicklung, Schienentechnik, Werkstofftechnik und die Pharmaforschung. Natürlich dürfe man sich nicht auf Lorbeeren ausruhen und müsse auch dort hinsehen, wo es nicht so gut laufe. Aber: Wenn ein Chef sagt, mein Produkt ist so schlecht, wir sind so schlecht, wer wird es dann wohl kaufen? Das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie (BMVIT) sei ein Ressort mit sehr langfristigen Vorhaben. Die Arbeit an Bau- und Technologieprojekten werde erst einige Jahre später sichtbar. So habe er auf die Arbeit seiner Vorgängerin, Doris Bures (SPÖ), aufgesetzt, und sein Nachfolger im Ministerbüro, Gerald Klug (SPÖ), werde auf seine aufsetzen. Es war spannend, das sozialdemokratische Wirtschaftsressort zu leiten, sagte Stöger am Freitag vor Journalisten in Wien. Das Ministerium habe in Wirtschaftswachstum und Arbeitsplätze investiert. So wurde der ÖBB-Rahmenplan von 2016 bis 2021 mit Investitionen von über 14,6 Milliarden Euro im Parlament beschlossen. Das Asfinag-Bauprogramm wurde ebenfalls festgelegt. Die Umsetzung der Breitbandmilliarde in konkrete Förderungen bezeichnete Stöger als mühsame Geburt, die noch im Dezember 2015 mit der Ausarbeitung eines Fördermodells, das von der EU akzeptiert werde, erfolgte. Investitionen in den Jahren bis 2021 im Umfang von 25 Milliarden Euro seien fixiert worden. Insbesondere durch die Tunnelbauten, den Brennerbasistunnel, Semmeringbasistunnel und den Koralmtunnel werde das Bahnnetz moderner und schneller werden. Während an der Südstrecke etwa gleich viele Menschen wohnen wie an der Weststrecke, sei das Bahnverkehrsaufkommen an der ausgebauten Strecke Wien-Salzburg etwa fünf mal so hoch wie auf der Strecke Wien-Villach. Daher sei der Ausbau der Südstrecke dringend notwendig. Zuversichtlich zeigte sich Stöger, dass Deutschland in die Zulaufstrecken zum Brennertunnel investieren. Das Thema Industrie 4.0 sollte offensiv angegangen werden: Dazu wurde eine Plattform aller Beteiligten, von Industrie und Universitäten bis zu Gewerkschaftsvertretern gebildet. In Wien-Aspern wurde eine Pilotfabrik errichtet, drei weitere sollen in Österreich folgen. Die 1.500 geförderten Berufspraktika in dem Bereich werden auf 3.000 Praktika verdoppelt. Die Digitalisierung werde zu einem Wandel in der Wirtschaft und Gesellschaft führen, aber nicht zu weniger Arbeitsplätzen, meinte Stöger. Wenn sich die Wirtschaft der Auseinandersetzung stelle, werde sie profitieren – wenn nicht, müsse sie der Entwicklung nachlaufen. Die Arbeit werde dadurch verändert und in die Regionen zurückkommen. Zu den Bedenken, dass die Arbeitsplätze in der digitalen Welt immer mehr Qualifikationen benötigen und einfache Arbeit ganz wegrationalisiert werde, meinte Stöger: Ich gehe davon aus, dass die Menschen qualifizierbar sind. Mit dem Verbot von nationalsozialistischen Abkürzungen und Codes auf Autokennzeichen (Nummerntafelerlass) habe er ein Zeichen gegen Nazi-Gedankengut setzen wollen, betonte Stöger. Die Amtsübergabe im BMVIT an Klug findet am Mittwoch, 27. Jänner statt. Relative Mehrheit identifiziert sich mit FPÖ-Positionen. Wien – Die Koalitionsparteien haben das Vertrauen der Bevölkerung in der Flüchtlingsfrage in dramatischem Ausmaß verloren. In einer in dieser Woche durchgeführte Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Unique research (500 Befragte) im Auftrag von profil bewerten 83 Prozent das Krisenmanagement der Regierung negativ. Nur 15 Prozent sind mit der rot-schwarzen Flüchtlingspolitik zufrieden. Noch schlechter schneidet die EU ab, deren Flüchtlingspolitik von 93 Prozent der Befragten negativ beurteilt wird. 77 Prozent sind der der Meinung, Österreich sei an der Belastungsgrenze bei der Flüchtlingsaufnahme angelangt. Die Österreicher identifizieren sich demnach in der Flüchtlingsfrage vor allem mit der FPÖ. Eine relative Mehrheit von 24 Prozent gibt an, der Standpunkt der Freiheitlichen entspreche dem eigenen. Die Position der ÖVP teilen 17 Prozent, die bisher gepflegte Willkommenskultur der SPÖ nur 13 Prozent. Dementsprechend liegt die FPÖ auch in der Sonntagsfrage weiterhin in Führung. Falls am nächsten Sonntag Nationalratswahlen wären käme die FPÖ laut der Umfrage auf 30 Prozent (minus ein Prozentpunkt im Vergleich zur Dezember-Umfrage). Die ÖVP folgt mit 24 Prozent (+/-0) vor der SPÖ mit 23 Prozent (plus 1). Die Grünen halten bei 14 Prozent Wähleranteil (plus 1), die NEOS bei 8 Prozent (± 0). Auch bei einer fiktiven Direktwahl des Bundeskanzlers liegt FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache mit 19 Prozent vor SPÖ-Vorsitzendem Werner Faymann und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, die jeweils auf 16 Prozent kämen. Michael Schickhofer wurde mit 94,8 Prozent zum neuen SPÖ-Landesvorsitzenden gewählt. Stillen Protest gab es bei der Faymann-Rede. Spielberg – Die Location für diesen Parteitag war mit einer Menge Power aufgeladen: PS-starke Formel-1-Boliden, hohe Geschwindigkeit, draufgängerische Kerle. Und als Kraftstoff der populärste Energydrink. Die Parteitagsregie der steirischen SPÖ hatte am Samstag den Red Bull-Ring in Spielberg für die Kür ihres neuen Vorsitzenden Michael Schickhofer gewählt. Die gewünschte Assoziation war klar: Der junge Nachfolger des ehemaligen Landeshauptmannes Franz Voves sollte in dem kraftstrotzenden Ambiente als energiegeladene Zukunftshoffnung präsentiert werden. Alle waren gekommen, bis auf einen: Franz Voves, der alte Parteivorsitzende und ehemalige Landeshauptmann. Kein Grußwort von ihm, nichts. Er wolle sich bis auf weiteres aus dem politischen Geschehen heraushalten, hatte er intern ausrichten lassen. Michael Schickhofer, der noch von Voves zum Nachfolger bestimmt worden ist, springt in jugendlicher Frische hinaus aufs Rednerpodium. Füreinander da sein, ruft der 36 Jahre alte Politiker – fast ein wenig bittend – gleich eingangs ins Publikum. Schickhofer stellt sich als Praktiker, als Umsetzer vor, der weniger vom Theoretisieren hält: Net gscheit reden, sondern tun, ist unsere Devise. Vor allem hier in der Obersteiermark, in der alten Industrieregion gelte es anzupacken und neue Arbeits- und Lehrplätze zu schaffen. In diesem Sinne seien Lehrlingsheime von gleicher Bedeutung wie das beste Studentenheim. Bei der Aufzählung der bisherigen politischen Aktivitäten in den Bezirken huscht einmal ganz kurz das Wort Voves über seine Lippen. Er wolle Danke an Franz Voves sagen. Die rund 400 Delegierten reagieren mit höflichem, aber verhaltenen Applaus. Damit ist das Kapitel Voves an diesem Parteitag abgehakt. Die steirische SPÖ wird wohl noch einige Therapiesitzungen einschieben müssen, um ihr noch sehr belastetes Verhältnis zu ihrem ehemaligen Vorsitzenden aufzuarbeiten. Denn dass Voves nach der Landtagswahl 2015 den Landeshauptmannsessel freiwillig an die ÖVP abgegeben hat, obwohl seine Partei stimmenstärkste Partei geblieben war, drückt nach wie vor schwer auf das Selbstbewusstsein der Partei, die seither im Bundesland wieder nur die undankbare Rolle als Juniorpartner spielen darf. Inhaltlich fährt Schickhofer den gleichen Kurs wie Voves seinerzeit: Gegen Reiche, für Umverteilung. Es zipft mich an, wie Konzerne mit der Marie abfahren. Die schicken das Geld um die Welt und es kommt steuerfrei zurück. Was macht Starbucks? Unsere Wirte haben dagegen keine Chance, die müssen ihren Kaffee versteuern, wettert Schickhofer, der schließlich von 94,8 Prozent, also 400 der 422 Delegierten zum neuen Vorsitzenden gewählt wird. Unerwähnt bleiben kann natürlich nicht das Thema Flüchtlinge. Immerhin verfügt die Steiermark mit dem Grenzübergang Spielfeld über einen Hotspot. Schickhofer wiederholt an die Adresse Werner Faymanns die Forderung, dass die Steiermark, dass die Weinberge nicht zur Pufferzone werden dürfen. Der angesprochene Kanzler, der mit Präsidentschaftskandidaten Rudi Hundstorfer nach Spielberg gekommen war, weiß natürlich um die nicht gerade leichte Aufgabe Schickhofers, die steirische Partei nach diesen Verwirrungen nach der Wahl zusammenzuhalten. Schickhofer habe die Partei in einer schwierigen Zeit übernommen. Am Wahlabend hätten ja noch viele gemeint, die SPÖ wird weiter den Landeshauptmann haben. Für ihn sei das alles nicht absehbar gewesen, wie die Verhandlungen in der Steiermark zwischen ÖVP und SPÖ abgelaufen sind. Gut, das Ergebnis sei jetzt ja bekannt und Schickhofer hat jetzt die Aufgabe, das herauszuholen, was wichtig ist: Geschlossenheit. Faymann: Ich weiß, wie schwierig es ist, die Partei zusammenzuführen und wie leicht, sie auseinander zu dividieren. Den Rest seiner Parteitagsgrußworte widmet Faymann der von ihm immer wieder propagierten Forderung nach Verteilungsgerechtigkeit. Er plädiert einmal mehr für einen starken Staat, für ein aktives Einmischen der Politik. Faymann: Die Erben können noch Generationen leben, ohne arbeiten zu müssen. Wir Sozialdemokraten stehen auf der anderen Seite. Auf jener, die Hilfe brauchen. Und dann folgt eine längere Huldigungsadresse an Rudolf Hundstorfer. Arbeitnehmer bräuchten keine arroganten Ratschläge, sondern Herz und Hirn für unser Land. Worüber eben ein Rudi Hundstorfer verfüge. Der frisch gekürte SPÖ-Präsidentschaftskandidat präsentiert sich schließlich schon ganz mit präsidialer Tonalität: Ich möchte mich als Bundespräsident auch in Europa um die Erhaltung der politischen Handlungsfähigkeit engagieren. Wollen wir eine Spaltung der Gesellschaft oder halten wir zusammen? Deshalb macht es einen Unterschied, wer Präsident ist. Ich bin für ein Miteinander, für eine offene Hofburg als Ort des Dialogs. Ich bin für eine politische Kultur, auf die Österreicher stolz sein können. SPÖ-Mandatar setzt Schritt wegen Präsidentenkurs: "Gezielte Vernichtung von Teilen des Volks". Wien – Aus Protest gegen den von Kurs des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan hat SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim seine Mitgliedschaft in der türkisch-österreichischen Parlamentarier-Freundschaftsgruppe ruhend gestellt. Als überzeugter Demokrat und Freund des türkischen Volkes müsse er diesen Schritt setzen, teilte er dem Botschafter in Österreich in einem Schreiben mit. Das Verhalten Erdogans und seines Umfeldes sei mit der Wertewelt demokratischer Staaten nicht vereinbar. Denn einerseits würden die Kurden – die hervorragenden Anteil am Kampf gegen den IS hätten – aufs Blutigste bekämpft, und andererseits immer wieder Schritte gesetzt, die den Kampf gegen den IS behindern. Ich bin der Meinung, dass sich das freiheitsliebende türkische Volk einen Präsidenten, zu dem sich Präsident Erdogan nun entwickelt, nicht verdient hat, schreibt Jarolim. Er äußert große Sorge und Unverständnis über die brutalen, autoritären und durch nichts gerechtfertigten Aktivitäten des Präsidenten – von der undemokratischen, vom Zaun gebrochenen Neuwahl über die Beschränkung der Meinungsäußerungs- und Versammlungsfreiheit, intransparente Gerichtsverfahren bis zur jüngsten und gezielten Vernichtung von Teilen des eigenen Volks. Jarolim hat, wie er der APA berichtete, sein Schreiben an Botschafter Mehmet Hasan Gögüs, Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und Brigitte Jank (ÖVP) gesandt. Jank ist die Vorsitzende der – von österreichischer Seite bisher 15 Nationalrats- und Bundesratsabgeordnete umfassenden – Freundschaftsgruppe. Sachleistungen statt Geld bei Asyl auf Zeit – an Verschlechterung sei nicht gedacht. Nicht nur die ÖVP rüttelt an der Mindestsicherung für Asylberechtigte, auch sozialdemokratische Landespolitiker denken an Einschränkungen. Geht es nach der steirischen SPÖ, soll die Leistung nicht mehr an jene Flüchtlinge ausbezahlt werden, die Asyl auf Zeit gewährt bekommen. Als Ersatz soll es eine Integrationshilfe geben, die sich aus Geld- und Sachleistungen zusammensetzt – im Verhältnis 50:50, wie es heißt. Stimmen die steirischen Genossen damit in den Ruf nach einer Kürzung ein? Es ist keine Verschlechterung geplant, dementiert man im Büro von Soziallandesrätin Doris Kampus: Oberösterreich, wo sich Flüchtlinge auf arge Abstriche einstellen müssen, sei kein Vorbild. Das Niveau der Integrationshilfe solle sich an der Mindestsicherung orientieren, nur dass nicht die ganze Leistung nach Gutdünken ausgegeben werden kann, sondern für Wohnung, Strom oder Deutschkurse verwendet werden muss. Erst wenn Asyl auf Zeit in eine dauerhafte Asylberechtigung übergeht, soll die Mindestsicherung fließen. Allerdings hegt die rote Regierungshälfte auch einen finanziellen Hintergedanken: Die Integrationshilfe soll nicht von den Bundesländern bezahlt werden, sondern aus einem europäischen Sozialfonds, gespeist von jenen EU-Ländern, die verhältnismäßig wenige Flüchtlinge aufnehmen. Die steirische ÖVP, die den Landeshauptmann stellt, reagiert positiv: Es sei ein guter Gedanke, die klassischen sozialen Sicherungssysteme zu entlasten, sagt Landesrat Christoph Drexler. Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) entzieht sich einem Kommentar. Erst will er das von der Regierung beauftragte Gutachten abwarten, in dem rechtlich beurteilt werden soll, inwieweit Asylberechtigte in Sachen Sozialleistungen anders behandelt werden dürfen als gewöhnliche Bürger. Die Expertise soll im März vorliegen. Schon jetzt wälzen die meisten Bundesländer Pläne, um befürchtete Kosten zu reduzieren oder loszuwerden. Vorgeprescht ist Oberösterreich. Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte sollen nur mehr so viel finanzielle Unterstützung bekommen wie Asylwerber in der Grundversorgung. Das wären 320 statt 914 Euro für Einzelpersonen monatlich. Von Kürzungen für Flüchtlinge sprechen auch die Landeshauptleute Markus Wallner (Vorarlberg), der die Leistung vom Integrationswillen abhängig machen will, und Wilfried Haslauer (Salzburg), der von Ausgleich durch Sachleistungen wie Sprachkurse spricht. Die einzige von der SPÖ geführte Landesregierung, die mit einer einseitigen Kürzung kokettiert, ist jene des Burgenlandes. Die Sozialdemokraten Michael Häupl (Wien) und Peter Kaiser (Kärnten) lehnen eine Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge hingegen ab, Letzterer ist dezidiert dafür, dass künftig der Bund die Verantwortung für die Sozialleistung übernimmt. Für den Zentralisierungsplan sind auch die schwarzen Länder Niederösterreich, das als Bedingung aber analog zur Bundes-ÖVP eine generelle Kürzung der Mindestsicherung auf 1.500 Euro (für Familien) fordert, und Tirol zu haben. Neues Team bis Sommer – Entholzer bleibt bis dahin Landesrat. Linz – Der oberösterreichische Interims-SPÖ-Chef Johann Kalliauer sucht einen Nachfolger mit Ecken und Kanten. Dafür nimmt er sich bis Sommer Zeit. Dann soll das Team aus einem neuen Parteivorsitzenden, einem Landesrat – eventuell in Personalunion – und einem Geschäftsführer stehen. So lange wird Soziallandesrat Reinhold Entholzer auch noch im Amt bleiben, wie Kalliauer ankündigte. Bei der Landtagswahl im Herbst verlor die SPÖ fast 6,6 Prozentpunkte und rasselte auf 18,4 Prozent herunter. Zunächst schien Parteichef Entholzer diesen Absturz politisch zu überleben. Als er aber eine neue Geschäftsführerin einsetzen wollte, legte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger aus Protest seine Parteifunktionen zurück. Daraufhin warf Entholzer – wenige Stunden vor seiner geplanten Wiederwahl – das Handtuch. AK-Präsident und ÖGB-Vorsitzender Johann Kalliauer (62) änderte seine ursprünglichen Pläne, sich aus den Parteifunktionen zurückzuziehen, und sprang als Interimsvorsitzender ein. Ausgestattet mit 91,3 Prozent der Delegiertenstimmen muss er nun die Partei wieder in ruhiger Gewässer führen und neu ordnen. Ich habe gesagt, dass ich bewusst keine Personalvorschläge machen und keine Gespräche führen will, sondern ich habe ein Anforderungsprofil für alle drei Funktionen definiert, erklärte Kalliauer nach dem konstituierenden Parteivorstand am Montag. Die Job-Description für den Vorsitz lautet: Jemand mit Ecken und Kanten, denn es gelte das eine oder andere Match mit den anderen Parteien auszutragen, vor allem, wenn es um Benachteiligung von Menschen geht. Man müsse aber im Team denken, das Paket müsse stimmen. Ob Parteichef und Landesrat in Personalunion oder in Form einer Doppelspitze besetzt werden, sei noch offen. Beim Geschäftsführer gehe es neben Führungs- und Organisationsfragen auch darum, das Team zu motivieren und die einzelnen Organisationen in der Partei eher zusammenzuführen und nicht ein Auseinanderdriften zuzulassen. In jedem Fall werde es einen neuen und nur mehr einen statt bisher zwei Geschäftsführer geben. Welche beziehungsweise wie viele Positionen von einer Frau besetzt werden, ließ Kalliauer noch offen, aber: Dass wir Frauen in diesem Paket stärker berücksichtigen, gilt. Wenn das Team steht, werde es möglichst rasch einen Sonderparteitag geben, dann ist meine Aufgabe erledigt. Dass es beim Parteitag im Jänner zu einer Eruption gekommen ist, erklärt er sich damit, dass sich wohl einige Dinge aufgestaut hätten. Entholzers Personalentscheidung sei nur der letzte Auslöser gewesen. Die Geschehnisse Luger allein zuzuschreiben sei aber auch zu kurz gegriffen. Kalliauer betonte, dass es mit den Linzer Genossen ein sehr konstruktives Miteinander und keine Verletzungen und keine klimatischen Schwierigkeiten gebe. Statt Luger sitzt nun Vizebürgermeister Christian Forsterleitner im Präsidium – ein klares Signal für mich, dass die Linzer mit im Boot sind. Inhaltlich will Kalliauer klassische rote Themen mehr zuspitzen: Benachteiligung von Frauen, geringe Lohnzuwächse bei steigenden Kosten. Probleme benennen, Lösungen anbieten, aber auch dazusagen, wer dafür verantwortlich ist. Da haben wir bei Schwarz-Blau in OÖ eine breite Palette. Beim Thema Mindestsicherung würden seiner Ansicht nach die Flüchtlinge nur vorgeschoben, denn: Die Mindestsicherung soll ja überhaupt angegangen werden. Aber auch bei den Migranten bringe die in Oberösterreich geplante Kürzung überhaupt nichts, außer dass ich die Menschen in die Illegalität und in die Armut treibe. Der in OÖ geplanten Deutschpflicht in den Schulpausen steht Kalliauer kritisch gegenüber: Da bedient man die Stammtische. Kritik an der Linie der Bundesregierung in der Flüchtlingsfrage übt er nicht. Die jetzige Haltung sei ein Versuch zu sagen: Hallo, wir können das nicht allein schultern. Von der FPÖ komme hier nur dumpfester Rassisimus, aber sie biete keine konstruktive Kritik im Sinne von Alternativlösungen. Faymann verpasst Klub-Reise wegen Solo-Auftritts bei "Im Zentrum". Wien/Saalfelden – Der SPÖ-Parlamentsklub macht sich erstmals seit längerem wieder auf eine größere Reise. Saalfelden ist das Ziel der Frühjahrsklausur, die von Samstag bis Dienstag in Szene geht. Während Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer (SPÖ) bei seinen roten Parlamentsfreunden vorbeischaut, lässt Kanzler Faymann die Tagung aus. Der Grund für die Absenz des SPÖ-Chefs ist sein umstrittener Solo-Auftritt in der ORF-Sendung Im Zentrum Sonntagabend. Ursprünglich war vorgesehen gewesen, dass der Regierungschef zu diesem Zeitpunkt an einem Abendessen im Rahmen der Klausur teilnimmt und am Tag darauf ein Referat hält. Nunmehr wurde das Programm um Faymanns Rede abgespeckt. Zu Wort kommen hingegen wie geplant neben Klubchef Andreas Schieder noch Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Dass gerade diese beiden Ressortchefs ausgewählt wurden, hängt mit dem Generalthema der Tagung zusammen, das lautet: Arbeit.Wachstum.Sicherheit. Aus Verantwortung für unser Land. Neben den inhaltlichen Schwerpunkten bemühen sich die SPÖ-Parlamentarier, ihrem Präsidentschaftskandidaten den Weg in die Hofburg leichter zu machen. Organisiert wurden gleich zwei Veranstaltungen. Sonntagfrüh werden gemeinsam die Gletscherbahnen Kaprun besucht, am Nachmittag findet dann am Hauptplatz von Saalfelden eine Veranstaltung der SPÖ Pinzgau zu Ehren Hundstorfers statt. Werner Faymann durfte sich am Sonntagabend ohne Mitdiskutanten im ORF den Fragen zur Flüchtlingspolitik der Regierung stellen. Der Kanzler verteidigte das Ende des Durchwinkens. Das Setting ist bekannt, aber diesmal war der Kanzler alleine zu Gast. Es gab ein Solo mit Werner Faymann bei Im Zentrum am Sonntagabend, moderiert von Ingrid Thurnher, heftig kritisiert von der ÖVP. Ist das Ihr Europa, Herr Faymann?, war der Titel, und Frau Thurnher sagte: Danke, dass Sie die Einladung angenommen haben – wohl auch um Gerüchten über SPÖ-Interventionen im ORF entgegenzuwirken. Die schrecklichen Bilder aus Idomeni zeigten die Notwendigkeit, dass es eine gemeinsame Lösung braucht, führte Faymann aus. Konkret nannte er Verteilerzentren, die den Flüchtlingen klarmachen sollten, dass sie sich nicht aussuchen könnten, wo sie Schutz bekommen. Er habe mit dem portugiesischen Regierungschef gesprochen, der wollte 7.000 Flüchtlinge nehmen, habe aber nur 200 bekommen. Angesprochen auf die hässlichen Bilder aus Griechenland sagte Faymann, es gebe das Signal, dass die Balkanroute zu sei, es gibt kein Durchwinken mehr. Dass jemand zu Schaden kommt, ist nicht vorzusehen. Die EU könne nun zeigen, dass sie Menschlichkeit mit Ordnung verbinden könne. Wir haben geholfen, und darauf bin ich stolz, sagte Faymann, daher habe Österreich die moralische Kraft, darauf zu dringen, dass jetzt Ordnung komme. Österreich habe jedenfalls handeln müssen, es habe sich in den letzten Monaten des vergangenen Jahres gezeigt, dass immer mehr Flüchtlinge nicht nach Deutschland weiterreisten, sondern in Österreich um Asyl angesucht. Es wäre aus des Kanzlers Sicht unverantwortlich gewesen, wenn er nichts unternommen hätte. Faymann sprach sich klar für ein Abkommen mit der Türkei aus, auch wenn er einräumte, dass die Türkei kein einfacher Partner sei. Klar sei auch, dass die Türkei das Flüchtlingsproblem nicht für die EU lösen könne. Ziel sei es, die Grenzen gemeinsam zu schützen und Flüchtlinge, die illegal die Grenze überschritten haben, wieder zurückzuführen. Faymann: Das spricht sich schnell herum, dass die Route zu ist. Im Gegenzug würden die europäischen Staaten dann Flüchtlinge, die legal in der Türkei sind, übernehmen. Faymanns Aber: Ich möchte mich nicht darauf verlassen. Sollte die Türkei alle Kriterien erfüllen, sei er dafür, dem Land Visa-Freiheit für seine Bürger zu gewähren. Ein EU-Beitritt komme, das versuchte der Kanzler deutlich zu machen, aber nicht infrage, da müsste es zuvor auch eine Volksabstimmung in Österreich geben. Die Türkei habe einen Vollbeitritt aber gar nicht verlangt, sagte Faymann. Mit Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel habe er sich im Winter entzweit, als er erkannt habe, dass es keine europäische Lösung geben werde, und ihm klarwurde: Wir sind nicht das Wartezimmer Deutschlands. Die Einführung von Obergrenzen sei Notwehr als Plan B gewesen. Und was ist passiert?, fragte der Kanzler. Aufgeweckt haben wir die Kollegen. Die Balkanroute sei dichtgemacht worden, jetzt habe er nur Angst, dass diese wieder aufgemacht werde. Konfrontiert mit Aussagen von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), der früh ein Ende des Durchwinkens gefordert hatte, bestritt Faymann, auf ÖVP-Kurs geschwenkt zu sein. Er habe seine Meinung geändert, und er habe im richtigen Gremium, nämlich dem der EU-Regierungschefs, dafür gestimmt, das Durchwinken zu beenden. Dass Umfragewerte eine Rolle gespielt haben, wies der Kanzler weit von sich: Umfragen interessieren mich überhaupt nicht. Er habe die Pflicht, der Realität ins Auge zu schauen. Faymann hoffe, dass die Demonstration und Gegendemonstration am Montag aus Anlass eines Flüchtlingsheims in Wien-Liesing friedlich abgehen, in Österreich ist kein Platz für Hasser. Dass die Boulevardzeitungen maßgeblich zur Polarisierung der Bevölkerung beitrügen, wollte Faymann nicht kritisieren, ich bin nicht der Richter der Zeitungen, ich mische mich nicht ein. Abqualifizierungen mag er aber nicht, sagte der Kanzler. Dass ihm die Parteijugend bei seiner jüngsten Rede vor Wiener Genossen riet: Werner, raus aus dem rechten Eck, sei zu viel Ehre für das rechte Eck, sagte Faymann. Fehler wollte er in seiner Politik keine eingestehen. Eines können wir uns nicht vorwerfen: dass wir nicht menschlich waren und dass wir nicht als Erste aufgeschrien haben. Weiterwinken muss beendet werden, "ganz gleich ob auf der Westbalkanroute oder auf einer anderen Route". Brüssel/Wien – Außenminister Sebastian Kurz hat sich am Montag zuversichtlich gezeigt, dass der EU-Gipfel Ende dieser Woche eine Vereinbarung mit der Türkei zur Lösung der Flüchtlingskrise finden wird. Ich gehe davon aus, dass ein Deal mit der Türkei zustande kommen wird, sagte Kurz vor Beratungen der EU-Außenminister in Brüssel. Europa dürfe sich aber der Türkei nicht ausliefern, forderte Kurz. Vor allem beim Schutz der EU-Außengrenze müsse Europa selbst tun, was es selbst erledigen könne. Ein Deal mit der Türkei könne nur ein weiterer Bestandteil einer Lösung sein. Kurz bekräftigte die Forderung, dass nach der Balkanroute weitere Flüchtlingsrouten geschlossen werden müssten. Der jüngste EU-Gipfel habe beschlossen, dass das Weiterwinken der Flüchtlinge nach Mitteleuropa beendet werden muss. Das muss das Ziel sein, ganz gleich ob auf der Westbalkanroute oder auf einer anderen Route. Mittlerweile hätten auch jene, die das Weiterwinken für eine Lösung betrachtet hätten, eingesehen, dies der falsche Weg sei. Europa wird dann funktionieren, wenn wir gemeinsam unsere Außengrenzen schützen. Bei der Schließung gehe es nicht um Abschottung, etwa zu Italien, sondern um Zusammenarbeit. Italien habe von Anfang an europäische Unterstützung im Mittelmeer angefordert und damit den richtigen Weg gewählt. Über eine mögliche Mission in Libyen gebe es laut Kurz Gespräche mit Italien. Er sei froh darüber, dass Italien und andere Länder nicht wegsehen würden, wenn die Situation in Libyen dramatisch sei. Europa müsse ein Interesse daran haben, dass es eine Verbesserung der Situation in Libyen gibt. Spruchreife Ergebnisse gebe es aber noch nicht. Kurz zeigte sich froh darüber, dass Libyen als Hauptthema auf der Tagesordnung des EU-Außenministerrates steht. Der Außenminister warnte vor falschen Erwartungen, dass ein Ende des Kriegs in Syrien die Flüchtlingskrise löse. Wir brauchen frieden in Syrien, weil die Menschen sich das vor Ort verdient haben. Der Glaube, dass dadurch die Flüchtlingskrise gelöst wäre, ist leider Gottes ein Irrglaube. Nur ein Drittel der Flüchtlinge, die nach Österreich gekommen sind, seien Syrer. Viele andere haben sich auf den Weg gemacht. Babler gibt Öffentlichkeitsarbeit wegen Arbeitsüberlastung ab – Gehalt als eigener Sekretär für Hobart ein "moralischer Skandal". Traiskirchen – Die niederösterreichischen Freiheitlichen haben am Freitag heftige Kritik an Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler geübt: Dass der SPÖ-Politiker als sein eigener Sekretär ein zusätzliches Körberlgeld kassiere, sei ein moralischer Skandal. Babler hatte zuvor mitgeteilt, seine Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit des Rathauses aufzugeben. Die Funktion soll mit einem Profi aus diesem Bereich neu besetzt werden. Babler begründete diesen Schritt in einer Aussendung am Freitag damit, dass diese Doppelbelastung für ihn ein enormes Arbeitspensum gebracht hätte. Die letzten zwei Jahre hatten es in sich, verwies er neben städtischen Belangen u.a. auf die permanente Auseinandersetzung mit dem Innenministerium in Sachen Flüchtlingslager – Traiskirchen ist Standort des Erstaufnahmezentrums des Bundes. Deshalb habe ich in den letzten Monaten versucht, jemanden zu finden, der vor allem in der Öffentlichkeitsarbeit und Stadtkommunikation meine technischen Arbeiten, die so viele Stunden in Anspruch nehmen, übernehmen kann, erklärte Babler. Er habe sein Ersuchen um einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses bereits auf die Tagesordnung der Gemeinderatssitzung setzen lassen. Die personelle Neubesetzung obliege allerdings jetzt noch der strengen gesetzlichen Vertraulichkeit des Stadtrat-Kollegiums. Wie Landtagsabgeordneter Christian Höbart, geschäftsführender FPÖ-Landesparteiobmann, in einer Aussendung ausführte, habe Babler neben seinen knapp 7.800 Euro Bruttobezug als Stadtchef knapp 4.000 Euro brutto als sogenannter Bürgermeistersekretär auf einer 40-Stunden-Arbeitsbasis erhalten. Damit habe Babler in den vergangenen zwei Jahren rund 100.000 Euro brutto aus dem Steuertopf in die Tasche gesteckt. Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, weist Vorwürfe scharf zurück, er habe sich auf Kosten der Gemeinde bereichert. Der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler, legt nach FPÖ-Angriffen, er habe sich seit Mitte 2014 ein Körberlgeld von 100.000 Euro aus der Stadtkassa verschafft, im STANDARD offen: Er bestätigt, dass er zuletzt einen Doppelbezug als Gemeindeangestellter und Stadtchef von 11.300 Euro brutto im Monat hatte. Der SP-Politiker weist aber Vorwürfe scharf zurück, er habe sich unrechtmäßig auf Kosten der Gemeinde bereichert. Die Auflösung seines Dienstverhältnisses als Angestellter der Gemeinde sei seit Monaten vorbereitet, und auch bereits durch die Stadtratssitzung gegangen. Babler vermutet als Auslöser einer Schmutzkübelkampagne den Versuch der FPÖ, ihn wegen seiner Stadt- und Flüchtlingspolitik mit allen Mitteln schlecht zu machen, sagte er im Gespräch mit Thomas Mayer. STANDARD: Die FPÖ wirft Ihnen vor, dass sie als Bürgermeister von Traiskirchen gleichzeitig als ihr eigener Sekretär tätig gewesen seien, und sich knapp 4000 Euro pro Monat als Körberlgeld dazuverdienten, wie sie sagt, 100.000 Euro in zwei Jahren, zusätzlich zum Bürgermeistergehalt von 7800 Euro. Was sagen Sie zu diesen Vorwürfen, stimmen diese Zahlen? Andreas Babler: Nein, sie stimmen so nicht. Mein Bürgermeisterbezug wird nicht von der Stadt festgelegt. Ich bin in eine Gehaltspyramide eingebettet, die der Nationalrat festlegt. Eine Erhöhung mit 1. Jänner 2016 war gesetzlich vorgegeben, weil Traiskirchen einen Sprung über die 20.000-Einwohner-Grenze gemacht hat. Bis vor zwei Monaten waren die Bezüge deutlich geringer, und auch nicht von mir festgelegt. STANDARD: Ich habe zwei Gehaltszettel von Ihnen vor mir liegen… Babler: Es gibt nur einen Lohnzettel, das andere ist die Aufwandsentschädigung für den Bürgermeisterjob. STANDARD: …ok, also es gibt einen Lohnzettel, der Sie als Angestellter der Gemeinde ausweist. Das waren Sie bereits seit zehn Jahren, als Sie im April 2014 zum Bürgermeister gewählt wurden. Und dann gibt es die Abrechnung für die Bürgermeistergage. Babler: Genau. STANDARD: Im Sommer 2014 machte ihr Angestelltengehalt 3928 Euro brutto pro Monat aus, netto nach Abzug von Sozialversicherung und Steuern 2319 Euro. Die Bürgermeisterentschädigung beträgt seit Anfang 2016 7383 Euro brutto, netto knapp 3500 Euro, davor waren es 5907 Euro brutto. Das waren also zusammengerechnet knapp 10.000 Euro brutto, jetzt 11.300. Das ist für einen Stadtchef von Traiskirchen erstaunlich viel, finden Sie nicht? Babler: Ja, das ist eine gewaltige Summe. Aber die Erhöhung des Bürgermeisterbezugs konnte ich mir nicht aussuchen. Die Summe ist aber beeindruckend. Darum löse ich das auch auf. Das kann und mag ich nicht vertreten. STANDARD: Wie kam das zustande, dass Sie fast zwei Jahre lang einen Posten in einer Gemeinde haben können, deren Bürgermeister Sie sind? Babler: Bei mir war das so, dass ich selbst zwei Dienstverhältnisse gar nicht wollte, und daher seit der Übernahme des Bürgermeisteramts von Beginn an daran arbeitete, das eine aufzulösen. Jetzt war es endlich möglich. Es ist zwar alles gesetzlich und formal in Ordnung und auch transparent, aber moralisch für mich nicht vertretbar. Und meine Anstellung war nicht von mir, sondern vor vielen Jahren einstimmig vom Gemeinderat beschlossen worden. Deswegen lege ich Ihnen ja auch die Unterlagen vor. STANDARD: Niemand hat behauptet, dass etwas Ungesetzliches geschehen wäre, auch die FPÖ nicht. Aber für viele Bürger sind solche kumulierten Gehälter doch erstaunlich. Sie waren zuerst Gemeindeangestellter, gleichzeitig seit 1995 Gemeinderat, später Stadtrat, dann Bürgermeister. Kam Ihnen das nicht selbst komisch vor? Babler: Die FPÖ erfindet gerade in ihrer Propaganda angebliche Berufsbezeichnungen für mich, wie Pressesprecher oder Sekretär des Bürgermeisters, die es gar nicht gibt. Und noch dazu falsche Zahlen. Fakt ist, dass viele in Städten Gemeindebedienstete sind oder andere Hauptberufe haben, so auch in Traiskirchen. Sie müssen das verstehen, in einer Stadt unserer Größenordnung sind politische Funktionen alle nebenberuflich, Gemeinderäte und auch Stadträte. Die haben alle einen Beruf. Bei größeren Städten sind sie dann schon hauptberuflich. STANDARD: Was war Ihr Job in der Gemeinde, bevor Sie Bürgermeister wurden? Babler: Sie werden selten einen Bürgermeister oder einen Politiker finden, der freiwillig auch seinen eigentlichen Beruf aufgibt und auf sein Einkommen verzichtet, so wie ich. Das habe ich nämlich jetzt vorbereitet und gemacht. STANDARD: Sie meinen, wenn einer Bürgermeister wird, dann gibt er nicht gleich seinen privaten Beruf auf? Babler: Wenn einer ein Bürgermeister mit Prinzipien ist, so wie ich, schon. Dann tut man das. Das beweise ich ja gerade. Es gab überhaupt keinen politischen Druck, keinen der Opposition, das zu tun. Alles was die Angelegenheit betrifft, ist im Gemeinderat beschlossen worden, das kann jeder nachprüfen. Wenn es mir um Geld gehen würde, hätte ich die zwei Jobs bis zu meiner Pensionierung machen können, aber das steht meinen Grundsätzen entgegen. STANDARD: Aus Ihrem Referat in der letzten Stadtratssitzung vom 22. März, also am vergangenen Dienstag, geht hervor, dass Ihr Posten als Gemeindeangestellter jetzt nach besetzt wird, die Kritik der FPÖ kam drei Tage später. Aber die Frage, die sich uns zuerst stellt, ist die nach einer gewissen Unvereinbarkeit vorher. Was konkret haben Sie neben der Bürgermeistertätigkeit gemacht, für knapp 4000 Euro brutto? Babler: Ich werde Ihnen erzählen, wie das gekommen ist. Ich habe Anfang Mai 2014 das Bürgermeisteramt angetreten und war von Anfang an konfrontiert mit einer Ausnahmesituation in der Stadt, nach vielen falschen Entscheidungen, und dem ganzen Wahnsinn, was die Asylpolitik anlangt. Mein Ziel war ursprünglich auch, meinen Job sofort aufgeben zu können. Ich habe aber festgestellt, dass wir einen kompletten Verwaltungsumbau vornehmen müssen. Wir hatten da eine überalterte Struktur, und die habe ich mir vorgenommen umzubauen. STANDARD: Sie haben zwei Jobs gemacht? Babler: Ja. Es war nicht möglich, die Verwaltung auch hinsichtlich der Stabsstelle so umzubauen, dass sie funktionsfähig wäre, ich hatte ein akutes Problem mit Personalressourcen in der Gemeinde, auch meine eigene. Ich hatte als Bürgermeister niemand, der für Kommunikation, für Medienarbeit, Analysen etc. da gewesen wäre. Der für meine bis dahin ausgeführten beruflichen Tätigkeiten vorgesehene Nachfolger musste sofort große Agenden des Wohnungsamtes übernehmen, weil sich da eine dringende Notwendigkeit ergab. Und die zweite Mitarbeiterin der Stabsstelle kündigte mir an, dass sie in Karenz geht. STANDARD: Sie waren also unabkömmlich, oder wie soll man das verstehen? Babler: Leider. Das war arbeitstechnisch für mich ein Wahnsinn, aber das war die Situation, die ich vorgefunden habe. Zusätzlich gab es große Umbauten in der Verwaltung, es fehlte mir beispielsweise in der Stabsstelle auch ein juristischer Mitarbeiter, bis heute übrigens. STANDARD: Was waren Sie, was mussten Sie tun? Babler: Ich war für die Stabsstelle verwaltungstechnisch zuständig. Es wäre für die Stadtverwaltung unmöglich gewesen, wenn ich diese Stelle ohne Ersatz aufgelassen hätte. Ich habe sofort zusätzlich zu dem sicherlich unvergleichbaren Aufgabenpensum eines Traiskirchner Bürgermeisters in der harten Auseinandersetzung mit dem Innenministerium, die sofort begann, 40 Stunden in der Woche in der Stabsstelle arbeiten müssen. Ich habe dabei viele technische Aufgaben übernehmen müssen, den unaufschiebbaren EDV- und IT –Umbau, der zu einem Sicherheitsrisiko für die Stadt geworden war. Ich musste dringende Modernisierungsschritte in der Datensicherung oder im WLAN und Breitbandausbau setzen, und zusätzlich auch aufgrund der politischen Ausnahmesituation und der immer stärker werdenden Auseinandersetzung mit dem Bund auch Konzepte entwickeln, was die Stadtkommunikation als Ganzes betrifft. Und das ist mir ja in den letzten zwei Jahren gelungen. Da haben sich auch meine fachliche Qualifikation durch mein Studium und meine Berufserfahrung bezahlt gemacht, da konnte ich großen Schaden für die Stadt abwenden. Ich habe das alles selbst gemacht, das war gewaltig. STANDARD: In Ihrem Personalakt ist vermerkt, dass Sie auf frühere Überstundenzuschläge verzichtet haben. Warum? Babler: Ja das stimmt. Ich fand sie unmoralisch. Ich arbeitete in diesen beiden Jobs zwar fast durchgängig sieben Tage in der Woche zu fast jeder Tageszeit, aber die mir aus dem alten Gemeinderatsbeschluss zustehende Überstundenpauschale konnte ich einfach selbst sofort streichen lassen. STANDARD: Aber die entscheidende Frage ist doch auch eine andere. Sie gelten als besonders linker Politiker, einer der sich gegen soziale Ungerechtigkeit besonders stark exponiert, und selbst kassieren Sie einen fünfstelligen Doppelbezug? Das passt doch nicht. Wie kann man zwei bezahlte Fulltimejobs gleichzeitig haben? Babler: Stimmt. Ich bin einer der hier strenge Maßstäbe auch von anderen in der Politik einfordert und deshalb löse ich so ein Konstrukt, das ich überall politisch ablehne, auch auf, auch wenn es mich selbst betrifft. Dafür stehe ich als politische Person. Was man mir vorwerfen kann, ist, dass es 18 oder 19 Monate gebraucht hat, um hier die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass ich endlich gehen kann. Der Grund dafür lag in dem wahnsinnigen Arbeitsaufwand als Bürgermeister und der damit einhergehenden Belastung durch diesen einzigartigen und durch den Bund herbeigeführten Irrsinn in Traiskirchen. Da blieb wenig Zeit, eine Verwaltungsreform zu konzipieren und gleichzeitig auch neue geeignete Fachkräfte zu finden. Vor einigen Monaten ist mir dabei ein Durchbruch gelungen, es gibt neue Personen und daher kann man endlich diesen Schritt setzen. Und ganz ehrlich gesagt, lange hätte ich solche Situationen, wie beispielsweise letztes Jahr, körperlich auch nicht durchgehalten. STANDARD: Eine Übergangszeit von ein paar Monaten könnte man nachvollziehen, aber so schaut es so aus, als sei es Ihnen vor allem ums Geld gegangen. Sehen Sie das nicht? Babler: Mir blieben bisher im Monat ca. 3200 bis 3700 Euro in Wirklichkeit über, da ich natürlich von meiner Aufwandsentschädigung als Bürgermeister viel spende. Ich besuche jährlich ca. 300 bis 400 Veranstaltungen der Einsatzorganisationen oder der fast 100 Vereine. In Zukunft bleiben mir nun so zwischen 1900 und 2300 Euro, was ich für meinen Job auch angemessen finde. Ich trage auch eine große Verantwortung als Finanzreferent für über 50 Millionen Euro, habe 200 Bedienstete der Stadt. STANDARD: Sie sind ein politischer Vollprofi, seit 20 Jahren Gemeinderat, waren von Jugend an SJ-Funktionär, sehr exponiert auf der linken Plattform Initiative Kompass zur Erneuerung der SPÖ. Kamen Sie nie auf die Idee beim Blick auf Ihre Abrechnungen, dass Ihnen jemand einmal diese Doppelfunktion für 11.300 Euro vorhalten wird? Babler: Diese 11.300 haben mich selbst überrascht, das ist aber erst seit Jänner so. STANDARD: Davor waren es gut 10.000 Euro, das ist doch – bei allem Respekt für Traiskirchen – nicht grad bescheiden, oder? Babler: Die Summe für den Bürgermeister legen die Nationalräte über die Bezüge-Pyramide fest. Ich finde diese Summe auch unangemessen, darum löse ich auch mein Dienstverhältnis auf. Ich kämpfe mit meiner ganzen Energie gegen Doppel-Bezüge, mag das nicht, deshalb werde ich das auch selbst vorleben. Ich hoffe, dass viele hier folgen werden, die Doppel- oder gar Mehrfach-Bezüge haben. Ich nehme auch aus Prinzip keine Aufsichtsratsfunktionen wahr, weder in Genossenschaften noch sonst wo. Das ist mein Grundprinzip. STANDARD: Warum ist die ganze Sache durch Angriffe der FPÖ erst jetzt hochgekommen, drei Tage nach dem Beschluss, wer ihre Stabsstelle für ein Jahr befristet übernimmt? Wurde es überhaupt beschlossen? Babler: Es wurde im Stadtrat beschlossen. Und auch meine Dienst-Auflösung habe ich dazu einreferiert. Die FPÖ-ler waren sichtlich überrascht und haben panisch und in schmutzigster Art und Weise mit einer Pressekampagne darauf reagiert. Sie haben seinerzeit meine Anstellung ja selbst beschlossen und sich bis jetzt noch nie zum Dienstposten-Plan oder Ähnlichem in den Sitzungen geäußert. Sie haben sich einfach nicht vorstellen können, dass jemand ganz von sich aus auf Geld und Posten verzichtet und dadurch auch für andere Politiker neue Maßstäbe setzt. Das hat sie getroffen. Das passt nicht in ihr Konzept, deswegen fürchten mich die Blauen auch auf allen Ebenen. Weil ich da, was ich von der Politik moralisch einfordere, auch bei mir selbst umsetzte. Dann kam die Schmutzkübelkampagne. STANDARD: Schwer zu verstehen ist, dass man niemand findet, der in Traiskirchen für 4000 bis 5000 Euro brutto im Monat die Stabsstelle Kommunikation übernimmt. Wie ist das möglich? Babler: Man braucht jemand, der das studiert hat, der Fachwissen hat und Berufserfahrung. Eine so besondere Stadt wie Traiskirchen, mit so einzigartigen schweren Bedingungen, braucht gute Leute und die sind einfach nicht so viel am Markt. Schon gar nicht in der Stadt. STANDARD: War das eine Retourkutsche der FPÖ, oder was ist der Hintergrund? Babler: Es ist eine miese Truppe. Sie wird vom Landesparteiobmann Christian Höbart offenbar angeführt, und sie haben meine eigene Initiative verwendet, um Stimmung zu machen. Die FPÖ ist frustriert, dass die Stadtarbeit und das Stadtklima gut sind, was auch dazu beigetragen hat, dass das Image der Stadt während der Flüchtlingskrise im vergangenen Herbst nicht gekippt ist. Ich bin als Sozialpolitiker exponiert und für die FPÖ ein rotes Tuch. Aber sie kommen gegen mich nicht an. Sie gehen auf untergriffiges Niveau. Sie wollen nur anpatzen. STANDARD: Sehen Sie sich politisch beschädigt durch diese Angelegenheit? Babler: Nein. Übrig bleiben werden die Fakten. Alles ist nachweisbar, alle Beschlusslagen im Stadtrat, im Gemeinderat. Ich habe, seit ich Bürgermeister wurde, darauf hingearbeitet, meinen Job in der Gemeinde abzugeben, und das passiert jetzt auch gerade. Das lässt sich beweisen. Die FPÖ hat schon so viele Kampagnen gegen mich geführt, und sie ist noch jedes Mal dafür abgestraft worden. Sie wird immer radikaler mit dem Ziel, dem Bürgermeister und der Stadt zu schaden, alles schlechtzureden. Am Ende wird das für sie wieder nach hinten losgehen. STANDARD: Befürchten Sie, dass Ihnen diese Offenlegungen bei den Bürgern Ihrer Gemeinde schaden? Werden Sie eine Aktion machen? Babler: Ich hab bei den Leuten in Traiskirchen einen guten Ruf, die Leute wissen, dass ich Tag und Nacht für die Stadt arbeite. Ich bin nicht naiv, aber so eine Schmutzkampagne hätte ich nicht erwartet. Mir ist wichtig, dass ich echt bleibe, und das werde ich jetzt beweisen. Einen Politiker, der sich ohne Druck, ohne Notwendigkeit und aus seiner Überzeugung heraus seine eigenen Gagen kürzt, wird es ja auch nicht allzu oft geben.(Thomas Mayer, 27.3.2016) 'Bisher teilte Andreas Babler vor allem aus. Nun steht Traiskirchens Bürgermeister selbst als Privilegienritter in der Kritik. Traiskirchen – Andreas Babler wirkt geschlaucht. Schwer lässt sich der 43-Jährige in den beigen Ledersessel im Bürgermeisterbüro fallen, er braucht jetzt einen Espresso. Die Sache geht persönlich tief rein, seufzt Babler: Weil es einfach nicht stimmt, dass ich so lebe, wie es jetzt rüberkommt. Politiker dürfen sich nicht für etwas Besseres halten: Das ist einer von vielen hohen Ansprüchen, die Babler an die eigene Zunft stellt. Gewerkschafter hält er in Penthäusern für ebenso deplatziert wie Parteichefs in Gourmettempeln. Ich geh zu Mittag auf ein Kebab, stell mich am Abend beim Heurigen an die Budel, sagt er, mache keinen Luxusurlaub, fahre einen zehn Jahre alten Nissan. Und mein Gewand – Babler zupft an seinem Hemd – kaufe ich im Ort beim Vögele. Der Traiskirchener Bürgermeister weiß: Was ihm bisher als Bodenständigkeit angerechnet wurde, riecht heute nach Doppelmoral. Seit seinem Antritt als Stadtchef im Frühling 2014 hat der SP-Politiker, wie nun ruchbar wurde, ein zweites Gehalt aus öffentlichem Geld bezogen – als Leiter der gemeindeeigenen Stabsstelle. Zuletzt verdiente Babler dank Doppelbezugs, wie er ihn in der Theorie stets für verwerflich hielt, 11.300 Euro brutto im Monat. Dass via sozialer und klassischer Medien reichlich Kritik auf ihn einprasselt, ist für den Prediger der Redlichkeit eine neue Erfahrung. Bisher war es Babler selbst, der nach Kräften austeilte: gegen die Bundesregierung, die den permanenten Notstand im österreichweit berüchtigten Flüchtlingslager von Traiskirchen zu verantworten habe Wiener Bürgermeister gegen Personaldebatte, Parteireform stehe im Vordergrund – Kritik an Erwin Pröll wegen Aussagen zu Mindestsicherung. Wien – Einen Tag nach dem SPÖ-Präsidium hat Wiens Bürgermeister Michael Häupl in einem Gespräch vor Journalisten erklärt, er respektiere die Meinung jener in der Partei, die nach der Schlappe bei der Präsidentschaftswahl Personaldebatten führen. Er wolle sich daran allerdings nicht beteiligen, denn damit verhärte man Positionen in der Partei. Vielmehr gehe es um eine inhaltliche Neupositionierung und eine Strategiediskussion, die ernsthaft geführt werden müsse – nicht vor laufenden Kameras. Man werde keine personelle Sau durch die Stadt treiben, so Häupl. Viel Zeit habe man aber nicht für eine Neupositionierung, man habe schließlich schon viel Zeit verstreichen lassen. Häupl geht es darum, verständlicher und lösungsorientierter zu kommunizieren. Man müsse die Sprache der Vorstadt verwenden. Er greift auch Funktionäre in der Partei an, bei denen der Leidensdruck noch nicht groß genug zu sein scheine. Man müsse diese Funktionäre in Zukunft verstärkt in die Lage versetzen, potenzielle Wählerinnen und Wähler argumentativ von der SPÖ überzeugen zu können. Der Weg in der Koalition könne jedenfalls nicht sein, dass die SPÖ alles macht, was die ÖVP vorschlägt. Man müsse sich gegenseitig respektieren: Nach dem Diktat der ÖVP wird die SPÖ sicher nicht tanzen. Häupl glaubt dennoch nicht, dass die Koalition bis 2018 halten wird. Er schätzt gefühlsmäßig, dass es 2017 zu Neuwahlen kommt. Das sei allerdings kein Wunsch, sondern eine Analyse dessen, was ÖVP-Vertreter bereits in Interviews sagen würden. Häupl bezieht sich unter anderem auf das Interview mit Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll im STANDARD. Darin kritisiert Pröll Bundeskanzler Werner Faymann scharf, unter anderem wegen der SPÖ-Position zur Mindestsicherung. Die Frage, warum Rudolf Hundstorfer so schlecht abgeschnitten habe, will Häupl nicht beantworten, weil er dann nicht ohne Schuldzuweisungen auskommen würde. Im zweiten Wahlgang werde er nun Alexander Van der Bellen wählen. Eine Kluft in der SPÖ sieht Häupl nicht, schon gar nicht in der Wiener Landesorganisation, wo ein einstimmiger Beschluss zur Flüchtlingslinie vorliege. Auch mit Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl stimme er in vielen Punkten überein: Wenn Schengen de facto außer Kraft gesetzt ist, müssen Grenzen kontrolliert werden. Man müsse wissen, wer ins Land komme, und die organisierte Kriminalität der Schlepper bekämpfen. Häupl schließt wie Niessl eine Mitgliederbefragung nicht aus. Man müsse genau überlegen, welche Fragen man stelle. Von der FPÖ könne die SPÖ einiges lernen, gab Häupl zu – im offensiven Auftreten und in der Social-Media-Strategie. Davon, dass die SPÖ einige Zeit in Opposition gehen solle, um sich zu erholen, hält Häupl nichts. Eine Koalition mit den Blauen kommt für ihn nach wie vor nicht infrage: Ich sehe keine inhaltlichen Überschneidungen. Eher gereizt reagierte Vizekanzler Reinhold Mitterlehner auf Häupls Ansage. Am Rande des Integrationsgipfels mit den Sozialpartnern sagte der ÖVP-Chef: Das ist ein recht netter Quatsch. Überhaupt habe er keine Lust, über jede Gefahr oder jeden Termin zu reden, auch wenn noch so wichtige Personen über so etwas spekulieren. Auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) kommentierte Häupls Aussagen nur knapp: Wahltag ist 2018. Unsere Aufgabe ist, sehr und gut zusammenzuarbeiten. Der Unmut in der SPÖ über den Parteichef wächst. Seine Genossen fordern eine Vorverlegung des Parteitags auf Sommer. Wien – Immer mehr Funktionäre in der SPÖ begehren offen gegen Parteichef Werner Faymann auf und fordern eine Vorverlegung des Parteitags, wohl auch deshalb, um dort einen Nachfolger für Faymann – als SPÖ-Chef und Bundeskanzler – küren zu können. Der burgenländische SPÖ-Klubobmann Robert Hergovich fand am Mittwoch deutliche Worte: Die Parteibasis hat die Nase gestrichen voll, weil sie das Gefühl hat, dass die Parteispitze neuerlich nur durchtauchen und keine ernsthaften Konsequenzen ziehen will. Er fordert von der Bundes-SPÖ eine inhaltliche und personelle Neuaufstellung. Wer glaube, dass die Sozialdemokratie in der Bundesregierung ohne klare Ansagen weiterwurschteln kann, macht die Rechnung nicht nur ohne die Wähler – sondern auch ohne die Funktionärinnen und Funktionäre in den Bundesländern, sagte Hergovich. Die SPÖ müsse die Wahlschlappe vom Sonntag als Denkzettel annehmen und daraus unverzüglich die richtigen Schlussfolgerungen ziehen. Die SPÖ müsse in der Bundesregierung wieder die längst verspielte Führungsrolle übernehmen – notfalls auch mit neuen starken Persönlichkeiten. Der Innsbrucker SPÖ-Stadtparteivorsitzende Helmut Buchacher hatte bereits am Dienstag den Rücktritt von Faymann mit dem nächsten Parteitag gefordert. Die Ankündigung, im Herbst nicht mehr für eine Wiederwahl als Parteivorsitzender zur Verfügung zu stehen, sei die minimalste Konsequenz nach der Schlappe bei der Bundespräsidentenwahl gewesen. Der steirische SPÖ-Landeschef und stellvertretende Landeshauptmann Michael Schickhofer forderte am Mittwoch, ein Team in größtmöglicher Breite einzusetzen, um den SPÖ-Bundesparteitag vorzubereiten. Man müsse sofort ins Handeln kommen, es gehe um die Sozialdemokratie. Die Diskussion ist jetzt personell, strukturell und inhaltlich ohne Tabus zu führen – ob man will oder nicht, argumentiert der steirische SP-Chef. Der Termin für den Parteitag muss sich an den Bedürfnissen und Notwendigkeiten der Mitglieder orientieren. Deswegen kann und darf ein Termin im Rahmen dieser Debatte nicht in Stein gemeißelt sein. Auch der abgetretene steirische Landeshauptmann und ehemalige SP-Landesvorsitzende Franz Voves hatte sich zu Wort gemeldet. In der Kleinen Zeitung fordert er die letzten Mutigen auf, die SPÖ zu retten. Über Leben oder Tod der SPÖ entscheidet Michael Häupl mit seinen Freunden, und man scheint weiter auf Tod programmiert zu sein, sagte Voves. Zuvor hatte sich bereits der ehemalige Finanzminister Ferdinand Lacina offen für einen Rücktritt von Faymann ausgesprochen. Selbst Altkanzler Franz Vranitzky, bisher immer loyal zur Parteiführung, hatte sich für eine Vorverlegung des Parteitags ausgesprochen, um den Schwebezustand in der Partei zu beenden. Momentan ist schwer abzuschätzen, wie viele Kabelbrände unter der roten Verschalung schwelen, sagte ein SPÖ-Funktionär am Mittwoch zum Standard. Sein Eindruck sei allerdings: Es schwelt gewaltig. So tritt auch der Kärntner Landeshauptmann und SPÖ-Chef Peter Kaiser für eine Vorverlegung des für Herbst geplanten SPÖ-Parteitags ein. Strukturelle, inhaltliche und personelle Entscheidungen müssten dort getroffen werden. Diese Forderung unterstützt auch die Vizelandeshauptfrau von Niederösterreich, Karin Renner (SPÖ): Die Vorverlegung wäre ein positives Signal, dann könnten wir zeigen, dass wir das Wahlergebnis ernst nehmen. Der ehemalige Kulturstaatssekretär Peter Wittmann hält wiederum einen Schwebezustand bis November für die schlechteste Option – damit werde der Partei schwerer Schaden zugefügt. Der Hintergrund: Die Faymann-Kritiker in der SPÖ fürchten, dass die Parteispitze die Probleme wieder aussitzen wolle – wenn der Parteitag erst im Herbst stattfinde, begünstige dies das Beharrungsvermögen auf dem Ballhausplatz. Beim Bundesparteivorstand am 17. Mai soll beschlossen werden, dass der Bundesparteitag am 17. Juli in Salzburg stattfinden soll. Auch die ehemalige SPÖ-Spitzenpolitikerin und Managerin Brigitte Ederer schärfte am Mittwoch im Ö1-Mittagsjournal ihre Kritik nach: Ederer plädiert ebenfalls für einen Parteitag vor dem Sommer. Es dürfe in der SPÖ jetzt keine Tabus geben – weder inhaltlicher noch persönlicher Natur. Die Regierungsarbeit sei gar nicht so schlecht, sagte Ederer. Allerdings habe man zugelassen, dass seit einem Dreivierteljahr über nichts anderes als über die Flüchtlingsproblematik gesprochen werde – das nützt nur einer Partei. Kanzler Faymann hatte beteuert, er sei fürs Arbeiten da. Von einer Vorverlegung des Parteitags will er nichts wissen. Dieser werde im Herbst stattfinden. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid hielt am Mittwoch in einer Aussendung fest, dass der Bundesparteitag vom Bundesparteivorstand einberufen wird. Wir werden vorschlagen, den Parteitag von 11. bis 13. November abzuhalten. Eine Abweichung vom Herbsttermin sei nicht sinnvoll. Ederer könne sich gern um eine Delegierung bemühen. Als Faymanns Lebensversicherung galt bisher der Rückhalt der Gewerkschaft. Doch wer in die Arbeitnehmervertretung hineinhört, stößt auch hier auf weitverbreiteten Frust. Die Linken werfen dem Kanzler den Schwenk in Richtung einer restriktiven Flüchtlingspolitik vor, die Rechteren bemängeln allgemein, dass nichts vorangehe. Es sei etwas in Bewegung geraten, beschreibt ein Wiener Gewerkschafter die Stimmung: Selbst Leute, die bisher stets loyal waren, hätten das Vertrauen in Faymann verloren. Die traditionell aufmüpfige Sektion 8 der SPÖ macht sich bereits auf die Suche nach einem neuen Parteichef. Die Aktivisten aus der SP-Alsergrund wollen aber nicht, dass dieser in einem Hinterzimmer bestimmt wird, um dann ohne ernstzunehmenden Gegenkandidaten auf einem Parteitag bestätigt zu werden. Sie fordern eine Direktwahl durch die Parteimitglieder, wie sie in vielen europäischen Ländern üblich sei. Die Lust darauf soll die Aktion Vorsitzwahl 2016 wecken. Die Sektion 8 hat fünf namhafte Genossen nominiert, um sie gegen Titelverteidiger Faymann antreten zu lassen: den Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, Brigitte Ederer, Peter Kaiser, ÖBB-Chef Christian Kern, Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely. Sektionen und Ortsparteien könnten aber gern andere Anwärter nominieren – schließlich gebe es viele gute Leute in der SPÖ. Das Ergebnis der über eine Homepage organisierten Testwahl soll Ende Juni feststehen. Was die Aktion zeigen soll: Die Leute sollen sich vorstellen können, sagt Sektion-8-Chefin Eva Maltschnig, wie es wäre, wenn es jemand anderer macht. (Gerald John, Petra Stuiber, Michael Völker, 27.4.2016) Faymann beharrt auf Parteitag im Herbst – Kaiser bedauert Ablehnung seines Vorschlags – Niederösterreichischer Appell zu Geschlossenheit. Innsbruck/Klagenfurt/Salzburg/St.Pölten/Wien –SPÖ-Chef Werner Faymann denkt nicht daran, sich seinen Kritikern zu beugen und den für Herbst geplanten Parteitag vorzulegen oder gar den Parteivorsitz zurückzulegen. In einem für die Zeit im Bild aufgenommenen gemeinsamen Interview mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) betont der Kanzler, bei einem Parteitag im November wieder als Parteichef zu kandidieren. Der Stadtchef sekundierte Faymann. Er gehe davon aus, dass der nächste Kanzler wieder ein Sozialdemokrat sei und Werner Faymann heiße. Von Personal-Diskussionen halte er gar nichts, bekräftigte Häupl. Als seine Aufgabe sehe er, die Partei zu einen und nicht zu spalten. Die internen Kritiker versuchte Faymann in die Schranken zu weisen. Fairness würde für ihn bedeuten, wenn man hinter jenem stehe, den die Mehrheit gewählt habe. Auch für den nächsten Parteitag gelte, es könne jeder antreten. Wenn das Ergebnis aber feststehe, müsse klar sein: Gewählt ist gewählt. Befindlichkeitsdebatten lehne er ab, unterstrich Faymann. Eine Partei sei keine Selbstfindungsgruppe sondern dafür da, wichtige Aufgaben wie die Bewältigung der Finanz- und der Flüchtlingskrise zu gestalten. Auch Häupl warb dafür, sich jetzt als Konsequenz aus dem schwachen Abschneiden des roten Hofburg-Kandidaten Rudolf Hundstorfer inhaltlichen Fragen zu widmen. Der Kärntner SPÖ-Vorsitzende Peter Kaiser hat es am Donnerstag bedauert, dass sein Vorstoß zu einer Vorverlegung des SPÖ-Parteitags abgelehnt worden ist. Ich akzeptiere das aber, den Termin legt der Bundesparteivorstand fest. Er schlug die Einrichtung einer parteiinternen Vorbereitungsgruppe vor, in der über Inhalte und Ausrichtung der Partei diskutiert werden solle. Eine Vorverlegung des Parteitags auf einen Termin noch vor dem Sommer hält Kaiser aber immer noch für den besseren Vorschlag. Denn dass es Diskussionsbedarf gebe, sei unbestritten. Gerade weil es innerhalb der Partei unterschiedliche Meinungen und Strömungen gibt, muss man darüber diskutieren. Am Ende müsse man eine Linie finden, die dann von allen mitgetragen werden könne. Kaiser erinnerte daran, dass die Kärntner SPÖ vor einigen Jahren tief zerstritten gewesen sei: Wir haben das dann ganz offen ausdiskutiert und einen Neuanfang geschafft. Auf die Frage, ob Werner Faymann der richtige Parteichef sei oder ob er sich den Kritikern anschließe, meinte Kaiser, es gebe Kritik an Faymann ebenso wie Unterstützung. Sie werden von mir aber sicher keine Rücktrittsaufforderungen hören, sagte der Kärntner Landeshauptmann. Inhaltliche, strukturelle und personelle Entscheidungen müssten in den Gremien diskutiert werden, die nächste Gelegenheit dazu sei der Bundesparteivorstand am 17. Mai. Die Salzburger SPÖ präsentiert sich in der Frage nach einer Vorverlegung des SPÖ-Parteitages völlig uneinig. Während sich Landesparteichef Walter Steidl, zuletzt in der Tageszeitung Die Presse, für eine Vorverlegung und die Ablöse von Faymann aussprach – Die Chancen, dass Werner Faymann derjenige sein wird, der uns in die Zukunft führt, sind gering – mahnen andere SPÖ-Granden in Salzburg zur Besonnenheit. Gemach, gemach, sagt etwa der Bürgermeister der Landeshauptstadt Salzburg, Heinz Schaden, im STANDARD-Gespräch. Man dürfe jetzt zwar nicht zur Tagesordnung übergehen, Schaden verlangt aber, bevor über die Personalien gesprochen werde, eine inhaltliche Klärung der Parteilinie.Der Parteitag ist der Schlusspunkt eines solchen Prozesses. Tausche man jetzt einfach nur Personen aus, wäre die Partei völlig führungslos. Schaden fürchtet zudem, dass eine Ablöse des Bundeskanzlers zu Neuwahlen führen würde. Ganz ähnlich, der wie Schaden innerparteilich sehr einflussreiche AK-Präsident Siegfried Pichler. Tiefer darfs nicht mehr werden, sagt Pichler. Aber auch er ist gegen eine Vorverlegung des Parteitages, solange wir nicht die richtigen Personen haben. Pichler warnt vor einer Parteispaltung, wenn es ein Linker wird, gingen die Rechten und umgekehrt. Tirols SPÖ-Landeschef Ingo Mayr, der selbst dem Bundesparteivorstand angehört, bestätigt die Aussage Schmieds, dass der November-Termin mit den Landesorganisationen abgesprochen wurde. Dennoch sei er der Meinung: Es steht außer Frage, dass nach dem Ergebnis der Bundespräsidentenwahl substanzielle Änderungen in der Politik der SPÖ notwendig sind. Unabhängig vom Parteitag müsse damit sofort begonnen werden. Ich möchte, dass die Menschen das in den nächsten Wochen schon spüren, erklärt Mayr. Auch aus den Reihen der Tiroler Roten waren zuvor schon Rufe laut geworden, dass Faymann alsbald ausgewechselt gehöre. Niederösterreichs SPÖ-Chef Matthias Stadler hält nichts von Personaldebatten. Wir haben allen Grund, unsere Kraft und Energie darauf zu konzentrieren, die Partei offen, modern und sozial zu positionieren, sagte der St. Pöltner Bürgermeister. SJ-Chefin Julia Herr forderte hingegen einen sofortigen Bundesparteivorstand. Es bringe auch nichts, über Zeitungen Positionen auszurichten, so Stadler am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz. Er verwies auf die Besprechung des Präsidiums am vergangenen Montag, an dessen Beschluss man sich zu halten habe. Die Partei sind wir alle, meinte der Landesvorsitzende. Es wundere ihn daher schon ein wenig, wie viele Personen ihre Eigenpositionen innerhalb der Partei im Vordergrund hätten, aber die wenigsten das Gesamtwohl. Jeder, der sich jetzt zu Wort melde, möge überlegen, wann er selbst das letzte Mal erfolgreich war. Stadler hatte bei der Gemeinderatswahl in St. Pölten – nur eine Woche vor der Bundespräsidentschaftswahl – an der Spitze der Stadt-SPÖ deren absolute Mehrheit weiter ausgebaut. Geschlossenheit war einmal: Sozialdemokraten machen ihrem Ärger Luft. Wien – Parteidisziplin und Loyalität sind traditionell hohe Tugenden in der SPÖ, doch das Wahldebakel vom vergangenen Sonntag ließ Dämme brechen. Funktionäre machen nun ihrem Unmut Luft – manche auch öffentlich. der STANDARD hat Stimmen aus dem Mittelbau der SPÖ eingefangen. Wenn ich als Betriebsrat eine solche Wahlniederlage einfahre, würde ich zurücktreten, sagt Franz Georg Brantner, Vorsitzender der Gewerkschaft der Privatangestellten in Wien: Und genau das würde ich an Werner Faymanns Stelle machen. Dass die SP-Spitze so tue, als sei nichts passiert, ist, als ob man mit 200 km/h gegen eine Betonmauer fährt. Der Draht zu den Leuten fehlt Schwankende Haltungen – von der Wehrpflicht bis zur Flüchtlingsfrage – machten die SPÖ verwechselbar, sagt Brantner, und es fehle der Draht zu den Leuten: Wenn ein großer Teil der Energie für Machterhalt draufgeht, bleibt für die Arbeit nichts übrig. Auch Thomas Pupp sieht in der Kehrtwende des Kanzlers – als er begonnen hat, die Rhetorik der Freiheitlichen zu übernehmen – einen Kardinalfehler: Das hat intern viele abgeschreckt und das Gefühl erweckt, dass wir Sozialdemokraten Wendehälse sind. An die Besserungsfähigkeit Faymanns glaubt der Tiroler Landtagsabgeordnete nicht: Diese Rhetorik in der ersten Schockstarre, dass wir ein schlechtes Wahlergebnis nun erst einmal analysieren müssen, das erzählen wir seit Jahren, das kann niemand mehr hören. Pupp wünscht sich einen neuen SPÖ-Chef, der Lust an Politik weckt. Jemand wie Kreisky oder Vranitzky. Völlig neu Die Partei müsse sich völlig neu aufstellen, fordert der steirische ÖGB-Präsident Horst Schachner, dazu müssten bereits in den nächsten zwei bis drei Wochen klare Konturen gezogen werden. Wenn die SPÖ jetzt nicht umdenkt, warnt er, ist die Partei kaputt und nur noch eine politische Randgruppe. Die Bundespartei müsse sich der Diskussion endlich stellen, fordert Julia Herr von der Sozialistischen Jugend: Es ist fünf vor zwölf, wer das immer noch leugnet, hat nichts verstanden. Die SPÖ sei in einer total dramatischen Situation, befindet der designierte Grazer Parteichef Michael Ehmann: Denn der Protest habe deutlich mehr Breite als bei früheren Debatten. Gesundheitsministerin aber gegen Vorverlegung des Parteitags. Wien – Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser kann sich eine Diskussion im SPÖ-Parteivorstand über inhaltliche, strukturelle und personelle Entscheidungen bereits vor dem anberaumten Termin am 17. Mai vorstellen. Ich stehe dafür bereit, sagte sie am Donnerstag in der ZiB 2. Die stellvertretende Parteivorsitzende glaubt zudem, dass auch SPÖ-Obmann Werner Faymann dafür bereitstehen würde. Eine Vorverlegung des SPÖ-Parteitags, wie sie etwa Kärntens Landesparteichef Peter Kaiser vorgeschlagen hatte, lehnt allerdings auch Oberhauser ab: Das Herzstück der Partei ist das Programm, dafür brauchen wir auch Zeit. An der SPÖ-Basis kocht der Unmut hoch, doch kampflos gibt sich der Kanzler nicht geschlagen. Wien – So eng war es für Werner Faymann noch nie: Wer sich in der SPÖ umhört, stößt immer wieder auf dieses Urteil. Nicht wenige Genossen, bis in die Schaltzentralen der Partei hinein, haben den Obmann sogar bereits abgeschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Faymann das noch einmal durchsteht, sagt einer aus dem inneren Kreis der SPÖ: Dafür ist der Ärger quer durch die Partei einfach zu groß. Es ist eine Revolte des Mittelbaus, die sich nach der Pleite bei der Präsidentenwahl in der Kanzlerpartei abzeichnet. Die Führungsriege, von den Landeschefs bis zu den Gewerkschaftsbossen, hat Faymann bisher nicht direkt angegriffen, doch dahinter brodelt es gewaltig. Viele Funktionäre aus der zweiten und dritten Reihe der einst so disziplinierten Partei haben in den vergangenen Tagen ihrem Unmut freien Lauf gelassen – und die Reaktionen der Spitze fachten das Feuer nur noch mehr an. Nach der Krisensitzung des Parteipräsidiums am Montag hatte Faymann als einziges Ergebnis zu bieten, dass Personaldebatten unerwünscht seien, und auch nun hält er an Business as usual fest. Der nächste Parteitag werde wie geplant im Herbst, am 12. und 13. November, angesetzt, verlautbarte Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid am Mittwoch per Rundmail an die Parteistellen lapidar. Schmid verweist auf eine Rücksprache mit den Landesparteichefs, doch nicht alle sind mit dem Terminplan einverstanden. Ihm tue es leid, dass der Parteitag nicht schon vor dem Sommer stattfinde, sagt der Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser, denn die Sozialdemokraten müssten ihre Konflikte ehestmöglich ausdiskutieren. Der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer ist ebenfalls für eine Vorverlegung zu haben, Salzburgs SPÖ-Chef Walter Steidl drängt geradezu darauf. Der Lebensnerv der Partei sei getroffen, sagt er, die Funktionäre gehen nicht mehr mit. Warum die Frage wichtig ist: Am Parteitag könnten die Genossen ja nicht nur über die nun viel beschworene Neuausrichtung diskutieren, sondern gleich auch einen neuen Parteichef wählen. Offen ausgesprochen hat das Tanja Wehsely, Vize-Klubchefin in Wien: Sie sprach sich für Faymanns Rücktritt aus. Doch kampflos wollen sich Faymann und seine Anhänger nicht geschlagen geben. Gemeinsam mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl versuchte der Kanzler am Donnerstagabend noch einmal, die Partei zur Ruhe zu bringen. Er denke nicht daran, den Parteitag zu verlegen oder gar zurückzutreten, sagte der SP-Chef in einem Interview in der ORF-Zeit im Bild. Befindlichkeitsdebatten lehne er ab, eine Partei sei keine Selbstfindungsgruppe. Der Kanzler: Ich bin im achten Jahr, rechnen Sie auch weiter mit mir. Häupl sprang ihm ebendort mit einer mutigen Prognose zur Seite: Er gehe davon aus, dass der nächste Kanzler wieder ein Sozialdemokrat sei und Werner Faymann heiße. Von Personaldiskussionen halte er gar nichts. Am Donnerstag rückten auch mehrere Genossen zum Gegenangriff aus. Wehsely solle sich wie alle anderen Kritiker vom Balkon ins Wohnzimmer zurückziehen, mahnt Wiens Wohnbaustadtrat Michael Ludwig und lehnt die Vorverlegung des Parteitages kategorisch ab. Bis November sollten keine Personen in der SPÖ ausgetauscht werden, sagt er zum STANDARD: Selbstverständlich sollte sich Faymann dort wieder zur Wahl aufstellen lassen. Was wir jetzt am wenigsten brauchen können, sind falsche Schuldzuweisungen und Anpatzereien, sekundiert Ernst Nevrivy, Bezirksvorsteher der Donaustadt: Das schreit nach Rücktritt: aber nicht von Kanzler Faymann, sondern von Frau Wehsely. Weitere scharfe Konter: Wehsely stelle sich nicht nur gegen Faymann, sondern auch gegen Bürgermeister Michael Häupl, der keine Personaldebatte wolle, kritisiert die Gemeinderatsabgeordnete Kathrin Gaal. Ihre Kollegin Barbara Novak spricht von einer kleinen Gruppe, die der Mehrheit der Wiener SPÖ im Verein mit einigen Medien ihren Willen aufzwingen wolle: Das hat schon genug kaputtgemacht, wie nicht zuletzt der Wahlsonntag bewiesen hat. Verteidiger Wehselys sind überzeugt, dass die Kritiker von Faymann ermutigt worden seien. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler sagt dazu nur so viel: In der Wiener SPÖ gibt es für niemanden einen Grund zurückzutreten. Ich lasse mir keine Personaldebatte zu uns hineinziehen. Der Streit zeigt die tiefe Kluft, die sich in der SPÖ im Zuge der Flüchtlingsdebatte geöffnet hat: Auf der einen Seite stehen die linken Kritiker von Faymanns Schwenk hin zu einer restriktiveren Politik, auf der anderen die Befürworter einer härteren Gangart. (Gerald John, David Krutzler, Thomas Neuhold, 28.4.2016) Zwei rote Flügel gilt es unter einem Dach zu halten. Viel hängt von der Wiener SP ab. Dort tagen heute wichtige Gremien. Das Hochamt der Sozialdemokratie am 1. Mai ist einigermaßen glimpflich überstanden. Nun geht es wieder an die politische Alltagsarbeit. Wobei von Alltag in der SPÖ derzeit keine Rede sein kann. Die von Kanzler Werner Faymann geführte Partei ist seit der schmachvollen Niederlage ihres Kandidaten Rudolf Hundstorfer bei der Präsidentschaftswahl vor einer Woche, bei der er auf nur 11,3 Prozent der Stimmen kam, in Aufruhr. Die innerparteiliche Gemengelage reicht von Rufen nach Kanzlersturz über eine Annäherung an die FPÖ bis hin zur Drohkulisse einer gespalteten Sozialdemokratie. Viel, wenn nicht alles, wird für Faymann von Wien bzw. dem dortigen Parteichef, Bürgermeister Michael Häupl, abhängen. In seiner Stadt zeichnet sich sinnbildlich der Marianengraben der SPÖ ab – der Riss, der die Flächenbezirke, die bei der Hofburgwahl blau stimmten, von jenen trennt, die am Sonntag grün eingefärbt wurden, weil sie Alexander Van der Bellen wählten. Erstere sind Faymann-Getreue und wurden in der Flüchtlingsfrage zum Beispiel mit der Obergrenze ganz gut bedient. Zweitere firmieren unter links und dem Motto Pro Willkommenskultur. Beide Fraktionen waren beim Maiaufmarsch gut sichtbar mit diametral gegensätzlichen Forderungen pro und kontra Faymann und seine Linie vertreten. Die Wiener SP jedenfalls reagiert auf diese offensichtliche Spaltung der Partei sowie auf die brodelnden Konflikte in der Flüchtlingsfrage und hat schon für heute, Montag, alle relevanten Gremien einberufen. Die Treffen wurden kurzfristig vorverlegt, ursprünglich hätten die Sitzungen in drei Wochen stattfinden sollen. Das Präsidium kam in der Früh um 8.30 Uhr zusammen, gefolgt vom Vorstand (10 Uhr) und dem Wiener Ausschuss (12 Uhr). Der Ausschuss ist mit rund 160 Mitgliedern das größte Gremium der Wiener Sozialdemokraten. Der Zeitplan dürfte nicht halten. Schon im Vorstand wird es eine längere Diskussion geben. Gesprächsbedarf gibt es genug, sagte am Sonntag ein Funktionär zum STANDARD. Offiziell hieß es vonseiten der Wiener SP mit Verweis auf Aussagen Häupls zwar, dass es keine Personaldiskussion geben werde. Der Stadtchef hatte Faymann zuletzt demonstrativ den Rücken gestärkt. Hinter den Kulissen gehen die Roten aber davon aus, dass etwas passieren muss, wie es am Sonntag ein Rathaus-Insider formulierte. Mit einer inhaltlichen Debatte über die Neuausrichtung der SPÖ sei es nicht mehr getan. Der Unmut gegen Faymann zieht sich durch alle Bereiche, hieß es von SPÖ-Vertretern. Das Kontra-Lager dürfte demzufolge groß sein. Ob es bei den Wiener Sitzungen am Montag zu einer Eskalation komme, hänge davon ab, wie Häupl die eröffnenden Worte gestaltet. Dem Bürgermeister wird jedenfalls eine große integrative Kraft zugestanden. Ein Frontalangriff gegen Faymann und dessen Politik über die mediale Bande kam am Samstag von der Donaustädter Gemeinderätin Muna Duzdar. Also die jahrzehntelange Inseratenpolitik von Werner Faymann hat sich wirklich bezahlt gemacht, die gekauften Österreich und Kronen Zeitung verdrehen alles so, dass einem so richtig übel wird, schrieb sie in einem Facebook-Posting. Duzdar bezog sich unter anderem auf ein Interview mit dem Faymann-getreuen Liesinger Bezirkschef Gerald Bischof in Österreich, der die Faymann-Kritiker als kleine Minderheit bezeichnete, die ein Kasperltheater auf Kosten der SPÖ aufführen würden. Diese Berichterstattung ist gesteuert, sagte Duzdar am Sonntag zum STANDARD. Ich wollte die unangebrachten Aussagen Bischofs und die verzerrte Realität zurechtrücken. Duzdars Sicht der Dinge lautet, wie im Facebook-Posting nachzulesen, so: Nur die wenigsten möchten weiterhin Werner Faymann als Parteivorsitzenden, und hätten wir morgen Parteitag, gäbe es keine Mehrheit. So weit ist es noch nicht. Der Parteitag ist nach wie vor für November geplant. Faymann kam seinen Kritikern aber insofern etwas entgegen, als er zum einen am Freitag den Parteivorstand um eine Woche auf kommenden Montag vorlegen ließ, zum anderen kündigte er eine Strategiegruppe an, die nicht nur die Frage der Koalitionen, sondern auch Themen wie Arbeitswelt, Wohnen, Bildung und Flüchtlingspolitik diskutieren soll. Auslöser dafür war der Ruf nach Kursänderung gegenüber der FPÖ von ÖGB-Präsident Erich Foglar, der im Profil sagt, die SPÖ könne nicht jede Regierungszusammenarbeit mit der FPÖ von vornherein ausschließen. Was Faymann, gestützt auf einen Parteitagsbeschluss, tut – aber eben nicht alle anderen in der SPÖ. Der Kanzler will SPÖ-Vorsitzender bleiben. Klubchef Schieder zu einem früheren Parteitag: "Sein kann alles in Zeiten wie diesen". Wien – In der Debatte über einen Führungswechsel in der SPÖ will Kanzler Werner Faymann nicht aufgeben. Ich bekomme seit acht Jahren diese Fragen. Rechnen Sie weiterhin mit mir, sagte er am Dienstag kurz und knapp beim Pressefoyer nach dem Ministerrat zu seinem Verbleib an der Parteispitze. Ungeduldig reagierte der SPÖ-Vorsitzende auf nachbohrende Fragen, ob Wiens Bürgermeister Michael Häupl nach dem gestrigen Beschluss der Wiener Gremien nun eine Schiedsrichterrolle in der Partei übernehmen müsse. Faymann dazu: Michael Häupl hat für die Wiener SPÖ gesprochen. Der Bürgermeister habe sich in dieser Funktion unterstützend geäußert. Auch von vorgezogenen Neuwahlen möchte Faymann nichts wissen, obwohl er keine Wette darauf abschließen will, dass die Koalition bis zum regulären Wahltermin 2018 hält. Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sprach von einer ziemlich letzten Chance für die Regierung nach dem Wahldebakel für die rot-schwarzen Hofburg-Anwärter. Wenn man diese nicht nutze, werde es anders weitergehen – und Sie werden es erleben, erklärte er vor den Journalisten. Zu einem Wechsel an der SPÖ-Spitze äußerte sich Mitterlehner zurückhaltend. Derzeit sei Faymann sein Regierungspartner, und im Fall der Fälle werde man es sich eben ansehen, sollte es zu einer Änderung kommen. Vor dem Ministerrat waren die Regierungsmitglieder anlässlich der SPÖ-Krise äußerst wortkarg. Jene Koalitionäre, die sich zeigten, blieben betont gelassen. Klubobmann Andreas Schieder erklärte zur Frage einer Vorverlegung des SPÖ-Parteitages im November: Sein kann alles in Zeiten wie diesen. Dazu setzte es einen Seitenhieb auf die Kritiker Faymanns. Seine persönliche Präferenz, so Schieder, behalte er sich für die Gremien auf. Dass sich Häupl am Dienstag quasi zum Chef der Sozialdemokraten aufgeschwungen hatte, wollte Schieder nicht so sehen, denn: Häupl ist Chef der Wiener SPÖ. Dabei wurde der Klubchef zuletzt selbst als Außenseiterkandidat für den Job des Parteivorsitzenden genannt. Häupl selbst will keinesfalls Bundesparteichef werden. Das hat er am Dienstag versichert. Mit 67?, zeigte er sich entsetzt: Nein. Die Frage, was er in den kommenden Tagen mit den roten Länderchefs besprechen wird, wollte er hingegen nicht beantworten. Auch zum Stand der Debatte in Sachen Parteitagsvorverlegung hielt er sich bedeckt. Ich führe diese Gespräche, ja, aber ich führe sie in Ruhe, ohne Kamera auf der Schulter, erklärte Häupl im Gespräch mit Journalisten – die sich bemühten, dem mächtigen Wiener Roten am Rande der Saisoneröffnung an der Alten Donau Details zu entlocken. Er führe die Gespräche in Absprache mit Faymann, beteuerte der Bürgermeister: Das ist keine Aktion gegen ihn, gar keine Rede davon. Das Ziel sei, dass die Partei geeinigt und gestärkt aus der durchaus krisenhaften Situation hervorgehe: Ich möchte, dass es weiter einen sozialdemokratischen Bundeskanzler gibt. Um dies zu erreichen, müsse man etwas tun – was, das werde er aber vorerst nicht verraten. Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser hat in der Frage, ob seine Partei auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ prinzipiell ablehnen sollte oder nicht, einen Kompromissvorschlag gemacht, um die Situation insbesondere bei den Wiener Genossen zu entschärfen. Er schlägt vor, in den Statuten einen Prozess für die Implementierung von Koalitionen festzuschreiben. Schon die Frage, ob man auf Bundesebene eine Koalition mit der FPÖ kategorisch ausschließen solle, sei falsch, meinte Kaiser. Er wollte sich entsprechend auch nicht deklarieren, auch um eine weitere Polarisierung zu vermeiden. Kaiser könne sich vorstellen, dass man Kriterien für Koalitionsverhandlungen festlegt und dann auf der jeweiligen Ebene – Bund, Land oder Kommune – ein Ausschuss, die gesamten Parteimitglieder oder auch alle Bürger entscheiden. Von Kaiser war der Vorschlag gekommen, den Parteitag vorzuverlegen. Dass nun der Wiener Parteifreund Michael Häupl das weitere Vorgehen in der Partei koordinieren soll, begrüßte Kaiser. Der ehemalige SPÖ-Chef und Bundeskanzler Franz Vranitzky lässt seiner Partei den Umgang mit der FPÖ offen. 1986 hatte er die nach ihm benannte Doktrin aufgestellt, keine Koalition mit den Freiheitlichen einzugehen. Das ist eine völlig andere Situation heute, meinte er am Dienstag in der Wiener Zeitung. Vranitzky empfiehlt allerdings, die Frage generell hintanzustellen. Die Entscheidung, mit der FPÖ Jörg Haiders nicht zu koalieren, beruhte laut Vranitzky auf zwei Gedanken: Erstens, und das waren persönliche Erfahrungen, hatte Jörg Haider keine Handschlagqualität. Und zweitens wollte ich mit einem, der sich nicht vom Nationalsozialismus abgrenzen wollte, keine Bundesregierung. Wenn die SPÖ nun überlege, das Verhältnis zur FPÖ zu überdenken, dann wird man sie da nicht aufhalten können. Der Tabubruch sei bereits im Burgenland passiert, das Thema sei somit da und gehe auch nicht mehr weg, findet Vranitzky – insbesondere weil Vorbehalte gegen einen Partner ÖVP nicht unbegründet sind. Der Altkanzler empfiehlt, das Thema Rot-Blau hintanzustellen: Man sollte sich zwei Jahre vor einer Nationalratswahl nicht mit Koalitionsfragen selbst belasten. Der niederösterreichische SPÖ-Chef Matthias Stadler hält Rot-Blau jedenfalls weiter für keine Wunschkoaliton. Eine FPÖ mit Norbert Steger war eine andere als die derzeitige mit H.-C. Strache und Herbert Kickl an der Spitze. Es gehe nicht um Ausgrenzung, sondern eine klare Abgrenzung zur Rechtsaußenpolitik als sozialdemokratisches Selbstverständnis, um mit neuen Konzepten und sozialdemokratischen Inhalten möglichst viele FPÖ-affine Wähler zurückzugewinnen und vor allem den Nichtwählern, von denen die meisten ehemalige SPÖ-Wähler seien, ein Angebot zu machen. Das ist die große Herausforderung der Zukunft, um die Lehren aus der Bundespräsidentenwahl – mit neuem Regieren – zu ziehen, meinte Stadler. Auch eine erste SPÖ-Stimme für Neuwahlen gibt es. Vorarlbergs Landesparteichef Michael Ritsch hält die große Koalition für gescheitert. Die Bevölkerung wolle diese Regierungsform nicht mehr, das ist meine Auffassung der Geschehnisse der vergangenen Wochen, sagte Ritsch am Dienstag. Er hielte es deshalb für besser, wenn es Neuwahlen im Herbst oder im Frühjahr 2017 gäbe. Eine Entscheidung werde wohl am Montag bei der Sitzung des Parteivorstands fallen. Der Bundesparteivorstand müsse entscheiden, ob man die Koalition mit der ÖVP bis zur nächsten planmäßigen Nationalratswahl fortführen oder sie eben jetzt beenden wolle. Im Fall des vorzeitigen Endes müsste sich die Partei umgehend auf die Neuwahl vorbereiten. Ob Faymann die SPÖ in jenen Urnengang führen sollte, ließ Ritsch offen. Ihm persönlich habe aber die Situation beim Maiaufmarsch in Wien zu denken gegeben. Wenn 10.000 Leute pfeifen, muss man sich fragen, wie man in eine Wahlauseinandersetzung geht. Viel freundlicher ist da dem Kanzler der Tiroler SPÖ-Chef Ingo Mayr gesinnt. Faymann solle im Amt bleiben, sagte er der APA. Dezidiert für dessen Wiederkandidatur auf dem kommenden Bundesparteitag wollte sich Mayr aber nicht aussprechen. Klar sprach sich Mayr hingegen gegen eine Vorverlegung des Parteitages aus. Darin sehe er wenig Sinn. Er könne mit dem November-Termin gut leben. Dem widerspricht der Salzburger SPÖ-Chef Walter Steidl, er ist für eine Vorverlegung des Parteitags. Explizit zu Faymann wollte sich Steidl nicht äußern. Die SPÖ muss jetzt Inhalte und Strategie offen, ehrlich und ohne Tabus diskutieren und festlegen. Das umfasst mehr, als das Austauschen einer Person. Werner Faymann steht in der Kritik, noch hat der SPÖ-Chef Unterstützer. Doch die Stimmen gegen den Kanzler nehmen zu. Im folgenden eine Auflistung der wichtigsten Pro- und Kontra-Stimmen zu Werner Faymann. Michael Häupl: Der Wiener Bürgermeister ist die Machtzentrale in der SPÖ. Bisher war er loyal und hat Faymann den Rücken gestärkt. Der Kanzler ist von seiner Gunst abhängig. Wenn Häupl Faymann fallen lässt, ist er weg. Josef Ostermayer: Der Kanzleramtsminister ist das Alter Ego von Faymann und steht diesem seit Jahrzehnten in verschiedenen Funktionen treu zur Seite. Er gilt als Mastermind der roten Regierungsarbeit. Ostermayer würde Faymann nicht fallen lassen, eher mit ihm untergehen. Doris Bures: Die Nationalratspräsidentin ist Faymann auch in Freundschaft verbunden, die Bande reicht bis in Jugendjahre zurück. Sie ist loyal. Faymann hat sie nicht ohne Hintergedanken ins Nationalratspräsidium befördert: Im Parlament ist sie die wichtigste Stütze für den Kanzler. Andreas Schieder: Der Klubobmann im Parlament galt als Vertrauter von Faymann und wurde von diesem 2013 mit der Führung des Klubs im Nationalrat beauftragt. Faymann hielt ihn für verlässlicher als Josef Cap. Ob diese Bande zwischen Faymann und Schieder hält, ist allerdings fraglich. Schieder hat sich von Faymann längst emanzipiert und steht ihm mittlerweile skeptisch gegenüber. Josef Cap: Der stellvertretende Klubchef der SPÖ wird in allen heiklen Fragen vorgeschickt und vertritt in der Öffentlichkeit konsequent die Linie von Faymann. Die Ablöse nach acht Jahren als Klubchef ging 2013 allerdings nicht ohne Kränkung vor sich. Stürzt Faymann, würde ihm Cap keine Träne nachweinen. Gabriele Heinisch-Hosek: Die Unterrichtsministerin wurde von Faymann 2008 in die Bundesregierung geholt. Sie gilt als enge Vertraute von Faymann, er ließ sie auch nicht fallen, als sie schwer in die öffentliche Kritik geriet. Das dankte sie ihm bisher mit ungebrochener Loyalität. Erich Foglar: Der ÖGB-Präsident galt bisher als sichere Stütze von Faymann, der sich stets um ein gutes Verhältnis zur Gewerkschaft bemühte und seine Machtposition dort absicherte. Mit seinem Abrücken von der Faymann-Position, wonach eine Koalition mit der FPÖ ein Tabu sei, ist Foglar aber offenbar auch auf Distanz zu Faymann gegangen. Matthias Stadler: Der Chef der SP-Niederösterreich und St. Pöltens Bürgermeister stellt sich hinter Faymann. Die Nabelschau einiger Personen mit persönlicher Kritik schade der Partei. Stadler legte bei den Gemeinderatswahlen im April zu. Kanzler-Kritikern wirft er vor, sie wären selbst bei Wahlen nicht erfolgreich. Harald Troch: Der Wiener Nationalratsabgeordnete und SP-Vorsitzende in der FPÖ-Hochburg Simmering verteilte am 1. Mai Schilder mit dem Slogan Werner, der Kurs stimmt. Für ihn ist klar, dass Faymann die Partei weiter führen soll. Ernst Nevrivy: Ein weiterer Wiener Flächenbezirk, der Faymann den Rücken stärkt, ist die Donaustadt. Bezirksvorsteher Nevrivy kritisierte Wortmeldungen, die sich gegen Faymann richteten, als Anpatzereien und peinliche Profilierungssucht. Er forderte den Rücktritt der Kanzler-Kritikerin Tanja Wehsely. (red) Hans Niessl: Dass der Burgenländer anders tickt als Faymann, zeigt seine rot-blaue Koalition. Ob er sich gegen die Freizügigkeit am Arbeitsmarkt ausspricht oder einen härteren Asylkurs fordert, Niessl sägt mit seiner Politik am Sessel Faymanns. Er hat ihm die Rute bereits ins Fenster gestellt. Ingo Mayr: Tirols SPÖ-Chef spricht sich zwar für den Verbleib des Parteichefs aus, zeigte aber Verständnis für die Wiener Abgeordneten, die gegen das verschärfte Asylgesetz stimmten. Dass Faymann beim regulären Parteitag wieder antreten soll, kommt Mayr nicht über die Lippen. Michael Ritsch: Auch wenn im Westen die SPÖ eher wenig zu sagen hat, der Vorarlberger Landeschef ist unzufrieden mit der Bundespartei und der Regierung. Ritsch fordert Neuwahlen. Ob diese dann mit Faymann an der Spitze bestritten werden sollen, lässt er offen. Aber: Wenn 10.000 Leute pfeifen, muss man sich fragen, wie man in eine Wahlauseinandersetzung geht. Walter Steidl: Der Salzburger SPÖ-Chef spricht sich dezidiert für eine Vorverlegung des Parteitags aus und hat mehrfach Kritik an Faymann geäußert. Zu einer offenen Rücktrittsaufforderung ließ er sich allerdings noch nicht hinreißen. Es gehe um Inhalte und Strategien, das umfasst mehr, als das Austauschen einer Person. Eva Maltschnig: Die Vorsitzende der Sektion 8 in Wien-Alsergrund will eine Rundumerneuerung der Partei. Inhaltlich wie auch personell. Ihre Sektion startete die Kampagne Vorsitzwahl 2016. Auf einer Website werden mehrere Kandidaten vorgeschlagen, die Faymann ablösen könnten. Julia Herr: Die Burgenländerin ist Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ). Herrs Stimme konnte Faymann bereits am vergangenen Parteitag nicht gewinnen. Ihre Beziehung hat sich seither nicht gebessert. Die SJ will beim Parteivorstand gemeinsam mit anderen Jugendorganisationen den Antrag zur Vorverlegung des Parteitags einbringen. Katrin Walch: Warum die Dauer des Vorsitzes nicht beschränken? Die Vorsitzende der sozialistischen Studierenden (VSStÖ) sagt, dass Faymann weder als Bundeskanzler noch als Parteivorsitzender wichtige Impulse gesetzt habe. Und wünscht sich einen Neuanfang noch vor dem Sommer. Tanja Wehsely: Die stellvertretende Klubchefin der SPÖ im Wiener Rathaus ist eine der Anführerinnen der Fraktion innerhalb der Roten, die sich nach dem Wahldebakel für eine personelle wie inhaltliche Neuausrichtung der Partei ausspricht. Faymann müsse als Chef der Partei die Konsequenzen ziehen, fordert sie. Sonja Wehsely: Ein klares Nein zu Faymann brachte Sozialstadträtin Sonja Wehsely nie über die Lippen. Sie ist innerhalb der SPÖ wie ihre Schwester Tanja aber dem linken Flügel zuzuordnen. So kritisierte sie Faymann und die Bundespartei etwa stark für die Verschärfungen im Asylgesetz. Muna Duzdar: Scharfe Kritik am Kanzler kommt von der Gemeinderätin aus der Donaustadt. Duzdar sagt, dass nur die wenigsten Faymann weiter als Parteivorsitzenden wollen. Er hätte ihrer Aussage nach aktuell keine Mehrheit auf einem Parteitag.(red) Der Antrag auf Vorverlegung des Parteitags ist fertig – er enthält geharnischte Kritik am Kanzler und SP-Chef. Jetzt fehlt nur mehr eine Mehrheit im Parteivorstand. Wenn der SPÖ-Bundesparteivorstand am kommenden Montag zusammentritt, wird dort – da sind sich die meisten in der SPÖ einig – nichts weniger entschieden als die berufliche Zukunft des Parteivorsitzenden und Bundeskanzlers Werner Faymann. Die Messer sind gewetzt, könnte man sagen, beziehungsweise: Die Begründung, mit der die Vorverlegung des Parteitags von November auf die erste Juniwoche beantragt werden soll, ist bis auf einige Details fertig. Der Text, der dem STANDARD vorliegt, hat es in sich: Darin heißt es einleitend, es gehe um das Land und um die SPÖ, Faymann könne die FPÖ nicht verhindern – und nominiere die ÖVP bei der nächsten Wahl einen neuen Spitzenkandidaten, drohe der SPÖ sogar der dritte Platz. Die Kritik am Kanzler liest sich geharnischt: Faymann habe in acht Jahren in keinen für die Menschen relevanten Bereichen wie Arbeit, Wohnen, Bildung, Gesundheit eigene Gedanken oder Konzepte entwickelt. Er habe auch keine langfristige politische Agenda gezeigt, eine Idee, wie er das Land gestalten wolle. Stattdessen habe er den Niedergang der SPÖ begleitet, administriert, aber nichts unternommen, um den Niedergang aufzuhalten. Die Arbeitsgruppen werden in dem Antrag als Beschäftigungstherapie bezeichnet, um von eigener Konzeptlosigkeit und mangelnder Leadership abzulenken. Die Monate bis zum ordentlichen Parteitag im November nützten der SPÖ nichts, sie schadeten nur. Die Zeit reiche nicht aus, um zu reparieren, was verabsäumt wurde, der politische Gegner könne die Zwischenzeit gut nützen, um sich für die nächsten Wahlen gut zu positionieren. Ein halbes Jahr (bis November) reiche auch nicht aus, um am öffentlichen Bild der Regierung etwas zu verändern, das erhöhe die Frustration der Wähler, die die Bundespräsidentenwahl als Denkzettel verstanden haben und die sich in der Abkehr von SPÖ bestärkt fühlen. Bleibt die Frage, ob der Antrag auf Vorverlegung des Parteitags – mit dieser Begründung – im Vorstand eine Mehrheit findet. Das könnte in dem 70-köpfigen Gremium schwierig werden. Es gibt aber noch einen zweiten Weg, laut Paragraf 37 des Parteistatus. Demnach können auch fünf Landesparteiorganisationen – gleich welcher Größe – einen außerordentlichen Parteitag beantragen. Tirol, Vorarlberg, Salzburg und die Steiermark gelten als genügend angefressen, einen solchen Antrag zu unterstützen. Das Burgenland gilt als unsicher, ebenso Kärnten. Dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sollen des Kanzlers Getreue klargemacht haben, dass von seinem Verhalten abhänge, ob es bei der Heta eine für Kärnten günstige Einigung geben werde. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl soll die Meinung in den Bundesländern sondieren, Wien will einem Mehrheitsbeschluss nicht im Wege stehen – welcher auch immer das dann sein wird. Auf Kanzlerseite ist man dieser Tage nicht untätig. Es werde eifrig, mit manchen Landesparteivorsitzenden sogar mehrmals täglich, telefoniert, heißt es aus der Partei – was offiziell so natürlich niemand bestätigt. Besonders Kulturminister Josef Ostermayer, Nationalratspräsidentin Doris Bures, der ehemalige Wiener Landesparteisekretär Christian Deutsch, aber auch Faymann persönlich sollen die Länderfunktionäre bearbeiten. Die Einberufung eines außerordentlichen Parteitags, etwa im Juni, ist dabei ohnehin nur aus Sicht der Faymann-Kritiker die zweitbeste Lösung. Denn auf einem solchen kann, laut Statut, gar kein neuer Parteivorsitzender gewählt werden – dazu bedarf es eines ordentlichen Parteitags. Und dieser müsse dann wieder von einer Mehrheit einberufen werden. Aber nicht nur über die formalen Erfordernisse zur etwaigen Absägung Faymanns werden in der SPÖ diskutiert. Auch das künftige Verhältnis zur FPÖ steht zur Debatte, angestoßen von der Gewerkschaft, die freilich in dieser Frage auch keine einheitliche Linie hat. Detto in den Ländern – DER STANDARD berichtete. Wer auch immer Faymanns Nachfolger sein könnte – er wird eine klare Haltung dazu zeigen müssen. Besonders auf zwei Kandidaten scheint sich die Debatte momentan zu fokussieren: ÖBB-Chef Christian Kern und der ehemalige ORF-General Gerhard Zeiler. Die beiden sollen, auch das ist unbestätigt, einen Nicht-Angriffspakt geschlossen haben. Wer immer in der Partei eine realistische Chance auf eine Mehrheit habe, werde vom jeweils anderen unterstützt. Bleibt die blaue Frage: Kärntens SPÖ-Chef Peter Kaiser hat einen möglichen Ausweg aus dem roten Dilemma aufgezeigt, das den Spalt in der Partei überbrücken könne: Er hat vorgeschlagen, die SPÖ solle Koalitionsgrundsätze und inhaltliche Grundsätze festlegen, die für jede Art von Koalition unabdingbar wären – ähnlich, wie es derzeit die deutsche Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Hinblick auf die rechtsextreme AfD versucht. 'Verspielte Glaubwürdigkeit, fehlende Diskussionskultur und eine tiefe Kluft quer durch die Partei: Auf den potenziellen Nachfolger des angeschlagenen SPÖ-Chefs Werner Faymann wartet ein schweres Erbe. Wien – Der Satz ist acht Jahre alt, aber erstaunlich aktuell. Mein politisches Kapital hat sich verbraucht, bilanzierte Alfred Gusenbauer, als er von der SPÖ-Spitze weichen musste, und ähnlich scheint es nun Nachfolger Werner Faymann zu ergehen. Wieder ist es der an der Parteibasis angewachsene Unmut, der den Vorsitzenden ins Wanken bringt. Ob die Chefs der Landesparteien und Gewerkschaften den Druck von unten weitergeben und Faymann letztlich zum Abgang drängen werden, ist noch nicht absehbar. Am Montag, bei der Sitzung des Parteivorstandes, könnte die Entscheidung fallen. Doch allein mit einem frischen Gesicht wäre es nicht getan. Falls die Revolution stattfindet: Welche Probleme müsste die oder der Neue anpacken, um die Sozialdemokratie wieder auf Trab zu bringen? Wer der Unzufriedenheit in der Partei auf den Grund geht, stößt auf viele Facetten. Eine davon zeigte sich in den Protesten beim heurigen Maiaufmarsch. Das Pfeifkonzert gegen Faymann, argumentieren Beteiligte, sei als letzte Möglichkeit verblieben, gehört zu werden. Uns tut das ja selbst weh, denn die Geschlossenheit war immer eine Stärke, die uns von der zerstrittenen ÖVP abgehoben hat, sagt eine Demonstrantin, aber sonst kriegen wir gar keine Reaktion. Es ist wie im DDR-Sozialismus. Diesen Vorwurf erheben Genossen seit Jahren: Faymann gebe Debatten in der SPÖ keinen Raum, ersticke Widerspruch, erkläre die Ruhe zur höchsten Tugend und mache jede kritische Basisinitiative reflexartig als Minderheitenprogramm herunter. Jüngstes Beispiel in den Augen der Verärgerten: Die wachsende Kritik an seiner Person qualifizierte Faymann als Befindlichkeitsdebatte ab. Dabei wollte sich die SPÖ öffnen. Das geplante neue Parteiprogramm sollte vor allem den Zweck erfüllen, dass die Sozialdemokraten wieder einmal miteinander reden, doch von lebhaftem Meinungsaustausch ist wenig zu merken. Kein Wunder, sagen die Kritiker: Der federführende Programmmacher Josef Cap exekutiere eben den Wunsch Faymanns, nur keine heiklen Debatten an die Oberfläche schwappen zu lassen. Überhaupt gilt die Personalpolitik Faymanns als typisch für die Verengung der SPÖ. Der misstrauische Kanzler lässt sich von einem kleinen Kreis bedingungslos Ergebener umringen, dem ein ausgeprägtes Freund-Feind-Verständnis nachgesagt wird. All das führe dazu, bekritteln die Unzufriedenen, dass die SPÖ personell und inhaltlich immer weniger Originelles zu bieten habe. Noch etwas sprechen Genossen ihrem Parteichef ab: Leadership, das ihn von einem Schönwetterpolitiker, der sich nach der Stimmungslage wendet, abhebt. Gerade in der Causa prima muss sich Faymann vorwerfen lassen, diese Eigenschaft nicht gezeigt zu haben. Wenn ein Kanzler in der Flüchtlingspolitik abrupt die Richtung um 180 Grad dreht, braucht er sich über verlorene Glaubwürdigkeit nicht wundern. Was die Sache allerdings kompliziert macht: Faymann mag sich zwar von ÖVP und FPÖ treiben lassen haben, doch es gibt auch sachliche Gründe für die Wende hin zu einer restriktiveren Politik. Selbst Kritiker vom linken Flügel der SPÖ räumen ein, dass ein Asylwerberandrang wie im Vorjahr auf Dauer nicht verkraftbar wäre, und die bestmögliche Alternative kommt nun einmal nicht zustande: Eine europäische Lösung ist nicht in Sicht. Was hätte ein Regierungschef also anders machen können? Ein entscheidender Fehler war wohl der Sprung von einem Extrem ins andere, gerade auch in der Symbolik. Im Herbst demonstrierte Faymann geradezu enthusiastisch Hilfsbereitschaft, im Frühjahr baute die rote Regierungsriege plötzlich mit der ÖVP an der Festung Europa. Man mag eine härtere Gangart in der Sache für alternativlos halten Werner Faymann legt seine Funktionen als SPÖ-Vorsitzender und als Bundeskanzler zurück. Das erklärte er am Montag in einem kurzen Statement nach dem Treffen mit einigen SPÖ-Landesparteichefs im Bundeskanzleramt. Der starke Rückhalt innerhalb der Partei für seinen Kurs sei verlorengegangen, begründete er seinen Schritt. Wien – Werner Faymann ist Geschichte. Der Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzende zog am Montag einen Schlussstrich unter eine jahrzehntelange Karriere in der SPÖ. Zuletzt stand die Partei vor allem wegen des Asylkurses und ihres Verhältnisses zur FPÖ unter internem Druck. Eine Chronologie: 10. März – (Noch) ungewohnter Gegenwind weht Faymann bei der Tagung des Wiener SPÖ-Rathausklubs entgegen. Seine Rede wird von Protesten begleitet, denn die jungen Aktivisten stoßen sich nicht zuletzt an den von der SPÖ mitgetragenen Plänen für eine Flüchtlings-Obergrenze. 30. März – Die Regierung macht ernst mit ihren Plänen für ein schärferes Asylrecht, nachdem das zuvor in Auftrag gegebene Gutachten zu Obergrenzen vorliegt. April – Im Vorfeld des Wiener SPÖ-Parteitags gehen die Wogen bei den Hauptstadt-Roten hoch. Auch hier ist der Asylkurs der Knackpunkt. 14. April – SPÖ-Jugend- und -Vorfeldorganisationen demonstrieren gegen das Asyl-Gesetz. 16. April – Am Parteitag der SPÖ Wien verlassen Hunderte Mitglieder – mit einem #team haltung-Button – den Saal, als Faymann zu seiner Rede anhebt. Der große Aufstand aber bleibt aus, der Flüchtlings-Leitantrag wird einstimmig beschlossen. 24. April – Bei der Bundespräsidentenwahl verfehlt der SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer mit 11,3 Prozent klar die Stichwahl. Noch am selben Abend fordert die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer Faymanns Ablöse. 25. April – Die SPÖ beruft kurzfristig ihr Präsidium ein. Ohne Konsequenzen für den Parteichef: Er sei fürs Arbeiten gewählt, sagt Faymann danach. Der Kärntner Landes-Obmann Peter Kaiser tritt für die Vorverlegung des im November geplanten SPÖ-Parteitags mit der regulär nächsten Vorsitz-Wahl ein – und setzt sich damit nicht durch. 29. April – Auf Drängen vor allem der Parteijugend wird der Parteivorstand um zwei Wochen vom 17. auf den auf 9. Mai vorverlegt. 30. April – ÖGB-Präsident Erich Foglar fordert, die SPÖ müsse ihr Verhältnis zur FPÖ überdenken. Faymann kündigt in Reaktion eine Strategiegruppe in der Partei an. 1. Mai – Rathausplatz: Faymann wird bei seiner Rede zum Tag der Arbeit von zahlreichen Genossen ausgebuht und -gepfiffen. Dem gegenüber stehen gut organisierte Werner, der Kurs stimmt-Taferln. 2. Mai – Nach dem 1.-Mai-Debakel treten die Wiener SPÖ-Gremien zusammen. Häupl übernimmt die Koordinierung der weiteren Vorgehensweise in der Partei. In der Folge zeigen sich sowohl Länder-Obmänner als auch rote Gewerkschafter durchaus gespalten. Vorarlbergs SPÖ-Chef Michael Ritsch plädiert für Neuwahlen, sein Salzburger Kollege Walter Steidl will personelle Erneuerung. Hans Niessl (Burgenland) dagegen lässt das Mantra Positionen vor Personen hören. 6. Mai – Häupl und Niessl treffen sich, um die weitere Vorgangsweise zu besprechen. Zugleich wird bekannt, dass Faymann am Montag vor dem SPÖ-Vorstand mit seinen Bundesländer-Kollegen zusammentreffen wird – und dass es ein gemeinsames Mittagessen beim Bundespräsidenten geben wird, bei dessen Einladung Faymanns treuer Gefährte, Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, eine maßgebliche Rolle gespielt haben soll. Über das Wochenende vor dem 9. Mai dreht sich der mediale Wind: Faymann könnte doch noch einmal den Machterhalt schaffen, so der Spin, der sich durchsetzt. 9. Mai - In einem kurzfristig anberaumten Statement gibt Faymann bekannt: Er ziehe sich aus allen Funktionen zurück, mit sofortiger Wirkung. Der starke Rückhalt innerhalb der Partei für seinen Kurs sei verloren gegangen, begründete er seinen Schritt. Häupl wird Interimschef der Partei, Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) wird mit der Führung der Regierungsgeschäfte beauftragt. Werner Faymann hat bis zuletzt gekämpft und kämpfen lassen. Auch medialer Begleitschutz konnte ihn nicht retten. Ein lang gepflegtes und funktionierendes Sicherheitsnetz ist gerissen. Porträt eines Geben-und-Nehmen-Politikers. Ich zähle mich zu den zufriedenen Politikern. Dieses Zitat von Werner Faymann aus seinen Anfangstagen als Bundeskanzler – er war es seit 2. Dezember 2008 – steht symptomatisch dafür, wie er sich letztlich in allen seinen politischen Ämtern eingerichtet hat. Nämlich so, dass er damit und vor allem mit sich selbst zufrieden war. Der nun demissionierte Kanzler und SPÖ-Vorsitzende agierte aus einer selbstgeschaffenen Wohlfühlzone heraus, die ihm nach innen zwar allen Grund zur Zufriedenheit suggerierte, die von außen aber immer mehr als realitätsblinde, abgehobene Selbstzufriedenheit daherkam und ihm in letzter Konsequenz weite Teile der SPÖ derart entfremdet hat, dass er nun beide Ämter hinschmiss. Als Grund nannte er zu geringen Rückhalt. Dabei hatte der die Faymannsche Green Zone umzäunende Sicherheitskordon aus engsten Vertrauten und langjährigen, loyalen Wegbegleitern wie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer und Nationalratspräsidentin Doris Bures bis zuletzt alles getan, um Faymanns Jobs zu retten. Dieses Knüpfen von tragfähigen Netzwerken und vertrauensvollen Beziehungen zu einigen handverlesenen Vertrauten und Mächtigen war eine der Stärken des 56-Jährigen. Es sind Freundschaften, die er aus seinen politischen Anfängen Stufe für Stufe auf der Karriereleiter mit nach oben nahm. Begonnen hat diese Laufbahn in der Schülervertretung, dann als Chef der Sozialistischen Jugend Wien und mit dem Engagement gegen das AKW Zwentendorf. Der Sohn von Wechselwählern – der Vater Pharmavertreter, die Mutter Sekretärin in einer Anwaltskanzlei –, der ein paar Semester Jusstudium in seinem Lebenslauf anführt, nannte Bruno Kreisky seine politische Vaterfigur, zählte Frauenministerin Johanna Dohnal zu seinen Vorbildern, aber auch den Wiener Bürgermeister Leopold Gratz, der kein Dogmatiker war, auch andere Meinungen zuließ und das Gespräch mit den Jugendfunktionären suchte. Das ist so eine Sache mit Vorbildern: In ihrem Glanz sonnt es sich angenehm. Aber: Die Politik, die Faymann, der mit 25 Jahren Gemeinderat in Wien wurde und mit 28 Geschäftsführer der Wiener Mietervereinigung, einer Machtbastion in der Bundeshauptstadt, war komplett anders. Die Kritik der roten Jugendorganisationen fand in ihm keinen Ansprechpartner, sie wurde ignoriert und als irrelevant abgetan. Wo Kreisky die Partei und das Land buchstäblich und für Generationen wirksam öffnete, ist von Faymann bis auf den attraktiven Fototermin beim traditionellen Sommerfest der Roten im Gartenhotel Altmannsdorf kein authentischer Kontakt zu Künstlern oder Intellektuellen überliefert. Faymann setzte andere Schwerpunkte in seiner Arbeit: Innerparteiliche Debatten, ideologische Neuverortungen der Sozialdemokratie in einer veränderten Gegenwart und für die Zukunft waren seine Sache nicht. Derartige Initiativen aus der Partei wurden alle als störende Interventionen ignoriert. Vorrangig ging es um Machterhalt, Kanzleramterhalt, Ruhe im Laden und möglichst friedliche Koexistenz mit dem vertrauten Koalitionspartner ÖVP. Die Rückeroberung roter Kernschichten von der FPÖ ist gescheitert, mit den Grünen fremdelte Faymann. Seine Welt war eine andere. So richtig Politik nach seinem Geschmack machen konnte der Vater zweier Töchter, der mit der Wiener Gemeinderätin Martina Faymann-Ludwig verheiratet ist, ab 1994. Da übernahm er das Amt des Wiener Wohnbaustadtrats. Eine Funktion, in der man viel Gutes tun, schön fotografieren und noch mehr darüber schreiben und lesen lassen kann – wenn man die richtigen Partner für diese politisch hoch ertragreiche Spielwiese hat. Faymann hatte sie. Er wusste sie zu bedienen und für sich zu nutzen. Geben und Nehmen, das ist ein Prinzip der Faymannschen Politik – inklusive klares Freund-Feind-Schema. Wer nicht für mich ist, ist gegen mich. Der Boulevard war für ihn, und Faymann war für den Boulevard. Er wurde seine Heimat, teuer (durch öffentliche Gelder für Inserate) alimentiert, im Gegenzug dafür wurde der bedrängte Faymann von Krone, Österreich und Heute bis zum Schluss brav eskortiert. Retten konnten sie ihn nicht. Dabei hatte Faymanns bundespolitische Karriere mit einem noch nie dagewesenen Kniefall vor der Kronen Zeitung begonnen, der ihn wie ein böser, peinlicher Schatten verfolgte. In einem Brief an den sehr geehrten Herausgeber Hans Dichand legten er und der damalige Kanzler Alfred Gusenbauer im Juni 2008 einen U-Turn in der Europapolitik hin, indem sie sich plötzlich für Volksabstimmungen über künftige EU-Verträge aussprachen – wie von Onkel Hans lange gewünscht. Der ÖVP reichte es. Es folgten Neuwahlen mit Faymann als Spitzenkandidat, Rot-Schwarz tat sich wieder zusammen, Faymann entdeckte Europa glaubhaft für sich – und vergaß, die Partei mitzunehmen. Von 20 Wahlen in seiner Ära setzte es 18-mal Verluste – die letzte schmachvolle Niederlage mit Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentenwahl läutete Faymanns Ende ein. Er hat bis zuletzt gekämpft und kämpfen lassen. Nun ist der Vorhang für den Pragmatiker der Politik, den Techniker der Macht, den Absicherungskünstler in eigener Sache gefallen. Vizekanzler Mitterlehner: Keine Neuwahlen, aber Asylkurs muss bleiben – Häupl führt SPÖ interimistisch. Nach dem sofortigen Rücktritt von Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann am Montag hat Bundespräsident Heinz Fischer ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner mit den Geschäften betraut. Der Vizekanzler stellt für den nächsten Regierungschef, den weiterhin die SPÖ nominieren soll, Bedingungen. Zwar sehe er keinen Grund für Neuwahlen, und die Wahl des neuen SPÖ-Vorsitzenden sei eine Angelegenheit des Koalitionspartners. Aber wer als Kanzler von der ÖVP akzeptiert werden wolle, dürfe nicht vom gemeinsamen Kurs in der Asylpolitik abrücken, stellte Mitterlehner klar. Wichtig sei für die Regierung nun, dass wir stabil bleiben, was die Arbeit anbelangt. Der Schwenk in der Flüchtlingspolitik ist in der SPÖ höchst umstritten und schwächte Faymanns Rückhalt in der Partei, was zu seinem überraschenden Rücktritt beitrug. Am Dienstagabend tritt der ÖVP-Vorstand zusammen, um über die neue Lage zu befinden. Auch bei der Wirtschaftsorientierung der Koalition fordert Mitterlehner eine Neuaufstellung in der Nach-Faymann-Ära. Kurz vor 13 Uhr machte Faymann am Montag alles klar und beendete die Spekulationen der letzten Tage. Hat man die volle Rückendeckung, einen starken Rückhalt in der Partei? Das muss ich Ihnen mit Nein beantworten. Dieser starke Rückhalt ist verlorengegangen. Die Mehrheit ist zu wenig, trotzdem bedanke ich mich bei allen Mitstreitern, die in diesen Tagen zu mir gestanden sind, sagte Faymann in einem Statement vor Journalisten im Bundeskanzleramt. Ich ziehe aus diesem zu geringen Rückhalt die Konsequenzen, lege meine Funktionen als Bundesparteiobmann und Bundeskanzler mit dem heutigen Tag zurück. Es braucht einen Neustart, sagte Faymann. Dem Statement war ein Treffen mit einigen der SPÖ-Landeschefs vorangegangen. Faymann habe zuerst seine Familie informiert, erklärte er, dann seine politischen Freunde. Auch Mitterlehner habe er von seinem Rücktritt vorab in Kenntnis gesetzt. Bundespräsident Fischer wurde am Vormittag von Faymann telefonisch davon informiert, dass er seine Ämter zurücklegt. Die Spekulationen über einen Rückzug hatten in den vergangenen Tage die Innenpolitik beherrscht, dennoch waren viele in der Partei, auch enge Gefolgsleute, regelrecht überrumpelt davon, als Faymann schließlich seinen Entschluss kundtat. Noch am Sonntag waren viele Parteifreunde und einige Medien davon ausgegangen, dass Faymann auch diese Krise aussitzen würde. Allerdings waren in den vergangenen Tagen immer mehr Gefolgsleute und Parteifreunde auf Distanz gegangen. Aus den Bundesländern kamen mehr oder weniger unverblümte Rücktrittsaufforderungen, auch Gewerkschafter äußerten offen ihre Skepsis über die Führungsqualitäten des Kanzlers und Parteichefs. Den Auslöser für die parteiinterne Debatte lieferte das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl, bei der SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer, ein enger Vertrauter Faymanns, mit 11,3 Prozent ein desaströses Ergebnis ablieferte. Die Debatte über die Rolle Faymanns ließ nicht lange auf sich warten. Das Pfeifkonzert der Genossen auf dem Wiener Rathausplatz beim traditionellen Aufmarsch am 1. Mai während Faymanns Rede war für diesen ein einschneidendes Erlebnis. Schon am Tag nach der Wahl hatte es eine Rücktrittsaufforderung gegeben. Die Wiener Abgeordnete Tanja Wehsely kritisierte den Bundespräsidentenwahlkampf als vernudelt, Faymann als Kanzler gehe sich nimmer aus. Die Landtagsabgeordnete ist zwar kein Schwergewicht in der Partei, steht aber symptomatisch für den Riss, der durch die Wiener SPÖ geht. Wiens Bürgermeister Michael Häupl sollte die Gräben wieder zuschütten und eine gemeinsame Linie finden. Die dürfte er – zumindest was den Parteivorsitzenden betrifft – nicht gefunden haben. Bis ein Nachfolger gefunden wird, übernimmt der mächtige Landeschef selbst die Partei. Häupl war aber ziemlich überrascht von Faymanns Rücktritt, er habe erst im Kanzleramt davon erfahren. Am Montagabend sagte Häupl nach der Sitzung des SPÖ-Vorstands: Ich habe mir diesen Tag nicht gewünscht. Er glaube, dass auch viele persönliche Argumente hinter Faymanns Rückzug gestanden seien. Das ist zu respektieren. Zum Parteiprogramm werde es eine Mitgliederbefragung geben. Ausschließen könne er, dass dabei gefragt werde, ob Koalitionen mit der FPÖ eingegangen werden sollen. Eine Warnung sprach der Wiener Bürgermeister in Richtung ÖVP aus: Es ist nicht auszuschließen, dass die ÖVP die Situation der SPÖ ausnutzt und in Neuwahlen gehe. Ich kann davon nur abraten. Die SPÖ sei jedenfalls vorbereitet: Wir bereiten uns auch auf solch ein Szenario vor. Andreas Schieder, roter Klubobmann, zeigte sich irritiert über Faymanns Rückzug. Er habe erst auf dem Weg zum Mittagessen mit Fischer vom Wechsel an seiner Parteispitze erfahren. Faymann selbst nahm an diesem Essen gar nicht mehr teil. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid verließ das Bundeskanzleramt am Montag etwas wehmütig mit den Worten, dass er sich vor Faymann verneige. Der hatte die Tage davor noch zu einem Abstecher an den Lido vor Venedig genützt, seinen Lieblingsurlaubsort. Gemeinsam mit Gattin Martina Faymann-Ludwig nutzte er die Spaziergänge offenbar zum Nachdenken über seine Lage. Zuvor hatte er betont: Rechnen Sie weiter mit mir. Vertraute wie Kanzleramtsminister Josef Ostermayer, sein Wegbegleiter über viele Jahre, waren noch ausgerückt, um die Stimmung zu beruhigen und für einen Verbleib Faymanns zu kämpfen – offenbar vergeblich. Im Gespräch war unter anderem, dass eine rote Strategiegruppe darüber diskutieren solle, wie man es künftig auf Landes- und Gemeindeebene mit den Freiheitlichen halten wolle. Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden äußerte am Abend im ORF-Interview Vorbehalte gegenüber einer entsprechenden Mitgliederbefragung. Und stellte klar, dass die FPÖ eine politische Größe sei, an der die SPÖ nicht mehr vorbeikommt – allerdings gehe sich auf Bundesebene wohl nur mehr Blau-Rot aus –, und das wird bei uns kein Parteitag beschließen. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser hielt in der ZiB 2 fest, dass eine Urabstimmung der Mitglieder über Faymanns Nachfolger keine geeignete Form sei, wohl aber könne er es eine Vorstellung der möglichen Faymann-Nachfolger in den Gremien geben. Für den Parteitag Ende Juni stellte er in Aussicht, dass dort ein Beschluss erfolgen könnte, der das Diktum Keine Koalition mit der FPÖ ersetzt. Erst einmal übernimmt Vizekanzler Mitterlehner, er wurde von Bundespräsident Fischer mit der Führung der Geschäfte des Bundeskanzlers betraut. Fischer geht davon aus, dass die Entscheidung über einen neuen Kanzler Mitte nächster Woche fallen wird. Mitterlehner bekräftigte anschließend, dass die ÖVP derzeit nicht vorhabe, die Koalition aufzukündigen: Es geht jetzt nicht darum, dass wir Neuwahlen ansetzen, es gehe um Stabilität. (Lisa Kogelnik, Marie-Theres Egyed , Michael Völker, 9.5.2016) Auch Kärntner SPÖ-Landeshauptmann Peter Kaiser will sich für Christian Kern als neuen Bundeskanzler und Parteichef starkmachen. Das "Problem FPÖ" möchte er "pragmatisch" lösen. STANDARD: Angenommen, Werner Faymann wäre, wie man noch am Wochenende den Eindruck haben konnte, mit Mehrheitsbeschluss geblieben? Seine innerparteilichen Gegner hätten wohl nicht klein beigegeben, oder? Kaiser: Ich glaube, Werner Faymann hat sich das selber auch gedacht. Ich habe noch am Vorabend mit vielen Parteifreunden in ganz Österreich telefoniert, und alle haben dasselbe gemeint: Im Wesentlichen liegt der große Schlüssel, um aus dieser Krise zu finden, beim Parteivorsitzenden selbst. Dass er zum richtigen Zeitpunkt diese Entscheidung getroffen hat, hatte hohe Qualität. STANDARD: Wie haben Sie eigentlich die Momente des Rücktritts erlebt? Kaiser: Als er kurz nach zwölf Uhr zu unserer Runde der Landesparteivorsitzenden stieß, habe ich natürlich gespürt, dass diesmal alles ganz anders ist. Er teilte uns kurz mit, dass er mit sofortiger Wirkung Kanzlerschaft und Parteivorsitz zurücklegt und das unumstößlich sei. Dann ging er zum Bundespräsidenten. Es gab kein großes Nachfragen in der Runde mehr. Seine Entscheidung verdient höchsten Respekt. Ich meine, ein Bundeskanzler bist du ja nicht jeden Tag, das ist kein normaler Job, sondern ein Lebensinhalt, dem du alles andere unterordnest. Er hat diesen Abgang mit Grandezza gemacht und sich in keiner Weise noch quergestellt. STANDARD: Wird es eine einhellige Zustimmung für den neuen Parteivorsitzenden geben, oder droht ein Lagerkampf? Es formieren sich ja bereits Fangruppen für Gerhard Zeiler und Christian Kern? Kaiser: Ich weiß, dass Michael Häupl genau darauf schaut und daher die Frist sehr eng gesetzt hat, damit es zu keinem Ausbruch von Wahlkämpfen oder Lagern kommen wird. STANDARD: Die Mehrheit der Länder tendiert ganz offensichtlich, gestützt auch schon durch erste Beschlüsse, zu Christian Kern? Kaiser: Die Kärntner SPÖ spricht sich auf meinen Vorschlag hin auf alle Fälle für Christian Kern aus. Ich kenne ihn sehr lange und habe ihn auch in seiner Funktion als ÖBB-Chef schätzen gelernt. Wir haben für Kern bereits einen einstimmigen Beschluss gefasst. Ich kenne Gerhard Zeiler nicht näher, kann ihn auch nicht politisch beschreiben. STANDARD: Wird es so etwas wie ein Hearing, ein Assessment-Center, geben, dem sich die beiden Kandidaten stellen müssen? Kaiser: Warum nicht? Wir werden das noch abklären müssen. STANDARD: Neben der Personalentscheidung wartet ja die zweite offene Baustelle: die FPÖ. Die Partei ist hier hoffnungslos gespalten, und es bedarf wohl noch einer längeren Diskussionsphase. Kaiser: Ich glaube, ein striktes Ja oder Nein zur FPÖ oder eine Beibehaltung der Ausgrenzung ist zu kurz gegriffen. Es wird einen eher pragmatischen Koalitionsmodus geben müssen, der für alle Parteien, nicht nur für die FPÖ, gelten soll. Entscheidend ist, wo eine Koalitionsfrage entsteht. Dann kann man festlegen, wer über Koalitionen entscheidet, der Parteivorstand, ein Parteirat, der Parteitag oder die Parteimitglieder. Solche Mechanismen gehören im Parteistatut verankert. Pragmatischer Machertyp mit Plan oder Quotenmann mit Boulevard-Hang. Christian Kern geht in die Politik? Das wäre das Beste, das Österreich passieren könnte. Sagt wer? Niemand aus der SPÖ, es war Sophie Karmasin 2012 im Trend, jetzt für die ÖVP Familienministerin, damals noch Meinungsforscherin und hoch angetan von der roten Personalreserve, die nun zum Einsatz kommen könnte, nachdem Werner Faymann gleich zwei Jobs vakant hinterließ: Kanzler und SPÖ-Chef. Kern, der als ambitioniert und ehrgeizig gilt, wusste und wollte, dass das auf ihn zukommt, und er weiß, wann er einen neuen Job macht oder nicht. Der 50-Jährige sagte einmal, seiner Sache sicher sei er dann, wenn er wisse, dass ich den Job nur machen kann, wenn ich bereit bin, ihn auch wieder zu verlieren. Beste Voraussetzungen für den Posten als Kanzler und SPÖ-Chef, denen beiden eine gewisse Flüchtigkeit eigen ist. Nun wird der ÖBB-Vorstandsvorsitzende neben Gerhard Zeiler als Kandidat für die Topjobs, die die SPÖ aktuell zu vergeben hat, gehandelt. Aber kann Kern Kanzler? Nicht wenige würden das unbedingt mit Ja beantworten. Anders Doris Bures, die Nationalratspräsidentin hat Kern im Jahr 2014 knapp vor Weihnachten quasi Untauglichkeit für die Politik, genauer gesagt für Faymanns Jobs, attestiert. Denn schon damals fiel der Name Christian Kern immer wieder. Bures tat im Ö1-Mittagsjournal etwas maliziös kund, Kern wäre nicht so ein guter Politiker und intelligent genug, das auch zu wissen. Knapp eineinhalb Jahre später ist Faymann Geschichte und Kern ante portas. Es wäre eine Art Heimkehr in die Partei. Denn dort hat er nach einer kurzen Phase als Wirtschaftsjournalist seine ersten beruflichen Schritte absolviert. 1991 dockte er als Pressesprecher des damaligen Beamtenstaatssekretärs Peter Kostelka an, drei Jahre später ging er mit diesem in den SPÖ-Klub, schrieb daneben die Diplomarbeit in Kommunikationswissenschaften und wurde mit 22 erstmals Vater. Es wurden dann drei Söhne in der ersten Ehe und eine Tochter mit seiner Frau Eveline Steinberger-Kern, bis 2012 für das Energiegeschäft bei Siemens zuständig, jetzt selbstständige Unternehmensberaterin. Aufgewachsen ist Kern im Wiener Arbeiterbezirk Simmering in einem unpolitischen Elternhaus, der Vater Elektroinstallateur, die Mutter Sekretärin, mit 18 gründete er die Simmeringer Bezirkspartei der Alternativen Liste Wien, einer Grünen-Vorläuferin, weder der Berufswunsch Lehrer noch Revolutionär wurden realisiert, Ernüchterung durch Che Guevaras Tagebücher – Kern fand das doch zu entbehrungsreich und wechselte ins pragmatische Fach der Sozialdemokratie. Als sich 1997 gegen Ende der Ära Vranitzky erste Abnützungserscheinungen zeigten, wechselte Kern als siebenter Zwerg von links zum Energieversorger Verbund. Zehn Jahre später war er dort im Vorstand angelangt, bis er 2010 zur ÖBB geholt wurde – von Bures. In beiden Bereichen sind gute Kontakte zur Politik lebensverlängernd. Über sich sagt Kern, dass ihm Stil wichtig sei und er cholerische Anfälle zutiefst verachtet. Für positives Aufsehen sorgte sein Krisenmanagement, als er den Transport tausender Flüchtlinge unbürokratisch und professionell abwickelte. Einkommenstechnisch würde der Manager, no na, als Kanzler verlieren: 2014 bekam der 295.393 Euro im Jahr, der ÖBB-Chef dürfte auf rund 700.000 Euro (inklusive Erfolgsprämie) gekommen sein. Wenn von Männern vom Typus Kern die Rede ist – habituell in schmalen, exakt sitzenden Anzügen, akkurat frisiert, die Sprache zackig und ansonsten auch nicht angekränkelt von mangelndem Selbstbewusstsein –, fällt oft das Wort smart – das ÖVP-Synonym dafür ist Sebastian Kurz. Die beiden könnten die K.-u.-K.-Republik anführen, wie auch immer: Kern und Kurz oder Kurz und Kern. Auf der Karriereplattform Whatchado meinte Kern übrigens zu seinem Abgang als Pressesprecher: Aber nachdem man nicht ewig in der Politik bleiben sollte, meine ich jedenfalls, habe ich mir dann einen anderen Job gesucht. Auch das nicht die schlechteste Herangehensweise an das Kanzleramt und den SPÖ-Vorsitz. (Lisa Nimmervoll, 10.5.2016) Dass Gerhard Zeiler Herausforderungen scheut, kann man ihm nicht nachsagen. Gerhard ist eher bereit, ins kalte Wasser zu springen, beschrieb ihn einmal sein Zwillingsbruder Helmut. Nach dem Faymann-Rücktritt könnte jetzt der Sprung an die SPÖ- und die Regierungsspitze gelingen. 2015 brachte er sich in Medien schon als Kanzlerreserve in Stellung. Wenn ihn die SPÖ fragen sollte, ob er Verantwortung übernehmen würde, dann wäre er bereit, sagte er damals dem Kurier. Den Job als Chef ist er gewohnt, seit 2012 ist er Präsident des Medienkonzerns Turner Broadcasting und führt von London aus 160 TV-Kanäle in 200 Ländern. Zuvor sorgte er beim deutschen Privatsender RTL und dann bei der RTL Group für Rekordgewinne. Führungsqualität müsste er auch innerhalb der SPÖ unter Beweis stellen. Diese Aufgabe wäre freilich keine leichte, es gilt, den Kurs klar vorzugeben und Basis und Funktionäre auf eine Linie zu bringen. Zeiler sei extrem mutig, habe hohes Durchsetzungsvermögen und könne vor allem Menschen motivieren, gemeinsam mit ihm an einem Strang zu ziehen, sagt einer, der ihn gut kennt. Fähigkeiten also, die die SPÖ derzeit gut brauchen könnte. Zeiler, 1955 in Wien-Ottakring geboren, zog es schon früh in die Politik. Er studierte Psychologie, Soziologie und Pädagogik und heuerte beim SPÖ-Pressedienst an. 1979 wechselte er als Pressesprecher zum damaligen Unterrichtsminister und späteren Kanzler Fred Sinowatz, 1986 übernahm er diesen Job bei Franz Vranitzky. 1994 wurde er mithilfe der SPÖ Generaldirektor des ORF. Im Öffentlich-Rechtlichen fuhr er damals einen harten Quotenkurs, seine Reformen dort gefielen nicht allen. Zu sehr am Massenpublikum orientiert und zu boulevardesk seien seine Ideen, beschwerten sich Kritiker. Immerhin schaffte Zeiler mit dieser Linie einen ORF-Marktanteil von knapp 50 Prozent. Genervt von politischen Interventionen verabschiedete er sich 1998 aus Österreichs Medienlandschaft in Richtung Privat-TV. Dorthin, wo ihm die Politik nicht so massiv dreinredet. Ganz kalt lässt ihn der ORF aber weiterhin nicht. 2011 wollte er wieder für den ORF-Chefposten kandidieren. Nicht wenige Stiftungsräte wünschten sich den erfolgreichen Quotenmann zurück. Der Plan scheiterte, schuld daran war ausgerechnet Werner Faymann, der SP-Chef unterstützte dann doch Alexander Wrabetz. Zeiler sagte ab, weil es der Politik im ORF nur darum gehe, wer willfährige parteipolitische Personalwünsche umsetzt. Zeiler war zu gefährlich. Faymann wollte Zeiler nicht. Er hat Angst gehabt, er züchtet sich da einen Nachfolger, sagte die frühere ORF-Chefin Monika Lindner. Faymann fürchte nicht nur den unabhängigen Generaldirektor, sondern auch den Bundeskanzler Zeiler. Auch den könnte Zeiler besser, kommentierte damals der mittlerweile verstorbene Ex-ORF-Chef Gerd Bacher Zeilers Rückzug. Der SPÖ hat der Ottakringer vom Ausland aus immer die Treue gehalten, auch mit Spenden, sagen SPÖ-Funktionäre. Bei Wahlveranstaltungen war er immer wieder mit dabei, zuletzt unterstützte er den gescheiterten Präsidentschaftskandidaten und ehemaligen Sozialminister Rudolf Hundstorfer. 2015 sprach sich Zeiler gegen SPÖ-Koalitionen mit der FPÖ aus. Ich bin für Abgrenzen, aber nicht Ausgrenzen. Es kann nicht der Weisheit letzter Schluss sein, eine Koalition mit einer populistischen Partei zu machen, die Europa schwächen will, sagte er in einem Interview. Sein Vertrag bei der Time-Warner-Tochter Turner Broadcasting wurde im Frühjahr 2015 um drei Jahre verlängert. Schon bei RTL verdiente er kolportierte zwei Millionen Euro. Bei Turner dürfte es noch mehr sein – kein Vergleich also mit dem Gehalt als Kanzler. Zeiler wird immer wieder Heimweh nach Österreich nachgesagt. Neben seinem Arbeitssitz in England hat er ein Haus in Salzburg – das er vor allem an Wochenenden nutzt – und eine Wohnung in Wien. Zeiler wird im Juli 61, ist zum dritten Mal verheiratet und Vater einer erwachsenen Tochter und eines einjährigen Sohnes. DER STANDARD analysiert, welche Herausforderungen auf den neuen Bundeskanzler und SPÖ-Vorsitzenden warten. Hohe Arbeitslosigkeit, die Bevölkerung von Politik und ihren Akteuren enttäuscht, die Sozialdemokratie in der Identitätskrise: Der neue rote Bundeskanzler und Parteichef hat mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. der Standard analysiert die Baustellen. • Arbeitslosigkeit Im April waren 9,1 Prozent der Bevölkerung ohne Beschäftigung. Laut AMS-Chef Johannes Kopf müssten einige Maßnahmen gesetzt werden, um der dramatischen Entwicklung entgegenzuwirken. Die Stimmung bei Unternehmern ist extrem schlecht, sagt Kopf im STANDARD- Gespräch. Ihnen fehle das Vertrauen, Investitionen zu tätigen. Die Lohnnebenkosten müssten gesenkt werden, aber auch Reformen zur Entbürokratisierung und in der Bildung seien dringend notwendig. Während Kopf eine Flexibilisierung der Arbeitszeit fordert, schlagen die Vertreter des linken Parteiflügels der SPÖ eine Verkürzung der Arbeitszeit vor. Andreas Babler, Traiskirchner Bürgermeister und Mitbegründer der Reforminitiative Kompass, fordert die 35-Stunden-Woche. Julia Herr, Chefin der Sozialistischen Jugend, sagt dem STANDARD: Der Staat muss Arbeitsplätze schaffen. Möglich sei das etwa im Bereich der Kinderbetreuung. • Flüchtlinge 2015 hat Österreich 90.000 Flüchtlinge aufgenommen, heuer sollen es laut einer von SPÖ und ÖVP beschlossenen Obergrenze maximal 37.500 sein. Die Schwarzen haben bereits eine Bedingung an den noch unbekannten Kanzler in spe gestellt: Die Obergrenze muss bleiben. Für AMS-Chef Kopf ist es kein Widerspruch, darauf zu achten, dass weniger Asylsuchende aufgenommen und gleichzeitig jene, die bereits hier sind, möglichst schnell integriert werden – auch in den Arbeitsmarkt. An Integration führt kein Weg vorbei, sagt er. Dafür sprechen ökonomische Argumente. Denn: Es ist viel teurer, die Menschen nicht zu integrieren. Es ist besser, wenn sie bald selbst Steuern zahlen. Sonst würden Parallelgesellschaften entstehen, die erst recht die Ängste der Bevölkerung forcieren. Daher seien Deutschkurse oder Lehrstellen für minderjährige Flüchtlinge wichtige Investitionen, um diesen eine Zukunft zu ermöglichen. Aber: Der Arbeitsmarkt hätte die Flüchtlinge nicht gebraucht – Kopfs ökonomischer Standpunkt, nicht sein humanitärer. • Bildung Eigentlich haben sich SPÖ und ÖVP bereits im November auf eine Bildungsreform geeinigt. Beschlossen wurde aber seither nichts. Für eines von sechs Paketen gibt es immerhin einen Gesetzesentwurf. Damit wird etwa das Sitzenbleiben in den ersten drei Volksschulklassen weitgehend abgeschafft. Die großen Brocken sind aber weiterhin offen: Für Modellregionen der Gesamtschule und die leidige Debatte zur teuren Schulverwaltung (siehe Artikel Seite 9) gibt es keine Lösung. Und es ist fraglich, ob die Neue Mittelschule tatsächlich für bessere Leistungen der Schüler sorgt. Laut der Pisa-Studie haben elf Prozent aller Schüler Probleme beim Lesen, in Mathematik und in den Naturwissenschaften. • Vertrauen Addiert man Ankündigungspolitik mit Koalitionshickhack, entsteht Politikverdrossenheit. Diese Formel umzuwandeln und das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen gehört zu den schwierigsten Missionen der roten Regierungsmannschaft. Das desaströse Abschneiden von Rudolf Hundstorfer bei der Präsidentschaftswahl – er erreichte 11,3 Prozent – wurde von SPÖ-Funktionären mit der Floskel Wir müssen die Sorgen der Bevölkerung wieder ernst nehmen umschrieben. Aufgeschobene Reformen und Ringen um kleinstmögliche Kompromisse bleiben aber im Wählergedächtnis hängen. • Profilbildung Unter Werner Faymann hat die SPÖ 18 von 20 Wahlen verloren. Der Neue muss eine Trendwende initiieren. Gelingen kann das nur, wenn jene angesprochen werden, die Abstiegsängste haben, sagt Babler. Es ist eine Lüge, dass FPÖ-Wähler aus Protest wählen. Diese kann die SPÖ nur zurückgewinnen, wenn sie ihre Rolle einer Interessenvertretung von Arbeitnehmern, Angestellten und kleinen Gewerbetreibenden wieder übernehme. SJ-Vorsitzende Herr empfiehlt dem neuen Parteichef, sich nicht mehr auf die Asylpolitik zu konzentrieren. Ein viel größeres Problem als Wirtschaftsflüchtlinge sind Steuerflüchtlinge. Ganz anders sieht das der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl. Das Rezept für einen Wahlerfolg sieht er in einer Öffnung hin zur FPÖ, so wie sie im Burgenland bereits vollzogen wurde. Niessl hat mehrfach eine Abstimmung der Basis darüber gefordert. Das richtige Gleis für die Roten muss der neue Kanzler und SPÖ-Chef erst finden. Wer die Weichen stellt, wird die Partei am Dienstag im Parteivorstand entscheiden. Auch Wiens Bürgermeister Häupl und Burgenlands Landeshauptmann Niessl sprechen sich offenbar für den ÖBB-Manager aus – Gerhard Zeiler hat abgesagt. Wien – Christian Kern wird neuer Bundeskanzler und SPÖ-Chef. Das wurde dem STANDARD aus dem Umfeld der Parteispitze bestätigt. An Kern wird mittlerweile auch in der Wiener Landespartei nicht mehr gezweifelt. Ein Treffen zwischen Wiens Bürgermeister Michael Häupl und Bahnmanager Kern hat laut Medienberichten am Donnerstag bereits stattgefunden. Die formale Entscheidung folgt am Freitag. Häupl lädt dann als SPÖ-Interimschef die roten Spitzenvertreter zu sich – um wohl die Kür von Kern zu fixieren. Auch der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl hat sich bereits für Kern entschieden. Schon vor Tagen habe sich ein Trend für Kern in der burgenländischen SPÖ abgezeichnet, sagte Niessl nach dem Landesparteivorstand am Donnerstag, der sich einstimmig für Kern entschieden habe. Dass Gerhard Zeiler nicht zur Verfügung steht – okay, das nehmen wir auch zur Kenntnis. Die SPÖ Burgenland stehe geschlossen hinter Kern. Der Medienmanager Gerhard Zeiler hat sein Interesse für den SP-Vorsitz zurückgezogen. Das bestätigte Zeilers Sprecher am Donnerstag der APA. Demnach habe Zeiler dem interimistischen SP-Vorsitzenden Michael Häupl bei einem Treffen am Vormittag gesagt, dass er für eine Kampfkandidatur gegen ÖBB-Chef Christian Kern nicht zur Verfügung stehe. Vielmehr habe er mit dem Kanzler in spe vereinbart, sich gegenseitig zur unterstützen. Nach Darstellung Zeilers wäre er der Gegenkandidat geworden, hätte sich Faymann am Parteitag noch einmal der Wahl gestellt. Das sei nun nicht mehr nötig: Faymann ist gegangen. Ich habe erreicht, was ich wollte, sagte Zeiler zur Presse. Damit ist Kern offenbar der einzige verbleibende Kandidat für den SP-Vorsitz. Die Mehrheit der Landesorganisationen hat sich bereits für ihn ausgesprochen. Bereits am Freitag soll er im Kreis von SP-Granden präsentiert werden. Offiziell nominiert werden soll er nach jetzigem Stand bei einer Vorstandssitzung am Dienstag. Das Treffen am Freitag in Wien, zu dem neben den Landesobleuten auch die anderen Parteigranden wie Gewerkschaft und Klubspitze erwartet werden, findet hinter verschlossenen Türen statt. Medienvertreter sollen, so weit es geht, ferngehalten werden. Laut Bürgermeister-Büro wird – wie auch bei anderen wichtigen Sitzungen inzwischen üblich – die Rathauswache jene Bereiche absperren, in denen die Unterredungen stattfinden. Eine genaue Uhrzeit wird nicht verraten, die Sitzung dürfte aber unmittelbar nach dem Festakt für ÖFB-Teamchef Marcel Koller beginnen. Um ein Hearing handelt es sich bei der Zusammenkunft nicht, wie Häupl zuletzt gegenüber der APA betonte. Die Wiener Gesundheitsstadträtin könnte Kanzleramtsministerin werden, der steirische Landesrat Infrastrukturminister. Wien – Nach der Nominierung von ÖBB-Manager Christian Kern zum neuen SPÖ-Chef gilt es als wahrscheinlich, dass der künftige Kanzler einige Minister austauschen wird. Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely könnte STANDARD-Informationen zufolge Kanzleramtsministerin werden und sich in dieser Funktion vor allem um das Flüchtlingsthema – also um Integration und Asylpolitik – kümmern. Nach außen hin kann Kern den Regierungskurs in der Asylpolitik nicht ändern, mit Wehsely könnte aber nach innen ein Signal gesendet werden. Wehsely würde damit den bisherigen Kanzleramtsminister Josef Ostermayer ablösen, einen engen Vertrauten des zurückgetretenen Werner Faymann. Laut Presse-Informationen ist Wehsely auch noch als Gesundheitsministerin im Gespräch – für den Fall, dass Sozialminister Alois Stöger aus der Regierung ausscheiden muss und die derzeitige Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser das Sozialressort übernimmt. Offiziell sagt Wehsely dazu nur: Mit mir hat niemand geredet. Insider bezweifeln allerdings, dass die Wiener Gesundheitsstadträtin auch das Ministerium übernehmen würde. Denn sowohl was Budget als auch was Kompetenzen betrifft, wäre das ein Abstieg für sie. Das Infrastrukturministerium von Gerald Klug soll mit hoher Wahrscheinlichkeit der steirische Landesrat und frühere Europaabgeordnete Jörg Leichtfried übernehmen, heißt es aus der SPÖ. Bestätigungen der Ministerrochaden stehen noch aus. Am Dienstag soll der neue Kanzler angelobt werden. Bis dahin soll Christian Kerns Team stehen. In der SPÖ fragt man sich allerdings, wie lange das halten wird. Wien – Das Wiener Rathaus wurde am Freitagmittag von Journalisten belagert. Und nicht nur, weil Marcel Koller, der Trainer der österreichischen Fußballnationalmannschaft, von Bürgermeister Michael Häupl das Goldene Ehrenzeichen überreicht bekam. Unmittelbar danach trafen sich die Granden der SPÖ, um Christian Kern als neuen Kanzler und Parteichef fix zu machen. Länder, Klub, Jugend, Senioren und Frauen stimmten geschlossen für Kern. Häupl berichtete von einer sehr harmonischen und sehr einfachen Sitzung: Die Partei steht einhellig hinter dem künftigen Bundesparteivorsitzenden. Häupl bleibt übrigens bis zum Parteitag der SPÖ am 25. Juni geschäftsführend Chef der Sozialdemokraten und wird den designierten neuen Vorsitzenden Kern begleiten. Eine Missstimmung zwischen ihm und dem künftigen Kanzler bestritt Häupl prophylaktisch. Ich kann Ihnen schon jetzt versprechen, dass ich jeglichem Versuch, irgendeinen Widerspruch zwischen uns zu konstruieren, ausweichen werde. Also bemühen Sie sich erst gar nicht. Zu den Äußerungen von Gerhard Zeiler, der seine Kandidatur als Kanzler zurückgezogen und von einem langfristigen Plan zum Sturz von Werner Faymann berichtet hatte, sagte Häupl: Ich halte das für ein ganz komisches Gerücht. Ich habe gestern in der Früh mit dem Herrn Zeiler – wie jeder weiß: Uraltfreund aus Ottakring von mir aus fernen Jugendtagen – gesprochen. Häupls Zusammenfassung: Masterplan, alles ein Blödsinn. Verschwörungstheorien. Während die SPÖ-Granden tagten, wurde Kern bereits bei Bundespräsident Heinz Fischer vorstellig. Außer einem Foto ist von dieser Unterredung wenig überliefert. Fischer: Wir nutzten die Gelegenheit für ein persönliches und informatives Gespräch. Fix ist, dass Kern am Dienstag um 17 Uhr angelobt werden soll. Das Vorstellungsgespräch ist bereits erledigt. Der Wiener Bürgermeister geht davon aus, dass die SPÖ ihre zuletzt eingeschlagene Linie in der Flüchtlingspolitik beibehält. Immerhin seien entsprechende Beschlüsse im Nationalrat gefallen und er sehe zur Stunde nichts, was das ändern soll. Allerdings ist aus der ÖVP dazu zu vernehmen, dass es zwischen dem Team von Mitterlehner und den Gefolgsleuten von Kern Gespräche über eine Aktualisierung des Regierungsprogramms gebe. In der SPÖ (und in den Medien) wird mit Inbrunst eine andere Frage ausgereizt: Wer wird was? Bis Montag, spätestens Dienstag soll Kern sein neues Team beisammenhaben, am Dienstagnachmittag will er dieses bereits präsentieren und ein erstes Statement abgeben. Die Personalspekulationen sorgen parteiintern für höchstes Interesse, geht es doch nicht nur um die Neubesetzung der Regierungsmannschaft, sondern auch um andere Schlüsselpositionen in der Partei und im Kanzleramt selbst. Wichtige Positionen sind etwa der Bundesgeschäftsführer, derzeit Gerhard Schmid, der Kommunikationschef, derzeit Matthias Euler-Rolle, oder der Job als Kabinettschef im Kanzleramt, das war unter Werner Faymann zuletzt Susanne Schnopfhagen-Metzger – bis hin zur Presseabteilung. Neben der Personalia wird aber auch ein anderes, gewichtigeres Thema in der SPÖ diskutiert: Wie lange wird das gehen? Viele Funktionäre haben Skepsis, ob die Koalition bis zum regulären Wahltermin 2018 durchhalten kann. Mit Argwohn hat man registriert, dass sich, just während die SPÖ ihr Spitzenpersonal neu sortiert, zwei ÖVP-Minister zur Arbeitsgruppe Sicheres Österreich zusammengefunden haben: Justizminister Wolfgang Brandstetter und Innenminister Wolfgang Sobotka haben auch gleich einen Aktionsplan präsentiert, der die Schubhaft ausweitet und Abschiebungen erleichtert – auch bei strafrechtlichen Verurteilungen in der ersten Instanz. Das, so ist zu hören, werde mit der SPÖ nicht zu machen sein und sei als bewusste Provokation zu werten. Umso mehr, als dort das Gerücht kursiert, ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka, der als grundsätzlicher Gegner einer Koalition mit der SPÖ gilt, habe die Arbeitsgruppe der beiden Minister eingefädelt. Es sei gut möglich, heißt es, dass die Koalition an dieser Frage zerbreche – dann werde es Wahlen im September geben. In der SPÖ rechnet man damit, dass spätestens dann Sebastian Kurz die ÖVP übernehmen und in Neuwahlen führen könnte. Demgegenüber stehen alle Meinungsumfragen. Die sehen die beiden Regierungsparteien bei etwa jeweils 22 Prozent, die FPÖ dagegen bei mehr als 30 Prozent. Selbst wenn der Bonus eines neuen Parteichefs zum Tragen käme, ist es unwahrscheinlich, dass dieser SPÖ oder ÖVP an die derzeitigen Werte der FPÖ herantragen könnte. Das hieße, dass es bei raschen Neuwahlen einen Kanzler Heinz-Christian Strache gäbe, wer auch immer dann den Juniorpartner macht. Häupl betonte am Freitag seine ablehnende Haltung gegenüber den Freiheitlichen, meinte aber auch, dass man sich den Realitäten widmen müsse, würden doch einzelne Teilorganisationen entgegen den Beschlüssen des Parteitags mit der FPÖ koalieren. Dass es in der SPÖ zwei Flügel gebe, bestritt Häupl: Das hätten Sie gerne. Über Kern sagte er: Sie brauchen sich keine Sorgen machen, er ist mit Sicherheit jemand, der Gräbchen oder vielleicht auch den einen oder anderen Graben überbrücken kann – oder gar zuschütten, was mir noch lieber wäre. Aber da stehen wir Schulter an Schulter. (Sebastian Fellner, Petra Stuiber, Michael Völker, 13.5.2016) Nach Zwischenstationen bei Verbund und ÖBB ist Christian Kern im Kanzleramt angekommen. Endlich. Vertraute glauben nicht an Zufall, der machtbewusste Manager habe mit geschickter Netzwerkpflege darauf hingearbeitet. Seine ersten publizistischen Schritte legt er grundsätzlich an. Das Interview mit SPÖ Zentralsekretär Dr. Josef Cap dreht sich um die künftige Ausrichtung der Sozialdemokratie – bereits im Titel wird festgehalten, wohin die Reise geht: Partei der Zukunft!, formuliert das 1989 der Interviewer und damalige Chefredakteur des VSStÖ-Blattes Rotpress, Christian Kern. Im Gespräch mit Cap will der junge, linke Studentenpolitiker wissen: Was werden die Grundfeste sozialdemokratischer Politik sein?, und: Wie bist du mit dem Anteil der SPÖ an der Arbeit der Koalitionsregierung zufrieden? Cap gibt damals den Extremisten, findet, man müsse über jeden Kompromiss unzufrieden sein. Kerns Politikverständnis ist ein anderes. Eines Tages wird er es zeigen können. Bereits in der folgenden Ausgabe lächelt er vom Cover der Rotpress, in Szene gesetzt vom damaligen Geschäftsführer und Layouter der Zeitung, Stefan Pöttler – ein Freund und Wegbegleiter, den Kern seither nicht mehr aus den Augen verliert. Die dazugehörende Titelgeschichte lautet Die neuen Helden, Kern verspricht jenen, die ihm bei der Studentenvertretungswahl ihre Stimme geben, ein Mitspracherecht über den Wahltag hinaus. Seit damals hat der seit Jahren als Kanzler to be gehandelte Bundesbahn-Chef einen steilen Aufstieg hingelegt. Die Themen aus Studententagen wirken heute wie eine Vorwegnahme der aktuellen Ereignisse. Erst Klassensprecher im Simmeringer Gymnasium und Mitglied beim anarchistischen Basiskomitee, gründet Kern später eine Alternative Liste in seinem Heimatbezirk Wien 11. Gerne erzählt er vom einstigen Jobwunsch Berufsrevolutionär. Nach Lektüre der Tagebücher des Che Guevara sei ihm das jedoch zu entbehrungsreich gewesen. Also begeistert sich Kern für Günther Nennings Buch Realisten oder Verräter? Die Zukunft der Sozialdemokratie. Genau die liegt seit Freitag, als sich die roten Landesparteichefs nach dem Abgang von Werner Faymann auch formell auf Christian Kern als neuen roten Mann an der Spitze geeinigt hatten, in den Händen des 50-Jährigen. Endlich. Viele Jahre fiel sein Name immer dann, wenn die Unzufriedenheit mit der roten Parteiführung besonders groß wurde. Das passiert nicht zufällig, auch wenn der Sohn einer Sekretärin und eines Elektroinstallateurs politische Ambitionen stets mehr oder weniger bemüht von sich gewiesen hat. Kern, dem fast jeder, den man fragt (bis auf Nationalratspräsidentin Doris Bures, aber das ist eine andere Geschichte), das nötige Rüstzeug für den roten Spitzenposten attestiert, wählte den Weg über die Bande. Journalistisch zieht es ihn zunächst zum Wirtschaftspressedienst und zum Wirtschaftsmagazin Option, 1991 heuert er unter Franz Vranitzky als Assistent von Peter Kostelka an – zunächst zur Unterstützung des damaligen Staatssekretärs im Kanzleramt, später als Büroleiter und Pressesprecher im Parlament, als Kostelka zum Klubchef aufgestiegen war. Nebenbei schreibt Kern, von dem es heißt, er sei eine Zeitlang alleinerziehender Vater eines Sohnes gewesen (später folgen zwei weitere Söhne sowie eine Tochter mit Ehefrau und Unternehmensberaterin Eveline Steinberger-Kern), seine Diplomarbeit im Bereich Publizistik und Kommunikationswissenschaften. Stefan Pöttler ist bereits damals an seiner Seite, gemeinsam dient man unter Kostelka. Pöttlers nächste Karrierestation ist das der Wiener SPÖ nahestehende Echomedienhaus, später wird er Sprecher von Kanzler Alfred Gusenbauer. Vor zweieinhalb Jahren hat ihn Kern wieder zu sich geholt, wo sich der Freund um Corporate Affairs, also politisches Lobbying kümmern soll. Pöttler ist nicht der Einzige, der Kern in der Vorbereitung auf höhere rote Weihen unterstützt. Auch David Mock, früher Pressesprecher des damaligen SP-Kanzlers Viktor Klima, werkte bis vor kurzem in der bahneigenen Kommunikationsabteilung, wird von Kern, der ihn seit einer Ewigkeit kennt, aber weiterhin als Ideengeber geschätzt. Dafür ist Sven Pusswald jetzt da, auch er einst Sprecher von Alfred Gusenbauer. Außerdem an Bord: Maria Maltschnig, Schwester von Eva Maltschnig, die wiederum Vorsitzende der roten Revoluzzer-Sektion 8 ist. Kein Wunder, dass im Konzern ob Kerns Absprung heller Aufruhr herrscht. Nicht nur wird erwartet, dass er einige der Genannten als Mitarbeiterstab ins Kanzleramt mitnimmt. Für all jene bei den Bundesbahnen, die von Kern in Leitungsfunktionen bestellt wurden, bricht mit seinem Abgang auch ein wichtiger Rückhalt weg. Erfolgte die Ansammlung von roten Kanzlersprechern allein mit Blick auf den roten Chefsessel und Kanzlerposten? Kern würde das entschieden dementieren. Im Verbund, wo er 1997 als Vorstandsassistent beginnt, kurz darauf Chef für Strategisches Marketing und Verkaufssteuerung wird und zehn Jahre später an die Spitze der Verbund-Tochter Austrian Power Trading wechselt, erzählt man sich andere Geschichten. Hier habe Kern schon vor Jahren fallenlassen, als Reserve für den Job des roten Riesen bestimmt zu sein. Ein anderer Weggefährte bestätigt das: Das wollte er immer, jetzt hat er sein Ziel erreicht. Was seine Arbeit beim Stromriesen anlangt, sagt man ihm nach, er habe zur rechten Zeit den Absprung geschafft. Einst von ihm eingefädelte Auslandsbeteiligungen sind später, als die Energiewirtschaft in eine strukturelle Krise schlitterte, den Bach hinuntergegangen. Bei Kerns Abgang war davon noch nichts zu spüren. Als im Mai 2009 die Position des Post-Chefs vakant wird, ist der Manager im Gespräch. Später hieß es, er habe abgewunken – weil er letztlich chancenlos war, mutmaßen böse Zungen. Der Wechsel vom börsennotierten Top-Player zum miefigen Staatsbetrieb ÖBB hat dann viele verwundert. Aber die Rolle des Retters, der immer dann auf den Plan tritt, wenn das Image im Keller ist, scheint Kern zu gefallen. Bei der Bahn ging Kern in die Offensive, sprach offen über ein Versagen der bisherigen Unternehmensleitung – eine Einschätzung, die er im kleinen Kreis übrigens auch über Kanzler-Vorgänger Werner Faymann zum Besten gibt. Unter ihm als ÖBB-Chef müssen die schlechten Leute gehen, er holt sich Manager von außen für wichtige Vorstandsposten. Die schwarze Reichshälfte akzeptiert das Vorgehen ob des derangierten Zustands des Unternehmens ohne großes Murren. Seine guten Kontakte konnte Kern im Führerstand der Bundesbahn sowohl innerhalb als auch außerhalb der SPÖ hervorragend ausbauen. Über Jahre pflegte er mit Länder- und Industriechefs gute Kundenbeziehungen, konnte sich von Vorarlberg bis zu Erwin Pröll in Niederösterreich ein dichtes Netzwerk an Wohlgesonnenen knüpfen. Kontaktpflege gelingt auch andernorts: Mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl und dem burgenländischen Landeshauptmann Hans Niessl sitzt die sportliche Kanzlerhoffnung (Laufen, Mountainbiken, Ski fahren) im Kuratorium seiner Violetten, dem Fußballtraditionsklub Austria Wien. Ein Mitstreiter moniert, in den vergangenen zwei Jahren seien die Reisen in die Bundesländer, die Eröffnungen der kleinen Bahnhöfe, das Repräsentieren immer mehr in den Vordergrund gerückt. Die Ambition, die nächsten Restrukturierungsschritte zu gehen – darunter auch Eingriffe bei den Lokführern und den Mitarbeitern der u. a. in St. Pölten angesiedelten Instandhaltungswerke, die beide als Herzstück der Eisenbahnergewerkschaft gelten -, sei jedoch in gleichem Maße zurückgegangen. Bei den einfachen Mitarbeitern ist Kern überaus beliebt. Im Intranet kommuniziert er mit ihnen mittels Videobotschaft, platzt vor Stolz über das gelungene Handling auf dem Höhepunkt der Flüchtlingskrise. Kern gab der einst geprügelten Eisenbahnerseele ihren Stolz zurück, heißt es. Gewerkschafter Roman Hebenstreit sagt im ORF Radio, er müsse jetzt bei der Belegschaft einige Tränen wegwischen. Dass Kern gleichzeitig als Häferl gilt, die Stimmung in manchen Sitzungen mit seiner scharfen Rhetorik zum Gefrierpunkt bringt, ist die andere Seite seiner kommunikativen Stärke. Und, ja, Kern steht gerne im Mittelpunkt. Macht und Einfluss treiben ihn an, heißt es unisono, er habe seinen Eintrag im Geschichtsbuch im Auge. Peter Kostelka fällt anderes ein, was Kern auszeichnet: Sein Ideenreichtum, sein großes Engagement, seine außerordentliche Intelligenz, bilanziert er über den einstigen Mitarbeiter als einer der wenigen, die sich vom Standard namentlich zitieren lassen. Für Kostelka ist Kern ein überzeugter Sozialdemokrat, er hat aufgrund seiner weiteren Tätigkeit aber den Wert der Pragmatik kennengelernt. Pragmatik erwarten Insider auch bei der künftigen Ausrichtung der SPÖ. Kern denke in strategischen Optionen, heißt es, werde also die Partei aus ihrer Pattsituation befreien und jedenfalls in Richtung FPÖ aufmachen. Als Oppositionsführer kann ich ihn mir nicht vorstellen, erklärt dazu ein Kern-Kenner. Wurde er zu seinen Politik-Ambitionen befragt, sagte Kern selbst immer, er wolle vermittelbar bleiben. Auch seine Eitelkeit und der Drang, gut wegzukommen, fallen immer wieder. Kerns Vorliebe für dunkle Anzüge und perfektes Styling wird ihm, gepaart mit einem ausgeprägten Selbstbewusstsein, nicht selten als Arroganz ausgelegt. Dass er daran auch selbst einen Anteil hat, zeigen von mehreren Seiten bestätigte Schilderungen darüber, wie er bereits beim VSStÖ und später bei Verbund und ÖBB andere wegen ihres Kleidungsstils gemaßregelt hat. Sein Modebewusstsein hat ihm auch einen passenden, bevorzugt englisch auszusprechenden Spitznamen eingebracht: CK, wie das gleichnamige Modelabel. Nur einen gibt es, der ihm in der Regierung in Sachen Auftreten und Styling Konkurrenz machen könnte. Sein Name ist Sebastian Kurz, Außenminister und Zukunftshoffnung der Schwarzen. Bei einer Podiumsdiskussion zum Thema Leadership in volatilen Zeiten stand Kurz Kern um nichts nach – immer wieder wird das Duo K & K als koalitionäres Zukunftsszenario in beiden Parteien beschworen. Kern könnte das gefallen, er liebt die Herausforderung. Andererseits: Den Platz an der Sonne teilen? Kern bezeichnet sich als Medienjunkie, ist bei Journalisten bestens vernetzt. Er weiß genau, wen er bei welchem Thema anruft – und greift auch persönlich zum Hörer, wenn ihm ein Artikel nicht passt. 01/531 70-0. Ablehnung für Koalition auf Bundesebene. Wien – In der SPÖ wird offenbar ein Kriterien-Katalog zu einer möglichen Koalition mit der FPÖ mehrheitsfähig. Dem entsprechenden Vorschlag des Kärntner Landeshauptmanns Peter Kaiser trat nach Wiens Bürgermeister Michael Häupl am Sonntag auch Pensionisten-Chef Karl Blecha in der ORF-Sendung Hohes Haus bei. Demnach soll die Partei Kriterien für mögliche Koalitionspartner festlegen, statt wie bisher die FPÖ per Parteitagsbeschluss von einer Regierungszusammenarbeit auszuschließen. Geht es nach Blecha, müsste da auf jeder Ebene geprüft werden, ob eine Kooperation mit den Freiheitlichen möglich ist. Auf Bundesebene lehnt sie der Senioren-Chef jedoch angesichts der Positionen der FPÖ ab. Indirekt bestätigte Blecha, ursprünglich Medienmanager Gerhard Zeiler für einen sehr guten Kandidaten für den Parteivorsitz gehalten zu haben. Doch ist er auch mit dem designierten Kanzler Christian Kern zufrieden. Er habe an ihm noch keine schlechte Eigenschaft entdeckt. Jedenfalls sei ihm ein Wechsel an der Parteispitze zum gegenwärtigen Zeitpunkt sinnvoll erschienen, meinte Blecha. Finanzrahmen wird beschlossen – Regeln gegen Lohn- und Sozialdumping – Uhudler wird gerettet – Neue Regeln für Abschlussprüfer. Wien – Vier Tage vor der Bundespräsidenten-Wahl steht im Nationalrat der Bundeskanzler im Mittelpunkt. Denn es gilt, einen neuen Regierungschef erstmals zu bestaunen. Unmittelbar nach seinem Premieren-Ministerrat wird der neue Kanzler Christian Kern (SPÖ) am Mittwoch eine Erklärung an den Nationalrat abgeben. Nach derzeitigem Stand wird Kern der einzig Neue auf der Regierungsbank sein. Denn zwar ist eine größere Umbildung des Kabinetts geplant, doch galt es zuletzt als eher wahrscheinlich, dass die neuen Namen erst nach den Plenarsitzungen der kommenden Woche verkündet werden, womit sich wohl jedenfalls Alois Stöger (SPÖ) der Fragestunde an den Sozialminister am Donnerstag stellt. Für die beiden Aktuellen Stunden zu Beginn des Mittwoch-Plenums haben die ÖVP Maßnahmen zum Erhalt der inneren Sicherheit und die Grünen die von ihnen bekämpften transatlantischen Freihandelsabkommen CETA und TTIP als Themen gewählt. Danach werden dem Nationalrat die erste große Rede Kerns zuteil. Nach den Worten des neuen Kanzlers wird auch noch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) kundtun, wie er sich den Neustart der Regierung vorstellt. Ob das Gesagte bei der Opposition auf fruchtbaren Boden gefallen ist, wird sich in der Debatte danach zeigen. Zu beschließen gibt es in der Plenarwoche auch noch einiges, gleich am Mittwoch unter anderem die verschärften Regelungen gegen Lohn- und Sozialdumping, die dazu dienen sollen, dass von ihren Firmen nach Österreich entsandte Arbeitnehmer zumindest gleich gut entlohnt werden wie direkt hierzulande beschäftigte Menschen. Etabliert wird im Bau eine Auftraggeber-Haftung, wobei diese nur zum Zug kommt, wenn die Unterentlohnung bekannt war bzw. bekannt gewesen sein muss. Überdies wird ein elektronisches System etabliert, über das die Kooperation mit den Nachbarstaaten verbessert werden soll. Das Highlight des zweiten Tages ist der Finanzrahmen, der den Budgetplan der Regierung bis 2020 enthält. Das strukturelle Defizit wächst dem Zahlenwerk zu Folge heuer von einem Nulldefizit auf 0,9 Prozent des BIP und 2017 auf ein Prozent, ehe es bis 2020 auf 0,4 Prozent des BIP wieder nach unten geht. Mehr Geld gibt es kommendes Jahr vor allem für Integration, Arbeitsmarkt, Innen- und Verteidigungsministerium, womit der Flüchtlingskrise Rechnung getragen wird. Auch für die Entwicklungszusammenarbeit wird das Budget angehoben. Ebenfalls erwähnenswert sind das Comeback des Handwerkerbonus, mit dem man sich heuer und kommendes Jahr Geld für legal zugekaufte Tätigkeiten bei Renovierungen zurückholen kann, die neuen Regeln für Abschlussprüfer sowie die Rettungsaktion für den von EU-Vorgaben bedrohten Uhudler. Mit der Umetikettierung zum Obstwein soll die südburgenländische Spezialität vor dem Aussterben bewahrt werden. Sollte der Opposition das Programm nicht dicht genug sein, gibt es immer noch die Option, eine Dringliche Anfrage zu machen. Zunächst am Zug wäre hier die FPÖ, die sich eine entsprechende Initiative angesichts des Finales im Bundespräsidenten-Wahlkampf wohl zumindest überlegen wird. Jedenfalls wollen die Freiheitlichen einen Neuwahl-Antrag zur Debatte stellen. Für den freiheitlichen Hofburg-Anwärter Norbert Hofer muss das Plenum übrigens auch für den Fall des Wahlsieges nicht das letzte sein. Denn die Angelobung des neuen Staatsoberhaupts ist für 8. Juli angesetzt, womit sich Hofer sowohl in der Juni- als auch in der Juli-Plenarwoche noch mit der Rolle des Dritten Präsidenten begnügen könnte. Jörg Leichtfried, Thomas Drozda, Sonja Hammerschmid und Muna Duzdar wechseln in die Regierung. Vier Regierungsmitglieder hat Christian Kern ausgetauscht. Sonja Hammerschmied wird Bildungsministerin, Jörg Leichtfried übernimmt das Infrastrukturministerium, Thomas Drozda wird Kulturminister und Muna Duzdar Staatssekretärin. Wer sind die neuen im SPÖ-Team von Christian Kern? Daraus, dass sie gerne in der Politik mitmischen würde, hat Sonja Hammerschmid nie einen Hehl gemacht. Ja, Politik reizt mich, ich bin ein sehr politischer Mensch, sagte sie einmal. Einen ersten Schritt in diese Richtung machte Hammerschmid, als sie im Jänner dieses Jahres als erste Frau den Vorsitz der Universitätenkonferenz übernahm. Nun wird die Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien neue Bildungsministerin und folgt damit Gabriele Heinisch-Hosek nach, die in den Nationalrat wechselt. Die 47-jährige Hammerschmid, die als gut vernetzt gilt, hat schon bisher eine ehrgeizige Laufbahn hingelegt, dabei drang sie nicht selten in Männerdomänen ein. Nach ihrem Biologiestudium an der Universität Wien entschied sie sich gegen eine Karriere in der Forschung. Jahrelange Experimente, die dann doch scheiterten, empfand sie als frustrierend. Also ging sie ins Management. Von 2002 bis 2010 leitete sie das Biotech-Programm Life Science Austria, das später in der Austria Wirtschaftsservice aufging. Ab 2008 im Unirat, wurde Hammerschmid schließlich 2010 Rektorin der Veterinärmedizinischen Universität Wien. Dass Hammerschmid für die SPÖ ein Ministeramt übernimmt, liegt nicht gerade auf der Hand. In der Hochschulpolitik hat sie bisher durchaus Positionen vertreten, die eher der schwarzen Reichshälfte zuzuordnen sind. In einem Interview mit dem STANDARD hat sie den offenen Hochschulzugang als naiv und unrealistisch bezeichnet. Zudem ist sie eine Befürworterin von Studiengebühren, ein rotes Tuch für viele SPÖ-Politiker. Die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH) sorgt sich schon jetzt um die Bildungspolitik und fordert von Hammerschmid ein Bekenntnis zum offenen Hochschulzugang. Dass auch Kinder mit weniger hoch gebildeten Eltern eine akademische Ausbildung machen können, sieht Hammerschmid in ihrer eigenen Bildungskarriere belegt. Ihr Vater war Kraftwerkzeugmechanikermeister und ihre Mutter Assistentin in einem Sanitärbetrieb. Obwohl sie ein Arbeiterkind war, hat sie einen akademischen Abschluss sowie ein Doktorat geschafft. Begründet hat Hammerschmid dies unter anderem mit ihrem Vater. Dieser habe ihr und ihrem Bruder das nötige Selbstvertrauen mitgegeben. Als Präsidentin der Universitätenkonferenz konnte Hammerschmid in ihrer kurzen Amtszeit noch nicht viel bewegen. Mit dem Unibudget im Finanzrahmen bis 2020 war sie jedenfalls unzufrieden und auch enttäuscht von Wissenschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner. Der hat in einer Stellungnahme an den STANDARD nur Lob für die neue Bildungsministerin übrig: Die bisherige Zusammenarbeit mit Sonja Hammerschmid war ausgezeichnet. Sie ist eine erfahrene Wissenschaftsmanagerin, die Sacharbeit immer über Parteifragen gestellt hat. Ich gehe davon aus, dass wir diesen konstruktiven Arbeitsstil auch weiter fortsetzen werden. Zu Schulpolitik hat sich Hammerschmid bisher kaum geäußert. Die Mühlviertlerin hat eine Hauptschule besucht, ein Gymnasium gab es in der näheren Umgebung nicht. Wir lebten die Gesamtschule mit gleichen Bildungschancen, wenngleich damals niemand den Begriff verwendete oder an die damit verbundene politische Ideologisierung dachte, schreibt sie in einem Kommentar. Sie sei aber nicht vom Schultyp geprägt worden, sondern von ihren Lehrern, die Schlüsselpersonen im Bildungssystem seien. Das klingt dann schon eher nach SPÖ-Linie. Auf die neue Ministerin wartet jedenfalls die Umsetzung einer Bildungsreform, auf die sich SPÖ und ÖVP eigentlich schon im November geeinigt haben. Offen ist etwa, ob und in welcher Form die Gesamtschule in Modellregionen getestet wird und wie die Schulverwaltung reformiert wird. Eine große Baustelle ist die wachsende Risikogruppe der österreichischen Schüler, die nicht lesen können. Wenn sie Zeit dafür findet, geht Hammerschmid gerne mit ihrem Mann mountainbiken, ihr Kleid für den Opernball hat sie selbst genäht. (Lisa Kogelnik) Das Geld is ned weg, es hat nur wer anderer, rief der frischgebackene Landesrat Jörg Leichtfried 2015 bei der SPÖ-Regionalkonferenz Bruck-Mürzzuschlag in den Saal. In seiner halbstündigen Rede, die später tausendfach im Netz geteilt wurde, spannte Leichtfried den Bogen von seiner Oma, einer Kreisky-Anhängerin, bis zu Steuerflüchtlingen à la Starbucks, die ihr Gschloder in China verkaufen oder gefälligst in der EU Steuern bezahlen sollten. Leichtfried ermahnte seine Genossen, dass man nicht ohne Grund Wahlen verliere, dass man wieder Mitgefühl für die vielen steirischen Arbeitslosen, aber genauso für die griechische Mutter, die nicht wisse, wie sie Essen für ihre Kinder bezahlen solle, und den Vater, dem das tote Kind am Meeresstrand angeschwemmt wurde, fühlen müsse. Erst dann werde man wieder Wahlen gewinnen, so der Landesrat. Leichtfrieds Rede hatte nichts Reißerisches, ließ aber, ob ihrer Emotionalität und Kraft viele aufhorchen. Wo kam der Genosse her? Zuletzt hatte der 1967 in der einstigen Arbeiterstadt Bruck an der Mur geborene zwölf Jahre im EU-Parlament verbracht. 2009 und 2014 wurde er dort auch zum Delegationsleiter der SPÖ gewählt. Während Kollegen aller Parteien ihm großen Fleiß attestierten, vergaß ihn die Öffentlichkeit daheim in der Steiermark fast. Leichtfried hatte in Graz das Studium der Rechtswissenschaften 1994 mit dem Magisterium abgeschlossen. Beruflich verschlug es ihn erst in die Arbeiterkammer Steiermark als Rechtsreferent, außerdem arbeitete er in Bruck im Bürgerservice. Politisch begann der Werdegang von Jörg Leichtfriedbei der Jungen Generation (JG), der SPÖ-Jugendorganisation, die den Ruf hat, weniger intellektuell zu sein als die Sozialistische Jugend (SJ). Von 1994 bis 2000 war er der Chef der JG Steiermark von 2000 bis 2002 Bundesvorsitzender der JG Österreich. Dass Leichtfried im parteiinternen Vergleich eher links steht, ist kein Geheimnis. Einer seiner letzten Veranstaltungen, der er zu Hause beiwohnte, bevor er 2004 nach Brüssel ging, war eine Podiumsdiskussion bei der JG Bruck. Auf dem Podium saßen er und eine gewisse Sahra Wagenknecht. Zurück in der Steiermark, handelten einige politische Beobachter Leichtfried als möglichen Nachfolger des scheidenden Landeshauptmannes Franz Voves. Leichtfried hatte die nötige politische Erfahrung, war aber für das Land noch gänzlich unverbraucht. Doch es kam anders, und der deutlich jüngere und unerfahrene, aber an der Oberfläche auch deutlich ehrgeizigere Michael Schickhofer, der von Voves schon länger als Kronprinz aufgebaut worden war, wurde Landesparteichef und stellvertretender Landeshauptmann. Leichtfried wurde im Juni 2015 Landesrat für Verkehr, Umwelt, Energieeffizienz und Sport. In nicht einmal einem Jahr kniete er sich vor allem in das Verkehrsressort hinein. Still, aber voll und ganz, wie es Mitarbeiter beschreiben – auch Samstag und Sonntag. Verkehrspolitik sei für ihn auch Umwelt- und Wirtschaftspolitik, erklärte Leichtfried erst vor wenigen Tagen bei einer Pressekonferenz, bei der er mit seinem Vorgänger als Minister, Gerald Klug, Milliardeninvestitionen ins über Jahrzehnte stiefmütterlich behandelte Schienennetzwerk des Landes präsentierte. Seine Vorgängerin Kristina Edlinger-Ploder (ÖVP) hatte mit dem Ausbau des S-Bahn-Netzes über die Grazer Grenzen hinaus begonnen, Leichtfried führte das energisch weiter. Beim Koralmtunnel rechnet man Anfang 2017 mit dem Durchschlag. Zudem wird die Strecke Graz-Maribor innerhalb des Verbundes geprüft. Für den Standort Steiermark sind beide Unterfangen von großer Bedeutung. Dass Leichtfried mit dem bisherigen ÖBB-Chef Christian Kern gut kann und ihn schon lange kennt, dürfte nicht nur für seine Projekte als Verkehrslandesrat von Vorteil gewesen sein. Leichtfried ist verheiratet und hat einen 15-jährigen Sohn. Der leidenschaftliche Liverpool-Anhänger läuft privat regelmäßig, segelt mit Freunden, am liebsten in Kroatien, und liest gerne und viel. (Colette M. Schmidt) Selbst der Zuspruch aus allerhöchsten Künstlerkreisen (u. a. Michael Köhlmeier, Josef Winkler und Ulrich Seidl) konnte Josef Ostermayer am Ende nicht mehr im Amt halten. Als langjähriger Weggefährte von Werner Faymann stolperte der Kanzleramtsminister – zuletzt zuständig für Kultur, Medien, Verfassung und die Regierungskoordination – nicht über Inhaltliches, sondern über die machtpolitische Schicksalsgemeinschaft, die ihn einst so weit gebracht hatte. Eine solche Aneinanderkettung dürfte es mit Thomas Drozda und Christian Kern zwar nicht geben. Dennoch verbindet auch das neue Zweiergespann im Kanzleramt mehr als nur das Alter (beide 50). Mit dem erfahrenen Theatermanager Drozda holt sich der neue Bundeskanzler einen politischen Fast-Quereinsteiger nach seiner Fasson in die Regierung: Wirtschaftskompetenz im staatsnahen Bereich, gepaart mit SP-Stallgeruch seit Jugendjahren. Wie auch Kern hat der gebürtige Oberösterreicher seine politische Sozialisierung in den Nachwuchsorganisationen der SPÖ erfahren. Nach dem Studium der Betriebs- und Volkswirtschaft in Linz wurde Drozda Geschäftsführer beim SJ-Blatt Trotzdem. Es folgte ein Zwischenstopp in der Abteilung für volkswirtschaftliche Studien der Nationalbank, ehe ihn Bundeskanzler Franz Vranitzky 1993 als wirtschafts- und kulturpolitischen Berater in sein Kabinett holte. Mit nur 31 Jahren stieg er dort zum Leiter der Kunstsektion auf. Den Posten behielt er auch nach dem Kanzlerwechsel zu Viktor Klima im Jahr 1997. Maßgeblich beteiligt war Drozda in dieser Zeit an der Ausgliederung der österreichischen Bundestheater (Staatsoper, Volksoper, Burgtheater), die zu einer rechtlich eigenständigen Holding mit vier Tochtergesellschaften umorganisiert wurden. Ausgerechnet um diesen Konzern wird sich Drozda als neuer Kulturminister mit besonderer Hingabe kümmern müssen: Im Sog des 2013 ans Licht der Öffentlichkeit gekommenen Finanzdebakels am Burgtheater war auch die Holding wirtschaftlich ins Straucheln gekommen. Josef Ostermayers Reparaturmaßnahmen – von der Strukturreform bis zur Erhöhung der Subventionen – gilt es nun abzusichern. Pikant: Von 1998 bis 2008 war Thomas Drozda als kaufmännischer Geschäftsführer selbst für die Finanzen des Burgtheaters zuständig. Seine damalige Stellvertreterin und Nachfolgerin hieß Silvia Stantejsky. Sie gilt als Hauptbeschuldigte in laufenden Verfahren zur Causa Burgtheater. Vorwürfe, dass es bereits unter Drozdas Leitung zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, erhärteten sich nicht. Bei seinem Wechsel zu den Vereinigten Bühnen Wien (VBW) im Jahr 2008 galt er als erfolgreicher Sanierer, der ein Haus auch unter budgetären Engpässen solide führen kann. Obwohl eng mit Wiens Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny befreundet, begann für Drozda als VBW-Generaldirektor aber schon bald ein Mehrfrontenkampf ums Geld. Wiederholt bekrittelte die Opposition die im europäischen Vergleich hohen Summen, die Wien in die Förderung des Musicals steckt. Zwar parierten Drozda und Mailath diese Anwürfe stets mit Verweis auf strukturelle Alleinstellungsmerkmale, wie fixe Orchester. Dennoch musste Drozda unter dem Eindruck der Wirtschaftskrise auch Kürzungen hinnehmen. Unter Erklärungsnot kam der VBW-General, dessen Vertrag 2018 ausgelaufen wäre, erst im vergangenen Herbst. Kritisiert worden war der Umstand, dass Vergaben für Bühnenbilder und Kostüme rechtlich nicht astrein ausgeschrieben würden. Drozda bestritt dies: Man habe das Vergabegesetz stets eingehalten – eine juristische Frage. Dass Thomas Drozda dem Lockruf in die Politik mit Jubelrufen gefolgt ist, darf bezweifelt werden. Warum er mit der Politik breche, erklärte er schließlich vor einem Jahr den Oberösterreichischen Nachrichten: Höchste Exponiertheit bei einem Sozialprestige gegen null, das würde ich weder wollen noch aushalten. Abwartend zeigten sich die Ostermayer-Unterstützer aus der Künstlerschaft: Die Latte liegt hoch. (Stefan Weiss) Ist es nicht wurscht, welche Religion er hat? Diesen Satz schrieb Muna Duzdar vor wenigen Tagen auf Facebook. Die rote Wiener Politikerin nahm damit auf die Kür von Sadiq Khan zum Bürgermeister von London Bezug. Khan, Sohn pakistanischer Einwanderer, ist der erste Muslim in dieser Funktion. Ist ja okay, wenn es erwähnt wird, schreibt Duzdar, aber das als die große Schlagzeile zu bringen, ist mehr als übertrieben. Diese Religionisierung der Politik nervt mich einfach. Heute, Mittwoch, wird Duzdar, Tochter palästinensischer Einwanderer, als neue Staatssekretärin angelobt – als erste Muslimin in Regierungsfunktion. Geht es nach der 37-Jährigen, soll Religion aber eine Randnotiz bleiben. Duzdar, die als Mandatarin von der Hinterbank des Wiener Gemeinderats in die Regierung wechselt, ist zuletzt wegen ihrer klaren Aussagen bei für die SPÖ heiklen Fragen aufgefallen. So zeigte sich Duzdar verärgert darüber, dass sich ihre Partei vor der Bundespräsidentenstichwahl nicht zu einer Wahlempfehlung für Alexander Van der Bellen durchringen konnte. Es geht jetzt um alles, und es geht darum, Norbert Hofer zu verhindern. Noch vor den Protesten gegen Werner Faymann am 1. Mai prangerte sie dessen jahrzehntelange Inseratenpolitik an. Sie forderte eine personelle Erneuerung und hielt fest: Nur die wenigsten möchten weiterhin Werner Faymann als Parteivorsitzenden. Duzdar, die aus dem Wiener Bezirk Donaustadt kommt und als Anwältin arbeitet, stellte sich auch gegen ihren Bezirkschef Ernst Nevrivy, der sich für Faymann und dessen Asyllinie starkmachte. Duzdars Aufstieg war keinesfalls vorgezeichnet. Sie wuchs zweisprachig auf, wobei zu Hause fast nur Arabisch gesprochen wurde. Mit der deutschen Sprache hatte sie große Probleme. Erst Nachhilfe in Deutsch und Mathematik machten einen Wechsel ins Gymnasium möglich. Duzdar studierte Rechtswissenschaften und Internationales Recht in Wien und an der Sorbonne in Paris. In Frankreich arbeitete Duzdar, die 2001 ihre politische Karriere als Bezirksrätin startete, auch für den Parti socialiste. Ab Jänner 2010 war Duzdar, die in einer Lebensgemeinschaft lebt, drei Jahre lang Bundesrätin, ehe sie in den Gemeinderat wechselte. Sie setzt sich für Integration mittels Sprache sowie Bildungschancen ein, nennt aber auch Außenpolitik als Schwerpunkt ihrer politischen Arbeit. Derzeit ist sie Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft. (David Krutzler) Mitterlehner rüffelt Lopatka – Will zu Asylnovelle mit Kern nur über Details reden. Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner will auf gute Zusammenarbeit mit dem umgebildeten SPÖ-Regierungsteam setzen. Nach dem ersten offiziellen Auftritt Christian Kerns als designierter SPÖ-Vorsitzender erklärte Mitterlehner auf Facebook: Müssen neue Akzente setzen und für das Land gemeinsam etwas weiterbringen. Bereits am Dienstag habe es mit Kern ein einstündiges Gespräch gegeben, sagte ÖVP-Chef Mitterlehner im ORF-Report. Dabei seien Themen umrissen worden, aber das sei selbstverständlich noch zu wenig. Rüffel vom Parteichef gab es für Klubobmann Reinhold Lopatka, der vor der Angelobung Kerns diesen mehrfach kritisiert hatte. Das Querschießen muss ein Ende haben, sagte Mitterlehner: Ein neuer Anfang und neue Spielregeln müssen eingehalten werden. Denn viele neue Chancen werden wir nicht erhalten. In Zusammenhang mit der Asyl-Sonderregelung müssten noch Details diskutiert werden. Keinen Zweifel hatte er aber daran, dass die SPÖ auch unter Kern die gemeinsame Linie mitträgt. Warum die ÖVP nicht auch eine Personalrochade vollziehe? Wir haben ein gutes, weil auch eingespieltes Team. Zur Feststellung, dass die ÖVP offensichtlich nicht an Neuwahlen denke, sagte Mitterlehner: Das interpretieren Sie richtig. Christian Kern hat am Dienstag erste Einblicke in seine Kanzlerschaft gegeben. Mit der ÖVP will er eine Trendwende schaffen – und mit keiner Partei regieren, "die hetzt. Punkt!". So perfekt wie sein Anzug sitzen auch seine Sätze: Nach einem hektischen Pfingstwochenende mit aufreibender Personalsuche tritt Christian Kern am Dienstag um 14.27 Uhr, soeben vom rund 70-köpfigen roten Vorstand mit nur einer Gegenstimme gewählt, erstmals als designierter Kanzler und einziger Kandidat für die Wahl des SPÖ-Chefs am Parteitag im Juni an die Öffentlichkeit. Das erste Wort im Blitzlichtgewitter von Kern, gerade noch Boss der ÖBB, aber von vielen Genossen in den vergangenen Tagen fast schon wie ihr neuer Messias gefeiert, ist ein simples Hallo! Doch zunächst heißt es weiterwarten, denn: Vor Kerns erster Rede gibt Wiens Bürgermeister Michael Häupl, der in Gesprächen mit sämtlichen SPÖ-Granden als Königskoordinator fungierte, eine Erklärung ab. Ich glaube, das ist ein ganz großartiges Ergebnis, sagt er über Kerns Kür – und er werde den neuen SPÖ-Vorsitzenden bis zum Parteitag am 25. Juni, mit großer Loyalität begleiten. Danach gelte es die im November geplante Zusammenkunft vorzubereiten – und da werde sich die SPÖ ihrer Programmatik, ihrer Organisationsreform und dem großen Fragezeichen widmen, wie man wieder kampffähig werde. Endlich ist Kern an der Reihe. Schon nach wenigen Minuten ist klar: Dieser Mann verzichtet anders als sein abgetretener Vorgänger Werner Faymann auf elendslange Wortkaskaden, auf komplizierte Schachtelsätze, die mitunter semantisch im Nirwana enden. Kern formuliert klar, ohne Umschweife und ohne irgendwelche Missverständnisse aufkommen zu lassen. Er sei ein frischgebackener Politiker, sagt er, der in den letzten 72 Stunden einen Schnellsiedekurs in politischen Ritualen hinter sich habe. Dazu verspricht er neben einer neuen Rhetorik einen neuen Stil und eine neue Politik in der Koalition. In der ORF-ZiB 2 erweiterte er diese Kritik auf die Politik generell – und meinte damit auch die Opposition. Es brauche eine mehr faktengestützte, mit Analysen arbeitende Politik. Wie er es als SPÖ-Chef mit der FPÖ halten werde? Für Koalitionen gelte es einen Kriterienkatalog zu erarbeiten, der die Bedingungen für Pakte festschreiben soll. Kern halte es mit der Doktrin von SPÖ-Exkanzler Franz Vranitzky: Wir arbeiten nicht mit Parteien zusammen, die gegen Menschen hetzen. Punkt! In der ZiB 2 sagte Kern, dass es angesichts der Einstellungen Straches und Vilimskys noch ein langer Weg sei, bis wir uns denkmöglicherweise zusammenfinden können. Auf Bundesebene seien die Freiheitlichen derzeit kein Koalitionspartner. Die SPÖ wolle so stark werden, dass sie den Führungsanspruch stellen und sich den Regierungspartner aussuchen könne, so Kern am Abend. Der ÖVP will Kern unsere Hand zur Zusammenarbeit ausstrecken – sonst verschwinden die Großparteien von der Bildfläche – und wahrscheinlich zu Recht. Angesichts der steigenden Arbeitslosigkeit, nach sechs Jahren von Reallohnverlusten für die Arbeitnehmer und in der Globalisierung und Technologisierung, die ganze Bevölkerungsschichten zu deklassieren droht, will der Exmanager nicht bloß bis 2018 regieren, sondern mit seinem Koalitionspartner Reinhold Mitterlehner (ÖVP) endlich einen Plan für Österreich bis 2025 erstellen, um das Land wieder auf die Überholspur zu bringen. Bei den Bedingungen, die der Vizekanzler und ÖVP-Chef für eine bessere Zusammenarbeit skizziert hat, um nicht ein rot-schwarzes Weiterwurschteln zu praktizieren, kann der neue Regierungschef absolut mit – vor allem, wenn es darum gehe, den Wirtschaftsstandort zu stärken. Kern spricht hier von einem New Deal. Warum er sich mitten in diesen Krisenzeiten den Job antut: weil er etwas für das Land tun wolle, so Kern, denn würde die Inhaltslosigkeit der vergangenen Monate so weiterbetrieben wie bisher, mit einer Politik der Machtversessenheit und Zukunftsvergessenheit, würde es nur noch wenige Monate bis zum Aufprall dauern. Ein deutscher Sender will sogleich wissen, wie Kern die Flüchtlingsmisere zu handhaben gedenke. Der Kanzler in spe, der nach diesem Termin zu Staatsoberhaupt Heinz Fischer zur Angelobung schreitet: Im Vorjahr galt es mit der Haltung der Menschlichkeit und auch mithilfe der ÖBB Zehntausende Asylwerber rasch an die Grenze zu Deutschland zu bringen. Wenn wir das nicht getan hätten, wären die Flüchtlinge zu Fuß und wohl entlang der Bahngleise gegangen, und eine Million Österreicher wären nicht zu ihren Arbeitsplätzen und in die Schulen gelangt, erklärt Kern. Jetzt aber gelte es neben der Menschlichkeit auch dafür zu sorgen, dass im Land die subjektive Sicherheit und Ordnung gewahrt blieben – mit größten Augenmaß und angemessener Rhetorik. In der ZiB 2 wurde Kern dann konkreter: Er stehe zu dem Plan, bei Erreichen des Richtwerts von 37.500 Asylanträgen im heurigen Jahr eine Notverordnung in Kraft treten zu lassen. Die einzige Gegenstimme im rund 70-köpfigen roten Vorstand für Kern stammte von Oberösterreichs Juso-Chefin Fiona Kaiser. My congratulations to Christian Kern on his appointment as Federal Chancellor of Austria: https://t.co/ApyZs4fTLb pic.twitter.com/TZ8vl61Clp Glückwünsche an Kern gab es am Dienstag auch von EU-Ratspräsident Donald Tusk. In einem Brief betonte Tusk die Bedeutung gemeinsamer europäischer Lösungen für die Einheit der EU. Leitantrag soll beschlossen werden – Keine Konferenz im Herbst. Wien – Die bisherige Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek wird bei der SPÖ-Bundesfrauenkonferenz am 24. Juni erneut für den Vorsitz der SPÖ-Frauen kandidieren. Das teilte Frauen-Bundesgeschäftsführerin Andrea Brunner am Mittwoch der APA mit. Heinisch-Hosek verlor im Team des neuen Bundeskanzlers Christian Kern ihren Regierungsposten. Durch ihr Ausscheiden aus der Bundesregierung gehen die Bildungssagenden an die neue Ministerin Sonja Hammerschmid und das Frauenressort an Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (beide SPÖ). Heinisch-Hosek gab bereits am Dienstag bekannt, dass sie Frauenvorsitzende bleibt und in den Nationalrat wechselt. Die Bundesfrauenkonferenz findet einen Tag vor dem vorgezogenen Bundesparteitag am 24. Juni statt. Die Vorbereitungen hierzu laufen bereits und die erste Phase zur Erstellung des Leitantrags ist bereits abgeschlossen, so Brunner. Im Zentrum stehen dabei die Themen Arbeitszeit und Arbeitswert. Die ursprünglich für Herbst geplante Bundesfrauenkonferenz wird dann nicht stattfinden, man werde sich hingegen beim Bundesparteitag in die Debatte um die inhaltliche Ausrichtung der Partei einbringen, erklärte die Geschäftsführerin. Heinisch-Hosek ist seit 2009 Vorsitzende der SPÖ-Frauen, sie wurde damals mit 95,7 Prozent zu Barbara Prammers Nachfolgerin gewählt. Bei der Bundesfrauenkonferenz 2014 erhielt sie nur noch 85,67 Prozent Zustimmung. Mit der neuen Frauenministerin Oberhauser gebe es ein gutes Einvernehmen, man werde gemeinsam für die Frauenthemen arbeiten, hieß es seitens der SPÖ-Frauen. Kanzler Christian Kern soll in der EU darauf drängen, das Sparkorsett zu lockern, fordert der Gewerkschaftsboss. STANDARD: Christian Kern wurde von manchen Genossen fast wie ein Erlöser begrüßt. Haben Sie auch eine Heilserwartung an ihn? Erich Foglar: Der Optimismus, den Bundeskanzler Kern mitbringt, hat sich einen Vertrauensvorschuss verdient. Er hat gleich einen anderen Zugang, eine andere Sprache an den Tag gelegt, doch nun müssen auch Taten folgen. Wir hatten vorher ja nicht die falschen Ziele, nur wurde vieles nicht umgesetzt. Kern muss alles vorwärts bringen, was auf der Strecke geblieben ist. STANDARD: Zum Beispiel? Foglar: Die alte Regierung hat die Wohnbauoffensive zigmal beschlossen, aber bis heute sind die 700 Millionen, die uns die Europäische Investitionsbank als billiges Geld bietet, nicht in Form von Aufträgen bei den Baufirmen gelandet. Tonnen von Papier mit den richtigen Zielen nutzen nichts, wenn diese nie erreicht werden. Da muss die Regierung Gas geben, denn unser großes Sorgenkind ist und bleibt der Arbeitsmarkt. STANDARD: Was kann Kern da Neues bewirken? Die strengen Budgetregeln in der EU werden keine großen Investitionen zulassen. Foglar: Ich erwarte mir, dass Kern in der EU Druck macht, das Korsett der Budgetpolitik zu lockern. Wir brauchen eine goldene Regel, die Neuverschuldung für öffentliche Investitionen erlaubt. Wenn jetzt entgegnet wird, es gehe in der EU ja eh aufwärts, dann ist das eine Chuzpe der Sonderklasse: Der Aufschwung, der als Trendwende verkauft wird, ist lächerlich im Vergleich zum Ausmaß, in dem die Wirtschaft in manchen Ländern zuvor eingebrochen ist. STANDARD: Soll Kern in Österreich notfalls das Ziel des Nulldefizits aufschieben und ein höheres Defizit zulassen? Foglar: Ich werde dem Bundeskanzler über die Medien keine Ratschläge erteilen, aber als ehemaliger ÖBB-Chef weiß er ohnehin selbst, wie wichtig öffentliche Investitionen sind. Allerdings müssen diese unseren Arbeitslosen zugutekommen und nicht noch mehr ausländischen Arbeitskräften, die zu Dumping-Konditionen ausgebeutet werden. Auch hier sollte Christian Kern Druck in Brüssel machen: Die Regeln für die Entsendung von Arbeitskräften aus anderen Ländern müssen so geändert werden, dass Lohn- und Sozialdumping ausgeschlossen sind. STANDARD: Was erwarten Sie sich vom Neustart der Regierung noch? Foglar: Die zweite große Herausforderung ist die Bildung. Auch da gibt es nur sehr zögerlichen Fortschritt. Die letzte Einigung drehte sich lediglich um die Verwaltung, in den Schulklassen ändert sich nichts. Wir brauchen ein umfassendes Konzept: Ganztagsschulen mit integriertem Unterricht in ganz Österreich, ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr, eine Verteilung des Geldes an die Schulen nach sozialer Problemlage statt mit der Gießkanne. Zentrales Ziel: Jeder Pflichtschulabsolvent muss in der Lage sein, eine Berufsausbildung zu schaffen. STANDARD: Die Arbeit in der Koalition endet oft in einem Patt. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner fordert nun die Abkehr von einem alten Prinzip: Für jeden Vorschlag, den eine Partei durchsetzt, fordert die andere ein Gegengeschäft. Foglar: Da kann Herr Mitterlehner im eigenen Haus anfangen, dort gibt es eine lange Liste solcher Forderungen. Ja, es muss nicht immer ein Gegengeschäft geben, aber das muss für beide Seiten gelten. Das Motto Ich setze meine eigenen Forderungen durch und lehne alles andere ab klingt erst recht wieder nach dem alten Stil. Staatssekretärin Muna Duzdar will sich der Integration annehmen. Kurz biete Migranten wenig an. Wien – Muna Duzdar, neue Staatssekretärin im Bundeskanzleramt, kritisiert im STANDARD-Interview die bisherige Integrationspolitik der Regierung. Sanktionen seien dabei im Vordergrund gestanden. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, allein mit Sanktionspolitik vorzugehen. Es bringe nichts, sich darauf zu fokussieren, dass es Menschen gibt, die nicht Deutsch lernen wollen. Wenn es gleichzeitig nicht ausreichend Deutschkurse gibt, ist das nicht fair. Duzdar zeigt sich erfreut, dass eine Diskussion über eine qualitätsorientierte Inseratenpolitik im Gange ist: Auch ethische Grundsätze sollten zählen. Der Staat könnte sich schon überlegen, wo und wie er seine Gelder einsetze, sagte die SPÖ-Politikerin. STANDARD: Sie sind das erste Regierungsmitglied mit muslimischem Glauben. Geht es nach Ihnen, soll das eine Randnotiz bleiben. Warum nervt Sie diese Religionisierung der Politik? Duzdar: Es ist richtig, dass ich einen muslimischen Background habe, aber warum muss ich darüber definiert werden? Ich bin nicht deswegen Staatssekretärin. Genauso wie ich die erste Muslimin in der Bundesregierung bin, bin ich auch die erste Kaisermühlnerin in der Bundesregierung. Beides ist bemerkenswert, aber es ist nicht die Hauptsache. STANDARD: Hätten Sie bei Ihrer Angelobung ein Kopftuch getragen – ein Bundespräsident Norbert Hofer hätte Sie nicht angelobt. Was kontern Sie ihm? Duzdar: Mir wäre gar nicht in den Sinn gekommen, ein Kopftuch zu tragen. Dass er überhaupt auf so eine Idee kommt, ist merkwürdig. STANDARD: Warum sorgt es immer noch für Aufsehen, wenn eine Person mit Migrationshintergrund Teil der Bundesregierung wird? Duzdar: Weil es das bisher noch nicht gegeben hat – ganz einfach. Es sollte nichts Besonderes sein, sondern etwas Selbstverständliches – ist es halt noch nicht. Es stört mich auch nicht, dass man darüber diskutiert, aber ich will nicht, dass ich nur darauf reduziert werde. Ich glaube, dass Christian Kern bis zum Schluss nicht gewusst hat, ob ich Muslimin bin oder nicht. Es ist um meine Qualifikation gegangen, um das, was ich einbringen kann. STANDARD: Lastet da ein gewisser Druck auf Ihnen, weil sie die erste Frau mit Migrationshintergrund in der Regierung sind? Duzdar: Nein, ich empfinde es als positiv. Es spiegelt die Gesellschaft wider, in der wir leben. Es zeigt, dass wir immer mehr auf eine vielfältigere Gesellschaft zugehen. Politik sollte die Gesellschaft widerspiegeln. STANDARD: Integration ist Ihnen ein wichtiges Anliegen. Werden Sie sich um Agenden bemühen, die in die Zuständigkeit von Integrationsminister Sebastian Kurz fallen? Duzdar: Es gibt eine klare Kompetenzverteilung. Aber ich habe auch meine Meinung dazu. Mich berechtigt ja nicht die Tatsache, dass ich Migrationshintergrund habe, dazu, zum Thema Integration zu reden. Ich beschäftige mich seit vielen Jahren damit, wie man das Zusammenleben stärken kann, wie man das Gemeinsame vor das Trennende stellen kann. Es geht darum, das Beste für das Land zu tun. Nicht wir und die anderen. STANDARD: Sehen Sie sich als Konterpart zu Kurz? Duzdar: Ich würde das nicht zu einem persönlichen Match machen. Wir haben gemeinsame Aufgaben. STANDARD: Wo gibt es Unterschiede? Duzdar: Ich würde sagen, in der Rhetorik. Sanktionen sind immer legitim, aber als letztes Mittel. Ich glaube nicht, dass es richtig ist, allein mit Sanktionspolitik vorzugehen. Ich bin der Überzeugung, dass die überwältigende Mehrheit der Migrantinnen und Migranten ein großes Interesse daran hat, in der Gesellschaft weiterzukommen, dass ihre Kinder gut in der Schule und bemüht sind. Es geht darum, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen. STANDARD: Mit Ihrer Kritik an Sanktionen meinen Sie, dass der Verdacht der Integrationsunwilligkeit im Vordergrund steht? Duzdar: In unserer Gesellschaft wird oft das Bild des integrationsunwilligen Migranten gezeichnet. Es gibt auch sicher welche. Aber ich bin der Überzeugung, dass die Mehrheit ambitioniert ist und Chancen sucht. Es bringt nichts, sich darauf zu fokussieren, dass es Menschen gibt, die nicht Deutsch lernen wollen. Wenn es gleichzeitig nicht ausreichend Deutschkurse gibt, ist das nicht fair. Die Regierung hat durch den neuen Budgetrahmen bereits versucht, Chancen und Möglichkeiten zu schaffen. Erst danach kann man die Menschen beurteilen. Aber es braucht ausreichende Möglichkeiten, flächendeckende Angebote. STANDARD: Für Bürgermeister Michael Häupl ist Kurz als Integrationsminister abgetreten, weil er sich zu wenig um Integration kümmere. Sehen Sie das auch so? Duzdar: Kurz und ich haben gemeinsame Aufgaben. Integration ist harte Arbeit. Integration bedeutet auch, dass man besonders den Städten Gelder zur Verfügung stellt. Wenn ich von Integration rede, dann muss ich auch Maßnahmen in die Wirklichkeit umsetzen. STANDARD: Da werden Sie mit Kurz Gespräche führen müssen. Duzdar: Ich bin natürlich offen für alle Gespräche mit ihm und werde weiter meine Meinung haben. Aber ich habe nicht das Budget dazu. Integration ist nicht mein Ressort. STANDARD: Wie stehen Sie zu einer teilweisen Öffnung des Arbeitsmarktes für Asylwerber? Duzdar: Wenn jemand als Flüchtling kommt, ist es wichtig, dass er schon im Asylverfahren die Sprache lernt und sich darum bemüht und die Möglichkeit erhält, seine Bildungsabschlüsse anerkennen zu lassen. Es geht nicht darum, dass man sofort auf den Arbeitsmarkt kommt. Vor zwei Wochen gab es eine Veranstaltung der Zahnärztekammer mit 70 syrischen Zahnärzten. Sie haben vor zwei Jahren nicht gewusst, dass sie jemals ihr Land verlassen müssen. Aber es ist nun einmal so. Sie haben gefragt: Was machen wir jetzt? Die Nostrifikationshürden sind hoch. Zahnärzte brauchen drei, vier Jahre. STANDARD: Diese Prozesse sollen vereinfacht werden? Duzdar: Ich bin dafür, dass man sich das genau anschaut, ohne dass die Qualität darunter leidet. Aber ich denke mir: Das sind ausgebildete Zahnärzte. Die Ausbildung in anderen Ländern ist oftmals gleichwertig, mitunter besser. STANDARD: Sie haben jenen vier SPÖ-Frauen Respekt gezollt, die im Nationalrat gegen die Verschärfungen des Asylrechts gestimmt haben. Nun sind Sie Teil der Regierung, die mit diesem Gesetz arbeiten muss. Werden Sie anstreben, dieses Gesetz rückgängig zu machen? Duzdar: Ich habe das Gesetz immer kritisch gesehen. Daran hat sich nichts geändert. Aber es wurde so im Nationalrat beschlossen. Jetzt muss man den Schwerpunkt auf Integration legen. STANDARD: Was genau stört Sie an dem Gesetz? Duzdar: Wenn die Rede davon ist, dass so viele Männer in Österreich sind, und gleichzeitig nicht die Möglichkeit gegeben wird, die Familie nachzuholen, dann frage ich mich: Worin bestehen die Chancen auf Integration? Damit hemme ich sie. Wer nimmt einen Lehrling auf, von dem er nicht weiß, ob er in zwei Jahren noch da ist? Wer investiert in die Ausbildung von Menschen, wenn man nicht weiß, ob sie bleiben können? Aber ich bin Demokratin und akzeptiere natürlich, dass die breite Mehrheit im Parlament dafür gestimmt hat. STANDARD: Ihre Eltern stammen aus Palästina, Sie sind in Österreich geboren. Wie haben Sie Integration wahrgenommen? Duzdar: In den roten Jugendorganisationen war es egal, woher meine Eltern stammen. Ich war einfach nur die Muna. Dieses Gefühl der Gleichheit habe ich in der Sozialdemokratie erlebt. Deshalb fühle ich mich dieser verpflichtet. Ich bin eine wirkliche Rote. STANDARD: Sie haben in Interviews erzählt, dass Ihnen in der Schule die deutsche Sprache sehr schwergefallen ist. Dennoch sitzen Sie jetzt hier. Duzdar: Meine Eltern haben immer Arabisch mit mir gesprochen. Das ist der Grund, weshalb ich die Sprache heute beherrsche. In meinem Beruf als Anwältin ist das ein Asset. In Wien gibt es genau drei Arabisch sprechende Anwälte. Meinen Eltern war Bildung sehr wichtig. Ich habe in der Volksschule in Deutsch geschwächelt, die Eltern wollten mich aber ins Gymnasium schicken. Sie haben deswegen Nachhilfe bezahlt. In der ersten Klasse Gymnasium hatte ich in Mathematik einen Fetzen. Dank meines Klassenvorstandes bekam ich die Klausel und konnte aufsteigen. Das war entscheidend, deshalb konnte ich später maturieren und studieren. STANDARD: Welche Schlüsse ziehen Sie aus Ihrer eigenen Biografie für Integrationsmaßnahmen? Duzdar: Ich bin eine starke Befürworterin der Gesamt- und Ganztagsschule. Hätte ich nicht diesen Klassenvorstand gehabt, hätte ich eine andere Laufbahn eingeschlagen. Diese Verpflichtung, sich im Alter von zehn Jahren entscheiden zu müssen, ist viel zu verfrüht. Das ist zum Nachteil jener, die aus Migranten- und sozial schwachen Familien kommen. STANDARD: Sie sind Präsidentin der Palästinensisch-Österreichischen Gesellschaft. Werden Sie den Palästinenserkonflikt thematisieren? Duzdar: Ich bin Staatssekretärin für den öffentlichen Dienst und Digitalisierung. Außenpolitik ist nicht mein Ressort, auch wenn es mir ein persönliches Anliegen ist. STANDARD: Kürzlich gab es Aufregung, weil die palästinensische Aktivistin Leila Khaled für einen Auftritt nach Wien eingeladen wurde. Verstehen Sie die Kritik? Duzdar: Ich verstehe sie, ja. Sie hat vor fünfzig Jahren ein Flugzeug entführt. Aber ich sehe keinen Anlass, über Leila Khaled zu reden. Ich habe mit der Geschichte nichts zu tun gehabt. Das Österreichisch-Arabische Kulturzentrum OKAZ hat sie eingeladen. Es gibt keine Verbindung zu unserer Gesellschaft. STANDARD: Die Israelitische Kultusgemeinde hat sich skeptisch zu Ihrer Bestellung zur Staatssekretärin geäußert. Duzdar: Ich verstehe das nicht. Ich war jahrelang in der internationalen sozialistischen Jugend. Wir haben daran geglaubt, dass wir den Friedensprozess einleiten können. Wir haben palästinensische mit israelischen Jugendvertretern zusammengebracht. Als Vertreterin der österreichischen Jugendorganisation habe ich eine starke Vermittlerrolle gehabt. Ich habe an vielen Peace-Camps teilgenommen. Insofern finde ich die Skepsis mir gegenüber ungerecht. STANDARD: In einem Facebook-Posting haben Sie die Inseratenpolitik von Exkanzler Werner Faymann kritisiert. Dort stand zudem: Die gekauften Österreich und Kronen Zeitung verdrehen alles so, dass einem richtig übel wird. Werden Sie sich für eine Änderung der Inseratenpolitik starkmachen? Duzdar: Kanzleramtsminister Thomas Drozda ist für die Medien zuständig. Es ist ja auch schon eine Diskussion in Gange über eine qualitätsorientierte Inseratenpolitik. Ich finde das richtig, damit hat man sich auseinanderzusetzen. Auch ethische Grundsätze sollten zählen. Der Staat könnte sich schon überlegen, wo und wie er seine Gelder einsetzt. STANDARD: Werden Sie sich in die Diskussionsgruppe einbringen? Duzdar: Ich werde sicher ab und zu meine Meinung dazu sagen. Aber es ist Minister Drozda zuständig. Das ist sein Bereich. Ich werde das beobachten. (INTERVIEW: David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 20.5.2016) Parteien-Transparenz-Senat verhängt Strafe für zu hohe Wahlkampfausgaben. Partei wird Entscheidung anfechten. Wien – Das Team Stronach soll wegen der Überschreitung der Wahlkampfkosten-Obergrenze bei der Nationalratswahl 2013 eine Strafe in der Höhe von 567.000 Euro zahlen. Das ist das Ergebnis des Verfahrens beim Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat, wie die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten. Das Team Stronach wird die Entscheidung anfechten. Die Partei hatte bei der Nationalratswahl im Jahr 2013 13,5 Millionen Euro ausgegeben – statt der erlaubten sieben Millionen. Möglich gewesen wäre dafür eine Strafe von bis zu 1,1 Millionen Euro. Stronachs Anwalt Michael Krüger bestätigte den Erhalt des Bescheids. Die Partei will nun rechtlich gegen den Entscheid vorgehen. Die Beschwerde des Team Stronach sei bereits dem Transparenzsenat übermittelt worden, sagte Krüger. Der Senat leitet diese an das Bundesverwaltungsgericht weiter. Dort kann dann entweder eine Weiterleitung an den Verfassungsgerichtshof (zur Prüfung der Verfassungsgemäßheit) veranlasst werden, oder aber die Beschwerde wird abgewiesen. Sollte es seitens des Bundesverwaltungsgerichts eine Abweisung geben, so will das Team Stronach selbst den Verfassungsgerichtshof anrufen, wie Krüger sagte. Der Anwalt betonte in den ÖON, dass der Parteien-Transparenz-Senat die im Verfahren vom Team Stronach vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken nicht verworfen habe, sondern auf seine Verpflichtung, das Gesetz auch bei einer allfälligen Verfassungswidrigkeit zu vollziehen, verwiesen habe. Grüne verlangen von Bundespräsident Widerstand gegen schwarz-blaue Mehrheit im Nationalrat. Wien – Nach dem Wechsel zweier weiterer Team-Stronach-Abgeordneter haben die Grünen am Sonntag ihre Warnung vor einer schwarz-blauen Mehrheit im Nationalrat bekräftigt. Bundesparteichefin Eva Glawischnig sah im Gespräch mit der APA Bundespräsident Heinz Fischer in der Pflicht: Sollte es durch weitere Einkäufe so weit kommen, dürfe er ÖVP und FPÖ nicht mit einer Regierungsbildung beauftragen. Wenn ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka seine Einkaufstour fortsetze, besteht die Möglichkeit einer schwarz-blauen Mehrheit im Parlament. Ein fliegender Wechsel ist in Österreich nicht ausgeschlossen und auch per Verfassung möglich. Allerdings wäre das nicht eine gewählte Mehrheit, sondern eine gekaufte, so Glawischnig. Keine Regierungsbildung ohne Wahl Sie fordert, dass der Bundespräsident eine solche Mehrheit nicht mit der Regierungsbildung beauftragt: Wir verlangen Widerstand gegen eine mögliche gekaufte schwarz-blaue Mehrheit. Fischer soll daher festhalten, dass er dies ohne Wahl – und damit eine demokratische Legitimation – nicht machen würde, erklärte die Grünen-Chefin. Nachbaur war von Oppositionsarbeit frustriert Die neue ÖVP-Abgeordnete Kathrin Nachbaur äußerte sich indes über ihre Motive zum Klubwechsel. Sie habe die Oppositionsarbeit mit dem Team Stronach als frustrierend empfunden, damit begründete sie am Sonntag in zwei Zeitungsinterviews unter anderem ihren Fraktionswechsel. Der stellvertretende Klubchef August Wöginger verteidigte die Klubverstärkung in einer Aussendung, skeptisch zeigte sich wieder einmal der Kärntner JVP-Obmann Sebastian Schuschnig. Gegenüber der Kleinen Zeitung und Österreich gestand Nachbaur ein, dass in der österreichischen Politik Opposition zu sein frustrierend ist, denn: prinzipiell werde alles abgeschmettert. Ich hoffe, dass sich das System besser von innen reformieren lässt, erklärte sie in der Kleinen Zeitung den Wechsel in die Regierungsfraktion ÖVP. Mit deren Programm gebe es viel Übereinstimmung, in der Koalition mit der SPÖ müsse sich die ÖVP aber wohl verbiegen. Diese Kompromisse werde sie sicher nicht alle mittragen und finanziellen Hilfen für Griechenland etwa wolle sie im Nationalrat niemals zustimmen, so Nachbaur in Österreich. Bei einem aktuellen Thema hingegen könnte man sich durchaus treffen, wie der Blick ins Archiv zeigt. So forderte die frühere Team-Stronach-Mandatarin etwa im vergangenen November, die Zumutbarkeitsbedingungen für Arbeitslose zu verschärfen und etwa die zumutbaren Wegzeiten zur Arbeit auszudehnen. Eine Gemeinsamkeit betrifft auch die Ablehnung der von der SPÖ gewünschten Vermögenssteuern. Vor rund einem Jahr in der ORF-Pressestunde attestierte Nachbaur, damals noch Team-Stronach-Klubchefin, dem ÖVP-Wirtschaftsflügel zwar gute Ansätze, die Versprechen würden aber nicht umgesetzt: Die ÖVP ist ein Diagnoseweltmeister, aber ein Therapiezwerg. Selten so geschämt Skeptisch zum erneuten Wechsel zweier Team-Stronach-Mandatare zu seiner Partei zeigte sich der Kärntner JVP-Chef Schuschnig, lobte aber gleichzeitig die neue Abgeordnete. Auf Twitter stellte er Sonntagfrüh fest: Halte wenig von Parteiwechseln, aber Nachbaur schaffte es, den skurrilen Frank zu vermarkten und war stets die sachliche Konstante des TS. Die Neuzugänge Anfang Juni durch Marcus Franz und Georg Vetter hatte Schuschnig noch weit negativer kommentiert: Ich hab mich selten so geschämt. Ähnlich äußerte sich die JVP Vorarlberg. Wir finden den Klub-Import von Stronach-Abgeordneten peinlich und einer bürgerlichen Partei nicht würdig, twitterten die junge Schwarzen. Zur Klarstellung: wir finden den Klub-Import von #Stronach-Abgeordneten peinlich & einer bürgerlichen Partei nicht würdig. #beschämend Verteidigt wurde die jüngste Klubverstärkung hingegen vom stellvertretenden ÖVP-Klubchef Wöginger. Er kritisierte die Wortwahl von SPÖ und Opposition in deren Reaktionen und verwies auf Parteiwechsel in der Vergangenheit etwa von der SPÖ zu den Grünen und umgekehrt. Dietrich: "Schöner Tag, weil ich Verantwortung abgeben darf". Nicht unerwartet ist Robert Lugar am Dienstag als neuer Klubobmann des Team Stronach im Nationalrat präsentiert worden. Seine Vorgängerin Waltraud Dietrich kündigte bei einer ungewöhnlich gut besuchten Pressekonferenz mit dem Parteigründer und den nach mehreren Klubwechseln verbliebenen Abgeordneten ihren Rücktritt an. Die Begründung, die man nach der zuvor stattgefundenen Klubsitzung der Öffentlichkeit präsentierte: Dietrich gehe auf eigenen Wunsch. Dementsprechend ließ sie dann auch durchblicken, wie undankbar der Job sein muss: Es ist ein schöner Tag, weil ich Verantwortung abgeben darf. Lugar übernehme nun eine Last, die ich in den letzten Monaten getragen habe. Dann überreichte Dietrich ihrem Nachfolger auch noch einen Wanderrucksack mit einer Österreich-Flagge. Trage die Bürde mit Würde, war ihr Abschiedsgruß, die Botschaft nicht gerade optimistisch. Setze diesen Schritt gerne Die Entscheidung zur Personalrochade fiel in der Klubsitzung laut Stronach einstimmig. Dietrich bleibt weiterhin Abgeordnete und versicherte, sie werde beim Team Stronach bleiben. Die Entscheidung, ihre Funktion an der Klubspitze zurückzulegen, habe sie schon vor einigen Wochen gefasst, hielt sie fest, habe aber gewartet, bis der Parteigründer wieder in Österreich ist, um das persönlich mit ihm zu besprechen. Ich setze diesen Schritt gerne, betonte sie. Lugar kündigte an, man werde sich wieder auf die Inhalte konzentrieren und programmatischer agieren. Das Team Stronach müsse dorthin zurückfinden, wo wir gestartet sind, es gelte Stronachs geistige Revolution durchzuziehen. Das Nationalratsteam sei nun zwar kleiner, aber auch eingeschworener – die Situation ist nicht einfach, aber es ist machbar, so Lugar. Kodex und Taferl Auch der Parteigründer erging sich in zweckoptimistischen Stehsätzen: Das Team Stronach ist gesünder wie eh und je. Während sich Dietrich und Lugar kurz hielten, spulte Stronach dasselbe langatmige Programm ab, dass es schon beim ORF-Sommergespräch am Vorabend zu erleben gab. Stronach genoss die Aufmerksamkeit der zahlreich erschienen Medienvertreter und schwadronierte über seinen Lebensweg: die schwierigen Zeiten, der Hunger wegen Geldmangels, die zahlreichen Aufsichtsratsposten. Auch das schon bewährte Schulden-Taferl kam erneut zum Einsatz, ebenso der Vortrag aus einem Rechtskodex. Sein Resümee zum vorgetragenen Gesetzestext: Es ist ja so verrückt. Wie lassen Leute das über sich ergehen, wie kann das sein? Solange es nötig ist Auch wenn Stronach erneut betonte, das Thema der Parteiwechsel sei für ihn abgehakt, gab es dann doch einen kleinen Seitenhieb auf die geflüchteten Mandatare: Die waren alle Feuer und Flamme. Sobald sie gewählt wurden, haben sie dann gesagt, das ist alles Blödsinn. Stronach bleibe jedenfalls Parteichef solange es nötig ist. Bei der Wien-Wahl wird man nicht antreten. Erst müsse man das Team festigen. Auch einen neuen Vizeparteiobmann gibt es laut Stronach noch nicht: Es traut sich niemand. Weist per Aussendung Rücktrittsgerüchte zurück. Wien – Per Aussendung teilte Frank Stronach Montagabend mit, dass er nicht an den völligen Rückzug aus der Politik denke. Diese Behauptung sei nur von Medien aufgestellt: Ich bin und bleibe Parteiobmann ließ er wissen. Die Tageszeitung Österreich hatte unter Berufung auf Insider berichtet, dass sich der Parteigründer und Milliardär ganz aus Europa zurückziehen wolle – und den Ex-FPÖ/BZÖ-Politiker Peter Westenthaler als Nachfolger auserkoren habe. Dieser aber habe eine Rückkehr in die Politik ausgeschlossen. Morgen, Dienstag, steht jedenfalls die Entscheidung über die Auflösung des Team Stronach Oberösterreich an, am Vormittag findet die Mitgliederversammlung statt. Im September soll auf Bundesebene ein neuer Vizeparteichef und damit ständiger Vertreter des – in Kanada lebenden – Stronach in Österreich gekürt werden. Zuvor war Auflösung gescheitert, weil zu wenige Mitglieder gekommen waren. Wien/Linz – Das Team Stronach Oberösterreich hat sich nach einer Panne vor rund zwei Wochen nun erfolgreich aufgelöst. Eine Mitgliederversammlung fasste am Dienstag den entsprechenden Beschluss, teilte Team Stronach-Geschäftsführer Ronald Bauer der APA mit. Wie viele Mitglieder an der Versammlung teilnahmen, wollte Bauer nicht sagen. Der Beschluss sei einstimmig gefallen. Die Auflösung hätte ursprünglich am 7. August stattfinden sollen. Das scheiterte allerdings daran, dass zu wenige Mitglieder zur Gremiensitzung gekommen waren. Bei dieser ersten Sitzung hätten für die Beschlussfähigkeit zwei Drittel der Mitglieder anwesend sein müssen. Bei der zweiten Sitzung am heutigen Dienstag war es laut Statut egal, wie viele Funktionäre erscheinen. Anstelle der Landesgruppe soll es in Oberösterreich künftig nur mehr einen Landessprecher geben, der für die politische Arbeit im Land verantwortlich sein soll, erklärte Bauer. Wer diese Funktion übernehmen wird, wird in den nächsten Wochen entschieden. Die Auflösung der Landesgruppe ist die Folge von Unstimmigkeiten der Bundes-Parteispitze, die aus Obmann Frank Stronach und Bauer besteht, mit dem mittlerweile abgesetzten Landesparteichef Leo Steinbichler. Diese wollte entgegen der Meinung der Bundespartei bei der oberösterreichischen Landtagswahl im September antreten. Auch in der Bundespartei könnte eine Personalentscheidung unmittelbar bevorstehen. Für den morgigen Dienstag wurde eine Pressekonferenz mit Klubobmann Robert Lugar und Sicherheitssprecher Christoph Hagen angekündigt, bei der neben Asyl auch Personelles auf der Tagesordnung steht. Dabei könnte es um die derzeit vakante Stelle des Stellvertreters und damit Statthalters von Frank Stronach in Österreich gehen. Der frühere und kurzzeitige Stronach-Stellvertreter Wolfgang Auer war im Frühjahr zunächst als steirischer Spitzenkandidat demontiert und dann auch als Vizeparteichef abgesetzt worden. Der Industrielle glaubt weiterhin an seine Partei. Auch in Salzburg, wo sie sich nach und nach auflöst. Salzburg/Wien – Parteigründer Frank Stronach glaubt an ein Weiterbestehen des Teams Stronach Salzburg, obwohl im November Landesrat Hans Mayr und Landtagsabgeordneter Otto Konrad aus der Partei ausgetreten sind und der Landtagsklub nur mehr aus zwei Abgeordneten besteht. Die Partei werde bei der Salzburger Landtagswahl 2018 wieder antreten, sagte Stronach gegenüber den Salzburger Nachrichten. Stronach hält an Landesparteichef und Klubobmann Helmut Naderer fest. Auf die Frage, wie es mit dem Team Stronach in Salzburg weitergehe, antwortete der Milliardär in der SN-Ausgabe von Dienstag: Die Partei führt Helmut Naderer. Der ist schwer in Ordnung. Stronach ließ zwar anklingen, dass eine Kandidatur auf Landesebene vielleicht ein Fehler gewesen sei – eine junge Partei soll das nicht machen, überall antreten, doch was Salzburg betrifft, zeigte er sich trotz der Zerbröselung des Teams Stronach zuversichtlich. Die Partei in Salzburg werde 2018 wieder antreten, meinte er. In Salzburg mache ich mir keine Sorgen. Die Salzburger sind vernünftige Menschen. Ich habe einen Samen gesät und früher oder später wird er aufgehen. Ohne Landesrat Mayr sei die Partei in Salzburg besser dran, betonte Stronach. Er hat keinen Charakter. Mayr sei nur deshalb gewählt worden, weil er, Stronach, die Partei gegründet habe. Mit meinem Namen. Doch Mayr habe von Anfang an für die ÖVP Werbung gemacht. Mit Mayr und Konrad habe er vielleicht auf die falschen Pferde gesetzt. Alle haben einen Ehrenkodex unterschrieben. Wenn du den unterschreibst und dich nicht daran hältst – das ist nicht das beste Renommee. Angesprochen auf die Streitereien in der Partei sagte Stronach: Die Leute sortieren sich ja im Lauf der Zeit selbst aus. Viele sind halt dabei, weil sie sehen, da gibt es einen guten Job, und glauben, jetzt können sie am Futtertrog bleiben. Das sei auch bei Mayr so gewesen. Wir hatten nur eine kurze Anlaufzeit. Wir hätten uns nur auf die Bundespolitik, und nicht auch noch auf die Landespolitik konzentrieren dürfen. Du lernst die Leute nämlich nur kurz kennen. Alle wichtigen Themen würden ohnehin im Nationalrat beschlossen. Die Länder haben ja keine Kompetenzen. Robert Lugar verglich im Parlament Flüchtlinge mit Neandertalern, "die wir bei uns Gott sei Dank ausgerottet haben". Wien – Team-Stronach-Klubchef Robert Lugar hat sich am Mittwoch im Nationalrat einen Ausrutscher geleistet, der mit Rücktrittsaufforderungen der Grünen und der Neos sowie einem Ordnungsruf des Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) geahndet wurde. Lugar hatte gemeint, nach Österreich kommende Flüchtlinge hätten ein Weltbild wie Neandertaler, die Gott sei Dank ausgerottet seien. Lugar erklärte in seiner Rede: Denn die meisten, die kommen (...), haben ein Weltbild wie die Neandertaler, wo man die Frauenrechte mit Füßen tritt, (...) und jetzt holen sie (die Grünen, Anm.) genau solche Neandertaler herein, die wir bei uns Gott sei Dank ausgerottet haben, die die Frauenrechte mit Füßen treten. Das brachte dem Stronach-Klubobmann einen Ordnungsruf Hofers ein. Die grüne Abgeordnete Alev Korun verurteilte die Aussage in einer Aussendung als inakzeptabel, menschenverachtend und rassistisch und forderte: Um die politische Atmosphäre nicht weiter zu vergiften, sollte Herr Lugar als Klubobmann und Abgeordneter zurücktreten. Auch die Neos verlangten Lugars Rücktritt. Wer Menschen auf der Flucht ein Neandertaler-Weltbild nachsagt, hat im Hohen Haus nichts zu suchen, erklärte der stellvertretende Klubobmann Nikolaus Scherak. Das Parlament erleide durch solche Aussagen einen kaum wiedergutzumachenden Schaden. Der Rücktritt ist nach dieser Aussage die einzig logische Konsequenz. Lugar werde den Rücktrittsaufforderungen nicht nachkommen, sagte er auf STANDARD-Anfrage. Er habe in der Rede nicht von der Ausrottung der Neandertaler gesprochen, sondern von deren Weltbild, wobei ich nicht weiß, was ein Neandertaler damals gedacht hat. Er sei jedenfalls weder Rassist noch menschenverachtend. Reaktion auf Facebook-Eintrag des FPÖ-Chefs nach Amokfahrt in Graz. Die erste Reaktion von FPÖ-Chef Heinz Christian Strache auf die Amokfahrt in Graz sorgt weiterhin für Kritik. Strache hatte ein Bild des Amokwagens mit dem Begleittext Wahnsinnstat in Graz! Der Täter ist aus Bosnien. Ein religiös begründetes Attentat wird nicht ausgeschlossen! gepostet und den Eintrag erst nach Stunden geändert. Zu den vielen Usern auf Facebook, die kritisieren, dass Strache mit seinem Facebook-Eintrag versucht habe, die Tat mit Islamismus oder Ausländern in Verbindung zu bringen, gehört auch der Sturm-Graz-Spieler Marko Stanković. Schämen Sie sich, Herr Strache!, schreibt der österreichische Fußballspieler. Ich bin in Österreich geboren, meine Eltern sind gebürtige Serben und durch die Fußballkarriere meines Vaters nach Österreich gekommen. Ich bin sozusagen Österreicher mit serbischen Wurzeln. Können Sie anhand dieser Zeilen feststellen, dass der Grund für diese schreckliche Tat sein Herkunftsland ist??? Ich fühle mich durch dieses Posting Ihrerseits persönlich angegriffen und sehe in Ihrem Posting eine grundsätzliche Abneigung gegenüber Leuten mit ausländischer Herkunft!!! (red, 22.6.2015) Justizministerium hat Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen fehlenden Anfangsverdachts abgewiesen. FPÖ weist Vorwürfe zurück. Wien – Die FPÖ muss sich mitten im Wiener Landtagswahlkampf mit Korruptionsanschuldigungen herumschlagen. Generalsekretär Herbert Kickl wird Verstrickung in illegale Parteienfinanzierung vorgeworfen. Er soll über die FPÖ-nahe Werbeagentur Ideenschmiede Geld aus Aufträgen des Landes Kärnten an die Partei zurücküberwiesen haben, berichtet die Wochenzeitung Falter. Der Bericht beruft sich auf Dokumente, die die Korruptionsstaatsanwaltschaft bei einer Razzia in einem der Agentur zurechenbaren Gebäude entdeckt haben soll. Aus den Akten sei ersichtlich, dass Kickl heimlicher Hälfte-Eigentümer der Agentur gewesen sei. Der Geschäftsführer soll als Treuhänder Firmenanteile und Grundstücke gehalten haben, damit Kickl nicht öffentlich aufscheint. Mutmaßliche Kickbacks Die Involvierung des FPÖ-Generalsekretärs in die Geschäfte der Agentur soll bis in jene Jahre, als Jörg Haider und die Freiheitlichen das Land regierten, zurückgehen, schreibt der Falter unter Berufung auf Akten aus dem noch laufenden Ermittlungsverfahren. Die wiederholt zur Anwendung gekommene Vorgehensweise soll demnach folgende gewesen sein: Die Agentur legte Rechnungen an das Land Kärnten, denen nur teilweise eine Leistung gegenüberstand. Von den Honoraren – beglichen mit Steuergeld – soll ein Prozentsatz weiterverteilt worden sein. In Verträgen ist laut dem Artikel von 20 Prozent die Rede. Der Falter will ausdrücklich keinerlei strafrechtliche Vorwürfe erheben, da es sich um ein laufendes Verfahren handle. Nachdem die Korruptionsstaatsanwaltschaft nach der Razzia auf die Dokumente aufmerksam geworden war, wurden Erhebungen wegen des Verdachts der Bestechung und der Untreue eingeleitet. Weisung des Justizministeriums Ein Auslieferungsbegehren der Korruptionsstaatsanwaltschaft – aufgrund seiner Tätigkeit als Nationalratsabgeordneter genießt Kickl parlamentarische Immunität – blieb jedoch erfolglos. Mittels einer im Vorjahr erfolgten Weisung lehnte Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) das Begehren ab, weil kein Anfangsverdacht gegen Kickl bestand. Stattdessen wurden weitere Erhebungen zur Sachverhaltsverbreiterung angeordnet. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft bestätigte laufende Erhebungen, ob ausreichend Verdachtsmomente gegen Kickl vorliegen oder nicht. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Werbeagentur sagte der Wochenzeitung außerdem, dass auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache 70.000 Euro im Koffer überbracht worden seien. Strache weist diese Vorwürfe entschieden zurück. Der FPÖ-Obmann beteuerte am Dienstag, dass er von den Vorwürfen rund um seinen Generalsekretär erst am Montag erfahren habe, und wollte die Angelegenheit nicht weiter kommentieren. Nur so viel: Er gehe davon aus, dass sich Kickl stets korrekt verhalten habe. FPÖ weist Vorwürfe zurück Kickl selbst wies die Anschuldigungen in einer Aussendung zurück und spricht von einer Rufmordkampagne. Die Wochenzeitung zitiere selektiv aus vertraulichen Ermittlungsakten und konstruiere falsche Zusammenhänge und unhaltbare Schlussfolgerungen, hieß es darin. Weder er noch Strache würden von der zuständigen Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt, betonte Kickl. Ich wurde lediglich im Dezember letzten Jahres in dieser Sache als Zeuge einvernommen und habe gegenüber der Staatsanwaltschaft auf alle Fragen ausführlich geantwortet. H.-C. Strache wurde nicht einmal als Zeuge einvernommen, so der FPÖ-Generalsekretär. Andere Parteien äußerten nach Bekanntwerden der Anschuldigungen Kritik und Empörung. So orteten Vertreter von SPÖ, Grünen und Neos einen weiteren von mehreren Skandalen in der Geschichte der FPÖ. Der FPÖ-Generalsekretär fordert eine Stellungnahme von Häupl. Wien – FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hat dem Wiener SPÖ Landtagsabgeordneten Peko Baxant schwere Verharmlosung des Nationalsozialismus vorgeworfen. Baxant hatte in einem Facebook-Posting Kickl mit NS-Propagandaminister Joseph Goebbels verglichen. Kickl gilt als der begnadetste Kommunikationsstratege seit Joseph Goebbels, so Baxant. Kickl zeigte sich darüber empört und forderte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) auf, Baxant zur Ordnung zu rufen. Einen demokratischen Politiker mit einem NS-Verbrecher, der Millionen Tote zu verantworten hatte, zu vergleichen, sei nicht nur beleidigend und diffamierend, sondern stelle auch eine sträfliche Verharmlosung des Nationalsozialismus dar. Zudem sei es hochinteressant, dass Baxant Goebbels als begnadet bezeichne, womit er dem NS-Verbrecher eindeutig ein Kompliment mache, so Kickl in einer Aussendung am Sonntag. Ein Werbeagentur-Mitarbeiter soll Hans Weixelbaum Geld übergeben haben. Generalsekretär Kickl weist die Vorwürfe zurück. Wien – Über neue Details rund um die Vorwürfe der angeblichen illegalen Parteienfinanzierung gegen die FPÖ berichtet die Wochenzeitung Falter in ihrer am Mittwoch erscheinenden Ausgabe. Demnach soll FPÖ-Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum von einem Mitarbeiter der FPÖ-nahen Werbeagentur Ideenschmiede Geld übernommen haben. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl weist auch diese Vorwürfe zurück. Ein ehemaliger Mitarbeiter der Ideenschmiede soll den Falter-Recherchen zufolge in einem Verhör vor dem Bundesamt für Korruptionsbekämpfung vergangenen Sommer ein Tatsachengeständnis abgelegt haben. Er soll demnach ausgesagt haben, selbst mit Geldkoffern von Klagenfurt nach Wien gefahren zu sein, um sie FPÖ-Bundesgeschäftsführer Weixelbaum zu übergeben, also jenem Mann, der für die Parteifinanzen der Strache-FPÖ zuständig ist. Die Justiz kläre diese Vorwürfe nun ab, schreibt die Wochenzeitung. Die Aussage des Werbeagentur-Mitarbeiters sei derzeit von der Akteneinsicht ausgenommen. FPÖ-Generalsekretär Kickl betonte dazu in einer Aussendung, dass kein einziger Funktionär oder Mitarbeiter der FPÖ im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die Agentur Ideenschmiede von der zuständigen Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird. Das gilt natürlich auch für Bundesgeschäftsführer Weixelbaum. Nicht die Ermittlungsbehörden oder die Staatsanwaltschaft würden irgendjemanden in der FPÖ beschuldigen, sondern grob gesagt ein paar strafrechtliche Laien, die sich im Vorfeld der Wien-Wahl Schmuddelgeschichten gegen die FPÖ zusammen zimmern würden, die jeder sachlichen Grundlage entbehrten, sagte Kickl. Der Wiener SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler forderte hingegen Kickl auf, Konsequenzen zu ziehen und sein Mandat ruhend zu stellen. Anderenfalls müsse FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache handeln – anstatt sich wiederholt in die Opferrolle zu flüchten. Auch für die Neos-Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl, Beate Meinl-Reisinger, hat sich der Verdacht erhärtet, dass die FPÖ und auch Strache selbst tief im Korruptionssumpf stecken. Der FPÖ-Geschäftsführer wird als Verdächtiger geführt, Stefan Petzner und Uwe Scheuch als Beschuldigte. Zudem soll die Bilanz der "Ideenschmiede" gefälscht worden sein. Nun ist es offiziell: Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen FPÖ-Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum wegen Untreue. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) bestätigte dahingehende Angaben des Grünen-Abgeordneten Peter Pilz am Mittwoch. Es gebe konkrete Hinweise auf Bargeldübergaben an Weixelbaum, heißt es bei der WKStA auf STANDARD-Anfrage. Ein Beschuldigter und ein Zeuge im Verfahren hätten unabhängig voneinander ausgesagt, dass Bargeld übergeben wurde. Zuvor hatte der Falter berichtet, dass ein früherer Mitarbeiter der FPÖ-nahen Werbeagentur Ideenschmiede gestanden hatte, selbst einen Koffer mit Bargeld von Klagenfurt nach Wien gebracht und Weixelbaum überreicht zu haben. Gegen den früheren BZÖ-Politiker Stefan Petzner hegt die WKStA den Verdacht der Vorteilsannahme. Er wird im Verfahren nicht mehr nur als Verdächtiger, sondern bereits als Beschuldigter geführt. Das bestätigte Petzner im STANDARD-Gespräch. Er sehe das dennoch ganz entspannt, sagte Petzner. Es gab eine Leistung außerhalb meiner Tätigkeit beim Land Kärnten, die ganz normal honoriert und dokumentiert wurde, so Petzner, der an einen raschen und aus seiner Sicht positiven Abschluss der Ermittlungen glaubt: Mir wurde zu verstehen gegeben, dass das mit einer Einstellung enden wird. Und außerdem geht es ohnehin nur um läppische 4.000 Euro. Derzeit prüfen die Ermittler, ob diesem bar überreichten Betrag eine entsprechende Leistung gegenüberstand. Auch der den frühere BZÖ-Obmann Uwe Scheuch wird laut APA in der Causa als Beschuldigter geführt. Insgesamt gebe es in der Causa derzeit zwölf Beschuldigte und einen Verdächtigen, sagte ein Behördensprecher. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sagte zu den Vorwürfen gegenüber Weixelbaum in einer Aussendung, dass kein einziger Funktionär oder Mitarbeiter der FPÖ im Zusammenhang mit Ermittlungen gegen die Agentur Ideenschmiede von der zuständigen Staatsanwaltschaft als Beschuldigter geführt wird. Das gilt natürlich auch für Bundesgeschäftsführer Weixelbaum. Was Kickl aber nicht dazusagt, ist Folgendes: Weixelbaum wird zwar nicht als Beschuldigter geführt, sehr wohl aber als Verdächtiger. Gegen den Finanzmanager der FPÖ wird also wegen Untreue ermittelt. Zudem ermittelt die WKStA in der Causa Ideenschmiede wegen Bilanzfälschung. Der Vorwurf richtet sich gegen den Chef der Agentur sowie gegen deren Steuerberater. Laut Pilz soll ein Betrag von knapp 1,3 Millionen Euro an Gewinnen verschleiert worden sein. Der WKStA-Sprecher konnte den konkreten Betrag auf STANDARD-Anfrage vorerst nicht bestätigen. Auch Kickl selbst war im Fokus der Strafverfolgungsbehörden gestanden. Eine Weisung des Justizministers führte jedoch im Vorjahr dazu, dass er derzeit nicht als Verdächtiger geführt wird. Man prüfe gegenwärtig, ob ein Anfangsverdacht vorliege, heißt es bei der WKStA. Im Verfahren geht es um den Vorwurf, die Kärntner Landesregierung habe der Ideenschmiede unangemessen hohe Beträge bezahlt, wobei ein Teil der Summe abgezweigt und an Funktionäre der FPÖ beziehungsweise des BZÖ geflossen sei. Für alle Erwähnten gilt die Unschuldsvermutung. Pilz kritisierte am Mittwoch vor Journalisten, dass bereits seit einem Jahr gegen Weixelbaum ermittelt werde, ohne diesen zu den Vorwürfen zu befragen oder Kontenöffnungen zu beantragen. Dazu will man in der WKStA mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen nichts sagen. FPÖ weist Vorwürfe über illegale Parteienfinanzierung zurück und wettert gegen Zuwanderer. Wien – Heinz-Christian Strache ist aus dem Urlaub zurück. Nachdem der FPÖ-Chef mehr als eine Woche nichts zu den Vorwürfen über Kickback-Zahlungen an seine Partei gesagt hatte, nahm er am Donnerstag Stellung: Es seien haltlose Anschuldigungen. Doch zuerst schimpfte der Freiheitliche über das Versagen der Bundesregierung beim Asylchaos. Er sprach von Flüchtlingsströmen und erklärte, dass ein Großteil sich das heilige Recht Asyl erschleichen will. Nur wirklich Verfolgten soll Hilfe geboten werden, aber Asyl sei nur ein Recht auf Zeit. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe nicht rechtzeitig reagiert, um die Umtriebe der Schleppermafia einzudämmen. Kontrollen an der österreichisch-ungarischen Grenze wiedereinzuführen sei zu wenig. Flüchtlinge nach Österreich zu bringen sei längst ein attraktives Geschäftsmodell. Illegale Parteifinanzierung: Unwahre Behauptungen Apropos attraktives Geschäftsmodell: Zu den jüngsten Vorwürfen wegen illegaler Parteifinanzierung sagt Strache, das seien unwahre Behauptungen. Die Kampagne gegen die FPÖ breche in sich zusammen, weil Generalsekretär Herbert Kickl weder Beschuldigter noch Verdächtiger sei. Auch er selbst habe niemals einen Geldkoffer erhalten, die Vorwürfe basierten auf fragwürdigen Zeugenaussagen eines fragwürdigen Zeugen. Den Grund für die Kampagne sieht Strache in den bevorstehenden Wahlen in Wien und Oberösterreich. Der Aufstieg der FPÖ solle gestoppt werden. Der Vorwurf: Die FPÖ-nahe Werbeagentur Ideenschmiede soll dem Land Kärnten überhöhte Inseratenpreise verrechnet haben, die Differenz sei an die Partei zurückgeflossen. Als Beschuldigte werden laut Strache nur ehemalige BZÖ-Politiker wie Uwe Scheuch oder Stefan Petzner geführt. Den eigenen Bundesgeschäftsführer Hans Weixelbaum erwähnt er nicht. Auf Nachfrage erklärt Strache, Weixelbaum habe ihm versichert, niemals illegales Geld genommen zu haben. Auch Haimbuchner weist Verdacht zurück Der oberösterreichische Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner zieht ähnliche Schlüsse wie sein Chef. Am Tag zuvor hatten ÖVP und SPÖ darauf hingewiesen, dass die Agentur Ideenschmiede auch für die oberösterreichische Landesorganisation tätig ist. Die FPÖ Oberösterreich ist lupenrein, sagte Haimbuchner. Strache ergänzte in Wien: Die Agentur werde auch weiterhin die Wahlkämpfe der Partei betreuen, sie seien sehr erfolgreich gewesen. Die FPÖ in Oberösterreich präsentierte am Donnerstag ihr Programm unter dem Motto Unser Oberösterreich für unsere Leute. Haimbuchner will Sozialleistungen bei mangelnden Integrationswillen streichen und unkontrollierte Zuwanderung stoppen. Blaue Thesen zu Veto und Quarantäne Ähnliches war auch aus dem Burgenland zu hören. Dort hat sich der blaue Landeshauptmann-Vize Johann Tschürtz zu Wort gemeldet, um die Asylfrage einer Beantwortung zuzuführen. Die lässt sich kurz zusammenfassen: Ausgangssperre, Bundesheer, Vetokarte! Eine 48-stündige Quarantäne für Ankömmlinge sei notwendig, weil es Belästigungen seitens der Asylwerber gebe. Selbst Rotkreuz-Helfer hätten schon Polizeischutz anfordern müssen. Das Rote Kreuz dementierte allerdings umgehend. Das Gegenteil sei richtig: Es hat keine Belästigungen gegeben. Die Forderung nach verstärktem Grenzschutz stellt Tschürtz nicht allein. Regierungspartner SPÖ, aber auch die ÖVP taten das. Tschürtz ist aber eine Spur forscher: Ich sage es noch härter: Wenn das Bundesheer an der Grenze ist, dann muss man halt alle abweisen. Denn Tschürtz – und die SPÖ – ist für eine Obergrenze, rund ein Prozent der Bevölkerung. Dann sei eben Schluss, und ich schau mir an, was die EU tut. Das sei der dritte Schritt des rot-blauen Asylplans: die Vetokarte. Die Innenministerin und Kanzler Faymann müssen bei Einstimmigkeitsmaterien entschlossener auftreten. Egal was, es müsse junktimiert werden mit einer europaweiten Quote und kulturnahen Flüchtlingsstädten, die von EU und USA zu finanzieren wären. Der rote Regierungspartner lebt mit solch blauem Ansinnen gut. Jedenfalls ließ sich Landesrat Norbert Bollwerk gegen die FPÖ Darabos nicht hinterm Ofen hervorlocken, um zu sagen, dass Asyl eigentlich und ausdrücklich sein Thema sei – und nicht das des Johann Tschürtz. Landesgericht Salzburg hat einstweilige Verfügung erlassen wegen Verwechslungsgefahr mit FPÖ. Karl Schnell will Partei nun "Freie Partei Salzburg" nennen. Salzburg/Wien – Im Rechtsstreit um die Parteinamen der FPÖ und der Salzburger Abtrünnigen unter Ex-Landeschef Karl Schnell hat die FPÖ einen Teilerfolg verbucht. Nachdem das Oberlandesgericht (OLG) Linz eine Verwechslungsgefahr geortet und die Causa an die 1. Instanz zurückgewiesen hatte, erließ das Landesgericht Salzburg eine einstweilige Verfügung: Den Freiheitlichen in Salzburg (FPS) wurde vorläufig verboten, die Bezeichnung Freiheitliche zu verwenden. Die einstweilige Verfügung sei ab sofort und längstens bis zur rechtskräftigen Beendigung des Hauptverfahrens wirksam, informierte am Freitag Gerichtssprecher Imre Juhasz. Zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Partei Freiheitliche Partei Österreichs (FPÖ) – Die Freiheitlichen werde der beklagten Partei Die Freiheitlichen in Salzburg (FPS) – Liste Dr. Karl Schnell verboten, die Bezeichnung Freiheitliche oder ähnliche Bezeichnungen als ihren Namen oder als Bestandteil ihres Namens zu verwenden. Gegen diese einstweilige Verfügung kann die beklagte Partei einen Rekurs einlegen, der grundsätzlich aber keine aufschiebende Wirkung hat. Falls sich die FPS nicht an die Verfügung hält, kann eine Beugestrafe begehrt werden. Salzburgs FPÖ-Landesparteiobmann Andreas Schöppl zeigte sich zufrieden: Diese Entscheidung, die nun im zweiten Anlauf gefallen ist, war aus rechtlicher Sicht von Anfang an nicht anders zu erwarten, denn es gibt nur eine FPÖ und nur eine freiheitliche Partei im Land. Er gehe davon aus, dass sich die Bemühungen Schnells, mit einer Handvoll Abtrünniger weiterhin die politische Nebenbühne zu bespielen, demnächst verebben werden. Karl Schnell hat auf die einstweilige Verfügung relativ gelassen reagiert. Ich bin nicht zum Streiten da. Ich werde die Partei in Freie Partei Salzburg umbenennen. Das Logo FPS bleibt gleich, sagte er in einer Stellungnahme. Die Statuten würden ebenfalls gleich bleiben. Einen Rekurs gegen die gerichtliche Entscheidung werde er nicht einlegen, sagte Schnell. Nur 16 Prozent glauben, dass die Freiheitlichen gute Ideen für Wien hätten. Wien – Dass es für die FPÖ in Wien gut läuft, kann man nicht nur aus den Hochrechnungen, sondern auch aus der im Frühsommer durchgeführten Market-Umfrage zu den Wiener Parteiprofilen herauslesen. Im Auftrag des STANDARD wurde nämlich für jede Wiener Partei erhoben, ob sie wohl in fünf Jahren bedeutender sein werde als heute – und die FPÖ bekam da die meisten Nennungen. Mehr als ein Drittel der Befragten (vor allem Jüngere, aber auch Wähler der anderen Oppositionsparteien) gehen von einer weiteren Stärkung der Freiheitlichen aus. Ebenso stark ist die Annahme, dass die FPÖ die Sorgen der Wienerinnen und Wiener verstünde. Das sagen vor allem jüngere, männliche und beruflich qualifizierte Befragte – für Market-Parteienforscher David Pfarrhofer ein Hinweis darauf, dass die FPÖ bei beruflichen Aufsteigern und Leistungsträgern Sympathien generieren kann. Wenn es um die Sache geht, dann steht die FPÖ sehr viel schlechter da: Nur 16 Prozent trauen ihr gute Ideen für Wien zu, selbst in der eigenen Gefolgschaft hat die FPÖ da nur eine schwache Mehrheit. Und nur sieben Prozent meinen, die FPÖ wäre gut für den Ruf Wiens in der Welt. Fragwürdiger Beitrag auf Webseite sorgt für Aufregung in sozialen Netzwerken. Salzburg – Der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg hat am Mittwoch mit einem fragwürdigen Beitrag auf seiner Webseite für Aufregung in sozialen Netzwerken gesorgt. In dem Text mit dem Titel Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik werden Arbeitslager für Ausweislose und Abzuschiebende vorgeschlagen und es ist von Millionen Neger die Rede, die nach Europa drängen. Millionen Neger wollen selbst aus Afrika weg, nach Europa, wo alles hier gratis und ohne Arbeit zu erhalten ist. Sie flüchten vor sich selbst, sie bringen ihr Unwissen, ihr Analphabetentum, ihren Haß (sic!) und Streit unter sich und ihren Haß auf uns Weiße nach Europa mit und Europa wird spätestens in 50 Jahren im Chaos und Sumpf enden, wie wir es heute in Südafrika sehen, heiß es auf der Webseite. Weiters spricht sich der Freiheitliche Akademikerverband in dem Schreiben für die Errichtung von Arbeitslagern aus. Abzuschiebende haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe und sind bis zu ihrer faktischen Abschiebung in Arbeitslagern unterzubringen. Auch Ausweislose seien in ein Arbeitslager zu verbringen, bis sich die entsprechenden Zuständigkeiten geklärt haben und eine Abschiebung möglich ist Der Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik des Freiheitlichen Akademikerverbandes Salzburg hat am Mittwoch empörte Reaktionen hervorgerufen. Auch die Salzburger FPÖ distanzierte sich davon. Weder der Inhalt, geschweige denn die Wortwahl des sogenannten Phasenplans decken sich mit der Parteilinie der Freiheitlichen, sagte Landesparteichef Andreas Schöppl. Der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg ist bekanntermaßen keine Vorfeldorganisation der Freiheitlichen. Allein deshalb schon können dessen Aussagen nicht einfach der FPÖ zugeordnet werden, erklärte Schöppl in einer Aussendung. Der Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen (BSA) bezeichnete die Aussage des Freiheitlichen Akademikerverbandes, Asylsuchende in Arbeitslagern unterbringen zu wollen, als rassistisch und ewiggestrig. Diese Aussage ist nicht nur rassistisch und hetzerisch, sondern eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und daher schlicht untragbar. Rassismus, Hetze und Rechtsextremismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Der BSA spricht sich für einen wertschätzenden und solidarischen Umgang mit Asylsuchenden aus und wird sich daher auch selbst sinnvoll entsprechend unserer Kompetenzen einbringen, um Flüchtlinge zu unterstützen, betonte BSA-Präsident Andreas Mailath-Pokorny. Ins selbe Horn stieß ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel. Er nannte die Aussagen zum Umgang mit Flüchtlingen eine unfassbare Entgleisung. Statt sich mit konstruktiven Vorschlägen in die aktuelle Debatte einzubringen, kommen aus den Reihen der FPÖ nur menschenverachtende Hetzparolen, die rein der Problemverstärkung dienen. Sie schüren mit ihrem Gedankengut von vorgestern Missgunst und Hass gegenüber Menschen. Das ist nicht nur widerlich, sondern trägt auch rein gar nichts zu irgendwelchen Lösungen bei. Rassismus, Hass und Hetze darf in unserer Gesellschaft keinen Platz geboten werden. Blümel sagte, er erwarte sich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine klare Distanzierung und generell einen lösungs- und zukunftsorientierten Umgang mit den Herausforderungen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid zeigt sich entsetzt über die menschenverachtenden Entgleisungen, die der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg auf seiner Website veröffentlicht hat. Mit der verwendeten Diktion – Stichwort Arbeitslager – werde ein Menschenbild vermittelt, das an dunkelste Zeiten erinnere. Die FPÖ und ihren Parteivorsitzenden Strache fordert Schmid auf, zu den vom Freiheitlichen Akademikerverband Salzburg getätigten Äußerungen Stellung zu beziehen. Rassismus und Hetze dürften keine Wählermagnete sein: Statt populistische Parolen zu skandieren, täte die FPÖ gut daran, zur Abwechslung einmal konstruktive Lösungen anzubieten. Eine Sicherheitswacht soll die Polizei unterstützen, wenn es nach dem FPÖ-Chef geht. Wien – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache will die Zahl der Wiener Bezirke oder zumindest jene der Bezirksvorsteher reduzieren. Vor der Wahl am 11. Oktober würde er als Bürgermeister zudem noch einmal ein Votum über die Mariahilfer Straße abhalten und eine Sicherheitswacht installieren. Strache schwebt nicht eine Verkleinerung des Gemeinderats, sondern auch eine De-facto-Zusammenlegung von kleinen innerstädtischen Bezirken vor. Hier könne es verwaltungstechnisch die eine oder andere Änderung geben: Zum Beispiel, dass es nur eine gemeinsame Bezirksvorstehung gibt, sagte er der APA. Auf blaue Vorsteher hofft er in Simmering, der Donaustadt, Floridsdorf und Liesing – sowie in der Innenstadt, wo Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel nun für die Freiheitlichen antritt. Ich trete an als Bürgermeisterkandidat. Das heißt, es ist am 11. Oktober alles möglich, sagt Strache. Er hoffe darauf, die 30-Prozent-Marke so weit wie möglich zu überspringen, und dass die FPÖ stärkste Partei wird. Bei der Wahl 2010 erreichte die FPÖ 25,7 Prozent der Stimmen. Da er davon ausgeht, dass die SPÖ nach der Wahl im Herbst zweitstärkste Fraktion sein wird, setzt er auf einen gemeinsamen Weg mit den Roten. Diesen werde er natürlich die Hand reichen und sagen: Bitte, kommt, seid vernünftig, denkt um, und schauen wir, dass wir eine Zusammenarbeit zusammenbringen. Als Bürgermeister möchte Strache viele Fehlentwicklungen korrigieren. Das betreffe etwa die Stadtverschuldung. Auch Subventionen für parteinahe Vereine sollen gekürzt werden. Einer steigenden Kriminalitätsrate will er ebenfalls den Kampf ansagen: Wo wir mit einer Sicherheitswacht gegensteuern würden. Diese solle die Polizei unterstützen. Die Causa Mariahilfer Straße, die unter Rot-Grün zur Begegnungs- und Fußgängerzone mutierte, ist für Strache noch nicht abgeschlossen. Er würde eine verfassungskonforme Befragung in ganz Wien in die Wege leiten, ob man das Modell, wie es jetzt ist, auch goutiert oder nicht. Falls gewünscht, werde es einen Rückbau geben. Aber auch Adaptierungen der Verkehrslösung seien bei Bedarf möglich. Als Bürgermeister würde er sich als Diener an der Wiener Bevölkerung sehen – während Michael Häupl (SPÖ) nur von oben herab regiere. Die Rathausmitarbeiter müssen sich laut Strache im Fall des Falles keine Sorgen machen. Er wolle jeden Beamten besuchen und sagen: Ich brauche euch, ihr müsst mir helfen, wie wir an den richtigen Schrauben drehen können. Strache sprach sich gegen eine Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen oder einen Verkauf von Gemeindebauten aus. Behauptungen, dass die Freiheitlichen dies wünschen, seien schlicht falsch. Weiters äußerte sich der FPÖ-Chef sich skeptisch in Sachen Sonntagsöffnung. Er bekräftigte die FP-Forderung, die Position des amtsführenden Stadtschulratspräsidenten abzuschaffen – da er als Bürgermeister selbst als solcher fungieren wolle. Sollte es mit dem angestrebten Ziel Bürgermeistersessel doch nichts werden, wird Strache dem kommunalen Machtzentrum aber weiter fern bleiben: Er gehe nicht als Gigl oder Gogl, sondern nur als Bürgermeister ins Rennen. Oppositionspolitik werde er im Rathaus nicht machen. Es sei besser, wenn er dies bundespolitisch tue. Tatsächlich könnte den Blauen aber – unabhängig von Regierungskonstellationen – ein Vizebürgermeister zustehen, nämlich dann, wenn sie mindestens über ein Drittel der Mandate verfügen. In diesem Fall wäre der derzeitige Klubchef Johann Gudenus ein Kandidat, sagt Strache. Die SPÖ fällt hingegen schon zehn Prozentpunkte zurück. Wien – Die Flüchtlingskrise lässt die Beliebtheitswerte der Freiheitlichen weiter anschwellen. In einer aktuellen Unique Research-Umfrage für das profil (Sample: 500) liegt die FPÖ schon bei 33 Prozent. Die SPÖ als zweitstärkste Partei wäre zehn Punkte zurück. Noch schwächer ist derzeit dieser Umfrage zu Folge die ÖVP, für die 21 Prozent ausgewertet wurden. Die Grünen könnten bei Wahlen 14 Prozent auf sich vereinen. Ebenfalls wieder in den Nationalrat würden es die NEOS mit sechs Prozent schaffen. Dass die Asylkrise der FPÖ in die Hände spielt, lässt sich auch daran ablesen, dass sich die Österreich von den Freiheitlichen in der Flüchtlingsfrage am besten vertreten fühlen. 23 Prozent machten eine entsprechende Angabe. 16 Prozent bevorzugten die Flüchtlingspolitik der SPÖ. Die anderen Parteien liegen noch weiter zurück. 'Regierungsparteien mit je 22 bis 23 Prozent anhaltend schwach, Grüne stagnieren, Neos stürzen ab. Linz – Würde jetzt ein neuer Nationalrat gewählt, käme die FPÖ überlegen auf den ersten Platz. Und könnte man den Bundeskanzler direkt wählen, würde Heinz-Christian Strache die meisten Stimmen auf sich vereinigen. Was allerdings weniger an Straches relativer Stärke, sondern vor allem am schwachen Profil der anderen Parteispitzen liegt. Die aktuelle Market-Umfrage aus der Vorwoche zeigt: In der Direktwahlfrage könnte Strache 25 Prozent der Wähler für sich gewinnen, ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner 22. Amtsinhaber Werner Faymann käme mit zwölf Prozent auf den schlechtesten Wert, der je für ihn ausgewiesen wurde "Kurier"-Fotograf Jürg Christandl hat den FPÖ-Chef geklagt, der Immunitätsausschuss beschäftigt sich damit am 14. Oktober. Wien – Der Immunitätsausschuss des Nationalrats beschäftigt sich am 14. Oktober mit dem Ersuchen des Wiener Straflandesgerichts nach Auslieferung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Grund ist eine Privatanklage von Kurier-Fotograf Jürg Christandl wegen übler Nachrede, nachdem Strache ein Foto von Asylwerbern bei einer FPÖ-Protestaktion als gestellt bezeichnet hatte. In der Causa geht es um eine Protestaktion der Freiheitlichen vor einem Flüchtlingsquartier in Wien-Erdberg. Ein Kurier-Bild – es zeigte ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge vor FPÖ-Anhängern, die Nein zum Asylantenheim-Schilder hochhalten – sorgte in der Folge für breite Kritik an den Freiheitlichen. In der Folge sprach Strache sowohl im ORF-Talk Im Zentrum als auch in der Zeit im Bild 2 von einer inszenierten Aufnahme. Christandl wies den Vorwurf der Manipulation zurück und ging vor Gericht. Das Straflandesgericht hat schriftlich um eine Entscheidung des Immunitätsausschusses gebeten. Die inkriminierte Handlung stehe nicht offensichtlich in keinem Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Abgeordneten, heißt es in der Anfrage, daher ist eine solche notwendig. Anders sieht das die FPÖ, die bereits im August erklärt hatte, sie werde dem Auslieferungsbegehr sicher nicht zustimmen. Denn die Aussagen Straches seien ganz offensichtlich in einem politischen Zusammenhang getroffen worden, betonte damals FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl. Beschäftigten wird sich der Immunitätsausschuss darüber hinaus auch mit dem Auslieferungsbegehr der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt zur behördlichen Verfolgung des FPÖ-Abgeordneten Christian Höbart. In dieser Causa geht es um Vorwürfe der Urkundenfälschung und -unterdrückung sowie um Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl oder Volksabstimmung im Zusammenhang mit den niederösterreichischen Kommunalwahlen vom 25. Jänner in Guntramsdorf, wo Höbart Ortsparteiobmann der Freiheitlichen ist. Eine Frau soll ohne ihr Einverständnis auf eine FPÖ-Wahlliste gesetzt und ihre Unterschrift bei der entsprechenden Einverständniserklärung gefälscht worden sein, so der Vorwurf laut einer Anzeige. Öllinger: Einfluss der "Burschis" innerhalb der FPÖ stark wie nie. Wien/Linz/Salzburg – In keiner Partei sind Burschenschafter und Mitglieder anderer schlagender Verbindungen so stark vertreten wie in der FPÖ. Wie stark, das hat sich das Team der Seite stopptdierechten.at nun auf Nationalratsebene sowie in den Landtagen und im EU-Parlament genau angesehen. Man listete jene Mitglieder, die öffentlich bekannt sind, auf. Die Verbindungen, die sich als Elitezirkel begreifen, halten sich über ihre Mitgliederzahlen nämlich bedeckt, was Fans der FPÖ, die auf blauen Seiten gerne Verschwörungstheorien spinnen, nicht zu stören scheint. Wir waren überrascht, sagt Karl Öllinger, ehemaliger Nationalrat der Grünen und Mitarbeiter von stopptdierechten.at, ihr Einfluss in der FPÖ ist stark wie nie. Vor allem die wichtigste und finanziell am besten ausgestattete Landesorganisation, die FPÖ Wien, ist wie auch der Nationalratsklub, wo fast die Hälfte aller Mandatare Verbindungen angehören, eine Bastion der Burschenschafter: Von 27 Landtagsabgeordneten sind hier zwölf Burschenschafter. Auch im EU-Parlament sind zwei der vier Abgeordneten Verbindungsbrüder. In Bundesländern wie Kärnten, der Steiermark, Oberösterreich oder Vorarlberg sind die Burschis deutlich in der Minderheit, dafür aber stets in Schlüsselpositionen. In Oberösterreich trifft dies auf Landesrat Manfred Haimbuchner, Klubobmann Günther Steinkellner und Klubdirektor Ferdinand Watschinger zu. Ein Burschenschafter als Hinterbänkler ist fast undenkbar. Der Chef der selbsternannten Partei des kleinen Mannes, Heinz-Christian Strache, setzt – anders als Haider, der, obwohl selbst ebenso Burschenschafter, die Verbindungen zurückdrängte – weiter voll auf diese Kreise. Das zeigt sich auch im Falle von Spaltungen wie zuletzt in Salzburg. Dort setzte Strache Andreas Schöppl, der Mitglied der akademischen Landsmannschaft der Salzburger zu Salzburg ist, im Juni an die Landesparteispitze. Viele wählen FPÖ, obwohl sie ihr keine Lösungskompetenz zutrauen, sagt Politologe Laurenz Ennser-Jedenastik. STANDARD: Oberösterreichs ÖVP-Chef Josef Pühringer sagt, für seine Schlappe sei der Bund verantwortlich. Zu Recht? Laurenz Ennser-Jedenastik: In gewissem Maße ja. Es gibt seit 30 Jahren einen Trend, der stärker wird: Wer im Bund regiert, verliert. Die Opposition im Bund gewinnt in den Ländern. Es wird immer schwieriger für Landesparteien, sich gegen die Effekte der Bundespolitik durchzusetzen. STANDARD: Wie wichtig war das Thema Flüchtlinge bei dieser Wahl? Ennser-Jedenastik: Das Thema hat den Trend Wer im Bund regiert, verliert massiv verstärkt und viele Stimmen in Richtung FPÖ gelenkt. STANDARD: Ist die große Zahl an Flüchtlingen ausschlaggebend, oder eher der Umgang der Politik mit ihr? Ennser-Jedenastik: Das ist schwer zu interpretieren. Viele Flüchtlinge kommen, das erzeugt gewisse Sorge – und dann gibt es eine Bundespolitik, die nicht sehr vorbereitet und kompetent wirkt bei der Lösung des Problems. Das Thema würde zwar die FPÖ jedenfalls begünstigen – die mangelhafte Bewältigung durch die Bundesregierung hat das aber sicher verstärkt. STANDARD: Warum begünstigt das Thema Asyl die FPÖ? Ennser-Jedenastik: Die Politikwissenschaft sagt: Es gibt Parteien, die verschiedene Themen besetzt haben. Je nachdem, wie wichtig das Thema zu einem bestimmten Zeitpunkt ist, nutzt oder schadet ihnen das. Dasselbe ist 2011 passiert, bei der Akw-Katastrophe in Fukushima: Plötzlich standen die Grünen in Deutschland bei 25 Prozent. STANDARD: Trauen die Wähler den Blauen in Sachen Flüchtlings-Unterbringung also eine ähnlich klare Strategie zu wie den Grünen in der Energiepolitik? Ennser-Jedenastik: Ich glaube, das ist gar nicht wichtig. Die Wähler halten die FPÖ in Sachen Asylpolitik für am meisten glaubwürdig und für am ehesten in der Lage, die Ablehnung gegenüber Asylwerbern zu vertreten. Das heißt aber nicht, dass sie ihr auch die größte Managementkompetenz zutrauen. STANDARD: Am stärksten dazugewonnen hat die FPÖ in St. Roman im Innviertel. Dort lebt kein einziger Asylwerber. Ennser-Jedenastik: Wo Flüchtlinge wohnen, hat überhaupt nichts damit zu tun. Man muss verstehen, wie der Mechanismus entsteht: Das Thema Flüchtlinge dominiert die Medien. Wie viele dort leben, tut nichts zur Sache. STANDARD: Hätte ein anderer Umgang der Bundespolitik mit dem Asylthema bei den Oberösterreich-Wahlen zu einem anderen Ergebnis geführt? Ennser-Jedenastik: Ich könnte es mir vorstellen. Der Eindruck, dass im Kompetenzwirrwarr zwischen Bund, Ländern und Gemeinden keine Lösungen gefunden werden, ist ja schon entstanden, als noch nicht so viele Flüchtlinge über die Grenze gekommen sind – Stichwort Traiskirchen. STANDARD: In der Steiermark hat die FPÖ im Mai noch stärker zugelegt, damals war Asyl nicht so ein großes Thema wie jetzt. Ennser-Jedenastik: Die Steiermark-Wahl ist ein interessanter Fall. Warum das dort so ausgegangen ist ist schwer zu erklären. In der Steiermark hat sich die Regierung ja in ihrem Reformeifer gerühmt. Trotzdem hat die FPÖ dort den historisch größten Zugewinn bei einer Landtagswahl seit 1945 eingefahren. STANDARD: Manche sagen, das Asylthema sei nur ein Ventil für andere Sorgen – etwa Angst vor Jobverlust oder ökonomischer Unsicherheit. Ennser-Jedenastik: Da wäre ich skeptisch. Alle Erklärungen, die versuchen den Erfolg der FPÖ auf sozioökonomische Gründe zurückzuführen, sind schwach. Würde ich eine Umfrage machen und ich dürfte nur eine einzige Frage stellen um das Wahlverhalten der Befragten zu erklären, müsste ich in Österreich eine Frage stellen zu Migration. Das hat immer die stärkste Erklärungskraft. STANDARD: Ist es egal, wer konkret für die FPÖ kandidiert, weil die Partei in Zeiten wie diesen ohnehin gewinnt? Ennser-Jedenastik: Schwierig zu sagen, aber ich würde glauben dass es nicht so wichtig ist wer Spitzenkandidat ist. Bei einer Themenlage wie sie jetzt ist kann man sich keinen FPÖ-Spitzenkandidaten vorstellen, der das nicht in große Zugewinne umsetzen könnte. FP-Chef hatte Foto von Asylwerbern bei FPÖ-Protest als "gestellt" bezeichnet. Wien – Im Parlament haben die Abgeordneten am Donnerstag die vom Wiener Straflandesgericht begehrte Aufhebung der parlamentarischen Immunität von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einstimmig abgelehnt. Nicht ausgeliefert wurde, weil die von Kurier-Fotograf Jürg Christandl beanstandenden Äußerungen als im Zusammenhang mit Straches Funktion als Abgeordneter getätigt gewertet wurden. Grund für das Begehr des Gerichts war eine Privatanklage Christandls wegen übler Nachrede, nachdem Strache ein Foto von Asylwerbern bei einer FPÖ-Protestaktion in Wien-Erdberg als gestellt bezeichnet hatte. Das Bild zeigt ein Flüchtlingskind und zwei erwachsene Flüchtlinge vor freiheitlichen Anhängern, die Nein zum Asylantenheim-Schilder hochhalten. FPÖ begrüßt geflüchtete Kinder in Erdberg. pic.twitter.com/lmceQwMbYP Einstimmig gewährt wurde hingegen die von der Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt begehrte Auslieferung des FPÖ-Abgeordneten Christian Höbart. In dieser Causa geht es um Vorwürfe der Urkundenfälschung und -unterdrückung sowie um Verbreitung falscher Nachrichten bei einer Wahl oder Volksabstimmung im Zusammenhang mit den niederösterreichischen Kommunalwahlen vom 25. Jänner in Guntramsdorf. Höbart ist dort Ortsparteiobmann der Freiheitlichen. Eine Frau soll ohne ihr Einverständnis auf eine FPÖ-Wahlliste gesetzt und ihre Unterschrift bei der entsprechenden Einverständniserklärung gefälscht worden sein, so der Vorwurf laut einer Anzeige. Und zum Schluss der Sitzung beschäftigte ein eher ungewöhnlicher Fall die Abgeordneten: Die Staatsanwaltschaft Wien bat die Parlamentarier um Ermittlungserlaubnis gegen eine Privatperson – und zwar wegen Beleidigung des Parlaments. Die Mehrheit der Abgeordneten gab der Staatsanwaltschaft dafür grünes Licht. Dritter Nationalratspräsident Hofer will Entscheidung "bis Mitte der Woche" – Bures: "Antisemitismus hat im Parlament keinen Platz". Wien – Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) hat die Parlamentsdirektion am Montag damit beauftragt, die Postings auf der Facebook-Seite der FPÖ-Abgeordneten Susanne Winter der Staatsanwaltschaft mit dem Ersuchen um weitere strafrechtliche Prüfung zu übermitteln. Das teilte die Parlamentsdirektion in einer Aussendung mit. Antisemitismus hat im österreichischen Parlament keinen Platz. Gerade vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte sind wir gefordert, antisemitischer Hetze, wie sie in den Postings klar zutage tritt, mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten, so Bures. Außerdem fordert Bures FPÖ-Klubobmann Heinz-Christian Strache auf, seiner Verantwortung für das politische Handeln seiner Abgeordneten nachzukommen. Bures fordert daher klare und unmissverständliche Konsequenzen von Strache. Hofer: Schaden wird angerichtet Der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer (FPÖ) reagiert im STANDARD-Gespräch auf die Causa Winter mit Kritik an der umstrittenen FPÖ-Abgeordneten: Mit diesen Aussagen habe ich keine Freude, sagt er, und: Damit wird ein Schaden angerichtet, der nicht wiedergutzumachen ist. Am Wochenende hatte Winter mit einem bejahenden Kommentar zu antisemitischen Äußerungen auf Facebook für Aufregung gesorgt. Hofer verweist in diesem Zusammenhang auf sein eigenes Engagement, Kontakte zur jüdischen Community zu pflegen – etwa dass die verfallene Synagoge im burgenländischen Kobersdorf saniert wird. Deswegen bin ich sauer, sagt Hofer. Der Dritte Nationalratspräsident drängt deswegen auf eine rasche Entscheidung seiner Partei, welche Konsequenzen Winter ziehen soll. Laut Hofer soll eine solche bis Mitte der Woche erfolgen, bei der auch er sich mit Sicherheit einbringen wird. Ob Winter auch für ihn eine Schande für den Nationalrat ist, wie der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, es formuliert hat? Das ist etwas, was ich grundsätzlich nicht über einen Mandatar sagen würde. FPÖ tagt Montag Nachmittag Die FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter will nach den gegen sie erhobenen Antisemitismus-Vorwürfen die Entscheidung des FPÖ-Präsidiums abwarten. Sie werde die Entscheidung der Partei in jedem Fall akzeptieren, kündigte Winter im Gespräch mit der APA an. Egal wie die Entscheidung ausfalle, auch wenn es zu einem Parteiausschluss kommen sollte, würde sie nicht dagegen vorgehen. Generalsekretär Herbert Kickl kündigte an, dass sich die Parteispitze noch heute Nachmittag mit der Angelegenheit befassen werde. Auch ein persönliches Gespräch mit Winter soll noch heute Nachmittag stattfinden. Eine Entscheidung obliege Parteiobmann Heinz-Christian Strache. Für den Fall, dass er einen Parteiausschluss aussprechen sollte, müssten dann noch die Parteigremien damit befasst werden, erläuterte Kickl das Prozedere. Eine Entscheidung kündigte er für allerspätestens Mitte der Woche an, möglicherweise auch schon früher. Kickl betonte, dass es jetzt einmal um die Sichtung des Sachverhaltes gehe. Die Parteiführung wolle sich ein einheitliches, klares Bild verschaffen, verwies Kickl auf derzeit in der Öffentlichkeit vorliegende, unterschiedliche Darstellungen. Die Messlatte sei aber, dass es in der FPÖ keinen Platz für Antisemitismus gebe, bekräftigte der Generalsekretär. Es sei grenzwertig, ob das Posting strafrechtlich relevant ist, erklärt Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs im STANDARD-Gespräch. Im kurzen Posting, dem Winter zustimmt, werde viermal das Wort zionistisch verwendet, das sei eindeutig ein antisemistisches Signal. Das Gleiche gelte für den Satz Die Geld-Juden weltweit sind das Problem. Den Tatbestand der Verhetzung sieht Fuchs eher nicht erfüllt, weil weder ein Gewaltaufruf noch eine Beleidigung oder Hetze enthalten seien. Doch die Wortwahl gehe deutlich in die Richtung nationalsozialistischer Wiederbetätigung, dieser Strafbestand im Verbotsgesetz sei zu prüfen, sagt Fuchs. Winter: Die Anzeige tut mir weh Ich wollte der Partei nicht schaden, ich wollte niemandem schaden, versicherte Winter. Ob sie selbst zu einer Sitzung des Parteipräsidiums eingeladen wird, konnte sie noch nicht sagen. Mitglied in dem Gremium ist sie jedenfalls nicht. Die von Bures angekündigte Einschaltung der Staatsanwaltschaft überrascht Winter nicht. Sie sei überzeugt gewesen, dass ein solcher Schritt kommen werde – ob von Bures oder von sonst jemandem. Die FPÖ-Abgeordnete zeigt sich davon aber betroffen: Die Anzeige tut mir weh. Sie bekräftigte, dass Antisemitismus nie in ihrem Gedankengut gewesen sei und auch jetzt nicht sei. Winter stellt Rückzug in den Raum Winter selbst hatte am Montag ihren Rückzug in den Raum gestellt. Auf ihrer Facebook-Seite begründete sie entsprechende Überlegungen mit dem auf sie ausgeübten Druck, nachdem ihr vorgeworfen worden war, antisemitische Äußerungen auf ihrer Seite gutgeheißen zu haben. Winter hatte mit ihrem Kommentar auf ihrem Facebook-Account den antisemitischen Tiraden eines anderen Users beigepflichtet: Er nehme ihr die Worte aus dem Mund – DER STANDARD berichtete. Steinacker: Winter hat in Freundschaftsgruppe Österreich – Israel nichts verloren Susanne Winter ist Mitglied der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Österreich – Israel. Nun wird ihr Rückzug aus ebendieser gefordert. Nach ihren antisemitischen Äußerungen hat FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter in der bilateralen parlamentarischen Gruppe Österreich – Israel längst nichts mehr verloren, sagt die Vorsitzende dieser parlamentarischen Freundschaftsgruppe, Michaela Steinacker (ÖVP), und fordert die FPÖ-Abgeordnete auf, sich aus diesem Gremium schnellstmöglich zurückzuziehen. (Katrin Burgstaller, Nina Weißensteiner, apa, 2.11.2015) Nationalratsabgeordneter, der Flüchtlinge als "Höhlenmenschen" bezeichnete, amüsiert sich über Flucht auf Booten. Wien – Nach Susanne Winter macht ein weiterer Nationalratsabgeordneter der FPÖ mit einem Facebook-Posting auf sich aufmerksam. Am Sonntag hat Christian Höbart ein Video geteilt, das Flüchtlinge zeigt, die einander bei der Flucht auf einem Schlauchboot filmen und dabei Freude und Erleichterung zeigen. Kommentiert hat Höbart das Video mit einer Strophe eines Kinderlieds: Eine Seefahrt, die ist lustig / Eine Seefahrt, die ist schön / Denn da kann man fremde Länder / Und noch manches andre sehn / Hol-la-hi, hol-la-h / Hol-la-hi-a hi-a hi-a, hol-la-ho (siehe Screenshot). Vor fast genau einem Jahr hatte Höbart, der auch geschäftsführender Landesparteiobmann der FPÖ Niederösterreich ist, mit einem rassistischen Ausritt gegen Asylwerber auf sich aufmerksam gemacht. In der Facebook-Gruppe Traiskirchen bezeichnete Höbart Asylwerber, die in Traiskirchen demonstriert hatten, als Erd- und Höhlenmenschen. Später bezeichnete Höbart, der im Zivilberuf Ankündigungsunternehmer ist, sein Posting als möglicherweise etwas überzeichnet. Er hatte bereits im Juli 2014 Ähnliches gepostet und sich über die Zuwanderung von kulturfernen und ungebildeten Höhlenmenschen und Ziegenhirten (zugespitzt formuliert, aber Ihr wisst, was und wen ich damit meine!) beklagt. Nähe zum rechten Rand wurde mehreren FP-Funktionären zum innerparteilichen Verhängnis. Wien – Der Abgang von Susanne Winter aus der FPÖ reiht sich ein in eine lange Liste von Parteiausschlüssen, -austritten und Entmachtungen innerhalb der Freiheitlichen Partei. Einem Teil davon gingen wie auch in Winters Fall ausländer- oder islamfeindliche bzw. rassistische Äußerungen voran. Die wohl prominentesten Fälle von Rücktritten in jüngster Zeit waren wohl das Zurückziehen von Andreas Mölzer von der Spitzenkandidatur zur EU-Wahl 2014 sowie der Verzicht auf eine weitere Amtszeit von Martin Graf als Dritter Nationalratspräsident im Wahljahr 2013. Graf war vor seinem Verzicht bereits seit längerem unter Druck gestanden, weil Mitarbeiter Produkte bei einem rechtsradikalen Internet-Versand bestellt hatten. Zur echten Belastung für die Partei wurde das Mitglied der Burschenschaft Olympia allerdings erst, als ihm eine alte Dame vorwarf, er hätte sie als Vorstand ihrer Privatstiftung falsch beraten und Gelder für eigene Zwecke verwendet – ein Vorwurf, von dem ihn Gerichte später freilich entlasteten. Mölzer wurde es zum Verhängnis, dass er die EU mit der NS-Diktatur und einem Negerkonglomerat verglich, außerdem verfasste er in der Zeitschrift Zur Zeit einen rassistischen Artikel über Österreichs Vorzeige-Fußballer David Alaba, was zu einer Belastung für den blauen EU-Wahlkampf zu werden drohte. Er verzichtete dann auf eine Kandidatur, Generalsekretär Harald Vilimsky sprang für ihn ein. Davor war 2012 der Innsbrucker FP-Spitzenkandidat August Penz wegen rassistischer Wahlplakate (Heimatliebe statt Marokkanerdiebe) aus der FPÖ ausgetreten. Ausgeschlossen wurde 2011 der Tiroler Nationalratsabgeordnete Werner Königshofer. Er hatte das von einem Rechtsradikalen auf der norwegischen Ferieninsel Utoya angerichtete Massaker mit der Fristenlösung verglichen. Winter selbst stand schon einmal wegen islamfeindlicher Äußerungen scharf unter Beschuss: Im Wahlkampf für die Grazer Gemeinderatswahl 2008 sprach sie beim Neujahrestreffen der Freiheitlichen in der steirischen Landeshauptstadt von einem muslimischen Einwanderungs-Tsunami und meinte, der Prophet Mohammed wäre im heutigen System ein Kinderschänder. Eine Verurteilung wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren war die Folge. Und schon 2005 bereitete der Kontakt mit dem Verbotsgesetz dem blauen Bundesrat John Gudenus ein Karriereende als Bundesrat: Er musste sein Mandat zurücklegen, nachdem er in Interviews die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich infrage gestellt hatte. Aber auch abseits von durch Fremdenfeindlichkeit oder Nähe zum rechten Rand ausgelösten Rücktritten einzelner FP-Mitglieder gab es innerhalb der Partei Parteiausschlüsse und Austritte. Einer der bemerkenswertesten Parteiausschlüsse war jener des legendären Parteichefs Jörg Haider, nachdem dieser 2005 die FPÖ gespalten und das BZÖ gegründet hatte. Dieser Parteispaltung in Blau und Orange war ebenfalls ein Parteiausschluss, nämlich jener von Mölzer, vorangegangen – Mölzer stand dann nach der Parteispaltung dem neuen FPÖ-Chef Strache treu zur Seite. Auch Ewald Stadler verließ die Partei im Streit: Nachdem er von der Parteispitze als Präsident der Freiheitlichen Akademie entmachtet wurde, kam es zu einem heftigen Konflikt. Dieser erreichte seinen Höhepunkt mit der Veröffentlichung von wehrsportähnlichen Fotos von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Die Parteispitze sah Stadler als Initiator an, dieser bestritt das. Für Stadler endete die Angelegenheit mit dem Parteiaustritt. Im Burgenland folgte wenig später der nächste Parteiausschluss. Der frühere Landesparteiobmann Wolfgang Rauter wurde wegen der Gründung der Plattform freie Bürgerlisten aus der FPÖ geworfen. Kurz davor wurde der frühere burgenländische Klubobmann Manfred Kölly ausgeschlossen, weil er eine Vereinbarung über Posten in landesnahen Betrieben mit SPÖ-Landesgeschäftsführer Georg Pehm geschlossen hatte. Auch nach der Nationalratswahl 2008, die der FPÖ eine Konsolidierung brachte, gingen die Zankereien weiter. 2008 wurde der Kärntner Abgeordnete und stellvertretende Parteichef, Karlheinz Klement, wegen parteischädigenden Verhaltens aus der Partei ausgeschlossen. Klement hatte seine Zurückreihung vom ersten Kärntner Listenplatz auf eine aussichtslose Stelle als undemokratisch bezeichnet und dem Bundesparteivorstand deswegen Vorwürfe gemacht. Und auch in Salzburg kam es zuletzt zu heftigen Reibereien: Nach monatelangen Streitereien in der Landesgruppe griff die Bundespartei ein und setzte im Juni 2015 die Parteispitze mit Klubobmann Karl Schnell und Parteiobmann Rupert Doppler ab. Schnell, Doppler und weitere Landtagsabgeordnete spalteten sich daraufhin ab und machten sich als Freie Partei Salzburgs (FPS) selbstständig. Ein antisemitisches Posting kostet die umstrittene FPÖ-Abgeordnete Susanne Winter die Mitgliedschaft in der blauen Gesinnungsgemeinschaft. Doch nach dem Entscheid der FPÖ-Spitze tut sich für sie der nächste Fall von zynischem Aktionismus auf Facebook auf. Wien – Diesmal fiel die Entscheidung nach einer braunen Entgleisung schnell: Zwei Tage nach Susanne Winters antisemitischem Eintrag auf Facebook stellte die blaue Spitze am Montagnachmittag klar: Entweder die umstrittene Abgeordnete geht bis 19 Uhr Montagabend selbst – oder sie wird von der Partei gegangen. Das gab FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl nach einer Unterredung mit der 58-Jährigen via Aussendung bekannt. Susanne Winter im Telefoninterview mit @singerraffaela Kein Grund für Rücktritt #atvaktuell https://t.co/FEbz2xyltf Am Abend stellte die Nationalratsabgeordnete gegenüber dem Sender ATV aber klar: Ihr Mandat will sie nicht abgeben, womit sie am Abend auch aus der Partei geworfen wurde. Das Mandat, das ihr immerhin knapp 8.600 Euro brutto monatlich einbringt, kann ihr die Partei nicht wegnehmen. Sie wird damit wilde Abgeordnete. Am Wochenende hatte Winter einem User im sozialen Netzwerk Facebook beigepflichtet, der über die Zionistischen Geld – Juden (sic) hergezogen war. Zwar wurde der Kommentar von ihr mittlerweile gelöscht (schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen), doch seitdem hagelte es Rücktrittsaufforderungen für die Freiheitliche. Kickl begründete das Vorgehen der FPÖ so: Mit ihrem Verhalten habe sich Winter selbst außerhalb der Partei gestellt und sich de facto ausgeschlossen. Und: In der FPÖ sei kein Platz für Antisemitismus – hier habe Winter eine rote Linie überschritten. Zuvor hatte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) auch noch die Staatsanwaltschaft eingeschaltet, die Winters Postings auf strafrechtliche Relevanz prüfen soll, denn: Gerade vor dem Hintergrund der österreichischen Geschichte sind wir gefordert, antisemitischer Hetze mit aller Entschiedenheit entgegenzutreten, sagte Bures. Winter, selbst studierte Juristin und nach ihren Tiraden gegen den Propheten Mohammed (im heutigen System ein Kinderschänder) wegen Verhetzung und Herabwürdigung religiöser Lehren verurteilt, erklärte, dass ihr Bures Anzeige weh tue, weil Antisemitismus nie in ihrem Gedankengut gewesen sei. Für den Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs ist die juristische Relevanz von Winters Einträgen grenzwertig. In dem Posting, dem Winter zustimmte, erklärt er im STANDARD-Gespräch, werde viermal das Wort zionistisch verwendet, das eindeutig ein antisemitisches Signal sei. Das Gleiche gelte für den Satz Die Geld – Juden weltweit sind das Problem. Den Tatbestand der Verhetzung sieht Fuchs zwar eher nicht erfüllt, weil weder ein Gewaltaufruf noch eine Beleidigung oder Hetze enthalten seien. Doch die Wortwahl gehe deutlich in die Richtung nationalsozialistischer Wiederbetätigung – und dieser Strafbestand im Verbotsgesetz sei zu prüfen, sagt Fuchs. Detail am Rande: Noch gehört Winter just der parlamentarischen Freundschaftsgruppe Österreich–Israel an. Herbe Kritik setzte es für Winter auch vom Drittem Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ). Das tut mir besonders weh, dass damit ein Schaden angerichtet wurde, der nicht wiedergutzumachen ist, sagte er im STANDARD-Gespräch. Der Grund dafür, dass er auf die Grazerin sauer ist: Seit Jahr und Tag bemühe er sich darum, Kontakte zur jüdischen Community zu pflegen – dazu verweist er auf sein Engagement dafür, dass die verfallene Synagoge im burgenländischen Kobersdorf saniert werde. Das rasche Handeln der FPÖ nach derartigen Ausfällen ist ungewöhnlich – doch mit den Zuwächsen bei vier Landtagswahlen und dem Einzug in zwei Landesregierungen will man offenbar ein neues Verantwortungsbewusstsein demonstrieren. Doch die Causa Winter war noch nicht ausgestanden, schon tut sich für die Partei der nächste Fall von zynischem Aktionismus auf Facebook auf. Der niederösterreichische FP-Chef Christian Höbart, der bereits vor einem Jahr auf der Plattform Flüchtlinge als Höhlen- und Erdmenschen bezeichnet hat, postete am selben Tag ein Video, das Flüchtlinge bei einer Bootsüberfahrt zeigte. Dazu den Liedtext: Eine Bootsfahrt, die ist lustig, eine Bootsfahrt, die ist schön ... Die FPÖ-Spitze hat sich zu Höbarts Verbalexzess – angesichts der vielen Toten im Mittelmeer besonders geschmacklos – bislang nicht geäußert. Höbart selbst rechtfertigte sein inzwischen gelöschtes Posting in einer Aussendung: Er habe es ironisch gemeint, sehe aber ein, dass es missverstanden werden könne. 18 Tage brauchte es einst, bis die Blauen ihren EU-Frontmann Andreas Mölzer abmontierten, nachdem er die Union mit dem Dritten Reich verglichen und von einem Negerkonglomerat gesprochen hatte. Gar über Monate zog es sich, bis die Partei den Tiroler Abgeordneten Werner Königshofer ausschloss – nicht wegen seines Beklagens der hefeartigen Ausbreitung von Muslimen, sondern der Gleichsetzung der Fristenlösung mit dem Anschlag im norwegischen Utøya. (Marie-Theres Egyed, Nina Weißensteiner, 2.11.2015) 'Der FPÖ-Funktionär hetzt weiterhin gegen Asylwerber. Als Freiheitlicher hat man es im schwarz dominierten Niederösterreich nicht einfach: Hier hat die FPÖ am längsten gebraucht, um in den Landtag zu kommen, hier hat sie 2013 sogar gegen den Trend Stimmen und Mandate verloren. Diese Schwäche versuchen FP-Landesparteichefs mit besonderer Kraftmeierei zu überspielen. In schlechter Erinnerung ist noch, als Harald Ofner 1983 dem damaligen Landeshauptmann drohte, ihn wie einen Hendldieb zu verfolgen (Ofner war damals Justizminister) Die Ex-FPÖ-Abgeordnete kann als "wilde" Abgeordnete an der parlamentarischen Arbeit nicht mehr teilnehmen. Wien – Man mag ihren Verbleib im Parlament zwar als Schande empfinden, wie das SOS Mitmensch in einer Aussendung getan hat. Aber tatsächlich kann die aus der FPÖ ausgeschlossene Nationalratsabgeordnete Susanne Winter politisch kaum noch etwas bewirken. Denn als wilde Abgeordnete ist sie im Hohen Haus nicht viel mehr als eine Zuhörerin. Ihr bleibt nur ihr Sitz. Darauf verweist der Parlamentarismusexperte Werner Zögernitz im Gespräch mit dem STANDARD – wobei selbst die Sache mit dem Sitz ihren Haken hat. Es ist nämlich keineswegs der angestammte Sitzplatz im Nationalratsplenum, der ihr bleibt. Denn die aus ihren Klubs ausgeschiedenen Mandatare Jessi Lintl vom Team Stronach sowie Winters frühere Klubkollegen Gerhard Schmid und Ruppert Doppler von der Salzburger FPÖ werden gemeinsam mit Winter in die hinterste Reihe verbannt. Dort können sie zwar bei Beschlüssen mitstimmen, doch hat das auf die Mehrheitsbildung keinen Einfluss. Sie können sich in den Debatten zu Wort melden – aber aufgerufen werden wilde Abgeordnete erst, wenn die von den Parlamentsklubs nominierten Redner ihre Beiträge gehalten haben. Und dann steht jedem wilden Abgeordneten maximal die Hälfte der Redezeit zu, die dem kleinsten Parlamentsklub zugebilligt wird. Zudem reden sie dann vor leeren Reihen – und meist ohne mediale Aufmerksamkeit. Zögernitz kann daher auch Winters Ansicht, dass sie ihren Wählern im Wort sei, nichts abgewinnen: Es ist das Uninteressanteste, ein wilder Mandatar zu sein. Er oder sie kann gar nicht für ihre Leute tätig sein. Allerdings habe Winter, rein rechtlich, das Mandat für die gesamte Periode. In den Parlamentsausschüssen, wo die eigentliche Gesetzgebung passiert, dürfen nur von den Klubs entsendete Abgeordnete mitreden und mitstimmen. Selbst wenn sie einen eigenen Antrag einbringen würde, könnte sie sich nicht zu Wort melden, sagt Zögernitz. Ein Antragsrecht haben erst fünf Abgeordnete gemeinsam, ebenso ist es mit dem Recht, Regierungsmitgliedern mit schriftlichen Anfragen lästig zu werden. Da müsste noch ein weiterer Abgeordneter aus einer Fraktion ausscheren. Zumindest theoretisch können die fraktionslosen Volksvertreter im Parlament mitarbeiten – seit 1992 ist jedem Abgeordneten ein Anspruch auf Infrastruktur (ein Zimmer, Telefonanschluss und Computer) sowie auf einen parlamentarischen Mitarbeiter verbrieft. Die ersten wilden Abgeordneten, die aus der SPÖ ausgeschlossenen Mandatare Franz Olah 1964 und Stephan Tull 1980, hatten nicht einmal das. Der 1987 von den Grünen geschaßte Josef Bucher ersaß sich das Recht auf einen Arbeitsplatz, indem er sich Sessel und Schreibtisch zunächst in die Säulenhalle des Parlaments stellte. Daran, dass Winters Verbleib unter solchen Bedingungen wenig Sinn machen dürfte, erinnerte auch ihr ehemaliger Generalsekretär Herbert Kickl: Sie solle noch einmal in sich gehen und ihr Nationalratsmandat doch noch zurückzulegen, sagte Kickl am Dienstag. Winter hat aber wiederholt betont, sie werde ihr Mandat sicher nicht zurücklegen. Die Zahl der FPÖ-Abgeordneten sinkt von 38 auf 37 – und die FPÖ fällt nicht nur um die anteilige Klubförderung um, sondern auch um Winters Parteisteuer. Die wilde Abgeordnete kann den Bezug von 8583,30 Euro (14-mal jährlich brutto) für sich behalten. FPÖ-Chef in ORF-"Pressestunde" mit Rundumschlag gegen Regierung, aber auch ÖBB – Anzeige wird soll erst Dienstag eingebracht werden. Wien – FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache hat in der ORF-Pressestunde am Sonntag zu einem Rundumschlag gegen die Regierung, aber auch gegen das ÖBB-Management ausgeholt. Er werde wie angekündigt Strafanzeige gegen die Bundesregierung einbringen, kündigte Strache an, und zwar schon am Montag. Diese richte sich gegen Kanzler Werner Faymann (SPÖ), Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) sowie gegen Verantwortliche der ÖBB. Wie der STANDARD erfuhr, wird die Anzeige entgegen Straches Ankündigung doch erst am Dienstag eingebracht und im Rahmen einer Pressekonferenz vorgestellt. Strache begründete in der Pressestunde die Initiative damit, das die Regierung tagtäglich Gesetzesbruch begehe. Flüchtlinge würden unkontrolliert ins Land gelassen und dann auch noch weitertransportiert. Damit betätige sich die Regierung auch noch als Schlepperorganisation. Strache wünscht sich einen Rücktritt der Regierung und so rasch wie möglich Neuwahlen. Er gestand zu, dass die FPÖ auch nicht die Allerheilslösung habe, aber den Willen, Gesetze einzuhalten. Er wolle an den Grenzen exterritoriale Transitzonen schaffen. Flüchtlinge sollen diese nicht verlassen können, sie sollen dort kontrolliert werden, unter anderem sollen ihnen Fingerabdrücke abgenommen werden. Strache gestand zu, dass eine lückenlose Schließung der Grenzen nicht möglich sei. Möglich wäre es aber, Flüchtlingsströme zu erkennen und rechtzeitig zu reagieren. Das von der Regierung beschlossene Asyl auf Zeit ist für Strache absurd. Das sei ein aufrechtes Gesetz, das derzeit nur nicht gelebt werde. Asyl bestehe immer nur auf Zeit, die Regierung versuche damit die Bevölkerung zu täuschen. Wichtig wäre nach Ansicht des FPÖ-Obmannes aber ein Signal, es geht nicht mehr, wir können euch nicht alle aufnehmen. Das von Deutschland und Österreich ausgesendete Signal, mit dem die Menschen eingeladen worden seien, müsse abgeändert werden. Strache hat mehrere Namen als mögliche Kandidaten für die Bundespräsidenten-Wahl im kommenden Frühjahr genannt. Möglich wäre es etwa, dass die FPÖ die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss als unabhängige Kandidatin unterstützt. Auch der aus der FPÖ stammende Rechnungshofpräsident Josef Moser wäre interessant. Ausdrücklich nannte Strache aber auch den Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer, der als Parteikandidat ins Rennen gehen könnte. Auf Nachfrage bestätigte der FPÖ-Chef auch, dass die vor der Wien-Wahl aus der ÖVP übergetretene Ursula Stenzel eine mögliche Kandidatin sein könnte. Einen fliegenden Koalitionswechsel der ÖVP von der SPÖ zur FPÖ auf Bundesebene schloss Strache neuerlich aus. Eine neue Koalition mit der FPÖ könne es nur nach Neuwahlen geben. Dass er bei der Wien-Wahl das Duell mit Michael Häupl (SPÖ) verloren hat, nahm Strache eher gelassen. Dieses Mal habe es noch nicht gereicht, aber das nächste Mal kommt bestimmt. Er verwies darauf, dass vor zehn Jahren der Abstand zur SPÖ noch bei 46 Prozentpunkten gelegen sei, jetzt nur noch bei 8,5. Grundsätzlich sei dieses Jahr aber das erfolgreichste der FPÖ, wir sind so stark wie nie zuvor. Zum Parteiausschluss der Abgeordneten Susanne Winter betonte Strache: Antisemitismus hat in der FPÖ keinen Platz. Dabei gehe es nicht um Kalkül, das sei eine felsenfeste Überzeugung. Juden dürften nie wieder Angst haben müssen, verfolgt zu werden. Da haben wir alle eine Verantwortung. Strache entschuldigte sich auch bei allen jüdischen Mitbürgern für das Posting Winters, in dem sie einen antisemitischen Eintrag befürwortet hatte. Die zynischen Aussagen des Abgeordneten Christian Höbart, der ein Video von Boots-Flüchtlingen mit den Worten kommentiert, eine Seefahrt, die ist lustig ... kommentierte, sind für Strache aber nicht mit jenen Winters vergleichbar. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hielt Strache vor, vom Einzäunen Österreichs fantasiert und die inhumanen Methoden des ungarischen Premiers Viktor Orbán gelobt zu haben, der mit Tränengas gegen Flüchtlinge vorgegangen ist. Der FPÖ-Obmann habe aber keinen einzigen durchführbaren Lösungsvorschlag präsentiert. Notwendig wäre nach Ansicht des SPÖ-Klubomanns eine Politik, die einerseits einen menschlichen Umgang mit den Schutzsuchenden gewährleistet, gleichzeitig ein geordnetes System an der Südgrenze garantiert. Für ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald hat Strache beinahe ausschließlich Emotionen mit vermeintlich einfachen Lösungen ohne jeglicher Substanz geschürt. Die scheinbar leichten Ansagen mögen auf den ersten Blick vielleicht gut klingen, hätten jedoch mit der Realität und vernünftigen Lösungen für aktuelle Herausforderungen nichts zu tun. Notwendig wären stattdessen besonnene und verantwortungsvolle Maßnahmen. Mit Angst, Hetze und Populismus kommt unser Land sicher nicht weiter, sagte McDonald. Stimmungsmache gegen schutzbedürftige Kinder und Familien löst kein einziges Problem, weder unserer Gesellschaft, noch der Flüchtlinge, hielt auch die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun Strache entgegen. Dessen Abschottungs- und Einzäunungsfantasien seien ineffektiv und nutzlos. Zäune und Stacheldraht würden Fluchtbewegungen nur geringfügig umlenken, aber in keiner Weise stoppen. Familien auf der Flucht müssen dann längere Wege gehen und stellen erst recht einen Antrag auf Asyl, sagte Korun. Für Team-Stronach-Generalsekretär Christoph Hagen geht die von Strache angekündigte Strafanzeige übers Ziel hinaus, obwohl die Regierung auf ganzer Linie versagt. Hagen will stattdessen parlamentarische Mittel ausnützen. Angesichts der Zustände an den Grenzen fordert Hagen eine unverzügliche Teilmobilmachung einzelner Milizverbände. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid nahm Strache die Behauptung nicht ab, dass Antisemitismus in der FPÖ keinen Platz habe. Da der Abgeordnete Christian Höbart nicht zur Ordnung gerufen werde, ist Schmid der Ansicht, dass Rassismus und Hetze zentrale Bestandteile der FPÖ seien. Der Bundeskanzler als Staatsfeind? Ja, meint FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Wien – Alphonse Al Gabriel Capone war einer. Bonnie und Clyde gehörten dazu. Der britische Postzugräuber Ronald Arthur Ronnie Biggs ebenfalls, auch Al-Kaida-Gründer Osama Bin Laden und der jüngst verhaftete mexikanische Drogenboss Joaquín Archivaldo El Chapo Guzmán Loera galten als solche. Fehlt nur noch Werner Faymann auf der Liste der Staatsfeinde dieser Welt. Zumindest, wenn es nach FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache geht. Der verstieg sich in der Bierdunstatmosphäre beim blauen Neujahrsauftakt in Wels dazu, den österreichischen Bundeskanzler wegen dessen Flüchtlingspolitik zum Staatsfeind zu erklären, ja, mehr noch: Faymann ist in Wahrheit ein Staatsfeind, so wie er sich verhält, ein Bürgerfeind und ein Österreichfeind. Oha! Viele Delikte für einen Regierungschef. Und jetzt? Alarmstufe Rot am Ballhausplatz? Was tun gegen den Dreifachfeind im Bundeskanzleramt? Gefahr in Verzug? Nun, ja: Staatsfeind gibt es nicht, Staatsfeind ist kein Rechtsbegriff, klärt Verfassungsjurist Heinz Mayer im STANDARD-Gespräch auf, aber: Es gibt Hochverräter und Landesverräter. Die aber sind ein Fall für das Strafgesetzbuch (StGB) – und meinen etwas härtere Kaliber, sagt Mayer: Es muss immer Gewalt im Spiel sein. Eine falsche Politik jedoch ist nicht sanktioniert. Gewalt also, oder wie es in Paragraf 242 (1) StGB im Kapitel Hochverrat und andere Angriffe gegen den Staat heißt: Wer es unternimmt, mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt die Verfassung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu ändern oder ein zur Republik Österreich gehörendes Gebiet abzutrennen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. Ein Unternehmen liegt übrigens auch schon bei einem Versuch vor. Tätige Reue – also Aufgabe des Plans, Verhinderung oder freiwillige Abwendung des Erfolges der Aktion – erspart einem die Hochverratsstrafe. Das Wort staatsfeindlich findet sich nur ein einziges Mal im Strafgesetzbuch, und zwar in Paragraf 246, der die Gründung von staatsfeindlichen Verbindungen unter Strafdrohung stellt. Eine staatsfeindliche Verbindung ist eine, die – wenn auch nicht ausschließlich – den Zweck hat, auf gesetzwidrige Weise die Unabhängigkeit, die in der Verfassung festgelegte Staatsform oder eine verfassungsmäßige Einrichtung der Republik Österreich oder eines ihrer Bundesländer zu erschüttern. Verboten ist auch die Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole. Wegen Hochverrats wird man Faymann also eher nicht kriegen. Dazu hätte es zum Beispiel Angriffe auf oberste Staatsorgane, etwa Gewalt und gefährliche Drohung gegen den Bundespräsidenten gebraucht, etwa dergestalt, Amtsinhaber Heinz Fischer auf der gegenüberliegenden Seite des Ballhausplatzes – mit Gewalt und oder drohend! – abzusetzen oder zumindest an seiner Amtsausübung zu hindern. Risiko: ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe. Dasselbe gilt für den Fall, sollte ein Hochverräter dem Bundeskanzler oder anderen Regierungsmitgliedern bzw. Vertretern von National- oder Bundesrat, Landesregierungen und Landtagen sowie Höchstgerichten und Oberstem Gerichtshof gewalttätig zu nahe rücken und an ihren verfassungsmäßigen Aufgaben hindern. Zu viel quatschen kann ebenfalls viel Lebenszeit kosten: Paragraf 252 des StGB verhandelt das Delikt Landesverrat. Dazu zählt etwa der Verrat von Staatsgeheimnissen, auf den ein bis zehn Jahre Freiheitsstrafe stehen. Gab es schon Verurteilungen gegen Hoch- und Landesverräter in Österreich? Verfassungsexperte Mayer sind keine Fälle bekannt. Der Gesetzesbestand stammt vermutlich schon aus der Zeiten der Monarchie: Das sind die Klassiker, wie sich der Staat schützt. Zu den unrühmlichen Klassikern des Etiketts Staatsfeind zählt die Beliebtheit bei autoritären Regimen und die oft mörderische Zuschreibung an politische Gegner und missliebige Personen. Stalin handhabte das beispielsweise ebenso wie die Nazis, die ihren Staatsfeinden die Bürgerrechte entzogen und sie in Konzentrationslager schickten. In den USA wurde der Public Enemy quasi am 24. April 1930 erfunden. Die Chicago Crime Commission (CCC), angesiedelt im prohibitionsignoranten und schwer korrupten Sündenbabel, veröffentlichte eine Liste mit 28 schweren Jungs: I called them Public Enemies, sagte CCC-Vorsitzender Frank L. Loesch, das Licht der Öffentlichkeit sollte ihnen ab da das Gangsterleben verfinstern. Ganz oben stand Al Scarface Capone, fortan als Public Enemy No. 1 gejagt. Sein älterer Bruder Ralph Bottles Capone war Public Enemy Number Three. Der erste Mensch, der vom FBI zum Staatsfeind Nr. 1 erklärt wurde, war der Ganove John Dillinger. Bonnie Parker und Clyde Barrow wurden ebenso Public Enemies. Seit 1950 heftet sich das FBI an die Fersen der Ten Most Wanted Fugitives. Übrigens, der Staatsfeind, der vermutlich so alt ist wie der Staat, findet sich schon bei den alten Römern, zum Beispiel schrieb Marcus Tullius Cicero vom hostis rei publicae, dem Feind, der die Republik bedrohe. Der Außenfeind hostis im Sinne des bewaffneten Feindes hat aber noch einen sprachlichen Bruder, der einen wichtigen Unterschied benennt. Wenn Kanzler Faymann schon nicht der Feind des Staates ist, den Strache in ihm zu sehen meint, dann ist er vielleicht letztlich das, was im Lateinischen inimicus heißt: quasi ein Privatfeind. Ermittlung wegen Verhetzung nach Retweet eines islamfeindlichen Artikels. Wien – Die Staatsanwaltschaft Steyr hat beim Nationalrat die Auslieferung des FP-Abgeordneten Gerhard Deimek beantragt. Gegen den Oberösterreicher wird wegen Verhetzung ermittelt, weil er via Twitter einen islamfeindlichen Beitrag des Deutschen Akif Pirincci verbreitet hatte. Das Auslieferungsbegehren liegt der APA vor. Der Immunitätsausschuss dürfte im März darüber entscheiden. Die Anzeige gegen Deimek stammt vom Grünen Abgeordneten Harald Walser. Er kritisierte den Tweet Deimeks vom 10. Jänner als exemplarisches Beispiel dafür, dass bei der FPÖ in den sozialen Netzwerken alle Dämme gebrochen sind. Deimek hatte am 10. Jänner eine Twitter-Nachricht weitergeleitet, die wiederum auf einen islamfeindlichen Blogbeitrag des deutsch-türkischen Autors Pirincci verweist, in dem unter dem Titel Die Freigabe des deutschen Fickviehs von dauergeilen Barbaren die Rede ist, vor denen keine Deutsche mit einer Vagina mehr sicher ist, egal wie alt. Der FP-Abgeordnete schrieb dazu: Sollten alle lesen, die auch in 50 Jahren noch Österreicher sein wollen. Und nicht Wegbereiter der Araber. Deimek selbst gab dazu keine Stellungnahme ab. Die FPÖ zeigte sich über die Anzeige empört: Den Retweet eines Retweets als Grundlage für eine Anzeige wegen Verhetzung nehmen, ist an Lächerlichkeit nicht mehr zu überbieten. Die Staatsanwaltschaft Steyr hat jedenfalls ein Ermittlungsverfahren wegen Verhetzung (§283 Abs. 1 und 4 StGB) eingeleitet und ein Auslieferungsbegehren an den Nationalrat geschickt. Tatsächlich weise der Beitrag (gemeint: Pirinccis Aussagen, Anm.) stark ausländerfeindliche Formulierungen und Theorien auf, heißt es in der Mitteilung ans Parlament. Unter dem Titel Verhetzung strafbar macht sich seit 1. Jänner nicht nur, wer gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen hetzt, sondern auch, wer derartige Aussagen in gutheißender oder rechtfertigender Weise verbreitet. Für Deimek gilt die Unschuldsvermutung. Wann sich der Immunitätsausschuss mit der Causa beschäftigt, steht noch nicht fest – es gibt noch keinen Termin, sagte Ausschuss-Obfrau Beatrix Karl (ÖVP) zur APA. Kommende Woche wäre wohl zu kurzfristig, Karl geht eher von einem Termin im März aus, was ebenso noch fristgerecht wäre. 28-jähriger Tiroler wird Domain hc-strache.at nicht mehr verwenden, Richter muss noch über Kosten entscheiden. Innsbruck – Das Zivilverfahren gegen einen Tiroler, der sich die Domain hc-strache.at gesichert hatte, hat am Donnerstag am Landesgericht Innsbruck mit einem Vergleich geendet. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte den 28-jährigen David Prieth wegen der Verletzung seiner Namensrechte geklagt, Prieth wird die Domain nun gemäß dem Vergleich nicht mehr verwenden. Zumindest vorerst werde die Domain aber noch auf ihn registriert bleiben. Wenn sie mir jemand abkaufen will, dann soll er sich bei mir melden, sagte Prieth nach der Verhandlung. Der Richter muss nun noch entscheiden, wer die Verfahrenskosten zu tragen hat. Das Urteil wird schriftlich ergehen. Die Kosten dürften sich laut Prieths Anwalt Mathias Kapferer auf rund 6.000 Euro belaufen. Es ist rechtlich nicht eindeutig geklärt, ob Strache vor einer Klage meinen Mandanten zur Unterlassung hätte auffordern müssen, sagte Kapferer. Sollte der FPÖ-Chef zu Recht ohne vorherige Aufforderung sofort geklagt haben, werde sein Mandant die Kosten wahrscheinlich alleine tragen müssen, so der Rechtsanwalt. Diese Entscheidung obliege nun dem Richter. Prieth, für den zahlreiche Unterstützer zur Verhandlung gekommen waren, zeigte sich nach dem Verfahren zufrieden. Ich rechne mit 3.000 bis 4.000 Euro, und das werde ich auch alleine stemmen können, sagte er der APA. Sollte es mehr werden, werde er eine Veranstaltung in Innsbruck organisieren. Nachdem der Richter das Verfahren geschlossen hatte, bedankte Prieth sich bei den zahlreichen Zuhörern im übervollen Gerichtssaal, woraufhin er Applaus erntete. Die Domain, auf der er Kopftücher verkaufen wollte, bezeichnete Prieth als Kunstprojekt: Im Sinne der derzeitigen politischen Situation schien es mir notwendig, eine Aktion zu setzen. Er habe damit einen positiven Beitrag angesichts der negativen Stimmung gegenüber Flüchtlingen leisten wollen. Strache habe er aber niemals verunglimpfen wollen. Der FPÖ-Chef, der am Donnerstag in Innsbruck war, erschien nicht zu der Verhandlung. Es wäre lustig gewesen, wenn er da gewesen wäre, sagte Prieth. Ihm sei sehr wohl bewusst gewesen, dass es eine provokante Aktion war. Dass er aber gleich vor Gericht landen würde, habe er sich nicht gedacht. FPÖ bringt Klage wegen Ehrenbeleidigung ein, weil der Grünen-Politiker über die Ähnlichkeit eines unbekannten Täters auf einem Fahndungsfoto spekuliert hatte. Der Grüne Karl Öllinger hat einen Namen nicht genannt – und zwar jenen von Heinz-Christian Strache. Aber es schien klar, auf wen er in seinem Facebook-Eintrag angespielt hatte. Und jetzt klagte Strache den Grünen. Öllinger hatte ein Fahndungsfoto der Wiener Polizei auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht. Das Foto stammt aus einer Überwachungskamera und zeigt einen Unbekannten, der mehrfach antisemitische Pamphlete an Außenscheiben und Türen von Gebäuden der Israelitischen Kultusgemeinde und anderen jüdischen Einrichtungen angebracht haben soll. Die Fahndung läuft weiterhin, bisher erhielt die Polizei noch keine Hinweise, die zur Ergreifung des Täters geführt hätten. Öllinger schrieb am 28. Februar, an jenem Tag, als auch die Polizei das Foto veröffentlichte, auf seiner Facebook-Seite: Also wenn ich mir das Bild, das Österreich bzw. die Wiener Polizei da veröffentlicht, so anschaue, hätt’ ich auf den ersten Blick schon einen Verdacht, aber den behalt ich lieber für mich! Er gehe jedoch nicht davon aus, dass derjenige der Täter sei, den er auf den ersten Blick identifiziert habe, aber die Ähnlichkeit ist hoch, oder?. Tatsächlich fällt eine gewisse Ähnlichkeit der gesuchten Person mit Strache auf. Für diesen ist dies Grund genug für eine Klage, auch wenn er namentlich nicht genannt wurde. Öllinger bringe völlig ohne Not Herrn Strache in Verbindung mit einem Wahnsinnigen, der antisemitische Zettel aufhängt, sagt FPÖ-Anwalt Michael Rami dazu. Dass Öllinger schreibe, er gehe nicht davon aus, dass der dem Verdächtigen Ähnelnde der Täter sei, ändere in der Sache nichts, es handle sich um einen halbherzigen Rückzieher, um vor Gericht so argumentieren zu können. Zusätzlich zur Klage wegen Ehrenbeleidigung wurde laut Rami auch eine Klage auf Schadenersatz beim Wiener Straflandesgericht eingebracht. Wie finde ich das denn? Nicht halbherzig, sondern grenzwertig!, schreibt Öllinger dazu am Montag und veröffentlicht erneut das Fahndungsfoto. Jetzt bin ich neugierig, ob er mir demnächst auch die Veröffentlichung der Fahndungsfotos verbieten will, weil er findet, dass ich insgeheim finde ... Ach lassen wir das! Der Mann hat ja nicht einmal einen Funken Humor. Öllinger kann der Klage aber auch etwas Positives abgewinnen: Etwas Gutes hat Straches Lärm um nichts ja: Das Fahndungsfoto wird noch bekannter! (völ, 7.3.2016) Freiheitlicher Präsidentschaftskandidat in "Krone" für härtere juristische Vorgangsweise. Wien – FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer spricht sich dafür aus, das NS-Verbotsgesetz auf Sympathisanten der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) auszuweiten. In der Kronen Zeitung (Sonntagsausgabe) forderte er einen härtere juristische Vorgangsweise. Hofer hatte das Verbotsgesetz eigentlich vor einigen Jahren infrage gestellt, die Position allerdings zuletzt deutlich revidiert. Die Ausweitung des Verbotsgesetzes um einen IS-Paragrafen hätte ein höheres Strafmaß zur Folge, erklärte Hofer nun. So soll die Betätigung für den IS wie eine Teilnahme an oder sonstige Unterstützung einer nationalsozialistischen Organisation mit einem Strafrahmen von bis zu zehn Jahren bedroht werden können. Österreichern, die für den IS gekämpft haben, soll auch die Staatsbürgerschaft aberkannt werden, fordert der FPÖ-Kandidat. Stellvertretender Landesparteiobmann: "Kein Aprilscherz". Salzburg – Man sah sich genötigt, klar zustellen, dass es sich explizit nicht um einen Aprilscherz handelt. Offenbar weiß man sogar bei der FPÖ um das Absurde mancher politischer Forderung. Inhaltlich geht es um folgendes: Die ab heute, 1. April, in Salzburg gesetzlich vorgeschriebene Pflicht, freilaufende Katzen kastrieren zu lassen, bringt die Blauen auf Ideen. Der stellvertretende Landesparteiobmann Hermann Stöllner forderte am Freitag die Landesregierung dazu auf, nicht Katzen sondern Vergewaltiger und Kinderschänder zu kastrieren. Reine Geldmache Von der Kastrationspflicht für Katzen – sie gilt nur für reine Wohnungskatzen und Zuchtkatzen nicht – sind laut Stöllner vor allem die Bauern betroffen. Jeder Landwirt, der gegen die Verordnung verstößt, habe mit einer Strafe zwischen 70 und 3.500 Euro zu rechnen. Stöllner sieht das als eine reine Geldmache der Landesregierung. Anstatt sich mit der sinnlosen Zwangskastration von Bauernhofkatzen zu beschäftigen, solle die Regierung lieber mehr Energie in das Thema chemische Kastration für Kinderschänder und Vergewaltiger stecken. Sexuelle Übergriffe sind grausame Verbrechen und werden nur mit gerade einmal neun Jahren belangt, erklärte Stöllner. Die Rückfallquote sei enorm und eine Resozialisierung der Täter kaum bis gar nicht möglich. Neuerliche Turbulenzen unter den Kärntner Freiheitlichen, Darmann folgt nach. Klagenfurt – Unter Kärntens Freiheitlichen gibt es wieder Turbulenzen: Nun muss Parteichef Christian Ragger gehen. Vor einem Jahr hatte Ragger einen innerparteilichen Machtkampf für sich entschieden. Sein Klubobmann im Landtag, Christian Leyroutz, hatte öffentlich gegen den Parteichef opponiert, weil dieser seiner Meinung nach in den Verhandlungen mit dem Finanzministerium viel zu konziliant agiert hatte. Leyroutz forderte deshalb den Abbruch der Gespräche mit dem Finanzminister. Es ging um die überlebensnotwendige Finanzhilfe des Bundes für Kärnten. Bundesparteichef Heinz-Christian Strache hatte sich demonstrativ hinter Ragger gestellt, der gestärkt aus dem Konflikt hervorging. Ragger hat aber offensichtlich nicht geahnt, was tatsächlich hinter seinem Rücken vorging, denn jetzt, ein Jahr später, wird er vom Bundesparteichef abmontiert und durch den Nationalratsabgeordneten Gernot Darmann ersetzt. Offiziell tritt Ragger von selbst zurück. Die Hintergründe der Ablöse liegen noch etwas im Dunkeln. In Kärntner Regierungskreisen geht man davon aus, dass Raggers innerpolitischer Erzfeind Leyroutz in vorderster Reihe bei der Kabale mitgespielt hat. Ragger meinte, er sei stolz auf die gelungene Konsolidierung der Kärntner Freiheitlichen. Mein Ziel war es aber zu keinem Zeitpunkt, selbst Landeshauptmann werden zu wollen und als Kandidat für dieses Amt in eine Wahlauseinandersetzung zu gehen. Darmann sei der beste Mann für diese Aufgabe, er selbst habe ihn Strache vorgeschlagen. Ragger will sich in Zukunft mehr seiner Anwaltskanzlei widmen. Die Erreichung des Ziels eines starken freiheitlichen Wahlergebnisses bei den kommenden Landtagswahlen ist ein so zeitintensives Unterfangen, dass das mit meinen privaten beruflichen Plänen nicht vereinbar ist. Er werde aber selbstverständlich weiterhin Teil des freiheitlichen Teams bleiben, auch Obmann im Bezirk Wolfsberg bleiben und im Einvernehmen mit allen Verantwortungsträgern der Landes- und Bundespartei das freiheitliche Team im Nationalrat verstärken. Abgehalfterter Parteichef Ragger war einer der Letzte aus der "Haider-Erben"-Truppe. Klagenfurt – Es scheint auf den ersten Blick, Frank Stronach habe beim blauen Kärntner Ränkespiel Regie geführt. Die Art, wie jetzt der dortige Parteiobmann Christian Ragger von seinem Bundeschef Heinz-Christian Strache abserviert wurde, ähnelte den Stronachschen Durchgriffsmethoden. Frank pflegte ja ebenfalls Landesobleute – wie zuletzt jenen der Steiermark – ohne Vorwarnung ruckzuck zu entfernen. Bei Ragger dürfte aber doch auch eine strategische Überlegung dahinterstehen. Mit Ragger entledigt sich Strache des letzten Repräsentanten aus der Truppe der Haider-Erben rund um den damaligen Landeshauptmann Gerhard Dörfler. Mit dem Nationalratsabgeordneten Gernot Darmann schickt er einen sehr loyalen Vertrauten aus dem Parlament als Statthalter nach Kärnten. Die Kärntner Landespartei wird mit Darmann jetzt auf Bundeslinie gebracht, sagt die in Klagenfurt tätige Politikwissenschaftlerin Katrin Stainer-Hämmerle. Darmann spielte in dieser alten Riege eine eher untergeordnete Rolle und gilt wie Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer als freundliches Gesicht der FPÖ. Ragger sei als Anwalt mit einer gut gehenden Kanzlei unabhängiger und weniger berechenbar gewesen, zudem könnte Ragger von der juristischen Aufarbeitung der Nach-Haider-Zeit tangiert werden. Strache will sich von allen Lasten der Vergangenheit befreien und sich in Kärnten neu aufstellen, sagt Stainer-Hämmerle. Damit Ragger nicht allzu tief fällt, soll er statt Darmann ins Parlament wechseln. Da Ragger aber nicht – wie Darmann – auf der Bundesliste steht, müsste ein aufwendiges Prozedere von zahlreichen Verzichtserklärungen organisiert werden. Das war sicher unbedacht. Es macht auch kein gutes Bild, wenn Ragger auf Kosten anderer ins Parlament kommt, sagt Stainer-Hämmerle. Im Wahlkampf betont der blaue Kandidat auffallend oft, dass er gern schießt – und sich notfalls auch gegen Übeltäter wehren kann. Wien – Norbert Hofer (45), Dritter Nationalratspräsident und Hofburg-Anwärter der FPÖ, steht in seinem Wahlkampf ausdrücklich zu seiner Glock. Neulich erklärte er in der sonntäglichen ORF-Pressestunde, dass für ihn angesichts der Flüchtlingskrise die steigende Zahl an Waffenbesitzern nachvollziehbar sei, weil: In unsicheren Zeiten versuchen die Menschen, sich zu schützen – wie etwa auch mit der Installation von Alarmanlagen. Ähnlich hat sich zuletzt auch schon Robert Lugar, Klubchef des Team Stronachs, geäußert, der sich ebenfalls eine Pistole von diesem Hersteller anschaffen will. Stehen jetzt immer mehr Mitglieder des Nationalrats als Volksvertreter plötzlich auf Waffen? Auch Hofer hat sich seine Glock erst vor einem halben Jahr zugelegt. Als privater Sportschütze hat sich der Burgenländer aber schon vor Wochen dazu bekannt: Ich schieße einfach gerne. Via ORF präzisierte der Inhaber eines Waffenpasses (siehe Wissen unten), dass er auch aufgrund seiner exponierten Position in der Politik seine Pistole dann und wann schon mit dabei gehabt habe. Der Grund dafür: Es gibt leider auch verrückte Menschen. Auf Anfrage ergänzt Hofers Mitarbeiter Martin Glier, dass Hofer seine Waffe beim aktuellen Stimmenfang freilich nicht trage – auch weil er als Dritter Nationalratspräsident ohnehin Personenschutz genieße. Trotz alledem erhöhe der Waffenbesitz Hofers subjektives Sicherheitsgefühl. Dass er sein Sport- wie Selbstverteidigungsgerät, wie sie auch Polizisten als Dienstwaffe tragen, fallweise auch in die Hofburg mitnimmt, hat der blaue Kandidat bereits verneint: Ich kann als Präsident keine Waffe mit mir tragen! Bestimmter Nachsatz: Das ist unmöglich. Auf Hofers Instagram-Account kann man jedenfalls sehen, dass auch seinem Nachwuchs der Umgang mit Waffen schon vertraut ist. Auf der sozialen Plattform präsentiert er seine Kinder stolz beim Schießtraining, denn: Meine Tochter trainiert Biathlon. FPÖ-Chef zu Charmeoffensive in Israel – Israels Außenministerium lehnt offizielle Treffen weiterhin ab. Einen gewöhnlichen Hut – und nicht eine Burschenschafterkappe wie bei seinem Besuch 2010 – trug Heinz-Christian Strache, als er am Dienstag im Tal der Gemeinden in der Jerusalemer Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem einen Kranz niederlegte. Nein, es gebe bei ihm keinerlei Kehrtwende und kein Kalkül, sich durch eine Annäherung an Israel und das Judentum in der Welt salonfähig zu machen, versicherte der FPÖ-Chef dem STANDARD: Ich bin seit 2002 schon fünfmal nach Israel gekommen – ich bin eine ganz andere Persönlichkeit als Jörg Haider. Unter meiner Obmannschaft habe ich immer klargemacht, dass Antisemitismus in meiner Partei nichts verloren hat. Strache betonte, dass er von der in Israel regierenden Likud-Partei eingeladen worden sei, und in seiner Umgebung wurde signalisiert, es seien sogar diskrete Treffen mit Regierungsmitgliedern vorgesehen. Namen der hochgradigen Persönlichkeiten wollte man nicht nennen. Als Vermittler wurden etwa der frühere Likud-Abgeordnete Michael Kleiner und der ehemalige Mossad-Agent und Minister Rafi Eitan (89) genannt. Das offizielle Israel blieb bei der Position, dass man keine Kontakte mit der FPÖ wolle und den Besuch vorläufig auch nicht kommentieren werde. Hinter vorgehaltener Hand hieß es indes in Jerusalem, man müsse jetzt angesichts des Erstarkens weit rechts stehender Parteien in Europa diese Position überdenken. Auch die USA oder Großbritannien hätten da ein Problem mit der Partei von Haider und Strache. Sowohl in Israel als auch etwa in der jüdischen Gemeinde in Österreich gebe es Stimmen, die dazu raten würden, mit der FPÖ zu reden. Für Strache ist es selbstverständlich, dass wir eine Normalisierung der Beziehungen zu Israel wollen. Er habe die beiden freiheitlichen Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner und Hans Tschürtz auch deswegen mitgenommen, weil sie durch ihre Koalitionen mit unterschiedlichen Parteien die Offenheit der FPÖ demonstrieren würden. Solidarität mit Israel zeigte Strache in Fragen, die den Israelis am Herzen liegen: etwa der Boykott israelischer Produkte und die Kennzeichnungspflicht in der EU, die gegen unsere Stimmen beschlossen wurde. Insgesamt haben wir ja durch den Islamismus und den Terrorismus eine Situation, so Strache, in der die Existenz und das Selbstverteidigungsrecht Israels leider immer noch von manchen Ländern nicht akzeptiert werden. Zwei Initiativen stoßen auf blauen Widerstand – FP-Stadtrat will Gedenken an "ganze unfreie Zeit 1933 bis 1955". Wien – Während der FPÖ-Chef in Israel die Holocaust-Gedenkstätte besucht, gibt es in Österreich blauen Widerstand gegen Erinnerungsinitiativen. Etwa in Gerasdorf bei Wien. Dort will die Gemeinde durch das Anbringen eines Gedenksteins und durch eine Straßenbenennung an die ungarische Jüdin Rózsi Braun erinnern. Braun wurde in einem Lager in Gerasdorf zur Zwangsarbeit genötigt. Nur mit viel Geschick, so Stephan Roth vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), konnte die 1944 nach Bergen-Belsen deportierte Frau sich und ihren Sohn am Leben erhalten. Am 17. Juni soll der Gedenkstein in Anwesenheit des heute in Budapest lebenden 79-jährigen Sohns enthüllt werden. Alle Fraktionen stimmten für die Straßenbenennung, nur die FPÖ nicht. Vizebürgermeister Lukas Mandl (ÖVP), der das Gedenken initiiert hat, bedauert das im STANDARD-Gespräch. Ihm sei es ein Anliegen gewesen, das Gedenkprojekt, dem auch eine längere wissenschaftliche Aufarbeitung in Zusammenarbeit mit dem DÖW, der Akademie der Wissenschaften und dem Vienna Wiesenthal Institute for Holocaust Studies vorausging, transparent zu gestalten, so habe die Stadtregierung schon zu Beginn der Periode öffentlich darüber informiert. Doch die Blauen hätten das verweigert. FPÖ-Stadtrat Dietmar Ruf ist das Projekt wegen der Beteiligung des DÖW, das er als linkslinks bezeichnet, zu ideologisch. Eine Begründung, die Mandl bemerkenswert findet: Das sagt mehr über die FPÖ aus als über die Sache selbst. Der Opfer zu gedenken ist nicht ideologisch, sondern eine Frage des Anstands. Ruf hingegen behauptet, Mandl wolle aus der Sache populistisch politisches Kleingeld schlagen – und nutzt die Causa gleich selbst für Eigenwerbung. In einem Artikel mit dem Titel Lukas Mandl und die Suche nach einem Lager in der Gerasdorfer FPÖ-Parteizeitung stellt er nicht nur die Existenz des Zwangsarbeiterlagers infrage, sondern offenbart auch sein relativistisches Geschichtsverständnis (siehe Bild). Im STANDARD-Gespräch betont Ruf, er sei für historische Aufarbeitung, aber man müsse sich die gesamte unfreie Zeit anschauen, von 1933 bis 1955. Da die Straßenbenennung diese Bedingung nicht erfülle und überdies mehrere Zeitzeugen, mit denen ich gesprochen habe, von dem Lager gar nichts wissen, habe man dem Antrag nicht zugestimmt. Eine objektive Aufarbeitung würde er befürworten, so der Stadtrat. Danach, so Ruf, solle man aber irgendwann einen Schlussstrich ziehen und Geschichte Geschichte sein lassen und sich um die eigentliche Politik kümmern. Auch im vierten Bezirk in Wien legen sich die Blauen gegen das Verlegen von Steinen der Erinnerung quer. Die Wiedner FPÖ habe dem Antrag, Gedenksteine im Boden anzubringen, nicht zugestimmt, bestätigt Bezirksklubobmann Georg Schuster dem STANDARD. Begründung: Man lehne Mahnmale ab, wo der Hund drüberrennt und wo man draufsteigt. Besser seien Tafeln an Hauswänden – auch auf die Gefahr hin, dass das am Widerspruch der Hausbesitzer scheitere. Denn beim Gedenken sei es so wie bei Begegnungszonen: Darüber soll die Bevölkerung abstimmen. Nach Parteivorstandssitzung der steirischen FPÖ wird nur Funktionsverbot für Kerbl bestätigt, Identitäre planen Österreich-Headquarters in Graz. Graz – Üblicherweise kommuniziert die FPÖ öffentlich, wenn sie ein Mitglied aus der Partei ausschließt. Am vergangenen Freitag sollte der Parteivorstand der steirischen FPÖ über den Ausschluss von Luca Kerbl beraten. Ob er nun ausgeschlossen wurde, will man seitens der Partei allerdings nach mehrmaliger STANDARD-Nachfrage nicht kommentieren. Als Grund wird von Pressesprecher Philipp Könighofer erst die Erfahrung mit der Berichterstattung des STANDARD, etwas später das Datenschutzgesetz genannt. Wie berichtet, war Kerbl unter jenen vier Männern, die beim Übergriff der rechtsextremen Identitären auf die Parteizentrale der Grünen in Graz auf deren Dach kletterten. Nur eine Woche bevor die Gruppe eine Theateraufführung mit Flüchtlingen im Audimax der Wiener Universität stürmte, wurde auch in Graz mit Kunstblut herumgeschüttet, bengalisches Feuer geschwenkt und am Dach der Grünen ein Transparent entrollt. Die steirische FPÖ verlautbarte am nächsten Tag, dass für FPÖ-Funktionär Kerbl ab sofort ein Funktionsverbot gelte. Zumindest dieses Funktionsverbot bleibe jedenfalls aufrecht, so Könighofer am Montag. Kerbl soll auch oft im Grazer FPÖ-Gemeinderatsklub ein- und ausgegangenen sein. Der Grazer FPÖ-Chef und Stadtrat Mario Eustacchio hatte die Identitären mehrmals als harmlos dargestellt. Doch es ist längst bekannt, welch Geistes Kind die zuerst in Frankreich aufgetauchten Rechten sind. Einer ihrer Führungskader, der wie Kerbl in Graz studiert, betreibt einen Internetversand, mit dem sich die Rechten, die gern Neonazis auf ihren Demos mitziehen lassen, selbst aber auf Bomberjacken und Glatzen verzichten, einkleiden können. Auf T-Shirts, deren Ästhetik von der Linken kopiert wurde, prangen Aufschriften wie Still not loving Antifa oder Schmiss happens. Sie werden ebenso feilgeboten wie Aufkleber mit Zitaten des nationalistischen und demokratiefeindlichen Schriftstellers Ernst Jünger (1895–1998). Kerbl war jahrelang FPÖ-Gemeinderat im obersteirischen Fohnsdorf und zuletzt Bezirksobmann, allerdings nicht Bezirksrat, im Grazer Bezirk Lend. Sein Mandat in Fohnsdorf gab er auf. In Graz wollen die Identitären, gegen die der Verfassungsschutz ermittelt, auch ihre Headquarters aufschlagen. Auf ihrer Homepage sammeln sie Geld für das erste identitäre Zentrums Österreichs, wo in Graz Lieder- und Filmabende und umfangreiche Theoriearbeit stattfinden sollen. Die FPÖ ist kein Einzelfall: Quer durch Europa florieren rechtspopulistische Parteien. Der Jubel fiel knapp, aber euphorisch aus. Fantastic twitterte Geert Wilders von der niederländischen Partei für die Freiheit, Matteo Salvini von der italienischen Lega Nord schickte ein Trionfo: Nach Norbert Hofers Sieg bei der Präsidentenwahl blicken Europas Rechtspolitiker wieder einmal ehrfürchtig nach Österreich. Im Gegensatz zu Jörg Haiders Zeiten ist die FPÖ aber längst kein herausragender Sonderfall mehr. Quer über den Kontinent florieren rechtspopulistische Parteien, die – so der gemeinsame Nenner – als Antwort auf Wirtschaftsmisere und Flüchtlingskrise den Rückzug ins nationale Idyll verheißen. Die Fidesz in Ungarn (44,9 Prozent der Stimmen bei den letzten Parlamentswahlen) regiert ebenso mit absoluter Mehrheit wie die polnische Partei Recht und Gerechtigkeit (37,6 Prozent). Ebenfalls in blaue Dimensionen vorgestoßen sind bereits die Dänische Volkspartei (21,1 Prozent) und der Front National, der bei den Europawahlen im Jahr 2014 mit 25,4 Prozent der Stimmen stärkste Kraft in Frankreich wurde. In Finnland, Lettland, Schweden, Großbritannien und den Niederlanden schafften es Rechtspopulisten immerhin bis über die Zehn-Prozent-Marke. Zuletzt wurde auch Deutschland, das lange Zeit immun schien, vom Rechtsruck erfasst: Die Alternative für Deutschland (AfD) schaffte es mit teils beeindruckenden Ergebnissen in verschiedene Landtage. Highlight waren 24,2 Prozent in Sachsen-Anhalt. Der Einzug in den Bundestag scheint bei der für nächstes Jahr angesetzten Wahl geebnet. Was die Rechte auch auf europäischer Ebene paktfähiger und damit schlagkräftiger macht: Während in Osteuropa die historischen Konflikte zwischen den Nationen – etwa zwischen Ungarn und der Slowakei – zum Teil noch eine Rolle spielen, haben zumindest die westlichen Parteien die alten Gräben überwunden. Nun geht es gegen gemeinsame Feinde: den Islam, die EU, immer mehr auch gegen internationale Konzerne und die Globalisierung. So manche Rechtspartei – auch da ist die FPÖ ein Role-Model – beerdigte ihre wirtschaftsliberalen Traditionen, um fortan auf antikapitalistische Rhetorik zu setzen. Bezeichnend: Nicht die Kandidaten von SPÖ und Grünen waren es, die in den TV-Debatten am konsequentesten gegen das Freihandelsabkommen TTIP wetterten, sondern Norbert Hofer. Die Rechtsausleger haben ihr Repertoire eben an die Gefühlslage potenzieller Wähler angepasst. Die Furcht, von Flüchtlingen und Zuwanderern überlaufen zu werden, paart sich mit Abstiegsängsten, die sich angesichts steigender Arbeitslosigkeit und einer immer ungemütlicheren Berufswelt seit den 1980er-Jahren ausbreiten – und nun bis weit in die Mittelschicht zu reichen scheinen. Wiener FPÖ-Sekretär Mahdalik sieht "Verdacht auf Verletzung der Menschenwürde". Wien – Eva Trimmel, Inhaberin des Kaffeehauses Fett & Zucker im zweiten Wiener Bezirk, machte am Montag ihrem Unmut über den Wahlausgang Luft und stellte eine Tafel mit den Worten Wenn du bei diesen 35 Prozent dabei bist, geh doch bitte weiter vor ihr Lokal. Das löste eine Welle der Empörung aus. Trimmel, die ihr Statement auch auf Facebook veröffentlichte, hat das Posting mittlerweile gelöscht und bereut die Aktion. Dennoch brachte es ihr eine Anzeige von Toni Mahdalik ein. Der FPÖ-Landesparteisekretär begründet den Schritt mit Verdacht auf Verletzung der Menschenwürde, wenn politisch Andersdenkende als unerwünschte Personen bezeichnet werden. Landesparteiobmann wurde überdeutlich bestätigt. Graz – Die steirischen Freiheitlichen haben bei ihrem 33. ordentlichen Landesparteitag am Samstagnachmittag in Graz ihren Landeschef Mario Kunasek überdeutlich bestätigt: Er erhielt 99,28 Prozent der abgegebenen Stimmen. Schon bei seiner ersten Wahl am 17. Oktober 2015 in Bruck/Mur auf einem außerordentlichen Parteitag hatte er 98,21 Prozent erreicht. Von den 417 abgegebenen Delegiertenstimmen waren lediglich drei ungültig. 414 stimmten für Landtagsklubchef Kunasek. Der Parteitag war von großem Selbstbewusstsein geprägt – in Bruck/Mur hatten vor über einem halben Jahr noch 284 stimmberechtigten Delegierte für den Nachfolger von Gerhard Kurzmann gestimmt. Kunasek ist Berufssoldat und lebt in Gössendorf bei Graz. Die AfD-Chefin, auf Einladung bei der FPÖ-Wahlparty in Wien, hält Hofers Wortwahl für "individuell". Wien – Bei der blauen Wahlparty im Wiener Prater war am Sonntag auch Frauke Petry, Vorsitzende der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), mit dabei. Im STANDARD-Interview erklärt sie, was angesichts der Flüchtlingsmisere öffentlich gesagt werden muss. Dass FPÖ-Hofburganwärter Norbert Hofer im Wahlkampf Asylwerber quasi mit Invasoren gleichgesetzt hat, kommentiert sie so: Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell. Für Petry war der Tag der Stichwahl jedenfalls ein bedeutender Tag nicht nur für Österreich, sondern für ganz Europa. STANDARD: Sind Sie wegen der Bundespräsidentschaftswahl extra nach Österreich gekommen? Petry: Wir hatten eine Einladung für heute Abend – und da das ein bedeutender Tag nicht nur für Österreich ist, sondern für ganz Europa, sind wir dieser Einladung auch gern gefolgt. STANDARD: Es steht aber quasi 50:50 für die Kandidaten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer. Petry: Das ist eine spannende Wahl. Ich denke, sie zeigt, dass eine Partei wie die FPÖ jenseits der Etablierten Mehrheiten gewinnen kann – und unabhängig davon, wer jetzt gewinnt, zeigt es, dass es in ganz Europa ein Korrektiv zur etablierten Politik gibt. So, wie die AfD in Deutschland große Erfolge feiert, tut die FPÖ das in Österreich schon lang – und ich glaube, das zeigt, dass wir den Kurs in Österreich ändern müssen – und in ganz Europa eben auch. STANDARD: Während des Wahlkampfs hat Hofer in Zusammenhang mit den Flüchtlingen von Invasoren gesprochen. Sehen Sie das Ganze auch so? Petry: Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell. Aber Tatsache ist, dass wir derzeit ja keine Flüchtlings-, sondern eine Migrationskrise sehen, in der gerade die deutsche Bundesregierung schwere Fehler begangen hat, unserer Ansicht nach auch deutsches Recht gebeugt hat und sich jetzt auf europäische Partner, unter anderem Österreich, verlässt, um dieses Problem zu lösen. Ich denke, eine illegale Migration muss strafbar bleiben, und diejenigen, die das Asylrecht wissentlich missbrauchen, verhalten sich kriminell – und das muss auch öffentlich so gesagt werden. STANDARD: Den Terminus Invasoren würden Sie auch so verwenden? Petry: Noch einmal: Die Wortwahl eines jeden Politikers ist individuell, und ich denke, das sollte auch so bleiben. Tatsache ist, dass wir viele Migranten in ganz Europa haben, die wissentlich unser Recht missbrauchen – und deswegen braucht es darauf eine politische Antwort. STANDARD: Soll ein Bundespräsident so reden? Petry: Schauen Sie: Sie stellen jetzt zum dritten Mal dieselbe Frage – und ich werde sie nicht noch einmal beantworten, weil ich sie Ihnen bereits zweimal beantwortet habe. STANDARD: Polarisiert das nicht die Gesellschaft in Österreich und ganz Europa, wenn man so einen Zugang hat? Petry: Was Europa seit Jahren polarisiert, ist eine fehlgeleitete Politik, vor allem die der alten großen Volksparteien – und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Ländern Europas. Tatsache ist, dass es unsere Aufgabe sein muss, Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit auf dem gesamten Kontinent zu bewahren. Und die Politik der Grenzenlosigkeit tut genau das Gegenteil davon. STANDARD: Was tippen Sie, wer wird vorne liegen nach Auszählung der Briefwahlkarten? Petry: Ich bin Wissenschafterin, bei so einer knappen Differenz wage ich keine Vorhersage. Herr Hofer kann es werden, ich wünsche es ihm, aber die Wahlkarten werden entscheiden, und es werden wenige tausend Stimmen sein, die am Ende das Ergebnis herbeiführen. STANDARD: Bei den Wahlkarten sind meistens die Grün-Wähler vorne. Haben Sie eine Erklärung dafür, warum die FPÖ-Wähler tendenziell nicht so gerne mit Wahlkarte wählen? Petry: Nein. Ich denke, das sind unterschiedliche Traditionen in Deutschland und in Österreich – und es wählen auch in Deutschland häufig ältere Leute per Briefwahl, die dann eher konservativ wählen. Da sollten wir einfach den Tag abwarten, so lange ist es ja nicht mehr. STANDARD: Hofer hat sich sehr zurückgehalten. Wird sich die AfD davon inspirieren lassen? Petry: Also, die AfD macht ihre eigene Politik. Die AfD hat natürlich politische Freunde in ganz Europa. Wir haben gemeinsame Ideen, wir haben auch Unterschiede. Am Ende muss jede Partei ihren eigenen Weg finden, und wir müssen vor allem ein Prinzip wieder verinnerlichen: Gelebte Subsidiarität heißt, dass es auf europäische Ebene durchaus Gemeinsamkeiten geben kann und dass man die nationalen Unterschiede respektiert – und das sollte weiterhin so bleiben. STANDARD: Mit dem französischen Front National und der ungarischen Jobbik macht es Ihnen nichts aus, in einem Boot zu sitzen? Petry: Ich habe gerade schon gesagt: Die gelebte Subsidiarität für Europa, die über Jahrzehnte der Erfolgsgarant für diesen Kontinent, für wirtschaftliche Zusammenarbeit war, bedeutete immer, dass wir das Prinzip von Freiheit und Verantwortung und der Solidarität gleichermaßen bewahren. Das ist verlorengegangen, und deswegen gilt es auf nationaler Ebene zu respektieren, was die jeweiligen Parteien tun, und auf europäischer Ebene die Gemeinsamkeiten zu finden. Und da gibt es eine wachsende Euro-EU-kritische Allianz, und die gilt es weiter auszubauen. STANDARD: Wenn Hofer die Präsidentschaftswahl gewinnt, kommen Sie dann auch zum umstrittenen Burschenschafterball in die Hofburg? Petry: Ach, wissen Sie: Mein Terminplan ist so voll. Lassen Sie uns darüber heute Abend nicht reden, da ist noch gar nicht der Zeitpunkt dafür. (Maria von Usslar, Nina Weißensteiner, 23.5.2016) Gegenseitige Bedrohungen – Gaspistole soll im Spiel gewesen sein. Gramatneusiedl – Der FPÖ-Vizebürgermeister von Gramatneusiedl (Bezirk Wien-Umgebung), Markus Vetter, ist am Montagabend in einen Nachbarschaftsstreit verwickelt gewesen. Es soll zu gegenseitigen Bedrohungen gekommen und auch eine Gaspistole im Spiel gewesen sein, bestätigte die Polizei auf Anfrage einen Onlinebericht des Kurier vom Dienstag. Die Kontrahenten wurden angezeigt. Auslöser für den Streit in einem Mehrparteienhaus war laut Polizeisprecher Johann Baumschlager der Hund des Kommunalpolitikers, der ohne Leine unterwegs gewesen sei und die Frau eines türkischen Nachbarn angebellt habe. Vetter soll mit dem Umbringen bedroht worden sein und seinerseits eine Gasdruckpistole geholt haben. Wegen der offensichtlich brisanten Situation wurde zunächst sogar das Einsatzkommando Cobra angefordert, dann jedoch wieder zurückgerufen, sagte Baumschlager. Der laut dem Polizeisprecher alkoholisierte Vizebürgermeister wurde auf dem Gehsteig vor dem Wohnobjekt angetroffen. Bei einer Hausdurchsuchung wurde eine Gaspistole samt Munition sichergestellt. Moser hatte Zweitgehalt kritisiert – OGH entschied: Freie Meinungsäußerung ausgeübt. Wien – Ein Rechtsstreit zwischen dem früheren Patentamtschef Friedrich Rödler und der Grünen Abgeordneten Gabriela Moser ist nun entschieden: Rödler ist mit seiner Klage gegen Moser wegen deren kritischen Äußerungen über Rödlers Zweitgehalt vor dem Obersten Gerichtshof (OGH) abgeblitzt, geht aus dem der APA vorliegenden OGH-Urteil hervor. Rödler muss Moser 9.237 Euro Verfahrenskosten ersetzen. Stein des Anstoßes war eine Sachverhaltsdarstellung Mosers bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft, die sie nach einem Rechnungshofbericht zum Patentamt einbrachte. Darin thematisierte sie, dass Rödler zusätzlich zu seinem Einkommen als Präsident des Patentamts ein Gehalt als Geschäftsführer einer teilrechtsfähigen ausgegliederten Einheit (serv.ip) bezöge. Es ging um ein Zweitgehalt in Höhe von laut Medienberichten 75.000 Euro jährlich – zusätzlich zum Gehalt als Patentamts-Chef. Über die Causa wurde vom ORF-Radio und weiteren Medien berichtet. Rödler klagte Moser auf Unterlassung und Widerruf. Zulässiges Werturteil Die Grüne Moser hat nun, zweieinhalb Jahre später, vor dem OGH Recht bekommen. Bei ihren Äußerungen habe es sich um zulässige Werturteile gehandelt, so das Höchstgericht. Rödler ist seit April 2015 nicht mehr Chef des Patentamts. Sein Fünf-Jahres-Vertrag war ausgelaufen und wurde nicht mehr verlängert, hieß es in der Pressestelle des Patentamts. Als interimistischer Chef des Patentamts ist nun Christian Weissenburger tätig. Rödler war Generalsekretär von Verkehrsminister Vizekanzler Hubert Gorbach (FPÖ/BZÖ). Von Gorbach wurde er im Oktober 2004 zum provisorischen Leiter des Patentamts bestellt, im April 2005 wurde er dessen Präsident. Zehn Jahre lang stand er an der Spitze der Behörde. Ergebnis weist aber auch auf mangelnde Wirtschaftskompetenz hin. Wien – Die Wiener Grünen vermitteln positive Gefühle – aber wenn es um die Interessen der Arbeitnehmer und der Wirtschaft geht, dann gelten sie kaum als Anlaufadresse, fasst der Parteienforscher David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut den Befund zusammen, den er im Auftrag des Standard erhoben hat. Jeder zweite Befragte – vor allem Befragte unter 50 – sehen die Grünen als eine Partei der jungen Menschen. Jeder Dritte meint, die Grünen stünden für eine moderne, offene Weltstadt. In beiden Punkten haben die Grünen im Vergleich zu einer gleichlautenden Umfrage aus dem Jahr 2011 noch deutlich zulegen können. Was für Pfarrhofer besonders auffallend ist: Die Grünen haben bei den befragten Frauen durchwegs stärkere Nennungen als bei Männern – offenbar gelingt es den Grünen, Frauen besser anzusprechen, als das andere Parteien hinkriegen, sagt Pfarrhofer. Weiterer Pluspunkt aus seiner Sicht: Im Verkehrsbereich, für den die Partei in den vergangenen fünf Jahren Verantwortung hatte, gibt es weit über die Parteigrenzen hinweg Anerkennung. Auch die Bemühungen im Bereich der Armutsbekämpfung und der Integration werden breit wahrgenommen. Sexismusvorwurf an wahlkämpfende Grüne – Jungpolitiker Julian Schmid: "Politik braucht auch Spaß". Wien – Irgendwie scheint die Sache dem Jugendsprecher der Grünen, Julian Schmid, doch urpeinlich zu sein. Er sei den ganzen Tag über in Gesprächen und habe keine Zeit für ein Telefonat, hieß es am Dienstag aus dem Grünen-Büro im Parlament. Erst spät am Nachmittag fand er erste Worte zu den Vorwürfen. Der grüne Jungabgeordnete wird nämlich, grob gesagt, des Sexismus bezichtigt, oder, anders gedeutet, könnte er sogar selbst Opfer von Sexismus sein. So ganz klar ist die etwas skurrile Sachlage noch nicht. Schmid ließ sich auf einem Wahlplakat für die Grünen unter dem Slogan Ich bin Öffi für alles mit lauter roten Kussmündern, die sein Gesicht bedecken, ablichten. Die Neos hatten hinter der Inszenierung des Wahlplakats Sexismus geortet und Beschwerde eingelegt. Die Werbewatchgroup – sie wird von der Frauenabteilung der Stadt Wien koordiniert – gab den Neos nun recht. Das Plakat sei sexistisch. Sexualisierung des Mannes Die Prüferinnen kamen zu dem Schluss, die Inszenierung des lächelnden Mannes mit dem Slogan Ich bin Öffi für alles suggeriere, dass er für sexuelle Abenteuer offen sei. Dadurch finde eine Sexualisierung des Mannes statt. Das Urteil weiter: Parallel zur Abwertung und der damit verbundenen Objektisierung wird augenzwinkernd versucht, den Mann nach geschlechtsstereotypen Mustern aufzuwerten – der Mann wird als potent und polyamourös inszeniert, die Werbung spiele mit heteronormativen Klischees, der Mann sei aber nur offen in eine Richtung. Es fehlten sozusagen die männlichen Kusslippen auf der Wange. Die Verwendung der Kussmünder wecke nämlich Assoziationen von weiblichen Lippenstiftabdrücken. Die Watchgroup: Somit erfolgt ein Ausschluss von nichtheterosexuellen Beziehungen. Schmid zeigt sich zumindest nach außen hin amüsiert: Ich glaube, die Politik braucht auch ein bissl Spaß. Es ist uns gelungen, mit dem Plakat auf den öffentlichen Verkehr aufmerksam zu machen, das ist doch super, oder? (Walter Müller, 15.9.2015) Satiremagazin "Moony" gegen Wahlkampagne der Mutterpartei. Das sitzt: Mit einem Satiremagazin rebellieren die Jungen Grünen gegen ihre Mutterpartei. Moony nennt sich das Heft im Bravo-Stil, mit dem der aktuelle grüne Wahlkampf in Wien und Oberösterreich kräftig aufs Korn genommen wird – Poster zum Herausnehmen inklusive: Das Heft spielt auf das Eva-Magazin der Mutterpartei an, das potenzielle junge Grün-Wähler ansprechen will. Auch bittere Kritik an den Wahlplakaten der Grünen findet sich darin: Auch Selbstkritik fehlt nicht. Aus dem Inserate-Teil des Magazins: Man wolle mit dem Magazin Erstwähler für konsequente Inhaltslosigkeit begeistern, schreibt die Jugendorganisation in einer Aussendung. Das Heft ist nach der Sprecherin der Jungen Grünen Wien, Moony Akpuma, benannt. Damit wollen die Jungen Grünen dem Personenkult ihrer Mutterpartei um nichts nachstehen, heißt es. Kommende Woche erscheint das neue Buch des ehemaligen Grünen-Chefs – dezidiert nicht als Programm eines Präsidentschaftskandidaten. STANDARD: Die genaue Lektüre Ihres Buches legt die Frage nahe: Dürfen Politiker lügen? Van der Bellen: Na ja: Das kommt darauf an. Ich nehme an, Sie spielen auf eine Episode aus dem Parlament an – wo es um die Zahlungsunfähigkeit Griechenlands gegangen ist ... STANDARD: Und wo Sie recht freimütig meinten: Sie haben Verständnis dafür, wenn die Finanzministerin die Unwahrheit gesagt hat. Van der Bellen: Es ging dabei um eine Parlamentsdebatte zu einem Zeitpunkt, zu dem ich meine, dass Finanzministerin Maria Fekter ebenso wie ich der Meinung war, dass Griechenland insolvent ist und nicht nur illiquid. Dennoch hat sie auf eine Anfrage des BZÖ geantwortet, dass Griechenland nicht insolvent wäre. Das ist eine zu rechtfertigende Unwahrheit. STANDARD: Weil man die Wahrheit nicht hätte sagen dürfen? Van der Bellen: Wenn sie dem Ausdruck gegeben hätte, was ich für ihre wirkliche Meinung, die ich natürlich nicht kennen kann, gehalten habe, dann hätte das sofort zu Turbulenzen auf den Finanzmärkten führen können, mit Ansteckungsgefahr für Spanien und Italien. Mit Konsequenzen, die jedenfalls nicht Ministerin Fekter hätte beherrschen können, sondern – wenn überhaupt – wieder einmal nur die Europäische Zentralbank. STANDARD: Wenn ein österreichischer Minister aus dem europäischen Konsens ausschert, führt das zu internationalen Turbulenzen? Van der Bellen: Das wäre nicht unwahrscheinlich. Es macht auf den Finanzmärkten einen entscheidenden Unterschied, ob ich als Chef einer kleinen Oppositionspartei so etwas sage – was ich in der Debatte auch gesagt habe – oder ob das eine Finanzministerin sagt. Sie kennen die Parabel von des Kaisers neuen Kleidern: Die Kinder dürfen auf den Kaiser zeigen und sagen, dass er nackt ist. Der Hofmarschall darf das nicht. STANDARD: Und im Sinne der europäischen Räson müssen die Regierenden auch lügen? Van der Bellen: Um große Risiken wie das beschriebene zu vermeiden, darf man notfalls die Unwahrheit sagen. STANDARD: Hatten Sie im Lauf Ihrer Politikerkarriere öfter den Eindruck, dass Ihr Gegenüber Sie belügt – dass der- oder diejenige es doch eigentlich besser wissen? Van der Bellen: Nein. Nicht oft. Ausweichende Antworten – das ja. Glatte Unwahrheit: selten. Ich bin da auf eine Glosse von Franz Walter vor einigen Jahren im Spiegel gestoßen, wo er einigen Politikern wie etwa Churchill nachgewiesen hat, dass sie die Unwahrheit gesagt haben. Würde man deshalb sagen, dass Churchill ein schlechter Politiker war? STANDARD: Wohl eher nicht. Van der Bellen: Zu diesem Schluss kommt auch Walter. Aber das ist natürlich kein Freibrief für Kleingeister aller Art, zu meinen, dass man immer und jederzeit herumlügen kann. Das natürlich nicht. STANDARD: Und wie ist es Ihnen selber gegangen? Ich meine: In Parteigremien kann man auch nicht immer alles sagen, sonst wird man wohl nicht gewählt? Van der Bellen: In Parteigremien darf man schon die Wahrheit sagen – aber wenn man dann hinausgeht aus dem Gremium, und es wurde dort etwas beschlossen, mit dem man vielleicht nicht einverstanden war, wo man also seine andere Position nicht durchsetzen konnte – da muss man gleichwohl dem STANDARD nachher sagen: Großartig, was wir da wieder Tolles beschlossen haben! Das ist schon vorgekommen ... STANDARD: Hat Ihnen das wehgetan? Van der Bellen: Manchmal schon. STANDARD: Es gibt aber auch Dinge, wo Sie sagen: Das geht niemanden etwas an. So raten Sie jungen Politikern davon ab, sich für Homestorys herzugeben, wie das durchaus auch Grüne gemacht haben. Van der Bellen: Es hat mehr oder weniger spektakuläre Einzelfälle gegeben wie Thomas Klestil mit dem berühmt-berüchtigten News-Interview über seine Privatsphäre. Oder Karl-Heinz Grasser – der hat das ja inszeniert. Aber wenn Sie das mit England und USA vergleichen, dann haben wir hier noch ein Paradies der Privatsphäre. STANDARD: Politisch muss man doch viele Dinge vertraulich halten? Sie sind – anders, als man das von vielen Grünen kennt – nicht apodiktisch gegen das Freihandelsabkommen TTIP, das ja im Wesentlichen geheim verhandelt wird. Da kommt es wohl auf das richtige Maß an? Van der Bellen: Ja, das ist nicht immer ganz einfach. Dass man bei Verhandlungen hin und wieder eine Woche oder auch drei Wochen etwas vertraulich verhandeln können muss, damit tragfähige Lösungen überhaupt möglich werden, ist klar. Wenn alles jederzeit im Licht der Öffentlichkeit passiert, dann sind Verhandlungen von vornherein zum Scheitern verurteilt. Die Frage ist: Wann gebe ich was weiter? Das ist eine Gratwanderung. Aber das ist kein TTIP-Phänomen, das ist in jeder Verhandlung so. STANDARD: Was hätten Sie anders gemacht, wo hätten Sie, rückblickend betrachtet, ehrlich sagen müssen, dass da etwas falsch läuft? In Ihrem Buch habe ich keine solche Stelle gefunden ... Van der Bellen: Wie meinen Sie das? Politisch? STANDARD: Politisch. Persönlich werden Sie ja nicht sagen: Es war ein großer Fehler, in die Politik zu gehen, oder? Van der Bellen: (lacht) Nein, das werde ich nicht sagen. Aber es gibt Sachen, die mich im Nachhinein schon geärgert haben, weil ich dem Konflikt ausgewichen bin. Wann hat sich die Frage gestellt, ob sich Österreich am Tschad-Einsatz beteiligt? STANDARD: 2007. Van der Bellen: Ja, richtig. Da ist monatelang verhandelt worden: Wie viele Soldaten schicken die Franzosen, wie viele schicken die anderen? In der Neuen Zürcher waren durchaus kritische Kommentare, dass das im Kern eine französische Aktion ist mit einigem Beiwerk ... STANDARD: Ein nicht ganz unberechtigtes Argument? Van der Bellen: Das war es de facto – na und? Die kennen sich am besten aus in der Region. Ich war jedenfalls der Meinung: Die Voraussetzungen für eine Beteiligung des Bundesheeres liegen vor. Ich habe das unter vier Augen auch der damaligen Außenministerin Ursula Plassnik gesagt. Einige Wochen später merke ich, dass unsere außenpolitische Sprecherin und unser Sicherheitssprecher sich darauf geeinigt haben: nein, doch kein Bundesheer im Tschad. Statt das auszutragen, statt zu sagen: Moment, das könnt ihr nicht hinter meinem Rücken machen!, habe ich klein beigegeben. Das war mir so zuwider, zuerst Ja zu sagen und dann Nein, weil sich parteiintern etwas geändert hatte. STANDARD: Und Ihre Konsequenz daraus? Van der Bellen: Man muss im Einzelfall entscheiden: Ist es einem der Mühe wert, sich da einer Kampfabstimmung auszusetzen, oder geht man den Weg des geringeren Widerstands. Ich hätte das ausfechten sollen, ich wäre vielleicht untergegangen. Na und? Es wäre nicht das erste Mal gewesen. STANDARD: Es wird Sie nicht überraschen, wenn ich jetzt ehrlich frage, ob Sie sich schon zu einer Kandidatur entschlossen haben? Sie haben geschrieben, dass Ihre Entscheidung bei Erscheinen des Buches vielleicht noch nicht gefallen sein wird. Haben Sie entschieden? Van der Bellen: Vielleicht. Aber ich werde zum richtigen, angemessenen Zeitpunkt diese Entscheidung Ja oder Nein bekanntgeben. Und jetzt scheint mir nicht der richtige Zeitpunkt zu sein. Nebenbei: Alle anderen tun es ja auch nicht. STANDARD: Aber Sie berichten, offenbar nicht ohne Koketterie, dass Sie zweimal in der Woche von wildfremden Menschen angesprochen werden und zur Kandidatur aufgefordert werden, dass Sie es doch machen sollen? Van der Bellen: Ist das kokett? Hätte ich den Part aus dem Buch wieder rausnehmen sollen? (lacht) Natürlich freut einen das in gewisser Weise – aber es belastet einen auch, denn es wird ja da ein Anspruch erhoben. Auf der anderen Seite: Wo fahre ich mit der U-Bahn, der Straßenbahn? Nähe sechster Bezirk, siebenter Bezirk, erster Bezirk. Das sind grüne Bezirke – jedenfalls nicht feindliches Ausland. STANDARD: Bei mir daheim in Favoriten würden Sie womöglich nicht einmal erkannt werden ... Van der Bellen: Eben. Ich bin eh überrascht, dass mich so viele Leute kennen, wo ich doch so lange schon nicht mehr fernsehpräsent bin. Selbst jüngere Leute, wo ich mir denke: Der muss zwölf gewesen sein, als ich aus dem Parlament ausgeschieden bin – der kennt mich. Erstaunlich. Die Grünen-Chefin über Versagen im Flüchtlingsthema, PR-Bomben des Integrationsministers und die Gender-Perspektive von Peter Pilz. STANDARD: Kommende Woche steht Ihre dritte Wiederwahl zur Parteichefin an. Frei nach Ihrer Wiener Kollegin Maria Vassilakou: Bei welchem Ergebnis treten Sie zurück? Eva Glawischnig: Bei meiner ersten Wahl 2009 haben mir die Grünen mit 97,4 Prozent ein großes Geschenk überreicht. In Kenntnis der grünen Seele sage ich: So viel wird es diesmal nicht. Zum Nachdenken würde ich bei einem Resultat unter 70 Prozent anfangen – was allerdings unrealistisch ist. STANDARD: Obwohl sie versprach, bei einem Verlust abzutreten, handelt Vassilakou nun mit der SPÖ eine Koalition aus. Zerstört das nicht die grüne Glaubwürdigkeit? Glawischnig: Ihre Ankündigung war mit Sicherheit vollkommen unnötig, weil ja klar war, dass sich wegen der manipulierten Meinungsumfragen alles auf ein Match SPÖ gegen FPÖ zuspitzt. Als durchsetzungskräftige Verkehrsstadträtin hätte Vassilakou das auch gar nicht nötig gehabt. STANDARD: Die Grünen stagnierten heuer bei den Wahlen. Warum? Glawischnig: Im Burgenland, in der Steiermark und in Oberösterreich haben wir sehr wohl dazugewonnen, wenn auch nicht so viel wie in den Jahren davor. IS-Terror und Flüchtlingskrise sind für uns alles andere als einfache Themen. STANDARD: Die Grünen haben Flüchtlinge doch immer als Kernkompetenz angesehen, in Wien aber lieber den mit Kussmündern übersäten Jungkandidaten Julian Schmid plakatiert. Sind auch diese Wohlfühlkampagnen schuld? Glawischnig: Bei unseren Kampagnen geht manchmal etwas daneben, das gehört dazu. Das Schmid-Plakat aber habe ich als Plädoyer für Gleichstellung verstanden, und ich glaube auch, dass die Debatte zu kurz greift. Was die Flüchtlinge betrifft, mache ich den Wienern schon gar keinen Vorwurf: Die Landespartei hat sich trotz Wahlkampfes zivilgesellschaftlich bis zur Erschöpfung engagiert. STANDARD: Sie haben Deutschland und Angela Merkels Wir schaffen das als Vorbild gerühmt. Nun will Berlin syrische Flüchtlinge aber doch wieder ins erste EU-Land zurückschicken. Sind Sie enttäuscht? Glawischnig: Nicht nur Deutschland, ganz Europa steht vor einer Richtungsfrage, denn in allen Ländern wird das Flüchtlingsthema auch missbraucht. Deswegen muss man sich hier auf die richtige Seite stellen – Merkel hat das getan und Europa ein anderes Gesicht als das von Viktor Orbán oder Jaroslaw Kaczynski gegeben. STANDARD: Aber was würden Sie nun tun? Haben Staaten wie Deutschland und Österreich denn eine andere Wahl, als die Asylpraxis zu verschärfen? Glawischnig: Die Strategie kann nur heißen: Helfen auf allen Ebenen. Dazu gehört der Einsatz für eine Lösung im Syrienkonflikt, eine Koalition der Willigen in der EU für eine Verteilung der Flüchtlinge und das Engagement in den Krisenregionen, für das die Regierung endlich die zugesagten Hilfsgelder auf den Tisch legen soll. STANDARD: Sie weichen aus. Auf die internationale Lösung hoffen alle, doch bis dahin müssen die einzelnen Länder mit dem Andrang zurande kommen. Was, wenn die Kapazitäten erschöpft sind? Glawischnig: Fragt sich, welche Kapazitäten? Am Grenzübergang Spielfeld gibt es ja nicht einmal die nötigste Infrastruktur. Die Regierung könnte bedeutend mehr tun, als dort Gitter aufzustellen. Flüchtlingskoordinator Christian Konrad hat recht, wenn er sagt: Österreich ist eine Schönwetterrepublik, die mit komplexen Problemen schwer umgehen kann. Wir erleben ein Politikversagen, weil es keine Bundeszuständigkeit bei Katastrophen gibt, dafür aber eine überforderte Innenministerin. STANDARD: Ihr Sicherheitssprecher Peter Pilz meint, die Grünen dürften die Angstwähler nicht den Blauen überlassen, sondern müssten auch die Probleme bei der Integration benennen. Braucht es einen linken Populismus? Glawischnig: Ich halte nichts von einem linken Populismus und glaube auch nicht, dass Pilz Forderung durchdacht ist. Probleme benennen ja, aber das ist weit entfernt von Populismus. Es ist Aufgabe der Grünen, einen Teil der Gesellschaft von unserer Haltung zu überzeugen – und nicht, jemandem nach dem Mund zu reden. Das wäre mir zutiefst zuwider. STANDARD: Aber was tun, wenn muslimische Mädchen nicht in den Schwimmunterricht dürfen oder Zuwanderer Ärztinnen oder Polizistinnen nicht akzeptieren? Glawischnig: Keine Frau in Österreich braucht sich da etwas gefallen zu lassen. Wenn man mir konkrete Fälle nennt, bin ich die erste, die zu Zivilcourage aufruft. Ich wehre mich nur dagegen, wenn in diesem Zusammenhang dann von integrationsunwilligen Kindern die Rede ist – denn Kinder wollen immer dabei sein. Gerade in Wien kursieren so viele falsche, aufgebauschte Geschichten. STANDARD: Könnten die von Integrationsminister Sebastian Kurz geplanten Wertekurse da helfen? Glawischnig: Natürlich sollen den Menschen unsere Grundrechte nähergebracht werden. Aber die Wertekurse sind doch nur eine PR-Bombe des Sebastian Kurz. Die Stadt Wien investierte 2014 rund dreimal so viel in Deutschförderung wie Kurz im gesamten Bundesgebiet zusammen. Daher sag ich dem Minister: Mach einmal deine Hausaufgaben! STANDARD: Der türkischstämmige Bundesrat Efgani Dönmez hat oft Integrationsprobleme benannt, wurde in Oberösterreich aber nicht mehr gewählt. Stoßen die Grünen ihre kritischen Geister ab? Glawischnig: Es gibt kein Recht auf ein Mandat, jeder Mandatar muss sich stets von neuem bewerben. Die oberösterreichische Basis hat eine andere Wahl getroffen – die Gründe kenne ich nicht. Ich persönlich war bei seinen politischen Beiträgen gespalten: Manche waren clever, andere einfach daneben – so etwa das One-Way-Ticket für Erdogan-Anhänger. STANDARD: Pilz sagt: Viele, die nie auffallen, müssen nie ums Mandat zittern. Jene, die anecken, schon. Glawischnig: Wenn kritische Frauen nicht wiedergewählt wurden, ist ihm das noch nie aufgefallen, nur bei Männern beklagt er sich. Peter Pilz sollte einmal an seiner Gender-Perspektive arbeiten. STANDARD: Für die geplante Bildungsreform braucht die Regierung die Grünen als Beschaffer einer Zweidrittelmehrheit im Parlament. Wie lautet Ihre Bedingung? Glawischnig: Wenn keine Entpolitisierung des Bildungssystems stattfindet, werden die Grünen nirgends zustimmen. Dass die Landesschulräte weiterhin von den Parteien bestimmt werden, ist ein absolutes No-Go. Unser Frustlevel ist ohnehin schon hoch, weil alles so lange dauert. Wir sind auch bereit, jenen Passus aus den Sechzigerjahren abzuschaffen, laut dem bei Schulorganisationsgesetzen eine Zweidrittelmehrheit im Parlament nötig ist. STANDARD: Da nehmen Sie sich die Grünen aber selbst aus dem Spiel. Glawischnig: Das ist uns bewusst, aber das Ziel ist wichtiger. Die Absicherung per Zweidrittelmehrheit führt zur ständigen Blockade. STANDARD: Mitmischen wollen die Grünen bei der Präsidentenwahl nächstes Jahr: Haben Sie Alexander Van der Bellen schon weichgeklopft, damit er kandidiert? Glawischnig: Den Schnitzelklopfer, mit dem das geht, hätt ich gern. 'In der eigenen Partei war sie lange sakrosankt: Maria Vassilakou wurde bei den Wiener Grünen wie eine Ikone verehrt – jetzt wird an ihrem Sockel gerüttelt. Maria Vassilakou war bitter enttäuscht. Das wollen jene beobachtet haben, die an der Landesversammlung der Wiener Grünen teilgenommen haben. Ihre Emotionen stellt Vassilakou nicht in Abrede – auch nicht eine gewisse Enttäuschung. Aber letztlich sei sie gerührt, positiv berührt gewesen, sagt sie: Es sind die ehrlichsten 75 Prozent meines Lebens. Während der Koalitionspakt mit der SPÖ von der grünen Basis mit 93,2 Prozent abgesegnet wurde, was ein recht überzeugendes Ergebnis ist, wenn man die Aufmüpfigkeit der Wiener Landespartei bedenkt, wurde Vassilakou als Stadträtin von den eigenen Leuten mit nur 75 Prozent Zustimmung bedacht. Das musste sie persönlich nehmen. Das sei ein Ventil für den Frust gewesen, der sich aufgestaut hat, glaubt Vassilakou. Frust über das bescheidene Wahlergebnis und Frust über all das, was in den Verhandlungen mit der SPÖ nicht durchgesetzt werden konnte. Und ein Denkzettel für Fehler, die passiert sind, die der Mary passiert sind. Wenn dann 75 Prozent übrig bleiben, kann sie damit leben, sagt sie mit etwas Abstand. Vassilakou, die bei den Grünen, insbesondere bei den Wiener Grünen lange Jahre nahezu madonnenhaft verehrt wurde, ist nicht mehr sakrosankt. Sie war – und ist – die Einzige im ganzen Land, die Rot-Grün realpolitisch vorlebt Entsetzen über Terrorakte, Absage an "Scharfmacher gegen Flüchtlinge". Villach/Wien – Die Grüne Bundessprecherin Eva Glawischnig sich hat am Samstag erschüttert über die Terrorakte in Paris gezeigt, gleichzeitig aber für Offenheit gegenüber Flüchtlingen und gegen eine Abschottung Europas argumentiert. Lasst uns den Schutzsuchenden Rettungsringe zuwerfen, sagte sie beim Bundeskongress der Grünen in Villach. Den Scharfmachern gegen Flüchtlinge erteilte sie eine Absage. Ursprünglich habe sie über Bildung und die Klimakonferenz in Paris reden wollen, so die Grüne, die sich am Sonntag der Wiederwahl als Bundessprecherin stellt. Angesichts des wahllosen, ziellosen Mordens in Paris habe sie sich aber anders entschieden. Glawischnig sprach von einem wahllosen, barbarischen Angriff auf unsere offene Gesellschaft und Lebensweise, auf Freiheit, Grundwerte und Demokratie. Wir lassen uns nicht einschüchtern betonte sie. Die Gefahr islamistischer Anschläge müsse mit allen rechtsstaatlichen Mitteln begegnet werden, Täter und Hintermänner mit aller Härte des Gesetzes bestraft werden. Die Ein- und Ausreise zur Terrorausbildung müsse unterbunden und generell die Jugendlichen von IS-Rekrutierern und Hetzern geschützt werden. Dennoch erteilte sie Bestrebungen, als Konsequenz auf einen repressiven Überwachungsstaat zu setzen, eine Absage. Auch gegen Scharfmacher gegen Flüchtlinge und jene, die den Zerfall der EU betrieben, wandte sie sich und nannte hier speziell FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Flüchtlinge seien keineswegs Invasoren im Auftrag des IS, betonte Glawischnig. Wir dürfen ihnen gegenüber unsere Herzen nicht verschließen. Statt eine Festung Europa zu bauen, müssten Friedensinitiativen gesetzt und die Hilfe für vom Krieg betroffene massiv erhöht werden. Die europäische Staatengemeinschaft habe die strauchelnden Banken gerettet, nun müsse sie den Schutzsuchenden einen Rettungsring zuwerfen. Für Menschen, die das Glück haben, in Frieden zu leben, kann nur radikale Solidarität handlungsleitend sein, betonte Glawischnig. Die Grünen, so versprach sie, würden keinen Millimeter davon abrücken, dass Schutzsuchende ein Recht auf Asyl hätten. Man werde Widerstand gegen eine entsolidarisierte Konkurrenzgesellschaft leisten und sich weiter für eine intakte Umwelt, Frauenrechte und Bildungsgerechtigkeit einsetzen. Grüne unterstützen Verein personell und finanziell. Wien – Die Grünen werden den Verein, der Alexander Van der Bellens Bundespräsidenten-Wahlkampf organisiert, finanziell und personell unterstützen. Diese Spende werde transparent gemacht, kündigte Bundessprecherin Eva Glawischnig am Freitagabend in der ZiB2 an. Dass der frühere Parteichef als unabhängiger Kandidat ins Rennen geht, ist für sie nur logisch. Merkmal des Amts des Bundespräsidenten sei es, dass er über den Parteien stehe. Insofern sei es nur logisch, dass Van der Bellen unabhängig und nicht als Grünen-Kandidat antritt, so Glawischnig. Sie würde sich dies auch von anderen Kandidaten wünschen. Die Kandidatur sei keine Entscheidung eines Parteigremiums, sondern eine sehr persönliche, betonte die Parteichefin weiters. Die Kandidatur Van der Bellens könne jedenfalls Aussicht auf Erfolg haben, zeigte sich Glawischnig überzeugt. Sie werde ihn im Wahlkampf auch unterstützen. Glawischnig will sich 2016 auf Klimaschutz konzentrieren. Die Grünen müssten "an vorderster Front kämpfen". Wien – Die Grünen wollen sich in diesem Jahr auf die Bekämpfung des Klimawandels konzentrieren. Der neue Klimavertrag von Paris soll der Partei dabei Rückenwind bringen. Ich bin davon überzeugt, dass es der Gründungsauftrag der Grünen ist, gegen die Erderhitzung an vorderster Front zu kämpfen, sagte Bundessprecherin Eva Glawischnig am Donnerstag bei einem Impulsreferat zu Beginn der grünen Klubklausur in Wien. Glawischnig fordert ein Ende der Subventionen für fossile Stromerzeugung und einen Neustart beim Ökostromgesetz. Das derzeit geltende Klimaschutzgesetz sei zudem ein zahnloses Papierchen, das keine Maßnahmen enthalte. Das muss neu aufgestellt werden. Die Ziele des Pariser Abkommens – darin ist ein ein Temperaturanstieg um weniger als zwei Grad vorgesehen – müssten auch in Österreich angegangen werden. Glawischnig schlägt vor, sich mit den Bundesländern auf Etappenziele zu einigen. Das zögerliche Handeln muss ein Ende haben. Gerade der trockene Dezember und die vielen Hitzetage im August würden das zeigen. Die grüne Bundessprecherin will zudem eine ökosoziale Steuerreform. Die Mineralölsteuer gehöre angehoben und das Dieselprivileg abgeschafft. Die fixen Sätze betragen derzeit 39,7 Cent je Liter für Diesel und 48,2 Cent für Benzin. Die OMV müsse zudem ihre Strategie ändern. Die OMV will zurück ins fossile Zeitalter, präzisiert Umweltsprecherin Christiane Brunner im Gespräch mit dem STANDARD. Das müsse sich ändern, da die Zukunft in Richtung erneuerbare Energien gehe. Wenn die OMV das nicht erkenne, seien Arbeitsplätze gefährdet. Kritik übte Glawischnig an der bisherigen Umweltpolitik Österreichs. Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) bremse beim Ausbau der erneuerbaren Energieträger. Er schützt die Interessen der Mineralölindustrie. Verkehrsminister Alois Stöger (SPÖ) habe keinen einzigen Beitrag geleistet, um die Emissionen zu drosseln. Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) – Ich sage bewusst Landwirtschafts- und nicht Umweltminister – habe sich die wichtigsten Finanzierungsinstrumente beim Umweltschutz abräumen lassen wie ein Christbaum am 6. Jänner. Der Scheck für die thermische Sanierung sei halbiert worden, der Klimafonds um ein Drittel zusammengestrichen und bei der Umweltförderung gekürzt worden. Bei der zweitägigen Klausur im Kardinal-König-Haus in Wien-Hietzing will der grüne Parlamentsklub eine Strategie für das neue Jahr ausarbeiten. Umweltsprecherin Brunner wird von ihren Erfahrungen beim Klimaschutzgipfel in Paris berichten. Als wichtige Punkte für 2016 nannte Glawischnig zudem die Verhandlungen zur Bildungsreform und jene zur Pensionsreform. Bei der herausfordernden Flüchtlingssituation wolle sich die Partei weiterhin dafür einsetzen, dass das Miteinander mehr im Vordergrund stehen wird als das Gegeneinander. Grünen-Bundesrätin Ewa Dziedzic fordert einen wirtschaftspolitischen Systemwechsel – restriktivere Ladenöffnung inklusive. STANDARD: Was würden Sie bei den Grünen gerne durchsetzen, auch gegen interne Widerstände? Dziedzic: Ich wurde auf der Wiener Landesversammlung dafür gewählt, dass ich mir nie einen Maulkorb aufsetzen lasse. Ich habe mir immer herausgenommen, Tabus zu kommunizieren – in der polnischen Community, den migrantischen Communitys, aber auch bei den Grünen. STANDARD: Was wäre denn so ein grünes Tabu? Dziedzic: Laut auszusprechen, dass wir einen Systemwechsel in der Wirtschaft brauchen. Dass der aktuelle Umbruch eine Chance ist. Das ist zwar kein Tabu, aber wir sind am Überlegen, wie wir das kommunizieren können, ohne viele Menschen vor den Kopf zu stoßen, ohne als Träumer zu gelten. Die Realität ist aber: Selbst wenn wir jetzt allen Flüchtlingen aus Kriegsgebieten helfen – in zehn oder 15 Jahren werden wir mit einer viel stärkeren Fluchtbewegung konfrontiert sein, aufgrund von Klimakrisen. Die Grünen sollten Vorreiter sein und sagen: Die Krisen sind nicht überwunden, es werden womöglich noch mehr. STANDARD: Würden Sie sich als wirtschaftspolitisch links bezeichnen? Dziedzic: Wenn der Kampf gegen Ausbeutung menschlicher und natürlicher Ressourcen links ist, dann ja. In Zeiten tagespolitischer Krisen ist es schwer zu kommunizieren, dass wir hier dringend einen Systemwechsel in Richtung Umverteilung brauchen. Schaffen wir das nicht, müssen wir uns darauf gefasst machen, dass die Rechte noch mehr erstarkt. Das halte ich für sehr gefährlich. STANDARD: Eine Diskussion über Wirtschaftspolitik zwischen Ihnen und Bundespräsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen wäre ... Dziedzic: ... spannend! Ich bin ja auch Sprecherin der Grünen Frauen Wien. Wir sind dafür bekannt, progressiv zu sein und erarbeiten gerade ein feministisches Wirtschaftspapier, das viel von dem abdeckt, was Grüne auf Bundesebene noch nicht ausgesprochen haben – auch wenn es diese Debatten schon lange gibt. STANDARD: Eine Forderung aus diesem Papier? Dziedzic: Es braucht mehr, als sich nur Konzerne vorzunehmen. Wir brauchen eine Arbeitszeitverkürzung und müssen über Ladenöffnungszeiten reden. STANDARD: Sie würden die Öffnungszeiten wieder einschränken? Dziedzic: Man muss sich anschauen, was das jetzige System für die Arbeitnehmerinnen bedeutet und es hier und da stärker regulieren. STANDARD: Was hat Sie politisch geprägt? Dziedzic: Ich bin in Polen in einer politischen Familie aufgewachsen, meine Mutter kam aus einer Bauern-Arbeiter-Familie, mein Vater war eher großbürgerlich, die Familie war der Solidarnosc-Bewegung zugetan. Ich erinnere mich, dass ich mich als Achtjährige bei meiner Mutter beschwert habe, weil meine Filzstifte kaputt waren. Beschwer dich beim Präsidenten, hat sie gesagt, ich kann nix dafür, dass es im kommunistischen Polen nichts zu kaufen gibt. Ich habe mich tatsächlich hingesetzt und diesen Brief geschrieben. Ich finde es nicht überraschend, dass ich heute politisch aktiv bin. STANDARD: Sie kamen 1990 mit zehn Jahren nach Österreich. Heute würde man Sie Wirtschaftsflüchtling nennen. Dziedzic: Diese Unterscheidungen finde ich absurd. Flucht passiert nicht nur aus einem Grund. Meist ist es eine Verkettung und eine Frage der Zuschreibung: In einem kleinen Dorf in Niederösterreich waren wir die einzige Ausländerfamilie, bevor Flüchtlinge aus Bosnien gekommen sind – bei uns hat noch die Neugier überwogen, die Bosnier haben eine andere Stimmung erlebt. Ich bin als Polin oft als eine andere Ausländerin wahrgenommen worden als jemand aus einem islamischen Kulturkreis. Allein schon, weil wir katholisch waren und meine Eltern im Dorf in die Kirche gingen, gab es ein bisschen mehr von dieser Willkommenskultur, als wir es heute erleben. STANDARD: Um auf ein verbreitetes Stereotyp anzuspielen: Ist der Islam also ein Integrationshindernis? Dziedzic: Lediglich in den Köpfen der Menschen. STANDARD: In den Köpfen der Aufnahmegesellschaft oder in den Köpfen der Ankommenden? Dziedzic: Sowohl als auch. Es gibt keine einfache Antwort. Ähnlich bei Köln: Da sind es auch nicht die bösen Migranten, die über unsere Frauen herfallen. Es gibt ja auch viele Christen, die die Frauenbewegung gerne in die Fünfzigerjahre katapultieren würden. Gewalt findet täglich statt. Wichtig ist, sie nicht zu tabuisieren – das betrifft alle Religionen. Man darf weder nur die Herkunft dafür verantwortlich machen, noch die Herkunft verschweigen. STANDARD: Bei den Grünen merkt man oft Zurückhaltung, was das Benennen der Herkunft betrifft. Dziedzic: Wir wissen, wie schnell es populistisch instrumentalisiert werden kann, wie leicht Menschen dafür abzuholen sind. Wir wollen keine einfachen Antworten geben. Die klingen gut, würden aber nichts ändern. Siehe Bundesregierung: kleine Reförmchen, um wenig anzuecken. STANDARD: Die Grünen scheinen eher beim Bürgertum zu punkten als bei klassischen Zuwanderer- und Arbeitermilieus. Dziedzic: Mit dem Bilden von Parteistrukturen entstand das Image, dass die Grünen nur intellektuelle Bobos ansprechen und keine Ahnung haben, wie es den Leuten da draußen geht. Aber das stimmt nicht: Ich sitze in den Gremien mit Menschen aus Bezirksorganisationen zusammen. Für uns alle ist es aber eine Hürde, in einer schnelllebigen Zeit zu erklären, dass es einen ökologischen Umbau oder Umverteilung geben muss: Das geht sich in einem Fünf-Minuten-Gespräch oft nicht aus. "Kein Faschingsscherz" betont Herr "Obfrau" Reinhard Schinner, er sieht Symbolwirkung für alle Geschlechter. Klagenfurt – Die Klagenfurter Grünen haben ihr neues Parteistatut in ausschließlich weiblicher Form abgefasst. Partei-Obfrau Reinhard Schinner begründete diesen Schritt auf APA-Anfrage mit der Symbolwirkung, man erkenne alle Geschlechter an und habe deshalb die klassische Form fallen lassen. Trotzdem bleibe ich Obmann Schinner, meinte er. Der Beschluss sei schon vor einer Woche gefasst worden und nicht als Faschingsscherz aufzufassen, betonte Schinner am Mittwoch. Man habe die Statuten der Stadtpartei an jene der Landespartei angepasst und bei dieser Gelegenheit zusätzlich die Verweiblichung durchgeführt, die mit großer Mehrheit befürwortet worden sei. Schinner: Wir sind außerdem nicht die ersten in Österreich, das Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz ist bereits im Jahr 2013 in weiblicher Form abgefasst worden. Erst flog er raus, nun kehrt er in den Nationalrat zurück: Grün-Politiker über rechte Hetze, Strache als Vorbild und brutale interne Kämpfe.. Er war langjähriger grüner Sozialsprecher und Betreiber des Rechtsextremen-Watchblogs Stoppt die Rechten, bis er 2013 keinen aussichtsreichen Platz mehr auf der Grünen Liste bekam. Nun rückt er nach, wenn die vor ihm auf der Wiener Liste gereihte Nationalratsabgeordnete Daniela Musiol im Frühjahr ausscheidet. Im STANDARD-Interview erklärt Karl Öllinger, warum er glaubt, dass Parteien lernen müssen, anders zu kommunizieren. STANDARD: Ihr Spezialgebiet ist der Rechtsextremismus. Hetze nimmt auch im Mainstream zu. Ist es zeitgemäß, sich auf Rechtsaußen zu konzentrieren? Karl Öllinger: Ja und nein. Sie haben recht, dass sich das mittlerweile über die gesamte Gesellschaft ergossen hat. Aber andererseits gibt es allein im blauen Umfeld 40 bis 60 Facebook-Gruppen, die gut administriert sind und systematisch Hetze verbreiten. STANDARD: Es gäbe weniger Hetze, würde die extreme Rechte sie nicht gezielt anstacheln? Öllinger: Ja. Dazu kommt, dass die FPÖ, und mit ihr das Gros ihrer Wähler, sich weitgehend von den Medien und von einer sachlichen Auseinandersetzung verabschiedet. Ich habe auf Facebook einen Beitrag über die syrische Hungerstadt Madaya geteilt. Daraufhin schreibt mir eine Frau, das sei doch erfunden. Ich antworte: Entschuldigung, aber das wird von egal welcher Seite bestätigt. Sie darauf: Ich glaube das trotzdem nicht. Diese Frau ist nicht blöd, keine Rechtsextreme, aber sie ist nicht mehr erreichbar – sie glaubt nur noch was sie will. STANDARD: Wenn viele den klassischen Medien nicht mehr glauben, wie muss sich die Kommunikation der Politiker ändern? Öllinger: Das kann ich noch nicht beantworten. Die grüne Medienstrategie ist genauso wenig ausreichend wie die der anderen Parteien mit Ausnahme der FPÖ. Das ist ein katastrophales Hinterherhinken.Wenn Heinz-Christian Strache schreibt Ich wünsche euch einen guten Sonntag, dann antworten 5000 Leute: Danke, dass du MIR einen guten Sonntag gewünscht hast! Das ist eine irrsinnig hierarchische Struktur. Wenn ich auf Facebook schreibe, ich wünsche euch einen guten Sonntag, dann sagen wahrscheinlich 90 Prozent der Leute: Lass mich in Ruh mit dem Schas. STANDARD: Klingt da Neid durch? Öllinger: Nein, das sind die Mühen der Ebene. Wenn Strache behauptet, eine Asylwerberfamilie bekomme so viel und eine österreichische Facharbeiterfamilie so viel weniger, dann sage ich: Lieber Strache, du kannst nicht eine Familie mit sechs Kindern mit einer Familie mit drei Kindern vergleichen. Gut, das hat er dann korrigiert. Wir haben vorgerechnet, dass auch das nicht stimmt, er hat es korrigiert. Aber das Interessanteste war: Als ich meine Reaktion gepostet habe, fragten viele: Woher hast du die Zahl? Einerseits ist das gut, die Leute sollen ja nicht fressen was ihnen der Öllinger erzählt. Andererseits ist es mühsam. Wir brauchen eine neue Kommunikationsstrategie, eine andere als die FPÖ – aber welche, weiß ich noch nicht. STANDARD: Scheitert es auch daran, dass die Grünen zu wenig provozieren? Öllinger: Es ist nicht die Zeit fürs Provozieren. Aber lassen Sie mich noch eines sagen: Ich bin 1994 in den Nationalrat gekommen und habe ein gegenüber Jörg Haider völlig sprachloses Parlament erlebt. Es ist ganz still, keiner macht einen Zwischenruf! Er konnte die widerlichsten Sachen behaupten, ohne dass jemand sagte Das stimmt nicht. Ich habe mich bemüht, in anderen Parteien Parlamentarier zu finden, die ähnlich ticken. Dann hat es geklappt mit der Gegenwehr. STANDARD: Sie werden nun wieder Verbündete in SPÖ und ÖVP suchen? Öllinger: Versuchen werde ich es, aber es wird schwieriger. Es gibt diese Leute, ich weiß nicht, warum sie schweigen. Das Land steuert auf die Wiederauflage von Schwarzblau zu, und die SPÖ läuft der ÖVP in der Asylpolitik nur noch hinterher. STANDARD: Die Grünen kritisieren Obergrenzen, Zäune – aber wo ist die eigene, grüne Vision? Öllinger: Die fehlt mir manchmal auch. Das ist nicht nur ein Vorwurf, ich kenne den politischen Alltag, man kommt aus dem Reagieren oft nicht raus. Wir leben in einer erstarrten politischen Kultur, das Verhältnis Regierung-Opposition ist ritualisiert. Man diskutiert nicht mehr, sondern sagt nur noch: Der Vorschlag kommt von denen, also ist er gut, oder von denen, also ist er schlecht. Tödlich. STANDARD: Welches Thema wollen Sie im Grünen Klub übernehmen? Öllinger: Ich strebe keine Sprecherrolle an, bemühe mich aber wieder im Sozialausschuss zu sein. Zwei Jahre, kein interner Wiederwahlkampf – befreiend. STANDARD: Also ein klar auf zwei Jahre befristeter Wiedereinstieg? Öllinger: Das soll man nie sagen. Aber es ist realistisch. STANDARD: Bei der letzten Wahl hat die Partei Sie übergangen, sie fanden keinen aussichtsreichen Platz auf der Liste. Was sagt das über den Status antifaschistischer Politik bei den Grünen aus? Öllinger: Die Grünen haben mich 19 Jahre lang im Nationalrat arbeiten lassen, eine lange Zeit. Ich dachte: Entweder schätzen sie meine Arbeit, oder sie lassen es bleiben. Das Kalkül ist nicht aufgegangen. Natürlich erwarten auch wohlmeinende Grüne, dass man an innerparteilichen Wahlkämpfen teilnimmt. Der interne Kampf ist in den ersten vier Jahren milder als in anderen Parteien, im fünften Jahr aber brutaler. STANDARD: Also eher ein Kampf der Gesichter als der Inhalte? Öllinger: Das werden alle abstreiten, aber natürlich geht es auch um Gesichter. Ich war dafür zu müde – jetzt weiß ich, es war der Krebs, der mich müde gemacht hat. Andererseits wollte ich auch nicht kämpfen. Ich dachte: Wird die Arbeit wertgeschätzt, ja oder nein? Man könnte sagen, sie wurde nicht wertgeschätzt, aber das würde ich nicht gelten lassen: Die Grünen haben sich dann ja bemüht, Stoppt die Rechten weiterzuführen. STANDARD: Wie finden Sie es, dass die grüne Basis nicht über die Kandidatur Alexander Van der Bellens abstimmen durfte? Öllinger: Ich habe das Wording unabhängiger Kandidat vielleicht extrem gefunden. Andererseits sage ich aus Kenntnis Van der Bellens, dass es wohl keinen unabhängigeren Kandidaten gibt als ihn. Alles wissen, dass er weitab von Parteiwordings agiert. Und ich glaube es gibt auch niemanden bei den Grünen, der die Kandidatur an sich kritisiert. STANDARD: Die Jungen Grünen haben ihn als zu neoliberal bezeichnet. Öllinger: Diese Kritik verkennt ihn. Er war nie ein Dogmatiker. Auch in Sozialfragen, wo er mich manchmal gezwungen hat, detailliert Antworten zu geben, waren das oft lange Diskussionen. STANDARD: Es war also auch eine Art Vorsichtsmaßnahme, ihn als Unabhängigen zu präsentieren – weil er unberechenbar ist? Öllinger: Ich weiß nicht, was die Überlegung war, aber Vorsichtsmaßnahme gefällt mir nicht schlecht. STANDARD: Sie wissen es nicht, wurde das nicht breit diskutiert? Öllinger: Wenn du draußen bist aus dem Klub, bist du aus allen Kanälen draußen. Es wurde dann bis in die Ortsgruppen kommuniziert, aber ich war ja auch einige Zeit weg. Aber ich war lang genug in Gremien – es geht mir nicht ab. Die Grünen nehmen die Ängste in der Flüchtlingskrise nicht ernst genug, kritisiert Peter Pilz. Soll die Partei ihre Konzepte adaptieren? In den eigenen Reihen gehen die Meinungen auseinander. Wien – Wir müssen berechtigte Ängste der Menschen in der Flüchtlingskrise ernst nehmen – und ich glaube nicht, dass wir Grüne das bisher ausreichend getan haben: Peter Pilz geht angesichts des anhaltenden Andrangs von Asylwerbern nicht nur mit den Maßnahmen der Regierung hart ins Gericht, sondern auch mit der eigenen Partei. Wie berichtet, fordert intern eine Gruppe von Funktionären von der grünen Führung ein, die eigenen Positionen zu überdenken. Schon im Herbst hatte Wiens Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou eine Diskussion über die begrenzten Aufnahmekapazitäten Österreichs angestrengt, wurde von der grünen Zentrale aber harsch zurechtgewiesen. Seit Vassilakou am Freitag als stellvertretende Parteichefin zurückgetreten ist, kocht die Debatte erneut hoch. Pilz erklärt das Kernproblem so: Viele von uns wollen über unseren Kurs in der Flüchtlingsfrage offen diskutieren – und wir lassen uns das auch nicht verbieten. Wer als Flüchtling nach Österreich komme, müsse sicher sein, auch vor dem Mob der FPÖ, sagt der Langzeitmandatar, plädiert aber gleichzeitig dafür, die grünen Konzepte in einigen sensiblen Fragen zu ändern: Deutschland, Schweden und wir können nicht alle aufnehmen. Wenn Tschechien, Polen, Ungarn und die Slowakei uns im Stich lassen, dann nehmen wir das Geld, das wir ihnen bisher geschenkt haben, und investieren es in Integration bei uns. Auch was ebendiese Integrationsarbeit betrifft, nimmt sich Pilz kein Blatt vor den Mund: Es wird schwierig. Das Ganze ist weniger ein ökonomisches als ein kulturelles Problem. Muslimische Vereine, die von fragwürdigen Regimen wie jenen von Saudi-Arabien oder von der Türkei mitfinanziert werden, will der Grüne daher nicht mehr als Partner – weil ihr Ziel möglichst wenig Integration ist. Wie Vorarlbergs Landesrat Johannes Rauch und dem Abgeordneten Bruno Rossmann bereitet auch Pilz die hohe Arbeitslosigkeit Sorgen: Wir müssen genau prüfen, ob wir den Arbeitsmarkt für alle offenhalten können, wenn etwa in der Obersteiermark immer mehr Arbeitsplätze gefährdet sind. Aber niemand soll glauben, dass wir Arbeitsplätze nur mit Stacheldraht sichern können. Drücken sich die Grünen also davor, heikle Integrationsthemen anzusprechen? In der internen Debatte nicht, sagt der Europa-Abgeordnete Michel Reimon: Aber in der medialen Darstellung gibt es einen blinden Fleck. Beispiel: Zweifellos gebe es ein Problem mit einem strengen Islamverständnis, das allen grünen Grundwerten widerspreche – doch bis heute ist es keinem Grünen gelungen, diese Debatte ernsthaft zu führen. Reimon führt diesen Umstand auf die schwierigen Umstände zurück, sprich: die aufgeheizte Stimmung, die eine sachliche Diskussion unmöglich mache. Jeder Grüne, der sich diesbezüglich hinauslehne, gerate rasch in den Geruch des Rechtsauslegers und laufe Gefahr, von den Freiheitlichen vereinnahmt zu werden – die Medien böten für eine differenzierte Argumentation wenig Raum: Wir Grüne sind deshalb extrem vorsichtig geworden. Ob dazu nicht auch die Parteispitze beitrage, indem sie den eigenen Reihen Ruhe verordne? Reimon lässt sich keine Kritik entlocken und sagt: Einen Richtungsstreit bei den Grünen sehe ich hinten und vorne nicht. Einen solchen kann auch Bildungssprecher Harald Walser nicht erkennen: Wir stehen alle zu hundert Prozent hinter den Menschenrechten. Probleme gehörten deutlich angesprochen, sagt er, aber den großen Änderungsbedarf sehe ich bei der grünen Linie nicht. Vizebürgermeisterin kritisiert Länderalleingang, Sozialminister soll Verfassungsgericht anrufen. Wien – Bei vielen Themen gilt unter den Bundesländern die Devise: Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus. Beim Thema Flüchtlinge und damit verbunden beim Thema Mindestsicherung geht es dagegen offenbar eher jeder gegen jeden. Zumindest empfindet das Maria Vassilakou so, Wiener Grünen-Chefin und Vizebürgermeisterin. Die Kürzungen, die einige Länder derzeit im Alleingang bei der Mindestsicherung beschlossen haben, seien hochgradig unsozial und unsolidarisch, sagt Vassilakou zum STANDARD. So beschloss der niederösterreichische Landtag in der Vorwoche, die Mindestsicherung für subsidiär Schutzberechtigte zu kürzen – mit der Begründung, Salzburg und das Burgenland hätten dies bereits getan, in Oberösterreich sei es in Planung. Man habe die Mindestsicherung aber eingeführt, um den ärmsten Menschen in Österreich eine finanzielle Grundlage zu gewähren. Wenn man nun selektiv bestimmen wolle, wer ein volles, ein halbes oder gar kein Anrecht darauf habe, sei das nur der Beginn eines offenbar großflächig geplanten Sozialabbaus, sagt die Wiener Vizebürgermeisterin. Vassilakous Vorwurf der mangelnden Solidarität bezieht sich aber auch auf das Verhältnis der Länder untereinander: Was Oberösterreich, Niederösterreich und das Burgenland gerade tun, ist in höchstem Grade unsolidarisch Wien gegenüber, wettert die Grüne Vizebürgermeisterin. In der Bundeshauptstadt denke man nicht daran, hier nachzuziehen, sagt Vassilakou. Zudem seien aus Wiener Sicht die Kürzungsbeschlüsse der Länder klar verfassungswidrig, weil gegen den Gleichheitsgrundsatz. Die Attacke mag auch damit zu tun haben, dass Neos-Mandatar Sepp Schellhorn jüngst in einem Profil-Interview behauptete, dass NGOs Flüchtlingen vorrechneten, dass es in der Bundeshauptstadt mehr Mindestsicherung gebe – was viele dazu bewege, nach Wien zu ziehen. Nicht zufällig lobt Vassilakou etwa Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), der sich beim Thema Mindestsicherung bisher untadelig verhalten habe. Dieser solle nun namens der Bundesregierung einen Antrag auf Gesetzesprüfung beim Verfassungsgerichtshof einbringen, fordert Vassilakou. Stöger winkt auf STANDARD-Nachfrage vorerst ab: Erstens stehe man in Verhandlungen mit den Ländern – und zweitens habe man ja zu genau dieser Frage ein Gutachten beauftragt. Erst wenn dieses vorliege, werde es weitere Entscheidungen geben, heißt es vonseiten des Ministers. Grünen-Chefin Eva Glawischnig über hässliche Bilder, blinde Flecken und absurde Kritik von Parteikollegen in der Flüchtlingsfrage. STANDARD: Was kann die Politik aus den islamistischen Anschlägen in Brüssel lernen? Glawischnig: Bessere Zusammenarbeit auf europäischer Ebene. Was raschen Informationsaustausch der Polizeibehörden betrifft, herrscht beängstigende Stille. Es fehlen länderübergreifende Ermittlungsteams mit genügend Geld und Personal. Es darf aber keine Kurzschlussreaktionen geben wie einen Ausbau der anlasslosen Massenüberwachung, etwa der Fluggastdaten. Das kostet Millionen, hat sich aber – wie man sieht – nicht bewährt. STANDARD: Polizeiarbeit packt das Phänomen aber nicht bei der Wurzel. Als Keimzelle gelten Viertel wie Molenbeek in Brüssel, wo die Integration gescheitert ist. Sehen Sie diesen Nährboden auch in Österreich? Glawischnig: Unsere Gefängnisse sind sicher ein Hotspot der Radikalisierung, da gilt es hinzuschauen. Doch in Österreich wird für Präventionsarbeit kaum Geld in die Hand genommen. So müssen Beratungsstellen für Eltern von betroffenen Jugendlichen de facto privat finanziert werden. STANDARD: Offenbar gibt es noch andere Hotspots der Radikalisierung, von Moscheen bis zu Kindergärten. Wiens Kinder- und Jugendanwalt sagt: Der Jihadismus hat sich wie eine Popkultur verbreitet. Haben da nicht gerade die Grünen lange weggeschaut? Glawischnig: Die Grünen haben die Probleme sehr wohl thematisiert, nur vermissen wir Konsequenzen – etwa, dass ein österreichweiter Kriterienkatalog klarstellt, dass Religion, abgesehen von Bräuchen wie etwa dem Osterfest, in Kindergärten keinen Platz hat. Ebenso fehlt eine Qualitätsüberprüfung. STANDARD: In Wien etwa regieren die Grünen mit. Die hätten längst handeln können. Glawischnig: Wien hat das besondere Problem, dass die Stadt wahnsinnig schnell wächst – und es ist typisch Bundesregierung, gerade dort den Geldhahn abzudrehen, wo es am heikelsten ist. So musste Wien auf versprochenes Geld für bessere Unterstützung von Flüchtlingskindern in den Schulen warten. Gerade Perspektivenlosigkeit kann ja zur Radikalisierung führen. STANDARD: Die Grünen thematisieren meist nur Benachteiligungen von Zuwanderern, aber nicht kulturelle und religiöse Probleme, die ebenfalls die Integration hintertreiben. Glawischnig: Auch da widerspreche ich. Aber letztlich sind Grundlagen wie ein Arbeitsplatz und ein leistbarer Deutschkurs nun einmal die beste Voraussetzung für Integration – und nicht ein achtstündiger Wertekurs. Wofür wir in keinem Fall zu haben sind: hetzen, spalten und die Flüchtlingsfrage mit Terrorismus vermischen. STANDARD: Viele Leute fürchten, dass die vielen Flüchtlinge massive Integrationsprobleme mit sich bringen. Nehmen die Grünen diese Ängste ernst? Ihr Parteifreund Peter Pilz findet, dass dem nicht so ist. Glawischnig: Sein Vorwurf, dass die Grünen die Sorgen nicht ernst nehmen, ist absurd – und wenn Pilz auch noch sagt, dass er sich nicht mit einer Kerze an die Südgrenze stelle und jeden willkommen heiße, dann finde ich das extrem abwertend jenen Menschen gegenüber, die Flüchtlingen geholfen haben. Selbstverständlich sehe ich die Probleme in Kindergärten, Schulen und am Arbeitsmarkt, und ja: Die Ängste der Leute sind berechtigt. Das liegt jedoch am Stillstand in der Bundesregierung, die nur Symbolpolitik betreibt – und nicht daran, dass die Integration, so groß die Herausforderung auch ist, unbewältigbar wäre. STANDARD: Die Frage ist schon auch, was ein Land verkraften kann. Wenn es nach den Grünen ginge: Soll Österreich jedem Asylwerber Einlass gewähren, der zu uns will? Glawischnig: Natürlich können nicht drei Länder sämtliche Asylwerber aufnehmen. Die einzige Lösung: ein gemeinsames europäisches Asylverfahren mit einer verpflichteten Quote für alle EU-Staaten. STANDARD: Von der europäischen Lösung träumen viele, aber sie scheiterte bislang nun einmal am Widerstand verschiedener Länder. Die Regierung argumentiert, dass sie deshalb aus Notwehr Restriktionen wie die Obergrenze für Asylwerber setzen musste. Hatte sie denn eine andere Wahl? Glawischnig: Also ich hab von den Anstrengungen der Regierung auf europäischer Ebene wenig bemerkt. Außenminister Sebastian Kurz hat sich vor allem bemüht, die Balkanroute zu schließen, und ist damit für die schrecklichen Zustände in griechischen Flüchtlingslagern mitverantwortlich. Gemeinsam mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner war er immer schon einer der Scharfmacher in Europa. STANDARD: Die Regierung hat durchaus für die europäische Lösung geworben. Glawischnig: Das lasse ich eine Zeitlang maximal für die Hälfte der Regierung, namentlich Werner Faymann, gelten. Doch mittlerweile ist der Bundeskanzler in die Knie gegangen. Er hat eine haarsträubende Kehrtwende um 180 Grad hingelegt und damit einen fatalen Beitrag dazu geleistet, dass eine europäische Lösung in weite Ferne gerückt ist. Das ist schwerstes politisches Versagen aus einem populistischen Motiv heraus. STANDARD: Das lässt sich von der Oppositionsbank aus leicht kritisieren. Aber was hätten Sie als Kanzlerin getan? Weiter auf die europäische Lösung gewartet und zugesehen, wie vielleicht weitere hunderttausend Asylwerber nach Österreich kommen? Glawischnig: Eine grüne Regierung hätte sich viel früher für eine neue europäische Asylpolitik eingesetzt, die klugen Vorschläge der EU-Kommission unterstützt, für ein Anreizsystem geworben. Die europäischen Grünen haben als einzige Parteienfamilie ein gemeinsames Konzept erarbeitet: Jedes Land soll 6.000 Euro pro aufgenommenen Flüchtling jährlich innerhalb der vereinbarten Quote erhalten – wer diese überfüllt, bekommt die vollen Kosten ersetzt. Es ist harte Alltagsarbeit, solch eine Einigung durchzusetzen, aber nationalstaatliche Alleingänge können das Problem nicht lösen. Die Flüchtlinge werden mit Schleppern dann eben über andere Routen kommen. STANDARD: Momentan kommen deutlich weniger nach Österreich als im Vorjahr. Glawischnig: Um den Preis, dass Flüchtlinge in Griechenland interniert und die Menschenrechte verletzt werden. STANDARD: Grüne Politiker posten das Bild eines toten Flüchtlingskindes an einem türkischen Strand und machen Außenminister Sebastian Kurz mehr oder minder verantwortlich. Halten Sie das für zulässig? Glawischnig: Diesen Konnex halte ich insofern für bedenklich, als das Bild aus einer Zeit stammt, als die Balkanroute noch nicht geschlossen war. Ich selbst habe mir das Foto nicht angeschaut und werde das auch nicht tun – weil ich es nicht ertragen kann. Dennoch finde ich: Der Satz von Außenminister Kurz, es werde hässliche Bilder brauchen, um Flüchtlinge abzuschrecken, ist an Zynismus nicht zu überbieten. STANDARD: Österreich hat gemessen an der Einwohnerzahl so viele Asylwerber aufgenommen wie kaum ein anderes Land in der Europäischen Union. Ist Ihre Kritik an der Regierung da nicht unverhältnismäßig? Glawischnig: Österreich hat wahnsinnig viel geleistet, bis an den Rand der Erschöpfung, aber das liegt nur begrenzt an der Regierung. Mein Dank gilt etwa der besonnenen Polizei, den Gemeinden, die Quartiere geschaffen haben, und den Hilfsorganisationen, ohne die das Innenministerium keine Chance gehabt hätte, die Situation zu meistern – umso gemeiner ist es, wenn das Ministerium für erbrachte Leistungen jetzt nicht zahlen will. Die Regierung könnte noch viel tun, auf allen Ebenen: Das Flüchtlingshilfswerk in Syrien etwa verfügt nicht einmal über 60 Prozent des benötigten Budgets, doch der österreichische Beitrag beläuft sich auf lächerliche 350.000 Euro pro Jahr. Aber SPÖ und ÖVP setzen sich jetzt lieber mit Rechtspopulisten wie Ungarns Premier Viktor Orbán in ein Boot. Eine "obszöne Kampfparole" macht in der "Krone" Schlagzeilen: Der EU-Abgeordnete Michel Reimon hatte dazu aufgefordert, der Zeitung mit der Wahl Van der Bellens den Mittelfinger zu zeigen. Die Kronen Zeitung widmet sich in ihrer Freitagsausgabe prominent dem grünen EU-Abgeordneten Michel Reimon und titelt: Grüne machen Präsidentenwahl zur Abstimmung über die Krone. Reimon hatte in der Woche davor über Twitter verlautbart: Meine strategische Wahlkampf-Metaerzählung lautet ja: Nur wer Van der Bellen wählt, kann der Kronen Zeitung den Mittelfinger zeigen. Die Krone empört sich nun mit Verspätung über diese obszöne Kampfparole. Zitiert wird auch Lothar Lockl, Van der Bellens Wahlkampfleiter: Man akzeptiere Reimons Aussagen weder von der Diktion noch vom Stil her, heißt es. Reimon sucht seit geraumer Zeit gezielt den Streit mit der Kronen Zeitung, der er unterstellt, eine Kampagne gegen die Grünen und ihren Kandidaten Alexander Van der Bellen zu führen. Nun wurde er selbst Mittelpunkt der von ihm angesprochenen Kampagne, und er freut sich bereits über die viele Solidarität, die ihm aus den eigenen Reihen widerfahre. Dem freitäglichen Krone-Artikel über die abstoßende Stinkefinger-Strategie war eine Auseinandersetzung Reimons mit einem Redakteur der Zeitung vorausgegangen. Der EU-Abgeordnete hatte auf Facebook einen Artikel aus der Krone geteilt, in dem die medizinische Notlage einer Frau mit der angeblich vorbildhaften medizinischen Versorgung von Flüchtlingen gegengerechnet wurde. Reimon schrieb dazu: Ich bin kein Mediziner und kenne den Fall nicht, kann dazu also nichts sagen. Aber ich erkenne ein unjournalistisches Hetzblatt, wenn ich es sehe. Daraufhin erhielt Reimon ein Mail des mit ihm persönlich bekannten Redakteurs, der empört schrieb: Aber vorkommen will Ihr Chef schon in der Krone, oder? Ersuche dringend um Aufklärung! Reimon machte dieses Mail publik und schrieb dazu: Wow, die Krone droht mir mit Boycott. Ein weiterer Schlagabtausch folgte, in dem der Krone-Redakteur jedenfalls beteuerte, es gebe keinen Boykott, weder gegen Reimon noch gegen Van der Bellen selbst. Auch im jüngsten Krone-Artikel (eines anderen Redakteurs) wird beteuert, man wolle dem ehemaligen Grünen-Chef weiter mit Fairness begegnen – demnächst etwa auch in einem großen Interview. Dazu schrieb Reimon auf Facebook: Also, die Krone boykottiert mich nicht, nachdem ich ihren Drohversuch öffentlich gemacht habe, sondern macht mich zum Werkzeug gegen Sascha. Van der Bellen führe in allen Umfragen – und man findet nichts gegen ihn. Reimon weiter: Also, was tun, fragen sich die Experten bei Krone und SPÖ. Sie haben nichts in der Hand, aber seit gestern einen Grant auf mich. Also: Sie nehmen einen alten Tweet, irgendeinen, und versuchen das zum Dreckbatzen gegen Sascha zu machen. Und natürlich auch noch Eva mit reinzunehmen, damit der Streueffekt der Jauche möglichst groß ist. So arbeitet die SPÖ, so arbeitet die Krone. Van der Bellens Wahlkampfmanager Lockl betont im Gespräch mit dem STANDARD, wie wichtig ihnen das Miteinander und das Gemeinsame seien, da ist auch der Stil wichtig. Van der Bellen wolle eine Stimme der Vernunft und der Ausgewogenheit sein. Er selbst wolle nicht das Verhalten einzelner Abgeordneter kommentieren, den Stil und die Diktion der Aussagen Reimons könne er aber nicht akzeptieren. Klaus Werner-Lobo wird "Aufforderung zu mit Strafe bedrohter Handlung" vorgeworfen. Wien – Die Aussage Das wäre ein schöner Anlass für legitime Sachbeschädigung: Bolzenschneider kaufen und, wie damals Alois Mock an der Grenze zum Ostblock, den Grenzzaun durchschneiden in einem Profil-Interview bringt dem ehemaligen Grünen-Politiker Klaus Werner-Lobo eine Anzeige ein. Ihm wird das Delikt Aufforderung zu mit Strafe bedrohter Handlung vorgeworfen, die maximale Strafe beträgt zwei Jahre Haft. Seine Ladung zur Einvernahme durch die Landespolizeidirektion Wien postete Lobo auf Facebook. In dem Interview über sein neues Buch Nach der Empörung spricht der ehemalige Wiener Kultursprecher über Politikverdrossenheit und ziviles Ungehorsam. Im November des Vorjahres kehrte er den Grünen den Rücken und trat aus der Partei aus. 'Assistenzeinsatz in Kärnten und im Burgenland – Ministerium: Grundwehrdiener speziell vorbereitet. Wien – Der grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz hält es für einen Unsinn, dass seit dem Wochenende auch rund 140 Präsenzdiener im Burgenland und in Kärnten im Grenzeinsatz sind. Die Grundwehrdiener seien speziell für den Einsatz an der Grenze vorbereitet worden, betonte dagegen das Verteidigungsministerium. Seit Samstag ist eine Kompanie des Jägerbataillons 19 aus Güssing mit 76 Grundwehrdienern und 42 Kadersoldaten an der südburgenländischen Grenze zur Bewältigung der Flüchtlingsströme im Einsatz. Am Montag bezog eine Kompanie des Aufklärungs- und Artilleriebataillons 3 aus Mistelbach in Niederösterreich, bestehend aus 62 Grundwehrdienern und 64 Berufssoldaten, ihren Einsatzraum in Kärnten im Bereich des Loiblpasses bis in den Raum des Karawankentunnels. Ich halte das für einen sehr gefährlichen und problematischen Umgang mit Präsenzdienern, sagte Pilz der APA. Denn dort, wo sich derart schwierige Aufgaben stellten, brauche es bestens ausgebildete Leute Anzeige, die mit "leckerem Kuchen" für Gratisarbeit warb, hatte für Hohn in sozialen Medien gesorgt. Linz – Kein Geld und auch kein Kuchen mehr: In der Internetwerbung der Neos um ehrenamtliche Mitarbeiter für den Landtagswahlkampf in Oberösterreich fehlt nun die Passage Wir haben kein Geld, um dich zu bezahlen, aber wir haben leckeren Kuchen. Zuvor hatte die Gewerkschaft Kritik daran geübt, auch in sozialen Medien war eine Welle der Empörung über die Partei hereingebrochen. Gesucht werden weiterhin junge Menschen als Grafiker, Callcenter-Mitarbeiter, Projektmanager, Assistenten für die Pressearbeit und Mitarbeiter für inhaltliche Recherche. Der Bundesjugendsekretär in der GPA-djp, Helmut Gotthartsleitner, hatte gefordert, alle Mitarbeiter, auch die sogenannten Ehrenamtlichen, in ordentlichen Arbeitsverhältnissen zu beschäftigen. Neos-Pressesprecher Herbert Sklenka konterte, dass Wahlkampf ohne ehrenamtliche Mitarbeiter nicht funktionieren könne. Das gelte nicht nur für die Neos, sondern für alle politischen Parteien. Pinke machen im Wiener Wahlkampf auf hohe Ausgaben der Stadt aufmerksam. Wien – Die Neos wollen Wien auf Diät setzen – konkret die Stadtpolitik: Wien leistet sich das weltweit teuerste politische System, kritisierte Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger am Donnerstag in einer Pressekonferenz. Sie präsentierte einen Abspeckplan samt dazugehöriger Wahlplakate. Auf diesen sind die Slogans Wir kämpfen gegen gierige Politik und Wir kämpfen für Veränderung zu lesen. Die Politik in dieser Stadt ist satt, aber auch die Menschen haben es satt, sagte Meinl-Reisinger. Dringende Reformschritte würden nicht gesetzt werden, da sie Gefahren für die eigenen Machtsysteme darstellen würden. Sie warf der Stadtpolitik beispielsweise strukturelle Korruption vor, wobei Millionen Euro in die Taschen der Parteien fließen würden – etwa in Form von Vereinsförderungen, über die Wirtschafts- und Arbeiterkammer oder durch Aufträge an parteinahe Unternehmen. Wenn es nach den Neos geht, soll das politische System mithilfe eines Neun-Punkte-Sparkonzepts reformiert werden, um sich das Geld von der gierigen Politik zurückzuholen, so Meinl-Reisinger. Der Plan sei durchdacht, versicherte sie: Alles umsetzbar, alles durchgerechnet. So soll die Wiener Parteienförderung in der Höhe von 27 Millionen Euro halbiert werden. Das sei immer noch viel und ausreichend, konstatierte die pinke Spitzenkandidatin. Ebenfalls um die Hälfte reduziert werden soll die Zahl der Gemeinde- und Bezirksräte. Weiters forderte sie erneut die Abschaffung von 70 sinn- und funktionslosen politischen Posten, wie zum Beispiel der nicht amtsführenden Stadträte, der Bezirksvorsteher-Stellvertreter oder der Sonderbeauftragten. Auch das Budget, das die Stadt für Eigenwerbung ausgebe, soll um die Hälfte gekürzt werden. Abgesehen davon plädierte Meinl-Reisinger dafür, dass das Geld für echte Information, statt für Imagekampagnen ausgegeben wird. Außerdem treten die Neos für eine Beschränkung der Amtszeit für Politiker auf zehn Jahre ein, das Verbot für öffentliche Aufträge an Parteiunternehmen, eine Rechenschaftspflicht für parteinahe Vereine und dafür, dass Politiker Verantwortung übernehmen müssen – also bessere rechtliche Sanktionsmöglichkeiten für Polit-Pfusch. Sauer stoßen den Neos auch jene Politiker auf, die zu günstigen Konditionen wohnen: Sozialmieten für Politiker abschaffen, forderte Meinl-Reisinger. Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse bewilligt Kuren in Rimini und am Toten Meer. Wien – Der Unterschied zwischen Kur und bezahltem Urlaub ist manchmal verschwindend gering. Die Neos wollten dem in einer parlamentarischen Anfrage nachgehen und haben erstaunliche Antworten erhalten. Die Beantwortung liegt dem STANDARD vor. Neos-Gesundheitssprecher Gerald Loacker will eine Abkehr von Kuraufenthalten. Er sieht im Kurwesen mehr einen Zusatzurlaub als Gesundheitsvorsorge. Aus der Beantwortung von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) geht hervor, dass es große Unterschiede zwischen den Bundesländern gibt. Ein Kritikpunkt der Neos. Das fällt für sie unter Zuckerln, die die Versicherungsträger verteilen. Das äußert sich vor allem bei den Kuraufenthalten im Ausland. Die niederösterreichische Gebietskrankenkasse ermöglicht beispielsweise Kuren in Rimini oder am Toten Meer. 14,6 Prozent aller Aufenthalte gehen ins Ausland. Wien, Oberösterreich, Burgenland, Kärnten und Salzburg genehmigen hingegen kaum bis keine Auslandskuren. Loacker fordert, die Verantwortung bei einem Träger zusammenzuführen, damit einzelne Versicherungen eben keine Anreize verteilen können. Denn so habe sich das System zur Farce auf Kosten der Beitragszahler entwickelt. Mehr Transparenz ist notwendig, denn die Vergabepraxis gleiche einer Lotterie. Die Pinken wollen Kuren ganz in den niedergelassenen Bereich verlagern, denn Gesundheitsvorsorge könne genauso gut auch ambulant durch die neuen Gesundheitszentren durchgeführt werden, sagt Loacker. Wien müsse entlastet werden, sagt Landesparteichefin Meinl-Reisinger. Wien – Die Neos fordern, dass Flüchtlinge zwangsweise einem Bundesland zugeteilt werden können. Damit solle Wien, wo bei weitem die meisten Flüchtlinge leben, entlastet werden, sagt Klubchefin Beate Meinl-Reisinger. Konkret macht Meinl-Reisinger der erwartbare weitere Anstieg der Mindestsicherungsbezieher Sorgen. Denn durch die Tatsache, dass viele Bundesländer – anders als die Bundeshauptstadt – Sozialleistungen kürzen, werde Wien eine noch größere Sogwirkung für anerkannte Flüchtlinge entwickeln. Sollte man nicht gegensteuern, werde die Anzahl der Bezugsberechtigten von zuletzt rund 160.000 im Lauf des Jahres auf mehr als 200.000 ansteigen, so ihre Befürchtung. Das können wir nicht stemmen, prophezeite sie. Denn zusätzlich zu den Geldleistungen brauche es Integrationsmaßnahmen wie Deutschkurse – und hier stoße man jetzt schon an die Grenzen. Das gilt für Meinl-Reisiniger auch für die Bereiche Wohnraum und Jobs. Dagegenhalten wollen die Neos mit einer sogenannten Wohnsitzauflage. Soll heißen: Sobald Flüchtlinge mit zuerkanntem Asylstatus bzw. subsidiär Schutzberechtigte, die wegen großer Gefahr nicht in ihr Herkunftsland zurückgeschickt werden können, nicht mehr in der Grundversorgung sind und – mangels ausreichendem Einkommens – nahtlos in die Mindestsicherung fallen, könnten sie gezwungen werden, in einem bestimmten Bundesland zu leben bzw. ihren Wohnsitz dort zu haben. Dadurch würde die Hauptstadt insofern entlastet, als derzeit laut Meinl-Reisinger viele Menschen mit Asylstatus nach Wien gehen, da dort die Leistungen vergleichsweise hoch sind und auch in nächster Zukunft keine Kürzungen im Raum stehen. Solche hatte Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) erst am gestrigen Donnerstag erneut ausgeschlossen. Wie die Wohnsitzauflage organisatorisch und rechtlich umsetzbar ist bzw. wo sie angewandt werden soll, müsse man sich anschauen, so die Wiener Neos-Chefin: Ich wünsche mir aber jedenfalls eine ernste Diskussion darüber, appellierte sie an Bund und Länder. Meinl-Reisinger verwies außerdem auf eine kürzliche EuGH-Entscheidung. In dem Fall ging es um zwei Syrer, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben und als subsidiär Schutzberechtigte geführt werden. Für diese Gruppe gibt die Behörde den Wohnsitz vor. Dies kann – trotz der grundsätzlichen Wahlfreiheit des Wohnsitzes und der Reisefreiheit – gerechtfertigt sein, so der EuGH. Nämlich dann, wenn diese Maßnahme der Integration dienlich ist. Ob dies im Fall der beiden Syrer der Fall ist, muss nun das deutsche Bundesverwaltungsgericht prüfen. Die Flüchtlingsdebatte wird jedenfalls ein inhaltliches Schwerpunktthema in der zweitägigen Parteiklausur sein, für die sich die Wiener Pinken ab heute, Freitag, ins Sporthotel Semmering zurückziehen. Landespartei, Rathausklub, Bezirksräte – insgesamt rund 80 Leute – wollen hier die strategischen Weichenstellungen für die kommenden Monate vornehmen und zugleich Bilanz über die ersten 100 Arbeitstage als Wiener Oppositionspartei ziehen. Außerdem sollen neue Möglichkeiten zwecks Einbindung der Bürger in die Parteiarbeit ausgetüftelt werden. Wien – Der ÖVP-Parlamentsklub hat Zuwachs erhalten. Die nicht unumstrittenen Team-Stronach-Mandatare Marcus Franz und Georg Vetter finden in der VP-Fraktion Unterschlupf. Das wurde in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit VP-Klubobmann Reinhold Lopatka bekannt. Dieser bezeichnete das Duo als ebenso parteiunabhängig wie den parteifreien Wissenschaftssprecher Karlheinz Töchterle. Dass er das Team Stronach verlässt, begründete Vetter etwa damit, dass es schwer sei, auf einem schlingernden Schiff Politik zu machen. Mit den beiden Abgeordneten wächst der schwarze Parlamentsklub auf 49 Nationalratsabgeordnete. Die ÖVP hat damit nur noch drei Mandatare weniger als die SPÖ (52). Und auch auf eine schwarz-blaue Mehrheit im Nationalrat fehlen nur noch drei Abgeordnete (ÖVP 49, FPÖ 40). Das Team Stronach schrumpft hingegen auf neun Abgeordnete ist damit nun genauso stark wie die Neos. Die Grünen haben 24 Abgeordnete. derStandard.at berichtet live. Vom Team Stronach zur ÖVP: Der Wirtschaftsanwalt will ein liberales Aushängeschild sein. Georg Vetter will ein liberales Aushängeschild für die ÖVP sein. Das hat er bei der Pressekonferenz angekündigt, bei der er seinen Wechsel vom Team Stronach zur Volkspartei bekannt gemacht hat. Er wolle sich für Privateigentum, Meinungsfreiheit, Privatsphäre und Unternehmergeist einsetzen, kündigte er an. Vetter ist seit 1991 als Rechtsanwalt tätig. Er hat sein Doktoratsstudium an der Universität Wien und ein Diplomstudium in Volkswirtschaft an der Wirtschaftsuniversität Wien abgeschlossen. Bei der Nationalratswahl 2013 kandidierte er auf Listenplatz vier für das Team Stronach und zog als Sprecher für Justiz, Verfassung und Landesverteidigung ins Parlament ein. Vetter ist Hauptmann der Miliz. Mit dem Staat kann der neue ÖVP-Abgeordnete nicht viel anfangen. Er werde nun in den nächsten fünf Jahren eine Rede nach der anderen für die Freiheit und gegen den Sozialismus halten, kündigte er am Ende seines Wahlkampftagebuchs im September 2013 an. Jahrzehntelang hat der Staat neue Behörden geschaffen, um die Menschen zu schützen und sie in Wirklichkeit zu gängeln, schreibt er seiner Selbstbeschreibung auf der Homepages des Team Stronach. Die Politik müsse verstehen, dass Gesetze nur sehr beschränkt dafür zu verwenden seien, um bessere Menschen zu schaffen. Er stehe der zunehmenden Kriminalisierung der eigenen Bevölkerung sehr kritisch gegenüber. Seiner Linie für mehr Freiheit treu hat er sich auch vehement gegen die geplante de facto-Abschaffung des Bankgeheimnisses eingesetzt. Die persönliche Freiheit ist in einem Rechtsstaat durch Gesetze wie etwa das Wahlgeheimnis oder Redaktionsgeheimnis geschützt. Wenn wir nun beginnen, eines wie das Bankgeheimnis abzuschaffen, besteht die Gefahr, dass auch andere Schutzrechte der Bürger weg sind, warnte Vetter. Wie sein Mit-Überläufer Marcus Franz schreibt auch Vetter regelmäßig für den Blog des Autors Christian Ortner, der sich Zentralorgan des Neoliberalismus nennt. Kürzlich hat er in einem Beitrag den Opfermythos infrage gestellt. Österreich sei sehr wohl als Staat das erste Opfer der Nationalsozialisten gewesen, schreibt Vetter. Das bekräftigte er auch bei der Pressekonferenz am Mittwoch. Der Staat Österreich war 1938 tatsächlich das erste Opfer des Nationalsozialismus. Schließlich hätten die Nationalsozialisten mit ihrem Einmarsch 1938 eine Volksabstimmung über den Anschluss an Deutschland verhindert. Heute zu glauben, dass die Volksabstimmung für die Nationalsozialisten ausgegangen wäre, würde bedeuten, der Propaganda der Nationalsozialisten weiter glauben zu schenken. Innerhalb seiner Partei war Vetter als stellvertretender Klubobmann aufmüpfig. Schon im Juli 2014 forderte er Parteichef Frank Stronach auf, sich aus dem operativen Geschäft innerhalb der Partei zurückzuziehen. Damals auf dem Blog des ehemaligen Presse-Chefredakteurs Andreas Unterberger. Das Team Stronach leidet an zweierlei: An der historischen Dominanz des Parteigründers und an politischer Inkonsequenz, schrieb Vetter damals. Stronach sei nach wie vor Parteichef und melde sich sporadisch zu Wort. So kann man auf Dauer nicht reüssieren. Zuletzt hat Vetter Stronach für die Wahlniederlage des Teams in der Steiermark verantwortlich gemacht. Der Parteichef forderte ihn daraufhin zum Rücktritt auf. Das ist es nun nicht geworden: Vetter bleibt, aber nicht beim Milliardär. In wenigen Tagen stieg der ÖVP-Klubchef bei den in die Defensive geratenen Roten zum Hassobjekt auf. Für die schlimme Durststrecke, die die SPÖ dieser Tage durchleidet, machen viele Genossen vor allem einen Mann verantwortlich: Reinhold Lopatka, 55, Oststeirer, Klubobmann der ÖVP. Egal, ob man sich am Wiener Ballhausplatz, in der Löwelstraße, im Parlament oder im Grazer Landhaus umhört: Überall bekommt man Klagen über die Skrupellosigkeit des Bürgerlichen zu hören. Ein Roter, der hier nicht genannt werden will, beschreibt das angebliche Charakterdefizit Lopatkas recht plastisch: Er ist jemand, dem man in der Wüste keinesfalls die eigene Wasserflasche überlässt - weil er sich damit garantiert duschen würde. Das Wiederbeleben seines Rufs als Machtstratege hat der Schwarze, nicht nur studierter Jurist, sondern auch Theologe, zwei aktuellen Aufregern zu verdanken. Sein erster Schachzug: Weil Lopatka zwei umstrittene Abgeordnete des Teams Stronach mit offenen Armen in seinem Klub aufgenommen hat, argwöhnt der Koalitionspartner SPÖ, dass er eine schwarz-blaue Mehrheit im Parlament herstellen will. Damit nicht genug, soll Lopatka nach der rot-schwarzen Wahlschlappe in der Steiermark dem dortigen ÖVP-Chef Hermann Schützenhöfer als Zweitplatziertem den Posten des Landeshauptmannes verschafft haben, indem er im Hintergrund Vorarbeiten für eine schwarz-blaue Koalition leistete. Er selbst weist derzeit alle derartigen Erpressungsmethoden weit von sich - und zwar mit seiner wohlbekannten Unschuldsmiene. Welche Register er in der Steiermark gezogen habe? Überhaupt keine. Ich habe nur Interviews gegeben, in denen ich gesagt habe, dass mir Schützenhöfer als Landeshauptmann lieber wäre, weil er gut für das Land ist. Wenn das schon ausreiche, um Panik bei den Roten auszulösen, sei das deren Problem. Die Gerüchte, er bastle an einer schwarz-blauen Übermacht im Hohen Haus, tut Lopatka ebenso ab. Abgesehen von den Stronach-Abtrünnigen Marcus Franz und Georg Vetter habe er niemandem den Wechsel angeboten, außerdem: Ich würde nie jemanden fragen, der einmal bei der FPÖ oder beim BZÖ war. Ich weiß, was ich tue Von einem Strippenzieher im Hintergrund, der dieser Tage die SPÖ ziemlich alt aussehen lässt, kann aus seiner Sicht daher keine Rede sein: Ich weiß, was ich tue - und was ich nicht tue. Die SPÖ soll also nicht Dinge behaupten, sie soll sie belegen. Wie auch immer die gerüchteumrankten Vorgänge abgelaufen sind, eines steht fest: Es war und ist nicht das erste Mal, dass Lopatka rund um Wahlen verbrannte Erde hinterlässt. Nachdem er zur Jahrtausendwende der steirischen Landeshauptfrau Waltraud Klasnic als Wahlkampfmanager zu einem Stimmenzuwachs von elf Prozentpunkten verholfen hatte, holte 2002 der berüchtigte Wendekanzler Wolfgang Schüssel den Klubchef im steirischen Landtag für den vorverlegten Urnengang im Bund als Mastermind für den Stimmenfang zu sich. Gusenbauer als Moskauer Bodenküsser Auf dem Höhepunkt der schwarzen Propagandaschlacht lief der bis dahin blaue Finanzminister Karl-Heinz Grasser zur ÖVP über, der rote Herausforderer Alfred Gusenbauer wurde als Moskauer Bodenküsser diskreditiert, dem damaligen Obergrünen Alexander Van der Bellen unterstellt, das Land mit Haschtrafiken beglücken zu wollen. Fazit der Schmutzkübelkampagne: satte 42 Prozent und Platz eins für die ÖVP sowie die Neuauflage von Schwarz-Blau. Als Belohnung stieg Lopatka zum Generalsekretär der ÖVP auf. Zwei Jahre später mischte er beim Kampf um die Hofburg mit, in dem die Volkspartei SPÖ-Kandidat Heinz Fischer, heute Staatsoberhaupt, allzu viele Sympathien für das kommunistische Nordkorea und China unterstellte. Weil der schwarze General offenbar erfolgreich ständig neue Halbwahrheiten zusammenpanschte, machte Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einmal wütend seinem Ärger über Lopatkas Giftküche Luft. Dessen Replik damals: Ich kann gar nicht kochen. Wegbegleiter aus der eigenen Partei hingegen berichten, dass sich Lopatka ausführlichst mit Anleitungen für das Negative Campaigning beschäftigt hat - etwa bei USA-Reisen. Intensiv beobachtete er dort auch den Präsidentschaftswahlkampf 2004 zwischen George W. Bush und John Kerry. Bei einem Aufenthalt sprang ihm der noch weitgehend unbekannte Barack Obama ins Auge. Zurück in Österreich berichtete Lopatka seinen Kollegen: Der wird noch was. Der ist ein Wahnsinn. Nicht zuletzt wegen dieser Studien kletterte Lopatka in der Partei weiter die Karriereleiter hoch. Kurzzeit-ÖVP-Obmann Wilhelm Molterer machte ihn 2007 zum Sportstaatssekretär. Unter seinem Nachfolger Josef Pröll avancierte Lopatka ein Jahr später zum Finanzstaatssekretär, obwohl er sich zuvor nur wenig bis gar nicht mit Steuer- und Budgetthemen befasst hatte. Parallel dazu engagierte sich Lopatka stets auch eifrig in der steirischen ÖVP, machte sich dort aber nicht nur Freunde. Das Verhältnis zu seinem Trauzeugen Schützenhöfer, dessen Sohn im Kabinett Lopatkas arbeitete, soll deswegen zeitweise sehr gelitten haben, erzählt man sich in der Partei. Lopatka galt als zu ehrgeizig, manche hatten den Eindruck, er säge am Stuhl Schützenhöfers, erzählt ein Schwarzer. Treuer Diener Beim Thema Ehrgeiz und Karriere neigt Lopatka selbst nicht gerade zu ausführlichen Antworten: In der Politik ist nur eines gewiss: dass man älter wird. Hintergrund: Unter Michael Spindelegger, der nach dem überraschenden Abgang Prölls im Jahr 2011 die ÖVP-Spitze übernahm, schien das Kapitel Spitzenpolitik für ihn bereits erledigt. Denn zwischendurch musste er als einfacher Abgeordneter in die dritte Reihe zurücktreten. Die Auszeit währte nicht lange, weil sich der Steirer auch schnell das Vertrauen des neuen Chefs erarbeitete, der ihn 2012 zum Staatssekretär im Außenamt machte. Als seine herausragendste Eigenschaft auf dem Weg nach oben machen ÖVPler die bedingungslose Loyalität zum jeweiligen Chef aus. Er ist immer ein treuer Diener seines Herrn, sagt einer. Dabei konnte der junge Lopatka einst ganz anders. In einem Mühle- und Bäckereibetrieb groß geworden, wurde er weniger durch das Elternhaus als in der schwarzen Schülervertretung und der damals recht aktiven linkskatholischen Hochschuljugend politisiert, wie er erzählt. Als engagierter Sprecher der Friedensbewegung, der auch am Wehrdienst rüttelte, wetterte Lopatka noch wortreich gegen den erzkonservativen Parteiobersten Alois Mock, indem er ihn mitunter einen kraftlosen Bruchpiloten nannte. Doch heute, mittlerweile Vater dreier erwachsener Söhne und seit eineinhalb Jahrzehnten in der Spitzenpolitik sowie parlamentarischer Willensvollstrecker von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner, hat sich Lopatka nicht nur in der SPÖ, sondern auch in der Opposition eine zweifelhafte Nachrede erworben. Der Grüne Peter Pilz (Ich mag ihn!) rechnet ihm zwar hoch an, dass der Schwarze, der die Frauen-, Bürger-, und Freiheitsrechte bis heute hochhält, im Parlament Handschlagqualität bewiesen hat, weil er die Reform für U-Ausschüsse ermöglicht hat. Aber: Ich halte ihn für einen Sozihasser. Neos-Boss Matthias Strolz wiederum ist derzeit auf Lopatka sauer, weil längst Gerüchte sprießen, dass der ÖVP-Klubchef auch seine Mandatare bezüglich eines Wechsels angraben soll: Das ist ein durchsichtiges Manöver, mit dem man uns schaden will. Denn wir sind ein geschlossener Klub! Lopatka ist und bleibt für Strolz, einst selbst parlamentarischer Mitarbeiter der ÖVP, trotz Dackelblicks ein Meister der Intrige, der sich zu wenig mit Lösungen für das Land beschäftige. Sonnyboy Und noch ein Ruf hält sich in den Rängen der Opposition hartnäckig: Dass Lopatka - wenn es ihm oder der Partei nütze - mitunter gar bereit sei, politische Gegner mit Material gegen eigene Leute zu versorgen. Andreas Khol, früher selbst ÖVP-Klubchef, will solche Geschichten nicht durchgehen lassen. Lopatka war immer ein grader, offener Sunnyboy, versichert er. Außerdem kenne er die Grundsätze der christlichen Soziallehre nicht nur auswendig, er könne sie, im Gegensatz zu anderen, auch interpretieren. Allerdings: Khol selbst war einst einer der eifrigsten Architekten von Schwarz-Blau - und die Wahrheit im Nachhinein für ihn bloß eine Tochter der Zeit. Finanzminister verteidigt Steuerreform. Wien – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hat sich am Sonntag in der ORF-Pressestunde klar von der FPÖ distanziert und ausgeschlossen, dass er einer schwarz-blauen Regierung dienen würde. Kritik an der Steuerreform versuchte er einmal mehr zu entkräften, wiewohl er einräumte, dass man da nicht gut kommuniziert habe. Weil es sich bei der FPÖ um eine demokratisch legitimierte Partei handle, spreche nichts gegen rot-blaue oder schwarz-blaue Regierungen, meinte Schelling. Er persönlich wolle aber kein Teil davon sein, wenn sich die FPÖ weiterhin so verhalte wie derzeit. Er erkenne bei den Freiheitlichen schlicht keine Lösungskompetenz. Schelling rechnet aber offenbar ohnehin nicht mit Neuwahlen: In seinem Bereich sei das Klima in der Regierung nicht abgekühlt, entgegnete er einer entsprechenden Frage. Wenn es gelinge, gemeinsam den Druck auf Reformen zu halten, gehe er davon aus, dass die Regierung bis 2018 hält. Inhaltlich unterstrich Schelling, dass man bei der Steuerreform eine ausgewogene und balancierte Gegenfinanzierung geschafft habe, er gehe davon aus, dass die Zahlen halten. Dass höhere Einkommen viel mehr von der Reform haben, sehe ich nicht so, meinte der Minister mit Verweis auf die Erhöhung bzw. Ausweitung der Negativsteuer für Geringverdiener und Pensionisten. Die Kommunikation der größten Entlastung ist aus Schellings Sicht nicht ideal gelaufen, wiewohl er nicht den Pressesprechern die Schuld geben wollte: Der Fehler lag bei der Bundesregierung. Dass es keine Steuerstrukturreform geworden sei, argumentierte Schelling damit, dass man nur ein halbes Jahr Zeit gehabt habe. Die Steuerreform sei aber nur der Beginn, es brauche strukturelle Reformen etwa bei Pensionen und Förderungen. Zu den neuesten Hypo-Milliardenverlusten erklärte Schelling, die Zahlen so angesetzt zu haben, dass sie eher besser werden als schlechter. Er sagte, dass er keine Überraschungen mehr erleben möchte. Es sei nicht zwingend, dass der komplette Schaden von bis zu 13 Mrd. Euro an den Steuerzahlern hängen bleibt. Dass die deutschen Banken nun gegen den Zahlungsstopp der Heta klagen, sieht Schelling gelassen. Die hätten uns sowieso geklagt, aber bei Kärnten sei nicht viel zu holen, ein Schuldenschnitt daher besser. Die Hypo beschäftigt derzeit auch einen U-Ausschuss im Parlament. Wochenlang herrschte dort Aufregung um geschwärzte Akten, bis der Verfassungsgerichtshof zuletzt entschieden hat, dass das Finanzministerium die beanstandeten Unterlagen unabgedeckt vorlegen muss. Schelling sagte zu, dies sofort zu tun, Verzögerungstaktik seien die Schwärzungen überhaupt nicht gewesen. Schelling betonte aber auch, welch gigantische Verantwortung die Abgeordneten nun in den Händen halten, damit aus den sensiblen Akten nichts öffentlich wird. Zum innenpolitischen Dauerbrenner Asyl verteidigte Schelling seine Parteikollegin Innenministerin Johanna Mikl-Leitner. Die Asylfrage sei eigentlich Ländersache und niemand habe mit einer Zahl an Flüchtlingen in der Dramatik gerechnet. Die Zelte zur Unterbringung von Asylwerbern seien optisch nicht gut, aber es habe offensichtlich keine Alternative gegeben. Wie seine Regierungskollegen sieht Schelling auch die EU gefordert. Der Tiroler Ludwig Steiner war eine der Persönlichkeiten, die aus fester Überzeugung die Republik Österreich wiederauferstehen ließen – und sie, ohne selbst im Vordergrund zu stehen, geprägt haben. Wien – Was Ludwig Steiner über Minderheiten zu sagen hatte, klingt bedrückend aktuell: Wirtschaftliche Not, aber oft genug ist in letzter Zeit brutale Unterdrückung ganzer Volksgruppen die Ursache, dass gepeinigte Menschen auf den Straßen Europas auf der Flucht und zur Heimatlosigkeit verurteilt sind. Steiner schrieb das vor mehr als 20 Jahren unter dem Eindruck der Kriege im ehemaligen Jugoslawien – mit einem eindeutigen Bekenntnis: Setzt man sich jahrelang für eine Volksgruppe ein, die einem ganz persönlich nahesteht, so kommt man unweigerlich dazu, sich grundsätzlich für die Rechte aller Volksgruppen einzusetzen. In Steiners Fall war die ihm nahestehende Volksgruppe jene der Südtiroler in Italien – obwohl er selbst in Innsbruck geboren wurde und von dort in die Politik nach Wien gekommen war. Und das kam so: Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs war der als Wehrmachtssoldat schwer verwundete Steiner in einer Gruppe von Widerstandskämpfern aktiv, die Innsbruck von der Nazi-Herrschaft befreien konnten, ehe die Alliierten die Stadt erreicht hatten. Die Gruppe wurde von Karl Gruber geführt, einem Innsbrucker, der vorher in Berlin im Widerstand tätig gewesen war und nach Kriegsende zum ersten Landeshauptmann von Tirol wurde. Steiner wurde sein Sekretär. Gruber gründete die österreichische Staatspartei – und schickte Steiner nach Wien, um mit der provisorischen Bundesregierung und der ÖVP Fühlung aufzunehmen. Damals, erinnerte sich Steiner später, war man in Tirol nicht ganz sicher, was von der in der sowjetischen Besatzungszone installierten Wiener Regierung zu halten wäre. Die Bestrebungen zur Einheit setzten sich aber durch, die Staatspartei wurde in die Volkspartei eingegliedert. Gruber kam in die Bundesregierung, wurde Außenminister unter Bundeskanzler Leopold Figl. Steiner schloss sein Volkswirtschaftsstudium ab ging ebenfalls in den diplomatischen Dienst und widmete sich seinem Lebensthema Südtirol. Durch Gruber war er in die Vorbereitung des Staatsvertrags 1955 eingebunden – über Grubers Empfehlung wurde er der Kabinettschef von Bundeskanzler Julius Raab. Das war die Zeit der legendären Kaffeekränzchen in der Wiener Kärntner Straße 52, dem damaligen Parteisitz der ÖVP: Hier entschieden Raab und seine Berater die Linie der Partei (und damit der Regierung – letztlich des ganzen Landes), hier lernte Steiner das Spiel der Macht. Als Raab im April 1961 das Vertrauen seiner Partei verlor, sorgte er dafür, dass sein Vertrauter Steiner in die Regierung kam: Im Kabinett Gorbach war Steiner Staatssekretär im Außenministerium und damit Verbindungsmann zum damaligen Außenminister Bruno Kreisky (SPÖ). Machte er nicht gerade Karriere in der ÖVP, vertrat Steiner Österreich als Botschafter (in Bulgarien, Zypern und Griechenland). In der Partei sprachen ihn daher die älteren Weggefährten als Herr Staatssekretär, die Jüngeren als Herr Botschafter an – auch als er längst Berufspolitiker war. Das war die für die ÖVP schmerzhafte Zeit der Opposition: 1979 erlitt die ÖVP ihre bis dahin schwerste Wahlniederlage, Steiner zog auf einem Tiroler Mandat in den Nationalrat ein, wurde außenpolitischer Sprecher seiner Partei. Als 1987 das Außenministerium von der ÖVP zu besetzen war, musste er allerdings Alois Mock den Vortritt lassen. Steiner erwies sich elf Jahre lang als ruhiger, auch als Politiker diplomatisch agierender Parlamentarier. Er erwarb sich Ansehen bei allen Fraktionen. Und er glänzte am Ende seiner parlamentarischen Karriere als Vorsitzender des Lucona- und des Noricum-Untersuchungsausschusses, in denen die skandalöse Verbandelung der früheren SPÖ-Spitze mit dem Mörder Udo Proksch und die ebenso skandalösen Machenschaften rund um neutralitätsgefährdende Waffenexporte der rot-blauen Regierung aufgearbeitet wurden. Seine letzte große öffentliche Funktion bekam er von Wolfgang Schüssel: Der schwarze Bundeskanzler machte ihm zum Vorsitzenden des Komitees des österreichischen Versöhnungsfonds für die Entschädigungszahlungen an ehemalige NS-Zwangsarbeiter. Am Sonntag ist Ludwig Steiner im Alter von 93 Jahren verstorben. Obmann Reinhold Mitterlehner kündigt neues "Fitnessprogramm" für das Land an. Wien – Nach den Zerwürfnissen in der Koalition, aber auch mit den eigenen Landeshauptleuten rund um den Asylgipfel und die Bildungsreformkommission war die ÖVP am Montag nach ihrer ersten Vorstandssitzung mit abgeschlankter Besetzung um Geschlossenheit bemüht. Die Regierung hat da und dort Schwierigkeiten, gab ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner klipp und klar zu. Nicht zuletzt wegen der anstehenden Landtagswahlen in Wien und Oberösterreich kündigte er für die kommenden Monate aber an, mit neuen Strategien das schwarze Profil zu schärfen – und, gesagt, getan, goss sein Generalsekretär Gernot Blümel gleich bei einem altbekannten Reizthema mit der SPÖ neues Öl ins Feuer. Im Zuge des sogenannten Evolutionsprozesses, wie die bürgerliche Erneuerungsbewegung genannt wird, fragt die ÖVP nun ihre Mitglieder, die sich beim letzten Parteitag im Frühjahr mehr Partizipation gewünscht haben, regelmäßig via App zu diversen Themen ab. Die Premiere erfolgte mit dem Hinterfragen der Mindestsicherung, konkret ob nach dem eingeleiteten härteren Kampf gegen Steuerbetrüger nun auch strengere Regeln und Kontrolle dieser Sozialleistung angebracht wären. Die nicht wirklich überraschende Antwort: Unter insgesamt 1.475 Votings stimmten 88,7 Prozent mit Ja. Vage blieb die Parteispitze allerdings in der Frage, was sie aus diesem Ergebnis ableitet. ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner: Es geht nicht darum, jemandem, der das braucht, etwas wegzunehmen. Aber man solle schon darstellen, wer etwas nicht brauche, und das werde man sehr fein machen. Die erneute ÖVP-Kritik an der Mindestsicherung blieb nicht lange unwidersprochen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) teilte dem Koalitionspartner am Abend mit, sie müsse sich nicht sorgen, dass diese es Tausenden ermögliche, in der sozialen Hängematte zu liegen, heißt es in einer Aussendung. Immerhin werde kaum eine andere öffentliche Transferleistung so genau kontrolliert. Rund ein Drittel aller Erstanträge werde abgelehnt. Ebenfalls Thema bei der Vorstandssitzung was die derzeit wohl brennendste Frage, nämlich die Unterbringung von Flüchtlingen. Dazu will Mitterlehner im Vorstand nun eine starke Kooperationsbereitschaft der Länder festgestellt haben. Prioritär sei es nun auch für die ÖVP-geführten Länder, die zugesagten 6.500 Plätze bis Ende Juli aufzutreiben. Dazu hielt Mitterlehner fest, dass bisher nur das rote Wien und das schwarze Niederösterreich ihre Quoten erfüllt haben – kein Wort davon, dass Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) unlängst wutentbrannt den Asylgipfel verlassen hat und dass Niederösterreich ohne das rote Traiskirchen, das die Hauptlast an Flüchtlingen trägt, nicht einmal auf 70 Prozent der anvisierten Quote käme. Trotz alledem will sich die ÖVP ein moderneres Image verpassen – und dazu hat sie ihren Thinktank, die Politische Akademie, neu besetzt: Der neue Vorstand besteht aus Außenminister Sebastian Kurz, der EU-Abgeordneten Elisabeth Köstinger, der niederösterreichischen Landtagsabgeordneten Bettina Rausch sowie Staatssekretär Harald Mahrer. Der ÖVP-Obmann selbst will Österreich ein Fitnessprogramm verpassen: Dabei geht es um Impulse für die Wirtschaft, den Bereich Wissensgesellschaft und – siehe oben – eine bürgerliche Sozialpolitik. Regierungswechsel zu Schwarz-Blau schließt ÖVP-Klubchef Lopatka aus. Wien – Nun also doch: Die frühere Klubobfrau des Team Stronach, Kathrin Nachbaur und der Stronach-Abgeordnete Rouven Ertlschweiger wechseln in den ÖVP-Klub. Das wurde am Samstag bei einer eilig einberufenen Pressekonferenz verkündet. Noch am Freitagnachmittag hatte ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka auf STANDARD-Anfrage entschieden dementiert, dass Nachbaur die Seiten wechseln könnte. Das kann ich ausschließen. Ich weiß, wer bei uns ist. Ich bin doch noch bei Sinnen. Anruf am Vormittag Gelogen will Lopatka aber nicht haben. Nachbaur habe ihn erst am Samstagvormittag angerufen und über ihre Wechselabsicht informiert. Erst seit 11.20 Uhr habe er daher gewusst, dass die Steirerin künftig im ÖVP-Klub mitarbeiten werde. Über diesen Schritt sei er angenehm überrascht gewesen. Bei Ertlschweiger gestand Lopatka aber ein, mit diesem bereits seit Donnerstag handelseins gewesen zu sein. Spekuliert wurde seit Wochen über weitere Wechsel. Im Juni waren bereits die Stronach-Abgerodneten Marcus Franz und Georg Vetter zur ÖVP übergelaufen. Fragen zu ihrer Motivation beantworteten Nachbaur und Ertlschweiger eher ausweichend. Der Schritt sei ihr nicht leicht gefallen, sagte Nachbaur. Sie hatte noch Samstagfrüh eine lange Aussprache mit Parteigründer Frank Stronach. Jeder muss eigenen Weg gehen Uns verbindet eine jahrelange Freundschaft, ich schätze ihn als Mensch, aber es hat nicht funktioniert. Jeder müsse seinen eigenen Weg gehen. Das mache ich jetzt, ergänzte Nachbaur. Das ÖVP-Grundsatzprogramm decke sich weitgehend mit ihren Vorstellungen und bei der Volkspartei habe sie nun eine größere Plattform, um ihre Themen wie Arbeitsmarkt und Wirtschaft umzusetzen. Ich will einen Beitrag leisten, damit es ein neues Wirtschaftswunder gibt. Und: Ich bin eine Wirtschaftsliberale mit Herz. Nachbaur machte aber auch klar, dass sie bei Themen wie der Griechenland-Hilfe wohl auch in Zukunft nicht mitstimmen werde. Heimkehr Ertlschweiger sprach von einer Heimkehr, er komme aus bürgerlichem Umfeld. Über Stronach werde er zwar nie ein schlechtes Wort verlieren, aber auch er gestand ein, sich die Entwicklung der Partei anders vorgestellt zu haben. Für Lopatka ist die Einkaufstour der ÖVP damit abgeschlossen – außer die Stronach-Mandatarin Jessi Lintl überlege es sich noch. Die frühere Mitarbeiterin im ÖVP-Klub hatte ebenfalls ein Angebot der Schwarzen – lehnte laut Lopatka aber ab. Nicht willkommen seien Stronach-Vertreter, die bereits bei der FPÖ oder beim BZÖ waren. Auch den Stronach-Abgeordneten Leopold Steinbichler, der laut STANDARD-Informationen selbst bei der ÖVP angefragt hat, möchte man nicht im Klub. Steinbichler sagte am Samstagnachmittag zur APA, dass er sich um einen Wechsel bemüht hätte, sei eine glatte Lüge. Keine Söldnertruppe Lopatka will seine Partei nicht als Söldnertruppe bezeichnet wissen. Gegen diesen Begriff verwahre er sich. Es gibt keinen Sold, nur ein Gehalt als Abgeordnete. Es habe auch schon neue Klubs während einer Legislaturperiode gegeben sowie wilde Mandatare: Das halte ich für schlechter. Einen fliegenden Regierungswechsel zu Schwarz-Blau werde es definitiv nicht geben: Das ist völlig ausgeschlossen und würde keinen Sinn ergeben. Mit den Neuerwerbungen, deren Aufgabenbereiche im Klub erst geklärt werden müssen, werde die ÖVP jedenfalls jünger, weiblicher und moderner. Auch für die Auseinandersetzung mit den Neos sei es wichtig, glaubhafte wirtschaftsliberale Personen zu haben. Parteiungebundene nichts Besonderes Für Lopatka ist es nichts Ungewöhnliches, wenn parteiungebundene Persönlichkeiten im Klub mitarbeiten, schließlich sei auch der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle kein Parteimitglied. Nachbaur sei heimatverbunden, weltoffen und international erfahren, Ertlschweiger habe viel Know-How bei Medien und Sportfragen, lobt Lopatka seine Neuzugänge. Für die Regierung bedeute der Übertritt der beiden eine größere Mehrheit (nun hat Rot-Schwarz 103 Mandatare im Nationalrat). Inklusive der Bundesrats- und EU-Abgeordneten werde die ÖVP zum stärksten Klub im Parlament (80 bei der ÖVP, 78 bei der SPÖ). Im Nationalrat hat man nun nur mehr ein Mandat weniger als die SPÖ (52 zu 51) – siehe Grafik. Klagen drohen Möglicherweise hat die Wechselpolitik auch noch rechtliche Folgen. Wie das Profil berichtet, prüft das Team Stronach mögliche Schadenersatzforderungen gegen die Neo-ÖVP Mandatare Georg Vetter und Marcus Franz. Durch ihren Übertritt entgehen dem Stronach-Klub Förderungen in der Höhe von 200.000 Euro. Nun verliert man weitere 332.000 Euro. Zu den neuen Abgängen sagte Stronach-Klubchefin Waltraud Dietrich, diese seien erkennbar gewesen. Das Team Stronach werde trotzdem gemäß den Werten von Parteigründer Stronach weiterarbeiten. Kritik kam von SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder: Die Mandate werden am Wahltag vom Wähler vergeben. Nicht danach mit billigen Taschenspielertricks erkauft. Neuer Klubobmann des Team Stronach könnte Robert Lugar werden. Nach dem Wechsel der Abgeordneten Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger zur ÖVP soll im Parlamentklub des Team Stronach bereits die nächste Personalrochade anstehen. Nach Informationen der Kleinen Zeitung will die Steirerin morgen Montag ihren Abgang verkünden. Dietrich habe schon länger über das negative Umfeld geklagt. Damit will sie ihrer Demontage zuvorkommen, die Stronach dem Vernehmen nach bei den ORF-Sommergesprächen am Montag verkünden will. Neuer Klubobmann soll Robert Lugar werden, heißt es in dem Zeitungsbericht. Schieder kritisiert "schlechteste Form von Politik", Kritik auch innerhalb der ÖVP. Wien – ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka hat am Montag im Ö1-Morgenjournal einen fliegenden Regierungswechsel zu Schwarz-Blau ausgeschlossen. Entsprechende Warnungen von den Grünen waren nach den jüngsten Fraktionswechseln vom Team Stronach zur ÖVP ergangen. Nein, das ist absurd jetzt zu glauben, dass es einen fliegenden Wechsel geben könnte, meinte Lopatka auf die entsprechende Frage nach Schwarz-Blau. Für die Zukunft schließe er nach Wahlen aber keine Koalitionsform aus. Eine Neuwahl will er jetzt allerdings nicht: Was soll besser werden, wenn wir wählen gehen? Laut Klubchef keine weiteren Zugänge geplant Grundsätzlich gehe es nicht um das Abwerben, sondern darum, dass das Grundsatzprogramm der ÖVP zu 100 Prozent unterstützt werde und darum, wie jemand im Parlament agiert habe. Außerdem hätten die nun neu dazugestoßenen Abgeordneten keine Zukunft mehr beim Team Stronach gesehen. Lopatka schloss aus, dass etwa Robert Lugar oder Leo Steinbichler vom Team Stronach in den ÖVP-Klub aufgenommen würden. ÖVP-Chef Mitterlehner sieht der künftigen Zusammenarbeit mit den übergelaufenen Mandataren Kathrin Nachbaur und Rouven Ertlschweiger im Parlamentsklub indes positiv entgegen. Er habe mit beiden neuen Abgeordneten ein Gespräch geführt, teilte Mitterlehner in einem schriftlichen Statement auf Anfrage der APA mit. Wesentlich ist, dass sie mit den Inhalten und Grundsätzen der ÖVP übereinstimmen, betonte der Vizekanzler. Alle weiteren Sommer-Spekulationen haben keine Grundlage. Auch FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl schloss einen fliegenden Regierungswechsel am Montag kategorisch aus. Eine Regierungsbildung kann nur auf Basis eines Wahlergebnisses und des Wählervotums stattfinden. Alles andere ist hochgradig undemokratisch, so Kickl in einer Aussendung. Selbst wenn sich die Volkspartei sämtliche Mandatare des Team Stronach einverleiben würde, wäre sie demokratisch niemals dazu legitimiert, den Kanzleranspruch zu stellen. Weiters meint Kickl, wenn die ÖVP der Rolle des Juniorpartners in der Koalition mit der SPÖ überdrüssig sei, gebe es nur einen demokratischen Weg, das zu ändern: nämlich mittels Neuwahlen. Nicht in dieser Legislaturperiode Schwarz-Blau begrüßen würde hingegen Marcus Franz, erst Anfang Juni vom Team Stronach zur ÖVP übergelaufen. Gegenüber der Tageszeitung Heute erklärte er am Montag: Ich persönlich finde, Schwarz-Blau hätte Charme. Er geht aber davon aus, dass SPÖ und ÖVP bis zur Wahl 2018 an der Regierung bleiben. Darauf angesprochen, meinte Lopatka: Franz sagt aber: Nicht in dieser Legislaturperiode. Die Empörung in anderen Parteien wollte Lopatka nicht verstehen und verwies auf Parteiwechsel etwa bei der SPÖ oder den Grünen. Diese sollen nicht mit zweierlei Maß messen, forderte er. Der ÖVP-Klubobmann räumte aber ein, dass ein derartiger Wechsel nur der Ausnahmefall sein könne. Laut Lopatka sollen übrigens auch SPÖ-Mandatare bei Rouven Ertlschweiger angefragt haben, ob er Interesse habe, zur SPÖ zu wechseln. Im SPÖ-Klub wurde das am Montag entschieden dementiert: Das stimmt nicht – im Gegenteil, sowohl Lopatka als auch Ertlschweiger hätten ja kundgetan, dass die Gespräche schon seit Wochen liefen. Es habe seitens des SPÖ-Klubs keine Abwerbeversuche gegeben – auch nicht von einzelnen Abgeordneten, hieß es auf Nachfrage. Man soll jetzt nicht ein Ablenkungsmanöver starten, richtete man der ÖVP aus. SPÖ-Klubchef Andreas Schieder meinte zu den Vorgänge bei der ÖVP im ORF-Radio: Ich halte das für die schlechteste Form von Politik. Dies würde lediglich die negativen Vorurteile mancher gegenüber der Politik bestätigen. JVP Vorarlberg: Peinlich Auch innerhalb der ÖVP ist nicht jeder der Meinung, dass die Partei durch die Neuzugänge gestärkt wird. Nicht glücklich mit dem Klub-Import von Team-Stronach-Abgeordneten ist etwa die Junge Volkspartei Vorarlberg. Dieser sei peinlich und einer bürgerlichen Partei nicht würdig – #beschämend, schrieb die Jugendorganisation auf Twitter. Kritik kam auch von Franz Hörl, der für die ÖVP bis 2013 im Nationalrat saß und in Tirol mehrere Parteifunktionen innehat. Er machte sich in einem Facebook-Posting Luft: Ist der ÖVP-Parlamentsklub der Gully für gestrauchelte/gestronachte Abgeordnete oder das Sammelbecken der HEIMATLOSEN (Marcus Franz, Georg Vetter, Kathrin Nachbaur, Rouven Erlschweiger und … Karlheinz Töchterle) – ES REICHT!!! Die Frage kommt hinterm Gebirgsgrat hoch: Ist das noch meine Partei? (APA, red, 3.8.2015) Drei Ministerien sind unter Verdacht, das Geheimpapier zu den Kosten für die Flüchtlingsbetreuung an die Öffentlichkeit gespielt zu haben. Wien – Auch innerhalb der ÖVP machte man sich auf die Suche, wer denn das vermeintliche Geheimpapier der Regierung, in dem die Kosten für die Flüchtlingsbetreuung in den nächsten Jahren mit mehr als zwölf Milliarden Euro beziffert wurden, an die Öffentlichkeit gespielt haben könnte. Drei Ressorts gerieten unter Verdacht: Innen- oder Außenministerium sowie das Finanzministerium. Beweise gibt es keine, aber letztlich schien innerhalb der Partei jene Ansicht die Mehrheit zu gewinnen, die Außenminister Sebastian Kurz die Schuld zuschob. Was in dessen Büro brüsk zurückgewiesen wird. Anderen in der Partei dient diese Annahme wiederum zur Untermauerung jener These, die Kurz stramm nach rechts rückt und am Sessel von Parteichef Reinhold Mitterlehner sägen sieht. Was im Büro von Kurz noch brüsker zurückgewiesen wird. Offizielle Darstellung da wie dort: Es gibt keine Nachfolgediskussion in der ÖVP. Angezweifelt wird auch, wem es denn nutzen soll, wenn FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache jetzt gestärkt werde. Mitterlehner würde jedenfalls nicht davon profitieren, so viel ist klar. Innerhalb der Partei ist die Stimmung jedenfalls alles andere als rosig. Mitterlehner komme mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner nicht sonderlich gut klar, umgekehrt gehöre Kurz nicht zum engsten Fankreis des Vizekanzlers. Das schlechte Ergebnis in Oberösterreich und die Aussicht auf ein noch viel schlechteres Ergebnis in Wien lassen in der Führungsriege einen raueren Ton aufkommen, auch wenn allen Beteiligten klar ist, dass sich personell nichts ändern wird. Weder in der eigenen Partei noch beim Koalitionspartner SPÖ. Sobald Wien verarbeitet ist, wird jedenfalls mit Volldampf an der realpolitisch uninteressanten, dafür umso prestigeträchtigeren Bundespräsidentenwahl gearbeitet – in Parteien und Medien. ÖVP Wien ist für Gesamterfolg der Partei entscheidend, sagt der neue Landeschef. Wien – Gernot Blümel wurde am Montagnachmittag vom ÖVP-Landesparteivorstand mit 95,7 Prozent der Stimmen zum geschäftsführenden Obmann gewählt. Er folgt damit auf Manfred Juraczka, der die Landesgruppe am Sonntag in ein historisches Wahldebakel geführt hat. Im Interview mit dem STANDARD erklärt Blümel, warum er sich den Job antut und wie er die anstehenden Gespräche mit der SPÖ anlegt. STANDARD: Warum tun Sie sich den Job des ÖVP-Chefs in Wien an? Blümel: Ich bin von Haus aus ein überzeugter ÖVPler, mit jeder Faser meines Herzens. Ich habe meine Diplomarbeit über den Personenbegriff in der christlichen Soziallehre geschrieben. Es liegt mir also total am Herzen, dass es mit der ÖVP in Wien bergauf geht. Es gibt wenige Teile in der ÖVP, die für den Gesamterfolg der Partei so wichtig sind wie die Wiener ÖVP. Deshalb nehme ich diese großartige Aufgabe gerne an. STANDARD: Mussten Sie lange bearbeitet werden, bis Sie zugesagt haben? Blümel: Am Sonntagabend gab es erst die Wahl, danach haben die Beratungen in der Partei begonnen und dann ist man auf mich zugekommen. Von lange kann also nicht die Rede sein. STANDARD: Die Partei muss nach dem historisch schlechtesten Abschneiden einer ÖVP-Landesgruppe neu aufgestellt werden: Was sind die größten Baustellen der Wiener ÖVP? Blümel: Sie haben Recht: Es geht um eine grundlegende Neuaufstellung – strukturell und inhaltlich. Es reicht nicht, nur ein Gesicht auszutauschen. Der einzige Fehler, den wir jetzt machen können, ist, zu wenig Mut zu haben. STANDARD: Was heißt das konkret? Blümel: Ich wurde vor einer Stunde bestellt. Es braucht noch etwas Zeit, wir werden das intern in Ruhe beraten. STANDARD: Waren die Themen, die man im Wahlkampf gesetzt hat – Gymnasien, Autofahrer – zeitgemäß für eine Großstadt wie Wien? Blümel: Ich will nicht Vergangenheitsbewältigung betreiben, sondern mich um die Zukunft kümmern. Aber klar ist: Der Wahlkampf war von einem inszenierten Duell überlagert, dadurch wurden die anderen Parteien von den Titelblättern und auch aus der Wahrnehmung der Wähler verdrängt. Wir wollen jetzt gemeinsam definieren, was die Grundlagen einer bürgerlichen Stadtpolitik sind. Und vielleicht kann das ja ein Modellversuch für ganz Österreich werden. STANDARD: Streben Sie eine Koalition mit der SPÖ an? Blümel: Das ist eine jener Fragen, die für die Politikverdrossenheit verantwortlich ist. Es geht nicht um die Frage, ob wir in eine Koalition wollen oder nicht. Es geht darum, welche Themen wir forcieren wollen. Wenn wir die in den Verhandlungen durchbringen, steht einer Koalition nichts im Wege. Wenn das nicht der Fall ist, dürfen wir auch nicht davor zurückschrecken, in Opposition zu gehen. STANDARD: Gibt es konkrete inhaltliche Bedingungen für die Regierungsbeteiligung? Blümel: Das werden wir intern diskutieren. Diese Fragen gehören gut vorbereitet. STANDARD: Sie haben nicht auf dem Landeswahlvorschlag der ÖVP kandidiert, werden daher auch nicht im Gemeinderat vertreten sein. Ist das nicht ein Nachteil oder denken Sie sich: Wenn es zu keiner Koalition kommt, bleibt noch der Posten des nichtamtsführenden Stadtrats? Blümel: Das ist komplett irrelevant. Es geht darum, was das Beste für die Wiener ÖVP ist und durch welche inhaltliche und strukturelle Neuaufstellung wird das erreichen. Das hängt nicht von der Frage ab, ob ich im Gemeinderat sitze oder ob ich nichtamtsführender Stadtrat bin. STANDARD: Wo sehen Sie im politischen Spektrum in Wien Platz: Muss man die rechte Flanke stärker bedienen, um Strache Konkurrenz zu machen? Blümel: Wir sind traditionell eine bürgerliche Partei der Mitte – auf Basis der christlichen Soziallehre. Auf dieser Basis werden wir unsere Inhalte definieren. STANDARD: Also wird es keinen Rechtsruck unter dem neuen Obmann Gernot Blümel geben? Blümel: Noch einmal: Wir werden uns das genau anschauen und dann definieren, wie bürgerliche Politik in einer Großstadt aussehen soll. Neuer VP-Generalsekretär soll "zeitnah in den nächsten Tagen" präsentiert werden. Wien – ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner denkt nicht an eine Umbildung des schwarzen Regierungsteams im Kielwasser der Herbstwahlen. Das versicherte der Vizekanzler am Mittwoch nach dem Ministerrat. Der neue Generalsekretär, den die Volkspartei nach dem Abgang von Gernot Blümel Richtung Wien braucht, soll zeitnah in den nächsten Tagen präsentiert werden, kündigte er überdies an. Kolportierte Namen kommentierte Mitterlehner nicht. Es werden mehrere Namen genannt, sagte er nur, konkret auf Hauptverbandschef Peter McDonald angesprochen. Er ersuchte die Medienvertreter in dieser Personalie noch um ein wenig Geduld und stellte eine Pressekonferenz demnächst in Aussicht. Man habe das Thema Budget – Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) hält heute seine erste Budgetrede – nicht toppen wollen. Keine Signale vom Koalitionspartner SPÖ Spekulationen über eine mögliche Umbildung des ÖVP-Regierungsteam erteilte Mitterlehner eine Absage: Wir für unseren Bereich denken nicht daran. Und er habe auch keine Signale, dass sich in der SPÖ entsprechendes tun könnte, meinte er, wenngleich er sich beeilte, zu betonen, dass er nicht für den Regierungspartner sprechen könne. SPÖ-Vorsitzender und Bundeskanzler Werner Faymann war am Mittwoch krankheitsbedingt verhindert. Die Regierungsgespräche in Oberösterreich, wo ÖVP-Landeshauptmann Josef Pühringer eine gewisse Priorität für die FPÖ kundgetan hat, kommentierte Mitterlehner nicht: Das sei Angelegenheit der Landespartei. Er gehe aber davon aus, dass bald eine Koalition stehen werde, schließlich nahe die konstituierende Landtagssitzung. (APA, 14.10.2015) Mitterlehner wünscht sich ein politischeres Verständnis des Amtes und mehr Profil. Wien – Er hatte schon mit einem großartigen Tag gerechnet. Was seit Tagen gemunkelt und Donnerstagfrüh von Peter McDonald zunächst via Twitter angedeutet wurde, war eine halbe Stunde später endlich offiziell: Der bisherige Hauptverbandschef ist neuer Generalsekretär der ÖVP. Vorgänger Gernot Blümel, der nach der schwarzen Schlappe bei der Wien-Wahl die Landespartei übernimmt, überreichte noch schnell einen Handyakku (Das kann man immer brauchen), wollte den von ihm begonnenen Parteierneuerungsprozess als Hinterlassenschaft verstanden wissen – und weg war er. Parteichef Reinhold Mitterlehner freute sich, dass der Neue mit den unkonventionellen Ideen per Umlaufbeschluss vom ÖVP-Vorstand abgesegnet wurde. Damit würde es auch wieder in Richtung eines politischeren Generalsekretariats gehen – eine Entwicklung, die Mitterlehner offensichtlich sehr begrüßt: Wir müssen uns da und dort besser profilieren. McDonald ist derzeit Direktor des Österreichischen Wirtschaftsbunds und trat erst im Oktober 2014 als Nachfolger von Hans Jörg Schelling den Vorsitz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger an. Den Job gibt er laut seiner ersten Wortmeldung als neuer ÖVP-General auch nicht leichtfertig auf, aber: Mit einer Stärkung der ÖVP könne er einen wichtigeren und entscheidenderen Beitrag zur Zukunft des Landes leisten. Er wolle mithelfen, dass die ÖVP wieder in der obersten Liga mitspielt, knüpfte McDonald an die verbale Stoßrichtung an, die Schelling bei seiner Budgetrede am Mittwoch vorgegeben hatte. Ich freu mich, heute wird ein großartiger Tag!#einDonnerstagimOktober McDonald ist in der ÖVP gut verankert, er ist seit mehr als zehn Jahren im Wirtschaftsbund, 2013 kandidierte der 42-jährige Oberösterreicher mit irischen Wurzeln bei der Nationalratswahl auf der Bundesliste der ÖVP. Das Engagement begann bereits während seines Studiums, da engagierte sich McDonald als Vorsitzender der Hochschülerschaft der Johannes-Kepler-Universität in Linz. Über sich selbst sagt McDonald, er habe bewiesen, dass ich nicht davor zurückschrecke, heiße Eisen zu schmieden und heilige Kühe zu schlachten. Gemeint ist etwa die Senkung der Sozialversicherungsbeiträge, die er als Obmann der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft für jene Mitglieder eingeführt hat, die sich zum Erreichen bestimmter Gesundheitsziele verpflichten. Mit Mitterlehner, ebenfalls ein Oberösterreicher, versteht sich McDonald sehr gut, die beiden verbinde ein sehr vertrautes Verhältnis, heißt es. Es sei auch kein Zufall, dass der Herr Vizekanzler auf mich zugekommen ist – er sei bereits beim Auftakt des Evolutionsprozesses für die inhaltliche Erneuerung der Volkspartei dabei gewesen. Mitterlehner betonte, dass die Nominierung McDonalds mit allen bündischen Vertretern abgestimmt ist, und sie haben alle zugestimmt. Nachsatz: Das gilt auch für den ÖAAB. Die Nachfolge McDonalds im Hauptverband ist noch nicht geklärt. Der Wirtschaftsbund werde jemanden nominieren, letztlich muss der neue Kandidat von Trägerkonferenz und Vorstand bestätigt werden, skizzierte der neue VP-General. Sein Vorgänger Blümel war noch von Ex-Parteichef Michael Spindelegger, in dessen Kabinett er arbeitete, in die Parteizentrale geholt worden. Spekulationen über eine Umbildung des ÖVP-Regierungsteams wies Mitterlehner zurück: Wir für unseren Bereich denken nicht daran. Gerüchte über eine Rückkehr von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nach Niederösterreich halten sich dennoch hartnäckig. Er habe auch aus der SPÖ keine derartigen Signale vernommen, sagte Mitterlehner. Zuletzt gab es Gerüchte, dass es zu personellen Änderungen bei den Sozialdemokraten kommen könnte, wenn Klubobmann Andreas Schieder in die Wiener Stadtregierung wechseln sollte. Die ÖVP hat Peter McDonald zum Generalsekretär gemacht. Er soll politischer sein als sein Vorgänger, will aber tagesaktuelle Themen nicht kommentieren. STANDARD: Sie wurden als neuer Generalsekretär bestellt: Wollte die ÖVP nicht weiblicher und jünger werden? McDonald: Die ÖVP ist sehr wohl jung und weiblich, aber auch männlich. Und wir haben auch im Seniorenbund mit Andreas Khol gute Vertreter an der Spitze. STANDARD: Diese Ansage war ein Ergebnis des parteiinternen Evolutionsprozesses. Ist sie obsolet? McDonald: Es wäre wohl schwierig, jemanden in eine verantwortungsvolle politische Position zu bringen, der noch jünger ist als Sebastian Kurz. Der Evolutionsprozess ist noch nicht abgeschlossen, ich war von Beginn an dabei. Wir wollten damals eine neue Politik. Gernot Blümel hat das zum Anlass genommen, um die ÖVP-Politik stärker an Werten festzumachen. Wir wollen sie nicht nur predigen, sondern auch umsetzen. STANDARD: Welche Werte? McDonald: Leistungsbereitschaft, Eigenverantwortung und Wahlfreiheit. Wir dürfen uns nicht auf eine immer kleiner werdende Klientel beschränken, sondern müssen uns den Leistungsbereiten und dem Mittelstand öffnen. Verantwortung soll nicht auf den Staat abgewälzt werden. STANDARD: Das klingt nach Neos. McDonald: Die ÖVP hat eine lange Tradition, wir haben den Willen, die Zukunft zu gestalten. Die Neos sind eine neue Partei, ihr einziger Aspekt ist, dass sie neu sind. STANDARD: Sie wollen die Partei öffnen. In welche Richtung? McDonald: Das ist notwendig für eine Traditionspartei. Wir wollen als Partei den Wohlstand, wie wir ihn heute kennen, sichern. Dazu braucht es Veränderung im Land. STANDARD: Finanzminister Schelling hat im Sommer gesagt, dass das Arbeitsloseneinkommen zu hoch ist. Hat er recht? McDonald: Wir müssen auf die Leistungsträger zugehen. Das heißt, jeder, der Leistung erbringt, muss einen Anreiz dafür haben. STANDARD: Stimmen Sie ihm zu? McDonald: Es geht nicht primär darum, ob das Arbeitsloseneinkommen zu hoch ist, aber man muss darüber nachdenken, wie man der geringen Differenz zwischen Arbeitslosen- und Erwerbstätigeneinkommen begegnet und Arbeitsanreize schafft. STANDARD: Reinhold Mitterlehner wünscht sich, dass Sie das Amt politischer anlegen als Ihr Vorgänger. Was haben Sie vor? McDonald: Es braucht weder einen Kettenhund noch jemanden, der ausschließlich Wahlkämpfe organisiert. Ich möchte Ideen einbringen und entwickeln – abseits von den tagespolitischen Konflikten. STANDARD: Aktuell bestimmt die Flüchtlingsthematik die Tagespolitik: Wie soll man damit umgehen? McDonald: Ich will das nicht für politische Diskussionen missbrauchen. Man muss das Thema als Zukunftsthema begreifen und es sachlich bearbeiten. STANDARD: Ganz klar ist die Linie nicht. Der Vorschlag nach Asyl auf Zeit war ein Schritt nach rechts. McDonald: Ich will tagesaktuelle Themen nicht kommentieren. STANDARD: Im Evolutionsprozess war die Familienpolitik wichtiger Bestandteil. Wie stehen Sie zu einer Öffnung der Ehe? McDonald: Ich habe selbst eine gut funktionierende Patchworkfamilie. Es gibt unterschiedliche Lebensrealitäten, die lassen sich nicht wegwischen. In welchem rechtlichen Rahmen das stattfindet, ist eine andere Debatte. STANDARD: Sind Sie für eine Ehe von gleichgeschlechtlichen Paaren? McDonald: Es gibt wichtigere Themen. STANDARD: Und Ihre persönliche Meinung? McDonald: Ich habe generell mit Vielfalt kein Problem, jeder soll seinen Weg selbst entscheiden können. STANDARD: Zuletzt war das Verhältnis in der Regierung angespannt. Mittlerlehner sprach von Weiterwursteln. Wie soll es weitergehen? McDonald: Es war notwendig, klar zu sagen, dass wir einen anderen Anspruch als die SPÖ haben. Man muss in einer Koalition nicht immer einer Meinung sein. Das ist wie in einer normalen Partnerschaft. Wirtschaftskammerpräsident: Vorgezogener Rückzug "reine Spekulation" – "Werde mir nicht selbst ein Ablaufdatum verpassen". Wien/Linz – Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl hat einen Zeitungsbericht dementiert, wonach er spätestens Anfang 2017 seinen Sessel räumen werde. Das stimmt nicht. Das ist reine Spekulation, und ich bin irgendwo amüsiert, wie das läuft, weil jeder weiß, dass ich natürlich 2020 nicht mehr antrete, sagte Leitl am Wochenende im ORF-Radio Oberösterreich. Ich werde mir jetzt nicht selbst ein Ablaufdatum verpassen, hatte Leitl zuvor laut einem Bericht der Presse gesagt, aber ich werde meinem Nachfolger oder meiner Nachfolgerin rechtzeitig die Möglichkeit geben, sich zu positionieren. In Oberösterreich wird Anfang 2016 aber der Chefposten des ÖVP-Wirtschaftsbunds von Leitl an Ex-ÖVP-Landesrätin Doris Hummer übergehen. Freundlich, zuvorkommend, ein Hardliner: Sebastian Kurz, in der Regierung für Außenpolitik und Integration zuständig, haut derzeit ordentlich auf die Pauke. "Macht die Grenzen dicht!", lautet seine Botschaft. Ich bin nicht rechts, sagt Sebastian Kurz. Er habe nur recht. Der Außenminister ist nicht von Selbstzweifeln angekränkelt: Pragmatisch sei er und realistisch, ich bin einer der wenigen, die ihre Linie nicht dreimal ändern mussten. Er sei nur ehrlich: Wir sind überfordert. Flüchtlinge, so Kurz im Gespräch mit dem Standard, sollten lieber außerhalb der EU als innerhalb gestoppt werden. Andere Politiker hätten auf Abwarten gesetzt und sich brutalst verkalkuliert, sagt Kurz. Ich habe recht bekommen. Die Sprechblasen helfen uns nicht weiter. Wir müssen Klartext reden, viele Politiker trauen sich das nicht. Er schon. Der 29-Jährige sucht in den vergangenen Tagen verstärkt die Öffentlichkeit, auch jene in Deutschland und in der Schweiz. Große Interviews in der Neuen Zürcher Zeitung und in der Frankfurter Allgemeinen, zur Sicherheit werden die Interviews auch an die heimischen Redaktionen versandt. Seht her, was unser Außenminister tut und sagt. Seine Botschaft: Wir müssen die Grenzen sichern und die Flüchtlinge stoppen. Wenn das jetzt nicht gelingt, dann kommen nächstes Jahr doppelt so viele. Das müssten auch die Deutschen wissen. Im Übrigen seien die Schuldzuweisungen zwischen jenen Ländern, die am meisten Flüchtlinge aufnehmen, absurd. Wir sind hier mit einer Feindseligkeit konfrontiert, die wir nicht verdient haben. Die Begriffsdebatte, mit der sich Österreich aufhalte, sei absurd: Vor drei Monaten war das Zelt böse, jetzt ist der Zaun böse. Die Frage ist doch nur, wo er steht. Wenn er in Europa steht, sei das schlecht. Er sei überzeugt davon, wenn es keine Grenze drumherum gibt, wird der Schengenraum zerfallen. Allerdings, und da sind wir wieder bei der Begriffsdebatte, brauche es auch an der Grenze in Spielfeld eine Befestigung, um die Situation zu kontrollieren. Kurz zuckt die Schultern: Wenn das zufällig das gleiche Material wie der Zaun ist ... Wir können auch Gitter dazu sagen. Eine andere Begrifflichkeit ist die Festung Europa, die seine Parteifreundin und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner so ausdrücklich will. Ein unglücklicher Begriff sei das, sagt Kurz, aber die Hanni und ich meinen das Gleiche. Es sei ja nicht so, dass keiner mehr reindarf, wie der Begriff Festung suggeriere. Ob Mikl- Leitner dieses Bild absichtlich wählte, um das auszudrücken, oder ob es ihr passiert ist, das lässt der Außenminister offen. Ich bin auch dafür, dass man einen Asylantrag im Ausland stellen darf, sagt Kurz – und fügt triumphierend an: Eine links-grüne Forderung! Dass Österreich diese Möglichkeit vor Jahren abgeschafft hat, wischt Kurz beiseite: Es braucht eine europäische Behörde, die das abwickelt. Und ja, das auch: Die, die bereits hier sind, müssten bestmöglich integriert werden, auch mit einem verpflichtenden Wertekurs, in denen ihnen Grundsätzliches von der Gleichberechtigung bis zur Mülltrennung beigebracht wird. Das sei ebenso wichtig wie der Spracherwerb, Alphabetisierung, Zugang zum Arbeitsmarkt. Rechte bedingen Pflichten, daher müssten sich Flüchtlinge integrieren und unseren Werten anpassen, besonders viel Wert legt Kurz auf das Engagement in einem Ehrenamt, was ihm sehr österreichisch erscheint, aber vielleicht nur, weil er in der ÖVP sozialisiert wurde. Paradoxerweise ist damit nicht jene Tätigkeit gemeint, denen derzeit viele Menschen an Bahnhöfen und in Flüchtlingsquartieren nachkommen, um die Überforderung des Staates aus eigenen Stücken zu kompensieren – ehrenamtlich. Kurz verfolgt seine Ziele freundlich, aber hartnäckig. Als er im April 2011 Integrationsstaatssekretär unter Mikl-Leitner wurde, gelang der ÖVP ein medialer Coup: Der junge Mann steuerte der mit eiserner Faust und verbaler Brachialgewalt agierenden Ministerin ein routiniertes Lächeln bei, das der Bevölkerung signalisieren sollte: Ich habe das alles im Griff. Viele, die Kurz in den ersten Tagen kritisiert hatten, zollten ihm nach einigen Monaten Respekt: Das Dauerstreitthema Integration, nun war es in ruhigen, verbindenden Gesten aufgehoben. Von einer Versachlichung der Debatte war oft die Rede. Integration durch Leistung war das Mantra, das der sauber frisierte Jungpolitiker so oft wie nur möglich anstimmte. In Staaten, die sich seit Jahrhunderten als multikulturelle Gesellschaften definieren, klingt das altbacken. In der Ära Fekter, als Migranten und deren Kindeskindern der Verdacht der Integrationsunwilligkeit als quasi genetisches Merkmal zugeschrieben wurde, war es erfrischend. Vier Jahre später schlägt Kurz auch andere Saiten an. Zugewanderten, die jahrelang in den Steuertopf eingezahlt haben, will er die Familienbeihilfe streichen und Asylberechtigten nach drei Jahren den Status aberkennen – Integration hin oder her. Dieser Schwenk in Richtung einer Das Boot ist voll-Rhetorik kam für viele überraschend. Kurz galt als das liberale, freundliche und weltoffene Aushängeschild der ÖVP, eine Zukunftshoffnung, die bei einem jüngeren Publikum punkten könnte, auch mit Coolness und lockeren Gesten. Da passen die strengen Töne, die er anschlägt, nicht dazu. Dabei sei er sich nur selbst treu geblieben, behaupten Vertraute. Konservativ sei er immer schon gewesen, seine politische Heimat ist die Junge ÖVP, das sind keine gesellschaftskritischen Revoluzzer. Wenig überrascht zeigt sich auch Martin Schenk, Sozialexperte der Diakonie und Autor des Buchs Die Integrationslüge. Er ortet keinen Sinneswandel, sondern sieht den Schwenk eher in der veränderten Realpolitik begründet: Bisher, so Schenk, habe Kurz das Thema Asyl strikt ausgeklammert und der Innenministerin überlassen. Heute ist das Thema so dominant, dass die strikte Trennung Migranten hier, Asylwerber dort in der Integration nicht funktioniert, meint Schenk. Anders gesagt: Gedacht hat er vielleicht schon immer so, nur gesagt hat er es nie. In Zeiten geringer Asylantragszahlen war diese Zwei-Welten-Theorie einfach leichter aufrechtzuerhalten. Tatsächlich beschränkte sich Kurz stets auf jene Migranten, die schon seit längerem hier leben. Er packe an, wo frühere Regierungen geschlafen und die Diskussion den linken und rechten Rändern überlassen hätten, pflegte er zu sagen – und setzte alle Hebel der PR in Gang, um das Image des Saubermachers zu verfestigen. Und PR-Kampagnen lässt er sich einiges kosten. Die von ihm initiierte Social-Media-Aktion #stolzdrauf, die Zugewanderte zu öffentlichen Patriotismusbekundungen aufforderte, wurde laut Berechnungen des STANDARD von Inseraten im Wert von 500.000 Euro begleitet. Wie viel die konzeptionell eher dünne Kampagne insgesamt gekostet hat, war auch durch parlamentarische Anfragen der Grünen nicht zu erfahren. Viel PR, viel Ideologie, aber wenig konkret Erreichtes – dieses Zeugnis stellte auch eine Forschergruppe an der Universität Wien der Arbeit des Integrationsministers aus. Studienautor Oliver Gruber konstatierte eine große Kluft zwischen Rede und tatsächlich getroffenen politischen Entscheidungen. Wobei fraglich ist, wie viel ein Integrationsminister jemals erreichen kann: Als Querschnittsmaterie ist die Integrationspolitik auf andere Ressorts angewiesen, um Reformen voranzutreiben. Ohne Bildungsministerium keine Sprachförderung, ohne Sozialministerium keine Reform der Rot-Weiß-Rot-Card und der Anerkennung von im Ausland erworbenen Qualifikationen. Wer verleitet ist, Kurz als einsamen Reformator zu zeichnen, liegt aber ebenso falsch, meint Norbert Bichl, Wiener Experte für die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse – ein Bereich, den Kurz stets als Herzthema dargestellt hatte. De facto gingen nämlich viele Veränderungen zum Positiven auf das Konto des Sozialministeriums. Kurz Verdienst in dieser für den Leitspruch Integration durch Leistung so zentralen Materie beschränke sich – einmal mehr – auf gute PR. Dieser mediale Push habe aber immerhin bewirkt, dass die Anträge jener Migranten, die ihre Bildungsabschlüsse hier bewerten lassen wollten, massiv angestiegen seien – ein klares Verdienst des Integrationsministers, meint Bichl. Kurz hat in der Integrationsdebatte eine andere Sprache eingeführt, lobt Martin Schenk. Indem der Minister die Scheinwerfer auf die Leistungen der Migranten richtete, habe Kurz aber zugleich seinen eigenen blinden Fleck offenbart: Auch jene Migranten, die weniger gut ausgebildet oder ärmer sind, haben ein Anrecht auf Teilhabe und Unterstützung. Doch hier zeigte Kurz wenig Erbarmen: Dass Migranten nur dann österreichische Staatsbürger werden dürfen, wenn sie ein Einkommen beziehen, das 70 Prozent der hiesigen Arbeiterinnen nie erreichen – diese Ungerechtigkeit wurde von ihm stets verteidigt. Wer will, kann es schaffen, das ist Kurz Prämisse. Dass Migranten am Karriereweg vielfach an gesellschaftlichen Schranken und fremdenfeindlichen Arbeitgebern scheitern, kommt in Kurz Erzählung ebenso wenig vor wie die Tatsache, dass Kinder von Zugewanderten schon in der Schule benachteiligt sind. Seine eigene Lebensplanung reiche über den Terminkalender im Vorzimmer nicht hinaus: Kurz lebt im Hier und Jetzt. Minister sei er mit Leidenschaft, einen groben Fauxpas hat er sich bis jetzt nicht geleistet. ÖVP-Chef, Vizekanzler, Kanzler – daran verschwende er keinen Gedanken. Was für ihn klar war: dass er nicht Chef der ÖVP Wien werden wollte. So viel politischen Instinkt hat er, zudem ist er der JVP verpflichtet, nicht der ÖVP. Er weiß aber auch, dass die Karriere schnell wieder vorbei sein kann. Wenn es ihn einmal aufstreut, was in der Politik täglich passieren kann, dann mache er eben sein Studium fertig. Wirtschaftsminister will auch Bürokratie für Unternehmer abbauen. Wien – Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat sich erneut für flexiblere Arbeitszeiten ausgesprochen, wie sie die Industrie seit Jahren fordert. Eine Ausdehnung der täglichen Höchstarbeitszeit auf zwölf Stunden sei eine Toppriorität, da der Arbeitsanfall ja sehr unterschiedlich ist und man hier auch die Beweglichkeit in den Unternehmen braucht, sagte Mitterlehner am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal. Er hoffe, dass er mit den Sozialpartnern eine Einigung erziele, so Mitterlehner. Durch flexiblere Arbeitszeiten würde sich die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts Österreich verbessern. Der Wirtschaftsminister pocht außerdem auf weniger Bürokratie für Unternehmer – eine jahrelange Forderung vor allem der Wirtschaftskammer. Da haben viele Unternehmer den Eindruck, sie sind mit Regulierungen überhäuft, so Mitterlehner. Beim Klimaschutz brauche man Rahmenbedingungen, die Wirtschaften in Österreich im internationalen Vergleich durchaus attraktiv machen. Wirtschaftskammer-Präsident will Regionalförderung umleiten. Wien – Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl (ÖVP) will die Regionalförderung der EU nutzen, um in der Flüchtlingsbetreuung die ungleiche Lastenverteilung in der Union auszugleichen. Schicken wir die Rechnung nach Brüssel, sagte er am Sonntag in der ORF-Pressestunde. Österreich habe hier 400 Millionen Euro zu schultern. Ländern wie Ungarn und Polen sollte die Förderung entsprechend gekürzt werden. Österreich erfülle seine Pflichten, was Asyl betrifft, in vorbildlicher Weise, betonte er. Das Land könne auf Dauer aber nicht allein stehen, es drohe Überforderung. Dann ist niemandem gedient, weder einem Flüchtling, noch unseren Landsleuten. Wenn die EU die Länder schon nicht zu einer Haltung der Solidarität zwingen könne, müsse man andere Lösungen finden. Brüssel müsse hier einen Ausgleich finden, und zwar durch finanzielle Mittel. Integrieren will Leitl die Flüchtlinge durch ein zu einem Sozialjahr aufgewertetes Integrationsjahr. Sie könnten – vor allem im Bereich der Gemeinden – überall dort eingesetzt werden, wo derzeit Zivildiener tätig sind. Als zweiten Punkt nannte er die Lehre, als Drittes den Einsatz am Arbeitsmarkt überall dort, wo keine Inländer verdrängt würden. Schließlich gebe es in Österreich offiziell rund 40.000 offene Stellen – auch weil es zu wenige Anreize gebe, etwa einen weiter entfernten Arbeitsplatz anzunehmen oder weil die Sozialtransfers höher seien. Dass sich die Wirtschaft mit den Flüchtlingen billige Arbeitskräfte sichern wolle, wies er unter Verweis auf die Kollektivverträge als Unsinn zurück. In Sachen Bundespräsidentenwahl räumte Leitl Schwierigkeiten bei der ÖVP-Kandidatennominierung ein. Er selbst zeigte sich mit seinem Amt als Kammerpräsident zufrieden, denn alles ist reizvoll, was in diesem Land etwas bewegen kann. Andreas Khol, der nun nach der Absage Erwin Prölls antritt, verteidigte Leitl trotz zuletzt EU-kritischer Töne als überzeugten Europäer. Er wird wie ich fordern, dass die EU in der Flüchtlingsfrage eine aktive Rolle einnimmt, sagte der Kammerchef. Wir brauchen eine vernünftige Position zwischen Angstmachern und Schönrednern. Eine Spitze ließ Leitl gegen den SPÖ-Präsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer los, der als Sozialminister bei den hohen Arbeitslosenzahlen nur auf einen Wirtschaftsimpuls gehofft habe. Man ist nicht in der Politik, um zu hoffen, meinte Leitl. Kritik am Amt des Bundespräsidenten etwa als Grüßaugust wollte Leitl nicht gelten lassen. Dieser habe gerade in bewegten Zeiten eine stabilisierende Funktion. Um Österreich künftig im Ausland noch besser zu repräsentieren und Sympathiepunkte zu sammeln, regte er dennoch an, Reisen der Wiener Philharmoniker künftig mit Reisen des Staatsoberhaupts zu kombinieren. Man sollte weltweit ein Netz von Freunden Österreichs bilden, so der Wunsch des Wirtschaftskammerpräsidenten. Leitl kündigt an, bei einer Lohnnebenkostensenkung auch die Beiträge, die Betriebe für die Mitgliedschaft in der Wirtschaftskammer zahlen müssen, senken zu wollen. Senkt der Staat die Lohnnebenkosten um ein Prozent, dann senke ich die arbeitsabhängige Kammerumlage, das ist die Kammerumlage 2, auch um ein Prozent, sagte er. Kritik übte der WKO-Chef am Verkauf der teilstaatlichen Telekom Austria an die mexikanische America Movil, wo wir jetzt durch die Finger schauen. Dies dürfe bei dem geplanten Anteilstausch der ebenfalls teilstaatlichen OMV mit Gazprom nicht passieren. Der Eigentümer, als die Republik Österreich, müsse Lehren ziehen, aus Dingen, die nicht optimal gelaufen sind, so Leitl. Aus seiner Sicht könne sich die öffentliche Hand bei wichtigen, zukunftsbedeutenden Infrastrukturen nicht gänzlich zurücknehmen. Die Russland-Sanktionen, die die EU Mitte Dezember um weitere sechs Monate verlängert hatte, kommentierte Leitl mit einem Wort: Schade. In dem Zusammenhang verwies er auf den Atomdeal mit dem Iran. Dabei seien Kompromisse entstanden. Leitl sprach sich dafür aus, den Schwung vom Iran mitzunehmen, um mit Russland zu verhandeln. Leitl forderte von der Bundesregierung, das Instrument der vorzeitigen Abschreibung wieder einzuführen, damit würden Betriebe zu Investitionen gezwungen. Weiters wünschte er sich nach dem Klimaabkommen von Paris einen nationalen Plan. Österreich habe im Bereich der Umwelttechnologie exportstarke Unternehmen, es müsse nun um eine Vernetzung mit der Ausbildung gehen. Leitl bemängelte auch, dass langfristiges Denken hierzulande deutlich unterentwickelt sei. Mit seinem Sager Österreich ist abgesandelt sei er vor zwei Jahren ausgelacht worden, aber leider habe er Recht gehabt. Einen Unsinn nannte Leitl, dass Verwaltungsstrafen zusammengerechnet werden und sich dadurch vervielfachen. Hier gebe es Gespräche mit den zuständigen Ministerien. Als sehr, sehr liberal lobte er hingegen Österreich in Sachen Unternehmensgründungen. ÖVP-Präsidentschaftskandidat will maximal 3,5 Millionen Euro ausgeben. Wien – Der Wahlkampf von ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol soll kurz und knackig werden, das kündigte seine Pressesprecherin Susanne Walpitscheker im Gespräch mit der APA an. Khol befindet sich seit seiner Nominierung durch die Partei bereits auf Tour durch die Bundesländer. Der offizielle Auftakt zum Wahlkampf erfolgt am 7. April in Tirol. Die Kosten für Khols Wahlkampf sollen sich auf maximal 3,5 Millionen Euro belaufen, dies schlug er auch als Obergrenze für das Abkommen mit den anderen Kandidaten vor. Im Aufbau befindet sich derzeit ein Personenkomitee, denn schon unmittelbar nach der Bekanntgabe meldeten sich zahlreiche Unterstützer, erklärte Walpitscheker. Ebenso in Planung befinden sich noch die eingesetzten Werbemittel, wobei sich Khol bereits gegen Großflächenplakate ausgesprochen hat. Der frühere Seniorenbund-Obmann tourt bereits durch das ganze Land, besucht Funktionäre sowie Veranstaltungen und sollte bis 15. Februar bereits alle ÖVP-Landesparteichefs besucht haben. Der offizielle Auftakt erfolgt dann aber Anfang April in seinem Heimatbundesland, in Innsbruck. Kommende Woche nimmt Khol gleich an zwei Aschermittwoch-Events teil, zum einen ist er zu Gast bei Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl in Perchtholdsdorf, zum anderen bei der JVP, ebenfalls in Niederösterreich. Die Unterstützer aus der Partei sorgen für den Wahlkampf in ihrer Community und so ist mit Außenminister und JVP-Obmann Sebastian Kurz unter anderem ein Familienfest geplant. Social Media-Aktivitäten und weitere Videos des Kandidaten werde es ebenfalls geben. Wahlteam-Leiter Florian Krenkel richtet derzeit ein Kommunikationszentrum mit verschiedenen Expertenteams ein. Das Wahlkampf-Büro befindet sich im Gebäude der Bundespartei in der Lichtenfelsgasse und wird Mitte Februar offiziell eröffnet. Noch nicht fixiert wurde der Slogan für Khols Wahlkampf. Den Sager I mog des Land, I mog die Leit habe Khol spontan bei der Kandidatenpräsentation kreiert und dazu sehr positives Feedback erhalten, hieß es. Genehmigungsverfahren sollen beschleunigt, Mehrfachbestrafungen abgeschafft werden. Wien – Das angekündigte Bürokratie-Entlastungspaket des Bundes soll noch im ersten Halbjahr kommen. Auch das Land Oberösterreich will in seinem Bereich dazu einen zusätzlichen Beitrag leisten. Das kündigten Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner und Landesrat Michael Strugl (beide ÖVP) in einer Pressekonferenz am Freitag in Linz an. Das Paket sei dem Koalitionspartner als Sammelgesetz vorgelegt worden, es sollte noch im ersten Halbjahr wirksam werden, erwartet sich Mitterlehner. Es beinhaltet unter anderem eine Beschleunigung von Genehmigungsverfahren. Derzeit müsse sich ein Betrieb separat an die Bau-, Wasser, Naturschutz- und Gewerbebehörden wenden, wenn sich das aus seinem Geschäftsbereich ergibt. Künftig solle die Bezirkshauptmannschaft als One-Stop-Shop agieren: Eine Anlaufstelle, ein Bescheid. Betriebsanlagen mit geringem Gefährdungspotenzial sollen noch schneller genehmigt werden, die Entscheidungsfrist soll von drei auf maximal zwei Monate verkürzt werden. Weiter sollen die Informations- und Meldepflichten verringert werden und Mehrfachbestrafungen beendet werden. Mitterlehner nannte als Beispiel eine Verwaltungsstrafe für einen Unternehmer, weil ein Mitarbeiter trotz Unterweisung die arbeitsschutzrechtliche Bestimmung zur Verwendung einer Leiter dreimal nicht beachtet hatte. Deshalb wurden dreimal 1.700 Euro, also insgesamt 5.100 Euro verhängt. Zudem sollen Firmengründungen einfacher und günstiger möglich werden – unter anderem soll die Handysignatur gleichwertiger Ersatz für eine notarielle Beglaubigung werden. Auch mit Österreichs Fleißaufgaben bei der Umsetzung von EU-Vorgaben (Golden Plating) soll Schluss sein. Strugl berichtete über ein Deregulierungsprojekt Betriebsanlagen in Oberösterreich. Landesregelungen unter anderem zur Bauordnung, Raumordnung, Abfallwirtschaft und dem Bodenschutz seien gescreent worden, ob Regelungen vereinfacht, oder gar eliminiert werden können. Konkret seien schon Änderungen im Luftreinhalte- und Energietechnikgesetz und im Oö. Elektrizitätswirtschaft- und Organisationsgesetz geplant. Das bedeute jetzt nicht die große Welt. Aber es ist ein Signal: Wir haben verstanden und erkennen, was die Betriebe ärgert, stellte Mitterlehner dazu fest. Strugl ergänzte: Die Überregulierung ist die größte Spaßbremse für unternehmerisches Schaffen im Lande und man muss auch an den kleinen Schrauben drehen und nicht immer auf den großen Wurf mit der Zerschlagung des gordischen Knotens warten. Der ÖVP-Bund drängt zum wiederholten Mal auf mehr unternehmerische Freiheit. Wien – Mit 90,1 Prozent geht Christoph Leitl in seine fünfte Periode als Präsident des Wirtschaftsbundes. Bei seinen letzten beiden Wiederwahlen waren es noch an die 93 Prozent, bei seiner ersten Verlängerung 2003 hatten sogar 98,1 Prozent der Delegierten der Generalversammlung für den Oberösterreicher gestimmt. In den heurigen 90,1 Prozent sieht Leitl eine Bestätigung für unsere erfolgreiche Arbeit und den klaren Auftrag, diesen Weg mit viel Mut, Optimismus und Tatkraft konsequent weiter zu gehen. Jetzt gelte es, den Standort Österreich wieder zurück zur Spitze zu bringen, es brauche einen Aufschwung für Österreich und die Wirtschaft. Dafür seien bestmögliche Rahmenbedingungen für Wachstum und Beschäftigung sowie mehr unternehmerische Selbstbestimmung erforderlich. Mehr unternehmerische Freiheit ist auch Motto des Leitantrages, der bei der 19. Ordentlichen Generalversammlung einstimmig beschlossen wurde. Österreich versinkt in Bürokratie, Auflagen und Vorschriften. Freies Wirtschaften wird immer schwieriger. Da muss eine Trendwende her, sagte Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner laut einer Aussendung. Konkret verlangt der Wirtschaftsbund eine Abgabensenkung, eine Dienstleistungsscheck für Tourismus, Gewerbe und Handel, bessere Bedingungen für Neugründer, bessere Finanzierungsmöglichkeiten für Jungunternehmer und Mittelstand sowie einen Investitionsfreibetrag. Als Vizepräsidenten gewählt wurden: Bettina Lorentschitsch, Präsidentin der Julius Raab Stiftung (88,2 Prozent), Renate Scheichelbauer-Schuster, Bundesobfrau der Sparte Gewerbe und Handwerk (92,9 Prozent), WKÖ-Vizepräsidentin Martha Schultz (95,5 Prozent), Staatssekretär Harald Mahrer (92,2 Prozent), WK-Steiermark-Präsident Josef Herk (94,1 Prozent) und Alexander Klacska, Bundesobmann der Sparte Transport und Verkehr (92,9 Prozent). Die Wiener Volkspartei liegt am Boden. Ohne die Hauptstadt kann die ÖVP aber keine Bundeswahl gewinnen. Also musste Gernot Blümel ran. Wien – Noch blickt einer wie Erwin Pröll, Landeskaiser von Niederösterreich, mitleidig auf den Gernot Blümel herab: Das ist die dritte oder vierte Reihe in der ÖVP. Ein Zwerg. Aber Gernot Blümel wird noch wichtig werden, heißt es in der Partei. Muss wichtig werden. Denn ohne Wien kann die ÖVP keine Bundeswahl gewinnen. Und in Wien schaut es für die ÖVP derzeit ganz traurig aus: ein Ergebnis unter zehn Prozent. Es ist der neue Tiefpunkt einer Stadtpartei, die 1983 noch 34,8 Prozent der Stimmen einheimsen konnte, mit dem Aufkommen der Grünen abstürzte und eine Zeitlang zwischen 15 und 20 Prozent stagnierte – und seit 2005 stetig verliert. Am 11. Oktober 2015 setzte es 9,2 Prozent, die vorerst letzte Wahlschlappe, die auch das Selbstvertrauen der Bundespartei in ihren Grundfesten erschütterte. Die ÖVP ist in der Bundeshauptstadt viertstärkste Kraft, nur mehr knapp vor den Neos. Also musste Blümel ran. Er soll es richten. Die 50,8 Prozent eines Erwin Pröll sind allerdings für den Chef der Wiener ÖVP außerhalb jeder Vorstellungskraft. In Wien verdichtet sich das Dilemma der Volkspartei. Hier sind ihr auch die Kernwähler abhandengekommen, die man in den anderen Bundesländern noch gut bedienen kann. Der Ärger vieler Kleinunternehmer, die das Rückgrat der ÖVP ausmachen sollten, ist in Wien besonders deutlich zu spüren. Das Klagen über die Registrierkassenpflicht oder auch über das kommende Rauchverbot in den Lokalen wird hier besonders vehement geäußert. Viele Wähler sind nach rechts und nach links ausgewichen. Das aufgeschlossene, liberale Bürgertum fand Gefallen am frischen Geist, den die Neos in die Politik zu bringen versuchen, viele Bürgerliche finden auch bei den Grünen neue Anknüpfungspunkte. Jene, die sich besonders ärgern, finden Gehör und Widerhall bei der FPÖ. Das Flüchtlingsthema schlägt auch bei den Schwarzen eine Schneise, trotz Innenministerin Johanna Mikl-Leitner und Außenminister Sebastian Kurz, die für einen harten Kurs stehen. Doch dort steht Heinz-Christian Strache besser. Blümels glückloser Vorgänger Manfred Jurazcka versuchte mit einem abgespeckten Notprogramm – dem bedingungslosen Einsatz für den Autoverkehr und gegen die Gesamtschule – die verbliebenen Regimenter in Hietzing und Döbling bei Laune zu halten, auch das nur mäßig erfolgreich. Blümel ist das Positionierungsproblem bewusst. Und er sagt, dass die Unzufriedenheit vieler Bürgerlicher mit der Regierung durchaus zu Recht bestehe. Aber er ist – wenn auch nicht selbst gewählt – Opposition in Wien, er muss nicht verteidigen, er kann angreifen. Er will dies konstruktiv, aber laut tun, wie er sagt. Seit Oktober vergangenen Jahres ist der 34-jährige Niederösterreicher Chef der Wiener Volkspartei, die in der Bundeshauptstadt mangels Regierungsbeteiligung de facto keine Rolle spielt. Regierung, das sind in Wien SPÖ und Grüne, Opposition, das ist in erster Linie die FPÖ, in zweiter Linie die Neos. Die ÖVP fand lange Jahre in keine glaubwürdige Rolle. Für Blümel, zuvor Generalsekretär seiner Partei, ist das ein Lernprozess. Wir haben die Opposition nicht in unserer DNA, sagt er, diese Rolle muss geübt und perfektioniert werden. Blümel übt eifrig: Die Stadt Wien geißelt er für die laxen Kontrollen bei den islamischen Kindergärten oder die aus seiner Sicht ausufernden Sozialleistungen. Jüngst machte er mit einem Vorschlag von sich reden, der zumindest ungewöhnlich war: Schüler sollten mit einer Werteformel einen täglichen Treueschwur auf die Republik leisten. Die Regierungsparteien SPÖ und Grüne konnten sich spöttische Kommentare nicht verkneifen. Blümel steht dazu und verteidigt das wortreich. Für mediale Aufmerksamkeit ist er offenbar bereit, sich weit aus dem Fenster zu lehnen. Wien bietet dem modebewussten jungen Mann, der gern auch mal die Krawatte weglässt und mit Jeans auftaucht, allerdings nur eine kleine Bühne. Für den Politikberater Thomas Hofer wohnt Blümels Bestellung zum Wiener Obmann ein Konstruktionsfehler inne. Er hat nun keinerlei Funktion mehr auf Bundesebene. Gegen die mächtigen Wiener Stadtpolitiker anderer Parteien anzutreten und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen – da tut er sich schwer. Wenn man eine Bundesfunktion hat, könnte man sich auf einer anderen Ebene in die Wiener Politik einmischen, sagt Hofer. Deswegen muss Blümel umso lauter sein, um gehört zu werden. Also zieht der Parteiobmann alle Register. Drei Presseaussendungen am Tag sind keine Seltenheit. Vor zwei Wochen stellte die ÖVP einen Antrag zum Erhalt des Bargelds – im Wiener Gemeinderat. Am 2. April findet in Wien ein schwarzer Parteitag statt, der neue Chef will Reformen in der Struktur, aber alte Werte beibehalten. Die Wiener ÖVP muss sich den Glauben an sich selbst wiedergeben, sagt Blümel im Gespräch mit dem STANDARD. Wir müssen lernen, uns wieder zu mögen. In Wien keine einfache Aufgabe. Blümel sucht daher intensiv den Kontakt zu den Funktionären, tingelt durch die Bezirke. Die sprichwörtliche Selbstherrlichkeit der schwarzen Bezirkskaiser hat zuletzt deutlich an Strahlkraft eingebüßt. Manche üben sich gar in Demut. Und neue Persönlichkeiten wie die Josefstädter Bezirksvorsteherin Veronika Mickel stehen für eine andere Politikergeneration. Für Blümel sind politische Begriffe wie liberal und konservativ keine Gegensätze, betont er. Ihm gehe es um die Kombination von Freiheit und Ordnung. So viel Freiheit wie möglich, so viel Ordnung wie notwendig, sagt Blümel. Und das klingt so, als ob er das nicht zum ersten Mal sagt. Seine Rede vom selbstbestimmten Leben ist gut vorbereitet. Immerhin weiß Blümel, der in Moosbrunn aufgewachsen ist, wovon er spricht, besser als viele andere Würdenträger in der Partei. Die Grundsätze der ÖVP und deren Wertekanon hat er, zumindest theoretisch, im kleinen Finger. Blümel hat Philosophie studiert, seine Diplomarbeit hat er zum Personenbegriff in der Christlichen Soziallehre und -philosophie unter der besonderen Berücksichtigung von Vogelsang, Lugmayer und Messner geschrieben. Blümel hat aber auch einen Hang zum Praktischen, seine Seilschaft quer durch die Partei ist gut abgesichert. Mit der Zukunftshoffnung der Partei, mit Außenminister Sebastian Kurz, verbindet ihn eine Freundschaft, die für eine weitere Karriere in der Partei nicht zum Nachteil sein sollte. Auch die Vernetzung in die Länder ist eng geknüpft: Zur Blümel-Blase werden neben Staatssekretär Harald Mahrer auch Helena Kirchmayr, Klubobfrau der ÖVP in Oberösterreich, die niederösterreichische Landtagsabgeordnete Bettina Rausch, die Kärntner EU-Abgeordnete Elisabeth Köstinger und der Bezirksvorsteher der Inneren Stadt in Wien, Markus Figl, gezählt. Das könnten Funktionäre sein, die in der ÖVP das Sagen haben werden, wenn Erwin Pröll abgedankt hat und Reinhold Mitterlehner abgelöst wurde. Parteichef Mitterlehner hat Blümel nicht erfunden, sondern ihn von seinem Vorgänger Michael Spindelegger übernommen. Blümel hatte seine Laufbahn in der ÖVP als parlamentarischer Mitarbeiter von Spindelegger begonnen, war dessen Kabinettschef und wurde von diesem schließlich zum Generalsekretär gemacht. Mitterlehner schätzt an Blümel dessen straffe Organisation und eine gewisse rhetorische Überzeugungskraft vor allem nach innen hin. Spätestens 2018 stehen die nächsten Nationalratswahlen ins Haus. Bis dahin muss die Wiener ÖVP in die Gänge gekommen sein, sonst ist der Absturz auch auf Bundesebene gewiss. Auch deshalb hegt und pflegt der Oberösterreicher Mitterlehner den Niederösterreicher Blümel, der in Wien seine politische Heimat sucht. Abgeordneter erklärte nach Kritik aus eigenen Reihen und Rüge von Klubobmann Lopatka seinen Austritt aus der Partei. Wien – Die finanziellen Auswirkungen des Ausschlusses von Marcus Franz aus dem ÖVP-Klub halten sich in Grenzen: Für die verbleibenden drei Quartale des laufenden Jahres verliert die ÖVP nach Auskunft des Parlaments 36.554,6 Euro an Klubförderung. Insgesamt kann der Klub damit für das Laufende Jahr mit 5,18 Millionen Euro rechnen – etwas weniger als die SPÖ (5,21 Millionen Euro). Zum Hintergrund: Marcus Franz musste am Mittwoch nach seiner Kritik an der deutschen Kanzlerin Angela Merkel, der er ihre Kinderlosigkeit vorgehalten hat, die ÖVP verlassen. Er tut das nicht ganz freiwillig: Franz bekam von Klubobmann Reinhold Lopatka die Möglichkeit, einem Parteiausschlussverfahren zuvorzukommen und selbst seinen Hut zu nehmen. Die Kritik innerhalb der ÖVP an Lopatkas Neuerwerbung gab es von Anfang an, sie wurde in den vergangenen Wochen stärker und am Montag schließlich so vehement, dass akuter Handlungsbedarf bestand. Franz war erst im Juni vergangenen Jahres vom Team Stronach zur ÖVP gewechselt und fiel dort mit unpassenden Aussagen immer wieder ungut auf. Dass der Abgeordnete für Schwierigkeiten sorgen könnte, war aber absehbar: Franz gefiel sich darin, Homosexuelle herabzuwürdigen, Frauen für ihre Kinderlosigkeit zu kritisieren und sexuelle Übergriffe zu verharmlosen. Er provozierte mit Kalkül. Seine Theorie, warum die deutsche Kanzlerin eine derart offensive Flüchtlingspolitik betreibe, brachte das Fass aber zum Überlaufen. In der Nacht von Montag auf Dienstag bat Lopatka Franz einmal mehr zur Aussprache. Das Verhalten des Abgeordneten war untragbar geworden. Franz zeigte sich noch uneinsichtig und wies die Kritik zurück. Dem Klubobmann war aber der Kragen geplatzt. Am Dienstag schließlich stand Franz vor der Wahl, selbst die ÖVP zu verlassen, für ihn wie auch für die Partei die elegantere Lösung. Zu Mittag gab die Partei schließlich den Abgang des Abgeordneten Franz aus ihren Reihen bekannt. Schriftlich erklärte Franz den Austritt aus der ÖVP. Zu diesem Zeitpunkt saß Klubobmann Lopatka bereits mit einer Delegation im Flugzeug Richtung Kuba. Franz hatte in einem Blogeintrag ausgeführt, dass Merkel deswegen so viele Flüchtlinge ins Land hole, weil sie damit ihre Kinderlosigkeit wiedergutmachen wolle. Er verwies darauf, dass doch für das Fortbestehen einer Gesellschaft 2,1 Kinder pro Frau notwendig seien. Die Theorie lautet: Frau Merkel will als die metaphorische Mutti des Staates das negative Faktum der nicht vorhandenen oder zu wenigen eigenen Kinder mit der Einbringung vieler, vieler junger Migranten wiedergutmachen, führte Franz aus. Merkel schaffe dadurch die Kompensation eines Mangels, die nie geborenen eigenen Söhne werden dazu aus dem Orient geholt. Das persönliche Motiv der Kanzlerin seien Selbstentlastung und Kompensation und die Stillung des persönlichen Bedürfnisses nach Wiedergutmachung. Der ÖVP-Klub hatte sich noch am Montag von den Aussagen distanziert: Es ist ein unrichtiger und unnötiger Beitrag des Abgeordneten. Lopatka selbst entschuldigte sich für die Aussagen seines Klubmitglieds beim Vorsitzenden des EU-Ausschusses des deutschen Bundestags, Gunther Krichbaum. 'Ausblicke eines Liberalen zum 80. Geburtstag: Heinrich Neisser hält die Flüchtlingspolitik für ethisch verwerflich. STANDARD: Sie haben die gesamte Zweite Republik miterlebt. Steckt Österreich mit Arbeitslosigkeit und Flüchtlingskrise in der schwierigsten Phase seit der Nachkriegszeit? Neisser: Es gab tatsächlich keine andere Situation, in der die Gesamtheit des Systems und der gesellschaftlichen Interessen so infrage gestanden ist wie heute. Die Leute haben Angst – und das führt dazu, dass man in der Politik mit einer emotionalen Steuerung enorm viel bewirkt. Früher standen sachliche Perspektiven nicht ausschließlich, aber doch stärker im Vordergrund, zumindest konnte man sie noch vermitteln. Heute ist es schwer, überhaupt einen Dialog zu beginnen, geschweige denn auf eine sachliche Ebene zu bringen. Da prallen Emotionen aufeinander, dass es erschütternd ist. Die sozialen Medien spielen eine große Verstärkerrolle, weil sie die Möglichkeit bieten, Gefühlsausbrüche spontan und völlig unkontrolliert loszulassen. STANDARD: Wie sollten Politiker darauf reagieren? Neisser: Es ist völlig falsch, wenn Politik nur mehr versucht, den vermuteten Interessen in einer Gesellschaft Rechnung zu tragen. Natürlich sollten Entscheidungen vom Volk mitgetragen werden, aber bei aller Hochachtung vor der Demokratie: Politiker haben auch eine Steuerungsaufgabe, indem sie für Überzeugungen eintreten, Richtlinien vorgeben, Kontinuität beweisen. Das geht heute verloren: Politik ist oft nur mehr ein Wehen im Wind, zum Schaden der demokratischen Kultur. STANDARD: An welche Entscheidungen denken Sie dabei etwa? Neisser: Die Flüchtlingspolitik ist das beste Beispiel. Quer durch die EU agieren Regierungsparteien permanent mit Rücksicht auf rechtspopulistische Bewegungen, die die schwierige Situation für ihre Zwecke instrumentalisieren. Das ist ein völlig verfehltes Unterfangen, denn Politik ist immer auch ein Risiko: Es gibt keine Garantie, bei der nächsten Wahl für die eigenen Taten belohnt zu werden – auch wenn sie richtig waren. Die Politiker haben diese Risikobereitschaft heute weitgehend verloren, sie wollen alle nur im Amt bleiben. Da hat sich ein Pragmatisierungsdenken ausgebreitet. STANDARD: Trifft der Befund auch auf die heimische Regierung zu? Neisser: Dieses Eindrucks kann ich mich nicht erwehren. Die Regierung macht ihre Flüchtlingspolitik aus Angst vor Erfolgen der FPÖ. Auch Österreich muss man den Vorwurf machen, dass all das, was nun geschieht, den ethischen Prinzipien der Europäischen Union widerspricht: Dort ist die Rede von Solidarität, Rücksichtnahme und wechselseitiger Hilfe – doch diese Verpflichtungen spielen keine Rolle mehr. Das Etikett christlich-sozial darf sich die ÖVP nicht mehr umhängen. STANDARD: Man habe ja für die gemeinsame europäische Lösung gekämpft, argumentiert die Bundesregierung. Aber weil die nicht funktioniert, müsse Österreich aus Notwehr nun selbst Grenzen setzen. Hat das nicht etwas für sich? Neisser: Selbst wenn man auf eine nationale Lösung setzt, ist die Frage des Stils entscheidend. Die österreichische Regierung hat die Diplomatie aufgegeben – dass Wien und Berlin die Differenzen nun in offener Schlacht austragen, ist das glatte Gegenteil davon. Es war auch unvertretbar, Griechenland von der Westbalkankonferenz in Wien auszuschließen Nach dem Verzicht auf eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl sorgt Niederösterreichs Landeshauptmann für eine neue Überraschung: Die Innenministerin wird nach St. Pölten beordert, der Nebenbuhler nach Wien entsandt. Wien – Das Innenministerium bekommt einen neuen Chef, und wieder kommt er aus Niederösterreich: Landeshauptmann Erwin Pröll schickt Wolfgang Sobotka, bisher Finanzlandesrat, nach Wien. Zum achten Mal in Folge ist das Innenministerium damit in ÖVP-Hand. Johanna Mikl-Leitner wechselt – auf eigenen Wunsch, wie in der offiziellen Darstellung beteuert wird – zurück nach St. Pölten, wird dort wieder Landesrätin und auch Landeshauptmann-Stellvertreterin. Sie soll damit von Pröll als kommende Landeshauptfrau aufgebaut werden. Beim Parteivorstand am Sonntag in der Politischen Akademie der ÖVP in Wien wurde die Rochade einstimmig beschlossen. Der Vorstand der ÖVP Niederösterreich hatte zuvor Mikl-Leitner ebenfalls ohne Gegenstimmen als Landeshauptmann-Stellvertreterin fixiert. Schon bei der Landtagssitzung am 21. April – also noch vor der Bundespräsidentenwahl – soll Mikl-Leitner laut STANDARD-Informationen zur Landesrätin gewählt werden. Um Punkt 19 Uhr trat die ÖVP-Spitze dann am Sonntagabend vor die Presse. Parteichef Reinhold Mitterlehner sagte, dass Mikl-Leitner ihn vor einigen Tagen informiert habe, dass sie zurück in ihr Heimatland wolle – und das habe er mit großem Bedauern zur Kenntnis genommen. Ich konnte sie nicht überzeugen, in der Bundespolitik zu bleiben. Das wäre, folgt man den Worten Prölls, aber auch gar nicht möglich gewesen. Denn laut Pröll hat die Rochade eine fünfjährige Vorgeschichte: Als der frühere ÖVP-Chef Michael Spindelegger die damalige niederösterreichische Landesrätin Mikl-Leitner in die Bundespolitik holen wollte, habe das großer Überredungskunst bedurft, sagt Pröll. Denn ein bewährtes Mitglied der Landesregierung gibt man nicht so mir nichts, dir nichts frei. Er habe Mikl-Leitner aber damals zugesagt, dass wir sie eines Tages wieder in die Landespolitik zurückholen – und zwar binnen drei Jahren. Nun seien es eben doch fünf geworden. Der Zeitpunkt der Rochade sei mit der Mitte der Regierungsperiode gut gewählt, glaubt Pröll, der darin den richtigen Abstand zur nächsten Wahl sieht. Der auch parteiintern geäußerten Kritik, dass der Wechsel übereilt erfolge, hält Pröll sein eigenes Timing entgegen: Er habe schon Anfang März Kontakt mit Sobotka und Mikl-Leitner aufgenommen, um die Rochade zu fixieren. Erst danach habe man auch mit Parteichef Mitterlehner gesprochen und den Wechsel mit spätestens Ende April terminisiert. Mikl-Leitner selbst zeigte sich beim Pressetermin gut gelaunt. In einigen Tagen habe ich wohl den schwierigsten Job in dieser Republik hinter mir, freute sich die Noch-Innenministerin. Ihr Nachfolger Sobotka sei der Richtige, um ihre Arbeit nahtlos fortzusetzen. Dass die Linie fortgesetzt wird, daran lässt Sobotka keinen Zweifel: Wir setzen Grenzen, und solange die EU nicht zu einer ganzheitlichen Situation kommen wird, ist das für uns die Maxime. Mikl-Leitners Funktion als Regierungskoordinatorin wird auf Staatssekretär Harald Mahrer übergehen. Mitterlehner wiederum musste den Zeitpunkt für den Wechsel im ÖVP-Regierungsteam mitten im Präsidentschaftswahlkampf verteidigen. Man versuche, so gut es geht, das eine vom anderen zu trennen, denn: Wir glauben, dass die rasche Entscheidung eher dazu beigetragen hat, als wenn ein Thema lange diskutiert wird. Ebenfalls peinlich: Zwischen Prölls und Mitterlehners Darstellung der Einleitung der Rochade klaffen – ähnlich wie rund um Prölls Absage für eine Kandidatur bei der Präsidentenwahl – mehrere Wochen. Während der Landeshauptmann schon Anfang März alles eingefädelt haben will, will der ÖVP-Chef erst vor einigen Tagen von Mikl-Leitners Abgang erfahren haben. Die SPÖ nahm den Wechsel am Sonntag betont freundlich zur Kenntnis. Der Schritt Mikl-Leitners sei zu respektieren, erklärte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) in einem Statement. Persönlich finde er es schade, dass sie aus der Regierung ausscheidet. Aber: Ich freue mich auf die Zusammenarbeit, so Doskozil in Richtung seines neuen Spiegelministers Sobotka. Auch Kanzler Werner Faymann (SPÖ) erklärte am Sonntagabend, er respektiere die Entscheidung des Koalitionspartners. In einer Aussendung bedankte er sich bei Mikl-Leitner für ihre Arbeit in der Regierung. Mit Sobotka hofft er auf eine gute Zusammenarbeit. Mikl-Leitner habe das Innenressort in einer außergewöhnlich schwierigen Zeit geführt, sagte Faymann, der ihr persönlich und beruflich alles Gute wünschte. All das war ein Diktat von Pröll, wird aber hinter vorgehaltener Hand kritisiert. Für Niederösterreich ist das Timing zwar perfekt, für die Bundesregierung und die ÖVP jedoch weniger. Denn mit Sobotka schickt Pröll einen unangenehmen Nebenbuhler nach Wien. Zuletzt hatte es mit ihm vermehrt Auseinandersetzungen gegeben, weil der ehrgeizige Landesrat selbst den Landesthron im Visier hatte und diesen nicht kampflos Mikl-Leitner überlassen wollte. Mit dem Innenministerium ist aber auch Sobotka zufrieden und als Unruhestifter in St. Pölten erst einmal entfernt. ÖVP-Insider räumen ein, dass Mitterlehner bei dieser Entscheidung nicht allzu viel mitzureden hatte. Er wurde informiert, sagt dazu ein Funktionär aus Niederösterreich trocken. Die offizielle Geschichtsschreibung lautet also, dass es Mikl-Leitner selbst nach fünf Jahren als Innenministerin – eine herausfordernde Zeit, wie alle eingestehen – wieder nach Niederösterreich zog. Für Mitterlehner und die Regierung kommt das gar nicht gelegen: Denn nun hat die Regierung die Flüchtlingskrise einigermaßen in den Griff bekommen und fährt jenen strikten Kurs, auf den die ÖVP immer gedrängt hatte und der jetzt auch vom Regierungspartner SPÖ mitgetragen wird. Der Personalwechsel auf SPÖ-Seite, der durch die Kandidatur von Rudolf Hundstorfer bei der Bundespräsidentenwahl ausgelöst wurde, hat Mikl-Leitner mit Doskozil als neuem Verteidigungsminister einen Partner in der Sicherheitspolitik gebracht, mit dem sie gut kann. Das schlug sich zuletzt in einem deutlich ruhigeren und konsensualen Vorgehen in der Flüchtlingskrise nieder. Sobotkas Bestellung wird in der SPÖ daher mit Skepsis gesehen, aber auch in der ÖVP gibt es viele, die nicht nur überrascht, sondern auch verärgert sind. Offiziell wollte zwar niemand die Kritik an dieser von Pröll losgetretenen Rochade formulieren, intern wird aber heftig über die Selbstherrlichkeit des niederösterreichischen Landeshauptmanns diskutiert, der seine Interessen ohne Rücksicht vor jene der Bundespartei und der Bundesregierung stellt. Prölls Interessen stünden über jenen der Gesamtheit der Partei, sagt ein zerknirschter Funktionär. Auch für den Wahlkampf von Hofburg-Anwärter Andreas Khol ist die nun entstandene Unruhe nicht gerade hilfreich. Offenbar wurde über Prölls jüngste Entscheidung auch SPÖ-Chef Werner Faymann recht kurzfristig in Kenntnis gesetzt. Dass die Achse Mikl-Leitner und Doskozil, die man auch in der SPÖ als erfolgreich angesehen hat, so mutwillig demontiert wird, kommentiert man mit Bedauern. Auch wenn Sobotka nicht mit Kritik empfangen werden soll, zeigt man sich in der SPÖ über dessen Bestellung nicht glücklich: Sobotka eilt ein Ruf als Choleriker mit einem ausgeprägten Ego voraus. Ein Kenner des Trios Pröll, Sobotka und Mikl-Leitner kann dieses Temperament bestätigen: Wenn dem neuen Minister etwas nicht in den Kram passt, kann er herumschreien und -schmeißen wie der Landeshauptmann. Bundespräsident Heinz Fischer wurde bereits informiert, nach einem Termin für die Angelobung Sobotkas wird gesucht. Am Donnerstag soll die Verschärfung des Asylgesetzes durch den Innenausschuss, das könnte noch unter Mikl-Leitners Aufsicht passieren. (Michael Völker, Maria Sterkl, Nina Weißensteiner, 10.4.2016) 'Anteil so niedrig wie zuletzt 1997. Wien – Ein Gruppenbild mit immer weniger Damen, so präsentiert sich die Bundesregierung nach der Rochade in der ÖVP-Regierungsmannschaft. Denn dort ist nur noch eine Frau, nämlich Familienministerin Sophie Karmasin, vertreten. Die SPÖ hat zwei Ministerinnen und eine Staatssekretärin. Vier Frauen in der Regierung und nur 25 Prozent Frauenanteil, das gab es zuletzt 1997. Das Kabinett Viktor Klima (1997 bis 2000) war ebenfalls 16 Köpfe stark und hatte drei Ministerinnen und eine Staatssekretärin umfasst, genau ein Viertel war also weiblich. In der darauffolgenden ersten schwarz-blauen Regierung (Schüssel I) im Jahr 2000 stieg der Frauenanteil auf rund 31 Prozent bzw. fünf Personen, wobei Susanne Riess-Passer (FPÖ) die erste Vizekanzlerin Österreichs wurde. Das Kabinett Schüssel II (2003) konnte sieben Frauen vorweisen, was bei insgesamt 18 Köpfen 39 Prozent bedeutete. Als die SPÖ unter Alfred Gusenbauer das Kanzleramt zurückeroberte, hatte die Neuauflage von Rot-Schwarz ab 2007 einen Frauenanteil von 40 Prozent – sechs Ministerinnen und zwei Staatssekretärinnen fanden sich in der 20-köpfigen Regierungsriege. Das erste Regierungsteam unter Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ab 2008 umfasste 18 Personen, davon sechs Ministerinnen und eine Staatssekretärin (wieder 39 Prozent). Ab 2013 war das Kabinett 16 Personen stark, davon vier Ministerinnen und eine Staatssekretärin (32 Prozent) Bei den Schwarzen gärt es hinter den Kulissen, nur die Schadenfreude über den Koalitionspartner soll die Partei noch zusammenhalten. Keine Querschüsse der schwarzen Länderchefs gegen den Obmann, und der gescheiterte Präsidentschaftskandidat hat sich bis September ein freiwilliges Sprechverbot mit Journalisten auferlegt, wie er dem STANDARD sagte: Seit dem Wahldebakel von Hofburg-Anwärter Andreas Khol am 24. April (11,12 Prozent, fünfter und vorletzter Platz) ist es in der sonst so obmanndebattenfreudigen ÖVP verdächtig ruhig. Doch hinter den Kulissen gärt es längst. Drei ihrer Chefs – Wilhelm Molterer, Josef Pröll und Michael Spindelegger – hat die Partei allein seit dem Abgang des Langzeitobmanns Wolfgang Schüssel (1995 bis 2007) verschlissen. Nicht zuletzt deswegen hat Vizekanzler und ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner für den 20. Mai, also knapp vor der Präsidentenstichwahl, eine Zukunftskonferenz in Linz angeordnet. Seine erklärten Ziele: eine Debatte über die Ausrichtung der Volkspartei (bisher hieß es, die sei mit dem Evolutionsprozess erfolgt) und die schwarze Rolle in der Regierung. Dazu will Mitterlehner in der ÖVP den Teamgeist und das Wir-Gefühl stärken. Vor allem für Letzteres ist es hoch an der Zeit, denn: Nur die Schadenfreude angesichts der sich selbst zerfleischenden SPÖ hält bei uns alles zusammen, erzählt ein Insider. Angesichts der Debatte rund um Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann sei aber auch Mitterlehner on alert und habe eben diese Beruhigungskonferenz einberufen. Der Obmann selbst sei aber seit dem letzten Wahldesaster hochgradig nervös und reagiere in internen Sitzungen sehr oft ungehalten. Kein Wunder, denn: In der ÖVP wünschten sich immer mehr lieber ein Ende der Koalition mit Schrecken als ein mühsames Weiterwurschteln bis 2018. Dazu komme, dass viele in Außenminister Sebastian Kurz den Spitzenkandidaten für die nächste Nationalratswahl sehen, aber ein Wechsel an der Spitze komme ohne Aussicht auf einen vorverlegten Urnengang derzeit nicht infrage, weil: Fast alle sind sich einig, dass Kurz jetzt noch nicht beschädigt werden darf. Altparteichef Erhard Busek hält Kurz daher auch für den größten Verbündeten Mitterlehners und ein Aussitzen bis zur Nationalratswahl für die bessere Entscheidung. Sollten jetzt auch noch die Vorzeichen auf einen Verbleib von Faymann an der SPÖ-Spitze stehen, könne wohl auch Mitterlehner wieder ruhiger schlafen: In diesem Fall wird er erst recht ÖVP-Chef bleiben. Ob er diese Funktion tatsächlich noch innehat, war sich Mitterlehner vor kurzem in der ZiB 2 nicht ganz sicher: Ich nehme an, dass ich der Chef bin, antwortete er angesichts der Regierungsrochade, die Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll vom Zaun gebrochen hat, indem er Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als seine Stellvertreterin nach Sankt Pölten zurückholte. Mitterlehner bekannte da auch, dass ein größerer Umbau in seinem Regierungsteam geplant gewesen sei, was bei den Ministern Sophie Karmasin (Familien) und Andrä Rupprechter (Landwirtschaft) – beide sind in der Losung – nicht für zusätzliche Motivation gesorgt haben dürfte. Die ÖVP hat hehre Zukunftspläne: Selbstbesinnung auf alte Stärken und Neuerfindung der Regierungsarbeit mit der SPÖ. Wien – Da gibt es zum einen das Debakel im ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl zu verdauen: Platz fünf von sechs und nur 11,12 Prozent für ÖVP-Kandidat Andreas Khol. Und da ist seit ein paar Tagen mit Christian Kern ein neuer Kanzler, der Koalitionspartner SPÖ in neue Höhen führen soll: Mehr als genug Stoff für politische Selbstfindung, zu der die ÖVP am Freitag im Rahmen einer Zukunftskonferenz im Parlament lud. In einer hierarchiefreien Diskussionszone, wie Generalsekretär Peter McDonald das Setting im STANDARD-Gespräch bezeichnete, tauschten sich dabei 70 Politikerinnen und Politiker der Volkspartei – von Regierungsmitgliedern über Nationalrats- und Landtagsabgeordnete bis hin zu Gemeinderäten – sehr selbstkritisch aus. Jene, die nicht im innersten Zirkel auf Regierungsebene, sondern im direkten Kontakt mit den Wählerinnen und Wählern draußen vor Ort Politik machen, äußerten bei der Gelegenheit eine gewisse Unzufriedenheit über das Wahlergebnis, aber auch über die etablierte Politik, sagte McDonald. Das will man nun ändern, denn: Die ÖVP wurde vor 70 Jahren gegründet, um das Land weiterzuentwickeln. Darauf wollen wir uns wieder stärker konzentrieren, sagte der ÖVP-Generalsekretär. Konkret heiße das: Mehr Freiheit, weniger Gesetze und Standortpolitik. Denn nur erfolgreiche Unternehmer können Arbeitsplätze schaffen. Das alles in neuer koalitionärer Eintracht: Es war einhellige Meinung, dass wir auf einem partnerschaftlichen Weg und mit neuem Stil gemeinsam etwas für das Land weiterbringen müssen. Bürgerinitiative sammelte 25.000 Unterschriften in drei Wochen. Wien – Eine Initiative zur Gleichstellung homosexueller Paare bei der Ehe nimmt die ÖVP in die Pflicht. 25.000 Österreicher hätten in nur drei Wochen eine entsprechende Bürgerinitiative online unterzeichnet. Initiator Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitees Lambda, appellierte am Donnerstag gemeinsam mit Unterstützern bei einer Pressekonferenz, menschenrechtliche Standards in Österreich umzusetzen. Es ist Zeit, weiterzugehen, richtete sich Graupner an die politischen Verantwortlichen – insbesondere an jene in der ÖVP. Die Gleichstellung homosexueller Paare werde von SPÖ, Grünen und Neos ausreichend unterstützt. Lediglich an der Volkspartei scheitere – trotz eines mittlerweile laufenden Diskussionsprozesses – eine solche Gesetzesänderung. Wobei sich etliche Mandatare im Einzelgespräch offen bis befürwortend zur Homo-Ehe gezeigt hätten. Es darf in einem demokratischen Rechtsstaat nicht sein, dass es zwei Gruppen von Recht für zwei Gruppen von Menschen gibt, kritisierte der Jurist. Auch Barbara Helige, Präsidentin der Österreichischen Liga für Menschenrechte, unterstützt die Initiative. Für sie ist die Vorgangsweise der Entscheidungsträger hinsichtlich der Ehegleichstellung eine sagenhafte Schande. Es herrsche zäher und völlig sinnloser Widerstand, der dumpfe und menschenverachtende Ressentiments fördere. In einem Land, wo die Menschenrechtskonvention verfassungsmäßiger Bestandteil ist, ist das in Wirklichkeit unerträglich, so Helige. Nun sei es Zeit, dass die Zivilgesellschaft der Politik Beine mache. Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty International Österreich, äußerte sich nicht weniger zimperlich: Ich würde mir wünschen, dass Österreich sich einmal nicht von Höchstgerichten in den Arsch treten lassen muss, um menschenrechtliche Standards einzuhalten, sprach er jüngste Entscheidungen zur familienrechtlichen Gleichstellung homosexueller Paare an. Für Patzelt ist es vor allem die Situation absurd, dass offensichtlich eine Minderheit in einer Minderheitspartei (der ÖVP, Anm.) einen endgültigen Wandel verhindere. Ein Problem für die Kinder homosexueller Paare sieht vor allem die Obfrau von Familien Andersrum, Barbara Schlachter-Delgado. Grund ist die Gesetzeslage, dass diese trotz familienrechtlicher Gleichstellung Homosexueller nicht als ehelich gelten würden. Kindern wird vermittelt, dass ihre Familien minderwertig sind, lautet für Schlachter-Delgado der logische Schluss daraus. Trotz vieler positiver Entscheidungen in den vergangenen Jahren wäre eine dahin gehende Gesetzesänderung dies ein entscheidender Schritt. Für Johannes Wahala, Leiter der Beratungsstelle Courage, würde eine rechtliche Akzeptanz gleichgeschlechtlicher Paare bei der Ehe darüber hinaus gehende Auswirkungen auf die Gesellschaft haben. So gebe es derzeit bei Homosexuellen sieben Mal mehr Suizidversuche als bei Heterosexuellen. Gesetze schaffen Wirklichkeiten, ist sich Wahala sicher. Laura Schoch, Vorsitzende der Bundesjugendvertretung, betonte, dass es gerade jungen Menschen wichtig sei, in einer offenen und gleichberechtigten Gesellschaft zu leben: Kinder und Jugendliche machen keinen Unterschied, in wen man sich verliebt. Eine Gleichstellung der Ehe wäre also ein längst überfälliges Bekenntnis seitens des Staates. Die Arbeitnehmer beklagen Sturheit, die Unternehmer fühlen sich schikaniert. Wien – Als Turbo für jede noch so lahme große Koalition: So stellen sich die Sozialpartner gerne dar. Da könne sich die Regierung bis zur Handlungsfähigkeit zerstreiten – das jahrzehntelang erprobte Gespann aus Vertretern von Arbeitgebern und -nehmern komme immer auf einen grünen Zweig. Heute steht dieses Selbstbild auf dem Kopf. Zwei quälende Jahre lang haben Wirtschaftskammer und Gewerkschaft über ein Arbeitsmarktpaket verhandelt, um am Ende genau gar nichts zu beschließen. Statt sich, wie es die sozialpartnerschaftliche Kultur gebietet, in der Mitte zu treffen, stehen beide Seiten mit leeren Händen da. Extra peinlich: Ausgerechnet von den Koalitionsparteien, landläufig selbst als Verwalter des Stillstands verschrien, müssen sich die gescheiterten Verhandler nun ermahnen lassen. Früher hätten die Sozialpartner ein Projekt wie dieses – keinesfalls ein Jahrhundertwurf – wohl routiniert über die Bühne gebracht, räumt Bernhard Achitz, leitender Sekretär des Gewerkschaftsbundes (ÖGB), ein: Man konnte über fast alles reden. Doch nun habe ich das Gefühl, dass kein Fußbreit nachgegeben wird. Nachsatz: Aber das liegt nicht an uns. Tatsächlich waren es die Wirtschaftsvertreter, die letztlich lieber auf das ganze Paket verzichteten, als einen leichteren Zugang zur sechsten Urlaubswoche zu akzeptieren. Forderungen können nie Einbahnstraßen sein, kritisiert Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske. Wenn sich die Wirtschaft also etwa flexiblere Arbeitszeiten wünsche, müsse sie ihrerseits auch entgegen kommen. Hinter der harten Haltung der Gegenseite wittert Kaske neoliberale Strömungen: Die Wirtschaftskammer wird von der Industriellenvereinigung getrieben. Wie Getriebene fühle sich seine Klientel tatsächlich, hält Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl dagegen – jedoch aus ganz anderen Gründen. Frust und Bitterkeit herrscht unter den Unternehmern, sagt er. Sie sind die Buhmänner, werden als potenzielle Betrüger hingestellt. Das Gesetz gegen Lohn- und Sozialbetrug, das keinesfalls nur ausländischen Firmen schärfere Kontrollen beschert, empfinden Wirtschaftstreibende ebenso als Schikane wie die Registrierkassenpflicht – und die nächste Hürde, sagt Leitl, sei das Gebot der Barrierefreiheit, das die Unternehmen bereits bis Ende des Jahres umsetzen müssen. Dabei schrieben viele Betriebe im achten Jahr der Krise immer noch rote Zahlen. Dass die Arbeitnehmervertreter, ohnehin mit einer Lohnsteuersenkung bedient, in dieser Situation nun auch noch eine sechste Urlaubswoche, hohe Lohnabschlüsse und, und, und fordern, ärgert die schwarze Gegenseite maßlos. Das ist derzeit nicht leistbar, sagt Leitl, zumal das Geld viel dringlicher für das Flüchtlingsproblem gebraucht werde. Das Fass zum Überlaufen bringe, wenn Arbeiterkämmerer in Bundesländern von Lohnraub und Ausbeutung sprechen, als lebten wir noch im 19. Jahrhundert. Ihren Tonfall haben die Arbeitnehmervertreter nicht erst seit gestern verschärft. Vor etwa zehn Jahren begannen die Interessenvertreter, ihre Kampagnenfähigkeit aufzumöbeln – um am Verhandlungstisch verlorene Durchsetzungskraft zu kompensieren, wie der Innsbrucker Politologe Ferdinand Karlhofer sagt. Die Logik der globalisierten – Kritiker sagen: neoliberalen – Wirtschaftsordnung hatte das Gewicht ins Lager der Unternehmer verschoben, zudem steckte der ÖGB nach dem Bawag-Skandal tief in der Misere. Die Ende 2008 ausgebrochene Wirtschaftskrise, von roter Seite als kapitalistisches Systemversagen interpretiert, stachelte die Angriffigkeit so richtig an. Weil die alten Rezepte zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit – teure Investitionsprogramme – wegen der strengen Budgetregeln kaum noch möglich sind, verlegten sich die Arbeitnehmer auf Forderungen, die auf der Gegenseite als Tabus gelten: Vermögenssteuern etwa, oder Arbeitszeitverkürzung. Pointierte Kampagnen für derartige Anliegen spießen sich mit der Rolle des verbindlichen Sozialpartners. Gerät die ewige Konsensmaschine also dauerhaft ins Stottern? Uns ist es noch immer gelungen, Dissonanzen aufzulösen, erwidert der rote Kaske, während der schwarze Leitl auf Einigkeit in anderen Fragen wie der Bildung verweist. Außerdem habe er bei der jährlichen, am Mittwoch zu Ende gegangenen Tagung der Sozialpartner in Bad Ischl ausgezeichnete Gespräche geführt – wenn auch zum geduldigen, weil eher unverbindlichen Thema digitale Wirtschaft und Arbeitswelt. Sogar in der Blütezeit der Sozialpartner gab es Streiks und Säbelrasseln, gibt der Experte Karlhofer zu bedenken. Dass es für die Akteure klug ist, sich gegenseitig leben zu lassen, statt zu überfordern, gebiete schon die Verfassung: Mit dem Niedergang einer Kammer falle auch die Existenzberechtigung der anderen weg. (Gerald John, 7.10.2015) 'Österreich hat schwere Versäumnisse bei Umsetzung der Aarhus-Konvention, die Umweltrecht durchsetzen sollte. Wien – Scharfe Umweltgesetze zu beschließen ist eine Sache. Sie umzusetzen eine zweite. Und nachzuweisen, dass zwischen beschlossenem Recht und dessen Anwendung Diskrepanzen bestehen, ist in vielen Fällen nahezu unmöglich. Das geht aus dem aktuellen Bericht des BIV, des Grün-Alternativen Vereins zur Unterstützung von Bürgerinitiativen, hervor. Der Verein wurde vor 25 Jahren gegründet, um Rechtsbeistand aus einer Art Selbstbesteuerung der grünen Parlamentsabgeordneten zu finanzieren. Genau 66.408,12 Euro haben die Parlamentarier im Vorjahr eingezahlt, das Geld wird vom Verein ohne Einflussnahme der Grünen Politiker verwaltet Laut Ö1 soll das Budget des Außenministeriums für Hilfe vor Ort deutlich aufgestockt werden. Wien – Kanzler Werner Faymann (SPÖ) hat beim Ministerrat bereits angekündigt, dass die Regierung die Beiträge für die Entwicklungshilfe nun endlich deutlich erhöhen will. Damit soll mehr Hilfe vor Ort geleistet werden, etwa in den UNHCR-Flüchtlingslagern. Wie Ö1 Donnerstagfrüh aus Verhandlerkreisen berichtete, soll das entsprechende Budget des Außenministeriums bis zum Jahr 2021 stark angehoben werden. Konkret sollen laut einem regierungsinternen Papier die EZA-Gelder von 77 Millionen Euro im Jahr 2015 schrittweise auf 154 Millionen Euro im Jahr 2021 gesteigert werden. Die Mittel sollen unter anderem auch in Wiederansiedelungsprojekte und in die Katastrophenhilfe im Ausland fließen. Kommenden Dienstag will Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) seinen neu erstellten Finanzrahmen der Öffentlichkeit präsentieren, neben einem üppig dotierten Sicherheitsbudget für die Polizei und das Bundesheer sollen auch die Mittel für die Integration von Flüchtlingen verdreifacht werden. Das Finanzressort selbst will für die Entwicklungsagentur der Weltbank 160 Millionen Euro für die nächsten neun Jahre bereitstellen. Trotz der Erhöhung ist Österreich bei den EZA-Geldern weit entfernt von der Uno-Vorgabe von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, was rund 2,4 Milliarden Euro ausmachen würde. Anneliese Vilim, Geschäftsführerin der Dachorganisation AG Globale Verantwortung, sprach im ORF-Radio aber von einer Trendwende, denn: Wenn das so beschlossen wird, ist das ein richtiger Schritt in die richtige Richtung. Die deutliche Erhöhung der Entwicklungshilfe des Außenministeriums ist auch für Caritas-Präsident Michael Landau erfreulich. Wenn wie angegeben die Mittel verdoppelt werden, wäre das ein wichtiger und erfreulicher Schritt, sagte er. Auch die Hilfsorganisation Jugend Eine Welt begrüßte die Erhöhung des Budgets für Entwicklungszusammenarbeit. Kritisch merkte die Organisation per Aussendung aber an, dass dies ein längst überfälliger Schritt sei. Sei doch ein Stufenplan zur Erreichung des Uno-Ziels von 0,7 Prozent des BIP bereits im 2014 beschlossenen Regierungsprogramm enthalten. Wir appellieren an die Regierung, nun auch eine kohärente entwicklungspolitische Gesamtstrategie zu erarbeiten, so Jugend Eine Welt-Vorsitzender Reinhard Heiserer. Verhalten positiv hat sich auch die Koordinierungsstelle der Bischofskonferenz auf die angekündigte Erhöhung der Mittel für Entwicklungszusammenarbeit reagiert. Wenn ein Großteil der Gelder etwa in Flüchtlingscamps im Ausland fließt, dann hat das nichts mit wirklicher Entwicklungszusammenarbeit als Bekämpfung der Ursachen von Armut zu tun, mahnte Geschäftsführer Heinz Hödl aber im Gespräch mit der Kathpress. Und: Kritisch äußerte er sich zur kolportierten Summe von 154 Millionen Euro. Auf fünf Jahre gerechnet ergebe das pro Jahr ein Plus von rund 15 Millionen Euro, für Hödl ist das eigentlich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Die Neos wiederum bekräftigten am Donnerstag ihre Forderung nach einem Nationalen Aktionsplan für Integration. Parteichef Matthias Strolz kritisierte die Arbeit von Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) und sprach sich für einen eigenen Regierungsbeauftragten für das Thema Integration aus, weil: Sebastian Kurz kümmert sich weder um europäische Lösungen noch um Integration! Wir brauchen keinen Frühstücksdirektor, der nur eine Viertelstunde am Tag dafür Zeit hat. Van der Bellen will Kompetenzen des Amtes reformieren, für Konvent nach der Wahl. Wien – Die Flüchtlingskrise hat auch die zweite Runde des Präsidentschaftswahlkampfs beherrscht. Die beiden Kandidaten für die Stichwahl, Alexander Van der Bellen und der Norbert Hofer, tätigten seit dem ersten Wahldurchgang jeweils ein Viertel ihrer Aussagen allein zu Asylfragen, wie aus einer Themenanalyse der APA-DeFacto hervorgeht. Schon vor dem ersten Wahldurchgang am 24. April war die Flüchtlingskrise – neben dem Amtsverständnis – in der Debatte tonangebend. Der freiheitliche Bewerber Hofer und Van der Bellen, ehemaliger Chef der Grünen, haben sich zwischen dem 25. April und dem 14. Mai aber auch andere Themen herausgepickt. Bei Hofer rückte das Amtsverständnis noch stärker in den Mittelpunkt, Van der Bellen setzte seine Akzente im Themenbereich Arbeitslosigkeit. Rund 32 Prozent von Van der Bellens Aussagen betrafen die derzeit hohe Arbeitslosigkeit in Österreich, im ersten Wahlgang gab es dazu noch kaum Wortmeldungen, weder von Van der Bellen und Hofer noch von einem der ausgeschiedenen Kandidaten. Bei Hofer spielte die Arbeitslosigkeit im Gegensatz zu Van der Bellen weiter eine untergeordnete Rolle. Der Vertretung Österreichs wurde im zweiten Wahldurchgang von beiden Kandidaten mehr Bedeutung beigemessen. Van der Bellen widmete 14 Prozent seiner medialen Äußerungen der Repräsentation nach außen, im ersten Wahldurchgang waren es nur zwei Prozent. Hofer steigerte sich bei diesem Thema von drei auf zwölf Prozent. Die Auflösung des Parlaments, die Van der Bellen vor dem 24. April noch häufig thematisierte, kam im Wahlkampf für die Stichwahl praktisch nicht mehr vor. Auch zur Ernennung der Bundesregierung äußerte es sich der ehemalige Grünen-Chef weniger oft. Hofer wiederum reduzierte seine Aussagen bezüglich einer möglichen Entlassung der Regierung. In einem Interview für die Kleine Zeitung tritt Van der Bellen nun sogar dafür ein, nach der Wahl am Sonntag die Machtbefugnisse zu begrenzen. Die Verfassung sieht einerseits eine gut gefügte Machtbalance vor. Die Hauptmacht liegt beim Parlament und das soll auch so sein. Aber der Bundespräsident hat, wenn er will, die Möglichkeit, das auszuhebeln. Ich bezweifle, dass das der Weisheit letzter Schluss ist im 21. Jahrhundert, argumentiert Van der Bellen. Er plädiert dafür, dass sich nach dem Wahlsonntag die besten Verfassungsjuristen der Republik, politische Menschen und auch andere zu einer Art Konvent zusammensetzen, um über die Verfassung von 1929 nachzudenken. Der Präsidentschaftskandidat gesteht zwar zu, dass die verfassungsrechtlich vorgesehenen Rechte bisher nie ausgeübt wurden. Aber sie könnten ausgeübt werden und man sollte sich überlegen, ob das noch angemessen ist. Im Laufe des Wahlkampfes hat Van der Bellen wiederholt seinem FPÖ-Kontrahenten Norbert Hofer vorgeworfen, die Regierung entlassen zu wollen, Neuwahlen und dann eine blaue Republik anzustreben. 9,9 Prozent der Ortschefs in Niederösterreich sind laut Gemeindebund weiblich – Österreich-Durchschnitt bei 6,7 Prozent. St. Pölten – Die Anzahl der Bürgermeisterinnen steigt zwar, österreichweit sind aber nur 141 (6,7 Prozent) der 2.100 Ortschefs weiblich. Niederösterreich führt mit 9,9 Prozent. Ziel sei, dass sich die Anzahl der Bürgermeisterinnen in den nächsten zehn Jahren verdoppelt, sagte Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer in einer Pressekonferenz anlässlich des Internationalen Frauentages am 8. März in St. Pölten. Seit 1999 hat sich die Anzahl der Bürgermeisterinnen in Österreich laut Mödlhammer von 45 auf 141 (Stand vor der Stichwahl in Tirol am 13. März) mehr als verdreifacht. Niederösterreich liegt beim Frauenanteil mit 57 Bürgermeisterinnen (9,9 Prozent) in 573 Gemeinden an der Spitze, im Vergleich zum Anteil der weiblichen Bevölkerung zeige sich aber ein ziemliches Ungleichgewicht, sagte Landesrätin Barbara Schwarz (ÖVP). Salzburg weist mit 3,4 Prozent (4 von 119 Ortschefs) – abgesehen von Wien – den niedrigsten Wert auf. Durch die Kommunalwahl in Tirol am 28. Februar sind einige Bürgermeisterinnen dazugekommen, durch die Stichwahl am Sonntag könnten es noch mehr werden. Derzeit gibt es laut Gemeindebund 14 Bürgermeisterinnen (fünf Prozent) in 279 Tiroler Gemeinden, bis zur jüngsten Wahl waren es lediglich elf. Vorarlberg hält bei sieben weiblichen (7,3 Prozent) von 96 Bürgermeistern, Oberösterreich bei 29 (6,6 Prozent) in 442 Gemeinden. In der Steiermark beträgt der Frauenanteil 5,6 Prozent (16 in 287 Gemeinden), in Kärnten 5,3 Prozent (sieben in 132 Gemeinden) und im Burgenland 4,1 Prozent (sieben in 171 Gemeinden). Etwas höher ist der Anteil in Gemeinderäten: Österreichweit halten Frauen 9.500 (24 Prozent) der 38.800 Mandate. In Niederösterreich liegt der Anteil laut Gemeindebund bei fast 30 Prozent. Es ist einfacher, Frauen für ein Mandat im Landtag oder Nationalrat zu gewinnen, sagte Mödlhammer. Der Gemeindebund-Präsident sprach sich dafür aus, die Rahmenbedingungen des Amtes zu verbessern: Als Bausteine dafür nannte er weniger Termine, weniger Sitzungen und weniger zusätzliche Ämter. Die Funktion des Bürgermeisters bringe viele Termine und Sitzungen abends und am Wochenende und eine Mitarbeit in regionalen Verbänden mit sich. Völlige Chancengleichheit ist noch nicht erreicht, sprach Schwarz die noch immer herrschenden Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen an. Ganzjährig vollzeitbeschäftigte Frauen verdienen in Niederösterreich 82 Prozent des Einkommens ihrer männlichen Kollegen. Das Bundesland weist mit 21.379 Euro Bruttojahreseinkommen im Mittel für Frauen nach Wien (22.050) den zweithöchsten Wert auf. Im Herbst startet das Land NÖ die Initiative Frauen stärken mit Veranstaltungen und einem Mentoring-Programm. Das Budget dafür liegt laut Schwarz bei rund 50.000 Euro. Als Schwerpunkt bezeichnete die Landesrätin den Ausbau der Kinderbetreuung für Unter-Dreijährige. Für heuer gebe es bereits konkrete Planungen für 63 neue Betreuungsgruppen. Inflationswert von August 2014 bis Juli 2015, volle Abgeltung wie im Vorjahr. Wien – Die Pensionen werden im kommenden Jahr voraussichtlich um 1,2 Prozent angehoben. Dies ergibt sich aus der Inflation im relevanten Zeitraum und den gesetzlichen Vorgaben. Auch für heuer hatten die Pensionisten die volle Inflation abgegolten bekommen, nachdem sie zuvor zwei magere Jahre über sich ergehen lassen mussten. Der Anpassungsfaktor ergibt sich aus der durchschnittlichen Inflationsrate im Zeitraum von August 2014 bis Juli 2015. Dieser Wert liegt nach Berechnung der Statistik Austria bei 1,2 Prozent. Er muss nun noch von der Pensionskommission bestätigt werden, die im Herbst tagt. Sollte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) davon abgehen wollen, wäre eine Gesetzesänderung nötig. Auch für heuer hatten die Pensionisten die volle Inflation von damals 1,7 Prozent abgegolten bekommen. In den beiden Jahren davor hatten die Pensionsbezieher Abstriche machen müssen. Mit dem Sparpaket 2012 wurde vereinbart, dass die Pensionen für 2013 um einen Prozentpunkt und für 2014 um 0,8 Prozentpunkte unter der Inflationsrate erhöht wurden. Für 2013 bedeutete dies eine Pensionserhöhung um 1,8 Prozent anstelle der vollen Inflationsabgeltung um 2,8 Prozent und für 2014 um 1,6 statt der Inflationsabgeltung um 2,4 Prozent. Die Mindestpensionen waren von diesen Kürzungen jedoch ausgenommen. Für 2015 und 2016 wurde in der Sparpakt-Vereinbarung von 2012 festgehalten, dass dann wieder alle Pensionisten die volle Teuerungsabgeltung bekommen. Klubobmann Schieder kann sich vorstellen, den Sozialpartnern eine Frist zu setzen – und notfalls selbst zu entscheiden. Wien – Das monatelange Gezerre um die Einführung eines Bonus/Malus-Systems bei der Beschäftigung älterer Arbeitnehmer geht SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder sichtlich auf die Nerven. In Richtung Koalitionspartner meinte der Fraktionschef bei einer Pressekonferenz, er verstehe nicht, wieso dieses Thema auf die lange Bank geschoben werde. Es brauche eine Lösung bei der besseren Integration Älterer in den Arbeitsmarkt, egal ob Bonus/Malus oder eine andere adäquate Maßnahme. Mache man nichts, werde das Problem noch größer. Gefordert sieht der Klubchef auch die Sozialpartner und dabei vor allem die Wirtschaftskammer, die ein Bonus/Malus-Modell ablehnt. Gar nicht schlecht gefällt Schieder da die Idee von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP), den Sozialpartnern bei solchen Fragen nur ein halbes Jahr Zeit zu geben und danach ohne sie zu entscheiden, wenn es keine Lösung gibt. Das könne er mit seinem Sozialpartnerherz nur schwer mittragen, meinte Schieder, betonte aber gleichzeitig: Das ist kein schlechter Vorschlag. Komme in den nächsten Wochen wieder nichts heraus auf Sozialpartnerebene, würde er solch ein Vorgehen unterstützen. Die Sozialpartner reagierten wenig erfreut. Eine Frist hat noch nie eine Lösung gebracht, sagte ÖGB-Chef Erich Foglar am Montag in Bad Ischl. Wir können uns gerne gegenseitig Fristen auferlegen, dann aber auch im Bildungsbereich, spielte Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl den Ball an die Regierung zurück. Bildung sei angesichts des technologischen Wandels unabdingbar, nehme man doch sonst soziale Brüche in Kauf. Der Bad Ischler Dialog 2015 der Sozialpartner dreht sich heuer um die digitale Wirtschaft und deren Auswirkungen auf die Arbeitswelt. Und Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske meinte: Wir sind noch nicht am Ende der Regierungsperiode. Kommission legte Anpassung fest. Basis ist die Inflation. Wien – Die Pensionen steigen 2016 um 1,2 Prozent, diesen Anpassungsfaktor hat die Pensionskommission am Freitag erwartungsgemäß festgelegt. Nicht beschlossen wurde indes wie ursprünglich geplant das Gutachten über die Pensionsentwicklung bis 2020. Man habe dies auf Ende November verschoben, um noch aktuelle Daten einarbeiten zu können, sagte Kommissionsvorsitzender Rudolf Müller. Am 22. Oktober seien noch Daten der Pensionsversicherung eingelangt. Da per Gesetz Zeit bis Ende November ist, das Gutachten zu beschließen, habe man sich entschieden, mit möglichst aktuellen Zahlen zu arbeiten. Das Gutachten liegt überhaupt noch nicht vor und war deshalb heute auch nicht Thema der Sitzung, betonte Müller. Am 27. November ist eine Sitzung dafür anberaumt. Am Freitag ging die Sitzung daher recht flott zu Ende, denn der Richtwert für die Pensionsanpassung 2016 in der Höhe von 1,2 Prozent ist schon lange bekannt. Basis sind die Inflationsraten von August 2014 bis Juli 2015. Zudem wurde der Ausgleichszulagenrichtsatz mit ebenfalls 1,2 Prozent angepasst, er beträgt für das Jahr 2016 882,78 Euro. Der Richtsatz für Verheiratete kommt auf 1.323,58 Euro und die Höchstbeitragsgrundlage für Versicherte im ASVG wird 2016 bei 4.860 Euro liegen. Die Seniorenvertreter von SPÖ und ÖVP verwiesen in ihren Stellungnahmen nach der Kommissionssitzung darauf, dass die Pensionisten kommendes Jahr nicht nur von der Anpassung profitieren würden, sondern auch von der Steuerreform. Karl Blecha hob für den SPÖ-Pensionistenverband hervor, dass die Pensionsanpassung in Zeiten des angespannten Budgets uneingeschränkt erfolge. Einmal mehr trat er für Maßnahmen zur Dämpfung der Teuerung ein. ÖVP-Seniorenbundchef Andreas Khol stört es weiterhin, dass Personen, die ihre Pension im laufenden Jahr 2015 angetreten haben, kommendes Jahr keine Anpassung bekommen. Außerdem forderte er eine Reform der Pensionskommission, wie sie im Regierungsprogramm vereinbart sei. Wer zum frühesten Zeitpunkt in Pension geht, verliert bis zu 25 Prozent, sagt PVA-General Pinggera. Wien – Die Pensionsversicherungsanstalt will die Österreicher motivieren, später in den Ruhestand zu wechseln. Daher hat sie rund 200.000 Schreiben an jene Personen ausgeschickt, die rund fünf Jahre vor der Möglichkeit zur Frühpension stehen, berichtete das Ö1-Morgenjournal am Montag. In den Briefen wird den Betroffenen vorgerechnet, wie viel mehr Pension sie erhalten würden, wenn sie länger arbeiten. Es gehe darum, das Bewusstsein zu schärfen, dass längeres Arbeiten Sinn mache, sagte PVA-Generaldirektor Winfried Pinggera. Immerhin verliere man 20 bis 25 Prozent an Pension im Vergleich zum regulären Antritt, wenn man zum frühestmöglichen Zeitpunkt in den Ruhestand gehe. Laut einem Gutachten der Pensionskommission wird der Bund bis 2020 mehr Geld für die Pensionen aufbringen müssen. Wien – Das Pensionssystem wird die öffentlichen Haushalte trotz aller Reformen weiter stark belasten. Das zeigt ein neues Gutachten der im Sozialministerium angesiedelten Pensionskommission, das der APA vorliegt. Demnach werden die benötigten Bundesmittel von 3,07 Prozent des BIP im heurigen Jahr auf 3,35 Prozent im Jahr 2020 anwachsen. Zum Vergleich: Zur Jahrtausendwende im Jahr 2000 hatte der Staat noch nur 2,3 Prozent des BIP über die Bundesmittel dem Beitragssystem zuschießen müssen. In absoluten Zahlen werden 2020 13,18 Milliarden aufzuwenden sein. Auffallend ist, dass in den kommenden Jahren der Anstieg von Jahr zu Jahr größer wird. Klettern die Ausgaben von heuer auf nächstes Jahr laut Gutachten bloß um 3,7 Prozent, sind es zwischen 2019 und 2020, also dem Ende des Prognose-Zeitraums, dann schon 5,6 Prozent. Tröstlich für die Regierung mag sein, dass sich die Prognosen gegenüber jenen des Vorjahres immerhin verbessert haben. Nach den damaligen Annahmen würden die Bundesmittel noch um 7,5 Prozent stärker steigen, bezogen auf das letzte Vergleichsjahr 2019. Auch im vor dem Sommer verabschiedeten Finanzrahmen werden für 2019 noch deutlich höhere Annahmen (um 783 Millionen) als jetzt herangezogen. Zudem ist der Anstieg zwischen 2014 und 2020 (+30,9) etwas niedriger als in der Periode 2008-2014 (+35). 2020 werden bereits 27,64 Prozent der Gesamtausgaben durch Bundesmittel abgedeckt, wobei der ASVG-Bereich mit einem Anteil von nur 21,18 Prozent am besten abschneidet. Bei Gewerbetreibenden (54,3 Prozent) und Bauern (86,1 Prozent) wird sogar der überwiegende Teil des Pensionsaufwands durch staatliche Zuschüsse gedeckt. Markant sinken sollten ab dem kommenden Jahr wieder die Zugänge zur deutlich verschärften Hacklerregelung. Stabil bleibt laut Prognose die (noch schwerer zu erreichende) Schwerarbeiterpension. Deutliche Anstiege werden in den kommenden Jahren hingegen bei der Korridorpension, quasi die Nachfolgerin der klassischen Frühpension erwartet. Reich wird man in der Pension dabei auch künftig nicht werden. Als Durchschnittsbezug (ohne Zulagen) wurden für das Jahr 2020 pro Monat 1.216 Euro prognostiziert. Pensionen wird es dann übrigens 2,46 Millionen geben – die Beamten ausgenommen, die vom Auftrag der Pensionskommission grundsätzlich nicht erfasst sind. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) betonte, dass die Zuschüsse des Bundes zu den Pensionen bis 2019 spürbar geringer ausfallen würden als ursprünglich prognostiziert. Die Pensionsquote sinke und werde 2017 mit 609 Pensionisten auf 1.000 Erwerbstätige wieder beim Stand von 2008 sein. Alles eine direkte Folge der Reformen der vergangenen Jahre, ist er sich sicher. Er verwies auf die Verschärfung der sogenannten Hacklerregelung, die erhöhten Abschläge bei der Korridorpension und die Neuregelung der Invaliditätspension. SPÖ-Pensionistenverbandschef Karl Blecha konstatierte zufrieden: Sämtliche Pensionsdaten zeigen einen positiven Trend. Allen Unkenrufen zum Trotz – unser Pensionssystem ist finanzierbar, sicher, stabil und für die Zukunft gerüstet. Die Reformmaßnahmen zeigten Wirkung. Raum für Justierungen am System sieht er aber noch – er will sich etwa anschauen, dass die Eigenbeitragsdeckung von Selbstständigen und Bauern deutlich niedriger sei als bei Angestellten und Arbeitern. Außerdem sollte das Bonus-Malus-System geschärft werden und ein Jahr früher in Kraft treten. Deplatziert findet indes die Vorsitzende der Jungen Industrie, Therese Niss, jeglichen Jubel über die Pensionsprognose. Die Kosten bei den Pensionen steigen ungebrochen weiter. Die Regierung müsse daher an ihrem selbst gesetzten Lostag, dem 29. Februar 2016, deutliche strukturelle Schritte setzen. Die Junge Industrie wünscht sich einen echten und vor allem funktionierenden Automatismus im System sowie eine rasche Angleichung des Frauenpensionsalters. Auch Martin Gleitsmann, Leiter der Sozialpolitik-Abteilung in der Wirtschaftskammer, sieht in seiner Aussendung keinen Grund zur Entwarnung, nur weil die Kosten weniger stark als erwartet steigen. Immerhin werde der Pensionsaufwand 2020 knapp 42 Milliarden Euro betragen. Und ab 2020 werde es erst recht wieder teurer, wenn die Baby-Boomer nach und nach aus dem Erwerbsleben scheiden, warnte Gleitsmann. Er forderte Strukturreformen ein, etwa den Automatismus, das Schließen von Schlupflöchern in die Frühpension und die rasche Anhebung des Frauenpensionsalters. Viel optimistischer blickt die Arbeiterkammer in die Zukunft. Der dortige Pensionsexperte Wolfgang Panhölzl erkannte gar eine beachtliche Wirkung der bisher beschlossenen Maßnahmen. Die Pensionskommission überbringe heute gute Nachrichten fürs Budget, und die Arbeiterkammer rechnet damit, dass die Bundesmittel – in Prozent des BIP mittelfristig sogar sinken würden, wenn denn endlich die Wirtschaft anspringe und die Menschen genügend verdienten. Ein Pensionsautomat dagegen kommt für die Arbeiterkammer nicht in Frage. Die Pensionskommission verkomme zur politischen Spielwiese, kritisiert deren Vorsitzender Rudolf Müller. Wien – Rudolf Müller würde sich gern selbst abschaffen. Ich hätte nichts dagegen, wenn die Pensionskommission aufgelöst wird, sagt der Leiter derselben. Das Gremium ist zur politischen Spielwiese verkommen, auf der eine sachliche Diskussion unter Experten nicht mehr möglich ist. Müller steht mit dieser Erkenntnis nicht allein da. Die Seniorenvertreter der SPÖ und ÖVP haben die Kommission in der aktuellen Form ebenfalls satt – beide Seiten beklagen parteipolitische Spielchen. Ein Austausch von Sachargumenten findet nicht statt, sagt auch Ulrich Schuh, Leiter des industrienahen Instituts EcoAustria: Stattdessen prallen vorgefertigte Meinungen aufeinander. Dabei sollte die vor gut 15 Jahren unter der schwarz-blauen Regierung gegründete Kommission das genaue Gegenteil bieten: eine nüchterne Expertise, auf der die Regierung ihre Entscheidungen aufbauen kann. Allerdings sitzen in dem Beratergremium nicht nur Fachleute, sondern auch Parteienvertreter und Sozialpartner. Dass dieser bunte Haufen auf keinen gemeinsamen Nenner kommt, bewies die vergangene Woche. Nachdem der STANDARD vorab über ein neues Gutachten zu den Pensionskosten berichtet hatte, machte sich auf roter Seite Freude breit. Die Tatsache, dass die staatlichen Zuschüsse für die Altersversorgung laut Prognose schwächer steigen als bisher angenommen, wertete SPÖ-Pensionistenchef Karl Blecha als Beweis, dass das Pensionssystem stabil und für die Zukunft gerüstet sei. Die ständig auf Reformen drängenden Vertreter der ÖVP und der Wirtschaft fühlten sich davon offenbar provoziert: Sie lehnten das Gutachten in der Kommission ab. Manche Kritiker vermissten im Bericht Informationen zu wichtigen Fragen wie den Rehabilitationsmaßnahmen, die Invaliditätspensionen verhindern sollen. ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald äußerte einen pauschalen Vorwurf: Das von den Fachleuten des Sozialministeriums fabrizierte Gutachten sei ein Beschönigungsversuch. Fakt ist, dass die Zahlen im Gutachten positiver sind als in der Budgetplanung des Finanzministeriums. Warum? Die Antwort hängt davon ab, wen man fragt. Die Berechnungen basierten auf überholten Prognosen, sagt ÖVP-Seniorenchef Andreas Khol, der gegen das Papier gestimmt hat. Es ist umgekehrt, kontert Müller: Das Gutachten baue auf aktuelleren Daten als der Budgetplan auf. Die Verbesserung führt der Kommissionsleiter auf drei Ursachen zurück: erstens stärker steigende Erwerbszahlen und damit mehr Einnahmen für die Pensionsversicherung, zweitens eine niedrigere Inflation, womit die jährlichen Pensionsanpassungen billiger werden. Drittens gibt es vor allem für die Invaliditätspension weniger Anträge – für Müller eine Folge der Reformen. Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) widerspricht dem naturgemäß nicht. Die Kommissionsmitglieder mögen über Details diskutieren, eine neue Berechnung werde es aber nicht geben, sagte er im Ö1-Mittagsjournal. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass die Reformen greifen: Die Zahlen sind so, wie sie sind. Nicht so bleiben, wie sie ist, soll hingegen die Pensionskommission. Für das Frühjahr kündigt Hundstorfer eine Reform an, bleibt inhaltlich aber ebenso vage wie die entsprechende Passage des Koalitionsprogramms. ÖVP-Vertreter Khol definiert das Ziel so: Gedacht sei an eine zweigeteilte Kommission, in der die Expertenarbeit und die politischen Schlussfolgerungen der Interessenvertreter strikt getrennt sind. Der bisherige Vorsitzende Müller bezweifelt, dass das etwas bringt: In Wahrheit braucht man gar keine Kommission. Auswertung des Sozialministeriums: 31.488 Pensionisten liegen über 5.000 Euro. Wien – Das österreichische Pensionssystem ist, zumindest gesamthaft betrachtet, ein teures. Die OECD hat erst vergangene Woche darauf hingewiesen, dass die Österreicher früh in Pension gehen und dadurch lange im Ruhestand sind. Die Bruttoersatzrate, also der Pensionsbezug in Relation zum letzten Arbeitseinkommen, liegt bei 78,1 Prozent, was Platz drei hinter Spanien und den Niederlanden bedeutet. Bei näherer Betrachtung zeigt sich aber auch, dass es eine große Spannweite bei den heimischen Pensionen gibt. Aktuelle Zahlen dazu liefert das Sozialministerium in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Teams Stronach. 251.746 Pensionen bei maximal 143 Euro Von den insgesamt 2,39 Millionen Pensionisten im Jahr 2013 (aktuellere Zahlen liegen nicht vor) bekamen immerhin 251.746 Personen maximal 143 Euro brutto im Monat. Bei fast 900.000 Menschen liegt die Pension unter 858 Euro monatlich (14-mal im Jahr). Am anderen Ende der Skala gibt es aber auch 31.488 Pensionisten, die mehr als 5.000 Euro im Monat lukrierten. Die Zahlen basieren auf der Lohnsteuerstatistik. Sie beinhalten also nicht nur die gesetzliche Pensionsversicherung, sondern auch Einnahmen aus betrieblichen und privaten Zusatzpensionen. Die Pensionen der öffentlich Bediensteten sind ebenfalls enthalten. Die genaue Verteilung zeigt diese Grafik: Zur Orientierung: Die Ausgleichszulage – sie soll Pensionisten ein Mindesteinkommen sichern – lag im Jahr 2013 bei 838 Euro (mittlerweile sind es 872 Euro). Wessen Einkommen unter dieser Grenze liegt, der kann grundsätzliche eine Aufstockung auf den Ausgleichszulagenrichtsatz beantragen. 230.000 Ausgleichszulagenbezieher Berücksichtigt werden dabei aber auch andere Einkünfte (etwa aus Vermietung oder Landwirtschaft) sowie das Partnereinkommen. Tatsächlich bekamen daher zuletzt nur knapp 230.000 Personen eine Ausgleichszulage. Fasst man die Pensionen in drei Gruppen zusammen, zeigt sich, dass die Mehrheit von 54 Prozent im Bereich zwischen 858 und 2.857 Euro liegt, wobei es deutliche Unterschiede zwischen Männern und Frauen gibt. Immerhin acht Prozent aller Pensionisten – das sind 199.031 Personen – kommen auf ein Einkommen von über 2.857 Euro. Auch hier ein Vergleich: Die ASVG-Höchstpension lag im Jahr 2013 bei 3.035 Euro. Die allermeisten dieser Gruppe beziehen also eine Zusatzpension oder waren im öffentlichen Dienst beschäftigt, für den es die ASVG-Grenze früher nicht gab. Die Verteilung hat sich über die Jahre nicht dramatisch verschoben. Im Jahr 2006 bekamen 38 Prozent der Pensionisten maximal 714 Euro (das war damals knapp über der Ausgleichszulage). Sieben Prozent kamen auf mehr als 2.501 Euro, was der damaligen ASVG-Höchstpension entsprach. In absoluten Zahlen ist in diesem Zeitraum aber natürlich die Zahl der Pensionisten stark gestiegen – um immerhin 225.000 seit dem Jahr 2006. '2013 schlossen 3.290 Personen kontinuierliche Teilzeitvereinbarung ab. Wien – Die Zahl jener Personen, die sich für die Reduzierung ihrer Arbeitszeit mittels Altersteilzeit entschieden haben, ist in den vergangenen Jahren etwas gestiegen. Während 2013 noch 3.290 Personen in kontinuierliche Altersteilzeit gingen, waren es 2014 bereits 4.707 Personen. Und im ersten Halbjahr 2015 nutzen bereits 3.195 ältere Arbeitnehmer diese Möglichkeit. Das geht aus einer Anfragebeantwortung durch das Sozialministerium hervor. Auch bei der geblockten Altersteilzeit (also erste Periode der Altersteilzeit volle Arbeit, zweite Periode quasi Vorruhestand) zeichnet sich ein Anstieg ab: 2013 nahmen diese Möglichkeit 1.684 Personen in Anspruch, im Jahr 2014 dann 2.051. Im ersten Halbjahr 2015 hatten sich 1.278 Personen für diese Variante entschieden. Ein Unterschied machte sich hinsichtlich der Geschlechter bemerkbar: Während deutlich mehr Frauen die kontinuierliche Altersteilzeitvereinbarung abschlossen, waren Männer bei der geblockten Variante klar in der Überzahl. 2013 schlossen 1.998 Frauen eine kontinuierliche Altersteilzeitvereinbarung ab, aber nur 1.292 Männer Empfehlungen nur teilweise umgesetzt – Statt 1,15 Milliarden nur 144 Millionen Einsparungen von 2014 bis 2050. Wien – Der Rechnungshof wirft den Sozialversicherungen vor, nur einen Bruchteil des möglichen Einsparungspotenzials bei den Pensionen für ihre Mitarbeiter zu realisieren. Als Grund dafür nennen die Prüfer in einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht, dass ihre Empfehlungen nicht oder nur teilweise umgesetzt worden seien. Die vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger 2014 durchgeführte Reform der Dienstordnung und Rechenvorschriften wich wesentlich von den Empfehlungen des Rechnungshof ab. Die Umsetzung der 2012 ausgesprochenen Empfehlungen des Rechnungshofs hätte bei einem Bedienstetenstand von 10.807 und dem Geldwert 2014 zu einem Einsparungspotenzial von rund 1,15 Milliarden Euro im Zeitraum 2014 bis 2050 geführt. Die 2014 durchgeführte Reform der Dienstordnung bedeutete jedoch gemäß Modellrechnung für den gleichen Zeitraum lediglich ein Einsparungspotenzial von rund 144 Millionen Euro, das entsprach nur rund 12,6 Prozent des vom Rechnungshof empfohlenen Einsparungspotenzials, heißt es in dem Bericht. Bei Umsetzung der bisher nicht oder nur teilweise umgesetzten Empfehlungen ab 1. Jänner 2016 bestünde ein zusätzliches Einsparungspotenzial von rund 786 Millionen Euro für den Zeitraum 2016 bis 2050. In einzelnen Fällen ergaben die Modellrechnungen teilweise sogar höhere Gesamtpensionsleistungen als vor der vom Hauptverband 2014 vorgenommenen Reform der Dienstordnungspension. Die Regelungen der Dienstordnung begünstigten nach wie vor einen vorzeitigen Pensionsantritt, da die zusätzliche Pensionsleistung des Dienstgebers die durch Abschläge aufgrund des vorzeitigen Pensionsantritts bewirkten Verluste der ASVG-Pension weitgehend ausglich. Der Rechnungshof hatte dem Hauptverband unter anderem empfohlen, die Arten der Ruhestandsversetzung in Analogie zum ASVG zu definieren und die Höhe der entsprechenden Abschläge für Frühpensionisten an das ASVG anzupassen. Diese Empfehlung sei aber nicht umgesetzt worden, der Hauptverband habe bislang keine Anpassung der Abschläge an das ASVG vorgenommen. Da die derzeit geltenden Abschläge wesentlich geringer als im ASVG sind, seien auch die Einsparungseffekte daraus sehr gering. Als Beispiel führt der Rechnungshof an, dass sich die ASVG-Pension für Bedienstete der Sozialversicherungen im Fall eines Pensionsantritts mit 62 Jahren um 22 Prozent verringert im Vergleich zu einem Pensionsantritt mit 65. Gegengleich steige jedoch die ergänzende Dienstgeberpensionsleistung bei einem Antritt mit 62 um 79 Prozent im Vergleich zu einem Pensionsantritt mit 65. Damit würden die Verluste der ASVG-Pension trotz des um drei Jahre früheren Pensionsantritts nahezu ausgeglichen und betragen im Hinblick auf die Gesamtpensionsleistung nur sechs Prozent. Das faktische Pensionsalter steigt laut Pensionsversicherungsanstalt in jedem Fall. Wien – Die Zahl sorgt für Streit: Ist das Pensionsantrittsalter tatsächlich stark gestiegen? Die VP-Seite hält die offiziellen Daten für geschönt, sind dabei doch nicht jene Personen inkludiert, die heute Rehabilitationsgeld statt einer Invaliditätspension beziehen.Rechnet man diese Gruppe ein, sei das Pensionsantrittsalter sogar gesunken, berichtete die Presse und berief sich auf eine anonyme Quelle in der Pensionsversicherungsanstalt (PVA). Das ist definitiv falsch, kontert allerdings PVA-Obmann Manfred Felix: Auch wenn man die Rehabgeld-Bezieher einrechnet, steigt das faktische Pensionsantrittsalter. Eine konkrete, endgültige Zahl werde in den nächsten Tagen nachgeliefert. So oder so will das Sozialministerium daran festhalten, die Bezieher von Rehabgeld nicht zu den Pensionisten zu zählen. Denn anders als eine Pension habe eine solche Überbrückungsleistung die Rückkehr auf den Arbeitsmarkt zum Ziel – diese haben bislang knapp 1300 von 18.549 Rehabgeldbeziehern im Jahr 2015 geschafft. Zu wenige? Weil eine Reha etwa drei Jahre dauere, sei es für eine echte Bilanz noch zu früh, meint man im Ministerium. Erste Verhandlungsrunde zur Vorbereitung des Pensionsgipfels am 29. Februar. Wien – Am Freitag hat die erste politische Verhandlungsrunde zur Vorbereitung des Pensionsgipfels am 29. Februar stattgefunden. Medial wollen SPÖ und ÖVP einander nun keine Vorschläge mehr ausrichten. Sachlich sei das Gespräch gewesen, hieß es nach der Sitzung lediglich. Eine frühere ÖVP-Forderung hat die SPÖ jedenfalls schon erfolgreich abgewehrt. Das Frauenpensionsalter wird nicht vorzeitig angehoben, wie ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger in der Presse erklärte. Im Büro von Sozialminister Alois Stöger – er verhandelt mit dem scheidenden Direktor der Arbeiterkammer, Werner Muhm, auf SPÖ-Seite – zeigte man sich darüber erfreut: Das wäre mit uns nicht gegangen. Wenig Bewegung Vom Tisch ist auch der Vorschlag von Finanzminister Hans Jörg Schelling – er verhandelt neben Wöginger für die ÖVP –, die Gutschriften auf den Pensionskonten weniger stark aufzuwerten. Änderungen wird es voraussichtlich bei der Invaliditätspension geben. Wie berichtet sind sich hier die Sozialpartner bereits weitgehend einig. Die Zusammenarbeit von Pensionsversicherung, Krankenkassen und AMS soll intensiviert, die berufliche Rehabilitation ausgebaut werden. Bei behaupteten psychischen Krankheiten soll genauer geprüft werden. Darüber hinaus vertritt die SPÖ aber den Standpunkt, dass keine größeren Reformen nötig sind, weil man die im Regierungsprogramm vereinbarten Ziele zur Steigerung des faktischen Pensionsantrittsalters bereits erreicht habe und auch die mittel- und langfristigen Kostenprognosen stabil seien. Budgetdienst relativiert Die im Vorjahr überraschend niedrigen Zuschüsse des Staates zu den Pensionen (10,17 Milliarden, 228 Millionen weniger als 2014) relativiert der Budgetdienst des Parlaments. Wegen einer Verbuchungsänderung seien die Zahlen mit 2014 nicht wirklich vergleichbar. Berücksichtige man das, sei man 2015 nur 84 Millionen Euro unter dem Wert des Jahres 2014 gelegen. Beim Thema Sonderpensionen wehrt sich ÖBB-Chef Christian Kern gegen immer wiederkehrende ÖVP-Vorwürfe. 2015 seien nur 443 von 42.000 Mitarbeitern in den Ruhestand versetzt worden. Das sei der niedrigste Wert seit 15 Jahren. Um 0,3 auf 61,2 Jahre – 27 Prozent gingen mit Erreichen des regulären Pensionsantrittsalters in den Ruhestand. Wien – Das Pensionsantrittsalter bei den Beamten steigt. 2015 lag es im Bundesdienst bei 61,2 Jahren, nach 60,9 Jahren 2014. Parallel dazu sank die Zahl der Neupensionierungen. Die Zahlen im diesjährigen Bericht zeigen ganz klar, dass unsere Maßnahmen im Bereich der Beamtinnen- und Beamtenpensionen wirken, erklärte Kanzleramtsstaatssekretärin Sonja Steßl (SPÖ) am Mittwoch in einer Aussendung. Die Anzahl der Neupensionierungen ist im Vorjahr um 10 Prozent auf 1.699 Fälle gesunken. Dies lasse sich auf den erschwerten Zugang zur sogenannten Hacklerregelung zurückführen, so das Staatssekretariat. Die Zahl der vorzeitigen Pensionierungen sank 2015 um 22 Prozent oder 223 Fälle. Bereits 2014 gab es hier einen Rückgang. Zudem gingen deutlich mehr Beamtinnen und Beamten erst mit Erreichen des regulären Pensionsantrittsalters in den Ruhestand, nämlich 27 Prozent, nach 23,9 Prozent 2014. Das Regelpensionsalter für Bundesbeamte (Frauen und Männer) liegt aktuell bei 64,5 Jahren und steigt bis 2017 schrittweise auf das Männer-ASVG-Alter von 65 Jahren an. Die Regierung legte den Bericht zu den Beamtenpensionen heuer zum zweiten Mal vor. Berücksichtigt in dem Monitoring sind Bundesbeamte sowie ausgegliederte Bereiche. EU-Richtlinie steht nationaler österreichischer Regelung nicht entgegen. Luxemburg – Die Nichtanrechnung von Vordienstzeiten vor dem 18. Lebensjahr für die Beamtenpension ist laut dem Schlussantrag des EuGH-Generalanwalts nicht EU-rechtswidrig. Die nationale Regelung bei einem Pensionssystem für Beamte gewährleiste die einheitliche Festsetzung einer Altersgrenze für die Mitgliedschaft und einer Altersgrenze für den Bezug der Pension im Rahmen des Systems. Konkret handelt es sich um ein Vorabersuchen des österreichischen Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) an den EuGH. Ein pensionierter österreichischer Beamter hatte zuvor geklagt, dass die Lehr- und Vertragsbedienstetenzeiten, die er vor Vollendung des 18. Lebensjahres beim Bund absolviert hatte, bei der Berechnung seiner Beamtenpension nicht als Ruhegenussvordienstzeiten angerechnet wurden. Vielmehr waren ihm die entsprechenden Beiträge zur Pensionsversicherung nach seiner Übernahme ins öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis erstattet worden. Bei einer Umfrage sagen null Prozent der Jungunternehmer, dass sie an baldige Pensionsreform glauben. Wien – Österreichs Pensionsausgaben gefährden die Stabilität des Staats. Diese Meinung vertreten immerhin 71 Prozent der mehr als 1.200 Befragten in einer Market-Untersuchung für die Junge Wirtschaft. Dass die Regierung eine Reform zusammenbringt, wird jedoch nicht erwartet. 0 Prozent halten die Lösungskompetenz der Koalition im Pensionsbereich für sehr hoch. Auch nur drei Prozent sehen sie als eher hoch. Gleich 94 Prozent haben wenig oder gar kein Vertrauen. Wenig verwundert darüber zeigt sich im Gespräch mit der APA der Vorsitzende der Jungen Wirtschaft, Herbert Rohrmair-Lewis. Die Jung-Unternehmer hätten nicht einmal mehr Zorn: Sie erwarten sich nichts mehr. Eher traurig blicken die jungen Selbstständigen auch in die Zukunft, was ihren eigenen Pensionsanspruch angeht. 83 Prozent glauben, dass sie im besten Fall eine staatliche Mindestpension erwarten können und sich den Rest selbst finanzieren müssen. Sogar 92 Prozent sind der Meinung, wesentlich länger arbeiten zu müssen als jene, die derzeit die Pension antreten. Freilich ist auch unter Jung-Unternehmern die Bereitschaft, übermäßig lang im Berufsleben zu bleiben, eingeschränkt. 49 Prozent sind bereit länger zu arbeiten, damit das Pensionssystem weiter finanziert werden kann. Allerdings fast genauso viele, nämlich 46 Prinzip, lehnen es zumindest tendenziell ab. Rohrmair-Lewis hat jedenfalls die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass beim Pensionsgipfel am Montag Nennenswertes herauskommt. Schlechter als die Erwartungshaltung der jungen Unternehmer sei ja nicht möglich. Besonders wichtig wären ihm ein einheitliches Pensionssystem ohne Ausnahmen, eine Nachhaltigkeitsautomatik, eine sofortige Anhebung des Frauenpensionsalters sowie relevante Anreize, länger im Arbeitsleben zu bleiben. Nicht rütteln will Rohrmair-Lewis am Umlagesystem. Gerade die Finanz- und Wirtschaftskrise habe gezeigt, wie wichtig ein staatliches Pensionssystem sei. Damit steht er nicht alleine da. In der Market-Umfrage weisen drei Viertel der Befragten dem Staat bei der Finanzierung des Pensionssystems eine zentrale Rolle zu. Mehr leisten könnte man sich bei den Pensionen, wenn man wo anders Reformen zusammenbrächte, meint Rohrmair-Lewis. An erster Stelle steht für ihn da die Zurückführung der Staatsschulden. Denn mit dieser würde der Staat wieder Gestaltungsspielraum bekommen. 'Kompromiss nach fünfeinhalb Stunden: höhere Mindestpension für 20.000 Personen – Familiensplitting wird ausgeweitet. Wien – Im Finale wurde es noch einmal hektisch. Die Verhandlerteams von Rot und Schwarz zogen sich nach rund vier Stunden zu fraktionellen Besprechungen zurück. Beim schwarzen Team schaute sogar Parteichef Reinhold Mitterlehner kurz vorbei. Nach knapp fünfeinhalb Stunden Pensionsgipfel traten Sozialminister Alois Stöger (SPÖ), Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) und die Mitverhandler Werner Muhm (AK-Direktor) sowie August Wöginger (ÖVP-Sozialsprecher) schließlich vor die Medien. Bei einem Punkt gab es schon im Vorfeld eine weitgehende Annäherung: Die Rehabilitation für gesundheitlich angeschlagene Arbeitnehmer müsse verbessert werden. Um dieses Ziel zu erreichen, verabschiedeten SPÖ und ÖVP schließlich ein Maßnahmenpaket – der größte Block der Übereinkunft, wie Schelling sagte. Kleinere Kommission Weitere Neuerung: Die derzeit 34-köpfige, mit vielen Interessenvertretern beschickte Pensionskommission, die bisher oft nicht auf einen gemeinsamen Nenner kam, wird auf ungefähr die Hälfte verkleinert, aber mit internationalen Experten ergänzt, erklärte der Finanzminister. Schellings Darstellung zufolge soll die Regierung verpflichtet werden, diese Empfehlungen umzusetzen oder alternative, für das Pensionssystem gleichwertige Maßnahmen zu setzen. Fest stehe: Die Regierung muss handeln. Diese Frage zählte zu den umstrittensten bei den Verhandlungen. Die SP-Seite pochte stets auf das Primat der Politik und verwahrte sich dagegen, den Spielraum der Regierung einzuschränken. Viel wird dabei noch von den Details im konkreten Konzept abhängen. Frauen als Streitthema Thema war auch die Ungleichbehandlung der Frauen. Laut Status quo wird das gesetzliche Pensionsalter der Frauen (derzeit 60 Jahre) erst ab 2024 schrittweise auf das Niveau der Männer (65 Jahre) angehoben – was der ÖVP zu langsam geht. Allerdings gaben die Schwarzen im Laufe der Verhandlungen das Ziel einer rascheren Angleichung auf. Hintergrund: Sofern die SPÖ überhaupt von ihrem Nein abgerückt wäre, hätte sie von der ÖVP eine schmerzhafte Gegenleistung verlangt EU-Experten von Pensionsgipfel enttäuscht – Steuerreform positiv – Teilzeitquote in Österreich über EU-Schnitt – Nicht-EU-Bürger schlecht in den Arbeitsmarkt integriert. Wien – Die EU-Kommission ortet in Österreich ein gestörtes Verhältnis zwischen Bund und Ländern. Das derzeitige System sei inkongruent und ineffizient, heißt es im aktuellen Länderbericht des Europäischen Semesters, der am Mittwoch in Wien vor Journalisten erläutert wurde. Das Problem ist, dass Einnahmen- und Ausgabenverantwortung getrennt sind, sagte Kommissionsvertreter Marc Fähndrich. Es ist hierzulande so, dass sich die Länder mit Wien ein Match liefern, der Landeshauptmann kommt mit einem Geld nach Hause und dieses Geld wird dann investiert, laut Fähndrich aber oft an der falschen Stelle. Das kostet viel Geld. So seien etwa in Kittsee, Hainburg, Bruck an der Mur oder Leoben Krankenhäuser gebaut worden, aber nicht aus gesundheitspolitischer Notwendigkeit, sondern aus strukturellen und arbeitsmarktpolitischen Überlegungen. Fähndrich empfiehlt, dass die Ausgaben dort getätigt werden, wo auch die Einnahmen hereinkommen. Ob das der Bund ist oder die Länder, ist aus Sicht des Experten zweitrangig. Die subnationalen Einnahmen, also die Steuern auf Gemeinde- oder Länderebene sind in Österreich jedenfalls unter dem EU-Schnitt. Nach Ansicht der EU-Kommission läuft Österreich derzeit zudem Gefahr, das strukturelle Defizitziel zu verfehlen. Fähndrich pocht darauf, die Haushaltsziele einzuhalten. Die Steuerreform wertet er als positiv, der Faktor Arbeit könnte aber noch weiter entlastet werden. Zur Gegenfinanzierung regt Fähndrich beispielsweise höhere Immobiliensteuern an. Vom kürzlich stattgefundenen Pensionsgipfel ist der Experte enttäuscht. Man werde die von der Regierung verabschiedeten Maßnahmen bewerten und Mitte Mai neue Empfehlungen aussprechen. Fähndrich empfiehlt, das Frauenpensionsalter früher als 2024 an das der Männer anzugleichen. Auch eine Kopplung an die Lebenserwartung, quasi eine Pensionsautomatik, hält Fähndrich für sinnvoll. Am österreichischen Arbeitsmarkt sieht die EU-Kommission zwei Warnsignale: Erstens arbeiten hierzulande viel mehr Frauen nur Teilzeit als anderswo in der EU, zweitens sind Migranten aus Drittstaaten deutlich schlechter in den Arbeitsmarkt integriert. Was uns besondere Bauchschmerzen macht: Das gilt auch für die zweite Generation, so Fähndrich. Hier hat das Bildungssystem versagt. Angesichts der Flüchtlingskrise betonte der Experte die Wichtigkeit, Flüchtlingskinder schon frühzeitig ab dem Kindergarten zu integrieren. Die EU-Kommission hatte im Rahmen des Europäischen Semesters 18 Länder genauer unter die Lupe genommen. In Österreich sowie in fünf weiteren Mitgliedsstaaten wurden keine makroökonomischen Ungleichgewichte festgestellt. Österreich wurde untersucht, weil im Export Marktanteile verloren gingen und das Bankensystem risikobehaftet ist. Eine akute volkswirtschaftliche Bedrohung gebe es deshalb aber nicht, so Fähndrich. Sozialminister: "Kann keine Schlechterstellung für ASVG-Versicherte geben". Die ÖVP lehnt den Vorschlag ab. Wien – Die SPÖ pocht darauf, die beim Pensionsgipfel am 29. Februar vereinbarte Verschärfung der Zuverdienstregeln für Pensionisten auch auf pensionierte Beamte auszudehnen. Wenn, dann muss das für alle gelten. Es kann keine Schlechterstellung für ASVG-Versicherte geben, sagte Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) am Sonntag im Kurier. Dass im Sozialministerium entsprechende Pläne gewälzt werden, hatte DER STANDARD bereits vor einem Monat vermeldet. Unbegrenzt dazuverdienen – auch in der Frühpension – dürfen derzeit nur Beamtenpensionisten. Bei ASVG-Frühpensionen werden Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze dagegen von der Pension abgezogen. Erst ab dem Regelpensionsalter (60 bei Frauen, 65 bei Männern) ist wieder ein unbegrenzter Zuverdienst möglich. Bei ihrem Pensionsgipfel am 29. Februar haben SPÖ und ÖVP aber eine Verschärfung vereinbart: Demnach sollen auch ASVG-Regelpensionisten, die weiter berufstätig sind, in den ersten drei Jahren einen Teil ihrer Pension verlieren. Im Gegenzug würden die Pensionsbeiträge für diese Gruppe halbiert. Betroffen wären Frauen bis 63 und Männer bis 68. SP- und VP-Pensionistenvertreter lehnen die Regelung ab, die Regierungsspitze hat zuletzt Verhandlungsspielraum signalisiert. Unterstützt vom ÖGB drängt Stöger auf eine Verschärfung auch für Beamte. ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger lehnt dies ab und verweist darauf, dass der Verfassungsgerichtshof den unbegrenzen Zuverdienst für Beamtenpensionisten bereits 2005 bestätigt hatte. Da bräuchte man eine Zweidrittelmehrheit, um die Ruhensbestimmungen für Beamte abzusichern, gibt Wöginger zu bedenken. Stöger bezweifelt dagegen, dass die Ungleichbehandlung von Beamten und ASVG verfassungskonform ist. Für Sozialminister Stöger ist es nun vorstellbar, die Zuverdienstgrenzen für alle Pensionen aufzuheben. Wien – Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) kann sich vorstellen, die Zuverdienstgrenzen für alle Pensionen aufzuheben. Ich habe generell gesagt, dass ich für Gleichbehandlung bin, und wenn man neue Dinge einführt, dann soll das für alle Gruppen gelten, sagte er am Dienstag. Damit nähert sich Stöger der ÖVP-Forderung nach einer Abschaffung aller Ruhensbestimmungen. Stöger hatte noch am Wochenende im Kurier in Aussicht gestellt, Zuverdienstgrenzen auch auf pensionierte Beamte auszudehnen. Vom Tisch ist diese Variante laut Stöger zwar noch nicht, dennoch demonstrierte er Verhandlungsbereitschaft mit dem Koalitionspartner, um auch andere Regelungen zu finden. Das heißt, auch für ASVG-Pensionisten könnten die Ruhensbestimmungen gelockert werden. Der SP-Pensionistenverband wendet sich gegen die beim Pensionsgipfel am 29. Februar vereinbarte Verschärfung der Zuverdienstregeln. Er wolle keine Ruhensbestimmungen bei Alterspensionen, egal ob im Beamtenpensionsrecht oder im ASVG-Bereich, erklärte Pensionistenverbandspräsident Karl Blecha in einer Aussendung. Für Blecha haben die Verhandlungen noch gar nicht begonnen, Ruhensbestimmungen will er jedenfalls gar nicht. Wer als Frau bis 60 beziehungsweise als Mann bis 65 Jahre gearbeitet hat und nach seinem Pensionsantritt noch einer Tätigkeit nachgehen muss, zum Beispiel weil die Pension zur Aufrechterhaltung des Lebensstandards nicht ausreicht oder weil man eben noch nicht im Ruhestand ist, darf nicht bestraft werden, meinte er am Dienstag. Ähnliches hatte zuletzt ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger gefordert. Alleinerziehende sind besonders oft armutsgefährdet – ihre Kinder kommen nur schwer aus der Armut heraus. Die Achtjährige, die auch dieses Jahr keine Geburtstagsparty feiern kann. Der Elfjährige, der nicht mit der Klasse auf Skikurs fahren kann: 23 Prozent der Kinder und Jugendliche in Österreich sind armuts- oder ausgrenzungsgefährdet. Sechs Prozent leben unter dem Mindestlebensstandard, können sich also wichtige Ausgaben nicht leisten. Wer jünger als 20 Jahre ist, hat ein höheres Armutsrisiko als der Bevölkerungsdurchschnitt. Das ergibt ein EU-weiter Armutsmonitor, der in Österreich von der Statistik Austria erstellt wird. Nicht alle jungen Armutsgefährdeten leiden auch unter akuter Armut, doch ihre Zukunft ist überschattet von schlechteren Ausgangsbedingungen: Wer mit weniger Geld aufwächst, hat eine schlechtere, weil meist kürzere Ausbildung und leidet häufiger unter Gesundheitsproblemen. Die Folge: Viele finden später auch weniger gut bezahlte Jobs. Besonders gefährdet sind Kinder von Alleinerziehenden. Ein Drittel der Ein-Eltern-Haushalte ist armutsgefährdet – bei einem Kind, das bei zwei Erwachsenen aufwächst, liegt die Quote bei sechs Prozent. Während ein Elternpaar, das mit einem oder zwei Kindern zusammenlebt, deutlich besser ausgestattet ist als Alleinerziehende mit Kind, steigt das Risiko wieder, wenn drei oder mehr Kinder im Haushalt leben. Dass Österreichs Sozialsystem viele Menschen vor Schlimmerem bewahrt, zeigt sich gut anhand der aktuellen Zahlen: Gäbe es keine Hilfe vom Staat, wären 64 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte armutsgefährdet. Dank der Zuschüsse sind es 34 Prozent. Doch auch Sozialleistungen federn nur manches ab: 61 Prozent der Ein-Eltern-Haushalte können unerwartete Ausgaben wie eine Thermenreparatur nicht finanzieren. Fast jedes vierte Alleinerzieherkind bekommt wichtige zahnärztliche Leistungen nicht, weil das Geld fehlt. Eine Woche Urlaub pro Jahr, und sei es ein Verwandtenbesuch, für den keine Nächtigungskosten anfallen, ist für viele Kinder aus einkommensschwachen Haushalten ein unerfüllbarer Traum. Auch Aktivitäten, die wichtig für das Knüpfen von Freundschaften sind wie Kurse oder Trainingslager bleiben vielen dieser Kinder verwehrt. Zwei Drittel der Armutsgefährdeten waren auch schon bei der Studie aus dem Jahr 2013 Teil der Risikogruppe, sie schafften es also seither nicht, ihrer misslichen Lage zu entkommen. Die Zahlen bilden die tatsächliche Armut im Lande nur teilweise ab: Personen, die in Notunterkünften oder Heimen wohnen, bleiben unberücksichtigt. Die Sozialdemokraten werfen dem Finanzminister Zynismus vor – Auch scharfe Kritik der Grünen. Wien – Die von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) erhobene Forderung nach Kürzung des Arbeitslosengelde stößt bei SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid auf entschiedene Ablehnung. Es handelt sich hier um einen massiven Angriff auf Arbeitnehmer und unser Sozialsystem, sagte Schmid am Samstag in einer Aussendung. Schmid wirft Schelling vor zu unterstellen, die Betroffenen würden sich in der sozialen Hängematte ausruhen. Das berge ein gewisses Maß an Zynismus. Arbeitslosen muss geholfen werden, sich wieder in der Arbeitswelt zu integrieren. Eine Kürzung der Leistungen würde niemanden motivieren, sondern Existenzen bedrohen. Davon abgesehen leiden wir zur Zeit nicht an einem Übermaß an freien Arbeitsplätzen, meinte Schmid. Der SPÖ-Bundesgeschäftsführer rief die ÖVP dazu auf, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, und nicht die Arbeitslosen. Herbe Kritik an Schelling kam am Samstag auch von den Grünen. Fassungslos über so viel arrogante Unwissenheit zeigten ArbeitnehmerInnen-Sprecherin Birgit Schatz und Sozialsprecherin Judith Schwentner: Bei einer Nettoersatzrate von 55 Prozent kann man wohl nicht davon sprechen, dass das Arbeitslosengeld auch nur annähernd so hoch ist wie ein angemessenes Erwerbseinkommen. Arbeitslosigkeit sei ein Einfallstor in die Armut. Einem Finanzminister seien diese Statistiken sicherlich bekannt, also versucht er wohl bewusst, die Unwahrheit zu verbreiten. Das ist letztklassig, meint Schatz. Anders die FPÖ: Die Mindestsicherung bietet die falschen Anreize, meint deren Sozialsprecher Herbert Kickl. So würde ein Anreiz in eine falsche Richtung geschaffen, der Erwerbstätigkeit unattraktiv mache. ÖGB-Präsident Erich Foglar warf dem Minister vor, Lohndumping fördern zu wollen. Es sei zudem längst belegt, dass die Sozialausgaben durch Hartz IV explodieren, da immer höhere Beihilfen ausbezahlt werden müssen. Das System der Notstandshilfe garantiere laut ÖGB-Präsident außerdem, dass Menschen, die länger arbeitslos sind, nicht ihr gesamtes Erspartes verlieren würden, wie es in Deutschland der Fall sei. Zu Schellings Argument, es gebe in Österreich einen akuten Fachkräftemangel, gibt Foglar zu bedenken: Der vielbeklagte Fachkräftemangel ist ein Mythos. Wir haben keinen Mangel an Arbeitskräften, sondern einen an Arbeitsplätzen. Da drängt sich schon der Verdacht auf, dass das ständige Lamento über den Mangel an Personal ein Vorwand der Wirtschaft ist, um sich der eigenen Verantwortung dafür nicht stellen zu müssen. Auch die Armutskonferenz warnt in einer Aussendung vor Kürzungen. Diese würden zu einer Abwärtsspirale in Richtung Armut führen, wie sie das Hartz IV-System in Deutschland gebracht habe: Dort würden zehn Prozent der Bevölkerung Mindestsicherung beziehen – in Österreich seien es nur ein Prozent. Zudem verweist die Armutskonferenz auf das niedrige Lohnniveau in Deutschland: Deutschland hatte in den letzten zehn Jahren den raschest wachsenden Niedriglohnsektor Europas. Die Mehrzahl der Menschen im Niedriglohnsektor in Deutschland verfügt übrigens entgegen aller Vorurteile über eine abgeschlossene Berufsausbildung. Hartz IV habe in Deutschland keine neuen Jobs geschaffen: Das Volumen bezahlter Arbeit sei in Deutschland sogar gesunken. Der Druck auf die Menschen habe sich erhöht. (APA, red, 25.7.2015) Detaillierte Vorschläge zu Mindestsicherung und Arbeitsmarkt sollen im August folgen. Wien – Was will die ÖVP bei den Themen Mindestsicherung und Arbeitslosigkeit? Seit der Aussage von Finanzminister Hans Jörg Schelling im STANDARD-Interview, das Arbeitsloseneinkommen sei zu nah am Erwerbseinkommen, wird heftig diskutiert, konkrete Vorschläge sind aber rar. In der ZiB 2 erklärte Schelling schließlich am Montag, es gehe nicht um die Höhe der Ansprüche, sondern um die Frage: Welche Beschäftigung ist zumutbar? Der STANDARD wollte von ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel wissen, an welche Verschärfungen nun konkret gedacht sei. Detaillierte Pläne gebe es aber noch nicht, die will man laut Blümel erst im August vorlegen. Mehr Teilzeit Ansetzen könnte man aber beispielsweise bei der Teilzeit. Derzeit ist ein Teilzeitjob nur zumutbar, wenn die tägliche Wegzeit hin und zurück maximal eineinhalb Stunden ausmacht (bei Vollzeitjobs sind es zwei Stunden). Teilzeit ist für Blümel eine wesentliche Möglichkeit, einen Fuß ins Erwerbsleben zu bekommen. Bei der Mindestsicherung vermutet er Missbrauch in Wien. 60 Prozent der Bezieher leben in Wien. Da muss irgendetwas los sein. Mit strukturellen Unterschieden sei die Häufung nicht zu erklären. Im Büro von Minister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sieht man das anders. Wien habe mehr Arbeitslose, mehr Asylberechtigte, wenig Industrie. Das ist sehr wohl strukturell erklärbar. Auch ein weiteres Pushen der Teilzeit hält man für nicht nötig. Schon jetzt gehe fast das gesamte Beschäftigungswachstum auf Teilzeit zurück. Die Zumutbarkeitsbestimmungen sind für Hundstorfer kein zentrales Problem. AMS-Chef hätte gerne einfacher zu administrierende Bestimmungen. Wien – Mit der von Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) angesprochenen Änderung der Zumutbarkeitsregelungen könne die hohe Arbeitslosigkeit sicher nicht bekämpfen. Das Problem sei das niedrige Wachstum, dagegen könne man mit Arbeitsmarktpolitik nichts ausrichten, sondern nur mit Konjunkturpolitik und Senkung der Lohnnebenkosten, sagte AMS-Chef Johannes Kopf Mittwoch in der ZiB 2. Auf die Frage, ob die Zumutbarkeitsbestimmungen zu großzügig seien, ließ sich Kopf nicht ein: Das sei eine hoch politische Thematik und gehöre deshalb vom Nationalrat gelöst. Zwei Änderungswunsch hatte er aber doch: Die geltenden Regelungen seien sehr komplex, er hätte sie gerne grundlegend vereinfacht, damit sie leichter administriert werden können. Außerdem bekräftigte Kopf seinen Vorschlag, die Mindestverfügbarkeit bei Personen mit Betreuungspflichten von 16 auf 20 Stunden anzuheben, gepaart mit einem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung – damit diese Personen in die wesentlich häufiger angebotenen Halbtagsjobs vermittelt werden können. Inaktivitätsfallen Generell stellte Kopf fest, dass man Menschen nicht zwingen könne, einen Job anzunehmen, wenn ihnen der Ort oder das Gehalt nicht gefallen. Überlegt werden sollten aber Lösungen für zwei Inaktivitätsfallen – also zwei Bereiche, wo das Arbeitslosengeld nah am erreichbaren Arbeitseinkommen liegt: Das sei bei der Mindestsicherung für Familien mit mehreren Kindern der Fall – wenn etwa bei drei Kindern 1.800 Euro ausbezahlt werden. Wegnehmen will Kopf diesen Menschen allerdings nichts, er wäre dafür, ihnen bei Arbeitsaufnahme einen Teil der Mindestsicherung als Bonus zu lassen. Außerdem gebe es eine relativ geringe Differenz im Fall von Arbeitslosengeld (etwa von 800 Euro) und geringfügiger Beschäftigung (von 400 Euro). Gewerkschaft empört über Leitl-Aussagen Gewerkschaft und Arbeiterkammer zeigten sich indes empört über Aussagen von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl über die Zumutbarkeitsregeln für das Arbeitslosengeld. Wenn der Wirtschaftskammerpräsident meint, dass etwas nicht stimmt, weil Wirtshäuser keine MitarbeiterInnen finden, die am Wochenende arbeiten wollen, hat er schon recht: Es stimmen nämlich die Arbeitsbedingungen nicht, so vida-Vorsitzender Gottfried Winkler. Leitl hatte zuvor seinem Parteifreund Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) den Rücken gestärkt. Er finde es gut, die Frage der Zumutbarkeit zu thematisieren: Wäre ich arbeitslos, würde ich gerne was annehmen – allein wegen dem Sinnerlebnis in meinem Leben. Wirtschaftsbund-Generalsekretär Petern Haubner forderte mehr Mut zu Reformen und eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen. In Österreich gebe es zu wenig Anreize für Beschäftigung. Sommerlochdebatten Vida-Chef Winkler hingegen meinte am Donnerstag in einer Aussendung, statt über verschärfte Zumutbarkeitsbedingungen für Arbeitslose zu diskutieren, sollte sich die Wirtschaft lieber um die Verbesserung der Bedingungen kümmern. Solange die Einkommen im Hotel- und Gastgewerbe unterdurchschnittlich niedrig – der Bruttostundenlohn liege bei rund 8 Euro – und die Belastungen überdurchschnittlich hoch seien, dürfe sich niemand über Arbeitskräftemangel im Tourismus wundern. AK-Präsident Rudolf Kaske findet die Sommerlochdebatten nicht zumutbar. Er verwies auf den Arbeitsmarktgipfel im Herbst, bei dem die Frage der Finanzierung ein wichtiges Thema sein werde, auf das der Finanzminister (Hans Jörg Schelling, ÖVP) hoffentlich gut vorbereitet ist. Die Probleme auf dem Arbeitsmarkt seien unübersehbar. Die ÖVP denkt laut über Verschärfungen für Arbeitslose nach: Ein 47-jähriger Wiener Akademiker sucht seit vier Jahren verzweifelt einen Job. Wien – So richtig kann es Christoph Grünberger* noch immer nicht fassen, dass er bereits seit 2011 auf Jobsuche ist. Um Gottes willen, ich habe vier Jahre meines Lebens verloren, sagt der 47-Jährige. Schön langsam fürchte ich, überhaupt keinen Job mehr zu finden. Den STANDARD empfängt er in seiner Wohnung im 22. Wiener Gemeindebezirk. Sie ist mit rund 70 Quadratmetern zwar nicht sehr groß, aber immerhin sein Eigen (auch wenn der Kredit noch 20 Jahre läuft). Grünberger ist stolz auf sein Heim. Es ist modisch eingerichtet, die Nachbarschaft ist international, die Uno-City nur wenige Gehminuten entfernt. Mit jedem weiteren Tag in der Arbeitslosigkeit steigt aber die Angst, alles zu verlieren. ÖVP drängt auf strengere Regeln Der Wiener ist einer von derzeit 376.522 Jobsuchenden. Seit einem STANDARD-Inter- view mit Finanzminister Hans Jörg Schelling diskutieren ÖVP-Politiker landauf, landab darüber, ob Arbeitslose in Österreich zu viele Jobangebote ablehnen, die Notstandshilfe zu lange gewährt wird, die Mindestsicherung streng genug kontrolliert wird und ob nicht nach deutschem Hartz-IV-Vorbild mehr Druck auf Arbeitslose ausgeübt werden sollte, öfters schlechtbezahlte Teilzeitjobs anzunehmen. Meist geht es in den Debatten um Niedrigqualifizierte, um die Baubranche, den Tourismus oder um Menschen kurz vor der Pension, die nicht mehr nachgefragt werden. Arbeitslosigkeit ist aber längst auch in der Mittelschicht, im mittleren Erwerbsalter, angekommen. Grünberger kann einen tadellosen Lebenslauf vorweisen. Nach der HTL-Matura arbeitete er zwei Jahre in einer Bank, übernahm danach einen Verwaltungsjob bei der Stadt Wien, inskribierte parallel an der Wirtschaftsuni (WU) und wechselte schließlich zu einer namhaften Fluglinie, wo er 14 Jahre lang in verschiedenen Abteilungen tätig war (zuletzt im Bereich Customer Relations). Dann brachen allerdings auch in der Flugindustrie die harten Zeiten an. Grünberger nahm das Angebot eines Golden Handshake an, sah die Chance, endlich das Studium abzuschließen, und wollte danach neu durchstarten. Das BWL-Diplom hat er längst in der Tasche, allein, der neue Job lässt auf sich warten. Ich habe 600 bis 650 Bewerbungen verschickt. Ich weiß nicht, was ich noch tun soll, klagt der Donaustädter heute. Die psychische Belastung wird mit jeder Absage größer. Wenn ständig vorgefertigte Larifari-Antwortmails zurückkommen, kriegt man irgendwann einen Komplex. Eigentlich bräuchte ich keinen AMS-Berater, sondern einen Psychiater. Auch die schöne Wohnung ist kein Trost mehr: Wenn du täglich hier sitzt, ist das auch wie ein Gefängnis. Was soll aus mir werden? Dazu kommen die Zukunftsängste: Was soll aus mir werden? Die Lebenshaltungskosten steigen wie verrückt. Ich wollte zwar nie reich werden, aber mir eine ordentliche Pension und einen Lebensstandard erarbeiten, der meiner Ausbildung entspricht. Jetzt sieht es zappenduster aus. Seinen Lebensstil musste Grünberger natürlich einschränken. Urlaub und auswärts essen sind weitgehend gestrichen, ebenso Weihnachtsgeschenke. Einkaufen geht er zum nahegelegenen Sozialmarkt. Wenn etwas kaputt wird, habe ich ein echtes Problem. Die monatliche Notstandshilfe, die er vom AMS bekommt, beträgt 890 Euro. Allein seine Fixkosten liegen aber bei 800 Euro. Wenn nicht die sparsam lebenden Eltern 300 bis 500 Euro im Monat zuschießen würden, könnte ich den Wohnkredit schon längst nicht mehr bedienen. Nicht unter 1000 Euro netto Aufgegeben hat er aber noch nicht. Ein bis zwei Bewerbungen pro Woche verschickt er noch immer – für Jobs in den Bereichen Controlling, Verkauf, Personalmanagement, Recruiting. An überhöhten Gehaltsvorstellungen könne es nicht liegen, ist der Akademiker überzeugt. Ich habe mich schon für alles Mögliche beworben, so es nicht unter 1000 Euro netto war. Nur von Teilzeitstellen, die von der ÖVP gerne propagiert werden, hält er nichts. Diese Leute wissen wirklich nicht, wovon sie sprechen. Was mache ich mit einem Job, der mir 500 oder 600 Euro bringt? Davon kann ich ja nicht leben. Habe ich dafür studiert und zwei Ausbildungen gemacht? Auch mit dem AMS machte der Wiener nicht die allerbesten Erfahrungen. Trotz Uni-Abschluss wurde er in Kurse wie So bewerbe ich mich richtig und Fit für den Job geschickt, wo man lernt, wie man richtig in den PC einsteigt. Sein persönliches Negativhighlight: ein Seminar Alter als Vorteil am Arbeitsmarkt, bei dem der Vortragende gleich zu Beginn klarstellte, dass Alter in der momentanen Situation überhaupt kein Vorteil am Arbeitsmarkt ist. Paradoxerweise will er trotz allem nicht, dass ihn das AMS in Ruhe lässt. Sonst fühlt man sich komplett alleingelassen. Arbeit bekam Grünberger seit 2011 nur einmal für kurze Zeit. Vier Monate lang war er im Vorjahr als Controller beschäftigt. Sein Arbeitgeber bekam dafür vom AMS drei Monate lang eine Eingliederungsbeihilfe. Als die Förderung ausgelaufen war, begannen die Probleme. Seither werde der Job alle drei bis vier Monate ausgeschrieben. Grünbergers Bilanz nach vier Jahren Suche: Die Arbeitgeber haben durch die vielen Arbeitslosen einen wahnsinnigen Machtgewinn. Eine Personalchefin erklärte ihm beim Vorstellungsgespräch: Ich werde Sie eher nicht nehmen. Ich kann ja aus dem Vollen schöpfen. (Günther Oswald, 8.8.2015) *Name von der Redaktion geändert Verordnung in Begutachtung – Mitterlehner: Mehr Rechtssicherung und Transparenz. Wien – Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hat eine Verordnung über die Standes- und Ausübungsregeln für Vermittlungsagenturen in der 24-Stunden-Pflege in Begutachtung geschickt. Mitterlehner erwartet sich davon mehr Rechtssicherheit und Transparenz. Im Frühjahr ist mit einer Novelle der Gewerbeordnung eine Trennung der Tätigkeiten von Vermittlern und Betreuern in der 24-Stunden-Pflege und damit das freie Gewerbe der Vermittlungsagenturen (Organisation von Personenbetreuung) geschaffen worden. Nun sollen mit der Verordnung für dieses neue Gewerbe für die Betroffenen (Gewerbetreibende und Konsumenten) transparente Verhaltensregeln aufgestellt werden. Erarbeitet wurden diese Ausübungs- und Standesregeln vom Wirtschaftsministerium gemeinsam mit dem Sozialministerium, der Wirtschaftskammer und Vertretern der Vermittlungsbranche (Caritas, Hilfswerk etc.). Konkret umfassen die Verhaltensregeln die Erweiterung der Informationspflichten in Werbung und Geschäftsverkehr. So müssen etwa Telefonnummer oder Internetadresse angeführt werden. Geregelt wird auch das Verhältnis zwischen Vermittlungsagentur und Personenbetreuer. Festgehalten sind etwa die Aufklärungspflichten des Vermittlers und die Mindestinhalte des Organisationsvertrages. Und auch das Verhältnis zwischen Vermittlungsagentur und betreuungsbedürftiger Person wird in den Verhaltensregeln geregelt. Dabei geht es etwa um die Erhebung des Betreuungsbedarfes und um die Aufklärung über die Tätigkeiten und Pflichten der Personenbetreuer. Für den Vermittlungsvertrag werden Mindestinhalte festgeschrieben. Er muss u.a. eine transparente Darstellung der Leistungsinhalte und den Preis, aufgegliedert nach den einzelnen Leistungsinhalten, umfassen. Neben Namen und Anschrift der Vertragspartner muss der Vertrag auch die Dauer und Bestimmungen über die Beendigung des Vertragsverhältnisses sowie die Angabe eines Ansprechpartners des Vermittlers beinhalten. Der Vertrag wird durch den Tod der betreuungsbedürftigen Person jedenfalls aufgehoben. Im Voraus bezahltes Entgeld ist aliquot zu erstatten. Derzeit gibt es ca. 50.000 aktive Gewerbeberechtigungen der Personenbetreuung. Nachdem die Trennung erst mit der Novelle im Frühjahr erfolgte, gibt es noch keine genauen Zahlen zu den Vermittlungsagenturen. Mitterlehner erklärte dazu in einer Aussendung, dass mit der Verordnung klare Rahmenbedingungen und mehr Transparenz für die Tätigkeit von Vermittlungsagenturen in der 24-Stunden-Betreuung geschaffen werden. In der Praxis werden davon sowohl die Personenbetreuer als auch die betreuungsbedürftigen Menschen profitieren. Sozialministerium hat effiziente Neuausrichtung der Prüfbehörde verabsäumt. Wien – Der Rechnungshof kritisiert das Sozialministerium für die Einrichtung einer Prüfbehörde zur Kontrolle der Auszahlung von EU-Sozialgeldern. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht werfen die Prüfer dem Sozialministerium vor, eine effiziente Neuausrichtung der Prüfbehörde verabsäumt zu haben. Das Sozialressort habe im Jahr 2011 mit hohem Aufwand die Prüfbehörde des Programms Beschäftigung Österreich 2007-2013 reorganisiert. Das Volumen betrug von 2007 bis 2013 rund eine Milliarde Euro, davon 470 Millionen aus dem Europäischen Sozialfonds ESF). Grund dafür war, dass die Europäische Kommission im Herbst 2010 schwere Mängel in der Verwaltung und Kontrolle des Programms festgestellt hatte – etwa Prüfungsrückstände sowie eine ungenügende Überwachung von delegierten Prüfaufgaben – und in der Folge die ESF-Zahlungen für ein Jahr stoppte. Um einen Programmstillstand und ESF-Mittelverfall zu vermeiden, leisteten programmumsetzende Stellen des Bundes und der Länder Zwischenfinanzierungen von rund 70 Millionen Eurp aus nationalen Budgets. Die Auszahlungen für Zwecke der Prüfbehörde beliefen sich im Zeitraum 2009 bis 2014 auf insgesamt rund 5,8 Millionen Euro, davon etwa drei Millionen für Entgelte externer Dienstleister. Die Organisation der Prüfbehörde beruhte ab 2013 de facto zur Gänze auf extern zugekauften operativen Prüfungsleistungen, deren Qualität – wegen der Letztverantwortung und Haftung des Sozialministeriums für die ESF-Mittel – durch verwaltungseigenes Personal überwacht wurde. Der Wettbewerb der Anbieter habe keine Kostenvorteile für das Ministerium bewirkt, weil die Tagsätze externer Dienstleister um bis zu 200 Prozent über jenen vergleichbar qualifizierter Verwaltungsbediensteter gelegen seien, stellt der RH fest. Darüber hinaus hätten für das Ressort neben hoher Abhängigkeit von externem Know-how- und Kapazitätsaufbau auch Kostenrisiken sowie die Gefahr eines Verlusts an Steuerungskompetenz bestanden. Das Sozialministerium verabsäumte es, die Struktur der ESF-Umsetzung in Österreich – mit 21 zwischengeschalteten Stellen und 19 nachgeordneten bzw. regionalen Einrichtungen sowie externen Dienstleistern – im Hinblick auf Kosten und Fehlerrisiken strategisch neu auszurichten, kritisiert der RH. Für die Programmperiode 2014-2020 habe das Ressort punktuell zweckmäßige Verbesserungen, zum Beispiel die Anwendung von Pauschalen sowie eine Standardisierung der Verfahren und des Formularwesens geplant. Die beabsichtigte Einführung von Pauschalen scheiterte vorerst an der nicht zeitgerechten Vorbereitung und fehlenden BMAKS-internen Abstimmung. Weitere Maßnahmen zur Vereinfachung der ESF-Umsetzung gerieten u.a. mangels geeigneter Projektorganisation in Verzug, stellten die Prüfer fest. Das Sozialministerium hat zur RH-Kritik an der Einrichtung einer Prüfbehörde zur Kontrolle der Auszahlung von EU-Sozialgeldern festgehalten, dass die Kritikpunkte die Vergangenheit betreffen und mehrheitlich bereits ausgeräumt seien. Die Anregungen des Rechnungshofes seien in die Reformanstrengungen eingeflossen. Die Umsetzung der neuen Periode unterliege bereits überarbeiteten Kriterien, betonte das Sozialministerium in einer Aussendung. Die ursprünglich komplexe Umsetzung sei durch eine Reduktion der Anzahl an Partnern und dem Verschlanken der Prozesse erreicht worden. Die Reorganisation der Prüfbehörde sei erfolgreich gewesen, es seien keine Gelder verloren gegangen. Auch die Stellungnahme der Europäischen Kommission zum letzten Kontrollbericht habe das bestätigt, betonte das Sozialministerium. Die ESF-Mittel der letzten Periode in der Höhe von rund 525 Millionen Euro seien zur Gänze ausgeschöpft und für wichtige Maßnahmen im Bereich Beschäftigung und Bildung eingesetzt worden. In der neuen Periode werden die Schwerpunkte in den Bereichen Bildung, Armutsbekämpfung, Ältere und Gleichstellung gesetzt, heißt es aus dem Sozialministerium. AMS-Chef Kopf begrüßt Debatte über Zuverdienst, hält Deckelung wie in Niederösterreich aber für unsinnig. Wien- AMS-Chef Johannes Kopf zählte zu den ersten Kritikern der rigiden Zuverdienstgrenzen bei der Mindestsicherung. Laut einer Bund-Länder-Vereinbarung aus dem Jahr 2010 ist nur ein Freibetrag zwischen 58 und 140 Euro pro Monat vorgesehen. Jeder darüber hinaus verdiente Euro senkt also die Mindestsicherung. Wie berichtet denkt Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) nun an eine Änderung. Vorbild ist für ihn Niederösterreich, wo ein neues Landesgesetz dafür sorgt, dass der Freibetrag rund doppelt so hoch ist. Allerdings dürfen Mindestsicherung und Zuverdienst in Summe bei Alleinstehenden nicht über 1.159 Euro pro Monat liegen. Zur Orientierung: Die Mindestsicherung allein liegt derzeit bei 827,82 Euro. Inaktivitätsfalle Kopf begrüßt grundsätzlich die Zuverdienstdebatte: Ich freue mich, dass Niederösterreich der Vorreiter ist, diese Inaktivitätsfalle, wonach – insbesondere bei Bedarfsgemeinschaften – Personen kaum Leistungsanreiz zur Arbeit haben, nun geschlossen wird. Das sei ein echter Fortschritt, sagt Kopf auf STANDARD-Anfrage. Allerdings: Wenn ich das niederösterreichische System richtig verstanden habe, gibt es dabei noch eine Art Deckel und damit einen Einkommensbereich, in dem sich Mehrleistung, zum Beispiel durch Überstunden, noch immer nicht lohnt. Das erscheint mir unsinnig. Kopf wäre dafür, die Deckelung von 1.159 Euro nach einer Evaluierung in ein, zwei Jahren abzuschaffen. Zusätzliche Stunden bringen nichts Beispiele des STANDARD haben gezeigt, dass die Deckelung bei einem Zuverdienst von rund 860 Euro erreicht ist (wenn man 14 Gehälter auf einen Monatsschnitt herunterbricht). Es macht also finanziell keinen Unterschied, ob man 860 oder 1.000 Euro dazuverdient – inklusive Mindestsicherung bleiben immer die erwähnten 1.159 Euro. Die Armutskonferenz plädiert dafür, bei den nun laufenden Verhandlungen die neun Landesgesetze zur Mindestsicherung zu vereinheitlichen. Gefordert wird auch ein Rechtsanspruch für Ausgaben, die nicht als Kosten des täglichen Lebens gewertet werden können – etwa für die Geburt eines Kindes oder für Reparaturen. Für nicht gerechtfertigt hält man die Kritik an Wien. Die Tatsache, dass 56 Prozent aller Bezieher in der Bundeshauptstadt wohnen, sorgt immer wieder für Diskussionen. Die Konzentration auf die Städte sei aber in anderen Bundesländern ebenfalls gegeben, so die Armutskonferenz. Sie hat auf Basis von Länderdaten ermittelt: In den Landeshauptstädten liegt der Anteil der Mindestsicherungsbezieher um das 2,1-Fache (Linz) bis 2,5-Fache (St. Pölten) über dem jeweiligen Landesschnitt. Faktor Stadt Je größer die Stadt, desto höher ist folglich der Anteil an Beziehern. In der Stadt Salzburg leben beispielsweise 60,1 Prozent aller Salzburger Mindestsicherungsbezieher, in Graz leben 52,1 Prozent der steirischen, in Linz 29,5 Prozent der oberösterreichischen und in St. Pölten 7,9 Prozent der niederösterreichischen Bezieher. Erklärt wird das von Sozialexperte Martin Schenk mit der geringeren Scham in Städten, Anträge zu stellen, mit dem besseren Informations- und Beratungsangebot, aber auch mit Pfandrechten der Sozialämter. Was damit gemeint ist: Wer ein Eigenheim besitzt, muss den Behörden bei längerem Mindestsicherungsbezug ein Pfandrecht einräumen. Das halte viele Menschen auf dem Land (in den Städten wird häufiger auf Miete gewohnt) davon ab, Anträge zu stellen. Neuregelung seit 1. Jänner 2015 zeigt Wirkung, Kritik von Hilfsorganisationen. Wien – Der seit Jahresbeginn verschärfte Zugang zu den ersten beiden Stufen des Pflegegeldes wird die Zahl der Neuzugänge ins Pflegegeldsystem heuer um rund 5.000 Personen verringern. Nach einer Schätzung des Sozialministeriums werden heuer rund 65.000 Menschen einen neuen Anspruch auf Pflegegeld haben, ohne Reform wären es etwa 70.000 gewesen. Kritik kommt von Hilfsorganisationen. Mit 1. Jänner wurde der Zugang zu den Stufen 1 und 2 erschwert. Statt wie früher 60, muss man jetzt für die erste Stufe 65 Stunden Pflegebedarf nachweisen und für die zweite Stufe 95 statt 85 Stunden. Dafür wird mit 1. Jänner 2016 das Pflegegeld in allen Stufen um zwei Prozent angehoben. Von den insgesamt rund 450.000 Pflegegeldbeziehern fallen mehr als die Hälfte in die ersten beiden Stufen. Im Sozialministerium verweist man darauf, dass trotz der um 5.000 Personen verringerten Steigerung bei den Neuzugängen die Kosten weiter anwachsen – und zwar von 2,4 auf 2,5 Milliarden Euro pro Jahr. Allerdings werde das Ziel erreicht, die Kostensteigerungen zu dämpfen. Außerdem bekommen mehr als fünf Prozent der Bevölkerung Pflegegeld, das sei internationale Spitze, betont man im Sozialministerium. Hilfsorganisationen äußerten am Donnerstag jedoch Kritik. So hält etwa Diakonie-Direktor Michael Chalupka die Reform für keine gute Idee. Er meinte im Ö1-Morgenjournal, dass sich viele ein Taxi zum Arzt oder eine ordentliche Fußpflege jetzt nicht mehr leisten könnten. Nachhaltige Absicherung gefordert Der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, äußerte ebenfalls auf Ö1 die Befürchtung, dass viele Menschen keine geförderten mobilen Dienste mehr in Anspruch nehmen könnten, weil diese an den Bezug des Pflegegeldes gebunden seien. Kerschbaum gestand zu, dass angesichts von geburtenschwachen Jahrgängen jetzt der Rückgang beim Neuzugang zum Pflegegeld nicht nur auf die Reformen zurückzuführen sei. Er verwies aber darauf, dass der Pflegebedarf ab 2018 wieder steigen werde. Bis 2025 werde man rund 20.000 Personen zusätzlich brauchen, die in der Pflege tätig sind. Der Präsident des SPÖ-Pensionistenverbandes, Karl Blecha, bekräftigte deshalb seine Forderung, das Pflegesystem nachhaltig abzusichern. Er verlangte in einer Aussendung, den Pflegefonds über das Jahr 2018 hinaus als Dauerrecht zu verlängern. Vorsitzender Pischinger: "Geht völlig an unserem Auftrag als Gewerkschaft vorbei". Wien – Die Forderung der GPA-djp nach einer 14-maligen Auszahlung der Mindestsicherung stößt auch in Gewerkschaftsreihen auf Unverständnis. Für die Fraktion christlicher Gewerkschafter geht diese Forderung in die falsche Richtung. Die Mindestsicherung sei klar als Überbrückungshilfe gedacht und nicht als dauerhafte Unterstützung. Ziel für uns als Interessenvertretung der ArbeitnehmerInnen muss es sein, so viele Menschen wie möglich in Beschäftigung zu haben beziehungsweise zu bringen, und sie nicht von Sozialleistungen abhängig zu machen, findet Wolfgang Pischinger, Vorsitzender der Christgewerkschafter in der GPA-djp. Seiner Ansicht nach geht dieser Vorschlag völlig an unserem Auftrag als Gewerkschaft vorbei. Die Botschaft müsse vielmehr sein: Arbeit muss sich wieder lohnen, findet Pischinger. Kollektivverhandlungen für 100.000 Beschäftigte abgeschlossen. Wien – Die Löhne und Gehälter im privaten Sozial- und Gesundheitsbereich steigen mit 1. Februar 2016 um 1,35 Prozent. Die entsprechenden Kollektivvertragsverhandlungen für die Sozialwirtschaft Österreich (vormals BAGS) sind in den frühen Morgenstunden erfolgreich abgeschlossen worden, gaben die Gewerkschaft sowie die Wirtschaftsvertreter am Freitag in Aussendungen bekannt. Betroffen sind mehr als 100.000 Beschäftigte. Die Erhöhung gilt für alle Kollektivvertrags-Löhne und -Gehälter, sowie Ist-Löhne und Ist-Gehälter, für alle Zulagen, die Lehrlingsentschädigungen, das Entgelt für Transitmitarbeiter, sowie die alten Lohn- und Gehaltstabellen. Außerdem seien auch viele Verbesserungen im Rahmenrecht gelungen. So gibt es laut Gewerkschaft etwa für Tagesmütter und -väter künftig Einkommenssprünge alle drei statt alle fünf Jahre, die Rufbereitschaftszulage wird um 5,6 Prozent erhöht. Die sogenannte SEG-Zulage (Schmutz, Erschwernis, Gefahr) ist künftig für alle Beschäftigten gleich hoch. Auch wird es künftig nicht nur in Kindergärten sondern auch in anderen Kinderbetreuungseinrichtungen eine Leitungszulage geben. , 15.1.2016) SPÖ, Grüne und NGOs sehen einen Angriff auf die Ärmsten, das Vorhaben sei zudem verfassungswidrig. Linz – Der Plan der schwarz-blauen Landesregierung in Oberösterreich, die Mindestsicherung für befristet Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte zu kürzen, lässt die anderen Parteien und NGOs aufschreien. Asylberechtigte würden in Armut und Obdachlosigkeit gestürzt. Dies käme einem Generalangriff auf die Ärmsten gleich, so der Tenor. ÖVP und FPÖ bringen am Donnerstag im Landtag einen Antrag auf eine Gesetzesänderung ein, wonach jene Flüchtlinge nur mehr soviel finanzielle Unterstützung wie Asylwerber in der Grundversorgung bekommen sollen, sprich 320 statt bisher 914 Euro für Einzelpersonen monatlich. Zudem verlangen sie vom Bund, die Mindestsicherung für Mehrpersonenhaushalte bei 1.500 Euro pro Monat zu deckeln. Als befristet asylberechtigt gelten alle, die seit Mitte November Asyl erhalten haben bzw. künftig erhalten. Subsidiär Schutzberechtigte sind Personen mit negativem Asylbescheid, deren Leben oder Gesundheit im Herkunftsland aber bedroht sind. Die Koalitionsparteien agieren wirtschaftspolitisch widersinnig und desintegrativ, kritisierte SPÖ-Landesgeschäftsführer Peter Binder am Mittwoch. Auch aus der Bundespartei kam Protest. Sozialsprecher Josef Muchitsch hielt in einer Presseausendung Schwarz-Blau in Oberösterreich vor, Kleingeld auf Kosten der Ärmsten und unserer rechtlichen Grundsätze zu wechseln. Außerdem sei ein entsprechendes Gesetz verfassungswidrig und werde mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit aufgehoben. Ähnlich argumentierten die Grünen. Hilfsbedürftige Menschen dürfen in Österreich nicht unterschiedlich behandelt werden. Dies widerspricht dem Gleichbehandlungsgrundsatz unserer Verfassung, sagte die Sozialsprecherin der Bundes-Grünen Judith Schwentner. Als beschämend bezeichnete ihr Kollege im oö. Landtag Stefan Kaineder das Vorhaben. Vor allem warnte er vor massiven Belastungen für Mehrkind-Familien. SOS Mitmensch zeigte sich fassungslos und rief in einer Aussendung Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) auf, von dem katastrophalem Vorhaben Abstand zu nehmen. OÖ. Caritasdirektor Franz Kehrer ist das Argument, sparen zu müssen, nicht nachvollziehbar. Die Mindestsicherung mache nur ein Prozent der Sozialausgaben Österreichs aus .Da darf man sich wohl fragen, ob sie tatsächlich unser dringendstes Problem bei den Sozialausgaben ist, so Kehrer. Der Vorstoß bei der Mindestsicherung sei keine Attacke auf die Menschlichkeit, sondern eine notwendige Reform, um diese soziale Unterstützung für die Zukunft abzusichern, hielt ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer den Kritikern entgegen. Die Kosten der Mindestsicherung drohen laut ÖVP aus dem Ruder zu laufen, nicht nur für das Land, sondern auch für Oberösterreichs Gemeinden. In einer Pressaussendung präsentierte er die aktuellen Zahlen für Oberösterreich. So befanden sich im Juli vorigen Jahres 2.648 anerkannte Flüchtlinge in der Mindestsicherung. Derzeit seien rund 12.600 Asylwerber in der Grundversorgung. 70 bis 80 Prozent von ihnen werden voraussichtlich anerkannt. Das würde aus heutiger Sicht rund 9.500 zusätzliche Bezieher der Mindestsicherung bedeuten. Der schwarz-blaue Antrag wird am Donnerstag voraussichtlich noch nicht im Landtag beschlossen, sondern dem Sozialausschuss zugewiesen. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka will Sozialleistungen für Flüchtlinge kürzen. Dadurch würde ein Flüchtlingsproletariat entstehen, befürchtet Martin Schenk. Wien – Die ÖVP drängt bei der Mindestsicherung auf Verschärfungen. Zwar wurde der Vorschlag nach einer Deckelung bei 1500 Euro schon vor Monaten das erste Mal ventiliert, durch die hohe Zahl an Flüchtlingen habe sich die Lage aber dramatisch verschärft, wie ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka im Streitgespräch mit Martin Schenk meint. Der Diakonie-Experte wirft der ÖVP Populismus vor. STANDARD: Sie verdienen als Klubobmann knapp 14.800 Euro im Monat. Könnten Sie mit Familie auch von 1500 Euro leben? Das stellen Sie sich als Obergrenze bei der Mindestsicherung vor. Lopatka: Erstens hätte ich dazu die Kinderbeihilfe, die Sie verschweigen. Zweitens ist Ihr Vergleich unfair. Mein Gehalt ist ein Bruttobetrag, von dem Klub- und Parteibeiträge abgezogen werden – und weniger als 50 Prozent bleiben, während die Mindestsicherung ein Nettobetrag ist und eine Reihe von Gebührenbefreiungen impliziert. STANDARD: Stimmt schon, aber die Frage war, ob Sie mit Familie von 1500 Euro leben könnten. Lopatka: Wenn es sein muss, wird man damit auskommen. Mein Punkt ist: Gibt es Anreize, dass man aus der Mindestsicherung rausmöchte? Oder sagt man: Es geht auch in dem System. Der Rechnungshof hat eine Reihe von Fällen aufgezeigt, wo bei der Mindestsicherung mehr als 4000 Euro herausgekommen sind. Das versteht niemand, der einen Kollektivvertrag von unter 1500 Euro hat – und das sind große Gruppen. Schenk: In diesem Bericht ist nicht alles richtig. Und er ist nicht repräsentativ. Das fiktive Familienbeispiel würde in Salzburg, Tirol und Vorarlberg vier Fälle betreffen, die 4000 Euro bekommen – und nicht alles aus der Mindestsicherung. Da geht es um Behinderung eines Elternteils und Kindeswohl. Lopatka: Wir haben allein in Oberösterreich hunderte Fälle, die mehr als 2000 Euro Mindestsicherung bekommen. Da muss ein Arbeitnehmer 3200 brutto verdienen, um netto gleich viel zu haben. STANDARD: Was spricht aus Ihrer Sicht gegen eine Deckelung? Schenk: Dass die wenigsten Eltern die volle Mindestsicherung beziehen. Ich erzähle Ihnen ein Beispiel aus der Sozialberatung. Nennen wir sie Judith. Diese Frau hat drei Kinder, arbeitet Teilzeit als Restaurateurin und bekommt, weil sie sonst nicht über die Runden kommt, einen Aufstockerbeitrag aus der Mindestsicherung. Eines ihrer Kinder ist krank und braucht Diätnahrungsmittel. Wenn man Judith die Unterstützung auf 1500 Euro runterkürzt, kann sie sich die Nahrungsmittel für das Kind nicht mehr leisten. Und das ist kein Einzelfall. Fast 70 Prozent der Mindestsicherungsbezieher sind solche Aufstocker, die ein Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit haben, Unterhalt, Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe beziehen. Sie verbreiten also ein altes Bild der Sozialhilfe aus den 80ern, dass das alles Alkoholiker, Spielsüchtige und Haftentlassene sind. Lopatka: Das ist einfach falsch. Ich habe in meinem Heimatort, in Penzendorf, einen tschetschenischen Flüchtling, der fünf Kinder hat, seit zehn Jahren bei uns ist, noch nie gearbeitet hat, immer Sozialleistungen bezogen hat, und – wie es aussieht – immer in der Mindestsicherung bleiben wird. Schenk: Ich spreche von der Empirie, nicht von Anekdoten. Lopatka: Das ist doch keine Anekdote. Das ist das reale Leben. Schenk: Real haben wir heute eine ganz andere Situation als in den 80ern. Damals gab es in der Sozialhilfe viele Dauerempfänger: Leute mit starken Einschränkungen, die kaum aus der Sozialhilfe herausgekommen sind. Seither hat sich das stark verändert. Heute gibt es in der Mindestsicherung viele Mütter mit Kindern, viele Alleinerziehende, Pflegebedürftige, viele Behinderte, Leute, die prekär beschäftigt sind. Lopatka: Und immer mehr Flüchtlinge. Die haben einfach das Pech, dass sie den Einstieg in den Arbeitsmarkt nicht schaffen. Oder wollen Sie das bestreiten? Schenk: Es werden mehr. Wir rechnen heuer mit 30.000 bis 40.000 Flüchtlingen in der Mindestsicherung – je nachdem, wie schnell die Verfahren abgewickelt werden. Die Deckelung würde aber alle treffen. Außerdem wissen wir: Entgegen der Lohnabstandstheorie kommen Leute mit Kindern wesentlich schneller aus der Mindestsicherung heraus als Alleinstehende. Insgesamt beträgt die durchschnittliche Bezugsdauer sechs bis neun Monate. Das Bild, dass es sich die Leute in der Mindestsicherung bequem machen, stimmt so einfach nicht. 20 Prozent beziehen sie sogar kürzer als drei Monate. Statt über Deckelungen sollten wir darüber reden, wann Menschen wieder aus der Mindestsicherung herauskommen. Da geht es um Kinderbetreuung, um gesundheitliche Hilfe und um Jobs, von denen sie leben können. STANDARD: Aber was macht man mit jenen, die nicht Teilzeit arbeiten und mit vier Kindern jahrelang 2000 Euro Mindestsicherung kriegen? Fehlen hier nicht tatsächlich Anreize, einen Job anzunehmen? Schenk: Hauptproblem bleibt: Auf einen Job kommen 15 Bewerber. Aber es gibt auch für die Mindestsicherung gescheite Vorschläge: Man könnte die Zuverdienstgrenzen erhöhen – auf 25 oder 33 Prozent der Mindestsicherung. Diese Idee gab es schon 2010, das Finanzministerium hat das damals abgelehnt. Man könnte auch die Eingliederungsbeihilfe ausweiten – also Betrieben eine Unterstützung gewähren, damit sie Leute anstellen. Auch wenn wir auf Mitnahmeeffekte achten müssen, das würde wirken. STANDARD: Zu wenig? Lopatka: Ich finde schon. Wir müssen eines sehen: Jenen, die durch ihre Steuerleistung unser dichtes Sozialnetz finanzieren, reicht es irgendwann. 2009, bei der Einführung, hatten wir 170.000 Mindestsicherungsbezieher, jetzt haben wir allein in Wien mehr. Und heuer werden noch einmal 40.000 Flüchtlinge dazukommen. Die Lage hat sich also dramatisch verschärft. 30 Prozent der Afghanen, die zu uns kommen, haben nicht einmal ei- nen Grundschulabschluss. Die werden in unserer hochtechnologisierten Welt in den nächsten Jahren nicht den Einstieg in den Arbeitsmarkt schaffen. Im Gegensatz zu Deutschland haben wir auch keine Budgetüberschüsse, daher stellt sich die Frage der Finanzierbarkeit unseres Sozialsystems. Da ist es mir lieber, rechtzeitig einzuschleifen als dann brutale Kahlschläge machen zu müssen. STANDARD: Aber eine Deckelung trifft natürlich auch heimische Familien. Normalerweise behauptet die ÖVP immer, die Familien seien ein Kernthema für sie. Lopatka: Absolut, dafür gibt es aber die Familienleistungen. Außerdem gibt es längst in anderen Bereichen eine Deckelung: Beim Arbeitslosengeld oder auch bei Pensionisten. STANDARD: Würden Sie sagen, dass generell der Arbeitswille fehlt? Lopatka: Nein, mir wird aber aus dem AMS berichtet, dass es vor allem in Wien leicht ist, in der Mindestsicherung zu bleiben und Jobs nicht anzunehmen. Schenk: Das Verhältnis zwischen Stadt und Umland ist bei anderen Städten ähnlich: zwischen drei zu eins und sieben zu eins. Für höhere Bezieherzahlen in Großstädten gibt es Gründe: keine Anonymisierung, weniger verwertbare Eigentumswohnungen. Und die Sozialämter im Umland schicken die Leute oft in die Städte. Insgesamt macht die Mindestsicherung 0,7 Prozent des Sozialbudgets aus. Das wird den Sozialstaat nicht zusammenbrechen lassen, auch wenn die Zahl der Bezieher noch steigt. Verteilungspolitisch reden wir von den untersten drei Prozent der Bevölkerung. STANDARD: Oberösterreich will die Mindestsicherung für Flüchtlinge sogar halbieren. Wie soll man von weniger als 400 Euro leben? Lopatka: Alle Flüchtlinge, die in der Grundversorgung sind, müssen schon jetzt mit einer ähnlichen Summe auskommen. Wir müssen Regeln aufstellen, damit eine möglichst große Gruppe in der Grundversorgung bleibt und nicht in die Mindestsicherung kommt. Subsidiär Schutzberechtigte sollen generell aus dem Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung herausgenommen werden. STANDARD: Befürchten Sie nicht, dass die Kriminalität steigt, wenn Leute auf Dauer von weniger als 400 Euro leben müssen? Lopatka: Um es klar zu sagen: Das Paradies gibt es nicht auf dieser Welt. Die Menschen haben ja die Wohnversorgung. Zehntausende Flüchtlinge schaffen es auch jetzt, da durchzukommen, ohne kriminell zu werden. Schenk: Ich sehe zwei Schwierigkeiten: Wir werden ein Quartierproblem bekommen, wenn die Leute nicht aus der Grundversorgung kommen. Und wir schaffen eine Art Flüchtlingsproletariat, das keine Perspektive hat und dahinverelendet – mit allen gesellschaftlichen Kosten. Und in 20 Jahren sagen wir dann: Wir haben geglaubt, die gehen eh wieder heim und haben sie deshalb nicht integriert. Daher: Seien wir pragmatisch, investieren wir in diese Leute und unterstützen sie, in den Arbeitsmarkt zu kommen. STANDARD: Die ÖVP möchte auch verstärkt auf Sach- statt Geldleistungen setzen. Nicht ein Widerspruch zur Wahlfreiheit, die sonst gerne propagiert wird? Lopatka: Es ist kein Widerspruch. Zum einen gibt es durch die Flüchtlinge immer mehr Bezieher mit vielen Kindern. Da möchte ich, dass die Unterstützung wirklich bei den Kindern für Schulartikel, Lebensmittel etc. ankommt. STANDARD: Wie stellen Sie sich das konkret vor? Ich kriege dann 28 Euro für Schulartikel? Lopatka: Man vergibt Gutscheine und kann somit das Geld nicht für andere Dinge ausgeben. Bei Lebensmittelgutscheinen würde explizit geregelt, dass ich keine Alkoholika kaufen kann. Schenk: Das geht jetzt schon, und bei Alkoholkranken wird das auch gemacht, weil es hier um Kinderschutz geht. Sachleistungen bei Wohnen, Bildung, Arbeitsmarkt sind gut, werden wir zusätzlich brauchen. Aber: Sie gehen wieder von einem Bild aus, als müssten alle 250.000 Bezieher der Mindestsicherung paternalistisch betreut werden und könnten nicht mit ihrem Geld umgehen. Das Gegenteil ist der Fall: Der Großteil sind Leute wie du und ich, die gezwungen sind, mit jedem knappen Cent genau zu planen. Die brauchen sich nicht von Ihnen entmündigen lassen. Das pauschal zu machen, halte ich für nicht sachgerecht, sondern für populistisch. Lopatka: Ich halte es für die beste Form, dass das Geld wirklich zu 100 Prozent dafür verwendet wird, wofür es vorgesehen ist. Es stimmt, dass man das alles jetzt schon kann. Wir wollen statt einer Kann- eine Mussbestimmung. Vom Ablösekandidat zum Aufsteiger: Alois Stöger will als Sozialminister Furore machen, unter dem die Arbeitslosigkeit sinkt. Die Mindestsicherung will er zentralisieren, aber vor der Kürzung retten – weil sonst Slums drohten. STANDARD: Vor drei Jahren hätte kaum ein politischer Beobachter einen Pfifferling auf Sie gesetzt. Haben Sie damals selbst daran geglaubt, noch in eines der wichtigsten Regierungsämter aufzusteigen? Stöger: Ich habe nie nach anderen Ämtern geschielt, sondern zu hundert Prozent jene Aufgaben ausgefüllt, für die mich Bundeskanzler Werner Faymann eingesetzt hat. Aber ich war schon davon überzeugt, dass meine Art der Politik langfristig zu Ergebnissen führt: eine klare Linie auf den Tisch legen, alle Betroffenen einbinden, nicht immer auf die nächste Schlagzeile drängen, sondern langen Atem beweisen. STANDARD: Den werden Sie auch im neuen Job brauchen. Haben Sie ein Rezept, um nicht Monat für Monat neue Negativrekorde an Arbeitslosen verkünden zu müssen? Stöger: Wenn es so einfach wäre wie in einer Küche, dann wäre die Arbeitslosigkeit längst beseitigt. Das Wichtigste ist: Wir müssen in Europa weg von der Sparpolitik kommen, um stärker zu investieren. Seit Jean-Claude Juncker die EU-Kommission anführt, gibt es ein paar positive Beispiele, aber mir passiert da noch zu wenig. In Österreich werden Lohnsteuersenkung und Wohnbauoffensive das Wachstum ankurbeln, aber auch wir müssen noch mehr tun – etwa indem wir den Gemeinden durch Umverteilung im Budget mehr Luft geben, um Geld in den Schulbau und andere Investitionen zu stecken. Das würde rasch Wirkung zeigen. STANDARD: Das alles klingt so, als könnten Sie selbst in Ihrem Ressort nicht viel tun. Stöger: Tatsächlich sollte der Sozialminister nicht der Erste sein, dem die Frage nach der hohen Arbeitslosigkeit gestellt wird. Ich kann zwar die Instrumente der Arbeitsmarktpolitik ständig von neuem schärfen und stärken, wie etwa die Ausbildungsgarantie für Jugendliche. Aber besetzen lassen sich letztlich nur Stellen, die durch Investitionen und Wachstum geschaffen werden. Die Arbeitsplätze fallen leider nicht vom Himmel. STANDARD: Reformen wie in Deutschland, wo Arbeitssuchende stärker gedrängt werden, Jobs auch unter ihrer Qualifikation anzunehmen, schweben Ihnen nicht vor? Stöger: Was soll das bringen? Es fehlen ja die Jobs, in die wir jemanden drängen könnten. Den Menschen die Existenzsicherung zu nehmen, schafft keine Arbeit – im Gegenteil: Ich muss den Leuten vernünftige Kaufkraft zugestehen, damit wirtschaftliche Dynamik entsteht. Das Hartz-IV-System in Deutschland ist alles andere als ein Vorbild. STANDARD: Rezept von linker Seite: Sind Sie für Arbeitszeitverkürzung? Stöger: Grundsätzlich ja. Es wäre wichtig, die Arbeit vernünftiger zu verteilen. Wir leisten uns den Luxus, dass manche überhaupt nicht arbeiten, während sich andere vor Arbeit gar nicht erwehren können. STANDARD: Setzen Sie sich ein Limit, wie stark die Arbeitslosigkeit unter ihrer Amtszeit steigen darf – quasi eine Obergrenze? Stöger: Mein Ziel ist: Die Arbeitslosigkeit soll in meiner Amtszeit sinken. Nun muss diskutiert werden, wie das zu schaffen ist. Wann der Turnaround gelingt, weiß ich nicht – das wäre Kaffeesudlesen. Es hilft deshalb nichts, irgendwelche Obergrenzen zu setzen, die sich dann als unhaltbar erweisen. STANDARD: Bei den Asylwerbern hat die Regierung das aber so gemacht: Es gibt eine Art Obergrenze, aber keinen echten Plan, wie diese erreicht werden soll. Stöger: Ich beteilige mich nicht an der Debatte über Obergrenzen, weil sie davon ablenkt, was wirklich wichtig ist: Fluchtgründe bekämpfen, Asylwerber europaweit fair verteilen. Mein Part als Sozialminister ist dabei, menschenwürdige Bedingungen für jene zu schaffen, die nach Österreich kommen. STANDARD: Oberösterreich will die Mindestsicherung für Asylberechtigte halbieren. Sind das noch menschenwürdige Bedingungen? Stöger: Nicht Oberösterreich, sondern Schwarz-Blau tut das, auf diese Unterscheidung lege ich wert. Die Landesregierung verletzt damit nicht nur internationales Recht, sondern riskiert auch, dass wie anderswo in Europa städtische Slums entstehen. Es wird hinterher viel Geld kosten, um die so geschaffenen sozialen Probleme zu bekämpfen. STANDARD: Aber kann eine hohe Leistung nicht tatsächlich eine Verlockung sein, nicht zu arbeiten? Familien können auf 2000 Euro Mindestsicherung und mehr kommen. Das lässt sich am freien Markt nicht so leicht verdienen. Stöger: Will ein Bezieher nicht arbeiten, kann der Grundbetrag von 620 Euro, bei dem die Wohnkosten herausgerechnet sind, schon jetzt halbiert werden. Ist das vielleicht nicht genug Druck, sich eine Arbeit zu suchen? Ich bin für alle Vorschläge zu haben, die diesen Mechanismus verbessern, aber nicht für eine generelle Kürzung der Mindestsicherung. Einer Begrenzung der Leistung bei 1500 Euro, wie das die ÖVP fordert, würde größere Familien mit Armut bedrohen – Kinder können sich aber weder die Eltern noch den Wohnort aussuchen. Vor der Neiddebatte der ÖVP auf dem Rücken der Jüngsten graust mir. STANDARD: Soll der Bund den Ländern die Aufgabe der Mindestsicherung abnehmen? Stöger: Ja. Das ist eine spannende Idee einer ÖVP-Landesrätin aus Niederösterreich, der ich mich gerne anschließe. Es wäre ein Fortschritt, wenn in ganz Österreich gleiche Bedingungen für die Mindestsicherung herrschten. STANDARD: Viele Experten fordern, Asylwerbern bereits vor Abschluss des Verfahrens die Chance zum Arbeiten zu geben, um möglichst früh die Integration zu fördern. In Österreich geht das nur sehr begrenzt in Gastgewerbe und Landwirtschaft. Wollen sie den Arbeitsmarkt weiter öffnen? Stöger: Ich würde diese Einschränkungen dann lockern, wenn es genug Arbeitsplätze gäbe. Mein Grundsatz lautet: Wer berechtigterweise in Österreich lebt, soll auch einen Beitrag leisten dürfen und somit am Arbeitsmarkt eine Chance haben. Aber angesichts der hohen Arbeitslosigkeit ist dafür momentan einfach nicht der richtige Zeitpunkt. STANDARD: Asylberechtigte haben Zugang zum Arbeitsmarkt, werden es mangels Ausbildung und Deutschkenntnissen dort aber schwer haben. Wirtschaftsvertreter fordern deshalb, mit Lohnsubventionen, wie es sie für ältere Langzeitarbeitslose bereits gibt, nachzuhelfen. Sind Sie dafür? Stöger: Dieses Instrument ist eines von vielen, das passen könnte, aber das hängt vom konkreten Fall ab. Das ist das Spannende in der Sozialpolitik: Generelle Wahrheiten gibt es da nicht, man muss immer genau hinschauen. Wir werden für diese spezielle Zielgruppe alle möglichen Instrumente zu nutzen haben. Vor allem müssen wir mit der Ausbildung und der Sprachförderung so früh ansetzen wie möglich. Man darf aber nicht vergessen: Unter den Menschen, die zu uns kommen, gibt es auch viele, deren Leistung wir gut brauchen können – etwa in der Pflege. STANDARD: Vom Arbeitsmarkt hängt auch die Stabilität des Pensionssystems ab. Bis zum 29. Februar will sich die Koalition auf Reformen einigen. Geht es für Sie dabei nur darum, möglichst viele ÖVP-Wünsche zu verhindern, oder wollen Sie auch etwas ändern? Stöger: Kommt darauf an, was Sie unter Pensionsreform verstehen. Dieser Begriff ist wie ein Koffer, von dem niemand weiß, was drin ist. Vertreter von ÖVP und Wirtschaft wollen offenbar uralte Kleider einpacken: Sie wollen das Umlagesystem, bei dem die Erwerbstätigen mit ihren Beiträgen die Pensionen finanzieren, demontieren und die Altersversorgung der Veranlagung am Finanzmarkt ausliefern. Doch die kapitalgedeckten Systeme haben in der Krise in vielen Ländern kläglich versagt. Was hätte die Wirtschaftskammer gejammert, wenn zwei Millionen Pensionisten auch bei uns keine Marie mehr zum Ausgeben gehabt hätten! STANDARD: Für manche Vorschläge gibt es aber gute Argumente. Die ÖVP will das Pensionsalter der Frauen rascher als geplant von 60 auf die 65 Jahre der Männer anheben. Beraubt der frühere Ruhestand Frauen nicht der Chancen auf Karriere, Weiterbildung und damit besseren Verdienst? Stöger: Es gibt schon jetzt keine Verpflichtung, mit 60 Jahren in Pension zu gehen. Frauen können länger arbeiten – und viele wollen das auch. STANDARD: Aber sobald es die Möglichkeit zur Pension gibt, üben viele Arbeitgeber Druck aus, in den Ruhestand zu gehen. Stöger: Dann sollen ÖVP und Wirtschaftsbund auf diese Klientel, die ihnen ja nicht fernsteht, einwirken, ältere Arbeitnehmerinnen zu behalten. Unter den jetzigen Bedingungen führt ein höheres gesetzliches Pensionsalter nur dazu, dass Frauen statt in der Pension in der Arbeitslosigkeit landen. Da mache ich nicht mit. STANDARD: Gibt es irgendetwas, das die SPÖ bei einer Pensionsreform umsetzen will? Stöger: Ja, aber da greife ich nicht vor, damit die Experten frei diskutieren können. Ihr Journalisten müsst ein bissl Geduld haben! STANDARD: Um uns müssen Sie sich keine Sorgen machen, eher schon um die SPÖ: Die scheint gegenüber der ÖVP, die ständig Forderungen erhebt, arg in der Defensive. Stöger: Das mag so wirken. Uns mögen manchmal die Headline und der schnittige Sager fehlen, aber beim Ergebnis schaut die Bilanz dann ganz anders aus. Von diesem Weg komme ich nicht ab. Grüner "Masterplan Integration" soll bis Jahresmitte vorliegen. Wien/Linz – Der von ÖVP und FPÖ geplante Kahlschlag bei der Mindestsicherung gefährde die Integrationsoffensive in Oberösterreich. Das kritisierte der für Integration zuständige Landesrat Rudi Anschober (Grüne) am Samstag in einer Aussendung. Er befürchtet einen Run auf die großen Städte und Billigstquartiere in Ghettos, weil die Menschen in die Armut abgedrängt werden. Bis Jahresmitte will Anschober einen Masterplan Integration für Oberösterreich erstellen. Er soll aus den fünf Säulen Sprachausbildung, Orientierung über Menschen- und Grundrechte oder Gleichberechtigung, Bildung, Arbeit und Wohnen bestehen. Die Integration nach einem Asylbescheid solle möglichst dezentral in der Region erfolgen, nennt Anschober als Ziel. Bisher seien 90 Prozent der Menschen, die einen positiven Asylbescheid erhalten haben, in die großen Städte gezogen. Durch soziale Bindung und eine offensive Integration vor Ort soll das in Zukunft verhindert werden. Häupl gegen Kürzungen für Zuwanderer, ÖVP will Verschärfungen nach dänischem Vorbild. Wien – Eine Schonfrist bekommt der neue Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) von der ÖVP nicht. Klubobmann Reinhold Lopatka warf ihm am Dienstag, also nur eine Woche nach Angelobung, gleich dreifache Arbeitsverweigerung vor – beim Thema Mindestsicherung, den Pensionen und dem Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit. Stöger hatte zuletzt im STANDARD-Interview zu den schwarzen Kürzungsplänen bei der Mindestsicherung gemeint: Vor der Neiddebatte der ÖVP auf dem Rücken der Jüngsten graust mir. Lopatkas Replik am Dienstag: Mir graut vor einem Sozialminister, der handlungsunwillig ist und sagt, es graust ihm davor, Reformen durchzuführen. Mindestsicherung deckeln Bei der Mindestsicherung bekräftige Lopatka seine Forderung nach Einführung einer Deckelung bei 1500 Euro und sieht sich durch Zahlen des Sozialministeriums bestätigt. Wie berichtet bekamen im Jahr 2014 rund 15.000 Haushalte, in denen 68.127 Personen lebten, mehr als 1500 Euro Mindestsicherung. Angesichts der hohen Flüchtlingszahlen werde diese Zahl deutlich steigen, weshalb man nun Änderungen vornehmen müsse. Fallen soll nach Lopatkas Vorstellungen auch das zwischen Bund und Ländern 2011 vereinbarte Verschlechterungsverbot gegenüber der alten Sozialhilfe. Nach dänischem Vorbild plädiert er zudem für Kürzungen bei der Mindestsicherung für Flüchtlinge. Demnach bekäme man nur einen reduzierten Satz, wenn man in den vergangenen acht Jahren mindestens sieben im Ausland gelebt hat. Gelten solle diese Verschärfung freilich auch für Österreicher, die nach längerem Auslandsaufenthalt wieder retour kommen, wie Lopatka betonte. Ob die Kürzungen derart stark sein sollen, wie derzeit in Oberösterreich diskutiert (nur 320 Euro Mindestsicherung), ließ Lopatka offen. Gegen Kompetenzverlagerung Bei anderen ÖVP-Forderungen hatte Stögers Vorgänger Rudolf Hundstorfer bereits Bewegung signalisiert: Arbeitsanreize für Mindestsicherungsbezieher sollen durch einen höheren Wiedereinsteigerbonus ausgeweitet, Sanktionen für Arbeitsverweigerer im Vollzug vereinheitlicht und Sachleistungen ausgebaut werden. Stöger sei nun gefordert, bis spätestens April einen Entwurf für eine neue Bund-Länder-Vereinbarung zur Mindestsicherung vorzulegen, meinte Lopatka. Für nicht sinnvoll hält er den Vorschlag, die Mindestsicherung gänzlich von den Ländern an den Bund zu übertragen. Er sei über den Vorstoß, der von der niederösterreichischen ÖVP kam, verwundert. Bei den Pensionen sieht Lopatka trotz des zuletzt niedrigeren Budgetzuschusses von 10,17 Milliarden Euro (DER STANDARD berichtete) keine Entwarnung. Im EU-Vergleich liege nur Italien beim Staatszuschuss schlechter als Österreich. Bis 2019 sei zudem mit einem weiteren Anstieg auf 13,3 Milliarden zu rechnen. Da kann man nicht sagen: Alles ist paletti. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) lehnt die ÖVP-Kürzungsideen für Zuwanderer entschieden ab. Er hält etwaige Pläne für verfassungswidrig und wirft der Volkspartei zudem Sozialabbau vor. Da machen wir nicht mit, stellte der Stadtchef am Dienstag in seiner wöchentlichen Pressekonferenz klar. Besitzer eines positiven Asylbescheids seien rechtlich österreichischen Staatsbürgern gleichgestellt, sagte Häupl. Daher würden etwaige Kürzungen den Gleichheitsgrundsatz der Verfassung verletzen. Ihm sei völlig klar, dass die ÖVP hier an Asylbesitzenden – laut Bürgermeister rund 40 Prozent derer, die um Asyl angesucht haben – Sozialabbau betreiben wolle. Für Wien schloss er einen derartigen Schritt dezidiert aus: In Zeiten, wo Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden, stell ich mich nicht her und nehm denen, die ohnehin nix haben – mit 860 Euro im Monat muss man einmal auskommen -, auch noch was weg. Das mach ich nicht. Die jüngsten Aussagen von ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka kommentierte Häupl so: Es graut ihm offenbar, wenn ein Sozialdemokrat sozialdemokratische Politik macht. Ich darf ihm versichern: Was das Grauen betrifft, beruht das ganz auf Gegenseitigkeit. Versöhnlicher zeigt sich der Wiener Bürgermeister in der Diskussion, ob die Mindestsicherung per se Bundessache werden soll. Hier gelte es Für und Wider abzuwägen. Thematisiert werden müsse aber etwa der Aspekt der Unterstützung für Kinder. Hier gebe es in Wien den höchsten Zuschuss – und da bin ich eigentlich auch stolz drauf. Der Vorarlberger Landeshauptmann hält ein Modell "zwischen Grundversorgung und Mindestsicherung" für sinnvoll. Bregenz – Der Vorarlberger Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) tritt dafür ein, über ein neues Unterstützungsmodell für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte nachzudenken. Ich bin dafür, dass wir offen diskutieren, ob wir nicht zwischen Grundversorgung und Mindestsicherung ein System bauen müssen, sagte Wallner am Mittwoch im Ö1-Morgenjournal. Der Vorarlberger Landeshauptmann zielt damit auf eine Möglichkeit einer geringeren Unterstützung für Flüchtlinge ab, als dies die Mindestsicherung vorsieht. Wallner bekannte sich auch zu einer stufenweisen Kürzung der Mindestsicherung, im Fall dass ein Asylberechtigter die Integration verweigere. Damit zeigte sich der Vorarlberger ÖVP-Chef auch aufgeschlossen gegenüber einer Regelung, wie sie die oberösterreichische Landesregierung erst kürzlich beschlossen hat. Wallner zweifelte allerdings daran, dass ein Bundesland überhaupt in der Lage ist, das eigenständig umzusetzen. In punkto Deckelung der Mindestsicherung müsse man den Betrag sowie die Modalitäten der Einführung freilich erst genauer diskutieren sowie darüber reden, wen eine eventuelle Deckelung betreffe, grundsätzlich sei er aber für eine entsprechende Regelung, wie sie ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka am Dienstag gefordert hat, betonte Wallner. Modell sieht für "Asyl auf Zeit" eine Mischung aus Geld- und Sachleistungen vor, zahlen soll die EU. Graz – Die steirische SPÖ will die Mindestsicherung für Asylberechtigte teilweise streichen und stattdessen eine Integrationshilfe einführen. Das Modell soll für die Dauer des Asyls auf Zeit als eine Kombination aus Geld- und Sachleistungen gelten. Die Kosten könne aber nicht das Land Steiermark bezahlen, sie soll der Bund aus einer Art europäischem Sozialfonds übernehmen. Landeshauptmann-Stellvertreter Michael Schickhofer und Soziallandesrätin Doris Kampus schlagen neben rascheren Kürzungen bei Arbeitsverweigerung vor, diese Integrationshilfe anstatt der Mindestsicherung auszuzahlen: Erst wenn das Asyl auf Zeit in eine dauerhafte Asylberechtigung übergegangen ist, sollten anerkannte Flüchtlinge vollen Zugang zur Mindestsicherung erhalten. Besonders pikant ist der Nachsatz, dass diese neue Unterstützungsform außerhalb der Sozialbudgets des Bundesländer erfolgen soll. Aus Kampus Büro hieß es am Donnerstag auf APA-Nachfrage, dass man überzeugt sei, dass die Finanzierung nicht über die Sozialbudgets der Länder zu schaffen ist. Das Modell würde aber die Mindestsicherung für die Steirer absichern. Als Finanzierungsvorschlag verlangen die beiden die Einführung eines europäischen Sozialfonds, aus dem die Mehrkosten jener EU-Länder ausgeglichen werden sollen, die im Verhältnis zu anderen Staaten eine höhere Bereitschaft bei der Aufnahme von Flüchtlingen an den Tag legen: Wenn wir schon innerhalb der EU keine gleichmäßige Verteilung der Flüchtlinge zustande bringen, so sollte wenigstens bei der Kostentragung eine solidarische Lösung erzielt werden, so Schickhofer und Kampus. Der steirische ÖVP-Landesrat Christopher Drexler, der offenbar schon im Vorfeld mit der SPÖ Gespräche geführt hatte, hält den Vorschlag der Integrationshilfe für diskussionswürdig: Vor allem der Gedanke, damit die klassischen sozialen Sicherungssysteme zu entlasten, ist gut. Das Sozialsystem muss für die Österreicher verlässlich bleiben. Gerne können wir in Verhandlungen eintreten. Der Grünen-Abgeordnete Lambert Schönleitner dagegen hielt die Idee von LHStv. Michael Schickhofer und Soziallandesrätin Doris Kampus (beide SPÖ) für unausgegoren. Asyl auf Zeit und Integrationshilfe seien ein Widerspruch. Das Problem sei, dass es zu wenige Deutschkurse und Ausbildungsabgebote gebe. FPÖ-Klubobmann Mario Kunasek sprach von Scheinaktionismus und einer Placebopolitik auf Kosten der österreichischen Steuerzahler. Kampus vergesse, dass Geld kein Mascherl hat und die heimischen Bürger als EU-Nettozahler die geplante Integrationshilfe zum größten Teil selbst zu finanzieren haben. Aus freiheitlicher Sicht sei es nicht hinzunehmen, dass vermeintliche Flüchtlinge die gleichen Unterstützungsleistungen wie Österreicher bekommen, die teilweise jahrzehntelang gearbeitet und damit das Sozialsystem gestützt haben. Wir lehnen die Mindestsicherung und damit auch die umbenannte Integrationshilfe in dieser Form ab, da oftmals die Differenz zwischen einem wirklich erarbeiteten Gehalt und der für das Nichtstun zugeschobenen finanziellen Mittel viel zu gering ist, so Kunasek. Kritik gab es auch aus den eigenen Reihen. Die Sozialistische Jugend Steiermark warnte: Die SPÖ darf nicht zur Steigbügelhalterin schwarzblauer Asylfantasien werden, hieß es in einer Aussendung. Landesvorsitzender Peter Drechsler kündigte Widerstand an: Einmal mehr weht sich die SPÖ wochenlang gegen eine ÖVP-Forderung, nur um dann – ohne Beschluss oder Diskussion in den Gremien – umzufallen. Wir werden jedes organisatorische und statutarische Mittel nutzen, um diesen Vorschlag zu verhindern. Auch bei der Jungen Generation der SPÖ Steiermark stieß der Vorschlag der Integrationshilfe statt Mindestsicherung auf Unverständnis. Das sei ein leicht durchschaubarer Etikettenschwindel, um die Gemüter von sogenannten besorgten Bürgern zu befriedigen, meinte Mustafa Durmus, Landesvorsitzender der Jungen Generation (JG) in der SPÖ Steiermark. Die SPÖ hat alle Parteimitglieder zur Flüchtlingskrise befragt, von denen sie E-Mail-Adressen hatte. 11.000 Personen – das entspricht 5,6 Prozent der Parteimitglieder – meldeten sich zurück. 65,3 Prozent von ihnen waren für den von der ÖVP Obergrenze genannten Richtwert. Dieser legt fest, dass Österreich heuer nicht mehr als 37.500 Asylanträge annehmen will. Dass dieser Richtwert alleine nicht genug sein wird, fanden 59 Prozent. Begrüßt werden Maßnahmen wie raschere Verfahren (zu 96 Prozent), Einschränkung von EU-Förderungen für Staaten, die keine Flüchtlinge aufnehmen (zu 92 Prozent), einheitliche Asylstandards in Europa (96 Prozent), mehr Rückführungsabkommen (89 Prozent) oder auch, dass Anträge nur noch in Hot-Spots an EU-Außengrenzen abgegeben werden dürfen (79 Prozent). SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid betonte im Gespräch mit der APA, dass es sich um keine repräsentative Umfrage gehandelt habe. Nur ein paar Länder haben Daten. Der prozentuelle Anteil ist in Salzburg und Oberösterreich höher als in Wien. Wien – Wird die Einhaltung der Spielregeln der Mindestsicherung ausreichend kontrolliert? Grundsätzlich waren sich zuletzt sowohl die rot-schwarze Regierung als auch die Länder einig, dass noch strenger sanktioniert werden könnte. AMS-Vorstand Herbert Buchinger kritisierte zuletzt im STANDARD-Interview sogar, dass mehr als die Hälfte der Behörden in den Ländern die Daten des AMS über Sperren beim Arbeitslosengeld gar nicht abrufe und es somit in der Folge zu keinen Kürzungen bei der Mindestsicherung komme. Eine zentrale Statistik darüber gibt es allerdings nicht. der STANDARD hat daher einen Rundruf bei den neun Soziallandesräten in den Bundesländern gestartet. Gleich vier Bundesländer konnten überhaupt keine Zahlen liefern, wie oft sanktioniert wird: das Burgenland, Niederösterreich, Tirol und Vorarlberg. Im Ländle heißt es, die schriftlichen Ermahnungen seien in der Regel ausreichend, zu Kürzungen komme es nur in Einzelfällen. Qualität variiert In den restlichen Ländern variiert die Qualität der Daten stark. Die These von AMS-Chef Buchinger, wonach das AMS viel strenger sanktioniere, lässt sich aber nur eingeschränkt bestätigen. Im Zuge des neuen Mindestsicherungsvertrags, über den gerade verhandelt wird, soll nun ein besserer Datenaustausch vereinbart werden. Einzelne Bundesländer nehmen aber bereits vorher landesgesetzliche Verschärfungen vor. Nach Vorarlberg hat am Donnerstag auch Niederösterreich beschlossen, dass Asylberechtigte schon beim Antrag auf Mindestsicherung bestätigen müssen, Integrationsverpflichtungen einzugehen. Subsidiär Schutzberechtigte bekommen – wie zum Teil schon in anderen Ländern – keine Mindestsicherung mehr. Die Wohnbeihilfe wird in Niederösterreich auf die Mindestsicherung angerechnet, was für Kritik bei NGOs gesorgt hat. Die ÖVP erhöht den Druck auf die SPÖ: Sozialleistungen für Ausländer, ob Mindestsicherung oder Familienbeihilfe, müssten gekürzt werden. Wien – Die ÖVP lässt nicht locker. Ob Mindestsicherung oder Familienbeihilfe, die ÖVP möchte Sozialleistungen für Ausländer kürzen, seien es anerkannte Flüchtlinge, die ein Recht auf den Bezug der Mindestsicherung haben, seien es ausländische Staatsbürger, die in Österreich leben und arbeiten und ein Recht auf den Bezug der Familienbeihilfe für ihre im Heimatland verbliebenen Kinder haben. Diese Anliegen hat sich Außenminister Sebastian Kurz auf seine tagespolitische Agenda geschrieben, die Speerspitze im Kampf gegen diesen vermeintlichen Sozialbetrug ist aber ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Am Mittwoch fragte Lopatka: In welcher Welt leben Sie, Herr Minister? Gemeint ist Sozialminister Alois Stöger, der Dienstagabend eine Verhandlungsrunde mit den Soziallandesräten zur Mindestsicherung hinter sich brachte. Die von der ÖVP so nachdrücklich geforderte Deckelung der Mindestsicherung auf 1500 Euro pro Monat sei jedenfalls vom Tisch, hieß es nach dem Treffen aus dem Sozialministerium. Eine Kürzung nur für Flüchtlinge oder subsidiär Schutzberechtigte werde nicht kommen. Ein von der Bundesregierung in Auftrag gegebenes Gutachten zu dem Thema liegt allerdings noch gar nicht vor. Für Stöger ist aber vorab schon klar, dass Asylberechtigte grundsätzlich mit Österreichern gleichbehandelt werden müssen. Er kann sich aber vorstellen, dass es in diesem Bereich schärfere Sanktionen geben könne, auch als Mussbestimmung. Bei der Anpassung der Familienbeihilfe für im Ausland lebende Kinder, die den Staat im Vorjahr 223 Millionen Euro gekostet hat, auf das dortige Leistungsniveau will sich Stöger noch nicht festlegen. Die ÖVP hat dies längst getan. Stöger muss sich offenbar erst in sein Sozialressort einarbeiten, sagt Lopatka. Länder wie Deutschland, Schweden und Dänemark haben aufgrund des Massenansturms von Migranten hier schon die Notbremse bei den Sozialleistungen gezogen. Österreich muss diesen Weg auch einschlagen. Dass eine Deckelung der Mindestsicherung vom Tisch sei, will der ÖVP-Klubobmann nicht akzeptieren. Wir sagen das Gegenteil. Es geht um eine richtige politische Entscheidung. Offenbar betreibt die Wiener SPÖ gemeinsam mit Sozialminister Stöger Realitätsverweigerung. Bei der geforderten Anpassung der Familienbeihilfe hält Lopatka Stöger die Zahlen vor und will das Argument nicht gelten lassen, dass Eltern aus Skandinavien und Großbritannien bei der Familienbeihilfe für EU-Ausländer dann mehr erhalten müssten. Lopatka: Von 24.000 Beziehern sind keine 100 aus Skandinavien. Unser Problem sind Länder wie Ungarn, Slowenien oder die Slowakische Republik, wo wir die Hälfte aller Bezieher haben. 2014 wurde für 24.498 im Ausland lebende Kinder die österreichische Familienbeihilfe ausbezahlt. Lopatka rechnet vor: Aus Großbritannien bezogen 21 Kinder Familienbeihilfe, aus Schweden fünf Kinder, aus der Slowakei hingegen 5102 Kinder, aus Slowenien 2247 Kinder, aus Ungarn 7744, aus Tschechien 1864 und aus Polen 2845 Kinder. Lopatka: Es steht also in keinem Verhältnis, wie viele Familienbeihilfebezieher es aus Skandinavien und Großbritannien und aus den restlichen Ländern gibt. Minister Stöger, der dieses Thema für die SPÖ verhandelt, verweist darauf, dass die zuständige Familienministerin Sophie Karmasin die grundlegenden Zahlen noch schuldig geblieben und die Arbeitsgruppe längst nicht fertig sei. Da war Reinhold Lopatka aber längst schon weitergeritten und hielt Bundeskanzler Werner Faymann im Parlament ein großes Taferl mit einer nicht erledigten Checkliste vor. Nach Wochen der hitzigen Debatte über eine geplante Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte haben ÖVP und FPÖ in Oberösterreich nun Details präsentiert: Stimmt der Integrationswille, sollen künftig 365 Euro plus ein Bonus von 155 Euro ausbezahlt werden. In Summe 520 statt bisher 914 Euro. Linz – Was einen deutlich härteren Kurs gegenüber Asylwerbern anbelangt, sind sich ÖVP und FPÖ in Oberösterreich hörbar einig. So warnt die schwarze Klubobfrau Helena Kirchmayr davor, dass die soziale Hängematte irgendwann einmal reißt, sollte man diese zu sehr belasten. Und der blaue Klubchef Herwig Mahr setzt nach: Wir müssen einen Riegel vorschieben. Um aber bei der Präsentation der Details rund um eine geplante Kürzung der Mindestsicherung für Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte am Dienstag in Linz auch die Menschlichkeit nicht zu kurz kommen zu lassen, stellten beide Klubobleute noch einmal klar: Es geht nicht um Kürzungen, sondern um Integration. Und doch findet sich beides in der jetzt präsentierten schwarz-blauen Diskussionsgrundlage. Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sollen in Oberösterreich nur mehr 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 – also in Summe 520 – statt wie bisher 914 Euro Mindestsicherung bekommen. Für Verpflegung werden bei Einzelpersonen 215 Euro, fürs Wohnen 150 Euro veranschlagt. Um das Integrationsplus zu erhalten, muss man sich in einem Integrationsvertrag verpflichten, an einem Wertekurs, einem Deutschkurs und Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen. Kommt man dem nicht nach, kann der Bonus stufenweise gestrichen werden. Den Einwand, dass es ja auch bislang die Möglichkeit gab, bei Integrationsverweigerung die Mindestsicherung zu kürzen, lässt man nicht gelten. Mahr: Bislang gab es eine Bemühpflicht. Jetzt wollen wir mit den Bonus Asylberechtigte eher zur Integration zwingen. Auch einen bürokratischen Mehraufwand sieht man in den geplanten Integrationsverträgen nicht. Kirchmayr: Betroffene unterschreiben mit dem Ansuchen auf Mindestsicherung auch einen Integrationsvertrag und bekommen zusätzlich monatlich 155 Euro. Nach gut einem Jahr müssen dann die entsprechenden Nachweise erbracht werden. Die massiven rechtlichen Bedenken hinsichtlich einer Kürzung der Mindestsicherung für Asylberechtigte – zuletzt etwa vom Wiener Verfassungsjuristen Theo Öhlinger – lassen ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer weitgehend kalt: Wenn wir etwas vorschlagen, dann haben wir auch eine rechtliche Expertise eingeholt. Und FPÖ-Klubobmann Mahr ist zwar kein Jurist, aber dennoch überzeugt: Es geht. Die rechtliche Frage wird auch die nächste Sitzung des Unterausschusses am kommenden Donnerstag beherrschen. Geladen sind unter anderem der Linzer Verfassungsrechtler Andreas Janko und der Sozialrechtler Wolfgang Mazal. Wenig Freude mit dem schwarz-blauen Vorstoß haben erwartungsgemäß die anderen Landtagsfraktionen. SPÖ-Sozialsprecher Peter Binder sieht in der voreiligen öffentlichen Präsentation des schwarz-blauen Vorschlags eine Brüskierung des Landtags. Es sei nämlich vereinbart gewesen, zuerst mit Experten alle rechtlichen Fragen sowie die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu diskutieren. Es ist schwer vorstellbar, dass die beiden Parteien jetzt noch von ihrem bedenklichen Modell abweichen werden, meint Binder. Ihr Ziel ist es offenbar, über alle anderen drüberzufahren. Auch für den grünen Sozialsprecher Stefan Kaineder ist das Vorgehen indiskutabel. 'EU schreibt Sozialhilfe und medizinische Versorgung wie für Staatsbürger vor – Residenzpflicht zulässig, Stöger fühlt sich bestätigt. Wien – Zu der von der ÖVP geforderten Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge hat Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) nun das Gutachten des Sozialrechtlers Robert Rebhahn vorgelegt. Stöger fühlt sich dadurch bestätigt. Das Gutachten unterstreiche die bisherige ablehnende Rechtsansicht des Ministeriums. Die gewünschte Residenz- beziehungsweise Wohnsitzpflicht sei dagegen bestätigt worden. Die EU-Statusrichtlinie verlange bei Sozialhilfe und medizinischer Versorgung von Flüchtlingen eine Gleichbehandlung mit Staatsbürgern, beim Zugang zu Wohnraum und der Freizügigkeit im Aufnahmeland aber nur eine Gleichstellung mit Drittstaatsangehörigen, heißt es in dem fast 150-seitigen Gutachten. Bei der Mindestsicherung sind demnach für Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte Sachleistungen wie für Staatsbürger zulässig Generelle Kürzung kaum machbar, aber keine Pflicht zu Auszahlung der Familienbeihilfe. Auch Deckelung der Mindestsicherung ist möglich. Wien – Gestritten wird seit Wochen darüber: Welche Sozialleistungen sollen Flüchtlinge bekommen? Die ÖVP drängt auf Kürzungen. Seit Mittwoch liegt nun ein 150-seitiges Gutachten des Instituts für Arbeitsrecht und Sozialrecht der Uni Wien vor (siehe Anhang). Unter Leitung des Arbeitsrechtlers Robert Rebhahn wurde im Auftrag der Regierung analysiert, welche Möglichkeiten zur Differenzierung es gegenüber österreichischen Staatsbürgern gibt. DER STANDARD gibt einen Überblick über die wichtigsten Punkte: Frage: Ist eine generelle Schlechterstellung von Flüchtlingen zulässig? Antwort: Unter Berufung auf die EU-Massenzustrom-Richtlinie wäre es grundsätzlich möglich, Sozialleistungen an Schutzbedürftige zu senken – wenn auch nur für neue Antragsteller. Ein Massenzustrom müsste aber formal vom EU-Rat mit qualifizierter Mehrheit und auf Vorschlag der EU-Kommission beschlossen werden. Das ist bisher nicht passiert. Ohne einen solchen Beschluss wäre also eine generelle Schlechterstellung nicht möglich. Explizit betont wird auch, dass solche Überlegungen nicht zum Tragen kommen, wenn die EU-Bemühungen erfolgreich sind, die Zahl der Flüchtlinge zu reduzieren. Frage: Dürfen subsidiär Schutzberechtigte (sie haben keinen Asylstatus, dürfen aber auch nicht abgeschoben werden) schlechtergestellt werden als anerkannte Flüchtlinge? In einigen Bundesländern haben sie ja keinen Anspruch auf Mindestsicherung, sondern nur auf die niedrigere Grundversorgung. Antwort: Hier ist das Gutachten nicht ganz eindeutig. Bei subsidiär Schutzberechtigten sei grundsätzlich eine Beschränkung auf Kernleistungen möglich. Eine Interpretation sei, dass die Mindestsicherung bereits eine Kernleistung ist. Folglich müsste sie auch subsidiär Schutzberechtigten in voller Höhe ausbezahlt werden. Allerdings sei auch eine zweite Interpretation, dass hier noch eine Kürzung möglich ist, nicht unvertretbar. Das Gutachten verweist auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtshofs aus dem Jahr 2011, der die burgenländische Regelung für rechtens befand. Frage: Wäre es zumindest zulässig, dass Flüchtlinge nicht sofort, sondern erst etwas später Anspruch auf Mindestsicherung bekommen? Antwort: Nein, eine spezifische Wartefrist für Flüchtlinge wäre nicht zulässig. Und selbst wenn man eine Wartefrist für alle, also auch für Österreicher, einführen würde, wäre das laut Gutachten problematisch. Frage: Was ist, wenn man zu einem Trick greift und die Mindestsicherung aufsplittet: in eine Grundleistung, die alle bekommen, und eine Zusatzleistung, die Flüchtlinge nicht bekommen? Antwort: Auch hier ist das Gutachten nicht eindeutig. Es komme zunächst auf die Begründung dieser Vorgangsweise an, heißt es. Diese kann, wie meist in solchen Fällen, nicht mit Sicherheit beurteilt werden. Für Rebhahn ist aber auch nicht ausgeschlossen, dass es der Europäische Gerichtshof für zulässig halten würde, wenn die Zusatzleistung an eine mehrjährige Erwerbstätigkeit gekoppelt wird. Frage: Was ist mit der Familienbeihilfe? Antwort: Hier ist das Gutachten eindeutig. Es bestehe keine Pflicht, diese Leistung an Flüchtlinge auszuzahlen. Subsidiär Schutzberechtigte, die in der Grundversorgung sind, haben bereits jetzt keinen Anspruch darauf. Frage: Welche Möglichkeiten zur Differenzierung gibt es noch? Antwort: Bei allen Flüchtlingen darf der Staat stärker auf Sachleistungen setzen. Bei der Unterkunft kann die Gewährung als Sachleistung auch zulässig sein, wenn dies bei Staatsangehörigen nur ausnahmsweise erfolgt, heißt es. Anspruch auf Pflegegeld haben Flüchtlinge hingegen sehr wohl. Frage: Ist eine Kürzung der Mindestsicherung bei Integrationsverweigerung möglich? Antwort: Ja. Wenn jemand keine Erwerbs- und Integrationsbemühungen zeige, seien Kürzungen in jedem Ausmaß zulässig. Allerdings darf es hier keine Ungleichbehandlung zwischen Inländern und Flüchtlingen geben. Bei Arbeitsverweigerung waren Sanktionen freilich schon bisher möglich. Frage: Darf man Flüchtlingen einen bestimmten Wohnort zuweisen beziehungsweise ihnen Sozialleistungen streichen, wenn sie umziehen, wie das Sozialminister Alois Stöger fordert? Antwort: Laut Gutachten ist das zulässig, wenn ein migrationspolitisches Interesse zur Abwehr von Störungen der öffentlichen Ordnung besteht. Das gelte jedenfalls bei einem verhältnismäßig großen Zustrom innerhalb kurzer Zeit. Wie berichtet gab es zur Zulässigkeit einer Wohnsitzpflicht bereits ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs. Das bezog sich zwar nur auf subsidiär Schutzberechtigte, Rebhan hält Wohnsitzauflagen aber auch für anerkannte Flüchtlinge für zulässig. Wer sich nicht daran hält, dem dürfen Sozialleistungen gestrichen werden. Frage: Familien mit mehreren Kindern können derzeit auch mehr als 1.500 Euro Mindestsicherung bekommen. Die ÖVP fordert daher eine Deckelung bei diesem Wert. Wäre das zulässig? Antwort: Konkrete Werte nennt das Gutachten nicht. Eine Höchstgrenze sei aber laut internationalem Recht grundsätzlich zulässig, sofern der Höchstbetrag das Mindestniveau sichert. Wann das der Fall ist, bleibt also Gegenstand der politischen Diskussion. Die Flüchtlinge wollten ein Zeichen der Solidarität mit den Terroropfern in Brüssel setzen. Jetzt wenden sie sich an den Botschafter. Wien – Die Enttäuschung war groß. Über das Osterwochenende kam im Flüchtlingsheim in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien-Landstraße die Idee auf, aus Solidarität mit den Terroropfern in Brüssel Blut zu spenden. Arach Rahimi, ein 21-jähriger Flüchtling aus Kabul, der seit fünf Monaten hier untergebracht ist, hatte im Radio gehört, dass in Brüssel die Blutkonserven knapp würden und dass es einen Appell an die Bevölkerung gebe, Blut zu spenden. Gemeinsam mit Shafik Islami, einem anderen Flüchtling aus Kabul, ergriff er die Initiative: Wir wollen helfen, sagt Islami im Gespräch mit dem STANDARD, wir haben nichts, was wir spenden können, aber wir haben unser Blut. Man wolle Verbundenheit mit der Bevölkerung in Belgien ausdrücken und gemeinsam als Muslime die terroristischen Anschläge in Brüssel verurteilen. Am ersten Abend schlossen sich 30 Flüchtlinge spontan der Aktion an, am Ostermontag waren es 77, die sich registrieren ließen. Schlussendlich sollten es mehr als hundert sein. Am Dienstag nach Ostern kam dann die Nachricht von der Blutspendezentrale des Roten Kreuzes, dass man das Blut der Flüchtlinge nicht annehmen könne. Mehrere Gründe sind dafür ausschlaggebend, erläutert Ursula Kreil, die Leiterin der Abnahme in der Blutspendezentrale. Flüchtlinge seien nicht prinzipiell vom Blutspenden ausgeschlossen, es gelten allerdings strikte Vorgaben wie gute Deutschkenntnisse, die für das Anamnesegespräch mit dem Arzt notwendig seien, das Vorliegen eines positiven Aufenthaltsbescheids, und schließlich seien die Herkunftsländer zu berücksichtigen. Bei einer erhöhten Malariaverbreitung sei eine Blutspende ausgeschlossen, und das gelte etwa für Afghanistan. Aus der kurzfristigen Frustration versuchten die Flüchtlinge dennoch etwas Positives zu machen. Es war ihnen ein Anliegen, hier Stellung zu beziehen, Mitgefühl zu zeigen und gegen den Terror aufzutreten, erzählt Rahimi. Gemeinsam mit den anderen organisierte er eine Fotoaktion: Die Flüchtlinge ließen Fotos von sich machen, gaben Erklärungen ab. Viel mehr können wir jetzt nicht tun, sagt Islami, aber wir wollen ein Zeichen setzen. Man werde jetzt ein Buch gestalten und wolle dieses dem belgischen Botschafter in Wien übergeben. Auf dem Gang im Flüchtlingsheim herrscht großes Gedränge. In einem der hinteren Räume hat ein Mitarbeiter des Roten Kreuzes seine Kamera aufgebaut. Holy Kellner fotografiert. Einen nach dem anderen. Die Namen werden aufgerufen. Mit ernsten Gesichtern nehmen die Flüchtlinge Platz. Abdullah Taha versucht Ordnung ins Gedränge zu bringen. Der 33-Jährige war als Kind mit seinen Eltern nach Wien gekommen, sie waren aus dem Irak geflohen, er selbst ist in Kuwait geboren. Mittlerweile ist er österreichischer Staatsbürger und hat sein Studium fertig. Er engagiert sich als Koordinator der arabischen Dolmetschergruppe im Flüchtlingsheim. Er wolle helfen und etwas zurückgeben für die Hilfe, die er und seine Familie erhalten hatten. Die Idee, gemeinsam Blut nach Brüssel zu schicken, hält Taha für ganz toll, wie er versichert. Er bedauert, dass die Aktion so nicht durchführbar sei. Dennoch werde hier Solidarität von den Flüchtlingen demonstriert. Das sind selber Opfer, sie wollen den Terroropfern in Brüssel ihre Verbundenheit zeigen. Das sei ein Zeichen der Nächstenliebe, wir machen das auch im Namen Gottes. Dass die Attentäter ihre Angriffe ebenfalls im Namen Gottes durchführten, hält Taha für absurd: Gott engagiert keine Terroristen, sagt er. Am Ende des Tages waren es 101 Bewohner des Flüchtlingsheims, die sich registrieren und fotografieren ließen, die ihre Botschaften und Beileidsbekundungen zu Protokoll gaben. Die Bereitschaft, Blut zu spenden, besteht nach wie vor. Der Sozialminister will die Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge nicht mit einer Decklung der Mindestsicherung verknüpfen. Wien – Das erste Kompromissangebot der ÖVP beim strittigen Thema Mindestsicherung dürfte noch keine Einigung mit der SPÖ bringen. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erklärte am Wochenende am Rande des Wiener ÖVP-Landesparteitages, er könne sich die von Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) angedachte Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge vorstellen, wenn die SPÖ gleichzeitig der Forderung nach einer Deckelung bei der Mindestsicherung zustimme. Zuvor war diese Variante von ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol vorgebracht worden. Wie berichtet hatte Stöger eine Wohnsitzpflicht für Flüchtlinge vorgeschlagen, um eine allzu starke Konzentration auf die Städte – allen voran Wiens – zu vermeiden. Derzeit leben nach Berechnungen des Sozialministeriums 88 Prozent der Flüchtlinge nach dem Asylverfahren in Städten mit mehr als 30.000 Einwohnern. Arbeitsmarkt vorrangig Anspruch auf Mindestsicherung bestünde bei einer Residenzpflicht also nur dann, wenn man im zugewiesenen Bezirk bleibt. Vorrangig gehe es um eine bessere Koordinierung in den Bereichen Arbeitsmarkt und Integration, heißt es im Stöger-Büro. Daher sei das keine Frage des Abtausches mit der Deckelung der Mindestsicherung (die ÖVP hatte 1.500 Euro pro Monat vorgeschlagen). Diese lehne man weiter ab, weil sie zu einer Benachteiligung von Familien mit zwei oder mehr Kindern führen würde. Zudem sei die Einführung eines Deckels auch verfassungswidrig, verweist man auf eine Einschätzung des Verfassungsdienstes im Kanzleramt. Im Gutachten des Instituts für Arbeits- und Sozialrecht der Uni Wien, das für die Regierung angefertigt wurde, wurde ein Deckel freilich als grundsätzlich zulässig bezeichnet, sofern der Höchstbetrag das Mindestniveau sichert. Grüne wollen VfGH-Prüfung Über die Reform der Mindestsicherung wird am 25. April offiziell weiter verhandelt. Dann treffen sich die Landessozialreferenten wieder mit Stöger. Der aktuelle Bund-Länder-Vertrag läuft Endes des Jahres aus. Zuletzt war bereits Oberösterreich mit eigenen Vorschlägen vorgeprescht. Dort will die schwarz-blaue Landesregierung die Mindestsicherung für Flüchtlinge von 914 Euro auf 520 Euro kürzen. Gegen diese Vorhaben machen die Grünen mobil. Sie kündigten am Sonntag an, im Nationalrat einen Antrag auf ein Gesetzprüfungsverfahren beim Verfassungsgerichtshof einbringen zu wollen. Der Vorschlag der Oberösterreicher sei mit Sicherheit rechtlich nicht zulässig, so Grünen-Chefin Eva Glawischnig. Die oberösterreichische ÖVP wiederum sieht sich in ihrem Vorhaben durch eine Umfrage bestätigt. Laut einer Befragung des Institut M & R – Marktforschung und Regionalumfragen seien 60 Prozent für die Kürzungen. Verstärkte Obdachlosigkeit und prekäre Wohnverhältnisse unter anerkannten Flüchtlingen absehbar. Wien – Die Flüchtlingskoordinatoren der römisch-katholischen Diözesen Österreichs sind am Montag erstmals mit Christian Konrad, ihrem Gegenüber im Auftrag der Bundesregierung, zusammengetroffen. Einhellige Kritik gab es dabei an der Kürzungsdiskussion bei der Mindestsicherung, berichtete die Kathpress. Als Folge seien verstärkte Obdachlosigkeit und sehr prekäre Wohnverhältnisse unter anerkannten Flüchtlingen absehbar, so der Tenor. Generell habe die Unterbringung von Asylwerbern in überschaubaren Quartieren mit qualitätsvoller Betreuung Priorität und sei auch möglich, hieß es. Sowohl Konrad als auch die Kirchenvertreter sprachen sich deutlich gegen Großquartiere aus. Diese seien zwar kostengünstiger zu führen, stünden aber in der Gefahr, die Radikalisierung unter den Flüchtlingen und bei den Anrainern zu fördern. Überall dort, wo es zu einem persönlichen Kontakt der Bevölkerung mit Flüchtlingen komme, gebe es nahezu keine Probleme. Aus der Regierungsspitze hieß es am Dienstag nach dem Ministerrat, es werde in der Koalition weiterhin über mögliche Kürzungen der Mindestsicherung diskutiert, noch gebe es keine Einigung. Kritik an den in Oberösterreich bereits beschlossenen Kürzungen kommt dort von der SPÖ. Soziallandesrat Reinhold Entholzer (SPÖ), der von der ÖVP und FPÖ geplante Kürzungen bei der Bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) ablehnt, fürchtet um rund 5.000 Kinder, die betroffen sein könnten. Das erklärte er in einer Pressekonferenz am Dienstag in Linz. Das oftmals bemühte Beispiel des Mindestsicherungsempfängers, der sich ein schönes Leben in der herbeigeredeten Hängematte des Sozialstaats macht, ist eine Lügengeschichte, die dazu dient, die Gesellschaft zu spalten, stellte Entholzer fest. Den 5.000 Kindern unter den derzeit 14.167 Beziehern in Oberösterreich könne man schon gar nicht vorwerfen, nicht arbeitsbereit zu sein und in der sozialen Hängematte zu liegen. Bei einer Kürzung würden ihnen aber unter anderem Mangelernährung, schlechte Gesundheit, schlechtere Bildungschancen und soziale Ausgrenzung drohen. Die Folgekosten für den Staat wären enorm. Auch mehr als 3.300 Personen, die keine Arbeit finden und deren Arbeitslosengeld und Notstandshilfe unter den BMS-Richtlinien liegen, weiters 1.200 Personen, die derzeit für ein sehr geringes Einkommen arbeiten gehen, sowie solche, die aufgrund von körperlichen oder psychischen Einschränkungen dem Arbeitsmarkt nur sehr eingeschränkt zur Verfügung stehen, könnten betroffen sein, warnte er. Entholzer wies darauf hin, dass 61 Prozent der oberösterreichischen BMS-Bezieher österreichische Staatsbürger seien, weitere sieben aus dem europäischen Wirtschaftsraum oder aus der Schweiz und fünf Prozent aus Drittstaaten stammen würden. Zur derzeit im Mittelpunkt der Diskussion stehenden Gruppe der Asylberechtigten mit einem Anteil von 21 Prozent hielt Entholzer gestützt auf eine Rechtsmeinung fest, dass diese den Bewohnern eines EU-Landes gleichzustellen sei. Somit gehe es letztlich nur um die 2,6 Prozent oder 374 Personen aus der Gruppe der subsidiär Schutzberechtigten. Diesen müssten nur zumindest die Kernleistungen gewährt werden. Mit einer Kürzung oder gar gänzlichen Streichung würde man aber das Budget auch nicht in den Griff kriegen, argumentierte der SPÖ-Landesrat. In Oberösterreich würden die Ausgaben für die BMS inklusive der Sachleistungen und der Krankenversicherung rund 47,7 Millionen Euro bei einem Gesamtbudget von mehr als fünf Milliarden Euro ausmachen, rechnete er vor. In Oberösterreich soll es laut schwarz-blauer Regierungskoalition nur mehr 365 Euro plus einen an Auflagen gebundenen Integrationsbonus von 155 – also in Summe 520 – statt wie bisher 914 Euro Mindestsicherung geben. Zudem wird vom Bund eine Deckelung der Mindestsicherung für Mehrpersonenhaushalte bei 1.500 Euro verlangt. In den Ländern gibt es Widerstand gegen den harten Kurs des ÖVP-Klubchefs bei der Mindestsicherung. Tirol und Vorarlberg lehnen eine Deckelung und Schlechterstellung von Flüchtlingen ab. Wien – Reinhold Lopatka spielt gern den Scharfmacher. Auf sein Betreiben wurden dem ÖVP-Bundesparteivorstand am vergangenen Samstag Empfehlungen für die Verhandlungen zur Reform der Mindestsicherung vorgelegt. Darin enthalten sind Punkte, die Lopatka seit Wochen trommelt: eine Deckelung der Mindestsicherung für Mehrkindfamilien mit 1.500 Euro im Monat und eine Schlechterstellung von Flüchtlingen, wie sie auch die schwarz-blaue Landesregierung in Oberösterreich fordert. Wer sich in den vergangenen acht Jahren weniger als sieben Jahre in Österreich aufgehalten hat, soll demnach nur 520 Euro bekommen. Derzeit liegt der Mindestsatz für Alleinstehende bei 838 Euro. Konsens ist diese Linie in der ÖVP allerdings keineswegs. Wie dem STANDARD aus der ÖVP bestätigt wurde, gab es auch keine Abstimmung über das Lopatka-Papier. So erklärt sich auch, dass einige schwarze Landesgruppen zum Teil ganz andere Verhandlungspositionen haben, die bei weitem nicht so weit von jener der SPÖ entfernt sind. Tirols Landeshauptmann Günther Platter erklärt auf Anfrage, er habe im ÖVP-Bundesparteivorstand klargemacht, dass uns eine Deckelung der Mindestsicherung aufgrund der hohen Wohnkosten in Tirol nicht zweckmäßig erscheint. Auch von einer Ungleichbehandlung von Flüchtlingen ist im Tiroler Modell, das von der schwarz-grünen Landesregierung vorgelegt wurde, keine Rede. Dasselbe gilt für den Salzburger ÖVP-Landtagsklub. Auch Vorarlberg legt keinen Wert auf eine Schlechterstellung von Flüchtlingen und eine Deckelung. Aus unserer Sicht haben wir ein umfassenderes Modell, meint ÖVP-Klubchef Roland Frühstück. Vorarlberg setzt auf den Ausbau bereits möglicher Sanktionen bei Integrations- oder Arbeitsunwilligkeit. Da können wir in 25-Prozent-Schritten den Lebensbedarf bis null reduzieren, sagt Frühstück. Ein Grund sei aber auch, dass man als familienfreundliches Land bei Mehrkindfamilien nicht mit dem Rasenmäher drüberfahren will. Gespart wird aber bei den Wohnkosten. So müssen Alleinstehende mit Wohngemeinschaften rechnen. Wer mehr will, muss selbst aufzahlen, sagt Frühstück. Dass man einen anderen Weg als die Bundes-ÖVP einschlägt, verhehlt er gar nicht: Wir sind damit ja nicht allein. Ob dadurch die Deckelungspläne obsolet sind, beantwortet er so: Das müssen Sie interpretieren. Ich bin zu lange im Geschäft, das kommentiere ich nicht. Nachdem aber die Länder und nicht Lopatka mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) über einen neuen Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung verhandeln, scheint ein Kompromiss nicht unmöglich. Bei anderen Punkten sind SPÖ und ÖVP ohnehin nicht weit auseinander. So herrscht Konsens, dass Arbeitsanreize ausgebaut werden sollen, indem man in den ersten Monaten nach Annahme eines Jobs einen Teil der Mindestsicherung weiterbeziehen kann. Auch der Ausbau von Sachleistungen statt Geldleistungen ist für die SPÖ denkbar. Und ebenfalls grundsätzliche Einigkeit gibt es darin, dass der Vollzug einheitlicher werden soll. Die Initiative am linken Rand des politischen Spektrums fordert einen Aufbruch und will das System verändern. Wien – Am linken Rand des politischen Spektrums ist eine weitere Initiative gegründet worden, die ihr Anliegen zum Namen gemacht hat: Aufbruch nennt sich die Bewegung, die am 3. und 4. Juni eine Aktionskonferenz abhalten will. Kurz gesagt geht es um Folgendes: Dieses Wirtschaftssystem hat keine Zukunft, es zementiert die globale Ungerechtigkeit. Schluss damit! Das Motto: So wie bisher kann es nicht weitergehen. Zahlreiche Erstunterstützer, die mehrheitlich aus dem linken Lager innerhalb und außerhalb von SPÖ und Grünen kommen, suchen weitere Mitstreiter zur Weltverbesserung. Die Ausgangslage des kollektiven Unmuts: Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau, schlecht bezahlte und unsichere Jobs werden zur Regel. Mindestsicherung und Pensionen stehen unter Beschuss, während der unerhörte Reichtum einiger weniger immer weiter steigt. Frauen schuften sich im Haushalt ab, im Beruf bekommen sie für die gleiche Arbeit weniger Lohn als Männer. Die Mieten können sich viele von uns nicht mehr leisten, und die Zweiklassenmedizin ist längst Alltag. Als Sündenbock für die zahlreichen Missstände büßen die Flüchtlinge. Am Rande der SPÖ gibt es bereits derartige Initiativen, Kompass ist eine davon. Ihr engagiertester Mitstreiter, der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler, ist nach seiner Gehaltsaffäre, als ihm der Doppelbezug aus dem Gemeindebudget um die Ohren flog, allerdings etwas in seinem Aktionsradius eingeschränkt. Die Wiener Initiative Sektion 8 betreibt innerhalb der SPÖ Oppositionspolitik. Neuer Vorschlag soll Weg zu Einigung zwischen Sozialminister und Ländern ebnen. Wien – Im Schatten der Präsidentschaftswahl-Nachwehen gibt es Bewegung bei der Mindestsicherung. Sozialminister Alois Stöger versammelte am Montag die Soziallandesräte bei sich, um Kompromissvarianten auszuloten. In den nächsten Tagen soll nun geklärt werden, ob die Vorschläge endgültig unter Dach und Fach gebracht werden können. Mit Jahresende läuft jedenfalls der bisherige Bund-Länder-Vertrag aus. Steigende Kosten Von den ursprünglichen Verschärfungsvorschlägen der ÖVP bliebe jetzt jedenfalls nicht mehr viel übrig. Lopatka bekräftigte aber noch am Montag unter Verweis auf die steigenden Kosten den Reformbedarf. Wie berichtet, waren die Ausgaben aller Länder im Vorjahr um weitere 117 Millionen Euro auf 870 Millionen Euro gestiegen. Inklusive der Kosten des Bundes für AMS-Leistungen und Krankenversicherung habe man die Milliarde bereits überschritten. Hier muss der Sozialminister die Notbremse ziehen, so Lopatka. Neue Statistik: Insgesamt stieg Bezieherzahl im Vorjahr um 12,8 Prozent auf 180.646 – bei Flüchtlingen Anstieg um 44 Prozent. Wien – Die Zahl der Mindestsicherungsbezieher hat in Wien im Vorjahr wie erwartet einen neuen Rekordwert erreicht. Exakt 180.646 Menschen (plus 12,8 Prozent) waren laut einer am Mittwoch von Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) veröffentlichten Statistik auf diese Sozialleistung angewiesen. Vor dem Hintergrund der Flüchtlingsdiskussion wurde auch aufgeschlüsselt, wie sich die Zahl der Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten in der Mindestsicherung entwickelt hat. Insgesamt handelte es sich bei 17,4 Prozent der Bezieher um Flüchtlinge – 25.730 waren Asylberechtigte, 5.775 subsidiär Schutzberechtigte. Für beide Gruppen zusammengefasst bedeutet das einen Anstieg um 44,3 Prozent gegenüber dem Jahr 2014. Da viele im Vorjahr eingeleitete Asylverfahren noch nicht beendet wurden, ist heuer mit einem weiteren Anstieg zu rechnen. Im Schnitt 311 Euro pro Person Laut dem Wehsely-Büro lag die durchschnittliche Bezugshöhe pro Person im Vorjahr bei 311 Euro monatlich, pro Bezieherhaushalt waren es im Schnitt 557,05 Euro. Wie passt das mit den Mindestsätzen zusammen (für Alleinstehende gibt es aktuell 837,76 Euro, für Paare 1.256 Euro)? 77,4 Prozent der Betroffenen sind sogenannte Ergänzungsleistungsbezieher. Sie leben also nicht ausschließlich von der Mindestsicherung, sondern haben ein geringes Erwerbseinkommen, beziehen Arbeitslosengeld, Notstandshilfe oder haben andere Einkunftarten, die nicht ausreichen, um über die Runden zu kommen. Detaillierte Daten von allen Bundesländern gibt es für das Vorjahr noch nicht, in der Bundeshauptstadt ist aber traditionell mehr als die Hälfte aller Mindestsicherungsbezieher beheimatet. Wie der STANDARD zuletzt berichtete, sind die Gesamtkosten aller neun Länder im Vorjahr um knapp 16 Prozent auf knapp 870 Millionen Euro gestiegen. Schwierige Verhandlungen Auf politischer Ebene wird gerade über einen neuen Bund-Länder-Vertrag zur Mindestsicherung verhandelt. Die meisten Länder wären sich mit Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) weitgehend einig. Allerdings gibt es von der Bundes-ÖVP noch immer den Wunsch nach einer Deckelung der Mindestsicherung bei 1.500 Euro. Diese Grenze kann derzeit bei mehr als zwei Kindern überschritten werden. Stöger schlug zuletzt als Alternative vor, die Kinderzuschläge ab dem siebenten Kind zu senken. Für Lopatka und ÖVP-Sozialsprecher August Wöginger reicht das nicht, sie sprechen von einem finanziellen Placebo. Auch vom ÖVP-Wunsch nach einer reduzierten Mindestsicherung für Asylberechtigte findet sich in den Stöger-Vorschlägen nichts. Rote und grüne Soziallandesräte Was das Ganze noch komplizierter macht: Die Soziallandesräte werden fast durchwegs von SPÖ und Grünen gestellt, die ÖVP ist nur mit Niederösterreichs Landesrätin Barbara Schwarz vertreten. In ihrem Büro wollte man sich am Mittwoch noch nicht festlegen, ob man den jüngsten Vorschlägen Stögers zustimmen kann. Besonders kurios ist die Situation in Oberösterreich. Dort drängt die schwarz-blaue Regierung vehement auf Verschärfungen, die Verhandlungen führt aber SPÖ-Soziallandesrat Reinhold Entholzer, der wegen des Proporzsystems in der Regierung vertreten ist. Inhaltlich sei man aber auf einer Linie mit Lopatka, beteuert der schwarze Landtagsklub in Oberösterreich. Sollte Entholzer also einem Kompromiss zustimmen, der der ÖVP-Linie widerspreche, werde der Bund-Länder-Vertrag nicht von der Landesregierung und vom Landtag angenommen, heißt es. Vorpreschen Oberösterreich will auch unabhängig vom Ausgang der Verhandlungen mit den anderen Ländern das eigene Modell beschließen – und zwar bereits im Juni oder Juli. Dieses sieht wie berichtet vor, dass Asylberechtigte nur 520 Euro (155 Euro davon sind an Integrationsauflagen gebunden) statt der bisher üblichen 914 Euro (Oberösterreich hat höhere Sätze als andere Bundesländer) bekommen sollen. Um Kaufkraftverlust Langzeitarbeitsloser auszugleichen. Wien – Die Grünen fordern anlässlich des Tages der Arbeitslosen die Wiedereinführung der im Jahr 2000 von der schwarz-blauen Bundesregierung abgeschafften Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Die jährliche Anpassung sollte in Anlehnung an die Pensionsvalorisierung gesetzlich festgelegt werden, forderte Sozialsprecherin Judith Schwentner am Samstag. Seit der Abschaffung steige die Höhe eines einmal festgesetzten Arbeitslosengeldes auch dann nicht, wenn ein Mensch über längere Zeit arbeitslos ist. Die betroffene Person verliere daher zunehmend an Kaufkraft und damit an Fähigkeit, ein Leben in Würde zu führen, so die Grüne in einem der APA vorliegenden Positionspapier. Begründet worden sei dies in der Vergangenheit mit der Erhöhung des Anreizes, bei reduzierter Kaufkraft eine Beschäftigung aufzunehmen. Diese Begründung war schon in der Vergangenheit zynisch und realitätsverzerrend und zeugt von nichts mehr als der fehlenden Bereitschaft von Ideologen, sich mit der Lebenssituation von Menschen in Problemsituationen auseinanderzusetzen, kritisierte Schwentner. Angesichts der heutigen Lage sei dies ein offenes Bekenntnis zur Ausgrenzung von Menschen, die es im Leben weniger gut getroffen haben. Die Kosten einer jährlichen Valorisierung der Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung lägen deutlich unter der jährlichen Einnahmensteigerung aus Beiträgen und seien somit bedeckt. Phasen der Arbeitslosigkeit seien mittlerweile Teil normaler Erwerbsbiografien, jeder Arbeitnehmer sei im Schnitt statistisch betrachtet alle 3,5 Jahre für 100 Tage arbeitslos. Eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes ist daher das Mindeste, was Politik derzeit für langzeitarbeitslose Menschen tun kann, forderte die Sozialsprecherin. Neue Analyse: Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft stützen vor allem die Pensionen. Es ist eine gängige Wahrheit an Stammtischen und in Internetforen: 30 Prozent der österreichischen Bevölkerung glauben laut European Social Survey (ESS), dass Ausländer mehr Geld aus Sozialleistungen erhalten, als sie in die staatlichen Töpfe einzahlen. Etwa zwei Drittel gehen davon aus, dass Ausländer pari aussteigen, nur sieben Prozent halten sie für Nettozahler. Was stimmt? Experten aus dem Sozialministerium und dem Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung haben für das Vorjahr nachgerechnet – und geben der kleinen Minderheit im Volk recht. Laut der dem STANDARD vorliegenden Analyse haben Ausländer 2015 etwa 5,3 Milliarden Euro, das sind 9,5 Prozent aller Sozialbeiträge, eingezahlt, aber nur 3,7 Milliarden bzw. 6,1 Prozent der Leistungen herausbekommen. Bei den österreichischen Staatsbürgern dreht sich das Verhältnis um: Sie haben 50,5 Milliarden eingezahlt, aber 57,6 Milliarden erhalten. Pro Kopf gerechnet bekamen Österreicher um 970 Euro mehr, als sie beisteuerten, Ausländer um 1490 Euro weniger. Unter den Einzahlungen sind alle Sozialbeiträge erfasst, nicht aber Steuern, zumal Konsumsteuern nicht nach Staatsbürgerschaft ausgewiesen sind. Gegengerechnet wurden ausschließlich Geldleistungen, wie sie hierzulande 70 Prozent der Sozialausgaben ausmachen. Die Grundversorgung von Asylwerbern etwa ist nicht inkludiert. Es sei das niedrigere Alter, das Ausländer zu Nettozahlern mache, so die Analyse: Überproportional viele sind unter 50 Jahre alt – der Lebensabschnitt, in dem das Gros der Sozialabgaben anfällt. Umgekehrt sind Ausländer bei Leistungen, die im Erwerbsleben fließen, Nettoempfänger: In die Arbeitslosenversicherung zahlten sie 600 Millionen ein und bekamen 800 Millionen heraus, bei den Familienleistungen beträgt der Saldo 600 Millionen zu einer Milliarde. Für die Mindestsicherung, so die Analyse, sei mangels Daten keine genaue Aussage möglich: Einerseits dürfte der Anteil der Ausländer wegen hoher Armutsgefährdung überproportional sein, anderseits sind manche Gruppen nicht voll berechtigt. All das wiegen jedoch die Pensionen auf: Ausländer zahlten 2015 für die Altersversorgung 2,8 Milliarden ein, bekamen aber nur 1,1 Milliarden heraus. In Wahrheit finanzieren Menschen ohne österreichische Staatsbürgerschaft die Pensionen, sagt Marc Pointecker, Koautor aus dem Sozialministerium: Die Idee der FPÖ, eine gesonderte Sozialversicherung für Ausländer einzuführen, würde ins Pensionssystem ein riesiges Loch reißen. Energiewende-Vertrag und europäisch einheitliche CO2-Abgabe als Ersatz für Emissionshandel vorgeschlagen. Wien/Paris – Die am 30. November in Paris beginnende UN-Klimakonferenz werde nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt sicher eine der bestbewachten internationalen Verhandlungen sein, sagte Umwelt- und Landwirtschaftsminister Andrä Rupprechter (ÖVP) am Sonntag in der Fernseh-Pressestunde des ORF. Ihr Stattfinden sei immens wichtig, seine Zielrichtung die Dekarbonisierung der Gesellschaft. Auf EU-Ebene betonte Rupprechter zwei Vorschläge: Zum einen müssten die stark fossil und nuklear ausgerichteten europäischen Energiesysteme massiv in Richtung erneuerbare Energien gesteuert werden. Wir wollen einen Energiewende-Vertrag. Das ist unser Vorschlag, den wir auf den Tisch legen werden. Wir müssen auf jeden Fall heraus aus der Kohle, europaweit. Zweiter Ansatzpunkt sei das nicht wirklich gut funktionierende Emissionshandelssystem. Hier möchte Rupprechter eine europäisch einheitliche CO2-Abgabe als Ersatz diskutieren, um dem Kohlenstoff einen Preis zu geben. Die Voraussetzungen für die Umsetzung einer solchen CO2-Steuer schätze er als sehr gut ein, aus wissenschaftlicher Sicht sei dieser Weg heute Mainstream. In Österreich sei eine Ökologisierung des Steuersystem bei der zuletzt umgesetzten Reform nicht möglich gewesen, bei der nächste Etappe müsse dies aber kommen, betonte der Minister. Zur Mineralölsteuer meinte Rupprechter, diese sei ja auch eine Art CO2-Steuer. Wir müssen über alle diese Fragen diskutieren. Österreich beteiligt sich mit 25 Millionen Dollar für vier Jahre an der Klimafinanzierung, was immer wieder als zu wenig kritisiert wurde. Im kommenden Budget stünden zusätzliche zwölf Millionen Euro zur Verfügung, sagte Rupprechter dazu und verwies zudem auf einen Beitrag Österreichs von 130 Millionen Euro jährlich durch klimarelevante Projekte. Bezüglich eines international verbindlichen Abkommens zur Reduktion der Treibhausgase gab sich Rupprechter, der Österreich beim Gipfel vertreten wird, weiterhin vorsichtig optimistisch. Schließlich hätten bereits mehr als 150 Staaten, darunter die USA und China, im Vorfeld Angebote auf den Tisch gelegt. Rupprechter hat sich kritisch zum Stand der Verhandlungen um das umstrittene Freihandelsabkommen der EU mit den USA, TTIP, geäußert. Ich bin sehr skeptisch, dass es bis zum März zu einem Abschluss kommt, sagte Rupprechter. Auf der Seite der USA gebe es überhaupt keine Bewegung in den Kernthemen, resümierte er nach dem Debriefing über die letzte Verhandlungsrunde. Auch bei den geschützten Herkunftsbezeichnungen wie dem Tiroler Speck gebe es von US-Seite kein Entgegenkommen. Der Gen-Lachs dürfe keineswegs nach Europa kommen. Die Amis sind ein bisschen lax bei der Lebensmittelsicherheit, meinte der Minister. Grundsätzlich sei er für ein Freihandelsabkommen mit den USA, aber es muss ein gutes, faires, ausgewogenes sein. Europa habe keinen Zeitdruck, dass es im März unbedingt zu einem Abschluss kommen müsse. Ein Abkommen könne man auch mit einer späteren US-Administration schließen. Im Skandal um manipulierte Abgaswerte bei VW-Autos sieht der Umweltminister nun den Konzern gefordert. Der VW-Konzern solle seine Energie in die Entwicklung umweltfreundlicherer Antriebssysteme stecken, forderte Rupprechter. Betroffene Autofahrer müssten keine Strafsteuern bezahlen. Das mutmaßlich betrügerische Vorgehen des Auto-Konzerns sei gerichtsanhängig. Angesprochen auf die nun angehobenen Abgaswerte, die bei Tests in der Realität statt im Labor erreicht werden sollen, zeigte sich Rupprechter nicht begeistert. Beschlossen hätten diese Normen die Verkehrsminister, sagte er. Für Grünen-Chefin Glawischnig ist die Zulassungsverlängerung "eine politische Entscheidung" – EU-Fachausschuss in Brüssel könnte ohne Resultat enden. Wien/Brüssel – Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) hat am Dienstag vor dem Ministerrat erklärt, er verlasse sich bei der Zulassungsverlängerung des Pestizids Glyphosat auf das Urteil der Experten. Dem widersprach Grünen-Chefin Eva Glawischnig zuvor im Gespräch mit der APA: Es ist eine politische Entscheidung. Die Entscheidung auf EU-Kommissionsebene falle auf der Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse unter Beteiligung österreichischer Experten der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (Ages), war hingegen Rupprechters Standpunkt. Dass ebendiese Ages-Experten einer Wiedereinführung das Wort reden, werde er auch nicht mittels Weisung ändern. Dafür gebe es keine Notwendigkeit, so Rupprechter: Er verlasse sich auf deren fachliche und wissenschaftliche Entscheidung. Diese Entscheidung könnte heute beim Ständigen Ausschuss für Pflanzen, Tiere, Lebensmittel und Futtermittel in Brüssel gefällt werden. Es ist ein extrem umstrittenes Produkt, sagte Glawischnig zuvor zu dem Pestizid, das von der internationalen Agentur für Krebsforschung der WHO als wahrscheinlich für den Menschen krebserregend eingestuft worden ist. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) stufte eine krebserregende Gefahr wiederum als unwahrscheinlich ein. Glawischnig rechnete aber nicht damit, dass es noch am Dienstag zu der von der EU-Kommission angepeilten Verlängerung der Zulassung um 15 Jahre kommt: Nachdem sich Deutschland enthalten wird, ist eine qualifizierte Mehrheit wohl nicht möglich. Die Grünen haben bereits im April des Vorjahres drei Anträge zu Glyphosat eingebracht, die sie am Dienstag mittels Fristsetzungsantrag auf die Tagesordnung im Parlament setzen. Dabei geht es um die Verwendung des Substanz in Österreich und Österreichs Positionierung im Rahmen der europäischen Entscheidung zur Zulassungsverlängerung. Wenn es um gesundheitliche Bedenken geht, oder um gesundheitliche Risiken, dann gilt aus unserer Sicht das Vorsorgeprinzip, sagte Glawischnig. Das heißt, solange die Unbedenklichkeit nicht bewiesen ist, soll es keine Zulassung geben. Im heutigen Ausschuss sitzen Vertreter der zuständigen Ministerien in den Mitgliedsstaaten. Sie müssen über den Vorschlag der EU-Kommission entscheiden. Gibt es keine Mehrheit im Ausschuss, kann die EU-Kommission gegen die Entscheidung Einspruch einlegen und sie einem sogenannten Einspruchsausschuss vorlegen. Kommt es auch dort zu keiner Einigung, liefe die Zulassung für Glyphosat aus. 100 Tage nach dem Gipfel von Paris fehlt es weltweit und in Österreich an der Umsetzung der Ziele. Wien – 100 Tage nach dem Klimagipfel in Paris erinnert der Chef des Umweltbundesamtes (UBA), Georg Rebernig, daran, dass die hochgesteckten Ziele erst einmal umgesetzt werden müssten. Das gelte auch für Österreich. Rebernig: Die internationale Aufbruchstimmung und das Bewusstsein einer breiten Bevölkerungsschicht für weitreichende Maßnahmen waren nie größer. Dennoch ist die Erreichung der Ziele von Paris noch lange nicht gewährleistet, die Wende bei weitem nicht geschafft. Für Österreich, das sich über seine sich aus der EU-Mitgliedschaft ergebenden Verpflichtungen hinaus gerne als Pionier positioniert, ist etwa eine hundertprozentige Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Energien bis 2030 vorgesehen. Allerdings müsse der Verzicht auf Kohle, Öl und Gas auch in anderen Sektoren gelingen, mahnt das UBA. Die Preise für fossile Energieträger müssen schrittweise erhöht, Abgaben auf Arbeit gesenkt werden, zudem sind klimaschädliche Förderungen wie das Pendlerpauschale zu überdenken, unterstreicht Rebernig eine Forderung, die seit langem auch vom Umweltdachverband (UWD) erhoben wird. Die Umweltschützer fordern, gleichzeitig den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, die Erhöhung der Sanierungsrate von Gebäuden und Intensivierung in Forschung und Entwicklung als Investitionsprogramm zur Schaffung von Beschäftigung und nachhaltigem Wirtschaftswachstum zu nützen. Rebernig will diese Anliegen in der geplanten Klima- und Energiestrategie verankert sehen. Auf globaler Ebene sei als nächster Schritt entscheidend, die Beschlüsse des Pariser Klimagipfels möglichst rasch völkerrechtlich und für alle Staaten verbindlich zu machen. Nur so wäre gewährleistet, dass die Umsetzung der Maßnahmen international überwacht werden kann. Zusätzlich ist es eine politische Voraussetzung für die Finanzierung von Maßnahmen in ärmeren Staaten durch die Industrieländer. Der Rechnungshof übt schwere Kritik an der Beschaffung des Truppenfunksystems Conrad, mit dem das Bundesheer in den vergangenen Jahren ausgerüstet worden ist. Beim Militär weist man die Vorwürfe zurück, dort ist man mit Conrad zufrieden. Wien – Combat Net Radio, kurz Conrad, war eines der größeren Beschaffungsprojekte, die das Bundesheer im vergangenen Jahrzehnt realisieren konnte - und mehr als ein Jahrzehnt hat es auch gedauert, bis die neuen Funkgeräte endlich bei der Truppe eingeführt werden konnten. Der Rechnungshof (RH) hat den Kauf nun durchleuchtet und kräftig dreingefunkt: Die vom deutschen Anbieter Telefunken gekauften Geräte seien teurer geworden als geplant, sie wurden verspätet geliefert, die versprochene österreichische Wertschöpfung sei nicht erreicht worden. Und überhaupt sei fraglich, ob man die letztlich 85,87 (statt geplanter 72) Millionen Euro teuren Systemkomponenten überhaupt alle braucht. Im Bundesheer weist man die Kritik zurück: Sicherlich hätte man das System gebraucht, das war schon in den späten 1990er Jahren klar. Damals war die österreichisch-ungarische Grenze ein Hotspot des Bundesheer-Einsatzes - die Soldaten sollten (lange vor dem ungarischen Schengen-Beitritt) verhindern, dass Flüchtlinge über die grüne Grenze geschleppt werden - wobei es unter anderem deshalb Pannen gab, weil die Schlepper den militärischen Funkverkehr abhören konnten. Der wurde damals - und wurde bis ins vorige Jahr - mit Funkgeräten aus den 1970er Jahren abgewickelt. Im Jahr 2000 wurde dann die Beschaffung eines abhörsicheren, automatisch verschlüsselnden Systems für den Truppenfunk geplant - und die Planung gleich wieder auf Eis gelegt, weil damals die Abfangjägerbeschaffung höhere Priorität hatte. Erst im Juni 2004 wurde auf Basis des (wenn auch überarbeiteten) alten Pflichtenheftes mit einer Interessentensuche begonnen - Bieter wurden eingeladen, teilweise ausgeschieden und dann doch wieder aufgenommen, bis endlich der Auftrag an Telefunken ergangen ist. Der deutsche Lieferant sollte zumindest 55 Prozent Wertschöpfung in Österreich generieren - seit 2011 stand fest, dass das nicht erfüllt werden kann. Dem Bundesheer werfen die RH-Prüfer vor, dass es keine Gesamtplanung (zu jener Zeit wurde gerade das verunglückte Konzept Bundesheer 2010 entwickelt) und eine ungenügende Planung der finanziellen Folgen hatte. Das Verteidigungsministerium habe es auch verabsäumt, sich von sämtlichen Bietern Nachweise der beruflichen Zuverlässigkeit sowie der finanziellen und wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit vorlegen zu lassen und diese zu prüfen. Und schließlich seien - ungeplant - noch Zusatzbeschaffungen getätigt worden. Vom Heer werden die Vorwürfe zurückgewiesen. Zwar habe es länger als ursprünglich vorgesehen gedauert, alle Funker am neuen Gerät auszubilden und die gesamte Infrastruktur zur Truppe zu bringen - dafür habe man aber nun genau das bekommen, was man brauche. Im am Dienstag veröffentlichten Rechnungshofbericht üben die Prüfer auch Kritik am Integrationsfonds: Von diesem seien Liegenschaften ohne Zustimmung der zuständigen Fondsbehörde (im geprüften Zeitraum war das das Innenministerium) verkauft worden. Bei einer gemieteten Liegenschaft - dem Haus der Bildung und beruflichen Integration (Habibi) - habe man eine zu große Fläche angemietet, die im aktuellen Betrieb nicht genutzt wird. Aus dem Mietvertrag kann der Fonds allerdings nicht aussteigen. Kernvorwurf ist, dass der Österreichische Integrationsfonds (ÖIF) die 33 Eigentumswohnungen viel zu billig verkauft habe - der durchschnittliche Quadratmeterpreis betrug 822 Euro, rechnet der RH vor. Damit sei er im Schnitt rund 233 Euro unter dem Durchschnittswert für gebrauchte Eigentumswohnungen mit einfachem Wohnwert gelegen. Und auch zum Medientransparenzgesetz gab es einen Bericht: Hier wirft der Rechnungshof der Bundesimmobiliengesellschaft Verstöße gegen die Kennzeichnungspflicht und das Kopfverbot in Anzeigen vor. Der Hubschrauberstützpunkt in Vomp soll aufgelassen werden. Landeshauptmann Platter schaltet den Bundespräsidenten ein. Innsbruck – Das geplante Aus für den Hubschrauberstützpunkt des Bundesheeres in der Frundsberg-Kaserne in Vomp im Tiroler Unterland stößt auf heftigen Widerstand bei Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Er werde Bundespräsident Heinz Fischer als Oberbefehlshaber des Heeres in dieser Angelegenheit kontaktieren, erklärte Platter am Dienstag bei der Pressekonferenz nach der Sitzung der Landesregierung. Ob der Klug klug ist, weiß ich nicht, kritisierte der Landeschef die Vorgangsweise von Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ). Ein entsprechender Brief des Ministers sei ein Schlag ins Gesicht gegen die Interessen des Westens. Platter betonte die Wichtigkeit des Stützpunktes für den Fall von Naturkatastrophen wie etwa jüngst im Paznaun und im Sellrain. Wir brauchen einen Hubschrauber, der permanent dort stationiert ist. Ich beharre darauf. Den Vorschlag des Ministeriums, lediglich in Zeiten erhöhter Gefährdung – etwa bei hoher Lawinenwarnstufe – präventiv und zeitlich begrenzt Hubschrauber nach Tirol zu entsenden, lehnte Platter kategorisch ab. Es könne nicht sein, dass der Hubschrauber nur noch sporadisch aufgestellt werde und gleichzeitig wolle man auch noch Geld vom Land Tirol. Auch sein Vorschlag, dass Tirol selbst einen Hubschrauber ankaufe, sei abgelehnt worden. Als es dann geheißen habe , dass der Betrieb zu teuer sei, habe Tirol angeboten, die Mehrkosten zu übernehmen. Das Geld kann es nicht sein, vermutete Platter andere Gründe für den Plan des Verteidigungsministers. Die Vomper Kaserne soll im Zuge der Umstrukturierungen im Heer noch heuer geschlossen werden. Juristin deckte Verfassungsbruch im Verteidigungsministerium auf – und ortet Mobbing gegen eine Transgender-Person. Wien – Monika Donner ist viel gewohnt, auch und gerade in rechtlichen Auseinandersetzungen. Aber dass die Juristin im Verteidigungsministerium – von ihrem Vorgesetzten wegen ihrer Führungsqualitäten und wegen ihrer uneingeschränkten Loyalität dem Dienstgeber, der Truppe und mir ausdrücklich gelobt – in der Vorwoche als Nazi denunziert wurde, hat selbst sie schockiert. Was mir passiert, das ist Nötigung – und es ist Mobbing gegen eine Transgender-Person, sagte Donner im Gespräch mit dem STANDARD. Am Montag der Vorwoche wurde sie von der Abteilung Disziplinarwesen des BMLVS in Kenntnis gesetzt, dass eine Mitteilung an die Staatsanwaltschaft ergangen ist, weil sie üblicherweise dem Nationalsozialismus zuzuordnende Äußerungen getätigt habe. Mir zu unterstellen, dass ich ein Nazi wäre, ist bei meiner Biografie absurd, sagt die Frau, die eine Karriere als Panzeroffizier hinter sich hatte, bevor sie erstritten hat, dass sie auch ohne geschlechtsanpassende Operation als Frau leben und arbeiten darf. TV-Auftritt Anlass der Anzeige sind Formulierungen, die Donner in der Puls-4-Sendung Gültige Stimme am 18. Mai verwendet hat – dabei verwies sie darauf, dass jeder, der unliebsame Meinungen vertritt, Gefahr laufe, als Nazi abgestempelt zu werden. Dass ihr das passiert ist, habe genau diesen Grund: Donner erstellte eine Analyse der österreichischen Sicherheitslage, leitete diese nicht nur innerhalb ihres Ressorts, sondern auch ans Parlament weiter und stellte sie unter dem Titel God bless you, Putin auch als E-Book zum Download auf ihre Website. Sie weist darin darauf hin, dass entgegen den politischen Äußerungen keineswegs eine zehnjährige Vorwarnzeit für einen Österreich bedrohenden militärischen Konflikt bestehe: Am Beispiel der Panzertruppe wird ersichtlich, dass mit 40 Kampfpanzern, die nicht einmal für unser einziges Panzerbataillon (Sollbestand: 60 Kampfpanzer und 300 Soldaten) reichen, die postulierte lageangepasste Aufwuchsfähigkeit nicht sichergestellt werden könnte. Verfassungswidrig organisiert Donner verweist zudem darauf, dass das Bundesheer verfassungswidrig organisiert ist – laut Bundesverfassung müsste es ein Milizheer sein, tatsächlich wird aber die Berufskomponente immer stärker. Auch müsse man von der Fiktion eines 55.000-Mann-Heeres abgehen und wieder für die Größenordnungen der 1980er-Jahre planen, also 240.000 Mann plus Reserven. Dies aber in der kostengünstigen Milizvariante, bei der Berufsmilitärs kaum eine Rolle spielen würden. Im STANDARD-Gespräch sagt Donner, dass die Angriffe auf sie und ihre Fachmeinung auch mit der geplanten Neuorganisation des Ministeriums zusammenhängen könnten – ihr Referat soll demnächst mit der Abteilung Personalführung in den direkten Einflussbereich des Ministers verschoben werden. Diese Umstrukturierung wird auch von Ex-Generalstabschef Edmund Entacher im Profil scharf kritisiert: Das Heer werde unzuverlässig. Verteidigungsminister Gerald Klug wirbt für ein größeres Engagement Österreichs in Westafrika – denn nur wenn es Österreich im europäischen Kontext gelinge, in Afrika für Stabilität zu sorgen, könnten die Ursachen für Migration eingedämmt werden.. Es geht natürlich um wohlinszenierte Bilder. Vor allem jenes, auf dem Soldaten aus Mali vor dem österreichischen Minister, seiner deutschen Amtskollegin Ursula von der Leyen und seinem spanischen Kollegen Pedro Morenés Eulate strammstehen, dürfte der Eitelkeit des Österreichers geschmeichelt haben. Der Anlass ist beinahe eine Nebensache: Der deutsche Brigadegeneral Franz Pfrengle hat das Kommando der EU-Mission in Mali vom spanischen General Alfonso García-Vaquero Pradal übernommen. Was dabei der österreichische Minister zu tun hat? Klug ist bemüht darum, hier den Eindruck einer Werbung in eigener Sache zu vermeiden. Es gehe nur um die Sache selber. Und das ist eine große Sache, eine, die viel grundsätzlichere Bedeutung hat als es die Zahl der derzeit acht österreichischen Soldatinnen und Soldaten bei der European Union Training Mission Mali vermuten ließe. Wer Österreich schützen und verteidigen will, der muss dort für Stabilität sorgen, wo Krisen herrschen, argumentiert Klug unter Hinweis auf die großen Ströme von Migranten, die durch Mali geschmuggelt werden. Menschen- und Drogenschmuggel werden von örtlichen Machthabern als ureigenstes Privileg betrachtet – was neben islamistischen Anschlägen ein Hauptgrund für Unruhen und Terroranschläge auf die staatliche Zentralgewalt in Mali sei. Deshalb müsse sich Österreich eben in Mali engagieren. Nicht nur mit den acht Heeresangehörigen bei der EU-Truppe (jährliche Kosten: etwa 700.000 Euro), deren Zahl auf 20 aufgestockt werden soll, sondern auch bei der UN-Mission Minusma, die im Norden Malis für Ordnung sorgen soll. Worum es dabei geht, erläutert die – erfrischend unmilitärisch wirkende – Kommandantin des österreichischen Kontingents, Oberstleutnant Ingrid Cap: Die malische Armee kämpft im Norden und ist dabei nicht sehr erfolgreich. Die Mission EUTM Mali hat rein die Aufgabe, die Soldaten hier im Süden des Landes auszubilden – und es gibt die Kritik, dass wir sie nicht in den Einsatz begleiten. Diese Trainingsmission sei relativ erfolgreich (was auch Klug von den malischen Politikern zu hören bekommt, die er im Lauf seines Arbeitsbesuchs trifft), denn der Zustand der malischen Truppen ist nach den Unruhen von 2012/13 in einem durchaus verbesserungswürdigen Zustand. Das Problem ist: Es mangelt an Führungsstruktur und an Disziplin, sagt Cap. Oft käme es vor, dass die von EUTM auszubildenden Soldaten zwar in der Früh zur Fortbildung antreten, dann aber verschwinden und nicht mehr gesehen werden. Was soll man tun, wenn die lokalen Kommandanten davonlaufen? Sie besser schulen, lautet die Aufgabe der EUTM. Ebenso die einfachen Soldaten: Häufig gefährden sie sich und andere durch ihr unprofessionelles Verhalten. Österreichische Militärmediziner berichten von einem Fall, wo ein durch Fasten im Ramadan geschwächter malischer Soldat seine Waffe nur mehr am Abzug halten konnte – und sich prompt in den Fuß geschossen hat. Der Fuß konnte gerettet werden – gut für den betroffenen Soldaten, gut aber auch für den Truppenarzt und das Bundesheer. Denn nur bei derartigen Auslandseinsätzen können österreichische Soldaten ihr Können realitätsnah erproben – die meisten österreichischen Notfallchirurgen bekommen (glücklicherweise) nie Schussverletzungen zu sehen, geschweige denn zu behandeln. Klug tritt daher entschlossen der Kritik entgegen, dass er mit solchen Auslandseinsätzen die Landesverteidigung im Inland vernachlässige: Verstehen Sie mich nicht falsch: Im Bereich der klassischen Landesverteidigung sind Fähigkeiten notwendig, die nicht verloren gehen dürfen. In den Auslandseinsätzen werde es künftig zu tendenziell (etwa im Vergleich mit dem Kosovo) kleineren, aber robusteren Missionen kommen – weshalb er mit der ÖVP über eine Beteiligung an der Minusma-Truppe verhandeln werde. Vonseiten der Minusma gebe es Interesse, ebenso von Malis Präsidenten Ibrahim Boubacar Keita – und schließlich sei er sich darüber auch mit von der Leyen einig. Mit allen hat er bei seinem kurzen Mali-Aufenthalt verhandelt (oft den Zeitplan überziehend) – und schließlich noch ein von der Caritas finanziertes Projekt für Straßenkinder besucht. Denn eine Verbesserung der Sozialsituation und der Infrastruktur wäre die Voraussetzung, um den Menschen in Mali selbst eine Zukunft zu geben und den gewaltigen Emigrationsdruck zu bremsen. (Conrad Seidl aus Bamako, 31.7.2015) Österreichische Soldaten könnten Schutzzonen sichern und betreiben, sagt der Verteidigungsminister. Wien – Die aktuellen Flüchtlingsströme könnten nur durch Stabilität und Sicherheit in den Krisenregionen gestoppt werden. Die EU-Staaten müssten daher gemeinsam dort für Stabilität und Sicherheit sorgen, wo Krieg und kriegsähnliche Zustände herrschen. Österreich stünde für entsprechende militärische Missionen zur Verfügung, sagte Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) im Interview mit der APA. Auch für einen Assistenzeinsatz an den österreichischen Grenzen sei das Militär bereit. Noch seien etwaige Stabilisierungsschritte in Syrien offen, sollte es zur Errichtung von Schutzzonen kommen, könnte das österreichische Bundesheer im Betreiben und im Sichern dieser Schutzzonen einen Beitrag leisten. Unsere Soldaten werden dafür ausgebildet. Wir haben die Profis dafür und wir würden dafür zur Verfügung stehen, so Klug. Die Voraussetzung dafür sei natürlich ein UN-Mandat. Grundsätzlich brauche es aber einen Maßnahmenmix im Umgang mit den Flüchtlingsströmen. Neben der Ursachenbekämpfung brauche es eine engere Abstimmung zwischen internationaler Sicherheitspolitik und Entwicklungszusammenarbeit. Bei der Verknüpfung dieser beiden Punkte gebe es noch Verbesserungsmöglichkeiten, sagte der Minister. Was die Zusammenarbeit innerhalb der EU betrifft, sieht Klug zwei Lösungsansätze. Einerseits könnten besonders geforderte Einzelstaaten bilateral unterstützt werden, etwa beim Betreiben von Flüchtlingslagern. Und anderseits sollen an den EU-Außengrenzen etwa in Italien, Griechenland und Ungarn Erstaufnahmezentren errichtet und von der EU gemeinsam mit dem UNHCR und den betroffenen Staaten betrieben werden. Ich bin sehr optimistisch, dass wir auf EU-Ebene einen guten nächsten Schritt setzen werden, setzen werden müssen. Skeptisch zeigt sich Klug darüber, dass man Flüchtlinge mit einer stärkeren Sicherung der EU-Außengrenzen bremsen könnte. Menschen, die vor Terror, Krieg und Tod flüchten, lassen sich auch durch einen Stacheldraht nicht aufhalten. Das ist eine Illusion. Daher müsse man zu einen System kommen, wo Menschen legal nach Europa einreisen können. Erstaufnahmezentren an der EU-Außengrenze wären ein guter Weg. Man müsse zur Kenntnis nehmen, dass Menschen gezwungen sein werden zu flüchten, solange in den Krisenregionen keine Sicherheit und Stabilität herrsche. Es ist vielleicht eine banale Erkenntnis: Aber ohne Sicherheit ist vieles nichts. Deswegen gewinne der afrikanische Kontinent für die Sicherheit Europas und Österreichs an Bedeutung und deswegen leiste Österreich hier mit seinen Auslandsmissionen einen solidarischen Beitrag. Derzeit sind rund 1.000 Soldaten an internationalen Friedensmissionen beteiligt und diese gemessen an der Größe des Landes hohe Zahl will Klug beibehalten. Das Halten diesen hohen Niveaus ist mir politisch wichtig und ist ein deutliches Zeichen für internationale Solidarität. Klug bekräftigte, dass das Bundesheer auch für einen Assistenzeinsatz an den österreichischen Grenzen zur Verfügung stünde. Er betonte aber, dass man hier der Bevölkerung reinen Wein einschenken müsse. Dadurch würde kein einziger Flüchtling weniger kommen. Wir können sie nur aufgreifen und bis zur nächsten Polizeistation bringen und übergeben. Das Bundesheer stehe aber grundsätzlich zur Verfügung. Wir haben die Soldaten dafür. Wenn das Innenministerium der Meinung ist, dass die Polizei an ihre Kapazitätengrenze stößt und das Bundesheer anfordert, würden wir zur Verfügung stellen. Signale für einen baldigen Assistenzeinsatz habe er aber nicht erhalten, sagte der Minister. Das Militär unterstützt das Innenministerium schon jetzt beim Transport, bei der Verpflegung, beim Aufbau von Flüchtlingsquartieren sowie mit Quartieren selbst. Seit Anfang August stellten insgesamt über 900 Angehörige des Bundesheeres rund 80 Zelte auf, transportierten und bauten rund 900 Feldbetten auf, richteten Unterkünfte ein, transportierten die Flüchtlinge in ihre Quartiere und verpflegten sie. Das Bundesheer legte dafür bereits über 11.000 Kilometer zurück. Die Küche der Schwarzenberg-Kaserne bereitete seit Beginn über 4.000 Tagesportionen zu und verteilte das Essen vor Ort. Allein am vergangenen Wochenende waren insgesamt rund 200 Soldaten eingesetzt. Derzeit sind zwischen 50 und 100 Soldaten im Einsatz. Die Kapazitäten reichen aber bis zu 500. Darüber hinaus sind zurzeit rund 800 Flüchtlinge in Liegenschaften des Bundesheeres untergebracht. Die Standorte sind Wals-Siezenheim mit rund 220 Personen, Klosterneuburg mit 250 Personen, Freistadt (70 Personen), Vomp (100) und Fehring (150). In Hörsching ist die Unterbringung von rund 100 Personen geplant. Der Verteidigungsminister besuchte die Truppe in Bosnien. Das Heer soll auch Frankreich unterstützen. Wien/Sarajevo -Der Terminkalender eines Verteidigungsministers lässt mitunter auch ungewöhnliche Veranstaltungen wie eine Sauna-Eröffnung nicht aus: Im Camp Butmir in Sarajevo durfte Ressortchef Gerald Klug (SPÖ) den österreichischen Soldaten neben steirischem Speck heuer auch ein wohlig-warmes Weihnachtsgeschenk präsentieren. Klug bekannte sich bei dieser Gelegenheit zu den Westbalkan-Missionen des Bundesheers. Dort beteiligt sich Österreich auch mit den meisten Soldaten, nämlich über 500 im Kosovo, 200 in Bosnien und einer Reserve von 130 in Österreich. Es ist mir ein großes Anliegen, dass das österreichische Bundesheer einen Teil zu einer nachhaltig engagierten Westbalkan-Politik beiträgt, sagte Klug vor Journalisten. Österreich habe ein ureigenstes Interesse, dass sich die Region friedlich und stabil weiterentwickeln kann. Im Camp Butmir stößt das auf offene Ohren, ist die Lage im Land doch auch rund um den 20. Jahrestag des Dayton-Friedensabkommens noch immer angespannt. Die Wunden des Krieges, der zwischen 1992 und 1995 wütete, seien immer noch tief, berichten österreichische Beobachter in Sarajevo. Die Volksgruppen der Serben, Kroaten und Bosniaken leben getrennt – das gelte für Kindergärten genauso wie für die Skiberge rund um die Hauptstadt Sarajevo, wo die Spuren der Kämpfe heute noch deutlich sichtbar sind. Die Soldaten der Mission EUFOR-ALTHEA beobachten in sogenannten LOT-Häusern die Lage: Sie leben vor Ort und halten Kontakt zu Bürgermeistern und Bürgern. Von Demonstrationen über Exhumierungen von Massengräbern bis zur Hundeausstellung, werde alle verfolgt, wie Oberstleutnant Karl Kemethofer erzählt. Österreich stellt zudem Transport- und Rettungshubschrauber und trainiert die bosnischen Streitkräfte in der Lagerung und Vernichtung von Munition im gesamten Staatsgebiet. Bis 2017 sollte auch die Entminung fertig sein, Oberst Jürgen Schlechter rechnet allerdings damit, dass es noch zehn Jahre länger dauern wird. Auch hier schlägt der ethnische Konflikt durch: Es komme durchaus vor, dass ein Feld drei mal geräumt werde – von jeder Volksgruppe ein Mal. Im feucht-kalten Nebel wird das heurige Weihnachtsgeschenk des Ministers durchaus eine willkommene Abwechslung für die heimischen Soldaten sein: Im ehemaligen US-Postamt haben sie in ihrer Freizeit eine Sauna gebaut, die nun gesegnet und eröffnet wurde. Und weil ohne das leibliche Wohl ein guter Einsatz letztlich nicht bewältigbar ist, hatte Klug noch sechs Körbe mit Speck, Salami und Verhackertem im Gepäck. Man werde das Engagement nach Kräften so lange fortführen, bis die internationale Präsenz und Unterstützung nicht mehr erforderlich sei, sagte Klug. Auf Fragen nach der Truppenstärke ging Klug nicht konkret ein: Wir sind im Moment grundsätzlich gut aufgestellt. Persönlich würde er sich wünschen, dass sich die Region rascher entwickle. Klug rechnet damit, dass noch vor Weihnachten Klarheit herrschen wird, in welcher Form Österreich Frankreich nach den Terror-Anschlägen in Paris Beistand leisten wird. Aus Militärkreisen heißt es, dass das Bundesheer die Franzosen in Mali mit Transportflügen mit der C-130 Hercules unterstützen dürfte. Österreich ist jetzt schon im afrikanischen Mali aktiv, derzeit nehmen sechs Personen an der dortigen EU-Trainingsmission (EUTM) teil. Ab Februar sollen außerdem 15 Bundesheer-Soldaten an der UNO-Mission MINUSMA teilnehmen. Zuletzt hatte Deutschland angekündigt, bis zu 650 Soldaten nach Mali zu schicken, um Frankreich für den Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu entlasten. Klug will Frankreich eher im Bereich Logistik und Transport unterstützen. Dass es sich dabei konkret um Hercules-Flüge bei der Mali-Mission handelt, wollte Klug noch nicht bestätigen. Er wolle den laufenden Gesprächen nicht vorgreifen. Derzeit koordinieren sich auf Beamtenebene Außen-, Innen- und Verteidigungsministerium. Klug erwartet eher eine militärische als zivile Unterstützung für Frankreich, eventuell auch eine Kombination aus einem Beitrag seines Ressorts und des Außenministeriums. Grüner Sicherheitssprecher hält Grundwehrdiener für Grenzeinsatz "vollkommen ungeeignet" und Bundesheer-Einsatz in Griechenland für "Schnapsidee". Wien – Gerade eineinhalb Wochen im Amt, muss sich der neue Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) schon harsche Kritik vom Grünen Sicherheitssprecher Peter Pilz anhören: Grundwehrdiener wären für einen Flüchtlingseinsatz an der Grenze völlig ungeeignet, die Überlegung, das Bundesheer nach Griechenland zu schicken, sei eine Schnapsidee, schimpfte Pilz am Freitag bei einer Pressekonferenz. Überhaupt ist Pilz mit der Performance der Regierung in der Flüchtlingskrise alles andere als zufrieden: Wie ein Blick auf die Daten des World Food Programme zeige, habe Deutschland heuer schon fast 120 Millionen US-Dollar locker gemacht, aber Österreich null – immer dasselbe. Hilfe vor Ort sei das wichtigste, betonte Pilz, und das System der jordanischen staatlichen Flüchtlingshilfe sei längst an den Kapazitätsgrenzen angelangt. Tausende versuchten, nach Europa zu kommen, weil sie vor Hunger flüchten. Flaschen und Pfand Die Flaschen in der Bundesregierung wüssten das seit Jahren, Ansagen, man müsse vor Ort helfen, seien aber leeres Geschwätz, wetterte Pilz. Die Regierung sollte dem WFP zumindest 27 Cent überweisen, findet der Grüne Abgeordnete: Das ist das Flaschenpfand für Kurz, das Flaschenpfand für Doskozil und das Flaschenpfand für Mikl-Leitner. Neben Außenminister Sebastian Kurz und Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (beide ÖVP) schoss er sich besonders auf den neuen Chef des Bundesheers ein: Eine temporäre Verlängerung des Grundwehrdienstes zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hält Pilz für Quatsch. Es sei überhaupt völlig sinnlos, Grundwehrdiener an die Grenze zu stellen, lernten diese doch ohnehin nur Kloputzen, Erdäpfelschälen und Offiziere bedienen. Im Bundesheer heißt es, dass es sich um Planungsvarianten handle, die aus heutiger Sicht nicht notwendig sind, da man den Einsatz auch mit Berufssoldaten noch aufstocken könnte. Nationaler Sicherheitsrat Auch Doskozils Überlegung, Bundesheer-Angehörige zur Sicherung der EU-Außengrenze nach Griechenland schicken, findet bei Pilz keinen Anklang. Ich halte das alles für groben populistischen Unfug, weshalb er den Nationalen Sicherheitsrat einberufen lassen werde, erklärte der Abgeordnete. Dort will er auch angebliche österreichische Waffenlieferungen in Kriegsgebiete thematisieren. Weiteres Thema werde ein vernünftiger Grenzschutz sein, wo sich Pilz eine ordentliche Registrierung der Ankömmlinge inklusive Fingerabdrücken wünscht. Die Kritik des Grünen Sicherheitssprechers reichte auch über die Landesgrenzen hinaus: Er sei dafür, auch beim Budget der EU anzusetzen, um Österreich zu entlasten. Man müsse Warschau und Budapest klarmachen, dass es nicht in Stein gemeißelt sei, dass sie Budget aus unserem Steuergeld bekommen und wir alle Flüchtlinge. Neue Verträge sehen massive finanzielle Verschlechterungen und Ende der Fliegerkarriere mit 53 Jahren vor. Wien – Als wären die Probleme rund um das Bundesheer nicht schon groß genug, tut sich jetzt für den neuen Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) eine weitere Front auf. Dem Militär laufen jetzt auch noch die Piloten davon. Auslöser sind neue Dienstverträge, die dem Nachwuchs massive finanzielle Verschlechterungen bringen und die Fliegerkarriere mit 53 Jahren verpflichtend beenden. Damit sind wir gegenüber privaten Unternehmen kaum noch konkurrenzfähig. Dabei haben wir jetzt schon enorme Nachwuchsprobleme, klagt ein Offizier in den Oberösterreichischen Nachrichten. Verschärfend kommt hinzu, dass diese Verträge ein Ende der Fliegerkarriere mit 53 Jahren verpflichtend vorsehen. Bis vor zwei Jahren starteten die Piloten ihre Karriere mit befristeten Verträgen – Offiziere zwölf Jahre, Unteroffiziere acht Jahre. Danach folgte der Umstieg auf ein unbefristetes Dienstverhältnis. Die neuen Verträge vereinheitlichen die Befristung auf zehn Jahre, verschlechtern das Gehalt deutlich und werden erneut mit einer Befristung fortgesetzt. Diese sieht vor, dass das Abheben mit den Flächenflugzeugen oder Hubschraubern verpflichtend mit 53 Jahren endet. Danach müsse zwar niemand das Heer verlassen, es gebe aber nur noch deutlich schlechter dotierte Jobs am Boden für die fliegerische Elite. Die Konsequenz: Alleine bei den Hubschraubern droht heuer bzw. 2017 eine regelrechte Fluchtbewegung. Die Rede ist von bis zu acht Piloten, die ihren Dienst beim Heer nach der ersten Befristung quittieren wollen. Bei den Flächenflugzeugen sollen ebenfalls etliche Piloten-Abgänge bevorstehen. Die Zahlen will der Chef des Kommandos Luftunterstützung (LuU), Brigadier Andreas Putz, zwar nicht bestätigen. Er macht sich allerdings große Sorgen um die Zukunft. Wir brauchen dringend Piloten. Von den Oberösterreichischen Nachrichten zu den Sorgen der Luftstreitkräfte befragt, signalisierte Minister Doskozil Unterstützung: Ich habe schon erfahren, dass es Probleme gibt. Dass wir viele Piloten verlieren, darf sicher nicht passieren. Grünen-Abgeordneter Pilz prangert weitere Ausfuhrbewilligungen für Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate an. Wien – Nach der Genehmigung von Granatenlieferungen an die Saudis und an die Emirate prangert Peter Pilz weitere Ausfuhrbewilligungen der Republik für Waffen an, die die beiden Staaten bei heimischen Rüstungsbetrieben geordert haben. Auf Anfrage im Hauptausschuss des Nationalrats hat Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) dem Grünen eine Liste übermittelt, die dem STANDARD vorliegt – und die penibel anführt, wie viele positive Bescheide Österreich seit 2006 bis Anfang des heurigen Jahres für das Königreich und die arabische Förderation ausgestellt hat. Für Saudi Arabien wurden insgesamt 22 Ausfuhrbewilligungen erteilt, im Detail für 22.105 Stück Granaten, 379 Granatwerfer, 10.636 Maschinenpistolen, fünf Stück Munition und zwölf Feuerleit- und Beobachtungssysteme. Für die Vereinigten Arabischen Emirate sind im vergangenen Jahrzehnt summa summarum 24 Genehmigungen ausgestellt worden: Wie berichtet, für 285.379 Stück Granaten, außerdem für 68 Granatwerfer, 399 Gewehre, 81 Maschinenpistolen, 101.500 Stück Munition und 16.128 Panzerminen. Nach dem Kriegsmaterialgesetz hätte für Pilz kein einziger Bewilligungsbescheid erteilt werden dürfen – und die älteren Bestellungen, kritisiert er, seien fast alle auch geliefert worden. Hintergrund: Als neutralem Staat ist Österreich der Waffenhandel mit kriegführenden Staaten und in Länder, in denen exportiertes Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden kann, verboten. Schon seit Jahren sind die Hinrichtungen und Auspeitschungen in Saudi Arabien bekannt, im Mai 2012 und im Jänner 2014 hat das Innenressort angesichts von weiteren Bestellungen aus Riad dann die Ausfuhr zumindest für Granaten untersagt. Seit Mai 2014 wiederum kämpfen – neben den Saudis – auch die Emirate im Jemen. Zwar wurde noch im Juli 2015 der Export von Granaten in Richtung Abu Dhabi genehmigt, aber im Oktober laut Angaben von Mikl-Leitners Ministerium angesichts der Bodenoffensive dort doch widerrufen. Und: Zwischen Juli und Oktober des vergangenen Jahres seien keinerlei Waffen mehr in die Emirate exportiert worden, versicherte das Ressort. Gemäß Kriegsmaterialgesetz und laut Anfragebeantwortung stellt das Innenressort Genehmigungen erst nach Herstellung des Einvernehmens mit dem Außenamt aus. Eingebunden ist stets auch das Verteidigungsministerium, allerdings wird es dabei nur angehört, ob die Waffen gegen heimische Soldaten im Ausland eingesetzt werden können. Pilz hegt den Verdacht, dass das Außenministerium, einst unter Michael Spindelegger, nun unter Sebastian Kurz (beide ÖVP) Druck auf das Innenressort für positive Bescheide ausübt – und er fordert vom amtierenden Minister einen sofortigen Stopp als Persilscheindruckerei für Waffenexporte in die Region, denn: So produziert man Flüchtlinge. Die Menschen dort haben mehr Angst vor österreichischen Waffen als vor unseren Zäunen. Stattdessen solle sich Kurz besser darum kümmern, dass die Republik gemäß Nationaratsbeschluss endlich Geld für das World Food Programme überweist, Österreich habe für 2016 bis dato null Euro lockergemacht. Außenamtssprecher Thomas Schnöll weist Pilz’ Vorwurf, dass das Ministerium politischen Druck ausübe, zurück. Er betont im STANDARD-Gespräch: Das Außenministerium hat Stellungnahmen in Bewilligungsverfahren für Waffenexporte ausschließlich auf der Grundlage der einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen abgegeben. Verteidigungsministerium erstellt Bericht über mögliche Unterstützung in der Flüchtlingskrise – Nationalrat muss Einsatz zustimmen. Wien/Skopje – Das Verteidigungsministerium arbeitet derzeit an einem Bericht über eine mögliche Unterstützung Mazedoniens in der Flüchtlingskrise. Bis Mittwoch waren fünf Abgesandte des Ministeriums in Mazedonien auf Erkundungsmission, berichtete der Sprecher von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) dem STANDARD. Die Abordnung habe die Situation an der Grenze erkundet, um zu erheben, wie das Bundesheer das Land unterstützen könnte. Die Hilfe hatte Doskozil dem mazedonischen Präsidenten bereits auf der Münchner Sicherheitskonferenz Anfang Februar zugesagt. Zur Unterstützung könnten Soldaten, Geräte und Ausrüstung, aber auch humanitäre Hilfe nach Mazedonien geschickt werden, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Es entscheiden selbstverständlich die Mazedonier, was sie hier benötigen. Rechtlich abgesichert sieht das Ministerium die Hilfe durch das Auslandseinsatz-Entsendegesetz. Darin ist festgelegt, dass Einheiten und Einzelpersonen unter anderem für Maßnahmen der humanitären Hilfe und der Katastrophenhilfe entsendet werden können. Wenn tausende syrische Flüchtlinge an der mazedonischen Grenze stehen, ist das eine humanitäre Notsituation, sagt der Sprecher Doskozils. Der Hauptausschuss des Nationalrats muss dem Einsatz zustimmen. Derzeit sind bereits sieben österreichische Polizisten an der mazedonischen Grenze im Einsatz. 5.600 Euro brutto bei Auslandseinsatz. Wien – Das Bundesheer sucht Ärzte – und lockt mit einem höheren Gehalt für Militärärzte, die sich für einen Auslandseinsatz verpflichten. Um 25 Prozent mehr werden seit Jänner geboten, das Einstiegsgehalt für Militärärzte liegt nun bei 5.600 Euro brutto, versprach das Verteidigungsministerium am Sonntag eine marktkonforme Entlohnung. Militärärzte, die den Sondervertrag unterzeichnen, müssen innerhalb von drei Jahren insgesamt sechs Monate ins Ausland. Dafür gibt es eine zusätzliche Entlohnung. Auch zivile Ärzte und Milizsoldaten können jederzeit freiwillig ins Ausland gehen, hieß es in einer Aussendung. Als Militärarzt und Militärärztin kann sich jeder Mediziner bewerben. Gesucht werden vor allem Allgemeinmediziner und Notfallärzte mit Auslandsbereitschaft. Aktuell befinden sich acht Militärärzte im Auslandseinsatz. Drei sind in Bosnien stationiert, drei im Kosovo, einer im Hauptquartier der Mission UNIFIL im Libanon und ein Facharzt im Feldspital der deutschen Bundeswehr ebenfalls im Kosovo. Die Aufgaben der Militärärzte sind vielfältig, schreibt das Ministerium: Sie begleiten etwa die Truppen bei Übungen, wie kürzlich im Senegal, oder sie bilden im Zuge von Beratungsmissionen Soldaten anderer Armeen medizinisch aus. Im Inland arbeiten Militärärzte u.a. als Allgemeinmediziner oder Notfallärzte in den Sanitätseinrichtungen des Bundesheeres. Sie sind für die allgemeine medizinische Versorgung aller Soldaten im In- und Ausland verantwortlich. Der sogenannte Truppenarzt oder auch Bataillonsarzt ist für sanitätsdienstliche Führung in den Kasernen zuständig. Sie beraten die Bataillonskommandanten in medizinischen Belangen. Außerdem leiten sie die sanitätsdienstliche Einrichtungen in den Kasernen. Johann Luif soll alle Einsätze des Bundesheeres auf militärstrategischer Ebene planen. Eisenstadt/Wien – Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) hat sich Verstärkung aus seinem Heimatbundesland geholt. Auf seinen Wunsch wurde Burgenlands Militärkommandant Brigadier Johann Luif in die Sektion IV des Verteidigungsministeriums in die Abteilung Einsatzplanung dienstzugeteilt. Luif werde alle Einsätze des Bundesheeres auf militärstrategischer Ebene planen, so das Militärkommando am Dienstag. Über eine Nachfolge gebe es laut Presseaussendung noch keine Entscheidung. Die Funktion sei ausschreibungspflichtig. Daher werde Oberst Gerhard Petermann das Militärkommando Burgenland interimistisch weiterführen. Landeshauptleute beschließen mit Doskozil Stopp der Heeresreform. Einheiten für den Auslandseinsatz sollen verdreifacht werden.. Salzburg – Die Landeshauptleute haben sich am Mittwoch mit Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) auf den Stopp der Heeresreform geeinigt. Es werden keine Kasernen geschlossen, die Militärmusik bleibt erhalten, und neben einer Strukturreform in der Verwaltung sollen die Kadereinheiten von 2.500 auf 6.000 Mann aufgestockt werden. Die Kasernen in Bleibung, Horn, Freistadt, Tamsweg und Lienz, die immer für eine Schließung in Diskussion waren, und die Hubschrauberstützpunkte in Klagenfurt und Vomp werden nicht geschlossen. Grund dafür sei die geänderte sicherheitspolitische Lage, die es notwendig mache, die regionalen Strukturen des Bundesheers zu stärken, sagte Doskozil nach der Landeshauptleutekonferenz in Salzburg. Die Strukturreform sieht vor, die Verwaltung in der Zentralstelle zu verschlanken. Eine Sektion soll eingespart und die Zahl der Kommanden von 18 auf zehn reduziert werden. Gleichzeitig werde die Mitarbeiterzahl bei 21.705 eingefroren. Dafür will der Verteidigungsminister in die Regionalität investieren und dezentral wachsen. Die Militärkommanden in den Ländern werden aufgewertet, sagte Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), der derzeit der Landeshauptleutekonferenz vorsitzt. Die Kadereinheiten sollen langfristig beinahe verdreifacht werden, von 2.500 Mann auf 6.000. Wir müssen die Durchhaltefähigkeit der Truppe sicherstellen, so Doskozil. Um die Mannstärke zu erhöhen, müsse das Heer auch attraktiver für Frauen werden, die derzeit nur einen Anteil von 2,6 Prozent ausmachen, sagte der Verteidigungsminister. Wir wollen auch als Lebensarbeitsplatz attraktiv sein und nicht nur Zeitsoldaten haben. Die regionalen Militärkommanden übernehmen die Aufgabe des Katastrophenschutzes, bilden die Grundwehrdiener aus und haben die Milizverantwortlichkeit. Haslauer freut sich, dass es gelungen sei, Investitionen in Standorte und Personal zu sichern. Aufatmen können auch die Verteidiger der Militärmusik. Diese bleibe in jedem Bundesland erhalten, versichert Doskozil. Der Minister setzt sogar eine Expertengruppe unter der Leitung des ehemaligen Vorstands der Wiener Philharmoniker, Clemens Hellsberg, ein, um ein Konzept für die Militärmusik zu erarbeiten. Fix ist, dass für die Militärmusiker wieder eine siebenmonatige Verpflichtung als Zeitsoldat nach Absolvierung des Grundwehrdiensts kommen wird. Pro Militärmusik soll es zwischen 43 und 47 Mitarbeiter geben. Die Militärmusik habe für jeden Betrieb eine große traditionelle Bedeutung, und in Traditionen müsse man investieren, betonte Doskozil. Zudem habe sie eine wichtige Funktion als Ausbildungsstätte. Unteroffizier zielte mit entsichertem Sturmgewehr auf Rekruten – Schutzausrüstungen mangelhaft. Wien – Die Zahl der Beschwerden beim Bundesheer ist 2015 wieder zurückgegangen. 398 Beschwerden zählte die parlamentarische Bundesheerkommission im Vorjahr. 2014 waren es noch 508, davor 384 (2013) beziehungsweise 394 (2012). Das geht aus dem Jahresbericht hervor, der kürzlich im Nationalrat eingelangt ist. Trotz des Rückgangs kam es auch 2015 zu teils groben Verfehlungen und Schikanen. So zielte ein Unteroffizier mit einem geladenen und entsicherten Sturmgewehr 77 auf Rekruten und meinte dabei: Wenn ich jetzt abdrücke, würden die ersten vier Köpfe rollen. Ein anderer Ausbildner, ein Gruppenkommandant, trat beim Schießdienst gegen die Mündung der Waffen, während die Grundwehrdiener auf dem Boden lagen und zielten. Einer der Rekruten erlitt dabei durch den Schlag des Zielfernrohrs ein Cut an der Stirn. Generell machten Missstände bei der Ausbildung von Grundwehrdienern den Großteil der Beschwerden aus. 30 Prozent der Meldungen kamen von Rekruten, weitere 30 Prozent von Chargen. 63 Prozent der Beschwerden betrafen die Ausbildung beziehungsweise den Dienstbetrieb. So wurden ärztliche Vorgaben missachtet, die für einen Rekruten mit einem stationären Krankenhausaufenthalt endeten. Oder Übungen mit Reizstoffen, aber ohne Schutzmasken durchgeführt. Skibrillen statt Splitterschutzbrillen Daneben zeigt der Bericht den teils desolaten Zustand der Kasernen auf. Im Sanitärbereich eines Fliegerhorsts liefen bei gleichzeitiger Verwendung von Waschbecken und Duschen die Gullys über, was wegen verstopfter Abflussleitungen zum Austritt von Fäkalien führte. Ebenso mangelhaft ist oft die Schutzausrüstung: Laut Bericht sind die beim Auslandseinsatz im Kosovo verwendeten Kugelschutzwesten zerschlissen und gebrochen. Statt Splitterschutzbrillen gibt es Skibrillen. Dem Bericht zufolge kaufen sich die Soldaten privat geeignete Schutzbrillen, ebenso wie taugliche Obenschenkelholster für die Pistole. Der Beschwerdebericht listet auch eine Unzahl von unangebrachten Ausdrucksweisen auf: Beschimpfungen wie Antihirn und Maßregelungen wie Euch ghört in die Goschn ghaut wurden dokumentiert – und geben Einblick in den rauen Umgangston beim österreichischen Bundesheer. Dass ein Zugskommandant in den ersten Wochen der Grundausbildung eine Nachschulung mit den Worten: Ihr könnt vom Glück reden, dass ich heute nicht das machen kann was ich will, sonst tät ich euch die ganze Nacht f*cken, ankündigte, führte zu einem von insgesamt neun amtswegig durchgeführten Prüfverfahren. Empfehlenswertes Seminar Verhalten als Vorgesetzte Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) weist in seiner Stellungnahme zum Bericht daraufhin, dass Belehrungen, Ermahnungen und Disziplinarstrafen erfolgt seien. Außerdem sei die Dienstaufsicht verstärkt und ein Führungsmethodikseminar zum Thema Verhalten als Vorgesetzte durchgeführt worden. In schwerwiegenden Fällen wurden Untersuchungskommissionen eingerichtet, in einem Fall wurden zwei Ausbildner entlassen. Bezüglich der mangelhaften Ausstattung stellte Doskozil neue Schutzausrüstungen in Aussicht. Deren Beschaffung sei im Rahmen eines Sonderinvestitionsprogramms vorgesehen. Der Bericht der Bundesheerkommission ist seit Februar fertig, er soll in den nächsten Wochen im Verteidigungsausschuss des Nationalrats behandelt werden. Erst danach ist die offizielle Präsentation geplant. Bis 2014 wurde der Bericht üblicherweise bereits in der Karwoche vorgestellt. Der amtsführende Vorsitzende der Kommission, der SPÖ-Abgeordnete Otto Pendl, verteidigte am Freitag den späteren Veröffentlichungszeitpunkt: Der Verteidigungsminister habe so Zeit, Stellung zu nehmen. (APA, 27.5.2016) 'Statt Beamte abzubauen, müsse man die Finanzverwaltung massiv aufstocken, weil jeder Finanzprüfer dem Staat mehr bringe. Wien – Fritz Neugebauer versteht sich als Gewerkschafter auf das Poltern. Er kann aber auch ganz leise sein, kann lächelnd erklären, dass es keiner großen Worte bedürfe, kann Zahlen für sich sprechen lassen. Schauen Sie, sagt er, und blättert in einer Studie, die die Fraktion Christlicher Gewerkschafter (FCG) in der Beamtengewerkschaft GÖD erstellt hat: Wo der öffentliche Dienst funktioniert, dort gibt es auch entsprechende Einnahmen. Aber vielfach spart der Staat an der falschen Stelle. Die Tabellen, die Neugebauer vorlegt, stammen von der OECD und der IOTA, der Intra-European Organization of Tax Administrations – sie mögen den Nachteil haben, auf Daten von 2012 oder früher zurückgreifen zu müssen Christian Meidlinger als Vorsitzender wiedergewählt. Wien – Die Gewerkschaft der Gemeindebediensteten – Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (GdG-KMSfB) heißt ab sofort Younion – Die Daseinsgewerkschaft. Die Umbenennung wurde am zweiten Bundeskongress am Freitag beschlossen, hieß es in einer Aussendung. Christian Meidlinger wurde dabei auch mit 95,12 Prozent der Stimmen als Vorsitzender wiedergewählt. Die neue Bezeichnung Younion setzt sich zusammen aus you für du und union für Gewerkschaft. Meidlinger räumte ein, dass einige dem alten Namen ein wenig nachtrauern, verwies jedoch auf veränderte Strukturen. ÖGB-Präsident Erich Foglar gratulierte jedenfalls zum neuen Namen und erklärte in seiner Rede: Auch wenn wir die Wirtschaftskrise halbwegs gemeistert haben, ist sie noch lange nicht bewältigt. Es müsse entschieden gegen Lohn- und Sozialdumping aufgetreten werden. Pro Jahr werden von Ministerien etwa 600 Berufstitel vergeben, die meisten im Schulbereich. Die Geehrten freuen sich, mehr Gehalt gibt es dafür nicht. Wien – Österreich ist nach wie vor ein Land, in dem Titel hochgeschätzt werden. Von 2013 bis 2015 wurden von den Ministerien 1963 Berufstitel vergeben. In den Ministerien selbst werden Mitarbeiter vor allem als Regierungs- und Hofräte geehrt. Der Großteil der Titel wird aber in den Schulen, als nachgeordnete Dienststellen des Bildungsministeriums, verliehen. In den letzten drei Jahren kamen 1089 Lehrer in den Genuss eines Oberstudienrates. Dazu kommen noch Amtsräte, Schulräte und Professoren. Das sind keine Amtstitel, die etwa auf die Entlohnung Einfluss haben, sondern lediglich Ehrentitel, die mit keinerlei finanziellen Vorteilen verbunden sind. Generell aber nimmt die Vergabe der Titel in den vergangenen Jahren ab. Wurden 2013 noch 767 Beamte der Ministerien oder der nachgeordneten Dienststellen mit Berufstiteln geehrt, waren es 2014 nur noch 656. Im vergangenen Jahr waren es bis Anfang November nur noch 540 Titel, die vergeben wurden. Woran das liegt, ist schwer zu sagen, sagt Otto Aigelsperger von der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst (GÖD). In den Ministerien gab es zuletzt Maßnahmen, die die Vergabe beschränkt haben. Ministerialbeamte, die in Pension gehen, würden heute nicht mehr automatisch Hofräte werden. Vielleicht gibt es derartige Entwicklungen auch anderswo, mutmaßt Aigelsperger. Auch die Pensionierungswellen im öffentlichen Dienst in den vergangenen Jahren könnten ein Grund für die sinkende Anzahl der Ehrungen darstellen. Denn die dienstälteren Lehrer wurden in den vergangenen Jahren weniger. Immerhin braucht es als Lehrer einer höheren Schule 25 Dienstjahre, um einen Berufstitel mit einem formlosen Schreiben, einem Lebenslauf und einer Begründung für die Verleihung beim Ministerium beantragen zu können. Nach einer Prüfung durch das Ministerium wird der Titel dann vom Bundespräsidenten vergeben. Zwar unterscheiden sich die notwendigen Dienstjahre je nach Titel, das Prozedere ist aber für andere Berufstitel das gleiche. Auch das Mindestalter von 50 Jahren ist gleich. Einzige Ausnahme bilden Universitätsprofessoren, die schon mit 45 geehrt werden können. Die Abnahme der verliehenen Titel ist dabei für manche auch ein Grund zur Freude. Diese Flut an Titeln ist ohnehin nicht mehr zeitgemäß, sagt der Abgeordnete Leopold Steinbichler vom Team Stronach. Historischer Hintergrund des Hofrates ist die Monarchie. Ab 1776 trugen die höchsten Beamten des Kaiserreichs den Titel Hofrat. Diese Bezeichnung wurde zwar 1850 abgeschafft, als Ehrentitel wurde die Bezeichnung aber wieder eingeführt und überlebte so die Monarchie – allerdings nur in Österreich. Steinbichler hat gemeinsam mit dem fraktionslosen Nationalrat Rupert Doppler parlamentarische Anfragen an alle Ministerien sowie das Bundeskanzleramt gestellt. Bereits letztes Jahr wollte Steinbichler von den Ministerien wissen, wie viele Berufstitel in der Privatwirtschaft vergeben werden. Damals wurde unter anderem bekannt, dass Tobias Moretti auf Vorschlag der Landwirtschaftskammer Steiermark Ökonomierat wurde. Steinbichler sagt: Wer eine verdienstvolle Karriere hinter sich hat, wird dafür ohnehin finanziell entlohnt. Warum braucht es da noch diesen zusätzlichen Titel? Anders sieht man das jedoch bei der GÖD. Aigelsperger sagt: Die Verleihung der Titel kostet die Republik keinen Cent, und man kann Leuten eine Freude machen. Ich weiß einfach nicht, was da dagegen spricht. Häufigster Grund "ethnische Herkunft" – Herabminderung aus Altersgründen im Zunehmen. Graz – Der am Mittwoch in Graz präsentierte steirische Diskriminierungsbericht verzeichnete 2014 so viele Fälle wie nie: 609 Anfragen beziehungsweise Fälle wurden registriert (2013: 565), der Großteil in Graz und Umgebung. Häufigster Grund ist ethnische Herkunft mit 41 Prozent, gefolgt von Religion (11,5 Prozent). Eine Steigerung wurde bei Diskriminierung aufgrund des Alters (Anteil 10,15 Prozent) verzeichnet. Großteil der 609 Beschwerden berechtigt Diskriminierung hat laut der Antidiskriminierungsstelle Steiermark viele Gesichter: Dies reiche von einem alten Menschen, dem der Überziehungsrahmen durch die Bank auf null gestellt werde bis zu Rassismus von Kollegen gegenüber einem aus Afrika gebürtigen Taxifahrer bis zu einem schwulen Paar, dem ein Taxler die Fahrt verweigerte. Von den 609 Fällen erwiesen sich die meisten Beschwerden als berechtigt, in 532 Fällen wurde auch interveniert, sagte die Leiterin der Stelle, Daniela Grabovac. Dies seien allerdings nur die gemeldeten Fälle. Man müsse leider sagen, dass man die bekannten Fälle wohl multiplizieren müsse, so Grabovac. Erfreulicherweise habe sich die Zahl jener Menschen um 14 Prozent erhöht, die bei Diskriminierungen spontan einschritten, sagte Grabovac: Das zeugt von Zivilcourage. Hemmungslose verbale Herabsetzung von Menschen geschehe vor allem im öffentlichen Raum und über Online-Medien. Die Zielgruppe seien Migranten, Flüchtlinge, Muslime. Es wurde ein Posting an uns gemeldet: Die Asylanten sollen verrecken, ihr Flüchtlinge, verschwindet aus unserem Land, sonst steinigen wir euch. In so einem Fall trete man an den Betreiber der Site oder des Forums heran. Dabei gehe es um strafrechtliche Aspekte und die Löschung des Eintrags. Diskriminierungsopfer wegen um den Kopf gewickeltem Schal Treffen könne Herabminderung jeden – Grabovac schilderte einen Fall einer Frau, die sich wegen der Kälte einen Schal um den Kopf gewickelt hatte. Ein Auto hielt neben ihr, der Fahrer habe ihr gesagt, sie solle zurück in die Türkei gehen. Rücksichtnahme ist ein Gebot für unsere Gesellschaft, denn spätestens wenn wir alt sind, werden wir potenziell Opfer von Diskriminierung, so Grabovac. Erfolge die Diskriminierung aus religiösen Gründen, so seien vor allem Muslime, aber auch Zeugen Jehovas und Menschen betroffen, die keiner Religionsgemeinschaften angehören. Soziallandesrätin Doris Kampus (SPÖ) sagte, die Zivilgesellschaft sei gefordert: Das Verbindende ist vor das Trennende zu stellen. Diskriminierung geschehe aufgrund von Alter, in Bezug auf etwa Job und Kreditvergabe, aber auch junge Menschen könnten z. B. nicht in den Wohnungsmarkt eintreten, weil man ihnen die Finanzierung nicht zutraue. Eine ungerechte Behandlung verhindere immer Integration, egal in welchem Bereich. Kampus: Die Politik muss jenen Menschen Mut machen, die Diskriminierung erleben, sich das nicht gefallen zu lassen. Bildungs- und Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner (ÖVP) sagte, 65 Prozent der Fälle seien in Graz passiert. Wir brauchen Bewusstseinsbildung, damit es gar nicht erst dazu kommt. Viele Fälle passieren auf der Straße, in Ämtern und Schulen. In Grazer Kindergärten arbeite man mit Integrationsassistentinnen, die selbst meist Migrationshintergrund hätten. Bei der Schulsozialarbeit wurden die Mittel verstärkt. Laut Hohensinner sei der Sportbereich sehr zentral, man müsse sensibel mit muslimischen Kindern vorgehen, etwa beim Schwimm- und Turnunterricht, und mit den Eltern arbeiten. Sprachbarrieren im Gesundheitsbereich versuche man etwa mittels Videodolmetsch zu räumen. Außenminister Sebastian Kurz hat in der letzten Legislaturperiode viel über Integration gesprochen, aber wenige Gesetze zuwege gebracht. Das zeigt eine Untersuchung des Instituts für Politikwissenschaft. Wien – Viel Kommunikation, wenige gesetzliche Effekte und starke ideologische Prägung: So könnte man die politische Arbeit des Staatssekretariats für Integration (SSI) unter der Führung von Sebastian Kurz (ÖVP) – mittlerweile Außenminister – zusammenfassen. Dieser Schluss lässt sich aus einer Studie der Forschungsgruppe Inex/Institut für Politikwissenschaft unter der Leitung von Sieglinde Rosenberger ziehen. Diese hat sich mit der Frage beschäftigt, ob die Einrichtung des SSI einen Wandel in der Regierungspolitik bewirkte. Untersucht wurden unter anderem Medienberichte, Presseaussendungen, Integrationsberichte, Stellungnahmen von Regierungsmitgliedern und Integrationssprechern im Nationalrat sowie sämtliche Nationalratsbeschlüsse der 24. Legislaturperiode. Verglichen wurde der Zeitraum vor Einrichtung des SSI (Oktober 2008 bis April 2011, Phase 1) mit jenem danach (April 2011 bis Oktober 2013, Phase 2). Kurz konzentrierte sich auf Kommunikation Während die Presseaussendungen des damals noch dem Innenministerium unterstellten Integrationsstaatssekretariats in Phase 2 beachtlich anstiegen, erhöhte sich in Plenardebatten des Nationalrats die Zahl der Tagesordnungspunkte zu Integration nicht. Vielmehr konzentrierten sich die Aktivitäten auf Projektförderung, öffentliche Auftritte und mediale Kommunikation, sagt Studienautor Oliver Gruber dem STANDARD. Der Politologe ortet daher eine starke Kluft zwischen Rede und den tatsächlich getroffenen politischen Entscheidungen. Bei der Gesetzgebung baute das SSI auf den Grundlagen aus Phase 1 auf, ohne einen Richtungswechsel einzuleiten. Kontinuität prägte die Gesetze, etwa in Bezug auf Bildungsintegration, Familienzusammenführung und Antidiskriminierung. Die Möglichkeit einer beschleunigten Einbürgerung nach sechs Jahren für ausgezeichnet Integrierte ändere nichts am grundsätzlich restriktiven Zugang zur Staatsbürgerschaft, sagt Gruber. Die neuen Gesetze seien oft lediglich eine Vertiefung und Ausdifferenzierung bestehender Integrationskriterien. SPÖ gab Zepter aus der Hand Das SSI übernahm weitgehend die Funktion als Regierungsstimme beim Thema Integration. Die medialen Vermittlungsbemühungen in Form von Presseaussendungen der ebenfalls damit befassten Unterrichts- und Sozialministerien seien auf niedrigem Niveau geblieben, während diese nach wie vor für die Gesetzgebung verantwortlich waren. Die SPÖ hat das Integrationsthema nahezu gänzlich Kurz überlassen, obwohl die Zuständigkeit etwa in den Bereichen Bildung und Arbeitsmarkt bei ihr lag, sagt Rosenberger. In seiner Funktion als Regierungsstimme nahm Kurz keineswegs eine politisch oder gar ideologisch neutrale Position ein. Sein Slogan Integration durch Leistung verknüpfte die wirtschaftspolitische Positionierung der ÖVP (Leistung muss sich wieder lohnen) mit der Integrationspolitik, zeigen die Forscher. Damit sei eine Öffnung der Debatte signalisiert worden, allerdings nur innerhalb des ideologischen Rahmens der ÖVP, heißt es in dem Bericht. Rosenberger spricht von einer ideologischen Überformung des Integrationsfelds durch die ÖVP. Depolitisierung durch Experten Eine große Rolle kam Experten zu. Ein Expertenbeirat für Integration wurde bereits im Jahr 2010 eingerichtet. Dadurch konnte Fachwissen im Staatssekretariat aufgebaut werden, was eine Versachlichung bewirken sollte. Zugleich führt das Gewicht der Experten zu einer Depolitisierung des Integrationsthemas, andere inhaltliche Positionen des Regierungspartners, der Opposition und von NGOs wurden dadurch delegitimiert, sagt Rosenberger. Integration ohne Mehrheitsgesellschaft Spannend ist der Befund der Forscher auch, was die Adressaten der geforderten und gesetzten Maßnahmen betrifft. Vorwiegend waren Migranten als Träger von Rechten und Pflichten für ihre Integration eigenverantwortlich. Verstärkt wurde auch die Politik als zuständige Instanz gefordert, die Integration ermöglichen sollte. Begrenzt in die Verantwortung genommen wurden soziale Gatekeeper wie Lehrer und Arbeitgeber. Der Mehrheitsgesellschaft kam lediglich die Rolle zu, individuelle Leistungen von Migranten anzuerkennen, ohne selbst integrierend zu agieren, sagt Gruber. Dass Integration in Wahrheit einen Wandel der gesamten Gesellschaft verlange, stand nicht auf der Tagesordnung, sagt Rosenberger. Kurz Sprecher kritisiert Studie Gerald Fleischmann, Pressesprecher des Außenministers, hält zur Studie fest: Wir erachten die Methode als bedenklich, nur das zu untersuchen, wo auch explizit Integration draufsteht. Kurz habe eine Reihe von Maßnahmen initiiert, die mit dem Thema Integration verwandt seien, so zum Beispiel die Reform der Rot-Weiß-Rot-Card, die Wiedereinführung und Erhöhung der Sprachförderung, der AMS-Migrantenindex, die Staatsbürgerschaftsreform sowie die Verschärfung von Sanktionen bei Schulpflichtverletzungen. Darüber hinaus wurden in der untersuchten vergangenen Legislaturperiode Gesetzesinitiativen in die Wege geleitet, die erst in der jetzigen Legislaturperiode im Nationalrat beschlossen wurden, etwa das Islamgesetz, das Anerkennungsgesetz und die Verschärfung des Strafbestands bei Zwangsheiraten, sagt Fleischmann. Fünf Schüler der Islamwissenschafterin Lamya Kaddor sind in den Jihad gezogen. STANDARD: Fünf Ihrer ehemaligen Schüler, die Sie seit 2003 im Rahmen des Schulversuchs Islamkunde in deutscher Sprache in einer Hauptschule im Stadtteil Dinslaken-Lohberg unterrichtet haben, sind als heilige Krieger in den Jihad nach Syrien gezogen. Was hat das für Sie bedeutet? Kaddor: Das war für mich ein Schock, weil man ja so gar nicht damit rechnet. Allein die Vorstellung, dass ehemalige Schüler von einem in ein Land gehen, zu dem sie überhaupt keinen Bezug haben, und dort kämpfen, war auch für mich unvorstellbar. STANDARD: Können Sie sich im Nachhinein erklären, warum es genau diese fünf waren? Kaddor: Das sind vor allem soziale Ursachen – die Sehnsucht nach Anerkennung, nach Zuwendung, Zusammenhalt, Gemeinschaft, nach Aufwertung der eigenen Persönlichkeit, eigene Minderwertigkeitsgefühle zu kompensieren, eine neue, emotionale Heimat zu finden, die sie vorher nicht hatten. Bei vielen ist eine große Leere. STANDARD: Diese Schüler lernten Islamkunde. Was kann konfessioneller Religionsunterricht leisten, um Jugendliche von der Faszination des Jihad zurückzuhalten? Kaddor: Religionsunterricht kann präventiv wirken, darum ist er auch so wichtig, vor allem in deutscher Sprache und von hier ausgebildeten Lehrkräften. Jemand, der lang genug Religionsunterricht hatte – anders als meine Schüler -, soll in der Lage sein, einem Salafisten, der ihm weismachen möchte, dies oder jenes sei die richtige Lehre, entgegnen zu können, das könne er ja gar nicht wissen, das haben in der Geschichte des Islams schon viele behauptet, oder hinsichtlich Gewaltaufrufen im Koran sagen können: Nein, pass auf, ich habe gelernt, dass bestimmte Passagen im Koran im Kontext der damaligen Zeit verstanden werden müssen. STANDARD: Welche Rolle spielt denn der Islam bzw. die Religion bei der Attraktivität des IS für Jugendliche? Oder ist es vielmehr eine tragisch-extreme Jugendprotestkultur? Kaddor: Ich gehöre auch zu denen, die darin weniger einen Kampf der Kulturen, sondern eine Jugendprotestbewegung sehen, die sich in Europa etabliert hat. Entwicklungspsychologisch wollen wir alle in der Pubertät rebellieren, uns auf möglichst krasse Art gegen Familie und Gesellschaft auflehnen. Das ist ganz normal. Aber das Wichtige dabei ist: Junge Muslime haben in Deutschland – und in Österreich sicher auch – kaum die Möglichkeit, anders zu provozieren. Neonazis können sie schlecht werden, dort werden sie natürlich nicht aufgenommen, und die Linksradikalen haben das Potenzial dieser Gruppe noch nicht wirklich ausgemacht. Die Salafisten haben das schon, und das nutzen sie ganz gezielt. Im Grunde genommen sind die Salafisten nur so erfolgreich, weil sie die besseren Sozialarbeiter sind. Da müssen wir ansetzen. STANDARD: Gibt es Merkmale, die die Jugendlichen, die der Jihadromantik verfallen, verbinden? Insgesamt sind bis jetzt 740 deutsche Jihadisten, der jüngste erst 13, nach Syrien und in den Irak ausgereist. Kaddor: Häufig fehlt in diesen Elternhäusern der Vater. Die Vaterfigur fehlt entweder tatsächlich, physisch oder emotional, psychisch, um Normen, Grenzen, Werte zu vermitteln. Wenn diese Instanz fehlt und nicht anderweitig ersetzt wird, fehlen ganz wichtige Dinge, die in der Erziehung mitverantwortlich sind, um unsere Persönlichkeit zu entwickeln. STANDARD: Der letzte Satz in Ihrem Buch Zum Töten bereit. Warum deutsche Jugendliche in den Jihad ziehen lautet: Keine Ausflüchte, keine Relativierung, keine Entschuldigungen – wir müssen die Fanatiker stoppen. Wo sehen Sie in der politischen Debatte Ausflüchte und Relativierungen? Kaddor: Die sehe ich bei den Muslimen selbst, die sagen: Damit haben wir nix zu tun, das sind Salafisten und keine normalen Muslime. Aber es ist die gemeinsame Religion, die dafür missbraucht wird. Darum muss man eine klare Position beziehen – ich spreche nicht von Distanzierung, aber von Positionierung -, das fehlt mir. Auf der anderen Seite fehlt mir in der Mehrheitsgesellschaft eine strikte Ablehnung von Islamfeindlichkeit. Manchmal könnte man meinen, es gehört inzwischen in ganz Europa zum guten Ton, eine vermeintlich islamkritische Position zu beziehen. Wenn wir den Salafismus bekämpfen wollen, müssen wir die Islamfeindlichkeit mit bekämpfen, sonst werden wir das Phänomen nicht eindämmen können, besiegen sowieso nicht. Denn die Islamfeindlichkeit ist ein weiteres wichtiges Argument in der Verführungsstrategie der Salafisten. STANDARD: Fällt das Kopftuch auch unter die von Ihnen genannte Islamfeindlichkeit? Kaddor: Natürlich ist das ein Bestandteil von Islamfeindlichkeit. Ich habe ein relativ nüchternes Verhältnis zum Kopftuch. Ich trage selbst keines und habe das klassisch-theologisch dargelegt. Aber ich habe kein Problem damit und mache mich dafür stark, dass andere Frauen das anders entscheiden dürfen. Das Kopftuch allein ist noch lange kein Anzeichen für Islamismus oder Radikalisierung oder sonst was. Es ist vor allem ein Ausdruck von Gläubigkeit. STANDARD: Gehört zu den Relativierungen, wenn es um den Terror und die Verbrechen des IS oder von Al-Kaida geht, auch der Satz: Das hat aber nichts mit dem Islam, dem wahren, dem echten, zu tun? Kaddor: Das ist eine Schutzbehauptung. Dass Muslime das sagen, ist klar. Diese Aussage resultiert aus den ständigen Angriffen auf ihre Religion und der ständigen reflexartigen Verteidigungshaltung. Es wird ja dauernd gesagt: Aber der Islam, der Islam, der Islam ist das Problem! So kommen wir genauso wenig weiter. Nicht der Islam ist das Problem, sondern ganz unterschiedliche Faktoren spielen eine Rolle. Zum einen gibt es natürlich ein definitiv falsches, weil starres, Islamverständnis seitens dieser Radikalisierten, zum anderen aber sehen wir nicht, dass soziale Phänomene die wirklichen Auslöser sind und nicht die Religion. Sie wird vor allem als Grund genommen, um Macht überhaupt erst ausüben zu können. Das heißt, wir müssen da viel stärker gesamtgesellschaftlich und ganzheitlicher reingehen und das nicht nur als theologisch-religiöses Problem der Muslime betrachten, sondern als soziale Herausforderung an uns alle, denn es betrifft uns alle. STANDARD: Wie sollen Eltern oder Lehrerinnen und Lehrer reagieren, wenn plötzlich ein pubertierendes Kind da ist und der Religion auf einmal großen Stellenwert einräumt? Kaddor: Ich würde erst einmal immer das Gespräch mit dem Kind suchen und schauen, was dahintersteckt. Ist das wirklich eine positive, tiefere Zuwendung zu Gott und zur Religion, dann ist das nicht besorgniserregend. Ist das aber etwas, das mit politischer Meinung in Verbindung gebracht wird und einhergeht mit irgendwelchen kruden Verschwörungstheorien und starker Abgrenzung zu anderen, die als minderwertig betrachtet werden, dann sind ernsthaft andere Gespräche nötig. STANDARD: Was reizt Mädchen am Leben im Islamischen Staat? Sie schreiben vom Heiratsjihad. Der deutsche Verfassungsschutz schätzt den Frauenanteil unter den Salafisten auf zehn Prozent. Kaddor: Diese Mädchen wollen in erster Linie gegen das Elternhaus rebellieren. Zudem denken sie, man würde im sogenannten Islamischen Staat gerechter leben, es gäbe ein schöneres Leben, nicht so furchtbar anstrengend, sich um Jobs bewerben zu müssen, immer wieder diskriminiert zu werden. Beim IS sind ja alle Muslime angeblich gleich, wird ihnen eingeredet, jeder ist der Bruder des anderen, und gerade muslimische Frauen oder junge Mädchen denken, dort würden sie gerechter behandelt. Zu Hause leben sie vielleicht traditionell, weniger islamisch, aber vielleicht traditionell arabisch, und sind nicht gleichberechtigt mit ihren Brüdern. STANDARD: Welche Präventionsmaßnahmen kann oder muss der Staat setzen? Kaddor: Gezielte Programme, Aufklärung, politische Bildung sind gefragt. Das fängt an im Unterricht, es müssen aber auch andere Projekte gezielt gefördert werden. Denken wir an den Rechtsradikalismus, da macht der Staat ja auch einiges an politischer Bildung. All das müsste man auch auf den Salafismus übertragen. STANDARD: Wie soll man mit Jihad-Rückkehrern umgehen? Kaddor: Da muss man unterscheiden. Sind das traumatisierte Kinder, sind sie desillusioniert oder immer noch ideologisiert? Wenn sie Haftstrafen absitzen müssen, haben wir ja Erfahrungswerte, was ebenfalls den Rechtsradikalismus betrifft. Ich ziehe die Parallele ganz bewusst, denn das sind die gleichen Mechanismen. Diese Jugendlichen hätten von ihrer Voraussetzung her genauso gut rechtsradikal werden können, aber sie konnten es deshalb nicht, weil sie Muslime sind und/oder einen Migrationshintergrund aufweisen. Aber es sind im Grunde genommen die gleichen Programme, also zuerst präventiv ansetzen und dann Deradikalisierungsmaßnahmen einleiten. STANDARD: Eine Gruppe, die gerade von Salafisten in Deutschland, aber auch in Wien anagitiert wird, sind Flüchtlinge, oft unbegleitete Minderjährige. Was ist da zu tun? Kaddor: Ja, das passiert, und ich warne davor. Deshalb müssen wir schauen, dass wir diesen Flüchtlingen eben nicht nur eine neue lokale Heimat, sondern auch eine neue religiöse Heimat bieten können – und ein Islamverständnis, das mit unserer Demokratie kompatibel ist, denn das geht ja. Genau deshalb müssen wir diese Kräfte stärken. STANDARD: Was wurde eigentlich aus Ihren fünf Syrien-Schülern? Kaddor: Vier sind wiedergekommen und wurden relativ erfolgreich resozialisiert. Die waren maximal eine Woche in Syrien, die waren keine Kämpfer, sondern ziemlich schnell desillusioniert. Der eine, der noch dort ist, kämpft. STANDARD: Haben Sie Kontakt zu den Rückkehrern, die Sie unterrichtet haben? Kaddor: Ja. Die sagten alle, es mag zu der Zeit für uns die richtige Entscheidung gewesen sein, aber wir wissen heute, dass es falsch war. Es war nicht so, wie wir uns das vorgestellt haben – wie man es uns dargestellt hat. Antipathie gegenüber Migranten "erheblich gestiegen" – "Eindeutig rassistische Inhalte" in Medien – Kritik an Islamgesetz und Asylpolitik – Lob für Integrations-Aktionsplan. Wien – Die Kommission gegen Rassismus und Intoleranz des Europarates (ECRI) ist besorgt über die Ausbreitung des Ausländerhasses in Österreich. Mehrere politische Parteien und andere Organisationen kultivieren und verbreiten rassistisches, fremdenfeindliches und neonationalsozialistisches Gedankengut, heißt es in einem am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Länderbericht. Die Antipathie gegenüber Migranten sei in jüngster Zeit erheblich gestiegen, beklagen die Experten. Hassreden insbesondere von Politikern wird nicht systematisch entgegengetreten. So sei auch eine neue Generation rechtsextremer Organisationen entstanden, die eine Radikalisierung durchlaufe. Auch einige Medien würden eindeutig rassistische Inhalte veröffentlichen und Entscheidungen des Presserats nicht respektieren. Internetforen würden nicht systematisch darauf kontrolliert, dass sie keine Hassrede enthalten. Kritisiert wird auch das heuer beschlossene Islamgesetz, das mehrere kontroverse Einschränkungen der Religionsfreiheit enthalte. Im Asylbereich werde der Grundsatz Integration von Anfang an nicht angewendet, aus Staaten außerhalb des Europäischen Wirtschaftsraumes stammende Personen seien häufiger arbeitslos und von Armut betroffen. Die Experten bemängeln weiters, dass mehrere Strafrechtsnormen lediglich nationalsozialistisch, nicht aber alle rassistisch motivierten Taten unter Strafe stellten. Gleichwohl stellt die Europarats-Kommission auch eine Reihe von Fortschritten seit dem im Dezember 2009 verabschiedeten Bericht fest. Genannt werden etwa zusätzliche Ressourcen für Ermittlungen im Bereich der Hassrede, bei deren Bekämpfung auch einige Medien eine wichtige Rolle gespielt hätten. Positiv hervorgehoben wird auch der im Jahr 2010 beschlossene erste Nationale Aktionsplan für Integration sowie das kostenlose verpflichtende Vorschuljahr sowie die Sprachförderung im Kindergarten. Verbessert hätten sich auch die Lebensbedingungen für LGBT-Personen, etwa durch die Einführung der eingetragenen Partnerschaft im Jahr 2010 und die Aufhebung mehrerer diskriminierender Bestimmungen durch Gerichte. Asylwerber brechen Zelte ab, nicht aber ihren Protest gegen lange Wartezeiten im Asylverfahren. Vor dem Landtag ist eine Kundgebung geplant. Graz – Wenn unsere Familien einmal tot sind, gibt es keinen Grund mehr, unseren Protest fortzusetzen, sagt ein 41-jähriger Iraner namens Hussein bitter. Der Mann neben ihm, Abo Khaled, ein ebenfalls 41-jähriger Syrer, nickt. Aber noch wollen sie nicht aufgeben. Die beiden Männer sitzen an einem Klapptisch vor einem Campingbus direkt gegenüber dem Eingang der Polizeidirektion Steiermark am Rand des Grazer Stadtparks. Um sie herum werden Zelte abgebaut. Sie waren Teil des Protestcamps von Asylwerbern, das rund 80 Flüchtlinge mithilfe österreichischer Freunde hier Ende September aufgeschlagen hatten. Am Mittwoch wurde es abgebaut und Journalisten zu einem Gespräch gebeten. Die Einladungen verschickt hatten Vertreter der Jungen Grünen. Deren Sprecher Johannes Steiner betont am Mittwoch, dass man die Menschen hier nur unterstütze, nicht mehr: Wir schreiben nicht ihre Statements und sagen ihnen nicht, was sie zu tun haben. Steiner wirft der Polizei vor, eine der Demos der Flüchtlinge als Demo der Jungen Grünen bezeichnet zu haben. Ich habe nur bei der Anmeldung bei der Polizei geholfen, aber die Demo wurde nicht von uns, sondern im Namen einer Privatperson angemeldet, sagt Steiner. Hussein ist seit mehr als einem Jahr in Österreich, Abo Khaled seit sechs Monaten. Abo Khaleds Frau und ihre gemeinsamen drei Kinder im Teenageralter sind innerhalb von Syrien in eine andere Stadt geflohen und warten dort darauf, dass sie nach Graz nachkommen können. Doch dafür braucht der Familienvater, der in seiner Heimat Vertriebsleiter war, einen positiven Bescheid. Er hatte jedoch noch nicht einmal sein zweites Interview. Das Gleiche gilt für den Mann neben ihm. Auch ein blinder Mann aus Syrien ist unter den Flüchtlingen. Sie wollten mit dem Protestcamp und zwei Demos durch die Innenstadt in den vergangenen Wochen auf ihre verzweifelte Situation aufmerksam machen. Sie fürchten um ihre Familien, die noch nicht in Sicherheit sind. Und sie verstehen nicht, warum es in der Steiermark so lange dauert, ein zweites Asylinterview zu bekommen, sagt Hussein, der in Kuwait für die Amerikaner als Übersetzer arbeitete. Obdachlos seien sie nicht, betonen Hussein und Abo Khaled, sie campierten hier aus Protest. Während wir hier warten, verschwenden wir unsere Zeit, sagt der syrische Familienvater. Die Behörden hatten ihnen von Anfang an gesagt, dass ihre Zelte nichts an der Situation ändern würden, aber die Polizisten waren wenigstens okay und freundlich, wenn sie auf ihren Kontrollgängen vorbeikamen. Allerdings erzählen beide Männer auch, dass wiederholt Flüchtlinge, die aus dem Asylamt kamen, das ebenfalls im Polizeigebäude untergebracht ist, von Polizisten einfach beim Camp stehen gelassen wurden. Ohne Papiere, ohne Verpflegung, die Leute wussten nicht, wohin, man sagte ihnen einfach, alle Unterkünfte seien voll, ärgert sich Hussein. Auf STANDARD-Nachfrage erklärt Polizeisprecher Fritz Grundnig, man werde diesen Vorwürfen nachgehen und versuchen abzuklären, was da geschehen ist. Weil man nicht im Stadtpark erfrieren wolle, breche man die Zelte jetzt ab, nicht aber den Protest. Am 20. November wolle man noch einmal in der Stadt demonstrieren und am 24. November eine Kundgebung vor dem Landhaus während der Landtagssitzung abhalten. Wir wollen nur, dass die Politiker mit uns sprechen, uns zuhören, sagt Hussein. Unter uns sind viele Leute mit Talenten, Künstler, gebildete Leute, wir wollen arbeiten und Steuern zahlen wie andere Leute auch. Ob Politiker bisher beim Camp vorbeigeschaut haben? Nur die Grünen-Stadträtin Lisa Rücker war kurz da, heißt es. Aber sonst viele Leute, die uns Essen gebracht haben, die meisten waren sehr nett, sagt Hussein. Was er nun nach dem Abbruch des Camps tun werde? Ich bin im Rotkreuz-Team und helfe an der Grenze in Spielfeld, sagt Hussein. Es gibt keine Denkverbote, man darf alles sagen – man sollte aber wissen, was man damit bewirkt, sagt Sprachforscher Anatol Stefanowitsch. STANDARD: Was darf man heute überhaupt noch sagen?, heißt es oft. Was antworten Sie? Stefanowitsch: Man darf natürlich alles sagen – außer explizit Verbotenes wie Holocaustleugnung oder Beleidigung. Meistens meinen die Leute damit, man darf nichts mehr sagen, ohne kritisiert zu werden. Ich würde raten: Ist man unsicher, ob man ein Wort verwenden soll oder nicht, sollte man sich auf sein Gespür verlassen, ob mit diesem Wort Absichten verbunden werden könnten. In den meisten Fällen sollte es allgemein bekannt sein. Wer noch nicht mitbekommen hat, dass der Zigeuner als herabwürdigend empfunden wird und es auch gute historische Gründe gibt, das nicht zu verwenden, den kann man kaum ernst nehmen. STANDARD: Nicht immer ist es so eindeutig. Asylant war früher gebräuchlicher, jetzt nicht mehr. Wer bestimmt, ab wann ein Begriff nicht mehr akzeptabel ist? Stefanowitsch: Asylant war nie ein ganz normales Wort, es war immer negativ behaftet und grenzte sich von anderen Begriffen wie den Asylsuchenden ab, die es damals ja auch schon gab. Negativ behaftete Wörter werden aber oft als neutral empfunden – nämlich dann, wenn die Gesellschaft sich mehr oder weniger einig ist, dass das, worüber man spricht, negativ ist. Lebe ich in einer Gesellschaft, in der eine Art Alltagsrassismus selbstverständlich ist, dann kommen mir natürlich rassistische Bezeichnungen eher normal vor. STANDARD: Ist die Gesellschaft also sprachsensibler als früher? Stefanowitsch: Sehr vorsichtig würde ich sagen: ja. Wir führen zwar immer wieder dieselbe Diskussion, über Wörter in Kinderbüchern etwa, aber immerhin wird diskutiert – in den 1950ern war das anders. STANDARD: Wenn aber heute jemand Asylant sagt und es gar nicht böse meint? Stefanowitsch: Wenn ein Begriff nur von bestimmten rechten Gruppen verwendet wird, und ich verwende ihn auch, muss ich damit rechnen, dass ich dieser Gruppe zugeordnet werde. Will ich das nicht, dann darf ich das Wort eben nicht verwenden – auch wenn es mir selbst noch so harmlos erscheint. STANDARD: Welche Begriffe stören Sie in der Flüchtlingsdebatte? Stefanowitsch: Es klingt harmlos, ist aber perfide: die Obergrenze. Das ist das neue Das Boot ist voll. Diese Überfüllungsmetaphorik tut so, als ob das Erreichen der Obergrenze unmittelbar bevorstehe. Und sie sagt: Wir müssen die Menge reduzieren. Auch die Flüchtlingsflut oder -welle tut so, als gebe es nur die Option, Dämme zu bauen. Man könnte aber fragen, ob es in Deutschland nicht noch viel Platz gäbe. In der Flut und der Obergrenze ist ein produktiver Umgang mit dem Problem gar nicht vorgesehen. STANDARD: Man kann sehr bemüht um sensible Sprache sein – und trotzdem grausame Dinge sagen. Stefanowitsch: Ja, auf jeden Fall. Aber es schlägt auch niemand vor, diese grausamen Dinge nicht zu kritisieren. Und der Umkehrschluss – dann kann ich gleich diskriminierende Sprache verwenden, solange ich damit nur nette Dinge sage –, klappt auch nicht. Ich kann zwar mit neutraler, nüchterner Sprache Schreckliches sagen, ich kann aber nicht mit diskriminierender Sprache nicht diskriminieren. Auch Sprachaktivisten, die eine bestimmte Sprache propagieren, glauben übrigens nicht, dass damit das Problem gelöst ist. STANDARD: Bei sensibler Sprache ist oft von Denkverboten die Rede. Zu Recht? Stefanowitsch: Denken soll jeder, was er will. Es soll auch jeder reden, wie er will, aber jeder ist auch dafür verantwortlich. Entscheidet sich zum Beispiel ein Medium bewusst, Flüchtlingswelle zu schreiben, weil man es für angemessen hält, bestimmte Gruppen herabzuwürdigen, dann weiß ich, woran ich bin. Sich aber zurückzulehnen und zu sagen: Wir brauchen nicht über Sprache nachzudenken – das ist zu wenig. Es gibt keine neutrale Sprache. STANDARD: Oft heißt es: Haben wir nicht Wichtigeres zu tun, als über gute und böse Begriffe zu sprechen? Stefanowitsch: Das ist ein beliebiges Argument – wir können immer Wichtigeres finden als das, was wir gerade tun. Das Reden über Sprache hindert ja niemanden daran, das Wichtigere auch zu tun, auf Bahnhöfen Wasser an Flüchtlinge zu verteilen. Wir sprechen von zehn bis 20 Wörtern – sie nicht mehr zu verwenden belastet niemanden, aber es wäre viel gewonnen. '"Flüchtlingswelle" suggeriert Bedrohung, "Asylwerber" klingt nach Bittsteller, "Schwarzafrikaner" nach Kolonialzeit: Die Ausländerdebatte dreht sich auch um die Wortwahl. Nötige Sensibilisierung oder Tugendterror?. Wien – Die Schlagzeile klang nach Unheil und Bedrohung: Flüchtlinge, Aussiedler, Asylanten – Ansturm der Armen prangte in fetten Lettern auf der Titelseite, illustriert mit einem belagerten, fast vollen Boot. Panikmache eines reißerischen Boulevardblattes? Irrtum. Es war der hochseriöse Spiegel, der sein Cover mit dieser Headline zierte. Zur Ehrenrettung des deutschen Magazins sei angemerkt: Die Ausgabe ist 24 Jahre alt. Damals stand Asylant, einst ein harmloser Ausdruck, erst auf halbem Weg zum Schimpfwort. Unzählige Debatten über Asylantenschwemme und Scheinasylanten später ist der Begriff heute so stigmatisiert, dass ihn Medien und Politiker des Mainstreams in Österreich und Deutschland kaum mehr verwenden. Allenfalls die FPÖ wettert noch gegen die Asylanten, was Alexander Pollak für gezieltes Kalkül hält. Das Wort unterscheide ja auch nicht, ob jemand Anspruch auf Asyl habe oder nicht, sagt der Sprecher von SOS Mitmensch: Damit lässt sich Neid gegen alle schüren. Metamorphose des Ausländers Die Bedeutung eines Wortes ist sein Gebrauch in der Sprache, schrieb der Philosoph Ludwig Wittgenstein, und diese ist in keiner anderen Debatte so volatil wie in jener über Flüchtlinge, Zuwanderer und Integration. Vom Gastarbeiter, der – wie das Wort suggeriert – (hoffentlich) bald wieder verschwindet, bis zum Menschen mit Migrationshintergrund hat der landläufige Ausländer eine komplizierte Metamorphose durchgemacht – was selbst über das rechte Lager hinaus bisweilen auf Unverständnis und Ärger über semantischen Tugendterror stößt. Die Sprachdebatten wirken manchmal lächerlich, räumt Pollak ein, doch um Political Correctness geht es dabei nicht, sondern um Respekt und Präzision. Dieser Anspruch stoße in der Praxis jedoch auf ein Problem, sagt Martin Haase, Sprachwissenschafter an der Universität Bamberg und Mitbetreiber eines Neusprech-Blogs: Es gibt oft keine völlig neutralen Begriffe. Haase verweist auf die gängigen Alternativen zum verpönten Asylanten: Die Bezeichnungen Asylwerber (Österreich) und Asylbewerber (Deutschland) unterstellten, dass Asyl etwas wäre, um das man sich wie um einen Job bewerben müsse; tatsächlich handelt es sich aber um ein Grundrecht, das nicht von Gutdünken abhängt (siehe Lexikon unten). Selbst Flüchtling erregt in den Ohren mancher Sprachwächter Anstoß, habe doch das Gros der Wörter mit der Endung -ling einen negativen Beiklang. Spitzfindigkeiten musste sich Simon Inou oft vorhalten lassen bei seinem Feldzug gegen das – wie er sagt – M-Wort. Sauer aufgestoßen war dem aus Kamerun stammenden Journalisten eine süße Diskriminierung: Der hierzulande ins Hemd gesteckte Mohr ist für ihn nichts anderes als ein rassistisches Stereotyp, das für den versklavten Afrikaner steht. Der Mohr im Hemd sei mittlerweile von mancher Speisekarte verschwunden, erzählt Inou. Das Vorarlberger Mohrenbräu mit dem wulstlippigen Afrokopf als Logo gibt es hingegen immer noch. Erfolgreicher war, wenn auch nach jahrzehntelangem Kampf, die Kampagne gegen den Neger, heute Unwort schlechthin. Allerdings lehnt die Mehrheit der afrikanischen Community auch die verbreitete Alternative Schwarzafrikaner ab – nicht nur weil der Begriff in der Kolonialzeit wurzelt. Googeln Sie das Wort einmal, empfiehlt Inou, Sie werden es zu einem Gutteil in Zusammenhang mit Kriminalität finden. Als Ersatz nennt Inou Afroösterreicher oder schlicht Schwarze. Schwieriger ist da schon die Bezeichnung des Gebietes: Subsahara-Afrika klingt sperrig und ist ebenfalls nicht unumstritten. Militärische Metaphern Grenzt das nicht an Wortklauberei? Was bringt die mühsame Suche nach dem korrekten Ausdruck? Wir haben die Welt ja nicht vor uns und kleben ihr Etiketten auf, gibt Martin Wengeler, Professor für germanistische Linguistik an der Uni Trier, zu bedenken: Vielmehr wird mit Sprache Wirklichkeit konstruiert. Die Wahl der Worte beeinflusst unser Denken. Wenn Medien in der Asyldebatte etwa von Flut oder Wellen berichteten, sei es kein Wunder, wenn Flüchtlinge vor allem als Bedrohung und Chaosstifter wahrgenommen würden. Das Gleiche gelte für militärische Metaphern wie Ansturm – ein Begriff, der auch in Artikeln des STANDARD auftaucht und in der Redaktion selbst heißumstritten ist. Dass da eine selbsternannte Sprachpolizei Zustände beschönige, wenn nicht sogar Zensur ausübe, lässt Wengeler nicht gelten. Es sei ja schon ein Running Gag, dass jene, die ständig Sprechverbote beklagten, ihre Überzeugungen in Talkshows am lautesten herausschrien. Niemand hindere sie daran, sagt der Linguist: Umgekehrt lasse ich mir aber auch nicht verbieten, eine menschenfreundliche, nichtdiskriminierende Sprache zu verwenden.(Gerald John, 13.11.2015)' Vier Ministerien rittern um 75 Mio. Euro für Integrationsmaßnahmen. Wien – Um den von der Regierung angekündigten Sondertopf Integration entwickelt sich ein regelrechtes Gerangel. 75 Mio. Euro wollen SPÖ und ÖVP kommendes Jahr für zusätzliche Maßnahmen locker machen, die bisherigen Anmeldungen dürften die Summe aber übersteigen. Welches Ministerium wie viel erhält, wollen Kanzleramt und Finanzministerium bis Jahresende entscheiden. Zu hören ist in Regierungskreisen, dass die Wünsche der Ressorts die 75 Mio. Euro übersteigen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) kündigte im Budgetausschuss am Donnerstag an, 30 Mio. Euro aus dem Sondertopf beantragen zu wollen. Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sprach schon im September von 25 Mio. Euro. Keine Angaben gibt es von Integrationsminister Sebastian Kurs (ÖVP) und Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ). Allein Kurz soll ursprünglich aber 60 Mio. Euro aus dem Topf beansprucht haben. Mikl-Leitner will mit 15 Mio. Euro aus dem Sondertopf Sprach- und Alphabetisierungskurse für Asylwerber bezahlen. Mit weiteren 15 Mio. Euro sollen Kürzungen beim Zivildienst ausgeglichen werden, sagte die Ministerin Donnerstagabend im Budgetausschuss des Nationalrats laut Parlamentskorrespondenz. Auf APA-Anfrage hieß es dazu in ihrem Büro, dass damit der Einsatz von Zivildienern in der Flüchtlingsbetreuung finanziert werden soll: Die NGOs bräuchten dringend personelle Unterstützung. Heinisch-Hosek will aus dem Sondertopf u.a. Sprachstartkurse an den Schulen sowie mobile Einsatzteams zur Unterstützung von Eltern und Schülern mit Migrationshintergrund finanzieren. Außerdem soll es Projekte für das Nachholen von Bildungsabschlüssen geben. Kurz hat seinen Integrationsplan am Mittwoch vorgestellt. Das Sozialministerium will in Deutschkurse beim AMS und Lehrlingsvermittlung investieren. Über die Verteilung der Mittel müssen nun Kanzleramt und Finanzministerium gemeinsam entscheiden. Besonderen Zeitdruck sieht das Finanzministerium dabei nicht, denn der laufende Betrieb sei durch das Nachtragsbudget für 2015 gesichert. Im Kanzleramt wurde am Freitag auf APA-Anfrage eine Entscheidung bis Jahresende in Aussicht gestellt. Derzeit seien die betroffenen Ressorts noch in Abstimmung, um Doppelgleisigkeiten zu vermeiden. Über den Sondertopf hinaus erhält das Sozialministerium 70 Mio. Euro zur Eingliederung von Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt. Auch das geplante Integrationsjahr mit Kosten von 1,8 Mio. Euro wird aus dem regulären Budget finanziert. 'Muslimisches Mobbing, Burka in der Klasse und Selfies mit IS-Symbolen: An einer Wiener Schule beobachtet ein Direktor, wie sich islamistisches Gehabe breitmacht. Wien – Es waren junge, kräftige Männer, die an einem Freitag vor der Franz-Jonas-Schule in Floridsdorf auftauchten. Weiße Häkelmützen trugen sie und jene langen Kleider, wie sie in radikalislamischen Kreisen üblich sind. Um Kontakt zu den Kindern mussten sich die Besucher nicht lange bemühen, erzählt Schuldirektor Christian Klar: Sie wurden umringt wie die Popstars. Die mutmaßlichen Anwerber konnte Klar vor Monaten mit einem Ruf nach der Polizei vertreiben, ihre Ideologie hingegen nicht. Seit einigen Jahren, erzählt er, mache sich in der neuen Mittelschule, die an sich auf ihr familiäres Klima stolz ist, ein konservatives, fast rassistisches Islamverständnis breit. Durchgesetzt wird es zum Teil mit massivem Druck bis hin zu Mobbing. Erlebt habe dies etwa jenes Mädchen, das ein Referat über die Anschläge auf das Pariser Satiremagazin Charlie Hebdo hielt – Morde im Namen des Glaubens, wie sie feststellte. In der Pause sei sie von 25 Mitschülerinnen und -schülern in die Ecke gedrängt und mit Vorwürfen überhäuft worden: Warum beleidigst du den Islam? Immer wieder wechselten Mädchen schlagartig vom Minirock zum Kopftuch, eine Schülerin sei eines Tages sogar mit einer Burka aufgetaucht. Spricht Klar darauf die Väter und Mütter an, blicke er oft in verdutzte Gesichter. Das Elternhaus ist nicht die treibende Kraft, glaubt er. Der Islam ist ein echter Jugendkult geworden, da eifert einer dem anderen nach. Habe ein Hauptschullehrer früher gelegentlich mit einem Geh scheißen rechnen müsse, fliege einem nun ein zorniges Allahu Akbar entgegen – mitunter auch aus Urwiener Mund, erzählt der Direktor. Gut durchmischt sei auch jenes Grüppchen gewesen, das bei einem Besuch der Uno-City das Sicherheitspersonal aufschreckte: Für ein Selfie hatten die Burschen nach Manier der Terroristen vom Islamischen Staat den Zeigefinger emporgestreckt. Nur oberflächliche Posen? Das traut sich Klar nicht für alle Schützlinge behaupten. Von rund 300 Schülern stammen 30 bis 40 aus Tschetschenien – eine Gruppe, die nach der Erfahrung des Direktors zwei Extreme berge. Während der eine Teil äußerst bildungshungrig sei, tendiere der andere nicht nur dazu, Probleme mit der Faust zu lösen. Tschetschenische Kids seien es auch, die islamistisches Gehabe am offensivsten in die Klassen trügen. Glaubt man der Polizei, dann fehlt es in der tschetschenischen Community nicht an einschlägigen Vorbildern. Laut Verfassungsschutz zählen die Zuwanderer aus dem Kaukasus zu jenen Gruppen, die für radikalen Islamismus am empfänglichsten sind. Von 250 Menschen, die bisher von Österreich aus zum Jihad in den Nahen Osten aufbrachen, stammt die Hälfte aus Tschetschenien. Mich wundert das gar nicht, sagt Khuseyn Iskhanov. Vor zwölf Jahren war er, einst Abgeordneter seiner Republik, selbst vor den russischen Truppen nach Österreich geflüchtet – und ebenso lange warne er vor der radikalen Saat, die in den Köpfen mancher Landsleute sprieße: Ich fürchte, dass alles noch schlimmer wird. Warum gerade die Tschetschenen? Schauen Sie die Biografien an, empfiehlt Iskhanov. Massive Gewalt hätten die Kinder aus dem Kaukasus erlebt, 80 Prozent der Väter seien tot oder in Haft. Die Flucht über mehrere Etappen – ein paar Jahre Aserbaidschan, ein paar Jahre Osteuropa – habe einen Schulabschluss unmöglich gemacht. Orientierungslos hingen Jugendliche nun in den Parks ab – und fielen mitunter auf den Ruf herein, im Jihad dem Heldentum des Vaters nachzueifern. Man hat die Tschetschenen alleingelassen, sagt Iskhanov, der den von ihm gegründeten Kulturverein Ishkeria zum sozialen Zentrum für Jugendliche ausbauen will. Doch bislang scheitert das Projekt am fehlenden Raum, bei der Politik blitzte der Initiator ab. Obwohl die Radikalen nur eine kleine Minderheit der 30.000 Tschetschenen im Land stellten, sei der Ruf der Volksgruppe ruiniert, sagt er: Mit uns will niemand etwas zu tun haben. Therapeutische Hilfe für Kriegstraumatisierte vermisst der Politologe Thomas Schmidinger 'Stadtschulrat kontert Kritik von Muslimenvertreter Sanaç: Es gebe keine Checkliste für verpönte Begriffe. Wien – Es klingt nach einer groben Ungerechtigkeit, die Fuat Sanaç beklagt. Der Präsident der islamischen Glaubensgemeinschaft beschwerte sich im Interview mit dem STANDARD über den Wiener Stadtschulrat, der den weitverbreiteten Gruß Salam – Kurzfassung für arabisch Friede sei mit dir – verunglimpfe. Sobald ein Kind das Wörtchen verwende, zitierte Sanaç eine angebliche Vorschrift, müssten die Lehrer beobachten, ob der Schüler radikal sei. Steht das Pendant zu Grüß Gott und Shalom also auf einem Index bedenklicher Begriffe? Davon könne keine Rede sein, heißt es im Wiener Stadtschulrat. Es gibt von unserer Seite keine Regelung dieser Art, sagt Sprecher Matias Meissner: So etwas entspricht auch überhaupt nicht der Position des Stadtschulrats. Meissner hat nachgeforscht, woher das Gerücht stammen könnte. Mögliche Quelle: Bei einer Lehrerfortbildung der katholischen pädagogischen Hochschulen habe einmal ein Referent von problematischen Begriffen gesprochen. Genaueres wisse man nicht mehr, sagt Meissner, außer: Es war kein Mitarbeiter des Stadtschulrats. Ein Rundruf an Schulen bestätigt das Dementi. Ihr sei keine solche Regel bekannt, sagt Ulrike Dewam, Direktorin einer Mittelschule im Wiener Gemeindebezirk Brigittenau – dabei zähle sie wohl zu den ersten potenziellen Adressaten: Immerhin hatte Dewam dem Stadtschulrat den Fall eines radikalisierten Schülers gemeldet. Er kenne keine Liste verpönter Begriffe, pflichtet Thomas Bulant, Lehrer und Chef der sozialdemokratischen Pflichtschulgewerkschafter, bei Georg Kapsch, Präsident der Industriellenvereinigung, ist strikt gegen Obergrenzen. Er fordert eine raschere und bessere Ausbildung für Flüchtlinge. STANDARD: Die Politik diskutiert heftig über Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen. Gibt es seitens der Industrie eine solche Forderung nach einer Obergrenze? Was ist Ihre Meinung? Kapsch: Diese Forderung gibt es nicht. Meine Meinung ist klar: Jeder, der schutzbedürftig ist, muss Aufnahme finden. Man muss aber früh prüfen, wer schutzbedürftig ist und wer nicht, dazu brauchen wir diese sogenannten Fast-Track-Verfahren, wie es sie auch in anderen Ländern gibt. Wer nicht asylberechtigt ist, kann auch nicht hierbleiben. Ich glaube aber nicht, dass wir hier Obergrenzen definieren können. Wir sind aus humanitären Überlegungen verpflichtet, hilfsbedürftigen Menschen zu helfen. STANDARD: 2015 gab es 90.000 Asylanträge in Österreich, heuer könnten es noch einmal so viele werden. Schaffen wir das? Kapsch: Das ist eine Größenordnung, die wir gerade noch schaffen können. Es bleiben auch nicht alle da. In Summe werden wir Ende dieses Jahres wahrscheinlich 100.000 Asylberechtigte haben. Wenn wir uns die Qualifikation anschauen, gibt es je nach Land Menschen mit hoher Qualifikation, die kommen vor allem aus Syrien, Irak und Iran. Afghanistan ist ein Problem, das wissen wir auch alle. Das AMS hat hier einen guten Überblick. Wir müssen nur aufpassen, dass gerade die Hochqualifizierten nicht wieder davonlaufen. Darum ist es auch so wichtig, die Menschen schnell in Beschäftigung zu bringen. STANDARD: Was kann Österreich unter nationalstaatlicher Sicht tun, um die Flüchtlingsbewegung besser in den Griff zu bekommen? Kapsch: Zunächst einmal muss man an der Grenze so schnell als möglich feststellen, wer asylberechtigt ist und wer nicht, diese Verfahren müssen rasch abgewickelt werden. Die Menschen, die hierbleiben können, müssen nach Möglichkeit sofort in Qualifikationsoffensiven eingebunden werden. Nach spätestens sechs Monaten müssen sie Zugang zum Arbeitsmarkt haben. STANDARD: Auch wenn das Asylverfahren nicht abgeschlossen ist? Kapsch: Auch wenn das Verfahren noch läuft. STANDARD: Wie geht man mit den unterschiedlichen Qualifikationen um? Viele Afghanen, die Asylanträge stellen, sind Analphabeten. Kapsch: Die Antwort für alle ist: unmittelbar Deutsch lernen. Je nach Qualifikationsniveau geht es darum, die Menschen weiter zu qualifizieren. Unter den Asylwerbern sind auch relativ viele Jugendliche, die aber nicht mehr unter die Schulpflicht fallen. Die müssen auch ausgebildet werden. Das Schlimmste sind ungebildete und unausgebildete Menschen. Was sollen denn die hier tun? Das führt am Ende auch dazu, dass die Fremdenfeindlichkeit zunimmt. Wenn die Menschen aber integriert sind, und da geht es um mehr als nur die Sprache, dann wird auch die Aversion diesen Menschen gegenüber in den meisten Fällen geringer werden. STANDARD: Gerade im ländlichen Raum gibt es oft schlicht keine Arbeitsplätze. Kapsch: Daher geht es auch um die Frage der Mobilität – nicht nur innerhalb Österreichs, sondern innerhalb Europas. Ich gehe davon aus, dass Asylwerber zu einem viel höheren Grad bereit sind, irgendwo anders zu arbeiten. Sie wollen in Europa bleiben, egal wo. STANDARD: Soll es einen Zwang zu Deutschkursen geben? Kapsch: Man muss die Menschen verpflichten, Deutsch zu lernen. Es kann einfach nicht sein, dass ich in ein Land migrieren will und dann nicht bereit bin, die Sprache zu lernen. Die Sprache ist Voraussetzung für die Integration, und das muss für ganze Familie gelten, und zwar zum Nutzen der gesamten Familie, insbesondere der Frauen. STANDARD: Haben Sie noch Vertrauen in die EU, dass diese in der Lage ist, Lösungen umzusetzen? Kapsch: Wenn die Union in einem globalen Spiel mitspielen will, muss sie europäische Lösungen finden, nicht nur im Flüchtlingsbereich. Irgendwann muss doch die Vernunft einkehren. Sonst würde einer der wesentlichen Grundpfeiler, nämlich die Freiheit des Personenverkehrs in der Europäischen Union wieder aufgehoben werden. Es gibt bestimmte Rahmenbedingungen, unter denen Schengen ausgesetzt werden kann, aber die Wiedereinführung von Grenzkontrollen kann ja wohl nicht unser Ziel sein. STANDARD: Die österreichische Politik bewegt sich genau dort hin, wenn man den Aussagen von Außenminister Kurz oder auch von Kanzler Faymann folgt. Kapsch: Und das ist bedauerlich. Das ist nicht im Sinne der europäischen Bürgerinnen und Bürger. STANDARD: Was kann Europa tun? Kapsch: Wir müssen uns dringend Mechanismen überlegen, wie die Flüchtlinge in Europa besser verteilt werden. Ein Kontinent mit 500 Millionen Einwohnern wird ein paar Millionen verkraften. Ein Land mit acht Millionen Einwohnern wird nicht zwei Millionen Flüchtlinge verkraften. Ich glaube schon, dass man über die Finanzströme auch etwas erzwingen kann. Wer Flüchtlinge nicht aufnimmt, muss in einen zentralen Topf einzahlen. Das ist zwar nicht humanitär, aber man kauft sich frei. Aber zu sagen: Ich leiste gar keinen Beitrag, kann nicht sein. Dass diese Flüchtlingswelle auf uns zurollt, wissen wir seit zwei Jahren. Europa hat sich darauf nicht vorbereitet, Österreich hat sich darauf nicht vorbereitet. Wir brauchen wieder Entscheidungsstärke und Tempo. Was man herausnehmen muss, sind Populismus und Polemik. Das hilft niemandem. Deutsche Gewerkschaft warnt vor Folgen einer Flüchtlingsobergrenze in Österreich. Berlin – Die deutsche Gewerkschaft der Polizei warnt vor einer Überforderung der deutschen Bundespolizei durch eine weitere Verlängerung der Grenzkontrollen. Für einen Zeitraum von vielleicht drei Wochen können wir das leisten, aber länger reichen die personellen Kräfte nicht aus. Das sagte der für den Bereich Bundespolizei zuständige GdP-Vize-Chef Jörg Radek der Neuen Osnabrücker Zeitung. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte zuvor angekündigt, die im September wiedereingeführten Grenzkontrollen über Februar hinaus zu verlängern. Die Bundespolizei sei bereits jetzt an ihrer Belastungsgrenze angelangt, sagte Radek. Seit Beginn der Kontrollen an der Grenze zu Österreich hätten die Beamten mehr als zwei Millionen Überstunden geleistet, sagte der stellvertretende GdP-Chef. Dies entspreche dem Gegenwert von 1.100 Einsatzkräften. Andere Aufgaben wie den Schutz von Flughäfen und Bahnhöfen oder die Absicherung von Fußballspielen könne die Bundespolizei kaum noch stemmen. Die geplante Aufstockung um 3.000 Stellen schaffe in der derzeitigen Flüchtlingskrise keine Abhilfe, da die Beamten erst ausgebildet werden müssten. In der Rheinischen Post warnte Radek außerdem vor den möglichen Folgen der von der österreichischen Regierung angekündigten Obergrenze für Flüchtlinge. Grundsätzlich seien Maßnahmen zur wirksamen Kontrolle des Flüchtlingsandrangs zwar zu befürworten. Sollten sich die Österreicher entscheiden, beim Erreichen des Limits Flüchtlinge einfach wieder nach Deutschland weiterzuleiten, würde uns das vor enorme Probleme stellen, sagte der GdP-Vize. Das deutsche Innenministerium hat die Kritik am Feritagvormittag zurückgewiesen. Die Bundespolizei sei derzeit zwar extrem gefordert, sagte eine Ministeriumssprecherin am Freitag auf Anfrage in Berlin. Verlängerte Grenzkontrollen seien aber sehr wohl machbar. In den vergangenen Monaten habe die Bundespolizei die Aufgabe ja auch bewältigt. Die Sprecherin verwies auf die geplante Personalaufstockung bei der Bundespolizei bis 2018 um 3.000 Stellen. Dies sei ein Zuwachs, wie es ihn seit Jahrzehnten nicht gegeben habe. Diese Kräfte stünden zwar nicht sofort zur Verfügung. Die Regierung tue aber ihr Möglichstes, um die Bundespolizei zu verstärken. Von den Spitzenverbänden der deutschen Wirtschaft hieß es unterdessen erneut, eine dauerhafte Lösung der Flüchtlingskrise sei nur gesamteuropäisch möglich. Wer vor Krieg, Vertreibung oder politischer Verfolgung fliehe, müsse auch in der Europäischen Union Schutz erhalten, hieß es in einer am Freitag veröffentlichten gemeinsamen Erklärung der Präsidenten von BDI, BDA und ZDH. Die Konzentration massiver Fluchtbewegungen auf einige wenige EU-Staaten müsse diese auf Dauer zwangsläufig überfordern. Die Verbände unterstützten daher die deutsche Bundesregierung in ihrem Europa-Engagement für ein abgestimmtes Vorgehen und faire Lastenverteilung. Eine Beschädigung oder gar Scheitern des Schengenraums wäre ein schwerwiegender Rückschlag für die Europäische Union und ihre Bürgerinnen und Bürger, für die Reisefreiheit und ungehinderte grenzüberschreitende Geschäftstätigkeit von elementarer Bedeutung sind. Die Verbände forderten zugleich eine konsequente Rückführung abgelehnter Asylbewerber. Herkunftsländer, die sich weigerten, ihre Staatsbürger zurückzunehmen und entsprechende Ersatzpapiere auszustellen, müssten durch diplomatischen, notfalls auch massiven politischen Druck dazu bewegt werden, ihre Praxis zu ändern. Rechtliche Rahmenbedingungen sollen rasch geklärt werden. Wien – Das Innenministerium steht dem Angebot des designierten Verteidigungsministers Hans Peter Doskozil (SPÖ), abgelehnte Asylwerber mit Hercules-Transportmaschinen des Bundesheers abzuschieben, grundsätzlich positiv gegenüber. Das zeige, dass beide Seiten an einer ernsthaften Lösung interessiert seien, hieß es am Montag aus dem Büro von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen solchen Assistenzeinsatz des Bundesheers sind vorerst noch offen. Sie sollen von den Experten beider Ressorts geklärt werden, die Gespräche auf Beamtenebene sollten so rasch wie möglich beginnen, sagte der Sprecher Mikl-Leitners. Dabei solle auch geklärt werden, wie man Synergien nutzen kann. Doskozil hatte am Wochenende die Unterstützung des Bundesheers bei der Abschiebung abgelehnter Asylwerber angeboten und als eine Möglichkeit den Einsatz der Hercules-Transportmaschinen genannt. Voraussetzung dafür sei allerdings die Zustimmung des Generalstabs. Im Bundesheer hieß es dazu am Montag, dass man erst nach Doskozils Amtsübernahme am Dienstag und seinem dann zu erwartenden Auftrag prüfen könne, ob das Bundesheer dazu in der Lage ist. Vorher werde der Generalstab keine Stellungnahme abgeben. Das Bundesheer besitzt derzeit drei C-130-Hercules-Maschinen. Sie verfügen über vier Turbo-Propeller-Triebwerke und werden über eine Hecktür beladen. Die Maschine dient in erster Linie zum Transport von Personal und Versorgungsgütern, vor allem im Rahmen von Auslandseinsätzen des Bundesheers. Laut Heereswebsite kann die Hercules 92 Passagiere oder 64 Fallschirmspringer oder 74 Tragbahren plus zwei Sanitäter transportieren. Mit einem Container lässt sie sich auch in einen fliegenden Operationsraum umfunktionieren. Das von der Regierung angekündigte Gutachten zur Asylpolitik wurde am Montag in Auftrag gegeben. Beauftragt wurden der Europarechtler Walter Obwexer und der Verfassungsjurist Bernd-Christian Funk. Auftraggeber sind der Verfassungsdienst im Bundeskanzleramt und das Völkerrechtsbüro im Außenministerium, hieß es in einer Aussendung des Kanzleramts. Dabei geht es um den Richtwert beziehungsweise die Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen. Die damit in Zusammenhang stehenden Maßnahmen und Fragen sollen geklärt werden. Obwexer und Funk sollen ihr gemeinsames Gutachten bis Mitte oder Ende März erstellen. Obwexer hat bereits betont, dass eine völlige Schließung der Grenzen auf jeden Fall rechtswidrig wäre. Die Regierung verschärft ihre Asylpolitik: Es hat fast den Anschein, als wollten SPÖ und ÖVP einander mit Vorschlägen überbieten. Fluchtbewegungen sollen unterbrochen, die Grenze dichtgemacht werden. Wien – Vor gar nicht langer Zeit geißelte Werner Faymann (SPÖ) den Zaun von Ungarns Premier Viktor Orbán zur Abwehr von Flüchtlingen noch so: Antieuropäisch, unmenschlich, nicht wirkungsvoll. Mittlerweile sind vier Monate und Tausende weitere Asylwerber ins Land gezogen – und nun macht der Kanzler und SPÖ-Chef keinen Hehl daraus, dass er an möglichen Ausweichrouten ein Grenzsystem wie in Spielfeld bauen lassen möchte. Am Wochenende sprach Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) laut aus, was das bedeutet: mehr Zäune im Süden. Der Grüne Peter Pilz, der den Nationalen Sicherheitsrat zusammentrommeln will, sagt: In halsbrecherischer Geschwindigkeit ist die Regierung von ihrem Angela-Merkel-Kurs zum Viktor-Orbán-Kurs gewechselt – zum Teil aus politischem Kalkül, zum Teil wegen eigener Hilflosigkeit. Hintergrund: Die neuen Zaunbestrebungen sind nicht die einzigen Vorstellungen, wie Rot und Schwarz künftig Flüchtlinge vom Hoheitsgebiet der Republik fernhalten wollen – erstmals gemeinsam. In atemberaubendem Tempo legen Faymann, Mikl-Leitner und andere Regierungsmitglieder Vorschläge zur Eindämmung der Flüchtlingsbewegung vor – und versuchen sich dabei teilweise an Rigidität zu überbieten. Den bisher spektakulärsten Vorstoß setzte der Kanzler höchstpersönlich aber in den auflagenstärksten Blättern Krone und Österreich. Am liebsten würde Faymann an der griechischen EU-Außengrenze von der Grenzschutzagentur Frontex aufgegriffene Flüchtlinge direkt in die Türkei zurückschicken. Mikl-Leitner bestätigt dem STANDARD die neu akkordierte Regierungslinie: Ich sage seit einem Jahr, dass im Mittelmeer an erster Stelle natürlich das Retten stehen muss. An zweiter Stelle darf aber nicht die automatische Einreise in die EU stehen. Die Menschen müssen zurück in die Türkei gebracht werden. All das gemahnt stark an das australische Modell unter dem Slogan Stop the Boats, das FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache seit geraumer Zeit für Europa einfordert. Denn seit die australische Marine selbst Flüchtlinge auf nicht mehr seetauglichen Booten einfach in Rettungsboote steckt und kurzerhand zurückschickt, hat es 2014 und 2015 kaum mehr ein Schiff mit illegalen Einwanderern auf den Kontinent geschafft. Ein Roter, der die Nervosität in der Regierung nach dem Festschreiben ihrer jährlichen Richtwerte vulgo Obergrenzen für Flüchtlinge beschreibt, klagt: Bei jedem Schritt, den wir nach rechts setzen, setzt die ÖVP noch lauter einen drauf – und stets hören wir, dass wir die Schuld tragen an der bisherigen Willkommenskultur. Die koalitionäre Unruhe angesichts ihrer 37.500 erlaubten Asylanträge allein für heuer ist nicht unberechtigt: Wegen der jüngsten syrisch-russischen Offensive harren schon zehntausende weitere Flüchtlinge an der türkischen Grenze aus. Dazu machen sich laut Schätzungen aus Afghanistan pro Tag bis zu 5000 Menschen, vor allem junge Männer, auf, mehrheitlich in Richtung Europa. Faymanns gebetsmühlenartiges Dogma, dass die beste Hilfe der Union immer noch jene vor Ort sei, hat sich offensichtlich überlebt. Die SPÖ hat sich ihre neue scharfe Linie auch von der Parteibasis absegnen lassen, nicht zuletzt um den Kritikern in den eigenen Reihen, die es auch gibt, den Wind aus den Segeln zu nehmen. In einer E-mail-Umfrage wollte die Parteizentrale von den SPÖ-Mitgliedern ihre Meinung zur Asylpolitik wissen. Es kam Zustimmung zu Richtwert/Obergrenze und zu einer generell schärferen Linie in der Asylpolitik. Den Schönheitsfehler, dass insgesamt nur von 5,6 Prozent der eingetragenen Genossen eine Antwort kam, wischt man in der SPÖ vom Tisch. Faymann weiß die großen Boulevardmedien und wohl auch einen Großteil der Bevölkerung hinter sich, die sich einen strengeren Umgang mit den Flüchtlingen wünschen. Jetzt gilt es, einen vertretbaren Kurs zwischen Grenzen dicht und einer Asylpolitik zu finden, die noch das Prädikat human verdient. In der ÖVP ist man über den Richtungsschwenk des Kanzlers und damit der SPÖ erfreut. Seit Faymann der von der ÖVP so dringlich geforderten Obergrenze zugestimmt habe, laufe es auch in der Regierung wieder besser. Erstmals werde eine gemeinsame Linie in der Flüchtlingspolitik vertreten, das sei auch nach außen hin sichtbar, frohlocken ÖVP-Vertreter, die es sich aber den Hinweis nicht verkneifen können, dass Faymann jetzt das mache, was Mikl-Leitner oder Außenminister Sebastian Kurz immer schon gesagt haben. Die gemeinsame Linie bestehe darin, was Kanzler Faymann als Plan A und Plan B bezeichnet: international Druck machen, aber national schon alle Vorkehrungen treffen, um die eigenen Grenzen dichtmachen zu können, wenn sich in der EU nichts tut. Kurz, Mikl-Leitner, Mitterlehner, Faymann und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil arbeiten einander erstmals in die Hände statt gegeneinander, und das nicht zufällig, sondern abgesprochen. Kurskorrektur Für diesen Richtungsschwenk Faymanns gibt es in Regierungskreisen eine einfache Erklärung: die Realität. Dass Österreich im heurigen Jahr noch einmal 90.000 Flüchtlinge aufnehme, sei völlig ausgeschlossen. Das übersteige einerseits die Kapazitäten, andererseits sei das der Bevölkerung nicht mehr zu verkaufen. Die Stimmung sei am Kippen – oder bereits gekippt. Mit einer Refugees welcome-Haltung könne man niemanden mehr beeindrucken. Auch bis tief hinein in linke Kreise der SPÖ und auch bei den sonst so kritischen Künstlern habe sich die Ansicht durchgesetzt, dass man nur mit einem restriktiven Kurs Herr der Lage werden könne. Die Angst vor einer nicht mehr überschaubaren Situation habe auch jene erfasst, die der Aufnahme von Flüchtlingen ursprünglich aufgeschlossen gegenüberstanden. Die Willkommenskultur wird auch in der SPÖ abgelehnt, es sei nur noch eine kleine Minderheit, die das anders sehe. Die Kurskorrektur, die Faymann vollzog, sei der Ernüchterung geschuldet. Die europäische Lösung sei die bessere, dabei bleibe Faymann, aber sie sei derzeit nicht absehbar. Und bevor die anständigen Regierungen aus dem Amt gejagt würden und die radikale Rechte Europa übernehme, müssten auch Maßnahmen gesetzt werden, die der Beruhigung der Bevölkerung dienten. Was niemand wolle, ist eine Eskalation der Situation, dass etwa in Spielfeld Wasserwerfer gegen Flüchtlinge eingesetzt werden müssten. In der Vorderen Zollamtsstraße bereiten sich die Menschen auf das Leben draußen vor. Es geht um sexuelle Belästigung und Fremdenfeindlichkeit. Wien – Martina Burtscher versucht die Männer auf den Frühling einzustimmen – und das verpflichtend. Es gibt Alphabetisierungskurse und Deutschkurse, aber auch Kurse, in denen Regeln und Werte gelehrt werden. Da geht es um die Schulpflicht, um das Fahren ohne Fahrschein, in den letzten Tagen und Wochen aber vor allem auch um den Umgang mit Frauen. Ich versuche die Männer auf den Frühling vorzubereiten und darauf, dass dann viele Frauen mit Miniröcken unterwegs sein werden. Das sind die Männer hier nicht gewohnt. Es geht um sexuelle Belästigung. Im Flüchtlingsheim Vordere Zollamtsstraße leben derzeit 775 Menschen, darunter viele Familien mit Kindern, aber auch viele alleinstehende Männer. Die Ereignisse von Köln sind ein Thema. Die Männer müssen lernen, sagt Martina Burtscher. Sie ist eine von zwei Leiterinnen dieses Flüchtlingsheims, das vom Roten Kreuz betrieben wird. Was Burtscher den Männern beizubringen versucht: dass sie Frauen mit Respekt behandeln müssen. Wie Schwestern. Und dass sexuelle Belästigung hierzulande strafbar ist. Die Männer, die meisten von ihnen aus Syrien, dem Irak und Afghanistan, diskutieren ernsthaft über das Thema, stellen viele Fragen. Burtscher: Sie machen sich viele Gedanken über Familie, Ehe und Partnerschaft. Sie haben berechtigte Ängste und falsche Erwartungen. Und sie müssen umdenken und umlernen. Beziehungen laufen bei uns anders, sagt Burtscher. Ihre Autorität wird hier nicht infrage gestellt. Ein kleiner Fortschritt. Bei den Schulungen im Haus versucht Burtscher, auch ein anderes Thema anzusprechen: dass die Wiener und die Österreicher nicht generell so nett sind, wie es den Anschein haben mag. Es ist eine paradoxe Situation: Im Haus sind die Flüchtlinge fast nur mit Menschen konfrontiert, die es gut mit ihnen meinen. Nach wie vor gibt es neben den ständigen Mitarbeitern etwa 70 Freiwillige, die hier regelmäßig Dienst tun. Viele von ihnen kommen aus dem Team Österreich, das aus einer Kooperation mit Ö3 entstanden ist. Leute aus allen sozialen Schichten, pensionierte Lehrer, Studenten, Arbeiter, Ärztinnen. Es ist wirklich erstaunlich, wie nachhaltig das Engagement der Zivilgesellschaft ist, sagt Burtscher. Aber das ist nur eine Seite. Von den Diskussionen über Flüchtlinge und der immer schlechter werdenden Stimmung im Land bekommen die Leute, die hier untergebracht sind, nichts mit. Burtscher versucht gegenzusteuern: Ein Drittel der Bevölkerung steht den Flüchtlingen skeptisch bis ablehnend gegenüber, schätzt sie, bei einem weiteren Drittel kommt es sehr auf das Verhalten der Flüchtlinge an – wie sie sich benehmen, auch im Umgang mit Frauen. Burtscher: Die Flüchtlinge haben keine Erfahrung mit Fremdenfeindlichkeit, es gibt viel zu wenig Interaktion mit der Bevölkerung. Wenn sie rauskommen, sind sie überrascht von der Stimmung im Land. Probleme gibt es einige im Haus, manche entstehen aus den Reibereien, die es immer wieder zwischen Arabern und Afghanen gibt, andere sind viel banaler, aber nicht leichter lösbar: Das Schwarzfahren ist ein Riesenproblem. Mit einem Taschengeld von 40 Euro im Monat können sich die Asylwerber kaum Fahrscheine leisten – und werden ständig erwischt und bestraft. Die Verkehrsbetriebe kennen keine Kulanz. Im Haus herrschen strenge Regeln: Wer mit Drogen zu tun hat oder in Schlägereien verwickelt ist, fliegt sofort, bei anderen Verstößen gibt es Verwarnungen. Wie es mit dem Haus weitergehen soll, ist offen. Der Vertrag läuft nur noch bis Mai, das Rote Kreuz verhandelt mit der Bundesimmobiliengesellschaft (BIG) und dem Fonds Soziales Wien (FSW) um eine Verlängerung. Ein Vorteil immerhin: Es gibt bis jetzt keinerlei Beschwerden von Anrainern. Im zweiten Stock lernen wir die Familie Yunis aus Afghanistan kennen. Die Eltern und die vier Kinder leben seit Oktober in einem Zimmer mit kaum zwanzig Quadratmetern. Sie wollen in Wien bleiben. Der Schulbesuch für die Familie ist eine unglaublich positive Erfahrung. In Afghanistan sind die drei Mädchen nicht zur Schule gegangen, nur der Bub. Jetzt blühen auch die Mädchen auf. Moladesser, die 14-jährige Tochter, tut sich noch schwer, das alles zu verarbeiten. Sie ist gehandicapt, hat in Wien einen Platz in einer Gehörlosenschule gefunden. Die Ärzte machen der Familie Hoffnung, dass durch eine Operation etwas zu verbessern sei. Die Eltern haben ihre sonstigen Erwartungen zurückgestellt. Was sie in Österreich zu erreichen hoffen: Bildung für die Kinder. Seit November, als DER STANDARD zum ersten Mal eine Reportage aus der Vozo machte, hat sich viel verändert. Es gibt ein Behandlungszimmer, in dem sich Ärzte abwechseln, es gibt einen Kindergarten, ein großes Lager für die Kleiderspenden. Da es vom Staat kein ausreichendes Angebot gibt, wurden eigene Kurse organisiert: 15 bis 20 Schulungen finden pro Woche statt. Im Erdgeschoß haben Studenten der Angewandten und der TU ein Café errichtet, in dem reger Betrieb herrscht. Studentinnen und Flüchtlinge schenken gemeinsam Tee aus, Kinder toben herum, auf der Bühne bauen Musiker ihre Instrumente auf. Im Haus gibt es mittlerweile auch drei Chöre. Die Realität, die Übergriffe auf Flüchtlingsquartiere, die Diskussion über Zäune und Obergrenzen, so macht es den Eindruck, werden hier ausgesperrt. In der Werkstatt sitzt Rebhi, ein Flüchtling aus der Westsahara, und bastelt Blumentöpfe für den Frühling. Die "No-Way-Kampagne" des Innenministeriums, mit der Menschen von der Flucht abgehalten werden sollen, sorgt für Irritationen. Grüne und Neos fragen parlamentarisch nach. Die Plakate des Innenministeriums, mit denen dieses Menschen vor allem in Afghanistan von der Flucht nach Österreich abhalten will, haben aufgrund der optischen Ähnlichkeit mit Wahlkampfplakaten der FPÖ für einige Irritation gesorgt. Auch wenn das Ministerium diesen Zusammenhang strikt zurückweist, lassen sich Übereinstimmungen in der optischen Anmutung nicht von der Hand weisen, was insbesondere in den Social-Media-Kanälen des Internets ein heftig diskutiertes Thema ist. Grüne und Neos stoßen sich am Erscheinungsbild der Antiwerbekampagne von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) , die Grünen haben die Plakate ihrerseits überarbeitet: Schreibt der Kickl für die Mikl?, ist darauf zu lesen. Herbert Kickl ist freiheitlicher Generalsekretär und in dieser Funktion auch für die Öffentlichkeitsarbeit und interne Kommunikation der FPÖ zuständig. Kickl ist quasi die Werbeagentur der FPÖ, von ihm stammen die oft gereimten Slogans auf den FP-Plakaten. Beide Parteien stellen parlamentarische Anfragen an Mikl-Leitner. Neos-Abgeordneter Nikolaus Scherak vermutet eine innenpolitische PR-Aktion. Er fragt sich, ob 15.000 Euro Budget für eine landesweite Kampagne in Afghanistan sinnvoll sind oder dahinter bloß Symbolpolitik steckt. Die grüne Abgeordnete Tanja Windbüchler-Souschill konfrontiert Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Mikl-Leitner mit der No-Way-Kampagne der Regierung. Im Betreff heißt es: Drohplakate ersetzen Flüchtlingspolitik nicht. Die Sujets dieser Kampagne sollen vor allem in Afghanistan, aber auch in anderen ausgewählten Herkunftsländern in Landessprachen geschaltet werden. Die Slogans lauten Österreichs Asylrecht nun noch strenger!, Ohne Einkommen kein Familiennachzug und Asyl nur befristet. In einer Überzeile ist zu lesen: Schlepper lügen! Informieren Sie sich! Es dominieren rote Fettschrift in Versalien und Rufzeichen. Die Grünen wollen wissen, auf welcher Grundlage in Absprache mit welchen Akteuren der Islamischen Republik Afghanistan beziehungsweise in Absprache internationaler Organisationen die Kampagne genehmigt und durchgeführt wird. Gefragt wird auch nach den Kosten und wie die Finanzierung sichergestellt wird. Außerdem wird die Frage nach den Unternehmen gestellt, die etwa in Afghanistan für die Umsetzung der Kampagne zuständig sind. Die Neos üben umfassende Kritik an der Kampagne und wollen wissen, welche Agentur die Plakate gestaltet hat und ob die Ähnlichkeit mit FPÖ-Plakaten den Auftraggebern bewusst war. Auch die Wirkung stellen sie infrage und fordern eine Aufschlüsselung der Medien, in denen die Inserate und TV-Spots geschaltet werden sollen. Die ganze Kampagne soll laut Angaben des Innenministeriums in Afghanistan nur rund 10.000 bis 15.000 Euro kosten, später soll sie auch auf die Maghreb-Staaten Tunesien, Marokko und Algerien ausgeweitet werden. Der Sachbuchautor und Ex-Grün-Politiker rechnet mit den nach rechts gewanderten Linken ab. STANDARD: Ihr Buch Nach der Empörung ist eine ziemlich scharfe Abrechnung mit unserem System der repräsentativen Demokratie. Ist das die Bilanz eines frustrierten Ex-Abgeordneten? Werner-Lobo: Überhaupt nicht. Ich bin nicht frustriert – und mit dem, was ich hier geschrieben habe, gehe ich seit Jahren schwanger. Ich habe in den vergangenen 15 Jahren mehr als 1000 Vorträge über das Schwarzbuch Markenfirmen gehalten, da kommt immer als eine der ersten Fragen: Was kann ich gegen die dort beschriebenen Ungerechtigkeiten tun? STANDARD: Ein Kapitel Ihres neuen Buches ist im Leninschen Sinn mit Was tun? überschrieben. Werner-Lobo: Meine Motivation war immer, jene Menschen, die nicht zum ganz kleinen Kreis der politisch Eingeweihten gehören, zu motivieren: Jeder kann einen Schritt machen – es kommt darauf an, wohin dieser Schritt führt. STANDARD: Sie geben eine Anleitung: Was kann jemand als Einzelner tun? Dann der Aufruf: Macht es gemeinsam! Und drittens: Daraus kann eine Bewegung entstehen? Werner-Lobo: Genau. Ich glaube, dass es sich auszahlt, in die Geschichte zurückzuschauen. Es beschleicht einen allzu leicht das Gefühl, man wäre machtlos und könne nichts tun. Da lohnt es, mit Abstand zurückzuschauen und sich zu fragen: Was hat denn bisher dazu geführt, dass sich Dinge zum Besseren gewendet haben? STANDARD: Ich habe Lenin nicht zufällig erwähnt. In der linken Bewegung war es zwischen den 1850er- und 1920er-Jahren eine Kernfrage, wer was tun sollte. Die Leninsche Antwort waren Kaderparteien neuen Typs und Berufsrevolutionäre. Was ist Ihre Antwort? Werner-Lobo: Es hat zu allen Zeiten Menschen gegeben, die sich organisiert haben, um die Welt zum Besseren zu verändern. Diesen Menschen danken wir, dass es zumindest bei uns heute besser ist als vor 100 Jahren – dass Demokratie, Arbeitnehmerrechte, Frauenrechte, mittlerweile auch die Rechte von Schwulen und Lesben, Umweltstandards etc. gibt. Das kommt nicht von nichts. Das kommt von Menschen, die gesagt haben: Wir tun etwas, und wir tun es gemeinsam. STANDARD: Den Linken vor 100 oder 150 Jahren war es ein Anliegen, den Verdammten dieser Erde, wie es in der Internationale heißt, eine Stimme zu geben. Heute sind nicht mehr die Arbeiter die Verdammten, sondern eher die Migranten? Werner-Lobo: Ja. Ihnen eine Stimme zu geben heißt aber nicht, in paternalistischer Weise zu sagen: Ich vertrete euch – was repräsentative Demokratie für sich beansprucht. Eine Stimme geben heißt, Menschen für sich selbst sprechen zu lassen, Interessenkonflikte auf Augenhöhe auszutragen und Privilegien zu teilen. STANDARD: Sie warnen in Ihrem Buch davor, dass man in der besten Absicht, das Gute zu erreichen, abgehoben und arrogant wird? Werner-Lobo: Das ist mir ganz wichtig. Etwa 2012/13, als es Refugee-Proteste gegeben hat, da habe ich viel gelernt von ihnen, wie man gemeinsam einen sozialen Kampf führt und sich nicht von Rückschlägen frustrieren lässt. Das war wohl auch so bei den von Ihnen angesprochenen Bewegungen um die vorige Jahrhundertwende – die Arbeiterbewegung, die Frauenbewegung, die Sufragetten, die Reform- und Jugendbewegung, ab 1900 – wo junge Leute gegen bürgerliche Konventionen aufbegehrt haben. Das waren alles Leute, die für sich selbst gesprochen und entschieden haben: Wir wollen anders leben, wir fordern unsere Rechte ein – und wir lösen das in Solidarität miteinander. Das waren lauter emanzipatorische Bewegungen – und das war immer im Widerstand zu Eliten, die ihre Ressourcen für sich bewahren wollten. In der Politik geht es letztendlich immer um die Umverteilung von Ressourcen. Wenn man etwas ändern will, braucht man immer Solidarität mit Schwächeren, und man darf den Konflikt mit den Profiteuren nicht scheuen. Daran krankt es heute nach 30 Jahren Neoliberalismus: dass die etablierten linken Parteien keinen Konflikt mehr führen. STANDARD: Eine Arbeiterbewegung müsste sich für die am stärksten Ausgebeuteten einsetzen? Werner-Lobo: Das neue Proletariat sind die Migranten ... STANDARD: ... und nicht nur die aktuellen Migranten. Bei uns im 10. Bezirk sind es ja Türken und ehemalige Jugoslawen, die schon in zweiter Generation hier leben. Dass man sich für diese Gruppen einsetzt, höre ich aber in Wien- Favoriten kaum? Werner-Lobo: Die, die Solidarität brauchten, werden von den politischen Eliten so gut wie gar nicht vertreten, in keiner Partei. Gerade im 10. und 11. Bezirk ist auch die Sozialdemokratie ganz rechts. Die vertreten eine Schicht, die von der alten Sozialdemokratie profitiert hat – und dank Bruno Kreisky heute zu den vergleichsweise Privilegierten gehört, die Zugang zu Bildung, eine Wohnung und ein Auto hat, aber die gleichen Privilegien dem migrantischen Proletariat vorenthalten will. STANDARD: Nach ihrer Selbsteinschätzung haben sich diese Leute das aber selbst geschaffen, das Auto haben sie ja selbst gekauft und nicht die Partei. Diese Leute sehen sich nun von Ihnen als Privilegierte eingeschätzt? Werner-Lobo: Es stimmt beides. Ich spreche niemandem ab, dass er sich etwas selbst geschaffen hat – aber das Privileg besteht darin, dass er das tun konnte. Ein Asylwerber, der nicht einmal arbeiten darf, kann sich eben nicht selbst Wohlstand schaffen. Der würde das auch gern – der würde, wenn es sein muss, 18 Stunden am Tag arbeiten, würde gern Deutsch lernen. Und jetzt wird der Simmeringer Hackler gegen den Asylwerber aufgehetzt. Die hohe politische Kunst bestünde darin, den Simmeringer Hackler zu Solidarität mit dem noch mehr ausgebeuteten Migranten zu bewegen. Aber die, die solche Positionen vertreten, werden auch aus linken Parteien systematisch hinausgeekelt. Macht neigt dazu, sich selbst zu erhalten – nicht, weil das böse Menschen sind, sondern weil das am System liegt, dass, wer Macht hat, Leute um sich schart, die ihn an der Macht halten und die anderen draußen hält. STANDARD: Die Erfahrung der Bürger, die sich in den vergangenen Jahrzehnten etwas geschaffen haben, ist aber: Wann immer Solidarität verlangt wird, dann wird dem Mittelstand etwas weggenommen, sei es bei Pensionsreformen, bei der Besteuerung von Wohnungseigentum etc. Werner-Lobo: Je mehr Irritation hier erzeugt wird, desto unsicherer werden die Leute, ob sich das ausgeht. Da wird von Überalterung erzählt oder von Überbevölkerung. Es ist erwiesen, dass weltweit für alle genug da ist, es hat sich nur immer mehr ganz oben konzentriert. Wenn also die wirklich Vermögenden eine Mehrheit für ihre Interessen wollen, dann müssen sie im Mittelstand Angst säen – wenn die Leute fürchten, dass sie etwas verlieren, sobald sie sich mit noch Schwächeren solidarisieren, dann tun sie es lieber nicht. Wenn ich als Mittelständler sage: Eigentlich fürchte ich mich nicht, dann komme ich zu dem Schluss: Na die paar Migranten, die paar Arbeitslosen, die halten wir schon noch aus. Aber leider funktioniert die Irritation. Die Sprengelergebnisse, wo der Strache stark ist, das sind nicht die Wahlsprengel, wo arme Leute leben. Es sind Sprengel, wo es den Leuten relativ gut geht, die aber davon ausgehen, dass es ihren Kindern einmal schlechter gehen wird, als es ihnen selbst geht. Wer die Hoffnung verliert, der wird destruktiv. Das ist die erfolgreiche Politik der Angst. Unintelligenterweise verstärken das die Parteien der Mitte, die Sozialdemokratie und die ÖVP und zum Teil auch die Grünen. Stattdessen müsste man den Mittelstand verbreitern, etwa durch erstklassige Bildung für alle. Mindestsicherung für alle, als Grundrecht, nicht als Gnadenakt. Das müsste man aus Steuern auf die wirklich großen Vermögen finanzieren – es nützt denen ja auch, wenn es keine Armut gibt, sie sind nur zu deppert, um zu verstehen, dass es ja auch kein richtiges Leben ist, wenn man, wie ich es in Rio erlebt habe, als Reicher eines Tages auch bei uns die Kinder nur mit Bodyguard zur Schule schicken kann und nur in gated communities leben kann. STANDARD: Sie regen in Ihrem Buch zu gemeinsamer Aktion an – lehnen aber beispielsweise eine Bürgerinitiative gegen ein von ihnen sogenanntes notwendiges Wohnbauprojekt ab? Werner-Lobo: Ich will nicht zu sehr moralisieren: Diese Bürgerinitiativen darf es schon geben – aber die wesentliche Frage ist, ob etwas im Sinne des Gemeinwohls ist. In letzter Zeit gibt es viele Not- in-my-backyard-Initiativen, etwa gegen Drogenberatungsstellen, Moscheen oder Ähnliches in der Nachbarschaft -, da tun sich Leute aus egoistischem Partikularinteresse zusammen. Das verstärkt die Spaltung, gegen die ich bin. Da muss man Formen finden, wie man Demokratie partizipatorischer organisiert. Ich verstehe schon, dass jemand mitreden will, wenn man ihm etwas vor das Haus setzt, in das er investiert hat. Aber unter Bedachtnahme auf die Interessen des Gegenübers, das auch Zugang zu demokratischen Instrumenten haben muss – wie jenes Drittel der Wiener Bevölkerung, das einen anderen Reisepass hat und nicht einmal wahlberechtigt ist. STANDARD: Aber Demos von Pegida würden Sie verhindern. Vertritt Pegida nicht verständliche Sorgen? Werner-Lobo: Ich sage nicht, dass Pegida nicht auch legitime Sorgen artikulieren würde. Pegida ist ein gutes Beispiel für Leute, die darunter leiden, dass sie wenig Perspektiven für sich sehen. Es ist legitim, das zu artikulieren. Die Frage ist, ob man als politisch Verantwortlicher deren kurzsichtigen Rückschluss, auf noch Schwächere hinzuschlagen, als legitim erachtet. Ich stehe der deutschen Kanzlerin ideologisch sicher nicht nahe – aber in dieser Frage ist Angela Merkel eine löbliche Ausnahme vom Prinzip des Teile und herrsche. Statt einer Obergrenze für Flüchtlinge formuliert sie so etwas wie eine moralische Untergrenze, die nicht unterschritten werden darf. Hut ab, das würde ich mir von manchen linken Politikern auch wünschen! (Conrad Seidl, 14.3.2016) Die Mittel für Integration werden aufgestockt, um mehr Sprach- und Wertekurse für Schutzsuchende in Österreich zu finanzieren. 2016 sind es 77 Millionen Euro. Wien – Im Budget für die kommenden Jahre wird offenbar nicht nur im Bereich Sicherheit massiv investiert, auch für die Integration von Flüchtlingen werden die Geldmittel aufgestockt. Im Verhältnis zu der Aufrüstung der Streitkräfte, die angesichts der Flüchtlingskrise samt auszuweitendem Grenzschutz mit 1,3 Milliarden Euro zusätzlich bis 2020 unterstützt werden sollen, nehmen sich die Aufstockungen im Integrationsbereich noch bescheiden aus. Das Außenministerium von Sebastian Kurz soll dem Vernehmen nach 40 Millionen Euro mehr für Integration erhalten, als ursprünglich für 2015 budgetiert waren. Im vergangenen Jahr waren 37 Millionen Euro für Integrationsmaßnahmen vorgesehen, dazu kamen außertourlich 25 Millionen aus dem Integrationstopf, den das Finanzministerium zur Verfügung stellte. Diese 25 Millionen werden auch 2016 dem Integrationsbudget des Außenamtes zugeschlagen, dazu kommen zusätzlich 15 Millionen, das ergibt dann eine Gesamtsumme von 77 Millionen Euro. Für 2017 sind laut Budgetplan weitere 56 Millionen zusätzlich für die Integration vorgesehen. Das wäre gegenüber 2015 mehr als eine Verdoppelung. Vorgesehen sind die Mittel in erster Linie für Deutschkurse für Flüchtlinge sowie für die Wertekurse. Begründet wird die Aufstockung mit dem Mehraufwand, der sich aus den aktuellen Flüchtlingszahlen ergibt. Im vergangenen Jahr haben 90.000 Schutzsuchende in Österreich um Asyl angesucht, im heurigen Jahr kamen bisher noch einmal 16.000 Asylanträge hinzu. Derzeit gibt es einen Stand von mehr als 50.000 unerledigten Asylverfahren. Im Ranking jener Ressorts, die zusätzliche Mittel zugesprochen bekommen, ist das Außenministerium relativ gesehen vorn dabei. Während die Budgetaufstockung im Verteidigungsministerium 30 Prozent ausmacht, wird das Budget des Außenministeriums um fast 34 Prozent aufgestockt. Das relativiert sich allerdings, wenn man sich die Gesamtbudgets anschaut: Das Innenministerium ist für 2016 mit drei Milliarden veranschlagt, das Verteidigungsministerium mit knapp zwei Milliarden, das Außenministerium mit etwa 430 Millionen Euro gesamt. Zum budgetären Rahmen passt auch der zeitliche: Am 26. April – zwei Tage nach der Präsidentschaftswahl – ist neben der Präsentation des Finanzrahmens ein Asyl- und Arbeitsmarktgipfel geplant. Arbeiterkammerpräsident Rudolf Kaske erinnerte am Freitag an das Papier der Sozialpartner, wonach Asylwerber nach sechs Monaten eine Beschäftigung annehmen dürfen sollen, wenn sich für eine freie Stelle kein EWR-Bürger bewirbt. Allerdings scheint die Regierung derzeit nicht gewillt zu sein, den Arbeitsmarkt für Flüchtlinge aufzumachen. Das sei in der aktuellen Situation das falsche Signal, hieß es dazu unisono aus den Büros von Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) und Sozialminister Alois Stöger (SPÖ). Mit aktueller Situation ist die hohe Arbeitslosigkeit gemeint. Anders verfährt Deutschland. Obwohl schon jetzt liberaler als Österreich, will Berlin auch auf die Vorrangprüfung verzichten. Damit dürfen Asylwerber auch arbeiten, wenn die freie Stelle von einem EWR-Bürger begehrt wird. Kaske spricht sich für eine behutsame Vorgangsweise bei der Joböffnung für Flüchtlinge aus. Man wolle die Arbeitslosen nicht in die Hände der Rechtspopulisten treiben, sagte er im Klub der Wirtschaftspublizisten. Zudem hält er die rasche Durchführung von Asylverfahren und die Intensivierung von Deutschkursen für vordringlich. Keine Zustimmung gibt es von der Arbeiterkammer zum burgenländischen Vorstoß, osteuropäischen Arbeitskräften in Bereichen wie dem Bau den Zugang zu verwehren. Wir bekennen uns zur Entsendung, erklärte Kaske. Heiko Heinisch über das Problem mit dem Islam, paternalistische Linke und Mobbing gegen Mädchen ohne Kopftuch. STANDARD: Sie haben in einem Artikel für das Magazin The European geschrieben: Wir haben ein Problem mit dem Islam. Wir alle, die wir in freien und offenen Gesellschaften leben wollen, unabhängig von unserer Religion oder Weltanschauung. Was ist das Problem? Heiko Heinisch: In den islamischen Gesellschaften beobachten wir seit knapp 40 Jahren einen Vormarsch islamistischer Kräfte, die eine Umgestaltung der Gesellschaft nach islamischen Kriterien, also so etwas wie einen islamischen Staat, durchsetzen wollen. Den Startschuss gab die Revolution im Iran, die auch auf die mehrheitlich sunnitischen Länder wirkte. Vor allem Saudi-Arabien finanziert weltweit islamistische Propaganda, aber auch Katar und die Türkei unter Erdogan propagieren einen politisierten Islam, der sich in den letzten Jahrzehnten zum Mainstream entwickelt hat. Das färbt selbstverständlich auch auf die islamischen Verbände in Europa ab, die überwiegend ebenfalls einen politisierten Islam repräsentieren – das ist unser Problem. STANDARD: Was ist dagegen zu tun? Heinisch: Zunächst sollte man dem Islamismus genauso begegnen wie anderen radikalen politischen Ideologien und ihn nicht unter dem Oberbegriff Religion quasi unter den Schutz der Religionsfreiheit stellen. Man muss klar sagen, ja, Religionsfreiheit besteht, Gläubige können bei uns ihre Religion frei ausleben, aber der Ideologie und den damit verknüpften politischen Ansprüchen müssen wir etwas entgegenstellen und gleichzeitig die Kräfte stärken, die für liberalere Ausprägungen der Religion eintreten. STANDARD: Sie haben mit Nina Scholz das Buch Europa, Menschenrechte und Islam – ein Kulturkampf? verfasst. Ist es ein Kulturkampf? Heinisch: Ja, ein Kulturkampf, der auch in Europa ausgetragen wird, aber eben kein Kampf zwischen dem Westen und dem Islam, sondern ein Kampf zwischen denen, die für freie Gesellschaften und die Werte der Aufklärung eintreten, und jenen, die totalitäre Systeme wollen, ob, wie die Islamisten, unter religiösem Vorzeichen oder unter nationalem, wie die diversen rechtspopulistischen Parteien, die ebenfalls keine freie Gesellschaft zum Ziel haben. STANDARD: Sind der Islam und Demokratie vereinbar? Heinisch: Das halte ich prinzipiell für genauso möglich wie beim Christentum. Es gibt diesen Irrglauben, der Islam habe keine Aufklärung durchgemacht. Das Christentum hat auch keine Aufklärung durchgemacht, sondern die europäischen Gesellschaften. Auf diesem Weg wurden die kirchlichen Autoritäten quasi gezwungen, das nachzuvollziehen. So gesehen brauchen die islamischen Gesellschaften eine Aufklärung und nicht der Islam. STANDARD: Wer soll die islamischen Gesellschaften aufklären? Heinisch: Liberale Denker und Gruppen, die es auch in der islamischen Welt gibt, die aber zurzeit leider auf recht verlorenem Posten stehen. Umso wichtiger ist es, diesen Kräften in Europa mehr Freiraum zu schaffen, weil sie nur hier die Freiheit finden, um ihre Theorien ausbreiten und diskutieren zu können. Stattdessen passiert dann häufig das, was dem Algerier Kamel Daoud in Frankreich gerade passiert ist: Er muss sich von linken Intellektuellen einen Shitstorm gefallen lassen, weil er seine eigene Gesellschaft kritisiert hat. STANDARD: Würden Sie sagen, linke Intellektuelle in Europa haben in der Auseinandersetzung mit dem Islam ein blindes Auge und wollen bestimmte Dinge nicht sehen? Heinisch: Große Teile der Linken, ja. Die sehen nur die unterdrückte Minderheit vor sich und nicht einzelne freie Bürger, und sie glauben immer, sie müssen diese Gruppe beschützen. Das ist ein paternalistischer Blick auf die anderen. Sie erklären sich zur Schutzmacht der Muslime in Europa und verteidigen dabei zum Teil eben auch Gruppen und Ideologien, die ihnen ansonsten sehr fernstehen müssten, was ihnen aber offensichtlich nicht mehr auffällt. STANDARD: Was leiten Sie vor diesem Hintergrund ab für den Umgang mit den Flüchtlingen? Heinisch: Wir müssen vieles anders machen als in den letzten 50 Jahren. Da herrschte in ganz Europa – in einigen Staaten mehr, in anderen weniger – so etwas wie Laissez-faire. Zwar wurde die multikulturelle Gesellschaft bejubelt, aber man hatte kein wirkliches Interesse an den anderen, man hat sie nicht wirklich als Mitglieder der Gesellschaft betrachtet. In Belgien etwa leben viele Einwanderer in ihrem Stadtviertel und konnten dort weitgehend tun, was sie wollten. Die lassen uns in Ruhe, wir sie. Dahinter verbirgt sich ein Denken in Kollektiven: Wir und Die. Wir müssen anfangen, uns alle als eine Gesellschaft zu begreifen und Probleme in bestimmten Gruppen als gesamtgesellschaftliche Probleme wahrnehmen. STANDARD: Was dürfen oder müssen wir Flüchtlingen abverlangen? Heinisch: Wir müssen ihnen sagen, was bei uns möglich ist und was nicht. Wir müssen ihnen unsere Gesellschaft erklären und die Werte vermitteln, auf denen sie basiert – und ihnen dabei auch immer mitvermitteln, welche Vorteile sie selbst davon haben, etwa dass sie hier Sachen machen können, für die sie wahrscheinlich in ihrer Heimat verfolgt worden wären. STANDARD: Also ihnen auch vermitteln, dass sie auf bestimmte Dinge, die sie aus ihrer Heimat oder Religion mitbringen, verzichten müssen, wenn sie hier leben wollen? Heinisch: Ja, das müssen wir. Es gibt Dinge, die sie hier so nicht leben können wie in ihrer Heimat. STANDARD: Zum Beispiel? Heinisch: Das fängt an bei den sogenannten arrangierten Ehen, die zum Großteil Zwangsehen sind. In Europa hat eine junge Frau das Recht, nicht zu heiraten, wenn sie nicht will, und sie hat das Recht, ihren Partner auszusuchen, und zwar unabhängig davon, ob sie in eine muslimische Familie geboren wurde oder in eine andere. An diesem Punkt spießen sich einem Kollektiv zugestandene Rechte mit den individuellen Freiheitsrechten: Wenn ich dem Kollektiv arrangierte Ehen zugestehe, dann entziehe ich den Mitgliedern dieses Kollektivs Freiheitsrechte. STANDARD: Apropos Werte. Die Regierung setzt auf achtstündige Wertekurse. Genügt das? Heinisch: Das ist ein Einstieg. Es sollte aber ein dauerhaftes Projekt für jeden Flüchtling sein. Mir stellt sich etwa die Frage, warum die Deutschkurse nicht dazu genutzt werden, gleichzeitig Werte und das Leben in unserer Gesellschaft zu vermitteln? Noch besser wäre ein System wie in Kanada, wo Neueinwanderer einen Integrationslotsen bekommen, der ihnen das alltägliche Leben erklärt. Da gehts oft um Kleinigkeiten, etwa wie löse ich ein Ticket am Fahrscheinautomaten? Aber auch um Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, beim Spracherwerb und eben auch um das Vermitteln des Rechts- und Wertesystems. Über ein Jahr hinweg werden die Neueinwanderer in die Gesellschaft eingeführt. STANDARD: Sie schreiben auch über das Kopftuch: Wie stehen Sie dazu? Heinisch: Prinzipiell hat eine Frau natürlich ein Recht, ein Kopftuch zu tragen, so wie sie das Recht hat, sich einen Irokesenschnitt zu schneiden. Ich halte allerdings nichts davon zu sagen, das Kopftuch sei nur ein Modeaccessoire oder bloßes religiöses Symbol. Es wird von politischen islamischen Organisationen als politisches Symbol benutzt. Bei Kindern in der Schule und noch mehr im Kindergarten habe ich ein ernsthaftes Problem damit, denn ich kenne mittlerweile nicht nur aus Berlin, sondern auch aus Wien Beispiele, dass es muslimischen Mädchen an manchen Schulen schon fast nicht mehr möglich ist, ohne Kopftuch zu kommen, weil sie dann gemobbt werden. Da müssen wir eine Grenze ziehen und die schützen, die zum Kopftuch gezwungen werden, eventuell auch dadurch, dass wir in gewissen Räumen die anderen dazu zwingen, kein Kopftuch zu tragen. STANDARD: Würden Sie im Kindergarten und in der Volksschule also für ein Kopftuchverbot plädieren? Heinisch: Ja. Die Schule sollte ein kopftuchfreier Raum sein. Zumindest für die Schülerinnen würde ich aus einem einfachen Grund für ein Verbot eintreten: Es mag sehr viele Mädchen geben, die freiwillig ein Kopftuch tragen, aber es gibt wahrscheinlich mehr, die es nicht freiwillig tragen. Von denen hören wir nur weniger, weil sie in den Medien nicht vorkommen, schlicht und einfach weil ein Mädchen, das zum Kopftuchtragen gezwungen wird, einer Zeitung kaum ein Interview geben kann. Um diese Mädchen zu schützen, gibt es nur eine Möglichkeit: kein Kopftuch in der Schule. Dann haben Mädchen die Möglichkeit, das Leben auch einmal ohne Kopftuch wahrzunehmen – zumindest in diesem geschützten Raum. NGO bittet Staatsoberhaupt, Asylgesetz mit umstrittener Notverordnung nicht zu unterzeichnen. Wien – In einem offenen Brief wendet sich die Menschenrechtsorganisation Amnesty International an Bundespräsident Heinz Fischer, er möge die Novelle des Asylgesetzes nicht unterzeichnen. Die darin enthaltene umstrittene Notverordnungsermächtigung steht für die NGO in krassem Widerspruch zu menschenrechtlichen, verfassungsrechtlichen und europarechtlichen Standards. Zur Erinnerung: Ende April hat das Parlament das Asylpaket beschlossen, das mit 1. Juni in Kraft treten soll – neben Einschränkungen für den Familiennachzug sieht es bei anhaltendem Flüchtlingsandrang die sogenannte Notverordnung vor, eine Verordnungsermächtigung für die Regierung, die – im Einvernehmen mit dem Nationalrat – beim Überschreiten der Kapazitätsgrenzen ausgelöst werden kann, wenn die öffentliche Ordnung und innere Sicherheit gefährdet sind. Nicht gesetzlich, aber politisch hat sich die Koalition für heuer darauf geeinigt, nur an die 37.500 Asylanträge entgegenzunehmen – danach drohen an den Grenzen Rückweisungen in die Nachbarstaaten, es sei denn, die Asylwerber haben bereits enge Verwandte in Österreich. Die ÖVP votierte vor zweieinhalb Wochen geschlossen für die Novelle, bei der SPÖ gab es vier Gegenstimmen, dafür unterstützte das Team Stronach geschlossen die Vorlage. Ablehnung kam von den Grünen und den Neos sowie von den Freiheitlichen – wenn auch aus unterschiedlichen Motiven. Amnesty ersucht nun Fischer eindringlich, das Gesetz nicht zu unterzeichnen. In dem Schreiben, das heute, Freitag in der Hofburg, dem Sitz des Staatsoberhaupts, abgegeben werden soll, bittet Heinz Patzelt, Generalsekretär von Amnesty Österreich, den Bundespräsidenten: Machen Sie Unrecht nicht zu Recht. Die Menschenrechtsorganisation will nun weltweit seine Mitglieder für die Aktion mobilisieren. Rechtsanwälte und Richtervereinigung lehnen Pläne von Innenminister Sobotka ab. Wien – Dass Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ausländische Staatsbürger nach erstinstanzlichen Verurteilungen zukünftig bis zur rechtskräftigen Entscheidung in Schubhaft nehmen will, um sie an der Flucht zu hindern, wird teils vehement kritisiert. Neben Kritik von Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt, der die Absichten Sobotkas als höchst fragwürdig bezeichnete und Bundespräsident Heinz Fischer wie berichtet bat, das Gesetz nicht zu unterzeichnen, kam Ablehnung vom Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (OERAK), Rupert Wolff: Wir lehnen diese Pläne entschieden ab, sagte er dazu am Freitag. Jemanden nur in Schubhaft zu nehmen, weil er in erster Instanz verurteilt wurde, ist vollständig überzogen und greift tief in die verfassungsrechtlich verankerten Grundrechte ein, gab OERAK-Präsident Wolff im Gespräch mit der APA zu bedenken. Man müsse den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Auge behalten, verlangte Wolff: Es entspricht unserer jahrelangen Erfahrung, dass erstinstanzliche Urteile im Berufungsverfahren oft abgeändert und auch in Freisprüche ungewandelt werden. Auch für die Richtervereinigung stellt sich aus grundsätzlichen Überlegungen die Frage der Verhältnismäßigkeit, vor allem wenn die Schubhaft dazu führt, dass sich jemand dann länger in Haft befindet, wie Sabine Matejka, Vizepräsidentin der Richtervereinigung, auf APA-Anfrage darlegte. Die Unschuldsvermutung gilt bis zur rechtskräftigen Erledigung eines Strafverfahrens. Jemanden vorher wegen eines Ladendiebstahls oder eines kleineren Vergehens in Haft zu nehmen, wäre ein massiver Grundrechtseingriff, pflichtete Gerhard Reissner, ebenfalls Vizepräsident der richterlichen Standesvertretung, bei. Unterdessen wurde im Innenministerium auf APA-Anfrage betont, dass jedenfalls ausreichend freie Kapazitäten vorhanden wären, um mehr Menschen in Schubhaft nehmen zu können. Derzeit kann Schubhaft verhängt werden, damit sich Fremde nicht einer Abschiebung entziehen. Dabei ist eine Frist von maximal zehn Monaten innerhalb von 18 Monaten zu berücksichtigen, erläuterte ein Sprecher des Innenministeriums. Auch weitere Vorschläge des neuen Innenministers zur Kriminalitätsbekämpfung werden durchaus kritisch betrachtet. In Fällen von sexueller Belästigung eine Meldeverpflichtung für Tatverdächtige bei der Polizei einzuführen, hält OERAK-Präsident Wolff für eine populistische, anlassbezogene Gesetzgebung, wenn sie so kommt. Sobotka hatte diese beabsichtigte Maßnahme damit begründet, man wolle den Tagesablauf junger Asylwerber strukturieren. Zielführender wären Integrationsmaßnahmen in den Arbeitsmarkt und das Sozialleben, bemerkte dazu Wolff. Ähnlich sieht das der Geschäftsführer des Vereins Neustart, Christoph Koss: Jüngste Einzelfälle und die damit nachvollziehbare Sorge um die Sicherheit dürfen den Blick auf eine insgesamt positive Kriminalitätsentwicklung nicht verstellen. Im Vorjahr hätten sich die Anzeigen auf einem Tiefststand seit 1999 befunden. Für eine wirksame Kriminalitätsbekämpfung sind Maßnahmen nur auf der Basis gesicherter Daten und mit Schwerpunkt auf Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik zu setzen, hielt Koss fest. Sobotkas Wunsch, DNA-Daten in Zukunft auch bei Vergehen zu sammeln, die mit bis zu einem Jahr Haft bedroht sind – etwa sexuelle Belästigung oder Nötigung – , wies OERAK-Präsident Wolff ebenfalls zurück: Es gibt einen unglaublichen Hunger und eine Gier nach diesen Daten. Diese sind aber nur dann als gezielte Beweismittel sinnvoll, wenn es um einen dringenden Tatverdacht bei schweren Verbrechen und nicht bloßen Vergehen geht. Der neue Osten Europas wurde zu lange als Gegenstück zum liberalen, weltoffenen Westen verstanden. Der Osten sei eine Konstruktion, die den Eindruck von Einheitlichkeit erwecke, wo eine solche gar nicht bestehe, erklärt Oliver Schmitt, Professor am Institut für Osteuropäische Geschichte. In der Semesterfrage, die die Universität Wien gemeinsam mit derStandard.at stellt, geht er auf Fragen der Poster ein, die im Eingangsartikel Europas neuer Osten, ein neues Feindbild? gestellt wurden. User byron sully weist darauf hin, dass es in Osteuropa gravierende Unterschiede zwischen den einzelnen Staaten und auch innerhalb dieser Gesellschaften gibt: Oliver Schmitt: Ihre Beobachtung ist sehr wichtig. Osten ist eine Konstruktion, die den Eindruck von Einheitlichkeit erweckt, wo diese gar nicht besteht. Gerade deswegen ist der unreflektierte Gebrauch des Begriffs nicht nur verzerrend, sondern auch politisch fahrlässig. Besonderes Augenmerk legt User Spartacus der Sklavenbefreier auf den Umstand, dass im Zuge der Flüchtlingskrise richtungsweisende Entscheidungen für den gesamten Kontinent von Deutschland aus getroffen worden sind – konkret kritisiert er die deutsche Kanzlerin Angela Merkel: Schmitt: Tatsächlich muss die historische Erfahrung der neuen Mitgliedstaaten sehr ernst genommen werden. Trotz mehrerer Aufstandsversuche, die, wie in Ungarn 1956, zum Teil sehr blutig niedergeschlagen wurden, hat die Sowjetunion die Staaten zwischen Baltikum und Schwarzem Meer nach 1945 ihrer Unabhängigkeit beraubt und Regimen unterstellt, die sich im Wesentlichen nur auf die bewaffnete Macht der Roten Armee und die Bereitschaft der Sowjetunion zu Interventionen stützten. Länder wie die baltischen Staaten machten zusätzlich besonders traumatische Erfahrungen durch die Auslöschung wichtiger Teile ihrer erst jungen Eliten durch den Terror der stalinistischen Sowjetunion. Unabhängigkeit und eigenständige Entwicklung werden nicht als etwas Selbstverständliches, sondern Fragiles und Gefährdetes angesehen. Nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit – als Frankreich und Großbritannien kein Sicherheitssystem gegen das nationalsozialistische Deutschland und die Sowjetunion errichten konnten – ist das Schutzbedürfnis in der Region verständlicherweise groß. Hier kommt der Nato eine wichtige Rolle zu. Angesichts der historischen Erfahrung von Fremdbestimmtheit durch die Großmächte Deutschland und Russland – und der Aufteilung des Raumes in Interessensphären im Konferenz von Jalta – ist das einseitige und nicht abgestimmte Vorgehen der deutschen Bundesregierung in einer für Europa entscheidenden Frage tatsächlich auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen. Einen persönlichen Bezug bringt User dawaunsinn ins Spiel, der vom Alltag berichtet, wie es dank der Grenzöffnung war und ist: Schmitt: Sie sprechen einen Gesichtspunkt an, der in der öffentlichen Debatte oft übersehen wird. Tatsächlich ist eine negative Konstruktion des Ostens gerade in gesellschaftlichen Kreisen verbreitet, die sich sehr offen gegenüber Migranten und Flüchtlingen aus dem arabischen und allgemein islamischen Raum zeigen. Weshalb Menschen aus einem konstruierten Osteuropa weniger zugestanden wird, zu einer vielfältigen Gesellschaft beizutragen, als Zuwanderern aus nichteuropäischen Gesellschaften, wird dabei kaum gefragt. Ebenso wenig wird über den Widerspruch nachgedacht, Ausgrenzung aufgrund der Herkunft im einen Fall anzuprangern und im anderen Fall selbst zu praktizieren. Diese Fragen zeigen, dass wesentliche Elemente der Debatte weniger mit dem Anderen – ob aus dem islamischen Raum oder den neuen Mitgliedsstaaten der EU –, sondern mit unserem eigenen kulturellen und gesellschaftlichen Selbstverständnis und dessen vielfältigen, nicht immer offengelegten und diskutierten Widersprüchen zu tun hat. Die Ablehnung des Ostens in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen ist mit dem scheinbaren Paradox größerer kultureller Nähe zumindest teilweise zu erklären. Bemerkenswert ist in beiden Fällen ein paternalistisches Verhältnis sowohl gegenüber dem guten wie dem bösen Anderen. Seine Stimme interessiert eigentlich nicht. Er ist vielmehr Objekt von Gesellschafts- und Symbolpolitik. Gerade die Tatsache, dass aus den neuen Mitgliedsländern der EU auch Widerspruch zu hören ist, der bei uns auch verstanden wird, führt zu politischer Erbitterung – das vermeintliche Objekt wird zum Subjekt im politischen Feld. Selbstkritisch sieht Max Edwin die Rolle des Westens, der nach der Öffnung der Grenzen den Osten als eine Art Selbstbedienungsladen sah: Schmitt: Jene Generation in den neuen Mitgliedsstaaten der EU, die die Transition erlebt hat, erbrachte eine Anpassungsleistung, von der man sich in der alten EU nur schwer eine Vorstellung macht, geschweige dass man dieser Leistung Anerkennung zollt. Eine zweite Generation – nach der Wendegeneration – sucht nun ihren Platz in Europa. Nach der starken und einseitigen Anpassung an die Anforderungen der EU in einer ersten Phase geht dies naturgemäß auch mit der Suche nach Eigenem einher. Diese Suche nach dem national Spezifischen ist freilich nicht neu. Seit der Herausbildung von Nationalstaaten in Ostmittel- und Südosteuropa standen einer fast bedingungslosen Westorientierung indigene Strömungen gegenüber. Genährt werden diese von der – nicht unberechtigten – Annahme, West- und Mitteleuropäer interessierten sich von sich aus kaum für den Raum zwischen Baltikum und Schwarzem Meer. Eine verstärkte kulturelle und intellektuelle Neugier und Offenheit von West nach Ost würde dieses Gefühl der Zurücksetzung und Nichtbeachtung abmildern und zu einer weniger emotionalen Debattenkultur beitragen. Mit deutlichen Worten wirft User Rationalpazifist um sich, wenn er von den Regierungen Polens und Ungarns spricht – eine Gelegenheit, um Begrifflichkeiten zu klären und an eine konstruktive, der Sache dienlichen Wortwahl zu erinnern: Schmitt: Die Beobachtung bezieht sich primär auf jene politischen und gesellschaftlichen Akteure, die sich prominent medial zu Worte melden. Leider sind die von mir genannten Tendenzen dort gut belegbar. Dass die Gesellschaften der neuen Mitgliedstaaten vielfältig sind, habe ich angesprochen, greife Ihren Hinweis aber gern auf. Vorsichtig aber wäre ich mit dem Begriff faschistoid – ideologisch mag er sich leicht handhaben lassen, analytisch ist er wenig hilfreich, in der politischen Debatte wirkt er lediglich ausgrenzend. In einer demokratischen Debatte sollte es aus liberaler Sicht darum gehen, in einer durchaus kontrovers geführten Auseinandersetzung das Gegenüber, dessen Ansichten man nicht teilt oder gar klar ablehnt, zu überzeugen. Dies ist ausgesprochen schwierig – und anstrengender als die vorschnelle Etikettierung des politischen Gegners, trägt aber zu einer funktionierenden Demokratie mehr bei als die Ausgrenzung stark wachsender politischer Kräfte. Die Identität des Einzelnen verändert sich ebenso durch Integration wie die der betroffenen Gesellschaft. Integration hänge von der Bereitschaft des Einzelnen genauso ab wie auf der strukturellen Ebene von der Möglichkeit, an der Gesellschaft teilzunehmen, sagt Sieglinde Rosenberger, Professorin am Institut für Politikwissenschaft. Im Rahmen der Semesterfrage, die die Universität Wien gemeinsam mit derStandard.at stellt, geht sie auf Fragen der Poster zu ihrem Beitrag Wie gelingt Integration? ein. Sieglinde Rosenberger: Der Begriff Integration ist schillernd, vielbedeutend und spricht sehr unterschiedliche Ebenen und Gefühle an. Integration bezeichnet den Weg, wie Menschen Teil einer Gesellschaft werden. Integration bezeichnet aber auch den Weg, wie Menschen sich als Gesellschaft verstehen, also miteinander verbunden sind. Somit erfasst Integration sowohl das Handeln des Einzelnen als auch das institutionelle Regelwerk, in dem der Prozess der Integration stattfindet. In diesem Prozess kann sich die eigene Identität ändern, und zwar sowohl jene der Zugewanderten als auch jene der Aufnahmegesellschaft. Was meint Identität? Zuallererst die Selbstidentifikation eines Menschen oder einer Gruppe. Wer bin ich? Wer sind wir? Diese Selbstvergewisserung erfolgt in der Praxis oft weniger über die eigene Kultur und die eigenen Werte als meist über die Abgrenzung von Anderen. Eine neue Umgebung mit anderen Regeln und Gewohnheiten fordert die bisherige Identität von Zugewanderten heraus, wird sie in mancher Hinsicht verändern, in anderer Hinsicht bestärken. Ähnlich verhält es sich mit der Aufnahmegesellschaft. Auch ihr Verständnis von sich kann sich verändern. Gleichzeitig versuchen aber gerade die rechtspopulistischen Parteien, die Identität als politische Frage zu bearbeiten. Wir sind die Modernen, die Aufgeklärten, jene, die Freiheit und Gleichheit leben. Die Anderen sind die Unmodernen, die Nichtaufgeklärten, die, für die die Freiheit keinen Wert darstellt. An diesem Beispiel wird deutlich, dass Teile der Politik oft wenig Interesse haben an Mischformen der Identität, sondern so tun, als ob es reine Formen von Identität geben könnte. Gerade dies aber ist nicht der Fall. Im Großen und Ganzen wird die Aufnahmegesellschaft vielfältiger werden und werden die Zugewanderten neue Erfahrungen zu ihren eigenen machen. Der politische Standard der liberalen Demokratie aber muss für alle Seiten gleichermaßen gelten. Rosenberger: Vorweg: Fluchtzuwanderung folgt nicht nur kapitalistischen Regeln, sondern Fluchtzuwanderung findet statt, weil Menschen Schutz vor Verfolgung suchen und brauchen. Mit anderen Worten: Die Aufnahmegesellschaften und -wirtschaften können sich Flüchtlinge, die einen Asylantrag stellen, nicht aussuchen. Eine Ausnahme von diesem Prinzip war zuletzt Kanada, das eine bestimmte Zahl an Flüchtlingen aus Syrien aufnahm und diese hinsichtlich Sprache und Bildung auswählte. Das fand im Rahmen eines sogenannten Resettlement-Abkommens mit dem UNHCR statt. Es ist sicherlich richtig, dass gut ausgebildete Zugewanderte eher Chancen auf Ausbildung, Lehre oder einen Arbeitsplatz haben als Menschen ohne mitgebrachte Qualifikationen. Bei Letzteren ist der Bedarf an Qualifizierung, die manchmal von der Alphabetisierung bis zur Fachausbildung reicht, deutlich größer. Andererseits ist anzumerken, dass der Kapitalismus nicht nur nach qualifizierten Arbeitskräften verlangt, sondern auch unqualifizierte, insbesondere Menschen ohne rechtlichen Status nachfragt. Diese Gruppe bildet die moderne, billige Arbeitsreserve. Eine politische Antwort auf diese Entwicklung müsste sein, den rechtlichen Status von Flüchtlingen rasch zu klären. Die Gewährung eines Aufenthaltstitels kann sowohl Ausbeutung als auch Lohndumping bremsen. Rosenberger: Die USA ist ein klassisches Einwanderungsland. Vielfalt, Nebeneinander und individueller Aufstieg sind die Ideen, auf denen Integration basiert. Probleme gibt es aber trotzdem, auch wenn es andere als in europäischen Ländern sind. Die ständigen Sorgen um kulturelle Integration sind kaum ein Thema. Das ist so, weil die Annahme, dass es so etwas wie einen einzigen Standard der Lebensweise gäbe, in den USA nicht oder kaum existiert. Individualität ist gesellschaftliches Charakteristikum, Pluralismus ist die politische Perspektive. Eine im Vergleich stärkere Teilnahme an Arbeit und Wirtschaft – oft zu niedrigsten Löhnen und ohne jegliche soziale Absicherung – ist Tatsache. Gleichzeitig gilt, dass manche Zuwanderungsgruppen deutlich bessere Bildungs- und Berufserfolge aufweisen als die bereits länger ansässige Bevölkerung, zum Beispiel Zugewanderte aus asiatischen Ländern. Manche Zuwanderungsgruppen jedoch leben deutlich marginalisierter, mit weniger sozialen Mobilitätsperspektiven als die bereits länger ansässige Bevölkerung. Eine generelle Aussage ist also nicht möglich, die Integration unterschiedlicher Gruppen ist ebenso unterschiedlich. Nicht vergessen werden sollte, dass es mittlerweile in den USA sehr strenge Zuwanderungsregeln gibt. Besonders ist auch, dass in den USA Fluchtzuwanderung im Gegenteil zu Europa eine vernachlässigbare Größe darstellt. Rosenberger: Es gibt durchaus Daten über die Integrationsergebnisse unterschiedlicher Gruppen. Es macht aber wenig Sinn, diese miteinander zu vergleichen, da schon die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen voneinander stark abweichen. So stößt der unmittelbare Integrationswille von Flüchtlingen auf eine Reihe von institutionellen Hindernissen. Asylwerber sind in der Regel in Sammelunterkünften untergebracht und haben folglich nur sehr eingeschränkte soziale Kontakte. Sie dürfen nicht arbeiten, sie haben nur beschränkten Zugang zu Bildungseinrichtungen. Die Integrationsbereitschaft ist massiv behindert, solange das Asylverfahren dauert. Lange Asylverfahren bedeuten also gleichzeitig einen Aufschub von Integration, die Teilnahme an Erwerbsarbeit und Bildung wird auf die lange Bank geschoben. Wer hingegen als Arbeitsmigrant, als Student oder über die Familienzusammenführung zuwandert, hat unmittelbar Zugang zu Arbeit, Bildung oder Wohnen und zu Integrationsmaßnahmen. Da die individuelle Integrationsbereitschaft je nach Migrationsgrund auf sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen stößt, kann die oben gestellte Frage nicht sinnvoll beantwortet werden. Rosenberger: Ob die Integration gelingt, hängt tatsächlich von vielen Faktoren, so auch von der Anzahl von Menschen, die in eine Gesellschaft neu aufgenommen werden, ab. Auf der individuellen Ebene neben der Bereitschaft oft auch von Zufällen wie bestimmten Kontakten oder bestimmten räumlichen Umwelten. Auf der strukturellen Ebene davon, ob es überhaupt Möglichkeiten gibt, wie beispielsweise das Recht für Asylwerber, zu arbeiten, oder das Recht, sich politisch zu beteiligen – beispielsweise bei fehlenden Wahlrechten für Menschen mit anderer Staatsbürgerschaft. Was heißt überhaupt gelungene Integration? Eine mögliche Antwort auf diese ist, dass es einen gesellschaftlichen Zusammenhalt gibt. Dass die verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppen sich aufeinander beziehen und miteinander verbunden sind. Dies bedeutet vor allem auch, dass soziale Ungleichheit sich nicht als Ungleichheit zwischen unterschiedlichen ethnischen Gruppen äußert. Gegenwärtig ist eine der größten Herausforderungen für integrierte Gesellschaften die wachsende Ungleichheit, die Spaltung zwischen Ärmeren und Reicheren. Gelungene Integration bedeutet Solidarität über Gruppen hinweg, um Konflikte und Spannungen zu überbrücken. Platz 23 unter den bisher 38 Volksbegehren der Zweiten Republik. Wien – 261.159 Österreicher wollen eine Volksabstimmung über den Abschied aus der EU. Sie haben das von Inge Rauscher initiierte EU-Austritts-Volksbgehren unterzeichnet. Mit einer Unterstützung durch 4,12 Prozent der Stimmberechtigten rangiert es auf Rang 23 der nunmehr 38 Volksbegehren – und muss, weil die 100.000er-Hürde genommen ist, vom Nationalrat behandelt werden. In Zeiten der Wirtschafts- und Griechenland-Krise erreichten die von der mittlerweile pensionierten Übersetzerin Rauscher (Initiative Heimat und Umwelt) angeführten EU-Gegner heuer deutlich mehr Zuspruch als im Jahr 2000: Damals wurde ihr Volksbegehren für eine neue EU-Abstimmung von 3,35 Prozent bzw. 193.901 Stimmberechtigten unterschrieben. Die zentrale Forderung heuer war: Der Nationalrat möge den Austritt der Republik Österreich aus der Europäischen Union mit Bundesverfassungsgesetz, welches einer Volksabstimmung zu unterziehen ist, beschließen. Die Initiatoren Rauscher, Helmut Schramm und Franz-Joseph Plank freuten sich in einer Aussendung über ein großartiges Ergebnis, sei es doch ein reines Bürgervolksbegehren gewesen ohne jegliche Unterstützung durch eine Partei, große Sponsoren oder Medien. Sie sehen ihr Ziel, eine Volksabstimmung, einen großen Schritt näher gerückt. Den stärksten Zuspruch fand das Volksbegehren in Niederösterreich (5,18 Prozent), in Kärnten waren es fast fünf Prozent (4,85). Auffallend gering war die Zustimmung in Vorarlberg mit nur 1,67 Prozent. Österreichweit stimmberechtigt waren laut dem vom Innenministerium veröffentlichten vorläufigen Ergebnis die 6,335.304 Österreicher, die spätestens heute, am letzten Eintragungstag, 16 Jahre alt wurden. Den bisher stärksten Zuspruch der acht Begehren zu Europathemen fand das gegen den EU-Beitritt gerichtete Für Erhaltung der Neutralität im Jahr 1996. Das Begehren der Bürgerinitiative Nein zur EU wurde damals von 358.156 bzw. 6,21 Prozent der Stimmberechtigten unterschrieben, das bedeutet Rang 16. Nicht sehr viel mehr Zuspruch als die jetzige – parteifreie – Initiative fanden die von der FPÖ initiierten Volksbegehren zu EU-Themen. Jenes für eine Volksabstimmung über den Euro landete 1997 mit 4,43 Prozent auf Rang 20. Rang 22 gab es mit 4,28 Prozent für das FPÖ-Begehren Österreich bleib frei, das sich 2006 gegen die EU-Verfassung und einen EU-Beitritt der Türkei richtete. Inge Rauschers erstes Anti-EU-Volksbegehren aus 2000 liegt mit 3,35 Prozent jetzt auf Platz 26. Platz eins unter den 38 Begehren nimmt bis heute das 1982 von der ÖVP initiierte gegen den Bau des Wiener Konferenzzentrums ein. Fast 1,4 Millionen oder 25,74 Prozent unterstützten es, gebaut wurde das Konferenzzentrum trotzdem. Auch die Fristenlösung gilt bis heute, obwohl deren Gegner 1975 fast 900.000 Österreicher (17,93 Prozent) mobilisieren konnten – und damit auf Rang drei kamen. Mehr Wirkung zeigte die zweiterfolgreichste Initiative, das 1997 von 1,2 Millionen (21,23 Prozent) unterschriebene Anti-Gentechnik-Volksbegehren. An der 100.000er-Hürde für die Behandlung im Nationalrat gescheitert sind bisher vier Volksbegehren – darunter die letzten im Jahr 2013. Das von Altpolitikern wie Erhard Busek (ÖVP) und Johannes Voggenhuber (Grüne) initiierte Demokratie jetzt-Begehren wurde von nur 69.740 (1,10 Prozent), das unter anderen vom jetzigen Neos-Abgeordneten Niko Alm mitgetragene Volksbegehren gegen Kirchenprivilegien von 56.673 (0,89 Prozent) unterzeichnet – das neue Schlusslicht. Drittschwächstes Begehren war Pro Motorrad im Jahr 1995 mit 1,31 Prozent. Beratung mit Laienorganisationen über Familiensynode – Bischöfe Krautwaschl und Freistetter erstmals dabei. Wien/Mariazell – Die römisch-katholische Bischofskonferenz trifft sich von Montag bis Mittwoch kommender Woche zu ihrer Sommervollversammlung in Mariazell. Es geht unter anderem um die im Herbst im Vatikan stattfindende Familiensynode. Zu den Beratungen haben die Bischöfe daher Repräsentanten von Laienorganisationen eingeladen, berichtete Kathpress. An den Gesprächen werden Gerda Schaffelhofer (Katholische Aktion), Helmut Kukacka (Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände), Theo Quendler (Katholischer Laienrat Österreichs) und Alfred Trendl (Katholischer Familienverband Österreichs) teilnehmen. Ein Fixpunkt auf der Tagesordnung der Bischöfe ist das Gespräch über Kirche und Gesellschaft in Österreich. Unter anderem soll es dabei um aktuelle Herausforderungen im Umgang mit Asylsuchenden in Österreich gehen. Die Vollversammlung des Episkopats wird auch für die beiden Neo-Bischöfe eine Premiere sein: So werden Militärbischof Werner Freistetter nach der Weihe am Donnerstag und der Grazer Diözesanbischof Wilhelm Krautwaschl nach seiner Konsekration am Sonntag bereits am nächsten Tag in Mariazell eintreffen, um als neue Mitglieder des Bischofskollegiums an den Beratungen teilzunehmen. Die Versammlung der Bischöfe beginnt am Montag, 15. Juni, um 15 Uhr mit einem Gebet beim Gnadenaltar in der Mariazeller Basilika. Im Anschluss findet ein Bildtermin für die Presse statt. Liturgischer Höhepunkt ist der Festgottesdienst der Bischofskonferenz am Mittwoch, 17. Juni, um 11.15 Uhr in der Basilika, zu dem alle Gläubigen eingeladen sind. Der Salzburger Erzbischof Franz Lackner wird der Eucharistiefeier vorstehen, die Predigt hält der Innsbrucker Bischof Manfred Scheuer. Unter den Konzelebranten ist u.a. der Apostolische Nuntius, Erzbischof Peter Stephan Zurbriggen. Nur ein Paragraf des Gesetzes wird vom Dachverband islamischer Moscheenvereine angefochten. Wien – Die Atib, größter Dachverband islamischer Moscheenvereine in Österreich, hat das Islamgesetz vor den Verfassungsgerichtshof gebracht. Laut Presse wird dabei allerdings nur ein Paragraf bekämpft, nämlich jener, nach dem mit 1. März 2016 alle Vereine, deren Zweck in der Verbreitung der Religionslehre besteht, aufgelöst werden müssen. Dafür gebe es keine sachliche Rechtfertigung, zitiert die Presse einen Atib-Vorstand. Zudem sei nicht erkennbar, was genau mit der Verbreitung der Religionslehre gemeint sei. Schließlich argumentiert man auch damit, dass es sich um eine spezielle Regelung handelt, die es für andere Religionen nicht gibt – dies sei eine Diskriminierung. Pröll: "Einen großartigen Seelsorger verloren". St. Pölten – Der am Sonntag im Alter von 65 Jahren verstorbene niederösterreichische Superintendent Paul Weiland ist am Freitag in St. Pölten beigesetzt worden. Senior Pfarrer Karl-Jürgen Romanowski nahm die Einsegnung vor. Nach der Beerdigung auf dem Hauptfriedhof fand in der Kapelle des NÖ Landhauses ein von Bischof Michael Bünker zelebrierter Trauergottesdienst statt. Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) bezeichnete Weiland, der seit 1. September 1998 Superintendent der Evangelischen Kirche A. B. in Niederösterreich war, in seiner Trauerrede als Seelsorger mit Leib und Seele und für Leib und Seele. Er würdigte auch dessen ökumenisches Bestreben, seine bedachtsame Art und Fähigkeit zum Dialog. Der Superintendent habe Vertrauen aufgebaut und Brücken aufgebaut. Mit seinem Tod habe Niederösterreich einen großartigen Seelsorger verloren. Als Evangelische Kirche in Österreich dürfen wir trotz der Trauer Gott dem Herrn für das Leben und Wirken von Paul Weiland danken, sagte Synodalpräsident Peter Krömer. Der Superintendent der Steiermark, Hermann Miklas, betonte, dass Weiland sein Amt zur Lebensaufgabe geworden sei. Von einer großen gegenseitigen Wertschätzung und Freundschaft, die sich in den vergangenen Jahren entwickelt habe, sprach der St. Pöltner Diözesanbischof Klaus Küng. Der Herzogenburger Propst Maximilian Fürsinn strich die Verlässlichkeit und Gesprächsbereitschaft Weilands heraus, der eine Ökumene der Freundschaft geprägt habe. 88 Prozent der Einnahmen kommen von den 300.000 Kirchenbeitragszahlern – Bauaufwand rund 5,5 Millionen Euro. Salzburg – Der Diözesankirchenrat hat in seiner jüngsten Sitzung einstimmig das rund 50 Millionen Euro hohe, ausgeglichene Budget der Erzdiözese Salzburg für das Jahr 2016 genehmigt. Demnach kommen 88 Prozent der Einnahmen von den 300.000 Kirchenbeitragszahlern, die laut Erzdiözese die Seelsorge und Erhaltung der kirchlichen Gebäude in den 210 Pfarrgemeinden sichern. Der Kirchenbeitrag ist Grundpfeiler für die Finanzierung des Diözesanbudgets. Für die solidarische Unterstützung der Gläubigen möchte ich mich ganz herzlich bedanken, erklärte Finanzkammerdirektor Josef Lidicky in einer Aussendung der Erzdiözese von heute, Dienstag. Eckpfeiler des Gesamtbudgets sind die Personal-, Sach- und Baukosten. Die Personalkosten betragen rund 28 Millionen Euro und machen damit 55 Prozent des Haushaltes aus. Von diesem Betrag werden rund 750 Mitarbeiter, davon sind 239 Priester und 120 hauptamtliche Laien in der Seelsorge, bezahlt. Der Bauaufwand der Erzdiözese im kommenden Jahr beträgt rund 5,5 Millionen Euro. Von den 174 Bauansuchen aus Pfarren und diözesanen Einrichtungen können immerhin 126 Vorhaben mit Zuschüssen unterstützt werden, erklärte Lidicky. So seien Finanzmittel für Kirchen-Renovierungen in Fusch an der Glocknerstraße, Salzburg-Herrnau, Salzburg-Imbergkirche, Filialkirche Arnsdorf sowie in Abtenau und Böckstein vorgesehen. Umfangreiche Renovierungen in Mariapfarr, Obertrum und St. Martin im Lungau werden im kommenden Jahr abgeschlossen. Ebenso ist die letzte Etappe der Dachsanierung am Salzburger Dom eingeplant. Zudem werden auch einige Pfarrhöfe und Pfarrheime saniert. Weiters ist die Ausfinanzierung des Pfarrzentrums Salzburg-Aigen für 2016 gesichert. Die Erzdiözese unterstützt außerdem die Sanierung der Modeschule Hallein und den Bau der Home-Mission-Base im Haus Luise der Loretto-Gemeinschaft. Im Tiroler Teil der Erzdiözese sind im Jahr 2016 Finanzmittel für die Turm- und Dachsanierung der Kirchen in Kelchsau und Hopfgarten, die Ausfinanzierung der Renovierung der Kapuzinerkirche Kitzbühel, sowie die Pfarrhofsanierungen in Auffach und Oberndorf in Tirol vorgesehen. Ein großes Projekt ist die Gesamtrenovierung der Dekanatspfarrkirche Zell am Ziller. Der Gründer der Pfarrer-Initiative kritisiert die Strukturreform der Erzdiözese Wien, Papst Franziskus will er unterstützen. Wien – Der Gründer der Pfarrer-Initiative, Helmut Schüller, sieht im Kirchenoberhaupt selbst einen Rebellen: Wir sind in einer Phase, wo der Papst in gewissen Situationen selbst ungehorsam geworden ist, sagte er im APA-Interview. Schüller hofft, dass sich mehr Bischöfe der Linie von Franziskus anschließen. Gegen die Diözesanreform kündigte er Widerstand an: Die Kirche ist nicht die Bank Austria. Mit ihrem Aufruf zum Ungehorsam hatte sich die Pfarrer-Initiative in eine offene Konfrontation mit der Kirchenleitung begeben, auch Sanktionen gegen Mitglieder folgten. Dies geschah noch unter dem emeritierten Papst Benedikt XVI., seit dem Amtsantritt von Franziskus sehen die Kirchenrebellen nun auch inhaltliche Unterstützung aus dem Vatikan – wenn auch nur durch den Heiligen Vater selbst. Konservative Kreise würden es dem verhältnismäßig liberalen Kirchenoberhaupt schwer machen, Schüller befürchtet sogar eine Verschärfung der Situation. Die Frage zu Franziskus, die für den Sprecher der Pfarrer-Initiative nun essenziell ist, lautet: Wir können wir ihn unterstützen? Ein positiv gehaltener offener Brief, den die Mitglieder im irischen Limerick im Mai 2015 an den Heiligen Stuhl gerichtet haben, ist noch immer nicht beantwortet. Schüller will vor allem, dass die durch den Papst gestärkten Bischofskonferenzen aus der Deckung gehen, denn: Es gibt Leute, die glauben, der Papst wird das alleine machen. Forderungen der Initiative sind nach wie vor die Öffnung des Priesteramts für Frauen und die Integration von gesellschaftlichen Randgruppen. Ein weiteres Betätigungsfeld für die Pfarrer-Initiative ist der Widerstand gegen die Strukturreform in der Erzdiözese Wien, wo Pfarren zu größeren Einheiten teils zusammengelegt werden. Es geht nicht um eine Filialstruktur, kritisiert Schüller, sondern um Gemeinschaften an der Basis. Dabei seien Teile der Verknappungen sogar hausgemacht. Würde man etwa verheiratete Männer zum Amt zulassen, würde auch das Problem des Priestermangels deutlich kleiner. Auch das Vorgehen der Erzdiözese ärgert den Pfarrer: Es wird mit einem Rasenmäher über alles drüber gefahren. Langsam aber doch würden nun die ersten Gegenstimmen aus den – überwiegend ländlichen – Gemeinden laut werden. Diesen Geistlichen ein Kirchenturmdenken nachzusagen, wie dies bereits geschehen sei, sei schlicht eine Verleumdung, die wir nicht auf uns sitzen lassen wollen. Es herrsche hingegen höchste Verwirrung, noch im Winter kommenden Jahres wollen sich laut Schüller kritische Pfarrer, Pfarrgemeinderäte und Interessierte bei einem Treffen organisieren und versuchen, Gegenmodelle und Vorschläge zur verordneten Reform zu entwickeln. Froh ist Schüller hingegen über die Bestellung des bisherigen Linzer Bischofs Manfred Scheuer in die Diözese Linz. Denn gerade dort würde mit dem Seelsorgeteam eine alternative Struktur funktionieren, welche auch der neue Leiter wohl fortführen würde. Dass dadurch ein weiterer Bischofssitz vakant geworden ist, ist für den Pfarrer allerdings ein Wermutstropfen: Diese Loch-auf-Loch-zu-Methode ist ein bisschen nervig. Unverständnis herrscht bei Schüller auch über die Verlängerung der Amtszeit des St. Pöltener Kirchenoberhaupts Klaus Küng, denn: Wenige Dinge sind so gut bekannt, wie das Alter eines Bischofs. Das vorläufig bekannt gewordene Ergebnis der Bischofssynode zu Ehe und Familie sieht Schüller mit gemischten Gefühlen: Der Endbericht ist so ein klassischer Kompromisstext. Hauptsächlich habe es sich bei dem Treffen um eine Übung an Synodalität gehandelt. Positiv sieht Schüller, dass Franziskus damit die Bischofskonferenzen aufwerten und im Vatikan eine Bedeutungsverminderung vornehmen wolle. Er sieht sich selbst als Moderator und will nicht der Herrscher sein, interpretiert Schüller das Ergebnis als Beobachter an der Basis. Als Pfarrer von Probstdorf ist Schüller auch in der Flüchtlingsbetreuung engagiert – in seinem Pfarrgarten sollen Wohncontainer aufgestellt werden. Wenn man keine geeigneten Räume hat, soll man welche schaffen, nimmt er gleichzeitig andere Pfarren in die Pflicht, denn es könne noch viel mehr geschehen. Auch die Kommunalgemeinden seien zudem froh, wenn die Pfarrgemeinden den ersten Schritt machen. Manche haben noch nicht einmal die Untergrenze überschritten und wir reden schon von Obergrenzen, übt Schüller auch allgemein Kritik am Umgang mit dem Thema in Österreich. Die nach Europa kommenden Flüchtlinge seien eigentlich die Gläubiger, welche nun die Schuld der Industrienationen einforderten. Vielmehr sollte man sich Gedanken über Obergrenzen etwa beim Energieverbrauch, bei Fernreisen oder etwa beim Weihnachtseinkäufe-Rausch machen, rät Schüller. Die Plattform kinderbekommen.at fordert ein Jahr nach Beschluss des neuen Gesetzes unabhängige Beratung und wissenschaftliche Dokumentation. Wien – Das Thema Fortpflanzungsmedizin polarisiert. Die Befürworter künstlicher Befruchtung werden häufig als Freunde der Selektion bezeichnet, die Gegner als unverbesserliche Fundamentalisten. Die Mitte ist kaum zu finden. Vor einem Jahr wurde das Fortpflanzungsgesetz in Österreich modernisiert, der Verfassungsgerichtshof hat eine Novelle beanstandet, weil lesbische Paare bis dahin keine Samenspende erhalten durften. Das wurde im vergangenen Jahr geändert. Außerdem wurden Eizellenspenden zugelassen und Präimplantationsdiagnostik unter bestimmten Voraussetzungen (nach drei Fehlversuchen mit IVF, Anm.) erlaubt. Die Plattform kinderbekommen.at, ein Zusammenschluss katholischer Einrichtungen, konnte sich mit der Novelle nicht anfreunden und erneuert ihre Kritik: Das Gesetz sei durchgepeitscht worden. Es sind vor allem ethische Bedenken, die von den Vertretern der Plattform vorgebracht werden. Es gebe weder für Eizellenspenderinnen noch für Eizellenempfängerinnen eine unabhängige Beratung, die psychischen Auswirkungen seien unklar, der Vorgang der Spende werde als unbedenklicher Eingriff verharmlost, und die Präimplantationsdiagnostik (PID) sei eine Selektion zwischen lebenswertem und -unwertem Leben. Begleitende Forschung und Evaluierung seien notwendig, ein zentrales Register, das die Eizellenspenden dokumentiert, wird gefordert. Für Gerda Schaffelhofer, Präsidentin der Katholischen Aktion Österreich, wurde die Novelle nicht zum Wohl der Kinder und Frauen modernisiert, sondern nur für die Vertreter der Fruchtbarkeitsindustrie. Sie befindet, dass dadurch das – ausdrücklich im Gesetz festgehaltene – Verbot der Leihmutterschaft umgangen werde. Deutlich weniger skeptisch zeigte sich Helmut Kukacka, Präsident der Arbeitsgemeinschaft katholischer Verbände. Es ist nicht alles ethisch vertretbar, was medizinisch machbar ist, sagt er. Jedoch habe die Plattform eine Reihe von Verbesserungen in die Novelle hineinreklamiert, wie die Schaffung eines zentralen Registers für Eizellen- und Samenspender. Ob das umgesetzt werde, müsse überprüft werden. Gleichzeitig relativiert Kukacka die Kritik seiner Mitstreiter. Es sei noch zu früh, Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) eine Verschleierung der Daten zu unterstellen, wenn der erste Bericht erst im Herbst 2016 vorliegen soll. Laut Ministerium soll ein Register über Eizellenspenden Anfang 2017 vorliegen. Gertraude Steindl, Präsidentin von Aktion Leben, fordert eine gesetzliche Verankerung von Beratungsgesprächen. Sie habe Oberhauser vorgeschlagen, dass diese Gespräche die Aktion Leben durchführen würde, damit die Beratung über den Vorgang und die möglichen Folgen nicht nur in den Fortpflanzungsinstituten erfolgt. Ein Bericht aus 25 europäischen Ländern gibt einen Überblick, in welcher Stimmung Europas Muslime leben. Wien – Ein Brandanschlag auf einen muslimischen Gebetsraum in Niederösterreich, Proteste über Halal-Fleisch im Supermarkt, die dazu führen, dass das Fleisch wieder aus dem Sortiment entfernt wurde: Zwei Vorfälle in Österreich, die symptomatisch für einen zunehmenden antimuslimischen Rassismus seien, sind Farid Hafez und Enes Bayrakli überzeugt. Die Politologen wollten das bei vielen Muslimen präsente Gefühl, dass sich die allgemeine Stimmung gegenüber Muslimen in Europa aufgeheizt hat, durch konkrete Beispiele auf den Punkt bringen. Sie haben Politologen in 25 europäischen Staaten beauftragt, qualitative Berichte über die Lage der Islamophobie im jeweiligen Land zu erstellen – wobei sie betonen, dass nicht jede Kritik an Muslimen automatisch islamophob sei. Die Ergebnisse sind im European Islamophobia Report (EIR) gesammelt, der künftig jährlich erscheinen soll. Ein Ergebnis: Die sogenannte Flüchtlingskrise habe antimuslimische Ressentiments angeheizt, aber nicht hervorgerufen: Schon zuvor war Islamophobie laut den Autoren selbst in Ländern mit winzigen muslimischen Populationen, etwa in Ungarn, Finnland oder Litauen, ein erfolgreiches Werkzeug, um Menschen zu mobilisieren. Die Bevölkerung neige in Umfragen dazu, die Größe der muslimischen Community deutlich höher zu schätzen als sie ist. Moslems würden als gewaltbereit wahrgenommen, obwohl sie in Kriminalitätsstatistiken unterrepräsentiert seien. In Ungarn sei diese Wahrnehmung historisch betrachtet ein eher junges Phänomen, Muslime seien dort bis Ende der Neunzigerjahre als gut integriert wahrgenommen worden. Nach den Anschlägen des 11. September 2001 habe sich jedoch eine Art Islamophobie ohne Muslime herausgebildet. Premierminister Victor Orbán habe die Tatsache, dass Ungarn zu den Haupttransitländern der Flüchtlinge aus Syrien, Irak und Afghanistan zählte, dafür genutzt, sich als Verteidiger einer vermeintlich bedrohten christlichen Nation zu stilisieren. In Frankreich hätten die Charlie Hebdo-Anschläge zu einer Gleichsetzung von Islam und Terrorismus geführt. Allein im ersten Halbjahr 2015 habe die Zahl der körperlichen Übergriffe auf Muslime im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 500 Prozent zugenommen, Anschläge auf Moscheen seien um 400 Prozent gestiegen. Die Zahlen beruhen auf Aufzeichnungen der Rechtsberatungsorganisation CCIF. Dass Anfeindungen schon vor den Attentaten verbreitet waren, belege eine Studie des Politik-Think Tanks Institut Montaigne: Männliche Bewerber mit dem Namen Mohammed müssen demnach vier Mal so viele Bewerbungen abschicken wie Bewerber namens Michel, um zu einem Jobinterview eingeladen zu werden – bei gleicher (in der Versuchsanordnung libanesischer) Herkunft und identer Qualifikation. Auch in England sei ein nachweislicher Anstieg an Islamophobie zu konstatieren, der sich unter anderem in Protesten vor Moscheen und Moscheebauprojekten äußerte. Der Bericht wirft auch einen kritischen Blick auf die Debatte über Islamismus in islamischen Kindergärten in Österreich. Viel sei über den Vorbericht über Wiener Kindergärten diskutiert worden, wenig jedoch beispielsweise darüber, dass Betreibern islamischer Kindergärten aufgetragen worden sei, Weihnachten zu feiern, da dies der österreichischen Tradition entspräche. Der österreichische Lehrplan sehe dies aber gar nicht vor. Als Beispiel für verbreitete antimuslimische Einstellungen in Österreich ziehen die Autoren unter anderem eine im April 2015 erschienenen Erhebung des Mauthausen Komitees heran: Ihr zufolge würden es 65 Prozent der Befragten problematisch finden, wenn ein Familienmitglied zum Islam konvertierte. Der Bericht wolle nicht mit erhobenem Zeigefinger vorgehen, sondern der Politik Hilfestellungen geben, wie sie gegen antimuslimsche Tendenzen vorgehen könne, betonen die Herausgeber. Sie schlagen vor, Hetze auf Basis der Religonszugehörigkeit in allen europäischen Ländern strafbar zu machen. Die Benachteiligung Kopftuch tragender Frauen am Jobmarkt sollte problematisiert werden und in den Fokus arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen geraten, so die Empfehlung. Caritas-Präsident Michael Landau und Sabine Haag, Direktorin des Kunsthistorischen Museums, über die Beschäftigung mit dem eigenen Sterben. STANDARD: Wir sitzen hier zwischen sogenannten Lebendmasken von Prominenten. Hat man bewusst dem Tod den Eintritt ins Kunsthistorische Museum verwehrt? Haag: Es geht uns mit der Ausstellung Feiert das Leben überhaupt nicht darum, den Tod zu tabuisieren oder auszusperren. Aber wir wollten eben mit den künstlerisch gestalteten Masken, die immer eine Verbindung zu der Person haben, etwas sehr Lebensbejahendes machen. Die Ausstellung bindet elementare Fragen des Menschseins ganz eng zusammen. Nämlich die Frage des Lebens – und damit natürlich auch das Sterben. STANDARD: Herr Landau, auch von Ihnen hängt eine Maske hier, mit Heftklammernähten übersät. Frau Direktor Haag erwähnte, es gibt zwischen Maske und Person stets eine Verbindung. Wieso sind Sie so zugetackert? Landau: Eine gute Frage. Mich hat diese künstlerische Bearbeitung selbst überrascht. Spannend ist, dass auch der algerisch-französische Künstler gar keine eigene Deutung gegeben hat. Ich habe aber gehört, dass er sich sehr intensiv mit den Themen Verwundung, Heilung, Narben beschäftigt. Möglicherweise geht es auch um eine Anspielung auf die Wirklichkeit des Leides. Aber eben auch darum, darüber nachzudenken, was über das Leid hinausgeht. Gerade die Auseinandersetzung mit dem Sterben, mit dem Tod, kann ja auch eine lebensstiftende Auseinandersetzung sein. STANDARD: Warum gibt es eigentlich von Ihnen keine Maske in der Ausstellung, Frau Haag? Haag: Ich bin in dem Kontext nicht gefragt worden. Was aber für mich das Projekt nicht schmälert. Die Resonanzen auf die Ausstellung sind fast uneingeschränkt positiv, darum gehen wir auch in die Verlängerung. Die Vielfalt der künstlerischen Gestaltung und damit die Vielfalt der Themen interessiert die Menschen. Auch weil die Ausstellung etwas sehr Ungewöhnliches ist. Die Masken der bekannten Persönlichkeiten sind Kunstwerke unserer absoluten Gegenwart. Man kennt die Menschen und fühlt sich damit als Besucher der Ausstellung natürlich auch viel stärker angesprochen. STANDARD: Liegt der Schlüssel zum Ausstellungserfolg nicht vor allem auch darin, dass man doch den Tod – zumindest auf den ersten Blick – versteckt? Gefeiert wird das Leben, bestaunt werden die Masken Lebender. Das kommt doch einer Gesellschaft, in der Erfolg, Gesundheit und ewige Jugend an oberster Stelle stehen und der Tod keinen Platz hat, sehr entgegen. Landau: Aber letztlich beschäftigt man sich durch die Ausstellung mit der eigenen Endlichkeit. Das Anfertigen der Maske war dabei ein ganz eigenes Gefühl. Man liegt aufgebahrt vor dem Bestatter, ganz so, als wäre man bereits verstorben. Und anschließend wird man gefragt, was Tod und Leben für einen selbst bedeuten. Hier stellt sich im Idealfall die Frage: Was ist wirklich wichtig in meinem Leben? Oder: Lebe ich heute schon so, wie ich am Ende meines Lebens gelebt haben möchte? Am Schluss wird es um eine Frage gehen: Habe ich als Mensch gelebt? War ich dort, wo ich als Person gefragt war, auch tatsächlich da? Haag: Das sehe ich auch so, die Ausstellung soll auch eine Einladung zum Umdenken sein. Eine Einladung, Wichtiges von weniger Wichtigem zu unterscheiden. Landau: So ein Prozess kann innere Freiheit schaffen. Aber es ist auch ein herbes Anerkennen der Realität, dass ich weder für mich selbst noch für irgendeinen anderen Menschen weiß, wann der letzte Tag, die letzte Stunde ist. Darum ist es so wichtig, wie der Alltag ausgestaltet wird. Als Kind wurde mir immer gesagt: Lass nie die Sonne über dem Zorn untergehen – manchmal gelingt mir das heute besser, manchmal schlechter. Ob ich heute schon so lebe, wie ich am Ende meiner Tage gelebt haben möchte? Ich glaube, noch nicht. Aber es ist gut, sich diese entscheidende Frage immer wieder zu stellen. STANDARD: Aber selbst das Kirchenpatent Auferstehung macht doch den Tod für die Menschen letztlich nicht attraktiver, oder? Landau: Die Auferstehung hat schon ihren Reiz. Aber der Tod ist ein Stück narzisstische Kränkung. Die Vorstellung, dass es einen Tag gibt, an dem ich nicht mehr bin, findet man als Mensch kränkend. Aber wenn etwas sicher ist in unserem Leben, dann ist es unser eigener Tod. Eine zentrale Aufgabe einer Gesellschaft muss es daher sein, ein Zusammenleben so zu gestalten, dass Menschen auch am Ende des Lebens die Begleitung, die Würde, die Sicherheit erleben, die sie brauchen. Jeder Mensch ist ein Lebender – und zwar bis zuletzt. Das ist auch der Kern unserer Hospizarbeit. Haag: Es wird ja heute alles dafür getan, den Alterungsprozess, den wir als Menschen durchmachen, möglichst zu verschleiern. Es wird das eigene Sterben hinausgezögert und so getan, als lege es in unserer Hand. Auch die Kunst hat den alternden Menschen in früheren Zeiten ganz anders begleitet. Der Sensenmann war ein gängiges Thema. Memento mori war eigentlich etwas, was jedem vollkommen klar war. Mit ganz klaren Bildern: das junge Paar, die hässliche Alte. Heute wird in der Kunst mit den Todessymbolen gespielt und kokettiert – etwa mit dem Totenschädel. Als ganz plakatives Beispiel fällt mir Damien Hirst ein, der Totenköpfe mit Diamanten zugekleistert hat. STANDARD: Dieser Wandel ist aber natürlich auch dem medizinischen Fortschritt geschuldet. Laut Statistik sterben 70 Prozent in Pflegeheimen oder Krankenhäusern. Landau: Natürlich haben wir heute das Sterben ein Stück weit enthäuslicht. Zum Leid der Sterbenden, aber auch zum Leid der Gesellschaft insgesamt. Ich glaube, wir sollten das Sterben wieder mehr in das Leben hereinholen, weil der Tod eben Teil des Lebens ist. Die Daten zeigen klar, dass es eine der anstehenden Aufgaben ist, wie die Erfahrungen aus der Hospiz- und Palliativarbeit in den Alltag der Seniorenheime und Spitäler integriert werden können. Da ist noch viel zu tun. Jeder, der heute ein intensivmedizinisches Bett braucht, bekommt es ganz selbstverständlich. Im Bereich der Hospizversorgung ist diese gleiche, flächendeckende, leicht zugängliche Versorgung nicht gegeben. Kaum ein Hospizangebot in Österreich kommt ohne Spenden aus. STANDARD: Die Hospiz- und Palliativversorgung ist bis dato nur zu 50 Prozent gedeckt. Ein Ausbau soll stufenweise bis 2020 passieren, offen ist aber weitgehend, woher das Geld dafür kommen soll. Ist ein Ausbau realistisch? Landau: Die politische Richtung stimmt. Es gibt in Österreich einen breiten Konsens, was die Begleitung von Menschen am Ende des Lebens betrifft. Aber jetzt ist es wesentlich, dass die Dinge, die auf dem Papier geschrieben stehen, gelebte Wirklichkeit werden. Im Grunde kennt auch der Sozialminister die Beträge, über die wir hier reden. Als ehemaliger Infrastrukturminister weiß er: Die Beträge, um die es geht, entsprechen jenen, die für ein paar Kilometer Autobahn notwendig sind. Es ist daher keine Frage des Könnens, sondern des Wollens. STANDARD: Nur wenige regeln in Österreich zu Lebzeiten ihr Ableben. Laut Notariats- und Rechtsanwaltskammer sind nur rund 20.000 gesetzlich verbindliche Patientenverfügungen registriert. Wie stehen Sie zu den Patientenverfügungen? Haag: Ich kenne das aus meinem familären und freundschaftlichen Umfeld. Patientenverfügungen können sehr viel Druck nehmen. Sowohl von den Angehörigen als auch von den Ärzten. Auch ich habe eine Patientenverfügung. Landau: Ich denke für mich noch darüber nach. Aber die Patientenverfügung ist sicher ein sinnvolles Instrument, sich mit dem eigenen Ende zu beschäftigen und den Angehörigen und Ärzten auf diese Weise ihre Entscheidung leichter zu machen. Aber so lange Ärzte den Tod als Betriebsunfall sehen, den es eigentlich nicht geben soll, so lange wird es die Versuchung zum therapeutischen Übereifer geben. STANDARD: Aber gibt es nicht auch das Recht des Einzelnen, jede Möglichkeit auszuschöpfen, sein Leben entsprechend zu verlängern? Landau: Natürlich. Ich bin überzeugt: Die künstliche Verkürzung des eigenen Lebens und die künstliche Verlängerung des eigenen Sterbens sind zwei Seiten der gleichen Medaille. Haag: Das beinhaltet ja auch die Patientenverfügung. Es geht um die innere Freiheit. Ich kann meine persönliche Grenze ziehen. STANDARD: Das österliche Kernthema Tod und Auferstehung tritt heute mehr und mehr in der Hintergrund. Die Menschen verbinden mit Ostern eher den Frühlingsbeginn und Brauchtum als Religion. Schmerzt Sie das? Landau: Brauchtum kann ein Zugang sein, wie sich Menschen mit einem Fest auseinandersetzen. Aber wenn wir beim Osterhasen stehenbleiben, dann ist der Kern der Botschaft noch nicht getroffen. Aber ein gelungenes Schokolade- oder Marzipanei mit Vergnügen zu essen, hat noch niemandem das Osterfest vergällt. Mehr Engagement für Schwache, Obdachlose und Flüchtlinge – aber weniger bei der Bekehrung Andersgläubiger: Das wird von der Kirche gewünscht. Linz – Ostern, ein im Kern heidnisches Fest? Nein, das glaubt nur jeder fünfte Befragte, 50 Prozent lehnen diese Interpretation ab. Der Osterhase – ein ursprünglich heidnisches Fruchtbarkeitssymbol, das die Kirche in ein Symbol für Christus umgedeutet hat – wird von 81 Prozent als sympathische Figur gesehen. Die Auferstehung Jesu Christi, Kern des christlichen Osterglaubens, feiert nur jeder zweite Österreicher – und zwar mit abnehmender Tendenz: Für 63 Prozent der Menschen über 50 ist das Osterfest eines der Auferstehung, bei den Befragten unter 29 Jahren feiert nur noch jeder Dritte die Auferstehung. Und neun Prozent sagen, sie mögen christliche Feste wie Ostern und Weihnachten überhaupt nicht – besonders unter Grün-Wählern ist diese Haltung verbreitet. Das ist das Ergebnis der in der Vorwoche durchgeführten Osterumfrage für den Standard. Die Haltungen zum Osterfest sind in der kleinen Grafik festgehalten. Traditionell fragt das Linzer Market-Institut bei Umfragen zum Thema Kirche auch: Die Zeiten werden derzeit als allgemein schwierig erlebt. Hat die katholische Kirche für die Menschen in unserer Zeit die richtigen Antworten? Darauf sagt nur jeder hundertste Befragte, dass das ganz bestimmt zutrifft. In früheren Umfragen, gab es noch bis zu sieben Prozent volle Zustimmung – dieser Wert wurde 2008 und 2012 erreicht, seit 2013 schwankt er aber zwischen ein und zwei Prozent. 15 Prozent sagen Ja, eher schon – aber 58 Prozent Nein, eher weniger und 24 Prozent Nein, gar nicht. Market-Institutsleiter David Pfarrhofer weist darauf hin, dass die vollständige Ablehnung der kirchlichen Antworten mit 24 Prozent derzeit deutlich niedriger ist als zu Beginn des Jahrzehnts – ob das mit dem Wechsel von Papst Benedikt zu Papst Franziskus zu tun hat, darüber kann man nur spekulieren, dazu haben wir keine Daten. Was man aber generell sagen könne: Der Kirche wird viel Veränderungsbedarf attestiert. Vor drei Jahren noch haben 83 Prozent gesagt, dass sozial Schwache in der Kirche eine Heimat fänden – dieser Wert ist auf 68 Prozent gesunken. Auch dass die Kirche Heimat für Familien oder für Arbeiter ist, wird jetzt weniger gesehen als in früheren Umfragen. Dafür werden neue Wünsche an die Kirche herangetragen – dokumentiert auf der großen Grafik. Sich um sozial Benachteiligte und um todkranke Menschen mehr zu kümmern steht ganz oben auf der Wunschliste. Deutlich geringer geschätzt wird der Erhalt von Kirchenbauten (was vor allem jungen Befragten weniger wichtig erscheint) oder auch die Einrichtung kirchlicher Jugendgruppen. Ganz weit hinten liegt der Wunsch, die Kirche möge sich um ihre Kernaufgabe, die Verbreitung des Glaubens, mehr kümmern: Nur 19 Prozent sagen, die Kirche solle mehr tun, um den Menschen den Weg zu Gott zu weisen, 49 Prozent sagen, sie tue da genug und 23 Prozent wollen sogar, dass sie weniger auf Gott verweist. Missionstätigkeit bei Menschen anderen Glaubens lehnen sogar 53 Prozent ab. (Conrad Seidl, 26.3.2016) Weihbischof betet für Hofer: "Wird Gott gehorchen". Kardinal Schönborn betont: "Katholische Kirche gibt keine Wahlempfehlung". Wien/Salzburg – Der Salzburger Weihbischof Andreas Laun spricht sich offen für den freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer aus. So wie das Angebot jetzt ist, kann man nur Hofer wählen und beten für ihn und für Österreich, schreibt Laun in einem am Donnerstag auf dem Internetportal kath.net veröffentlichten Gastbeitrag. Was man von Hofer lese und höre, sei vernünftig. Dass ihn die Linken hassen und mit ihrer erprobten Nazikeule prügeln, spricht eher für und nicht gegen Hofer. Laun geht davon aus, dass Hofer, durch sein Gewissen vermittelt, Gott in den wesentlichen Punkten gehorchen wird. Für den linksextremen Kandidaten Alexander Van der Bellen findet Laun kein gutes Wort. In allen heiklen und gefährlichen Fragen, vom Lebensschutz über die Gottesfrage bis Gender, steht er auf der falschen Seite. Kritik übt Laun auch an Teilen der Kirche wie der Katholischen Frauenbewegung, die sich für Van der Bellen ausgesprochen haben: Dass Christen darüber entweder nicht nachdenken oder, noch schlimmer, bereits so gehirngewaschen sind, dass sie bereit sind, lieber einen erklärten Gottes- und damit auch Kirchenfeind zu wählen, und andere dazu auch noch verführen wollen – zeigt, in welchem Zustand bestimmte Kreise in der Kirche sind. Für die katholische Kirche in Österreich sind Wahlempfehlungen sehr ungewöhnlich. Laun bricht mit einem jahrzehntelangen Usus, wonach Bischöfe nicht für politische Kandidaten werben. Kardinal Schönborn betonte das noch mal in einer Aussendung: Angesichts verschiedener Stellungnahmen in den letzten Tagen, insbesondere nun von Weihbischof Andreas Laun, möchte ich als Vorsitzender der Österreichischen Bischofskonferenz darauf hinweisen, dass es auch diesmal keine Wahlempfehlung der katholischen Kirche als solcher gibt und auch nicht geben wird. Der Kardinal wies auch darauf hin, dass in der Stichwahl am kommenden Sonntag das erste Mal in der Geschichte der Zweiten Republik kein katholischer Kandidat teilnimmt. Doch ganz ohne Empfehlung kommt auch Kardinal Schönborn nicht aus: Eine gute Wahlentscheidung kann sich nicht nur auf Aussagen der Kandidaten zu Kernanliegen der Kirche wie dem Lebensschutz beziehen, sondern muss auch viele andere Komponenten einbeziehen wie die Haltung der Kandidaten zu den Schwachen der Gesellschaft, zu denen auch die Migranten gehören, zur Zusammenarbeit in Europa, zur Verantwortung Österreichs in der internationalen Staatengemeinschaft. Der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG), Oskar Deutsch, wies darauf hin, dass die Kultusgemeinde zwar üblicherweise keine Empfehlungen abgebe, brachte aber auf Facebook seine Bedenken zum Ausdruck: Der zur Bundespräsidentenwahl stehende Kandidat Norbert Hofer ist stellvertretender Vorsitzender der FPÖ, die auch Politiker und Funktionäre mit antisemitischem und rechtsradikalem Gedankengut beheimatet. Aus diesem Umfeld kommen immer wieder rassistische und antisemitische Ausfälle, wie die Bezeichnung von Asylwerbern als Höhlenmenschen durch einen Landesparteivorsitzenden oder die Bezeichnung von KZ-Überlebenden als Landplage in einer FPÖ-nahen Zeitung, um zwei Beispiele zu geben. Deutsch ruft dazu auf, zur Wahl zu gehen: Jede Stimme zählt! Umso wichtiger ist es daher, genau zu bedenken, wem man seine Stimme gibt. Bringt "Weisungsrat" statt "Weisenrat" - Weniger Berichtspflichten für die Staatsanwälte. Wien - Die Neuordnung des Weisungsrechts des Justizministers gegenüber den Staatsanwälten hat am Dienstag den Ministerrat passiert. Gegenüber dem Begutachtungsentwurf gibt es noch einige Änderungen, so wurde aus dem Weisenrat ein Weisungsrat. Die Novelle des Staatsanwaltschaftsgesetzes bringt zudem weniger Berichtspflichten und die Verankerung der Whistleblower-Website. Der Vorschlag, das Weisungsrecht zwar nicht an einen Bundesstaatsanwalt zu übertragen, aber den derzeit provisorisch eingerichteten Weisenrat gesetzlich zu fixieren, kam von einer von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) eingesetzten Expertengruppe. Damit kann der Minister künftig das nun Weisungsrat genannte Gremium beiziehen, wenn er es wegen großen öffentlichen Interesses an einem Verfahren für nötig hält - und muss ihn befassen, wenn er eine inhaltliche Weisung erteilen will oder Oberste Organe sowie Mitglieder der Höchstgerichte und Generalprokuratur betroffen sind. Den Vorsitz dieses Beirats für den ministeriellen Weisungsbereich hat der Generalprokurator (derzeit Werner Pleischl) inne, auch zwei weitere Mitglieder (und Ersatzmitglieder) gibt es. Die Vorauswahl für diese soll jetzt vom Rechtsschutzbeauftragten der Justiz kommen und nicht - wie ursprünglich geplant - vom Generalprokurator selbst. Der Bundespräsident bestellt sie dann formal für sieben Jahre - auf Vorschlag der Bundesregierung und nach Anhörung der drei Höchstgerichtspräsidenten. Infrage kommen Juristen, die 15 Jahre in einem Beruf im Bereich des Strafrechts tätig waren, aber keine aktiven Richter, Staatsanwälte oder Rechtsanwälte. Die Mitglieder des Weisungsrat unterliegen der Amtsverschwiegenheit, müssen ihre Entscheidungen aber nicht geheim halten. Auch hier wurde an der Formulierung noch nachgebessert. Es gelten nun jene Bestimmungen, die analog auch für die Information der Medien durch die Staatsanwaltschaften zur Anwendung kommen. Mit der Novelle wird auch die Berichtspflicht der Staatsanwälte reduziert, und zwar auf besonders öffentlichkeitswirksame Fälle und Enderledigungen. Außerdem wird die Webseite zur anonymen Meldung von Korruptionsfällen und Wirtschaftskriminalität in den Regelbetrieb übernommen und gesetzlich verankert. Nach den Beschlüssen im Parlament soll die Novelle mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten. Brandstetter zeigte sich in einer schriftlichen Stellungnahme erfreut, sein Versprechen bezüglich des Weisungsrechts eingehalten zu haben. Wichtig ist, die Verantwortlichkeit des Ministers gegenüber dem Parlament beizubehalten, und das Weisungsrecht noch transparenter zu machen. Das können wir mit der Reform sicherstellen, zeigte sich der Justizminister überzeugt. "Pograpschen"-Paragraf kommt doch, aber in konkretisierter Form. Wien - Jegliche intensive und entwürdigende sexuelle Belästigung wird strafbar. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) haben sich über eine Neuformulierung des ursprünglich in der StGB-Reform enthaltenen, aber nach Begutachtungskritik entfernten Paragrafen geeinigt. Am Dienstag will Brandstetter den StGB-Reform-Entwurf dem Ministerrat vorlegen. Klar und deutlich eingeschränkt... Am genauen Wortlaut des - salopp formuliert - Pograpschen-Paragrafen wird noch gearbeitet. Die geplante Neuregelung werde aber jedenfalls mit dem aus dem Begutachtungsentwurf zu Recht gestrichenen, viel zu unklaren Tatbestand nichts mehr zu tun haben, betonte Brandstetter gegenüber der APA. Der Tatbestand werde klar und deutlich auf die wirklich strafwürdigen Fälle eingeschränkt. Brandstetter ist überzeugt, dass wir jetzt eine gute Lösung haben. Frauenministerin Heinisch-Hosek ist erfreut über die grundsätzliche Einigung: Wir haben uns darauf verständigt, dass es eine Ausweitung des Schutzes vor sexueller Belästigung geben soll. Das ist ein wichtiger Schritt, der klarstellt, dass sexuelle Belästigung kein Kavaliersdelikt und gesellschaftlich nicht erwünscht ist. Auch im Bezug auf den Paragrafen zur sexuellen Selbstbestimmung liege ein Übereinkommen im Sinne der Frauen am Tisch. Das Gesamtpaket der StGB-Novelle liege jetzt zur abschließenden Koordinierung vor, es werde aber nicht an den Paragrafen zur sexuellen Belästigung und Selbstbestimmung scheitern, zeigte sich Heinisch-Hosek in einer Stellungnahme gegenüber der APA zuversichtlich. ...statt nach Art und Intensität vergleichbar... Im Begutachtungsentwurf war eine Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten vorgesehen für eine geschlechtliche oder eine nach Art und Intensität einer solchen vergleichbare, der sexuellen Sphäre im weiteren Sinn zugehörige körperliche Handlung an ihr oder durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt. Dass Brandstetter auf eine solche Regelung verzichten und stattdessen eine Lösung im Verwaltungsstrafrecht ventilierte, rief viel Kritik vor allem von Frauen-Organisationen hervor. Für Freitagnachmittag hat der Österreichische Frauenring am Wiener Europaplatz zur Aktion Grapscher sind Täter eingeladen. ÖVP-Justizsprecherin Michaela Steinacker hätte es begrüßt, sexuelle Belästigung im Verwaltungsstrafrecht zu regeln und dort mit Geldstrafe zu bedrohen. Mit einer viel engeren und deutlicheren Formulierung im StGB könnte sie aber leben. SPÖ-Justizsprecher Hannes Jarolim ist zufrieden mit der jetzigen Lösung. Er begrüßt im besonderen auch, dass die sexuelle Selbstbestimmung als Rechtsgut gestärkt wird. Lob und Kritik bei Hearing im Parlament. Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hat am Mittwoch im Justizausschuss des Nationalrats Lob für die Strafrechtsreform geerntet. Die zum Hearing geladenen Experten beurteilten den Entwurf durchaus positiv, hatten allerdings auch Kritisches anzumerken, so die Parlamentskorrespondenz. Beschlossen wird die Novelle im Juli-Plenum, bis dahin muss der Tatbestand der Untreue ausverhandelt sein. Dieser wurde ja zuletzt durch einen Initiativantrag von SPÖ und ÖVP ausformuliert, wobei letztere hernach Bedenken bekam. Es geht um die Frage, ob keine strafbare Untreue vorliegt, wenn die Eigentümer einer Entscheidung zugestimmt haben. Der Strafrechtsprofessor Helmut Fuchs, der ins Entstehen des Antrags eingebunden war, sagte dazu am Mittwoch: Wenn alle Eigentümer einem Vorgehen zustimmen, dann sollte dieses auch halten. Forsthuber sah im Initiativantrag die rechtspolitische Zielsetzung erreicht. Allerdings wäre seiner Meinung nach gar keine Reform der Bestimmung nötig gewesen – die Ängste der Wirtschaft in Bezug auf allfällige Unklarheiten der bisherigen Bestimmungen, so die Parlamentskorrespondenz, fand er überzogen. Neben Fuchs gaben auch die Strafrechtler Alois Birklbauer und Lyane Sautner, weiters Josef Weixelbaum als Vizepräsident der Rechtsanwaltskammer, Wiens Landesgerichtspräsident Friedrich Forsthuber sowie Christoph Koss vom Verein Neustart ihre Expertise zur StGB-Reform ab. Fuchs spendete dabei Lob für die neue Gewichtung der Strafandrohungen zwischen Vermögensdelikten und Delikten gegen Leib und Leben. Birklbauer plädierte für einen stärkeren Vorrang von Geldstrafen gegenüber Freiheitsstrafen und merkte grundsätzlich an, eine Erhöhung der Strafdrohungen führe nicht zu höherer Sicherheit. Insgesamt betrachtet geht ihm die Novelle aber nicht weit genug, er hätte sich eine gründlichere Entrümpelung des Strafrechts gewünscht. Sautner, die Vizepräsidentin des Weißen Rings ist, begrüßte die Reform aus Opfersicht. Vorbehalte hat sie gegen die Diversion bei Vermögensdelikten. Die neuen Sexualstraftatbestände dagegen haben ihrer Meinung nach kriminalpolitische Signalwirkung, würden aber auch die Gefahr der Rechtsunsicherheit bergen. Weixelbaum sah das Paket positiv, stieß sich aber an unbestimmten Gesetzesbegriffen und nannte den Terminus grobe Fahrlässigkeit als Beispiel. Forsthuber sprach von einer gelungen Balance der Strafandrohungen bei Vermögensdelikten und Gewaltdelikten. Koss begrüßte die Ausweitung der Diversion. Justizminister Brandstetter selbst gab zu Protokoll, eine große Freude mit der Reform zu haben. Der Justizausschuss vertagte sich am Mittwoch wie geplant und wird die Beratungen über die StGB-Reform am 30. Juni wieder aufnehmen, um dann den vorbereitenden Beschluss fürs Juli-Plenum zu fassen. Gerichtsgebühren in einigen familienrechtlichen Verfahren wurden deutlich gesenkt. Wien – Die Gerichtsgebühren im Familienrecht sind am Mittwoch deutlich reduziert worden. Eine entsprechende Novelle des Justizministeriums ist am 1. Juli in Kraft getreten, betroffen sind Pflegschafts- und familienrechtliche Verfahren, bei denen Minderjährige im Mittelpunkt stehen. Mit der neuen Regelung entfallen Gebühren für Kontaktrechts-, und Abstammungsverfahren sowie für Verfahren zur Klärung der Ehemündigkeit. Zusätzlich ist die Unterstützung durch die Familiengerichtshilfe als Besuchsmittler und durch die Kinderbeistände bei Obsorge- oder Kontaktrechtsverfahren in der ersten Phase ab sofort kostenlos. Zusätzlich werden auch Personen, die bereits im Verfahren auf Scheidung der Ehe im Einvernehmen aus finanziellen Gründen eine Verfahrenshilfe in Anspruch nehmen konnten, unterstützt. Diese werden bei Antragstellung automatisch von den Gebühren befreit und müssen nicht mehr wie bisher einen gesonderten Antrag auf Verfahrenshilfe stellen und ein Verfahrenshilfeverfahren führen. Beim Versuch, Terror zu bekämpfen, schränke die Politik Grundrechte ein, kritisieren die Rechtsanwälte. Wien – Ein Aushöhlen der Grundrechte befürchten die österreichischen Rechtsanwälte. Aktueller Anlass zur Sorge ist das polizeiliche Staatsschutzgesetz, das den Verfassungsschützern mehr Werkzeuge in die Hand gibt, unbescholtene Bürger zu bewachen. Die rot-schwarze Koalition baue ein dichtes Spitzelnetz in ganz Österreich auf, warnt Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertages (ÖRAK). Dass der Staat Handy-Standortdaten abfragen dürfe, ohne um richterliche Genehmigung zu bitten, lasse sich mit den Grund- und Freiheitsrechten der Bürger keinesfalls vereinbaren. Sollte das Gesetz im Parlament so beschlossen werden wie von ÖVP und SPÖ gewünscht, könne dies schlimmstenfalls zur vollkommenen Verselbstständigung des Staatsschutzes führen, heißt es im diesjährigen Wahrnehmungsbericht der Anwälte, der am Montag in Wien präsentiert wurde. Diese Befürchtung hatten die Rechtsanwälte schon geäußert, als der Gesetzesentwurf noch in Begutachtung war. Allein vergeblich: Die Forderung, die Staatsschützer mögen sich von unabhängigen Richtern auf die Finger schauen lassen, blieb ungehört. Die Innenministerin hält daran fest, Eingriffe in Grundrechte durch den sogenannten Rechtsschutzbeauftragten im Ministerium kontrollieren zu lassen. Ein krückenhafter Versuch, Rechtsschutz zu gewährleisten, sei das, glauben die Anwälte. Die Antwort auf Terrorangriffe kann nicht die Unfreiheit aller sein, sagt Wolff. Diese Tendenz sei jedoch immer stärker spürbar. Stichwort Vorratsdatenspeicherung: Sollte die Regierung tatsächlich planen, die Kommunikationsdaten aller Bürger zu horten, um bei Bedarf darauf zugreifen zu können, sagen wir schon jetzt ein klares Nein, so Wolff. Die Vorratsdatenspeicherung war 2014 vom Verfassungsgerichtshof gekippt worden, nach den Anschlägen in Paris im Jänner dachte Innenministerin Johanna Mikl-Leitner aber über eine Wiedereinführung nach. Die Politik schuldet der Rechtsprechung Respekt, mahnt Wolff. Auch das Grundrecht, sich bei Konflikten an Gerichte zu wenden, werde immer öfter beschnitten, sind die Anwälte überzeugt: Die Österreicher sind nicht weniger streitfreudig als früher, auch nehmen Rechtsverstöße am Wohnungs- oder Arbeitsmarkt nicht ab, trotzdem haben die Zivilgerichte von Jahr zu Jahr weniger zu tun. Seit 2010 ist die Zahl der Rechtssachen vor den Bezirksgerichten um 260.000 gesunken. In den Zahlen drücke sich ein schwierigerer Zugang zum Recht aus, sind die Anwälte überzeugt: Hohe Gerichtsgebühren, mangelnde Erreichbarkeit, lange Verfahrensdauern schreckten viele Bürger ab, glaubt Wolff. So seien die Rechtspfleger am Bezirksgericht Floridsdorf nicht direkt erreichbar, es würden aber auch keine Rückrufe notiert. Behörden und Gerichte haben für Bürger zur Verfügung zu stehen, fordert Wolff. Auch der Umgang mancher Rechtspfleger und Richter mit den Bürgern lasse zu wünschen übrig. Im Wahrnehmungsbericht wird der Fall eines Richters in einem Strafverfahren beschrieben, der auch vor einem Wutausbruch nicht zurückschreckte und sich über eine Verständnisfrage des Angeklagten lustig machte. Richter haben sich solcher scheinbar witziger und abschätziger Äußerungen zu enthalten, so Wolff. Auch das innenpolitische Dauerbrennerthema Asyl findet im Jahresbericht der Anwälte kritische Erwähnung. Dass das Asylrecht in den vergangenen zehn Jahren 13-mal novelliert wurde, führe dazu, dass es schier unmöglich ist, sich ein klares Bild über die Rechtslage zu machen. Was die schwierige Quartiersuche für Asylsuchende betrifft, bedient Wolff den Griechenland-Vergleich: Zur Unterbringung von Asylwerbern in Zeltstädten sagen wir ein klares ,Ochi. Die Oppositionspartei spricht in Sachen Hypo-Debakel sogar von "Bankraub" und kritisiert Umgang der Behörden. Wien – Die Neos werfen der Justiz im Zusammenhang mit der früheren Hypo Alpe Adria Versagen vor. Rainer Hable, Neos-Mandatar im Hypo-U-Ausschuss, ortete am Montag gar eine völlige Kapitulation des Rechtsstaates vor dem Kriminalfall Hypo Alpe Adria. Bei seiner Zwischenbilanz-Pressekonferenz sparte Hable nicht mit heftigen Worten und sprach im Zusammenhang mit der Hypo von Bankraub 2.0. Die Hypo habe Kredite vergeben an Leute ohne Bonität, die Strohmänner gewesen seien. Es handle sich um Projekte, die auf den zweiten Blick sehr fragwürdig gewesen seien, auch mit gefälschten Wertgutachten sei da operiert worden. So räumt man heutzutage eine Bank aus. Die Aufsicht sei politisch stark unter Druck gestanden und habe nichts gemacht, resümierte Hable. In der Frage der Begünstigten stellte Hable einmal mehr in den Raum, dass von der illegalen Parteienfinanzierung nicht nur die Kärntner ÖVP profitiert haben könnte, sondern auch die Freiheitlichen. Es habe zahlreiche Anzeigen und Sachverhaltsdarstellungen gegeben, auch Dokumente von ausländischen Behörden habe die heimische Justiz bekommen, aber viele Ermittlungen seien eingestellt worden – etwa beim Fall Singulus, einem Weinkeller in Kroatien, in dem Millionen versickert sind, kritisierte Hable. Zahlreiche Delikte seien verjährt, der Fall des Teilverkaufs der Consultants Gruppe der Hypo liege seit 2011 bei der Staatsanwaltschaft, werde nicht behandelt und sei damit offensichtlich am Weg in die Verjährung. Einem Schaden von 15 Milliarden Euro stehe eine Wiedergutmachung von 17 Millionen gegenüber – für Hable ein erbärmliches Ergebnis. Es stelle sich die Frage nach der Rolle der Staatsanwaltschaft, nach den Begünstigten und politischen Interventionen, meinte Hable, der Parallelen zu anderen großen Skandalen wie Eurofighter oder Buwog ortete: Funktioniert der Rechtsstaat in diesem Land überhaupt noch? Was ist faul im Staate Österreich? Es muss der Weg des Geldes verfolgt werden, forderte Hable offensive Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden. Wenn notwendig, werde man auch selbst Anzeigen einbringen, und zwar nicht nur zu Untreue, sondern auch Betrug, Bilanzfälschung und der Bildung krimineller Vereinigungen. Tun will Hable das aber erst, wenn er ausreichend Fakten gesammelt habe, wie er auf Nachfrage einräumte. Zunächst müsse man Fragen stellen. Das Justizversagen sei ein Ergebnis der vergangenen Wochen im U-Ausschuss. Staatsanwälte als Auskunftspersonen zu laden, ist für den Neos-Mandatar denkbar, wiewohl dies wohl an rechtlichen Rahmenbedingungen scheitern würde, weil die Befragungen nicht medienöffentlich wären, merkte er an. Ihn persönlich interessiere deren Aussage schon, aber es sei nicht hilfreich, wenn die Öffentlichkeit nicht davon erfahre, denn öffentlicher Druck sei der Motor, dass sich in diesem Land etwas ändert. Geprüft werden von den Neos übrigens gerade rechtliche Schritte wegen möglicher Falschaussage vor einem U-Ausschuss gegen den früheren Haider-Vertrauten Gerald Mikscha. Rechtsanwälte fordern, dass der gesetzliche Tarif inflationsangepasst wird, der Justizminister verweist auf das Finanzministerium. Wien – Wer sich mit Anwälten anlegt, muss sacht formulieren. Diese Erfahrung macht auch Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) dieser Tage. Der Minister reagierte am Dienstag auf die öffentlich verkündete Forderung der Anwälte nach einer Inflationsanpassung ihrer gesetzlichen Tarife. Es tue ihm leid, so Brandstetter sinngemäß, aber das müsse er erst mit dem Finanzminister besprechen, so wolle es das Gesetz. Der Österreichische Rechtsanwaltskammertag (ÖRAK) reagierte postwendend: Unkenntnis des Justizministers bedauerlich, betitelte ÖRAK-Präsident Rupert Wolff eine Aussendung. Das Gesetz schreibe gar nicht vor, den Finanzminister zu befragen. Brandstetter hat mir mehrfach persönlich versichert, dass unsere Forderung berechtigt ist, sagt Wolff. Der Minister berufe sich auf Vorschriften, die so nicht existieren. Der Tarifstreit geht somit in die nächste Runde. Die Anwälte haben ein Druckmittel in der Hand: Sie setzen ab Anfang November ihre kostenlosen Erstberatungen aus. Brandstetter hat dafür absolut kein Verständnis, wie er der APA sagte. Der Stopp der Gratisberatung würde vor allem die ökonomisch schwächeren Teile der Bevölkerung treffen. Die Forderung der Rechtsanwälte selbst sei nachvollziehbar. Er wolle aber zuerst das Einvernehmen mit Finanzminister und Hauptausschuss des Nationalrats suchen. In Unterhalts und Pflegschaftssachen soll "streitwertunabhängige Fixgebühr" kommen. Wien – Das Justizministerium senkt einige Gerichtsgebühren. Konkret soll das Einlegen von Rechtsmitteln in Unterhalts-, Exekutions- oder Insolvenzverfahren günstiger werden. Auch die Kosten für Firmenbuch-Abfragen werden niedriger, und außerdem dürfen dort künftig sogenannte diakritische Zeichen verwendet werden. Die entsprechende Gerichtsgebührennovelle soll am Mittwoch in Begutachtung gehen. Unterhaltsrekurse werde günstiger In Unterhalts und Pflegschaftssachen ist eine streitwertunabhängige Fixgebühr für Verfahren in zweiter und dritter Instanz geplant, heißt es in der Medieninformation des Justizministeriums. Ein Rekurs gegen eine Unterhaltsentscheidung werde so nie mehr als 27,40 Euro kosten. Für Minderjährige wird er weiterhin völlig gratis sein. Ebenfalls zu einem Fixtarif werden laut der Novelle bei bestimmten Insolvenzsachen die Verfahren in zweiter und dritter Instanz vergebührt (maximal 846 Euro). Bei Exekutionsverfahren wird statt des gesamten Anspruchs, der durchgesetzt werden soll, das meist niedrigere Rechtsmittelinteresse verwendet. Hintergrund der Neuregelung ist ein Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs aus dem Vorjahr. Wertschätzung für Volksgruppen Firmenbuch-Abfragen werden gemäß einer EU-Richtlinie billiger, die Suche im Firmenbuch nach Firmen, Veränderungen oder Urkunden etwa wird kostenfrei. Und Gebietskörperschaften können künftig jegliche Firmenbuch-Abfrage gratis durchführen. Auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheint die Möglichkeit, dass im Firmenbuch diakritische Zeichen ermöglicht werden. Dabei handelt es sich kleine Striche oder Zeichen (Häkchen, Kreise etc.) an bzw. über Buchstaben – etwa der Hatschek in slawischen Sprachen oder das A mit Ringerl im Skandinavischen. Dass diese künftig im Firmenbuch verwendet werden dürfen, sei ein deutlicher Ausdruck der Wertschätzung gegenüber den Volksgruppen in Österreich, heißt es im Justizministerium. Zudem trage man der Internationalisierung der Wirtschaft Rechnung. Wer seinen Firmenbuch-Eintrag nachträglich mit einem Hatschek versehen will, muss dafür übrigens keine Gebühr zahlen. Weitere kleinere Änderungen bzw. Klarstellungen bringt die Gerichtsgebührennovelle bei Grundbucheintragungen und im Berufsrecht der Rechtsanwälte. Die Begutachtungsfrist läuft bis 11. November, der Beschluss im Nationalrat ist für Dezember geplant, und mit 2016 soll die Novelle in Kraft treten. Druckmittel für Erhöhung des Anwaltstarifs – Justizminister Brandstetter hat kein Verständnis für "Kampfmaßnahme". Wien – Die Rechtsanwälte machen ihre Drohung wahr und setzen ab Sonntag die unentgeltliche Erste Anwaltliche Auskunft in den Anwaltskammern und anderen Institutionen aus. Sie wollen damit Druck aufbauen, um eine Inflationsanpassung des gesetzlichen Anwaltstarifs zu erreichen. Die nächste Verhandlungsrunde mit dem Justizministerium findet am 5. November statt. Die Rechtsanwaltskammer fordert eine Tarifanpassung um 15 Prozent, denn das entspreche der Geldentwertung der vergangenen sieben Jahre, in denen es keine Erhöhung gab. Es gebe keinen anderen Berufsstand, der so lang eine Nulllohnrunde hinnehmen musste, so die Argumentation von Rupert Wolff, Präsident des Österreichischen Rechtsanwaltskammertags (ÖRAK). In den letzten Jahrzehnten sei es gängige Praxis gewesen, die Tarifansätze immer dann anzupassen, wenn ein Schwellenwert von zehn Prozent erreicht wurde. Dies sei schon vor drei Jahren der Fall gewesen. Als Protestmaßnahme setzen die Anwälte die unentgeltliche Rechtsauskunft ein, die bisher freiwillig in den Kammern, aber – je nach Bundesland – auch in Kanzleien und anderen Institutionen angeboten wurde. Wer rechtliche Auskünfte braucht, muss sich vorerst an die Amtstage der Gerichte halten. Teilweise würden dort auch schon Vorbereitungen für einen verstärkten Andrang getroffen, hieß es im Justizministerium. Die gesetzliche Verfahrenshilfe ist nicht betroffen. Im Ministerium geht man aber davon aus, rasch zu einer Lösung zu kommen. Ressortchef Wolfgang Brandstetter (ÖVP) zeigte in einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber der APA auch Verständnis für die durchaus nachvollziehbare Forderung der Rechtsanwälte und verwies auf konstruktive Gespräche. Unzufrieden ist Brandstetter jedoch mit dem gewählten Druckmittel. Ich habe aber absolut kein Verständnis für die Aussetzung der ersten rechtsanwaltlichen Beratung als Kampfmaßnahme, weil man damit vor allem die ökonomisch schwächeren Teile der rechtssuchenden Bevölkerung trifft. Das nächste Treffen von Brandstetter und Wolff findet am 5. November statt. Wir hoffen auf eine möglichst rasche und konstruktive Einigung, so der Minister. Er verwies darauf, dass das Justizministerium die Erhöhung nicht allein verordnen könne, sondern aufgrund zwingender gesetzlicher Vorschriften das Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates herzustellen habe. Grundsätzlich solle der Zugang des Bürgers zum Recht nicht noch schwerer werden, so die Ansicht des Ministeriums. Juristen üben Kritik am Umgang mit Schlepperei. Wien – Der sogenannte Refugee-Konvoi, ein Autokonvoi zur Fluchthilfe auf Etappen der Balkanroute in Richtung Deutschland, hat ein strafrechtliches Nachspiel: Die Staatsanwaltschaft Wien ermittelt laut STANDARD-Informationen gegen zumindest drei Teilnehmende wegen des Verdachts auf Schlepperei. Die Staatsanwaltschaft Wien bestätigt, dass Ermittlungen zumindest gegen einen Tatverdächtigen laufen, mehr könne man derzeit noch nicht sagen, da man den Polizeibericht abwarte. Es geht um den Konvoi von Ungarn nach Wien am 6. September 2015. Rund 150 Autos fuhren an jenem Tag von Wien nach Györ und Budapest, um Flüchtlingen eine sichere und kostenlose Weiterreise zu ermöglichen. Strafrechtliche Ermittlungen gibt es auch gegen eine zweite Fluchthilfeinitiative. Die von Deutschland aus lancierte Onlineplattform fluchthelfer.in, die zu privatem Fluchthilfeengagement aufruft und Tipps gibt, wie man sich dabei vor Strafverfolgung schützt, steht im Fokus eines Ermittlungsverfahrens gegen unbekannt an der Staatsanwaltschaft (StA) Linz. Wobei es hier nicht um Schlepperei, sondern ums Auffordern zu Straftaten beziehungsweise zum Ungehorsam gegen Gesetze geht, wofür im Fall einer Verurteilung maximal zwei Jahre Freiheitsstrafe vorgesehen sind. Allerdings ist unwahrscheinlich, dass das Ermittlungsverfahren in Linz bleibt: Auch in Deutschland werde gegen die Plattform ermittelt, in den nächsten Wochen kläre man, ob der Fall dorthin wandert, heißt es in Linz. Kritik am Umgang des Staates mit Fluchthilfe wurde Dienstagabend auch auf einer Tagung des Instituts für Kriminologie am Wiener Juridicum laut. Der Staat kurble den Schleppermarkt erst an, indem er legale Fluchtwege unmöglich mache, sagt Michael Platzer, Gesandter des Academic Council on the United Nations System (ACUNS) in Wien. Der Jurist plädiert für die gänzliche Abschaffung des Schlepperparagrafen, der nur die Preise in die Höhe treibt. Auch die jüngste Asylrechtsverschärfung, die es Flüchtlingen schwerer macht, ihre Familien nachzuholen, treibe die Angehörigen nur in die Arme von Schleusern, hieß es. Je schwieriger die Einreise, je schärfer die Schlepperbekämpfung, desto höher die Schlepperpreise – dieses Gesetz habe schon zur Zeit der Massenflucht aus der DDR in den Westen gegolten, sagt der Berliner Historiker Clemens Villinger. Je dichter die Grenze, desto mehr wurden idealistische Fluchthelfer durch professionelle Schleuser verdrängt, denn ein Tunnelbau erfordert lange Vorbereitung. In den Siebzigerjahren blätterten DDR-Flüchtlinge im Schnitt bis zu 30.000 Deutsche Mark pro Schleppung hin – zum Vergleich: Ein fabriksneuer Trabant kostete 1985 2.000 Deutsche Mark, sagte Villinger, der es interessant findet, wie selektiv die historische Wahrnehmung ist: Fluchthelfer von damals würden heute mit Verdienstkreuzen geehrt, die Fluchthelfer dieser Tage klage man als Schlepper an. Wie das geschieht, sei oft unverhältnismäßig, meint der in Schleppereiverfahren erfahrene Wiener Strafverteidiger Josef Phillip Bischof: Zwar sehe das Gesetz vor, dass nur dann Schlepperei vorliegt, wenn sich der Schleuser bereichert habe – aber da reicht schon die Einladung auf ein Mittagessen. Dass das Gesetz keine Geringfügigkeitsgrenze vorsieht, sei ein massives Manko. Uns geht es um die schweren Fälle, widerspricht Gerald Tatzgern, Leiter der Anti-Schlepperei-Zentralstelle im Bundeskriminalamt: Schleuser würden skrupellos und ausbeuterisch vorgehen, deren Bekämpfung diene also dem Schutz der Geflüchteten. Die auf Fremdenrechtscausen spezialisierte Wiener Richterin Stephanie Öner kann aus den ihr anvertrauten Schleppereiverfahren kein Bild des typischen Schleppers zeichnen. Schwerkriminelle Schlepper sind in Österreich aber sicher nicht der Großteil, so Öner. Schlepper übernehmen Dienste, die eigentlich Aufgabe des Staates wären, sagt Strafrechtler Andreas Schloenhardt – nämlich Flüchtlingen eine sichere Reise zu ermöglichen. Die EU gehe zu passiv mit Flucht und Migration um: Anstatt Flüchtlinge gezielt aus Krisengebieten zu holen und hier anzusiedeln, warte Europa darauf, bis Flüchtlinge den hochriskanten Weg mit hohen Kosten selbst bewältigt hätten, um hier ihren Asylantrag stellen zu können. Schloenhardt rät zur Wiedereinführung des Botschaftsasyls zu gezieltem Resettlement und zur Einrichtung weiterer UN-betreuter Transitcamps in Drittstaaten. Häftlinge seien in Österreich zu lange eingeschlossen, kritisiert das Anti-Folter-Komitee des Europarats. Wien – Viel grundsätzliche Anerkennung, aber auch Kritik für österreichische Polizeianhaltezentren und Haftanstalten gibt es im heute, Freitag veröffentlichten Bericht des Anti-Folter-Komitees (CPT) des Europarats. Das Gremium lobt ausdrücklich den Rückgang der Anzahl jugendlicher Insassen von Justizanstalten. Gravierende Mängel wurden beim Maßnahmenvollzug in der Anstalt Stein festgestellt. Aufgrund einer umfassenden Reform des Jugendstrafvollzugs sei der Prozentsatz jugendlicher Insassen in den vergangenen Jahren von fünf auf ein Prozent zurückgegangen. Als Problem bezeichnet das Komitee den bei seinem jüngsten Besuch im September 2014 wie schon 2009 festgestellten Personalmangel in den Justizanstalten. Nach wie vor sei es so, dass die Nachtschicht der Beamten bereits um 15 Uhr und am Wochenende schon zu Mittag beginne. Die Folge sei, dass die meisten Insassen bis zum folgenden Morgen in ihren Zellen eingesperrt seien, kritisierte das Anti-Folter-Komitee. In der Justizanstalt Graz-Karlau seien Jugendliche an den meisten Tagen der Woche von 15.30 Uhr bis zum nächsten Morgen eingeschlossen, kritisierte das CPT. Anerkennung fanden Bemühungen zur Aufstockung des Personalstands. Als notwendig erachtet das Gremium allerdings eine Reform der Personalpolitik. Kritik setzte es für den Maßnahmenvollzug in der Haftanstalt Stein. Dort seien die Voraussetzungen für Unterbringung von Menschen, die Therapie und Unterstützung benötigen, nicht gegeben, konstatierte das Komitee bei seinem Besuch im September 2014. Die Betroffenen seien zu lange eingeschlossen und damit sich selbst überlassen. Überhaupt nicht zufriedenstellend sei in der Strafanstalt mit mehr als 700 Insassen die psychologische Betreuung. Ein Psychiater sei nur neun Stunden pro Woche anwesend, bemängelte das Anti-Folter-Komitee. Das Justizministerium arbeitet am Reform des Maßnahmenvollzugs. Ungern sieht das Komitee die Ausrüstung von Justizwachebeamten mit Pfefferspray. Dieses sollte nicht länger zur Standardbewaffnung gehören, meinen die Fachleute. Dem halten die Verantwortlichen in einer Stellungnahme der österreichischen Regierung entgegen, dass das sichtbare Tragen von Pfefferspray – durch professionell geschulte Personen – präventiv wirke und zu einer deutlichen Deeskalation beigetragen habe. Viel Lob gab es für Ausstattung und Betreuung in dem erst Anfang 2014 eröffneten Polizeianhaltezentrum (PAZ) Vordernberg in der Obersteiermark, das in den ersten Monaten seines Bestehens nur minimal ausgelastet war. In Bezug auf das PAZ am Hernalser Gürtel bemängelten die Experten des Europarats unter anderem beschränkte Möglichkeiten bei Outdoor-Aktivitäten. Das alte Gebäude steht in einem dichtverbauten Gebiet Wiens an einer der meistbefahrenen Straßen Österreichs. Die Reorganisation der Zentralstelle des Ministeriums ist abgeschlossen. Wien – Die neu aufgestellte Präsidialsektion im Justizministerium hat am Dienstag ihre Arbeit aufgenommen. Die heuer begonnene Reorganisation der Zentralstelle im Ministerium ist somit abgeschlossen, hieß es am Dienstag in einer Aussendung. Bereits mit 1. Juli wurde die Vollzugsdirektion aufgelöst und die neue Generaldirektion für den Straf- und Maßnahmenvollzug (Sektion II) direkt im Ministerium eingerichtet. Die bisherige Präsidialsektion und die verbleibenden Abteilungen der Sektion III wurden neu aufgestellt. Deren Aufgaben sind künftig in einer – wie man im Ministerium betonte – schlagkräftigen Support- und Strategiesektion zusammengeführt. Zusätzlich wird eine eigene Stabsstelle für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit eingerichtet. Insgesamt wurden zwölf Abteilungen auf neun Abteilungen und eine Stabsstelle reduziert. Die Anzahl der Sektionen ist insgesamt – unter Berücksichtigung der Generaldirektion für den Strafvollzug – gleich geblieben. Dafür mussten im vergangenen Jahr insgesamt 126 Arbeitsplätze neu bewertet werden. Die Sektionen Zivil- und Strafrecht bleiben unverändert. Einstellung des Verfahrens gegen rechte Monatszeitschrift sorgt für Empörung. Grüner Harald Walser brachte nun parlamentarische Anfrage ein.. Graz – Die Einstellung eines Verfahrens gegen die FPÖ-nahe Monatszeitschrift Aula durch die Staatsanwaltschaft Graz sorgt für Aufregung. Der grüne Parlamentarier Harald Walser hatte wegen eines Artikels mit dem Titel Mauthausen-Befreite als Massenmörder des Aula-Autors Manfred Duswald Anzeige erstattet. Duswald bezeichnete darin 1945 aus dem KZ Mauthausen befreite Häftlinge als Landplage und Kriminelle, die raubend und plündernd, mordend und schändend das unter der Befreiung leidende Land plagten. Die Grazer Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren gegen Duswald und den Aula-Herausgeber Martin Pfeiffer nun ein. Die Begründung: Es sei nachvollziehbar, dass die Freilassung mehrerer Tausend Menschen aus dem Konzentrationslager Mauthausen eine Belästigung für die betroffenen Gebiete Österreichs darstellte. Weiters heißt es, dass sich unbestritten unter den KZ-Häftlingen Rechtsbrecher befanden. Anlass für den Artikel war eine Buchrezension. Doch auch die Autorin des rezensierten Buches distanzierte sich von der Besprechung in der Aula. Duswald ist Mitglied bzw. alter Herr der vom deutschen Verfassungsschutz seit Jahren als rechtsextrem eingestuften Burschenschaft Danubia München. Laut Christian Becker, Betreiber des Blogs Ein Burschenschafter packt aus, gibt es in Deutschland überhaupt nur vier Burschenschaften, auf die der Verfassungsschutz ein Auge hat. Duswald fällt etwa dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) seit Jahren durch revisionistische, NS-relativierende Artikel auf. Walser stellte nun eine parlamentarische Anfrage an Justizminister Wolfgang Brandstetter, in der er etwa wissen will, ob man für die Begründung Gutachter herangezogen habe oder die betroffene Staatsanwältin eine historische Expertise habe. Angeführt werde in der Begründung nämlich nur, dass man das Wort Landplage im Duden nachgeschlagen habe. Der Historiker und Lager-Experte Bertrand Perz nennt die Begründung in einem Interview mit der Zeit im Bild naiv oder zumindest von wenig Kenntnis getragen und äußerst tendenziös. Zudem setze die Staatsanwaltschaft hier eigentlich die NS-Propaganda fort. Da der Fall berichtspflichtig war, wurde er auch im Justizministerium durch gewunken. Von der Staatsanwaltschaft Graz hieß es am Sonntag, man werde vor der fristgerechten Beantwortung durch den Minister keinen Kommentar abgeben. Auch seitens des Justizministerium will man die Causa auf STANDARD-Nachfrage nicht kommentieren. Sektionschef Christian Pilnacek übt scharfe Kritik an der Einstellung eines Wiederbetätigungsverfahrens durch die Grazer Staatsanwaltschaft. Wien – Menschen, die aus Konzentrationslagern befreit wurden, dürfen als Landplage und Massenmörder bezeichnet werden – das hatte die Staatsanwaltschaft Graz entschieden (der STANDARD berichtete). Nun setzt es scharfe Kritik von der Weisungsspitze, dem Justizministerium. Strafrechtssektionschef Christian Pilnacek hält es für unfassbar und menschenverachtend, dass hier eine unsägliche Diktion des rechtsextremen Magazins Aula durch die Staatsanwaltschaft Graz nachträglich gerechtfertigt werde. Man hätte das auf jeden Fall näher prüfen müssen, so Pilnacek im STANDARD-Gespräch. So etwas darf einfach nicht passieren. Der Sektionschef sieht nicht nur den Aula-Artikel, sondern auch die Begründung der Verfahrenseinstellung als verharmlosend an. Er betont, dass weder die Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Graz noch das Justizministerium vorab über die Entscheidung der Grazer StA informiert worden seien. Das Verfahren wurde uns erst nach der Einstellung berichtet, so Pilnacek. Er widerspricht damit einem Bericht der ZiB 2, wonach die Einstellung des Verfahrens vorab vom Ministerium gutgeheißen worden sei. Die Einstellungsbegründung erwecke den Eindruck, dass nicht vorschriftsgemäß gearbeitet wurde, so Pilnacek: Das Vieraugenprinzip, das sicherstellen soll, dass Entscheidungen von Staatsanwälten von deren Gruppenleiter überprüft werden, sei hier offenbar vernachlässigt worden: Sonst wäre das nicht derart ungefiltert hinausgegangen. Das Ministerium werde in Zukunft deutlich machen, dass dieses Prinzip wieder wirksam werden muss. Von disziplinarrechtlichen Schritten will der Sektionschef nicht sprechen. Das Verfahren wird nun nicht mehr neu aufgerollt werden können: Denkbar wäre ein Fortführungsantrag durch den unabhängigen Rechtsschutzbeauftragten gewesen. In einer umstrittenen Verfahrenseinstellung der StA Linz im Vorjahr – es ging ebenfalls um nationalsozialistische Wiederbetätigung und Verhetzung – hatte ein solcher Antrag zur Neuaufnahme und schließlich zur Anklageerhebung geführt. Der zuständige Rechtsschutzbeauftragte, Gottfried Strasser, erteilte einer möglichen Fortführung jedoch eine Absage: Auf Anfrage der APA sagte Strasser, die Frist sei bereits verstrichen, er sehe zudem ohnehin keinen Anlass zur Kritik an der Einstellungsbegründung, er halte diese für unbedenklich. Strasser verweist auch auf persönliche Hintergründe: Seine Großmutter hätte freigelassene KZ-Insassen mit Suppe versorgt. Unter den Befreiten habe es auch Kriminelle gegeben, die von der SS im Lager als Capos eingesetzt worden seien, meint Strasser. Ein Mann habe seinen Vater, einen Polizisten, sogar mit einer Pistole bedroht. Eine Beeinflussung seiner Entscheidung durch diese persönlichen Erlebnisse kann der Rechtsschutzbeauftragte nicht erkennen. Nein, ich sehe mich nicht befangen, so Strasser, aber ich weiß, dass es so war. Auch in der OStA Graz gibt es wenig Verständnis für die Einstellungsbegründung in der Causa Aula. Man habe Anfang Dezember von der Einstellung erfahren und nach dem Einholen und Prüfen des Aktes schließlich Ende Dezember der StA Graz im Erlassweg unser Befremden mitgeteilt, sagt deren Sprecher Reinhard Kloibhofer auf STANDARD-Anfrage. Disziplinarrechtlich wolle man nichts unternehmen, wir haben aber den Wunsch nach mehr Sensibilität geäußert. Ermittlungsverfahren wegen Wiederbetätigung oder Verhetzung sind grundsätzlich nur dann vorab berichtspflichtig, wenn sie von besonderer Relevanz für die Öffentlichkeit sind – beispielsweise dann, wenn ein Politiker im Zentrum der Ermittlungen steht. Man hätte auch hier den Zugang vertreten können, dass es sich um einen solchen Fall handelt, sagt Kloibhofer. Die Einschätzung, was als sogenannter clamoroser Fall gilt und was nicht, sei aber immer eine subjektive. Brandstetter-Entwurf macht auch Kürzung von Dauer und Abgeltung rückgängig. Wien – Die – mit dem Sparpaket 2011 gekürzte – Gerichtspraxis wird wieder verlängert und die Abgeltung erhöht. Der Entwurf von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) wurde am Dienstag im Ministerrat beschlossen. Juristen werden ab Anfang 2017 mindestens sieben statt bisher fünf Monate bei Gericht ausgebildet. Die Kürzung von neun auf fünf Monate unter Ministerin Claudia Bandion-Ortner (ÖVP) war in Juristenkreisen massiv kritisiert worden. So wurde Brandstetters Novelle des Rechtspraktikantengesetzes jetzt in der Begutachtung breit begrüßt – allerdings oft mit Bedauern, dass die Kürzung nicht vollständig zurückgenommen wurde. Mit der Verlängerung auf mindesten sieben Monate werden Rechtspraktikanten künftig auch mehr Bereiche als bisher kennenlernen und sich somit noch besser auf ihre berufliche Zukunft vorbereiten können, betonte Brandstetter einer Aussendung. Komplett rückgängig gemacht wird die Kürzung der Ausbildungsbeiträge. Sie werden auf das Niveau von Verwaltungspraktikanten zu Beginn der Tätigkeit angehoben. Damit bekommen Rechtspraktikanten künftig – geplant ist ab Anfang 2017 – 1.272,35 Euro brutto. Es ist mir persönlich ein wichtiges Anliegen, die Qualität der Berufsausbildung angehender Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Notarinnen und Notare, sowie Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte laufend zu optimieren. Deshalb halte ich diese Änderungen für sinnvoll und freue mich über die überwiegend positiven Rückmeldungen im Begutachtungsverfahren, betonte Brandstetter. Grundsätzlich hat jeder Absolvent eines Jus-Studium einen Rechtsanspruch auf Gerichtspraxis. Verpflichtend absolvieren müssen diese angehende Richter, Staatsanwälte, Notare und Rechtsanwälte. Während der Gerichtspraxis sind die Rechtspraktikanten in der Regel jeweils zwei bis drei Monate einem Staatsanwalt oder einem Ausbildungsrichter aus dem Bereich Strafrecht oder Zivilrecht an einem Bezirksgericht oder Landesgericht zugeteilt, den sie bei der Arbeit unterstützen. Damit durchlaufen sie derzeit meist zwei Stationen, künftig können es drei sein – wobei die Ausbildungszeit insgesamt nicht verlängert wird. Holzinger: Verbot der Beihilfe zum Selbstmord überschreitet nicht den Spielraum des Gesetzgebers – Vereinsproponenten gehen zum EGMR. Wien – Die Gründung des Sterbehilfe-Vereines Letzte Hilfe – Verein für ein selbstbestimmtes Sterben wurde zu Recht untersagt, hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) entschieden. Beihilfe zum Selbstmord unter Strafsanktion zu stellen, liege im Spielraum des Gesetzgebers, sagte VfGH-Präsident Gerhart Holzinger am Dienstag in einer Pressekonferenz. Die Vereinsvertreter wollen sich nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrecht (EGMR) wenden. Betrieben hatte die Gründung des ersten österreichischen Sterbehilfe-Vereines die Initiative Religion ist Privatsache rund um den im Vorjahr verstorbenen Physiker Heinz Oberhummer. 2014 hatte die Polizeidirektion Wien den Antrag auf Vereinsgründung abgelehnt und in der Folge das Verwaltungsgericht Wien das Verbot bestätigt. Auch der Gang zum Höchstgericht half nichts: Die Untersagung des Vereines unter Berufung auf das Verbot der Sterbehilfe ist nicht verfassungswidrig, konstatierten die Verfassungsrichter. Vereinszweck teilweise gesetzwidrig Denn der Vereinszweck war zumindest teilweise gesetzwidrig – ging es doch darum, den Mitgliedern, die an einer unheilbaren schweren Krankheit leiden, Hilfe zum Selbstmord zu leisten. Paragraf 78 Strafgesetzbuch verbietet aber die Mitwirkung am Selbstmord. Ob dies verfassungskonform ist, war sehr schwierig zu beurteilen, erläuterte Holzinger. Denn es standen einander zwei grundrechtliche Positionen gegenüber: Auf der einen Seite stehe das Recht auf Leben, das auch in der Menschenrechtskonvention verankert sei und den Staat verpflichte, nicht nur selbst alles zu unterlassen, was in das Recht auf Leben eingreift, sondern den Staat auch verpflichtet, das Recht auf Leben dadurch zu gewährleisten, dass er im Besonderen strafrechtliche Regelungen erlässt, die verhindern sollen, dass Private jemanden anderen in seinem Recht auf Leben beeinträchtigen. Auf der anderen Seite stehe das Recht auf Privatsphäre, also auf die private Disposition über die eigene Person. Letztlich hat der VfGH dem Gesetzgeber attestiert, dass er seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum nicht überschritten hat. Die Letzte Hilfe-Proponenten waren davon zutiefst enttäuscht, wie es in einer Aussendung hieß. Damit habe der VfGH das Diskussionsverbot besiegelt. Der Beschwerdeführer und Sprecher der Initiative Religion ist Privatsache, Eytan Reif, sieht im VfGH-Erkenntnis allerdings keinen Schlussstrich unter das Bestreben, den assistierten Suizid in Österreich zuzulassen. Er will sich nun an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, weil die Vereins- und Religionsfreiheit sowie das Recht auf Achtung der Privatsphäre verletzt seien. Experten plädieren für mehr Fußfesseln und gemeinnützige Arbeit statt Gefängnisstrafen. Salzburg – In den Gefängnissen würden zu viele Menschen sitzen, die gar nicht dort hingehören. Ein Haftaufenthalt mache aus Straffälligen vermehrt Wiederholungstäter. Denn: Das Gefängnis resozialisiert nicht, sagt der deutsche Experte für Kriminal- und Sozialpolitik, Bernd Maelicke. Es könne im besten Fall auf eine Resozialisierung nach der Entlassung vorbereiten. Als Grund dafür sieht Maelicke die starke Subkultur in den Gefängnissen. Die negativen Einflüsse der Mitgefangenen würden dominieren und mögliche Erfolge von Behandlungsprogrammen gefährden. Maelicke war als Ministerialdirigent 15 Jahre lang für die Gefängnisse in Schleswig-Holstein verantwortlich. Er ist der Meinung, mehr als die Hälfte der derzeit Gefangenen müsste nicht inhaftiert werden, wenn es um Gefährlichkeit, Sozialschädlichkeit oder Normverdeutlichung gehe. Rund 40 Prozent der Häftlinge würden eine Freiheitsstrafe unter einem Jahr verbüßen. Das sei eine Klientel für ambulante Maßnahmen wie Fußfesseln oder gemeinnützige Arbeit. Diese seien viel effizienter, würden einen Rückfall und sogenannte Drehtürhäftlinge, die immer wieder ins Gefängnis kommen, vermeiden. Bereits im ersten Jahr nach der Haft liege die Rückfallquote bei 40 Prozent, sagte Maelicke bei einer Tagung am Mittwochabend. Der Verein Neustart, der Träger der Bewährungshilfe ist, lud zur Tagung in die neu errichtete Justizanstalt Puch ein. Für den Leiter von Neustart Salzburg, Johannes Bernegger, greifen die derzeitigen Maßnahmen zur Haftvermeidung noch zu kurz. Er befürwortet etwa, den elektronischen Hausarrest auszubauen. Dieser sei in Salzburg ein voller Erfolg. Seit der Einführung hätten nur 6,6 Prozent der Fußfesselträger den Hausarrest nicht vollendet. Zudem solle häufiger, besonders bei jungen Erwachsenen, gemeinnützige Arbeit statt Haft verordnet werden. Sein dritter Vorschlag ist, in der Strafprozessordnung den Tatausgleich vor dem Urteil zu verankern. So könnten die Ergebnisse ins Urteil einfließen und eventuell zu einer Strafminderung führen. Es geht nicht darum, den Vollzug zu kürzen, sondern jene, die in das Gefängnis gehören, besser behandeln zu können, sagte Bernegger. Dies gelinge nur durch den entsprechenden Betreuungsschlüssel. Der Strafrechtsexperte Alois Birklbauer von der JKU Linz analysierte die jüngste Strafrechtsreform in Österreich. Er kam zu dem Schluss, dass diese besonders bei Erwachsenen keine Ansätze zur Haftvermeidung zeige. Vielmehr seien nur die Strafbestimmungen und -drohungen an gesellschaftliche Werthaltungen angepasst worden. Beim Gesetzwerdungsprozess hätten sich die repressiven Stimmen eher durchsetzen können. Trotz deutlich weniger Verurteilungen würden die Belagszahlen in österreichischen Gefängnissen steigen. Einziger Lichtblick sei das reformierte Jugendgerichtsgesetz, sagte Birklbauer. Die Angleichung der Privilegien für junge Erwachsene bewertet der Strafrechtsprofessor positiv. Nur bei der halbierten Strafdrohung, die nur für Personen bis 18 Jahren gilt, habe man nachgegeben. Als große künftige Herausforderung sieht Birklbauer den steigenden Anteil an Menschen mit Migrationshintergrund in den Gefängnissen. Er habe die Befürchtung, dass das Gefängnis zu einem Ort wird, wo das Versagen der Integrationspolitik kumuliert. Der Strafvollzug dürfe nicht der Lückenbüßer der fehlenden Integrationspolitik werden, gibt Birklbauer zu bedenken. Steinhauser: Durch oftmals schnelle Anwendung der Anti-Terrorparagrafen können Bürgerinnen ins Visier geraten. Wien – Auch wenn Justizminister Wolfgang Brandstetter wert darauf legt, dass der am Donnerstag eingebrachte Gesetzesentwurf zur Überwachung von Internet-Kommunikation nichts mit dem so genannten Bundestrojaner zu tun habe: Die Opposition sieht das anders. Auch beim aktuell gemachten Vorschlag handelt es sich um nichts anderes als eine Spionagesoftware, die dann sämtliche Aktivitäten am Handy, Computer oder sogar über Spielekonsolen ausspähen soll, reagiert der Grüne Justizsprecher Albert Steinhauser auf das Vorhaben. Er kritisiert: Das ist jedenfalls ein massiver Eingriff in Grundrechte, der sehr kritisch zu sehen ist. Hunderte Ermittlungsverfahren Bei der geplanten Änderung der Strafprozessordnung geht es um die Überwachung von Nachrichten, die via Computersysteme geschickt werden. Brandstetter betont, die Neuregelung solle nur bei schweren Straftaten wie Mord und Terror zum Einsatz kommen. Steinhauser kontert: Es wird verschwiegen, dass die Anti-Terrorparagrafen als Ermittlungsparagrafen bisher oftmals sehr schnell zur Anwendung gekommen sind. Alleine in den letzten Jahren hat es hunderte Ermittlungsverfahren gegeben. Die Verfahren nach den Anti-Terrorparagrafen werden dann zu 90 Prozent eingestellt, was bleibt ist der Eingriff in höchstpersönliche Grundrechte. Darüber hinaus gäbe es eine Reihe von offenen technischen Fragen und massive Zweifel, dass diese Maßnahme einen Mehrwert im Kampf gegen den Terrorismus hat. Justizministerium: Im Ausland geschlossene Mehrfachehen sind in Österreich nicht automatisch nichtig. Wien – In Österreich ist die Rechtslage unmissverständlich. Polygamie, also die Vielehe, ist laut dem heimischen Ehegesetz klar verboten. Eine Ehe ist nichtig, wenn ein Teil zur Zeit ihrer Schließung mit einer dritten Person in gültiger Ehe oder eingetragener Partnerschaft lebte, heißt es in Paragraf 24. Wie aber geht Österreich mit Zuwanderern um, die im Ausland rechtmäßig polygame Ehen eingegangen sind? Schließlich ist es in einigen afrikanischen und arabischen Ländern erlaubt, zwei oder mehr Frauen zu heiraten. Darauf wollte die Team-Stronach-Abgeordnete Martina Schenk im Rahmen einer parlamentarischen Anfrageserie Antworten. Kein Nichtigkeitsgrund Jene des Justizministeriums zeigt, dass das Thema juristisch nicht ganz einfach ist. Wenn eine Mehrfachehe nämlich im Herkunftsland zulässig war, so ist rein theoretisch in Österreich kein Nichtigkeitsgrund gegeben, wie das Ressort von Minister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) schreibt. Allerdings ist dabei noch das internationale Privatrecht zu berücksichtigen. Laut diesem sind Bestimmungen dann nicht anzuwenden, wenn sie mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sind. Die Gerichte in Österreich müssten also im Einzelfall prüfen, ob diese Unvereinbarkeit gegeben ist. Je stärker der Inlandsbezug ist – etwa in Form eines gewöhnlichen Aufenthalts – desto weniger werden befremdliche Ergebnisse der Anwendung ausländischen Rechts hingenommen, meint das Justizministerium. In Deutschland sind beispielsweise polygame Ehen dann anzuerkennen, wenn es um Ansprüche (Alimente) der beiden Ehefrauen gegen den Mann geht. Ein solcher Fall könnte in Österreich durchaus ähnlich entschieden werden. Nach Auskunft des Justizministeriums sind nämlich Kinder aus Vielehen, die im Ausland rechtsgültig geschlossen wurden, in der Regel als ehelich anzusehen. Nach österreichischem Recht würden nämlich auch Kinder aus nichtigen Ehen als ehelich gelten. Generell gebe es bisher aber kaum Judikatur zu dem Thema, heißt es. Der STANDARD wollte vom Ressort auch wissen, wie häufig der Staat Nichtigkeitsklagen im Zusammenhang mit Polygamie einleitet. Neben den aktuellen und früheren Partnern darf schließlich auch die Staatsanwaltschaft Anträge auf Nichtigkeit von Ehen stellen. Statistiken dazu liegen allerdings nicht vor. Zudem geht eine Sprecherin davon aus, dass der Hauptanwendungsfall der Nichtigkeitsklagen klassische Heiratsschwindler seien. Aber wie gesagt: Konkrete Zahlen gibt es nicht. Juristisch klar ist laut Innenministerium: Ein Ehemann darf im Rahmen der Familienzusammenführung keine Zweit- oder Drittfrauen nach Österreich nachholen. In diesem Fall würde laut Innenressort ein klarer Widerspruch zu den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung vorliegen. Selbiges gelte auch für Ehen mit Minderjährigen. Denn: Ein Ehepartner, der im Rahmen der Familienzusammenführung nach Österreich kommen will, muss das 21. Lebensjahr bereits vollendet haben. Schlechte Datenlage Wissen wollte Team-Stronach-Abgeordnete Schenk auch noch, ob es Zahlen dazu gibt, wie viele Zweit- oder Drittfrauen am Arbeitsmarkt integriert sind oder von Sozialhilfe leben. Auch dazu gibt es allerdings keinerlei Datenmaterial, wie das Sozialministerium von Alois Stöger (SPÖ) mitteilte. Aus Sicht des Ressorts besteht auch kein Bedarf nach einer Erhebung solcher Daten. Alle involvierten Ministerien sind einig: Die aktuelle Rechtslage sei ausreichend. Die SPÖ will das Betreuungsgeld um ein Drittel kürzen, wenn die Väter nicht bei den Kindern bleiben, Koalitionspartner ÖVP ist dagegen. Wien – Bei der Neugestaltung des Kindergelds sind sich die Koalitionspartner uneinig. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hatte einen Gesetzesentwurf für Juni angekündigt, doch der lässt noch auf sich warten. Es spießt sich daran, wie die Beteiligung der Väter an der Karenz gehoben werden kann, berichtete das Ö1-Morgenjournal am Mittwoch. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) will, dass ein Drittel des Kindergeldes entfällt, wenn der Vater nicht in Karenz geht. Das geht Karmasin zu weit, dadurch hätten auch alleinerziehende Mütter weniger Kindergeld zur Verfügung. Heinisch-Hosek stellte indes per Aussendung klar, dass auch bei ihrem Vorschlag zu einer höheren Väterbeteiligung Alleinerzieherinnen nicht schlechtergestellt würden: Wer alleine für ein Kind verantwortlich ist, darf auf keinen Fall durch die Finger schauen, so die Ministerin. Zusätzliche Leistungen für Alleinerziehende könnten beispielsweise über die nicht in Anspruch genommenen Väteranteile finanziert werden. Nein zu Heinisch-Hoseks Vorschlag sagt auch die FPÖ. Deren Familiensprecherin Anneliese Kitzmüller meinte in einer Aussendung, Familien bräuchten Autonomie und Unterstützung statt Auflagen und Strafen. Der SPÖ-Vorstoß sei geradezu totalitär. Zudem verwies auch sie auf das Problem der Alleinerzieherinnen. Dieses Argument halten die Grünen für vorgeschoben. Denn es gäbe Lösungen, um die Benachteiligung von Alleinerzieherinnen auszugleichen, etwa eine gewisse Anzahl von Extra-Monaten als Ausgleich, erklärte Familiensprecherin Judith Schwentner, die die rote Position unterstützt: Wenn ein Drittel der Zeit für Väter festgesetzt wird, nähern wir uns dem Ziel der Gleichstellung wieder ein bisschen an. Eine Studie im Auftrag des Familienministeriums zeigt, dass Partnerschaftlichkeit für Österreicher wichtig ist. Im Engagement für Gleichstellung und Chancengleichheit erhält Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) Unterstützung von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Diese will unter anderem mit einer Kampagne den Geschlechterstereotypen den Kampf ansagen. Dass Männer in Karenz als Weicheier und berufstätige Frauen oft als Karrieristinnen dargestellt werden, will Karmasin nicht länger akzeptieren. Die vorherrschenden Stereotype seien unseres Landes nicht würdig, denn sie würden Optionen verhindern. Eingeschränkte Optionen würden etwa sichtbar, wenn man den Frauenanteil in Top-Führungspositionen betrachte. Dieser liegt derzeit bei sechs Prozent. Ebenso kritisierte Karmasin, dass für gleiche Leistungen Frauen oft weniger verdienen als Männer. Wunsch nach Partnerschaftlichkeit Die Ergebnisse einer Market-Studie im Auftrag des Familienministeriums – befragt wurden im Monat Juli 1.000 Frauen und Männer zwischen 16 und 60 Jahren – präsentierte Karmasin im Rahmen eines Hintergrundgesprächs als Beleg dafür, dass die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher mit den gängigen Geschlechterstereotypen nichts mehr am Hut haben wollen. So stimmten 83 Prozent der Frauen und 82 Prozent der Männer der Aussage zu, dass Frauen und Männer zum Haushaltseinkommen beitragen sollen. 77 Prozent der Frauen und 74 Prozent der Männer gaben an, dass das Familienleben darunter leidet, wenn sich Männer zu sehr auf die Arbeit konzentrieren. Ebenso gaben drei Viertel der befragten Frauen und Männer an, es sei gut, wenn beide Elternteile abwechselnd in Karenz gehen und zu Hause bleiben. Und 95 Prozent der Frauen sowie 94 Prozent der Männer stimmten zu, dass Männer genauso für die Kindererziehung verantwortlich sind wie Frauen. Frauen am Herd Zugleich unterstützte ein Drittel der Befragten das alte Rollenbild. Der Aussage Die Aufgabe des Mannes ist es, Geld zu verdienen, die der Frau, sich um den Haushalt und Familie zu kümmern stimmten 30 Prozent der Frauen und 28 Prozent der Männer zu. Nur rund ein Drittel der Befragten bezeichnete diese Aussage als sehr falsch. Karmasin betonte jedoch, dass Anhänger des traditionellen Rollenbildes genauso zu würdigen seien. Jeder Einzelne soll sein Lebensmodell so leben, wie er will, sagte die Ministerin. Partnerschaftliche Teilung Ein Blick in die Statistik zeigt, dass die Wünsche der Befragten nach Partnerschaftlichkeit in der Kinderbetreuung und die gelebte Praxis noch weit auseinanderklaffen. Vor allem Mütter beziehen das Kinderbetreuungsgeld. So waren es laut Statistik Austria im Jahr 2013 insgesamt 125.272 Frauen und nur 5.577 Männer, die diese Leistung zur Gänze in Anspruch nahmen. Laut dem aktuellen Wiedereinstiegsmonitoring der Arbeiterkammer unterbrachen zehn Prozent der Männer ihre Erwerbstätigkeit in partnerschaftlicher Teilung – das heißt, sie bestritten die Karenz gemeinsam mit der Mutter. Wobei mit durchschnittlich drei Monaten der Betreuungsanteil des Mannes wesentlich geringer ausfiel. Partnerbonus in Verhandlung Neben der Kampagne gegen Stereotype will Karmasin geschlechtersensible Pädagogik im Kindergarten vorantreiben. Ein entsprechendes Projekt, in dessen Rahmen Kindergartenpädagogen nachgeschult werden, soll Einschränkungen aufgrund des Geschlechts bereits im Kindergarten verhindern. Karmasin versprach außerdem, die Kinderbetreuung zu verbessern und die Familienfreundlichkeit in Unternehmen zu forcieren. Lenkungseffekte verspricht sich die Familienministerin außerdem vom derzeit mit dem Regierungspartner in Verhandlung stehenden Partnerbonus für Paare, die sich die Kinderbetreuung aufteilen. 23,8 Prozent der Null- bis Zweijährigen und 92,3 Prozent der Drei- bis Fünfjährigen besuchen Kindergärten oder Krippen. Wien – Im abgelaufenen Kindergartenjahr haben mehr als 57.000 Kleinkinder bis zum Alter von zwei Jahren eine Kinderbetreuungseinrichtung besucht – das sind mehr als doppelt so viele wie noch vor sieben Jahren. Auch bei den Drei- bis Fünfjährigen bedeuten mehr als 223.000 betreute Kinder einen neuen Höchststand, geht aus der am Donnerstag von der Statistik Austria veröffentlichten Kindertagesheimstatistik. Die 57.525 betreuten Kleinkinder bis zwei Jahre im Jahr 2014/15 bedeuten eine Quote von 23,8 Prozent. 2007/08, also im letzten Jahr vor Einführung der Förderung von Bund und Ländern, waren mit 28.020 oder 11,8 Prozent noch nicht einmal halb so viele Kleinkinder in Betreuung. Das sogenannte Barcelona-Ziel liegt allerdings für die Null- bis Dreijährigen bei 33 Prozent. Von den Zweijährigen besuchten im Vorjahr knapp die Hälfte (49,7 Prozent) eine Kinderbetreuungseinrichtung. Bei den Einjährigen lag die Betreuungsquote bei 19,9 Prozent und bei Kindern, die das erste Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, 1,7 Prozent. In allen Bundesländern ist die Betreuungszahl bei den Null- bis Zweijährigen stark gestiegen, am stärksten in Niederösterreich mit einem Zuwachs um 171,8 Prozent auf 10.397 Kinder. Das ist aber nicht nur auf neue Betreuungsplätze zurückzuführen, sondern auch darauf, dass Niederösterreich im September 2008 die Kindergärten für Zweieinhalbjährige öffnete. In Oberösterreich (plus 133,3 Prozent) und der Steiermark (plus 125,5 Prozent) hat sich die Betreuungszahl ebenfalls mehr als verdoppelt. Allerdings werden hier weiterhin vor die wenigsten Null- bis Zweijährigen in Kindertagesheimen betreut (13,6 beziehungsweise 12,7 Prozent). Das Burgenland erreichte einen Zuwachs von 104,7 Prozent und liegt mit einer Betreuungsquote von 30,9 Prozent an zweiter Stelle hinter Wien. Dort wurden schon vier von zehn Kleinkindern in einem Kindertagesheim betreut (40,2 Prozent), Wien liegt damit klar über dem Österreich-Schnitt von 23,8 Prozent. Auch die Betreuung der Drei- bis Fünfjährigen erreichte einen neuen Höchststand. 223.517 Kinder besuchten ein Kindertagesheim oder als vorzeitig Eingeschulte eine Schule, das waren 15.322 beziehungsweise 7,4 Prozent mehr als vor sieben Jahren. Insgesamt wurden in Österreich 92,3 Prozent der Kinder zwischen drei und fünf Jahren betreut, das Burgenland mit 98 und Niederösterreich mit 96 Prozent erreichten hier die höchsten Werte. Relativ deutlich unter dem Österreich-Durchschnitt liegen die Steiermark (85,7) und Kärnten (87,5 Prozent). Familienminsterin Sophie Karmasin (ÖVP) sieht Österreich auf dem richtigen Weg. Das verbesserte Angebot werde sehr gut angenommen, sagte Karmasin in einer Aussendung. Mit einer Betreuungsquote von 25,9 Prozent liegt Österreich aber immer noch unter dem Barcelona-Ziel von 33 Prozent bei den Unter-Dreijährigen. Karmasin gestand deshalb durchaus noch Aufholbedarf bei den Kleinsten zu. Sie sieht hier aber die Länder gefordert. Die Familienministerin will sich auch weiterhin für längere Öffnungszeiten und eine Reduktion der Schließtage einsetzen. Aufholbedarf sieht Karmasin auch noch bei der Anzahl männlicher Kindergartenpädagogen, die noch unter zwei Prozent liegt. Auch Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) konstatierte einen Nachholbedarf bei den Unter-Dreijährigen und meinte, dass die Länder gefordert seien, den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen weiter voranzutreiben. Auch die Öffnungszeiten müssten sich an der Lebensrealität berufstätiger Eltern orientieren. Die Grüne Sozialsprecherin Judith Schwentner forderte Karmasin auf, Tempo zu machen, um das Barcelona-Ziel zu erreichen. Sie bekräftigte die Forderung der Grünen auf einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz ab dem 1. Geburtstag. Außerdem müsse eine bundesweiten Rahmen für einheitliche Qualitätskriterien geben.(APA, 3.9.2015) 'Ministerin Karmasin präsentierte Monitor-Ergebnisse – Väteranteil bei Kinderbetreuung soll 2018 ein Viertel betragen. Wien – Österreich ist auf dem Weg zu mehr Familienfreundlichkeit. Während im Jahr 2012 31 Prozent das Land als familienfreundlich einschätzten, sind es aktuell 63 Prozent, sagte Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) am Mittwoch bei der Präsentation des Familienfreundlichkeits-Monitors 2015. Aufholbedarf gibt es allerdings bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie und dem Frauenanteil in Führungspositionen. Karmasin verwies auf ihr erklärtes Ziel, Österreich zum familienfreundlichsten Land Europas zu machen. Überprüft wird dieses anhand von zehn Indikatoren des im Vorjahr vorgestellten Monitors, der einmal jährlich aktualisiert wird. Die aktuell verfügbaren Indikatoren, darunter Familienfreundlichkeit, Fertilitätsrate, Kinderbetreuung oder Familienunternehmen, weisen alle eine positive Entwicklung auf, zeigte sich die Ministerin bei der Pressekonferenz erfreut. Sehr erfreulich sei die Steigerung bei der Einschätzung der Familienfreundlichkeit mit aktuell 63 Prozent, befragt wurden 1000 Personen. Das bestätigt, dass wir unsere Benchmark erreichen können, so Karmasin. Ein Unterschied zeigt sich bei der Betrachtung der Bundesländer, so wird die Familienfreundlichkeit im Burgenland etwa höher eingeschätzt als in Salzburg oder Wien. Die Zahl der Familien mit Kindern im Haushalt ist insgesamt leicht steigend (2013: 1.386.000 Karenz für Pflegeeltern möglich – Kündigungs- und Entlassungsschutz bei Fehlgeburten. Wien – Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) hat am Dienstag ein Vereinbarkeitspaket in Begutachtung geschickt. Die Novellen zum Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz sollen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie verbessern und der Praxis entgegenkommen, erklärte der Ressortchef in einer Aussendung. Konkret kommt etwa ein Karenzanspruch für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht. Derzeit ist eine Karenz für Pflegeeltern nur dann möglich, wenn ein Kind in Adoptionsabsicht in unentgeltliche Pflege genommen wird. Häufig ist eine Adoption jedoch nicht möglich, sodass ein Pflegeelternteil oft den Job aufgeben musste, um sich dem Kind widmen zu können. Nun wird für Pflegeeltern ohne Adoptionsabsicht ein Karenzanspruch geschaffen. Bei Fehlgeburten ist ein zeitlich begrenzter Schutz vor Kündigungen und Entlassungen vorgesehen, da es immer wieder zur Auflösung der Arbeitsverhältnisse gekommen sei. Der Kündigungs- und Entlassungsschutz soll künftig mit der Fehlgeburt zu laufen beginnen und vier Wochen danach enden. Geplant ist weiters eine Regelung bei Elternteilzeiten darüber, in welchem Ausmaß die Arbeitszeit reduziert werden kann. Mit der Novelle soll die Arbeitszeitreduktion zumindest 20 Prozent der wöchentlichen Normalarbeitszeit betragen. Die Mindestarbeitszeit während der Elternteilzeit soll mit zwölf Stunden pro Woche festgelegt werden. Eine weitere Neuerung betrifft den zweiten Meldezeitpunkt. Wenn bei Eltern mit einem selbstständig erwerbstätigen Teil und einem unselbstständig erwerbstätigen Teil im unmittelbaren Anschluss an die Mutterschutzfrist der selbstständig erwerbstätige Elternteil die Betreuung des Kindes übernimmt, kann nach derzeitiger Rechtslage später vom unselbstständig Erwerbstätigen keine Karenz mehr angemeldet werden. Nun soll ihm die Inanspruchnahme auch zu einem späteren Zeitpunkt ermöglicht werden – sofern der andere Elternteil aufgrund seiner selbstständigen Tätigkeit keinen Karenzanspruch hat. Freie Dienstnehmerinnen können zwar Wochengeld beziehen, haben jedoch keinen Anspruch auf Freistellung gegenüber den Arbeitgebern. Es ist daher die Einbeziehung von arbeitnehmerähnlichen freien Dienstnehmerinnen in die absoluten und individuellen Beschäftigungsverbote des Mutterschutzgesetzes vorgesehen. Die Begutachtung des Vereinbarkeitspakets beginnt am heutigen Dienstag und dauert zwei Wochen. Der Nationalratsbeschluss ist noch für dieses Jahr vorgesehen, damit die Änderungen mit 1. Jänner 2016 in Kraft treten können. Beamte rechnen derzeit an den verschiedenen Varianten. Wien – Die Kindergeldreform hin zu einem flexibleren Bezug lässt noch auf sich warten. Derzeit rechnen die Beamten des Familienressorts die unterschiedlichen Varianten durch, hieß es aus dem Büro von Ministerin Sophie Karmasin (ÖVP). Ihr Vorschlag dürfte damit erst im neuen Jahr vorliegen. Danach werden die geplanten Neuerungen mit dem Koalitionspartner abgeklärt. Um die Väterbeteiligung bei der Kinderbetreuung zu erhöhen, will Karmasin einen Partnerschaftsbonus einführen. Auch schlägt sie ein Kindergeld-Konto für mehr Flexibilität beim Bezug vor. Noch sind jedoch Abstimmungen nötig und werden Berechnungen durchgeführt, hieß es. Renée und Ana wünschen sich Nachwuchs. Seit Februar 2015 ist das für lesbische Paare auch in Österreich möglich. Der Weg zum Kind ist trotzdem kein leichter. Spender Inaki ist 170 cm groß und wiegt 63 Kilogramm. Sein Bart ist schwarz, der Körper athletisch. Gesichtsform oval, Hautton olive, Lippen voll. Und: Er ähnelt dem Schauspieler Bruce Lee. Hier klicken für Fotos von Bruce Lee, ermuntert die weltgrößte Samenbank Cryos all jene, die auf dem Weg der künstlichen Befruchtung zur erhofften Elternschaft gelangen wollen. Inaki heißt in Wahrheit nicht Inaki, so viel Anonymität muss sein. Darüber hinaus gibt er mit Kindheitsfotos, Familienstammbaum, Schrift- und Hörproben sowie Antworten auf Fragen wie Welche Werte zählen für dich? Einblick und gleichzeitig Ausblick auf die Optionen, die sein Erbmaterial der potenziellen Nachkommenschaft eröffnet. Auch die 39-jährige Renée heißt nicht Renée, will für diesen Artikel aber lieber einen anderen Namen annehmen. Seit Jahren wälzt die Wienerin Gedanken über die Gründung einer Familie, die zusätzlich zu Partnerin Ana auch Kinder umfasst. Bis dato ein schier unmögliches Unterfangen in Österreich, wo das sogenannte Fortpflanzungsmedizingesetz erst seit Februar 2015 auch gleichgeschlechtlichen Paaren den Zugang zu künstlicher Befruchtung gewährt – übrigens erst nach höchstgerichtlichem Druck. Aber auch heute, rund ein Jahr nach Beschlussfassung der Neuregelung im Parlament, steht das Paar vor einer Reihe offener Fragen. Eine der wichtigsten: Wie finden wir den passenden Spender? Renée lebt hier mit Ana in eingetragener Partnerschaft, in den USA, beiden viele Jahre Wahlheimat, sind die beiden verheiratet. Aufgrund des interkulturellen Backgrounds der Beziehung sucht man einen zumindest halbasiatischen Spender. Und hier, so empfinden es die beiden, ist laut österreichischem Gesetz auch schon wieder Schluss mit der Wahlfreiheit. Auswahlkriterien, wie sie Cryos oder die European Sperm Bank bereitwillig zur Verfügung stellen, können hierzulande nur oberflächlich definiert werden. Eine zentrale Samenbank gibt es nicht, jede Klinik, an der eine In-vitro-Fertilisation oder Insemination durchgeführt wird, muss auf ihren eigenen, überschaubaren Spenderkreis zurückgreifen. Bettina Stadlbacher vom Kinderwunschzentrum im Goldenen Kreuz in Wien ist Renée und Ana bei der Spendersuche behilflich, ein Job, der durch die Neuerungen im Gesetz noch mehr an emotionaler Verantwortung gewonnen hat. Es sind Stadlbacher und ein Team biomedizinischer Analytikerinnen, die letztlich entscheiden, welcher Spender zu welchem Empfängerpaar (alleinstehende Frauen sind nach wie vor von der künstlichen Befruchtung ausgeschlossen) passt. Wie bei jedem Paar wird dieser anhand bestimmter Merkmale wie Augenfarbe, Haarfarbe, Blutgruppe, Größe, Gewicht, Beruf, Interessen und Ausbildung selektiert. Stadlbacher: Vor der Gesetzesnovelle habe ich nicht so engen Kontakt zu den Paaren gehabt. Heterosexuelle Paare wollten nicht so viele Informationen über den Spender. Bei lesbischen Paaren sei das anders. Aktuell hat das Kinderwunschzentrum rund 40 aktive Samenspender, allerdings: kein einziger mit asiatischen Wurzeln. Das Werbeverbot macht es uns schwer, neue Spender zu rekrutieren, sagt Stadlbacher. Auch im persönlichen Kontakt versuchten Renée und Ana bereits einen Spender aufzustellen. Das Problem: Einer wollte aktiver Vater sein, ein anderer sprang nach anfänglicher Begeisterung doch wieder ab, berichtet Renée. Bleibt der Weg über internationale Megasamenbanken? Jein. Einerseits hegt das Paar hier ethische Bedenken, weil etwa Cryos auch an Private liefert, das Risiko zahlreicher Halbgeschwister für den eigenen Nachwuchs unüberschaubar werde. Auch habe man keine Garantie, dass ein Kind nach vollendetem 18. Lebensjahr Kontakt zum Spender aufnehmen kann, wie von Cryos versprochen. Zudem: Rechtlich sieht man sich im Goldenen Kreuz die Hände gebunden: Wir können nicht auf Cryos zugreifen, denn wir müssen jeden Spender persönlich aufklären, sagt Heinz Strohmer, Leiter des Kinderwunschzentrums und ärztlicher Kontakt des Paares. Renées Option: Samen trotzdem bestellen, die gesamte Vorbereitung in Österreich absolvieren und für die Implantation selbst in die Partnerklinik nach Bukarest ausweichen. Ein Nachteil von vielen: Das kostet – zusätzlich. Zugang zum IVF-Fonds haben gesunde lesbische Paare nicht. Und dann das: Am 25.12. berichtet der Kurier von der Geburt des ersten In-vitro-Babys lesbischer Eltern. Den Samen bestellten die Tirolerinnen von Cryos. Renée ist verunsichert. Schon bisher empfindet sie die Erfüllung ihres sehnlichsten Wunsches wie ein wissenschaftliches Projekt, das man allein umsetzt. Mit dem Wissen über den Tiroler Weg sei wieder alles anders. Weil Renée und Ana aber im Jänner ihren ersten Versuch starten wollen, haben sie jetzt via Inserat ein letztes Mal in Österreich gesucht. Über 20 Männer haben sich gemeldet, jetzt sind sie dabei, die ersten potenziellen Spender zu treffen. Papamonat als "Minderheitenprogramm", kaum Anreiz für 50:50-Aufteilung der Kinderbetreuung. Wien – Die grüne Familiensprecherin Judith Schwentner kritisiert das geplante Gesetz für ein Kinderbetreuungsgeldkonto, das Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) in Kürze durch den Ministerrat bringen will. Der Rechtsanspruch auf einen Papamonat und der aktuell nicht vorgesehene Kündigungsschutz für diese Zeit – beides will Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) noch in dieser Woche nachverhandeln – sind für Schwentner das Mindeste, was an diesem komplett unausgegorenen Entwurf zu ändern sei. Im STANDARD-Gespräch sagt Schwentner: Die Regelung geht immer noch davon aus, dass Vater, Mutter, Kind unter einem Dach leben, und ist von einem extrem konservativen Familienbild geprägt. Die Eckpunkte des Entwurfs: Statt vier Bezugsvarianten plus dem einkommensabhängigen Kinderbetreuungsgeld steht Eltern künftig die Pauschalsumme von 12.366,20 Euro zur Verfügung. Wie das Geld innerhalb eines Zeitraums von zwölf bis 35 Monaten aufgeteilt wird, bleibt Entscheidung des oder der Einzelnen, sofern es einen Partner gibt, der die maximal 28 Monate Bezugsdauer auf 35 Monate verlängert. Das einkommensabhängige Kinderbetreuungsgeld bleibt bestehen. Familienzeit Ebenfalls neu: Das Gesetz sieht eine Art Papamonat vor, der jetzt Familienzeit heißt und mit 700 Euro abgegolten wird. Die Summe ist ein Vorgriff auf das Kinderbetreuungsgeld und reduziert letztlich dessen Gesamtsumme. Wer sich die Kinderbetreuung fifty-fifty (oder 60:40) teilt, erhält einmalig 500 Euro pro Person extra. Die grüne Kritik setzt an mehreren Stellen an: Familienministerin platzte der Kragen: "Verhandlungen mit dieser SPÖ sind nicht zielführend". Wien – Familienministerin Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) platzte am Montagabend der Kragen: Völlig unerwartet zog sie den Entwurf für die lange verhandelte Kindergeldreform zurück und bezeichnete diesen als für sie gestorben. Mit dieser SPÖ sind Verhandlungen nicht zielführend, sagte sie im Gespräch mit dem STANDARD, und: Ich frage mich, wollte die SPÖ das Gesetz, das die Väterbeteiligung verbessern sollte, überhaupt? So aber hat man uns zwei Jahre lang die Zeit und Geld gestohlen, weil jede Menge Experten und Beamte mit der Reform beschäftigt waren. Rückblende: Im Koalitionspakt im Dezember 2013 haben SPÖ und ÖVP in Grundzügen vereinbart, dass die bisherigen Pauschalvarianten zu einem flexibel nutzbaren Kindergeldkonto umfunktioniert werden sollen. Doch es spießte sich seither bei den Details, sodass das Thema am Montagabend in der Koordinierungssitzung von Rot und Schwarz gelandet ist. Streit um Bonus für Väter Strittig war zuletzt vor allem noch die Ausgestaltung eines Bonus für Väter, die den ersten Monat nach der Geburt zur Unterstützung der Partnerin zu Hause bleiben. In der Begutachtungsphase hat der ÖGB kritisiert, dass es für diese Familienzeit, wie der Papamonat nun offiziell heißt, keine arbeitsrechtliche Absicherung gibt und auch kein Rechtsanspruch auf den Bonus in Höhe von 700 Euro bestehe. Auch SPÖ-Verhandlerin Gabriele Heinisch-Hosek hatte sich wiederholt für einen Kündigungsschutz während des Papamonats ausgesprochen. Bei der Frage des Rechtsanspruchs hat die Frauenministerin zuletzt aber bereits angedeutet, dass dieser Punkt nicht mit dem Koalitionspartner machbar sei. Motivkündigungsschutz In der Endrunde am Freitag habe das Familienressort noch einen Kompromissvorschlag für den – von Heinisch-Hosek geforderten – Motivkündigungsschutz vorgelegt, erklärte Karmasin. Aber die SPÖ sei auf nichts eingegangen und zu keinem Kompromiss bereit gewesen. Für Heinisch-Hosek ist die Reform allerdings noch nicht gestorben, sondern nur verschoben, wie sie am Montagabend mitteilte. Mit dem Entwurf hätten die bisher verfügbaren vier pauschalen Varianten des Kinderbetreuungsgeldes (ab 2017) in ein Konto verschmolzen werden sollen. Die Eltern hätten eine Bezugsdauer zwischen 365 und 851 Tagen (zwölf bis 28 Monate) für einen Elternteil bzw. zwischen 456 und 1.063 Tagen (15,5 bis 35 Monate) für beide Elternteile wählen können. Außerdem wäre der – von der SPÖ lange geforderter – Papamonat vorgesehen gewesen. Damit hätten Väter (nach Zustimmung des Arbeitgebers) 31 Tage lang nach der Geburt zuhause bleiben können und dafür eine Pauschalsumme erhalten. Frauenministerin hält aber an Forderung nach Versicherung und Kündigungsschutz im Papamonat fest. Wien – Nach Ostern sollen die Gespräche zum neuen Kinderbetreuungsgeld wieder aufgenommen werden. Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), die die Verhandlungen zuletzt für gescheitert erklärt hat, sieht die SPÖ nun ganz stark gefordert, sich zu bewegen. Es spießte sich zuletzt an Details zum Papamonat. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) sagte dem STANDARD am Rande einer Pressekonferenz am Donnerstag, sie sei gesprächsbereit und mehr als kompromissbereit. Versicherung und Kündigungsschutz im Papamonat halte sie aber nach wie vor für sehr wichtig. Von Karmasin hatte es – wie berichtet – zuletzt geheißen, dass man bei den Verhandlungen auch einen diese Wünsche berücksichtigenden Kompromissvorschlag auf den Tisch gelegt habe. In der Begutachtungsphase hatte der ÖGB kritisiert, dass im Papamonat keine arbeitsrechtliche Absicherung besteht, wie auch kein Rechtsanspruch auf einen Bonus in Höhe von 700 Euro. Derlei Details zum Bonus nannte Heinisch-Hosek am Donnerstag nicht als Bedingung für eine Lösung. Zum Zeitplan sagte die Frauenministerin, man wolle so schnell als möglich fertig sein. Wenn der Start mit Jänner 2017 nicht gelinge, werde das Kindergeldkonto, bei dem die bisher verfügbaren vier pauschalen Varianten des Kinderbetreuungsgeldes in ein Konto verschmolzen werden sollen, ein halbes Jahr später starten. Die Verhandlungen wurden nach dem Abbruch durch die Familienministerin wieder aufgenommen. Wien – Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) und Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) haben die Gespräche über die Reform des Kinderbetreuungsgeldes wieder aufgenommen. Karmasin drängt die SPÖ nun zu Bewegung, sie erwartet Vorschläge für Kompromisse, stellte sie am Dienstag vor dem Ministerrat fest. Karmasin hatte die Verhandlungen vor ein paar Wochen für beendet erklärt, da mit dem Koalitionspartner zunächst kein Ergebnis erzielt werden konnte. Nach Aufforderung der Regierungsspitzen kehrten die Ministerinnen wieder an den Verhandlungstisch zurück. Die Familienministerin hielt am Dienstag fest, dass sie offen, konstruktiv und ehrlich in die Verhandlungen gehe. Es müsse aber Bewegung bei der SPÖ geben, betonte sie. Aus dem Frauenressort hieß es dazu lediglich, man sei in Verhandlungen. Termine für die Gespräche wurden ebenso wie inhaltliche Details zuletzt nicht kommuniziert. Im Vorjahr 249 Millionen Euro für 122.000 Kinder in EU, EWR und Schweiz – Korrektur älterer Angaben. Wien – Der Export von Familienleistungen ins Ausland ist in den vergangenen Jahren gestiegen. Waren es 2013 rund 192 Millionen Euro für rund 94.000 in der EU (plus Island, Liechtenstein, Norwegen und Schweiz) lebende Kinder, stieg dieser Wert 2014 auf 227 Millionen Euro für 111.000 Kinder und 2015 auf 249 Millionen Euro für 122.000 Kinder. Mit diesen Daten korrigiert das Finanzministerium ältere Angaben. Veröffentlicht wurde dies in einer Anfragebeantwortung an die SPÖ, von der die Salzburger Nachrichten an Donnerstag berichteten. In einer Beantwortung vergangenen September war noch von 223 Millionen Euro für 2014 und 207 Millionen Euro für 2013 die Rede gewesen. Begründet wird der Unterschied mit einer Umstellung im automationsunterstützten Beihilfenverfahren. Nun habe man für 2015 gesicherte Zahlen, die auch dem jeweiligen Kind zuordenbar seien (davor nur dem Anspruchsberechtigten), was korrigierende Hochrechnungen für die beiden Jahre davor ermögliche, so das Finanzministerium. Unterschieden wird in Kinder, für die die volle Familienbeihilfe gezahlt wurde (wenn z.B. die Familie in Ungarn lebt, der Vater in Österreich arbeitet und die Mutter nicht arbeitet) und solche, für die es eine Differenzzahlung auf das österreichische Niveau gab (z.B. Familie in Ungarn, Vater arbeitet in Österreich, Mutter arbeitet in Ungarn). In beiden Fällen steht zusätzlich der volle österreichische Kinderabsetzbetrag zu. Somit gab es 2013 Zahlungen für 94.000 im Ausland lebende Kinder, wovon 24.441 die volle Familienbeihilfe erhielten. Insgesamt wurden in dem Jahr 192 Millionen Euro an Familienleistungen exportiert (davon 56,3 Millionen Familienbeihilfe + Kinderabsetzbetrag und 135,7 Millionen Differenzzahlung + Kinderabsetzbetrag). Für 2014 geht es um 111.000 Kinder (davon 28.939 voll) und 227 Millionen Euro (66,7 Millionen voll, 160,3 Millionen Differenz), für 2015 um 122.000 Kinder (davon 31.707 voll) und 249 Millionen Euro (73 Millionen voll, 176 Millionen Differenz). Häufigstes Wohnsitzland der Kinder war 2015 Ungarn vor der Slowakei, Polen, Rumänien und Deutschland. In Staaten außerhalb der EU bzw. des EWR wird keine Familienbeihilfe exportiert, da es keine diesbezüglichen Sozialabkommen gibt. Dies gilt beispielsweise für Kinder, die sich in der Türkei aufhalten, hieß es seitens des Finanzministeriums. Die ÖVP hatte in der Vergangenheit eine Kürzung auf das Niveau in den Herkunftsländern verlangt. Zuletzt zeigte sich auch die SPÖ dafür offen. Hintergrund ist ein Beschluss eines EU-Gipfels vom Februar, wonach Mitgliedstaaten künftig nicht mehr verpflichtet sein sollen, Kindern von EU-Ausländern den vollen Familienbeihilfensatz zu zahlen, wenn diese in den Herkunftsländern leben. Dies war geschehen, um einen Brexit Großbritanniens aus der Union abzuwenden. Die Regierung legt das zäh verhandelte Kindergeldpaket vor, so manche Kritik hat sie ignoriert. Es ist vollbracht: Aus dem Kindergeld wird ein Kindergeldkonto, Väter sollen nach der Geburt ihres Kindes einen Papamonat in Anspruch nehmen können. Darauf haben sich Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) und Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) nun doch geeinigt. Im März waren die Verhandlungen nach Reibereien zwischenzeitlich sogar geplatzt und für mehrere Wochen auf Eis gelegt worden. Ab 1. März 2017 sollen Eltern bis zu 35 Monate lang Kindergeld beziehen können, wenn sie sich den Bezug der Leistung aufteilen. Bis zu 31 Tage lang können beide Elternteile das Kindergeld zeitgleich beziehen. Das war bisher nicht möglich. Bekommt nur ein Elternteil Kindergeld, dann reduziert sich die Bezugsdauer auf maximal 28 Monate – bisher waren es 30 Monate. Kritiker sehen darin eine Benachteiligung der ohnehin stärker armutsgefährdeten Alleinerziehenden, die Regierung verteidigt die Reduktion mit dem höheren Anreiz für Paare, sich den Bezug zu teilen. Das Kontomodell soll Eltern, die sich gegen das einkommensabhängige Modell und für die Pauschalzahlung entscheiden, mehr Flexibilität bieten: Sie können dann nicht mehr nur aus vier Modellen wählen, sondern erhalten bis zu 15.449 Euro insgesamt für beide Elternteile – und können selbst entscheiden, ob sie diesen Betrag über einen kürzeren oder einen längeren Zeitraum strecken möchten. Sollten sich die Eltern während des Kindergeldbezugs doch für eine andere Dauer entscheiden, müssen sie dies bis 91 Tage vor ursprünglich geplantem Ende melden. Neu ist auch der Papamonat, den es beispielsweise im öffentlichen Dienst bereits gibt und der im Entwurf Familienzeit heißt. Betroffene sollen zwischen 28 und 31 Tage zu Hause bleiben können und dafür bis zu 700 Euro beziehen, wobei dieser Betrag auf den Kindergeldbezug angerechnet wird. Der Haken bei der Familienzeit: Betroffene haben keinen Anspruch darauf, sie sind auf das Gutdünken des Arbeitgebers angewiesen und in dieser Zeit auch nicht vor Kündigung geschützt. Das war auch der größte Streitpunkt in den zähen Verhandlungen: Heinisch-Hosek hatte auf den arbeitsrechtlichen Schutz gepocht, setzte sich aber nicht durch. Vor dem Ministerrat am Montag verteidigte die Frauenministerin das Ergebnis dennoch: Es sei ohnehin kein Arbeitgeber so unintelligent, Betroffene in dieser Zeit zu kündigen, hofft die Ministerin. Zudem könnten Betroffene, sollten sie ihren Job während des Papamonats verlieren, ihre Kündigung ja beim Arbeitsgericht anfechten. Ihre Chancen stünden in vielen Fällen gut, da Motivkündigungen anfechtbar sind. Gut möglich, dass das Gesetz aber einst geändert werden muss: Eine EU-Richtlinie verlangt, dass Karenzzeiten für Mütter und Väter arbeitsrechtlich gleich gut abgesichert sein müssen. Die Regelung könnte daher, sollte sie vor dem Verfassungsgerichtshof landen, für unrechtmäßig erklärt werden. Väter, die weniger als sieben Monate vor der Geburt beschäftigt waren, sind zudem vom Papamonat ausgeschlossen. Auch Arbeitnehmer, die länger als 16 Tage in Krankenstand waren, können die Auszeit nicht beantragen. Für eine gerechtere Aufteilung der Betreuungsarbeit soll auch der neue Partnerschaftsbonus sorgen. Die Eltern erhalten je 500 Euro, wenn sie beim Kinderbetreuen halbe-halbe oder zumindest 60:40 machen. Trotz einiger Kritik beibehalten wurde, dass das Kindergeld über die Karenzzeit hinaus bezogen werden kann. Betroffene können bis zu 121 Tage nach der Karenz weiter Kindergeld in Anspruch nehmen, sie sind dann aber nicht mehr vor einer Kündigung geschützt. Auch einige umstrittene Kürzungen finden sich im Entwurf. So werden subsidiär Schutzberechtigte, das sind Geflüchtete, die zwar nicht Asylanspruch haben, aber auch nicht in ihr Herkunftsland zurückkehren können, de facto vom Kindergeldbezug ausgeschlossen. Diese Regel berge die Gefahr, betroffene Mütter und Kinder in dramatische Armutslagen zu stürzen, warnt etwa die Caritas. Auch Eltern, die in Österreich beschäftigt sind, aber in einem anderen EU-Staat wohnen, also Grenzpendler, können kein Kindergeld beziehen, wenn sie in den fünf Monaten davor länger als 14 Tage in Krankenstand waren. Kritik am Entwurf kommt von Grünen und Neos. Ein Papamonat ohne Rechtsanspruch und Kündigungsschutz bleibe ein Luxusgut für jene, die einen toleranten Arbeitgeber haben, sagt die grüne Familiensprecherin Judith Schwentner. Die Neos kritisieren, dass Kindergeld-Bezugszeit und Karenzanspruch wieder nicht harmonisiert wurden. (Maria Sterkl, 26.4.2016) Viele Österreicher meinen, dass sie selbst überwacht werden – und dennoch sehen sie Abhöraktionen überwiegend gelassen.. Wien – Jeder zweite österreichische Wahlberechtigte würde dem Schutz Österreichs vor Terror auf der Agenda der Bundesregierung die Kategorie sehr dringend geben. Weiter gefragt: Ich möchte mich mit Ihnen nun über die Sicherheit in Österreich beziehungsweise die Gefahr von Anschlägen und internationalem Terrorismus unterhalten. Was ist so Ihr Eindruck: Unternimmt Österreich zu viel, gerade ausreichend oder zu wenig, um Österreich vor Personen, die die Sicherheit gefährden, zu beschützen? Diese Frage stellte das Linzer Market-Institut in der ersten Juni-Woche 400 repräsentativ ausgewählten Österreichern. Nur drei Prozent von ihnen antworteten, dass Österreich zu viel mache. Wir haben hier in der Fragestellung bewusst noch nicht das Wort Überwachung eingebaut, erläutert Market-Institutsleiter David Pfarrhofer: So kommt man zu einer unbefangenen Einschätzung. Und da sagen uns eben 62 Prozent, dass gerade ausreichend Maßnahmen gesetzt werden. Immerhin 27 Prozent sagen in dieser Fragestellung, dass Österreich zu wenig gegen die Gefahr von Anschlägen machen würde. Überwachungsmaßnahmen Anschließend wurden den Befragten im Auftrag des STANDARD verschiedene Überwachungsmaßnahmen genannt – doch davon später. Auffallend ist: Am Schluss der Telefoninterviews, also nachdem sich die Interviewpartner intensiv mit Überwachungsmethoden und Überwachungszielen auseinandergesetzt haben, hielten weiterhin 26 Prozent an der – nun explizit angesprochenen – Überwachung fest. Die Frage lautete nun: So alles in allem: Haben Sie den Eindruck, dass in Österreich zu viel, gerade ausreichend oder zu wenig überwacht wird? Grundhaltung bleibt Pfarrhofer: Da haben nun zwar acht statt vorher drei Prozent der Befragten gesagt, dass in Österreich zu viel überwacht werde – aber an der Grundhaltung ändert sich nichts. Wir können also mit großer Sicherheit davon ausgehen, dass etwa ein Viertel der Österreicher in Richtung Überwachungsstaat tendiert, während nur jeder Zehnte oder jeder Zwölfte je nach Fragestellung Sorgen hat, dass insgesamt zu viel überwacht würde. Dann lädt er dazu ein, die politische Ausrichtung der Anhänger und jene der Skeptiker des Überwachungsstaats zu erraten – aber die liegt so nahe, dass man nur kurz zur Bestätigung in die Tabellen schauen muss: Mehr Überwachung wünschen sich vor allem Freiheitliche und ÖVP-Wähler – weniger Überwachung ist ein Anliegen der erklärten Anhänger von Grünen und Neos. Für 59 Prozent ausreichende Überwachung Die meisten Österreicher – 59 Prozent – aber meinen, dass in Österreich gerade ausreichend überwacht werde, wobei die Überwachung natürlich sehr unterschiedliche Aspekte haben kann – nicht zuletzt persönliche. Der STANDARD ließ daher auch fragen: Was glauben Sie: Sind Sie selbst schon einmal überwacht worden oder nicht? Ich denke dabei an alle mögliche Formen der Überwachung – also z. B. Ihre Telefonate, Ihre E-Mails oder dass Sie jemand beobachtet hat. 38 Prozent der Männer und 27 Prozent der Frauen geben an, dass sie glaubten oder wüssten, dass sie schon einmal überwacht worden wären. 48 Prozent glauben das eindeutig nicht. Das Gefühl des Überwachtwordenseins ist besonder bei jungen Befragten, bei solchen mit höherer Bildung und bei Freiheitlichen weitverbreitet. Und denken jene, die das Gefühl haben, dass sie selbst schon einmal Ziel einer Überwachungsaktion waren, anders über die Notwendigkeit von Überwachung? Das ist nicht der Fall: Auch in diesem Personenkreis sagt jeder Vierte, dass es in Österreich zu wenig Überwachung gebe – die Ablehnung von Überwachung ist auch unter jenen, die glauben, Überwachungsopfer geworden zu sein, nicht besonders hoch, stellt Pfarrhofer fest. Unterschiedliche Dimensionen Wobei Überwachung auch im Verständnis der Befragten unterschiedliche Dimensionen haben kann. So werden – wie die Grafik zeigt – Telefon-, Brief- und E-Mail-Überwachung von jeweils rund 60 Prozent abgelehnt (aber auch von jeweils rund 30 Prozent für grundsätzlich okay befunden). Das Aufstellen von Kameras auf öffentlichen Plätzen befürworten zwei Drittel der Befragten – wobei nur private Kameras in Wohngebieten mehrheitliche Ablehnung finden. Auch das ist in der folgenden Grafik dokumentiert. Bei dieser Frage wird wiederum deutlich, dass Grün- und Neos-Wähler besonders kritisch sind, während die FPÖ-Wähler auch private Kameras in Wohngebieten mehrheitlich in Ordnung finden. Weil im Zusammenhang mit NSA-Skandal und Wikileaks die Geheimdienste in Verruf geraten sind, ließ der Standard auch danach fragen. Dabei zeigt sich: 82 Prozent befürworten eine Zusammenarbeit mit Geheimdiensten anderer Länder, 57 Prozent würden zudem die heimischen Dienste ausbauen. Die Frage Braucht Österreich einen Geheimdienst, der für Überwachung in Österreich eingesetzt wird, dabei aber auch Überwachung durch fremde Geheimdienste unterbindet, oder ist dies nicht nötig? beantworten allerdings nur 43 Prozent positiv. 30 Prozent halten das für unnötig, der Rest hat keine klare Meinung. Die Innenministerin will potenzielle Terroristen zu Hausarrest und Fußfesseln vergattern. Doch der Koalitionspartner SPÖ reagiert alles andere als begeistert – und Juristen schütteln zu dem Vorstoß die Köpfe. Wien – Gerade stehen im Parlament die Nachverhandlungen zum umstrittenen Staatsschutzgesetz an, schon prescht die schwarze Regierungsriege mit neuen Forderungen vor, um potenziellen Terroristen das Handwerk zu legen: Via Kurier machte sich Innenministerin Johanna Mikl-Leitner am Wochenende für eine Debatte stark, dass mögliche Jihadisten mit Hausarrest und Fußfesseln belegt werden, um Attentate zu verhindern. Zudem sprach sich Vizekanzler und Parteichef Reinhold Mitterlehner in der Kleinen Zeitung für eine Nachfolgeregelung für die vom Verfassungsgerichtshof gekippte Vorratsdatenspeicherung aus, denn, so Mitterlehner unter Verweis auf die Anschläge in Paris und in ähnlicher Tonart wie Frankreichs Präsident François Hollande: Es ist eine Kriegserklärung, wenn man mit Waffengewalt Leute bekämpft, die unschuldig sind. Wenn die Gesellschaft bedroht ist, muss ich alles tun, damit die Polizei nicht einen Schritt hinter Terroristen ist. Angesichts der jüngsten Vorstöße des Koalitionspartners hielt man sich in der SPÖ am Sonntag mit Bewertungen der gewünschten Antiterrormaßnahmen zurück. Kommunikationschef Matthias Euler-Rolle zum STANDARD: Uns liegt kein Vorschlag und kein Papier vor, wie und wo man Jihadisten finden will, die man unter Hausarrest stellen kann, um sie von einer Straftat abzuhalten, die sie noch nicht begangen haben. Nach dem gerade ausgestandenen Streit um den Grenzzaun im Süden nimmt es die rote Regierungshälfte den Schwarzen aber sehr wohl übel, dass sie bei diesen sensiblen Agenden erneut Alleingänge hinlegen, ohne vorher das Gespräch gesucht zu haben. Nicht zuletzt, weil in Frankreich soeben mehr als 160 Personen zu Hausarrest vergattert wurden, möchte Mikl-Leitner nun das heimische Sicherheitspolizeigesetz verschärfen. Analog zu amtsbekannten Hooligans, die vor Fußballmatches bis zum Abpfiff zur Polizei beordert werden können, will sie gefährliche Islamisten mit Hausarrest und Fußfesseln von etwaigen Untaten abhalten. Bloß: Bei freiheitsbeschränkenden Maßnahmen muss das Prinzip der Verhältnismäßigkeit angewandt werden, erklärt der Verfassungsrechtler Heinz Mayer. Wenn jemand in dringendem Verdacht stehe, eine gefährliche Tat zu begehen, könne man ihn anzeigen, ja auch verhaften, aber: Ich glaube nicht, dass man in Österreich eine Regelung findet, die vorbeugenden Hausarrest erlaubt. Schon gar nicht sei eine Beschneidung der Freiheit für eine ganze Gruppe möglich, vielmehr muss in jedem Einzelfall geprüft werden, ob die Maßnahme notwendig ist, so der Experte. Und selbst einschlägig bekannte Hooligans dürfe die Exekutive nicht dauerhaft anhalten, diese müssen sich bei der Polizei melden. Mayers Fazit im STANDARD-Gespräch: Das ist Schlagzeilenpolitik. Dass Jihadisten unter Hausarrest gestellt werden sollen, lehnt FPÖ-Vize-Klubchef Walter Rosenkranz als Überschrift zwar nicht ab, aber was die juristische Ausgestaltung von Mikl-Leitners Unterfangen betrifft, ist auch der Blaue nicht überzeugt: Wer ist ein Jihadist?, fragt er, und was heißt ,potenzieller Attentäter‘? Bin ich einer, wenn ich von heute auf morgen konvertiere? Zu Mitterlehners Verlangen nach einem vernünftigen Maß an Vorratsdatenspeicherung hat Rosenkranz schon einen alternativen Vorschlag parat, von dem er glaubt, dass sich damit auch Grüne und Datenschützer anfreunden können: Bei Gefahr im Verzug sollen – wie schon hierzulande und in Deutschland diskutiert – mithilfe des Quick Freeze-Verfahrens Telekommunikationsdaten eines verdächtigen Nutzerkreises schnell eingefroren und abgerufen werden, und zwar auf richterliche Anordnung. Der Unterschied zur Vorratsdatenspeicherung: Es würden nicht alle Telefonate und Netzaktivitäten im Land gespeichert – und schon gar nicht für sechs Monate. Aus dem Infrastrukturministerium von Alois Stöger (SPÖ) hieß es am Sonntag zu einem neuen Anlauf für die Vorratsdatenspeicherung nur: Man wolle die Menschen nicht unter Generalverdacht stellen – und eine Debatte müsse zuerst im Parlament stattfinden. Justizminister für "vernünftiges Maß" an Vorratsdatenspeicherung – Mikl-Leitner fordert ergänzende Maßnahmen, wenn U-Haft nicht verhängt werden kann. Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will alle offene Fragen zur Terror-Prävention zunächst regierungsintern diskutieren. Man sei daher in Kontakt mit der SPÖ, um die etwaige Erweiterung der Möglichkeiten abzustimmen, hieß es am Montag in einem Statement. Weiterhin sprach sich der Justizminister für ein vernünftiges Maß an Vorratsdatenspeicherung aus. Bevor er die Vorschläge zur Terrorprävention kommentiert, sollen sie intern diskutiert werden, so Brandstetter. Wir sind daher mit dem Koalitionspartner auch gerade in Abstimmung zu unseren Vorschlägen zu einer Erweiterung der Möglichkeiten einer zielgerichteten und besseren Telefon- und SMS-Überwachung über Internettelefonie, die Sinn macht. Die grundsätzliche Sinnhaftigkeit der Vorratsdatenspeicherung zur Bekämpfung terroristischer Straftaten steht für ihn außer Frage. Hier gelte es, eine Lösung zu finden, die mit der aktuellen Judikatur des Verfassungsgerichtshofs und des Europäischen Gerichtshofs kompatibel ist – so es nicht auf europäischer Ebene zu einer Lösung kommt. Der Justizminister hatte sich bereits in der Vergangenheit für eine Neuauflage der Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) präzisierte unterdessen im Ö1-Mittagsjournal, dass es bei ihren Vorschlägen für Hausarrest und Fußfessel vor allem um jene Personen gehe, bei denen keine Untersuchungshaft verhängt werden kann. Es gehe um ergänzende Maßnahmen, meinte die Ressortchefin. Sie räumte ein, dass die Expertenmeinungen über die rechtlichen Möglichkeiten zu den angedachten Maßnahmen auseinandergehen. Laut Mikl-Leitner sind von 240 Jihadisten aus Österreich 40 zu Tode gekommen und 70 zurückgekehrt. Mikl-Leitner will außerdem mit neuen Panzerlimousinen, Funkgeräten, Schutzausrüstungen und Computern aufrüsten. Das soll fast 300 Millionen kosten, berichtet der Kurier. Dazu kommen 2000 zusätzliche Beamte, die noch gar nicht nicht budgetiert sind. Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung bekommt zusätzlich 25 Exekutivbeamte und 28 Verwaltungsbedienstete für Analysen und Spezialaufgaben. Die staatspolizeiliche Observationseinheit wird um eine Gruppe mit 25 Bediensteten verstärkt. Die Modernisierung soll bis 2018 durchgeführt werden. Auch Videoauswertungssysteme und Observationstechnik werden benötigt. (APA/red, 23.11.2015) Vertrag des derzeitigen Beauftragten endet 2019, seiner Stellvertreterinnen Ende 2016. Wien – Der neue Rechtsschutz-Dreiersenat, den SPÖ und ÖVP als Kompromiss für die Kontrolle des neuen Staatsschutzes präsentiert haben, wird noch etwas auf sich warten lassen. Der amtierende Rechtsschutzbeauftragte Manfred Burgstaller hat noch einen Vertrag bis 2019 und soll diesen auch erfüllen, hieß es im VP-Klub. Seine Stellvertreterinnen haben Verträge bis Ende 2016. Hervorragende Arbeit Das Team leiste hervorragende Arbeit und solle dies auch bis Ablauf der Amtszeiten tun, so die Sprecherin von ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Danach werden die Funktionen dem Staatsschutzgesetz entsprechend ausgeschrieben. Daher werde es auch entsprechende Übergangsregeln geben. In den ersten Monaten, die das Staatsschutz-Gesetz in Kraft ist (ab 1. Juli 2016), wird damit die Vorgabe, dass mindestens ein Mitglied des künftigen Senats zehn Jahre lang als Richter oder Staatsanwalt gearbeitet haben muss, nicht erfüllt. Burgstallers Stellvertreterin Ursula Bergmüller-Hannak arbeitet zwar als Richterin (am Landesverwaltungsgericht Salzburg) – aber seit 2014, als die Reform der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Kraft trat. Davor war sie ab 1994 Mitglied des Unabhängigen Landesverwaltungssenats und somit Beamtin, nicht Richterin. SPÖ und ÖVP betonen, dass der Rechtsschutz grundsätzlich deutlich gegenüber der bisherigen Rechtslage (im Sicherheitspolizeigesetz, SPG) gestärkt würden. Es gebe mehr Ressourcen, die Stellvertreter des Beauftragten würden gestärkt, und die Unabhängigkeit werde durch räumliche Trennung unterstrichen, heißt es in Unterlagen. Freilich hatten laut SPG der Rechtsschutzbeauftragte und seine Stellvertreter bereits bisher gleiche Rechte und Pflichten, und auch am Bestellmodus ändert sich nichts: Berufen werden sie weiterhin vom Bundespräsidenten auf Vorschlag der Bundesregierung nach Anhörung der Präsidenten des Nationalrates sowie der Präsidenten des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes. Ermittlungsmaßnahme muss genehmigt werden Außerdem muss der Rechtsschutzbeauftragte künftig jede Ermittlungsmaßnahme vorab genehmigen, wird hervorgehoben. Bei der sogenannten erweiterten Gefahrenforschung galt dies schon bisher, nun aber soll es vor der Durchführung jeder Ermittlungsmaßnahme – immer in Sachen Terrorbekämpfung, wohlgemerkt – Pflicht werden. Auch, dass der Rechtsschutzbeauftragte sich direkt an den parlamentarischen Unterausschuss zur Überprüfung von Maßnahmen zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen und ihrer Handlungsfähigkeit wenden kann, wird von den Regierungsparteien als Verbesserung gesehen. Bisher musste das BMI lediglich den jährlichen Rechtsschutz-Bericht ans Parlament weiterleiten – was allerdings auch künftig der Fall sein wird. Neue Regelungen für Notsituationen wie vorübergehende Inhaftierung notwendig. Wien – Geheimdienst-Experte Siegfried Beer von der Universität Graz spricht sich dafür aus, dass das geplante Staatsschutzgesetz mit erweiterten Befugnissen für die Ermittler so schnell wie möglich umgesetzt wird. Darüber hinaus brauche es Regelungen für Notsituationen, etwa die Möglichkeit, potenzielle Terroristen vorübergehend zu inhaftieren, sagte Beer. Das vorgelegte Staatsschutzgesetz, das seit eineinhalb Jahren diskutiert wurde, beinhalte das, was die Ermittler wollten, erklärte Beer, der auch Mitglied eines Beratungsgremiums des Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung war. Wenn uns so etwas passiert wie in Paris, dann ist das nicht genug, aber sollte Österreich weiterhin Glück haben und höchstens kleinere Sachen passieren, kommen wir mit dem aus. Vertrauenspersonen (V-Leute) sei zwar ein schlechtes Wort, räumte Beer ein. Sie seien jedoch – vorsichtig eingesetzt – ein sinnvolles Instrument für die Ermittler und eine zusätzliche Befugnis, die man ihnen unbedingt gestatten sollte. Wie soll ein österreichischer Staatsschützer in eine religiöse Gruppierung eindringen, wenn er nicht selbst Muslim ist oder in der Gemeinschaft integriert ist?, nennt der Experte ein Beispiel. Die V-Leute seien nicht von vornherein als Kriminelle zu sehen. Auch handle es sich bei den Staatsschützern um fähige Leute: Die nehmen sicherlich nicht den nächstbesten, der sagt, ich kann Ihnen helfen. Außerdem sei ja Kontrolle durch den Rechtsschutzbeauftragten gegeben. Hier könnte sich der Leiter des Zentrums für Geheimdienststudien (ACIPSS) an der Uni Graz durchaus noch Änderungen vorstellen, wie sie teils von der Opposition gewünscht werden: Von mir aus könnte der Rechtsschutzbeauftragte auch vom Parlament bestellt werden – ich bin dafür, wenn sich das Parlament dann mehr mitverantwortlich fühlt für den Sicherheitsbereich, meinte Beer. Mit dem neuen Staatsschutzgesetz ist es aus Beers Sicht aber nicht getan, es müsse etwa möglich sein, in ausgesprochenen Notsituationen auch auf Kontrollabsicherungen zu verzichten. Derzeit hätte die Regierung zum Beispiel laut Bundesverfassung keine Möglichkeit, den Notstand auszurufen und die Kontrolle bei Ermittlungsmaßnahmen auszuschalten, um schnell reagieren zu können. Es brauche daher Regelungen, bei Anschlägen alle potenziellen Terroristen vorübergehend zur Einvernahme festzunehmen. Überhaupt solle die Regierung die gesamte Sicherheitsstruktur weiter denken, empfahl Beer. Das BVT sollte demnach ein ziviler Nachrichtendienst sein, damit es sich von der polizeilichen Arbeit und Kontrolle etwas lösen könne. Dafür sollte man das BVT und die militärischen Nachrichtendienste bei einem Koordinator im Bundeskanzleramt bündeln, auch damit das Krisenbewusstsein in der Regierungsspitze steigt. 'Wenn SPÖ und ÖVP keine Änderungen vornehmen – Journalistenclub unterstützt Gang zum Verfassungsgerichtshof. Wien – Fünf Ordner mit 25.000 Unterschriften gegen das anstehende Staatsschutzgesetz haben die Datenschützer des AK Vorrat am Montag im Wiener Café Stein aufgebaut. Flankiert waren sie dabei vom Präsidenten des Rechtsanwaltskammertags, Rupert Wolff, und dem Oberhaupt des Österreichischen Journalistenclubs, Fred Turnheim. Anlass für die illustre Zusammenkunft: Am Dienstag wollen SPÖ und ÖVP das umstrittene Staatsschutzgesetz im Innenausschuss absegnen, das den Ermittlern des Verfassungsschutzes im Kampf gegen Terroristen, Islamisten und Waffenschieber mehr Befugnisse einräumt. Wolff übte als Vertreter der Rechtsanwälte erneut heftige Kritik am geplanten Einsatz von Vertrauensleuten, die künftig in den entsprechenden Milieus eingesetzt und bezahlt werden können: Wir wollen keine V-Leute in Beichtstühlen, Arztpraxen, Rechtsanwaltskanzleien, und auch nicht in den Redaktionen, sagte er. Für ihn kollidieren die präventiven Ermittlungsmethoden der Staatsschützer mit den Grundrechten, deswegen braucht es für Wolff – abgesehen von einem besonderen Schutz für bestimmte Berufsgruppen und deren Informanten – vor den einzelnen Ermittlungsschritten eine richterliche Kontrolle. Stattdessen setze der Gesetzgeber auf einen Rat von Pensionisten, kritisierte er FPÖ und Grüne drohen, das Höchstgericht zum Staatsschutz anzurufen. Peter Pilz stachelt Ermittler gegen sich auf. Wien – Anlässlich der Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP über das umstrittene Staatsschutzgesetz will Peter Pilz nun ein Exempel statuieren. Zu diesem Zweck hat der Grüne mit einer noch unbekannten Gruppe die letzte Strophe der Kärntner Landeshymne verunglimpft. Und zwar dermaßen: Wo Hypomut und Haidertreu / Die Heimat sich erstahl aufs Neu / Wo man mit Mist Bilanzen schrieb / Und dann in Not und Schuld verblieb / Hell jubelnd klingts zur Zellenwand / Das ist mein herrlich Heimatland. Hintergrund von Pilz Aktionismus: Treten die zwischen Rot und Schwarz verhandelten erweiterten Befugnisse für die Verfassungsschützer, die ab Mitte des Jahres extremistische und islamistische Gefährder rasch dingfest machen sollen, so in Kraft, wäre auch Pilz ein Fall für die rund 500 Beamten, all seine Komplizen inklusive – wegen des Verdachts auf Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole. Denn künftig reicht für die Koalitionäre die bloße Vermutung, dass Personen einen verfassungsgefährdenden Angriff im Schilde führen, damit diese ins Visier der Ermittler geraten. Mit ihnen sämtliche Kontaktpersonen, auch ihre Koordinaten sollen jahrelang in der neuen Analysedatenbank des Verfassungsschutzes gespeichert – und bei Bedarf an ausländische Dienste weitergereicht – werden. Trotz heftiger Bedenken der Opposition segneten die Regierungsparteien am Dienstag im Innenausschuss ihr Regelwerk für den Kampf gegen den Terror ab. Bis zum Parlamentsbeschluss am 27. Jänner wollen die Klubchefs Andreas Schieder und Reinhold Lopatka noch – allen voran mit der FPÖ und den Grünen – über kleine Änderungen reden. Doch Freiheitliche wie Grüne drohen schon – wie zuvor Anwälte, Datenschützer und Journalistenvertreter – damit, dass sie vor den Verfassungsgerichtshof ziehen, sollten ihre Einwände nicht berücksichtigt werden. Konkret kann ein Drittel des Nationalrats beim Höchstgericht Klage einreichen. Für den Verhandler Pilz ist der Deliktkatalog, um als potenzieller Gefährder für die Republik ausgemacht zu werden, genauso unverhältnismäßig wie der Zugriff auf Daten von allen Verdächtigen samt ihrem Umfeld – und das erstmals ohne richterliche Kontrolle. Ähnlich sieht das Walter Rosenkranz (FPÖ), der Meinungsdelikte wie Verhetzung aus dem Katalog gestrichen wissen will und der ebenfalls auf gerichtliche Genehmigungen vor einzelnen Ermittlungsschritten besteht. Verfassungsrechtler Heinz Mayer räumt den angedrohten Klagen gute Chancen auf ein entsprechendes Erkenntnis des Höchstgerichts ein. In dem breiten Ansammeln von Kontakt- und Verbindungsdaten sieht er einen wesentlichen Eingriff in das Privatleben, das sicher einer neuen Form der gekippten Vorratsdatenspeicherung und einer intensiven Überwachung gleichkomme. Deswegen müsse der Zugang für die Behörden streng reglementiert bleiben. Auch für den Experten braucht es hierfür richterliche Kontrolle, den von SPÖ und ÖVP geplanten Dreiersenat, bestehend aus dem Rechtsschutzbeauftragten des Innenressorts und mindestens einem langjährigen Richter oder Staatsanwalt, hält Mayer für unzureichend: Der ist nicht unabhängig. Wenn die Mitglieder ruppig werden, bestellt man sie nicht wieder. Er prophezeit: Daher wird man sich Leute suchen, die als elastisch gelten. Der grüne Abgeordnete Peter Pilz sieht "Den Tag der letzten Chance" in den Verhandlungen für ein neues Staatsschutzgesetz. Wien – Im Parlament wird am Montag noch einmal über das Staatsschutzgesetz verhandelt. Es soll am Mittwoch beschlossen werden. FPÖ und Grüne haben einen Drittelantrag beim Verfassungsgerichtshof angekündigt, sollten nicht noch Änderungen vorgenommen werden. Heute sei der Tag der letzten Chance, hofft der Grüne Sicherheitssprecher Peter Pilz auf ein Einlenken des Innenministeriums. Mit den Abgeordneten der Regierungsfraktionen – Otto Pendl (SPÖ) und Werner Amon (ÖVP) – sei man sich fast einig, gemeinsam könnte man aus dem Ministeriumspfusch ein gutes Gesetz machen. Die Frage sei nur, ob das Innenministerium zur Vernunft kommt. Geboten wäre es, denn das jetzt vorliegende Gesetz hätte keine Überlebenschance, das wäre eine Totgeburt, zeigte sich Pilz sicher, dass es der VfGH aufheben würde. Dies schon aus dem Grund, dass mit dem geplanten Zugriff auf und der Speicherung von Verkehrsdaten (von Handys etc.) für zwei Jahre oder länger die Vorratsdatenspeicherung durch die Hintertüre wieder eingeführt wird, und das ohne richterliche Kontrolle. Die Vorratsdatenspeicherung aber hat der VfGH aufgehoben. Außerdem fordert Pilz, den Kreis der zur Vermeidung möglicher Terroranschläge überwachten Personen enger zu ziehen. Ich verstehe nicht, warum die Innenministerin unbedingt Journalisten, Oppositionspolitiker und Leserbriefschreiber überwachen will. Der sehr weit gefasste Deliktekatalog sei unverhältnismäßig, auch das wäre verfassungswidrig. Zudem verlangt der Grüne Sicherheitssprecher eine völlig neue parlamentarische Kontrolle. Wie schon für den U-Ausschuss in der Geschäftsordnung festgeschrieben, sollte auch im Verfassungsschutz-Ausschuss kein Minister mehr einer Auskunft verweigern können mit dem Hinweis auf Gefährdung der nationalen Sicherheit. Es darf keine Geheimnisse geben vor dem Parlament, und schon gar nicht in geheimen Ausschüssen, über die öffentlich nicht berichtet werden darf. Der Entwurf zum Staatsschutzgesetz wurde in der Vorwoche im Innenausschuss mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP beschlossen. Die Koalitionsabgeordneten zeigten sich aber bereit, mit der Opposition noch über Änderungen zu verhandeln. FPÖ und Grüne haben bereits einen Drittelantrag beim VfGH vereinbart, sollte ihren Wünschen nicht Rechnung getragen werden. Auch die Rechtsanwaltskammer und Journalistenorganisationen wollen das Gesetz vor den VfGH bringen. Sollte man sich am Montag nicht einigen können, will Pilz zumindest eine Verschiebung auf das nächste Plenum erreichen – damit noch weiter verhandelt werden kann. In Kraft treten soll das Gesetz erst mit 1. Juli 2016, ein Beschluss im Februar würde also reichen. 'Der Nationalrat beschließt am Mittwoch mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP die erweiterten Befugnisse für die Verfassungsschützer. Wien – Über Nacht sind die Verhandlungen mit den Grünen zum umstrittenen Staatsschutzgesetz knapp, aber doch gescheitert, wie es Peter Pilz formuliert. Bis Mittwochmittag verhandeln die Koalitionäre noch mit der FPÖ über ihre Zustimmung zu den erweiterten Befugnissen für die Staatsschützer im Kampf gegen den Terror – und zwar auch mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP), wie DER STANDARD aus Verhandlungskreisen erfuhr. Doch nach wenigen Stunden sind nun auch diese Gespräche gescheitert. Die Freiheitlichen wollten angeblich, dass nicht jeglicher Verdacht auf Verhetzung die Ermittler zu Observationsmaßnahmen berechtigen soll, die ÖVP war offenbar nicht bereit, auf einige Unterparagrafen zu verzichten. SPÖ und ÖVP beschließen am Mittwoch das Staatsschutzgesetz im Nationalrat, mit dem vor allem Islamisten und Extremisten leichter das Handwerk gelegt werden soll. Datenschützer, Anwälte, Journalistenvertreter und die gesamte Opposition stoßen sich an neuen Überwachungsmaßnahmen, die auch unbescholtene Bürger treffen können. Hauptkritikpunkt an der rot-schwarzen Gesetzesvorlage: dass vor den einzelnen Ermittlungsschritten keine richterliche Kontrolle vorgesehen ist, stattdessen soll der Rechtsschutzbeauftragte des Innenressorts mit mindestens einem langjährigen Richter und noch einem Experten darüber wachen. Für den Beschluss brauchen die Regierungsfraktionen keine Zweidrittelmehrheit, bis zuletzt strebten sie dafür laut Eigenaussagen aber eine möglichst breite Mehrheit an. Die Grünen sind mit ihren Verhandlungserfolgen dennoch höchst zufrieden, obwohl sie heute dagegen stimmen werden. In den Gesprächen mit SPÖ und ÖVP habe man einen großen Teil, aber nicht alle Giftzähne des Gesetzes ziehen können, so Pilz in einer Pressekonferenz. Er sprach vom erfolgreichsten Scheitern jemals. Im Deliktekatalog seien überschießende Delikte gestrichen worden, die dem Staatsschutz gemäß dem Entwurf des Innenministeriums den vorbeugenden Schutz ermöglicht hätten (etwa die Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole, die Vorbereitung eines Hochverrats, Aufforderung zu und Gutheißung von mit Strafe bedrohten Handlungen SPÖ und ÖVP mussten im Alleingang die erweiterten Befugnisse für die Terrorbekämpfung absegnen. Doch das Regelwerk könnte bald vor dem Verfassungsgerichtshof landen. Wien – Sogar Peter Pilz trug am Mittwochmorgen zu dunklen Augenringen dunklen Anzug. Doch all die Bemühungen beim nächtlichen Verhandlungsmarathon mit SPÖ und ÖVP das umstrittene Staatsschutzgesetz betreffend, das auf der Tagesordnung des Nationalrats stand, haben nichts genutzt. Wir sind so erfolgreich wie nie gescheitert, scherzte Pilz gegen 9.00 Uhr. Damit stand fest: Die Grünen verweigern den erweiterten Befugnissen für die Staatsschützer zur Prävention von terroristischen und extremistischen Anschlägen die Zustimmung. Doch nach wie vor hielten die Koalitionäre zu diesem Zeitpunkt die Freiheitlichen am Tisch. Dem Vernehmen rechneten sich die Blauen gute Chancen aus, dass doch noch sämtliche Verhetzungsdelikte, die die rund 500 heimischen Ermittler bei bloßer Verdachtslage hellhörig machen sollen, aus der Regierungsvorlage gestrichen werden. Doch gegen Mittag zerschlugen sich die blauen Hoffnungen, – auch die FPÖ winkte bezüglich des neuen Regelwerks ab. Unter anderem bestanden Rot und Schwarz darauf, dass die Verfassungsschützer gegenüber Personen, die Verhetzung in Verbindung mit einem Aufruf zu Gewalt im Schilde führen könnten, tätig werden. Damit mussten die Regierungsparteien das Staatsschutzgesetz im Alleingang absegnen – auch wenn sie den beiden Oppositionsparteien doch noch einige Zugeständnisse machten. Neben den klassischen Meinungsdelikten konnten Blau und Grün auch viele Demonstrationsvergehen aus dem Katalog der Staatsschützer reklamieren, gemäß dem die Beamten verdächtige Personen aufspüren sollen, wie etwa Bürger, die eine Herabwürdigung des Staates und seiner Symbole betreiben könnten. Wie FPÖ-Verhandler Gernot Darmann musste hier aber auch der Grüne Pilz eine Niederlage hinnehmen. Denn möglicher Landfriedensbruch bleibt sehr wohl im Gesetz angeführt. Bedeutet: Strenggenommen können so auch Personen, denen gewalttätige Ausschreitungen rund um Fußballmatches zugetraut werden, bald unter Observation genommen werden. Den Hauptkritikpunkt an dem Gesetz wollten SPÖ und ÖVP, die für den Beschluss ihres Gesetzes keine Zweidrittelmehrheit brauchten, allerdings nicht beseitigen: dass ab 1. Juli von Terrorverdächtigen und Extremisten ohne richterliche Kontrolle etwa systematisch die Verkehrs- und Standortdaten ihrer Handys überwacht werden können – und dazu sollen auch die Daten von all ihren Kontaktpersonen angesammelt werden. Statt eines unabhängigen Gerichts muss ein senatsähnliches Gremium über derart gewichtige Ermittlungsschritte abwägen: nämlich der Rechtsschutzbeauftragte des Innenministeriums mit seinen zwei Stellvertretern, von denen einer ein langjähriger Richter sein soll. Mit einer entsprechenden Beschwerde wollen FPÖ und Grüne vor das Höchstgericht ziehen, geht es nach Pilz gleich nach Verlautbarung des Staatsschutzgesetzes, damit dieser Teil womöglich bald nach Inkrafttreten gekippt wird – noch dazu, wo die Daten bei Bedarf auch an ausländische Dienste weitergereicht werden können. ÖVP-Verhandler Werner Amon weist im STANDARD-Gespräch den Vorwurf zurück, dass ein per Verfassung geschützter Richter, für dessen Verankerung im Gesetz es eine Zweidrittelmehrheit, also die Zustimmung von Blau oder Grün gebraucht hätte, mehr Rechtssicherheit vor unberechtigter Observation biete: Anders als der Rechtsschutzbeauftragte unterliegen Richter nicht der parlamentarischen Kontrolle. Sie könnten weder vor einen U-Ausschuss zitiert werden noch vor den sogenannten Stapo-Unterausschuss. Trotz alledem akzeptierten – anders als vorgesehen – SPÖ und ÖVP in letzter Minute noch eine weitere Kompetenz für den Rechtsschutzbeauftragten: dass er die Analysedatenbank der Verfassungsschützer inspizieren darf. Dazu Pilz: Ich habe noch nie zuvor ein so schlampig vorbereitetes Gesetz des Innenministeriums gesehen. Rückendeckung für Doskozil "als oberster Befehlshaber". Wien – ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidat Andreas Khol fordert angesichts der veränderten Sicherheitslage wesentlich mehr Geld für das Bundesheer. Die Forderung richte sich dabei an die gesamte Regierung, erklärte er am Dienstag der APA. Der Präsidentschaftskandidat besucht heute die Steiermark und informiert sich in Spielfeld gemeinsam mit LH Hermann Schützenhöfer (ÖVP) über das Grenzmanagement. Khol ist am Nachmittag mit dem steirischen Landeshauptmann und ÖVP-Landesparteiobmann Schützenhöfer am Grenzübergang Spielfeld, um sich über die Situation vor Ort zu informieren. Was ich mit habe im Gepäck, ist die Forderung, dass wir die Abrüstung des Bundesheeres, wie sie in den letzten Jahren erfolgte, beenden, sprach sich Khol für eine Trendumkehr aus. Es gelte die veränderte Sicherheitslage zu berücksichtigen, denn es habe sich gezeigt, dass das Bundesheer vor größeren Aufgaben stehen könnte, als bisher angenommen. Bei den Grenzeinsätzen im vergangenen Herbst und Winter habe man feststellen müssen, dass dem Heer nicht der gute Wille, aber sehr oft das Gerät fehlt. Mangels Budgets sei auch die begrüßenswerte Planung für die Reform des Grundwehrdienstes stecken geblieben, meinte Khol. Die Forderung geht an die gesamte Bundesregierung. Ich unterstütze alle Anstrengungen vom Ressort selbst und habe Vertrauen in Minister Doskozil (Hans Peter, SPÖ, Anm.), aber auch in Finanzminister Schelling (Hans Jörg, ÖVP, Anm.), dass er die Prioritäten richtig setzt, pocht Khol auf wesentlich mehr Geld. Eine Ziffer nannte er nicht. Jedoch sollen die Pläne der damaligen Zilk-Kommission und die Attraktivierung des Grundwehrdienstes schnell umgesetzt werden. Dafür muss frisches Geld in die Hand genommen werden. Das Bundesheer muss gleichziehen mit dem Innenministerium. So sei beim Innenressort viel Geld und Personal zusätzlich genehmigt worden. Meine Rückendeckung als oberster Befehlshaber des Bundesheeres wird er diesbezüglich haben. Die Landesverteidigung hat neue Wichtigkeit bekommen, erklärte der Bundespräsidentschaftskandidat in Richtung Doskozil. Der Verteidigungsminister wird am Dienstagabend in einem Hintergrundgespräch gegenüber Journalisten die neue Heeres-Struktur erläutern. Team-Stronach-Klubchef: "Zum Selbstschutz" – Zahl der Waffenbesitzer steigt stetig an. Wien – Robert Lugar macht kein Geheimnis daraus: Nicht zuletzt wegen der anhaltenden Flüchtlingskrise will sich der Klubchef des Teams Stronach jetzt eine Waffe zulegen – und zwar eine halbautomatische Glock. Ich mache gerade das Prozedere durch, erzählt er dem STANDARD, angefangen von der Einschulung bis zum Psychotest. In zwei, drei Wochen, so hofft er, sei er dann wehrhafter Besitzer. Denn: Die EU versuche derzeit die Bevölkerung zu entwaffnen – und verwehre ihr damit den Selbstschutz, obwohl in den kommenden Jahren Millionen Flüchtlinge pro Jahr in die Union gelassen werden sollen. Lugar hält nichts von dem Ansinnen der EU-Kommission, wegen der steigenden Terrorgefahr EU-weit den Erwerb fast aller halbautomatischer Langgewehre zu verbieten (siehe Wissen unten). Denn: Dann könnte man wegen der Messerattentate auch gleich alle Messer verbieten. Aber ein Messer kann man nicht nur als Waffe verwenden, sondern damit kann man auch einen Apfel schälen. Lugars Fazit: Die EU solle sich besser um den Kampf gegen den illegalen Waffenhandel kümmern. Wie berichtet, drängen der SPÖ-Abgeordnete Hannes Weninger und der Grüne Peter Pilz – trotz Widerstands seitens der ÖVP, der FPÖ, der Neos und des Teams Stronach – auch auf einen Verkaufsstopp für nahezu alle halbautomatischen Langwaffengewehre, weil diese legal allzu leicht erhältlich seien und Terroristen damit jede Menge Unheil anrichten könnten. Auf Anfrage wollten die Klubchefs Andreas Schieder (SPÖ) und Reinhold Lopatka (ÖVP), sonst recht auskunftsfreudig, die heikle Angelegenheit nicht kommentieren – weil der EU-weite Diskussionsprozess noch am Laufen ist. In einem Protokoll zum EU-Konsultationsverfahren hat Österreich beim letzten Rat der Innenminister im März aber bereits festgehalten, dass halbautomatische Waffen für Sport und Jagd eine große Rolle spielen. Peter Pilz dazu: Ich betrachte es als Verunglimpfung der Jäger, dass die mit einer halbautomatischen Waffe hantieren. Gestandene Waidmänner würden sich zu Tode genieren, diese beim Erlegen zu benutzen. Mandatar Lugar rät der Grüne spitz, sich lieber eine Spritzpistole zu kaufen. Das Innenressort bestätigt, dass immer mehr Waffen im Umlauf seien. Ja, insgesamt gehen die Zahlen nach oben, so Sprecher Karl-Heinz Grundböck. Er schränkt aber ein, dass sich dies nicht auf die halbautomatischen Waffen allein beziehe. Denn in der ministeriellen Statistik werden diese nicht extra ausgeschildert. Tatsache ist aber: Mit der Zahl der Waffen steigt auch jene der Besitzer: Gab es im Jänner 2014 noch 240.699 Waffenbesitzer mit 836.953 Waffen, waren es im September 2015 schon 898.385 Waffen und 255.009 Besitzer. Ein Trend, der anhält: Für März 2016 verzeichnete man bereits 934.729 Waffen und 272.562 Besitzer. Der Gottseibeiuns aller Waffenliebhaber will ein Sturmgewehr erstehen, scheitert aber an den Lieferengpässen. Wien – Peter Pilz ist wild entschlossen: Ein Sturmgewehr will sich der grüne Gottseibeiuns aller Waffenliebhaber kaufen – und erst im allerletzten Moment kneifen. Mit dem STANDARD im Schlepptau betritt er ein Wiener Traditionsunternehmen in einem schicken Multikulti-Bezirk. Überall in dem kleinen, dunklen Geschäft stehen und hängen Büchsen, Flinten, Knarren, vorbildlich verwahrt in versperrbaren Glasvitrinen. Wir interessieren uns für das AUG-Z, sagt der Abgeordnete bestimmt im Insiderjargon – und meint damit die halbautomatische Variante des Gewehrs des Bundesheeres für den zivilen Gebrauch. Doch Pilz fliegt schon an der Budel auf. Denn der Ladenbesitzer, gerade mit einem Burschen beschäftigt, der sich zwei Luftdruckgewehre zulegen will, schaut nur kurz auf – und beim Anblick des berüchtigten Grünen huscht sofort ein erkennendes Lächeln über sein Gesicht. Passt gar net zu Ihnen, sagt er trocken – und wuchtet trotzdem einen langen Karton auf den Verkaufstisch. Da drinnen liegt das gewünschte 3,6 Kilogramm schwere, metallene Ungetüm um 2380 Euro – doch der Waffenhändler muss Pilz leider enttäuschen. Denn die Lieferzeit für so ein Trum der Firma Steyr Mannlicher beträgt seit einem Dreivierteljahr zwei, drei Monate. Wegen eines großen Behördenauftrags, weiß der Geschäftsinhaber. Und für ihn gäbe es seitdem nur homöopathische Dosen von drei, vier Stück. Damit ist Pilz Mission zumindest für diesen Tag gescheitert. Denn die Aktion sollte zeigen, dass halbautomatische Langwaffen mit großen Magazinen, die die EU-Kommission seit den Terroranschlägen in Paris gern verbieten möchte, auch hierzulande mit Waffenbesitzkarte recht leicht erhältlich sind. Im Parlament sträubt sich eine breite Allianz aus ÖVP, FPÖ, dem Team Stronach und den Neos gegen strengere Auflagen aus Brüssel, weil sie den gut organisierten Jägern und Sportschützen nicht den Spaß an ihrer harmlosen Leidenschaft verderben will. Und so sieht man das auch in dem kleinen Waffengeschäft. Eine solche Reaktion auf die Terroristen dieser Welt hält hier auch die Kundschaft für überschießend – noch dazu, wo die Attentäter in Frankreich mit illegal erstandenen Kalaschnikows in der Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und in der Konzerthalle Bataclan in die Menge geballert – und dort ein Blutbad mit insgesamt 101 Toten angerichtet haben. Vorher schon, 2011, ermordete der rechtsextreme Norweger Anders Breivik mit einer Ruger 77 Menschen auf der Insel Utøya. Deswegen gleich EU-weit den Verkauf und Erwerb fast aller halbautomatischen Langwaffen zu verbieten, qualifiziert der Wiener Verkäufer als ähnliche Groteske wie den Plan der Europäischen Zentralbank, den 500-Euro-Schein abzuschaffen, auch um Terroristen ihre millionenschweren Geschäfte zu verpfuschen. Ähnlich sieht das der EU-Abgeordnete Harald Vilimsky von der FPÖ, zwar nicht mit im Geschäft, aber stolzer Besitzer von zwei Faustfeuerwaffen und einer Langwaffe, die er nicht näher spezifizieren will. Es ist ja nicht so, dass die von der Exekutive ständig streng überprüften Sportschützen in die Stadien reinrennen, um dort etwas anzurichten, sagt Vilimsky. Und: Er wäre der Erste, der sich bei einer Zunahme solcher Fälle für strengere Gesetze rund um den Waffenkauf einsetzen würde. Doch die EU-Grenzschutzagentur Frontex habe erst unlängst vorgerechnet, dass allein in Bosnien rund 800.000 Waffen in illegalem Besitz sind – um dieses gefährliche Potenzial möge sich die Union bitteschön doch zuallererst kümmern, meint der FPÖ-Mann. Der Sicherheitsbericht des Bundeskriminalamtes verzeichnete für 2014 exakt 1212 Delikte, die hierzulande mit Schusswaffen angerichtet wurden. Die Auflistung der Vergehen reicht von Mord über schwere Körperverletzung bis hin zu Freiheitsentzug und schwerer Nötigung. Aber freilich lauter Einzelfälle. Karl-Heinz Grundböck vom Innenministerium erklärt dazu: Die Statistik unterscheidet beim Waffengebrauch nicht zwischen legalem und illegalem Besitz – und obwohl die Kriminalitätsrate insgesamt sinkt und 2015 auf einem Tiefstand seit mehr als zehn Jahren angelangt ist, steigt jetzt offenbar die Furcht vor Kriminalität in der Bevölkerung. Angesichts von Terrorgefahr und Flüchtlingskrise erwägen laut jüngsten Umfragen derzeit bereits vierzehn Prozent der Österreicher den Kauf einer Waffe, um sich selbst zu schützen – zuletzt bekannte sich Robert Lugar vom Team Stronach zu diesem Ansinnen. Wir sehen diese Tendenz skeptisch, sagt Grundböck. Der Händler versichert aber, dass er nahezu all seine Kunden gut kenne – und wenn schräge oder seltsame Typen hereinkämen, um sich eine Waffe zu besorgen, dann komplementiere er die schleunigst hinaus. Halbautomaten wie das AR15 vom deutschen Hersteller Schmeisser seien derzeit gar nicht lieferbar, erzählt er – weil wegen der Drohungen der EU die Nachfrage derart gestiegen sei. Die meisten Bestellungen kämen aber aus Frankreich, weil dort die Bürger das Vertrauen in die staatlichen Stellen verloren hätten. Für die Jägerschaft kann Pilz dem Unternehmer Entwarnung geben, denn: Ich hab kein Problem mit Jägern – und ein komplettes Verbot für Halbautomaten ist unwahrscheinlich. Es wird daher eher welche mit weniger Feuerkraft und kleinerer Magazingröße geben, sagt er. Der Abschied fällt beinahe herzlich aus. Ich darf Sie beim Wort nehmen!, sagt der Verkäufer erleichtert. Denn Pilz habe offenbar nichts gegen den Waffenbesitz an sich, sondern bloß etwas gegen bestimmte Gattungen. Gleich ums Eck biegt der Grüne bei einem Italiener ein. Statt Sturmgewehr ersteht Pilz dort ein Sackerl – voll angefüllt mit frisch importierten Zitronen. Weitere Plädoyers für Militärmusik. Wien – Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) erhält bei seinem Ringen um mehr Budget auch Unterstützung der ÖVP-regierten Länder. Nach einem Treffen des Ressortchefs mit den Landeshauptleuten aus Salzburg, Oberösterreich, Tirol und Vorarlberg forderten diese mehr Ressourcen für das Heer. Zudem warben sie für die Militärmusik. Es gehe insbesondere um die rasche Verfügbarkeit von ausreichenden Mannstärken, Transportkapazitäten und Infrastruktur für den Einsatz, hieß es in einer gemeinsamen Aussendung der Landeshauptleute. Nur so könne die rasche Einsatzbereitschaft sichergestellt werden, betonte der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz Wilfried Haslauer (ÖVP) nach dem sehr konstruktiven und positiven Gespräch mit Doskozil. Dieser wird auch an der Landeshauptleutekonferenz in Salzburg am 10. und 11. Mai teilnehmen, um aktuelle sicherheitspolitische Themen zu erörtern und sein Konzept für die künftige Ausrichtung des Bundesheeres zu präsentieren. Nicht hinnehmen wollen die Landeshauptmänner die von Doskozils Vorgänger Gerald Klug (SPÖ) eingeleiteten Einsparungen bei der Militärmusik. Klares Ziel der Länder sei der Erhalt einer Militärmusik, die für Rekruten attraktiv bleibe. Eine Anfrage der Neos an den Verteidigungsminister zu den Transportmaschinen des Heeres fördert zutage, dass demnächst nur noch zwei Stück im Hangar stehen. Wien – Eine parlamentarische Anfragebeantwortung von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) zur Abschiebetauglichkeit der Hercules-Transportmaschinen des Heeres wirft eine Reihe neuer Fragen auf. Konkret wollten die Neos, allen voran Rainer Hable, selbst Milizoffizier, wissen, wie es mit einer rechtlichen Begründung für die umstrittene Rückführung abgewiesener Asylwerber aussieht. Doskozils Replik: Abschiebemaßnahmen könnten im Rahmen einer Unterstützungsleistung (des Innenressorts, Anm.) erfolgen, sofern ein Ausbildungsnutzen für die mit dieser Tätigkeit betrauten Soldaten vorliegt. Für Hable ist das Ansinnen, Abschiebungen als Übungen des Bundesheers zu qualifizieren, äußerst zynisch. Was ebenfalls aufhorchen lässt: Gefragt nach den Absenzen der drei Maschinen des Typs C-130 (die vierte dient den Militärtechnikern als Ersatzteillager), offenbart Doskozil: Ab Oktober 2016 werden die drei Luftfahrzeuge nacheinander für die Dauer von jeweils sechs Monaten nach Großbritannien verlegt. Dort bekommen sie vom Hersteller ein Update verpasst. Bedeutet aber auch: dass ab diesem Zeitpunkt für eineinhalb Jahre nur mehr zwei Maschinen in Hörsching stationiert sind, die bis dato vor allem zu Transportflügen für die Truppen im Ausland herangezogen werden – und in Notfällen auch zum Evakuieren von Zivilisten dienen sollen. Wie kann das alles mit Abschiebungen zusammengehen?, fragt sich Hable. Der Mandatar kann sich Doskozils Festhalten an seinen Plänen nur so erklären: Es bestätigt sich der Eindruck, dass sich der Verteidigungsminister zum Ersatzinnenminister aufspielen will – und dabei nimmt er offenbar in Kauf, dem Bundesheer die letzten Reste an Kapazitäten zu nehmen. Bei den Fragen nach den Kosten von Abschiebeflügen wiegelt der Minister in dem Schreiben mit der Aktenzahl S91143/65-PMVD/2016(1) ab – etwa mit der Erklärung, dass das Luftfahrzeug ohnehin (...) zu bewegen sei, um die Flugstunden für die Piloten sicherzustellen. Auf die Kosten pro Flugstunde lässt sich Doskozil nicht festnageln, denn diese bestünden aus fixen und variablen Teilen. Für Hable sind solche Angaben absolut unzureichend, noch dazu, wo das Militär für die Eurofighter und die Saab 105 sehr wohl Fixbeträge ausweisen kann. Vergleiche mit dem mitunter günstigeren Rückführungsaufwand ziviler Airlines stellt Doskozil in der Beantwortung erst gar nicht an. Dafür stellt der Minister unter Punkt 21 keine vorhersehbaren Zusatzkosten in Aussicht, wenn die Flugstunden etwa im Zuge von Abschiebungen um 50 Prozent gesteigert würden – weil das Wartungskonzept auf kalenderbedingten Maßnahmen basiere. Dazu Neos-Abgeordneter Hable nur mehr kopfschüttelnd: Das ist absurd. Jeder Autofahrer weiß doch, dass sich sein Fahrzeug mit jedem gefahrenen Kilometer abnützt. Schubhaft auch bei Verurteilung in erster Instanz, Meldepflicht und DNA-Abnahme bei Verdächtigen in Sexualdelikten. Wien – Die derzeitige Situation sei durch einen Anstieg von Delikten gekennzeichnet. Das mache ressortübergreifend vielfältige Maßnahmen notwendig, um den Kriminalitätszuwachs zu reduzieren, sodass wir zu Jahresende nicht unsanft erwachen. So begründete Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Donnerstag die Notwendigkeit des Aktionsplans Sicherheit Österreich. Das Wort Fremdenkriminalität, das ihm zuletzt einige Kritik eingebracht hatte, verwendete Sobotka nicht. Doch durch die Themen bei der gemeinsam mit Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und dem Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Konrad Kogler, im Innenministerium stattfindenden Pressekonferenz war klar, dass es um Straftaten und -verdachte ging, die vor allem mit Nichtösterreichern in Verbindung gebracht werden. Deren Häufigkeit sei im heurigen Jahr gestiegen, und zwar vor allem im Bereich der Kleinkriminalität, also etwa bei Diebstählen, Raufereien und leichten Körperverletzungen, betonten Sobotka und Kogler. Damit bestätigten sie einen in weiten Teilen der Bevölkerung herrschenden Eindruck. Statistisch belegbar ist dieser Trend derzeit allerdings nicht (siehe Infobox unten). Vor Jahresende werde es auch keinen verlässlichen Aufschluss geben, hieß es. Erst nach mehrfacher Nachfrage von Journalisten sprach Kogler von einem Plus in Tausenderhöhe im heurigen Jahr. Die Daten seien jedoch noch unbereinigt. Laut Kogler soll künftig bei der polizeilichen Prävention und Fahndung die Tätergruppe zwischen 14 und 40 Jahre alter Männer im Fokus stehen. Diese würden einen Großteil der wegen Kleinkriminalität Verdächtigen ausmachen. Gegenmaßnahmen brauche es auch auf gesetzlicher Ebene, sagte Sobotka. Etwa eine Ausweitung der Schubhaft: Künftig solle es möglich sein, Ausländer bereits nach einer strafrechtlichen Verurteilung erster Instanz in Anhaltezentren zu inhaftieren – wenn damit zu rechen sei, dass der oder die Betreffende vorhabe, sich dem weiteren Verfahren zu entziehen. Wie lang eine solche Anhaltung dann möglich sein soll, sagte der Minister nicht. Laut herrschender Rechtsmeinung muss die Anordnung von Schubhaft verhältnismäßig sein. Bei einer Anhaltung bis zu einem rechtskräftigen Urteil zweiter Instanz – was meist Monate, manchmal sogar Jahre dauern kann – wäre wohl von Unverhältnismäßigkeit auszugehen. Aus dem Justizbereich steuerte Brandstetter Pläne für eine Offensive für Haft im Heimatland durch Abschiebung verurteilter Straftäter bei. 32,67 Prozent aller Strafhäftlinge in Österreich seien Drittstaatsangehörige, 21,43 Prozent EU-Ausländer, referierte Brandstetter. Um wiederum effektiver gegen die laut Sobotka zuletzt augenfälligen Fälle sexueller Belästigung von Frauen in der Öffentlichkeit vorzugehen – auch hier sprach der Minister nicht offen von Fremden – soll es künftig eine Meldeverpflichtung beim Tatverdacht der sexuellen Belästigung geben. Auch soll das Sicherheitspolizeigesetz geändert werden, sodass auch diesen Verdächtigen DNA-Proben abgenommen werden können. Derzeit ist das nur bei schwereren Sexualdeliktverdachten möglich. Diese Maßnahmen seien nötig, weil viele Vergewaltiger davor bereits gelindere Straftaten gesetzt hätten und es daher sinnvoll sei, sie rechtzeitig zu belehren, sagte Kogler. Mit einem ähnlichen Vorgehen habe man etwa gegen Hooligan-Kriminalität Erfolge verzeichnet. Maria Rösslhumer, Chefin des Vereins Autonome Österreichische Frauenhäuser, hält eine Meldeverpflichtung inklusive Belehrungen für sinnvoll, das allein helfe aber noch nicht. Wichtig sei vor allem, dass Polizei und Justiz künftig enger zusammenarbeiten: Gewalttäter auf freiem Fuß begehen immer wieder schwere Straftaten, weil ihre Gefährlichkeit falsch eingeschätzt wurde, sagt Rösslhumer. Der Justiz müssten zur Beurteilung jedenfalls alle Fakten vorliegen, und die vermeintlichen Täter öfter in U-Haft genommen werden, fordert Rösslhumer. Sie warnt allerdings vor einer Vorverurteilung von Flüchtlingen und Ausländern: Die Politik sucht derzeit nach Argumenten für Abschiebungen. (Irene Brickner Katharina Mittelstaedt, 12.5.2016) Mit "Gefährderansprache" und Meldeverpflichtung für potenziell gefährlich Radikalisierte. Wien – Der Ministerrat hat am Dienstag mit Verspätung eine Gesetzesänderung in Richtung Parlament geschickt, die vergangenen Herbst nach den Terroranschlägen in Paris angekündigt wurde. Die Behörden dürfen damit potenzielle Gefährder vorladen und belehren. Außerdem soll es möglich werden, radikalisierte Personen per Meldeverpflichtung zu bestimmten Zeitpunkten zu laden. Diese Maßnahmen sind Teil eines Präventionspakets, das die damalige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) Ende des Vorjahres im Kielwasser der Pariser Terroranschläge angekündigt hatte. Konkret wird das Sicherheitspolizeigesetz geändert, um verfassungsgefährdende Angriffe zu verhindern. Bei der Gefährderansprache zur Deradikalisierung soll die Polizei Personen, von denen anzunehmen ist, dass sie solche Angriffe starten, quasi ins Gewissen reden und ihnen klarmachen, wie gefährlich eine weitere Radikalisierung wäre. Zugleich sind sie auf Deradikalisierungsprogramme hinzuweisen. Die Meldeverpflichtung schafft eine Möglichkeit, Betreffende zu ganz bestimmten Zeiten zu laden. Das Ziel: Will man verhindern, dass jemand bei einem Event wie etwa einer Großdemonstration dabei ist, zieht man ihn mittels Meldepflicht für diese Zeit quasi aus dem Verkehr. Beide Instrumente gibt es bereits bisher im Sicherheitspolizeigesetz – allerdings dezidiert zur Vermeidung von Gewalt und Rassismus bei Sportveranstaltungen, daher auch salopp Hooligan-Paragraf genannt. Weiters im Präventionspaket enthalten ist eine Optimierung der schengenweiten Fahndungsmaßnahmen, etwas, was das Einziehen ungültiger ausländischer Dokumente, die Ausschreibung potenziell gefährlicher Personen und die Verschränkung von nationaler und schengenweiter Kfz-Fahndung betrifft. Auch einige Maßnahmen, die sich nicht dem Schutz vor Terrorismus verschreiben, wurden ins Paket gepackt: Im Bereich der häuslichen Gewalt sollen weggewiesene Gefährder künftig eine verpflichtende Rechtsaufklärung mit Beratungselementen erhalten. Das Betretungsverbot für Schul- und Betreuungseinrichtungen wird ausgeweitet. Vorerst keine weiteren Verhandlungen mit der Ärztekammer. Wien – Das dritte Nein der Ärztekammer zur neuen Betriebsvereinbarung für die Wiener Gemeindespitäler (KAV) löst bei Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely Empörung aus. Sie bezeichnet es im STANDARD-Gespräch als einen Erpressungsversuch, mit dem vor den Wahlen illegitime Forderungen durchgesetzt werden sollen. Das spielt es mit mir nicht, richtet Wehsely ihrem Gegenspieler, dem Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres, aus. Eine Rückkehr zum Verhandlungstisch schließt sie vorerst aus. Sie habe einen Großteil der Forderungen abgearbeitet, wenn die Ärztekammer aber immer neue Forderungen stellt, sei keine Gesprächsbasis vorhanden. Gemeint sind Nachtzulagen und Primarärzte. Bei den Zulagen sieht Wehsely keinen Spielraum. Für die Gehälter der Primarärzte sollte der KAV bis Jahresende ein Modell ausarbeiten. Dass dieses bis Anfang September umgesetzt werden kann, wie von der Kammer gefordert, schließt sie aus. Standesvertretung und Ärztegewerkschaft beharren aber auch auf ein klares Nein zum Stellenabbau. Gernot Rainer, Chef der Ärztegewerkschaft Asklepios, geht sogar weiter: Es brauche zusätzliche Ärzte statt bloß Dienstpostenumschichtungen. Eine klare Meinung hat Rainer auch zur Streikabstimmung, die von 19. bis 24. Juni stattfinden wird. Das hätte schon früher geschehen müssen, als das Gesetz trotz Nein der Ärzte durch den Gemeinderat gebracht wurde. Dass die Abstimmung mit Ja ausgehen wird, davon geht auch Wehsely aus. Sie sieht darin weniger ein Stimmungsbild der Wiener Ärzte, sondern macht die Fragestellung der Kammer dafür verantwortlich. Die Streikbereitschaft werde abgefragt, da könne man gar nicht mit Nein stimmen. Konsequenzen habe das für sie keine, es sei nur ein weiterer Versuch der Kammer, Zwietracht zu säen. Überstunden werden doppelt bezahlt, aber kontingentiert. Wehsely ist sicher, dass die Unterschrift diesmal hält. Wien – Sonja Wehsely ist hörbar erleichtert. Die Wiener Gesundheitsstadträtin (SPÖ) konnte am Donnerstag nach einer neuerlichen Verhandlungsrunde mit der Ärztekammer auch die letzten beiden offenen Punkte auf dem Weg zur Einigung auf ein neues Dienstrecht und Gehaltsschema ausräumen. Die letzten Details: Die Überstunden an Sonn- und Feiertagen werden kontingentiert, sagte Wehsely, aber wie von den Ärzten gewünscht im Verhältnis 1:2 abgegolten. Wehsely zum STANDARD: Eine gute Lösung für den einzelnen, eine gute Lösung für das Gesundheitssystem. Auch insgesamt seien die für die Stadt entstehenden Mehrkosten überschaubar: Einige der Maßnahmen werden jetzt früher als geplant umgesetzt, in anderen Bereichen wird umgeschichtet. Hintergrund: Nach monatelangem Ringen um die Umsetzung der neuen Arbeitszeitrichtlinien für Spitalsärzte im Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) haben Stadt, Gewerkschaft, KAV und Ärztekammer nun doch zu einer Lösung gefunden. Nachdem die Kurie das aktuellste Paket am Mittwoch angenommen hatte, wurden am Donnerstag auch die letzten Vorbehalte der Kammer ausgeräumt und ein Kompromiss gefunden. Das bestätigten am Donnerstag sowohl die Ärztekammer als auch die Stadt Wien. Kritikpunkt der Kammer war vor allem die Überstundenregelung für Sonn- und Feiertage. Hier sah das Paket vor, dass Überstunden nur noch im Verhältnis 1:1,5 statt wie bisher im Verhältnis 1:2 entlohnt werden. Dafür sollten Normalarbeitsstunden besser bezahlt werden. Hier hat man sich auf eine weiterhin doppelte Entlohnung geeinigt – allerdings sind die Überstunden an Sonn- und Feiertagen nun kontingentiert. Vergleichsweise einfach zu erreichen war die letzte Bewegung in Sachen Lohnerhöhungsverzicht: Um eine bessere Honorierung der Nachtdienste zu ermöglichen, verzichten die Ärzte des KAV 2016 und 2017 auf die jährlichen Lohnerhöhungen beziehungsweise Indexanpassungen, die Gemeindebedienstete erhalten. Die Kammer hatte hier Bedenken geäußert und sich ab einer Anpassung von über 2,5 Prozent eine Auszahlung der Differenz gewünscht. Diesem Wunsch kommt die Stadt nach: Erhalten die Bediensteten der Stadt Wien im Jahr 2017 einen Abschluss über 2,5 Prozent, erhalten auch die Ärzte die Differenz ausgezahlt. Wehsely freut sich im Gespräch mit dem STANDARD: Das ist die größte Strukturreform seit Jahrzehnten – und die Ärztekammer trägt das mit. Als Dreh- und Angelpunkt der Reform habe man jetzt auch bei der Ausgestaltung der zentralen Notfallaufnahme – die es künftig in jedem Spital geben soll – zu einer Einigung gefunden. Die sei insbesondere zur Entlastung der Spitalsambulanzen wichtig. Der Wiener Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres betonte bereits Mittwochabend im Gespräch mit dem STANDARD, dass das jetzt vorliegende Paket bei der Kuriensitzung mit überwältigender Mehrheit angenommen wurde: 93 Prozent der Mitglieder der Kurie der angestellten Ärzte hatten sich für die Annahme des aktuellsten Pakets ausgesprochen. Wehsely ist darob auch zuversichtlich, dass die Vereinbarung diesmal hält: Jetzt ist die Unterschrift nach der Kuriensitzung erfolgt. Die Website www.notstandspital.at war trotz der Vereinbarung, jegliche Kampagnentätigkeit ab sofort einzustellen, Donnerstagnachmittag nach wie vor online. Wenn auch mit modifiziertem Inhalt. Szekeres: Arbeit geht weiter Die Arbeit geht natürlich weiter, betonte der Kammerpräsident. Er gehe davon aus, dass man gemeinsam das System weiter verbessern könne. Aber es handle sich um einen wichtigen Schritt: Jetzt hat auch das letzte Bundesland eine Lösung, so Szekeres. Natürlich haben wir nicht alles bekommen, was wir wollten – aber so ist das in Verhandlungen, meinte er. Die Stadträtin hat gesagt, der Patient hat gewonnen. Das finde ich schön und dem möchte ich mich anschließen, schlug der Wiener Ärztechef zum Ende nun doch durchaus versöhnliche Töne an. Zufriedenheit ist auch der Tenor der Gewerkschaft: Wir haben stets gesagt, dass ein Streik nicht nötig sein wird. Der Dialog am Verhandlungstisch ist der optimale Weg zur Lösung von Konflikten, der Weg auf die Straße muss das letzte Mittel bleiben, erklärte der Vorsitzende der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten (GdG), Christian Meidlinger. Man sei mit dem Ergebnis sehr zufrieden. Das Gesamtpaket bringe nun wesentliche Verbesserungen für die Ärzte des KAV. Letztendlich habe sich die Qualität der neuen Vereinbarungen durchgesetzt und die Vernunft gesiegt, so Meidlinger. Nun erwarte man sich auch, dass alle Parteien ihre Zusagen einhalten. Pflegeassistenz und akademische Pflegefachkraft: Gesetzesentwurf für neue Ausbildungen laut Ministerium bald fertig. PFlegeassistenz, Pflegefachassistenz, gehobene Pflegefachkraft: Künftig soll es mehr unterschiedliche Stufen in der Krankenpflege geben. Die Ausbildung wird reformiert, geplant ist das ja schon seit längerem. Nun könnte die Reform früher auf Schiene gehen als erwartet: Das Gesundheitsministerium hofft laut orf.at, noch vor Sommer einen Gesetzesentwurf präsentieren zu können. Drei verschiedene Pflegeausbildungen soll es künftig geben: Pflegeassistenz (bisher: Pflegehilfe), Pflegefachassistenz, und Pflegefachkraft (bisher: diplomierte Pflegekraft). Die Pflegeassistenten sollen sich künftig auf pflegerische Tätigkeiten konzentrieren können und von Putzdiensten oder administrativen Aufgaben befreit werden. Die gehobenen Pflegefachkräfte (derzeit diplomierte Pflegekräfte) sollen künftig akademische Abschlüsse haben, sie werden an Fachhochschulen ausgebildet werden. Der Aufwand sei zu hoch, heißt es im Hauptverband – Später könne man aber noch einmal darüber reden. Wien – Ebenso wie Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) sieht auch der Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Peter McDonald, in der Forderung nach einem Foto auf der E-Card bestenfalls ein mittelfristiges Thema. Im Ö1-Morgenjournal verwies McDonald am Freitag auf den damit verbundenen hohen Aufwand und auf hohe Kosten. Der Aufwand entstehe durch die Beschaffung der Bilder. McDonald betonte, dass den Versicherten keine hohen Extrakosten erwachsen dürften. Beim Personalausweis etwa gebe es Kosten von 60 Euro. Wenn man nun mit anderen Behörden in einer Verwaltungskooperation zu kostengünstigeren Lösungen kommen würde, dann könne man gerne darüber diskutieren, meinte der Hauptverbands-Chef. Für einen etwaigen Zugriff auf Fotos, die bei anderen Behörden gespeichert sind, etwa beim Passamt, wäre aber eine Gesetzesänderung nötig. Auch bei dem ebenfalls diskutierten Handvenen-Scan zeigte sich McDonald wegen des hohen Aufwandes skeptisch. 'Fachkräfte sollen künftig über drei Modelle ausgebildet werden – Umsetzung in Stufen. Wien – Die Neuordnung der Ausbildung im Pflege-Sektor ist auf Schiene. Am Mittwoch schickte das Gesundheitsministerium einen Entwurf zum Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) in Begutachtung. Pflegefachkräfte sollen damit künftig über drei Modelle ausgebildet werden, für den gehobenen Dienst ist die Ausbildung ausschließlich im akademischen Bereich vorgesehen. Die Umsetzung erfolgt in Stufen. Die Ausbildung soll künftig über drei Schienen laufen: Statt der bisherigen Pflegehilfe ist die Schaffung einer Ausbildung zur Pflege-Assistenz vorgesehen. Wie schon bisher die Pflegehelfer soll die Ausbildung dieses neuen Berufsfelds an den Gesundheits- und Krankenpflegeschulen und den Schulen für medizinische Assistenzberufe erfolgen. Die Dauer dieser Ausbildung soll ein Jahr betragen. Als wichtige Neuerung gilt die Festlegung, dass Pflege-Assistenten künftig von administrativen, hauswirtschaftlichen und logistischen Tätigkeiten ausgenommen sein sollen. Hilfstätigkeiten wie etwa Geschirrwegräumen sollen künftig ausschließlich von nicht-medizinischem Personal durchgeführt werden. Neben der Pflegeassistenz ist auch die Schaffung einer Pflege-Fachassistenz vorgesehen, die mehr Kompetenzen haben wird als die Assistenz-Kraft. Die Ausbildung soll an selber Stelle wie jene zur Pflege-Assistenz stattfinden. Dauern wird diese Ausbildung zwei Jahre Stöck: "Heillos überfüllte" Ambulanzen der Spitäler entlasten und Patientenströme steuern – Ambulanzgebühr wurde vom VfGH wegen Formalfehler gekippt. Salzburg/Wien – Um die heillos überfüllten Spitalsambulanzen zu entlasten, sprach sich Salzburgs Finanz- und Spitalsreferent LHStv. Christian Stöckl (ÖVP) am Freitag für die Einführung einer Ambulanzgebühr aus. Diese solle die Patientenströme steuern, denn jeder zweite Patient wäre beim niedergelassenen Arzt besser aufgehoben. Allerdings wurde eine Ambulanzgebühr vor mehr als zehn Jahren vom VfGH gekippt. Die Gesundheitsreform des Bundes, die von den Ländern umzusetzen sei, schreibe vor, dass die Patienten nach dem Prinzip des Best Point of Service behandelt werden, untermauerte Stöckl seinen Vorschlag. Das bedeutet, dass die Patientenströme von den überfüllten Spitalsambulanzen, in denen im Durchschnitt 50 Prozent aller Patienten fehl am Platz sind, zu den Haus- und Fachärzten umgeleitet werden müssen. Grundlagen Obwohl es ein entsprechend dichtes Netz an niedergelassenen Ärzten gebe, verstärke sich der Trend, sofort die Ambulanzen der Spitäler aufzusuchen, konstatierte Stöckl, der auch Gesundheitsreferent ist. Er ortet neben überfüllten Ambulanzen auch unzufriedene Patienten und überarbeitete Ärzte. Die Vermeidung dieser negativen Effekte seien nur durch eine Ambulanzgebühr zu erzielen. Da österreichweit so gut wie alle Spitäler mit dieser Problematik konfrontiert seien, wäre es höchste Zeit, dass die Gesundheitsministerin ein Konzept zur Einführung von Ambulanzgebühren vorlegt. Falls dies der Bund nicht zustande bringe, müsse dieser wenigstens die Grundlagen schaffen, um die Länder zur Einhebung einer solchen Gebühr zu ermächtigen, erklärte Stöckl. Denn nachdem die Länder für die Spitäler zuständig sind, muss ihnen auch die Möglichkeit gegeben werden, die Patientenströme zu steuern. Und eine Ambulanzgebühr ist in meinen Augen die einzige Möglichkeit, das nachhaltig zu tun. Die Höhe der Gebühr müsse noch diskutiert werden. Ambulanzen entlasten Seit den 1990er Jahren seien in Salzburg die Spitalskosten jährlich bis zu einem zweistelligen Prozentsatz gestiegen. Die Einführung einer Ambulanzgebühr sei ein Faktor, um Kosten zu reduzieren, ohne dass ein Nachteil für die Patienten entstehe, hieß es aus Stöckls Büro auf Anfrage der APA. Es gehe aber nicht darum, Geld zu lukrieren, sondern die Ambulanzen zu entlasten. Die Millionenverluste durch den Salzburger Finanzskandal und auch die Erhöhung der Gehälter für Ärzte- und Pflegekräfte seien nicht der Grund, warum er sich für eine Ambulanzgebühr ausspreche. Viele Patienten würden gerade an den Wochenende oder an den Tagesrandzeiten mit Wehwechen in die Amublanzen kommen, obwohl sie der Hausarzt schon früher hätte behandeln können. Und wenn die Patienten in die Ambulanzen fahren statt zum Hausarzt zu gehen, wird dessen Ordination irgendwann nicht mehr wirtschaftlich zu führen sein. Da beißt sich die Katze in den Schwanz. Unsere Hausärzte verlieren damit auch ihre so wichtige Gatekeeper-Funktion, wenn sie in vielen Fällen gar nicht Bescheid wissen, welche Behandlungen durchgeführt oder Medikamente verordnet wurden. Das kann nicht im Interesse der Gesundheit des Einzelnen sein. Best Point of Service Stöckl beruft sich mit seiner Forderung auch auf die Europäische Union. Beispiele aus anderen EU-Ländern zeigen, dass es durch eine Ambulanzgebühr sehr gut möglich ist, die Patientenströme in die richtige Richtung zu lenken. In vielen EU-Ländern sei eine Ambulanzgebühr gang und gäbe und das System Best Point of Service funktioniere. Die Ambulanzgebühr war bereits unter der blau-schwarzen Koalition im Jahr 2000 in Österreich eingeführt worden. Sie wurde aber bald wieder vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) beseitigt: Am 16. März 2001 wurde sie wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung aufgehoben. Bei einer neuerlichen Prüfung einer geänderten Fassung stellte der VfGH im Jahr 2003 eine Verfassungswidrigkeit fest: Die Ermächtigung für den Bundeskanzler, jede Abweichung des kundgemachten Textes von der im Parlament beschlossenen Fassung als Druckfehlerberichtigung zu behandeln, gehe zu weit. Dies dürfe innerhalb vorgegebener, verfassungsrechtlicher Grenzen nur der Gesetzgeber selbst verfügen. Die SPÖ und mehrere Einzel-Beschwerdeführer wollten mit neuerlichen Anträgen auch eine inhaltliche Prüfung des Selbstbehaltes. Dazu ist es damals aber nicht gekommen. Als Politik aus dem vorigen Jahrtausend bezeichnete Salzburgs SPÖ-Parteichef, Landtagsklubobmann Walter Steidl, heute die Forderung nach einer Ambulanzgebühr. Die Gebühr sei vom VfGH gekippt worden, die Lenkungseffekte seien gering aber der bürokratische Aufwand enorm gewesen. Ganz abgesehen davon, dass die Einführung einer Ambulanzgebühr diejenigen am härtesten trifft, die finanziell nicht auf Rosen gebettet sind. Stöckl will wohl von seinen Versäumnissen ablenken. Gesundheitssprecher der Koalition sehen keine sinnvollen Effekte – Auch Gesundheitsministerin schließt Gebühr aus. Wien – Die Regierungsparteien SPÖ und ÖVP lehnen die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr ab. SPÖ-Gesundheitssprecher Erwin Spindelberger meinte am Donnerstag, sie hätten keine sinnvollen Steuerungs- und Finanzierungseffekte, ihre einzige Wirkung ist es, die Schwächsten von medizinischer Versorgung fernzuhalten. Auch sein ÖVP-Kollege Erwin Rasinger sagte: Der Lenkungseffekt tritt nicht ein, der Finanzierungseffekt ist sehr mäßig. Rasinger sagte zur APA, Ambulanzgebühren seien zwar von der Theorie her überlegenswert, einiges spreche dafür. Österreich habe aber damit unter Schwarz-Blau schlechte Erfahrungen gemacht, ebenso wie Deutschland mit der Arztgebühr. Von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) kommt ebenfalls ein klares Nein zur Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr. Unter mir wird es sicherlich keine Eintrittsgebühr in die Spitäler geben, sagte sie im Ö1-Mittagsjournal. Oberhauser verwies auf die Gesundheitsreform mit dem angestrebten Ausbau des niedergelassenen Bereichs. Die schwarz-blaue Koalition hat im Jahr 2000 in Österreich eine Ambulanzgebühr eingeführt. Diese wurde aber bald wieder vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) zunächst wegen nicht ordnungsgemäßer Kundmachung und 2003 dann schließlich wegen Verfassungswidrigkeit aufgehoben. In der Praxis scheitere die Ambulanzgebühr an den nötigen Ausnahmen etwa für chronisch Kranke, an der Einhebung und am fehlenden Angebot im niedergelassenen Bereich, sagt ÖVP-Gesundheitssprecher Rasinger. Mit der Ambulanzgebühr könnte man seiner Ansicht nach maximal 100 Millionen Euro einheben, dem stünde aber nicht nur die Einhebungsbürokratie entgegen, sondern auch der politische Wirbel. SPÖ-Gesundheitssprecher Spindelberger hält Ambulanzgebühren für keinen konstruktiven Lösungsvorschlag. Seiner Meinung nach sind die kurzen Öffnungszeiten im niedergelassenen Bereich der Hauptgrund für den Andrang auf Ambulanzen. Im Rahmen der Gesundheitsreform soll genau das angegangen werden: Die Patientinnen und Patienten brauchen ganztägig eine wohnortnahe medizinische Versorgung als Alternative zur Spitalsambulanz. Zuvor hatte sich bereits Ärztekammer-Präsident Artur Wechselberger gegen die Wiedereinführung einer Ambulanzgebühr ausgesproche. Er lehnt damit den Vorschlag des Salzburger Landesrates Christian Stöckl (ÖVP) ab, der auch vom stellvertretenden Kurienobmann der angestellten Ärzte, Karlheinz Kornhäusl, unterstützt wird. Wechselberger plädierte im APA-Gespräch stattdessen für ein Bonussystem für die Patienten. Um die überfüllten Ambulanzen zu entlasten, tritt Wechselberger dafür ein, dem Patienten einen Benefit zu gewähren, damit er stattdessen in niedergelassene Arztpraxen geht. Der Ärztekammer-Präsident will dafür ein Bonussystem andenken, etwa mit angebotenen kürzeren Wartezeiten nicht nur beim niedergelassenen Arzt sondern auch mit fixen Terminvereinbarungen im Spital, wenn der Patient doch dorthin überwiesen werden muss. Ich bin ein Freund der positiven Steuerung. Wechselberger verweist auch auf sogenannte Managed-Care-Systeme etwa in der Schweiz oder den USA, bei denen sich Patienten beispielsweise freiwillig verpflichten, zuerst zum Hausarzt zu gehen und dafür niedrigere Prämien zahlen. Wechselberger gesteht aber zu, dass Österreich dafür noch nicht reif sei. Bevor man aber über verschiedene Steuerungsmöglichkeiten nachdenkt, hält es der Ärztekammer-Präsident für nötig, den niedergelassenen Bereich auszubauen. Er hält es für blauäugig, zu glauben, man könne die Spitäler entlasten ohne die niedergelassenen Ärzte zu stärken. Dazu müsse es genügend Kassenstellen sowie ein Leistungsangebot und eine zeitliche Verfügbarkeit geben, die dem Spital adäquat sind. Konkret wünscht sich die Interessenvertretung 1.300 neue Ärzte mit Kassenvertrag in ganz Österreich. Diese Zahl entspreche nur der in den letzten Jahren gewachsenen Bevölkerungszahl, noch ohne Berücksichtigung der demografischen Entwicklung. Und bezüglich der Forderung nach längeren Öffnungszeiten der Praxen verweist Wechselberger auf Mehrkosten, die auch abgedeckt werden müssten. Für den Ärztekammer-Präsidenten geht es also in erster Linie darum, die Versorgungsmöglichkeit für die Patienten bei niedergelassenen Ärzten in geeigneter Form anzubieten, zu stärken und zu bewerben und dann die Menschen zu motivieren, diese auch in Anspruch zu nehmen. Finanzielle Schranken für die Inanspruchnahme der Ambulanzen hält für eine nicht adäquate Alternative. Und er verweist darauf, dass die Ambulanzgebühr schon einmal gescheitert ist. Den derzeit großen Andrang in den Ambulanzen führt Wechselberger auf ein jahrelanges Versäumnis der Sozialversicherungen zurück, weil diese das niedergelassene Versorgungssystem nicht so organisiert hätten, wie es das Gesetz vorgibt. Betreiber sollen laut Hauptverband der Sozialversicherungsträger bis Ende des Jahres feststehen. Wien – Bereits vor mehr als einem Jahr haben sich Sozialversicherungen und die Bundesländer auf den gemeinsamen Ausbau der Rehabilitation für schwerkranke Kinder geeinigt. Diese Woche startet nun der Hauptverband der Sozialversicherungen das Ausschreibungsverfahren, bestätigte Hauptverbandssprecher Dieter Holzweber einen Bericht des Ö1-Morgenjournal. Wo genau und wie viele Reha-Zentren es geben wird, ist noch unklar. Die europaweite Ausschreibung für das zweistufige Verfahren erfolgt diese Woche, sagte Holzweber. In der ersten Phase geht es um Interessentensuche, die zweite ist die Verhandlungsphase. Bis Jahresende sollen dann die Standorte und Betreiber feststehen. Aktuell ist es in Österreich so, dass Kinder, die eine Rehabilitation brauchen, entweder ins benachbarte Ausland oder in Einrichtungen für Erwachsene ausweichen müssen. Daher sollen hierzulande insgesamt 343 Reha-Plätze in vier Versorgungsregionen entstehen – aufgeteilt auf Nord, Ost, Süd und West. Die Ausschreibung erfolgt nach der medizinischen Indikation, also der Art der Behandlung. Bei der Reha für krebskranke Kinder gab es laut dem Morgenjournal bereits im Vorfeld eine Einigung, dass hier ein Zentrum entstehen soll – entweder in Salzburg oder in Oberösterreich. Bereits im Juli 2014 einigten sich Sozialversicherungen und Bundesländer in der Frage der Finanzierung. Die Kosten von 33 Millionen Euro pro Jahr im Vollausbau übernehmen großteils die Sozialversicherungen, die Länder finanzieren eine Pauschalsumme von 8,5 Millionen Euro jährlich. Dass die Länder dadurch noch Druck machen können, um bei den Standorten mitzureden, glaubte Peter McDonald, Chef des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträgern, im Interview mit dem Morgenjournal nicht. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) begrüßte in einer Aussendung den nächsten Umsetzungsschritt zum Ausbau der Kinder-Reha. Ich hoffe, dass zu Jahresende dann rasch in die konkrete Umsetzung vor Ort gegangen werden kann, meinte Oberhauser. Hilfsorganisationen kritisieren: Langzeitpflege und Behinderte nicht berücksichtigt. Wien – Breite Kritik hat sich das Gesundheitsministerium mit seinem Begutachtungsentwurf für die Neuordnung der Ausbildung der Pflegekräfte eingehandelt. Der Gemeindebund und das Land Salzburg haben wegen befürchteter Mehrkosten sogar den Konsultationsmechanismus ausgelöst. Die Hilfsorganisationen kritisieren die Nichtberücksichtigung der Langzeitpflege und der Behinderten-Betreuung. Nach den Plänen von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) soll die Ausbildung über drei Schienen laufen. Neben einer Pflegeassistenz ist auch die Schaffung einer Pflege-Fachassistenz vorgesehen, die mehr Kompetenzen haben soll. Beide sollen weiterhin an den Krankenpflegeschulen ausgebildet werden, die Ausbildung dauert ein bzw. zwei Jahre. Die gehobenen Pflegefachkräfte (derzeit diplomierte Pflegekräfte) sollen künftig ausschließlich akademisch an Fachhochschulen ausgebildet werden. Inkrafttreten soll die Neuregelung ab September 2016 stufenweise bis 2024. Sowohl der Gemeindebund als auch das Land Salzburg befürchten dadurch Mehrkosten und haben deshalb den sogenannten Konsultationsmechanismus ausgelöst. Sie fordern die rasche Aufnahme von Verhandlungen. Der Gemeindebund verweist darauf, dass die Höherqualifizierung der Pflegekräfte und die Übertragung zusätzlicher Aufgaben, unweigerlich zu höheren Personalkosten führen, die in erster Linie die Gemeinden als Träger von Pflegeeinrichtungen treffen würden. Außerdem wäre die Administration des Personals von drei Pflegeberufen vor allem in kleineren Einheiten und in der mobilen Pflege nur schwer umsetzbar. Dem Rechnungshof fehlen ebenfalls realistische Angaben über die finanziellen Auswirkungen. Auch die Arbeiterkammer hält die Dualisierung in Pflegeassistenz und Pflegefachassistenz für nicht sinnvoll. Sie befürchtet, dass die schlechter ausgebildete und damit auch billigere Pflegekraft bevorzugt beschäftigt wird und fordert nur einen Assistenzberuf mit einer Ausbildungsdauer von zwei Jahren. Auch die Volkshilfe und der Samariterbund lehnen die Aufsplitterung in drei Berufsgruppen ab, weil sie ein Absinken der Qualität befürchten. Der Rechnungshof befürchtet ebenfalls ein Sinken des Qualitätsniveaus, auch weil bundesweit einheitliche Standards nicht vorgesehen seien. Der Seniorenrat glaubt hingegen dass mit dem zusätzlichen Assistenzberuf den Bedürfnissen der Praxis vermehrt Rechnung getragen wird. Der Seniorenrat wünscht sie zusätzlich die Einführung einer Pflegelehre und eine Berücksichtigung des Themas Demenz in dem Gesetz. Die Ärztekammer gibt zu bedenken, dass mit der Einführung der zusätzliche Fachassistenz die Pflegeberufe sehr komplex werden. Für die anordnenden Ärzte werde es kaum noch überblickbar, an welche Pflegepersonen sie welche Tätigkeiten sie delegieren können. Die Ärztekammer stört auch, dass die gehobenen Pflegefachkräfte zwar mehr Kompetenzen bekommen, ihre Ausbildung aber nicht verlängert werden soll. Für die Ärztekammer entsteht der Eindruck, dass die künftigen Pflegeberufe zwar vermehrt medizinisch-ärztliche Aufgaben übernehmen sollen, ihr Kernbereich der Pflege aber kaum noch Beachtung finde. Die Wiener Landesregierung hätte die Anhörung der Ärztekammer in dieser Frage überhaupt nicht für erforderlich erachtet. Die Hilfsorganisationen Caritas, Hilfswerk, Lebenshilfe und der Verband der Sozial- und Gesundheitsunternehmen sowie die Arbeiterkammer kritisieren, dass sich der Entwurf nur auf die stationären Einrichtungen konzentriere. Sie fordern eine Einbeziehung der Langzeitpflege und der Behindertenarbeit. Dem Verband der Sozial- und Gesundheitsunternehmen erscheinen die Umsetzungsfristen zu lange. Auch der Verband der Pflegedirektoren sieht durch die schrittweise Umsetzung mit langen Übergangsfristen die Gefahr von Unklarheiten. Das Bildungs- und Frauenministerium urgiert eine gender-symmetrische Berufsbezeichnung, damit sich Krankenschwestern nicht mehr mit dem Vornamen anreden lassen müssen. Das Primärversorgungszentrum Donaustadt kommt vorerst nicht zustande. Wien – In Wien wird es vorerst bei einem Primärversorgungszentrum (PHC) bleiben. Heißt es jedenfalls aus dem Büro von Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Das zweite geplante PHC hätte in unmittelbarer Nähe zum Donauspital eröffnet werden sollen. Drei Anläufe hat man bislang unternommen, jetzt wurde das Projekt auf Eis gelegt, heißt es auf Anfrage des STANDARD. Es habe sich kein Bewerber gefunden, der die Anforderungen erfüllen kann. Verantwortlich dafür sei die Ärztekammer, die auch für die Ausschreibung zuständig war. Deswegen sei das PHC-Gesetz, wie es Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) plant, dringend notwendig, um Rechtssicherheit für die Ärzte zu schaffen. Denn Pilotprojekte seien nur auf fünf Jahre dimensioniert. Wir schreiben das sofort wieder aus In der Wiener Ärztekammer hält man vom Gesetzesplan bekanntlich wenig. Auch die weitere Vorgehensweise in Sachen Versorgungszentrum Donauspital stellt sich aus ihrer Sicht anders dar. Zwar sei die Ausschreibung des Primärversorgungszentrums Aufgabe der Standesvertretung, die inhaltliche Ausgestaltung sei allerdings gemeinsam mit der Wiener Gebietskrankenkasse erfolgt. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres will im Gespräch mit dem STANDARD nichts vom Projektende wissen: Wir schreiben das sofort wieder aus. Und zwar Anfang nächsten Monats. Schließlich möchte man ja wissen, wie das funktioniert. Diesmal war die Realisierung des PHC übrigens daran gescheitert, dass sich nur zwei statt der erforderlichen drei Kollegen zur Zusammenarbeit gemeldet hätten. Den Vorwurf, die Kammer betreibe mit ihrer angedrohten (und mehr als unrealistischen) Aufkündigung des Gesamtvertrags Blockade und Klientelpolitik, kontert Szekeres so: Dass das Thema eine Kampfansage an die Ärztekammer ist, sollte sich durchgesprochen haben. Dabei handle man stets im Interesse der Patienten. Und für die fürchtet Szekeres unter anderem, dass Hausärzte, die bereits jetzt zum Sozialtarif arbeiten, mit den geplanten leichter kündbaren Einzelverträgen noch mehr in den Wahlarztbereich wandern könnten. Zudem fürchtet er um den wohnortnahen Hausarzt. Gesundheitsministerium arbeitet noch am Entwurf – Ärztekammer noch nicht eingebunden. Wien – Das von der Ärztekammer angefeindete geplante Gesetz für die Primärversorgung im Gesundheitsbereich liegt weiter nicht als Entwurf vor. Noch werde hausintern gearbeitet, hieß es am Montag auf Anfrage im Gesundheitsministerium. In den Kammern wird schon der Protest vorbereitet. Das Gesetz soll ambulante Versorgungseinrichtungen ermöglichen, in denen Ärzte und Pfleger ganztägig zur Verfügung stehen. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauer (SPÖ) hatte Verhandlungen mit dem Koalitionspartner, den Ländern und der Sozialversicherung für September angekündigt. Auch die Ärztekammer werde eingebunden, hatte es im August geheißen. Noch gibt es aber nur eine Punktation, den Entwurfstext – Anfang September für die nächsten Wochen versprochen – aber noch nicht. Verhandlungen fanden noch keine statt, hieß es in der Kammer. Die Ärztekammer ist jedenfalls schon auf den Barrikaden und hat die österreichweite Kündigung der Verträge mit den Krankenkassen angedroht, sollte das Primary Health Care-Gesetz (PHC-Gesetz) wie geplant beschlossen werden. Die Folge wäre ein vertragsloser Zustand im ganzen Land. Die Standesvertreter fürchten um ihre Entmachtung beim Ausverhandeln der Gesamtverträge und warnen vor der Abschaffung des Hausarztes. Die Ärztekammer in Oberösterreich ist der Empfehlung ihrer Bundeskurie bereits gefolgt. Sollten die bisher vorliegenden Eckpunkte des PHC-Gesetzes tatsächlich umgesetzt werden, werde man aus dem Kassenvertrag aussteigen, beschloss die Landeskurie vergangene Woche einstimmig. Ein ähnlicher Beschluss ist wohl auch kommende Woche bei der Kuriensitzung der Wiener Kammer zu erwarten. Bei Bund, Ländern und Sozialversicherung stößt diese Position auf Unverständnis, und auch unter Medizinern scheint die Kammer nicht nur Unterstützer ihres Konfrontationskurses zu haben. Allgemeinmedizin-Professor Manfred Maier von der Med-Uni Wien bezeichnete den sofortigen Protest in einem offenen Brief am Montag als schwer nachvollziehbar. Er appellierte an alle Beteiligten zu einer neuen Kultur der gemeinsamen und sachorientierten Kommunikation zu finden. Konflikt um Kollektivvertrag – Grüne Kreuze fürchten hohe Nachzahlung an Krankenkasse. Wien – Zwischen dem Roten Kreuz und Grünen Kreuzen tobt ein Rechtsstreit, der jetzt in Klagen gegen die Republik gipfelt. Die Grünen Kreuze müssen ihre Mitarbeiter womöglich nach dem für sie teureren Kollektivvertrag des Roten Kreuzes bezahlen, finden das aber ungerecht, zumal die Mitarbeiter dann netto weniger verdienen würden. Deshalb sind mehrere Grüne Kreuze aus der Steiermark nun gegen das für den Rot-Kreuz-Kollektivvertrag zuständige Bundeseinigungsamt vor Gericht gezogen. Durch Nachzahlungen an die Gebietskrankenkasse entstehe ihnen ein erheblicher Schaden, argumentieren sie. Das Bundeseinigungsamt ermöglicht einem Quasi-Monopolisten, den wenigen Konkurrenten den eigenen Kollektivvertrag überzustülpen, sagte Anwalt Michael Poduschka. Dadurch ergibt sich die Gefahr, dass die Existenz der Grünen Kreuze infrage gestellt wird. Poduschka hat für einige Grüne Kreuze aus der Steiermark drei Amtshaftungsklagen gegen die Finanzprokuratur als Vertreterin der Republik eingebracht. Gegen die Republik deshalb, weil diese für das Bundeseinigungsamt haftet. Das Amt ist dafür zuständig, Berufsvereinigungen oder Dachverbänden eine Kollektivvertragsfähigkeit zuzuerkennen. Im Falle des Roten Kreuzes hätte das das Amt aber nicht tun dürfen, so Poduschka in der Klage. Schon im Jahr 2013 habe der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) eindeutig festgestellt, dass das Rote Kreuz nicht kollektivvertragsfähig sei. Daraufhin sei das Bundeseinigungsamt ein Jahr völlig untätig geblieben. Im Juni 2014 schließlich habe das Amt die Kollektivvertragsfähigkeit des Roten Kreuzes erneut festgestellt. Ermöglicht worden sei das durch eine Statutenänderung, mit der in der Satzung des Roten Kreuzes ein Kollektivvertragssausschuss eingeführt wurde. Dieser Ausschuss nimmt die Interessensvertretung im Hinblick auf die Regelung der Arbeitsbedingungen wahr und entscheidet mit einfacher Mehrheit. Für je zehn vollversichert beschäftigte Arbeitnehmer steht den Vertretern ein Stimmrecht zu, wird in der Klage ausgeführt. Da das Rote Kreuz 7.258 Personen beschäftigte und das Grüne Kreuz lediglich 600 bis 800, kämen dem Roten Kreuz im Ausschuss 725 Stimmen zu, den Grünen Kreuzen nur 80. De facto könne also das Rote Kreuz wieder autonom über die Ausgestaltung des Kollektivvertrags entscheiden. Da das Bundeseinigungsamt die Kollektivvertragsfähigkeit trotzdem bejaht hat, sei den Grünen Kreuzen ein Schaden entstanden. Diesen wollen die Kläger nun vom Staat ersetzt bekommen. In einer der drei Klagen machen zwei steirische Regionalstellen des Grünen Kreuzes allein für einen fünfmonatigen Zeitraum im Jahr 2012 einen Schaden von knapp 58.000 Euro geltend. Es seien dies Mehrkosten, die sich im Gefolge von Prüfungen durch die Gebietskrankenkasse ergäben. Die Krankenkasse wende bei den Grünen Kreuzen den Kollektivvertrag des Roten Kreuzes an. Den Grünen Kreuzen drohen laut Poduschka Abgaben-Nachzahlungen bis ins Jahr 2008. Derzeit beschäftigten die Grünen Kreuze ihre Mitarbeiter nach dem Bundeskollektivvertrag für das Personenbeförderungsgewerbe mit Pkw. Dieser ist, so Poduschka, für die Arbeitnehmer günstiger als der Kollektivvertrag des roten Kreuzes. Beim Rot-Kreuz-KV kommt für die Mitarbeiter weniger raus, aber den Arbeitgeber kostet es mehr. Beim Roten Kreuz war zu dem Thema vorerst keine Stellungnahme zu erhalten, bei der Finanzprokuratur war am Donnerstagabend niemand zu erreichen. Die erste Verhandlung in der Sache findet am Montag am Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien statt. Weil die Medikamentenkosten explodieren, hofft die Krankenkasse auf den Gesetzgeber. Wien – Jedes Mal, wenn in der Apotheke ein Tablettenschachterl über den Verkaufstisch wandert, entstehen für die Krankenkassen weit höhere Kosten als die 5,55 Euro Rezeptgebühr – im Fall der Wiener Gebietskrankenkasse rund 23 Euro pro Heilmittelpackung. Manchmal zahlt die Kasse aber auch deutlich mehr. Etwa für Patienten, die eines der neuen Hepatitis-C-Medikamente benötigen: Hier schlägt die Packung mit rund 14.270 Euro zu Buche. Herausforderungen Ingrid Reischl, Obfrau der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und Vorsitzende der Trägerkonferenz im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, spricht angesichts solcher Zahlen von modernem Raubrittertum und warnt vor einer Lücke von rund einer Milliarde Euro, die der Sozialversicherung angesichts solcher Ausgabebrocken für die Jahre 2015 bis 2018 drohe. Dabei seien bereits die in der Gesundheitsreform vereinbarten Kostensteigerungen von drei Prozent pro Jahr eine Herausforderung bei gleichzeitig geringen Beitragssteigerungen. Reischl: Diesen Zielwert haben wir zuletzt mit monatlichen Steigerungsraten von bis zu zehn Prozent deutlich überschritten. Für die kommenden Jahre rechnet man angesichts einer Reihe neuer Krebsmedikamente mit einem weiteren Kostenanstieg zwischen fünf bis sechs Prozent. Wie gut, dass Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) die Pharmafirmen zu Zwangsrabatten verdonnern will. Ein Gesetzesentwurf, der eine Preisreduktion zwischen drei und 15 Prozent vorsieht, die die Kassen im Nachhinein verrechnen dürfen, sorgte in der Branche bereits für gehörige Aufregung. Damit sollen pro Kasse in den Jahren 2017 bis 2019 je 125 Millionen Euro eingespart werden. Gleichzeitig laufen noch Verhandlungen, von denen Reischl bereits jetzt sagt: Ich bin nicht sehr optimistisch. Ohne Box Des Übels Wurzel liegt für sie unter anderem darin, dass Pharmafirmen ihre Medikamente immer öfter am sogenannten Erstattungskodex vorbeischummeln. Zur Erklärung: Der Erstattungskodex listet all jene Medikamente auf, die grundsätzlich von der Sozialversicherung bezahlt werden. Präparate, die in die Green Box fallen, sind frei verschreibbar, was in der Yellow oder der Red Box liegt, ist chefarztpflichtig. Wer möchte, dass sein Produkt in den Erstattungskodex aufgenommen wird, erklärt sich damit zu Preisverhandlungen bereit. Das Resultat: Für eine steigende Anzahl an neuen Medikamenten wird gar kein Antrag gestellt. Denn die Kosten muss die Kasse, sofern es keine therapeutische Alternative gibt, trotzdem übernehmen. Das ist zum Beispiel bei vielen Krebsmedikamenten der Fall: Zwei Drittel der dafür aufgewendeten Kosten (nämlich sechs Millionen Euro) musste die WGKK im ersten Halbjahr 2015 dafür aufwenden. Insgesamt schlugen Medikamente, die nicht in den Erstattungskodex aufgenommen wurden, im Jahr 2014 für die Sozialversicherungen mit rund 256 Millionen Euro zu Buche. Fantasiezahlen Um all das besser in den Griff zu bekommen, hat Reischl eine Reihe von Vorschlägen: darunter etwa die verbindliche Generikasubstitution. Eine solche Verpflichtung zur Abgabe kostengünstiger, wirkstoffidenter Medikamentenalternativen gibt es beispielsweise in Deutschland, den Niederlanden oder Italien. Außerdem sollten hochspezialisierte, teure Medikamente ausschließlich in Spitalsambulanzen oder Gesundheitszentren abgegeben werden. In Wien gibt es etwa sechs Zentren zur Genehmigung der hochpreisigen Hepatitis-C-Präparate. Mit dieser kontrollierten Abgabe würden Patienten im Schnitt mit 3,8 Packungen als geheilt gelten, österreichweit mit 5,4 Packungen – das geht bei einem Wert von über 14.000 Euro pro Packung ins Geld, sagt Reischl. Die Pharmawirtschaft wehrt sich gegen die erhobenen Vorwürfe, spricht von Fantasiezahlen und warnt, der Zwangsrabatt könne Verzögerungen bei der Markteinführung verursachen. Zur Idee, Arzneimittelpatente künftig kürzer als zehn Jahre vor Generika-Konkurrenz zu schützen, äußert man sich erst gar nicht. Rabmer-Koller: Geringe Sozialversicherungserfahrung kein Nachteil. Wien – Die künftige Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, sieht ihre neue Funktion als sehr große Aufgabe und ist sich der Herausforderung bewusst. Sie will das Gesundheitssystem zukunftsfähig halten und laufend weiterentwickeln. Ansetzen müssen man dabei in allen Bereichen. Details will sie aber erst nach ihrer Wahl im Dezember nennen. Ihre geringen Erfahrungen im Bereich der Sozialversicherungen sieht die künftige Hauptverbands-Chefin nicht als Nachteil. Es handle sich dabei um eine Managementfunktion, und sie bringe jahrelange Erfahrung als Managerin, Unternehmerin und Interessensvertreterin mit, betonte Rabmer-Koller im Gespräch mit der APA. Da sie aktuell keine Funktion in einem Sozialversicherungsträger hat, muss sie vor der Wahl in den Vorstand des Hauptverbandes erst ein Mandat in der Allgemeinen Unfallversicherungsanstalt (AUVA) übernehmen. Rabmer-Koller verwies aber darauf, dass sie vor einigen Jahren bereits eine Funktion in der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) innehatte. Sehr wichtig ist Rabmer-Koller eine gute Zusammenarbeit mit der Arbeitnehmerseite. Bei den großen Herausforderungen könne man nur gemeinsam zu guten und raschen Lösungen kommen. Deshalb will sie auch schon bald Gespräche mit den Sozialpartnern aufnehmen und sich bei allen Stakeholdern vorstellen. Rabmer-Koller ist am Mittwoch einstimmig vom Präsidium des ÖVP-Wirtschaftbundes für die Nachfolge des in die ÖVP-Zentrale gewechselten Peter McDonald designiert worden. Als erste Frau an die Spitze des Hauptverbandes soll die bisherige Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer dann am 15. Dezember gewählt werden. Formal wird sie von der Trägerkonferenz in den zwölfköpfigen Verbandsvorstand nominiert und dort dann zur Vorsitzenden gewählt. Warum Zuwanderer seltener zu Vorsorgeuntersuchungen gehen und häufiger an Depressionen erkranken, erklärt Medizinsoziologe Ramazan Salman. STANDARD: Vorsorgeprogramme werden von Migranten kaum angenommen: Woran liegt das? Salman: Viele Menschen wissen nicht, dass es bei uns genauso war. Die staatliche Vorsorgekultur hat sich bei uns erst in den letzten 50 Jahren entwickelt. Viele Zuwanderer kommen aus Kulturen mit traditionellen Systemen. Man geht erst zum Arzt, wenn das Leid als schwere Krankheit erkennbar ist. Wir haben die Vorsorgekultur entwickelt, weil wir Krankheiten verhindern wollen, Kosten sparen und die Menschen leistungsfähig halten wollen. Diese Idee ist in ihrer Sozialisation nicht verinnerlicht. Besondere Zuwendung würde Sinn ergeben. STANDARD: In welcher Form? In ihrer Muttersprache? Salman: Die Realität ist viel diverser. Man muss es eher zweisprachig machen, gerade bei jungen Menschen. Sprache ist eine Ebene, aber auch die Gesundheitskompetenz ist in den meisten Gruppen nicht stark entwickelt. Wenn jetzt Syrer kommen, ist ihre geringste Sorge eine Grippe-Impfung – auch wenn das sinnvoll wäre. Wenn wir präventiv denken, müssen wir sie schützen. STANDARD: Dabei ist doch der Zugang zum Gesundheitssystem recht niederschwellig. Jeder kann in ein Krankenhaus gehen. Salman: Das ist aber nicht allen klar. Wir haben einen viel größeren Individualisierungsgrad. Jeder ist stärker für sich verantwortlich und deckt bestimmte Gesundheitsaspekte wie Vorsorge oder Impfungen selbst ab. Dazu zwingt einen ja keiner. Die kulturellen Unterschiede etwa zu ländlichen Regionen sind groß. STANDARD: Der kulturelle Unterschied bezieht sich auf Eigenverantwortung? Salman: Es ist nicht richtig, die Verantwortung unsachlich hin- und her zu schieben. Wenn Menschen zuwandern, tragen auch wir hier Verantwortung, dass es klappt. Das Gesundheitssystem muss gut bleiben und darf nicht ineffektiv werden. Da muss es sich auch weiterentwickeln. Das zeigt sich etwa beim Dolmetschen. STANDARD: Das sollte selbstverständlich sein. Ist das auch der Fall? Salman: Es muss sein, denn Patientenrechte sind enorm wichtig, die Patienten müssen über Behandlung und Alternativen aufgeklärt werden. Damit kann ich sie auch selbstständig machen, um den Prozess sinnvoll zu gestalten. Sie kommen ja auch zu uns, weil es hier ein Menschenrecht auf Gesundheit gibt. Jedes Kind, das an Leukämie erkrankt, bekommt eine Therapie. STANDARD: Es geht aber nicht nur um sprachliche Verständigungsschwierigkeiten, sondern auch um kulturelle. Salman: Darüber wunder ich mich seit 30 Jahren. Die Unterschiede im Gesundheitswesen kommen daher, dass sie andere Sichtweisen von Gesundheit haben, die auch religiös bedingt sind. Um gesund zu werden, brauchen etwa Araber viel Besuch. Wenn nicht die ganze Gemeinschaft zeigt, dass sie Anteil an deiner Krankheit hat, wirst du depressiv und schwerer gesund. Diese Unterschiede wurden viel zu lange vor uns hergefegt. Man kann sie verstehen lernen. Es gibt viele Ärzte, die in ein Land reisen, wo viele ihrer Patienten herkommen. STANDARD: Zuwanderer werden oft als Kostenträger für das Sozialsystem bezeichnet. Dabei stimmt das nicht. Salman: Sie zahlen nennenswert mehr ein, als sie herausbekommen, das hat eine Bertelsmann-Studie ergeben. Das hat aber nicht nur angenehme Hintergründe, denn die Lebenserwartung ist deutlich niedriger. Bei türkischen Industriearbeitnehmern lag sie zwölf Jahre unter dem deutschen Schnitt, heute sind es nur noch vier bis fünf Jahre. Sie haben aber trotzdem eine höhere Lebenserwartung als in ihrem Herkunftsland. Das heißt, sie sind dabei, sich zu integrieren. Da sie aber eher sterben, kassieren sie nie sehr lange Rente. Das System wird manchmal nicht sinnvoll genutzt, wie man eben bei Vorsorge sieht. STANDARD: Einer Studie der Med-Uni Wien zufolge sinkt bei Migranten die Zufriedenheit mit dem Alter. Hängt das damit zusammen? Salman: Das ist ein Sozialisationsprozess. Das wird manchmal überbewertet. In manchen Kulturen ist das typisch. Sie würden eigentlich in einer Wohnung mit ihren Kindern leben und von ihnen versorgt werden. Hier ist es aber nicht so, weil sie in einer Gesellschaft leben, in der ihre Kinder leistungsfähig sein sollen und nicht ihre Eltern pflegen können. STANDARD: Gleichzeitig steigen aber auch psychiatrische Erkrankungen und psychische Probleme: Woran liegt das? Salman: Bei Depressionen beobachten wir einen starken Anpassungsprozess. Migranten profitieren von den gleichen Lebens- und Arbeitsumständen wie alle anderen auch, werden aber genauso von ihnen geschädigt. Diese Umstände fördern Depressionen. Hinzu kommt noch der kulturelle Wandel. Die älteren Menschen haben nicht so ein Problem mit der Mehrheitsgesellschaft, sondern innerhalb der eigenen Kultur. Es findet ein Modernisierungsschub in der Familie statt: das Rollenverständnis oder auch der Umstand, dass junge Menschen nicht mehr gehorchen und für sich selbst entscheiden. Wenn innerhalb einer Familie junge Menschen sich individualisieren, ist das eine kulturelle Diversität in der Familie. Das ist ein Druck- und Stressfaktor, der seelische Belastungen und Krankheiten stark begünstigt. Am 9. Dezember startet die Elektronische Gesundheitsakte in Wien und der Steiermark. Seit Jahren wird über Elga heftigst debattiert, Anfang Dezember geht die Elektronische Gesundheitsakte in den ersten Spitälern in Echtbetrieb. Die wichtigsten Fragen und Antworten vor dem Start: Die Elektronische Gesundheitsakte ist ein Informationssystem, das Patienten und ihren behandelnden Ärzten, Spitälern, Pflegeeinrichtungen und Apotheken einfachen, orts- und zeitunabhängigen Zugang zu Gesundheitsdaten ermöglicht. Die verwendeten Daten und Befunde werden dafür nicht zentral gespeichert, sondern mittels Elga vernetzt. Als Schlüssel zu den Daten dient die E-Card. Den ersten Schritt machen öffentliche Spitäler in der Steiermark und Wien am 9. Dezember. Während in der Steiermark mit der Teilnahme aller Landeskrankenhäuser der Krankenanstaltengesellschaft und anderen Einrichtungen mehr als 90 Prozent der stationären Fälle abgedeckt werden können, geht man die Sache in Wien zaghafter an. Zum Stichtag werden lediglich fünf Abteilungen des Spitals Hietzing mit Elga arbeiten. Anfang 2016 sollen die anderen Spitäler und Abteilungen des Krankenanstaltenverbunds folgen. Im AKH Wien startet Elga im Frühjahr 2016. Für die schrittweise Einführung hat man sich entschieden, weil damit etwaige technische Probleme leichter zu lösen seien. Die anderen Spitäler und Bundesländer sollen dann im Laufe des nächsten Jahres an Elga angeschlossen werden. Für niedergelassene Ärzte gilt: Ab Mitte 2016 freiwillig, ab Mitte 2017 ist Elga für sie verpflichtend! Anfangs werden ärztliche und pflegerische Entlassungsbriefe, Labor- und Radiologiebefunde aus den teilnehmenden Spitälern abrufbar sein. Es werden nur neue Befunde aufgenommen. Weitere Befundarten sollen folgen, beispielsweise Röntgenbilder. Das ist jener Teil von Elga, der via Datenbank jene Medikamente speichert, die dem Patienten vom Arzt verordnet wurden. Auch die von Apotheken abgegebenen rezeptfreien Arzneimittel werden hier gespeichert. Eine automatische Wechselwirkungsprüfung gibt es jetzt zwar nicht, Ärzte können aber anhand der für den Patienten einsehbaren Liste Wechselwirkungen überprüfen und Doppelverschreibungen vermeiden. Die E-Medikation geht im zweiten Quartal 2016 in der steirischen Region Deutschlandberg in Probebetrieb. Erstmals sind die eigenen Gesundheitsdaten über das Elga-Gesundheitsportal – www.gesundheit.gv.at – abrufbar. Hier kann die Elga-Teilnahme auch widerrufen werden (opt out). Es gibt zudem die Möglichkeit, bestimmte Dokumente einzeln auszublenden. Grundsätzlich hat aber ohnehin nur jener Gesundheitsanbieter Einsicht in die Gesundheitsakte eines Patienten, mit dem ein Behandlungs- oder Betreuungsverhältnis vorliegt. Die Zugriffsberechtigung für Ärzte, Krankenanstalten oder Pflegeeinrichtungen bleibt ab Stecken der E-Card für 28 Tage aufrecht (etwa für das Einspielen noch ausständiger Befunde). Apotheken haben nur zwei Stunden auf die Medikationsdaten Zugriff. Behörden, Versicherungen oder Betriebsärzte haben keinen Zugriff. Wer Elga nicht ganz traut, kann sich auch nur teilweise von Elga abmelden, also von einzelnen Funktionen wie E-Medikation oder E-Befunde. Seit 2014 haben sich rund 225.000 Personen von Elga abgemeldet. Bund, Länder und Sozialversicherung sagen ja. Die Ärztekammer zweifelt. Volker Schörghofer, als stellvertretender Generaldirektor zuständig für das Projekt, sagt: Elga muss nach allen Regeln der Kunst sicher sein. Also habe man sogar Hackerangriffe von externen Firmen im Vorfeld simuliert. Beim KAV hält man einen Großangriff auf Elga-Daten auch deshalb für schwierig, weil keine großen Datenmengen an einem zentralen Platz gespeichert werden. Auch eine Betrugserkennungssoftware wird eingesetzt. Jeder Zugriff wird mitprotokolliert und kann vom Patienten eingesehen werden. Nach zahlreichen Kampagnen gegen Elga spricht Ärztekammerpräsident Arthur Wechselberger jetzt, vor dem Start in Wien und der Steiermark, von einer Nagelprobe, ob es funktioniert oder nicht. Wenn nämlich die Benutzerfreundlichkeit nicht ausreiche und der Einsatz des neuen Systems für die Ärzte nicht praktikabel sei, dann kann sich Wechselberger vorstellen, dass sich die Ärzte wehren. Sie pochen auch auf eine Abgeltung der in den Ordinationen nötigen Investitionen, Verhandlungen dazu laufen noch. Die Vernetzung der Daten soll einen besseren Informationsfluss zwischen den am Behandlungsprozess Beteiligten bewirken. Relevante Gesundheitsdaten werden zeit- und ortsunabhängig zur Verfügung gestellt, wovon man sich eine Verbesserung der Behandlungsqualität und eine Erhöhung der Patientensicherheit verspricht. Außerdem würden Patienten, neben dem Vorteil, die eigenen Befunde und Medikamentenübersicht via Internet abrufen zu können, Mehrfachuntersuchungen erspart. Als Patient muss man für Elga nicht zusätzlich zahlen, kostenlos ist die Gesundheitsakte aber natürlich nicht. Bund, Länder und Sozialversicherung haben seit 2010 und noch bis 2017 rund 130 Millionen Euro in das System gesteckt. Die laufenden Kosten pro Jahr werden ab 2018 auf rund 18 Millionen Euro geschätzt. Gleichzeitig erwartet man sich ab 2017 eine Kostendämpfung von 129 Millionen Euro pro Jahr durch die Vermeidung von Mehrfachmedikationen oder Doppelbefundungen. Wenn Elga Anfang Dezember an den Start geht, sollen weitere 750.000 Euro in eine begleitende Infokampagne fließen. Mehr Eingriffe ohne Klinikaufenthalt – Österreich international dennoch unter Durchschnitt. Wien – Es gibt wohl nur sehr wenige Menschen, die gerne länger im Krankenhaus bleiben als sie unbedingt müssen. Die nun veröffentlichte Entlassungsstatistik heimischer Spitäler ist also grundsätzlich eine erfreuliche Nachricht: Die Zahl der Krankenhausaufenthalte ohne Übernachtung steigt – und das deutlich. In den vergangenen fünf Jahren gab es hier ein Plus von fast dreißig Prozent. Noch stärker ist die Zunahme an tagesklinischen Operationen – also jenen Eingriffen, die ohne nächtlichen Spitalsaufenthalt auskommen. Werden Patienten doch stationär aufgenommen, dürfen sie in der Regel früher wieder nach Hause: Ein durchschnittlicher Klinikaufenthalt dauerte im Jahr 2004 noch etwas mehr als sieben, im Jahr 2014 nur noch 6,5 Tage. Für Patienten ist das auch deshalb positiv, weil sie so vor Krankenhausinfektionen geschützt werden. Spitäler sind für Kranke schließlich ein gefährlicher Ort, sagt Patientenanwalt Gerald Bachinger. Er fügt allerdings an: Hier ist noch viel Luft nach oben. Im Vergleich zu anderen europäischen Ländern haben wir immer noch ein enorm krankenhauslastiges System. Erhebungen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung geben ihm recht: Im OECD-Vergleich liegt Österreich bei bestimmten tagesklinischen Operationen bis heute weit unter dem Durchschnitt. Mandeloperationen – zum Beispiel – werden in Österreich nie ambulant durchgeführt, in vielen anderen Ländern ist das hingegen längst die Norm. Die österreichische Gesundheitspolitik setzt seit Jahren auf das Mantra ambulant statt stationär. Auch deshalb, weil der Staat dadurch Kosten spart. In Niederösterreich zeigte sich: Bei gewissen Erkrankungen ist es sogar günstiger, ein Team regelmäßig zum Kranken nach Hause zu schicken, als ihn im Spital zu versorgen – seit einigen Jahren bietet das Landesklinikum St. Pölten diesen Service nämlich für Dialysepatienten an. Was in der Spitalsstatistik der Statistik Austria auch erfasst wird: In den vergangenen Jahren hat sowohl die Zahl der Krankenanstalten wie auch die der in den Spitälern tätigen Ärzte und Pfleger deutlich zugenommen. Aufholbedarf ortet Bachinger aber vor allem für die Zeit nach der Entlassung: Die Patientenübergabe von Krankenhaus an Hausarzt funktioniert oft gar nicht gut. An der Anästhesie herrscht Personalmangel, zwei Operationssäle sind geschlossen. Innsbruck – Das seit Anfang des Jahres geltende Ärztearbeitszeitgesetz fordert an der Innsbrucker Klinik Tribut: Bis Jahresende könnten zahlreiche Operationen nicht mehr durchgeführt werden, weil es an der Anästhesie einen Personalmangel gebe, berichtete der ORF Tirol am Dienstag. In einzelnen Abteilungen könnten bis zu zehn Prozent der Eingriffe entfallen. Wir haben im Durchrechnungszeitraum gesehen, dass die Anästhesie bis Jahresende keine gesetzeskonformen Dienstpläne mehr zusammenbringt. Jetzt müssen sich alle sehr kurzfristig umstellen. Das bringt natürlich große Unruhe, sagte die Ärztliche Leiterin Alexandra Kofler zum ORF. Zwei Operationssäle seien derzeit geschlossen, in zwei weiteren könnten keine Vollnarkosen durchgeführt werden. Betroffen seien länger planbare Operationen, Notfälle und Akutpatienten würden weiterhin so rasch wie möglich operiert. Neben den Auswirkungen des Ärztearbeitszeitgesetzes habe sich die Situation dadurch verschärft, dass zahlreiche Anästhesisten die Klinik verlassen hätten und sich kaum Mediziner für die offenen Stellen bewerben würden. Laut Kofler ist der Andrang bei ausgeschriebenen Stellen nicht sehr groß. Zwar schreibe man diese auch in Deutschland aus, aber Fachärzte bekomme man kaum. Dafür macht sie unter anderem die neue Ärzteausbildungsordnung verantwortlich: Das macht natürlich auch Unsicherheit bei Jungärzten, die schauen, wo sie eine Stelle kriegen und wie es dort läuft. Eine andere Art der Operationsplanung soll bereits im kommenden Jahr Abhilfe schaffen. Weil die Ressource Anästhesie eine reduzierte sei, sollen chirurgische Fächer zusammen mit der Anästhesie OP-Pläne machen und nicht mehr isoliert voneinander. Laut OP-Manager Thomas Werner-Mathienz sind die Einschränkungen überschaubar. Natürlich gebe es Abstriche, diese seien aber nicht so dramatisch. Beispielsweise seien von den 45 OPs in der vergangenen Woche sechs auf Lokalanästhesie reduziert worden. In allen anderen lief Vollbetrieb, so Werner-Mathienz. Zudem seien Anästhesieplätze in der Peripherie, also etwa in der Zahnklinik oder für die Magnetresonanztomografien, versorgt worden. Insgesamt gebe es an der Anästhesie in Innsbruck 140 Vollzeitäquivalente, aufgeteilt auf rund 160 Köpfe. Täglich müssten damit etwa 75 Arbeitsplätze in den Operationssälen und den peripheren Bereichen besetzt werden. Alle zentralen Operationsbereiche seien versorgt, lediglich an den Nebenschauplätzen gebe es Einschränkungen: Die Notfallversorgung ist niemals gefährdet. Es musste keine dringende OP verschoben werden. Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) nahm die Führung der Klinik in die Pflicht. Ich erwarte mir von der Klinikführung, die Dienstpläne so zu gestalten, dass es in der Gesundheitsversorgung zu keinem Defizit kommt, sagte er am Dienstag. Er erwarte sich von den Verantwortlichen, dass alle Maßnahmen unternommen werden. Es dürfe nicht sein, dass Operationen verschoben oder gar Notoperationen nicht durchgeführt werden. Es wird viel Geld zu Verfügung gestellt, sagte Platter. Die Tiroler SPÖ zeigte sich über die Aussage von Platter verärgert, wonach die Klinik die Dienstpläne besser zu gestalten habe. Die andere Gestaltung von Dienstplänen werde nichts helfen, wenn das entsprechende Personal fehlt, erklärte Landesabgeordnete Gabi Schiessling. Platters Anregungen dazu sind entbehrlich, kritisierte die Gesundheitssprecherin der Tiroler Sozialdemokraten. Für Schiessling handelt es sich um ein über Jahre hausgemachtes Problem. Seit 1994 liegen die Gesundheitsagenden bei der ÖVP. Sie hat 20 Jahre lang weggeschaut und die Ärzte haben sich nicht gewehrt, sagte sie. Das neue Arbeitszeitgesetz verschärfe die Situation. Für die Gesundheitssprecherin der Bundes-Grünen, Nationalratsabgeordnete Eva Mückstein, ist es unverantwortlich, dass bis Jahresende aufgrund von Personalmangel in der Anästhesie zahlreiche Operationen nicht mehr durchgeführt werden könnten. Vor allem sozial Schwächere wären betroffen. Das im Vorjahr beschlossene Krankenanstalten-Arbeitszeitgesetz hatte eine Vorlaufzeit von elf Jahren, da die EU-Arbeitszeitrichtlinie bereits seit 2003 in Kraft ist, trotzdem steht man planlos da, sagte Mückstein, deren Parteifreunde in der Tiroler Landesregierung sitzen. Scharfe Kritik kam von der Opposition. FPÖ-Chef Markus Abwerzger ortete, sollten die Angaben über ausfallende Operationen stimmen, eine Bankrotterklärung des zuständigen Gesundheitslandesrats Bernhard Tilg (ÖVP). Die Liste Fritz sprach von einem dramatischen Befund der Verantwortlichen, der nicht zu überraschen brauche. Er zeige nur deren Hilflosigkeit auf. Die Patientenversorgung in Tirol steht auf dem Spiel. Der zuständige ÖVP-Gesundheitslandesrat Tilg und das Management der Tirol-Kliniken haben bis dato keine langfristige Lösung ausverhandelt, sondern geglaubt, mit einem finanziellen Lockangebot die Ärzte halten und die Misere aussitzen zu können, sagte Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider. "Prekäre Situation" in Innsbruck, Salzburg fehlen Fachärzte, in Wien warten Patienten. Innsbruck/Wien – Die Umstellung auf die 48-Stunden-Woche für Ärzte wird nicht reibungslos verlaufen – davor warnten Mediziner und ihre Standesvertretung, seit bekannt wurde, dass die Europäische Union ihre Arbeitszeit begrenzen möchte. Nun kann man aber nicht mehr von Einzelfällen sprechen: Lange Wartezeiten auf Operationen sind in Österreich inzwischen die Norm. Ob Innsbruck, Wien oder Salzburg, die Ärzte sind ausgelastet, die Operationssäle sind es nicht. In Tirols Landeshauptstadt können an der Uniklinik bis Jahresende zahlreiche Operationen gar nicht mehr durchgeführt werden, in einzelnen Abteilungen entfallen bis zu zehn Prozent der geplanten Eingriffe, sagt die ärztliche Direktorin Alexandra Kofler. Es fehle das Personal dafür. Innsbrucker Klinikärzte beschreiben die Lage als prekär. Gute Nachbesetzungen seien kaum zu finden, vor allem an Anästhesisten mangle es. Die Verhandlungen ziehen sich nun seit zwei Jahren. In der Politik nennt man das Verhandlungsstil, für uns ist das unerträglich, sagt Renate Larndorfer, Unfallchirurgin und Sprecherin der Innsbrucker Klinikärzte. Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) spielt den Ball zurück: Die Klinikleitung und die Universität haben die Dienstpläne so zu gestalten, dass die Gesundheitsversorgung funktioniert, sagt er. Schließlich stelle das Land dafür viel Geld zur Verfügung, und auch eine Personalaufstockung sei längst beschlossen. Da muss man dann halt auch Bewerbungsgespräche führen, maßregelt der Landeschef. Ganz so dramatisch ist die Situation in Wien nicht. Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres spricht im STANDARD-Gespräch von punktuellen Engpässen, etwa bei Wartezeiten auf Hüftoperationen. Herunterspielen will er das aber nicht: Die Wartezeiten waren immer schon lang. Durch die 48-Stunden-Woche habe sich die Situation verschärft. In den Wiener Gemeindespitälern gilt die neue Arbeitszeit seit Juli, nun sei man am Ende des Durchrechnungszeitraums angekommen, einige Abteilungen wie die Kinderchirurgie könnten kaum besetzt werden. Szekeres sagt: Dürfen Ärzte nicht mehr arbeiten, ist die Situation nicht zu bewältigen. Die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz berichtet von verzweifelten Patienten – in den Gemeindespitälern, aber auch im AKH, wo mehr als die Hälfte der Ärzte die Sonderregel akzeptiert haben, mehr als die erlaubten 48 Stunden zu arbeiten. Die Patienten würden vor allem kurzfristig verschobene Operationen beklagen, das sei seelisch belastend. Daten aus den Krankenhäusern bekommt Pilz kaum, betroffen seien aber verschiedene Bereiche: orthopädische, herzchirurgische und neurochirurgische Eingriffe. Pilz fordert mehr Transparenz, um herauszufinden, wie es überhaupt zu den langen Wartezeiten kommen kann. Außerdem brauche es Verbesserungen in den Organisationsstrukturen und zusätzliche Kapazitäten für Akutfälle. In Innsbruck wird die Ärztesprecherin Larndorfer am Montag wieder am Verhandlungstisch sitzen. Es geht uns nicht vorrangig um Gehälter, sondern um die Arbeitsbedingungen, sagt sie. Finde man nicht rasch eine Lösung, von der man aktuell weit entfernt sei, werde sich die Situation im kommenden Jahr weiter zuspitzen: Dann müssen wir womöglich Abteilungen zusammenlegen und Spezialambulanzen schließen, chronisch Kranke werden immer länger warten, und die Akutversorgung in einen Zustand von vor vielen Jahren zurückfallen. Streiks wolle sie vermeiden, ausschließen könne sie solche Maßnahmen jedoch nicht. In den Salzburger Landeskliniken fehlen in der Anästhesie, der Chirurgie und der Psychiatrie die Fachärzte. Auch dort mussten deshalb schon ganze Operationssäle vorübergehend geschlossen werden. Doch der Salzburger Spitalslandesrat Christian Stöckl (ÖVP) ist zuversichtlich: Wir sind auf einem guten Weg. Im Jänner oder Februar werden wir den Stellenplan erfüllen. Hauptgrund für den Ärztemangel ist auch für ihn die 48-Stunden-Woche. Hinzu kämen Ärzte, die ins Ausland gehen, und Karenzen. Zumindest in der Steiermark sieht es besser aus: Wir haben rechtzeitig vorgesorgt, akute Engpässe in den Spitälern gibt es derzeit nicht, sagt Reinhard Marczik, Sprecher der Spitalsholding Kages. Allerdings: Rund die Hälfte der steirischen Mediziner haben die Opt-out-Regelung unterschrieben. Für sie gilt die neue Arbeitszeitregelung also erst ab dem Jahr 2021. 'Was bedeutet der Start von Elga? Fragen und Antworten zum neuen Gesundheitsportal. Frage: Was merkt man als Patient vom Start der elektronischen Gesundheitsakte Elga am 9. Dezember? Antwort: Wird man am 9. Dezember in einem Spital in der Steiermark oder in einer der fünf Abteilungen im Krankenhaus Hietzing behandelt, wird der Befund in Elga gespeichert und ist dann über www.gesundheit.gv.at für Patienten abrufbar. Behandelnde Ärzte, Spitäler, Pflegeeinrichtungen und später auch Apotheken haben über das Informationssystem zeit- und ortsunabhängig Zugang zu Gesundheitsdaten. Frage: Wann folgen weitere Spitäler? Antwort: In anderen Abteilungen und Spitälern des Krankenanstaltenverbunds (KAV) in Wien geht Elga Anfang 2016 in Betrieb. In der Steiermark sind mehr als 90 Prozent der stationären und ambulanten Fälle – auch in Geriatrien – gleich dabei, der Rest soll noch 2016 folgen 90 Prozent aller ambulant und stationär behandelten Steirer können ab sofort auf die eigene Gesundheitsakte zugreifen. Graz – Zum Start der Elektronischen Gesundheitsakte hat am Mittwoch der steirische Gesundheitslandesrat Christopher Drexler (ÖVP) das System mit den Vorständen der Krankenanstaltengesellschaft (Kages), Ernst Fartek und Werner Leodolter, vorgestellt. Trotz Kritik der Ärztekammer im Vorfeld zeigte man sich erfreut, in der Steiermark Vorreiter zu sein. Ab sofort werden hier mehr als 90 Prozent aller behandelten Patienten Zugang zu ihrer elektronischen Gesundheitsakte haben. Ich bin überzeugt davon, dass wir in wenigen Jahren mit einer gewissen Leichtigkeit auf manches, was da an Kritik gekommen ist, schauen werden, sagte Drexler. Er verstehe diffuse Ängste in der Bevölkerung bei elektronischen Neuerungen. Doch gerade im Bereich Sicherheit habe man sich gut vorbereitet. In der Steiermark habe es seit Jahren eine vergleichbare Kages-interne IT-Plattform gegeben, so Fartek. Private Sanatorien werden Elga frühestens in drei Jahren beitreten, Versicherungen haben keinen Zugriff auf die Patientendaten. Kages-Spitäler gibt es an 23 Standorten. Technische Vorarbeiten liefen schon seit den 90er-Jahren, sagte Leodolter. Wer Zugriff auf die Daten habe, bestimme der Patient. Alle Zugriffe würden aufgelistet und könnten jederzeit vom Patienten kontrolliert werden. Zudem könne sich jeder von Elga abmelden. Drexler erinnerte an das Gezeter, als die E-Card eingeführt wurde. Zehn Jahre später sei jeder froh, dass wir das Zettelwerk der Krankenscheine nicht mehr haben. Aber die Dampfmaschine war auch nicht völlig von Vorbehalten frei. Große Verbesserungen erwarten sich die steirischen Gesundheitsanbieter besonders für Diabetespatienten und multimorbide Patienten. Zusätzlich 1.000 Anrufe bei der Serviceline. Wien – Rund 1.300 Personen haben am Mittwoch, dem ersten Tag der Elektronischen Gesundheitsakte (Elga), auf das Webportal gesundheit.gv.at zugegriffen, auf dem die Versicherten ihre abgespeicherten Befunde einsehen oder sich abmelden können. Zusätzlich wurden rund 1.000 Anrufen bei der Elga-Serviceline 0501244411 registriert. Diese Bilanz zog der Hauptverband der Sozialversicherungsträger am Donnerstag. Der stellvertretende Generaldirektor im Hauptverband, Volker Schörghofer, betonte in einer Aussendung, wie wichtig es sei, dass Patienten jetzt in ihre persönlichen Befunde und Medikationslisten Einsicht nehmen können. Es liegt jetzt an uns, durch eine problemlose österreichweite Einführung das Vertrauen, das die überwiegende Mehrheit der Menschen in die Elga hat, zu erhalten. Land zahlt 30 Prozent, OÖGKK 70 Prozent – 40 Ausbildungsplätze garantiert – Neues System für Hausarztnachtdienste. Linz/Wien – Oberösterreich hat als erstes Bundesland die Finanzierung der verpflichtenden sechsmonatigen Lehrpraxis während der Ausbildung der Allgemeinmediziner fixiert. Land und OÖGKK einigten sich auf einen Finanzierungsschlüssel von 30 zu 70, informierten Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP), OÖGKK-Obmann Albert Maringer und oö. Ärztekammerpräsident Peter Niedermoser am Dienstag in Linz. 40 Ausbildungsplätze seien damit in OÖ garantiert. Die Kosten liegen bei rund 920.000 Euro, wovon gut 300.000 Euro das Land übernimmt und den Rest die Krankenkasse. Bereits Ende November hatten die Gesundheitsreferenten bei ihrer Konferenz in Bad Hall beschlossen, sich an der Finanzierung zu beteiligen, um den Bund zu entlasten und die Blockade bei diesem Thema zu lösen, stellte Pühringer bei einer Pressekonferenz fest. In Oberösterreich ist dies jetzt gelungen, generell stehe jedoch der Anteil der Krankenkassen noch nicht fest, hatte Maringer, auch Vorsitzender des Krankenversicherungsausschusses im Hauptverband, noch Dienstag früh im Ö1-Morgenjournal gemeint. Er rechne aber damit, dass bis spätestens 30. Juni 2016 die Vereinbarung mit der Ärztekammer abgeschlossen sei. Niedermoser sieht in der schnellen Einigung in Oberösterreich vor allem für die angehenden Mediziner eine große Verbesserung. Bis März 2016 müssen sich die ersten Studierenden nach der neuen Ärzteausbildungsordnung entschieden haben, ob sie nach dem Turnus ein Ausbildung zum Facharzt oder jene zum Allgemeinmediziner antreten wollen. Mit der Fixierung der Lehrpraxen sei eine Gleichstellung der Entlohnung für Lehrpraktikanten und Assistenzärzte gesichert, erklärte der Ärztekammerpräsident. Ebenfalls geeinigt hat man sich in Oberösterreich auch auf einen geänderten hausärztlichen Nachtdienst. So werden die Bezirke größer und statt einer Leistungsvergütung wird es eine Pauschale geben. Neu ist auch, dass das Rote Kreuz die Allgemeinärzte zu den Patienten bringt. Fast flächendeckend werde dieser Fahrdienst künftig in Anspruch genommen, meinte Rot-Kreuz-Präsident Walter Aichinger bei der Pressekonferenz. Zudem wurde die Struktur der Kommunikation zwischen Patienten und Arzt vereinheitlicht. Zentrale Anlaufstelle bei jeder Art von Notdiensten ist das Rote Kreuz unter der Nummer 141. Mit den am Dienstag präsentierten Vereinbarungen hofft Pühringer, den Beruf des Haus- oder Landarztes wieder attraktiver zu machen. Allgemeinmediziner sollen künftig nicht nur in Spitälern, sondern auch in Lehrpraxen (sechs Monate) ausgebildet werden. Das wird laut Gesundheitsministerium jährlich rund zehn Millionen Euro kosten. Über die Aufteilung wird seit längerem verhandelt, und langsam kommt Bewegung in die Sache: Nach der Zusage der Länder, 30 Prozent zu übernehmen, bekundete nun die Sozialversicherung ihre prinzipielle Bereitschaft. Das Gesundheitsministerium sieht mit der Zusage von Ländern und Sozialversicherung die Lehrpraxen-Finanzierung so gut wie gesichert. Jetzt seien nur noch Details auszuverhandeln, erklärte Sektionschef Clemens Martin Auer am Dienstag im Gespräch mit der APA. Bisher habe der Bund für Lehrpraxen rund eine Million Euro jährlich budgetiert. Diesen Beitrag werde man auch weiter leisten, aber mit dem für die neue Ärzteausbildung nötigen Ausbau auf 400 bis 500 Lehrpraxen österreichweit – mit Kosten von rund zehn Mio. Euro – seien auch die Länder und die Sozialversicherung gefordert. Die Ärzte, bei denen junge Allgemeinmediziner ausgebildet werden, hätten schon bisher eine Abgeltung geleistet. Dazu ist der Chef der Bundessektion Allgemeinmediziner in der Ärztekammer, Gert Wiegele, aber nicht bereit: Die Lehrpraxisinhaber müssten ohnehin schon ihre Kollegen ausbilden, dann sollten sie nicht auch noch dafür zahlen müssen, meinte er im Ö1-Mittagsjournal. Er sieht die Allgemeinheit in der Pflicht, diesen Teil der Arztausbildung zu finanzieren. Für Auer ist mit der Festlegung von Ländern und Sozialversicherung die Frage der Finanzierung mehr oder weniger erledigt. Fixiert werden müssten noch Details. Für praktikabel erachtet er das Best-Practice-Modell in Vorarlberg: Dort bleiben Turnusärzte beim Krankenanstaltenträger angestellt, auch wenn sie einen Teil der Ausbildung beim niedergelassenen Arzt absolvieren. Der Krankenanstaltenträger bezahlt sie auch und bekommt die Kosten refundiert – von Bund, Land, Sozialversicherung und dem Arzt. Mit der neuen Ärzteausbildung ist für Allgemeinmediziner neben der Ausbildung im Spital auch eine sechsmonatige Lehrpraxis bei einem niedergelassenen Arzt vorgeschrieben. Das ist laut Auer auch eine sehr wichtige Maßnahme, um die Allgemeinmedizin attraktiver zu machen. Kammer sieht sich bestätigt: Verschlechterung für Patienten, höherer Arbeitsaufwand, unbezahlte Überstunden. Wien – Die Wiener Ärztekammer hat ihre Spitalsärzte über die Auswirkungen der neuen Arbeitszeitregeln befragt. Nicht ganz ein Drittel meldete sich zu Wort, und das Urteil fiel vernichtend aus: 87 Prozent orteten eine Verschlechterung der Patientensituation, 81 Prozent einen höheren Arbeitsaufwand. Die Kammer fordert daher mehr Personal, weniger Bürokratie und die versprochenen zentralen Notaufnahmen. Vor einem Jahr trat das neue Arbeitszeitgesetz für Spitalsärzte in Kraft, das eine Reduktion der wöchentlichen Arbeitszeit von 60 auf 48 Stunden mit sich brachte – und damit auch große Umbrüche in der Organisation der Krankenhäuser. Was die Ärzte in der Bundeshauptstadt davon halten, erhob die Kammer in einer Onlineumfrage, an der sich 2.090 der 7.385 Mediziner beteiligten. Präsentiert wurde sie am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Einige Ergebnisse: Nur ein Prozent erkannte eine Verbesserung für die Patienten, 74 Prozent eine Verschärfung der Zweiklassenmedizin. 82 Prozent der Ärzte sehen längere Wartezeiten auf Operationen, 79 Prozent in den Ambulanzen. Der administrative Aufwand ist für 65 Prozent mehr geworden, für 81 Prozent der generelle Arbeitsaufwand. 32 Prozent machen unbezahlte Überstunden. Die Ausbildungssituation hat sich für 74 Prozent verschlechtert. Positiv wurde vermerkt, dass der verstärkte Einsatz des Pflegepersonals für medizinische Tätigkeiten die Work-Life-Balance verbessert hat. Der Wiener Kammerpräsident Thomas Szekeres wertete das Urteil zur verschlechterten Patientenversorgung als eine alarmierend hohe Zahl. Hier muss gegengesteuert werden, sagte er. Gemeinsam mit Vizepräsident Hermann Leitner forderte er weitere Maßnahmen zur Entlastung des ärztlichen Personals. Es brauche mehr Administrativkräfte, und auch die versprochene Übernahme ärztlicher Tätigkeiten durch die Pflege erfolge in der Hälfte der Fälle noch nicht. Außerdem seien die zentralen Notaufnahmen dringend notwendig, denn diese garantierten eine rasche und qualitätsgerechte Erstversorgung der Patienten. 60 Prozent der befragten Ärzte in den Spitälern des Wiener Krankenanstaltenverbundes gaben an, dass es diese in ihrem Haus noch nicht gebe. Drei onkologische Zentren mit "ganzheitlichem Ansatz" geplant – Hautärzte nicht dabei. Wien – Die Zahl der Krebspatienten wird in Österreich steigen – da die Bevölkerung älter wird. Gleichzeitig sind die Genesungschancen deutlich höher, 60 Prozent aller Erkrankungen können geheilt werden. In Wien soll die Versorgung neu aufgestellt werden, das wurde im Spitalskonzept 2030 festgeschrieben, das im Jänner vorgestellt wurde. Ihm zufolge soll es drei onkologische Zentren an den Wiener Gemeindespitälern geben: im Wilhelminenspital, im Donauspital und im Kaiser-Franz-Josef-Spital. Hier soll eine Vollversorgung angeboten werden, vereinfacht gesagt: Lungenkrebs wird künftig am gleichen Ort therapiert werden wie Brustkrebs. Nicht mehr das betroffene Organ ist Ausgangspunkt der Behandlung, sondern die Krebszelle steht im Fokus der Therapie, erklärt Christian Sebesta im STANDARD-Gespräch. Der Onkologe wird das Zentrum im Donauspital leiten. Von der Zelle ausgehend werden die Antigene erkannt und die Antikörper für die Immuntherapie bestimmt. Die Krankheit kann dadurch gezielt angegriffen werden. So weit der Stand der Forschung, der neue Ansatz in Wien ist eben die interdisziplinäre Zusammenarbeit. Die Therapieentscheidung, also ob ein Tumor operativ entfernt wird, in welchem Ausmaß er bestrahlt wird oder wie die Chemotherapie auszusehen hat, wird im Tumor-Board festgelegt. Dort sind alle Fachrichtungen vertreten, vom Chirurgen, der das Krebsgeschwür entfernen soll, bis hin zum Radioonkologen, der die Bestrahlung veranlasst. Es wird ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt. Fachübergreifende Therapie Dabei geht es um die fächerübergreifende Verantwortung: Weg von der eminenz- hin zur evidenzbasierten Entscheidung, erklärt Sebesta – gemeint ist die gemeinsame Therapieplanung. Das hat auch Auswirkungen auf den Patienten. Denn für die Betroffenen ist auch personelle Kontinuität wichtig. Mit im Team sind Psychologen und spezialisiertes Pflegepersonal. Die onkologischen Zentren sind auf einen tagesklinischen Betrieb ausgerichtet. Spitalsbetten kosten, doch das ist für Sebesta nicht der Grund für die tagesklinische Betreuung, das falle bei den hohen Kosten bei der Krebstherapie kaum ins Gewicht. Vielmehr geht es aus seiner Sicht um den Patienten: Eine Chemotherapie dauert etwa vier bis sechs Stunden, der Patient kann dann im eigenen Bett schlafen. Die onkologischen Zentren sollen untereinander und mit dem AKH zusammenarbeiten. Gesondert betrachtet wird im Spitals-konzept der Stadt Wien die Dermatologie. Melanome sollen künftig in der geplanten zentralen Abteilung in der Rudolfstiftung behandelt werden. Für Sebesta nicht logisch. Für ihn wäre es sinnvoller, auch dieses Fach, wie alle anderen Organfächer, den Zentren anzuschließen. Verhandlungen mit der Kasse starten – Laut Kammer hält Ärzteangebot dem Bevölkerungswachstum nicht stand. Wien – Die Wiener Ärztekammer fordert 300 zusätzliche Kassenplanstellen für die Bundeshauptstadt: Mit diesem Ziel geht die Interessensvertretung heute, Dienstag, Nachmittag in die Verhandlungen mit der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK). In der für drei Stunden anberaumten Sitzung fordert Kammer-Vizepräsident Johannes Steinhart eine klare Entscheidung, wie er in einer Aussendung im Vorfeld unterstrich. Laut Ärztekammer hält die Zahl der Kassenordinationen mit dem enormen Bevölkerungswachstum Wiens nicht mehr Schritt. Vor allem im niedergelassenen Bereich herrsche seit langem Handlungsbedarf: Derzeit kommen auf einen niedergelassenen Allgemeinmediziner bereits 2447 Wienerinnen und Wiener – so viel wie nie zuvor, veranschaulichte Steinhart. Auch die Grippewelle habe die seit Jahren bekannten Versorgungsdefizite im Wiener Gesundheitssystem wieder an die Oberfläche gespült, hieß es. Die Kammer wirft der WGKK außerdem eine verantwortungslose Hinhaltetaktik gegenüber Wiens Patienten vor und appelliert, diese aufzugeben. Heute um 14 Uhr starten jedenfalls die Verhandlungen über die geforderten zusätzlichen Ordinationen zwischen der Kurie der niedergelassenen Ärzte der Wiener Ärztekammer und der Krankenkasse im sogenannten Invertragnahmeausschuss. Laut dem bei der WGKK für Vertragspartnerverrechnung und -verhandlung zuständigen Direktor Andreas Obermaier ist diese Forderung beim heutigen Zusammentreffen kein Thema. Der für 14.00 Uhr angesetzte Invertragnahmeausschuss findet laut Obermaier routinemäßig alle zwei bis drei Monate statt. In diesen Sitzungen werde über einzelne Stellen in Wien entschieden: Im Prinzip ist das Hauptthema der Treffen: Wird die Stelle nachbesetzt, wird sie in einen anderen Bezirk verlagert, wird sie möglicherweise umgewandelt – zum Beispiel von einem Lungenfacharzt in einen Augenarzt, sagte er im Gespräch mit der APA. Er, Obermaier, sei seitens der WGKK Stimmführer in der Sitzung: Da habe ich hinten und vorne keinen Auftrag und kein Pouvoir über 300 Stellen zu verhandeln. Es wäre außerdem nicht machbar bzw. rechtlich korrekt, in einem solchen Ausschuss über 300 Stellen zu verhandeln. Vielmehr handle es sich dabei um eine Frage der Menge der Stellen im Stellenplan: Das sind Gesamtvertragsverhandlungen auf höchster Ebene, die aber heute nicht stattfinden. Seiner Meinung nach handle es sich um ein großes Missverständnis, das von der Ärztekammer hochstilisiert werde: Warum die Ärztekammer jetzt sagt, heute wird über 300 Stellen verhandelt, ist für uns nicht nachvollziehbar. In Wien gebe es derzeit circa 1.500 Kassenstellen von Allgemein- oder Fachmedizinern. Die geforderten 300 zusätzlichen Ordinationen würden ein Plus von 20 Prozent bedeuten, rechnete der WGKK-Direktor weiter vor. Das stehe in keinem Verhältnis zum Bevölkerungswachstum von 2,4 Prozent im Vorjahr. Das ist Zehntel von dem, was da an Stellenforderungen kommt. Das passt einfach nicht. Die Gebietskrankenkasse werde jedenfalls beim heutigen Treffen mit den Ärztekammer-Vertretern darauf drängen, das 62 – seit Jahren – genehmigten, aber bisher nicht besetzte Posten zur Gruppenpraxenerweiterung oder -gründung endlich ausgeschrieben werden. Unsere Forderung wäre, dass man bis zum Sommer mindestens die Hälfte ausschreibt. Wenn man die bis zum Juni ausgeschrieben hat, dann wird ein guter Teil im Herbst besetzt sein. Das reiche für das Bevölkerungswachstum von mehreren Jahren, so Obermaier. Gebietskrankenkasse und Ärtzekammer nehmen Verhandlungen auf. Wien – Die Gespräche zwischen der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) und der Wiener Ärztekammer haben am Dienstagnachmittag eine Einigung gebracht – zumindest darüber, wie man weiter vorgehen will. Konkret wurde vereinbart, dass es Verhandlungen über Kassenstellen geben wird. Ob und in welchem Ausmaß das Angebot ausgeweitet wird, ist aber offen. Die Wiener Ärztekammer ist jedenfalls zufrieden, dass die gewünschten zusätzlichen Planstellen zumindest Thema waren. Wir freuen uns, dass wir unsere Forderungen auf den Tisch legen konnten, lobte eine Sprecherin das Gesprächsklima – auch wenn es vorerst keinen Sanktus der Kasse zu den begehrten 300 neuen Stellen gab. Es gab keine Zusage, aber zumindest ein Gesprächsangebot, freute man sich bei der Ärztekammer. Die Verhandlungen zwischen Kammer, Kasse und auch der Stadt Wien sollen bereits demnächst aufgenommen und bis zum Sommer abgeschlossen werden. WGKK-Direktor Andreas Obermaier bestätigte, dass man sich in der Routinesitzung über die Aufnahme weiterer Gespräche verständigt habe. Die Verhandlungen wolle man jedenfalls ergebnisoffen führen. Die Kasse ist laut eigenen Angaben zunächst daran interessiert, dass bestehende Plätze besetzt werden. Obermaier betonte, dass man die Ärztekammer ersucht habe, zumindest 30 der genehmigten, aber noch offenen Stellen für Gruppenpraxen auszuschreiben. Ärztekammer startet Petition – Kräuter will Behauptung prüfen, dass der Arzt nicht "im Gesamtinteresse der Dienststelle beziehungsweise der Stadt Wien" gewirkt habe. Wien – Dass der Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) den Dienstvertrag von Asklepios-Gründer Gernot Rainer nicht verlängert, ruft nun die Volksanwaltschaft auf den Plan. Sie unterzieht die Causa einer amtswegigen Prüfung, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung. Geprüft werden soll der Vorwurf, dass der fachlich hervorragend bewertete Lungenfacharzt im Otto-Wagner-Spital nicht im Gesamtinteresse der Dienststelle beziehungsweise der Stadt Wien gewirkt habe, sagte Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ). Rainer selbst hat ebenfalls angekündigt, das Aus mit rechtlichen Mitteln bekämpfen zu wollen. Der direkte Vorgesetzte des Mediziners im Otto-Wagner-Spital, Abteilungsleiters Otto Burghuber, hat die Entscheidung zuletzt gerechtfertigt. Unabhängig von der fachlichen Qualifikation hat es bei der für die Verlängerung eines befristeten Dienstverhältnisses notwendigen Beurteilung in diesem Fall Umstände gegeben, die einer Befürwortung der Fortsetzung des befristeten Dienstverhältnisses entgegenstehen, hieß es in einer Stellungnahme. Genauere Details zu den Umständen wurden nicht genannt. Rainer selbst vermutet politische Motive hinter der Entscheidung. Er hatte sich als Gründer und Obmann der selbsternannten Gewerkschaft Asklepios, deren Antrag auf offiziellen Gewerkschaftsstatus kürzlich abgelehnt wurde, im Streit über das neue Arbeitszeitgesetz offen gegen die Stadt gestellt. Die Wiener Ärztekammer intensiviert ihre Unterstützung für Asklepios-Gründer Rainer. Sie startet ein Petition, wie sie am Mittwoch in einer Aussendung ankündigte. Man mache dies aus Solidarität und zum Schutz vor zukünftigen derartigen Übergriffen, wie es hieß. Die Online-Petition richtet sich ausdrücklich gegen politisch motivierte Kündigungen – und direkt an KAV-Generaldirektor Udo Janßen. Er wird aufgefordert, die Entscheidung umgehend zu revidieren und Rainer weiter zu beschäftigen. Die Petition enthält auch einen Aufruf an die jeweiligen Unterzeichner. Diese mögen sich, falls sie weitere Fälle kennen, an die Ärztekammer wenden, wird ersucht. Die Ärzteschaft ist sehr besorgt um die Zukunft ihres Kollegen und die Signalwirkung, die durch diese beschämende Aktion seitens des Arbeitgebers entstanden ist, versicherte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres in der Aussendung. Man erhoffe sich, mit dieser breiten Aktion Rainer sowie weitere kritische Kolleginnen und Kollegen in ihrem Recht auf Arbeit bei gleichzeitiger Meinungsfreiheit im KAV zu unterstützen. Dass das politische Engagement eines Dienstnehmers die Entscheidung zur Folge hat, einen Dienstvertrag nicht zu verlängern, ist bestürzend und aufs Schärfste zu verurteilen. Die Entscheidung der Führung des Wiener Krankenanstaltenverbunds, sich von Gernot Rainer zu trennen, zeugt von mangelndem Demokratie-Verständnis, kritisierte auch Harald Mayer, der Obmann der Bundeskurie Angestellte Ärzte und Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, am Mittwoch in einer Aussendung. Es sei besorgniserregend, dass es der KAV ganz offensichtlich vorziehe, trotz massiver Besetzungsprobleme auf einen qualifizierten Lungenfacharzt zu verzichten, obwohl dies in keiner Weise fachlich begründet werden könne, hieß es weiter: Vom Management einer der größten Gesundheitseinrichtungen in Europa mit mehr als 30.000 Beschäftigten erwarte ich mir Personalentscheidungen, die den Grundwerten einer Demokratie nicht zuwiderlaufen. Demokratischer Mittel werden sich auch die Freiheitlichen bedienen: FPÖ-Gesundheitssprecherin Dagmar Belakowitsch-Jenewein kündigte im Nationalrat Anträge an, um von Bundesseite Ordnung in die Wiener Verhältnisse zu bringen. Gefordert sind hier nach Ansicht der Blauen vor allem die SPÖ-Minister Alois Stöger (Soziales) und Sabine Oberhauser (Gesundheit). Als Verantwortliche auf Wiener Ebene nannte sie nicht nur Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und die zuständigen Regierungsmitglieder, sondern auch Häupls Ehefrau Barbara Hörnlein. Sie ist Direktorin des Otto-Wagner-Spitals und soll unter die inkriminierten Mitarbeiterbeurteilung ebenfalls ihre Unterschrift gesetzt haben. Dass Asklepios-Gründer Gernot Rainer nicht weiter im Wiener Otto-Wagner-Spital beschäftigt wird, sorgt zunehmend für Streit: Nun hat sich der Primarärztevertreter im OWS, Heinrich Binder, zu Wort gemeldet. Er rügte am Mittwoch im Gespräch mit der APA die Ärztekammer – also konkret deren Engagement in der Causa. Er selbst sei mit der Beurteilung des betreffenden Kollegen nicht befasst gewesen, prinzipiell sei jedoch zu sagen, dass nur der Vorgesetzte eine solche abgeben dürfe. Das ist die Aufgabe des Primars, da kann ihm niemand dreinreden. Das ist zu akzeptieren, befand Binder. Nur jemand, der unmittelbar mit dem Arzt zusammengearbeitet habe, könne eine Einschätzung von dessen Leistung abgeben, zeigte er sich überzeugt. Die Entscheidung selbst werde dann von einer Kommission getroffen, und das Ergebnis werde auch mit der jeweiligen Person besprochen. Binder glaubt jedenfalls nicht, dass es politische Gründe für die Nicht-Vertragsverlängerung gegeben hat. Solche dürften für eine Beurteilung bzw. eine Ablehnung nämlich nie ausschlaggebend sein, hielt er fest. Volksanwaltschaft prüft, scharfe Kritik der Ärztekammer. Wien – Gernot Rainer, jener Lungenfacharzt, dessen Vertrag wegen mangelnder Identifikation mit dem Krankenanstaltenverbund (KAV) nicht verlängert wurde, bekommt unerwartete Unterstützung. Die Wiener Ärztekammer, die von Rainer nicht selten kritisiert wurde, startet eine Petition. Präsident Thomas Szekeres springt für ihn auf seinem Blog in die Bresche: Die Politik agiere an den Grenzen des Rechtsstaates. Er fühlt sich an autoritäre Staaten und Strukturen und an die Willkür von Postdemokratien erinnert. Eine Gewerkschaft zu gründen sei ein Menschenrecht, kritisiert der Standesvertreter, das soll auch das sozialdemokratisch geführte Wien respektieren. Aufrechte Demokratie und engagierte Ärzte dürfen sich das nicht bieten lassen, schreibt Szekeres. Auch die Volksanwaltschaft will dem Fall nachgehen und hat eine amtswegige Prüfung veranlasst. Dagmar Belakowitsch-Jenewein, Gesundheitssprecherin der FPÖ, will im Parlament Anträge an Sozialminister Alois Stöger und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (beide SPÖ) stellen. Für die blaue Abgeordnete sind auf Wiener Ebene nicht nur Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely und Bürgermeister Michael Häupl verantwortlich, sondern auch Häupls Ehefrau Barbara Hörnlein. Hörnlein ist die ärztliche Direktorin des Wilhelminenspitals und des Otto-Wagner-Spitals, wo Rainer tätig ist. Als Verantwortliche will Rainer seine Chefin aber nicht sehen. Im STANDARD-Gespräch weist der betroffene Arzt darauf hin, dass das Dienstzeugnis von seinem direkten Vorgesetzten Otto Burghuber ausgefüllt wurde, Hörnlein hat es unterschrieben. Die Punkte, die dann eben zur Nichtverlängerung des Vertrages geführt haben – Identifikation mit den Interessen des Arbeitgebers KAV und jenen der Stadt Wien – hat Burghuber angegeben. In der Kommission, die über die Verlängerung der Verträge entscheidet, war sie nicht vertreten. Mit seinem Vorgesetzten habe er auf fachlicher Ebene keine Probleme, es war ihm aber bewusst, dass dieser sein gewerkschaftliches Engagement weniger schätzt. Der Lungenfacharzt hat sich mit der Stadt Wien angelegt. Den griechischen Gott der Heilkunst, Asklepios, hat Gernot Rainer als Namensgeber für seine Gewerkschaft auserkoren. Eris, die Göttin der Zwietracht, wäre wohl passender gewesen, betrachtet man die Konsequenzen seines Engagements: Das hat den Wiener Lungenfacharzt fast seinen Job gekostet. Weitermachen will er trotzdem – als Arzt und als Interessenvertreter. Der 37-Jährige hat sich mit seinem Arbeitgeber, dem Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV), angelegt und damit der Stadt Wien den Krieg erklärt. Kein einfacher Gegner für jemanden, der nicht als Querulant gelten will. Unbequem ist er dennoch, so unbequem, dass sein Dienstvertrag nicht verlängert wurde, weil er sich zu wenig mit den Interessen der Stadt Wien und des KAV identifiziert habe. Das bringt ihm und seiner noch nicht anerkannten Gewerkschaft viel Aufmerksamkeit. Unterstützung kommt inzwischen von der Volksanwaltschaft, der Ärztekammer, die er in der Vergangenheit nicht selten kritisierte, und der FPÖ. Er pocht aber auf seine politische Unabhängigkeit, bei den Solidaritätserklärungen will er nicht wählerisch sein. Unabhängigkeit ist ihm wichtig, das war auch der Impuls zur Gründung seiner Bewegung: Die intransparenten Verhandlungen zum Ärztearbeitszeitgesetz ärgerten ihn. Er wollte sich und seinen Kollegen Gehör verschaffen. Filz und Frustration waren es, die den Vater eines viereinhalbjährigen Sohnes motiviert haben, sich zu engagieren. Davor war er politisch nie aktiv, sieht man von seiner Funktion als Schulsprecher-Stellvertreter ab. Rainer wirkt nicht wie ein Revoluzzer, der sich gerne in den Vordergrund spielt. Er ist höflich und spricht besonnen, ein gewisses Sendungsbewusstsein ist ihm nicht abzusprechen. Dafür nützt der gebürtige Kärntner gerne Facebook und den E-Mail-Verteiler seines Arbeitgebers. Das wurde ihm im Sommer fast zum Verhängnis. Barbara Hörnlein, ärztliche Direktorin des Otto-Wagner-Spitals und Ehefrau von Bürgermeister Michael Häupl, zitierte ihn in ihr Büro. Sie drohte ihm mit dienstrechtlicher Verwarnung. Er versprach, den Verteiler nicht mehr für Gewerkschaftspost zu verwenden. Das Rauchen hat sich der Lungenspezialist bei seiner Facharztausbildung abgewöhnt. Rainer ist geschieden und teilt sich das Sorgerecht mit seiner Exfrau. Der Fan italienischer Opern ist in Elternteilzeit, hat aber neben Arbeit und Gewerkschaft kaum Zeit für Arien.(Marie-Theres Egyed, 17.2.2016) Kammerpräsident Wechselberger unterscheidet zwischen Gewerkschaft und Solidarität. Wien – Im Fall des vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) nicht verlängerten Arztes Gernot Rainer hat sich die Ärztekammer in den vergangenen Tagen lautstark hinter den Mediziner gestellt. Wenig Unterstützung von der Standesvertretung hatte er indes erhalten, als er sich im Vorjahr um den Gewerkschaftsstatus für seine Interessensvertretung Asklepios bemühte, wie Medien am Donnerstag berichteten. Die Berichte beziehen sich auf ein Schreiben der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK) an das beim Sozialministerium angesiedelte Bundeseignungsamt, das für die Entscheidung zuständig ist, ob eine Gruppe Gewerkschaftsstatus und damit Verhandlungsvollmacht für Kollektivverträge erhält. Der vierseitige Brief ist mit 9. September 2015 datiert und wurde von ÖAK-Präsident Artur Wechselberger unterzeichnet. Darin spricht sich die Kammer vehement dagegen aus, dass Asklepios als Gewerkschaft anerkannt wird – mit dem Verweis, dass die Ärzteschaft gespalten und die Position der Kammer selbst geschwächt würde: In dem Zusammenhang ist das Problem der Mehrfach-Kollektivvertragsangehörigkeit und der Kollision von Kollektivverträgen anzusprechen. Es entspricht nicht der ordnungspolitischen Funktion des Kollektivvertrages, das System der kollektiven Rechtsgestaltung auszuhöhlen und ein derart zersplittertes System zuzulassen, wodurch es zu Doppel- und Dreifachstrukturen, Kollisionen und Vielfalt der Vereinbarungen, Anwendungsproblemen, positiven und negativen Kompetenzkonflikten kommen kann. Ergebnis wäre eine Schwächung der Verhandlungsposition (im Falle der Ärztinnen und Ärzte aufseiten der Arbeitnehmer) und die Schaffung einer wirtschaftlichen Übermacht der gegenüberstehenden Verhandlungspartner. Deshalb sollte Asklepios keinesfalls die Kollektivvertragsfähigkeit gegeben werden, so der Appell. Das unabhängige Bundeseignungsamt beurteilte den Antrag von Asklepios tatsächlich abschlägig. Kurz danach war bekannt geworden, dass der befristete Dienstvertrag des Gründers und Obmanns Rainer vom KAV nicht verlängert wird. Der Mediziner führt die Entscheidung auf sein gewerkschaftliches Engagement zurück und will rechtlich gegen die Entscheidung vorgehen. ÖAK-Vizepräsident Harald Mayer stellte sich am Mittwoch – noch vor Bekanntwerden des Kammerbriefs vom Herbst – hinter Rainer und nannte es bestürzend und aufs Schärfste zu verurteilen, dass das politische Engagement eines Dienstnehmers die Entscheidung zur Folge hat, einen Dienstvertrag nicht zu verlängern. Die Wiener Ärztekammer startete gar eine Onlinepetition gegen politisch motivierte Kündigungen. Präsident Thomas Szekeres distanzierte sich daraufhin von dem ÖAK-Schreiben. Ich habe dieses Schreiben nicht mitbeschlossen und hätte das auch nicht getan. Denn jede Vertretung für Ärzte ist gut, wird er in der Presse zitiert. Artur Wechselberger, Präsident der Österreichischen Ärztekammer (ÖAK), hat am Donnerstag die Position der Standesvertretung in der Causa Rainer verteidigt. Schließlich gehe es dabei um zwei unterschiedliche Dinge, so der Tenor des ÖAK-Präsidenten in einer Aussendung. Der Gewerkschaftsstatus und somit die Kollektivvertragsfähigkeit sei u.a. dann anzuerkennen, wenn ein größerer fachlicher und räumlicher Wirkungsbereich und damit eine maßgebende wirtschaftliche Bedeutung einer Organisation gegeben sei. Asklepios erfülle diese Voraussetzung nicht, da von rund 1.800 Mitgliedern für lediglich 59 ein Kollektivvertrag abgeschlossen werde könne. Dies sei nicht repräsentativ, um die Anliegen von rund 28.000 angestellten Medizinern darzustellen, was die Kammer in ihrer Stellungnahme an das Bundeseinigungsamt auch angemerkt habe. Etwas ganz anderes sei die Solidarität mit einem Kollegen, der sich für seinen Berufsstand einsetze und dafür mit Repressalien durch den Arbeitgeber bedacht werde, betonte Wechselberger: Es ist wohl selbstverständlich, sich mit allen demokratischen Mitteln dagegen zur Wehr zu setzen. Es muss sichergestellt sein, dass Ärztevertretern aus ihrer Funktion keine Nachteile erwachsen. Ärztevertreter vermuten politisch motiviertes Vorgehen gegen Asklepios-Gründer. Wien – Die Solidarität mit Asklepios-Gründer Gernot Rainer wird auch elektronisch bekundet: Die am Mittwoch online gegangene Protestpetition der Wiener Ärztekammer wurde inzwischen von mehr als 1.000 Menschen unterschrieben, berichtete ein Sprecher am Freitag. Die Kammer hatte zwar einen Gewerkschaftsstatus für Asklepios abgelehnt, kritisiert aber die kürzlich bekannt gewordene Nichtvertragsverlängerung des Lungenarztes Rainer durch den Krankenanstaltenverbund (KAV). Die Petition sei nicht zuletzt aus Schutz vor zukünftigen derartigen Übergriffen gestartet worden, hieß es zuletzt. Die Kammer vermutet, dass die Nichtverlängerung politische Gründe hat. Sie verlangt vom KAV, die Entscheidung sofort rückgängig zu machen, und ruft in der Petition die Unterzeichner auf, sich selbst an die Kammer zu wenden, falls sie weitere verdächtige Fälle kennen. Rainer war im KAV offenbar nicht immer unerwünscht. Laut der Presse vom Freitag war er sogar Mitglied einer Monitoringgruppe im Otto-Wagner-Spital. Diese beschäftigte sich mit der Umsetzung des neuen Arbeitszeitgesetzes. Der entlassene Lungenarzt will eine "unzulässige Motivkündigung" geltend machen. Wien – Asklepios-Gründer Gernot Rainer hat eine Klage gegen die Stadt eingebracht. Er will eine unzulässige Motivkündigung geltend machen, berichtet die Presse in ihrer Mittwoch-Ausgabe. Der Vertrag des Lungenarztes war vom Wiener Krankenanstaltenverbund (KAV) nicht verlängert worden. Rainer vermutet, dass politische Gründe hinter dieser Entscheidung stehen. Er will nun erwirken, dass die Entscheidung rückgängig gemacht wird, heißt es im Bericht. In der Klage – die beim Arbeitsgericht eingebracht wurde – wird unter anderem geltend gemacht, dass Rainers Beschäftigungsverhältnis als unbefristeter Dienstvertrag anzusehen ist. Denn es sei zuvor zu einem Kettendienstvertrag, also zu einer immer wieder verlängerten Vereinbarung, gekommen. Der Krankenanstaltenverbund sieht die arbeitsgerichtliche Klage von Asklepios-Gründer Gernot Rainer – dessen Vertrag im Otto-Wagner-Spital nicht verlängert wurde – gelassen. Man sei diesbezüglich zuversichtlich, da man davon überzeugt sei, dass die Vorgangsweise rechtens war, hieß es am Mittwoch in einer Stellungnahme. Die Klagschrift liegt dem KAV derzeit noch nicht vor, wurde betont. Die Entscheidung für die Nicht-Verlängerung sei jedenfalls nicht aus unsachlichen oder diskriminierenden Gründen erfolgt. Auch teile man nicht die Auffassung Rainers, dass es sich bei dessen Dienstverhältnis wie von ihm vorgebracht um unzulässige Kettenverträge gehandelt habe. Die neue Hauptverbandschefin sieht Vorteile für Patienten durch Selbstbehalte und Boni. STANDARD: Am Montag haben Gesundheitsministerium und Hauptverband erstmals mit der Ärztekammer über das Primärversorgungsgesetz verhandelt. Bislang waren die Ärzte nicht sehr begeistert, nannten den Entwurf inakzeptabel. Wie geht es weiter? Ulrike Rabmer-Koller: Wir brauchen die Primärversorgungszentren (PHC) unbedingt, weil die Spitalsambulanzen mit Leuten überlastet sind, die dort eigentlich gar nicht hingehören. Sie könnten in einem PHC, in dem Allgemeinmediziner und anderen Gesundheitsberufe zusammenarbeiten, gleich gut, aber günstiger behandelt werden. Mir ist wichtig, dass wir dafür eine einheitliche Regelung haben. Das geht nur mit den Ärzten. STANDARD: Inhaltlich wollen Sie nichts verraten. Sind Sie zuversichtlich, dass man mit den Ärzten bis Mitte 2016 eine Regelung findet, um bis Jahresende wie geplant ein Prozent der Bevölkerung in Primärversorgungszentren zu versorgen? Rabmer-Koller: Ja, nur müssen sich alle Seiten bewegen. Aber wir haben ja schon ein PHC in Wien, ein zweites im Aufbau, eines entsteht in Oberösterreich. Ein Ausbau war also schon bisher möglich – ohne Gesetz. STANDARD: Braucht es überhaupt ein Gesetz? Rabmer-Koller: Ich will österreichweit eine einheitliche Regelung haben. Derzeit gibt es viel Unsicherheit. Deshalb muss bis zum Sommer entschieden sein: Gibt es ein Gesetz? Wenn nicht, muss man trotzdem einheitliche Richtlinien festlegen und umsetzen, damit wir im nächsten Jahr in jedem Bundesland zwei bis drei PHCs haben. STANDARD: Mediziner klagen, dass es nicht mehr attraktiv sei, einen Kassenvertrag zu übernehmen. Sie widersprechen. Warum? Rabmer-Koller: Sicher müssen wir uns an die veränderten Lebensrealitäten der Ärzte anpassen. Viele Frauen möchten Beruf und Familie vereinbaren. Die wollen keine 40-Stunden-Woche. Wir können aber keinen Teilzeit-Kassenvertrag vergeben. STANDARD: Ein Kassenarzt verdient nur dann gut, wenn er möglichst viele Patienten in kurzer Zeit behandelt. Ist das nicht der Grund für die Unattraktivität von Kassenverträgen? Rabmer-Koller: Für die PHCs wird auch ein neues Tarifmodell angedacht. Ein dreistufiges Modell mit einem Pauschalbetrag, zusätzlich werden spezielle Behandlungsfälle einberechnet. Bei der Erfüllung bestimmter Zielvereinbarungen kann es eine Bonusmöglichkeit für den Arzt geben. STANDARD: Welche Reformvorhaben stehen für Sie in Sachen Dringlichkeit zuvorderst? Rabmer-Koller: Jedenfalls die Primärversorgung, aber auch der weitere Ausbau von Elga. Das nächste wichtige Vorhaben ist für mich Teweb – also eine telefon- und webbasierte Erstberatung für Patienten. STANDARD: Würden wir Patienten nach der Dringlichkeit von Reformvorhaben fragen, würden die wohl die langen Wartezeiten bei bestimmten Kassenarztgruppen anführen. Rabmer-Koller: Das darf man nicht verallgemeinern, das ist nicht so. Es gibt etwa Augenärzte, die sehr lange Wartezeiten haben, bei einem anderen bekommen Sie innerhalb einer Woche einen Termin. Teweb bietet die Möglichkeit, das besser zu verteilen. STANDARD: Die Zahl der Kassenordinationen zu erhöhen, steht für Sie nicht zur Debatte? Rabmer-Koller: Nein, ich sehe dafür keine Notwendigkeit. STANDARD: Das Anreizmodell der Selbstversicherten, die sich zu individuellen Gesundheitszielen verpflichten, gefällt Ihnen. Wann kommt das für alle Versicherten? Rabmer-Koller: Prävention ist für mich ein ganz wichtiges Thema. Ich würde mir wünschen, dass wir solche Bonussysteme bei allen Kassen haben. Aber das kann ich leider nicht alleine umsetzen. Viele sagen mir, Anreize sind nicht das, was wir wollen. Ich möchte hier trotzdem überzeugen. Einen konkreten Umsetzungszeitpunkt kann ich aber noch nicht nennen. STANDARD: Jeder Patient soll mitarbeiten? Rabmer-Koller: Genau. Das bedeutet aber nicht, dass das SVA-Modell exakt von allen Kassen übernommen werden soll. Das geht gar nicht, weil wir ja nicht überall Selbstbehalte haben, die man reduzieren könnte. Aber es spricht nichts gegen ein Anreizmodell bei allen Kassen. STANDARD: Wie kann das aussehen? Rabmer-Koller: Wenn ich die mit dem Arzt bei der Vorsorgeuntersuchung vereinbarten Gesundheitsziele erreiche, bekomme ich eine Art Bonus. Etwa einen Gutschein für eine Gesundheitseinrichtung. STANDARD: Warum sind manche Kassen dennoch dagegen? Rabmer-Koller: Viele sagen, gesundes Leben ist ja teuer. Das können sich nur Menschen leisten, die gut verdienen. Ich halte entgegen: Ein Glas Leitungswasser ist günstiger als ein Softdrink. STANDARD: Wenn Geld ein Argument für gesundes Verhalten ist, warum dann nicht die Zigarettenpreise anheben? Rabmer-Koller: Ich bin grundsätzlich eine Gegnerin von immer mehr Steuern. STANDARD: Spricht da die Wirtschaftskammerfunktionärin? Rabmer-Koller: Nein, da spricht die Unternehmerin. Wir müssen jetzt einmal versuchen das vorhandene Geld bestmöglich einzusetzen. Sonst müsste ich auch eine Softdrinksteuer einführen. Das hält aber niemanden davon ab, Cola zu kaufen. STANDARD: Das kollidiert doch mit Ihrer Vorliebe für Prävention? Dem Gesundheitssystem entstehen durch Raucher Folgekosten. Rabmer-Koller: Im Grunde ja. Bei diesem Thema wohnen zwei Seelen in meiner Brust. Ich habe ein Problem mit zusätzlichen Steuern, aber natürlich brauchen wir Maßnahmen, damit die Menschen gesünder leben. STANDARD: Sind für Sie Selbstbehalte ein Steuerungsinstrument? Rabmer-Koller: Das Thema ist schwierig, weil es ideologisch besetzt ist. Wir brauchen Gesamtkonzepte, das System muss laufend angepasst und verändert werden, aber auch in Zukunft finanziell abgesichert sein. Derzeit müssen wir Selbstbehalte nicht diskutieren, was in zehn Jahren sein wird, weiß ich nicht. STANDARD: Könnten Sie einer solchen Diskussion etwas abgewinnen? Rabmer-Koller: Ein Vorteil von Selbstbehalten wäre, dass jeder Patient sofort sieht, wie hoch die Kosten für seine Behandlung sind. STANDARD: Bereits Ihre Vorgänger hatten die Idee eines Kinder- und Jugendgesundheitspasses auf der Agenda. Werden wir auch Ihren Nachfolger danach fragen müssen? Rabmer-Koller: Ich hoffe nicht. Bei mir steht es sehr weit oben. Zwischen dem Auslaufen der regelmäßigen Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen und den Gesundenuntersuchungen im frühen Erwachsenenalter klafft eine Lücke. Hierfür wollen wir ein Konzept erarbeiten und den Pass im nächsten Jahr umsetzen. STANDARD: Sollen mit dem Pass bestimmte Verpflichtungen verknüpft sein? Rabmer-Koller: Ich will keine Zwangsmaßnahmen, sondern positive Anreize. Konkreten Plan gibt es dazu noch keinen. STANDARD: All Ihre Pläne kosten, gleichzeitig schreiben die Kassen wieder rote Zahlen. Was erwarten Sie sich von der angekündigten Effizienzstudie, wann wird sie fertig sein? Rabmer-Koller: Die Studie ist zwar im Regierungsprogramm verankert, aber noch nicht in Auftrag gegeben. Derzeit führe ich Gespräche mit den zuständigen Ressortchefs, welches Ministerium sie zahlen soll. Wichtig ist mir, dass die Studie wirklich offene Ergebnisse hervorbringen kann. Aber klar ist, das Konzept darf dann nicht in der Schublade verschwinden. Wir müssen auch entsprechende Handlungen setzen und die Empfehlungen Schritt für Schritt umsetzen, um die Sozialversicherung zukunftsfit aufzustellen. Ich will noch in diesem Jahr Zahlen, Daten und Fakten auf dem Tisch haben und darauf basierend Entscheidungen treffen. STANDARD: Angenommen die Studie empfiehlt eine Zusammenlegung der Sozialversicherungen, würden Sie es umsetzen? Rabmer-Koller: Wenn wir dadurch viel einsparen können, dann müssen wir handeln. Beschwerde des Ex-Handelsgerichts-Präsidenten abgewiesen. Wien – Der Verfassungsgerichtshof hat seine Judikatur bekräftigt, dass die Pflichtversicherung in der Sozialversicherung verfassungsrechtlich unbedenklich ist – auch in Fällen, wo der Versicherte keinen Vorteil daraus zieht. Anlass war eine Beschwerde des früheren Handelsgerichts-Präsidenten Rainer Geißler. Sie wurde abgewiesen, berichtet Die Presse (Montag-Ausgabe). Geißler – er war lange Richter und von 2002 bis 2010 Präsident am Handelsgericht – hatte Beschwerde eingelegt, weil ihm die Sozialversicherungsanstalt für gewerbliche Wirtschaft monatliche Pensionsbeiträge von 157,84 Euro vorschrieb. Denn er hatte im Jahr 2013 mit selbstständiger Tätigkeit als Vortragender die Versicherungsgrenze von 4.641,60 Euro überschritten. Aussichten auf eine Pension dafür hatte er nicht, er hätte – berechnete Geißler – bis 85 und länger ausreichend verdienen müssen. Beim Bundesverwaltungsgericht blitzte Geißler unter Hinweis auf die ständige VfGH-Rechtsprechung ab. An dieser hat sich nichts geändert, zeigte die jetzige Entscheidung des Gerichtshofes. Die Landwirtschaftskammer Oberösterreich (LK) fordert unterdessen die Wirksamkeit neuer Einheitswerte für die Berechnung der Sozialversicherungsbeiträge der Bauern um ein Jahr auf 2018 zu verschieben. Bei der Versendung der neuen Bescheide komme es zu erheblichen Verzögerungen, meinte die LK OÖ am Montag in einer Presseaussendung. Bisher seien in Oberösterreich erst knapp 60 Prozent der Bescheide vom Finanzamt an die kleinen Bauern verschickt worden. Die Versendung der neuen Einheitswerte an die größeren landwirtschaftlichen Betriebe sei erst jetzt richtig angelaufen. Geplant ist, dass die neuen Werte ab 1. Jänner 2017 für die Feststellung der bäuerlichen Sozialversicherungsbeiträge herangezogen werden. Für die künftigen Versicherungssätze sei aber ein Gesamtüberblick über die Höhe aller land- und forstwirtschaftlicher Einheitswerte notwendig. Das könne nicht vor Ende dieses Jahres passieren, so der oberösterreichische Landwirtschaftskammer-Präsident Franz Reisecker. Daher solle das neue System erst mit 1. Jänner 2018 in Kraft treten. Ramber-Koller wirft Ärztekammer Blockadehaltung vor – Gespräche mit Instituten gegen Bevorzugung von Privatpatienten. Wien – Die Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, fordert im Zuge des neuen Finanzausgleichs zusätzliche Finanzmittel für die niedergelassenen Ärzte, wenn diese mehr Leistungen von den Spitälern übernehmen. Bei der Umsetzung der Gesundheitsreform wirft sie der Ärztekammer im APA-Interview eine Blockadehaltung vor. Wenn die niedergelassenen Ärzte nun im Zuge der Gesundheitsreform zusätzliche Leistungen anbieten sollen, dann werde das nicht ohne zusätzliche Mittel gehen, fordert die Hauptverbands-Chefin die Berücksichtigung des Prinzips Geld folgt Leistung. Berechnungen oder konkrete Zahlen, wie viel Geld vom Spitals- zum niedergelassenen Bereich verlagert werden sollte, seien Teil der Verhandlungen, sagte Rabmer-Koller. Sie verweist aber darauf, dass die Sozialversicherung mehr als fünf Milliarden Euro für den Spitalsbereich aufwende. Diese Mittel seien an die Entwicklung der Beitragseinnahmen gekoppelt und deshalb zuletzt stärker gestiegen als die Zahlungen der Länder. Hier müsse es einen fairen Ausgleich geben, fordert Rabmer-Koller für die laufenden Verhandlungen zum Finanzausgleich. Die Umsetzung der Gesundheitsreform gestaltet sich sehr schwierig, gesteht die Sozialversicherungs-Chefin zu. Hauptverantwortlich dafür macht sie die Ärztekammer, der sie eine Blockadehaltung beim Aufbau der neuen Primärversorgung zur Entlastung der Spitäler vorwirft. Mit in der vergangenen Woche neuerlich geschalteten Inseraten gegen die Primärversorgung verunsichere die Ärztekammer die Patienten. Das darf nicht sein. Rabmer-Koller fordert die Interessenvertretung auf, nicht auf der Bremse zu stehen und sich konstruktiv in die Verhandlungen einzubringen. Dem Ziel, bis zum Jahresende ein Prozent der Bevölkerung mit der neuen Primärversorgung und damit längeren Öffnungszeitung und einem umfassenderen Angebot zu erreichen, hinke man hinterher, bekannte Rabmer-Koller. Die Vorgangsweise Wiens, wo sich Ärztekammer, Krankenkasse und Stadt auf längere Öffnungszeiten durch bessere Zusammenarbeit und eine Aufwertung der Hausärzte geeinigt haben, ist für die Hauptverbands-Chefin nur eine Zwischenlösung. Für vordringlich hält sie das geplante PHC-Gesetz, das derzeit verhandelt wird. Rabmer-Koller wünscht sich dafür so schnell wie möglich eine Einigung auf eine einheitliche Lösung für ganz Österreich. Diese sei nur gemeinsam mit allen Playern am Verhandlungstisch zu erreichen. Die Primärversorgung ist nach Ansicht Rabmer-Kollers auch eine Möglichkeit, gegen den Trend zu mehr Wahl- und weniger Kassenärzten anzukämpfen. In den Primärversorgungszentren mit mehreren Ärzten und in der Vernetzung verschiedener Ärzte sieht sie Vorteile für die Patienten und auch die Mediziner, die damit leichter die von den Kassen geforderten längeren Öffnungszeiten anbieten könnten. Es sei damit auch einfacher, auf die veränderten Lebensumwelten der Ärzte zu reagieren. Bezüglich der kritisierten Bevorzugung von Privat- gegenüber Kassenpatienten bei MRT oder CT-Untersuchungen verweist Rabmer-Koller auf Gespräche des Hauptverbandes mit den Instituten. Der Vertrag muss eingehalten werden, betonte die Sozialversicherungs-Chefin. Sie kann sich eine interne Umschichtung von jenen Radiologen, die über der zahlenmäßigen Limitierung der Untersuchungen liegen, hin zu jenen, die unter dem Deckel liegen, vorstellen. Klar ist für Rabmer-Koller jedenfalls: Es darf nicht sein, dass Patienten wochenlang auf dringend notwendige Untersuchungen warten müssen. Und sie versichert: Wir gehen jeder Beschwerde sofort nach. Rabmer-Kollers Blockade-Vorwurf weist die Ärztekammer zurück. Man sei eine glühende Verfechterin des Ausbaus von Primärversorgung, werde sich jedoch gegen ein eigenes PHC-Gesetz zur Wehr setzen, das nur das Ziel habe, niedergelassene Ärzte in Knebelverträge zu zwingen, hieß es in einer Aussendung am Montag. Wer den neuen Entwurf zum PHC-Gesetz analysiert und zwischen den Zeilen liest, kommt rasch zum Ergebnis, dass hier nicht eine Optimierung der Versorgung im Vordergrund steht, kritisierte Johannes Steinhart, Obmann der Kurier niedergelassene Ärzte und Vizepräsident der Ärztekammer für Wien. Vielmehr mache das Gesundheitsministerium mehr oder weniger verklausuliert gegen niedergelassene Hausärzte mit Kassenvertrag mobil. Der Gesetzesentwurf sehe ein Ende der Sozialpartnerschaft im Gesundheitswesen vor, kritisierte Steinhart weiters. Außerdem wäre die Parallelstruktur eine Einladung an die Sozialversicherungen, immer weniger Ressourcen in das bisherige System von Kassenhausärzten zu investieren. Der Vizepräsident erklärte zudem: Das in Wien betriebene erste PHC-Zentrum habe bewiesen, dass dies auch ohne eigenes PHC-Gesetz zu bewerkstelligen sei. Landeskliniken-Holding: VVO "nicht bereit, Leistungsabgeltung fair anzuheben". St. Pölten – Patienten mit privater Zusatzversicherung droht nach Angaben der niederösterreichischen Landeskliniken-Holding ab Freitag (1. April) ein vertragsloser Zustand. Der Grund laut einer Aussendung vom Mittwoch: Der Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs (VVO) sei bisher nicht bereit, seine Leistungsabgeltung fair anzuheben. Damit könnte der Fall eintreten, dass privat versicherte Patienten ihre Aufenthalte selbst bezahlen und diese dann bei ihrer Versicherung nachfordern müssten. Wiewohl die niederösterreichische Landeskliniken-Holding noch auf ein Umdenken des VVO im Sinne der Patienten hoffe, erklärte Gert Kovarik, stellvertretender kaufmännischer Geschäftsführer, das Problem: Trotz erheblicher Investitionen in den niederösterreichischen Kliniken und damit auch einer wesentlichen qualitativen Verbesserung der Angebote für Sonderklasse-Patienten wird uns für 2016 eine nicht einmal im Ansatz adäquate Tarifabgeltung aufgezwungen. Wir reden von weniger als 0,2 Prozent Valorisierung. Wenn die privaten Zusatzversicherer nicht die erbrachte Leistung bezahlen, können wir diese Leistung dann auch nicht mehr zur Verfügung stellen. Nicht einmal die Erhöhung der Personalkosten wird ansatzweise abgegolten, sagte Kovarik. Gleichzeitig würden jedoch die Privatkrankenversicherungen jährlich ihre Beiträge gegenüber den Versicherten erhöhen. Die Landeskliniken-Holding verwies am Mittwoch darauf, dass es seit einigen Jahren eine Direktverrechnungsvereinbarung zwischen den privaten Zusatzversicherungen und den niederösterreichischen Spitälern gebe. Das Krankenhaus rechne die Leistungen im elektronischen Wege direkt mit der jeweiligen Versicherung ab. Diese Möglichkeit würde beim Eintreten eines vertragslosen Zustandes nicht mehr gelten. In diesem Fall müssten die Patienten in Vorleistung treten und die gesamte Rechnung direkt an das Klinikum bezahlen. Man wolle die Unannehmlichkeiten für die Patienten so gering wie möglich halten, betonte Kovarik. Die Forderungen würden gestundet und Patienten müssten zumindest nicht in Vorlage treten. Aber Klage über Dokumentationspflichten. Wien – Die Verkürzung der Spitalsärzte-Arbeitszeit auf 48 Stunden pro Woche kommt bei den Betroffenen gut an. Die Zufriedenheit mit dem Einkommen, dem Ausmaß der Arbeitszeit und der Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist seit 2013 gestiegen, geht aus einer IFES-Untersuchung im Auftrag der Österreichischen Ärztekammer (ÖÄK) hervor. Problematisch werden der Zeitdruck und Administrationsarbeiten gesehen. Die Arbeitszeitreduktion hat positive Auswirkungen, resümierte IFES-Projektleiter Georg Michenthaler am Mittwoch in einer Pressekonferenz. Auch die Belastung durch Überstunden und lange Dienste und das wahrgenommene Mobbing durch Vorgesetzte und Kollegen ist bei den im März und April befragten 1.773 Ärzten gesunken. 60 Prozent erklärten, dass sie keinen Einkommensverlust in Kauf nehmen mussten. Anders als bei der letzten Umfrage 2013 meinten nun 57 Prozent, dass sie mit ihrem Einkommen zufrieden oder sehr zufrieden sind. 2013 lag dieser Wert noch bei 44 Prozent. Die durchschnittliche Wochenarbeitszeit betrug nun 48 Stunden (2013: 54, 2006: 59), die höchste Stundenzahl im letzten Halbjahr 62 Stunden (2013: 68, 2006: 75). Die Wunscharbeitszeit pro Woche lag aber noch niedriger, nämlich bei 41 Stunden. 83 Prozent begrüßten die nunmehrige Beschränkung der Dienstzeit auf maximal 25 Stunden, und nur 33 Prozent haben von der Opt-out-Möglichkeit für eine längere Wochenarbeitszeit Gebrauch gemacht. Insgesamt wird die Arbeit im Krankenhaus positiv bewertet (26 Prozent angenehmer, 50 Prozent unverändert). Schlecht wird aufgenommen, dass immer mehr medizinische Leistungen durch die Spitalsärzte in den Krankenhausambulanzen erbracht werden (35 Prozent grundsätzlich ablehnend, 60 Prozent mit Akzeptanz nur mit höheren Personalstand). Für die Medizin können die Ärzte nur 58 Prozent ihrer Zeit einsetzen, der Rest fließt nach wie vor in die Administration. Aus Kammersicht ist Letzteres, aber auch Personalmangel und die Arbeitsverdichtung durch die kürzere Arbeitszeit das große Problem. Vor allem in den Ambulanzen werde der Leidensdruck der Ärzte immer größer, sagte Vizepräsident Harald Mayer. Für die Patienten sei der Weg dorthin offen, und sie kämen auch, weil im niedergelassenen Bereich Limitierungen und Deckelungen vorherrschten. Außerdem gehe die Elektronische Gesundheitsakte ELGA leise in Richtung Katastrophe. Man brauche qualitativ hochwertige und verwendbare Daten, bekomme stattdessen aber Datenmüll, so Mayer. (APA, 27.4.2016) Gespart werde am Patienten. Wien – Nachdem der Hauptverband der Sozialversicherungsträger am Montag seine Budgetprognose deutlich revidiert hat, kam am Dienstag Kritik von den Neos. Gesundheitssprecher Gerald Loacker warf dem Hauptverband unter Ulrike Rabmer-Koller vor, bei den Finanzen zu tricksen. Ulrike Rabmer-Koller setzt dieses billige Spiel ihrer Vorgänger zum Leidwesen der Versicherten fort. Anstatt die Gesundheitsreform, ELGA oder die Strukturreform der Kassen voranzutreiben, wird mit den Rabatt-Millionen der Pharmaindustrie das ineffiziente Kassensystem weiter durchgefüttert, so Loacker. Gespart werde stattdessen am Patienten. Wichtige Innovationen im Arzneimittelbereich würden den Patienten vorenthalten. Ab 1. Oktober Vollbetrieb und Ausweitung auf ganz Österreich – Hauptverband-Chefin glaubt nicht an Widerstand der Ärztekammer. Wien – Die E-Medikation startet am nächsten Mittwoch im steirischen Bezirk Deutschlandsberg in den Probebetrieb. Von Ärzten verordnete und in Apotheken abgegebene Medikamente werden damit als sogenannte E-Medikationsliste für ein Jahr elektronisch gespeichert. Damit wird die Elektronische Gesundheitsakte (ELGA) um eine weitere Stufe ausgeweitet. Niedergelassene Vertragsärzte sind künftig verpflichtet, verordnete Medikamente zu speichern. Der Patient bekommt aber zumindest vorerst weiterhin ein auf Papier ausgestelltes Rezept, mit dem er zur Apotheke geht. Durch Scannen des Codes auf dem Rezept kann die Apotheke die Abgabe der verordneten Arzneimittel in der E-Medikationsliste speichern. Nach einem Jahr werden die Daten automatisch gelöscht. Wie der stellvertretende Hauptverbands-Generaldirektor und Projektleiter, Volker Schörghofer, der APA erklärte, ist es denkbar, das Papierrezept in einigen Jahren durch ein E-Rezept zu ersetzen. Die Bürger können über das ELGA-Portal auf www.gesundheit.gv.at ihre E-Medikationsliste selbst einsehen, speichern oder ausdrucken. Voraussetzung dafür ist allerdings die Handysignatur oder die Bürgerkarte, um sich eindeutig zu identifizieren. Möglich ist dabei auch, die gesamt Liste zu löschen, nicht aber nur einzelne Einträge. Wer keinen Internet-Zugang hat, kann sich an die ELGA-Ombudsstelle wenden. Einsehen können die Liste nur die behandelnden Ärzte, und zwar 28 Tage ab Beginn der Behandlung bzw. Stecken der E-Card. Sie können damit unerwünschte Wechselwirkungen sowie unnötige Doppelverschreibungen verhindern. Damit auch die Apotheke die gesamte Liste einsehen darf, ist das Stecken der E-Card des Patienten nötig. Die Apotheke hat dann zwei Stunden lang Zugriff auf die Daten. Damit kann sie auch rezeptfreie Medikamente eintragen oder eine Prüfung von etwaigen Wechselwirkungen vornehmen. Nur mit dem Einlesen des Rezepts hat die Apotheke ausschließlich Zugriff auf jene Arzneimittel, die auch am Rezept angeführt sind. Start des Probetriebes für die E-Medikation ist am kommenden Mittwoch im steirischen Bezirk Deutschlandsberg. Rund 60.000 Bürger, acht der neun Apotheken, rund die Hälfte der 57 Vertragsärzte mit E-Card-System, das örtliche Landeskrankenhaus und ein Pflegeheim nehmen zum Auftakt daran teil. Weitere Ärzte können jederzeit dazu kommen. Der Probebetrieb läuft bis 30. September, es handelt sich dabei um einen Echtbetrieb, es werden keine Daten gelöscht. Mit 1. Oktober soll der Probe- nahtlos in den Vollbetrieb übergehen und auf alle Ärzte und Apotheken ausgeweitet werden. Zunächst soll dann die E-Medikation auf die Steiermark und danach schrittweise ELGA folgend auf ganz Österreich ausgedehnt werden. Zug um Zug soll sie in allen Bundesländern bei Apotheken, niedergelassenen Kassenordinationen und öffentlichen Krankenhäusern in Betrieb gehen. Die Vorsitzende im Hauptverband der Sozialversicherungsträger, Ulrike Rabmer-Koller, sieht in der E-Medikation einen Meilenstein in der Weiterentwicklung der Elektronischen Gesundheitsakte (ELGA). Im Gespräch mit der APA meinte Rabmer-Koller, die E-Medikation bringe definitiv mehr Sicherheit für die Patienten. Wechselwirkungen und Doppelverschreibungen könnten damit verhindert werden. Wichtig ist für Rabmer-Koller, dass jeder Versicherte selbst einen Überblick über seine Medikamente bekommt. Deshalb ist für sie die E-Medikation auch ein weiterer Schritt, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Dass die Ärztekammer, die ja zum Teil ELGA nach wie vor nicht akzeptieren will, Widerstand gegen die E-Medikation leisten könnte, hofft die Hauptverbands-Chefin nicht. Sie sei überzeugt, dass auch die Ärzte die Sicherheit der Patienten in den Mittelpunkt stellen. Und schon der Testlauf 2011 habe zahlreiche Wechselwirkungen aufgezeigt. Franz Hochstöger kandidierte bei der OÖ-Gemeinderatswahl in St. Georgen am Walde. Allein. Er gewann sechs Mandate. Fünf zu viel. Irgendwie. St. Georgen am Walde/Wien – Es ist ein Kuriosum, das sich in der Mühlviertler Gemeinde St. Georgen am Walde bei den oberösterreichischen Gemeinderatswahlen am Sonntag ergeben hat: Da tritt ein Mann zur Wahl an – und gewinnt aus dem Stand sechs Sitze im örtlichen Gemeindeparlament. Oder 24,9 Prozent der 1.462 gültigen Stimmen. Problem: Woher so viele Gemeinderäte nehmen, wenn auf der Liste Franz Hochstöger – Kurzbezeichnung LFH – nur ein einziger Name stand: nämlich Franz Hochstöger und niemand sonst. Jetzt hat der Inhaber einer Vermessungskanzlei sechs Mandate, aber nur sich selbst als Mandatar zur Verfügung. Und, so erzählt er im STANDARD-Gespräch, die oberösterreichische Kommunalwahlordnung erlaubt mir nicht, jemanden nachzunominieren, ich darf die Mandate auch nicht verschenken. Die fünf freien Sitze sollen also unbesetzt bleiben. Es ist geplant, dass der Gemeinderat um fünf Sitze kleiner wird und nur noch 20 Sitze hat. Einer davon ist seiner. Da aber kommt Einspruch von Verfassungsjurist Heinz Mayer. Denn die oberösterreichische Gemeindeordnung legt die Anzahl der Mitglieder des Gemeinderates in Gemeinden mit 1.901 bis 4.500 Einwohnern explizit mit 25 fest – so viele haben dann auch drin zu sitzen: Ich sehe da keine Möglichkeit, den Gemeinderat zu verkleinern, sagte Mayer im STANDARD-Gespräch. Eine Verkleinerung ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt – und dürfe auch nicht freihändig vorgenommen werden, warnt Mayer vor fatalen Konsequenzen: Damit wäre der Gemeinderat nicht gesetzmäßig zustande gekommen und alles, was er in den nächsten sechs Jahren beschließen würde, wäre rechtswidrig. Sechs-Mandats-Gewinner Hochstöger hingegen glaubt, dass die Verkleinerung auf 20 Sitze der Auslegung der Gemeindeordnung entspricht. Er verweist auf einen ähnlichen Fall in Bad Leonfelden. Dort hat die Bürgerliste E.L.W.I.S. Preslee Partei 2009 fünf Mandate errungen, aber nur vier Kandidaten auf dem Wahlvorschlag gehabt. Der Gemeinderat hatte bis zur jetzigen Wahl nur 24 Mandate, das eine unbesetzte E.L.W.I.S-Mandat blieb ungenutzt. Schlecht für Bad Leonfelden, meint Verfassungsexperte Mayer, weil der Gemeinderat damit nicht gesetzmäßig zustande kam und eigentlich nicht beschlussfähig war. Generell runzelt Mayer die Stirn über die Konstellation in St. Georgen am Walde: Das wundert mich, dass das möglich ist, dass so ein Wahlvorschlag zugelassen wird. Auf Bundesebene gibt es nämlich klare Regelungen für einen Wahlvorschlag, die so etwas verhindern sollen. Ein Wahlvorschlag für den Nationalrat muss doppelt so viele Wahlwerber auflisten wie im jeweiligen Wahlkreis zu vergebende Mandate. Für einen Wahlkreis mit zehn Mandaten müssen also mindestens 20 Kandidatinnen und Kandidaten vorgelegt werden. In der Kommunalwahlordnung von Oberösterreich hingegen fehlt so eine Regelung. Es ist vielmehr nur ein Maximum definiert. Demnach muss ein Wahlvorschlag eine Parteiliste mit höchstens doppelt so vielen Bewerbern, wie in der Gemeinde Mitglieder des Gemeinderates zu wählen sind, aufweisen. Mayer fände es angesichts des Falles in St. Georgen sinnvoll, Kandidaten nachnominieren zu können – wo andernfalls Mandate unbesetzt bleiben, weil die Liste nur aus einer Person bestand. Das aber ist im Gesetz nicht geregelt. Eine echte Rechtslücke, sagt Mayer. Schließen müsste sie der oberösterreichische Landtag, indem er eine neue Kommunalwahlordnung beschließt. Am besten nach dem Vorbild des Bundes, meint Mayer: Das hat sich bewährt. Franz Hochstöger hat übrigens noch eine zweite, etwas spezielle Situation: Er hat auch das beste Ergebnis der vier Bürgermeisterkandidaten eingefahren und sollte in eine Stichwahl mit dem bisherigen Bürgermeister Leopold Buchberger (SPÖ). Sollte, denn dieser Gegner ist ihm nun aber kurzerhand abhanden gekommen. Buchberger wird nicht antreten. Daher werden die Wählerinnen und Wähler in St. Georgen am 25. Oktober nur einen Kandidaten zur Auswahl haben. Sie können entscheiden, ob sie zu Franz Hochstöger als neuem Bürgermeister Ja oder Nein sagen. Bekommt er mehr als die Hälfte Ja-Stimmen, dann wäre er Bürgermeister eines Gemeinderats, in dem er seine eigene Ein-Mann-Fraktion wäre. Bei weniger als 50 Prozent plus einer Stimme würde der Gemeinderat einen Bürgermeister wählen. Im ersten Durchgang konnte Hochstöger bereits 35,13 Prozent der Stimmen für sich verbuchen. SPÖ-Amtsinhaber Buchberger bekam 31,65 Prozent (minus 26,17 Prozentpunkte) und begründete im STANDARD-Gespräch seinen Rückzieher vor der Stichwahl so: Dass ich aufhöre, hat zum Teil schon damit zu tun, weil ich mir die nächsten sechs Jahre ersparen möchte. Das Wahlergebnis möchte er nicht kommentieren: Die Wähler haben so entschieden. Im Nachhinein bin ich froh. Nach 36 Jahren im Gemeinderat und zwölf Jahren als Bürgermeister werde ich wahrscheinlich die neue freie Zeit genießen. Bei seinem Amtsantritt 2003 hatte Buchberger die schwarze Gemeinde umgedreht und in rote Hand gebracht. Es war jenes Jahr, in dem Ein-Mann-Listenmann Hochstöger in seine Heimatgemeinde zurückkehrte, dort sein Vermessungsbüro eröffnete und fortan in so gut wie jeder Gemeinderatssitzung war. Angesichts des beobachteten politischen Hickhacks entstand in ihm nach und nach der Wunsch, von der Zuhörerbank auf die Entscheiderbank zu wechseln, erzählt er. Auf seiner politischen To-do-Liste stehen als große Generalthemen Infrastruktur, Bauen und Wohnen und, das war mir immer besonders wichtig, weil mir da viel abgegangen ist: Information und Transparenz in der Gemeinde, erzählt der Neo-Gemeindepolitiker. Dass er das Projekt Gemeinderat allein starten müsste, war übrigens so nicht geplant. Er habe lange mit sich gerungen, ob ichs alleine mache, erzählt Hochstöger. Aber: Die in einer Gemeinde von seiner Größe notwendigen elf Unterstützungserklärungen waren zwar flugs beisammen, nur hat sich niemand getraut, auch selbst zu kandidieren. Und so kam es dazu, dass ein Mann auf sechs Mandaten sitzt – aber nur eines wirklich hat. Die grüne Vorarlberger Soziallandesrätin Wiesflecker will klare Berechnungen der ÖVP zur Kürzung der Mindestsicherung. Die Vorarlberger Volkspartei zieht mit den Forderungen der Bundespartei nach Deckelung und Kürzung der Mindestsicherung mit. Die Grünen sehen in der Diskussion einerseits Wahlkampfgeplänkel zwischen ÖVP und SPÖ, aber auch die Gefahr, dass auf dem Rücken sozial Schwacher populistische Politik gemacht wird. Die grüne Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker sieht vor allem Familien durch Kürzungen gefährdet. STANDARD: Was läuft in der Diskussion um die Mindestsicherung falsch? Wiesflecker: Man redet vor allem über die Höhe der Mindestsicherung und viel zu wenig über die niedrigen Löhne. Es kann doch nicht darum gehen, die Mindestsicherung zu kürzen, es muss darum gehen, die Löhne zu erhöhen. Der Reallohn stagniert seit Jahren. Sozialleistungen sind mittlerweile Lohnergänzungsleistungen. STANDARD: Wie viele bekommen die Mindestsicherung als Ergänzung zum Arbeitseinkommen? Wiesflecker: Wir haben inklusive Kinder 12.000 Menschen in der Mindestsicherung. 70 Prozent der 5500 Bedarfsgemeinschaften (das sind 8000 Erwachsene) sind sogenannte Aufstocker. Arbeitslose, Beziehende von Notstandshilfen und Menschen mit geringem Lohn. STANDARD: Verschärfen Flüchtlinge die Situation? Wiesflecker: Es ist nicht abzustreiten, dass wir durch die große Zahl von Flüchtlingen Druck auf die Mindestsicherung bekommen. Das muss man wahrnehmen. Wir sind alle miteinander aufgefordert, darüber nachzudenken, wie wir das gut bewältigen können. STANDARD: Sind die ÖVP-Vorschläge zur Deckelung und Kürzung Wahlkampf-Theaterdonner oder nehmen Sie das ernst? Wiesflecker: Die Idee der Oberösterreicher, die Mindestsicherung für Flüchtlinge zu kürzen, ist tatsächlich Theaterdonner. Zwei Kategorien von Mindestsicherungsbeziehern zu schaffen ist Ungleichbehandlung und rechtlich nicht machbar. STANDARD: Eine andere Idee der Volkspartei ist eine Deckelung auf 1500 Euro. Steckt hinter dem Betrag eine realistische Berechnung? Wiesflecker: Das bezweifle ich. Mit einer Deckelung von Wohnbedarf und Lebensunterhalt würde man vor allem die Familien treffen, denen bleibt dann noch weniger zum Leben. Bei uns in Vorarlberg schaut man, dass durch die Mindestsicherung zuerst einmal die Wohnungskosten gedeckt werden. Oft geht dieser Teil der Unterstützung direkt an die Vermieter. Geht man davon aus, dass je nach Wohnungsgröße mindestens 500 Euro zu bezahlen sind, hieße das, dass die verfügbaren Mittel für den Lebensunterhalt um diesen Betrag gekürzt werden. STANDARD: Haben die Bundesländer unterschiedliche Regelungen? Wiesflecker: In anderen Bundesländern wird mit 25 Prozent des Richtsatzes, der 850 Euro beträgt, für Wohnungskosten gerechnet. In Vorarlberg bekommt kein Mensch um 200 Euro eine Wohnung, nicht einmal eine Kleinwohnung für eine Einzelperson. Deshalb decken wir den Wohnbedarf nach Aufwand und Marktpreis. Der Richtsatz für eine alleinstehende Person beim Lebensunterhalt beträgt 630 Euro. Beim Wohnen gelten die Richtwerte der Wohnbeihilfe. STANDARD: Hält man damit nicht die hohen Mietpreise stabil? Wiesflecker: Ja, das ist so. Wir stützen über die Mindestsicherung den teuren Wohnungsmarkt. Deshalb wäre mein Vorschlag, für Konventionsflüchtlinge, die aus der Grundversorgung kommen und alleinstehend sind, Wohngemeinschaften anzubieten. Das würde die Kosten reduzieren. STANDARD: Gibt es entsprechenden Wohnraum auf dem Markt? Wiesflecker: Die Caritas mietet schon seit 2014 Einfamilienhäuser für WGs an. 160 solcher Mietverhältnisse für 500 Menschen gibt es bereits. 130 davon sind direkte Mietverhältnisse, das macht mich optimistisch. STANDARD: Funktioniert in Vorarlberg die Zusammenarbeit zwischen AMS und Bezirkshauptmannschaften bei der Meldung von Arbeitsverweigerung? Wiesflecker: Erfahrungen wie in anderen Bundesländern machen wir keine. Aus den Bezirkshauptmannschaften berichtet man mir, dass die Zusammenarbeit gut klappt. Verweigerungen werden sofort rückgemeldet. Konsequenz ist die Kürzung in 25-Prozent-Schritten. STANDARD: Wie viele beziehen die Mindestsicherung dauerhaft? Wiesflecker: Armutsverfestigte, so der Fachbegriff, haben wir im Land drei bis fünf Prozent. Das sind zum Großteil alleinstehende Männer. STANDARD: Wie hoch ist der Anteil von Konventionsflüchtlingen mit Mindestsicherung? Wiesflecker: Mit 23 Prozent ist der hoch und wird dieses Jahr weiter steigen. Mein Vorschlag wäre, dass der Bund die Überbrückungszeit zwischen Grundversorgung Asylsuchender und Aufnahme in Arbeitsmarkt oder Mindestsicherung von vier auf sechs Monate verlängert. STANDARD: Was halten Sie von Sach- statt Geldleistungen? Wiesflecker: In dieser Diskussion werden die Begriffe vermischt. Unter Sachleistung versteht jeder was anderes. Klassische Sachleistung wäre Lebensmittelgutschein statt Geld. Das möchte ich nicht. Ich plädiere für leistbaren Zugang zu Wohnen, Kinderbetreuung, Mobilität. Ich verstehe da nicht, warum die ÖVP von ihren sozialpolitischen Grundsätzen abgeht. Sie ist ja immer von Subsidiarität ausgegangen, von Hilfe zu Selbsthilfe. Was bei Geldleistungen eigenverantwortliches Wirtschaften bedeutet. STANDARD: Soll die Mindestsicherung Bundeskompetenz werden? Wiesflecker: Verbundlichung heißt das schöne neue Wort dafür. Man muss genau klären, welche Kompetenzen auf welcher Ebene gemeint sind. Im Moment weiß man noch nichts Genaues. Stutzig macht mich, dass dieser Vorschlag aus dem schwarzen Niederösterreich kommt. Da werde ich hellhörig. STANDARD: Was vermuten Sie hinter dieser Forderung? Wiesflecker: Als man die Sozialhilfe abgeschafft und 2010 die 15a-Vereinbarung zur Mindestsicherung abgeschlossen hat, wurde ein Verschlechterungsverbot vereinbart. Würde man dem Bund die Kompetenzen übertragen, wäre eine Nivellierung nach unten möglich. Das wäre also eine Aufhebung des Verschlechterungsverbots durch die Hintertür. 'Opposition ortet Desaster und fehlende Leidenschaft, FPÖ will Verfassungsgericht einschalten. Wien – 100 Tage sind vergangen, seit die Neuauflage der rot-grünen Wiener Stadtregierung am 24. November angelobt wurde – für die Rathaus-Opposition ein Anlass, Bilanz zu ziehen. Die ÖVP Wien begeht das Jubiläum mit drei Rücktrittsaufforderungen: Sie ergingen am Mittwoch an Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne), SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch und Sozialstadträtin Sonja Wehsely (SPÖ). Der Grund laut Landesparteichef Gernot Blümel: Oxonitsch – in seiner vormaligen Funktion als Stadtrat – und Wehsely seien für das Desaster rund um die Islam-Kindergärten verantwortlich. Und Vassilakou habe ihren vor der Wahl angekündigten Rücktritt bei einem Stimmenminus noch nicht wahrgemacht. Auch die Neos zogen am Mittwoch Bilanz. Was Landesparteichefin Beate Meinl-Reisinger am meisten vermisse, sei eine aktive und ehrliche Kommunikation beim Thema Flüchtlinge. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) müsse sich jede Woche in die Stadthalle stellen und die Bevölkerung über den Status quo informieren. Es sei zudem ein fatales Statement, weiterhin Schulden machen zu wollen, wie es Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) in ihrer Budgetrede im Herbst angekündigt hatte. Der Schuldenstand der Stadt – er liegt aktuell bei rund 5,8 Milliarden Euro – werde den Jungen auf den Kopf fallen, so die pinke Stadtparteichefin. Einen Seitenhieb gab es von ihr auch auf die Wahlrechtsreform, die die Koalition gerne als Errungenschaft von Rot-Grün II sieht: Sie haben eine ganze Legislaturperiode dafür gebraucht. Die Koalitionspartner legten den jahrelangen Streit um den mehrheitsfördernden Faktor – er wurde von 1 auf 0,5 gesenkt – erst kurz nach der Angelobung von Rot-Grün II bei. Die Stadtregierung, so Meinl-Reisinger, sei wie ein Mitarbeiter, der innerlich bereits gekündigt hat Ärger über die Grenzziehung in Europa leitet Josef Schützenhöfer direkt ins Malen um. In einer aktuellen Installation spielt die Innenministerin eine Rolle. STANDARD: Aus vielen Ihrer Arbeiten spricht Ärger über die gesellschaftliche Machtverteilung, die politischen Verhältnisse. Was bietet Ihnen derzeit Anlass zu Zorn? Schützenhöfer: Die Grenzen. Man hat mich in den USA immer als Europäer tituliert, nicht als Österreicher. Daran hatte ich mich gewöhnt. 1995 ist Österreich dann der EU beigetreten, und in dieses Europa bin ich nach 25 Jahren zurückgekommen. Ich hab mich auf die Vielschichtigkeit der Kulturen und der Sprachen gefreut. Ich dachte: Endlich bin nicht mehr eingesperrt in diesem Österreich. Aber jetzt bekomme ich in Spielfeld schon Probleme mit dem Kreislauf. Je näher ich zur Grenze komme, steigt der Blutdruck gewaltig. STANDARD:Wie setzen Sie diesen Zorn um? Schützenhöfer: In einer Installation für einen Raum, der komplett voll wird mit 1,20 Meter hohen Beamten. Die Innenministerin muss gleich ein paar Mal rein. Die Beamten werden zu einem Zauntänzergefüge verewigt. Wenn man hineingeht in diesen Raum, ist man völlig umringt von diesen Uniformen. STANDARD:Warum die Innenministerin? Schützenhöfer: Sie ist ein dankbares Motiv, schon allein modisch. Und sie hat diesen Drang, sich der Polizeiuniform zu nähern. Und diese Grenzbildung, das Nicht-solidarisch-Sein mit diesem Europa, das stört mich. In Spielfeld haben sie diese Zaunhysterie wie ein Theaterstück inszeniert. So etwas muss verewigt werden. STANDARD: Warum haben Sie Europa verlassen? Schützenhöfer: Das war eine Antwort auf das klerikal-faschistoide Umfeld, das in den Siebzigerjahren in der Steiermark und in Wien sehr stark spürbar war. Die 28 Tage im Polizeigefängnis Roßauer Lände haben meinen Entschluss bekräftigt. STANDARD:Was hatten Sie angestellt? Schützenhöfer: Störung der öffentlichen Ruhe und Betretens einer Rasenfläche – je 14 Tage. Ich ging damals gern ins Kunsthistorische Museum, war schon vor 10.00 Uhr dort und hab auf der Stiege gewartet, dass es öffnet. Und ich sehe da in der Parkanlage zwei Polizisten, die wurden handgreiflich mit einem Obdachlosen, haben ihn mit den Füßen gestoßen. Ich bin halt hin und hab den Polizisten erinnert, dass die Staatsmacht so nicht reagieren sollte. Ich hab sofort eine Watschn kriegt. Und ich hab natürlich gleich eine zurückgegeben, nicht? Reflexartig. STANDARD: Und dann? Schützenhöfer: Handgreiflichkeit, Handschelle und ab in den Zwinger. Das ist schnell gegangen: 10.00 Uhr Interaktion beim Museum, 12.00 Uhr schon im Polizeiposten, 18.00 Uhr Roßauer Lände. Vier Tage Einzelhaft, dann in die größere Zelle. Es war ein absoluter Horror für mich, dieses Weggesperrtsein. Nach 28 Tagen hat man mich gehen lassen, ein halbes Jahr später hab ich bei der Verhandlung eineinhalb Jahre bedingt bekommen. STANDARD: Wie stark hatte sich die österreichische Gesellschaft verändert, als Sie 1997 zurückkamen? Schützenhöfer: Ich hab amerikanisch gedacht: Ich hab 20.000 Dollar, damit kauf ich mir in Wien eine hinnige Tankstelle, und da leb ich dann und male. Aber das war undenkbar, ich musste auf die Provinz ausweichen. In der Steiermark war ich erst einmal überwältigt von dem vielen Grün. Wenn man von Virginia, wo das Grün sehr müde und verbrannt ist, hierherkommt in dieses saftige Österreich, das überwältigt einen und macht einen ein bissl blind. STANDARD: Inwiefern? Schützenhöfer: Ich bin gern in einen Buschenschank gegangen, ich hab mir gedacht, das ist alles so toll, da kann man den Wein trinken im Grünen, und der Schubert singt so schöne Lieder: Grün, du böse Farbe du. Und ich denk: Warum singt der böse Farbe? Und dann war das Grün weg im Herbst, und es war nur noch Braun. Und dann beginnen halt die Probleme. STANDARD: Das Klima, das Sie zum Auswandern veranlasste, hatte Sie wieder eingeholt? Schützenhöfer: Es ist eine sehr verschlossene, very tight society. Es ist sehr schwer reinzukommen. Und ich weiß noch immer nicht, ob ich schon drin bin. STANDARD: Ist das ein Problem kreativer Querköpfe, wie Sie einer sind? Oder machen es die Österreicher Neuankömmlingen generell nicht ganz leicht, sich einzugliedern? Schützenhöfer: Es ist auf jeden Fall ein generelles Problem. Meine Frau hat in York County das Palliativpflegeteam geleitet, hat gut verdient. Wir dachten: Österreich ist in diesem Bereich ja ein bisserl hinten nach, da gibt es viel zu tun. Aber die Reaktion war: Na Moment! Erst einmal fünf Jahre lang Hygienevorschriften nachholen! Fünf Jahre ohne Arbeitsgenehmigung. Nach der Nostrifikation hat sie nur deshalb einen Job bekommen, weil mich der Bezirkshauptmann irgendwie gemocht hat. Das zeigt, wie schwierig es ist, auch wenn man eine gewisse Bildung hat. Man muss in Österreich viele Fürsprecher haben. Die Neuankommenden aus Syrien und Afghanistan haben es da noch viel schwieriger. Dagegen ist das, was wir erlebt haben, ein Klacks. STANDARD: Sie haben sich nicht gerade eingeschmeichelt: Sie drängten darauf, dem Kriegerdenkmal in Pöllau ein Mahnmal für 21 getötete US-Soldaten gegenüberzustellen. Warum war Ihnen das wichtig? Schützenhöfer: Wenn wir schon einen Namenkult betreiben, sollte man die Geschichte schon ganz erzählen. Mein erster Vorschlag war ein Fresko für russische Befreier – aber da haben sie dann überhaupt nur noch von Vergewaltigungen gesprochen, also musste ich das fallenlassen. Dann wollte ich ein Fresko für die amerikanischen Flieger. Da hieß es: Wir wollen die Feinde der Väter nicht verherrlichen. So ging das immer weiter, jahrelang. Wir haben zwar kein Kontrastdenkmal bekommen, aber der große Erfolg war, dass die Geschichte jetzt allgemein bekannt ist. Das ist einmal wichtig, weil auf dem Land ja alles schlummert. STANDARD: Sind diese Widerstände eine Generationenfrage – ebbt das ab, wenn Jüngere nachkommen? Schützenhöfer: Ich glaube es nicht. Wir haben einen 40-jährigen Bürgermeister, der alles versucht, damit eine Hinweistafel für den Nazibürgermeister im Eingangsbereich zur Gemeinde beibehalten wird. Ich muss an dieser Tafel für einen Bürgermeister, der sich gegen dieses demokratische System gestellt hat, vorbei, wenn ich wählen gehe. Viele Menschen haben mehrmals gefordert, dass das entfernt oder entschärft wird – erfolglos. Da werde ich zornig, da muss man ja irgendwie Luft ablassen, und ich lass es halt hinüber zur Kunst. Sonst wird man ja rabiat. STANDARD: Sie haben Arbeiter in Fabriken porträtiert. Was fasziniert Sie daran, Arbeiter zu zeigen? Schützenhöfer: Mein Vater war Arbeiter. Ich bin ins Steyr -Daimler-Puch-Werk gegangen, habe mit den Gabelstaplerfahrern gesprochen, was sie so verdienen und was sie machen, um diese Familienidylle aufrechtzuerhalten. Das ist mir lieber als ein transzendentes Gespräch in einer Galerie – auch eine schöne akademische Übung, aber da schlafen mir immer die Füße ein. STANDARD: Was haben Sie in den Werkhallen gelernt? Schützenhöfer: Die Pinzgauer-Produktion war interessant, da hat der Arbeiter selbst den Takt der Arbeit angegeben und sich Pausen eingeteilt: Jetzt gemma da ein bisserl rauchen, dann hamma ein Bier um elf Uhr. Freiheiten, die heute absolut undenkbar sind, man kann das Förderband gar nicht mehr verlassen. Man ist nur noch Handlanger. STANDARD: Viele Arbeiter wählen heute die FPÖ. Warum? Schützenhöfer: Ich war bei Triumph, einem Betrieb in Hartberg, der aufgelöst wurde. Wenn man die Leute alleinlässt, werden sie ängstlich und wenden sich hin zu den Worthülsen der Freiheitlichen. Aber wenn man sie darüber informiert, was ihnen zusteht, wenn man ihnen Möglichkeit zur Kommunikation gibt, dann sind sie nicht so ängstlich. Da wird viel verabsäumt. Auch die Kunst kümmert sich zu wenig um diese Bereiche. Sie ist zu sehr beschäftigt mit Messen, Vernissagen, dem Aufsagen der neuesten Namen in der Kunstszene. STANDARD: Warum dieser Anspruch, dass Künstler politisch sein sollen? Schützenhöfer: Man studiert auf Kosten des Staates und steht in der Schuld der Steuerzahler. Diese Steuerzahler sind auch bei Steyr Daimler Puch. Also sollte man sich hin und wieder hinbegeben und kommunizieren und auch ein Beispiel geben: dass es nicht unbedingt ein Glücksgefühl ist, eine neue ausklappbare Wäsche-Aufhängvorrichtung zu haben, sondern auch ein Buch zu lesen, über eine Farbe nachzudenken. STANDARD: Wie viele Arbeiter konnten Sie überzeugen, über Farben nachzudenken? Schützenhöfer: Na ja, bis zur Farbe habe ich sie nicht gebracht. Aber ich habe auch das Produkt ihrer Arbeit gemalt, diese Stücke, an denen sie sich blutigschrauben – und das verstehen sie sehr gut. Sie haben immer geschaut, was ich gemalt habe. Dann haben sie gesagt: Da musst du noch nachbessern, dort braucht der Reifen mehr Luft, das sind nur 2,5 Bar, der braucht aber vier Bar. Da hab ich was gewonnen. Weil in die Galerie wären sie wahrscheinlich nicht gekommen. (Maria Sterkl, 21.3.2016) Wien pocht auf Erhöhung der "Hebesätze" um ein Drittel – Häupl drängt auf "aufgabenorientierten Finanzausgleich". Wien – Der Städtebund – mit Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) als Präsident an der Spitze – fordert mit Nachdruck eine Reform der Grundsteuer. Hier wurde seit 1983 nichts gemacht, erinnerte Häupl an den Zeitpunkt der letzten Anpassung der Immobilien-Einheitswerte aus dem Jahr 1973. Das sei eine entsetzlich lange Zeit, an die er sich auch deswegen so genau erinnere, weil er damals zum ersten Mal in den Gemeinderat gewählt wurde. Häupl sieht die Grundsteuer wegen der seit diesem Jahr nicht mehr angepassten Immobilienwerte von Verfassungswidrigkeit bedroht. Das Nichtlösen trotz mehrfacher Kritik kann Schreckliches auslösen, sagte er. Die Grundsteuer ist neben der Kommunalsteuer die einzige verbliebene Gemeindesteuer. Sollte diese wegen Verfassungswidrigkeit kippen, würden Wien 110 Millionen Euro entgehen, sagte Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). Sie fordert eine Neuberechnung der Einheitswerte oder aber eine signifikante Erhöhung des Hebesatzes, der auf den Grundsteuermessbetrag angewendet werden kann. Aktuell sind bis zu 500 Prozent möglich. Brauner plädiert für eine Anhebung des Hebesatzes um ein Drittel bis die Hälfte. Der Bregenzer Bürgermeister Markus Linhart (ÖVP) pflichtete Brauner bei und sprach von einer für die Städte existenziellen Steuer. Das ist keine Bagatelle. Der St. Pöltener Stadtchef Matthias Stadler (SPÖ) sagte: Es muss etwas passieren. Laut Brauner seien für ein 500-m2-Reihenhaus in Kagran 0,006 Cent pro m2 an Grundsteuer pro Jahr zu entrichten. Für ein Bürogebäude in der City seien es auch nur 0,5 Cent. Aktuell laufen die Verhandlungen zum Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern, bis Ende des Jahres muss ein Ergebnis stehen. Die Städtebürgermeister bekräftigten hier ihre Forderung, auf einen aufgabenorientierten Finanzausgleich umzustellen. Die Streichung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, wonach große Gemeinden mehr Geld pro Einwohner erhalten als kleine, wurde abgelehnt. Brauner erinnerte daran, dass Wien auch für 265.000 Pendler Leistungen erbringen würde. 30 Prozent der AKH-Patienten kämen aus den anderen Bundesländern. Der Rechnungshof ist für Neuausrichtung, denn: Nur Tirol, Vorarlberg und Oberösterreich lagen mit ihren Zahlen richtig. Auch Parteien sind für eine Reform. Wien – Der Finanzausgleich regelt die Verteilung der Steuern auf Bund, Länder und Gemeinden und gilt als für Laien undurchschaubar. Offenbar sind die Regeln aber selbst für Insider nur schwer zu verstehen. Wie ein am Mittwoch veröffentlichter Rechnungshofbericht zeigt, haben nämlich fünf Länder die Zuweisung an ihre Gemeinden falsch berechnet – Niederösterreich, Salzburg und das Burgenland sogar über Jahre hinweg. Über den Finanzausgleich fließen 21,99 Milliarden Euro an die Länder und 9,17 Milliarden Euro an die Gemeinden (Stand 2013). Letztere erhalten ihre Ertragsanteile von den Bundesländern überwiesen – wobei die Aufteilung in den vom Rechnungshof untersuchten Jahren 2009 bis 2013 in fünf Ländern zumindest teilweise fehlerhaft war. Niederösterreich und das Burgenland haben die Gemeindeertragsanteile sogar durchgehend falsch berechnet. Das Burgenland hat bereits eine Rückabwicklung der fehlerhaften Zahlungen angekündigt: Demnach müssen 155 Gemeinden Geld an jene 16 zurückzahlen, die ursprünglich zu wenig erhalten hatten. In Niederösterreich waren die Regeln dermaßen komplex, dass die Gemeinden selbst nicht nachvollziehen konnten, ob ihnen das Land die korrekte Summe überwiesen hatte – zumal die Berechnungsgrundlagen nicht öffentlich sind. Die Empfehlung des Rechnungshofs, die Daten zwecks Nachvollziehbarkeit offenzulegen, bezeichnete das Land wegen der komplexen Methodik als wenig erfolgversprechend. Abweichungen gab es auch in der Steiermark, in Kärnten und in Salzburg. Die Höhe der Abweichungen beträgt dabei teilweise nur einige tausend Euro – in Niederösterreich sind es nach Angaben des Landes insgesamt nur 199.324 Euro –, erreicht teils aber auch größere Summen. So hat Eisenstadt 378.000 Euro zu wenig erhalten, Graz im Jahr 2011 214.884 Euro. Die Steiermark gab an, die Fehler bereits 2015 korrigiert zu haben. Völlig korrekt berechnet waren die Gemeindeanteile damit nur in Vorarlberg, Tirol und Oberösterreich. Ebenfalls untersucht hat der Rechnungshof die Wirkung des abgestuften Bevölkerungsschlüssels, der größeren Gemeinden höhere Mittel pro Einwohner zusichert. Dieser Größenvorteil wurde seit 1948 sukzessive abgeschmolzen, wovon insbesondere Gemeinden mit weniger als 9.000 Einwohnern profitierten. Ausgeglichen wird der finanzielle Nachteil der Kleinstgemeinden zudem durch Transfers der Bundesländer, weil die Länder vor allem einkommensschwache Gemeinden fördern, nicht aber solche mit besonders hohen Ausgaben. Laut Rechnungshof führen die Transfers dazu, dass sich niederösterreichische Kleinstgemeinden (unter 500 Einwohner) finanziell mit Gemeinden über 10.000 Einwohnern messen können. Sie erhalten vom Land 481 Euro pro Kopf, die Großen aber nur 50 Euro. Außerdem sind die Bedarfszuweisungen auf fünf Abteilungen und zwei Fonds des Landes aufgesplittet. In der Steiermark werden die Bedarfszuweisungen zwar zentral abgewickelt, die Aufteilung erfolgte aber nach Parteienproporz: Für rote Gemeinden war der damalige SPÖ-Landeshauptmann Franz Voves zuständig, für schwarze sein ÖVP-Vize Hermann Schützenhöfer. Verzerrt wird die Mittelaufteilung laut Rechnungshof durch historisch gewachsene Elemente wie den Getränkesteuerausgleich. Die alte Getränkesteuer wurde 1999 vom Europäischen Gerichtshof gekippt, die betroffenen Gemeinden werden bis heute via Finanzausgleich entschädigt. Davon profitieren vor allem kleine Tourismusgemeinden wie Tweng, Warth und Ischgl, die so zu den – gemessen an den Ertragsanteilen je Einwohner – finanzkräftigsten Gemeinden zählen. Der Rechnungshof plädiert daher für eine grundlegende Neuausrichtung des Finanzausgleichs – auch deshalb, weil der eigentliche Finanzausgleich zunehmend an Bedeutung verliert. So sind die im Finanzausgleich vorgesehenen Überweisungen des Bundes an die Länder von 2008 bis 2013 um 17,5 Prozent gestiegen, jene außerhalb des Finanzausgleichs aber um 26,7 Prozent. Die Kritik des Rechnungshofs ließ ÖVP, Grüne und Neos nach Reformen rufen. ÖVP-Rechnungshofsprecher Hermann Gahr pochte auf eine Vereinfachung der derzeitigen Regelungen. Für Neos-Chef Matthias Strolz muss der Finanzausgleich transparent, nachvollziehbar und für alle Beteiligten anwendbar sein. Und Grünen-Budgetsprecher Bruno Rossmann forderte Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) gleich direkt auf, rasch einen transparenten Prozess einzuleiten. Opposition spricht von unverhältnismäßigem Plus – Deutliche Verbesserung für Ortschefs von Kleinstgemeinden. Salzburg – Die Bürgermeister aller Salzburger Gemeinden mit Ausnahme der Landeshauptstadt bekommen eine kräftige Gehaltserhöhung. Der Landtag wird am Mittwoch gegen die Stimmen der Opposition einem zehnprozentigen Plus bei den Bezügen zustimmen. Die Regelung gilt rückwirkend mit 1. Juli und verfolgt den Zweck, das Bürgermeisteramt durch einen finanziellen Anreiz attraktiver zu gestalten. Besonders profitieren von der Änderung die Ortschefs kleiner Gemeinden unter 1.000 Einwohnern. Sie werden allesamt auf die nächsthöhere Gehaltsstufe (1.001 bis 2.000 Einwohner) gehoben und erhalten gegenüber ihrem bisherigen Gehalt mit einem Schlag um rund 1.260 Euro monatlich mehr. Modifiziert wird mit der Gesetzesänderung auch die sogenannte Vertretungsregelung: Vizebürgermeistern steht der volle Bezug eines Bürgermeisters erst ab dem 15. Tag und nicht wie bisher bereits ab dem 8. Tag einer ununterbrochenen Vertretung zu. Salzburg im Spitzenfeld Für das Land Salzburg fällt durch die Erhöhung keine zusätzliche Belastung an. Die Mehrkosten in der Höhe von rund 1,3 Millionen Euro sind von den Gemeinden selbst zu tragen. Zuletzt wurden die Bürgermeistergehälter in Salzburg im Juli 2014 um rund 2,4 Prozent erhöht und zu Jahresanfang 2015 noch einmal um 1,7 Prozent angehoben. Laut einer Vergleichstabelle des österreichischen Gemeindebunds aus 2014 lagen die Bürgermeisterentschädigungen in Salzburg im Bundesländervergleich schon vor der aktuellen Erhöhung im Spitzenfeld. Während das Bezügeplus heute von den Regierungsparteien ÖVP, Grüne und Team Stronach beschlossen wird, trägt die Opposition die Gesetzesänderung nicht mit: Eine zehnprozentige Erhöhung ist im Vergleich zu anderen Berufsbranchen unverhältnismäßig hoch, sagte Gerd Brand, SPÖ-Gemeindesprecher im Landtag und selbst Bürgermeister der Lungauer Kleingemeinde Sankt Margarethen, zur APA. Er fordert vielmehr eine bessere arbeits- und sozialrechtliche Absicherung für Ortschefs. So gebe es nach wie vor kein Recht auf Mutterschutz, Karenz oder Pflegefreistellung und Mängel im Bereich der Arbeitslosenversicherung. Soziale Absicherung Die Regierung nahm dazu schon knapp im Begutachtungsverfahren Stellung: Die Bürgermeister bekämen mit mehr Geld auch mehr Möglichkeiten zu Eigenmaßnahmen in Richtung sozialer Absicherung. Die Schnell-Freiheitlichen – ihr Klub firmiert im Landtag noch immer unter dem Namen FPÖ – werden heute wie die SPÖ gegen die Erhöhung stimmen. Das ist keine Ansage. In allen Bereichen müssen die Menschen sparen, eine Erhöhung in dieser Zeit und in dieser Höhe ist einfach nicht gerechtfertigt, sagte Klubobmann Karl Schnell zur APA. Die Abgeordneten im Landtag haben sich etwa seit vielen Jahren keine Gehaltserhöhung mehr zugestanden. Fragwürdiger Beitrag auf Website sorgt für Aufregung in sozialen Netzwerken. Salzburg – Der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg hat am Mittwoch mit einem fragwürdigen Beitrag auf seiner Website für Aufregung in sozialen Netzwerken gesorgt. In dem Text mit dem Titel Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik werden Arbeitslager für Ausweislose und Abzuschiebende vorgeschlagen, und es ist von Millionen Negern die Rede, die nach Europa drängen. Millionen Neger wollen selbst aus Afrika weg, nach Europa, wo alles hier gratis und ohne Arbeit zu erhalten ist. Sie flüchten vor sich selbst, sie bringen ihr Unwissen, ihr Analphabetentum, ihren Haß (sic!) und Streit unter sich und ihren Haß auf uns Weiße nach Europa mit und Europa wird spätestens in 50 Jahren im Chaos und Sumpf enden, wie wir es heute in Südafrika sehen, heiß es auf der Website. Weiters spricht sich der Freiheitliche Akademikerverband in dem Schreiben für die Errichtung von Arbeitslagern aus. Abzuschiebende haben keinen Anspruch auf Sozialhilfe und sind bis zu ihrer faktischen Abschiebung in Arbeitslagern unterzubringen. Auch Ausweislose seien in ein Arbeitslager zu verbringen, bis sich die entsprechenden Zuständigkeiten geklärt haben und eine Abschiebung möglich ist. Der Phasenplan für eine nachhaltige Rückwanderungspolitik des Freiheitlichen Akademikerverbandes Salzburg hat am Mittwoch empörte Reaktionen hervorgerufen. Auch die Salzburger FPÖ distanzierte sich davon. Weder der Inhalt, geschweige denn die Wortwahl des sogenannten Phasenplans decken sich mit der Parteilinie der Freiheitlichen, sagte Landesparteichef Andreas Schöppl. Der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg ist bekanntermaßen keine Vorfeldorganisation der Freiheitlichen. Allein deshalb schon können dessen Aussagen nicht einfach der FPÖ zugeordnet werden, erklärte Schöppl in einer Aussendung. Der Bund sozialdemokratischer AkademikerInnen, Intellektueller und KünstlerInnen (BSA) bezeichnete die Aussage des Freiheitlichen Akademikerverbandes, Asylsuchende in Arbeitslagern unterbringen zu wollen, als rassistisch und ewiggestrig. Diese Aussage ist nicht nur rassistisch und hetzerisch, sondern eine Verhöhnung der Opfer des Nationalsozialismus und daher schlicht untragbar. Rassismus, Hetze und Rechtsextremismus haben keinen Platz in unserer Gesellschaft. Der BSA spricht sich für einen wertschätzenden und solidarischen Umgang mit Asylsuchenden aus und wird sich daher auch selbst sinnvoll entsprechend unseren Kompetenzen einbringen, um Flüchtlinge zu unterstützen, betonte BSA-Präsident Andreas Mailath-Pokorny. Ins selbe Horn stieß ÖVP-Generalsekretär Gernot Blümel. Er nannte die Aussagen zum Umgang mit Flüchtlingen eine unfassbare Entgleisung. Statt sich mit konstruktiven Vorschlägen in die aktuelle Debatte einzubringen, kommen aus den Reihen der FPÖ nur menschenverachtende Hetzparolen, die rein der Problemverstärkung dienen. Sie schüren mit ihrem Gedankengut von vorgestern Missgunst und Hass gegenüber Menschen. Das ist nicht nur widerlich, sondern trägt auch rein gar nichts zu irgendwelchen Lösungen bei. Rassismus, Hass und Hetze darf in unserer Gesellschaft kein Platz geboten werden. Blümel sagte, er erwarte sich von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache eine klare Distanzierung und generell einen lösungs- und zukunftsorientierten Umgang mit den Herausforderungen. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid zeigt sich entsetzt über die menschenverachtenden Entgleisungen, die der Freiheitliche Akademikerverband Salzburg auf seiner Website veröffentlicht hat. Mit der verwendeten Diktion – Stichwort Arbeitslager – werde ein Menschenbild vermittelt, das an dunkelste Zeiten erinnere. Die FPÖ und ihren Parteivorsitzenden Strache fordert Schmid auf, zu den vom Freiheitlichen Akademikerverband Salzburg getätigten Äußerungen Stellung zu beziehen. Rassismus und Hetze dürften keine Wählermagnete sein: Statt populistische Parolen zu skandieren, täte die FPÖ gut daran, zur Abwechslung einmal konstruktive Lösungen anzubieten. KZ-Verband erstattet Anzeige gegen unbekannte Täter. Salzburg – In der Stadt Salzburg ist das Denkmal für die Widerstandskämpferin Rosa Hofmann, die 1943 von Nationalsozialisten in Berlin-Plötzensee ermordet wurde, mit einem Hakenkreuz beschmiert worden. Der KZ-Verband Salzburg hat am Montag eine Anzeige gegen unbekannte Täter eingebracht. Der Gedenkstein im Stölzl-Park in Maxglan wurde demnach in der Nacht auf 31. Oktober an der Rückseite verunstaltet. Das Landesamt für Verfassungsschutz hat die Ermittlungen aufgenommen, teilte am Nachmittag die Landespolizeidirektion Salzburg mit. Erst vor wenigen Tagen wurde das Mahnmal auf Anregung des KZ-Verbands vom Gartenbereich des Kindergartens Maxglan-Stölzl-Park in den öffentlich zugänglichen Bereich des Parks verlegt. Die Täter verwendeten laut Polizei eine türkise Farbe. Tatortbeamte haben Spuren gesichert. Aktuell gibt es noch keine Hinweise auf die Täter, sagte Polizeisprecherin Eva Wenzl. Bürgermeister Schaden verwundert über Abstimmungsverhalten der Freiheitlichen. Salzburg – Verwundert zeigte sich Salzburgs Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ) am Montag über zum Argument der Stadt--FPÖ, weshalb sie dem Stadt-Budget 2016 nicht zustimme, nämlich unter anderem wegen der Gebührenerhöhungen. Die Freiheitlichen haben am Vormittag sämtlichen Tariferhöhungen zugestimmt, sagte Schaden am Montagnachmittag gegenüber. Ich habe Klubobmann Reindl zweimal gefragt, weshalb sie dann dem Budget nicht zustimmen, und er konnte es mir nicht sagen. Reindl hatte am Nachmittag in einer Aussendung kritisiert, dass die Stadtregierung mit den Gebührenerhöhungen gierig in die Taschen der Bevölkerung greife. Weitere Gründe für die Ablehnung waren für die FPÖ eine fehlende Vorsorge auf bevorstehende schwierige Jahre sowie eine Erhöhung der Repräsentationskosten und Verfügungsmittel der Regierungsmitglieder. Der Salzburger Stadtsenat hat am Montag den Haushalt für das Jahr 2016 gegen die Stimmen der FPÖ beschlossen. Dieser sieht im ordentlichen Haushalt ca. 481,5 Millionen Euro und im außerordentlichen Haushalt für Investitionen 64 Millionen Euro vor, teilte das städtische Informationszentrum am Montagnachmittag in einer Aussendung mit. Die Zustimmung zum Budget ist mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP, Bürgerliste (die Grünen in der Stadt) und den NEOS recht breit. Der endgültige Beschluss am 16. Dezember im Gemeinderat gilt damit als Formsache. Die FPÖ lehnt das Budget unter anderem wegen beabsichtigter Gebührenerhöhungen ab. Die heimische Bevölkerung wird schamlos zur Kasse gebeten, so Klubobmann Andreas Reindl. Da die Einnahmen nach derzeitiger Annahme bei 479 Mio. Euro liegen, entsteht der Stadt ein Strukturdefizit von rund 2,5 Mio. Euro, das durch eine Kontensperre ausgeglichen werden soll. Die Gebühren für städtische Leistungen werden maximal um die Inflationsrate valorisiert, die Kosten für Kanal und Abfall-Entsorgung bleiben im kommenden Jahr unverändert. Bei den Investitionen wird die Stadt nächstes Jahr einen Zahn zulegen, und das nicht zufällig. Wir haben uns angesichts der schwächelnden Konjunktur bewusst viel an öffentlichen Investitionen vorgenommen, sagte Bürgermeister Heinz Schaden vor wenigen Wochen bei der Präsentation des Budgets. Die 64 Mio. Euro sollen zu einem Drittel aus vorhandenen Rücklagen, zur Hälfte über Darlehen und der Rest über den ordentlichen Haushalt aufgebracht werden. Größter Brocken sind die Schulen mit über zwölf Mio. Euro, wovon der Bildungscampus Gnigl den Löwenanteil ausmachen wird. Für Verkehrsvorhaben sind knapp zehn Mio. Euro vorgesehen, für Seniorenheime knapp neun Mio. Euro. 2017 soll der Investitions-Haushalt mit 74 Millionen Euro den Höhepunkt erreichen und im Folgejahr mit 37 Mio. Euro wieder in die gewohnte Dimension zurückfallen. Insgesamt startet die Stadt Salzburg mit einer soliden Budget-Aussicht in das Haushaltsjahr 2016: Der Schuldenstand liegt mit aktuell gut 140 Millionen Euro historisch niedrig, daraus resultiert eine Schuldendienstquote von klar unter fünf Prozent auf ebenso Rekord-Tiefststand. Die Personalquote ist mit rund 30 Prozent des Haushalts seit Jahren stabil. "Innerparteiliche Vorkommnisse" als Motiv. Salzburg – Der Salzburger Landtagsabgeordnete Otto Konrad verlässt nach parteiinternen Streitigkeiten das Team Stronach. Wie der ehemalige Austria-Salzburg-Torhüter, Bandagist und Tormanntrainer am Dienstagabend in einer Aussendung mitteilte, hätten ihn etwa die permanente Unruhe zwischen Landesrat Hans Mayr und Parteiobmann Helmut Naderer und nicht mit ihm abgestimmte Entscheidungen zu dem Schritt veranlasst. Als Konsequenz aus diesen Umständen sehe ich mich gezwungen, das Team Stronach für Salzburg wie den Klub zu verlassen, erklärte Konrad. Die Regierungsmehrheit – die Salzburger Landesregierung aus ÖVP, Grünen und dem Team Stronach hielt bisher 21 von 36 Sitzen – ist durch den Schritt nicht gefährdet. Zumal Konrad ankündigte, in Zukunft als freier Abgeordneter die Regierungsarbeit zu unterstützen und diese Legislaturperiode verantwortungsvoll und ordnungsgemäß zu Ende zu führen. Auch Landesrat Mayr werde in Zukunft seine vollste Unterstützung genießen. Da wir in unseren Strukturen keine basisdemokratische Partei sind und der Regulator einer demokratischen Entscheidung nicht gegeben ist, ist eine Weiterentwicklung unseres Teams nicht möglich, erklärte Konrad in der Aussendung. Das wiederum widerspreche den Ankündigungen im Parteiprogramm von Frank Stronach, Bürger an der Weiterentwicklung der Partei teilhaben zu lassen. Konrad sprach gegenüber der APA in einer kurzen Stellungnahme von einer wohlüberlegten Entscheidung, die mit Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und der Landeslegistik abgestimmt gewesen sei. Es ändert sich gar nichts. Regierung und Koalitionspakt werden dadurch nicht infrage gestellt. Auch der Klubstatus des Teams Stronach Salzburg und die damit verbundene Klubförderung gehen laut Konrad nicht verloren. Konrad wird als wilder Mandatar von ÖVP-Klub "betreut". Schwarz-Grün regiert weiter mit knapper Mehrheit.. Salzburg – Jetzt auch in Salzburg: Das Team Stronach zerfällt, und wie im Nationalrat wechseln auch im Landtag die Funktionäre die Seiten. Otto Konrad – ehemals Nationalteam-Torhüter und seit 2013 Abgeordneter im Salzburger Landtag für das Team Stronach – hat den Stronach-Klub verlassen. Konrad ist formal nun wilder Abgeordneter. Er werde ab sofort vom ÖVP-Landtagsklub mitbetreut, wie das ein Sprecher von Landeshauptmann Wilfried Haslauer formuliert. Die Landesregierung ist und bleibt stabil, heißt es aus dem Büro Haslauer weiter. Auch Konrad selbst hat nach seinem Austritt aus dem Stronach-Landtagsklub der schwarz-grünen Landeskoalition seine Loyalität erklärt. Gemeinsam mit Landesrat Hans Mayr vom Team Stronach verfügt die schwarz-grüne Koalition über 20 von 36 Mandaten. Auslöser des Austrittes von Konrad aus dem Landtagsklub waren die seit Monaten schwelenden Konflikte zwischen Landesrat Mayr und Klubobmann Helmut Naderer. Während die politischen Tage von Naderer – er war einst stellvertretender Landesparteichef der FPÖ, dann Sprecher des BZÖ – nach den Landtagswahlen 2018 wohl gezählt sein dürften, wird über die politische Zukunft von Mayr heftig spekuliert. Gerüchte, dass der ehemalige ÖVP-Politiker 2018 für die Neos als Spitzenkandidat ins Rennen geht, werden von Neos-Insidern aber dementiert. Funktionäre anderer Parteien könnten laut Statut nicht mitarbeiten. Landesrat Hans Mayr tritt aus der Partei aus, bleibt aber als parteifreier Landesrat in der Regierung. Salzburg – Der Salzburger Landesrat Hans Mayr hat das Streiten satt. Am Montagabend verkündete er per Aussendung seinen Austritt aus dem Team Stronach. Seine Funktion als Landesrat für Verkehr, Wohnbau und Infrastruktur werde er weiter ausüben, aber nicht mehr unter dem Namen der Partei, mit diktatorischen Führungsstil, wie es Mayr nennt. Nachdem in der Vorwoche bereits der ehemalige Torhüter Otto Konrad seinen Austritt aus dem Team Stronach bekanntgegeben hat, verliert das Salzburger Team nun auch seinen einzigen Landesrat. Damit bleiben im Landtagsklub des Team Stronach nur noch Gabriele Fürhapter und Landesparteiobmann Helmut Naderer übrig. Der andauernde Streit mit Naderer ist, wie auch schon bei Konrad, der Anstoß für Mayrs Parteiaustritt: Undemokratische, nicht transparente Entscheidungen der Landesparteispitze unter Helmut Naderer und Missachtung der Anliegen der Bezirkssprecher und Mitglieder dieser Bewegung veranlassen mich zu dieser Entscheidung, schreibt Mayr. Hinzu kommen die skurrilen Medienauftritte von Stronach, verbunden mit dem diktatorischen Führungsstil, welcher nur ansatzweise der Öffentlichkeit bekannt ist. Für diese Art der politischen Arbeit fehle es ihm für jegliches Verständnis. Deshalb ziehe Mayr die Notbremse und verlasse die Partei. Mayr bleibt mit seinem Austritt nicht alleine. Mit ihm gehen der Jugendsprecher Team Stronach für Salzburg, Thomas Faulhaber und vier Bezirkssprecher. Der ehemalige Goldegger Bürgermeister wechselte vor der Landtagswahl 2013 von der ÖVP zum Team Stronach. Nun wird Hans Mayr als parteifreier Landesrat weiterhin in der Regierung sitzen. Die Mehrheit der Landesregierung sei durch das gute Miteinander mit Otto Konrad weiterhin gegeben. Landeshauptmann beruft für Montag Koalitionsausschuss ein – Otto Konrad als Mehrheitsbeschaffer. Salzburg – Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat die Streitereien und Drohungen vonseiten des Teams Stronach satt. Für Montag hat er deshalb einen Koalitionsausschuss einberufen, bei dem über die Zukunft des Teams Stronach in der Salzburger Regierung entschieden werden soll. Hintergrund ist ein erneuter Brief des Teams Stronach, in dem die Partei den Landesratsposten und die drei Aufsichtsratsposten von Hans Mayr fordert. Ansonsten werde die Partei entsprechende Zeichen setzen. Mayr, der Ende November aus dem Team Stronach ausgetreten ist, bekleidet neben dem Amt als Wohnbau-, Verkehrs- und Infrastrukturlandesrat auch Aufsichtsratsposten in der Salzburg AG, der Salzburger Land Tourismus GmbH und der Land-Invest Salzburger Baulandsicherungs-GmbH. All diese Posten müssten von Mitgliedern des Teams Stronach besetzt werden, fordert der Salzburger Parteiobmann Helmut Naderer in dem offenen Brief. Alles andere sei eine Verletzung der Koalitionsvereinbarung. Haslauer solle als bekannter Ehrenmann zur Koalitionsvereinbarung stehen und dem Team Stronach die Möglichkeit der Neubesetzung dieser Posten geben. Haslauer aber hält an Mayr fest. Beim Koalitionsausschuss am Montagnachmittag sollen sich die beiden verbleibenden Stronach-Mitglieder im Landtag, Helmut Naderer und Gabriele Fürhapter, entscheiden, ob sie die Regierung weiterhin unterstützen. Würden die zwei Stronach-Abgeordneten ihre Unterstützung aufgrund des Postenstreits zurückziehen, würde nur noch der ebenfalls aus der Partei ausgetretene ehemalige Profifußballer Otto Konrad für eine Mehrheit der Regierung sorgen. Konrad, der seit seinem Parteiaustritt von der ÖVP mitbetreut wird, versicherte, die Regierung könne verlässlich auf seine Stimme zählen. Im Falle eines Bruchs mit dem Team Stronch. Salzburg – Der ehemalige Salzburger FPÖ-Chef Karl Schnell hat mit seiner neuen Partei FPS der Salzburger Landesregierung seine Unterstützung zugesichert. Wie er im Gespräch mit der Kronen Zeitung vom Sonntag sagte, stünden die fünf FPS-Abgeordneten klar für eine absolute Unterstützung der Regierung, sollte es in der morgigen Sitzung des Koalitionsausschusses zum Bruch mit dem Team Stronach kommen. Damit wäre die Regierungsmehrheit im Bundesland nicht alleine von der Stimme des ehemaligen Team-Stronach-Abgeordneten und nun freien Mandatars Otto Konrad abhängig. Freilich: So absolut wie Schnell angekündigte, dürfte seine Unterstützung dann auch wieder nicht sein: Gelegentlich werden wir Gesetzesvorlagen nicht zustimmen, sagte er im Interview. Gegen den Leiter der Landespersonalabteilung läuft ein Disziplinarverfahren. Die Suspendierung wurde aus formalen Gründen aufgehoben. Salzburg – Das Landesverwaltungsgericht Salzburg hat am vergangenen Freitag die Suspendierung des im April vom Dienst freigestellten ehemaligen Leiters der Landespersonalabteilung aus Formalgründen aufgehoben. Ein Sprecher von Personallandesrat Josef Schwaiger (ÖVP) bestätigte am Mittwoch einen entsprechenden ORF-Salzburg-Bericht. Auf das laufende Disziplinarverfahren habe die Entscheidung keinen Einfluss. Es wurde nicht inhaltlich entschieden. Das Landesverwaltungsgericht hat argumentiert, dass die Suspendierung zu spät ausgesprochen wurde. Der 55-jährige ehemalige Abteilungsleiter ließ sich am 9. April 2015 zunächst auf eigenen Wunsch vom Dienst freistellen, nachdem Mitarbeiter seinen Führungsstil kritisiert hatten. Im Oktober 2013 wurde er aber zusätzlich suspendiert, parallel läuft beim Land ein Disziplinarverfahren. Der Ex-Abteilungsleiter kam nach Aufhebung der Suspendierung am Dienstag wieder in die Arbeit, blieb aber nur kurz. Wie Landesamtsdirektor Sebastian Huber sagte, habe er mit dem Mitarbeiter einvernehmlich eine Freistellung vereinbart, bis das Disziplinarverfahren beendet ist. Das werde frühestens im ersten Quartal 2016 geschehen. Der frühere Personalchef ist damit bei vollen Bezügen freigestellt. Schwierige Situation auch in Niederösterreich. Stronach-Partei nur im Kärntner Landtag einigermaßen stabil. Salzburg – Das Team Stronach im Salzburger Landtag ist ab sofort nur noch eine One-Man-Show. Mit dem Ausscheiden von Gabriele Fürhapter aus dem Klub ist Klubobmann Helmut Naderer der letzte verbliebene Stronach-Mann im Landtag. Vor Fürhapter haben schon Landesrat Hans Mayr und Landtagsabgeordneter Otto Konrad Partei und Klub verlassen. Ich bin der Streitereien müde, begründet Fürhapter ihren Austritt. Wie Konrad will sie künftig als parteifreie Abgeordnete die Arbeit der schwarz-grünen Landesregierung unterstützen. Die ursprüngliche Dreierkoalition ist im Dezember geplatzt, weil Naderers Bedingungen von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) nicht akzeptiert wurden. Naderer verlangte den Rücktritt des abtrünnigen Stronach-Landesrates Mayr. Formal zwar unabhängig wird Fürhapter aber in Hinkunft Teil des ÖVP-Klubs werden. Auch Ex-Tormann Konrad wird schon vom schwarzen Landtagsklub betreut. Damit hat die ÖVP-Grünen-Landesregierung eine Mehrheit von 20 der insgesamt 36 Landtagsmandate und kann unbesorgt bis zum Wahltermin 2018 regieren. Naderer, der nun als Einzelmandatar allein über die Klubförderung von jährlich etwas mehr als 210.000 Euro verfügen kann, gibt der ÖVP die Schuld am Zerfall seiner Partei. Diese habe Fürhapter unter wirtschaftlichen Druck gesetzt, indem ihr gedroht worden sei, dass sonst Mayr die Regierung verlasse und so ihr Mandat übernehme. Immerhin geht es um einen Bezug von mehr als 140.000 Euro brutto in den kommenden zweieinhalb Jahren, sagt Naderer. Tatsächlich dürfte Naderer mit seiner Einschätzung, dass die ÖVP den Coup geplant habe, gar nicht so falsch liegen. Ein ÖVP-Insider bestätigte dem STANDARD, dass Fürhapter schon Anfang Dezember von der ÖVP für wichtige Kontrollgremien in landeseigenen Betrieben nominiert worden sei. Nach dem Zerfall in Salzburg ist das Team Stronach nur noch im Kärntner Landtag einigermaßen stabil. Hier hatte die Partei als autonome Landesorganisation im März 2013 rund elf Prozent der Stimmen und vier Mandate erreicht und stellt seither mit Gerhard Köfer einen Landesrat. Da ist alles ruhig, fasst Generalsekretär Christoph Hagen zusammen. Schwierig ist die Lage in Niederösterreich: Hier erreichte man 2013 knapp zehn Prozent. Von den fünf Mandataren stehen nach Auskunft von Hagen nur zwei loyal zu Stronach. Im April 2015 ist die damalige Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger von ihrem Amt zurückgetreten. Sie hatte noch als BZÖ-Politikerin im Zusammenhang mit dem Kauf von Kärntner Seen durch Bawag und ÖGB 700.000 Euro an das BZÖ übermittelt. In den übrigen fünf Landtagen ist die Stronach-Partei nicht vertreten. Monika Rathgeber drohen wegen schweren Betrugs bis zu zehn Jahre Haft. Salzburg – Mehr als drei Jahre nach Auffliegen des Salzburger Finanzskandals startet am Donnerstag der erste Strafprozess. Die ehemalige Budgetreferatsleiterin, Monika Rathgeber, muss sich wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung verantworten. Die Anklage beinhaltet zwei Vorwürfe, die nur am Rande mit den Spekulationsverlusten in Verbindung stehen. Zum einen soll Rathgeber Schadensmeldungen an den Katastrophenfonds des Bundes zwischen 2009 bis 2012 falsch abgerechnet haben. In hunderten Fällen habe sie Schadensfälle fingiert, abgeändert oder ergänzt. So wurden laut Anklage rund zwölf Millionen Euro unrechtmäßig an Gemeinden und das Land Salzburg ausbezahlt. Rathgeber selbst habe sich dabei nicht bereichert. Im zweiten Anklagepunkt wird Rathgeber vorgeworfen, zwischen 2008 und 2012 bei 96 Bestätigungen für Zins- und Währungsswaps die Unterschrift ihres Kollegen gefälscht zu haben. Bei einer Verurteilung drohen der Exreferentin bis zu zehn Jahre, mindestens aber ein Jahr Haft. Für Donnerstag und Freitag ist zunächst die Einvernahme der Angeklagten geplant. Den Vorsitz des Schöffensenats hat Richter Günther Nocker. Eine Woche vor dem Prozess hat Monika Rathgeber noch ihren Verteidiger ausgetauscht. Herbert Hübel, der sie seit Ausbruch des Finanzskandals im Dezember 2012 vertritt, wurde die Vollmacht entzogen. Er spricht von Meinungsverschiedenheiten in der Verteidigungsstrategie. Statt Hübel kommt nun der Strafverteidiger Kurt Jelinek zum Zug. Dieser erste Strafprozess ist aber nur ein kleiner Teilaspekt der juristischen Aufarbeitung des Finanzskandals. Die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittelt noch im Hauptvorwurf der Untreue mit möglichen Verlusten für das Land in der Höhe von 350 Millionen Euro. Zudem im Fall der Übertragung von negativen Derivaten von der Stadt auf das Land und im Finanzstrafverfahren, das nach der Selbstanzeige des Landes wegen Steuerschulden von 52 Millionen Euro eingeleitet wurde. Eingestellt wurden die Ermittlungen bereits im Vorwurf, Rathgeber habe Finanzbeiratsprotokolle gefälscht und zum umstrittenen Notverkauf von 255 Derivatgeschäften, die im Herbst 2012 panikartig aufgelöst wurden. Beim Fire Sale wurden der damalige Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ), der ehemalige Leiter der Finanzabteilung und ein weiterer Mitarbeiter als Beschuldigte geführt. Einen Prozess hat Rathgeber bereits verloren. Im April 2013 klagte sie auf Wiedereinstellung beim Arbeitsgericht. Laut Gericht wurde sie zu Recht entlassen. Klubobmann warnt den Koalitionspartner ÖVP vor Sozialabbau. Wien/Saalfelden – Klubobmann Andreas Schieder (SPÖ) hat in seinem Hauptreferat bei der SPÖ-Klubtagung in Saalfelden eine Lanze für eine aktivere Industriepolitik sowie für eine Entrümpelung der Gewerbeordnung gebrochen. Dem Koalitionspartner richtete der Fraktionschef aus, dass mit der SPÖ Sozialabbau nicht zu machen sei. Zudem will sich Schieder die Ergebnisse des Bildungsgipfels nicht verwässern lassen. Starke Industriepolitik bedeute sichere Arbeitsplätze und sei Innovationstreiber, setzte Schieder einen inhaltlichen Schwerpunkt der Klausur. Entscheidend sei dabei die Wettbewerbsfähigkeit und die dürfe nicht durch schlechtere Arbeitsbedingungen erreicht werden. Im Gegenteil müsse Europa etwa in Sachen CO2-Ausstoß gemeinsam auftreten und keine Aufweichung zulassen sondern beispielsweise mit der Einführung von Zöllen arbeiten. Dringend reformiert gehört nach Ansicht des Klubchefs die Gewerbeordnung. Nötig sei ein leichterer und pragmatischer Zugang, um Gründungen schneller zu ermöglichen. Bekannte Töne kamen von Schieder zur Sozialpolitik. Soziale Sicherheitsnetze dienten den Armen, würden aber auch den Starken helfen: Denn vom gesellschaftlichen Zusammenhalt haben alle was. Der ÖVP attestierte der Klubchef, zahlreiche Vorschläge zum Sozialabbau vorgebracht zu haben: Für uns Sozialdemokraten ist es notwendig, rechtzeitig Nein zu sagen. Dies gelte sowohl bei den Pensionen, wo es der ÖVP nur um Leistungskürzungen gehe, aber auch bei der Mindestsicherung, wo versucht werde, den Sozialstaat auszuhebeln, aber nicht mit uns, versicherte Schieder. In der Bildungspolitik warf Schieder dem Koalitionspartner, namentlich dem Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) vor, die Ergebnisse des Bildungspapiers zurückdrehen zu wollen. Die SPÖ habe dieses Spiel durchschaut. Was den Präsidentschaftswahlkampf angeht, lobte Schieder SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer als Ausnahmeerscheinung. Dieser sei von den Anwärtern der einzige, der die Gesellschaft zusammenbringen könne. Grünen-Kandidat Alexander Van der Bellen und den Freiheitlichen Norbert Hofer forderte der Klubchef angesichts deren Überlegungen bezüglich Auflösung des Nationalrats bzw. Entlassung der Regierung auf, sich an die verfassungsmäßigen Grundlagen zu halten. Hundstorfer selbst hatte die Klausur den ganzen Sonntag über begleitet. Montag früh erfolgte eine Abreise der besonderen Art. Der rote Hofburg-Anwärter nahm in Hanno Setteles Oldtimer-Mercedes Platz, um zur ORF-Wahlfahrt aufzubrechen. Der Sozialminister kündigt ein neues Gesetz gegen Lohn- und Sozialdumping an. Saalfelden – Die SPÖ wehrt sich vehement gegen Kürzungen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung und plant Verschärfungen bei der Ausländerbeschäftigung. Mit diesen zwei Schwerpunkten startete die Klubklausur des SPÖ-Nationalratsklubs Montagvormittag im Pinzgauer Saalfelden. Motto der roten Tagung zur Halbzeit der aktuellen Legislaturperiode: Arbeit, Wachstum, Sicherheit. Die von SPÖ-Sozialministern eingeführte Mindestsicherung sei eine der wichtigsten Errungenschaften der Sozialpolitik der vergangenen Jahre, betonte Sozialminister Alois Stöger in seinem Einleitungsreferat. Sie verhindere Slums, Obdachlosigkeit und Hunger im Land und trage, weil sie an die Arbeitswilligkeit anknüpfe, dazu bei, dass Menschen vom Rand wieder in die Mitte der Gesellschaft zurückkommen könnten. Von der Mindestsicherung würden auch jene profitieren, die sie nicht beziehen, da sie den sozialen Frieden sichere. Kürzungen – egal ob für Österreicher oder für Schutzsuchende – würden nur zu Parallelgesellschaften führen. Stöger kann sich statt der Kürzungen jedoch vorstellen, bei den Sanktionen nachzuschärfen, also die Bestimmungen zu Arbeitswilligkeit oder Teilnahme an Sprachkursen zu verschärfen. Die SPÖ-Landesräte haben sich am Montag auf die von Stöger skizzierten Eckpunkte verständigt und treten einig gegen Kürzungen oder Schlechterstellungen von Flüchtlingen auf. Zweiter Schwerpunkt im Vormittagsplenum des roten Parlamentsklubs waren Lohn- und Sozialdumping. Angesichts der enormen Lohndifferenzen zwischen den ehemaligen Ostländern und Österreich – die Bandbreite beim Stundenlohn liege zwischen 3,40 Euro in Ungarn und 12,96 Euro in Österreich – sei es nur logisch, dass viele Menschen in Österreich auf den Arbeitsmarkt drängen, sagte Sozialsprecher Josef Muchitsch. Die SPÖ drängt auf neue gesetzliche Regelungen, die das Lohn- und Sozialdumping einschränken sollen. Da bei Verstößen – etwa gegen Kollektivvertragsbestimmungen – sich die Strafverfolgung ausländischer Firmen oft schwierig gestalte, sollen in Zukunft auch die Auftraggeber im Inland haften. Damit könne auch gewährleistet werden, dass mehr heimische Firmen zum Zug kommen. Stöger will zudem für den Pensionsbereich budgetiertes, aber nicht ausgegebenes Geld in den Arbeitsmarkt fließen lassen. Er verwies darauf, dass alleine im Vorjahr für die Pensionen 100 Millionen Euro weniger ausgegeben wurden als budgetiert. Dieses Geld solle nicht dem allgemeinen Haushalt zukommen, sondern zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit verwendet werden, also der aktiven Arbeitsmarktpolitik – etwa Qualifizierungsmaßnahmen – zufließen. Denn diese sei auch am wichtigsten, um über die Beitragseinnahmen das Pensionssystem zu sichern. Karl Schnell: "Freiheitlich ist eine Weltanschauung" – FPS-Parteichef bringt auch "Impugnationsklage" wegen Zahlung von 52.000 Euro aus Exekutionstiteln ein. Salzburg – Die FPS des Salzburger Landtagsabgeordneten Karl Schnell zieht wegen des verlorenen Namensstreites mit der FPÖ nun vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg (EGMR). In Österreich ist der Fall bereits ausjudiziert. Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) vom Vorjahr darf nur die FPÖ die Bezeichnung Freiheitliche in ihrem Parteinamen anführen. Die Klage werde vom Anwalt der FPS (Freie Partei Salzburg) vorbereitet und dann im Namen von Karl Schnell in drei bis vier Wochen in Straßburg eingebracht, sagte Landtagsabgeordneter Lukas Essl am Donnerstag. Das Wort freiheitlich kann nicht der Herr Strache für sich allein gepachtet haben, zeigte sich Schnell kämpferisch. Hinterfragenswürdig Die Erkenntnisse der österreichischen Gerichte sind hinterfragenswürdig. Laut dem OGH darf ich das Wort freiheitlich gar nicht mehr in den Mund nehmen. Freiheitlich ist aber eine Weltanschauung, das kann mir niemand verbieten. Wir sind auch im Jahr 2013 als Freiheitliche gewählt worden, wir haben uns ja nicht geändert. Zur Vorgeschichte: Karl Schnell und fünf weitere Landtagsabgeordnete sind im Vorjahr nach Zerwürfnissen mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von der FPÖ ausgeschlossen worden. Schnell gründete im Juni die Partei Die Freiheitlichen in Salzburg (FPS) – Liste Dr. Karl Schnell. Er musste jedoch nach Klagen der FPÖ das Wort freiheitliche aus dem Namen streichen und die Partei auf Freie Partei Salzburg (FPS) – Liste Dr. Karl Schnell umbenennen, weil einem rechtskräftigen Urteil zufolge sonst eine Verwechslungsgefahr mit der FPÖ und damit eine Wählertäuschung vorliegt. Streit um Exekutionstitel Weiters will Schnell jetzt eine sogenannte Impugnationsklage gegen von der FPÖ angestrebte Exekutionstitel einbringen, die ihn persönlich zu einer Zahlung von 52.000 Euro verpflichten. Ich bin vom OGH dazu nicht einmal gehört worden, ist der FPS-Parteichef verärgert. Er verstehe nicht, dass der OGH neun von elf Strafanträgen der FPÖ gegen die FPS abgelehnt habe und den Großteil der Kosten in dem sinnlosen Rechtsstreit die FPÖ zu trage habe, für ihn selbst aber die Entscheidung anders ausgefallen sei und er zahlen müsse. Der Rechtsstreit betraf die Erwähnung freiheitlich von FPS-Anhängern und Vorfeldorganisationen vorwiegend im Facebook oder Internet, obwohl die Verwendung des Begriffes bereits gerichtlich untersagt worden war. Schnell rechtfertigte sich damit, dass er ein ehrenamtlicher Parteiobmann und von Beruf Arzt sei, er habe nicht gleich überall hinfahren und urgieren können, diesen Begriff zu entfernen. Entscheidung soll in den kommenden drei bis sechs Wochen fallen. Salzburg/Ried im Innkreis – Die Hauptbeschuldigte im Salzburger Finanzskandal, Monika Rathgeber (45), hat eine Fußfessel beantragt. Die ehemalige Leiterin des Budgetreferats des Landes wurde am 4. Februar in zwei ersten Verfahren wegen schweren Betrugs und Urkundenfälschung zu drei Jahren Haft, einem davon unbedingt, verurteilt. Wird ihrem Antrag stattgegeben, könnte sie ihre Strafe unter strengen Regeln zu Hause verbüßen. Frau Ratgeber hat vergangene Woche einen Antrag auf elektronisch überwachten Hausarrest gestellt, bestätigte der Leiter der Justizanstalt Ried im Innkreis, Oberst Josef Zeilberger, am Mittwoch einen Bericht von ORF Salzburg. Weil die ehemalige Referatsleiterin ihren Wohnsitz im Bezirk Braunau und nicht in Salzburg hat, sei seine Anstalt für die Entscheidung zuständig. In der Regel dauert es drei bis sechs Wochen, bis über den Antrag entschieden wird, erklärte Zeilberger. Der Antrag werde nun an den Verein Neustart weitergeleitet, der die Voraussetzungen für die Bewilligung zu klären hat. Es müssen etwa eine geeignete Unterkunft, Arbeit, Kranken- und Unfallversicherungsschutz und die Einwilligung der im gemeinsamen Haushalt lebenden Personen vorliegen. Außerdem sei Telefonempfang notwendig, weil eine Erreichbarkeit über das Mobiltelefon gewährleistet sein müsse. Eine zentrale formale Bedingung für die Gewährung der Fußfessel – der unbedingte Teil der Haftstrafe darf zwölf Monate nicht überstiegen – ist bei Rathgeber auf jeden Fall erfüllt. Gutachten bestätigt Naheverhältnis des Volksmusikers Tobi Reiser zum Nationalsozialismus. Salzburg – Seit 2013 ist die Verleihung des Tobi-Reiser-Preises in Salzburg auf Eis gelegt. Historiker haben ein Naheverhältnis des Begründers des Salzburger Adventsingens zum Nationalsozialismus aufgezeigt. Nun liegt ein Gutachten zur Nazivergangenheit des 1974 verstorbenen Volksmusikers vor. Das Land distanziert sich von dem Preis, wie die Salzburger Nachrichten (SN) am Dienstag berichteten. Salzburgs Kulturlandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) erklärte, dass der Name Tobi Reiser nicht mehr mit Ehrungen des Landes in Verbindung gebracht werde. Der mit rund 4.000 Euro dotierte Preis für volkskulturelle Sonderleistungen wurde von dem jeweiligen Landeshauptmann beziehungsweise der Landeshauptfrau übergeben. Kein Landespreis Eine Mitarbeiterin von Schellhorn betonte heute, dass der Preis kein Landespreis gewesen sei, sondern des Vereins der Freunde des Salzburger Adventsingens. Die Vergabe liege beim Verein. Dessen Obmann Günther Auer bestätigte, dass der Vorstand des Vereins am 23. Mai darüber diskutieren wird, was nun mit dem Preis, der 1992 ins Leben gerufen wurde, geschieht. Nachdem Historiker die Abschaffung des Tobi-Reiser-Preises gefordert hatten und der Verein der Freunde des Salzburger Adventsingens die Verleihung des Preises vorerst gestoppt hatte, gab das Land Salzburg im Vorjahr ein Gutachten in Auftrag. Der Wiener Historiker und Universitätsprofessor für Zeitgeschichte Oliver Rathkolb nahm dafür auch Reisers Privatarchiv im Salzburg Museum unter die Lupe. Das Gutachten habe das bisherige Bild von Reiser bestätigt, hieß es am Dienstag aus dem Büro des Kulturlandesrates. Nähe eindeutig Der Gutachter kommt zu dem Schluss, dass man im Kontext von Tobi Reiser immer seine Nähe zum Nationalsozialismus erwähnen muss. Er hat nach dem Zweiten Weltkrieg versucht, seine Rolle herunterzuspielen. Aber er war eindeutig NSDAP-Mitglied, sagte Schellhorn zu den SN. Im Jahr 2013 stieß die Südtiroler Volkskundlerin Elsbeth Wallnöfer im Bundesarchiv in Berlin auf einen Personalakt des Reichnährstandes zu Tobias Franz Reiser. Demnach soll sich das spätere Volksmusikidol 1931 beim Motorsturm der NSDAP angemeldet und 1934 beim Juliputsch der Nazis beteiligt haben. Detail am Rande: In der Stadt Salzburg ist eine Straße nach Tobi Reiser benannt. Maßgebliche Teile der SPÖ Steiermark wie die Gewerkschaft und Arbeiterkammer verlangen nach dem burgenländischem Beispiel jetzt ebenfalls Koalitionsgespräche mit der FPÖ. Graz - Nach dem nun fixierten rot-blauen Koalitionspakt im Burgenland drängen auch in der Steiermark Teile der SPÖ wie der ÖGB und Arbeiterkammer auf ein Ende der Ausgrenzungspolitik. Sie stellen sich damit klar gegen Landesparteichef Franz Voves, der nach der burgenländischen Koalitionseinigung zwischen SPÖ und FPÖ umgehend eine rot-blaue Konstellation für die Steiermark ausgeschlossen hat. Er schließe für sich persönlich eine Koalition mit der Strache-FPÖ, die gerichtlich verurteilte Wiederbetätiger und Hetzer beheimatet, aus, ließ Voves schriftlich wissen. Auch die christlich-soziale ÖVP sollte endgültig aus der Geschichte gelernt haben und nicht nochmals diese rechts-rechte FPÖ salonfähig machen, appellierte Voves an seinen Reformpartner ÖVP. Innerhalb der Volkspartei wurden in den letzten Tagen ja vermehrt Stimmen laut, ÖVP-Landeschef Hermann Schützenhöfer möge mit der FPÖ Koalitionsverhandlungen aufzunehmen. Obwohl Voves eine klare Trennlinie zieht, wollen ihm jedenfalls nicht mehr alle in der Partei folgen. ÖGB-Vorsitzende Horst Schachner fordert nun ebenfalls eine Einbindung der FPÖ in ernste Gespräche. Wir müssen die Ausgrenzungspolitik beenden. Ich verlange, dass ernsthafte Koalitionsverhandlungen mit allen Parteien, also auch der FPÖ aufgenommen werden. Wir können nicht 160.000 Wähler so einfach ignorieren. Was bei solchen Gesprächen herauskommt, ist eine andere Frage, aber als Demokraten müssen wir auch die Freiheitlichen dazu einladen, sagte Schachner im Gespräch mit dem STANDARD. Auch Arbeiterkammer-Präsident Josef Pesserl plädiert dafür, die Freiheitlichen in Koalitionsgespräche einzubeziehen. Es muss in erster Linie darum gehen, die brennenden Probleme der Beschäftigung, in der Bildung, bei den Investitionen zu lösen. Dabei darf in einer Demokratie keine Partei ausgeschlossen werden, argumentiert Pesserl, der auch Verständnis für Burgenlands SPÖ-Landeshauptmann Hans Niessl zeigt. Niessl habe sicher im Interesse Burgenlands gehandelt. Der dezidierte Hinweis von Voves, dass er persönlich eine Koalition mit der FPÖ ausschließe - er also nicht als Parteichef für die ganze SPÖ sprach - deutet darauf hin, dass Voves natürlich längst weiß, dass in seiner Partei einiges in Bewegung geraten ist. In der ÖVP zeigt man sich inoffiziell vom burgenländischen rot-blauen Pakt, erfreut. Da kann nun niemand mehr etwas dagegen sagen, wenn wir hier in der Steiermark Schwarz–Blau machen, sagt ein ÖVP- Politiker. Nicht ganz ausgeschlossen wird hier im Bundesland aber auch, dass sich Voves und Schützenhöfer doch noch rasch einigen, um Fakten zu schaffen - und ihre Positionen abzusichern. Der Betriebswirt folgt in der Steiermark Franz Voves nach. Als im Jänner 2013 Franz Voves eine überraschende Personalrochade in seinem Team ausführte, holte er sich den jungen Schickhofer direkt aus dem Parlament in die Landesregierung. Die bisherige Landesrätin Elisabeth Grossmann musste – nicht unbedingt freiwillig – ihrerseits in Richtung Nationalrat weichen, damit Schickhofer ihre Agenden Bildung, Jugend und Familie übernehmen konnte. Damals war Schickhofer 33 und selbst in den Reihen der SPÖ schüttelte so mancher den Kopf über den Kronprinzen, den Voves sich hier offensichtlich als Nachfolger aufbauen wollte. Doch dann wurde es medial vorerst relativ ruhig um Schicki, wie man den studierten Betriebswirt zuhause im oststeirischen Weiz nannte, oder Schickimicki, wie man ihn auf den Gängen des Grazer Landhauses hinter vorgehaltener Hand nennt. Nur wenn über Zukunftshoffnungen in der Partei spekuliert wurde, fiel immer wieder sein Name – und wurde gleich wieder fallengelassen, weil er noch zu jung sei. Als Landesrat sagen ihm die politischen Mitbewerber aber nach zwei Jahren nichts Unfreundliches nach. Im Gegenteil: Der zweifache Familienvater, der mit einer Steuerberaterin verheiratet ist, sei im Umgang freundlich, zugänglich sachpolitisch und rede mit jedem auf Augenhöhe, heißt es aus mehreren Fraktionen. Er soll auch bis zuletzt das einzige Regierungsmitglied gewesen sein, das selbst bei Verhandlungen in Unterausschüssen anwesend war. Als im Vorjahr sein Entwurf für ein neues Kinderbetreuungsgesetz von der Opposition und Betreuungseinrichtungen völlig zerpflückt wurde, bunkerte sich Schickhofer nicht ein, sondern nahm die Kritik konstruktiv an. Er überarbeitete das Gesetz zur Zufriedenheit aller und seine Kritiker verstummten umgehend. Ehrgeiz und Fleiß stellte Schickhofer, der neben BWL auch Politikwissenschaften und Jus in Graz und Wien studierte, auch in Kanada und Weiz im Magna-Konzern Frank Stronachs unter Beweis. Letzterer ließ ihn angeblich ungern gehen. Doch Schickhofer interessierte sich schon als Jugendlicher für die Politik und ging schließlich zur SPÖ, obwohl seine Eltern, wie er betont, ihn eher unpolitisch erzogen hätten. Schon mit 21 saß er 2000 im Gemeinderat seiner Heimatstadt Weiz. Ab 2010 war er im steirischen Landesparteivorstand und als SPÖ-Mandatar im Nationalrat. Jetzt kam seine große Stunde schneller als erwartet. Und wieder schütteln viele den Kopf, denn Landeshauptmannstellvertreter und Parteiobmann sei doch für einen 35-Jährigen vielleicht noch eine Nummer zu groß. Noch um einiges größer als der Landesrat, den man ihm nicht zutraute. Doch offenbar sah man in der Landespartei keine Alternative zu ihm. Und den Fleiß Schickhofers sollte man nicht unterschätzen. Massiver Unmut in SPÖ wegen Abgabe des Landeshauptmannsessels. Graz/Wien – Der Verzicht der SPÖ auf den Landeshauptmannsessel in der Steiermark sorgt in der Partei weiterhin für massive Irritationen. “Ich mag dazu gar nichts mehr sagen. Nur so viel: Das war der schwärzeste Tag für die SPÖ, so etwas habe ich in meinem ganzen Leben in der Partei noch nicht erlebt. Ich bin noch immer fassungslos”, sagte Horst Schachner, steirischer ÖGB-Chef und eines von vier Vorstandsmitgliedern, die am Mittwoch gegen den von Franz Voves vorgegebenen Pakt mit der ÖVP gestimmt hatten. Er habe davor gewarnt, was es bedeutet, wenn die SPÖ jetzt den Landeshauptmannsessel abgebe, in der offenen Abstimmung darüber hätten aber alle bis auf die vier Abweichler dafür gestimmt. Ich muss das als demokratische Entscheidung zur Kenntnis nehmen, sagte Schachner dem STANDARD. Verwirrung um Abstimmung Der SPÖ-Landesparteivorstand hatte am Mittwoch mit großer Mehrheit beschlossen, die Koalition mit der ÖVP fortzusetzen und den Landeshauptmann-Posten der ÖVP zu überlassen. Vier Vorstandsmitgliedern waren dagegen, darunter ÖGB-Chef Schachner, AK-Präsident Josef Pesserl und der Landtagsabgeordnete Franz Schleich. Der Vierte soll Verteidigungsminister Gerald Klug gewesen sein – oder SJ-Mann David Rautner. Im Landesparteivorstand waren laut Landesgeschäftsführung 50 von 70 stimmberechtigten Mitgliedern anwesend. In der Frage der Koalition mit der ÖVP soll es neben den Neinstimmen auch eine Enthaltung gegeben haben. APA-Recherchen haben ergeben, dass Schachner, Pesserl und Schleich auf jeden Fall mit Nein gestimmt haben. Das wird von allen Seiten übereinstimmend bestätigt. Wer die vierte Neinstimme war, ist dagegen nicht ganz klar. Sowohl Klug als auch Rautner behaupten auf APA-Nachfrage, ebenfalls dagegen gestimmt zu haben. Aus der SPÖ hieß es, dass man keine Auskunft über das Stimmverhalten einzelner Vorstandsmitglieder geben könne beziehungsweise dürfe. Halbzeitlösung gewünscht Wortkarg gab sich Arbeiterkammerchef Pesserl: Ich habe meine Meinung im Vorstand nochmals offen kundgetan, dass wir mit allen hätten reden müssen. Ich verstehe nicht, warum wir nicht zumindest eine Halbzeitlösung ausgehandelt haben. Genau das will Baugewerkschafter Josef Muchitsch jetzt endlich aufgeklärt wissen: Es ist unerträglich, dass uns nicht erklärt wird, wie es zu dieser Entscheidung gekommen ist. Hat jetzt die ÖVP mit einer schwarz-blauen Koalition gedroht, oder hat Franz Voves alles freiwillig hergegeben, weil es angeblich in der SPÖ keinen Nachfolger für ihn gibt? Das soll uns die Parteiführung jetzt endlich erklären. Noch immer sehr empört zeigte sich Schleich im Gespräch mit dem STANDARD: Ich habe in der Sitzung Nachverhandlungen verlangt und gesagt, wenn es mit der ÖVP nicht möglich ist, dann machen wir es auch mit der FPÖ. Das, was die ÖVP, was Hermann Schützenhöfer mit uns gemacht hat, ist charakterlich einfach nicht in Ordnung. So kann man einen Partner nicht erpressen. Diese neue Regierung hat schon jetzt eine Schieflage. Keiner rennt mehr Richtig angefressen ist der steirische Nationalratsabgeordnete Erwin Spindelberger. Aus einem einfachen Grund: Da rennen sich unzählige Funktionäre die Haxen aus, damit wir wieder Nummer eins werden, und dann kommt so ein Ergebnis heraus. Das kann ich nicht goutieren, sagte der rote Gesundheitssprecher im STANDARD-Gespräch. Wie schon andere rote Vertreter vor ihm wirft er der ÖVP – namentlich Parlaments-Klubobmann Reinhold Lopatka – Erpressungsversuche vor. Auch wenn dieser zuvor in einer ORF-Diskussionsrunde alle Vorwürfe, er habe an Schwarz-Blau gebastelt, bestritt, sagt Spindelberger. Klar bestreitet er alles. Aber diese taktischen Spielchen kennen wir von Lopatka. Er ist für sein Dirty Campaigning mehr als bekannt. Nachhaltiger Schaden Spindelberger befürchtet, dass der Verzicht der SPÖ auf den Landeshauptmannsitz nachhaltigen Schaden angerichtet hat. So realistisch bin ich, dass ich nicht glaube, wir könnten bei der nächsten Wahl wieder eine Chance auf den ersten Platz bekommen. Aber was wäre die Alternative gewesen? Spindelberger hätte den Gang in die Opposition bevorzugt. Da gehe ich lieber mit fliegenden Fahnen unter und mache dann eine kantige Oppositionspolitik. Der Deal mit der ÖVP nutze der SPÖ nicht. Denn: Wir werden nicht mehr ernst genommen. Die Bevölkerung wirft uns vor: Es geht euch nur darum, in der Regierung zu bleiben. Alles andere ist euch egal. Schmutziger Wahlkampf Die rot-blaue Karte nicht zu zücken sei aber richtig gewesen, widerspricht Spindelberger anderen Parteikollegen. Nach diesem schmutzigen Wahlkampf der FPÖ bin ich dafür nicht zu haben. Die SPÖ müsse aber die Themen Asyl und Migration endlich offen ansprechen. Nicht mit populistischer Hetze, sondern auf sachliche Art. Nicht ganz so dramatisch sieht die Nationalratsabgeordnete und frühere steirische Landesrätin Elisabeth Grossmann Schwarz-Rot. Der Verlust des Landeshauptmanns ist natürlich schmerzlich. Noch schmerzlicher wäre Schwarz-Blau gewesen. Regierungsmitglieder unbeeindruckt Während an der SPÖ-Basis Ratlosigkeit und Irritation nach dem Verlust des Landeshauptmannes vorherrschen, zeigen sich die SPÖ-Regierungsmitglieder relativ unbeeindruckt und vermitteln eine völlig andere Sicht der Vorkommnisse. Der designierte SPÖ-Vorsitzende und Landeshauptmann-Vize, Michael Schickhofer, versichert, die Verhandlungen mit der ÖVP seien in bestem Einverständnis beider Partner über die Bühne gegangen. Nein, wir sind nicht erpresst worden, wir sind in offenen Verhandlungen zu einem vernünftigen Kompromiss gekommen, sagte Schickhofer am Donnerstag nach der letzten Sitzung der alten Regierung. ÖVP: Haben nicht gedroht Und auch der von SP-Politikern jetzt scharf angegriffene neue Landeshauptmann Schützenhöfer weist alle Spekulationen, er und seine Partei hätten die SPÖ mit der blauen Option unter Druck gesetzt, zurück. Wer mich kennt, weiß, der Hermann Schützenhöfer führt nie Parallelverhandlungen. Ich habe auch nie mit irgendwelchen Karten gedroht. Das angebliche Mastermind hinter dem steirischen Landeshauptman-Coup, Klubchef Reinhold Lopatka, beharrt auf STANDARD-Nachfrage ebenfalls auf der Darstellung, keine Gespräche mit Freiheitlichen im Hintergrund geführt zu haben. Das ist nicht mein Job. Er habe lediglich in Interviews gesagt, es solle niemand als Partner ausgeschlossen werden, der das Programm der ÖVP unterstütze. Wenn das ausreicht, um Druck aufzubauen, dann ist das nicht mein Problem. Was von beiden Seiten – zumindest inoffiziell – bestätigt wird: Die ÖVP hätte einer Halbzeitlösung zugestimmt, wenn sie die zweite Hälfte bekommen hätte. Voves hat dies abgelehnt. Am Ende hatte die ÖVP aber den ganzen Landeshauptmann. Initiative gegen Rot-Blau Gegen eine Koalition mit dem Rassismus haben laut einer Aussendung vom Donnerstag Ex-Finanzminister Ferdinand Lacina (SPÖ), die Autoren Karl-Markus Gauß und Josef Haslinger, Schauspieler Karl Markovics und der ehemalige Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, Ariel Muzicant, unterzeichnet. Initiator der Aktion ist der Republikanische Club, Unterstützung soll es von der Organisation SOS Mitmensch geben. Der burgenländische Pakt mit den Freiheitlichen mache die Hetze salonfähig, hieß es in dessen Aussendung. Wir fordern von den Parteien jenseits des rechtsextremen Populismus: Keine Koalition mit dieser FPÖ – nicht im Bund und nicht im Land. Weder im Burgenland noch sonst irgendwo in Österreich. Hermann Schützenhöfer wird am Dienstag zum Landeshauptmann gewählt - "Es gibt nur eine Abstimmung". Graz - Ganz verdaut ist die Sache noch immer nicht. Der politische Winkelzug des Franz Voves, seinem ÖVP-Stellvertreter Hermann Schützenhöfer die gesamte nächste Legislaturperiode als Landeshauptmann zu überlassen, sorgt nach wie vor für angeregte Diskussionen in der SPÖ. Zumal jetzt auch ventiliert wird, der nunmehrige Ex-SPÖ-Landeshauptmann habe auch mit einem gewissen Rachegedanken gehandelt, weil die Funktionäre im Wahlkampf für ihn nicht wie erwünscht gerannt seien. Jedenfalls: Trotz anhaltender Irritationen in der SPÖ dürfte einer Wahl von Hermann Schützenhöfer morgen, Dienstag, zum neuen Landeshauptmann nichts im Wege stehen. Grüne, KPÖ und wohl auch die FPÖ werden die neue Regierung zwar nicht wählen, SPÖ und ÖVP verfügen jedoch zusammen über 29 Abgeordnete. 25 Stimmen sind für die Wahl notwendig, da sich der neue Landtag aus 48 statt bisher 56 Abgeordneten zusammengesetzt. Brisant hätte es vielleicht werden können, wenn Schützenhöfer ad personam zur Wahl gestanden wäre. Dann hätte womöglich der eine oder andere SPÖ-Abgeordneter in geheimer Wahl seinen Unmut über den Verlust des Landeshauptmannes geäußert. Mit der Abschaffung des Proporzes wurde aber auch Geschäftsordnung geändert und so werden nun der ÖVP-Landeshauptmann sein SPÖ-Stellvertreter Michael Schickhofer sowie alle Regierungsmitglieder von SPÖ und ÖVP en bloc gewählt. Es gibt nur eine Abstimmung, sagt Landtagsdirektor Maximilian Weiss. Für die politische Galerie wird interessant sein, ob vielleicht einer oder zwei aus der SPÖ-Landtagsriege die Zustimmung zur neuen Regierung verweigern. So wie die Grünen. Klubchef Lambert Schönleitner: Weder die Art und Weise, wie die Regierung Schützenhöfer-Schickhofer zustande gekommen ist, noch das schwarzrote Regierungsprogramm rechtfertigen einen grünen Vertrauensvorschuss. Ein Nein kommt auch von der KPÖ, wegen der Erfahrungen in der letzten Periode, heißt es. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir dieser Regierung wählen, sagt auch Noch-FPÖ-Klubchef Hannes Amesbauer. Ihn löst FPÖ-Spitzenkandidat Mario Kunasek ab. Wahl der neuen Landesregierung unter ÖVP-Chef Hermann Schützenhofer. Graz - Am Dienstag trat der neue steiermärkische Landtag zur konstituierenden Sitzung zusammen, um die neue Landesregierung und die Landtagspräsidenten zu wählen. Der scheidende Landeshauptmann Franz Voves (SPÖ) war nicht anwesend, dafür die früheren Landeschefs Josef Krainer und Waltraud Klasnic (beide ÖVP). Bei der Wahl der Landtagspräsidenten gab es keine Einstimmigkeit. Die Grünen verweigerten FPÖ-Chef Gerhard Kurzmann ihre Zustimmung zur Wahl zum Dritten Präsidenten: Wer einen derartig hetzerischen Wahlkampf gegen Minderheiten und Asylsuchende mitzuverantworten habe, dürfe dieses Amt nicht innehaben, so Grün-Abgeordneter Lambert Schönleitner. Die KPÖ erteilte nicht nur Kurzmann, sondern auch der Ersten Landtagspräsidentin Bettina Vollath eine Absage. Begründung des Landtagsabgeordneten Werner Murgg: Es ist keine gute Sitte, jemand zur Präsidentin zu machen, die diesem Landtag nie angehört hat. Manuela Khom (ÖVP) wähle man selbstverständlich, sie habe diesem Hause angehört. Beim dritten Präsidenten gehe man traditionell nicht mit, das Amt solle man abschaffen. Der Grüne Abgeordnete Lambert Schönleitner erklärte: Wir wählen Vollath mit, sie war stets sehr offen in Richtung Opposition, z. B. beim Haushaltsrecht. Selbiges gelte für Manuela Khom (ÖVP). Persönlich habe er nichts gegen Gerhard Kurzmann, man wähle ihn wegen der Politik der FPÖ nicht mit, die Partei habe einen sehr problematischen Wahlkampf geführt, z. B. auf Plakaten Wohnungsbau und Moscheen gegeneinander ausgespielt. Im neuen steirischen Landtag sitzen 15 Abgeordnete der SPÖ, je 14 der ÖVP und Freiheitlichen sowie drei Grüne und zwei Kommunisten. Erstmals war die Sitzung am Dienstag von Gebärdendolmetscherinnen begleitet. Innerhalb der nächsten eineinhalb Jahre solle es ein nachfrageorientiertes Angebot in dieser Hinsicht geben, hieß es. Er habe einmal den Traum gehabt, Landeshauptmann zu werden, sagte der frischgewählte Landeschef der Steiermark, Hermann Schützenhöfer, am Dienstag im Landtag sichtlich gerührt. Nun, da er diesen Traum längst nicht mehr hatte, wurde er wahr. Der neue Landeschef der Steirer ist eigentlich gebürtiger Niederösterreicher. Ein kleiner Schönheitsfehler, den man ihm nachsieht, zog seine Familie doch schon in seiner Jugend in die Oststeiermark, was man ihm bis heute ein bisschen anhört. Doch zunächst wuchs er als Sohn eines Arbeiters, was er genau so gern wie sein Vorgänger und jahrelang inniger roter Reformpartner Franz Voves gern betont, in Edlitz auf. Schützenhöfer, der auch in seiner ersten Rede als Landeshauptmann die katholische Soziallehre lobte, lebte dort als Kind auf einem Pfarrhof, weil sein Vater als Forstarbeiter für die Kirche arbeitete. Schon mit vier war er Ministrant. Nach Polytechnikum und Kaufmannslehre in einer Greißlerei schrieb er als Nebenjob auch als Lokaljournalist für die Kleine Zeitung. Schon früh begann auch die politische Karriere in der ÖVP. Zuerst bei der JVP, dann beim steirischen ÖAAB, dessen Chef er in der Steiermark lange Jahre war. Parteiintern war er immer wieder ein Rebell. Er trat schon Mitte der 1980er-Jahre gegen die Parteilinie, für die Gesamtschule, ein, forderte eine Erhöhung des Mindestlohns und 2006 einen Solidarbeitrag für Spitzenverdiener über 70.000 Euro im Jahr. Schützi, wie ihn Freunde wie Gegner nennen, hatte auch keine Freude mit der schwarz-blauen Koalition im Bund. Was ihn auszeichnet, ist ein Patzen Selbstironie und die Abwesenheit einer Abgebrühtheit, die nach Jahrzehnten in der Politik erwartbar wäre. Das sah man zuletzt, als er sich von seinem Freund Voves, der ihm trotz Platz eins den Chefsessel überließ, unter Tränen verabschiedete. Ein bisschen erinnert seine Karriere an das Sprichwort mit den Leichen der Feinde, die im Fluss vorübertreiben, während man einfach nur am Ufer sitzt. Denn zu den oststeirischen Kronprinzen um Waltraud Klasnic gehörten einst zwei viel schillerndere Herren: Gerhard Hirschmann und Herbert Paierl. Sie sind politisch gesehen Geschichte. Schützi, der Ruhigste der drei, ist Landeshauptmann. Seine Frau Marianne, mit der er zwei erwachsene Kinder hat, nahm es am Dienstag im Landtag gelassen. Er werde halt jetzt auch viel arbeiten - so wie bisher. (Colette M. Schmidt, 17.6.2015) Nach mattem Ergebnis bei der Landtagswahl fordert Bundesparteichefin Eva Glawischnig nun eine "Verjüngung" in der Steiermark.. Graz – Das ist wohl der Nervosität vor der Wiener Wahl zuzuschreiben, reagiert Lambert Schönleitner spitz auf den scharfen Wind, der ihm seit der steirischen Landtagswahl aus der Bundeshauptstadt entgegen weht. Dem steirischen Grünen-Landessprecher wird von Parteichefin Eva Glawischnig vorgeworfen, die steirische Landtagswahl sinngemäß in den Sand gesetzt zu haben. Glawischnig verlangt eine Verjüngung in der Steiermark. Schönleitner wird nahegelegt, sich zurückzuziehen. Dieser denkt nicht daran, sondern schießt den Ball volley nach Wien zurück. Die Ergebnisse bei der Landtagswahl seien zwar nicht rosig gewesen, vor allem nicht im urbanen Grazer Raum, hier müsse in nächster Zeit einiges passieren, schuld an den Resultaten sei aber vor allem die von der Bundespartei vorgegebene Wahlkampflinie gewesen. Die war zu weichgespült, sagt Schönleitner im Standard-Gespräch. Die strategische Vorgabe der Bundespartei, die beiden Reformpartner Voves und Schützenhöfer zu schonen, weil auch die Grünen-Klientel Reformen verlangte, sei suboptimal gewesen. Es hätte allen Grund gegeben, die beiden schärfer wegen ihrer Drüberfahrerpolitik zu kritisieren. So aber habe allein die FPÖ von der Proteststimmung im Land profitiert. In diesem Sinne sei es sein Fehler gewesen, dass ich nicht stärker ins Lenkrad gegriffen habe. Schönleitner sieht insgesamt eher Defizite im Bund: Die Partei muss endlich ihr Image nachschärfen. Zwei Ex-Bürgermeister und zwei hochrangige Gemeindebedienstete in Leoben angeklagt. Leoben – Am Straflandesgericht Leoben hat am Montag der Prozess rund um Malversationen im Zeltweger Gemeinderat begonnen. Angeklagt sind zwei Ex-Bürgermeister, ein ehemaliger Stadtamtsdirektor und ein Finanzstadtrat, die insgesamt einen Schaden von mehr als 1,5 Millionen Euro verursacht haben sollen. Alle vier schoben bisher die Schuld auf einen Kronzeugen, der für die Finanzen zuständig war. Der Fall liegt mehrere Jahre zurück. Allen vier Beteiligten wird Amtsmissbrauch, teilweise auch Untreue und Betrug vorgeworfen, weil unter anderem Geld illegal an den Eishockeyverein Zeltweg geflossen sein soll. Die Angeklagten gaben übereinstimmend an, sich nicht schuldig zu fühlen. Es hat derart viele Malversationen in Zeltweg gegeben, dass es schwierig war zu filtern, was ist strafbar und was nicht, meinte der Staatsanwalt einleitend. Zunächst war nur der Leiter der Finanzabteilung ins Visier der Ermittler geraten, doch dieser nannte dann die anderen als die Hauptverantwortlichen. Er selbst beantragte einen Status als Kronzeuge, der ihm nach der seit heuer geltenden Regelung auch bewilligt werden dürfte. Ex-Bürgermeister Kurt Haller (SPÖ) war von 2008 bis 2010 im Amt und muss sich ebenso wie sein Vorgänger Kurt Leitner (SPÖ), der von 2001 bis 2008 regierte, wegen Amtsmissbrauchs und Untreue verantworten. Beide fühlten sich in keiner Weise schuldig, auch wenn Haller die Tatsachen, dass das Geld mit seinem Wissen an den Eishockey-Verein Zeltweg geflossen ist, nicht leugnet. Damals hat man alles viel lockerer gesehen, meinte sein Verteidiger. Alle vier Anwälte waren sich einig, dass der ehemalige Leiter der Finanzabteilung eine dubiose Rolle gespielt habe. Der ganze Fall war ja erst ins Rollen gekommen, weil die Bank einen Malversationsverdacht gegen diesen Beamten hegte. Bürgermeister Haller konfrontierte den Verdächtigen mit den Vorwürfen, und dieser gab alles zu. Doch dann wechselte er den Anwalt und begann, die vier anderen massiv zu belasten. Außerdem wollte er in den Genuss der erst seit 2015 geltenden Kronzeugenregelung – die ihm möglicherweise Straffreiheit bescheren würde – kommen. Die Beschuldigteneinvernahme wurde am Montag mit dem Viertangeklagten begonnen, der als Finanzstadtrat tätig war und ist. Er bestätigte, dass es für die sogenannten Barvorlagen keine Gemeinderatsbeschlüsse gab, denn es seien kurzfristige Kredite, keine Darlehen gewesen. Außerdem habe er dem Leiter der Finanzabteilung vertraut: Ich bin ja nicht gescheiter als der, der die Dienstprüfung abgelegt hat, meinte er. Die komplizierten Vorgänge um die Finanzen brachte der Ankläger so auf den Punkt: Es wurde Geld bei einer Kostenstelle eingebucht und ganz wo anders ausgebucht. Außerdem seien die Stadtverantwortlichen stets davon ausgegangen, der Finanzleiter macht das schon, ohne Befugnis und ohne Kenntnis des Gemeinderats. Genau jener mutmaßliche Kronzeuge ist nun nach Meinung aller Angeklagten und Verteidiger der Hauptschuldige. Er war der eigentliche Übeltäter, er war sowohl Oberfinanzbeamter als auch Oberbuchhalter, schilderte Verteidiger Dieter Neger, der Ex-Bürgermeister Kurt Haller (SPÖ) vertritt. Als finanzielle Drehscheibe der Gemeinde habe dieser – das Verfahren gegen ihn wird extra geführt – die Unregelmäßigkeiten allein erdacht und auch allein zu verantworten. Niemand der vier Angeklagte habe sich persönlich bereichert, sagten die Anwälte. Die Verhandlung wird am Mittwoch fortgesetzt, spannend dürfte es am Freitagnachmittag werden: Da soll der sogenannte Kronzeuge gehört werden. Sein Termin wurde vorverlegt, da er dann einige Wochen auf Reisen ist, begründete der Richter. Superintendent Hermann Miklas wirft Blauen in der Asyldebatte "Verleumdung" vor.. Graz – Im Streit zwischen dem Propst der katholischen Stadtpfarrkirche in Graz und der Grazer FPÖ wegen der blauen Stadtzeitung Der Uhrturm – der Standard berichtete – , meldete sich nun auch der Superintendent der evangelischen Kirche in der Steiermark, Hermann Miklas, zu Wort. Er gibt dem Kollegen von der katholischen Kirche volle Schützenhilfe und verwehrt sich auch gegen den Appell der Blauen, der Stadtpfarrpropst habe sich zu Unrecht in die Debatte eingemischt. In seinem Brief an den FPÖ-Gemeinderatsklub wirft auch Miklas der FPÖ vor Ängste vor Flüchtlingen bewusst zu schüren, ohne den Kontakt zu ihnen zu suchen. Miklas schreibt weiter, dass die FPÖ Verleumdung betreibe und das sei noch keine politische Frage im engeren Sinn, sondern primär eine moralisch-ethische Frage. Und deshalb melden sich Kirchenvertreter in dieser Angelegenheit zu Wort. Gerhard Kurzmann übergab bei Sonderparteitag das Zepter an den Klubobmann der FPÖ-Steiermark. Bruck an der Mur/ Graz – Gerhard Kurzmann tritt mit geschwellter Brust ans Rednerpult im Brucker Kulturhaus : Wir beginnen heute ein wichtiges Kapitel in unserer Parteigeschichte: Den Kampf um einen blauen Landeshauptmann. Und dieses Kapitel soll mit seinem Nachfolger Mario Kunasek aufgeschlagen werden, sagt Kurzmann, der an diesem Samstag im obersteirischen Bruck an der Mur die Führung der steirischen FPÖ, wie angekündigt, dem 39 Jahre alten Mario Kunasek übergibt. Kunasek bekleidet seit der steirischen Landtagswahl, bei der die Blauen mit einem Stimmenplus von 16 Prozent SPÖ und ÖVP auf Augenhöhe nahekamen, die Funktion als Klubobmann seiner Partei im Landtag. Strache war mit Videobotschaft vertreten Thematisch schließen die blauen Landespolitiker beim ihrem außerordentlichen Parteitag in Bruck vor rund 600 enthusiasmierten Delegierten genau dort an, wo sie im Wahlkampf für die Landtagswahl im Mai aufgehört hatten: Beim blauen Dauerbrenner Asyl, bei polemischen Parolen gegen das Asylchaos, wie der obersteirische FPÖ-Mandatar Hannes Amesberger ins Auditorium rief. Die Asylheime würden ja wie Schwammerl aus dem Boden schießen, und das wollen wir nicht, wetterte Amesberger. Der scheidende Parteichef und jetzige Landtags-Vizepräsident Kurzmann ortet gar anarchischen Zustände an unseren Grenzen, wo eine Handvoll Poliziisten versucht, hunderte Grenzgänger aus Asien zu stoppen. FPÖ-Bundesparteiobman Heinz-Christian Strache spritzte den steirischen Parteitag und übermittelte eine Video-Botschaft. Für ihn machte Generalsekretär Harald Vilimsky bei den steirischen Blauen seine Aufwartung und zeigte sich vor dem Brucker Forum überzeugt, dass nach der rot-blauen Koalition in Burgenland nun in Oberösterreich Schwarz-Blau vor der Tür stehe. Ein Hinweis für Vilimsky , dass die Rettung des abendländischen Österreichs gesichert sei. 98,21 Prozent stimmten für Kunasek Kunasek holte sich bei der Wahl – der einzige Tagesordnungspunkt – 98,21 Prozent Zustimmung. Von den 284 stimmberechtigten Delegierten gaben 280 ihre Stimme ab. Davon wiederum stimmten 275 für Kunasek, der als einziger Kandidat angetreten war. Der Wechsel war bereits seit Mitte 2014 vorbereitet worden, damals war der in Gössendorf bei Graz lebende Kunasek noch freiheitlicher Nationalratsabgeordneter. Für den scheidenden Parteiobmann Gerhard Kurzmann – er war in der vergangene Legislaturperiode noch Verkehrslandesrat und fungiert nun als 3. Landtagspräsident – gab es lang anhaltenden Applaus. Kurzmann hatte in der für die Freiheitlichen schwierigen Zeit nach der Abspaltung des BZÖ die Partei zusammengehalten. Viele lokale Organisationen hatten sich damals aufgelöst, 2005 war die Partei aus dem Landtag geflogen und konnte erst 2010 wieder einziehen. Kurzmann verabschiedete sich nach dem fulminanten Erfolg bei der Landtagswahl im Mai – plus 16,1 auf 26,76 Prozent und damit auf zwei bis drei Prozent SPÖ und ÖVP nahegerückt – mit einer Kampfansage: Wir vollziehen einen Generationenwechsel und beginnen ganz bewusst ein neues Kapitel in unserer Parteigeschichte – mit dem Ziel eines blauen Landeshauptmannes in der Steiermark. Mit dem Berufssoldaten Kunasek hält ein deutlich offensiverer Stil in der Landtagsarbeit der Freiheitlichen Einzug. In jeder der drei bisherigen Landtagssitzungen der Legislaturperiode – bis auf die konstituierende Sitzung am 16. Juni – gab es dringliche Anfragen an bzw. Befragungen eines SPÖ- oder ÖVP-Regierungsmitglieds. Am 1. September war von den Freiheitlichen sogar eine Sondersitzung zur Asyl- und Flüchtlingsfrage beantragt worden. In dieser Sitzung kam man auf die Befragung von gleich drei schwarz-roten Regierern, was selbst angesichts der mit Dringlichen nicht geizenden Grünen und KPÖ ziemlich massiv war. Hintergrund dürfte auch sein, dass man nach dem Ende des Proporzes kein Regierungsmitgliede mehr stellt und eine Dringliche medial mehr wahrgenommen wird als die normale Landtagsarbeit. In diesem Sinne wird es auch bei der nächsten Landtagssitzung am Dienstag eine FPÖ-Dringliche Anfrage geben – LHStv. Michael Schickhofer soll sich zur Pleite der Gemeinde Hart bei Graz unter der früheren SPÖ-Führung erklären. Burschenschafter feierten den Akademikerball im Congress, die Uni Graz ließ derweil auf dem Multikulti-Ball eine pluralistische Gesellschaft hochleben. Graz – Zwei Bälle, die unterschiedlicher nicht sein könnten, wurden am Samstag in Graz in derselben Nacht gefeiert. In der Innenstadt wurden schon am Nachmittag Gassen und Plätze rund um den Congress von der Polizei gesperrt, weil dort abends Burschenschafter und FPÖ-Funktionäre ihren Akademikerball feierten. Rund 500 Menschen demonstrierten ab dem Nachmittag in einem Demozug, der unter anderem durch die Herrengasse führte unter dem Motto Faschismus stoppen, Burschenschaften blocken. In der Folge gab es auch mehrere Sitzblockaden, die bis zum späten Abend dauerten. Auch der Ex-EU-Parlamentarier der Freiheitlichen, Andreas Mölzer, war unter den Ballgästen, die großteils mit dem Taxi kamen. Organisiert wurde der Protest von dem Bündnis Offensive gegen rechts (OGR), dem sich unter anderem die GRAS, die Interventionistische Linke (IL) und einige autonome Gruppen angeschlossen hatten. Der Grazer Akademikerball fand zum 64 mal statt, die große Demo der OGR erst zum zweiten Mal. Auf der Homepage des Akademikerballs wurden heuer die Sponsoren nicht mehr angezeigt. Im Hauptgebäude und in der Bibliothek der Karl-Franzens-Uni feierten derweil zum 18. Mal rund 1700 Menschen, unter ihnen auch viele Akademiker, Lehrende und Studierende der Uni und Politiker von ÖVP, SPÖ, den Grünen und der KPÖ, eine pluralistische Gesellschaft auf dem restlos ausverkauften Multikulti-Ball. Kulinarisch war man von Crêpes bis Indian Curry, musikalisch von Klezmer über Balkanklänge bis zu afrikanischen Chören und Volksmusik breit aufgestellt. Ballgäste kamen in Saris, afrikanischen und steirischen Trachten, Schottenröcken oder einfach neutralen Ballroben. Der Ball hätte eigentlich am 20. Juni 2015 stattfinden sollen, wurde damals allerdings wegen der Amokfahrt in Graz verschoben. Am Rande der Demos gegen den Akademikerball gab es auch artistische Einlagen, etwa Dreibeinige Tripods am Marburger Kai, auf denen Aktivisten in luftiger Höhe gegen die deutschnationalen Studentenverbindungen protestierten. Laut Polizei kam es bei den stundenlangen Kundgebungen und Blockaden weder zu Tätlichkeiten, noch zu Sachbeschädigungen. Es ist eigentlich sehr ruhig verlaufen, so Polizeisprecher Leo Josefus im Gespräch mit dem STANDARD erleichtert. Sechs Personen wurden vorübergehend festgenommen und einer Identitätsfeststellung zugeführt. Die Interventionistische Linke kritisierte am Sonntag ein unverhältnismäßig hartes Durchgreifen der Polizei. Schwerere Verletzungen habe aber niemand erlitten. Zufrieden zeigte man sich in einer Aussendung damit, den Zugang zum rechtsextremen Stelldichein erheblich erschwert zu haben. Man habe sich den Burschenschaftern entschlossen und friedlich in den Weg gestellt. Johannes Steiner, Sprecher der OGR sagt, er habe am Rande der Demo Anzeige wegen eines Hitlergrußes erstattet, räumt aber ein: Es hat sich dabei nicht um einen Ballgast, sondern um einen Passanten gehandelt. Bürgermeister Siegfried Nagl, der von der OGR kritisiert wird, weil die Stadt den Congress, dessen Mehrheitseigentümerin sie ist, an die Burschenschaften vermietet, ist selbst Stammgast am Multikulti-Ball, den er auch am Samstag wieder besuchte. Zeithistoriker und Altrektor der Uni Graz, Helmut Konrad (siehe Video), in dessen Amtszeit der erste Multikulti-Ball fiel, kritisierte Bürgermeister Nagl für etwas anderes, nämlich für seine Äußerungen in den letzten Tagen: Dass wir eigentlich jetzt schon die Grenzen dicht machen müssten, hat mich sehr, sehr betroffen gemacht. Und Nagl habe ihn damit auch überrascht: Denn ich hätte ihn als Grazer Bürgermeister für sensibler in dieser Frage gehalten. Dass Nagl sogar innerhalb der ÖVP vorpresche, das sei schon etwas überraschend und für einen Bürgermeister der Menschenrechtsstadt enttäuschend. Konrad sei froh, dass junge Menschen gegen den Akademikerball auf die Straße gingen, so lange der Protest gewaltfrei bliebe. Wäre er ein junger Mensch würde er sich selbst den Demos anschließen, so der Altrektor: Dieser Ball entspricht nicht meiner Vorstellung einer pluralistisch, demokratischen Gesellschaft. Er habe den Akademikerball auch als Rektor nie ökonomisch gefördert oder gar besucht. Am Multikulti-Ball gibt es jedes Jahr eine Auszeichnung durch die so genannte Multi-Kulti-Card. Sie erhielt heuer die Menschenrechtskämpferin Sonja Perkiĉ-Krempl, die auch Trägerin des Menschenrechtspreises der Steiermark ist. Sie war Teil eines Zeugenbegleitungsprogramm in Guatemala, untersuchte Frauenmorde und war auch am Prozess gegen den ehemaligen Militärgeneral Rios Montt wegen Genozid und Kriegsverbrechen beteiligt. Perkiĉ-Krempl musste das Land daraufhin verlassen und macht nun ihr Doktorat in Mexiko. Ehrengast des Multikulti-Balls war heuer der junge syrische Zahnarzt Muhamad Al Diri, der so lange es ging als Arzt im Süden von Syrien blieb und half, schließlich aber wegen Verfolgung selbst flüchten musste. In einem knappen Jahr lernte er fast perfekt Deutsch und wartet nun auf die Nostrifikation seiner Ausbildung in Graz, während er unter anderem mit der Caritas nun selbst Flüchtlingen hilft. UBV gewann, Grüne und SPÖ-Landwirte nicht mehr im Landeskammerrat vertreten – Wahlbeteiligung wieder gesunken. Graz – Der Bauernbund ist bei der steirischen Landwirtschaftskammerwahl am Sonntag trotz Verlusten mit 69,71 Prozent (2011: 76,46) stärkste Kraft geblieben. Die FPÖ-Bauern (FB) schafften klar den Sprung in die Landeskammer. Der Unabhängige Bauernverband (UBV) steigerte sich auf 6,75 Prozent. Grüne und SPÖ flogen aus der Landesvertretung. Die Wahlbeteiligung ist auf 38,94 Prozent gesunken (2011: 41,62). Mit Verlusten hatte man im Vorfeld der Wahl beim Bauernbund gerechnet, diese hielten sich allerdings im Rahmen: Spitzenkandidat und LWK-Präsident Franz Titschenbacher, dessen erste Wahl es war, dankte für das Vertrauen: Die Verluste sind bedauerlich, aber die Voraussetzungen sind sehr schwierig gewesen. Der Bauernbund wird ein verlässlicher und unterstützender Wegbegleiter der Landwirte in herausfordernden Zeiten sein. Agrarlandesrat Hans Seitinger (ÖVP) sagte, man habe in einem schwierigen Umfeld ein gutes Ergebnis erzielt. Ich habe gespürt, dass es sich in den Tagen bis zur Wahl verdeutlicht hat: Die Menschen wollen Verlässlichkeit und keine populistischen Forderungen. Freude herrschte bei der FPÖ: Dass wir unsere Prozentzahl verdoppeln, damit hätte ich nicht gerechnet, so Spitzenkandidat Leonhard Meister gegenüber der APA. Es lag wohl an unserem konsequenten Programm, und die Landespartei hat uns den Rücken gestärkt, so der Chef der nun zweitstärksten Fraktion in der Agrarkammer. Das Flüchtlingsthema sei kein Faktor gewesen. Wir Bauern haben andere Sorgen. Wir wollen unseren Stellenwert in der Gesellschaft und entsprechende finanzielle Abgeltung für unsere Produkte, über faire Preise und eine gerechtere Förderverteilung, sagte Meister. Der Vorstand der Grünen Bauern Steiermark, Heribert Purkarthofer, räumte ein, das mit dem alleinigen Antreten der Grünen gesteckte Ziel des Kammereinzugs nicht erreicht zu haben. 2011 waren die Grünen zusammen mit dem UBV angetreten. Die SPÖ-Bauern schafften den Verbleib in der Kammervertretung nicht: Parteiintern haben wir uns nicht so leicht getan, sagte Spitzenkandidat Walter Schuster, ein Obstbauer aus dem Bezirk Voitsberg, der in seiner Bezirkskammer den Einzug schaffte. Man muss ständig vor Ort sein, bei den Leuten, in einem schwarzen Bezirk tut man sich da schwer, so Schuster zur APA. Vielleicht sei es auch ein Fehler gewesen, dass man nicht so stark auf Konfrontation gegangen sei. Gewählt wurde sowohl die politische Vertretung in der Landeskammer als auch die Bezirkskammern. Der Bauernbund kam auf 30 von 39 Mandaten und verlor gegenüber 2011 zwei Mandate. Zweitstärkste Fraktion sind die FPÖ-Bauern mit fünf Mandaten (12,10 nach 5,25 Prozent im Jahr 2011). Dritte Kraft in der steirischen Landeskammer ist der UBV, der – ohne die 2011 mit ihnen angetretenen Grünen – 8,53 Prozent (2011: 8,16) erreichte und nun vier Kammerräte stellt (2011: 3). Die Grünen Bauern kamen auf 2,91 Prozent, die SPÖ-Bauern auf 6,75 Prozent (2011: 10,12) und büßten ihre bisherigen vier Mandate ein. In den zwölf Bezirkskammern (2011: 16) erreichte der Bauernbund 70,68 Prozent (2011: 76,93) und ist in diesen mit 139 (2011: 204) von insgesamt 180 Mandataren (2011: 240) vertreten. Die blauen Bauern schafften 18 Mandate (2011: 4) in den Bezirkskammern (11,88 Prozent, 2011: 5,05). Der UBV kam auf 8,41 Prozent (2011: 7,86) bzw. 12 Sitze in 10 Bezirkskammern (2011: 13). Die Grünen schafften in keiner Bezirkskammer den Einzug. Die SPÖ-Landwirte sind zumindest mit 11 Vertretern in 10 von 12 Bezirkskammern (6,84 Prozent, 2011: 10,16). Wahlberechtigt waren 135.807 Personen, von ihnen gingen 38,94 Prozent oder 52.883 zur Wahl. Nach SPÖ-Rochade um den Rücktritt von Martina Schröck will auch die ÖVP für Wohnungsstadträtin der zweitstärksten Fraktion, Elke Kahr, votieren. Graz – Die KPÖ-Stadträtin Elke Kahr wird Vizebürgermeisterin von Graz. Diesmal sind ihr auch die Stimmen der ÖVP gewiss, wie der STANDARD am Dienstag vom Sprecher des Bürgermeisters Siegfried Nagl erfuhr. Als Kahr im Jänner 2013 im Gemeinderat zur Vizestadtchefin gewählt werden sollte, klappte es nicht. Die KPÖ hatte als zweitstärkste Fraktion das Vorschlagsrecht und mit Kahr eine Politikerin, die damals seit 20 Jahren im Gemeinderat und zehn Jahre Wohnungsstadträtin war, doch sie scheiterte in allen drei Wahlgängen. Die ÖVP hatte damals offen angekündigt, Kahr nicht zu wählen, weil die KPÖ einem Sparbudget nicht zustimmen wollte. Doch mit den angekündigten Stimmen von Grünen, FPÖ, einem Piraten und zwei SPÖ-Mandataren hätte es zu Kahrs Wahl reichen sollen. Aber es fehlten Stimmen. FPÖ und Grüne warfen sich damals gegenseitig ein böses Spiel vor. Nutznießerin war schließlich SPÖ-Chefin Martina Schröck, die damals statt Kahr zur Vizebürgermeisterin gewählt wurde. Diese zog sich – wie berichtet – am Montag mit sofortiger Wirkung als SPÖ-Chefin zurück. Ihr Nachfolger ist der 38-jährige Zahntechniker Michael Ehmann. Ob Ehmann, der im Juni auch als Stadtrat angelobt werden soll, auch alle Ressorts, also Jugend, Soziales und vor allem Frauen, von Schröck übernehmen will, wisse er noch nicht. Darüber werde noch beraten, heißt es seitens der SPÖ. Mit der Frauenszene in Graz kam die Soziologin Schröck, die sich in Fragen der Asyl- oder Sozialpolitik weiter links positionierte als ihre Landespartei, nie auf einen grünen Zweig. Weil sie die parteiunabhängige Frauenbeauftragten abmontierte, herrschte Eiszeit. Den Grazerinnen nun einen Mann als Frauenstadtrat vorzusetzen, könnte zum nächsten Konflikt führen. Kahr dürfte jetzt jedenfalls Vizebürgermeisterin werden. Pikanterweise war es nämlich sie, die Nagl 2014 beim Budget aus der Patsche helfen musste, weil er sich mit SPÖ, Grünen und FPÖ nicht einigte. Die Stadtregierung war am Kippen, da sprang Kahr ein und legte ein Budget mit Nagl vor, das deutliche KPÖ-Spuren enthielt. Aus dem Büro Nagl heißt es auf STANDARD-Nachfrage am Dienstag: Selbstverständlich werden wir Elke Kahr diesmal zur Vizebürgermeisterin wählen. Die KPÖ wird auch nicht auf ihr Vorschlagsrecht verzichten: Wir sind die Einzigen, auf deren Kontinuität die Leute bauen können, wir hatten keine Skandale und keine Rochaden, sagt Kahr dem STANDARD. Und sie kenne die Sorgen der Bevölkerung am besten. Allein seit April 2012 kamen 15.200 Bürger persönlich ins Stadtratbüro. Da sind die, die auch anrufen und um Rat fragen, noch gar nicht dabei, so Kahr. Die wichtigsten drei Anliegen: Arbeitsplatz, Wohnen und die Versorgung im Alter. Die Freiheitlichen konnten in der Steiermark vor allem bei Menschen punkten, die der Zukunft mit Sorge entgegenblicken.. Demographische und Subgruppenanalysen helfen zu verstehen, wie das Wahlergebnis für bestimmte Teile der Bevölkerung aussehen würde. Die Ergebnisse von vor der Wahl durchgeführten Umfragen, zeigen deutlich: Die FPÖ ist bei Menschen, die die Zukunft kritisch sehen, deutlich die stärkste Partei. Demnach wählten etwa 56 Prozent der Steirer, die der Zukunft mit Sorge entgegensehen die FPÖ. Bei Menschen, die der Zukunft zuversichtlich gegenüberstehen, landete die FPÖ mit 3 Prozent auf dem vierten Platz. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich auch bei der Zustimmung bzw. Ablehnung der Reformen. Etwa 3 von 5 Wählern, die die Reformen negativ beurteilen, wählten FPÖ. Bei den Befürwortern schneidet die Partei deutlich schlechter ab. Am stärksten konnte die FPÖ in der Altersgruppe der 30 bis 50-Jährigen Punkten. Wie bei vergangenen Wahlen, wählten auch diesmal Männer deutlich häufiger die FPÖ als Frauen. SPÖ und ÖVP sind am stimmenstärksten bei den Befürwortern der Reformen, über 60-Jährigen und Menschen, die der Zukunft mit Zuversicht entgegensehen. Die Grünen punkten bei Wählern unter 30 und Matura oder Universitätsabschluss. Frauen wählten auch diesmal eher Grün als Männer. Gemeindeergebnisse, Mandate und mögliche Koalitionen im Überblick. Kammer gab im ersten Quartal für Anzeigen fast dreimal so viel aus wie im Vorjahr, Zahlen in Salzburg und Vorarlberg hingegen rückläufig. Innsbruck – Wer im Februar in Tirol sein Kreuzerl für die Wirtschaftskammerwahl abgeben wollte, habe folgende Szenerie vorgefunden, erzählt Michael Carli, Sprecher der Grünen Wirtschaft: Da stand die Wahlzelle, und darüber hing ein Bildschirm. Auf dem lief in Dauerschleife ein Promo-Video für den amtierenden Präsidenten Jürgen Bodenseer. Quasi als letzte Entscheidungshilfe für Unentschlossene. Dass der schwarze Wirtschaftsbund mit Plakaten, die mit Kammergeldern finanziert wurden, Parteiwerbung betrieben habe, wurde von den Grünen schon damals kritisiert – Bodenseer war in seiner Funktion als Präsident etwa auf Sujets zu sehen, die allgemein zur Stimmabgabe animieren sollten. Nun wurden im Rahmen des Transparenzgesetzes die Ausgaben für Inserate veröffentlicht – und die seien ein Skandal, wie Carli sagt. Konkret beliefen sich die Werbeausgaben der Tiroler Wirtschaftskammer im ersten Quartal 2014 auf rund 171.000 Euro, im gleichen Zeitraum im Jahr 2015 wurden 462.000 Euro dafür aufgewendet. Während in anderen Bundesländern wie in Vorarlberg und in Salzburg die Inserate in den ersten drei Monaten des Jahres 2015 im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen sind, hat die Wirtschaftskammer Tirol fast dreimal so viel Geld ausgegeben. Das ist der absolute Inseratenwahn, sagt Carli. Die Tiroler Wirtschaftskammer argumentiert, dass zu Jahresbeginn nicht nur die Wahlen stattgefunden haben, sondern man auch eine Imagekampagne zur Stärkung des Standortes Tirol gestartet habe. So kam es zufällig zu zwei großen Posten im ersten Quartal, bis Ende des Jahres wird sich das wieder ausgleichen, sagt ein Sprecher. Die Grüne Wirtschaft fordert jedenfalls, dass nicht nur die Kosten für Inserate, sondern sämtliche Wahlkampfausgaben offengelegt werden. Die Anzeigen sind ja nur ein Teil dessen, was ausgegeben wurde. Wenn Bodenseer sein Privatvermögen sinnlos verbrennt, dann ist das seine Sache. Aber wenn er Kammergelder mit beiden Händen aus dem Fenster wirft, dann geht uns das alle an, moniert Carli. Entscheidung über Spitzenkandidatur bei Gemeinderatswahl soll im kommenden Jahr fallen. Innsbruck – Die Innsbrucker SPÖ wird auf einem Bezirksparteitag am 28. November einen neuen Stadtparteivorsitzenden wählen. Die bisherige Chefin der Sozialdemokraten in der Landeshauptstadt, Gabi Schiessling, wird nicht mehr kandidieren, erklärte sie am Montag bei einer Pressekonferenz. Die Entscheidung über den Spitzenkandidaten für die Gemeinderatswahl 2018 soll im kommenden Jahr fallen. Es sei Zeit, neue, junge Leute an der Spitze der Stadtpartei ans Ruder zu lassen, meinte Schiessling, die im Dezember 2012 zur Innsbruck-Chefin der Tiroler Roten gewählt worden war. Sie hatte die Funktion damals vom jetzigen SPÖ-Stadtrat Ernst Pechlaner übernommen. Keine klare Aussage der SPÖ-Granden in Stadt und Land gab es am Montag darüber, ob der neue Innsbrucker SPÖ-Chef auch gleichzeitig der Spitzenkandidat bei der Gemeinderatswahl sein soll. Der ebenfalls bei dem Pressegespräch anwesende Landesparteivorsitzender Ingo Mayr meinte einerseits, dies sei eine Entscheidung, die von der Stadtpartei zu treffen sei. Er erklärte aber auch, dass er es gern so sehen würde, wenn der kommende Parteichef auch der Spitzenkandidat sei. Schiessling und der SPÖ-Klubchef im Gemeinderat, Arno Grünbacher, gaben an, letzteres kann so sein, muss aber nicht so sein. Laut Mayr hätten ihm gegenüber bereits einige potenzielle Kandidaten ihr Interesse auf den Parteivorsitz in Innsbruck bekundet. Namen wollte er nicht nennen. Zuletzt waren der Landtagsabgeordnete Thomas Pupp und die Gemeinderätin Sophia Reisecker für diese Position gehandelt worden. Keine Änderungen werde es bis zur Wahl bei der SPÖ-Besetzung in der Stadtregierung geben. Drei der sechs roten Gemeinderäte werden jedenfalls 2018 nicht mehr kandidieren. Die Landesparteispitze hatte in der Vergangenheit mehrmals auf eine Verjüngung in Innsbruck gedrängt. Mit der Wahl einer neuen Parteispitze sah Tirols SPÖ-Chef nun die notwendigen Weichen gestellt. Die Stadtpartei, die mit Für Innsbruck und den Grünen in der Regierung sitzt, hat wie die Landespartei schon bessere Zeiten erlebt. Bei der Wahl 2012 büßte sie 5,2 Prozent ein und landete bei 14,5 Prozent. In 107 der 278 Gemeinden hat sich lediglich ein Kandidat aufstellen lassen. Am 28. Februar werden die Tiroler zur Wahlurne gerufen – in 278 Gemeinden, nur in Innsbruck wird erst im Jahr 2018 wieder gewählt. Tatsächlich kommt es aber auch schon in etwas mehr als zwei Wochen in zahlreichen Kommunen zu keiner echten Abstimmung: Denn in 32 Gemeinden wurde nur noch eine Liste eingereicht, in 107 Ortschaften gibt es lediglich einen einzigen Bürgermeisterkandidaten. In den Gemeinden, in denen es nur eine Liste gibt, gilt diese bereits mit einer Stimme als gewählt, sagt Gemeindeverbandspräsident Ernst Schöpf (ÖVP). Im Bergdorf Gramais ließ sich gar überhaupt kein Williger für den Posten des Ortschefs finden, deshalb müsse dort der bisherige im Amt bleiben. Was auch feststeht, seit nun die Frist zur Bekanntgabe der Listen verstrichen ist: Nur acht Prozent der Bürgermeisterkandidaten sind Frauen, nämlich 45 der insgesamt 245 Bewerber. Schöpf, der in Sölden selbst zum fünften Mal antritt, hat für das alles mehrere Erklärungen parat. Allen voran: Das Amt sei schlicht zu unattraktiv – keine freien Tage, wenn man sich im Ortsgebiet aufhält, schlechte Bezahlung, danach habe man kaum berufliche Perspektiven. Weiberleut habe er immer wieder angesprochen, die wollen einfach nicht, sagt Schöpf. Aktuell gibt es in Tirol elf Bürgermeisterinnen. Über Gemeindezusammenlegungen ziert sich Schöpf dennoch zu sprechen. Mit Gewalt fusionieren, da bin ich wenig begeistert, sagt er. Es gehe in den kommenden Jahren aber darum, dass Gemeinden enger zusammenarbeiten. Versorgung sei in mehreren Kliniken gefährdet, "Zwei-Klassen-Medizin" werde befeuert, schlussfolgert die Liste Fritz aus einer Anfragebeantwortung. Zwei bis zweieinhalb Monate warte man auf eine Standardoperation an der Innsbrucker Klinik für Augenheilkunde, sogar vier Monate auf einen Eingriff an der Hüfte in der Orthopädie. Wer es sich leisten kann, der wird sich privat operieren lassen. Das befeuert die Zwei-Klassen-Medizin und untergräbt den öffentlichen Versorgungsauftrag, wird Andrea Haselwanter-Schneider, Klubobfrau der Liste Fritz, in einer Aussendung zitiert. Die Tiroler Kleinpartei hat eine Landtagsanfrage zum Thema Patientenversorgung an den Tiroler Kliniken gestellt – und heute, Donnerstag, die Beantwortung vorgelegt. Die Liste Fritz macht nun fünfzehn problematische Fachabteilungen an der Universitätsklinik Innsbruck und fünf am Landeskrankenhaus Hall aus. Gefährdet sei die Patientenversorgung in jenen Abteilungen, in denen sich besonders viele Ärzte dazu entschieden haben, nach den neuen Arbeitszeitregelungen höchstens 48 Stunden pro Woche zu arbeiten. Das sei in Innsbruck vor allem in der Dermatologie, der Plastischen Chirurgie und der Augenheilkunde der Fall, in Hall in der Inneren Medizin und der Chirurgie. Vonseiten der Tirol Kliniken wird betont, dass es doch das erklärte Ziel sei, dass möglichst viele Mediziner nach den Maßgaben des neuen Gesetzes arbeiten. Die genannten Abteilungen seien auch nicht zwangsläufig jene, in denen es Probleme gibt. Die Notfallversorgung sei bisher stets gewährleistet gewesen, stellte darüber hinaus Tirols Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) klar. Das ist doch das Mindeste. Das Geld ist da, es ist jetzt die Aufgabe der Landesregierung, das Steuergeld der Tiroler sinnvoll zu verteilen, sagt Haselwanter-Schneider. Sie fordert ein Paket für den gesamten Gesundheitsbereich und alle Mitarbeiter. Bereits beschlossen ist, dass bis zum Jahr 2017 hundert zusätzliche Mediziner angestellt werden sollen. Aus der Anfragebeantwortung geht hervor, dass im vergangenen Jahr 57 dieser Stellen bereits eingerichtet und bis November 51 davon besetzt wurden. Pro Stelle würden sich durchschnittlich zwei bis drei Ärzte bewerben. Mangelfächer seien die Psychiatrie, die physikalische Medizin und Rehabilitation. Rund 100 Gemeinderäte als blaues Ziel am Sonntag, auch "ein oder zwei Bürgermeister mehr" wären laut Strache nicht schlecht. Wien – Die FPÖ will sich bei den Tiroler Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen am Sonntag verdoppeln. Unser Ziel ist, die aktuellen 49 Gemeinderäte auf 100 auszubauen, sagte Landesparteichef Markus Abwerzger bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Das wäre ein Fingerzeig für die Landtagswahl und die Gemeinderatswahl in Innsbruck im Jahr 2018, erklärte FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Es ist längst an der Zeit, die schwarze Arroganz zu brechen – und zwar nicht nur im Landtag, sondern auch in den Gemeinden, meinte Strache. Denn die ÖVP sei zu einer situationselastischen Partei ohne Grundsätze und Werte geworden. Ein oder zwei Bürgermeister mehr wären auch nicht schlecht, so Strache, vordringlich gehe es aber darum, zu wachsen. Wir müssen die weißen Flecken schließen. Die Freiheitlichen schicken 28 Bürgermeisterkandidaten ins Rennen. Ex-Landesparteichef Gerald Hauser, als Bürgermeister von St. Jakob einziger blauer Ortschef in Tirol, habe jedenfalls eine Riesenchance, wiedergewählt zu werden, so Strache. Abwerzger gab sich zuversichtlich, dass Hauser es schaffen werde, obwohl die ÖVP in St. Jakob schwere Geschütze auffahre. Abwerzger bemängelte den im Wahlkampf vorherrschenden Stil: Wir hatten noch nie einen derartigen Widerstand. Neben der üblichen Wahlplakate-Zerstörungswut habe es auch Untergriffe gegenüber Kandidaten gegeben, bisweilen auch Mobbing, sagte der Tiroler FPÖ-Chef: Das spricht dafür, dass die Nervosität der Mitbewerber sehr groß ist. Auch er kritisierte die ideologische Beliebigkeit der ÖVP, die schon lange keine christlich-soziale Partei mehr sei. Im Zusammenhang mit der Einwanderungskrise seien die Freiheitlichen nicht Hetzer, sondern Hellseher, sagte Abwerzger. Vieles von dem, was wir prophezeit haben, ist eingetreten. Die Tiroler Gemeinden könnten sich daher nach dem Wahlsonntag auf einiges gefasst machen, prophezeite Abwerzger nach einem Blick in seine Glaskugel. Denn dann werde das Durchgriffsrecht zur Anwendung kommen und Flüchtlinge auf die Gemeinden verteilt werden, was zu einer massiven Belastung der Gemeinden führen werde. Und das gegen den Willen der Bevölkerung. 489.721 Wahlberechtigte – Keine Wahl in Innsbruck. Innsbruck – In 277 der 279 Tiroler Gemeinden wurden am Sonntag die Weichen neu gestellt: 489.721 Wahlberechtigte entscheiden nicht nur über die Zusammensetzung der Ortsparlamente, sondern wählen auch den Bürgermeister direkt. Falls kein Kandidat im ersten Anlauf eine absolute Mehrheit schafft, erfolgt 14 Tage später (13. März) eine Bürgermeisterstichwahl. Für die Tiroler Volkspartei, die derzeit 234 Bürgermeister stellt, gilt es, ihre Vormachtstellung auf Gemeindeebene zu behaupten. Die SPÖ verteidigt 25 Bürgermeistersitze, die FPÖ einen. Die Grünen wollen die Anzahl ihrer Gemeinderäte von derzeit 43 auf 65 steigern. Um 17 Uhr schlossen die letzten Wahllokale ihre Pforten. Gesamtergebnis wird es keines geben, da die Wahlbehörde keines berechnet. Die Landeshauptstadt Innsbruck wählt traditionell zu einem anderen Termin, planmäßig wieder im Jahr 2018. Und nicht dabei ist am Sonntag auch Gramais, weil sich dort niemand zur Wahl stellte. 'Herbe rote Verluste, grüne Zugewinne, zumindest ein blauer Bürgermeister und viele schwarze oder fast schwarze Sieger – ein Gesamtergebnis gibt es bei den Gemeinderatswahlen aber nicht. Unzählige Namenslisten machen die Zuordnung schwierig. Innsbruck – Tirol, das Land der vermeintlich unabhängigen Kandidaten und Splittergruppen, der unter zahlreichen Namenslisten antretenden Schwarzen und der Vormachtstellung der Volkspartei – das bestätigten auch wieder die Gemeinderatswahlen am Sonntag. Wie die ausgegangen sind, wird man auch in den kommenden Tagen nicht klar sagen können. Durch die vielen Listen tut sich sogar die ÖVP selbst schwer aufzuzählen, wie viele Bürgermeister ihr zuzurechnen sind. Gesamtergebnis wird es deshalb – wie schon immer bei Kommunalwahlen in Tirol – gar keines geben. Fest steht: Viele Gemeinden bleiben schwarz oder zumindest in den Händen einer volksparteinahen Gruppierung. In rund hundert der 277 Kommunen stand der Bürgermeister überhaupt schon vorab fest – da ließ sich nämlich lediglich ein Kandidat aufstellen. In 32 Ortschaften trat sogar bloß eine einzige Liste an. Fest steht auch: Die Sozialdemokraten müssen herbe Verluste hinnehmen. In den traditionellen SPÖ-Hochburgen Wattens, Hochfilzen und Rum setzte es ein ordentliches Minus für die Roten. Acht Prozentpunkte mussten sie in Hall einbüßen. Richtig dramatisch wurde es für die Sozialdemokraten in Landeck und Jenbach. In Landeck erreichte die ÖVP die absolute Mehrheit, die SPÖ musste ein Minus von 17 Prozentpunkten schlucken. In Jenbach hat sich die SPÖ sogar mehr als halbiert, sie rasselte von rund 47 Prozent im Jahr 2010 auf 22 Prozent hinunter. Die Ausnahme war Lienz: Dort konnte die amtierende Ortschefin Elisabeth Blanik (SPÖ) ordentlich zulegen. Eine Überraschung für die Blauen war Jochberg: In der Gemeinde im Bezirk Kitzbühel mit 1344 Wahlberechtigten ging der FPÖ-Kandidat klar als Bürgermeister hervor. Mit 53,2 Prozent setzte sich Günter Resch gegen seine drei Mitstreiter um den Ortschefposten durch – ein so deutliches Ergebnis hatten wohl selbst die Freiheitlichen nicht erwartet. Bisher stellte die FPÖ in Tirol bloß einen Bürgermeister – und zwar im 866-Seelen-Ort St. Jakob in Defereggen. Dort bleibt es spannend, es wird zu einer Stichwahl kommen. Mit rund 38 Prozent erzielte die Gruppierung Für St. Jakob die meisten Stimmen – eine junge Truppe, die erstmalig antrat und einen 28-jährigen Bürgermeisterkandidaten aufstellte. Es wird sich zeigen, ob er sich am 13. März gegen den amtierenden blauen Ortschef Gerald Hauser durchsetzen können wird. Eine Schlappe für die Volkspartei war Kufstein, wo der ehemalige ÖVP-Generalsekretär Hannes Rauch als Bürgermeister antrat. Sein Team machte lediglich 13,8 Prozent. Deutlich besser sieht es für die Schwarzen in Zams und Imst aus: In Zams – wo Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) lebt und wählt – erzielte die Volkspartei diesmal mehr als 50 Prozent der Stimmen. In Imst, der achtgrößten Stadt Tirols, in der landesweit die meisten Listen – nämlich zehn – zur Wahl standen, konnte sich der amtierende Bürgermeister und Landtagsabgeordnete Stefan Weirather (ÖVP) wieder klar behaupten. Doris Reheis, Frau des roten Klubobmanns Gerhard Reiheis, trat dort für die Sozialdemokraten an. Sie musste ein Minus von vier Prozentpunkten hinnehmen und erzielten nur noch 6,7 Prozent der Stimmen. Zumindest kurz aufatmen kann Landesparteichef Ingo Mayr. Er wurde in Roppen im Bezirk Imst trotz Verlusten als Bürgermeister bestätigt. Hätte er das Amt verloren, wären seine Tage als Parteiobmann mit ziemlicher Sicherheit gezählt gewesen. Freuen kann sich immerhin die rote Familie Dornauer. Bereits in dritter Generation versuchen sie in Sellrain, den Bürgermeisterposten zu erobern. Georg Dornauer junior hat das – nachdem der bisherige Ortschef diesmal nicht mehr kandidierte – nun endlich geschafft. Im Speckgürtel um Innsbruck konnten sich die Grünen behaupten. In den Dörfern Rinn, Lans und Sistrans erzielten sie über 20 Prozent der Stimmen. In Axams schaffte es die grüne Kandidatin Gabriele Kapferer-Pittracher sogar in die Stichwahl. Die Partei ist allerdings nur in 45 Gemeinden angetreten. Insgesamt wurde die Bevölkerung in allen bis auf zwei der insgesamt 279 Tiroler Kommunen zur Urne gebeten – die Statutarstadt Innsbruck wählt planmäßig erst im Jahr 2018 277 Bürgermeister wurden am Montag angelobt. Die Zuwächse der FPÖ können die Stimmung beeinflussen, glaubt Karlhofer. Die Ergebnisse der Tiroler Gemeinderatswahlen würden sich in das Gesamtstimmungsbild einfügen, sagt der Innsbrucker Politologe Ferdinand Karlhofer. Es hatte sich bereits bei den Wahlen in Oberösterreich abgezeichnet und nun in Tirol und bei den Landtagswahlen in Deutschland bestätigt: Keine Wahl bleibt mehr vom Flüchtlingsthema unberührt. Für Tirol bedeute das: Die Stimmen gegen Flüchtlinge werden lauter werden. Denn vor allem von Hall bis Kufstein, wie Karlhofer ausführt, werden künftig deutlich mehr Freiheitliche in den Gemeinderäten sitzen und dadurch auch mehr Menschen mediale Aufmerksamkeit bekommen, die sich strikt gegen jede Form der Zuwanderung aussprechen. Durch die Kehrtwende der Bundesregierung bei diesem Thema würde sich zwar vorerst die Zahl an ankommenden Flüchtlingen reduzieren, gehe es dann allerdings wieder darum, Unterkünfte zu finden, werde das durch die neue Zusammensetzung der Tiroler Gemeinderäte gewiss nicht einfacher, ist Karlhofer überzeugt. Und: Der Zustrom wird wieder zunehmen, es ist bloß noch nicht absehbar, wann. Die blaue Landespartei werde nun versuchen, ihre Terraingewinne für die kommenden Landtagswahlen zu nutzen und überall dort, wo die FPÖ bei den Gemeinderatswahlen stark war, im Hintergrund zu agieren, sagt Karlhofer. Landtagswahlen werden in Tirol planmäßig wieder im Jahr 2018 abgehalten. In der Innsbrucker Hofburg wurden indessen am Montag die Bürgermeister jener 277 Gemeinden angelobt, in denen gewählt worden war – darunter 15 Frauen. Zuvor gab es in Tirol – ohne Innsbruck – zehn Bürgermeisterinnen. Die SPÖ wird künftig 24 Ortschefs stellen, die Freiheitlichen zwei. Es waren zwar auch viele eigenständige Listen angetreten, man kann dennoch sagen: Die ÖVP konnte ihre dominierende Stellung auf Gemeindeebene klar verteidigen. Die Grünen hatten es mit ihrer Kandidatin in Axams erstmals in eine Bürgermeister-Stichwahl geschafft, aus dieser ging allerdings ihr Kontrahent als Sieger hervor. Neues Video wird beim Auftakt präsentiert – Blasmusikempfang und Ehrengäste. Wien/Innsbruck – Er tourt bereits fleißig durch das ganze Land, aber am Donnerstagabend startet Andreas Khol nun auch offiziell in den Wahlkampf. Der ÖVP-Bundespräsidentschaftskandidat hat hierzu Ehrengäste und Parteivertreter nach Innsbruck in sein Heimatbundesland geladen. Unter den Rednern findet sich auch der Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer. Zu der großen Veranstaltung mit dem Titel Österreich stärken. Andreas Khol stärken ab 18.30 Uhr im Congress Innsbruck werden knapp 1.000 Gäste erwartet. Sie werden ebenso wie der Präsidentschaftskandidat vor dem Gebäude von der Blasmusik empfangen. Wer die Ehrengäste sind, wurde noch nicht verraten, fest steht, dass beim Auftakt auch ein neues Video des ÖVP-Kandidaten gezeigt wird. Begleitet wird Khol einmal mehr von seiner Ehefrau Heidi. Am Rednerpult werden neben Hausherr Landeshauptmann Günter Platter und Khol selbst auch Vizekanzler und Parteiobmann Reinhold Mitterlehner sowie CSU-Chef Seehofer erwartet. Seehofer wird übrigens vor dem Wahlkampfauftakt von Platter und Mitterlehner mit einem Landesüblichen Empfang um 17.00 Uhr am Landhausplatz begrüßt. Am Auftakt nehmen auch zahlreiche ÖVP-Vertreter teil, darunter die Regierungsmitglieder Hans Jörg Schelling, Andrä Rupprechter, Johanna Mikl-Leitner und Sebastian Kurz. Dabei sind auch Generalsekretär Peter McDonald, Europaabgeordnete Elisabeth Köstinger und der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf. Abschließen wird Khol seinen Wahlkampf laut Sprecherin am 22. April in Wien. Details dazu stehen noch nicht fest. "Nazis unterstütze ich nicht", erklärt Ingo Mayr auf Facebook. Die Tiroler Freiheitlichen haben mit Empörung über Facebook-Einträge Erfahrung. Die Tiroler Freiheitlichen sind empört und schockiert, wie sie in einer Aussendung bekunden. SPÖ-Obmann Ingo Mayr ist eine Beleidigung für die politische Kultur im Bundesland Tirol, wird der blaue Landeschef Markus Abwerzger zitiert. Der Grund für die Entrüstung: Mayr hat den FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer auf Facebook indirekt als Nazi bezeichnet. Konkret wurde er von einem Bekannten, wie Mayr selbst sagt, in einem Posting auf seinem öffentlichen Profil aufgefordert, am 22. Mai in Hofer zu wählen – 214 Roppner sein mitn guaten Beispiel voraus gongen. Mayr ist Bürgermeister der Gemeinde Roppen im Bezirk Imst. Er antwortete: Damit kann ich nicht dienen. Auch für mich gilt Meinungs- und Wahlfreiheit. Und Nazis unterstütze ich nicht. Auf Nachfrage gesteht Mayr ein: Das war überzeichnet. Der Sprecher von Norbert Hofer erklärt am Telefon, von dem Vorfall noch nichts zu wissen, ob rechtlich gegen den Eintrag vorgegangen wird, werde man noch prüfen. Mit Empörung über Facebook-Einträge haben die Tiroler Freiheitlichen Erfahrung – allerdings vor allem aufgrund von Entgleisungen der eigenen Funktionäre. Gegen einen blauen Kandidaten bei der diesjährigen Gemeinderatswahl hatte die Staatsanwaltschaft Innsbruck kürzlich Ermittlungen wegen Wiederbetätigung eingeleitet, nachdem dieser auf Facebook mehrere NS-Seiten gelikt hatte. Der Kandidat stellte daraufhin all seine Funktionen ruhend und nahm sein Mandat nicht an. Die ehemalige FPÖ-Landtagsabgeordnete Hildegard Schwaiger war vergangenes Jahr wegen des Anlegens einer Facebook-Gruppe mit dem Titel Asylflut stoppen – auch in Tirol und mehrerer Postings in die Kritik geraten. Zuvor hatte Schwaiger bereits die Aussagen des niederösterreichischen FPÖ-Chefs und Nationalratsabgeordneten Christian Höbart verteidigt, nachdem der Asylwerber als Erd- und Höhlenmenschen bezeichnet hatte. Schwaiger hat sich inzwischen aufgrund eines privaten Schicksalsschlags aus dem Landtag zurückgezogen. (Katharina Mittelstaedt, 27.4.2016) UPDATE 16.50 Uhr: Ingo Mayr hat sich via Aussendung für den Nazi-Vergleich entschuldigt. Die Meldung war unpassend. Ich entschuldige mich bei Norbert Hofer und allen, die sich durch meine Aussage angegriffen gefühlt haben, wird er zitiert. SPÖ fordert Aktivität gegen Arbeitslosigkeit – FPÖ sieht Themenverfehlung und lehnt neuerliches Doppelbudget ab – Laut Liste Fritz ist die Liste der Dauerbaustellen der Regierung lang. Innsbruck – Die schwarz-grüne Tiroler Landesregierung hat am Dienstag nach drei Jahren Zusammenarbeit Bilanz gezogen. Die Opposition teilte die positive Selbsteinschätzung der Landesregierung naturgemäß nicht. Während die SPÖ mehr Aktivität gegen die Arbeitslosigkeit fordert, sieht die FPÖ eine Themenverfehlung. Und die Liste Fritz kritisiert eine lange Liste an Dauerbaustellen. Für SPÖ-Chef Ingo Mayr sind drei Jahre Schwarz-Grün wenig Grund zur Freude. Diese Koalition habe sich entzaubert. Wir haben in Tirol fast 30.000 Arbeitslose, aber wirkungsvolle und mutige Maßnahmen für mehr Beschäftigung bleiben bislang aus, meinte Mayr. Vielen Tirolern stehe das Wasser bis zum Hals. Daher müssten nun endlich die richtigen Prioritäten gesetzt werden. Neben zusätzlichen Investitionen im Sozialbereich, beim Wohnen, in der Wissenschaft und der Forschung forderte die SPÖ auch die Einführung des Bestbieterprinzips und den flächendeckenden Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen. Die Freiheitlichen sehen bei Schwarz-Grün eine Themenverfehlung: Statt über wirklich massive Probleme zu sprechen, wie die Flüchtlingskrise, welche massiv Steuergelder kostet, für Personen, die allesamt aus sicheren Drittstaaten zu uns kommen, wird über die Nordische WM 2019 gesprochen, kritisierte FPÖ-Landesparteiobmann Markus Abwerzger. Die Regierung habe zu allererst zu interessieren, wie es der Tiroler Bevölkerung geht. Zudem sprachen sich die Freiheitlichen gegen ein neuerliches Doppelbudget aus. Für die Liste Fritz ist die Liste der Dauerbaustellen dieser Platter-Regierung lang. Es fehle moderne Bildungspolitik, gerechte Sozialpolitik, sinnvolle Umwelt- und Naturschutzpolitik und faire Verkehrspolitik, bemängelte Liste Fritz-Klubobfrau Andrea Haselwanter-Schneider. Zudem verzeichne Tirol eine Rekordarbeitslosigkeit, durchschnittlich seien heuer 3.000 Tiroler mehr arbeitslos als bei Regierungsantritt im Jahr 2013. Auch der von Landeshauptmannstellvertreterin Felipe vermeldete Erfolg beim sektoralen Fahrverbot halte nur einem ersten Blick stand. Der angekündigte Meilenstein für die Umwelt sei ein schlechter Witz und die genannte Zahl von 200.000 Lkw, die dadurch von Tirols Straßen verschwinden sollen, absolut unrealistisch. Nach den geschlagenen Wahlen in der Steiermark und im Burgenland beantwortete Wahlforscher Christoph Hofinger vom Markt- und Meinungsforschungsinstitut Sora Fragen der User und Userinnen im derStandard.at-Chat. Gefragt, ob die Asylfrage sowie die umstrittene Arbeitsmarktpolitik im Bund zum Wahlerfolg der FPÖ entscheidend beigetragen haben – Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) bot diese Analyse am Wahlabend –, sagte Hofinger: Arbeitsmarkt ist wichtig, vor allem, dass die WählerInnen Hoffnung auf eine Trendwende haben. Außerdem ist es seit langem in Österreich so, dass die Menschen das Gefühl haben, unsere Nachbarn hängen uns ab. Das Asylthema an sich ist es nicht. Sondern in erster Linie die verunglückte Kommunikation. Elitenprotest Über Franz Voves (SPÖ) und Niessls Wahlkampfstrategie, mit FPÖ-affinen Themen punkten zu wollen, sagte Hofinger: Wer Strafen für Integrationsverweigerer fordert, stimmt der FPÖ in ihrer Diagnose zu, dass dies häufig vorsätzlich passiert, und dass Strenge das Mittel der Wahl ist. Die Landeshauptleute wollten dadurch ihre Flanke schützen, in Wirklichkeit haben sie dadurch die FPÖ gestärkt. Das vergleichsweise schlechte Abschneiden der Kleinparteien in der Steiermark erklärte Hofinger so: Die steirische Wahl war auch eine Abstimmung zwischen Elitenakzeptanz und Elitenprotest. Diesen hat die FPÖ zugespitzt formuliert, die anderen Oppositionsparteien haben sich da schwergetan. Hypo und Neos Das Scheitern der Neos sei problematisch, weil deren Markenkern Hoffnung sei. Er vermutet, dass die Neos den Einzug auch in Oberösterreich verpassen werden, in Wien könnten es die Pinken knapp schaffen. Das Hypodebakel hat laut Hofinger auf diesen Wahlgang keinen Einfluss gehabt. Das Hypo-Thema wird im Moment undurchschaubar, eine klare Geschichte, wer die Rolle des Schuldigen hat, ist trotz – oder auch wegen – des Untersuchungsausschusses nicht sichtbar. Umfragen vor und bei Wahlen sind nicht immer präzise. Wir müssen die Abweichungen verstehen und kommunizieren. Wir müssen lernen, Schwankungsbreiten zu verstehen und zu kommunizieren. Aufmerksamen Verfolgern der gestrigen Wahlberichterstattung sind wahrscheinlich die starken Schwankungen zwischen den zwei für die Steiermark angefertigten demografischen Umfragen aufgefallen. Sowohl das Sora als auch Peter Hajek haben im Auftrag von ORF beziehungsweise ATV Umfragen durchgeführt. Sie befragten jeweils 1.200 und 1.000 Wähler auf Dinge wie Bildungsabschluss, ihre Bewertung der Reformen, Zukunftsaussichten et cetera. Daraus ergibt sich für die Vorhersagen eine Schwankungsbreite von 2,8 bis 3,1 Prozent. Nicht alle Ergebnisse sind direkt vergleichbar, da beide verschiedene Kategorien verwenden, unter den vergleichbaren sind zum Beispiel die Wähler unter 30 Jahren. Beim Sora schneidet die FPÖ mit 25 Prozent in dieser Gruppe schlechter ab als bei der Umfrage von Peter Hajek, in der sie 31 Prozent erreicht. Eine Differenz von 6 Prozentpunkten. Allerdings hat zum Beispiel Sora nur 196 Menschen in dieser Gruppe befragt. Dementsprechend liegen hier die Schwankungsbreiten um einiges höher. Eine gängige Antwort ist, auf solche Umfragen zu schauen und sie aufgrund solcher Differenzen als Unsinn oder Kaffeesatzleserei abzutun. Dem entgegenzuhalten ist, dass auch die Bewertung von Umfragen zur Medienkompetenz gehört. Sowohl Journalisten als auch Leser sollten mit der Ungenauigkeit von Umfragen leben lernen. Wenn Sie also das nächste mal eine Wahlumfrage präsentiert bekommen, fragen Sie sich: Wie hoch ist die Schwankungsbreite? Was wir als Journalisten lernen müssen, ist, die Schwankungsbreite bei Umfragen mit anzugeben beziehungsweise darzustellen. Manchmal überkommt einen aber auch der Drang, die Ungenauigkeit von Umfragen zu ignorieren und einen knackigeren Titel zu schreiben. Die SPÖ tut sich schwer, junge männliche Arbeitnehmer zu erreichen – und genau in diesen Bereich stoßen die Freiheitlichen vor. Frühere Wähler der Großparteien haben am Sonntag Wahlabstinenz geübt. Graz/Eisenstadt – Ziemlich genau 600.000 von 965.000 wahlberechtigten Steirern haben am Sonntag von ihrem Wahlrecht Gebrauch gemacht – und damit der Gruppe der Nichtwähler einen erneuten Zuwachs von 73.000 Personen beschert. Die 37,7 Prozent der Wahlberechtigten ausmachende Gruppe der Nichtwähler ist damit die weitaus größte politische Gruppe in der Steiermark, mehr als doppelt so groß wie die Wählerschaft der SPÖ. Im Burgenland (Wahlbeteiligung 76 Prozent) ist der Effekt nicht so stark, hier sind die 77.949 SPÖ-Wähler die größte Gruppe. Tatsächlich zeigen die Wählerstromanalysen des Sora-Instituts, dass es beachtliche Abflüsse an die Nichtwähler gegeben hat – vor allem enttäuschte ehemalige SPÖ-Wähler sind daheimgeblieben. Die niedrige Wahlbeteiligung lässt den Wählerzuwachs der FPÖ noch stärker erscheinen, als er in absoluten Zahlen ist. Den Tabellen sind die absoluten Zahlen zu entnehmen – in Anteilen an der früheren Wählerschaft wird es noch deutlicher. Verschiebungen ergaben sich laut Sora vor allem dadurch, dass in der Steiermark die beiden Großparteien nur rund 60 Prozent ihrer Wähler halten konnten – der SPÖ ist jeder siebente Wähler von 2010 daheim geblieben, zudem jeder achte Wähler direkt zur FPÖ übergelaufen. Die ÖVP hat sogar noch deutlicher an die Freiheitlichen verloren (beinahe jeder vierte Wähler von 2010 hat direkt gewechselt), dafür hat sie weniger an Nichtwähler abgeben müssen. Im Burgenland waren die Effekte ähnlich, aber nicht ganz so stark, weil die Haltequoten für SPÖ (78 Prozent der früheren Wähler) und ÖVP (75 Prozent) doch höher waren. Dennoch ist jeder elfte burgenländische SPÖ-Wähler von 2010 daheimgeblieben, sechs Prozent sind zur FPÖ gewechselt. Auch hier hat die ÖVP stärker direkt an die FPÖ abgegeben als an die Nichtwähler. Die Ursachenforschung ging am Montag weiter: Wahlforscher Christoph Hofinger meinte im STANDARD-Chat, dass die Landeshauptleute Franz Voves und Hans Niessl in der Asyldebatte der FPÖ zu sehr recht gegeben hätten – damit hätten sie nicht die eigene Flanke geschützt, sondern die Freiheitlichen gestärkt. Die Sora-Analysen zeigen auch, dass die FPÖ vor allem bei Menschen mit geringer Bildung, bei Arbeitern und bei jüngeren männlichen Wählern punkten konnte. Die FPÖ wurde in der Steiermark mehr als doppelt so häufig von Männern wie von Frauen gewählt und wurde unter Männern mit 38 Prozent überhaupt zur stärksten Partei. Unter Frauen liegt hingegen mit 37 Prozent die SPÖ vor der ÖVP mit 31 Prozent und der FPÖ mit 17 Prozent. Im Burgenland dagegen konnte die FPÖ in keiner Wählergruppe eine relative Mehrheit erzielen. In der Betrachtung nach Altersgruppen zeigt sich die FPÖ diesmal in der mittleren Altersgruppe der 30- bis 59-Jährigen mit einem Ergebnis von 33 Prozent stärker als unter Jungen oder Alten. Unter 16- bis 29-Jährigen liegt die SPÖ mit 29 Prozent vor der FPÖ mit 25 Prozent und der ÖVP mit 18 Prozent. Auch die Grünen sind mit 17 Prozent unter jungen Wählern stark. Die SPÖ ist besonders in der Steiermark auf ihre Kernschichten (ältere Frauen, Pensionisten) zurückgeworfen. 'Konkrete Verhandlungen beginnen wenige Tage nach der Landtagswahl - Landeshauptmann Niessl und FPÖ-Chef Tschürtz kündigten Gespräche an - Faymann wurde vorab informiert. In Eisenstadt machen wenige Tage nach der Landtagswahl am Sonntag zwei Parteien Ernst: Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und der burgenländische FPÖ-Chef Johann Tschürtz haben am Mittwochabend eine Gemeinsame Erklärung abgegeben. Niessl und Tschürtz haben bereits sondiert und treten nun in konkrete Koalitionsverhandlungen. Das Burgenland steht also vor einer rot-blauen Regierung, die erste offiziellen Koalitionsgespräche erfolgten noch am Mittwochabend. #niessl: das ziel ist möglichst rasch eine regierung der spö mit der fpö im #burgenland pic.twitter.com/uHdtXm3sIi Bundeskanzler Werner Faymann wurde nach Informationen des STANDARD über diesen Schritt von Niessl vorinformiert. Tschürtz hatte offenbar auch mit ÖVP-Chef Franz Steindl verhandelt, sowohl die SPÖ als auch die ÖVP hatten sich im Burgenland bereit gezeigt, mit der FPÖ in eine Koalition zu treten. Die Chancen, dass es nun demnächst eine rot-blaue Landesregierung, sind nicht bloß groß Ilse Benkö: FP-Mandatarin als Youtube-Star. Ilse Benkö ist ein Star. Im Südburgenland sowieso, da kennt man sie ja face-to-face. Nun aber kennt man sie überall, jedenfalls face-to-screen. Fast 300.000 Zugriffe gab es und unzählige - teils ungläubige - Medienberichte. Ihr Song - den sie eigentlich nicht singt, sondern singen lässt - geht gerade durch die Decke, wie man sagt. Die Helene Fischer, ließ sie unlängst standard.at wissen, bin ich nicht. Aber wie diese (Aaaaaaatemlos durch die Nacht) pflegt auch Benkö den Refrainpurismus: I kreuz die Benkö an - Blauaue Lady. Das Bild, das Ilse Benkö in diesem Video von sich zeichnen lässt, kommt ihrer wirklichen Figur durchaus nahe. Lederkluft, schlurfender Gang, kesse Lippe: Die Südburgenländerin, die im nun rot-blauen Burgenland vereinbarungsgemäß Dritte Landtagspräsidentin wird, ist, was man eine Gstandene nennt. Im Scherz habe, erzählt sie, ein SPÖler einmal gesagt, sie solle sich doch - mit so einem Mundwerk - bei der FPÖ bewerben. Kaum gesagt, schon getan. 1996 kandidiert die als Rechtspflegerin am Oberwarter Bezirksgericht Tätige für den Landtag. Nicht alles habe ihr in der FPÖ damals gepasst, also hat sie sich wieder zurückgezogen, um 2000 wiederzukommen. 2000 zog sie als erste Frau für die FPÖ in den Landtag, dem sie seither angehört. Sie ist auch Gemeinde- und Stadträtin in Oberwart. Ilse Benkö - eine der wenigen Frauen, die ihre Haare noch so auffällig toupieren - hat einen Gutteil ihres Lebens im Spitzensport verbracht. Sie war eine ausgezeichnete Basketballerin, peppelte bis ins Nationalteam. Von 2005 bis 2008 war sie Präsidentin des Burgenländischen Basketballverbands. Liiert ist Benkö nicht. Dazu habe ihr bisher die Zeit gefehlt, aber vielleicht finde ich ja noch einen Lebensabschnittspartner. Jetzt, als Dritte Landtagspräsidentin in Eisenstadt, wäre vielleicht Zeit dazu. Dritte Landtagspräsidentin - Michael Häupl würde sagen, da sei er am Dienstagmittag fertig. Benkö muss da allerdings schon wieder ins Südburgenland düsen. Sie kümmert sich mit ihren zwei Geschwistern um die alte Mutter, die ist seit ihrem neunten Lebensjahr schwerst körperbehindert. Ein Handicap, mit dem die 54-Jährige sich selber ihre soziale Ader erklärt. Und neben dem allen muss sie ja auch noch den blauen Klub zusammenhalten. Buberlpartien brauchen, wollen sie seriös sein, zuweilen eine leitend-strenge Hand. Und seis die der Blauen Lady. Nur eine Woche nach der Wahl präsentiert Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl heute, Montag, in Eisenstadt sein künftiges Regierungsteam. Fix ist FP-Landeschef Johann Tschürtz als Niessls Stellvertreter und Landesrat für Sicherheit. Aus der Bundespolitik ausscheiden wird SPÖ-Bundesgeschäftsführer Norbert Darabos. Er wird Landesrat für Soziales und Gesundheit. Die Pressekonferenz im Livestream Staatsanwalt meldete Nichtigkeitsbeschwerde an – Geldstrafe und bedingte Haft für Amtsleiter – Gemeindebedienstete ebenfalls freigesprochen – Nicht rechtskräftig. Eisenstadt – In Eisenstadt musste sich am Freitag der burgenländische Landtagspräsident Gerhard Steier (SPÖ) vor Gericht verantworten. Ihm und drei Gemeindebediensteten wurde Amtsmissbrauch durch Scheinanmeldungen von Schülern in Siegendorf vorgeworfen. Ein Schöffensenat sprach Steier und eine Gemeindemitarbeiterin im Zweifel frei, der Amtsleiter wurde schuldig gesprochen, das vierte Verfahren wurde vertagt. Die in der Anklage erhobenen Vorwürfe, basierend auf anonymen Anzeigen, stammten aus dem Jahr 2009. Damals habe ein Familienvater aus Sopron seine drei Kinder in Siegendorf in die Schule schicken und sie – nachdem er Auskunft erhalten hatte, dass dies notwendig sei – auch im Ort anmelden wollen, so Staatsanwalt Roland Koch. Nachdem es ihm nicht gelungen sei, eine Privatperson zu finden, die seine Kinder bei sich angemeldet hätte, habe er sich an die Gemeinde gewandt. Schließlich seien der Mann und sein Sohn im Juli 2009 in einer leer stehenden Gemeindewohnung, die eigentlich verkauft werden sollte, mit einem Nebenwohnsitz gemeldet worden. Im September wurde die Meldung auch für die zwei Töchter des Mannes durchgeführt. Steier habe damals als Bürgermeister die Nebenwohnsitz-Meldungen genehmigt, der Amtsleiter habe nach einem Gespräch mit ihm die Meldungen unterschrieben und an die Gemeindebediensteten weitergeleitet. Diese hätten die Einträge ins Melderegister ausgeführt, erläuterte Koch. Dass die Personen niemals in Siegendorf gewohnt hätten, das war allen Beteiligten von vorneherein klar, stellte der Staatsanwalt fest. Rechtsanwalt Werner Dax, der gemeinsam mit seinem Kollegen Martin Lehner die vier Angeklagten vertrat, hob hervor, dass man über Vorwürfe aus dem Jahr 2009 spreche. Heute wisse jeder, dass diese Meldung nicht gemacht werden darf, doch damals sei dieses Problem der Nebenwohnsitz-Meldungen überhaupt nicht bewusst gewesen. Seit 2012 sei der Fall anhängig, die Anklage sei zwei Monate vor der Landtagswahl erhoben worden. Möglicherweise stehe eine politische Motivation dahinter, so Dax. Das Gespräch, das Steier damals als Ortschef mit dem Amtsleiter geführt haben soll, nahm bei den Befragungen breiten Raum ein. Der Amtsleiter hatte erklärt, dass er dem Bürgermeister seine Rechtsmeinung vorgetragen und von ihm die konkrete Beauftragung bekommen habe, das Meldeverhältnis zu begründen – mit der Bemerkung: Wenn die Rechtsmeinung so passt, dann ist das für mich ok. Das stimme sicher nicht, entgegnete Steier: Ich habe im Meldewesen keine Weisung, keine Anleitung wie auch immer gegeben. Die Vorsitzende des Schöffensenats, Richterin Birgit Falb und Staatsanwalt Roland Koch befragten den Landtagspräsidenten bis ins Detail zu den Vorgängen vor sechs Jahren. An ein Gespräch über die Anmeldung des Mannes aus Ungarn könne er sich nicht erinnern, sagte Steier. Er habe nur über die Erhebungen erfahren, dass es eine Anmeldung gab. Was haben sie 2009 über das Meldewesen gewusst? wollte der Ankläger wissen. Ich habe mich mit dem Meldewesen nicht befasst, antwortete der Landtagspräsident und blieb auch auf mehrmalige Nachfrage bei seiner Aussage. Der Vater der drei Kinder sagte auch auf vielfaches Nachfragen, dass er sich zwar erinnern könne, wegen der Anmeldungen in Siegendorf gewesen zu sein, er könne jedoch zu Details keine Auskunft mehr geben. Weil sich bei einer der zwei angeklagten Gemeindebediensteten nicht klären ließ, ob sie im Dienst war, als die Kinder angemeldet wurden, wurde ihr Verfahren vertagt. Die Beweise sind eindeutig, stellte der Staatsanwalt in seinem Schlussplädoyer fest. Dass es (die Anmeldungen, Anm.) gesetzeswidrig war, das wurde gewusst, so Koch, der einen Schuldspruch verlangte. Den Vorwurf einer politischen Motivation in dem Verfahren wies der Ankläger entschieden zurück. Der Staatsanwalt sei nicht auf Beweisergebnisse eingegangen, weil es keine gibt, erklärte Verteidiger Dax und forderte einen Freispruch für seinen Mandanten. Der Schöffensenat verurteilte nach mehr als eineinhalbstündiger Beratung den Amtsleiter zu 3.600 Euro unbedingter Geldstrafe und fünf Monaten bedingter Haft. Landtagspräsident Steier und eine Gemeindemitarbeiterin wurden im Zweifel freigesprochen. Der Amtsleiter erbat Bedenkzeit, der Staatsanwalt erklärte in seinem Fall Rechtsmittelverzicht. Bei Steier und der Gemeindebediensteten meldete er Nichtigkeitsbeschwerde an. Die Urteile sind somit nicht rechtskräftig. Das Beweisverfahren habe beim Amtsleiter einen eindeutigen Schuldspruch ergeben, so die Richterin. Als mildernd wurden bei ihm der bisher ordentliche Lebenswandel, die lange Verfahrensdauer und das lange Zurückliegen der Tat berücksichtigt. Der genaue Sachverhalt des Gesprächs, das er mit dem Amtsleiter geführt habe, sei letztendlich nicht mehr feststellbar, begründete die Vorsitzende den Freispruch für Steier. Bei der ebenfalls freigesprochenen Mitangeklagten sei wissentlicher Befugnismissbrauch nicht nachweisbar. Gemeinden sollen Zuschuss erhalten – Kärntner Landeshauptmann übt Kritik an Innenministerin. Wien/Eisenstadt/Klagenfurt – Im Eisenstädter Landhaus trafen am Freitag Landesregierung, Hilfsorganisationen und Gemeindevertreter zum ersten Asylgipfel zusammen. Ein Gremium, das nun im Zwei-Wochen-Rhythmus tagen wird, wie Landeshauptmann-Stellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) ankündigte. Die Intention ist, die Flüchtlingsunterbringung in kleinen Einheiten auf die Beine zu stellen. Ziel ist es, die Zelte wegzubekommen, sagt Norbert Darabos (SPÖ), neuer Asyl-Zuständiger in der Landesregierung, der auch verspricht: Wir werden die vereinbarte Quote erfüllen. Jetzt liege man bei rund 99 Prozent. Die Formel, der das Burgenland sich verpflichtet fühle, sei, so Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), jene des Generalsekretärs von Amnesty International, Heinz Patzelt, der gemeint habe, eine Quote von etwa sieben Flüchtlingen auf 1.000 Einwohner sei verträglich. Wir fassen zehn auf 1.000 ins Auge. Das umzusetzen, werde das Burgenland neue Wege beschreiten: Gemeinden, die neue, flexible Quartiere errichten, werden vom Land mit 30 Prozent der Infrastrukturkosten, maximal 10.000 Euro gefördert. Auch bei Adaptierungen bestehender Gebäude gelte dieser Betrag. Vorderhand seien dafür einmal 300.000 Euro reserviert. Den Sommer hat sich Norbert Darabos für die Flüchtlingsfrage schwerpunktmäßig reserviert. Und gibt sich zuversichtlich: Der Asylgipfel war eine Erfahrung, die ich in der Bundespolitik so nicht gemacht habe: Alle Beteiligten ziehen an einem Strang, und zwar in die gleiche Richtung. Das Burgenland beherbergt, wie Vorarlberg, kein eigenes Verteilerquartier für Asylwerber. Ab Montag soll etappenweise die Verteilung der Flüchtlinge auf die Bundesländer über sieben solche Quartiere organisiert werden. Sie sollen die Erstaufnahmezentren in Thalham und Traiskirchen entlasten. In Traiskirchen wird auch das Verteilerquartier für Niederösterreich sein. In Oberösterreich wird ein eigenes Zentrum in Bad Kreuzen eingerichtet. Das bereits als Flüchtlingsunterkunft dienende frühere Nobelhotel Kobenzl in Salzburg am Gaisberg sowie eine Einrichtung an der Nußdorfer Straße in Wien werden auch Verteilerzentren. Gänzlich neu sind Einrichtungen in Innsbruck, wo eine Containerstadt geplant ist, in der Kaserne im steirischen Fehring (vorerst für ein Jahr) und in Kärnten. Bis ein ehemaliges Erholungsheim für Blinde in Ossiach renoviert ist, erfolgt die Aufteilung der Flüchtlinge in einem bereits bestehenden Zeltlager in Krumpendorf. Kärntens Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) übte am Freitag auch Kritik an der Kommunikation des Innenministeriums in Sachen Asyl. Dass das Zeltlager in der Polizeikaserne Krumpendorf zum Erstaufnahmezentrum umfunktioniert wird, habe er von der Bürgermeisterin erfahren, nachdem diese es im Radio gehört hatte, sagte er zur APA. Das ist nicht angenehm. Der Bund sorge so für Aufregung in der Asylpolitik. Bereits tags davor hatte die SPÖ Oberösterreich Kritik an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) geübt, wollte ihr gar die Asylagenden wegnehmen. Die Hoffnung Kaisers liegt nun auf der Erfüllung der Bundesländerquote. Mit heute liegen wir nur mehr mit 88 Personen darunter, so Kaiser. Wenn wir die Quote zu 100 Prozent erfüllen, bekommen wir keine Asylwerber mehr zugewiesen. Dann wird sich die Situation in Krumpendorf entspannen, dann können wir mit dem Abbau beginnen. Nicht begeistert gab sich die Krumpendorfer Bürgermeisterin Hilde Gaggl (ÖVP) von der Ankündigung, dass die Zeltstadt in Krumpendorf zum provisorischen Erstaufnahmezentrum werden soll. Aber man muss auch dazu sagen, dass sich dadurch für die Bevölkerung nicht viel ändern wird. Oberstes Ziel müsse es sein, dass so schnell wie möglich feste Unterkünfte für die Asylwerber gefunden werden. Es hat immer geheißen, dass die Zeltstadt keine Dauereinrichtung sein kann, und dabei muss es auch bleiben, sagte Gaggl. Unzufrieden mit der Informationspolitik des Innenministeriums ist auch der zweite Vizebürgermeister von Krumpendorf, Andreas Pregl (SPÖ): Heute haben wir schon wieder einmal eine neue Entwicklung, die uns betrifft, nur aus den Medien erfahren. Ein Erstaufnahmezentrum könne man seiner Meinung nach nur errichten, wenn auch die Infrastruktur passt. Und das ist in Krumpendorf eben nicht der Fall. Die Unterbringung in Zelten ist menschenunwürdig. Pregl will in einer Gemeinderatssitzung am Freitagabend, bei der auch Kaiser zugegen zu sein plant, einen Dringlichkeitsantrag zur Durchführung einer Fragebogenaktion in Krumpendorf einbringen. Wir müssen die Sorgen, aber auch die Anregungen der Leute in Krumpendorf ernst nehmen, und die wollen wir mittels Fragebogen erheben, sagte Pregl. Bürgermeisterin Gaggl hält davon nicht besonders viel: Das Ergebnis, das wir bekommen würden, das wäre verzerrt. Wir haben eine hohe Toleranz im Ort – aber ich denke, an einer Fragebogenaktion würden sich eher nur die erbosten Bürger beteiligen. 278 Mio. Euro Gesamtschuldenstand – Landesrat Bieler: Haben gleichzeitig 120 Mio. Euro eingespart – Rechnungsabschluss 2018 nach doppischen Grundsätzen. Eisenstadt – Burgenlands Finanzlandesrat Helmut Bieler (SPÖ) hat am Montag den Rechnungsabschluss 2014 präsentiert. Es sei ein Top-Ergebnis in der Reihe der Rechnungsabschlüsse der letzten Jahre. Wir haben einen größeren Einsparungseffekt erzielt, als wir uns vorgenommen haben. Die Neuverschuldung wurde halbiert, der Gesamtschuldenstand sei um drei statt sechs Mio. auf 278 Mio. Euro erhöht worden. Wir haben ganz bewusst in den letzten Jahren der Wirtschaftskrise Geld in die Hand genommen, um Impulse zu setzen und das Burgenland weiter voranzutreiben. Und gleichzeitig haben wir aber auch 120 Millionen Euro eingespart. Das war nicht einfach, aber es ist uns gelungen, sagte Bieler. Neu gestaltet ist im Rechnungsabschluss die Darstellung der Landesbeteiligungen in Form eines Gesamtüberblicks. Darin seien wirklich lückenlos alle Beteiligungen, Vereine, Verbände, an denen das Land beteiligt ist, aufgeschlüsselt, so Bieler. Das sei immer ein Kritikpunkt der Opposition und auch teilweise des Rechnungshofs gewesen. Außerdem seien jetzt alle Haftungen aufgeschlüsselt – und zwar nicht nur in Zahlen, sondern auch welche Haftungen wofür übernommen wurden. Das Land Burgenland dürfte laut Bieler 541 Mio. Euro an Haftungen ungewichtet – das bedeute eins zu eins übernommen und zusammengezählt – übernehmen. Wir haben aber gewichtet 138,8 Millionen Euro. Das heißt, wir haben einen Spielraum von über 400 Millionen Euro, wo wir noch Haftungen übernehmen könnten. Nicht enthalten seien hier 1,6 Milliarden Euro Haftungen für die Bank Burgenland, die aber mit 2017 rückgeführt werden. Ab dem heurigen Jahr wolle man keine neuen Schulden mehr machen, ab 2016 sogar die Schulden senken, sagte Bieler. Gelingen soll das u.a. mit der Umsetzung neuer Verwaltungsreformen. Landesrätin Astrid Eisenkopf (SPÖ), die für die Buchhaltung zuständig ist, erklärte außerdem, dass man im Buchhaltungsbereich neue Wege gehen wolle. Es geht von der Kameralistik hin zur doppischen Haushaltsführung des Landes. Das sei kein Prozess, der von heute auf morgen passieren werde, sagte sie. Ziel sei es allerdings, den Landesvoranschlag und den Rechnungsabschluss 2018 bereits nach doppischen Grundsätzen zu erstellen. Eine Arbeitsgruppe zur Umsetzung dieser Pläne sei bereits installiert worden. Burgenländischer Landeshauptmann kam somit Ausschluss durch Schiedsgericht zuvor. Dem Bund der Sozialdemokratischen Freiheitskämpfer/innen ist eines seiner prominentesten Mitglieder abhandengekommen. Hans Niessl (SPÖ), burgenländischer Landeshauptmann, hat per Brief seine Mitgliedschaft bei den sozialdemokratischen Antifaschisten beendet. Der Landeshauptmann hat seine Entscheidung am 6. Juli 2015 mit folgenden Worten mitgeteilt: Ich möchte als Person Hans Niessl dem Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer/innen keinesfalls ein Dorn im Auge sein und werde daher meine persönlichen Konsequenzen daraus ziehen. Ich komme dem Antrag, mich vom Bund Sozialdemokratischer Freiheitskämpfer/innen auszuschließen, zuvor und trete mit sofortiger Wirkung freiwillig aus. Somit ist es also auch nicht notwendig, ein Schiedsgericht damit zu belangen. Ausschluss zuvorgekommen Das Präsidium der Freiheitskämpfer hatte zuvor beschlossen, ein Schiedsgericht einzuberufen, in dem über den Ausschluss Niessls beraten werden sollte. Der Grund: die Koalition mit der FPÖ im Burgenland. Niessl wurde eingeladen, dem Schiedsgericht persönlich seine Position zu erklären. Mit dem Austritt Niessls ist die Tagung des Schiedsgerichts nun jedoch hinfällig geworden. Johannes Schwantner, Vorstand der Freiheitskämpfer, sagt im Gespräch mit dem STANDARD: Für uns gibt es keinen Kompromiss, wir können eine Zusammenarbeit mit einer ausländerfeindlichen und rassistischen Partei nicht befürworten. Die Freiheitskämpfer zählen derzeit 4.000 Mitglieder. Als deren zentrale Aufgabe bezeichnet Schwantner Aufklärungsarbeit zum Thema Nationalsozialmus und zum 12. Februar 1934 sowie das entschiedene Auftreten gegen Faschismus auch in Zusammenarbeit mit dem Mauthausen-Komitee und dem Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands. Niessl hält Nein zur FPÖ für zu überdenkenden Ansatz In seinem Schreiben verteidigt Niessl mit dem Verweis darauf, dass ehemalige Stammwähler zur FPÖ wandern könnten, einmal mehr die rot-blaue Koalition im Burgenland: Viele sozialdemokratisch denkende Menschen und sozialdemokratische Funktionäre sind der Meinung, dass es die primäre Aufgabe der Politik ist, zu gestalten. Ein Gestalten im politischen Sinne ist aber nur dann möglich, wenn man eine parlamentarische Mehrheit zu seinen Gunsten aufweisen kann. Der Auffassung zu sein, dass man niemals und unter keinen Umständen mit einer demokratisch gewählten und somit vom Volk legitimierten Partei, in diesem Fall der FPÖ, zusammenarbeiten könne bzw. dürfe, halte ich für einen zu überdenkenden Ansatz. Landeshauptmann: "Jetzt wird Sicherheitspolitik in der Regierung ernst genommen" – Asyl-Volksbefragung würde sich unter bestimmten Umständen erübrigen. Eisenstadt – Einen Monat nach dem Start der rot-blauen Koalition im Burgenland zeigt sich Landeshauptmann HansNiessl (SPÖ) sowohl mit dem Arbeitstempo als auch mit dem Klima in der Landesregierung zufrieden. Die vierte Legislaturperiode in seiner Amtszeit sei jene, die mit dem meisten Schwung, mit der intensivsten Arbeit gestartet ist, sagte Niessl im Interview mit der APA. In Abstimmung mit dem Koalitionspartner FPÖ habe man bisher rund 170 Beschlüsse in der Landesregierung bzw. im Landtag gefasst. Das ist sicher intensiver als in den drei Perioden vorher, so der Landeshauptmann. Vor einem dreiviertel Jahr hingegen sei seine Forderung nach einem Assistenzeinsatz des Bundesheeres noch von der ÖVP Burgenland konterkariert worden. Die Landes-ÖVP habe mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) im Vorwahlkampf und im Wahlkampf einen Assistenzeinsatz verhindert, argumentierte Niessl. Und das ist der Unterschied zu früher: Jetzt wird Sicherheitspolitik in der Regierung ernst genommen. Die Innenministerin sei gefordert, die Assistenzleistung des Bundesheeres anzufordern, um Polizei und Rotes Kreuz, die schon übermenschliches leisten müssen im Bereich des Asylwesens, zu entlasten. Das Heer könnte etwa den Transport der aufgegriffenen Asylwerber in die Sammelstelle und zu den Verteilerzentren bzw. Erstaufnahmestellen, medizinische Versorgung, das Kochen und die Essensausgabe übernehmen. Die Polizei soll auch an der Grenze kontrollieren. Dies sei auch im Koalitionsabkommen festgelegt. Die Europäische Union hat in der Asylfrage bis jetzt versagt, so der Landeshauptmann. Niesslerneuerte seine Forderung nach einer Differenzierung zwischen Kriegsflüchtlingen und Arbeitsflüchtlingen und Flüchtlingen aus sicheren Drittländern sowie nach einem Asyl auf Zeit. In Österreich müsse man Maßnahmen setzen, dass die Rückführungen funktionieren. Dass jene rund 300 Flüchtlinge, die rund um die Uhr in den drei im Burgenland eingerichteten Sammelstellen versorgt würden, vom Innenressort nicht bei der Quote für Asylwerber – die das Burgenland derzeit nicht erfüllt – mitberücksichtigt würden, kritisierte Niessl: Burgenland leiste mehr, als in der Statistik aufscheint und wir erwarten uns, dass das auch berücksichtigt wird. Bei der Betreuung unbegleiteter Minderjährige erfülle man die Vorgaben zu 116 Prozent. Daran erkenne man, dass das Land große Anstrengungen unternehme. Dass in Eisenstadt am Gelände der Landespolizeidirektion Zelte errichtet wurden, interpretiert Niesslnicht als Folge der Nichterfüllung der Quote im Burgenland insgesamt, sondern als Versäumnis der Landeshauptstadt mit BürgermeisterThomas Steiner (ÖVP). Er gehe davon aus, dass das Burgenland die Quote bald erfüllen könne. Traglufthallen hält Niesslallerdings für problematisch, weil wir im Burgenland ja kleine Einheiten haben. Zur Möglichkeit von Containerdörfern meinte der Landeshauptmann: Man muss immer schauen, dass das im Einvernehmen mit den Bürgermeistern stattfindet und dass eine gewisse Toleranzgrenze der Bevölkerung nicht überschritten wird. Die Leute akzeptieren pro 1.000 Einwohner zehn Asylwerber. Wenn die Toleranzgrenze überschritten werde, dann gibt es ein Problem. Über die von den Freiheitlichen angeregte Volksbefragung zum Asylthema könne man noch nicht diskutieren, weil das Gesetz, das ein Durchgriffsrecht der Bundesregierung in der Raumplanung bis auf Gemeindeebene vorsieht, noch nicht vorliege. Grundsätzlich halte ich für problematisch, dass in die Gemeindeautonomie eingegriffen wird, so Niessl. Theoretisch könne ja auch im Gesetz stehen, dass man dort eingreift, wo man nicht die ein Prozent Asylwerber, umgelegt auf die Bevölkerung, einhält. Dann entspricht das dem Koalitionsübereinkommen, das die SPÖ und die FPÖ im Burgenland haben. Das wäre vernünftig, dann erübrigt sich ja die Volksbefragung überhaupt zur Gänze. Was die Arbeit in der Landesregierung betrifft, wolle die Koalition im Herbst große Brocken präsentieren. Dazu gehörten die Verwaltungsreform und das gläserne Land Burgenland mit transparenter Darstellung der 150 Landesbeteiligungen. Im Land werde es weniger Abteilungen und weniger Führungspersonal geben, auch bei den Landesbeteiligungen werde eingespart. Den ersten Schritt habe man bereits mit dem Beschluss zur Abschaffung des Landesschulrats-Vizepräsidenten gesetzt. Die Opposition muss sich allerdings mit der Behandlung ihrer Forderung nach Wiedereinführung des Klubstatus bei zwei statt derzeit drei Abgeordneten noch gedulden. Eine neuerliche Reform der Landesverfassung steht nämlich für den Landeshauptmann derzeit nicht zur Debatte: Man sammelt alle Vorschläge, und am Ende der Periode kann es wieder eine Diskussion geben. Vor allem die Bestellung von Norbert Darabos stößt weiter auf Kritik. Niessl: "Darabos ist ein möglicher Nachfolger". Eisenstadt – Das Bild der Einmütigkeit, das die burgenländische SPÖ sich gerne macht von sich selber, hat spätestens seit der Regierungsbildung im Sommer ein paar Unmutstrübungen hinnehmen müssen. Das liegt nicht nur am Zusammengehen mit den Blauen, sondern auch an Personalien. Landeshauptmann Hans Niessl muss sich diesbezüglich vor allem aus dem Mittelburgenland einiges anhören. Immer noch sind viele Oberpullendorfer Genossen und Genossinnen schwer verärgert darüber, dass ihr Spitzenkandidat, der langjährige Soziallandesrat Peter Rezar, Norbert Darabos Platz machen würde. Möglicher Nachfolger Ob er denn – so wurde der rote Landeschef unlängst auf einer Bezirksausschusssitzung fast peinlich befragt – von Bundeskanzler Faymann gezwungen wurde, den glücklosen Bundesgeschäftsführer ins Burgenland zu holen, damit die Bundespartei zur rot-blauen Koalition schweigt. Oder sei das gar die Strafe dafür gewesen, dass Rezar Faymann harsch kritisierte ob seiner Performance? Niessl, so ein Sitzungsteilnehmer, habe nicht nur bei dieser Frage recht unwirsch reagiert. Von niemandem lasse er sich wen aufs Aug drücken. Darabos sei ein möglicher Niessl-Nachfolger. Man müsse an die Zukunft denken. Drei Fragen sollen es gewesen sein, welche die Aufmüpfigen ihrem Chef gestellt haben. Symbolisch genug: Ebenso viele hat Josef Cap 1982 dem amtierenden Landeshauptmann Theodor Kery gestellt. Und Kery, den Cap damals ziemlich ramponierte, stammte aus dem Bezirk. Es war eine unüberhörbare Anspielung. Mich, sagte ein älterer Sitzungsteilnehmer zum STANDARD, erinnert der Niessl immer mehr an Kery in seiner Endphase. Ungeduldig, ein wenig selbstherrlich, kritikmüde. Hans Niessl sieht das etwas anders. In fünf von sieben Bezirken habe er sich den Ausschüssen schon gestellt. Insgesamt ist die Stimmung sehr gut. Gerade in der Sozialdemokratie ist uns bewusst, dass Diskussionen innerhalb der Gremien sehr wichtig sind. Freilich führt nicht jede Frage zu Diskussionen. Die dritte aus Oberpullendorf zum Beispiel. Die burgenländische SPÖ habe Ende Mai das schlechteste Wahlergebnis seit 1949 erzielt. Nach einem auf den Spitzenkandidaten zugeschnittenen Wahlkampf. In Niessls Heimatbezirk Neusiedl gab es die schwerste Schlappe. Warum also sei er als Hauptverantwortlicher dafür nicht zurückgetreten? Aus Eisenstädter Sicht ist das keine Frage: Ohne Niessl wär alles noch viel schlimmer. Außerdem geht es wieder bergauf: Mit Stand vergangener Woche gebe es mehr Parteieintritte als -austritte. Der burgenländische Landeshauptmann hat sich zum Wortführer des rechten SPÖ-Flügels aufgeschwungen und scheint diese Rolle durchaus zu genießen. Ein Versuch, Hans Niessl zu verstehen. Eisenstadt – Wer den Hans Niessl verstehen möchte, sollte der Sonja Wehsely zuhören. Die Wiener Sozialstadträtin hat unlängst den burgenländischen Landeshauptmann in Asylfragen unsozialdemokratischer Umtriebe geziehen. Niessl stünde nämlich mit seiner Linie in der SPÖ ganz alleine da. In Eisenstadt hat man sich kopfschüttelnd gefragt, von welcher SPÖ die Wehsely da gesprochen hat. Die, in welcher der Hans Niessl zugange ist, könne sie nicht im Auge gehabt haben. In der schaue es ganz anders aus. Es ist schon ein merkwürdiges Schauspiel, das die SPÖ da im Moment bietet. Während die Landes- und Bundeswiener dem Burgenländer Werteverlust ankreiden, spricht der von deren Realitätsverlust. Beide beklagen sie anhaltenden Stimmenverlust. Der führte gar zum Verlust des Landeshauptmanns in der Steiermark. Was aber in Wien dem Franz Voves als vorbildliche Wertehaltung hoch angerechnet wurde, weil er so hatte vermeiden können, was das Burgenland zum Paria unter den roten Landesgruppen gemacht hat. Das aber ließ den Hans Niessl dann erst recht zweifeln am Wirklichkeitssinn der, nun ja, ja: Genossinnen und Genossen. Man wird wohl nicht sehr daneben liegen, die Entscheidung des Franz Voves, zugunsten seines schwarzen Reformfreundes Hermann Schützenhöfer auf den Landeshauptmann zu verzichten, um die FPÖ weiter draußen zu halten, für den entscheidenden Wendepunkt im Auftreten des Hans Niessl anzusehen. Denn eine solche Entscheidung – und eine solche Reaktion darauf – liegt so sehr außerhalb der Niesslschen Vorstellungskraft, dass in ihm die Überzeugung heranwuchs, die Partei vor ihren Werteschützern schützen zu müssen. Oder das jedenfalls zu versuchen. Für einen wie Hans Niessl war der politische Hauptgegner ja nie die FPÖ. Sondern – darin zumindest in des Bruno Kreiskys großen Stapfen – stets die ÖVP, mit deren Innenministerinnen er gerne in den Ring stieg und weiterhin steigt. Maria Fekter rang er vor sechs Jahren nieder, als sie in der Einschicht des südburgenländischen Eberau ein Asylerstaufnahmezentrum errichten wollte. In Bruckneudorf werde sich, versicherte er, nun Johanna Mikl-Leitner die Zähne ausbeißen. Und falls Parteifreund Gerald Klug ihm dabei in die Quere zu kommen beabsichtigt, wird auch er sich wohl zu hüten haben. Niessl, so heißt es, habe Klug die Leitha als Rubikon beschrieben: Das Öffnen der Benedek-Kaserne für hunderte Flüchtlinge sei ein Kriegsgrund. Die Rolle als Retter des rechten Randes in der SPÖ ist dem Hans Niessl – der bis vor einem Jahr noch so auffällig unauffällig war – keineswegs auf den Leib geschneidert. Es hat sich ergeben. Auch dadurch, dass mit Franz Voves die bärbeißige Widerrede aus Transsemmering verschwunden ist. Die aus Transleithanien ist zwar kein wirklicher Ersatz, dafür stört es auch den Hans Niessl nicht, wenn ihm der Wind ins Gesicht bläst. Nach 15 Landeshauptmannjahren hat er auch das Burgenland so weit im Griff, dass ihm Zeit und Kraft bleibt, sich solchen Rettungsaktionen (aus Wiener Sicht: Quertreibereien) mit zunehmender Leidenschaft zu widmen und sich dabei im Schein föderaler Gloriole sogar mit dem schwarzen Erwin Pröll zusammentun, um die eigene Bildungsministerin in ihrer Reformkommission im Regen stehen zu lassen, in den dann der Wiener Bürgermeister rücken musste. Man sollte bei so was die Eitelkeit nicht zu gering schätzen. Zwar wäre es weit daneben anzunehmen, Niessl sonne sich bloß unbedarft im Glanz wohlwollender Krone-Geschichten, aber ganz außer Acht darf man das auch nicht lassen, zumal er mit der Kronen Zeitung quasi zwei Fliegen erschlagzeilen kann. Immerhin ist sie – war sie? – das Leib- und Magenblatt des Kanzlers. Wichtiger freilich als solch medialer Hype ist ihm dann aber schon der Volksmund, der freilich mit dem medialen Vorkommen zusammen- beziehungsweise davon abhängt. Hunderte Mails habe er bekommen auf die dienstägige Krone-Geschichte hin, in der er eine Änderung in der Asylpolitik verlangte. 95 Prozent davon zustimmend. Freunde erzählen, dass ihn in der vergangenen Woche immer wieder Leute angesprochen und aufgemuntert hätten weiterzutun. Nicht nur im Burgenland. Da ist er dann nicht mehr 1,70 groß, sondern fast 2,10. So wähnt er sich dann auf Augenhöhe mit dem Wiener Bürgermeister, dessen Liebesentzug ihm in all den innerparteilichen Querelen wohl am meisten zu schaffen macht. Dem Vernehmen nach genoss er das Zusammenhocken mit Michael Häupl. Und das sagt einiges. Denn ein Genussmensch nach dem Renaissancezuschnitt des Bürgermeisters ist Niessl durchaus nicht. Dass Häupl den freundlich-jovialen Ton des Fiakers niesslbezüglich auf den des Kapskutschers eingefroren hat, trifft ihn mehr als alles andere. Relativ inhaltsleer, seien die Zurufe aus Eisenstadt, grantelte der Wiener am vergangenen Dienstag. Fast wortgleich, hört man, seien aber die Wehselyschen Auslassungen in Eisenstadt kommentiert worden. Denn Niessl sieht sich in der SPÖ keineswegs isoliert, sondern getragen von einer übers kleine Burgenland hinausrollenden Welle der Zustimmung. Die SPÖ hat ja stets mit zwei Flügeln gelebt. Nur dadurch – das wird in Eisenstadt so diskutiert – war sie flugfähig. Fähig also, eine Volkspartei zu sein, die sie in Wahrheit aber eh nur noch in Wien (39,6 Prozent) und im Burgenland (41,9) ist. Aber auch dort mit deutlicher Abwärtstendenz. Die wenigstens zu bremsen ist des Hans Niessl Animo, parteiintern die Lanze einzulegen. Mag sein, das Pferd heißt Rosinante. Aber das lässt sich ebenso nur im Sattel herausfinden wie die Frage, ob die Gegner dort vorn nicht doch Windmühlen sind. Und der daneben Sancho Panza.(Wolfgang Weisgram, 6.12.2015) Petition im Nationalrat geplant. Eisenstadt (APA) – Die SPÖ Burgenland hat am Montag bei einer Pressekonferenz in Eisenstadt ihre Forderung nach mehr Finanzpolizisten bekräftigt. Derzeit seien für das Burgenland und den niederösterreichischen Bezirk Bruck an der Leitha 18 Beamte zuständig. Laut SPÖ droht ein Verlust von Personal, sagte Klubobmann Robert Hergovich und verwies auf eine entsprechende Anfragebeantwortung vom Finanzministerium. In der Beantwortung vom 14. Dezember heißt es u. a.: Aufgrund der geplanten Reduktion der Planstellen im Personaleinsatzplan (PEP) der Finanzpolizei von derzeit rund 510 Vollbeschäftigungsäquivalenten (VBÄ) auf 470 VBÄ bzw. 450 VBÄ (lt. Budget) könnte es auch im Burgenland zu einer weiteren Reduktion der Planstellen kommen. Laut Hergovich könne das Burgenland zwei bis drei der 18 Finanzpolizisten verlieren. Sein Parteikollege, Nationalratsabgeordneter Erwin Preiner, hatte die Anfrage an den Finanzminister gestellt. Er kündigte am Montag an, eine Petition für eine Personalaufstockung im Nationalrat einzubringen. Pilotprojekt in neun Kommunen startbereit – FP-Tschürtz: "Keine Ersatzpolizei". Eisenstadt (APA) – Burgenlands rot-blaue Landesregierung will dafür sorgen, dass sich das subjektive Sicherheitsgefühl der Bevölkerung verbessert. Gelingen soll dies mithilfe von Sicherheitspartnern in den Gemeinden, erläuterte Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz (FPÖ) am Freitag in Eisenstadt. Diese könnten ein breites Aufgabenfeld erfüllen – von Kontrollfahrten bis zur Schulwegsicherung. Die Sicherheitspartner sollen voraussichtlich uniformiert unterwegs sein, an ihren Befugnissen wird noch getüftelt. Über die Ausrüstung wolle er sich nicht in Details verlieren. Von Bewaffnung gehen wir natürlich nicht aus, meinte Tschürtz: Das hat überhaupt nichts zu tun mit irgendeiner Ersatzpolizei. Ob die Sicherheitspartner eine Befugnis zur Ausweiskontrolle bekommen, sei noch offen. Zu ihren Aufgaben sollen auch Serviceleistungen gehören, beispielsweise auch einmal einzukaufen für Menschen, die selbst nicht mehr die Möglichkeit dazu haben. Möglich seien auch Urlaubs-Nachschauhaltungen oder Beobachtungen. Besonders hoben Tschürtz und Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ), die nach einer Klausur der Landesregierung eine Pressekonferenz abhielten, die vorgesehene wissenschaftliche Begleitung des Projekts hervor. Partner dafür werden noch gesucht – möglich wäre auch eine Universität oder eine Fachhochschule, so Niessl. Der Startschuss für das Pilotprojekt ist bereits gefallen. In vorerst neun Gemeinden soll es eine Bedarfsaufnahme geben. Danach starte man mit dem Programm, so Tschürtz. Im Südburgenland sollen die Sicherheitspartner zunächst in Rechnitz, Scharndorf und Deutsch Schützen aktiv werden. Im Landesnorden ist die Umsetzung in Schattendorf, Loipersbach und Baumgarten sowie in Kittsee, Pama und Deutsch Jahrndorf geplant. Aufgrund der Ergebnisse sollen lokale Schwerpunkte wie zum Beispiel Beobachtung, Objektschutz oder Nachbarschaftshilfe ermittelt werden. Offen ist auch noch die Frage der Personalrekrutierung. Denkbar sei hier eine Variante unter Einbindung der Aktion 50plus oder die Umsetzung des Projekts über eine Sicherheitsfirma, erläuterte Tschürtz. Bis zum Sommer wolle man ein Konzept entwickeln. Betreffend die Finanzierung seien je nach Variante Zuschüsse von AMS, Gemeinden und vom Land denkbar. Im Zuge des Projekts soll den Gemeindebürgern der Ankauf einer Alarmanlage zu einem besonders günstigen Preis angeboten werden, die zur Landessicherheitszentrale geschalten werde, kündigte Tschürtz an. Oft zeige schon die bloße Diskussion über eine Sicherheitsmaßnahme Folgen: In Kittsee habe alleine die Ankündigung, dass es Videoüberwachung geben soll, zu einem dramatischen Rückgang der Einbruchskriminalität geführt, sagte Niessl. Kreditvergaben könnten bankenkonzessionspflichtig sein – Landesrechnungshof stellt Geschäftsmodell der Holding infrage. Eisenstadt – Nach seiner Prüfung der Burgenländischen Landesholding Vermögensverwaltungs GmbH & Co OG (BVOG) übt der Burgenländische Landesrechnungshof (BLRH) im aktuellen Bericht massive Kritik. Im Hinblick auf die Summe der wirtschaftlichen und rechtlichen Risiken stellt der BLRH das gesamte Geschäftsmodell der BVOG, einer Tochter der Burgenländischen Landesholding GmbH (BLh), infrage. In der BVOG sind jene ursprünglich 225 Millionen Euro veranlagt, die das Land Burgenland 2006 als Erlös für den Verkauf von Landesbeteiligungen (u. a. 51 Prozent an der damaligen BEWAG, die Beteiligungs- und Liegenschafts GmbH (BELIG) und die Schloss Esterhazy Management GmbH) von der Burgenländischen Landesholding GmbH erhielt. Die BLh nahm ihrerseits drei Anleihen in der Gesamthöhe von 225 Millionen Euro mit einer Laufzeit von 30 Jahren auf, um den Anteilserwerb zu finanzieren. Die 225 Millionen vom Verkaufserlös veranlagte das Land zunächst bei der damaligen Kommunalkredit Vermögensverwaltungs-GmbH & Co OG (KKVOG). 2012 wurde die KKVOG zur BVOG umfirmiert, der Wert der Anlage war inzwischen auf 232,7 Millionen Euro gestiegen. Nun wurde die Veranlagungsstrategie geändert: Statt das Geld wie bisher u.a. in Wertpapieren und Fonds anzulegen, sollten nun Kredite an Landestöchter – darunter die BELIG, die Wirtschaftsservice Burgenland AG (heute: Wirtschaft Burgenland AG, Anm.) sowie die Technologiezentren – vergeben werden. Der Landes-Rechnungshof nahm die BVOG im Prüfzeitraum vom Abschluss der ersten Kreditverträge Ende März 2012 bis November 2015 unter die Lupe. Der 137-seitige Bericht listet schlussendlich 39 Empfehlungen auf. Der Landes-Rechnungshof wirft die Frage auf, ob es sich bei den Kreditvergaben der BVOG nicht um bankenkonzessionspflichtige Kredit- und Einlagengeschäfte handle. Das Land Burgenland stützt sich hingegen auf ein Gutachten, wonach Bankgeschäfte innerhalb eines Konzerns nach dem Bankwesengesetz nicht konzessionspflichtig seien. Der BLRH kritisierte, dass bei allen 13 von der BVOG vergebenen langfristigen Krediten die Prüfung der Bonität der Kreditnehmer erst nach der Vergabe erfolgt sei – ein nicht marktüblicher Vorgang, argumentierte der Landes-Rechnungshof. Die Ermittlung der Kreditzinssätze sei darüber hinaus uneinheitlich und teilweise intransparent. Die BLh hielt dem entgegen, dass es sich bei den Kreditnehmern um eigene, bestens bekannte Tochtergesellschaften handle und daher nicht ein Prüfungsmaßstab angewendet werden müsste wie bei unbekannten, externen Unternehmen. Größter Kreditnehmer im Ausmaß von 100 Millionen Euro ist laut Rechnungshofbericht die BLh selbst gewesen – und damit das eigene Mutterunternehmen, das als Mehrheitsgesellschafter der kreditvergebenden BVOG auch deren Geschäftsführung ausübte. Der Rechnungshof erblickte dabei Unvereinbarkeiten. Wegen der geringen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit einzelner Kreditnehmer sah der Landes-Rechnungshof die Rückzahlung als gefährdet an – eine Kritik, die von der BLh in ihrer Stellungnahme definitiv nicht geteilt wird. Kritisch angemerkt wird im Bericht außerdem, dass das Land Burgenland das alleinige Risiko für etwaige Verluste der BVOG bis zur Höhe von 225 Millionen Euro übernahm. Richtlinien für das veranlagte Vermögen seien erst erlassen worden, als die BVOG schon Kredite im Ausmaß von 190 Millionen Euro gewährt hatte. Für die veranlagten Mittel habe das Land laut BLRH von der BVOG bisher jährlich rund sieben Millionen Euro erhalten. Die BLh habe jedoch bisher jährliche Anleihezinsen von rund acht Millionen Euro zahlen müssen. Als die Veranlagung noch über die KKVOG erfolgte, sei hingegen die Ausschüttung ans Land insgesamt höher gewesen als die Zinsen sowie das Haftungsentgelt. Erlag in der Nacht im Alter von 62 Jahren langjährigem Krebsleiden – Tiefe Trauer in der Partei. Eisenstadt – Der Klubobmann der FPÖ Burgenland, Gerhard Kovasits, ist in der Nacht auf Donnerstag im Alter von 62 Jahren gestorben. Der Politiker erlag einem langjährigen Krebsleiden, teilte die Partei in einer Presseaussendung mit. Kovasits war Kriminalbeamter in Ruhe und war seit dem Jahr 2010 Landtagsabgeordneter, seit dem Vorjahr war er Klubobmann. Er hinterlässt zwei erwachsene Kinder. In der Partei herrsche tiefe Trauer. Klubobmann Gerhard Kovasits war der Inbegriff eines idealistischen und aufrechten Basisfunktionärs, dem es nie um Funktionen und Mandate ging, der aber letztendlich umso mehr erreicht hat. Er wusste seit der Diagnose, dass es keine Rettung geben würde. Seine Einstellung, sein Mut und sein Kampf suchen ihresgleichen. Keine noch so folgenschwere Therapie konnte ihn von der politischen Arbeit abhalten. Sein Wahlkampf im Vorjahr war schlichtweg eine Heldentat, so Klubobmann-Stellvertreter Geza Molnar im Namen der Abgeordneten. Zum Auf- und Nachhorchen: Roberto Blanco und Waterloo besuchten Burgenlands Landeshauptmann und erinnern sich und uns an den wunderbaren Gus Backus. Eisenstadt – Zuletzt hat sich Hans Niessl ja ein wenig sehr wenig um die gängigen Usancen des Landehauptmann-Daseins kümmern können. Der Burgenländer war mit der Neuausrichtung der SPÖ beschäftigt. Nun, da die jedenfalls rhetorisch vollbracht scheint, kann sich Niessl wieder dem Eigentlichen widmen. Sehr zupass – quasi wie gerufen – kamen ihm da zwei nicht mehr ganz taufrische, aber für jeden Spaß zu habende Barden. Roberto Blanco und Johann Waterloo Kreuzmayr haben sich zusammengetan, probeweise eine Single besungen und am Rande der donnerstägigen Landtagssitzung selbstpromotend den Landeshauptmann aufgesucht. Der war, no na, amused bis über beide Ohren. Roberto Blanco und Waterloo begeistern seit Jahrzehnten ein Publikum quer durch alle Altersstufen mit ihren Hits und sind auch heute noch fixe Größen in der Showbranche. Es freut mich, dass sie nun mit dieser Single musikalisch gemeinsame Sache machen, und wünsche ihnen viel Erfolg damit. So informiert uns eine Presseaussendung des burgenländischen Landesmedienservice unter dem schönen Titel Ein bisschen Spaß muss sein: Brauner Bär und Weisse (sic!) Taube beim Landeshauptmann. Die drei Junggebliebenen schwelgten in allerlei Erinnerungen. Lag auf der Hand. Der nunmehrige Singlehit Brauner Bär und Weiße Taube ist zwar etwas jünger als das Leopoldische Schnucki, handelt aber auch von Indianern, was ganz gut ins jenes Jagdgebiet passt, wo der rote Mann blaue Kriegsfarben trägt. Der Braune Bär war 1960 ein großer Hit. Gesungen wurde er mit rührender Hingabe und bezauberndem Akzent von Gus Backus. Der hatte es nicht nur mit den Indianern, den Squaws und den Häuptlingen. Sondern auch mit dem Zuhören. Roberto Blanco, Winnetou Waterloo und der alte Häuptling der Bieresch haben also noch einiges vor sich. Gemeindeergebnisse, Mandate und mögliche Koalitionen im Überblick. Stadtroten sehen sich nach den Wahlniederlagen in ihrem Kurs bestätigt. Michael Häupl schweigt noch hinsichtlich der Wahlergebnisse in der Steiermark und im Burgenland. Der Wiener Bürgermeister möchte sich erst bei seiner wöchentlichen Pressekonferenz am Dienstag zu den enormen Zugewinnen der FPÖ und den Verlusten von SPÖ und ÖVP äußern. In der Zwischenzeit muss sein Sprecher Martin Ritzmaier mit Erklärungsversuchen aushelfen. Man werde nicht den Fehler machen, ins allgemeine Gejammere einzustimmen, sagt er, aber man nehme das Ergebnis in beiden Bundesländern sehr ernst. Man könne nicht die Augen davor verschließen, dass die Emotion bei vielen dazu führe, das Kreuz bei der FPÖ zu machen. In Wien hätten jedoch bereits bei der letzten Wahl fast 26 Prozent der Wählerinnen und Wähler der FPÖ ihre Stimme gegeben, der Wähleraustausch sei somit schon abgeschlossen. Zum Vergleich: Die SPÖ kam 2010 auf 44,3 Prozent. Das Wichtigste sei nun, die Wahlbeteiligung zu erhöhen. Jene, die mit Rot-Grün zufrieden seien, aber dazu tendieren, am Wahlsonntag zu Hause zu bleiben, müssten mobilisiert werden. In Wien sind bei den vergangenen Gemeinderatswahlen 67,6 Prozent der Wahlberechtigten wählen gegangen. Auch SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler verfolgt das Ziel, die Beteiligung zu erhöhen. Er sieht sich nach den Wahlen in der Steiermark und im Burgenland in seinem Kurs bestätigt. Man werde Themen, die den Menschen wichtig sind, in den Vordergrund rücken, Wohnen, Arbeit und Bildung, und nicht den Fehler machen, der FPÖ mit dem Ausländerthema in die Hände zu spielen. Dass die Wahl nach langem Hin und Her im Oktober stattfinde, sieht Niedermühlbichler positiv. Häupl habe das richtige Gespür gehabt, die Wahl nicht aus taktischen Gründen vorzuverlegen. Auch die FPÖ signalisierte am Montag, für den Wahlkampf startklar zu sein. Dass die Blauen den Rückenwind der Bundesländerergebnisse nutzen wollen, zeigte sich beim Sonderlandtag zum Thema Betteln. Die FPÖ forderte ein sektorales Verbot, während die SPÖ darauf hinwies, dass es ausreichende Regelungen gebe. Meinungsforscher Wolfgang Bachmayer sagte am Montag, er erwarte ganz heftige politische Reaktion nach der Wien-Wahl. Wenn die SPÖ so einbreche wie in der Steiermark, werde Häupl Geschichte sein, und er werde nicht allein gehen und jemand anderen mitnehmen, so Bachmayer in Richtung Werner Faymann. Einkommensgrenzen sollen laut Grünen-Wohnbausprecher Chorherr gesenkt werden. SPÖ plant Bevorzugung "echter Wiener" bei Vergabe von Gemeindewohnungen. Wien – Das Thema Wohnen wird im Wiener Wahlkampf eine gewichtige Rolle einnehmen. Die rot-grüne Koalition positioniert sich in dieser Sache jetzt schon deutlich. SPÖ und Grüne präsentieren sich aber nicht geeint gegen andere Parteien, sondern befinden sich auf Konfrontationskurs. Am Dienstag feuerten die Wiener Grünen eine Breitseite gegen die Roten ab. Um Anspruch auf Wohnungen im sozialen Wohnbau zu haben, sei es nicht die größte Qualifikation, einfach nur lange genug Wiener zu sein, sagte Wohnbausprecher Christoph Chorherr. Er nahm damit auf Meldungen Bezug, wonach Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) neue Vergabekriterien plant, die am 1. Juli in Kraft treten. Demnach sollen etwa jene Bewerber um Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen gegenüber Zugezogenen bevorzugt werden, die länger in Wien hauptgemeldet sind. Mit dieser Echte-Wiener-Politik, so Chorherr, wolle sich die SPÖ den FPÖ-Wählern annähern. Im Büro von Ludwig verwies man auf die am Mittwoch stattfindende Pressekonferenz. Wie bisher habe aber jede Person, die die Kriterien erfüllt und zwei Jahre in Wien hauptgemeldet ist, Anspruch auf eine Gemeindewohnung. Laut Chorherr müssten die Einkommensobergrenzen für den Zugang zu Gemeindewohnungen deutlich abgesenkt werden. Das kann man um ein Drittel kürzen, sagt er. Für eine Familie mit vier Personen liegt die Netto-Einkommensobergrenze bei fast 6000 Euro pro Monat (14 Mal im Jahr). Chorherr: Damit eigne ich mich hervorragend für den sozialen Wohnbau. Mit einer Zugangsverschärfung über das Einkommen könnten mehr Menschen im untersten Einkommensdrittel mit Wohnungen unterstützt werden. Genossenschaftsbauten müssten auch für jene geöffnet werden, die sich den Eigenmittelanteil nicht leisten können. Sozialsprecherin Birgit Hebein sorgt sich auch um eine mögliche Kürzung der sozialen Wohnungsvergabe. Für Obdachlose, Menschen mit Handicap oder Frauen mit Gewalterfahrung stünden weniger Gemeindewohnungen als bisher zur Verfügung. Laut Sozialeinrichtungen würden statt 1600 Wohnungen nur noch 1200 vergeben werden. Das Büro Ludwig dementiert: Stimmt nicht. Wiener, die sich für geförderte Wohnungen anmelden, warten ab 1. Juli bis zu neun Monate kürzer auf einen Einzug, wenn sie lange in Wien gemeldet sind. Wien - Die Vergabe von Wohnungen im geförderten und kommunalen Wohnbau in Wien wird schon ab 1. Juli neu geregelt. Nutznießer sind nicht finanziell besonders schlecht gestellte Antragsteller für Sozialwohnungen, sondern Wiener, die bereits sehr lange in der Bundeshauptstadt wohnen. So können neu zugezogene Wiener auch um keine geförderten Wohnungen mehr ansuchen: Sie müssen - wie bei der Vergabe von Gemeindewohnungen - zumindest zwei Jahre in Wien hauptgemeldet sein, um sich überhaupt anmelden zu können. Diese Regelung gilt für den Zuzug aus den Bundesländern ebenso wie für EU-Ausländer. Drittstaatsangehörige müssen nachweisen, dass sie zumindest zwei Jahre in Wien und drei Jahre in anderen EU-Staaten hauptgemeldet waren. Dazu kommt ein weiterer Bonus für Langzeitwiener: Sie werden bei der Warteliste für Wohnungen bis zu neun Monate vorgereiht, wenn sie 15 Jahre oder mehr in Wien gemeldet waren. Jene Personen, die zehn Jahre ihren Lebensmittelpunkt in Wien hatten, werden sechs Monate gut geschrieben. Antragsteller, die fünf Jahre in Wien hauptgemeldet waren, erhalten einen Wartezeit-Verringerungsbonus von drei Monaten. Jene, die nach Wien kommen, müssen sich hinten anstellen, sagte Wohnbaustadtrat Michael Ludwig bei der Präsentation am Mittwoch. Aber natürlich sind alle herzlich willkommen. Zum Vorwurf der Grünen, dass sich die SPÖ mit den Maßnahmen der potenziellen FPÖ-Wählerschaft in Wien anbiedere, sagte Ludwig. Dieser Vorwurf ist aus der Luft gegriffen. Als Wahlkampftaktik vor der Wahl am 11. Oktober wollte Ludwig die Verschärfung nicht verstanden wissen. Es ist immer Wahlkampf. Neben der Bevorzugung von Wienern wird der ganze Zugang zum sozialen Wohnbau neu organisiert: Das Wiener Wohn-Ticket, das Berechtigte bei der Wohnberatung Wien in der Guglgasse 7-9 ab 1. Juli lösen können, ersetzt das System der Vormerkscheine. Bisher erhielt man für verschiedene Fördersparten individuelle Vormerkscheine. Das neue Ticket gilt für die gesamte Palette: von geförderten Miet- und Genossenschaftswohnungen über gefördertes Eigentum bis zu Gemeindewohnungen. Je spezieller die Wünsche der Antragsteller seien, desto länger sei die Wartezeit, sagte Ludwig. Bei halbwegs Genügsamen betrage diese etwa 1,5 Jahre. Bei Wiener Wohnen stehen 16.500 Personen, die neu um Sozialwohnungen ansuchen, auf der Warteliste. Etwa 10.000 bis 11.000 Wohnungen werden pro Jahr vergeben. Bei Antragstellern, die einen Überbelag und somit Anspruch auf eine größere Wohnung geltend machen, werden die Regeln verschärft. So werden nur noch Großeltern, Eltern und Kinder - und nicht mehr Tanten und Onkeln - anerkannt. Da gab es immer wieder Missbrauch, sagte Ludwig. Da waren plötzlich sieben Leute in einer 25-Quadratmeter-Wohnung gemeldet. An den hohen Einkommensobergrenzen für Sozialwohnungen soll, wie von den Grünen am Dienstag gefordert, nicht gerüttelt werden. Weiter gilt, dass für eine Familie mit vier Personen die Netto-Einkommensobergrenze bei fast 6000 Euro pro Monat (14-mal/Jahr) liegt. Die Opposition übte an den neuen Maßnahmen heftige Kritik. Sozialwohnungen sollen in Wien sozial Bedürftigen zur Verfügung gestellt werden, nicht sozialdemokratisch Bedürftigen, sagte ÖVP-Landeschef Manfred Juraczka. Wegen des Wohnungsdrucks in Wien wurde auch von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) Transparenz über die Zahl der leerstehenden Wohnungen in Wien gefordert. Eine Studie darüber wird in wenigen Tagen vorliegen, sagte Ludwig. Schätzungen reichten von 30.000 bis 100.000 leerstehenden Wohnungen. Gemeinderätin Isabella Leeb dürfte nicht, wie am Freitag angedeutet, auf ihre Kandidatur verzichtet haben – Kandidatur Stenzels mit eigener Liste wird wahrscheinlicher. Wien – Mit acht neuen Kandidaten an wählbaren Stellen geht die ÖVP in die Wien-Wahl am 11. Oktober. Landesobmann und Spitzenkandidat Manfred Juraczka zeigte sich bei der Präsentation der Landes- und Regionalwahlkreisliste am Freitagabend überglücklich. Elisabeth Olischar, ÖVP-Bezirksrätin in Döbling, steht als Nummer zwei der Landesliste wie die Landstraßer Bezirksrätin Sabine Schwarz, Wirtschaftsbund-Direktor Alexander Biach oder Café-Landtmann-Chef Berndt Querfeld erstmals vor dem Einzug ins Stadtparlament. Für die Wirtschaftsbündler Biach und Querfeld müssen andere, wie Isabella Leeb, das Feld räumen. Am Freitag hatte es geheißen, dass die Gemeinderätin, die vor allem im Bildungsbereich und rund um das Stadthallenbad umfangreiche Oppositionspolitik betrieb, auf eine Kandidatur verzichtet. Am Sonntag wollte sich Leeb nicht mehr dazu äußern. Ich habe mit Juraczka vereinbart, dass gegenseitig nicht nachgetreten wird, sagte sie dem STANDARD. Ursula Stenzel, ÖVP-Bezirksvorsteherin in der City, soll nach ihrer Demontage im Bezirk einen Posten als Gemeinderätin abgelehnt haben. Eine Kandidatur mit einer eigenen Liste gegen die ÖVP wird wahrscheinlicher. Stenzel wird definitiv politisch aktiv bleiben, heißt es kryptisch aus Stenzels Büro. "Hass auf die FPÖ ist noch kein Programm", sagt der freiheitliche Spitzenkandidat für die Wien-Wahl. Wien – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der auch als Spitzenkandidat für die Wien-Wahl im Oktober fungiert, ortet in Wahlkampfattacken seitens anderer Fraktionen einen Beleg für die eigene Bedeutung. Wenn andere Parteien nur mehr Hass gegen die FPÖ äußern, zeigt das, welches Gewicht wir haben, sagte der Bundesparteiobmann in einer Pressekonferenz am Dienstag. Je heftiger wir angegriffen werden, desto mehr sehen die Menschen, dass unser Weg der richtige ist, schlussfolgerte Strache weiter. Auch Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) richtete er bei der Gelegenheit mit Verweis auf das rote Blaubuch aus: Hass auf die FPÖ ist noch kein Programm. Was das freiheitliche Wahlprogramm anbelangt, will Strache demnach nicht nur Verfehlungen von Rot-Grün, sondern darüber hinaus Lösungsvorschläge für diverse Probleme von Arbeitslosigkeit bis Schuldenanstieg aufzeigen. Mit Blick auf den Urnengang am 11. Oktober zeigte sich der FPÖ-Chef erneut optimistisch, dass die Blauen womöglich gar stärkste Kraft werden könnten. Schicker fordert Öffnung des Wahlrechts für alle – ÖVP dagegen. Wien – Mitten im Wahlkampf will die Wiener SPÖ das Wahlrecht für jene Bürger öffnen, die keine österreichischen Staatsbürger sind. Sie zahlen ja in Wien auch Steuern. Die Gemeinde, die Bezirke sind für sie ja auch aktiv. Und da sollen sie auch mitentscheiden können, sagt der SPÖ-Klubvorsitzende Rudolf Schicker im Ö1-Mittagsjournal. Die ÖVP spricht sich gegen den Vorschlag aus. Rund 400.000 Wiener sind über 16 Jahre alt, haben keine österreichische Staatsbürgerschaft und sind deshalb bei der Landtagswahl nicht wahlberechtigt. Zumindest 118.000 davon sind EU-Bürger – sie dürfen den Gemeinderat, aber nicht den Landtag wählen. Übrig bleiben 220.000 Drittstaatenangehörige, die gar nicht wählen dürfen, das ist ein Viertel aller Wahlberechtigten in Wien. Damit die SPÖ ihre Forderung umsetzen kann, sind Gesetzesänderungen auf Bundesebene notwendig. Die ÖVP spricht sich im Ö1-Radio allerdings gegen den Vorschlag aus. Dies sei derzeit kein Thema. Eine Änderung vor der Landtagswahl am 11. Oktober wird sich nicht ausgehen, räumte auch Schicker ein. Der mögliche Antritt einer türkischen Liste in Wien bringt die etablierten Parteien unter Zugzwang. Viel Zeit bleibt der neuen Liste aber nicht mehr, genügend Unterstützer zu finden. Die Fäden zieht die UETD, die der AKP und Türkeis Präsident Erdogan nahesteht. Wien – Ende vergangener Woche tauchte die Forderung der Wiener SPÖ auf, auch jenen 400.000 Bewohnern das Wahlrecht für die Gemeinderatswahl einzuräumen, die keinen österreichischen Pass besitzen. Anfang dieser Woche machte eine Foto-Lovestory die Runde, mit der die Sozialdemokraten offensichtlich die migrantische Zielgruppe ansprechen wollen: Das verliebte Paar Emir und Darmina wird auf einem Streifzug durch Wien begleitet. Beide Initiativen tauchen, just wenige Tage nachdem bekannt geworden war, dass eine migrantische Liste den Antritt bei der Wien-Wahl am 11. Oktober überlegt, auf. Die Ankündigung des Simmeringer Arztes Turgay Taskiran (geboren in Mödling, Wurzeln in der Türkei) setzt die SPÖ unter Druck, sagen auch Politologen, weil eine Migrantenliste die SPÖ Stimmen kosten könnte. Über die Liste (Gemeinsam für Wien) ist bis dato bis auf den Namen und den Spitzenkandidaten allerdings wenig bekannt. Nicht nur Kandidaten mit türkischen Wurzeln sollen sich engagieren. Wer genau, das will Cem Aslan, einer der Initiatoren, aber nicht sagen. Anfang August werden wir eine Pressekonferenz machen, bis dahin werden keine weiteren Details bekanntgegeben, hält er sich bedeckt und scheint vom frühen Bekanntwerden der Kandidatur überrascht. Auch das Programm ist noch nicht fertig. Laut Informationen des STANDARD war es schon schwierig, einen Spitzenkandidaten für die Liste zu finden. Taskrian, der die Liste nun anführen wird, soll kein besonderes rhetorisches Talent besitzen. Die Fäden zieht die UETD (Union of European Turkish Democrats), deren interimistischer Vorsitzender Aslan auch ist. Diese hat vergangenes Jahr den Besuch Recep Tayyip Erdogans in Österreich im Vorfeld der türkischen Präsidentschaftswahl organisiert. Sie gilt als AKP-nahe, dementiert allerdings, Gelder aus der Türkei zu erhalten. Ursprünglich soll UETD-Vorsitzender Abdurrahman Karayazili als Spitzenkandidat der neuen Liste im Gespräch gewesen sein. Dieser trat allerdings vor einigen Monaten zurück. Ihm wurde angelastet, für die mit neun Prozent äußerst geringe Wahlbeteiligung der Türken in Österreich bei der Präsidentschaftswahl im August 2014 verantwortlich zu sein. Außerdem sorgte er für einen Eklat im ORF, als er nach kritischer Fragenstellung ein Interview abbrach und eine Kampagne gegen die Moderatorin initiierte. Potenzielle migrantische Wähler gäbe es in jedenfalls Wien genug. Von 1,1 Millionen Wahlberechtigten haben rund 240.000 einen Migrationshintergrund. 55.000 haben ihre Wurzeln in der Türkei. Bevor es zur Kandidatur kommt, gilt es, Unterstützungserklärungen zu sammeln. Bis 4. September ist dafür Zeit. Um auf den Stimmzettel zu kommen, braucht man auf Landesebene 100 Unterstützungserklärungen in jedem der 18 Wahlkreise. Für einen Antritt auf Bezirksebene müssen je 50 Unterschriften gesammelt werden. Für einen Einzug in den Gemeinderat sind 35.000 bis 40.000 Stimmen notwendig. Wie schwierig es für Migranten ist, weiß auch die Unternehmerin und ehemalige Wiener ÖVP-Landtagsabgeordnete Sirvan Ekici. Sie hatte nach ihrem Ausscheiden aus dem Gemeinderat auch überlegt, bei der Wahl 2010 eine Migrantenliste anzuführen, sich letztlich aber dagegen entschieden. Für Migranten ist es sinnvoller, sich in etablierten Parteien zu engagieren, dort gibt es Strukturen, sagt sie zum STANDARD. Auch seien Vorzugsstimmenwahlkämpfe von Migranten bis dato wenig erfolgreich gewesen. Zuletzt hatte in Vorarlberg eine Migrantenliste auf ihre Kandidatur verzichtet. Wind aus den Segeln könnte der Debatte auch das Antreten von Stulife bei der ÖH-Wahl im Mai nehmen. Ebenfalls von der UETD finanziert, verpasste die Fraktion deutlich den Einzug in die Bundesvertretung der Hochschülerschaft und kam bundesweit auf nur 0,68 Prozent. 'SPÖ und Grüne haben ihre Parteizentralen für den Wahlkampf umgebaut. Die ÖVP will als Kontrollpartei fungieren und den Stadtrechnungshof aufwerten. Wien – 64 Tage sind es noch bis zur Wien-Wahl am 11. Oktober. Die Mitarbeiter der SPÖ werden durch an der milchgläsernen Zwischenwand in der Wahlkampfzentrale angebrachte Nummern daran erinnert. Jeden Tag wird eine Nummer abgezogen, der Wahltag rückt so auch optisch immer näher. Hinter dem Glas in der Wahlkampfzentrale in der Löwelstraße sind über 30 Mitarbeiter im Einsatz. Unser Wahlkampf besteht nicht nur darin, gegen die FPÖ zu argumentieren, erklärte der Wiener Bürgermeister Michael Häupl bei der Eröffnung der Räumlichkeiten am Freitag. Dies tue er nur – wie etwa mit dem Blaubuch FPÖ –, um das Unheil von dieser Stadt fernzuhalten. Denn die FPÖ habe gegen sämtliche armutsbekämpfende oder frauenpolitische Maßnahmen gestimmt. Für Häupl gehe es inhaltlich darum, das Gesamtkunstwerk der Stadt aufrechtzuerhalten. Unsere Stadt wächst, sagte der Bürgermeister. Daher müsse man das, was jetzt bei einer Einwohnerzahl von 1,5 Millionen funktioniere, im Jahr 2030 auch für zwei Millionen gewährleisten können. Ein wichtiger Aspekt sei dabei der Wohnbau. 12.000 neue Wohnungen brauche es pro Jahr, um genügend Lebensraum bereitzustellen. Etwa 4000 davon würden jährlich von Privaten gebaut werden, 10.000 soll die Stadt pro Jahr errichten. Derzeit leben 62 Prozent der Wiener in geförderten Wohnungen. Für die älteren Mitbürger möchte die SPÖ in der kommenden Legislaturperiode 36 neue Pflegewohnhäuser schaffen. Das Asylthema will die SPÖ im Wahlkampf nicht bringen: Das ist in Wien gelöst. Es gibt wesentlich wichtigere und gravierendere Themen. So soll etwa die Gesamtschule weiter ausgebaut werden und jedes Wiener Kind einen Kindergartenplatz haben, was etwa 50 bis 70 zusätzliche Plätze pro Jahr bedeutet. Zudem springt die Partei auf grüne Themen auf. Jeder Wiener soll in zwei Minuten einen Grünraum erreichen, steht im Wahlprogramm. Tiere sollen besser geschützt, der motorisierte Verkehr reduziert werden, die 365-Euro-Jahreskarte für die Öffis erhalten bleiben. Nicht nur die SPÖ hat für den Wahlkampf ihre Räumlichkeiten adaptiert, auch in der Parteizentrale der Wiener Grünen in der Lindengasse riecht es nach den Renovierungsarbeiten noch nach Farbe. In einem Großraumbüro mit flexiblen Arbeitsplätzen soll eng vernetzt gearbeitet werden. Die ÖVP hat sich ebenfalls neu eingerichtet. Das Mobilisierungsbüro befindet sich in der Bartensteingasse. Die Schwarzen geben sich für die Wahlen im Oktober als Kontrollpartei. Das habe ihre Arbeit der vergangenen Jahre im Stadtrechnungshof gezeigt. ÖVP-Mandatar Wolfgang Ulm will den Wiener Rechnungshof aufwerten Erste Werbewelle ohne Bürgermeister. Wien – Die Wiener SPÖ startet am Montag ihre erste Plakatwelle und verzichtet diesmal auf reine Feel-good-Sujets. Lebensqualität schön und gut. Aber auch wurscht, wennst dir keine Wohnung leisten kannst, affichiert die Regierungspartei etwa. Man wolle Probleme nicht schönreden, sondern aktiv ansprechen, erklärte Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler bei der Präsentation am Freitag. Vier Motive werden in den kommenden zwei Wochen stadtweit zu sehen sein. Thematisiert werden neben gestiegenen Mietpreisen auch der Bamml vor der Zukunft, Ausbildung (Lehrlinge) und Arbeitslosigkeit. Der Slogan zur letzteren lautet beispielsweise: Wien ist die beste Stadt der Welt. Aber was bringt dir das, wennst keine Hackn hast? Bebildert hat man den Spruch mit einem jungen, Freizeithemd und Krawatte tragenden Radfahrer mit Umhängetasche. .@SP_Wien hey cool, dass der Kickl bei euch die Wahlplakate texten darf. Das wird bestimmt erfolgreich. Cc: @zuschoen Mit Teil zwei der Serie will die SPÖ dann ab September die Antworten auf die erwähnten Probleme geben. Auf diesen Plakaten wird dann – im Unterschied zur jetzigen Welle – auch Bürgermeister Michael Häupl zu sehen sein. @SP_Wien ich fands ja nicht schlecht was die spö leistet, wenn ich das so lese denk ich mir allerdings die Probleme dürften an euch liegen. (APA, red, 14.8.2015) 'ÖVP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch sorgt mit Kritik an Regen und Grünen für Unterhaltung auf Twitter. Alfred Hoch, Geschäftsführer der Wiener ÖVP, sorgt mit einem Tweet, den er Montagmorgen abgesetzt hat, für Furore. Seit Wochen die ersten Regentropfen und gleich bricht der Verkehr in Wien zusammen. Danke #rotgrün . #fail #spö #grüne #vassilakou Unter #thanksvassilakou macht die Twitteria die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou für allerlei weitere Missstände verantwortlich. Eine Auswahl: ich musste heut früh mein Hemd bügeln, obwohl bügelfrei drauf steht. #ThanksVassilakou wegen der schwerkraft kann ich nicht fliegen. aber um begegnungszonen kümmern sie sich. #ThanksVassilakou Scheiß Grüne, organisieren fies nen Sauren Regen #thanksvassilakou https://t.co/W164aR1qne Super. Saure Milch. #thanksvassilakou pic.twitter.com/3FzSwa9SYM Gabalier trinkt deutsche Milch ... #ThanksVassilakou Gabalier trinkt deutsche Milch ... #ThanksVassilakou Am Klo habe ich kein 3G Netz. #ThanksVassilakou Binnen zwei Stunden hat es #thanksvassilakou zum Top-Trending Topic geschafft. Hoch selbst zeigte sich auf Twitter gelassen. Ein guter Montag beginnt mit einem selbst verursachten Shitstorm. Die Grüne Welle i Straßenverkehr bleibt aber Forderung. Schöne Woche Umfrage zeigt Schwächen bei traditionellen Werten und Problemlösungen, aber Anerkennung für den guten Ruf Wiens. Wien – Jeder zweite Wahlberechtigte in Wien sieht in der Bürgermeisterpartei SPÖ eine Seniorenvertretung. Dieses Ergebnis einer Market-Umfrage für den STANDARD fällt 2015 noch deutlicher aus als bei einer Vergleichsmessung im Jahr 2011. Und: Das Image bei den eigenen Wählern und bei jenen, die eine andere Partei präferieren, ist in diesem Punkt identisch. Dass die SPÖ für einen guten Ruf Wiens sorge, attestieren ihr vier von zehn Befragten – allerdings mit klaren Unterschieden je nach Parteizugehörigkeit. Es sind vor allem die SPÖ- und Grün-Wähler, die der Sozialdemokratie das zutrauen. Mit dem klassischen roten Thema Vertretung der Arbeitnehmerinteressen punktet die SPÖ vor allem bei den eigenen Wählern, ein wenig noch bei Grünen, aber auffallend schwach bei Parteiungebundenen. Auch beim zweiten typisch der Sozialdemokratie zugeordneten Thema, dem Einsatz für die Schwachen, findet die SPÖ außerhalb der eigenen Reihen bis zu Beginn des Wahlkampfs wenig Resonanz. Ausgesprochene Schwächen sieht ein Market-Wahlforscher noch bei Problemlösungen im Alltag – und man kann nicht übersehen, dass die SPÖ nur von drei Prozent als sparsam eingeschätzt wird. Wiens Bürgermeister will ein bis zwei Mandate dazugewinnen und hat Ideen zur Entzauberung der FPÖ. Wien – Wer gedenkt, Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) vorzuschlagen, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen, ist gut beraten, in Deckung zu gehen. Dem Nächsten, der sagt, wir sollen eine Koalition mit der FPÖ machen, dem haue ich eine Watsche runter, sagte er beim Sommerfest der Wiener SPÖ-Frauen am Donnerstag im EGA-Frauenzentrum im sechsten Gemeindebezirk. Die eine oder andere verbale Ohrfeige galt auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache. Dieser tauche nämlich so wie das Seeungeheuer Nessie alle fünf Jahre in Wien auf. Dann hauen wir ihm eines über die Rübe, und dann ist er wieder weg. Wien sei für viele Menschen in Europa eine Glitzerstadt, ein Leuchtturm. Nur: Bei uns rennen ein paar Koffer herum und reden deppert über diese Stadt. Soziale Heimatpartei entzaubern Man müsse den Wählern die Wahrheit über die soziale Heimatpartei erzählen, die etwa gegen die bedarfsorientierte Mindestsicherung gestimmt und auch viele andere soziale und frauenpolitische Maßnahmen abgelehnt habe, schlägt der Bürgermeister zur Entzauberung der FPÖ vor. Außerdem formuliert Häupl ein Wahlziel: Zu den 49 Mandaten und dem Mandat, dass er als politisches Asyl bezeichnet (gemeint ist Şenol Akkılıç, der im März von den Grünen zur SPÖ wechselte), will Häupl ein bis zwei Mandate dazugewinnen, was der absoluten Mehrheit entspricht. Wenn auch in wenig schmeichelnde Worte verpackt, ließ er eine Koalitionspräferenz für die Grünen durchklingen. Nach wie vor streite er lieber zu Verkehrsthemen als über Bildung. Und: Nach fünf Jahren Lehrlingsausbildung dürfte es jetzt zum politischen Facharbeiter reichen, sagte er über den derzeitigen Regierungspartner. Auch wenn so manchen die Zusammenarbeit mit den Grünen auf die Nerven geht, skizzierte er die Alternative einer Regierung mit der ÖVP: Einsparen des Personals in der Verwaltung, Leistungen abbauen, Sparen in Spitälern und Schulen. Außerdem kritisierte Häupl die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung: Entschieden Charakter zu halten ist im erstaunlichen Ausmaß verlorengegangen. Was ist daran so schwer zu sagen, ja, wir helfen euch? Das Kind auf den Bugl picken Zuvor hatte Vizebürgermeisterin Renate Brauner die SPÖ-Frauen auf die unendlich wichtigen Wahlen eingeschworen. Sie plädierte dafür, mehr Erfolgsgeschichten zu erzählen. Im Gegensatz zu Wien hätten in vielen anderen Bundesländern Kindergärten zu viele Schließzeiten. Frei nach dem Motto: Pick dir das Kind auf den Bugl und geh damit in die Arbeit. Diese Errungenschaft sei nicht vom Himmel gefallen, daran müsse man die Wähler erinnern. FPÖ-Chef Strache will Wien von "abgehobener, selbstgerechter Polit-Aristokratie" befreien – Wahlzentralen sind Wirtshäuser, Kaffeehäuser und Straßen. Wien – Zu Wahlkampfzwecken hat die FPÖ vor Jahren eine Ähnlichkeit zwischen FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache und dem linken Revolutionär Che Guevara herzustellen versucht. Vor der aktuellen Wien-Wahl wird auf Plakaten der Begriff Oktoberrevolution strapaziert. Der historische Kontext – die gewaltsame Machtübernahme durch die russischen kommunistischen Bolschewiki 1917 – ist den Freiheitlichen aber bekannt, Revolution steht daher unter Anführungszeichen. Es ist möglich, dass ich die Chance erhalte, Bürgermeister von Wien zu werden, sagte Strache bei der Präsentation. Auf den Plakaten ist diese Aussage in bewährter Manier in einen Reim verpackt: Wien tauscht Häupl gegen HC Strache und nimmt für Rotgrün süße Rache. Strache wolle Wien von der abgehobenen, selbstgerechten Polit-Aristokratie befreien. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sei längst pensionsreif. FPÖ-Generalsekretär und Wahlkampfleiter Herbert Kickl bezeichnete die erste von drei Plakatwellen als Frontalangriff gegen Häupl und eine inhaltsleere, abgehalfterte SPÖ. Für Strache sei Häupl ein Ankündigungsriese und Umsetzungszwerg. Dirty Campaigning, sagte Strache wenig später in der gleichen Pressekonferenz, überlasse er den Mitbewerbern. Beim durchaus kontroversen Begriff Revolution im Wahlkampfplakat – noch dazu in Verbindung mit dem Oktober – verwies Kickl auf Immanuel Kant und auf dessen Hauptwerk (Die Kritik der reinen Vernunft). Wenn nichts gelingt, muss man die Methode ändern, sagte Kickl. Das gilt auch für politische Verhältnisse. In den noch kommenden zwei Plakatserien Mitte September und Anfang Oktober würden auch Themen aus der freiheitlichen Themenvielfalt wie Asyl, Arbeitslosigkeit oder Sicherheitspolitik eine Rolle spielen. Der offizielle Wahlkampfauftakt erfolgt laut Kickl am 4. September am Viktor-Adler-Markt, gefolgt von einem Fest am 12. September im Wiener Prater, bei dem 10 Jahre HC Strache gefeiert wird. Die FPÖ habe – anders als die SPÖ oder die Grünen – keine teure Wahlzentrale, keinen sogenannten War Room, sagte Landesparteisekretär Toni Mahdalik. Unsere Wahlzentralen sind Wirtshäuser, Kaffeehäuser, Straßen und Plätze der Stadt Wien. Bei Plakaten kommt die SPÖ bisher ohne Konfrontation mit der FPÖ aus. An jene Genossen, die mit den Blauen sympathisieren, richtete Häupl aber klare Worte. Wien – Dass es in sozialdemokratischen Kreisen in Wien durchaus Genossen gibt, die sich eine künftige Zusammenarbeit mit den Freiheitlichen vorstellen können, ist ein offenes Geheimnis. Überraschend ist aber, dass Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) diese Tatsache durchaus konkret thematisiert. Bei der sehr gut besuchten Mitarbeiterkonferenz der Wiener Sozialdemokraten am Donnerstagabend zählte Häupl auf, gegen welche sozialen Maßnahmen die Freiheitlichen im Gemeinderat gestimmt haben. Er erwähnte etwa den Pflegefonds, die Mindestsicherung oder Anträge gegen Lohn- und Sozialdumping. Mit der sozialen Heimatpartei FPÖ sei laut Häupl keine soziale Politik zu machen. Eine Koalition mit den Blauen schloss er unter seiner Ägide erneut kategorisch aus. So viel Niedertracht auf einem Fleck ist normalerweise gar nicht vorstellbar, sagte Häupl zur FPÖ-Haltung in Sachen Asylpolitik. Jene, die ihm raten würden, mit den Blauen zu koalieren, müssten aufpassen, dass ich nicht ausflippe – um nicht Schlimmeres zu sagen, sagte Häupl. Die Abgrenzung gegen Heinz-Christian Straches FPÖ, der er Charakterlosigkeit und Opportunismus vorwarf, lohne sich im Wahlkampf für die SPÖ allemal, betonte er. Konträr zum Auftritt Häupls kommen die Wahlplakate der Sozialdemokraten aber bisher ohne Konfrontation mit den Freiheitlichen aus. Zunächst warfen die ersten Sujets mit abgebildeten Wienern durchaus kritische Fragen auf (Wien ist die beste Stadt der Welt. Aber was bringt dir das, wennst keine Hackn hast?). Diese beantwortet jetzt ein großflächig in den Fokus gerückter Bürgermeister Häupl mit gewohnt markigen Sprüchen (Noch stärker in neue Arbeitsplätze investieren. Da lass i ned locker!). Beim Thema leistbares Wohnen wirbt Häupl folgendermaßen: Wir bauen wieder neue Gemeindewohnungen. Da bleib i stur. Als Ziel für die Wien-Wahl am 11. Oktober gab Häupl – zahlreichen anderslautenden Umfragen zum Trotz – bisher die Wiedererlangung der absoluten Mehrheit an. Das schwächte er angesichts des beherrschenden Asylthemas deutlich ab. Die Voraussetzungen seien nicht ideal. Ich bin ja schon von dieser Welt, das ist mir wohl bewusst. Er wünsche sich ein Wahlergebnis, das so ausfällt, dass man nicht gegen die Sozialdemokratie regieren kann. Neben der Landtagswahl wird es im Oktober auch bei der gleichzeitig stattfindenden Bezirksvertretungswahl spannend. Besonderes Interesse kommt dem prestigereichen ersten Bezirk zu: Die von der ÖVP geschasste Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel will am Dienstag verkünden, ob sie am 11. Oktober antritt. Aus dem Umfeld der ÖVP ist zu hören, dass Stenzel nicht kandidieren wird. Vorschläge der ÖVP für einen anderen Posten im Bezirk habe sie aber ausgeschlagen. Andere Beobachter halten einen Antritt hingegen durchaus für möglich. Tritt Stenzel an, droht der ÖVP, die mit Markus Figl ins Rennen geht, der Verlust des Bezirksvorstehers. Noch bis 4. September können politische Listen ihre Kandidatur einreichen. Für einen wienweiten Antritt sind knapp 3000 Unterschriften nötig. Diese Hürde hat Wien anders bereits geschafft. Die Liste WWW – Wir wollen Wahlfreiheit des Gastronomen Heinz Pollischansky schaffte es dank fünf Unterschriften von Team-Stronach-Nationalratsabgeordneten auf den Wahlzettel. Der türkischen Liste Gemeinsam für Wien fehlen noch Unterschriften in einigen Bezirken für einen wienweiten Antritt, sagte Spitzenkandidat Turgay Taskiran, ein türkischstämmiger Arzt. Die Liste arbeitet mit der RumänInnen Partei sowie mit der Protestliste Robin Hood des Ex-Piraten Anatolij Volk zusammen. Aufregung über Terminkollision mit FPÖ: Strache informiert zur selben Zeit am selben Ort über freiheitliche Wien-Liste. Wien – Lange hat Ursula Stenzel ihre Entscheidung hinausgezögert. Am Dienstagvormittag wird die von der ÖVP geschasste Bezirksvorsteherin im Ersten Bezirk bekanntgeben, ob sie erneut zur Wien-Wahl antritt – oder sich von der politischen Bühne verabschiedet. Beobachter rechnen mit einer Kandidatur mit eigener Liste. Die Einladung zur Pressekonferenz lässt diese, aber auch eine andere Schlussfolgerung zu: Thema: Begegnungszone Innere Stadt & Wien-Wahl 2015. Rein organisatorisch stellt ein Antritt mit eigener Liste keine riesige Hürde dar: Bis 4. September, 13 Uhr, braucht Stenzel 50 Unterstützungserklärungen von Anrainern. Der Kostenbeitrag für die Kandidatur im Bezirk beträgt 72,67 Euro. Tritt Stenzel an, könnte die ÖVP bei der Wahl am 11. Oktober den Bezirksvorsteherposten in der an Einwohnern armen, aber an Prestige reichen City verlieren. Entsprechende Angebote der Stadt-ÖVP, sie nach ihrer Ausbootung wieder ins Boot zu holen, schlugen nach Angaben von ÖVP-Politikern fehl. Seit Wochen habe es zwischen Stenzel und der Parteispitze keinen direkten Kontakt mehr gegeben. Für Aufregung sorgte am Montag die Tatsache, dass neben Stenzel auch die FPÖ mit Heinz-Christian Strache zu einem Pressegespräch in die Sky-Bar lud. Beide Termine finden um 9.30 Uhr und im gleichen Stockwerk statt. Dass Stenzel zur FPÖ überlaufen könnte, wurde von den Freiheitlichen dementiert. Die Terminkollision sei reiner Zufall, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem Büro von Strache. 'In Sachen Flüchtlinge will sich Bürgermeister Michael Häupl in Wien nichts vorwerfen lassen, bundesweit sieht er Versäumnisse. Für Zuwanderer sei Wiens Wohnungsmarkt gerüstet. Wien – In Wien wird es in den kommenden Jahren laut Prognosen jährlich einen Zuzug von rund 25.000 Personen geben – auch wegen der Flüchtlingssituation. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) sieht Wien dafür gerüstet: Es gibt fürs Erste genug Unterbringungsmöglichkeiten, sagt er im STANDARD-Interview. Derzeit würden 14.000 geförderte Wohnungen gebaut und jährlich 10.000 übergeben, davon über 7000 geförderte. Aber es sollten noch mehr gebaut werden, fordert Häupl. Im Umgang mit Flüchtlingen will sich Häupl nichts vorwerfen lassen. Wien übererfülle die Quote. Er ortet aber Versäumnisse im Bund. Als verantwortlichen Ort sieht er das Innenministerium. Ziel für die Wien-Wahl am 11. Oktober bleibt für Häupl trotz schlechter Umfragewerte die absolute Mehrheit. STANDARD: Am Montag sind 20.000 Menschen auf die Straße gegangen, auch in Traiskirchen ist die Hilfe der Bevölkerung seit Wochen groß. Was leistet derzeit die Zivilgesellschaft, wo die Politik versagt? Häupl: Die Politik versagt nicht. Ich bin nicht bereit zu akzeptieren, dass man alles in einen Topf wirft. Wir haben zurzeit in Wien in absoluten Zahlen mehr Flüchtlinge als in Niederösterreich. Trotzdem gibt es in Wien keine Zeltstädte, keine Container, niemand schläft auf der Straße. Wir leisten hier Hilfe für die Flüchtlinge in organisierter und ruhiger Form – offensichtlich zu ruhig. STANDARD: Wir haben auch nicht die Wiener Politik angesprochen. Häupl: Aber ich rede als Wiener Bürgermeister über Wien. STANDARD: Sie müssen doch sehen, dass in Österreich die Flüchtlingspolitik nicht funktioniert, wie sie funktionieren sollte. Häupl: Ja. Aber in ganz Europa nicht. Wenn sich die Flüchtlinge auf nur fünf europäische Länder aufteilen, ist das ein Versagen europäischer Koordinationspolitik. Aber auch in Österreich: Wenn sich ein erheblicher Teil der Bundesländer nicht an Verträge hält, wenn Beschlüsse der Landeshauptleutekonferenz ignoriert werden, wenn sich das Innenministerium auf die Bürgermeister ausredet, dann sind die Probleme hausgemacht. Auch die Situation in Traiskirchen ist vollkommen inakzeptabel. Der einzige Lichtblick ist, dass Christian Konrad nun eine Koordinationsfunktion übernehmen wird. STANDARD: Wer ist verantwortlich für das Versagen? Häupl: Natürlich könnte ich den Schuldfinger ausfahren. Aber das macht keinen Sinn. Wir müssen das Problem lösen und den Menschen jetzt helfen. Deshalb haben wir die unbegleiteten Kinder aus Traiskirchen herausgeholt. STANDARD: Aber irgendwer muss doch die Verantwortung tragen. Häupl: Natürlich gibt es einen verantwortlichen Ort. Der ist das Innenministerium. Nun breche ich doch mit meinem Vorsatz, nicht mit dem Finger auf jemanden zu zeigen. STANDARD: Weil Sie in Wien jetzt die Deppen der Nation sind, wie Sie es 2014 formuliert haben? Sie übererfüllen die Quote. Häupl: Nicht, weil wir die Quote übererfüllen, sondern weil manch andere nichts tun. Als ich damals vorgeschlagen habe, dass man einen Sanktionsmechanismus für Länder einführen soll, die ihre Quote nicht erfüllen, bin ich geschimpft worden. Jetzt schlägt die Innenministerin, die ganze Bundesregierung, genau so etwas für ganz Europa vor. STANDARD: Was erwarten Sie sich von Christian Konrad? Häupl: Momentan muss er versuchen, die ärgsten Zustände zu beseitigen. Wir müssen ihm alle helfen, das Problem Traiskirchen aufzulösen. Er hat die Kraft dazu. Die nächste Aufgabe wird sein, die Zeltstädte abzubauen. Das wird beim aktuellen Schwung an Flüchtlingen noch dauern. STANDARD: Die SPÖ zeigt beim Thema Asyl, wie breit das Spektrum ist. Landeshauptmann Hans Niessl fordert Grenzkontrollen. Woher soll der Wähler wissen, worauf er sich verlassen kann? Häupl: Hans Niessl hat, wenn er von Grenzkontrollen gesprochen hat, Schleierfahndungen gemeint. STANDARD: Er hat schon auch von der Wiederaufnahme von Grenzkontrollen gesprochen. Häupl: Ja, das ist dasselbe, was die Innenministerin jetzt erzählt. Da befindet man sich natürlich schon an einer Grenze des Schengen-Abkommens. Aber ich halte Schlepper für Kriminelle und ich halte diese Bekämpfung der organisierten Kriminalität für richtig. Was wollen wir? Noch mehr Flüchtlinge erstickt in Lastwagen vorfinden? STANDARD: Das heißt, Niessl und Häupl sind einer Meinung? Häupl: In der Frage der Bekämpfung organisierter Kriminalität, also der Schlepper, sind wir einer Meinung. STANDARD: Wo sind Sie nicht einer Meinung? Häupl: Selbstverständlich halte ich die Regierungszusammenarbeit mit den Freiheitlichen für einen Fehler. Ja. STANDARD: Wie sehr hat das Ihnen und der Wiener SPÖ geschadet? Häupl: Super war es nicht, um das einfach zu sagen. Aber wie immer die Wahl am 11. Oktober ausgeht: Ich trage dafür die Verantwortung und niemand anderer. STANDARD: Gilt trotz gegensätzlicher Umfragewerte Ihr Ziel der absoluten Mehrheit noch immer? Häupl: Dass das schwierig wird, ist klar. Wenn es leicht wäre, könnte es ja jeder. So kann es hoffentlich ich. STANDARD: Sie werden aber wohl einen Koalitionspartner brauchen. Was macht die Grünen zum einfacheren Partner als die ÖVP? Häupl: Gar nichts. STANDARD: Aber Sie haben gesagt, Sie streiten lieber über Verkehrs- als über Schulthemen. Häupl: Ich rede vor den Wahlen nicht über Koalitionen. Das entscheidet das Volk. Was ich aus inhaltlichen und charakterlichen Gründen ablehne, ist eine Zusammenarbeit mit der FPÖ. Strache kann auf den Tag hoffen, an dem Michael Häupl nicht mehr Bürgermeister ist. Aber in der derzeitigen Wiener SPÖ wird er niemanden finden, der mit ihm eine Koalition machen will. STANDARD: Sie und die FPÖ kommen nicht mehr zusammen, oder? Häupl: Wienerisch gesagt: Dicke Freunde werden wir nimmer. STANDARD: Die SPÖ hat in letzter Zeit Verluste einstecken müssen. In der Steiermark hat Franz Voves seine Ankündigung wahrgemacht und ist zurückgetreten. Bei welcher Prozentzahl treten Sie zurück? Häupl: Die Beantwortung dieser Frage ist ein No-Go. Das würde einen gewissen Mangel an Respekt vor der Entscheidung, die die Bevölkerung trifft, signalisieren. STANDARD: Die Asyl-Anerkennungsquote ist wegen der vielen Kriegsflüchtlinge aus Syrien höher als in vergangenen Jahren. Viele von ihnen werden auch in Wien bleiben. Gibt es genug Wohnungen? Häupl: Es gibt fürs Erste genug Unterbringungsmöglichkeiten. In der Stadt werden derzeit zirka 14.000 geförderte Wohnungen gebaut. Darüber hinaus rund 4000 bis 5000, die frei finanziert sind. STANDARD: Aber derzeit werden jährlich nur rund 7000 geförderte Wohnungen übergeben. Häupl: Jetzt. Aber nächstes Jahr sind es 8000, Sie werden sehen. STANDARD: Allein der Zuzug ist rund 25.000 Menschen pro Jahr. Steuert Wien auf einen Engpass zu? Häupl: Mit den zurzeit in Bau befindlichen 14.000 Wohnungen kommen wir zu Rande. STANDARD: Aber es ist doch vielmehr so, dass in diesem Jahr nicht 14.000 Wohnungen übergeben werden. Häupl: Ja. Aber ich rede von der Zukunft. Jährlich werden schon jetzt 10.000 neue Wohnungen fertiggestellt, davon über 7000 geförderte. Aber es sollten noch mehr gebaut werden. STANDARD: Was sagen Ihnen die Namen Anton Mandl, Barbara Neuroth oder Johannes Schreiber? Häupl: Momentan gar nichts. STANDARD: Sie sind allesamt Bezirksvorsteherstellvertreter, die 2,7 Millionen Euro pro Jahr kosten. Könnte man den Posten streichen? Häupl: (seufzt) Demokratiereform durch Postenstreichung. Als Nächstes werden Sie mich fragen, ob auch die nichtamtsführenden Stadträte überflüssig sind. STANDARD: Genau, sie kosten immerhin 115.000 Euro pro Jahr. Häupl: Ich halte davon nicht wahnsinnig viel. Das ist nicht das Zentrale an einer Demokratiereform. Wir bräuchten eine Verfassungsänderung auf Bundesebene. Da bin ich extrem heikel, denn wenn das angegriffen wird, würden sofort andere Forderungen kommen, die mir gar nicht gefallen. STANDARD: Zum Beispiel? Häupl: Wir sind Bundesland und Gemeinde in einem. Die Rolle würde infrage gestellt werden. Das will ich um keinen Preis verlieren, auch nicht um den Preis der nichtamtsführenden Stadträte. STANDARD: Aber Sie brauchen diese doch nicht. Häupl: Nein, mein Herz ist nicht an sie gebunden. STANDARD: Kritik musste die SPÖ wegen der vom Compress-Verlag betriebenen Auslandsbüros einstecken. Es gibt bereits die Wirtschaftsagentur und den Wien Tourismus. Warum halten Sie daran fest? Häupl: Beide genannten Institutionen haben andere Aufgaben. Ich verstehe nicht, warum man auf Instrumente der Stadt, die sich absolut bewähren, verzichten sollte Wiens ÖVP-Chef Manfred Juraczka ist um die Innere Stadt nicht besorgt: Die FPÖ sei für Bürgerliche keine Option. Wien – Bezirkschefin Ursula Stenzel sei jetzt ganz auf FPÖ-Parteilinie. Er bereue deshalb nicht, sie im ersten Wiener Bezirk gegen den jüngeren Spitzenkandidaten Markus Figl ausgetauscht zu haben, sagt Manfred Juraczka, Landesparteiobmann der ÖVP Wien, im STANDARD-Interview. Nach der Wahl würde Juraczka mit allen Parteien verhandeln. Eine Koalition schließe er nur aus, wo wir unsere Handschrift nicht erkennen. Der derzeitigen Flüchtlingspolitik der FPÖ applaudieren wir nicht. STANDARD: Nach dem Wechsel Ursula Stenzels zur FPÖ ist es Zeit für eine Fehleranalyse. Wie konnten Sie die Bezirkschefin derart verärgern, dass sie zur FPÖ geht? Juraczka: Ursula Stenzel ist jetzt ganz auf FPÖ-Parteilinie. Sie will einen Grenzzaun zu Ungarn aufstellen. Das ist sicher nicht die politische Welt der ÖVP. Ein anständiger Christdemokrat wechselt nicht zur FPÖ. STANDARD: Bereuen Sie Ihre Entscheidung, Ursula Stenzel ausgetauscht zu haben? Juraczka: Nein, ganz im Gegenteil. Ich bin umso mehr überzeugt, dass die Bezirksgruppe gut daran getan hat, diesen Generationswechsel einzuleiten. STANDARD: War das die Rache für den Satz Stenzels: Der Stadtparteichef bringt keinen geraden Satz in einem TV-Interview heraus? Juraczka: Dass Frau Stenzel nicht gerade zimperlich ist, wissen wir. Ich wünsche den Kollegen Strache und Gudenus noch viel Spaß bei der tagtäglichen Arbeit mit der Frau Bezirksvorsteherin. STANDARD: Das Resultat ist, dass die ÖVP den prestigeträchtigen ersten Bezirk verlieren könnte. Juraczka: Da widerspreche ich heftigst. Für keinen bürgerlichen Menschen ist es eine Option, die FPÖ zu wählen. Wer bürgerlich ist, ist bei der ÖVP zu Hause. STANDARD: Was wird Ihre Konsequenz sein, wenn das nicht so ist? Juraczka: Wir werden den ersten Bezirk halten, da können Sie sich ganz sicher sein. STANDARD: Und wenn Sie ihn doch verlieren sollten? Juraczka: Dann haben wir unser Wahlziel nicht erreicht. STANDARD: Die Umfragewerte der ÖVP Wien sind nicht berauschend. Maria Vassilakou will bei einem Minus zurückzutreten. Sie auch? Juraczka: Vassilakous Ankündigung ist nicht mehr als ein billiger Gag. Ich halte es für denkunmöglich, dass die grüne Fraktion in den entscheidenden Tagen nach der Wahl führungslos ist. STANDARD: Sie werden also nicht zurücktreten, wenn Sie unter den 13,99 Prozent von 2010 liegen? Juraczka: Wir werden die Wahlen schlagen und werden uns dann die Regierungsbildung ansehen. STANDARD: Bei der Listenerstellung für die Wien-Wahl ließen Sie altgediente Funktionäre wie Ingrid Korosec außen vor. Korosec muss nun Vorzugsstimmen sammeln. War es richtig, so drüberzufahren? Juraczka: Wir haben die Kandidatenlisten mit mehr als 90 Prozent in einem 50-köpfigen Gremium beschlossen. Wir sind die einzige Partei, die dem Wähler das letzte Wort gibt, und wir haben die Vorzugsstimmenhürde auf ein Zehntel der gesetzlich vorgesehenen Hürde reduziert. Es liegt an jedem, für sich zu werben, und letztlich an den ÖVP-Wählern, das beste Team zusammenzustellen. STANDARD: Die Neos sehen Vorboten für eine schwarz-blaue Koalition. Schließen Sie das aus? Juraczka: Was die Neos alles sehen. Ich habe immer klar gesagt, Gespräche führe ich mit allen. Es gibt zu allen Parteien Barrieren, die nicht leicht zu überbrücken sind. STANDARD: Hat Ursula Stenzel den Weg zu Blau-Schwarz geebnet? Juraczka: Nein. Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob ich mit einer Partei rede, weil sie vom Wähler demokratisch legitimiert ist, oder ob ich für eine Partei kandidiere. Um jetzt Stenzel zu wählen, muss ich die FPÖ ankreuzen. STANDARD: Eine Koalition ist ja trotzdem möglich. Juraczka: Ich rede mit allen Parteien, die derzeit im Gemeinderat sitzen, bekennen würde ich mich zu keiner anderen Fraktion. STANDARD: Können Sie die Kritik an Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nachvollziehen? Juraczka: Nein. Die arme Mikl-Leitner macht unter Aufbringung unglaublicher Kräfte einen großartigen Job. STANDARD: Davon merkt man bei der derzeitigen Flüchtlingssituation nichts. Was hätte Mikl-Leitner anders machen müssen? Juraczka: Deshalb hat sie ihre Anstrengungen mit dem Durchgriffsrecht auf Nationalratsebene gehoben. Es kann nicht sein, dass die Ministerin mit jedem Bürgermeister tagelang Überzeugungsarbeit in Gesprächen leisten muss. STANDARD: Die Flüchtlingskrise spielt der FPÖ in die Hände. Wenn Blau gestärkt wird, könnte die ÖVP in Wien zwischen zwei Koalitionspartnern wählen: FPÖ und SPÖ. Juraczka: Ich glaube nicht, dass es automatisch die FPÖ stärkt, wenn man die Dinge mit Vernunft regelt. STANDARD: Glauben Sie, dass nicht nur der FPÖ, sondern auch der ÖVP in Wien das Flüchtlingsthema in die Hände spielt? Juraczka: Es gibt bei diesem Thema zwei Extremansätze und einen Weg der Vernunft. Ich nehme für unsere Partei in Anspruch, dass wir den Weg der Vernunft gehen wollen. Das ist vielleicht schwerer zu erklären als Ausländer raus oder Asyl für alle. STANDARD: Sie können sich Rot-Schwarz vorstellen, wenn es einen Kurswechsel der SPÖ gäbe. Juraczka: Ich kann mir eine Regierungsbeteiligung prinzipiell vorstellen, wenn wir auch bei den Finanzen einen anderen Kurs fahren als die jetzige Regierung, ja. STANDARD: Würden Sie einen solchen Kurswechsel auch von der FPÖ verlangen? Juraczka: Ganz ehrlich, eine Zusammenarbeit mit der FPÖ mit ihrer derzeitigen Flüchtlingspolitik kann ich mir nicht vorstellen. Wir applaudieren ihnen nicht. STANDARD: Sie schließen eine Koalition mit der FPÖ in Wien aus? Juraczka: Ich schließe eine Koalition aus, wo wir unsere Handschrift nicht erkennen. Wenn die SPÖ eine eklatante Neuverschuldung will, schließe ich eine Beteiligung der ÖVP genauso aus wie bei einer Politik, die nur Ängste macht und keine Sicherheit gibt. STANDARD: Sie fordern mehr Gymnasien. Was leisten sie, was eine Neue Mittelschule nicht kann? Juraczka: Schauen Sie sich die Pisa-Tests an. Wir waren 2012 nur im europäischen Mittelfeld. Nach Schultypen aufgeschlüsselt, wäre das Gymnasium aber Spitzenreiter, noch vor Vorzeigeländern wie Finnland oder der Schweiz. STANDARD: Andere Studien sagen: Wenn es eine gemeinsame Schulform gäbe, würde insgesamt das Leistungsniveau steigen. Juraczka: Die Pisa-Tests zeigen eindeutig, dass die AHS performt. Wir sollten sie nicht aus ideologischen Zwängen heraus entsorgen. STANDARD: Sie sehen Strache ähnlich und gehen wie er in Diskotheken. Erkennen Sie Parallelen? Juraczka: Na geh. Wir sind beide Jahrgang 1969 – übrigens auch die Kollegin Vassilakou. Das dürfte ein starker Politjahrgang sein. Ja, ich mache eine Veranstaltung für junge Menschen, Manfreds Nachtflug. Das war es dann aber auch. Jeden Abend werde ich nicht durch die Diskotheken ziehen. Der Wahlkampf ist schon so anstrengend genug. (Christa Minkin, Rosa Winkler-Hermaden, 4.9.2015) Manfred Juraczka (46) ist seit 2012 Landesparteiobmann der ÖVP Wien. Zum Start der Mitreden-Serie zur Wiener Landtagswahl fragen wir Sie nach Ihrer Meinung zur Verkehrssituation in Wien. Der Verkehr ist traditionell ein großes Thema im Wiener Wahlkampf. Da wäre auf Autofahrerseite zum Beispiel der Lobautunnel, den die Grünen strikt ablehnen und der zu einem Knackpunkt in rot-grünen Koalitionsgesprächen werden könnte. Während die Grünen fordern, mit der Jahreskarte der Wiener Linien auch ins Umland fahren zu können, macht sich die ÖVP für eine Verlängerung der U4 bis Purkersdorf stark, um die Westeinfahrt für die Autofahrer zu entlasten. Für den Nordosten Wiens gibt es den SPÖ-Vorschlag, mit einer neuen Straßenbahnlinie 36 den 2. und 20. Bezirk zu erschließen. Auch das Krankenhaus Nord in Floridsdorf gibt Anlass, eine Neustrukturierung des Straßenbahnnetzes im 21. Bezirk zu planen. Welcher der angeführten Punkte ist Grund genug, einer Partei eine Stimme zu geben? Sehen Sie weitere Knotenpunkte in Wien, bei denen Änderungen nötig sind? Wo behindert Sie täglich als Autofahrer der Stau, welche Gebiete sollten für Öffi-Fahrer noch besser erschlossen werden? Und was missfällt Ihnen in Wien, wenn sie mit dem Fahrrad unterwegs sind? Wir sind gespannt auf Ihre Kommentare! (mahr, 11.9.2015) Zahl steht nach Abschluss aller Einspruchsverfahren fest – Auf Bezirksebene auch 184.235 EU-Bürger ohne österreichischen Pass stimmberechtigt. Wien – Nach Abschluss aller Einspruchsverfahren steht nun die endgültige Zahl der Wahlberechtigten bei der Wien-Wahl fest: 1.143.076 Personen können am 11. Oktober den neuen Landtag beziehungsweise Gemeinderat wählen. 606.868 Frauen und 536.208 Männer sind zur Wahl aufgerufen, teilte das Rathaus am Mittwoch mit. Mehr Wahlberechtigte auf Bezirksebene Stimmberechtigt sind auf Landtags- und Gemeinderatsebene alle Personen mit Hauptwohnsitz Wien und österreichischer Staatsbürgerschaft, die spätestens am Wahltag 16 Jahre alt sind. Bei den Bezirksvertretungswahlen, die ebenfalls am 11. Oktober stattfinden, dürfen auch EU-Bürger mit nichtösterreichischem Pass wählen. Dadurch erhöht sich hier die Zahl der Wahlberechtigten um 184.235 auf 1.327.311 Personen. Werbeangebote in Oberösterreich und Wien an Wahlergebnis gekoppelt – Puls 4: kein Einfluss auf Redaktion. Wien – Knapp vor den Landtagswahlen in Oberösterreich und Wien sorgt ein Inseratenbonus, den die Neos zahlreichen Medien angeboten haben, für gehöriges Aufsehen. Konkret bieten die Neos Oberösterreich einen 30-Prozent-Bonus an, wenn sie am 27. September den Einzug in den Gemeinderat schaffen. Soll heißen: Bei einem erfolgreichen Wahlkampf können Medien finanziell partizipieren und erhalten für Neos-Werbeeinschaltungen nachträglich mehr Geld. Zunächst wollen die Neos aber nur 60 Prozent des Anzeigenpreises zahlen, wie die Bezirksrundschau berichtete. Auch die Wiener Neos haben nach STANDARD-Informationen einigen Medien Prämien, jedoch keine Überzahlungen in Aussicht gestellt. Dem Sender ATV wurde ein Volumen von 50.000 Euro angeboten. Die gesamte Summe würde – als Listenpreis für Werbeeinschaltungen, ohne Abzüge von Rabatten – nur dann bezahlt werden, wenn die Partei bei der Wahl zehn Prozent schafft. Bei weniger als sieben Prozent würde für die gleiche Anzahl von Werbespots nur 50 Prozent der Summe fließen. ATV lehnte ab. Den erfolgsgebundenen Preisvorschlag einer Partei anzunehmen widerspricht unserer Unabhängigkeit zutiefst. Wer so ein unmoralisches Angebot annimmt, ist als Medium nicht ernstzunehmen, sagte ATV-Geschäftsführer Martin Gastinger. Puls 4 hat laut Neos-Wien-Wahlkampfleiter Peter Puller eine Risikovereinbarung unterschrieben, die je nach Wahlerfolg der Neos mehr Geld für Einschaltungen bringt. Selbstverständlich haben die Rabattgestaltungen und Zahlungsziele et cetera keinen Einfluss auf die redaktionelle Berichterstattung von Puls 4, teilte der Sender mit, der einen exklusiven Vertrag zurückwies. Die grüne Nationalratsabgeordnete Gabriela Moser sieht in den Inseratenprämien der Neos für Wahlerfolge einen ausgewachsenen Skandal. Im STANDARD-Chat hatte Beate Meinl-Reisinger, Neos-Spitzenkandidatin für die Wien-Wahl, am Donnerstag noch die Stadt Wien wegen ihrer Inseratenpolitik und der exorbitanten Werbeausgaben kritisiert. Sie forderte eine Halbierung der Werbemittel. Ihren Job als Nationalratsabgeordnete will sie an den Nagel hängen, sollte die Partei den Einzug in den Gemeinderat schaffen: Wenn ich antrete, um für die Wienerinnen und Wiener zu arbeiten, kann ich nicht (wie Heinz-Christian Strache) auf meinem Nationalratssessel picken bleiben. Zu Koalitionspräferenzen wollte sie sich nicht äußern, sondern sagte nur, dass eine Koalition mit der FPÖ nicht infrage käme. Von User Grinch wurde sie nach der umstrittenen Forderung der Wasserprivatisierung gefragt. Meinl-Reisingers Antwort: Wollten wir nie, wollen es auch weiter nicht. Wieso auch? (David Krutzler, Rosa Winkler-Hermaden, 17.9.2015) Im Ranking der Länder, aus denen die meisten Migranten netto nach Wien zuwandern, ist die Türkei nicht mehr unter den Top 20. Wien – Unter den Zuwanderern nach Wien nehmen die Türken keinen großen Stellenwert mehr ein. In den vergangenen zehn Jahren sind vor allem Deutsche zugewandert, dahinter kommen Polen und Rumänen. Auf Platz vier stehen Serbien und Montenegro, dahinter folgt Ungarn. Betrachtet man nur das Jahr 2014, sind die Rumänen auf Platz eins, gefolgt von Syrern, Serben und Polen. Das ehemalige Top-Zuwanderungsland Türkei liegt laut MA 23 im Saldo nicht mehr unter den Top-20-Staaten. Der Saldo bezeichnet die Differenz aus Zu- und Abwanderung aus einem/in ein Land. Ein Viertel der Wiener darf nicht an der Wien-Wahl teilnehmen: Sie haben den falschen Pass. Mitstimmen dürfen nur Menschen mit österreichischer Staatsbürgerschaft und EU-Bürger, die in die Wählerevidenz eingetragen sind – wobei Letztere nur auf Bezirksebene wahlberechtigt sind. Von den 460.163 Wienern ohne österreichische Staatsbürgerschaft sind 57 Prozent Drittstaatsbürger, 43 Prozent sind EU-Bürger. Wobei sich die Mischung ändert, weil die Zuwanderung laufend EU-europäischer wird. Den größten Ausländeranteil hat der 15. Bezirk: In Rudolfsheim-Fünfhaus dürfen 38,5 Prozent der Bewohner nicht wählen. In der Brigittenau sind es 33,6 Prozent, in Margareten 33,2 Prozent. Am unteren Ende der Statistik finden sich die transdanubischen Flächenbezirke Floridsdorf (18,5 Prozent) und Donaustadt sowie Hietzing (beide 15,8 Prozent) und als Schlusslicht Liesing (14,6 Prozent). Laut Rathausstatistik können auf Gemeinderatsebene rund 214.000 Personen, die im Ausland geboren wurden, an der Wahl am 11. Oktober teilnehmen. Das sind in etwa 18,7 Prozent der gut 1.144.000 Wahlberechtigten – und somit fast jeder fünfte Wiener. Grundsätzlich dürfen den Gemeinderat beziehungsweise Landtag in Wien all jene wählen, die die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen, hier hauptgemeldet sind und spätestens am Tag der Wahl 16 Jahre alt werden. Die 214.888 Personen, die diese Kriterien erfüllen, aber außerhalb Österreichs zur Welt gekommen sind, seien aber nicht alle per se Migranten, erklärte das Büro der für Wahlen zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Denn darunter fallen etwa auch Kinder, die während eines Familienurlaubs im Ausland geboren wurden. Die Blauen sind zuversichtlich, dass sie erstmals Bezirksvorsteher stellen werden. Das Ergebnis der Oberösterreich-Wahl bringt den Freiheitlichen auch Rückenwind für die Wien-Wahl im Oktober. In der Bundeshauptstadt wollen sie vor allem traditionelle SPÖ-Hochburgen einnehmen. In den wichtigen, großen Flächenbezirken rechnet sich die FPÖ gute Chancen auf die Bezirksvorstehung aus. Der Wiener FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache zeigte sich in den vergangenen Wochen wiederholt siegessicher. Man könne auf Landtagsebene in Wien die stärkste Kraft werden und damit die SPÖ erstmals in der Zweiten Republik von Platz eins verdrängen, meinten die Freiheitlichen. Möglich, sagen Politologen und Meinungsforscher. Bei der Wahl im Jahr 2010 büßte die SPÖ 4,8 Prozentpunkte ein und erreichte nur 44,3 Prozent, die FPÖ legte um fast elf Prozentpunkte auf 25,8 Prozent zu. Allerdings erreichte sie keinen Bezirksvorsteher. Um die SPÖ von Platz eins zu drängen, muss die FPÖ in den bevölkerungsreichen und ehemals tiefroten Flächenbezirken, in denen viele Landtagsmandate zu holen sind, gewinnen. Vor fünf Jahren lag die FPÖ auf Landtagsebene bereits in 14 von 23 Bezirken an zweiter Stelle – fast ausschließlich in Bezirken außerhalb des Gürtels. Mit 35,50 Prozent waren die Blauen in Simmering am erfolgreichsten. In Favoriten, Floridsdorf und der Donaustadt knackten sie ebenfalls die 30-Prozent-Marke. Diese Bezirke waren seit jeher rot, die SPÖ musste dort allerdings Verluste einstecken. In Simmering büßte sie 11,8 Prozentpunkte ein, in Favoriten 8,9, in Floridsdorf 10,6 und in der Donaustadt 9,1. Auf der Ebene der Bezirksvertretung, die ebenso am 11. Oktober gewählt wird, unterscheiden sich die Ergebnisse der Parteien zum Teil stark von den Landtagsresultaten. Aktuell sind 17 der 23 Bezirksvorsteher rot. Das will die FPÖ heuer ändern – und rechnet sich große Chancen aus. Erstmals sollen einige Stadtteile blau umgefärbt werden. Strache hatte unlängst die Bezirke Simmering, Floridsdorf, Donaustadt und Liesing als blaue Kernziele genannt. Die Sozialdemokraten müssen vor allem um ihre Hochburg Simmering zittern. Zwar lagen 2010 noch rund 15 Prozentpunkte zwischen Rot mit 49,2 Prozent und Blau mit 34,2 Prozent, allerdings stand vor der SPÖ ein Minus von 11,5 Prozentpunkten, vor der FPÖ indes ein Plus von 16,05 Prozentpunkten. Hält dieser Trend nur einigermaßen an, ist den Blauen der Bezirkschef in Simmering sicher. Ähnliches gilt für Floridsdorf, wo die Sozialdemokraten trotz Verlusts von 12,4 Prozentpunkten ebenfalls 15 Prozentpunkte vor dem Hauptkonkurrenten FPÖ lagen, der 13,9 Prozentpunkte zulegte. In der Donaustadt und Liesing betrug der Abstand mit 17,7 und 18,6 Prozentpunkten zwar etwas mehr, allerdings stehen auch hier die Vorzeichen auf rote Verluste und blaue Zugewinne. Fraglich ist auch, wie sich der Wechsel Ursula Stenzels von der ÖVP zur FPÖ auswirken wird. Die Innere Stadt galt immer als schwarze Hochburg. Die FPÖ landete dort 2010 mit 10,3 Prozent nur auf dem vierten Platz und verbuchte damit eines ihrer schlechtesten Bezirkswahlresultate. Dass Strache Stenzel ins Boot geholt hat, könnte einige Stimmen zu der Bezirksvorsteherin im Ersten wandern lassen. Christian Kern empfiehlt auf seiner Facebook-Seite, Michael Häupl zu wählen. Wien – Auf seiner Facebook-Seite wirbt ÖBB-Chef Christian Kern um Stimmen für den Wiener Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) bei der Wahl am 11. Oktober. Kern ist wie Häupl Mitglied der SPÖ und wird von politischen Beobachtern regelmäßig als Personalreserve der Sozialdemokraten ins Spiel gebracht. Nicht alle Facebook-Fans Kerns sind über den Eintrag erfreut. Selbstverständlich kann jeder auch öffentlich seine Privatmeinung kundtun, aber als CEO eines staatsnahen Betriebes ist das ein absolutes No-go, kommentiert ein Leser. 36 Prozent für die SPÖ, 35 für die FPÖ: So knapp sieht die jüngste Wahlumfrage den Abstand beider Großparteien. Wien – In der letzten Wien-Umfrage vor der Landtagswahl zeigt sich, dass die FPÖ bis auf einen Prozentpunkt zur SPÖ aufgeschlossen hat – die Hochrechnung der Sonntagsfrage zeigt, dass die FPÖ gegenüber dem Wahlergebnis von 2010 rund neun Prozentpunkte zulegen könnte, während der SPÖ ein Verlust von rund acht Prozentpunkten droht. Daher könnte die SPÖ mit rund 36 Prozent der Stimmen rechnen, die FPÖ mit rund 35, was angesichts der Mobilisierungsbemühungen der zum Duell antretenden Parteien das Ergebnis offen lässt. Die Datenlage lässt nicht zu, eine Woche vor der Wahl einen Wahlsieger auszurufen, sagt David Pfarrhofer vom Linzer Market-Institut, das für den STANDARD in dieser Woche die Umfrage durchgeführt hat. Was aber auffällt, ist die hohe Deklarationsbereitschaft der Befragten – schon in der sogenannten Sonntagsfrage 1 nach der Wahlpräferenz geben nur 21 Prozent an, unentschlossen zu sein oder nicht wählen zu wollen. Wahlbeteiligung könnte steigen Es gibt gerade auch nach der Oberösterreich-Wahl die Vermutung, dass die Wiener diesmal stärker von ihrem Wahlrecht Gebrauch machen werden. Zuletzt lag die Wahlbeteiligung ja nur bei knapp 68 Prozent, sagt Pfarrhofer. Allerdings war das nicht der Tiefpunkt, sondern bereits ein Anstieg gegenüber 2005 (knapp 61 Prozent) – wenn die Leute das Gefühl bekommen, dass es um etwas geht, dann sind sie eher bereit, auch wählen zu gehen, sagt der Meinungsforscher. Auf die konkrete Frage Wie sicher sind Sie, dass Sie am 11. Oktober zur Wahl gehen? sagen 89 Prozent der Männer und 83 Prozent der Frauen, dass sie das sicher vorhätten. 36 Prozent für Häupl bei Bürgermeisterfrage Viel größer als in der Sonntagsfrage (und den Rohdaten dazu) ist der Abstand der Kandidaten in der Bürgermeisterfrage. 36 Prozent sagen, dass sie Häupl als Bürgermeister direkt wählen würden – und von den Unentschlossenen kämen dann noch einmal sechs Prozent dazu. Heinz-Christian Strache würde aber nur etwa jeder vierte Wahlberechtigte zum Bürgermeister wählen. Pfarrhofer: Es gibt doch etliche FPÖ-Anhänger, die zwar ziemlich entschlossen sind, die Freiheit lichen zu wählen – die aber gar nicht wollen, dass Strache Bürgermeister wird. Häupl hat nicht nur seine eigenen Parteiwähler wesentlich geschlossener hinter sich – auch ein hoher Anteil von Grünen- und ÖVP-Wählern kann sich einfach Häupl im Bürgermeisteramt besser vorstellen als den eigenen Spitzenkandidaten. Der STANDARD ließ auch fragen, welche Parteien die Wiener Landesregierung bilden sollen. Hier zeigt sich, dass das aktuelle Regierungsmodell Rot-Grün die höchste Zustimmung findet. Derzeit sprechen sich 26 Prozent dafür aus, im Juli waren es nur 21. Es ist klar die erste Präferenz der deklarieren Grün-Wähler, findet aber auch bei etwa jedem zweiten SPÖ-Wähler Zustimmung. Klubchef Schicker will Auslagerungen an ausländische Subfirmen erschweren: "Bei Subunternehmen wird viel Schindluder getrieben". Wien – Die Stadt Wien will künftig verstärkt heimische Firmen bei der Vergabe von Bauprojekten bevorzugen. Ziel ist die Durchsetzung von mehr Lokalpräferenz, sagt SPÖ-Klubchef Rudi Schicker dem STANDARD. Konkret soll die Vergabe von Leistungen beauftragter Unternehmen an ausländische Subfirmen erschwert werden. Firmen sollen nur noch nach Rücksprache mit der Stadt an ausländische Firmen auslagern können, sagt Schicker. Bei Subunternehmen wird viel Schindluder getrieben. Mit der SPÖ-Ankündigung wenige Tage vor der Wien-Wahl fischen die Roten freilich auch im Teich von potenziellen FPÖ-Wählern. Das neue EU-Vergaberecht räume aber tatsächlich mehr Möglichkeiten ein, lokale Firmen zu bevorzugen, sagt Thomas Kurz, Vergaberechtsexperte bei Heid Schiefer Rechtsanwälte. Nur benachteiligt dürfe keiner werden. Über allem steht das EU-rechtliche Diskriminierungsverbot. Es gibt aber künftig die Möglichkeit, gewisse Subunternehmen abzulehnen, wenn sie Bestimmungen nicht erfüllen. Darunter fällt etwa die technische und wirtschaftliche Leistungsfähigkeit. Damit sollen auch Lohn- und Sozialdumping eingedämmt werden. Durch das neue Vergaberecht wird es leichter fallen, unseriöse Firmen aus dem In- und Ausland vom Markt fernzuhalten, sagt Michael Steibl, Geschäftsführer der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs (VIBÖ). Experten erwarten, dass die Richtlinie Anfang 2016 in Österreich in Kraft treten könnte. Billiger werden die Bauprojekte dadurch nicht – eher im Gegenteil. SPÖ-Klubchef Schicker hofft durch mehr Lokalpräferenz aber auf einen Rückgang der Rekordarbeitslosigkeit. Er will mehr Schulden machen und die Einhaltung des Stabilitätspaktes riskieren. Anders wird es nicht gehen. Raue Töne und ein inszeniertes rot-blaues Duell bestimmten die Elefantenrunde zur Wien-Wahl. Wien – Montagabend sind die Spitzenkandidaten der im Wiener Landtag oder im Nationalrat vertretenen Parteien bei der Elefantenrunde von ORF und Puls 4 erstmals in einer hitzigen Diskussion aufeinandergetroffen. Vorab wurde die Diskussion als weiteres Duell zwischen Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und FPÖ-Spitzenkandidat Heinz-Christian Strache inszeniert. Was zu Frustration unter den anderen Diskutanten führte. Dominierendes Thema war die Flüchtlingskrise. Wir brauchen keine politischen Zwerge wie Viktor Orbán oder Heinz-Christian Strache, attackierte Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou von den Grünen ihren blauen Konkurrenten. Sie sind beim Hetzen der Erste und beim Helfen der Letzte, sagte Vassilakou. Sie habe am Westbahnhof erlebt, was Menschen durchgemacht haben. Strache würde als Erster über Flüchtlinge urteilen, warf ihm die Vizebürgermeisterin vor: Was wir nicht brauchen, ist ein Zaun, ein Stacheldraht der Schande. Es benötige eine gesetzliche Grundlage, damit Menschen, die in Österreich um Asyl ansuchen, schnell eine Entscheidung bekommen. Die Sorgen um die Flüchtlinge verstand auch Häupl. Allerdings hätten bisher nur fünf Prozent der in den vergangenen Wochen Angekommenen in Wien um Asyl angesucht. Die 11.000 oder 12.000, die noch dazukommen, sind bewältigbar, sagte Häupl. Damit das Zusammenleben aber auch funktioniere, sei Deutschlernen das Primäre. Und: Zu verstehen, dass nichts über den österreichischen Gesetzen steht. Die Zwangsehe etwa sei ein No-Go. Auch der blaue Kandidat meinte, er wolle Integration leben und fördern. Unter Häupl seien aber Parallelgesellschaften entstanden, so Strache. Als Bürgermeister habe man nur gewisse Kompetenzen, aber Strache hätte sich von Häupl erwartet, dass dieser seinem Parteichef Werner Faymann rät, sich an die Gesetze zu halten, was die Flüchtlinge betrifft: Man muss den wirklich Verfolgten helfen, da kommen aber sehr viele Wirtschaftsflüchtlinge. Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger sah vor allem bei der Bildung ein Versagen der rot-grünen Politik. Es brauche mehr Entscheidungsfreiheit für Lehrer und mehr Geld für die Schulen. Wir wollen 120 Millionen Euro aus dem politischen System nehmen und in die Bildung investieren, sagte die pinke Kandidatin. Für die ÖVP liegt die Verkehrspolitik im Argen. Spitzenkandidat Manfred Juraczka kritisierte vor allem die Jahreskarte, jeder Wiener würde die Wiener Linien mit Steuergeld subventionieren, viele ohne einen Kilometer damit gefahren zu sein. Das größte Problem seien die vielen Pendler. Er schlägt den Ausbau der U-Bahn an den Stadtrand vor. Wer älter ist, darf auch länger urlauben – egal, wie lang er oder sie schon bei der Gemeinde arbeitet. Wien – Ein Großteil der Wiener Beamte bzw. Vertragsbedienstete darf sich über mehr Urlaub freuen. Dank einer bereits im August in Kraft getretenen Dienstrechtsreform haben nun viele Bedienstete früher Anspruch auf mehr Freizeit, wie Die Presse am Dienstag berichtete. Man wolle Mitarbeitern im höheren Alter mehr Erholungszeiten einräumen, hieß es im Büro von Personalstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). Bisher erhielten Rathaus-Beamte und Vertragsbedienstete dann eine sechste Urlaubswoche, wenn sie 25 Jahre ununterbrochen bei der Stadt tätig waren. Die neue Regelung orientiert sich nicht mehr an den Dienstjahren, sondern am jeweiligen Alter des Mitarbeiters. Konkret steigt man mit 33 Jahren auf 27 Urlaubstage, mit 43 Jahren auf 30, mit 57 auf 33 und ab dem 60. Lebensjahr gibt es dann 35 Tage – also sieben Wochen – Urlaub. In das neue System fallen alle Mitarbeiter – also auch jene, die erst im Laufe ihres Karriereweges ins Rathaus wechseln. Sprich: Kommt beispielsweise ein 45-Jähriger von extern ins Magistrat, hat er sofort 30 Tage Urlaubsanspruch. Eine Sprecherin von Stadträtin Frauenberger versicherte auf APA-Anfrage, dass die Urlaubsreform mit der anstehenden Wien-Wahl nichts zu tun habe, und verwies auf einen personalpolitischen Hintergrund. Denn die Belastbarkeit hänge ja nicht von den Dienstjahren ab, sondern vom Alter. Es handle sich dabei auch um eine Maßnahme zur Senkung der Krankenstände. Unterm Strich verbessert die neue Regelung die Urlaubszeiten aller 25.000 Beamten und 47.000 Vertragsbediensteten – mit einer Ausnahme: Lehrlinge, die mit 16 oder 17 Jahren bei der Stadt anfangen. Ihnen stand bisher ab 41 bzw. 42 Jahren die sechste Urlaubswoche zu. Nun müssen sie bis 43 warten. Wobei diese Verschlechterungen erst ab 2020 gelten. So lange läuft die diesbezügliche Übergangsfrist. Private Handynummer von Strolz wurde veröffentlicht – ÖVP entschuldigt sich. Wien – Matthias Strolz staunte nicht schlecht. Am Wochenende meldeten sich am Handy des Neos-Chefs Interessenten für die Büroräume der Partei in der Wiener Neustiftgasse. Ein Unbekannter hatte im Immobilienteil des STANDARD (Ausgabe 3./4. Oktober) ein Inserat geschaltet: Vormieter gescheitertes Start-up, hieß es darin. Daher sei das 300 Quadratmeter große Büro per sofort unbefristet verfügbar. Als Ansprechpartner wurde ein Herr Strolz angegeben – mit der echten Handynummer des Neos-Gründers. ÖVP-Landesgeschäftsführer Alfred Hoch kommentierte das Inserat noch am Wochenende auf Twitter mit: Oha Selbstaufgabe? IP-Adresse führt zur ÖVP DER STANDARD konnte in der Zwischenzeit die IP-Adresse des Auftraggebers ausfindig machen. Sie ist seit Mai 2002 beim Provider Tele 2 auf die ÖVP Wien eingetragen. Eine Rückfrage bei Tele 2 ergab, dass die IP-Adresse noch immer den Landesschwarzen am Rathausplatz 9 gehört. Strolz zeigte sich auf Anfrage des STANDARD empört: Er erwarte sich von ÖVP-Landesparteichef Manfred Juraczka eine klare öffentliche Entschuldigung, auch der schwarze Klubobmann im Parlament, Reinhold Lopatka, und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner sollten aus seiner Sicht klarstellen, dass sie derartige Methoden ablehnen. Einmaliger Vorgang Es ist meines Wissens ein einmaliger Vorgang in der Zweiten Republik, dass eine Parlamentspartei die private Nummer eines Parteichefs veröffentlicht, sagt Strolz. Er spricht von einer Grenzüberschreitung, die er auch in der Präsidialsitzung aller Parteien am Freitag im Parlament zur Debatte stellen will. Auch er habe private Nummern von Mitterlehner oder auch Kanzler Werner Faymann, so Strolz. Aber wenn wir uns auf dieses Niveau begeben, haben wir viel an politischer Kultur verloren. Rechtliche Schritte erwägt der Neos-Chef nicht. Da ist mir die Zeit zu schade, das zu Gericht zu bringen. Es gehe um Anstand, den die Wiener ÖVP im aktuellen Wahlkampf gerne propagiere. Aber das ist die eklatanteste Verletzung von Anstand, die ich im Wahlkampf gesehen habe. Freies WLAN für Besucher Bei der Wiener ÖVP sah man zunächst keinen Grund für eine Entschuldigung. Landesgeschäftsführer Hoch betonte, dass es sich keineswegs um eine offizielle Aktion der Wiener ÖVP gehandelt habe. Wir machen ja kein Dirty Campaigning. Und: Im Wahlkampf arbeiten bei uns 70 Mitarbeiter. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es einer von denen war. Am Donnerstagabend korrigierte Hoch dann dann seine Aussage: Die Anzeige ist nicht im Auftrag und ohne Wissen der Parteiführung von einem Wahlkampf-Mitarbeiter in Eigenregie gestaltet worden. Die Geschichte war eigentlich nicht bösartig, sondern als Gag zu verstehen, hat uns der Mitarbeiter versichert. Hoch weiter: Die Veröffentlichung der Privatnummer von Matthias Strolz ist besonders unglücklich gelaufen, und die Parteiführung möchte sich in aller Form bei dem Bundesobmann der Neos dafür entschuldigen. Auch via Twitter wurde eine Entschuldigung nachgereicht: Jetzt nachrecherchiert. Wahlkampfgag v. Mitarb. o Wissen d Parteifürhrung gebucht. Aber Tel geht nicht, dafür entschuldigen wir uns. #Strolz (Günther Oswald, 8.10.2015) Michael Häupl möchte den Wienern ein FPÖ-Experiment ersparen, Vassilakou will der SPÖ "Feuer unter dem Hintern" machen. Wien – Die alten Austropop-Hadern der Live-Band waren gerade erst verklungen, da gab es im vollen Festzelt vor der SPÖ-Parteizentrale in der Löwelstraße nur noch zwei bestimmende Themen: Flüchtlinge sowie die FPÖ mit Heinz-Christian Strache. Bürgermeister Michael Häupl wiederholte bei der Abschlussveranstaltung der Sozialdemokraten vor der Wien-Wahl am Sonntag die vom FPÖ-Spitzenkandidaten geäußerte Überzeugung, wonach Krieg kein Asylgrund sei. Häupl zeigte sich über diese Aussage fast dankbar: Das ist am treffsichersten auf den Punkt gebracht, was uns unterscheidet. Häupl attestierte Strache Herz-, Seelen- und Charakterlosigkeit und schwor die Anhänger ein, bis zum Sonntagabend um jeden Wähler zu kämpfen. Der Verantwortung für Flüchtlinge komme Wien weiterhin nach, die Herausforderung werde man gemeinsam bewältigen. Ein Zitat der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) gelte in dieser Sache auch für den roten Häupl: Wir schaffen das. Das Experiment einer Regierungsbeteiligung der FPÖ wolle Häupl den Wienern ersparen – und sprach damit Unentschlossene und auch wechselwillige SPÖ-Wähler an. Vermutungen, wonach mit anderen Wiener SPÖ-Vertretern an den Schalthebeln Rot-Blau möglich wäre, stellte Häupl entschieden in Abrede. Es hängt nicht am Michi Häupl alleine. Die Wiener Sozialdemokraten wollen mit einer Truppe, wie sie die Wiener Freiheitlichen darstellen, keine Regierungszusammenarbeit. Bei der grünen Abschlusskundgebung waren sich die beiden Aushängeschilder der Partei am Freitag nicht ganz einig: Eva Glawischnig, die Chefin der Bundes-Grünen, will beim Auftakt zum Abtakt des Wahlkampfes schon in einige müde Gesichter geblickt haben. Die Wiener Spitzenkandidatin und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou resümierte hingeben beim Blick in die versammelte Menge von Funktionären und Sympathisanten: Es schaut so aus, als würden wir heute in den Wahlkampf starten. Tatsächlich steht für die Grünen einiges auf dem Spiel. Die prognostizierten Verluste der SPÖ und Zugewinne der FPÖ könnten viele noch unentschlossene Wähler dazu bringen, für Rot oder Blau zu votieren. Davor warnte Glawischnig auf dem als Bar genutzten Dachgeschoß eines Wiener Hotels eindringlich. Man solle sich nicht von einem Duell aus taktischen Gründen in die Irre leiten lassen. Nur mit den Grünen gebe es die Fortsetzung eines Projekts, das die Stadt belebt hat. Für Vassilakou selbst geht es bei der Wien-Wahl am Sonntag auch um das politische Überleben. 12,6 Prozent erreichten die Grünen bei der Wahl 2010. Bei einem Minus hat sie angekündigt, zurückzutreten. Selbst innerhalb der Partei zeigten sich Vertraute von der riskanten Ansage entsetzt. Denn mittlerweile – und mit dem Hintergrund der Flüchtlingsthematik und der Zuspitzung des rot-blauen Duells – sehen Umfragen die Grünen stagnieren. An das ausgerufene Wahlziel, das beste Ergebnis aller bisherigen Zeiten in Wien zu erreichen, glauben nicht einmal mehr die parteiinternen Optimisten. 2005 schafften die Grünen 14,6 Prozent. Den selbst gemachten Druck lässt sich Vassilakou nach außen aber nicht anmerken. Für sie hat Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) die Wahl trotz Verlusten bereits gewonnen, prophezeite sie. Wer die Fortsetzung von Rot-Grün wolle, müsse die Grünen, und nur die Grünen wählen. Denn Häupl neige dazu, sich zurückzulehnen, die SPÖ werde selbstsicher bleiben, aber orientierungsloser werden. Es brauche daher die Grünen, die dieser SPÖ und diesem Bürgermeister Feuer unter dem Hintern macht, sagte Vassilakou. Das machen wir, das mache ich. Aber selbst eine erneute rot-grüne Koalition ist laut Wahlbeobachtern bei großen freiheitlichen Zugewinnen noch nicht ganz abgesichert. Die als potenzieller dritter Partner in einer farbenprächtigen Koalition (Rot-Grün-Pink, Rot-Schwarz-Pink) ins Spiel gebrachten Neos müssen um ihren Einzug in den Gemeinderat laut Umfragen aber noch kämpfen. Am Freitag feierten sie am Nachmittag ih ren Wahlkampfabschluss auf dem Schwedenplatz, wo mehr pinke Luftballons als Leute zu sehen waren. Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger versprach, dass es keinen Bürgermeister Strache geben werde: Wenn wir drinnen sind, geht sich das nicht aus. Sie sei überzeugt, dass die Zeitungen am Montag ziemlich blau, aber auch pink sein werden. Lob habe sie in den letzten Tagen für ihren Auftritt in der TV-Elefantenrunde geerntet: Viele Menschen haben mich angesprochen und gesagt, wie gut es sei, dass jemand aufzeigt, wie korrupt die Stadt sei. FPÖ-Parteichef Strache legte nach dem Wahlkampfabschluss am Donnerstagabend am Freitag mit einer Pressekonferenz nach. Er hoffte auf ein Drittel der 100 Sitze im Landtag, womit die Freiheitlichen Verfassungsänderungen blockieren könnten. Neos vermuten SPÖ hinter Diesmal den Häupl-Inseraten Nach dem gefakten Büro-Inserat der ÖVP inklusive Handynummer von Neos-Parteichef Matthias Strolz haben die Pinken am Freitag die nächsten Einschaltungen ins Visier genommen. Konkret geht es um Anzeigen der Privatinitiative Strache verhindern, die – ob des angeblich drohenden Sieges der FPÖ – zum taktischen Wählen der SPÖ aufruft. Die Neos vermuten die SPÖ hinter der Aktion, diese dementiert. Wir vermuten, dass die SPÖ direkt dahinter steckt, sagte die Wiener Neos-Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger in einer Pressekonferenz. Sollte dies so sein, handle es sich um Steuergeld und müsse offengelegt werden. Abgesehen davon wäre die Message, diesmal halt doch den Häupl zu wählen, eine Bankrotterklärung der Roten. Denn damit kommuniziere man, dass es offenbar keinen Grund mehr gebe, die Sozialdemokraten zu wählen – außer der geschürten Angst vor FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Aufwachen mit Strache Die Guerilla-Inserate waren am Mittwoch erstmals aufgetaucht und sind mit den jeweiligen Parteifarben unterlegt. Ich find es toll, dass es neue Parteien wie die Neos gibt und würde sie am Sonntag auch wählen. Aber bevor ich in einer Stadt aufwache, in der Strache die Nummer 1 ist, wähle ich lieber den Häupl, wird etwa ein Konrad G., 41, Architekt, 1180 Wien in weißen Lettern auf pinkem Hintergrund zitiert. Ähnliche Aussagen adressieren auch die Grün- oder Nicht-Wähler. In der Wiener SPÖ beteuert man, mit den Anzeigen nichts zu tun zu haben. Mir ist nichts bekannt, dass das von uns kommt. Wir rätseln selbst, so Kommunikationschef Hannes Uhl zur APA. Man kenne auch die Initiative nicht. Sollte tatsächlich eine Privatinitiative dahinter stecken, dann will ich wissen, wer das ist, pochte Meinl-Reisinger auf Offenlegung. Denn derlei Konstruktionen eigneten sich auch zum Verstecken von Parteigeldern beziehungsweise zur Umgehung der Wahlkampfkostenbegrenzung. Laut Berechnungen der Neos beläuft sich das bisherige Volumen der kritisierten Inserate auf rund 100.000 Euro. Ohne sie wäre der Wiener Wahlkampf nicht so bodennah geführt worden: Tausende freiwillige Helfer engagieren sich für Parteien. Warum tun sie das und was bringt ihr Engagement den Parteien?. Irene Wernicke hat es eilig. Ungeduldig wippt sie von einem Fuß auf den anderen, sortiert zum x-ten Mal die Informationsbroschüren, schaut sich ein ums andere Mal um. Es ist der Blick einer strengen Lehrerin, mit dem sie vor allen anderen ÖVP-Wahlkampfhelfern ihren Schützling über den Rochusmarkt hetzen sieht. Du bist spät dran, sagt sie zu Sabine Schwarz, der Spitzenkandidatin der Volkspartei im dritten Wiener Gemeindebezirk. Die beiden kennen einander noch von der Schule – Irene als Lehrerin, Sabine als Schülerin. Da können schon mal die Rollen verschwimmen, und Sabine antwortet im Ton einer ertappten Schülerin: Aber es sind ja eh nur ein paar Minuten, ich hab so einen Stress. Irene verzeiht in der Sekunde, und los geht die Tour. Die sportliche Frau mit den kurzen grauen Haaren scheint jeden auf dem Markt zu kennen, sie grüßt, verteilt Folder, macht hier einen kleinen Scherz, fragt dort nach dem werten Befinden – und immer findet sie sehr schnell einen Dreh, die Sabine zu bewerben. So flott geht das gut zwei Stunden dahin, dann muss Frau Wernicke wieder weiter – erst das Enkerl von der Schule abholen, später dann zu den Flüchtlingen auf den Westbahnhof. Irene Wernicke ist der ÖVP seit Jörg Mauthes Zeiten treu, auch unter Schwarz-Blau blieb sie dabei – aber ihr Engagement war nie nur auf die Partei beschränkt. Ohne Wernicke und ihresgleichen könnte die ÖVP den Kampf um Wählerstimmen auf Wiens Straßen, Plätzen und in den Wohnbauten aber gar nicht bestreiten. Den anderen Parteien ergeht es ähnlich: Von den Sozialdemokraten bis zu den Freiheitlichen, von den Grünen bis hin zu den Neos – niemand kann auf die klassische Methode der persönlichen Kontaktaufnahme verzichten. Möglichst flächendeckend sollen alle und jeder auf die Wahl angesprochen werden, vor allem in jenen Bezirken und Grätzeln, wo man sich Zuspruch oder sogar Zuwächse erhofft, den sogenannten Battlegrounds. Weder die Spitzenkandidaten noch jene, die auf ein Gemeinderats- oder zumindest ein Bezirksratsmandat hoffen, schaffen das allein. Sie alle sind auf jene freiwilligen, ehrenamtlichen Helfer angewiesen, die einen Gutteil ihrer Freizeit, manche 20 Stunden und mehr pro Woche, in die Partei ihres Vertrauens investieren. Ihre Motive sind unterschiedlich: Entweder ist es Sympathie für eine bestimmte Idee oder Ideologie, das unbestimmte Gefühl, etwas tun zu wollen, manchmal ist es auch nur Sympathie für einen bestimmten Politiker oder eine Politikerin, mitunter erhoffen sich vor allem junge Leute auch einen dauerhaften Job in den Parteistrukturen. Und manchmal ist es einfach nur Heinz-Christian Strache. Der FPÖ-Chef mobilisiert – seine Fans und seine Gegner. Einige, die der STANDARD für diese Geschichte befragt hat, gaben an, sie wollten verhindern, dass Strache weiter gewinnt. Das Thema Flüchtlinge habe viele Menschen motiviert – auch im Sinne eines Engagements für Parteien, glaubt etwa der grüne Landesgeschäftsführer Georg Prack: Bei uns engagieren sich viel mehr Leute als beim letzten Mal. Der Politologe Anton Pelinka bemerkt langfristig einen Gegentrend: Freiwilliges Engagement für Parteien geht insgesamt zurück. Das schließe freilich kurzfristiges Aufflackern von parteipolitischem Engagement nicht aus. Vor allem, weil die Traditionsparteien kontinuierlich Mitglieder verlieren, werden vor allem SPÖ und ÖVP auf Dauer Schwierigkeiten haben (Pelinka). Denn obwohl traditionell geführte Wahlkämpfe immer weniger wichtig würden, wolle niemand damit aufhören, sagt Pelinka: Weil alle anderen ja auch damit weitermachen. In diesem Wiener Wahlkampf scheinen die Parteien jedoch noch keine großen Probleme gehabt zu haben, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden. Zumindest behaupten sie das. Für die ÖVP sind rund 120 Freiwillige im Einsatz, die allein über das Mobilisierungsbüro der Landesparteizentrale aktiviert werden konnten – nicht mitgerechnet jene, die aus Sympathie, Freundschaft oder Verwandtschaft ihre Kandidaten in den Bezirken begleiten. Die Grünen reklamieren 500 Freiwillige für sich. Für die Neos rennen sich laut Kommunikationschefin Kornelia Kopf gut 1000 Leute wienweit die Sohlen ab. Die SPÖ-Landesparteizentrale berichtet sogar von 8000 Freiwilligen, die man von den roten Inhalten begeistern habe können. Allein die FPÖ will nichts sagen – sie ließ dem STANDARD ausrichten, eine Geschichte über freiwillige Helfer im Wiener Wahlkampf entspricht uns nicht. Laut dem Politikwissenschafter Hubert Sickinger lasse sich aber auch so gut einschätzen, dass hier mindestens so viele Freiwillige unterwegs sind wie für die Sozialdemokraten. Wien ist für die FPÖ schließlich ein einziges großes Wahlschlachtfeld. Schon vor zwei Jahren begannen die Blauen ihre systematische Wahlkampftour durch Wiener Gemeindebauten. Hier hat man schon einmal das Duell gegen den roten Bürgermeister ausgerufen, nun soll es gar eine Oktoberrevolution werden. Das merkt man auch auf den Wiener Märkten, etwa am Rochusmarkt, wo sich an Samstagvormittagen vor Wahlen die Parteien fast auf die Füße treten. Zwischen den Marktstandln drängen sich die bunten Sonnenschirme der Parteien, darunter, davor und dazwischen tummeln sich die Wahlhelfer in grellem Pink, Blau, Gelb – oder Rot. Harald Sorger ist einer von ihnen, er bemüht sich sehr, Menschen ins Gespräch zu verwickeln, die eigentlich hier nur ihre Einkäufe erledigen wollen. Ins Gespräch kommen – das ist schon etwas, befindet er. Er ist im Hauptberuf Bühnenbeleuchter und -techniker mit eigener Firma, quasi nebenberuflich rennt er derzeit im Wiener Wahlkampf für die SPÖ. Der 42-jährige Unternehmer widmet nun zehn Stunden aufwärts pro Woche Michael Häupl und der Sozialdemokratie. Warum er das macht? Sorger muss nicht lange nachdenken: Ich fühle mich hier zu Hause, wir sind hier alle per Du. Er sei zwar erblich vorbelastet (Mein Opa war beim Schutzbund), er selbst habe aber länger gebraucht, um zur SPÖ zu finden. 2011, erzählt Sorger, habe er dann Werner Faymann im TV- Sommergespräch gesehen: Ich fand recht vernünftig, was er zu Wirtschaft und Stabilität sagte, und dass der Mensch immer im Zentrum der Politik stehen muss. Im selben Herbst habe er dann mit anderen Unternehmern die Wiener Finanzstadträtin Renate Brauner zu einem Arbeitsbesuch nach Baku begleitet und sei nochmals positiv überrascht worden. Daraufhin wurde er SPÖ-Mitglied. Dort nahm man Harald Sorger gern – und ließ ihn ins gut geölte Getriebe einer Mitgliederpartei hineingleiten: Kennenlernwochenende, Wiener Parteischule, Abendworkshops, Exkursionen. Im Dezember 2014 war Sorger dann so weit: Er übernahm gleich eine eigene SPÖ-Sektion im 3. Bezirk, wo er seither versucht, auch Menschen von außerhalb mit interessanten Vorträgen zu aktuellen Themen ins Lokal zu holen. Und er stellt sich wochenends auf Märkte, versucht Passanten von Michael Häupls Gspür für Wien zu überzeugen und macht Hausbesuche, um den Leuten das Kreuzerlmachen bei den Roten schmackhaft zu machen. Aus der Sicht des Politologen Sickinger werden ehrenamtliche Wahlkampfhelfer immer wichtiger: Gezielte, flächendeckende Hausbesuche in den Hoffnungsbezirken sind das Um und Auf. Dieser Trend in westlichen Demokratien habe sich schon 2008, beim ersten Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama abgezeichnet und 2012, bei seiner Wiederwahl, verfestigt. Zwar nutzten Obama und sein Team Social Media so intensiv wie keiner zuvor – aber die demokratischen Wahlhelfer ließen in den Battlegrounds kaum ein Haus unbesucht. Und dem persönlichen Vorsprechen folgte sofort eine freundliche E-Mail als Anknüpfung an das gute Gespräch. So sollte die mögliche Wahlentscheidung pro Obama noch einmal bekräftigt werden. In den USA hat Volunteering für Parteien freilich eine andere Tradition als hierzulande, wo die (Groß-)parteien jahrzehntelang auf eine solide Mitgliederbasis zurückgreifen konnten, die den Ground War um jede Wählerstimme führte. Man musste sich nicht um zusätzliche Mobilisierungen bemühen. Das hat sich grundlegend verändert, nun ist auch Hilfe von außen gefragt. Sickinger: Es werden auch Studenten für Geld angeheuert. Darüber wird nicht gern geredet, aber ohne das ginge es nicht. Zu verteilen gibt es tonnenweise. Keine Partei geizt mit Hochglanzbroschüren, Foldern und Giveaways. Erstmals haben sich die im Wiener Gemeinderat vertretenen Parteien in den Wahlkampfkosten selbst beschränkt. Nicht mehr als sechs Millionen Euro pro Partei darf ausgegeben werden, bei Verstößen kann der Rechnungshof Geldbußen verhängen. Für den Politologen haben die österreichischen Parteien ohnehin zu viel Geld. Das führe zu sinnlosen Ausgaben, sagt Sickinger: Alle wissen, dass Dreieckständer nichts bringen. Trotzdem machen es alle – weil es die anderen auch tun. Den geringsten Teil des vielen Geldes bekommen die ehrenamtlichen Wahlkampfhelfer. Bei den Neos führte die Sparsamkeit im Oberösterreich-Wahlkampf sogar zu einer herben Auseinandersetzung mit der Gewerkschaft. Man suchte dort junge Grafiker, Callcentermitarbeiter, Projektmanager, Assistenten für die Pressearbeit und Mitarbeiter für inhaltliche Recherche. Gelockt wurde mit dem Spruch: Wir haben kein Geld, um dich zu bezahlen, aber wir haben leckeren Kuchen. Woraufhin die Gewerkschaft prompt einen geplanten Berufseinstieg von jungen Menschen zum Nulltarif witterte. Auch in der pinken Wiener Wahlkampfzentrale in der Neustiftgasse ist kaum jemand über 30. Stattdessen: Jede Menge Hoodie-Träger und -innen vor Laptops, ein Wuzzler, Politiker-Karikaturen an den Wänden (von allen Spitzenkandidaten), bunte Charts, Slogans. Von dort startet auch Marie-Therese Sölle ihre Tour. Die Kärntnerin aus Hermagor, die in Klagenfurt Wirtschaft und Slawistik studiert, ist für ihren Wahlkampfeinsatz auf der Mariahilfer Straße perfekt gestylt: Die Nägel pink, die Jacke ebenso, ganz zu schweigen von den Luftballons, die sie umschweben. Die 21-Jährige ist eine gutgelaunte Erscheinung mit wehendem Haar – die Passanten auf der MaHü nehmen ihr gerne die Neos-Ballons ab und spendieren Unterschriften für die Aufbegehren-Kampagne der Neos. Sölle verbrachte diesen Sommer in Wien, weil auch die große Schwester bei den Neos ist. Ihr Elternhaus beschreibt sie als nicht sehr politisch, erst die begeisterten Erzählungen ihrer Schwester hätten sie neugierig gemacht. In meiner Jugend, erzählt die junge Dame, habe sie Skifahren als Leistungssport betrieben – dieselbe Motivation habe ich bei den Leuten hier gefunden. An Motivation fehlt es den anderen auch nicht. Allerdings haben es die Helfer der Regierungsparteien um einiges schwerer. Im Häuserkampf und auf der Straße müssen sie sich für das rechtfertigen, was in den letzten fünf Jahren im Rathaus an Politik gemacht – oder auch nicht gemacht – wurde. Die Grünen etwa dürfen sich – je nach Bezirk und je nach politischer Sympathie – anhören, woran ihre Spitzenkandidatin Maria Vassilakou schuld ist. Katharina Mandl, 22 Jahre jung, hat da schon einiges gehört: Wenn es regnet und die Menschen im Stau gestanden sind, kriegst du das um die Ohren gehaut, lächelt sie. Ihr mache das freilich nichts aus – und Negativerlebnisse seien ohnehin in der Minderzahl, sagt Mandl. Die Germanistikstudentin und Mutter eines sechsjährigen Sohnes engagiert sich seit zwei Jahren für die Grünen. Sie macht Hausbesuche, ging im Sommer auf Bädertour, stellt sich auf Straßen, die die Grünen gerne verkehrsberuhigen würden, und verteilt Folder. Warum sie das tut? Die Stärke der FPÖ bei der Nationalratswahl war ein Riesenschock für mich, da habe ich beschlossen, etwas dagegen zu tun. Im Lärm der Praterstraße kramt sie in den grünen Leinentaschen mit dem Aufdruck Bio macht schön und sucht ihr Material zusammen: Folder, Türhänger, Schokoherzen. Viele öffnen heute ihre Wohnungstür, die Grünen können ihre Botschaften anbringen. Leichthin sagt Katharina: Zum Spaß sage ich oft, ich werde einmal grüne Bundessprecherin. Allerdings fehle ihr noch das nötige politische Handwerk. Mittlerweile hat sie keine Skrupel, an fremden Türen zu läuten und auf Menschen zuzugehen. Das konnten in diesem Wien-Wahlkampf jedenfalls alle freiwilligen Helfer gut üben. Bachmayer: Faymann wird sich Häupl zum Vorbild nehmen – Hajek: FPÖ hat mit rund 30 Prozent noch nicht das Limit erreicht. Wien – Gewisse Auswirkungen auf die Bundespolitik erwarten Politik-Experten vom Ausgang der Wien-Wahl. So meint OGM-Chef Wolfgang Bachmayer im Gespräch mit der APA, dass sich Bundeskanzler Werner Faymann wohl ein Vorbild an Bürgermeister Michael Häupl (beide SPÖ) nehmen und sich als Anti-Strache positionieren werde. Der SPÖ-Chef habe das ordentliche Abschneiden seiner Wiener Parteifreunde sicher mit großer Erleichterung zur Kenntnis genommen, meint Bachmayer. Faymanns Schlussfolgerung werde nun sein: Wenn Häupl das Ergebnis mit der Strategie Strache-Verhindern machen kann, dann kann ich im Bund das gleiche Konzept anwenden. Dass das gute Ergebnis in Wien nicht als Bestätigung der Bundesregierung gewertet werden sollte, empfahl Politologe Thomas Hofer. Zu verdanken habe die SPÖ das Abschneiden in der Bundeshauptstadt Häupls Anti-Strache-Kurs und den Leihstimmen, die von eigentlichen Sympathisanten von Grünen, Neos und ÖVP gekommen seien. Für die Volkspartei stelle sich das Zusatzproblem, in Wien eine schlagkräftige Organisation bilden zu müssen, wenn man im Bund Nummer eins werden wolle, glaubt Hofer. Ähnlich sieht das Peter Hajek. Seit Wolfgang Schüssel wolle die ÖVP Städte erobern und schaffe das nicht, für die Volkspartei ein massives Problem. Gewarnt wird von Hajek, das Ergebnis der FPÖ zu unterschätzen. Zu glauben, dass mit rund 30 Prozent ein Limit erreicht sei, halte er für falsch. Bachmayer kann auch keinen Dämpfer erkennen, selbst wenn sich die Freiheitlichen wohl noch mehr erwartet hätten. Er ist überzeugt, dass sich die FPÖ weiter in den Umfragen zum Bund an der Spitze finden werden. Die Grünen sehen die Experten als Opfer der Umstände der Duell-Situation in Wien. Allerdings gibt Hajek zu bedenken, dass es nicht gelinge, über die Kernklientel Wähler anzuziehen. Das sei schon in Oberösterreich erkennbar gewesen. Wieder voll am Leben sind für Bachmayer die Neos. Die hätten nun den Vorteil, drei Jahre keine größeren Wahlen zu haben und sich so weiter stabilisieren zu können. Für Hofer sind zwar seitens der Neos keine pinken Jubelstürme angebracht, da mit dem Ausrinnen der ÖVP mehr drinnen sein hätte können. Doch sei seit Sonntag klar, dass man es auch bei der nächsten Nationalratswahl wieder ins Parlament schaffen könnte. Hajek sieht die Neos an sich nach Wien auf einem guten Weg, der aber auch noch hart und steinig werde. Egal, ob es die Grünen oder die ÖVP schafft: Dem Juniorpartner der SPÖ steht wegen des Wahlerfolgs der FPÖ kein Vizebürgermeisteramt zu. Wien – Auch wenn die Fortsetzung der rot-grünen Regierung in Wien wahrscheinlich, aber noch keinesfalls besiegelt ist, gilt jetzt schon als fix, dass Maria Vassilakou ihr Amt als Vizebürgermeisterin verlieren wird. Grund ist die Wiener Stadtverfassung: In dieser ist geregelt, dass der stärksten Partei ein Vizebürgermeisteramt zusteht. Der zweite Posten kann von der zweitstärksten Kraft nominiert werden, wenn diese ein Drittel der Mandate erreicht. Das ist der FPÖ mit 34 von 100 Mandaten erstmals gelungen. Künftig soll also wie angekündigt FPÖ-Klubchef Johann Gudenus, engster Vertrauter von Parteichef Heinz-Christian Strache, als Vizebürgermeister und nichtamtsführender Stadtrat im Stadtsenat fungieren. Eine operative Verantwortung kommt dem Vizebürgermeister aber nicht zu, sagt Rudolf Gerlich von der Magistratsdirektion dem STANDARD. Soll heißen: Gudenus ist einzig Vertreter des Bürgermeisters ohne Machtbefugnisse. Es ist anzunehmen, dass Michael Häupl alles unternehmen wird, dass diese Vertretungsoption nie zur Anwendung gelangt. Außerdem steht der SPÖ ein Vizebürgermeisterposten zu, den bisher Stadträtin Renate Brauner einnahm – und der wohl nicht an den Koalitionspartner abgegeben wird. Gudenus erhält in Zukunft laut Bezügegesetz 14-mal im Jahr 9.441,60 Euro brutto. Vassilakou standen als Vize und amtierender Stadträtin 16.308,20 Euro zu. Dem nichtamtsführenden Stadtrat Gudenus gebührt als Vizebürgermeister – anders als der amtsführenden Stadträtin Vassilakou – laut Bezügegesetz kein Dienstwagen. Bisher stellte die SPÖ sieben Stadträte, die Grünen einen. Dazu kamen die nichtamtsführenden Stadträte von FPÖ (3) und ÖVP (1). Bleibt der Stadtsenat in der derzeitigen Größe, würde die SPÖ einen Stadtratsposten an die FPÖ verlieren. Möglich ist aber auch eine Ausweitung des Gremiums auf bis zu 15 Mitglieder: Bei 14 hätte die SPÖ wieder sieben Stadträte, die FPÖ hätte fünf – allerdings müssten dann andere Einsparungspotenziale in der Verwaltung gefunden werden. Die Auszählung der Briefwahlstimmen hat den Grünen noch ein Mandat von der FPÖ gebracht, womit die Fortsetzung von Rot-Grün mit 54 von 100 Mandaten abgesichert wäre. Rot-Schwarz hätte nur eine minimale Mehrheit von 51 Mandaten, was die Verhandlungsposition der Grünen stärkt. Die knappe Mehrheit dürfte in einigen politischen Fragen aber durchaus fragil sein, wenn man einen Blick in die künftige ÖVP-Riege im Rathaus wirft: So schaffte die vehemente Abtreibungsgegnerin Gudrun Kugler per Vorzugsstimmenwahlkampf den Einzug in den Gemeinderat. Die wertkonservative christliche Theologin und Juristin war schon 2005 parteiintern umstritten, als sie als Parteilose für die ÖVP kandidierte. Ich fürchte, jene, die sie auf die Liste gebracht haben, waren sich vielem nicht bewusst, sagte 2005 die damalige ÖVP-Nationalrätin und spätere Wiener Landesparteichefin Christine Marek. Auch Ingrid Korosec, von der Landes-ÖVP nur auf einen hinteren Listenplatz gesetzt, schaffte per Vorzugsstimmen den Einzug. Bei den Grünen ist nach dem leichten Rückfall um 0,8 Prozentpunkte auf 11,84 Prozent aber ebenfalls nicht alles eitel Wonne. Es war – trotz Stimmenzuwächsen – das erste prozentuelle Minus bei Wahlen seit 2010. Vassilakou wird trotz Rücktrittsankündigungen weitermachen. Häupl will sich erst nach Gesprächen mit den anderen Parteien entscheiden, mit wem Regierungsverhandlungen aufgenommen werden. Mit der FPÖ hat Häupl eine Koalition ausgeschlossen, die Oppositionsrechte der Freiheitlichen wurden durch den Wahlsieg aber gestärkt. So kann die FPÖ mit 30 Mandataren selbst eine Untersuchungskommission im Gemeinderat sowie einen U-Ausschuss im Landtag beantragen. Auch der Verfassungsgerichtshof (VfGH) kann mit den Unterschriften von 33 FPÖ-Mandataren angerufen werden, um Landesgesetze prüfen zu lassen. Pro Wahlperiode kann jeder Abgeordnete nur zwei Anträge unterstützen. Auch der Bundesrechnungshof (RH) muss künftig aktiv werden, wenn die FPÖ Gemeindematerie prüfen lassen will. Gut bezahlte Stadträte und Vizebürgermeister ohne Ressort – Bundesverfassung müsste geändert werden. Wien – Für so manchen sind sie die Weißen Elefanten im Wiener Rathaus: Jene Politiker, die zwar hohe Gehälter bekommen, aber keine offensichtlichen Funktionen haben. In den Medien und Sozialen Netzwerken ist nach dem Bekanntwerden, dass Johann Gudenus (FPÖ) das gut bezahlte Amt eines Vizebürgermeisters ohne Ressort innehaben wird, die Debatte um die Abschaffung dieser Posten neu entflammt. So sorgt die künftige Gudenussche Funktion – wenig überraschend – etwa bei den Grünen für Häme. 9.440 Euro im Monat – der neue freiheitliche Vizebürgermeister Gudenus ist jetzt der teuerste Arbeitslose Österreichs, twitterte Nationalratsmandatar Peter Pilz. Den Vorwurf des überbezahlten Nichtstuns will die FPÖ natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Der designierte FPÖ-Vizebürgermeister Mag. Johann Gudenus wird den Menschen in Wien als Bürgerombudsmann sowohl einen politischen Mehrwert als auch finanzielle Minderleistungen bescheren, sprang Landesparteisekretär Toni Mahdalik via Aussendung in die Bresche. Mit Titel, ohne Ressort Wie viel Politiker mit Titel, aber ohne Ressort verdienen, ist im Wiener Bezügegesetz genau geregelt: Der Posten eines nicht amtsführenden Stadtrats ist mit 8.583,30 Euro dotiert. Ein Vizebürgermeister bzw. Landeshauptmann-Stellvertreter, der nicht zugleich auch amtsführender Stadtrat ist – das ist bei Gudenus der Fall – verdient 9.441,60 Euro. Für den Blauen bedeutet der neue Job übrigens eine Gehaltseinbuße, als Klubobmann verdiente er 12.016,90 Euro im Monat. Ein Vizebürgermeister mit Ressort kommt übrigens auf 16.308,20 Euro. Gudenus hätte neben dem Titel übrigens gerne auch Ressortverantwortung. Konkret wünscht er sich den Bereich Sicherheit. Das will er heute, Donnerstag, Nachmittag beim Treffen mit Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) einfordern, wie er bereits angekündigt hat. Egal ob mit oder ohne Macht, der Freiheitliche wird seinen Vizebürgermeister-Job als Ombudsmann der Bürger und ehrlicher und offener Kritiker der Koalitionsarbeit anlegen, versprach er. Verpflichtungen für Stadträte und Vizebürgermeister ohne Geschäftsgruppen – diese Posten haben in der Regel Politiker der Oppositionsparteien inne – gibt es nicht wirklich: Sie führen ja keine operativen Aufgaben aus, erklärte Rudolf Gerlich, Sprecher der Magistratsdirektion, am Donnerstag der APA. Sie hätten das Recht auf Akteneinsicht und könnten an den Sitzungen des Stadtsenats teilnehmen, sich aber bei Verhinderung auch entschuldigen lassen. Grüner Antrag auf Abschaffung Wobei, ganz aus der Verantwortung darf man bisherige und künftige städtische Regierungsmehrheiten nicht nehmen: Denn die Zusammensetzung des Stadtsenats ist in der Stadtverfassung geregelt, so Gerlich. Auf Vertretung im Stadtsenat haben alle Gemeinderatsparteien nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch. Ob aber ein Stadtrat ein Ressort bzw. eine Geschäftsgruppe verantworten darf oder nicht, darüber entscheidet der Gemeinderat – und in der Regel wollen Wiener Regierungsmehrheiten keine Kompetenzen in Oppositionshand wissen. In der abgelaufenen Legislaturperiode umfasste das Gremium zwölf Köpfe – was sieben Stadträte für die SPÖ, einen für die Grünen, drei (nicht amtsführende) Stadträte für die FPÖ sowie einen (nicht amtsführenden) für die ÖVP bedeutete. Wien könnte die nicht amtsführenden Posten übrigens aus eigener Kraft nicht abschaffen. Vielmehr bedürfe es einer Änderung der Bundesverfassung, erklärte Gerlich. Pilz ließ dazu via Twitter wissen: Der Antrag unserer Abg. Musiol (Daniela, Anm.) alle Nichtamtsführenden abzuschaffen liegt im Verfassungsausschuss.... Einstimmiger Beschluss im erweiterten Parteivorstand – Gespräche mit offenem Ergebnis. Wien – Die Mathematik sprach im Vorfeld klar für die Grünen. Insofern überraschte am Dienstagabend die Ankündigung von Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ), Koalitionsverhandlungen mit den Grünen aufzunehmen, nicht. Rot-Grün wäre mit einer stabilen Mehrheit von 54 von 100 Mandaten abgesichert. Häupl hatte zuvor im erweiterten Parteivorstand der Sozialdemokraten um Zustimmung für diesen Schritt geworben. Im internen Gremium hatte der Stadtchef auch über den Inhalt der Gespräche referiert, die er vergangene Woche mit den anderen vier im Rathaus vertretenen Parteien geführt hatte. Der Beschluss, Regierungsgespräche mit den Grünen zu starten, fiel laut Häupl einstimmig aus. Es seien aber Verhandlungen mit offenem Ergebnis. Es ist also noch nicht fix gesagt, dass daraus auch eine politische Zweck-Ehe wird. Auch wenn Häupl die Tür zu einer ÖVP-Regierungsbeteiligung noch nicht vollständig zuschlagen will: Ein erfolgreicher Abschluss der rot-grünen Verhandlungen ist wohl unabdingbar. Rot-Schwarz hätte nur eine minimale Mehrheit von 51 von 100 Mandaten. Gespräche unter Zeitdruck Die Verhandlungen mit den Grünen würden laut Häupl unter einem gewissen Zeitdruck stehen. Bis Mitte November müsse das Budget für 2016 beschlossen werden, spätestens bis dahin soll die Regierung stehen. Die konstituierende Sitzung des Gemeinderats geht spätestens am 24. November über die Bühne. Ich gehe davon aus, dass wir rechtzeitig fertig sein werden, zeigte sich Häupl optimistisch. Er sehe zwischen Rot und Grün zwar Meinungsverschiedenheiten, aber nicht wirklich unüberwindbare Hindernisse. Den Konflikten zwischen den Regierungspartnern in den abgelaufenen fünf Jahren wollte Häupl nicht zu viel Bedeutung beimessen. Wenn es in einer Koalition keine Konflikte gäbe, wäre das schön fad. Die Modalitäten für die Verhandlungen werden noch diese Woche gemeinsam besprochen, in der kommenden Woche soll es in medias res gehen. Von Rot-Grün I habe man einiges gelernt, sagte Häupl. So würde man jetzt bestimmte Dinge, von denen man ausgehen kann, dass sie konfliktträchtig sind, genauer und sorgfältiger festlegen. Explizit sprach Häupl von der Reform des Wiener Wahlrechts, diese rot-grüne Streitfrage müsse man schon in den Verhandlungen sorgfältig abhandeln. Der konkrete Weg zu einer Lösung soll also schon im Koalitionspapier stehen. Nur die Einsetzung einer Arbeitsgruppe zu beschließen, reiche laut Häupl nicht. Reform des Wahlrechts Die Reform des mehrheitsfördernden Wahlrechts ließen die Roten im Frühjahr kurz vor der Abstimmung im Landtag platzen, weil sie den grünen Abgeordneten Şenol Akkılıç von einem Wechsel zur SPÖ überzeugten. Dem vorangegangen war ein heftiger rot-grüner Streit, weil die Grünen – gemäß einem Notariatsakt aus dem Jahr 2010 – gemeinsame Sache mit den Oppositionsparteien ÖVP und FPÖ machten. Häupl sah das als Affront an. FPÖ und Neos kündigten an, in der ersten Landtagssitzung einen Antrag zur Streichung des mehrheitsfördernden Faktors im Wahlrecht zu stellen. Das bringt die Grünen unter Druck. Häupl kann sich wohl höchstens eine sanfte Reform vorstellen: Denn nach Ansicht von roten Spitzenfunktionären habe man es dem Wahlrecht zu verdanken, dass Rot-Grün über eine stabile Mehrheit verfügt. Andererseits ermöglicht es auch, dass die FPÖ mit Johann Gudenus bald den ersten freiheitlichen Vizebürgermeister Wiens stellt. Weil Häupl die Größe des Stadtsenats unverändert bei zwölf Mitgliedern belassen will, wird die SPÖ durch die Zugewinne der FPÖ bei der Wien-Wahl einen Stadtrat verlieren. Damit ergeben sich Umschichtungen von selbst, sagte Häupl. Details wollte er keine nennen. Die SPÖ dürfte aber intensiv um das Verkehrsressort kämpfen, das bisher die Grünen mit Maria Vassilakou inne gehabt hatten. Welcher SPÖ-Stadtrat gehen muss, sagte Häupl noch nicht. Auch rot-grüne Verhandlungsergebnisse könnten da eine Rolle spielen: Sollten die Grünen das Ressort Umwelt erhalten, dürfte etwa die Position von Ulli Sima in der Stadtregierung wackeln. Harte Verhandlungen Auf die Grünen warten jedenfalls hart geführte Diskussionen. Wir gehen davon aus, dass die Verhandlungen fair, ehrlich und auf Augenhöhe verlaufen werden, sagte Maria Vassilakou. Vassilakou droht der Verlust des Vizebürgermeisteramts, auch wenn Häupl den Posten, der der SPÖ zusteht, zum Verhandlungsgegenstand erklärte. Der Grund ist einfach: Es ist bei einer Vizebürgermeisterin Vassilakou unklar, ob Gudenus dann Häupls erster Vertreter ist, sollte der Stadtchef krank sein. Mit einem roten Vize stellt sich diese Frage nicht. 82 verschwundene Stimmen in der Leopoldstadt Am Dienstag tagte auch die Stadtwahlbehörde im Rathaus. Thema der Sitzung waren 82 Wahlkartenstimmen für die Bezirksvertretungswahl, die bei der Wien-Wahl am 11. Oktober im zweiten Bezirk laut Bezirkswahlbehörde verschwunden sind. Die FPÖ, die Einspruch erhoben hat, ist sehr an einer Aufklärung interessiert: Sie landete mit 10.010 Stimmen in der Leopoldstadt nur 25 Stimmen hinter den Grünen auf Platz drei und verpasste den Bezirksvorsteher-Stellvertreter haarscharf. Es gibt Divergenzen, die nicht erklärbar sind, sagte FPÖ-Landtagsabgeordneter Dietbert Kowarik. Ein Gang bis zum Verfassungsgerichtshof ist ein mögliches Szenario. Stadtwahlbehörde zählte nach FP-Einspruch nochmals aus und musste Ergebnis korrigieren – Blaue orten "drastische Fehler". Wien – Zehn Tage nach der Wien-Wahl liegt nun das amtliche Endergebnis vor, das keine Mandatsverschiebungen mehr bringt. Allerdings wurde mit Spannung die Prüfung des Bezirksergebnisses in der Leopoldstadt erwartet, da die FPÖ dort Einspruch angemeldet hatte. Die Zählung brachte tatsächlich eine Korrektur, nun wollen die Blauen Bezirksneuwahlen im 2. Bezirk beim Verfassungsgerichtshof durchsetzen. Konkret hatten die Freiheitlichen von 82 verschwundenen Wahlkarten bei der Bezirksvertretungswahl gesprochen. Tatsächlich ist auch im Wahlprotokoll, aus dem am Wochenende in Medien zitiert wurde, vermerkt, dass jene 82 gelben Stimmzettel weder im Saal der Auszählung, noch in den gesammelten, bereits geleerten Briefwahlkarten und Stimmzettelkuverts aufgefunden werden konnten. Relevant war die Angelegenheit für die FPÖ insofern, als sie laut vorläufigem Endergebnis nur 25 Stimmen hinter den zweitplatzierten Grünen lag. Durch eine Neuauszählung machte man sich Hoffnungen, doch noch den zweiten Platz erringen und somit den stellvertretenden Bezirksvorsteher stellen zu können. Am Mittwochnachmittag veröffentlichte die Stadtwahlbehörde nun das Amtliche Endergebnis. Tatsächlich mussten die Stimmen korrigiert werden. Die FPÖ liegt nun mit 10.010 (22,10 Prozent) nur mehr 21 Stimmen hinter den Grünen mit 10.031 Stimmen (22,15 Prozent). Die SPÖ kommt als stimmenstärkste Partei auf 38,64 Prozent, die ÖVP mit 7,08 Prozent auf Platz vier – vor den Neos mit 5,68 Prozent. Auffallend: Die Zahl der insgesamt abgegebenen Stimmen erhöhte sich mit 46.472 um 109 Stimmen gegenüber dem vorläufigen Endergebnis (46.363). Die Aufgabe der Stadtwahlbehörde besteht grundsätzlich lediglich in der Auszählung der Stimmen. Der Ursache für etwaige Differenzen wird dabei mangels Zuständigkeit nicht nachgegangen. Was den Fall Leopoldstadt betrifft, betonte man im Büro der für Wahlen zuständigen Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) folglich, dass die Stadtwahlbehörde nach dem FPÖ-Einspruch geprüft habe und zu einem modifizierten Ergebnis gekommen sei. Sollte jemand Zweifel am Auszählmodus haben und eine Neuausschreibung des Urnengangs erwirken wollen, bleibe der Weg zum Verfassungsgerichtshof. Genau diesen will die FPÖ nun beschreiten. In der Stadtwahlbehörde haben sich drastische Fehler bei der ursprünglichen Stimmenauszählung herausgestellt, so der designierte Wiener FPÖ-Klubchef Dominik Nepp. Nicht nur, dass die ÖVP laut amtlichem Resultat nun um 100 Stimmen mehr hat als gemäß vorläufigem Endergebnis, auch zehn Wahlkarten seien als gültig gewertet worden, obwohl bei der eidesstattlichen Erklärung die Unterschrift gefehlt habe. Die Blauen wollen beim VfGH nun eine Neuausschreibung der Leopoldstädter Bezirksvertretungswahl durchsetzen. Der Gang vor das Höchstgericht ist nötig, da die Stadtwahlbehörde selbst über einen neuerlichen Urnengang nicht befinden kann. Im amtlichen Endergebnis auf Landesebene gab es keine relevanten Anpassungen mehr. Somit kommt die SPÖ auf 39,59 Prozent (44 Mandate), die FPÖ auf 30,79 Prozent (34 Mandate), die Grünen auf 11,84 Prozent (10 Mandate), die ÖVP auf 9,24 Prozent (7 Mandate) und die Neos auf 6,16 Prozent (5 Mandate). Die Grünen wollen ihre Ressorts Planung und Verkehr behalten. Die SPÖ will sie zurück – und kann sich Bildung als Tausch vorstellen. Wien – In den kommenden Wochen führen die Spitzen von SPÖ und Grünen ergebnisoffene Gespräche – an deren Ende aber eine zweite rot-grüne Partnerschaft in Wien besiegelt werden soll. Offiziell ging es beim Auftakttreffen am Dienstagnachmittag um keine inhaltlichen Themen, sondern um die Organisation der Termine und Schwerpunkte. In die Karten blicken wollte sich keines der beiden Verhandlungsteams lassen. Nach zweieinhalb Stunden ging die erste Verhandlungsrunde um 19 Uhr zu Ende. Es wurde aber ruchbar, dass die künftige Aufteilung der Regierungsressorts ordentlichen Zündstoff in sich birgt. Denn die SPÖ soll sich dem Vernehmen nach mit Nachdruck darum bemühen, die bisher von Maria Vassilakou geführten Bereiche Planung sowie Verkehr wieder zu übernehmen. In Zeiten der noch immer anhaltenden Wirtschaftskrise sowie der Flüchtlingsproblematik sollen etwa umstrittene Verkehrsberuhigungsprojekte nicht zusätzlich für Unruhe sorgen. Die Grünen denken aber nicht daran, ihre Zuständigkeitsbereiche freiwillig zu wechseln. Das, was wir haben, wollen wir auch weiterhin führen, sagte Landessprecher Georg Prack, der im Verhandlungsteam der Grünen sitzt, dem STANDARD. Es seien sehr wichtige Ressorts. Vordergründiger sei aber, dass Rot-Grün in den Verhandlungen gemeinsam ein Investitions- sowie Wachstumspaket schnürt. Damit soll die Rekordarbeitslosigkeit in Wien bekämpft werden. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hatte im Vorfeld von dringend nötigen Investitionen gesprochen, um die Wirtschaft wieder in Schwung zu bringen. Die Rahmenbedingungen für die Schaffung von Jobs sind freilich schwierig: Wien hat Rekordschulden in Höhe von mehr als fünf Milliarden Euro (exklusive ausgelagerter Betriebe), dazu harrt ab 2016 der Stabilitätspakt seiner Einhaltung. Ein Nulldefizit ist vorgeschrieben, was angesichts von nötigen öffentlichen Schulneubauten sowie Wohnbau- oder Verkehrsprojekten aber wohl nicht eingehalten werden kann. Oder Wien stemmt die Projekte als sogenannte PPP-Modelle gemeinsam mit privaten Partnern: Diese kommen den Steuerzahler langfristig laut Experten aber teuer zu stehen. Zudem wird leistbares Wohnen immer wichtiger: Wien wächst, allein 2014 kamen 26.700 Menschen neu dazu. Um die Hoheit über die Planungs- und die Verkehrsagenden wiederzuerlangen, könnte sich die SPÖ vorstellen, dafür das Bildungsressort einzutauschen. Vassilakou hat im Wahlkampf jedenfalls viel Wert auf Bildungsthemen gelegt. Was dafür spricht: Die Roten müssen einen Stadtrat einsparen. Und dem zuständigen Stadtrat Christian Oxonitsch (SPÖ) könnte ein Wechsel wohl am leichtesten schmackhaft gemacht werden. Eine Variante sieht Oxonitsch wieder als SPÖ-Klubchef und als Nachfolger von Rudolf Schicker vor. In einem anderen Szenario wird Oxonitsch gar als Nachfolger von Bildungsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) gehandelt. Diese Variante ist freilich komplizierter, zumal Heinisch-Hosek das Konzept der Arbeitsgruppe zur Bildungsreform bis 17. November finalisieren will. Weitere Personalrochaden wären da im Anschluss nötig. Auch bei den Grünen wird über einen Posten diskutiert: Bei der Landesversammlung am 14. November will sich Landessprecher Georg Prack bestätigen lassen. Als Gegenkandidat meldete sich Joachim Kovacs, der Klubobmann der Ottakringer Grünen. Die Partei müsse sich breiter aufstellen. Wir brauchen einen Themenfokus abseits von Fußgängerzonen und Bio macht schön, sagte Kovacs. Ändert der Bund die Verfassung nicht, gibt es in Wien auch künftig nicht amtsführende Stadträte. Wien – Johann Gudenus hat gute Aussichten auf einen Posten, den zuletzt Erhard Busek im Jahr 1978 errungen hat: Nach aktuellem Stand der Wiener Landesverfassung und dem Wahlergebnis steht der FPÖ jetzt (wie der ÖVP im Jahr 1978) der Sessel des Vizebürgermeisters zu. Ein Anspruch auf irgendwelche Zuständigkeiten, auf eine exekutive Tätigkeit in der Stadtverwaltung, ist damit allerdings nicht verbunden. Das hat mit einem Kuriosum der Wiener Stadtverfassung zu tun: Deren § 34 sieht vor: Im Gemeinderat vertretene Wahlparteien haben nach Maßgabe ihrer Stärke Anspruch auf Vertretung im Stadtsenat. Die Mitglieder des Stadtsenats, nach derzeitiger Rechtslage zwölf Stadträte, haben in der Gemeindeverwaltung und der Landesregierung Sitz und Stimme. Aber nicht alle haben Anspruch darauf, auch an einer Exekutivfunktion beteiligt zu werden. In der abgelaufenen Legislaturperiode teilten sich sieben rote Regierungsmitglieder unter Führung von Michael Häupl mit der Grünen Maria Vassilakou die Regierungsgeschäfte, die FPÖ stellte drei, die ÖVP einen nicht amtsführenden Stadtrat. Ein Zustand, der schon seit längerer Zeit für Unmut sorgt – wobei alle Anläufe, ihn zu ändern, bisher gescheitert sind. Denn eine Neuregelung bedürfte nicht nur einer Änderung der Wiener Stadtverfassung, sondern auch der Bundesverfassung (BVG). Diese sieht im Artikel 117 nämlich zwingend vor, dass in einem Gemeindevorstand die im Gemeinderat vertretenen Parteien ebenfalls vertreten sein müssen – und das gilt für Kleingemeinden genauso wie für die Bundeshauptstadt, deren Gemeindevorstand gleichzeitig Landesregierung ist. Die grüne Verfassungssprecherin Daniela Moser hat im Frühjahr einen Antrag auf entsprechende Änderung des BVG gestellt, nach kurzer Debatte im Verfassungsausschuss des Nationalrats am 23. Juni wurde die Behandlung auf die Sitzung am 9. November vertagt. Was in die Phase der Bildung der neuen Wiener Stadtregierung fällt. Vor dem Sommer waren jedenfalls nur die Neos auf der Linie der Grünen – die Freiheitlichen, die durch ihren Wahlerfolg nun mehr nicht amtsführende Stadträte bekommen sollten, haben schon im Juni die derzeitige Praxis als gute Tradition bezeichnet, weil sie alle wesentlichen Kräfte einbindet, wie die Parlamentskorrespondenz aufgezeichnet hat. Die ÖVP, die in den vergangenen Jahrzehnten im Wiener Gemeinderat zumeist die Oppositionsbank gedrückt hat, will ebenfalls weiter kontrollierende Stadträte haben – nur durch sie kann nämlich Einblick in Regierungsakten genommen werden. In einem Punkt trifft sie sich mit der SPÖ: Sie will, dass die Gemeinde Wien keinesfalls schlechter als andere Gemeinden gestellt wird. Sozialstadträtin Sonja Wehsely bezeichnet die Verschärfung als Alibiaktion, Bürgermeister Michael Häupl ist ebenfalls skeptisch. Wien – Zustimmung von außerhalb gab es für die Asylnovellenpläne der Bundesregierung kaum: Vom UN-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) über die Caritas und die Diakonie bis hin zur Asylkoordination hagelte es am Dienstag Kritik. Auch Grüne, Neos und Team Stronach zeigten sich skeptisch. Die Neuerungen, die bis 30. November in der Begutachtung sind und nach Beschluss rückwirkend ab Mitte November gelten sollen, hätten einen Bürokratiewulst zur Folge und würden das Menschenrecht auf Familienleben vieler Flüchtlinge unrechtmäßig einschränken, lautete die Kritik. Die geplante Novelle des Asylrechts durch die rot-schwarze Bundesregierung bringt auch die Wiener SPÖ gegen Bundeskanzler Werner Faymann auf. Sozialstadträtin Sonja Wehsely bezeichnete die Verschärfung als Alibiaktion. Die Bundesregierung – und damit auch Faymann – würde nur eine Scheinaktivität setzen, da schon jetzt nach drei Jahren der Asylgrund überprüft werden könne. Asyl auf Zeit bedeute einen bürokratischen Mehraufwand, die Behörde müsse in drei Jahren doppelt so viele Fälle überprüfen. Bürgermeister Michael Häupl, der auch stellvertretender Bundesparteivorsitzender der SPÖ ist, übte ebenfalls Kritik. Er sagte dem STANDARD etwas diplomatischer, dass er Asyl auf Zeit skeptisch gegenübersteht. Ich halte das für keine gute Idee. Damit wächst der innerparteiliche Druck auf Faymann durch die Wiener Genossen. Wehsely befürchtet, dass durch die auch von Faymann unterstützte Verschärfung ein Integrationswartezimmer geschaffen werde: Weil man eben nicht wisse, ob die Asylwerber bleiben können, brauche man erst einmal nichts machen. Das würde Integration erschweren. Dabei müssten die Deutschkurse laut Wehsely massiv verstärkt werden. Auch Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) wurde von Wehsely direkt angegriffen: Die Stadt Wien gibt dreimal so viel für Sprachkurse aus wie das Integrationsministerium in ganz Österreich. Die offen ausgesprochene Kritik Wehselys am Wirken des Bundes wird wohl nicht unbedingt dazu beitragen, seit langem anhaltende Gerüchte über einen möglichen Wechsel Wehselys in die Bundesregierung unter einem Kanzler Faymann zu befeuern. Mit der Ablehnung der Asyl-Novelle dürfte Wehsely aber ihre Stellung innerhalb der Wiener SPÖ gestärkt haben. Das zeigt auch die Rückendeckung durch Häupl, der bei der Bewältigung der Herausforderungen durch die Flüchtlingsbewegungen im Wien-Wahlkampf eine klare Linie vorgab. Eine Verschärfung des Asylrechts durch Asyl auf Zeit war nicht darunter. Koalitionsübereinkommen könnte Ende der Woche stehen, Personal- und Ressortfragen finaler Knackpunkt. Wien – Endspurt bei den Koalitionsverhandlungen in Wien: Heute, Montag, wird im Rathaus erneut in großer Runde diskutiert. Dem Vernehmen nach könnte dabei bereits eine Vorentscheidung fallen, ob das rot-grüne Projekt tatsächlich fortgesetzt wird. Allerdings ist auch für Mittwoch noch ein Treffen angesetzt. Dort, so wird angenommen, werden Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) dann auch die heiklen Ressort- und Personalfragen besprechen. Das neueste Gerücht besagt, dass die Grünen von der SPÖ den Wohnungsneubau übernehmen könnte, der Verkehr künftig dafür in den Aufgabenbereich von Noch-Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) wandern wird, der gleichzeitig aber auch die Gemeindebauverwaltung Wiener Wohnen behält. Koalitionärer Pakt Offiziell werden derartige Meldungen im Rathaus nicht kommentiert. Stattdessen ist aus Verhandlerkreisen mitunter zu hören, dass zwischen den kolportierten News und den tatsächlichen Gesprächsinhalten durchaus beträchtliche Unterschiede bestehen. Stimmen dürfte wohl, dass es zuletzt Diskussionen um einen möglichen zweiten Stadtratsposten für die Grünen gab – den sie wohl nicht lukrieren werden. Stattdessen, so wird gemunkelt, könnten die Roten auf das Amt des zweiten Vizebürgermeisters (eines geht fix an die FPÖ, Anm.) verzichten und dieses den Grünen überlassen. Der koalitionäre Pakt – so er zustande kommt – wird wohl am Donnerstag oder spätestens am Freitag stehen. Wann dann zur offiziellen Präsentation der neuen Wiener Stadtregierung geladen wird, ist offen. Möglicherweise wird die offizielle Unterzeichnung des Übereinkommens und die Vorstellung der Mannschaft erst kommende Woche über die Bühne gehen, also erst nach den diversen Gremiensitzungen. Die Grünen werden am Samstag in einer Landesversammlung das Übereinkommen zur Abstimmung bringen. Die SPÖ beschäftigt sich am Montag eingehend mit dem Konvolut – das zuletzt bereits 50 Seiten umfasst haben soll. Verfassungsausschuss des Nationalrats vertagte mit den Stimmen von SPÖ und ÖVP einen Antrag der Grünen, in dem eine Abschaffung dieser Ämter vorgesehen ist. Wien – Die sehr gut bezahlten, aber ohne Machtbefugnisse und nur mit Kontrollrechten ausgestatteten Posten als nicht amtsführende Stadträte wird es trotz großer Debatten in Wien weiterhin geben. Der Verfassungsausschuss des Nationalrats hat am Montag einen Antrag der Grünen, der eine Abschaffung dieser Ämter vorsieht, erneut vertagt. Unterstützt wurde der grüne Antrag von den Neos. Die Entscheidung zur Vertagung wurde mit einer SPÖ-ÖVP-Mehrheit getroffen. Dabei hatte sich Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) für eine Abschaffung des Proporzes ausgesprochen. Dafür ist aber nicht nur eine Neuregelung der Wiener Stadtverfassung, sondern auch der Bundesverfassung (BVG) notwendig. Dafür ausschlaggebend ist Wiens Sonderstatus als Land und Stadt: Laut Artikel 117 BVG muss jede im Gemeinderat vertretene Partei auch im Gemeindevorstand – in Wien ist das der Stadtsenat – vertreten sein. In der zu Ende gehenden Legislaturperiode stellte die rot-grüne Regierung acht amtsführende Stadträte – darunter Maria Vassilakou als einzige grüne Stadträtin. Der FPÖ gebührten drei Posten als nicht amtsführende Stadträte, der ÖVP einer. Bleibt der neue Stadtsenat wie von Häupl angekündigt bei zwölf Mitgliedern, verliert die SPÖ aufgrund des Wahlergebnisses einen amtsführenden Stadtratsposten. Die Freiheitlichen gewinnen ein Amt und halten künftig bei vier nicht amtsführenden Stadträten. Mit Johann Gudenus erhält einer davon zusätzlich den Posten eines Vizebürgermeisters. Die Freiheitlichen im Bund sowie in der Stadt sprechen sich für den Proporz aus. Trotz konfliktreicher Verhandlungen will der Bürgermeister Rot-Grün "aller Voraussicht nach" am Samstag beschließen. Ein zweiter grüner Stadtrat ist ein "No-Go". Wien – Die rot-grünen Regierungsverhandlungen sind, anders als 2010, nicht gerade vom Geist des Honeymoons getragen. So fasste Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) am Dienstag die durchaus konfliktreichen bisherigen Koalitionsgespräche zusammen. Dass bei der SPÖ keine Flitterwochen-Stimmung aufkommen mag, soll auch an den vehement vertretenen Forderungen der Grünen liegen. Dem Verlangen des bisherigen Juniorpartners nach einem zweiten Stadtrat erteilte Häupl eine klare Absage: Das sei ein No-Go. Dabei hat sich die Hauptverhandlergruppe mit Häupl und der grünen Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou zumindest offiziell noch gar nicht mit Fragen zur künftigen Ressort- und Personalverteilung beschäftigt. Diese Runde trifft sich erneut am Mittwoch: Hitzige Diskussionen hinter verschlossenen Türen dürften garantiert sein. Die Grünen zeigten sich über den öffentlichen Vorstoß Häupls nicht erfreut. Häupl würde in den Medien über den zweiten grünen Stadtratsposten sprechen, wir am Verhandlungstisch, sagte Landessprecher Georg Prack. Dem Vernehmen nach sollen die Grünen auch Jobs in stadtnahen Unternehmen fordern – und diese öffentlich ausschreiben lassen. Dazu kommt, dass es auch noch in den Bereichen Wahlrecht, Verkehr und Soziales hakt. Verlaufen die Gespräche positiv, soll der Pakt laut Häupl aller Voraussicht nach am Samstag stehen und kommende Woche unterzeichnet werden. Aber auch ein Scheitern der Verhandlungen sei noch nicht vom Tisch. Häupl: Ich sage nicht, dass es fix ist. Der Zeitdruck spricht aber für Rot-Grün II. Eine Reihe von Themen hätten die rot-grünen Verhandlergruppen bereits ausdiskutiert. In den Bereichen Gesundheit, Kultur oder Bildung bestehe weitgehende Einigkeit über Vorhaben. So wollen SPÖ und Grüne etwa Wien zur Modellregion für die gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen machen. Dementsprechende Beschlüsse müsste aber die Bildungsreformgruppe im Bund treffen. Häupl schätzt, dass die Umstellung etwa zehn Jahre brauche. Aber Angehen muss man es, sagte er und verwies auf Vorarlberg und Tirol, die ebenfalls als Modellregion die gemeinsame Schule forcieren wollen. Zur künftigen Aufteilung der Regierungsämter bekräftigte Häupl, die Größe des Stadtsenats bei zwölf Mitgliedern zu belassen. Damit ist fix, dass die SPÖ im Vergleich zur vorangegangenen Legislaturperiode einen der bisher sieben Stadtratssitze einbüßt. Als fast sicher gilt, dass Bildungsstadtrat Christian Oxonitsch künftig wieder dem SPÖ-Klub im Rathaus vorsteht. Der bisherige Klubchef Rudolf Schicker, mit dem Häupl seit gemeinsamen Zeiten bei der SJ verbunden ist, soll als Berater, etwa im Bereich Stadtplanung, fungieren. Auch auf einer Nebenfront wird verhandelt: Die Neos kämpfen nach ihrem Einzug in den Gemeinderat darum, in Ausschüssen vertreten zu sein. Derzeit sind es die Neos wegen ihrer Größe nicht. Laut SPÖ-Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler müssten die Ausschüsse von 15 auf 18 Mitglieder vergrößert werden. Dazu ist ein Mehrheitsbeschluss im Gemeinderat notwendig. Ähnliche Probleme gibt es in den Bezirksvertretungen. Im Parlament gibt es derzeit das informelle Agreement, dass alle Fraktionen in Ausschüssen vertreten sind. Man musste die Gremien aber auf 28 Personen vergrößern, damit auch das Team Stronach überall präsent sein kann. Historisch gesehen war das nicht immer so, wie Parlamentsexperte Werner Zögernitz sagt. Das Liberale Forum war teilweise nur in sieben Ausschüssen vertreten, weil diese auf 35 Abgeordnete vergrößert werden mussten, um alle Fraktionen zu berücksichtigen. Der Kompromiss damals: In den kleineren Ausschüssen durfte das LIF ein Mitglied mit beratender Stimme entsenden. Widersprüche bei Wahlkarten: FPÖ ersucht Verfassungsrichter, die Wahl im zweiten Bezirk "für nichtig zu erklären". Wien – Die FPÖ ficht die Bezirksvertretungswahl in Wien-Leopoldstadt an. Der entsprechende 27-seitige Schriftsatz wurde am Dienstag auf den Weg zum Verfassungsgerichtshof gebracht. Dieses möge die Wahl im zweiten Bezirk gegebenenfalls zur Gänze für nichtig erklären und als rechtswidrig aufheben, heißt es darin. Sollte der VfGH dies tun, müsste die Bezirkswahl wiederholt werden. Die Freiheitlichen beziehen sich auf angebliche Unstimmigkeiten bei der Auszählung der Briefwahlstimmen. Es geht um Differenzen zwischen der Summe der berücksichtigten Wahlkarten und der Summe der gezählten Stimmen. Letztere waren nämlich höher als die ausgewiesenen Wahlkarten. Zur Erklärung: Die Anzahl der Wahlkarten wird vor der Auswertung der eigentlichen Stimmen separat ermittelt. Laut dem vorläufigen Endergebnis lag dieser Unterschied bei 82 Stimmen. Die Stadtwahlbehörde musste infolge eines FPÖ-Einspruchs noch einmal nachzählen. Das Resultat wurde am 20. Oktober im Zuge des amtlichen Endergebnisses veröffentlicht. Dabei wurden 8.223 einbezogene Wahlkarten festgestellt, die Summe der für eine der antretenden Fraktionen abgegebenen Wählerstimmen betrug allerdings 8.246 – also immer noch um 23 mehr als Wahlkarten. Gewissermaßen als Beweis wird aus dem Protokoll der Stadtwahlbehörde zitiert, in dem eine nicht erklärbare Differenz von 23 Stimmen festgehalten wurde. Dies kann nur bedeuten, dass eine oder mehrere Briefwahlkartenwähler mehr als einen Stimmzettel abgegeben haben und/oder bei der Auszählung anwesende oder andere Personen weitere Stimmzettel hinzugefügt haben und dies aufgrund der mangelnden Kontrolle im Ermittlungsverfahren nicht bemerkt wurde, heißt es im Schriftsatz, den Anwalt Markus Tschank für die FPÖ eingebracht hat. Relevant ist das aus Sicht der Blauen insofern, als die Stimmenauszählung die FPÖ um schließlich nur 21 Stimmen hinter den Grünen auswies. Damit verpasste man knapp Platz zwei – und somit den Anspruch auf einen Bezirksvorsteher-Stellvertreter. Genau damit begründen die Freiheitlichen nun auch vorrangig ihr Bestreben nach einer Aufhebung bzw. einer daraus folgenden Wiederholung der Bezirkswahl in der Leopoldstadt. Denn die Rechtswidrigkeit allein des Wahlverfahrens – also des Auszählungsprozederes – reicht laut Schriftsatz nicht aus, um einer Wahlanfechtung stattzugeben. Darüber hinaus müsse das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein. Und dieser sei gegeben, denn die rechtskonforme Handhabung des Wahlverfahrens hätte ohne Zweifel zu einem relativ besseren Ergebnis der wahlwerbenden Partei Freiheitliche Partei Österreichs führen können, womit der wahlwerbenden Partei Freiheitliche Partei Österreichs das Vorschlagsrecht für einen Stellvertreter des Bezirksvorstehers ... zufallen würde. Sprich: Die korrekte Stimmenauswertung hätte der FPÖ womöglich doch den Posten des stellvertretenden Bezirkschefs beschert. Knackpunkt Lobautunnel dürfte vom Tisch sein – Jahreskarte soll weiterhin 365 Euro kosten – 150-seitiger Pakt wurde zäh verhandelt. Wien – Bis in den späten Nachmittag hinein war am Freitag aus Kreisen der Wiener SPÖ und Grünen vor allem eines zu hören: Ich kann gerade nicht sprechen. Dann einigte man sich aber doch noch vor dem Wochenende und nach mehr als 14 Tagen zäher Verhandlungen auf einen Regierungspakt: Rot-Grün geht damit fix in die zweite Runde. Um die großen Brocken sei bis zuletzt gerungen worden, hörte man am Freitag aus Verhandlerkreisen, die Gespräche seien aber vom Geist der Einigung getragen gewesen. Bei einem dieser großen Brocken, dem Wahlrecht, gab es eine Übereinkunft. Details wollte man dazu am Freitag aber noch nicht preisgeben. Streitpunkt war bisher in erster Linie der mehrheitsfördernde Faktor: Die Wahlzahl für die Mandatsverteilung in den Wahlkreisen wird nach der Formel gültige Stimmen, dividiert durch die Zahl der Mandate plus eins errechnet. Das bevorzugt besonders die SPÖ. Die Grünen wollten den Faktor eins streichen. Ein weiterer Knackpunkt, der umstrittene Lobautunnel, dürfte vom Tisch sein. Man habe sich stattdessen auf ein Bekenntnis zu einer sechsten Donauquerung geeinigt, deren Bau jedoch aufgrund der Budgetnöte des Bundes und damit der Asfinag in den kommenden fünf Jahren unrealistisch sei, hieß es aus Kreisen der Grünen. Mit dem Nein zum Tunnel gehe auch ein Bekenntnis zum Nationalpark Donauauen einher, das auch von der SPÖ mitgetragen werde: Der Nationalpark soll in keiner wie auch immer gearteten Form durch Straßenverkehrsprojekte beeinträchtigt werden. Ein weiterer Punkt, der besonders den Grünen wichtig ist, ist Integration ab Tag eins, will heißen: Künftig sollen Flüchtlinge in Wien ab dem Tag der Asylantragstellung ein Recht auf einen Deutschkurs haben. Die 365-Euro-Jahreskarte für die Öffis wird beibehalten. Dazu habe sich Finanzstadträtin Renate Brauner erweichen lassen, heißt es aus dem Büro Häupl. Das 150-seitige Arbeitsabkommen für die nächsten fünf Jahre wird am Samstag von den Parteigremien abgesegnet. Das Papier ist doppelt so umfangreich wie jenes im Jahr 2010. Diesmal sei wesentlich konkreter über Details verhandelt worden, so die Grünen. Die von Häupl und Vassilakou angeführten Kernverhandlerteams hatten bis zuletzt unter wachsendem Zeitdruck um eine Einigung gerungen. Denn Bürgermeister Michael Häupl wollte das Budget für 2016 fristgerecht mit dem neuen Team beschließen. Vassilakou dürfte auch weiterhin Vizebürgermeisterin sowie Verkehrsstadträtin bleiben. Die Grünen wollten einen zweiten Stadtratsposten. Diese Forderung wurde aber schon bald abgetan, Häupl bezeichnete sie als No-Go. Die SPÖ hätte dann einen weiteren Stadtratsposten aufgeben müssen. Laut STANDARD-Informationen ist fix, dass Stadtrat Christian Oxonitsch wieder Chef des SPÖ-Rathausklubs wird. Dessen bisherige Bildungsagenden soll Sandra Frauenberger übernehmen. Das Thema Sport dürfte zu Sonja Wehsely wandern. Die Regierungsriege soll ansonsten unverändert bleiben. Das veranlasste die FPÖ von einem verkrusteten, rot-grünen System zu sprechen. Es seien dieselben Köpfe, dieselben Strukturen und dieselben hohlen Phrasen, ließ der designierte Vizebürgermeister Johann Gudenus via Aussendung verlauten. Ich habe den Eindruck, dass Rot-Grün weitermacht wie bisher und wir more of the same haben, sagte die Wiener Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger am Rande einer Pressekonferenz zur künftigen Themenaufteilung der Neos-Abgeordneten im Gemeinderat. Meinl-Reisinger selbst werde sich vor allem um Kontrollthemen kümmern, darunter den Stadtrechnungshof, aber auch um Kultur und den Standort Wien. Bei seiner Wahl zum Wiener SPÖ-Klubchef versagte ein Drittel der Abgeordneten dem Ex-Stadtrat die Stimme. Mit seinen Gegnern soll es jetzt Gespräche geben. Wien – Eine Geburtstagstorte habe sich der neue SPÖ-Klubchef Christian Oxonitsch nach seiner Wahl nicht gekauft. Dass ihm nur 71 Prozent der Delegierten bei der konstituierenden Sitzung des SPÖ-Rathausklubs gewählt haben, lässt den ehemaligen Stadtrat für Bildung, Information, Jugend und Sport aber kalt. Ich bin da relativ emotionslos, sagt Oxonitsch zum STANDARD über das knappe Drittel an Streichungen seiner Parteikollegen. Ich kann in diese 20 Personen nicht hineinsehen, kommentiert er mögliche Gründe. Und: Ich habe von den restlichen zwei Dritteln das Vertrauen ausgesprochen bekommen. Oxonitsch sieht in dem Ergebnis einen klaren Auftrag. Durch gute Arbeit wolle er bei seiner nächsten Wahl ein besseres Resultat erzielen. Zusätzlich soll es intensive Gespräche in den kommenden Tagen und Wochen mit jenen geben, die bei der Abstimmung ihren Unmut gegen mich oder die SPÖ ausgedrückt haben. Da die Wahl Oxonitschs geheim war, kann er aber nur ein Gesprächsangebot abgeben und seinen offenen Führungsstil betonen: Man könne intern über alles reden. Auf Spekulationen, die das Koalitionsabkommen der Neuauflage von Rot-Grün für das schlechte Ergebnis verantwortlich machen, möchte sich Oxonitsch jedenfalls nicht einlassen. Bedeckt gibt sich diesbezüglich auch Ernst Nevrivy. Der rote Bezirksvorsteher der Donaustadt betont, dass es für seinen Bezirk keinen direkten Zusammenhang zwischen dem Koalitionsübereinkommen und der Wahl von Oxonitsch gebe. Die SPÖ-Donaustadt hatte zuvor gegen den Koalitionspakt gestimmt. Der Grund: kein fixer Termin für die Fertigstellung des Lobautunnels. Es ist klar, dass der Tunnel unter dem Naturschutzgebiet kommt. Aber nicht, dass das so schnell wie möglich passiert, sagt er zum STANDARD. Unmut gab es in der SPÖ auch nach Gerüchten über ein Nebenabkommen zum Koalitionspapier. Darin soll unter anderem festgelegt sein, dass die Grünen Aufsichtsratsposten besetzen würden. In der ORF-Sendung Wien heute bestätigte Bürgermeister Michael Häupl Vereinbarungen, dass die Grünen natürlich in Aufsichtsräte einziehen. Dass etwa eine bestimmte Zahl ausgemacht wurde, sei völliger Unsinn, tönt es aus dem Büro von Stadträtin Renate Brauner (SPÖ). Es gebe die Vereinbarung, dass es bessere Absprachen in der Koalition geben soll, wenn Posten bestellt werden. Diese würden aber nicht an aktive Politiker mit SPÖ- oder Grünen-Kapperl gehen: Es wird nicht sein, dass einer ‚als Grüner‘ einen Aufsichtsratsposten kriegt. Um grüne Posten gehe es den Grünen auch nicht. Unabhängige sollen die Plätze besetzen, sagt eine Sprecherin der Landespartei. Wie bestellt wird, sei Gegenstand weiterer Verhandlungen. Es zeichnet sich ein Bruch innerhalb der Wiener SPÖ ab: Bei der geheimen Wahl zum Bürgermeister dürften zwei Genossen gegen Michael Häupl gestimmt haben. Wien – Vor Sitzungsbeginn war Selfie-Zeit: Die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou schnappte sich Stadtchef Michael Häupl (SPÖ) und drückte mit ihrem Handy ab. Selbst von der Tribüne aus war nach den harten Verhandlungen ein entspanntes Lächeln in den beiden Gesichtern der Hauptprotagonisten von Rot-Grün II zu sehen. Das verschwand dann bei beiden aber schnell. Häupl wurde bei der konstituierenden Sitzung des Gemeinderats mit nur 52 von 100 abgegebenen Stimmen zum insgesamt sechsten Mal zum Bürgermeister gewählt. SPÖ und Grüne halten aber bei 54 Mandaten, womit fix ist, dass zwei Gemeinderäte der Regierungsparteien bei der geheimen Abstimmung im Rathaus gegen Häupl gestimmt haben. FPÖ, ÖVP und Neos hatten schon im Vorfeld angekündigt, gegen Häupl zu stimmen. Vertreter des grünen Klubs versicherten dem STANDARD, dass kein Abgeordneter ausgeschert sei. Womit feststehen dürfte, dass zwei Genossen Häupl abgestraft haben. Das sehen auch viele Rote so: Innerhalb der SPÖ wurden hinter vorgehaltener Hand Vertreter des 22. Bezirks als mögliche Übeltäter ausgemacht. Die SPÖ Donaustadt hatte zuvor schon Stimmung gegen Rot-Grün gemacht und gegen den Koalitionspakt gestimmt. Als einer der Gründe gilt, dass im Abkommen kein fixer Termin für den Bau des Lobautunnels genannt wurde. Häupl war 2010 noch von 65 Abgeordneten gewählt worden. Vor fünf Jahren hielt Rot-Grün bei einer Mehrheit von 60 Mandataren, womit damals auch fünf Gemeinderatsmitglieder von Nichtregierungsfraktionen für Häupl gestimmt haben. Im Rahmen der Angelobung bei Bundespräsident Heinz Fischer äußerte sich Häupl zur Wiederwahl. Das schwache Ergebnis war ihm völlig egal. Zu den Kritikern von Rot-Grün auch innerhalb seiner eigenen Partei sagte Häupl: Ich setze mich jederzeit gerne damit auseinander. Mit einem noch knapperen Ergebnis wurde Vassilakou als Stadträtin bestätigt: Bei zwei Enthaltungen schaffte sie mit genau 50 Unterstützern gerade noch die nötige Mehrheit aller abgegebenen Stimmen. Aber auch die SPÖ-Stadträtinnen wurden abgestraft: Sonja Wehsely, Ulli Sima, Sandra Frauenberger und Renate Brauner, die ihren Vizebürgermeistertitel an Vassilakou abgeben musste, erhielten – bei zwei Enthaltungen – nur 51 Stimmen. Andreas Mailath-Pokorny und Michael Ludwig wurden hingegen deutlich bestätigt, sie müssen auch von Nichtregierungsfraktionen gewählt worden sein. Kulturstadtrat Mailath-Pokorny unterstützten 60 Mandatare, Wohnbaustadtrat Ludwig erhielt 81 von 98 gültigen Stimmen. Ludwig gilt innerhalb der SPÖ als Verbinder zu den Freiheitlichen, die die vermutete Nähe dementsprechend honorierten. Wobei die FPÖ mit ihrem Votum sicher auch Öl ins Feuer gießen wollte. In seiner Regierungserklärung kündigte Häupl zusätzliche Investitionen vor allem in Wohnungen, Kindergärten und Schulen, in Gesundheit und Soziales, in ökologische Mobilität, Umwelt- und Klimaschutz sowie erneuerbare Energien an. Mit Rot-Grün werde Wien den Weg in dieses neue Jahrtausend beschreiten, sagte Vassilakou. SPÖ und Grüne würden aber sicher nicht in jedem Punkt einer Meinung sein – das ist gut so, das ist richtig so, das ist Demokratie. Der erste freiheitliche Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus kündigte an, wenn notwendig der Stadtregierung auf die Finger zu klopfen. 'Stadtbudget sollte bis 2016 ausgeglichen sein, Voranschlag sieht aber 350 Millionen Euro Neuverschuldung vor. Wien – Wien macht weiter Schulden. Das zeigt der am Mittwoch vom Finanzstadtratsbüro veröffentlichte Budgetvoranschlag: Im kommenden Jahr rechnet die Stadtregierung mit Einnahmen in der Höhe von 12,59 Milliarden Euro. Dem stehen allerdings 13,10 Milliarden an Ausgaben für 2016 gegenüber. Die vorab angekündigte Null-Euro-Neuverschuldung dürfte damit ausbleiben. Stattdessen sind im Budgetvoranschlag schon jetzt zusätzliche 346 Millionen Euro zu dem bereits existierenden Schuldenstand von 5,46 Milliarden ausgeschildert. Damit erreicht Wien mit rund 5,8 Milliarden Euro – wie schon in den vergangenen Jahren – wieder eine neue Rekordverschuldung. Dabei hatte der Stabilitätspakt 2012 für Wien ursprünglich einen ausgeglichenen Haushalt vorgesehen. Klar ist, dass das geplante Nulldefizit, das bis 2016 geplant war, aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht möglich sein wird, sagt Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ) zum STANDARD. Vor fünf Jahren sei man von einer positiven konjunkturellen Entwicklung ausgegangen, die aber nie eingetreten sei. Die Wirtschaftsentwicklung ist bestenfalls ausgeglichen, sagt Brauner. Der Stabilitätspakt lasse daher mit strukturellem Defizit auch kommendes Jahr eine Neuverschuldung zu: Die Höhe ist noch Verhandlungssache. Ob es bei den beanschlagten 346 Millionen bleiben wird, ist aber noch unklar. Wien steht vor immer größeren Herausforderungen. Wir wachsen immer weiter, betont Brauner. Zusätzliche Verkehrsmittel, Schulen und Parkanlagen würden eben Geld kosten. Wir wollen gleichzeitig die Investitionen hochhalten, sagt die rote Stadträtin. Insgesamt sind 2,89 Milliarden Euro als Investitionssumme im Budget ausgeschildert Niedermühlbichler: Schwarz-blau im Bund wird von Teilen der ÖVP vorbereitet – Blümel beklagt "Auszucker" der Roten. Die Streitereien zwischen den Parteien der Bundesregierung, SPÖ und ÖVP verlagerten sich am Samstag auf Wiener Ebene: Der heftigen Kritik des SPÖ-Landesparteisekretärs Georg Niedermühlbichler an der Bundes-ÖVP folgte eine nicht minder scharfe Reaktion des Wiener ÖVP-Chefs Gernot Blümel. Er bezeichnete die Aussagen Niedermühlbichlers völlig jenseitig und sieht darin einen neuen Tiefpunkt. Schwarz-Blau auf Bundesebene Niedermühlbichler warf zunächst der Bundes-ÖVP vor, mit absurden Vorschlägen und Vorwürfen Wien-Bashing zu betreiben.. Seiner Ansicht nach steckt dahinter durchaus System: Ich glaube, dass da Teile der ÖVP ein eigenes Spiel spielen und versuchen Schwarz-Blau auf Bundesebene vorzubereiten. Der rote Parteimanager stößt sich etwa an der Kritik von Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz, der zuletzt Versäumnisse des Rathauses in Sachen muslimische Kindergärten geortet hatte. Ich weiß nicht, ob er sich im Ausland auskennt, aber in Wien kennt er sich sicher nicht aus, weil sonst könnte er solche Aussagen nicht tätigen. Offenbar ist ihm eine schnelle Schlagzeile lieber als fundierte Recherche und konstruktive Sacharbeit, mutmaßte Niedermühlbichler. Kurz wolle sich vielleicht als Nachfolger für irgendwen profilieren. Damit solle er jedoch Wien in Ruhe lassen. Seine Aussagen würden nur für Verunsicherung sorgen: Er hat bis heute nicht sagen können, welche Kindergärten es da gibt. Er bedient offenbar ein rechtes Klientel in Vorbereitung auf Schwarz-Blau. Kurz wäre gut beraten, sich um internationale Agenden zu kümmern. Als Integrationsminister falle ihm außer blöd reden nicht viel ein. Kritik an Gesundheitssystem Auch sei es ein Treppenwitz der Geschichte, wenn ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka das Wiener Gesundheitssystem attackiere: Weil er war ein Teil des schwarz-blauen Systems. Damals ist Kranksein massiv teurer geworden, es wurden die Ambulanzgebühren eingeführt, es wurde die Rezeptgebühr erhöht. Alles, was Patienten benachteiligt hat, wurde damals gemacht. Wien hat versucht, so gut wie möglich dagegenzuhalten. Offensichtlich gebe es einige in der Bundes-ÖVP, die anstatt Erfolge der Regierungsarbeit zu bewerben – also etwa die Steuerreform – sich lieber auf Wien oder die SPÖ einschießen würden. Das sei offensichtlich ein Plan von Teilen der Volkspartei – wenn auch ein sehr durchsichtiger, wie Niedermühlbichler konstatierte. Blümels sieht Auszucker Blümels Kommentar dazu: Die SPÖ sei dadurch offensichtlich an einem sehr wunden Punkt getroffen, anders seien die Auszucker Niedermühlbichlers nicht zu erklären. Anstatt berechtigte Kritik an den Schwachstellen in Wien ernst zu nehmen und zu handeln, würden Häupl, Wehsely, Niedermühlbichler und Co. aber nur ihre gekränkte Eitelkeit öffentlich zur Schau stellen, in ihrem Trotz verharren – und das abgedroschene linke Schreckgespenst namens Schwarz-Blau aus der politischen Mottenkiste kramen. Laut dem Gutachten von Verwaltungsrechtler Hauer müsste Häupl den FPÖ-Politiker schicken, wenn er sich vertreten lassen will. Wien – Wer vertritt Wiens Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) im Verhinderungsfall als erstes – FPÖ-Vizebürgermeister Johann Gudenus oder die grüne Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou? Aufgrund des unklaren rechtlichen Rahmens gab es nach der Wien-Wahl über die Reihenfolge der Vertretung Debatten. Ein von den Blauen beauftragtes Gutachten kommt nun zum Schluss: Der erste Vize Häupls muss Gudenus sein. Das siebenseitige Schreiben, das der APA vorliegt, wurde vom Linzer Verwaltungsrechtler Andreas Hauer erstellt. Dieser kommt nach diversen Erörterungen zum eindeutigen Schluss: Der Wiener Bürgermeister Dr. Michael Häupl wird ... im Verhinderungsfall durch Vizebürgermeister Mag. Johann Gudenus und – wenn auch dieser verhindert ist – durch Mag. Maria Vassilakou vertreten. Zum Hintergrund: Die FPÖ stellt mit Gudenus in dieser Legislaturperiode erstmals einen Vizebürgermeister, obwohl die Blauen nicht in Regierungsfunktion sind. Möglich ist das, weil die Stadtverfassung vorschreibt, dass einer Fraktion dieser Posten automatisch zusteht, wenn sie mehr als ein Drittel der 100 Mandate innehat. Die Freiheitlichen schafften beim Wiener Urnengang im Oktober 34 Mandate. Der andere Vizeposten wäre der SPÖ als stärkste Fraktion zugestanden. Für diesen Fall hätte die Stadtverfassung klar den SPÖ-Vertreter als ersten Vize Häupls gesehen. Gehören die Vizebürgermeister verschiedenen Parteien an, dann wird der Bürgermeister von jenem Vizebürgermeister vertreten, der der stärksten Partei des Gemeinderates angehört. Ist auch dieser verhindert, so wird der Bürgermeister von dem anderen Vizebürgermeister vertreten, heißt es dazu in Paragraf 94, Absatz 2 der Stadtverfassung. Die komplizierte Ausgangslage ergibt sich allerdings daraus, dass die SPÖ ihren Vizeposten freiwillig den Grünen und damit Vassilakou überlassen hat. Die Vorgangsweise für diesen Fall – also dass keiner der beiden Stellvertreter der stärksten Partei angehört – ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen und stelle damit eine Lücke im Regelungssystem dar, hält Hauer fest. Der Gutachter argumentiert, dass diese Lücke nun in Analogie zur sachnächsten Regelung – also zum vorhin zitierten Paragraf 94, Absatz 2, der Stadtverfassung – zu füllen sei. Dieser beruhe auf den Prinzipien, dass unter anderem auf die Stärke der Parteien des Gemeinderates abzustellen sei und eine Reihenfolge nach der Stärke der verschiedenen Parteien des Gemeinderates vorzunehmen sei. Damit liegt ... nahe, dass auch in dem Fall, in welchem keiner der beiden Vizebürgermeister der stärksten Partei des Gemeinderates angehört, nach der Parteiangehörigkeit und nach der (relativen) Stärke der Parteien zu reihen ist, interpretiert der Uniprofessor. Das entspreche auch dem Gedanken demokratischer Repräsentation: Der Bürgermeister soll zunächst durch jenen Vizebürgermeister vertreten werden, der ... den stärkeren Rückhalt im Wahlvolk hat. Nach dieser Logik sieht die Vertretungsreihenfolge Gudenus vor Vassilakou. Denn die FPÖ verfügt derzeit über 34 Mandate, die Grünen über lediglich zehn. Der eventuelle Einwand, Vassilakou sei ja auf Vorschlag der SPÖ und damit doch von der stimmenstärksten Partei zur Vize gewählt worden, verfange nicht, meint Hauer. Denn die Stadtverfassung stelle klar auf die Angehörigkeit zu Parteien ab und nicht auf Vorschlagsverhältnisse. FPÖ-Klubchef Dominik Nepp freut sich wenig überraschend über das Ergebnis des beauftragten Gutachtens. Man werde Häupl mit dem Gutachten konfrontieren, wenn er das nächste Mal einen anderen Vertreter schickt und damit die Stadtverfassung bricht, kündigte er an. Im politischen Tagesgeschäft ist es Usus, dass Häupl Vertreter der Regierungsparteien schickt, wenn er selbst einen Termin nicht wahrnehmen kann. Zuletzt gab es jedoch auch hier eine Ausnahme. Die Angelobung des neuen City-Bezirksvorstehers Markus Figl (ÖVP) wurde auf Bitte des Stadtchefs vom nicht amtsführenden VP-Stadtrat Gernot Blümel vorgenommen. Der Wunsch der Blauen, dass Gudenus dies tun darf, wurde von Häupl nicht gebilligt. Ein Drittel der Mitarbeiter soll wegen geringerer Parteienförderungen entlassen werden. Wien – Was Gernot Blümel, Chef der ÖVP Wien, am Mittwoch sagte, war dem erstaunlich ähnlich, was SPÖ-Chef Michael Häupl am Dienstag verkündet hatte. Die nach der Wien-Wahl im Oktober angekündigten Reformbestrebungen klingen bei den Roten so: Raus aus den Sektionslokalen, hin zu den Leuten. Und bei den Schwarzen nur unwesentlich anders: Raus aus den Parteilokalen, hin zu den Menschen. Der Unterschied besteht laut Blümel darin, dass die SPÖ redet und wir tun. Neben vermehrtem Bürgerkontakt wollen sich die Stadtschwarzen künftig für Pop-up-Stores und Tourismuszonen einsetzen und den Leerstand in Erdgeschoßlokalen anprangern. Das sei auch der Grätzelbelebung zuträglich – ein Wording, das sonst gern von den Wiener Grünen bemüht wird. Bürgerlicher, jünger und weiblicher solle die Wiener ÖVP werden, so Blümel. Und weil sie eine Kleinpartei mit den Strukturen einer Großpartei sei, soll der Apparat schlanker werden. Das heißt etwa, dass Gremien abgeschafft oder zusammengelegt werden. Details sollen bis zum Landesparteitag am 1. und 2. April stehen. Bei dem Termin soll Blümel offiziell zum Landesparteichef gewählt werden. Beim Reformprozess der Stadtschwarzen ist allerdings Sparen angesagt. Denn wegen der Stimmenverluste bei der Wien-Wahl würden die Parteienförderungen um rund ein Drittel geringer ausfallen als bisher, sagte Blümel. Ein Drittel der Mitarbeiter soll deshalb entlassen werden. Es sei ein schmerzlicher Weg. Eine konkrete Mitarbeiterzahl wollte der Parteichef nicht nennen. Außerdem ist ein Umzug der Parteizentrale an einen günstigeren Standort sowie das Vermieten oder Verkaufen von Parteilokalen angedacht. Die ÖVP erreichte bei der Wiener Gemeinderatswahl 9,24 Prozent. Das ist gegenüber 2010 ein Verlust von 4,75 Prozentpunkten oder rund einem Drittel (29.000) der Wählerstimmen. Die Parteienförderung wird anteilig nach Parteistärke aufgeteilt. Schwarze fordern Rücktritte – Pinke vermissen Leidenschaft und haben 24 Vorschläge "für ein besseres Wien". Wien – Mit morgigem Donnerstag ist die zweite Auflage der rot-grünen Wiener Stadtregierung genau 100 Tage im Amt. Angesichts des Jubiläums hagelte es schon am Mittwoch Kritik von ÖVP und Neos. ÖVP-Chef Gernot Blümel zog in einer Pressekonferenz eine Bilanz des Scheiterns und forderte Rücktritte. Weniger scharf urteilte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger, die 24 Vorschläge für ein besseres Wien machte. 100 Tage Rot-Grün II sind 100 verlorene Tage für die Wienerinnen und Wiener, meinte Blümel. Zu den 100 Baustellen, die die Wiener ÖVP sieht, zählen vor allem der Schuldenstand und die Rekordarbeitslosigkeit. Blümel forderte eine Ausgabensenkung, die Umsetzung des Lobautunnels sowie die Liberalisierung der Bauordnung für die Wirtschaft. Mystery-Shopping im islamischen Kindergarten Längst rücktrittsreif ist für Blümel Vizebürgermeisterin und Verkehrsstadträtin Maria Vassilakou (Grüne) – nicht zuletzt, um ihre Ankündigung im Falle von Verlusten bei der Wien-Wahl endlich wahr zu machen. Auch SP-Klubchef Christian Oxonitsch, der in seiner damaligen Funktion als Stadtrat für das Desaster rund um die Islam-Kindergärten verantwortlich, sowie die jetzt dafür zuständige Ressortchefin Sonja Wehsely (SPÖ) forderte er zum Rücktritt auf. Als Reaktion auf den Bericht zu islamischen Kindergärten will er außerdem unmittelbare Maßnahmen wie ein Mystery-Shopping-System, bei dem 100 Kontrolleure unangekündigt die Kindergärten überprüfen sollen, eine Neuaufstellung der Fördervergabe und deutschsprachige Pädagogen. Den Wiener Neos ging es vor allem darum, konstruktive Vorschläge zu bringen, sagte Meinl-Reisinger. Sie gab der Stadtregierung noch 24 Stunden Zeit, um ihre 24 Vorschläge umzusetzen. Zu den pinken, großteils bereits bekannten Forderungen zählen die Einführung einer Schuldenbremse, eine transparente Auftragsvergabe sowie ein Verbot von Aufträgen der öffentlichen Hand an parteinahe Unternehmen, die Halbierung der Parteienförderung und des Inseratenbudgets sowie eine Qualitätsoffensive im Kindergarten. Nicht alles schlecht, aber leidenschaftslos Meinl-Reisinger fand auch ein paar positive Worte: Sie begrüße das kürzlich beschlossene Jugendcollege für Flüchtlinge, die angekündigte Wohnbauoffensive sowie den Beschluss der Wahlrechtsreform – auch wenn diese nicht weit genug gehe. Den dringendsten Handlungsbedarf sehen die Neos in der Schuldenpolitik, beim Thema Transparenz und Anti-Korruption und im Umgang mit der Flüchtlingskrise. Sie vermisse eine aktive und ehrliche Kommunikation in der Flüchtlingsfrage, sagte Meinl-Reisinger: Ich erwarte mir, dass sich der Bürgermeister jede Woche in der Stadthalle hinstellt und die Bürger einlädt. Insgesamt beurteilte Neos-Frontfrau die bisherige Performance der Stadtregierung wenig begeistert. Ich würde es vergleichen mit einem Mitarbeiter, der innerlich schon gekündigt hat, sagte sie. Ich vermisse die Leidenschaft. (2.3.2016) Bei ihrer Klubklausur wollte die Partei ihre Basis besänftigen. Der Plan ging nicht auf.. Wien – Es lief ganz anders, als es sich die Wiener SPÖ eigentlich gewünscht hätte. Bei ihrer Klubtagung am Donnerstag und Freitag wollte sie Einigkeit demonstrieren, die Bedeutung der Bezirke stärken und die Genossen auf geplante Projekte einschwören. Die Leistungen der Partei in den verschiedenen Bezirken sollten gewürdigt, die rote Basis sollte besänftigt werden. Als Tagungsort wurde nicht wie traditionell üblich das burgenländische Rust am Neusiedler See gewählt, sondern das Colosseum XXI in Wien-Floridsdorf – also in jenem großen Flächenbezirk, in dem die SPÖ bei der Wahl 2015 gerade noch und nur dank der Briefwahlstimmen den ersten Platz vor den Freiheitlichen halten konnte. Geblieben ist nach der eineinhalbtägigen Klausur vor allem die Erkenntnis, dass die Partei in der Flüchtlingsfrage weiter tief gespalten ist. Die Protestaktion der Parteijugend bei der Rede von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) inklusive Trillerpfeifen und Plakaten (Raus aus dem rechten Eck, Werner, Des gibt a Blaue! Abpfiff für Faymann! und Spielerwechsel) lieferte den Auftakt zu einer stundenlangen Debatte über die Flüchtlingsthematik. Der eigentlich von der Wiener Partei gewünschte Fokus auf die Rückeroberung der Grätzeln rückte völlig in den Hintergrund. Bürgermeister Michael Häupl verteidigte den harten Kurs Faymanns in der Asylpolitik. Auch der rote Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer, der am Freitag vor den Genossen sprach, stellte sich hinter die von Faymann vertretene Obergrenze von 37.500 Flüchtlingen pro Jahr. Die Regierung habe richtig gehandelt und ein Signal nach innen und außen gesetzt. Andere, etwa die Gemeinderäte Tanja Wehsely und Omar Al-Rawi, sahen die Wortmeldungen Faymanns auf offener Bühne weit kritischer. Auch Marina Hanke, Gemeinderätin und Vorsitzende der Sozialistischen Jugend Wien, sagte, es sei nichts Neues, dass die Rechten die Gesellschaft spalten wollen. Dass Teile der Sozialdemokratie auf diesen Zug aufspringen, sei aber neu. Hinter vorgehaltener Hand wurde von einigen Genossen der Unmut noch deutlicher formuliert: So würde Faymann es schaffen, einen 180-Grad-Richtungsschwenk in der Flüchtlingsfrage zu vollziehen, ihn aber öffentlich abstreiten. Einige Rote halten es nicht für ausgeschlossen, dass es parteiintern weitere Vorstöße und Aktionen gegen die von Faymann vertretene Linie geben könnte. Von einer zerrissenen Wiener SPÖ könne aber keine Rede sein, sagte Häupl: Da ist keine Spaltung, höchstens eine dünne Holzfaser. Der Baum steht fest. Dass Häupl Kürzungen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung für Flüchtlinge ausschließt, werde Wien im Vergleich zu anderen Bundesländern, wo Verschärfungen geplant sind oder bereits umgesetzt wurden, künftig noch attraktiver machen, sagte am Freitag Beate Meinl-Reisinger, Klubchefin der Wiener Neos. Um die Stadt zu entlasten, schlug sie einen Wohnsitzzwang vor. Asyl- und subsidiär Schutzberechtigte sollen verpflichtet werden, in einem bestimmten Bundesland zu leben. Birgit Hebein, Sozialsprecherin der Grünen Wien, bezeichnete den Vorschlag als schlecht verkleidete Kopie des Populismus von FPÖ und ÖVP. Denn er sei grundrechtswidrig und leicht umgehbar. Hebein plädiert für einen bundesweiten Ausgleichsfonds: In diesen sollen die Länder, die ihre Quoten bei der Flüchtlingsunterbringung nicht erfüllen, einzahlen und so die Mehrkosten jener Länder abdecken, die wie Wien mehr Flüchtlinge unterbringen als vorgesehen. Für ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel ist dieser Vorschlag eine Absurdität. Stadtweit relevante Entscheidungen sollen zentral gefällt werden. Wien – Wien wächst – worauf die Struktur der Bezirksverwaltung derzeit aber nicht wirklich Rücksicht nimmt. So werden etwa Innenstadt-Bewohner stärker repräsentiert als jene in Randbezirken, die Tätigkeit als Bezirksrat ist noch immer eine Freizeitbeschäftigung und überregionale Interessen werden von den Bezirken gerne torpediert, wie eine von der Arbeiterkammer initiierte Studie ergeben hat. Durchgeführt wurde die Erhebung von der Projekthaus GmbH, deren Vertreter Cornelia Krajasits und Adolf Andel am Donnerstag die Eckpunkte präsentierten. Konstatiert wurde etwa, dass die politischen Vertreter in den Bezirken – vor allem die Vorsteher – kaum über tatsächliche Kompetenzen verfügen, ohne deren Zustimmung aber kaum Entscheidungen im Rathaus getroffen werden. Dem entsprechend wird von der Möglichkeit, zu verzögern oder gar zu verunmöglichen, immer wieder Gebrauch gemacht. Die aus übergeordneter Sicht erforderlichen Maßnahmen der Stadtentwicklung werden auf Stadtteilebene tendenziell behindert, lautet eine der Schlussfolgerungen. Der Bezirksvorsteher als zentraler Player verfügt generell über eine relativ gewichtige Rolle – auch weil er für seine Arbeit meist nicht auf Mehrheiten Rücksicht nehmen muss. Der Spitzenrepräsentant kommt automatisch von der stärksten Fraktion, Koalitionsverhandlungen sind nicht nötig. Auch sind Innenbezirke besser repräsentiert. So betreut ein Bezirksrat in der City rein rechnerisch 408 Einwohner, einer in Favoriten 3.162. Ähnlich sieht es auch beim Budget aus. Jene Bezirke mit den, wie es hieß, größten sozialen Herausforderungen haben die geringsten Budgets, nämlich Favoriten, Ottakring, Margareten und Rudolfsheim-Fünfhaus. 51 Prozent der den Bezirken zugewiesenen Budgets entfallen übrigens auf Schulen und Straßenbau. Am unteren Ende der Liste findet sich mit 1,1 Prozent etwa die Kultur. Für Thomas Ritt, den Leiter der Abteilung Kommunalpolitik in der Arbeiterkammer Wien, ergeben sich aus der Studie eine Reihe von Denkanstößen, die nun mit der Politik diskutiert werden sollen. So empfiehlt er, das Ungleichgewicht durch eine Änderung der Ressourcen oder gar durch einen Neuzuschnitt bei den Bezirken zu ändern. Weniger, aber größere Verwaltungseinheiten könnten eine Professionalisierung der Bezirkspolitik bewirken, befand der AK-Vertreter. Zudem sollten die Zuständigkeiten zwischen Stadt und Bezirken klar geklärt werden. Das könne etwa bedeuten: Entscheidungen, die sich auf die gesamte Stadt auswirken, sollen konsequent zentral entschieden werden. Dass etwa auf Druck eines Bezirkes die am stärksten frequentierte Buslinie zu einem Umweg gezwungen werde, soll künftig nicht mehr möglich sein. Ritt bezog sich damit auf die im Rahmen des Umbaus der Mariahilfer Straße ausgetüftelte neue Streckenführung für den 13A. Gleichzeitig müsse die Arbeit der Bezirksvertreter attraktiver werden, fordert die Arbeiterkammer. Bezirksräte hätten etwa wichtige Funktionen bei behördlichen Lokalaugenscheinen. Die Funktion werde jedoch nicht hauptberuflich ausgeübt, wodurch wenig Zeit für solche Tätigkeiten bleibe. Empfohlen wird, zumindest über zwei hauptamtliche Bezirksstadträte pro Bezirk nachzudenken. Auch eine Verteilung von Aufgaben und Geld nach sozialen Gesichtspunkten wird als sinnvoll erachtet. Sprich: Die Mittel für Grätzel mit mehr Kindern, älteren Menschen oder Migranten sollten aufgestockt werden. Dies würde es den Bezirken ermöglichen, soziale und kulturelle Projekte besser zu fördern, hieß es. (21.4.2016) Kritik an Finanzstadträtin Brauner bei Sondergemeinderat auf Verlangen der FPÖ – SPÖ und Grüne verteidigen sukzessiven Ausstieg. Wien – Im Wiener Rathaus ist am Mittwoch über den Plan der Stadtregierung, sukzessive aus den in Schweizer Franken aufgenommenen Krediten auszusteigen, diskutiert worden. Die FPÖ drängte im Rahmen der von ihr einberufenen Sondersitzung des Gemeinderats einmal mehr auf den sofortigen Ausstieg, SPÖ und Grüne verteidigten ihr Vorgehen. Rot-Grün plant, bis zum Ende der Legislaturperiode 2020 aus den Frankenkrediten auszusteigen. Es ist vorgesehen, die Umschichtung in Euro-Darlehen in Teilbeträgen von zumindest 150 Millionen Franken (derzeit rund 138 Millionen Euro, Anm.) durchzuführen. Insgesamt beträgt das Wiener CHF-Portfolio 1.992,7 Millionen Franken. Wir wollen einen Komplettausstieg aus den Schweizer Franken. Das ist der einzig richtige Weg, bekräftigte FPÖ-Klubchef Dominik Nepp die Position seines Klubs, indem er sich auf internationale Finanzexperten berief. Nepp sprach von einem Versagen von Finanzstadträtin Renate Brauner (SPÖ). Der Umgang mit den Schweizer Frankenkrediten zeigt, wie hilflos und ahnungslos die Frau Stadträtin ist, sagte Nepp. Den Plan von Rot-Grün, einen Ausstieg auf Raten durchzuführen, nannte Nepp eine halbherzige Lösung. Es gebe Prognosen, dass der Franken eher stärker als schwächer wird, meinte Nepp, das Abwarten verstehe er daher nicht. Sie spekulieren weiter mit Geld, das Ihnen nicht gehört, so was ist eigentlich schäbig, Frau Stadträtin, griff Nepp Bauner an. Eine Dauer von fünf Jahren sei viel zu lange, man solle stattdessen die außerordentlich günstige Zinslage nützen und sofort konvertieren. Auch die Neos kritisierten das Vorgehen der Stadt und legten einen eigenen Vorschlag zum Ausstieg vor, der die Umschichtung in monatlichen, kleineren Tranchen vorsieht, was das Risiko minimieren würde, so der Wirtschaftssprecher der Neos, Markus Ornig. In einem österreichischen Spielcasino hätten sie, Frau Brauner, vermutlich längst Hausverbot, meinte Ornig. Insgesamt 450 Millionen Euro hätten die Frankenkredite seit 2006 an Schulden eingebracht. Sie haben gezockt und sie habens verbockt, sagte er in Richtung der Stadtregierung. ÖVP-Klubchef Manfred Juraczka kritisierte ebenfalls, dass die Stadt zu spät regiert habe. Die ÖVP habe seit vielen Jahren gefordert, aus den Frankenkrediten auszusteigen. So darf man mit Steuergeldern in dieser Stadt nicht umgehen, sagte Juraczka. Den Ausstiegsplan der Stadt hält er jedoch für sinnvoll: Wenn man in Tranchen abschmilzt, ist das durchaus eine vernünftige Idee. Ob monatlich oder halbjährlich – wir alle wissen nicht, was der beste Weg ist, Hauptsache es wird damit begonnen. Der Budgetsprecher der Wiener Grünen, Martin Margulies, und SPÖ-Mandatar Thomas Reindl verteidigten das Vorgehen der Stadt. Margulies räumte aber ein, dass es in der gegenwärtigen Situation nicht die eine oder andere absolut richtige Entscheidung gebe. Es ist legitim zu sagen, wir zahlen alles auf einmal zurück, sagte Margulies zur Forderung der FPÖ. Es stimmt, es würde das Risiko auf Null reduzieren. Seitens der Grünen sei immer vollkommen klar gewesen, dass Fremdwährungskredite nicht sinnvoll seien. Jetzt geht es darum, einen Ausstieg zu ermöglich, unseres Erachtens über die Legislaturperiode hinweg, sagte Margulies. Er halte den Plan für richtig, für gut und auch für zukunftsweisend, sagte Reindl. Damit könne man das Risiko streuen, lasse aber auch Spielraum, dass wir auch weit mehr abbauen können. Ich sage auch nicht, dass alles, was von der Opposition kommt, falsch ist, räumte auch er ein. Zur Forderung der FPÖ nach einem sofortigen Komplettausstieg, meinte Reindl: Man kann es schneller machen, man kann es langsamer machen. Der Plan der Stadt lege lediglich ein Minimum fest. Wie sich das Wahlverhalten von Grätzel zu Grätzel in Wien, Graz, Salzburg, Innsbruck und Linz unterscheidet. Alle neun Landeshauptstädte sind in der Hand von Alexander Van der Bellen. Der Stimmenanteil des designierten Bundespräsidenten liegt zwischen 50 und 64 Prozent. In Salzburg, Graz, Innsbruck, Linz und Wien pendelte der Stimmenanteil vor Auszählung der Wahlkarten zwischen 64 und 50 Prozent. In den fünf größten Städte Österreichs – Salzburg, Graz, Innsbruck, Linz und Wien – lassen sich die Wahlergebnisse auf einer höheren Detailebene betrachten, nämlich auf Ebene der Wahlsprengel. Dabei wird ersichtlich, dass innerhalb der Städte Bruchlinien im Wahlverhalten verlaufen. Wichtig: In den auf der Karte dargestellten Ergebnissen sind Briefwähler nicht enthalten. Diese werden nur Bezirken zugeordnet, nicht den einzelnen Wahlsprengeln. Damit der Einfluss der Wählergruppe, die das Ergebnis gedreht hat, abzuschätzen ist, hier das Wien-Ergebnis vor und nach Auszählung der Briefwahlstimmen. Salzburg: Weniger Unterstützung für Van der Bellen im Norden Der Vorher-nachher-Vergleich des Wahlergebnisses ohne und mit Briefwählern in Salzburg: Für Linz sind Visualisierungen auf Ebene der Wahlsprengel nicht möglich. Die Aufteilung ist historisch so gewachsen, dass manche Wahlsprengel keine zusammenhängende Grenze haben, sondern über die Stadt verteilt sind. An der Behebung wird, so heißt es im Magistrat, gearbeitet. Gezeigt werden kann aber die Aufteilung der Stimmen in den Bezirken innerhalb von Linz. Der Vorher-nachher-Vergleich des Wahlergebnisses ohne und mit Briefwählern in Linz: Mit 63,1 Prozent hat der Kaunertaler in der Stadt Innsbruck eines seiner besten Ergebnisse in einer Landeshauptstadt eingefahren. Der Vorher-nachher-Vergleich des Wahlergebnisses ohne und mit Briefwählern in Innsbruck: In Graz hat der designierte Bundespräsident sein bestes Ergebnis in einer Landeshauptstadt erreicht: 64,4 Prozent aller Wähler haben Van der Bellen ihre Stimme gegeben. Der Vorher-nachher-Vergleich des Wahlergebnisses ohne und mit Briefwählern in Graz: Update: Danke User sandgassenhero für den freundlichen Hinweis auf Fehler bei den Ortsbezeichnungen in Graz. Es heißt natürlich St. Leonhard, nicht St. Leonhardt. Und wo wir am Grazer Ostufer einen Museumsplatz gefunden haben erschließt sich uns am Tag danach auch nicht mehr. Der Bezirksrat in Wien-Landstraße wurde mit 16 bei einem Gespräch mit Strache überzeugt. Wien – Zwischen Michael Stumpf und Heinz-Christian Strache passt kein Blatt Papier. Ich glaube, dass wir Freiheitlichen die Möglichkeit haben, bei der Wahl am 11. Oktober Geschichte zu schreiben, sagt der 27 Jahre junge FPÖ-Bezirksrat in Wien-Landstraße. Das ist fast ident das Wording, das der FPÖ-Chef seit Monaten verwendet. Stumpf weiter: Ich bin überzeugt, dass bei uns Freiheitlichen ein Dreier vorne stehen wird. Eine Aussage, die ganz nach der Vorgabe Straches kommt. Stumpf ist einer von fünf, sechs freiheitlichen Nachwuchspolitikern, die an aussichtsreichen Positionen für den Gemeinderat kandidieren. Auf der Landesliste ist er zwar nur auf Platz 21 gereiht. In den Wahlkreisen Liesing und Brigittenau hat er als jeweils Zweiter der FPÖ-Liste via Grundmandat aber durchaus Chancen auf den Einzug. Für die Freiheitlichen hat sich Stumpf als 16-Jähriger entschieden. Das war knapp vor der Wien-Wahl 2005, als er das erste Mal wählen durfte. Die erste Begegnung mit seinem großen politischen Vorbild Strache am Rochusmarkt in seinem Heimatbezirk Landstraße hat ihn überzeugt. Ich habe ihn nur vom Fernsehen gekannt. Er ist ohne Berührungsängste zu mir gekommen, hat mich gleich angesprochen, wollte wissen, was ich so mache. Das hat mir imponiert. Am Rochusmarkt fährt auch der Bus 74A vorbei. Die Strecke durch den Dritten hat sich Bezirksrat Stumpf für das Gespräch mit dem STANDARD ausgesucht. Ich bin im Bezirk in der Rudolfstiftung geboren, war hier in der Schule, habe die Handelsschule absolviert. Ich lebe hier, meine Familie lebt hier. Ich liebe den Dritten. In Landstraße stellt die SPÖ seit 1946 den Bezirksvorsteher. Der Bezirksvertretung spricht Stumpf, der im Dritten auch FPÖ-Klubobmann-Vize ist, gar Lob aus. Die Zusammenarbeit der Parteien würde gut funktionieren. Das würde ich mir auch von der SPÖ in Wien wünschen. Dass sie die Ausgrenzungspolitik gegenüber der FPÖ beendet. Wobei auch die Freiheitlichen selbst ausgrenzen: Im Juni demonstrierten FPÖ-Funktionäre gegen das Erdberger Asylquartier in Wien-Landstraße. Nein zum Asylantenheim stand auf Schildern, die Flüchtlingen entgegengehalten wurden. Stumpf war bei der Demo dabei. Solche Heime sollen nicht in Ballungszentren errichtet werden, sagt er. Die Anrainer hätten Angst. Erst vergangene Woche habe es im Quartier in Erdberg eine Messerstecherei gegeben. Im ganzen Dritten gebe es keine geeignete Fläche für ein Asylquartier. Wo man diese sonst in Wien errichten soll? Stumpf: Das muss man sich anschauen. Stumpf, Student der Politikwissenschaft in Wien, arbeitet 20 Stunden pro Woche als parlamentarischer Mitarbeiter für den FPÖ-Nationalratsabgeordneten Thomas Schellenbacher. Bei seiner Arbeit als Bezirksrat gefällt Stumpf die Veränderung im Kleinen, wie er sagt. Als Erfolgsbeispiel nennt er die Entfernung eines Radständers, an dem nur noch Fahrradleichen angehängt gewesen seien. Der Radständer hat Parkplätze für fünf Autos weggenommen. Sein Antrag im Bezirk sei erfolgreich gewesen. Stumpf ist Multiverkehrsmittelbenutzer. Er besitzt die Öffi-Jahreskarte, fährt mit dem Rad, ist Carsharing-Nutzer. Was ihn stört, sei die grüne Hetze gegen Autofahrer. Mit wahnwitzigen Ideen wie Begegnungszonen müsse Schluss sein. Bei den öffentlichen Verkehrsmitteln müsse in der Nacht-U-Bahn am Wochenende mehr für die Sicherheit getan werden. Wir brauchen mehr U-Bahn-Polizei, wir brauchen mehr Wache. Stumpf ist wie Strache Mitglied der deutschnationalen Wiener pennale Burschenschaft Vandalia. Stumpf schätzt die Werte der Kultur- und Traditionspflege, das Netzwerk sei nebensächlich. Das, was ich geschafft habe, habe ich aufgrund meines Engagements erreicht. (Text: David Krutzler, Video: Maria von Usslar, 1.10.2015) Der Neos-Jungkandidat will die Wiener Politik verjüngen. Thematisch setzt er dabei auf Bildung. Wien – Wenn Christoph Wiederkehr über Politik spricht, merkt man, dass er selbst schon lange ein Teil davon ist. Bei dem Jugendkandidaten der Neos für die Wien-Wahl am 11. Oktober sitzt jeder Spruch. Er ist ein Junger, aber kein Neuer im Politikgeschäft. Erfahrung sammelte der 25-Jährige bereits während seines Politikwissenschaftsstudiums: Als Spitzenkandidat der Jungen Liberalen, der Vorgängerfraktion der Jungen liberalen Studierenden (Junos), bei den ÖH-Wahlen 2013 beginnt sein politischer Lebenslauf. Er übernahm den Vorsitz der Junos und die Opposition in der Hochschülerschaft, Spielwiese für den Parteinachwuchs. Es wäre gut, einen stärkeren Anreiz für Menschen zu schaffen, auch für einzelne Strecken die Öffis zu nutzen, sagt Wiederkehr, der auf Listenplatz fünf der Neos um den Einzug in den Gemeinderat kämpft. Der Einzelfahrschein soll, wenn es nach ihm geht, um 1,90 Euro zu erstehen sein. Zudem solle ein Ticket für Jungfamilien eingeführt werden, da diese oft nicht viel verdienen und auf keine anderen Vergünstigungen zurückgreifen könnten. Für die Öffi-Fahrt des STANDARD hat Wiederkehr einen besonderen Ausgangspunkt gewählt. Schönbrunn ist ein wunderschöner Ort, aber er ist ein Überbleibsel der Monarchie, sagt Wiederkehr vor der gleichnamigen U4-Station: Das Schloss symbolisiert für mich Wien, ein schöner Ort, aber politisch in der Monarchie steckengeblieben. Bürgermeister Michael Häupl sei schon so lange im Amt, dass manche Kaiser neidisch würden. Auf der ehemaligen Stadtbahnstrecke geht es zum Schwedenplatz im ersten Bezirk – Heimat des Bermudadreiecks mit all seinen Lokalen und Bars. Den Endpunkt hat Wiederkehr bewusst als jungen Ort gewählt: Der Schwedenplatz steht für mich für die Zukunft. Viele junge Menschen halten sich dort auf. Dort wollen wir auch politisch hin. Die Wiener Jugend sei tolerant, offen für Neues und lebendig, was auch dieser Platz widerspiegle. Das habe Wiederkehr auch am Wiener Westbahnhof gesehen, wo sich viele Studierende und Schüler für Flüchtlinge engagiert haben. Ihm ist dieses Thema auch privat ein Anliegen. Sein Vater sei selbst aus Ungarn nach Salzburg geflohen, erzählt Wiederkehr. Gleichzeitig sei die Jugend von heute unzufrieden, weil sie sich politisch nicht vertreten fühle, sie sei pessimistisch und arbeitslos. Die Jugendarbeitslosigkeit in Wien ist leider sehr hoch, sagt der pinke Jungkandidat. Die Stadt müsse daher mehr auf die neue Generation schauen, wünscht er sich. Das politische System müsse sich dafür grundlegend ändern: Die jetzige Politik ist nur auf den eigenen Machterhalt aus. Durch weniger Gemeinderäte, eine geringere Parteienförderung und einen niedrigeren Schuldenstand könne dem entgegengewirkt werden. Wir wollen 120 Millionen Euro aus dem politischen System rausnehmen – zum Beispiel durch Abschaffung von sinnlosen Posten und Senkung der Eigenwerbung der Stadt Wien – und in die Bildung investieren, sagt Wiederkehr. Für das Wiener Bildungssystem wünscht sich Wiederkehr eine freie Schulwahl ohne Schulgeld. Es solle unterschiedliche Schultypen geben, konfessionelle, private und öffentliche. Diese sollen aber gleichgestellt und vor allem gratis für alle sein. Später soll die Bildung aber schon etwas kosten, sagt der ehemalige Studierendenpolitiker. Wiederkehr will, dass Studierende den Unis mittels nachgelagerter Studiengebühren etwas zurückgeben. Nachgelagert in dem Sinne, dass Absolventen erst zur Kasse gebeten werden, wenn sie bereits im Berufsleben stehen und es sich selbst leisten können, die Gebühren zu zahlen. Hochschulbildung ist etwas, das man für sich macht. Mit einem Uniabschluss hat man Privilegien in der Gesellschaft, verdient mehr. Da kann man schon etwas zurückzahlen, sagt Wiederkehr. In jedem Fall müsse sich etwas bewegen. Denn Stillstand geht gar nicht. (Text: Oona Kroisleitner, Video: Maria von Usslar, 3.10.2015) 'Bürger protestieren gegen den Bau einer Rehaklinik im Wiener Hörndlwald: Die Fläche, auf der das Josef-Afritsch-Heim stand, soll lieber renaturiert werden. Wien – Die Frösche quaken, die Vögel zwitschern, Blumen sprießen zwischen den Grashalmen hervor. Seit das Josef-Afritsch-Heim, ein in den 1950er-Jahren erbautes ehemaliges Jugendgästehaus, 2013 abgerissen wurde, hat die Natur dieses Stück des Hörndlwalds in Wien-Hietzing zurückerobert. Das gesamte Erholungsgebiet erstreckt sich zwischen dem Geriatriezentrum Wienerwald, der Friedensstadt-Siedlung und dem Lainzer Tiergarten. Die beschauliche Szenerie auf dem jetzt grünen Fleckerl könnte aber bald wieder einer Baustelle weichen. Denn die gemeinnützige Betreibergesellschaft Pro Mente plant mit Unterstützung der Stadtregierung die Errichtung eines psychiatrischen Rehabilitationszentrums mit 80 Betten. Das Projekt wurde im Gemeinderat bereits weitgehend durchgewinkt. Davon wollen sich die Gegner aber nicht abhalten lassen – 8.000 Personen bekundeten 2014 mit ihrer Unterschrift, den Bau abzulehnen. Es ist nicht der erste Kampf gegen die Stadtregierung, sagt Merten Mauritz, Anrainer und Obmann des Vereins Rettet den Hörndlwald. Vereinsobfrau Tina Schönknecht pflichtet ihm bei. Schon ihre Eltern hätten sich für den Erhalt des Waldes eingesetzt und an Bäume gekettet. Für die beiden geht es um mehr als die Rettung des Grünraums: Der Hörndlwald weckt Kindheitserinnerungen. Schönknecht, die mittlerweile im 23. Bezirk wohnt, habe hier das Radfahren erlernt. Heute sei der Hörndlwald das erweiterte Kinderzimmer ihres Sohnes. Mauritz, der sich als Kind hier auf den Skiern übte, will sich nicht damit zufriedengeben, dass einer der letzten schönen Plätze in Wien bebaut werden soll. Und das Grundstück sei für die geplante Kapazität zu klein, um die Rehaklinik wirtschaftlich zu führen. Deshalb besteht die Befürchtung, dass sukzessive jedes Stück Grün zugebaut wird, weil das Gebäude in den Wald hinein vergrößert werden muss. Um die Ruhe im Grätzel, das nur einmal pro Stunde von einem öffentlichen Bus angefahren wird, sorgt man sich ebenfalls: Personal, Patienten und Besucher werden mit dem Auto kommen. Die Natur werde der benötigten Infrastruktur zum Opfer fallen. Den Beteuerungen der Betreiber, der Erholungsraum werde uneingeschränkt nutzbar bleiben, will man deshalb nicht recht glauben. Und man befürchtet auch, dass der angrenzende Fußballplatz von der Rehaklinik eingenommen werden könnte. Denn die geplante Mitbenutzung könne nicht funktionieren: Burn-out-Patienten, die Ruhe brauchen, und spielende, lärmende Kinder vertragen sich nicht, so Mauritz. Für Bezirksvorsteherin Silke Kobald (ÖVP) ist die Klinik ein gutes Projekt am falschen Standort. Es sei immer schon Wunsch des 13. Bezirks gewesen, die Fläche zu renaturieren. Sie appelliert an Pro Mente, das Rehazentrum auf bereits vorhandenen Gesundheitsarealen zu errichten – etwa auf dem Rosenhügel oder den Flächen des Geriatriezentrums Wienerwald. Die Steinhofgründe im 14. Bezirk betrachtet sie ebenfalls als geeignet. Das Jugendstilareal rund um die Otto-Wagner-Kirche ist allerdings noch heftiger umstritten – Bürgerinitiativen protestieren dort seit Jahren gegen jegliche Bebauung. Die Initiative Rettet den Hörndlwald verwehrt sich auch nicht per se gegen ein soziales Projekt – ein Naturkindergarten wäre etwa vorstellbar Mit umstrittenen Mitteln wollen die Wohnbauträger am Marchfeldkanal die geschützten Nager anregen, die Baufläche schneller zu verlassen. Wien – Auf zwei kurzen Beinchen stehen die Ziesel aufrecht und schauen neugierig über die Blumenwiese. Mit einem Quietschen machen die kleinen Nager mit den Knopfaugen und dem graubraunen Fell auf sich aufmerksam. Etwa 230 von ihnen sorgen auf der Fläche hinter dem Heeresspital in Wien-Floridsdorf seit einigen Jahren für Streitigkeiten. Dort – am Marchfeldkanal, unweit der Brünner Straße – sollen auf sieben Hektar 950 geförderte Wohneinheiten realisiert werden. Doch Ziesel sind EU-weit streng geschützt. Sie dürfen im Rahmen der Fauna-Flora-Habitatrichtlinie (FFH) weder getötet, gefangen noch gestört werden. Die vierbeinigen Bewohner seien nicht nur im Grätzel Gesprächsthema, sondern im ganzen Bezirk. Und die SPÖ sei die einzige Bezirksfraktion, die das Wohnbauprojekt unterstützt, sagt Lukas Mroz. Er ist Anrainer und engagiert sich seit 2011 in der IGL Marchfeldkanal für den Schutz der Ziesel. Wenn man sie immer wieder sieht und hört, beginne man eine Beziehung zu ihnen aufzubauen, begründet er sein Engagement. 2013 beauftragten die Bauträger – Kabelwerk GmbH und Donaucity Wohnbau AG – eine Verhaltensforscherin damit, die Tiere sanft umzulenken. Ersatzflächen sollen für die Ziesel so attraktiv gestaltet werden, dass sie freiwillig dorthin wandern und die Baufläche verlassen. Weil sich die Tiere dafür aber mehrere Jahre Zeit lassen könnten, versucht man nun dies zu beschleunigen. Ein eigens erbauter Zieselsteg soll den Tieren ermöglichen, das andere Ufer des Marchfeldkanals, wo sich die Ersatzflächen befinden, ungestört zu erreichen. Bisher konnten sie dazu nur eine von Fußgängern und Radfahrern frequentierte Brücke nutzen. Die Idee für diesen Walkover stammt von Tony Rei, Zauberer und Illusionist von Beruf und Obmann der Naturschutzorganisation Wiener Naturwacht. Ilse Hoffmann, die mit der ökologischen Aufsicht betraute Verhaltensforscherin meint: Es kann prinzipiell nicht schaden. Über die Erfolgsaussichten könne sie aber noch nichts sagen, denn es handle sich um die erste Grünbrücke ihrer Art. Lukas Mroz kritisiert, dass man mit dem Steg den Eindruck erwecken wolle, die große Lösung gefunden zu haben. Eigentlich sorgt eine weitere geplante Maßnahme für Besorgnis bei den Tierschützern: Die Bauträger wollen im Westen des Zieselfeldes möglichst bald mit dem Bauen beginnen – im Frühjahr 2016 könnte es schon so weit sein, sagt Peter Fleissner, Geschäftsführer von Kabelwerk zum STANDARD. Erreichen will man das, indem man beginnt, den Boden abzutragen und also für die Ziesel so unattraktiv zu gestalten, dass sie abwandern. Die Bewilligung für diese Vorgehensweise muss von der MA 22 für Umweltschutz erst erteilt werden. Fleissner zeigt sich zuversichtlich. Die Leiterin der MA 22, Karin Büchl-Krammerstätter, wird in einem Bericht der Kronen Zeitung zitiert. Demnach soll ein Drittel des Baufeldes für die Bagger freigegeben werden. Mroz sieht darin eine Zerstörungsmaßnahme. Bei der IGL befürchtet man seit geraumer Zeit, dass das Feld nach und nach verbaut, die Ziesel aus ihrem Lebensraum verdrängt und somit gegen Naturschutzgesetze verstoßen werde. 2013 wurde deshalb die EU-Kommission eingeschaltet, die den Fall derzeit prüft. Das Feld solle – so der Wunsch der Zieselschützer – belassen werden, wie es ist und zu einem Landschaftsschutzgebiet umgewidmet werden. Oder die Bauträger sollen geduldig abwarten, bis die sanfte Umlenkung der vierbeinigen Grätzelbewohner Erfolg zeigt. Maria Vassilakou informiert sich am Wiener Westbahnhof über den Spendenbedarf. Beim Währinger Straßenfest wird sie um Autogramme gebeten – auch von FPÖ-Wählern. Wien – Das Erscheinen der Wiener Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou am Währinger Straßenfest wird nach hinten verschoben. In Zeiten der Flüchtlingskrise will die Spitzenkandidatin der Grünen Prioritäten setzen. Und gerade ist es ihr wichtiger, ein Briefing von der Caritas über die aktuelle Situation am Wiener Westbahnhof zu erhalten, als am Wahlkampfstand um Stimmen zu buhlen. Vassilakou lässt sich von Klaus Schwertner, Generalsekretär der Wiener Caritas, durch die Spendenlager führen. Er berichtet ihr von den mehr als 1000 Freiwilligen, die seit Beginn der Flüchtlingsströme bereits geholfen hätten, von spendenfreudigen Wienern und von Geschäftsleuten, die Pizza für die Helfer brachten. Vassilakou will von ihm wissen, wie Kollegen aus der Schweiz helfen könnten, die sie kontaktierten. Oder aber auch, ob es Sinn habe, Spenden vom Westbahnhof nach Ungarn zu bringen, und wie sie die Caritas dabei am besten unterstützen könne. An jenem Nachmittag sind eine Handvoll Freiwillige da, die Kleider sortieren. Je nach Raum findet man das Passende: In einem sind die Männersachen verstaut, in einem anderen Kinder- oder Frauensachen. Und ein Raum ist bis obenhin mit Decken voll. Das sieht zwar eindrucksvoll aus, aber Schwertner sagt: So schnell kann man gar nicht schauen, wie das auch wieder leer ist. Bei der Verabschiedung verspricht Vassilakou, selbst anzupacken. Sie habe zu Hause schon Kleidersäcke gerichtet, die sie am nächsten Tag vorbeibringen wolle. Dann könne sie gleich beim Sortieren helfen. Doch davor wartet noch das Straßenfest. Vassilakou wählt die Linie U6, um in den 18. Bezirk zu gelangen. Auf der Fahrt schildert sie die zentralen Herausforderungen in Sachen Flüchtlinge: Zunächst gelte es, die bürokratischen Hürden für private Unterkünfte zu senken. Räumlichkeiten für Deutschkurse müssten geschaffen werden. Schließlich sei es wichtig, die Qualifikationen Neuankommender rasch anzuerkennen, damit sie am Arbeitsmarkt Fuß fassen können. In der Währinger Straße wartet bereits die grüne Bezirksgruppe auf die Spitzenkandidatin. Statt Spenden entgegenzunehmen, werden nun Geschenke verteilt. Die Grünen wollen nach der Wahl wieder in die Regierung und setzen im Wahlkampf auf Stofftaschen mit der Aufschrift Bio macht schön. Die Sackerln werden Vassilakou beinahe aus den Händen gerissen. Vor allem ältere Frauen sind von Vassilakou angetan, auch wenn es für manche schwierig ist, sich den Namen zu merken. Grüß Gott, Frau Sasilaku! Auf dass Sie gewinnen!, ruft ihr eine Frau zu. Dann bleibt ein Herr stehen, der ein Kapperl mit der Aufschrift HC Strache trägt. Um die Schulter hängt er sich die grüne Biotasche. Seine Begleitung giert nach einem Autogramm Vassilakous. Die ist sichtlich irritiert, wittert aber ihre Chance, neue Wählerschaft zu lukrieren und schüttelt artig die Hände des Paars. Dass die beiden kein Einzelfall sind, zeigt gleich darauf ein etwa 45-jähriger Mann im blitzblauen T-Shirt. Er gratuliert Vassilakou zu ihrer Arbeit, beteuert, auf Bezirksebene die Grünen zu wählen. Besonders gefällt ihm an der Vizebürgermeisterin, dass sie keine Konflikte scheue. Umso überraschender dann sein Geständnis, wen er auf Landesebene wählen wird, nämlich die FPÖ. Und warum diese Diskrepanz? Ich such mir eben überall das Beste raus, grinst er. Von den leeren Versprechungen der SPÖ habe er jedenfalls die Nase voll. Die Lage am Wiener Arbeitsmarkt ist äußerst angespannt. Ein Blick auf die Besonderheiten in der Bundeshauptstadt und die Schwierigkeiten der Betroffenen. Wien – Es ist Donnerstag, 8.30 Uhr. Die Drehtür beim AMS in der Schönbrunner Straße in Wien-Meidling kommt fast nicht zur Ruhe. Vor dem Eingang stehen jene, die ihren heutigen Besuch beim AMS-Betreuer schon hinter sich haben und vor der Heimfahrt noch eine Zigarette rauchen. István* ist einer von ihnen. Er ist Mitte 50, geht etwas gebückt. Man sieht seinem Körper an, dass er nicht seit Jahrzehnten in einem gemütlichen Büro arbeitet. István ist gelernter Installateur. Momentan sei es sehr schwierig, eine Arbeit zu finden, erzählt er in gebrochenem Deutsch. Bei drei Firmen war er in dieser Woche schon vorsprechen, wie er es nennt. Geworden ist nichts daraus. Worauf er das zurückführt? Es gibt einfach mehr Leute, die Arbeit suchen, zeigt er auf die nächste kleine Gruppe, die gerade die AMS-Stelle verlässt. Alles schwarz Und es gibt offenbar viele, die auch weit unter den in Österreich geltenden kollektivvertraglichen Mindeststandards arbeiten. Für einfache Hilfstätigkeiten sieht der KV im ersten Jahr ein Mindestgrundgehalt von 1310 Euro vor. Das reicht schon kaum zum Überleben. István erzählt aber, dass viele Installateurbetriebe nur vier oder fünf Euro pro Stunde zahlen würden. Und er fügt hinzu: Für die Arbeitgeber sei es nicht schwierig, zu diesen Konditionen auch Mitarbeiter zu finden – vor allem unter Rumänen und Bulgaren. Bei einer 40-Stunden-Woche ergibt das 640 bis 800 Euro. Die Frage nach brutto oder netto stellt sich in diesem Fall natürlich nicht mehr. Alles schwarz, sagt István mit einem leicht resignierenden Lächeln. Konkurrenzkampf noch größer Seine Probleme sind nicht untypisch für den Wiener Arbeitsmarkt. Seit der Öffnung für Arbeitskräfte aus den osteuropäischen EU-Staaten ist der Konkurrenzkampf noch größer geworden. Ökonomen sprechen von Verdrängungseffekten. Ein Blick in die Statistiken zeigt, wie angespannt die Lage derzeit ist. Die Arbeitslosenquote liegt weit über dem Bundesschnitt. Ende September waren fast 150.000 Menschen (inklusive Schulungsteilnehmern) in der Bundeshauptstadt arbeitslos. Etwas mehr als 37 Prozent aller Jobsuchenden in Österreich wohnen in Wien. Zum Vergleich: Nur etwas mehr als 20 Prozent der gesamten Wohnbevölkerung leben in Wien. Verdrängungswettbewerb Der Anteil von Zuwanderern unter den Arbeitslosen ist in den vergangenen Jahren deutlich größer geworden. Von den insgesamt 121.769 vorgemerkten Arbeitslosen (ohne Schulungsteilnehmer) waren im August des heurigen Jahres 43.318 Ausländer, was einem Anteil von 35,6 Prozent entspricht. Vier Jahre davor lag der Zuwandereranteil noch bei 26,3 Prozent, zeigen Daten des Wiener AMS. Der Verdrängungswettbewerb muss aber gar nicht zwingend mit Schwarzarbeit oder der Unterschreitung von Kollektivverträgen zusammenhängen. Der Chef des Bundes-AMS, Johannes Kopf, illustrierte die Entwicklung zuletzt im Profil folgendermaßen: Anders als früher verdrängt nicht der vielzitierte anatolische Hilfsarbeiter den teureren Wiener Hilfsarbeiter, sondern zum Beispiel der junge Ungar den schlechter qualifizierten Bosnier. Als Konsumenten weniger präsent Ungarische Mitarbeiter sind mittlerweile vor allem in der Gastronomie und Baubranche stark vertreten. Bei ihnen kommt noch eine Besonderheit zum Tragen. Rund ein Drittel der Ungarn pendelt. Sie sind also als Konsumenten nicht oder wenig präsent, sagt der Arbeitsmarktexperte des Wifo, Helmut Mahringer, im Gespräch mit dem STANDARD. Dadurch kommt es also zu einem gewissen Kaufkraftabfluss. Laut Mahringer spielt die Qualifizierungsfrage in Wien eine besonders große Rolle. Die Bildungsstruktur unterscheide sich nämlich erheblich vom Rest Österreichs. Es gibt mehr Hochqualifizierte, aber auch mehr Menschen ohne formellen Abschluss. Der Bereich der mittleren Qualifikation ist folglich schwächer ausgeprägt. In Zahlen sieht das wie folgt aus: Vor 30 Jahren hatten noch 58,4 Prozent der erwerbsfähigen Wiener einen mittleren Bildungsabschluss, im Jahr 2011 waren es nur mehr 53,8 Prozent. Österreichweit ist der Anteil im gleichen Zeitraum von 49,5 auf 65,4 Prozent gestiegen. Was mit dieser Entwicklung einhergeht: Es gab über die Jahre und Jahrzehnte einen starken Strukturwandel in Wien. Die Industrie hat sich immer mehr in die Stadtperipherie verlagert, wodurch aber natürlich in diesem Bereich Jobs weggefallen sind. Es gab einen Umbruch in Richtung einer modernen dienstleistungsorientierten Stadtwirtschaft, sagt Mahringer dazu. Da Wien die einzige Großstadt in Österreich ist, sei es auch nicht verwunderlich, dass sich Zuwanderer und Asylwerber hier stärker konzentrieren. Der Wifo-Ökonom: Das Risiko, arbeitslos zu werden, ist zwar hoch. Die Eintrittschancen in den Arbeitsmarkt sind aber im Vergleich zu ländlichen Gegenden mit wenig offenen Stellen auch besser. Ohne Abschluss Der Anfang 20-jährige Thomas*, der sich ebenfalls unter die Raucher vor dem AMS in der Schönbrunner Straße gesellt hat, kann letzteren Satz wohl nicht unterschreiben. Er gehört zu den Niedrigqualifizierten, die sich nun besonders schwer bei der Jobsuche tun. Die Hauptschule hat Thomas in der vierten Klasse negativ abgeschlossen – weil er an Epilepsie erkrankte. Auch einen Lehrabschluss kann er nicht vorweisen. Vor ein paar Jahre war das aber auch noch nicht so tragisch, wie der junge Mann erzählt. Eine Zeitlang war er bei seinem Cousin in Oberösterreich beschäftigt, der Wohnungen umbaut. Da habe ich auch gut verdient. Danach hielt er sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser. Wenn ein Job vorbei war, hat es in aller Regel nicht lange gedauert, bis ein neuer gefunden war. Man ging zum AMS, und nach einem oder zwei Monaten bekam man einen neuen Job. Jetzt gehört der Hobbyrapper zu den Langzeitarbeitslosen, ist Notstandshilfebezieher und sagt: Ich würde alles annehmen, ich werde aber nur von einem Kurs zum nächsten geschickt. * Namen geändert Beispiel Karl-Marx-Hof 2010: SPÖ 54, FPÖ 33 Prozent – ÖVP, Grüne und diesmal wohl auch Neos haben wenig zu melden. Wien – Er gilt, auch wenn er schon mehr als 80 Jahre auf dem Buckel hat, noch immer als Prestigebau des Roten Wien: Im riesigen Gemeindebau Karl-Marx-Hof in Wien-Döbling leben in 1.272 Wohnungen rund 3.000 Menschen. Für die Errungenschaft des sozialen Wohnbaus zeigten sich die Mieter im 1,1 Kilometer langen Gebäude der Wiener SPÖ bis zuletzt dankbar: Eine detaillierte Auswertung des STANDARD ergab, dass bei der Gemeinderatswahl 2010 die Mieter im Karl-Marx-Hof überwiegend die Sozialdemokratie wählten. In den vier Wahlsprengeln, in die Wahlberechtigte des Karl-Marx-Hofes, aber auch Bewohner einiger benachbarter Gebäude fallen, erreichte die SPÖ mit 53,9 Prozent die absolute Mehrheit. Wienweit schafften die Roten 44,3 Prozent. Die Schlussfolgerung, dass die SPÖ ihr Gesamtergebnis in Wien vor allem dem signifikant besseren Abschneiden im Gemeindebau verdankte, ist zulässig: Laut einer Umfrage von 2010 haben 57 Prozent der Gemeindebaubewohner ihre Stimme der SPÖ gegeben. 500.000 Menschen leben in Wien im Gemeindebau. Eine gmahte Wiesn ist der Gemeindebau für die SPÖ freilich nicht mehr: Auch die FPÖ schnitt vor fünf Jahren bei den Bewohnern der städtischen Sozialbauten überdurchschnittlich stark ab. Eine Umfrage im Jahr 2010 unter Wählern in Wiener Gemeindebauten ergab 29 Prozent für die FPÖ. In den vier Wahlsprengeln des Karl-Marx-Hofs erreichten die Freiheitlichen damals 33,3 Prozent. Das ist weit mehr als das wienweit erzielte Ergebnis von 25,8 Prozent. ÖVP, Grüne und diesmal auch die Neos haben im Gemeindebau hingegen wenig zu melden. Das Match zwischen Rot und Blau dürfte bei der Wahl am 11. Oktober erst recht im Gemeindebau alles überlagern. Die große Frage wird sein, ob die SPÖ ihre prognostizierten Verluste in den einst uneingeschränkt roten Hochburgen in einem verkraftbaren Ausmaß halten kann. Vertreter der FPÖ sehen das blaue Potenzial im Gemeindebau und wettern gegen Überfremdung. Die Wichtigkeit des Gemeindebaus mit 220.000 Wohnungen in Wien spiegelt sich auch in den Wahlprogrammen wider. Die FPÖ fordert Integration und Deutschkenntnisse als Voraussetzung für die Wohnungsvergabe im Gemeindebau. Zudem sollen echte Wiener bevorzugt werden. Dieser Forderung kam Wohnbaustadtrat Michael Ludwig (SPÖ) quasi nach: Seit 1. Juli 2015 werden Wiener bei der Vergabe von Sozialwohnungen bevorzugt. Sie werden neun Monate vorgereiht, wenn sie seit 15 Jahren in Wien gemeldet sind. Bevor sich Drittstaatsangehörige für eine Sozialwohnung bewerben können, müssen sie nachweisen, dass sie zwei Jahre in Wien und drei Jahre in anderen EU-Staaten hauptgemeldet waren. In der bisher wohl expansivsten Phase seiner Geschichte wächst Wien aktuell jährlich um etwa 25.000 Einwohner. Die SPÖ kündigte bis 2020 den Bau von 2.000 Gemeindewohnungen an. Pro Jahr will man 10.000 Wohnungen, darunter 8.000 geförderte, errichten, um den Bedürfnissen des Wachstums gerecht zu werden. Der FPÖ ist das zu wenig: Sie will jährlich 15.000 Sozialwohnungen bauen. Die Grünen treten für den Bau von 1.000 Gemeindewohnungen im Jahr ein. Eine geförderte Startwohnung mit 40 Quadratmetern soll – analog zum Öffi-Jahresticket – samt Betriebskosten 365 Euro Miete pro Monat kosten. Die ÖVP will Einkommensveränderungen bei den Gemeindebaumieten berücksichtigt sehen: Wer mehr verdient, soll mehr zahlen. Zudem sollen Mietkaufangebote leistbares Eigentum im geförderten Wohnbau ermöglichen. Auch die Neos treten für einen regelmäßigen Gehalts-Check im Sozialbau ein. Der Einzug junger Menschen in den Gemeindebau soll erleichtert, die Einkommensgrenze gesenkt werden. Letzteres fordern auch die Grünen. Die Liste Wien Anders hat im Wahlkampf einen Schwerpunkt auf leistbares Wohnen gesetzt und fordert etwa eine Leerstandsabgabe sowie die Entkopplung der Mieten im Gemeindebau von der Inflation. Die vorläufigen Ergebnisse der Bezirksvertretungswahl. UPDATE: Dieser Artikel berichtete über das Ergebnis der Bezirksvertretungswahl ohne Wahlkarten. Schlussendlich wurde in Floridsdorf die SPÖ stimmenstärkste Partei, in der Inneren Stadt die ÖVP und in Währing die Grünen. Details sind hier verlinkt. Die folgende Grafik zeigt das vorläufige Endergebnis der Bezirksvertretungswahl, Wahlkarten sind noch nicht berücksichtigt. Bitte für das Detailergebnis auf den gesuchten Bezirk klicken. Die Wiener Bezirksvertretungswahl könnte neben der City und Simmering auch für weitere Verwaltungseinheiten Umwälzungen bringen. Denn auch in Floridsdorf liegt die FPÖ im vorläufigen Endergebnis auf dem ersten Platz, allerdings so knapp, dass die Briefwahlstimmen am Montag hier womöglich noch etwas ändern könnten. Spannend sieht es auch in Favoriten, der Donaustadt und in Währing aus. In Floridsdorf (21. Bezirk) schafften die Blauen 38,92 Prozent (plus 8,93 Prozentpunkte). Die SPÖ wurde auf den zweiten Platz verwiesen. Die Roten kamen nur mehr auf 37,51 Prozent, ein Minus von 7,49 Prozentpunkten. Mit den Briefwahlstimmen könnten sie noch den ersten Platz holen – denn die SPÖ dürfte mit den Wahlkarte letztlich etwas besser abschneiden, während die FPÖ letztlich etwas schwächer aussteigen dürfte. In Favoriten und der Donaustadt liegen SPÖ und FPÖ auch sehr knapp beieinander – allerdings jeweils die SPÖ vorn. Dies sollte sich mit der Briefwahl nicht mehr ändern. In Favoriten ist der Vorsprung der SPÖ minimal: 39,94 Prozent bedeuten jedoch ein beachtliches Minus von 7,49 Prozentpunkten. Die FPÖ folgt auf dem Fuß – mit 39,69 Prozent (plus 6,36 Prozentpunkte). In der Donaustadt schmolz der Abstand ebenfalls drastisch: Die SPÖ schaffte 40,06 Prozent, ein Minus von 7,87 Prozentpunkten. Die FPÖ legte auf 38,40 Prozent (plus 8,2 Prozentpunkte) zu. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen gibt es auch in Währing: Dort matchen sich allerdings Grüne und ÖVP. Laut vorläufigem Endergebnis liegen die Grünen im 18. Bezirk mit 27,93 Prozent und einem Plus von 2,15 Prozentpunkten knapp vor den Schwarzen, die derzeit bei 26,30 Prozent und damit bei einem deutlichen Minus von 4,33 Prozentpunkten gegenüber 2010 stehen. Auch hier muss wohl auf die Wahlkarten gewartet werden, bevor sich entweder Karl Homole (ÖVP) oder Herausfordererin Silvia Nossek (Grüne) freuen können. Sowohl ÖVP als auch Grüne profitieren üblicherweise von den Briefwahlstimmen. Die Mandatsverteilung und der Koalitionsrechner zur Wien-Wahl. Dies ist eine Darstellung des vorläufigen Wahlergebnisses, das am 20. Oktober nach einer Sitzung der Stadtwahlbehörde amtlich bestätigt werden wird. (Markus Hametner, 12.10.2015) Die SPÖ dominierte die Gemeinderatswahl, doch es finden sich Ausreißer. ÖVP, FPÖ und Grüne erzielten in einzelnen Wahlsprengeln überraschende Resultate. Wien – Jubel begleitete die SPÖ bei der Verkündung der Ergebnisse der Wien-Wahl. Auf Gemeinderatsebene konnten die Sozialdemokraten den ersten Platz gegenüber der FPÖ sichern. Doch gerade in den Flächenbezirken nahmen die Freiheitlichen den Roten viele Stimmen weg. Vor allem jenseits der Donau und am Südrand Wiens konnte die FPÖ starke Zugewinne verzeichnen. In den 1499 Wahlsprengeln, die in der Größe zwischen einem Häuserblock und der ganzen Großfeldsiedlung variieren, schritten am Sonntag die Wähler an die Urnen. Die Befürchtung der Sozialdemokraten, die Gemeindebauten – deren Ursprung im Roten Wien der 1920er- und 1930er-Jahre liegt – könnten mit dieser Wahl blau werden, bewahrheitete sich nicht: Der Karl-Marx-Hof in Wien-Döbling ist etwa nach wie vor rot. Im Reumannhof und Metzleinstalerhof in Wien-Margareten halten die Sozialdemokraten mehr als 50 Prozent der Stimmen. Nur wenige Häuserblocks weiter, auf der anderen Straßenseite des Gürtels, ist im Haydnhof allerdings die FPÖ die stimmenstärkste Partei. Mitten im auf Gemeinderatsebene roten siebenten Bezirk findet sich ein einziger grüner Sprengel. Zwischen Burggasse, Siebensterngasse, Neubau- und Kirchengasse wählten die Bewohner zu 35,3 Prozent grün. Das ist das beste Ergebnis, dass die Grünen auf Gemeinderatsebene verzeichneten. Die SPÖ folgt mit 32,1 Prozent vor der FPÖ mit 14,4 und der ÖVP mit 8,3 Prozent. Die Neos schafften 7,4 Prozent. Durchaus gespalten zeigt sich das Stuwerviertel im roten Zweiten. Das Bobogrätzel, das in den vergangenen Jahren mehr und mehr gentrifiziert wurde, teilt sich in vier Sprengel. Einer davon, der an den Praterstern grenzende, wird von der SPÖ dominiert. Er grenzt an einen Sprengel mit grüner Mehrheit, die ihn wiederum von der FPÖ-Mehrheit am Max-Winter-Platz trennt. Grund für die dortige Dominanz der Blauen mit 29,2 Prozent könnte das neu eingezogene Bordell am Platz sein, das neben einer Schule liegt. Die Bezirks-FPÖ erregte mit Protestaktionen im Sommer als einzige Partei Aufsehen. Sie setzt sich gemeinsam mit Anrainern gegen das Haus ein. Blau sind auch Teile eines roten Prestigeprojekts in der Donaustadt eingefärbt. Die Seestadt Aspern – das größte Stadtentwicklungsgebiet Wiens – ist in drei Wahlsprengel unterteilt. In jenem nördlich der Sonnenallee konnten sich die Roten mit 39,0 Prozent gegenüber den Blauen mit 33,5 Prozent durchsetzen. Der südlich angrenzende Wahlsprengel wird mit 44,3 Prozent deutlich von der FPÖ dominiert. Die SPÖ erreichte dort 34,6 Prozent. Auch weiter südlich – um den Hannah-Arendt-Park – gewann die FPÖ mit 37,3 Prozent. Die SPÖ erreichte 30,6. Für Bürgermeister Michael Häupl sei dieses Ergebnis überhaupt nicht erklärbar. Hätte ich das vor Monaten gewusst, hätte ich das abgestellt, sagte er dem STANDARD. Die SPÖ erreichte prozentuell ihr bestes Resultat in einem mobilen Sprengel, also einer fliegenden Wahlkommission, in Favoriten. Diese werden etwa in Krankenhäusern oder in Geriatriezentren eingesetzt. 70,3 Prozent entfielen auf die Sozialdemokraten – allerdings wurden in diesem Sprengel nur 37 Stimmen abgegeben. Für die Grünen und die Neos gab es dort null Kreuzerl. Die Schwarzen verzeichneten ihr Topergebnis von 66,7 Prozent ebenfalls in einer fliegenden Urne im 18. Bezirk – auch in diesem Fall wurden insgesamt nur 51 Stimmen abgegeben. Das beste FPÖ-Resultat findet sich im 16. Bezirk in der Wohnhausanlage zwischen dem roten Schuhmeierhof und dem ebenfalls roten Adelheid-Popp-Hof. Blau kam dort in Ottakring auf 65,5 Prozent. Das rote Wien baut Gemeindebauten und U-Bahnen, doch der kleine Mann läuft zu den Blauen über. Sind die Wähler undankbar? Paul Johann Stadler, neuer Bezirkschef von Simmering im Dienst der FPÖ, hat Antworten. Paul Johann Stadler muss seine demokratische Pflicht vernachlässigen. Eigentlich sollte er helfen, Wahlkarten auszuzählen, doch an diesem Montag surrt pausenlos das Handy. Journalisten sind dran, und bereits die ersten Hilfesuchenden. Eben habe eine gehbehinderte Dame angerufen, die es wegen der knappen Ampelschaltungen nicht über die Straße schaffe, erzählt Stadler: Bei der SPÖ war sie schon fünfmal, doch die sagen nur: ,ja ja. Zuhören, auf die Leute zugehen, ehrlich sein: So fasst der 59-Jährige jenes Rezept zusammen, das ihm und seiner Partei bei der Wahl am Sonntag einen historischen Erfolg bescherte. Erstmals in der Zweiten Republik wird die FPÖ mit Stadler einen Bezirksvorsteher stellen. Für so manchen eingefleischten Sozialdemokraten schmecken diese Ergebnisse nach Verrat. Ausgerechnet in den großen Flächenbezirken, wo das rote Wien riesige Gemeindebauten und andere geförderte Wohnungen hingestellt hat, sind die Blauen auf dem Vormarsch. Selbst in der Seestadt Aspern, dem nagelneuen Stadterweiterungsgebiet mit U-Bahn-Anschluss in der Donaustadt, hängte die FPÖ die SPÖ über alle Sprengel gerechnet ab. Undankbare Wähler? Genau in so einer Haltung spiegle sich die Überheblichkeit der SPÖ wider, glaubt Sieger Stadler: Alle Wiener zahlen für die Wohnungen und U-Bahnen. Doch die Sozialdemokraten tun so, alles wäre alles nur ihnen zu verdanken. Gerade in Simmering ist dieser paternalistische Anspruch tückisch, denn die Bewohner haben nicht unbedingt das Gefühl, im Vergleich zu den anderen Bezirken vom Rathaus gut bedient zu werden. Müllverbrennungsanlage, Tierkörperverwertung, Krematorium, Zentralfriedhof: Der elfte Hieb beherbergt vieles, womit sich eine Stadt nicht schmückt. Der Ostrand kämpft mit wirtschaftlichen Problemen, die Perspektive ist vielfach trist. In Simmering, sagt Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut Sora, sehen die Leute wenige Aufstiegschancen. Das ist in klassischen Arbeiterhochburgen kein Naturgesetz. Auch in den Bezirken westlich des Gürtels gibt es Zukunftsängste – doch der Zulauf zur FPÖ als Hoffnungsträger der Modernisierungsverlierer ist in diesen Breiten weit geringer. Die dortige bunte Multikultiszene vermittle ein gewisses Aufbruchsgefühl, sagt Hofinger: Diversität wird dort auch als Chance gesehen. Die These scheint sich in Rudolfsheim-Fünfhaus zu bestätigen, wo fast die Hälfte der Bewohner Migrationshintergrund hat. Hier bleibt die SPÖ unangefochten Nummer eins. Detail am Rande: Maximilian Zirkowitsch, der satirisch als Bezirkowitsch für die SP antrat, hat den Einzug in den Bezirksrat nicht geschafft. In Ottakring liegt der Zuwandereranteil über 40 Prozent, die Verluste der Roten halten sich mit fünf Prozentpunkte im Rahmen, der Abstand zur FP beträgt über zehn Prozent. Noch weiter vorne liegt die SPÖ mit 40 Prozent in der Leopoldstadt, während die FPÖ auf 26 Prozent kommt. Hier, wo Multikultischick junge Leute anzieht, mischen auch die Grünen mit – sie erreichen fast 20 Prozent. Der Zuwandereranteil in Simmering liegt mit 35 Prozent niedriger als in den oben genannten Bezirken. An sich sei Zuzug auch kein Problem, sagt FP-Mann Stadler: Mir sind Ausländer willkommen, das sind ja Arbeiter wie wir. Und gegen Kriegsflüchtlinge habe ich schon gar nichts. Es komme aber darauf an, wie die Neobürger angesiedelt würden. Wenn etwa Flüchtlinge im Bezirk untergebracht werden, müsse man offen informieren – doch die SPÖ habe so etwas über Nacht beschlossen. Auch müssten die Zuwanderer verteilt werden: Wenn man sich an manchen Abschnitten der Simmeringer Hauptstraße hingegen wie in Little Istanbul fühlt, bekommen die Leute Angst. 'DER STANDARD erklärt im Wien-Lexikon bis zur Wahl am 11. Oktober die wichtigsten Begriffe der Stadt. J-Wagen, der 'DER STANDARD erklärt im Wien-Lexikon bis zur Wahl am 11. Oktober die wichtigsten Begriffe der Stadt. Quarter, Media Vorwurf lautet auf Untreue – Ragger soll für Frau wegen Rückzahlung eines Wohnbaudarlehens interveniert haben. Klagenfurt – Die Staatsanwaltschaft Klagenfurt hat einen Strafantrag gegen den Kärntner FPÖ-Chef und Landesrat Christian Ragger wegen Untreue eingebracht. Wie der ORF Kärnten am Mittwoch meldete, soll Ragger bei einem Beamten interveniert haben. Es ging um die Rückzahlung eines Wohnbaudarlehens. Ragger wies den Vorwurf gegenüber der APA zurück. Ragger soll konkret dafür interveniert haben, dass eine Darlehensbezieherin 14.000 Euro für eine vorzeitige Rückzahlung nicht begleichen muss, so der Bericht des ORF. Vonseiten des Landesgerichts Klagenfurt war für die APA vorerst niemand erreichbar. Ragger betonte, dass kein Euro Schaden für das Land entstanden sei. Er habe der behinderten Frau helfen wollen, außerdem liege der Fall bereits Jahre zurück. Der Prozess hat 2009 begonnen – die Frau hatte ein Wohnbaudarlehen laufen, und während sie die Wohnung nicht bewohnt hat, hat sie diese vermietet. Das war aber rechtlich nicht in Ordnung, weswegen sie das Darlehen zurückzahlen musste, legte Ragger seine Sicht der Dinge dar. Zu Beginn des Prozesses gegen die Frau habe er mehrmals versucht, eine Erleichterung bei der Rückzahlung zu erreichen, es sei vor allem um die Zinsen gegangen. Schließlich wurde aber entschieden, dass die Zinsen ebenfalls zu zahlen sind – und das ist auch so geschehen. "Die Sonne ist vom Himmel gefallen", sagte Gerhard Dörfler nach Jörg Haiders Unfalltod. Doch wirtschaftlich und finanziell schaut es für Kärnten heute noch viel düsterer aus – trotz eines politischen Frühlings. Die Kerzen sind abgebrannt, der Mülleimer quillt über mit alten Devotionalien, Bilderrahmen und rostigen Laternen: Sie ist halbwegs heruntergekommen, die Gedenkstätte in Lambichl. Hier, an dieser Stelle in der Klagenfurter Randgemeinde, hatte der ehemalige Landeshauptmann Jörg Haider die Kontrolle über seinen VW Phaeton verloren – mit tödlichem Ausgang. Auf ewig in unserem Herzen – Danke Jörg steht auf einer der Tafeln eingraviert. In einer Plastikhülle liegen noch ein paar Zettel mit verschwörungstheoretischer Propaganda zur Entnahme: Tatort Lambichl – Wahrheit für Jörg. Du wurdest beseitigt, du tapferer Streiter. Botschaften aus einer untergegangenen Zeit. Wohl kaum ein anderer hatte sich Jörg Haider emotional so verbunden gefühlt wie Stefan Petzner. Kathartisch und öffentlich lebte er den Tod seines – wie er ihn nannte – Lebensmenschen aus. Heute, fast sieben Jahre danach, sieht Petzner vieles abgeklärter. Seine eigene Rolle als intimer Wegbegleiter und engster Berater Haiders redet er sich klein. Vieles sei ihm erst jetzt bewusst geworden. Vor allem, in welchem Tempo sich das Haidersche Geldkarussell gedreht hatte und mit welchen Einsätzen im Kasino Kärnten, das zum Kriminalfall wurde, gespielt wurde. Schauen Sie, sagt Petzner, ein Gastwirt hat mir kürzlich Folgendes gesagt: Wenn wir Förderungen gebraucht haben, sind wir zum Haider gerannt und haben das Geld gekriegt. Alles ist gefördert worden, vom Heustadl bis zur Lederhosen. Und keiner hat wissen wollen, ob wir uns das überhaupt leisten können als Bundesland. Alles ist gefördert worden, vom Heustadl bis zur Lederhosen. In Kärnten war, sagt Petzner, permanent Karneval, und wir haben rund um die Uhr wahlgekämpft, kampagnisiert und polarisiert. Es ist voll abgegangen. Und jetzt zahlen wir halt die Rechnung dafür. Der grüne Landesrat und Hypo-Aufdecker Rolf Holub wird noch direkter: Haider hatte Narrenfreiheit. Er war bei uns der Cäsar. Der konnte in die Bank hineingehen, ein Konto aufmachen und Gelder abheben – ohne Unterschrift, ohne Sicherheit. Wer hat sich schon getraut, ihm zu widersprechen? Angeschissen habe sie sich alle. Die neue Landesregierung unter Peter Kaiser (SPÖ) ist seit dem Amtsantritt vor zwei Jahren fast ausschließlich mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Immer am Rande des finanziellen Abgrundes balancierend, immer das Katastrophenbild Griechenlands vor Augen. Ohne den 343-Millionen-Euro-Kredit, den der Bund kürzlich nach langen, für Kärnten demütigenden Verhandlungen letztlich doch rausrückte, wäre das Land pleite gewesen. Die Salzburger Politikwissenschafterin und Europa-Expertin Sonja Puntscher-Riekmann ist der Meinung: Im Grunde genommen ist Kärnten so pleite wie Griechenland. In Klagenfurt macht in diesen Tagen eine neue Wortschöpfung die Runde. Prekärnten – die Fusion aus Prekariat und Kärnten. Die Landesregierung muss jetzt jedenfalls den Gürtel brutal enger schnallen und nimmt dabei gerade jenen die Luft weg, die die größte Hoffnung in diese neue SPÖ-geführte Regierung gesetzt hatten. Jene, die nach den Haider-Jahren den Machtwechsel in Kärnten herbeigesehnt hatten – die kritischen, autonomen, freien Kultur- und Sozialinitiativen. Sie sind jetzt die Ersten, die den Sparstift zu spüren bekommen. Während ringsum, wie sie kritisieren, weiter mit hunderttausenden Euro Fasching gefeiert wird, beim Bodypainting-Festival, beim Beachvolleyball, der Starnacht oder dem GTI-Treffen. Viel Spiele weiterhin, aber immer weniger Brot. Das ist alles wirklich sehr bitter, klagt Emil Kristof vom Klagenfurter Universitätskulturzentrum Unikum, in der Haider-Zeit waren wir auf Nulldiät gesetzt und hatten uns von der Regierung natürlich einen Aufbruch erwartet. Aber wir wurden schwer enttäuscht. 2016 soll es für uns noch schlimmer werden. Gerhard Lehner, Chef des Klagenfurter Ensembles, musste vier Mitarbeiter kündigen. Ein Skandal, dass jene, die jahrelang gegen Haider Widerstand geleistet haben, jetzt bestraft werden – und all der Kommerz dank langfristiger Verträge weiter lustige Urständ feiert. Es ist traurig und absurd, dass es uns jetzt schlechter geht als unter den Blauen. Und auch Angelika Hödl von der Interessenvertretung der freien und zeitgenössischen Kulturinitiativen in Kärnten/Koroska (KIKK) zeigt sich desillusioniert: Es ist traurig und absurd, dass es uns jetzt schlechter geht als unter den Blauen. Das alles folgt im Grunde derselben Finanz- und Politiklogik wie jetzt in Griechenland. Auch die erpresserische Art, wie Wien mit Kärnten umgesprungen sei und das Land zu diesem Sparkurs gezwungen habe, passe da ins Schema. Gekürzt wird überall, bei den Schulen, von Beamten bis zum Tourismus. Ungeschoren bleibt auch der Gesundheitsbereich nicht. 2016 müssen 51 Millionen Euro eingespart werden, einen Teil muss die Kulturszene aufbringen. Rund 60 bis 70 Kulturinitiativen sind von Budgetkürzungen betroffen. Für das Gros der Bevölkerung ist es wahrscheinlich kaum bemerkbar, da die Initiativen nur in der Szene bekannt sind, für die Entwicklung einer Gesellschaft sind sie aber ein wichtiger kultureller Humus. Da geht großes Potenzial verloren, warnt die in Kärnten lehrende Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle. Landeshauptmann Peter Kaiser, ein studierter Soziologe, ist sich der Tragweite der Problematik natürlich bewusst. Wir sind ohne Zweifel in einer extrem schwierigen Situation. Als der 343-Millionen-Euro-Kredit da war, haben natürlich alle geglaubt, jetzt fließen wieder Milch und Honig. Aber das gibts nicht mehr. Wir haben keine andere Wahl und müssen alle Ausgaben überprüfen und schauen, ob sie Arbeitsplätze bringen, Innovationen und Wirtschaftsimpulse auslösen. Wir dürfen und werden natürlich keinen Kahlschlag machen. Aber genau das wird von der jungen Szene beklagt. Die Industriellenvereinigung Kärnten hat in diesem Zusammenhang kürzlich nachgerechnet, dass jeden Tag – statistisch gesehen – neun gut ausgebildete Kärntner Jugendliche das Land verlassen. Mehr als die Hälfte all jener, die in andere Bundesländer abwandern, verfügt über einen Hochschulabschluss. Der Substanzverlust im Land ist auch augenscheinlich. Es ist schon traurig, wenn man sieht, wie auch die Geschäfte in der Stadt zusperren und man überall leere Schaufenster sieht, sagt die Klagenfurter Buchhändlerin Sabine Tscharre, die vor einem Supermarkt mit ihrem Hund an der Leine wartet. Es sei schwer durchzukommen in diesen Tagen. Schräg gegenüber dem Shoppingcenter ragt die monströse Stahl-Glas-Konstruktion des US-Architekten Thom Mayne für die einstige Hypo-Zentrale wie ein Geisterschiff aus dem Boden. Ein 250-Millionen-Mahnmal provinziellen Größenwahns, der ein Bundesland in den Ruin getrieben und ehemalige Topmanager und Politiker hinter Gitter gebracht hat. Das Bundesland Kärnten steht eigentlich hervorragend da Es gibt aber auch noch einen anderen, überraschenden Blickwinkel auf das Krisenland Kärnten. Das Bundesland Kärnten steht eigentlich hervorragend da, weit besser als der österreichische Durchschnitt, sagt Gilbert Waldner, Sprecher der Kärntner Industriellenvereinigung. Kärntens Industriebranche brummt, sagt Waldner, und das gegen den Strom der Kärntner Image- und Finanzkrise, wie es Industriellenboss Christoph Kulterer formuliert. Auch jobmäßig kann Peter Wedenig von der Kärntner Arbeitsmarktverwaltung AMS nicht wirklich klagen. 2014 setzte erstmals seit Jahren eine Trendumkehr ein. Der Beschäftigtenstand habe sich nach den Minusjahren ins Positive gedreht. Die wirtschaftliche Erholung der Kärntner Ökonomie ist natürlich trügerisch, denn über allem hängen tief und drohend das Damoklesschwert der Heta und die Milliardenhaftungen des Landes. Niemand mag sich ausmalen, was passiert, wenn Kärnten tatsächlich in die Ziehung käme. Das Bundesland hat bei einem Budget von 2,1 Milliarden Euro Haftungen im Ausmaß von zehn Milliarden Euro ausstehen. Für die Politiker ist es natürlich extrem lähmend – die Bevölkerung, so habe ich den Eindruck, will davon einfach nichts mehr hören, sagt Stainer-Hämmerle. Niemand kann sich die Dimension vorstellen, was passiert, wenn das Land insolvent wird. Das ist jenseits aller Vorstellungskraft. Und deshalb blenden es viele einfach aus. Man interessiert sich jetzt halt mehr dafür, wie lange die Asylzelte in Krumpendorf stehen, sagt die Politologin. Er war kein Schlechter und hat viel für Kärnten getan. Die Finanzkrise lässt für viele zumindest einen klaren Schluss zu: Erwischen tuts halt eh immer nur die Kleinen, sagt Pensionist Eckhard F., der mit seiner Gattin in der Nähe des Rathauses kurz Rast macht. Der Haider hätte wohl dem Wiener Spardiktat standgehalten und es irgendwie geschafft, glaubt Herr F. Er war kein Schlechter und hat viel für Kärnten getan. Und? Was haben wir jetzt?, fragt die Gattin. Viele Ausländer. Des sagen nit nur wir, des sagen ganz, ganz viele Leut. Ein Mann mittleren Alters und im blauen Sakko, der in der Fuzo Richtung Lindwurm schlendert, tönt ähnlich wie das Rentnerpaar. Allein hätte Haider die ganze Sache mit der Hypo sicher nicht machen können. Jetzt ihm allein alles in die Schuhe zu schieben ist wirklich falsch. Alle waren s dabei. Man brauche ja nur schauen, welche Villen rund um die Kärntner Seen in den letzten Jahren entstanden seien und wer sich da plötzlich Grundstücke und Häuser habe leisten können. Wir haben Wohnraum für 1,3 Millionen Menschen in Kärnten bei einer abnehmenden Bevölkerung. Alles Zweitwohnsitze, Spekulationsobjekte, Appartements, sagt Landesrat Holub. Zum numerischen Vergleich: Kärnten zählt gegenwärtig rund 550.000 Einwohner. Auch wenn sich oberflächlich politisch-klimatisch einiges zum Besseren gewendet hat – die Slowenen-Frage etwa ist aus dem politischen Diskurs weitgehend verschwunden –, bleibt Kärnten in der Seele lei ans. Wir haben ja, historisch bedingt, ein sehr nationales Lager in Kärnten. Das macht gut 50 Prozent aus. Und wir haben hier eine eigene Legende des Abwehrkampfes. Ein Reflex. Dieses Klavier konnte Haider gut bedienen, sagt Holub. Kärnten sei nach wie vor empfänglich für solche Melodien. Haiders langjähriger Weggefährte Petzner meint: Wenn ich Spin-Doktor wäre, würde ich bei der Auseinandersetzung Wien gegen Klagenfurt genau diese Karten ausspielen: Wir armen Kärntner – und die Wiener hungern uns aus. Nach dem ähnlichen Muster läuft es auch in Griechenland. Ein Haider hätte in diese Richtung voll aufgegeigt. Wenn man jetzt den Alexis Tsipras anschaut: Ein solcher Populist – wurscht, ob ein rechter oder linker – würde auch in Kärnten funktionieren. Es ist nur keiner in Sicht, schon gar nicht bei den Blauen. Die FPÖ sei, da stimmt Politologin Stainer-Hämmerle zu, zwar in einem katastrophalen Zustand und verfüge zurzeit über keine charismatische Führungspersönlichkeit mehr. Das könne sich aber ändern. Stainer-Hämmerle verweist auf den blauen Bodensatz: Man darf das freiheitliche Lager in Kärnten nie unterschätzen. Gesperrte Gaddafi-Konten fast leer – Exlandeshauptmann will Tripolis besuchen. Wien – Viel musste Libyen in den vergangenen Jahren ertragen. Die Leidenschaft von FPÖ-Politikern bleibt dem Land auch in Zukunft erhalten. So bald wie möglich will Kärntens Exlandeshauptmann Gerhard Dörfler auf Einladung der selbst ernannten islamistischen Regierung in Tripolis dorthin reisen, um mögliche Lösungen der Flüchtlingsproblematik zu besprechen, wie er sagt. Tripolis ist seit rund einem Jahr unter der Kontrolle einer Allianz islamistischer Parteien und bewaffneter Milizen. Die Reise hätte am Dienstag beginnen sollen, wurde aber verschoben. Im Gespräch mit dem STANDARD beteuert Dörfler, das habe nichts mit dem am selben Tag verhängten Todesurteil gegen den Gaddafi-Sohn Saif al-Islam zu tun. Grund seien vielmehr ausständige Dokumente in Sachen Personen- und Versicherungsschutz. Konkrete Vorschläge, wie man die Situation für Flüchtlinge vor Ort verbessern könnte, wollte der jetzige Bundesrat nicht nennen. Dass Dörfler einmal so wie sein Vorgänger, Gründer der Österreichisch-Libyschen Gesellschaft und Freund Saif al-Islams Jörg Haider, nach Libyen reist, war nicht unbedingt zu erwarten. Noch 2011 meinte Dörfler zu Haiders mehrmaligen Besuchen: Ich bin kein Spieler bei solchen Besonderheiten. Keine Gaddafi-Milliarden Dörfler befasst sich aber nicht nur mit der Flüchtlingsproblematik, sondern auch mit jenen österreichischen Konten, die 2011 wegen der Sanktionen gegen das Gaddafi-Regime gesperrt wurden. Mit 1,2 Milliarden Euro bezifferte die Nationalbank die Gelder damals. Heute will man keine Zahlen nennen. Dem Vernehmen nach dürfte der überwiegende Teil des Vermögens jedoch der Libyschen Zentralbank (LZB) zuzurechnen sein. Diese wurde noch Ende 2011, unmittelbar nach Gaddafis Tod, von der Sanktionsliste gestrichen. Auf die 15 Personen aus seinem Umfeld, die heute noch auf der Liste stehen, dürfte nur ein verschwindend geringer Anteil der Gelder entfallen. Unerfüllbare Forderung Was Dörfler damit zu tun hat? Im März 2011, als Libyen von der Nato bombardiert wurde und die österreichischen Konten des Gaddafi-Clans bekannt wurden, sah er sich dazu gedrängt, vor dräuenden Massenflüchtlingsströmen zu warnen. Mit dem Vermögen sollten die Kosten für die Grundversorgung der zu erwartenden 6.000 bis 8.000 libyschen Flüchtlinge gedeckt werden, so sein Vorschlag. Auch wenn seitdem viele Flüchtlinge von Libyen aus ihre Reise nach Europa antraten, blieb der Zustrom aus dem Land selbst aus: Laut Statistik haben von 2011 bis 2013 nur 123 libysche Staatsbürger in Österreich um Asyl angesucht. Dörfler bleibt trotzdem bei seiner Forderung. Laut einem Völkerrechtsexperten ist ihre Erfüllung ausgeschlossen: Die – kaum noch vorhandenen – eingefrorenen Gelder sind juristischen Personen zuzurechnen, eine Beschlagnahmung undenkbar. Nachhaltige Freundschaften Die Verbindungen der FPÖ mit Libyen bestehen teilweise noch immer. Haiders Witwe Claudia leitet die von ihm gegründete Österreichisch-Libysche Gesellschaft. Der Wiener Gemeinderat David Lasar traf Saif al-Islam 2011 und überbrachte eine Botschaft von Parteiobmann Heinz-Christian Strache: Das Nato-Bombardement müsse aufhören. Zwei Wochen später war das Regime gestürzt. Strache wäre damals gerne selbst angereist, so Lasar. Das sei sich jedoch zeitlich nicht ausgegangen. Im Gespräch mit dem STANDARD sagte Lasar zur jetzigen Situation in Libyen: Die Regierung in Tripolis ist keine Regierung. Sie sei islamistisch und lasse zu, dass Terroristen, Räuber und Verbrecher das Land dominieren. Vom geplanten Engagement Dörflers wisse er nichts. Er selbst habe seit seinem Besuch keinen Kontakt mehr zum Gaddafi-Sohn gehabt. Lange hielt sich außerdem das Gerücht, von Gaddafi seien über Liechtenstein dutzende Millionen an die Haider-FPÖ geflossen. Bewiesen wurde das aber nie. Die FPÖ beschuldigte ihrerseits die Grünen, Geld aus Libyen bekommen zu haben – was eine einstweilige Verfügung zur Folge hatte. Staatsanwaltschaft Klagenfurt prüfte Untreue-Vorwurf gegen freiheitlichen Altlandeshauptmann. Klagenfurt – Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Kärntens freiheitlichen Ex-Landeshauptmann Gerhard Dörfler in der Causa Umfahrung des Städtchens Bad St. Leonhard sind vergangene Woche eingestellt worden. Behördensprecherin Tina Frimmel-Hesse bestätigte einen Bericht der Kronen Zeitung vom Dienstag. Die Staatsanwaltschaft hatte den Verdacht der Untreue geprüft. Nach längeren Ermittlungen bestand nun offenbar kein Grund mehr, die Angelegenheit weiter zu verfolgen. Dörfler hatte die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Die rund vier Kilometer lange Ortsumfahrung des Städtchens im oberen Lavanttal, die ab 2009 errichtet worden war, hatte den Steuerzahler 56 Millionen Euro gekostet. Die Finanzierung läuft noch bis 2023, sagte der aktuelle Straßenbaureferent Gerhard Köfer (Team Stronach). Jährlich werden gut drei Millionen Euro bezahlt. Der Rechnungshof kritisierte Kosten und Umsetzung massiv. Die Prüfer nannten die Umfahrung eines der aufwendigsten aller seit der Übertragung der Bundesstraßen auf das Land in Angriff genommenen Projekte. Es folgten mehrere Anzeigen gegen Dörfler – unter anderem von der SPÖ – in denen Dörfler Untreue und illegale Parteienfinanzierung vorgeworfen wurde. Für Argwohn hatten angeblich überhöhte Ablösen für Grundstücke, die teilweise dann nicht einmal gebraucht wurden und gestiegene Kosten für eine Brücke gesorgt. Der Endbericht des U-Ausschusses zum überteuerten Kauf von Seegrundstücken räumt mit dem "System Haider" auf. Klagenfurt – Es ist ja nicht wirklich verwunderlich, dass das BZÖ und die FPÖ den Bericht ablehnen. Immerhin sind sie die Nachfolgeorganisationen, unter denen das alles passiert ist, merkt Barbara Lesjak spitz an. Lesjak hat als Vorsitzende des Kärntner Seen-Untersuchungsausschusses am Mittwoch gemeinsam mit SPÖ, ÖVP, Grünen und Team Kärnten einen akkordierten Endbericht des Ausschusses beschlossen. Für die Vorsitzende ist klar: Dieser Deal von 2007 brachte dem Land – zumal die Seegrundstücke viel zu überteuert vom ÖGB und der Bawag gekauft worden waren – einen Schaden von 20 Millionen Euro. Die politische Verantwortung sei in den zwei Jahren Untersuchungsarbeit zweifelsfrei offengelegt worden: Mastermind hinter dem Seenskandal sei der tödlich verunglückte, ehemalige Landeshauptmann Jörg Haider, und dessen Helfershelfer sei das System Haider gewesen. Haider habe einen von ihm festgelegten, zu erwartenden Pachtzins der Seengrundstücke in der Höhe von zwei Millionen Euro zu einem illusorischen Kaufpreis von 44 Millionen Euro hinaufplausibilisiert. Mithilfe von Gefälligkeitsgutachten, resümiert Lesjak im STANDARD-Gespräch. Die kalte Dusche kam wenige Jahre später: Der Buchwert der Grundstücke musste 2010 um rund 28,6 Millionen Euro auf 15,3 Millionen Euro abgewertet werden. Haider hatte damals, 2007, zur Eile gedrängt, der öffentliche Seenzugang sei nicht mehr gesichert, da ein russischer Oligarch die Areale kaufen wolle. Ein vorgeschobenes Argument, wie sich herausstellte, der Oligarch war erfunden. Aber es reichte, um einen – wie im Bericht steht – massiven Druck auf das Kollegium der Landesregierung aufzubauen, um dem Kauf zuzustimmen. Erst durch den U-Ausschuss sind schließlich auch die von der ehemaligen niederösterreichischen Landesrätin Elisabeth Kaufmann-Bruckberger gestandenen Zahlungen an das BZÖ aufgedeckt worden. Bruckberger gab an, 665.000 Euro an Haider und seinen Gehilfen in mehreren Tranchen überbracht zu haben. 35.000 Euro sprangen für sie als Honorar für ihre Dienste heraus. Die FPÖ Kärnten läuft gegen den Bericht Sturm. Dieser U-Ausschussendbericht sei eine unredliche Farce, schimpfte der Klubobmann der Kärntner Freiheitlichen, Christian Leyroutz, dieser trieft vor unrichtigen Tatsachenbehauptungen. Der Grünen-Vorsitzenden Lesjak wirft Leyroutz vor, die Rolle der SPÖ und des ÖGB völlig negiert zu haben. Auch der ÖGB habe als Eigentümer vom Seenverkauf profitiert. Die grüne Vorsitzende Lesjak könne davon ausgehen, dass die FPÖ-Abgeordneten das vorliegende Konvolut an Unterstellungen, für die es keine Beweise gibt, nicht hinnehmen werden. Wir werden einen eigenen Bericht vorlegen und weitere rechtliche Schritte setzen. Die ÖGB-Spitze lässt auf Anfrage des Standard ausrichten, dass man, solange noch Verfahren laufen, keine Stellungnahme abgeben wolle. Rot-Schwarz-Grün ändert dafür die Landesverfassung und bekennt sich zu kultureller Vielfalt und Zweisprachigkeit. Klagenfurt – Mit einer grundlegenden Änderung der Landesverfassung will sich die rot-schwarz-grüne Regierung in Kärnten jetzt auch formal von der Haider-Ära verabschieden. Als eines der letzten Bundesländer wird Kärnten das Proporzsystem abschaffen und auf freie Koalitionen nach den Wahlen umstellen. Nur Niederösterreich und Oberösterreich bleiben noch bei der alten Proporzregelung, die jeder Partei ab einem gewissen Wahlergebnis einen Sitz in der Landesregierung zusichert. Weiterer Kernpunkt der neuen Kärntner Verfassung, die am Donnerstag der Öffentlichkeit vorgestellt wird: Die Politiker legen gesetzlich ein klares Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt und Zweisprachigkeit ab. Parallel mit dem Proporzende, das am 29. Oktober im Landtag debattiert und 2016 beschlossen wird, sollen in Kärnten die Minderheitenrechte wesentlich gestärkt werden. Hier haben sich in den Verhandlungen offensichtlich die kleineren Partei durchgesetzt. Der Vorsitz des Kontrollausschusses steht künftig automatisch der stimmenstärksten Oppositionspartei zu. Ebenso werden die Klubs der Opposition besser ausgestattet. Außerdem soll die Rolle des Landtags als Volksvertretung ausgebaut werden. So kann der Landtag künftig Volksbefragungen anordnen. Zudem sind nur noch 7.500 Unterschriften notwendig, damit ein Volksbegehren im Landtag behandelt werden muss. Ideologisches Herzstück der neuen Landesverfassung ist zweifelsohne – nach Jahren des tiefen Zwists um die Zweisprachigkeit – das Bekenntnis zur kulturellen Vielfalt. Das Land Kärnten bekennt sich, so heißt es, zu seiner gewachsenen sprachlichen und kulturellen Vielfalt. Sprache und Kultur, Traditionen und kulturelles Erbe sind zu achten, zu sichern und zu fördern. Die Fürsorge des Landes und der Gemeinden gilt den deutsch- und slowenischsprachigen Landsleuten gleichermaßen. Das rot-schwarz-grüne Übereinkommen wird im Präsentationstext zur neuen Verfassung zweisprachig formuliert: Dieses Bekenntnis ist ein wichtiger Akt mit hoher Symbolik und von historischer Bedeutung. Gemeinsam in die Zukunft! Skupno v prihodnost! (Walter Müller, 22.10.2015) WKStA prüft anonyme Anzeige – Verdacht auf Anfütterung – Scheider (FPÖ) weist Vorwürfe zurück. Klagenfurt – Der frühere Klagenfurter Bürgermeister und heutige Vizebürgermeister Christian Scheider (FPÖ) sowie ein Parteifreund haben Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltsschaft (WKStA) am Hals. Das berichtete das Nachrichtenmagazin Profil am Samstag. Laut Auskunft der Behörde geht es um Anfütterung, die Beschuldigten weisen wie Vorwürfe zurück. Scheider und sein Parteifreund sollen Geld eines Bauunternehmens angenommen haben. Ausgangspunkt für die Ermittlungen war eine anonyme Anzeige. Wir führen derzeit Ermittlungen gegen zwei Gemeindevertreter der Stadt Klagenfurt wegen des Verdachts der Vorteilsannahme zur Beeinflussung sowie gegen unbekannte Täter wegen des Verdachts der Vorteilszuwendung zur Beeinflussung, sagte Staatsanwalt Rene Ruprecht zur APA. Die Beschuldigten sollen das Geld angenommen haben, um sich dadurch in ihrer Tätigkeit beeinflussen lassen. Scheider bestreitet Vorwürfe Scheider weist die Vorwürfe zurück. Es ist nur eine anonyme Anzeige, um mir zu schaden. Sein Anwalt Hans Gradischnig sagt, es gebe keine Beweise, Zeugen hätten die Vorwürfe ebenfalls nicht bestätigt. In der Anzeige sei es außerdem nur um illegale Parteienfinanzierung gegangen. Ruprecht: Ob es hier tatsächlich zu strafbarem Verhalten gekommen ist, wird derzeit im Rahmen der Ermittlungen überprüft. Profil zufolge geht es um 30.000 Euro, die im Vorfeld der Kommunalwahlen im März 2015 den Besitzer gewechselt haben sollen. Von der WKStA gab es zu diesen Details keine Auskunft. Die Grünen bezeichnen sich im neuen Statut nur noch mit weiblicher Geschlechtsform. Klagenfurt – Die Meldung aus Kärnten wurde am Faschingdienstag lanciert und fand daher nicht wirklich gleich Eingang in die Nachrichtenportale. Nein, Nein, es ist wirklich kein Scherz , beteuert Reinhard Schinner. Die Grünen in Klagenfurt hätten tatsächlich bei ihrer letzten Mitgliederversammlung mehrheitlich beschlossen, alle Mitglieder mit der weiblichen Geschlechtsform zu bezeichnen. Reinhard Schinner ist ab sofort per Statut ihres Zeichens Obfrau der Stadtpartei. Wir wollten ganz bewusst einen radikalen Schritt und ein Zeichen nach außen setzen, sagt die nunmehrige Parteivorsitzende Schinner im Gespräch mit dem STANDARD. Sprache wirkt auf unsere Weltsicht. Wir setzen damit für die weibliche Mehrheit der Bevölkerung ein klares Signal, dass sie auch in der Sprache sichtbar sein darf. Wenn es weibliche Landeshauptmänner gibt und viele daran nichts Absurdes sehen, dann muss zum Beispiel eine männliche Parteiobfrau in Klagenfurt genauso möglich sein. In der Mitgliederversammlung hätten nur zwei Männer und zwei Frauen gegen die Statutenänderung gestimmt. Anstatt die Wörter zu gendern, was zunehmend schwerer zu lesen sei, werde nun eben ausschließlich die weibliche Form verwendet. Aus Obmann wird Obfrau, aus Vorsitzender eine Vorsitzende, aus Referent eine Referentin. Natürlich könnten Männer auch weiterhin männlich angesprochen werden, geändert habe sich ja nur die Sprache im Statut. Auch wenn die weibliche Form vorerst nur im Statut verankert sei, wollen die Grünen diese Initiative aber auch in Aussendungen der Partei weiterziehen, sagt Schinner. Die weibliche Form sei übrigens für alle bestehenden 12 bis 15 Geschlechter gedacht. Als weiteres Zeichen für die Gleichbehandlung haben die Grünen Klagenfurt ab sofort auch den Namenszusatz Zeleni v Celovcu – die slowenische Bezeichnung für Die Grünen in Klagenfurt – per Statut hinzugefügt. Die Klagenfurter Grünen sind aber nicht die ersten ihrer Partei, die eine weibliche Benennung vorziehen. Die steirischen Grünen verfügen bereits seit 2014 über ein weibliches Statut. Dort ist ausschließlich nur noch von Landessprecherin, die Finanzreferentin , vom Grünen Gemeindevertreterinnenverband oder der Landesgeschäftsführerin die Rede. Noch einen Schritt weiter sind die Grünen in Tirol gegangen. Hier hat die weibliche Sprachform sogar Eingang in die Gesetzesmaterie gefunden. Das Tiroler Kinder- und Jugendhilfegesetz ist mit wenigen Ausnahmen in weiblicher Form abfasst worden. Bei Bezeichnungen wie Bereitschaftspflegerinnen wird etwa nicht mehr extra die männliche Form erwähnt. Parteitag am 4. Juni, danach soll Darmann Landesrat werden – Strache zu Putschgerüchten: "Völliger Unsinn" – Ragger hofft auf Nationalratsmandat in nächster Periode. Klagenfurt/Wien – Der Nationalratsabgeordnete Gernot Darmann ist am Freitag vom Parteivorstand der Freiheitlichen in Kärnten zum neuen geschäftsführenden Parteiobmann gemacht worden. Der Beschluss fiel einstimmig. Darmann folgt Christian Ragger nach. Die Personalrochade soll am Parteitag der Kärntner Blauen am 4. Juni abgesegnet werden, kurz danach wird Darmann anstelle Raggers als neuer Landesrat vereidigt. Ragger sagte bei einer Pressekonferenz im Anschluss an die Vorstandssitzung, dass dieser Schritt seit längerer Zeit geplant gewesen sein. Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache nannte Gerüchte, denen zufolge es einen Putsch gegen Ragger gegeben habe, einen völligen Unsinn. Der scheidende Parteiobmann habe vielmehr Blumen verdient für seine Leistungen, er habe die Partei nach dem Wahldesaster 2013 in finanzieller und menschlicher Hinsicht konsolidiert. Darmann zollte Ragger höchsten Respekt und Dankbarkeit, auch dafür dass er die Führung rechtzeitig abgebe. Ein späterer Wechsel wäre strategisch nicht optimal gewesen, meinte Strache in Hinblick auf die nächste Landtagswahl 2018. Darmann sei sympathisch, unverbraucht und kompetent, meinte der Bundesparteichef. Als Aufgabe gab er Darmann mit, die Freiheitlichen wieder zur stärksten Kraft in Kärnten zu machen. Beim Parteitag im Burgenland habe Ragger gesagt, dass er die Führung abgeben und sich wieder mehr seiner Anwaltskanzlei widmen wolle, erzählte Strache. Nach der nächsten Nationalratswahl werde Ragger die FPÖ im Nationalrat unterstützen. Wenn Norbert Hofer Präsident werde, könnten Wahlen vielleicht ja durchaus früher stattfinden, deutete der FPÖ-Chef an. Darmann meinte, er freue sich auf diese wunderschöne und besondere Herausforderung, es werde für ihn ein Heimspiel. Er werde dafür sorgen, dass die Kärntner den Stolz darüber, Kärntner zu sein, wieder spüren. Die Landespartei werde unter seiner Führung sicher nicht zur Satellitenpartei der Bundes-FPÖ, allerdings: Bei aller Selbstständigkeit: Abstimmung ist alles andere als verwerflich. Wer Darmann im Nationalrat nachfolgen werde, wisse er noch nicht, meinte Strache. Aber es wird wohl leider kein Kärntner. Darmanns Nachfolger als Fraktionsführer im Hypo-U-Ausschuss werde erst bekannt gegeben, wenn der Klub über ihn abgestimmt habe. Thema der Pressekonferenz war auch die seit Jahren laufende Wiedervereinigung der Kärntner Blauen mit der Bundespartei. Abgeschlossen werde der Prozess bis spätestens zum nächsten, ordentlichen Bundesparteitag, der spätestens Anfang 2017 in Klagenfurt stattfinde, meinte Strache. Die Prüfungen hätten so lange gedauert, jetzt liege eine Gesamteinschätzung der Freiheitlichen in Kärnten vor, die auch hier und da ein kleines Risiko beinhalte. Die Schulden der Kärntner Blauen seien abgebaut, allerdings ist die Partei im Visier der Korruptionsstaatsanwaltschaft. In den Causen Seenkauf und Ideenschmiede ist sie nach der Verbandsverantwortlichkeit Beschuldigte. Ragger sagte, man habe bereits Rückstellungen in Höhe von 65.000 Euro gebildet. Eine Honorarabrechnung über 130.000 Euro bringt Christian Leyroutz in Untreueverdacht. Klagenfurt – Der Kärntner FPÖ-Klubobmann im Landtag, Christian Leyroutz, ist ins Visier der Justiz geraten. Dabei geht es um eine Honorarabrechnung von Leyroutz, der den Klagenfurter Stadtwerken für Beratertätigkeit 130.000 Euro verrechnet hat. Die Staatsanwaltschaft hat am Freitag von Amts wegen ein Verfahren eingeleitet, erklärte Staatsanwältin Tina Frimmel-Hesse am Montag. Das Verfahren wurde aufgrund von Medienberichten eingeleitet, vorerst gegen unbekannte Täter, und zwar wegen des Verdachts der Untreue. Leyroutz hat 2012 in Summe 130.000 Euro für Verhandlungen über den Rückkauf von Anteilen an der Tochtergesellschaft Energie Klagenfurt vom Verbund erhalten. Er war damals Aufsichtsratsvorsitzender der Stadtwerke und stellte zwei Teilrechnungen über je 65.000 Euro. Leyroutz wies die Vorwürfe zurück, er habe alles korrekt angeführt und abgerechnet. Das bestätige auch ein Revisionsbericht sowie der ursprüngliche Wirtschaftsprüfer. Auf dem Leistungsverzeichnis von Leyroutz finden sich Einträge wie Verhandlung am 25. April 2012 mit Dr. Sereinig (Therme Loipersdorf) um 20.056,70 Euro. Wie die Kleine Zeitung in ihrer Montag-Ausgabe berichtet, sieht Johann Sereinig, stellvertretender Verbund-Vorstandsvorsitzender, den Termin mit Leyroutz völlig anders. In seiner Stellungnahme heißt es: Am 25. April 2012 kam es an der Raststation Loipersdorf zu einem kurzen Kaffee-Meeting. Dr. Sereinig war auf dem Weg zur jährlichen Verbund-Management-Tagung im Hotel Loipersdorf. Überhaupt habe es sich bei den von Leyroutz angeführten Verhandlungen in Wahrheit um kurze Vorbesprechungstermine gehandelt. Der Anteilsverkauf wurde vom Verbund über die eigene Rechtsabteilung abgewickelt, als Pendant auf Käuferseite fungierte Rechtsanwalt Martin Wiedenbauer, zitiert die Kleine Zeitung aus einer schriftlichen Stellungnahme der Verbund AG. Wiedenbauer bekam für seine Arbeit von den Stadtwerken rund 25.000 Euro. Einigung auf zweisprachige Tafeln in 164 Orten am 26. April 2011 – Kaiser über Lösung: "Historischer Meilenstein für Kärnten". Klagenfurt – Am Dienstag kommender Woche jährt sich die Kärntner Ortstafellösung zum fünften Mal. Am 26. April 2011 paktierten die damaligen Verhandler, Staatssekretär Josef Ostermayer (SPÖ), Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) sowie die Slowenenvertreter Valentin Inzko, Marjan Sturm und Bernard Sadovnik einen Kompromiss mit zweisprachigen Tafeln in 164 Orten. Heute ist das Ganze längst kein Thema mehr. In der öffentlichen Debatte kommen die Ortstafeln praktisch nicht mehr vor. Das über 56 Jahre Kärnten sehr oft lähmende und viel zu oft politisch missbrauchte Joch wurde mit der Ortstafellösung vor fünf Jahren abgeworfen, sagte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) auf Anfrage der APA. Weder für die Politik noch für die Bevölkerung seien zweisprachige Ortstafeln noch ein Thema. Die Ortstafellösung ist für den Volksgruppenreferenten ein historischer Meilenstein für Kärnten. In 164 Ortschaften wurden mittlerweile in Summe 453 Ortstafeln aufgestellt. Dazu kommen noch 752 zweisprachige Wegweiser. Der Ortstafelstreit und der Umgang mit der slowenischen Volksgruppe hatte über Jahrzehnte für Unfrieden im Land gesorgt. Im Staatsvertrag waren zweisprachige topografische Aufschriften im gemischtsprachigen Gebiet vereinbart worden. Eine Definition eines solchen Gebiets unterblieb jedoch. 1972 beschloss die Regierung Kreisky eine Grenze von 20 Prozent slowenischsprachiger Bürger und verfügte die Aufstellung der entsprechenden Tafeln. Als die ersten von ihnen aufgestellt wurden, gab es den Ortstafelsturm – aufgebrachte Gegner zweisprachiger Tafeln demontierten die Schilder. Den damaligen Kärntner Landeshauptmann Hans Sima (SPÖ) kostete dieser Konflikt letztlich das Amt. In der Folge wurde das Thema hauptsächlich politisch missbraucht, lediglich in der Ära von Landeshauptmann Christof Zernatto (ÖVP) wurden ohne großes Aufsehen etliche Ortschaften auf der Basis der 20-Prozent-Regelung mit zweisprachigen Bezeichnungen versehen. 2001 sorgte dann ein VfGH-Erkenntnis für neuen Zündstoff, die Höchstrichter kippten die 20-Prozent-Hürde. Der damalige freiheitliche Landeshauptmann Jörg Haider nannte den Richterspruch ein Faschingsurteil. Danach gab es ein jahrelanges Hin und Her, immer wieder wurden Regelungen erlassen – häufig hoben die Höchstrichter sie wieder auf. Tafeln wurden auf Geheiß der von dem Rechtspopulisten Jörg Haider dominierten Landespolitik auf-, ab- und umgebaut. 2005 vermeinte man eine Einigung gefunden zu haben, in Schwabegg/Zvabek in der Gemeinde Neuhaus und in Windisch Bleiberg / Slovenj Plajberg (Gemeinde Ferlach) wurden im Mai feierlich Tafeln aufgestellt und eingeweiht, dafür kam Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) eigens nach Kärnten. Doch die Einigung hielt nicht, und das Theater ging weiter, bis die angestrebte Lösung 2006 scheiterte. Eine für alle Seiten akzeptable Lösung, die auch vollzogen wurde, kam erst 2011, drei Jahre nach Haiders Tod, zustande. Tafeln und Wegweiser wurden aufgestellt. Für das Wechseln von politischem Kleingeld ist das Thema inzwischen denkbar ungeeignet, zumal die Politik in Kärnten ganz andere Probleme zu lösen hat. "kärnten.magazin" geht an alle Haushalte – Opposition hatte Maßnahme kritisiert. Klagenfurt – In allen Kärntner Haushalten geht dieser Tage per Postwurf das neue kärnten.magazin ein. Das 28-seitige Druckwerk hatte schon im Vorfeld für politischen Zwist mit der Opposition gesorgt, die der Koalition Geldverschwendung und Eigen-PR vorwarf. Die Faktenlage in Kärnten ist besser als die Stimmung, verteidigte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) am Dienstag die Kommunikationsmaßnahme. Das vom Landespressedienst erstellte Magazin enthalte wohl auch ein paar Stimmungsaufheller, sagte Kaiser, es habe aber nur 25.000 Euro gekostet, zudem bleibe die Wertschöpfung im Land. Außerdem seien die Gesamtkosten für Kommunikation im Vergleich zur Vorgängerregierung und dem Jahr 2012 massiv von 1,2 Millionen Euro auf unter 400.000 Euro im Vorjahr gesenkt worden. Landesrat Rolf Holub (Grüne) verwies auf einen Beitrag zum Thema Energieservicestellen. Eine Pressekonferenz zu dem Thema sei von keinem Journalisten besucht worden, es sei aber wichtig, dass die Betroffenen darüber informiert würden. Bürgerbefragung ergab 83 Prozent Zustimmung– Beteiligung 23 Prozent. Gerasdorf bei Wien – Wenn es 2017 zur Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung kommt, will Gerasdorf bei Wien dem Bezirk Korneuburg zugehören. Das ist nach Angaben der Stadtgemeinde das Ergebnis einer Bürgerbefragung, die von Freitag bis Sonntag abgehalten wurde. 83 Prozent sprachen sich demnach für den Bezirk Korneuburg aus, 16 Prozent für Mistelbach, nur ein Prozent votierte für Gänserndorf. An der Bürgerbefragung hatten 2.573 Bewohner (Wahlbeteiligung 23 Prozent) teilgenommen. Bereits am Montag gibt es der Stadtgemeinde zufolge einen Termin in St. Pölten, bei dem versucht wird, das bestmögliche Verhandlungsergebnis für Gerasdorf zu erzielen. Die Stadtgemeinde will in Gesprächen und Verhandlungen mit dem Land Niederösterreich alles daran setzen, dass einer der beiden erstgereihten Vorschläge zum Zug kommt, aber keinesfalls der drittgereihte. Ursprünglichen Plänen zufolge soll Gerasdorf mit der Auflösung des Bezirks Wien-Umgebung ab 2017 Gänserndorf zugehören. Gerasdorf kommt doch nach Korneuburg, Leopoldsdorf, Lanzendorf und Maria-Lanzendorf zu Bruck an der Leitha, Gablitz und Mauerbach zu St. Pölten. St. Pölten – Noch vor dem Beschluss des neuen niederösterreichischen Bezirkshauptmannschaften-Gesetzes im Landtag haben die Klubobleute Klaus Schneeberger (ÖVP) und Alfredo Rosenmaier (SPÖ) am Donnerstag eine Änderung bei der Zuteilung von sechs der 21 Gemeinden verkündet. Gerasdorf bei Wien etwa wird – wie von der Stadtgemeinde gewünscht – zu Korneuburg und nicht zu Gänserndorf kommen. Das Ohr am Bürger gehabt Leopoldsdorf, Lanzendorf und Maria-Lanzendorf werden nicht Mödling, sondern Bruck an der Leitha zugeordnet. Gablitz und Mauerbach kommen nicht zu Tulln, sondern zu St. Pölten-Land. Alternativvorschläge seien berücksichtigt worden, sagten die Klubobleute, man habe das Ohr am Bürger gehabt. Schneeberger betonte, dass dem Landtag die Auflösung von Wien-Umgebung obliege. Die Neuzuordnung der Gemeinden sei Sache der Landesregierung, die noch am Donnerstagnachmittag zu einer diesbezüglichen Sitzung zusammentrat. Die künftige Bezirksstruktur in Niederösterreich wird mit 1. Jänner 2017 rechtswirksam. Bezirksnamen sollen nicht geändert werden Bei den Bezirken gibt es laut Schneeberger keinen Grund für eine Namensänderung. Das gelte für Bruck an der Leitha (mit Schwechat) ebenso wie für Tulln (mit Klosterneuburg). Rosenmaier hielt fest, dass die Auflösung von Wien-Umgebung ein richtiger Schritt sei. Das soll uns nicht abhalten, über weitere Reformschritte nachzudenken, die freilich Sinn machen müssten. Weil es immer um Finanzen gehe, spiele dieser Aspekt natürlich eine Rolle. Auf dem Weg der Reform sei letztlich nichts auszuschließen. Schwechat zufrieden Zufrieden reagierte die Schwechater Stadtführung auf die Änderung. Dass der Gerichtsbezirk erhalten bleibe, sei ein Erfolg, teilte das Rathaus mit. Alle im Gemeinderat vertretenen Fraktionen hätten an einem Strang gezogen, sagte Bürgermeisterin Karin Baier (SPÖ). Ein Entwurf einer Resolution sei dem Landtag zugestellt worden. Jetzt haben wir dieses positive Ergebnis. (APA, 24.9.2015) Zum Bezirk Bruck an der Leitha:EbergassingFischamendGramatneusiedlHimbergKlein-NeusiedlLanzendorfLeopoldsdorfMaria-LanzendorfMoosbrunnRauchenwarthSchwadorfSchwechat Zwölfaxing Zum Bezirk Korneuburg:Gerasdorf Zum Bezirk St. Pölten-Land:GablitzMauerbachPressbaumPurkersdorfTullnerbach Wolfsgraben Zum Bezirk Tulln:Klosterneuburg Staatsanwaltschaft: Verdacht des Amtsmissbrauchs gegen Grafenwörther Bürgermeister Riedl laut "News". Grafenwörth/St. Pölten – Wegen fragwürdiger Nebenwohnsitze in Grafenwörth bei der Niederösterreichischen Gemeinderatswahl 2015 hat die Staatsanwaltschaft St. Pölten Ermittlungen eingeleitet. Es bestehe der Verdacht des Amtsmissbrauchs, bestätigte Sprecher Karl Wurzer einen Vorabbericht der Zeitschrift News (Samstag). Ermittelt werde in alle Richtungen, auch gegen Bürgermeister Alfred Riedl (ÖVP) als Vorsitzenden der Gemeindewahlbehörde. Die Staatsanwaltschaft hat das Bundesamt zur Korruptionsprävention und Korruptionsbekämpfung (BAK) mit den Ermittlungen beauftragt. Demnach sollen Wähler zugelassen worden sein, die keinen entsprechenden Wohnsitz in Grafenwörth (Bezirk Tulln) hatten. Zwei SPÖ-Gemeinderäte hatten dazu im Vorjahr eine Sachverhaltsdarstellung bei der Staatsanwaltschaft eingebracht. Bei den niederösterreichischen Gemeinderatswahlen kann auch ein Nebenwohnsitz ausreichen, um wählen gehen zu dürfen. Eine Person kann also in mehreren Gemeinden für dieselbe Partei stimmen. Vor der Wahl gab es laut News nicht nur in Grafenwörth Auffälligkeiten bezüglich der Nebenwohnsitze. Hier habe es jedoch die Gemeindewahlbehörde trotz entsprechender Anträge der Opposition zunächst abgelehnt, die umstrittenen Zweitwohnsitzer aus dem Wählerverzeichnis zu streichen, hieß es in dem Bericht. Erst nach einer Entscheidung des Landesverwaltungsgerichts wurden laut News gut ein Dutzend Personen von der Wählerliste gestrichen, da kein ordentlicher Wohnsitz in Grafenwörth vorlag. Riedl, der auch Präsident des Gemeindebundes Niederösterreich der ÖVP ist, wollte gegenüber News zum laufenden Verfahren keine Stellungnahme abgeben. Er hat dem Bericht zufolge die Vorwürfe immer bestritten. Bürgermeister Schneeberger sieht ein "ganz offenes Gesprächsklima" in der umstrittenen Koalition. Wiener Neustadt – Wir sanieren, haben aber auch Ideen, um die Stadt weiterzuentwickeln. Weil man die Balance geschafft habe, würden die Mitarbeiter mitziehen, bilanzierte Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) knapp vor dem ersten Jahrestag der bunten Regierung in Wiener Neustadt, die seit 20. Februar 2015 im Amt ist. Hervorgehoben hat er im APA-Gespräch, dass es ein ganz offenes Gesprächsklima gebe. ÖVP, FPÖ, Grüne und zwei Listen hatten sich nach der Gemeinderatswahl im Jänner 2015 auf die Zusammenarbeit geeinigt. Die SPÖ musste nach sieben Jahrzehnten den Bürgermeister-Sessel räumen, obwohl sie nach wie vor die stärkste Kraft in Wiener Neustadt ist. In seiner bunten Regierung seien positive Akzeptanz, Achtung und Freiraum spürbar, betonte Schneeberger, der auch Klubobmann der ÖVP im Niederösterreichischen Landtag ist. Es gebe nicht wie leider auf Bundesebene die Situation, dass ein Partner das eine und der andere das Gegenteil sage. Das sei die Basis positiven Zusammenlebens. Zu den Herausforderungen im ersten Jahr zählte ohne Zweifel die Erstellung des Budgets 2016, das ein solides Miteinander zeige und gemeinsam mit dem Finanzrahmen 2017 am 19. Februar im Gemeinderat zur Beschlussfassung steht. Ein finanzieller Neustart wurde notwendig, weil die Stadt ohne konkrete Maßnahmen schon im Frühjahr insolvent gewesen wäre, was selbst der Rechnungshof (RH) bestätigt hat. Schneeberger weiß, dass es in der bunten Regierung auch schwierige Zeiten geben könne, fügte jedoch hinzu, dass unter den Voraussetzungen kaum etwas schwieriger sei als einen Haushalt zu erstellen. Der RH hatte den Sanierungsbedarf mit 15,5 Millionen Euro pro Jahr beziffert. Sicher unterschiedliche Standpunkte gibt es in der Stadtregierung beim Thema Asyl, sagte Schneeberger im APA-Gespräch weiter. Durch den hohen Migrationsanteil – fast jeder vierte Wiener Neustädter hat Migrationshintergrund – sei jedoch die Belastbarkeitsgrenze der Stadt eine sehr niedrige. Neben dem Budget ist dem Bürgermeister wichtig, wie wir Wiener Neustadt weiterentwickeln. Als wesentlich in diesem Zusammenhang bezeichnete er die Entscheidung für eine Dependance der Fachhochschule in der City, einen Naschmarkt am Hauptplatz und die Niederösterreichische Landesausstellung 2019 im Kern der Stadt. Die Schau mit dem Arbeitstitel Füße – Felgen – Flügel werde einen wesentlichen Akzent zur Belebung der Innenstadt setzen. National als Schuldenhauptstadt bekannt geworden, soll Wiener Neustadt in den kommenden Jahren wieder lebenswert sein, betonte Schneeberger. Wesentliche Komponenten dabei seien auch Forschung und Bildung, nicht zuletzt durch das Ionentherapie- und Forschungszentrum MedAustron, das noch in diesem Jahr in Betrieb gehen soll. Was Schneeberger in seinem ersten Jahr als Bürgermeister gelernt hat: Es sind nicht die großen Projekte, sondern die kleinen, die Menschen unmittelbar berührenden Themen, die wichtig sind. Die Arbeitsbedingungen für die Kleinparteien sind im niederösterreichischen Landtag oft schwierig. Alleine können sie nicht einmal Anträge stellen. St. Pölten / Wien – Die Grünen wollen im niederösterreichischen Landtag wieder Anträge stellen – was ihnen derzeit, mit nur vier Abgeordneten, nicht möglich ist. Bis vor zwei Wochen unterstützen die Landtagsfraktionen der Grünen und der FPÖ ihre Anträge gegenseitig, um auf die sechs Unterschriften zu kommen, die notwendig sind, eine Vorlage überhaupt zur Debatte stellen zu können. Dann wurde bekannt, dass die Grünen auch einen FPÖ-Antrag unterstützten, in dem gefordert wurde, die medizinische Versorgung für Flüchtlinge einzuschränken. Klubobfrau Helga Krismer und Madeleine Petrovic hatten selbst unterschrieben. In den sozialen Netzwerken gingen die Wogen hoch, die blau-grüne Kooperation wurde daraufhin von den Grünen beendet. Die FPÖ hat in der Zwischenzeit Mandatare des Teams Stronach gewonnen, um wieder eigene Anträge stellen zu können. Die Grünen haben ein anderes Prozedere im Sinn. Vor jeder Landtagssitzung kann man Anträge beim Landtagspräsidenten einreichen. Dieser ist dann verpflichtet, ihn zu Beginn der Sitzung zur Diskussion zu stellen. Stimmt die Mehrheit dafür, kann der Antrag eingebracht werden. Erstmals getestet haben die Grünen dieses Vorgehen bei der Landtagssitzung am Donnerstag. Allerdings erreichte keiner ihrer Anträge das nötige Quorum. Da zeigt sich schon ein interessantes Demokratieverständnis der Regierungsparteien, sagt Klubobfrau Krismer im Gespräch mit dem STANDARD. Tatsächlich sind die sechs Abgeordneten, die es im St. Pöltner Landtag braucht, um einen Antrag einzubringen, österreichischer Höchstwert. In Tirol kann jeder Klub, unabhängig von der Größe, einen Antrag einbringen. Überall sonst braucht es nicht mehr als drei Abgeordnete, in Wien und Salzburg gar nur einen. Auch bei anderen Bestimmungen hadern die Grünen mit der Geschäftsordnung des niederösterreichischen Landtags. Eine aktuelle Stunde, also eine Debatte im Plenum zu einem aktuellen Thema, darf in ganz Österreich von jeder Landtagsfraktion eingebracht werden, unabhängig von der Größe. Nur in Niederösterreich reicht das Klubrecht nicht, es braucht wiederum sechs Abgeordnete. Das ist ein Wahnsinn, sagt Krismer. Seit 2003 wird uns versprochen, dass die Geschäftsordnung demokratischer wird, aber es passiert nichts. Dieser Darstellung widerspricht auch die regierende ÖVP nur bedingt. Diese hat kurz vor den letzten Landtagswahlen einen Antrag im Landtag eingebracht, der die Minderheitenrechte im Landtag gestärkt hätte. Er erreichte allerdings nicht die notwendige Zweidrittelmehrheit, da die SPÖ nicht mitstimmte. Jetzt sind wir aber mitten in einer Legislaturperiode, sagt ÖVP-Klubsprecher Eberhard Blumenthal. Beim Fußball ändert man ja auch nicht die Regeln während des Spiels. Laut "NÖN" hätte die FPÖ Hermann Nonner nicht mehr kandidieren lassen. St. Pölten – Der St. Pöltner FPÖ-Stadtrat Hermann Nonner tritt bei der Gemeinderatswahl am 17. April in der niederösterreichischen Landeshauptstadt für die Liste Blüh an. Er kandidiert auf dem zweiten Listenplatz hinter Mario Wailzer (25), bestätigte Nonner einen Bericht der St. Pöltner NÖN-Ausgabe am Dienstag. Ich will der Bürgerliste helfen, ich bin ein Fan von unabhängigen Listen, begründete Nonner gegenüber der APA seine Kandidatur für die Plattform, die zum ersten Mal in St. Pölten um Stimmen wirbt. Ein Mandat ist das Ziel der Liste, ich habe ein Kampfmandat, sagte Nonner. Bei der Gemeinderatswahl 2006 trat er als Einzelperson mit einer eigenen Liste an und erreichte mit 2,4 Prozent der Stimmen ein Mandat. Der 68-Jährige zog 1991 in den Gemeinderat ein und sitzt seit 2011 im Stadtsenat. Bei der letzen Wahl am 3. Juli 2011 führte Nonner die FPÖ-Liste als parteifreier Kandidat an. Laut der Wochenzeitung hätten ihn die Freiheitlichen nun nicht mehr kandidieren lassen. Kooperation mit FH für Wiederbelebung angeregt. St. Pölten – Die Jungen Grünen warten im zu Ende gehenden Wahlkampf in St. Pölten mit einer Idee auf: Sie machen sich für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs in der Landeshauptstadt stark und fordern nicht nur ein dichteres Bus-Angebot und kürzere Wartezeiten, sondern auch die Wiederbelebung der 1976 eingestellten Straßenbahn. Die Jungen Grünen regten diesbezüglich in einer Aussendung am Montag eine Kooperation mit dem Studiengang Eisenbahn-Infrastrukturtechnik an der FH St. Pölten an, um einen detaillierten Entwurf zu erarbeiten. Es brauche dringend Schritte für den notwendigen Ausbau der Öffis. Die Wiederbelebung der Straßenbahn wäre eine Möglichkeit, günstige und umweltfreundliche Alternativen zum Auto zu schaffen, sagt Fiona Karl, Sprecherin der Jungen Grünen. St. Pölten könnte mit einem derartig innovativen Projekt endlich in die Fußstapfen anderer Landeshauptstädte treten. Auch Experten wie der renommierte Forscher für Bahntechnologie und Mobilität, Otfried Knoll, würden die Wiederbelebung des alten Straßenbahnsystems befürworten. Der Bürgermeister baute seine absolute Mehrheit aus. Die Parallelen sind augenscheinlich. Beide ruhen auf bequemen absoluten Mehrheiten und gesichert an der politischen Spitze. Ihr Wahlvolk gibt ihnen nicht nur gerne seine Stimmen, sondern mag auch den Menschen hinter dem Amt. Und genau deswegen lassen sie im Wahlkampf gerne das eigene Gesicht plakatieren und die eigene Partei unter den Tisch fallen. Die ist ihnen dafür angesichts ihrer Wahlerfolge höchst dankbar. Matthias Stadler, Bürgermeister von St. Pölten, ist so etwas wie ein Erwin Pröll im Kleinen. Kaum verwunderlich, dass sie auch persönlich gut miteinander können, einander duzen und auch gern ein Achterl Wein miteinander trinken. Es ist Stadler, der bei der St. Pöltener Gemeinderatswahl am Sonntag 59 Prozent der Stimmen erreichte, nicht die SPÖ. Sogar der vielkritisierte Vergleich im Rechtsstreit um das Swap-Geschäft der Stadtgemeinde konnte Stadler nichts anhaben: Unter Stadler war die Stadt – noch vor der Weltwirtschaftskrise 2008 – eine hochspekulative Zinswette eingegangen. Einen jahrelangen Gerichtsprozess mit der Bank, die den Deal vermittelt hatte, legte Stadler einvernehmlich bei – und hielt die Details des angeblich millionenschweren Vergleichs, mitten im Wahlkampf, unter Verschluss. Die ÖVP aktivierte im Fall sogar die Staatsanwaltschaft. Genützt hat es ihr nicht: Sie verlor ein Mandat. Stadler gilt nicht als brillanter Redner, punktet aber, so ein Vertrauter, auf persönlicher Ebene – ein gewichtiger Vorteil in einer kleinen Stadt, in der Bürger mit dem Bürgermeister beim Einkauf am Markt plaudern können. Darin steckt auch die Herausforderung für Stadlers Rolle in der Landespolitik. Seit 2013 führt er neben der Landeshauptstadt auch die Landes-SPÖ an – und schlägt in seiner Doppelfunktion und mit gutem Draht zum Landeshauptmann Vorteile für seine Stadt heraus. Jenseits der Landeshauptstadt jedoch ist Stadler, der mit seiner Lebensgefährtin in St. Pölten wohnt, weitgehend unbekannt. In einem Landtagswahlkampf gegen Erwin Pröll würde der erfolgsverwöhnte Stadler wohl mit der schwarzen niederösterreichischen Realität konfrontiert. Ob Pröll 2018 selbst antritt oder schon seine Nachfolgerin Johanna Mikl-Leitner vorschickt, ist aber noch ungewiss. Gegen eine ÖVP ohne den Landesvater könnte die SPÖ Niederösterreich unter Matthias Stadler von einer politischen Statistin zumindest zur Nebendarstellerin avancieren. Landesrätin Johanna Mikl-Leitner will Förderungen für Migranten an deren Integration koppeln. Sie ist zurück. Johanna Mikl-Leitner ist wieder im Landhaus in St. Pölten, diesmal als Stellvertreterin von Landeshauptmann Erwin Pröll (beide ÖVP). Im Interview mit dem STANDARD sagt sie, dass die Vergabe von Förderungen an Migranten künftig generell an deren Integrationsfortschritte geknüpft werden solle. Bei den Spekulationsgeschäften rund um die verkauften Wohnbaudarlehen sei kein Euro verlorengegangen, sagt die neue Finanzlandesrätin. STANDARD: Haben Sie in Niederösterreich schon den ersten Kreisverkehr eingeweiht oder Spatenstich gesetzt? Mikl-Leitner: So etwas Ähnliches – und zwar heute in der Früh in Unterpurkersdorf. Da habe ich mit meinem Amtsvorgänger im Innenministerium, Karl Schlögl, jetzt Bürgermeister, die erste Park-and-ride-Anlage eröffnet. Das hat mir Spaß gemacht. STANDARD: Offenbar sind Sie ganz froh, das Innenressort in Wien hinter sich gelassen zu haben? Mikl-Leitner: Zugegeben, wegen der Migrationskrise waren die letzten fünf Jahre eine herausfordernde Zeit. Aber ich habe als Ministerin auch viele Steine aus dem Weg geräumt, etwa, dass Asylwerber nun auch in sichere Drittstaaten zurückgewiesen werden können. STANDARD: Dennoch galten Sie in der Regierung wie in der Union als Bad Cop – hat Sie das gestört? Mikl-Leitner: Mittlerweile gibt es ja viel Verständnis für das Vorgehen Österreichs, etwa für das Schließen der Westbalkanroute. Deutschland etwa profitiert davon sehr – in den letzten Monaten gab es dafür auch hunderte Dankesbriefe aus der deutschen Bevölkerung. STANDARD: Vom bisherigen Finanzlandesrat und jetzigen Innenminister Wolfgang Sobotka haben Sie das Spekulationsproblem rund um die Wohnbaudarlehen geerbt, zu dem der Rechnungshof festgestellt hat, dass ein Schaden von einer Milliarde Euro entstanden ist. Haben Sie sich schon einen Überblick über die Bilanzen verschafft? Mikl-Leitner: Wir sind auf einem sehr guten Weg, und den werden wir fortführen. Denn wir haben dem Landesbudget 2,86 Milliarden zugeführt. Kein einziger Euro ist also verlorengegangen, der Ertrag ist aber leider geringer ausgefallen als erwartet. STANDARD: Die Wohnbaudarlehen waren aber acht Milliarden Euro wert. Verkauft wurde um 4,4 Milliarden, weil man von hohen Renditen ausging. Im Endeffekt wird es doch einen Verlust geben? Mikl-Leitner: Die veräußerten Wohnbaudarlehen wurden im Rahmen internationaler Ausschreibung verwertet und hatten wegen der sehr langen Laufzeiten und der geringen Verzinsung den Marktwert, der eben erzielt wurde. Der Nominalbetrag betrug 6,4 Milliarden Euro. Das Stammkapital ist ja nicht weg, nur der Zuwachs ist geringer. STANDARD: Was werden Sie dann in Niederösterreich als Erstes angehen? Mikl-Leitner: Einer meiner Schwerpunkte wird sein, das Wohnen erschwinglich zu machen. Damit möglichst viele Menschen in ihren eigenen vier Wände leben können. Einerseits sollen vor allem für Familien Wohnungen für die kleine Brieftasche gebaut werden. Anderseits wollen wir welche zu einer Monatsmiete von 250 Euro anbieten. Das Budget dafür ist da – und bei den Verhandlungen sind wir auf der Zielgeraden. STANDARD: Soll es dabei Auflagen für Migranten geben, wenn diese auch solche Wohnungen wollen? Mikl-Leitner: Generell sollte in Zukunft überprüft werden, ob Integrationsfortschritte gegeben sind – und zwar bei der Vergabe von allen Förderungen. Denn Menschen, die zu uns kommen, kann man durchaus etwas abverlangen – und zwar sowohl in Deutsch- als auch in Wertekursen. STANDARD: Soll das der Bund regeln – oder wollen Sie dafür ein eigenes Gesetz in Niederösterreich haben? Mikl-Leitner: Das werden wir für Niederösterreich andenken. STANDARD: Verträgt Österreich mehr als die zwei Minarette in Wien-Floridsdorf und in Telfs? Mikl-Leitner: Darum geht es derzeit nicht, sondern vor allem um ein Miteinander und eine gemeinsame Wertorientierung. STANDARD: Landeshauptmann Erwin Pröll hat muslimische Gebetstürme einst als artfremd bezeichnet. Teilen Sie seine Ansicht? Mikl-Leitner: Ich möchte mich hier jetzt nicht an einer Bewertung von Diktionen beteiligen, die schon ewig zurückliegen. STANDARD: Sowohl von Pröll als auch von Ihrem Nachfolger Sobotka heißt es, dass sie bei Differenzen sehr laut werden können. Wie gehen Sie damit um? Mikl-Leitner: (lacht) Emotionen waren noch nie etwas Schlechtes. Ich kann auch laut werden, aber nur kurz. STANDARD: Seit den schlechten Ergebnissen bei der Bundespräsidentenwahl zerfleischt sich der Koalitionspartner SPÖ. Ihr Mentor Pröll hat Kanzler Werner Faymann vorgeworfen, Regierungsarbeit zu verschleppen – ein übertriebener oder gerechtfertigter Vorwurf? Mikl-Leitner: Ich hätte mir vom Kanzler in manchen Phasen auch mehr Durchsetzungskraft gewünscht. Dann hätte man meine Asyllinie schneller verfolgt und jetzt bei der Wahl ein anderes Ergebnis erzielen können. STANDARD: Die ÖVP steht aber keinen Deut besser da. Hofburg-Kandidatin Irmgard Griss etwa hat mit dem Anprangern des rot-schwarzen Proporzes ein sehr gutes Wahlergebnis erzielt. Mikl-Leitner: Bei den Postenvergaben geht es in erster Linie um Kompetenz, das war und ist unser oberstes Credo. Selbstverständlich darf aber eine Mitgliedschaft, egal wo, kein Nachteil für einen Bewerber sein. STANDARD: Ihre Partei hat im letzten Jahrzehnt drei Obmänner verschlissen. Wie lange hält sich Reinhold Mitterlehner noch? Mikl-Leitner: Noch länger, als Sie denken. Diese Frage sollten Sie eher jemandem von der SPÖ stellen. ÖVP-Obmann zu sein ist eine herausfordernde Aufgabe – und Reinhold Mitterlehner bewerkstelligt seine Aufgabe sehr gut. STANDARD: Die ÖVP hat also bis jetzt gar nichts falsch gemacht? Mikl-Leitner: Das war ganz klar eine Protestwahl. Die Menschen hätten sich eine schnellere Reaktion auf die Flüchtlingsfrage gewünscht seitens der gesamten Regierung. STANDARD: Die Regierung vermittelt aber auch den Eindruck, wenig weiterzubringen – Stichwort Schule. Vielleicht haben viele Wähler mit ihrem Votum auch dagegen protestiert? Mikl-Leitner: Bei zwei Parteien mit unterschiedlicher Ideologie muss auch diskutiert werden. Ich sehe das nicht als Streit, aber so wird es oft interpretiert. Demokratie verlangt aber Diskussion. STANDARD: Wem geben Sie bei der Stichwahl Ihre Stimme? Mikl-Leitner: Auch für mich gilt das Wahlgeheimnis. Ich werde hier sicherlich keine Empfehlung abgeben, denn die Menschen sind mündig genug, darüber zu entscheiden. STANDARD: Wann übernehmen Sie den Landeshauptmann-Posten? Mikl-Leitner: Ich stelle mich jetzt mit ganzer Kraft den Aufgaben, für die ich angelobt worden bin. Mit 29 Stimmen von 41 anwesenden Mandataren – Gemeinderat in NÖ Landeshauptstadt künftig mit acht statt zehn Ausschüssen. St. Pölten – Matthias Stadler (SPÖ) ist bei der konstituierenden Sitzung des St. Pöltner Gemeinderates am Donnerstag als Bürgermeister wiedergewählt worden. 29 der 41 anwesenden Mandatare (von insgesamt 42) votierten für ihn. Es gab neun ungültige Stimmen und drei Streichungen. Vizestadtchefs sind erneut Franz Gunacker (SPÖ) und Matthias Adl (ÖVP). Die Anzahl der Ausschüsse wurde von zehn auf acht verringert. Ich habe mich entschlossen, in St. Pölten zu sein und für St. Pölten zu arbeiten, betonte Stadler, der gleichzeitig SP-Landesparteichef ist. Der seit 2004 amtierende Bürgermeister bedankte sich in seiner Antrittsrede bei den Wählern, die ein deutliches Zeichen für die Fortsetzung des St. Pöltner Weges gesetzt hätten. Er wolle der niederösterreichischen Landeshauptstadt politisch noch mehr Gewicht verleihen. Das Ziel für die fünfjährige Amtsperiode sei, dass St. Pölten im österreichischen Konzert der Landeshauptstädte eine Führungsrolle übernimmt. Die SPÖ, die bei der Gemeinderatswahl am 17. April ihre absolute Mehrheit auf 59 Prozent (plus 2,24 Prozentpunkte) ausgebaut hat, will fünf der acht Ausschüsse führen, bisher waren es sechs von zehn. Auf Vorschlag der SPÖ soll die ÖVP statt drei künftig nur mehr einen (Umwelt, Agrarwirtschaft und Märkte) leiten. Die FPÖ stellt demnach weiterhin einen Obmann (Recht). Auch die Grünen sollen künftig einen Ausschuss (Kontrolle) führen. Jeweils sieben der zehn Ausschussmitglieder kommen von den Sozialdemokraten, zwei von der Volkspartei und eines von den Freiheitlichen. Eine Ausnahme bildet der Kontrollausschuss, wo die Grünen auf Vorschlag der SPÖ die Führung übernehmen sollen und die Sozialdemokraten nur mit sechs Mandataren vertreten sind. Von den insgesamt 42 Mandaten im Gemeinderat hält die SPÖ 26 (2011: 25). Die ÖVP stellt 9 (11) Mitglieder, die FPÖ 6 (4) und die Grünen eines (2). Umfrage für ÖVP heizt Vorwahlkampf an – Fast acht Prozentpunkte Verlust für ÖVP. Linz – Das Ergebnis einer Umfrage im Auftrag der oberösterreichischen Volkspartei hat am Mittwoch den Vorwahlkampf für die im Herbst anstehenden Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen in Oberösterreich angeheizt. Demnach ist die FPÖ an die zweite Stelle hinter der ÖVP und vor der SPÖ aufgestiegen. Kein Einzug für die Neos In der Sonntagsfrage kam die ÖVP auf 38 bis 40 Prozent Stimmenanteil (minus 7,8 Prozentpunkte gegenüber der Landtagswahl 2009), die FPÖ auf 24 bis 26 (plus 9,7), die SPÖ auf 20 bis 22 Prozent (minus 3,9), die Grünen auf elf bis 13 (plus 2,8) und die erstmals antretenden Neos auf zwei Prozent. Das geht aus den Umfragedaten des M&R-Instituts für Marktforschung im Auftrag der Landes-ÖVP (500 Befragte im Juni) hervor. Aus dem Ergebnis zogen die Parteien unterschiedliche Schlüsse: Für ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer, der gleich nach der Bildung von Rot-Blau im Burgenland vor einer rot-blauen Mehrheit in Oberösterreich gewarnt hatte, stellt sich bei der bevorstehenden Wahl die Frage: Gibt es bei der Landeshauptmannwahl eine Mehrheit für Josef Pühringer oder für Blau-Rot? Pühringer selbst legte nach: Wenn jemand Landeshauptmann werden kann und es dafür eine demokratische Mehrheit gibt, dann wird er diese Chance auch nutzen. FPÖ kritisiert unseriöses Vorgehen der ÖVP SP-Landesgeschäftsführer Peter Binder kündigte an: Der Kampf um Platz zwei ist eröffnet. Der Rückenwind für die FPÖ durch die Wahlergebnisse in den anderen Bundesländern und die Impulse aus der Bundespolitik ist nicht überraschend. Wir werden dadurch vom Gejagten zum Jäger und werden die letzten 100 Tage bis zur Wahl für ein spannendes Wahlkampffinish nutzen. FPÖ-Landesparteiobmann Manfred Haimbuchner kritisierte, die Veröffentlichung der Daten sei ein völlig unseriöses Vorgehen der ÖVP. Für ihn ist es mehr als offensichtlich, dass vorrangiges Ziel der ÖVP-Strategen sei, die eigenen Leute zu mobilisieren. Es werde versucht, manipulativ vor dem Beginn der heißen Wahlkampfphase einzugreifen. Der grüne Spitzenkandidat Rudi Anschober machte darauf aufmerksam, dass es nur bei einem grünen Wahlsieg weiter Schwarz-Grün geben werde. Außerdem müssten ÖVP und SPÖ endlich Lehren aus den Wahldebakeln im Burgenland und in der Steiermark ziehen. Wenn sie dort versucht hätten, sich als die besseren Blauen zu positionieren, dann habe das nur die Wahlergebnisse der FPÖ befeuert. Die Parteijugend macht Druck auf Landesrat Anschober, der in der Drogenpolitik einen gemäßigten Kurs verfolgt – doch selbst dieser ist dem schwarzen Koalitionspartner zu liberal. Linz – Als überlebensgroßer Joint kostümiert, ziehen ab Mittwoch Mitglieder der Grünen Jugend durch Oberösterreich – mit dem Ziel, Cannabis zu legalisieren. Die Kampagne Ein Joint geht durchs Land macht auch Druck auf den Spitzenkandidaten der oberösterreichischen Grünen, Landesrat Rudi Anschober. Dieser hatte zwar eine Entkriminalisierung von Cannabis befürwortet – das klinge aber nicht viel anders als die Haltung des schwarzen Koalitionspartners, heißt es aus der Parteijugend: Eine Entkriminalisierung wäre nämlich auch von Teilen der ÖVP – etwa der Jungen ÖVP Niederösterreich – gefordert worden. Eine Entkriminalisierung fördert weiter Gewalt, Drogenkriege sowie Kriminalität. Ein großes Risiko besteht zudem in der fehlenden Qualitätskontrolle. Daher fordern die Jungen Grünen die kontrollierte und regulierte Abgabe von Cannabis, argumentiert Kay-Michael Dankl, Sprecher der Jungen Grünen. Er fordert Anschober auf, Mut zu beweisen und endlich zum Grundsatzprogramm der Grünen zu stehen. Dankl wünscht sich eine radikal andere Drogenpolitik und ein Ende der heuchlerischen Verbote. Gleichzeitig wies Andrea Eilmsteiner, eine Sprecherin der Jungen Grünen, darauf hin, dass durch die Legalisierung ein neuer Wirtschaftszweig entstehe, der für Arbeitsplätze und zusätzliche Steuern sorge, die für die geplanten Steuersenkungen oder die Schulden aus dem Hypo-Millionengrab verwendet werden könnten. Auch die Entlastung der Polizei und Justiz sei ein positiver Effekt, der Drogenkriminalität werde das Wasser abgegraben. Bei ihrer in Attnang startenden Tour wünschen sich die Jungen Grünen auch Unterstützung von ihrer Partei. Im Grundsatzprogramm der Grünen steht seit vielen Jahren, dass wir die Legalisierung fordern, erklärt Dankl. Wir haben unsere Position nicht verändert, lautet Anschobers Kommentar zu der Diskussion, die Grüne Jugend fordert das seit Jahren. Die Landespartei habe aber eine klare Position, eben entkriminalisieren und nicht legalisieren. Hauptangriffsziel der Grünen Jugend ist die ÖVP. Diese hat im Nationalratswahlkampf 2002 den Begriff von Haschtrafiken geprägt, die Folge eines Grünen Wahlerfolgs wären. Der oberösterreichischen ÖVP geht auch Anschobers Bekenntnis zur Entkriminalisierung zu weit. ÖVP-Landesgeschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer hält eine Entkriminalisierung von Cannabis für eine eine völlig unverantwortliche Verharmlosung der Drogenproblematik. Auch für die Freiheitlichen ist das Anliegen der Grünen Jugend Wasser auf die Wahlkampfmühlen: Das jahrelange Rätseln ist vorbei. Grünen-Landesrats Anschobers Green Jobs, die er seit Jahren verspricht und ankündigt, sollen offenbar über die Legalisierung von Cannabis geschaffen werden. Sogar ein AMA-Gütesiegel will die Grüne Jugend verwenden, spottet der FPÖ-Spitzenkandidat Landesrat Manfred Haimbuchner: Die Grüne Jugend- und Drogenpolitik muss in Zukunft mit dem Warnhinweis Gefährdet Ihre Gesundheit versehen werden. Es wäre völlig unverantwortlich, den Einstieg in die Abhängigkeit zu legalisieren und zu erleichtern. Wir müssen unsere Jugend vor Drogen schützen. Wir müssen aber offensichtlich auch unsere Jugend vor der Politik der GrünInnen schützen. (cs, APA 1.7.2015) 95 Prozent leben gerne in ihrem Wohnort. Linz – Die Oberösterreicher sind mit den Gemeinden sehr zufrieden: 95 Prozent leben gerne in ihrem Wohnort. Nur 5 Prozent wollen woanders daheim sein. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Linzer Meinungsforschungsinstitutes IMAS mit 700 Befragten im Auftrag des zuständigen Landesrates Max Hiegelsberger (ÖVP), das dieser in einer Pressekonferenz am Freitag veröffentlichte. 76 Prozent zeigten sich sehr oder zumindest einigermaßen mit der Politik in der Gemeinde zufrieden, 83 Prozent mit der Arbeit des Bürgermeisters. Vom Gemeindeamt erwarten sich die Bürger vor allem Bürgernähe, Bürgerfreundlichkeit und ein offenes Ohr. Es folgen diverse Servicetätigkeiten. Mit 82 Prozent Nennungen am meisten geschätzt wird der Winterdienst. Es folgen das Bürgerservice (74 Prozent), und die Kinderbetreuung (72 Prozent). Stärkere Zusammenarbeit gefragt Gefragt wurde auch nach Möglichkeiten zur Gemeindekooperationen. 95 Prozent der Interviewten sprach sich für eine stärkere Zusammenarbeit aus. 93 meinten, kleinere Kommunen sollten dies verstärkt tun, damit sie zusammen die gleichen Leistungen wie Städte oder größere Orte anbieten können. Bei den infrage kommenden Bereichen landeten Straßenbau, die Straßenerhaltung und die Buchhaltung auf den vordersten Rängen. Landtagsparteien, Neos und "Die Christen" Fixstarter für den Landtag. Linz – In Oberösterreich endet heute, Dienstag, die Einreichfrist für die Landtags-, Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen. Neben den bereits im Landtag vertretenen Parteien – ÖVP, SPÖ, FPÖ und Grüne – sind die Neos und Die Christen Fixstarter. Es wird erwartet, dass die Kommunisten und die Liste des Stronach-Manns Leo Steinbichler noch kurz vor Ende einreichen werden. Auch Die Christen treten an Um 12.00 Uhr endet die Einreichfrist. Die Landeswahlkommission tagt am Nachmittag. Ihre Entscheidung wird für den frühen Abend erwartet. Für eine Kandidatur werden 80 Unterschriften pro Wahlkreis oder die Unterstützungserklärungen von drei Landtagsabgeordneten benötigt. Die Neos haben als Erste diese Vorgaben erfüllt und treten bei der Landtagswahl im gesamten Bundesland an. Die Pinken, die über rund 40 Gemeindegruppen verfügen, kandidieren auch bei den Kommunalwahlen – in 18 Gemeinden –, und sie stellen elf Kandidaten für das Bürgermeisteramt. Die Christen haben als zweitschnellste Nicht-Landtagspartei ihre Unterschriften abgegeben und dürften sich damit Listenplatz sechs hinter den Neos gesichert haben. Sie hatten es 2009 auf 0,43 Prozent der Stimmen gebracht. Kommunisten Die Kommunisten treten jedenfalls bei der Linzer Gemeinderatswahl an. Ob sie auch für den Landtag kandidieren, ist noch offen. Das BZÖ, das im Landtag aktuell keinen Sitz hat, gab schon vor längerem bekannt, dass es nicht bei der Materialschlacht Landtagswahl antritt. In wie vielen Gemeinden das Bündnis auf der Liste steht, war vorerst noch unklar – immerhin stellen die Orangen derzeit in zwei Gemeinden (Antiesenhofen und St. Roman) den Bürgermeister. Die Piraten, die ursprünglich angekündigt hatten, den Landtag entern zu wollen, dürften an der Unterschriftenhürde gescheitert sein. Problematische Listenbewerbungen wie bei der Landtagswahl 2009 gab es diesmal offenbar nicht. Damals wurden die Nationale Volkspartei (NVP), die für die Landtagswahl sowie in Enns für die Gemeinderatswahl antreten wollte, und die Welser Bürgerinitiative Die Bunten wegen Verdachts der Wiederbetätigung ausgeschlossen. Nicht nur die Kleinen, auch die etablierten Landtagsparteien feilen teilweise bis zuletzt an ihren Listen für die Kommunalwahlen. Die ÖVP tritt in allen 442 Gemeinden an, in 335 stellt sie einen Bürgermeisterkandidaten. Die SPÖ kandidiert laut Landesgeschäftsführer Peter Binder in jedenfalls mehr als 400 Gemeinden, nicht in allen davon haben die Sozialdemokraten einen Bürgermeisterkandidaten. Die FPÖ gibt ihre Kandidaturen am Dienstag bekannt. Sie hat Wels zum Aufmarschgebiet erklärt und will dort der SPÖ den Sessel des Stadtchefs streitig machen. Aus den Reihen der Grünen treten in 125 Orten Kandidaten zur Gemeinderatswahl an, 39 bewerben sich um das Bürgermeisteramt. Unter anderem geht mit Stadträtin Eva Schobesberger zum ersten Mal eine Grüne ins Rennen um den Posten der Linzer Stadtoberhaupts. Eine Wahlniederlage in Oberösterreich ist für den schwarzen Landeschef kein Rücktrittsgrund. STANDARD: Die Asylkrise ist vor allem auch in Österreich voll entbrannt – hätten Sie sich nicht ein weniger emotionales Thema für den Wahlkampf in Oberösterreich gewünscht? Pühringer: Natürlich, keine Frage. Jeder Landespolitiker wünscht sich, dass die Themen des Landes im Vordergrund stehen und nicht europaweite Themen wie die Asylpolitik. Aber man kann sich das nicht aussuchen. STANDARD: Sie haben jüngst dem Bund ausgerichtet, Sie würden sich in der Asylfrage endlich Lob und Anerkennung und eine Ende der Kritik erwarten. Haben sich die Länder angesichts des monatelangen Hickhacks um Quote und Quartier tatsächlich Lob verdient? Pühringer: Die Länder haben die Verpflichtung der Quote freiwillig übernommen – Asylfragen wären Bundesfragen. Und dafür, dass wir alleine in Oberösterreich bisher 7500 Asylplätze gesucht, organisiert und geschaffen haben, erwarte ich mir eine entsprechende Anerkennung. Egal, ob ich die Quote mit 93, 97 oder 101 Prozent erfülle: Es ist eine Riesenherausforderung. Und jedes Bundesland bemüht sich jeden Tag – auf einen Rüffel vom Kanzler kann ich verzichten. STANDARD: Das Asylantragsplus ist nicht unerwartet gekommen. Warum hat sich die Situation in Österreich dennoch so zugespitzt? Hat der Bund Fehler gemacht? Pühringer: Fehlerfrei ist niemand – Sie nicht und ich nicht. Aber der Grund für die Probleme liegt in der Massivität, wie der Flüchtlingsstrom sich entwickelt hat. Man darf nicht vergessen, dass noch zu Jahresbeginn geschätzt wurde, dass es 30.000 Flüchtlinge sein werden. Jetzt werden es 70.000 bis 80.000 sein. Und zaubern können wir nicht. Es braucht unglaublich viel an Überzeugungsarbeit, um passende Quartiere zu finden. STANDARD: Ein Blick auf aktuelle Umfragen offenbart, dass es bei so einem dominanten Bundesthema schwer ist, in Oberösterreich zu punkten – der ÖVP drohen bei der Landtagswahl am 27. September herbe Verluste. Nervös? Pühringer: Also ich werde mir am Wahltag nicht vorhalten müssen, dass ich nicht den maximals ten Einsatz geleistet habe. Ich schone mich absolut nicht, gebe mein Bestes – mehr kann ich nicht tun. Aber in aller Klarheit: Ja, Verluste drohen. Nicht nur der ÖVP. STANDARD: Sie wirken ungewöhnlich angespannt. Pühringer: Jetzt interpretieren Sie bitte nicht zu viel hinein. Souveränität widerspricht nicht einem gesunden Ausmaß an Nervosität. Wenn es nicht mehr prickelt, ist keine Emotion mehr da – und dann darfst du das nicht mehr machen. Es braucht immer die entsprechende Leidenschaft. STANDARD: Vor allem prickelt es offensichtlich im Moment ziemlich in Ihrer Landespartei. In der oberösterreichischen ÖVP fürchtet man, dass Sie bei einem ordentlichen Wahldämpfer vorzeitig gehen ... Pühringer: Sie wollen sich da an Fragen heranschleichen, die ich nicht beantworten werde. Ich kandidiere für die kommende Periode, das ist allen bewusst. Es ist bedauerlich, dass womöglich jene Parteien Verluste hinnehmen müssen, die gerade jetzt in dieser heiklen Flüchtlingsfrage Tag und Nacht arbeiten – während jene gewinnen, die fußfrei in der Zuschauerloge sitzen, ein wenig auf das Spielfeld hineinhetzen, aber zur Lösung der Probleme überhaupt nichts beitragen. So etwas ärgert mich gewaltig. STANDARD: Bei allem Verständnis für Ihren Ärger über die FPÖ – der eigentlichen Frage sind Sie elegant ausgewichen: Wird Josef Pühringer bei einer deutlichen Wahlniederlage vorzeitig in Politpension gehen? Pühringer: Schon vorab zu sagen, bei diesem Prozentsatz gehe ich, hat sich schon in der Steiermark nicht bewährt. Aber: Bei einer Niederlage muss man Stärke zeigen. Ich werde also auch bei einem schlechten Ergebnis nicht so einfach davonlaufen. STANDARD: Bei der Landtagswahl 2009 erreichte die ÖVP 47 Prozent. Das Ergebnis wird kaum zu halten sein. Was ist Ihr Ziel? Pühringer: Ziel ist es, eindeutig einen Führungsauftrag zu bekommen. Und ein ordentlicher Abstand zum Zweiten und Dritten. STANDARD: Die Zusammenarbeit mit den Grünen hat zwölf Jahre lang weitgehend gut funktioniert. Warum wagen Sie keine schwarz-grüne Koalitionsansage? Pühringer: Weil es zutiefst undemokratisch wäre. Wenn man im Vorhinein sagt, was man tut, dann sagt man auch zum Wähler: Du kannst wählen, was du willst, ich tu sowieso, was ich will. STANDARD: Auch die FPÖ ist also für Sie ein möglicher Partner? Pühringer: Ich rede über Koalitionspartner zum jetzigen Zeitpunkt überhaupt nicht. STANDARD: Vor allem der Industriellenflügel innerhalb der Landes-ÖVP soll ordentlich Druck in Richtung Schwarz-Blau ausüben. Können Sie das bestätigen? Pühringer: Ich verspüre überhaupt keinen Druck in diese Richtung. STANDARD: Aber Sie schließen Schwarz-Blau definitiv nicht aus? Pühringer: Ich grenze zum jetzigen Zeitpunkt niemanden aus. STANDARD: Sie zählen zu den mächtigen Landeshauptleuten, Ihre Stimme hat vor allem im Bund Gewicht. Ein gutes Gefühl? Pühringer: Landeshauptmann von Oberösterreich ist in erster Linie eine oberösterreichische Aufgabe. Und ich betrachte auch mein gesamtes Bundesengagement aus dem Landesblickwinkel. Aber ja, man braucht unbedingt eine gute Basis zum Bund – nachgeschmissen werden einem die Erfolge auf Landesebene nicht. STANDARD: Sie sind seit mehr als 20 Jahren im Amt. Können Sie der Idee, die Amtszeit der Länderchefs zu begrenzen, etwas abgewinnen? Pühringer: Mein Vorgänger Heinrich Gleißner war 30 Jahre im Amt – und er war hervorragend. Wenn der Gleißner nach zehn Jahre hätte gehen müssen, wäre das für Oberösterreich ein Schaden gewesen. Und selbst will ich mich nicht beurteilen. STANDARD: Ob Sie nun gleich nach der Wahl gehen, noch eine halbe oder eine volle Legislaturperiode bleiben – irgendwann winkt die Pension. Können Sie sich damit anfreunden? Pühringer: Ich werde keiner sein, der sagt: Ab dem Tag betrete ich das Haus nicht mehr, sondern weiter am politischen Geschehen teilnehmen. Doch ich werde mehr Zeit haben für meine Familie, zum Wandern, für die Sauna. Aber machen Sie sich heute noch keine Sorgen, der Zeitpunkt ist noch fern. 'Zahl der wahlberechtigten EU-Bürger seit der letzten Kommunalwahl deutlich angestiegen. Wien/Linz – Fast gleich geblieben ist die Zahl der oberösterreichischen Wahlberechtigten für die Landtags- und Kommunalwahlen am 27. September: 1,094.497 Österreicher ab 16 Jahren weist die Landeswahlbehörde aus. Das sind um nur 0,75 Prozent mehr als 2009. Stark gewachsen ist hingegen die Zahl der EU-Bürger – die Gemeinderat und Bürgermeister wählen dürfen -, sie hat sich fast verdoppelt. 60.587 Bürger aus anderen EU-Staaten stehen in der Wählerevidenz und dürfen somit bei den Kommunalwahlen – nicht aber bei der Landtagswahl – mitstimmen. 2009 waren es nur 29.401. Womit für Gemeinderat und Bürgermeister heuer in Summe 1,155.084 wahlberechtigt sind, immerhin ein Zuwachs von 3,53 Prozent. Bei der Landtagswahl ohne EU-Bürger wirken sich hingegen – wie schon bei der EU-Wahl 2013 oder zuletzt in der Steiermark – deutlich die geburtenschwachen Jahrgänge ab Mitte der 1990er-Jahre aus. Noch nie in der Zweiten Republik sind die Landtags-Stimmberechtigten in Oberösterreich so schwach gewachsen Die pinke Newcomerin will die Parteienförderung halbieren und zählt auf die Wut der Oberösterreicher. STANDARD: Sie wollten als Ort für unser Interview eine Baustelle in der Nähe haben – nun sitzen wir mitten in der Linzer Innenstadt. Ist es Ihnen im Büro zu ruhig? Judith Raab: Wir haben so viele Baustellen im Land Oberösterreich, die dringend aufgeräumt gehören. Und genau deswegen sind wir Neos da, um im politischen System einmal so richtig aufzuräumen. STANDARD: Um den Besen weiterhin schwingen zu können, werden die Neos am 27. September die Vier-Prozent-Hürde in den Landtag packen müssen. Derzeit bescheinigen Umfragen den Neos drei Prozent. Da muss man wohl vor allem auf der pinken Baustelle noch durchaus ordentlich hackeln, oder? Raab: Ich weiß nicht, welche Umfragen Sie lesen – wir liegen aktuell bei allen Umfragen bei fast fünf Prozent. Wir werden daher im Herbst die erste Alternative sein, die im Landhaus aufräumt. STANDARD: Die Flüchtlingsfrage dominiert die Landtagswahl, dabei würden ÖVP, SPÖ und Grüne lieber über anderes reden. Sehen Sie Bundesthemen im Landtagswahlkampf auch als Problem? Raab: Keine der Parteien braucht sich jetzt beklagen. Man ist unfähig, Probleme zu lösen — und der Asylbereich ist ein klassisches, ein sehr tragisches Beispiel dafür. Die dramatische Situation war vorhersehbar. Wir wissen seit fünf Jahren, dass in Syrien Bürgerkrieg ist und diese Menschen nach Europa strömen werden. Unsere Politik diskutiert über Machtverhältnisse, und die Landeshauptleute lassen die Innenministerin anlaufen. Löst man so Probleme? Erst jetzt zu sagen, wir machen einen europäischen Asylgipfel, ist lächerlich. Guten Morgen, liebe Regierung – vor zwei Jahren wäre das notwendig gewesen. STANDARD: Warum sollen die Oberösterreicher Neos wählen? Raab: Die Menschen in Oberösterreich sind wütender, als man glaubt. Die Politik, das System, beschäftigt sich nur noch mit sich selbst. Es geht nur mehr um den Machterhalt, um das Sesselpicken und um die Absicherung der eigenen Position und Pfründe. Das macht die Menschen zornig. Unser Anspruch ist, das politische System zu erneuern. Weil wir die Einzigen sind, die nicht Teil des Systems sind ... STANDARD: ... noch nicht. Raab: Daran wird sich bei uns auch nichts ändern. Oberösterreichs Politiker sind doch allesamt nicht visionsbegabt – nicht, weil sie zu dumm sind, sondern weil sie hilflos sind. Solange wir nur Parteifunktionäre haben, die in die politischen Ämter gehoben werden, ändert sich nichts. Es braucht Experten, die sich im echten Leben bewährt haben. Keine Gewerkschafts- und Kammerfunktionäre, die noch nie außerhalb des geschützten Bereichs tätig waren. Diese alten Männer in grauen Anzügen haben die Situation nicht mehr im Griff. STANDARD: Neos-Bundeschef Matthias Strolz hat bei einem seiner letzten Besuche in Linz verkündet, mit Geld könne man nicht aushelfen. Hätten Sie nicht mit Barem von der Bundespartei gerechnet? Raab: Wir haben kein Problem damit. Wir haben 500.000 Euro an Wahlkampfbudget, aus Spenden und Privatdarlehen, und damit machen wir sinnvolle Aktivitäten. Es geht auch mit Engagement und Herzblut – es soll nicht Geld alleine alles entscheiden. STANDARD: Ich ziehe den Hut vor dem Ehrenamt, aber irgendwann wird der Tag kommen, an dem auch die pinken Gratisarbeiter erkennen werden, dass ein Lohnzettel in der Tasche seine Vorzüge hat, oder? Raab: Nach dem Einzug sind wir im Landtag vertreten – als Landtagsfraktion mit, sagen wir, drei Abgeordneten. Mit einem Klub und einer Landesorganisation. Da werden dann unsere Mitarbeiter selbstverständlich bezahlt. STANDARD: Man freut sich also auf die Parteienförderung? Raab: Eine Parteienförderung braucht jede Partei. Das ist eine Grundvoraussetzung, um Strukturen aufrechtzuerhalten. Es geht nur um das vernünftige, gesunde Maß. In Oberösterreich werden derzeit täglich 75.000 Euro an Parteienförderung ausgeschüttet. STANDARD: Sie fordern eine Halbierung der Parteienförderung. Werden die Neos im Landtag auf Fördergelder verzichten? Raab: Man darf weder auf die Hälfte verzichten noch den Betrag spenden. Das Geld ist für parteipolitische Arbeit bestimmt. STANDARD: Sie sind die einzige Frau im harten Wahlrennen – ist es ein Vorteil, dass Sie Kajakfahrerin sind und raue Gewässer gewöhnt sind? Raab: Wer jemals Wildwasser gefahren ist, weiß, dass man in einem Wildbach nur besteht, wenn man vorausschaut. Ich schaue mir den Wildbach genau an und mache mir ein großes Bild. Wenn ich dann im Kajak sitze, brauche ich einen Plan. Ich muss wissen, wohin ich will – selbst wenn mir Wasserwellen ins Gesicht schwappen, darf ich das Ziel nicht aus den Augen verlieren. Ich bin also für die Politik bereit. Rund 60.000 EU-Ausländer sind in Oberösterreich kommunal wahlberechtigt. Linz – Das Thema Flüchtlinge beherrscht seit Wochen das politische Geschehen. Von jenen rund 1,094.500 Oberösterreichern, die am 27. September in OÖ den Landtag wählen dürfen, sind etwa 6,6 Prozent im Ausland geboren. Bei den Kommunalwahlen sind zudem 60.000 Bürger aus dem EU-Ausland stimmberechtigt. Betrachtet man die Gesamtbevölkerung, hat zumindest jeder Sechste Migrationshintergrund. Rund 223.200 (15,8 Prozent) der mehr als 1,4 Mio. Oberösterreicher haben Migrationshintergrund (Statistik Austria, Jahresdurchschnitt 2014). Gut 70 Prozent davon sind Zuwanderer erster Generation, d.h. sie wurden im Ausland geboren. Knapp 30 Prozent sind der zweiten Generation zuzurechnen, was bedeutet, dass ihre Eltern im Ausland auf die Welt gekommen sind, sie selbst aber in Österreich. Wie viele der tatsächlich Wahlberechtigten Migrationshintergrund haben, ist nicht bekannt. Die Statistik Austria schlüsselt allerdings auf, dass 93,4 Prozent in Österreich geboren wurden, 6,6 Prozent im Ausland. Letzteres entspricht der ersten Generation. Nimmt man die Staatsbürgerschaft als Maß, so kommt man auf einen Ausländeranteil von 10,1 Prozent im Land: Zum Stichtag 1. Jänner 2015 besaßen gut 145.600 in Oberösterreich lebende Menschen nicht die österreichische Staatsangehörigkeit. Rund 69.100 davon sind EU- bzw. EWR-Bürger oder Schweizer, knapp 76.500 Drittstaatsangehörige. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren lag der Ausländeranteil noch bei 7,4 Prozent. Unter den in Oberösterreich lebenden EU-Bürgern sind die Deutschen (fast 21.800) die größte Gruppe, gefolgt von den Rumänen (ca. 11.900), den Kroaten (knapp 10.800) und den Ungarn (fast 7.300). Während sich die Zahl der Deutschen seit 2002 mehr als verdoppelt, jene der Rumänen fast vervierfacht und die der Ungarn beinahe versechsfacht hat, blieb der kroatische Anteil weitgehend unverändert. Von den Drittstaatsangehörigen kommen die meisten Zuwanderer aus Bosnien und Herzegowina (20.100) sowie der Türkei (knapp 14.600) – bei beiden Ländern sind die Zahlen seit 2002 zurückgegangen. Drittstärkste Gruppe sind die Serben (an die 9.700). Sieht man von europäischen und türkischen Migranten ab, sind Afghanen (2.300) und Syrer (ca. 2.000) die größten Communities. Diese Zahlen wurden mit Stichtag 1. Jänner erhoben. Allein heuer sind aber bereits rund 3.300 Kriegsflüchtlinge ins Land gekommen. Derzeit sind in Oberösterreich an die 7.600 untergebracht. Für die kommenden Monate wird damit gerechnet, dass jeweils mindestens 1.000 dazukommen. 172 der 442 oberösterreichischen Gemeinden beherbergen bereits Flüchtlinge. Das Land, das stark auf kleine dezentrale Quartiere setzt, erwartet, dass bis Jahresende in der Hälfte der Kommunen Unterkünfte eingerichtet werden. Während an den Landtagswahlen nur österreichische Staatsbürger teilnehmen dürfen, sind bei den gleichzeitig stattfindenden Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen auch rund 60.000 EU-Ausländer stimmberechtigt, die damit 5,2 Prozent des Wahlvolks ausmachen. 2009 hatte ihr Anteil noch 3,5 Prozent betragen. Fast ein Drittel (19.800) dieser Personen kommt aus Deutschland. Ebenfalls stark vertreten sind auch hier Rumänen (9.900), Kroaten (9.500) und Ungarn (6.500). Betrachtet man die Verteilung auf Ebene der Bezirke und Statutarstädte, so hat Wels den höchsten Anteil an nicht-österreichischen Wählern (9,5 Prozent), gefolgt von Linz (8,5 Prozent) und dem Bezirk Braunau (7,4 Prozent). Die wenigsten wahlberechtigten Ausländer gibt es im Bezirk Freistadt. Generell ist der Anteil im Mühlviertel niedriger als im Rest des Bundeslandes. Bühne wird Solidaritäts-Kundgebung mit Flüchtlingen zur Verfügung gestellt – Abschluss beim "Fest für alle" in Wels. Linz – Die SPÖ Oberösterreich hat ihre große Wahlabschlussveranstaltung am 25. September auf dem Linzer Hauptplatz abgesagt. Sie stellt ihre Bühne der an diesem Tag stattfindenden Kundgebung Lichter der Menschlichkeit des Bündnisses Linz gegen rechts zur Verfügung, bestätigte Landesgeschäftsführer Peter Binder der APA einen Bericht der Tageszeitung Österreich (Samstagsausgabe). Das offizielle Wahlkampfende der Landespartei wird in Wels auf dem Fest für alle der dortigen Bezirksorganisation – ebenfalls am 25. September – stattfinden. Am 27. September wählt Oberösterreich nicht nur den Landtag neu, sondern auch alle 442 Gemeinderäte und Bürgermeister. Nachdem Wels ein Hot-Spot für die Sozialdemokraten ist, droht doch in dieser roten Hochburg die FPÖ ihnen das Bürgermeisteramt abzunehmen, sei ohnehin geplant gewesen, dass auch Spitzenkandidat Reinhold Entholzer und sein Team für die Landtagswahlen daran teilnehmen werden, erklärt Binder. Parallel zu der Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge in Linz ein großes Wahlkampfspektakel zu feiern, habe die Partei unangemessen empfunden. Das Bündnis plant am 25. September abends einen Fackelzug vom Volksgarten durch die Fußgängerzone zum Hauptplatz. (APA, 12.9.2015) Volksmusiker unterstützt die Grünen im Wahlkampf in Oberösterreich. Linz – Während die ÖVP im oberösterreichischen Landtags-Wahlkampf – wie 2009 – wieder auf die Seer als musikalische Unterstützung setzt, haben sich die Grünen mit Hubert von Goisern ebenfalls ein volksmusikalisches Zugpferd gesucht. Der Künstler prangt seit Montag im Format zehn mal zwölf Meter auf einer Hauswand in Linz und erklärt, dass man grün wählen soll, weil der Hut brennt. Ich unterstütze die Grünen, weil sie meine Werte vertreten und weil es diese Farbe in unserer politischen Landschaft braucht, jetzt mehr denn je zuvor, begründet Goisern sein Engagement. Die Volkspartei hat mit Oberösterreich. Mei Dahoam einen Wahlkampfsong aus der Feder von Seer-Chef Fred Jaklitsch veröffentlicht, gesungen von den Florianer Sängerknaben, Eric Papilaya und Seer-Stimme Sassy Holzinger. Alle Beteiligten, verstärkt um die Poxrucker Sisters, treten am 24. September beim Wahlkampfabschluss (Jetzt Oberösterreich Fest) der ÖVP am Linzer Hauptplatz auf. Auch das Spitzenteam der SPÖ Linz unter Bürgermeister Klaus Luger hat in der diesjährigen Wahlwerbung den musikalischen Weg mit einem Video Mein Herz schlägt Linz mit dem aus dieser Stadt stammenden Andie Gabauer beschritten. (APA, 14.9.2015) Landespartei erstattete Anzeige wegen Vandalismus. Linz/Steyr – Vandalen haben am Wochenende die Scheibe des Autos vom ÖVP-Steyr-Geschäftsführer und Wahlkampfverantwortlichen, Philipp Eichinger, eingeschlagen. Außerdem wurden auch noch Wahlplakate angezündet, teilte die ÖVP mit. Die Partei hat Anzeige erstattet. Immer wieder beschweren sich auch die anderen Parteien im laufenden oberösterreichischen Landtags- und Gemeinderatswahlkampf über das Ausmaß von Vandalismus. Aber auch die Schwarzen wollen gesetzliche Obergrenze von sieben Millionen Euro einhalten. Linz – Die ÖVP hat bei den Wahlkampfausgaben in Oberösterreich deutlich die Nase vorne. Sie dürfte an die gesetzlich vorgesehene Obergrenze von sieben Millionen Euro herankommen. Die anderen Landtagsparteien SPÖ, FPÖ und Grüne haben insgesamt nur 7,3 Millionen budgetiert, wie ein Rundruf der APA in den Parteizentralen ergab. Die NEOS wollen 550.000 Euro ausgeben. Für die Landes-ÖVP hat deren Geschäftsführer Wolfgang Hattmannsdorfer versichert, die für den Landtagswahlkampf gesetzlich vorgeschriebene Ausgabengrenze von sieben Millionen Euro werde sicher eingehalten. Seine Partei habe sogar für heuer deutlich weniger Plakatflächen gebucht als 2009 – konkret 1.500 statt 2.500. Auch das Budget für Werbemittel sei in Zeiten, in denen es eine Obergrenze gebe, geringer, hieß es aus der Parteizentrale. Sparmaßnahmen Trotz dieser Sparmaßnahmen liegen die Ausgaben der anderen Bewerber deutlich niedriger: Die SPÖ steckt laut Parteiangaben 2,9 Millionen Euro in den Wahlkampf. Die FPÖ rechnet mit 2,5 Millionen. Die Grünen, die statt der sieben gerne drei Millionen als Obergrenze hätten, beziffern ihre Ausgaben mit voraussichtlich 1,9 Millionen Euro. Die NEOS liegen bei gut 550.000 Euro. 200.000 davon sind ein Darlehen von der Bundespartei, der Rest Spenden. Weil man mehr Spenden als erwartet lukriert habe, hat sich das ursprünglich mit 400.000 Euro angesetzte Wahlkampfbudget auf über 550.000 erhöht, hieß es. Laut Gesetz dürfen die Parteien sieben Millionen Euro für den Landtagswahlkampf ausgeben. Theoretisch können sie für die am selben Tag stattfindenden Kommunalwahlen noch einmal den gleichen Betrag einsetzen. Ein Landesgesetz, das die Kosten auf insgesamt sieben Mio. Euro begrenzt hätte, war im Vorfeld des Wahlkampfs an der Volkspartei gescheitert. Oberösterreichs FPÖ-Chef über persönliche Anfeindungen und gute Kontakte zum "Herrn Landeshauptmann". STANDARD: Im laufenden Wahlkampf in Oberösterreich warnen alle Parteien vor der FPÖ – hat man da alles richtig gemacht, wenn die Angst vor Blau so groß ist? Manfred Haimbuchner: Die Angst ist nicht vor der Politik der FPÖ groß, sondern davor, Macht einzubüßen. Man warnt jetzt hysterisch vor uns – aber in Wahrheit haben wir vor den Verhältnissen, die sich jetzt in Europa abspielen, schon Jahrzehnte gewarnt. Es war die Kluft zwischen der öffentlichen Meinung und veröffentlichten Meinung noch nie so groß wie jetzt. Und ich spreche halt einen großen Teil der öffentlichen Meinung aus – was vielen unangenehm ist. STANDARD: Trotzdem steht man als FPÖ-Politiker oft im Negativeck – das kann doch auf Dauer kein gutes Gefühl sein, oder? Haimbuchner: Ich bin diese Anfeindungen wirklich gewöhnt. Und vor allem die Intoleranz aus manchen Kreisen. Ich komme aus einem sehr politischen Haushalt, mein Vater war 24 Jahre lang FPÖ-Bürgermeister. Ich habe mich daher schon in der Schule für meine politische Einstellung rechtfertigen müssen. Ganz ehrlich, Hand aufs Herz: Angenehm ist etwas anderes. Aber ich habe, abseits von meinem politischen Leben, sehr viele private Kontakte – dort werde ich immer sehr höflich und respektvoll aufgenommen. Das gibt wieder Kraft. STANDARD: Wobei Sie ja auch nicht immer zimperlich mit politischen Mitbewerbern umgehen, oder? Haimbuchner: Ich habe in diesem Wahlkampf niemanden beschimpft. Ich war vielleicht pointierter in meinen Aussagen – aber ich habe niemanden beleidigt. Außerdem habe ich in den vergangenen sechs Jahren sehr gut mit allen Parteien zusammengearbeitet. Vor allem mit dem Herrn Landeshauptmann, mit der Volkspartei generell, und ich habe sehr gute Kontakte zu ÖVP-Wirtschaftskreisen ... STANDARD: ... beste Voraussetzung also für eine schwarz-blaue Koalition. Haimbuchner: Nicht zwingend. Ich habe ja auch sehr gute Kontakte zur Sozialdemokratie. STANDARD: Vor allem innerhalb der Industriellenvereinigung werden die Stimmen für Schwarz-Blau laut. Ist eine Koalition mit der ÖVP für Sie vorstellbar? Haimbuchner: In Oberösterreich muss angesichts einer Konzentrationsregierung überhaupt keine Koalition stattfinden, es wäre auch das freie Spiel der Kräfte möglich. Und bin nicht einer, der sich anbiedert. Aber ganz klar: Ich habe in vielen Teilbereichen in den vergangenen Jahren mit der ÖVP gut zusammengearbeitet. Und es gibt in der ÖVP viele, die sagen: Wenn man mit einem Manfred Haimbuchner nicht reden kann, mit wem kann man dann reden in der FPÖ. STANDARD: Sie werden in Oberösterreich seit Wochen in Umfragen als Wahlsieger gehandelt. Ist so etwas Ansporn oder eher Gefahr, weil die eigenen Leute vielleicht nicht mehr laufen? Haimbuchner: Natürlich ist zu viel Selbstsicherheit auch eine Gefahr. Vor allem, weil der politische Mitbewerber dazugelernt hat: Früher hat man die FPÖ runtergeschrieben – heute schreibt man die FPÖ hinauf. Man gibt ihr Ziele in Meinungsumfragen vor, die dann schwer zu erreichen sind. Und wenn es dann am Wahlabend fünf statt 15 Prozent plus geworden sind, ist man der Wahlverlierer. STANDARD: Im Bereich der Zuwanderung war Grenzen dicht eine lange FPÖ-Forderung. Jetzt zeigt sich aber klar, das kein Grenzzaun verängstigte Menschen auf der Flucht stoppen kann – hat sich die blaue Meinung geändert? Haimbuchner: Nein. Aber eine einfache Lösung gibt es nicht. Aber nichts zu tun ist schon gar keine Lösung – und die EU hat überhaupt nichts getan. Grenzkontrollen sind ein klares Zeichen, um zu sagen: Es ist nicht mehr so einfach, um durch Europa durchzumarschieren. Viele Leute, die jetzt zu uns wollen, kommen bitte aus der Sicherheit. Die kommen nicht alle direkt aus Syrien. STANDARD: Etwa in der Türkei gibt es doch derzeit keine Sicherheit für Syrer, oder? Haimbuchner: Die Menschen kommen nicht alle aus den Grenzregionen. Bei aller Tragik darf man die Vernunft nicht ausblenden. Ich bin Politiker und nicht NGO-Mitarbeiter. Wir brauchen eine militärische Sicherheit und Erstaufnahmezentren an den EU-Außengrenzen. STANDARD: Müsste nicht jetzt die Menschlichkeit über allem stehen? Haimbuchner: Es geht immer um die Menschlichkeit. Das ist doch ein moralisches Totschlagargument. Natürlich müssen die Leute medizinisch versorgt werden, dürfen nicht hungern. Aber denken wir doch bitte endlich einmal zehn Schritte weiter. Als Politiker muss ich mir doch Gedanken machen, wie so etwas weitergeht: Wo werden die Leute arbeiten, wo gehen die Kinder in die Schule. Und vor allem: Wann beginnt unsere Gesellschaft zu kippen? STANDARD: Sie sind ja durchaus wandlungsfähig: In kleiner Runde geben Sie gerne den Paradeschwiegersohn, im Bierzelt erwacht dann der blaue Polterer ... Haimbuchner: ... bitte, Sie sind auch im Bierzelt anders als beim STANDARD. Das sind halt andere Ebenen. Man wird doch Dinge noch zuspitzen dürfen. Und sind bei den anderen Parteien die Slogans alle von einer intellektuellen Brillanz? Wir sind nicht alle in einer Talkshow für Intellektuelle. Es geht darum, grundsätzliche Botschaften anzubringen. Und welche Aussagen wirft man mir in einem Bierzelt eigentlich vor? STANDARD: Es ist etwas anderes, wenn wir hier über die Asylproblematik diskutieren und Sie morgen Asylbetrug heißt Heimatflug durch die Bierzelte tönen, oder? Haimbuchner: Hab ich nie gesagt. STANDARD: Aber der Spruch zierte österreichweit die FPÖ-Plakate. Haimbuchner: Ich habe so etwas nie gesagt. Und es steht auch nicht in unserem Parteiprogramm. Auf meinen Plakaten steht Sichere Grenzen, sichere Heimat, Er hört uns zu – und da wirft man uns Hetze vor? STANDARD: In einem unserer letzten Gespräche haben Sie gesagt, Sie könnten die Glatzen in der ersten Reihe nicht mehr sehen. Dennoch gab es wieder Probleme mit rechten Umtrieben im Wahlkampf. Fotos zeigen einen Besucher des Wahlkampfauftaktes in Wels mit einem T-Shirt Vizeweltmeister 1945. Beunruhigt Sie Ihr Publikum nicht? Haimbuchner: Es ist unverschämt, was da passiert. Erstens war es eine öffentliche Veranstaltung, die jeder besuchen kann. Zweitens ist die besagte Person, die wir mittlerweile identifiziert haben, kein Mitglied der FPÖ und wurde von unseren Mitarbeitern auch umgehend hinauskomplimentiert. Ganz klar: Jede Partei hat ihre Ränder, wo es Probleme gibt. Ich habe mich von solchen Umtrieben immer klar distanziert – und ich lasse mir da die FPÖ nicht schlechtmachen. Mauthausen-Komitee fordert Rücktritt von Haimbuchner und Welser Spitzenkandidat Rabl. Wels – In Wels könnte die FPÖ nach der Gemeinderatswahl am Sonntag erstmals den Bürgermeister stellen. Die blaue Kandidatenliste für die 60.000-Einwohner-Stadt sorgt aber wieder einmal für Diskussionen. Der Kurier berichtete zuletzt, dass die Nummer zehn auf der Liste, Ralph Schäfer, der bereits wegen einer Nazi-Sprühaktion mit der Justiz zu tun hatte, zuletzt mit einer Bürgerwehr nachts in einer Siedlung patrouillierte. Die Nummer 23 der Welser FPÖ, James Engelbert Pingera, wiederum fiel mit einschlägigen Facebook-Einträgen auf. Unter der Bezeichnung Pro Austria schrieb er im März (mittlerweile ist der Beitrag nicht mehr abrufbar): Wann werden unsere Politiker und Journalisten endlich für ihre Lügen und Verbrechen haftbar gemacht? Gekaufte Journalisten Ein von einem anderen User gepostetes Verschwörungsbuch mit dem Titel Gekaufte Journalisten. Wie Politiker, Geheimdienste und Hochfinanz Deutschlands Massenmedien lenken wurde von Pingera damals gelikt, ebenso ein Kommentar dazu von User Elmar G., der schrieb: An die Wand mit dem Politikergesindel. Der FP-Kommunalpolitiker, der über einen Vorzugsstimmenwahlkampf in den Gemeinderat will, zeigte also Sympathie für diesen direkten Aufruf zu Gewalt. Für Willi Mernyi, Vorsitzender des Mauthausen-Komitees Österreich, ist das ein wunderbares Beispiel, welche Politiker in der FPÖ agieren. Von der Parteispitze wird das geduldet, das ist das Schlimme, wie er im Gespräch mit dem STANDARD sagt. Das Mauthausen-Komitee, das die Überlebenden des Konzentrationslagers Mauthausen vertritt, spricht – auch wegen blauer Kandidaten in anderen Gemeinden – von einer Gefahr für Demokratie und Menschenrechte. Der FPÖ-Spitzenkandidat in Pregarten, Michael Prückl, verbreite Inhalte eines Holocaust-Leugners – darüber hatte die Seite heimatohnehass.at berichtet. Johann Gibitz, FPÖ-Spitzenkandidat in Lambach, boykottiere die Produkte einer Firma, weil die Frau des Firmeninhabers Flüchtlingen Deutschunterricht gebe. Rücktrittsaufforderungen Mernyi: Immer wieder behauptet der blaue Landesobmann Manfred Haimbuchner, dass er Neonazis und Hassprediger in seiner Partei nicht duldet. Doch das ist, wie sich jetzt wieder zeigt, eine glatte Lüge. Er fordert sowohl Haimbuchner als auch den Welser FPÖ-Vizebürgermeister Andreas Rabl zum Rücktritt auf. Rabl meinte am Mittwoch auf Anfrage, er wolle zuerst mit Pingera sprechen, bevor über allfällige Konsequenzen nachgedacht werden könne. Er könne sich nicht vorstellen, dass Pingera tatsächlich einen Gewaltaufruf gelikt habe. Er achte in der Welser FPÖ darauf, dass es keine Anknüpfungspunkte zu Rassismus, Rechtsextremismus und Nationalsozialismus gebe. Zweite Chance Bei Schäfer, dessen Verfahren nach dem Verbotsgesetz mit einer Diversion geendet hatte, warb Rabl um Verständnis. Schäfer sei damals 17 Jahre alt gewesen und habe mit anderen Märtyrer leben länger auf eine Wand gesprüht, daneben das Konterfei von Rudolf Heß. Der nunmehrige Gemeinderatskandidat habe aber gar nicht gewusst, wer Rudolf Heß war, so Rabl. Er sei der Meinung, dass jeder eine zweite Chance verdiene, so der blaue Vizebürgermeister. Schäfer habe sich gebessert. Wir beschönigen das nicht, aber man sollte die Kirche im Dorf lassen. Braunau, Schärding, Wels, Steyr: Ein Zusammenhang zwischen blauen Erfolgen und hoher Flüchtlingszahl vor Ort lässt sich aber nicht feststellen. Gleich vier Bezirke räumten die Blauen bei der Landtagswahl in Oberösterreich ab: Seit dem Wahlsonntag hält die FPÖ in Braunau und in Schärding sowie in Wels und Steyr die relative Mehrheit an Stimmen. Damit gibt es keinen SPÖ-dominierten Bezirk mehr. Im Detail legte die Partei in den beiden Innviertler Bezirken gar auf 37,22 bzw. 38,76 Prozent zu, was Zuwächsen von fast 19 beziehungsweise 20 Prozentpunkten entspricht. Die ÖVP hingegen rasselte in Braunau von 48,9 Prozent (im Jahr 2009) auf 36,1 Prozent herunter, in Schärding wiederum von 53 Prozent auf 35 Prozent. Ein ähnlich dramatisches Bild ergibt sich für die beiden Ballungszentren in der Nähe von Linz. Im Bezirk Wels wie in der gleichnamigen Statutarstadt fuhren die Freiheitlichen jeweils rund 34 Prozent ein. In Steyr-Land wiederum konnten sie um fast 16 Prozentpunkte auf 28 Prozent zulegen. Und auch in der Stadt Steyr wurde die FPÖ mit 30,82 Prozent stimmenstärkste Kraft, dort war sie im Jahr 2009 bloß dritte gewesen. Bei der Gemeinderatswahl hingegen konnten die Sozialdemokraten in der Statutarstadt gerade noch ihre Mehrheit verteidigen. Doch die neuen blauen Hochburgen schossen keineswegs unerwartet aus dem Boden, wie der Politikberater Thomas Hofer im Gespräch mit dem STANDARD analysiert. Denn schon seit 1945 gilt das Innviertel als feste Bastion des deutschnationalen Lagers, zunächst profitierte der Verband der Unabhängigen (VdU) von diesem Potenzial, später die FPÖ als Nachfolgepartei. Bis heute haben die Freiheitlichen dort eine hohe Organisationsdichte, so der Politikexperte über die guten Bedingungen für ihre enormen Zuwächse. Dazu befördere die Grenznähe zu Deutschland stets auch die bis heute bajuwarisch geprägte Situation. Ob die Nähe des Innviertels zum großen Nachbarn auch Ängste vor noch mehr Flüchtlingsankünften befeuert habe? Zur Erinnerung: Just am Wahltag hieß es, dass Deutschland nun die Sonderzüge für Schutzsuchende einstellen wolle, was die Regierung in Berlin später allerdings ohnehin dementierte. Auch wenn die Asylkrise nicht der einzige Grund für die blauen Wahlerfolge war, so wirkten die Sorgen vor einem Flüchtlingsstau an den Grenzübergängen wohl zusätzlich wie ein Turbo, erklärt Hofer. Die Bezirke Wels und Steyr hingegen galten wegen der ansässigen Industriebetriebe jahrzehntelang als rotes Kernland, denn dort konnte die SPÖ lange auf die Stimmen der Arbeiterschaft zählen. Doch schon bei der letzten Landtagswahl vor sechs Jahren war es etwa in Wels für die Sozialdemokraten vorbei mit dem ersten Platz, sie fuhren damals schon herbe Verluste ein. Von den zunehmenden Sorgen der Facharbeiter um den eigenen Job, dem nunmehrigen hohen Flüchtlingsandrang, aber auch dem umtriebigen FPÖ-Bürgermeisterkandidaten Andreas Rabl konnten die Freiheitlichen bei der Landtagswahl in Wels insgesamt enorm profitieren, sagt Hofer. Dass das Thema Flüchtlinge über Wochen hinweg alle Medien dominierte, habe die Zugewinne der FPÖ noch verstärkt, sagt Laurenz Ennser-Jedenastik, Politikwissenschafter an der Universität Wien: Zwar trauten die Wähler den Freiheitlichen nicht unbedingt zu, schnelle Lösungen für die Flüchtlingsunterbringung zu finden, doch hielten sie die Blauen für am meisten glaubwürdig, so der Forscher im STANDARD-Interview. Dass es tatsächlich Probleme im Zusammenleben mit Flüchtlingen gibt, lässt sich aus den FPÖ-Zugewinnen jedoch nicht schließen. Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Viel Kontakt mit Asylsuchenden ist nicht gerade die allerbeste Wahlwerbung für die Blauen. In Thalham beispielsweise, wo sich eine Erstaufnahmestelle für Asylwerber befindet, hat die FPÖ weniger dazugewonnen als im Landesdurchschnitt. In Bad Kreuzen wiederum, wo die langjährige Bundesbetreuungsstelle zum oberösterreichischen Asylverteilerzentrum wurde, legte die FPÖ zwar um 17 Prozentpunkte auf knapp 29 Prozent zu, der Ort mit einer Asylwerberquote von 10 Prozent bleibt trotz massiver ÖVP-Verluste aber schwarze Hochburg mit 54,68 Prozent. Und in St. Roman im Bezirk Schärding, wo die Blauen so erfolgreich waren wir sonst nirgends – mit einem Plus von 34 Prozentpunkten und einem Ergebnis von knapp 50 Prozent der Stimmen -, wohnt überhaupt kein Asylwerber. Politologe Ennser-Jedenastik hat untersucht, inwiefern sich das Wahlverhalten in Gemeinden mit Asylunterkünften und in Kommunen mit null Prozent Asylwerberanteil unterschied. Das Ergebnis: Wo Asylsuchende leben, schnitten die Freiheitlichen etwas schlechter ab. Relativiert werden die FPÖ-Zugewinne auch durch die Wahlen in der Steiermark im Mai: Hier konnten die Blauen noch stärker zulegen als in Oberösterreich. Von Asylwerberankünften wie in diesen Tagen war man damals aber noch weit entfernt. Oberösterreichs FP-Landeschef Manfred Haimbuchner fordert von Landeshauptmann und ÖVP-Chef Josef Pühringer Verhandlungen auf Augenhöhe. Eine Koalition kann sein, muss aber nicht. Auch kein Drama. Der Proporz im Land lässt sowieso alle mitspielen. Wien – Im Wahlkampf war FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache Dauergast in Oberösterreich. Am Dienstag – nach dem traditionellen blauen Montag nach Wahlen – verlegte der FP-Landeschef Manfred Haimbuchner seinen ersten Auftritt nach der Landtagswahl am Sonntag, bei der die Freiheitlichen ihren Stimmenanteil verdoppelt haben, auf den nächsten blauen Angriffsplatz nach Wien. Nach einer zwanzigminütigen Wahlexegese durch Strache, der darauf pochte, dass die FPÖ nicht nur das Flüchtlingsthema (moderne Völkerwanderung) abgeschöpft habe (bei der Steiermark-Wahl im Mai gab es noch keine Flüchtlingsproblematik), richtete Haimbuchner Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) aus, dass er Gespräche auf Augenhöhe erwarte. Zumal er sich an der Nachwahlrhetorik der Schwarzen stößt: Landeshauptmann Pühringer und die ÖVP sind nicht Opfer bei dieser Wahl, sondern Täter. Für ihn gelte: Es wird keine Koalition um jeden Preis geben. Und Haimbuchner fügte die realpolitische Anmerkung dazu: Man braucht auch nicht unbedingt eine Koalition. Man braucht ein Arbeitsübereinkommen. In Oberösterreich regiert nämlich noch immer der Proporz, und damit sind die Blauen mit drei Landesräten automatisch im Spiel. Konkrete Ressortforderungen wollte der FP-Landeschef noch nicht verraten, die Stoßrichtung deutete er aber doch recht klar an. Er will eine klare Aufgabenverteilung in Oberösterreich. Heißt konkret: nur noch ein Gemeinderessort (jetzt gibt es ein schwarzes und ein rotes) und ein Infrastrukturressort, in dem Individual- und Schienenverkehr zusammengefasst sind. Die schwarz-grüne Energiewende muss sofort revidiert werden, und angesichts von 169 Millionen Euro Kulturbudget werde man sich fragen müssen: Ja, können wir uns das leisten? Dann hat Haimbuchner auch noch den Eindruck, dass die anderen Politiker im Land in einem Paralleluniversum leben. Und Parallelgesellschaften anderer Art kennt er auch – plus Gegenmittel: Die FPÖ hat klare Vorstellungen, was Integration anlangt. Leitmotiv: Wir leben hier eben in Österreich und nicht in der Türkei oder in Tschetschenien. Das Landeswahlergebnis interpretierte der FP-Landeschef sowohl als Abwahl von Schwarz-Grün als auch als Abrechnung mit Rot-Schwarz. Damit meinte er die Bundesregierung, denn, so Haimbuchner süffisant zu den Journalisten: Dass Faymann und Mitterlehner regieren, das glauben ja nicht einmal Sie. Die Landeshauptleute regieren doch. Kanzler Werner Faymann wurde von Strache übrigens konsequent und natürlich mit Absicht im Doppelpack mit dem Wiener Bürgermeister Michael Häupl genannt, mal als Blockierachse Faymann/Häupl, dann wieder als Faymann-Häupl-SPÖ, die es am 11. Oktober abzuwählen gelte. Pühringer legte der FPÖ-Chef zwei Möglichkeiten der Verantwortungsübernahme nahe: Modell Niessl oder Modell Voves. Der burgenländische SP-Landeschef macht nun mit der FPÖ Rot-Blau und habe so die Lehren gezogen. Der steirische Landeshauptmann wählte die Option Rücktritt. Pühringer über Sympathiebekundung "wenig erfreut", Haimbuchner nach Sondierungsgespräch "positiv gestimmt". Linz – Der ÖVP-Koalitionsverhandler und Wirtschaftslandesrat Michael Strugl ist noch vor Beginn der Sondierungsgespräche in Oberösterreich vorgeprescht: Er sehe bei der FPÖ mehr Reformorientierung als bei der SPÖ, sagte er im Gespräch mit den Oberösterreichischen Nachrichten vom Mittwoch. Die Freiheitlichen seien bisher bei all seinen Projekten mitgegangen. Von der Variante Schwarz-Rot-Grün hält er hingegen nichts. Sechs Jahre in der Komfortzone Strugl warnte davor, das Flüchtlingsthema allein für die Stimmenverluste verantwortlich zu machen. Man dürfe nicht übersehen, dass es einen generellen Vertrauensverlust in die Politik gebe. Die Menschen hätten das Gefühl, dass nichts weitergehe. In Wirklichkeit haben wir uns sechs Jahre lang in der Komfortzone bewegt. Die Ausnahme war die Spitalsreform. Die Politik des Verteilens der Zuwächse ist vorbei, weil es keine Zuwächse mehr gibt, befand Strugl, er will etwa bei Förderungen kürzen. Die SPÖ habe bisher aber immer Sparen als falschen Weg gesehen. Die größere Reformorientierung sehe ich derzeit bei der FPÖ, so der Verhandler. Bei allen Veränderungsprojekten, die ich in meinem Ressort gemacht habe, ist die FPÖ mitgegangen. Von der Reform der Technologie- und Marketinggesellschaft bis hin zur Raumordnungsnovelle. Keine Personaldebatte Mit FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner gebe es eine konstruktive Dialogebene. Ich glaube, dass da einer Zusammenarbeit nichts im Wege steht. Entscheidend sei, mit wem man eine Reformagenda abarbeiten könne. Er persönlich wolle wieder Landesrat werden. Eine Personaldebatte über Landeshauptmann Josef Pühringer sieht er nicht. Die Sondierungsgespräche begannen Mittwochfrüh. Für 50 Minuten setzten sich Pühringer und SPÖ-Chef Reinhold Entholzer zusammen, um danach unisono zu befinden: Es war ein gutes Gespräch auf Augenhöhe. Für nächste Woche wurde ein weiteres Gespräch vereinbart. Zum Inhalt machten beide keine Angaben. Allerdings ist Entholzer davon überzeugt, dass es nicht leicht werden wird, mit der ÖVP übereinzukommen. Das habe sich nach einem ersten Abtasten bereits gezeigt. Für das Treffen nächste Woche habe die SPÖ jetzt noch einige Hausaufgaben zu machen. Pühringer freute sich über das gute Gesprächsklima, wenngleich auch er betonte, dass es noch ein weiter Weg bis zur Regierungsbildung sei. Sein Plan sieht vor, bei der konstituierenden Landtagssitzung am 22. Oktober auch die Regierung fixiert zu haben. Pühringer wenig erfreut Über die Pro-FPÖ-Äußerungen seines Mitverhandlers Strugl war Pühringer wenig erfreut. Sein zweites Sondierungsgespräch an diesem Tag hat dann etwas länger gedauert als die anberaumte eine Stunde. FPÖ-Parteichef Manfred Haimbuchner war mit seinem Klubobmann Günther Steinkellner zu dem Termin erschienen. Auch die ÖVP hatte ihren Klubobmann Thomas Stelzer dazugebeten. Positiv gestimmt verließ Haimbuchner nach eineinviertel Stunden das Büro. Ebenso wie schon nach der ersten Gesprächsrunde mit der SPÖ wurde auch im Anschluss an das Treffen mit der FPÖ von den Gesprächsteilnehmern nichts zum Inhalt der Gespräche verlautet. Jeder hat gesagt, wohin die Reise gehen soll, erklärte Pühringer. Ob es ein gemeinsames blau-schwarzes Reiseziel geben werde, ließe sich nach einem ersten Sondierungsgespräch freilich nicht sagen, ergänzte Haimbuchner. Breite Zusammenarbeit Pühringer hingegen war sichtlich bemüht, jeden Eindruck zu vermeiden, dass Schwarz-Blau die einzige Option sein könnte. Er sei auf der Suche nach einer breiten Zusammenarbeit, wie es die Konzentrationsregierung vorsieht. Das gelte es in den Sondierungsgesprächen auszuloten. Daher begegne er allen geladenen Parteienvertretern auf Augenhöhe. Für den Nachmittag stand noch das Treffen mit den Grünen an. Und die rückten mit der gesamten Parteispitze zum Sondierungsgespräch an. Nach einer Dreiviertelstunde hatten beide Seiten ihre Wunschkonstellationen dargestellt. Grün-Landesrat Rudi Anschober plädierte für Schwarz-Rot-Grün.. Pühringer ließ, wie schon nach den vorausgegangenen Sondierungsgesprächen mit SPÖ und FPÖ, keinen Zweifel daran, dass er mehrere Modelle einer breiten Zusammenarbeit in Regierung und Landtag auslote. Von einer schwarz-grünen Koalition in der Landesregierung, die mit fünf Sitzen eine Mehrheit hätte, hält er wenig, nachdem im Landtag für diese Mehrheit zwei Mandate fehlen: Die Arbeit im Landtag und in der Regierung kann man nicht trennen. Auch den Grünen macht er das Angebot, die Gespräche kommende Woche weiterzuführen. (APA, 30.9.3015) Parteivorstand beschloss Verbleib des Parteichefs in der Regierung. Linz – Die oberösterreichische SPÖ hat am Montag ihrem Vorsitzenden den Rücken gestärkt: Reinhold Entholzer soll den einen sicheren Regierungssitz der Roten erhalten. Um den zweiten soll er kämpfen, allerdings nicht um den Preis von Blau-Rot, entschied der Landesparteivorstand. Beim Landesparteitag, dessen Termin für 16. Jänner festgelegt wurde, will sich Entholzer der Wiederwahl stellen. Die Sozialdemokraten sind bei der Landtagswahl am 27. September von 25 auf 18 Prozent abgesackt. Damit die SPÖ ihre zwei Regierungssitze behalten kann, ist ein Einrechnungsbeschluss im Landtag nötig. Dafür brauchen die Roten die Stimmen der Blauen oder der ÖVP. Letzteres ist unwahrscheinlich, weil die Volkspartei dadurch einen Landesrat einbüßen würde. Ich habe den klaren Auftrag bekommen, um den zweiten Regierungssitz zu kämpfen, erklärte Entholzer – mit der Auflage, keine Koalition mit der FPÖ zu bilden. Ein Arbeitsübereinkommen sei aber möglich. Welche Sachbereiche das betreffen könnte, ließ er vorerst offen – es dürfe eben keine Probleme in der Werthaltung geben. Der Landesparteivorstand entschied, dass Entholzer den sicheren Sitz erhält. 68 von 70 Mitgliedern des Gremiums stimmten dafür, zwei enthielten sich der Stimme. Entholzer-Kritiker Bernd Dobesberger, der zuletzt als Kompass-Sprecher die Ablöse des Parteichefs verlangt hatte, soll ihm diesmal das Vertrauen ausgesprochen haben. Wer einen eventuellen zweiten Landesratsposten bekommen könnte, ließ Entholzer offen, das hänge vom Ressort ab. Bisher saß Gertraud Jahn als Soziallandesrätin neben ihm am Regierungstisch. Der nächste Landesparteitag soll am 16. Jänner im Linzer Design Center stattfinden. Entholzer – seit zwei Jahren Parteichef – kündigte dezidiert eine Wiederkandidatur als Vorsitzender an. Ich komme nicht, um die Flinte ins Korn zu werfen, wenn es nicht funktioniert, meinte er. Bis zum Parteitag will sich die SPÖ mit der Umstrukturierung ihrer Gremien befassen. Das Präsidium soll dazu eine Steuerungsgruppe einrichten, über deren Zusammensetzung aber noch nichts bekannt ist. Er glaube nicht, dass man bis Jänner ein komplettes Erneuerungsprogramm auf die Beine stellen könne, meinte Entholzer, aber erste Schritte sollen am Parteitag bereits präsentiert werden. Der Landesparteivorstand traf am Montag weitere Personalentscheidungen. Die Kandidatenlisten für den Landtag wurden bestätigt: Über ein Grundmandat werden Hans Karl Schaller, Gisela Peutlberger-Naderer, Erich Rippl, Roswitha Bauer, Hermann Krenn, Frauen-Chefin Sabine Promberger, die bisherige Zweite Landtagspräsidentin Gerda Weichsler-Hauer und – neu – Thomas Punkenhofer einziehen, über die Landesliste Klubobmann Christian Makor, Petra Müllner sowie zum ersten Mal Landesgeschäftsführer Peter Binder. Die Bundesratsmandate gehen an Ewald Lindinger und – neu – Michael Lindner. Nach der nächsten Nationalratswahl soll Bettina Lancester Lindinger ablösen, Lindner sein Mandat 2018 an Dominik Reisinger übergeben. Landeshauptmann will den vierten Regierungssitz erhalten – FPÖ will gewichtige Landesratsposten. Linz – Die kommende Woche steht in Oberösterreich ganz im Zeichen der Koalitionsgespräche. Bis zur konstituierenden Sitzung des Landtags am 23. Oktober soll die neue Regierung stehen. Für ÖVP-Landesparteiobmann und Landeshauptmann Josef Pühringer werden die Termine mit der FPÖ eine gewisse Priorität besitzen. Dabei gehe es vor allem um den Erhalt von vier schwarzen Regierungssitzen. Pühringer hatte angekündigt, dass er erst nach der Wien-Wahl mit den Verhandlungen beginnen werde, auch wenn in seinem Bundesland bereits am 27. September gewählt wurde. Die ÖVP sackte um zehn Prozentpunkte auf 36 Prozent ab, blieb aber stimmenstärkste Partei. Damit hätte sie künftig vier statt fünf Landesräte. Würde der Landtag jedoch wie bisher auch für die anstehende Regierungsbildung die Einrechnungsklausel beschließen, hieße dies, dass die Schwarzen nur mehr drei Sitze hätten. Der weitere Landesratsposten würde dann zum zweiten Wahlverlierer SPÖ – sie fuhren ein Minus von sechs Prozentpunkten ein und stehen nun bei 18 Prozent – gehen. Für diese Variante suchen die Roten seit dem Wahlabend eine Mehrheit im Landtag, wofür sie die Stimmen der FPÖ benötigen. Die SPÖ hat in der Parteivorstandssitzung am Montag ihren Chef Reinhold Entholzer beauftragt, um den zweiten Regierungssitz zu kämpfen. Die Blauen, die ihren Stimmenanteil auf 30 Prozent verdoppeln konnten und damit Platz zwei geholt haben, machen ihr Abstimmungsverhalten vom Verlauf der Koalitionsgespräche abhängig. Für den blauen Parteichef Manfred Haimbuchner sei es Verhandlungsmasse. Er will vor allem drei gewichtige Landesratsposten ausverhandeln. Wann die Treffen mit der ÖVP stattfinden, bleibt aber geheim. Pühringer versicherte, dass er trotz FPÖ-Priorität weiter mit allen reden werde, wann und wo, gibt er auch hier nicht bekannt. Die Grünen setzen alles daran, den bisherigen Koalitionspartner ÖVP noch von Schwarz-Rot-Grün zu überzeugen. Trotz leichter Gewinne – erstmals schafften sie mit 10,3 Prozent ein zweistelliges Ergebnis – geht sich aber ein Fortführen von Schwarz-Grün nicht mehr aus. Die Erfolgsaussichten für eine Kenia-Koalition scheinen jedoch eher gering, da Pühringer von dieser Variante nicht überzeugt ist, wie er zugibt. Personelle Entscheidungen will die ÖVP erst treffen, wenn die künftige Regierung steht. FPÖ und SPÖ haben bereits ihre Weichen gestellt. So wird auf jeden Fall SPÖ-Chef Entholzer Landesrat bleiben. Für die Blauen sitzen Haimbuchner, der bisherige Klubobmann Günther Steinkellner und der Nationalratsabgeordnete Elmar Podgorschek künftig in der Regierung. Neuer Klubobmann wird Herwig Mahr. Angehörigen von Drittstaaten will der neue Stadtchef Andreas Rabl (FP) freiwillige kommunale Sozialleistungen streichen. Für Vierjährige, die nicht ausreichend Deutsch können, soll es Kindergartenpflicht geben. Andreas Rabl, künftiger Bürgermeister von Österreichs achtgrößter Stadt Wels in Oberösterreich, will Ausländer kurzhalten: Er habe vor, alle freiwilligen Sozialleistungen der Stadt Wels nur mehr an Österreicher und EU-Bürger auszuzahlen, kündigt der FPÖ-Politiker im Gespräch mit dem STANDARD an. Zuwanderer aus Drittstaaten würden damit um finanzielle Hilfen wie den Heizkostenzuschuss, das Schülerstartgeld oder den Weihnachtszuschuss umfallen. Erst wenn jemand integriert sei, also etwa in fünf Jahren Aufenthaltsdauer zumindest vier Jahre gearbeitet habe, solle es Zugang zu diesen Leistungen geben, erläutert Rabl. Einschränken will der designierte Stadtchef auch den Grunderwerb durch Nicht-EU-Bürger. STANDARD: Sie streuen Ihrer Stadt keine Rosen: Wels sei abgesandelt, ein Drogen-Hotspot und habe ein Integrations- und Sicherheitsproblem. Muss man da nicht Masochist sein, um erster Mann im Rathaus werden zu wollen? Rabl: Man braucht keinen Masochismus, sondern eine große Portion Gestaltungskraft. Wels hat ein hohes Potenzial, welches bislang nicht genützt wurde. Der erste Schritt hin zu einer Trendwende ist, Probleme auch anzusprechen. STANDARD: Sie sind immerhin sechs Jahre im Stadtsenat gesessen und hätten die Möglichkeit gehabt, Dinge zu verändern. Passiert ist wenig. Rabl: Stimmt doch gar nicht. Großes Beispiel ist die Maßnahme, dass man heute in Wels keine Wohnungen ohne Deutschkenntnisse bekommt. STANDARD: Hat sich dadurch in den sogenannten Problemvierteln tatsächlich etwas gebessert? Rabl: Ja, es war ein guter Anfang. Dort sind zwar hunderte Wohnungen belegt. Und man kann ja Mieter, die laufende Verträge haben, nicht einfach aus den Wohnungen schmeißen, aber seither wurden keine Wohnungen mehr an Mieter mit mangelhaften Deutschkenntnissen vergeben. Wenn 15 oder 20 neue Mieter kommen, wird sich die Struktur nicht sofort ändern. STANDARD: Also hat die Maßnahme wenig gebracht, oder? Rabl: Es war ein Schritt in die richtige Richtung. Nach einem Jahr kann man sich aber keine Wunder erwarten. Für die ganz großen Würfe hat man uns nach der Wahl 2009 einfach zu wenige Bereiche zugesprochen. STANDARD: Nun werden Sie Bürgermeister. Wird der Weg zur Integration weiter über Strafen führen? Rabl: 85 Prozent der Migranten in Wels sind gut integriert. 15 Prozent treten die Willkommenskultur mit Füßen. Da kommt man mit Nächstenliebe nicht weiter. Diese Menschen wollen im abgeschlossenen Bereich leben und bilden Parallelgesellschaften. Ich bin nicht bereit, auf diese Menschen noch einen Schritt zuzugehen. STANDARD: Heißt was konkret? Rabl: Da braucht es schärfere Maßnahmen, um diese Menschen zu bewegen, mit uns zu leben. Da hilft kein gutes Zureden mehr. Und die Gesetzeslage blendet Integrationsunwillige einfach aus. Es muss in diesen Fällen ein Sanktionsmechanismus in Kraft treten. STANDARD: Wie wird der Strafkatalog unter Ihrer Führung aussehen? Rabl: Es wird keinen Strafkatalog, sondern Anreizsysteme geben. Ich habe vor, dass alle freiwilligen Sozialleistungen der Stadt Wels nur mehr Österreicher und EU-Staatsbürger erhalten. Mit der Möglichkeit, dass jemand Zugang zu diesen Leistungen bekommt, wenn er integriert ist. Und ich will mit einer Grundverkehrskommission den Grunderwerb von Nicht-EU-Bürgern in Wels beschränken. STANDARD: Wann ist man in Wels integriert? Rabl: Das wird zu regeln sein. Beispielsweise ist man integriert, wenn man fünf Jahre hier ist und davon vier Jahre gearbeitet hat. Ein zweites Kriterium sind die Sprachkenntnisse. Ich plane, dass jene Kinder, die nicht ausreichend Deutsch sprechen, um dem Schulunterricht zu folgen – in Wels übrigens 52 Prozent in den ersten Klassen -, per Sprachstandsfeststellung schon mit vier Jahren in den Kindergarten kommen. Dort wollen wir Sprachgruppen einrichten. Sollten Eltern dies nicht annehmen, dann ist das Integrationsverweigerung. STANDARD: Und die Strafe folgt aufs Bürgermeisterwort? Rabl: Wer eine Integrations- und Sprachförderung nicht annimmt, einfach weil er nicht will, ist Integrationsverweigerer und hat nicht den Anspruch, am Welser Sozialsystem teilzunehmen. In diesem Fall ist die Schulstarthilfe zu streichen. STANDARD: Bei den schwarzen Schafen in den eigenen Reihen sind Sie nachsichtiger: Den künftigen FPÖ-Gemeinderat Ralph Schäfer, der 2009 nach einer Graffiti-Aktion (Märtyrer leben länger samt Konterfei von Rudolf Hess) mit einer Diversion davongekommen ist, haben Sie immer verteidigt. Rabl: Der Herr Schäfer war damals 17 Jahre alt, hat einen Fehler gemacht und für diese Dummheit Sozialleistungen erbringen müssen. Es muss eine Resozialisierungs-Möglichkeit geben. Rechtsextremismus ist ein gesellschaftspolitisches, kein freiheitliches Problem. Wir als FPÖ haben uns immer entschieden vom Rechtsextremismus abgegrenzt. Und ganz klar: Ich habe es satt, als Nazi beschimpft zu werden. STANDARD: Sie sind Kunstsammler und Nitsch-Fan. Schmerzen Sie Aussagen wie: Nitsch ist bekannt für seine Machwerke, in denen er religiöse, ethische und moralische Werte pervertiert? Rabl: Nein. Kunstgeschmäcker sind verschieden, und ich kaufe Kunst nicht nach der politischen Einstellung des Künstlers, sondern ob sie mir gefällt. STANDARD: Das Zitat stammt von FP-Chef Heinz-Christian Strache. Rabl: Okay. Es ist H.-C. Strache unbenommen, die politische Einstellung eines Künstlers zu kritisieren. Ein Rückschluss auf die Qualität der Kunstwerke ist daraus aber nicht ableitbar. (Markus Rohrhofer, 17.10.2015) Sozialausgaben für Nicht-EU-Ausländer kürzen – darf der künftige Welser Bürgermeister das? Einige Fragen und Antworten. Frage: Keine Sozialleistungen für Ausländer aus Nicht-EU-Staaten: Mit diesem Vorschlag ließ der künftige Welser Bürgermeister Andreas Rabl (FPÖ) aufhorchen. Welche Folgen hätte das für die Betroffenen? Antwort: Finanziell hätte es keine gravierenden Auswirkungen – der Großteil der Sozialleistungen fällt ja nicht in die Kompetenz der Gemeinden. Laut einer STANDARD- Nachfrage beim Bürgermeister in spe wären zudem ohnehin nur zwei Leistungen betroffen: die sogenannte Schulbeginner-Unterstützung einerseits und der Weihnachtszuschuss andererseits. Das Schulstartgeld lag zuletzt bei 78 Euro einmalig pro Erstklassler, der Weihnachtszuschuss bei 100 Euro für die erste und 50 Euro ab der zweiten begünstigten Person im Haushalt. Schon jetzt wird der Zuschuss nicht an alle verteilt: Nur wer seit mindestens zwei Jahren in Wels wohnt und unter einer bestimmten Einkommensgrenze liegt, kommt infrage. Frage: Darf eine Gemeinde Menschen aus EU-Drittstaaten eigentlich pauschal von allen Sozialleistungen ausschließen? Antwort: Nein. Laut der EU-Daueraufenthaltsrichtlinie haben Zugewanderte aus Nicht-EU-Ländern ebenso Anspruch auf Sozialleistungen wie EU-Bürger. Voraussetzung ist, dass sie seit über fünf Jahren ununterbrochen rechtmäßig hier gelebt haben. Dieses Gleichbehandlungsgebot trifft nicht nur den Bund und die Länder, sondern gilt auch für Sozialleistungen der Gemeinden – also auch für Schulstartgeld oder den Weihnachtszuschuss in Wels. All diese Leistungen dürfen lang aufhältigen Drittstaatsangehörigen grundsätzlich nicht vorenthalten werden. Frage: Grundsätzlich bedeutet vermutlich, dass es dann doch wieder Ausnahmen gibt? Antwort: Ja. Unter gewissen Bedingungen dürfen Zuschüsse auf ein Minimum reduziert werden. Für Sozialleistungen, die nicht an strenge Bedarfsprüfungen geknüpft sind, gelte dies jedoch nicht, sagt der Wiener Jurist und Diskriminierungsexperte Volker Frey. Konkret bedeutet das: Sollte das Schulstartgeld mit weniger strengen Bedingungen verbunden sein als die Mindestsicherung, so dürften auch Drittstaatsbürger nicht davon ausgeschlossen werden. Einen ähnlichen Fall gab es im Vorjahr in Tirol: So gab das Bezirksgericht Innsbruck im Jänner 2014 einer kroatischen Familie recht, der im Jahr 2012, also vor dem EU-Beitritt Kroatiens, das Schulstartgeld in Tirol verweigert worden war. Die Familie hatte die Behörde geklagt. Laut Gericht lag ein Verstoß gegen die EU-Daueraufenthaltsrichtlinie vor. Frage: Was aber, wenn Wels die Sozialleistungen gar nicht von der Herkunft abhängig macht, sondern beispielsweise von Deutschkenntnissen? Dann kann ja niemand behaupten, dass er oder sie wegen der Herkunft diskriminiert wird. Antwort: Das kommt darauf an. Auch das Abstellen auf Deutschkenntnisse kann diskriminierend sein. Dann nämlich, wenn klar ist, dass Nicht-EU-Ausländer ungleich stärker davon betroffen sind. Sollte sich also herausstellen, dass das Gebot, Deutsch zu erlernen, nur dazu dient, um über Umwege Zuwanderer zu benachteiligen, dann würde auch das den Antidiskriminierungsgesetzen widersprechen. Frage: Warum gibt es dann schon jetzt Gemeinden – etwa auch Wels –, in denen die Vergabe von Sozialwohnungen an das Bestehen von Deutschtests geknüpft ist? Antwort: Vereinfacht gesagt: Weil sich noch niemand gefunden hat, der deswegen geklagt hat. Das geschah wohl auch deshalb nicht, weil die Regelungen nur wenige Menschen betreffen. Um überhaupt eine Sozialwohnung zu bekommen, müssen Zugewanderte ja ohnehin meist die sogenannte Integrationsvereinbarung erfüllt haben – und diese beinhaltet bereits einen mehrstufigen Deutschtest. In der Praxis haben solche Einschränkungen laut Frey daher meist eher symbolische Wirkung. Frage: Hätte es denn auch nennenswerte Einsparungseffekte für die Gemeinde Wels? Antwort: Das ist unwahrscheinlich. Laut Rabl lagen die Ausgaben der Stadt für Schulstartgeld und Weihnachtszuschuss im Jahr 2013 bei insgesamt 269.000 Euro, wobei der Bürgermeister in spe nicht beziffern kann, wie viel davon an Drittstaatsbürger ging. Zum Vergleich: Für Schuldendienst wendet Wels heuer knapp fünf Millionen Euro auf. Der Anteil der Drittstaatsbürger an der Stadtbevölkerung liegt derzeit bei 13 Prozent, Nummer eins sind Menschen aus Bosnien-Herzegowina. (Maria Sterkl, 19.10.2015) Parteivorstände tagen am Mittwoch, bis Donnerstag wird noch verhandelt – Erste Regierungssitzung am Freitag. Linz – Offenbar doch noch nicht ganz unter Dach und Fach ist Schwarz-Blau in Oberösterreich. Nachdem am Dienstag weiterverhandelt und von Beobachtern sogar bereits ein Abschluss für möglich gehalten worden war, folgen nun doch am Mittwoch und am Donnerstag noch weitere Gespräche. Am Freitag soll die erste Sitzung der – ohnehin nach dem Proporzsystem zusammengesetzten – neuen Landesregierung stattfinden. Die ÖVP hat für Mittwochnachmittag eine Sitzung des Parteivorstands einberufen, bei der FPÖ tagt dieses Gremium am frühen Abend. Man werde eben notfalls jene Punkte absegnen, die bereits außer Streit gestellt sind, sagte FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner nach der Verhandlungsrunde am Dienstag. Auch ÖVP-Chef Josef Pühringer gibt sich angesichts weiterer Gesprächsrunden gelassen: Wir können nicht alles aus einer sechsjährigen Zusammenarbeit in wenigen Tagen abhandeln. Zu den Details ihres Arbeitsübereinkommens waren beide Seiten ziemlich wortkarg. Man betrachte Ressortverteilung und Inhalte als Gesamtpaket, daher wolle man zu Einzelbereichen nichts sagen. Nach allem, was bisher durchgesickert ist, soll die FPÖ ein umfangreiches Sicherheitsressort bekommen, dem der bisherige Parlamentarier Elmar Podgorschek vorstehen dürfte. Klubobmann Günther Steinkellner soll Infrastrukturlandesrat werden, in dessen Ressort die bisher getrennt ressortierenden Bereiche Individual- und Öffi-Verkehr zusammengeführt werden. Parteichef Manfred Haimbuchner steigt zum Landeshauptmann-Stellvertreter auf, sein Wohnbauressort wird um Hochbauzuständigkeiten aufgefettet, eventuell bekommt er auch die Familien. Für die ÖVP würden demnach die Themenkomplexe Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit, Kultur, Personal, Bildung und Agrar übrig bleiben. Hier ist eine personelle Zuordnung noch unklar. Fix ist nur, dass einer aus der ÖVP-Mannschaft gehen muss, weil die ÖVP bei der Wahl einen Sitz eingebüßt hat. Während die FPÖ künftig für Integrationsmaßnahmen für Asylberechtigte zuständig sein soll, würde die Unterbringung beim Soziallandesrat – SPÖ-Chef Reinhold Entholzer – bleiben. Das Umweltressort des Grünen Rudi Anschober könnte um die Agenden Energie und Hochwasserschutz beschnitten werden. Landesparteivorstand tagt am Nachmittag, Einigung bis dahin aber noch möglich. Linz – In der ÖVP Oberösterreich droht Mittwochnachmittag eine Kampfabstimmung um die Landesratsposten. Einer aus der bestehenden Mannschaft muss gehen, weil die ÖVP bei der Landtagswahl einen ihrer fünf Sitze eingebüßt hat. Aber keiner will auf seinen Regierungssessel verzichten. Unterstützung von den Bünden Dem bisherigen Landeshauptmann-Stellvertreter Franz Hiesl, der in Pension geht, folgt Klubobmann Thomas Stelzer nach. Landeshauptmann Josef Pühringer bleibt. Wackelkandidaten sind daher Doris Hummer und Max Hiegelsberger oder – weniger wahrscheinlich – Michael Strugl. Hummer und Strugl werden vom Wirtschaftsbund unterstützt, Hummer wäre zudem die einzige Frau in der Landesregierung. Über Hiegelsberger hält der Bauernbund seine Hand. Am frühen Nachmittag tagt noch einmal die Runde der Koalitionsverhandler. Sollte nach diesem Gespräch die ÖVP-Personalfrage immer noch offen sein, kommt es im für 15 Uhr angesetzten Landesparteivorstand zu einer geheimen Abstimmung, hieß es aus der ÖVP. Der Preis für den schwarzen Machterhalt ist ein Zugeständnis zu schärferen Integrationsbedingungen – und die einzige Frau ist nicht mehr dabei. Linz – Die neue oberösterreichische Regierung ist ein reiner Männerbund geworden: Die bisherige Bildungslandesrätin Doris Hummer verlor am Mittwochabend im ÖVP-Parteivorstand die Kampfabstimmung gegen die Landesräte Max Hieglsberger und Michael Strugl. Hintergrund ist das schlechte Abschneiden der ÖVP bei der Landtagswahl, wodurch die ÖVP einen ihrer bisher fünf Regierungssitze verlor. Bis knapp vor Sitzungsbeginn versuchte ÖVP-Chef Josef Pühringer noch eine gütliche Einigung herbeizuführen. Der fatalen Außenwirkung, dass nun erstmals seit 1995 keine Frau in einer Landesregierung vertreten ist und Oberösterreich nun überhaupt die einzige Landesregierung österreichweit ohne Frau hat, ist man sich in der ÖVP durchaus bewusst. Es ist mir klar, dass wir da jetzt ein Problem haben. Es ist unangenehm, dass das jetzt so ist. Aber es war einfach nicht möglich, drei zu wählen, sagte Pühringer nach der Sitzung. Hummer habe man die Position der ÖVP-Klubobfrau und ein Landtagsmandat angeboten. Die scheidende Landesrätin erbat sich eine Bedenkzeit bis Freitagfrüh. Zusätzlich wurde Hummer, die 2009 von Pühringer in die Regierung geholt wurde, ein Rückkehrrecht in die Regierung eingeräumt, sobald ein ÖVP-Mitglied – wohl er selbst – ausscheidet. Sie selbst wollte nach der Sitzung keine Stellungnahme abgeben. Das neue ÖVP-Regierungsteam besteht nun offiziell aus Pühringer, seinem Stellvertreter Thomas Stelzer, Strugl und Hiegelsberger. Pühringer holte sich im Parteivorstand auch den Sanktus für ein Arbeitsübereinkommen mit der FPÖ: Ich habe den Auftrag erhalten, mit der FPÖ final zu verhandeln. Wann genau der schwarz-blaue Regierungspakt offiziell präsentiert wird, ließ sich der Landeshauptmann nicht entlocken. Dem Vernehmen nach soll aber bereits für Donnerstag eine gemeinsame Pressekonferenz geplant sein. Zumindest auch von blauer Seite stünde dem nichts entgegen. Der FP-Landesparteivorstand hat den Entwurf des Arbeitsübereinkommens am Mittwochabend einstimmig abgesegnet. Das 22-köpfige Gremium stimmte nach drei Sitzungsstunden dem Papier zu. Der künftige FPÖ-Landesrat Elmar Podgorschek bekommt das Sicherheitsressort, Haimbuchner zu seinen bisherigen Agenden Wohnbau und Naturschutz noch Hochbau und Familien. Günther Steinkellner als dritter blauer Landesrat erhält ein Infrastrukturressort. Die Frage, ob ÖVP oder FPÖ bei den Regierungsgesprächen besser ausgestiegen ist, stellt sich nun. Der Respekt auf FPÖ-Seite vor Pühringer als bekannt gewieftem und hartem Verhandler war groß, der Trumpf im blauen Ärmel aber ein gewichtiger. Erstmals konnte nämlich Oberösterreichs VP-Chef nicht aus der Position des Stärkeren verhandeln. Bedingt durch die schwere Wahlniederlage mussten Zugeständnisse auf den Tisch. Nach gut zwei Wochen scheint klar, dass die ÖVP mit einem blauen Auge davonkommen wird. Die zentralen Bereiche wie Finanzen, Wirtschaft, Gesundheit, Kultur, Personal, Bildung und Agrar bleiben fest in schwarzer Hand. Vor allem im Wirtschaftsbereich konnte sich die ÖVP mit der Einbindung des Energiebereichs einen langgehegten Wunsch erfüllen. Doch auch auf FPÖ-Seite ist man hochzufrieden: Haimbuchner hat sich mit dem blauen Verhandlungsteam die Filetstücke gesichert: Im neuen Hochbauressort werden künftig neben dem Wohnbau alle baurechtlichen Angelegenheiten bis hin zum gesamten Förderbereich zusammenlaufen. In diesen Bereich fallen auch die schwarzen Geschenke: Wie von der FPÖ gefordert, erhalten Drittstaatsangehörige in Oberösterreich künftig nur mehr dann eine geförderte Sozialwohnung, wenn sie auf einen fünfjährigen rechtmäßigen Aufenthalt verweisen können – und davon viereinhalb Jahre sozialversichert waren. Bis zuletzt wurde um eine weitere FPÖ-Kernforderung gefeilscht: Deutsch als Schlüssel zur Wohnung. Lange wehrte man sich auf ÖVP-Seite gegen den Passus im Regierungsübereinkommen, dass in Oberösterreich auch künftig Deutschkenntnisse eine Voraussetzung bei der Vergabe von geförderten Genossenschaftswohnungen sind. Letztlich gab man bei klein bei. Ohne eine Zustimmung hätten wir auch nicht unterschrieben, heißt es aus FPÖ-Kreisen. Die Vergaberichtlinie an sich ist in Oberösterreich nicht neu: Bereits im Mai des Vorjahrs setzte Haimbuchner die umstrittene Maßnahme um. Neben dem Infrastrukturressort sicherte sich die FPÖ auch ein eigenes Sicherheitsressort. Alle sicherheitspolizeilichen und fremdenpolizeilichen Agenden, das gesamte Feuerwehrwesen und der Hochwasserschutz sind dort gebündelt. Nicht aber der Bereich Integration, der bei der SPÖ bleiben wird. Betrachtet man die neue schwarz-blaue Machtfülle, wird klar, dass am politischen Gabentisch nur mehr wenig für SPÖ und Grüne bleibt. SPÖ-Chef Reinhold Entholzer wird als einzig verbleibender roter Landesrat das Sozialressort behalten. Der öffentliche Verkehr wandert von der roten in die blaue Ecke. Rudi Anschober bleibt zwar Umweltlandesrat, muss sich aber damit abfinden, dass sein Ressort abgeräumt wurde wie ein Christbaum. Besonders bitter für das grüne Urgestein ist, dass er sich von seinen Kernbereichen Energie und Hochwasserschutz verabschieden muss. Die ehemalige ÖVP-Frauenchefin über den frauenpolitischen Backlash, mächtige Männerzirkel und das Problem der ÖVP mit den Frauen – nein, umgekehrt: das Problem der Frauen mit der ÖVP. STANDARD: Wir schreiben 2015, und Oberösterreich gönnt sich einen reinen Männerverein als Landesregierung. Was sagen Sie dazu? Maria Rauch-Kallat: Das ist einmal mehr der Beweis, dass es seit einigen Jahren einen richtigen Backlash gibt, dass das Jahrtausend der Frau nicht die Erwartungen erfüllt, die alle an diese neue Zeit gestellt haben. STANDARD: Wie hätte man das Problem mit der Frau in der Landesregierung politisch moderieren sollen? Landeshauptmann Josef Pühringer hätte ja zum Beispiel sagen können: Die einzige Frau in meinem Team ist fix, weil ich das gesellschaftspolitisch so haben will. Rauch-Kallat: Das wäre für mich eine ganz logische Konsequenz gewesen und ich hätte das auch erwartet, weil Landesrätin Doris Hummer nicht nur gute Arbeit geleistet hat, sondern auch hochanerkannt war und ganz wichtige Themenfelder in ihrem Ressort hatte, zusätzlich zu den Frauen auch Wissenschaft und Bildung. STANDARD: Apropos frauenpolitischer Backlash: Welche Verantwortung würden Sie da Ihrer eigenen Partei, der ÖVP, zuschreiben? Rauch-Kallat: Die gleiche wie allen anderen Parteien. Jede Partei ist aufgefordert und gut beraten, ein ausgewogenes Verhältnis von Frauen und Männern zu haben, auch und vor allem in den Führungspositionen, denn wenn dort ausreichend Frauen sind, werden auch andere Frauen nachkommen, weil es ihnen Mut macht. STANDARD: Sind die Frauen in den Parteien vielleicht auch zu zahm? Rauch-Kallat: Ja, ich würde mir oft mehr Durchsetzungsstärke und lauteres Aufbegehren wünschen. STANDARD: Warum gibts das nicht? Rauch-Kallat: Weil in der jungen Generation fälschlicherweise die Meinung vorherrscht, dass die Emanzipation der Frauen ohnehin schon längst erreicht und Gleichstellung überhaupt kein Problem sei, zumindest so lange, bis sie selbst ihre erste Diskriminierung wegen ihres Frauseins erleben. STANDARD: Würden Sie jetzt, auch wenn es heißen wird, das ist Ländersache, ein Signal von ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner erwarten? Rauch-Kallat: Der Bund – auch in meiner Partei – hat sich immer bemüht, ausreichend Frauen, zumindest über die Bundesliste beziehungsweise über die Positionen in der Bundesregierung, zu positionieren, wobei das beste Kräfteverhältnis in der Regierung Schüssel II war, da waren es wirklich 50 Prozent. Seither sind es leider wieder weniger, aber doch zumindest 30 Prozent Frauen in beiden Regierungsparteien. Manche Bundesländer sind leider absolut nicht auf diesem Weg. Leider sind die Eingriffsmöglichkeiten eines Bundesparteiobmanns sehr gering. STANDARD: Hat die ÖVP ein Problem mit Frauen? Bei der Wien-Wahl haben nur noch sechs Prozent der Frauen unter 30 die ÖVP gewählt. Rauch-Kallat: Vielleicht haben die Frauen ein Problem mit der ÖVP. Das würde ich daraus eher schließen. Ich glaube nicht, dass die Partei ein Problem mit Frauen hat. Ich glaube nur, dass die ÖVP zu wenige Frauen in wichtige Positionen bringt, und das ist schade. Allerdings haben wir in Wien von den sieben ÖVP-Mandaten vier Frauen – von denen zwei wiederum nur durch ihre Vorzugsstimmen hineingekommen sind. STANDARD: Welches Frauenbild hat denn die ÖVP? Rauch-Kallat: Ich habe zwölf Jahre lang als Bundesleiterin hart daran gearbeitet, dass dieses Frauenbild ein modernes, aktives und vielfältiges ist, und ich gehe doch davon aus, dass das immer noch so ist. STANDARD: Sie selbst haben ja auch erlebt, wie es ist, von den Männern in der eigenen Partei ausgebremst zu werden – zum Beispiel 2011, als es darum ging, die Töchter in die Bundeshymne zu bringen. Da hat mann Ihre Rede durch Dauergerede verhindert. Hat sich die ÖVP also nicht weiterentwickelt? Rauch-Kallat: Da haben die Frauen dann ja doch gewonnen, weil der Antrag letztendlich durchgegangen ist. Das Einzige, was die Männer konnten, war mir die Redezeit wegzunehmen, aber das hat sich ja zum Gegenteil verkehrt, weil der Antrag dadurch enorme mediale Aufmerksamkeit bekommen hat. Ich bin immer wieder ausgebremst worden, aber da bin ich nicht allein, das ging vielen Frauen so im Laufe ihres politischen Lebens. Was wichtig ist, und das sollten alle Frauen beherzigen: Man kann schon mal stolpern, aber dann: aufstehen, Krone richten und weitergehen. Scheidende ÖVP-Landesrätin wird Chefin des oberösterreichischen Wirtschaftsbunds – Pühringer mit 48 von 56 Stimmen als Landeshauptmann angelobt. Linz – Sie übernimmt das schönste Ehrenamt der Welt: Doris Hummer, jene oberösterreichische ÖVP-Landesrätin, für die in der neuen schwarz-blauen Landesregierung kein Platz mehr war, weil laut Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) eine Entscheidung zwischen Bauern und Frauen notwendig wurde, bekommt eine neue Funktion, über die sie sich am Freitag bei der Präsentation in Linz demonstrativ, aber auch mit großer Gelassenheit freute: Die 42-jährige Unternehmerin, die in der vergangenen Legislaturperiode Landesrätin für Frauenfragen, Wissenschaft und Bildung war, wird neue Wirtschaftsbundchefin in Oberösterreich. Dafür macht der oberste Wirtschaftsvertreter der Nation auf Landesebene höchstselbst Platz: Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl begründete seinen Verzicht auf das Amt an der Spitze des oberösterreichischen Wirtschaftsbunds etwas pathetisch mit den Worten: Es galt, die verlorene Ehre des Bundeslandes wiederherzustellen und ein Signal an die Frauen zu senden: Ihr seid toll, wir brauchen euch! Damit bekommt der Wirtschaftsbund, einer der berüchtigten Flügel der ÖVP, die jetzt ja auch für die Turbulenzen rund um eine letztlich rein männlich besetzte Landesregierung ausschlaggebend waren, erstmals in seiner 70-jährigen Geschichte eine Frau an der Spitze. Die Neuigkeiten wurden übrigens unter dem Titel Oö. Wirtschaftsbund: Es geht auch anders! präsentiert. Leitl, der die Abstimmung im ÖVP-Landesparteivorstand über die zwei Landesratssitze, für die es drei Kandidaten, darunter Hummer als einzige Frau, gab, explizit als Fehler und den letzten Tropfen im Fass bezeichnete, sagte weiters: Wir wollten aktiv handeln, um dem Land einen Dienst zu erweisen. Da muss ich bei mir beginnen. Ich räume meinen Posten für Doris Hummer – nicht, weil sie eine Frau ist, sondern eine bestqualifizierte Persönlichkeit. Hummer quittierte das mit einem strahlenden Verweis auf das schönste Ehrenamt der Welt, das sie künftig zusätzlich zu ihrem Landtagsmandat übernehmen wird. Die Wirtschaftsbundchefin in Oberösterreich will sie mit leichtem und frohem Herzen machen. Die von Landeshauptmann Pühringer als Trostpreis angebotene Funktion als Klubchefin der ÖVP im Landtag wird Hummer definitiv nicht annehmen, teilte sie mit. Der Job wurde am Freitag schließlich an Helena Kirchmayr vergeben. Für Hummer fand sich aber auch im Landtag noch ein kleiner Job: Sie ist eine von vier Vizes der neuen Klubchefin – neben Elisabeth Manhal, Alfred Frauscher und Johann Hingsamer. Eine zweite Funktion auf Wirtschaftsseite soll Hummer nach dem Abgang des Präsidenten der oberösterreichischen Wirtschaftskammer, Rudolf Trauner, übernehmen. Leitl und Trauner wollen sie als Spitzenkandidatin auch für dieses Amt. Trauners Periode läuft noch bis 2020, nach drei Perioden hätte er nicht mehr kandidieren können. Sinnigerweise – und vermutlich nicht ganz zufällig – war der Beginn der Pressekonferenz ursprünglich just parallel zur Angelobung der neuen Landesregierung auf 10 Uhr anberaumt, um dann doch eine halbe Stunde vorverlegt zu werden. Hummer ist ja als Landtagsabgeordnete gewählt. Als künftige Wirtschaftsbundchefin wird sie übrigens wieder Mitglied des ÖVP-Parteivorstands sein. Pühringer selbst betonte Donnerstagabend in der ZiB 2 noch einmal, dass er nicht vorhabe, die gesamte Legislaturperiode durchzudienen: Ich werde sicherlich nicht sechs Jahre in der Regierung bleiben. Wann er seine politische Karriere beenden will, ließ er jedoch offen. Er ist seit 1995 im Amt und geht nun in die vierte Amtsperiode. Am Freitag wurde er dann bei der konstituierenden Sitzung des Landtags wieder als Landeshauptmann angelobt. Er musste in Kauf nehmen, dass ihn bei der geheimen Wahl nur 48 der 56 Abgeordneten gewählt haben – was damit zusammenhängen könnte, dass er seinen früheren Koalitionspartner, die Grünen (sechs Abgeordnete), bei der Ressortverteilung nach zwölf gemeinsamen, schwarz-grünen Jahren schwer verärgert hat. Auch die SPÖ war enttäuscht, dass der Landeshauptmann mit den Blauen eine Pakt schloss und sie ihren zweiten Regierungssitz zugunsten der ÖVP nicht bekamen. Abgestimmt wurde am Freitag im Landesparteivorstand der ÖVP auch über die oberösterreichischen Bundesräte. Nominiert wurden Gottfried Kneifel, Klaus Fürlinger, Ferdinand Tiefnig und Peter Oberlehner. Nach dem Ausscheiden von Kneifel wird Robert Seeber im Bundesrat nachfolgen. Eine Nachrückzusage für den Bundesrat hat auch Christian Jachs bekommen. SPÖ und Grüne vermissen Impulse bei Zukunftsthemen. Linz – Der Voranschlag für das Budget des Landes Oberösterreich 2016 sieht einen Abgang von 67 Millionen Euro vor. Als Gründe werden Steuerreform, Pflege, das neue Ärztedienstrecht und die Flüchtlinge genannt. 2017 oder 2018 soll das Budget wieder ausgeglichen sein, kündigten Landeshauptmann Josef Pühringer (ÖVP) und sein Stellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) am Dienstag an. Auf der Ausgabenseite stehen im Voranschlag 2015 rund 5,16 Milliarden Euro (2015: 5,0 Milliarden), auf der Einnahmenseite 5,09 Milliarden (2015: 4,94 Milliarden). Der Abgang von 67 Millionen Euro ist um 11,7 Millionen höher als im Voranschlag 2015. Dass Pühringer trotzdem zufrieden ist, begründet er mit einer Sondersituation: Durch die Steuerreform würden 60 Millionen Euro Einnahmen wegfallen, das Pflegepaket schlage sich mit 25,8 Millionen zu Buche. Das Ärztedienstrecht verursache Mehrkosten von 25 Millionen, die durch die Flüchtlingskrise teurer gewordene Grundversorgung welche von 21,5 Millionen Euro. Hinzu kommen noch acht Millionen Euro Zusatzkosten im Rahmen des Projektes Behördenfunk. Gespart wird erneut bei den Ermessensausgaben. Sie sollen um 13 Millionen Euro (3,2 Prozent) auf 391,9 Millionen Euro sinken. Zählt man den 2016 erstmals neu hinzukommenden Bereich Hauskrankenpflege mit, seien es sogar 28 Millionen Euro (sieben Prozent), so Pühringer: Das ist ziemlich das Ende der Fahnenstange. Vom Sparstift verschont bleiben sollen die Ermessensausgaben im Sozial- und Arbeitsmarktbudget sowie die Forschungsförderung. Die Pflichtausgaben steigen von um 152 Millionen Euro (4,56 Prozent), was mit den Bereichen Kinderbetreuung, Forschung, Bildung, Soziales, Flüchtlinge und Gesundheit (Ärzte und Pflege) begründet wird. An Einnahmen aus Ertragsanteilen und Landesumlage erwartet Pühringer 2,635 Millionen Euro, neun Millionen Euro weniger als 2015. Der Schätzung liege aber eine Prognose von April zugrunde, seither gebe es eine gewisse Aufhellung, es könne also besser werden. 2015 lag der Voranschlag bei 2,644. Haimbuchner, dessen Partei in den vergangenen Jahren immer einzelnen Budget-Kapiteln nicht zugestimmt hatte, gab sich zufrieden: Das Budget kann sich sehen lassen, die Einsparung bei den Ermessensausgaben sei verkraftbar. Es wird nichts kaputtgespart. Allerdings sei das Budget unter enormem Zeitdruck entstanden und man werde künftig noch genauer hinsehen müssen, wo man sparen könne. Neu ist, dass im Sommer eine Budgetklausur der Landesregierung stattfinden soll, in der die Grundsätze für 2017 besprochen werden. SPÖ und Grüne kritisierten den Budgetvoranschlag. Weiterentwicklung versäumt, Probleme werden fortgeschrieben, lautet die erste Diagnose von SPÖ-Chef Reinhold Entholzer. Wesentliche Instrumente einer aktiveren Arbeitsmarktpolitik bleiben ungenützt, auch in anderen Zukunftsbereichen wie Wohnbau und Infrastruktur (beide FPÖ-geführt) vermisse er Akzente, ebenso fehle eine umfassende Vermögensbilanz. Besonders die FPÖ, die mit dem Versprechen angetreten ist, alles anders und besser zu machen, hat eine Bankrotterklärung abgegeben, die den Wählerinnen und Wählern in Erinnerung bleiben wird, so Entholzer. Positiv wertet er die Ankündigung einer Budgetklausur. Grünen-Klubchef Gottfried Hirz sieht kein zukunftsweisendes Budget, sondern eine politische Leermeldung. Das Papier pendelt zwischen planlosem Sparen und Durchwurschteln, findet Hirz. Er vermisst Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Bildung, Umwelt, Ökojobs und Lebensqualität und befürchtet, dass diese ausgebremst werden. Durch die geplanten Kürzungen der Ermessensausgaben würden hier massive Einschnitte drohen. Die Arbeit vieler engagierter Vereine sei gefährdet. Die Grünen werden das Budget genau unter die Lupe nehmen, kündigte er an. Ein Abnicken werde es nicht geben. Der freiheitliche Landesvize in Oberösterreich findet Frauendebatten "peinlich". STANDARD: Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit der ÖVP? Haimbuchner: Bestens. Sie hat aber auch in den vergangenen sechs Jahren gut funktioniert. STANDARD: Zum Start von Schwarz-Blau in Oberösterreich gab es aber, angesichts der fehlenden Frauen in der Landesregierung, heftige Kritik. Ist es um die weiblichen Personalreserven in der FPÖ tatsächlich so schlecht bestellt? Haimbuchner: Ich habe nie Quotendiskussionen geführt – und werde jetzt nicht damit anfangen. Bei uns spielt die Regionalität eine übergeordnete Rolle. Und danach wurde auch das Personal gewählt. STANDARD: Die Regionalität steht bei der FPÖ also über den Frauen? Haimbuchner: Wir haben diese Frage in der Partei basisdemokratisch entschieden. Aber ja, die FPÖ hat Nachholbedarf, was das Engagement von Frauen in der Politik betrifft. Da mache ich auch überhaupt kein Geheimnis daraus. Aber Quoten halte ich auf allen Ebenen für nicht angebracht. STANDARD: Aber es ist doch peinlich, dass Oberösterreich jetzt österreichweit die einzige Landesregierung ohne Frau hat, oder? Haimbuchner: Peinlich ist die Diskussion, die darüber geführt wird. Wir haben bitte ganz andere Probleme in diesem Land. STANDARD: Stimmt. Viele haben ein Problem mit der von der FPÖ im Regierungsprogramm verankerten Deutschpflicht in Schulen. Verfassungsrechtler sehen das Prinzip Schulsprache Deutsch als grundrechtswidrig an. Sind blaue Forderungen letztlich das (Regierungs-)Papier nicht wert, auf dem sie geschrieben wurden? Haimbuchner: Man muss einmal manchen Journalisten und Politikern, die das Arbeitsübereinkommen heftig kritisieren, eine gewisse Überforderung konstatieren. STANDARD: Noch spüre ich keine Überforderung. Sie sind Jurist – ärgert Sie das, wenn viele Ihrer Kollegen der Meinung sind, dass die Deutschpflicht nicht menschenrechtskonform sei? Haimbuchner: Natürlich. Aber ich bin die Schläge der Moralkeule gewöhnt. Man hat mir vorgeworfen, dass die deutsche Sprache als Voraussetzung für den Erhalt einer Sozialwohnung in Oberösterreich rechtlich unmöglich sei. Was ist letztlich passiert? Recht hab’ ich bekommen. Heute werden diese Richtlinien umgesetzt. Alle Forderungen, die die FPÖ in den letzten Jahren aufgestellt hat, werden Schritt für Schritt übernommen. STANDARD: Tatsächlich? Haimbuchner: Ich erinnere an die Unmöglichkeit der Überwachung der Grenzen aufgrund des Schengenabkommens. Wir waren auch die Ersten, die gesagt haben, dass es bei Integrationsunwilligkeit entsprechende Konsequenzen geben muss. Der Herr Kurz übernimmt jetzt Punkt für Punkt jede Forderung. Wenn die FPÖ diese aufstellt, ist es pfui, machen es andere Parteien, dann sind das plötzlich Meilensteine der Politik. STANDARD: Bildungsexperten sprechen schon von einer kognitiven Schlichtheit der Politik. Haimbuchner: Was die Deutschpflicht in der Schule anbelangt, lasse ich mich sicher nicht von sogenannten Bildungsexperten belehren. Das Problem ist, dass wir in einer Gesellschaft leben, die von Experten nur so strotzt. Und im Bildungssystem läuft dennoch so vieles schief. Fakt ist: Wenn ich die Sprache des Landes, in dem ich aufwachse, nicht beherrsche, dann werde ich Probleme haben. STANDARD: Englisch und Französisch in der schulischen Jausenpause sind erlaubt? Haimbuchner: Eine absurde Frage. Wir haben in Österreich sicher nicht das Problem, dass in den Schulhöfen zu viel Englisch gesprochen wird. STANDARD: Sie haben in letzter Zeit nicht nur die Bildungsexperten vergrault. In den Reihen der Exekutive ist man angesichts Ihrer Aussage, Polizisten würden an den Grenzen derzeit wie Schlepper agieren, mächtig sauer. Haimbuchner: Auch das halte ich aus. Wenn die Polizei nichtregistrierte Personen quer durch Österreich transportiert, kann man das nur als Schlepperei bezeichnen. STANDARD: Sie haben sich immer dafür ausgesprochen, die Grenzen dichtzumachen – also ein Zaun. Sicherheitslandesrat Elmar Podgorschek ist klar gegen einen Zaun. Gibt es eine einheitliche Linie in der FPÖ zum Grenzverhalten? Haimbuchner: Wir können uns alle Maßnahmen vorstellen, die dazu führen, dass eine Grenze tatsächlich gesichert wird. Wenn das durch das Personal nicht mehr möglich ist, dann müssen technische Einrichtungen her. STANDARD: Also keine einheitliche Linie in der FPÖ? Haimbuchner: Wir als Freiheitliche sind für eine Sicherung der Grenzen. Und da darf man nichts ausschließen – auch keine technischen Maßnahmen. Der Mollner Bürgermeister hätte eigentlich gar nicht in die Stichwahl kommen dürfen, wird aber nicht zurücktreten. Molln – Der Bürgermeister der oberösterreichischen Gemeinde Molln, Fritz Reinisch (ÖVP), bleibt im Amt. Reinisch stand bei der Bürgermeister-Stichwahl am 11. Oktober eigentlich nur aufgrund eines Fehlers als Kandidat auf dem Stimmzettel. Im Kurier räumte er nun ein: Natürlich ist das nicht optimal. Bei der Bürgermeisterwahl am 27. September waren in der 3.500-Einwohner-Gemeinde drei Stimmen falsch in den Computer eingegeben worden – mit dem Ergebnis, dass der ÖVP-Kandidat Reinisch auf Platz zwei und Bürgerlisten-Kandidat Andreas Rußmann auf Platz drei gereiht wurde – womit Reinisch statt Rußmann in die Stichwahl gehen konnte und auch prompt zum Bürgermeister gewählt wurde. Reinisch hatte ursprünglich erklärt, auf das Amt zu verzichten, weil es ihm nicht zustehe – trat es dann aber doch an. Zuerst wollte er eine entsprechende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs abwarten. Der wies die Wahlanfechtung von ÖVP, SPÖ und Bürgerliste aber zurück, weil kein Einspruch gegen das falsche Ergebnis des ersten Wahlgangs erhoben worden war. Danach wollte Reinisch mit seiner Entscheidung noch bis zur Budgeterstellung warten. Nun hat er sie getroffen: Er trete nicht zurück und wolle sechs Jahre lang Bürgermeister bleiben, sagte er dem Kurier. Und zwar aus persönlichen Gründen, nicht aus Parteiräson. Zum einen gibt es das Erkenntnis des Höchstgerichts. Zum anderen habe ich nach Bekanntwerden des Fehlers Neuwahlen angeboten. Die anderen Parteien haben sich aber dagegen entschieden, weil sie das Ergebnis der Wahlanfechtung abwarten wollten. Kein Gegenkandidat – Reformprozess "Neustart" nach Wahlverlusten ausgerufen. Linz – Die oberösterreichische SPÖ wird bei ihrem Landesparteitag am Samstag aller Voraussicht nach ihren bisherigen Vorsitzenden Reinhold Entholzer im Amt bestätigen. Einen Gegenkandidaten gibt es trotz der Wahlschlappe im Herbst nicht. Ob der bis dahin wohl gekürte rote Präsidentschaftskandidat einen Auftritt vor den 314 Delegierten im Linzer Design Center haben wird, blieb vorerst offen. Auch wenn an der Parteispitze alles beim Alten bleibt, so will sich die Landespartei doch erneuern: Auf inhaltlicher Ebene hat sie den Reformprozess Neustart ausgerufen. Es soll zumindest rascher abgeschlossen werden als das 2009 – ebenfalls nach Wahlverlusten – gestartete Projekt Morgen.Rot. Unter anderem will die SPÖ ihre interne Kommunikation verbessern und möglichst alle unterschiedlichen Gruppen einbinden. Insgesamt arbeitet die Partei an einer schlankeren Organisationsstruktur, die bis Ende Juni 2016 umgesetzt werden soll. Hinter den Reformen steht nicht nur der Versuch, zeitgemäßer zu werden, sondern auch Sparzwang, der sich nach der Landtagswahl am 27. September noch einmal verschärft hat. Eine Neuerung, die bereits am Parteitag umgesetzt wird, betrifft die Zahl der stellvertretenden Vorsitzenden: Waren es bisher 15 – bzw. seit dem Tod von Barbara Prammer 14 -, so will man künftig mit vier auskommen. Als Vizes sollen Frauenvorsitzende Sabine Promberger, die dritte Landtags-Präsidentin Gerda Weichsler-Hauer, der Linzer Bürgermeister Klaus Luger sowie Infrastrukturminister Alois Stöger, der bald das Sozialressort vom erwarteten Präsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer übernehmen soll, gewählt werden. Sozialistische Jugend und Grüne fordern Rücktritt. Linz – Das Posting von zwei FPÖ-Gemeinderäten in Linz zu Muslimen hat nach einem Medienbericht am Mittwoch für politische Aufregung gesorgt. Die Sozialistische Jugend und die Grünen forderten den Rücktritt der beiden Mandatare. Die Tageszeitung Österreich veröffentlichte ein Posting, wonach die FPÖ-Gemeinderätin Susanne Walcher den Vorschlag von Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl für ein zum Sozialjahr aufgewertetes Integrationsjahr kommentierte mit: Gute Idee, Herr Leitl! Der notgeile junge Muselmane geht dann als Kindergartenonkel mit den kleinen Mädchen Pipi machen oder er hilft im Pflegeheim der Oma beim Baden. Ihr Parteikollege Markus Kraz ergänzte, sie könnten aber auch in Tierheimen eingesetzt werden. Die haben wenigstens auch liebe Schafe und so.... Die Staatsanwaltschaft prüfe die Postings auf den Tatbestand der Verhetzung. Werteschulung für Gemeinderäte Der Vorsitzende der Sozialistischen Jugend (SJ) Linz Philipp Stadler forderte den Rücktritt der beiden Gemeinderäte und lud sie zum Besuch einer Werteschulung für Menschlichkeit ein. Die Klubobfrau von den Grünen Ursula Roschger bezeichnete das Posting als niederträchtig, abstoßend und verwerflich. Sie verlangte neben dem Rücktritt auch die Landes-FPÖ auf, ihre Parteikollegen in Linz in den Griff zu bekommen. Auch der SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger sei gefordert, denn er habe sehr wohl gewusst, mit wem er nach der verlorenen Wahl eine Koalition anstrebte. Der FPÖ-Fraktionsobmann Günther Kleinhanns hat in einer umfangreichen Stellungnahme das Posting seiner Parteikollegen vorsichtig kritisiert aber doch auch unterstützt. Zusammengefasst urteilte er: Unsachlich, aber keine Verhetzung. Eine pauschale Kritik an Asylwerbern und Personen islamischen Glaubens sei nicht beabsichtigt. Konkret auf das Posting hielt Kleinhanns wörtlich fest: Unangebrachte, da unsachliche Kritik kann als nicht-öffentlicher Beitrag auf Facebook aber prinzipiell nicht auf Verhetzung zielen – sonst wäre das ja öffentlich geschrieben worden. Dann relativierte er aber, private Äußerungen könnten insofern immer auch hilfreich sein, als sie momentane, emotionale Stimmungsbilder aus der Bevölkerung – hier von Eltern und Erziehungsberechtigten – widerspiegeln, auf die die Politik bisher zu wenig achte. (APA, 20.01.2016) Grüner Ex-Bundesrat referierte bei FPÖ-Veranstaltung: Sachlichkeit am Podium, Milde im Publikum. Linz – Die Mischung ist eigentlich politisch hochexplosiv: Rund 50 Freiheitliche und ein Grüner gemeinsam in einem geschlossenem Raum. Doch wer hier von einem lautstarken Aufeinanderprallen unterschiedlichster Weltanschauung ausging, wurde am Freitagabend in Linz enttäuscht. In einem Hinterzimmer des Gasthauses Schiefer Apfelbaum trat der ehemalige grüne Bundesrat Efgani Dönmez an, um das aus dem Lot gekommene grün-blaue Verhältnisse zumindest ein klein wenig gerader zu rücken. Geladen war der umstrittene Grün-Politiker von den Freiheitlichen Arbeitnehmer Oberösterreichs (FA), im Gepäck hatte Dönmez einen Vortrag zum Thema Integration am Arbeitsmarkt. Der Auftritt des gelernten Sozialarbeiter, der gern mit kontroversen Aussagen zur Integrationspolitik auffällt, hatte zumindest im Vorfeld für heftige Diskussionen gesorgt. Dönmez rechtfertigte seinen FPÖ-Ausflug damit, dass er im Gegensatz zu manchen Kollegen den Mut habe und in die Höhle des Löwen gehe statt Diskussionsverweigerung zu betreiben – DER STANDARD berichtete. Auf blauer Seite wusste man auf jeden Fall den grünen Mut zu schätzen. Danke, dass du der künstlichen Hysterie rund um dem heutigen Abend so professionell entgegengetreten bist, merkte FA-Landesobmann Gerhard Knoll in seiner Begrüßung an. Und begründete auch gleich die durchaus ungewöhnliche Einladungspolitik: Du hast in der Vergangenheit immer wieder mit deinen Aussagen für Aufregung gesorgt – und uns hat das imponiert. Nachsatz: Gebe es lauter Migranten wie Dönmez, dann bräuchten wir den heutigen Vortragsabend nicht. Und überhaupt sieht man sich eng verbunden mit dem grünen Enfant terrible: Er ist einer aus unserem Stall – jetzt nicht politisch, aber er hat Installateur gelernt. Er ist ein gelernter Arbeiter, er kennt den Dreck unter den Fingernägeln. Eiligst war Dönmez dann bemüht klarzustellen, dass er jetzt kein Blauer werde. Ein Mandatswechsel kommt für mich nicht in Frage und keiner von euch wird wohl nach dem heutigen Abend ein Grüner werden – ich habe heute keinen Missionierungsauftrag. Aber ich betreibe auch keine Diskussionsverweigerung. Integrations-Appell Inhaltlich legte Dönmez seinen Vortrag betont sachlich an und verzichtete, wohl zum Leidwesen manch Anwesender, auf markige Sprüche. Mit aktuellen Zahlen aus der Arbeitsmarktstatistik untermauert, referierte Dönmez unaufgeregt über die Chancen aber auch Risken der Zuwanderung für den heimischen Arbeitsmarkt. Mit einem klaren Fazit: Nicht jeder wird bei uns bleiben können. Investieren wir daher in die, die eine Bleibeperspektive haben. Wir müssen diese Menschen gut abholen. Wenn der Wille vorhanden ist, dann ist eine gelungene Integration möglich. Auch im Publikum hielt man sich mit allzu heftiger Kritik auffallend zurück. So manchem Ausreißer konterte Dönmez scharf. Etwa auf die Frage Warum bist du für die geheime Islamisierung Österreichs? kam die klare Antwort von grüner Seite: Ich lasse mich jetzt sicher nicht von dir mit irgendwelchen Volltrotteln in einen Topf schmeißen. Zumindest aber scheint Dönmez auf den Geschmack gekommen zu sein: Gebucht ist der Grüne nämlich schon für den nächsten heiklen Vortrag. Wie die Oberösterreichischen Nachrichten berichten, wird Dönmez am 8. April auf Einladung der nationalen Burschenschaft Eysn zu Steyr einen Vortragsabend zum Thema Falsch verstandene Toleranz. Politikerversagen in Sachen Integration halten. Sehr zum Ärger der grünen Parteijugend. Im Steyrer Kulturzentrum Röda hat man daher am 8. April eine Gegenveranstaltung samt Vortrag Rechte Ökologie – braune Flecken der Grünen Bewegung angesetzt. Landstraße und Herrenstraße mögliche Zonen – Beschluss am 21. April im Gemeinderat. Linz – Das sektorale Bettelverbot für die Linzer Innenstadt ist am Mittwochnachmittag bei einem von Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) initiierten Runden Tisch auf Schiene gebracht worden. Konkret könnte die bettelfreie Zone für die Fußgängerzone in der Landstraße und Herrenstraße sowie im Umfeld gelten, informierte FPÖ-Vizebürgermeister Detlef Wimmer im Anschluss an das Treffen. Der voraussichtliche Fahrplan sehe wie folgt aus: Am 14. April kann im Stadtsenat das Verbot mit Stimmen der SPÖ, FPÖ und ÖVP abgesegnet und in weiterer Folge in der Gemeinderatssitzung am 21. April beschlossen werden, so Wimmer weiter. Kontrolliert werden soll es von Polizei, Erhebungs- und Ordnungsdienst der Stadt. Die Polizei wird bei Bedarf zivil im Einsatz sein. Grüne, KPÖ und Bettelobby hatten schon vor dem Runden Tisch ihre Ablehnung kundgetan. Schulterschluss gegen kriminelle Banden Nach dem jüngsten Vorstoß der ÖVP-Linz, nicht mehr überall und jederzeit in der Innenstadt betteln zu dürfen, griff Luger vor eineinhalb Wochen diese Anregung auf. Für Mittwoch lud er daher neben den Stadtsenatsparteien auch Vertreter der Polizei, Wirtschaft, der Bettellobby und der Sozialvereine zum Gespräch. Das ist eine klarer Schulterschluss gegen kriminelle Bettler-Banden, kommentierte ÖVP-Vizebürgermeister Bernhard Baier das Ergebnis des Bettel-Gipfels. Luger sieht das sektorale Bettelverbot als eine Notmaßnahme, die allein nicht ausreichen werde. Begleitend solle mit der rumänischen Partnerstadt Brasov ein Sozialprojekt erarbeitet werden. Aggressives Betteln Der stellvertretende oberösterreichische Landespolizeidirektor Erwin Fuchs hatte bestätigt, dass es in Linz seit einigen Wochen größere Probleme mit aggressiven Bettlern aus Rumänien gebe. Im Jänner und Februar gab es 110 Anzeigen wegen verbotener Bettelei, im ganzen Jahr 2015 waren es 492. Bereits Mittwochvormittag hat die Polizei ein illegales Bettler-Zeltlager, das sich auf einem Grundstück der Asfinag an der Waldeggstraße befand, aufgelöst. Immer wieder habe es Anrainer-Beschwerden gegeben, zuletzt wurden auch Zelte in Brand gesteckt. Die rund 50 Personen haben nun nach einem Gespräch mit dem Grundstückseigentümer freiwillig mit dem Abbau begonnen, teilte die Stadt Linz mit. Bestehende Kooperationen bleiben aufrecht. Linz – Das Krankenhaus der Barmherzigen Schwestern und jenes der Elisabethinen schließen sich mit 1. Jänner 2017 zum neuen Ordensklinikum Linz zusammen. Das gaben die Träger Vinzenz Gruppe und Elisabeth von Thüringen (EvTH) GmbH am Montag in einer Pressekonferenz bekannt. Das neue Spital wird fast 3.500 Mitarbeiter (2.833 Vollzeitäquivalente) und über 1.134 Betten haben. Derzeit versorgen die beiden Häuser gemeinsam gut 76.000 Patienten stationär pro Jahr, führen fast 22.000 Operationen durch und erbringen laut LKF-Punkten (Leistungsorientierte Krankenanstaltenfinanzierung) knapp 17 Prozent der medizinischen Leistung im Bundesland. Die neue Trägergesellschaft Ordensklinikum steht zu je 50 Prozent im Eigentum der Vinzenz-Gruppe und der EvTH, auch wenn die Elisabethinen das mit 480 Betten und knapp 700 Mitarbeitern deutlich kleinere Haus einbringen. Die Beschäftigten beider Anstalten wurden am Montag informiert. Sie würden alle weiter gebraucht, hieß es in der Pressekonferenz. Und sie werden voraussichtlich mit Jahreswechsel beim neuen Spitalsträger beschäftigt, Details müssen aber erst geklärt werden. Vorerst werden in beiden Häusern Namen, Kollegiale Führungen und Geschäftsführung erhalten bleiben. Als Reaktion auf das Zusammengehen des städtischen Allgemeinen Krankenhauses (AKh) mit der Landesnerven- und der Landes-Frauen- und Kinderklinik zum Kepler Universitätsklinikum will man die Fusion nicht sehen. Die Zeit der Konkurrenz ist vorbei, so Michael Heinisch, Geschäftsführer Vinzenz Gruppe. Er hat die Vision von einer Medizinhauptstadt Linz: Wir hoffen, dass wir durch das Ordensklinikum noch attraktiver für die Johannes Kepler Uni und das Kepler Klinikum werden. Die Barmherzigen Schwestern und die Elisabethinen haben bereits bisher kooperiert. Zu den Schwerpunkten der Schwestern zählen Onkologie, Orthopädie und Kindermedizin, die Liesln, wie sie in Linz genannt werden, sind ebenfalls auf Onkologie sowie auf Kardiologie, Nierenerkrankungen, Dermatologie, Akutgeriatrie und Palliativbetreuung spezialisiert. Es gibt fast keine Überschneidungen, nur Ergänzungen, so EvTH-Geschäftsführer-Raimund Kaplinger. Daher ist auch noch offen, ob Anteilungen abgetauscht werden. Die Kooperation der Barmherzigen Schwestern mit den Barmherzigen Brüdern – deren Spital im Gegensatz zu den Elisabethinen auch räumlich benachbart ist – soll ebenso weitergeführt werden wie die strategische Allianz der Elisabethinen mit dem Landesträger gespag. Für die Barmherzigen Brüder stehe die Türe offen, betonte Heinisch, es gibt alle Möglichkeiten mitzumachen. Die gespag reagierte durchaus positiv auf die Veränderung in der Spitallandschaft: Vorstandssprecher Karl Lehner erwartet einen positiven Einfluss auf unsere regionalen Spitalstandorte. Man sei von der Fusion im Vorfeld informiert worden. Die Allianz mit den Elisabethinen, die insgesamt acht gespag-Spitäler umfasst, bleibe davon ebenso unbeeinflusst wie das gemeinsam geführte Tumorzentrum. Gesundheitsreferent LH Josef Pühringer (ÖVP) begrüßte die Fusion als wichtige Weiterentwicklung in der Spitalsinfrastruktur und für den gesamten Gesundheitsstandort Oberösterreich. Er sei überzeugt, dass die Patienten davon profitieren werden. Manfred Haimbuchner wurde beim FPÖ-Landesparteitag mit 97,4 Prozent der Stimmen als Obmann bestätigt. Linz – Für Manfred Haimbuchner war es, auf gut oberösterreichisch gesagt, a gmahde Wiesn: Den satten Sieg bei der letzten Landtagswahl (30,36 Prozent und neun Mandate mehr) in der blauen Tasche, daraus resultierend die zweite Position im Land, erstmals Landeshauptmannstellvertreter – und kein Gegenkandidat zur Wiederwahl als Landesparteiobmann. Viel konnte also an diesem Tag aus blauer Sicht nicht schief gehen. Und letztlich musste Manfred Haimbuchner nur konsequent lächeln und seine Lorbeeren abholen. Mit 97,4 Prozent der Stimmen wurde Haimbuchner klar als Landesparteiobmann bestätigt. Als Geschenk gabs eine Hainbuche, Spaten und einen Trachtenjanker. Bei der letzten Wahl im Jahr 2013 war die Zustimmung mit 97,3 Prozent praktisch gleich hoch. Überhaupt war der blaue Landesparteitag deutlich geprägt von den neuen Machtverhältnissen in Oberösterreich. Vor dem Linzer Designcenter wurde für die 467 Delegierten der blaue Teppich ausgerollt, die Bühne deutlich größer als in den Vorjahren, der Einmarsch gemeinsam mit Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache auffallend staatstragend. Vorbei scheinen die Zeiten, als zwischen Würschtl und Bier noch die John Otti-Band launiges Frühschoppen-Tralala servierte. Für Regierungswillen und Machterhalt lässt man eben schon einmal die Lederhose im Kasten. Unter den Ehrengäste fehlte der blaue Kandidat im Rennen um die Hofburg, Norbert Hofer. Per Video-Botschaft entschuldigte sich Hofer bei den Anwesenden, der enge Terminkalender im Wahlkampf habe einen Abstecher nach Oberösterreich unmöglich gemacht. Das neue Selbstbewusstsein in Blau wurde auch bei der Rede Haimbuchners spürbar: Heute seht ihr mich lächeln und stolz. Die Österreicher sind mittlerweile angeekelt von der rot-schwarzen Bundesregierung. Die rot-schwarze Koalition ist die wahre Plage des Landes. Hier in Oberösterreich regieren wir im Lande mit. Oberösterreich ist Gott sei Dank anders, man hat uns hier das Vertrauen ausgesprochen, hier regieren die, die auch gewählt wurden. Eine FPÖ-Handschrift sei bereits jetzt in Oberösterreich deutlich erkennbar. Haimbuchner: Es gibt einen klaren Wertewandel: Deutschpflicht an den Schulen, Kürzung der Mindestsicherung, eine Verwaltungsreform. Es sei dies ein Parteitag der Dankbarkeit. Haimbuchner: Überall habe ich mich zu bedanken – ihr habt gekämpft für unsere Ideale. In so großer Dankbarkeit durfte natürlich auch der blaue Bundeschef nicht vergessen werden: Lieber HC, du bist unser Bundesparteijubiläums-Chef – und jetzt bringt‘s ihm doch einmal ein gescheites Bier. Abseits des Eigenlobes servierte Haimbuchner seinen Getreuen die bekannt-beliebte Abrechnung mit den politischen Mitbewerbern, der Zuwanderungspolitik, der Willkommenskultur und denjenigen, denen die Heimat offensichtlich deutlich weniger wichtig ist als der FPÖ. Bei uns bringt der Nikolaus und nicht der Großmufti die Geschenke. ‘Wir schaffen das‘ war der dümmste und irrealste Sager des Jahres 2015, ist Haimbuchner überzeugt. Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache betonte in seiner Rede, es sei eine besondere Ehre in Oberösterreich dabei zu sein: Weil man sieht, welche Stärke hier zu Hause ist. Hier zählt der Handschlag halt noch was. Die eigene Partei mahnte Strache, sich angesichts der Wahlerfolge nicht im blauen Liegestuhl zurückzulehnen: Wir dürfen uns nicht ausruhen, wir sind noch lange nicht am Ziel – wir haben noch viel vor. Und wir müssen demütig mit Erfolgen umgehen, sie fußen immer auf harter Arbeit. Das nächste Erfolgserlebnis scheint aber für den blauen Parteichef dennoch schon greifbar: Wir werden bei der Bundespräsidentenwahl Geschichte schreiben und es wird zum ersten Mal ein freiheitlicher Kandidat in die Stichwahl kommen. Und dann wird er es auch schaffen. Und selbst die Kanzlerfrage scheint bereits geklärt: Wenn wir stärkste Kraft im Land werden, verspreche ich, wir werden nicht mehr die Fehler meiner Vorgänger machen. Die stärkste Kraft wird auch den Kanzler stellen – nicht der Zweite oder Dritte. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihre Haltung in der Böhmermann-Debatte kritisierte Strache scharf: Geschmäcker sind verschieden, man kann über das Gedicht von Jan Böhmermann diskutieren. Aber das ist Satire. Und die Politiker Europas passen sich einem Despoten an. Das ist der Suizid für Europa. Einfach unglaublich. Vorläufiges Endergebnis mit Mandatsverteilung. Die ÖVP verlor mit 84.000 Stimmen am stärksten an die FPÖ, von der SPÖ wechselten 24.000 Wähler zu den Freiheitlichen. Die Sora-Wählerstromanalyse im Auftrag des ORF zeigt die Wählerwanderungen in Oberösterreich ausgehend von der Landtagswahl 2009. Die ÖVP konnte rund sieben von zehn (69 Prozent) ihrer Wähler von 2009 wieder überzeugen. Mit 84.000 Stimmen erlitt sie den größten Verlust an die FPÖ, das ist in absoluten Zahlen auch der größte Wählerstrom bei dieser Wahl. Weitere jeweils 8.000 Stimmen gingen an Grüne und Neos verloren, 3.000 an die SPÖ und 2.000 an die Sonstigen. 19.000 ÖVP-Wähler von 2009 gingen diesmal nicht zur Wahl. Zugewinne konnte die ÖVP mit 13.000 Stimmen von der FPÖ erzielen. 7.000 Stimmen kamen von der SPÖ, 6.000 von den Grünen, und 3.000 sind ehemalige BZÖ-Stimmen. Darüber hinaus haben sich 9.000 ehemalige Nichtwähler diesmal für die ÖVP entschieden. Die SPÖ konnte rund zwei Drittel (65 Prozent) ihrer Wähler von 2009 mobilisieren. Sie verlor mit 24.000 Stimmen am stärksten an die FPÖ, gefolgt von 22.000 Stimmen, die an die Nichtwähler verlorengingen. 15.000 ehemalige SPÖ-Wähler entschieden sich diesmal für die Grünen, 7.000 für die ÖVP, 4.000 für die Neos und 2.000 für die sonstigen Parteien. Nennenswerte Zugewinne erzielt die SPÖ mit 7.000 Stimmen von ehemaligen Nichtwählern und mit 6.000 von der FPÖ. Je 3.000 Stimmen kamen von ÖVP und Grünen. Die FPÖ mobilisierte diesmal mehr als acht von zehn (83 Prozent) Wählern von 2009 erneut. Den stärksten Zugewinn erzielte sie mit 84.000 Stimmen von der ÖVP, 24.000 Stimmen kamen von der SPÖ, 28.000 von Nichtwählern der Landtagswahl 2009 und weitere 17.000 vom BZÖ. Nennenswerte Verluste erlitt die FPÖ nur an die ÖVP (13.000 Stimmen) und die SPÖ (6.000 Stimmen). Die Grünen konnten rund sieben von zehn Wählern von 2009 (69 Prozent) erneut überzeugen. Sie gewannen 15.000 Stimmen von der SPÖ, 8.000 von der ÖVP und 7.000 von ehemaligen Nichtwählern von 2009 hinzu. Je 2.000 weitere Stimmen kamen vom BZÖ und den Sonstigen der Wahl 2009. Verluste erlitten die Grünen mit 9.000 Stimmen an die Neos und mit 6.000 an die ÖVP. Weitere 4.000 Stimmen gingen an die Nichtwähler verloren, 3.000 an die SPÖ. Die Neos verpassten den Einzug in den Landtag. Ihre Wählerschaft setzt sich wie folgt zusammen: 9.000 Neos-Wähler haben bei der Landtagswahl 2009 die Grünen gewählt, 8.000 die ÖVP, 4.000 die SPÖ und je 1.000 FPÖ, BZÖ oder andere. 6.000 Neos-Wähler waren 2009 nicht zur Wahl gegangen. Die Christliche Partei Österreichs (CPÖ) und die Kommunistische Partei Österreichs (KPÖ) werden in der Wählerstromanalyse unter Sonstige zusammengefasst. Sie erhielten je 2.000 Stimmen von ÖVP, SPÖ und den Sonstigen von 2009. Weitere 3.000 Stimmen kamen von ehemaligen Nichtwählern. Höchstgericht dementiert Bericht über Entscheidung auf Wahlwiederholung. Bludenz/Hohenems/Wien – Mit Ablauf der Herbstsession des Verfassungsgerichtshofs wird es spannend für Bludenz und Hohenems, denn die Anfechtungen der dortigen Bürgermeisterwahlen standen auf dem Programm des Höchstgerichts. Dass dieses entschieden habe, dass in beiden Städten neu gewählt werden muss, wie die Vorarlberger Nachrichten am Samstag berichteten, dementiert VfGH-Sprecher Christian Neuwirth indes. Die Zeitung berief sich auf verlässliche Informationen, wonach in beiden Städten den Wahlanfechtungen stattgegeben worden sei. Kommende Woche würden die Bescheide des VfGH zugestellt. Was dessen Sprecher dementiert: Es gibt keine Entscheidung, betonte er auf APA-Anfrage. Der VfGH nimmt es grundsätzlich sehr genau mit der Kommunikation von Entscheidungen. Gerüchte über den möglichen Ausgang von Verfahren hört man nicht gern, und sie werden auch nicht kommentiert. Die Herbstsession des Höchstgerichts ist soeben zu Ende gegangen. Am 29. März hatten in Bludenz 27 Stimmen die Kandidaten Mandi Katzenmayer (ÖVP, 64) und Mario Leiter (SPÖ, 50) getrennt. Bereits im Vorfeld wurden Vorwürfe laut, die ÖVP habe Wahlkarten gesammelt und für andere Personen ausgefüllt. Für den unterlegenen Kandidaten Mario Leiter Grund genug, die Wahl vor den Verfassungsgerichtshof (VfGH) zu bringen und anzufechten. Auch in Hohenems brachte die Gemeindewahl am 15. März kein klares Votum für einen Bürgermeisterkandidaten. Richard Amann (ÖVP, 59) und Dieter Egger (FPÖ, 46) traten am 29. März zur Stichwahl an. Amann blieb mit 121 Stimmen Vorsprung im Amt. Ausschlaggebend waren die Wahlkarten. In den Sprengeln war Egger vorne, das Wahlkarten-Resultat drehte das Ergebnis. Noch am Wahlabend bezweifelte Egger, dass alles mit rechten Dingen zugegangen sei. Für ihn Grund genug, die Wahl vor den Verfassungsgerichtshof zu bringen und anzufechten. Nach der Zustellung haben die beiden Städte 100 Tage Zeit, die Bürgermeister-Stichwahl erneut abzuhalten. Die Kandidaten sollen dieselben bleiben. Nach einem Jahr Schwarz-Grün zeigen sich FPÖ, SPÖ und Neos enttäuscht über mangelnde Reformbereitschaft. Bregenz – Nach einem Jahr schwarz-grüner Koalition in Vorarlberg üben die Oppositionsparteien FPÖ, SPÖ und Neos massive Kritik an den beiden Regierungsparteien. Eine Handschrift der Grünen können sie in keinem Bereich der von Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) geführten Regierung erkennen, im Grunde sei die schwarze Alleinregierung fortgesetzt worden, argumentierten die drei Landesparteichefs. Im letzten Jahr ist eigentlich nichts passiert, keine der anstehenden Reformen sei umgesetzt, geschweige denn seien Ansätze erkennbar, dass man daran arbeite, sagte FPÖ-Chef Dieter Egger. Dabei gebe es große Baustellen etwa im Sozialbereich, in der Verwaltung und im Gesundheitsbereich. Für die Verwaltungsreform liege zum Beispiel ein gutes Papier vor, bis heute sei aber nichts passiert. Selbst von den quick wins (rasch umsetzbare Maßnahmen) habe man nichts mehr gehört. Auch für Michael Ritsch, Landesvorsitzender der SPÖ, gibt es keinen einzigen Ansatz von grüner Handschrift in der Regierungsarbeit des vergangenen Jahres. Die Grünen hätten bereits nach einem Jahr im Regierungssessel all ihre Grundsätze aus der Oppositionsarbeit über Bord geworfen. Selbst kleinere Maßnahmen der Armutsbekämpfung, wie der Antrag der Sozialdemokraten auf Erhöhung des Heizkostenzuschusses oder der Gratis-Kindergarten für armutsgefährdete Familien seien von den Grünen im Landtag abgelehnt worden, berichteten Ritsch und Egger. Themen, die sie als Oppositionspartei stets befürwortet hätten. Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) warfen sie vor, die Politik ihrer schwarzen Vorgängerin Greti Schmid fortzusetzen. Mitunter sei man fassungslos und sprachlos, wenn man Wiesfleckers Argumentation im Landtag folge, so die beiden Klubleute. Als Beispiel nannte Ritsch die Debatte zur Sozialcard, mit der Haushalte unter einem bestimmten Mindesteinkommen Zugang zu verschiedenen Sozialleistungen erhalten könnten. Diese sei von SPÖ und Grünen gemeinsam mit der Armutskonferenz entwickelt worden, in der Landtagssitzung im Oktober aber auch von der Soziallandesrätin abgelehnt worden. Ein wenig milder ins Gericht mit den Grünen ging Neos-Landessprecherin Sabine Scheffknecht. Auf den ersten Blick sei zwar wenig von den Grünen in der Regierungsarbeit zu erkennen, im Landtag erlebe man aber immer wieder wie schwer sich die grünen Abgeordneten damit tun, gegen ihre Überzeugung zu stimmen. Gerade im Wirtschaftsbereich frage sie sich allerdings, wer die Fäden in der Hand halte. Wenn Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) argumentiere, mehr als 1.500 Quadratmeter könne er bei der Erweiterung des Einkaufszentrums Messepark in Dornbirn nicht gegenüber den Grünen und Wirtschaftskammer-Präsident Manfred Rein durchsetzen, wo bleibt da die Wirtschaftskompetenz in unserem Land, so Scheffknecht. Zweifel äußerte die Neos-Chefin auch am Finanzverständnis der Volkspartei. Wallner argumentiere zwar stets mit einem Budget ohne Nettoneuverschuldung, wenn dieses aber wiederholt aus Rücklagen finanziert werde, widerspreche das ihrem Wirtschaftsverständnis nach einem ausgeglichenen Budget. Mit einem Erneuerungsprozess will die Vorarlberger SPÖ ihren Sinkflug auffangen. Es wird am "Visionspapier 2020–2030" gearbeitet. Bregenz – Bei der Landtagswahl 2014 passierte, was Michael Ritsch und Genossen zwar prognostiziert haben, parteiintern aber nicht für realistisch gehalten wurde: Die SPÖ schnitt noch schlechter ab als 2009, fiel von mageren zehn auf 8,8 Prozent. Aus den angepeilten 20.000 Stimmen wurden nicht einmal 15.000. Die Grünen wurden mit 17 Prozent fast doppelt so stark, die Neos kamen mit 6,9 Prozent als Neustarter den etablierten Roten bedrohlich nahe. Die SPÖ Vorarlberg ließ das Ergebnis von Günther Ogris (Sora) analysieren. Landesgeschäftsführer Reinhold Einwallner: Verloren haben wir weniger an die anderen Parteien als an die Nichtwähler. Erneut hätte sich die Aktivierungsschwäche der SPÖ gezeigt. Mit drei Landtagsmandaten schaffte die SPÖ gerade noch die Klubstärke. Michael Ritsch blieb Klubobmann und Parteivorsitzender, für die große Rochade fehlte das Personal. Ritsch hatte versucht, das Ruder mit einer unkonventionellen Wahlkampagne herumzureißen, ließ Gartenzwerge im ganzen Land als Werbeträger verteilen. Die unfreiwillig komische Kampagne löste auch parteiintern Kritik aus. Oft gehört beim Parteitag 2014: Man muss sich nicht kleiner machen, als man eh schon ist. Visionen zur Wahl 2019 Bis Herbst 2017, zwei Jahre vor der nächsten Landtagswahl, ein Jahr vor der Nationalratswahl, will man sich neu aufstellen. Organisatorisch und inhaltlich. Erarbeitet soll das Visionspapier 2020–2030 in acht Arbeitsgruppen werden. Der Prozess laufe parallel zur Erneuerung der Bundespartei, sagt Reinhold Einwallner. Man schaue zur Ideenfindung auch in die Nachbarländer, nicht nur nach Österreich. Die Visionsgruppen sind Ergebnis einer breiten Umfrage unter Mitgliedern und parteifreien Kandidatinnen und Kandidaten. 1.800 wurden befragt, rund 16 Prozent haben geantwortet. Nun soll an den am häufigsten genannten Themen – Organisation, Personalentwicklung, Wohnen, Soziales, Arbeit, Gesundheit, Sicherheit – gearbeitet werden. Die Cheffrage wurde und wird nicht gestellt. Zuerst Inhalte, dann Personen, lautet Michael Ritschs Credo. Obwohl Erwin Pröll von der ÖVP-Spitze noch gebeten werden will, als Bundespräsident zu kandidieren, ist um seine Nachfolge in Niederösterreich schon ein Machtkampf ausgebrochen. Ein Antreten von Irmgard Griss würde dem schwarzen Hofburg-Anwärter zusetzen. Wien – Es rumort in der Volkspartei. Bei den Beamten des Innenministeriums verfestigt sich das Gerücht, dass ihnen die Chefin abhandenkommt, und zwar noch heuer – sobald die ÖVP die Kandidatur von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll für die Bundespräsidentschaftswahl bekanntgeben würde. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner soll in diesem Fall par force seine Nachfolge antreten wollen, hat allerdings noch einen Konkurrenten auszustechen: den niederösterreichischen Landesrat Stephan Pernkopf, dem ebenso große Ambitionen nachgesagt werden. Vorerst ist der Kampf um den Landesposten ein Machtstreit der Bünde. Denn die ungeschriebene schwarze Erbfolge sieht vor, dass auf einen Bauernbündler (Pröll), jemand vom Arbeitnehmerbund folgt (dessen Obfrau Mikl-Leitner ist). Pernkopf genießt in seiner Heimat allerdings große Beliebtheit und wäre vor Ort der bevorzugte Kandidat. Entscheidet Mikl-Leitner das Rennen für sich, zieht die Rochade aber noch viel weitere Kreise: Schließlich wäre dann nicht weniger als die Spitze des Innenministeriums neu zu besetzen. Nach STANDARD-Informationen sind dafür mehrere Personen im Gespräch: Diskutiert wurde über Justizminister Wolfgang Brandstetter. Der sei vielen aber zu liberal und habe in der Flüchtlingsfrage genauso wenig Plan, heißt es in ÖVP-Kreisen. Realistischer wäre also ein Wechsel Pernkopfs oder Wolfgang Sobotkas – der aktuelle Pröll-Stellvertreter – nach Wien. Fest steht: Durch die unsichere Flüchtlingssituation ist der Job ziemlich unbeliebt. Via Tiroler Tageszeitung erklärte Pröll jedenfalls, dass er der ÖVP als staatstragende Partei rate, einen eigenen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt aufzustellen – das verstanden viele in der ÖVP als Inserat in eigener Sache. Ob Pröll antritt, ist noch offen. Offenbar möchte er von seiner Partei darum gebeten werden. Parteichef Reinhold Mitterlehner würde eine Kandidatur von Pröll zwar umstandslos akzeptieren, möchte diesen aber nicht darum bitten. Wenig Chancen auf einen Zusammenschluss der Zivilgesellschaft für ihre Kandidatur räumt der Politologe Peter Filzmaier der früheren Präsidentin des Obersten Gerichtshofes, Irmgard Griss, ein, die sich selbst erneut ins Spiel für die Hofburg gebracht hat – wenn von dieser Seite ein entsprechendes Engagement komme. Der Experte meint, die vielen Personen, die Griss angeblich gern unterstützen würden, ergeben noch keine geschlossene Gruppe, und: Dafür brauche es drei Dinge, und zwar Medienpräsenz, eine Organisationsstruktur und Geld – etwa im siebenstelligen Bereich. Auch wenn Griss beim ersten Kriterium sehr stark sei, nur ein gutes Image reicht nicht. In Österreich gebe es keine Spendenkultur der Zivilgesellschaft für Kandidaten wie in den USA, wohl aber werfen sich hierzulande von den Parteien organisierte Komitees mit Promis für ihre Amtsanwärter recht bald in die Schlacht. Ein großes Wählerpotenzial bei tatsächlichem Antreten attestiert Filzmaier Griss aber schon, denn: Sie würde alle Politikenttäuschten ansprechen – und das sind verdammt viele. Obwohl die Leiterin der Hypo-U-Kommission nur einen Bericht zur Desasterbank und eine gute Präsentation hingelegt habe, so der Politologe. Das ist absurd – und eine Ohrfeige für die etablierte Politik. Zusetzen würde eine Kandidatur der früheren Richterin freilich eher dem ÖVP- als dem SPÖ-Kandidaten. Am Donnerstag erklärte der Kärntner Landesrat Gerhard Köfer vom Team Stronach, dass seine Landestruppe Griss Ansinnen unterstütze. Auch die Neos beraten darüber. Die FPÖ würde sie schon länger gern als unabhängige Kandidatin sehen. Griss selbst hat übrigens nichts mehr dagegen, wenn sich auch Parteien für sie starkmachen. (Katharina Mittelstaedt, Michael Völker, Nina Weißensteiner 16.10.2015) Yussi Pick über die Bekanntheit von Irmgard Griss und ihre Chancen auf das Präsidentenamt. Irmgard Griss, Vorsitzende der Hypo-Untersuchungskommission und ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs, macht ihre Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl im kommenden Frühjahr davon abhängig, ob entsprechende organisatorische Voraussetzungen geschaffen werden. Kampagnenexperte Yussi Pick über die Spendenbereitschaft der Österreicher und Griss Chancen auf das Präsidentschaftsamt. STANDARD: Irmgard Griss hat gesagt, sie wünscht sich, dass die Zivilgesellschaft ihre Kandidatur unterstützt, auch finanziell. Ist in Österreich eine entsprechende Kultur vorhanden, dass sie sich Chancen ausrechnen kann? Pick: Man merkt, dass sich diese Kultur in Österreich entwickelt. Es gibt immer mehr Menschen, die vielleicht selbst nicht politisch aktiv sind, aber ihr Geld politisch aktiv werden lassen wollen. Die Neos haben einiges dazu beigetragen, dass es normaler wird, in Politik zu investieren. Die Frage ist, ob man sich dabei einen Return on Investment erhofft. Es gibt unterschiedliche Motive. Barack Obama haben beispielsweise Kleinspender unterstützt, um sich als Teil der Kampagne zu fühlen. Eine Niederlage sehen sie als persönlichen Verlust, auch einen Gewinn nehmen sie persönlich. Sie sehen sich als Teil des großen Ganzen. STANDARD: Hat das Präsidentenamt genügend Relevanz, um eine breite Spenderschaft zu mobilisieren? Pick: Das ist in der derzeitigen politischen Lage schwer abzusehen, weil so viele Faktoren unklar sind. Es ist noch nicht bekannt, wer und wie viele Menschen kandidieren. Das Potenzial der Spendenbereitschaft ist daher schwer abzuschätzen. STANDARD: Griss ist als Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission bekannt geworden. Sagt der breiten Öffentlichkeit der Name Irmgard Griss etwas? Pick: Sie ist Meinungsführern bekannt, aber sie hat noch keinen Bekanntheitsgrad bei durchschnittlichen Lesern der Kronen Zeitung. Frau Griss müsste noch viel Zeit und Geld investieren, damit ihr Name außerhalb der Blase von Meinungsführern und Journalisten bekannt wird. STANDARD: Über ihre sachpolitische Positionierung ist wenig bekannt. Wäre es wichtig, dass die Allgemeinheit davon erfährt, oder wäre es auch stimmig, wenn sie den Wahlkampf als sachpolitisch neutrale Kandidatin durchzieht? Pick: Bei der Präsidentschaftswahl sind zwei politische Faktoren besonders relevant: Einerseits muss der Wertekatalog des Kandidaten bekannt sein. Dieser muss nicht zu 100 Prozent ausgefüllt sein, aber ein unbeschriebenes Blatt wie Irmgard Griss hat es diesbezüglich schwer, sich klar zu positionieren. Noch relevanter ist eine gewisse außenpolitische Erfahrung. Aus der Vergangenheit zeigt sich, dass, wenn es knapp war, immer der Kandidat gewonnen hat, der außenpolitische Erfahrung mitgebracht hat. Bei den Kandidaten, über die jetzt gesprochen wird, ist diese bei fast niemandem gegeben, was spannend ist. STANDARD: Griss will sich offenbar als überparteiliche Kandidatin positionieren, die sich aber auch von Neos und FPÖ unterstützen ließe. Wäre die Überparteilichkeit im Fall einer Unterstützung durch eine Partei noch glaubwürdig? Pick: Es wäre neu, dass eine überparteiliche Kandidatin dieses überparteiliche Amt bekommt. Es kommt sehr stark darauf an, welche Zielgruppen durch andere Kandidaten gebunden sind. Wenn sie gegen Alexander Van der Bellen antritt, würde sie andere Umstände vorfinden als bei einer Kandidatur gegen Rudolf Hundstorfer und Erwin Pröll. Wenn sie die linke Zivilgesellschaft ansprechen will, hätte sie im ersten Fall wenige Chancen. STANDARD: Griss kann auf einen großen Erfahrungsschatz zurückgreifen, etwa als Präsidentin des Obersten Gerichtshofs. Trotzdem wäre sie eine Quereinsteigerin. Ist das ein Hindernis oder eher ein Gewinn für eine Kandidatur? Pick: Ich bin ambivalent, was den Hype betrifft, dass politische Quereinsteigerinnen besser wären als Karrierepolitiker. In erster Linie geht es in beiden Fällen darum, einen Wertekatalog glaubwürdig vertreten zu können. Für das Bundespräsidentschaftsamt braucht es keine tagespolitische Erfahrung, aber Erfahrung mit dem Amtsschimmel in diversen Ausformungen, auch auf dem internationalen Parkett. Sollte Griss auf dieser Ebene vom politischen Gegner angegriffen werden, könnte sie sich aufs Glatteis begeben. Johannes Griss will seiner Mutter ein Geschenk bereiten. Ein junger Musiker aus Graz hatte sich zu Jahresbeginn die Domain griss2016.at gesichert. Da war von einer Kandidatur von Irmgard Griss noch nicht die Rede. Aber Jannis Betschki ist politisch interessiert und neugierig, er wollte sehen, was passiert. Und dieser Tage bekam er die Antwort: Der Sohn von Irmgard Griss meldete sich bei ihm, man brauche die Domain für den Wahlkampf, ob diese denn noch verfügbar sei. Jannis Betschki ist kein Spielverderber und auch nicht an finanziellem Gewinn interessiert, also leitete er einen unkomplizierten Umzug der Domain in die Wege, wie er dem STANDARD bestätigt. Neuer Besitzer der Domain ist damit Johannes Griss, der seiner Mutter damit ein Geschenk bereiten wolle, wie er darlegt. Wenn alles so unkompliziert geht wie in diesem Fall, wird die Domain Erwin2016.at wohl demnächst zu Niederösterreichs Erwin Pröll wechseln, und Rechnungshof-Präsident Josef Moser in den Besitz von moser2016.at kommen. Verkauft sind diese Domains schon längst, sie harren ihrer Nutzung. Die mögliche Kandidatin für die Bundespräsidentenwahl stellte sich am Montag den Neos vor. Wien – Die Neos-Räumlichkeiten in der Wiener Neubaugasse waren bis auf den letzten Platz gefüllt. Irmgard Griss stellte sich am Montagabend Neos-Mitgliedern und -Sympathisanten, um Einblick zu geben, wie sie das Amt des Bundespräsidenten (sie spricht bewusst nicht von Bundespräsidentin) anlegen würde. Wie berichtet hat die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs ihr Interesse an einer Kandidatur 2016 bekundet – vorausgesetzt es gelingt, via Crowdfunding ausreichend Mittel für einen Wahlkampf aufzustellen – ich bin da aber ganz optimistisch. Da wird schon was zusammenkommen, sagte Griss. Die Domain irmgardgriss.at ging am Montag online. Entscheidung am 17. Dezember Neos-Parteichef Matthias Strolz kündigte an, am 17. Dezember im Rahmen eines erweiterten Parteivorstandes entscheiden zu wollen, ob es von den Pinken eine Wahlempfehlung geben wird. Wobei Griss offenbar ohnehin kein großes Interesse an allzu offizieller Unterstützung hat. Ich werbe nicht darum – das gelte sowohl für die Neos als auch für die FPÖ, die ebenfalls Sympathien für eine Griss-Kandidatur erkennen ließ. Aber man kann niemandem den Mund verbieten. Die erste Frage aus dem rund 100 Köpfe zählenden Auditorium war dann auch gleich, ob sie einen Kanzler Heinz-Christian Strache angeloben würde. Griss holte etwas aus und verwies – wie mehrfach im Laufe des Abends – auf die Verfassung. Demnach stehe es dem Bundespräsidenten zwar theoretisch frei, wen er oder sie als Kanzler angelobe, allerdings brauche ein Kanzler auch das Vertrauen des Parlaments. Wie sie dieses Dilemma lösen würde: Sollte sie tatsächlich vor die Gewissensfrage gestellt sein, jemanden angeloben zu müssen, den sie für nicht geeignet halte, würde sie das Amt zurücklegen, erklärte Griss. Gegen verhetzende Sprache auftreten Den Namen Strache nahm sie dabei kein einziges Mal explizit in den Mund. Und schnell fügte sie auch hinzu, sie würde zu überzeugen versuchen, dass keine verhetzende Sprache in der Politik verwendet wird. Es ist die Aufgabe des Bundespräsidenten, dagegen aufzutreten. Keine klare Antwort kam von der 69-Jährigen zur Frage, ob sie sich für Asyl für Edward Snowden ausgesprochen hätte. Sie verwies zunächst darauf, dass der Bundespräsident nicht über Asylanträge entscheide. Mehreren Nachfragen, wie sie grundsätzlich zu der Frage stehe, wich sie aus. Diskussionen einmahnen Zuvor hatte sie freilich wiederholt betont, sie würde als Bundespräsident auch Diskussionen einmahnen – etwa wenn es mehr Engagement in der Europadiskussion benötige (ich bin eine begeisterte Europäerin). Sich selbst bezeichnete Griss zwar als katholisch geprägt, betonte aber auch, dass Religion keinesfalls das Verhalten im öffentlichen Raum bestimmen dürfe – eine für die Neos nicht unwichtige Botschaft. Aktiver als Fischer Wesentlich aktiver als Heinz Fischer würde sie nach eigenen Worten auftreten, wenn der Nationalrat verfassungswidrige Gesetze beschließen würde. Nach gängiger Rechtsansicht prüft der Bundespräsident nur, ob ein Gesetz verfassungskonform beschlossen wurde, nicht aber dessen Inhalt. Griss zu dieser Frage: Wenn es eine klare Verfassungswidrigkeit gibt, hat der Bundespräsident das Recht und die Pflicht, darauf hinzuweisen. Am Ende des rund 90-minütigen Auftritts gab es tosenden Applaus von den Zuhörern. Strolz hatte schon zuvor im Gespräch mit dem STANDARD klare Präferenzen für Griss erkennen lassen. Zwischen ihm und ihr habe es schon mehrere ausführliche Treffen gegeben. Wir haben uns schon sehr gut kennengelernt. Der Eindruck war sehr positiv. Und: Das kann durchaus was werden. FPÖ-Unterstützung kein Problem für Neos Zu diskutieren werde aber noch sein, in welchem Härtegrad unsere Unterstützung ausfallen soll. Falls es auch von der FPÖ eine Wahlempfehlung geben sollte, wäre das für die Neos kein Problem. Wir treffen unsere Entscheidung unabhängig von anderen Parteien. Sie lernt schnell Nachdem Griss bisher keine politischen Ämter innehatte, sei für Strolz wichtig gewesen, zu sehen, wie schnell sie lernt. Und ich muss sagen: Das ist beeindruckend. Schließlich ist das politische Parkett glatt. In ersten Umfragen (Gallup für Österreich) schnitt Griss zuletzt jedenfalls sehr gut ab. Sie läge mit 35 Prozent demnach knapp vor dem grünen Wunschkandidaten Alexander Van der Bellen und sogar deutlich vor Erwin Pröll (ÖVP) und Rudolf Hundstorfer (SPÖ). OGM-Chef Wolfgang Bachmayer hält Umfragen aber für fragwürdig, solange die Kandidaten nicht feststehen. Jede Umfrage geht anders aus, wenn andere Kandidatenkombinationen abgefragt werden. Wenig bekannt Was die Daten ebenfalls relativiert: Griss verfügt noch über relativ niedrige Bekanntheitswerte. Beim APA/OGM-Vertrauensindex kam sie zwar auf einen sehr guten Saldo – 29 Prozent haben Vertrauen zu ihr, nur fünf Prozent haben keines. Das heißt aber laut Bachmayer auch: Fast zwei Drittel kennen Griss noch nicht oder haben keine Meinung zu ihr. Zum Vergleich: Zu Hundstorfer haben nur 13 Prozent keine Meinung, bei Pröll sind es 17 und bei Van der Bellen 21 Prozent. Bis alle Kandidaten feststehen, wird aber wohl noch etwas Zeit vergehen. Der SPÖ-Vorstand ist für den 15. Jänner angesetzt. Ganz überzeugt soll Hundstorfer nicht mehr sein – aber wenn er will, ist er unser Kandidat, sagt ein Parteikenner. Die ÖVP will sich erst aus der Deckung wagen, wenn die Roten sich festgelegt haben. Und auch die Grünen werden wahrscheinlich heuer keine Entscheidung mehr treffen, wie Parteichefin Eva Glawischnig zuletzt deponierte. Griss will 500.000 Euro für die Präsidentschaftswahl sammeln. Ihr möglicher Konkurrent Erwin Pröll ist noch unentschlossen. Wien – Langsam kommt Bewegung ins Hofburg-Mikado: Irmgard Griss wird vor Weihnachten entscheiden, ob sie bei der Präsidentenwahl antritt. Es schaut ganz gut aus, ich bin zuversichtlich, auch genügend finanzielle Unterstützung zu bekommen, sagte sie am Samstag im Ö1-Journal zu Gast. Noch lange nicht entschieden, aber für den Fall der Fälle siegessicher ist Erwin Pröll (ÖVP). Griss braucht mindestens 500.000 Euro Sehr sehr sehr viel Zuspruch habe sie seit der Ankündigung, eine Kandidatur anzustreben, bekommen, berichtete Griss – auch Zusagen finanzieller Natur. Mehr als 100.000 Euro habe sie bisher zusammen – wobei Griss jetzt auch ein Ziel nannte: Zumindest 500.000 Euro brauche man für einen sehr bescheidenen Wahlkampf mit Unterstützung vieler Freiwilliger. Schon im Werden sei ein Personenkomitee, aber es sei schon ein großer Aufwand, so eine Kampagne aufzusetzen, ließ Griss erahnen, wie ihre Entscheidung ausfallen wird. Ihren Frühstart – sie hat sich als Erste zur Kandidatur bereit erklärt – hält Griss nicht für eine Fehler. Angst, dass ihr bis zur Wahl die Luft ausgehen könnte, hat sie auch nicht: Ich hab ganz gute Lungen. Erst gewöhnen muss sich die frühere OGH-Präsidentin und Leiterin der Hypo-Untersuchungskommission daran, auf dem politischen Parkett zu stehen und auch viel von sich selbst zu erzählen. In einem der APA vorab übermittelten Interview für die Presse am Sonntag schildert sie ihr Verständnis vom Amt der Bundespräsidentin: Sie würde darauf hinwirken, dass Probleme nicht einfach weggeschoben werden – und als Parteilose könnte sie sich viel eher dafür einsetzen, dass nur wirklich Qualifizierte in ein Amt berufen werden. Als Themen, die man schon bisher hätte stärker ansprechen müssen als Bundespräsident, nennt sie: Die Hypo, wo eine Strategie der öffentlichen Hand gefehlt habe – und ähnlich war es bei den Flüchtlingen, auch dies sei absehbar gewesen und auch da gab es offenbar keinen Plan. Durchaus Sympathien für eine Minderheitsregierung zeigte Griss im Radio: Man brauche stabile Verhältnisse, aber nicht erstarrte – und es könne durchaus sein, dass eine Minderheitsregierung mit Unterstützung unterschiedlicher Parteien leichter wichtige Projekte umsetzen kann als eine Koalitionsregierung wo sich die Parteien gegenseitig blockieren. Pröll vergleicht Niederösterreich mit Bauernhof Der als wahrscheinlichster ÖVP-Kandidat gehandelte niederösterreichische Landeshauptmann Pröll ließ sich auch durch neugierige Anrufer in einer Kurier-Telefon-Sprechstunde noch nicht zur Festlegung hinreißen: Diese Frage ist noch lange nicht entschieden, merkte er an. Aber im Fall der Fälle rechnet er mit einem Sieg: Um das ganz offen zu sagen: Nach jetziger Situation wäre dieser Wahlkampf von meiner Seite her zu gewinnen. Um Niederösterreich würde er sich keine großen Sorgen machen, wenn er in die Hofburg wechselt: Es hat sich die Welt gedreht, da hat es den Erwin Pröll noch nicht gegeben und es wird sich die Welt drehen, wenn es den Erwin Pröll eines Tages nicht mehr gibt. Es muss einmal jemand übernehmen, das ist wie bei einem Bauernhof. Die Entscheidung über den ÖVP-Kandidaten dürfte Mitte Jänner fallen: Vizekanzler Reinhold Mitterlehner hat – laut den Oberösterreichischen Nachrichten – die Regierungskollegen für den 13. Jänner nach Bad Leonfelden eingeladen, am 14. und 15. geht dort der Parlamentsklub in Klausur. Auch die SPÖ wird um diese Zeit bekannt geben, wen sie ins Rennen schickt. EU, Neutralität und Islam: Die FPÖ bekam von der Präsidentschaftsanwärterin nicht immer eindeutige Antworten. Wien – Heinz-Christian Strache (FPÖ) kann auch Feminismus: Es sei wünschenswert, dass erstmals eine Frau Staatsoberhaupt wird, sagte der Parteichef. Deshalb zeige sich die FPÖ offen, bei der Präsidentenwahl eine parteiunabhängige Kandidatin zu unterstützen. Eine ebensolche, die ehemalige Höchstrichterin Irmgard Griss, stellte sich am Dienstag einem Hearing des freiheitlichen Führungspersonals. Straches Vorgabe – aktiver Präsident, kein Staatsnotar – versucht die 69-Jährige gleich zur Eröffnung einzulösen. Die Waffe des Präsidenten sei das Wort, sagt Griss. Sie werde keine Probleme auf die Seite schieben, sondern Diskussionen einfordern, auf dass gemeinsame Lösungen gefunden würden – denn: Die Gräben werden tiefer, man unterscheidet zwischen Gut und Böse. Ob sie die FPÖ als Täter oder Opfer dieser Polarisierung sieht, lässt Griss freilich offen – wie so manch andere Frage, die sich an diesem Nachmittag stellt. Das gilt gerade für ein Schlüsselthema, bei dem Strache so intensiv wie suggestiv nachbohrt: Steht Griss für jene zentralistische und dramatisch gescheiterte EU, die den Nationalstaat entsorgen wolle? Die Antwort der Kandidatin lässt Spielraum. Zusammenarbeit auf europäischer Ebene sei nötig, sagt sie: Das heißt aber nicht, dass Kompetenzen, die besser beim Nationalstaat angesiedelt sind, nach Brüssel wandern sollen. Die Mitgliedstaaten müssten sich mehr in Europa einbringen, sagt Griss auch und hängt – schon fast Politikerin – eine Geschichte fürs Herz an. Weihnachten sei das, was wir daraus machen, habe sie unlängst ein Kind sagen hören. Genau das gelte für Europa. Ähnlich konkret fällt ihr Statement zur Neutralität aus: Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik habe dieses Prinzip nicht obsolet gemacht – sie wolle aber eine Diskussion darüber, was Neutralität heute noch bedeute. Was sie von dem Satz Der Islam gehört zu Österreich halte, will ein Mandatar wissen. Ich kann damit wenig anfangen und weiß auch nicht, was gemeint ist, sagt Griss – aber: Muslime, die unsere unverhandelbaren Werte leben, gehörten sehr wohl zu Österreich. Versucht Griss da einen Spagat zwischen der eigenen Haltung und Positionen der FPÖ, deren Hilfe sie im Wahlkampf gut brauchen kann? Ein paar Mal bürstet Griss dann doch gegen den blauen Strich: Sie hält die Sanktionen gegen Russland für richtig, spricht sich für Doppelstaatsbürgerschaften ebenso aus wie für das Adoptionsrecht für Homosexuelle. Die FPÖ will im Jänner entscheiden, ob sie Griss unterstützt, die ÖVP hingegen hat sich diesbezüglich bereits deklariert: Parteichef Reinhold Mitterlehner erteilte der Exrichterin eine eindeutige Absage. Markus Abwerzger: könnte freiheitliche Standpunkte besser kommunizieren als unabhängige Kandidatin wie Griss. Innsbruck – Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger wünscht sich einen eigenen freiheitlichen Kandidaten bei der Bundespräsidentschafts-Wahl im kommenden Jahr. Dies sagte Abwerzger am Mittwoch am Rande einer Landtagssitzung in Innsbruck. Ein Parteikandidat könne freiheitliche Standpunkte besser kommunizieren als eine unabhängige Kandidatin wie Irmgard Griss. einst Präsidentin des Obersten Gerichtshofs. Für Griss fand Abwerzger, der auch an dem Hearing der Partei am Dienstag teilgenommen hatte, dennoch lobende Worte. Sie wäre eine gute Kandidatin und dem Amt des Bundespräsidenten fachlich mehr als gewachsen. Als unabhängige Kandidatin versuche sie aber einen Spagat zu machen und habe daher nicht so die Möglichkeit, freiheitliche Positionen zu vertreten. Zudem sei Griss etwa in Kernfragen wie der Neutralität und der Zuwanderungsobergrenzen nicht hundertprozentig deckungsgleich mit der FPÖ. Einen von ihm favorisierten blauen Kandidaten wollte Abwerzger indes nicht nennen. Die FPÖ hatte sich bei dem Hearing am Dienstag ein Bild von der ehemaligen Höchstrichterin Griss machen wollen, um im Jänner endgültig über eine Unterstützung der unabhängigen Kandidatin zu entscheiden. Ex-OGH-Präsidentin fordert Fairnessabkommen von allen Kandidaten. Wien – Irmgard Griss wird bei der Bundespräsidentenwahl im Frühjahr kandidieren. Das gab die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs am Donnerstag auf Facebook in einem Video bekannt. Am Freitagvormittag verkündete sie bei einer Pressekonferenz in Wien offiziell ihre Kandidatur und trat dabei für ein Fairness- und Transparenzabkommen im Wahlkampf ein. Dieses sollen alle Kandidaten einhalten. Darin steht unter anderem, dass es keine Postwurfsendungen, keine Plakate außerhalb der kommerziellen Normformate, keine ganzseitigen Inserate, keine Kinospots und keine Wahlkampfgeschenke geben soll. Aus dieser Einschränkung der Werbeformen dürfte die Forderung nach einer Begrenzung der (Brutto-)Wahlkampfkosten auf eine Million Euro resultieren, für die Griss ebenfalls eintritt. Eine erste Großspenderin hat Griss schon gefunden: Die Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner, Cattina Leitner, spendete 100.000 Euro, gab Griss auf entsprechende Journalistenfragen am Freitag bekannt. Als Minimum will sie 500.000 Euro auftreiben – aber nicht von Parteien. Bisher stehe man bei etwas mehr als 100.000 Euro, wobei der Großteil von Leitner kam. Sie habe auch weitere Zusagen. Jeder Beitrag sei aber willkommen, so Griss. Die von ihr vorgeschlagene Eine-Million-Euro-Obergrenze ist natürlich in meinem Interesse, das geb ich offen zu, meinte Griss mit Blick auf die Geldtöpfe der etablierten Parteien. Von einer Partei wurde mir weder Geld zugesagt, noch habe ich um Geld einer Partei geworben. Sie habe beschlossen, bei der Wahl anzutreten, weil ich überzeugt bin, dass ich etwas bewegen kann. Sie sei unabhängig und niemandem verpflichtet. Die Wahl solle von Fairness und Transparenz geprägt sein, daher schlage sie ein entsprechendes Abkommen vor, das alle Kandidaten unterzeichnen sollen. Wahlentscheidend müsse die Persönlichkeit der Kandidaten sein, der Wahlkampf dürfe keine Materialschlacht werden, forderte Griss. Das Abkommen sieht daher vor, dass es etwa keine Inserate, keine Postwurfsendungen und Wahlgeschenke geben soll. Weiters müsse der Umgang im Wahlkampf ein fairer und positiver, kein untergriffiger sein, kein Negative Campaigning, so Griss. Die Privatsphäre der Kandidaten muss respektiert werden. Ein Bundespräsident könne nur dann glaubwürdig sein, wenn er oder sie ein Vorbild an Transparenz ist, so Griss. Sie fordert daher völlige Transparenz bei der Kampagnenfinanzierung und die Offenlegung aller Wahlkampfspenden, egal in welcher Höhe. Das Abkommen sollten ihrer Meinung nach alle Kandidaten unterschreiben. Zudem wünscht sie sich spürbare Sanktionen dafür, etwa in Form von Geldstrafen. Mögliche Verstöße soll ein Schiedsgericht prüfen, in das jeder Kandidat ein Mitglied entsendet. Auf ihrer Facebook-Seite gab Griss zuvor bereits ein Motto aus: Dort war der Slogan Ehrlich zu Österreich gemeinsam mit einer rot-weiß-roten Flagge zu sehen. In dem Video sagt Griss, dass sie sich dessen bewusst sei, als Außenseiterin zu kandidieren. Sie sehe darin aber eine Chance dafür, eine unabhängige Kandidatin für alle zu sein, die eine neue Politik wollen. Eine Politik, die von Ehrlichkeit, Mut und Verantwortung bestimmt ist. Sie wolle eine Gesellschaft des gerechten Ausgleichs, die Schwache stütze und Starke nicht über Gebühr belaste. Dafür stehe ich, und deshalb bin ich bereit zu kandidieren. Als Bundespräsidentin wolle sie für eine Politik der klaren Worte eintreten. Denn die Wahrheit ist dem Menschen nicht nur zumutbar, sie ist ihm auch geschuldet. Nur eine ehrliche und aufrichtige Politik verzichte darauf zu manipulieren und zu dämonisieren. Ihr Ziel sei, Gräben in der Gesellschaft zu überwinden und bewusst zu machen, dass jeder in seinem Bereich einen Beitrag leisten kann. Griss betont in dem Video vor allem ihre Unabhängigkeit. Eine Bundespräsidentin, die aus der Zivilgesellschaft kommt und nie einer Partei angehört hat, ist niemandem anderen verpflichtet als dem Volk – ihren Wählerinnen und Wählern – und dem eigenen Gewissen. Sie könne die Dinge beim Namen nennen, Probleme ehrlich ansprechen, sachliche Diskussionen fordern und zu Reformen ermutigen. Der Öffentlichkeit wurde die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs zunächst als Leiterin der Hypo-Kommission bekannt, wofür sie umfangreiches Lob erhielt – bis zum Donnerstag. Ausgerechnet an dem Tag vor ihrer Kandidatur-Pressekonferenz stellte sich heraus, dass die von ihr geleitete Untersuchungskommission die Gesprächsprotokolle zur Aufarbeitung des Hypo-Skandals vernichtet hat. Dazu sei man aufgrund einer Vereinbarung mit den Institutionen verpflichtet gewesen, hieß es. Die Abgeordneten im U-Ausschuss zeigten sich darüber empört. Finanzielle Unterstützung einer Partei hat Griss im Vorfeld ausgeschlossen, dennoch war sie sowohl bei den Neos als auch bei der FPÖ zu einem Hearing geladen. Beide Parteien haben erwogen, sie als unabhängige Kandidatin zu unterstützen. Die Blauen wollen sich im Jänner festlegen, die Neos haben sich am Donnerstagnachmittag im Parteivorstand gegen eine Wahlempfehlung ausgesprochen. Sie begrüßen die Kandidatur der Richterin trotzdem, genauso wie auch weitere parteiunabhängige Kandidaten. Dass sie aus der Zivilgesellschaft kommt, gefällt den Neos an Griss. Weniger Gefallen finden sie an ihren Aussagen über die Sinnhaftigkeit des Hypo-Untersuchungsausschusses. Das hat mir als Parlamentarier im Herzen wehgetan, sagt Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak im STANDARD-Gespräch. Dass die Griss-Kommission die Gesprächsprotokolle vernichtet hat und sie nicht wie verlangt dem U-Ausschuss zur Verfügung stellt, hat die Entscheidungsfindung zusätzlich erschwert. Nach dem Hearing Mitte November wollten die Neos zunächst abwarten, ob sich andere Kandidaten bereits für ein Antreten entschieden haben. Das ist nicht geschehen, sie mussten eine Entscheidung fällen, ohne die Konkurrenz zu kennen. Irmgard Griss präsentiert sich als Garantin eines neuen Stils: Die Kandidatin für die Präsidentschaft beklagt Unsitten der Politik. Ein weißgetünchtes Loft mit Flohmarktmöbeln, kurioser Deckenbeleuchtung und hoher Laptopdichte: Der Impacthub ist eines dieser hippen Kreativzentren im Bobobezirk Neubau, von denen man nicht so genau weiß, was dort eigentlich passiert. Junge Menschen versuchen hier, soziologische und ökologische Probleme auf unternehmerische Art zu lösen, klärt Irmgard Griss auf – und das, findet sie, passe gut zu ihrem heutigen Auftritt. Griss ist zwar 69 Jahre alt, doch sie verspricht einen neuen Stil, sollte sie 2016 zur Bundespräsidentin gewählt werden. Für eine ehrlichere Politik will sich die ehemalige Höchstrichterin und Leiterin der Untersuchungskommission zum Hypo-Skandal einsetzen, und für mehr Sachlichkeit: Es darf nicht sein, dass aus parteitaktischen Gründen nicht nach Lösungen gesucht wird. Beginnen solle der Kulturwandel bereits im Wahlkampf, und zwar dank eines Fairness- und Transparenzabkommens. Die Kür der moralischen Instanz der Republik dürfe nicht zur Materialschlacht verkommen, sagt Griss und fordert – wie sie zugibt – durchaus eigennützig, das Kostenlimit für Kampagnen auf eine Million Euro zu beschränken. Kinospots, Wahlgeschenke und ganzseitige Inserate sollten ebenso verboten sein wie Negative Campaigning, dafür sei Transparenz Pflicht: Ihre Homepage werde in Kürze über jeden empfangenen Cent Auskunft geben. Bisher sei nur eine Großspende eingetrudelt, sagt Griss: Cattina Leitner, Ehefrau von Andritz-Chef Wolfgang Leitner, habe 100.000 Euro gezahlt. Insgesamt will die Kandidatin zumindest 500.000 Euro auftreiben, schließt Parteien als Spender aber aus.Werbeagentur hat sie noch keine engagiert, zumindest aber Berater: Kampagnenleiter ist Milo Tesselaar, nach Eigendefinition ein Mann fürs Neue. Der 33-jährige Grazer war Gründer des Magazins Biorama und führt die Agentur Freims, die Unternehmen berät, sich neu zu denken. Den ersten Ernstfall haben Griss und ihr Team bereits zu bewältigen. Alle sechs Parlamentsparteien haben sich im Untersuchungsausschuss beschwert, dass Griss nach getaner Arbeit als Leiterin der Hypo-Kommission deren Unterlagen vernichtet hat. Die Reaktionen reichten von Wahnsinn bis mir fehlen die Worte. Am Freitag kam etwas Licht ins Dunkel dieses Aktenmysteriums: Die Kommission hatte zu Beginn alle möglichen Unterlagen von Finanzministerium, Finanzmarktaufsicht (FMA) und Nationalbank bekommen. Nach getaner Arbeit schickte sie diese Dokumente – vereinbarungsgemäß – wieder zurück an die Absender. In der Finanzmarktaufsicht verweist man aufs Datenschutzgesetz. Man habe via Vertrag ausgemacht, dass alle Dokumente gesetzesgemäß nur zur Information dienten und nicht zur Veröffentlichung gedacht seien. Im Finanzministerium heißt es, man habe der Griss-Kommission den Zugriff auf ein Laufwerk gestattet und ihr diesen nach Zeitablauf wieder entzogen. Die Dokumente auf diesem Laufwerk seien übrigens vollinhaltlich dem U-Ausschuss zur Verfügung gestanden, sagt eine Sprecherin. Anders verhält es sich mit jenen Dokumenten, die Griss’ Kommission selbst produziert hat – also beispielsweise Protokolle der Interviews mit befragten Personen. Griss erklärte am Freitag, diese eigenmächtig vernichtet zu haben. Schließlich habe die Kommission alle Gespräche vertraulich geführt: Es sei vereinbart gewesen, die Ergebnisse nur im Endbericht zu verwerten. Abgesehen davon wäre es unsinnig gewesen, die Protokolle aufzuheben, sagt die Juristin: Alles Relevante sei in den Bericht eingeflossen, der Untersuchungsausschuss könne alle Personen nun unter besseren Bedingungen – etwa der Wahrheitspflicht – befragen. Warum sollte ich etwas unter den Tisch kehren wollen?, fragt Griss und sieht hinter der Kritik taktische Spielchen: Das zeigt leider den Zustand unserer Politik. (Gerald John, Maria Sterkl, DER STANDARD, 19.12.2015) "Es braucht sich niemand um mich zu sorgen". Wien – Bundespräsident Heinz Fischer sieht keinen Anlass, eine Diskussion über die Funktion von Altpräsidenten zu führen. Ich werde bis zum letzten Tag meine aktuellen Aufgaben erfüllen, sagte er am Rande eines Termins am Montagabend. Alles andere liege in der Zukunft. Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) hatte sich dafür ausgesprochen, dass Altpräsidenten auch nach ihrem Ausscheiden aus dem Amt weiterarbeiten und das Land repräsentieren dürfen. Es braucht sich niemand um mich zu sorgen, meinte Fischer dazu. Man könne sich darauf verlassen, dass ihm nicht langweilig sein werde. Freizeit und Bergsteigen haben Vorrang, sagte er, er denke aber etwa auch über den Vorschlag einer Uni nach, Vorträge über Zeitgeschichte zu halten. Dass ich ein Altpräsident sein werde, ist eine Realität, die ich nicht ändern kann und will, sagte Fischer. Man könne sich anschauen, wie Länder wie Deutschland, Italien, Frankreich oder Ungarn mit Präsidenten, die ihrer Periode hinter sich haben, umgehen. Österreich soll keine Extrawurst braten, so Fischer. Diese Diskussion wolle er aber nicht jetzt führen. Durchgriffsrecht "notwendige und durchdachte Lösung" – Koalitonsklima "menschlich". Wien – Bundespräsident Heinz Fischer empfiehlt den Kandidaten für seine Nachfolge ein Fairnessabkommen im Wahlkampf, sagt er im APA-Interview. 2004 habe sich ein solches Abkommen zwischen ihm und seiner ÖVP-Konkurrentin bewährt. In der Asylkrise sei eine Obergrenze für Flüchtlinge nicht praktikabel, das Durchgriffsrecht des Bundes für Asylquartiere sei eine notwendige und durchdachte Lösung. Ja – weil es sich bewährt hat, sagt Fischer auf die Frage, ob er im anlaufenden Präsidentschaftswahlkampf eine Fairness-Vereinbarung empfehlen würde. 2004 hatten Fischer, der für die SPÖ antrat, und die ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner ein entsprechendes Abkommen vereinbart. Wahrscheinlich ist es, wenn es fünf oder sechs Kandidaten gibt, sogar noch wichtiger, als wenn es nur Fischer und Ferrero-Waldner als Kandidaten gibt, die schon ihrer Natur nach keine Raubeine waren, verweist er auf die zu erwartende höhere Zahl an Bewerbern um das höchste Amt im Staat. Vom demokratischen Standpunkt her positiv findet es Fischer, dass es das Wahlrecht durch nicht zu hohe Hürden ermögliche, dass sich nicht nur zwei oder drei Kandidaten einen Startplatz sichern können – auch wenn dies in der Regel eine Stichwahl nach sich ziehe. Im Blick zurück auf die Bewältigung der Flüchtlingskrise, die das Jahr 2015 dominiert hat, stellt Fischer Österreich grundsätzlich kein schlechtes Zeugnis aus. Niemand könne verlangen, dass man eine solche komplizierte und schwierige Situation völlig reibungslos und fehlerlos über die Bühne bringen kann. Doch es steht fest, dass Österreich zu den drei oder vier Ländern gehört, die sich in dieser Frage wirklich positiv unterscheiden von jenen, die wegschauen und möglichst unbelastet diese Krise durchtauchen wollen. Natürlich hat es da und dort tragische, schwierige oder unerfreuliche Situationen gegeben. Aber die Position Österreichs lautet: Wir sind bereit, Mitverantwortung zu tragen und Flüchtlingen aus einer Kriegsregion bestmöglich zu helfen. Als wichtigen, klugen Schritt bezeichnet Fischer auch die Bestellung des Flüchtlingsbeauftragten der Regierung, Christian Konrad. Das Durchgriffsrecht wiederum sei wohl ein notwendiger Schritt, solange die gemeinsam vereinbarten Quoten nicht erfüllt würden: Das ist in meinen Augen eine durchdachte Lösung. Keinesfalls sinnvoll fände er es, wenn der Bund die Betreuung der Asylwerber wieder ganz in seine Hände nehmen würde. Das wäre ganz schlecht, weil sich die regionalen Institutionen und vor allem die Bürgermeister einfach bevormundet fühlen würden. Das würde Widerstände auslösen, die das Problem nicht einfacher, sondern schwieriger machen. In der immer wieder aufflammende Debatte über eine Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen hat Fischer zwar Verständnis für einen auf den ersten Blick naheliegenden Gedanken – betont aber im gleichen Atemzug: Dieser erweist sich bei genauerem Hinschauen nicht als praktikabel. Denn es gebe einen grundsätzlichen Widerspruch zwischen einem Menschenrecht und der Festsetzung einer Obergrenze: Ich kann nicht ein Menschenrecht auf eine bestimmte Zahl reduzieren und sagen, alle, die über dieser Zahl liegen, haben Pech gehabt. Zudem wäre die fixe Obergrenze abhängig von variablen Bedingungen, etwa dem Beginn oder Ende eines Krieges. Und schließlich gibt der Bundespräsident auch zu bedenken: Wenn alle Staaten der EU Obergrenzen festlegen, hört sich jedes Bemühen um gerechte Verteilung auf. Statt über ziffernmäßige Obergrenzen nachzudenken, müsse daher daran gearbeitet werden, dass der Flüchtlingsstrom eingedämmt und das Management in Bezug auf Flüchtlinge verbessert wird. Fischer will nicht in die Klagen einstimmen, dass die Regierungsparteien vor lauter Streit nichts zusammenbringen. Er erlebe ein durchaus ordentliches und menschliches Klima zwischen Kanzler und Vizekanzler, sagt er. Dass zwei Parteien unterschiedliche Positionen ausfechten, sei demokratiepolitisch normal. Aber eine Koalitionsregierung stehe diesbezüglich unter besonderer Beobachtung, so Fischer. Beim vorweihnachtlichen Mittagessen mit der Regierung habe er sich von einer kameradschaftlichen und harmonischen Stimmung überzeugen können. Ich kann bezeugen, dass es zwischen dem Bundeskanzler und dem Vizekanzler gegenseitige Achtung und menschlichen Respekt gibt. Und die beiden seien sich auch bewusst, dass das Sichtbarmachen von Meinungsverschiedenheiten in der Öffentlichkeit negativ interpretiert wird. Fischer betont aber, dass SPÖ und ÖVP zwei sehr unterschiedlichen Parteien sind, die ihre eigenen jahrzehntelangen Traditionen und Positionen haben, für diese ja auch eintreten müssten. Es ist wohl nicht möglich und vielleicht gar nicht erstrebenswert, immer alles unter der Tuchent zu halten, wenn es unterschiedliche Auffassungen gibt. Darum bin ich da nicht so streng wie vielleicht die Medien und auch die Bevölkerung, denn ich sage: Es ist nicht eine ÖEP, eine Österreichische Einheitspartei. Es sind zwei Parteien, die zusammenfinden müssen. Fischer stimmt allerdings der Diagnose zu, dass die Regierung so manchen Erfolg nicht optimal kommuniziert habe. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) selbst etwa sprach ja davon, dass man den der Steuerreform versemmelt habe. Gewisse PR-Probleme kann man nicht leugnen, sagt der Bundespräsident dazu. Das gelte vor allem auch für die einzelnen Regierungsmitglieder, wenn diese medial reüssieren wollten. Daher auch sein Appell zur Kommunikation des Gemeinsamen am Weihnachtstag. Zu kommunizieren wird es kommendes Jahr auch Reformen im Pensionsbereich geben, die Regierung hat sich dafür ja den Stichtag 29. Februar gesetzt. Fischer warnt in diesem Zusammenhang vor einer Umverteilung in die verkehrte Richtung: Es darf das Thema Pensionsreform nicht zu einer Umverteilung von den schwächeren Pensionisten zu den höheren Einkommensschichten in unserer Gesellschaft führen. Wenn wir im Budget Sorgen mit zu hohen Ausgaben haben, sollte ein Beitrag zur Dämpfung des Kostenpfades nicht in erster Linie von Pensionisten und soziale Schwächeren eingefordert werden, sondern auch bei Erbschafts- und Vermögenssteuer Vergleichbarkeit mit anderen europäischen Staaten angestrebt werden. Dass das Pensionssystem auch in Zukunft finanzielle Absicherung brauche, sei unstrittig, Richtschnur müsse aber immer soziale Gerechtigkeit bleiben. Seinem eigenen Ruhestand blickt der Bundespräsident mit Gelassenheit entgegen. Nein, er bedauere es nicht, dass die Verfassung nur zwei sechsjährige Amtszeiten erlaube, betont er auf die entsprechende Frage. Ich glaube, dass das eine gescheite Regelung ist. Und in meinem Alter eine doppelt gescheite Regelung ist. Denn in meinem Fall würde eine dritte Amtsperiode vom 78. bis zum 84. Jahr reichen. Er sei im Bereich der Politik längst ein Hackler, da er schon 54 anrechenbare Dienstjahre habe – davon 42 in mit großen Belastungen verbundenen Spitzenpositionen, nämlich Klubobmann, Minister, Nationalrats- und schließlich Bundespräsident. Dann darf man in Pension gehen, denn ich muss und will ja kein Superhackler werden. Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat einen Plan, die ÖVP ist noch auf Spekulationen angewiesen.. Wien / St. Pölten – In der ÖVP blickt alles in die niederösterreichische Landeshauptstadt St. Pölten oder, präziser noch, nach Radlbrunn, der Heimatgemeinde von Erwin Pröll. Davon, ob der niederösterreichische Landeshauptmann als Kandidat bei der Bundespräsidentenwahl im kommenden Jahr antritt, hängt viel ab. Eine Regierungsumbildung etwa, die gleich mehrere schwarze Minister betreffen könnte. Oder aber ob ein Ersatzkandidat gesucht werden muss. Pröll feierte zu Weihnachten seinen 69. Geburtstag, bis dahin wollte er sich entschieden haben, hieß es. Offiziell weiß in der Partei noch niemand Bescheid. Inoffiziell wird dagegen der Befund herumgereicht, dass sich Pröll bereits entschieden, einen Plan gefasst und ein paar Vertraute in Kenntnis gesetzt habe. Alle anderen müssen warten. Dass im Falle eines Antretens die bisherige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner als Prölls Nachfolgerin nach Niederösterreich wechseln würde, gilt als höchst wahrscheinlich, auch wenn das andere Nachfolgekandidaten wie etwa die Landesräte Stephan Pernkopf und Wolfgang Sobotka unglücklich machen würde. Die spielen auch im Nachfolgereigen auf Regierungsebene in Wien keine Rolle. Als gesichert gilt mittlerweile, dass Außenminister Sebastian Kurz, von Pröll sehr geschätzt und als halber Niederösterreicher vereinnahmt, nicht in das Innenministerium wechseln wird. Die möglichen Alternativen zu Pröll machen in der ÖVP niemanden glücklich. Es sind vor allem der EU-Abgeordnete Othmar Karas und Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, denen vehemente Ambitionen auf eine Kandidatur nachgesagt werden. Beide haben sich mit Dauerkritik an der Partei nicht unbedingt beliebt gemacht und sind bei VP-Chef Reinhold Mitterlehner nicht bestens angeschrieben. Die Partei hier für einen engagierten Wahlkampf zu motivieren würde nicht leichtfallen. Als Ersatzkandidat wurde zuletzt auch Justizminister Wolfgang Brandstetter ins Spiel gebracht. Der verfügt zwar noch nicht über einen überragenden Bekanntheitsgrad in der österreichischen Bevölkerung, unterhält aber gute und vor allem sehr freundschaftliche Kontakte zu etlichen Medienmachern des Landes. Brandstetter selbst hat aber schon abgewinkt, er habe keine Ambitionen, in der Hofburg zu residieren, und bleibe lieber Justizminister in Waldviertler Schuhen, sagte er vor ein paar Tagen. In der SPÖ scheint mit Sozialminister Rudolf Hundstorfer ein Kandidat, der das auch sein will, bereits gefunden zu sein, allerdings verschrecken die Umfragewerte. Hundstorfer wäre der einzige Kandidat, der direkt aus der Bundesregierung kommt und wohl auch für deren schlechtes Image den Kopf hinhalten müsste. Für Kanzler Werner Faymann keine sehr verlockende Aussicht: Er verlöre mit Hundstorfer einen Pfeiler der roten Regierungsmannschaft, kann mit dessen Kandidatur aber nichts gewinnen. Für weiteren Gesprächsstoff zum Thema Bundespräsident sorgten dieser Tage Alexander Van der Bellen von den Grünen mit seiner vermeintlich der Kandidatur vorauseilenden Hochzeit sowie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache, der erneut eine Zusammenlegung von Bundespräsident und Bundeskanzler in einem Superamt angeregt hat. Parteivorstand tagt am Sonntag, Parteileitung am Montag – FPÖ dürfte Griss nicht unterstützen. Wien – ÖVP-intern gibt es nun einen ersten Zeitplan für die Bundespräsidentenwahl. Am kommenden Sonntag soll der Bundesparteivorstand eine Entscheidung fällen. Für Montag, 11. Jänner ist dann eine Sitzung der Bundesparteileitung – ein größeres Gremium – angesetzt, erfuhr DER STANDARD aus Parteikreisen. Eigentlich gehen alle in der Partei von einem Antreten Erwin Prölls aus. Offiziell ist in St. Pölten (oder in Radlbrunn) aber noch immer keine Entscheidung gefallen. Aus seiner Umgebung heißt es: Pröll werde diese Parteichef Reinhold Mitterlehner mitteilen, wenn er es für richtig hält. Heikle Finanzfrage Die ÖVP schafft aber immerhin früher Fakten als die SPÖ. Diese hat ihren Parteivorstand für den 15. Jänner angesetzt. Bis dahin wird auch noch fleißig gerechnet: Ein Wahlkampf wird nämlich teuer, die Kosten werden nicht vom Staat refundiert, und um die Finanzen der beiden Großparteien ist es nicht zum Besten bestellt. Die Bundes-SPÖ musste 2013 (die 2014er-Zahlen liegen noch nicht vor) Kredite in der Höhe von 8,6 Millionen Euro aufnehmen und fuhr trotzdem noch ein Minus von 2,09 Millionen ein. Die Bundes-ÖVP verschuldete sich im selben Jahr mit 6,2 Millionen Euro, um ausgeglichen bilanzieren zu können. Daher geht man bei den Schwarzen auch davon aus, dass die niederösterreichische Landesgruppe einen beträchtlichen Teil der Wahlkampfkosten schultern wird müssen. Im Pröll-Umfeld sieht man die Sache gelassen: Selbstverständlich habe der Landeshauptmann die finanzielle Komponente im Auge. Dementis für Kampagnenleitung Ansonsten weiß man vorerst nur, was nicht kommt: Der medial kolportierte Ex-Chefredakteur der Niederösterreichischen Nachrichten, Harald Knabl, werde definitiv nicht Prölls Kampagnenleiter, heißt es in St. Pölten. Der frühere SPÖ-Bundesgeschäftsführer Josef Kalina wiederum dementiert entschieden, er könnte die Hundstorfer-Kampagne leiten. Das wäre ein Rund-um-die-Uhr-Job. Das ist für mich nicht möglich, sagt Kalina, der heute Inhaber einer PR-Agentur ist. Keine blaue Griss-Unterstützung Aus FPÖ-Kreisen ist wiederum zu hören, man habe sich gegen eine Unterstützung von Irmgard Griss entschieden. Wen man ins Rennen schickt, will man aber erst Ende Jänner oder gar erst im Februar bekanntgeben. Genannt wurden immer wieder Rechnungshofpräsident Josef Moser und Ursula Stenzel, wobei Letztere nicht nur Freunde in der Partei hat. An Prölls mögliche und äußerst wahrscheinliche Kandidatur knüpfen sich auch eine Reihe anderer Entscheidungen: Wer wird ihm in Niederösterreich nachfolgen? Die bisherige Innenministerin Johanna Mikl-Leitner gilt als heiße Anwärterin für das Amt der Landeshauptfrau. Problem Frauenquote Die Frage, wer ihr im Innenressort nachfolgen könnte, ist schon schwieriger zu beantworten, da Mitterlehner auf die Frauenquote in der Regierung achten möchte. Die dürfe sich keinesfalls verschlechtern. Das wiederum könnte eine größere Rochade in der Regierungsmannschaft auslösen, wobei aber ein Ressorttausch mit der SPÖ mittlerweile entschieden in Abrede gestellt wird. Auf SPÖ-Seite ist klar, dass Hundstorfer als Sozialminister mehr oder weniger sofort abgelöst werden müsste. Mit seinen aktuellen Themen – Stichwort Rekordarbeitslosigkeit und mögliche Pensionsreformen – ist in einem Wahlkampf nichts zu gewinnen. Für das Sozialministerium wurden mehrere Kandidaten genannt – Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser, Verkehrsminister Alois Stöger oder ein ranghoher Gewerkschafter. Aber auch hier gilt: Nichts ist fix. Schützenhöfer: Pröll wäre ein "Staatsmann" – McDonald: Mitterlehner hat "klaren Plan". Wien – Die Unterstützungsbekundungen in der ÖVP für Erwin Pröll gehen munter weiter. Am Dienstagabend sprach sich der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer für eine Kandidatur seines niederösterreichischen Kollegen für die Bundespräsidentenwahl im April aus. Österreich braucht einen Staatsmann, der in dieser Zeit der Irritation ein Fels in der Brandung ist, sagte Schützenhöfer im ORF Steiermark. Erwin Pröll wäre ein solcher Staatsmann. Lobeshymnen für Pröll gab es auch von Andreas Khol: Die Partei liegt Erwin Pröll zu Füßen, erklärte der Seniorenbund-Chef im Kurier. Sitzung am Sonntag Wie berichtet will die ÖVP am Sonntag im Rahmen einer Vorstandssitzung einen Kandidaten beschließen. Alles rechnet mit einem Ja von Erwin Pröll, offiziell ist die Entscheidung aber nicht. Auch ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald wollte sich am Mittwoch nicht in die Karten blicken lassen. Nur so viel: In unsicheren Zeiten braucht es eine starke Persönlichkeit, davon hat die ÖVP mehrere. Und die Frage nach einem etwaigen Plan B für den Fall, dass Pröll doch nicht kandidieren sollte, beantwortete McDonald damit, dass Mitterlehner einen klaren Plan habe, der gut durchdacht sei. Ebenso wenig wie auf Namen wollte der ÖVP-Generalsekretär auch auf eine mögliche Regierungsumbildung im Zuge der Kandidatenfindung eingehen. FPÖ berät am 15. Jänner Die FPÖ hält am 15. Jänner den nächsten Parteivorstand ab, bei dem über die Frage der Bundespräsidentenwahl beraten werden soll. Ob dann bereits eine Entscheidung fallen soll, ist noch offen. Wie berichtet gilt Rechnungshof-Präsident Josef Moser als möglicher Kandidat. Auch Ursula Stenzel wurde wiederholt genannt. Niederösterreichs Landeshauptmann tritt nicht bei Bundespräsidentschaftswahl an – ÖVP-Kandidat soll am Sonntag präsentiert werden. Wien/St. Pölten – Man muss wissen, wo man hingehört: So begründete Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) am Freitag im APA-Gespräch, warum er nicht bei der Bundespräsidentenwahl antritt. Er habe Parteichef Reinhold Mitterlehner bereits vor Weihnachten abgesagt und das in einem Vieraugengespräch in St. Pölten am Donnerstag bestärkt. Er habe schon lange vorher darauf hingewiesen, dass in meiner Lebensplanung die Hofburg keinen Platz einnimmt. Das sei auch im Lauf der Diskussion über seine Kandidatur nicht anders gewesen. Er sei inzwischen 36 Jahre in Niederösterreich mit sehr viel Einsatz und Emotion für das Land tätig, davon 23 Jahre als Landeshauptmann. Das kann man nicht wegwischen. Die Bevölkerung habe ihm dreimal absolutes Vertrauen geschenkt. Bei den vergangenen zwei Wahlen habe er jeweils etwa 300.000 Vorzugsstimmen erhalten. Das ist eine Verantwortung, die man spüren muss. Was nun den Präsidentschaftskandidaten der ÖVP betrifft, geht Pröll davon aus, dass Mitterlehner mit Sicherheit gut analysiert hat und dem Bundesparteivorstand am Sonntag einen Vorschlag unterbreiten wird, von dem er annehme, dass er goutiert werde. Die ÖVP kann eine Reihe von Kandidaten aufbieten, die das Zeug haben, das Amt in der Hofburg optimal auszuführen. Mitterlehner weiß offenbar schon, wer ÖVP-Kandidat wird. Er habe seit Weihnachten Zeit gehabt, einen Kandidaten zu suchen und zu finden, sagte er im ZiB 2-Interview am Donnerstagabend. Namen nannte der Parteichef allerdings nicht. Jene, die sich öffentlich für eine Kandidatur Prölls starkgemacht hatten, nahmen die Absage zur Kenntnis. Dass diese Unterstützer nun desavouiert seien, wies ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald zurück. Diese Personen hätten nur auf entsprechende Journalistenfragen geantwortet, sagte McDonald im Ö1-Mittagsjournal am Freitag. Einer davon war Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP). Er habe Pröll vorgeschlagen, weil dieser absolut die Fähigkeit für das Amt gehabt hätte, sagte Platter am Freitag. Dessen Absage nehme er zur Kenntnis. Zu neuen ÖVP-Kandidaten hielt sich Platter am Freitag bei einer Pressekonferenz bedeckt: Die Volkspartei hat hervorragende Persönlichkeiten, Damen und Herren. Pröll habe immer gesagt, dass das nicht in seine Lebensplanung passe und er wisse, wo er hingehöre, sagte Wiens ÖVP-Chef Gernot Blümel. Das ist für ihn ganz offensichtlich Niederösterreich. Er sei jetzt überzeugt, dass Mitterlehner eine ausgezeichnete und in höchstem Maße geeignete Persönlichkeit vorschlagen werde. In der ÖVP gibt es glücklicherweise sehr viele höchst geeignete Persönlichkeiten – sowohl Frauen als auch Männer. Bis zum Sonntag dürfte nun weiter spekuliert werden. Immer wieder genannt werden Justizminister Wolfgang Brandstetter, Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, Ex-Raiffeisen-Generalanwalt und Flüchtlingskoordinator Christian Konrad und der langjährige EU-Abgeordneten Othmar Karas. Aber auch der ehemalige EU-Kommissar und nunmehrige Präsident des IHS-Kuratoriums, Franz Fischler, und Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer gelten als mögliche Kandidaten. In der ÖVP ist von einer starken Persönlichkeit mit Politikerfahrung die Rede. Konrad winkte gegenüber der APA am Freitag klar ab: Eine Kandidatur wird ausgeschlossen. Auch Pühringer schloss eine Kandidatur in der oberösterreichischen Kronen Zeitung aus. Leitl sagte, dass es vor Sonntagabend keine Stellungnahme dazu geben werde. Er werde auf die Vorschläge des Parteichefs warten. Auch wer Leitls Wunschkandidat wäre, wollte er nicht verraten. Karas hat mitgeteilt, dass er nicht der Kandidat Mitterlehners sei. Mit Häme kommentierte die FPÖ Prölls Nichtantreten. Dieser folge damit dem vom ihm selbst aufgestellten Gesetz der Serie – zuerst anzukündigen um dann wieder zurückzuziehen, meinte Generalsekretär Herbert Kickl. Durch seine Nichtkandidatur macht sich Niederösterreichs Landeshauptmann endgültig zum Hätti-wari-Präsidenten. Hätte ich kandidiert, hätte ich gewonnen ... Bereits fix ist die Kandidatur Alexander Van der Bellens. Er gab am Freitag in einem Youtube-Video bekannt, dass er als unabhängiger Kandidat antreten wird. Für Sozialminister Rudolf Hundstorfer ist Prölls Entscheidung zur Kenntnis zu nehmen. Weiter kommentieren wollte der mögliche SPÖ-Präsidentschaftskandidat die Entscheidung am Freitag im Ö1-Morgenjournal nicht. Auch ob er selbst nun antreten will, wollte Hundstorfer nicht verraten. Er verwies neuerlich auf die Parteigremien am 15. Jänner, wo die Entscheidung fallen soll. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder hofft, dass der neue Bundespräsident eine moralische Instanz sein wird, die auch die Alltagssorgen der Menschen im Auge hat. Seine Partei habe dafür einige geeignete Personen, meint Schieder im APA-Interview. Wen die ÖVP nominiert, ist Schieder egal. Die SPÖ habe jedenfalls gleich einige Kandidaten, die das Anforderungsprofil für ein Staatsoberhaupt erfüllen könnten. Dieses ist für ihn ein Ausgleich zwischen Randgruppen und dem Zentrum der Gesellschaft. Zudem müsse der Präsident sowohl grundsatzpolitische Positionen einnehmen als auch Alltagsfragen wahrnehmen. Eine Gelegenheit zum Kennenlernen des roten Kandidaten böte sich bereits kommenden Montag, für den der SPÖ-Klub nicht nur die eigene Fraktion sondern auch Kommunalpolitiker aus dem gesamten Bundesgebiet zu einer Tagung nach Wien gebeten hat. Zwar wird da die Hofburg-Wahl kein offizielles Thema sein. Doch wenn die Kommunalpolitiker schon einmal die Gelegenheiten nutzten, um potenzielle Kandidaten anfassen zu können und live zu spüren, sei dies durchaus ein gewünschter Nebeneffekt, so Schieder. Einer, der kein Hehl aus seiner Kandidatur macht, ist Adrien Luxemburg, im Gegenteil: Der Unternehmer, Mediator, Journalist, Kulturblogger und Dokumentarfilmer bekräftigte seinen Wunsch nach einem Antreten als einziger wirklich unabhängiger Kandidat für die Präsidentschaft am Donnerstag. Er kandidiere als normaler Staatsbürger, seinen Wahlkampf will er über das Internet führen. Vorerst braucht Luxemburg, der als Adrien Weber geboren wurde, erst einmal 6.000 Unterstützungserklärungen für seine Kandidatur. Andreas Khol soll für die ÖVP ins Rennen um die Hofburg gehen. Der Chef des Seniorenbunds soll am Sonntag als Kandidat präsentiert werden. Eine Überraschung, mit der auch in der Partei kaum jemand gerechnet hat.. Wien – Offizielle Nominierung gibt es dafür noch keine, aber am Freitagnachmittag machte ein Gerücht die Runde, das auch hochrangige ÖVP-Mitglieder bestätigten: Andreas Khol, ehemaliger Nationalratspräsident und nunmehriger Chef des ÖVP-Seniorenbundes, soll nach der Absage von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll in die Bresche springen. Khol soll am Sonntag von der Parteispitze als Kandidat für das Amt des Bundespräsidenten präsentiert werden. Khol selbst wollte dem STANDARD ein Antreten noch nicht bestätigen und gab sich in Bezug auf seine eigenen Ambitionen wortkarg: Ich sag gar nix – bis nach dem Parteivorstand. Khol hatte vor ein paar Tagen noch dem niederösterreichischen Landeshauptmann Rosen gestreut und erklärt, dass die Partei Pröll zu Füßen liegt, wenn er es macht. Aber Pröll macht es nicht, wie Obmann Reinhold Mitterlehner am Donnerstagabend bekanntgab. Mitterlehner erklärte auch, dass er darüber seit Weihnachten Bescheid wisse und so Gelegenheit und Zeit genug gehabt habe, einen anderen Kandidaten zu finden. Der soll nun Andreas Khol heißen. Der 74-Jährige war von 2002 bis 2006 Präsident des Nationalrates, seit 2005 ist der Tiroler Obmann des ÖVP-Seniorenbundes, er ist in dieser Funktion auch Mitglied des Parteivorstands. Die Nominierung von Khol dürfte für viele in der ÖVP eine Überraschung darstellen, zuletzt waren viele Namen genannt worden, nicht aber der von Khol. Im Gespräch waren etwa der ehemalige EU-Kommissar Franz Fischler und der ehemalige Raiffeisen-Generalanwalt Christian Konrad, der derzeit die Regierung als Flüchtlingskoordinator berät. Halbert vom Stuhl gefallen Die Absage von Pröll hatte die Parteigranden überrascht, gibt ein schwarzer Grande zu. Und zwar dermaßen, dass einige von uns bei der ZiB 2 halbert vom Stuhl gefallen sind, erzählt ein anderer aus der Partei. Ex-Raiffeisen-General Christian Konrad hat das Ereignis beim berüchtigten Sauschädlessen mitverfolgt. Auch dort, berichtet er dem STANDARD: viele verdutzte Gesichter. Pröll hatte seine Lebensplanung als Begründung genommen, im Grunde war er immer bei dieser Darstellung geblieben, wie er am Freitag auch im Gespräch mit dem STANDARD klarstellte. Mitterlehner beteuerte, er habe nach Prölls Absage den besten Kandidaten gefunden und werde ebendiesen am Sonntag dem Vorstand vorschlagen. Sehr lange blieb Mitterlehners Personalwahl allerdings nicht geheim, auch wenn es am Freitag keine Bestätigung von offizieller Seite dafür gab. Und Khol selbst schwieg. Absagereigen Zuvor hatte es reihenweise Absagen gegeben. Zuerst Konrad (ehrenvoll, aber Humbug). Dann Oberösterreichs Landeshauptmann Josef Pühringer. Nach ihm winkten der frühere EU-Kommissar Franz Fischler und Othmar Karas, ÖVP-Delegationschef im EU-Parlament, ab. Wirtschaftskammer-Präsident Christoph Leitl, selbst als Kandidat gehandelt, sagte auf die Frage des STANDARD, ob die zweite Wahl nun auf ihn gefallen sei: Ich werde mich vor dem Parteivorstand in keiner Weise äußern. Am Sonntag wird der Parteiobmann seine Überlegungen dazu mitteilen. Die dürften allerdings keine Überraschung mehr sein. Der ehemalige Bundessprecher der Grünen will Bundespräsident werden. Am Sonntag startete er seine Kampagne mit einer Pressekonferenz. Wien – Ein Plädoyer für eine neue Gesprächskultur, gewürzt mit etwas Patriotismus: Alexander Van der Bellen positioniert sich als verbindender Hoffnungsbringer. Der Anzug sitzt, ebenso die einstudierten Gesten, und die zentrale Botschaft – Ich bin überzeugt, ich habe eine ernste Chance – wird bei der Antrittspressekonferenz am Sonntag mehrmals und deutlich platziert. Kampagnenchef Lothar Lockl lächelt zufrieden, das Produkt Alexander Van der Bellen, Kandidat für die Bundespräsidentschaftswahl Ende April 2016, ist lanciert. Nun heißt es: Marke schärfen, Bekanntheitsgrad erhöhen, Kaufimpuls erregen. Immer wieder bricht im geschliffenen Auftritt dann doch der verschmitzte Professor durch: Ob es tatsächlich reiner Zufall war, dass seine Autobiografie just wenige Monate vor der Wahlkampagne herauskam? Zu dem Buch hat mich der Verlag überredet, grinst Van der Bellen. Koketter Charme und Selbstironie – diese Charaktermerkmale sind es, die den 71-Jährigen wohl am markantesten abheben vom ÖVP-unterstützten Mitbewerber ums Bundespräsidentenamt, Andreas Khol. Überreden ließ sich Van der Bellen auch zur Kandidatur, monatelang hatte er sich trotz hartnäckigen Drängens der grünen Parteispitze geziert. Nun setzt er auf zwei Parolen: Einerseits appelliert er an Liberale, indem er eine neue Gesprächskultur, eine Kultur des Respekts, der Wertschätzung, des Einander-zuhören-Könnens verspricht. Andererseits unterstreicht er, wie sehr ihm meine Heimat Österreich am Herzen liege, und appelliert damit auch an konservative, patriotischere Wähler. Dieses Land habe mir, dem Flüchtlingskind, große Chancen eröffnet, formuliert der Sohn estnischer Einwanderer. Seine Ankündigung, er würde als Bundespräsident keine FPÖ-Regierung angeloben, hat er ja mittlerweile abgeschwächt. Am Sonntag legt er sich diesbezüglich nicht fest, stellt aber klar, dass die stärkste Fraktion nicht automatisch Anspruch auf den Bundeskanzler (hat) – nicht juristisch, nicht moralisch, gar nicht. Er baue darauf, dass die Menschen, die ihn wählen, ihn auch wegen seiner antiblauen Haltung unterstützen – wodurch sein Favorisieren einer Regierung ohne FPÖ-Beteiligung quasi demokratisch legitimiert sei. Ein Präsident, so Van der Bellen, müsse ein Mindestmaß an Vertrauen in die Bundesregierung, die er angeloben wird, haben. Vielleicht komme es aber erst gar nicht so weit, dass die FPÖ weiter an Popularität gewinne, scherzt er – wer weiß, ob der Hype nicht in zwei Jahren vorbei ist. Wie schon im Antrittsvideo setzt der 71-Jährige auf Optimismus in Zeiten der Krise. Mehrmals bekennt er sich zur Europäischen Integration, warnt vor einer Sprengung der Europäischen Union durch die Rückkehr zu nationalstaatlichem Denken. Dafür, dass Thomas Klestil (ÖVP) die schwarz-blaue Regierung unter Wolfgang Schüssel zu einer proeuropäischen Präambel im Regierungspakt verdonnert hatte, zollte er dem verstorbenen früheren Bundespräsidenten Respekt. Angesprochen auf die jüngsten Übergriffe auf Frauen in Köln, sagt Van der Bellen, diese seien indiskutabel. Wer die Wahrung der Würde der Frauen nicht als Pflicht erachte, der hat in unserer Gesellschaft nichts verloren. Was die Finanzierung des Wahlkampfs und die Verwendung der Gelder betrifft, gelobt Van der Bellen Transparenz – bis hin zur einzelnen Bahnfahrt nach Linz. Details zu etwaigen Unterstützern aus nichtgrünen Lagern will der Kandidat jedoch vorerst nicht preisgeben. Bei der Grünen Jugend herrscht indes Unzufriedenheit mit Van der Bellens Kandidatur. Wenn die Grünen schon einen Kandidaten unterstützen, so die in sozialen Medien offen geäußerte Kritik, so hätte sich dieser auch der Wahl am Bundeskongress stellen sollen. Denn dort, so heißt es, hätte es wegen mancher neoliberaler Positionen des Ökonomen durchaus hitzige Debatten gegeben. Bundessprecher Dankl kritisiert "neoliberale bis rechte Positionen" und Umgehung der Parteidemokratie. Wien – Die Jungen Grünen sehen die Kandidatur des langjährigen Parteichefs Alexander Van der Bellen kritisch. Kay-Michael Dankl, der gemeinsam mit Diana Witzani am 6. Jänner als Bundessprecher der Jugendorganisation bestätigt wurde, erklärt im Gespräch mit dem STANDARD, dass man erstens die Vorgehensweise der Kandidatur sehr skeptisch sehe, zweitens, auch am professoralen Image Van der Bellens und seinen neoliberalen wirtschaftspolitischen Standpunkten einiges auszusetzen habe. Dass über eine Unterstützung der Kandidatur des Wirtschaftsprofessors am Bundeskongress in Villach nicht abgestimmt wurde, stößt der Parteijugend sauer auf. Der Bundeskongress war ja erst vor sieben Wochen, so Dankl zum STANDARD, da wurde eigentlich die Partei und ihre Demokratie umgangen, obwohl Van der Bellen seinen Wahlkampf mit einer grünen Kampagne und Organisation im Hintergrund führt, so Dankl, er ist de facto ein pseudounabhängiger Kandidat. Auch der ehemalige Grüne Bundessprecher der Jungen Grünen, Cengiz Kulac, der im Vorstand der Europäischen Jungen Grünen (FYEG) sitzt, kritisiert auf Facebook, dass laut Statut eine der Aufgaben des Bundeskongresses die Beschlussfassung über die allfällige Nominierung einer/s Grünen KandidatIn für die BundespräsidentInnenwahl sei. Dankl glaubt, dass Van der Bellens wirtschaftspolitisch neoliberal bis rechte Positionen parteiintern sehr umstritten sind, umso mehr wäre eine Diskussion dringend nötig gewesen. Vor allem, dass er für Studiengebühren eintrete und, dass er maßgeblich für die grüne Zustimmung zu Bankenrettung und Euro-Rettungsfonds ESM verantwortlich war. Dankl fürchtet, dass Van der Bellen eine Kürzungspolitik in einer Krise wie in Griechenland oder Spanien auch für Österreich politisch und moralisch legitimieren würde, das wäre für eine politische Bewegung, die sich gegen Kürzungspolitik stellt, recht fatal. Positiv räumt der Bundessprecher der Jungen Grünen dem Professor zumindest ein, dass er gesellschaftspolitisch durchaus liberal ist – und das ist keine Selbstverständlichkeit im heutigen Österreich. Ob die Parteijugend einen anderen Kandidaten aufstellen würde? Dankl: Es bräuchte auch darüber, ob man überhaupt jemanden aufstellen soll, eine größere politische Diskussion. Falsch geschrieben (kohl2016.at) gelangt man zur Seite des Konkurrenten Van der Bellen. Wien – Die Kandidatur von Andreas Khol für die ÖVP bei der Wahl des künftigen Bundespräsidenten hat einen ersten Gag hervorgebracht. Der Blogger und Aktivist Michael Horak hat sich die Domain www.khol2016.at gesichert und sie umgeleitet. Wer über diese Domain zur Wahlkampf-Homepage des katholisch-konservativen Politikers will, wird sich wundern, denn er kann dort für die Gleichstellung von Homosexuellen unterschreiben. Einen weiteren Gag hat sich Mario Wieser, ehemaliger Spitzenkandidat der Piratenpartei, mit der Domain www.kohl2016.at und dem falsch geschriebenen Namen des ÖVP-Kandidaten erlaubt. Wer das eingibt, kommt zur Seite der Initiative Stoppt das Staatsschutzgesetz! Davor führte der Link eine Zeit lang zur Wahlkampf-Homepage des grünen Kandidaten Alexander Van der Bellen. Auf die richtige Homepage kommt man, wenn man www.andreaskhol.at eintippt. Kein "klassischer Wahlkampf" aus der Parteizentrale geplant, offizielle Kür am Freitag. Wien – Es ist wohl kein Zufall, dass SPÖ-Chef Werner Faymann den Sozialminister am Montag ganz besonders zur Neujahrstagung des SPÖ-Parlamentsklubs begrüßte. Dass Rudolf Hundstorfer für die Sozialdemokraten für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren wird, gilt als ausgemachte Sache – und im Unterschied zu Erwin Pröll, dem Doch-nicht-Kandidaten der ÖVP, leistet Hundstorfer zumindest öffentlich keinen Widerstand gegen die Idee. Gegenüber der APA betonte er am Montag gar, bisher nicht Nein gesagt zu haben. Offiziell kürt die Partei ihren Kandidaten erst am Freitag. Doch im Hintergrund ist die SPÖ schon mit Vorbereitungen für einen Hundstorfer-Wahlkampf beschäftigt. Der wird jedenfalls nicht wie ein klassischer Wahlkampf von der Parteizentrale aus geführt, sondern von einem externen Team, wie Parteisprecher Matthias Euler-Rolle sagt. Dieses Team wird sich der Minister selbst zusammenstellen und von der Partei Support aus der zweiten Reihe erhalten, bestätigt SP-Geschäftsführer Gerhard Schmid dem STANDARD. Ein Personenkomitee wird dafür gerade aufgebaut. Das gelte freilich für jeden Kandidaten – Schmid möchte den Gremien nicht vorgreifen. Hundstorfer selbst lässt sich das Pläneschmieden nicht anmerken und tritt vor den nach Wien angereisten roten Klub- und Regierungsmitgliedern, Landeshauptleuten und Bürgermeistern aus den Bundesländern ausschließlich als Sozialminister auf, schwingt keine präsidialen Allgemeinreden. Auch gegenüber der APA verweigerte er – scherzhaft – sämtliche Aussagen. Offen für Hundstorfer sprach sich der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl aus. Er gehe davon aus, dass Hundstorfer als Präsidentschaftskandidat nominiert werde, sagte Niessl. Er hat meine volle Unterstützung, er hat die Unterstützung der burgenländischen Sozialdemokratie, und ich denke, dass er sehr gute Chancen haben wird. Bedeckt bezüglich seiner eigenen politischen Zukunft hielt sich Verkehrsminister Alois Stöger. Kolportiert wird, dass er Hundstorfer im Fall einer Kandidatur als Sozialminister beerben könnte. Tritt Hundstorfer an – und führt den Wahlkampf wie allgemein erwartet nicht parallel zum Ministerjob –, würde das in der roten Hälfte der Bundesregierung jedenfalls das Personalkarussell in Bewegung bringen. Die nötige Umbildung dürfte genauso wie der Präsidentschaftskandidat in den Parteigremien am Freitag beschlossen werden. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder gab sich im Ö1-Mittagsjournal am Montag gelassen darüber, dass die ÖVP Andreas Khol in den Wahlkampf schickt. Ein Kandidat, den er unterstütze, sollte nicht für Schwarz-Blau stehen, meinte er. Es handle sich aber nicht um eine Lager- oder Parteien-, sondern eine Persönlichkeitswahl. Da gehe es auch darum, dass man schon in den eigenen Reihen erste Wahl sei, immerhin solle man ja auch erster Mann oder erste Frau im Staat sein, verkniff sich Schieder einen Seitenhieb nicht: Khol war für die ÖVP die zweite oder dritte Wahl, das ist das, was ich mitgekriegt habe die letzten Tage – aber das ist nicht mein Problem, ich bin zum Glück nicht ÖVP-Funktionär. Ins Auge gefasst ist der 24. April, die Stichwahl wäre dann vier Wochen später. Die Kandidaten stellen derweil ihre Wahlkampfteams zusammen. Wien – Die Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl wagen sich langsam aus der Deckung – auch wenn der Termin noch nicht fixiert ist. Er wird erst nächste Woche vom Ministerrat beschlossen. Ins Auge gefasst ist der 24. April, sollte eine Stichwahl nötig sein, findet sie vier Wochen später, am 22. Mai statt. Angelobt werden muss das neue Staatsoberhaupt am 8. Juli, wenn Heinz Fischers Amtszeit endet. Die Wahl des Bundespräsidenten ist laut Wahlgesetz von der Bundesregierung durch Verordnung im Bundesgesetzblatt auszuschreiben. Diese muss den – im Einvernehmen mit dem Hauptausschuss des Nationalrates festgesetzten – Wahltag und den Stichtag enthalten. In Österreich müssen alle Wahlen entweder an einem Sonntag oder einem gesetzlichen Feiertag stattfinden. Die Kandidatenkür ist bereits voll im Gang: Die ÖVP hat – einigermaßen überraschend – Andreas Khol nominiert, die SPÖ-Gremien werden am Freitag wohl Sozialminister Rudolf Hundstorfer ins Rennen schicken, Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen hat sein Antreten verkündet, Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss will parteiunabhängige Kandidaten sein. Die FPÖ lässt sich mit der Entscheidung noch Zeit. Auch weniger bekannte Persönlichkeiten wie Ex-Millionenshow-Siegerin und Dialekt-Autorin Elfriede Awadalla, Martin Wabl oder Adrien Luxemburg wollen versuchen, die nötigen 6.000 Unterstützungserklärungen zu sammeln. Offiziell möglich ist das ab dem Stichtag (voraussichtlich Ende Februar) – und Zeit dafür ist noch bis vor Ostern. Wird am 24. April gewählt, müssen die Wahlvorschläge spätestens am 18. März um 17.00 Uhr bei der Wahlbehörde eingereicht werden. Die Kandidaten machen sich nun daran, die Wahlkampfteams aufzustellen. Auch Personenkomitees sind geplant. Für ÖVP-Kandidat Khol haben sich etwa bereits viele Unterstützer gemeldet, erklärte eine Sprecherin. Auch das Wahlkampfteam für den ÖVP-Kandidaten werde gerade zusammengestellt. Ein Personenkomitee werde es sicher geben, sagte eine Sprecherin. Derzeit sei alles im laufen. Die Grünen unterstützen den Verein, der sich um Alexander Van der Bellens Wahlkampf kümmert, personell und finanziell. Ein Sprecher erklärte am Dienstag, dass an der Aufstellung eines Personenkomitees für den früheren Grünen-Chef gerade gearbeitet wird. Leiter der Wahlbewegung und deren Sprecher ist der ehemalige Partei-Pressesprecher Lothar Lockl. Zum Vorschlag einer Wahlkampfkostenobergrenze, für eine solche hatten sich Kandidatin Irmgard Griss und zuletzt auch ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner ausgesprochen, will Van der Bellens Team demnächst etwas vorlegen. Ob es tatsächlich zu einem wie von Griss und Mitterlehner angedachten Fairnessabkommen und einer Kostenbeschränkung kommt, ist noch offen. Ebenso wo diese Grenze eingezogen wird. Griss sprach bei ihrer Antrittspressekonferenz von einer Million Euro, Mitterlehner sah dies als zu niedrig an, er rechnet vielmehr mit drei, vier Millionen Euro als unterer Grenze für den Wahlkampf. Die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshofs hat ebenfalls die Unterstützung durch ein Personenkomitee angekündigt, an dessen Zusammenstellung wird gearbeitet. Für die Präsentation des Komitees gibt es noch keinen Termin, dieser soll jedoch nicht vor Februar stattfinden. Van der Bellen und Khol seien ebenso wie alle anderen Kandidaten, die ihr Antreten noch bekannt geben, eingeladen, das von Griss vorgeschlagene Fairness- und Transparenzabkommen zu unterzeichnen. Wir werden uns gemeinsam an den Tisch setzen, erklärte Kampagnenleiter Milo Tesselaar. Ein Schiedsgericht sollte demnach die Einhaltung der Vereinbarung überprüfen. Angesprochen auf die von Mitterlehner genannte untere Grenze von drei, vier Millionen Euro an Wahlkampfkosten, meinte Tesselaar: Ein Abkommen macht nur dann Sinn, wenn viele daran teilnehmen. Man müsse sich auf eine Zahl einigen, die für alle passt. Für den Wahlkampf der ehemaligen OGH-Präsidentin sei bereits weit über eine Viertel Million Euro gespendet worden. Der frühere Grünen-Chef hält die europafeindliche Haltung der FPÖ für einen guten Grund, Strache nicht als Kanzler anzugeloben. STANDARD: War und ist es tatsächlich Ihr Lebensziel, in die Hofburg einzuziehen? Man hätte Ihnen eine andere Lebensplanung zugetraut, eine weniger formelle. Warum tun Sie sich das an? Van der Bellen: Ich habe mir das schon gut überlegt. In dieser Situation habe ich eine ernste Chance. Ich bin natürlich ein Außenseiter, da ich weder aus einem roten noch aus einem schwarzen Parteiapparat bin. Aber ich habe eine Chance, und die werde ich nützen. STANDARD: Welche Rolle spielt Eitelkeit bei dieser Entscheidung? Van der Bellen: Eitelkeit ist ein schlechter Ratgeber in solchen Fällen. Ich mache mir keine Illusionen über die zeitlichen Bindungen, man nimmt ununterbrochen Termine wahr, sei es mit Ministern, sei es mit Bürgerinnen und Bürgern. Aber ich stelle mir das spannend vor, sonst würde ich das nicht machen. STANDARD: Aber es engt einen auch sehr ein, in jeder Hinsicht. Van der Bellen: Milton Friedman sagte: There is no free lunch. STANDARD: Wie groß war der Druck aus der Partei? Van der Bellen: Eva Glawischnig hat wenig verwunderlich kein Hehl daraus gemacht, dass sie sich das wünscht. Unabhängig davon habe ich mich im Herbst dazu entschlossen, das zu machen. STANDARD: Bei der letzten Wahl, zu der Sie als Bundessprecher angetreten sind, das war 2008, fielen die Grünen von elf auf zehn Prozent zurück. Und da wurde noch kritisiert, dass der Wahlkampf zu sehr auf Sie zugeschnitten war. Jetzt wollen Sie mit einem Persönlichkeitswahlkampf punkten. Wie soll das gehen? Van der Bellen: Das ist eine ganz andere Wahl. Die Bundespräsidentenwahl ist per definitionem eine Persönlichkeitswahl. Da stehen keine Parteien zur Auswahl, sondern Personen – mit dem zusätzlichen Aspekt, dass keiner der jetzigen Kandidaten mit Sicherheit damit rechnen kann, ohne Stichwahl durchzukommen. Das wird interessant. STANDARD: Wenn Sie eine Chance auf die Stichwahl haben wollen, müssten Sie mehr punkten als je zuvor. Sie müssten weit über das grüne Stammpublikum hinaus reüssieren. Besteht da nicht auch die Gefahr, die Ideale der Grünen verraten und sich in Ihren Ansichten und Äußerungen verbiegen zu müssen? Van der Bellen: Nein, das glaube ich nicht. Was etwa das Ökologische betrifft, auf keinen Fall. Menschen machen sich Sorgen wegen des Klimawandels weit außerhalb der grünen Bewegung. Und im Übrigen trifft es auf alle Kandidaten zu, dass sie, um eine Chance zu haben, weit über das jeweilige Parteipotenzial hinaus Zustimmung finden müssen. STANDARD: Andreas Khol hat ganz klar gesagt, dass er Heinz-Christian Strache als Kanzler angeloben würde, wenn die FPÖ stärkste Partei werden würde. Warum tun Sie sich mit dieser Frage so schwer? Van der Bellen: Es ist manchen Leuten, auch Journalisten, zu wenig klar, dass der Bundespräsident mit absoluter Mehrheit des Volkes gewählt werden muss, sonst wäre er kein Bundespräsident. Wenn er oder sie gewählt wird, wird man die Positionen in wichtigen Fragen kennenlernen. Eine wichtige Frage ist der Zusammenhalt der Europäischen Union. Ich mache mir große Sorgen darüber, dass die Europäische Union in der größten Krise seit ihrer Geburt steckt, dass die Sprengkräfte zunehmen, dass die Zentrifugalkräfte stärker werden. Ich würde es für den größtmöglichen politischen Fehler halten, dieses Auseinanderdriften der EU auch noch zu befördern. STANDARD: Und das ist ein Grund, Strache als Kanzler zu verhindern? Van der Bellen: Die FPÖ, so wie sie sich derzeit darstellt, fährt auf der Linie, die Union sei schädlich und überflüssig, also zurück zu den Zwergstaaten. In dieser Situation wird sich jeder Bundespräsident, der an die Notwendigkeit einer europäischen Einheit glaubt, sehr schwertun, einen Kanzler anzugeloben, der genau das Gegenteil vertritt. Das möchte ich auch Herrn Khol in Erinnerung rufen. STANDARD: Ist es nicht undemokratisch, den Kandidaten einer Partei, die stärkste Kraft ist, nicht anzugeloben? Das stünde doch dem Wählerwillen entgegen. Van der Bellen: Auch der Bundespräsident ist demokratisch gewählt, mit einer absoluten Mehrheit des Volkes. Wir hätten dann eine schwierige Situation, das leugne ich nicht, das müsste man verfassungspolitisch nach allen Richtungen ausloten. Aber eine Automatik, dass der Chef der relativ stärksten Partei den Kanzler stellt, die sehe ich nicht. STANDARD: Derzeit wird intensiv über Obergrenzen für die Aufnahme von Flüchtlingen diskutiert. Was ist Ihre Position? Ist diese Diskussion legitim? Voriges Jahr gab es 90.000 Asylwerber, heuer sollen es noch einmal mehr als 100.000 werden. Was ist Ihre Meinung zu Obergrenzen? Van der Bellen: Die Diskussion als solche ist legitim. Aber ich möchte schon in Erinnerung rufen, dass die Genfer Flüchtlingskonvention Gesetzesrang hat und die Europäische Menschenrechtskonvention Verfassungsrang. Asyl ist ein Recht. Es ist juristisch daher überhaupt nicht klar, was diese Diskussion über Obergrenzen bedeuten soll. Andererseits sind wir uns natürlich alle bewusst, dass es bei der Unterbringung Grenzen geben kann. Nur weiß niemand, wo diese sind. Solange sich die Situation im Nahen Osten, vor allem der Krieg in Syrien, nicht ändert, wird dieser Druck bleiben. Also ist es sinnvoll, mit der Türkei zu reden, wie das die EU derzeit macht. Aber solange die Kriegssituation nicht beendet ist, werden Menschen fliehen. Menschen werden versuchen, aus den Lagern im Libanon und in Jordanien herauszukommen. Wenn die dort schon drei, vier Jahre stecken: Was ist mit den Kindern? Die können nicht in die Schule gehen, erhalten keine Ausbildung. Bei allem Respekt vor den Sorgen der Menschen, wir werden in der Union nach Wegen suchen müssen, das Schlimmste zu verhindern, dass diese Menschen sterben, verhungern, im Meer ertrinken. STANDARD: Es ist aber nicht gesagt, dass Österreich diese Flüchtlinge aufnehmen muss. Van der Bellen: Das ist wahr. Es ist extrem unbefriedigend, dass Schweden, Österreich und Deutschland die Hauptverantwortung für die Aufnahme tragen sollen. Das gilt insbesondere für die Haltung von Polen oder Ungarn, die selbst die Erfahrung hatten, dass Menschen aus ihren Ländern geflüchtet sind und Aufnahme gefunden haben. Diese Länder verhalten sich nicht konstruktiv. STANDARD: Heftige Kritik an Ihrer Kandidatur kommt ausgerechnet aus den eigenen Reihen. Die Jungen Grünen kritisieren die undemokratische Vorgangsweise, Ihr professorales Image und die neoliberalen wirtschaftspolitischen Standpunkte. Es kommt offenbar auch in der eigenen Partei schlecht an, dass Sie für Studiengebühren eingetreten sind und für die grüne Zustimmung zur Bankenrettung und zum Eurorettungsfonds ESM verantwortlich waren. Van der Bellen: Es wären nicht die Jungen Grünen, wenn sie nicht überall, wo es geht, Widerstand leisten würden. Das habe ich ja schon selber zur Genüge erlebt. Wo denn meine Positionen neoliberal sein sollen, das würde ich gerne näher mit ihnen diskutieren. Ich finde, die Vorgangsweise meiner Kandidatur war richtig. Es macht schon einen symbolischen Unterschied, wenn man erklärt, jawohl, ich stelle mich als Kandidat zur Verfügung, und ich freue mich über jede Unterstützung, ob sie jetzt aus der Zivilgesellschaft oder aus meiner Partei, den Grünen, kommt, oder ob man sich von einem Parteigremium als Parteikandidat nominieren lässt. Das ist ein feiner, aber für mich wichtiger Unterschied, dass ich als Person kandidiere. Ich freue mich über die Unterstützung der Grünen, die wird auch notwendig sein. STANDARD: Es heißt, Sie sind ein pseudounabhängiger Kandidat. Ihre Kampagne wird von den Grünen finanziert, Ihre Mitarbeiter sind Mitarbeiter der Grünen. Van der Bellen: Zu einem Teil. Lothar Lockl, der Leiter meiner Wahlbewegung, ist selbstständiger Unternehmer. Und es gilt für alle, dass sie eine Organisation im Hintergrund brauchen, die einen Wahlkampf organisiert. Da mache ich mir nichts vor, da mache ich auch Ihnen nichts vor. STANDARD: Selbst bei den Grünen heißt es, Sie wären der perfekte Kandidat, wenn Sie eine Frau wären. Gibt es auch weibliche Seiten an Ihnen, die Sie im Wahlkampf einbringen können? Van der Bellen: Ich weiß nicht, wie ich mit dieser Frage umgehen soll. Eine Kollegin von Ihnen hat gesagt, der Text meines Videos habe eine weibliche Seite. STANDARD: ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner hat Andreas Khol bei der Präsentation mit Mick Jagger verglichen. Welcher Vergleich würde Ihnen schmeicheln? Bob Dylan oder vielleicht doch Joan Baez? Van der Bellen: Musikalisch gesehen habe ich die Rolling Stones den beiden, die Sie genannt haben, immer vorgezogen. STANDARD: Also müssen Sie sich musikalisch doch mit Andreas Khol messen. Van der Bellen: Das ist ein Pech. Aber einer meiner Lieblingsmusiker ist Ornette Coleman. STANDARD: Ein Free Jazzer, Saxofonist. Der ist eher anspruchsvoll. Van der Bellen: Das schon, man muss sich gewöhnen. STANDARD: Sollten Sie es in die Hofburg schaffen, müssen dort mehr Aschenbecher aufgestellt werden? Rauchen geht noch gut? Van der Bellen: Man kann sein Leben schon umstellen, aber nicht total. Also ich werde mich mäßigen. Aber ich habe eine Hypothese über die Laster, die man hat: Wenn man das eine Laster aufgibt, welches andere nimmt man dann? (Michael Völker, 13.1.2016) FPÖ-Chef zu Kandidatur: "Wäre guter Bundespräsident, aber ein besserer Bundeskanzler". Wien – Die Freiheitlichen lassen sich mit der Nominierung eines Kandidaten für die Wahl des Bundespräsidenten weiter Zeit. Die FPÖ werde frühestens Ende Jänner, spätestens Mitte Februar eine Entscheidung treffen, sagte Parteichef Heinz-Christian Strache bei einer Pressekonferenz am Mittwoch. Nun warte man einmal ab, wen die SPÖ ins Rennen schickt. Wir haben keinen Zeitdruck. Man schöpfe aus vollen Personalreserven, sagt Strache – ins Spiel bringt er etwa Josef Moser, Präsident des Rechnungshofs, und Volksanwalt Peter Fichtenbauer. Auch die Unterstützung eines überparteilichen Kandidaten stehe im Raum. Vielleicht werde man auch noch den einen oder anderen zu einem Hearing einladen, wie es Irmgard Griss bereits getan hat. Eine Unterstützung des ÖVP-Kandidaten Andreas Khol schließt Strache dagegen jetzt schon aus: Bis dato sind alle Kandidatenvorschläge, die wir haben, durchaus Kompromisse, aber noch nicht der Optimalzustand für uns. Auf weitere Nachfrage verneint Strache, dass eine Unterstützung Khols denkbar wäre, weil man den Optimalzustand anstrebe – und der sei, dass wir einen geeigneten Kandidaten finden, dem wir zutrauen, dass er die rot-schwarze Ausgrenzung überwinden kann. Nach einer eigenen Kandidatur gefragt – FPÖ-interne Überlegungen wurden zuletzt kolportiert –, lässt sich Strache alle Möglichkeiten offen: Ausschließen soll man im Leben gar nichts. Er wäre sicherlich ein guter Bundespräsident, aber ein besserer Bundeskanzler, so Strache über sich selbst. Kritik übt der Parteichef an Alexander Van der Bellen, der zumindest angedeutet hat, eine Regierung unter Strache nicht angeloben zu wollen. Ein Bundespräsident habe demokratische Mehrheiten zu akzeptieren, sagt Strache, wer das nicht tut, stellt sich außerhalb des österreichischen Verfassungsbogens. Man habe es mit der Wahl eines Bundespräsidenten, nicht mit der eines Diktators zu tun. Mitarbeiter des Sozialministers kam auf Besitzer zu. Wien – Langsam, aber sicher bereitet sich die SPÖ auf Rudolf Hundstorfers Präsidentschaftswahlkampf vor. Der Wiener Kommunikationsberater Yussi Pick berichtet auf seinem Blog, dass ein Mitarbeiter von Hundstorfers Sozialministerium am Mittwoch auf ihn zugekommen sei, um die Domain hundstorfer2016.at von ihm zu übernehmen. Pick hat die Domain laut eigenen Angaben bereits im Frühjahr 2015 registriert, nachdem DER STANDARD über Domainregistrierungen anderer Kandidaten berichtet hatte. Der Berater zeigt sich erstaunt, dass sich die SPÖ so lange damit Zeit gelassen hat, sich um die Domain zu kümmern – immerhin will die Partei schon am Freitag ihren Kandidaten für die Wahl zum Bundespräsidenten verkünden. Pick selbst schreibt, er habe die Domain nur registriert, um vorzuführen, wie dilettantisch gearbeitet wird – auf Nachfrage stelle er sie gern zur Verfügung. Die "Millionenshow"-Gewinnerin El Awadalla, eine "richtige Linke", und der pensionierte Richter Martin Wabl wollen antreten. Wien/Fürstenfeld – Martin Wabl ist aus der Versenkung aufgetaucht, irgendjemand habe ihm erzählt, dass er in der Zeitung gestanden ist. Kann sein, dass er nach den vielen Festtagen etwas überfeiert gewesen sei, sein Handy hatte er auch nicht eingeschaltet, sein Mitarbeiter sei auf Urlaub gewesen, die Homepage nicht aktuell. Aber jetzt sei er wieder da, meldete sich Wabl beim STANDARD, und es gelte nach wie vor: Jawohl, er möchte bei der Bundespräsidentenwahl als Kandidat antreten. Dreimal ist der pensionierte Richter aus der Steiermark an der Hürde von 6000 Unterstützungserklärungen bereits gescheitert, aber man lernt dazu, er habe ein gutes Netzwerk aufgebaut und bemühe sich rechtzeitig um ausgefüllte Formulare, auch wenn die Eintragungsfrist erst am 23. Februar beginne. Und vielleicht ist ihm auch sein Bruder, der ehemalige Grünen-Nationalratsabgeordnete Andreas Wabl, behilflich – sie seien jedenfalls in gutem Kontakt. Budget habe Wabl keines, aber viele Leute, denen er schon geholfen habe. 6000 Unterstützungserklärungen seien gar nicht so leicht zu sammeln, aber er sei voll im Einsatz und unterwegs bei Veranstaltungen. Seine Themen seien gerechter Lohn und gerechte Pensionen, im Übrigen freue sich der 71-Jährige schon sehr auf die Fernsehdiskussionen. Auch El (vormals Elfriede) Awadalla will als Bundespräsidentin kandidieren. Die 59-jährige Dialektautorin kam 2005 zu größerer Bekanntheit, als sie bei der Millionenshow eine Million Euro gewann. Seither unterstütze sie verschiedene linke Projekte und Parteien. Zuletzt kandidierte sie für die Liste Wien Andas bei den Wiener Gemeinderatswahlen im November 2015. Dass ich eine richtige Linke bin, ist sicher ein Alleinstellungsmerkmal, das mir nutzen wird, sagt Awadalla im Gespräch mit dem Standard. Vor allem durch ihr Engagement im Sozialbereich will sie sich von den anderen Kandidaten abheben. Awadalla tritt für ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro für alle, also auch Flüchtlinge, ein. Ihre Kampagne soll im Laufe der nächsten Woche auch in den sozialen Netzwerken lanciert werden. Dass sie an den 6000 Unterschriften scheitern könnte, glaubt Awadalla nicht. Wien Andas hat für die Gemeinderatswahlen allein in Wien 4500 Unterschriften sammeln können, sagt sie. Da halte ich es schon für wahrscheinlich, die 6000 zu schaffen. Hofburgkandidatin Irmgard Griss erhielt bisher 291.491 Euro von 277 Einzelspendern. Wien – Irmgard Griss hat am Freitag auf ihrer Homepage einen Zwischenstand der Spenden für ihre Hofburgkandidatur veröffentlicht. Bisher wurden demnach 291.491 Euro für die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs (OGH) überwiesen. Umgelegt auf die 277 Spenderinnen und Spender ergibt das im Schnitt 1.052,31 Euro pro Person. Der Median liegt bei 100 Euro, das heißt, die Hälfte aller Spenden ist höher als hundert Euro, die andere niedriger. In der Spenderliste finden sich viele Juristen, darunter auch sehr prominente wie der Wiener Steuerrechtsprofessor Werner Doralt, dem eine Bundespräsidentin Griss ebenso tausend Euro wert ist wie dem ehemaligen Verfassungsrichter und Professor für Finanzrecht an der Uni Graz, Hans Georg Ruppe, und dem ehemaligen Präsidenten des Oberlandesgerichts Graz, Heinz Wietrzyk. Grazer Solidarität – von dort stammt Griss – mit hohem Bekanntheitsfaktor findet sich bei einem weiteren Namen: 2.500 Euro stammen von Julius Kraft-Kinz, einem emeritierten Professor für Chirurgie der Karl-Franzens-Universität. Einen sehr prominenten Hintergrund hat die dritthöchste Summe in der Spenderliste: Marinos Yannikos, Gründer des Online-Preisvergleichsportals geizhals.at, überwies, wie er betonte, als Privatperson 20.000 Euro an Griss. Der Internet-Unternehmer hat schon einmal eine politische Gruppierung großzügig unterstützt, indem er 2014 bei der EU-Wahl für die Kampagne von Martin Ehrenhausers Europa anders 16.344 Euro zur Verfügung stellte. Mit dem fünffachen Betrag (100.000 Euro) der Yannikos-Spende ganz vorne in der Rangliste liegt weiterhin Cattina Leitner, auch eine Juristin mit Vergangenheit als Richterin am Landesgericht für Zivilrechtssachen Graz und derzeit unter anderem Vorsitzende des Unirats der Med-Uni Graz. Den bisher zweithöchsten Betrag überwies mit 50.000 Euro Ferdinand Sorger senior. Drei weitere Spender sind mit je 10.000 Euro aufgelistet. Es gibt aber auch viele Menschen, die mit kleinen Beträgen von zehn Euro aufwärts die Kandidatur der Leiterin der Hypo-Kommission unterstützen und sich auch öffentlich dazu bekennen wollen. Das tut auch eine ehemalige ÖVP-Politikerin: Die Tirolerin Therese Lukasser saß einmal im Bundesrat und unterstützt nun – zumindest finanziell – die unabhängige Kandidatin ohne Parteiapparat hinter sich mit tausend Euro. Die SPÖ-Gremien nominierten Rudolf Hundstorfer als Kandidaten für die Hofburg. Wien – Es kam dann anders, als eine Woche zuvor bei der Präsentation des schwarzen Hofburganwärters. Nämlich so, wie es seit Tagen medial kolportiert wurde. Die SPÖ hat am Freitag Sozialminister Rudolf Hundstorfer einstimmig als Kandidat für die Bundespräsidentenwahl nominiert. Auch die Minister-Rochaden im roten Regierungsteam wurden ohne abweichende Stimmen beschlossen. Parteichef Werner Faymann durfte also am späten Freitagnachmittag freudig bekanntgeben: Mit großer emotionaler und politischer Zustimmung unterstützt die Sozialdemokratie unseren Rudi Hundstorfer. Der joviale Spitzname dürfte sich durch die Wahlkampagne ziehen. Der Wiener Kommunikationsberater Carl Yussi Pick, der sich bis Donnerstag die URL hundstorfer-2016.at gesichert hatte, ließ tags darauf wissen, die Domain wechsle jetzt zur SPÖ – bis es so weit ist, sei er darum gebeten worden, auf rudi-hundstorfer.at zu verweisen. Bloß war die Website am Freitag nur mit Passwort zugänglich. Nach Vorstands- und Präsidiumssitzung im SPÖ-Parlamentsklub hob der rote Kandidat im Presseklub Concordia zur ersten Übung in Sachen staatstragende Rede an. Er sei mit dem Erreichten niemals zufrieden (die Opposition übrigens auch nicht, mehr dazu später), wolle den sozialen Zusammenhalt sichern. Womit Hundstorfer gleich bei der Causa prima, die auch den Präsidentschaftswahlkampf beherrschen dürfte, angelangt war: Österreichs Umgang mit Flüchtlingen. Und weil die ÖVP immer lauter für eine Obergrenze trommelt, musste Hundstorfer auf Journalistenfrage dazu Stellung beziehen: Sie wissen, dass wir nicht die Welt retten können. Dass wir nicht alle 60 Millionen Flüchtlinge weltweit aufnehmen können. Aber das Thema kann man nur mehrstufig lösen. Sein Stufenmodell umfasst Hotspots, Zusammenarbeit mit der Türkei, Probleme vor Ort lösen. Gleichzeitig betonte Hundstorfer: Wir wollen Menschen in Not nicht einfach im Regen stehen lassen. Die Idee des Regierungspartners, ab einer zahlenmäßig noch nicht definierten Obergrenze Menschen in Pufferzonen unterzubringen und nicht mehr ins Land zu lassen, konterte er: Wo Menschen aus Kriegsgebieten geflohen sind, können wir nicht die Tür zu machen. Worte von einem, der nie gleichgültig, nie ignorant, nie zynisch, nie von oben herab agiert, findet SPÖ-Chef Werner Faymann. Worte von einem, dessen Stärke Reformverweigerung sei, finden die Neos. Und dessen Leistungsbilanz nur für Realitätsverweigerer ein Empfehlungsschreiben für die Hofburg sei, finden die Blauen. Deren potenzielle Regierungsbeteiligung wollte Hundstorfer mit Verweis auf notwendige stabile Mehrheiten übrigens nicht ausschließen. Böser ätzen als die FPÖ konnte nur noch ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner, für den Hundstorfer nur ein gut aufgelegter, flotter Ballbesucher ist. Die mit seiner Nominierung ausgelöste Umbildung in der roten Regierungsmannschaft erinnert Mitterlehner an das Wienerlied Schön ist so ein Ringelspiel: Dreht sich schnell und kost nicht viel. Zur Erinnerung: In Hundstorfers Fußstapfen als Sozialminister tritt Allzeit-Ablösekandidat Alois Stöger. Dessen Infrastrukturressort übernimmt Noch-Verteidigungsminister Gerald Klug. Im Heeres- und Sportressort kommt es zur einzigen roten Neubesetzung: Hans Peter Doskozil, der burgenländische Polizeichef, der sich im Sommer in Zusammenhang mit den 70 toten Flüchtlingen in einem Kühl-Lkw und seinem Handling des Flüchtlingsandrangs beim Grenzübergang Nickelsdorf einen Namen gemacht hat, wird Verteidigungsminister. Und soll in dieser Funktion ÖVP-Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ein frischer Widerpart sein. Am Freitag blieb er wortkarg. Der Tag sollte ja zur Gänze auf Rudolf Hundstorfer ausgerichtet sein. Kanzler Faymann will zunächst Bundespräsident Heinz Fischer über den geplanten Wechsel im roten Team informieren. Erst am 26. Jänner soll es dann zum Regierungsumbau kommen. Hundstorfer sagte in Richtung seiner Kritiker, es sei klar, dass da jetzt nicht nur Liebesbezeugungen kommen. Er wünscht sich aber dringend ein Fairnessabkommen. 'Rudolf Hundstorfer galt schon einmal als Notnagel und legte einen späten Aufstieg hin. Wien – Rudolf Hundstorfer ist nicht das, was man eine Rampensau nennt. Die Stimme ist zu leise für Mikrofone, seine Formulierungen liefern selten Schlagzeilen. Vor der Kamera wirkt der 64-Jährige spröder als er im echten Leben ist, das Scheinwerferlicht kann ihm bei so manchem Anlass gestohlen bleiben – etwa wenn Hundstorfer, im kleinen Kreis und ohne Journalisten, Flüchtlingslager oder Sozialprojekte besucht. Es ist die Aura des angegrauten Gewerkschaftsfunktionärs, die manche SPÖ-Kollegen für die Präsidentenwahl Schlimmes befürchten lässt. Ein Typ wie Hundstorfer, glauben Genossen, ziehe maximal bei roten Stammwählern Unklar, ob Partei bereits Entscheidung trifft. Wien – Die FPÖ hält am Mittwochnachmittag einen Parteivorstand in Wien ab. Dabei soll laut Auskunft aus der Partei über eine Kandidatur zur Bundespräsidentschaftswahl beraten werden. Ob es bereits zu einer Entscheidung kommt, ist offen – ausgeschlossen ist es aber laut FP-Informationen nicht. Offiziell präsentiert werden dürfte ein allfälliger blauer Amtsanwärter am selben Abend aber noch nicht, hieß es. Die Spekulationen um mögliche Kandidaten gingen am Dienstag unterdessen weiter. Die Gratiszeitung heute brachte die Nahostexpertin Karin Kneissl ins Spiel, diese sagte aber bereits ab: Entgegen anders lautender Meldungen wird Karin Kneissl NICHT zur Bundespräsidentenwahl 2016 antreten, hieß es auf ihrer Homepage. Die FPÖ hat laut Kneissl letzte Woche bei ihr angefragt, ob sie für die Partei für das Amt des Bundespräsidenten kandidieren wolle. Zwischen dem 13. und 14. 1. erhielt ich mehrere Anfragen, u.a. seitens der FPÖ und auch privater Initiativen, ob ich mir vorstellen könnte, bei den Bundespräsidentenwahlen zu kandidieren. Sie habe zu sämtlichen Anfragen nein gesagt. Ich habe sämtliche Angebote abgelehnt, da ich mir die Position der unabhängigen Analystin in den letzten 18 Jahren teils unter Entbehrungen erarbeitet habe, schrieb die Expertin am Dienstag auf ihrer Homepage. Außerdem kenne sie die Zwänge, die das Amt mit sich bringt, zumal ich in meiner Zeit als Diplomatin mit einigen Bundespräsidenten zusammengearbeitet habe. Sie verwies darauf, dass es ihr in den letzten Jahren gelungen sei, an Universitäten in Israel, Libanon und im Iran gleichermaßen als Referentin zu Energiefragen und Nahostpolitik vorzutragen. Die geistige Unabhängigkeit ist der Luxus, den ich mir stets geleistet habe, so Kneissl. Die Oberösterreichischen Nachrichten berichteten unterdessen, dass derzeit der Dritte Nationalratspräsident Norbert Hofer laut Informationen mehrerer FP-Granden der eindeutige Favorit sei. In dessen Büro wurde gegenüber der APA hingegen erklärt, an seiner Position – wonach er eine Kandidatur nicht anstrebe – habe sich nichts geändert. Bereits Ende des vergangenen Jahres hatte Hofer festgehalten, er fühle sich mit 44 Jahren ehrlich gesagt als noch zu jung für dieses Amt. Neben Hofer hatte FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache in der Vergangenheit auch den Wiener Vizebürgermeister Johann Gudenus, die zur FPÖ gewechselte ehemalige ÖVP-Politikerin Ursula Stenzel, Rechnungshof-Präsident Josef Moser, die Abgeordneten Harald Stefan und Johannes Hübner sowie Volksanwalt Peter Fichtenbauer als mögliche Kandidaten genannt. Auch die EU-Abgeordnete Barbara Kappel und Ex-Justizminister Dieter Böhmdorfer wurden medial als potenzielle FPÖ-Kandidaten gehandelt. Ein SPÖ-Mitarbeiter widmete dem FPÖ-Nationalratspräsidenten Qualtingers "Krüppellied". Wien – SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer hat sich am Freitag für einen Tweet eines Mitarbeiters der Parteizentrale entschuldigt. Ein SPÖ-Angestellter hatte dem nach einem Sportunfall behinderten Dritten Nationalratspräsidenten Norbert Hofer (FPÖ) Helmut Qualtingers Krüppellied gewidmet. Wie Hundstorfers Sprecher der APA sagte, hat sich der Sozialminister dafür bei Hofer entschuldigt. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl hatte Hundstorfer zuvor aufgefordert, den Urheber des Tweets, den Parteimitarbeiter Paul Pöchhacker, aus seinem Wahlkampfteam abzuziehen. Pöchhacker hatte das Krüppellied mit dem Hinweis Für Hofer Norbert via Twitter verbreitet. Laut einem Bericht der Gratiszeitung Heute entschuldigte sich Pöchhacker aufrichtig für diese Grenzüberschreitung zwischen Scherz und Geschmacklosigkeit und wollte niemanden verletzen. Der Tweet wurde mittlerweile gelöscht. Hofer betonte, er habe die Entschuldigung angenommen. Hundstorfer habe ihm versichert, dass der Mitarbeiter nicht in seinem Wahlkampfteam sein werde. In der SPÖ-Zentrale hieß es dazu allerdings lediglich, dass es derzeit noch kein Wahlkampfteam gebe, in dem Pöchhacker mitarbeite. Dar Krüppellied stammt von dem Kabarettisten Peter Hammerschlag. In Qualtingers Interpretation wurde es mit Textzeilen wie Wenn ich mal trüber Laune bin, dann geh ich zu den Blinden und lache mir den Buckel krumm, wenn sie die Tür nicht finden zum morbiden Klassiker, aber, wie Hofer betont: Wenn man diesen Text eines Liedes jemandem widmet, dann ist das besonders schlimm. Letztlich laufe das auf eine Beleidigung aller behinderten Menschen hinaus. Und: Man wird sehen, ob sich die SPÖ von dem Mitarbeiter trennt. Entwurf wird am Montag anderen Kandidaten übermittelt, Kostenbegrenzung auf 2,5 Millionen Euro vorgeschlagen. Wien – Alexander Van der Bellen hat einen Entwurf für ein Fairnessabkommen im Präsidentschaftswahlkampf vorgelegt. Es soll einen fairen, transparenten, sparsamen und kurzen Wahlkampf sicherstellen, heißt es in dem Entwurf. Wie Van der Bellens Wahlkampfleiter Lothar Lockl der APA erläuterte, soll der Entwurf den bisher feststehenden Kandidaten Andreas Khol (ÖVP), Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Irmgard Griss am Montag übermittelt werden. In den nächsten ein bis zwei Wochen will man sich zusammensetzen und darüber beraten. Angelehnt ist der Entwurf an das Abkommen aus dem Wahlkampf Heinz Fischers gegen Benita Ferrero-Waldner. Konkret schlägt Van der Bellen eine Kostenbeschränkung von 2,5 Millionen Euro pro Kandidat vor. Er liegt damit in der Mitte der von ÖVP-Obmann Reinhold Mitterlehner genannten drei bis vier Millionen und der von Griss genannten einen Million und deutlich unter den im Gesetz festgeschriebenen sieben Millionen. Der Betrag soll nicht ab dem Stichtag 24. April sondern schon ab 1. Jänner gelten, alle Ausgaben und Spenden umfassen und auch nicht umgangen werden können, etwa indem über andere Personen oder Rechtsträger abgerechnet wird. Sämtliche Einnahmen aus Spenden oder sonstige Zuwendungen sowie alle Ausgaben sollen lückenlos offengelegt werden. Die Kandidaten sollen sich verpflichten, Dirty Campaigning, persönliche Angriffe, Diffamierungen oder persönliche Herabsetzungen zu unterlassen. Alle Kandidaten mit ausreichenden Unterstützungserklärungen sollen gleiche Chancen haben ihre Vorstellungen den Wählern zu präsentieren, insbesondere auch im öffentlich-rechtlichen ORF. Kontrolliert soll das Abkommen von einem Schiedsgericht werden, dem je ein Vertreter einer Vertragspartei sowie ein unabhängiger, gemeinsam zu bestellender Vorsitzender angehören soll. Entscheidungen des Schiedsgerichts sollen nach nach dem Konsensprinzip erfolgen, wobei das von jenem Kandidaten entsandte Mitglied, der von einer Entscheidung betroffen ist, kein Stimmrecht hat. Entscheidungen des Schiedsgerichts sollen umgehend im Wege der Austria Presseagentur veröffentlicht werden. Griss begrüßte die Idee eines Fairnessabkommens am Sonntag. In einer Aussendung verwies sie auf ihren eigenen diesbezüglichen Vorschlag und bezeichnete es als gutes Zeichen, dass sich Van der Bellen dem zu überwiegenden Teilen angeschlossen habe. Griss meinte, dass sie den Standard gesetzt habe, Spenden zu 100 Prozent offenzulegen. Van der Bellen ziehe nun nach, wenn auch mit Verzögerung. Das ist ein Erfolg und gibt uns Zuversicht, dass wir mit Impulsen wie diesen in den kommenden Monaten einen sachlichen und lösungsorientierten Diskurs führen und gemeinsam die politische Kultur weiter einwickeln werden. Wahlkampfkostenbeschränkung und Fairnessabkommen von allen Kandidaten gewünscht. Wien – Eine Obergrenze soll auch im Präsidentschaftswahlkampf eine Rolle spielen: eine für Wahlkampfkosten. Alle bisher bekannten Kandidaten können sich ein Limit vorstellen – bezüglich dessen Höhe gibt es jedoch unterschiedliche Ansichten. Der Vorstoß kam von Irmgard Griss, ihr Wahlkampf ist spendenfinanziert. Die ehemalige Präsidentin des Obersten Gerichtshofs fordert eine Kostengrenze von einer Million Euro. Der grüne Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen kann dem Vorschlag etwas abgewinnen, setzt die Grenze höher an – bei 2,5 Millionen Euro. Die Regierungsparteien dürften mehr Geld zur Verfügung haben, ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner würde die Kosten für den Wahlkampf von Andreas Khol zwischen drei und vier Millionen limitieren. Ähnlich formulierte es SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer bei seiner Antrittspressekonferenz – wie hoch die Grenze genau sein soll, will sein Wahlkampfteam noch festsetzen. Gesprächsbedarf gibt es auch noch beim Fairnessabkommen: Dass es eines geben soll, darüber sind sich die Kandidaten einig. Wie es aussehen soll, ist jedoch noch unklar. Hundstorfer und Khol sind gesprächsbereit, wollen aber warten, bis alle Kandidaten feststehen. SPÖ-Kampagnenleiter Nedeljko Bilalic will sich in den kommenden 14 Tagen mit den anderen Wahlkampfteams treffen und ein solches Abkommen vereinbaren. Im Wahlkampf 2004, bei dem Heinz Fischer gegen die damalige ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner antrat, gab es erstmals ein Fairnessabkommen. Ein Schiedsgericht mit einem unabhängigen Vorsitzenden war die moralische Instanz über den Wahlkampf. Geleitet wurde es vom ehemaligen Verfassungshofgerichtspräsidenten Ludwig Adamovich. Der frühere Höchstrichter wurde noch nicht gefragt, ob er diese Funktion wieder ausüben möchte. Darüber will ich mir nicht den Kopf zerbrechen, sagt er im STANDARD-Gespräch. Ausschließen möchte der 83-Jährige aber nichts. Dennoch sei es eine völlig andere Konstellation, da nicht nur zwei Kandidaten antreten, erklärt Adamovich. Dass der Vorsitz wieder von einem überparteilichen, hochrangigen, emeritierten Juristen ausgeübt werden könnte, vermutet Josef Kalina, SPÖ-naher Kommunikationsberater. Das habe sich in der Vergangenheit bewährt. Über die Frage, wer das sein könnte, will Kalina nicht spekulieren. Der 44-Jährige ist Präsidentschaftskandidat der FPÖ. Er ist einer, der sich gerne bitten lässt. Ende des Vorjahres erklärte Norbert Hofer, der am Donnerstag von der FPÖ für die Hofburg nominiert wurde, noch im ZiB 2-Interview, dass er das Amt des Bundespräsidenten nicht anstrebe. Dafür fühle er sich zu jung. Einen Monat später schaut die blaue Welt anders aus: Hofer will in die Hofburg einziehen. Der Burgenländer begründet seinen Meinungswechsel mit den Überredungskünsten seiner Parteifreunde: Wenn Herbert Kickl, Heinz-Christian Strache und Ursula Stenzel versuchen zu überzeugen, haben sie Erfolg. Tatsächlich ist Hofer, der im März 45 Jahre alt wird, der jüngste Kandidat. Der gelernte Flugtechniker gilt als das freundliche Gesicht der FPÖ. Das dürfte damit zusammenhängen, dass er 2013 das Amt des Dritten Nationalratspräsidenten von Martin Graf übernommen hat, der den rechten Flügel der Freiheitlichen flankierte. Hofer ist anders, er ist kein Radikaler, er muss nicht die aufgebrachte Rhetorik seines Parteichefs imitieren. Trotzdem, er ist ein Blauer. Das freiheitliche Parteiprogramm – mit all seinen Abstufungen – stammt aus seiner Feder. Strache holte ihn nach der BZÖ-Abspaltung in die Bundespartei. Dennoch: Nachdem er das Verbotsgesetz als Angriff auf die Meinungsfreiheit kritisierte, entschuldigte er sich kurz darauf im STANDARD-Interview und verwies auf seine Verantwortung als Politiker. Dass er mit den ganz rechten Strömungen innerhalb der Partei wenig Gemeinsamkeiten hat, bewies er zuletzt in der Causa Winter. Die Zustimmung der blauen Nationalratsabgeordneten zu einem antisemitischen Posting machte ihn sauer, er forcierte als stellvertretender Parteivorsitzender ihren Ausschluss. Freilich, Christian Höbart, ebenfalls blauer Parlamentarier, wetterte zeitgleich auf Facebook gegen Muslime und durfte bleiben. Wenngleich Ehrenmitglied der Pennäler-Burschenschaft Marko Germania, weist Hofer immer wieder darauf hin, dass seine Narbe im Gesicht von einem Fahrradunfall stammt. Ein schwerer Paraglidingunfall zeichnet den vierfachen Familienvater bis heute. Die Spätfolgen brachten ihn zu seinem Engagement für Behinderte, und er fungiert heute als Bereichssprecher der Blauen. Sein Interesse gilt auch der Umwelt: 2013 stellte der Chefideologe parlamentarische Anfragen zu Chemtrails. Monate später redete Parteichef Strache öffentlich über die Kondensstreifen. Zehn Privatpersonen und Vertreter von Kleinparteien würden gerne antreten. Wien – Nicht nur Vertreter etablierter Parteien und Ex-OGH-Präsidentin Irmgard Griss würden gerne am 8. Juli in die Hofburg einziehen. Auch einige größtenteils öffentlich unbekannte Vertreter kleinerer Bewegungen und Privatpersonen versuchen die 6.000 Unterstützungserklärungen zu sammeln, um auf dem Stimmzettel zu stehen. Zehn Sonstige haben laut neuwal.com bisher Interesse an einer Kandidatur gezeigt, zwei nicht ganz Unbekannte haben sich schon in Pressekonferenzen präsentiert: Am Freitag verkündete die Dialektautorin Elfriede Awadalla, Unterschriften zu sammeln. Sie erlangte mit dem Sieg in der Millionenshow einen gewissen Bekanntheitsgrad. Bei der Wien-Wahl 2015 kandidierte sie für Wien anders, ein Bündnis unter anderem aus KPÖ und Piraten, das 1,07 Prozent gerne im Gemeinderat gesehen hätten. Mann mit Wahlerfahrung Politisch Interessierten und EU-Gegner nicht unbekannt ist Robert Marschall, der am Donnerstag zur Pressekonferenz lud. Der Herausgeber des Stadtmagazins wien-konkret.at ist seit 2011 Chef der EU-Austrittspartei (EUAUS) – und hat schon Wahlerfahrung. Die von ihm angeführte Liste EU-Stop schnitt bei der EU-Wahl 2014 mit 2,76 Prozent überraschend gut ab, als beste unter den Kleinparteien. Bei der Nationalratswahl 2013 bekam EUAUS nur in Vorarlberg genug Unterschriften zusammen – und an den Urnen dann 510 Stimmen, also 0,01 Prozent. Bei der Wien-Wahl vorigen Oktober kandidierte EUAUS fast überall für die Bezirksvertretungen und überzeugte in Summe 3.343 Wähler (0,38 Prozent). Schon einige – bisher vergebliche – Erfahrung mit dem Unterschriftensammeln hat der pensionierte Richter Martin Wabl. Heuer nimmt er einen vierten Anlauf, gemeinsam mit den Mutbürgern. Weiters versuchen es der in Wien lebende Autor, Wirtschaftswissenschaftler, Journalist und Künstler Adrien Luxemburg, der frühere Hochsee-Kapitän, Unternehmensberater und Menschenrechtsaktivist Gustav Jobstmann aus Niederösterreich, der (laut eigener Homepage) arbeits- und parteilose Steirer Gernot Pointner, der Generalsekretär der Interessensgemeinschaft liberales Waffenrecht in Österreich Georg Zakrajsek, der Wiener Arzt Thomas Unden, die steirische Energetikerin und Kosmologin Karin Kolland sowie Thomas Reitmayer vom Österreich-Ableger der deutschen Satiretruppe Die Partei. Ihr Ziel sind 6.000 Unterstützungserklärungen Wahlberechtigter bis zum Freitag, 18. März, wenn die Wahlvorschläge eingereicht werden müssen. Für die Unterstützungserklärungen müssen die Wahlberechtigten – ab 23. Februar – persönlich aufs Gemeindeamt gehen, um bestätigen zu lassen, dass sie in der Wählerevidenz stehen. Auf der Webseite des Vereins "Gemeinsam für Van der Bellen" werden die Spenden des Präsidentschaftskandidaten publik gemacht. Wien – Der frühere Grünen-Bundessprecher Alexander Van der Bellen sammelt nun Spenden für seinen Bundespräsidenten-Wahlkampf. Seit Montag ist die entsprechende Online-Plattform offiziell in Betrieb und wird für diese geworben. Schon vor Kampagnenstart aber seien rund 600 Kleinspenden, insgesamt knapp über 30.000 Euro, eingelangt, sagte Wahlkampfmanager Lothar Lockl zur APA. Was Verwendung und Offenlegung der Spenden betrifft, wird lückenlose Transparenz zugesichert. Grundlage seien die entsprechenden Bestimmungen im Bundespräsidentenwahlgesetz. Sämtliche Beträge würden ausnahmslos für Van der Bellens Wahlkampf verwendet, und alle Spenden auf der Website veröffentlicht. Spender von Beträgen bis 3.500 Euro können aber angeben, dass ihr Name auf der Homepage nicht genannt werden soll. Wie viel Geld Van der Bellen für seinen Wahlkampf ausgeben will, wird vorerst noch nicht verraten. Auf der vom Verein Gemeinsam für Van der Bellen getragenen Homepage wird aber betont: Jeder Euro zählt. Pressesprecher verbreitet Bild, das Hundstorfer, Khol, Van der Bellen, Griss und Lugner mit Rollatoren zeigt. Wien – Die FPÖ macht sich im Bundespräsidentschaftswahlkampf über das Alter der Kandidaten lustig. Der Pressesprecher des freiheitlichen Parlamentsklubs, Martin Glier, hat am Montag ein Bild auf Twitter verbreitet, das Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Alexander Van der Bellen (Grüne), Irmgard Griss und Richard Lugner auf Rollatoren gestützt zeigt. Der 44-jährige FPÖ-Kandidat Norbert Hofer rennt den anderen Kandidaten davon. pic.twitter.com/gkaCktKteZ Die Satire ist wohl klar erkennbar, da Norbert Hofer der Einzige mit einer tatsächlichen Gehbehinderung ist, verteidigte Glier sein Posting. Der Präsidentschaftskandidat zog sich bei einem Paragleiterunfall eine schwere Wirbelsäulenverletzung zu. Vergangene Woche hatte ein SPÖ-Mitarbeiter auf Twitter Hofer mit einem Krüppellied in Verbindung gebracht. SPÖ-Kandidat Hundstorfer hat sich daraufhin bei Hofer entschuldigt. Der FPÖ-Kandidat würde Strache den verweigerten Orden anheften und fordert eine Verdoppelung des Heerbudgets. STANDARD: Weil der Bundespräsident zu Neujahr stets die Ansprache an die Österreicher hält: Würde die Ihre auch Herbert Kickl, als berüchtigter blauer Redenschreiber bekannt, verfassen? Hofer: Nein. Denn ich bin ein Politiker, der noch nie vorgefertigte Reden gehalten hat – auch nicht im Nationalrat. Lieber schreibe ich mir davor ein paar Notizen auf, was ich sagen möchte. STANDARD: Das heißt, uns blühen mit Ihnen als Bundespräsident spontane Fernsehansprachen? Hofer: Möglicherweise. Ich bin eher der Stichwort-Typ. STANDARD: Das Staatsoberhaupt prüft an Gesetzen nur, ob diese formalrechtlich korrekt zustande gekommen sind. Würden Sie – so wie Irmgard Griss – auf offensichtliche Verfassungswidrigkeiten sofort hinweisen, ehe dazu das Höchstgericht angerufen werden kann? Hofer: Der Bundespräsident sollte nicht die Mehrheiten im Nationalrat aushebeln. Ich bin aber für eine Vorprüfung durch den Verfassungsgerichtshof – an sein Urteil sollte sich dann der Amtsinhaber halten. STANDARD: Heinz Fischer hat FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache einst wegen seiner Entgleisungen die Verleihung des Goldenen Ehrenzeichens mit dem Stern verweigert. Würden Sie Ihrem Parteichef diesen Orden verleihen? Hofer: Abgesehen davon, dass Strache Orden nicht wichtig sind: Ich finde es höchst eigenartig, dass man einem Politiker ein Ehrenzeichen, das einem nach der Usance ab einem gewissen Zeitraum im Nationalrat zusteht, verweigert – nur weil man eine andere politische Ansicht hat. Was Fischer da gemacht hat, war nicht gerechtfertigt. Also: Wenn Strache gerne diesen Orden haben will, von mir würde er ihn bekommen. STANDARD: Fischer wollte damit aber ein Zeichen setzen, weil Strache angesichts von Protesten gegen den Burschenschafterball erklärt hat: Wir sind die neuen Juden. Hofer: Dann hätte Fischer den Orden nachreichen können, nachdem Strache auf Staatsbesuch in Israel gewesen war – und damit klar gezeigt hat, wo er steht. Das ist wirklich eine kleingeistige Haltung. STANDARD: Würden Sie wie Strache auch so weit gehen, Kanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann als Staatsfeind zu bezeichnen? Hofer: Wenn man sich das Vorgehen der Regierung in den letzten Monaten anschaut, lässt sich zumindest eines sagen: Dass Faymann kein Staatsfreund ist – so würde ich es ausdrücken. Es wäre in der Flüchtlingskrise notwendig, die Verfassung und die Gesetze einzuhalten: Menschen unregistriert über die Grenze zu lassen, weder Schengen noch Dublin einzuhalten – das ist es, was mich massiv stört. Wir schaffen das nicht. Auch dass wir das Bundesheer über Jahre finanziell ausgehungert haben, ist ein klarer Verfassungsbruch. Das Budget müsste verdoppelt werden, von derzeit 0,5 auf ein Prozent der Wirtschaftsleistung, damit wir ein verteidigungsfähiges Militär haben. STANDARD: In Deutschland hat die AfD-Chefin gerade für Aufregung gesorgt, weil sie im Extremfall Schusswaffen gegen Flüchtlinge einsetzen lassen wollte. Was, wenn der Zaun an Österreichs Südgrenze niedergetrampelt wird? Hofer: Zuerst gilt es, einen Zaun zu bauen, der nicht niedergetrampelt werden kann. Die Diskussion über den Schusswaffengebrauch ist absurd. Denn der ist klar in der allgemeinen Dienstvorschrift geregelt. Ich bin während meiner Bundesheerzeit auch an der Grenze gestanden. Wir hatten den Befehl: Nicht in die Luft schießen – und wenn wir schießen, müssen wir richtig schießen, aber nur, wenn das eigene Leben bedroht ist, und nicht, wenn jemand über die Grenze kommt. STANDARD: Im Gegensatz zu früher sind Sie nun für die Aufrechterhaltung des Verbotsgesetzes – erst recht, weil mit den Flüchtlingen aus dem Nahen und Mittleren Osten auch Antisemitismus zum Problem werden könnte. Was also tun bei ihrer Integration? Hofer: Es ist nicht die Aufgabe der österreichischen Politik, den Antisemiten den Antisemitismus auszutreiben, das ist eine Aufgabe der Strafgerichtsbarkeit. STANDARD: In der FPÖ-nahen Zeitschrift Aula wurden in einem Artikel die 1945 befreiten KZ-Häftlinge in Mauthausen als Landplage und Kriminelle bezeichnet. Wie beurteilen Sie den von der Staatsanwaltschaft Graz verhängten Urteilsspruch (nachvollziehbar) dazu, mit dem das Verfahren eingestellt wurde? Ist allein auf die Justiz denn da genug Verlass? Hofer: Weder habe ich die Zeitschrift gelesen, noch ist diese ein Organ der FPÖ. Deswegen will ich auch nicht beurteilen, ob es sich da um ein Fehlurteil handelt. Denn es gibt in Österreich die Gewaltentrennung – und daher ist es auch nicht angebracht, wenn sich die Politik in die Gerichtsbarkeit einmischt. STANDARD: In Oberösterreich will Ihre Partei die Mindestsicherung für Flüchtlinge auf 320 Euro kürzen. Keine Sorge, dass dann die Kriminalität steigt, weil die Menschen zu wenig zum Leben haben? Hofer: Das bleibt ja nicht bei den 320 Euro. Denn es gibt ja auch noch andere Möglichkeiten von Zuschüssen. Wir müssen aber insgesamt überlegen, wie es mit dem Modell der Mindestsicherung weitergehen soll. Die Kosten steigen enorm. Wir haben viele alleinerziehende Mütter, die unter der Armutsschwelle leben. Da müsste man sich auch fragen: Was mache ich mit der Familienbeihilfe? STANDARD: Also Familienbeihilfe erhöhen und Mindestsicherung kürzen? Hofer: Die Familienbeihilfe sollte auf alle Fälle erhöht werden. So einfach ist es aber nicht. Wir haben das Problem, dass es zwischen dem, was ich an Mindestsicherung bekommen kann und dem, was ich verdienen kann, in manchen Branchen keinen Unterschied gibt. Ein Taxifahrer, der 40 Stunden arbeitet, bekommt knapp über 1.000 Euro netto. Da müssen wir uns etwas überlegen. Ich denke an das Modell eines Mindestlohns. STANDARD: Gesetzliche Vorgaben wie in Deutschland? Hofer: Mir würde das besser gefallen als unser jetziges System mit der Sozialpartnerschaft, weil diese in vielen Bereichen versagt. Aber jetzt fragen Sie mich nicht, wie hoch er sein soll. STANDARD: Doch. Wie hoch soll der Mindestlohn sein? ÖVP-Kandidat Andreas Khol hätte gern, dass alle 2.400 Euro netto verdienen. Hofer: Das würden sich alle wünschen. Aber das ist absurd. Als Grundsatz soll gelten: Wer in Not gerät, wird nicht alleingelassen. Wir müssen aber gleichzeitig sicherstellen, dass der, der arbeiten kann, trotzdem etwas mehr bekommt. Der Unterschied muss mindestens 20 Prozent betragen. STANDARD: Ihr Pressesprecher twitterte unlängst ein Bild, das alle anderen Kandidaten mit einer Gehhilfe zeigt, Sie als Sportler. Ist das angemessen, sich so über das Alter der Konkurrenz lustig machen? Hofer: Ist es angemessen, wenn ein grüner Bundesrat twittert, ob das schon genug Qualifikation für das Amt ist, behindert zu sein? Ein Mitarbeiter von Kandidat Rudolf Hundstorfer (SPÖ) wiederum hat mich auf Facebook als Krüppel bezeichnet, wofür sich Hundstorfer bei mir telefonisch entschuldigt hat. Was ich damit sagen will: In Zeiten von Facebook wird es immer Postings geben, die nicht in Ordnung sind. STANDARD: Also Sie haben nicht vor, sich da zu entschuldigen? Hofer: Ich bin doch der einzige Gehbehinderte von dem Kreis, das war witzig gemeint. Dass ich mich jetzt entschuldigen müsste bei den anderen, die nicht gehbehindert sind, das glaube ich nicht. Klare Antwort: Nein. STANDARD: Sie haben einst eine parlamentarische Anfrage in Sachen Chemtrails eingebracht, einer Verschwörungstheorie, laut der das Militär die Bevölkerung über Kondensstreifen manipuliert. Glauben Sie allen Ernstes an so etwas? Hofer: Ich bin überhaupt kein Verschwörungstheoretiker. Ich bin Triebwerkstechniker, weiß also, was ein Kondensstreifen ist. Ich kann die Leute beruhigen: Es gibt in Österreich keine Chemtrails. STANDARD: Warum bringen Sie dann so eine Anfrage ein? Muss man damit die Beamten eines Ministeriums belästigen? Hofer: Weil es total viele Mails gab, ich möge das abfragen. Die Antwort des Ressorts war relativ kurz, die waren also nicht lange damit beschäftigt. Entscheidung gefallen – Baumeister muss nun 6.000 Unterschriften sammeln. Wien – Die Umfragewerte passen, also probiert es Richard Lugner bei der Wahl zum Bundespräsidenten im April: Wir treten an, sagt er am Mittwoch zur APA – gemeint sind wohl seine fünfte Frau Cathy und er. Zuvor hatte er beim Humaninstitut eine Umfrage in Auftrag gegeben, die ihn bei zehn Prozent der Stimmen sehe. Eine Umfrage mit 700 Befragten, die der Meinungsforscher Peter Hajek vergangene Woche für ATV durchführte, sah den Baumeister bei drei Prozent. Recht unwahrscheinlich ist, dass Richard Lugner wie Irmgard Griss oder Alexander Van der Bellen um Spenden für seine Kampagne bitten wird. Nach eigenen Angaben aus dem Jahr 2013 verfügt der Unternehmer über ein Vermögen von 135 Millionen Euro – damals legte er sein Eigentum offen, um in die Liste der 100 reichsten Österreicher des Magazins Trend aufgenommen zu werden. Gegenüber dem Ö1-Mittagsjournal erklärte Lugner am Mittwoch, er werde sicher keine Plakatserie machen, weil jeder kennt mein Gesicht. Dabei könnte Lugner wohl ohnehin am besten mit einem Low-Budget-Wahlkampf punkten. Sein authentisch-dilettantisch gehaltenes Lugner for President-Video ist auf Youtube mit mehr als einer halben Million Klicks erfolgreicher als die Videos aller anderen Kandidaten zusammen. Lugner kandidierte bereits 1998 für das Amt des Bundespräsidenten – wenngleich unter gänzlich anderen Voraussetzungen. Damals stellte sich Thomas Klestil, letztlich erfolgreich, der Wiederwahl. SPÖ, FPÖ und Grüne stellten keine eigenen Kandidaten auf. Lugner landete mit knapp zehn Prozent auf dem vierten Platz – dicht hinter Gertraud Knoll (unabhängig, 13,5 Prozent) und Heide Schmidt (LiF, elf Prozent). Um bei der Präsidentschaftswahl im April auf dem Stimmzettel zu stehen, muss Lugner allerdings noch 6000 Unterstützungserklärungen sammeln. Den Ergebnissen seiner Umfrage zufolge liege Lugner nur drei Prozentpunkte hinter ÖVP-Kandidat Andreas Khol und fünf Prozentpunkte hinter der unabhängigen Bewerberin Irmgard Griss, so der 83-Jährige. An der Spitze der Humaninstitut-Umfrage liegt laut Lugner der ehemalige Grüne Bundessprecher Alexander Van der Bellen mit 27 Prozent, gefolgt von SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer mit 18 und Norbert Hofer (FPÖ) mit 17 Prozent. Am Mittwoch wurde bekannt, dass der Wiener Unternehmer Richard Lugner nach 1998 zum zweiten Mal bei einer Bundespräsidentschaftswahl kandidieren möchte. Am Donnerstag gibt er dazu einen Pressekonferenz, die ab 10 Uhr auch im Livestream zu sehen ist. Häupl: Keine "politische Trompete" Straches in die Hofburg. Wien – Altkanzler Franz Vranitzky (SPÖ) wird das Personenkomitee für SPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer leiten. Das gab er bei einer Veranstaltung Donnerstagabend bekannt. Begründet wurde von ihm die Initiative damit, dass der früherer ÖGB-Präsident und Sozialminister sein Leben lang für sozialen Zusammenhalt gestanden sei und an Europa glaube. Präsentiert wurde Vranitzky als Hauptproponent im Rahmen einer Veranstaltung des Vereins Idee, der schon die Wiederwahl Michael Häupls als Wiener Bürgermeister unterstützt hatte. Der Stadtchef selbst zeigte sich dabei optimistisch, nach dem Halten des Bürgermeisteramtes in der Bundeshauptstadt auch bei der Hofburgwahl einen Sieg des SPÖ-Kandidaten zu erreichen. Es gelte zu verhindern, das die politische Trompete von FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache in die Präsidentschaftskanzlei einziehe. Dass ihm stark daran gelegen ist, freiheitliche Erfolge zu verhindern, machte auch Vranitzky klar. Der Erfolg Häupls sei ein zeithistorisches Ergebnis gewesen, da damit dieser schreckliche Populist Strache abgewehrt worden sei. Mit Hundstorfer in der Hofburg würde jedenfalls verhindert, dass das Verbot der Wiederbetätigung gelockert würde. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hatte ja vor einigen Jahren das Verbotsgesetz infrage gestellt, die Position allerdings zuletzt deutlich revidiert. Hundstorfer zeigte sich in seiner Dankesrede optimistisch, aber nicht überheblich was seine Wahlchancen angeht. Populismus werde er sachlich entgegentreten. Die Mitglieder des Personenkomitees wurden am Donnerstag noch nicht präsentiert. Fix ist bereits, dass die frühere Staatssekretärin und Siemens-Managerin Brigitte Ederer Vranitzky bei seiner Arbeit unterstützen wird. Dieser versicherte, bereits eine ansehnliche Anzahl an Unterstützern für das Komitee gefunden zu haben. Alle Anwesenden forderte er auf, sich an der Initiative zu beteiligen. Zu den Gästen des Events gehörten zahlreiche ehemalige Größen der Sozialdemokratie, unter anderem der früherer Verkehrsminister und gescheiterte Hofburgkandidat Rudolf Streicher sowie Ex-Innenminister Karl Blecha, der noch immer den SPÖ-Pensionistenverband leitet. Entscheidungsgrundlage für Einladungen zu geplanten Kurzduellen und "Elefantenrunde". Wien – Der ORF lässt vor der heißen Phase des Bundespräsidentschaftswahlkampfs und den TV-Diskussionen zur Wahl die Relevanz der einzelnen Kandidaten abtesten. ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz hat bei zwei Marktforschungsinstituten entsprechende Relevanz-Studien in Auftrag gegeben, ist aus dem Sender zu hören. Hintergrund: Bisher waren die Regeln für die Teilnahme an den ORF-Wahldiskussionen relativ klar. Geladen wurden die Kandidaten der im Parlament vertretenen Parteien, über andere wahlwerbende Gruppierungen wurde in den Nachrichtensendungen des ORF berichtet. Bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen ist die Ausgangslage etwas verworrener. Neben den Kandidaten der im Parlament vertretenen Parteien gibt es mit Irmgard Griss eine parteilose Bewerberin, der laut jüngsten Umfragen einiges Potenzial zugetraut wird. Und neben Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ), Alexander Van der Bellen (Grüne) und Griss haben nach Meinung von Politikexperten auch noch Society-Löwe Richard Lugner, die linke Elfriede Awadalla sowie der Chef der EU-Austrittspartei Rudolf Marschall gute Chancen, die Hürde von 6.000 Unterstützungserklärungen zu schaffen und auf dem Wahlzettel aufzuscheinen. Für die vom ORF geplanten Kurz-Konfrontationen zu vorgegebenen Themen und die abschließende Elefantenrunde wären das aber zu viele. Der ORF erhebt deshalb die aktuelle Relevanz der Bewerberinnen und Bewerber. Nur jene Kandidaten, denen eine solche zugebilligt wird, sollen in den Kurzduellen und der Elefantenrunde auftreten. Nach aktuellen Umfragedaten könnten das Hundstorfer, Khol, Hofer, Van der Bellen und Griss sein. Für alle anderen auf dem Wahlzettel zur Präsidentenwahl gelisteten würde es in diesem Fall Sendezeit bzw. Berichte in den verschiedenen Zeit im Bild-Formaten geben. Mit den Relevanz-Studien will der ORF seine Entscheidung absichern, damit diese gegebenenfalls auch Einsprüchen bei der Medienbehörde standhalten würde. Das Vorgehen könnte auch richtungsweisend für künftige Nationalratswahlen sein, sollte es zu einer weiteren Aufsplittung der österreichischen Parteienlandschaft kommen. Bei den beauftragten Instituten handle es sich um Marktforschungsunternehmen, die nicht für Parteien oder andere Medien tätig sind, heißt es am Küniglberg. Der ORF bringt im Vorfeld der Bundespräsidentenwahl am 24. April neben den Kurzduellen (ab 14. April) und der Elefantenrunde am 21. April auch wieder die Wahlfahrt mit Hanno Settele (ab 24. März). Darüber hinaus kommen die Bewerber um das höchste Amt im Staate in den Pressestunden des ORF zu Wort. Bei der Reihenfolge der Auftritte soll die parlamentarische Stärke der politischen Kräfte hinter den einzelnen Kandidaten berücksichtigt werden. Als Letzter käme demnach der SPÖ-Kandidat Hundstorfer an die Reihe. Endgültige und offizielle Entscheidungen fallen freilich erst nach dem 18. März, wenn die Frist für das Sammeln Unterstützungserklärungen endet, und klar ist, wer am 24. April zur Wahl steht. Die Hofburgwahl hat eine neue Kandidatin. Anna Hochreiter will die Ironie auf die Staatsspitze treiben und Schmiergeld gerechter verteilen. Wien – Anna Hochreiter ist reich, schön und korrupt. So zumindest lautet ihr Wahlkampfslogan, mit dem sie ins Rennen um die Hofburg ziehen will. Am Montag wird sie auf einer Pressekonferenz ihre Kampagne offiziell vorstellen, schon jetzt kann man online Fragen an die Kandidatin stellen und – wenn man die möchte – auch die Antworten selbst formulieren. Ab 23. Februar wird die Kandidatin dann auf Unterschriftenjagd gehen, 6.000 wird sie brauchen, um am 24. April tatsächlich auf dem Wahlzettel zu stehen. Ob das gelingt, ist fraglich. Es dürfte aber ohnehin nicht das dringlichste Ziel Hochreiters sein. Ins Rennen geschickt wird die Kandidatin nämlich vom Institut für angewandte Korruption (IfaK). Im Mai 2013 offiziell gegründet, bietet der Verein heute vor allem Stadtrundgänge in Wien an. Humorvoll und charmant werden dabei die korruptesten Schauplätze der Innenstadt präsentiert, wie es auf der Website des Instituts heißt. Auch Hochreiter hat solche Touren schon geleitet. Jetzt wollen wir die Ironie auf die Spitze treiben – gewissermaßen auf die Staatsspitze, sagt Institutssprecherin Claudia Scheinecker im Gespräch mit dem STANDARD. Entsprechend hochgesteckt sind auch die Ziele der Kampagne. Die Korruption, die es in Österreich gebe, solle allen zugänglich gemacht werden. Es darf nicht sein, dass das Schmiergeld in den Händen einiger weniger bleibt, sagt Scheinecker. Wir wollen die Korruption demokratisieren. Standesgemäß gibt es auch schon ein Video, in dem Hochreiter ihre Motivation für das Antreten verrät. Österreich, so die Kandidatin, habe in den letzten Jahren anerkannte Persönlichkeiten auf dem Gebiet der Korruption hervorgebracht. Leistungsorientiert, charakterstark und, wenn es der Erfolg verlangt, moralisch flexibel seien die Werte, die diese Leute ausmachen und die es jetzt zu stärken gelte. Als Politpunk-Aktivismus bezeichnet die Pressesprecherin die Umtriebe des Instituts und seiner Kandidatin, eine Überhöhung der Realität, die letztlich nicht so weit davon entfernt sei. Auch Anna Hochreiter ist keine gänzlich echte Figur, verkörpert wird sie von der Schauspielerin Barbara Braun. Die inoffizielle Website steht in keiner Verbindung zu Richard Lugner. Wien – Der zuletzt mäßig originelle Wildwuchs an gefakten Domains mit Namen potenzieller Präsidentschaftskandidaten nimmt in einer aktuellen Wendung wieder lustige Züge an. Ein junger Webdesigner stellt unter moertel16.at eine Mörtel Jukebox zur Verfügung, die aktuell 15 unterhaltsame Sager von Richard Lugner per Mausklick abspielt. Unabhängige Kandidaten nahm Unterstützungserklärungen in Graz entgegen. Wien/Graz – Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss hat am Mittwoch in der Grazer Schmiedgasse vor dem städtischen Amtshaus etwa 50 von Sympathisanten gesammelte Unterstützungserklärungen entgegen genommen. Gesamt wurden seit dem Start am Dienstag schon rund 500 Erklärungen gesammelt, hieß es seitens ihres Wahlkampfteams. Ihre eigene Unterstützungserklärung hatte Griss bereits am Dienstag in Wien abgegeben. Rund 20 Unterstützer hatten sich Mittwochmittag an der Ecke Schmiedgasse-Stubenberggasse versammelt und auf die Präsidentschaftskandidatin gewartet. Griss hatte im Rahmen ihres Steiermark-Besuches Firmenbesuche unter anderem in der Obersteiermark und südlich von Graz am Terminkalender. Nach dem Graz-Termin ging es für die Kandidatin mit der ORF-Wahlfahrt weiter. Am Nachmittag stand noch ein Betriebsbesuch im südlichen Niederösterreich am Programm. Selbst um Unterstützungserklärungen warb Griss am Mittwoch in der Schmiedgasse nicht, sie bedankte sich bei ihren Unterstützern mit Handschlag. Ich hoffe, dass Sie unsere zukünftige Bundespräsidentin sind, sagte dabei eine Sympathisantin. Auf persönliche Kontakte angesprochen, sagte Griss: Viele Menschen tragen auch das persönliche Schicksal an einen heran. Was sie vermehrt wahrnehme, sei der Wunsch der Bürger nach einem Ruck, der durch das Land gehen soll. Einige Wahlkampfhelfer versuchten dann im Anschluss an die kurze Veranstaltung vor dem Amtsgebäude in der Schmiedgasse noch, potenzielle Unterstützer für Griss zu mobilisieren. Eine Dame fragte dabei: Habt ihr denn keinen Wahlkampfstand? (APA, 24.2.2016) Direktoren und Lehrer müssen "Werbewirkung" verhindern, etwa wenn Kandidaten in Schulen gehen. Wien – Besuche der Bundespräsidentschaftskandidaten an Schulen sind mit Vorsicht zu behandeln – so lässt sich sinngemäß ein Rundschreiben des Bildungsministeriums über die Unzulässigkeit von parteipolitischer Werbung an Schulen zusammenfassen, das anlässlich des Wahlkampfes neu ausgeschickt wurde. Solche Besuche seien zwar möglich, dürften aber keine Werbewirkung haben. Ein Ziel der Schule ist es laut Erlass, den Schülern die Fähigkeit zu einem eigenständigen Urteil und dazu auch altersgerecht aufbereitet politisches Grundlagenwissen zu vermitteln, und zwar ohne Parteipolitik in die Schule zu transportieren. Unter diese Einschränkungen falle genau wie Parteiwerbung auch jede andere Wahlwerbung von Personenkandidatinnen und -kandidaten (...), die sich um ein Amt bewerben, wird in der Erinnerung des Ressorts betont. Unabhängig vom angegebenen Grund lasse der Besuch eines Politikers eine zumindest latente Werbewirkung für die entsprechende politische Partei nicht ausschließen, steht in dem Erlass. Wenn Schulleiter oder Lehrer dennoch Vertreter politischer Parteien oder Wahlwerber einladen, müssen diese laut Ministerium deshalb dafür sorgen, dass von den Gästen keine Werbewirkung ausgeht. Anlass des ursprünglichen Rundschreibens aus 2008 waren übrigens Mitteilungen an das Ministerium, wonach immer wieder Werbematerial mit Parteilogo an Schulen verteilt wurde und sich Personen des öffentlichen Lebens ohne Zustimmung der Eltern, aber offenbar mit Bewilligung der Schulleitung, mit Kinder filmen oder fotografieren ließen. 'Die Präsidentschaftskandidaten räsonieren bereits darüber, wie sie mit der Bundesregierung umgehen würden, falls sie in die Verlegenheit kommen sollten. Frage: Wer ist stärker: der Bundespräsident oder der Bundeskanzler? Antwort: Im Tagesgeschäft fällt die Arbeit der Bundesregierung deutlich stärker auf: Die vom Bundeskanzler geleitete Regierung ergreift typischerweise – über Regierungsvorlagen, die die Minister durch stets einstimmigen Ministerratsbeschluss ins Parlament bringen – die Initiative der Gesetzgebung. Und die Minister sind die obersten Chefs der jeweiligen von ihnen geführten Verwaltung. Der Bundespräsident kann aber den Bundeskanzler oder die gesamte Bundesregierung jederzeit entlassen. Der Verfassungsrechtsprofessor Manfried Welan hat das so formuliert: Unsere Verfassung löst das Problem der Führerschaft, indem sie viele Führer vorsieht. Sie teilt die Macht auf verschiedene Ebenen und Bereiche auf und räumt keinem Einzelnen die alleinige Führerstellung ein. Frage: Wenn der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer droht, die Regierung zu entlassen, dann könnte er das also tun, sobald er gewählt und angelobt worden ist? Antwort: Jeder Bundespräsident kann das tun. Mehr noch: Es ist Usus, dass der amtierende Bundeskanzler einem neu ins Amt kommenden Bundespräsidenten sofort den Rücktritt anbietet. Es ist aber ebenso Usus, dass der neue Bundespräsident die Demissionierung aus diesem Anlass nicht annimmt. Frage: Aber er könnte einzelne Minister abberufen? Antwort: Artikel 70 des Bundes-Verfassungsgesetzes sieht das nicht vor. Hier wird bestimmt, dass nur der Bundeskanzler Regierungsmitglieder feuern kann: Der Bundeskanzler und auf seinen Vorschlag die übrigen Mitglieder der Bundesregierung werden vom Bundespräsidenten ernannt. Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag nicht erforderlich 'FPÖ-Kandidat übergab Kartons mit Unterstützungserklärungen im Innenministerium und war "sehr glücklich" mit Anzahl. Wien – Heinz-Christian Strache übt sich in Bescheidenheit, dieser Tage muss Norbert Hofer als Star der Freiheitlichen vorne stehen. Beide werden ihrer Rolle gerecht: Hofer strahlt, versichert für jede Fernsehkamera, für jedes Mikrofon einzeln, dass er glücklich ist. 20 Schachteln werden ihm und Strache nachgetragen, als die beiden am Donnerstag kurz nach 11 Uhr in das Innenministerium kommen. In jeder Schachtel 1.000 Unterstützungserklärungen, mehr als dreimal so viele wie notwendig. Leicht sei es gewesen, diese zusammenzubekommen, erzählt Hofer; allein in seiner burgenländischen Heimatgemeinde hätten sechsmal so viele Unterstützer unterschrieben, wie die FPÖ Mitglieder hat. Und das Postkastl quelle vor neuen Unterstüzungserklärungen schon wieder über. Dann hinauf zur Wahlbehörde, kurzer Smalltalk mit Robert Stein, dem zuständigen Beamten, der wie Hofer nach einem Unfall am Stock geht. Die beiden tauschen sich über ihre Erfahrungen mit Therapeuten aus, Hofer empfiehlt einen Chirurgen aus Wels. Danach geht es an die Amtshandlung, wie Stein den Auszählungsvorgang nennt. 6.000 bestätigte Unterschriften werden auf ihre Plausibilität geprüft, mehr geht das Innenministerium nichts an. Anschließend werden die Herren zur Kasse gebeten: 3.600 Euro werden als Druckkostenbeitrag für die Stimmzettel fällig. Stein erzählt, dass das einmal in den 1950er-Jahren festgelegt wurde – der für damalige Zeiten beinahe prohibitiv hohe Betrag von 50.000 Schilling wurde aber nie valorisiert, sondern einfach auf einen runden Eurobetrag umgerechnet. Heutzutage sind eher die 6.000 Unterschriften eine Hürde. Hofer hat sie mit Unterstützung der FPÖ leicht übersprungen. Damit ist Hofer der zweite Kandidat nach der unabhängigen Irmgard Griss, der die für die Kandidatur notwendigen Unterstützungserklärungen eingereicht hat. Griss hatte bei ihrer Übergabe am 8. März 7.851 Unterschriften vorgelegt, sammelte aber weiter und lag zuletzt laut Eigenangaben bei mehr als 12.000. Die Reihung der Kandidaten auf dem Stimmzettel richtet sich aber ohnehin nicht nach der Anzahl der Unterschriften, sondern nach dem Namen der für das Präsidentschaftamt Antretenden – diese werden auf dem Stimmzettel alphabetisch gereiht. Eingebracht werden müssen die Wahlvorschläge bis Freitag, 17 Uhr. Wer dann noch nicht 6.000 Unterschriften beisammenhat, bekommt eine Nachfrist bis Dienstag. Für die Parteikandidaten Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) sowie den offiziell als unabhängig antretenden Ex-Grünen-Chef Alexander Van der Bellen dürfte es aber kein Problem gewesen sein, die 6.000 Unterstützer zu finden. Knapp werden dürfte es hingegen für Richard Lugner und die linke Kandidatin Elfriede Awadalla.' Für den Baumeister seien gar keine orangen Funktionäre aktiv, sagt Obmann Schwingenschrot. Wien – Das BZÖ Wien ist sauer. Baumeister Richard Lugner hat sich im STANDARD über sein Wahlkampfteam beschwert, das nicht genügend Unterstützungserklärungen für die Präsidentschaftswahl sammle. Das seien Leute, die vom BZÖ kommen, wo sie nix zu tun haben. Die haben nicht die Erfahrung im Stimmensammeln und Organisieren, aber man kann mitten im Sammeln nicht mehr die Pferde wechseln. Dietmar Schwingenschrot, Obmann des Wiener BZÖ, will das richtigstellen: Kein einziges aktives Mitglied des BZÖ hat etwas mit Lugner zu tun. Es seien lediglich ehemalige Leute als Privatpersonen aktiv, die aber nicht mehr für das BZÖ arbeiten, sagte Schwingenschrot am Donnerstag. Als Pressesprecher von Lugner arbeitet etwa Dom Kamper, der auch im EU-Wahlkampf für das BZÖ tätig war. Dass Mitarbeiter des BZÖ untätig seien, weist Schwingenschrot im Gespräch mit dem STANDARD vehement zurück. Wir haben genug zu tun und in Wien bereits 300 Mitglieder. Vorbild sei die Freie Demokratische Partei (FDP). Wenn dem Herrn Lugner so fad ist, dass er bei der Präsidentschaftswahl antritt, dann hat vielleicht er nichts zu tun. Auch auf Facebook hat die Partei eine Klarstellung veröffentlicht: KLARSTELLUNG durch das BZÖ WIEN ( BZW-die Stadtpartei ) Standard Online, 17.03.2016 jedes Pferd braucht einen guten... 'Nicht nur Unterschriften, auch 3.600 Euro sind für eine Kandidatur zu berappen. Wien – Heinz-Christian Strache übt sich in Bescheidenheit, dieser Tage muss Norbert Hofer als Star der Freiheitlichen vorn stehen. Beide werden ihrer Rolle gerecht: Hofer strahlt, versichert für jede Fernsehkamera, für jedes Mikrofon einzeln, dass er glücklich ist. 20 Schachteln werden ihm und Strache nachgetragen, als die beiden am Donnerstag kurz nach elf Uhr in das Innenministerium kommen. In jeder Schachtel 1.000 Unterstützungserklärungen, mehr als dreimal so viele wie notwendig. Leicht sei es gewesen, diese zusammenzubekommen, erzählt Hofer ÖVP-Kandidat kommt auf 40.000 Unterschriften, Hundstorfer auf 30.000, Van der Bellen auf 17.000. Wien – Die Mobilisierung scheint bei den einstigen Großparteien noch zu funktionieren. Nach eigener Zählung 30.768 Unterstützungserklärungen reichte SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer am Freitag im Innenministerium ein. ÖVP-Kandidat Andreas Khol präsentierte in der Parteizentrale gar 40.827 notariell bestätigte Erklärungen. So viel habe noch nie ein ÖVP-Präsidentschaftskandidat gesammelt, zeigte sich ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald zufrieden. Khol – ich bin dankbar und bewegt – ist sich nun fast sicher, dass ich nach dem ersten Wahlgang an der Spitze sein werde. Auf Umfragen, die das Gegenteil besagen, gibt er wenig. Meine Mitbewerber spüren jetzt meine Kraft. Rekordergebnis für Dr. Andreas Khol! Danke für 40.827 Unterstützungserklärungen! pic.twitter.com/ztwdgJtVUO Der erste Schritt Mit über 30.000 Unterschriften hat auch die SPÖ brav gesammelt. Der erste Schritt ist vollbracht, folgert der frühere Sozialminister Hundstorfer im Büro von Wahlabteilungsleiter Robert Stein, mit dem ihn eine gemeinsame Leidensgeschichte verbindet. Beide waren im Vorjahr in derselben Reha-Einrichtung, folglich ist man auch per du, als Hundstorfer kurz nach neun Uhr 17 Kisten mit Unterschriften übergibt. Der frühere Grüne Parteichef Alexander Van der Bellen reichte zwei Stunden später 17.136 Unterstützungserklärungen ein. Ein sehr schöner Vertrauensbeweis, wie er findet. Insbesondere in kleinen Gemeinden sei das Prozedere, bei dem sich die Unterstützer am Gemeindeamt deklarieren müssen, mühsam, kritisierte Van der Bellen. Die meisten Unterstützungserklärungen konnte der in den Meinungsumfragen derzeit führende Exparteichef nach eigenen Angaben in Wien sammeln: Alleine in Wien hätten wir die 6.000 übersprungen, sagte Van der Bellen. EU-Gegner will es spannend machen Die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss hatte bereits vor zehn Tagen rund 8.000 Unterschriften eingereicht, danach aber weitergesammelt (auf rund 12.000 Unterschriften). Am Donnerstag folgte FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, der 20.000 Sympathisanten fand. Auch der EU-Gegner Robert Marschall reichte am Donnerstag einen Wahlvorschlag ein. Er verrät aber noch nicht, ob er tatsächlich genug Unterschriften sammeln konnte. Dann kommen am Montag mehr Journalisten zu meiner Pressekonferenz, erklärte er dem STANDARD, um gleichzeitig zu beklagen, wie schwer es Medien und Wahlordnung für weniger bekannte Kandidaten machen würden. Wobei es für mich als Obmann der EU-Austrittspartei nicht ganz so schwierig ist. Lugner kämpft noch Zittern heißt es auch für Richard Lugner. Der Baumeister will zwar am Freitag einen Wahlvorschlag einreichen (Nennschluss ist 17 Uhr), noch habe man aber erst rund 5.000 statt der nötigen 6.000 Erklärungen beisammen, erklärte sein Sprecher. Daher werde man die Nachfrist bis Dienstag kommender Woche in Anspruch nehmen. Das Wahlgesetz sieht diese Möglichkeit vor. Endgültig feststehen wird dann am Mittwoch, wen die Österreicher am 24. April zum Nachfolger oder zur Nachfolgerin von Heinz Fischer wählen können. Eigentlich ist es auch egal, ob jemand 6000 oder 100.000 Unterstützungserklärungen sammelt. Alles, was über 6000 hinausgeht, wird vom Innenministerium auch gar nicht mehr ausgezählt. Steht er nicht am Stimmzettel, will der Obmann der EU-Austrittspartei gegen die Wahl vorgehen. Wien – Die EU-Flagge muss weg. Wenn er Bundespräsident wäre, würde er erst einmal die Fahne der Europäischen Union von der Präsidentschaftskanzlei entfernen lassen, sagt Robert Marschall. Dass es so weit kommt, ist aber unwahrscheinlich. Der Obmann der EU-Austrittspartei konnte bis zur Frist am vergangenen Freitag nicht die für eine Kandidatur nötigen 6.000 Unterstützungserklärungen sammeln. Bis Dienstagmitternacht hat er Zeit, die restlichen Unterschriften im Innenministerium einzureichen. Wie viele noch fehlen, wollte er auf einer Pressekonferenz am Montag nicht verraten. Ich hoffe, dass es sich ausgeht. Eines weiß Marschall aber schon jetzt. Sollte er nicht auf dem Stimmzettel stehen, wird er die Bundespräsidentschaftswahl anfechten. Es gab Gesetzesverstöße der Behörden, sagt der EU-Gegner. Einige Gemeinden hätten ihm die Unterstützungerklärungen per Post zugesandt und nicht den Wählern zurückgegeben, wie es im Gesetz vorgesehen ist. Unter anderen nannte er die Stadt Salzburg, Köflach und Wiener Neudorf. Das Problem ist, dass ich nicht weiß, wie viele noch auf den Ämtern liegen, wie viele am Postweg sind und ob alle von den Gemeinden einbehaltenen Unterstützungserklärungen rechtzeitig übermittelt wurden, sagte Marschall. Robert Stein, Leiter der Abteilung für Wahlangelegenheiten im Innenministerium, bestätigt auf Nachfrage des STANDARD, dass manche Gemeinden vereinbart haben, den Kandidaten Unterstützungserklärungen per Post zu schicken. Wenn eine größere Anzahl an Unterstützungserklärungen zu spät ankommt, wäre das ein möglicher Wahlanfechtungsgrund, sagt Stein. Das Innenministerium habe den Gemeinden jedenfalls empfohlen, den Wählern die Unterstützungserklärungen auszufertigen und sie nicht selbst per Post zu schicken. Wie viele Unterstützungserklärungen Marschall von Gemeinden zugeschickt bekommen hat, wollte er nicht sagen. Der Obmann der EU-Austrittspartei sieht aber noch einen weiteren Grund für eine Wahlanfechtung. Weder die Verfassung noch die Nationalratswahlordnung sehen vor, dass 6.000 Unterstützungserklärungen für eine Kandidatur zum Bundespräsidenten vorgesehen sind. Das Bundespräsidentenwahlgesetz widerspreche damit der Verfassung. Falls Marschall eine Beschwerde einbringt, dürfte diese aber wenig Chancen haben. Anlässlich bisheriger Anfechtungen sind beim Verfassungsgerichtshof keine Bedenken gegen diese Regelung aufgetaucht, heißt es von einem Sprecher des Gerichtshofes zum STANDARD. Ein Problem hat Marschall allerdings nicht nur mit den Behörden und dem Gesetz, sondern auch mit den Medien, denen er Wahlmanipulation vorwirft. Indem diese nur über einige wenige Kandidaten berichten, würden die Wähler falsch informiert. Deshalb habe er sich bei seiner Pressekonferenz vorbehalten, manche Medien einzuladen und andere nicht. Einen kleinen Eklat gab es dann, als ein ORF-Redakteur mit Kamerateam trotz Nichteinladung an der Pressekonferenz teilnehmen wollte. Wir wollen Ihnen die Möglichkeit geben, auch bei uns etwas zu sagen, so der Redakteur. Wir setzen erst dann fort, wenn der ORF draußen ist, sagte Marschall. Nach einem kurzen Kameraschwenk musste das ORF-Team die Pressekonferenz verlassen. "Öffentlich-rechtlicher Sender kann nicht einen ausschließen" – Lugner hat 6.524 Unterstützungserklärungen abgegeben, Marschall schaffte nur rund 1.150. Wien – Richard Lugner hat einen Sicherheitspolster von 524 Unterschriften. So viele könnten im Extremfall in irgendeiner Form den Vorschriften der Wahlbehörde nicht genügen – und er wäre trotzdem zugelassen für die Bundespräsidentschaftswahl am 24. April. Wie der Wiener Baumeister im STANDARD-Gespräch am Mittwochvormittag sagte, haben wir 6.524 Unterstützungserklärungen abgeben. Seit 6 Uhr früh wird in der Bundeswahlbehörde nachgezählt. Laut APA-Informationen schaffte der zweite Nachfrist-Kandidat, Robert Marschall, nur rund 1.150 Unterstützerinnen und Unterstützer für sich zu gewinnen. Der Obmann der EU-Austrittspartei wird also nicht antreten dürfen. Lugner hingegen lieferte Dienstagabend um 21 Uhr drei Stunden vor Ablauf der Nachfrist für die Einbringung der notwendigen 6.000 Unterstützungserklärungen die am Montag und Dienstag noch gesammelten Unterschriften im Innenministerium ab. Es sind danach immer noch welche reingekommen, wie eine Lawine, die haben wir dann gar nicht mehr abgegeben, sagt Lugner. Von den ersten 5.003, die er Freitagnachmittag ablieferte, hatten sich 25 als fehlerhaft erwiesen – und wurden ausgeschieden. Jetzt aber ist Lugner sicher, dass er bei der Wahl kandidieren darf: Sicher ist, ich stehe auf Platz fünf des Wahlzettels. Dieser ist alphabetisch gereiht und würde dann so aussehen: Irmgard Griss (unabhängig), Norbert Hofer (FPÖ), Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Richard Lugner (unabhängig) und Alexander Van der Bellen (Ex-Grünenchef). Am letzten Tag hätte er noch bis 20.30 Uhr gezittert, ob es sich ausgeht, aber es haben dann noch irrsinnig viele Leute bei uns zehn bis 20 Stimmen vorbeigebracht und gesagt, sie wollen, dass ich kandidiere, erzählt Lugner, der nach 1998 nun zum zweiten Mal kandidiert. Damals hat er fast zehn Prozent der Stimmen bekommen. Die erste Wahlkampfaktion wird nun sein, dass wir mit dem ORF klären, wie er es denn nun mit der sogenannten Relevanzstudie halten möchte, sagte Lugner zum STANDARD: Ein öffentlich-rechtlicher Sender kann nicht einen von sechs Kandidaten ausschließen, das wäre problematisch. Ich zahle Hörer- und Sehergebühr und habe ein Recht, dass objektiv berichtet wird. Ein Ausscheiden eines Kandidaten von sechs wäre da nicht machbar. Der ORF hatte die Relevanz der Kandidaten abtesten lassen und bei zwei Marktforschungsinstituten entsprechende Studien in Auftrag gegeben. Nur jene Kandidaten, denen Relevanz zugebilligt werde, sollten in den Kurzduellen und der Elefantenrunde auftreten dürfen. Schon am kommenden Samstag wird Lugner mit Ehefrau Cathy in den Intensivwahlkampf starten – und zwar mit einer Wahlkampfparty in der Diskothek P2 in Kemeten im Burgenland. Vorher gehts mit der Familie noch nach München zur Familie seiner Frau, um Ostern zu feiern. Und nach Ostern wird er als Präsidentschaftskandidat jedem Bundesland Besuche abstatten, um für Stimmen zu werben, kündigt Lugner an. Er verspricht jedenfalls nicht nur einen spannenden, sondern auch einen unterhaltsamen Wahlkampf: Ihr könnt euch auf einiges gefasst machen. Schon am Freitag war fix, dass Rudolf Hundstorfer (SPÖ), Andreas Khol (ÖVP), Norbert Hofer (FPÖ), Alexander Van der Bellen (Grüne) und Irmgard Griss (unabhängig) Kandidaten für die Nachfolge Heinz Fischers sind. Sie hatten zu dem Zeitpunkt schon deutlich mehr als 6.000 Unterstützungserklärungen vorgelegt. Imas sieht Hundstorfer und Hofer voran, Van der Bellen nur Dritter – OGM hat grünen Kandidaten weiter klar voran. Wien – Zu widersprüchlichen Ergebnissen kommen am Donnerstag veröffentliche Umfragen für die Bundespräsidentenwahl in vier Wochen. Während OGM nach wie vor Alexander Van der Bellen in Führung hat, sieht Imas entgegen allen bisherigen Untersuchungen den grünen Kandidaten nur an dritter Stelle hinter Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Norbert Hofer (FPÖ), die hier ex aequo an der Spitze liegen. In praktisch allen Umfragen seit Jahresbeginn hält Van der Bellen Platz eins. Diesen Trend bestätigt auch die OGM-Umfrage, die am Donnerstag in der Presse veröffentlicht wurde. Der grüne Kandidat kommt hier auf 26 Prozent. Mit Respektabstand folgen annähernd gleichauf Hofer mit 22, die unabhängige Irmgard Griss mit 20 und Hundstorfer mit 19 Prozent. Deutlich dahinter liegt ÖVP-Kandidat Andreas Khol mit nur zehn Prozent. Baumeister Richard Lugner, der es als sechster auf den Stimmzettel geschafft hat, wurde in dieser Untersuchung noch nicht abgefragt. Zu einem ganz anderen Ergebnis kommt hingegen Imas für die Kronen Zeitung. Entgegen dem Trend der bisherigen Umfragen liegen hier Hofer und Hundstorfer mit je 21 Prozent gleichauf an der Spitze. Van der Bellen kommt in dieser Untersuchung mit 19 Prozent nur auf Platz drei. In praktisch allen anderen Umfragen wurde der frühere Bundessprecher der Grünen mit anfangs um die 30 Prozent und zuletzt etwa zwischen 24,5 und 27 Prozent auf Platz eins geführt. Khol landet bei Imas bei 15 Prozent, Griss deutlich unter den anderen Umfragen bei 13 Prozent. Lugner liegt hier bei sieben Prozent. Beide Umfragen haben ein 1.000er-Sample – von Imas wurden 1.017 Personen befragt, von OGM 1.019. Und beide Befragungen wurden vor der Entscheidung der Wahlbehörde durchgeführt, wer bei der Wahl antreten kann – Imas von 16. Februar bis 10. März, OGM von 9. bis 15. März. 'Flüchtlinge, Bundesheer, TTIP und Pensionen: Was sagen die Bewerber um das Bundespräsidentenamt zu den aktuellen politischen Fragen? DER STANDARD hat nachgefragt. Irmgard Griss: Nein, denn es fehlt an Transparenz. Norbert Hofer: Ich würde TTIP nur unterzeichnen, wenn sich die Österreicher im Rahmen einer Volksbefragung dafür aussprechen. Ich bin davon überzeugt, dass für Österreich die Nachteile überwiegen. Rudolf Hundstorfer: Ich habe mich sowohl als Gewerkschafter als auch als Bundesminister für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz immer für ArbeitnehmerInnenrechte starkgemacht. Schutzniveaus für KonsumentInnen, ArbeitnehmerInnen und Umwelt dürfen durch die Freihandelsabkommen nicht gesenkt werden. Wenn durch internationale Abkommen ArbeitnehmerInnenrechte und zu Recht bestehende Schutzstandards untergraben werden können und Schiedsgerichte außerhalb des staatlichen Gewaltmonopols agieren sollen, dann lehne ich das entschieden ab. Die Entscheidung, ob TTIP ratifiziert wird, liegt beim Europäischen Parlament und bei den nationalen Parlamenten. Aber in der jetzigen Form gehe ich davon aus, dass das österreichische Parlament das so nicht akzeptieren wird. Andreas Khol: Ich bin grundsätzlich Anhänger des Freihandels. Der derzeitige Verhandlungsstand rechtfertigt noch keine Unterschrift. Ich orte drei fundamentale Mängel: 1. Die Ausgewogenheit der Zollzugeständnisse. 2. Das Fehlen einer internationalen Handelsgerichtsbarkeit und der dazugehörige Rechtsschutz. 3. Das Right to Regulate, vor allem auf folgenden Gebieten: Sozial- und Umweltstandards, Nahrungsmittelreinheit und Gesundheit, Schutz der Herkunftsbezeichnungen. Ich bin nicht bereit, unsere hochqualitative regional fokussierte bäuerliche Landwirtschaft auf dem Altar des Freihandels zu opfern. Richard Lugner: Ich bin gegen die Unterzeichnung des Freihandelsabkommen TTIP. Mit TTIP holen wir uns nicht nur bedenkliche Lebensmittelstandards ins Haus, sondern riskieren auf lange Zeit auch eine Nivellierung unseres Gesundheitssystems. Ich setze auf ein starkes Statement gegen TTIP. Wenn billige ausländische Lebensmittel eingeführt werden, gehen österreichische Arbeitsplätze verloren, genauso wie bei den Billigprodukten aus China. Alexander Van der Bellen: Ich stehe TTIP äußerst skeptisch gegenüber. Insbesondere in den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit, aber auch bei anderen Standards wie z. B. Gesundheits- oder Arbeitsschutzrechten darf es zu keinen Verschlechterungen kommen. Die im Rahmen von TTIP diskutierten Schiedsgerichte lehne ich ab, die österreichischen und europäischen Rechtsnormen sind ausreichend. *** Irmgard Griss: Notwendig ist das Signal, dass die Aufnahmekapazitäten beschränkt sind. Für Flüchtlinge nach der Genfer Konvention kann nach geltender Rechtslage keine Obergrenze festgesetzt werden. Nur ein kleiner Teil der Menschen, die schon gekommen sind und noch kommen, sind aber wegen eines persönlichen Merkmals verfolgt und daher Flüchtlinge nach der Genfer Konvention. Hotspots sind absolut notwendig. Es muss die Möglichkeit geschaffen werden, dass Menschen außerhalb des Schengenraums oder auch in Griechenland einen Antrag auf internationalen Schutz stellen. Die Flüchtlinge müssen gerecht auf die Mitgliedsstaaten verteilt werden. Norbert Hofer: Die Migrationswellen der letzten Monate haben von Österreich sehr viel abverlangt. Neben Schweden und Deutschland war Österreich eines der Länder, das am meisten Personen aufgenommen hat. Obergrenzen sind wenig zielführend. Österreich müsste in Wahrheit laut bestehendem EU-Recht und aufgrund internationaler Verträge nur Asylanträge jener Menschen annehmen, die zuvor kein sicheres Land durchquert haben. Wir fordern seit Jahren Asylaufnahmezentren außerhalb der EU-Grenzen. Dort soll in einem Verfahren festgestellt werden, ob es einen Asylgrund gibt oder nicht. Die Asylberechtigten sollten dann in Europa gerecht verteilt werden. Damit würde einerseits den Schleppern das Geschäft entzogen werden, und die wirklich Asylberechtigten müssten nicht die lebensgefährlichen Routen auf sich nehmen, sondern würden geordnet nach Europa einreisen. Auch das Durchschleusen hunderttausender Menschen in Richtung Deutschland muss abgestellt werden. Bereits heute schickt die Bundesrepublik täglich ca. 300 Personen nach Österreich zurück. Es leben mehr als 100.000 Menschen illegal in Österreich. Rudolf Hundstorfer: Nachdem wir in Europa die Frage der Flüchtlinge aktuell nicht gemeinsam lösen können, ist es nachvollziehbar, dass die einzelnen Staaten Signale senden müssen. Eines der Signale von Österreich ist: Ja, wir helfen weiterhin mit einer gewissen Zahl. Und gleichzeitig: Wir können nicht alles tun. Österreich allein kann das Problem nicht lösen, es muss letztendlich eine gesamteuropäische Lösung geben. Bezüglich der Hotspots bin ich für eine solidarische Verteilung der Flüchtlinge von den Hotspots an den EU-Außengrenzen. Andreas Khol: Ich bin weder bei den Hetzern, die sagen, das Boot sei voll. Noch bei den Träumern, die meinen, man könnte alle aufnehmen. Ich stehe auf einer verantwortungsvollen christlich-sozialen Position: So viele, wie wir unter großen Anstrengungen behausen, beschulen und integrieren können, sollen wir nehmen. Wie viele das sind, müssen Bürgermeister, Landeshauptleute und Bundesregierung gemeinsam nachvollziehbar erarbeiten und vorlegen. Jedenfalls liegen wir mit der Bereitschaft, 37.500 in diesem Jahr aufzunehmen, anteilsmäßig über den anderen EU-Ländern. Solidaritätsverweigerung kann uns niemand vorwerfen. Es braucht also die Obergrenzen, die ich schon in meiner Vorstellung als Kandidat am 11. Jänner eingefordert habe. Ich bin froh, dass die Bundesregierung seither gemeinsam zu dieser Position gefunden hat. Richard Lugner: Nach Genfer Konventionen sind wir verpflichtet, Kriegsflüchtlinge aufzunehmen. Diese sollen an der Schengengrenze abgefangen werden und auf die Mitgliedsstaaten der EU aufgeteilt werden. 75 Prozent der Flüchtlinge sind Männer, die vom Militärdienst fliehen. Hier gehört geklärt, ob Fahnenflüchtige überhaupt asylberechtigt sind. Offene Routen locken natürlich nicht nur Flüchtlinge an, sondern laden auch Glücksritter und Vagabunden nach Europa ein. Es wäre vernünftiger, die tatsächlich bedürftigen und leidenden Flüchtlinge vor Ort nach Österreich zu eskortieren. Hier gilt: Frauen und Kinder zuerst. Alexander Van der Bellen: Vergessen wir nicht, es geht um Menschen, die vor dem Krieg flüchten und unter Lebensgefahr z. B. das Mittelmeer überquert haben. Menschenrechtskonvention und Genfer Flüchtlingskonvention müssen auch für die Bundesregierung die Grundlage ihres Handelns sein. Eine gesetzliche Obergrenze für Asylsuchende würde diesen Grundrechten und EU-Recht widersprechen. Auf Dauer wird es aber nicht möglich sein, dass Schweden, Deutschland und Österreich die Hauptverantwortung für die Flüchtlingsversorgung allein übernehmen. Solange sich die Kriegssituation im Nahen Osten nicht ändert, müssen die Bemühungen auf europäischer Ebene verstärkt werden, um gemeinsam und solidarisch vorzugehen. Bundeskanzler, Vizekanzler und Außenminister sind gefordert, sich auf europäischer Ebene noch stärker für eine gesamteuropäische Lösung einzusetzen. *** Irmgard Griss: Abgesehen davon, dass die Gewährung von Asyl nicht davon abhängig gemacht werden kann, stellt sich die Frage, wie das geschehen soll. Norbert Hofer: Ja, wer in Österreich Schutz und Hilfe sucht, muss wissen, dass unsere Gesetze und unsere Leitkultur Maßstab für das Verhalten im Land sind. Asyl ist für mich aber ein Schutz auf Zeit. Rudolf Hundstorfer: Prinzipiell muss man zwischen Asyl und Integration unterscheiden. Ist das Asylverfahren abgeschlossen, ist das Ziel eine rasche Integration. Vorarlberg geht einen guten Weg. Es gibt dort eine Integrationsvereinbarung für anerkannte Flüchtlinge. Sie müssen sich an eine Vereinbarung halten, die zum Beispiel verpflichtende Sprachkurse vorsieht. Dafür bekommen sie Sach- und Geldleistungen. Andreas Khol: Ja. Richard Lugner: Dafür bedingt es zunächst einer Definition von Integrationswillen und Integrationsfähigkeit. Wie wollen wir das messen? Wenn wir der Medienberichterstattung Glauben schenken dürfen, wird jeder zweite Asylwerber angezeigt. Ein dementsprechendes Betragen zeugt – meiner Meinung nach – von unzureichendem Integrationswillen. Bildung, Ausbildung und das Interesse der Aneignung von Sprachkenntnissen sollen Indizien einer gelungenen Integration sein, wobei man nicht vergessen darf, dass Mohammed Atta auch Diplomingenieur und Sohn eines Anwalts war, der obendrein perfekt Englisch gesprochen hat. Alexander Van der Bellen: Gesellschaftliche Integration hängt immer vom Willen beider Seiten ab. Wenn Menschen rasch die Sprache lernen, mitgebrachte Qualifikationen anerkennen lassen und umsetzen können, ist das eine Win-win- Situation, von der beide Seiten profitieren. Dazu braucht es aber auch ein dementsprechendes Angebot. *** Irmgard Griss: Nein. Norbert Hofer: Asylberechtigte sollen keine Mindestsicherung erhalten, sondern in der Grundversorgung bleiben. Unser Sozialsystem darf kein Anreiz für die Reise nach Österreich sein. Rudolf Hundstorfer: Nein. Erstens ist es nicht geklärt, ob das rechtlich zulässig ist. Zweitens würde eine Kürzung die Menschen in die Armut treiben. Mir ist soziale Sicherheit wichtig, es geht darum, die Menschen in Beschäftigung zu bringen. Andreas Khol: Wir brauchen ein neues System der Mindestsicherung, das dem Missbrauch vorbeugt, die Anreize zur Arbeitsaufnahme verstärkt, darauf abstellt, dass Asylberechtigte anders zu behandeln sind als subsidiär Schutzberechtigte und im europäischen Kontext bestehen kann. Näheres müssen Bund und Länder vereinbaren. Richard Lugner: Was wir auf gar keinen Fall zulassen dürfen, ist, dass ein Flüchtling bessergestellt wird als ein österreichischer Staatsbürger. Das könnte wie sozialer Sprengstoff wirken, der die Bevölkerung noch weiter spaltet. Alexander Van der Bellen: Eine solche Regelung wäre wahrscheinlich verfassungswidrig und würde gegen EU-Recht verstoßen. Unser Bemühen sollte es sein, anerkannte Flüchtlinge sozial zu integrieren, statt sie auszugrenzen. *** Irmgard Griss: Eine Reform ist notwendig. Es muss aber genau geprüft werden, welche Änderungen sinnvoll sind. Norbert Hofer: Der Föderalismus muss beibehalten werden. Es muss aber zu einer klareren Kompetenzaufteilung zwischen Bund und Länder kommen. Rudolf Hundstorfer: Ich denke, das jetzige System ist ein bewährtes, ich sehe keine Änderungsgründe. Bei gewissen Bereichen kann man über eine neue Kompetenzverteilung diskutieren. Mir war zum Beispiel wichtig, dass die Pflege beim Bund angesiedelt wird, um einheitliche Standards zu garantieren. Andreas Khol: Österreich wurde zwei Mal aus seinen Bundesländern heraus gegründet. Die Bundesländer haben einen Sitz im Leben der Menschen. In der Nazizeit wurden Bundesländer zusammengelegt – das will ich nie wieder haben. Im Österreich-Konvent habe ich eine zeitgemäße Kompetenzverteilung vorgelegt, die die Länder stärkt und die Gemeinden als Ort der Freiheit noch mehr fördert. Richard Lugner: Als Verfechter des Föderalismus ist es mir ein Anliegen, dass die Teilung der Kompetenzen zwischen Bund und Ländern beibehalten wird. Was man andenken sollte, ist eine gegenseitige Kontrolle der Länder. Alexander Van der Bellen: Die Bundesländer sollen beibehalten werden. Seit langem ausständig und sinnvoll ist allerdings eine Reform der Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern. Die derzeitige Zersplitterung der Gesetzgebungs- und Vollzugszuständigkeiten verhindert klare politische Gestaltung und Verantwortlichkeit. *** Irmgard Griss: Ich bin für einen langen Pensionskorridor Die Konkurrenz macht eine angebliche Honorarforderung der Hofburg-Kandidatin zum Thema. Wien – Die Konkurrenz hatte es am Freitag eilig, einem angeblichen Vergehen von Präsidentschaftskandidatin Irmgard Griss, von dem die Tageszeitung Österreich unter dem Titel Griss verlangt 10.000 Euro für Wahl-Auftritt berichtet hatte, zusätzlichen Spin zu geben. Der Vorwurf, der im Raum steht: Die Ex-Höchstrichterin soll für einen Auftritt im Managementclub – dessen Präsident ist Ex-ÖVP-Politiker Herbert Paierl – ein Honorar gefordert haben. Um neun Uhr morgens twitterte Sven Pöllauer, Sprecher von Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP), bereits: Griss verlangt also € 10.000 für einen Auftritt im Wahlkampf – ob es Präsidentin-Termine dann auch gegen cash gibt? Nur wenig später sprang ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald per Aussendung auf: Ehrlich zu sein schaut anders aus. Er forderte eine umgehende Klarstellung der Kandidatin, wetterte gegen eine Kaufdemokratie, wie man sie aus den USA kenne, und empfahl Griss medienöffentlich: Wer Ehrlichkeit zu seinem Markenzeichen machen will, sollte sich nicht bei kleinen Lügen erwischen lassen. Auftritt als Fundraising-Event Im Büro von Griss wehrt man sich gegen die Vorwürfe. Kampagnenleiter Milo Tesselaar versichert: Irmgard Griss hat noch nie Geld für einen Auftritt im Wahlkampf verlangt, im Gegenteil: Wenn ihre eine Gage angeboten wurde, spendet sie diese für wohltätige Zwecke. Und die 10.000 Euro, die eine Griss-Assistentin in einem Mail an den Managementclub genannt hatte? Tesselaar erklärt die Causa so: Griss könne nicht alle Einladungen wahrnehmen, sie müsse sich auf Veranstaltungen mit großer Reichweite konzentrieren. Wer die Kandidatin dennoch im kleinen Rahmen erleben wolle, dem biete sie eben an, aus dem Auftritt ein Fundraising-Event für den Wahlkampf zu machen – schließlich sei die Kampagne, weil von keiner Partei getragen, auf Spenden angewiesen. Die 10.000 Euro seien ein Richtwert, ab dem sich solch eine Veranstaltung auszahle, sagt Tesselaar: Mit einer Honorarforderung hat das nichts zu tun. ÖVP-Präsidentschaftskandidat für Deckelung. Wien – ÖVP-Präsidentschaftskandidat Andreas Khol befürwortet zwar eine Residenzpflicht für arbeitslose Flüchtlinge – allerdings nur im Rahmen einer Reform der Mindestsicherung. Das hat seine Sprecherin Khols am Samstag gesagt. Die SPÖ will Flüchtlingen, die Mindestsicherung beziehen, einen bestimmten Bezirk als Wohnort vorschreiben, um eine Konzentration in den Städten zu vermeiden. Während die ÖVP das ablehnt und stattdessen für eine Kürzung der Mindestsicherung eintritt, plädierte Khol am Freitag für die Wohnsitzpflicht, um Ghettopolitik zu vermeiden. Seine Sprecherin ergänzte am Samstag, die Residenzpflicht müsse an eine Reform der Mindestsicherung – also etwa eine Deckelung – gekoppelt sein. Kritik an Khols jüngsten Aussagen kommt indessen von der FPÖ. Generalsekretär Herbert Kickl stößt sich – neben seiner Zustimmung zur Wohnsitzpflicht – auch an Khols Eintreten für die eingetragene Partnerschaft für Homosexuelle: Ist Andreas Khol nun der Kandidat der Grünen? Dass die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss für die Wiedereinführung der Erbschaftsteuer plädiert, empört indessen die ÖVP, die von Gift für den Wirtschaftsstandort spricht. Alexander Van der Bellen versucht die heikle Balance zwischen der Rolle des Umfragefavoriten und jener des für chancenlos gehaltenen Unabhängigen. Wien – Die Umfragen schauen ja nicht schlecht aus. Gar nicht schlecht. Aber vielleicht ist gerade das das Problem für Alexander Van der Bellen. Er kennt das aus der Zeit, als er Parteichef der Grünen war: In der Kanzlerfrage lag er zeitweise deutlich vor Amtsinhaber Wolfgang Schüssel und noch viel weiter vor anderen Mitbewerbern. Die Grünen als Partei hatten immer wieder Höhenflüge in Umfragen – aber dann eher enttäuschende Wahlergebnisse. Arschknapp, wie Van der Bellen im Wahlkampf 2006 immer wieder betont hatte, war dann der einmalige Coup, mit 532 Stimmen Vorsprung einen Achtungserfolg vor den Freiheitlichen zu landen. Diesmal geht es um mehr – das betont der Kandidat selbst, das betont auch Wahlkampfmanager Lothar Lockl, der am Montagabend als Einpeitscher für die Auftaktveranstaltung zum Intensivwahlkampf ins Tech Gate gekommen ist: Van der Bellen will siegen. Aber das darf nicht als allzu wahrscheinlich erscheinen – denn sonst glauben potenzielle Wähler des Altgrünen, dass die Wahl ohnehin schon gelaufen wäre. Ist sie nicht. Und Van der Bellen bemüht sich, auch nicht einen Hauch von Favoritenrolle zugeschrieben zu bekommen. Ein Außenseiter sei er. Ein Kandidat, dessen Antreten zu Beginn gar nicht ernst genommen worden sei. Aber dem der Mitbewerb inzwischen Respekt zollt. Immerhin: Das haben die guten Umfragewerte bewirkt. Aber blenden lassen von den Umfragen will sich weder Wahlkampagnenleiter Lockl noch der Kandidat selbst. Blenden lassen wollen sich die beiden auch nicht von der Welle an Sympathie, die Van der Bellen entgegenschlägt, wenn er etwa vor Schülern auftritt. Und derartige Sympathie gibt es natürlich auch beim Wahlkampfauftakt. Da gilt es, einerseits Mut zu machen, nach der Devise: Einerseits schön bescheiden zu bleiben und immer wieder die Außenseiterrolle anzusprechen. Andererseits: Eine Sensation wäre es, wenn er gewinnt, wird dem Publikum vermittelt. Und: Es lässt sich etwas bewirken. Befreien wir uns von diesen Depressionen und Mieselsüchten, die uns zeitweise überkommen! Widerstehen wir den Versuchen, alte Grenzen wieder hochzuziehen!, sagt der Kandidat. Die Breite des Personenkomitees (drei Repräsentanten lassen sich auf der Bühne zu Van der Bellen interviewen) und die immer wieder betonte Unabhängigkeit des gleichwohl von den Grünen unterstützten Kandidaten sollen das Bild vermitteln, mit dem Van der Bellen am ehesten Chancen hat, in die Stichwahl zu kommen: Hier steht ein Mensch, der für sich beansprucht, die Stimme der Vernunft zu sein. Hier steht ein Kandidat, dessen Amtsverständnis es ist, die Regierung anzuspornen, die wichtigsten Themen anzugehen. Das ist einmal die Bildung – für die Österreich mehr Geld brauchen werde. Das ist zum Zweiten die Verringerung der Kluft zwischen Armen und Reichen. Was auch nicht ohne Geld gehen wird. Da kommt es Van der Bellen gerade recht, dass der Skandal um die Panama-Papers aufgebrochen ist – als Präsident würde er die Regierung auf den europapolitischen Anspruch hinweisen: Es gelte Steuerschlupflöcher zu schließen. Zunächst aber geht es darum, in die Stichwahl zu kommen. Nächster Termin ist die Wahlfahrt am Dienstag in ORF 1. 'SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer greift den ideologischen Background des FPÖ-Konkurrenten an. Wien – Aufstehen für Österreich, plakatiert die FPÖ im Präsidentschaftswahlkampf. Doch ihr Kandidat Norbert Hofer ist Mitglied einer Burschenschaft, die ein gespaltenes Verhältnis zum Österreich-Begriff an den Tag legt. Erhellendes dazu bietet das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW), das in einer Analyse aus diversen Grundsatzdokumenten zitiert: Demnach bekennt sich die Marko-Germania zu Pinkafeld zur österreichischen Eigenstaatlichkeit, beruft sich aber auch auf das deutsche Vaterland, unabhängig von bestehenden staatlichen Grenzen. Laut einer Festschrift aus dem Gründungsjahr 1994 lehnt die Burschenschaft die geschichtswidrige Fiktion einer österreichischen Nation ab, die seit 1945 (...) in den Gehirnen der Österreicher festgepflanzt worden sei. SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer greift diesen Hintergrund auf – und Hofer dafür an: Es ist unverständlich, dass jemand, dessen Burschenschaft Österreich nicht als Nation anerkennt, Präsident dieses Landes werden möchte. Wie sich die Marko-Germanen laut Festschrift noch definieren: Als wertkonservative Gesellschaft müsse die Burschenschaft sich dem gefährlichen Begriff Pluralismus entgegenstellen, es brauche Trutzburgen für diejenigen, die sich nicht der liberalen Gesellschaft (...) ausliefern wollen. Hundstorfer stößt überdies ein Loblied auf die Elitenbildung sauer auf: Nach Jahrzehnten sozialistischer Gleichmacherei, heißt es, müsse darangegangen werden, ein neues und gesundes Verhältnis zum Begriff der Elite zu finden Der Präsidentschaftskandidat diskutiert in Mödling über die ORF-"Wahlfahrt", Englischtests und Klettern am Dachstein. Mödling/Wien – Es beginnt mit einem Verkehrsvergehen. Sperrlinie überfahren, Abbiegeverbot missachtet. Das macht den ORF-Kameramann unglücklich: Des kann ich ja net filmen! Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen ist spät dran, sein Kleinbus nimmt statt der vorgeschriebenen Runde um den Block lieber den direkten Weg zu seinen Fans. Die danken es ihm mit wohlwollendem Auftrittsapplaus. Ein Biomarkt am Mödlinger Bahnhofsplatz, das ist für den 72-jährigen Van der Bellen am Donnerstagnachmittag relativ einfaches Wahlkampfterrain. Viele Funktionäre der Grünen sind gekommen, das Jugendrotkreuz überreicht ihm ein T-Shirt, ein Bergsteigerfreund von früher zeigt ihm Fotos von einem gemeinsamen Kletterkurs am Dachstein. Ich mag sein überlegte Art, sagt Tim, der in Mödling zur Schule geht. Nachdenken und ruhiges Agieren seien wichtige Attribute für einen Bundespräsidenten. Sehr angenehm findet den Besuch auch die Verkäuferin hinter der Wurst- und Käsetheke im Biomarkt. Der ehemalige Bundessprecher der Grünen kann aber auch kämpferisch: Ich werde das gewinnen! sagt er, gestärkt von den Ergebnissen der jüngsten Meinungsumfragen, die ihn auf klarem Kurs Richtung Stichwahl sehen. Eine ältere Frau und treue Grünwählerin möchte trotzdem Kritik anbringen. Warum er denn zu Hanno Settele ins ORF-Wahlfahrt-Auto gestiegen sei und nicht auf eine Zugfahrt bestanden habe? Van der Bellen lacht: Der fährt nur mit dem alten Auto. Die Fahrt sei ganz angenehm gewesen und Settele sympathisch und nicht auf den Kopf gefallen, meint er und nippt an seinem Espresso. Das ist mir jedenfalls zehnmal lieber als Puls 4, wo man auf Englisch abgeprüft wird. Was soll denn das? Vor dem Biomarkt steht Van der Bellens Wahlkampfbus schon wieder parat. Ob das anstrengender sei als eine Bergtour, fragt ihn sein Bergsteigerfreund noch: Ja, meint Van der Bellen knapp, bevor er sich verabschiedet, einsteigt und abfährt. Ohne Verkehrsvergehen. Wie wirken die Wahlplakate der Hofburg-Kandidaten auf Touristen in Wien? Eine Umfrage. Ich glaube, er wäre ein besserer Großvater als ein Manager: Die Kandidatenplakate zur Bundespräsidentenwahl erwecken bei Wien-Touristen nicht immer das, was ihre Designer beabsichtigen. Wie Menschen, die weder die Kandidaten kennen noch (zumeist) deren Slogans verstehen, auf die Plakate reagieren, hat DER STANDARD in Wiens Innenstadt erfragt. Der SPÖ-Kandidat ist strikt gegen Kürzung der Mindestsicherung für Flüchtlinge. Sein Gehalt von 13.000 Euro hält er für gerechtfertigt. STANDARD: Besitzen Sie eine Waffe? Hundstorfer: Nein, wirklich nicht. STANDARD: FPÖ-Kandidat Hofer besitzt eine, der muss sich schützen. Sie nicht? Hundstorfer: Es ist bedenklich, dass Hofer angeblich auch zu Parteiveranstaltungen mit der Waffe gegangen ist. In meinem Umfeld hat niemand eine Waffe. STANDARD: Tangiert Sie die aktuelle Regierungsumbildung? Hundstorfer: Das ist Angelegenheit einer der Koalitionsparteien. STANDARD: Hat das Auswirkungen auf den Wahlkampf? Hundstorfer: Das müssen Sie die fragen, die meinen, sie müssen das jetzt machen. Mich tangiert das nicht. Den Herrn Sobotka kenn ich. Der ist sehr eckig und kantig, er wird darauf achten müssen, dass sich seine Sprache ändert. Er ist sehr direkt. STANDARD: In der SPÖ gibt es einen Konflikt über die Flüchtlingspolitik, da stehen auch Wiener SPÖ und Bundes-SPÖ gegeneinander. Wo stehen Sie? Eher beim Bundeskanzler oder doch auf der Seite des Wiener Bürgermeisters? Hundstorfer: Das ist Angelegenheit der Partei. STANDARD: Sie sind dort Mitglied. Hundstorfer: Wichtig ist etwas anderes: Wie können wir die Menschen in unserem Land integrieren? Es ist viel geschehen, auch unter massiver Mithilfe der Zivilgesellschaft. Es wird auch in Zukunft eine Aufnahme von Flüchtlingen geben, wenn auch eine reduzierte. Was die aktuelle Gesetzesänderung betrifft, kann ich nur sagen: Warten wir, bis die Verhandlungen fertig sind. STANDARD: Das Gesetz ist am Donnerstag im Innenausschuss. Hundstorfer: So weit ich informiert bin, gibt es noch Gespräche. STANDARD: Ist eine Verschärfung des Gesetzes notwendig? Hundstorfer: Es ist notwendig, sich darauf vorzubereiten, dass es sein kann, dass wir größere Schwierigkeiten bekommen. Wenn Deutschland nicht klar signalisiert, was es zu tun gedenkt, läuft Österreich Gefahr, der Puffer zu werden. Wir können dieser Puffer nicht sein. Wir haben im Vorjahr gesehen, was das für Kapazitätsproblematiken hervorgerufen hat. Aber es soll auch für die Zukunft das Signal geben: Ein gewisses Volumen nehmen wir jedes Jahr. Aber es kann sein, dass die Kapazitäten einmal erschöpft sind. STANDARD: Das wäre dann der Notstand, von dem die Regierung redet. Hundstorfer: Wenn ich mich gewissenhaft vorbereiten will, muss es auch eine Bestimmung geben, was wir tun, wenn es einen Notstand gibt. STANDARD: Aber jetzt sehen Sie keinen Notstand? Hundstorfer: Heute haben wir keinen Notstand. Die große Frage ist, was Deutschland tut, das hat Auswirkungen auf uns. STANDARD: Wir haben auch eine Grenze zu Italien und machen den Brenner dicht, ganz unabhängig von Deutschland. Hundstorfer: Weil eben die europäische Aufteilung nicht klar ist. Würde die Aufteilung in Europa funktionieren, brauchen wir über den Brenner gar nicht diskutieren. Den Brenner dichtzumachen ist die allerletzte Maßnahme. Wir wissen alle, was das bedeutet, von der Symbolik her, aber auch für den Tourismus. Ich hoffe immer noch, dass Europa funktioniert. Wir brauchen eine europäische Lösung. STANDARD: Aus den Umfragen ergibt sich derzeit ein eher trübes Bild für die Koalition. Wie erklären Sie sich das? Hundstorfer: Mit den Umfragen, die die Regierungsparteien betreffen, beschäftige ich mich nicht. Es wird bei dieser Wahl der Bundespräsident gewählt. Es wird nicht über den Nationalrat oder die Regierung abgestimmt. STANDARD: Dennoch: Warum steht die Regierung so schlecht da? Hundstorfer: Die Regierung bemüht sich, Dinge abzuarbeiten, so schwierig und komplex die Themen auch sind. Aber sie tut etwas. Und damit steht sie auch in der Kritik. Was tut die FPÖ? Der Herr Hofer ist immer nur dagegen. Haben Sie schon einmal gehört, dass der für etwas ist? Außer Stacheldraht an der Grenze? Das ist nicht das Europa, das ich mir vorstelle. STANDARD: Der Zaun an sich ist der Regierung aber auch nicht fremd. Den Zaun an der Grenze hat die Regierung auch ohne FPÖ-Beteiligung aufstellen lassen. Hundstorfer: Da geht es nur darum, dass man die Registrierung kanalisiert. Im Burgenland hab ich noch keinen Zaun gesehen. STANDARD: Ihre eigenen Umfragewerte sind auch nicht so besonders. Hundstorfer: Diejenigen, die die Umfragen machen, erklären gleichzeitig, dass man die nicht ernst nehmen muss und dass noch alles möglich ist. Abgerechnet wird am 24. April. Ich habe sehr viele positive Erlebnisse. Ich bin nicht blauäugig, ich bin schon hellhörig, aber Sorgen mach ich mir keine. STANDARD: Mit was für einem Gefühl würden Sie Heinz-Christian Strache angeloben? Sie würden ihn doch angeloben, wenn die FPÖ stärkste Kraft würde? Hundstorfer: Ich stehe dazu, dass die Demokratie ihre Spielregeln hat. Wenn es ein demokratisches Wahlergebnis gibt, ist das zu respektieren. Das Entscheidende ist in Wahrheit die stabile Mehrheit im Parlament. Die persönliche Befindlichkeit hat hier nichts verloren. Man kann über einzelne Personen und über die Ministerliste diskutieren, aber wenn es eine stabile Mehrheit gibt, ist daran nicht zu rütteln. STANDARD: Strache würden Sie also angeloben, wenn er Chef der stimmenstärksten Partei wäre? Hundstorfer: Persönlich gefällt mir diese Entwicklung nicht. Mir gefällt auch nicht, dass ich einen Nebenkandidaten habe, der bei einer Burschenschaft ist, die die österreichische Nation für eine Fiktion hält. So einen Bundespräsidenten würde ich nicht haben wollen. Das muss man alles in der Vorbereitung der Wahl thematisieren. Aber wenn das Volk abgestimmt hat, hat es abgestimmt. Ich versteh auch den Herrn Professor nicht, wenn er meint, dann kann man einfach noch einmal wählen, wenn ihm das nicht gefällt. STANDARD: Angenommen, Sie schaffen es nicht in die Stichwahl: Welche Auswirkungen hätte das auf die Bundespartei? Geriete dann auch der Parteichef unter Druck? Hundstorfer: Diese Frage stellt sich für mich nicht. Das Amt des Bundespräsidenten ist eine Persönlichkeitswahl. Es geht nicht um eine Partei, um die Regierung oder das Parlament. STANDARD: Aber es gibt eine Partei, die Sie nominiert hat. Hundstorfer: Ich habe mich selbst bereiterklärt, die Partei steht voll hinter mir, ich habe ihre volle Unterstützung. Aber es geht um meine Person. Wenn es hypothetisch eintrifft, dann ist das mein Thema, aber nicht das Thema von anderen. STANDARD: Eine Frage zu Ihrem Gehalt: Sie sind bei jenem Verein angestellt, der Ihren Wahlkampf managt und der von der SPÖ finanziert wird ... Hundstorfer: Nein, das ist falsch. Es gibt Spenden, es gibt Geld von der sozialdemokratischen Gewerkschaft. STANDARD: Und von der Partei. Hundstorfer: Nein, für das nicht. STANDARD: Die Partei finanziert doch den Verein. Hundstorfer: Ja, einen Großteil übernimmt die Partei, was dann auch so veröffentlicht wird. STANDARD: Sie haben gesagt, Sie müssten im Wahlkampf schließlich von etwas leben. Wären Sie nicht auch mit etwas weniger als mit 13.000 Euro ausgekommen? Hundstorfer: Ich habe freiwillig mein Ministeramt zurückgelegt. Ich bin Bediensteter der Stadt Wien, hätte am nächsten Tag meinen Dienst antreten sollen und habe einen Urlaub ohne Bezüge angetreten. Erstmalig seit meinem 18. Lebensjahr bin ich jetzt in einem Angestelltenvertrag, und dafür wird kein Steuergeld verwendet. STANDARD: Es geht um die Höhe Ihres Gehalts, über die man diskutieren kann. Mit weniger wären Sie nicht ausgekommen? Hundstorfer: Die Höhe ist abgeleitet von den 75 Prozent des Ministergehalts, die es sonst als Entgeltfortzahlung gibt. Ich glaube, das ist argumentierbar. Herr Hofer bekommt seine 14.000 Euro als Nationalratspräsident und macht den Wahlkampf angeblich nebenbei. In Wahrheit macht er nur Wahlkampf. STANDARD: 13.000 Euro monatlich bringen Sie nicht in einen Argumentationsnotstand gegenüber Ihrer Wählerschaft? Hundstorfer: Es wäre dann ein Argumentationsnotstand, wenn das Steuergeld wäre. Aber es ist total sauber geregelt. STANDARD: Sie kommen jetzt viel in Österreich herum. Was sind die dringlichsten Anliegen, die an Sie herangetragen werden? Hundstorfer: Pensionen, Arbeitsmarkt. STANDARD: Und Flüchtlinge? Hundstorfer: Nummer drei. STANDARD: Derzeit wird heftig über die Mindestsicherung diskutiert. Soll man die deckeln oder bei Flüchtlingen überhaupt kürzen? Hundstorfer: Nein. Ich bin strikt dagegen, dass man anfängt, bei den Ärmsten der Armen zu sparen. STANDARD: Egal, ob Österreicher oder Flüchtling? Hundstorfer: Egal. Wenn jemand Anspruch hat, ist die Nationalität sekundär. Was man tun muss, ist das, was Vorarlberg mit der Integrationsvereinbarung gemacht hat. In Wien wird das auch so gehandhabt. Wenn jemand Termine versäumt, wird das gemeldet, dann gibt es Sanktionen. Die Wiener haben im Vorjahr 11.000-mal die Mindestsicherung gekürzt, teilweise bis null. STANDARD: Diese Sanktionsmöglichkeiten bestünden in allen Bundesländern, nur wird das sehr unterschiedlich gehandhabt. Hundstorfer: Leider, obwohl die Vorarlberger Lösung die fairste aller Vorgangsweisen ist. Man kriegt Sachleistungen, man kriegt Geld, aber man muss Bedingungen erfüllen. Das sind Termine beim AMS, Termine für einen Deutschkurs. Wenn das nicht passiert, gibt es Sanktionen. Aber widmen wir uns doch lieber den Steuerbetrügern. Wenn ÖVP und FPÖ mit dem gleichen Feuereifer bei dieser Debatte dabei wären, wäre das schön. Der Präsidentschaftskandidat findet nationalsozialistische Wiederbetätigung aus jugendlichem Übermut zu scharf sanktioniert, das Verbotsgesetz könne aber auch so bestehen bleiben. Wien – Der Unternehmer und Kandidat bei der Bundespräsidenschaftswahl Richard Lugner wünscht sich eine Reform des Verbotsgesetztes. Jugendliche würden etwa für den Hitlergruß hart bestraft und ich glaube, das sollte nicht mehr sein, sagt Lugner in der ATV-Interviewsendung Klartext, die am Mittwochabend ausgestrahlt wird. Das ist eine Frage, ob Jugendliche da übermütig sind, erklärt Lugner. Er selbst habe in seiner Jugend auch Unsinn gemacht, wenn auch keinen politischen. Ich glaube, derzeit ist kein Boden bei uns vorhanden, dass sich eine Nazi-Partei wieder hocharbeiten kann, sagt der Präsidentschaftskandidat. Aber man kann die Verbotsgesetze auch lassen, soll auch gut sein, schränkt der Präsidentschaftskandidat seine Forderung ein, ich werde meine Hand nicht zum Hitlergruß heben. Verteidigt hat Lugner eine Stiftungskonstruktion, die der Umgehung etwaiger Erbschaftssteuern im Falle seines Todes dient. Es ging darum, dass wenn ich sterbe, dass meine Söhne die Firma weiterführen und erhalten können. Eine Erbschaftssteuer würden seine Firmen finanziell nicht stemmen. Als Werbekampagne für sein Einkaufszentrum will Lugner seine Kandidatur nicht verstanden wissen: Das ist ein absoluter Unsinn. Alles, was ich für die Bundespräsidentenwahl ausgebe, muss ich aus meinem Privatvermögen zahlen. Werbeausgaben für die Lugner-City dagegen wären steuerlich absetzbar. Seine teils skurrilen Fernsehauftritte rechtfertigt Lugner. Wenn man eine Fernsehsendung macht, muss man schauen, dass sie erfolgreich ist. Und da muss man halt Verschiedenes tun. Alle berühmten Schauspielerinnen würden sich pudelnackert ausziehen, weil das für ihren Erfolg einfach notwendig ist. Jedoch: Ich habe mich noch nicht pudelnackert ausgezogen. ÖVP-Kandidat Khol kommt hinter dem FPÖ-Politiker Hofer auf Platz fünf. Wien – Gut eine Woche vor der Bundespräsidentenwahl liegen im APA/OGM-Vertrauensindex drei Kandidaten deutlich im Plus: An der Spitze liegt mit zwölf Punkten die frühere OGH-Präsidentin Irmgard Griss vor dem Grünen Alexander Van der Bellen (elf Punkte) und SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer (zehn Punkte). Wie OGM-Chef Wolfgang Bachmayer betont, handelt es sich dabei allerdings nicht um eine Wahlprognose. Für den Vertrauensindex wurden diese Woche 500 Personen online befragt (maximale Schwankungsbreite 4,5 Prozent), ob sie den sechs Kandidaten vertrauen oder nicht. Deutlich hinter Griss, Van der Bellen und Hundstorfer, aber noch im positiven Bereich, liegt FPÖ-Kandidat Norbert Hofer mit drei Punkten. Andreas Khol von der ÖVP kommt mit minus zwölf Punkten auf Rang fünf. Baumeister Richard Lugner liegt mit minus 45 Punkten klar an letzter Stelle. Sowohl Griss als auch Hofer konnten sich seit der ersten Befragung im Februar verbessern – Griss um vier Punkte, Hofer um neun. Der FPÖ-Kandidat konnte damit im Wahlkampf in den positiven Bereich vorrücken. Allerdings hinken sowohl Griss als auch Hofer ihrer Konkurrenz bei der Bekanntheit noch hinterher: Insgesamt hatten zu Griss nämlich nur 66 Prozent der Befragten eine Meinung, zu Hofer 65 Prozent. Die vier anderen Kandidaten liegen bei 80 Prozent oder darüber. Auch Khol legte seit Februar um zwei Punkte zu, bleibt aber insgesamt deutlich im Vertrauensminus. Van der Bellen büßte auf vergleichsweise hohem Niveau zwei Punkte ein, Hundstorfer einen. Bei Andreas Khol dürfte im Vergleich zu Griss, Van der Bellen und Hundstorfer ein Manko bei der Sympathie vorliegen, vermutet Bachmayer. Griss Führung führt Bachmayer auf die seit Februar gesteigerte Bekanntheit sowie darauf zurück, dass sie weniger polarisiert und daher weniger Kein Vertrauen-Antworten erhält. Lugner konnte mit plus acht Punkten seit Februar zwar ebenfalls Boden wettmachen. Als künftigem Bundespräsidenten würden ihm aber nur 18 Prozent der Befragten vertrauen – 63 Prozent hätten kein Vertrauen zu ihm. Damit liegt Lugner weiterhin abgeschlagen am letzten Platz. Stimme muss am 24. April 17.00 Uhr bei der Wahlbehörde eingelangt sein. Wien – Wahlberechtigte, die ihre Stimme für den nächsten Bundespräsidenten mit der Post schicken wollen, aber noch keine Wahlkarte haben, sollten sich langsam beeilen. Bis Mittwoch kann die Wahlkarte noch schriftlich und mit Zustellung per Post beantragt werden. Aber auch für die Briefwahlstimmen gilt der Wahlschluss Sonntag, 24. April, 17 Uhr. Bis dahin müssen sie bei der zuständigen Wahlbehörde einlangen. Um nicht allzu viele Wähler wegen zu später Aufgabe ausschließen zu müssen, bietet das Innenministerium in Kooperation mit der Post wieder einen besonderen Wahlkartenservice an: Die Briefkästen werden, anders als üblich, am Samstag noch einmal geleert und die Wahlkarten zu den (aufgedruckten) Bezirkswahlbehörden gebracht. Dies allerdings ab 9.00 Uhr früh – spätestens bis dahin müssen sich die Briefwähler also entschieden und ihren Stimmzettel eingeworfen haben. Womit sich die Briefwahl aber auch noch für die Wahlberechtigten ausgeht, die die Antragsfrist bis zum letzten ausschöpfen. Persönlich kann man bis Freitag, 22. April, 12.00 Uhr den Antrag stellen und die Wahlkarte gleich mitnehmen bzw. von einem bevollmächtigten Boten abholen lassen. Ausgezählt wird die Briefwahl aber erst einen Tag nach der Wahl. Diese Stimmen sind also noch nicht im Gesamtergebnis enthalten, das der neue Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) Sonntag rund um 19.30 Uhr präsentieren wird. Für den Nachfolger Johanna Mikl-Leitners (ÖVP) wird dies nach der Angelobung am Freitag wohl sein erster großer öffentlicher Auftritt. Liegen in dem von ihm vorgetragenen vorläufigen Endergebnis Zweiter und Dritter sehr eng beieinander, geben die Briefwähler den Ausschlag, wer in die Stichwahl kommt. Das wird man dann erst Montagabend wissen. Die am Postweg eingelangten Stimmen werden erst am Tag nach der Wahl ausgezählt. Und das werden nicht wenige sein: Bei der Nationalratswahl 2013 machten sie fast zwölf Prozent der gültigen Stimmen aus. Bereits Sonntagabend dabei sein werden bei der Bundespräsidentenwahl aber die in fremden Wahlkreisen abgegebenen Wahlkarten. Sie können gleich am Abgabeort mitgezählt werden und müssen nicht in den richtigen Wahlkreis gebracht werden. Bei der Nationalratswahl ist das nötig, weil auch in den Wahlkreisen Mandate vergeben werden. Und neu ist: Wahlkarten können in allen und nicht nur den speziell dafür eingerichteten Wahllokalen abgegeben werden. Und auch direkt zur – aufgedruckten – Wahlbehörde können die Wahlkarten gebracht werden. Dies schon vor dem 24. April – und nicht nur persönlich, sondern auch von einem Boten. Auch am 24. April kann ein Dritter sie noch mitnehmen und abgeben, wenn er selbst ins Wahllokal geht. Ist der Wahlberechtigte wider Erwarten doch selber imstande, sein Wahllokal aufzusuchen, ist auch dies freilich zulässig. Wobei er seine Wahlkarte unbedingt mitnehmen muss: Wer eine erhalten hat, kann nicht mehr ohne abstimmen. Verliert man sie, bekommt man auch keinen Ersatz. Damit soll verhindert werden, dass ein Wahlberechtigter mehrfach mitstimmt. Nur eine unbrauchbar gewordene Wahlkarte kann man im zuständigen Gemeindeamt bzw. Magistratischen Bezirksamt umtauschen. FP-Präsidentschaftskandidat: Nur Beitragszahlern soll geholfen werden. Wien – Der freiheitliche Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer will, dass das Arbeitsmarktservice nicht mehr für alle Jobsuchende zuständig ist. Im STANDARD-Interview präzisiert er die Forderung aus dem Handbuch Freiheitlicher Politik, an dem er maßgeblich mitgeschrieben hat. Das AMS soll nur jenen Menschen Jobs vermitteln, die bereits Beiträge gezahlt haben. Wenn das nicht der Fall ist, dann ist das AMS nicht zuständig, erklärt der blaue Hofburganwärter. Außerdem will Hofer eine eigene Sozialversicherung für Zuwanderer – ohne Arbeitslosenversicherung. Seine Begründung: Man muss für die Menschen, die nur für einige Zeit ins Land kommen, ein eigenes Modell finden.Hofer zeigt sich zufrieden mit der aktuellen Flüchtlingspolitik der Regierung und lobt die Arbeit von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ). Derzeit würde er als Bundespräsident die Regierung – anders als etwa im Vorjahr – nun nicht mehr entlassen. STANDARD: Sie beklagen, die Regierung habe rechtzeitig vor der Wahl auf FPÖ-Positionen eingeschwenkt. Vermissen Sie das blaue Alleinstellungsmerkmal? Hofer: Man muss differenzieren. Sebastian Kurz macht seine Sache als Außenminister nicht schlecht. Auch Hans Peter Doskozil bemüht sich mehr um das Bundesheer als sein Vorgänger. Man muss da ehrlich bleiben und auch sagen, wenn ein politischer Mitbewerber etwas gut macht. STANDARD: Das heißt, Sie würden die Regierung jetzt nicht entlassen? Hofer: Nein, ich würde die Regierung jetzt nicht entlassen. Aber ich würde auch die wirtschaftliche Entwicklung Österreichs beurteilen. Hier würde ich das Gespräch mit der Regierung suchen. STANDARD: Anlässlich der Debatte, ob Polizei und Bundesheer im Grenzgebiet bewaffnet sein sollen, haben Sie gesagt: Es kommen ja nicht nur nette Menschen, es kommen auch Menschen, die bereit sind, dir den Kopf abzuschneiden. Wie meinen Sie das? Hofer: Wir wissen ja nicht, wer kommt. Das heißt, wenn hier hunderttausende Menschen ins Land kommen, sind auch welche dabei, die bereit sind, in den Jihad zu ziehen. Das passiert, wenn man nicht registriert. Es geht nicht darum, jemanden zu bedrohen, der die Grenze überschreitet. Die Dienstwaffe der Polizisten dient dem eigenen Schutz. STANDARD: Beim Grenzübertritt werden die Menschen ja registriert. Ist Kopfabschneiden für Sie eine zulässige Pauschalisierung? Hofer: Ich habe ja nicht gesagt, dass alle bereit sind, uns den Kopf abzuschneiden. Aber wir haben bereits viele IS-Rückkehrer, die in Österreich leben. STANDARD: Rückkehrer können aber keine Flüchtlinge sein. Im Wahlkampf haben Sie Flüchtlinge als Invasoren bezeichnet. Darf ein Bundespräsident so reden? Hofer: Ja, auch der Präsident hat das Recht auf klare Worte. Invasoren bedeutet Eindringlinge – das sind Menschen, die, wie im Sommer, unregistriert die Grenze überschreiten. STANDARD: Ihren Mitbewerber Alexander Van der Bellen haben Sie als grünen faschistischen Diktator bezeichnet. Warum? Hofer: Wie soll ich es sonst formulieren, wenn er sagt: Auch wenn die Mehrheit der Bürger eine Partei in den Nationalrat wählt, die mehr als die Hälfte der Mandatare stellt, lasse ich nicht zu, dass diese Partei Regierungsverantwortung übernimmt. Das ist Willkürherrschaft. STANDARD: Sie gelten als Autor des Parteiprogramms, haben das Handbuch freiheitlicher Politik mitgeschrieben. Dort steht, dass das Arbeitsmarktservice (AMS) nur für Österreicher zuständig sein soll. Wie stellen Sie sich das vor? Hofer: Wenn jemand schon einige Jahre in Österreich gearbeitet und hier seine Beiträge gezahlt hat, dann soll das AMS vermitteln. Aber wenn das nicht der Fall ist, dann ist das AMS nicht zuständig. STANDARD: Soll das für alle EU-Ausländer gelten? Hofer: Ja, für alle. STANDARD: Sie plädieren für eine eigene Sozialversicherung für Gastarbeiter, ohne Arbeitslosenversicherung. Wollen Sie damit Menschen in Armut drängen? Hofer: Nein. Man muss aber für Menschen, die nur für einige Zeit ins Land kommen, ein eigenes Modell finden. Das will ich umsetzen. STANDARD: Welche Rolle kann der Bundespräsident bei der Integration von Flüchtlingen spielen? Hofer: Integration ist immer eine Hol- und eine Bringschuld. Beide Seiten müssen sich bemühen. STANDARD: Und welche Maßnahmen würden Sie konkret ergreifen zur Integration – auch von muslimischen Flüchtlingen? Hofer: Ich unterscheide nicht, ob das muslimische Flüchtlinge sind oder andere Zuwanderer. Das Wichtigste ist, dass man bereits in der Schule beginnt. Wenn Kinder dem Unterricht nicht folgen können, weil sie die Sprache nicht verstehen, hilft es keinem. STANDARD: Können Zuwanderer auch etwas Positives einbringen? Hofer: Als mein Bruder jahrelang in Libyen gelebt hat, haben seine Frau und seine Töchter einen Schleier getragen und haben sich bemüht, dort so zu leben, wie man in Libyen eben lebt. Es ist wichtig, die Verfassung zu respektieren. STANDARD: Das ist klar. Aber stehen Sie für Inklusion? Hofer: Integration ist der bessere Begriff. STANDARD: Sie fordern ein Kopftuchverbot im öffentlichen Raum, argumentieren das mit der Unterdrückung der Frauen. Was macht es im privaten Bereich besser? Hofer: Mir wäre es am liebsten, wenn das gar nicht notwendig wäre und das Kopftuch kein Dogma ist. Es kommen viele Menschen zu uns, die ein Frauenbild aus dem Mittelalter haben, bei dem Frauen weniger wert sind. Hier muss man klar vermitteln, dass in unserer Gesellschaft Männer und Frauen gleich zu behandeln sind. STANDARD: Manche Frauen tragen das Kopftuch freiwillig. Hofer: Das glaube ich nicht. STANDARD: Wenn Ihnen Gleichberechtigung so wichtig ist, warum singen Sie dann die Bundeshymne ohne Töchter? Hofer: Weil es mich stört, dass man glaubt, über den Text Frauenpolitik zu machen. STANDARD: Es geht um einen symbolischen Akt. Wie kann Sie diese Formulierung so stören? Hofer: Warum nimmt man das Vaterland nicht heraus? Mich stört, dass man die echten Probleme damit zudeckt und so tut, als würde man damit irgendetwas erreichen. Es ist kein Symbol für mich. STANDARD: Ihrem Parteichef wurde in Israel der offizielle Dialog verweigert. Der israelische Botschafter fordert einen Brief, in dem sich die FPÖ von ihrer NS-Vergangenheit distanziert und ein klares Bekenntnis zum Holocaust ablegen soll. Gibt es das Schreiben schon? Hofer: Diesen Brief gibt es schon seit Jahren. STANDARD: Was stand in dem Brief? Hofer: Das weiß ich nicht, ich hab den Brief nicht gesehen. STANDARD: Von welchem Brief sprechen Sie also? Wir meinen nicht das FPÖ-Gratulationsschreiben zum Staatsjubiläum Israels. Hofer: Ich kenne den Brief nicht, mir wurde gesagt, dass er existiert. STANDARD: Warum wurde dann der Dialog verweigert? Hofer: Ich habe das nicht erlebt, als ich in Israel war. Ich war Teil einer Delegation des österreichischen Parlaments und bin von der Präsidentin der Knesset empfangen worden. Für Heinz-Christian Strache war es auch ein erfolgreicher Besuch. STANDARD: Der israelische Außenminister wollte ihn nicht treffen. Hofer: Ich weiß nicht, wen Strache getroffen hat, aber die Beziehung zu Israel verbessert sich laufend. STANDARD: Heinz Fischer hat Irans Präsident Rohani eingeladen. Nach dessen Absage ist die Einladung noch aufrecht. Würden Sie ihn empfangen? Hofer: Ich hoffe, dass er auch zu mir kommt. Aber ich würde auch ganz klar sagen, dass das Existenzrecht Israels anerkannt werden muss. Da darf man sich nicht vor klaren Worten scheuen. STANDARD: Apropos klare Worte: Sie sind der Exekutor von Parteiausschlüssen. Warum durfte Christian Höbarth nach seinem verhöhnenden Posting über Flüchtlinge bleiben, während Susanne Winter gehen musste, die einem antisemitischen Posting zugestimmt hatte? Hofer: Ihre Aussagen waren derartig parteischädigend, dass der Ausschluss notwendig war. Mit Höbarth habe ich ein Gespräch geführt. Er hat klar gesagt, dass er das nicht wiederholen wird. STANDARD: Sie sind Ehrenmitglied der Burschenschaft Marko Germania. Burschenschaften stehen für Deutschnationalismus. Wie ist das mit dem Amt des Bundespräsidenten vereinbar? Hofer: Es ist eine Schülerverbindung, bei der wir in den Statuten festgelegt haben, dass wir uns für Minderheiten einsetzen. Für mich ist das schon mit dem Amt des Bundespräsidenten vereinbar. STANDARD: In einer Festschrift steht, dass die österreichische Nation im Gehirn nach 1945 festgepflanzt wurde. Sehen Sie das auch so? Hofer: Das war eine Festschrift, die jemand Anfang der 1990er-Jahre geschrieben hat, in den Statuten steht das nicht. Das kommt nicht aus meiner Verbindung. STANDARD: Ist es in Ordnung? Hofer: Nein, Österreich ist eine Nation. Aber es gilt die Meinungsfreiheit. Wenn jemand diese Meinung hat, muss ich das akzeptieren. STANDARD: Ihre Mitgliedschaft würden Sie deshalb nicht zurücklegen? Hofer: Nein. STANDARD: Dass Sie mit dem schwarz-rot-goldenen Band auf dem Akademikerball eine Doppelbotschaft aussenden, nehmen Sie in Kauf? Hofer: Das sind die Urfarben der Burschenschaft von 1815. Das ist der Grund, warum Burschenschafter dieses Band tragen. Diese Farben sind erst viel später die Farben der Bundesrepublik Deutschland geworden. Hier wird kein Signal ausgesandt. STANDARD: Aber man assoziiert damit die deutsche Flagge. Hofer: Nein, die Farben stehen für Burschenschaften. Ein Kreuz in einem Kreis ist vorbildlich – bei Irrtum ist ein neuer Stimmzettel möglich. Wien – Ein Kreuz in dem Kreis neben dem gewünschten Bundespräsidenten – so sieht die vorbildliche Stimme für die Wahl am Sonntag aus. Auch andere Varianten sind gültig, so ferne eindeutig zu erkennen ist, welchen Wahlwerber der Wähler wählen wollte. Jedenfalls muss der amtliche Stimmzettel verwendet werden, sonst ist die Stimme ungültig. Als ungültig aus der Zählung genommen werden auch Stimmzettel, bei denen zwei oder mehr Kandidaten gekennzeichnet sind – auch wenn einer angekreuzt und beim anderen nur ein dünner Strich zu sehen ist. Hat man also z.B. beim falschen Kandidaten angesetzt, muss man zum Wahlleiter gehen und sich einen neuen Stimmzettel holen. Briefwähler müssen vorsichtiger sein: Fehlerhaft ausgefüllte Wahlkarten dürfen nicht ersetzt werden. Über die Gültigkeit von Stimmzetteln entscheidet in letzter Konsequenz, wenn die Wahl deshalb angefochten wurde, der Verfassungsgerichtshof (VfGH). Die Höchstrichter urteilen recht streng: So geht es auf ihre Judikatur zurück, dass ein Stimmzettel mit Zeichen bei zwei oder mehr Kandidaten ungültig ist, unabhängig von der Art oder Intensität der Kennzeichnung. Gültig ist nicht nur ein Kreuz, sondern jede andere Kennzeichnung, die klar einem Kandidaten gilt: Striche, Hakerl, dicke Punkte, Ja im Kreis oder beim Namen, aber auch Einkreisen des Namens oder Durchstreichen der fünf anderen Bewerber. Angebracht werden kann das Zeichen – wie im Bundespräsidentenwahlgesetz steht – mit Tinte, Farbstift, Bleistift oder dergleichen. Wer will, kann auch einen Kommentar auf den Stimmzettel schreiben oder etwas zeichnen: Markierungen beeinträchtigen die Gültigkeit nicht, wenn der Wählerwille klar erkennbar bleibt. Aber man sollte den Stimmzettel unversehrt lassen: Ist ein Teil abgerissen und damit der Wählerwille nicht mehr klar erkennbar, ist das ungültig. Auf diesem Stoß landen auch leere Wahlkuverts – wenn jemand den Stimmzettel z.B. mit nach Hause nimmt. Ebenso die leeren Stimmzettel der Weißwähler. Alle ungültigen Stimmen werden jedoch als abgegebene gezählt und erhöhen damit die Wahlbeteiligung. Für die Briefwahl gibt es noch zwei eigene Bestimmungen: Wahlkarten, auf denen die Unterschrift für die eidesstattliche Erklärung fehlt, sind nichtig. Sie werden gar nicht in die Auszählung einbezogen, also nicht einmal als abgegebene Stimme gewertet. Und nichtig ist es auch, wenn die Wahlkarte kein, mehr als eines oder ein falsches Wahlkuvert enthält bzw. das Wahlkuvert beschriftet wurde – oder wenn sie so schwer beschädigt ist, dass eine Manipulation nicht ausgeschlossen werden kann. Wichtig ist für Briefwähler natürlich auch, die Frist einzuhalten: Ihre Stimmen müssen spätestens am Sonntag um 17.00 Uhr bei der zuständigen Bezirkswahlbehörde eingetroffen sein. Irmgard Griss ärgert sich über "martialische Rhetorik". Selbst 90.000 neue Asylanträge würden keinen Notstand auslösen. STANDARD: Was ist eine typisch österreichische Einstellung, die Sie sympathisch finden? Griss: Österreicher haben eine gewisse Gelassenheit. Ein bissl leben und leben lassen. Dass man sagt: Ja, mein Gott, die Lage ist zwar hoffnungslos, aber nicht ernst. Es bringt nichts, die Dinge immer an sich herankommen zu lassen, dann könnte man gar nicht überleben. STANDARD: Und eine, die Sie unsympathisch finden? Griss: Sich weniger auf die eigenen Stärken zu konzentrieren als auf die Schwächen des anderen. Jemand hat mir das unterschiedliche Verhalten österreichischer und ausländischer Fans beschrieben: Ausländische Fans feuern die eigene Mannschaft an, österreichische Fans machen die fremde Mannschaft schlecht. Es ist immer dieses: Was kann ich beim andern finden? Nicht zu fragen: Was kann ich besser machen? STANDARD: Wie stehen Sie zum umstrittenen Notstandsgesetz im Asylbereich? Griss: Das ist eine Maßnahme, von der völlig offen ist, ob sie jemals umgesetzt wird. Weil dazu Zustände eintreten müssten, von denen wir annehmen können, dass sie nicht eintreten werden. Weil man jetzt auch auf EU-Ebene viel tut, um den ungehinderten Zustrom von Menschen zu verhindern und an Ort und Stelle zu helfen. STANDARD: Ab wann herrscht Notstand? Griss: Wenn die Leute nicht mehr unterzubringen, die Asylanträge nicht mehr zu bewältigen sind. Wenn ein Aufruhr droht. STANDARD: Wäre es ein Notstand, wenn mehr Flüchtlinge in Österreich ankommen, als die Regierung es in der Obergrenze vorsieht? Griss: Das wäre ja ein Witz, wenn das so ginge. Dann könnte die Regierung durch die Festsetzung einer Obergrenze die faktischen Zustände, die gegeben sein müssen, erst setzen. Nein, es muss eine Notsituation sein. STANDARD: Wenn es 2016 wieder 90.000 Asylanträge werden, wäre das so ein Zustand? Griss: Nein. Man muss ja nur die Asylverfahren beschleunigen, in die Strukturen investieren. STANDARD: Sie sagen, wir sind weit entfernt vom Notstand. Der Verteidigungsminister sagt: Brenner-Grenze zu. Griss: Mich stört an der öffentlichen Diskussion diese martialische Rhetorik. Das schürt Ängste, bringt vielleicht Stimmen, aber ich glaube den Falschen. STANDARD: Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) sagt hingegen: Wenn man das nicht so macht, dann könne man auch gleich FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache den Schlüssel zum Bundeskanzleramt in die Hand geben. Griss: Ich bin anderer Meinung. Das hilft gerade jenen, die immer schon so geredet haben. Die Leute sagen: Okay, jetzt kommen die Regierungsparteien zwar auch drauf, aber Strache hat das schon früher gesagt. STANDARD: Was sollte man tun, um das Massensterben im Mittelmeer zu verhindern? Griss: Man muss Möglichkeiten schaffen, damit Flüchtlinge vor Ort einen Asylantrag stellen können. Auch in Afrika. STANDARD: Sie würden ein Botschaftsasyl befürworten? Griss: Natürlich – in welcher Form auch immer, das können auch Hotspots sein. Da kann Frontex noch so viele Boote haben: Es wird nicht gelingen, die Grenze in Libyen abzuriegeln. STANDARD: Andreas Khol sagt, Österreich sei ein Opfer des Nationalsozialismus. Stimmen Sie zu? Griss: Die Opfertheorie war nach dem Krieg herrschend und wird seit mehreren Jahren infrage gestellt. Es gibt da bestimmte Formulierungen, die jetzt verwendet werden, dass eben auch viele Österreicher und Österreicherinnen Täter waren. Dieses Hängen an Formulierungen finde ich gewöhnungsbedürftig und nicht richtig. Es ist völlig selbstverständlich, dass viele Österreicherinnen und Österreicher auch schuldig geworden sind. Ich finde nur: Dass es immer eine bestimmte Wortwahl sein muss, die noch akzeptiert wird, ist bezeichnend. STANDARD: Würden Sie Khols Sager also inhaltlich unterstreichen? Griss: Schauen Sie, wir haben jetzt wieder das Nazi-Thema, das ja sehr beliebt ist. Wir sind jetzt im Jahr 2016. Ich bin 1946 geboren, ein Jahr nach Kriegsende, ich habe mit der nationalsozialistischen Gesinnung wirklich nichts am Hut. Wir haben heute Probleme zu lösen. Schauen Sie sich die Situation im Mittelmeer an, die Bildungspolitik. STANDARD: Man sollte einen Schlussstrich ziehen? Griss: Das sage ich ja nicht. Aber wir sind doch nicht da, um jetzt Geschichte auszulegen. Was heißt einen Schlussstrich ziehen? Aus der Vergangenheit lernen! Wir können doch nicht heute beginnen, Menschen daran zu messen, was sie über diese Zeit konkret sagen. Die NS-Zeit muss dazu führen, dass wir heute wachsam sind, bei Feindbildern, die konstruiert werden. So hat es damals auch begonnen: Ich konzentriere alles auf einen äußeren Feind, er ist zwar in der Gesellschaft, aber für die Volksgenossen ein äußerer Feind, das ist ja das Gefährliche. STANDARD: Aber es gibt im Wahlkampf einen zu starken Fokus auf das Thema Nationalsozialismus? Griss: Absolut. Was ist mit den jungen Leuten in der Schule, die nicht fit für den Beruf gemacht werden? Wir haben eine gespaltene Gesellschaft heute – nicht 1946 oder 1986, sondern heute. STANDARD: Könnten die Vorbehalte gegenüber Flüchtlingen nicht unter anderem ein Erbe der mangelnden Aufarbeitung mit der Tätergeschichte Österreichs sein? Griss: Das ist doch kein österreichisches Problem, auch kein deutsches, sondern ein europäisches. Die Franzosen haben nicht unsere Vergangenheit, die Briten auch nicht. Dennoch ist es eine Herausforderung, der wir uns alle stellen müssen. STANDARD: In Interviews haben Sie die schwarz-blaue Regierung verteidigt. Die Justiz ist noch immer mit Korruptionsskandalen aus dieser Zeit beschäftigt. Warum machen Sie das trotzdem? Griss: Die schwarz-blaue Regierung hat einige wichtige Reformen angestoßen. Die Zwangsarbeiterentschädigung, die Pensionsreform, die Autonomie der Universitäten. Alles, was danach gekommen ist, diese fragwürdigen Privatisierungen, das ist natürlich abzulehnen. Das habe ich nie gerechtfertigt, da müsste ich verrückt sein. STANDARD: Ihre Parteiungebundenheit ist eine wichtige Säule in Ihrer Kampagne. Aber Sie als Einzelperson sind weder Statuten noch dem Parteiengesetz verpflichtet, bei Parteien gibt es da eine gewisse Normengebundenheit. Es ist überraschend, dass Sie als Juristin diese Beliebigkeit bevorzugen, und nicht die Verbindlichkeit von Rechtsnormen. Griss: Das ist eine Persönlichkeitswahl. Es tritt keine Partei an, sondern jemand, der dieses Amt anstrebt. Natürlich bin ich an Normen gebunden. Die Verfassung der Republik Österreich, die ganze Rechtsordnung gilt für mich. Nicht nur Parteien sind an Normen gebunden. Der Vorteil einer unabhängigen Kandidatin ist, dass ich niemandem etwas schuldig bin. Das ist doch entscheidend. STANDARD: Gebunden an das Recht sind alle, die im Land leben. Aber bei Parteien gibt es gewisse Verlässlichkeit. Es gibt ein Parteiprogramm. Ein Individuum kann seine Privatmeinung auch ändern. Griss: Und ein Parteipolitiker kann das nicht? Ich habe größte Zweifel daran, dass das Parteiprogramm von Politikern umgesetzt wird. Ich werde an meinen Überzeugungen gemessen, für die ich als Person einstehe. Das ist doch ein Unterschied zu jemandem, der sagt, es gibt ein Parteiprogramm, und er hält das ein, weil es ihm vorgeschrieben ist. STANDARD: Kann es nicht auch ein Nachteil sein, wenn Ihnen der Zugang zu den Ministern fehlt, den etwa ein Kandidat von SPÖ oder ÖVP hat? Griss: Das glaub ich ganz und gar nicht. Wenn alle per Du sind, kann das Verhaberung sein. Jemand, der nicht verbandelt ist, tut sich viel leichter. Ich kann offen aussprechen, was ich denke, und einfordern, was ich für notwendig halte und muss auf niemanden Rücksicht nehmen. STANDARD: Warum haben Sie Neos-Parteichef Matthias Strolz in Ihr Unterstützungskomitee aufgenommen, wenn Sie so auf Ihre Parteiunabhängigkeit pochen? Griss: Da spricht nichts dagegen. Ich bekomme von den Neos weder Geld noch Infrastruktur. Strolz hat als Person Sympathie für meine Kandidatur gezeigt. In meinem Komitee sind auch Leute, die immer schon rot oder schwarz gewählt haben. STANDARD: Das sind aber keine Parteivorsitzenden. Griss: Strolz ist auch eine Privatperson. Er hat auch gesagt, dass die Neos keine Wahlempfehlung für mich abgeben. Das Entscheidende ist, ob man Geld bekommt. Ich bin ihm nicht verpflichtet. STANDARD: Sollten Sie Präsidentin werden, wollen Sie die Hälfte ihres Gehalts spenden. Wem? Griss: Es soll ein Fonds für Mut und Verantwortung eingerichtet werden. Dieser Fonds soll verschiedene Projekte fördern und Stipendien vergeben für Menschen, die etwas für die Gesellschaft machen wollen. Dabei ist mir Eigenverantwortung ganz wichtig. STANDARD: Würden Sie sagen, dass es in Österreich an Eigenverantwortung fehlt, dass zu viel vom Staat kommt? Griss: Bei uns zählt Eigeninitiative nicht so viel. Die Menschen hören noch sehr darauf, was ihnen von oben gesagt wird. STANDARD: Aber ist es auch eine Frage der Sozialleistungen, sind die Menschen zu verwöhnt? Griss: Bei den Sozialleistungen müssen wir überlegen, was wir erreichen wollen. Wir sind eine Wohlstandsgesellschaft, und niemand soll in Österreich Not leiden. Es ist daher gut, dass es die Mindestsicherung gibt. Aber natürlich muss ein Ansporn zum Arbeiten bleiben. Es ist weniger die Höhe der Leistung, die dazu führt, dass die Leute nicht arbeiten. Es ist oft der zu geringe Unterschied zu einer bezahlten Arbeit. STANDARD: Was sollte passieren, um den Anreiz zum Arbeiten zu erhöhen? Griss: Man hat über den Kollektivvertrag eine Möglichkeit. Der Schlüssel für Niedrigqualifizierte ist aber Bildung. STANDARD: Es wird immer geringer Qualifizierte geben. Was würden Sie tun, um den Unterschied zwischen Mindestsicherung und Lohn zu vergrößern? Griss: Wenn die Mindestsicherung so bemessen ist, dass die notwendigen Bedürfnisse abgedeckt werden, dann kann die Lösung nur in einer Anhebung der Löhne liegen. Wenn es mehr Zuwanderer gibt, wird das durch die Konkurrenzsituation schwieriger sein. (INTERVIEW: Lisa Kogelnik, Maria Sterkl, 20.4.2016) Betreiber sozialer Medien haben die Möglichkeit, aktiv in die Meinungsbildung einzugreifen. Wie nutzen Sie Facebook in Wahlkampfzeiten?. Hat Facebook eine Verantwortung, Donald Trump als Präsidenten zu verhindern? Wenn es nach den Angestellten des sozialen Netzwerks ginge, vielleicht ja – sie stellten Firmenchef Mark Zuckerberg jedenfalls diese Frage, wie Gizmodo berichtet. Damit wird erneut offenbar, wozu Facebook tatsächlich die Macht hätte: Durch die Manipulation des Feed-Algorithmus kann gesteuert werden, welche Inhalte die User sehen, und somit auch, welche Themen in ihrem Newsfeed und in ihrer Wahrnehmung vermehrt vorkommen. Trump hier zu benachteiligen hätte nach Ansicht der Facebook-Mitarbeiter wohl Auswirkungen auf seine Chancen, der republikanische Präsidentschaftskandidat in den anstehenden US-Wahlen zu werden. Dass schon einmal rund 700.000 User unfreiwillig Teil eines Experiments von Facebook waren, mit dem Emotionen gesteuert werden sollten, ist kein Geheimnis mehr. Auch dass viele User durch ihr eigenes Like-Verhalten in sogenannte inhaltliche Filter-Bubbles manövriert werden und nur noch passende Inhalte angezeigt bekommen, wird stark diskutiert. Vor der Bundespräsidentschaftswahl ist das Thema umso interessanter: Wie beziehen Sie Ihre Informationen über die Wahl? Lesen Sie hauptsächlich Posts von Bekannten mit ähnlicher politischer Meinung oder suchen Sie bewusst die Diskussion mit Andersdenkenden? Liken Sie alle Seiten der Kandidaten oder nur jene, die Sie ohnehin inhaltlich präferieren? Lesen Sie Kommentare in den Foren oder blenden Sie diese im Wahlkampf bewusst aus? Haben Sie das Gefühl, durch Ihren Facebook-Newsfeed einseitig informiert zu sein? Diskutieren Sie im Forum. Nach dem Sonntag geht die Kampagne für die Stichwahl weiter. Wahlkarten spielen dabei eine Rolle, eventuell auch das Los. Wien – Nach der Wahl ist Wahlkampf: Jene Kandidaten, die es in die Stichwahl für die Bundespräsidentenwahl schaffen, müssen sich direkt im Anschluss ans Feiern des Etappensieges um das Buchen von Plakatflächen kümmern – alle haben vorsorglich einen Teil des Werbebudgets für die zweite Runde zur Seite gelegt, wer das Geld tatsächlich ausgeben kann, steht frühestens am Sonntagabend, vielleicht aber auch erst Montagabend nach Auszählung der Wahlkartenstimmen fest. Andreas Allerstorfer, Sprecher der Berufsgruppe Ankündigungsunternehmen in der Wirtschaftskammer, verweist darauf, dass die Zeit dann knapp wird. Ein bisserl Vorplanung haben die Werbeunternehmen schon geleistet – und sich informell mit den Wahlkampfleitern besprochen. Die zwei Sieger müssten – vereinfacht gesagt – nur noch in Listen für Plakatflächen eingetragen werden. Allerstorfer schätzt, dass österreichweit rund 4000 Werbeflächen – 2000 je Kandidat – für die Stichwahl zur Verfügung stehen, dies seien Erfahrungswerte aus dem ersten Wahldurchgang und früheren Wahlen. Es kommt allerdings darauf an, wer es schaffen wird – sollte Irmgard Griss, die auf Privatspenden angewiesen ist, in die zweite Runde kommen, wird erwartet, dass sie weniger Werbung schaltet als andere Kandidaten, die auf Parteimittel zurückgreifen können. Wahrscheinlich ist, dass Griss sich schon im ersten Wahlgang Stimmen vom ÖVP-Kandidaten Andreas Khol ausborgt. Die Überlegungen in Teilen der ÖVP, wegen einer vermeintlich verlorenen Stimme für Khol die unabhängige Kandidatin Griss als bürgerliche Alternative zu wählen, sei durchaus nachvollziehbar, sagt der ehemalige steirische ÖVP-Landesgeschäftsführer und Bildungsexperte Andreas Schnider. Es sei nicht von der Hand zu weisen, dass für die ÖVP die Gefahr bestehe, dass etliche aus seiner Partei – von dieser Überlegung geleitet – in Richtung Griss tendieren werden, sagt Schnider, der für seine eigene Person auf das Wahlgeheimnis verweist. Sehr kryptisch über sein persönliches Wahlverhalten äußert sich auch der ehemaligen ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Vom Standard gefragt, ob auch er Irmgard Griss wählen werde, sagte Bartenstein: Aus Rücksicht auf meine Partei werde ich vor Sonntag dazu keine Stellungnahme abgeben. Der Wahlabend wird aber in jeder Hinsicht spannend – egal wer dann sein Wahlgeheimnis preisgibt und wer nicht. Ein wenig auf die Preisgabe des Wahlverhaltens angewiesen sind die Wahlforscher, die aus Wahltagsbefragungen Wahlmotive und eine Prognose des Wahlergebnisses gleich zur Schließung des letzten Wahllokals um 17 Uhr bekanntgeben wollen. Allerdings werden selbst für die offizielle Hochrechnung nur unvollständige Daten vorliegen: Die Wahlkarten werden nämlich noch nicht berücksichtigt sein. An die 500.000 Wahlkartenstimmen werden noch am Montag gezählt werden – eine Zahl, die Robert Stein vom Innenministerium nicht bestätigen will: Da noch bis Freitag Wahlkarten in den Gemeinen behoben werden können, sei es nicht absehbar, wie viele Wähler per Briefwahl oder in einem anderen Wahllokal ihre Stimme abgeben werden. Am Sonntagabend wird der neue Innenminister Wolfgang Sobotka jedenfalls das vorläufige Endergebnis verkünden, aber wenn der zweit- und dritthöchste Stimmenanteil sehr knapp beieinanderliegen, könnte sich das noch am Montagnachmittag drehen. Sollten im ersten Wahlgang der zweit- und drittstärkste Kandidat gleich viele Stimmen erhalten, wird per Los – zu ziehen durch den Innenminister – entschieden, wer in die zweite Runde kommt. Offiziell verlautbart wird das Ergebnis der Wahl spätestens am Montag, 2. Mai, auf der Amtstafel des Innenministeriums. Gleichzeitig wird die Vornahme der engeren Wahl (also der Stichwahl) ausgeschrieben. Die Wahlkarten dafür gibt es bereits, die Stimmzettel darin sind leer, der favorisierte Kandidat muss in eine leere Zeile geschrieben werden. Für den höchst unwahrscheinlichen Fall, dass auch bei der Stichwahl beide Kandidaten gleich viele Stimmen haben, ist im Bundespräsidentenwahlgesetz Vorsorge getroffen: Dann muss die Stichwahl so lange wiederholt werden, bis einer der bei- den zumindest eine Stimme mehr hat. Machtfantasien, Kampfeinsätze und Opernball-Besuche: Bei der Elefantenrunde am Donnerstagabend im ORF versuchten die sechs Präsidentschaftskandidaten unentschlossene Wähler auf ihre Seite zu ziehen. Andreas Khol will sich nicht kampflos geschlagen geben. Also nützte der ÖVP-Kandidat die Aufwärmrunde, die Moderatorin Ingrid Thurnher bei der ORF-Elefantenrunde mit der an sich harmlosen Frage nach den Eindrücken aus dem Wahlkampf eröffnet hatte, gleich zum ersten Angriff. Seit Irmgard Griss, seine Hauptkonkurrentin um die Gunst des bürgerlichen Lagers, im STANDARD gesagt hat, dass weitere 90.000 Asylwerber im heurigen Jahr noch keinen Notstand auslösen würden, will Khol eine Wende im Wahlkampf ausgemacht haben. Viele Menschen sagten: Das schaffen wir nicht mehr. Es war vielleicht der Abend der letzten Chancen, zu dem die sechs Kandidaten am Donnerstag im ORF-Studio antraten. Die sogenannte Elefantenrunde kann durchaus Einfluss auf die Entscheidung haben, ob jemand knapp Erster oder Zweiter wird oder eben knapp die Stichwahl verpasst. Denn in den letzten drei Tagen vor einer Wahl sei durchaus noch einiges zu holen, sagt der Politologe Peter Filzmaier im STANDARD-Gespräch. Im Schnitt legen sich rund zehn Prozent der Wähler erst in den letzten drei Tagen vor einer Wahl fest, erklärt Filzmaier. Sogar bei der letzten Bundespräsidentenwahl 2010, als Amtsinhaber Heinz Fischer de facto lange vor dem Urnengang als Sieger feststand (seine Herausforderer waren Barbara Rosenkranz und Rudolf Gehring), haben sechs Prozent der Wähler zu den Spätentschlossenen gezählt. Da das Rennen dieses Mal wesentlich offener ist als 2010, kommt dem Wahlkampffinale also eine große Bedeutung zu. Das Flüchtlingsthema war rasch abgehakt. Griss wies Khols Eröffnungsangriff als böswillig zurück. Schließlich habe der neue Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) ihre Einschätzung zum Notstand geteilt. Quasi von rechts sprang FPÖ-Kandidat Norbert Hofer bei: Khol habe sich eine Maske aufgesetzt und spiele den Jörg Haider. Ob die Kandidaten im Wahlkampf nicht Kompetenzen vorgegaukelt hätten, die der Präsident nicht habe, wollte Thurnher wissen – Stichwort Allmachtsfantasien, wie sie das amtierende Staatsoberhaupt Heinz Fischer kritisiert hatte. Khol, der den Präsidenten in der Rolle eines Fußballtrainers sieht, fühlte sich ebenso wenig angesprochen wie SPÖ-Kandidat Hundstorfer, der auffällig oft seine Erfahrung aus siebenjähriger Ministerzeit verwies: Er wolle laut reden und leise reden, um die Regierung zu gewissen Vorhaben – etwa der geplanten Ausbildungsgarantie für Jugendliche – zu drängen. Die Antipode zu Fischer spielt in dieser Frage Richard Lugner. Er sagte klipp und klar: Wenn eine Regierung nichts weiterbringe, gehöre sie einfach auch einmal rausgeschmissen. Offensiv gerierte sich auch Hofer. Er wolle einen viel, viel aktiveren Bundespräsidenten spielen als bisher üblich – und nannte ein Beispiel: Das Freihandelsabkommen TTIP werde er nicht unterschreiben. Der Grünen-nahe Alexander Van der Bellen will in erster Linie darauf setzen, Verhandlungsdruck auf die Regierung aufzubauen, sich aber nicht im Vorhinein die Möglichkeit nehmen lassen, einer FPÖ-geführten, ergo: europafeindlichen Regierung die Angelobung zu verweigern – worüber sich Hofer prompt beschwerte. Auch Griss nannte einen konkreten Anlass zum Eingreifen: wenn Posten nicht nach Kompetenz, sondern nach rot-schwarzer Parteipolitik vergeben würden. Hundstorfer ließ das nicht auf sich sitzen, nannte die Parteibuchwirtschaft, was seinen ehemaligen Einflussbereich im Sozialministerium betrifft, eine Unterstellung – und erntete ungläubiges Gelächter im Publikum. Worum es sonst noch ging: das neutrale Österreich und seine Rolle in internationalen Konflikten. Die Frage, ob sich das Land an einer militärischen Mission gegen den Islamischen Staat beteiligen sollte, beantwortete keiner der Diskutanten mit Ja. Hofer antwortete mit einem glatten kommt nicht infrage, andere Kandidaten halten grundsätzlich Einsätze mit internationalem Mandat für möglich: Van der Bellen und Griss verwiesen auf ein UN-Mandat, Hundstorfer auf die Battlegroups der EU, deren Einsatz allerdings nicht absehbar sei. Khol plädierte für eine gemeinsame Sicherung der Außengrenze, Lugner will keine Österreicher in kämpfenden Truppen sehen. Launiger wurde es gegen Ende. Wie es die Kandidaten mit den repräsentativen Aufgaben hielten? Van der Bellen freut sich auf die Eröffnung der Salzburger Festspiele, auf den Opernball hingegen nur begrenzt – worauf Hundstorfer prompt den Tanzprofi herauskehrte, der schon jetzt auf 16 bis 17 Bälle jährlich gehe. Khol hingegen gab den kernigen Tiroler. Ich bin ordens- und ehrenzeichenbefriedigt, und am Opernball war ich auch schon sechsmal, sagte er. Lieber geh ich mit den Genagelten bergwandern. Die gesellschaftlichen Pflichten eines Staatsoberhaupts werde er natürlich dennoch ausüben, denn die Leute hätten ein Bedürfnis nach Symbolen – doch Freude mache ihm etwas anderes. Gewohnt sachlich-nüchtern gab sich Griss: Sie würde sich am meisten darauf freuen, eine programmatische Rede vor vielen Leuten zu halten. Etwas müde, weil nicht mehr ganz bei der Sache, wirkte hingegen Lugner. Die Frage nach den zeremoniellen Vorlieben beantwortete er mit einem eigenwilligen Exkurs zum Thema soziale Gerechtigkeit: Wollen wir Kommunismus? Ins Frivole glitt die Debatte, zumindest nach Eindruck des lachenden Publikums, zum Ende ab. Die Vorausschau auf die Stichwahl wollte Van der Bellen mit einem Hinweis auf einen erwarteten Dreikampf kommentierten, sagte aber zum allgemeinen Gaudium: Ich erwarte einen Dreier. Lugner war zu diesem Zeitpunkt kaum noch zu bremsen, rief dazwischen und hielt ein Taferl mit dem aktuellen Gehalt des Bundespräsidenten in die Kamera: Ich mach es um 500.000 Euro billiger. Repräsentieren und gut zureden: Was Österreichs Staatsoberhaupt von wirklich Mächtigen trennt und mit Queen Elizabeth verbindet. Präsident ist Präsident ist Präsident? Weit gefehlt. Staatsoberhaupt ist nicht gleich Staatsoberhaupt. Wer formell an der Spitze eines Landes steht, hat sehr unterschiedlich große Handlungsspielräume, je nach dem politischen System, das diese Rolle definiert. Wo also steht das österreichische Staatsoberhaupt im Vergleich mit anderen? Nun, er – oder demnächst vielleicht sie – ist vor allen Dingen eine Repräsentationsfigur, eine politische Reserve für Krisenzeiten, eine Art Regenschirm für politische Schlechtwetterlagen: Wenn der Alltag nicht mehr funktioniert, dann ist das Staatsoberhaupt gefragt, sagt Verfassungsjurist Theo Öhlinger im STANDARD-Gespräch. Das steht in klarem Gegensatz zu wirklich mächtigen Präsidenten. Legt man diesen Maßstab an, dann ist wohl der Präsident der USA (vier Jahre Amtszeit, eine Wiederwahl erlaubt) der mächtigste Präsident der Welt – wohlgemerkt, der demokratisch verfassten. Barack Obama ist Staatsoberhaupt, Regierungschef und Oberbefehlshaber der Streitkräfte. In Europa hat der auch volksgewählte französische Staatspräsident eine herausragende Machtfülle. François Hollande kann maximal zwei aufeinanderfolgende Perioden zu je fünf Jahren amtieren. Bis 2002 dauerte eine Amtszeit sieben Jahre, die Zahl der Wiederwahlen war nicht begrenzt. Zu den meisten anderen Staatsoberhäuptern Europas, zum Beispiel in Deutschland (von der Bundesversammlung für fünf Jahre und eventuell eine anschließende Periode gewählt) oder Italien (vom Parlament und Vertretern der Regionen für eine siebenjährige Amtszeit gewählt), besteht eine recht hohe Ähnlichkeit im Hinblick auf die Amtsdefinition, sagt der Experte für vergleichendes Verfassungsrecht. Heinz Fischer hat die für Österreich in der Verfassung erlaubte Höchstdauer an der Spitze des Staates durchgedient, nämlich zweimal sechs Jahre. Von der Handlungsmacht eines François Hollande etwa ist er aber weit entfernt: Im Alltag der Politik kann der Präsident in Österreich gar nichts machen. Gut zureden kann er, erklärt Öhlinger. Das Gewicht des präsidentiellen Wortes ergibt sich daraus, dass er, der vom Volk direkt gewählt ist, quasi durch das Volk für das Volk spricht. Einladungen an die Regierung aussprechen, etwa wie zuletzt in der Flüchtlingsfrage, kann er oder sie auch: Dann müssen Kanzler und Konsorten zwar etikettegerecht antanzen, aber: Der Kanzler kann danach sagen: Ja, schön und gut, aber ich mach das nicht. Und dann kann der Bundespräsident genau gar nichts dagegen machen. Ist Österreichs Staatsoberhaupt stark oder schwach? Das sei hier nicht das richtige Begriffspaar, meint der Jurist: Er hat eine Legitimation, die ihn über den Alltag der Politik hinaushebt, aber er hat keine konkreten Machtbefugnisse. Er ist nicht schwach, wenn es darauf ankommt, er ist aber auch nicht stark, dass er etwa sagen könnte, die Gesamtschule muss eingeführt werden. Der französische Präsident kann das sehr wohl. Dieser ist nicht nur Heeresoberbefehlshaber, sondern auch Vorsitzender des Ministerrats. Ironischerweise ist das Amt des Bundespräsidenten am ehesten vergleichbar mit der Position der britischen Queen Elizabeth. Wie das? Just in der Hofburg, der ehemaligen Residenz der Habsburger, residiert ein kleiner König der Republik oder eine Art Volkskaiser? Das kommt fast hin, meint Öhlinger. Mit der Queen hat der Bundespräsident tatsächlich viele Ähnlichkeiten, weil er durch die Direktwahl eine sehr hochgestochene Legitimation hat – durch das Volk –, vergleichbar mit der von Gott abgeleiteten Legitimation der Queen. Faktisch ist er ein bisschen stärker als sie, wenn es um reale Aktionen geht. Eine dieser Realien hat fast monarchische Züge und ist ein Erbe, das früher nur durch Begünstigung des Landesfürsten zu bekommen war: Der Bundespräsident darf bis heute aus unehelichen Kindern eheliche machen. Dieses Gnadenrecht der Legitimation hat Heinz Fischer in seinen zwölf Amtsjahren fünfmal zugestanden, zuletzt im Jahr 2015. Im kleinen Rahmen wurde VP-Kandidat Andreas Khol ins Finale geschickt – mit teils skurrilen Aussagen. Wien – Vom Spielplatz nebenan dringen Kinderschreie herüber. Früher, ganz früher, da hatte das barocke Palais Schönborn in Wien-Josefstadt noch einen ausladenden Garten. Heute gehört ihm nur noch dieser kleine Rest, der nicht zum öffentlichen Park umgewidmet wurde, und auf dieser Rasenfläche feiert Freitagvormittag die ÖVP ihren Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl, Andreas Khol. Das Risiko, das Konkurrenten um das Bundespräsidentenamt wie Norbert Hofer (FPÖ) oder Richard Lugner eingehen, nämlich am Wiener Stephansplatz auf mangelndes Interesse und leere Flecken zu stoßen, wurde hier minimiert: Der kleine Garten ist mehr oder weniger voll. Da fällt es auch nicht auf, dass nur ein kleiner Teil der ÖVP-Bundesregierungshälfte anwesend ist. Neben Parteichef Reinhold Mitterlehner sind nur Innenminister Wolfgang Sobotka, Familienministerin Sophie Karmasin und Staatssekretär Harald Mahrer gekommen, um Khol in den offiziellen Wahlkampf-Endspurt zu schicken. Der Rest der Regierungsriege: entschuldigt. Als die damalige ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner 2004 gegen Heinz Fischer um den Einzug in die Hofburg ritterte, war beim Abschlussevent am Wiener Graben fast das gesamte Regierungsteam dabei. Im Palais Schönborn hingegen sind es Wiener Bezirksobleute und eine Vertreterin der Parteijugend, die vor dem Eintreffen der Parteispitze auf der Bühne Stimmung für den schwarzen Kandidaten machen sollen. Die Gartengäste hören teils zu, manche halten Khol-Taferln nach US-Wahlkampfmanier, andere schlürfen Kaffee und essen mürbe Kipferln, einige applaudieren artig. Dann kommt Reinhold Mitterlehner. Was ist nicht alles in einem gewissen Kleinformat gestanden über unsere Kampagne, leitet er ein, um dann die angesprochene Boulevard-Tageszeitung des Irrtums zu bezichtigen, denn Khols Kampagne sei die beste von allen. Nicht nur einmal wird der mediale Gegenwind zum Thema gemacht, ganz so, als wolle man die Basis schon vorab darauf einschwören, dass es, sollte aus der Stichwahl nichts werden, ganz sicher nicht am Kandidaten gelegen sei. Verschiedenste Argumente werden aufgezählt, warum Khol ein toller Präsident wäre, auch einige originelle Gründe sind darunter. Er habe die beste und sympathischste Ehefrau, die ich kenne, sagt etwa Mitterlehner. Und ÖVP-Wien-Chef Gernot Blümel ist sogar überzeugt, dass Khol auch für einen Headhunter ohne Parteizugehörigkeit, der Khol nicht kennt, ja der sogar nicht einmal dieses Land kennt, die erste Wahl wäre. Schließlich betritt der Kandidat selbst die Bühne. Es ist erst halb elf Uhr vormittags, doch Khol schon seit drei Stunden im Wahlwerbeeinsatz. Jeden Verdacht, die wochenlangen Strapazen hätten an der Substanz des 74-Jährigen gezehrt, weist er rigide von sich. Mir gefällt der Wahlkampf so gut, dass ich euch bitte: Leg ma noch einen Monat zu!, ruft er ins Publikum. Wie so oft in den vergangenen Wochen verweist er auf seine Erfahrung, seine Kompetenz am internationalen Parkett, gibt sich aber auch als Präsident, der für jeden Arbeitsplatz kämpft und der den Wirtschaftsstandort in die Höhe bringt. Nach einer Dreiviertelstunde ist die Feier vorbei, die Menge schreitet teils zum offerierten Power-Frühstück, teils mögen sie tun, wie der Parteichef ihnen geheißen hat: Heimgehen, zum Telefonhörer greifen, Leute überzeugen. Für die nötige Energiezufuhr beim Wahlwerben sorgen junge Freiwillige, die den Hinausgehenden Äpfel und Müsliriegel einer Supermarkteigenmarke in die Hand drücken. Der Kandidat eilt derweil zum nächsten Termin, der auch für ruhigere Zeiten etwas abwirft: einer Führung durch eine Wiener Gärtnerei inklusive Einkauf für den eigenen Garten. Der Wahlkampf ist geschlagen. Mit ihren Schlussveranstaltungen versuchten die Parteien und die Kandidaten, ein weiteres Mal ihre Wähler zu mobilisieren. Der Stephansplatz ist gut gefüllt. Norbert, schreit John Otti, Hofer, schreien die FPÖ-Fans im Publikum. Seit zwei Stunden spielt die John-Otti-Band einen Schlager nach dem anderen, dazwischen heizt der Wiener FPÖ-Klobobmann Johann Gudenus ein. Und dann kommt er. Zu den Klängen des Liedes Immer wieder Österreich betritt FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer die Bühne. Die Anhänger wacheln mit den zuvor ausgeteilten rot-weiß-roten Flaggen. Das alte System zerbricht, und es ist Platz für eine neue Kraft, ruft Hofer dem Publikum zu. Er sei überzeugt davon, Bundespräsident zu werden. Und dann, wenn die Regierung weiterhin nicht im Interesse des Landes handle und die Verfassung breche, wird sie vom Bundespräsidenten Norbert Hofer entlassen. Eines der Hauptthemen der halbstündigen Rede des FPÖ-Kandidaten sind Flüchtlinge und Zuwanderer. Wir sind nicht das Sozialamt der Welt, sagt der FPÖ-Kandidat. Für viele Flüchtlinge sei die Mindestsicherung der Grund für die Zuwanderung. Wenn er Bundespräsident werde, und das werde ich, dann gelte Österreich zuerst. Die ÖVP begeht an diesem Freitag als Erste ihre Abschlussveranstaltung, sie tut das im überschaubaren Garten des Palais Schönborn in Wien-Josefstadt, die kleine Rasenfläche ist mehr oder weniger voll. Da fällt es auch nicht auf, dass nur ein kleiner Teil der ÖVP-Bundesregierungshälfte anwesend ist. Neben Parteichef Reinhold Mitterlehner sind nur Innenminister Wolfgang Sobotka, Familienministerin Sophie Karmasin und Staatssekretär Harald Mahrer gekommen, um Khol in den offiziellen Wahlkampf-Endspurt zu schicken. Der Rest der Regierungsriege: entschuldigt. Auftritt von Vizekanzler und ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner: Was ist nicht alles in einem gewissen Kleinformat gestanden über unsere Kampagne, leitet er ein, um die angesprochene Boulevard-Tageszeitung des Irrtums zu bezichtigen, denn Khols Kampagne sei die beste von allen. Nicht nur einmal wurde der mediale Gegenwind zum Thema gemacht, ganz so, als wolle man die Basis schon darauf einschwören, dass es, sollte aus der Stichwahl nichts werden, ganz sicher nicht am Kandidaten gelegen sei. Schließlich betritt der Kandidat die Bühne. Um halb elf Uhr vormittags hat Khol schon drei Stunden Wahlwerbeeinsatz hinter sich. Jeden Verdacht, die wochenlangen Strapazen hätten an der Substanz des 74-Jährigen gezehrt, wies er von sich. Mir gefällt der Wahlkampf so gut, dass ich euch bitte: Leg ma noch einen Monat zu!, ruft er ins Publikum. Die Stimmung bei den Grünen schwankt kurz vor der Wahl zwischen euphorisch und ängstlich. Alexander Van der Bellen liegt zwar in den Umfragen voran, die langfristige Tendenz zeigt allerdings einen kleinen Abwärtstrend, während die Kurve von FPÖ-Kandidat Hofer kontinuierlich hinaufwandert. Die Grünen kennen das nur allzu gut: Umfragekaiser, aber am Wahltag die Enttäuschung. Neue Unterstützer machen mobil. Der Schriftsteller Robert Menasse, der ursprünglich Irmgard Griss hatte unterstützen wollen, ist ins Lager des Grünen gewechselt. Mit André Heller meldete sich am Freitag ein prominenter Unterstützer zu Wort und warb für Van der Bellen: Wer am Sonntag die chancenlosen Kandidaten von SPÖ und ÖVP wählt, verschwendet seine wertvolle Stimme und sponsert die Absichten von H.-C. Strache.Auch die ehemalige Chefin des Liberalen Forums, Heide Schmidt, unterstützt nun Van der Bellen, wie dieser bei der Abschlusskundgebung in der Marx-Media-Vienna-Halle bekanntgab. Über die Zustimmung der rund 200 Unterstützer – darunter der 18-jährige Manuel Hecht, der auch von der Bühne aus spricht – zeigt sich Van der Bellen ganz gerührt. Dann plauderte er gut 20 Minuten aus der Schule, erzählte davon, dass vielleicht einiges von dem, was ihm an Gelassenheit zugeschrieben wird, von seiner Jugend im Kaunertal abzuleiten ist, und gab eine Probe seiner Tiroler Dialektkenntnisse. Dann geht es ans Eingemachte: Den Begriff Heimat dürfe man sich nicht wegnehmen lassen. Die EU müsse zusammenhalten – ihr Zerbrechen wäre das Letze, was wir brauchen können. Das gelte auch machtpolitisch, denn ein kleines Land werde dort eher gehört, als wenn es allein oder gar im Vertrauen auf Russland handle. Schließlich betont er, dass ich das kann, das Land zusammenhalten. Rudolf Hundstorfer hat den Einzug in die Hofburg schon am Freitagabend geschafft. Zumindest vorübergehend. Nach minutenlangen Standing Ovations hält der rote Präsidentschaftskandidat seinen Wahlabschluss im gut gefüllten Großen Redoutensaal in der Hofburg ab. Die Moderatorin spricht den Genossen gleich zu Beginn Mut zu: Lassen wir uns nicht von Umfragen beeinflussen. Zwei Millionen sind noch unentschlossen. Als Motivatoren versuchen sich auch die roten Landeshauptleute. Der Kärntner Peter Kaiser warnt unter Verweis auf das Hypo-Desaster vor einer blauen Allmacht. Der Wiener Bürgermeister Michael Häupl zeigte sich angewidert, dass mit Norbert Hofer jemand Präsident werden wolle, der sich zur deutschen Nation bekennt. Und legte nach: Was wir nicht brauchen, ist ein deutschtümelnder Rambo, auch wenn er der Smiley vom Strache ist. In die gleiche Kerbe schlägt Kanzler Werner Faymann. Man wolle sich gar nicht vorstellen, was Hofer meine, wenn er den anderen Kandidaten ausrichte, diese würden sich noch wundern, was alles geht. Der SPÖ-Chef: Wir brauchen einen Präsidenten, der sich zur österreichischen Nation bekennt. Wir brauchen Dich, Rudi Hundstorfer. Der Angesprochene nimmt die Steilvorlage dankend an: Die Unterstützung gebe Kraft für die nächste Etappe. Auch Hundstorfer greift Hofer scharf an. Dessen im Standard vorgebrachte Forderung nach einer eigenen Sozialversicherung für Zuwanderer führe zu einer Spaltung der Gesellschaft. Hundstorfer: Ich möchte den Populisten dieses Land nicht überlassen. Dafür ist Österreich viel zu schön. Zum Abschluss sangen die Genossen die Nationalhymne. Irmgard Griss empfängt ihre Fans auf dem Wiener Platz der Menschenrechte beim Museumsquartier. Angesichts der gesellschaftlichen Bewegung, die ihre Kandidatur ausgelöst habe, können wir nicht verlieren, sagt sie. Wir haben schon gewonnen, zeigte sie sich überzeugt. Sie gab sich zuversichtlich, was den ersten Wahlgang am Sonntag angeht: Es ist möglich, dass ein Ruck durch das Land geht. Richard Lugner hält seine Schlussveranstaltung erst am Samstagabend ab, ebenfalls auf dem Stephansplatz. Zuvor ist der Baumeister noch auf der Mariahilfer Straße anzutreffen, am Nachmittag will er letzte Wähler in der Lugner-City überzeugen. Mit Bundespräsident Lugner könnte man reich werden. Wien – Für die Zocker ist der Ausgang der Bundespräsidentenwahl klar: Norbert Hofer (FPÖ) und Alexander Van der Bellen (Grüne) kommen morgen, Sonntag, in die Stichwahl – und Van der Bellen zieht beim zweiten Wahlgang am 22. Mai in die Hofburg ein. Richtig reich werden könnte man, würde Richard Lugner Bundespräsident: Darauf stehen Quoten von 1:1.000. Nicht viel zu holen ist mit der – doch viel realistischeren – Wette darauf, dass Van der Bellen und Hofer im ersten Wahlgang vorne liegen: Nur 1,20 Euro bekäme man für einen Wetteinsatz von einem Euro bei Bet-at-home.com und 1,55 Euro bei Interwetten. Schon etwas höher ist die Gewinnerwartung, setzt man auf Irmgard Griss: 2,86 pro Einsatz gäbe es bei Bet-at-home für Griss-Hofer und Griss-Van der Bellen, 5,50 bzw. 5,00 bei Interwetten. Geht man die angesichts der Umfragen wagemutige Wette ein, dass diese Wahl so ausgeht wie die bisherigen zwölf, hat man eine weitaus höhere Gewinnerwartung: Kommen – entgegen allen Prognosen – die Kandidaten der Regierungsparteien, Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) in die Stichwahl, gibt es 250 bis 275 für einen eingesetzten Euro. Hundstorfers Chancen für den Einzug in die Stichwahl werden in den Wettquoten etwas besser erachtet als Khols. Theoretisch das meiste Geld machen können Wettspieler, die auf die Stichwahl-Paarung Khol/Richard Lugner setzen: Käme es dazu, bekäme man bei Bet-at-home 10.000 pro Einsatz. Auch auf den Ausgang der Stichwahl am 22. Mai kann man schon bei drei Anbietern setzen, und die Spieler sind sich da ganz einig: Van der Bellen zieht in die Hofburg ein. Die Gewinnerwartung für eine Wette auf den Ex-Grünen-Chef ist mit 1,50 (Bet-at-home und bwin) bzw. 1,85 (Interwetten) bei allen Anbietern die deutlich geringste. 3,0 bis 4,0 beträgt sie für Hofer, 5,50 bis 6,50 für Griss, 12,00 bis 51,00 für Hundstorfer und 30,0 bis 101,0 für Khol. Ganz weit abgeschlagen ist Lugner: 1:750 bis 1:1.001 sind die Quoten für die Wette, dass der Baumeister Österreichs nächstes Staatsoberhaupt wird. Rot und Schwarz teilen sich seit 65 Jahren das Amt des Bundespräsidenten. Wie unterscheiden sich die Wahlergebnisse regional?. Das Vertrauen, das mir das österreichische Volk durch die Wahl zum Bundespräsidenten ausgedrückt hat, wird mir bei der Ausübung meines hohen Amtes stets heiligste Verpflichtung sein. Mit diesen Worten trat der Sozialdemokrat Theodor Körner das Amt des Bundespräsidenten an. Er war das erste vom Volk gewählte Staatsoberhaupt in der Geschichte der Zweiten Republik. Geht es nach den bisher veröffentlichten Umfragen zur Bundespräsidentenwahl am Sonntag, könnte es mit diesem Vertrauen in Rot und Schwarz in der Bundespräsidenten-Frage vorbei sein. 65 Jahre lang haben sich Volkspartei und Sozialdemokratie das Amt des Bundespräsidenten unter sich ausgemacht. Bis zur Wahl 1980 war Österreich zweigeteilt, was die Bundespräsidentenwahl betraf: Der Westen, niederösterreichisches Kernland und Teile Oberösterreichs sowie der Steiermark waren Territorium der Volkspartei, der Rest war in der Hand der SPÖ. Wie sich Ihr Bezirk in den vergangenen 65 Jahren entschieden hat, sehen Sie in dieser Animation – oder Sie klicken sich durch die einzelnen Wahljahre. Bis zur Wahl 1974 war der Machtausgleich Schwarzer Kanzler, roter Präsident ein Fixpunkt in der Politlandschaft. Weil die SPÖ seit 1970 mit Bruno Kreisky selbst den Bundeskanzler stellte, suchten die Sozialdemokraten einen Weg, den Ausgleichsgedanken zu umgehen. Sie fanden ihn in Rudolf Kirchschläger: Der Diplomat war parteilos und Katholik. So kam es, dass die Volkspartei bei der folgenden Wahl im Jahr 1980 keinen eigenen Kandidaten aufstellte. Das brachte Rudolf Kirchschläger das bis heute beste Wahlergebnis eines Bundespräsidentschaftskandidaten ein. Er erhielt fast 80 Prozent aller Stimmen. Er gelobte 1983 die erste Bundesregierung zwischen SPÖ und FPÖ an. Ins politische Kreuzfeuer geriet Rudolf Kirchschläger, als er seinen Nachfolger und früheren Vorgesetzten Kurt Waldheim von jeder Schuld freisprach. Eine Historikerkommission kam damals zum Schluss, dass der frühere UN-Generalsekretär zwar selbst keine Kriegsverbrechen begangen habe, aber von diesen gewusst haben müsste. Eine Debatte über Österreichs Verhältnis zur NS-Vergangenheit entbrannte, Waldheim selbst verzichtete nach internationaler Isolation auf die Kandidatur für eine zweite Amtsperiode. 1992 folgte ihm Thomas Klestil: Er wurde siebenter Bundespräsident in der Zweiten Republik. Der Wahlerfolg gegen Rudolf Streicher (SPÖ) war der Höhepunkt in der Karriere des Diplomaten. Der Beginn seiner Amtsperiode war geprägt von den Verhandlungen Österreichs zum Beitritt in die Europäische Union. 1998 konnte er auf einen Wahlkampf quasi verzichten: Mit der unabhängigen, aber SPÖ-nahen Kandidatin Gertraud Knoll und der liberalen Heide Schmidt (Liberales Forum) kämpfte seine Konkurrenz um das gleiche politische Lager. Aber es war die erste Wahl, in der auch Kandidaten abseits von Rot und Schwarz einen maßgeblichen Teil der Stimmen holen konnten. Im Jahr 1998 trat auch Baumeister Richard Lugner zum ersten Mal an. Auf Thomas Klestil, der noch während seiner zweiten Amtsperiode verstarb, folgte der bis heute amtierende Heinz Fischer. Beim ersten Antreten des ehemaligen SPÖ-Abgeordneten und Nationalratspräsidenten zeigte sich wieder das bewährte Muster: Der Westen und Teile Niederösterreichs sowie der Steiermark gaben tendenziell eher seiner ÖVP-Kontrahentin Benita Ferrero-Waldner ihre Stimme. Anders bei der vergangenen Wahl im Jahr 2010: Mangels eines geeigneten Kandidaten überließ die Volkspartei Heinz Fischer das Feld. Er gewann die Wahl mit ähnlich starkem Ergebnis wie Rudolf Kirchschläger 1980 mit 79 Prozent der Stimmen. In jedem Fall wird die politische Landschaft nach dem Wahlsonntag um einiges bunter werden – womöglich sogar ohne Rot und Schwarz. Die Kompetenzen des österreichischen Staatsoberhaupts im Überblick. Wien – Wer nach den Aussagen der Kandidaten für die Bundespräsidentenwahl geht, könnte annehmen, dass das Staatsoberhaupt sehr mächtig ist. Die Kompetenzen sind allerdings eingeschränkt, und der Amtsinhaber muss sich mit anderen Institutionen – etwa dem Parlament und der Regierung – abstimmen. Die Aufgaben im Überblick: (red, 22.4.2016) Der Wahlkampf war und ist spannend, ein eindeutiges Ergebnis ist trotz eines Grünen in der Favoritenrolle noch nicht absehbar. Mit sechs Kandidaten und einem durchaus ungewöhnlichen Verlauf ist dieser Wahlkampf so spannend und interessant wie schon lange keine Wahlauseinandersetzung um den Einzug in die Hofburg zuvor. Meinungsforscher schätzen, dass die Wahlbeteiligung wieder auf 70 Prozent und darüber ansteigen könnte – nach zuletzt mageren 50 Prozent, als sich Heinz Fischer 2010 der Wiederwahl stellte und mit Barbara Rosenkranz (FPÖ) und Rudolf Gehring von der Christen-Partei konfrontiert war. Auch Richard Lugner als reicher Underdog leistete mit zum Teil recht skurrilen Auftritten seinen Beitrag zu einem streckenweise unterhaltsamen Wahlkampf. Neue Fernsehformate im ORF und bei den Privatsendern stießen mit teils trivialen Inhaltsvorgaben zwar auch auf Kritik, sollten aber ein breiteres Publikum abseits der Polit-Junkies ansprechen. Eine große Rolle spielten die Meinungsumfragen, die von Beginn an dem vermeintlichen Außenseiter Alexander Van der Bellen, der sein Antreten als überparteilich zu verkaufen versuchte, die Favoritenrolle zusprachen. Nahezu alle Umfragen zu jedem Zeitpunkt – mit einer einzigen Ausnahme in der Kronen Zeitung – sehen den Grünen in Führung. Gefolgt von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer und der parteiunabhängigen Irmgard Griss. Die Meinungsforscher weisen allerdings vorsorglich auch darauf hin, dass sie falschliegen könnten: Die Abstände sind nicht so signifikant und die Zahl der Unentschlossenen bis zuletzt ist so hoch, dass es am Wahltag noch eine Überraschung geben könnte. Prägend für den Wahlkampf ist jedenfalls, dass die Vertreter der Regierungsparteien, Rudolf Hundstorfer für die SPÖ und Andreas Khol für die ÖVP, mit derart schlechten Umfragewerten zu kämpfen haben, dass ihnen kaum jemand den Einzug in die Stichwahl zutraut. Daran kiefeln nicht nur die Kandidaten selbst, das lässt auch in den Parteizentralen die Alarmglocken schrillen. Kanzler Werner Faymann und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner sind durch die allgemeine Lage und innerparteiliche Auseinandersetzungen ohnedies angeschlagen. Faymann hat alle Mühe, seinen Schwenk in der Asylfrage dem linken Flügel in der Partei zu erklären, Mitterlehner sieht sich durch das Hineinpfuschen des niederösterreichischen Landeshauptmanns Erwin Pröll entmachtet. Das zu erwartende schlechte Abschneiden ihrer Kandidaten könnte beiden Parteichefs zusetzen und eine Debatte über ihre Durchschlagskraft befördern. Während es der FPÖ mit Norbert Hofer gelingt, ihre Sympathisanten anzusprechen und das Protestpotenzial im Land auch mit Verweis auf die Flüchtlingskrise zu mobilisieren, sind die ausgewiesenen Werte für Van der Bellen und Griss ein Phänomen. Offenbar kann der Grüne Wähler weit über das Potenzial seiner Partei hinaus ansprechen. Ihm kommt auch die Polarisierung gelegen, die mit der Debatte über den Umgang mit Flüchtlingen einhergegangen ist. Seine strikte Ablehnung von FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache als Kanzler hält zwar nicht allen verfassungsrechtlichen Nachfragen stand, ist aber ein Alleinstellungsmerkmal, das in bestimmten Wählerkreisen offenbar dankbar als Wahlempfehlung aufgenommen wird. Irmgard Griss wiederum, die ehemalige Richterin, kann von der Politik- und Parteienverdrossenheit, die in weiten Teilen des bürgerlichen Lagers vorherrscht, profitieren. Während Van der Bellen gelegentlich etwas müde wirkte, punktet sie mit ihrer frischen Art, die sie dem beachtlichen Werbeaufwand der anderen Kandidaten entgegensetzen konnte. Wer auch immer am Sonntag -oder vielleicht sogar erst am Montag nach der Auszählung der Wahlkarten – vorne liegen wird: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Am 22. Mai findet die Stichwahl statt, bis dahin werden die Karten neu gemischt. Dann wird sich zeigen, wie sich die Anhänger der nicht erfolgreichen Bewerber auf die zwei in der Stichwahl befindlichen Kandidaten verteilen werden. SPÖ räumt "schmerzliche Niederlage ein" – Griss-Wahlkampfmanager Tesselaar sieht "auf jeden Fall historisches Ergebnis". Wien – FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sieht im Ausgang der ersten Runde der Präsidentenwahl ein sensationelles Ergebnis für Norbert Hofer und ein historisches Ergebnis für die FPÖ. Es sei ein eindeutiges Statement der Wähler, dass sie einen Bundespräsidenten mit einem anderen Amtsverständnis in der Hofburg wollen, sagte Kickl am Sonntagabend. Hofer habe im Wahlkampf klargemacht, dass er Klartext rede und ein Korrektiv zur Regierung sein wolle. Zu der Frage, ob es ein Erfolg Hofers oder einer der FPÖ sei, meinte der Generalsekretär, Hofer sei immer als Kandidat der FPÖ ins Rennen gegangen und habe sich im Gegensatz zu anderen nicht verstellt. Hofer habe die Positionen der FPÖ von der direkten Demokratie bis zur EU-Kritik ausführlich dargelegt. Alexander Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl erklärte am Sonntag, die ersten Ergebnisse und Trends seien für ihn ein Schock gewesen, aber die Bundespräsidentenwahl wird am 22. Mai entschieden. Es sei wie beim Skifahren, im zweiten Durchgang könne sich noch alles ändern. Auch bei Bundespräsidentenwahlen sei das schon der Fall gewesen. Ich bin überzeugt, Van der Bellen wäre der ideale Bundespräsident für Österreich. Unter den grünen Unterstützern herrschte trotz Hofers übergroßen Vorsprungs Zuversicht. Als die ORF-Übertragung auf der Videowall Platz zwei für Van der Bellen anzeigte, brandete in dessen Wahlzentrale im Palais Schönburg in Wien-Wieden Jubel auf. Dass Rudolf Hundstorfer (SPÖ) und Andreas Khol (ÖVP) schwere Niederlagen erlitten, führt FPÖ-Generalsekretär Kickl auf den fatalen Kurs der Regierung zurück. Beide seien maßgebliche Vertreter der Regierungsparteien. Hundstorfer habe als Sozialminister ein Herzstück der Bundesregierung vertreten, und Khol trage im Bereich der Pensionen maßgeblich Mitverantwortung. SPÖ-Sprecher Matthias Euler-Rolle wird in der Stichwahl Van der Bellen wählen, sagte er dem STANDARD. Auch Bundeskanzler Werner Faymann wird Van der Bellen wählen, weil er ihn für einen ausgleichenden Kandidaten hält. Dennoch wird es keine SPÖ-Wahlempfehlung geben. ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner geht nicht davon aus, dass die schwere Niederlage personelle Konsequenzen auslösen wird. Der Vizekanzler sprach am Sonntag in der Parteizentrale von einem enttäuschenden Ergebnis. Eine Empfehlung für die Stichwahl wird die ÖVP nicht aussprechen. Khol selbst kündigte an, alle politischen Ämter zurückzulegen. Für ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald ist das schlechte Ergebnis natürlich enttäuschend, aber zu respektieren. Die Österreicherinnen und Österreicher haben entschieden, erklärte McDonald am Sonntagnachmittag in einem schriftlichen Statement . Dem eigenen Kandidaten stärkte McDonald den Rücken: Khol verdient unsere volle Anerkennung und Respekt, er habe ohne zu zögern Verantwortung übernommen und vier Monate mit vollem Einsatz und Herzblut wie ein Löwe um jede Stimme gekämpft. Wir haben heute einen Erdrutsch erlebt, der die gesamte politische Mitte in Österreich nachdenklich stimmen muss, befand McDonald angesichts des starken Ergebnisses von FPÖ-Kandidat Hofer. Es zeige sich klar, dass die Sorgen der Menschen in unsicheren Zeiten groß seien. Die Motive werden genau zu analysieren sein. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Gerhard Schmid sprach am Sonntag in einer ersten Reaktion auf das Abschneiden Hundstorfers von einer sehr schmerzlichen Niederlage. Personelle Konsequenzen werde es nicht geben, inhaltliche aber sehr wohl. Das ist eine Niederlage, für die wir auch Verantwortung als Gesamtpartei übernehmen, sagte Schmid. Wir haben einstimmig Rudi Hundstorfer als erfahrenen, krisenfesten Kandidaten nominiert, der Wähler hat heute anders entschieden. Das schlechte Abschneiden begründet Schmid damit, dass die Menschen der Darstellung des politischen Establishments eine Abfuhr erteilt haben. Es handle sich allerdings nicht um eine Watsche für die Regierung, denn die Regierungspolitik ist etwas anderes. Es müsse nun Veränderungen in der Politik geben, davon sei die ÖVP genauso betroffen. Die SPÖ habe bereits vor geraumer Zeit einen Veränderungsprozess gestartet, das neue Parteiprogramm stehe kurz vor der Präsentation. Diese Prozesse werden wir mit Nachdruck fortsetzen. Hundstorfer habe sein Bestes gegeben. Man müsse die Botschaft, die von den Menschen kommt, sehr ernst nehmen und stärker auf Themen wie soziale Gerechtigkeit und Mindestlöhne setzen, die durch das Flüchtlingsthema verdeckt worden seien. Für die Stichwahl werde es keine Wahlempfehlung geben, die Bevormundung der Wähler ist nicht der richtige Weg, so Schmid. Das Wahlkampfteam rund um die unabhängige Kandidatin Irmgard Griss will erst einmal das Ergebnis der Wahlkarten sowie der Briefwahl abwarten, bevor es ein endgültiges Resümee zieht. Manager Milo Tesselaar sieht auf jeden Fall ein historisches Ergebnis, dass eine überparteiliche Kandidatin so abschneidet, sagte er am Sonntag. Grundsätzlich glaube ich, dass es in Zukunft nur gemeinsam und gegen eine Spaltung der Gesellschaft, die sich abzeichne, gehen werde. Der Ruf nach einem neuen politischen Stil, für den Griss bei der Präsidentschaftswahl gestanden sei, sei jedenfalls ganz gewaltig da, sagte Tesselaar. Das Verbindende und Neue kann nur Irmgard Griss sein. Richard Lugner machte die Umfragen und den Dreikampf für sein Abschneiden verantwortlich. Ob er enttäuscht sei, wollte er Sonntagnachmittag noch nicht beantworten, weil er noch auf die Ergebnisse in Wien hoffte. Ihm sei gesagt worden, dass er dort bei fünf bis sechs Prozent liege. Tatsächlich wurden es laut vorläufigem Endergebnis zwei Prozent. Lugner erzählte von seinen Wahlkampfauftritten, bei denen ihm viele Leute gesagt hätten, sie würden Hofer wählen, um Van der Bellen zu verhindern. Er räumte aber auch eigene Fehler ein: Das mit dem Kasperl ist nicht gut angekommen. Eine Wahlempfehlung für die Stichwahl will Lugner sicher nicht abgeben, auch ein neuerliches Antreten in sechs Jahren schloss er aus. Er rechnet mit einem Schock für die traditionelle Parteienlandschaft: Wir stehen vor einer politischen Wende. Österreich hat die Nase gestrichen voll vom rot-schwarzen Machtkartell, sagte Neos-Chef Matthias Strolz am Sonntag im Gespräch mit Journalisten. Die Menschen hätten Veränderung gewählt. Nun werde sich in der Stichwahl entscheiden, ob der Mut oder die Wut stärker sei. Bei uns ist nicht alles gut, aber der echte Fehler im System sitzt bei den Roten, heißt es in der ÖVP. Ansonsten gilt: Weitermachen!. Reihen dichtmachen war die Devise in der ÖVP am Tag nach der Wahl: keine Rücktrittsaufforderungen, keine Obmanndebatte, keine Parteiweltumsturzpläne – und demonstrative Einigkeit darin, dass es von den Schwarzen keine Wahlempfehlung für den Grünen oder den Blauen in der Stichwahl um die Hofburg geben wird. In dieser Frage scheint die ÖVP ihrem Chef Vizekanzler Reinhold Mitterlehner geschlossen zu folgen. Am Montag kamen entsprechende Aussagen aus Tirol, Vorarlberg, Oberösterreich, Salzburg und Wien. Auch ÖVP-Wirtschaftsbundpräsident Christoph Leitl hält eine Wahlempfehlung für ein Relikt aus grauer Vorzeit, sagte er am Montag im STANDARD-Gespräch. Mündige Bürgerinnen und Bürger bräuchten keine Bevormundung. Der Wiener VP-Klubchef Manfred Juraczka wandte sich hingegen an Bundeskanzler und SPÖ-Chef Werner Faymann, der ja angekündigt hat, persönlich Alexander Van der Bellen zu wählen, er wolle aber keine Wahlempfehlung abgeben. Das sei intellektuell nicht sehr redlich, sagte Juraczka. Für eine interne Palastrevolution in der ÖVP gibt es derzeit zumindest keine offenen Hinweise. Leitl etwa sieht im ersten Hofburgwahlgang, der a saftige Watschn für uns war, wenngleich auch nicht ganz unerwartet kam, keinen Anlass für Personalrochaden: Personelle Wechsel bringen derzeit überhaupt nichts, ist er überzeugt: Die Stimmung in der Bevölkerung ist so, dass in dieser Koalition zu wenig weitergeht, da hat sich Frust aufgestaut, der jetzt zum Ausdruck gekommen ist. Die Regierung muss sich jetzt am Riemen reißen und sachlich gute Zusammenarbeit leisten, sagt Leitl. Wo Leitl, der Großkoalitionär, der eine immer kleiner werdende große Koalition vor sich hat, das Gemeinsame betont, richtete sich der Chef der VP Wien, Gernot Blümel, ebenfalls gegen den roten Regierungspartner im Kanzleramt. Wir alle haben das System satt, in dem sich die Politik in erster Linie mit sich selbst beschäftigt, sagte Blümel am Montag in der Nachwahlbetrachtung: Er sieht die Bundespolitik – genau genommen vor allem eine Regierungshälfte – gefordert, einen Umschwung einzuleiten. Der gestrige Tag muss das Ende der Faymann-Stillstandspolitik zur Folge haben. Es ist jetzt eine andere Politik gefragt als die mutlose, visionslose und tatenlose Politik des Kanzlers, sagte Blümel. Rhetorisch gestützt – zulasten von Faymann – wurde ÖVP-Chef Mitterlehner auch vom steirischen ÖVP-Landesrat Christopher Drexler, der an eher suboptimale Erfahrungen mit Obmanndemontagen in der Volkspartei erinnerte. Über den konkreten Zustand der ÖVP nach dem Wahldebakel am Sonntag und die Hoffnung auf Rettung in letzter oder vorletzter oder gar allerletzter Minute gehen die Meinungen in der Volkspartei und bei befreundeten Institutionen hingegen etwas auseinander. Der Generalsekretär der Industriellenvereinigung (IV), Christoph Neumayer, interpretierte das Wahlergebnis als letzte Chance für eine nachhaltige Veränderung, die höchst notwendig sei: Wir sind in einer Systemkrise. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter drehte das Dringlichkeitsrad eine Stufe weiter. Für ihn ist das jetzt die allerletzte Chance, der aber weder Neuwahlen noch Köpferollen dienlich wären. Ähnlich sieht das sein Vorarlberger Nachbar und Amtskollege Markus Wallner. Platter interpretiert das Abschneiden von ÖVP-Kandidat Andreas Khol, der mit 11,12 Prozent auf Platz fünf von sechs landete, als deutliche Abrechnung mit der Bundesregierung: Die Politik des Zauderns und Zögerns wurde abgestraft. In Oberösterreich wurde Hilfe von oben, und sei es nur beim Erkennen der Realität, erhofft. Bundesrat Gottfried Kneifel störte sich nämlich an den offiziellen kalmierenden Reaktionen der Parteisprecher: Da werden Medien und Meinungsforscher als Grund für das schlechte Abschneiden herangezogen. Herrgott, warum kann man nicht einfach sagen: Ja, das ist ein Fiasko! Es ist ein Debakel und ein Schuss vor den Bug. Etwas näher als nur am Bug lokalisierte Landeshauptmannstellvertreter Thomas Stelzer das Problem der ÖVP. Das Khol-Ergebnis sei kein Warnschuss, sondern ein Treffer. Wie weit wollen wir noch sinken? Reden sei Luxus. Jetzt muss es zu Änderungen kommen – aber nicht personeller Art. (nim, krud, mika, jub, mro) Steirer fordert Erneuerung der Partei noch vor dem Sommer – Ederer wiederholt Faymann-Kritik, will aber selbst nicht antreten. Sein oder Nichtsein: Keine geringere Frage stellt sich nach Meinung von Franz Voves für die SPÖ nach dem Debakel bei der Bundespräsidentenwahl. Die Krise der Sozialdemokraten sei existenziell, am entscheidenden Hebel sitze nicht Kanzler und Parteichef Werner Faymann, sondern der mächtige Wiener Bürgermeister, sagt der ehemalige steirische Landeshauptmann: Über Leben oder Tod der SPÖ entscheidet Michael Häupl mit seinen Freunden, und man scheint weiter auf Tod programmiert zu sein. Schon zu seiner aktiven Zeit habe er versucht, die Partei zu einer Öffnung und Modernisierung zu drängen, doch die Bundesspitze habe nicht reagiert, sagt Voves in der Kleinen Zeitung und fordert einen neuen Gründergeist statt falsch verstandene Parteidisziplin: Die SPÖ hat nur mehr eine Chance, wenn sie sich – noch vor dem Sommer – personell, strukturell und programmatisch erneuert. Die frühere SPÖ-Staatssekretärin Brigitte Ederer plädiert für einen Sonderparteitag noch vor dem Sommer. Auch der steirische SPÖ-Chef Michael Schickhofer liebäugelte am Mittwoch mit einem früheren Termin. Ederer trat im Ö1-Mittagsjournal für die Ablöse Faymanns ein, würde selbst aber nicht antreten: Ich bin eine alte Frau. Ein außerordentlicher Bundesparteitag müsste laut Parteistatut entweder vom SPÖ-Vorstand oder von fünf Landesparteien einberufen werden. Faymann hat ein Vorziehen nach der Präsidiumssitzung am Montag ausgeschlossen und betont, der Parteitag werde im Herbst stattfinden. Ederer dazu: Ich bin persönlich der Meinung, dass die Diskussion jetzt so weit fortgeschritten ist, dass man relativ rasch eine Klärung der Frage der Führungsposition der Sozialdemokratie finden sollte. Welche Wähler müssen Hofer und Van der Bellen erreichen, um die Stichwahl zu gewinnen? Entwerfen Sie selbst ein realistisches Szenario!. 13,8 Prozentpunkte trennten Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer im ersten Wahlgang zur Bundespräsidentenwahl. Seitdem überschlagen sich die Kommentare, wer welche Wählerguppen für sich gewinnen muss, um im zweiten Wahlgang die 50-Prozent-Hürde zu überspringen. Hier können Sie selbst Szenarien basierend auf den Ergebnissen des ersten Wahlgangs durchspielen. Verteilen sie die Stimmen von Griss, Hundstorfer, Khol und Lugner auf die beiden Kandidaten, die in der Stichwahl stehen. Auch bei den Nichtwählern können Sie tippen, ob diese sich nun an der Wahl beteiligen und wenn ja, für wen sie ihre Stimme abgeben werden. Können die Kandidaten ihre Wähler aus der ersten Runde mobilisieren? Gehen die Wähler der ausgeschiedenen Kandidaten zur Wahl? Wer kann die Nichtwähler überzeugen? Sie werden schnell merken: Anteilsmäßig wird es den Kampagnen mehr bringen, Nichtwähler anzusprechen, als sich auf Lugner-Wähler zu konzentrieren. Wenn Sie ein für sich realistisches Szenario entworfen haben, teilen Sie den Link zur aktuellen Auswahl doch bitte im Forum. Domain wieder erreichbar – Unternehmen verweist auf IT-Probleme. Bei den ÖBB hat eine Zugangs-Sperre bei Computern des Unternehmens für die Internetseite norberthofer.at für Aufregung gesorgt. Wie die Krone berichtete, konnte die Website von FPÖ-Kandidat Norbert Hofer von Tausenden Computern der ÖBB aus tagelang nicht aufgerufen werden – jene von Alexander Van der Bellen (vanderbellen.at) hingegen schon. FPÖ-Abgeordneter Christian Höbart sprach von einer Frechheit. Die ÖBB-Generaldirektion dementierte den Versuch einer politischen Beeinflussung: Die Ursache für die Sperre war ein Fehler unseres IT-Lieferanten. Da diese Domain nicht unmittelbar nach ihrer Reservierung mit Inhalt befüllt war, wurde sie weggefiltert, zitierte die Krone ein entsprechendes Schreiben. Kurz nach der Anfrage der Zeitung war die Domain norberthofer.at von ÖBB-PCs wieder erreichbar, so der Bericht. Die FPÖ präsentiert neue Plakate, ihr Kandidat Norbert Hofer will eine "Stimme der Vernunft" sein. Wien – Die FPÖ plakatiert ihren Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer im Stichwahlkampf als Stimme der Vernunft. Gegen den Grünen Alexander Van der Bellen ritten Hofer und sein Wahlkampfleiter Herbert Kickl bei der Plakatpräsentation am Freitag heftige Attacken. Für die Wahl am 22. Mai zeigte sich Hofer zuversichtlich: Ich glaube, dass wir doch recht deutlich über diesen 50 Prozent liegen werden. Laut Kickl sollen in den Stichwahlkampf noch einmal 1,2 Millionen Euro fließen. Zwei Millionen Euro hat die FPÖ nach eigenen Angaben bereits in der ersten Phase investiert. Slogan Das Recht geht vom Volk aus Neu vorgestellt wurden am Freitag zwei Plakate. Beide zeigen Hofer vor einer rot-weiß-roten Fahne, daneben die Slogans Stimme der Vernunft – Einer mitten im Leben und Das Recht geht vom Volk aus – Ein neues Amtsverständnis. Ersteres, weil vieles, was von Linken als rechtsextrem punziert werde, in Wahrheit vernünftig sei, so Kickl. Zweiteres wegen seines Eintretens für direkte Demokratie, wie Hofer betonte. Hofer betonte eingangs, mit Van der Bellen freundlich umgehen zu wollen – so, dass das Amt nicht beschädigt wird. Die Pressekonferenz dominierten dann aber heftige Attacken auf den Konkurrenten. Van der Bellen hat selbst gesagt, in einem Interview: Wenn es die Finanzmärkte erfordern, dann muss man lügen, behauptete Hofer. Außerdem habe Van der Bellen seine Meinung zu dem Handeslabkommen TTIP geändert und mit Franz Fischler einen Lobbyisten für Agro-Gentechnik im Personenkomitee. Kickl vermutet linken Kampfauftrag Kickl stellte Van der Bellen als Linken in bürgerlicher Verkleidung dar. Ich kaufe Herrn Van der Bellen den lieben alten Opa nicht ab. Er ist ein Linker, und er wird in der Hofburg, und das ist auch sein Auftrag, einen linken Kampfauftrag gesellschaftspolitisch umsetzen. Außerdem habe er als Parteichef Abgeordnete wie Karl Öllinger und Peter Pilz ideologisch großgezogen. Im Übrigen forderte Kickl Van der Bellen auf, sich von linken Krawallbrüdern zu distanzieren, die FPÖ-Plakate beschmieren. Auf entsprechende Nachfrage betonte Kickl, dass sich auch Hofer von den jüngsten Störaktionen der Identitären distanziert habe. Den Einwand, dass Parteichef Heinz-Christian Strache die rechtsradikalen Aktivisten auf Facebook unterstütze, ließ Kickl nicht gelten: Jetzt geht es um die Wahl zum Bundespräsidenten, und der Bundespräsidentschaftskandidat ist Norbert Hofer. Der von den Grünen unterstütze Kandidat sagte die Teilnahme an der ORF-Sendung wegen Terminproblemen ab. FPÖ-Generalsekretär Kickl vermutet andere Gründe. Wien – Die FPÖ kritisiert den von den Grünen unterstützen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen massiv dafür, dass er nicht an der ORF-Sendung Bürgerforum teilnimmt. Geplant war ein Duell mit dem freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer, in dem Bürger Fragen stellen können. FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl sieht darin eine Flucht vor Fragen der Bevölkerung zu heiklen Themen. Es sei ein demokratiepolitisches Armutszeugnis der Sonderklasse für jemanden, der auf seinen Plakaten Mut und Kraft affichiere. Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl argumentiert die Absage mit Terminschwierigkeiten. Es gebe seit dem ersten Wahlgang mehr als hundert Medienanfragen an den ehemaligen Grünen-Obmann. Priorität hätten für Van der Bellen persönliche Diskussionen mit Bürgerinnen und Bürgern, insbesondere mit Jugendlichen. Es habe auch, anders als vom ORF berichtet, nie eine Zusage zu der Sendung gegeben. Kickl vermutet anderer Motive. Van der Bellen befürchte, im Gegensatz zu so manchen Fragen von rot-grünen Redakteuren die Fragen von Bürgern nicht kontrollieren zu können. Die Situation sei nun eine Nagelprobe für den ORF, der die Sendung schließlich auch ohne Van der Bellen und nur mit Hofer ausstrahlen könne. Wenn Van der Bellen nicht kommen will, dann bleibt sein Sessel halt leer, und Norbert Hofer beantwortet alleine die Fragen der besorgten Bürger. Zum STANDARD heißt es aus Van der Bellens Wahlkampfteam, dass man sehr viele andere Termine wahrnehme. Es gebe schließlich auch eine Reihe von Duellen, etwa am 8. Mai auf Puls 4 und am 19. Mai im ORF. Hofer habe bei vielen Diskussionen mit Schülern und Studenten gefehlt, an denen Van der Bellen teilgenommen habe. Die Dreiecksständer sind genehmigt, sagt Van der Bellens Team. FPÖ-Manager Kickl sieht einen Gesetzesbruch. Wien – Zu Aufregung bei der FPÖ hat die Überlassung von 350 Wiener Plakatflächen durch die SPÖ für den Stichwahlkampf Alexander Van der Bellens geführt. Die Freiheitlichen sehen darin laut der Tageszeitung Österreich ein illegitimes Vorgehen. Sowohl die SPÖ als auch Van der Bellens Wahlkampfteam wiesen die Vorwürfe zurück, die Aktion sei von der zuständigen Magistratsabteilung genehmigt worden. Der Vorgang sei korrekt abgelaufen, betont das Team des ehemaligen Grünen-Chefs: Die SPÖ Wien hat in einem Schreiben gegenüber dem Verein Gemeinsam für Van der Bellen keinen Einwand gegen die Nutzung von Standorten erhoben, für die sie Bewilligungsinhaberin ist, hieß es in einer Aussendung. Von diesen zur Genehmigung überlassenen Standorten hat der Verein nun 350 Flächen übernommen. Die Genehmigung dafür wurde von der zuständigen Magistratsabteilung erteilt, betont Van der Bellens Büro. Damit werden – wie gesetzlich zugelassen – insgesamt 1.100 Plakate in Wien in Verwendung sein. Die FPÖ ortete zuvor nicht rechtskonformes Vorgehen. Alexander Van der Bellen ist Faymanns Wunschpräsident. Deshalb leistet die SPÖ den Grünen mit tausenden Plakatständern illegale Schützenhilfe, meinte Norbert Hofers Wahlkampfmanager Herbert Kickl gegenüber Österreich. Er habe auf Plakatständern, die für Van der Bellen werben, Aufkleber gesehen, die diese als von der SPÖ angemeldete Werbeflächen kennzeichnen würden, sagte Kickl später bei einer Pressekonferenz. Das sei ein klarer Gesetzesbruch, da man die Werbeflächen nicht anderen wahlwerbenden Parteien überlassen dürfe. Kickl kündigte eine Anzeige bei der MA 46 an, sollten die Plakatständer nicht entfernt werden. Die Wiener SPÖ betonte, es sei rechtlich alles in Ordnung. Landesparteisekretär Georg Niedermühlbichler sagte, man habe im Vorfeld alles geklärt, die Überlassung der 350 Dreiecksständer sei von der MA 46 genehmigt, das Team Van der Bellens komme damit auf die maximal zulässige Zahl von 1.100. Es werden nun auch die entsprechenden Kontrollpickerln der MA 46 auf den überlassenen Dreiecksständern angebracht, die diese dann als jene von Van der Bellen ausweisen. Die Überlassung der Ständer sei etwas, was die Wiener SPÖ gerne gemacht habe – denn wir wollen Hofer verhindern. Zusätzliche Kosten für die Wiener SPÖ ergäben sich daraus nicht, man lasse die Ständer einfach später abbauen. Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl versteht die Vorhaltungen nicht: Die künstliche Aufregung darüber seitens des FPÖ-Wahlkampfteams ist nicht nachvollziehbar, das ist der ganz normale und korrekte Vorgang. Wir freuen uns über die Breite und parteiübergreifende Unterstützung für Alexander Van der Bellen. Hier liegt ein wesentlicher Unterschied zur reinen FPÖ-Kampagne für Norbert Hofer, erklärte er in einer Aussendung. Ehemaliger Generalsekretär Peter Sichrovsky: "Bei Wirtschaftsthemen fällt Hofer nichts ein". Wien – Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen hat eine Facebook-Fangruppe namens Austrian Expats for Van der Bellen – und von dort kommt jetzt Unterstützung von ungewöhnlicher Seite: Peter Sichrovsky, einst FPÖ-Generalsekretär, heute längst aus der Partei ausgetreten, bekennt auch freimütig: Ich würde nicht sehr überzeugend klingen, jetzt aktiv für VdB einzutreten bei meiner politischen Vergangenheit, aber ich versuche hier zu deponieren, dass ich gegen einen Bundespräsidenten Hofer bin!. Unwissenheit bei EU-Themen Warum er eine solche Nichtwahlempfehlung für den blauen Kandidaten abgibt, erklärt Sichrovsky im STANDARD-Gespräch so: Hofer kommt aus der wiedergeborenen freiheitlichen Partei nach dem Putsch 2002, die sich eindeutig weiter rechts positioniert. Ein Angebot an neue Wählerschaften macht er aber nicht, es gelingt ihm nicht, sich aus dem blauen Wählersegment herauszubewegen. Sichrovsky macht das unter anderem an Hofers Aussagen zur Europapolitik fest und bezeichnet dessen Kritik an der EU als substanzlos. Zudem erschrecke ihn seine politische Unwissenheit in Sachen EU – wenn er den Wählern verspricht, sich einzumischen, obwohl er das nicht kann. Und wenn Hofer gemeinsam mit dem Kanzler zu EU-Gipfeln zu reisen will, kann der ehemalige EU-Parlamentarier Sichrovsky das nicht ernst nehmen. Bestenfalls würde Hofer vor und nach den wichtigen Terminen mit Gesprächspartnern aus anderen Staaten zusammentreffen, man würde seine Meinung sicher auch respektieren, aber Auswirkungen auf Entscheidungen hätte sie nicht. Piraten empfehlen Van der Bellen Sichrovsky ist es wichtig zu betonen: Ich halte Hofer nicht für einen Rechtsextremen, seine Unterstützung für Van der Bellen rührt anderswo her. Bei wirtschaftlichen Themen fällt Hofer nichts ein, dabei brauchte man etwa für die Entbürokratisierung der Wirtschaft nicht einmal Wirtschaftsfachmann sein, findet der einstige Blaue. Er hätte dem FPÖ-Kandidaten empfohlen, stärker auf die Themen Arbeitsplatzsicherheit, Flüchtlingskrise oder Bildung zu setzen. Aber auch so werde es bei der Stichwahl am 22. Mai knapp, glaubt Sichrovsky. Davon geht auch die Piratenpartei aus – und gab am Sonntag eine Wahlempfehlung für Van der Bellen ab, weil die Demokratie auf dem Spiel steht. Laut Landesparteichef Abwerzger "konzertierte Aktion" in der Nacht von Samstag auf Sonntag – Schaden laut Partei weit über 10.000 Euro. Innsbruck – Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger hat die flächendeckende Zerstörung von Wahlplakaten des freiheitlichen Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer beklagt. Dazu sei es im Rahmen einer konzertierten Aktion in der Nacht von Samstag auf Sonntag gekommen, sagte Abwerzger der APA. Der Schaden sei enorm und liege weit über 10.000 Euro, so der Landesparteichef. Aus allen Bezirken hätten ihn entsprechende Meldungen erreicht. Zerstörungen und Beschmierungen habe es sowohl in Städten wie Kufstein oder Wörgl als auch in kleineren Gemeinden gegeben. Auch die Landeshauptstadt Innsbruck bilde keine Ausnahme. In Innsbruck gibt es mittlerweile fast kein Hofer-Plakat mehr, das nicht verunstaltet wurde, kritisierte der Tiroler FPÖ-Chef. Die Plakate seien mit strafrechtlich relevanten Motiven bemalt oder systematisch zerstört worden. Das ist der absolute Tiefpunkt politischer Kultur, erklärte Abwerzger. Noch nie in der politischen Geschichte der Zweiten Republik sei bei einem Urnengang ein derartiger Gesinnungsterror durch flächendeckende Plakatzerstörungen und Verschandlungen ausgeübt worden wie derzeit. Die Vandalenakte reichten von Beschmierungen mit Hakenkreuz und Hitlerbart bis hin zu Antifa-Bildern, die auf die FPÖ-Plakate geklebt wurden, so der FPÖ-Landesparteiobmann. Die politischen und ideologischen Gegner müssen große Angst vor unseren Erfolgen haben, dies darf aber nicht zu solch verwerflichen Taten führen, sagte Abwerzger. Die Anhänger des Grünen Präsidentschaftskandidaten Alexander Van der Bellen müssten die demokratischen Grundrechte endlich einhalten, forderte er. SPÖ bei Zuwendungen in Runde eins voran. Wien – Die FPÖ legt sich auch finanziell ins Zeug, damit ihr Kandidat Norbert Hofer neues Staatsoberhaupt wird. Gemäß aktualisierten Wahlkampf-Budgets haben die Freiheitlichen mit knapp 3,4 Millionen am meisten Geld für ihre Kampagne aufgewendet. Die Grünen ließen für den offiziell unabhängigen ehemaligen Parteichef Alexander Van der Bellen 2,7 Millionen springen. Die Diskrepanz zwischen den Wahlkampf-Budgets ergibt sich aus dem zweiten Urnengang. Für den hat die FPÖ inklusive der formal eigenständigen Kärntner Landespartei 1,5 Millionen zur Verfügung gestellt, während die Grünen nur gut 550.000 Euro budgetiert haben. Nachgebessert haben ihre Zahlen auch die im ersten Wahlgang gescheiterten Großparteien. So liegen die Aufwendungen der SPÖ für Rudolf Hundstorfer bei knapp 2,7 Millionen, was der höchste Wert für den ersten Durchgang ist. Dahinter folgt die ÖVP, die für ihren Bewerber Andreas Khol etwa 2,3 Millionen aufwendete. Grüne und Freiheitliche gaben für Runde eines jeweils etwa zwei Millionen an. Die Nerven habe er nicht verloren. "Zwischendurch ergrimmt" sei er gewesen. Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen über ein TV-Duell mit Hofer als "Gladiatorenkampf". STANDARD: 45 Minuten, kein Moderator: Das ATV-Duell mit Ihrem Konkurrenten Norbert Hofer von der FPÖ am Sonntag hat vor allem einen Eindruck hinterlassen: Sie können einander nicht ausstehen. Van der Bellen: Na ja, wie diskutieren Sie mit jemandem, der nur auf die Zerstörung des Gesprächs abzielt? Das beherrscht Hofer perfekt. Klar war auch: Hier stehen sich zwei unterschiedliche politische Grundkonzepte gegenüber – und zwei Personen, die das jeweils verkörpern. Am kommenden Sonntag findet eine Richtungsentscheidung statt: zwischen konstruktiv und destruktiv. STANDARD: Übriggeblieben ist, dass das ein desaströser Auftritt war. Was ist da schiefgelaufen? Van der Bellen: Ich lade alle, die das so sehen oder so kommentieren, ein, sich einmal mit jemandem, der nur NLP-Crash-Rhetorik verwendet, hinzusetzen und zivilisiert zu diskutieren. STANDARD: Ihnen sind ja die Nerven auch durchgegangen, oder? Van der Bellen: Man wird schon zwischendurch ergrimmt, sage ich einmal. Aber die Nerven sind mir nicht durchgegangen. STANDARD: Hat dieses Fernsehduell der Politik geschadet? Van der Bellen: Die Sendung war ein Experiment, und es ist das herausgekommen, was sich viele aus der Medienwelt wünschen: eine Art Gladiatorenkampf. Dann fließt eben Blut – metaphorisch gesprochen. Und das wird auf einmal beklagt? Was haben Sie erwartet? STANDARD: Hand aufs Herz: Rennt der Wahlkampf auf einem Niveau ab, das Sie sich erwartet haben? Van der Bellen: Nein. Ich bin schon überrascht. Ich hätte mir eine andere Art der Auseinandersetzung gewünscht. Aber wenn Hofer es für richtig hält, so zu agieren ... STANDARD: Es liegt also am Gegner? Van der Bellen: Das ist ein Richtungswahlkampf, und da treffen die Meinungen und die Persönlichkeiten hart aufeinander. So wie das inszeniert war, braucht sich doch niemand wundern. STANDARD: Die Präsidentschaftswahl wurde gerade vom Abgang Werner Faymanns als Kanzler und SPÖ-Vorsitzenden etwas an die Seite gedrängt. Geht es mit der Koalition weiter, oder rechnen Sie mit baldigen Neuwahlen? Van der Bellen: Ich erwarte mir, dass diese Regierung unter neuer Führung und wohl neuer Zusammensetzung besser zusammenarbeitet, sich Prioritäten setzt und bis zu den Wahlen 2018 die dringlichsten Probleme angeht – darunter vor allem die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich. STANDARD: ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka husst aber schon ständig. Van der Bellen: Da müssen Sie Herrn Lopatka fragen, was er damit bezweckt. Ich stehe jedenfalls für Zusammenarbeit und Kooperation. STANDARD: Kann Christian Kern die SPÖ konsolidieren? Van der Bellen: Ich hoffe es im Interesse Österreichs – und dass es insgesamt besser geht als in den letzten zwei Jahren. STANDARD: Hofer sagt, er wäre sehr vorsichtig bei einer Angelobung von jemandem wie der Wiener Stadträtin Sonja Wehsely als Ministerin. Als Grund nennt er die islamischen Kindergärten in Wien. Sein gutes Recht? Van der Bellen: Hofer lässt immer wieder sein autoritäres Amtsverständnis durchschimmern. Ich würde annehmen, dass Heinz Fischer, so Wehsely überhaupt vom Kanzler vorgeschlagen wird, das akzeptiert. Das wäre auch richtig. STANDARD: Ein Thema, das alles zu berühren scheint, ist die Flüchtlingsfrage. Ist man gefangen zwischen Willkommenskultur und Ausländer-raus-Rufen? Wie sieht ein vernünftiger Mittelweg aus? Van der Bellen: Der Mittelweg ist das, was die Caritas, die Diakonie, das Rote Kreuz und Tausende von einfachen Leuten machen: nämlich Menschen in Not zu helfen. Das andere ist, auf der internationalen Ebene zu versuchen, die Gründe für das Flüchtlingsdrama zu beseitigen: also Fokus auf Syrien, auf den Waffenstillstand dort und auf den irgendwann einsetzenden Wiederaufbau. STANDARD: Gibt es ein europäisches Beispiel auf Staatsebene im Umgang mit Flüchtlingen, das Ihnen gefällt? Van der Bellen: Es läuft derzeit nirgends perfekt, weil wir von der Geschwindigkeit überrascht worden sind. Was zu tun ist, liegt auf der Hand: Bildung, Bildung, Bildung, Sprachkenntnisse usw. Und die Lehrer und Lehrerinnen in diesen Fragen nicht alleine lassen. STANDARD: Sie haben die Caritas auch als Grund genannt, wieder der Kirche beizutreten ... Van der Bellen: Ja, und? STANDARD: Dies vor einem Wahlgang zu sagen ist doch auffällig. Van der Bellen: Jahrzehnte später finde ich, dass ich aus den falschen Gründen ausgetreten bin. Vielleicht sollte ich wieder eintreten, aber sicher nicht jetzt, weil ich weiß, wie das ausgelegt wird: als Opportunismus im Wahlkampf. So blöd bin ich nicht! STANDARD: Sie haben es thematisiert. Van der Bellen: Wenn ich gefragt werde, antworte ich. Herr Hofer kommt mit seiner Christlichkeit. Vom Papst abwärts sind aber alle Christen anderer Meinung als die Freiheitlichen. STANDARD: Mit der Flüchtlingsfrage werden oft die mehr als 400.000 Arbeitslosen vermengt. Was tun? Van der Bellen: Als Bundespräsident würde ich Gespräche mit den zuständigen Ministern und Experten suchen und schauen, ob wir da auf gute Ideen kommen. Grundsätzlich geht es darum, das Wirtschaftswachstum wieder zu befeuern. Aber klar ist: Ein Bundespräsident ist nicht der Ersatzbundeskanzler oder der Ersatzfinanzminister. Ich kann Impulse geben. STANDARD: Sie denken darüber nach, den Amtssitz des Bundespräsidenten temporär in andere Bundesländer zu verlegen. Wie stellen Sie sich das vor? Van der Bellen: Der Anstoß war, dass der Bundespräsident ständig mit der Chiffre Hofburg verknüpft wird. Eigentlich war das eine spontane Idee. Das müsste man dann prüfen. Aber warum soll es nicht möglich sein, eine Woche in einer Landeshauptstadt sein Amt führen zu können? (Peter Mayr, 16.05.2016) Nach dem öffentlichen Schlammcatchen auf ATV ging es beim letzten "Duell" der zwei verbliebenen Kandidaten um das Amt des Bundespräsidenten im ORF sehr gesittet zu. Moderatorin Ingrid Thurnher wirkte als zivilisierendes Element. Es ist vermutlich die einzige Situation, in der beide Kandidaten der Rechte sein wollten. Denn beide, Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, wollten Donnerstagabend beim letzten Duell vor der Stichwahl um die Hofburg im ORF-Studio am liebsten rechts sitzen. Das Los hat schließlich den Rechten nach rechts geschickt: FPÖ-Kandidat Hofer durfte somit links von Moderatorin Ingrid Thurnher und auf der rechten Bildschirmseite Platz nehmen. Damit hatten die Kontrahenten Aufstellung bezogen, und das letzte öffentliche Aufeinandertreffen der beiden Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten konnte losgehen. Es wurde, nun ja, quasi präsidentiell. Anders als bei dem in eine Art Schlammcatchen im Trockendock ausgearteten, von den beiden Hofburg-Anwärtern selbstmoderierten Gespräch auf ATV zeigte sich diesmal die zivilisierende Wirkung durch eine journalistisch professionelle Moderation. Die deklinierte nach einer kurzen therapeutischen Nachbetrachtung des ATV-Ausfalls, bei dem die zwei Gladiatoren (Hofer) etwas entgleist (Van der Bellen) waren, ein breites Themenspektrum durch. Der ehemalige Grünen-Chef, der aus der Position des Zweiten startet, nutzte die erstbeste Gelegenheit zu einem Wahlappell, indem er sagte: Wer weiß wählt, wählt indirekt Herrn Hofer, so richtig auf Attacke gebügelt war aber keiner der beiden. Viel eher bemüht, Präsidenten-like aufzutreten. So erklärte Hofer erneut, dass er, ganz am Ende, wenn dann wirklich keine Gespräche mehr helfen würden, um eine Regierung, die schlecht arbeitet, auf seine Linie zu bringen, etwa in Steuerfragen, tatsächlich sagen würde: Das geht nicht, das kann ich nicht zulassen. Ja, er und niemand sonst: Der Hustinettenbär wird keine Entscheidung treffen. Van der Bellen wiederum, der sich FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache so gar nicht als Kanzler, den er angeloben sollte, vorstellen kann und ihn auch verhindern würde, räumte – gefragt, ob das auch für einen Vizekanzler Strache gelten würde – ein: Das muss man sich genau anschauen. Ich kann es nicht ganz ausschließen. Hofer betonte seine Fähigkeit zur Überparteilichkeit, immerhin zeige er diese als Dritter Nationalratspräsident, der zur eigenen Fraktion besonders streng sei. Beim Heimat-Komplex, den beide im Wahlkampf besonders strapazierten, listete Hofer als typisch österreichische Eigenschaften den Hang zur Gemütlichkeit, aber auch Leistungsorientierung und Offenheit auf, Van der Bellen fiel dazu ein, dass die Österreicher arbeiten wie die Löwen, aber sie tun so, als ob sies nicht täten, Understatement liege ihnen und der Wille zur Zusammenarbeit, politisch zumindest seit 1945 praktiziert. Auf die Frage, welche Werte die beiden neu ankommenden Menschen im Land vermitteln würden, meinte Van der Bellen zwar, dass ihm Wertekurse ein bissl trivial vorkommen, aber wichtig sei zu vermitteln: Österreich ist ein Rechtsstaat, das Gesetz gilt für alle, und es gibt null Toleranz bei Gewalt. Jegliche Versuche, öffentlichen Raum zu okkupieren, seien ein Verlust an Freiheit und Sicherheit für alle. Hofer zählte hier Leistungsbewusstsein, Zusammenarbeit und Teamfähigkeit sowie den Willen zur Weiterbildung auf. Apropos österreichischer Bundespräsident: Welche Österreicher sind damit gemeint? Für Hofer war die Antwort klar: Das sind unsere Staatsbürger, die hoffentlich unsere Sprache sprechen. Ich bin immer zuerst für die Österreicher da. Van der Bellen legt es etwas weiter an: Ich bin für alle da. Nicht nur die Staatsbürger, alle anderen auch, die hier leben. Das sind ja keine Fremdlinge. Was die EU anlangt, will Hofer ein subsidiäres Europa mit enger Zusammenarbeit und keinen europäischen Nationalstaat. Würde die Türkei beitreten, wäre ich für einen Austritt aus der EU, jetzt aber nicht. Van der Bellen schwebt eine Europäische Eidgenossenschaft nach Schweizer Vorbild vor, vorher müsse das derzeitige Europa der Mängel aber wieder handlungsfähig werden. Im kompakten Ja/Nein-Reigen am Schluss gab es noch ein paar Gleichklänge: Kruzifixe in Schulklassen stören beide nicht, Wehrpflicht für Frauen lehnen beide ab, auch eine Regierung ohne Frauen, und an 183 Nationalratsabgeordneten und neun Bundesländern würden beide nichts ändern. Beide Kandidaten absolvierten ihre Abschlusskundgebungen. Wien – Fünf Monate hat der Bundespräsidentenwahlkampf gedauert. Ich werde jetzt nicht sagen: Schade, dass es vorbei ist, sagte Alexander Van der Bellen bei seiner letzten Pressekonferenz vor dem Wahlsonntag. Es war doch ein bisschen lang. Trotzdem blicke er dem Sonntag zuversichtlich entgegen. Ich habe nicht damit gerechnet, dass eine so große und breite Bewegung entstehen kann. Die vielen Unterstützer aus verschiedenen Parteien und Gesellschaftsschichten würden ihn motivieren. So etwas trägt einen. Er hoffe, knapp, aber doch vorne zu liegen. Am Freitag forderte der von den Grünen unterstützte Kandidat ein letztes Mal unentschlossene Wähler dazu auf, ihn zu wählen. Ich weiß schon, dass manche meiner politischen Einstellungen von früher oder von jetzt nicht auf hunderprozentige Zustimmung stoßen. An Unentschlossene und solche, die weiß wählen wollen, richtete er einen Appell: Wenn Sie schon große Vorbehalte gegen mich haben, überlegen Sie, ob die gegenüber meinem Konkurrenten nicht noch größer sind. Die Bundespräsidentenwahl stoße auf so großes Interesse, weil sie eine Richtungswahl sei, meint Van der Bellen. Es gehe darum, welchen Weg Österreich in den nächsten sechs Jahren einschlagen solle. Er jedenfalls wolle den Zusammenhalt im Land fördern. Auch der Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union und die Zusammenarbeit mit den europäischen Partnern halte er für essenziell. Ohne seinen Gegenkandidaten Norbert Hofer oder die FPÖ in seiner Rede zu nennen, warnte Van der Bellen vor Austrittsfantasien, der Aufhebung des Schengenraums und dem Austritt aus der Währungsunion. Das gefährdet Arbeitsplätze. Zudem warnte der Präsidentschaftskandidat erneut vor einer blauen Republik. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hatte Anfang Mai gefordert, dass Südtirol selbst entscheiden solle, ob es künftig zu Österreich gehören will. Die Idee, Südtirol aus Italien herauszulösen, bedeutet neue Grenzziehung in Europa, sagt Van der Bellen. Es wäre ein Problem der blauen Republik, dass der Bundespräsident mit solchen unausgegorenen Ideen übereinstimmen könnte oder sie sogar unterstütze. Der FPÖ-Chef sei ein Elefant im Porzellanladen, der europäische Beziehungen gefährde. Letzte Auftritte am Freitag in Wien – Beide Kandidaten optimistisch. Wien – Alexander Van der Bellen ist der Erste. Zumindest beim Beginn der Wahlkampfabschlüsse. Um 16.30 Uhr lädt er sein Team in den Wiener Votivpark. Dessen namensgebende Kirche ziert ein gigantisches Werbeplakat, das Das Beste in Grün verspricht – allerdings für einen grünen Fruchtsaft, nicht für den formell unabhängigen Kandidaten. Mehrere Hundert Unterstützer empfangen Van der Bellen dort mit Applaus. Heute ist Freitag, der 20., oder?, vergewissert der sich zu Beginn seiner Rede – und fügt entschuldigend hinzu: Der Wahlkampf hinterlässt schon Spuren. Er habe aber das Gefühl, dass sich etwas bewegt, besonders in der letzten Woche, sagt Van der Bellen vor gelben Luftballons und eifrig klatschenden Fans. Am Sonntag stehe eine echte Richtungsentscheidung bevor: Zwischen einem offenen Österreich, auf das wir stolz sein können und etwas, worauf ich gar nicht näher eingehen will – jedenfalls etwas Kleines, Rückwärtsgewandtes. Zuverlässige Zahlen kenne er zwar nicht, sagt der Kandidat, aber er habe das Gefühl, es stehe Spitz auf Knopf. Deshalb soll man neben der eigenen Wahl noch Freunde, Kollegen und Bekannte anrufen und ihnen ins Gewissen reden, das Richtige zu tun. Nämlich: Eh. Den obligatorischen Dank an seine Unterstützer versüßt Van der Bellen mit einer optimistischen Wahlprognose: Die Fehler nehme ich auf mich. Aber der Gewinn ist ein Gewinn von uns allen. Seine Anhänger danken’s mit Saschi! Saschi!-Rufen. Schon am Vormittag hat der frühere Grünen-Chef noch einmal an die Unentschlossenen appelliert: Ich weiß schon, dass manche meiner politischen Einstellungen von früher oder von jetzt nicht auf hundertprozentige Zustimmung stoßen. Aber: Wenn Sie schon große Vorbehalte gegen mich haben, überlegen Sie, ob die gegenüber meinem Konkurrenten nicht noch größer sind. Ohne seinen Gegenkandidaten Norbert Hofer oder die FPÖ zu nennen, warnt Van der Bellen vor Austrittsfantasien, der Aufhebung des Schengenraums und dem Austritt aus der Währungsunion. Das gefährdet Arbeitsplätze. Erneut warnt er vor einer blauen Republik und dem Wunsch Heinz-Christian Straches, Südtirol selbst entscheiden zu lassen, ob es künftig zu Österreich gehören will. Der FPÖ-Chef sei wie ein Elefant im Porzellanladen, der europäische Beziehungen gefährde. Die FPÖ muss sich kurz vor dem Wahltag noch mit Ungereimtheiten in der Schilderung einer Israel-Reise ihres Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer herumschlagen. Die Abschlussveranstaltung für Hofer hält die FPÖ ab 17.30 Uhr auf dem Viktor-Adler-Markt in Wien-Favoriten ab. Als Einklatscher fungiert der Wiener FPÖ-Mandatar Johann Gudenus, der vor allem mit zwei Wortspenden aufgefallen ist: Ich spüre eine positive Kraft. Und: Wenn Sie in ein Spital gehen und behandelt werden wollen, was passiert? Ein sogenannter Flüchtling wird einem Österreicher vorgereiht. Während John Otti musikalisch sein Bestes gibt, fährt Hofer mit der Hebebühne hoch. Die Tränen, die er sich vor eingefleischten Fans und Medien, die sich seitlich der Bühne postiert haben, wegwischt, sehen leider nicht alle. Aber der Kandidat posaunt die Rührung auch ins Mikro: Ich tu mir heut ein bissl schwer, die richtigen Worte zu finden. Gefunden hat er: den Dank an die Aufbaugeneration, das herzliche Willkommen für jene, die in Österreich eine neue Heimat gefunden haben, sowie die Botschaft an jene, die für den IS in den Krieg ziehen, Frauen vergewaltigen, nämlich: Das ist nicht eure Heimat. Außerdem verspricht er seinen Anhängern: Ihr werdet mich ganz oft treffen – unter euch. Etwa auf Kinderspielplätzen, in Kleinfirmen, in Kaffeehäusern. Weniger gemütlich legt der Parteichef die Rede an. Heinz-Christian Strache übernimmt die Regierungsschelte (eine Chaospartie, ärger als das BZÖ), die Van-der-Bellen-Herabwürdigung und den Medienrüffel (Manipulationsauftragsarbeit des ORF). Als sich die Reihen der blauen Anhänger immer deutlicher lichten, findet Strache seinen Schluss. Hymne, vom Wind verwehter Konfettiregen, Fahnenschwenke rei. Und erstmals Hofer, Hofer statt HC, HC-Geschrei. Gegen Hofer positionierte sich EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Mit Blick auf einen möglichen Sieg eines Freiheitlichen sehe er sich gezwungen zu sagen, dass ich sie nicht mag, sagte Juncker in einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der französischen Zeitung Le Monde. Die Österreicher hören das nicht gern, aber das ist mir egal, so Juncker: Mit den Rechtspopulisten ist weder eine Debatte noch ein Dialog möglich. Bei einem möglichen knappen Ergebnis am Sonntagabend könnten die Wahlkarten eine entscheidende Rolle spielen. 885.327 wurden beantragt – deutlich mehr als beim ersten Wahlgang (642.000). Ausgezählt werden sie erst am Montag. Möglicherweise gibt es also erst dann einen Sieger. Beim ersten Durchgang sank Hofer durch die Wahlkarten noch von 36,4 Prozent auf 35,1 Prozent ab, Van der Bellen hingegen steigerte sich von 20,4 auf letztlich 21,3 Prozent. (koli, riss, sefe, völ) Bis jetzt galt der Präsident als wenig mächtig. Das könnte sich ändern. Die Verfassung räumt ihm mehr Macht ein, als vielen lieb ist. Der eine will FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache nicht als Bundeskanzler akzeptieren und würde den erklärten EU-Gegner nicht angeloben, der andere droht damit, die Bundesregierung zu entlassen, wenn sie beispielsweise in der Flüchtlingsfrage, aber auch in der Steuerpolitik nicht nach seinen Wünschen agieren würde. Es waren starke Ansagen, die Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer im Wahlkampf gemacht haben. Bleibt nur die Frage: Ja, darf er denn das überhaupt, der Bundespräsident? Nach dem Buchstaben der Verfassung, in der Fassung von 1929, dürfte Van der Bellen als Staatsoberhaupt Strache – aber auch jeden anderen – als Kanzler ablehnen und Hofer eine ihm nicht genehme Regierung aus dem Amt jagen – wenn, ja, wenn beiden die in so einem Fall jedenfalls drastischen, republikerschütternden Folgen egal wären. Es wäre eine echte Zäsur, würde der nächste Präsident seine Rolle auf diese Weise uminterpretieren. FPÖ-Kandidat Hofer hat ja schon vielsagend geraunt: Sie werden sich wundern, was alles gehen wird. Juristen wissen um die potenzielle Dimension solcher Wunder, die in der Verfassung lauern könnten. Rechtsanwalt Alfred J. Noll etwa sagte in der ZIB 2, dass in der realen Amtsausübung nach 1945 die Kompetenz des Staatsoberhaupts auf das reduziert wurde, was sie bis 1920 war: Eine staatsnotarielle Funktion – allerdings mit integriertem demokratiepolitischem Zeitzünder, und als dieser wurde er auch installiert. Hofer könnte, wenn er wollte, das Parlament binnen 14 Tagen beseitigen, warnte Noll. Diese Möglichkeit schuf die Novelle des Bundesverfassungsgesetzes von 1929. Damals wurde die Direktwahl eingeführt und im Gegensatz zur Version von 1920 das Amt des Bundespräsidenten auf Druck der Christlichsozialen erheblich gestärkt und dem Parlament als Machtfaktor gegenübergestellt. Alfred J. Noll schrieb daher vor kurzem im STANDARD von inhärentem Führertum und einem autokratischen Geist der Verfassung. In Deutschland hingegen wollte man 1945 im Grundgesetz das Staatsoberhaupt im Wissen um die NS-Zeit nicht besonders stark gestalten. Ja, Hofer könnte, so er das wollte, den Nationalrat aus jedem Grund auflösen, wenngleich nur einmal aus dem gleichen Anlass. Es wäre jedoch eine grobe Themenverfehlung als Präsident: Der Bundespräsident ist nicht der Vorgesetzte der Regierung, sagt Verfassungsjurist Heinz Mayer. Oder, wie Amtsinhaber Heinz Fischer den neuen Kanzler Christian Kern erinnerte, der Präsident sei nicht der Vorgesetzte des Kanzlers – und umgekehrt. Allerdings, sagt Mayer, der befindet, dass sich die Novelle von 1929 sehr bewährt hat, könne es immer Missbrauch geben, den aber nicht nur in der Hofburg: Das macht die Regierung ja auch ständig, indem sie die Opposition ausbremst. Das Entlassungsrecht gilt laut Mayer für den Fall, dass der Nationalrat nicht mehr arbeitsfähig ist – das ist auch gar nichts Böses, wenn es Neuwahlen gibt. Demokratiepolitisch böse, also Missbrauch, wäre es, wenn ein Präsident Hofer den Nationalrat just auflösen würde, wenn die FPÖ gerade gute Wahlchancen habe. Van der Bellens Kanzler-Strache-Verhinderungsszenario wiederum werde dieser womöglich nicht realisieren können, meint Mayer im STANDARD-Gespräch: Jede andere Mehrheit im Parlament kann diese Regierung per Misstrauensvotum in die Wüste schicken. Dass der Zünder in der Hofburg bisher nie aktiviert wurde, hat vor allem damit zu tun, dass bis jetzt nur ein Vertreter der fast immer, wenngleich freiwillig aneinandergeketteten Regierungsparteien SPÖ und ÖVP an der Staatsspitze stand – und wusste, was geht und was nicht, die Empfindlichkeiten der Parteien und der Republik kannte und darauf Rücksicht nehmen wollte und es auch tat. Bisherige Präsidenten waren Teil der Realverfassung, sagt Verfassungsjurist Manfried Welan zum STANDARD: Sie waren nicht nur Hüter der Rechtsverfassung, sondern auch Hüter der Realverfassung, in die sie das Dritte Lager nicht hineinlassen wollten. Realverfassung meint Kooperation, Konsens, Konfliktvermeidung und Sozialpartnerschaft. De facto haben alle Präsidenten bisher auch Rollenverzicht geübt. Das könnte sich jetzt ändern, oder, wie Welan sagt, es wird auch davon abhängen, wie die neue Regierung agiert und ob es zu einer Führungskonkurrenz zwischen Dux, also dem Kanzler, und Rex, dem Ersatzkönig in der Hofburg, kommt. Diese Konkurrenz liege auch durchaus in der Verfassung. Fakt ist, dass die Verfassung es dem Herrscher in der Hofburg ermöglichen würde, ein Vakuum des Regierens auf der anderen Seite des Ballhausplatzes selbst aufzufüllen, wenn er das wollte. Noll, der das Amt des Bundespräsidenten prinzipiell für entbehrlich hält, verweist auf ein einfaches Mittel, um der Verfassung den bösen Geist von 1929 auszutreiben: Es ist rechtlich ganz leicht möglich, das im Parlament zu ändern und so das autokratische Element unserer Verfassung zu entfernen. Es wäre das Mindeste, dass man das ändert. In Wirklichkeit ist das Amt eine Reminiszenz an den Kaiser, und man braucht es gar nicht mehr. Welan zitiert derweil abwartend Johann Nestroy angesichts dessen, dass alle Präsidentschaftsanwärter stark und kontrollierend sein wollten: Wirklichkeit ist immer das schönste Zeugnis für die Möglichkeit. Es wird sich zeigen, welche Möglichkeiten ab dem 8. Juli, wenn das neue Staatsoberhaupt angelobt wird, wirklich werden. Die FPÖ werde für die bisher rot-schwarzen Regionen und die jetzt grünen Städte eigene blaue Wahlkampfthemen entwickeln, sagt Kunasek. STANDARD: Der Erfolg Alexander Van der Bellens ist doch ein empfindlicher Dämpfer für Ihre Partei. Kunasek: Man darf nicht vergessen, dass es keine breite Unterstützung für Norbert Hofer gegeben hat. Es wurde viel gegen ihn agitiert. Van der Bellen ist ein Erfolg für das System, das noch einmal aufgezeigt hat. Aber wir können festhalten, dass sich jeder zweite Wähler in Österreich nicht manipulieren und blenden hat lassen. Es war ein Wahlkampf gegen uns, und trotzdem hat jeder Zweite gesagt: Ich wähle Hofer. Viele haben Van der Bellen nicht deswegen gewählt, weil er so gut ist, sondern um Hofer zu verhindern. Man hat Angst und Panik verbreitet. Aber: Wir sind bundesweit permanent Nummer eins. Der Trend hat sich seit Jahren abgezeichnet und bei der Wahl jetzt verstärkt. STANDARD: Die Länder wurden bei dieser Wahl blau eingefärbt, aber die Landeshauptstädte leuchten grün auf. Wie interpretieren Sie diese Diskrepanz? Kunasek: Das geht ja auf Stadtebene weiter: Die ehemaligen bürgerlichen Bezirke sind grün geworden. Aber auch ehemalige Arbeiterviertel. Das müssen wir genau analysieren. Das ist für die kommenden Wahlen entscheidend. Wir wollen Nummer eins werden, aber ohne Städte werden die Wahlen nicht zu gewinnen sein. Das heißt, wir werden das in den nächsten Monaten genau analysieren und dann Schlüsse ziehen. STANDARD: Was heißt diese Bundespräsidentenwahl also für die künftige blaue Politik? Kunasek: Wir müssen ganz separate Wahlkämpfe machen, abgestimmt auf das Stadt-Land-Gefälle. Wir müssen je nach Gegebenheit andere Themen transportieren. Es ist ganz einfach ein großer Unterschied, ob ich zum Beispiel in Graz auf der rechten Murseite wahlkämpfe oder auf der bürgerlichen linken Murseite. Da spielen ganz andere Themen eine Rolle. Das gilt umgelegt auf das ganze Land. In den bäuerlichen, bürgerlichen Bezirken müssen wir mit ganz anderen Themen punkten als in den Arbeiterregionen. Wir werden überall vor Ort eigene Themen entwickeln. STANDARD: Bemerkenswert ist, dass auf dem Land, wo die Bewohner nur marginal mit der Ausländerfrage konfrontiert sind, dennoch mehrheitlich blau gewählt wurde. Kunasek: Das stimmt. Andererseits gibt es auf städtischer Ebene in den bürgerlichen Bezirken, wo es auch kein Ausländerproblem gibt, das Phänomen, dass dort grün gewählt wird. Hier lebt das besser situierte Publikum, und das wählt jetzt nicht mehr ÖVP, sondern grün. Damit muss sich die ÖVP auseinandersetzen. Auf dem Land geht es auch um andere Themen. Um Tradition, um Brauchtum und um die Heimat. Hier liegt wahrscheinlich der große Unterschied. STANDARD: Also keine Ausländerwahlkämpfe mehr? Kunasek: In manchen Regionen und Bezirken sind die Ausländer noch ein großes Thema, da werden wir sicher draufbleiben. In den ehemaligen ÖVP-Bezirken müssen wir andere Themen wie Umwelt oder Wirtschaft spielen. Das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl zeigt: Österreich ist geteilt in Grün und Blau. Was sagt das über die Gesellschaft aus? Eine Umfrage in Wien. Der neue Bundespräsident Alexander Van der Bellen will das Land nicht nur gut nach außen repräsentieren, eine Hauptaufgabe wird sein, die gespaltene Bevölkerung wieder zu verbinden. Das hat er in seiner ersten Rede am Montag deutlich gemacht: Doch zum Fifty-fifty-Ergebnis gibt es auch pragmatischere Interpretationen. Das Land sei nicht gespalten, sondern politisiert, schreibt STANDARD-Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid. Eine Umfrage im Wiener Stadtpark ergab, dass die Wahl nicht nur verschiedene Rückschlüsse auf Österreichs Gesellschaft zulässt – bemerkenswert war auch, wie gesprächig sich die Passanten bei diesem Thema gezeigt haben: (Maria von Usslar, 24.5.2016) Fischer lädt seinen Nachfolger Van der Bellen in die Hofburg. Dass der Neue überlegt, eigene Befugnisse streichen zu lassen, freut fast alle Parteien. Verfassungsjurist Öhlinger warnt allerdings davor. Die Inspektion seines neuen Arbeitsplatzes dauerte rund eine Stunde: Alexander Van der Bellen war Dienstagmittag von seinem Vorgänger, Präsident Heinz Fischer, in der Hofburg empfangen worden. Zu reden gab und gibt es einiges, etwa über die ersten Aufgaben und Termine. Van der Bellen zeigte sich auch ein wenig erleichtert, dass er bis zur Angelobung noch durchatmen kann. Dass der neue Präsident eigene Mitarbeiter mitnimmt, war zu erwarten. Fischer will dennoch für Kontinuität sorgen, damit sich niemand allein gelassen fühle. Bissl hab ich noch Zeit, sagte er. Für seine letzten Wochen im Amt will er gut überlegen, was er sagen wird: Der Anfang ist gemacht, und es war ein guter Anfang. In einem anderen Belang scheint es keinen guten Anfang gegeben zu haben – zumindest aus Sicht von Verfassungsjurist Theo Öhlinger. Er warnt davor, die Verfassung übereilt zu ändern, nur weil ein Kandidat im Wahlkampf angekündigt hatte, die Regierung entlassen zu wollen. Genau diesen Vorschlag hat Van der Bellen erneut gemacht – eine Art Konvent solle über die Kompetenzen des Präsidenten diskutieren. Die – theoretische – Möglichkeit, in seiner Funktion das Parlament ausschalten zu können, irritiert ihn. Das sei eine Kompetenz für eine Krisensituation, hält Öhlinger fest. Einmal – 1933 – hätte sie bereits angewendet werden sollen, doch der damalige Bundespräsident Wilhelm Miklas habe aus Angst vor Kanzler Engelbert Dollfuß die Regierung nicht entlassen. Dadurch konnte Dollfuß das Parlament auflösen. Das war die Schwäche des Präsidenten, nicht die der Verfassung, sagt Öhlinger im STANDARD-Gespräch. Der frühere Verwaltungsgerichtshofpräsident Clemens Jabloner, auf den sich Van der Bellen beruft, weist zurück, eine Abschaffung des Notfallparagrafen gefordert zu haben. Man könne auch zur Verfassung von 1920 zurückkehren, das soll aber wohlüberlegt sein, sagt er. In fast allen Parteien stößt Van der Bellen mit seinem Vorstoß auf offene Ohren. So finden die Grünen seinen Input wichtig, wie Verfassungssprecher Albert Steinhauser sagt. Es sei richtig, darüber zu diskutieren, ob das Parlament gegenüber den theoretischen Rechten des Bundespräsidenten gestärkt gehört. Für ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl ist die Frage der Kompetenz des Staatsoberhauptes nur eine von vielen. Bei ihm steht die gesamte Verfassung zur Disposition. Ich glaube, sie ist in die Jahre gekommen, sagt er zum STANDARD. Die Herausforderungen seien heute völlig andere, generell gehöre über die Kompetenzen und die Kontrollmechanismen neu verhandelt. Gerstl würde daher eine Wiederbelebung eines Konvents begrüßen. Sein Ziel: eine neue Verfassung 2020. Nikolaus Scherak, Neos, widerspricht: Für ihn ist Van der Bellens Vorschlag nicht durchdacht. Die Machtbalance zwischen Präsident, Nationalrat und Regierung ergebe für ihn Sinn. Das Staatsoberhaupt sei ja nicht allmächtig. Der pinke Verfassungssprecher warnt davor, die Kompetenzen leichtfertig abzugeben. Die Regierungsspitze signalisiert Offenheit für eine Reform, bleibt aber vage. Man solle in vielen Bereichen der Demokratiereform Nachdenkprozesse einleiten, sagt Kanzler Christian Kern. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner will sich an einer Debatte beteiligen, sie aber nicht anstoßen. Das stehe Rot und Schwarz, deren Kandidaten nicht einmal in die Stichwahl gekommen sind, nicht zu. Nach der Präsidentenwahl hält der Chef der FPÖ Oberösterreich die Briefwahl für "hinterfragungswürdig". Der Chef der Lega Nord sieht überhaupt Wahlbetrug in Österreich. Rom/Wien/Linz – Für eine Abschaffung der Briefwahl spricht sich der oberösterreichische FPÖ-Chef Manfred Haimbuchner aus. Es stellt die geheime demokratische Wahl nicht sicher. Er selbst sei für ein Wahlkartensystem, mit dem ortsunabhängig gewählt werden kann, berichtet die Tageszeitung Kurier. Für den oberösterreichischen FPÖ-Chef sei die Briefwahl demokratiepolitisch schwer hinterfragungswürdig. Für ihn sei das ein System, das den ersten Tag abgeschafft gehört. FPÖ-Bundesparteiobmann Heinz-Christian Strache hatte nach der Bundespräsidentschaftswahl ja auf Unregelmäßigkeiten bei der Auszählung der Wahlkarten verwiesen und erklärt, die Partei behalte sich eine Anfechtung vor, sofern sich Hinweise verdichten würden. Auch in der Sonntags-Krone erklärte der FP-Chef erneut, allen Hinweisen nachgehen zu wollen. Gefragt, ob er das Wahlergebnis nicht anerkennt, sagte Strache zur Krone: Es ist noch zu früh, das zu beurteilen. Es gibt viele Hinweise vonseiten der Bevölkerung und bis dato fünf Anzeigen, wo es offensichtlich zum Gesetzesbruch gekommen ist. Ob seine Partei tatsächlich eine Wahlanfechtung durchführen wird, ließ er erneut offen: Wir werden die unzähligen Hinweise von einer unabhängigen, neutralen Stelle prüfen lassen und dann eine Entscheidung treffen, betonte er. Weniger vorsichtig argumentiert da Matteo Salvini, Chef der italienischen Oppositionspartei Lega Nord. Er ist der Ansicht, dass es bei der Präsidentschaftswahl in Österreich zu Wahlbetrug zugunsten des Wahlsiegers Alexander Van der Bellen gekommen ist. Die Lega Nord zählt zu den Verbündeten der FPÖ im EU-Parlament. In Österreich hat es Wahlbetrug gegeben. Alle haben sich gegen (FPÖ-Kandidat Norbert) Hofer verbündet, sagte Salvini im Interview mit dem TV-Kandal Sky Tg 24. In einem Ort sei eine Wahlbeteiligung von 146,9 Prozent ausgewiesen worden, spricht der Lega-Chef einen Fehler in Ybbs an der Thaya an, der bereits bekannt ist. Da ist was nicht in Ordnung, meinte Salvini. Der Lega-Nord-Vorsitzende klagte über eine Kampagne gegen Parteien, die sich für ein alternatives Europa einsetzen. Ich begreife nicht die Angriffe gegen diejenigen, die ein anderes Europa wollen, so der 43-Jährige. Unterdessen ist das Büro der Welser Grünen am Fronleichnamstag von Unbekannten beschmiert worden. Auf ein Fassadenfenster hatte man den Schriftzug Wahlbetrüger – Scheiß Van der Bellen angebracht. Das berichtete die Grünen-Gemeinderätin Stefanie Rumersdorfer in einer Presseaussendung am Sonntag. Entdeckt hatte man den Vandalenakt erst am späten Freitagnachmittag, so Rumersdorfer zur APA. Eine Anzeige werde am Montag bei der Polizei erstattet. Laut APA-Nachfrage bei der Polizei werde in diesem Fall wohl auch der Verfassungsschutz eingeschaltet. Für die Grünen-Politikerin sei es nicht verwunderlich, dass Enttäuschung und Zorn so zum Ausdruck gebracht werden. Es würden nämlich Unwahrheiten über den Wahlausgang verbreitet und die Wähler aufgestachelt. Die Infografik zeigt, wie Ihre Gemeinde gewählt hat. Alexander Van der Bellen hat die Metropolen, Norbert Hofer den Rest. Neu wird Alexander Van der Bellen dieses Problem wohl nicht vorkommen, musste er sich doch schon als langjähriger Chef der Grünen immer wieder damit herumärgern: Seine Partei punktet im urbanen Raum, schwächelt aber auf dem Land. Was schon bisher für die Grünen galt, trifft jetzt auch im Präsidentschaftswahlkampf zu. Will Van der Bellen die Stichwahl am Sonntag gewinnen, wird er in diesem Wählersegment gehörig zulegen müssen. Aber warum klappt es nicht im ländlichen Raum? Die Grünen sind auf dem Land einfach weniger präsent. Schauen Sie sich die FPÖ an: Da gibt es viele Bürgermeister und allerorts eine Unmenge an Gemeinderäten und Gemeinderätinnen, sagt Johannes Zweytick, der beide Seiten gut kennt. Für die ÖVP saß er lange in Wien im Nationalrat, heute ist er Vizebürgermeister von Ehrenhausen an der Weinstraße, einer fast 3.000 Einwohner zählenden Gemeinde in der Steiermark. Weit braucht der Winzer nicht zu schauen, um ein Beispiel für die blaue Vormachtstellung zu finden. Im ersten Wahlgang hatte Hofer in der Gemeinde 49,4 Prozent und Van der Bellen nur bescheidene 9,4 Prozent. Die Freiheitlichen führen einen Wahlkampf wie bei einer Nationalratswahl. Es gibt sicher auch fünf Mal so viele Plakate wie von Van der Bellen, sagt Zweytick, der sich selbst für den ehemaligen Grünen-Chef engagiert – trotz seiner ÖVP-Mitgliedschaft. Warum? Zweytick: Ich wähle in diesem Fall ja keine Partei, sondern einen Menschen. Ist Ehrenhausen ein Beispiel von vielen? Die Zahlen sagen Ja. In dünnbesiedelten Gebieten schneidet Alexander Van der Bellen unterdurchschnittlich ab. Hätten im ersten Wahlgang nur Gemeinden mit weniger als 3.000 Einwohnern und einer geringen Bevölkerungsdichte gewählt, käme der Ex-Grünen-Chef ohne Wahlkarten nur auf 14,3 Prozent der Stimmen. Sein Kontrahent Norbert Hofer schneidet in dünnbesiedelten Gemeinden überdurchschnittlich ab. Er käme so auf 39,8 Prozent der Stimmen. Anders sähe das Ergebnis aus, wenn nur Großstädte wählen würden. Dort hat Alexander Van der Bellen im ersten Wahlgang eine relative Mehrheit erreicht. In städtischen Regionen – also Orten, die mehr als 300 Einwohner pro Quadratkilometer und mehr als 3.000 Einwohner haben – war der Abstand zwischen Van der Bellen und Hofer zwar weniger frappant, aber doch deutlich. Wie kann dieses Stadt-Land-Gefälle gestoppt werden? Möglicherweise wird die Stadtlastigkeit durch diese Wahl schwächer, weil neue Wählerschichten auf dem Land das erste Mal Grün wählen, sagt Christoph Hofinger vom Meinungsforschungsinstitut Sora. Um diese Wählerinnen und Wähler anzusprechen, müsse Van der Bellen interessenspolitisch auf die Interessen der ländlichen Bevölkerung Rücksicht nehmen. Was dagegen spricht: Hofinger nennt wie Zweytick die stärkere Struktur der FPÖ auf dem Land, die Sozialstruktur der klassischen Grünen-Wähler (jünger, gebildeter, viele Studierende). Nicht zuletzt habe es laut Hofinger seit der Nationalratswahl 2002 ein systematisches Negative-Campaigning gegen Grün auf dem Land gegeben – Stichwort Haschtrafiken oder Zwangsvegetarismus. Hajek Public Opinions hat für ATV 800 Personen gefragt, warum sie Norbert Hofer oder Alexander Van der Bellen ihre Stimme gegeben haben. Den anderen Kandidaten verhindern – das war bei der Bundespräsidentenwahl am Sonntag eines der stärksten Wahlmotive in beiden Lagern. Die Sympathisanten Norbert Hofers hielten Alexander Van der Bellen für nicht wählbar oder zu alt. Stärkeres Wahlmotiv für Norbert Hofer war nur sein gutes Auftreten. Die Wähler Alexander Van der Bellens wollten in erster Linie Norbert Hofer verhindern und gegen rechts stimmen. Das zeigt eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Hajek Public Opinions, das 800 Personen befragt hat. Hier die fünf stärksten Motive im Überblick: Hofer konnte im Gegensatz zu Van der Bellen mit Sympathie punkten, sagt Meinungsforscher Peter Hajek. Die Polarisierung der Kandidaten war auch der bestimmende Grund, warum viele Wähler sich ihrer Stimme enthalten haben. Das Sora-Institut hat errechnet, woher die Wähler für Van der Bellen und Hofer gekommen sind. Im zweiten Wahlgang der Bundespräsidentenwahl hat es am Sonntag noch keinen klaren Sieger gegeben: Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen lagen gemäß Sora-Hochrechnung inklusive Briefwählerprognose mit 50 zu 50 Prozent gleichauf. Nach dem ersten Wahlgang war Hofer Favorit für die Stichwahl. 35,1 Prozent hatte der FPÖ-Kandidat erhalten, lediglich 21,3 Prozent Alexander Van der Bellen. Uneinholbar, wie viele Beobachter urteilten. Aus der Wählerstromanalyse des Sora-Instituts geht hervor, dass Alexander Van der Bellen bei Nichtwählern sowie bei ehemaligen Wählern von Irmgard Griss und Rudolf Hundstorfer gepunktet hat. Betrachten wir die Zusammensetzung der Wähler Alexander Van der Bellens, ist ersichtlich, dass das Überzeugen der Griss-Wähler für die Aufholjagd am wichtigsten war. Der Zuwachs bei seinem Kontrahenten Norbert Hofer lässt sich durch das Wechseln von Irmgard-Griss- und Andreas-Khol-Wählern ins blaue Lager erklären. Hier die Zusammensetzung des Wahlergebnisses von Norbert Hofer: Nur etwa jeder zehnte Griss-, Hundstorfer- und Khol-Wähler ist im zweiten Wahlgang nicht zur Wahl gegangen. 84 Prozent der Nichtwähler sind ihrem Wahlverhalten auch im zweiten Wahlgang treu und somit zu Hause geblieben. ÖVP, Grüne und Team Stronach sind dafür, dass die Briefwahlstimmen schon am Sonntag ausgezählt werden müssen. Wien – Viele Wähler sind verwundert, dass es am Wahlabend noch keinen Sieger bei der Bundespräsidentschaftswahl gab. Erste Politiker fordern bereits eine Änderung des Wahlgesetzes. Der STANDARD erklärt die Hintergründe des Wahlrechtes und was passiert, wenn es am Tag der geplanten Angelobung doch noch keinen neuen Bundespräsidenten gibt. Frage: Wieso werden die Wahlkarten erst am Montag ausgezählt? Antwort: Das Prozedere ist im Bundespräsidentenwahlgesetz geregelt. Die Auszählung findet in den 113 Bezirkswahlbehörden statt und hat laut Paragraf 14a des Gesetzes ab 9 Uhr am Tag nach der Wahl zu erfolgen. Die Wahlkarten mussten aber schon bis 17 Uhr am Wahlsonntag eingelangt sein. Stimmen von Wählern, die zwar eine Wahlkarte beantragt, dann aber doch im Wahllokal gewählt habe, wurden allerdings schon am Sonntag mitgezählt. Das hat zur Folge: Von den insgesamt rund 885.000 beantragten Wahlkarten wurden am Montag noch 740.000 ausgezählt. Frage: Wie läuft die Prüfung genau ab? Antwort: Zuständig sind die Bezirkswahlleiter, die unter Beobachtung der Wahlbeisitzer die Auszählung leiten. Zunächst ist die Unversehrtheit des Verschlusses der Wahlkarte zu prüfen, ebenso, ob alle nötigen Daten, die Unterschrift des Wählers und die auf den Wahlkarten aufscheinende eidesstattliche Erklärung vorhanden sind. Wahlkarten, die diese Voraussetzungen nicht erfüllen, sind ungültig. Anschließend werden die Wahlkuverts entnommen, in ein vorbereitetes Behältnis gegeben, durchmischt, geöffnet und schließlich ausgezählt. Frage: Gibt es in den Regierungsparteien nun Überlegungen, das Gesetz zu ändern, damit man schon am Wahlabend weiß, wer gewonnen hat? Antwort: Ja. ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka zeigt sich diesbezüglich diskussionsbereit. Man müsse sich bei den Wahlkarten ansehen, wie man eine Beschleunigung des Auszählmodus erreichen könne, sagt er auf STANDARD-Anfrage. Der Leiter der Wahlabteilung im Innenministerium, Robert Stein, gibt aber zu bedenken, dass die Auszählung noch am Sonntag bis spät in die Nacht dauern würde und möglicherweise nicht mehr ausreichend Wahlbeisitzer anwesend wären. In diese Richtung argumentiert auch SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder. Schon jetzt habe man das Problem, dass Wahlbeisitzer anderer Parteien oft nicht kommen würden. Ein qualitatives Auszählen ist notwendig, sagt Schieder und lehnt eine Änderung ab. Ich sehe kein demokratiepolitisches Problem, dass das Ergebnis erst am nächsten Tag feststeht. Frage: Wie sehen die Oppositionsparteien das Problem? Antwort: Dieter Brosz, geschäftsführender Parlamentarier des grünen Klubs, ist ebenso für eine Reform des Wahlgesetzes. Das wird niemand mehr wollen, dass wir am Wahlsonntag keinen Sieger haben, sagt er. Brosz kann sich eine Vorverlegung der Fristen vorstellen, sodass die Wahlkarten schon am Sonntagvormittag ausgezählt werden müssen. Ähnlich sieht das Team-Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Ich bin auf jeden Fall für eine Vorverlegung. Neos-Justizsprecher Nikolaus Scherak ist hingegen skeptisch. Auslandsösterreicher müssten schon jetzt sehr früh die Wahlkarten aufgeben, damit diese rechtzeitig in Österreich sind. Die Wähler sollten ich ihre Entscheidung möglichst lange offenhalten können, findet er. Daher sei es ihm lieber, dass die Auszählung erst am Montag erfolgt. Da fällt niemandem ein Stein aus der Krone. Die FPÖ war vorerst für eine Stellungnahme nicht erreichbar. Frage: Gibt es weitere Überlegungen, Änderungen am Wahlgesetz vorzunehmen? Antwort: Durchaus. Brosz findet es beispielsweise absurd, dass Wahlkarten, die bereits vor dem 3. Mai abgegeben wurden (der zweite Wahlgang wurde erst am 2. Mai ausgeschrieben), ungültig sind. Lopatka wiederum möchte prüfen, ob man nicht generell die Frist zwischen erstem und zweitem Durchgang verkürzen könnte. Dieses Mal lag fast ein Monat zwischen dem ersten (24. April) und zweiten (22. Mai) Durchgang. Frage: Was passiert, wenn einer der beiden Kandidaten das Wahlergebnis anficht? Antwort: Nach der Verlautbarung des Ergebnisses am 1. Juni kann die Wahl innerhalb einer Woche von einem zustellungsbevollmächtigten Vertreter eines Kandidaten beim Verfassungsgerichtshof angefochten werden. Laut Gesetz hat die Anfechtung den begründeten Antrag auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens oder eines bestimmten Teiles desselben zu enthalten. Das Höchstgericht hat dann maximal vier Wochen Zeit für die Prüfung. Frage: Was passiert, wenn die Wahl teilweise oder ganz aufgehoben wird? Antwort: Dann wird sie in jenem Bereich wiederholt, in dem der Verfassungsgerichtshof eine Unregelmäßigkeit feststellen konnte. Gab es nur in einem Sprengel einen Fehler, wird nur in dem Sprengel neu gewählt. Theoretisch kann aber natürlich auch die gesamte Wahl aufgehoben werden. Frage: Die Angelobung des neuen Bundespräsidenten ist für den 8. Juli geplant. Was passiert, wenn es bis dahin kein Ergebnis gibt, weil ein Teil der Wahl wiederholt werden muss? Antwort: Die Amtsperiode von Heinz Fischer endet auf jeden Fall an diesem Tag. Eine Verlängerung ist nicht mehr möglich. Es kann auch kein vorläufiger Sieger angelobt werden. Sollte es also am 8. Juli keinen neuen Bundespräsidenten geben, würde die Vertretungsregel in Kraft treten. Die drei Nationalratspräsidenten würden dann als Kollegialorgan die Vertretung des Bundespräsidenten übernehmen. Sollte es tatsächlich dazu kommen, wäre Norbert Hofer also vorübergehend auf alle Fälle Bundespräsident – wenn auch gemeinsam mit Doris Bures und Karlheinz Kopf. Alexander Van der Bellen und Norbert Hofer waren in ihren jeweiligen Heimatgemeinden strahlende Sieger. Hofer punktete sonst stärker in kleinen Gemeinden, Van der Bellen in den Städten. Aber es gab auch einige Ausreißer. Die grünste Landeshauptstadt war auch diesmal wieder Graz: Rund 64,4 Prozent der Grazer votierten für den ehemaligen Grünen-Chef Alexander Van der Bellen. In den Stadtteilen, in denen die meisten Migranten leben, in Gries und Lend, lag Van der Bellen mit 57 und 59 Prozent schon im ersten Wahlgang ganz deutlich vorn, in bürgerlichen Bezirken wie Geidorf und Leonhard siegte er mit 75 und 77 Prozent haushoch. In der Steiermark kann man damit aber auch ein besonders großes Gefälle zwischen ländlichen und urbanen Wählern beobachten: Im Land ist Norbert Hofer nämlich mit 56,2 deutlich vorn. Wien entschied sich ebenso wie Graz klar für Van der Bellen. 63,3 Prozent entschieden sich für ihn. Die meisten Wählerstimmen konnte er sich in den bürgerlichen Bobo-Bezirken innerhalb des Gürtels sichern. Im grünen Bezirk Neubau erreichte Van der Bellen mit 81,0 Prozent sein bundesweit zweitbestes Ergebnis und die höchste Zustimmung in Wien. Gleich dahinter: die schwarze Josefstadt (78,8) sowie die rot geführten Bezirke Mariahilf (78,3) und Alsergrund (77,7). Am stärksten stieg Van der Bellen in der Bundeshauptstadt in einem Spren-gel der Leopoldstadt aus. Von 768 Wahlberechtigten stimmten 87,2 Prozent für ihn. Aber auch in den Flächenbezirken konnte Van der Bellen überraschend punkten. Er holte sich vier der fünf Wiener Bezirke, die nach dem ersten Wahlgang in der Hand Hofers waren. Einzig Simmering blieb auch im zweiten Wahlgang blau. Der Bezirk, der seit den Wiener Wahlen im vergangenen Herbst erstmals einen FPÖ-Bezirkschef hat, brachte Hofer mit 50,3 Prozent sein bestes Wien-Ergebnis und einen knappen Sieg. Das beste Sprengelergebnis hat Hofer, wie auch die FPÖ Wien, in Sprengel 44 in Ottakring. 77,9 Prozent wählten hier Hofer. Der Sprengel ist mit 473 Wahlberechtigten klein, in dem Wohnblock zwischen Koppstraße und Herbststraße leben vor allem Polizisten mit ihren Familien. Im Heimatbundesland Hofers, im Burgenland, gab es für ihn auch die schönsten Gewinne. Etwa in seiner Heimatgemeinde Pinkafeld, wo er 73 Prozent einfuhr. Es gab aber auch Ausreißer wie Stinatz, eine Gemeinde, in der sich mehr als die Hälfte der Einwohner der Volksgruppe der Burgenlandkroaten zurechnen. Im Süden bildeten die Landgemeinden der Kärntner Slowenen, Zell (75 Prozent für Van der Bellen) und Eisenkappel-Vellach (54,5) jene Ausnahmen, wo Van der Bellen siegte. Hofer räumte am meisten im Tiroler Spiss und der Salzburger Gemeinde Muhr ab: über 87 Prozent. Van der Bellen errang in seiner Heimatgemeinde Kaunertal in Tirol das für ihn beste Ergebnis mit 85,1. Aber auch Tourismushochburgen wie Lech in Vorarlberg (74,8) und St. Anton in Tirol (65,3), die sich wohl kaum als Wohlstandsverlierer verstehen, gingen an Van der Bellen. (Oona Kroisleitner, Colette M. Schmidt, 24.5.2016) Politikexperten orten in den geringen Zukunftschancen auf dem Land blaue Wahlmotive. Wien – Das Bild ist einprägsam: Ein Gutteil der Bundesländer ist in großen Teilen tiefblau eingefärbt. Aber inmitten der Grafik leuchten grüne Flecken auf. Selten zuvor ist bei Wahlen ein derart schroffes Stadt-Land-Gefälle sichtbar geworden wie bei dieser Bundespräsidentenwahl. Außerhalb der Landeshauptstädte konnte Norbert Hofer für die FPÖ – mit wenigen Ausnahmen – durchwegs Mehrheiten einsammeln. Im urbanen Bereich hingegen blieb Hofer hinter dem neuen, grünen Bundespräsidenten Alexander Van der Bellen stets Zweiter. Warum wählt die Landbevölkerung über weite Strecken so grundlegend anders als die Bewohner der städtischen Ballungsräume? Und dies nicht erst bei dieser Bundespräsidentenwahl. Kathrin Stainer-Hämmerle, die in Kärnten Politikwissenschaften lehrt, ortet drei Bereiche, die den wesentlichen Unterschied im Wahlverhalten ausmachen: Ein höherer Bildungsgrad in den Städten, die dortige Bevölke- rung ist jünger und verfügt über grundsätzlich bessere Lebenschancen. Bei der Bildung gehe es nicht nur um die formale Bildung, das betrifft das ganze Kultur- und Bildungsangebot einer Stadt, sagt Stainer-Hämmerle im Gespräch mit dem Standard. Land bedeute natürlich nicht, dass automatisch und durchgehend blau gewählt werde. Vieles hänge letztlich auch von örtlichen Initiativen – etwa bei der Flüchtlingsbetreuung – oder engagierten Bürgermeistern ab, um eine Stimmung zu erzeugen oder zu drehen. Für Stainer-Hämmerle ein typisches Beispiel: Krumpendorf am Wörthersee. Hier gab es in der Vergangenheit heftige Diskussionen wegen eines Flüchtlingszeltlagers. Gewählt wurde diesmal bei der Bundespräsidentenwahl grün. Nicht zuletzt aufgrund des Engagements aktiver Bürger, sagt Stainer-Hämmerle. Aber dennoch: In den von Landflucht betroffenen, strukturschwachen Regionen verfügten die dort verbliebenen Bewohner eben über wesentlich geringere Zukunftschancen als Stadtbewohner. Die Infrastruktur in den ländlichen Ortschaften, die gewohnte Umgebung wurde in den letzten Jahren oft weitgehend zerstört. Die entvölkerten Ortskerne bieten kaum noch Lebensqualität. Das schafft natürlich Unzufriedenheit, sagt die Politikwissenschafterin. Die FPÖ hat hier in den letzten Jahren politisch erfolgreich angedockt. Der Grazer Politikwissenschafter von der Karl-Franzens-Universität, Klaus Poier, will eher nicht von einem klaren Stadt-Land-Gefälle bei den Bundespräsidentenwahlen sprechen. Das Ergebnis der Wahl bedeutet ja nicht, dass auf dem Land hundert Prozent FPÖ oder Hofer und in den Hauptstädten hundertprozentig Grün oder Van der Bellen gewählt haben. Das ist viel differenzierter zu betrachten, sagt Poier im Gespräch mit dem Standard. Poier meint, wie Hämmerle, dass es notwendig sei, die demografischen Faktoren zu untersuchen, um zu erklären, warum die Städte mehrheitlich anders wählten als die Landregionen. Die Städte besitzen studentisches Publikum, eine breitere Schicht an höher Gebildeten, weniger Industrie- und Landwirtschaftsjobs, aber mehr Angebote in der Dienstleistungsbranche. Die beruflichen Perspektiven sind in den Städten natürlich wesentlich besser als auf dem Land. Das spielt alles mit, sagt Klaus Poier. Und das erkläre auch in der Summe das unterschiedliche Wahlverhalten. Knapp 900.000 Wähler machten die Entscheidung besonders spannend. Auf jede Stimme kommt es an, das weiß der gelernte Demokrat. Aber dass ausgerechnet seine Stimme bei dieser Bundespräsidentenwahl den Ausschlag geben könnte, damit hat er wirklich nicht gerechnet. Er wollte doch nur ein ungestörtes Wochenende im Grünen verbringen, mit seinen Liebsten verreisen oder sonstigem Freizeitvergnügen frönen. Einfach mal raus aus der Stadt statt rein ins Wahllokal. Denn, das lässt sich laut Sora-Forscher Christoph Hofinger mit Sicherheit sagen: Der Wahlkartenwähler ist ein urbaner Typ, kommt viel öfter aus Wien als aus dem Burgenland. In Zahlen des Innenministeriums ausgedrückt: Im ersten Wahlgang beantragten 160.725 in der Hauptstadt Geborene eine Wahlkarte, aber nur 17.588 Pannonier. Für die Stichwahl haben noch einmal deutlich mehr Stimmberechtigte vorgesorgt: 222.283 davon aus Wien, 23.015 aus dem Burgenland. Bevor sich der Wahlkartenwähler hier noch weiter von seiner maskulinen Seite zeigt: Daraus einen Rückschluss auf sein tatsächliches Geschlecht zu ziehen, wäre verkürzt. In Umfragen-Samplings ist er mal weiblicher, mal männlicher. Lebt er in einer Beziehung, ist zudem die Wahrscheinlichkeit hoch, dass auch der Partner zur Wahlkarte greift, erklärt Hofinger. Gscheit scheint er jedenfalls zu sein. Er gehört zur Wählergruppe mit höherer formaler Bildung. Unter Maturanten ist der Anteil der Wahlkartenwähler fast doppelt so hoch. Was sich außerdem über jene 885.437 Stimmberechtigten sagen lässt, die das Rennen um die Hofburg spannend bis zuletzt machten: Sie sind reisefreudig, auch innerhalb Österreichs mobiler. Woraus der Politikfor- scher schließt, dass sie auch tendenziell wohlhabender sind. Ein Spezifikum dieser Wahl: Es waren eher die Jüngeren, die sich für das Kreuz to go entschieden haben. Die Annahme, dass das Motiv, einen Präsidenten Hofer zu verhindern, bei Auslandsösterreichern für einen zusätzlichen Motivationsschub im zweiten Wahlgang gesorgt haben könnte, den Stimmzettel bereits vorab per Post oder online zu beantragen, hat sich nicht bestätigt: Es waren sogar um 148 Wahlkarten weniger. Auch wer bettlägrig ist, konnte sein Kreuzerl von unterwegs machen – bei einer der fliegenden Wahlbehörden. Ungeduldige, die gleich nach der ersten Runde auf Nummer sicher gehen wollten, könnten womöglich einen Frühstart hingelegt haben: Wahlkarten, die vor dem 3. Mai abgeschickt wurden, sind ungültig. Norbert Hofer, knapp gescheiterter Präsidentschaftskandidat der Blauen, ist es wichtig, dass die FPÖ "keine rechtsextreme Partei" sei. Heinz-Christian Strache hält sich vorerst eine Wahlanfechtung offen. Das Wichtigste zuerst: Die FPÖ ist keine rechtsextreme Partei. Das wollte der knapp gescheiterte blaue Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer den zahlreichen internationalen Medienvertretern zwei Tage nach der Stichwahl noch mit auf den Weg geben. Eine rechtsextreme Partei hätte hierzulande nämlich höchstens zwei Prozent erreicht, argumentiert er – größer ist der Narrenanteil in Österreich sicher nicht. Nach einer Vorstandssitzung am Dienstagvormittag hatten Hofer und Parteichef Heinz-Christian Strache auch anderes klarzustellen. Es galt Aufwiegler, die in Internetforen offen zu Gewalt gegen Alexander Van der Bellen aufriefen (siehe Artikel: Gewaltaufrufe gegen Van der Bellen auf Facebook), zu beruhigen. Hofer tat das mit der Bitte, an jene Österreicher, die heute verzagt sind, verärgert sind, sich nicht gegenseitig anzugreifen und das zu unterlassen. Strache tat das mit dem Rezitieren seiner Facebook-Ermahnung an die User. Mit seinem Zweifel am rechtmäßigen Zustandekommen des Wahlergebnisses will er auf Nachfrage des STANDARD nicht zu weit gegangen sein. Die Entscheidung über eine mögliche Wahlanfechtung will die FPÖ-Spitze erst später treffen: Man habe Experten beauftragt, allen Hinweisen auf Unregelmäßigkeiten nachzugehen. Erst nach deren Bewertung werde man entscheiden, ob eine Anfechtung Sinn mache, sprich: Wenn solche Anomalien da sind, die wahlentscheidend sind. In der ZiB 2 ortete er Missbrauchsmöglichkeiten bei der Briefwahl. Eine mögliche Doppelführung zwischen ihm und Hofer macht für den FPÖ-Chef definitiv keinen Sinn, wiewohl er Spekulationen, Norbert Hofer könnte ehrgeizig an meinem Sessel sägen, als ausgesprochen witzig von sich wies. Viel lieber versuchte Strache, die stets mit dem Eigenschaftswort dünn beschriebene Personaldecke bei den Blauen zu widerlegen, und sinnierte über zu vergebende Ministerämter wenn ich Regierungsverantwortung möglicherweise als Kanzler übernehme. Und darüber, dass man dann ja auch einen ersten Nationalratspräsidenten brauche. Vorerst bleibt Hofer Dritter Nationalratspräsident und Vizeparteichef, schließt aber nicht aus, sich für ein Ministeramt zu interessieren. Bei der kommenden Nationalratswahl will er wieder auf einem Listenplatz hinter Strache kandidieren. Der glaubt im Wahlergebnis zu erkennen, dass die Hälfte der Österreicher unsere Werthaltung unterstützt, und legt sich die Latte für künftige Wahlgänge hoch: Der Plafond für freiheitliche Stimmen liegt heute bei 50 Prozent. Auch der FPÖ-Chef hatte ein Thema, das er noch mit den Medien besprechen wollte: die Fehldarstellung von Hofers Israel-Reise aufgrund von Falschrecherchen des ORF. Was Strache nicht dazusagte: So, wie Hofer seine Erlebnisse am Tempelberg wiederholt geschildert hatte, fanden sie auch nicht statt. Was seine persönliche Befindlichkeit betrifft, erklärte Hofer: Es ist nicht angenehm, ins Tagebuch einzutragen: ,Ich wäre heute fast Präsident geworden. Frühmorgens postete er den Katzenjammer mit einem Bild von Kater Robert. Verdachtsfälle bei Briefwahl – Präsident Heinz Fischer empfängt FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer und hofft auf Wiedereintreten von Normalität. Wien – Das Innenministerium hat Unregelmäßigkeiten in vier Kärntner Bezirken bei der Bundespräsidentenstichwahl angezeigt. In den Bezirken Villach-Stadt, Villach-Land, Hermagor und Wolfsberg gebe es den Verdacht, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft hat die Bundeswahlbehörde darüber informiert, heißt es in einer Aussendung des Innenministeriums. In allen vier Bezirken hat Norbert Hofer (FPÖ) die Wahl für sich entschieden. Die Wahlkarten seien womöglich zu früh und ohne Zeugen ausgezählt worden, heißt es. Das für Wahlen zuständige Innenministerium hat die Kärntner Gemeinden jedenfalls bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Der Vorwurf lautet, dass vor dem gesetzlichen Zeitpunkt ausgezählt wurde, sagte der Leiter der Wahlabteilung, Robert Stein, am Mittwoch. Villach weist das zurück. In der Zeit im Bild 2 am Mittwochabend sagte Stein, dass es einen ähnlichen Verdachtsfall auch in einem Bezirk in der Südoststeiermark gäbe, eine Ergänzungsanzeige sei in diesem Fall nachgereicht worden. Auf eine Prognose, ob die Wahl in diesen Bezirken wiederholt werden müsste, ließ sich Stein nicht ein. Er unterstrich, dass der VfGH die Wiederholung nur anordnet, wenn eine Rechtswidrigkeit vorliegt und eine Wiederholung Einfluss auf den Wahlausgang hätte. Eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft bestätigte den Eingang der Anzeige, über die auch der Kurier am Mittwoch berichtete. Es gehe darin unter anderem darum, dass der Leiter der Wahlkommission ohne Beisein von Wahlzeugen schon am Sonntag die Briefwahlstimmen ausgezählt haben soll. Laut Innenministerium lautet der Vorwurf in Villach (Stadt und Land), dass zu früh ausgezählt wurde. In Hermagor und Wolfsberg sollen die Briefwahlkarten lediglich aufgeschnitten, aber noch nicht ausgezählt worden sein. Laut Gesetz dürfen die Kuverts erst am Montag um 9 Uhr und nur vor einer Kommission, nicht aber von Einzelpersonen geöffnet werden. Was eine Wahlanfechtung angeht, sehen der scheidende FPÖ-Landesparteichef Christian Ragger wie auch Landesgeschäftsführer Ewald Mödritscher nun in erster Linie die Staatsanwaltschaft am Zug. Wir werden uns in ein laufendes Verfahren sicher nicht einbringen. Wenn die Erhebungen aber wirklich etwas ergeben und das gravierende Auswirkungen auf das Ergebnis der Wahl hätte, dann muss man sich das natürlich anschauen, sagt Ragger. Zuerst wolle man aber die Ergebnisse der Staatsanwaltschaft abwarten. Die Frist für die Anfechtung der Wahl endet allerdings am 8. Juni. In allen vier betroffenen Bezirken siegte Norbert Hofer. Bei den Briefwahlstimmen lag wiederum Alexander Van der Bellen vorn. Allerdings war sein Vorsprung auf Hofer geringer als im Kärntner Landesschnitt und deutlich niedriger als im Bundesschnitt: Bundesweit kam Van der Bellen auf 61,7 Prozent der Briefwahlstimmen, in Kärnten auf 55,6 Prozent. In den vier nun untersuchten Kärntner Bezirken kam er auf lediglich 55,2 Prozent der Briefwahlstimmen. Dass in Villach schon am Sonntag Briefwahlstimmen ausgezählt wurden, wird von der Stadt zurückgewiesen. Sie wurden am Montag ausgezählt mit dem Zeitpunkt, der vorgesehen ist. Um 9 Uhr beginnt die Zählung der Wahlkarten, sagt die stellvertretende Magistratsdirektorin Claudia Pacher. Zuvor habe man lediglich Vorarbeiten gemacht. Die Wahlkarten wurden erfasst, und es wurde die Gültigkeit überprüft. Die Kuverts sind erst ab 9 Uhr geöffnet worden. Der Leiter der Kärntner Landeswahlbehörde, Gerhard Jesernig, sagt, es sei ihm in Villach bestätigt worden, dass die Wahlkarten schon früher ausgezählt wurden. Aber es soll eine Ermächtigung durch die Bezirkswahlbehörde gegeben haben. Ob ein solcher Beschluss des Bürgermeisters ausreichend sei, müsse die Bundeswahlbehörde entscheiden, meint Jesernig. Stadtoberhaupt Günther Albel (SPÖ) war vorerst nicht erreichbar. Bundespräsident Heinz Fischer empfing Mittwochfrüh den bei der Stichwahl unterlegenen Norbert Hofer in der Hofburg. Dabei mahnte Fischer angesichts des hitzig geführten Wahlkampfes die Rückkehr zur Normalität ein. Es müsse nun alles getan werden, um den demokratischen Normalzustand wiederherzustellen, sagte der Präsident. Wenn die Wahl vorbei ist, bemüht man sich, zur demokratischen Normalität zurückzukehren. Unterschiedliche Standpunkte müssten in ruhiger und besonnener Art ausgetauscht werden. Hofer betonte, dazu beitragen zu wollen: Ich bin nicht der Meinung, dass Österreich ein gespaltenes Land ist. Fischers mahnende Worte verhallten allerdings. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache teilte noch Mittwochvormittag auf Facebook einen Bericht des FP-nahen Blogs unzensuriert.at, in dem über angebliche Wahlmanipulation zugunsten Van der Bellens spekuliert wird. Seit Tagen befeuert die FPÖ vor allem via Social Media derartige Gerüchte. Am Dienstag musste Strache seine Facebook-Fans zur Besonnenheit und zur Mäßigung aufrufen. In sozialen Netzwerken wurde etwa Van der Bellens Privatadresse veröffentlicht und zu Gewalt aufgerufen. Die Sicherheitsvorkehrungen für den designierten Bundespräsidenten mussten erhöht werden. Van der Bellen sprach am Mittwoch mit dem SPÖ-Vorsitzenden Christian Kern und danach mit ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner. Über den Inhalt der Gespräche verriet er nichts, außer dass es um österreichische und internationale Fragen gegangen sei. Man habe Vertraulichkeit vereinbart. In einem Interview mit den ARD-Tagesthemen bekräftigte Van der Bellen sein Nein zu einem Bundeskanzler Strache. Er werde der FPÖ nicht den Auftrag zur Regierungsbildung geben, denn: Die FPÖ spielt mit dem Feuer. Wir sind ein kleines, offenes Land, das auf Exporte angewiesen ist. Daher ist es nicht im politischen oder wirtschaftlichen Interesse Österreichs, sich von der Union abzunabeln. Daher werde er den Freiheitlichen nicht den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen, sollten sie bei der nächsten Nationalratswahl stärkste Kraft im Parlament werden. Für Strache ein Grund zur Empörung: Van der Bellen ignoriere mit dem neuerlichen Nein zu einem FPÖ-Regierungsauftrag den Wählerwillen, sagte er in der ZiB 2 des ORF. Am Mittwoch legte dann FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl nach. Van der Bellen wolle gar kein Präsident aller Österreich sein. Er packe sein neues Lieblingstotschlagargument, die wahrheitswidrige Behauptung von der Europafeindlichkeit der FPÖ, aus, tobte Kickl. Van der Bellen hat die Riesenchance ausgelassen, Gräben zuzuschütten. Innenminister schlägt zentrales Wählerregister vor und lässt offen, ob Wahlkarten schon am Sonntag ausgezählt werden sollen. Wien – Als Unverfrorenheit bezeichnete Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) am Montag die vorzeitige Auszählung von Briefwahlstimmen in einigen Wahlbezirken bei der Bundespräsidentenwahl. Wie berichtet hat das Innenministerium Unregelmäßigkeiten in fünf Bezirken (Villach-Stadt und -Land, Wolfsberg, Hermagor, Südoststeiermark) bei der Korruptionsstaatsanwaltschaft angezeigt. Damit so etwas künftig nicht mehr vorkommt, schlägt Sobotka eine verpflichtende Schulung aller Wahlbeisitzer vor. Die Vorbereitung auf eine Wahl soll also noch ausgebaut werden. Schon bisher wurde an alle Gemeinden ein Leitfaden ausgeschickt und für Fragen eine telefonische Hotline im Innenministerium eingerichtet. Für die Wahlleiter in den Ländern und Bezirken gab es auch bereits eine eintägige Vorbereitungskonferenz, erläuterte Sobotka. Sind ganz offen In der Frage, ob Briefwahlstimmen künftig schon am Sonntag ausgezählt werden sollen (derzeit ist das erst ab Montag, 9 Uhr erlaubt), wollte sich der Innenminister nicht festlegen. Wir sind da ganz offen. Diese Diskussion sei nun im Parlament zu führen. Die Frage sei, ob noch am Sonntag ausreichend Wahlkommissionen für die Auszählung der Wahlkarten gebildet werden können. Es gehe um eine Abwägung – der Wunsch nach einem schnellen Ergebnis auf der einen Seite, die Notwendigkeit eines korrekten Ergebnisses auf der anderen. ÖVP, Grüne und Team Stronach können sich, wie berichtet, eine Vorverlegung der Auszählung vorstellen, SPÖ und die Neos sind eher skeptisch. Sinn würde aus Sobotkas Sicht jedenfalls die Einrichtung eines zentralen Wählerregisters machen. Dadurch sei eine rasche Abgleichung der Wahlkarten möglich. Bisher sei die Einrichtung aber an der Opposition – es braucht eine Verfassungsmehrheit – gescheitert. Grün-Mandatar Dieter Brosz relativiert das. Die Einführung sei nur gescheitert, weil das Wählerregister gemeinsam mit anderen Materien, die man abgelehnt habe, abgestimmt wurde. In der Sache sei man klar für ein zentrales Register. Neue Unregelmäßigkeiten Sowohl Sobotka als auch der Leiter der Wahlabteilung, Robert Stein, betonten neuerlich, es deute derzeit nichts darauf hin, dass die bisher bekannt gewordenen Probleme Einfluss auf das Gesamtergebnis hatten. Allerdings wurden am Montag drei weitere Unregelmäßigkeiten publik. In der oberösterreichischen Gemeinde Ahorn durfte eine Frau nicht wählen, da sie irrtümlich als Briefwählerin registriert war. In Helfenberg (ebenfalls Oberösterreich) wurden vom Bürgermeister laut Oberösterreichischen Nachrichten drei ungültige Stimmzettel zerrissen, weil die Zahl der abgegebenen Stimmen nicht mit jener der registrierten Wähler übereinstimmte. Stein, dem Sobotka vollstes Vertrauen aussprach, ortete eine klare Rechtswidrigkeit, das Innenministerium behalte sich nach Prüfung eine weitere Anzeige bei der Staatsanwaltschaft vor. Und in Miesenbach in Niederösterreich dürften einige Jugendliche gewählt haben, die das gesetzliche Wahlalter von 16 Jahren noch nicht erreicht hatten. Das berichtete das Ö1-Abendjournal des ORF. Demnach sei in der Gemeinde Miesenbach die Wählerevidenz mit dem Wählerverzeichnis verwechselt worden. Dadurch seien 14 noch nicht 16-jährige Jugendliche als wahlberechtigt geführt worden, von denen sechs an der Wahl teilgenommen hätten, so Stein. Seinen Angaben zufolge waren fünf knapp 16 und einer knapp 15, also 15- bzw. 14-jährig. Gesamtergebnis betroffen? Für eine erfolgreiche Anfechtung muss aber nicht nur eine Rechtswidrigkeit vorliegen, sondern es muss auch die Möglichkeit bestehen, dass sich das Wahlergebnis noch ändert. In den fünf angezeigten Bezirken in Kärnten und der Steiermark könnte Norbert Hofer aber maximal 9.854 Stimmen auf Alexander Van der Bellen aufholen – sein Rückstand betrug jedoch 31.026 Stimmen. Auch mit den vier Stimmen in Oberösterreich dürfte sich also am Wahlsieg des früheren Grünen-Chefs nichts ändern. Festlegen kann eine Wahlwiederholung freilich nur der Verfassungsgerichtshof. Noch ist auch offen, ob die FPÖ die Wahl überhaupt anficht. An Briefwahl nicht rütteln Sobotka möchte nun mit allen Parlamentsparteien, Städte- und Gemeindebund sowie den Landeswahlbehörden die weitere Vorgangsweise beraten. An der Briefwahl an sich will der Innenminister aber nicht rütteln. Sie sei für eine hohe Wahlbeteiligung wichtig. Und einen Appell richtete er auch gleich an alle Parteien: Sie mögen darauf achten, dass alle Wahlbeisitzer erscheinen. In vielen Gemeinden würden nämlich nur die SPÖ- und ÖVP-Vertreter erscheinen. Wären immer alle Parteien vertreten, gäbe es keine Diskussionen, glaubt Sobotka. Eine Persönlichkeitswahl braucht ein Personenkomitee – so die Logik beim Bundespräsidentenwahlkampf. Stimmt nicht, solche Gremien sind überholt. Im Bundespräsidentschaftswahlkampf werden sie uns wieder einmal nicht erspart bleiben: die Personenkomitees. Der unabhängige Grünen-Kandidat Alexander Van der Bellen hat seines bereits präsentiert. Irmgard Griss hat ihres für Ende März angekündigt, und auch Andreas Khols Team baut ein Unterstützungskomitee auf. Bei SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer ist bereits fix, dass Altkanzler Franz Vranitzky das Gremium leiten wird. FPÖ-Kandidat Norbert Hofer hat sich diesbezüglich noch nicht geäußert. Da bei dieser Direktwahl Kandidaten und keine Parteien gewählt werden, spielen die Persönlichkeiten eine große Rolle. Eine Reihe von Unterstützern zu präsentieren, die ein Loblied auf den Kandidaten singen, gehört zum guten Ton. Eigentlich hat sich diese Form der Wahlwerbung aber schon überholt. Damals war es notwendig, dass solche Gruppen zu Veranstaltungen laden und Pressekonferenz geben, um darüber zu informieren, dass sie einen Kandidaten unterstützen. Heutzutage kann in den sozialen Medien jeder ständig seine Meinung öffentlich kundtun. Prominente können über diese Kanäle ganz einfach ihre Unterstützung bekanntgeben. Einige Zitate von solchen Postings auf der Website der Kampagne wären völlig ausreichend. Ein Gremium mit Vorsitzendem braucht dazu niemand. Außerdem geben die Begründungen der Unterstützer den Wählern meist nicht viel Einsicht. Als Beispiel sei das zweite Video der Hundstorfer-Kampagne genannt, in dem Weggefährten über ihn sprechen. Ich weiß, dass er für alle Menschen da sein wird, sagt da eine ehemalige Mitarbeiterin. Als persönlicher Freund glaube ich, dass genau diese Eigenschaften, die sich in der Bawag-Krise gezeigt haben, Zuverlässigkeit, gute Nerven, Menschlichkeit, auch für einen Bundespräsidenten von großer Bedeutung sind, sagt Ewald Nowotny, – an und für sich unabhängiger – Gouverneur der Nationalbank. Am Ende des Clips Einer von uns. Einer für uns wundert man sich fast etwas darüber, dass Hundstorfer nicht mit Heiligenschein und Engelsflügerln davonfliegt. Gut, mit einem bunten Unterstützungskomitee kann die breite Zustimmung für jemanden signalisiert werden. Meist sind diese Gremien aber recht eintönig. Dass mit Vranitzky ein ehemaliger roter Bundeskanzler den SPÖ-Kandidaten unterstützt, kann vielleicht als Signal an die rote Basis gewertet werden. Nichtwähler wird man damit aber kaum überzeugen. Auch bei Van der Bellen ist es nicht viel anders. Dass Künstler wie André Heller und Kabarettisten wie Thomas Stipsits politisch auf der liberal-grünen Seiten angesiedelt sind, wird kaum jemanden überraschen. Überraschend ist aber, dass sich Netzaktivist Max Schrems ebenfalls für Van der Bellen hergibt. Nicht, weil man ihn politisch anders eingeschätzt hätte, sondern weil er sich damit parteipolitisch deklariert. Womit wir beim positiven Aspekt von Personenkomitees angelangt sind: mehr Transparenz. Die Öffentlichkeit erfährt dadurch, wie bekannte Persönlichkeiten aus Kunst, Kultur und Gesellschaft wählen werden. Das hilft dann vielleicht doch bei der Wahlentscheidung. Über die "Frauenfrage" bei der Hofburgwahl. Eine Frau – unabhängig noch dazu – kandidiert für das höchste Amt im Staat! Das ist doch mal eine Neuigkeit, oder? Aber kann die das auch? Können Frauen überhaupt Präsident? Vor 65 Jahren war es jedenfalls sogar dem deutschen Nachrichtenmagazin Spiegel eine Meldung wert, was im Nachbarland so vor sich ging: Ludovica Hainisch-Marchet, damals 50, wollte Bundespräsidentin werden und nahm es 1951 mit fünf männlichen Konkurrenten auf. Der Spiegel erkannte darin eine gewisse Logik, vermerkte er doch: Österreich hat mehr weibliche als männliche Einwohner. Lustig und leicht wars für Hainisch-Marchet, eine Pädagogin und Frauenrechtlerin, die auch weltweit die erste Frau war, die diesen Schritt in Richtung Präsidentenamt per Volkswahl wagte, aber nicht: Die Presse schweigt sie tot oder tut sie als unzeitgemäße Lysistrata ab, berichtete der Spiegel. Die Heeresauflöserin von Aristophanes gefiel einigen Kommentatoren offenbar deswegen als Kritikmetapher, weil Hainisch-Marchet sechs Jahre nach Kriegsende unter dem Motto Männer haben Kriege verloren, Frauen müssen den Frieden gewinnen kandidierte. Was passierte dann? Sie wird verlacht, diffamiert, wahrscheinlich um Stimmen betrogen und erzielt nur 2.132 Stimmen, ist in Biografia, einer biografischen Datenbank beziehungsweise einem Lexikon österreichischer Frauen, das vom Wiener Institut für Wissenschaft und Kunst (IWK) seit 1998 stetig weiterentwickelt wird, nachzulesen: Auch die Frauen, auf deren Solidarität sie gebaut hatte, wählen lieber einen Mann. Das mussten sie notgedrungen auch bei den nächsten sechs Präsidentschaftswahlen, die reine Männersache waren. 1986 stieg dann die zweite Frau ins Rennen um die Hofburg ein – quasi eine Schwester im Geiste von Hainisch-Marchet. Und so ist auch ein Besuch der Grünen Präsidentschaftsanwärterin Freda Meissner-Blau bei ihrer Vorgängerin dokumentiert, hatte die sich doch auch unter anderem besonders für den Schutz der Umwelt eingesetzt. Meissner-Blau konnte 5,5 Prozent der Stimmen im ersten Wahlgang erringen. Heide Schmidt trat 1992 für die FPÖ (16,4 Prozent) an, sechs Jahre später (neben der unabhängigen Gertraud Knoll, auf die 13,6 Prozent der Stimmen entfielen) für das Liberale Forum (11,1 Prozent). Am nächsten kam dem höchsten Staatsamt ÖVP-Kandidatin Benita Ferrero-Waldner, die 2004 gegen Heinz Fischer mit 47,6 Prozent unterlag. 2010 spielte bei Fischers Wiederwahl zwar die ÖVP nicht mehr mit – das brachte ihm fast vier Fünftel aller gültigen Stimmen ein (79,3 Prozent), vom Rest holte sich Barbara Rosenkranz für die Freiheitlichen den größten Anteil (15,2 Prozent), für den Dritten im Wahlkampfbunde, Rudolf Gehring von der Christlichen Partei Österreichs (CPÖ), blieben noch 5,4 Prozent. Bis jetzt war die Hofburg also ein politisches Soziotop, in dem Frauen höchstens als die Gattin von ein Büro beziehen konnten, um möglichst Gutes zu tun. Nun will es mit der ehemaligen Präsidentin des Obersten Gerichtshofs und Hypo-Sumpf-Aufklärerin Irmgard Griss wieder eine Frau wissen und in die Hofburg einziehen. Unabhängig, ohne eine finanzkräftige Parteiorganisation im Rücken. Und vielleicht ist das Faktum, dass es in diesem Land auch ohne Partei möglich sein sollte, Politik zu machen oder Präsidentin zu sein, von noch größerer Tragweite für die politische Kultur in Österreich als das Faktum, dass mit Griss die erste Frau in die Hofburg einziehen würde. Doch halt, nein, es hat natürlich eine Bedeutung, wenn jetzt zum ersten Mal eine Frau Bundespräsident der Republik Österreich würde. Es würde alte Erwartungen über den Haufen werfen, gewohnte Bilder irritieren, es wäre eine politische Neuaufstellung, die hohen symbolischen Wert hätte. So wie es unbestritten eine große Bedeutung hatte, dass mit Barack Obama der erste Afroamerikaner ins Weiße Haus einzog. Auch Schwarze (Männer) können Präsident der Vereinigten Staaten werden! Die Wirkung solcher Bilder auf bestimmte gesellschaftliche, oft marginalisierte Gruppen darf nicht unterschätzt werden. Mit Hillary Clinton könnte nun das nächste, fast ehern wirkende Politikprinzip in den USA zerbrochen werden: Auch Frauen können Präsidentin werden. Oder, mit Blick nach Deutschland: Natürlich macht das etwas mit den Beobachterinnen und Beobachtern der Politik, den Bürgerinnen und Bürgern, wenn seit einem Jahrzehnt eine Frau im Kanzleramt regiert. Wenn im Regierungskabinett eine Frau das letzte Wort hat. Naturgemäß wirken solche neuen Politikbilder vor allem auf jene, die nicht schon jahrzehntelang die immergleichen politischen Nominierungsrituale vorgesetzt bekommen, die Männer quasi naturgemäß in die höchsten Ämter schwimmen ließen. In der Bundesrepublik wächst nun eine Generation Zehnjähriger heran, die in ihrem Leben ausschließlich eine Bundeskanzlerin erlebt hat. Nicht ohne Grund geistert im Nachbarland die Kinderfrage herum: Mami, können Männer auch Bundeskanzlerin werden? Ja, können sie. Keine Bange. Und mit großer Wahrscheinlichkeit wird dieses heute zehnjährige Kind den Realitätsbeweis früher oder später auch erleben. Und das ist auch gut so. So wie es gut ist, dass es mit der Normalität einer Kanzlerin aufwächst. Und genauso wäre es, wenn in Österreich plötzlich eine Bundespräsidentin angelobt werden würde, wenn die alteingefahrenen Muster – Herr Präsident tritt mit Gattin am Arm auf – gebrochen würden, wenn dann ganz selbstverständlich eine Präsidentin in der Hofburg amtieren würde und bei öffentlichen Auftritten dann eben ihr Mann neben ihr steht und nicht im Mittelpunkt. Es geht auch nicht darum, ob eine Frau das Amt anders anlegen würde als die Männer vor ihr. Es geht auch nicht darum, ob sie eine andere, weiblichere Politik machen würde. Was sollte das denn überhaupt sein? Das ist schon eine klischeetrunkene Zuschreibung, die politisches Handeln von Frauen geschlechtsspezifisch einengt und unzulässig klassifiziert. Bleibt noch die immer wieder gestellte Frage, wenn eine Frau in irgendeiner noch immer ungewohnten Position auftaucht und um eine politische Spitzenfunktion kämpft: Müssen Frauen diese Frau wählen? Weil sie eine Frau ist? Damit auch einmal eine Frau drankommt? Benita Ferrero-Waldner hatte sich 2004 nach ihrer Niederlage ja beschwert: Natürlich haben die Emanzen geschadet, bewusst vor allem die linken Emanzen. Müssen Frauen – linke, rechte, mittige, unabhängige, rote, schwarze, blaue, grüne, pinke, gelbe oder was auch immer – also die Frau auf dem Wahlzettel wählen? Die Antwort ist simpel: Nein, müssen sie nicht. Aber es ist gut, wenn sie es könnten. Wenn sie die Wahl hätten. Sie sollten aber auch keine Männer wählen müssen, weil nur Männer zur Wahl stehen. In Teilen der Residenz des Staatsoberhauptes herrscht striktes Qualmverbot – doch wenn bald weißer Rauch aufsteigt, gibt es nur drei Möglichkeiten, wer Präsident geworden ist. Wien – Eines hat Alexander Van der Bellen für seine Präsidentschaft schon hoch und heilig gelobt: dass er sich in der Hofburg beim Rauchen mäßigen werde. Doch bereits seit Jahrzehnten ist der 72-Jährige dafür bekannt, dass er, bevor er auf Fragen Antworten gibt, lieber einmal ausgiebig nachdenkt und dabei auch ein, zwei Züge nimmt. Wo will und kann der Professor als Präsident also künftig seiner Leidenschaft, gleichzeitig auch seinem Laster, frönen? Im Besenkammerl der Hofburg? Vor den Toren auf dem oft stürmischen Ballhausplatz? Oder einfach gleich beim Fenster raus, sodass der Qualm in Richtung Heldenplatz abzieht? Hoch an der Zeit, die entsprechenden Vorschriften in der Residenz des Staatsoberhauptes unter die Lupe zu nehmen. Bruno Aigner, schon sein halbes Leben lang die rechte Hand von Bundespräsident Heinz Fischer, muss das wissen. In den Repräsentationsräumen herrscht striktes Rauchverbot, erklärt Aigner dem STANDARD. Soll heißen: Undenkbar, dass sich Van der Bellen etwa im Maria-Theresien-Zimmer eine anzündet, wo die Kaiserin bis heute – etwa bei Regierungsangelobungen – ernst von der Wand herabblickt. Außerdem finden dort auch die Empfänge für hohe Staatsbesuche statt. Hinter der roten Tapetentür, wo einst im grünen Salon das Arbeitszimmer von Kaiser Josef II. lag und heute der Bundespräsident mitunter einsam und allein amtiert, tut sich aber sehr wohl eine Möglichkeit auf, denn: Abends, in Zeiten der Entspannung, erzählt Aigner, raucht hier Heinz Fischer ab und zu Pfeife. Eindringlicher Nachsatz: Aber nie, wenn er Besuch hat – und somit vor anderen Leuten. Doch nicht nur der frühere Obergrüne, nun unabhängiger Kandidat, steht im Verdacht, dass er die wertvollen alten Schinken in der Hofburg verselchen könnte. Denn auch SPÖ-Anwärter Rudolf Hundstorfer greift regelmäßig zum Glimmstängel – und auch er zieht wie VdB nicht bloß daran, he also inhales. Immerhin: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer, derzeit Dritter Nationalratspräsident, hat die wohl umweltfreundlichste Lösung für die roten Teppiche und lochbestickten Vorhänge schon gefunden. Seit zirka fünf Jahren greift er nur mehr zu E-Zigaretten. Drei Fragen in zweifelhafter Nachrichtenumgebung: FPÖ-Kandidat Norbert Hofer nahm sich Ende April Zeit für ein "Zuerst!"-Interview. In den vergangenen Wochen tat Norbert Hofer viel, um das Deutschnationale abzustreifen und im Wahlkampf als Österreich-Patriot durchzugehen. Hin und wieder brach die Deutschtümelei des FPÖ-Kandidaten dann doch durch – etwa wenn er Odin Wiesinger als Lieblingsmaler bezeichnete oder über Österreichs Staatsgrenzen hinwegsah, als er über Doppelstaatsbürgerschaften für Südtiroler fantasierte. Aus deutscher Sicht befiehlt die deutschnationale Gesinnung, Wien als eine von vielen deutschen Städten zu betrachten und Österreich quasi als 17. Bundesland. Vielleicht erklärt das, warum ein Interview, das Norbert Hofer am 25. April dem rechten deutschen Magazin Zuerst! gegeben hat, in der Rubrik National rangiert, anders als andere Auslandsnachrichten: So sind beispielsweise ein lobhudelnder Artikel über die Abschaffung der Antidiskriminierungsbehörde in Polen – gut für die Meinungsfreiheit – und eine Serie von Negativberichten über die EU-Asylpolitik (wobei das Wort Flüchtlinge hier immer unter Anführungsstrichen verwendet wird) dem Ressort International zugeordnet. Dieser Erzählstrategie folgend, könnte auch Hofers Gastauftritt in Zuerst! eher als Interview denn als Interview bezeichnet werden, beschränkt er sich doch auf drei Fragen, die noch dazu so kuschelig klingen, als hätte Hofer-Manager Herbert Kickl sie persönlich formuliert. Unter anderem darf der FPÖ-Hofburgkandidat hier verkünden: Überall, wo ich hinkomme, erlebe ich große positive Resonanz. Und er prophezeit, dass sich Neuwahlen abzeichnen, wenn ich Bundespräsident werde. Illustriert ist der Text freundlicherweise mit einem Sujet der Hoferschen Plakatserie (Flagge zeigen!). Das klingt harmlos. Die von dem Schleswig-Holsteiner Verlag Lesen und Schenken herausgegebene Postille schreckt aber auch nicht davor zurück, die NS-Verbrechen zu relativieren: So werden die Nürnberger Prozesse gegen NS-Verbrecher hier als Justizskandal dargestellt, bei dem ein gerechtes Urteil nicht zu erwarten gewesen sei. In dem Interview mit dem revisionistischen Historiker Franz W. Seidler heißt es: Ich kann Wissenschaftler nicht verstehen, die von den Nürnberger Prozessen als erster Stufe einer unparteiischen Völkerrechtssprechung schwadronieren. Es handelte sich um Siegerprozesse und nicht um Rechtsfindung. Von Rache möchte ich nicht sprechen. Die Deutschen hatten nichts getan, was mit den alliierten Bombenangriffen vergleichbar war. Insofern brauchten sich die Sieger nicht zu rächen. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) stuft Zuerst! als rechtsextrem ein. Die Publikation sei ein direkter Nachfolger der faschistischen Zeitschrift Nation & Europa, sagt der Politikwissenschafter Bernhard Weidinger vom DÖW auf STANDARD-Anfrage. Es handle sich um den Versuch eines Verlegers mit NPD-Vergangenheit, rechtsextreme Positionen durch breiten Vertrieb und magazinartige Aufmachung einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Nedeljko Bilalic ist Kampagnenleiter von Rudolf Hundstorfer. Er setzt auf die Erfahrung und die Persönlichkeit des SPÖ-Kandidaten. Wien – Nedeljko Bilalic war vier Jahre lang der Pressesprecher von Bundeskanzler Werner Faymann – und wurde mitunter auch für dessen Leibwächter gehalten. Neddy ist fast zwei Meter groß, und sein serbischer Background verführt ihn gelegentlich zu einem grimmigen Auftritt, auch wenn der 37-Jährige ein grundfröhlicher Mensch ist, der gerne und viel lacht. Mittlerweile ist Bilalic als Pressesprecher zu Kanzleramtsminister Josef Ostermayer gewechselt, aktuell ist er allerdings als Kampagnenleiter für den SPÖ-Präsidentschaftskandidaten Rudolf Hundstorfer tätig. Kurz vor Weihnachten habe ihn der Rudi gefragt, und Bilalic zögerte nicht. Auch wenn die Umfragewerte derzeit auf einen guten vierten Platz deuten, zeigt sich Bilalic davon überzeugt, dass es Hundstorfer in die Stichwahl schaffen werde. Ob er dort dann auf den Grünen Alexander Van der Bellen oder den Freiheitlichen Norbert Hofer treffen werde, sei egal. Der SPÖ-Kandidat könne gegen beide bestehen. In der aktuellen Kampagne versucht das SPÖ-Team die soziale Kompetenz und vor allem die Erfahrung ihres Kandidaten hervorzuheben. Der Slogan Mit Sicherheit immer für uns soll das unterstreichen. Der ehemalige Sozialminister sei ein Macher, einer, der anpackt und jedenfalls der einzige Kandidat, der unmittelbar Verantwortung getragen habe. Im Wahlkampf gehe es jetzt darum, seine Erfahrung zu betonen. Dass das negative Image der Bundesregierung ein Handicap für Hundstorfer darstellen könnte, glaubt Bilalic nicht. Am Schluss ist es eine Persönlichkeitswahl. Hundstorfer werde vor allem in der direkten Auseinandersetzung mit den anderen Kandidaten punkten. Distanz zur SPÖ suche man keine, das wäre auch nicht glaubwürdig, sagt Bilalic. Man weiß, woher der Rudi kommt und was seine Gesinnung ist. Er steht mit seiner Persönlichkeit für die Breite der SPÖ. In seiner politischen Sozialisierung beruft sich Bilalic auf Bruno Kreisky. Seine Eltern kamen als Gastarbeiter in den frühen Siebzigerjahren nach Wien, die Mutter Serbin, der Vater Bosnier. Da sei es auf der Hand gelegen, sich den Sozialdemokraten anzunähern. Nach der Matura begann Bilalic ein Jusstudium, geriet dann aber in die Fänge der SPÖ. Erst arbeitete er im Callcenter der Bundespartei, im Nationalratswahlkampf 1999 lernte er schließlich Laura Rudas kennen. Die beiden engagierten sich gemeinsam in der Sektion Rudolfsheim-Fünfhaus und gründeten dort eine eigene Jugendsektion. Bezirkskarriere Bilalic wurde Bezirksrat, Bezirksvorsteher-Stellvertreter und arbeitete beim Magistrat. 2008 wurde Laura Rudas mit 28 Jahren überraschend Bundesgeschäftsführerin. Faymann setzte große Stücke auf sie. Und Rudas holte Bilalic in die Parteizentrale, er wurde Kommunikationschef der SPÖ. 2011 holte Faymann den Neddy als Pressesprecher ins Kanzleramt. Es war eine extrem spannende, extrem herausfordernde und extrem lehrreiche Zeit, sagt Bilalic. Ich bin wirklich dankbar dafür. Bilalic war nicht nur ein Dienstleister für die Journalisten, sofern Faymann dies in seiner selektiven Wahrnehmung der Medien zuließ, er war auch ein Überzeugungstäter. Die Anliegen seines Chefs vertrat er fast mit missionarischem Eifer. Er hatte den Auftrag, seinen Chef gut zu verkaufen, verinnerlicht – und ließ sich von Rückschlägen in diesem Ansinnen kaum entmutigen. Dass er an Ostermayers Seite schließlich ein wenig zurücktreten musste, habe ihn nicht irritiert. Alles, was diese Regierung macht, geht über Ostermayers Schreibtisch, sagt Bilalic. Ihn selbst habe es sowieso nie ins Scheinwerferlicht gedrängt. Es steht die Botschaft im Vordergrund, der Chef steht im Vordergrund, nicht ich selbst. Derzeit heißen Botschaft und Chef Rudolf Hundstorfer, das Ziel ist die Hofburg, vorerst einmal die Stichwahl. Angestellt ist Bilalic, der verheiratet ist, ein kleines Kind und einen jungen Hund hat, nach wie vor bei der SPÖ, nach dem Wahlkampf kehrt er als deren Leihgabe voraussichtlich wieder zu Ostermayer zurück. Wenn nicht doch die Hofburg ruft. Herbert Kickl verspürt keinen Zwang, ständig zu reimen. Der FPÖ-General will Norbert Hofer, den blauen Kandidaten für die Hofburg, als einen bekannt machen, "der sich nicht fesseln lässt". Gegen die Bezeichnung als Hirn der Partei wehrt er sich nicht. Wien – Gemeinhin wird in Porträts über ihn gerne das Bild vom Hirn der Partei gezeichnet, Herbert Kickl als Strache-Flüsterer, als wahrer blauer Strippenzieher. Wie es dem FPÖ-General mit solchen Fremdzuschreibungen geht? Kickl weicht aus, will diese Skizze der eigenen Person als mediale Verkürzung und Lust an der Zuspitzung abtun. Ob sie ihm gerecht wird? Mit dem Hirn alleine geht gar nichts, sondern nur im Miteinander, erklärt sich Kickl dann doch zur blauen Schaltzentrale und ergänzt: Manchem Linken bin ich vielleicht unheimlich. Aber das nimmt er natürlich gerne in Kauf. Auf nach Kärnten Der Ruf des blauen Scharfmachers wollte über viele Jahre treuen FPÖ-Engagements erarbeitet werden. Mit 27 dockt der Kärntner in der freiheitlichen Parteiakademie an – Spezialgebiet Wahlkampforganisation. Sechs Jahre später ist der einstige Klassenkamerad von Grünen-Chefin Eva Glawischnig, der sich im Zuge eines Publizistik- und Politikwissenschaftsstudiums, sowie einer Inskription in Philosophie und Geschichte theoretischen Unterbau besorgt hat, stellvertretender Geschäftsführer der Akademie. Er schreibt die Reden für Jörg Haider, feilt an den Gags für dessen Aschermittwochsauftritte. Einmal geht Kickl zu weit. Als er Haider in Anspielung auf den damaligen Präsidenten der Israelitischen Kultusgemeine Ariel Muzicant sagen lässt, wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben? landet er kurz darauf als Leiter der internen Kommunikation in Kärnten. Erst nach der Trennung der orangen Splittergruppe BZÖ von den Urblauen, tritt Kickl, der sich auf die Seite von Heinz-Christian Straches Freiheitlichen geschlagen hat, wieder in den Vordergrund. Im April 2005 wird er mit dem Posten des Generalsekretärs belohnt – eine Funktion, die Kickl neben seiner Tätigkeit als Abgeordneter und Geschäftsführer der blauen Postille Neue Freie Zeitung ausübt. Aktuell hat der 47-jährige Triathlet einen neuen Job dazu bekommen. Er managt den Wahlkampf des blauen Hofburg-Kandidaten Norbert Hofer, den er als Türöffner in Wählerschichten, die wir vielleicht bisher zu wenig angesprochen haben, sieht. Wichtigste Aufgabe also: Hofer bekannt zu machen. Denn selbst unter FPÖ-Sympathisanten kennt den Dritten Nationalratspräsidenten lange noch nicht jeder. Kickl, der einst mit Reimen wie Abendland in Christenhand, Daham statt Islam oder Wiener Blut – Zuviel Fremdes tut niemandem gut für Aufregung sorgte, legt es diesmal anders an. Hofer, der seit Gleitschirmunfall eine inkomplette Querschnittlähmung hat, lässt er bewusst auf diesen Umstand anspielend sagen Aufstehen für Österreich. Deine Heimat braucht dich jetzt. Für Aufregung hat diesmal nur gesorgt, dass unter dem Namen des Kandidaten die Bezeichnung Bundespräsident steht. Aber Kickl findet ohnehin, dass ein Plakat, über das nicht gesprochen wird, kein gutes Plakat ist. Kein Reimzwang Er habe sich gefragt, was ist die Geschichte, die wir in diesem Wahlkampf erzählen wollen, erläutert Kickl. Und Norbert Hofers persönliche Geschichte zeige eben, dass er jemand ist, der sich nicht fesseln lässt, einer, der sich nicht abfindet mit seinem Schicksal. Auch Kickl will sich bei der Kreation seiner Kampagnen nicht auf ein Image reduzieren lassen: Ich verspüre keinen Zwang, dauernd weiter zu reimen. Kommunikative Ideen kommen ihm auch in der Nacht, weshalb der Schreibblock stets zu Hause auf dem Nachtkasterl liege. Kickl hat Sohn und Partnerin. Nein, zügeln müsse er seine Lust an der Provokation auch diesmal nicht. Ob er sich als humorvoll bezeichnen würde? Ich ertappe mich dabei, dass ich über mich selbst lache. Das Image als Reimschüttler hat sich aber auch bei Norbert Hofer verfestigt. In der Sendung ORF-Wahlfahrt meinte dieser, als er ein auf seine Person gemünztes Verslein ausgehändigt bekam, das muss ich dem Herbert Kickl zeigen. Ob das dem General nicht doch geschmeichelt hat? Das haben die beiden bestimmt bei ihrem täglichen Guten-Morgen-Telefonat besprochen. 'Bei Griss'' Tour in Tirol zeigt sich: Wer sie kennt, ist von ihr und ihrem Mut beeindruckt. Nur kennen sie viele nicht. Innsbruck/Wien – Irmgard Griss ist die Streberin unter den Präsidentschaftskandidaten. Sie war die Erste, die ihre Kandidatur bekanntgab, sie ist die Erste, die die erforderlichen Unterstützungserklärungen abgibt, damit ist ihre Kandidatur offiziell. Die genaue Zahl hat die frühere Präsidentin des Obersten Gerichtshof nicht parat, da muss ihr Pressesprecher nachschießen: 7851 Unterschriften übergibt das Griss-Team am Dienstagvormittag der Wahlbehörde im Innenministerium. Doch das ist nicht genug. Griss will weitersammeln, ihr Ziel sind 10.000 Erklärungen. Unermüdlich warb die pensionierte Juristin in den vergangenen Wochen um Unterstützer zwischen Wien und Bregenz. Nicht immer wurde sie erkannt. In Innsbruck sind die beiden Italiener mit dem Selfiestick verwirrt. Sie stehen unter dem Goldenen Dachl neben einer kleinen Traube von Menschen und Kameraleuten und liebäugeln mit einem Foto mit der Prominenz, die sich doch in deren Mitte finden lassen muss. Bloß, wer ist der Star? Nach ein paar Minuten ziehen sie enttäuscht von dannen. Sie konnten Irmgard Griss nicht als die umgarnte Persönlichkeit ausmachen. Dabei geriert sich die ehemalige Höchstrichterin weniger streng als in ihren Videos, fast unscheinbar wirkt Griss. Sie plaudert mit sanfter Stimme, trägt bedacht die Positionen vor. Lob für ihren Mut nimmt sie dankbar, doch bescheiden an: Ach, sie habe doch nichts zu verlieren. Ihren Unique Selling Point muss Griss gar nicht erst selbst hervorheben: So toll, dass es endlich einen unabhängigen Kandidaten gibt – das ist der Satz, den sie derzeit am häufigsten hört. Bevor sie sich am Nachmittag unter das Volk mischte, traf sie den Tiroler Polit-Wutbürger Fritz Dinkhauser zum Kaffee. Er und seine Frau Heidi haben Griss 5000 Euro gespendet, die Kleinpartei Liste Fritz unterstützt ihre Kandidatur. Inzwischen hat Griss über 540.000 Euro an Sponsorgeldern lukriert – hauptsächlich von Kleinspendern. Die Republik braucht endlich jemanden wie Griss: Eine unabhängige Frau, sagt Dinkhauser. Die meisten Politiker sind ja Hosenscheißer. Das würde Griss in dieser Wortwahl wohl nicht unterschreiben, für Berufspolitiker hat sie aber auch wenig übrig: Politiker sollten diesen Job nur für ein paar Jahre ausüben, als Krönung eines erfolgreichen Berufslebens in einer anderen Branche, erklärt sie. Auf Nachfrage, wie man solche Leute locken könne, hat sie keine klare Antwort parat: Es kann da keine fixen Regeln geben. Das ist ein Prozess, das muss aus der Gesellschaft wachsen. Politiker müssten wieder mehr Wertschätzung erfahren. Es dürfe nicht sein, dass einem politisches Engagement zum Nachteil ausgelegt werde. Bei ihrem Stadtspaziergang durch das verregnete Innsbruck wird deutlich: Sie selbst hat da derzeit nichts zu befürchten. Jeder, der sie erkennt, gratuliert. Die meisten ihrer Begegnungen mit Bürgern sind werbevideotauglich. Ich freue mich, dass sie frischen Wind reinbringen, ruft ihr eine ältere Frau zu. Ein Mann mit Hornbrille will ihr gar nicht mehr von der Seite weichen. Das Geplänkel und Gezanke der Funktionäre interessiert die Leute einfach nicht mehr, sagt er. Ja, ja, stimmt Griss zu und nickt. Zu ihrem nächsten Bürgerdialog – ein von ihrem Wahlkampfteam entworfenes Format, für das sich Interessierte anmelden können, um mit ihr zu diskutieren – bringe er, so versichert ihr Gesprächspartner, einen ganzen Fanclub mit. Danach geht es zu einem Treffen mit dem Damennetzwerk Alpha-Frauen. Die Präsidentschaftsanwärterin ist unter den Anwesenden dort mit Abstand am legersten gekleidet. Bei uns im Westen kennt man sie nicht so gut, wird sie holprig angekündigt. Dann erzählt Griss von ihrer Zeit an der amerikanischen Eliteuniversität Harvard und von ihrer Kindheit auf dem Land in der Steiermark. Täglich sei sie damals eineinhalb Stunden lang mit einem Bummelzug zur Schule gefahren. Ich habe mir nie überlegt, ob ich benachteiligt bin, ob ich schlechtere Voraussetzungen als andere habe. Ich habe das einfach gemacht, sagt sie. Die Alpha-Frauen lauschen andächtig. Neben dem abgesperrten Bereich in dem Café sitzt an einem Hochtisch eine Gruppe 16-jähriger Mädchen. Wer ist die Frau?, fragt eines. Sie kennen Griss nicht, können nur einen aufzählen, der Präsident werden will: Richard Lugner. Aber wählen tu ma den nicht. Ob sie für die ihnen nun bekannte Griss stimmen, müssten sie sich noch überlegen. Zurück in Wien, mischt sie sich vor der Hofburg noch in einen anderen Wahlkampf ein. Eine Gruppe amerikanischer Touristen stellt Griss plötzlich Fragen, die sie erfreut beantwortet. Auch ihnen erzählt sie die Geschichte der unabhängigen Kandidatin und gibt ihnen eine Wahlempfehlung mit. Geht alles nach Griss Vorstellungen, wünscht sie sich Hillary Clinton als Amtskollegin. (Marie-Theres Egyed, Katharina Mittelstaedt, 8.3.2016)' Der schwarze Präsidentschaftskandidat bemüht sich beim Medientermin in der Wiener Innenstadt um Volksnähe, erreicht aber hauptsächlich Mitarbeiter, Journalisten und Touristen. Wien – Es sind hauptsächlich Kampagnenmitarbeiter, Journalisten und Kameraleute, die sich am Mittwoch um den Würstelstand am Wiener Albertinaplatz scharen. Der schwarze Präsidentschaftskandidat Andreas Khol lässt sich vom Wiener ÖVP-Chef Gernot Blümel die eigens mit dem Wahlkampflogo bedruckte Schürze umbinden und geht mit dem Würstelstandpersonal sicherheitshalber durch, welche die scharfen und welche die süßen Pfefferoni sind. Es dauert einige Minuten, bis die Wünsche der Fotografen erfüllt sind, dann kämpft sich eine englische Touristin bis zur Ausschank durch. What sausage do you like?, fragt der Kandidat im Würstelstand. Whats that one? That looks good. Khol identifiziert die famous cheesekrainer und versorgt die Britin noch mit Mannerschnitten und Almdudler. Zwei amerikanische Studentinnen wünschen sich Bratwurst-Hotdogs. Im no Bernie Sanders, sagt Khol, während er die Würstel ins Brot steckt – der US-Präsidentschaftsbewerber dürfte ihm zu links sein. Die Studentinnen würden aber ohnehin am ehesten für Hillary Clinton stimmen. Als Journalisten und Mitarbeiter die letzten Senf- und Ketchupreste von den Papiertellern geputzt und auch Blümel und Khol sich ihre Würstel gegönnt haben, macht sich der Tross auf zum nächsten Händeschütteltermin bei der Polizeiinspektion am Karlsplatz. Auf dem Weg dorthin werden etwa 30 junge Italiener auf den Mann aufmerksam, dem so viele Kameras folgen – und johlen und rufen ihm zu. Khols Buongiorno! wird von der Menge begeistert erwidert. Beim Spaziergang durch die Karlsplatz-Passage versuchen die meisten Passanten Ausweichmanöver. Ein Mann läuft Blümel und Khol vor die Füße, murmelt ihnen wütend etwas zu und ruft ihnen dann Abcashen! Abcashen! hinterher. Eine ältere Frau kommt dagegen breit lächelnd auf den ÖVP-Kandidaten zu und schüttelt ihm die Hand. Wer sind denn hier die Drogendealer?, fragt Khol den Oberst in der Polizeiwache beim Karlsplatz. Quer durch alle Schichten, sagt der Oberst zum erstaunten Politiker. Und fragt später selbst, ob es denn heute noch recht stressig weitergehe für den Kandidaten. Nein, kein Stress, antwortet der, das sei lustig – was glauben Sie, was ich sonst täte? (Text: Sebastian Fellner, Video: Christian Fischer, 9.3.2016) Für den Baumeister wird es knapp mit der Kandidatur, noch fehlen ihm hunderte Unterstützungserklärungen. Wien – Vor dem U-Bahn-Eingang am Wiener Rochusmarkt steht eine Gruppe Schüler des nahen BRG Kundmanngasse. Sie warten ungeduldig auf Richard Lugner. Am Vormittag hatten sie noch mit ihm gechattet, jetzt wollen sie den Baumeister in echt sehen. Lugner ist spät dran. Er fährt ja immer selber und muss dann auch noch Parkplatz suchen, stöhnt Wahlkampfmanager Thomas Dolina. Lugner hat die für eine Präsidentschaftskandidatur erforderlichen 6.000 Unterstützungserklärungen noch nicht beisammen. Langsam läuft ihm die Zeit davon, am Freitag um 17 Uhr geht die Frist zu Ende. Am Mittwoch ging Lugner deshalb in Wien auf die Straße, um die Wählerschaft persönlich zu überzeugen. Auf dem Rochusmarkt hat er durchaus Erfolg. Immer wieder begleiten Lugners Wahlkampfhelfer Passanten mit Unterstützungserklärungen zum nahen Amtshaus. Wenn in Amerika ein Donald Trump antreten darf, kann in Österreich auch ein Richard Lugner kandidieren. Ich bin sehr gespannt, was das österreichische Volk daraus macht, sagt ein Unterstützer, der sich einen Wahlkampf wünscht, in dem alles abgedeckt wird. Lugner selbst ist pessimistisch. Es schaut schlecht aus. Wir haben über 4.000 Erklärungen, pro Tag kommen vielleicht 300 dazu. Selbst mit einer Nachfrist von zwei Tagen wird das knapp. Aufgeben will der 83-jährige Unternehmer aber nicht. Er posiert für Selfies, spricht Leute an und bittet in ausführlichen Gesprächen um ihre Unterstützung. Seine Ehefrau Cathy ist weniger geduldig und beschwert sich über mangelndes politisches Interesse der Passanten. Scheinbar wollen die Österreicher nicht, dass hier was vorwärts geht. Dann sind sie aber auch selber schuld, Im sorry. Richard Lugner diskutiert unterdessen mit den Gymnasiasten aus der Kundmanngasse. Wofür stehen Sie?, fragt einer. Lugner schimpft über Rot-Schwarz und erklärt, er würde als Bundespräsident nur Rot oder Schwarz nehmen, nicht beide zusammen. Ein Sicherheitsmann des Fleischhauers auf dem Rochusmarkt achtet penibel darauf, dass die Gruppe nicht zu nahe am Verkaufs- und Speisebereich steht. Die Kunden sollen nicht gestört werden. Er habe gedacht, es sei viel leichter, die Unterstützungserklärungen zu bekommen, sagt Lugner im Gespräch mit dem STANDARD. Sein Wahlkampfteam seien Leute, die vom BZÖ kommen, wo sie nix zu tun haben. Die haben nicht die Erfahrung im Stimmensammeln und Organisieren, aber man kann mitten im Sammeln nicht mehr die Pferde wechseln. Nach einer knappen Stunde und mit ein paar Unterstützungserklärungen mehr im Gepäck muss Lugner weiter nach Liesing zum nächsten Straßentermin. Beim Wahlkampfstart der FPÖ in Kapfenberg präsentierten Strache und Hofer das neue Feindbild: Alexander Van der Bellen. Kapfenberg – Es gibt keine Zufälle. Koloman Wallisch war eine – heute würde man sagen – Kultfigur. Ein steirischer Arbeiterführer, der hier in der Obersteiermark, in Leoben, standrechtlich hingerichtet wurde. Bertolt Brecht widmete ihm eine Kantate. Und ausgerechnet auf diesem nach Wallisch benannten Platz in Kapfenberg rief FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache am Samstag seine Partei zum Wahlkampfauftakt für den blauen Kandidaten Norbert Hofer zusammen. Eine wohl bewusste Inszenierung mitten im Herz der steirischen Arbeiterregion. Hier hat die FPÖ bei den Landtagswahlen kräftig abgesahnt, die Blauen sind massiv in die roten Hochburgen eingedrungen, hier in der Steiermark wird diese Präsidentschaftswahl wesentlich mitentschieden. Für die PR-Abteilung der FPÖ also ein naheliegender Schauplatz für die Inszenierung der Partei und ihres Kandidaten als Bewegung für den kleinen Mann. Und Hofer greift gleich in die Vollen. SPÖ-Kandidat Rudolf Hundstorfer wird schnell und kalt abgefertigt. Ihm, dem ehemaligen Sozialminister fehle es an jeglicher sozialpolitischer Kompetenz, er habe es zugelassen, dass die Kleinen, die Pensionisten immer weniger bekommen, dass das Arbeitslosenheer immer stärker angewachsen sei. Das Publikum, das auch busweise aus Wien antransportiert wurde, dankt ihm die rhetorische Anteilnahme mit aufgeregtem Schwingen der verteilten rot-weiß-roten Fähnchen. Wir brauchen so einen Bundespräsidenten nicht, setzt Hofer nach. In diesem Moment braust im Hintergrund laute Musik der Gegendemonstranten auf. Sie haben sich in einer Seitengasse postiert und mitgebrachte Lautsprecher bis zum Anschlag aufgedreht. Sie sollen nur Lärm machen, schimpft Hofer, das nütze ihm nur. Vollkoffer, diese linken Demonstranten, grummelt die Fähnchen schwingende ältere Dame links der Bühne. Solche Asozialen, die kriegen sicher gezahlt, die Linken, klärt sie ihre Nachbarin auf. Wenns wenigstens den Gabalier spielen würden, mischt sich ein Nebenstehender ein. Nach Angaben der Veranstalter der Gegendemo (SJ) blieb es nicht nur bei Schimpfereien. In einem Gerangel mit jungen FP-Sympathisanten soll es auch zu Beschädigungen der Tonanlage gekommen sein. Bei TV-Auftritten oder im persönlichen Gespräch, bei Plaudereien an der Basis, gibt sich Hofer stets als umgänglicher, smarter, überlegter Zeitgenosse. Auf der Bühne wandelt er sich zum scharfzüngigen Demagogen. Nach einigen Aufwärmrunden mit dem FPÖ-Leibthema Flüchtlinge und Ausländer und Warnungen vor einer Invasion von Muslimen richtet Hofer seine Attacken speziell auf Alexander Van der Bellen, der in allen Umfragen deutlich vorne liegt. Hofer reibt sich an Van der Bellens Ansage, er würde einen FPÖ-Kanzler nicht angeloben. Hofer schnauzt: Wir brauchen keine grüne Diktatur, keinen grünen Austrofaschismus. Jubel im Publikum. Und rasch ist Hofer noch einmal bei den Flüchtlingen: Wir brauchen eine echten Grenzzaun, jetzt können die die Invasoren ja um den Zaun herumgehen. Obwohl Hofer eigentlich Hauptdarsteller des Wahlkampfauftaktes sein sollte, bleibt er letztlich doch wieder nur die Einbegleitung für seinen Parteichef – der wie üblich mit mords Trara auf die Bühne geholt wird. Strache hebt die symbolische Bedeutung des Auftaktes hier im obersteirischen Kapfenberg hervor. Kapfenberg habe die Kraft der FPÖ gezeigt. Auf 25 Prozent habe die FPÖ zugelegt. Strache hofft auf ein politisches Erdbeben, das von hier ausgehen könnte. Sollte Hofer Bundespräsident werden, wovon er ausgehe, wird diese Regierung nicht mehr weitermachen können, glaubt der FPÖ-Chef. Wie Hofer vor ihm zielt auch Straches Polemik besonders auf Van der Bellen. Dieser sei ja nicht nur der Ziehvater des linkslinken Peter Pilz, sondern missbrauche jetzt sogar den Begriff Heimat. Wenn wir von Heimat gesprochen haben, wurden wir beschimpft, jetzt verwendet er den Ausdruck selbst auf seinen Plakaten, beklagt Strache, um seine Stimme in einen höheren Frequenzbereich zu heben: Die Grünen halten die Bevölkerung wohl für blöd. Van der Bellen sei ein Marxist und Anarchist, ein Antidemokrat, wenn er einen FPÖ-Kanzler nicht angeloben wolle. Aber die FPÖ würde in so einem Fall im Parlament ein Absetzungsverfahren gegen den Bundespräsidenten einleiten. Denn seine Partei habe ohnehin Chancen auf eine absolute Mehrheit im Parlament. Österreich braucht keine totalitäre linkslinke Ideologie, sondern einen Schutzherrn für unser geliebtes Vaterland, hebt Strache den blauen Kandidaten Hofer auf den Schild. Dann kommt auch er nochmal und unvermeidlich zur Flüchtlingsfrage zurück. Was Strache und Hofer ziemlich fuchst ist der Schwenk der Regierung in der Flüchtlingsfrage. Beide klagen fast ein wenig weinerlich: Wir haben es schon immer gesagt und jetzt vor den Wahlen kratzen ÖVP und SPÖ die Kurve (Strache). Aber die Wähler würden dem eh nicht auf den Leim gehen, hoffen beide. Und um sicher zu gehen, haut der FPÖ-Chef noch Mal ordentlich auf den Putz, um zu unterstreichen, wer hier im Land die echte rechte Partei ist: Es muss ein richtiger Zaun her, die ganzen Grenzen gehören total geschlossen, Null-Zuwanderung. Frenetischer Jubel, Fahnen werden enthusiastisch geschwenkt, Bundeshymne. Norbert Hofer habe mit der Aussage "vielen aus dem Herzen gesprochen", sagt FPÖ-Landesobmann Abwerzger. Andächtig steht er vor dem Grabmal und legt einen Strauß roter und weißer Blumen nieder. Hofer greets Hofer war das blaue Motto des Tages. Der eine Hofer, FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert, besuchte im Zuge seiner Wahlkampftour Innsbruck, seine Parteifreunde im Westen – und eben die letzte Ruhestätte vom anderen Hofer, dem als Volksheld verehrten Anführer der Tiroler Aufstandsbewegung im Jahr 1809, Andreas. Die mitgepilgerten Tiroler Freiheitlichen gaben sich als Fremdenführer in der Innsbrucker Hofkirche, wo die Gebeine Andreas Hofers aufgebahrt sind. Norbert Hofer bekannte: Schon jetzt hänge ein Bild des Tiroler Widerständlers in seinem Büro, das nehme er im Fall eines Wahlsieges auch in die Hofburg mit. Auf Nachfrage, was ihn inhaltlich mit dem als antiaufklärerisch geltenden Andreas Hofer verbinde, der sich unter anderem für die Verhüllung der Frau starkmachte, erklärte er: Natürlich vertrat er auch Standpunkte, die heute nicht mehr zeitgemäß sind, aber den Mut des Freiheitskämpfers, den trage ich mit. Bei der Pressekonferenz zuvor zeigten sich die blauen Herrschaften noch weniger ehrfurchtsvoll. Tirols FPÖ-Chef Markus Abwerzger bekräftigte dort die von Hofer kürzlich getätigte Aussage, der grüne Kandidat Alexander Van der Bellen wäre als Präsident ein faschistischer Diktator. Norbert Hofer hat damit absolut recht und spricht vielen aus dem Herzen, sagte Abwerzger. Einen Demokraten könne er eine solche Person, die den Nationalrat auflösen wolle, um einen FPÖ-Kanzler zu verhindern, nicht nennen. Auch Hofer selbst legte noch einmal nach: Das wäre Willkürherrschaft. Die Grünen haben indessen bereits angekündigt, den Anwurf gegen Van der Bellen zum Thema der Nationalratspräsidiale machen zu wollen. Hofer sei derzeit Dritter Nationalratspräsident und müsse deshalb auf Beleidigungen und aufhetzende Aussagen verzichten, schreibt Grünen-Chefin Eva Glawischnig in einem Brief an Doris Bures, die Erste Präsidentin des Hohen Hauses. Dennoch: Hofer rechnet damit, dass er und Van der Bellen es in die Stichwahl schaffen. Das würde dann einen sehr akzentuierten Wahlkampf bedeuten, erläuterte er. Darüber hinaus ließ der freiheitliche Kandidat kein gutes Haar an der Bundesregierung. Es handle sich um die schwächste, die es in der Zweiten Republik gegeben hat. Aufgrund des Flüchtlingsthemas würden zahlreiche wichtige Themen absolut übersehen – beispielsweise die heimische Arbeitslosigkeit und der Pflegebereich. Trotz der Verehrung von Andreas Hofer – Grenzkontrollen zwischen Nord- und Südtirol seien derzeit notwendig, erklärte Hofer schließlich. Ich bin auch kein Freund der Brennergrenze, aber das muss jetzt sein. Der FPÖ-Kandidat kennt das Spiel mit Emotionen. Im Wahlkampf zeigte er, dass er nicht nur freundlich ist. Ehrgeiz und Disziplin treffen auf ideologische Prinzipien. Eine Mischung, die Strache gefährlich werden könnte. Der Chef ist in seinem Überschwang kaum zu bremsen. Breites Grinsen im Gesicht, rot-weiß-rotes Fähnchen in der Hand: Heinz-Christian Strache lässt seinen Emotionen bei der Wahlparty im FPÖ-Medienzentrum freien Lauf. Norbert Hofer steht auf der Bühne und formt die Lippen zu einem bescheidenen Lächeln. Gleichzeitig schiebt er mit Nachdruck das ihm aufgedrängte Wimpelchen von sich. In Demut will er das Ergebnis des ersten Wahlgangs aufgenommen haben. Da passt der fahnenschwenkende Parteichef, der den blauen Präsidentschaftskandidaten zum gemeinsamen Siegesschunkeln ermuntern will, so gar nicht ins detailgenaue Konzept. Rund 1,5 Millionen Menschen hat der Burgenländer im ersten Wahlgang überzeugen können, ihr Kreuz neben seinem Namen zu machen. Um die Wahl für sich zu entscheiden, fehlen ihm jetzt etwa 650.00 Stimmen. Dass Hofer so weit vorne liegen könnte, damit hat in der Partei niemand gerechnet. Schon seine Kandidatur kam selbst für Vertraute überraschend. Für Rudolf Jauschowetz etwa. Er ist nicht nur einstiger FPÖ-Gemeinderat in Hofers Heimatort Pinkafeld und Gründer der dort in einem Heustadl angesiedelten Burschenschaft Marko Germania, die den Blauen zum Ehrenmitglied ernannte. Er bezeichnet sich auch als väterlichen Freund des Buam. Jauschowetz erinnert sich an ein Zusammentreffen im Oberwarter Einkaufszentrum vergangenen Jänner. Da habe ihm Hofer gestanden, wie froh er sei, nicht kandidieren zu müssen. Er musste doch. Auch, wenn Herrn Jauschowetz die Leseart lieber ist, dass die freiheitlichen Sympathiebekundungen beim Neujahrstreffen in Wels den 46-Jährigen dazu bewogen hätten. Jetzt erledigt Hofer den Job mit vollem Einsatz. Zeigt sich verbindlich, kontrolliert, wendig. Eigenschaften, die ihm schon früh hilfreich waren. Damals, als der Dritte Nationalratspräsident nach absolvierter Ausbildung zum Flugtechniker sein Geld zunächst als Küchenplaner verdiente. Bald nach der Matura trat der Sohn eines ÖVP-Gemeinderats der FPÖ bei. Wie der Sohn, wechselte auch der Vater, von dem Norbert seinen zweiten Namen Gerwald hat, zu den Blauen. Der Junior macht die Politik erst nach einigen Jahren bei der Lauda Air zum Beruf: Zunächst 1994 als Wahlkampfleiter der pannonischen Blauen, im selben Jahr wird Hofer Obmann in Eisenstadt und sitzt bereits im Vorstand der FPÖ Burgenland. Ab 1996 folgen elf Jahre als Landesparteisekretär. Einer seiner Chefs ist Manfred Kölly. Er erinnert sich an einen immer freundlichen Mitarbeiter, für den er bei dessen zweiter Ehe sogar den Trauzeugen gab. Später, bei der Abspaltung des BZÖ 2005, habe der Freund nicht genau gewusst, wo er hinsoll, habe vor allem auf seinen Platz im Nationalrat geschaut. Als auffliegt, dass er damals ein Schriftl für den von Rot und Blau vereinbarten Postenschacher aufgesetzt hat, erklärt Hofer, er habe im Auftrag des damaligen Klubchefs gehandelt. Seit Wochen nimmt Hofer vor allem in Fernseh- und Radiostationen Platz. Das mache ihm Spaß, sagt er. Hier entfaltet der heutige Vizeparteichef, der schon als Volksschüler in Redewettbewerben glänzte, sein kommunikatives Talent. Zusätzliche Kniffe hat er sich angeeignet. Zahlreiche verhaltenstechnische Seminare gipfelten Ende der 1990er-Jahre in einer Ausbildung zum Kommunikations- und Verhaltenstrainer. Eines von Hofers Spezialgebieten: Crash-Rhetorik. Eine Fähigkeit, die nicht immer gut ankommt. Und weil Hofer, der Einfühlsame, das natürlich weiß, hat er dieses Detail im Wahlkampf aus seinem Lebenslauf getilgt. Zu Jörg Haiders Zeiten musste jeder gestandene Blaue solche Kommunikationstrainings absolvieren. Aber nicht jeder war darin so gut wie Norbert Hofer. Er setzt dem aufgebrachten Strache-Habitus die betont sanfte Schwiegersohn-Tonalität entgegen, kennt die Wirkung nonverbaler Signale. Norbert Hofer will gefallen. Im persönlichen Gespräch lacht er häufig. Wie ein Chamäleon passt er sich seinem Gegenüber an, findet Gemeinsamkeiten. Hofer spricht mit dem ganzen Körper: Will er einer Sache Nachdruck verleihen beugt er sich vor. Wird er verbal in die Enge getrieben, wechselt er das Thema oder lacht den Gesprächspartner aus. Das musste auch Kontrahent Alexander Van der Bellen erfahren, zuletzt in einer unmoderierten Diskussion auf ATV. Das war der Moment, der bei Joe Streibl starke Erinnerungen hervorgerufen hat. Als Kind lebte er mehrere Jahre neben dem rund zwei Jahre älteren Norbert. Fassungslos hat er die Sendung gesehen: Diese Gestik und Mimik, dieser bedrohliche Unterton. Sobald sein Gegenüber in der Defensive ist, setzt er nach. Das hat mich sehr an früher erinnert. Streibl berichtet auch von einem sehr ehrgeizigen Hofer, bis hin zur Verbissenheit. Der sportbegeisterte Freiheitliche selbst würde das als Zug zum Tor verkaufen. Norbert Hofer als einer, der sich nicht unterkriegen lässt. So sollte die Erzählung im blauen Wahlkampf lauten. Dass man zu diesem Zweck auch Hofers Gehbehinderung aktiv thematisiert hat, war Teil der Strategie, wie FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl im STANDARD erklärte. In seiner Biografie berichtet Hofer ausführlich, was an jenem Tag, als er mit dem Paragleiter aus 15 Meter Höhe abgestürzt ist, passiert ist. Außerdem erzählt er dort, wie gerne er anderen Streiche spielt. Hofer erinnert sich an die Zeit als Flugtechniker und Stimmenimitator: Ein Spaß sei das gewesen, als er die Mitarbeiter als Niki Lauda angerufen und zu mehr Leistung ermahnt habe. In Absprache mit Vorgänger Martin Graf habe er im Parlament einst zu scharfer Rhetorik gegriffen, damit auch einmal ein Blauer einen Ordnungsruf bekommt – das war vereinbart, sagt Hofer. Als freiheitlicher Verkehrssprecher schlüpfte er im März 2010 in die Rolle des Mapjet-Promoters. Allerdings ohne die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass er zu diesem Zeitpunkt bereits im Vorstand der PAF-Privatstiftung, des Mehrheitseigentümers des privaten Flugunternehmens, war. Darauf angesprochen, rechtfertigt sich Hofer, keinen Cent dafür bekommen zu haben. Norbert Hofer hat für alles eine Erklärung, ist Meister der Relativierung. Doch er kann auch anders. Nennt Flüchtlinge Invasoren, die bereit seien, Köpfe abzuschneiden. Der Konkurrent wird zum faschistischen Diktator. Hofers Stimme bleibt dabei ruhig. Seine Aussagen macht das nicht weniger gefährlich. Von seinen abenteuerlichen Thesen über Zuwanderer überzeugt, fordert er eine eigene Sozialversicherung für Migranten. Die Folgen des Gesagten lässt er bewusst offen. Die Werte seiner Burschenschaft hat der Kandidat verinnerlicht. Ein Austritt kommt für ihn nicht infrage. Vor fünf Jahren gibt er dem Magazin Hier & Jetzt, das der rechtsextremen NPD nahesteht, ein Interview. Fünf seiner sieben Mitarbeiter sind Mitglieder von rechten Verbindungen. Seine ideologische Heimat hat er sich mit dem Verfassen des blauen Parteiprogramms selbst geschaffen. Das Südburgenland ist für ihn, Ehefrau Verena und die gemeinsame Tochter Anna-Sophie (12) vor allem Wohnort. Hofer hat drei Kinder aus erster Ehe. Im Ort tritt er kaum in Erscheinung. Wenn doch, spricht er den lokalen Dialekt. Stinknormal sei er, sagt die Trafikantin. Was ihr besonders gefällt: Er ist so, wie er ist, er ändert seine Meinung nicht. Dass er manchmal die Regierung entlassen will, manchmal aber wieder nicht, stört da nicht. Oder dass er das Verbotsgesetz erst abschaffen, dann wieder erhalten wollte. Oder dass er zu EU-Gipfeln reisen will, auf Nachfrage ohne Tonbandgerät aber zugibt, das sei noch nicht durchdacht. Oder dass er als Umweltsprecher mehrere Anfragen zu Chemtrails stellte, dem Verbreiten von Chemikalien am Himmel, seit seiner Kandidatur aber lachend zurückweist: Ein Flugzeugtechniker erkenne Kondensstreifen. Oder dass er von einem offiziellen Empfang im israelischen Parlament spricht, den es so nie gab. Dabei springt ihm Strache zur Seite, der sich im Wahlkampf auffallend zurückgehalten hat. FPÖ-Dissident Ewald Stadler glaubt zu wissen, warum: Strache hätte selbst gern so ein gutes Ergebnis. Wenn sie das in der FPÖ vorher gewusst hätten, hätten sie Hofer nicht aufgestellt. Damit sei ein Konflikt zwischen Strache und Hofer programmiert. Tatsächlich: Mit wem man auch spricht, nicht selten wird Hofer als künftige Nummer eins gehandelt. Er selbst weist derartige Ambitionen besonnen lächelnd von sich – derzeit. Sollte es mit der Hofburg aber doch nichts werden, sitzt er dem Chef jedenfalls im Nacken. An Ehrgeiz wird es ihm auch künftig nicht fehlen. Das Rennen um die Hofburg ist offen. Die Obleute von FPÖ und Grünen hoffen auf ihre Kandidaten. Wien – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache ist zuversichtlich, dass der freiheitliche Kandidat Norbert Hofer als Sieger aus der Bundespräsidentenwahl hervorgehen wird. Wir hoffen und glauben daran, dass am Ende Norbert Hofer die Mehrheit der Österreicher auf seiner Seite haben wird, zeigte er sich nach den ersten Hochrechnungen zuversichtlich. Er stellte die Hochrechnung des ORF, die ein Kopf-an-Kopf-Rennen sieht, infrage – die Hochrechnung des Innenministeriums sehe mit 53,1 Prozent völlig anders aus, meinte Strache am Sonntagnachmittag im ORF. Das BMI allerdings inkludiere im Gegensatz zu den Hochrechnern des Wahlabends in seiner Berechnung keine Wahlkartenschätzung, betonte Christoph Hofinger von Sora dazu im ORF. Es ist ein Tag der großen Dankbarkeit und der Freude, sagte Strache und bedankte sich für das unglaubliche Vertrauen der Österreicher in Hofer. Dieser sei mit Untergriffen im Wahlkampf sehr souverän umgegangen. Ein Erfolg Hofers wäre ein Sieg für die Demokratie. Was ein Bundespräsident Hofer für seine eigene politische Karriere bedeuten würde, wollte Strache nicht beantworten. Für mich persönlich ist es der bewegendste, ergreifendste und schönste Moment, den ich bis dato in meiner politischen Laufbahn erleben durfte. Trotz der knappen Hochrechnungen ist FPÖ-Generalsekretär Herbert Kickl überzeugt, dass Hofer Bundespräsident wird. Das Ergebnis ist auch ein Sieg der Demokratie und der Glaubwürdigkeit, sagte er am Sonntag zur APA. Alexander Van der Bellen habe am Schluss auf einen Angstwahlkampf gesetzt. Ich bin davon überzeugt, dass auch am Ende, wenn die letzte Stimme ausgezählt ist, der Bundespräsident Norbert Hofer heißt, sagte Kickl, der sich bei allen Wählern bedankte. Es sei ein Tag der Freude und der Dankbarkeit, die freiheitlichen Wähler seien mit Selbstbewusstsein an die Entscheidung herangegangen und hätten sich nicht bevormunden lassen – weder von Brüssel, noch von anderen Parteien, die in den letzten Wochen einen Anti-Hofer-Wahlkampf geführt haben. Norbert Hofer ist hingegen einen Weg gegangen, den er von Anfang an eingeschlagen hat, meinte Kickl. Seine Vision eines neuen Amtsverständnisses als neuer Präsident, der sich als Interessenvertreter der Österreicher sieht, sei angenommen worden. Mitbewerber Van der Bellen habe hingegen in den letzten Wochen seine Strategie geändert und versucht, einen Angstwahlkampf zu führen. Kickl: Wir haben uns nicht davon beeindrucken lassen. Mit Zuversicht kommentierte Van der Bellens Wahlkampfmanager Lothar Lockl am Sonntagnachmittag die ersten Hochrechnungen. Wir sind ganz knapp dran, sagte er im Wiener Palais Auersperg. Wir haben eine Chance, wir glauben daran, es kann sich ausgehen. Lockl sprach von einem Fotofinish, das Spiel geht in die Verlängerung. Zuversichtlich mache ihn, dass noch die großen Städte und die Wahlkartenergebnisse ausständig seien. In beiden Bereichen liege sein Kandidat tendenziell gut. Klar sei: Van der Bellen habe eine beispiellose Aufholjagd hingelegt. Aufgeregt und sehr optimistisch zeigte sich Grünen-Chefin Eva Glawischnig am Sonntagnachmittag. Sie sei unglaublich gespannt, Van der Bellen habe ein Fotofinish hingelegt. Angesichts der großartigen Wahlbewegung sei sie sprachlos. All das sei ein sehr schönes, ermutigendes Signal für Österreich. Alles sei noch offen, klar sei nur, dass Van der Bellen eine unglaubliche Aufholjagd hingelegt habe. Neos-Klubchef Matthias Strolz zeigte sich am Sonntag überrascht, dass Hofer und Van der Bellen so knapp beieinanderliegen. Der neue Bundespräsident müsse jedenfalls Gräben überwinden und Brücken bauen, sagte Strolz. Österreich sei heute ein gespaltenes Land. Das Signal sei klar: Die Bürger haben die Nase gestrichen voll. Die Menschen würden sich Veränderungen wünschen. Er selbst habe eine Präferenz für Van der Bellen, aber mit einem deutlichen Sieg Hofers gerechnet. Insofern sei er überrascht, dass die Werte so knapp beieinanderliegen. Der Präsidentschaftskandidat aus der ersten Runde, Richard Lugner, tauchte ebenfalls in der Hofburg auf. Er war nach seinen Angaben von den Bundesländerzeitungen eingeladen worden. Lugner befürchtete, dass Van der Bellen wie der bisherige Präsident Heinz Fischer sein Amt ausüben würde. Die Demokratie lebe aber vom Wechsel, und diesen würde es unter Hofer geben. Wen er selbst gewählt hat, verriet er nicht. SPÖ-Klubobmann Andreas Schieder wollte das Kopf-an-Kopf-Rennen nicht kommentieren. Stichwahlen seien meistens recht knapp, so knapp war es noch nie, sagte er über den Wahlsonntag. Auch die Fragestellungen für die Republik seien besonders weitreichend gewesen. Es ist ein spannendes Auszählungsrennen, sagte Schieder, entschieden hätten sich die meisten Wähler ja bereits länger. Es wird ein knappes Ergebnis sein. Eine Reaktion auf den Wahlausgang werde es von ihm erst geben, wenn das Ergebnis feststehe. Es war ein unglaublich spannender Wahltag, und am Abend blieb das Ergebnis noch offen. Der Grüne Van der Bellen lag hauchdünn vorn, den Ausschlag werden die Wahlkarten geben, die erst am Montag ausgezählt werden. Am Ende des Tages war das Ergebnis so knapp, dass sich nicht mit Sicherheit sagen ließ, wer der neue Bundespräsident sein wird. Das Ergebnis vom Sonntagabend lautete 50,0 Prozent für Alexander Van der Bellen, 50,0 Prozent für Norbert Hofer – mit einem leichten Vorteil für Van der Bellen, der um wenige tausend Stimmen voranliegen dürfte. Das ist das Ergebnis der Hochrechnung. Zu diesem Zeitpunkt sind die knapp 900.000 Wahlkarten in der Hochrechnung schon berücksichtigt, tatsächlich aber noch nicht ausgezählt. Das wird erst am Montag am frühen Abend der Fall sein. Das nüchterne Ergebnis vom Montag, ohne Berücksichtigung der Wahlkarten, lautete: Hofer mit 51,9 Prozent knapp vor Van der Bellen mit 48,1 Prozent. Traditionell liegen die Freiheitlichen bei den Wahlkarten deutlich hinter den Grünen. Zum Zeitpunkt des Wahlschlusses um 17 Uhr lag Hofer auch in der Hochrechnung noch vor Van der Bellen. Mit dem Eintreffen der Zahlen aus den städtischen Regionen drehte sich das Ergebnis aber, bis schließlich Van der Bellen vorn lag. Sicher sein konnte er sich am Sonntagabend jedoch nicht. Ein endgültiges Ergebnis wird also erst am Montag vorliegen, im ersten Wahlgang waren die Wahlkarten erst um 18.00 Uhr ausgezählt. In den Wahlzentralen von Hofer und Van der Bellen wurde zwar schon eifrig von den Anhängern gejubelt, die Wahlkampfmanager – Herbert Kickl für die FPÖ und Lothar Lockl für den Grünen – mussten allerdings auf das noch offene Ergebnis verweisen. Bei der FPÖ skandierten die Anhänger in der Parteizentrale Österreich, Österreich, Heinz-Christian Strache zeigte sich demütig und dankbar, er sprach vom größten politischen Moment in seinem Leben. In der FPÖ wurden umgehend Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses und der Hochrechnung des ORF angemeldet. Das Innenministerium habe andere Zahlen. Dieses macht allerdings keine Hochrechnung, berücksichtigte also nicht die Wahlkarten. Der freiheitliche Kandidat sagte, er habe noch nie so einen Wahltag erlebt. Wie auch immer es ausgehen werde, der künftige Bundespräsident werde jedenfalls die Aufgabe haben, Österreich wieder zu vereinen. Österreicher sind wir alle, sagte Norbert Hofer. Sich selbst beschrieb Hofer als Mitte-Rechts-Politiker mit sehr großer Sozialverantwortung, vor dem sich niemand fürchten müsse. Er habe immer versucht, Brücken zu bauen, aber auch meine Linie zu halten. Die wenigsten haben geglaubt, dass das aufholbar ist, sagte Van der Bellen. Die Unterstützung sei quer durch alle Generationen und Schichten gekommen. Das trägt einen schon. Auf Hofer und seine Wähler will Van der Bellen im Falle eines Sieges zugehen. Man habe verschiedene Konzepte gehabt, und es seien verschiedene Persönlichkeiten aufeinandergetroffen, ein Wahlkampf sei polarisierend. Nach einer Wahl setzte man sich aber wieder zusammen, wie es gute Tradition sei. Van der Bellen ließ es sich nicht nehmen, Hofer noch einmal die Hand zu drücken und ihm seinen Respekt zu zollen. Von den neun Bundesländern stimmten – ohne Wahlkarten – Tirol, Salzburg, Kärnten, Oberösterreich, Niederösterreich, die Steiermark und das Burgenland für Hofer, Van der Bellen hatte dagegen eine Mehrheit in Vorarlberg und in der Bundeshauptstadt Wien. Tirol dürfte sich nach Auszählung der Wahlkarten auch noch zugunsten Van der Bellens drehen. Der verdankt sein gutes Ergebnis vor allem den Städten. In acht von neun Landeshauptstädten liegt Van der Bellen vor Hofer, lediglich in Eisenstadt gab es eine knappe Mehrheit für den FPÖ-Kandidaten Hofer. Aber auch dieses Ergebnis könnte sich nach Auszählung der Wahlkarten noch drehen. Besonders auffällig ist das gute Ergebnis in Klagenfurt, wo Van der Bellen im ersten Wahlgang nur Dritter hinter Hofer und Irmgard Griss war. In Wien hatte Van der Bellen eine Mehrheit von 66 Prozent. Er konnte sich über satte Mehrheiten in fast allen Bezirken freuen. Nur Simmering und Floridsdorf votierten heute mehrheitlich für den blauen Hofburg-Bewerber. Der Sonntagnachmittag bescherte vor allem auch den Teams von Van der Bellen und Hofer ein wahres Wechselbad der Gefühle. In den ersten Hochrechnungen lag der FPÖ-Kandidat zum Teil noch recht deutlich voran. Der Abstand verringerte sich allerdings, je näher der Wahlschluss rückte. In den vergangenen Wochen gab es mehrere nicht veröffentlichte Umfragen, die auf ein knappes Rennen zwischen Hofer und Van der Bellen schließen ließen. Vor dem Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann waren die beiden Kandidaten knapp beieinander gelegen, mit leichtem Vorteil für Hofer. Unmittelbar nach dem Rücktritt Faymanns vergrößerte sich der Abstand von Hofer. In der letzten Woche vor der Wahl trat mit der Stabilisierung der politischen Lage durch die Angelobung des neuen Bundeskanzlers Christian Kern aber ein Effekt ein, der Van der Bellen nutzte. Offenbar auch durch das Bekenntnis Kerns, aber auch der ehemaligen Kandidatin Irmgard Griss konnte Van der Bellen wieder aufholen. Für beide Kandidaten wird es jedenfalls eine schwierige Nacht. Van der Bellen erreichte 50,35 Prozent der Stimmen, Hofer 49,64 Prozent – Innenminister Sobotka gibt Pressekonferenz. ACHTUNG ACHTUNG Hier geht es zum Livebericht mit den Updates zur Wahl von Alexander Van der Bellen >>> Wien – Alexander Van der Bellen wird der neunte Bundespräsident der Zweiten Republik. Der von den Grünen unterstützte Van der Bellen hat mit 31.026 Stimmen gewonnen. Van der Bellen erreichte 50,35 Prozent der Stimmen, Hofer 49,64 Prozent. Die Wahlbeteiligung 72, 7 Prozent. Das hat Innenminister Wolfgang Sobotka am Montagnachmittag bei der Bekanntgabe des Ergebnisses inklusive Wahlkarten verkündet. Das amtliche Ergebnis wird am 1. Juni verkündet. Van der Bellens Konkurrent Norbert Hofer (FPÖ) hat seine Niederlage bereits via Facebook eingeräumt. Natürlich bin ich heute traurig. Ich hätte gerne für Euch als Bundespräsident auf unser wunderbares Land aufgepasst, schreibt Hofer auf Facebook und räumt damit bereits vor der offiziellen Verkündung des Ergebnisses seine Niederlage ein. Auch FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache schreibt auf Facebook: Norbert Hofer wurde heute ex aequo Sieger mit rund 50% der Stimmen und in einem Fotofinish um Millimeter gerade noch nicht zum österreichischen Bundespräsidenten gewählt! Die Wiener und steirischen Briefwähler haben Van der Bellen mehr als die Hälfte dessen an Stimmen gebracht, was er brauchte, um den Vorsprung von Hofer abzubauen. Um 144.006 lag Hofer im vorläufigen Endergebnis Sonntagabend vorne, die Auszählung der Wiener und der steirischen Briefwahl ließ diesen Vorsprung um fast 87.000 Stimmen schmelzen. Aus Kärnten kam ein weiteres Plus von 4.000 Stimmen für Van der Bellen. In Wien baute der Grüne (mit letztlich 63,32 Prozent) den Vorsprung auf Hofer von 135.119 Stimmen mit der Briefwahl auf 209.560 aus. In der Steiermark blieb zwar Hofer mit 56,22 Prozent (am Wahlsonntag waren es noch 58,68 Prozent) vorne. Aber durch die Briefwähler schmolz sein Vorsprung gegenüber dem Grünen von ursprünglich fast 97.000 auf nach der Briefwahl nur mehr rund 85.000 Stimmen. Van der Bellen steigerte sich von 41,32 auf 43,78 Prozent. Der Salzburg Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) hat Van der Bellen bereits in eine Presseaussendung gratuliert. Er wird als demokratisch gewählter Bundespräsident in Salzburg jenes offene und respektvolle Willkommen genießen wie jeder Bundespräsident vor ihm, sagte Haslauer. Estland sieht den künftigen österreichischen Präsidenten auch als estnischen Staatsbürger. Wien/Tallinn/Pskow – Die Eltern des künftigen Bundespräsidenten waren 1941 aus dem von Sowjets besetzten Estland in das damalige Deutsche Reich geflohen, wo 1944 in Wien Sascha Van der Bellen zur Welt kam. Estnische Verwandte jubelten am Dienstag über dessen Wahlsieg, Freude herrscht auch unter Politikern des Landes. Interesse an Van der Bellen gibt es auch in der russischen Stadt Pskow, der Geburtsstadt seiner Eltern. Wir haben von ganzem Herzen und mit der ganzen Familie mitgefiebert, sagt Irina Steinberg, eine Cousine des künftigen Präsidenten. Der Sonntag sei für sie deshalb ein großer Stress gewesen, erzählt Steinberg im Telefonat mit der APA. Sein Sieg zeugt davon, dass die österreichische Intelligenzija, die denkenden Menschen, für Sascha gestimmt haben, so die studierte Philologin, die in einem Dorf im Süden Estlands lebt. Freudig wird der Wahlsieg des ehemaligen Grünen-Chefs auch von estnischen Politikern kommentiert. Die Wahl eines Präsidenten mit estnischen Wurzeln schafft günstige Bedingungen für eine engere Zusammenarbeit zwischen Estland und Österreich, erklärt der Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im estnischen Parlament, Sven Mikser. Da Estland aber auch den Aufschwung europaskeptischer Kräfte mit Sorge beobachte, sei er froh, dass sich die Österreicher für Van der Bellen entscheiden haben, sagt der Vertreter der Sozialdemokratischen Partei Estlands gegenüber der APA. Das Wahlergebnis ist ein guter Grund, den Österreichern gleich doppelt zu gratulieren, betont der ehemalige Außenminister und nunmehrige liberale Europaparlamentsabgeordnete Urmas Paet. Van der Bellen sei für die jetzige Zeit eine sehr vernünftige Wahl, sie sei gut für Europa und Österreich, sagt Paet im Gespräch mit der APA. Für Estland und das estnische Volk spielt aber auch die Tatsache eine Rolle, dass Österreich einen estnischen Staatsbürger zum Präsidenten gewählt hat. Nach Auskunft des estnischen Außenministeriums gelten Kinder von Bewohnern des 1940 zerstörten unabhängigen Estland, die vor dem 16. Juni 1940 über die estnische Staatsbürgerschaft verfügten, automatisch als Staatsbürger des nunmehrigen Estland. Der APA vorliegende Dokumente des estnischen Staatsarchivs und des deutschen Bundesarchivs belegen, dass Alma und Alexander Van der Bellen senior, die Eltern des künftigen Präsidenten, damals im Besitz der estnischen Staatsbürgerschaft waren. Interesse am künftigen Präsidenten zeigt aber auch Pskow, das im Westen Russland an der heutigen estnischen Grenze liegt. Die ursprünglich aus Holland stammende Familie war hier im 19. Jahrhundert in den russischen Adelstand erhoben worden, insbesondere der ebenso gleichnamige Großvater von Alexander Van der Bellen hatte vor der Oktoberrevolution des Jahres 1917 eine tragende politische Funktion in der Region gespielt. Nach der bürgerlichen Februarrevolution von 1917 war dieser Vertreter eines russischen Liberalismus zum Kommissar der Übergangsregierung für das Gouvernement Pskow und somit zum lokalen Regierungschef ernannt worden. In einigen Lokalmedien finden sich Schlagzeilen, in denen vom Sieg des Nachfahren eines Aristokraten aus Pskow oder des Enkels des Pskower Gouverneurs die Rede ist, berichtet der Direktor des Archivs der Region Pskow, Waleri Kusmin. In diesem Archiv finden sich zahlreiche Akten zur Familie Van der Bellen, insbesondere zur politischen Tätigkeit der Vorfahren. Kusmin geht im Gespräch mit der APA davon aus, dass in der nächsten Zeit auch einige wissenschaftliche Publikationen über die Van der Bellens in Pskow erscheinen werden. Die Geschichte dieser Kleinaristokraten in Pskow ging nach der Machtübernahme der Bolschewiken zu Ende: 1919 floh die Familie, darunter die Großeltern und der Vater des künftigen Präsidenten, nach Estland. Als die Sowjets 1940 Estland eroberten, floh man erneut Richtung Westen. Van der Bellens Vater hatte zu diesem Zeitpunkt aufgrund seiner Herkunft und insbesondere als international tätiger Banker Repressionen des sowjetischen Geheimdiensts NKWD zu befürchten. Die Flucht ging zunächst nach Wien und Ende 1944, Anfang 1945 und somit rechtzeitig vor dem Eintreffen der Rote Armee in Ostösterreich weiter nach Tirol, wo Van der Bellen senior eine Existenz im Außenhandel aufbauen konnte und zudem ein künftiger Präsident heranwachsen sollte. Niederländischer Rechtspopulist ortet durch Ermittlungen wegen Verhetzung Angriff auf die Meinungsfreiheit. Amsterdam/Wien – Der niederländische Rechtspopulist Geert Wilders hat die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft in Wien gegen ihn wegen mutmaßlicher Volksverhetzung und der Herabwürdigung religiöser Lehren kritisiert. Diese seien ein Angriff gegen die Meinungsfreiheit. Gegen mich wird nun ein rechtlicher Jihad geführt, zitiert die Presse in ihrer Mittwochsausgabe Wilders Aussagen in der Zeitung De Telegraaf. Es sei besonders bitter, dass ausgerechnet in dem westlichen Land, wo vor einigen hundert Jahren der Westen gegen den Islam verteidigt wurde, gegen ihn ermittelt werde, so Wilders in Anspielung auf die Verteidigung Wiens gegen das osmanische Heer 1683 im Zuge der Zweiten Wiener Türkenbelagerung. Zudem kündigte der Chef der Freiheitspartei (PVV) an, weiter die Wahrheit über den Islam und Migration aussprechen zu wollen. Wilders hatte in einem Vortrag am 25. März 2015 in Wien Europa als im Krieg mit dem Islam bezeichnet, den Koran mit Hitlers Mein Kampf verglichen und dessen Verbot gefordert. Eingeladen wurde der Rechtspopulist von der FPÖ. Die Initiative Muslimischer ÖsterreicherInnen erstattete daraufhin Anzeige, wie der Kurier in seiner Dienstagausgabe berichtete. "Blood and Honour"-Sektion veranstaltet Österreich-Tour – Polizei will bei Bedarf eingreifen. Braunau/Wien– Die ungarische Sektion des internationalen Neonazi-Netzwerks Blood and Honour will in den nächsten Tagen eine Tour durch Österreich und Deutschland machen und Orte der NS-Vergangenheit besuchen. Als Tagesziel am Donnerstag stehe laut Informationen des Bündnisses Braunau gegen rechts Hitlers Geburtsstadt Braunau auf dem Programm. Dort sollen die Rechtsextremen einen Abendspaziergang machen und auch übernachten wollen. Grundsätzlich ist uns dieses Vorhaben bekannt, bestätigt David Furtner, der Sprecher der Polizei Oberösterreich, auf STANDARD-Anfrage. Das Landesamt für Verfassungsschutz stehe bereits mit den ungarischen und anderen Polizeibehörden in Kontakt. Es dürfte eine kleinere Personengruppe sein, aber wir nehmen das sehr ernst. Daher werden wir das Ganze genau mitverfolgen und beobachten, betont Furtner. Die Polizei habe das Vorhaben im Fokus und werde, sollte es zu Straftaten egal welcher Art kommen, dementsprechend energisch einschreiten und diese unterbinden. Wir werden sofort beherzt eingreifen, sagt der Sprecher der Polizei Oberösterreich. Als erster Stopp sei laut Informationen des Bündnisses Braunau gegen rechts ein Besuch der Akademie der bildenden Künste in Wien geplant – die Universität hatte Adolf Hitler 1907 abgewiesen. Auch im Militärmuseum im niederösterreichischen Sonntagberg sei ein Stopp geplant. Dort wolle sich die Neonazi-Gruppe die Uniformen und Ausrüstung der NS-Wehrmacht ansehen. Nach der Übernachtung in Braunau sollen die Blood and Honour-Mitglieder in den darauffolgenden Tagen noch Halt in Landshut, Nürnberg, München und Berchtesgaden machen, bevor es dann wieder zurück nach Budapest gehen soll. Das Bündnis Braunau gegen rechts fordert in einer Aussendung die Behörden auf, die Durchreise des als besonders gefährlich eingestuften und in Deutschland verbotenen Neonazi-Netzwerks durch Österreich und Bayern müsse unter allen Umständen verhindert werden. Auf das Konto des weltweit agierenden Blood and Honour-Netzwerks gehen Morde, Anschläge und Überfälle. Mit Combat 18 verfügen die Neonazis sogar über einen bewaffneten Arm, sagt ein Sprecher des Bündnisses. Auch der Landesvorsitzende des KZ-Verbands/VdA Oberösterreich, Harald Grünn, fordert die Sicherheitsbehörden zum raschen Handeln auf, um das geplante ungarische Neonazi-Treiben 70 Jahre nach der Befreiung Österreichs vom Hitlerfaschismus zu unterbinden. Derzeit sei weder eine Versammlung noch eine Kundgebung in Braunau angemeldet, sagt Polizeisprecher Furtner. Dies könne aber bis zu 24 Stunden vor der Versammlung erfolgen. Erst dann könne geprüft werden, ob man es untersagen kann, erklärt Furtner. Das Bündnis Braunau gegen rechts hat bereits im April mit einer Demonstration auf die angekündigte Tour des Blood and Honour-Netzwerks hingewiesen. Für das Bündnis stehe jedenfalls fest, dass es in Braunau keinen Platz für Hitlerpilger und Nazischläger geben darf. Deshalb wollen Aktivisten des Bündnisses mit Informationsmaterial unter dem Titel Braunau grüßt seine Gäste – Nazis grüßt es nicht! auf die Nazi-Tour reagieren. Wir wollen unmissverständlich zeigen, dass wir gewaltbereite Neonazis nicht in unserer Stadt willkommen heißen!, heißt es vonseiten des Bündnisses abschließend. Die Mindeststrafe für Wiederbetätigung bekam ein junger Vorarlberger, der Hasspostings über Juden verfasst hatte. Feldkirch – Samuel K. saß am Abend des 20. Juli 2014 vor seinem Laptop und war wütend. Es war Wahlkampf in der Türkei, und am Nachmittag war in Bregenz eine Anti-Israel-Demonstration mit Ausschreitungen über die Bühne gegangen. Der 24-Jährige war nicht dabei, holte sich Infos über die Demo aus dem Internet. Besonders aufmerksam las er die Postings zu einem Bericht auf Vorarlberg Online: Da war ein Video dabei über palästinensische Kinder, die umgebracht wurden. Das habe ihn so wütend gemacht, dass er seinerseits einen Kommentar schrieb. Der lautete: Adolf Hitler hätte jeden einzelnen Juden getötet. Der Elektriker setzte noch einen drauf: Verfickte Juden, man soll jeden einzelnen Juden töten. Free Palestine! Freitagvormittag saß er wegen Wiederbetätigung im Schwurgerichtssaal des Landesgerichts Feldkirch. Er habe das Posting eh 51 Minuten später wieder gelöscht, rechtfertigt sich der Angeklagte. Weil mir bewusst war, dass ich einen Blödsinn gemacht habe. Warum er dann zwei Tage später auf seiner Facebook-Seite wieder tätig wurde, will Richter Martin Mitteregger wissen. Ein Tag wird kommen, da werdet ihr mich verfluchen, dass ich nicht alle Juden getötet habe. Adolf Hitler, zitiert der Richter den zweiten Eintrag. Ob er da immer noch wütend gewesen sei, fragt er den Angeklagten. Das habe er nur aus dem Türkischen übersetzt, antwortet K. Ob er über den Nationalsozialismus und die Judenverfolgung in der Schule gelernt habe, interessiert Beisitzer Wilfried Marte. Ja, in der Hauptschule. Aber das sei schon lange her. Richter Mitteregger will wissen, ob K. aus religiösen Gründen gegen Juden sei. Nein, er habe keinen Hass auf Juden und auch keinen auf andere Religionsgemeinschaften, sagt der Muslim. Grenzenlos dumm sei die Aktion gewesen, sagt sein Verteidiger Gerhard Müller. Aber sein Klient sei ja nicht wegen Dummheit angeklagt, sondern wegen Wiederbetätigung. Und dafür fehle der Vorsatz, der unbescholtene Mann sei kein Neonazi. Müller begründet das Handeln von K. ebenfalls mit Wut. Ausgelöst durch ein Video, ein Produkt dieser Internet-Youtube-Gesellschaft. Die Geschworenen folgen der Verteidigungslinie nicht. Sie erkennen auf schuldig nach Paragraf 3g Verbotsgesetz. Das Urteil: sieben Monate bedingt und 6.000 Euro Geldstrafe unbedingt. Sollte er diese nicht zahlen können, müsste er als Ersatz fünf Monate ins Gefängnis. Insgesamt drohen ihm damit schlimmstenfalls zwölf Monate, die Mindeststrafe bei Wiederbetätigung nach dem Verbotsgesetz. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, K. hat sich Bedenkzeit erbeten. Nationalratsabgeordneter Harald Walser bringt Anzeige wegen Wiederbetätigung ein. Wien – Eine Anzeige gegen das rechtsextreme Monatsmagazin Aula hat der Grüne Nationalratsabgeordnete Harald Walser eingebracht. Die Anzeige wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung richtet sich gegen einen Artikel des Aula-Autors Fred Duswald, in dem unter dem Titel Mauthausen-Befreite als Massenmörder die 1945 befreiten Häftlinge des KZ Mauthausen als Landplage und Kriminelle bezeichnet werden, die raubend und plündernd, mordend und schändend [...] das unter der Befreiung leidende Land [plagten] und mit den sowjetischen Befreiern in der Begehung schwerster Verbrechen wetteiferte[n]. Bereits 2011 hatte derselbe Autor in der Aula mit Hetze gegen KZ-Überlebende in einer ähnlichen Wortwahl für Aufregung gesorgt und war damals von der Israelitischen Kultusgemeinde bei der zuständigen Staatsanwaltschaft im Sprengel Linz angezeigt worden. Das Verfahren wurde jedoch eingestellt. Die IKG sah sich damals zu der Kritik veranlasst, Oberösterreich gehe zu wenig engagiert gegen die im Bundesland bekannte Neonaziszene vor. Die Grünen rechnen sich wegen des noch schärferen Wortlauts Duswalds dennoch Chancen aus, mit ihrer Sachverhaltsdarstellung durchzukommen, sagt eine Sprecherin auf STANDARD-Anfrage. Ich bin nicht mehr bereit, neonazistische Artikel, wie sie laufend im freiheitlichen Schmierblatt Aula erscheinen, hinzunehmen, sagt Walser. Dass in diesem Verband zahlreiche hohe Funktionsträger der FPÖ – wie beispielsweise die Nationalratsabgeordneten Axel Kassegger und Reinhard Bösch – in tragender Funktion Mitglied sind und daher die neonazistischen Inhalte der Aula mitzuverantworten haben, zeigt einmal mehr, wo die FPÖ zu verorten ist. Wird die deutsche Gewalt gegen Asylsuchende auf Österreich überschwappen? Der Soziologe Matthias Quent hält es für möglich – und erklärt, wie man sich dagegen schützen kann. STANDARD: In Deutschland nimmt die Gewalt gegen Asylsuchende kein Ende, in Österreich ist es vergleichsweise ruhig. Warum? Quent: Die Stärke der FPÖ führt vermutlich dazu, dass sich Rechtsextreme nicht als so gesellschaftlich ausgeschlossen wahrnehmen wie in Deutschland. Wir haben in Deutschland ja auf Bundesebene keine vergleichbar agierende Partei im Parlament. STANDARD: Überspitzt gefragt: Ist die FPÖ also gar kein Aufstachler, sondern wirkt sogar mäßigend? Quent: Hinsichtlich der Gewaltproblematik könnte es sein – das heißt aber nicht, dass sich durch die FPÖ nicht das Klima insgesamt verschlechtert. Wir hatten in Thüringen in manchen Regionen wenige rechtsextreme Gewalttaten, obwohl die Szene groß war. Die Szene blieb unsichtbar, dabei drückte das Fehlen von Gewalt gerade ihre Hegemonie aus – man hatte nichts mehr zu bekämpfen, man war schon etabliert. Ich kann mir vorstellen dass das auch bei Österreichs Rechtsextremen eine Rolle spielt: Wir sind ja schon im Parlament – mit Gewalt würden wir uns den Weg verbauen. STANDARD: Gibt es einen Zusammenhang zwischen Flüchtlingszahlen und zunehmender Gewalt? Quent: Ja, das heißt aber nicht, dass die Flüchtlinge daran schuld sind. Die hohen Flüchtlingszahlen haben zu einem gesellschaftlichen Diskurs geführt, der bewirken kann, dass sich rechtsextreme Gewalttäter legitimiert fühlen. Sie wähnen sich in einer Notwehrsituation, die es notwendig mache, gegen diesen Flüchtlingssturm – so wird das ja formuliert – vorzugehen. Zweitens gibt es durch die Präsenz von Flüchtlingen in manchen ländlichen Regionen zum ersten Mal potenzielle Opfer für rechtsextreme Gewalttäter. STANDARD: Das heißt, es gab dort schon vorher Gewaltneigungen, aber keine Zielscheibe dafür? Quent: Genau. Der Künstler Rainald Grebe singt: Stehen drei Nazis auf nem Hügel und finden keinen zum Verprügeln. Die Rechtsextremen sind da, geben ihre Ideologie an den Nachwuchs weiter – aber so richtig sichtbar werden sie erst, wenn Gewalt auftritt. Was viel darüber aussagt, wie sicherheitsbezogen unser politischer Diskurs ist: Rechtsextremismus wird erst dann nicht mehr bagatellisiert, wenn die Gewalt nicht mehr zu übersehen ist. STANDARD: Die Attentate werden oft als spontaner Ausbruch von Fremdenhass bezeichnet. Eine angemessene Beschreibung? Quent: Ich tue mir schwer mit dem Wort Fremdenhass. Es ist Rassismus. Die Etablierten, die sich gewisser Privilegien sicher sind, warnen davor, dass diese Privilegien auf eine Gruppe von anderen übergehen können. Die nehmen uns unsere Frauen weg, heißt es dann. Die Außenseiter erfüllen eine Sündenbockfunktion. Die Bedrohung, die in ihnen gesehen wird, liegt aber nicht darin, dass sie fremd sind und man sie nicht kennt – sondern darin, dass sie einer konstruierten Gruppe zugerechnet werden, die potenziell zur Konkurrenz werden könnte. STANDARD: Viele fürchten sich vor Konkurrenz, aber nicht alle denken deshalb rassistisch. Wovon hängt das ab? Quent: Es hängt davon ab, wem ich die Ursachen für Unsicherheit zuschreibe: einer bestimmten Gruppe oder eher den Verhältnissen? Es gibt bei vielen Menschen gute Gründe, sich benachteiligt zu fühlen oder Kritik an der Gesellschaft zu üben. Aber alles wird komplexer. Wer versteht, wie der Finanzmarkt-Kapitalismus funktioniert? Gibt es überhaupt jemanden, der verantwortlich ist dafür, dass in Syrien kein Frieden einkehrt? Viele sind überfordert, wollen sich aber nicht eingestehen, dass sie nicht in der Lage sind, die Zusammenhänge zu verstehen – was ja nichts Schlimmes wäre, ich bin es auch nicht. Aber um die Unsicherheit zu überbrücken, werden Sündenböcke gesucht. STANDARD: Wann mündet das Sündenbockdenken in Gewalt? Quent: Dazu braucht es nicht nur Rassismus und Individuen, die sich zu Gewalt entscheiden, sondern auch eine unterstützende Gruppe. Das kann einfach die eigene Clique sein, es muss gar nicht politisch unterfüttert sein. Der Rechtsextremismus ist ja sehr weit ausdifferenziert, in diverse Subkulturen. Und es gibt eine breite rechtsextreme Musikkultur, in der sehr deutlich und brachial geschildert wird, was denn mit Kanaken zu machen sei. Da werden im Kopf Bilder manifestiert, die dann im Alltag umgesetzt werden können. STANDARD: Österreichs Neonazis sind mit der deutschen Szene vernetzt. Droht die Gewalt überzuschwappen, falls sich auch hier unterstützende Strukturen bilden? Quent: Ja, das ist möglich. Wobei eine unterstützende Gruppe auch einfach als positive Bezugsgruppe gedacht werden kann. Die muss nicht vor Ort sein, das kann auch über soziale Medien passieren. STANDARD: Wird die Gewalt in Deutschland weiter zunehmen? Quent: Ich würde nicht davon ausgehen, dass es in den nächsten Monaten zurückgeht. Oft heißt es: Das ist ja wie in den Neunzigern. Ich würde da vorsichtig sein: Es kann durchaus noch schlimmer werden. STANDARD: Was könnte getan werden, um das zu verhindern? Quent: Politiker müssen sich fragen: Wie wirkt das, was ich sage, auf potenzielle Gewalttäter? Die Rechtsextremen suchen Zustimmung für ihr Handeln. In den aktuellen Grenzkontrollen sehen sie Zustimmung. Sie feiern die Kontrollen und sagen: Das ist unser Erfolg. Politiker müssten solche Ereignisse diskursiv so begleiten, dass sich Rechte nicht legitimiert fühlen. STANDARD: Das klingt abstrakt. Was soll Angela Merkel sagen? Wir schließen zwar die Grenzen, aber wir meinen es nicht böse? Quent: Zugegeben, die Kontrollen sind ein schwieriges Beispiel – vermutlich waren sie ja tatsächlich ein Erfolg der Rechten. Ein gutes Beispiel ist die Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen. Hier sieht man: Es gibt einen Wandel in der Gesellschaft, und darauf gibt es unterschiedliche Reaktionen – von rechtsextrem bis humanistisch-fortschrittlich. Die große Hilfsbereitschaft ist die beste antirassistische Praxis, die man sich vorstellen kann: Es wird signalisiert, dass den verkürzten Zuschreibungen praktisch etwas entgegengesetzt wird. STANDARD: Wer neigt zu Rechtsextremismus – sind es Menschen, die nichts zu verlieren haben, wie oft behauptet? Quent: Wir haben eine Thüringer Plattenbausiedlung untersucht, dort wohnen viele Menschen, die von Sozialtransfers leben. Die NPD hat dort intensiv um Stimmen geworben. Aber profitiert hat die Linkspartei. Es hängt also davon ab, welche konkurrierenden Antworten es auf soziale Probleme gibt. STANDARD: Man wählt also rechts oder links, je nachdem, welcher Kandidat oder welche Kandidatin mehr Charisma hat, unabhängig von Rassismus? Quent: Viele rassistisch eingestellte Menschen wählen auch die Linke. Wir leben ja in einem postideologischen Zeitalter: Es ist nicht mehr so, dass man als Arbeiter Sozialdemokrat oder Kommunist ist. Und bürgerliche Parteien werden auch von Personen gewählt, die von der Einstellung her rechtsextrem sind. Wohin man tendiert, kann auch vom Elternhaus abhängen: Wie wird die Unzufriedenheit am Abendbrottisch gedeutet? STANDARD: Führt mehr persönlicher Kontakt zwischen Geflüchteten und Mehrheit dazu, dass rassistisches Denken abnimmt – und damit auch die Gewalt? Quent: Das ist in vielen Studien bewiesen: Mangelnder interkultureller Kontakt begünstigt Vorurteile. Wenn mein Hassobjekt ein Gesicht bekommt, ist es viel schwieriger, an einseitigen Zuschreibungen festzuhalten. Das heißt nicht, dass man in Wien, wo viele Migranten leben, nicht auch rassistische Einstellungen haben kann. STANDARD: Die hohe Zahl an Flüchtlingen birgt also eine Chance für den Abbau von Vorurteilen? Quent: Ja, definitiv. Das wird sich nicht in den nächsten Jahren zeigen. Diese Erfahrungen müssen erst verarbeitet werden, aber ja, für das Miteinander in der Gesellschaft ist das förderlich. STANDARD: Wie kommen rassistische Gewalttaten in Deutschland ans Licht? Nur dann, wenn sie angezeigt werden? Quent: Es gibt viele Opferberatungsstellen, die Vorfälle dokumentieren. Das ist wichtig, weil die Polizei nicht jeden rassistischen Übergriff als politisch motiviert dokumentiert. Und auch, weil viele Flüchtlinge schlechte Erfahrungen mit der Polizei gemacht haben und keine Anzeige erstatten. STANDARD: In Österreich fehlt diese Dokumentation abseits der Polizeistatistik. Müssen wir von hohen Dunkelziffern ausgehen? Quent: Eine hohe Dunkelziffer gibt es in dem Bereich immer. Gibt es noch dazu keine Erfassung abseits der Polizei, ist definitiv davon auszugehen, dass sie noch höher ist. STANDARD: Wie kann es sein, dass bei rechtsextremen Demonstrationen im sächsischen Heidenau so wenig Polizei vor Ort war, dass Neonazis die Straße dominieren konnten? Ist das Dilettantismus, oder hat das System? Quent: Das ist die Gretchenfrage. Es ist logistisch unmöglich, dass nicht genügend Polizei zur Verfügung gestanden wäre, wenn man es gewollt hätte. Die sächsische Landesregierung hat lange bewiesen, dass sie den Rechtsextremismus gar nicht so sehr als Feind sieht – dass der Feind eher links gesehen wird. Das hat sich auch in Heidenau gezeigt: Als die Antifa kam, waren Wasserwerfer da. Als Neonazis Polizisten angriffen, waren diese nicht in der Lage, mehr als eine Person festzunehmen. STANDARD: Wurden aus der rassistischen Gewalt der 1990er-Jahre die richtigen Lehren gezogen? Quent: Ich habe nicht das Gefühl, dass überall die richtigen Schlüsse gezogen wurden. Bevor es 1992 in Rostock-Lichtenhagen brannte, war wissentlich eskaliert worden. Die Einrichtung war überbelegt, Menschen mussten vor Nachbarhäusern urinieren, was natürlich Abwehr hervorgerufen hat. Man sollte heute Unterkünfte so ausstatten, dass nicht vorprogrammiert ist, dass sich Anwohner davon beeinträchtigt fühlen – weil es etwa nicht genügend Toiletten oder Mülltonnen gibt und dann Debatten entstehen wie: Die wissen ja nicht einmal, wie man Müll entsorgt, die können gar nicht mit unserer Kultur leben. Oft ist das Verhalten einfach den Bedingungen geschuldet. Es wird vernachlässigt, wie sich das auf die politische Kultur auswirkt. STANDARD: Besteht die Gefahr, dass die große Hilfsbereitschaft gegenüber Flüchtlingen nach einiger Zeit in Ablehnung umschlägt? Quent: Das glaube ich eher nicht. Ich fürchte aber, dass Rechtsextreme wieder eine höhere öffentliche Aufmerksamkeit erhalten als derzeit – jetzt stehen die Helfer im Vordergrund, aber die Bilder können sich ändern. Und ich sehe die Gefahr, dass sich die Helferinnen und Helfer resigniert zurückziehen, wenn der Staat längerfristig seiner Verantwortung nicht nachkommt. Es ist eine Hilfe in einer Ausnahmesituation – aber sie kann nicht die Strukturen des Staates ersetzen. Versammlungsleiter droht Verwaltungsstrafe, viel Zuspruch in sozialen Netzwerken. Die rechtsextreme Identitäre Bewegung Österreich provoziert weiter: Am Samstag besetzten rund fünfzig Aktivisten den ehemaligen Grenzposten Spielfeld. Offenbar wurden Autos an der Weiterfahrt gehindert, den Wartenden wurde Infomaterial überreicht. Es wurde eine Einreisespur abgesperrt, heißt es von der Landespolizeidirektion Steiermark. Eine Einsatzeinheit vor Ort musste zwei Personen an den Straßenrand tragen. Ansonsten löste sich die unangemeldete Aktion nach polizeilichem Eingreifen ohne Widerstand auf. Dem Versammlungsleiter der Identitären drohen Verwaltungsstrafen, etwa nach der Straßenverordnung. Die neueste Aktion ist Teil einer Kampagne, mit der die Identitären zur Schließung der Landesgrenzen aufrufen. Unter anderem wurden in den vergangenen Wochen die A4 nahe Nickelsdorf blockiert, ein Grenzposten in Salzburg besetzt und ein Grenzzaun an der österreichisch-ungarischen Grenze errichtet. Dafür setzte es von Behördenseite bislang nur Verwaltungsstrafen. Die Identitären werden vom Verfassungsschutz beobachtet. Im Verfassungsschutzbericht 2014 wird die Gruppe zwar nicht namentlich erwähnt, allerdings dürfte sie mit jener Facebook-Gruppe gemeint sein, die aktionistische Agitationen setzt und mit dem Begriff der Identität Propaganda betreibe. Der deutsche Verfassungsschutz hält die deutschen Identitären für ein Scharnier zu Rechtsextremen. Für den grünen Abgeordneten Albert Steinhauser sind die Identitären auf Aktionismus angewiesen, da ihr Wachstum begrenzt sei. Die aktuell angespannte Stimmung dürfte allerdings für einen Zuwachs sorgen. Laut eigenen Angaben haben die Identitären in den vergangenen Wochen hunderte Österreicher versammelt, die ebenfalls Aktionen an der Grenze setzen wollen. Außerdem soll eine parlamentarische Bürgerinitiative ins Leben gerufen werden. Erste Unterschriften sollen bereits gesammelt worden sein. Tatsächlich sammelten die Identitären auf ihrer Facebook-Seite mehr als 2.000 neue Gefällt Mir-Angaben binnen einer Woche. Parteipolitisch ordnen sich die Identitären keiner Bewegung zu, allerdings gibt es personelle Verbindungen zur FPÖ. Auf den Social-Media-Profilen wichtiger Proponenten gab es auch Jubel über das starke FPÖ-Ergebnis in Oberösterreich zu lesen. Karl Simlinger, umstrittener Altbürgermeister von Gföhl, soll geehrt werden. Gföhl – Das Mauthausen-Komitee Österreich hat am Mittwoch die geplante Auszeichnung des Altbürgermeisters von Gföhl, Karl Simlinger (ÖVP), scharf kritisiert. Vorsitzender Willi Mernyi richtete in einer appellierte in einer Aussendung an ÖVP-Chef und Landeshauptmann Erwin Pröll, die Ehrenringverleihung zu verhindern. Pressefritzen, die gehören aufgehängt Simlinger sei im Dezember 2013 wegen einer besonders üblen antisemitischen und rassistischen Äußerung als Bürgermeister zurückgetreten, erinnerte das Mauthausen-Komitee. Mir gehen die Scheißasylanten sowieso am Oasch, aber schuld sind die Pressefritzen, die gehören aufgehängt, de san wia de Juden!, soll er damals laut einem Bericht der Zeitung Heute bei einer Sitzung über ein geplantes Asylheim gesagt haben. Am Dienstag hätte der Gföhler Gemeinderat beschließen sollen, ihm den Ehrenring zu verleihen. Die von der ÖVP (stellt 14 der 23 Mandatare) vorbereitete Beschlussfassung sei nur durch den Auszug aller anderen Fraktionen vorerst verhindert worden. Kritik von Mernyi an Ehrungsplänen Simlinger hatte nach den Rassismus- und Antisemitismus-Vorwürfen vor knapp zwei Jahren die Konsequenzen gezogen. Er habe sich zu einer Aussage verleiten lassen, die meinem Weltbild und meiner persönlichen Einstellung eklatant widerspricht, sagte er damals, bestritt allerdings, dass in der nichtöffentlichen Besprechung die Wörter Scheißasylanten und aufhängen gefallen seien. Sollte er Menschen verletzt haben, entschuldige er sich in aller Deutlichkeit dafür. Mernyi bezeichnete es am Mittwoch als unverständlich, dass die Mehrheit des Gföhler Gemeinderats einen Judenhasser ehren wolle. Da fehle offenbar jede Sensibilität. Beim Entfernen des Pickerls hätten sich Betroffene schwer verletzen können. Wien – An einer Wiener Berufsschule sind am Montag unter einem Aufkleber der rechtsradikalen Identitären Bewegung Österreich vier Rasierklingen gefunden worden. Wer den Aufkleber entfernen wollte, hätte sich schwere Schnittverletzungen zuziehen können, sagte Direktorin Monika Gojkovic-Vojnovic zu orf.at. Verletzt wurde niemand, die Schule verständigte die Polizei und erstattete Anzeige. Bilder des Aufklebers kursierten am Montag in sozialen Medien. Rasierklingen unter Identitären-Sticker in Schule https://t.co/ALQ0tyR4vL #antifa #smashfascism #fightracism pic.twitter.com/u9DmuJX6Qc Die Wiener Polizei empfiehlt, derartige Aufkleber nicht zu entfernen, da akute Verletzungsgefahr besteht. Es sollte jedenfalls die Polizei verständigt werden. Berichte über ähnliche Fallen gab es zuletzt aus Deutschland. So verletzte sich im September ein Student bei der Entfernung eines islamfeindlichen Aufklebers in Würzburg ebenfalls an einer Rasierklinge. FPÖ-Abgeordnete nach antisemitischer Äußerung unter heftiger Kritik – zuvor sprach sie mit dem STANDARD über Facebook. Die Nationalratsabgeordnete Susanne Winter sieht sich nach einem antisemitischen Kommentar auf Facebook mit Rücktrittsforderungen konfrontiert. Die freiheitliche Politikerin, die 2009 bereits wegen Verhetzung verurteilt worden war, hatte einem Nutzer zugestimmt, der auf Winters Facebook-Profil die Herrschaft zionistischer Geldjuden beklagt hatte. Schön, dass Sie mir die Worte aus dem Mund nehmen, kommentierte Winter, Vieles darf ich nicht schreiben, daher freue ich mich umso mehr über mutige, unabhängige Menschen! In einem Interview mit dem STANDARD, das vor dem antisemitischen Kommentar stattgefunden hat, beklagte Winter vergangene Woche den Dreschflegel der politischen Korrektheit, mit dem abweichende Meinungen öffentlich niedergeschlagen würden. Das Internet sieht Winter als letztes Massenmedium auf diesem Globus das (fast) keiner Zensur unterliegt. Die Kommunikation auf Facebook stärke die Meinungsfreiheit laut Winter extrem. Im Gespräch ging es um die Frage, wie Bürger im Netz Gerüchte und Falschmeldungen von authentischen Berichten auseinanderhalten können. Winter lobte daraufhin alternative Medien- und Nachrichten-Portale und nannte beispielsweise den Kopp-Verlag oder das Compact-Magazin, die beide als verschwörungstheoretisch gelten und laut Medienforschern wesentliche journalistische Regeln missachten. Ich sehe kein Problem bei der Kommunikation auf Facebook, so Winter, die Menschen sollen frei ihre Meinung sagen dürfen. Sie erhebe allerdings keinen Anspruch auf die reine Wahrheit. Jeder mündige Bürger müsse selbst prüfen, was er für wahr oder falsch hält. Winter ist unter anderem in der bilateralen parlamentarischen Gruppe Österreich-Israel aktiv. Die Facebook-Seite der Abgeordneten hatte schon in der Vergangenheit mehrfach für Wirbel gesorgt. So hatte Winter, die FPÖ-Umweltsprecherin ist, den durch Menschen verursachten Klimawandel bezweifelt. Im April 2014 hatte Winter Werbung für Grünen-Chefin Eva Glawischnig veröffentlicht und zum Boykott der EU-Wahl gerufen. Die FPÖ gab damals an, der Account sei gehackt worden. Vertreter von Grünen und SPÖ verlangten daraufhin den Rücktritt der Abgeordneten. ÖVP-Generalsekretär Peter McDonald forderte eine Distanzierung Straches. Die FPÖ kündigte an,bei einer Bestätigung der Vorwürfe Winter aus der Partei auszuschließen. Verfassungsschutz verzeichnet massiven Zuwachs bei fremdenfeindlich motivierten Straftaten. Wien – 1.201 Anzeigen wegen rechtsextrem motivierter Straftaten hat der Verfassungsschutz in den ersten drei Quartalen dieses Jahres registriert. Damit wurde bereits im September 2015 das Ausmaß des gesamten Vorjahres erreicht. In den ersten drei Quartalen des Jahres 2014 lagen dem Verfassungsschutz 750 Rechtsextremismus-Anzeigen vor, insgesamt waren es 1.201. Wie drastisch die Entwicklung ist, zeigt eine Detailauswertung: Bei den fremdenfeindlichen und rassistischen Tatmotiven verzeichnen die Verfassungsschützer einen enormen Anstieg, der sich in der zweiten Jahreshälfte 2015 massiv bemerkbar macht. So wurden im ersten Quartal 26 fremdenfeindliche und rassistische Straftaten, im zweiten Quartal 56 und im dritten Quartal bereits 118 Straftaten dieser Art registriert. Seit Jahresbeginn hat sich die Zahl der fremdenfeindlichen, rassistischen Straftaten somit bis zum September 2015 nahezu verfünffacht. Insgesamt haben sich in den ersten drei Quartalen des Jahres 2015 so viele fremdenfeindlich oder rassistisch motivierte Straftaten zugetragen wie in drei Jahren zuvor, so lautet die Auswertung des Bundesamtes für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Besonders deutlich wird die zunehmende Polarisierung in der Gesellschaft beim Vergleich der Zahlen 2014: Für das erste Quartal liegen dem Verfassungsschutz zwölf Straftaten, für das zweite Quartal 18 und für das dritte Quartal 29 Straftaten rassistischer bzw. fremdenfeindlicher Natur vor. Eine deutliche Steigerung verzeichnen Österreichs Verfassungsschützer bei Verhetzungstatbeständen und im Bereich des Verbotsgesetzes. Auch die Meldestelle für nationalsozialistische Wiederbetätigung registriert im Jahr 2015 einen Anstieg um 25 Prozent. Die Zahl der schweren Straftaten liegt heuer bei zehn Prozent – so wie im Vorjahr. Neue Generation der Rechten Auf Nachfrage des STANDARD heißt es aus Verfassungsschützerkreisen, die Zunahme der rechtsextremen Straftaten sei nicht auf eine verstärkte Anzeigebereitschaft durch die Bevölkerung zurückzuführen. Tatsächlich habe die Zahl der Delikte zugenommen. Eine hohe Sensibilität in der Gesellschaft für dieses Thema existiere schon länger. Dass es gewisse Kräfte gibt, die eine Polarisierung der Gesellschaft vorantreiben, hat man beim Verfassungsschutz folglich als Problem erkannt. Man geht davon aus, dass Ermittlungen in Hinkunft verstärkt auch in der Mitte der Gesellschaft stattfinden werden. Bekannte alte Herren der Rechtsextremisten-Szene spielen derzeit offenbar eine weniger relevante Rolle als die junge Generation der Rechten, die sich verstärkt bemerkbar macht. Zu nennen wäre etwa die Identitäre Bewegung, die mit ihren Aktionen und Äußerungen oftmals am Rande der Legalität vorbeischrammt und daher schwer fassbar ist. Bei den linksextremen Straftaten hat der Verfassungsschutz bis dato keine auffälligen Steigerungen registriert, 2014 waren es 545. Deradikalisierung und Radikalisierungsprävention nennt der Verfassungsschutz als wichtige Maßnahmen, um gegen die steigende Polarisierung aufzutreten. (Katrin Burgstaller, Michael Simoner, 25.11.2015) Aufregung in der SPÖ um Wahlkampfauftritt der rechten türkischen Partei MHP mit Avrasya-Mitgliedern in Linz. Linz – Der Wahlkampf für die türkischen Parlamentswahlen am 1. November soll auch in Linz Station gemacht haben. Ausgerechnet die rechte MHP (Partei der Nationalistischen Bewegung), die in enger Verbindung mit der rechtsextremen Organisation Graue Wölfe steht, soll am 3. Oktober zu Gast im Linzer Volkshaus gewesen sein. Das zeigen Fotos, die dem STANDARD vorliegen. Zu sehen ist eine Veranstaltung mit einem MHP-Parlamentsabgeordneten und dem Avrasya-Obmann. Avrasya gilt als Vorfeldorganisation der antisemitischen, rassistischen Grauen Wölfe, gibt sich aber in Österreich als harmloser Sport- und Kulturverein. Seit über einem Jahr wird der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) kritisiert, weil er sich nicht von Avrasya (Deutsch: Eurasien) distanziert. Gemeinsame Mai-Aufmärsche und gegenseitige Besuche brachten Luger Kritik ein, die in einem offenen Brief gipfelte – DER STANDARD berichtete. 68 Prominente, etwa Elfriede Jelinek, Elisabeth Orth, Erwin Steinhauer, Harald Krassnitzer und Gerhard Haderer unterzeichneten ihn. Auch verschiedene Religionsgemeinschaften, alevitische und kurdische Vereine und das Mauthausen-Komitee warnten Luger. Dieser bestritt, dass Avrasya etwas mit den Grauen Wölfen zu tun habe. Auf den brisanten Fotos zeigen jedoch mehrere Männer deutlich den faschistischen Wolfsgruß vor der Kamera. Fiona Kaiser, stellvertretende SPÖ-Landesvorsitzende Oberösterreichs, wies wiederholt parteiintern auf Avrasyas Ideologie hin. Sie will nun prüfen lassen, ob die Veranstaltung im Haus, das der Stadt gehört, überhaupt zulässig war. Zudem warte sie auf einen Bericht der Bundes-SPÖ zu Avrasya, wie sie dem STANDARD sagt. Es ist ein Wahnsinn, dass man eine rechtsextreme Partei, die vor einigen Jahren noch Menschen umbringen ließ, bei uns wahlkämpfen lässt, so Kaiser. Ermittlungen nach Verbotsgesetz, Waffengesetz und wegen schwerer Nötigung und Körperverletzung. Graz – Gegen den Wirt eines Biker-Lokals in Spielfeld, den die Grazer Grüne Tina Wirnsberger und die Anwältin und Vorstandschefin der Grazer Grünen, Susanna Ecker, angezeigt haben, wird ermittelt. Die Grazer Staatsanwaltschaft bestätigte in einem Schreiben, dass Verstöße gegen das NS-Verbotsgesetz und das Waffengesetz geprüft werden und wegen schwerer Nötigung und Körperverletzung ermittelt wird. Der Beschuldigte soll Flüchtlinge mit einer Schrotflinte bedroht und einen Demonstranten mit Pfefferspray attackiert haben. Seit Jahren besucht Walter Tributsch den Akademikerball. Rechtsextreme träfen sich anderswo, sagt der "Alte Herr" der Burschenschaft Teutonia. Wien – Bei einem Besuch des Akademikerballs könnten Asylwerber die österreichische Kultur kennenlernen – und dann in der Heimat davon berichten. Diesen Vorschlag zur Kulturvermittlung macht Walter Tributsch, Alter Herr der schlagenden Burschenschaft Teutonia und Gründer der rechtsnationalen Zeitschrift Zur Zeit. Demonstranten würden den Ball überschätzen – Rechtsextreme würden sich anderswo in Europa treffen, sagt Tributsch. Deutschtümelei würde den Burschenschaften zu Recht nachgesagt. STANDARD: Seit einigen Jahren gibt es Proteste gegen den Akademikerball. Haben Sie dafür Verständnis? Tributsch: Die Burschenschaft hat seinerzeit 1848 dafür gekämpft, dass Demonstrationsfreiheit herrscht, dass Redefreiheit herrscht. Also bin ich auch dafür, dass man gegen den Ball demonstrieren kann. Wofür ich allerdings auch bin, ist, dass dies gewaltfrei passiert. Im Vorjahr zum Beispiel gab es 54 Verhaftungen, sechs Polizisten wurden verletzt. Das hat bitte mit Demokratie nichts mehr zu tun. Das ist Anarchie, das ist Chaos und das können wir nicht brauchen. STANDARD: Der Vorwurf vieler Demonstranten ist, dass der Ball als Vernetzungstreffen der extremen Rechten diene. Tributsch: Wenn sich Rechtsextreme – dazu zähle ich die Burschenschaften nicht – vernetzen wollen, gibt es in Europa wesentlich mehr Möglichkeiten. Es gibt auf politischer Ebene die Möglichkeit, sich zu treffen. Es gibt ein paar Parteien, die als rechts eingestuft werden, die haben ihre Treffen in allen Teilen Europas. Aber der Ball als solcher ist eine rein gesellschaftliche Veranstaltung, in erster Linie von Akademikern und Studenten. Hier ein Vernetzungsszenario aufzeigen zu wollen, ist völlig absurd. STANDARD: Es gibt doch immer wieder internationale Gäste. Tributsch: Natürlich. Es steht jedem frei – wir sind ja Gott sei Dank in einem demokratischen Land –, sich Ballkarten zu kaufen. Es steht jedem frei, auch Gäste mitzunehmen. Natürlich alles unter dem Aspekt, dass es sich hier nicht um Kriminelle handelt, dass solche Personen nicht auftreten, die eventuell gesucht werden. Bei diesem Ball gibt es seit mehr als 50 Jahren keinen einzigen Fall, wo auch nur einer gefunden wurde, dem irgendeine kriminelle Handlung nachgewiesen wurde. STANDARD: John Gudenus war damals wenige Monate nach seiner Verurteilung wegen Wiederbetätigung auf dem Ball. Tributsch: Ich will mich zur Verurteilung von John Gudenus nicht wirklich äußern. Er hat den Ball – ich weiß nicht, wie lange – mindestens 20, 30 Jahre besucht. Und ob er jetzt vor der Verurteilung dort war oder danach, kann ich ehrlich gesagt nicht beurteilen. STANDARD: Gibt es, abgesehen von Personen, die per Haftbefehl gesucht werden, Personen, die dort nicht willkommen sind? Tributsch: Störenfriede. Ich möchte keinen linken Extremisten oder Chaoten dort haben, der möglicherweise Farbbeutel herumschmeißt. Diese Leute können wir nicht brauchen. Es ist eine gesellschaftliche Veranstaltung, die in Ruhe und zur Freude der Teilnehmer ablaufen soll. Es wird ja auch niemand, der damit nicht einverstanden ist, auf den Life Ball gehen und dort irgendwie zu randalieren beginnen. STANDARD: Burschenschaften und Verbindungen wird oft Deutschtümelei nachgesagt – zu Recht? Tributsch: Ja. In der Hinsicht, dass man den historischen Kontext sehen muss. Die Burschenschaften wurden 1815 gegründet, das war die Zeit, wo Napoleon den europäischen Kontinent mit Krieg überzogen hatte und unter anderem die deutschen Länder überlaufen hat. Damals ist eine Einigungsbewegung entstanden, die von Studenten getragen war – das waren in Wirklichkeit die Burschenschaften, die damals gesagt haben, wir müssen uns zusammenschließen und schauen, dass die Einheit des Reiches hergestellt wird. Aus diesem historischen Kontext ist die sogenannte Deutschtümelei, die man den Burschenschaften heute auch noch unterstellt, zu verstehen. Es hat historische Wurzeln. STANDARD: Die Einheit des deutschen Volkes ist noch immer etwas, das betont wird in den Burschenschaften. Tributsch: Die Einheit des deutschen Volkes ist de facto so wie die Einheit des italienischen Volkes und des französischen oder englischen Volkes in der EU ja letzten Endes realisiert. Das sind mittlerweile alle Bürger der Europäischen Union und da kann man jetzt von Einheit sprechen oder nach wie vor verschiedenen Ländern, denen wir angehören – das spielt eigentlich keine Rolle. STANDARD: Das Reizthema in Zusammenhang mit den Demonstrationen ist die Hofburg als Ort der Feier. Wäre es nicht einfacher, den Ball woanders zu veranstalten? Tributsch: Wir haben uns das Leben noch nie einfach gemacht. Wir sind seit 28 Jahren in der Hofburg. Das ist nicht einzusehen, weil ein paar Extremisten aus der linken Seite uns dort nicht sehen wollen, dass wir diese Hofburg räumen sollen. Das kommt überhaupt nicht infrage. STANDARD: Der Ball ist erst seit 2007 Zentrum einer größeren Debatte. Glauben Sie, dass er überschätzt wird? Tributsch: Er wird weit überschätzt. Diese Ballrandalierer kennen wir ja schon vom Opernball. Früher waren sie dort, jetzt sind sie beim Akademikerball. Das ist eine Modeerscheinung, irgendwann wird das auch wieder uninteressant werden für die Linksextremisten und sie werden ein anderes Opfer finden. Da bin ich relativ locker. STANDARD: Das ist der erste Akademikerball seit den großen Flüchtlingsbewegungen im Sommer 2015. Es werden in diesen Verbindungen ja traditionell das Erbe des Volkes, die Kultur und die Heimat betont. Sehen Sie den Ball in diesem Kontext dieses Jahr anders? Tributsch: Ich sehe ihn nicht anders. Ich würde mir den einen oder anderen Asylwerber gerne am Ball wünschen. Die kommen aus einer anderen Kultur, sie sollen einmal sehen, welche kulturellen Eigenheiten wir haben. Viele kehren ja wieder zurück, die sollen zu Hause berichten, wie bei uns Gesellschaft gepflegt wird, welche kulturellen Eigenheiten wir haben. Das ist der einzige Aspekt, den ich mir vorstellen kann. STANDARD: … dass weniger Menschen kommen würden, wenn sie sehen, wie es am Akademikerball abläuft? Tributsch: Sie könnten zumindest feststellen, ob ihre Kultur dem entspricht, wie wir unser Leben gestalten. Sie kennen sicherlich die Publikation von Samuel Huntington, The Clash of Civilisations. Der meint ja, dass Kulturen, die grundsätzlich verschieden sind, nicht miteinander vereinbar sind. Wenn die Asylwerber jetzt sagen, so etwas könnten wir bei uns eigentlich auch haben, dann ist das schön. Würde mich freuen, das wäre so ein Kulturexport, den wir machen können. STANDARD: Haben die Burschenschaften die patriarchalen Strukturen nicht mit den Herkunftsländern vieler Asylwerber gemeinsam? Tributsch: Wenn ich mir die Vorfälle von Köln anschaue und das eine Folge von patriarchalen Strukturen ist, dann kann ich mir das bei uns nicht vorstellen. Bei uns stehen die Frauen in einem hohen Ansehen – mehr als in so manchen sogenannten emanzipierten Kreisen. Wir haben Respekt vor den Frauen. Für uns sind sie das Wichtigste, wir wollen sie schützen und sehen sie als ergänzenden Partner. Nicht, dass man sie auf der Straße angrapscht, das kommt bei uns nicht vor. Nationalratsabgeordnete sprach bei Kundgebung einer rechten Gruppierung in Wien. Wien – Bei der Demonstration der rechtsextremen Gruppierung Partei des Volkes am Samstag trat als Gastrednerin auch die wilde Abgeordnete und ehemalige FPÖ-Politikerin Susanne Winter auf. Die Demonstration fand am Wiener Ballhausplatz unter dem Titel Wir fordern Neuwahlen und Raus aus der EU! statt. Laut Polizei nahmen 70 Demonstranten an der Kundgebung teil, 40 Gegendemonstranten protestierten gegen die Veranstaltung. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes stuft die Partei als militant-rechtsextreme Gruppe, deren Führungskader sich im Neonazismus bewegen ein. Winter hatte schon bei einer Veranstaltung der Gruppierung in Graz Ende Jänner gesprochen. Die Ex-FPÖ-Abgeordnete war aus der Partei ausgetreten, nachdem sie auf Facebook einem antisemitischen Posting über Geld-Juden beigepflichtet hatte. In ihrer Rede am Samstag erklärte sie, nicht wählen zu gehen, da man so das System unterstütze. Kulturveranstaltung am Sonntag in der Wallerseehalle geplant – Ultranationalistische Organisation. Henndorf – Salzburgs Grüne haben am Freitag vor einer Veranstaltung der türkischen Grauen Wölfe gewarnt, die am Sonntag in der Wallerseehalle in Henndorf (Flachgau) geplant ist. Experten würden die Grauen Wölfe als faschistische Organisation einstufen, empörte sich Landtagsabgeordneter Simon Hofbauer. Eine Polizei-Sprecherin erklärte auf APA-Anfrage, es würden keine strafbaren Handlungen vorliegen. Für nicht Eingeweihte sehe die Einladung in die Wallerseehalle nach einer unverdächtigen türkischen Kulturveranstaltung aus, erklärte Hofbauer. Es werde aber unter dem Deckmantel der Kultur politische Propaganda gemacht. Eigentlich hat diese gefährliche Organisation nichts in einer öffentlichen Veranstaltungshalle verloren. Er wundere sich, warum die Gemeinde Henndorf am Wallerseee ihre Halle an die ultranationalistischen Grauen Wölfe vermiete. Hauptredner und Ehrengast sei Cemal Cetin, der Präsident der Europäisch-Türkischen Föderation, des Dachverbands der Grauen Wölfe, erklärte der Grüne Demokratiesprecher. Ebenfalls mit dabei ist die Tanzgruppe des Linzer Vereins Avrasya, der wiederholt negative Schlagzeilen machte. Erst jüngst wurde der Verein aus dem Linzer Integrationsbeirat geworfen, weil ein Mitglied mit dem faschistischen Wolfsgruß im KZ-Mauthausen posierte. Der Verfassungsschutz solle im Falle von rechtsextremen und antisemitischen Aussagen in der Wallerseehalle entsprechende Konsequenzen ziehen, forderte Hofbauer. Die als rassistisch geltenden Grauen Wölfe stehen der rechtsnationalistischen türkischen Partei MHP nahe. Auf die Frage der APA, ob die Salzburger Polizei wegen der Veranstaltung in der Wallerseehalle irgendwelche Maßnahmen ergreife, antwortete die Polizei-Sprecherin: Das Landesamt Verfassungsschutz halte eine Gefährdungseinschätzung nicht für notwendig, weil nichts Negatives vorliege. Auf der Homepage der Wallerseehalle ist für Sonntag eine Veranstaltung unter dem Titel Kultureller Abend eingetragen. Weder ein Mitarbeiter der Gemeinde Henndorf noch der Bürgermeister selbst waren bisher für eine Stellungnahme erreichbar. Polizei ermittelt gegen 20 bis 30 Aktivisten. Offenbar auch FPÖ-Funktionär auf dem Dach. Graz – Die rechtsextreme Gruppe der Identitären sorgte am späten Mittwochnachmittag für einen Polizeieinsatz bei der Parteizentrale der steirischen Grünen. Rund 20 bis 30 Männer verteilten sich vor dem Grünen Haus am Kaiser-Franz-Josef-Kai in Graz mit Flaggen mit dem Identitären-Logo und bengalischen Feuern. Zumindest vier von ihnen tauchten dann plötzlich auch auf dem Dach des Hauses auf. Die Männer entrollten dort ein Transparent mit der Aufschrift Islamisierung tötet und schütteten laut Mitarbeitern der Partei rote Farbe vom Dach. Wie die Männer auf das Dach gekommen waren, kann auch die Polizei, die nach einem Notruf der Grünen eintraf, dem STANDARD nicht erklären. Das Gebäude liegt am Fuße des Schlossbergs. Am Vormittag hatte die Gruppe bereits in einer kryptischen Aussendung Störaktionen angekündigt. Auch wir haben solche Informationen erhalten, erzählt Fritz Grundnig von der Polizei dem STANDARD, allerdings war darin von einer Aktion bei einem islamischen Kulturzentrum in der Herrgottwiesgasse die Rede. Diese fand aber nicht statt. Da hat offensichtlich auch der Spionagedienst der anderen Seite funktioniert, sagt Grundnig. Der Verfassungsschutz ermittelt. Lambert Schönleitner, der Landessprecher der Grünen, bezeichnete den Übergriff der Identitären, mit denen der Grazer FPÖ-Stadtrat Mario Eustacchio erst vor wenigen Monaten bei einer Anti-Asyl-Demo Seite an Seite marschiert war, als sehr beunruhigend für die MandatarInnen und MitarbeiterInnen. In den letzten fünf, zehn Jahren war es denkunmöglich, dass rechte Gruppierungen ein politisches Gebäude attackiert haben – diese Entwicklung macht uns große Sorgen. Viele der Männer suchten beim Eintreffen der Polizei das Weite. Es gab aber auch einige Identitätsfeststellungen, sagt Grundnig, gegen die betroffenen Personen wird Anzeige wegen Ordnungsstörung und dem Abhalten einer unerlaubten Kundgebung erstattet. Zudem liegen der Polizei auch Fotos der rechten Aktionisten vor, nach Auswertung dieser sei es auch möglich, dass Personen zur Fahndung ausgeschrieben werden. Auf einem Foto, das im Netz kursiert, scheint jedenfalls ein Grazer Bezirksobmann der FPÖ, der früher Gemeinderat in einer obersteirischen Gemeinde war, gut erkennbar zu sein. Die Grünen gehen davon aus, dass dem ihnen bekannten Bezirkspolitiker auch eine Besitzstörungsklage blüht. Die Polizei wollte die Identität des Mannes auf Nachfrage des STANDARD Mittwochabend weder dementieren noch bestätigen. Der FPÖ-Funktionär selbst reagierte auf Nachfragen des STANDARD zu der Causa bisher nicht. In das sogenannte Grüne Haus zogen die Grünen erst im Vorjahr, um alle Einrichtungen der Stadt- und Landespartei und Parteiakademie unter einem Dach zu versammeln. Am Mittwochabend fand eine Mitgliederversammlung der Grazer Grünen dort statt. Auf Facebook begründeten die Identitären die Aktion später damit, dass der ehemalige Grünen-Chef und nunmehr unabhängige Präsidentschaftskandidat Alexander Van der Bellen am Mittwoch in Graz weilte. Die Polizei ermittelt nach den Vorfällen im Audimax der Uni Wien wegen Körperverletzung, Störung einer Versammlung und Sachbeschädigung. Nachdem die rechtsextremen Identitären am Donnerstagabend eine Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks Die Schutzbefohlenen, deren Besetzung zum Großteil aus Flüchtlingen besteht, im Audimax der Universität Wien gestört haben, ermittelt der Verfassungsschutz. Das erfuhr DER STANDARD von einem Sprecher der Wiener Polizei. Die Polizei ermittle gegen acht unbekannte Täter wegen Körperverletzung – unter anderem wegen eines Faustschlags ins Gesicht – sowie gegen vier namentlich bekannte und vier unbekannte Tatverdächtige wegen Störung einer Versammlung, sagt Polizeisprecher Thomas Keiblinger. Zudem liege eine Anzeige wegen Sachbeschädigung vor. Eine Besucherin des Stücks, eine Geflüchtete aus Syrien, befinde sich noch in Spitalsbehandlung, sagte die Regisseurin der Aufführung, Tina Leisch, zum STANDARD. Drei der vier namentlich bekannten Tatverdächtigen seien bei einer Sofortfahndung mit Beteiligung der Wega in der Alser Straße festgehalten worden, so der Polizeisprecher. Die Auswertung eines Videos und Einvernahmen der Opfer könnten zur Ausforschung weiterer Namen führen. Während der Aufführung der mit dem Nestroy-Preis ausgezeichneten Produktion des Kollektivs Die Schweigende Mehrheit hatten 20 bis 30 Identitäre die Bühne gestürmt, Kunstblut verspritzt, ein Transparent entrollt und Flugblätter mit dem Titel Multikulti tötet! ins Publikum geworfen. Die Hochschülerschaft der Uni Wien berichtet zudem in einer Aussendung von Schlägen gegen Besucher des Stücks. Die Identitären, die sich noch am selben Abend in sozialen Medien mit der Aktion brüsteten, dementieren das. Kulturminister Josef Ostermayer (SPÖ) verurteilte die Aktion am Freitag. Die gestrige Störaktion an der Universität Wien ist schockierend und reiht sich leider in eine Reihe von Übergriffen dieser Gruppe ein, die zutiefst abzulehnen sind, erklärte Ostermayer. Die verfassungsrechtlich verankerte Freiheit der Kunst und die Meinungsfreiheit sind genauso wie der Schutz von Minderheiten in einer aufgeklärten Demokratie unantastbar. Wer sich hier dagegenstellt, ist ein Feind der Freiheit, der Kunst und der Werte der Aufklärung, auf denen Europa fußt. Als Reaktion wird die Stadt Wien das Ensemble der Schutzbefohlenen zu einer Aufführung im Rathaus einladen. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) und Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou (Grüne) sprächen die Einladung gemeinsam aus, hieß es in einer Aussendung Vassilakous am Freitag. Man setze damit ein klares Zeichen gegen Hetze und Ausgrenzung. Regisseurin Tina Leisch zeigt sich perplex von dem Angriff. In dem Stück geht es ja gerade darum, interkulturelle Konflikte zu verhandeln – wir sagen eben nicht: Flüchtlinge sind da, alles super, so Leisch. Für einige der Darsteller sei der Angriff schockierend gewesen, zwei von ihnen hätten sich danach nicht mehr auf die Bühne getraut. Nach der Unterbrechung wurde die Vorführung in Anwesenheit der Polizei fortgesetzt. Der Obmann der Identitären, Alexander Markovics, droht indes in einer Aussendung mit weiteren Aktionen: Wir werden dafür sorgen, dass es kein friedliches Hinterland mehr für die Multikultis geben wird. 30 rechte Aktivisten stürmten die Aufführung von Elfriede Jelineks "Schutzbefohlenen" an der Uni Wien. Wien – Nach der rechtsextremen Störaktion bei einer Aufführung des Elfriede-Jelinek-Stücks Die Schutzbefohlenen im Audimax der Universität Wien am Donnerstagabend sucht die Polizei weiter nach den Tätern. Die Aktion habe sieben Minuten gedauert, dabei sei es zu einem Handgemenge gekommen, berichtete Polizeisprecher Thomas Keiblinger am Freitag. In acht Fällen werde Anzeige wegen Körperverletzung erstattet. Während der Aufführung hatten 20 bis 30 Männer die Bühne gestürmt. Laut Augenzeugen entrollten sie auf der Bühne eine Fahne der rechtsextremen Identitären, berichtete der ehemalige Grünen-Politiker Klaus Werner-Lobo dem STANDARD. identitäre im audimax @oeh_uniwien pic.twitter.com/k9eQDa5MCX Das Stück wurde für sieben Minuten unterbrochen. Anschließend kehrten die Darsteller auf die Bühne zurück. Die Polizei bestätigte, dass sie an die Uni gerufen wurde. Bei ihrem Eintreffen war die Störaktion allerdings schon vorüber, jetzt suchen die Ermittler nach den Teilnehmern der Aktion. Das etwa 700 Personen fassende Audimax war laut Werner-Lobo voll besetzt. Laut Polizei wurden bei der Störaktion Flugblätter mit dem Text Multikulti tötet in das Publikum geworfen und Kunstblut verspritzt. Nach einem Handgemenge und Gerangel gelang es Teilen des Publikums, die Rechtsextremen hinauszudrängen, acht Personen klagten danach über Schmerzen im Bauchbereich. Die Darsteller der Aufführung des mit dem Nestroy-Preis ausgezeichneten Stücks waren Schutzsuchende aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Das Drama ging nach einem Konzept und in der Regie von Tina Leisch und Bernhard Dechant unter dem Titel Schutzbefohlene performen Jelineks Schutzbefohlene über die Bühne. Die Studierendenvertreter an der Universität Wien, die zur Veranstaltung geladen hatten, berichten in einer Presseaussendung, dass rund 50 Identitäre die Bühne gestürmt hätten und die Flagge der rechtsextremen Bewegung ausrollten und Menschen mit Kunstblut anspritzten. Das zeigt ganz klar, dass es sich um eine koordinierte Aktion handelt, schreibt die Österreichische HochschülerInnenschaft der Uni Wien. Mehrere Personen aus dem Publikum seien geschlagen, gestoßen und verletzt worden. Die Studierendenvertreter bedankten sich zudem bei den Flüchtlingen dafür, dass sie nach der Störaktion die Veranstaltung fortführten. Die Identitären selbst bestreiten in einer Aussendung Gewalt ausgeübt zu haben. Sie bestätigen aber, Kunstblut verschüttet zu haben. Die Aktion habe sich nicht gegen die Aslywerber auf der Bühne, sondern gegen die österreichische Asylpolitik gerichtet. Empört reagiert SPÖ-Präsidentschaftskandidat Rudolf Hundstorfer auf den Bühnensturm der Identitären gestern Abend im Wiener Audi-Max. Solche Aktionen seien ein Alarmzeichen. Mit verantwortlich macht Hundstorfer die FPÖ, die mit ihrer Politik den Nährboden für solch rechtsextreme Gruppen bereite. Entsprechend warnt der rote Hofburg-Anwärter auch davor, bei der Präsidentenwahl die Stimme dem freiheitlichen Kandidaten Norbert Hofer zu geben. Er fürchte, dass bei dessen Präsidentschaft Gruppen wie die Identitären eine gewisse Salonfähigkeit erhielten. Schließlich bezeichne Hofers Burschenschaft Österreich ja auch als Fiktion. Den Bühnen-Sturm verurteilt Hundstorfer jedenfalls massiv. Es müsse einem ein Stück von Elfriede Jelinek ja nicht gefallen. Aber die Aufführung der Schutzbefohlenen zu stören, sei eine Entwicklung, der man von Beginn an entschlossen entgegentreten müsse. Eine Mahnwache für die am Mittwoch ermordete Frau in Wien-Ottakring wurde von linken Gegnern gesprengt. Wien – Zu gröberen Auseinandersetzungen ist es am Sonntagabend in Wien-Ottakring gekommen. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuften Identitären hatten am Brunnenmarkt eine Mahnwache für die in der Nacht auf Mittwoch dort erschlagene 54-jährige Frau abgehalten. Kurz nach Beginn der Veranstaltung wurde die Gruppe von linken Gegnern angegriffen. Drei bis fünf Rechte waren laut Polizeisprecher Paul Eidenberger an der angemeldeten Veranstaltung beteiligt, als plötzlich rund 100 Gegner aufgetaucht sein sollen. Laut der Angegriffenen sollen manche auch mit Baseballschlägern bewaffnet gewesen sein, das konnten wir bisher aber nicht verifizieren, erklärt Eidenberger. Sicher sei dagegen, dass pyrotechnische Gegenstände gezündet wurden. Die Identitären flüchteten, nach Polizeiangaben wurde niemand verletzt. Die Exekutive reagierte auf die Meldung des Tumults mit einem Großeinsatz, da die Lage unübersichtlich war. Nach relativ kurzer Zeit konnten die meisten Beamten wieder abrücken, da die Angreifer in der Zwischenzeit verschwunden waren. Täter schrieb "Heil Hofer" – Polizei ermittelt. Gols – In Gols im Bezirk Neusiedl am See haben Unbekannte am Wochenende eine Hausmauer und eine Bushaltestelle mit jeweils drei circa 50 Zentimeter großen Hakenkreuzen beschmiert. Neben den NS-Symbolen hatten die Täter Heil Hofer geschrieben, berichtete die Landespolizeidirektion Burgenland am Dienstag. Die Polizei hat eine Fahndung eingeleitet. Es wird wegen Wiederbetätigung ermittelt, sagte ein Polizeisprecher. Manifestationen zweier Gruppierungen waren friedlich verlaufen. Villach – Das sommerlich-warme Wetter hat wohl dafür gesorgt, dass bei den für den frühen Samstagnachmittag angekündigten Demonstrationen von rechten linken Gruppen in Villach wenige Teilnehmer aufkreuzten. Zusammen seien es rund 100 gewesen, sagte der Villacher Stadtpolizeikommandant Oberst Erich Loderzur. Rund 150 Beamte waren eingesetzt, Zwischenfälle gab es keine. Zu den Demos, die gegen Mittag bzw. um 13.00 Uhr begannen, hatten diePartei des Volkes (PdV) bzw. das Bündnis Alternativer Antifaschisten Kärnten aufgerufen. Erwartet wurden im Vorfeld offenbar Hunderte Teilnehmer, schließlich waren es auf beiden Seiten bis zu 100, hieß es seitens der Einsatzleitung. Die PdV hatte u.a für einen Asylstopp und den EU-Austritt Österreichs demonstriert, das Bündnis wollte sich dem entgegenstellen. In einer Aussendung nannte der Villacher SPÖ-Klubchef Andreas Sucher die PdV-Demo einen Flop und sprach von einem eindrucksvollen Sieg der Demokratie und Weltoffenheit. (APA, red, 28.05.2016) Der Unterschied zwischen FPÖ- und Grün-Wählern ist derselbe wie zwischen Ungarn und Frankreich. Der internationale Frauentag am Dienstag ist ein guter Anlass, um einen Blick auf unsere Einstellung zu Geschlechterrollen zu werfen. Eine wertvolle Quelle dafür ist das International Social Survey Programme (ISSP). Das ISSP 2012 bat Befragte in 40 Ländern anzugeben, wie sehr sie den folgenden Aussagen zustimmen: Aus den Antworten (eine fünfstufige Skala von stimme voll und ganz zu bis stimme überhaupt nicht zu) lässt sich ein Index bilden, bei dem 0 für volle Zustimmung zu einem traditionellen Frauenbild steht und 1 für volle Zustimmung zu einem modernen Frauenbild. Die erste Grafik zeigt die Mittelwerte für diesen Index pro Land sowie die Streuung in der Verteilung der Antworten. Genauer gesagt stellen die waagrechten Balken den Quartilsabstand dar. Ein Viertel der Befragten liegt links des Balkens, ein Viertel liegt rechts davon, die mittleren 50 Prozent werden durch die Breite des Balkens abgedeckt. Am oberen Ende der Verteilung liegen die nordischen Länder sowie einige andere westeuropäische Staaten. Österreich liegt im Mittelfeld der 40 Länder, am unteren Ende finden sich Gesellschaften Osteuropas, Asiens und Lateinamerikas. So weit, so wenig überraschend. Interessant ist hingegen, dass die Streuung der Indexwerte in Österreich besonders hoch ist. Der Quartilsabstand (die Breite des Balkens) ist nur in Deutschland höher. Anders ausgedrückt: Im Mittel haben die Österreicherinnen und Österreicher ein durchschnittlich modernes Frauenbild, aber die Polarisierung bei diesem Thema ist hierzulande größer als in den meisten Ländern. Die zweite Grafik zeigt die durchschnittlichen Indexwerte pro Land, getrennt nach Geschlecht. Wenig überraschend verfügen Frauen (rote Punkte) meist über ein weniger traditionelles Frauenbild als Männer (blaue Punkte). In der Grafik fällt aber ebenso auf, dass die Geschlechterunterschiede im Allgemeinen dort größer sind, wo insgesamt ein relativ modernes Frauenbild vorherrscht. Wo das Frauenbild im Mittel traditioneller ist, gibt es weniger Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Eine mögliche Interpretation dieses Ergebnisses wäre, dass Frauen traditionelle Rollenbilder schneller hinter sich lassen als Männer, wenn sich in einer Gesellschaft mit der Zeit modernere Geschlechterrollen etablieren. Zuletzt werfen wir einen Blick auf unterschiedliche Wählergruppen in Österreich. Hier zeigt sich, dass die Einstellungen stark entlang von Parteipräferenzen polarisiert sind. Wer FPÖ wählt, hat typischerweise ein traditionelleres Frauenbild, wer Grün wählt, ein moderneres. Plakativ gesprochen ist der Unterschied zwischen FPÖ- und Grün-Wählerinnen und -Wählern derselbe wie zwischen Ungarn und Frankreich (siehe erste Grafik). SPÖ- und ÖVP-Anhängerinnen und -Anhänger liegen dazwischen – wobei sich bei diesen beiden Parteien ein deutlicher Unterschied zwischen den Geschlechtern ergibt. Fazit: Die Österreicherinnen und Österreicher haben ein durchschnittlich modernes Frauenbild, die Meinungen zu diesem Thema sind allerdings stark polarisiert und (entlang von Parteiloyalitäten) politisiert. Europaskeptisch sind in Nord- und Osteuropa eher linke Wähler. In Österreich dominieren rechte Parteien. Die Europäische Union befindet sich zweifellos in einer Krise. Die Eurokrise hat die Sinnhaftigkeit und Belastbarkeit der Währungsunion infrage gestellt. Die Flüchtlingsbewegungen der vergangenen Monate haben das Schengener Abkommen vielerorts de facto außer Kraft gesetzt. Die Briten stimmen im Juni über den Verbleib in der EU ab, und alles deutet auf ein äußerst knappes Ergebnis hin. Man kann also davon ausgehen, dass die nächsten Jahre von einer intensiven Auseinandersetzung um den weiteren Kurs der EU geprägt sein werden. Wie aber lässt sich dieser Konflikt um die europäische Integration in die existierende ideologische Landschaft in Europa einordnen? Die erste Grafik zeigt Daten aus einer Expertenbefragung, die alle vier Jahre von der University of North Carolina at Chapel Hill durchgeführt wird. Dabei werden Länderexperten (meist Politikwissenschafter) aus allen EU-Staaten zur ideologischen Positionierung der Parteien in ihrem Land befragt. Unter anderem ordnen die Experten die Parteien auf einer Links-rechts-Skala (von 0 bis 10) und einer Pro-anti-EU-Skala (von 1 bis 7) ein. Die Grafik zeigt die Parteipositionen (die Mittelwerte der Expertenantworten pro Partei) auf diesen beiden Skalen. Jeder Punkt stellt eine Partei in einem EU-Land dar. Die österreichischen Parteien sind farblich hervorgehoben (und ja: Zum Zeitpunkt der Befragung war das BZÖ noch im Europäischen Parlament vertreten). Die Punktwolke zeigt eine verkehrte U-Form: Moderate Parteien sind tendenziell eher proeuropäisch eingestellt, während Parteien weiter links und rechts außen stärker EU-skeptisch sind. (Die strichlierte Linie stellt die quadratische Funktion dar, die sich auf Basis dieser Daten schätzen lässt: EU = 1,27 + LR × 1,87 + LR² × -0,19.) Die österreichischen Parteien positionieren sich wie erwartet: Grüne, SPÖ, ÖVP und Neos werden als proeuropäisch eingeschätzt, während die Experten FPÖ, BZÖ und Team Stronach als euroskeptisch einstufen. Wiewohl es also in vielen Ländern Europas linke euroskeptische Parteien gibt (die Punkte in der Grafik links unten), ist diese ideologische Kombination im österreichischen Parteiensystem nicht in relevanter Größe vorhanden. Euroskepsis kommt in Österreich also von rechts – zumindest auf Parteienebene. Die zweite Grafik zeigt, dass auf Wählerseite ein ähnlicher Zusammenhang besteht, wenn auch nicht ganz so stark ausgeprägt. Nach ihrer Einstellung zur europäischen Integration befragt (auf einer Skala von 0 bis 10), antworten Wähler, die sich links einordnen, im Schnitt mit Werten über 6, während Wähler auf der rechten Seite im Mittel etwas niedrigere Werte angeben. Es besteht also eine negative Korrelation zwischen den beiden Merkmalen: Je höher der Wert auf der Links-rechts-Skala ist (also je weiter rechts), desto niedriger ist tendenziell der Wert auf der EU-Skala. Wie die dritte Grafik zeigt, ist dieser Zusammenhang in Österreich vergleichsweise stark ausgeprägt und ähnelt jenem in anderen westeuropäischen Staaten. In einigen Ländern gibt es hingegen kaum eine Korrelation zwischen Links-rechts-Position und Einstellung zur EU, während in vielen Staaten Ost- und Nordeuropas der Zusammenhang negativ ist. Linke Wähler sind dort eher euroskeptisch, rechte Wähler weisen dort proeuropäischere Einstellungen auf. Der Konflikt um die Zukunft der Europäischen Union schlägt sich also in den EU-Staaten auf verschiedene Art und Weise nieder. EU-Skepsis ist mancherorts rechts angesiedelt und andernorts links. Die Auseinandersetzung um die Zukunft der EU wird in ihren 28 Mitgliedstaaten demnach auch vor sehr unterschiedlichen politischen Hintergründen stattfinden. Wer die Aussagen der Präsidentschaftskandidatin analysiert, erkennt: Sie knüpft eher an bürgerliche Positionen an. Die Bundespräsidentschaftskandidatin Irmgard Griss wird gerne mit dem Prädikat Mitte-rechts oder bürgerlich versehen. Manche dieser Bezeichnungen spiegeln wohl ihre Herkunft aus dem katholisch-ländlichen Milieu wider. Wo Griss programmatisch zu verorten ist, ist jedoch viel weniger klar – während man bei den Kandidaten der Parlamentsparteien wohl davon ausgehen kann, dass sie ideologisch nicht unähnlich ticken wie ihre Parteien. Jedoch hat Irmgard Griss dankenswerterweise hier eine Reihe an inhaltlichen Position bezogen, die uns bei einer programmatischen Verortung helfen können. Dazu benutze ich sämtliche Statements, die unter diesem Link zu finden sind, als Griss Wahlprogramm. Mithilfe einer textanalytischen Methode namens Wordscores, entwickelt von den Politikwissenschaftern Michael Laver, Ken Benoit und John Garry, können wir diesen Textkorpus in Beziehung zu den Wahlprogrammen der Parteien bei der Nationalratswahl 2013 setzen. Die Idee hinter Wordscores ist, dass der Wortschatz Auskunft über die ideologische Position eines Akteurs gibt. Ein fiktives Beispiel: Nehmen wir an, dass das Wahlprogramm der Partei A aus den Wörtern Verstaatlichung, Konjunkturprogramm, Ausländerwahlrecht und Homo-Ehe besteht, jenes der Partei B aus den Begriffen Privatisierung, Ausgabenkürzung, Zuwanderungsstopp und Abtreibungsverbot. Nehmen wir außerdem an, dass die Partei A laut externen Quellen (zum Beispiel Expertenbefragungen) auf einer Links-rechts-Skala bei 0 (ganz links) zu verorten ist, während Partei B bei 10 (ganz rechts) liegt. Eine dritte Partei C, deren Programm aus den Wörtern Privatisierung, Ausgabenkürzung, Homo-Ehe und Ausländerwahlrecht besteht, käme genau in der Mitte zwischen A und B zu liegen, also bei Skalenpunkt 5. Natürlich bestehen Wahlprogramme in der Regel aus viel mehr Text, manchmal haben sie die Länge einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit. Je mehr Text, desto präziser kann die Position eines Programms geschätzt werden. Wenn wir die Wahlprogramme der Parlamentsparteien aus dem Jahr 2013 mithilfe von Daten aus einer Expertenbefragung auf einer Links-rechts-Skala positionieren, kann Wordscores aus den relativen Worthäufigkeiten aller Dokumente eine Links-rechts-Position für den Griss-Textkorpus schätzen: Die Grafik zeigt die Positionen der Parlamentsparteien (platziert anhand der zur Schätzung verwendeten Expertenbefragung) und die mit Wordscores geschätzte Position des Programms von Irmgard Griss. Es handelt sich aber weniger um eine absolute Positionsbestimmung als um eine Kontextualisierung des Griss-Programms im Vergleich mit den jüngsten Wahlprogrammen der Parlamentsparteien. Um diese Schätzung für valide zu halten, muss man außerdem die Annahme als plausibel erachten, dass der Wortschatz über die Ideologie Auskunft gibt. Die geschätzte Position liegt leicht rechts der Mitte (bei 5,7), nahe an der Neos-Position – was auch die Quasi-Wahlempfehlung der Neos für Griss logisch erscheinen lässt. Die Charakterisierung von Irmgard Griss als Mitte-rechts oder bürgerlich deckt sich also zumindest mit ihrer inhaltlichen Positionierung innerhalb des Kandidatenfelds für die Bundespräsidentschaftswahl. Claudia Gamon war von Anfang an bei den Neos, trotzdem gilt sie als Nachwuchstalent. Wien – Die Parteirebellion fällt aus. Dafür sind die Neos zu jung, sagt Claudia Gamon. Die 26-jährige Vorarlbergerin war fast von Anfang an dabei, sie hat am Programm mitgearbeitet. 2012 war sie noch als Junge Liberale (Julis) in der Studentenpolitik aktiv und war zweimal deren Spitzenkandidatin bei den ÖH-Wahlen (2011 und 2013). Gamon hörte vom ambitionierten Projekt ihres Ländlemanns Matthias Strolz und bot Unterstützung an. Die Julis sind Geschichte, aus ihnen wurden die Junos, die jungen Neos. Gamon ist zwar Juno, sieht sich aber als Pensionistin, sie hat keine aktive Rolle mehr. Auch bei den Neos ist sie derzeit nur im Hintergrund tätig, ab Herbst soll sich das ändern. Zwischenrufe der Jungen gibt es selten: Dazu geht es uns zu gut, um frustriert zu sein, sagt Gamon. Nachsatz: Dann hätten wir die Partei schlecht mit aufgebaut. Bei der Nationalratswahl hat es für ein Mandat nicht gereicht – läuft es nach Plan und Beate Meinl-Reisinger, derzeit Justizsprecherin und Spitzenkandidatin in Wien, zieht in den Landtag der Bundeshauptstadt, soll Gamon ins Parlament nachrücken. Sie gilt als Nachwuchshoffnung: jung, weiblich, smart. Das ist die Zielgruppe der Pinken, und dort gibt es auch Aufholbedarf. Sie wollen gezielt Frauen ansprechen – als Wählerinnen und als Kandidatinnen. Die Kleinpartei hat mit Meinl-Reisinger nur eine Frau im Parlament. Die Parteiakademie Neos-Lab hat ein Mentoring-Programm entwickelt, um Frauen gezielt zu fördern. Dass Politik eine Männerdomäne ist, schreckt Gamon nicht ab. Sie habe nie Probleme gehabt, sich Gehör zu verschaffen. Deswegen ist sie Mentorin und nicht Mentée. Denn: Politik ist nicht das sympathischste Umfeld. Sie sei nie gezielt gefördert worden, aber: Ich habe meine Coaches überall, ich habe keine Angst, mir Unterstützung zu holen, sagt Gamon. Etwas skeptisch sieht sie ihre zukünftige Tätigkeit im Parlament. Für Jungpolitiker ist es nicht leicht, abseits der Politik Fuß zu fassen. Aus Zeitgründen sei meistens nur ein Teilzeitjob möglich. Es ist schwierig, darauf eine Karriere aufzubauen, sagt Gamon. Für sie ist das ein Widerspruch. So laufe man Gefahr, zum Berufspolitikerdasein verdammt zu werden, was sie keinesfalls will. Dabei sei es wichtig, dass junge Menschen in der Politik aktiv seien, damit die Probleme der jungen Menschen auch vertreten werden. Auch wenn es traurig ist: Politiker sind nun mal Interessenvertreter, sagt die Vorarlbergerin. Ihre Themen sind nahe an jenen von Parteichef Strolz: Bildung und Generationengerechtigkeit. Gamon studierte an der WU, darauf folgte ein Master für internationales Management. Die Hochschulpolitik kennt sie von innen und würde das gerne im Nationalrat vertreten. Obwohl sie sich für Studiengebühren einsetzt? Weil sie sich für Studiengebühren ausspricht, sagt Gamon. Die schwarz-blaue Koalition habe das verhunzt, um einen Kompromiss zu finden. Es habe nichts mehr mit Hochschulfinanzierung zu tun gehabt, sondern mehr Kosten verursacht als Geld hereingebracht. Das Thema ist jetzt tot. Danke, Wolfgang Schüssel. Ein bisschen Rebellion gab es dann doch bei den Junos. Ein Antrag über die Freigabe von Cannabis beim Parteitag im vergangenen Herbst, der wider Erwarten angenommen worden war, dominierte die Berichterstattung über die Kleinpartei. Doch dabei gehen die Junos laut Programm noch weiter: Sie sind für eine Liberalisierung aller Drogen, um dem internationalen Drogenmarkt das Geschäft zu nehmen. Das sei aber bloß ein Gedankenspiel, das nur global funktionieren würde, betont Gamon. 'Der RFJ-Chef verfolgt eine stramm rechte Linie. So hat er schon etliche Karriereschritte geschafft, ohne zu stolpern. Wiener Neustadt – In seiner Partei mag er als einer jener gelten, die einen betont scharfen Kurs fahren – denn der Ring Freiheitlicher Jugend sieht sich als ideologisch gefestigte Kaderschmiede. Und die jungen Leute gefallen sich darin, von den Arrivierten in der FPÖ so gesehen zu werden. Aber wenn es um konkrete Politik geht, dann erweist sich Udo Landbauer als erstaunlich konziliant. Der Obmann des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) hat kein Problem damit, seinen politischen Gegnern Respekt zu bezeugen. Sei es die Wiener SPÖ, der er hohe Professionalität in ihrem Wahlkampf attestiert Hypo, Steuerreform und Griechenland ließen Hans Jörg Schelling bisher wenig Zeit für die Umsetzung des Regierungsprogramms. Wien – Nicht enden wollende Hypo-Wirrnisse, ein deutliches Budgetdefizit bei anhaltend schwieriger Wirtschaftslage, die Griechenland-Misere oder zuletzt die aufgehobene Ausschreibung von Kasinolizenzen: Weil Hans Jörg Schelling (ÖVP) haufenweise Probleme von seinen Vorgängern geerbt hat, kommt er kaum dazu, das Regierungsprogramm abzuarbeiten. Noch dazu setzt der Chef im Finanzministerium (BMF) auch eigene Schwerpunkte, wie zuletzt die angekündigte Eindämmung der kalten Progression oder die in einem STANDARD-Interview vom Zaun gebrochene Debatte über das Einkommen von Arbeitslosen. Reformverweigerung kann man Schelling also nicht vorwerfen. Die Zwischenbilanz der Regierung im Bereich Finanzen fällt trotzdem nicht allzu rosig aus, wie eine Auswahl der noch zu bohrenden Bretter zeigt. Wien, Parlament, Michael Häupl und Werner Faymann auf den Treppen zwischen SP-Club und Clubvorstandszimmer. Wien, Universität, Arkadenhof: Aufführung eines Textes von Elfriede Jelinek als Teil der Feierlichkeiten zu 650 Jahren Uni Wien. Hier zum Bericht Chocolatier Zotter fragt Finanzminister Schelling, ob Wachstum überhaupt notwendig ist. Ein Gespräch über die Kultur des Scheiterns und überflüssige Werbung. STANDARD: Herr Zotter, Sie beschreiben Ihre Insolvenz im Jahr 1996 als prägende Erfahrung: wieso eigentlich? Zotter: Lustig war es nicht, aber es war prägend. Damals habe ich nicht gedacht, dass ich jemals darüber reden werde. Aber weil die Kultur des Scheiterns in Österreich nicht sehr verwurzelt ist, möchte ich offen damit umgehen. Es ist ein Meilenstein in meiner Karriere, der sich zum Positiven gewendet hat. STANDARD: Wann sind Sie zuletzt gescheitert, Herr Schelling? Schelling: Da gibt es viele Dinge. Wenn man wie Herr Zotter wieder etwas aufbaut, dann zeigt sich, wie wichtig die Kultur des Scheiterns ist. Ich wollte Möbelhäuser kaufen, die nicht gelungen sind. In der Politik waren es Ergebnisse, die ich mir anders vorgestellt habe: Bei der Gesundheitsreform sind wir mit Bomben und Granaten an der Finanzierung aus einer Hand gescheitert. STANDARD: Haben Sie es bereut, in die Politik zu gehen? Schelling: Nein. Wenn man sich entschieden hat, muss man das mit Kampfgeist und Emotion angehen. Nach den Belastungen der letzten Wochen ist es mehr, als ich es mir in den schlimmsten Träumen erwartet habe, aber ich bin noch bei guter Kondition. STANDARD: Können Sie sich eigentlich vorstellen, in die Politik zu gehen, Herr Zotter? Zotter: Nein, dafür bin ich nicht geeignet. Da bewundere ich Herrn Schelling. Dauernd nach Kompromissen suchen zu müssen, das wäre für mich undenkbar. Da bin ich lieber Unternehmer, da habe ich bessere Möglichkeiten, meine Vorstellungen umzusetzen. Schelling: Unternehmer handeln lösungsorientiert. Funktioniert etwas nicht, gibt es andere Wege. In der Politik sind es lange Prozesse. Übertriebene Geduld ist aber auch nicht meine Stärke. STANDARD: Bei der Asylpolitik ist Ihnen der Geduldsfaden gerissen, Herr Zotter: Sie haben sie kritisiert und Hilfe angeboten. In welcher Form? Zotter: Ich habe einem Asylwerber bei mir Unterschlupf gegeben und nehme jetzt noch eine Familie auf. Das ist etwas, was ich selber tun kann. Das ist aber nicht die Lösung, wenn 60.000 Menschen vor den Toren Österreichs stehen. Asyl ist ein Menschenrecht: Es ist indiskutabel, dass man darüber überhaupt diskutieren muss. Ich verstehe nicht, dass man das in Österreich nicht schafft. Wenn wir uns das nicht leisten können, weiß ich auch nicht mehr weiter. Schelling: Wir stocken die Finanzierung fast auf das Doppelte auf, um die Grundversorgung sicherzustellen. Das ist budgetär eine echte Herausforderung. Aber die Menschen haben Sorgen, die noch zusätzlich geschürt werden. Auch wenn es nicht stimmt, werden Flüchtlinge als Gefahrenpotenzial dargestellt. Trotzdem brauchen wir eine europäische Solidarität. Österreich wird sonst zum Zielland Nummer eins, weil wir eine gute Versorgung haben. Wir müssen aber auch die Kompetenzfragen klären. Die Frau Innenministerin wird für etwas kritisiert, für das sie nicht verantwortlich ist. Die Unterbringung wird auf kommunaler Ebene geregelt. Humanitäre Problemstellungen sollen besser zentral entschieden werden. Containerdörfer zu errichten ist politisch schwieriger, als eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Zotter: Aber auch das ist schwierig, weil ich auf viele Widerstände und bürokratische Hürden gestoßen bin. Dabei reden wir von humanitärer Hilfe. Es wären sehr viele Österreicher bereit, etwas zu tun, vielleicht braucht man dann keine Zeltstädte. Schelling: Zum Teil waren ja Quartierangebote da, wo aber die örtlichen Bürgermeister keine Genehmigung erteilt haben. Deswegen muss es die Möglichkeit geben, dass dann Entscheidungen schnell gefällt werden und die Kompetenzen sauber geordnet werden. Das Thema wird uns in den nächsten Jahren nicht loslassen. Wir müssen Voraussetzungen schaffen, dass es endlich funktioniert. STANDARD: Zurück zur Wirtschaft: Sie sprechen sich gegen Werbung aus. Was ist schlecht daran? Zotter: Der Markt ist dumm. Wenn Österreich stagniert, hängt das damit zusammen, dass wir zu stark darauf schauen, was die anderen machen. Österreich hat an Kraft verloren. Wir brauchen Innovationen. Wenn man den Markt fragt, ob er Blutschokolade will, dann sagt er brauch ich nicht. Trotzdem gibt es Produkte, wie Schweinegrammelschokolade, die vor zehn Jahren keiner wollte, aber heute zu den meistverkauften Produkten zählt. Man muss das machen, was man für richtig hält. Ich hab mir noch nie Verkaufszahlen angeschaut, das überlasse ich meinen Mitarbeitern. STANDARD: Aber Sie wissen, dass die Schweinegrammelschokolade gut geht. Zotter: Das spüre ich, ich sehe, was produziert wird. STANDARD: Wie sehen Sie das, Herr Schelling. Sie gelten als Marketingexperte. Schelling: Das kommt auf das Produkt an und darauf, was ich dabei riskiere. Ein Chiphersteller hat andere Voraussetzungen als eine Schokoladenmanufaktur. Wenn ich eine neue Schokolade entwickle, die nicht funktioniert, kostet es ein paar Hundert Euro. In der Hochtechnologie ist der Forschungsaufwand anders. Herr Zotter macht es wie die Amerikaner: trial and error. Bei ihm gibt es einen Ideenfriedhof, wo die Sauerkrautschokolade ruht. Zotter: Die war ja auch wirklich grauslich. Schelling: Das ist Mut. Sie verabschieden sich von Dingen, die nicht funktionieren. Aber die Vermischung aus Produkt und Erlebnis ist schon lebendes Marketing. Zotter: Ich kenn mich da gar nicht aus, ich hab das nie gelernt. Ich rede einfach mit den Leuten. Weil sich so viele Leute dafür interessieren, habe ich versucht, meine Ideen umzusetzen. STANDARD: Lässt sich Ihre Strategie auf alle Betriebe umlegen? Zotter: Um die Wirtschaft wieder in Fahrt zu bekommen, müssen wir uns damit beschäftigen, wie viel Wachstum wir überhaupt brauchen. Es muss Erneuerung geben, aber kein Wachstum. Wir müssen uns damit auseinandersetzen, wie es funktioniert, wenn es gar kein Wachstum gibt. STANDARD: Sie sind in einer bequemen Position, Ihre Firma wächst ständig. Würde das funktionieren? Zotter: Sicher. Ich mach ja keine Werbung. Ich mache meine Produkte nicht schiacher, als sie sind, aber auch nicht schöner. Wenn es Nachfrage gibt, werde ich sie bedienen. Aber wir erzeugen keine künstliche Nachfrage. STANDARD: Können Sie die Kritik teilen, Herr Schelling? Schelling: In einem Hochlohnland wie Österreich kann man den Preiswettbewerb nicht gewinnen, das geht nur bei Qualität und Innovation. Daher müssen wir Bildung fördern. Budgetär betrachtet verbrauchen aber wir zu viel Geld für Vergangenheitsinvestitionen, nicht für die Zukunft, weil unsere Systeme zu teuer sind. STANDARD: Was meinen Sie damit? Schelling: Hätte man vor zehn Jahren das Gesundheitssystem reformiert, hätte man ein paar Milliarden dabei gespart. Ähnliches gilt bei den Pensionen. Der Staat ist ein bewegungsloser Koloss, das hemmt uns bei Entscheidungen. Er muss flexibler und schlanker werden. Ein Unternehmen, das kein Wachstum oder auch einmal ein Minus hat, kann und muss schnell reagieren. Zotter: Wir müssen auch ein Feuer entwickeln, damit junge Leute wieder Unternehmer werden wollen. Das ist in den USA anders, das taugt mir auch an Silicon Valley, aber wir müssen uns ja nicht alle auf die IT schmeißen. Schelling: Als Staat müssen wir helfen, Innovation zu fördern. STANDARD: Das wirtschaftliche Klima ist angeschlagen. Wie kann es verbessert werden? Schelling: Österreich ist trotz allem ein extrem erfolgreiches Land. 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts werden durch Export und Tourismus erwirtschaftet. Wir sind gut aufgestellt, aber es könnte besser sein. Derzeit gibt es wenig Bereitschaft zu investieren. Unternehmer müssen vorsorgen und planen. Bei uns hat es früher immer geheißen: Spare in der Zeit, dann hast du in der Not. Zotter: Das ist natürlich ein super Satz für einen Finanzminister. Aber auch ich traue mich dieses Jahr nicht so zu investieren wie in den vergangenen Jahren, weil so eine komische Stimmung ist. Diese zwei, drei Millionen sind dadurch nicht in der Wirtschaft. Und ich bin nur ein kleines Unternehmen, aber multiplizieren Sie das. Ich frage mich, ob das nicht auch an unserem Steuersystem liegt, das die Arbeitskraft derart hoch besteuert. Das fördert eher Arbeitslosigkeit. Ich träume ja von einer Konsumsteuer. STANDARD: Es ist ungewöhnlich, dass ein Unternehmer für eine neue Steuer ist. Zotter: Sobald ein Betrieb ein Problem bekommt, beginnt er auszulagern. Wenn aber die Lohnnebenkosten entlastet werden und stattdessen eine Konsumsteuer eingeführt wird, dann werden Importe automatisch teurer. Wir sollen ja ein Hochlohnland bleiben. Es ist einfach, Arbeitnehmer zu besteuern, aber es geht weiter darum, Ausbeutung und Auslagerung zu verhindern. Schelling: Das kann man nicht isoliert betrachten. Dazu müsste man das ganze Steuersystem auf null stellen. Hinter unserem System steht ein Sozialstaat, den wir damit finanzieren. Aber ich bin bei Ihnen, nicht nur den Faktor Arbeit anzuschauen, sondern auch die Lohnstückkosten. Es ist auch deshalb schwer, Arbeitskräfte zu finden, weil das Arbeitsloseneinkommen fast genauso hoch ist wie das Arbeitseinkommen. In Deutschland gibt mit Hartz IV ein Modell, das offenbar besser funktioniert. Zotter: Lustig ist das aber nicht. STANDARD: Warum sind Sie für ein bedingungsloses Grundeinkommen, Herr Zotter? Zotter: Dann haben die Leute einfach einmal eine Ruhe und bekommen ihre Freiheit zurück. Dadurch können Innovationen losgetreten werden. Die Menschen haben große Existenzängste. Ein Arbeitsplatz ist eben immer Arbeit. Ein bedingungsloses Grundeinkommen würde auch das Pensionsthema lösen. Dann müssten wir nicht mehr darüber reden, ob jemand mit 62 oder mit 65 Jahren in Pension geht. STANDARD: Können Sie dem etwas abgewinnen, Herr Schelling? Schelling: Selbstverständlich bin ich dagegen. Die meisten Österreicher sind hochzufrieden mit ihren Arbeitsplätzen. Leistung muss belohnt werden, das ist nichts, was einem zusteht. Wir sind bei Transferleistungen sehr stark. Aber warum muss jemand, der 500.000 Euro im Jahr verdient, Anspruch auf eine Gratiszahnspange für sein Kind haben? Das hätte man sozial staffeln müssen. Wir haben uns zu einer Neidgesellschaft entwickelt. Neid muss man sich aber verdienen, Mitleid bekommt man umsonst. Für Schauspieler Manuel Rubey haben Neos-Wähler einen "Hang zum Geschleckten". Mit Parteichef Matthias Strolz spricht er über guten Populismus und überflüssige Religionen. STANDARD: Die Neos sind übermotiviert gestartet, wurden gehypt und durchlaufen einen Ernüchterungsprozess. Wie schaut der typische Neos-Wähler aus, Herr Rubey? Rubey: Wahrscheinlich so ähnlich wie wir zwei. Männlich mit äußerlich einem Hang zum Geschleckten. Ich verbinde neoliberal mit Grasser-Typen, deswegen umschiffen das die Neos auch. Rein vorurteilsmäßig kommt alles aus dem ÖVP-Dunstkreis. Strolz: Gerade in Ihrer Community gibt es viele Vorurteile gegen die Neos. Sind das jetzt wirklich Gute oder nur neoliberale Säcke? Das tut mir weh. Aber bei mir ist die Neos-Wählerin eine Frau, 36, wohnt in einer Stadt und hat zwei Kinder. Sie ist bildungsaffin, strampelt sich zwischen all den verschiedenen Aufgaben ab und kauft Bioprodukte. STANDARD: Das ist die klassische Grün-Wählerin. Strolz: Sie hat Grün gewählt, jetzt aber Neos, weil sie bei uns mehr wirtschaftliche Vernunft findet. STANDARD: Die Neos sind durch Aktionismus und Überdrehtheit aufgefallen. War das zu viel? Strolz: Ich bin schon längst nicht mehr überdreht. Wir müssen aber unsere Inhalte öffentlichkeitstauglich inszenieren, sonst kommen wir nicht vor. Meine Rede über den Überwachungsstaat haben über 600.000 Menschen auf Youtube gesehen. Ich hatte nur eine simple Überwachungskamera dabei und habe Norbert Darabos anvisiert. Das muss drin sein. STANDARD: Muss ein Politiker eine Rampensau sein, Herr Rubey? Rubey: Es ist sicher kein Nachteil. Als die Neos kamen, habe ich auf einen guten Populisten gehofft, der sich Strache entgegenstellt. Wenn man zu sehr ins Detail geht, hören die Leute nicht zu. Strolz: Populismus darf nicht nur der Rechten gehören, das halte ich für strategisch und inhaltlich falsch. Ich wäre gerne ein guter Populist. Wir sind aber auch der intellektuellen Redlichkeit verpflichtet. Die Zuspitzung ist immer eine Gratwanderung. Dem blanken Populismus darf man sich nicht hingeben. STANDARD: Wie kann man das Asylthema positiv populistisch besetzen? Strolz: Asyl braucht Menschlichkeit, auch das ist eine Zuspitzung. Rubey: Die FPÖ hat mit den Schildern den Höhepunkt an Schrecklichkeit erreicht. Der Bundespräsident wäre gefordert, zu zeigen, dass wir miteinander reden können. Es sind Menschen, die zu uns kommen. Das geht unter. Strolz: Wir haben viel gemacht, ohne mediale Inszenierung. Mir zieht es alles zusammen, einzelne Schicksale ins Scheinwerferlicht zu ziehen. Mit Leid sollte man kein politisches Geschäft machen, obwohl ich weiß, dass wir dem FPÖ-Getöse etwas Emotionales entgegensetzen müssen. Ich habe nur keine Antwort. STANDARD: Herr Rubey, Sie haben in einem Interview gesagt: Wenn ich auf Facebook Gutmenschensachen poste, verliere ich ein paar Likes. Wieso? Rubey: Gutmensch ist so ein FPÖ-Terminus. Leute, die nachdenken, werden als Gutmenschen verunglimpft. Mir ist die Thematik sehr wichtig, obwohl ich finde, dass Kulturmenschen nicht überall etwas dazu sagen müssen. Wir machen immer wieder Veranstaltungen und sammeln Spenden, aber ich würde es am liebsten nicht groß kundtun. STANDARD: Aus Angst vor negativen Reaktionen? Rubey: Nein. Das ist wichtig. Ich versuche mit jedem zu diskutieren, auch wenn es nur Millimeterarbeit ist. Es müssen ja in jedem Bekanntenkreis FPÖ-Sympathisanten sein, sonst geht sich das statistisch nicht aus. STANDARD: Was sagen Sie dann? Rubey: Ich versuche klarzumachen, dass es auch eine Chance ist. Es geht nicht um die Frage, ob wir das wollen oder nicht, die Menschen werden weiterhin kommen, und wir können das gut lösen, wenn wir uns dem gemeinsam stellen. Wenn wir verhärten, kommt der Faschismus. Dann brennt und kracht es wieder. Strolz: Es ist wichtig, Zuversicht zu geben. Wenn man es populistisch erzählen will, muss man eine einzelne Person herausnehmen und kommunikativ shoppen gehen. Das Mädchen, das zur Abkühlung durch den Wasserstrahl der Feuerwehr gelaufen ist, hat am meisten die Herzen erwärmt. STANDARD: Verstehen Sie die Ängste der Menschen? Strolz: Sie sind hin- und hergerissen. Jeder Mensch, der sagt, er habe keine negativen Reflexe, lügt. Wir haben riesige Herausforderungen, die Österreich nicht allein lösen kann. Wenn wir jeden Konfliktherd mit fünf Jahren Verspätung erkennen und keinen sinnvollen Beitrag leisten, wie in Syrien oder der Ukraine, dann können wir uns nicht beschweren, wenn die Leute kommen – tot oder lebendig. Sie werden kommen. Wir brauchen kurzfristige und langfristige Lösungen. Die sehe ich nicht. Rubey: Eine Völkerwanderung hat es immer gegeben. Die Angst rührt daher, dass viele Sicherheiten zu Bruch gehen. In unserer Elterngeneration galt noch: Wenn man sich nicht komplett deppert anstellt, wird das Leben wirtschaftlich besser. Das stimmt heute nicht mehr. Es ist einfach zu sagen, dass es an den Menschen liegt, die zu uns kommen. Das ist Bullshit. Man muss versuchen, die Ängste ernst zu nehmen, aber gleichzeitig zeigen, dass die Zusammenhänge nicht so bestehen, wie sie von rechts vermittelt werden. Strolz: Wir haben im letzten Jahr 200 Millionen für Asylwerber ausgegeben, wenn wir heuer doppelt so viele nehmen, sind es 400 Millionen. Wir geben aber für Sinnlosigkeiten Geld aus: Im Bildungsbudget fehlen uns 600 Millionen, wir bohren Löcher durch die Berge, die wir nicht brauchen, die Hypo kostet Milliarden. Asyl ist ein drängendes Problem, aber nicht das größte Österreichs. STANDARD: Es gibt in den sozialen Netzwerken teils sehr heftige Reaktionen und Hasspostings. Ist Kündigung die richtige Antwort? Strolz: Das ist okay. Die Menschen müssen sehen, dass sie Verantwortung für ihr Tun übernehmen müssen. Auch in einer anonymen Umgebung wie Facebook. Die Antworten darauf müssen klar sein. Dass diese Menschen eine zweite Chance verdienen, halte ich für ebenso wichtig. Man kann nicht zu allem sagen, dass es eh wurscht ist. Es ist eben nicht wurscht. STANDARD: Wenn ein 17-jähriger Lehrling nach einem Hassposting gekündigt wird, kann es seinen Frust auch weiter steigern. Rubey: Definitiv. Deswegen muss man ihn gezielt abholen. Gleichzeitig waren das große Unternehmen wie Spar, ÖBB oder Porsche, die Haltung zeigen müssen. Auch das ist wichtig. Strolz: Für die Betroffenen ist es hart und unangemessen, dass das medial verhandelt wird. Aber es muss an einem Fall festgemacht werden. Als Vater tuts mir schiach. Er wird einen Einschnitt in seinem Lebenslauf haben. Rubey: Als Vater muss man sich aber fragen, wie es dazu kommt. Strolz: Schön wäre es, wenn er eine zweite Chance bekäme und das auch öffentlich berichtet wird. STANDARD: Das Thema Schule ist Ihnen beiden wichtig. Herr Rubey war in einer Waldorfschule ... Strolz: ... und kann seinen Namen tanzen. Rubey: Das ist eine STANDARD-Legende, ich habe es großspurig behauptet, und im Video kam heraus, dass ich es eh nicht kann. STANDARD: Ihre Tochter geht jetzt in eine öffentliche Schule mit hohem Migrantenanteil. War es die richtige Wahl? Rubey: Das Bildungssystem insgesamt ist selten eine gute Wahl. Wir leben im 15. Bezirk. Wir wollten keine Privatschule, weil unsere Kinder viele Leute kennen, die Außenpositionen in der Gesellschaft einnehmen. Deswegen war es uns wichtig, dass die Schule einen anderen Teil der Realität abbildet. Trotz aller Schreckensgespenster funktioniert die Schule sehr gut. 70 Prozent Nichtmuttersprachler, zwei Lehrerinnen für 22 Schüler, das ist super. STANDARD: Würden Sie Ihre Töchter in eine Schule mit 70 Prozent Migrantenanteil geben, Herr Strolz? Strolz: Das kommt auf die Förderung an. Wenn es dem Zufall überlassen ist, dann habe ich damit ein Problem. Bei guter Förderung bin ich Freund einer Zweitsprache. Ich differenziere nicht zwischen Türkisch und Englisch. Es gibt keine guten Sprachen, auch Türkisch soll Maturafach sein. Rubey: Woran scheitert es, dass nichts weitergeht? Strolz: Bei Bildung und Integration müssen wir drei Jahrzehnte aufholen. Viele in der Regierung sagen, dass wir zu viel Geld für Bildung ausgeben. Das stimmt aber nicht. Wir fallen bei den Bildungsinvestitionen zurück, obwohl sie im OECD-Durchschnitt gestiegen sind. Das halte ich für einen Schwachsinn – volkswirtschaftlich und humanistisch. STANDARD: Ein Thema, das die Neos spaltet, ist Religion: Sind Sie religiös, Herr Rubey? Rubey: Nein, nicht mehr. Das Gebot der Stunde wäre, Religion zu überwinden. Jede Religion ist Verantwortungsabgabe, auch die katholische. Wenn man sieht, was geschichtlich unter dem Wappen der Religionen passiert ist, dann ist es nicht mehr aufzurechnen mit ein paar guten Beispielen. Was unter Religion ständig aufgeführt wird, macht mir Angst. Religion müsste man hinter sich lassen. Strolz: Das ist eine Utopie. Rubey: Natürlich ist es utopisch. Strolz: Wenn wir Religionen abschaffen, tauchen sie in anderem Kleid wieder auf. Ich verstehe den Gedanken, aber ich bin zwischen Pragmatismus und Spiritualität zu Hause. Der Mensch hat eine spirituelle Dimension, und die wird sich immer in Organisationen zusammenfassen, auch wenn viele Rattenfänger dabei sind. Religionsgemeinschaften sind aber wichtige gesellschaftliche Akteure. STANDARD: Wie halten Sie es mit der Religion, Herr Strolz? Strolz: Ich bin ein spiritueller Mensch. STANDARD: Ist das eine Kombination aus Religion und Esoterik? Strolz: Nein, ich habe einen Gottesbegriff für mich, den ich nicht in Worte fassen kann. Rubey: Das ist doch ein bisschen das Problem der Neos, sie sind nicht greifbar. Sie wollen immer alles mit reinpacken. Strolz: Wir wollen einen verpflichtenden, überkonfessionellen Ethik- und Religionenunterricht, das ist eine klare Haltung. Rubey: Sie lassen sich nicht festnageln. Strolz: Weil Religion Privatsache ist. Sie ist nicht Teil unseres Programms. Daher hat Niko Alm mit Nudelsieb bei uns genauso Platz wie ein katholischer Kirchgänger. (Marie-Theres Egyed, Video: Maria von Usslar, 8.8.2015) Familienministerin Karmasin (ÖVP) und Regisseur Sicheritz über Bildung als Konsequenz von Geduld und korrupte Politiker. STANDARD: Frau Ministerin, haben Sie schon einmal die Serie Vorstadtweiber gesehen? Karmasin: Ich habe jede Folge gesehen, ich bin ein Fan. Nach anfänglicher Skepsis ist auch mein Mann nicht mehr davon gewichen. Zum Schluss haben sogar die Kinder mitgeschaut, was eine hohe Auszeichnung ist. Sicheritz: Es ist eine hohe Auszeichnung, das zu hören. Es wird auch meine Kollegin Sabine Derflinger, die die ersten Folgen inszeniert hat, und Programmdirektorin Kathrin Zechner, von der die Idee zum Ganzen stammt, sehr freuen. Karmasin: Es ist unterhaltsam, aber ich denke, die Serie hat auch einen tieferen Sinn. Wurde bei der Serie ein gesellschaftspolitischer Hintergrund verfolgt? Sicheritz: Ich mag mit einer Gegenfrage antworten. Gibt es irgendeine Geschichte, die keinen gesellschaftspolitischen Hintergrund hat? Karmasin: Die Frage war, ob Sie einen gewissen gesellschaftspolitischen Auftrag mit der Serie verfolgen? Sicheritz: Ich kann nur für mich sprechen. Ich habe es gerne, wenn man in meinen Filmen die Nachbarin oder sich selbst wiedererkennt. Und natürlich schimmert mein persönliches Moralgebäude durch. Wenn jemand etwas tut, was nicht in Ordnung ist, hätte ich gerne, dass es früher oder später dafür eine Strafe gibt. Karmasin: Auch eine soziale Strafe? Im Sinne von gesellschaftlicher Ächtung? Sicheritz: Das Schönste ist, wenn sich die Akteure selbst entlarven. Karmasin: Ich finde an der Serie spannend, dass Personen gezeigt werden, von denen man landläufig denkt, diese sind nachahmenswert und attraktiv. Die Frau in einer schönen Villa oder der erfolgreiche Politiker. Beim näheren Hinschauen merkt man, dass bei jedem Einzelnem der Hund drin ist, die Falschheit oder die Gemeinheit. Gesellschaftspolitisch finde ich interessant, dass diese vermeintlich attraktiven Lebenskonzepte in eine Sackgasse führen. Man sieht Frauen, die keine Ausbildung haben, vom Mann abhängig sind, aus sozialen Zwängen dort bleiben, wo sie sind, und ihre Sexualität nicht leben können. Die Serie verbreitet eine schöne Botschaft, nach dem Motto Bitte schauts doch zweimal hin. STANDARD: In der Serie kommt auch die Politik nicht besonders gut weg, Stichwort Korruption. Können solche Darstellungen zur Politikverdrossenheit beitragen? Karmasin: Dass Politiker grundsätzlich korrupt sind und eine eigene Agenda haben, das ist ebenfalls ein Stereotyp, das es leider auch in unserer Gesellschaft gibt und in dieser Serie nicht widerlegt wird. Sicheritz: Bislang nicht. Klischees kommen ja nicht von ungefähr. Karmasin: Diesen Politikertypus gibt es heute nicht mehr. Sicheritz: Ist das so? Karmasin: Zumindest gibt es diesen Politikertypus nicht mehr in der Regierung. Sicheritz: Es steht mir nicht zu, das zu beurteilen. Aber in mir entsteht der Verdacht, dass Sie in der Politik sind, weil Sie wirklich etwas verändern wollen. Stimmt das? Karmasin: Ja, ich meine es ernst, ich will etwas für die Familien in diesem Land verändern. Sicheritz: Ist dieser Zugang unter Politikern mehrheitsfähig? Karmasin: Lassen Sie es mich so sagen: Es gibt Verbündete. Sicheritz: Ich habe auch den Verdacht, dass der Anteil der Glücksritter – also Menschen, die fachlich nicht besonders sind, aber gute Netzwerke haben – in der heimischen Politik recht hoch ist. Karmasin: In der Politik geht es nicht nur um Sachkompetenz und um analytische Fähigkeiten. Es gibt ganz andere Qualitäten und Fähigkeiten, die man in der Politik haben muss, um Erfolg zu haben. STANDARD: Die da wären? Karmasin: Es gibt Mechanismen, die man als Außenstehende nicht für möglich hält. Und man benötigt sehr viel Geduld. Entscheidungen und Umsetzungen laufen oftmals langsam. Als Ministerin entscheidet man nur vermeintlich allein. In Wahrheit gibt es viele Stakeholder, deren Positionen mit berücksichtigt werden müssen. STANDARD: Viele meinen, dass die große Koalition das Land lähmt. Wie sehen Sie das? Würde in einer anderen Konstellation mehr weitergehen? Karmasin: Das kann ich nicht beurteilen. Dann würde es wohl andere Probleme geben. STANDARD: Frau Ministerin, würden Sie einer schwarz-blauen Regierung zur Verfügung stehen? Karmasin: Nein. Sicheritz: Wie geht man als Politikerin mit dem Gruppenzwang um, den es in der Parteipolitik ja zweifelsohne gibt? Karmasin: Das ist eine ambivalente Geschichte. Es ist klar, dass eine Partei mit einer einheitlichen Meinung auftreten muss. Für mich ist das vertretbar. Meine Meinung deckt sich zu 80 Prozent mit jener der ÖVP. Dennoch bin ich als Parteifreie von niemandem abhängig. STANDARD: Ist es in Ihrer Position einfacher, parteifrei zu sein? Karmasin: Manchmal denke ich mir, es wäre vielleicht leichter, nicht parteifrei zu sein. Im politischen Geschäft gibt es Lobbys und Bünde. Wenn man diese im Hintergrund hat, dann hat das durchaus Vorteile. STANDARD: Die Vorstadtweiber führen trotz aller Abgründe ein privilegiertes Leben. Besteht in Österreich in Hinblick auf Zukunftschancen ein gravierender Unterschied, ob man in finanziell bessergestellten Verhältnissen aufwächst oder eben nicht? Karmasin: Das besagen sämtliche Studien. Es geht nicht nur um Bildungschancen, sondern um tiefliegende psychologische Mechanismen, die in einem sozialen Umfeld gelernt oder genetisch übertragen werden. Geduld ist die ausschlaggebende Kompetenz. Diese Geduld ist in der Oberschicht vermutlich stärker ausgeprägt. STANDARD: Die Geduld der Eltern mit ihren Kindern? Karmasin: Ich meine, die Fähigkeit des Kindes, geduldig zu sein. Die Frage, ob ich es als Kind schaffe, meine Wünsche für eine spätere Belohnung zurückzustellen, ist entscheidend für den Bildungsweg und das Lebensglück des Kindes. Wer zum Beispiel eine Ausbildung abschließen will, braucht Geduld. Das ist ein starker psychologischer Faktor, der im Zusammenhang mit dem sozialen Umfeld steht. Bildung ist die Konsequenz dessen, dass Familien Belohnungsaufschub gelehrt haben. Sicheritz: Das setzt natürlich voraus, dass die Welt, in der man den Belohnungsaufschub lernt, zuverlässig ist. Irgendwann muss es sie dann geben, die Belohnung. Ich bin ein gutes Beispiel dafür. Ich bin ein Kreisky-Akademiker, ich wurde mit Bildungschancen belohnt. Wo ich herkomme, war es nicht vorgesehen, dass man an eine Universität geht. Das dürfte mittlerweile besser sein. STANDARD: Nach wie vor sind nur zehn Prozent der Studenten an den Universitäten sogenannte Arbeiterkinder. Sicheritz: Da sind wir noch nicht an dem Punkt, wo wir hinmüssen. Karmasin: Wie gesagt, es geht nicht nur um die Bildung der Eltern. Leider gibt es schlechte und verwahrloste Situationen, in denen Kinder aufwachsen. Deshalb ist auch der Kindergarten so wichtig. Was Frühkindpädagogik betrifft, sind wir im internationalen Vergleich schlecht aufgestellt. Wir arbeiten daran, aber leider dauert auch das sehr lange. Auch dort müssen Kinder Geduld lernen. Sicheritz: Geduld ist ein gutes Stichwort. Wie lange müssen Frauen, etwa meine Schauspielerinnen, noch warten, bis sie gleich viel bezahlt bekommen wie ihre männlichen Kollegen? Karmasin: Das ist eine multidimensionale Geschichte. Frauen gehen in Berufsfelder, die schlechter bezahlt sind, beziehungsweise werden diese Berufe schlechter bezahlt, weil dort überwiegend Frauen tätig sind. Sie machen weniger Überstunden. Zudem hat finanzielle Unabhängigkeit für Frauen noch immer nicht denselben Stellenwert wie für Männer. STANDARD: Für die Frauen oder für die Männer? Karmasin: Für die Frauen. Finanzielle Unabhängigkeit ist nicht die oberste Priorität für Frauen. STANDARD: Gibt es nicht gesellschaftliche Kräfte, die ein Interesse haben, dass diese Rollenbilder erhalten bleiben? Karmasin: Natürlich gibt es Männer, die es ganz gut finden, dass manche Bereiche ihnen allein bleiben. Es gehören zwei dazu. Die einen, die drücken, und die anderen, die es akzeptieren. Aber wie gesagt: Die finanzielle Unabhängigkeit hat für viele Frauen keine Priorität. Das Modell wird von Frauen und Männern getragen. Sicheritz: Wie viel Geduld müssen Frauen noch haben, bis sich etwas bewegt? Karmasin: Ich würde vorschlagen, dass Frauen bei Wahlen die Parteien danach bewerten, wie diese mit dieser Frage umgehen. STANDARD: Handelt die ÖVP im Sinne der Frauen? Karmasin: Es schlagen zwei Herzen in meiner Brust. Das der Politikerin und das der Unternehmerin. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Wandel, es braucht mehr Partnerschaftlichkeit im Alltag. STANDARD: Herr Sicheritz, die Vorstadtweiber machten von sich reden, weil der ORF eine Szene herausschneiden ließ – es ging um ein Wortspiel, in dem Strache als schwul bezeichnet wurde. Kommt Zensur öfters vor? Sicheritz: Bei den Produktionen, die mich der ORF machen lässt, kommt Zensur eigentlich nie vor. In besagter Szene wurde über Herrn Strache letztlich das Gegenteil behauptet. In der Rechtsabteilung des ORF ist dennoch jemand nervös geworden. Dass das Entfernen der Szene dann nicht ganz gelungen ist, finde ich hochkomödiantisch. Ich bin allerdings kein Freund der plumpen Polemik. Man kann Gesellschaftskritik auch betreiben, ohne Namen zu nennen. STANDARD: Herr Sicheritz, wenn Sie Regie führen könnten im Arbeitsalltag der Frau Ministerin, was würden Sie dann machen? Sicheritz: Zuerst müsste ich sie einmal lang beobachten, weil ich keine Ahnung habe vom Alltag einer Familienministerin. STANDARD: Frau Ministerin, könnten Sie einen Film drehen, wie würde dieser dann heißen? Karmasin: Tatsächlich denke ich über ein Buch nach. Es heißt Inside Politics. Die grüne Chefin und der Skiverband-Präsident streiten über Klimawandel, den Umgang mit Damen und homophobe Ansichten. STANDARD: Sie sind gerade zurück vom Fischen in Kanadas Wildnis. War das ein kompletter Selbstversorgertrip? Schröcksnadel: Teilweise. Dort herrscht jedenfalls noch Natur pur, das gibt es in Österreich nicht mehr. Ich hab dort sogar einen Grizzly mit 600 Kilo getroffen. Glawischnig: Aber Sie würden einen Bären nicht ernsthaft erschießen? Schröcksnadel: Na sicher nicht (zeigt seinen Schnappschuss her)! STANDARD: Aus Ihrer Sicht also ein ökologisch korrekter Urlaub? Glawischnig: Das klingt nachhaltig, abgesehen vom Flug natürlich. Schröcksnadel: Also, ob ich da jetzt im Flieger drin sitze oder nicht: Das wird die Ökologie auch nicht retten Glawischnig: Man könnte die Sommer genauso gut in Niederösterreich verbringen. Wir haben dort am Schotterteich gefischt. Schröcksnadel: Das war sicher artificial fishing. Das hat nichts zu tun mit einem echten Naturerlebnis. Glawischnig: Natürlich haben wir einige sehr schöne Spiegelkarpfen wieder ausgesetzt. STANDARD: Obwohl wir noch im Rekordsommer stecken: Geht für Sie der Nationalsport der Österreicher, das heute oft mit Schneekanonen gesicherte Schifoan, mit dem Umweltschutz zusammen? Glawischnig: Prinzipiell ja. Aber aus Sicht der Grünen sollte man nicht aus jedem Skigebiet alles herausholen, nur um den Profit der Betreiber zu erhöhen. Gerade in Österreich sind wir ja mit extremer Klimaerwärmung konfrontiert. Schröcksnadel: Da bin ich anderer Meinung. Seit 1989 sammle ich, was zum angeblich drohenden Klimakollaps veröffentlicht wird (packt ein Dossier auf den Tisch). Glawischnig: Sie sagen mir jetzt aber nicht, dass an der Erwärmung die Ufos schuld sind? Schröcksnadel: Geh bitte! Schauen Sie: Im Spiegel hat ein Meteorologe vom Max-Planck-Institut festgestellt, dass es in den letzten 15 Jahren nicht viel wärmer geworden ist. In Österreich wird mit der Klimaveränderung Angst geschürt – und bei den Grünen hat das System. Die Reden davon, dass es unter tausend Metern bald keinen Schnee mehr gibt, sind Märchen. Laut Zentralanstalt ist es am Hahnenkamm im letzten Jahrzehnt im Winter im Schnitt sogar zwei Grad kälter geworden. Glawischnig: Da verlasse ich mich lieber auf die Daten des internationalen UN-Klimakomitees. Über tausend Wissenschafter belegen eindrucksvoll, dass wir in den letzten eineinhalb Jahrzehnten eine höhere Klimaerwärmung als unsere Nachbarstaaten haben. Und dafür verantwortlich ist die erhöhte CO2-Konzentration. STANDARD: Ihre Partei will bis 2030 die CO2-Emissionen halbieren. Was halten Sie von den Tempolimits auf den Autobahnen in den Bundesländern, wo die Grünen mitregieren? Schröcksnadel: Dagegen hab ich überhaupt nichts. Die sind mir wurscht. In Amerika sind ja auch überall nur 70, 80 Meilen pro Stunde erlaubt. Glawischnig: Jeder dieser Hunderter hat einen Hintergrund: Damit haben wir in Tirol die rund 200.000 Müll- und Schrott-Lkws im Jahr von den Autobahnen weggebracht. Schröcksnadel: Trotzdem erinnert mich das ewige Warnen auch an das Waldsterben. Wenn man in den Achtzigern gesagt hätte, der Wald ist krank, okay. Aber man hat gesagt, der Wald stirbt. Aber auch das war übertrieben: Wir haben heute um 30 Prozent mehr Wald als früher. Glawischnig: Das Waldsterben ist nicht eingetreten, weil wir in Österreich Schwefeldioxid-Filtertechnologien für Industrieanlagen entwickelt haben, die heute in die ganze Welt exportiert werden. STANDARD: Im Disput mit Skirennläuferin Anna Fenninger rund um ihre anvisierte Kampagne mit Mercedes haben Sie festgehalten, dass die Sprache der Frau eine andere ist als die des Mannes. Wovon sprachen Sie da? Schröcksnadel: Wir haben in unse- rer Nationalmannschaft binnen kurzer Zeit fünf Skirennläuferinnen verloren – und zwar, weil die Trainer mit den Damen nicht richtig umgehen. Glawischnig: Aber Sie haben dazu eine Einstellung wie Frank Stronach: Frauen sind Menschen wie wir. Haben Sie dazu jetzt auch eine Studie mit? Schröcksnadel: Wenn ich wirklich so ein Macho wäre, wüsste ich das nicht: Das Ganze hat sehr viel mit der Sprache zu tun – und deswegen brauchen wir jetzt auch eine eigene Ausbildung für die Trainer. Wenn da heute ein Coach zu einer Athletin sagt: Du fahrst wie eine Gurkn obi und reißt so nix! – dann ist die fertig. Glawischnig: Ich bezweifle stark, dass derartige Abwertungen modernen Trainingsmethoden entsprechen – und ich bezweifle auch, dass das Burschen motiviert. Mich hat es jedenfalls sehr berührt, wie Anna Fenninger erklärt hat, dass man sich als Frau im ÖSV so viel gefallen lassen muss. Schröcksnadel: Aber warum ist die Anna dann im Verband groß geworden? Ganz einfach: weil wir sie unterstützt und groß gemacht haben! Glawischnig: Sätze wie diese stoßen mir sauer auf. Sie sollten ein bisschen bescheidener sein. Die Leistung erbringt immer noch die Sportlerin. Wenn sie eine falsche Bewegung macht am Hang, dann ist sie weg. Schröcksnadel: Bitte, ich habe in den Neunzigerjahren den Damenrennsport gerettet, als ihn die FIS einstellen wollte. Da bin ich als Einziger aufgestanden und hab gesagt, das geht nicht – und mich damit auch durchgesetzt. Glawischnig: Das ist doch Ihre Aufgabe als Präsident, wenn man öffentliche Förderungen kriegt. Das Ganze erinnert mich an diesen Witz: Karajan und Bernstein streiten, wer der beste Dirigent ist. Sagt Bernstein: Gott hat mir gesagt, ich bin der Beste! Darauf meint Karajan: Was soll ich bitte gesagt haben? Und das ist auch Ihre patriarchale Attitüde: Sie wollen der Retter der Frauen sein! Schröcksnadel: Ich bin für ab- solute Gleichberechtigung: gleiche Leistung, gleiches Geld. Aber Frauen sind trotzdem andere Wesen. STANDARD: Trotz alledem gibt es im ÖSV seit jeher viele große Töchter. Wie kommt es, dass bei der letzten WM in Beaver Creek bei Siegerehrungen die alte Bundeshymne abgesungen wurde? Schröcksnadel: Das ist nicht von uns ausgegangen – und somit ist das Thema für mich erledigt. Wir spielen das, was gesetzlich vorgeschrieben ist. Aber ich muss sagen, es klingt etwas holprig. Glawischnig: Wir haben es schriftlich, dass es der Wunsch des Skiverbands war, die alte Hymne zu singen. Aber lassen Sie uns die Neue doch versuchen (setzt an). Schröcksnadel: Haben wir keine anderen Sorgen! Viel notwendiger wäre, dass den Flüchtlingen aus Kriegsgebieten bei uns geholfen wird – und dass vor Ort die Probleme gelöst werden, damit Menschen erst gar nicht ihre Heimat verlassen müssen. Glawischnig: Bei den Töchtern werden wir uns nicht einig. Aber in der Frage des Umgangs mit Flüchtlingen stehen wir offenbar mit Skirennläufer Marcel Hirscher auf der Seite der Menschlichkeit. Das freut mich. Vielleicht können wir der Regierung gemeinsam Mut machen. STANDARD: Wäre eine grüne Regierungsbeteiligung eine schöne oder triste Aussicht für Sie? Schröcksnadel: Fest steht: Ihr habts mit Sport net viel am Hut. Sport kommt bei euch fast nicht vor. Was ist mit Sport ab dem Kindergarten und in allen Schulstufen? Glawischnig: In un-serem Programm gibt es sehr wohl die tägliche Turnstunde für Kinder – bis hin zum Sport als Gesundheitsprävention für die Senioren. Aber worauf wir wohl mehr Wert legen würden, wäre, dass mehr Transparenz bei den Fördergeldern für den Sport herrscht, siehe etwa die WM 2013 in Schladming, die die Steiermark mit 141 Millionen gesponsert hat. Das hat alles ja auch der Rechnungshof eingemahnt. Schröcksnadel: Das ist alles völlig falsch und gesteuert! Wir werden ja gar nicht geprüft. Denn der ÖSV bringt als privates Unternehmen Weltmeisterschaften nach Österreich, und deswegen machen wir auch die Veranstaltungen. Die Gelder werden aber ausschließlich in die Infrastruktur vor Ort investiert, etwa in Straßen, Seilbahnen, Kongresszentren. Wir kriegen die Gelder nicht! Wir sorgen aber für eine Wertschöpfung von 440 Millionen pro Jahr. Glawischnig: Aber die Transparenz ist nicht gegeben – und das in Zeiten des Sparkurses, wo jeder Steuerschilling bei Großereignissen dreimal umgedreht werden müsste. STANDARD: Stichwort Großereignisse: Nachdem Präsident Wladimir Putin die Olympischen Spiele in Sotschi ausgerichtet hat, überfiel Russland quasi die Krim. Sollten derartige Veranstaltungen künftig nicht besser ausnahmslos in gefestigten Demokratien stattfinden? Glawischnig: Das Schlimmste ist für mich die Fußball-WM, die 2022 in Katar stattfinden soll. Dort werden täglich Tote aus den Baustellen hinausgetragen. Nie im Leben würde ich da als Regierungsmitglied hinfahren. Im Gegenteil: Ich bin für eine Neuvergabe dieser Spiele. Schröcksnadel: Man darf das alles aber nicht an den Athleten auslassen. Der Politiker soll aus Protest fernbleiben, aber es darf nicht um die Sportler gehen, die darauf hintrainieren. Aber noch zu Ihren Vorhalten, dass ich rund um Putins umstrittene Gesetze homophobe Aussagen getätigt hätte: Das Einzige, was ich dazu festgehalten habe, ist, dass mir generell Werbung für Familien lieber ist. Glawischnig: Verheiratete Schwule und Lesben sind für Sie keine Familien? Schröcksnadel: Doch. Aber nur in Hetero-Familien entsteht Nachwuchs. Glawischnig: Damit treffen Sie eine Wertung – und gerade als Präsident des Skiverbandes sollten Sie gegen Diskriminierung auftreten. Schröcksnadel: Stimmt – und deshalb haben wir auch mitgeholfen, die Hochzeit von unserer Skispringerin Daniela Iraschko-Stolz auszurichten. STANDARD: Nach der Wiener Wahl steht der Kampf um die Hofburg an. Wann steht bei Ihnen die Entscheidung, ob Ex-Parteichef Alexander Van der Bellen als Kandidat antritt? Glawischnig: Die Vorbereitungen laufen. Aber wir haben noch Zeit bis zur Entscheidung. Sie könnten da jetzt übrigens etwas gutmachen. Sie haben sich ja einst in Personenkomitees für ÖVP-Kandidaten starkgemacht – wie etwa Benita Ferrero-Waldner. Schröcksnadel: Den Van der Bellen schätze ich jedenfalls sehr. Aber sehen Sie: Wenn ich so gegen Frauen wäre, hätte ich Ferrero-Waldner doch nie unterstützt. Rapperin Yasmin Hafedh alias Yasmo spricht mit Justizminister Wolfgang Brandstetter über zerstörerische Erziehung und Angst vor Polizisten. STANDARD: Sie haben im Vorzimmer Ihres Büros eine Jukebox stehen. Hat sich schon einmal eine Hip-Hop-Platte hineinverirrt? Brandstetter: Nein, die müsste ich mir erst besorgen. Wobei mir ja bis heute niemand erklären konnte, was Hip-Hop eigentlich genau bedeutet. Jedenfalls ist es eine Kunstform, die der Jugend die Möglichkeit gibt, sich auszudrücken. Ich bin ja alt genug und habe noch Hans Hölzel alias Falco gekannt, der hat ja damit angefangen. Von ihm habe ich auch Platten, aber hauptsächlich solche mit Popmusik der 50er- bis 70er-Jahre. STANDARD: Nicht gerade das, was man als Rapperin hört, oder? Hafedh: Na ja, dem Soul der 50er- und 60er-Jahre werden viele Beats entnommen als Grundlage für Hip-Hop-Songs. Und Falco war auf jeden Fall der erste österreichische Rapper, das würde ich unterschreiben. STANDARD: Ihre eigene Musik ist oft gesellschaftskritisch. Welche Ungerechtigkeiten begegnen Ihnen im Alltag, die Sie darin verarbeiten? Hafedh: In erster Linie: Ich bin eine Frau. Noch dazu eine, die Hip-Hop macht – also Sexismus hoch zwei. Damit setze ich mich intensiv auseinander. Andere Themen, die mich oder mein Umfeld betreffen, sind Vorurteile gegen Menschen mit Migrationshintergrund und Multikulturalität oder auch Rassismen. Alles Sachen, die wir nicht mehr haben sollten im 21. Jahrhundert. STANDARD: Ist die soziale Herkunft noch immer der entscheidende Faktor, ob jemand kriminell oder erfolgreich wird? Brandstetter: Viel hängt davon ab, ob junge Menschen die Chance haben, sich zu entfalten. Darum ist es ja so katastrophal, wenn durch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen die Jugend weniger Chancen hat, als sie haben könnte. Wir sehen das immer wieder bei der Jugendkriminalität. Es gibt viele Phänomene, die sich durch die ökonomischen Rahmenbedingungen erklären. Hafedh: Ich gebe Workshops an Schulen und in Jugendzentren – kreatives Schreiben und Rappen –, und was mir dabei auffällt: Erwachsene vergessen oft, Jugendliche ernst zu nehmen. In den inneren Wiener Bezirken höre ich immer nur, wie die Schüler gelobt werden. Außerhalb des Gürtels scheint es eine Grenze in den Köpfen der Lehrer zu geben. Die warnen mich dann oft vor ein paar vermeintlich Schlimmen, die man nicht ernst nehmen soll. Brandstetter: Da steckt viel Wahres drin. Man soll brav sein nicht mit Angepasstheit verwechseln. Erziehung kann auch ein Zerstörungsprozess sein. STANDARD: Sitzen zu viele Jugendliche im Gefängnis? Hafedh: Oft ist es bei Jugendlichen nur das Spielen mit der Vorstellung von kriminellem Verhalten, das sie aus den Medien kennen. Wenn Jugendliche tatsächlich kriminell werden, muss man sich mit ihnen zusammensetzen und nicht sofort sagen: Wir sperren dich jetzt weg von der Gesellschaft, wir wollen von dir nichts mehr wissen. Man muss mit diesen Leuten arbeiten und ihnen helfen. Brandstetter: Wir haben schon einiges gemacht, um die Untersuchungshaft bei Jugendlichen durch Alternativen zu ersetzen. Jetzt gerade ist die Novelle des Jugendgerichtsgesetzes in Begutachtung. Jugendliche Ersttäter in U-Haft zu stecken kann nur das allerletzte Mittel sein. Es gibt aber auch Fälle, die leider schon früh in ein derart kriminelles Milieu abgerutscht sind, da wirds schwierig. Wir haben auch neue Kriminalitätsphänomene, die das betrifft – im Bereich Jihadismus und bei Personen, die verdächtigt werden, Terrorismus zu unterstützen. Hafedh: Und ab wann ist der Jugendliche ein verlorener? Sie sagen ja im Prinzip, es gibt welche, bei denen es keinen Sinn mehr macht. Brandstetter: Es gibt schwere Fälle, in denen Jugendliche in kriminelle Organisationen integriert sind. Natürlich versucht man, denen zu helfen. Aber da ist es viel schwieriger als bei jemandem, der als Einzelperson einmal vorläufig gescheitert ist. STANDARD: Gibt es für den geplanten Gefängnisneubau im Raum Wien schon einen zeitlichen Fahrplan und einen Standort? Brandstetter: Derzeit ist nicht einmal der fixfertig geplante Zubau der Justizanstalt für Jugendliche in Gerasdorf, wo der Spatenstich im Juni erfolgen hätte sollen, realisierbar, weil ich mich erst mit dem Finanzministerium über die Budgetfrage einigen muss. Da ist klar, dass auch der Neubau noch länger dauern wird. Planungen und konstruktive Gespräche laufen aber. STANDARD: Als jemand, dessen Ausdrucksform die Sprache ist: Was fällt Ihnen an der Ausdrucksweise von Politikern besonders auf? Hafedh: Politiker können auf jeden Fall reden. Man merkt, dass sie in einen Rhetorikkurs gegangen sind – meistens. (lacht) Brandstetter: Ich hatte keinen. Hafedh: Ein Naturtalent. STANDARD: Wünscht man sich von Politikern manchmal klarere Ansagen? Hafedh: Natürlich. Sonst muss man zwischen den Zeilen lesen oder sich einen Satz raussuchen, wo man sich denkt, aha, das ist jetzt die eigentliche Aussage. Brandstetter: Dass jemand reden kann, heißt nicht, dass er auch was zu sagen hat. Das gefällt mir am Poetry-Slam: eine Ausdrucksform, die nicht nur vom Wort lebt, sondern auch von der Darstellung und davon, eine Idee auf den Punkt zu bringen. Hafedh: Machen Sie mal mit. Fünf Minuten Zeit für eigene Texte. Brandstetter: Na ja, ich habe früher Theater gespielt, so ist es nicht. STANDARD: Im Reimen versuchen sich ja einige Politiker. Gibts auch eigene Ausflüge ins Literarische? Brandstetter: In meiner Jugend habe ich die eine oder andere Kabarettnummer geschrieben, die wurden auch aufgeführt. Aber das wäre heute nicht mehr salonfähig. (lacht) STANDARD: In Traiskirchen wird gegen Menschenrechte verstoßen. Wünscht man sich von der Regierung auch klarere Worte zum Umgang mit Flüchtlingen? Hafedh: Was das betrifft, sind mir die Worte egal, da möchte ich sehr bald Taten sehen. Es wird sehr viel herumgeredet, man zeigt sein Mitgefühl, aber passieren tut nicht wirklich etwas. Wir sind an einem Punkt, an dem man andenken sollte, die Grenzen zu öffnen und humanitäre Visa auszustellen. STANDARD: Geht es um konkrete Maßnahmen, sind schnell Verschärfungen gegen Schlepper bei der Hand. Werden die Ursachen der Schlepperei vernachlässigt? Brandstetter: Das Gesamtproblem geht weit über das hinaus, was Österreich allein bewirken kann. Bei den Schleppern tun wir wirklich einiges, und zwar erfolgreich, wir verschärfen die Vorgehensweise. Aber das Problem wird dadurch nicht gelöst. Und je länger es dauert, Lösungen zu finden, desto stärker wird der Populismus. Es kann nicht sein, dass Österreich der Teschek der EU ist. In einer funktionierenden Solidargemeinschaft soll niemand der Teschek sein. Es ist ein europäisches Problem und kann nur auf europäischer Ebene gelöst werden. STANDARD: Würden Sie einer Regierung mit FPÖ-Beteiligung als Minister zur Verfügung stehen? Brandstetter: Ich fühle mich in der jetzigen Konstellation sehr wohl, habe meinen Bereich, in dem ich etwas weiterbringen kann. Alle anderen Fragen stellen sich für mich nicht. STANDARD: Kein klares Nein? Brandstetter: Wie gesagt, ich gehe davon aus, dass sich die Frage für mich nie stellen wird. STANDARD: Frau Hafedh, Sie haben einmal gesagt, die Repression in Wien ist ein Wahnsinn. Was heißt das? Hafedh: Ich finde Gewalt in jeder Form indiskutabel. Aber was allein im letzten Jahr in Wien passiert ist mit der Polizei, ist wirklich ein Wahnsinn. 870.000 Euro kostet der Einsatz, um ein von 20 Punks besetztes Haus räumen zu lassen (die Pizzeria Anarchia, Anm.). Dann die Geschichte mit Josef S. und der Demonstration gegen den Akademikerball. Ich bin nicht damit einverstanden, dass dieser Ball in der Hofburg stattfindet und muss ein Zeichen setzen. Ich gehe hin und denke, es könnte jederzeit eskalieren, und zwar nicht auf der Seite der Demonstranten. Brandstetter: Tatsache ist, der Polizeieinsatz muss auf sauberer rechtlicher Grundlage erfolgen. Die kann immer kritisch hinterfragt werden, wie im Fall Josef S. – und das hatte ja auch Konsequenzen. Es ist gut, dass wir den Paragrafen zum Landfriedensbruch eingeschränkt haben. Tatsache ist aber auch, dass es gewaltbereite Aktivisten gibt. Hafedh: Aber auch gewaltbereite Polizisten. Brandstetter: Man muss schon sehen, dass die Gewalt nicht aus dem Blitzblauen herauskommt. Es gibt gewaltbereite Gruppen, die Demonstrationsteilnehmer in Geiselhaft nehmen. Sie instrumentalisieren friedliche Demonstrationen, weil sie dort die Sau rauslassen können. Es ist für die Polizei nicht immer leicht, zwischen den Gruppen zu unterscheiden. Hafedh: Wenn bei einer Pegida-Demo die Gegendemonstranten gekesselt werden, und ein paar Meter weiter stehen Leute und machen den Hitlergruß – wo kommen wir denn da hin? Die Polizei ist ein Organ des Staates, das die Sicherheit der Bürger gewährleisten soll. Wenn man sich als Bürger vor diesen Leuten fürchten muss, dann ist das ein Problem. Brandstetter: Sie können sicher sein, wenn sich heute jemand wiederbetätigt, sei es auch nur verbal, dann gibt es eine scharfe strafrechtliche Sanktion. Zum Einzelfall kann ich nichts sagen, weil ich den Ablauf nicht kenne. Wir sind zuständig für die Rechtsgrundlage, auf der die Polizei agiert. Und die baut darauf auf, dass eine Demonstration friedlich abzulaufen hat. Wer das stört und seine Gewaltbereitschaft ausleben will, der gehört verfolgt. Wir haben zu viel Gewalt auf der Straße – und zu viel Hass in den Medien. Deshalb wurde beim Landfriedensbruch zurückgenommen und bei der Verhetzung nachgeschärft. STANDARD: Ist bei Hasspostings eine strafrechtliche Verschärfung überhaupt die richtige Antwort, wäre nicht eine gesellschaftliche Sensibilisierung wichtiger? Brandstetter: Dass man auf sozioökonomischer Ebene und mit Soft Skills entgegenwirken muss, ist natürlich klar. Aber wenn man die Möglichkeit zur strafrechtlichen Verfolgung hat, dann ist das von Vorteil. Diese Tatbestände, vor allem der neu geschaffene des Cybermobbings, sind notwendig und wichtig. Eine Studie belegt erneut die schauderhaften Gräueltaten in heimischen Kinderheimen. Politische Konsequenzen werden daraus nicht gezogen. Am Montag haben die Länder Vorarlberg und Tirol eine Studie veröffentlicht. In der wird aufgearbeitet, was jeder, der sich mit dem Thema auseinandersetzt – oder die Publikation Im Namen der Ordnung des Tiroler Historikers Horst Schreiber aus dem Jahr 2010 gelesen hat –, auch schon zuvor wusste: Die Heimgeschichte Westösterreichs ist zum Schaudern. Viele Kinder, die in staatliche Fürsorge gerieten, wurden geschlagen, misshandelt, gefoltert, vergewaltigt und ausgebeutet. Durch die aktuelle Forschungsarbeit haben die beiden Länder dies nun auch hochoffiziell schriftlich bekundet. Die zuständigen Soziallandesrätinnen zeigen sich betroffen. Bei der Pressekonferenz hat man sich nochmals entschuldigt. So grausam alles ist und kaum zu fassen, politische Konsequenzen werden aus der Studie dennoch nicht gezogen. Alle bisher öffentlich gewordenen Taten, die Opfer schildern, liegen einige Zeit zurück. Das Land müsste auf die Verjährung verzichten, damit die Betroffenen ihre Rechte gerichtlich durchsetzen können. Das hat man weder in Vorarlberg noch in Tirol vor. Der Grund dafür wird nicht gern genannt: Die Gräueltaten kämen die Länder teuer zu stehen. Die Opposition sei über die Tiroler Regierung empört: Sozialdemokraten und Freiheitliche pochen erneut auf einen Verjährungsverzicht. Die Angst vor Schadenersatzzahlungen darf nicht auf Kosten der Opfer gehen. Oft brauchen sie Jahre, bis sie überhaupt in der Lage sind, über das ihnen angetane Unrecht zu sprechen geschweige denn dagegen vorzugehen, wird Gerhard Reheis, Klubchef der Tiroler SPÖ, in einer aktuellen Aussendung zitiert. Man kann nur versuchen, sich in die Situation eines ehemaligen Heimkindes zu versetzen. Wie fühlt es sich an, wenn man die Qualen aus der Kindheit wieder und wieder und wieder erzählen muss – der Kommission des Landes, der Kirche, den Beamten, Politikern, der Staatsanwaltschaft, Journalisten –, weil sich einfach nichts tut. Das Ergebnis steht im Grunde fast nie dafür, sagen Opfer. Ein paar tausend Euro ist ein verpfuschtes Leben den Zuständigen wert. Die Argumentation ist dann oft: Kein Geld der Welt kann das, was passiert ist, ungeschehen machen. Der selbst Betroffene und Opferaktivist Erwin Aschenwald formuliert es so: Ein Unschuldiger verliert bei einem Autounfall ein Bein, der Täter begeht Fahrerflucht. Man macht ihn ausfindig. Dann wird dem Opfer gesagt, dass ihm das Bein aber doch ohnehin nicht zurückgegeben werden kann und der Geschädigte deshalb keinen Prozess und kein Geld bekommt. Wie würden wir da reagieren? Es stimmt: Kein Geld der Welt kann das, was passiert ist, ungeschehen machen. Sehr wohl kann es aber Menschen, die nie die Möglichkeit bekamen, einen Schulabschluss oder eine Ausbildung zu erlangen, die ihr halbes Leben mit der Aufarbeitung ihrer Kindheit zu kämpfen hatten, den Schritt in eine sorglose Zukunft erleichtern. Der angekündigte Umbau des Landtagsklubs schreitet zäh voran, in der Stadt ist kein logischer Nachfolger für Bürgermeister Schaden in Sicht. Er hat ein bisserl warten müssen, aber im Dezember dürfte er den Sprung in den Landtag schaffen: Tarik Mete, 28 Jahre alt und eine der wenigen echten Nachwuchshoffnungen der Salzburger SPÖ. Der rote Jungstar mit türkischen Wurzeln, der bei der Landtagswahl 2013 immerhin 1.800 Vorzugsstimmen erreichte, soll das Mandat von Nicole Solarz (34) übernehmen, die in Karenz gehen wird. Derzeit ist Mete als Assistent des Obmanns bei der Salzburger Gebietskrankenkasse beschäftigt. Landesparteiobmann und Landtagsklubobmann Walter Steidl bestätigt im STANDARD-Gespräch entsprechende Pläne. Damit sei der zweite personalpolitische Parteivorstandsbeschluss umgesetzt, sagt Steidl. Dieser habe Metes Karriere betroffen, der andere den Bezirk Lungau. Nach dem aus privaten Gründen erfolgten Rückzug des Schwarzacher Bürgermeisters Andreas Haitzer aus dem Landtag ist der 1972 geborene Bürgermeister von St. Margarethen, Gerd Brand, nachgerückt. Der von Steidl bald nach der Wahl 2013 angekündigte Umbau des Landtagsklubs schreitet mit dem Nachrücken Metes nun zwar voran, allerdings zäh. Die lange Zeit als Ablösekandidatin gehandelte zweite Landtagspräsidentin Gudrun Mosler-Törnström (59) wird wohl bis zur nächsten Wahl bleiben. Offen ist, ob die Landesgeschäftsführerin des ÖGB, Heidi Hirschbichler (56), sich früher aus dem Landtag zurückzieht. Mittelfristig ist für die Sozialdemokraten an der Salzach freilich die Frage wesentlich bedeutsamer, wer Langzeitbürgermeister Heinz Schaden nachfolgen soll. Schaden ist seit 1992 Mitglied der Stadtregierung und seit 1999 Bürgermeister. Der 61-Jährige hat wiederholt angekündigt, bei der Bürgermeister- und Gemeinderatswahl im März 2019 nicht mehr anzutreten. Eine Entscheidung über seine Nachfolge als SPÖ-Spitzenkandidat dürfte aber schon im März 2018 fallen. Zumindest ein Jahr sollte der oder die Neue Zeit haben, sich in der Öffentlichkeit zu positionieren. Parteiintern warnen jedenfalls jetzt schon einige vor einem Stingl-Schicksal. Gemeint ist die Grazer SPÖ, die nach dem Abtritt von Bürgermeister Alfred Stingl 2003 nicht mehr richtig in die Gänge kam und bei den Wahlen 2012 nur mehr am dritten Platz hinter ÖVP und KPÖ, knapp vor der FPÖ, gelandet ist. Tritt Schaden ein Jahr (oder kürzer) vor dem Wahltermin zurück, wird übrigens keine Extra-Bürgermeisterdirektwahl durch das Wahlvolk notwendig, und der Gemeinderat wählt seinen Nachfolger. Hier hätte dann ein von der SPÖ nominierter Kandidat einigermaßen intakte Chancen, von SPÖ und Bürgerliste gewählt zu werden. Die SPÖ könnte dann sogar mit einem amtierenden Bürgermeister respektive einer Bürgermeisterin in die Wahl starten. Hierarchisch formal ist Anja Hagenauer (46) die logische Nachfolgerin von Schaden. Sie ist seit den Wahlen 2014 Vizebürgermeisterin. Ambitionen auf das Amt werden von Parteifreunden freilich auch zwei Männern nachgesagt. Bernhard Auinger (41) ist Betriebsratsvorsitzender der Porsche-Holding und SPÖ-Klubobmann im Gemeinderat. Der Dritte im Bund ist Michael Wanner (51), Leiter des Bauhofs im Magistrat und Parteivorsitzender der Stadt-SPÖ. Offiziell spricht keiner der drei Genannten über mögliche Ambitionen auf die Schaden-Nachfolge. Im Gegenteil, man spielt Polit-Mikado. Wer sich als Erster bewegt, der verliert. Landeshauptmann Günther Platter hat wilde Jahre hinter sich: In seiner Jugend war er Teil einer Psychedelic-Rockband. Heute zieht er musizierend durchs Land – und steckt damit Kollegen an. Der Rockstar steckt sichtlich noch immer in ihm: Günther an der Gitarre, das Spielbein wippt lässig im Takt, zum Refrain reckt er einen Arm in die Höhe – die Menge tobt. Selbst Andrä, der sich schon auf sämtlichen europäischen Bühnen bewährt hat, geht neben ihm unter. Günther ist der Mann am Mikrofon. Während der instrumentalen Einlage lächelt er verschmitzt. Er weiß, das Publikum liebt ihn. Die meisten werden es schon vermutet haben: Es geht um Tirols Landeshauptmann. Die beschriebene Szene hat sich im Mai am Zillertaler Gauder-Fest ereignet. Gemeinsam mit Landsmann und Umweltminister Andrä Rupprechter performte Günther Platter dort den alpinen Evergreen Dem Land Tirol die Treue. In seiner Heimat ist der Landeschef für seine musikalische Ader bekannt. Ein Fest, auf dem Platter nicht die Gitarre zückt, war keines. Tirols erster Mann überzeugt allerdings nicht nur mit klangvollen Einlagen, sondern immer wieder auch Kollegen zum gemeinsamen Konzertieren. Neben Rupprechter ist der ehemalige Wissenschaftsminister Karlheinz Töchterle (seines Zeichens begnadeter Trompeter) ein beliebter Tourbegleiter. Als heimatverbundenen Troubadour kann Platter aber nur abtun, wer über dessen wilde Jahre nicht informiert ist. Anfang der Siebziger war der adoleszente Günther Teil einer Rockband, die dem Genre Psychedelic zugeordnet wird. Satisfaction of the Night nannte sich die vierköpfige Truppe, der auch der spätere Tiroler Kapellmeister und Komponist Hermann Delago (der Vater von Manu Delago) angehörte. Im Repertoire hatten die Jungs unter anderem einige Nummern von Pink Floyd – womit sie die Jugend des Oberlandes zum Kreischen gebracht, jedoch ihre Eltern in die Verzweiflung getrieben haben sollen. (Dieser Link führt Sie zu mehr Bandfotos und einer Coverversion von The Nile Song, Platter singend und an der Gitarre, live 1972.) So richtig unzivilisiert war die Gruppe aber wohl nicht: Wir wurden als harte Band bezeichnet, dabei waren wir eigentlich ganz brave Buben, die im Dorfcafé Kuchen gegessen und Erdbeermilch getrunken haben, schreibt Delago auf seiner Homepage. Auch Drogen sollen trotz Post-Hippie-Ära keine im Spiel gewesen sein. Vor nicht allzu langer Zeit ließ Platter seiner alten Leidenschaft noch einmal öffentlich freien Lauf. Gemeinsam mit Tirols zweitbeliebtester Rockröhre und Song-Contest-Fail Nadine Beiler bot er im Jahr 2011 für Tirol heute-Zuseher Proud Mary von Ike und Tina Turner dar. Schwarz-Grün rockt, sagte Platter vor rund eineinhalb Jahren in einem Interview mit der Tiroler Tageszeitung – vielleicht im Wissen, dass er das im Notfall auch allein tut. Mit der Atomisierung des Teams Stronach wird auch die Mehrheit der Landesregierung immer schmäler. ÖVP und Grüne wollen dennoch bis 2018 durchhalten. Die diversen Spindoktoren und Parteistrategen der Salzburger ÖVP und der Grünen haben derzeit alle Hände voll zu tun. Gebetsmühlenartig wiederholen sie das neue Mantra der schwarz-grünen Koalition: Die Regierung ist stabil. Die Regierung hat eine Mehrheit. Wahlweise ist auch noch zu hören: Es gibt eine stabile Regierung mit Mehrheit. Tatsächlich sind die Verhältnisse ganz und gar nicht so klar, wie das die Presseabteilungen von Schwarz und Grün gern darstellen. Um gemeinsam regieren zu können, brauchten nach den im Zuge des Spekulationsskandals vorgezogenen Landtagswahlen im Jahr 2013 ÖVP und Grüne (elf beziehungsweise sieben Mandate) einen dritten Partner. Der war mit dem Team Stronach (drei Mandate) auch schnell gefunden. Somit konnte eine Dreierkoalition gebildet werden, die sich auf 21 der 36 Landtagssitze stützt. Seit vergangener Woche hat sich aber das Team Stronach de facto in alle Bestandteile zerlegt. Den Anfang machte Ex-Profi-Fußballer Otto Konrad, der wegen des aus persönlichen Eitelkeiten resultierenden Dauerstreits zwischen Stronach-Klubobmann Helmut Naderer (vormals FPÖ, danach BZÖ) und Landesrat Hans Mayr (vormals ÖVP-Bürgermeister in Goldegg) die Landtagsfraktion verließ. Jetzt ist Konrad parteifreier Mandatar, hat aber doch irgendwie beim ÖVP-Klub angedockt. Auch Landesrat Mayr hat seine Partei inzwischen verlassen und will als wildes (sprich: parteifreies) Regierungsmitglied weitermachen. Als Landesrat (Wohnbau und Verkehr) ist er ohne Fraktion und in der Regierung auf das Wohlwollen der zwei großen Parteien angewiesen. Lame Duck würde man so etwas anderenorts wohl nennen. Die Situation im Landtag ist nun – kurz gefasst – folgende: Sollten die zwei verbliebenen Stronach-Leute gegen die Regierung stimmen, ist Konrad der einzige Garant für die Mehrheit von Schwarz-Grün. Als Konrad (aufgrund eines Terminversehens) neulich bei den Ausschussberatungen in Sachen Budget 2016 fehlte, war die Regierungsmehrheit plötzlich dahin. Auch wenn die Stronach-Mandatare vorerst Treue gelobt haben: Stabil sieht anders aus. Immerhin hat Naderer wiederholt den politischen Kopf seines ehemaligen Parteifreundes gefordert. Folgerichtig fragt auch die oppositionelle SPÖ, ob Naderer nun Mayr in der Regierung stützen werde oder eben nicht? Hilfreich für Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) und seine Stellvertreterin Astrid Rössler (Grüne) ist freilich, dass auch die Opposition schwächelt. Die FPÖ hat nach der Abspaltung der Truppe von Karl Schnell, dem fünf Mandatare gefolgt sind, nur noch einen Landtagssitz. Trotz des blauen Chaos ist die FPÖ derzeit die einzige Partei, die offensiv Neuwahlen fordert. Ihr Argument, dass die jetzige Regierung nicht mehr den Wählerwillen abbilde, ist auch nicht von der Hand zu weisen. Dass die anderen Parteien strikt gegen Neuwahlen sind, liegt nicht zuletzt an den Umfragen: Die ÖVP könnte trotz Landeshauptmannbonus mit 29 Prozent ihr Ergebnis von 2013 bestenfalls halten, die Grünen würden von 20 auf 16 Prozent fallen, das Team Stronach wäre nicht mehr im Landtag. Auch in den Umfragen hat die Landesregierung derzeit keine Mehrheit mehr. Die SPÖ würde freilich ebenfalls stark verlieren. Nur die FPÖ könnte gewinnen. Am wahrscheinlichsten wäre – laut Umfrage – eine schwarz-blaue Mehrheit. Die Grünen wären in einer neuen Landesregierung vermutlich nicht mehr vertreten. Grund genug, einen möglichst späten Wahltermin anzupeilen. Trotz zeitweiliger rot-blauer Dissonanzen hat man im regierungsamtlichen Burgenland allmählich das erhebende oder erschreckende Gefühl, der Wiener Welt quasi einen Haxen ausreißen zu können. Eisenstadt – Allerorten wird nun schon darüber geredet – ja: geredet, nicht bloß gemunkelt –, dass das Burgenland der SPÖ vorhüpfe, was diese nun unter allerlei Verrenkungen nachzuhüpfen offensichtlich entschlossen ist. Bis hin zu Werner Faymanns jüngstem Vorschlag, ägäische Flüchtlinge samt und sonders in die Türkei zurückzubringen. Ein Vorschlag, zu dem man sich gar nicht vorstellen möchte, was der Wiener Bürgermeister vor seiner Wahl gesagt hätte. Und selbst Sonja Wehsely, die Unermüdliche in Sachen sozialdemokratischen Mahnens, sagt, vorderhand jedenfalls, einmal nix. Wer immer also Norbert Darabos für ein Fähnchen im Wind gehalten hat – Wiener Genossinnen und Genossen taten das ja mit Vorliebe und Vehemenz –, kommt nun drauf, dass der burgenländische Soziallandesrat nicht nur das Fähnchen ist, sondern auch der Wind. So hört man es jedenfalls im Burgenland, wo man sich andererseits doch auch wundert, wie wenig Wind Landeshauptmann Hans Niessl – den sie nun als Stimme der neueren, sozusagen robusteren SPÖ herumreichen in den Fernseh- und Rundfunksendern – um seine neue, tragende Rolle macht. Zu sowas hat er eigentlich eher nicht geneigt. Nun offenbar schon, da er tatsächlich ein echter Parteigrande geworden zu sein scheint. Ein solcher fast wie Erwin Pröll drüben bei den anderen. Fehlt also nur noch, dass die in Stadt und Bund Wien beim Parteitagsbeschluss im Herbst auch draufkommen, dass die FPÖ so grauslich, wie sie alle tun, auch wieder nicht sein kann. Weil? Genau: Burgenland. Noch allerdings wird da fein, um nicht zu sagen haarspalterisch, unterschieden. Selbst Hans Peter Doskozil, der wortgewandte Polizist, den sie nach Wien geschickt haben, um denen Soldatna die Wadln wieder nach vorn zu richten, redete sich fast einen Knopf in die Zunge, als er in der ORF-Pressestunde den Unterschied zwischen da und dort zu erklären suchte. In Wien sei er klar gegen ein Zusammengehen mit der FPÖ. Im Burgenland aber stehe er nicht minder klar hinter diesem Zusammengehen. Aber man kann es erklären, weil es auch darum geht zu sagen: Wer sind die Menschen dahinter? Eine gute Frage. DER STANDARD hat unlängst den blauen pannonischen Parteichef – Vizelandeshauptmann und Sicherheitsreferent Johann Tschürtz – befragt, welches Blatt Papier des rot-blauen Regierungsabkommens zwischen ihn und – beispielsweise – FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache passen würde. Dem Hans Tschürtz fiel sowohl auf die Schnelle als auch nach längerem Überlegen keines ein. Und er versicherte glaubhaft, dass auch Norbert Hofer in Wien nicht anders sei als daheim in Pinkafeld. Da wie dort hat der blaue Präsidentschaftskandidat sich ja Notizen gemacht zum blauen Parteiprogramm, an dem er entscheidend mitgeschrieben hat. Anderweitiges wäre wohl auch ziemlich weit – aus den Tiefen sozialdemokratischer Parteitagskultur zum Beispiel – hergeholt. FPÖ ist FPÖ. Und dessen wird sich – grad am Beispiel Burgenland – vor allem die FPÖ immer gewisser. Johann Tschürtz entwickelt ein für den Regierungspartner zuweilen fatal peinsames Selbstbewusstsein. Am vergangenen Freitag hat er zu einer Pressekonferenz geladen und dort Angelegenheiten ins Gespräch gebracht, zu denen aus dem Büro Darabos dann Folgendes zu hören war: Kein Kommentar! Tschürtz hatte klargestellt, dass die in den 15a-Vereinbarungen zwischen Bund und Ländern vereinbarte Erhöhung von Tagsätzen für die Flüchtlingsbetreuung die Freiheitlichen nicht mittragen können. Vor allem der Tagsatz für unbegleitete Minderjährige – da geht es um eine Steigerung von 77 auf 95 Euro – liegt dem Landeshauptmannstellvertreter im Magen. Denn da könnte es im Hinterkopf dazu kommen, dass das zu einem Wirtschaftszweig wird. Und das soll ja nicht sein. Laut freiheitlichen Berechnungen gehe es dabei um einen Betrag von 1,1 Millionen Euro. Im November hat Soziallandesrat Norbert Darabos noch von Mehrkosten von vier Millionen gesprochen. Für ihn war nämlich die im Herbst unterzeichnete 15a-Vereinbarung bindend. Sie gelte rückwirkend vom 1. August an. Doch das war voreilig, sie muss noch ratifiziert werden. Wann? Demnächst noch nicht. Wer da wen am falschen Fuß erwischt, konnte nicht nur vom STANDARD nicht herausgefunden werden. In der nächsten Woche übersiedelt das politische Burgenland traditionell nach Salzburg, wo in Altenmarkt die burgenländische Skiwoche über die Bühne geht. Auf den Skischaukeln wird Rot und Blau sich wohl wieder zusammenwedeln können. Und dabei auch die Frage mit dem Assistenzeinsatz des Bundesheeres im Burgenland klären. Tschürtz fände es toll, wenn der sofort starten könnte. Da müsste er freilich die Verteidigungsminister fragen, den Tschürtzens Klubobmann mit der rasiermesserscharfen Zunge, Gerhard Kovasits, nach Wien nachgerufen habe, er sei das neue Synonym für falsche Asylpolitik. Hier, im Burgenland habe man diesbezüglich die richtige Richtung eingeschlagen, doch das scheint der liebe Herr Landespolizeidirektor auf dem Weg nach Wien vergessen zu haben. Tschürtz, den Hans Peter Doskozil als Polizeidirektor im Sommer recht nachdrücklich in die Schranken seiner beschränkten Zuständigkeit verwiesen hat, sieht das jetzt anders. Ja ganz anders: Hans Peter Doskozil bewegt sich als Verteidigungsminister nun auf der Spur der Freiheitlichen. Insgesamt erkennt Tschürtz, dass die pannonische restriktive Heimatpolitik anfange, bundesweit zu wirken. Wir verburgenländern sozusagen schon langsam ganz Österreich. To burgenland you! Eine doch erstaunliche Vorstellung. Die Macht macht ehrlich: Der oberösterreichische FPÖ-Chef lässt die Hosen runter. Linz – Der heurige politische Aschermittwoch der FPÖ in Ried war eine durchaus bemerkenswerte Veranstaltung. Zwar hatte der Heringskäse am Pappteller auch heuer wieder den Anmut von sonnenweichem Fensterkitt, und der Verbrauch alkoholfreier Getränke unter den rund 2.000 Getreuen pendelte sich wie gewohnt bei null ein. Und doch passierte Erstaunliches. Die eigentliche blaue Partyrakete mit Schenkelklopfer-Garantie war an diesem bierseligen Abend nämlich nicht etwa FPÖ-Bundeschef Heinz-Christian Strache. Auf der Bühne brachte klar Manfred Haimbuchner, FPÖ-Chef in Oberösterreich und seit dem deutlichen Wahlsieg im September des Vorjahrs auch Landeshauptmann-Stellvertreter, mit deftigem Wortwitz das Mikro zum Glühen. Normal garantierte das blaue Aschermittwochsprotokoll dem Hausherrn nette Begrüßungsworte und eine knappe landespolitische Analyse. Doch heuer teilte Haimbuchner kräftig und fast eine Stunde lang in alle Richtungen aus: Bund, Land, Schwarz, Rot, Grün, Asyl, Heimat. Phasenweise hatte man das Gefühl, dass es Strache ordentlich in der Lederhose juckte, dem jungen Emporkömmling den Stecker zu ziehen. Manfred Haimbuchner muss sich nicht mehr verstecken. Rein optisch geht der 37-jährige Jurist zwar immer noch als Mamas Liebling durch – immer höflich, immer adrett gekleidet, der Seitenscheitel scheint aus Beton gegossen –, doch die Tage als Wolf im Schafspelz sind vorbei. Die weiche Wolle ist ab – ein Wahlergebnis von 30,4 Prozent sichert auch ein politisches Überleben als harter Hund. Der Ton ist im Linzer Landhaus blauer und rauer geworden. Den für das oberösterreichische Politklima in der Vergangenheit so prägenden konsensorientierten Weg hat man mit dem Aufbruch in schwarz-blaues Neuland verlassen. Nur zwei Beispiele: die Deutschpflicht in Schulen und die Kürzung der Mindestsicherung. Beides tiefblau gefärbte Schnellschüsse, die rechtlich kaum umsetzbar sein werden. Aber das Ziel ist ohnehin erreicht: Die eigene Klientel johlt angesichts der Machtdemonstration. Die Sorgen, die Ängste und den Ärger von Verfassungsjuristen, NGOs, Sozialeinrichtungen überhört man gerne. Und die ÖVP? Der, immer noch, Landeshauptmannpartei entgleitet der blaue Partner scheinbar völlig. Blaue Ideen werden brav abgenickt – und Josef Pühringer freundet sich mehr und mehr mit der Politpension an. Möglich, dass der einst so mächtige Langzeit-Landeschef den Absprung noch schafft, ehe es im schwarz-blauen Gebälk ordentlich kracht. Denn die Unzufriedenheit an der schwarzen Basis ist groß, und selbst im ÖVP-Klub sollen die Tage der Einheit gezählt sein. Von der FPÖ ist jedenfalls kein Kurswechsel zu erwarten. Oder, um mit einem Auszug aus Haimbuchners Aschermittwochsrede zu schließen: Viele haben gesagt, ich muss mich als Landeshauptmann-Stellvertreter jetzt zurückhalten. Aber ich habe geantwortet: Nein, mach ich nicht – ich bleib für euch der Mandi. Novelle nach 35 Jahren: Auch mit einem grünen Soziallandesrat gibt es für Menschen mit besonderen Bedürfnissen kaum Verbesserungen. Salzburg – Vielleicht ist es ja schon überhaupt ein Erfolg, dass das Salzburger Behindertengesetz aus dem Jahr 1981 nun doch novelliert wird. Immerhin habe es vom ersten Anlauf, das völlig unzeitgemäße Gesetz zu novellieren, bis heute vier Soziallandesräte gebraucht, sagt die Sprecherin des Vereins Lebenshilfe, Claudia Tomasini. Die Lebenshilfe betreut aktuell rund 740 Menschen mit besonderen Bedürfnissen im Land Salzburg und ist damit der größte Anbieter für Hilfsleistungen dieser Art. Die Grünen, seit drei Jahren Juniorpartner in der Landesregierung, verkaufen den Entwurf zum neuen Gesetz jedenfalls als Erfolg. Damit haben wir einen ganz wesentlichen und dringend notwendigen Schritt in Richtung verbesserter gesellschaftlicher Teilhabe von Menschen mit Behinderungen geschafft, schreibt die Landtagsabgeordnete Kimbie Humer-Vogl in einer Aussendung. Die von Humer-Vogl dann aufgelisteten Punkte lesen sich auch tatsächlich wie Teile eines großen Wurfs: Es soll einen Inklusionsbeirat geben, Einrichtungen für Menschen mit Behinderung sollen eine Qualitätsaufsicht erhalten, und es soll Pilotprojekte für persönliche Assistenz geben. Auch diskriminierende Begriffe wie der Schwachsinn sollen im neuen Gesetz nicht mehr vorkommen. Fragt man bei den Experten nach, ergibt sich ein völlig anderes Bild. Der Schwerpunkt liege in der Terminologie aber es gebe keine tatsächlichen Verbesserungen für die betroffenen Menschen, sagt beispielsweise Alexandra Niedermoser, stellvertretende Bereichsleiterin der gesetzlich eingerichteten Bewohnervertretung für Salzburg und Tirol. Nach wie vor arbeiteten die Salzburger mit einem medizinisch-defizitorientierten Modell. Von den Ansprüchen der UN-Behindertenrechtskonvention sei man weit entfernt. Der Inklusionsbeirat beispielsweise habe keinerlei durchgreifende Kompetenzen. Bei der Fachaufsicht wiederum sei ein dialogischer Prozess zwischen Aufsichtsbehörde und Heimträgern vorgesehen aber nicht zwischen Aufsichtsbehörde und betroffenen Menschen.: Es fehlten klare Regelungen, an wen sich die Menschen im Falle von Problemen in der Institution wenden können. Niedermoser kritisiert auch, dass die persönliche Assistenz für alle im Gesetz nicht verankert sei. Menschen mit besonderen Bedürfnissen haben nach wie vor keinen Rechtsanspruch auf bestimmte Maßnahmen. Dass es keinen Rechtsanspruch auf bestimmte Maßnahmen gebe, ist auch einer der Hauptkritikpunkte von Lebenshilfe-Geschäftsführer Guido Güntert:Das zentrale Grundprinzip der UN-Behindertenrechtskonvention – die Selbstbestimmung im Rahmen der Möglichkeiten – spiegelt sich im Landesgesetz in keinster Weise wider. Als Beispiel für die Selbstbestimmung nennt Güntert die Wohnplatzwahl. Auch weiterhin werde Menschen mit Beeinträchtigungen ein Wohnort zugewiesen, Mitbestimmung sei im neuen Gesetz nicht vorgesehen. Güntert erläutert das im STANDARD-Gespräch anhand eines Beispiels: Ein Mensch ist stark bewegungsbehindert, die ihn betreuenden Eltern können nicht mehr oder sterben. Dann habe die Person zwar einen Rechtsanspruch auf einen betreuten Wohnort, dieser werde aber – ohne Mitsprachemöglichkeit – zugewiesen. Und so kämen eben Menschen in Orte und Gegenden, in denen sie überhaupt keine Sozialbezüge haben, keinen Menschen kennen und oft auch gar nicht hinwollen. Mit den entsprechenden psychosozialen Folgen. Dieser Skandal währt schon Jahrzehnte, sagt Güntert, und werde im neuen Gesetz auch fortgeschrieben. Auch im Bereich Beschäftigung hakt es gewaltig. Alle Lebenshilfe-Klienten, die bei Firmen angestellt werden, könnten das nur auf auf geringfügiger Basis machen, sagt Tomasini. Würden sie mehr verdienen, würden sie aus der Behindertenbeihilfe des Landes fallen. Diese Konstruktion führe dazu, dass die meisten Lebenshilfe-Klienten nur für ein Taschengeld von etwa 100 Euro im Monat arbeiten können. 200 der 740 von der Lebenshilfe Betreuten sind so bei Firmen oder Gemeinden tätig – nur unfallversichert, ohne sonstige sozialversicherungsrechtliche Ansprüche. Der grüne Soziallandesrat Heinrich Schellhorn selbst räumt in einer ersten Reaktion auf die Kritik ein, dass ein neues Gesetz längst überfällig sei. Das sei aber so lange nicht sinnvoll, wie die Partner sich nicht an den Kosten beteiligen würden, spielt er den Ball an die Gemeinden weiter. Sein Stil sei eben eine Schritt-für-Schritt-Politik. Die Schritte zu einer Verbesserung der Situation bleiben damit aber wohl bis auf weiteres Trippelschritte. Das Pilotprojekt für eine persönliche Assistenz dürfte nach derzeitigem Planungsstand gerade einmal 20 Personen umfassen. Vorarlberg bekommt seinen ersten Untersuchungsausschuss. Die SPÖ will die Hypo Landesbank durchleuchten. Auch dieser Ausschuss wird wohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfinden. Die Hypo Landesbank in Panama unterwegs und der Abfallentsorger Häusle, oft und gerne als Vorzeigebetrieb gehandelt, als Tatort für illegale Mülltransaktionen entlarvt – im subara Ländle löst sich der Putz von der Fassade. Das freut die Opposition und bringt sie gleichzeitig ins Dilemma. Denn beide Skandale gäben Stoff für einen Untersuchungsausschuss her. Geld- und Müllgeschäfte zu untersuchen, geht aber nicht. Denn laut Geschäftsordnung des Landtags dürfen nicht mehrere Untersuchungsausschüsse gleichzeitig laufen. So entschied sich die SPÖ für die Prüfung der Geldgeschäfte, den Müll überlässt sie der Staatsanwaltschaft. Briefkasten-Geschäfte der Landesbank hätte es eigentlich seit 2009 keine mehr geben dürfen. Damals wurde die Liechtensteiner Tochter mit all ihren steueroptimierenden internationalen Ausläufern abgestoßen. Die Grünen hatten mit Recherchen zu den Verflechtungen gehörig Druck im Landtag gemacht. Der damalige Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) wies die Bank in ihre regionalen Schranken. Ganz hielt man sich nicht an die Order des Landeschefs, wie die Panamapapers zeigen. Die Nähe zu den Zürcher Bank-Hinterhöfen in Liechtenstein dürfte zu verlockend gewesen sein. Spuren führen aus Bregenz über Liechtenstein nach Panama und zurück. Die Vorarlberger hätten einem unter US-Sanktionen stehenden russischen Oligarchen über verschachtelte Firmen beim Bootsbau geholfen, ist zu lesen. Man habe sich an die Geldwäschegesetze gehalten, immer gewusst, wer die (Liechtensteiner) Kunden sind, beteuern die Bankverantwortlichen. Ob man auch wusste, wer die Kunden der Kunden der Kunden waren, darf die Öffentlichkeit nicht erfahren. Bankgeheimnis. Datenschutz. Die Banker ließen die Landtagsabgeordneten im Kontrollausschuss mehr oder weniger höflich abblitzen. Nun soll ein Untersuchungsausschuss Klarheit über die Verantwortung von Landesverwaltung und Regierung bringen. Lang hat die Vorarlberger Opposition um mehr Kontrollrechte gekämpft. 2014 im Frühling war es dann so weit. Alle vier Parteien stimmten dafür, Untersuchungsausschüsse als Minderheitenrecht festzuschreiben. Nun lässt es sich Michael Ritsch, der sich nach dem Debakel bei der Landtagswahl 2014 (drei Mandate für die SPÖ) am Ende seiner politischen Karriere befindet, nicht nehmen, als erster Untersuchungsausschuss-Vorsitzender in die Geschichte des Landtags einzugehen. Der Weg zum Aufdecker ist steil und steinig. Für Ritsch heißt es vorerst: Zurück an den Start. Denn der Antrag der SPÖ wurde von den Landesjuristen in einer dreiseitigen Stellungnahme zerpflückt. Laut Geschäftsordnung dürfen nur behauptete Missstände in der Verwaltung des Landes geprüft werden. Im Falle der Hypo Aufsichtspflichten und Weisungen. Der Blick in direkte Geschäfte der Bank, sprich in die Briefkästen, wird dem Landtag verwehrt bleiben. Nun müssen die Sozialdemokraten ihren Antrag umformulieren. Sonst, sagen die Landesjuristen, wäre der Ausschuss nicht rechtswirksam. Sprich, für die Katz. Auch rechtlich einwandfreie Formulierungen werden die Aversion der Volkspartei gegen den Ausschuss nicht mindern. Man fürchte um das das Renommee der Landesbank, ließ Klubobmann Roland Frühstück via Aussendung mitteilen. Die Hypo dürfe durch diese politische Untersuchung keinen Schaden erleiden, fordert Frühstück und droht der SPÖ auch gleich: Wir werden darauf achten, dass der Ausschuss nicht zur Bühne für politische Profilierungen verkommt. So wird der erste Vorarlberger Untersuchungsausschuss wie alle Landtagsausschüsse hinter verschlossenen Türen stattfinden. Einen Antrag auf Öffentlichkeit wird die Volkspartei ablehnen. Bis zu 2.800 Einsatzkräfte der Polizei werden bei den Demos gegen den Wiener Akademikerball im Einsatz sein. Neu sind 29 Teams zur Beweissicherung. Wien – Auch heuer wird wie in den Vorjahren am Abend des FPÖ-Akademikerballs in der Wiener Hofburg am 29. Jänner auf dem Heldenplatz ein Platzverbot verhängt werden. Das kündigt Polizeisprecher Johann Golob dem STANDARD an. Dass der Verfassungsgerichtshof im August eine von der Polizei im Jahr 2012 bei einer FPÖ-Veranstaltung errichtete Sperrzone für den Grazer Freiheitsplatz für rechtswidrig erklärt hat, tue nichts zur Sache. In Graz war das etwas anderes, sagt Golob. Dort sei das Verbot über den Ort der Versammlung verhängt worden, die Demos in Wien würden um die Sperrzone herum verlaufen. Das Verbot, den Heldenplatz zu betreten, das beim Akademikerball 2015 herrschte, sorgte damals jedoch für die Absage einer Standkundgebung des Bündnisses zwischen Grünen, SPÖ Wien und der Hochschülerschaft: Jetzt Zeichen setzen durfte nicht auf den Platz vor der Hofburg und sagte den Protest schlussendlich ab. Heuer mobilisiert das Bündnis wieder zur Kundgebung auf dem Heldenplatz. Neben der Kundgebung direkt vor der Hofburg wurden noch drei weitere Gegendemos angemeldet, zwei davon führen durch die Innenstadt, wie jene der Offensive gegen Rechts. Das Bündnis No WKR hat sich nach der Demo im Vorjahr aufgelöst. Untersagt wurde heuer keine der angemeldeten Protestaktionen gegen den ehemaligen Ball des Wiener Korporationsrings. Derzeit ist es ruhig, es gab keinen Grund, etwas zu untersagen, sagt Golob. Am Donnerstag gaben auch die Ballorganisatoren via Facebook das Motto des diesjährigen Balls bekannt: Südtirol, eine Herzensangelegenheit. Warum Südtirol Motto wurde, möchte Udo Guggenbichler, FPÖ-Gemeinderat in Wien und Veranstalter des Akademikerballs, nicht ausführen – nur, dass es im Rahmen der Eröffnung eine Südtirol-Komponente geben wird. Man rechne mit mehr Besuchern als im vergangenen Jahr. Über etwaige internationale Gäste konnte Guggenbichler dem STANDARD auch nichts sagen. Lade ein Gast solche ein, müsse er sie nicht extra anmelden. Begleitet wird der Abend von 2.500 bis 2.800 Polizisten. Einige von ihnen werden wie schon in den Vorjahren aus anderen Bundesländern zur Hilfe hinzugezogen. Neu sind heuer 29 Beweissicherungsteams der Polizei. Die mit Kameras ausgestatteten Einsatzkräfte sollen den Polizeieinsatz plus mögliche Ausschreitungen filmen. Im Vorjahr kam es bei den Demos zu 54 Festnahmen und etwa 150 Anzeigen wegen strafrechtlicher und verwaltungsstrafrechtlicher Übertretungen. Die Kamerateams sollen Behauptungen – etwa in Strafverfahren – beweisen. Bis jetzt musste sich die Justiz auf Aussagen verlassen. Auch auf die Grenzen zu Deutschland blickt die Polizei. Allerdings gebe es bisher noch wenige Anzeichen für Mobilisierung im Ausland. In den neuen Medien spielt sich derzeit wenig ab, sagt Golob. (Sebastian Fellner, Oona Kroisleitner, 18.1.2016) Bis zu 2.800 Polizisten in der Wiener Innenstadt im Einsatz. Wien – Rund um den Wiener Akademikerball, der heute Freitag in der Hofburg über die Bühne geht, gibt es auch heuer ein Platzverbot. Laut Polizeiangaben (siehe Grafik) wird die Sperrzone vom Ende des Stadtparks bis zum Heldenplatz reichen. Wie im Vorjahr werden etwa 2.500 bis 2.800 Polizisten im Einsatz sein. Auffallend ist, dass die Sperrzone auf dem Ring in Fahrtrichtung schon bei der Johannesgasse am Ende des Stadtparks beginnt. In Richtung Innenstadt gehören in diesem Bereich auch die Hegelgasse und in Richtung Kärntner Staße in weiterer Folge die Mahlerstraße dazu. Der Schubertring ist bis zu seiner äußeren Seite in das Platzverbot integriert. Damit ist auch die Kreuzung von Ring, Schwarzenbergplatz und Schwarzenbergstraße umfasst. Aus dem Vorjahr hat sich gezeigt, dass es hier besondere Gefahrenquellen bei der Zufahrt zum Ball gab, sagte Polizeisprecher Johann Golob. In diesem Bereich sei es immer wieder zu Blockaden gekommen. Stadtauswärts verläuft die Grenze der Sperrzone nach dem Schwarzenbergplatz entlang der Canovagasse und der Bösendorferstraße bis zur Kärntner Straße, dann weiter entlang der Elisabethstraße bis zur Babenbergerstraße. Dort ist fast die gesamte Babenbergerstraße bis zur Zweierlinie und bis zum Kunsthistorischen Museum eingefasst. Auf der stadteinwärts gewandten Seite verläuft das Platzverbot entlang der Mahlerstraße bis zur Kärntner Straße, dann auf dieser stadteinwärts bis zur Maysedergasse, über diese zur Tegetthoffstraße bis zur Führichgasse und diese entlang zur Augustinerstraße. Über die Augustinerstraße und den Josefsplatz verläuft die Grenze unter Einschließung der Stallburg zum Michaelerplatz. Von dort wird die Herrengasse bis zur Leopold-Figl-Gasse eingefasst. Weiters geht die Grenze entlang der Schauflergasse zum Ballhausplatz, der aber ausgespart wird, und unter Einschließung von etwa zwei Dritteln des Heldenplatzes zurück zum Burgring. Das Platzverbot reicht etwa bis Höhe des Naturhistorischen Museums und tritt um 16 Uhr in Kraft. Die Gruppe Offensive gegen Rechts (OGR) und die Sozialistische Linkspartei haben zu Demonstrationen gegen den Ball aufgerufen. Außerdem wird die Plattform Jetzt Zeichen setzen ab 19 Uhr erneut eine Veranstaltung mit Reden und Musikbeiträgen auf dem Heldenplatz abhalten. Als Redner werden unter anderen Volkshilfe-Chef Erich Fenninger, der Datenforensiker Uwe Sailer und Freiheitskämpferinnen erwartet. Mehrere Musikgruppen, darunter Kommando Elefant, sollen auftreten. Der erste Protestzug startet bereits am Nachmittag. Die Sozialistische Linkspartei hat für 15.30 Uhr zu einer Demo aufgerufen, die vom Wallensteinplatz zur Porzellangasse und über die Währinger Straße bis zum Schottentor führen wird. Dort dürften sich die Teilnehmer laut Polizei der für 16.30 Uhr angekündigten Demonstration der Offensive gegen Rechts anschließen, die auch heuer wieder einen Protestzug durch die Innenstadt abhält. Dessen Route führt von der Universität über die Wipplingerstraße auf den Stephansplatz und weiter über die Wollzeile, den Stadtpark, den Heumarkt, den Schwarzenbergplatz und den Karlsplatz bis zum Museumsquartier. Das Bündnis NOWKR, rund um dessen Demonstrationszug es in den vergangenen Jahren teils gewalttätige Ausschreitungen gegeben hatte, hat sich nach dem letzten Akademikerball aufgelöst und wird heuer keine Proteste veranstalten. Angriffe durch Identitäre befürchtet – Polizei: Keine Demos angemeldet – Mögliche Hackerangriffe bei linken Websites. Wien – Die Plattform Jetzt Zeichen setzen, die gegen den freiheitlichen Akademikerball am Freitagabend demonstriert, macht sich Sorgen über eine Einmischung der Identitären und Verfehlungen der Exekutive. Wir fürchten, dass die Polizei Provokationen übersieht und gegen die Falschen vorgeht, sagt Plattformsprecher Niki Kunrath. Zwar haben die Identitären keine Kundgebung für den Abend angemeldet, bei Jetzt Zeichen setzen ist man sich aber nicht sicher, ob die rechte Gruppe nicht doch auf die Straße gehen wird. Ich mache mir wirklich Sorgen, sagt Kunrath, für den es laut eigener Aussage nicht das erste Mal wäre, dass die Exekutive rechte Provokationen übersieht. Zwar erwartet er sich nicht, dass Beamte mit Rechtsextremen Hand in Hand handeln würden, aber doch, dass Polizei den falschen Bereichen Aufmerksamkeit schenkt. Polizei: Gruppen trennen, Eskalationen verhindern Die Exekutive habe derzeit keine Erkenntnisse, dass Vertreter der vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) als rechtsextrem eingestuften Identitären vorhätten, die Demos und Kundgebungen der Ballgegner zu stören, sagte Polizeisprecher Johann Golob am Freitag. Die Identitären hätten auch keine Kundgebungen angemeldet. Sollten sie doch auftreten, werden wir schauen, dass wir die Gruppen trennen und Eskalationen verhindern, so Golob. Es sei zu befürchten, dass die Proteste gegen den Akademikerball nicht völlig gewaltfrei ablaufen. Wenngleich die Anmelder zur Gewaltfreiheit aufgerufen haben, sagen sie zur gleichen Zeit, dass sie den Ball blockieren und verhindern wollen. Es sei schon von einzelnen Gruppen mit Gewalt zu rechnen, auch aktiv gegen Ballgäste. In der linken Szene spricht man indes von möglichen Hackerangriffen. Die Seite der Demo-Organisatorin Offensive gegen rechts war am Freitagnachmittag down, auch die Seite der Demo-Rechtshilfe war nicht erreichbar. Sendeausfälle gab es auch bei Radio Orange. Das freie Radio Wiens berichtet jedes Jahr live von den antifaschistischen Demonstrationen. Das Verhältnis zu Russland war eines der dominierenden Themen bei der Veranstaltung zum 200. Jahrestag des Wiener Kongresses im Gartenpalais Liechtenstein. Der ehemalige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso vertrat bei einer Diskussion zum 200. Jahrestag des Wiener Kongresses die Ansicht, nicht die Weltgemeinschaft habe Russland ausgegrenzt, Russland habe sich selbst ausgeschlossen. Wir leben in unsicheren Zeiten, so Barrosos Fazit. In Europa haben sich die Zeiten gravierend geändert, die Expansion der EU und der Nato habe ihr Limit erreicht. Diese Meinung vertrat auch Harold James, Historiker an der Princeton University. Er nannte den Krieg mit Georgien 2008 als Wendepunkt für die geänderten Beziehungen Russlands zu den anderen Staaten. Es ist nicht so, dass die internationale Ordnung Russland ausgegrenzt hat. Disput um Russland Auf die derzeit in Elmau tagende G7 bezogen vertrat der langjährige österreichische Spitzendiplomat Albert Rohan die Ansicht: Es war ein Fehler, Russland aus der G8 auszuschließen. Barroso widersprach: Es habe genügend Versuche gegeben, Russland einzubinden. Aber Russland habe die Prinzipien verletzt. Es sei im Übrigen ein Widerspruch gewesen, dass Russland einerseits bei der G8 beteiligt gewesen sei, andererseits bei der Gruppe der Brics, der Staatengruppe bestehend aus Brasilien, Russland, Indien, China und Südafrika. Die EU dürfe ihre Prinzipien nicht aufgeben und müsse Lösungen suchen, die ihre Werte sicherstellten. Alle Kanäle müssten offengehalten werden, sagte Barroso. Uno unreformierbar Der ehemalige österreichische Vizekanzler Erhard Busek forderte aus dem Publikum neue Formate zur Konfliktlösung. Die Welt von heute werde nicht mehr durch die G7 repräsentiert. Rohan erklärte, die Vereinten Nationen kämen dafür auch nicht in Betracht. Die Uno ist unreformierbar und überholt. Auf dem Podium war man sich einig, dass man neue Formen der Konfliktlösung brauche. Wir haben keine neuen Verhandlungsformate für die globalisierte Welt, sagte Barroso. Am ehesten sei noch die G20 jenes Forum, das die Welt von heute am besten darstelle. Heutzutage seien vor allem Geduld und Umsicht gefordert – was in einer Zeit, in der rasche Lösungen verlangt werden, immer schwieriger werde. Mit Blick auf den Wiener Kongress meinte der langjährige Kommissionspräsident: Damals sei genügend Zeit gewesen, Problemlösungen vorzulegen, heute sei der Druck auf Politiker sehr hoch. Smartphones ändern Diplomatie Wolfgang Danspeckgruber vom Liechtenstein Institute on Self-Determination an der Princeton University, der die zweitägige Veranstaltung organisiert und geleitet hatte, verwies auf Änderungen durch Technologie: Durch Smartphones ändere sich auch die Demokratie, da bei Verhandlungen zu jeder Zeit ein Rückkanal in die Heimat aufgebaut werden könne. Reinhard Stauber, Historiker an der Universität Klagenfurt, erinnerte daran, dass der Wiener Kongress keine Friedenskonferenz gewesen sei, sondern dass es vor allem um die Absicherung von Sicherheit gegangen sei. Außenministerium streicht neben Estland, Lettland und Litauen auch diplomatische Präsenz in Malta. Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) setzt den Rotstift an und schließt bis Herbst 2018 alle drei österreichischen Botschaften im Baltikum und die Vertretung in Malta. Der Redimensionierung liege eine Analyse zugrunde, wonach in diesen Ländern die Bereiche konsularische Tätigkeit oder wirtschaftliche Zusammenarbeit weit abgeschlagen gewesen seien, erläuterte der Außenminister vor Journalisten. Malta, Estland, Lettland und Litauen sollen künftig von Wien oder nahegelegenen Destinationen aus betreut werden. Fliegende Konsulate sollen dort unterwegs sein, wo keine fixe Botschaft mehr präsent ist. Dass die Schließungen im Widerspruch zu aktuellen Entwicklungen wie den Spannungen mit Russland oder der Flüchtlingsproblematik stünden, stellte Kurz in Abrede. Estland, Litauen und Lettland seien ohnehin in der EU und Nato, erklärte der Minister. Zusätzlich zu den Botschaftsschließungen werden bereits geplante Bauprojekte auf Eis gelegt, und administrative Aufgaben sollen verstärkt in Verwaltungs-Hubs zentralisiert werden. Gleichzeitig sollen nicht mehr benötigte Objekte verkauft und bei Mieten für Botschaftsgebäude und Amtswohnungen nachjustiert werden. Darüber hinaus werden die bisher selbstständigen Kulturforen in Budapest, London, Rom und Warschau in die Botschaften eingegliedert. Wie andere Ministerien auch, stehen wir unter Einsparungsdruck, sagte der Minister. Bis 2019 sollen durch die Maßnahmen 39 Millionen Euro eingespart werden. Während in der EU das Engagement zurückgefahren wird, will man anderswo expandieren. Die geopolitische Situation habe sich verändert, und man wolle daher in Wachstumsmärkten präsenter sein, lautet die Logik des Ministeriums. In Weißrussland, Moldau, Georgien, Katar, Singapur und Kolumbien (statt Venezuela) werden daher neue Botschaften, in China wird ein zusätzliches Konsulat eröffnet. Wichtige Impulse erhofft sich der Minister auch von einer diplomatischen Präsenz im Silicon Valley,in der neben einem Vertreter des Außenamts auch Mitarbeiter des Wissenschafts- und Wirtschaftsministeriums tätig sein sollen. Die Hilfsbereitschaft, mit der Flüchtlinge derzeit in Österreich empfangen werden, könnte wieder umschlagen, meint Historikerin Marlou Schrover. Menschen haben sich schon immer gefürchtet, Einwanderer würden ihnen ihre Häuser, Jobs und Frauen wegnehmen, sagt Marlou Schrover, Professorin für Wirtschafts- und Sozialgeschichte an der Universität Leiden. Aber durch die Isolation von Migranten und Flüchtlingen in Lagern ist ein Misserfolg vorprogrammiert. STANDARD: Gibt es ein Ereignis, mit dem die aktuelle Flüchtlingskrise verglichen werden kann? Oder ist, was derzeit passiert, neu? Schrover: Der Unterschied zur Ungarn-Krise im Jahr 1956, als 200.000 Menschen nach Österreich flüchteten, ist, dass das eine zeitlich sehr begrenzte Fluchtbewegung war. Damals war die Grenze nur für einige Tage offen, dann stoppte die Migration, und es konnte mit der Problemlösung begonnen werden. Heute ist kein Ende der Fluchtbewegung abzusehen. Auch während des Zerfalls von Jugoslawien in den 1990er-Jahren kam es zu großen Migrationsbewegungen. Ein Unterschied zu den damaligen Ereignissen ist aber, dass es mittlerweile die EU als Akteurin gibt. Nun soll Migranten auf supranationaler Ebene geholfen werden. STANDARD: Eine gemeinsame Antwort auf die Flüchtlingskrise hat aber die EU derzeit noch nicht. Jeder Mitgliedsstaat agiert für sich auf nationaler Ebene. Schrover: Das stimmt natürlich. Aber es gibt die Forderung, das Problem auf europäischer Ebene zu lösen. Allerdings ist auch das nicht ganz neu. 1938 fand beispielsweise in Frankreich die Konferenz von Évian statt. Dort trafen sich Vertreter von 32 Nationen, um die Auswanderung von Juden aus Deutschland und Österreich zu erleichtern. Auch das war der Versuch, eine Lösung auf europäischer Eben zu finden. Auch eine Quote zur Verteilung der flüchtenden Juden wurde dort debattiert. Die Idee, wie sie heute diskutiert wird, war also auch bei der Évian-Konferenz schon präsent – damals hatte sie keinen Erfolg. STANDARD: Sind die Reaktionen der Aufnahmegesellschaften immer dieselben, oder ist es diesmal anders? Schrover: Bei der Ungarn-Krise 1956 waren die Menschen von Beginn an positiv gegenüber den Flüchtenden eingestellt. Diese Art von Migration wurde als Nachweis dafür interpretiert, dass Kommunismus falsch und Kapitalismus richtig liegt. Flüchtlinge wurden damals aus humanitären Gründen willkommen geheißen – aber auch aus Propagandagründen. Der Enthusiasmus, mit dem die Flüchtenden aus Ungarn begrüßt wurden, lässt sich mit dem Vergleichen, was auch jetzt passiert. Das war bei der aktuellen Migrations- und Fluchtbewegung allerdings nicht von Beginn an so. Zuerst war die Reaktion gegenüber den Flüchtenden eher ängstlich. Da hieß es, das sind alles junge Männer, und die haben ein iPhone, das können doch keine Flüchtlinge sein. Aber plötzlich kam es zu einem Umschwung in der öffentlichen Meinung, dann wurde gesagt, schaut, das sind Familien, Frauen und Kinder, die unsere Hilfe benötigen. STANDARD: Könnte das je länger die Krise andauert nicht wieder ins Negative kippen? Schrover: Das ist schwer vorherzusagen. Ich hätte noch vor wenigen Wochen den Meinungsumschwung Richtung Mitgefühl und Solidarität nicht kommen gesehen. Aber historisch betrachtet schwindet der Enthusiasmus nach einiger Zeit. Das hat auch damit zu tun, dass Flüchtlinge beginnen Kritik an ihrer Versorgung- und Wohnsituation zu üben. Dann kommt der Gegenvorwurf, dass das doch keine Dankbarkeit sei. Und es wird auch zu Vorfällen kommen, die den Enthusiasmus schwinden lassen werden: Das sind traumatisierte Menschen, es kann zu Auseinandersetzungen in den Auffangzentren kommen, wie es auch schon in vergangenen Krisen passiert ist. STANDARD: Haben Sie ein konkretes Beispiel für eine Änderung in der Einstellung gegenüber Flüchtlingen? Ist das vergleichbar mit den USA zu Beginn des 20. Jahrhunderts? Schrover: In den USA in den 1920er-Jahren sind verschiedene Dinge gleichzeitig passiert. Die USA waren zuerst glücklich über die ankommenden Migranten aus Deutschland, Österreich, Schweden, England, Belgien, den Niederlanden und Frankreich – also aus Nord- und Westeuropa. Als dann aber mehr Menschen aus Italien, Polen und Russland eintrafen – gab es die Angst, dass nun die sozusagen falschen Migranten kommen würden. Änderungen in der Art der Migration können also auch die Einstellungen der Bevölkerung ändern. Dazu kamen die damalige Wirtschaftskrise und auch die Angst vor dem aufstrebenden Kommunismus in Europa. Es gab die Angst, dass nun Revolutionäre, Anarchisten und Terroristen mit den Flüchtenden in die USA kommen könnten. STANDARD: Gibt es ein Best-Practice-Beispiel, wie eine Gesellschaft mit den Aufzunehmenden umgehen kann? Schrover: Je länger Flüchtlingen in Lagern bleiben – und wenn diese Lager auch noch isoliert sind –, desto eher wird etwas schiefgehen. Leute in Lagern unterzubringen ist ein Rezept für Versagen. Aussichtsreicher ist es, wenn sie möglichst schnell aus der Isolation gebracht werden. Wenn Leute wissen, dass sie bleiben können, werden sie begierig sein, die jeweilige Landessprache zu lernen. Wenn Flüchtlinge in der Lage sind, normale Wohnungen zu beziehen und zu arbeiten, dann kann Integration erfolgreich sein. Aber das ist auch abhängig von zwei Faktoren: Alter und Bildung. Je höher das Ausbildungsniveau, desto höher die Chance, Arbeit zu finden. STANDARD: Es gibt auch große Ängste in der Bevölkerung der aufnehmenden Länder, dass Migranten ihnen die Jobs wegnehmen werden. Ist das eine berechtigte Furcht? Schrover: Das kommt auf das jeweilige Land an. Es gibt in Europa einige Staaten, die sich von der Wirtschaftskrise schon erholt haben – Deutschland zum Beispiel. Und es gibt Länder, die noch nicht aus der Krise herausgekommen sind – wie Spanien, wo viele junge Menschen arbeitslos sind. Wenn diese nun auf dem Arbeitsmarkt für ungelernte Arbeitskräfte sind, ist es wahrscheinlich, dass sie mit Neuankömmlingen aus Syrien konkurrieren. Aber in Deutschland, wo in einigen Branchen Arbeitskräftemangel herrscht, wird es keinen Verdrängungseffekt geben, weil das freie Stellen sind. Das ist auch der Grund, warum Deutschland ein wenig einladender sein kann. Historisch betrachtet wurde in der Mehrheitsgesellschaft fast immer gefürchtet, dass Migranten ihnen ihre Häuser, Jobs und Frauen wegnehmen. STANDARD: Gibt es auch Beispiele, wo Migranten oder Flüchtlinge mit offenen Armen empfangen wurden? Schrover: Ja, natürlich. Zum Beispiel die europäische Auswanderungswelle nach dem Zweiten Weltkrieg nach Kanada und Australien. Die beiden Länder waren erfreut über die Einwanderer, denn es wurden Menschen gebraucht, um das Land zu besiedeln. Auch in den Anfangsjahren der Gastarbeitermigration in Europa waren die Länder dankbar für jede Arbeitskraft. Viele dachten aber, dass die Menschen wieder zurückkehren. Aber lediglich ein Drittel kehrt zurück. Viele haben zwar anfangs den Plan zur Rückkehr, aber dann finden sie Arbeit, gründen eine Familie, haben Freunde und werden Teil der Gesellschaft der Aufnahmeländer. STANDARD: Nun mögen die absoluten Zahlen der Flüchtlinge sehr hoch sein, im Verhältnis zu den Einwohnern der EU ist es lediglich ein geringer Prozentsatz. Der Libanon mit weniger als sechs Millionen Einwohnern hat offiziell mehr als eine Million Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen. Gibt es so etwas wie einen maximalen Prozentsatz an Flüchtlingen, den ein Land bewältigen kann? Schrover: Darauf gibt es keine eindeutige Antwort. In England gibt es Städte, wo die Hälfte der Bevölkerung Migranten sind, und in den USA ist im Grunde jeder ein Einwanderer oder zumindest ein Nachfahre von Einwanderern. Im Libanon sind die Flüchtlinge aus Syrien aber nicht Teil der Gesellschaft, sie leben in Lagern, und ihre Kinder dürfen nicht in die Schule gehen. Das kann zum Problem werden. Es entsteht eine inaktive, parasitäre Gesellschaft, weil sie nicht beitragen dürfen. Die Menschen beginnen dann eine eigene Infrastruktur zu entwickeln – es entstehen Geschäfte und Arbeitsplätze in den Lagern, die sind aber abseits der aufnehmenden Gesellschaft. Es gibt also keinen maximalen Prozentsatz, es kommt darauf an, wie mit den Menschen umgegangen wird. STANDARD: Gibt es ein Beispiel in der Geschichte, wo ein Land seine Grenzen permanent geschlossen hat? Wo es heißt: Hier kommt niemand mehr rein! Schrover: Dann sind wir im Zweiten Weltkrieg, als alle Länder früher oder später ihre Grenzen für jüdische Flüchtlinge dichtgemacht haben. Aktuell versucht Ungarn zwar seine Grenzen zu schließen, aber es ist sehr schwierig, eine große Zahl verzweifelter Menschen abzuwehren. Flüchtlinge werden auf jeden Fall weiterhin versuchen, die Grenze zu überwinden. Was bedeutete das Modell Österreich für Deutschland? Ein Riesenwerk des Historikers Michael Gehler gibt ausführlich Antwort. Seit fast sechs Jahrzehnten befassen sich Historiker mit der Geschichte des österreichischen Staatsvertrages und der Neutralität. Den deutsch-österreichischen Beziehungen wurde keine oder kaum Aufmerksamkeit gewidmet. Besonders verwunderlich ist, dass so gut wie nicht danach gefragt worden ist, was Modellfall bzw. das Muster Österreich für Deutschland eigentlich bedeutete. Diese Lücke füllt Michael Gehler jetzt sehr ausführlich für die Jahre von 1945 bis 1955 auf knappen 1400 Seiten. Gehler zeigt anhand zahlreicher Dokumente, dass Konrad Adenauer prinzipiell jegliche Lockerung des westlichen Lagers durch die Entstehung neutraler Staaten als eine Sowjetverschwörung ablehnte. Der deutsche Kanzler sah darin den Versuch, den westlichen Block zu schwächen und schließlich in die kommunistische Machtsphäre einzugliedern. Adenauer wollte die Westintegration um jeden Preis – auch für den Preis der Teilung. Tatsächlich war Westintegration für Adenauers Politik absolut vorrangig und die deutsche Einheit nachrangig. Der deutsche Bundeskanzler betrachtete deshalb die österreichische Neutralität mit Argwohn und sah in ihr eine sowjetische Verschwörung, um letztlich auch Deutschland zu neutralisieren. Für Österreich bedeutete Neutralität Unabhängigkeit, für Adenauer aber ein negatives Vorbild für Deutschland. Michael Gehler kommt zu dem Schluss, dass die Ablehnung des Modellfalls Österreich durch Adenauer nicht akademisch-wissenschaftlich fundiert, sondern ideologisch-politisch motiviert war. Umgekehrt hatte der österreichische Kanzler Julius Raab den Modellfall Österreich für Deutschland nicht ausgeschlossen, übte aber gegenüber Adenauer im Sinne christdemokratischer Parteikooperation Zurückhaltung. Für die deutsche Regierung waren dritte Wege wie Bündnis- oder Blockfreiheit und Neutralität tabu. Der deutsche Kanzler war aber froh, dass er dem Neutralitätsdrachen den Kragen umgedreht hatte. Gustav Heinemann, der aus Protest gegen die Remilitarisierungstendenzen Adenauers als Innenminister zurückgetreten war und die CDU verlassen hatte, sah in Österreichs Neutralität und Bündnisfreiheit durchaus ein zumindest zeitweiliges Modell für Deutschland. 1954 und 1955 entwickelten die USA hingegen bereits ein sehr differenziertes Bild von Neutralität. Deren internationaler Stellenwert wurde nicht von vorneherein abgelehnt, sondern auf Praktikabilität, Tauglichkeit, Haltbarkeit und Solidarität überprüft. Neutrale Staaten wurden nicht voreilig als Untertanen einer dritten Macht, die unter und kommunistisch-sowjetische Abhängigkeit geraten würden, betrachtet. Gleichwohl war man sich in Washington im Klaren, dass Neutralität sowjetischen Sicherheitsbedürfnissen entgegenkommen würde. Gehlers Argument ließe sich nahtlos über seine untersuchte Periode hinaus fortsetzen. Die Debatte über das Modell Neutralität ging weiter. 1955 verteidigte US-Präsident Dwight Eisenhower, dass mit Österreichs bewaffneter Neutralität nicht eine militärische Leere entstehen würde. 1956 sagte er: Heute gibt es einige Staaten, die sich als neutral bezeichnen. Das bedeutet keineswegs notwendigerweise, wie so oft gesagt wird, neutral zu sein zwischen richtig und falsch oder anständig oder unanständig. Diese Staaten beziehen den Begriff neutral auf ihr Verhältnis zu Militärbündnissen. Und ich möchte betonen, dass ich darin keinen Grund sehe, dass das immer zu unserem Nachteil sei. Während der Ungarnkrise 1956 drohte das US-Außenministerium sogar, dass ein Angriff der Sowjetunion auf Österreichs Neutralität den dritten Weltkrieg bedeuten würde. Vorschläge zur Neutralität in Mitteleuropa verstummten nicht. George K. Kennan, der nach 1947 als US-Botschafter in Moskau das Konzept der Eindämmungspolitik entwickelte, schlug 1956 und 1957 eine Neutralität Zentraleuropas und eines vereinigten Deutschlands vor, weil er insgesamt nicht an die Haltbarkeit der Teilung Europas und Berlins glaubte. Kennan begrüßte, dass Schweden nicht dem Atlantikpakt Nato beigetreten ist, dass die Schweiz ihre traditionelle Neutralität gewahrt hat und Österreich neutral wurde und dass sich Jugoslawien weder an den Westen noch an den Osten gebunden hat. Die US-Senatoren Hubert H. Humphrey und William F. Knowland arbeiteten ebenfalls Vorschläge über eine neutrale Zone in Mitteleuropa aus. Humphrey regte die Schaffung einer Pufferzone bei gleichzeitigem Rückzug amerikanischer und sowjetischer Truppen aus West- beziehungsweise Ostdeutschland an. Knowland wollte ein vereinigtes Deutschland in die Reihe der anderen neutralen Staaten Österreich, Finnland, Schweden und die Schweiz eingliedern. Die sowjetischen Satellitenstaaten sollten aus dem Warschauer Pakt austreten und ebenfalls neutral werden. Der Vorsitzende der britischen Labour Party Hugh Gaitskell entwickelte ähnliche Vorschläge. Alle diese Ideen gingen im Gegensatz zu Adenauer davon aus, dass Neutralität für Deutschland auch ohne kommunistische Machtergreifung möglich gewesen wäre. Österreich ist ein Beispiel dafür. Die mächtigste Person der Welt ist weiterhin Russlands Präsident Putin. New York/Berlin/Moskau – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) ist mächtiger als US-Präsident Barack Obama – jedenfalls laut der aktuellen Rangliste des Magazins Forbes zu den einflussreichsten Persönlichkeiten der Welt. Merkel machte auf der Liste einen deutlichen Sprung nach vorn, überholte den US-Präsidenten und liegt jetzt auf Platz zwei weltweit, wie Forbes am Mittwoch bekannt gab. Obama rutschte auf den dritten Platz ab. Als mächtigster Mann der Welt blieb Russlands Präsident Wladimir Putin auf dem ersten Platz. Die Kanzlerin konnte in der Rangfolge drei Plätze gutmachen. Merkel ist das Rückgrat der Europäischen Union mit ihren 28 Mitgliedern, und ihre entscheidenden Handlungen beim Problem mit den syrischen Flüchtlingen und bei der griechischen Schuldenkrise haben sie auf der Liste nach vorne gebracht, schrieb Forbes dazu. Zu Putin analysierte das Magazin: Putin beweist weiterhin, dass er einer der wenigen Männer in der Welt ist, die mächtig genug sind, um zu tun was sie wollen – und die damit durchkommen. Trotz der internationalen Sanktionen nach der Annexion der Krim im Ukraine-Konflikt habe Putin es geschafft, die USA und NATO schwach aussehen zu lassen und den russischen Einfluss außerhalb des eigenen Landes auszubauen. Dass Obama nur auf Platz drei landete, erklärte das Magazin mit dessen zu Ende gehender Amtszeit. Da Obama in das letzte Jahr seiner Präsidentschaft geht, ist klar, dass sein Einfluss schrumpft, schrieb das Magazin. Im Inland lägen seine Zustimmungsraten dauerhaft unter 50 Prozent und im Ausland werde er von Merkel in Europa und von Putin im Nahen Osten übertrumpft. Auf Platz vier der Rangliste landete Papst Franziskus. Der chinesische Präsident Xi Jinping folgte auf Platz fünf, wobei er zwei Plätze gegenüber dem Vorjahr abrutschte. Die Liste für 2015 umfasst 73 mächtige Persönlichkeiten weltweit. Unter den Neuen auf der Liste sind der saudiarabische König Salman auf Platz 14 sowie die beiden US-Präsidentschaftsbewerber Hillary Clinton und Donald Trump auf Platz 58 beziehungsweise Platz 72. Unter den Ausgewählten sind neun Frauen. Maschine musste in Budapest notlanden. Budapest – Ein Passagierflugzeug auf dem Weg von Berlin nach Hurghada in Ägypten ist wegen einer Bombendrohung in Budapest gelandet. Die Polizei durchsuchte die Maschine, es wurden aber keine Sprengsätze gefunden. Die Durchsuchung des Flugzeugs sei abgeschlossen, sagte eine Sprecherin der ungarischen Polizei am Montag. Die Fluggesellschaft teilte mit, den Passagieren und der Besatzung des wegen einer Bombendrohung nach Budapest umgeleiteten Condor-Fluges gehe es gut. Die 133 Passagiere und sieben Crewmitglieder sind wohlauf und werden vor Ort versorgt, erklärte eine Sprecherin des Unternehmens. Condor schickt ein anderes Flugzeug nach Budapest, um die Kunden sicher an ihren Zielort zu bringen. Das Flugzeug war auf dem Weg von Berlin Schönefeld nach Hurghada in Ägypten. Der Grund für die Umleitung sei eine telefonisch eingegangene unspezifische Drohung gewesen, erklärte die Unternehmenssprecherin. Der Airbus A321 werde in Budapest von Condor und den Behörden gemäß der behördlichen Vorgaben untersucht. 'Weil die Politik nicht mit neuen Gefahren umgehen kann, sieht Rosa Brooks die Welt in einer Lage wie in den 1930er-Jahren. STANDARD: Es gibt kaum noch traditionelle Schlachtfelder – und Sie kritisieren das. Was soll daran eigentlich schlecht sein? Rosa Brooks: Das ist nicht grundsätzlich schlecht. Aber es ist ein Problem, wenn alle Regeln, die wir haben, um Konflikte zu regulieren, darauf beruhen, dass wir unterscheiden können, wann und wo Krieg oder kein Krieg ist. Es ist ein Problem, wenn Gesetze und Politik nicht mehr mit der Art im Einklang sind, wie Kriege geführt werden. Denn dann können Regierungen das ausnützen oder Fehler machen. Das erlaubt, dass schlimme Dinge passieren. STANDARD: Wie unterscheiden sich die neuen Methoden etwa von Unabhängigkeitsbewegungen? Brooks: Das ist eine komplizierte Frage. Wenn man in ein paar Hundert Jahren zurückschaut, könnte das, was wir heute sehen, die historische Anomalie sein Journalistenrunde diskutiert über politische Bewegungen, die Europas offene Gesellschaften kritisch sehen. Von Tunesien bis Ungarn, von Russland bis zur Türkei gibt es politische Bewegungen, die Europas offene Gesellschaften kritisch sehen. In der zweiteiligen TV-Dokumentation Weltjournal spezial: Europas neue Fronten gehen Christian Schüller und Antonia Rados diesen Bewegungen auf den Grund. Die beiden reisen zu den aktuellen Brennpunkten in Osteuropa, im Nahen Osten und in Nordafrika. Anlässlich der Präsentation diskutiert im ORF-Zentrum eine hochkarätige Journalistenrunde über Europas neue Fronten. ORF-Dialog-Forum Europas neue Fronten: Gudrun Harrer, DER STANDARD Livia Klingl, Kurier Paul Lendvai, Autor und Publizist Andreas Pfeifer, ORF Christian Schüller, ORF Kurt Seinitz, Kronen Zeitung Alexander Wrabetz, ORF Moderation: Klaus Unterberger, ORF-Public-Value-Kompetenzzentrum Weltjournal spezial: Europas neue Fronten Dienstag, 31. Mai, 22.35 Uhr, und Mittwoch, 1. Juni 2016, 22.30 Uhr, ORF 2 26 Millionen Euro sollen bis Ende 2016 an EU-Syrien-Fonds, EU-Afrika-Fonds und UN-Organisationen fließen. Wien – Einen Tag vor Beginn des EU-Afrika-Gipfels im maltesischen Valletta hat der Ministerrat am Dienstag beschlossen, die Hilfsgelder für Syrien, UN-Organisationen und afrikanische Länder massiv aufzustocken. Über eine Beteiligung an EU-Hilfsprogrammen sollen bis spätestens Ende 2016 rund 26 Millionen Euro fließen. Konkret will sich Österreich mit 11,5 Millionen am EU-Syrien-Fonds (MADAD) beteiligen. Die gleiche Summe soll an UN-Organisationen gehen, davon 5,5 Millionen für das UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR, fünf Millionen für das World Food Programm (WFP) sowie eine weitere Million an sonstige UN-Institutionen. Der EU-Afrika-Fonds soll mit drei Millionen unterstützt werden, wie aus einer der APA vorliegenden Aufstellung des Bundeskanzleramtes hervorgeht. Fließen sollen die Mittel demnach in Etappen, die Auszahlung soll bis spätestens Ende 2016 abgeschlossen sein. Angesichts der humanitären Notlage in Syrien hatte die Regierung erst Ende Oktober 600.000 Euro für internationale Organisationen in der Region zugesagt. Auch wurden dem EU-Syrien-Fonds und dem EU-Afrika-Fonds je drei Millionen versprochen. Die nun wesentlich höheren Beiträge gehen auf einen Vorschlag der EU-Kommission zurück, die jeweils 500 Millionen für den EU-Syrien-Fonds sowie UN-Organisationen gefordert hatte. Vor einigen Tagen hatte bereits Deutschland eine massive Erhöhung seiner Entwicklungshilfe bekannt gegeben. Außenministerium zuständig Insgesamt wurden für die beiden EU-Entwicklungshilfefonds sowie die Unterstützung von UN-Organisationen nach Angaben des Bundeskanzleramtes von den EU-Staaten 1,153 Milliarden Euro versprochen. Die österreichische Beteiligung orientiert sich dabei am österreichischen Anteil am EU-Budget von 2,3 Prozent. Abgewickelt werden die Mittel – mit Ausnahme der Unterstützung für das WFP die vom Landwirtschaftsministerium kommt – über das für Entwicklungshilfe zuständige Außenministerium. Mit dem EU-Syrien-Fonds (MADAD-Fonds) sollen laut Außenministerium die Nachbarländer Syriens und andere betroffene Staaten, wie etwa am Westbalkan, unterstützt werden. Mit dem EU-Afrika-Fonds sollen Projekte gegen armutsbedingte Migration, aber auch den Kampf gegen kriminelle Schlepperbanden gefördert werden. Schwerpunkt sollen Aktivitäten in Ländern der Sahelzone, in der Tschadseeregion, am Horn von Afrika und in Nordafrika sein. Beim EU-Afrika-Gipfel in Malta soll am Donnerstag der offizielle Startschuss für den Fonds gegeben werden. Die Bürger protestieren gegen die Verstaatlichung von Land. Sicherheitskräfte gehen gegen die Demonstranten vor, sagt die Menschenrechtsorganisation. Addis Abeba – Bei Protesten in Äthiopien haben Sicherheitskräfte der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch zufolge seit Monatsbeginn mindestens 75 Menschen getötet. Die Proteste in der Region Oromia rund um Addis Abeba richten sich primär gegen die Erweiterungspläne der Hauptstadt und deshalb drohende Enteignungen. Die seit drei Wochen andauernden Proteste, die keinen klaren Anführer haben, haben sich auf mehr als hundert Orte ausgebreitet. Die Regierung des ostafrikanischen Landes spricht von Terrorismus und greift mit harter Hand durch. Die Bezeichnung von hauptsächlich friedlichen Demonstranten als Terroristen und der Einsatz des Militärs ist eine gefährliche Eskalation dieser volatilen Lage, sagte Leslie Lefkow, die stellvertretende Afrika-Direktorin von Human Rights Watch. Laut der Organisation wurden mindestens 75 Protestierende getötet und viele weitere Menschen verletzt. Die Regierung in Addis Abeba äußerte sich zu den Vorwürfen nicht. Ein Regierungssprecher hatte kürzlich von insgesamt fünf Toten gesprochen. Eine Oppositionsgruppe, der Oromo-Volkskongress, sprach jedoch bereits am Freitag von mindestens 70 Toten. Der Oromo-Anführer Bekele Gerba sagte, die Frustration der Menschen habe sich angesichts des repressiven Systems und der Armut über die Jahre aufgebaut. Meinungsfreiheit und Opposition werden in Äthiopien unterdrückt. Die Regierungsparteien halten 100 Prozent der Parlamentssitze. Die Proteste in der Oromia-Region hatten im November begonnen. Studenten gingen unter anderem in den Städten Haramaya, Jarso, Walliso und Robe auf die Straße, um gegen Pläne der Regierung zur Verstaatlichung von Land zu demonstrieren. Sie befürchten einen Landraub größeren Ausmaßes in der vom Oromo-Stamm, der größten ethnischen Gruppe des Landes, besiedelten Region. Dos Santos kündigt nach fast 40 Jahren an der Macht Rückzug an. Luanda – Nach knapp vier Jahrzehnten an der Macht will sich Angolas Präsident José Eduardo Dos Santos von der Macht trennen. Ich habe entschieden, das politische Leben 2018 zu verlassen, sagte der 73-Jährige am Freitag auf einem Kongress seiner Partei MPLA. Dos Santos herrscht schon seit 1979 in dem südwestafrikanischen Land. Seine aktuelle Amtszeit läuft eigentlich im kommenden Jahr aus. Warum er seinen Rückzug für 2018 ankündigte, blieb am Freitag zunächst ungeklärt. Angola verfügt über große Ölreserven. Wegen des Preisverfalls auf den internationalen Märkten steckt das Land derzeit in einer Wirtschaftskrise. Favorit verspricht in Landwirtschaft zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Porto-Novo – Im westafrikanischen Land Benin ist am Sonntag ein neuer Präsident gewählt worden. Eine Rekordanzahl von 33 Kandidaten bewarb sich für das höchste Staatsamt. Amtsinhaber Thomas Boni Yayi durfte nach zwei Perioden nicht wieder antreten. Premierminister Lionel Zinsou galt als Favorit. Der 61-Jährige, der die französische sowie beninische Staatsbürgerschaft besitzt, ist der einzige Kandidat der Regierungspartei. Er hat versprochen, in die Landwirtschaft zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Benin ist ein kleines, verarmtes Land in Westafrika. Die Wirtschaft ist hauptsächlich von Baumwollexporten abhängig. Das Land hat mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit und mit Korruption zu kämpfen. Beobachtern zufolge ließen sich während des Wahlkampfs zahlreiche einflussreiche religiöse und politische Würdenträger sowie Stammesältere kaufen, um für die Kandidaten zu werben. Als Zinsous schärfste Rivalen gelten Baumwoll-Tycoon Patrice Talon (57), Lebensmittel-Magnat Sebastien Ajavon (51), der ehemaligen Premierminister Pascal Koupaki (64) sowie der frühere Direktor des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Afrika, Abdoulaye Bio Tchane (63). Rund 4,7 Millionen Wahlberechtigte der knapp elf Millionen Einwohner sollten ihre Stimme bis 18.00 Uhr MEZ abgeben können. Wahlergebnisse werden innerhalb von fünf Tagen erwartet. Sollte keiner der Kandidaten in der ersten Runde eine absolute Mehrheit gewinnen, ist eine Stichwahl für den 20. März geplant. Vor einigen Wahllokalen bildeten sich lange Schlangen. Zehntausende warteten friedlich darauf, ihre Stimme abgeben zu können. Die Afrikanische Union (AU) entsandte 40 Wahlbeobachter, die quer durch das kleine Land, das zwischen Nigeria und Togo liegt, stationiert waren. Regierungschef Zinsou könnte gegen Geschäftsmann Talon antreten. Cotonou – Zwei Tage nach der ersten Runde der Präsidentschaftswahl im westafrikanischen Benin zeichnet sich eine Stichwahl zwischen dem derzeitigen Regierungschef Lionel Zinsou und dem Geschäftsmann Patrice Talon ab. Die Wahlkommission gab in der Nacht auf Dienstag eine erste Tendenz bekannt. Demnach kommt Zinsou auf gut 28 Prozent der Stimmen, während Talon knapp 25 Prozent erreicht. Zu der Wahl waren in Benin am Sonntag etwa 4,7 Millionen Stimmberechtigte aufgerufen. Insgesamt 33 Kandidaten bewarben sich in der ersten Runde um die Nachfolge von Staatschef Thomas Boni Yayi, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten durfte. Zu den Favoriten zählten Zinsou, seit Juni amtierender Ministerpräsident und ehemaliger Chef des größten französischen Investmentfonds PAI Partners, und Talon. Hinzu kam der Geschäftsmann Sebastien Ajavon, der laut den ersten Angaben der Wahlkommission auf gut 23 Prozent der Stimmen kommt. Benin hat mit einer hohen Jugendarbeitslosigkeit und mit Korruption zu kämpfen. Beobachtern zufolge ließen sich während des Wahlkampfs zahlreiche einflussreiche religiöse und politische Würdenträger sowie Stammesältere kaufen, um für die Kandidaten zu werben. 'Baumwollmagnat wird neuer Präsident im westafrikanischen Land. Aufatmen in der Wirtschaftsmetropole Cotonou: Nach wochenlangen Diskussionen, Spekulationen und Gerüchten ist endlich klar, dass der gut 10,6 Millionen Einwohner zählende westafrikanische Staat künftig von Patrice Talon (57) regiert wird. In der Stichwahl um das Präsidentenamt setzte er sich am Sonntag überraschend deutlich mit 65 Prozent der Stimmen gegen Lionel Zinsou durch. Im ersten Wahlgang hatte der 61-jährige Banker noch vorn gelegen und mit 28 Prozent das beste Ergebnis geholt. Zinsou hatte schon in der Nacht auf Montag seinem Kontrahenten zum Sieg gratuliert. Die nationale autonome Wahlkommission Cena bestätigte dann das Ergebnis am Montagnachmittag. Zwar wirkte Zinsou präsenter als Talon, doch Letzterem gelang es, sich als Mann des Volkes zu platzieren. Dabei dürfte der Geschäftsmann, der laut Forbes mit einem Vermögen von 400 Millionen US-Dollar der reichste Beniner ist, weit entfernt von den Alltagssorgen seiner Landsleute sein. Der Staat wird zwar gerne als Musterdemokratie gelobt, der vor 25 Jahren der friedliche Wechsel zum Mehrparteiensystem gelang Angreifer stürmten Hotel im Geschäftsviertel Ouagadougous – 126 Geiseln befreit. Ouagadougou – Bei dem Angriff von Islamisten auf ein vor allem von Ausländern genutztes Hotel und ein Restaurant in der burkinischen Hauptstadt Ouagadougou sind offiziellen Angaben zufolge mehr als 20 Menschen getötet worden. Es gebe mindestens 23 Tote, sagte Präsident Roch Marc Christian Kabore am Samstag. 126 Menschen wurden aus dem Hotel Splendid gerettet. Das Militär hatte das Hotel und das ebenfalls angegriffene Restaurant Cappucino in den Morgenstunden erstürmt und dabei nach Angaben von Innenminister Simon Compaore drei Angreifer getötet, einen Araber und zwei Schwarzafrikaner. 33 der Geiseln seien verletzt. Unter den Todesopfern des Angriffs von Extremisten auf ein Hotel in Burkina Faso sind nach Angaben der Regierung zahlreiche Ausländer. Compaore ergänzte im staatlichen Rundfunk, unter den Toten seien Opfer mit 18 verschiedenen Nationalitäten. Nach Angaben Compaores wurde unterdessen ein zweites Hotel, das Ybi neben dem Cappuccino, angegriffen. Diese Attacke dauere noch an, sagte der Innenminister. Ob es dabei Opfer gab, war zunächst unbekannt. Feuerwehrleute hätten auf der Terrasse des Restaurants weitere zehn Tote entdeckt, teilt das Innenministerium am Samstagvormittag mit. Zuvor hatte der Direktor des Universitätskrankenhauses bereits von mindestens 20 Toten gesprochen. Zu dem Anschlag hatte sich laut der auf Terrorgruppen spezialisierten US-Organisation Site die Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM) bekannt. Die Terrorgruppe AQIM will 30 Menschen getötet haben, berichtet Site, die Jihadisten-Propaganda analysiert. Die Angreifer – laut Augenzeugen mindestens drei Männer mit Turbanen – hatten das fünfstöckige Splendid-Hotel im Geschäftsviertel Ouagadougous gegen 19.45 Uhr Lokalzeit gestürmt und dabei auch das Feuer auf Gäste eines danebenliegenden Restaurants eröffnet. Sie schossen um sich und setzten Autos in Brand. Danach verschanzten sie sich mit Geiseln im Gebäude. Nach rund einstündiger Ruhe kam es Augenzeugen zufolge wieder zu Schusswechseln. Dabei soll ein Zivilist getötet worden sein. Sanitäter brachten vor dem Hotel Verletzte in Sicherheit. Journalisten berichteten zudem von einem Feuer in der Eingangshalle, auch Schreie seien zu hören gewesen. Einsatzkräfte hätten rund um den Anschlagsort eine Sperrzone errichtet und würden sich auf die Erstürmung des Gebäudes vorbereiten, sagte Außenminister Barry. Beim dem Militäreinsatz werden die einheimischen Sicherheitskräfte von französischen und US-Spezialkräften unterstützt. Französische Kräfte unterstützen die burkinischen Kräfte, verlautete am Samstag früh aus dem Elysee-Palast in Paris. Französische Soldaten sind im Rahmen der Terrorismusbekämpfung in der Sahel-Region am Stadtrand von Ouagadougou stationiert. Auch die USA haben 75 Militärangehörige in Burkina Faso. Einige davon unterstützen die französischen Spezialkräfte bei dem laufenden Einsatz, hieß es aus Washington. Der Direktor der Universitätsklinik in Ouagadougou, Robert Sangare, sagte, eine verwundete Europäerin habe ihm erzählt, es schiene, als ob es die Angreifer bewusst auf Menschen mit weißer Hautfarbe abgesehen hätten. Das Splendid ist bei Ausländern, UN-Mitarbeitern sowie Soldaten der französischen Barkhane-Mission zur Bekämpfung radikaler Islamisten in der Region beliebt. Der französischen Botschaft zufolge wurde eine nächtliche Ausgangssperre verhängt. Sie rief ihre Landsleute in der Stadt auf, zu Hause zu bleiben. Österreicher waren nach bisherigen Erkenntnissen nicht von der Gewalt in Ouagadougou betroffen. Das sagte Außenamts-Sprecher Thomas Schnöll der APA auf Anfrage. Bisher ist die frühere französische Kolonie Burkina Faso weitgehend von Anschlägen islamistischer Gruppen verschont worden, die in anderen Ländern der Region immer wieder Gewalttaten verüben. So hatte sich die Al-Kaida im Islamischen Maghreb mit anderen Gruppen zu einem Angriff auf ein Hotel im benachbarten Mali bekannt, bei dem im November in der Hauptstadt Bamako 20 Menschen getötet wurden. 29 Menschen starben – 156 Geiseln befreit- Premierminister Trudeau bietet Hilfe an. Ottawa/Ouagadougou – Unter den Todesopfern des islamistischen Angriffs auf ein Hotel in Burkina Faso sind auch sechs Kanadier. Das erklärte Kanadas Premierminister Justin Trudeau am Samstag (Ortszeit) in Ottawa. Trudeau verurteilte den tödlichen Terrorangriff in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou. Den Behörden des Landes bot er Unterstützung bei den Ermittlungen des schrecklichen Verbrechens an. Bei dem Angriff auf ein bei Ausländern beliebtes Hotel und ein Restaurant in Ouagadougou waren in der Nacht zum Samstag mindestens 29 Menschen getötet worden, darunter zahlreiche Ausländer aus 18 Nationen. Unter den Opfer waren laut den Angaben nationaler Regierungen auch jeweils zwei Franzosen und Schweizer sowie ein Niederländer. Zu dem Anschlag bekannte sich die Jihadistengruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM). Die Attentäter waren am Freitagabend in das bei Ausländern beliebte Hotel Splendid und das nahe gelegene Restaurant Cappuccino gestürmt. Sie erschossen zahlreiche Menschen und nahmen anschließend mehr als hundert Geiseln. Am frühen Samstagmorgen wurden das Vier-Sterne-Hotel und das Restaurant dann von Sicherheitskräften gestürmt. Dabei wurden nach Angaben des burkinischen Präsidenten Roch Marc Christian Kabore 156 Menschen befreit, davon seien rund 50 verletzt gewesen. Auch französische Spezialkräfte und US-Truppen beteiligten sich an dem Einsatz. Die Politologin Claudia Simons sieht eine explosive Gemengelage vor den Wahlen in Burundi. Das ostafrikanische Burundi befindet sich in einer schweren politischen Krise. Der Grund: Präsident Pierre Nkurunziza will nicht von der Macht lassen und sich eine dritte Amtszeit sichern. Die Opposition sieht darin einen Verfassungsbruch, Nkurunziza hat den Verfassungsgerichtshof auf seiner Seite. Demonstrationen im April wurden brutal niedergeschlagen, ein Putschversuch im Mai misslang. Seither kommt es immer wieder zu Gewalt zwischen Streitkräften und Rebellen, in der Nacht auf Dienstag wurden zwei Menschen getötet. Mehr als 140.000 Menschen sind auf der Flucht. Nun stehen die Präsidentschaftswahlen nach mehreren Verschiebungen vor der Tür. Claudia Simons, Berliner Forscherin mit Burundi-Expertise, warnt davor, dass die Lage eskalieren könnte. Einen neuen Bürgerkrieg befürchtet sie allerdings nicht. STANDARD: Die Präsidentschaftswahlen in Burundi sollen nach Verschiebungen nun am 21. Juli stattfinden. Erst vor wenigen Tagen haben Streitkräfte bei Kämpfen an der Grenze zu Ruanda 31 Rebellen getötet und weitere 171 Aufständische festgenommen. Wie fragil ist die Lage kurz vor der Wahl? Simons: Die Lage ist momentan sehr fragil. Es ist nicht auszuschließen, dass es zu einem erneuten Putschversuch kommt. Es gibt allerdings viele Ungereimtheiten, was die Lage im Norden betrifft. Es existieren viele Akteure und verschiedene Interessen: Auf der einen Seite gibt es die damaligen Putschisten, die jetzt in Kenia sind und von dort angedroht haben wiederzukommen. Dann sind da noch die Milizen der Regierungspartei und Teile der Armee, die weiterhin eher auf der Seite der damalige Putschisten stehen. Außerdem haben wir auch jede Menge Kleinwaffen im Land, ein Faktor, der nicht zu missachten ist. Die Gemengelage ist also eine durchaus explosive. Das muss aber nicht heißen, dass gleich ein neuer Bürgerkrieg ausbricht. STANDARD: Wie verlaufen die ethnischen Bruchlinien? Simons: Man muss immer wieder betonen: Es handelt sich heute nicht um die gleichen Konfliktparteien wie im Bürgerkrieg (1993 bis 2005, Anm.). Sowohl der Putschversuch im Mai als auch die Demonstrationen davor waren multiethnisch, also in beiden Fällen waren Hutus und Tutsis beteiligt. Die Regierung versucht den aktuellen Konflikt als Tutsi-Komplott darzustellen, schafft es aber bisher nicht, die Gegenseite zu spalten. STANDARD: Präsident Pierre Nkurunziza drängt auf Wahlen, um auch noch für eine dritte Amtszeit an der Macht zu bleiben. Simons: Der Zugang zu politischer Macht bedeutet in Afrika zugleich den Zugang zu ökonomischen Ressourcen. Deswegen ist die politische Lage in vielen afrikanischen Ländern rund um Wahlen immer besonders fragil. Wenn Nkurunziza jetzt abtreten muss, dann ist er als Person nicht mehr sicher. Und damit meine ich nicht, dass er juristische Maßnahmen befürchten muss, damit meine ich tatsächlich seine Person. Wenn er das Präsidentenamt abgibt, dann verliert er nicht nur seine Macht, sondern alles. Das betrifft nicht nur ihn, sondern alle, die hinter ihm stehen. STANDARD: Er beharrt darauf, dass eine dritte Amtszeit rechtens ist. Simons: Formal hätte er ja bereits eine legale Basis, auf der er seine dritte Amtszeit angehen könnte. Er hat das Verfassungsgericht angerufen, das die Verfassung zwar unter enormem Druck, aber in seinem Sinne interpretiert hat. Die Krise, die wir heute sehen, geht innerhalb der formalrechtlichen Institutionen vonstatten, daran hat die Regierung ein großes Interesse. Unter massivem Aufwand werden nun Wahlen organisiert. Dass die Opposition die letzten Wahlen blockiert hat, nimmt Nkurunziza als Argument, dass er im Gegensatz zur Opposition demokratisch legitimiert ist. In dem Sinne halte ich es auch für einen Fehler, dass die UN ihre Wahlbeobachter bei den Parlamentswahlen nicht – wie die EU – abgezogen hat. Das gibt den Wahlen eine – in Nkurunzizas Augen – internationale Legitimation. Man muss sich die Frage stellen, wie viel können formale Institutionen wie ein Parlament oder eine Verfassung tatsächlich ausrichten und wie viel hängt mit der Manipulation dieser Institutionen zusammen. STANDARD: Was ist überhaupt von der Opposition zu erwarten? Simons: Man darf nicht den Fehler begehen und die Oppositionsparteien alle als Helden der Revolution sehen. Die haben teilweise auch sehr problematische Geschichten und sind auch keine Garanten für eine friedliche Zukunft. Beispielsweise ist eine der stärksten Oppositionsparteien selbst aus einer Rebellion heraus entstanden und hat teilweise eine sehr radikale Vorstellung von Politik. Aber die Demonstrationen haben gezeigt, dass die Bevölkerung einen Wandel will, und sei es nur innerhalb der Regierungspartei CNDD-FDD (Conseil national pour la défense de la démocratie – Forces de défense de la démocratie, Anm.), also eine andere Person innerhalb der Regierungspartei. STANDARD: Gibt es überhaupt Alternativen innerhalb der Partei? Simons: Die Crux an der ganzen Geschichte ist ja, dass der amtierende Präsident zwar seinen Legitimität in den letzten Monaten komplett verspielt hat, aber in den letzten Jahren eine hohe Popularität hatte und in seiner Partei als Lichtgestalt galt. STANDARD: Welche Auswirkungen hat die Krise in Burundi auf die Region? Simons: Massive Auswirkungen in Form von Flüchtlingsströmen nach Ruanda und Tansania. Das ist schon deshalb ein Faktor, weil die allermeisten Rebellengruppen der letzten Jahre immer aus dem Exil heraus gegründet wurden. Es kommt auch immer stärker zu diplomatischen Reibungen, zum Beispiel zwischen Ruanda und Burundi. Aktuell geht es um die Unruhen im Norden: Burundi behauptet, dass das Rebellen seien, die in Ruanda trainiert wurden. Das dementiert Ruanda. Die partnerschaftlichen Beziehungen, die in den letzten Jahren geführt wurden, die bröckeln. Die Präsidenten der Region sind sich sehr uneinig, wie sie mit der Krise umgehen sollen, das hat Auswirkungen auf die Kohäsion der East African Community. STANDARD: Könnte es weitere Demonstrationen geben? Simons: Die Demonstrationen sind aufgrund der massiven Repressionen abgeebbt. Zahlreiche Menschen sind ins Exil gegangen. Auf dem Land ist die Informationslage extrem dünn, die Bevölkerung hört nur die Regierungspropaganda. Jeder kennt jeden hier, und die Kontrolle ist allumfassend. Demonstration und Aufstände werden sofort im Keim erstickt. Wenn es also zu einer erneuten Rebellion kommen sollte, dann wird diese in Kongo oder Ruanda geplant. Drohung an Widersacher. Bujumbura – Im ostafrikanischen Burundi hat Staatschef Pierre Nkurunziza einen Monat nach der umstrittenen Präsidentenwahl seinen Amtseid geleistet. In der Antrittsrede zur dritten Amtszeit drohte Nkurunziza am Donnerstag seinen Widersachern. Sie würden ausgemerzt, weil sie gegen Gott kämpften, sagte er. Burundi war ins Chaos gestürzt, nachdem Nkurunziza im Mai beschlossen hatte, entgegen den verfassungsrechtlichen Bestimmungen für eine dritte fünfjährige Amtszeit zu kandidieren. Die Wahl gewann er wegen eines Boykotts der Opposition haushoch. Die internationale Gemeinschaft hatte an ihn appelliert, keine dritte Amtszeit anzustreben. Seit der Abstimmung am 21. Juli wurden mindestens 20 Menschen Opfer politischer Gewalttaten, darunter auch ein regierungskritischer Politiker. Der Menschenrechtler Pierre Claver Mbonimpa überlebte einen Anschlag nur knapp. Immer wieder gibt es Befürchtungen, dass in dem Land erneut ein ethnisch motivierter Bürgerkrieg zwischen der heute regierenden Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit aufflammen könnte. Burundi gehört einem umfassenden UN-Entwicklungsindex zufolge zu den zehn ärmsten Ländern der Welt. USA werfen Vereinten Nationen mangelnden Einsatz vor. New York – Nach der Gewalt der vergangenen Tage hat UN-Generalsekretär Ban Ki-moon vor einem Bürgerkrieg im ostafrikanischen Burundi gewarnt. Der Konflikt im Land drohe die gesamte Region zu erfassen, sagte Ban am Mittwoch. Zugleich kündigte er an, noch in dieser Woche seinen Gesandten Jamal Benomar in die Region zu schicken, um mit Vertretern in der Hauptstadt Bujumbura sowie der Afrikanischen Union zu verhandeln. Staatschef Pierre Nkurunziza Mitte Mai angekündigt, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren. Die Regierung geht seither mit Gewalt gegen Proteste der Opposition vor. Mehr als 300 Menschen wurden getötet, dutzende allein in den vergangenen Tagen. Die USA warfen den Vereinten Nationen am Mittwoch mangelnden Einsatz zur Beilegung der Krise vor. Die US-Botschafterin bei der Uno, Samantha Power, beklagte eine unzureichende Notfallplanung für das Land. Das müsse sich rasch ändern. Absage an Verhandlungen mit "gewaltsamen Oppositionsgruppen". Bujumbura – Burundis Regierung hat ihre Teilnahme an internationalen Friedensgesprächen zur Beilegung der Krise in dem ostafrikanischen Land abgesagt. Die Einladung von gewaltsamen Oppositionsgruppen zu den Gesprächen im tansanischen Arusha am Mittwoch sei nicht akzeptabel, erklärte das Außenministerium in Bujumbura am Dienstag. Diese Unregelmäßigkeiten müssten erst beseitigt werden, hieß es weiter. Das arme ostafrikanische Land steckt seit April in einer Krise. Auslöser war das Bestreben des Präsidenten Pierre Nkurunziza, sich trotz einer gesetzlichen Begrenzung auf zwei Amtszeiten ein weiteres Mandat zu sichern. Seither kommt es immer wieder zu Gewalttaten. Menschenrechtlern zufolge wurden mehrere Hundert Regierungsgegner von Sicherheitskräften getötet. Ende Dezember hatten sich die verfeindeten Parteien erstmals in Uganda zu Gesprächen getroffen. Fast eine Viertelmillion Menschen sind seit Krisenbeginn aus Angst vor einer weiteren Eskalation in Nachbarländer geflohen. In dem Land mit rund elf Millionen Einwohnern ging erst vor einem Jahrzehnt ein Bürgerkrieg zwischen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit mit 300.000 Toten zu Ende. UN-Hochkommissar für Menschenrechte befürchtet Eskalation zwischen Hutus und Tutsis. Bujumbura/Genf – Die Krise in Burundi droht nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu einem ethnischen Konflikt zwischen Hutus und Tutsis zu eskalieren. Recherchen nach Gewalttaten im Dezember nährten den Verdacht, dass einige Opfer wegen ihrer Zugehörigkeit zur Minderheit der Tutsis sexuell missbraucht worden seien, sagte der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Zeid Raad al-Hussein, am Freitag in Genf. Es gibt demnach auch Berichte von Anrainern, dass Tutsis systematisch getötet worden seien, während Hutus verschont worden seien. Ein kompletter Zusammenbruch von Recht und Gesetz steht bevor, sagte Zeid. Seit Ausbruch der Unruhen im April 2015 seien 439 Menschen getötet worden. Auslöser der Krise war das Bestreben von Präsident Pierre Nkurunziza, sich trotz einer gesetzlichen Begrenzung auf zwei Amtszeiten ein weiteres Mandat zu sichern. In Burundi war erst vor einem Jahrzehnt ein verheerender Bürgerkrieg zwischen der Hutu-Mehrheit und der Tutsi-Minderheit mit 300.000 Toten zu Ende gegangen. Friedensmission abhängig von Einwilligung der Regierung. Addis Abeba/Bujumbura – Die Afrikanische Union (AU) nimmt offenbar Abstand von ihrem Plan zur Entsendung von Friedenstruppen nach Burundi. Die Entsendung einer Friedensmission ohne die Einwilligung der dortigen Regierung sei unvorstellbar, sagte der AU-Sondergesandte für Burundi, Ibrahima Fall, am Sonntag dem Rundfunksender Radio France Internationale. Es habe dazu offenbar eine Fehlkommunikation gegeben. Es gab niemals die Absicht der Afrikanischen Union, eine Mission nach Burundi zu entsenden ohne die Zustimmung der burundischen Behörden. Das ist unvorstellbar, sagte Fall. Er betonte zugleich, dass die Entscheidung über die Friedensmission bei den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsländer liege, die seit Samstag am AU-Sitz in Addis Abeba über die umstrittene Mission in Burundi beraten. Bei einer Sitzung des Friedens- und Sicherheitsrats des afrikanischen Staatenbunds am Freitag hatten sich mehrere Staatschefs kritisch zu der Idee geäußert, Friedenstruppen ohne die Einwilligung von Burundis Präsident Pierre Nkurunziza zu entsenden. Dieser lehnt die Entsendung von Truppen zur Stabilisierung seines Landes vehement ab und hat die geplante Mission als Invasionsarmee bezeichnet. Die AU hatte sich im Dezember im Grundsatz auf eine Friedenstruppe von 5.000 Soldaten geeinigt, um die Gewalt in Burundi einzudämmen, der seit Beginn der Krise im April vergangenen Jahres mehr als 400 Menschen zum Opfer gefallen sind. Die Gewalt lässt einen Rückfall in den ethnisch motivierten Bürgerkrieg befürchten, bei dem zwischen 1993 und 2006 mehr als 300.000 Menschen getötet worden waren. Nkurunziza hatte im vergangenen April angekündigt, für eine dritte Amtszeit anzutreten. Die Opposition bezeichnete dies als illegal. Im Mai gab es einen Militärputsch gegen Nkurunziza, der aber scheiterte. Der Präsident ließ sich im Juli wiederwählen, bleibt aber umstritten. Mindestens 230.000 Menschen flohen inzwischen vor der Gewalt in die Nachbarländer. Fall kündigte nun an, dass die Staats- und Regierungschefs die Entsendung einer hochrangigen Delegation für Gespräche mit Burundis Regierung erwägen würden. Präsident Ouattara sieht Weg frei für "Erneuerungsprojekt". Abidjan – Im westafrikanischen Staat Cote dIvoire (Elfenbeinküste) ist das Kabinett unter Führung von Ministerpräsident Daniel Kablan Duncan zurückgetreten, um den Weg für eine Regierungsumbildung freizumachen. Präsident Alassane Ouattara bestätigte am Mittwoch offiziell den Rückzug des bisherigen Premiers und bedankte sich bei dem 73-Jährigen für dessen treue Dienste. Mit der Regierungsumbildung soll das von Ouattara geplante Erneuerungsprojekt vorangetrieben werden. Ouattara selbst war im Oktober für eine zweite Amtszeit als Präsident wiedergewählt worden. Bei seiner darauffolgenden Amtseinführung hatte er versprochen, den Aussöhnungsprozess zwischen den ehemaligen Bürgerkriegsparteien zu beschleunigen, mehr für eine gerechtere Verteilung des Wohlstands zu tun, Maßnahmen gegen die Jugendarbeitslosigkeit zu ergreifen und eine neue Verfassung ausarbeiten zu lassen. Sie soll Gegenstand einer Volksabstimmung werden. Nach der ersten Wahl Ouattaras zum Präsidenten 2010 hatte sich sein Amtsvorgänger und Konkurrent Laurent Gbagbo geweigert, den Wahlsieg Ouattaras anzuerkennen. Dies führte zu monatelangen Unruhen in dem westafrikanischen Land, in deren Verlauf 3.000 Menschen getötet wurden. Attacke auf Badeort Grand-Bassam, sechs Angreifer getötet. Yamoussoukro/Abidjan – Schwerbewaffnete haben in Cote dIvoire (Elfenbeinküste) am Sonntag drei Hotels und einen Strand des bei Touristen beliebten Badeorts Grand-Bassam angegriffen und 22 Menschen getötet, darunter mindestens einen Franzosen und einen Deutschen. Augenzeugen berichteten, die Angreifer hätten Allahu Akbar (Gott ist groß) gerufen. 14 Zivilisten und zwei Soldaten seien von den Terroristen getötet worden, sagte Präsident Alassane Ouattara am Abend. Nach seinen Angaben wurden auch sechs Angreifer getötet. Zu dem Anschlag bekannte sich Al-Kaida im Islamischen Maghreb, ein Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, teilte das auf die Überwachung islamistischer Websites spezialisierte US-Unternehmen Site mit. Der Augenzeuge Braman Kinda berichtete, wie mehrere schwerbewaffnete Angreifer zunächst auf dem Strand das Feuer auf Badegäste eröffneten. Wir waren am Strand, wir haben Schüsse gehört und Menschen weglaufen gesehen, und uns ist klargeworden, dass das ein Angriff ist, berichtete Kinda. Offenbar setzten die vermummten Männer anschließend ihre Angriffe auf die angrenzenden Hotels im französischen Viertel des Orts fort. Ein libanesischer Gast des Hotels LEtoile du Sud sah nach eigenen Angaben einen Angreifer mit einer Kalaschnikow und einem Gürtel mit Granaten. Andere berichteten, wie Gäste aus den Hotels in Sicherheit gebracht wurden. Ein Polizist sagte später einer Agentur, die Fahndung nach den Angreifern laufe noch, doch seien die Hotels gesichert. Die Armee riegelte die Umgebung ab. Der rund 40 Kilometer östlich der früheren Hauptstadt Abidjan gelegene Ferienort Grand-Bassam war während der französischen Herrschaft die wichtigste Stadt der Kolonie. Die 80.000-Einwohner-Stadt mit ihren eleganten historischen Fassaden gehört zum Weltkulturerbe und ist auch bei Ausländern beliebt. Bei den Anschlägen sind nach Angaben aus dem Außenministerium keine Österreicher unter den Todesopfern. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier bestätigte indes, dass eine deutsche Staatsangehörige ums Leben gekommen ist. Er verurteilte die Tat auf das Schärfste. Im Kampf gegen den Terror müsse die internationale Gemeinschaft zusammenhalten. Zur Identität der getöteten Bundesbürgerin machte das Auswärtige Amt keine Angaben. Die Nachrichtenagentur AFP berichtete unter Berufung auf einen Mitarbeiter des Goethe-Institutes in Abidjan, der anonym bleiben wollte, dass es sich bei der Deutschen um die Leiterin des Goethe-Instituts in Cote dIvoire handelt. Auch ein Franzose, ein Kameruner sowie eine Person aus Burkina Faso wurden bei dem Terrorakt getötet, wie die Nachrichtenagentur dpa berichtete. In den vergangenen Monaten waren bei islamistischen Angriffen auf Luxushotels in den Nachbarländern Mali und Burkina Faso Dutzende Menschen getötet worden. Zu den Anschlägen in der malischen Hauptstadt Bamako im November und in Ouagadougou im Jänner bekannte sich ebenfalls Al-Kaida im Islamischen Maghreb. In Bamako töteten die Angreifer 20 Menschen, in Ouagadougou gab es 30 Todesopfer. Ende Juni hatte ein IS-Angreifer in Tunesien vor einem Strandhotel bei Sousse 38 ausländische Touristen getötet, darunter zwei Deutsche. Experten warnten damals, islamistische Angriffe könnten auch Cote dIvoire und den Senegal treffen. Haare müssen "ordentlich" unter einem Kopftuch zusammengebunden werden. Banjul – Im westafrikanischen Gambia müssen Frauen künftig während ihrer Arbeitszeit Kopftücher tragen, wenn sie für die Regierung arbeiten. Das ordnete die Regierung am Montagabend in einer Anweisung an alle Ministerien und Regierungsbehörden an. Die Haare müssten ordentlich unter einem Kopftuch zusammengebunden werden, hieß es. Mitte Dezember 2015 hatte Präsident Yahya Jammeh das Land zur Islamischen Republik erklärt. Geschätzte 90 Prozent der fast zwei Millionen Einwohner sind Muslime. Zuvor hatte Jammeh, der seit einem Putsch im Jahr 1994 an der Macht ist, bereits strikte Gesetze gegen Homosexualität sowie zur Einschränkung der Medienfreiheit erlassen. Das bei Touristen für seine Strände beliebte Land ist laut Angaben der Weltbank eines der ärmsten Staaten der Welt. Attacke im Morgengrauen bei Viehmarkt an Grenze zu Somalia – Behörden machen Terrormiliz Al-Shabaab verantwortlich. Nairobi – Bei einem Angriff auf ein Dorf im Nordosten Kenias sind am Dienstag mindestens 14 Menschen getötet worden. Die bewaffneten Angreifer hätten bei dem Überfall in der Nähe eines großen Viehmarkts außerhalb der Stadt Mandera an der Grenze zu Somalia und Äthiopien auch elf Menschen verletzt, teilten Vertreter der Polizei und des kenianischen Roten Kreuzes mit. Demnach ereignete sich der Angriff in den frühen Morgenstunden. Der örtliche Regierungsvertreter Alex Ole Nkoyo sagte, die Angreifer hätten die Opfer im Schlaf überrascht. Sie hätten Sprengsätze in die Häuser geworfen und auf die Menschen geschossen. Die Opfer hätten vorwiegend in einem nahegelegenen Steinbruch gearbeitet, sagte Nkoyo, der die somalische Al-Shabaab-Miliz für den Angriff verantwortlich machte. Das Rote Kreuz kündigte an, ein Flugzeug zu schicken, um die Schwerverletzten in Krankenhäuser der Hauptstadt Nairobi zu bringen. Im Norden Kenias hatte es in den vergangenen Jahren vermehrt Angriffe der Shabaab-Miliz gegeben. Die somalische Islamistengruppe will damit Vergeltung für die Beteiligung der kenianischen Armee an der Militärmission der Afrikanischen Union in Somalia üben. Anfang April griffen vier Kämpfer der Miliz die Universität der Stadt Garissa an und töteten dabei 148 Menschen, die meisten davon Studenten. Die Miliz kämpft in Somalia seit Jahren gegen die Regierung, wurde aber zuletzt deutlich zurückgedrängt. Hauptausschuss des Nationalrats stimmte dafür – Bundesheer-Angehörige unter anderem als Stabsmitglieder und im militärmedizinischen Bereich tätig. Wien/Bamako/Kinshasa – Österreich wird sich weiter an der EU-Mission in Mali beteiligen. Der Hauptausschuss des Nationalrats hat am heutigen Mittwoch mit den Stimmen der Koalitionsparteien, des Team Stronach und der NEOS dafürgestimmt, die Entsendung österreichischer Soldatinnen und Soldaten bis zum 30. Juni 2016 zu verlängern, wie die Parlamentskorrespondenz am Nachmittag mitteilte. Die Bundesheerangehörigen sind demnach unter anderem als Stabsmitglieder und im militärmedizinischen Bereich tätig. Beantragt wurde die Mandatsverlängerung von Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP), FPÖ und Grüne sind allerdings weiter skeptisch. Auch an der – verkleinerten – EU-Mission in der Demokratischen Republik Kongo wird sich Österreich bis Ende August 2016 beteiligen. Bei einer Diskussion über den aktualisierten Übungs- und Ausbildungsplan des Bundesheeres kam es erneut zu kleinen Scharmützeln über US-Truppentransporte durch Österreich und Neutralität zwischen Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) und Grün-Abgeordnetem Peter Pilz, wie es in der Aussendung hieß. Im Rahmen der Ausbildungsmission der EU in Mali (EUTM Mali) sind aus Österreich bis zu zwanzig Bundesheerangehörige tätig. Die Stabsmitglieder sind im Missionshauptquartier in Bamako, das Personal aus dem militärmedizinischen Bereich im Feldspital der Mission in Koulikoro (rund 60 Kilometer nordöstlich von Bamako) stationiert. Ab August 2015 wird auch Ausbildungspersonal entsendet, um die malischen Streitkräfte in der militärischen Grundlagenausbildung zu unterstützen. Zur Gewährleistung der für den Dienstbetrieb, die innere Ordnung und die Sicherheit unverzichtbaren, vorbereitenden bzw. unterstützenden Tätigkeiten können außerdem weitere fünf Soldaten in das krisengeschüttelte Land fahren. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bis zu 20 Personen vorübergehend für Lufttransporte einzusetzen. Die Hauptaufgabe der Mission besteht in der Beratung, Unterstützung und Ausbildung der unter Kontrolle der rechtmäßigen Zivilregierung operierenden Streitkräfte. EUTM Mali wird von 23 EU-Staaten unterstützt. Die Beteiligung an Kampfeinsätzen ist im Mandat nicht vorgesehen. In der Debatte äußerte Grün-Abgeordneter Peter Pilz dennoch Sicherheitsbedenken. Die Grünen seien nicht grundsätzlich gegen derartige Einsätze, es brauche aber eine genaue Lagebeurteilung und eine Exit-Strategie, mahnte er. Pilz führte überdies ins Treffen, dass in Mali wesentliche Truppenteile inklusive ihrer Kommandanten auf die Gegenseite übergelaufen seien und dies die Sicherheitslage vor Ort weiter beeinträchtigt habe. Außenminister Kurz äußerte die feste Überzeugung, dass die EU-Missionen in Afrika für die Stabilisierung, Sicherheit und die Schaffung von Rechtsstaatlichkeit notwendig sind. Die Entwicklung in Mali beurteilte er vorsichtig positiv, es bleibe aber abzuwarten, ob die Friedensbemühungen tatsächlich von Erfolg gekrönt sein werden. In Richtung Pilz hielt Kurz fest, es komme zwar auch in den Regionen, in denen die EU-Mission tätig sei, immer wieder zu Attentaten, Südmali sei aber nicht das Hauptgefahrengebiet. Dass Truppen übergelaufen seien, könne er nicht bestätigten. Für eine Fortsetzung des österreichischen Engagements in Afrika machte sich auch Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) stark. Der afrikanische Kontinent gewinne für die Sicherheit Europas und Österreichs sukzessive an Bedeutung, betonte er. Es habe auch für Europa Konsequenzen, wenn staatliche Strukturen zerfallen oder nicht wachsen können. Dass der Einsatz österreichischer Soldaten geschätzt wird, zeigt für Klug allein schon der Umstand, dass Österreich aktiv eingeladen wurde, sich auch in die verkleinerte Mission im Kongo einzubringen. Österreich hat sich bereits bisher an der Beratungs- und Unterstützungsmission der EU in Zusammenhang mit der Reform des Sicherheitssektors in der Demokratischen Republik Kongo (EUSEC RD Congo) beteiligt. Sie endet am 30. Juni 2015. Die Mission soll nun in reduzierter Form ihre Fortsetzung finden und agiert unter dem Namen EUSEC RDC Micro-Mission. Österreich wird mit einem Angehörigen des Bundesheeres an dieser Nachfolgemission teilnehmen, dazu kommt, wie bei der Mali-Mission, gegebenenfalls weiteres notwendiges Unterstützungspersonal. Der nur gegen die Stimmen der FPÖ gefasste Beschluss ermächtigt zur Entsendung bis zum 31. August 2016. Sassou Nguesso sicherte sich mit 67 Prozent dritte Amtszeit. Brazzaville – Bei der Präsidentenwahl im zentralafrikanischen Staat Kongo-Brazzaville hat sich Staatschef Denis Sassou Nguesso mit großer Mehrheit eine dritte Amtszeit gesichert. Nach Auszählung von rund zwei Dritteln der am Sonntag abgegebenen Stimmen kam er auf etwa 67 Prozent, wie die Wahlkommission am Dienstagabend mitteilte. Herausforderer Guy-Brice Parfait Kolelas, ein früherer Premierminister, erhielt demnach nur rund 17 Prozent der Stimmen. Um sich eine weitere Amtszeit zu ermöglichen, hatte Sassou Nguesso im Oktober in einer umstrittenen Volksabstimmung die Verfassung ändern lassen. Die Europäische Union hatte wegen starker Zweifel an einer fairen Abstimmung keine Wahlbeobachter entsendet. Der frühere Militärangehörige Sassou Nguesso regierte das Land erstmals von 1979 bis 1992, danach kam es zu einem Bürgerkrieg. Seit 1997 ist Sassou Nguesso wieder Präsident. Etwa die Hälfte der 4,5 Millionen Einwohner des ölreichen Landes gilt der Weltbank zufolge als arm. Kongo-Brazzaville liegt westlich des weitaus größeren Staates Kongo, wo rund 80 Millionen Menschen leben. 15 Festnahmen nahe der Elfenbeinküste. Bamako – Nahe der Grenze zur Elfenbeinküste haben malische Soldaten nach Armeeangaben zwei Jihadistencamps zerstört und mutmaßliche Kämpfer festgenommen. Bei Einsätzen in der südlichen Grenzregion Sikasso seien 15 Jihadisten festgenommen und ihr Rückzugslager zerstört worden, sagte ein malischer Offizier am Dienstag der Nachrichtenagentur AFP. Unter den Festgenommenen sei ein radikaler Prediger von der Elfenbeinküste. Dieser habe in einem Dorf in Mali eine Moschee errichtet, um seine Regeln durchzusetzen. Ein anderer malischer Militärvertreter sagte, die Soldaten hätten bei einem Einsatz in einem weiteren Camp Waffen, Sprengstoff und Motorräder beschlagnahmt. Dieses Lager befinde sich nahe der Grenzstadt Fakola, das Ende Juni von der Islamistengruppe Ansar Dine angegriffen worden war. Die Gruppe plünderte dort Gebäude der Verwaltung und der Sicherheitskräfte. Erst in der vergangenen Woche hatten malische Soldaten bei einem Einsatz in der Region Sikasso mehrere Jihadisten getötet und deren Lager in einem Waldgebiet an der Grenze zerstört. Die Gruppe Ansar Dine konzentrierte ihre Angriffe lange Zeit auf die entlegenen Wüstengebiete im Norden Malis, doch seit Jahresbeginn sind die Kämpfer verstärkt auch nahe der Grenze zu Mauretanien sowie im Süden des Landes aktiv. Ansar Dine und andere Islamistengruppen hatten den Norden Malis im April 2012 unter ihre Kontrolle gebracht. Eine französische Militärintervention stoppte Anfang 2013 den Vormarsch der bewaffneten Islamisten Richtung Süden. Frankreich übergab den Militäreinsatz später der UNO-Truppe MINUSMA. Bei dem Angriff auf ein Hotel in Malis Hauptstadt Bamako gab es zahlreiche Tote. In Frankreich, das sich im westafrikanischen Land massiv engagiert, herrscht Bestürzung. Bamako/Paris – Zwei Männer fuhren am Freitagmorgen in einem schwarzen Toyota vor. Sie erhielten dank ihrer Diplomatenpässe – die sich nachträglich als gefälscht erwiesen – Einlass in das Radisson Hotel von Bakamo, wo sich viele Ausländer aufhalten. Danach zückten sie Sturmgewehre und nahmen im siebten Stockwerk mehrere Dutzend Geiseln. Mindestens 27 Menschen wurden dabei getötet. In örtlichen Medienberichten, die zunächst nicht verifiziert werden konnten, lag die Opferzahl aber höher. Zahlreiche wurden freigelassen, zum Teil deshalb, weil sie nach Aufforderung der Attentäter Koranverse zitieren konnten. Eine zwölfköpfige Besatzung der Fluggesellschaft Air France – eine der wenigen westlichen Airlines, die Bamako anfliegen – wurde nach inoffiziellen Angaben ausgefiltert. Mindestens 138 Gäste waren nach Angaben des Hotelmanagers zeitweise in der Gewalt der Geiselnehmer. Am Abend hieß es von der malischen Regierung, alle seien befreit. Zwei Attentäter sollen getötet worden sein. Laut TV-Berichten versuchten Armeeeinheiten zuvor, sich dem Hotel der amerikanischen Kette Carlson im Schutz gepanzerter Fahrzeuge zu nähern. Zeugen hörten zahlreiche Schusswechsel. Zur Tat bekannte sich in einer Twitter-Nachricht die Jihadistengruppe Al-Mourabitoun des gefürchteten Extremisten Mokhtar Belmokhtar, die in der malischen Sahara ihre Basis hat und der Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQIM). Das wurde aber von Geheimdiensten noch nicht bestätigt. Einer der freigekommenen Hotelgäste glaubte, dass die Männer, deren Zahl zwischen zwei und zehn angegeben wurde, Englisch mit nigerianischem Akzent sprachen. Das könnte darauf hindeuten, dass sie zu der aus Nigeria stammenden Islamsekte Boko Haram gehören. Im Sahara- und Sahelgebiet in und um Mali ist auch der regionale Al-Kaida-Ableger Aqmi aktiv. Diverse, zum Teil mit den Tuareg alliierte Milizen agieren ihrerseits in Malis Norden. Dort hatten Islamisten einen Gottesstaat errichtet, bevor sie 2013 von der französischen Militäroperation Serval vertrieben wurden. Unter den Geiseln im Hotel Radisson sollen die Franzosen in der Mehrzahl sein – neben Türken, Kanadiern, Chinesen und anderen Staatsangehörigen. Genau eine Woche nach den mörderischen Attentaten in Paris herrscht in Frankreich erneut Bestürzung. Präsident François Hollande rief seine Landsleute in Mali auf, Vorsicht zu üben und sich bei der Botschaft zu melden. Er erklärte weiter, Frankreich stehe zur Verfügung, wenn Mali Unterstützung brauche. Derzeit ist in Bamako keine französische Einheit präsent. Diese konzentrieren sich auf die militärische Front im Landesnorden, während in Bamako, im Süden des Landes, Malis Armee und Uno-Blauhelme der Mission Minusma stationiert sind, viele davon aus afrikanischen Staaten. Laut Pariser Medien waren am Freitagnachmittag allerdings 40 Franzosen der Elitepolizei GIGN nach Bamako unterwegs. Sie waren schon bei früheren Geiselnahmen in Mekka und Dschibuti zu einem Auslandseinsatz gekommen. Auch amerikanische und französische Spezialagenten in Bamako sollen den lokalen Armeeverbänden helfend zur Seite stehen. Hollande bemühte sich, in seinem TV-Auftritt die Souveränität Malis und seines Präsidenten Ibrahim Boubacar Keïta hervorzuheben. Er weiß, dass Belmokhtar mit seinen Anschlägen – zuletzt im März auf ein oft von Ausländern besuchtes Restaurant in Bamako mit fünf Toten – ausdrücklich die französischen Besatzer anvisiert. Tatsache ist, dass die französische Exkolonie Mali in der heutigen Form kaum mehr bestünde, wenn Frankreich Anfang 2013 nicht militärisch eingegriffen hätte. Die französische Nachfolgemission Barkhane unterhält seit gut einem Jahr noch 3.000 Soldaten. Ihr Einsatzgebiet ist so groß wie Westeuropa und erstreckt sich über fünf Länder von Tschad bis Mauretanien. Weil Frankreich nach den Anschlägen von Paris EU-Verbündete um Entlastung gebeten hatte, ist in Zukunft auch ein größerer deutscher Einsatz in Mali möglich. Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hatte zuletzt in Richtung Berlin angemerkt, Frankreich könne sich nicht um alle Brandherde kümmern. Im Zuge der EU-Mission EUTM sind sieben Österreicher in Mali stationiert, sie waren von der Geiselnahme nicht betroffen.(Stefan Brändle, 20.11.2015) Al-Kaida: Geiselnahme in Bamako Aktion mit Al-Mourabitoune. Bamako – Die Jihadistengruppe Al-Kaida im Islamischen Maghreb (AQMI) hat sich nach eigenen Angaben im Kampf gegen Frankreich mit der Gruppe Al-Mourabitoune des algerischen Islamisten Mokhtar Belmokhtar zusammengeschlossen. Diese Allianz der Jihadisten habe sich beim gemeinsamen Angriff auf das Hotel in der malischen Hauptstadt Bamako konkretisiert, teilte AQMI-Chef Abdelmalek Droukdel am Freitag mit. Die Geiselnahme in dem Hotel in Bamako war am 20. November unter Beteiligung von Sondereinheiten aus Frankreich und den USA beendet worden. Bei dem Angriff gab es nach Angaben der Behörden in Mali 22 Tote, darunter zwei Angreifer, sowie neun Verletzte. Zu den Todesopfern zählen 14 Ausländer: sechs Russen, drei Chinesen, zwei Belgier, eine US-Bürgerin, ein Israeli und ein Senegalese. Zu der Tat hatten sich noch am selben Tag die Gruppe Al-Mourabitoune und zwei Tage später die malische Befreiungsfront Macina (FLM) bekannt. In einer Audiobotschaft erklärte Droukdel der nunmehr gemeinsame Kampf gegen den Hauptfeind, die Kreuzfahrernation Frankreich, gelte auch dessen Agenten in der Region. Im Mai hatte der einäugige Belmokhtar der Dschihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen. Die Gruppe Al-Mourabitoune gehöre nun zum IS, hieß es in einer damals verbreiteten Audiobotschaft. Belmokhtar kämpft für einen Zusammenschluss dschihadistischer Gruppen in Libyen, dem Niger und dem Tschad. Er war bereits mehrfach tot gesagt worden. Entsprechende Meldungen bestätigten sich aber nicht. Bamako/Wien – Die EU-Trainingsmission in Mali (EUTM) soll ausgeweitet werden und die Ausbildung der Soldaten dezentralisiert werden. Das teilte das Verteidigungsministerium in Wien am Mittwoch auf APA-Anfrage mit. Bisher findet die Ausbildung malischer Soldaten nur an einem Punkt statt, künftig sollen die Ausbilder auch im gefährlicheren Norden des Landes eingesetzt werden können. Oberste Priorität bleibe aber weiterhin der Sicherheitsaspekt. Die Soldaten sollen nur dort eingesetzt werden, wo auch die Sicherheit gewährleistet werden kann, so Ministeriumssprecher Michael Bauer. Derzeit sind 15 Bundesheer-Angehörige in dem westafrikanischen Land stationiert, bis zu 20 können laut Mandat entsendet werden. Insgesamt sind an der drei Jahre laufenden EU-Mission 560 Soldaten beteiligt. Wie die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen anlässlich ihres Besuches in Mali bekannt gab, wird das Einsatzgebiet bis zu den Städten Gao und Timbuktu am Rande der Sahara ausgeweitet. Aber dazu muss im Norden zunächst einmal der Friedensprozess (...) sich verfestigen, fügte sie laut Nachrichtenagentur dpa hinzu. Der Norden Malis war 2012 für einige Monate in die Hände teils islamistischer Rebellen gefallen, bevor er Anfang 2013 von französischen und afrikanischen Truppen zurückerobert wurde. Islamistische Gruppierungen wie Al-Kaida im islamischen Maghreb (AQMI) terrorisieren die Gegend bis heute. Überfall auf ein Dorf – Überfall ereignete sich am Mittwoch. Niamey – Kämpfer der Extremistengruppe Boko Haram haben bei einem Überfall auf ein Dorf im Niger mindestens 16 Menschen getötet. Die Angreifer hätten die Bewohner eines an der Grenze zu Nigeria gelegenen Dorfes im Gebet überfallen, sagte am Samstag der Bürgermeister der benachbarten Stadt Bosso, Bako Mamadou, im staatlichen nigrischen Fernsehen. Der Überfall ereignete sich nach seinen Angaben am vergangenen Mittwoch. Die nigrische Armee teilte mit, sie habe nach der Attacke mehr als 30 Boko-Haram-Kämpfer bei Säuberungsaktionen getötet. Drei Extremisten wurden nach Angaben des Verteidigungsministeriums festgenommen. Im Südosten des Nigers hat Boko Haram zuletzt wieder verstärkt Angriffe ausgeübt. Die aus dem Nachbarland Nigeria stammende Extremistenorganisation kämpft seit 2009 mit Gewalt für die Errichtung eines islamischen Staats im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Seit dem vergangenen Jahr hat sie ihre Anschläge auch auf die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad ausgeweitet. Die Armeen dieser Länder kämpfen inzwischen gemeinsam gegen Boko Haram. In dem Konflikt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 15.000 Menschen getötet. Gefangene verhungert und ermordet - Menschenrechtler fordern Verfahren gegen Militärs. Abuja/Wien – Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat scharfe Kritik am Vorgehen der Armee in Nigeria geübt. Diese würde abscheuliche Kriegsverbrechen begehen, heißt es in einem am Mittwoch in Abuja veröffentlichten Bericht. Darin werden rechtliche Schritte gegen hochrangige Mitglieder des Militärs gefordert. Die Verantwortlichen der Gräueltaten müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Der Tod von laut Amnesty mehr als 8.000 Menschen, die in Militärgewahrsam qualvoll verendeten, zu Tode gefoltert oder rechtswidrig getötet wurden, muss vollumfänglich untersucht werden, betonte die Organisation in einer Aussendung. Die mögliche strafrechtliche Verantwortung entlang der Kommandokette reiche bis in höchste militärische Ränge. Amnesty International nennt namentlich neun hochrangige Mitglieder der nigerianischen Armee, gegen die Untersuchungen eingeleitet werden müssten. Der Bericht basiert auf jahrelangen Recherchen und der Analyse interner Militärberichte und -korrespondenzen sowie auf mehr als 400 Interviews, die Amnesty International mit Betroffenen, Augenzeugen und hochrangigen Mitgliedern der nigerianischen Sicherheitskräfte geführt hat. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation starben seit 2011 mindestens 7.000 Männer und Burschen in Militärgewahrsam. Weitere 1.200 Häftlinge wurden seit 2012 rechtswidrig getötet. Auch Frauen und Kinder wurden festgenommen, der jüngste Terrorverdächtige war neun Jahre alt. In vielen Fällen erschossen die Militärs Gefangene, die keine Gefahr mehr darstellten. Zahlreiche extralegale Hinrichtungen fanden laut Amnesty in Haftanstalten statt, manche Verdächtige wurden aber auch direkt nach ihrer Festnahme getötet, indem man ihnen die Kehle durchschnitt oder sie erschoss. Amnesty kritisiert, dass Gefangene in überfüllten Räumlichkeiten festgehalten werden und kaum Nahrung erhalten: so seien in den Kasernen von Giwa und Damaturu Gefangene verhungert, weil sie nur eine Handvoll Reis am Tag erhalten hätten. Zeugen berichten von ausgezehrten Körpern und trockenen Lippen, die ihnen an Leichen aufgefallen seien. Ein hochrangiger Offizier bestätigte, dass in Giwa Gefangene verhungert seien. Die wenigsten bei Militäroperationen gegen Boko Haram Verhafteten werden vor Gericht gestellt. Seit 2010 wurden lediglich 24 Verfahren abgeschlossen, in denen knapp über hundert Personen angeklagt waren. Den Ermittlern liegen Dokumente des nigerianischen Militärs vor, in denen die Todesfälle dokumentiert sind. So liest man in einem Bericht aus dem Jahr 2013: 9. März: 7 Boko-Haram-Terroristen nach kurzer Krankheit verstorben. 11. März: 7 Boko-Haram-Terroristen nach kurzer Krankheit verstorben. 12. März: 8 Boko-Haram-Terroristen nach kurzer Krankheit verstorben. Schwere Vorwürfe erheben die Menschenrechtler auch gegen Angehörige der paramilitärischen Civilian Joint Task Force. Die 2013 ins Leben gerufene Miliz unterstützt das Militär bei der Suche nach mutmaßlichen Boko-Haram-Mitgliedern. Amnesty verfügt über Dokumente, die Übergriffe der Paramilitärs gegen Gefangene belegen. Nigeria kämpft seit Jahren gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram, die seit 2010 immer wieder Anschläge – vor allem im Norden des bevölkerungsreichsten afrikanischen Landes verübt. Ein im April dieses Jahres veröffentlichter Amnesty-Bericht wirft Boko Haram Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Die Grausamkeit der Boko Haram-Milizen können keine Entschuldigung für schwere Kriegsverbrechen sein, die Verantwortlichen müssten bestraft werden, forderte auch der Generalsekretär von Amnesty International Österreich, Heinz Patzelt. (red/APA, 3.6.2015) 'Monatelang wütete Boko Haram im Bundesstaat Adamawa, jetzt wollen Flüchtlinge heimkehren. In der Stadt Hong, die im Norden des nigerianischen Bundesstaates Adamawa liegt, sind die Spuren der Terrormiliz Boko Haram noch allgegenwärtig, auch wenn die Besatzung schon viele Monate zurückliegt. Doch an der Durchgangsstraße, die die Provinzhauptstädte Yola und Maiduguri verbindet, hat sich niemand die Mühe gemacht, die ausgebrannten Häuser wieder aufzubauen. Die Türen der kleinen Geschäfte sind mit Brettern vernagelt. Arabische Schriftzeichen prangen an Häusern, Hinweisschilder sind übermalt. Spuren der mittlerweile abgezogenen Kämpfer. Niemand weiß, wo sie ihre Sprengsätze versteckt haben. Für spielende Kinder kann das zur tödlichen Gefahr werden. Trotzdem wollen die meisten Binnenflüchtlinge lieber heute als morgen zurück. Als die Terroristen ab September 2014 immer weiter Richtung Süden marschierten, retteten sich Zehntausende in die Provinzhauptstadt Yola und lebten monatelang in großen Flüchtlingscamps. Insgesamt haben mehr als 1,5 Millionen Menschen den Nordosten Nigerias verlassen. Wie viele bereits in ihre Heimatdörfer zurückgekehrt sind, ist unklar. John Yakubu beneidet sie manchmal. Der Mann, der langsam graue Haare bekommt und tränende Augen hat, lebt im Camp von Sankt Theresa, das die katholische Kirche in Yola betreibt. Rund um die Kathedrale sind heute noch knapp 300 Binnenflüchtlinge untergebracht. Yakubu gehört zu den wenigen Männern. Zuerst waren es nur Gerüchte, doch Augenzeugen haben es längst bestätigt: Als die Terrorgruppe die Dörfer und Kleinstädte überfiel, versuchten deren Kämpfer, Frauen und Kinder in ihre Quartiere im Sambisa-Wald zu bringen. Viele Männer wurden systematisch umgebracht. Häufig wurden ihnen in aller Öffentlichkeit die Kehlen durchgeschnitten. Yakubu hatte Glück. Als zwei Terroristen, die Soldatenuniformen trugen, auf der Flucht sein Auto stoppten, sagte er ihnen: Die Armee hat die Region längst verlassen. Wenn ihr wollt, dann bringt mich jetzt um. Wie durch ein Wunder ließen sie ihn laufen. Beim Erzählen hat er sich auf den Boden gehockt und schaut in den Himmel. Noch ist dieser strahlend blau, doch bald wird der Regen einsetzen. Eigentlich geht es mir gut hier, sagt Yakubu auf Haussa, der größten Verkehrssprache des Nordens, doch mir fehlt die Arbeit. Er ist Farmer und blickt deshalb immer wieder prüfend gen Himmel. Längst hätte er seine Felder vorbereiten müssen, da er doch schon eine Ernte verloren hat. Doch sein Heimatdorf gilt bis heute als viel zu gefährlich. In den vergangenen Monaten hat Priester Maurice Kwairanga, Direktor der Camps, schon viele Menschen gehen und wiederkommen sehen. In seinem Büro besuchen ihn täglich Flüchtlinge. Rückkehrer berichten, dass es neben den fehlenden Nahrungsmitteln keine gesundheitliche Versorgung mehr gibt Mehrere Bomben in Busbahnhof von Gombe explodiert. Abuja/Yaounde – Das gemeinsame Vorgehen der Truppen mehrerer afrikanischer Länder hat Boko Haram möglicherweise geschwächt, dennoch verübt die Extremistengruppe weiter schwere Gewalttaten: Bei Anschlägen in Nigeria und Kamerun wurden am Mittwoch mehr als 50 Menschen getötet. Im nigerianischen Gombe explodierten mehrere Bomben, im kamerunischen Maroua sprengten sich zwei Mädchen in die Luft. Bei den Anschlägen auf zwei Busbahnhöfe in Gombe wurden mehr als 40 Menschen getötet. Augenzeugen zufolge ereigneten sich die ersten Explosionen gegen 19.30 Uhr am Eingang des Busbahnhofs Dadin Kowa. Etwa 20 Minuten später explodierten zwei Bomben an der Dukku-Busstation. Ich und andere vor Ort kamen zurück und begannen, die Toten rauszuziehen, berichtete ein Händler. Ich zählte bis zu 30 Leichen. Mir wurde schlecht, und ich ging. In Gombe hatte es erst am vergangenen Donnerstag 49 Tote bei mehreren Bombenexplosionen auf einem Markt gegeben, auf dem zahlreiche Menschen für das Fest zum Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan einkauften. Ob die Anschläge am Mittwoch von Selbstmordattentätern verübt oder ob Sprengsätze ferngesteuert gezündet wurden, war zunächst nicht feststellbar. Boko Haram nahm bereits in der Vergangenheit häufig belebte Orte wie Bahnhöfe, Moscheen oder Kirchen ins Visier. Erst kürzlich hatte die Gruppe über den Kurznachrichtendienst Twitter ein Video verbreitet, in dem sie kundtat, noch lange nicht geschlagen zu sein: Wir kommen dahin, wo ihr uns nicht erwartet, und viel stärker als früher, hieß es darin. Boko Haram kämpft seit sechs Jahren mit Gewalt für die Errichtung eines islamischen Staats in Nigeria. Seit dem vergangenen Jahr hat sie ihre Anschläge auch auf die Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad ausgeweitet. Inzwischen gehen die betroffenen Länder gemeinsam gegen die Extremistengruppe vor. In dem Konflikt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen mehr als 15.000 Menschen getötet. Von einem schweren Attentat erschüttert wurde am Mittwoch auch Kamerun: In der nördlichen Regionalhauptstadt Maroua sprengten sich zwei Mädchen auf einem zentralen Markt in die Luft. Sie rissen mindestens elf Menschen mit in den Tod, 32 weitere wurden verletzt. Die Mädchen waren nach Angaben der Regionalregierung beide jünger als 15 Jahre. Ein kamerunischer Journalist, der in der Stadt unterwegs war, berichtete von völliger Panik nach den Attentaten. Überall seien Leichenteile und abgetrennte Gliedmaßen herumgelegen. Zu dem Doppelanschlag bekannte sich zunächst niemand. Auch in der Region verübt Boko Haram regelmäßig Anschläge. Der kamerunische Präsident Paul Biya verurteilte die schändlichen Angriffe auf unschuldige Menschen. Er rief die Bevölkerung zur Wachsamkeit und zur engen Zusammenarbeit mit den Sicherheitskräften auf. Nigerias Präsident Muhammadu Buhari kritisierte auf seiner ersten USA-Reise seit seinem Amtsantritt die mangelnde Unterstützung Washingtons. Wenn die USA mit dem Argument der angeblichen Menschenrechtsverletzungen in Nigeria keine Waffen an die dortige Armee liefere, dann nütze dies nur Boko Haram, sagte Buhari in einer Rede vor Abgeordneten und Bürgerrechtlern. Islamistengruppe versetzt Bevölkerung weiter in Angst. Abuja – Bei einer Offensive gegen Boko Haram hat die nigerianische Armee nach eigenen Angaben fast 180 Geiseln aus der Gewalt der Islamistengruppe befreit. 101 der 178 befreiten Menschen seien Kinder, teilte Armeesprecher Tukur Gusau am Sonntag in einer Erklärung mit. Außerdem sei ein Boko-Haram-Kommandant lebend gefasst worden. Bei einem Angriff von Boko Haram im nordnigerianischen Malari wurden laut Augenzeugen mindestens 13 Menschen getötet. Armeesprecher Gusau erklärte, die Soldaten hätten eine Offensive rund um Aulari im Norden des Landes gestartet. Dabei hätten sie 101 Kinder, 67 Frauen und zehn Männer befreit. Zum Zeitpunkt machte der Sprecher keine Angaben. Aulari liegt rund 20 Kilometer südlich von Maiduguri, der größten Stadt im Nordosten Nigerias. Boko Haram kämpft seit sechs Jahren gewaltsam für die Errichtung eines islamischen Staats im muslimisch geprägten Norden Nigerias. In dem Konflikt wurden nach Angaben der Vereinten Nationen bereits mehr als 15.000 Menschen getötet. Im Frühjahr leistete Boko Haram der Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) den Treueeid. Schwere Gefechte und Explosionen erschüttern den Nordosten des Landes – Anschläge tragen Markenzeichen der Terrormiliz Boko Haram. NDjamena – Beim Angriff auf eine Kaserne im Bundesstaat Yobe haben Kämpfer der nigerianischen Terrormiliz Boko Haram nach Militärberichten schwere Verluste hinnehmen müssen. Bei dem morgendlichen Angriff in der Region Goniri wurden nach Angaben eines Armeesprechers rund 100 Extremisten getötet. Das Militär gab seine eigenen Verluste am Mittwoch mit sieben Toten sowie neun Verwundeten an. Zahlreiche schwere Waffen und Sprengstoff wurden bei den Kämpfen erbeutet. Unklar blieb zunächst, ob zwei Selbstmordanschläge im selben Bundesstaat auf das Konto der Terrormiliz ging. Bei den Explosionen in der Stadt Damaturu kamen nach Angaben des örtlichen Rettungsdienstes 16 Menschen ums Leben, darunter die beiden Attentäter. Zahlreiche Menschen wurden überwiegend schwer verletzt. Zwei junge Selbstmordattentäter waren an der Explosion im Buhari-Wohnkomplex beteiligt, wo heute in der Früh an zwei Orten 16 Menschen getötet wurden, sagte am Mittwoch der Leiter des örtlichen Rettungsdienstes, Alhaji Musa Idi, der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Überall Leichen Nach Angaben des örtlichen Journalisten Jubrin Nmodu ereigneten sich die Explosionen in einer Moschee sowie einem Lebensmittelgeschäft. Auf dem ganzen Platz herrschte Konfusion, überall lagen Leichen und Verwundete, die um Hilfe schrien, sagte Nmodu. Die Leute zögerten aber zunächst aus Angst vor weiteren Explosionen, sich ihnen zu nähern. Bei den Attentätern soll es sich demnach um junge Männer gehandelt haben, die sich vor der Explosion noch umarmt hatten. Eine weitere ereignete sich demnach in einem Geschäft, das im gleichen Wohnkomplex untergebracht war. Am Vortag waren im Grenzgebiet zum zentralafrikanischen Nachbarland Tschad bei Gefechten zwischen mutmaßlichen Mitgliedern der Boko Haram und dem dortigen Militär insgesamt 48 Menschen getötet worden. Dabei handle es sich um elf Soldaten und 37 Extremisten, sagte Armeesprecher Adjali Djibrine Moussa. 13 weitere Soldaten seien bei den Gefechten nahe dem Ort Litri verwundet worden. Boko Haram hatte zuletzt auch mehrfach Ziele im Tschad angegriffen. Die sunnitischen Fundamentalisten wollen einen sogenannten Gottesstaat mit strengster Auslegung des islamischen Rechts errichten. Laut Rotem Kreuz 32 Menschen ums Leben gekommen. Abuja – Bei einem Bombenanschlag im Nordosten Nigerias sind örtlichen Medienberichten zufolge Dutzende Menschen ums Leben gekommen. Die Bombe sei in der Stadt Yola im Bundesstaat Adamawa detoniert, berichtete die Zeitung Premium Times. Laut Rotem Kreuz starben 32 Menschen, 80 weitere wurden verletzt. Die Explosion im Viertel Jimeta sei in der ganzen Stadt zu hören gewesen. Die Polizei machte zunächst keine Angaben zu den Opferzahlen oder zu den möglichen Hintergründen der Tat, die an frühere Anschläge der islamistischen Terrororganisation Boko Haram erinnert. Die sunnitischen Fundamentalisten von Boko Haram terrorisieren den Nordosten Nigerias und die angrenzenden Gebiete der Nachbarländer Kamerun, Niger und Tschad. Die Islamisten wollen dort einen sogenannten Gottesstaat errichten, mit strengster Auslegung des islamischen Rechts, der Scharia. Bei Anschlägen und Angriffen der Gruppe wurden seit 2009 mindestens 14 000 Menschen getötet. Präsident Buhari hat die Verhaftung von Dasuki angeordnet. Er soll fiktive Aufträge für Waffen und Munition vergeben haben. Abuja – Nigerias Präsident Muhammadu Buhari hat die Verhaftung eines ehemaligen nationalen Sicherheitsberaters wegen Veruntreuung von Milliardenbeträgen angeordnet. Sambo Dasuki habe während seiner Amtszeit (2007-2015) fiktive Aufträge für Waffen und Munition im Wert von fast zwei Milliarden Euro vergeben, teilte die Regierung am Mittwoch mit. Die veruntreuten Beträge sollten dem Kampf gegen die islamistische Terrorgruppe Boko Haram dienen, die seit 2009 bei Anschlägen im Nordosten des Landes mindestens 14.000 Menschen getötet hat. Buhari hatte im März die Präsidentschaftswahl unter anderem aufgrund seines Versprechens, Korruption einzudämmen, gewonnen. Sieben Tote bei Selbstmordanschlag in Kamerun. Abuja – Die Islamistengruppe Boko Haram hat bei einem Angriff auf ein Dorf im Nordosten Nigerias nach Angaben von Bewohnern 14 Menschen getötet. Wir haben 14 Leichen gefunden, berichtete am Freitag der Bewohner Ibrahim Babagana nach seiner Rückkehr in das Dorf Kamuya im Bundesstaat Borno. Einige der Opfer seien geköpft worden, sieben seien erschossen worden. Ein Mitglied einer Bürgerwehr, die die Armee unterstützt, bestätigte die Angaben und sprach überdies von sechs Verletzten, die nun im Krankenhaus behandelt würden. Bewaffnete Männer waren den Angaben zufolge am Donnerstagabend gegen 20.00 Uhr zu Fuß und auf Fahrrädern in das Dorf gekommen. Sie hätten das Dorf in Brand gesetzt und vollständig zerstört. Kamuya liegt in der Nähe des Heimatdorfes der Mutter des Generalstabschefs der nigerianischen Armee, Tukur Yusuf Buratai. Dieser war im Juli ernannt worden und hatte den Druck auf Boko Haram erhöht. Im nordkamerunischen Kolofata, zehn Kilometer von der Grenze zu Nigeria entfernt, wurden am Freitag bei einem Selbstmordattentat sieben Zivilisten getötet. Wie aus örtlichen Sicherheitskreisen verlautete, ereignete sich der Anschlag vor einem Gebäck-Stand. Es gebe acht Leichen, darunter der Attentäter. Unklar blieb, ob es sich dabei um einen Mann oder um eine Frau handelte. Die Region Kolofata wird immer wieder von Boko-Haram-Kämpfern ins Visier genommen. Kamerun hat sich ebenso wie der Tschad, der Niger und Benin mit Nigeria zusammengeschlossen, um Boko Haram militärisch zu bekämpfen. Vergangene Woche hatte die kamerunische Regierung erklärt, ihre Armee habe der Islamistengruppe bei einem dreitägigen Einsatz Ende November einen harten Schlag zugefügt und rund hundert ihrer Kämpfer getötet sowie 900 Geiseln befreit. Boko Haram kämpft seit sechs Jahren für die Errichtung eines islamischen Staats im mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias. Mindestens 17.000 Menschen wurden in dem Konflikt bisher getötet, rund 2,6 Millionen Menschen wurden durch die Gewalt in die Flucht getrieben. Die nigerianische Regierung hatte diese Woche ihr Ziel bekräftigt, Boko Haram bis zum Jahresende zu besiegen. Zwei Dörfer von Extremisten attackiert. Kano – Bei Angriffen von mutmaßlichen Boko-Haram-Extremisten auf zwei Dörfer im Nordosten Nigerias sind am Freitag und Samstag laut Sicherheitskreisen mindestens 30 Menschen getötet worden. Die islamistischen Milizionäre seien mit Schusswaffen und Messern bewaffnet auf Motorrädern und in Kleinbussen in die Dörfer Yakshari und Kachifa gefahren, sagte der Mitarbeiter einer örtlichen Wachtruppe, die das Militär unterstützt, der Nachrichtenagentur AFP. Die Angreifer hätten den Bewohnern die Kehlen durchgeschnitten und Lebensmittel und Vieh geraubt. Wir gehen davon aus, dass es dieselben Bewaffneten waren, die beide Dörfer attackierten, sagte der Wachmann, Mustapha Karimbe. Boko Haram kämpft seit 2009 für einen islamischen Staat im mehrheitlich muslimischen Norden Nigerias. Mehr als 17.000 Menschen wurden getötet und 2,6 Millionen Menschen in die Flucht getrieben. Der Konflikt weitete sich auf die Nachbarländer Kamerun, Tschad und Niger aus. Im März 2015 leistete Boko Haram der im Irak und in Syrien kämpfenden Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) den Treueschwur. Zwei Seeleute verschleppt. Luxemburg – Piraten haben vor der Küste Nigerias ein unter der Flagge Luxemburgs fahrendes Schiff überfallen. Nach Angaben der luxemburgischen Regierung vom Freitag wurden bei dem Angriff auf den Hochseeschlepper Bourbon Liberty 251 im Golf von Guinea am Dienstag zwei Besatzungsmitglieder, ein Russe und ein Nigerianer, verschleppt. Die zehn anderen Besatzungsmitglieder, jeweils zur Hälfte Russen und Nigerianer, brachten das Schiff in den nigerianischen Hafen Onne, nachdem die Piraten geflüchtet waren. Die Besatzung hatte sich in einer Panikzelle verschanzt. Das 60 Meter lange Schiff wird vor allem zur Versorgung und zum Transport von Bohrinseln eingesetzt. Laut Maritime News ist dies der sechste erfolgreiche Piratenangriff im Golf von Guinea seit Jahresbeginn. Ex-Jihadisten sollen bei Reue wieder in Gesellschaft integriert werden und sogar Berufsausbildung machen können. Abuja – Ehemalige Kämpfer der nigerianischen Terrorormiliz Boko Haram sollen künftig in einem eigens eingerichteten Lager rehabilitiert werden. Dort sollten Kämpfer, die sich ergeben hätten und Reue zeigten, wieder an das normale Leben herangeführt werden, teilte das nigerianische Militär am Dienstag mit. Dazu sollten sie auch eine Berufsausbildung machen können. Weitere Angaben zu dem Lager machte das Militär nicht. Gleichzeitig kündigte aber die Armee an, ihre Offensive gegen die Jihadisten im Nordosten des Landes fortzusetzen. Terror der Boko-Haram-Miliz Seit dem Beginn des Aufstands von Boko Haram (auf Deutsch: Westliche Erziehung ist Sünde) gegen den nigerianischen Staat im Jahr 2009 wurden Schätzungen zufolge 20.000 Menschen getötet. Tausende Frauen und Kinder wurden in dem mehrheitlich muslimischen Nordosten Nigerias verschleppt und versklavt. Mehr als 2,6 Millionen Menschen flohen vor der Islamistengruppe. Inzwischen allerdings haben die ersten Menschen wieder damit begonnen, in ihre Häuser zurückzukehren. Boko Haram hatte im März 2015 dem Islamischen Staat (IS) die Treue geschworen und bezeichnet sich selbst seitdem als Islamischer Staat in der Provinz Westafrika. Es ist aber offen, ob Boko Haram praktische Unterstützung von der IS-Miliz erhalten hat. In den vergangenen zwölf Monaten wurde die Islamistengruppe von der nigerianischen Armee und den Streitkräften der Nachbarländer deutlich zurückgedrängt. Menschenrechtsorganisation äußerte sich zu gewaltsamen Zusammenstößen im Dezember. Lagos – Amnesty International hat dem nigerianischen Militär die Tötung Hunderter schiitischer Muslime zur Last gelegt. Die Menschenrechtsorganisation erklärte in einem am Freitag vorgelegten Bericht, ihre Untersuchungen hätten ergeben, dass die Streitkräfte bei Zusammenstößen im Dezember willkürlich auf friedliche Protestierende geschossen hätten. Dabei seien 350 schiitische Muslime getötet worden. Es handelte sich um Proteste der Islamischen Bewegung von Nigeria (IMN). Regierungstruppen sollen die IMN im schiitisch dominierten Zaria angegriffen haben, nachdem einem Militärkonvoi die Durchfahrt verwehrt worden war. Das Militär erklärte dazu, die IMN-Anhänger hätten den Armeechef töten wollen und die Soldaten hätten angemessen darauf reagiert. Es sei nicht klar, weshalb die Armee einen derartigen Militäreinsatz gestartet habe, monierte hingegen Amnesty. Die Organisation warf den Streitkräften vor, keinen Beweis erbracht zu haben, dass die IMN den Armeechef habe töten wollen. Zudem habe die nigerianische Armee ihrerseits Beweise für die Tötung der Schiiten verschwinden lassen, sie habe Menschen bei lebendigem Leib verbrannt, Gebäude zerstört und die Opfer in Massengräbern verscharrt. Die Organisation veröffentlichte dazu Satellitenaufnahmen möglicher Gräber. Die IMN will in der nördlichen Region des afrikanischen Landes einen islamischen Staat nach dem Vorbild des Iran errichten. Der Iran wiederum versteht sich als Schutzmacht von Schiiten weltweit und hatte scharf gegen den Angriff der Truppen protestiert. Unter beinahe 150 Todesfällen seit Jänner auch zwölf Kinder. Lagos – Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Tod zahlreicher Häftlinge in einem Militärgefängnis im Norden von Nigeria beklagt. In einem am Mittwoch veröffentlichten Bericht heißt es, seit Jänner seien in den Giwa-Kasernen in Maiduguri fast 150 Menschen ums Leben gekommen, darunter zwölf Kinder. Der Afrika-Direktor der Organisation, Netsanet Belay, sprach von grauenhaften Zuständen. Amnesty forderte die sofortige Schließung der Haftanstalt. Der Amnesty-Bericht beruht auf Aussagen früherer Häftlinge und anderer Zeugen. Demnach starben viele Häftlinge in den Giwa-Kasernen an Hunger, Krankheiten, Auszehrung und den Folgen von Verletzungen. Im März waren in dem Gefängnis 1.200 Häftlinge untergebracht. Das Gefängnis wird vor allem für Häftlinge genutzt, die im Kampf gegen die Islamistenmiliz Boko Haram festgenommen wurden. Muss noch per Volksabstimmung bestätigt werden. Kigali – Das ruandische Oberhaus will Präsident Paul Kagame weitere Amtszeiten ermöglichen: Erst nach drei Jahrzehnten als Staatschef soll er abtreten müssen. Ein entsprechender Beschluss des Senats vom Dienstag muss allerdings erst noch mit einem Referendum von der Mehrheit der Wähler bestätigt werden. Die Volksabstimmung würde der beliebte Kagame wohl gewinnen – auch weil Opposition und freie Presse nach Kräften gegängelt werden. Wenn ich wieder kandidieren würde, würde ich mehr tun ... um den Wohlstand der Bürger von Ruanda zu steigern, erklärte Kagame über seinen Twitter-Account. Offiziell hat er noch nicht bestätigt, dass er sich um eine dritte Amtszeit bewerben will. Kagame führte 1994 die Rebellengruppe an, die dem Völkermord der Huthus an den Tutsis mit 800.000 Toten ein Ende bereitete. 2003 wurde er zum Staatschef gewählt. Laut Verfassung wäre er auf zwei Amtszeiten zu je sieben Jahren beschränkt. Die nun vom Senat unterstützte Verfassungsänderung sieht eine Verkürzung der Amtszeiten auf fünf Jahre vor, Kagame soll aber ein weiteres Mal für sieben Jahre antreten dürfen, wie örtliche Medien berichteten. Danach könnte er dann noch zwei Amtszeiten zu je fünf Jahren regieren – insgesamt also maximal bis 2034. Das Unterhaus hat bereits zugestimmt, auch das Verfassungsgericht erhob keine Einwände. Karim Wade soll 178 Millionen Euro veruntreut haben. Dakar – er wegen Korruption zu sechs Jahren Haft verurteilte Sohn des früheren senegalesischen Präsidenten Abdoulaye Wade bleibt weiter im Gefängnis. Eine von Karim Wades Anwälten angestrengte Berufung wurde am Donnerstag vom obersten Berufungsgericht in Dakar abgewiesen. Damit ist auch die Hoffnung der Opposition zunichtegemacht, ihn bei der Präsidentschaftswahl 2017 als Kandidaten antreten zu lassen. Karim Wade war im März zu sechs Jahren Haft und einer Geldstrafe von 138 Milliarden CFA-Franc (210 Millionen Euro) verurteilt worden. Der 46-Jährige war vor zwei Jahren unter dem Verdacht festgenommen worden, Staatsgelder in Höhe von 178 Millionen Euro abgezweigt zu haben. Unter der Regierung seines Vaters war Wade Superminister. Er leitete mehrere finanzstarke Ressorts, darunter die Ministerien für Entwicklungszusammenarbeit, Luftfahrt, Infrastruktur und Energie. Die Korruptionsvorwürfe hat er stets zurückgewiesen. Mitglieder von Wades Senegalesischer Demokratischer Partei (PDS) sprachen von einem politisch motivierten Verfahren. Deshalb seit 2005 keine Hinrichtungen mehr. Harare – Die Justizbehörden in Simbabwe suchen seit zehn Jahren nach einem Henker. Das Land habe seit 2005 keine zur Todesstrafe verurteilten Straftäter hinrichten können, sagte die Staatssekretärin des Justizministeriums, Virginia Mabhiza, der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag. Derzeit sitzen nach Angaben des Ministeriums 117 Menschen in den Todeszellen. Doch es gebe gibt niemanden, der die Urteile ausführen dürfe. Wir haben die Stelle mehrfach ausgeschrieben, so Mabhiza, aber es gebe keine Bewerber für den Job. In Simbabwe darf die Todesstrafe ausschließlich gegen Männer zwischen 21 und 69 Jahren verhängt werden. Die in 2013 verabschiedete Verfassung untersagt das Todesurteil für Kinder, Jugendliche und Frauen sowie für Menschen mit psychologischen Erkrankungen. Zwölf Angreifer der Terrormiliz Al-Shabaab, fünf Zivilpersonen und fünf Sicherheitsleute. Mogadischu – Die Zahl der Toten nach islamistischen Terroranschlägen auf zwei Hotels in der somalischen Hauptstadt Mogadischu ist auf mindestens 22 angestiegen. Bei den Angriffen vom Freitagabend seien zwölf Angreifer der Terrormiliz Al-Shabaab, fünf Zivilpersonen und fünf Sicherheitsleute ums Leben gekommen, sagte Innenminister Adirisak Omar Mohamed am Samstag. Weitere 20 Menschen wurden nach Krankenhausangaben verletzt, einige von ihnen schwer. Die sunnitischen Fundamentalisten der Al-Shabaab bekannten sich zu den Anschlägen auf die Hotels Siyad und Wehliye. Die Angreifer hatten sich mehrere Stunden lang erfolgreich im Hotel Siyad nahe dem Amtssitz des somalischen Präsidenten verschanzt und konnten erst von einer vom US-Militär ausgebildeten somalischen Spezialtruppe überwältigt werden. Islamistische Al-Shabaab-Miliz bekannte sich zu dem Attentat auf ein Hotel. Mogadischu – Ein gewaltiger Autobombenanschlag auf ein Hotel hat die somalische Hauptstadt Mogadischu erschüttert. Der Attentäter riss nach Polizeiangaben mindestens 15 Menschen mit in den Tod. Durch die Wucht der Detonation stürzten mehrere Häuser in der Umgebung ein und begruben Bewohner unter sich. Im Jazeera Palace Hotel, das neben Büros der Vereinten Nationen direkt an der Straße zum Flughafen liegt, verkehren vor allem Diplomaten, Vertreter internationaler Hilfsorganisationen und Regierungsbeamte. Staatspräsident Hassan Sheik Mohamud sprach von einem feigen terroristischen Akt, zu dem sich die islamistische Al-Shabaab-Miliz bekannte. Erst am Samstag waren bei zwei Anschlägen der Extremisten in Mogadischu sechs Menschen getötet worden, darunter ein Abgeordneter und ein Regierungsvertreter, wie die Polizei mitteilte. Beide Politiker seien jeweils aus vorbeifahrenden Fahrzeugen erschossen worden. Auch Leibwächter und Zivilisten kamen ums Leben. Die Attentäter konnten entkommen. Al-Shabaab verübt regelmäßig Anschläge auf Regierungsvertreter und Zivilisten in Somalia, seit 2011 aber auch in Kenia. Damals waren kenianische Truppen ins Land gekommen, um die somalische Regierung bei ihrem Kampf gegen die Islamisten zu unterstützen. (APA, 26.7.2015) Radikalislamische Al-Shabaab-Miliz bekennt sich zu Anschlag. Mogadischu – Islamistische Terroristen haben in der somalischen Hauptstadt Mogadischu ein Blutbad in einem bei Politikern und Geschäftsleuten beliebten Hotel angerichtet. Mindestens 17 Menschen seien Sonntag früh bei dem Anschlag auf das Hotel Sahafi ums Leben gekommen, unter ihnen Regierungsmitarbeiter, ein früherer Militärchef, zwei Fotografen und die sechs Angreifer. Etwa 25 Menschen seien verletzt worden. Das sagte sagten der Sicherheitsbeamte Mohamed Hassan und Augenzeugen der Deutschen Presse-Agentur. Nach Angaben des Radiosenders Andalus bekannte sich die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab zu dem Anschlag. Die Extremisten seien am Morgen vor dem Hotel Sahafi mit zwei Autos vorgefahren, die voll mit Sprengstoff gepackt gewesen seien, erklärte Polizeisprecher Abdi Hassan. Einer von ihnen habe sich in einem der Fahrzeuge in die Luft gesprengt und mehrere Wachleute mit in den Tod gerissen. Anschließend seien die mit somalischen Militäruniformen gekleideten Al-Shabaab-Kämpfer in das Hotel gerannt, hieß es. Dort hätten sie das Feuer eröffnet. Während es zu einem Schusswechsel zwischen Wachpersonal und Angreifern gekommen sei, sei auf dem Parkplatz das zweite Auto per Fernzündung explodiert. Einige der Islamisten hätten vom Dach aus Handgranaten auf Sicherheitskräfte geworfen, die das Hotel umstellten. Soldaten der Regierung und der Afrikanischen Union sei es schließlich gelungen, die Angreifer aus dem Hotel zu vertreiben, teilte die AU-Mission AMISOM im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Die Al-Shabaab hat Verbindungen zum Terrornetzwerk Al-Kaida. Heute ist die Gruppe vor allem noch im Zentrum und Süden Somalias aktiv. Obwohl die Islamisten bereits 2011 von Truppen der Afrikanischen Union und der somalischen Armee aus Mogadischu vertrieben worden waren, verüben sie dort weiterhin Anschläge, vor allem auf Regierungsgebäude und Hotels. Auch im Nachbarland Kenia verbreitet die Al-Shabaab ihren Terror. Sie fordert den Abzug der kenianischen Truppen aus Somalia. Anrainer berichteten von mehrstündigen Feuergefechten. Mogadischu – Bei zwei Angriffen der Terrormiliz Al-Shabaab in Somalia sind mindestens 22 Menschen getötet worden. Wie ein hochrangiger Armeeangehöriger am Samstag mitteilte, griffen die Islamisten einen Stützpunkt in der südlichen Hafenstadt Kismayo an. Dabei seien neun Angreifer und sieben Soldaten getötet worden. Anrainer berichteten von mehrstündigen Feuergefechten. In Lafoole in der Nähe der Hauptstadt Mogadischu wurde ein Gebäude des Geheimdienstes zum Ziel der Angreifer, berichtete ein Sprecher der Lokalregierung. Dabei seien sechs Angreifer getötet worden. Die der Miliz nahestehende Radiostation Andalus berichtete indes, Al-Shabaab habe 25 Menschen bei den beiden Angriffen getötet. Die Terrorgruppe, die Verbindungen zu Al-Kaida hat, verübt immer wieder Anschläge in Somalia, vor allem auf Regierungsgebäude und Hotels. Sandhere soll in vergangener Woche bei Luftangriff getötet worden sein. Washington – Bei einem Luftangriff in Somalia hat das US-Militär nach eigenen Angaben einen ranghohen Anführer der radikalislamischen Al-Shabaab-Miliz getötet. Der auch unter dem Namen Ukash bekannte Abdirahman Sandhere sei am Dienstag vergangener Woche getötet worden, teilte das Verteidigungsministerium in Washington am Montag mit. Bei dem Angriff seien zudem zwei weitere Mitglieder des Ablegers des Terrornetzwerks Al-Kaida getötet worden. Die Al-Shabaab-Miliz, die einst Teile der somalischen Hauptstadt Mogadischu sowie weite Gebiete im Zentrum und im Süden des ostafrikanischen Landes kontrollierte, wurde in den vergangenen Jahren deutlich zurückgedrängt. Auch wurden mehrere ihrer Kommandanten getötet. Die Gruppe verübt aber weiter regelmäßig Anschläge in Mogadischu und auch vermehrt Angriffe im benachbarten Kenia, bei denen in den vergangenen Jahren Hunderte Menschen getötet wurden. Somalische Truppen und Soldaten der AU-Friedensmission zogen sich kampflos zurück. Mogadischu/Addis Abeba – Schwer bewaffnete Kämpfer der islamistischen Terrormiliz Al-Shabaab haben eine bedeutende somalische Hafenstadt unter ihre Kontrolle gebracht. Maskierte Kämpfer der sunnitischen Miliz bezogen am Freitag triumphierend Stellungen in Merka, sagte ein Anwohner. Mindestens drei Menschen kamen bei Kämpfen ums Leben. Merka liegt nur rund 90 Kilometer südwestlich von der Hauptstadt Mogadischu entfernt in der Region Lower Shabelle. Ein Sprecher der Regionalverwaltung, Mohamed Hussein Shined, bestätigte, dass sich somalische Truppen und Soldaten der Friedensmission der Afrikanischen Union (AU) am Freitagmorgen aus Merka zurückgezogen hatten. Er machte keine Angaben zum Grund des kampflosen Abzugs. Somalische und AU-Truppen hatten die Stadt erst 2012 aus der Gewalt von Al-Shabaab befreit. Nach Schätzungen sollen in der Stadt zwischen 50.000 und 100.000 Menschen leben. Die sunnitischen Extremisten der Al-Shabaab, die in Verbindung mit Al-Kaida stehen, kämpfen seit Jahren mit blutigem Terror um die Vorherrschaft in dem Land am Horn von Afrika. Eine Friedensmission der AU mit rund 20.000 Soldaten bemüht sich, dem Vormarsch der radikalen Islamisten Einhalt zu gebieten. Regierung in Somalia bestätigt: Detonation von Bombe an Bord war Anschlag. Mogadischu – Bei der Explosion in einem somalischen Passagierflugzeug vor einigen Tagen hat sich der Attentäter selbst aus der Maschine gesprengt. Er sei durch ein von ihm verursachtes Loch im Rumpf herausgeschleudert worden, teilten die somalischen Sicherheitsbehörden am Samstag in Mogadischu mit. Die Regierung bestätigte daraufhin offiziell, dass es sich um einen Anschlag gehandelt habe. Wie Verkehrs- und Luftfahrtminister Ali Ahmed Jama mitteilte, wurde die Explosion an Bord des Airbus A321 der Fluglinie Daallo durch eine Bombe ausgelöst. Die Explosion in dem Airbus A321 der Daallo Airlines hatte sich am Dienstag rund 15 Minuten nach dem Abflug von Mogadischu in Richtung Dschibuti ereignet und ein Todesopfer, den Attentäter selbst, gefordert. Der Pilot konnte in Mogadischu notlanden. Nur zwei der 74 Passagiere wurden verletzt. Der Attentäter, dessen Körperteile 30 Kilometer nordöstlich von Mogadischu gefunden wurden, sei identifiziert, hieß es. Der 55-Jährige soll an Bord einen Sprengsatz gezündet und auch in seinem Laptop Sprengstoff versteckt haben. Durch die Sicherheitskontrollen in Mogadischu sei er vermutlich nur gekommen, weil ihm Flughafenpersonal half. Mehrere Beschäftigte seien festgenommen worden. Ziel des Attentäters sei es gewesen, die Maschine zu zerstören und alle Passagiere zu töten. Zu dem Anschlag bekannte sich zunächst niemand. In Somalia verübt die islamistische Shabaab-Miliz immer wieder Anschläge. Der 64-jährige serbische Pilot Vladimir Vodopivec und Luftfahrtexperten hatten schon kurz nach dem Vorfall erklärt, an Bord sei vermutlich eine Bombe explodiert. Die somalische Regierung ging dagegen zunächst von einem technischen Problem aus. Weil die Explosion das Navigationssystem des Flugzeugs nicht beschädigte, konnte der Pilot umkehren und die Maschine in Mogadischu notlanden. Nach der Notlandung wurden die Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen der somalischen Hauptstadt verschärft. Zur Verhinderung von Anschlägen mit Autobomben ist der Flughafen bereits wie eine Festung gesichert. Er grenzt an einen Stützpunkt der insgesamt 22.000 Mann starken Truppe der Afrikanischen Union in Somalia (Amisom). Diese unterstützt seit Jahren die schwache somalische Regierung im Kampf gegen die islamistischen Shabaab-Rebellen. Mitte 2011 gelang es den AU-Soldaten, die Rebellen aus Mogadischu und später auch aus anderen Städten zu vertreiben. Die Aufständischen verüben jedoch weiterhin regelmäßig Anschläge in Somalia und in Nachbarstaaten. Am Freitag waren bei einem Bombenanschlag auf das Fahrzeug eines Sicherheitsmitarbeiters des Hauptstadtflughafens drei Menschen getötet worden. Allerdings war zunächst nicht klar, ob ein Zusammenhang zu dem Attentat vom Dienstag bestand. Angreifer setzten zwei Autobomben ein – Shabaab-Miliz bekennt sich zu Anschlag. Mogadischu – Bei einem Anschlag islamistischer Terroristen auf ein bei Diplomaten und Geschäftsleuten beliebtes Hotel in der somalischen Hauptstadt Mogadischu sind mindestens 20 Menschen ums Leben gekommen. Eine bisher unbekannte Zahl von Menschen wurde nach verletzt, wie Abdifatah Omar Halane, Sprecher der Hauptstadtregion, sagte. Die Angreifer setzten am Freitagabend zwei schwere Autobomben ein, deren Detonationen nach Zeugenberichten noch rund 15 Kilometer außerhalb des Zentrums von Mogadischu zu hören waren. Im Regierungsviertel war daraufhin anhaltendes Gewehrfeuer zu hören. Wie es weiter hieß, richteten die Sprengsätze schwere Schäden bei mindestens 25 umliegenden Gebäuden an. Unter den Trümmern wurden noch zahlreiche Opfer vermutet. Die sunnitischen Extremisten der somalischen Terrororganisation Al-Shabaab bekannten sich in einer Botschaft zu dem Anschlag. Das Hotel liegt nahe den Regierungsgebäuden und gilt als extrem sicher, es wird zum Beispiel von zahlreichen schwer bewaffneten Sicherheitsleuten geschützt. Al-Shabaab hatte das Hotel bereits einmal im vergangenen Jahr angegriffen. Bei dem Anschlag unmittelbar vor dem Besuch des türkischen Präsidenten kamen damals 15 Somalis ums Leben. Bei den um etwa eine halbe Stunde versetzten Explosionen vom Freitagabend habe es sich um Autobomben gehandelt, erklärte ein ranghoher Militär, Abdullahi Madobe. Mehrere Personen seien getötet worden, es sei aber noch zu früh, um eine abschließende Bilanz zu ziehen, sagte er. Aus Sicherheitskreisen verlautete, es seien mindestens fünf Angreifer getötet worden. Auch Menschen im nahen Friedensgarten könnten unter den Opfern sein, erklärte ein Beamter. Hunderte Familien und Anrainer strömen zum Wochenende zu Picknicks in die Gärten. Der somalische Regierungssprecher Abdisalam Aato bestätigte zunächst lediglich die zwei Explosionen in der Nähe des Amtssitzes des Präsidenten. Wir sind hier in Sicherheit, sagte er. Die Explosionen müssten sich aber sehr nahe am Regierungssitz ereignet haben, fügte er hinzu. Die islamistische Terrororganisation Al-Shabaab verübt immer wieder Anschläge auf Regierungseinrichtungen in Mogadischu. Die sunnitischen Fundamentalisten, die mehrere ländliche Regionen kontrollieren, kämpfen um die Vorherrschaft in dem armen Land am Horn von Afrika. Sie wollen dort einen sogenannten Gottesstaat errichten. (APA, 26.2.2016) Islamisten planten "groß angelegten Anschlag". Washington/Mogadischu – Das US-Militär hat bei einem Drohnenangriff in Somalia nach eigenen Angaben mehr als 150 Kämpfer der islamistischen Shabaab-Miliz getötet. Die Attacke am Wochenende habe sich gegen ein Ausbildungslager der Extremisten knapp 200 Kilometer nördlich von Mogadischu gerichtet, teilte das Pentagon am Montag mit. Die Shabaab-Kämpfer hätten einen groß angelegten Anschlag geplant, der eine Gefahr für US-Soldaten und Einheiten der Afrikanischen Union dargestellt hätte. Ein Zivilist und drei Polizisten als Opfer. Mogadischu – Bei der Explosion einer Autobombe vor einer Polizeistation in Somalias Hauptstadt Mogadischu sind mindestens sechs Menschen getötet und 15 weitere verletzt worden. Ein mit Sprengstoff beladenes Fahrzeug sei am Montag in den Eingang einer Polizeiwache gerammt, sagte der Polizist Ali Hassan der Deutschen Presse-Agentur. Unter den Toten befinden sich nach Polizeiangaben drei Polizisten, zwei Angreifer und ein Zivilist. Sicherheitskräfte hätten einen weiteren Angreifer erschossen, der nach dem Selbstmordanschlag die Polizeiwache stürmen wollte, erklärte ein Sprecher der örtlichen Behörde, Omar Halane. Ein Großteil der Verletzten seien Bürger, darunter Straßenverkäufer, sagte Augenzeuge Ali Mahad. Hinter dem Angriff wird die islamistische Terrormiliz Al-Shabaab vermutet. Diese bekannte sich jedoch zunächst nicht zu dem Angriff. Die sunnitischen Extremisten versuchen seit Jahren in dem Land am Horn von Afrika einen Gottesstaat zu errichten. Tausende versammelten sich vor Regierungssitz – Steine und Flaschen auf Polizei, Zuma zu Erklärung aufgerufen. Pretoria – Die landesweiten Studentenproteste in Südafrika haben am Freitag einen neuen Höhepunkt erreicht. Tausende wütender Studenten versammelten sich vor dem Regierungssitz in Pretoria und forderten Präsident Jacob Zuma zu einer Erklärung auf. Die Sicherheitskräfte brachten gepanzerte Mannschaftswagen und Wasserwerfer auf das Gelände. Über den von einem großen Polizeiaufgebot abgesicherten Zaun flogen Steine und Flaschen, ein Reporter wurde nach Angaben des TV-Senders eNCA am Kopf verletzt. An mehreren Stellen drangen Studenten auf das Gelände des Regierungssitzes vor. Beobachter beschrieben die Situation als extrem angespannt. Auf TV-Bildern war schwarzer Rauch zu sehen. Die Proteste hatten vor anderthalb Wochen in Johannesburg begonnen. Studenten, Eltern und Dozenten demonstrieren gegen eine geplante Erhöhung der Studiengebühren. Schon am Mittwoch war es vor dem Parlament in Kapstadt zu Krawallen gekommen, als Studenten Eingangstore durchbrachen. Die Ministerpräsidentin der Westkap-Provinz, Helen Zille, wurde am Freitag bei einem Vermittlungsgespräch von den Studenten ausgebuht. Inzwischen sind alle wichtigen Universitäten des Landes geschlossen. Zuma will Kosten der Luxussanierung seiner Privatvilla teilweise zurückzuzahlen. Pretoria – Der südafrikanische Präsident Jacob Zuma will die Kosten der Luxussanierung seiner Privatvilla mit Steuergeldern teilweise zurückzuzahlen. Er habe aber zu keinem Zeitpunkt unredlich oder korrupt gehandelt, sagte Zuma am Freitag im Staatsfernsehen. Ich habe nie wissentlich oder absichtlich die Verfassung verletzen wollen, beteuerte der Präsident. Die überhöhten Kosten des Ausbaus von Zumas Privatresidenz in der Provinz KwaZulu-Natal, in den rund 250 Millionen Rand Staatsgelder (derzeit 14,8 Millionen Euro) flossen, sei die Schuld der angeheuerten Bauunternehmer, sagte Zuma während der Fernsehansprache. Die Regierung werde in Zukunft striktere Regulierungen für Zulieferer implementieren. Die Sache hat viel Frustration verursacht. Dafür entschuldige ich mich, so Zuma. Am Vortag hatte das Verfassungsgericht Zuma in einem harschen Urteil vorgeworfen, sich über Recht und Gesetz gestellt zu haben. Ombudsfrau Thuli Madonsela war nach einer langen Untersuchung im März 2014 zu dem Schluss gekommen, dass Zuma einen Teil der Sanierungskosten seines Anwesens im südlichen Ort Nkandla zurückerstatten muss. Zuma ignorierte die Aufforderung jedoch. Das Finanzministerium wird nun binnen 60 Tagen die zurückzuzahlende Summe festlegen. Oppositionsparteien fordern Zumas Rücktritt. Toby Lanzer ohne Begründung zur Persona non grata erklärt. New York/Juba – Die Regierung des Südsudan hat nach Angaben der Vereinten Nationen den Vize-Chef der UN-Mission ausgewiesen. Toby Lanzer sei zur Persona non grata erklärt worden und dürfe nicht wieder einreisen, sagte ein UN-Sprecher am Montag in New York. Ein Grund für die Entscheidung war nicht bekannt. Offenbar hat die Regierung in Juba den Vereinten Nationen die Ausweisung nicht mitgeteilt. Lanzer hatte demnach versucht, wieder einzureisen, wurde jedoch abgewiesen. Die Vereinten Nationen teilten die Ausweisung mit, nachdem nun klargeworden ist, dass die Regierung ihre Entscheidung nicht zurücknimmt, sagte der UN-Sprecher. Lanzers Dienstzeit wäre Ende dieses Monats ohnehin abgelaufen. Der Nachfolger des Briten, der Ghanaer Eugene Owusu, stehe bereits fest. Lanzer soll künftig den Posten des Regionalkoordinators für die Sahel-Zone übernehmen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte die Ausweisung und forderte von der südsudanesischen Regierung volle Zusammenarbeit. Der Südsudan ist das jüngste der 193 UNO-Mitglieder und erst seit Juli 2011 ein Staat. Seit Dezember 2013 erschüttert ein Bürgerkrieg zwischen den Anhängern von Präsident Salva Kiir und seinem früheren Stellvertreter Riek Machar das Land. Dabei kamen schon Tausende Menschen ums Leben, etwa ein Viertel der acht Millionen Südsudanesen sind Flüchtlinge im eigenen Land. 'Noch kurz vorher Kämpfe und gegenseitige Vorwürfe. Juba – Nach der Unterzeichnung eines Friedensabkommens ist im Südsudan in der Nacht auf Sonntag offiziell eine Waffenruhe in Kraft getreten. Die Feuerpause galt ab Mitternacht (Ortszeit Human Rights Watch: Regierung soll Verantwortliche zur Rechenschaft ziehen. Nairobi – Südsudanesische Soldaten sollen zahlreiche Zivilisten getötet, gefoltert und vergewaltigt haben. Bei den Angriffen im Westen des Landes hätten sie zudem geplündert und Häuser niedergebrannt, teilte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) am Dienstag mit. Augenzeugen hätten HRW-Mitarbeitern über die grausamen Verbrechen berichtet. Die Organisation forderte die Regierung auf, die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. In dem erst 2011 unabhängig gewordene Land war im Jahr 2013 ein blutiger Konflikt ausgebrochen, als ein Machtkampf zwischen Präsident Salva Kiir und dem von ihm entlassenen Vizepräsidenten Riek Machar eskalierte. Zehntausende Menschen fielen der Gewalt zum Opfer, mehr als 2,3 Millionen Menschen sind nach UN-Angaben auf der Flucht. Ende April wurde im Zuge eines Friedensabkommens eine Einheitsregierung gebildet – erneut mit Machar als Vizepräsident. Während alle Augen sich auf die neue Regierung in der Hauptstadt Juba gerichtet hätten, seien die Soldaten im Westen des Landes mit Morden ungestraft davon gekommen, sagte HRW-Afrika-Direktor Daniel Bekele. 'Mindestens 38 Menschen wurden bei Angriff auf Touristen getötet. Port El Kantaoui / Madrid – Die Gegend nahe der tunesischen Mittelmeerstadt Sousse ist bekannt für weite Sandstrände, luxuriöse Hotelkomplexe, lauschige Restaurants und einen modernen Sporthafen. Seit Freitag steht der Name auch für den brutalsten Terroranschlag in Tunesien, seit 2011 der Diktator Ben Ali gestürzt wurde. Zur Mittagszeit eröffneten zwei mit Kalaschnikow-Sturmgewehren bewaffnete Männer das Feuer auf Touristen am Strand vor zwei Hotels. Laut tunesischen Reportern vor Ort sollen die Angreifer über das Meer gekommen sein. Touristen veröffentlichten in den sozialen Netzwerken Fotos von Toten am Strand. Mindestens 38 Menschen wurden getötet. Unter den Opfern befinden sich mehrere ausländische Urlauber, sowohl mindestens ein Deutscher und 15 Briten. Auf österreichische Opfer gab laut Außenministerium keine Hinweise. Ein Angreifer wurde von der Polizei erschossen, ein weiterer ist laut Innenministerium auf der Flucht. Bei dem getöteten Attentäter handelt es sich nach Behördenangaben um einen der Polizei nicht bekannten jungen Studenten. Die Extremisten des Islamischen Staats (IS) hatten die Verantwortung für den Anschlag übernommen. Der IS-Kämpfer habe sein Ziel trotz Sicherheitsvorkehrungen in dem Touristenort Sousse erreicht, hieß es in einer auf Twitter veröffentlichten Mitteilung. 40 Ungläubige seien dabei getötet worden. Nach einer nächtlichen Sitzung des nationalen Sicherheitsrates kündigte Regierungschef Habib Essed am frühen Samstagmorgen eine Reihe von Maßnahmen an. Dazu gehört die Schließung von bis zu 80 Moscheen. Es gibt weiterhin Moscheen, die ihre Propaganda und ihr Gift zum Terrorismus verbreiten, wurde der Premier von örtlichen Medien zitiert. Diese Moscheen sollten schon innerhalb der nächsten Tage geschlossen werden. Daneben sollten Vereine und Parteien, die außerhalb des Verfassungsrahmens stehen, genauer überprüft und dann entweder verwarnt oder aufgelöst werden. Hierbei solle vor allem die Finanzierung überprüft werden. Um Touristen vor möglichen weiteren Anschlägen zu schützen, kündigte Essid einen verstärkten militärischen Schutz verschiedener Einrichtungen an. Um dies zu ermöglichen, sollten Reservisten einberufen werden. Die britischen Reiseanbieter Thomson und First Choice flogen am Samstag mit zehn Flugzeugen rund 2.500 Urlauber nach Hause. Auch der deutsche Reiseanbieter TUI brachte 80 Urlauber nach Hause. Die Mehrzahl der Todesopfer stammte offenbar aus Großbritannien. Der britische Premierminister David Cameron warnte, seine Landsleute müssten sich darauf einstellen, dass viele der Getöteten Briten waren. Nach Angaben des irischen Außenministeriums ist auch eine Frau aus Irland unter den Todesopfern. Das deutsche Auswärtige Amt machte bisher keine Angaben zu Deutschen unter den Opfern. Der Krisenstab im Ministerium und die Botschaft in Tunis bemühten sich mit Hochdruck um Aufklärung, sagte eine Sprecherin. Die Umgebung von Sousse gehört zu den beliebtesten Zielen bei europäischen und nordafrikanischen Urlaubsgästen. Es ist der zweite tödliche Anschlag auf Touristen im Geburtsland des Arabischen Frühlings. Bereits im März hatten schwer bewaffnete radikale Islamisten aus dem Umfeld des Islamischen Staates (IS) in der Hauptstadt Tunis das Bardo-Museum gestürmt. Damals waren 24 Menschen getötet worden, darunter 20 ausländische Urlaubsgäste und zwei Angreifer. Auch dieses Mal richtet sich der Verdacht der Ermittlungsbehörden auf die IS-Szene. Bereits im Oktober 2013 war es in Sousse vor einem anderen Hotel zu einem Anschlag gekommen. Ein Selbstmordattentäter hatte sich damals in die Luft gesprengt, allerdings ohne dabei weitere Menschen zu verletzen. Die Extremisten versuchen Tunesien dort zu treffen, wo es am meisten schmerzt. Das kleine Land lebt unter anderem vom Tourismus. Sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts kommen aus dem Geschäft mit Sonne, Strand und der reichen Geschichte. Nach dem Anschlag auf das Bardo-Museum ging der Tourismus im ersten Halbjahr 2015 um knapp 22 Prozent zurück. Die Kreuzfahrtschiffe, die früher unweit der Hauptstadt anlegten und einen Besuch in Tunis, der dortigen Altstadt und im Bardo-Museum fest auf ihrem Programm hatten, machen seit dem Blutbad einen Bogen um Tunesien. Die Tourismusindustrie versucht seit der Revolution 2011 vergebens, wieder an alte Zeiten anzuknüpfen. Insgesamt kommt heute rund ein Drittel weniger Urlauber als 2010. Europäer kommen sogar nur noch halb so viele. Der Anschlag von Sousse droht den Tourismus jetzt völlig zusammenbrechen zu lassen. Das als modern bekannte Tunesien hat mittlerweile eine beachtliche radikale Islamistenszene. Rund 3000 junge Menschen haben – so Schätzungen der Behörden – das Land in Richtung Libyen, Syrien und Irak verlassen, um sich dem IS und anderen islamistischen Milizen anzuschließen. Längst befürchtet die tunesische Regierung, dass Rückkehrer im Land Anschläge verüben könnten. In den Bergen rund um Kasserine im Landesinneren an der Grenze zu Algerien verschanzen sich seit Jahren terroristische Gruppen. Armee und Gendarmerie kommen ihnen selbst mit Flächenbombardements nicht bei. Außerdem lebt Tunesien in gefährlicher Nachbarschaft. Das Land verfügt über eine lange, schwer kontrollierbare Grenze zu Libyen quer durch die Wüste. In Libyen herrschen seit dem Sturz des Diktators Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 chaotische Zustände. Längst hat die Regierung in Tripolis keine Gewalt mehr über das Land. Einzelne Milizen haben in den Regionen das Sagen Tunis regiert auf Massaker von Freitag mit knapp 40 Toten. Tunis/Sousse – Fünf Tage nach dem Anschlag bei der tunesischen Stadt Sousse mit knapp 40 Toten haben die Behörden nach eigenen Angaben mit der Verstärkung der Sicherheitskräfte in den Touristenhochburgen des Landes begonnen. Die Stationierung hat heute in der Früh begonnen, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Tunis am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. Binnen kurzer Zeit werden bewaffnete Polizisten in den Hotels sein, erklärte er weiter. Nach dem Anschlag vom Freitag hatte die Regierung in Tunis neue Maßnahmen angekündigt. Die Tourismuspolizei etwa soll um tausend bewaffnete Beamte aufgestockt werden. Ein tunesischer Student – 23 oder 24 Jahre alt – hatte am Freitag an einem Strand und in einem Hotel in Port El Kantaoui nahe Sousse 38 Menschen erschossen, bevor er von Sicherheitskräften getötet wurde. Zu dem Anschlag auf die Anlage des Hotels Riu Imperial Marhaba bekannte sich die jihadistische Organisation Islamischer Staat (IS). Befestigung soll 168 Kilometer lang und zwei Meter hoch sein. Tunis – Nach dem Terroranschlag von Sousse will sich Tunesien mit einem Sandwall an der libyschen Grenze vor Extremisten schützen. Der Bau der 168 Kilometer langen und zwei Meter hohen Befestigung habe begonnen und solle bis Ende des Jahres fertiggestellt sein, sagte Ministerpräsident Habib Essid am Dienstagabend in einer Fernsehansprache. Die Maßnahme begründete die Regierung unter anderem mit der Gefahr von illegal einreisenden Extremisten aus dem Nachbarland. Der islamistische Terrorist, der vor knapp zwei Wochen in dem tunesischen Badeort Sousse 38 Urlauber getötet hatte, soll im Bürgerkriegsland Libyen ausgebildet worden sein, nach Angaben der BBC vermutlich von der Miliz Ansar al-Sharia. Bei dem Angriff starben überwiegend Briten. Der Terrorist wurde schließlich von Sicherheitskräften erschossen. Um die Zahl der unerlaubten Einreisen einzudämmen, werde es auch Patrouillen und Überwachung aus der Luft geben, sagte Essid. Insgesamt ist die Grenze Tunesiens mit Libyen etwa 460 Kilometer lang. Der Schutzwall ist eine der Anti-Terror-Maßnahmen der Regierung. Am Samstag hatte sie bereits einen zunächst 30-tägigen Ausnahmezustand ausgerufen. Ein weiterer Plan war, rund 80 Moscheen zu schließen, die nicht unter staatlicher Kontrolle stehen. (APA/dpa, 8.7.2015) Britisches Außenministerium empfiehlt umgehende Heimreise. Ein neuer Anschlag sei "sehr wahrscheinlich". London – Britische Reiseanbieter wollen aus Angst vor weiteren Terror-Anschlägen in den nächsten 48 Stunden mehrere Tausend Tunesien-Touristen zurück in die Heimat holen. Am Donnerstagabend hatte Außenminister Philip Hammond alle Briten zum Verlassen des Landes aufgefordert. Die Fluggesellschaft Monarch etwa plant von Freitagabend bis Sonntag vier zusätzliche Flüge vom Flughafen Enfidha nach London. Weitere Anschläge in Tunesien seien sehr wahrscheinlich, sagte Hammond. Auch die von den tunesischen Behörden aufgestockten Sicherheitsmaßnahmen böten nicht ausreichend Schutz. Nach Angaben des Verbandes britischer Reiseunternehmen sind noch rund 2.500 bis 3.000 britische Pauschaltouristen sowie rund 300 Individualreisende im Land. Vor zwei Wochen waren bei einem Anschlag in der Urlauberhochburg Sousse insgesamt 39 Menschen bei einem islamistisch motivierten Anschlag getötet worden. Unter den Opfern waren 30 Briten. Tunesiens Botschafter in Großbritannien verurteilte die Reisewarnung. Das ist das, was die Terroristen wollen, sagte er der BBC am Freitag. Hotels müssten schließen, Menschen würden arbeitslos. Hoffnungslosigkeit ist eine Quelle von Terrorismus, sagte der Diplomat. Österreich hat eine Partielle Reisewarnung für Tunesien – für das Saharagebiet – erklärt. Zur Urlauberhochburg Sousse heißt es: Es wird dringend empfohlen, sich über die Sicherheitslage vor Ort genauestens informiert zu halten und den Anweisungen der Hotels, Reiseveranstalter und der Sicherheitsorgane unbedingt Folge zu leisten. (...) Am 4. Juli 2015 wurde der Ausnahmezustand, der im März 2014 aufgehoben worden war, wieder eingeführt, ist auf der Homepage des Außenministeriums zu lesen. 2008 wurden zwei österreichische Touristen von der Terrororganisation Al-Kaida im islamischen Maghreb im Grenzgebiet von Tunesien und Algerien entführt. Da weiterhin mit gewaltsamen Terroraktionen dieser Gruppe zu rechnen ist, besteht in den südlichen Sperrzonen in den Grenzgebieten zu Algerien und Libyen und abseits von den Touristenzentren am Rande der Sahara ein hohes Entführungsrisiko. Vor Reisen in diese Regionen wird gewarnt, ist weiter zu lesen. Hohes Sicherheitsrisiko gelte für den Rest des Landes. Von allen nicht unbedingt notwendigen Reisen wird abgeraten. Erhöhte Aufmerksamkeit sei in ganz Tunesien angeraten, besonders in städtischen Ballungszentren und an touristisch stark frequentierten Plätzen. Verdächtige sollen extremistischen Gruppierungen angehören. Tunis – Seit dem blutigen Anschlag auf ein Strandhotel vor gut zwei Wochen haben die tunesischen Behörden dutzende mutmaßliche Mitglieder extremistischer Gruppen festgenommen. Bei rund 700 Razzien hätten die Sicherheitskräfte seither insgesamt 127 Verdächtige gefasst, teilte der für die Kommunikation über die Sicherheitsmaßnahmen zuständige Minister Kamel Jendoubi am Samstag mit. Wie viele von ihnen direkt in den Anschlag verwickelt waren, sagte er nicht. Vor rund einer Woche hatte Jendoubi die Festnahme von sieben Männern und einer Frau verkündet, die in direkter Verbindung zu dem Angriff stehen sollen. Am 26. Juni hatte ein tunesischer Student an einem Strand in Port El Kantaoui nahe Sousse 38 Menschen erschossen, davon 30 Briten. Zu der Tat bekannte sich die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Die britische Regierung rief am Donnerstag ihre Landsleute zur Heimkehr auf. Sie gehe davon aus, dass ein weiterer terroristischer Angriff hoch wahrscheinlich sei. Dänemark und Irland schlossen sich inzwischen der Reisewarnung an. Jendoubi bedauerte die Entscheidung. Es gebe keine Hinweise auf einen unmittelbar drohenden Anschlag, erklärte er. Nach seinen Angaben wurden 3000 Sicherheitsbeamte zum Schutz der Strände, Hotels und archäologischer Stätten abgestellt. Seine Regierung unternehme alles, um unser Land, unsere Bürger und alle Ausländer zu schützen, sagte der Minister. Neben den tunesischen Streitkräften seien dafür mehr als 100.000 Polizisten, Zivilschützer und Nationalgardisten im Einsatz. Mehrere Straßen in Tunis für Verkehr gesperrt. Tunis – Die tunesische Regierung befürchtet einen Terroranschlag in der Hauptstadt Tunis. Wie die tunesische Nachrichtenagentur TAP unter Berufung auf eine Quelle im Innenministerium am Sonntag berichtete, planen Terroristen mit Autobomben und Sprengstoffgürteln Attentate auf sensible und wichtige Orte in Tunis. Als Vorsichtsmaßnahme seien mehrere Straßen in der Hauptstadt für den Verkehr gesperrt worden. Zudem sei die Anweisung gegeben worden, die Streifen von Sicherheitskräften zu verstärken. Im Juni hatte ein 24 Jahre alter Tunesier nahe dem Badeort Sousse 38 Urlauber getötet. Laut Regierung wurde der Täter in Libyen ausgebildet. Im März waren bei einem Angriff auf das Nationalmuseum Bardo in Tunis mehr als 20 Touristen getötet worden. Sowohl Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) als auch der Al-Kaida sind im Land aktiv. Präsident lobt fortschrittliche Verfassung, übt aber Kritik an Todesstrafe. Bundespräsident Heinz Fischer hat am Donnerstag bei seinem Besuch in Tunesien erklärt, wie wichtig es sei, die Region im Norden Afrikas zu stabilisieren und zu beruhigen. Wenn Österreich Tunesien bei friedlichen Entwicklungen und Stabilität unterstütze, helfen wir gleichzeitig mit, dass es weniger Flüchtlinge gibt, sagte Fischer in Tunis. Auch am zweiten und letzten Tag von Fischers Tunesienaufenthalt waren Menschenrechte eines der dominierenden Themen. Nach einem Gespräch zwischen Fischer und Parlamentspräsident Mohamed Ennaceur wurde das an der Universität Graz erarbeitete Handbuch für Menschenrechte in arabischer Fassung an das tunesische Abgeordnetenhaus übergeben. Fischer lobte in diesem Zusammenhang die Fortschrittlichkeit der mittlerweile knapp zwei Jahre alten tunesischen Verfassung. Bereits am Vortag hatte er das Bemühen des Landes um eine neue, demokratische Verfassung als erfolgreich bezeichnet. Drei schwere Anschläge erschütterten Tunesien jedoch im vergangenen Jahr: Bei Angriffen im Bardo-Museum in Tunis, im Badeort Sousse sowie auf die Präsidentengarde in Tunis wurden mehr als 70 Menschen getötet. Seit dem Terroranschlag im Bardo-Museum seien die Besucherzahlen stark zurückgegangen, erklärte Museumsdirektor Moncef Ben Moussa dem österreichischen Bundespräsidenten bei seinem Besuch vor Ort. Fischer äußerte Verständnis für die Angst der Menschen, erklärte aber, man müsse dagegenhalten und hierherkommen. Das Bardo-Museum sei ein Kulturjuwel. Nach den Anschlägen im vergangenen Jahr wurden den Behörden durch ein neues Antiterrorgesetz sowie die Verlängerung des Ausnahmezustands zusätzliche Befugnisse eingeräumt, die jedoch zum Teil Kritik von Menschenrechtsorganisationen nach sich zogen. Amnesty International berichtete erst kürzlich von Folter sowie mehreren Todesfällen in Haft, die nicht ausreichend untersucht worden seien. Und bereits im Juli des vergangenen Jahres haben mehrere NGOs beanstandet, dass das neue Antiterrorgesetz den Sicherheitskräften bei einer vagen Definition von Terrorismus zu umfassende Überwachungs- und Kontrollrechte gebe. Im Rahmen des Gesetzes wurde zudem die Todesstrafe für bestimmte Terrorverbrechen beschlossen. Fischer kritisierte bei seinem Gespräch mit Verfassungs- und Menschenrechtsexperten am Donnerstag, dass die Todesstrafe in Tunesien nicht verboten sei – auch wenn sie seit 1991 nicht mehr vollstreckt wurde. Zugleich zeigte er sich zuversichtlich: In 20 Jahren wird es auch in Tunesien keine Todesstrafe mehr geben. Das Thema Homosexualität wurde bei Fischers Besuch nicht angeschnitten. Immer wieder steht die tunesische Justiz auch wegen Haftstrafen wegen Homosexualität in der Kritik. Die neue Verfassung garantiert zwar die persönliche Freiheit, das tunesische Strafrecht sieht aber bei gleichgeschlechtlichem Sex nach wie vor eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren vor. Bei dem Gespräch mit Verfassungs- und Menschenrechtsexperten wurde aber zumindest die Diskrepanz zwischen der Verfassung und geltenden Gesetzen angesprochen. In Tunesien gelte eine wunderschöne Verfassung, erklärte Néji Baccouch, Rektor der Universität Sfax und Professor für öffentliches Recht. Doch die Verfassung muss nun auch tatsächlich in Gesetze umgesetzt werden, damit das Leben der Tunesier verbessert werden kann. Massenflucht: Rotes Kreuz warnt vor humanitärer Krise. Kampala - Als vergleichsweise stabiles Land in einer von Krisen geplagten Region ist Uganda auch Anlaufstelle für viele Menschen, die von der Gewalt aus ihren Heimatstaaten vertrieben wurden. Mehr als 200.000 Flüchtlinge und Asylsuchende leben laut dem UN-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR in Uganda, die große Mehrheit kommt aus der Demokratischen Republik Kongo, dem westlichen Nachbarland, in dem ein blutiger Krieg wütet. John Kibanga (29) aus Rutshuru in der Provinz Nord-Kivu, Ostkongo, ist einer von ihnen. Seit sieben Jahren lebt er in Kampala. Schon sein Vater, ein Journalist, sei von Milizen ermordet worden, sagt er. Er selbst sei zweimal verschleppt worden: 2003 von einer Gruppe Mai-Mai-Milizen, später von Männern des Ex-Rebellenführers Laurent Nkunda, als diese die Kontrolle über Rutshuru übernahmen. Ich wurde gefoltert, vergewaltigt und dazu gezwungen, Morde mit anzusehen. Jedes Mal halfen Bekannte, seine Freilassung zu verhandeln. Als Milizen ihn 2006 schließlich ein drittes Mal verschleppten, wurden diese von einem Angriff einer anderen Rebellengruppe überrascht. Dabei entkam Kibanga - doch der Weg zurück in seinen Heimatort war ihm versperrt. So kam er nach Uganda. Leute haben mir gesagt, dass meine Frau entführt worden sei. Ich habe keine Nachricht mehr erhalten. Jedes Mal, wenn im Osten des Kongo wieder schlimme Kämpfe ausbrechen, strömen tausende Flüchtlinge über die Grenze nach Uganda, um in einer der Flüchtlingssiedlungen Schutz zu finden, so die Vize-Chefin des UNHCR in Uganda, Sakura Atsumi. Die Situation ist unübersichtlich: Die Allianzen der kämpfenden Gruppen ändern sich manchmal täglich. Erst vor Tagen sind nach einem Angriff der Rebellengruppe ADF in Nord-Kivu wieder mehr als 50.000 Menschen über die Grenze nach Uganda gekommen, die in Notunterkünften untergebracht werden. Das Rote Kreuz warnte am Sonntag vor einer humanitären Krise. Während Atsumi betont, dass die Bevölkerung in Uganda den Flüchtlingen gegenüber sehr tolerant sei und die Regierung große Unterstützung leiste, berichten Betroffene von Armut, Ausgrenzung und Gewalt. Innocent Kamansi, selbst Flüchtling, sagt, Alkohol- und Drogenmissbrauch seien weit verbreitet. Und viele Frauen, die mit ihren Kindern gekommen seien, flüchteten sich mangels Arbeitsmöglichkeiten in die Prostitution.) Präsident nach Auszählung eines Drittels der Stimmen bei rund 60 Prozent. Kampala – Der ugandische Staatschef Yoweri Museveni liegt bei der Präsidentenwahl ersten Ergebnissen zufolge klar in Führung. Nach Auszählung der Stimmen aus mehr als einem Drittel der Wahllokale lag der seit 30 Jahren regierende Museveni bei rund 60 Prozent, wie die Wahlkommission am Freitag mitteilte. Der stärkste seiner sieben Herausforderer, der 59-jährige Oppositionsführer Kizza Besigye, kommt demnach auf rund 33 Prozent der Stimmen. Damit bleibt dem 71-jährigen Museveni vermutlich eine Stichwahl erspart. Bei der Abstimmung vom Donnerstag waren in dem ostafrikanischen Land rund 15 Millionen Menschen wahlberechtigt. Das Land im Herzen Afrikas kommt nicht zur Ruhe. Untersuchungsbericht erhebt neue Vorwürfe – Angeblich Mädchen mit Hunden missbraucht. New York – Neue Vorwürfe des Kindesmissbrauchs in der Zentralafrikanischen Republik betreffen nach Angaben der Vereinten Nationen französische Soldaten. Ein Uno-Vertreter sagte Mittwoch (Ortszeit), entsprechende Berichte seien an französische Stellen weitergeleitet worden. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könnten sie jedoch nicht bestätigt werden. In einer Uno-Erklärung war von äußerst verstörenden Vorwürfen die Rede. Die Nichtregierungsorganisation Aids-Free World gab in einer Presseerklärung an, drei Mädchen hätten einem UNO-Menschenrechtsbeauftragten berichtet, ein Kommandant der französischen Militäreinheit Sangaris habe sie im Jahr 2014 in einem Lager gefesselt, entkleidet und dazu gezwungen, Sex mit einem Hund zu haben. Alle drei hätten später ein wenig Geld erhalten. Frankreich hatte den Militäreinsatz Sangaris in seiner ehemaligen Kolonie im Dezember 2013 angesichts der tödlichen Gewalt zwischen christlichen und muslimischen Milizen gestartet. Seit September 2014 sind in Zentralafrika außerdem Blauhelmsoldaten der Minusca genannten UNO-Truppe im Einsatz. Seit Jahresbeginn wurden bereits mehr als 25 Fälle von Kindesmissbrauch durch Minusca-Soldaten gemeldet. Der UNO-Sicherheitsrat wollte bei einem Treffen hinter geschlossenen Türen in New York am Donnerstag die neuen Vorwürfe erörtern. Hisham Barakat durch Explosion eines offenbar ferngezündeten Sprengkörpers getötet. Kairo – Wenige Stunden nach einem Bombenanschlag auf seinen Autokonvoi ist Montag Ägyptens Generalstaatsanwalt Hisham Barakat seinen Verletzungen erlegen. Das teilte die staatliche Nachrichtenagentur Mena am Nachmittag mit. Unmittelbar nach dem Angriff vor der Militärakademie im Kairoer Vorort Heliopolis hatte es noch geheißen, Barakat sei in guter Verfassung. Zwei Polizisten und zwei Passanten wurden bei der Explosion eines offenbar ferngezündeten Sprengkörpers ebenfalls verletzt. Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon hat den Anschlag auf Barakat scharf verurteilt. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden, verlangte er. Der Familie des Opfers sprach Ban am Montag sein Beileid aus. In Ägypten war schon vor dem Anschlag von einer erhöhten Gefahr neuer Gewalt ausgegangen worden. Am Montag jährte sich zum zweiten Mal der Beginn jener Proteste, die 2013 in der Absetzung des 2012 gewählten Präsidenten Mohammed Morsi von den Muslimbrüdern endeten. Auf die Absetzung folgten blutige Ausschreitungen, unter dem Titel des Krieges gegen den Terror führte die neue Regierung von General Abdelfattah al-Sisi, der sich 2014 zum Präsidenten wählen ließ, eine blutige Kampagne gegen mutmaßliche Mitglieder der Muslimbrüder. Hunderte, darunter Morsi und der Muslimbrüder-Chef Mohammed Badie, wurden zum Tod verurteilt. Viele weitere, auch einfache Mitglieder und andere Regierungsgegner, landeten in Gefängnissen. Generalstaatsanwalt Barakat war eines der Gesichter dieser Kampagne. Allerdings hatte auch ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu Anschlägen auf Mitglieder der ägyptischen Justiz aufgerufen, nachdem kürzlich sechs mutmaßliche Mitglieder der Gruppierung in Ägypten zum Tod verurteilt worden waren. (red, 29.6.2015) Regierung prüft umstrittenen Artikel im Entwurf zum Anti-Terror-Gesetz. Kairo – Nach massiver Kritik an einem Gesetzesentwurf, der Haftstrafen für Journalisten bei Abweichungen von der offiziellen Darstellung extremistischer Angriffe vorsieht, hat sich die ägyptische Regierung zu Änderungen bereit erklärt. Ministerpräsident Ibrahim Mahlab und mehrere Minister stellten sich am Mittwoch in Kairo bei einem Treffen mit Vertretern der Journalistengewerkschaft der Kritik. Die Pressegewerkschaft hätte zu diesem Gesetz konsultiert und das Gesetz öffentlich zur Debatte gestellt werden müssen, sagte Justizminister Ahmed al-Zind laut einer Erklärung der Regierung. Die Journalistengewerkschaft forderte die Streichung des Artikels in dem neuen Anti-Terror-Gesetz. Wir haben vorgeschlagen, dass das in einem anderen Gesetz geregelt wird und die Formulierung anders ist, sagte Gewerkschaftschef Yehia Qallach der Nachrichtenagentur AFP. Die Regierung habe die Absicht, Artikel 33 zu verbessern. Auch andere Teile des Gesetzesentwurfs müssten überarbeitet werden, forderte Qallach. Dazu werde seine Gewerkschaft Vorschläge vorlegen. Regierungssprecher Hossam al-Kawish sagte später dem privaten Fernsehsender CBC Extra, die Regierung wolle Artikel 33 im Rahmen der Meinungsäußerungen überprüfen. Die Regierung hatte vergangene Woche angekündigt, Journalisten müssten künftig mit mindestens zwei Jahren Haft rechnen, wenn sie falsche Informationen über Terroranschläge veröffentlichen, die offiziellen Angaben widersprechen. Neben einer Haftstrafe sollen auch eine Abschiebung oder Hausarrest verhängt werden können. Denkbar ist, dass nun stattdessen Geldstrafen angedroht werden. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi hatte nach der Ermordung von Generalstaatsanwalt Hisham Barakat Ende Juni schärfere Anti-Terror-Gesetze angekündigt. Das Kabinett stimmte der Neuregelung, die unter anderem schnellere Verfahren vorsieht, bereits zu. Wie Justizminister al-Zind sagte, führte auch die Berichterstattung über eine Anschlagsserie auf ägyptische Soldaten auf der Sinai-Halbinsel zu der Verschärfung. Die ägyptische Armee kämpft seit dem Sturz des islamistischen Staatschefs Mohammed Mursi vor zwei Jahren gegen den Aufstand von Jihadisten auf dem Sinai. Diese töteten bei Angriffen Hunderte Polizisten und Soldaten. Acht F-16-Kampfjets sollen im Lauf der Woche an Kairo übergeben werden. Kairo/Washington – Die USA rüsten Ägypten weiter auf. Noch im Laufe der Woche würden acht F-16-Kampfflugzeuge an die Regierung in Kairo übergeben, teilte die US-Botschaft am Donnerstag in der ägyptischen Hauptstadt mit. Im Herbst sollten weitere vier Maschinen folgen. Die Lieferung ist Teil eines Ausrüstungspakets, das die US-Regierung nach vorheriger Verzögerung im März freigegeben hatte. Nach dem Sturz des ersten frei gewählten, islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi durch den damaligen Armeechef Abdel Fattah al-Sisi vor zwei Jahren hatten die USA ihre Zusammenarbeit mitÄgypten auf den Prüfstand gestellt. Seit al-Sisis Wahl zum Präsidenten normalisierte sich das Verhältnis wieder. Ägypten ist ein strategisch wichtiger regionaler Partner der USA und anderer westlich orientierter Staaten wie Israel. Schon im vergangenen Monat hatten die USA der ägyptischen Armee auch zwei Marine-Schnellboote geliefert. Annäherungskurs zwischen Washington und Kairo – Bedenken wegen Menschenrechtslage. Kairo – Trotz Bedenken wegen der Menschenrechtslage hat US-Außenminister John Kerry bei seinem Besuch in Ägypten einen Kurs der Annäherung eingeschlagen. Die USA und Ägypten bewegten sich wieder hin zu einer stärkeren Beziehung, sagte Kerry am Sonntag bei einem Besuch in Kairo. Unterdessen wurde der in der ägyptischen Hauptstadt erwartete Urteilsspruch im wieder aufgerollten Prozess gegen drei Al-Jazeera-Journalisten erneut verschoben. Ägypten ist die erste Station von Kerrys kurzer Nahost-Reise, die ihn im Anschluss nach Katar führt. In Kairo traf er mit seinem ägyptischen Kollegen Sameh Shukri und anschließend auch mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi zusammen. In einer Pressekonferenz mit Shukri zeigte sich Kerry optimistisch, dass sich die beiderseitigen Beziehungen wieder verbessern würden. Zwar gebe es hier und da kleine Spannungen hinsichtlich bestimmter Punkte. Die USA etwa seien besorgt angesichts der Menschenrechtslage in Ägypten. Doch beide Länder hätten ihre militärische Zusammenarbeit wieder verstärkt. In der vergangenen Woche hatten die USA acht F-16-Kampfjets an Ägypten geliefert. Dies und anderes Gerät sei essenziell im Kampf gegen den Terrorismus, sagte Kerry. Er sagte Ägypten auch wirtschaftliche und politische Unterstützung zu. Bei seinen Gesprächen verteidigte Kerry auch das Atomabkommen mit dem Iran. Es stehe absolut außer Frage, dass die Einigung im Atomstreit nicht nur Ägypten, sondern alle Länder der Region sicherer mache. Falls der Iran destabilisierend wirke, sei es weitaus besser, einen Iran zu haben, der keine Atombombe hat. Neben Ägypten verdächtigen auch andere Länder der Region den Iran, diese destabilisieren zu wollen. Unterdessen wurde das am Sonntag in Kairo erwartete Urteil gegen drei Journalisten des katarischen Fernsehsenders Al-Jazeera erneut verschoben. Grund hierfür sei, dass inhaftierte Mitangeklagte aus Sicherheitsgründen nicht von ihren Zellen zum Gerichtssaal hätten gebracht werden können, sagte ein Richter bei der Anhörung. Bereits am Donnerstag war das mit Spannung erwartete Urteil verschoben worden, weil der zuständige Richter offenbar erkrankte. Ein Verteidiger sagte am Sonntag, es gebe keinen politischen Grund für die erneute Verschiebung. Der Vorsitzende Richter sei krank, aus rechtlichen Gründen könne das Urteil nicht von einem anderen Richter gesprochen werden. Ein neuer Termin für den Urteilsspruch wurde nun für den 29. August angesetzt. Der Australier Peter Greste, der Kanadier Mohammed Fahmi und der Ägypter Baher Mohammed waren im vergangenen Jahr wegen angeblicher falscher Berichterstattung zugunsten der islamistischen Muslimbruderschaft in einem ersten Prozess zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Ein Berufungsgericht ordnete Anfang des Jahres jedoch ein neues Verfahren an. Greste wurde kurz darauf in sein Heimatland abgeschoben. Ihm wird in Abwesenheit der Prozess gemacht. Fahmi und Mohammed wurden im Februar nach 400 Tagen Haft auf freien Fuß gesetzt. Mindestens ein weiterer Mitangeklagter sitzt jedoch wegen eines anderen mutmaßlichen Vergehens weiterhin in Haft. Fahmi nannte die erneute Urteilsverschiebung im Kurznachrichtendienst Twitter beispiellos und eine anhaltende Missachtung unserer Rechte. Ein Schuldspruch der Journalisten könnte sich negativ auf die Beziehungen zu den USA auswirken. Außenminister Shukri wies am Sonntag Vorwürfe der Missachtung der Pressefreiheit zurück. In Ägypten säßen keine Journalisten wegen Problemen mit der freien Meinungsäußerung im Gefängnis, sondern nur wegen ihrer Verwicklung in terroristische Aktivitäten. (APA/Reuters, 2.8.2015) Muslimische Frauen sollen innerhalb von zwei Tagen freigelassen werden – Echtheit konnte noch nicht bestätigt werden. Kairo/Zagreb – Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) droht in einem angeblich von ihr veröffentlichten Video mit der Exekution eines in Ägypten entführten Kroaten. Ein am Mittwoch im Internet kursierendes Video zeigt einen Mann, der sich als ein in Kairo arbeitender kroatischer Staatsbürger vorstellt. Er sei im Juli verschleppt worden. In der Botschaft liest der Mann die Forderung an die ägyptische Regierung vor, innerhalb von 48 Stunden eingesperrte muslimische Frauen freizulassen. Ansonsten werde er getötet. In dem Video kniet er vor einer Sanddüne neben einer Fahne des IS und einem vermummten Mann mit Messer. Dieser gehört offenbar zu dem auf der unruhigen ägyptischen Sinai-Halbinsel operierenden Ableger der Terrormiliz. Die Aufnahmen erinnern an vorherige Videos des IS, in denen Ausländer exekutiert wurden. Es ist das erste Mal, dass der IS-Ableger ein Video eines in Ägypten entführten Ausländers zeigt. Die Echtheit konnte zunächst nicht unabhängig überprüft werden. Ende Juli hatten kroatische Behörden bestätigt, dass ein Kroate in Kairo entführt worden sei. Die veröffentlichten Initialen des Mannes stimmen mit dem im Video genannten Namen überein. Die Drohbotschaft des IS wurde einen Tag vor der geplanten feierlichen Eröffnung des erweiterten Suezkanals in Ägypten verbreitet. Die ägyptischen Behörden nahmen zunächst nicht Stellung. Mit viel Pomp und historischen Anleihen soll am Donnerstag die neu gebaute Erweiterung des Suezkanals eröffnet werden. Kaum ein Superlativ reicht dieser Tage aus. Als Wunder wie der Pyramidenbau, als Zeitenwende oder gar als Game Changer bezeichnen ägyptische Politiker und Journalisten den neuen Suezkanal regelmäßig. Der neue Suezkanal ist vor allem eine Erweiterung der rund 72 Kilometer langen internationalen Wasserstraße auf einen kreuzungsfreien Betrieb. Auf Befehl von Präsident Abdelfattah al-Sisi wurden die Arbeiten in einem statt in drei Jahren ausgeführt und planmäßig in diesem Sommer beendet. Am heutigen Donnerstag geht die pompöse Eröffnungsfeier in Ismailia über die Bühne. Mit Gästen aus der ganzen Welt und Reminiszenzen ans Eröffnungsjahr 1869 wie einer Arie aus der Oper Aida und der königlichen Yacht Mahroussa. Wo einst Kaiserin Eugenie die Schiffsparade anführte, steht jetzt Präsident Sisi. Bezahlt wurde das 30 Millionen Dollar (27,5 Millionen Euro) teure Spektakel unter dem Motto Ein Geschenk Ägyptens an die Welt aus Spenden der beteiligten in- und ausländischen Firmen. Mit dieser geschichtlichen Verknüpfung will Sisi die Bedeutung seines Megaprojektes unterstreichen. Für Ägyptens Nationalverständnis spielt der Suezkanal eine große Rolle. Den Stolz auf diese Leistung spürt man dieser Tage bei vielen Ägyptern. Die Idee, den Suezkanal auszubauen und entlang dieser Achse eine Wirtschaftszone einzurichten, hatten vor Sisi schon mehrere Präsidenten verfolgt. Bei den Muslimbrüdern war es ein zentrales Vorhaben ihres Wirtschaftsprogramms, aber die Armee hatte sich quergestellt. Jetzt ist sie in dieser sensiblen Region Bauherrin und hat die technische Oberaufsicht. Gefeiert wird im ganzen Land mit Dutzenden von Veranstaltungen, etwa auch am Fuße der Pyramiden, mit Sondermarken, Gedenkmünzen und Feuerwerk. Die Regierung hat den Donnerstag zum Feiertag erklärt. Nicht nur um den Menschen eine Freude zu bereiten, sondern vor allem auch um den 10.000 Polizisten und 230.000 Soldaten, die für die Sicherheit verantwortlich sind, ihre Aufgabe zu erleichtern. In ganz Ägypten herrscht die höchste Sicherheitsstufe, aus Angst vor Anschlägen. Radikale Islamisten wollten Sisi den Triumph nicht gönnen, begründete in Kairo ein Geschäftsmann die Sorgen. Ob die Suezkanal-Erweiterung wirtschaftlich Sinn ergibt und die rund 7,8 Milliarden Euro gut investiert sind? Da setzen Ökonomen ein Fragezeichen. Sisi wollte vor allem beweisen, dass er in der Lage ist, zu liefern und etwas zu bewegen – und zwar schnell. Mit dem Ausbau wird die Kapazität von 49 auf 97 Schiffe pro Tag verdoppelt und die Fahrzeit von 22 auf elf Stunden halbiert. Die Einnahmen sollen sich laut Prognosen bis ins Jahr 2023 von heute jährlich fünf auf 12,5 Milliarden Euro mehr als verdoppeln. Dafür muss aber der Welthandel entsprechend wachsen. Der neue Kanal ist ohnehin nur das Herzstück einer gigantischen Wirtschaftszone, die zwischen Suez und Port Said geplant ist. Hier soll ein weltweit führendes Logistikzentrum entstehen und sich Produktionsbetriebe aus den verschiedensten Branchen niederlassen, um bis 2030 eine Million Arbeitsplätze zu schaffen. Dazu müssten internationale Interessenten viele Dutzend Milliarden investieren. Das lässt sich dann nicht mehr einfach befehlen, die ökonomischen Voraussetzungen müssen stimmen. Der Schwung aus dem Kanalbau soll aber mitgenommen werden, deshalb sollte der Präsident bei der Eröffnung gleich weitere Megaprojekte und die ersten Schritte zur Umsetzung der Kanal-Wirtschaftszone ankündigen. (6.8.2015) 'Einweihungszeremonie unter hohen Sicherheitsvorkehrungen. Kairo – Mehr Platz für mehr Schiffe: Der Neue Suezkanal ist am Donnerstag unter strengen Sicherheitsvorkehrungen offiziell eröffnet worden. Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi fuhr in Gala-Uniform auf einer historischen Jacht an der Spitze einer Flottenparade auf dem Kanal, während Kampfflugzeuge und Hubschrauber über die Szenerie flogen. Das Land hofft auf steigende Einnahmen aus dem Kanalbetrieb und einen wirtschaftlichen Aufschwung. Der Neue Suezkanal wurde innerhalb von nur einem Jahr gebaut. Auf einer Länge von 37 Kilometern wurde eine neue Wasserstraße gegraben, auf weiteren 35 Kilometern wurde der alte Kanal erweitert und vertieft. Das Projekt kostete umgerechnet rund 7,9 Mrd. Euro. Der Suezkanal, seit 1869 in Betrieb, verbindet das Rote Meer und das Mittelmeer miteinander und ist für den Welthandel enorm wichtig. Für al-Sisi ist der Erweiterungsbau ein Prestige-Projekt. Der damalige Armeechef hatte vor zwei Jahren Präsident Mohammed Mursi gestürzt und gewann die Präsidentenwahl im vergangenen Jahr. Zu seinen zentralen Versprechen zählten die Verbesserung der Sicherheitslage und die Belebung der Wirtschaft. Bei letzterem soll der Neue Suezkanal helfen: Die Regierung hofft, dass sich die Einnahmen aus den Gebühren für die Kanalnutzung in den nächsten Jahren mehr als verdoppeln werden – von rund 5,3 Mrd. Dollar (4,9 Mrd. Euro) 2015 auf rund 13,2 Mrd. Dollar im Jahr 2023. Im gleichen Zeitraum soll sich auch die Zahl der Schiffe, die täglich auf der Wasserstraße unterwegs sind, fast verdoppeln. Analysten sehen die offiziellen Vorhersagen allerdings skeptisch. Er glaube nicht, dass Reeder bereit seien, für kürzere Wartezeiten höhere Gebühren zu zahlen, sagte Ralph Leszczynski aus der Forschungsabteilung des italienischen Schiffsmaklers Banchero Costa. Für die Reeder stünden niedrige Kosten an erster Stelle und nicht der Zeitfaktor. Derzeit befahren täglich 49 Schiffe den Kanal. Durch den Neuen Suezkanal reduziert sich die durchschnittliche Wartezeit der Schiffe von 18 auf elf Stunden. Für Ägypten sind die Kanalgebühren eine wichtige Einnahmequelle. Die Regierung hofft zugleich, dass sich die Gegend um den Kanal zu einem Industriezentrum entwickelt. Entsprechend groß fiel die Eröffnungszeremonie in der Hafenstadt Ismailia aus, zu der auch Frankreichs Präsident Francois Hollande anreiste. Spruchbänder mit Aufschriften wie Ägyptens Geschenk an die Welt und Das ägyptische Wunder waren zu sehen. Dutzende Busse brachten geladene Gäste zu der Veranstaltung. Für die Eröffnungszeremonie wurden strenge Sicherheitsvorkehrungen getroffen Bisher bekannte sich niemand zu Attentat. Kairo – Bei einem Bombenanschlag auf einen Bus der ägyptischen Sicherheitskräfte sind mindestens drei Polizisten getötet und weitere 33 verletzt worden. Der Sprengsatz sei am Montag in der Früh im Norden des Landes explodiert, teilte das Innenministerium mit. Zu dem Anschlag hat sich bisher niemand bekannt. Seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Morsi 2013 sowie der Verurteilung Hunderter seiner Anhänger zum Tode kommt es in Ägypten immer wieder zu Anschlägen. Seit Ende Juni hat sich die Situation verschärft. Bei mehreren Angriffen – unter anderem im unruhigen Norden der Sinai-Halbinsel – und Terrorakten in Kairo starben viele Soldaten und Polizisten. Erst am Donnerstag waren 29 Menschen bei der Explosion nahe eines Gebäudes der Sicherheitskräfte verwundet worden. Zudem war kürzlich ein Kroate im Großraum der Hauptstadt entführt und angeblich enthauptet worden. Zu dieser und den meisten anderen Taten bekannte sich der ägyptische Ableger der fanatischen jihadistischen Organisation Islamischer Staat (IS). 'Parlamentswahlen sollen zwischen Mitte Oktober und Anfang Dezember stattfinden. Geht es nach den Plänen der Wahlkommission, kann Ende des Jahres das ägyptische Parlament seine Arbeit aufnehmen. Nach neuer Verfassung und Wahl eines Präsidenten wäre damit der dritte und letzte Schritt des Demokratisierungsprozesses nach der blutigen Entmachtung der Muslimbrüder vollzogen und eine dreieinhalbjährige Periode ohne Volksvertretung ginge zu Ende. In dieser Zeit wurden Hunderte von Präsidialdekreten in Kraft gesetzt. Der Präsident der Wahlkommission gab am Sonntagabend die Daten für den komplizierten Wahlvorgang bekannt. Ab Dienstag können sich die Kandidaten und Kandidatinnen für die 568 Mandate registrieren lassen. Das Land wird in zwei Teile aufgespalten: Am 17. Oktober beginnt der Urnengang für die ersten, vorwiegend südlichen 14 Provinzen Vertretung im September 2011 nach Erstürmung durch Demonstranten geschlossen – Diplomatische Beziehungen formell nicht unterbrochen. Kairo/Jerusalem – Vier Jahre nach der Schließung hat Israel seine Botschaft in der ägyptischen Hauptstadt Kairo wieder geöffnet. Im Beisein des Generaldirektors des israelischen Außenministeriums, Dore Gold, sowie ägyptischer Vertreter wurde an dem Gebäude in Kairo die Fahne Israels gehisst, wie das israelische Außenministerium am Mittwoch mitteilte. Wir arbeiten zusammen (mit Ägypten) für Sicherheit und Wohlstand im Nahen Osten, wurde Gold in der Mitteilung zitiert. Israels Botschaft in Kairo war im September 2011 geschlossen worden, nachdem Demonstranten die Büros der Vertretung gestürmt hatten. Nach der Revolution im Februar desselben Jahres hatte es immer wieder auch anti-israelische Ausschreitungen gegeben. Formell abgebrochen wurden die diplomatischen Beziehungen zwischen Israel und Kairo aber nie. Ägypten und Jordanien sind die einzigen arabischen Länder, zu denen Israel diplomatische Beziehungen unterhält. Landwirtschaftsminister aus Amt gedrängt und verhaftet – Korruption zuletzt angewachsen. Wer in Ägypten Behördengänge zu erledigen hat, weiß, dass die Mühlen ohne Schmiermittel nur langsam oder gar nicht mahlen, egal ob für die Verlängerung des Führerscheins oder die Registrierung einer Wohnung. Bakschisch in kleinen Scheinen für normale Angestellte, große Scheine oder ganze Bündel für leitende Beamte – etwa von Firmen für die Erteilung von Bewilligungen – sind so etwas wie eine inoffizielle Gebühr für staatliche Dienstleistungen. Die administrative Korruption ist allgegenwärtig. Berüchtigt sind vor allem das Gesundheits- und das Landwirtschaftsministerium, wo auch die Entwicklung und Vergabe der riesigen Landreserven in den Wüsten angesiedelt ist. Im Landwirtschaftsministerium hat Präsident Abdelfattah al-Sisi jetzt ein Exempel statuiert. Der Minister wurde gezwungen, zurückzutreten. Salah Hilal wurde danach sofort zusammen mit mehreren hohen Funktionären verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, von einem Geschäftsmann Schmiergeldzahlungen verlangt zu haben, um ihm als Gegenleistung den illegalen Kauf eines großen Landstücks zu legalisieren. Viele Ägypter sind sich einig, dass es den Richtigen erwischt hat. Im Landwirtschaftsministerium arbeiten hunderttausende Beamte, die den staatlichen Einfluss im Agrarsektor von der Düngerzuteilung bis zur Landvergabe organisieren. Es gibt viele Fälle, wo Agrarland unrechtmäßig in Bauland umgewandelt wurde. Der Fall Hilal könnte nun eine ganze Lawine auslösen, denn jetzt sollen alle Landverkäufe der letzten Jahre – möglicherweise bis zurück in die 90er-Jahre – aufgerollt werden. Auch internationale Firmen werden von Beamten dieses Ministeriums regelmäßig zu Gefälligkeiten angehalten. Sie unterliegen aber meist Complianceregeln, die dem einen Riegel vorschieben sollen. Ausweg ist nicht selten ein Angebot für Ausbildungsmaßnahmen, die immerhin finanzielle Anreize wie Taggelder enthalten. Die grassierende Korruption war einer der Gründe für den Ausbruch der Revolution im Jahr 2011. Damals waren die Hoffnungen groß, dass mit tiefgreifenden Verwaltungsreformen Transparenz gestärkt würde. Passiert ist jedoch nicht viel. Die meisten Gerichtsverfahren gegen Funktionäre aus der Mubarak-Ära endeten mit Freisprüchen oder geringen Strafen. Transparency International sieht im Korruptionsindex für 2014 Ägypten auf Platz 94 von 175 Ländern und kommt zu dem Schluss, dass sich das Problem zuletzt eher verschlechtert habe. Sogar beim gigantischen Prestigeprojekt des neuen Suezkanals war mangelnde Transparenz ein Thema. Während bei Großaufträgen keine Klagen zu hören waren, berichteten Vertreter der Baubranche, dass bei den vielen Sub- und Subsubunternehmen die gängige Praxis herrschte: Wer einen Teil vom Kuchen wollte, musste zahlen. Vor einigen Monaten brachte die Regierung eine Antikorruptionsstrategie auf den Weg. Im Juli erließ Sisi jedoch ein umstrittenes Dekret, in dem er sich selbst die Kompetenz einräumte, die Chefs der wichtigsten Aufsichtsbehörden zu entlassen. Ob mit der Verhaftung Hilals wirklich ein systematisches Aufräumen beginnt oder nur ein Bauernopfer gesucht wurde, um die Popularität des Präsidenten hochzuhalten, wird sich deshalb erst noch zeigen müssen. 'Nach Muslimbrüder-Entmachtung vertritt nur die konservative Al-Nur-Partei den politischen Islam. Am Morgen hat es etwas geregnet. Am Abend sind die meisten Straßen in Ezzbet Sikkin immer noch matschig. Asphalt gibt es keinen und auch keinen Anschluss ans Gasnetz. Es sind die Armen, die zum Kochen die teuren Gasflaschen kaufen müssen. Amr al-Mekki und Hosni al-Masri haben in diesem Slum von Alexandria ein Heimspiel. Die beiden Parlamentskandidaten der salafistischen Al-Nur-Partei schütteln unzählige Männerhände in kleinen Geschäften, Kaffeehäusern oder an Marktständen. Überall werden sie freundlich, manchmal überschwänglich begrüßt, während sie versuchen, im Vorfeld der am Sonntag gestarteten Parlamentswahlen Stimmen zu gewinnen. Lautsprecherwagen mit den Leuchtreklamen der beiden Kandidaten folgen dem kleinen Zug durch die engen Gassen und plärren ihr Wählt Laterne und Sonnenschirm, Nummern 27 und 28. Nach dem Abendgebet in einer kleinen Moschee haben sich Hunderte aus der Nachbarschaft – die meist voll verschleierten Frauen und Männer schön getrennt – in einem Zelt zu einer Konferenz versammelt. Mehr Volksfest als Informationsveranstaltung mit Fahnenschwingern, feurigen Hymnen und Sprechchören. Auf der Bühne hat auch Bassem al-Zarqa von der Parteiführung Platz genommen. Er erklärt den Anwesenden, mit der neuen Verfassung seien dies die wichtigsten Parlamentswahlen überhaupt. Tatsächlich gab es in Ägypten noch nie eine Volkskammer mit so vielen Befugnissen. Mekki, der Ingenieur, und Masri, der Arabischprofessor, geben sich volksnah. Das Programm der Nur-Partei sei von unten nach oben entstanden, basiere auf den Problemen der Menschen und wolle ihre Rechte – ausdrücklich auch jener der Frauen – durchsetzen. Das heißt in Ezzbet Sikkin: für Gasanschluss und mehr öffentliche Busse sorgen. In solchen Ashwayyats, informellen Vierteln, leben etwa 60 Prozent der ägyptischen Bevölkerung. Wer vom Volk gewählt werde, diene später dem Volk, wer vom Geld gewählt werde, diene später dem Geld, greift Masri unter tosendem Applaus die politischen Gegner an, viele von ihnen reiche Geschäftsleute mit Verbindungen zum ehemaligen Mubarak-Regime. Von Religion ist an diesem Abend nicht die Rede. In Wahlschriften ist der Ton anders. So wird etwa im Pamphlet Warum Hizb al-Nur? aufgeführt: weil sie es brillant geschafft hat, den politischen Islam am Leben zu halten Abstimmung werde als "dunkler schwarzer Fleck" in Erinnerung bleiben. Kairo – Ägyptens Salafisten haben die Parlamentswahlen scharf kritisiert. Sie seien die schlechtesten in der Geschichte des ägyptischen Parlaments erklärte der Chef der konservativ-islamischen Partei, Junis Machjun, am Donnerstag über Facebook. Die Abstimmung werde als dunkler schwarzer Fleck in Erinnerung bleiben. Die Salafisten haben in der ersten Runde der Wahl am Sonntag und Montag keinen einzigen Sitz gewonnen. Einige ihre Kandidaten könnten aber noch per Stichwahl ins Parlament einziehen. Sieger der ersten Runde ist laut Wahlkommission das Bündnis Wegen der Liebe für Ägypten, das als Unterstützer von Präsident Abdel Fattah al-Sisi gilt. Es gewann demnach alle 60 Sitze, die über Parteilisten vergeben wurden. Der größte Teil der 596 Mandate geht jedoch an Direktkandidaten, von den die meisten in weiteren Runden noch bestimmt werden müssen. Die Wahlbeteiligung lag im ersten Durchgang bei knapp 27 Prozent. Bei der ersten freien Parlamentswahl Ägyptens vor fast vier Jahren war die Nur-Partei (Partei des Lichts) mit rund 24 Prozent noch zweitstärkste Kraft. Vertrag über Bau von vier 1200-Megawatt-Reaktoren in Kairo unterzeichnet. Kairo/Moskau – Ägypten hat offiziell sein erstes Kernkraftwerk bei Russland in Auftrag gegeben. Der Vertrag über den Bau von vier 1200-Megawatt-Reaktoren wurde am Donnerstag in Kairo unterzeichnet, wie die russische Agentur Interfax meldete. Es sei das größte gemeinsame Projekt seit dem Nil-Staudamm von Assuan, bei dem in den 1960er-Jahren die Sowjetunion geholfen hatte. Dies sagte Sergej Kirijenko, Leiter des russischen Atomkonzerns Rosatom. Das Kraftwerk solle in den nächsten zwölf Jahren bei El Dabaa am Mittelmeer gebaut werden. Zu den Kosten wurden keine Angaben gemacht. Der ägyptische Staatschef Abdel Fattah al-Sisi hatte das Geschäft bei einem Besuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin in Kairo im Februar vereinbart. Ein Richter und zwei Polizisten erlagen Verletzungen. Sinai – Nach dem Anschlag auf ein Hotel im Norden der ägyptischen Sinai-Halbinsel hat sich die Zahl der Todesopfer am Mittwoch auf sieben erhöht. Ein Richter, der sich als Wahlbeobachter in Ägypten aufhielt, und zwei Polizisten seien ihren schweren Verletzungen erlegen, teilte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums mit. Am Dienstag war die Zahl der bei dem Anschlag Getöteten mit vier angegeben worden, ein Richter, zwei Polizisten und ein Zivilist. Auch die zwei Selbstmordattentäter kamen ums Leben. Die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) bekannte sich in einer Erklärung im Internet zu dem Attentat auf das Swiss-In-Hotel in der Provinzhauptstadt Al-Arish. Zunächst hatte einer der Selbstmordattentäter eine Autobombe gezündet, dann war mindestens ein andere durch die Hotelzimmer gezogen, wo er einzelne Opfer erschoss. Ursprünglich war von insgesamt drei Selbstmordattentätern die Rede gewesen. Die sogenannte Provinz Sinai des IS hatte sich auch dazu bekannt, eine Bombe in dem russischen Flugzeug platziert zu haben, bei dessen Absturz am 31. Oktober auf dem Sinai alle 224 Insassen getötet wurden. Die Revolution in Ägypten hat zwar das Bewusstsein der Menschen verändert, real hat sich seit 2011 aber wenig verbessert, sagt der Politologe Jan Völkel. STANDARD: Wo steht Ägypten fünf Jahre nach Revolutionsausbruch? Völkel: Ägypten ist mit großen Hoffnungen gestartet. Die meisten haben sich nicht erfüllt. Das gilt insbesondere für die politische, aber auch für die wirtschaftliche Entwicklung. Zum Beispiel zeigen die aktuellen Zahlen des Bertelsmann-Transformationsindex, dass Ägypten politisch schlechter dasteht als im Jahr 2010 gegen Ende der Mubarak-Zeit. Die Wirtschaftsentwicklung ist ganz ähnlich. Ein wesentlicher Grund ist das hohe Bevölkerungswachstum, das die Volkswirtschaft nicht ausgleichen kann. Zum Zweiten setzt die jetzige Regierung zu sehr auf Großprojekte, die mit großem medialem Interesse durchgeführt werden wie der Suez-Kanal oder die Planung der neuen Hauptstadt. Das hilft der Volkswirtschaft aber wenig. STANDARD: Was ist von den Forderungen der jungen Aktivisten nach Brot, Freiheit und sozialer Gerechtigkeit in Erfüllung gegangen? Völkel: Sehr wenig. Was Brot angeht, das habe ich eben beschrieben, dass die Wirtschaftslage insgesamt schlecht ist. Die Freiheit ist im Moment indiskutabel. Wir haben wohl mehr politische Gefangene in den Gefängnissen als zu Zeiten Gamal Abdel Nassers. Bei der sozialen Gerechtigkeit muss man etwas differenzieren. Das große Bild ist sicher so, dass die herrschenden Oberschichten nach wie vor uneingeschränkt an den Töpfen des Landes sitzen. Dass sich die Menschen bewusst geworden sind, dass sie ein Recht auf eine Sicherung des Lebens haben, bedeutet leichte Verbesserung. STANDARD: Mit den Islamisten bleibt eine bedeutende Strömung vom politischen Leben ausgeschlossen. Kann das lange gutgehen? Völkel: Gerade in einem Land wie Ägypten sind Prognosen schwierig. Viele Beobachter haben darauf hingewiesen, dass die Exklusion des politischen Islam, also vor allem der Muslimbrüder, im Prinzip der falsche Weg ist und letztlich dafür sorgt, dass sich deren Vertreter noch mehr radikalisieren. Das ist das Schreckensszenario. Die Unterstützer der jetzigen Regierungsstrategie argumentieren, dass nur mit klarer Gewalt dem politischen Islam begegnet werden kann, weil sonst Chaos folgt. STANDARD: Was sind die größten Defizite für ein funktionierendes demokratisches System? Völkel: Eines der wesentlichen Defizite ist das Fehlen von funktionierenden Institutionen. Es gibt keine gut organisierten Parteien und schon gar keine Parteien mit einer Massenbasis – mit Ausnahme der Muslimbrüder und der früheren Nationaldemokratischen Partei, die beide verboten sind. Das führt zum zweiten institutionellen Defizit: Das jetzige Parlament wird in keiner Weise seinen Anforderungen gerecht, weder ist es kritisch gegenüber der Arbeit der Regierung, noch findet es eine eigenständige Arbeitsweise. STANDARD: Tunesien ist – trotz der aktuellen Probleme – der Musterschüler unter den Ländern des Arabischen Frühlings. Was haben die Tunesier besser gemacht? Völkel: Die Tunesier haben sich nie auf einen einzelnen Mann verlassen. Die Ägypter haben 2013 nach dem Sturz von Morsi ihr Schicksal und ihr Glück zu sehr in die Hände eines Einzelnen gelegt, die Tunesier haben eher an Institutionen geglaubt. Zudem hat die islamistische Ennahda-Partei in Tunesien viel von den Erfahrungen der Muslimbrüder in Ägypten gelernt, nämlich dass es sich nicht lohnt, zu sehr gegen bestehende Machtstrukturen anzukämpfen, sondern dass man sich zu arrangieren hat. Militärkapelle hat Probleme mit der "Marseillaise". Kairo – Frankreichs Präsident François Hollande bringt von seinem Besuch in Ägyptens Hauptstadt Kairo Geschäftsabschlüsse in Höhe von zwei Milliarden Euro heim. Airbus Space Systems wird Ägypten einen hochmodernen Kommunikationsatelliten verkaufen, der Energiekonzern Engie erhält einen Großauftrag für eine Flüssiggasanlage und den Ausbau erneuerbarer Energien. Beim feierlichen Empfang durch Präsident Abdel Fattah al-Sisi sorgte die Militärkapelle für Aufsehen: Die Musiker haben offenbar die französische Hymne noch nicht besonders oft gespielt und hatten Probleme, den richtigen Ton zu treffen. US-Medien: Überwachungssatellit beobachtete zum Unglückszeitpunkt Wärmeausstrahlung über dem Sinai. Moskau – Die Spekulationen über einen Terroranschlag auf die über der ägyptischen Sinai-Halbinsel abgestürzte russische Chartermaschine erhalten neue Nahrung durch einen Fund an der Absturzstelle. Dort seien Elemente, die nicht zum Flugzeug gehören, entdeckt worden, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungskreise. Nun soll das Objekt näher bestimmt werden. Die Flugschreiber der Maschine haben inoffiziellen Angaben zufolge vor dem Absturz in 4.500 Meter Höhe ungewöhnliche Geräusche aufgezeichnet. US-Medien berichteten derweil, ein US-Überwachungssatellit habe eine starke Wärmeausstrahlung über dem Sinai beobachtet, als das Flugzeug abstürzte. Das US-Verteidigungsministerium wollte die Angaben nicht kommentieren. Russische Medien hingegen präsentierten weitere Indizien für einen technischen Defekt der Maschine. Mehrere ehemalige Mitarbeiter der Fluglinie Kogalymavia berichteten über den schlechten Zustand der Flugzeuge. Offiziell hat Russland die Version eines Terroranschlags nicht ausgeschlossen. Kremlsprecher Dmitri Peskow forderte allerdings, keine Verbindung zwischen dem Absturz und dem jüngst begonnenen Syrien-Einsatz des russischen Militärs herzustellen: Irgendwelche hypothetischen Erwägungen dazu sind unangebracht. Das sind völlig unterschiedliche Dimensionen und Fragen, die man nicht verknüpfen sollte. Kurz nach dem Absturz hatte die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) damit geprahlt, für den Absturz der Chartermaschine verantwortlich zu sein. Das Einsatzgebiet ist 40 Quadratkilometer groß und wird auch mit Drohnen überflogen. Kairo/Moskau – Nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten weiten die Behörden ihre Suche nach den Überresten des Airbus A321 aus. Das Einsatzgebiet werde von 30 auf 40 Quadratkilometer vergrößert, sagte der russische Zivilschutzchef Wladimir Putschkow am Mittwoch. Dabei sollten auch Drohnen eingesetzt werden, berichtete er Agenturen zufolge. Die Unglücksursache ist es laut russischen und ägyptischen Behördenangaben noch unklar. Flug 9268 der sibirischen Airline Kogalymavia war Samstagfrüh kurz nach dem Start im ägyptischen Badeort Sharm El-Sheikh über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. Alle 224 Menschen an Bord kamen ums Leben, die meisten Opfer wurden bereits nach Russland überführt. 33 Leichen seien mittlerweile identifiziert worden, teilte die Verwaltung in St. Petersburg mit. London/Kairo – Nach dem Absturz einer russischen Passagiermaschine in Ägypten verdichten sich die Hinweise, dass eine Bombe an Bord die Flugzeugkatastrophe ausgelöst haben könnte. Ein Sprengkörper sei eine signifikante Möglichkeit als Ursache, sagte Großbritanniens Außenminister Philip Hammond am Mittwochabend in London. Es seien verschiedene Quellen ausgewertet worden, bevor die Regierung zu dem Schluss gekommen sei. Wir können nicht sicher sein, dass das russische Passagierflugzeug von einer terroristischen Bombe zum Absturz gebracht wurde, sagte Premierminister David Cameron am Donnerstag in London, aber es sieht mit zunehmender Wahrscheinlichkeit aus, als sei das der Fall gewesen. Ein Anschlag sei wahrscheinlicher, als dass es keiner war, fügte er hinzu. Er werde mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin über die Lage nach dem Flugzeugabsturz über dem Sinai am Telefon sprechen, so Cameron: Ich werde natürlich all das mit Präsident Putin besprechen und ihm erklären, warum wir so handeln, wie wir handeln. Nach dem Start in Sharm el-Sheikh war am Samstag der Airbus A321 der sibirischen Firma Kolavia über der Sinai-Halbinsel abgestürzt. 224 Menschen kamen ums Leben. Die Unglücksursache war bisher unklar. Es ist das schwerste Unglück in der Geschichte der russischen Luftfahrt. Das Ziel der Maschine war St. Petersburg. Hammond warnte vor Flugreisen nach oder über Sharm el-Sheikh. Es werde von allen Reisen an den Flughafen am Roten Meer abgeraten, die nicht notwendig seien, und in Absprache mit den Fluggesellschaften Easyjet, Thomson Airways, Thomas Cook und British Airways würden vorerst keine Flüge von Großbritannien nach Sharm el-Sheikh starten. Nach Angaben des britischen Verbands der Reiseanbieter sitzen deshalb mindestens 9.000 Briten in der ägyptischen Urlaubsregion fest. Aber es wird auch eine Anzahl Urlauber geben, die unabhängig gereist sind, heißt es in der Mitteilung des Verbandes Abta in der Nacht auf Donnerstag. Auch Irland ließ vorerst keine Flugzeuge mehr von und nach Sharm el-Sheikh fliegen, niederländische Fluglinien setzten Flüge in den Ferienort vorerst bis Sonntag aus. Das wurde bei einem Treffen des niederländischen Anti-Terror-Koordinators mit Vertretern der Gesellschaften und der Nachrichtendienste beschlossen. Ägyptens Außenminister Samih Shoukri hatte bereits die britische Entscheidung, Flüge für Mittwochabend zu stoppen, vorzeitig und ungerechtfertigt genannt. Er sei sehr enttäuscht, sagte er der BBC. Auf die Frage, ob er einen Terroranschlag für möglich halte, sagte er dem US-Sender CNN, dass das die Untersuchung klären müsse. Vorschnelle Urteile oder Maßnahmen könnten negative Auswirkungen auf eine große Zahl von Ägyptern haben, die von der Tourismusindustrie lebten. Die österreichische Botschaft in Kairo evaluiert stündlich die Situation, sagte Thomas Schnöll, Sprecher des Außenministeriums. Für Ägypten bestehen bereits partielle Reisewarnungen: Vor Reisen in den Nord-Sinai und in das Sahara-Gebiet wird ausdrücklich gewarnt. Für den Süd-Sinai, für den Badeort Sharm el Sheikh und Umgebung, besteht ein erhöhtes Sicherheitsrisiko. Schnöll empfahl, auf der Webseite des Außenministeriums eine Reiseregistrierung vorzunehmen. Das Ministerium weiß dadurch, wer in Krisengebiete fliegt. Derzeit fliegen keine österreichischen Linien nach Sharm el Sheikh. Die Austrian Airlines hätten die Destination im März 2014 aus wirtschaftlichen Gründen aus dem Angebot genommen, sagte ein Sprecher der AUA. Unmittelbar nach dem Absturz hatte ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) behauptet, dafür verantwortlich zu sein. Experten bezweifelten den Wahrheitsgehalt des Bekenntnisses. Die Behörden in Russland und Ägypten bezeichneten einen Anschlag als unwahrscheinlich, und die russische Regierung hat Mutmaßungen über einen Bombenanschlag als Spekulation zurückgewiesen. Die Agentur Interfax wiederum berichtete über ungewöhnliche Geräusche, die kurz vor dem Absturz von der Black Box aufgezeichnet worden seien. Einem CNN-Bericht zufolge schließen die US-Geheimdienste einen Anschlag nicht aus. Es gibt ein eindeutiges Gefühl, dass es ein Sprengkörper war, der im Gepäck oder anderswo im Flugzeug versteckt wurde, zitierte der Sender einen namentlich nicht genannten Vertreter der US-Regierung. Es gebe aber keine belastbaren oder bestätigten Geheimdienstberichte für eine spezifische Bedrohung vor dem Absturz. Die US-Geheimdienste seien noch zu keinem Ergebnis gekommen. Nach Angaben von europäischen und amerikanischen Sicherheitsexperten ist die Extremistengruppe Islamischer Staat wahrscheinlich für den Absturz der russischen Passagiermaschine in Ägypten verantwortlich. Aus Sicherheitskreisen verlautete am Mittwoch, man gehe davon aus, dass der IS eine Bombe an Bord der Maschine geschmuggelt habe. Die US-Regierung vermied es unterdessen, diese Vermutung öffentlich zu nähren. Es wäre zum jetzigen Zeitpunkt nicht hilfreich, unsere eigenen Ansichten oder Meinungen in die Ermittlungen einfließen zu lassen, sagte Außenamtssprecher John Kirby am Mittwoch. Mitarbeitern der Regierung würde von Reisen in den Sinai aus Sicherheitsgründen zwar abgeraten. Diese Empfehlung beruhe aber auf keinen neuen Informationen, sondern auf bereits bekannten Bedrohungen. In Ägypten beginnt jetzt die Analyse der Flugschreiberdaten. Wie das Ministerium für zivile Luftfahrt am Mittwoch mitteilte, konnten die Informationen vom Datenrekorder sichergestellt werden. Der Stimmenrekorder, der Tonaufnahmen der Gespräche von Pilot und Kopilot sowie weitere Geräusche im Cockpit speichert, sei jedoch zum Teil beschädigt, hieß es. Hier müsse noch einiges getan werden, bevor die Daten extrahiert werden könnten. Bergungsteams weiteten die Suche am Unglücksort deutlich aus. Die Bergungsmannschaften würden nun auf der Sinai-Halbinsel auf 40 Quadratkilometern nach Hinweisen für die Ursache der Katastrophe sowie nach weiteren sterblichen Überresten der Opfer suchen, sagte Russlands Zivilschutzchef Wladimir Putschkow. Zur besseren Übersicht des Trümmerfelds werden auch Drohnen eingesetzt. Wir suchen Zentimeter für Zentimeter ab, meinte Putschkow. Bisher hatten die Teams auf einem Gebiet von 30 Quadratkilometern gesucht. Die Arbeiten an dem Wrack sind auch wegen Extremisten auf der Halbinsel extrem riskant. Bei einem Selbstmordanschlag auf dem Sinai kamen am Mittwoch mindestens vier Menschen ums Leben. Die Autobombe galt einem Club für Polizeibeamte westlich der Stadt Al-Arish im Norden der Unruheregion. Die IS-Miliz bekannte sich in einer zunächst nicht verifizierbaren Twitter-Stellungnahme auch zu diesem Attentat. Weite Teile des Nordsinai sind militärisches Sperrgebiet. Es gibt immer wieder Anschläge auf Sicherheitskräfte und Kämpfe mit Toten auf beiden Seiten. Die Extremisten bekräftigten am Mittwoch in einer Audionotiz im Namen des IS-Ablegers auf dem Sinai ihre Behauptung, den Absturz verursacht zu haben. Gegebenenfalls werde man irgendwann nähere Informationen dazu veröffentlichen, hieß es. Die Stellungnahme konnte zunächst nicht unabhängig verifiziert werden. Bezeichnet Meldungen über angeblichen Anschlag als "Spekulation". Moskau – Russland wird den Flughafen Sharm el-Sheikh weiterhin anfliegen. Laut Kremlsprecher Dmitri Peskow plant Moskau derzeit keine Einschränkungen im Flugverkehr mit Ägypten. Zwar sei nicht auszuschließen, dass der Absturz der russischen Chartermaschine am Wochenende mit 224 Personen an Bord auf einen Terroranschlag zurückzuführen sei, doch von den Ermittlungsbehörden haben wir bislang keine Erklärungen gehört, daher seien alle Meldungen über angebliche Bombenanschläge nichts weiter als Spekulation, betonte Peskow. Das russische Verkehrsministerium bestätigte zugleich den Erhalt erster Daten aus den Flugschreiberaufzeichnungen. Der Flugverkehr werde erst dann eingestellt, wenn es dafür eine ausreichende Begründung gibt, nicht vorher, erklärte auch der Leiter des Außenausschusses der Duma, Konstantin Kossatschow. Die Entscheidung Großbritanniens, Flüge auf die ägyptische Halbinsel einzustellen, bezeichnete er als psychologisches Druckmittel, um Russlands Handeln in Syrien infrage zu stellen. Wie fürchterlich es auch klingt, in der Welt gibt es genügend Leute, die diese Katastrophe gern – ohne irgendeinen Beleg – als Antwort der Jihadisten an Russland verbuchen würden, sagte er. Im St. Petersburger Flughafen Pulkowo bekam am Mittwoch sogar eine Maschine der Unglücksfluglinie Kogalymavia Starterlaubnis Richtung Sharm el-Sheikh. Allerdings brach während der Abschleppphase vor dem Abflug das Fahrgestell des Flugzeugs. Wegen des Flugzeugwechsels mussten die Passagiere zehn Stunden in der Wartehalle verbringen. Airline und Flughafen machen sich gegenseitig für die neue Panne verantwortlich. Welche Nationen dürfen warum bei den Untersuchungen helfen. Stürzt ein Zivilflugzeug ab, dann gibt es klare internationale Richtlinien, welche staatlichen Einrichtungen an der Untersuchung der Unfallursache mitwirken dürfen. Festgeschrieben sind diese Leitlinien im Chicagoer Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt aus dem Jahr 1944, das von 191 Staaten weltweit ratifiziert wurde. Darin festgeschrieben ist, dass eine Stelle die Ermittlungen leitet, und das ist immer die Behörde jenes Landes, in dem sich der Absturz ereignet hat – im Fall des Absturzes über dem Sinai also Ägypten. Außerdem ist jenes Land berechtigt, an den Untersuchungen mitzuwirken, dessen Nationalität eine signifikante Zahl der Opfer hatte – im jetzigen Fall also Russland, das auch aufgrund der russischen Fluglinie Kogalymavia an den Untersuchungen beteiligt ist. Einen umfassenderen Zugang zu den Ermittlungsarbeiten erhält jene Nation, in der das Flugzeug registriert war – diesmal Irland, da die Maschine von dort an Kogalymavia geleast worden war. Auch dürfen Ermittler jenes Staates mitarbeiten, in dem das Flugzeug gebaut wurde – in diesem Fall handelt es sich um Frankreich, wo der Airbus zusammengesetzt wird. Die USA dürfen Ermittler entsenden, weil die Triebwerke der abgestürzten Maschine aus den Vereinigten Staaten stammen. In dem Chicagoer Abkommen ist zudem festgelegt, dass die Ermittler so bald wie möglich einen Abschlussbericht vorlegen müssen. Geht das nicht, so muss spätestens am Jahrestag des Unglücks ein Zwischenbericht veröffentlicht werden. So geschehen nach dem Absturz von Flug MH370, wobei die Unfallursache noch immer nicht geklärt ist und die Maschine mit den Opfern nicht gefunden werden konnte. Von Flugschreiber aufgenommenes Geräusch stammt "mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit" von Explosion. Sharm el-Sheikh/Kairo – An Bord der vor einer Woche abgestürzten russischen Passagiermaschine war nach Erkenntnissen der ägyptischen Ermittler vermutlich eine Bombe. Das Geräusch, das der Flugschreiber als letztes aufgezeichnet habe, stamme mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit von der Explosion einer Bombe, sagte ein Mitglied des Ermittlerteams am Sonntag in Kairo der Nachrichtenagentur Reuters. Bereits am Samstag hatte der Leiter des Expertenteams, das den Absturz untersucht, erklärt, das Geräusch sei während der letzten Sekunde der Cockpit-Aufnahme zu hören. Anschließend sei das Flugzeug per Autopilot geflogen, bevor es offenbar in der Luft auseinandergebrochen sei. Bei dem Absturz der russischen Verkehrsmaschine waren alle 224 Insassen ums Leben gekommen. Im Westen wurde bereits vermutet, dass an Bord der Maschine eine Bombe explodierte. Ein Ableger der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS), der auf der Halbinsel Sinai aktiv ist, hatte erklärt, er habe als Vergeltung für die russischen Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien einen Anschlag auf die Maschine verübt. Russland hat unterdessen nach Informationen der Nachrichtenagentur RIA in den vergangenen 24 Stunden 11.000 russische Touristen aus Ägypten ausgeflogen. Ihnen würden noch am Sonntag weitere folgen, zitierte RIA den stellvertretenden Ministerpräsidenten Arkadi Dworkowitsch am Sonntag. Damit sitzen eine Woche nach dem Absturz weiterhin zehntausende Russen in Ägypten fest. Am Freitag sollen noch rund 79.000 Urlauber aus Russland im Land gewesen sein. Nach dem Unglück hatte die russische Regierung den Linienverkehr nach Ägypten untersagt, weshalb viele Touristen in den Urlaubsorten Sharm el-Sheikh und Hurghada gestrandet waren. Auch Großbritannien hat zahlreiche in Sharm el-Sheikh gestrandete Touristen in die Heimat zurückgeholt. Neun Passagiermaschinen brachten fast 2.000 Briten am Samstag zurück, wie Behördenvertreter sagten. In Sharm el-Sheikh befinden sich laut Außenministerium weiterhin mehr als 300 Österreicher. Zwar brachte die Fluglinie Niki Sonntagfrüh Urlauber nach Wien zurück, allerdings seien ungefähr ebenso viele neue Touristen mit der Maschine am Samstagabend in den ägyptischen Badeort gereist, teilte Außenministeriumssprecher Thomas Schnöll mit. Das Außenministerium hat mittlerweile eine Botschaftsmitarbeiterin an den Flughafen in Sharm el-Sheikh geschickt, die die Lage vor Ort beobachtet und Österreicher unterstützen soll. Derzeit warten keine Österreicher am Flughafen. Ob Niki auch am kommenden Samstag seinen wöchentlichen Flug nach Sharm el-Sheikh durchführt, wird noch evaluiert, teilte eine Sprecherin des Unternehmens mit. Wegen des Stopps der Flugverbindungen nach Ägypten befürchten russische Reiseanbieter Verluste in Millionenhöhe. Bis Ende des Jahres hätten rund 200.000 Touristen Reisen nach Ägypten geplant, schätzte der Tourismusverband Ator am Sonntag. Sollten diese Kunden ihren Urlaub absagen und ihr Geld zurückverlangen, dürfte das die Veranstalter hunderte Millionen Dollar kosten, sagte Ator-Vizepräsident Wladimir Kantorowitsch der Agentur Interfax. Am Samstag wurden die letzten Passagiere nach Hause gebracht – Partielle Reisewarnung des Außenministeriums: "Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen unzulänglich". Wien/Sharm el-Sheikh/Kairo – Nach dem Absturz eines russischen Urlaubsfliegers auf der ägyptischen Sinai-Halbinsel mit 224 Toten hat auch die österreichische Air-Berlin-Tochter Niki ihre Flüge in den Urlaubsort Sharm el-Sheikh eingestellt. Am gestrigen Samstag wurden die letzten Urlauber nach Hause gebracht, sagte Niki-Sprecherin Milene Platzer am Sonntag zur APA. Wir bringen keine Leute mehr nach Sharm el-Sheikh, sondern nur mehr nach Hurghada und Marsa Alam. Aufgrund der Sicherheitslage auf der Halbinsel Sinai und einer erneuten Risikoanalyse habe sich Niki entscheiden, bis auf weiteres keine kommerziellen Flüge mehr nach Sharm el-Sheikh durchzuführen, heißt es auf der Homepage der Airline. Rund 140 Menschen seien am Samstag von Sharm el-Sheik nach Wien zurückgeflogen worden, damit reduziert sich die Anzahl der Österreicher in den Tourismusgebieten des Sinai auf etwas mehr als 200. Es ist allerdings schwierig, die genaue Zahl zum jetzigen Zeitpunkt festzustellen, weil unter anderem nicht feststeht, wieviele Österreicher über die deutschen Fluggesellschaften in die Region geflogen sind, sagte Außenministeriumssprecher Thomas Schnöll am Sonntagnachmittag zur APA. Für den gestrigen Flug seien nach Absprache mit den Behörden wieder besondere Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet worden. Dadurch sei möglich, dass die Passagiere wie gewohnt Handgepäck und Gepäck mitführen konnten. Die AUA hat ihre Flüge nach Sharm el-Sheikh schon 2014 eingestellt, sagte Sprecher Peter Thier zur APA. Nach Hurghada fliegen wir. Der Absturz des russischen Flugzeugs hat sich am 31. Oktober ereignet. Westliche Geheimdienste vermuten einen Terroranschlag als Ursache. Das österreichische Außenministerium hat für Ägypten eine partielle Reisewarnung ausgesprochen. Es gibt Hinweise, dass die Sicherheitsvorkehrungen am Flughafen von Sharm el-Sheikh unzulänglich sind. Im ganzen Land besteht ein erhöhtes Risiko von Terroranschlägen, heißt es auf der Homepage des Ministeriums. Das Außenressort rät, nur nach Ägypten zu fliegen oder von dort abzufliegen, wenn die Fluggesellschaft zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen gesetzt hat. Weiters empfiehlt das Ministerium, sich vor dem Besuch von touristisch stark frequentierten Plätzen außerhalb von Hotelanlagen über die Sicherheitslage zu erkundigen. Vor Überlandfahrten wird abgeraten. Moskau will 50 Millionen Dollar Belohnung für Hinweise zahlen, die zu den Tätern führen. Kairo/Moskau – Finden und bestrafen lautete die Forderung von Russlands Präsident Wladimir Putin, als ihm Geheimdienstchef Alexander Bortnikow mitteilte, der Absturz des russischen Ferienfliegers über dem Sinai Ende Oktober gehe auf das Konto von Terroristen. Laut Bortnikow befand sich an Bord der Maschine eine selbstgebaute Bombe ausländischer Produktion mit der Sprengkraft von etwa einem Kilogramm TNT. Dadurch kam es zum Zerbrechen des Flugzeugs in der Luft, was auch die Streuung der Rumpfteile auf einer so großen Fläche erklärt. Bei dem Absturz Ende Oktober waren alle 224 Insassen ums Leben gekommen. Es handelte sich um die größte Flugkatastrophe in der russischen Geschichte. Russland wird nicht das erste Mal mit barbarischen terroristischen Verbrechen konfrontiert, häufig ohne jeden ersichtlichen Grund, sei es außen- oder innenpolitisch, sagte Putin offenbar mit Blick auf den Sprengstoffanschlag von Ende 2013 auf den Bahnhof der Stadt Wolgograd. Niemand und nichts werde vergessen, versprach der Kremlchef und kündigte Vergeltung an. Die Kampfeinsätze unserer Luftwaffe müssen nicht nur fortgesetzt werden. Sie müssen so verstärkt werden, dass die Verbrecher begreifen, dass die Strafe unausweichlich ist, sagte er. Lange hatte sich die russische Führung gegen die Anschlagsversion gestellt. Als westliche Geheimdienste bereits von einem Attentat sprachen, wies Kremlsprecher Dmitri Peskow die Angaben noch als Spekulation zurück. Hinter dem Blocken dürften innenpolitische Motive stecken. Der Kreml wollte nicht, dass die Bevölkerung den Anschlag als Reaktion der Jihadisten auf Russlands Luftangriffe in Syrien verstand und möglicherweise den Einsatz infrage stellte. Nach den Anschlägen in Paris bietet die Attentatsversion Moskau nun allerdings die Möglichkeit, außenpolitisch den gemeinsamen Kampf zu betonen. Putin forderte, die russischen Luftangriffe mit den französischen zu koordinieren. Um die Täter zu fassen, hat der russische Geheimdienst FSB ein hohes Belohnungsgeld ausgesetzt. Für Informationen, die zur Verhaftung der Verbrecher führen, wird eine Belohnung in Höhe von 50 Millionen Dollar ausgezahlt, teilte die Sicherheitsbehörde mit. Auf der Suche nach den Hintermännern werde Russland, wenn nötig auch ohne die Zustimmung fremder Regierungen, Spezialeinsätze im Ausland durchführen, deutete Peskow an. Das Recht auf Selbstverteidigung sei von der UN-Charta gestützt, sagte er. Hoffnungen auf einen schnellen Fahndungserfolg haben sich unterdessen erst einmal zerschlagen: Das ägyptische Innenministerium hat Berichte dementiert, wonach bereits Verdächtige am Flughafen Sharm El-Sheikh festgenommen worden seien. Die Behörden in Kairo forderten die Medien auf, nur offiziell bestätigte Meldungen zu veröffentlichen. Ägypten leidet wirtschaftlich schwer unter den Folgen des Attentats. Mehrere europäische Länder haben den Flugverkehr nach Ägypten wegen der Terrorgefahr eingestellt. Russland hat insgesamt 83.000 Touristen aus Ägypten ausgeflogen. Die bereits 2011 versprochene Reform soll vor allem die Rechte der Berber-Minderheit stärken. Algier/Madrid – Algerien steht vor einer Verfassungsreform. Das Land soll demokratischer werden, die Berber-Minderheit zu ihren eingeforderten Rechten kommen. In den nächsten Wochen wird die Reform, die Präsident Abdelaziz Bouteflika bereits 2011 infolge der Proteste im Rahmen des Arabischen Frühlings versprochen hatte, dem Parlament vorgelegt werden. Bouteflika und sein Premier Abdelmalek Sellal reden von einer Reform für einen zivilen Staat. Die neue Verfassung soll der Regierung mehr Macht gegenüber dem Staatschef einräumen. Künftig wird der Ministerpräsident nicht mehr vom Präsidenten ernannt, sondern vom Parlament gewählt. Eine unabhängige Institution zur Überwachung der Wahlen soll entstehen, die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit soll gestärkt werden. Die Amtszeit des Präsidenten wird auf zwei Legislaturperioden von jeweils fünf Jahren beschränkt. Damit kehrt Bouteflikas Reform zu einer Regelung zurück, wie sie vor 2008 bestand. Damals ließ der Staatschef die Verfassung ändern, um weiterhin zu den Präsidentschaftswahlen antreten zu können. Der heute 78-jährige Bouteflika wurde 2009 zu einer dritten und im April 2014 zu einer vierten Amtszeit gewählt, obwohl er seit einem Schlaganfall gesundheitlich schwer angeschlagen ist. Der wichtigste Punkt der Reform bezieht sich auf die Rechte der Berber. Ihre Sprache, das Tamazight, wird erstmals in der Geschichte des Landes zur nationalen und offiziellen Sprache. Die 30 Prozent der Bevölkerung, die diese alte nordafrikanische Sprache benutzen, können auf eine völlige Normalisierung des Tamazight im Alltag hoffen. Seit der Unabhängigkeit Algeriens von Frankreich 1962 hatte die Regierung immer wieder versucht, Arabisch zur einzigen Sprache im Land zu machen. Es sollte sowohl Tamazight als auch Französisch – die Kolonialsprache, in der sich Berber und Arabophone verständigen können – vollständig ersetzen – ohne Erfolg. In der Region mit der größten Berber-Bevölkerung, der Kabylei, kam es immer wieder zu Protesten für mehr Eigenständigkeit und kulturelle Rechte. Endlich wird der Kampf mehrerer Generationen für legitime und grundlegende Forderungen gewürdigt, heißt es in einer Erklärung der wichtigsten nichtreligiösen Oppositionspartei, der Versammlung für Demokratie und Kultur (RCD), die vor allem in der Kabylei stark verankert ist. Der Rest der Reform sei allerdings Augenwischerei. Die Reform, die nicht mit allen politischen Kräften ausgehandelt wurde, stelle keinen wirklichen Fortschritt dar, heißt es. Auch der ehemalige Ministerpräsident Ali Benflis, der aus der einstigen Einheitspartei Nationale Befreiungsfront (FLN) ausgetreten ist, nachdem er 2014 erfolglos gegen Bouteflika um das Amt des Staatschefs kandidiert hatte, sieht in der Reform ein rein politisches Manöver, um von den wirklichen Herausforderungen abzulenken. Algerien steckt durch den Verfall des Preises für Erdöl und Erdgas in einer wirtschaftlichen und sozialen Krise. Im Hintergrund streiten sich die politischen und wirtschaftlichen Clans um Einfluss, während die Politik weitgehend untätig bleibt. Der schwerkranke Bouteflika lenkt die Geschicke des Landes längst nicht mehr. Er zeigt sich so gut wie nie in der Öffentlichkeit. Und Auslandsreisen unternimmt er nur, um sich in Frankreich ärztlich behandeln zu lassen. In seinem Umfeld kommt es immer offener zu Machtkämpfen zwischen denen, die ihn beerben wollen – darunter sein Bruder und Berater Said Bouteflika (58). Das Präsidialamt hat in den vergangenen Jahren die Spitze der einflussreichen Armee weitgehend umgebaut, den Chef des allmächtigen militärischen Geheimdienstes DRS, Mohamed Mediene Toufik, in den Ruhestand versetzt. Vor kurzem wurde der DRS ganz aufgelöst. Ein neuer Geheimdienst untersteht nun dem Präsidentialamt statt den Generälen. Ugandische Gruppe griff Militärstützpunkt im Nordosten des Landes an. Kinshasa – Bei Kämpfen von Armee und UN-Soldaten gegen ugandische Rebellen in der Demokratischen Republik Kongo sind der Menschenrechtsorganisation Cepadho zufolge mindestens 30 Menschen getötet worden. Wie die Organisation am Montag mitteilte, brachen die Gefechte am Sonntag in Eringeti im Nordosten des Landes aus. Die von Islamisten geführte Rebellengruppe ADF habe einen Militärstützpunkt angegriffen. Demnach wurden 14 Aufständische, mindestens sieben Zivilisten, acht kongolesische Soldaten und ein UN-Soldat getötet. Aus UN-Kreisen verlautete, dass es sich um einen Soldaten aus Malawi handelte. An einer EU-Mission im Kongo (EUSEC) zur Unterstützung und Beratung bei einer Reform der Streitkräfte ist derzeit auch ein Österreicher beteiligt. Im Osten des Kongo herrschen nach dem Krieg von 1998 bis 2003 immer noch chaotische Zustände. Dutzende bewaffnete Gruppen kämpfen um die Kontrolle über Rohstoffe wie Gold, Diamanten und Zinn. Die Allied Democratic Forces (ADF) sind in den Schmuggel von Gold und Holz verwickelt. Sie wurden 1995 als oppositionelle Gruppe gegen den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni gegründet. Im Mai hatten die UN der Gruppe Menschenrechtsverletzungen bis hin zu Kriegsverbrechen vorgeworfen. Bei Angriffen auf Dörfer in der Region seien Zivilisten mit Macheten, Hämmern und Messern angegriffen und einige bei lebendigem Leib in ihren Häusern verbrannt worden. Von dem systematischen und extrem brutalen Vorgehen seien auch Kinder betroffen. Mehrere hundert Menschen sollen seit Oktober 2014 getötet worden sein. Katumbi will trotzdem bei Präsidentenwahl im November antreten. Goma – Die Staatsanwaltschaft im Kongo hat einen Oppositionskandidaten für die Präsidentenwahl der Rekrutierung von Söldnern angeklagt. Moses Katumbi soll sich am Montag vor Gericht verantworten. Katumbi werde sich den Fragen des Richters in Lubumbashi im Osten des Landes stellen, sagte einer seiner Anwälte am Sonntag der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Die Justiz wirft Moses Katumbi vor, den unrechtmäßigen Aufenthalt ehemaliger Soldaten aus den USA und Südafrika im Land ermöglicht zu haben. Das erklärte Kommunikationsminister Lambert Mende. Katumbis Anwälte erklärten, sie befürchteten ein unfaires Verfahren. Sie hätten daher die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisation informiert, sagte sein Anwalt Georges Kapiamba. Was auch immer passieren wird, ich bleibe bei meiner Kandidatur und stehe fest zu meinem friedlichen Kampf für einen Rechtsstaat, hatte Katumbi nach der Durchsuchung seines Hauses am Donnerstag über Twitter mitgeteilt. Die Demokratie wird gewinnen. Katumbi hatte am Mittwoch bekanntgegeben, dass er bei der Präsidentenwahl im November gegen den Amtsinhaber Joseph Kabila antreten will. Als Einheitskandidat mehrerer Oppositionsgruppen will er sich um das höchste Amt im Staat bewerben. Als Gegenleistung Freilassung von verschleppten tunesischen Konsulatsmitarbeitern erwartet. Tunis/Tripolis – Tunesien hat signalisiert, dass es einen inhaftierten Islamistenführer an sein Nachbarland Libyen ausliefern will. Die international nicht anerkannte Islamisten-Regierung in Tripolis habe einen entsprechenden Antrag auf Übergabe des Gefangenen Walid Kalib gestellt, teilt das Außenministerium am Donnerstag mit. Zum Zeitpunkt der Auslieferung machte das Ministerium keine Angaben. Lokalen Medien zufolge würde als Gegenleistung die Freilassung von verschleppten tunesischen Konsulatsmitarbeitern erwartet. Vergangene Woche hatten bewaffnete libysche Milizen das tunesische Konsulat in Tripolis gestürmt und die Mitarbeiter entführt. Es wurde vermutet, dass die Kämpfer mit der Aktion Kalib freipressen wollten, der im Mai von tunesischen Behörden festgenommenen worden war. Die libysche Regierung in Tripolis wird von Islamisten geführt und ist international nicht anerkannt – im Gegensatz zu der konkurrierenden weltlich orientierten Regierung im östlichen Tobruk. Zudem sind die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und Al-Kaida in dem Land aktiv. Nächstes Treffen für Donnerstag avisiert – Regierung der nationalen Einheit soll gebildet werden. Tripolis/Skhirat – Bei den Friedensgesprächen für Libyen scheint eine Einigung in Reichweite. Es gibt Übereinstimmung bei weiten Teilen dieses Textes, sagte UNO-Vermittler Bernardino Leon am Montagvormittag nach Gesprächen im marokkanischen Skhirat. Ziel der Verhandlungen ist es, eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Lediglich zwei bis drei Passagen seien zwischen den Delegationen der konkurrierenden Regierungen umstritten, sagte Leon. Das nächste Treffen zwischen den beiden rivalisierenden Parlamente unter UNO-Vermittlung wurde für Donnerstag avisiert. In Libyen gibt es vier Jahre nach dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi zwei rivalisierende Regierungen: Eine eher weltliche, international anerkannte sitzt in Tobruk. In der Hauptstadt Tripolis herrscht eine islamistische Gegenregierung, die weite Teile Westlibyens kontrolliert. Das Machtvakuum in dem zerrütteten Land haben Jihadisten ausgenutzt: Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und das Extremistennetzwerk Al-Kaida sind in Libyen aktiv. Krisentreffen der Arabischen Liga am Dienstag in Kairo. Sirte – Die international anerkannte Regierung in Libyen hat die arabischen Verbündeten aufgefordert, Luftangriffe gegen die IS-Terrormiliz im Land zu fliegen. Hintergrund ist die anhaltende Gewalt in Sirte, einer ehemaligen Hochburg von Ex-Diktator Muammar al-Gaddafi. Die Arabische Liga kündigte für Dienstag ein Krisentreffen in Kairo an. Die Jihadisten haben die Hafenstadt am Mittelmeer im Mai unter ihre Kontrolle gebracht. Sie sollen in den vergangenen Tage nach Angaben lokaler Medien mehr als 100 Kämpfer verfeindeter Milizen getötet haben. Die Regierung begründete ihre Bitte mit entsetzlichen humanitären Verletzungen durch den Islamischen Staat (IS) in den vergangenen Tagen, wie es es in einem Statement vom Samstagabend heißt. Die Jihadisten nutzen das Machtvakuum in dem ölreichen Land aus, wo sich zwei Regierungen und zahlreiche Milizen gegenseitig bekämpfen. Kandidaten für Regierungsposten wurden genannt – Führung aus Tripolis protestierte umgehend. Tripolis – Nach monatelangen Friedensverhandlungen soll eine Regierung der Nationalen Einheit das blutige Bürgerkriegschaos in Libyen beenden. UN-Vermittler Bernardino Leon schlug am späten Donnerstagabend Kandidaten für eine neue Übergangsführung vor, die die unterschiedlichen Konfliktparteien und Regionen repräsentieren soll. Es ist jedoch ungewiss, ob der Plan umgesetzt werden kann, da mehrere Politiker Leons Vorschläge ablehnten. Vier Jahre nach dem Sturz des Machthabers Muammar al-Gaddafi kämpfen in Libyen etliche schwer bewaffnete Milizen um die Macht. Zudem konkurrieren zwei Regierungen und zwei Parlamente miteinander: International anerkannt werden die Abgeordneten, die in der ostlibyschen Stadt Tobruk tagen. Das Parlament in der Hauptstadt Tripolis wird von Islamisten dominiert. Das Chaos machen sich Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zunutze, die einige Regionen unter ihre Kontrolle gebracht haben. Ministerpräsident soll laut Leon der 55 Jahre alte Fayes al-Sarrai werden, Abgeordneter des Tobruk-Parlaments. Er soll zusammen mit fünf anderen Politikern einen Präsidentschaftsrat bilden, wie der UN-Vermittler erklärte. Er zeigte sich vorsichtig optimistisch, dass seine Vorschläge Zustimmung finden können. Wir glauben, dass diese Liste funktionieren kann, sagte Leon nach dem Ende der Gespräche im marokkanischen Skhirat. Das ist der bestmögliche Vorschlag. Mitglieder der rivalisierenden Kammern lehnten die Vorschläge jedoch ab. Wir sind nicht Teil dieser Regierung, sagte Abdulsalam Bilashahir, Abgeordneter des Parlaments in Tripolis, dem britischen Sender BBC. Die Vertretung in der Hauptstadt hatte Leon zufolge keine Kandidaten für die Regierung genannt. Laut BBC erklärte auch Ibrahim Alzaghiat, Mitglied des Tobruk-Parlaments: Die vorgeschlagene Regierung wird zu einer Spaltung Libyens führen und sich als Witz erweisen. Beide Parlamente müssen Leons Kandidaten zustimmen. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon begrüßte die Vorschläge hingegen. Er rief die Politiker des Landes auf, nicht die Möglichkeit zum Aufbau eines Staates zu verpassen, der den Geist und die Ziele der Revolution 2011 widerspiegele. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini würdigte die Vorschläge als wichtigen Schritt, um die schwierigen Verhandlungen der vergangenen Monate zu beenden. Bei der Regierungsbildung dürfe keine Zeit verschwendet werden. Mit dem libyschen Bürgerkrieg wird sich künftig der deutsche Spitzendiplomat Martin Kobler beschäftigen müssen. Der bisherige Leiter der UN-Friedensmission im Ostkongo soll nach Angaben von Bundeskanzlerin Angela Merkel Nachfolger Leons werden. Einen genauen Termin für den Wechsel gibt es noch nicht. (APA, 9.10.2015) Zwei Verdächtige identifiziert. London – Mehr als 25 Jahre nach dem Anschlag auf ein Passagierflugzeug über Lockerbie hat die schottische Justiz zwei neue Verdächtige ausgemacht. Die zwei Verdächtigen würden der Beteiligung an dem Anschlag auf den Flug PanAm 103 im Jahr 1988 verdächtigt, teilte die schottische Staatsanwaltschaft am Donnerstag mit. Schottische und US-Ermittler sind sich demnach einig, dass es eine wirkliche Rechtsgrundlage für Ermittlungen gibt. An die Justizbehörden in Libyen wurde ein Rechtshilfeersuchen übermittelt, auch um die beiden darin namentlich genannten Verdächtigen in Tripolis verhören zu können. Wegen des Anschlags, bei dem 270 Menschen starben, wurde bisher nur ein Libyer verurteilt. Abdel Basset al-Megrahi, der im Jahr 2001 zu lebenslanger Haft verurteilt und im August 2009 in Schottland vorzeitig aus der Haft entlassen worden war, starb 2012 in seiner Heimat an Krebs. Er beteuerte stets seine Unschuld. Das 2009 noch von Muammar al-Gaddafi beherrschte Libyen hatte 2003 offiziell seine Verantwortung für das Lockerbie-Attentat eingeräumt und 2,7 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) Entschädigung an die Hinterbliebenen gezahlt. Bei der Explosion der Boeing 747 der US-Fluggesellschaft PanAm über der schottischen Ortschaft Lockerbie wurden vor allem US-Bürger getötet. Nach Gaddafis Sturz im Jahr 2011 waren britische und US-Ermittler nach Libyen gereist, um in dem Fall nach weiteren Verdächtigen zu suchen.(APA, 15.10.2015) Angriff in der Nacht zum Samstag. Washington – Der Chef der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Libyen, Abu Nabil, ist nach Angaben des Pentagon bei einem US-Luftangriff getötet worden. Der Angriff sei in der Nacht zum Samstag geflogen worden, teilte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums in Washington mit. Der Angriff sei vor den Anschlägen in Paris mit 128 Toten angeordnet worden, zu denen sich der IS bekannte. 'Auch in Nordafrika breitet sich der IS aus, Libyen kommt dabei eine besondere Rolle zu: Es soll die Basis für regionale Aktionen sein. Tobruk/Tripolis/Kairo – Die militärischen Bemühungen des Westens und einiger arabischer Verbündeter im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) konzentrieren sich nach wie vor auf Syrien und den Irak – doch ein massiver Gefahrenherd entwickelt sich momentan in Libyen: Das Land wird nach einem Bericht der New York Times von der IS-Führung als Kolonie verstanden. Die spätestens seit den Pariser Anschlägen von Mitte November intensivierten Bombardierungen im Irak und Syrien hätten dazu geführt, dass Libyen vom IS vermehrt als Rückzugsgebiet genutzt wird. Die Uno hat vor wenigen Tagen einen Bericht veröffentlicht, dem zufolge der IS allerdings Mühe haben soll, Gefolgschaft in der lokalen libyschen Bevölkerung zu finden. Kaum überraschend: Die Konkurrenz einheimischer bewaffneter Milizen aller Schattierungen und Richtungen ist groß. Der IS wird oft als Fremdkörper empfunden – wohl auch, weil praktisch die gesamte Führungsriege, die sich in Libyen aufhält, aus dem Ausland stammt. Die Uno schätzt die Stärke des IS in Libyen auf 2000 bis 3000 Mann. Nachdem er aus seiner Hochburg Derna im Nordosten Libyens weitgehend verdrängt worden war, ist das Zentrum jetzt Sirte, die Geburtsstadt des 2011 gestürzten und später getöteten Diktators Muammar al-Gaddafi. Dort sollen sich rund 1500 Militante aufhalten, die bequem über den Hafen mit Waffen versorgt werden können. Der US-Terrorexperte Patrick Prior wird in der New York Times mit den Worten zitiert, Libyen sei für den IS das Drehkreuz für alle Operationen in der nordafrikanischen Region. Dem IS ist es bis jetzt allerdings nicht gelungen, sich der lukrativen und strategisch wichtigen Öleinrichtungen Libyens zu bemächtigen. Auffällig war zuletzt die Präsenz fremder Militärflugzeuge im libyschen Luftraum Hoffnung auf Bildung einer Einheitsregierung bei Verhandliungen in Marokko. Tripolis – Unter starkem internationalem Druck steigt offenbar die Chance auf die Bildung einer Einheitsregierung in Libyen: Die Präsidenten der beiden rivalisierenden Parlamente haben sich am Dienstag einem Fernsehbericht zufolge zum ersten Mal getroffen. Die Begegnung fand bei einer Konferenz in Malta statt, wo die Unterzeichnung eines UN-Plans für das nordafrikanische Krisenland vorbereitet wurde. Der Plan soll am Donnerstag in Marokko von den Konfliktparteien unterschrieben werden. In Libyen gibt es seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi vor vier Jahren keine funktionierende Regierung mehr. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) nutzte das Machtvakuum, um sich in dem Land am Mittelmeer breit zu machen. Überdies konkurrieren seit anderthalb Jahren ein international anerkanntes Parlament im Osten unter Führung von Aqila Salah und der nicht anerkannte Allgemeine Nationalkongress in Tripolis unter Führung von Nuri Abu Sahmein um die Kontrolle. Auf einer Konferenz in Rom hatte die Staatengemeinschaft die rivalisierenden Lager am Sonntag eindringlich aufgerufen, die Waffen niederzulegen und eine Einheitsregierung zu bilden. Doch selbst wenn dies gelingt scheint fraglich, in wieweit eine neue Regierung angesichts der desolaten Sicherheitslage in absehbarer Zeit wieder Ordnung herstellen kann. Hoffnung und Kritik nach der Zeremonie: Das Abkommen zwischen den beiden Parlamenten hat viele Gegner. Tripolis/Skhirat/Kairo – Nach mehr als einem Jahr Verhandlungen und monatelangem Gezerre haben die Verhandler am Donnerstag im marokkanischen Badeort Skhirat das von der UN vermittelte Abkommen zum politischen Dialog unterzeichnet. Der Uno-Gesandte Martin Kobler sprach von einem historischen Tag. Was die Unterschriften wert sind, muss sich allerdings noch weisen. Denn nicht nur die Präsidenten der beiden rivalisierenden Parlamente in Tobruk und Tripolis, die sich am vergangenen Dienstag zum ersten Mal in Malta getroffen hatten, haben sich gegen die Zeremonie und für weitere Konsultationen ausgesprochen. Nuri Abu Sahmin, Chef der international nicht anerkannten Kammer in Tripolis, nannte die Unterzeichnung gar null und nichtig. Sie stehe außerhalb jeder Legalität. Hinter dem Abkommen stehen hingegen eine Mehrheit der Abgeordneten aus Tobruk, eine bedeutende Minderheit jener aus Tripolis sowie Vertreter aller Segmente der Gesellschaft. Die UN und die internationale Gemeinschaft hatten auf diesen Unterzeichnungsakt gedrängt, damit die Phase der Implementierung beginnen kann. Das soll nun mit einer Mehrheit geschehen, da Einstimmigkeit nicht zu erzielen war und sich bereits eine neue innerlibysche Dialoginitiative entwickelt hatte. Jeder Tag, den wir zuwarten, ist ein Erfolg für den IS, hatte Kobler am Mittwoch bei seinem Treffen mit Armeechef General Khalifa Haftar erklärt. Die Terrormiliz hatte zuletzt aus der Konfrontation in Libyen Profit geschlagen und an Gebiet gewonnen. Der erste Schritt des Abkommens war am Donnerstag die Bildung eines Präsidialrates, bestehend aus Regierungschef Fayez al-Saraj und mehreren Stellvertretern. Dabei wurden alle Regionen berücksichtigt. Innerhalb eines Monats soll dann das Kabinett dieser Regierung der Nationalen Einheit zusammengestellt werden. In weiteren Phasen, die sich über etwa zwei Jahren erstrecken werden, sind die Fertigstellung einer neuen Verfassung und die Wahl einer neuer Volkskammer geplant, um das institutionelle Chaos mit rivalisierenden Machtblöcken zu beenden, die seit über einem Jahr um Macht, Einfluss und Ressourcen kämpfen. Neben dieser politischen gibt es eine Sicherheitsschiene. Als Erstes wird ein Sicherheitskomitee für die Hauptstadt Tripolis gebildet. Denn die neue Regierung der Nationalen Einheit soll dort wieder ihren Sitz haben. Das ist notwendig, um die nationalen Ressourcen kontrollieren zu können. Allerdings streiten sich verschiedene Milizen um die Vorherrschaft in der Metropole. Zuletzt kam es in Tripolis am Mittwoch zu bewaffneten Kämpfen zwischen rivalisierenden Kräften. Das Fajr-Bündnis (Morgenröte), das heißt jene bewaffneten Kräfte, die ursprünglich hinter der Tripolis-Regierung gestanden waren, ist auseinandergebrochen. Während die Milizen aus Misrata die politische Verständigung unterstützen, sind andere Verbände dagegen und halten den Hardlinern von Abu Sahmin die Treue. Sollte es nicht schnell gelingen, auch dort einen Waffenstillstand zu erzielen, wird das Machtverteilungsabkommen toter Buchstabe bleiben. Der internationale Druck war zuletzt gewachsen: Am Wochenende haben bei einer Konferenz in Rom 17 Staaten und verschiedene internationale Organisationen die politische Einigung in Libyen eingefordert und Unterstützung zum Beispiel für die notleidende Bevölkerung in Aussicht gestellt. UN-Vermittler Kobler hatte mehrmals betont, dass der Hauptzweck der Verständigung sei, den Kampf gegen den IS zu organisieren. In diesem Bemühen stimmt er mit Armeechef General Khalifa Haftar überein, der den politischen Dialog und die Regierung der Nationalen Einheit nur dort unterstützt, wo sie sich mit seinen Zielen deckt. Der einflussreiche General forderte, dass die Armee im ganzen Land für die Sicherheit sorgen müsse – derzeit steht sie nur im Westen. Die Milizen sollten sich integrieren oder entwaffnet werden. Vor allem verlangt er dringend eine Aufhebung des UN-Waffenembargos, damit er seine Einheiten besser ausrüsten kann. Kobler erklärte ihm, dass dazu eine Regierung der Nationalen Einheit im Amt sein müsse. Diese werde sofort von der UN anerkannt und könne dann dem Sicherheitsrat einen Antrag zur Aufhebung des Embargos stellen. Kob ler unterstützt die Bildung ei ner starken Armee. Er erklärte, die Libyer müssten ihre Probleme selbst lösen und gegen den IS kämpfen. Die internationale Gemeinschaft unterstütze sie nur, wenn sie angefragt werde. 'Der Anwalt Abdel Hafez al-Ghoga, Politiker der Revolution 2011, ist vom Erfolg des politischen Abkommens überzeugt. STANDARD: Wie realistisch ist die Umsetzung des politischen Abkommens von Shkirat und die Bildung einer Einheitsregierung? Ghoga: Wir sind in der letzten Phase zur Bildung einer Regierung der Nationalen Einheit. Das wird in den nächsten Tagen geschehen Außenbeauftragte Mogherini: Voraussetzung ist libysche Einheitsregierung. Amsterdam – Die Europäische Union bereitet sich auf einen Einsatz in Libyen vor. Wir sind bereit, alle mögliche Unterstützung zu geben, inklusive im Bereich der Sicherheit, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Freitag nach Beratungen der EU-Außen- und Verteidigungsminister in Amsterdam. Voraussetzung sei aber, dass eine libysche Einheitsregierung ihre Amtsgeschäfte aufgenommen habe. Die Bemühungen zur Bildung einer solchen Einheitsregierung unter Vermittlung des UN-Sonderbeauftragten Martin Kobler hatten zuletzt aber Rückschläge erlitten. Libyen gilt auch zur Eindämmung des Migrationsstroms nach Europa als Schlüsselland. Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen warnte zugleich vor dem Erstarken der Extremistenorganisation Islamischer Staat im Gebiet der libyschen Stadt Sirte. Die Präsenz der Miliz erhöhe den Druck, eine Einheitsregierung zu bilden. Für den Fall, dass eine libysche Einheitsregierung um weitere Hilfen bittet, werden wir Europäer uns vorbereiten mit den Operationen, die wir schon haben, sagte die CDU-Politikerin. Sie verwies auf den Marine-Einsatz Sophia im Mittelmeer außerhalb der libyschen Hoheitsgewässer, mit der Flüchtlinge aus Seenot gerettet und Schlepper bekämpft werden sollen. Die Bundesmarine beteiligt sich mit zwei Schiffen an dem Einsatz. Wir werden natürlich diese Operation weiter begleiten, wenn eine libysche Einheitsregierung darum bittet, sagte die Ministerin. Deutschland und Italien planen zudem, libysche Sicherheitskräfte in Tunesien auszubilden. Libyen versinkt seit dem Sturz von Machthaber Muammar Gaddafi 2011 im Chaos. Zahlreiche Milizen kämpfen um die Macht. Die IS-Miliz kontrolliert das Gebiet um Gaddafis Geburtsstadt Sirte. Die Bundeswehr beteiligt sich in Afrika bereits an einem UN-Einsatz in Mali, das ebenfalls von islamistischen Extremisten bedroht wird. (Reuters, 5.2.2016) Amerikanischer Militärschlag gegen Treffen von Mitgliedern des "Islamischen Staats" in Sabratha. Tripolis/Wien – Ein US-Militärschlag in Libyen von solcher Wucht wie jener am Freitag früh in Sabratha wirft die Frage auf, ob es sich dabei um den Auftakt zu einer größeren amerikanischen Intervention, über die vermehrt spekuliert wird und an der sich wahrscheinlich auch europäische Nato-Staaten beteiligen würden, handeln könnte. Im Viertel Qasr Talil wurde gezielt ein Gebäude bombardiert und getroffen, darin starben laut libyschen Angaben mehr als vierzig Menschen, offenbar bei einem Treffen von Militanten des Islamischen Staats. Konkretes Ziel soll der Tunesier Noureddine Chouchane gewesen sein, der mutmaßlich an den Großattentaten gegen Touristen in Tunesien – im März 2015 im Bardo-Nationalmuseum in Tunis und im Juni am Strand von Sousse – beteiligt war. Bereits im November töteten die USA bei Derna mit einem gezielten Luftschlag den aus dem Irak stammenden IS-Kämpfer Abu Nabil, der in einem Video aus dem Februar 2015 zu sehen sein soll, das die Ermordung von 21 ägyptischen Kopten an einem libyschen Strand zeigt. Das heißt, der Militärschlag von Freitag ist weiter im Rahmen der bisherigen Eindämmungsstrategie der USA in Libyen zu sehen, sagt der österreichische Sicherheitsanalyst Wolfgang Pusztai, ein Experte besonders für Nordafrika, zum STANDARD. Allerdings gibt es seiner Analyse nach eine rote Linie westlich von Marsa al-Brega und Ajdabiya. Wenn der IS diese überschreitet und sich damit den Weg Richtung Bengasi öffnet, dann würden wohl größere internationale Luftschläge folgen. Und das auch ohne Einladung einer libyschen Regierung: Zurzeit beraten die Mitglieder des Parlaments in Tobruk – das Gegenparlament sitzt in Tripolis –, ob sie der unter Uno-Vermittlung erarbeiteten Ministerliste für eine Einheitsregierung zustimmen. Diese Entscheidung werden die USA und ihre potenziellen Alliierten (Frankreich, Großbritannien, vielleicht Italien) abwarten, um einen legitimierten libyschen Partner zu bekommen. Der US-Luftschlag von Freitag kann aber auch als Hinweis an Tobruk gedacht sein, dass man, wenn man es für nötig erachtet, so oder so aktiv werden wird. Experten wie Pusztai rechnen aber ohnehin eher damit, dass Tobruk, das eine erste Ministerliste schon abgelehnt hat, nun zustimmt – alleine schon, weil dann das Waffenembargo gegen Libyen aufgehoben werden könnte. Die Regierung im Osten mit ihrem Militärchef General Khalifa Haftar weiß, dass sie den IS ohne Hilfe von außen nicht aufhalten kann. Jede Verstärkung, die Haftar an die Front gegen den IS in den Westen schickt, geht ihm personell im Osten ab, wo andere islamistische Gruppen, etwa die Ansar al-Sharia, davon profitieren. Die USA und Großbritannien, aber auch Frankreich sollen in Libyen bereits Spezialkommandos am Boden haben. Eine Rolle bei zukünftigen Operationen könnte auch die ägyptische Luftwaffe spielen. Ägypten hat ein vitales Interesse daran, die Ausbreitung des IS an seiner Westgrenze zu verhindern. Neben Kairo unterstützt Moskau die Regierung in Tobruk. Glaubt man US-Medienberichte, so drängen US-Militärs auf eine größere Intervention, aber Präsident Barack Obama zögert. Dass der IS auf eine große Militärkampagne reagieren wird, indem er gegen westliche Ziele – beziehungsweise westliche Bürger – vorgeht, ist zu erwarten und auch als Reaktion auf den Angriff von Freitag nicht auszuschließen. In der Hand des IS in Libyen dürfte sich nach wie vor Dalibor S. befinden, der gemeinsam mit acht weiteren aus verschiedenen Staaten stammenden Mitarbeitern eines maltesisch-österreichischen Unternehmens am 6. März 2015 – also vor beinahe einem Jahr – vom Al-Ghani-Ölfeld in Zentrallibyen entführt wurde. Zwei Männer aus Bangladesch und ein Ghanaer wurden später freigelassen. Dem Oberösterreicher werden weiter gute Chancen gegeben, mehr als Entführten aus Ländern, die keine Lösegelder zahlen. Opferzahl nach jüngsten libyschen Angaben auf 49 gestiegen. Belgrad– Bei einem US-Luftangriff auf ein mutmaßliches Lager der Extremistenmiliz IS in Libyen sind zwei Serben ums Leben gekommen. Regierungschef Aleksandar Vucic sagte am Samstag, es handle sich um zwei seit November entführte Botschaftsmitarbeiter. Serbien habe mit den Entführern verhandelt und sei kurz davor gewesen, ihre Freilassung zu erwirken. Die USA haben nach eigenen Angaben bisher keinen Hinweis darauf, dass die serbischen Diplomaten bei US-Luftangriffen in Libyen getötet worden sind. Sie würden aber alle Informationen mit der serbischen Regierung teilen, sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook am Samstag weiter. Die US-Streitkräfte hatten das Lager in der westlibyschen Stadt Sabratha am Freitag mit F15E-Kampfflugzeugen angegriffen. Dabei kamen nach Angaben des Bürgermeisters 49 Menschen ums Leben. Darunter ist wahrscheinlich auch ein Extremist, der für zwei Anschläge im vergangenen Jahr im benachbarten Tunesien verantwortlich gemacht wird. Auch die beiden Serben waren in der Nähe von Sabratha entführt worden. Sein Land werde eine Protestnote an die US-Regierung schicken, weil Serbien vor dem Angriff nicht gewarnt worden sei, sagte Außenminister Ivica Dacic. Vertreter der US-Regierung hatten erklärt, die libyschen Behörden vorher über den Einsatz informiert zu haben. Nach dem Sturz von Machthaber Muammar Gaddafi vor gut vier Jahren ist Libyen im Chaos versunken. So gibt es zwei rivalisierende Regierungen. In dem Machtvakuum versucht der IS, wie in Syrien oder im Irak Fuß zu fassen. Sabrata liegt nahe der Grenze zu Tunesien. Bei einem IS-Anschlag nahe dem tunesischen Urlaubsort Sousse im vergangenen Juli wurden 38 Touristen getötet. Im März waren bei einem IS-Anschlag auf das Nationalmuseum in der Hauptstadt Tunis 21 Touristen und ein Polizist getötet worden. Chouchane soll für den Anschlag auf das Nationalmuseum mitverantwortlich sein. Libyen wird seit dem vom Westen unterstützen Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi im Jahr 2011 von zahlreichen konkurrierenden Milizen beherrscht. Sie ringen neben zwei rivalisierenden Regierungen und Parlamenten in Tobruk und in Tripolis um die Macht. Die IS-Jihadisten nutzen die Lage aus, um sich im Land auszubreiten. US-Präsident hatte mehr Vertrauen was das weitere Engagement der Europäer angeht. Washington – US-Präsident Barack Obama hat Versäumnisse der europäischen Verbündeten als eine der Ursachen für die Krise in Libyen nach dem Sturz von Machthaber Muammar Gaddafi vor knapp fünf Jahren bezeichnet. Wenn ich zurückblicke und mich frage, was schiefgelaufen ist, dann gibt es Raum für Kritik, weil ich mehr Vertrauen in die Europäer hatte, was das Engagement im Nachgang angeht angesichts der Nähe zu Libyen, sagte Obama in einem am Donnerstag veröffentlichten Interview des US-Magazins The Atlantic. Ein internationaler Militäreinsatz hatte 2011 maßgeblich zum Sieg der Gegner Gaddafis beigetragen. Seitdem steckt das nordafrikanische Land aber immer noch im politischen Chaos. Das Machtvakuum nutzen extreme Gruppe zunehmend aus, um sich breitzumachen. Dazu zählt auch die vornehmlich in Syrien und im Irak aktive sunnitische Extremistenmiliz IS. Diese werde in Libyen von Tag zu Tag stärker, sagte der in einem Interview der IS-Publikation al-Naba als neuer Anführer des libyschen IS-Ablegers bezeichnete Abdul Kadr al-Nadschdi. Im November war der libysche IS-Chef Abu Nabil bei einem US-Luftangriff im Osten des Landes getötet worden. Sollten sie den Amtsantritt einer UN-vermittelten Einheitsregierung behindern. Tripolis/Paris – Die USA und ihre europäischen Verbündeten haben die politischen Verantwortlichen in Libyen vor Sanktionen gewarnt, sollten sie den Amtsantritt einer UN-vermittelten Einheitsregierung behindern. Politische Einheit sowie eine integrative und funktionstüchtige Regierung sind der einzige Weg, die Instabilität zu beenden, die die Entwicklung des Terrorismus in Libyen angetrieben hat. Das sagten die Außenminister der USA, Frankreichs, Deutschlands, Großbritanniens, Italiens sowie die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Sonntag in einer gemeinsamen Stellungnahme in Paris. Erst am Donnerstag hatte der französische Außenminister Jean-Marc Ayrault in einem Fernsehinterview gewarnt, die Situation in Libyen sei eine Bedrohung für die ganze Region und auch für Europa. Fünf Jahre nach den ersten Protesten gegen den später gestürzten und getöteten Diktator Muammar al-Gaddafi ist Libyen ein sogenannter failed state (gescheiterter Staat). Es stehen sich eine islamistische Regierung in Tripolis und eine weltliche Führung in Tobruk mit zwei konkurrierenden Parlamenten gegenüber, die jeweils von eigenen Milizen gestützt werden. Die Einsetzung der von den UN vermittelten Einheitsregierung ist bisher gescheitert. Das lässt Platz für Jihadisten. Der Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat in dem Land wird immer stärker. Die international nicht anerkannte Regierung in Tripolis macht den Weg für das Einheitskabinett frei. Tripolis – Die international nicht anerkannte, von Islamisten dominierte Regierung in Libyen gibt auf. In einer am Dienstag in Tripolis veröffentlichten Erklärung heißt es, sie ziehe sich zugunsten der von der Uno unterstützten Einheitsregierung zurück. Die Entscheidung sei im Interesse des Landes getroffen worden, um weiteres Blutvergießen und die Spaltung des Landes zu vermeiden. Der Uno-Sondergesandte für Libyen, Martin Kobler, begrüßte die Entscheidung als gute Nachricht. Der Chef der neuen Einheitsregierung, Fayez Seraj, war am vergangenen Mittwoch mit mehreren Kabinettsmitgliedern in Tripolis eingetroffen, um die von feindlichen Milizen kontrollierte Hauptstadt zu seinem Sitz zu machen. Der selbsternannte Regierungschef Khalifa Ghwell hatte Seraj und seine Minister in einer Fernsehansprache zunächst aufgefordert, aufzugeben oder wieder zu verschwinden. Die Einheitsregierung ist Teil eines von der Uno vermittelten Abkommens, das auch eine neue Verfassung und Parlamentswahlen vorsieht. In Libyen brach nach dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi vor fünf Jahren Chaos aus. Seit Mitte 2014 stritten sich zwei rivalisierende Regierungen um die Macht, die islamistische in Tripolis und die international anerkannte in Tobruk. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) konnte sich durch das Machtvakuum in dem nordafrikanischen Land festsetzen. Der Westen hofft, dass die Regierung der nationalen Einheit der wachsenden Bedrohung Einhalt bieten kann, die vom IS ausgeht und erhofft sich auch eine wirksame Zusammenarbeit in Sachen afrikanischer Flüchtlinge, die über das Mittelmeer kommen. Die Europäische Union hatte wegen der Behinderung des Friedensprozesses kurz nach dem Eintreffen der Einheitsregierung in Tripolis Ende März noch Sanktionen gegen drei Politiker beschlossen: Ghwell, den Präsidenten des international nicht anerkannten Parlaments in Tripolis, Nuri Abu Sahmein, sowie Aguila Saleh, der dem international anerkannten Parlament in Tobruk vorsitzt. Die Abgeordneten in Tobruk haben nämlich die Regierung der nationalen Einheit bisher nicht anerkannt. Die Strafmaßnahmen umfassen ein Einreiseverbot in die EU und das Einfrieren von Bankguthaben in Europa. Wenige Stunden nach dem Eintreffen der Einheitsregierung in Tripolis war es dort zu Zusammenstößen zwischen Unterstützern und Gegnern gekommen. Dabei wurde ein Anhänger der zunächst siebenköpfigen Einheitsregierung getötet. Drei Personen wurden bei den Kämpfen verletzt. Stadt liegt 140 Kilometer westlich der IS-Hochburg Sirte. Tripolis – Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat Medienberichten zufolge in Libyen eine Stadt westlich ihrer Hochburg Sirte eingenommen. Nach Kämpfen mit örtlichen Milizen hätten die Jihadisten die Stadt Abugrein unter ihre Kontrolle gebracht, meldete die libysche Nachrichtenseite Al-Wasat am Freitag. Eine unabhängige Überprüfung des Berichts war nicht möglich. Abugrein liegt rund 140 Kilometer westlich der Hafenstadt Sirte. Libyen ist seit dem mit westlicher Militärhilfe erreichten Sturz des Langzeitherrschers Muammar al-Gaddafi im Jahre 2011 nicht mehr zur Ruhe gekommen. Eine neue von den Vereinten Nationen vermittelte Einheitsregierung hatte zuletzt ihre Amtsgeschäfte in Tripolis aufgenommen. Sie soll zwei rivalisierende Regierungen in dem Land ersetzen, hat sich aber bisher noch nicht durchgesetzt. Der IS beherrscht derzeit einen wichtigen Küstenstreifen des ölreichen Staates rund um die zentrallibysche Küstenstadt Sirte. Staatschefs aus Ägypten und Simbabwe nahmen an Zeremonie teil. Khartum - Eineinhalb Monate nach der Präsidentschaftswahl im Sudan ist der Staatschef Omar al-Bashir am Dienstag für weitere fünf Jahre im Amt vereidigt worden. Unter den Teilnehmern der Zeremonie im Parlament in Khartums Zwillingsstadt Omdurman nahmen unter anderen Bashirs Kollegen aus Ägypten, Simbabwe und Kenia, Abdel Fatah al-Sisi, Robert Mugabe und Uhuru Kenyatta, teil. Bashir, der seit mehr als 25 Jahren an der Macht ist, legte den Amtseid auf den Koran ab. Der 71-Jährige hatte bei der Wahl im April ein Rekordergebnis von 94 Prozent der Stimmen erzielt. Die Mehrheit der Oppositionsparteien boykottierte die Abstimmung wie schon im Jahr 2010. Die Wahlbeteiligung war niedrig. Bashir regiert das Land seit seinem Putsch im Jahr 1989 mit harter Hand. Gegen ihn liegt beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermords in der westsudanesischen Bürgerkriegsregion Darfur vor. In dem Konflikt zwischen der Armee und mit ihr verbündeten Milizen einerseits und Rebellen andererseits wurden seit 2003 nach UN-Angaben mehr als 300.000 Menschen getötet. Zwei Millionen Einwohner ergriffen die Flucht. Die Regierung in Khartum gibt die Zahl der Toten mit 10.000 an. (APA, 2.6.2015) Sudanesischer Präsident wird vom IStGH wegen Kriegsverbrechen gesucht. Johannesburg/Khartum/Den Haag - Der vom Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) wegen Kriegsverbrechen gesuchte sudanesische Präsident Omar al-Bashir darf Südafrika laut einem Gerichtsurteil vorerst nicht verlassen. Diese Anordnung gelte so lange, bis eine Entscheidung über das Festnahme-Ersuchen des IStGH gefallen sei, erklärte der Oberste Gerichtshof in Pretoria am Sonntag. Bashir hält sich derzeit zu einem Gipfeltreffen der Afrikanischen Union (AU) in Johannesburg auf. Das Gericht, das auf Initiative einer Menschenrechtsorganisation aktiv wurde, will sich am Sonntagnachmittag in einer Dringlichkeitssitzung mit dem Fall befassen. Der Internationale Strafgerichtshof hatte Südafrika zuvor aufgerufen, den sudanesischen Staatschef zu verhaften. Das in Den Haag ansässige Gericht hatte 2009 einen Haftbefehl gegen Bashir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westsudanesischen Provinz Darfur beschlossen. Im Jahr 2010 folgte ein Haftbefehl wegen Völkermordes in Darfur, wo nach UNO-Angaben beim Vorgehen der Armee und verbündeter Milizen gegen Rebellengruppen seit 2003 mehr als 300.000 Menschen getötet wurden. Bashir, der seit 1989 im Sudan an der Macht ist, reist seit Ausstellung des Haftbefehls 2009 zumeist nur noch in Länder, die nicht Mitglied des IStGH sind. Südafrika allerdings ist Mitgliedsstaat des Gerichts. Heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Khartum/Darfur – Die Uno hat Alarm wegen der verzweifelten Lage zehntausender Flüchtlinge in der westsudanesischen Krisenregion Darfur geschlagen. Die humanitäre Situation sei schrecklich, den Menschen fehle es praktisch an allem, sagte die Uno-Koordinatorin für humanitäre Angelegenheiten, Marta Ruedas, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Mitte Jänner waren in der Region Jebel Marra heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen von Präsident Omar al-Bashir und Rebellen einer Untergruppe der Sudanesischen Befreiungsarmee (SLA) ausgebrochen. Dabei setzt die Armee auch die Luftwaffe und die Artillerie ein. Ruedas konnte keine Angaben zur Zahl der Binnenflüchtlinge machen, weil die Region schwer zugänglich sei. Die Uno-Behörde für die Koordinierung humanitärer Hilfe (OCHA) erklärte, es seien angeblich rund 38.000 Menschen in den Staat Norddarfur geflohen. In Darfur kämpfen seit 2003 Rebellengruppen gegen die sudanesische Armee und regierungstreue arabische Reitermilizen. In dem Konflikt wurden nach Schätzungen der Vereinten Nationen seitdem mindestens 300.000 Menschen getötet. Gegen Präsident Omar al-Bashir liegt beim Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag ein Haftbefehl wegen Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermords in Darfur vor. Angesichts der Krise in Europa erklären immer mehr Regierungen, einen Beitrag leisten zu wollen. Cristina Kirchners Stimme überschlug sich fast. Die Bilder des ertrunkenen dreijährigen Syrers Aylan Kurdi, der an einem Strand in der türkischen Tourismusregion Bodrum gefunden wurde, lösten auch in Argentinien Bestürzung aus. Niemand soll uns gewisse Länder des Nordens als Beispiel nennen, sagte Argentiniens Präsidentin bei der Eröffnung eines Gesundheitszentrums am Mittwoch, die Immigranten ausweisen und zulassen, dass Kinder am Stand ertrinken. Es sei unchristlich, so die Staatschefin, und ein Zeichen von Dekadenz, Immigranten von einem Land ins andere zu schieben, als ob sie Gepäckstücke wären. Wir, ein Land der Zuwanderer, sind hingegen ein Beispiel – unsere Großeltern sind alle Schiffen entstiegen. Angesichts der Flüchtlingskrise in Europa haben auch die Regierungen Venezuelas und Chiles Bereitschaft bekundet, Menschen aus Nahost-Staaten, in denen ein Bürgerkrieg tobt, aufzunehmen. Panamas Präsident Juan Carlos Varela erklärte, die Welt müsse angesichts des sinnlosen Krieges im Irak und in Syrien die Tore öffnen. Auch sein Land sei bereit, Flüchtlinge aufzunehmen, falls Bedarf bestehe. Konkrete Zahlen nannte er nicht. Brazil has taken in more Syrian refugees than any other country in Latin America. pic.twitter.com/4eNhi5141R Tatsächlich aufgenommen hat die meisten syrischen Flüchtlinge in Lateinamerika Brasilien: Laut offiziellen Angaben wurden seit 2011 insgesamt 2.077 Asylanträge positiv beschieden, das sind mehr als in Griechenland oder Spanien und nur knapp weniger als in Kanada, das mit 2.374 Syrern amerikaweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen hat. In den USA waren es 1.243. Brasilien erlaubt es Asylwerbern, die auf die Bearbeitung ihres Antrags warten, Arbeit anzunehmen, ihre Kinder haben Zugang zum staatlichen Bildungssystem. Flüchtlinge aus Syrien können in den brasilianischen Botschaften in Nachbarländern Asyl beantragen, humanitäre Visa werden automatisiert ausgestellt. Die Einreiseerleichterungen für Opfer des Konflikts in Syrien sind zeitlich befristet: Am 21. September wird entscheiden, ob sie verlängert werden. Justizminister Beto Vasconcelos, in dessen Zuständigkeit das Flüchtlingswesen fällt, geht davon aus, dass das Land weiter Hilfe leisten wird. Da der Konflikt weitergeht, wird die Regierung wohl entscheiden, die Regelung zu verlängern und so ihre internationalen Verpflichtungen einzuhalten, sagte er der Folha de São Paulo. In zahlreichen lateinamerikanischen Ländern gibt es syrische Communitys, die allerdings die arabische Sprache nicht behalten haben. Die meisten kamen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als hauptsächlich Christen vor der Herrschaft der Ottomanen flüchteten. Die letzten vier Mitglieder der radikalen Gruppe stellten sich den Behörden. Portland – Die letzten Anhänger einer regierungsfeindlichen Bürgerwehr im US-Bundesstaat Oregon gab nach der wochenlangen Besetzung eines Naturparks am Donnerstag endgültig auf. Die vier Mitglieder der Bürgerwehr harrten bis zuletzt im Malheur National Wildlife Reserve aus. Einer der Besetzer warnte die Bundespolizei FBI vergangene Woche noch im Interview mit einem Lokalradio vor Konsequenzen, sollte das Gelände gestürmt werden. Die US-Bevölkerung rief er auf, sich in Scharen zu erheben – ohne Erfolg. Mitglieder der Bürgerwehr, Rancher und andere Aktivisten hatten Anfang Jänner die Kontrolle über das Malheur National Wildlife Reserve im Bezirk Harney übernommen und sich in einem Verwaltungsgebäude verschanzt. Die Gruppe wollte mit ihrer Aktion zwei Landwirten beistehen, die wegen Brandstiftung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden waren. Der Protest richtete sich auch gegen die Kontrolle der Bundesregierung in Washington über Ländereien. Bei einem Polizeieinsatz Ende Jänner wurden zwölf Menschen festgenommen. Knappes Rennen zwischen Regierungskandidat Scioli und Ex-Bürgermeister Macri erwartet. Im Oktober wählt Argentinien ein neues Staatsoberhaupt und einen Teil der Abgeordneten der beiden Parlamentskammern. Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner darf laut Verfassung nach zwei Amtszeiten erst 2019 wieder antreten. Für Kirchners Front für den Sieg geht Daniel Scioli, der Gouverneur der Provinz Buenos Aires, ins Rennen. Ihm steht Carlos Zannini, ein persönlicher Vertrauter der Präsidentin, zur Seite. Gegen das Duo, das eine Fortsetzung des Kirchnerismo verspricht, treten der bisherige Bürgermeister der Hauptstadt, der Industrielle Mauricio Macri, und dessen Stellverteterin Gabriela Michetti an. Die Präsidentschaftskandidaten müssen sich im August noch parteiinternen Vorwahlen stellen. Umfragen sehen Scioli knapp vor Macri, gefolgt von Sergio Massa, der für die Erneuerungsfront, den rechten Flügel der Justizialistischen Partei, der auch Kirchner angehört, ins Rennen geht. Kirchners Wunschnachfolger Scioli hat eine beeindruckende Aufholjagd hingelegt: noch im Frühling prognostizierten die meisten Meinungsforscher einen Sieg Macris, der sich dann in einer Stichwahl gegen den Zweitplatzierten hätte durchsetzen müssen. Die Sozialistin Margarita Stolbizer und der Kommunist Jorge Altamira liegen in den Umfragen unter zehn Prozent. Scioli, der 1989 bei einem Schnellbootunfall seinen rechten Arm verlor, gibt sich im Wahlkampf Mühe, sich als wirtschaftsfreundlicher als Cristina Fernández de Kirchner darzustellen. Die Präsidentin hat mit ihren Verstaatlichungen viele ausländische Investoren verärgert, genießt aber wegen ihrer Sozialpolitik in den armen Landregionen Argentiniens hohes Ansehen. Die Hauptstadt Buenos Aires hingegen wählte seit 2007 die Opposition. Man kann hier keine Wahl gewinnen, indem man Reprivatisierungen und liberale Wirtschaftsreformen fordert, sagte Ignacio Rodríguez, Direktor des Meinungsforschungsinstituts Ibarometro, zum britischen Guardian. Präsidentin Kirchner bezeichnet ausländische Investoren, die argentinische Schulden eintreiben wollen, gern als Geier. Mauricio Macri, der als Präsident das Fußballklubs Boca Juniors zu erheblicher Popularität gelangte, kündigte an, er werde sich als Präsident darum kümmern, dass das staatliche Statistikinstitut Indec die Inflation korrekt berechnet. Die Beamten haben für den Zeitraum seit Juni des Vorjahres einen Preisanstieg von 15 Prozent berechnet, anderen Ökonomen zufolge lag sie bei fast 28 Prozent. Sowohl Daniel Scioli, Kandidat von Staatschefin Kirchner, als auch Favorit Mauricio Macri planen eine Wende. Buenos Aires – Wie auch immer die Wahl am Sonntag ausgeht: Eine Premiere ist das Votum, in dem über Argentiniens künftigen Präsidenten entschieden wird, jedenfalls. Denn zum ersten Mal geht die Wahl des Staatsoberhauptes im Land im Süden Südamerikas in die Verlängerung. Bisher hatte es immer schon im ersten Wahlgang klare Mehrheiten gegeben. Das mag auch daran liegen, dass sich die beiden Kandidaten für das Amt, Daniel Scioli und Mauricio Macri, in ihren Wahlversprechen lange ziemlich verwechselbar zeigten. Zwar gehört Scioli der regierenden Front für den Sieg (FpV) von Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner an, während Macri Kandidat der oppositionellen Plattform Cambiemos (Lasst uns verändern) ist. Doch stehen beide deutlich rechts von der amtierenden Staatschefin Fernández de Kirchner – der wesentliche Unterschied liegt lediglich in der Geschwindigkeit, die die beiden für die Abkehr vom Kurs der Präsidentin vorschlagen. Scioli hat versprochen, den Abschied vom staatlichen Eingreifen in die Wirtschaft langsam anzugehen und die in der Bevölkerung sehr beliebten Sozialprogramme von Fernández de Kirchner nicht unmittelbar abzubauen. Allerdings fehlt manchen das Vertrauen in den wandlungsfähigen Kandidaten, der einst als junger Politiker vom neoliberalen Staatschef Carlos Menem gefördert wurde. Dennoch versuchte er zuletzt, seinen Konkurrenten Macri, den Sohn eines der reichsten Unternehmer des Landes und aktuell Bürgermeister von Buenos Aires, als Vertreter eines neoliberalen Kurses darzustellen. Scioli warnt, die von Macri angekündigte Abwertung der Landeswährung Peso werde zu einem Preisanstieg bei Lebensmitteln führen. Weil die Vorbehalte gegenüber mehr Wirtschaftsliberalisierung in der Bevölkerung seit dem Crash der Jahrtausendwende noch immer groß sind, hatte Scioli lange als Favorit gegolten. Umfragen sahen ihn vor dem Votum vom 22. Oktober deutlich voran. Doch die Wendestimmung nach mehr als zwölf Jahren Kirchnerismus wurde offenbar unterschätzt. Scioli setzte sich nur knapp mit 37 zu 34 Prozent durch. Seither hat sich Macri als talentierter Kandidat präsentiert, jüngste Umfragen zu der Stichwahl sagten ihm einen recht deutlichen Sieg über Scioli voraus. Dieser musste zuletzt selbst hoffen, dass die Umfragen erneut falsch liegen. Macri will Export ankurbeln – Vorgängerin Cristina Fernández de Kirchner hoffte, Inlandspreise niedrig zu halten. Buenos Aires – Argentiniens neuer Präsident Mauricio Macri macht Ernst mit raschen Wirtschaftsreformen. Er verkündete am Montag, die Exportsteuern auf Fleisch, Weizen, Mais und andere Agrarprodukte zu streichen, um den Export dieser Güter wieder anzukurbeln. Bisher wurden bis zu 35 Prozent Steuern bei der Ausfuhr erhoben, beim bekannten argentinischen Rindfleisch 15 Prozent. Damit versuchte die linke Vorgängerregierung von Cristina Fernández de Kirchner den inländischen Konsum zu unterstützen – bei einem zu starken Export wurden zu hohe Preise im Inland befürchtet. Macri setzt nun darauf, dass durch bessere Geschäfte im Ausland am Ende die Unternehmen mehr Steuern an den Staat abführen als bisher. Er betonte, ohne eine funktionierende und gut verkaufende Landwirtschaft komme das Land nicht voran. Durch die hohen Steuern war der Export zurückgegangen. Kirchner-Anhänger kritisieren Kurswechsel von Präsident Macri und fordern Lohnerhöhung. Buenos Aires – Eine Woche nach dem Amtsantritt des konservativen Präsidenten Mauricio Macri haben zehntausende Argentinier gegen dessen Politik demonstriert. Unter den Demonstranten in Buenos Aires waren am Donnerstag auch der unterlegene Präsidentschaftskandidat Daniel Scioli und mehrere Minister der früheren Präsidentin Cristina Kirchner. Scioli sagte angesichts der Ernennung zweier neuer Verfassungsrichter durch Macri, er wolle mit seiner Teilnahme die Bedeutung der Achtung institutioneller Abläufe für die Richterernennung unterstreichen. Die Ernennung der beiden Richter per Dekret war am Montag auf derart massive Kritik gestoßen, dass Macri sie auf kommendes Jahr verschob. Protestiert wurde auch gegen ein Mediengesetz, das die Vergabe von Radio- und Fernesehlizenzen neu regeln soll. Die Demonstranten forderten auch eine Erhöhung der Löhne, nachdem die Landeswährung Peso gegenüber dem Dollar 30 Prozent an Wert verloren hatte. Grund sind die Freigabe des Wechselkurses und die Aufhebung der Beschränkungen, denen das Währungssystem seit vier Jahren unterlag. Macri will damit die lahmende Wirtschaft in Schwung bringen und die Wettbewerbsfähigkeit des Landes stärken. Kirchner hatte nach zwei Amtszeiten nicht erneut antreten dürfen. Der von ihr unterstützte Kandidat Scioli verlor mit 49 Prozent knapp die Stichwahl gegen Macri. Damit endete die zwölfjährige Regierungszeit der linken Peronistischen Partei. Der neue wirtschaftsliberale Staatschef leitete umgehend einen Kurswechsel ein. Neben der Freigabe des Währungskurses schaffte er auch die Steuern auf den Export von Getreide ab. Ein Demonstrant namens Nicolas sagte, er sei kein Kirchner-Anhänger, doch wolle er die Errungenschaften der letzten Jahre gegen den Neoliberalismus verteidigen. Polizei: Fischer gingen auf Kollisionskurs. Schifffahrtzwischenfall/Fischerei/Argentinien/China – Illegale Fischer sollen gewaltsamen Widerstand geleistet haben Buenos Aires – Die argentinische Küstenwache hat nach eigenen Angaben ein chinesisches Fischereischiff versenkt, das sich seiner Aufbringung gewaltsam widersetzen wollte, nachdem es in argentinischem Gewässer erwischt worden war. Die Küstenwache habe vergeblich versucht, das Schiff vor dem Hafen Puerto Madryn aufzuhalten, teilte die Polizei am Dienstag mit. Die Fischer seien auf Kollisionskurs gegangen, daraufhin habe die Küstenwache das Feuer eröffnet. Nach Angaben der Polizei wurde die Lu Yan Yuan Yu 010 so schwer beschädigt, dass sie sank. Die Besatzung des Schiffes habe wohlbehalten gerettet werden können, erklärte die Polizei. Ein Video auf der Website der Küstenwache zeigt das Schiff, wie es sich auf offenem Meer langsam zur Seite neigt. Chinesische Trawler dringen auf der Suche nach Fischgründen in immer entferntere Gebiete vor. Nach Wahlsieg des liberalen Präsidenten Mauricio Macri. Buenos Aires – Nach dem Wahlsieg des liberalen Präsidenten Mauricio Macri steigt Argentinien aus dem linksgerichteten Fernsehsender Telesur aus. Derzeit würden die Formalitäten geregelt, erklärte am Montag der Medienminister Hernan Lombardi dem Sender Radio Mitre. Der Sender entspreche nicht mehr dem angestrebten Pluralitätsanspruch. Bisher hält Argentinien 16 Prozent der Telesur-Aktien. Nach dem staatlichen Ausstieg werde Telesur nicht mehr ein Pflichtsender im Angebot argentinischen Kabelfernsehen sein, sagte Lombardi. Telesur war 2005 auf Initiative des damaligen venezolanischen Präsidenten Hugo Chavez gegründet worden. Der Sender sollte ein linkes Gegengewicht zu den US-Sendern CNN und Univision darstellen. Neben Venezuela sind Kuba, Ecuador, Bolivien, Nicaragua und Uruguay an Telesur beteiligt. Präsident Mauricio Macri gedenkt des Krieges mit Großbritannien 1982 und stellt Ansprüche. Buenos Aires – Am Jahrestag des Falklandkrieges hat Argentiniens Präsident Mauricio Macri den Anspruch seines Landes auf die Inselgruppe im Südatlantik unterstrichen. Diese Inseln, mit denen wir so viele Erinnerungen verbinden, gehören uns, schrieb der Staatschef am Samstag in einer Mitteilung auf Facebook. Wir werden zurückkehren und dazu die Macht des Dialogs, der Wahrheit und der Gerechtigkeit nutzen. Zuvor legte Macri Blumen am Kriegerdenkmal in Buenos Aires nieder. Argentinien, damals unter einer Militärdiktatur, hatte am 2. April 1982 eine Invasion auf den Falklandinseln (Malvinas) gestartet, die seit 1833 unter britischer Verwaltung stehen. In dem gut zwei Monate langen Krieg kamen 649 Argentinier, 255 Briten und drei Inselbewohner ums Leben. Vor wenigen Tagen hatte eine UN-Kommission die Hoheitsgewässer Argentiniens über die Falklandinseln hinaus erweitert. Die argentinische Regierung feierte die Entscheidung als entscheidenden Sieg in dem seit Jahrzehnten andauernden Territorialstreit mit Großbritannien um die Inselgruppe. Diese Entscheidung bekräftige die Souveränitätsrechte des südamerikanischen Landes über die Falklandinseln, einer politisch, wirtschaftlich und strategisch wichtigen Zone, sagte Außenministerin Susana Malcorra. Die britische Regierung erklärte, das Urteil der UN-Kommission sei nicht bindend. 2013 hatten sich die Bewohner der Inselgruppe mit überwältigender Mehrheit für einen Verbleib bei Großbritannien ausgesprochen. Nach der Wahl des liberalen Macri hoffte man in London eigentlich auf eine moderatere Falkland-Politik in Argentinien. Die linkspopulistische Ex-Präsidentin Cristina Fernandez de Kirchner hatte mit dem emotionalen Thema immer wieder Stimmung gemacht. Neu entdeckte Öl- und Gasvorkommen vor den Inseln hatten den Konflikt zusätzlich befeuert. Im Rahmen von Ermittlungen zu millionenschwerer Geldwäsche. Buenos Aires – Ein Staatsanwalt hat nach übereinstimmenden Medienberichten in Argentinien einen Anklageantrag wegen Geldwäsche gegen die ehemalige Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner eingereicht. Nach der Aussage eines Angeklagten in Ermittlungen zu millionenschwerer Geldwäsche habe die Staatsanwaltschaft die Einbeziehung Kirchners gefordert, berichtete am Samstag die staatliche Nachrichtenagentur Telam. Ein inhaftierter Geldgeber hatte nach Angaben des Nachrichtenportals Infobae am Freitag vor Gericht erklärt, er sei aktiv an einem Korruptionsnetz beteiligt gewesen, in dem Gelder aus staatlichen Bauaufträgen auf Konten in Belize, der Schweiz, Belgien und Spanien überwiesen worden seien. Der Geldgeber sagte Medienberichten zufolge, sein Auftraggeber, ein mitangeklagter Bauunternehmer mit enger Beziehung zu dem 2011 gestorbenen Ex-Präsidenten Nestor Kirchner (2003-2007) und seiner Ehefrau und Nachfolgerin Cristina Kirchner (2007-2015), habe ihm wiederholt über die Verwicklung der beiden Staatschefs in Geldwäschegeschäfte erzählt. Anklageanträge der Staatsanwaltschaft müssen nach argentinischem Recht von dem zuständigen Richter bestätigt werden, um Ermittlungen gegen die Betroffenen aufzunehmen. Der zuständige Staatsanwalt Guillermo Marijuan will laut Telam auch gegen den langjährigen Infrastruktur-Minister Kirchners, Julio De Vido, ermitteln. Macri: "Es wird uns besser gehen" – Unterstützung für KMU angekündigt. Buenos Aires – Angesichts von hoher Inflation und Massenentlassungen in Argentinien hat Präsident Mauricio Macri um Unterstützung für seinen Reformkurs geworben. Ich weiß sehr gut, dass der Weg manchmal schwer ist. Aber es wird uns besser gehen. Habt Vertrauen, schrieb der konservative Staatschef am Sonntag in einem Gastbeitrag für die Zeitung El Liberal. Macri kündigte Unterstützung für kleine und mittlere Betriebe an, etwa in Form von Steuererleichterungen. Private Beratungsfirmen rechnen für das laufende Jahr mit einer Preissteigerung um etwa 40 Prozent. Vor allem steigende Kosten für öffentliche Dienstleistungen befeuerten zuletzt die Inflation. Seit Macris Amtsantritt im Dezember verloren nach Gewerkschaftsangaben über 130.000 Menschen ihre Arbeit. Macri will mit einem liberalen Kurs die argentinische Wirtschaft wieder ankurbeln. Nach Entspannungssignalen zwischen Havanna und Washington. La Paz – Nach den Entspannungssignalen zwischen Kuba und den USA will auch Boliviens sozialistischer Präsident Evo Morales die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten wieder verbessern. Er empfing am Dienstag den US-Geschäftsträger in dem Andenstaat, Peter Brennan, und betonte, dass er an einem Dialog und der Stärkung der Beziehungen zwischen beiden Regierungen interessiert sei. Im September 2008 hatte Morales US-Botschafter Philip Goldberg des Landes verwiesen. Washington tat dies im Gegenzug mit Boliviens Botschafter. Morales warf Goldberg damals vor, die konservative Opposition gegen seine Umverteilungspolitik zugunsten der indigenen Bevölkerung zu unterstützten und die Teilung des Landes zu betreiben. Seither haben beide Länder keine Botschafter entsandt, die Beziehungen laufen auf Ebene der Geschäftsträger. 2013 lehnte Bolivien einen neuen Kandidaten als US-Botschafter ab. Morales machte damals zudem die US-Regierung für die erzwungene Zwischenlandung seines Flugzeugs in Wien verantwortlich. Der Verdacht, der Ex-US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden befinde sich an Bord, erwies sich damals als falsch. Niederlage für Chile: Es muss Verhandlungen über einen souveränen Zugang zum Pazifik geben. Den Haag/La Paz/Santiago de Chile – Chile muss nach einem Urteil des Internationalen Gerichtshofs (IGH) mit Bolivien über einen souveränen Zugang zum Pazifik verhandeln. Das höchste Gericht der Vereinten Nationen wies am Donnerstag in Den Haag den Antrag Chiles zurück, dass das Gericht in dieser Frage nicht zuständig sei. In dem langjährigen Grenzstreit beider Länder ist das Urteil allerdings nur ein Etappenerfolg für Bolivien. Damit sei nicht entschieden, dass Bolivien auch tatsächlich Recht auf den Zugang zum Pazifik hat, betonten die Richter. Das Urteil macht aber den Weg für das Hauptverfahren frei, das mehrere Jahre dauern könnte. Bolivien hatte 2013 Klage beim IGH eingereicht. Chile hatte dagegengehalten, dass die Streitfrage bereits im Friedensvertrag beider Länder von 1904 geklärt worden sei und der IGH daher nicht zuständig sei. Dem widersprach das Gericht. Im vergangenen Jahr hatte der IGH bereits in einem ähnlichen Verfahren gegen Chile entschieden und dem Nachbarland Peru recht gegeben. Danach muss die Seegrenze vor der Pazifikküste Südamerikas zwischen Peru und Chile neu gezogen werden. Die Grenzstreits gehen auf den Salpeterkrieg von 1879 bis 1884 zurück. Das gut gerüstete Chile gewann damals den Krieg gegen Bolivien und Peru, Bolivien verlor den eigenen Zugang zum Pazifik. Morales erinnerte an Landung in Wien: Fischer erhielt höchsten bolivianischen Orden. La Paz – Ein gehöriger Schuss Pathos durfte nicht fehlen, als Bundespräsident Heinz Fischer von seinem bolivianischen Amtskollegen Evo Morales am Donnerstag in La Paz mit dem höchsten bolivianischen Staatsorden, dem Orden Condor de los Andes en el grado de Gran Collar auszeichnet wurde. Hintergrund war ein Vorfall vom Juli 2013, als Morales am Flughafen Wien festsaß und von Fischer besucht wurde. Mehrere EU-Länder wie Portugal, Spanien oder Frankreich hatten der Präsidentenmaschine die Überfluggenehmigung verweigert, weil vermutet worden war, dass sich der NSA-Aufdecker Edward Snowden an Bord befinden könnte. Morales kam von Gasgesprächen in Moskau und war auf dem Heimflug nach Bolivien. Er verstehe nicht, warum sich damals so viele europäische Länder dem Willen der Nordamerikaner untergeordnet hätten, so Morales, der den US-Geheimdienst CIA hinter der Aktion vermutet. Dabei sei der Sprit schon knapp geworden, erinnerte sich Morales, bei der feierlichen Übergabe des Ordens Condor de los Andes en el grado de Gran Collar. Ein nobler Präsident habe ihm das Leben gerettet, sagte Morales. Der Flughafen Wien habe als einziger eine Landung zugelassen. Was war mein Verbrechen?, fragte Morales beim Festakt im Präsidentenpalast. Dass ich ein indigener Präsident bin? Dass ich ein antiimperialistischer Präsident bin? Auch Außenminister David Choquehuanca sprach von einer Verletzung der Menschenrechte. Österreich und Bolivien wollen vor allem weitere gemeinsame Projekt im Infrastrukturbereich verwirklichen. Am Nachmittag besuchte Fischer die bolivianische Zentralbank und eine Seilbahn der Firma Doppelmayr zwischen der Hauptstadt La Paz und dem auf teilweise bis über 4.000 Metern hochgelegenen El Alto. Fischer erinnerte in einer Rede vor dem Parlament, dass Bolivien während des Zweiten Weltkrieges jüdischen Flüchtlingen die Emigration nach Lateinamerika ermöglicht habe. In der Gegenwart sei Bolivien ein Land, das im Kampf gegen die Armut bereits viel erreicht habe und auch ein Wirtschaftswachstum aufweisen könne. Dass er als Präsident Österreichs Bolivien besuche, sollte auch dazu beitragen, die Verbindungen zwischen Europa und Lateinamerika zu stärken. Fischer wird bei seinem Besuch in Lateinamerika von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) und dem Vizepräsidenten der Wirtschaftskammer (WKO), Christoph Matznetter (SPÖ), begleitet. In La Paz soll eine Absichtserklärung über eine Zusammenarbeit im Bereich Gesundheitsinfrastrukturtechnologie unterzeichnet werden. Geplant ist auch der Besuch von Seilbahnanlagen der Vorarlberger Firma Doppelmayr, die rund um die bolivianische Hauptstadt Großprojekte laufen hat. Zwar bekam auch Bolivien die Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre zu spüren, doch kann das Land nach wir vor ein Wachstum von rund fünf Prozent vorweisen. Am Freitag fliegt Fischer, der in den vergangenen Tagen gemeinsam mit Außenminister Sebastian Kurz bei der UNO-Vollversammlung in New York weilte, von Santa Cruz nach Wien zurück. Aussage eines Ex-Soldaten belastet Offizier – Pinochet behauptete, Opfer hätten Brandbombe transportiert. Nach 29 Jahren hat die chilenische Justiz Anklage gegen sieben Offiziere erhoben und Haftbefehle erlassen. Der ehemalige Soldat Fernando Guzman erhob in einer Zeugenaussage schwere Vorwürfe gegen die Männer, die am Donnerstag festgenommen wurden. Oberst Julio Castañer, der bisher als Berater des Stabschefs einer Armeedivision in der Provinz Tierra del Fuego diente, befahl laut Zeugenaussage am 2. Juli 1986 seinen Untergebenen, Rodrigo Rojas de Negri und Carmen Gloria Quintana bei lebendigem Leib zu verbrennen. Die beiden 19-Jährigen waren in der Nähe einer brennenden Barrikade in der Hauptstadt Santiago festgenommen worden. Laut der damals von den chilenischen Behörden verbreiteten Version der Ereignisse hatten sie eine selbstgebaute Brandbombe bei sich, die durch unglückliche Umstände Feuer fing, wodurch sie schwere Verbrennungen erlitten hätten. In einer am Mittwoch im chilenischen Fernsehen ausgestrahlten Sendung wiederholte Ex-Soldat Guzman seine Aussage. Er bedauerte, erst jetzt den Mut gefunden zu haben, der offiziellen Version zu widersprechen und nannte den Namen Oberst Castañers. Dieser habe angeordnet, die beiden mit Benzin zu übergießen und sie schließlich mit einem Feuerzeug angezündet. Ein Soldat habe sich unter Berufung auf seinen katholischen Glauben geweigert, die Schwerverletzten zu erschießen, worauf man sie auf einem Feld in der Nähe des Flughafens von Santiago aussetzte. Rojas erlag wenig später seinen Verletzungen, Quintana, deren Haut zu 62 Prozent verbrannt war, musste mehrmals operiert werden. Wenig später wurden die 17 beteiligten Soldaten zu General Santiago Sinclair, dem damals zweitmächtigsten Mann im chilenischen Militär, gerufen. Dieser erklärte ihnen, dass sie sich keine Sorgen um ihre Sicherheit und die ihrer Familien zu machen brauchten, solange sie nicht über die Ereignisse sprächen. Den Soldaten wurde anhand eines Modells des Tatortes erklärt, wie sie auszusagen hätten. So wurden sie angewiesen, bei einer Gegenüberstellung mit der Überlebenden diese durch scharfe Blicke einzuschüchtern. Richter Mario Carroza gab am Freitag bekannt, dass gegen sechs Militärs Anklage wegen Mordes und gegen den siebten wegen Beihilfe erhoben wird. Carmen Gloria Quintana zeigte in einer ersten Stellungnahme Verständnis für die einfachen Soldaten, die an den Übergriffen beteiligt waren. Diese hätten nur Befehle ausgeführt und sollten deshalb ihrer Ansicht nach ebenfalls als Opfer der Militärdiktatur betrachtet werden. Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Polizisten und Demonstranten. Santiago de Chile – Am 42. Jahrestag des Staatsstreichs der Militärjunta haben sich Polizisten und Demonstranten in Chile gewalttätige Auseinandersetzungen geliefert. Dabei wurden in der Nacht auf Samstag drei Menschen verletzt, wie der Gouverneur des Hauptstadtdistrikts, Claudio Orrego, sagte. Medienberichten zufolge wurde ein Beamter ins Bein geschossen. Zudem steckten Demonstranten zwei Autos und einen Bus in Brand. Die Ausschreitungen seien weniger heftig gewesen als in den vergangenen Jahren, sagte Orrego. Präsidentin Michelle Bachelet gedachte anlässlich des Jahrestags jener, die mit ihrem Leben die Demokratie verteidigt haben. Am 11. September 1973 putschte General Augusto Pinochet gegen die demokratisch gewählte, sozialistische Regierung von Präsident Salvador Allende. Während seiner Diktatur bis 1990 folterten und töteten die Militärs zahlreiche politische Gegner. Einstige Militärs sehen sich als "erste Opfer" der Diktatur in Chile. Santiago de Chile – Etwa 400 einstige Soldaten aus der Zeit der Pinochet-Diktatur in Chile wollen Schadensersatz vom chilenischen Staat. Sie seien die ersten Opfer der Diktatur gewesen, sagte Marcelo Sanhueza als Vorsitzender eines Zusammenschlusses einstiger Wehrpflichtiger dem Radiosender Corporativa. Die Ex-Soldaten verlangen demnach, als Opfer einer Politik eines Schreckensstaates anerkannt zu werden. Während der Militärdiktatur von Augusto Pinochet wurden etwa 3.200 Menschen getötet und mehr als 38.000 gefoltert. Ein Ex-Soldat, Jaime Fica, sprach von einer regelrechten Gehirnwäsche für die Soldaten, damit diese danach ihre Landsleute töten oder misshandeln. Ein anderer sagte, dies habe ihn sein Leben lang verfolgt. Gesprächsrunde in Brüssel über Normalisierung der Beziehungen. Brüssel/Havanna - Die EU und Kuba haben sich nach Angaben Havannas bei den Verhandlungen über die Normalisierung ihrer Beziehungen weiter angenähert. Bei der Gesprächsrunde in Brüssel am Montag und Dienstag seien die grundlegenden Verhandlungen über das Handelsabkommen abgeschlossen worden, teilte das kubanische Außenministerium auf seiner Website mit. Bedeutende Ergebnisse seien auch bei den Gesprächen über ein Kooperationsabkommen erzielt worden. Zur Frage des politischen Dialogs habe ein nützlicher Austausch stattgefunden. Die EU-Staaten hatten ihre Beziehungen zu dem Karibikstaat im Jahr 2003 wegen der Inhaftierung von 75 Dissidenten abgebrochen. Die Oppositionellen wurden später wieder auf freien Fuß gesetzt. Seit der Wiederaufnahme der Zusammenarbeit im Jahr 2008 schlossen etwa 15 EU-Mitgliedsstaaten bilaterale Abkommen mit Havanna. Die EU hält trotz der nun beschlossenen Verhandlungen an einer gemeinsamen Position aus dem Jahr 1996 fest, welche die Zusammenarbeit mit Kuba an eine Verbesserung der Menschenrechtslage in dem Karibikstaat knüpft. Mit den USA hatte sich Kuba im Dezember nach mehr als einem halben Jahrhundert Eiszeit auf eine Normalisierung der Beziehungen geeinigt. Nach mehr als einem halben Jahrhundert ohne diplomatische Beziehungen. Barack Obama hatte sich bereits weggedreht vom Pult im Rosengarten des Weißen Hauses, als ihm ein Reporter die Frage nachrief, die derzeit alle in Washington interessiert: Sir, wann reisen Sie nach Kuba? Sobald es an der Gerüchtebörse um die Karibikinsel geht, ist von eventuellen Reiseplänen des Präsidenten die Rede. Fliegt er demnächst nach Havanna? Krönt er die Normalisierung mit einem Staatsbesuch? Durchaus denkbar, dass er es tut, bevor er im Jänner 2017 aus dem Amt scheidet, deutete sein Sprecher Josh Earnest an, bevor er selbst die Entsendung des ersten amerikanischen Botschafters nach mehr als fünf Jahrzehnten Eiszeit verkündete. Der Versuch, Kuba zu isolieren, habe nicht funktioniert, und wenn eine Politik ihren Zweck verfehle, müsse man sie ändern, erklärte Obama seinen Ansatz. Er sehe keinen Sinn darin, Amerika von der Zukunft Kubas auszuschließen und den Kubanern obendrein ihr Alltagsleben zu erschweren. Noch vor einem Jahr habe kaum einer geglaubt, dass in naher Zukunft die amerikanische Flagge über Havanna wehen könnte. Nun aber werde sein Außenminister John Kerry in die Stadt reisen, um sie feierlich zu hissen. So sieht Wandel aus. Es ist der erste echte Meilenstein seit Dezember, als beide Länder die Wiederaufnahme der 1961 abgebrochenen diplomatischen Beziehungen avisierten. Zwar hat es seitdem ein paar kleinere Schritte gegeben. Zwar strich das State Department Kuba im Mai von einer Liste, die staatliche Sponsoren des Terrors verzeichnet. Doch dies war ein überfälliger Schritt, das Ende eines nur noch anachronistischen Kapitels der Ministerialbürokratie. Zwar genügt es mittlerweile schon, wenn US-Touristen einen Trip nach Havanna als Bildungsreise deklarieren, um in Miami an Bord einer Chartermaschine gehen zu können. Offiziell aber sind die Schranken noch nicht gefallen. Vor diesem Hintergrund markiert der Austausch von Botschaftern den ersten formalen Durchbruch seit dem Paukenschlag des Winters. Dass sich die Verhandlungen länger hinzogen als erwartet, lag wohl am Streit um die Bewegungsfreiheit amerikanischer Diplomaten. Während sie Kuba begrenzen wollte, pochte das Oval Office darauf, sie ohne Wenn und Aber zu garantieren, eingeschlossen Reisen übers Land oder Treffen mit Dissidenten, ohne die Regierung Raul Castros zuvor um Erlaubnis bitten zu müssen. Im Praktischen ändert sich ansonsten gar nicht so viel. Bereits 1977 hatten die Vereinigten Staaten wieder Diplomaten nach Havanna geschickt. Nur agierten sie seither de jure unter der Flagge der Schweiz, in einer als Interessenvertretung deklarierten Mission. Rund 50 US-Beamte sitzen heute in der Uferpromenade Malecón in demselben Gebäude, einem Betonklotz mit sieben Stockwerken, in dem bis 1961 die Botschaft angesiedelt war. Durchs Dach dringt bisweilen der tropische Regen, das Haus müsste dringend renoviert werden. In einem internen Bericht verglich es das State Department einmal mit einem Schiff auf hoher See, auf dem die Besatzung notwendige Reparaturarbeiten ausschließlich mit dem vornehmen kann, was sie irgendwo an Bord findet. Schätzungsweise sieben Millionen Dollar müssten hineingesteckt werden, um es auf Vordermann zu bringen. Dort beginnt er aber schon, der Poker um die Details, der sich einmal mehr zu einer Machtprobe zwischen Kabinett und Kongress auszuwachsen scheint. Selbst die vergleichsweise bescheidene Summe muss von der Legislative bewilligt werden, und dort kündigt die republikanische Mehrheit Widerstand an. An die Spitze der Bremser hat sich der Senator Marco Rubio gesetzt, Sohn kubanischer Emigranten und für manche der Geheimfavorit des republikanischen Kandidatenausscheidungskampfes für die nächste Präsidentschaftswahl. Aus Rubios Sicht darf der Senat die Entsendung eines Botschafters nach Havanna nur dann absegnen, wenn sich die Menschenrechtslage auf der Insel deutlich verbessert. Die Regierungen in Washington und Havanna bemühen sich, die Erwartungen im Zaum zu halten. Der schwarze Gitterzaun ist frisch gestrichen, das goldene Kügelchen, das den Fahnenmast im Vorgarten krönt, auf Hochglanz poliert. Auf den Beeten duftet neuer Mulch. Noch verdeckte am Sonntag ein rotsamtenes Tuch das Messingschild, auf dem zu lesen ist, dass dies hier die diplomatische Mission Kubas in Washington, D.C., ist. Ein Palais an der 16th Street in der US-Hauptstadt, knapp drei Kilometer nördlich vom Weißen Haus, zur Linken die litauische Botschaft, zur Rechten die polnische, neben der ein imposanter Freimauertempel aufragt: Erbaut wurde das Haus mit Sandstein aus Indiana, von 1919 an war es das Domizil der kubanischen Auslandsvertretung. Es gibt alte Fotos, die Fidel Castro vier Monate nach dem Sieg seiner Rebellenarmee über den Diktator Fulgencio Batista auf seiner prächtigen Marmortreppe zeigen. Als Präsident Dwight D. Eisenhower im Jänner 1961 die diplomatischen Beziehungen zu Havanna abgebrochen hatte, versank die Villa in einem Dornröschenschlaf. 1977 erwachte sie wieder ein bisschen daraus. Der damalige US-Präsident Jimmy Carter stellte die Weichen vorübergehend auf Normalisierung, was zur Folge hatte, dass Havanna unter Schweizer Flagge eine Interessenvertretung an der 16th Street unterhalten konnte. Heute, Montag, fährt Bruno Rodríguez vor, der aktuelle Außenminister der Karibikinsel, um zwei Meter hinter dem Gitterzaun die Fahne seines Landes zu hissen. Es ist keineswegs sein erster Trip in die Vereinigten Staaten. In New York, wo die Vereinten Nationen tagen, ist Rodríguez seit Jahren regelmäßiger Gast. Doch in Washington war er noch nie, zumindest nicht in offizieller Mission. Es ist überhaupt das erste Mal nach fünf Dekaden politischer Eiszeit, dass die US-Hauptstadt einem Politiker aus Kuba den roten Teppich ausrollt. Mit etwas weniger Pomp sollte zeitgleich in der kubanischen Hauptstadt Havanna die US-Botschaft wiedereröffnen. Ein größerer Akt wird erst stattfinden, wenn US-Chefdiplomat John Kerry für seinen geplanten Besuch in Havanna eintrifft. Denn so historisch der Durchbruch sein mag, zumindest das Kabinett Obama feiert ihn vorerst in einem eher bescheidenen Stil. Eigentlich wollte Kerry schon am Montag nach Havanna reisen, um vor der Botschaft am Malecón das Sternenbanner hochzuziehen – doch der Termin verschob sich, ein neues Datum steht nicht fest. Nun belässt er es bei einem kurzen Auftritt im State Department und einem Treffen mit Rodríguez in Washington. Denn Kerry ist voll damit beschäftigt, skeptischen Kongressabgeordneten einen noch wichtigeren historischen Durchbruch zu erklären – das Atomabkommen mit dem Iran. Frühestens im August, heißt es derzeit, hat er Zeit für die Reise in die Karibik. Und Roberta Jacobson, seiner Chefunterhändlerin in den Normalisierungsgesprächen, ist erkennbar daran gelegen, die Latte niedrig zu hängen. Die Menschen auf Kuba sollmn von dem Tauwetter keine Wunder erwarten, dämpft sie: Lassen Sie uns ehrlich sein, die Dinge ändern sich nicht über Nacht. Auch Juan Antonio Blanco-Gil, einst Diplomat in Fidel Castros Diensten, heute Dozent in Miami, rät zum Abwarten. Noch sei unklar, wohin Obamas Öffnungspolitik genau führe und wem sie nutze, sagt er im Gespräch mit dem STANDARD. Blanco-Gil hat Kuba bei der Uno vertreten, später war er Berater im Zentralkomitee der KP, bis er 1991 im Zuge erster Lockerungen versuchte, einen reformsozialistischen Thinktank zu gründen, bald resignierte und 1997 seine Heimat verließ. In der Diaspora, so der Politikwissenschafter, warte viel Kapital darauf, auf der Insel investiert zu werden. Da seien zum einen die rund 40 Milliarden Dollar (37 Milliarden Euro) an Bankguthaben, über die US-Amerikaner mit kubanischen Wurzeln verfügten. Da sei aber auch jede Menge soziales Kapital, etwa persönliche Netzwerke. Die Regierung in Havanna müsste eigentlich werben, sie müsste versuchen, den Kapitaltransfer in geordnete Bahnen zu lenken, sagt Blanco-Gil und macht keinen Hehl aus seiner Skepsis. 60 Prozent der einigermaßen funktionierenden Unternehmen Kubas würden vom Militär kontrolliert. Bei dieser Ausgangslage sei es durchaus denkbar, dass man sie wie auf Kommando privatisiere. Was dann folge, orakelt der Professor, lasse ihn eher ein Szenario befürchten, wie es das Russland der Neunzigerjahre mit seinen Oligarchen erlebte. Dass McDonalds oder Walmart demnächst vielleicht Filialen in Havanna eröffnen – nun ja, im Vergleich zu diesem Albtraum bereitet es mir keine schlaflosen Nächte. US-Präsident: "Teil des Deals ist, dass ich mit jedem reden kann". Washington – US-Präsident Barack Obama will kommendes Jahr sehr gern nach Kuba reisen, macht einen solchen Staatsbesuch aber auch vom Dialog mit dortigen Regimekritikern abhängig. Wenn ich den Besuch mache, ist Teil des Deals, dass ich mit jedem reden kann, sagte Obama in einem am Montag veröffentlichten Interview des Internetportals Yahoo. In Gesprächen mit seinem kubanischen Kollegen Raul Castro habe er klargestellt, dass die USA sich auch nach der Normalisierung der diplomatischen Beziehungen mit Kuba für freie Meinungsäußerung in dem sozialistischen Karibikstaat einsetzen würden. Obama und Castro hatten den historischen Neuanfang der bilateralen Beziehungen vor einem Jahr verkündet – nach mehr als fünf Jahrzehnten diplomatischer Eiszeit. Seitdem öffneten in beiden Hauptstädten Botschaften, und die USA strichen Kuba von ihrer Liste staatlicher Unterstützer des Terrorismus. Auch Reisen und Handelsgeschäfte sollen schrittweise erleichtert werden, das US-Handelsembargo besteht aber weiter. Auf Kuba kommt es immer wieder zu Festnahmen von und Übergriffen auf regimekritische Dissidenten. Starwood will Hotels Inglaterra und Quinta Avenida umbauen. Havanna / New York – Vor dem Hintergrund der politischen Annäherung zwischen den USA und Kuba hat die US-Hotelkette Starwood die Übernahme mehrerer Luxushotels in der kubanischen Hauptstadt Havanna bekanntgegeben. Wie Starwood in der Nacht zum Sonntag mitteilte, sollen noch im Laufe des Jahres das Hotel Inglaterra und das Hotel Quinta Avenida umgestaltet werden. Inglaterra soll dann zur Starwood-Marke Luxury Collection gehören, Quinta Avenida unter dem Namen Four Points zur Marke Sheraton. Die Vereinbarung über die Hotelübernahme ist das größte Geschäftsabkommen zwischen einem US-Unternehmen und den Behörden in Kuba seit der kubanischen Revolution 1959. Zu Starwood gehören Le Meridien, Sheraton und Westin. Das Unternehmen vereinbarte mit den kubanischen Behörden, dass es auch das Hotel Santa Isabel in Havanna übernimmt. Für diese Übernahme erhielt der Hotelkonzern noch nicht das Einverständnis des US-Finanzministeriums, das im Falle der beiden anderen Hotels bereits vorliegt. US-Präsident Barack Obama gab zwar Ende 2014 die Normalisierung der Beziehungen zu Kuba bekannt, die Einzelheiten hängen aber vom republikanisch beherrschten Kongress ab. Der Hotelsektor in den USA ist an Kuba stark interessiert, erklärte Starwood-Direktor Thomas Mangas. Wir sind sehr erfreut, die Ersten zu sein. Der Tourismus boomt in Kuba. Im vergangenen Jahr wurden 3,5 Millionen Touristen gezählt – 17 Prozent mehr als im Vorjahr. Besonders spektakulär fiel die Zunahme mit einem Zuwachs von 77 Prozent auf 161.000 bei den US-Bürgern aus. Obama wird am Sonntagnachmittag (Ortszeit) zu einem historischen Besuch in Kuba erwartet. Es ist die erste Reise eines amtierenden US-Präsidenten in den karibischen Nachbarstaat seit fast 90 Jahren. Der dreitägige Besuch markiert den bisherigen Höhepunkt des Annäherungskurses zwischen den vormals verfeindeten Ländern. 'Nur wenige Stunden vor Beginn des historischen Besuches in Kuba wurden Oppositionelle festgenommen. Kubas Präsident Raúl Castro hat am Montag bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit US-Präsident Barack Obama in Havanna die Bereitschaft zur weiteren Annäherung beteuert, gleichzeitig aber die enormen Differenzen beider Länder betont. Wir haben unterschiedliche politische Ideen, andere Vorstellungen von Demokratie, Menschenrechten, sozialer Gerechtigkeit, sagte Castro. Aber wir müssen lernen, mit diesen Unterschieden zu leben und Brücken zu bauen. Als Haupt-Hindernisse bezeichnete er das seit 1962 geltende US-Embargo, die US-Basis in Guantánamo und die Außenpolitik. Besonders besorgt sei er über die Destabilisierung Venezuelas. Obama seinerseits erklärte, er respektiere die Souveränität der Kubaner. Gleichzeitig sei er zuversichtlich, dass die Annäherung die Situation sowohl der kubanischen als auch der US-Bevölkerung verbessern und dass das US-Embargo ein Ende finden werde. Diese Entscheidung liege aber in den Händen des Kongresses. Am Rande unterzeichneten beide Delegationen mehrere Memoranden über Umwelt, maritime Sicherheit sowie über Landwirtschaft, Gesundheit Drogen- und Menschenhandel. Obama stellte weiteren kulturellen Austausch und Stipendien in Aussicht. Anschließend stellten sie sich in entspannter Atmosphäre Fragen der Journalisten. Castro forderte dabei einen Fragesteller auf, ihm eine Liste mit politischen Gefangenen zu überreichen, damit er deren Freilassung veranlassen könne. Zum offiziellen Beginn des Staatsbesuchs hatte Obama am Fuß des Monuments für José Marti am Platz der Revolution einen Kranz niedergelegt und den Nationalhelden als Kämpfer für Unabhängigkeit, Freiheit und Selbstbestimmung gewürdigt. Seine Leidenschaft sei im kubanischen Volk weiter lebendig. Nach der offiziellen Begrüßung durch Castro durchbrach Obama kurz das Protokoll, um sich vor dem überlebensgroßen Abbild des Revolutionärs Ernesto Che Guevara am Innenministerium ablichten zu lassen. Anschließend wollte Obama an einem Wirtschaftsforum teilnehmen. 15 Monate nach der historischen Normalisierung haben sich die wirtschaftlichen Beziehungen nicht wie erhofft entwickelt. Noch hemmen zahlreiche Embargo-Vorschriften wie das Verbot von Individualtourismus das Geschäft Regimekritikerin wurde vor Obamas Besuch festgenommen. Seit zehn Jahren ist sie eines der auffälligsten Gesichter der Opposition in Kuba: Berta Soler, Sprecherin der Damen in Weiß, einer Gruppe von Angehörigen politischer Gefangener. Jeden Sonntag, nach der Messe, spazieren sie und andere Mütter und Frauen ganz in Weiß gekleidet die Quinta Avenida in Havanna entlang und fordern Freiheit: erst für ihre Söhne, Väter, Ehegatten, dann für alle politischen Gefangenen und nun für Kuba. Und jeden Sonntag wird ihre Veranstaltung von der Staatssicherheit aufgelöst. Viele vergleichen die Gruppe mit den argentinischen Müttern der Plaza de Mayo. Für die Führung in Havanna sind sie hingegen Söldnerinnen im Dienste des Imperialismus. Die Damas de Blanco sind keine große Gruppe und von internen Streitigkeiten der kubanischen Dissidenz nicht ausgenommen. Doch der Symbolwert demonstrierender Mütter ist enorm: Für ihr Engagement erhielten sie etwa 2005 den Sacharow-Menschenrechtspreis des EU-Parlaments. Seit dem Tod der Gründerin Laura Pollan 2011 steht Soler an der Spitze. Die ersten 30 Jahre ihres Lebens waren politisch unauffällig. Geboren 1963 in Matanzas in einer schwarzen Familie, studierte sie Biologie und arbeitete im Labor eines staatlichen Krankenhauses. 1988 heiratete sie den Maurer Angel Juan Moya Acosta, der eben von einem Militäreinsatz im Rahmen der Bruderhilfe in Angola zurückgekehrt war. Dort hatte er General Arnaldo Ochoa kennengelernt, der später auf Kuba hingerichtet wurde. Es war ein Wendepunkt im Leben Moyas, dessen Loyalität zur Revolution schwand. Seit 1996 war er Mitglied in Oppositionsgruppen, 2003 wurde er während des Schwarzen Frühlings festgenommen: Dies katapultierte Soler auf die politische Bühne. 2004 erreichten sie mit einer Protestaktion vor der KP-Zentrale, dass man Acosta eine Bandscheibenoperation genehmigte. Nach diesem ersten Erfolg stritten die Frauen unermüdlich weiter, trafen sich mit Diplomaten und mit Kardinal Jaime Ortega, dem es schließlich 2011 gelang, dass im Vorfeld des Papstbesuchs die meisten Gefangenen des Schwarzen Frühlings freigelassen wurden. Viele Familien gingen daraufhin ins Exil, doch Soler und Acosta blieben. Dutzendfach wurden die zweifachen Eltern verhört, festgenommen, angepöbelt. Soler kritisiert die Annäherung der USA an Kuba: Im August nahm sie aus Protest nicht an einem Treffen mit US-Außenminister John Kerry teil. Revolutionsführer erstmals seit neun Monaten bei öffentlichem Auftritt. Havanna – Der kubanische Revolutionsführer und ehemalige Staatschef Fidel Castro ist erstmals seit neun Monaten wieder in der Öffentlichkeit aufgetreten. Bilder des staatlichen Fernsehens zeigten den 89-Jährigen am Donnerstag, wie er mit Kindern über die Revolutionsführerin Vilma Espin (1930–2007) sprach und den historischen Besuch von US-Präsident Barack Obama in Kuba Ende März kritisierte. Fidel Castro, der die Macht im Jahr 2006 aus gesundheitlichen Gründen an seinen Bruder Raúl abgab, hält sich seither weitgehend von der Öffentlichkeit fern. Die meisten von den Staatsmedien veröffentlichten Aufnahmen zeigen ihn in seinem Zuhause beim Empfang ausländischer Würdenträger oder mit kubanischen Bürgern. Fidel Castro hatte die überraschende Ankündigung seines Bruders von Ende 2014 zur Wiederaufnahme der Beziehungen mit den USA nie öffentlich kritisiert. Eine Woche nach dem Besuch Obamas in Havanna äußerte er jedoch deutliche Vorbehalte gegen den einstigen Erzfeind. Partei zieht Bilanz über Obama-Besuch und entscheidet über Führungsspitze. Havanna/Puebla – Drei Wochen nach dem historischen Besuch von US-Präsident Barack Obama auf Kuba begann am Samstag der 7. Kongress der Kommunistischen Partei. Insider erwarten, dass auf dem Parteitag – dem letzten unter der Führung der Castro-Brüder – entscheidende Weichen für die Zukunft gestellt werden. Neben einer Bilanz des Obama-Besuchs und der Ablösung der Führungsspitze werden auch die Dezentralisierung und die Wirtschaftsreformen Thema für die tausend Delegierten sein. Korruption und subversive Bekundungen – die Umschreibung für die Tätigkeit von Dissidenten – sollen laut Parteizeitung Granma ebenfalls auf der Tagesordnung stehen. Details wurden im Vorfeld kaum bekannt – darüber beklagten sich sogar einige Parteimitglieder. Innerhalb der Partei gibt es abweichende Positionen zwischen Reformern und der alten Garde, die jeder Änderung kritisch gegenübersteht. Sie stützt sich vor allem auf den kranken Altrevolutionär Fidel Castro, der kaum noch öffentlich in Erscheinung tritt, unlängst aber den Besuch Obamas kritisierte. Sein Bruder und Staatschef Raúl hingegen gilt zusammen mit der Militärspitze als Befürworter einer wirtschaftlichen Öffnung unter Beibehaltung des politischen Einparteien-Systems. Die Militärs kontrollieren die wichtigsten Wirtschaftszweige im Land wie den Tourismus, das Transportwesen und die Industrie und sind damit der wesentliche Machtfaktor der Transition. Der Parteitag wird Aufschluss geben über das Kräfteverhältnis der beiden Lager. Angesichts der staatlichen Mangelwirtschaft und einer zunehmend Freiräume einfordernden Gesellschaft werden auch diesmal Kompromisse gefunden werden müssen. So verkündete die Führung bereits die Eröffnung von Lebensmittel-Großmärkten, wo sich private Kleinunternehmer günstiger eindecken können. Heikler dürfte die Diskussion über den Zugang zum Internet werden. Diesen hatte Obama eingefordert. Kurz darauf verkündete Google die Eröffnung eines Technologiezentrums in Havanna, in dem 40 Computerplätze mit schnellem Internetzugang gratis zur Verfügung stehen. Freier Informationszugang ist für die Nomenklatura jedoch ein rotes Tuch. Noch immer ist der Internetzugang über den staatlichen Provider Etecsa mit zwei Euro pro Stunde sehr teuer und langsam, zahlreiche Seiten sind zensiert. In den kommenden zwei Jahren müssen wir rascher vorankommen und der Privatwirtschaft mehr Freiräume geben, während die strategischen Bereiche weiter in staatlicher Hand bleiben, sagt der Akademiker Esteban Morales, selbst Parteimitglied. Für den Regimekritiker Manuel Cuesta wird es die Parteispitze künftig schwerer haben, nachdem die USA als Feindbild nicht mehr haltbar sind. Jetzt müssen sie Führungsqualitäten zeigen, selbstkritischer sein und Ergebnisse liefern, sagte er. Der siebente Parteitag dürfte in Zukunft auch als eine Art Testament der Revolutionsgarde zur Schlichtung von Differenzen herangezogen werden, die nach Abtritt der Castros vermutlich stärker zum Tragen kommen werden. Staatschef Raúl Castro will 2018 abtreten. Sein designierter Nachfolger ist der 55-jährige Vizepräsident Miguel Diaz-Canel. (Sandra Weiss, 16.4.2016) Beim Kommunistischen Parteitag wird ein Wechsel an der Spitze des Landes erwartet. Havanna – Kubas Präsident Raul Castro hat eine Schocktherapie zur wirtschaftlichen Sanierung des Landes ausgeschlossen. Die neoliberalen Formeln, die eine beschleunigte Privatisierung des Staatsvermögens und der sozialen Dienstleistungen in der Bildung, der Gesundheit und Sozialversicherung verheißen, werden im kubanischen Sozialismus niemals Anwendung finden, sagte Castro am Samstag in Havanna. Schocktherapien würden häufig zum Nachteil der Ärmsten angewendet, erklärte der 84-jährige Präsident vor den Delegierten und 3.500 geladenen Gästen des 7. Parteikongresses. In Kuba könne es nur langsame Reformen geben, damit die gut elf Millionen Einwohner geschützt würden. Das Prinzip, niemanden schutzlos zu lassen, werde die Geschwindigkeit bei der Erneuerung des kubanischen Wirtschaftsmodells vorgeben, fügte der Präsident hinzu. Nicht gefährdet werde der Sozialismus durch die Arbeit in Kooperativen. Der Partei-Kongress tagt hinter verschlossenen Türen. Castros Rede wurde allerdings im Fernsehen übertragen. Die Beratungen dauern bis zum Dienstag. Vorgesehen ist auch die Neuwahl des Zentralkomitees der KP, das bisher 116 Mitglieder zählte, und das Politbüros mit 14 Mitgliedern. Aus der künftigen Zusammensetzung dürften sich Rückschlüsse über die künftige politische Orientierung ziehen lassen. Generationenwechsel 1.000 Delegierte aus dem ganzen Land beraten über die Fortsetzung der marktwirtschaftlichen Reformen in dem sozialistischen Karibikstaat und über einen geplanten Generationswechsel an der Spitze des Landes. Der Kongress der Kommunistischen Partei gilt als wichtigste politische Versammlung im Einparteiensystem Kubas. Der Parteitag kommt mitten im politischen Frühling mit dem langjährigen ideologischen Erzrivalen USA zusammen. Erwartet wird, dass die veraltete kommunistische Nomenklatura um Raúl Castro den Wechsel an der Spitze des Landes endgültig einleitet. Castro hat bereits angekündigt, dass er nach Ablauf seiner zweiten Amtszeit im Februar 2018 die Macht abgeben will. Beim letztem Parteitag im April 2011 war offiziell ein Programm für eine vorsichtige Wirtschaftsöffnung beschlossen worden. Erwartet wird, dass die Delegierten nun den Ende 2014 eingeleiteten Annäherungskurs an die USA unterstützen. Mit relevanter Kritik an der Linie der Partei- und Staatsführung wird dagegen nicht gerechnet. Jahrzehntelanges Verbot im Zuge der Aussöhnung mit den USA gekippt. Havanna – Die kubanische Regierung hat weitere Reiseerleichterungen auf den Weg gebracht und am Freitag in der amtlichen Zeitung Granma bekanntgegeben, dass ab kommenden Dienstag alle Kubaner auf dem Seeweg aus- und wieder einreisen dürfen. Die Regierung von Raul Castro hat damit ein jahrzehntelang geltendes Verbot aufgehoben. Die neuen Freiheiten zielen insbesondere auf Passagiere und Besatzungen von Handels- und Kreuzfahrtschiffen ab. Im Zuge der historischen Annäherung zwischen Kuba und den USA hatten im Juli vergangenen Jahres bereits die Vereinigten Staaten entsprechende Genehmigungen für Kreuzfahrten erteilt. Die Fahrten sollten nach Angaben des US-Kreuzfahrtriesen Carnival in diesem Mai beginnen. Von kubanischer Seite stand die Genehmigung bisher noch aus. US-Präsident Barack Obama und der kubanische Staatschef Raul Castro hatten im Dezember 2014 eine grundlegende Neuausrichtung der Beziehungen der beiden Länder angekündigt. Im vergangenen Sommer nahmen sie wieder diplomatische Beziehungen auf, die USA lockerten ihre Reise- und Handelssanktionen. Die Anfang der 1960-er Jahre verhängte Handelsblockade kann allerdings nur der US-Kongress aufheben. Dort sperren sich die Republikaner mit ihrer Mehrheit gegen die Kuba-Politik des Demokraten Obama. Obama hatte Kuba Ende März einen historischen Besuch abgestattet. Krebstod mit 46 Jahren – Durch Skandale in internationalen Schlagzeilen. Toronto – Torontos ehemaliger Bürgermeister Rob Ford ist tot. Der Politiker, der mit zahlreichen Skandalen und Affären über Alkohol und Drogen in die internationalen Schlagzeilen kam, erlag einer aggressiven Unterleibs-Krebserkrankung. Die Krankheit verhinderte im Jahr 2014 seinen Antritt zur Wiederwahl. Rob Ford starb am Dienstag im Alter von nur 46 Jahren. 47-jährige Margarita Zavala will im Jahr 2018 für Konservative PAN antreten. Mexiko-Stadt - Die Ehefrau des früheren mexikanischen Präsidenten Felipe Calderon, Margarita Zavala, will sich im Jahr 2018 ebenfalls um das höchste Staatsamt bewerben. Die 47-jährige ehemalige Parlamentsabgeordnete kündigte am Montag im Sender Radio Formula an, sich um die Kandidatur für die konservative Partei der Nationalen Aktion (PAN) bemühen zu wollen. Der Partei gehört auch Calderon an, der in den Jahren 2006 bis 2012 mexikanischer Staatschef war. Calderon ist umstritten, weil er das Militär in einen erbitterten Krieg gegen die mexikanischen Drogenbanden schickte. Seither wurden mehr als 80.000 Menschen im Zusammenhang mit der Drogenkriminalität getötet, weitere 22.000 gelten als vermisst. Auf die Frage, ob sie hinter der damaligen Entscheidung ihres Manns stehe, sagte Zavala nun: Ich denke schon, ja. Die Parlamentswahl Anfang Juni hatte die PAN gegen die regierende Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) von Präsident Enrique Pena Nieto verloren. Regionalchef einer kriminellen Organisation. Mexiko-Stadt – Fast ein Jahr nach der Entführung und dem mutmaßlichen Mord an 43 Studenten in Mexiko ist einer der Hauptverdächtigen festgenommen worden. Die Bundespolizei habe Gildardo Lopez Astudillo alias El Gil in Taxco im Teilstaat Guerrero gefasst, sagte der Nationale Sicherheitsbeauftragte Renato Sales am Donnerstag. Er soll der Regionalchef der kriminellen Organisation Guerreros Unidos sein und den Mord an den jungen Männern angeordnet haben. Örtliche Polizisten hatten die Studenten am 26. September vergangenen Jahres in der Stadt Iguala angegriffen und sie den Guerreros Unidos übergeben. Mehrere Bandenmitglieder räumten ein, die jungen Männer getötet und ihre Leichen verbrannt zu haben. Der Vorfall warf ein Schlaglicht auf die engen Kontakte zwischen Politik, Sicherheitskräften und organisiertem Verbrechen in Mexiko. USA stoppen Auszahlung von fünf Millionen Dollar. Washington/Mexiko-Stadt – Wegen der Menschenrechtslage in Mexiko haben die USA ihre Sicherheitshilfe an das Nachbarland gekürzt. Weil das US-Außenministerium dem Kongress keinen positiven Bericht über die Menschenrechtssituation in Mexiko vorlegen konnte, seien fünf Millionen Dollar (4,4 Millionen Euro) aus dem Plan Merida für die mexikanischen Sicherheitskräfte gestoppt worden, teilte das State Department in Washington mit. Mexiko regierte mit Unverständnis. Wir weisen jede unilaterale Aktion zurück, die über die Menschenrechtssituation in einem Land urteilt, teilte das mexikanische Außenministerium am Dienstag mit. Die USA unterstützen über die Merida-Initiative seit 2008 Mexiko im Kampf gegen das Organisierte Verbrechen. Die nun für Mexiko gestoppten Mittel werden nach Peru umgeleitet. Der Fall von 43 von der Polizei verschleppten und vermutlich von Bandenmitgliedern getöteten Studenten hatte die Menschenrechtssituation in Mexiko zuletzt wieder in den internationalen Fokus gerückt. Auch verschiedene internationale Organisationen kritisierten die Menschenrechtslage in Mexiko. Unter den sechs Opfern einer Schießerei in der südmexikanischen Unruheregion sind auch zwei Kinder. Die Polizei vermutet organisierte Kriminalität hinter dem Anschlag. Chilpancingo – Die Unruheprovinz Guerrero im Süden Mexikos wird von einer Welle der Gewalt erschüttert. Bei einer Schießerei in der Ortschaft Chilapa starben sechs Menschen. Unter den Opfern seien mehrere Verwandte des ehemaligen Polizeichefs der Region, sagte der örtliche Staatsanwalt Miguel Angel Godinez am Dienstag im Fernsehsender Milenio. Demnach kamen bei dem Anschlag zwei Kinder im Alter von sieben und einem Jahr ums Leben. Erst vor einer Woche war der Sohn von Ex-Polizeichef Silvestre Carreto Gonzalez getötet worden. Wir gehen davon aus, dass die Tat im Zusammenhang mit der Arbeit des ehemaligen Sicherheitschefs steht, sagte Godinez. Unserer Vermutung nach steckt das organisierte Verbrechen dahinter. Die Polizei sucht nun nach Carreto, um seine Aussage aufzunehmen. Der Aufenthaltsort des früheren Polizeichefs ist unbekannt. Am Tatort wurden ein Geländewagen und ein völlig ausgebranntes Auto sichergestellt. Chilapa ist ein Brennpunkt der Gewalt. Vor den Regionalwahlen im Juni wurden dort mehrere Menschen verschleppt und der Bürgermeisterkandidat der Regierungspartei PRI erschossen. Die Gemeinde liegt in einem wichtigen Mohnanbaugebiet für die Opiumproduktion und ist zwischen den Banden Los Rojos und Los Ardillos heftig umkämpft. Erst in der Nacht auf Montag waren bei einem Überfall auf eine Hahnenkampfarena in Guerrero mindestens zehn Menschen getötet worden. Schwarz gekleidete Männer eröffneten in der Ortschaft Cuajinicuilapa südöstlich des Badeorts Acapulco mit Sturmgewehren das Feuer. Alles weist auf einen direkten Angriff hin. Sie waren hinter einer bestimmten Person her, sagte Staatsanwalt Godinez. Zuvor hatten die Ermittler von zwölf Opfern gesprochen. Zwei auf einem Weg entdeckte Leichen stünden allerdings in keinem Zusammenhang mit der Attacke auf die Arena, erklärte Godinez im Radiosender Formula. Bürgermeister Constantino Garcia Cisneros bat um zusätzliche Polizisten und Soldaten zum Schutz seiner Gemeinde. Außerdem rief er die Bevölkerung zur Vorsicht auf. Er befürchte vor allem Zwischenfälle bei der Beisetzung der Opfer, sagte der Bürgermeister der Zeitung El Universal. Präsident Peña Nieto: "Tausende Leben hängen davon ab". Mexiko-Stadt – Die mexikanische Regierung will das Betäubungsmittelgesetz liberalisieren. Er werde eine Initiative im Kongress einbringen, die die medizinische Nutzung von Marihuana erlaubt und die straffreie Menge für den Eigengebrauch erhöht, kündigte Präsident Enrique Peña Nieto am Donnerstag an. Zuvor hatte es in Mexiko eine Reihe öffentlicher Debatten über den Umgang mit Marihuana gegeben. Bei der Uno-Sondersitzung über Drogen in New York hatte Peña Nieto in dieser Woche eine Abkehr von der reinen Drogenprohibition gefordert und für einen neuen Ansatz geworben. Tausende Leben hängen davon ab, sagte er. Ende vergangenen Jahres hatte Mexikos Oberster Gerichtshof den legalen Anbau und Konsum von Marihuana grundsätzlich genehmigt. Die Erlaubnis gilt zunächst allerdings nur für vier Menschen, die die Klage angestrengt hatten. 'Die unabhängige Expertenkommission legte ihren Abschlussbericht zum Verschwinden der 43 Studenten vor. Klarheit über den Tathergang gibt es noch immer nicht – dafür gehen die Experten mit der Regierung hart ins Gericht. Mexiko-Stadt – Mit einer scharfen Kritik an der mexikanischen Justiz haben die ausländischen Ermittler im Fall der 43 verschwundenen Studenten am Sonntag ihre Mission beendet. Die Behörden hätten schlampig und schleppend ermittelt, Beweise unterdrückt, die Arbeit der unabhängigen Ermittler boykottiert, und die historische Wahrheit der mexikanischen Staatsanwaltschaft basiere auf unter Folter erpressten Geständnissen. So steht es in dem 608 Seiten langen Abschlussbericht, den die Expertengruppe in Mexiko-Stadt vorlegte. Sie decouvriert damit die wichtigste Achillesferse der mexikanischen Demokratie: das komplette Versagen des Rechtsstaats. 98 Prozent aller Straftaten in Mexiko bleiben ungesühnt. Die Zusammenarbeit mit den Experten, die mit Zustimmung von Präsident Enrique Peña Nieto vor mehr als einem Jahr ins Land kamen, um die Ermittlungen zu unterstützen, wird auf Wunsch der Regierung beendet, ohne dass abschließend Klarheit über den Tathergang im südmexikanischen Iguala herrscht. 50 Prozent der Anfragen der Experten seien von den mexikanischen Behörden zudem nicht beantwortet worden, wichtige Elemente wie die Handykommunikation der Studenten in der Tatnacht seien nicht untersucht worden, bedauerten die Experten. Die Eltern der verschwundenen Studenten kritisierten den Hinauswurf der Experten. Die kolumbianische Ermittlerin Ángela Buitrago erklärte, es obliege nun der Gesellschaft, Druck auszuüben, um den Fall zu lösen. Zuletzt stolperten die Ermittler über die Weigerung des Militärs, Ausländern über die Ereignisse Auskunft zu geben. Von ihrem technisch hochgerüsteten Kommandoposten aus hatten die Soldaten die Vorgänge verfolgt und ihre Vorgesetzten informiert, ohne jedoch einzuschreiten Im Auftrag des Gesundheitsministeriums pro Tag bis zu 25 Eingriffe vorgenommen. Lima – Mit einem System aus Anreizen und Sanktionen sollen in Peru arme und indigene Frauen zu Zeiten der Regierung Alberto Fujimoris (1990-2000) sterilisiert worden sein. Der Arzt Oscar Aguirre erklärte am Dienstag der Zeitung La Republica, er habe im Auftrag des staatlichen Gesundheitsministeriums pro Tag bis zu 25 dieser Eingriffe vorgenommen. Als Mediziner sei er für die Operationen zuständig gewesen. Die Frauen herbeizuschaffen sei Aufgabe der Krankenpfleger gewesen. Laut Aguirre hat die Regierung unter Fujimori die Pfleger bei der Erfüllung bestimmter Quoten belohnt, zum Beispiel mit Nahrungsmitteln. Bei Unterschreitung der Quoten hätten ihnen Bestrafungen gedroht. Bereits im Jahr 2003 hatte der peruanische Staat die Verantwortung für das sogenannte Nationale Programm zur Familienplanung eingestanden und sich zur Aufklärung verpflichtet. Nach aktuellen Untersuchungen sollen im Zeitraum von 1996 bis 2000 weit über 200.000 Frauen und auch Männer zum Teil gegen ihren Willen sterilisiert oder unter falschen Versprechungen zu den Eingriffen gedrängt worden sein. Laut Amnesty International haben bereits mehr als 2.000 Frauen Klage wegen Zwangssterilisationen erhoben. Seit Ende 2015 hat die Regierung neue Maßnahmen ergriffen, um die Geschehnisse aufzuarbeiten und Schuldige zu bestrafen. Fujimori sitzt eine Haftstrafe von 25 Jahren wegen Korruption und anderer Menschenrechtsverletzungen ab. Seine Tochter Keiko Fujimori kandidiert aktuell für das Präsidentenamt. Die 40-Jährige gilt nach Umfragen als Favoritin für die Wahl am 10. April. Verónika Mendoza in Umfragen nur noch knapp hinter Keiko Fujimori. Lima – Zwei Tage vor der Präsidentenwahl in Peru liegen einer aktuellen Ipsos-Umfrage zufolge zwei Kandidatinnen Kopf an Kopf. Es wird erwartet, dass in der ersten Runde kein Kandidat die erforderlichen 50 Prozent der Stimmen erreicht. Die Entscheidung fällt in diesem Fall in einer zweiten Wahlrunde, die im Juni stattfinden soll. Wenn sie bei einer Stichwahl gegeneinander antreten müssten, käme Keiko Fujimori, die Tochter des inhaftierten Ex-Diktators Alberto Fujimori, demnach auf 43 Prozent der Stimmen, die Linkskandidatin Verónika Mendoza auf 42. Die Differenz liegt somit unter der statistischen Schwankungsbreite von 2,3 Prozent. Der ehemalige Premierminister und Weltbank-Mitarbeiter Pedro Pablo Kuczynski, der in bisherigen Umfragen auf Platz zwei hinter Fujimori lag, hätte den Meinungsforschern zufolge gute Chancen, eine mögliche Stichwahl gegen die Diktatorentochter zu gewinnen: laut Ipsos würde er im direkten Duell einen Vorsprung von sieben Prozentpunkten erreichen. Fujimori erklärte bei ihrem Wahlkampfabschluss in der Hauptstadt Lima, sie werde im Falle eines Erfolgs frontal gegen Kriminalität und die schlechte Sicherheitslage in dem südamerikanischen Land kämpfen. Mendoza wiederholte ihre Forderung nach einer neuen Verfassung, um Bodenschätze unter staatliche Kontrolle zu stellen. Kuczynski erklärte, er werde die Vergabe von Krediten erleichtern, drei Millionen Arbeitsplätze schaffen und höhere Haftstrafen für Kriminelle durchsetzen durchsetzen. Seine politischen Gegner bezeichnete er als Schlangen, die uns schlechte Ideen verkaufen wollen. US-Außenministerium berichtet von Beinbruch. Genf - US-Außenminister John Kerry hat sich bei einem Fahrradunfall in den französischen Alpen ein Bein gebrochen. Der 71-Jährige habe sich am Sonntag bei einer Radtour nahe Chamonix eine Fraktur des rechten Oberschenkelknochens zugezogen, sagte sein Sprecher John Kirby. Der Minister kehre nun zur Behandlung in die USA zurück und müsse daher seine Reise zum Treffen der Anti-IS-Koalition in Paris absagen. Der Zustand des Außenministers sei stabil, sagte Kirby. Er hat zu keinem Zeitpunkt das Bewusstsein verloren. Der 71-Jährige wurde nach dem Unfall mit einem Hubschrauber in die Genfer Uniklinik gebracht. Am Montag sollte er zur weiteren Behandlung in der US-Ostküstenstadt Boston geflogen werden. Kerry werde im Massachusetts General Hospital behandelt, sagte sein Sprecher. In der Klinik hatte sich der Politiker vor einigen Jahren bereits einer Hüft-Operation unterzogen. Kerry hatte am Samstag in Genf Gespräche über das iranische Atomprogramm geführt, die jedoch keinen Durchbruch brachten. Ursprünglich sollten die Verhandlungen zwischen Kerry und seinem iranischen Kollegen Mohammed Jawad Sarif am Sonntag fortgesetzt werden. Diese Fortsetzung wurde bereits vor Kerrys Unfall abgesagt, stattdessen wurden Verhandlungen auf Expertenebene in der kommenden Woche angekündigt. Wegen seiner Verletzung muss Kerry einen für Sonntag und Montag geplanten Aufenthalt in Spanien absagen. In Madrid wollte sich der US-Außenminister unter anderem mit dem spanischen König Felipe VI. und Regierungschef Mariano Rajoy treffen. Auch beim Treffen der internationalen Koalition gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat in Paris wird Kerry fehlen. Der Außenminister werde sich zu den Gesprächen am Dienstag aber zuschalten lassen, sagte sein Sprecher Kirby. Kerry gilt als begeisterter Sportler, immer wieder ist er während seiner Reisen rund um die Welt in Verhandlungspausen auf dem Fahrrad unterwegs. Dafür nimmt er immer sein eigenes Rad mit. Nach Angaben der örtlichen Behörden wollte Kerry am Sonntag den Gebirgspass Col de la Colombiere befahren, den auch die Profiradler bei der Tour de France bezwingen müssen. (APA/AFP, 1.6.2015) Der West Wing des Weißen Hauses in Washington, darunter auch das Pressezentrum, ist am Dienstagabend wegen einer Bombendrohung evakuiert worden. Ein Beamter des Secret Service habe Journalisten gebeten den Raum des Gebäudes zu verlassen. Der Alarm wurde aber wenig später wieder aufgehoben. Die Evakuierung folgte kurz nachdem ein Nebengebäude des US-Kapitols ebenfalls evakuiert und durchsucht wurde. Allerdings wurde in dem Senatsgebäude nichts Verdächtiges gefunden. Die Räumung wurde wieder aufgehoben, die Politiker und Journalisten konnten ihre Plätze in dem Gebäudeteil wieder einnehmen. Milliardär Donald Trump will für die Republikaner ins Weiße Haus einziehen. Welcher Kandidat kann schon im eigenen Wolkenkratzer auf einer Rolltreppe ins Atrium fahren, um vor acht Sternenbannern und sehr viel Marmor zu verkünden, dass er sich um die Präsidentschaft bewirbt? Donald Trump (69) kann das. Und er legt Wert darauf, aller Welt mitzuteilen, war um er es kann. Ich bin wirklich reich. Das ist die Eigenschaft, die Art des Denkens, die du für dieses Land brauchst. Mancher seiner Rivalen wisse ja nicht einmal, wie man einen Saal fülle, lästert er. Oder dass in sommerlicher Hitze die Klimaanlage funktionieren müsse. Wie wolle man den Islamischen Staat besiegen, wenn man nicht einmal solche Sachen hinkriege? Im Trump Tower, einem Skyscraper an der Fifth Avenue, beste Lage in Manhattan, funktionierte die Klimaanlage. Nur bestand die Zuschauermenge größtenteils aus Touristen, die Trumps Werber, kostenlose T-Shirts verteilend, auf der Straße angesprochen hatten. Und dass der Hauptakteur zu Klängen von Neil Youngs Rockin’ in the Free World in die Arena trat, quittierte Neil Young mit einer Protestnote. Erstens habe ihn niemand um Erlaubnis gebeten, zweitens unterstütze er Bernie Sanders, den demokratischen Bewerber, ließ der Rockstar wissen. Es ist nicht das erste Mal, dass Trump zu Beginn einer Präsidentschaftskampagne ins Rampenlicht rückt. 1988 spielte er zum ersten Mal öffentlich mit dem Gedanken an eine Kandidatur, seitdem wiederholt sich dieses Spektakel mit schönster Regelmäßigkeit. Der Mann ist nicht nur ein erfolgreicher Bauunternehmer, der sein Nettovermögen mit 8,7 Milliarden Dollar (7,7 Milliarden Euro) angibt, während das Magazin Forbes es zuletzt nur halb so hoch schätzte. Er ist auch ein schillernder Entertainer, der in der Sendung The Apprentice pfiffige Manager sucht, während er vermeintlich ungeeignete Lehrlinge resolut feuert. Seine Spezialität sind flotte Sprüche, pralles Ego mit simpler Weltsicht kombiniert. Unter einem Präsidenten Trump, dem größten Präsidenten, den Gott je erschuf, sagt er, werde man den aufstrebenden Konkurrenten China schon in die Knie zwingen. Momentan seien die chinesischen Politiker ja schlauer als die amerikanischen. Als würden die New England Patriots mit Tom Brady gegen euer Highschool-Football-Team spielen. Und illegale Einwanderer aus Mexiko? Da helfe nur, eine große, große Mauer zu bauen – und die Mexikaner die Rechnung bezahlen zu lassen. Sollte der Oberste Gerichtshof Obamacare für verfassungswidrig erklären, wären Millionen ohne Krankenversicherung. Für Lourdes Alcaniz wäre es das jähe Ende eines kurzen Kapitels relativer Sicherheit. Ihren Lebensunterhalt verdient die alleinerziehende Mutter von vier Kindern, indem sie Bücher schreibt und Radiosender und Fernsehstationen mit Geschichten beliefert. An eine Krankenversicherung war jahrelang nicht zu denken: Da Lourdes Alcaniz nicht angestellt war, hätte sie diese komplett aus eigener Tasche bezahlen müssen – nicht zu stemmen, zumal die Versicherungskonzerne bei Freiberuflern oft besonders hohe Beträge berechnen. Die Rettung kam in Form von Obamacare, der Gesundheitsreform des Präsidenten Barack Obama, die ein breitgefächertes System staatlicher Subventionen einführte, je nachdem, wie hoch der Jahresverdienst ausfällt. Lourdes Alcaniz erhält pro Monat 240 Dollar, um ihre Polizze bezahlen zu können. Fiele die Hilfe weg, wäre sie wieder am Ausgangspunkt: Selbst die billigste Versicherung mit dem größten Selbstbehalt wäre für die 53-Jährige zu teuer. Ob die Beihilfen verfassungskonform sind, darüber hat – noch im Juni – der Oberste Gerichtshof in Washington zu befinden. Es ist ein Urteil von enormer Tragweite, ein Urteil, das womöglich darüber entscheidet, ob Obamas wichtigstes innenpolitisches Projekt auf lange Sicht zu einer Erfolgsstory wird oder aber in die Schieflage gerät. Erklärt eine Mehrheit der neun Richter die Stützen für verfassungswidrig, müssten bis dato subventionierte Kunden nach Schätzungen der Kaiser Family Foundation in Zukunft durchschnittlich 287 Prozent mehr hinblättern. Damit schieden wohl rund 6,4 Millionen Menschen aus dem System aus. Es wäre mehr als ein Drittel derer, die sich den Schutz erst mit dem Affordable Care Act (ACA) leisten konnten. Es bedeutete die Umkehr eines Trends, den das Weiße Haus in aller Regel als ersten Posten seiner Erfolgsbilanz nennt. Waren 2013 noch 18 Prozent aller Amerikaner nicht krankenversichert, was angesichts exorbitanter Kosten in Kliniken und Arztpraxen schnell im finanziellen Ruin enden kann, falls man ernsthaft erkrankt, so sind es heute nur noch knapp zwölf Prozent. Der Teufel steckt im (semantischen) Detail. Ganze vier Worte der ACA-Novelle lassen Obamas konservative Gegner ein zweites Mal zur Attacke blasen, nachdem der Supreme Court vor drei Jahren einen Generalangriff abgeschmettert und das Gesetzeswerk als solches für verfassungskonform erklärt hatte. Online-Börsen, an denen Interessenten nicht nur nach dem günstigsten Angebot suchen, sondern auch abhängig vom Einkommen Subventionen beantragen können, sind durch den Staat zu organisieren, heißt es im Text. Während das Oval Office darauf beharrt, mit der Formulierung sei das Staatswesen als großes Ganzes gemeint, legen republikanische Kritiker Widerspruch ein. In ihren Augen befinden sich solche Handelsplattformen nur dann im Einklang mit dem Gesetz, wenn die einzelnen Bundesstaaten – und nicht der Bund – das Zepter in der Hand haben. Ergo, argumentieren sie, dürfen Zuschüsse nur in jenen Staaten fließen, die ihre eigene Gesundheitsbörse installiert haben. Aktuell sind es gerade mal 16 Staaten, darunter Schwergewichte wie Kalifornien und New York. 36, darunter so bevölkerungsreiche wie Texas und Florida, haben auf den Aufbau solcher Marktplätze verzichtet, sodass die Föderation einspringen musste. In den meisten regieren republikanische Gouverneure, die der Reform mit Skepsis begegnen. Dass sie auf einmal in eigener Regie in die Subventionstöpfe greifen, gilt eher als unwahrscheinlich. Supreme Court: Staatliche Beihilfen für Versicherte durch Gesetzestext gedeckt. Washington – Die umstrittene Gesundheitsreform von US-Präsident Barack Obama hat eine weitere Prüfung durch den Obersten Gerichtshof überstanden. Der Supreme Court entschied am Donnerstag mit sechs zu drei Stimmen, dass die staatlichen Beihilfen für Versicherte durch den Gesetzestext gedeckt seien. In dem Fall standen Steuervergünstigungen für Millionen von Versicherten und damit das Schicksal der kompletten Reform auf dem Spiel. Präsident Barack Obama erklärte, sein wichtigstes innenpolitisches Projekt sei dauerhaft im Recht verankert. Dieses Gesetz funktioniert, und es wird dies weiter tun, sagte Obama am Donnerstag im Garten des Weißen Hauses. Nach mehr als 50 gescheiterten Abstimmungen gegen Obamacare im Kongress, nach einem Präsidentschaftswahlkampf mit diesem Streitthema und nach mehreren Klagen vor dem Supreme Court sei der Affordable Care Act hier, um zu bleiben. Die von einem konservativen Politikinstitut unterstützte Klage von vier Bürgern aus dem Bundesstaat Virginia richtete sich gegen eine unklare Formulierung des Obamacare-Gesetzes zu staatlichen Beihilfen. Der Passage zufolge sind Bürger förderungsberechtigt, wenn sie ihre Police über die von den Bundesstaaten eingerichteten Versicherungsmarktplätze abgeschlossen haben. Das Onlineportal healthcare.gov der Bundesregierung wird dagegen nicht ausdrücklich erwähnt. Die Kläger argumentierten daher, dass bei Versicherungsabschlüssen über healthcare.gov keine staatliche Förderung fließen dürfe. Nur 16 Bundesstaaten haben eigene Versicherungsbörsen geschaffen. Der Supreme Court bestätigte nun die landesweiten staatlichen Beihilfen. Vor drei Jahren hatten die Obersten Richter bereits die der Reform zugrunde liegende Versicherungspflicht für alle Bürger für verfassungskonform erklärt. Der 2010 verabschiedete Affordable Care Act ermöglichte nach Angaben des Weißen Hauses mehr als 16 Millionen unversicherten Menschen über verschiedene Maßnahmen den Zugang zu einer Krankenversicherung. Aktien von Krankenhausbetreibern legten an der Börse in New York nach dem Urteil deutlich zu. Auch Anteilscheine von Krankenversicherern waren gefragt. (APA, 25.6.2015) Verwendete Giftmischung verstoße nicht gegen Verfassung. Washington – Der Oberste Gerichtshof in den USA hat den Einsatz von Giftspritzen gebilligt. In der am Montag verkündeten Entscheidung erklärten die fünf konservativen Richter am Supreme Court, dass die verwendete Giftmischung für die klagenden Todeskandidaten kein substanzielles Risiko schwerer Schmerzen darstelle. Die vier linksliberalen Richter konnten sich mit ihren Bedenken nicht durchsetzen. Der Supreme Court hatte im Jänner die Vollstreckung von drei Todesurteilen im Bundesstaat Oklahoma ausgesetzt. Das Gericht reagierte damit auf Einsprüche gegen die vorgesehene Giftmischung, die nach Ansicht der Todeskandidaten gegen das verfassungsrechtliche Verbot grausamer Bestrafung verstößt. Konkret ging es um das Beruhigungsmittel Midazolam, das die Todeskandidaten zunächst betäuben soll, ehe hochgiftige Drogen zum Herzstillstand führen. Midazolam kam unter anderem bei der Hinrichtung von Clayton Lockett zum Einsatz, der vor einem Jahr nach 43-minütigem Todeskampf gestorben war. Die Todesstrafe ist in 31 der 50 US-Staaten sowie auf Bundesebene erlaubt, die Zahl der Hinrichtungen geht seit Jahren aber beständig zurück. Bundesstaaten mit Todesstrafe griffen zuletzt immer wieder auf kaum erprobte Mischungen zurück, weil sich europäische Pharmafirmen weigern, das zuvor eingesetzte Betäubungsmittel Pentobarbital zu liefern. Das aktuelle Strategiepapier definiert Russland, den Iran, Nordkorea und China als Gefahr für die nationale Sicherheit. Das aktuelle Sicherheitsumfeld ist so unvorhersehbar wie nie zuvor in meinen 40 Dienstjahren: Mit diesem Satz beginnt Martin Dempsey, Generalstabschef der US-Armee, das Vorwort der am Mittwoch veröffentlichten National Military Strategy der USA. Dieser Strategiebericht beschreibt, in welchem strategischen Umfeld die USA agieren und wo deren nationale Interessen bedroht oder zumindest herausgefordert werden könnten. Die Strategie beruht auf der National Security Strategy, die im Februar veröffentlicht wurde. Dempsey schreibt, dass die militärische Unsicherheit seit dem letzten militärischen Strategiebericht im Jahr 2011 massiv zugenommen habe, während zugleich die militärische Vormachtstellung der USA erodiere. Das US-Militär agiere in einem Umfeld, das aus verschiedenen gleichzeitig vorhandenen Sicherheitsbedrohungen bestehe. Sowohl staatliche Akteure als auch Terrornetzwerke würden Vorteile aus dem raschen technologischen Wandel ziehen. Zukünftige Konflikte würden schneller entstehen, länger dauern und technisch aufwendiger sein. Dempsey fordert, dass dem Militär ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung gestellt werden, um diesen Bedrohungsszenarien entgegentreten zu können. Obwohl Staaten weiterhin die dominanten Akteure des internationalen Systems bleiben, sieht der Bericht auch gewalttätige extremistische Organisationen wie Al-Kaida und den Islamischen Staat im Irak und Syrien als Sicherheitsbedrohungen für die USA. Als Staaten, von denen eine Bedrohung für die USA ausgehen könnten, zählt der Bericht Russland, den Iran, Nordkorea und auch China auf. Russland würde die Souveränität seiner Nachbarstaaten nicht respektieren. Der Iran würde trotz mehrfacher Aufforderungen der Vereinten Nationen weiter am Ausbau seiner Nuklear- und Raketentechnologie arbeiten, terroristische Organisationen unterstützen und damit zur Instabilität einer gesamten Region beitragen. Nordkoreas Streben nach Nuklear- und Raketentechnologie wird ebenfalls als Bedrohung für Japan und Südkorea und in weiterer Folge für die USA eingestuft. China wird zwar als Partner in internationalen Angelegenheiten gesehen, allerdings würden die Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer Internationalem Recht widersprechen und so zu Spannungen in der Region beitragen. Das US-Militär müsse auf diese Herausforderungen durch Staaten und extremistische Organisationen reagieren, fordert der Bericht. Ein globales Engagement sei dafür nötig. Und obwohl die extremistischen Netzwerke nicht aus dem Fokus geraten sollen, müsse das US-Militär in Zukunft größere Aufmerksamkeit auf staatliche Akteure legen. Russland hat sich am Donnerstag bereits zu dieser Einstufung der USA als Bedrohung geäußert. Diese neue Strategie wäre konfrontativ, sagte Dmitry Peskov, ein Sprecher des Kremlin. Die Verwendung einer solchen Sprache würde auf eine konfrontative Strategie und auf das Fehlen von Objektivität gegenüber unserem Land hindeuten, sagte Peskov. Diese Vorgehensweise der USA würde kaum dazu beitragen, die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern wieder zu normalisieren. 'Atomphysik, Diplomatie und Monty Python. Dass die Atomverhandlungen mit dem Iran überhaupt so weit gekommen sind und dass bisher immer wieder über Fristen hinaus verhandelt werden konnte, ist zu einem gewissen Teil auch das Verdienst eines amerikanischen Physikers, den es in die Politik verschlagen hat: Ernest J. Moniz. Für den Guardianverkörpert der 70-Jährige die Symbiose von Wissenschaft und Politik sogar so gut, dass er von ihm als role model (Vorbild) schwärmt. Ohne den akademisch ausgewiesenen Energieminister, den Präsident Barack Obama 2013 in sein Team holte, wäre der Verhandlungsweg womöglich schon verlassen worden: Es war Moniz, der gemeinsam mit seinem direkten Gegenüber – dem Chef der iranischen Atomenergiebehörde Ali Akbar Salehi – eingefahrene Positionen verließ und kreative technische Lösungen fand, die die Diplomaten, Minister und Staatschefs wieder in die Gänge kommen ließen. Das Verhältnis zwischen Moniz und Salehi kann über den Verhandlungstisch hinweg als persönlich-vertrauensvoll bezeichnet werden: Die beiden kennen sich noch gut aus den 1980er-Jahren, in denen der Amerikaner – Sohn portugiesischer Einwanderer von den Azoren – Professor am Massachusetts Institute of Technology (MIT) war und der junge Salehi dort studierte. Seinen ersten Ausflug in die Politik absolvierte Moniz von 1995 bis 2001 unter Bill Clinton. 1998 stand er als Energiestaatssekretär in der Schusslinie: Die Behörde war in Erklärungsnot, weil es wegen defekter Atommülltanks in der stillgelegten Plutoniumfabrik Hanford jahrelang zu Strahlungsemissionen gekommen war. 2001 kehrte Moniz – der ein Faible für Opern, Fliegenfischen und die Komikertruppe Monty Python hat – an das MIT zurück, wo er Schwerpunkte in interdisziplinärer Forschung setzte Foto der staubbedeckten jungen Frau vom September 2001 wurde nach den Terroranschlägen auf das World Trade Center in New York weltbekannt. Washington – Marcy Borders, die als Staubfrau von 9/11 bekannt wurde, ist an den Folgen einer Krebserkrankung gestorben. Das Foto, das sie kurz vor dem Einsturz des Südturms staubbedeckt vor dem World Trade Center zeigt, war um die Welt gegangen. Am Montag überbrachte ihr Bruder die Todesnachricht auf seiner Facebook-Seite. Ich kann nicht glauben, dass meine Schwester tot ist, schrieb Michael Borders dort. Sie war 42 Jahre alt. Laut US-Medienberichten war bei der zweifachen Mutter aus Bayonne im Staat New Jersey vor einem Jahr Magenkrebs diagnostiziert worden. Borders habe ihre Krankheit auf die Terroranschläge am 11. September 2001 zurückgeführt, hieß es. Sie habe nach den Anschlägen an Depressionen gelitten und mit Alkohol- und Medikamentenabhängigkeit gekämpft. 2011 habe sie eine Reha-Kur gemacht und sei seitdem trocken gewesen. Borders arbeitete 2001 als Sekretärin bei der Bank von Amerika in New York und konnte sich aus dem 81. Stock des Nordturms retten, während der Südturm des World Trade Centers einstürzte. Der Tod von Marcy Borders ist eine schwierige Erinnerung an die Tragödie, die unsere Stadt vor fast 14 Jahren erschütterte. Die Stadt New York ist in Gedanken bei ihren Angehörigen, schrieb der New Yorker Bürgermeister Bill de Blasio auf Twitter. Erfolg gegen Extremisten aufgebauscht – Pentagon ermittelt. Washington – US-Militärs haben womöglich Geheimdienstberichte frisiert, um den Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) erfolgreicher darzustellen. Das Pentagon habe nach entsprechenden Vorwürfen Ermittlungen aufgenommen, berichtete die New York Times am Mittwoch unter Berufung auf Regierungsvertreter. Mindestens ein ziviler Mitarbeiter des Militärgeheimdienstes sagte demnach aus, er habe Beweise dafür, dass beim US-Militärkommando Centcom Geheimdienstanalysen für Präsident Barack Obama und andere Regierungsmitglieder unzulässig überarbeitet worden seien. Der Generalinspekteur des US-Verteidigungsministers habe sich der Sache angenommen, berichtete die Zeitung weiter. Sollte sich der Verdacht bestätigen, könnte das die unterschiedlichen öffentlichen Einschätzungen über Fortschritte im Kampf gegen den IS erklären. Eine US-geführte Allianz begann vor einem Jahr mit Luftangriffen auf IS-Stellungen im Irak, später wurden auch Ziele in Syrien angegriffen. Den irakischen Sicherheitskräften und verbündeten Milizen gelang es seitdem zwar, einige Gebiete von den Extremisten zurückzuerobern, darunter aber keine einzige größere Stadt wie Ramadi oder Mossul. Tatsächlich stellten US-Geheimdienste laut New York Times kürzlich fest, dass der IS seit dem Start der Luftangriffe kaum geschwächt wurde. Deutscher Ex-Kanzlerberater: "Die Amerikaner haben damals gesagt, alle Optionen lägen auf dem Tisch". Berlin – Als Reaktion auf die Terrorserie vom 11. September 2001 sollen die USA nach Angaben des früheren deutschen Kanzlerberaters Michael Steiner auch einen Atomschlag gegen Afghanistan erwogen haben. Die Amerikaner haben damals gesagt, alle Optionen lägen auf dem Tisch, sagte der damalige Außenexperte von Kanzler Gerhard Schröder auf eine entsprechende Frage dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel. Bei einem Besuch bei der damaligen Sicherheitsberaterin des US-Präsidenten, Condoleezza Rice, habe er kurz darauf bemerkt, dass das mehr als eine Redewendung war: Sie hatten wirklich alle Möglichkeiten durchgespielt. Die Papiere waren geschrieben. Stattdessen begannen dann im Oktober 2001 Militäreinsätze mit konventionellen Waffen. Im US-Senat verpassten die Republikaner bereits im ersten Anlauf die benötigte Mehrheit, US-Präsident Obama feiert das als historischen Schritt. Washington – US-Präsident Barack Obama hat die abgewendete Blockade des Iran-Atomabkommens im Kongress als historischen Schritt gefeiert. Diese Abstimmung ist ein Sieg für die Diplomatie, für die amerikanische nationale Sicherheit und für den Schutz und die Sicherheit in der Welt, teilte Obama am Donnerstag mit. Fast zwei Jahre hätten die USA mit dem Iran verhandelt, um das Land vom Bau von Atombomben abzuhalten. Die Debatte nach der internationalen Vereinbarung mit dem Iran rund um dessen Nuklearprogramm sei die folgenreichste Debatte über nationale Sicherheit seit der Irak-Invasion im Jahr 2003 gewesen. Im Senat ist die Blockade des umstrittenen Atomabkommens mit dem Iran damit bereits im ersten Anlauf gescheitert. Die Republikaner verpassten am Donnerstag die benötigte Mehrheit für den Gesetzentwurf, der die internationale Vereinbarung mit Teheran ablehnen sollte. Die Parlamentskammer stimmte knapp mit 58 zu 42 Stimmen gegen das Vorhaben, nötig waren 60 Stimmen. Präsident Barack Obama hatte sich in den vergangenen Wochen bereits die entsprechenden Stimmen seiner demokratischen Parteikollegen gesichert. Nach der Vereinbarung der fünf UN-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran hat der Kongress, der sich in dem jahrelangen Streit ein gesetzliches Mitspracherecht gesichert hatte, noch bis zum 17. September Zeit, es zu kippen. Nach der Abstimmung im Senat vom Donnerstag scheint jedoch ausgeschlossen, dass etwa ein weiterer Anlauf der Republikaner aus dem Abgeordnetenhaus Erfolg haben könnte. In der Vereinbarung hatten sich die Verhandlungspartner darauf geeinigt, dass der Iran seine zur Uran-Anreicherung nötigen Zentrifugen für die nächsten zehn Jahre deutlich verringert und auch die Uran-Bestände drastisch reduziert werden. Außerdem bekommen die Kontrolleure der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) intensiven Zugang zu allen Atomanlagen des Landes. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben. In Afghanistan geflohenem und von Taliban entführtem Soldaten drohen Militärgericht und lebenslange Haft. San Antonio, Texas – Der US-Soldat Bowe Bergdahl, der mit seiner Flucht aus einem Stützpunkt in der südostafghanischen Provinz Paktika eine monatelange Suchaktion ausgelöst hatte, muss sich möglicherweise vor einem Militärgericht verantworten. Falls er verurteilt wird, droht ihm eine lebenslange Haftstrafe. In dem am Freitag begonnenen Vorverfahren erklärte Generalmajor Kenneth Dahl, der die Ermittlungen leitet und den Soldaten mehrmals verhört hat, dass Bergdahl keinesfalls geplant habe, zu den Taliban überzulaufen, als er am Abend des 30. Juni 2009 den Beobachtungsposten Mest-Lalak verließ. Er habe vorgehabt, in der Nacht den 30 Kilometer langen Fußmarsch zu einem anderen Stützpunkt zu absolvieren, um dort höherrangigen Offizieren über Probleme bei seiner Einheit zu berichten. Bergdahl sei im ländlichen Idaho aufgewachsen und habe Probleme, Beziehungen zu seinen Mitmenschen aufzubauen, so der Ermittler. Dahl zufolge habe der mutmaßliche Deserteur zahlreiche Aussagen seiner Kameraden und Vorgesetzten wörtlich genommen, die nicht so gemeint gewesen wären: So hätte in der Grundausbildung ein Offizier gesagt, er liebe es, so wie alle Soldaten, zu brandschatzen und zu plündern, worüber sich der Soldat empört habe. Als sein Vorgesetzter in Afghanistan sich darüber aufregte, dass nicht alle Soldaten der Einheit vorschriftsmäßig gekleidet seien, und im Zorn gegen am Boden liegende Steine trat, habe Bergdahl angenommen, dieser schände gerade ein muslimisches Grab. Seine Kameraden hätten mit Verwunderung auf diese Annahme reagiert, so Dahl. Auf dem Weg zum nächsten Stützpunkt wurde Bergdahl schließlich von Mitgliedern der mit den Taliban verbündeten Haqqani-Gruppe gefangengenommen. Diese brachten ihn umgehend nach Pakistan. In Gefangenschaft wurde er gefoltert, laut den Ermittlern schlugen ihn seine Entführer mit Kabeln und Gummischläuchen. Nach einem missglückten Fluchtversuch, bei dem er fast neun Tage lang durch die Landschaft irrte, sperrten ihn seine Entführer in einen Käfig, der kaum hoch genug war, um darin zu stehen. Dort verbrachte er den Großteil der folgenden dreieinhalb Jahre seiner Gefangenschaft. Außerdem litt er die meiste Zeit an heftigem Durchfall, sagte Verteidigungszeuge Terrence Russell, der sich beruflich mit der Suche nach vermissten Soldaten beschäftigt. Während Bergdahls Gefangenschaft lief in Afghanistan eine großangelegte Suchaktion nach dem Verschwundenen an. Berichte, dass bei dieser bis zu sechs US-Soldaten ums Leben gekommen seien, konnten nicht bestätigt werden, sagte Dahl aus. Allerdings hätten die eilig geplanten Suchmissionen andere Operationen verunmöglicht und so die Sicherheitslage verschlechtert. Am 31. Mai 2014 tauschte die US-Regierung Bergdahl dann gegen fünf im Internierungslager Guantánamo festgehaltene mutmaßliche Taliban-Kämpfer ein. Der mittlerweile 29 Jahre alte Soldat wurde umgehend über Deutschland in die USA ausgeflogen, seit Mitte Juni des Vorjahres laufen die Ermittlungen gegen ihn. Nach Druck vom rechten Flügel der Partei – Boehner leitet seit 2007 die republikanische Fraktion im Repräsentantenhaus. Nachdem er den Papst verabschiedet hatte, lachte er noch, als ihn Journalisten nach Rücktrittsgedanken fragten. Er habe den Heiligen Vater zu einer Rede vor dem Kongress bewegen können und damit alles erreicht, was er erreichen wollte, sagte John Boehner. Wie gerührt er war, konnte man sehen, als Franziskus sprach und er im Sessel des Speakers direkt hinter ihm saß, bisweilen zum Taschentuch greifend, um Tränen wegzuwischen. Dass sich der Katholik aus Ohio mit der päpstlichen Visite einen Lebenstraum erfüllte, veranlasste Reporter prompt zu der Frage, ob dies vielleicht bedeute, dass er nun seinen Hut nehme. Das war am Donnerstag, und am Freitag wurde tatsächlich wahr, worüber man zunächst nur gescherzt hatte. Er fühle sich gut, sagte er zu seinem Rücktrittsentschluss – und zu einem möglichen Nachfolger befragt, meinte er, Kevin McCarthy wäre eine exzellente Wahl. Der 50-Jährige ist Fraktionschef der Republikaner in der Kongresskammer. Ende Oktober räumt Boehner den Posten des Speakers, des Vorsitzenden des amerikanischen Repräsentantenhauses. Es ist ein Paukenschlag, aber einer mit Ansage. Denn das Eis, auf dem sich der 65-Jährige bewegte, ein Konservativer alter Schule, wurde mit der Zeit immer dünner. Immer weniger hatte er die Rebellen in der eigenen Partei unter Kontrolle. Jüngere Republikaner, mit der Tea-Party-Welle ins Parlament gekommen, halten den alten Hasen seit langem für zu kompromissbereit. Der Geist der Revolte gegen das politische Establishment, wie er die Seiteneinsteiger Donald Trump, Carly Fiorina und Ben Carson beim Kandidatenausscheid der Konservativen den Ton angeben lässt, weht auch durch die Legislative. Im Ringen um staatliche Zuschüsse für Planned Parenthood, eine Organisation, die für Frauen in Not Abtreibungen vermittelt, zeigte sich Boehner zuletzt nicht bereit, einen härteren Kurs zu fahren. Einen Shutdown, eine Teilschließung der Bundesbehörden, will er nach der Blamage des Shutdown-Herbstes 2013 nicht noch einmal riskieren. Anders die Hardliner, die eine neuerliche Machtprobe mit dem Kabinett Barack Obamas regelrecht vom Zaun zu brechen versuchen. Die Ironie der Geschichte besteht darin, dass Boehner – den Obama am Freitag als guten Mann und Patrioten würdigte – einst selbst auf der Tea-Party-Welle surfte, um es auf den Spitzenposten des Parlaments zu schaffen. Im November 2010 – die um sich greifende Angst vor einer Schuldenlawine ließ Radikalsparer im Aufwind segeln – holten sich die Republikaner die Mehrheit im Abgeordnetenhaus zurück. Boehner, der Strippenzieher aus der konservativen Mitte, war im Zenit seiner Macht angelangt, er hatte seinen Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen gekrönt. Als Kind, eines von zwölf Geschwistern, spülte er in der Kneipe seines Vaters Geschirr. Sein Studium finanzierte er sich, indem er nachts die Fußböden einer Pharmafabrik wischte. Später machte er als Manager Karriere und wechselte von den Demokraten zu den Republikanern, weil die niedrigere Steuern versprachen. Im Sommer 2011, da stand Uncle Sam im Poker um die Schuldenobergrenze kurz vor der Bankrotterklärung, bastelte er mit Obama an einem Deal, der Steuererhöhungen und Ausgabenkürzungen auf zehn Jahre hinaus so kombinieren sollte, dass dem Land weitere fiskalische Gratwanderungen erspart blieben. Weit kam er nicht: Die Jungtürken der konservativen Rebellenbewegung zogen ihm die Beine so gründlich weg, dass sich Boehner nie wirklich davon erholte. (Frank Herrmann, 25.9.2015) Ellis Island steht für die aufgeklärte Willkommenskultur – In Wahrheit herrschte dort ein Kontrollregime. Allein schon die Anfahrt! Unter einem postkartenblauen Himmel gleitet das Schiff über die Wellen, drosselt das Tempo, kreist um die Freiheitsstatue, damit man sie von allen Seiten betrachten kann, die Lady Liberty mit Strahlenkrone und hoch erhobener Fackel. Dann weiter, es dauert nur ein paar Minuten, nach Ellis Island. Vom Wahrzeichen der offenen Tore Amerikas zum Pförtnerhäuschen der Neuen Welt, wie die Insel in der Mündungsbucht des Hudson auch genannt wurde. Was für ein Kontrast! Fred Voss balanciert über Trümmer, er führt durch die Ruinen eines Krankenhauses. Fenster ohne Scheiben. Bröckelnder Putz. Aufgequollene Dielen. Waschbecken, an denen sich seit Jahrzehnten keiner mehr wusch. Die Klinik zu renovieren, das dauert. Save Ellis Island, eine Bürgerinitiative, der auch Voss als Freiwilliger angehört, sammelt Geld dafür. Aber noch ist eine Hälfte der Insel Ruinenlandschaft. Als der Hurrikan Sandy vor drei Jahren eine Sturmflut auslöste und das Wasser stellenweise zwei Meter hoch stand, mussten sie erst mal aufräumen, bevor an Aufbauarbeiten zu denken war. Aufgepasst, drüben ist neulich ein Teil der Decke heruntergekommen, warnt Voss. Am Ende leerer Korridore taucht hier und da ein großflächiges Schwarz-Weiß-Foto auf. Seit ein paar Monaten nutzt der französische Street-Art-Künstler JR den morbiden Charme des Verfalls, um daran zu erinnern, wie sie aussahen, die Menschen, die mit ihren klobigen Seekisten hier landeten. Sie legten Wert auf ihre Würde. JR zeigt ganze Familien im Sonntagsstaat, Männer mit schnurdünnen Krawatten, Frauen mit Broschen am Revers ihrer Mäntel. Eigentlich ist Ellis Island ja ein Nationalheiligtum. Es steht auf einer Stufe mit Plymouth Rock, dem Felsen in Massachusetts, wo 1620 die Pilgerväter der Mayflower an Land gegangen sein sollen. Der Schrein einer Einwanderernation, nur eben einer, der in den 1980er-Jahren, als man sich der vergessenen Insel zu erinnern begann, doch ziemlich verklärt worden ist zu einem Ort aufgeklärtester Willkommenskultur. In Wahrheit verband sich mit dem Namen Ellis Island ein Kontrollregime, das mal mehr, mal weniger strikt gehandhabt wurde. Über zwölf Millionen Menschen standen von 1892 bis 1924 Schlange in der Great Hall, der Haupthalle. Allesamt Schiffspassagiere, die die ermüdende Atlantikpassage in quälender Enge auf den Zwischendecks der Ozeandampfer verbracht hatten. Wer sich erste oder zweite Klasse leisten konnte, durfte am Übersee-Kai Manhattans von Bord gehen. Die anderen wurden auf Barkassen nach Ellis Island gebracht. Die Erste war, am 1. Jänner 1892, Annie Moore, eine Fünfzehnjährige aus Irland. Der Überlieferung nach soll ihr ein kräftiger Landsmann namens Mike Tierney zu der Ehre verholfen haben, indem er einen Österreicher, der am Landungssteg noch an vorderster Stelle stand, kurzerhand am Kragen packte und ihn mit den Worten Ladies first! zwang, dem Mädchen den Vortritt zu lassen. Wie sich Phasen relativ offener Arme mit restriktiveren abwechselten, diese Geschichte lässt sich schon am Beispiel zweier Direktoren erzählen. Der erste, John Baptiste Weber, ein früherer Kongressabgeordneter aus Buffalo, stand ebenso symbolisch für eine großzügige Auslegung der Paragrafen, wie sein Nachfolger William Williams für eine engere stand. Bevor er den Posten übernahm, war Weber mit dem Arzt Walter Kempster quer durch Europa gereist, von Liverpool über Antwerpen, Amsterdam und Berlin nach Moskau, Minsk, Wilna, Bialystok, Warschau und Budapest bis nach Wien, um die Motive von Auswanderungswilligen zu erkunden. Die meisten, schlussfolgerten beide 1892 in einem Bericht, wollten Europa in dem Glauben verlassen, dass die Vereinigten Staaten bessere Chancen bieten, um ein Leben auf höherem Niveau zu führen, als es in ihrer Heimat möglich ist. Die Übel der Einwanderung seien teils reine Fiktion, teils würden sie grotesk übertrieben, schrieben Weber und Kempster. Die Amerikaner mögen einen Migranten nicht danach beurteilen, in welchem Zustand er sich im Augenblick seiner Ankunft befinde. Ein Mensch, der durch Missgeschick oder Verfolgung seines Vermögens beraubt wird, der Raub und Plünderung ausgesetzt war, während er vor Lasten floh, die untragbar geworden waren, ... ist nach unserer Definition kein Almosenempfänger. Der Direktor Weber jedenfalls wusste sich im Einvernehmen mit Theodore Roosevelt, dem Präsidenten, der einer Gleichbehandlung aller, unabhängig von Herkunft oder Religion, das Wort redete: Ob jemand Katholik, Protestant oder Jude sei, ob er aus England oder Deutschland, Russland oder Japan stamme, es spielt nicht die geringste Rolle. Ab 1910, im Weißen Haus war Roosevelt von William Taft abgelöst worden, pochte Williams, der neue Commissioner of Immigration, unnachgiebig auf die Regel, nach der man 25 Dol- lar besitzen musste, als Beleg, für sich sel- ber sorgen zu können. Zudem bevorzugte Williams Angelsachsen und Nordeuropäer, während er Italiener, Griechen und Juden aus Osteuropa diskriminierte. Erstere seien robuste Typen, verwandt mit den Pionieren der Besiedlung, wogegen Letztere, physisch oft schwach, häufig Krankheiten einschleppten. Es liegt auf der Hand, beim Populismus eines William Willams an John Steinbeck zu denken, den Schriftsteller, der die Realität jenseits aller Verklärungen schilderte. Von Anfang an, schrieb Steinbeck in Amerika und die Amerikaner, habe das Land seine neuen Minderheiten scheußlich behandelt, etwa so, wie ältere Jungen in der Schule es mit den Neueingetretenen tun. Um das Triebwerk der Unterdrückung und des Sadismus in Gang zu setzen, habe es genügt, dass die Neuankömmlinge demütig, arm, nicht sehr zahlreich und schutzlos waren, besonders dann, wenn ihre Haut, ihre Augen und Haare anders aussahen und wenn sie eine andere als die englische Sprache benutzten oder in einer nichtprotestantischen Kirche beteten. Die Pilgerväter eiferten gegen die Katholiken, und beide zusammen fielen über die Juden her. Auch die Iren mussten zum Spießrutenlauf antreten, nach ihnen die Deutschen, die Polen, die Slowaken, die Italiener, die Inder, Chinesen, Japaner, Filipinos und Mexikaner. Das Geplänkel gegen jede Gruppe habe so lange angedauert, bis sie stark, zahlungs- und widerstandsfähig und wirtschaftlich unabhängig wurde – worauf sie sich mit den ältesten Schülern zusammentat, um die jüngsten zu verfolgen. 1954, als kaum noch Migranten auf Schiffen über den Atlantik fuhren, versank auch das Spital im Dornröschenschlaf. Ellis Island geriet in Vergessenheit, ehe Privatleute Millionen spendeten, damit wenigstens die Haupthalle restauriert werden konnte. In dem backsteinroten Gebäude, das mit seinen vier Türmen entfernt an den Londoner Tower erinnert, ist seit 1990 ein Museum untergebracht. Ein Museum, das zum Beispiel die Odyssee von Gemma Zitello erzählt, der ältesten Tochter Salvatore Zitellos. Nachdem ihr Vater einen Job in den Stahlwerken von Youngstown, Ohio, gefunden hatte und die Familie nachholen konnte, kam die Neunzehnjährige mit ihrer Mutter Anna und vier jüngeren Geschwistern nach Ellis Island, wo die Behörden sie für geistesschwach erklärten. Sosehr sich Salvatore auch bemühte, für Gemma führte kein Weg nach Ohio. Bald nach der Ankunft im Jänner 1916 starb Dionisis, vier Jahre alt, der einzige Sohn der Zitellos. Im April durfte Anna mit drei Töchtern nach Youngstown reisen, Gemma aber wurde isoliert von ihrer Familie und zurückgeschickt nach Italien, sobald der Erste Weltkrieg beendet war. Amerika wollte keine Pflegefälle, es wollte keine Vorbestraften, keine Analphabeten. Nicht nur, dass uniformierte Beamte in der riesigen Halle Personaldaten erfassten. Manchmal änderten sie Namen, erfanden neue, kürzten Zungenbrecher rigoros ab. Eine der skurrilsten Anekdoten handelt von einem Mann, der die Frage nach seinem Namen auf Jiddisch mit Schon vergessen beantwortete. Fortan hieß er Sean Ferguson. Was sich noch tiefer eingegraben hat ins nationale Gedächtnis, sind die Ärzte, die jeden inspizierten, die Kopfhaut, den Nacken, das Gesicht, die Hände, um Symptome von Krankheiten zu entdecken. Ab 1905 kamen Doktoren hinzu, deren einzige Aufgabe es war, die Augen zu untersuchen. Sehen Sie, wahre Folterinstrumente, sagt Voss und zeigt auf Eisenwerkzeuge, mit denen die Mediziner Lider anhoben, sodass es noch stundenlang schmerzte, um zu sehen, ob jemand am Trachom litt, einer bakteriellen Entzündung des Auges. Die Schnelldiagnose Trachom bedeutete definitiv, nicht einreisen zu dürfen. Hatten die Ärzte Grund zu der Annahme, jemand könnte von einem chronischen Leiden befallen sein, malten sie mit Kreide ein Zeichen auf seine Kleidung. E stand für Eyes, für Probleme mit den Augen. Fast ein Fünftel aller Ankömmlinge siebte man aus, um sie genauer unter die Lupe nehmen zu können. Die Chronik des Inselspitals zählt rund 1,2 Millionen Patienten. Eines will Fred Voss zum Schluss unbedingt zeigen, den Flügel für die unheilbar Kranken. Der Blick geht aufs Wasser, direkt auf die Freiheitsstatue, und man weiß nicht, ob es ein letzter Trost sein sollte oder eher die Idee eines Zynikers war, jemanden seine letzten Tage ausgerechnet mit so herrlicher, symbolträchtiger Aussicht verbringen zu lassen. Wer immer dort lag, bis nach Amerika hat er es nicht geschafft, nicht im juristischen Sinne. Ellis Island war Niemandsland. Der Machtkampf um den Vorsitz im Repräsentantenhaus reißt tiefe Gräben in der Partei auf. Es gab Zeiten, da waren die Republikaner stolz auf das Attribut, die Daddy Party zu sein. Daddy Party, das stand für Wirtschaftsfreundlichkeit und kühles Rechnen, für Strenge und Disziplin, wobei sich die Partei ihrer Fähigkeit rühmte, selbst die heftigsten Flügelkämpfe relativ rasch beenden zu können. Sieger wurden gekürt, Verlierer schickten sich in ihre Niederlage. Hauptsache, man konnte bald wieder regieren. Misst man es an ihrem eigenen Anspruch, dann bieten die amerikanischen Konservativen derzeit ein verblüffendes Bild: Chaos, Aufruhr und dazu der revolutionär klingende Slogan, dass es gegen das Establishment geht. Eine überschaubare Minderheit, etwa 40 von 247 republikanischen Abgeordneten des Repräsentantenhauses, lässt die Wahl des neuen Speakers, des Parlamentsvorsitzenden, zum Nervenspiel werden. Der alte, John Boehner, warf das Handtuch, um sich nicht länger aufreiben zu müssen in den ewigen Machtkämpfen mit den unberechenbaren Tea-Party-Rebellen. Sein gesetzter Nachfolger, der bodenständige, gut vernetzte Kalifornier Kevin McCarthy, machte in letzter Minute einen Rückzieher, weil ihn die Aussicht auf ebendiese Machtproben schreckte. Nun soll Paul Ryan, der führende Haushaltsexperte der Republikaner, in die Bresche springen. Doch so intensiv die Parteigranden um ihn buhlen, so wenig Lust scheint er zu verspüren, sich auf den Schleuderstuhl zu setzen. 2012 der Vizepräsidentschaftskandidat an der Seite Mitt Romneys, will sich Ryan irgendwann, vielleicht 2020, selber ums Oval Office bewerben. Im Dauerclinch mit dem eigenen Kindergarten fürchtet er sich nur zu verschleißen. Ein Verteidigungsexperte namens Mac Thornberry, zwischenzeitlich als Ersatz im Gespräch, ließ schnörkellos wissen, eher werde er Vegetarier als Speaker. Was etwas heißen will bei einem Mann, der auf einer Ranch im ländlichen Texas aufwuchs. Kein Wunder, dass das Bonmot von der Crazy Uncle Party die Runde macht, um die Partei mit dem Elefantenwappen zu charakterisieren. Eine lautstarke Minorität, die alle anderen vor sich hertreibt, erinnert an jenen exzentrischen Onkel, der allem und jedem widerspricht, an allem etwas auszusetzen hat, der mit dem Kopf durch die Wand will, statt auch einmal nachzugeben. Hinter dem Alles oder nichts verbirgt sich aufgestauter Frust, der Frust, das eigene Gewicht nicht richtig in die Washingtoner Waagschale werfen zu können. Einerseits erfreuen sich die Republikaner seit ihrem Erdrutschsieg im November 2014 einer so klaren Mehrheit im Abgeordnetenhaus, wie es sie seit 1929 nicht mehr gab (im Senat fällt sie mit 54 Sitzen nicht ganz so deutlich aus). Andererseits mussten sie in zorniger Ohnmacht zuschauen, wie Barack Obama gerade nach jenem Wahldenkzettel unbeeindruckt, ja, souverän wichtige Pflöcke einschlug. Der Annäherung an Kuba folgte das Atomabkommen mit dem Iran, dem sich die Republikaner geschlossen verweigerten. Die Legislative mögen sie dominieren, in der Gesamtrechnung des Systems der checks and balances aber reicht ihre Macht dann doch nicht aus, um dem Präsidenten Daumenschrauben anlegen zu können. Es ist eine Erkenntnis, auf die die Alles-oder-nichts-Fraktion mit offener Revolte reagiert. Nur dass sich ihre Wut am stärksten nach innen richtet, gegen die Spitzenleute in den eigenen Reihen, jene Country-Club-Politiker, denen sie vorwerfen, vor Obama zu kapitulieren, ihm zumindest nicht hart genug Paroli zu bieten, ergo die eigenen Prinzipien zu verraten. Als Boehner davon abriet, im Streit um das Reizthema Abtreibung einen Shutdown zu riskieren, eine Teilschließung der Regierungsbehörden, waren seine Tage als Speaker gezählt. Im Vorwahlkampf ums Weiße Haus belohnt die Stimmungslage eher die lärmenden Außenseiter, allen voran Donald Trump mit seiner Lust an der provokanten, politisch inkorrekten Zeile. Schwer vorauszusagen, wann sich die Daddy Party wieder auf ihre Traditionen besinnt. Abstimmung in Fraktion am Mittwoch, am Donnerstag im Plenum. Washington – Der Republikaner Paul Ryan kandidiert nun auch offiziell als Präsident des US-Repräsentantenhauses und damit für eine der wichtigsten Positionen in der amerikanischen Innenpolitik. Nach Gesprächen mit vielen Parteikollegen sei er bereit, als Speaker of the House zu kandidieren, schrieb Ryan in einem am Donnerstag veröffentlichten Brief. Ich bin bereit und begierig, unser Speaker zu sein. Der Vorsitzende des mächtigen Haushaltsausschusses hatte seine Kandidatur an Bedingungen geknüpft und gefordert, die Partei, die sowohl im Senat als auch im Repräsentantenhaus die Mehrheit stellt, müsse geeint hinter ihm stehen. Die Wahl wird nötig, weil der amtierende Speaker John Boehner zurücktreten will. Danach zog Kandidat Kevin McCarthy zurück. In einer Fraktionssitzung wollen die Republikaner kommenden Mittwoch über die Personalie abstimmen, am Donnerstag steht die Abstimmung im Abgeordnetenhaus auf dem Programm. Ryan sollte im letzten Präsidentschaftswahlkampf als Vize an der Seite von Mitt Romney eine Brücke zur rechtspopulistischen Tea-Party-Bewegung der Republikaner schlagen. Er wurde 1970 geboren und ist seit 17 Jahren im Kongress, hat sich aber das Image einer frischen Kraft bewahrt. US-Regisseur und andere erinnern in New York an Opfer von Polizeigewalt. New York – Der US-Filmemacher Quentin Tarantino hat an einer Demonstration für eine Polizei- und Justizreform teilgenommen. Der Regisseur von Filmen wie Pulp Fiction und Django Unchained erinnerte am Donnerstag auf dem Times Square in New York zusammen mit Autoren, Geistlichen, Intellektuellen und Schauspielern an Opfer von Polizeigewalt. Bei der Protestaktion wurden die Namen von 250 Männern, Frauen und Kindern vorgelesen, die seit den 90er Jahren durch Polizisten getötet wurden. Unter den von Tarantino verlesenen Namen war der des 18-jährigen Afroamerikaners Michael Brown, der im August 2014 in Ferguson von einem Polizisten erschossen wurde und dessen Tod landesweite Proteste auslöste. Tarantino verlas auch den des zwölfjährigen Schwarzen Tamir Rice, der im November 2014 in Cleveland mit einer Spielzeugpistole hantierte und durch Polizeikugeln getötet wurde. Rund 40 Familien, die einen Angehörigen durch Polizeigewalt verloren haben, waren aus dem ganzen Land angereist, um an der Demonstration teilzunehmen. Diese fand im Rahmen von dreitägigen Protestaktionen in New York statt, bei denen ein Ende von Polizeigewalt und die Reform des Justizsektors gefordert wird. Ex-Außenministerin bei Bewerbung um Präsidentschaftskandidatur der Demokraten weiter im Aufwind. New York/Washington – Die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton hat bei ihrer Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten einen wichtigen Verbündeten gewonnen. Die Gewerkschaft AFSCME mit 1,6 Millionen Mitgliedern sprach sich am Freitag für die frühere First Lady aus. Damit setzt sich die Serie guter Nachrichten für Clinton fort: Umfragen zufolge ging sie aus einer Fernsehdebatte am 13. Oktober unter ihren parteiinternen Mitbewerbern als Siegerin hervor. Zudem stellte Vize-Präsident Joe Biden jüngst klar, dass er nicht in das Rennen um die Nachfolge seines Chefs Barack Obama einsteigen werde. Einer Reuters/Ipsos-Umfrage zufolge wünschen sich 47 Prozent der US-Demokraten Clinton als Kandidatin. Der zweitplatzierte Senator Bernie Sanders aus Vermont kommt auf 31 Prozent. Der "Speaker" ist protokollarisch nach Präsident und Vizepräsident die Nummer drei im Staat. Washington – Der republikanische Kongressabgeordnete Paul Ryan ist neuer Chef des US-Repräsentantenhauses. Die Abgeordneten wählten den 45-jährigen Abgeordneten aus Wisconsin am Donnerstag mit überwältigender Mehrheit zu ihrem neuen Speaker. Ryan tritt die Nachfolge von John Boehner an, der nach vier turbulenten Jahren an der Spitze des Repräsentantenhauses im vergangenen Monat unter dem Druck des erzkonservativen Flügels seiner republikanischen Partei seinen Rücktritt angekündigt hatte. Ryan gewann mit 236 von 247 Stimmen gegen seinen Konkurrenten Daniel Webster. Der Chef des US-Repräsentantenhauses ist protokollarisch nach Präsident und Vizepräsident die Nummer drei im Staat. Als Hüter der Gesetzgebungsagenda in der Kongresskammer kann er Debatten ansetzen und Gesetze zur Abstimmung freigeben. Ryan hatte lange gezögert, nach der Rücktrittserklärung des bisherigen Vorsitzenden Boehner seinen Hut in den Ring zu werfen. Die Republikaner-Fraktion ist schwer kontrollierbar, insbesondere eine Gruppe von 40 erzkonservativen Abgeordneten rebellierte immer wieder gegen die Parteiführung. Generalleutnant: Rückgang im September und Oktober hat nichts mit russischer Militärintervention zu tun. Washington/Damaskus/Bagdad – Die USA und ihre Verbündeten dürften nach Einschätzung des US-Militärs in den kommenden Wochen ihre Luftangriffe auf Stellungen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak verstärken. Es seien wieder mehr Aktivitäten sowohl der Regierungstruppen als auch der Aufständischen am Boden zu beobachten, sagte der Chef des US-Luftwaffenzentralkommandos, Generalleutnant Charles Brown, am Samstag auf einer Konferenz in Dubai. Dies verbessere die Chancen für Angriffe der USA und ihrer Verbündeten auf den IS. Der Rückgang der Luftangriffe im September und Oktober habe nichts mit dem Beginn der russischen Militärintervention in Syrien zu tun, sagte Brown. Eine mit Russland getroffene Vereinbarung zur Vermeidung von Kollisionen von Kampfflugzeugen funktioniere gut. (APA, 7.11.2015) Verteidigungsminister Carter: Modernisierung von Atomwaffen und Investitionen in neue Technologien. Simi Valley – Mit einer Anpassung ihrer Truppenstationierungen wollen die USA nach Angaben von Verteidigungsminister Ashton Carter Russland verstärkt militärisch abschrecken. Die USA modernisieren ihr Atomwaffenarsenal investieren in neue Technologien wie etwa Drohnen und neue Langstrecken-Kampfflieger oder Systeme für elektronische Kriegsführung, so Carter am Samstag. Wir passen unsere operationalen Stellungen und Kontingentpläne an, da wir – selbstständig und mit Verbündeten – daran arbeiten, Russlands Aggression abzuschrecken und dazu beizutragen, die Anfälligkeit unserer Verbündeten und Partner zu verringern, sagte Carter bei einem verteidigungspolitischen Forum in der Ronald Reagan Presidential Library im kalifornischen Simi Valley. Sein Land überarbeite seine Abschreckungs- und Verteidigungsstrategie angesichts des veränderten russischen Verhaltens, sagte Carter. Auch auf anderen Feldern seien die USA aktiv. Dazu gehörten Informationskampagnen, um sicherzustellen, dass die Wahrheit durchdringt, sowie gezielte Sanktionen gegen Russland. Die Beziehungen zwischen Washington und Moskau sind derzeit angespannt, insbesondere wegen der Annexion der Halbinsel Krim durch Russland im März vergangenen Jahres sowie des Konflikts in der Ostukraine. Medien: Fünf Männer in Virginia planten "Rassenkrieg" gegen Juden und Schwarze. Richmond – Im US-Bundesstaat Virginia sind fünf weiße Männer festgenommen worden, die Angriffe auf Synagogen sowie auf Kirchen mit afroamerikanischem Hintergrund geplant haben sollen. Das berichtete die Zeitung Richmond Times-Dispatch am Dienstag (Ortszeit) unter Berufung auf die Bundespolizei FBI. Die Verdächtigen hätten einen Rassenkrieg anzetteln wollen, berichtete der Sender CNN. Die Männer sollen in diesem Zusammenhang größere Mengen Schusswaffen angehäuft haben. Ihnen wird illegaler Waffenbesitz vorgeworfen. Dem Zeitungsbericht zufolge gingen zwei der Festgenommenen der Bundespolizei bei einem Waffendeal ins Netz. Sie sollen sich im September und Oktober getroffen haben, um Anschläge auf Gotteshäuser zu planen. Drei der Männer sollen in den kommenden Tagen vor Gericht erscheinen. Präsident Obama wollte nächstes Jahr 10.000 syrische Flüchtlinge aufnehmen. Die von US-Präsident Barack Obama angekündigte Aufnahmequote von 10.000 syrischen Flüchtlingen für das Jahr 2016 ist etlichen mächtigen Politikern aus den Reihen der Republikaner zu hoch. Nach dem Terror in Paris fordern sie einen kompletten Aufnahmestopp. Im Grunde ist es eine Geisterdebatte. In der Tabelle westlicher Länder, die Syrern Zuflucht gewähren, liegen die USA auf einem der hintersten Plätze. Nur rund 1.900 Flüchtlinge haben sie seit Beginn des syrischen Bürgerkriegs 2011 aufgenommen. Und doch überbieten sich einige der prominentesten Konservativen nach den Pariser Anschlägen förmlich darin, einen noch härteren Kurs einzuklagen. Marco Rubio, aussichtsreich im Rennen um die republikanische Präsidentschaftskandidatur, würde die Tür am liebsten ganz schließen: Amerika solle vertriebenen Syrern vielmehr helfen, im Nahen Osten eine neue Heimat zu finden. Selbst wenn sich unter zehntausend nur ein einziger Kämpfer des Islamischen Staates (IS) befinde, sei das Risiko schon zu hoch. Und als die Demokratin Hillary Clinton unterstrich, dass man sich zwar im Krieg mit Jihadisten befinde, nicht aber im Krieg mit dem Islam, legte der Senator aus Florida Einspruch ein – obwohl Clinton nur wiederholte, was schon George W. Bush nach 9/11 betont hatte. Das ist ja, als würde man sagen, wir waren nicht im Krieg mit den Nazis, weil wir fürchteten, einige Deutsche vor den Kopf zu stoßen, die zwar vielleicht Mitglieder der Nazi-Partei, aber nicht gewalttätig waren, polterte Rubio in einer Talkshow. Ted Cruz, sein Senatskollege aus Texas, will nur noch verfolgte Christen ins Land lassen. Jeb Bush würde es zwar nicht ganz so strikt handhaben, meint aber auch, dass nahöstlichen Christen Vorrang gebühre. Aus Austin schrieb der texanische Gouverneur Greg Abbott ans Weiße Haus, sein Bundesstaat werde aufgrund akuter Sicherheitsbedenken keinen einzigen Syrer mehr aufnehmen. Abbotts Beispiel machte schnell Schule: 20 Amtskollegen, von Florida im Süden bis nach Michigan im Norden – mit einer Ausnahme alle Republikaner –, haben mittlerweile angekündigt, den Zuzug von Asylsuchenden aus Damaskus, Hama oder Aleppo blockieren zu wollen. Wobei sie nach Ansicht des Harvard-Verfassungsrechtlers Laurence Tribe ihre Kompetenzen überschreiten, ist es doch allein die Bundesregierung in Washington, die über die Verteilung entscheidet. Die Hysterie im republikanischen Lager wirkt umso bizarrer, als die Vereinigten Staaten auch unter Präsident Obama seit dem Sommer in keiner Weise erkennen lassen, dass sie gewillt sind, in einer Ausnahmesituation flexibler zu handeln. Bittet ein Antragsteller aus Syrien um Asyl – in aller Regel vermittelt durch das Flüchtlingshochkommissariat der Vereinten Nationen –, muss er sich erfahrungsgemäß 18 bis 24 Monate gedulden, ehe er einen Bescheid bekommt. Die US-Mühlen mahlen so langsam, dass der Brite David Miliband, Chef des International Rescue Committee (IRC), einer in New York angesiedelten Hilfsorganisation für Flüchtlinge und Kriegsopfer, das bürokratische Prozedere mit bissiger Ironie kommentiert: Es gebe viele Wege, um nach Amerika zu kommen, aber das Flüchtlingsprogramm sei der schwierigste – es sei denn, man schwimmt über den Atlantik. Im texanischen Houston etwa, eigentlich einem Magnet für arabische Migranten, fanden gerade einmal drei Familien aus Syrien eine neue Heimat. Zwar hat Obama die Quote für Zuzügler aus dem Bürgerkriegsland für 2016 auf 10.000 angehoben, doch bleibt es bei der bisherigen Praxis, lässt sich schon jetzt absehen, dass die tatsächliche Zahl weit darunter bleibt. "New York Times" berichtete unter Berufung auf ehemalige Geheimdienstbeamte. Washington – Das Pentagon untersucht nach einem Zeitungsbericht, ob das US-Zentralkommando Berichte über Erfolge im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geschönt hat. Analysten von CENTCOM hätten sich im vergangenen Sommer mit entsprechenden Vorwürfen an den Generalinspektor gewandt, schrieb die New York Times am Samstag unter Berufung auf ehemalige Geheimdienstbeamte. CENTCOM (Central Command) ist die Abkürzung für die Nahost-Region zuständigen Militärkommandos in Florida. Dem Bericht zufolge sollen Vorgesetzte geheimdienstliche Einschätzungen der Analysten verändert haben, um etwa die durch Luftangriffe erzielten Fortschritte im Kampf gegen den IS als bedeutender darzustellen als sie wirklich gewesen seien. Ermittler untersuchten der Zeitung zufolge jetzt große Mengen von E-Mails und andere elektronische Daten, die sie von militärischen Servern beschlagnahmt hätten. Auch der Geheimdienstausschuss des Abgeordnetenhauses prüfe die Darstellungen von CENTCOM und vergleiche sie mit Einschätzungen der US-Geheimdienste. Die Wirren des Nahen Ostens bestimmen den Diskurs wie schon lange nicht mehr – Mit zunehmend hysterischen Zügen. Sie hat etwas Bizarres, die Flüchtlingsdebatte, wie die Amerikaner sie nach den Pariser Anschlägen führen. Man könnte meinen, der Terror des Islamischen Staats habe nicht die Stadt an der Seine getroffen, sondern New York, Chicago oder Washington. Bei aller verständlichen Angst, auch wenn man nachvollziehen kann, dass Paris das Trauma des 11. September 2001 sofort wieder aufleben ließ, der Tenor der Diskussion macht vor allem eines deutlich: Selten hat isolationistisches Denken solche Triumphe gefeiert. Die Sehnsucht nach der Festung Amerika, geschützt durch zwei Ozeane, fernab der Probleme Europas, der Wirren des Nahen Ostens, bestimmt den Diskurs wie schon lange nicht mehr. David Bowers ist Bürgermeister von Roanoke, einer 100.000-Einwohner-Stadt im westlichen Virginia. Ein Demokrat, kein Republikaner. In einem offenen Brief verglich er die Gefahrenlage im Jahr 2015 mit der des Jahres 1941. Bowers erinnerte an den Präsidenten Franklin D. Roosevelt, der nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor Zehntausende Bürger japanischer Herkunft in Internierungslagern einsperren ließ. Die Gefahr, die heute von ISIS ausgeht, ist genauso ernst wie jene, die damals von unseren Feinden ausging, dozierte er und suggerierte, sich ein Beispiel an Roosevelt zu nehmen. Prompt meldete sich, neben protestierenden Parteifreunden, einer jener Japanese-Americans zu Wort, die einst in den Lagern einsaßen: George Takei, damals noch ein Kind, später Schauspieler, bekannt aus der Serie Raumschiff Enterprise. So wie man den internierten Feinden seinerzeit keinen einzigen Fall von Spionage oder Sabotage nachweisen konnte, hätten sich die 1854 Syrer, die man im Zuge des Bürgerkrieges bisher hereingelassen habe, keiner einzigen terroristischen Handlung schuldig gemacht, schrieb Takei gegen die um sich greifende Hysterie an. Uns hat man allein danach beurteilt, wie wir aussahen, und das ist so unamerikanisch, wie etwas nur sein kann. Es wäre fatal, diesen Fehler zu wiederholen. Was die Causa Roanoke illustriert, ist der Grad der Verunsicherung, der sich eines Landes bemächtigt, das sich doch mit den Worten am Sockel der Freiheitsstatue als Fluchtburg versteht für die geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren. Eine Novelle des Repräsentantenhauses, vorige Woche verabschiedet von 242 Republikanern und 47 Demokraten, knüpft die Aufnahme syrischer Flüchtlinge an einen bürokratischen Hürdenlauf, der das ohnehin schon komplizierte Verfahren um Jahre verlängern kann. Demnach sollen drei Behördenchefs persönlich garantieren, dass von einem Antragsteller kein Risiko ausgeht. Nicht nur der Minister für Heimatschutz, sondern auch der Direktor des FBI und der Koordinator der Geheimdienste sollen mit ihrer Unterschrift dafür bürgen. Es ist der Ausdruck einer Stimmung, wie sie Donald Trump und Ben Carson, noch immer die Führenden im Feld der republikanischen Präsidentschaftsbewerber, mit ihrer Macht-die-Schotten-dicht-Rhetorik schüren. Trump schlägt neuerdings vor, alle in Amerika lebenden Muslime in einem speziellen Personenregister zu erfassen. Carson vergleicht die Terroristen mit tollwütigen Hunden – und Flüchtinge im gleichen Atemzug mit Hunden – und er bedient sich einer Metapher aus der Welt des Fliegens: Wenn du im Flugzeug sitzt, sagen sie doch immer, du sollst dir in einem Notfall zuerst deine eigene Sauerstoffmaske aufsetzen, bevor du deinem Nachbarn hilfst. Auch Chris Christie, der Gouverneur von New Jersey, eigentlich kein rechter Populist, stimmte mit schrillen Äußerungen ein in den Chor der Bedenkenträger. Nicht einmal Waisen unter fünf Jahren, betont er, würde er ausnehmen von einem Aufnahmestopp. Wie absurd es ist, sich in der Terrorismusdebatte auf die Vertriebenen des Syrienkonflikts zu konzentrieren, zeigt schon die Vorgeschichte der Marathonbomben von Boston, des Attentats, das schon einmal Erinnerungen an den 9/11-Schock weckte. Die Täter, die Brüder Tamerlan und Dschochar Zarnajew, waren 2002 mit Touristenvisa aus Russland in die USA eingereist, der eine 15, der andere acht Jahre alt. Ihre Eltern, der Vater Tschetschene, bekamen Asyl, die Familie durfte bleiben. Welcher Beamte, fragen kühlere Köpfe, habe 2002 schon die Radikalisierung des Bruderpaars voraussehen können – in Boston, nicht in der nahöstlichen Ferne. Menschenrechtler sehen ausreichend Beweise für Verfahren. Washington – Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) hat am Dienstag die Anklage des früheren US-Präsidenten George W. Bush und zahlreicher Mitglieder seiner Regierung wegen der Folter von Terrorverdächtigen gefordert. In einem Bericht beklagt HRW, dass die Verantwortlichen für den Umgang des US-Geheimdienstes CIA mit mutmaßlichen Terroristen nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nicht zur Rechenschaft gezogen würden. Dabei gebe es ausreichend Beweise, um Strafverfahren einzuleiten. Gegen US-Vertreter, die das CIA-Programm entwickelt, autorisiert und umgesetzt haben, sollte wegen Verschwörung zur Folter und anderer Verbrechen ermittelt werden, heißt es in dem 153-seitigen Bericht. Neben Bush nennt HRW unter anderem den damaligen Vizepräsidenten Dick Cheney, Ex-Justizminister John Ashcroft und den früheren CIA-Direktor George Tenet. Auch die Psychologen James Mitchell und Bruce Jessen, die hinter den erweiterten Verhörmethoden stehen, müssten sich für ihre Taten verantworten. Im Dezember 2014 hatte der Senat in Washington die Ergebnisse einer langjährigen Untersuchung der CIA-Verhöre im sogenannten Kampf gegen den Terrorismus veröffentlicht. Die Öffentlichkeit bekam erstmals einen detaillierten Einblick, wie unter der Bush-Regierung ein weltweites System von Geheimgefängnissen aufgebaut wurde, in denen mutmaßliche Anhänger des Terrornetzwerks Al-Kaida in einem praktisch rechtsfreien Raum festgehalten und brutal befragt wurden. Unter anderem setzten CIA-Agenten den Angaben zufolge das sogenannte Waterboarding ein, bei dem das Ertrinken simuliert wird. Mit Schlafentzug seien Gefangene bis zu 180 Stunden wach gehalten worden. Dabei hätten sie stehen oder schmerzvolle Körperhaltungen einnehmen müssen, bisweilen mit über dem Kopf gefesselten Händen. Ein Häftling sei halb nackt auf einem Betonboden angekettet gewesen und später an Unterkühlung gestorben. Ein Jahr sei seit dem Folterbericht des Senats vergangen und die Regierung von Präsident Barack Obama habe keine Strafverfahren eingeleitet, kritisierte HRW-Chef Kenneth Roth. Die Taten seien nicht verjährt und könnten noch immer verfolgt werden. Ohne strafrechtliche Ermittlungen, die Folter als Option der Politik streichen würden, wird Obamas Erbe für immer vergiftet sein. Geld für Villen mit Sicherheitskräften, Flachbildfernseher und Drei-Gänge-Menüs ausgegeben. Washington – Das US-Verteidigungsministerium hat beim Wiederaufbau in Afghanistan einem Kontrollbericht zufolge Steuergelder in Millionenhöhe verschwendet. Das Büro des Generalinspektors für den Wiederaufbau Afghanistans (Sigar) erhebt darin schwere Vorwürfe. Es weist Verteidigungsminister Ashton Carter auf unnötige Ausgaben in Höhe von 150 Millionen Dollar (137 Millionen Euro) hin. Das Geld soll die für Wirtschaftsaufbau und Stabilität zuständige Einsatztruppe TFBSO für Villen mit privaten Sicherheitskräften, Flachbildfernseher und Drei-Gänge-Menüs ausgegeben haben. Den Großteil der Zeit hätten davon nur etwa fünf bis zehn Regierungsangestellte profitiert. Die extravaganten Ausgaben verschlangen laut Sigar gut ein Fünftel des gesamten Budgets. Ursprünglich hätte das Geld in die Entwicklung der Öl- und Gasindustrie Afghanistans investiert werden sollen. Schon im Oktober hatte Sigar-Generalinspektor John Sopko Aufklärung über den Bau einer Tankstelle gefordert, der 43 Millionen Dollar (39 Millionen Euro) verschlang. Vergleichbare Projekte hatten in der Vergangenheit nicht mehr als 500.000 Dollar gekostet. Den Steuerzahlern hätten mehrere zehn Millionen Dollar erspart werden können, schrieb Sopko an Carter nach dem neuen Bericht. Vom Pentagon gab es zunächst keine Stellungnahme. Nach Angaben der britischen Zeitung The Guardian wurde der Erhalt des Berichts bestätigt und eine Antwort an Sigar angekündigt. Der US-Präsident hielt die erste Rede dieser Art seit 2010 anlässlich der als Terrorakt eingestuften Schießerei in Kalifornien. Barack Obama hat jahrelang darauf verzichtet, von einem Krieg zu reden, wenn er seine Antiterrorstrategie skizzierte. Krieg gegen den Terror, das war die Wortwahl George W. Bushs. Dessen Nachfolger im Oval Office fand sie schon deshalb irreführend, weil sie suggerierte, man könne Terroristen das Handwerk legen, wenn man nur an einer nahöstlichen Front gegen sie zu Felde ziehe. Als lägen Hamburg, Leeds oder Brüssel, Städte, in denen die Anschläge auf die New Yorker Zwillingstürme, die Londoner U-Bahn und nun die Pariser Lebensfreude geplant wurden, im Irak oder in Syrien. Als wäre es möglich, internationale Terrornetzwerke auf einem lokalen Schlachtfeld zu besiegen. So gesehen bedeutet die Rede an die Nation, am Sonntagabend im Oval Office gehalten, eine rhetorische Wende. Nunmehr spricht der Präsident vom Krieg gegen die Terroristen, den man führe, seit Al-Qaida am 11. September 2001 fast dreitausend Amerikaner getötet hat. Verbal also hat er sich Bush angenähert. Obama, der kühle Analytiker, will sich nicht vorwerfen lassen, dass er keine Antenne hätte für die Ängste seiner Landsleute. Deren Nerven liegen nämlich blank, seit man weiß, dass es sich bei dem Blutbad von San Bernardino um einen Terrorakt handelt. Obama, der Seelendoktor, versucht sie zu beruhigen. Dazu bedient er sich einer Wortwahl, die signalisieren soll: Ich verstehe eure Gefühle. Um dann frei nach Franklin D. Roosevelt (Das Einzige, wovor wir Angst haben müssen, ist die Angst selber) hinzuzufügen: Lasst uns nicht vergessen, dass die Freiheit mächtiger ist als die Furcht. In der Substanz aber setzt er unverändert auf den einzigen Ansatz, den er im Ringen mit dem Islamischen Staat für erfolgversprechend hält: ein geduldiges, beharrliches Bohren dicker Bretter. Die wichtigste Redepassage ist wohl jene, in der er betont, was er nicht zu tun gedenkt: Bodentruppen in den Irak oder nach Syrien entsenden. Gäbe er den Marschbefehl, sagt er, würde es bedeuten, die nächste Generation von Amerikanern für ein weiteres Jahrzehnt auf fremdem Boden kämpfen und sterben zu lassen. Der Mann, der eine Wahl gewann, weil er die Invasion im Irak von vornherein abgelehnt hatte, wird seinen Kurs in diesem Punkt nicht mehr ändern. Der Rest ist ein Appell an den langen Atem. Noch fehlt der sunnitisch-arabische Partner, der sich gegen die IS-Milizen auflehnen müsste, um den Spuk zu beenden. Mit amerikanischer Hilfe eine syrische Anti-IS-Streitmacht auszubilden und auszurüsten, wie Obama es ankündigt, ist ja gerade blamabel gescheitert. Die diplomatische Lösung, ohne die Syrien nicht zur Ruhe kommen kann, wird Monate, wenn nicht Jahre härtester Kleinarbeit verlangen, schwierige Kompromisse eingeschlossen. Obamas Plan, er ist, wie könnte es auch anders sein, eine Rechnung mit vielen Unbekannten. 'Ein "Zar" im Kampf gegen den IS-"Kalifen". Der Islamische Staat (IS) wird bekanntlich von einem Kalifen geführt: Folgt man der Wortwahl der US-Medien, dann braucht es einen Zaren, um ihn zu bekämpfen. Genau genommen gibt es deren zwei: Brett McGurk, ein Karrierediplomat, ist der Ver bindungsmann der US -Regierung zur militärischen Anti-IS-Allianz; er folgte im Oktober General John Allen nach. Und für den Politologen und Juristen Robert Malley wurde soeben die Stelle eines US-Präsidentenberaters für den Kampf gegen den IS neu geschaffen. Die Karriere, die der neue Anti-IS-Zar Robert Malley hinter sich – und vor sich, er ist erst 52 – hat, gibt es in dieser Art nur in den USA: Malley wechselt sich zwischen Positionen in Thinktanks und Beraterjobs in demokratischen Regierungen ab. Bevor er als Nahostdirektor 2014 in den Nationalen Sicherheitsrat der USA kam, war er Programmdirektor für Nahost und Nordafrika bei der angesehenen International Crisis Group. Schon 2008 stand er der Präsidentschaftskampagne von Barack Obama als Berater zur Verfügung: Obamas Wahlkämpfer distanzierten sich jedoch offiziell von ihm, als herauskam, dass Malley Kontakte zur Hamas gehabt hatte – was für einen Palästinenserspezialisten nicht wirklich ungewöhnlich sein dürfte. Seine palästinensische Expertise macht ihn zum Feindbild vieler, besonders in Israel. Malley war bereits Nahostberater von US-Präsident Bill Clinton und nahm an den israelisch-palästinensischen Verhandlungen von Camp David 2000 teil. Der Darstellung Clintons, dass das Scheitern – auf das die Zweite Intifada folgte – allein Yassir Arafat anzulasten sei, widersprach Malley in einem Artikel in der New York Review of Books. Demnach hätte es das Angebot Ehud Baraks, das Arafat nach herrschendem Narrativ abgelehnt haben soll, in der kolportierten Form gar nicht gegeben. Damit hatte der Sohn jüdischer Eltern den Ruf als wilder Israel-Hasser weg. Da wird gerne daran erinnert, dass Malleys Vater Simon, ein ägyptischer Jude, Kommunist und Antizionist war. Als Journalist war er Experte für den antikolonialistischen Kampf in Afrika, auch Robert Malleys Mutter, Barbara Silverstein, soll für die Algerische Nationale Befreiungsfront gearbeitet haben. Seine eigene Frau, Caroline Brown, mit der er drei Kinder hat, lernte Malley an der Harvard Law School kennen. Und einer seiner Kommilitonen dort hieß Barack Obama.' Repräsentantenhaus stimmt nach Anschlägen von Paris Gesetzesentwurf zu, auch Österreicher betroffen. Washington/Wien – Nach den Anschlägen von Paris hat das US-Repräsentantenhaus eine Verschärfung der Regeln für eine Einreise ohne Visum beschlossen. Der von Republikanern und Demokraten unterstützte Gesetzesentwurf erhielt am Dienstag eine deutliche Mehrheit von 407 zu 19 Stimmen. Der Senat muss der Änderung noch zustimmen, von der Reisende aus Österreich und den 37 anderen Teilnehmerstaaten des sogenannten Visa-Waiver-Programms betroffen sind. Reisende aus diesen Staaten sollen künftig nicht mehr mit einer elektronischen Einreiseerlaubnis (ESTA) in die USA gelangen können, wenn sie sich in den vergangenen fünf Jahren in Syrien, im Irak, im Iran und im Sudan aufgehalten haben oder die doppelte Staatsbürgerschaft dieser Länder besitzen. Sie müssen sich stattdessen an einer US-Botschaft oder einem US-Konsulat um ein Visum bemühen. Voraussetzung für eine Einreise ohne Visum sollen künftig außerdem fälschungssichere Pässe mit biometrischen Informationen sein. Stärkerer Austausch Der vom Repräsentantenhaus verabschiedete Entwurf sieht weiterhin einen stärkeren Austausch von Daten und Geheimdiensterkenntnissen vor. Die Teilnehmerländer müssen im Voraus überprüfen, ob Reisende in den Datenbanken der internationalen Polizeibehörde Interpol wegen Verbindungen zu Terrorismus oder organisierter Kriminalität geführt werden. Länder, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, sollen aus dem Programm gestrichen werden. Der Senat diskutiert einen eigenen Gesetzesentwurf zur Reform des Visa-Waiver-Programms, könnte sich nun aber hinter den Vorschlag aus dem Repräsentantenhaus stellen. Das Programm ermöglicht Bürgern aus Partnerländern einen 90-tägigen US-Aufenthalt ohne Visum. Zu den Teilnehmern gehören 23 der 28 EU-Staaten sowie Länder mit engen Beziehungen zu den USA wie Australien, Chile, Japan, Neuseeland, Norwegen, Schweiz und Singapur. Gemäß dem Prinzip der Gegenseitigkeit können US-Bürger ohne Visum in die Partnerländer reisen. Sorge für Jihadisten Sorgen bereiten den US-Sicherheitsbehörden die rund 5.000 EU-Bürger, die Schätzungen zufolge in den Irak und nach Syrien gereist sind, um sich der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und anderen extremistischen Gruppen anzuschließen. Mehrere der Attentäter von Paris hatten sich bei der IS-Miliz aufgehalten. Da sie die französische oder belgische Staatsbürgerschaft besaßen, hätten sie ohne Visum in die USA fliegen dürfen. Bei den Anschlägen in der französischen Hauptstadt waren am 13. November 130 Menschen getötet worden. Das Weiße Haus hatte als Reaktion auf die Pariser Anschläge bereits strengere Sicherheitskontrollen für Reisende aus Visa-Waiver-Ländern angeordnet. Geplant sind unter anderem stärkere Überprüfungen an Flughäfen in den USA und die Entsendung von US-Grenzschutzbeamten an ausländische Flughäfen mit Direktverbindungen in die Vereinigten Staaten. Jedes Jahr kommen fast 20 Millionen Menschen über das Visa-Waiver-Programm in die USA – das ist rund ein Drittel der Gesamtzahl der Besucher. Bericht: Suche nach Computerfestplatten und elektronischen Geräten. San Bernardino – Bei den Ermittlungen zu dem Anschlag im kalifornischen San Bernardino haben Taucher damit begonnen, einen See in der Nähe des Anschlagsorts abzusuchen. Es gebe Hinweise darauf, dass der Attentäter Syed F. und seine Frau Tashfeen M. sich am Tag des Anschlags oder zuvor in der Umgebung des Seccombe Lake aufgehalten hätten, sagte David Bowdich vom FBI in Los Angeles am Donnerstag. Möglicherweise seien in dem See Beweisstücke versenkt worden. Die Los Angeles Times berichtete unter Berufung auf Ermittler, die Taucher suchten nach Computerfestplatten und anderen elektronischen Geräten. F., ein pakistanischstämmiger US-Bürger, hatte am Mittwoch vergangener Woche zusammen mit seiner pakistanischen Ehefrau die Weihnachtsfeier seines städtischen Arbeitgebers gestürmt. Das Paar tötete 14 Menschen und verletzte 22, bevor es von der Polizei erschossen wurde. Die US-Bundespolizei stufte die Tat als Terroranschlag ein. In der Wohnung der Attentäter wurde ein großes Waffenarsenal gefunden, darunter 5.000 Schuss Munition und Material zum Bombenbau. Laut den Ermittlern übte das Paar Tage vor dem Anschlag auf einem Schießstand. M. soll der Jihadistenmiliz Islamischer Staat auf Facebook die Treue geschworen, ihr Mann Kontakt zu islamistischen Extremisten gehabt haben. 25 Prozent aller befragten Amerikaner und 42 Prozent der Republikaner aber dafür – Größte Terrorangst seit 9/11. Washington – Eine Mehrheit der US-Bürger lehnt laut einer Umfrage die Forderung des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump nach einem vorübergehenden Einreiseverbot für Muslime ab. Laut der am Donnerstag veröffentlichten Erhebung für das Wall Street Journal (WSJ) und den Sender NBC sind 57 Prozent der befragten US-Bürger dagegen, Muslime vorerst nicht mehr ins Land zu lassen. 25 Prozent schlossen sich dagegen Trumps Forderung an. Unter den Republikanern unterstützen 42 Prozent das geforderte Einreiseverbot, nur 36 Prozent sind dagegen. Die Umfrage ergab zudem, dass 59 Prozent der befragten US-Bürger eine positive Meinung von Muslimen haben, 29 Prozent sehen Muslime negativ. Den Angaben zufolge haben sich diese Prozentsätze seit dem Jahr 2002 kaum verändert. Eine Online-Umfrage für Bloomberg kam zu einem ähnlichen Ergebnis. Eine weitere Umfrage des Instituts Rasmussen Reports, das den Republikanern nahesteht, ergab allerdings das entgegengesetzte Bild. Demnach sind 46 Prozent aller US-Wähler dafür, Muslimen die Einreise zu verweigern, bis Terrorverdächtige besser als bisher erkannt werden können. 40 Prozent waren dagegen. Allerdings sprachen sich 59 Prozent der Befragten dafür aus, grundsätzlich alle Einreisenden gleich zu behandeln. Für beide Umfragen wurden zwischen dem 8. und 9. Dezember je 1.000 Personen befragt, für die Fragen nach Trumps Vorschlägen geben NBC und WSJ aber nur eine Zahl von knapp 500 Befragten an. NBC/WSJ fragten explizit nach Trumps Vorschlägen, während Rasmussen nach einem vorübergehenden Einreiseverbot fragte, ohne Trump beim Namen zu nennen. Trump hatte am Montag ein vorübergehendes Einreiseverbot für Muslime gefordert und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst. Der Geschäftsmann verwies auf Umfragen, die in breiten Teilen der muslimischen Bevölkerung einen großen Hass auf Amerikaner feststellten. Daraufhin forderten hunderttausende Briten in einer Onlinepetition ein Einreiseverbot für Trump in Großbritannien. Eine schottische Universität entzog Trump die Ehrendoktorwürde. In Israel regte sich Protest gegen einen Ende Dezember geplanten Besuch des Präsidentschaftsbewerbers, und eine in Dubai ansässige Handelskette beschloss einen Boykott von Produkten des Trump-Imperiums. Das Weiße Haus sprach von Äußerungen, die den Werten des Landes zuwiderliefen. Auch Trumps Rivalen im Kampf um die republikanische Präsidentschaftskandidatur wiesen dessen Ansinnen zurück. Die aufgeheizte Stimmung spiegelt sich auch in einer anderen Umfrage wider: Laut einer Erhebung von New York Times und CBS News ist die Angst vor einem Terroranschlag in den USA derzeit so hoch wie seit den Anschlägen vom 11. September 2001 in New York und Washington nicht mehr. 44 Prozent der Befragten gaben an, ein Terroranschlag in den kommenden Monaten sei ihrer Anschicht nach sehr wahrscheinlich. Zuletzt hatte eine ähnliche Anzahl der Befragten im Oktober 2001 so auf diese Frage geantwortet. 70 Prozent der Befragten hielten die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für eine große Bedrohung für das Land. Auf die Frage, welchem Präsidentschaftsbewerber sie am meisten zutrauten, das Terrorproblem in den Griff zu bekommen, nannten 40 Prozent Trump, 35 Prozent sprachen sich für die Demokratin Hillary Clinton aus. Mit dem Umgang des US-Präsidenten Barack Obama mit dem Terrorproblem waren 57 Prozent der Befragten unzufrieden. Mann wollte mit seinem Cousin offenbar mehr als 100 Menschen töten. Chicago – Ein US-Soldat hat nach Angaben der Justiz seines Landes Attentatspläne auf eine Militärbasis nahe Chicago gestanden. Der 23-jährige Hasan E. von der Nationalgarde habe zusammen mit seinem Cousin mehr als 100 Menschen töten wollen, erklärte der Staatsanwalt des Distrikts Nord des Bundesstaates Illinois am Montag. Demnach begann er im Jänner, über das Internet mit einem FBI-Agenten zu kommunizieren, der sich als Kämpfer der Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) in Libyen ausgab. Der Angeklagte habe gestanden, dem Agenten Tipps gegeben zu haben, wie man die US-Armee bekämpft und schlägt, hieß es weiter. Zudem habe er sich bereit erklärt, mit seinem Cousin Jonas einen Anschlag in den USA zu verüben. Die beiden Männer sollen den Angaben zufolge im März einen anderen FBI-Undercover-Agenten getroffen haben, der Hasan E. seine Hilfe dabei anbat, sich dem IS im Irak anzuschließen. Unter anderem wurde auch erwogen, dass Jonas E. die Uniform seines Cousins benutzen könnte, um die Armeebasis Joliet in Illinois anzugreifen. Zu dritt besuchten die Männer den Stützpunkt, wo sie sich unter anderem einen Trainingsplan der Soldaten besorgten, um den günstigsten Zeitpunkt für einen Anschlag zu bestimmen, wie die Justiz erklärte. Hasan E. war im März am Flughafen von Chicago festgenommen worden, wo ihn sein Cousin abgesetzt hatte. Er hätte nach Ägypten fliegen wollen. Auch Jonas E. ist nach US-Justizangaben geständig. Dank der Bemühungen vieler Staatsanwälte und Agenten sei es gelungen, die Verschwörer an der Umsetzung ihrer Pläne zu hindern, erklärte der stellvertretende US-Generalstaatsanwalt John Carlin. Aufgrund ihrer Geständnisse würden die beiden Angeklagten zur Verantwortung gezogen werden. Hasan E. drohen bei einer Verurteilung bis zu 30 Jahre Haft wegen Verschwörung mit dem Ziel, eine ausländische Terrororganisation zu unterstützen sowie wegen des Versuchs, eine ausländische Terrororganisation materiell zu unterstützen. Seinem Cousin drohen bis zu 23 Jahre Gefängnis. Enrique M. soll zwei Tatwaffen gekauft haben. Losa Angeles – Nach dem islamistischen Anschlag im kalifornischen San Bernardino hat die US-Justiz einen Freund des Attentäters offiziell beschuldigt. Dem 24-jährigen Enrique M. werde Verschwörung zum Terrorismus zur Last gelegt, teilte das Justizministerium am Donnerstag mit. Dem Mann werde außerdem der ungesetzliche Erwerb zweier halbautomatischer Waffen vorgeworfen, mit denen Syed Farook und dessen Ehefrau Tashfeen Malik Anfang Dezember 14 Menschen töteten. Der Terrorismusvorwurf bezieht sich den Angaben zufolge nicht auf den Angriff von San Bernardino, sondern auf Anschlagspläne, die M. in den Jahren 2011 und 2012 mit seinem damaligen Nachbarn Farook schmiedete, aber nicht in die Tat umsetzte. Staatsanwältin Eileen Decker erklärte, es gebe derzeit keine Beweise, dass M. auch an dem Anschlag in San Bernardino beteiligt gewesen sei oder davon gewusst habe. Aber sein Waffenkauf und seine Entscheidung, Farook nicht zu melden, hätten fatale Konsequenzen gehabt. Laut dem Justizministerium nahmen Beamte der Bundespolizei M. am Donnerstag fest. Er sollte noch im Lauf des Tages zu einer Anhörung vor Gericht erscheinen. Die Vorwürfe gegen den 24-Jährigen sind in einer Strafanzeige verfasst, eine formale Anklage steht noch aus. M. wird auch Einwanderungsbetrug vorgeworfen, weil er mit einer Verwandten Farooks eine Scheinehe eingegangen sein soll. Auf jeden der drei Vorwürfe stehen zwischen zehn und 15 Jahre Haft. Farook, ein pakistanischstämmiger US-Bürger, hatte zusammen mit seiner pakistanischen Ehefrau am 2. Dezember die Weihnachtsfeier seines städtischen Arbeitgebers angegriffen. Das Paar wurde später von der Polizei erschossen. Die Bundespolizei FBI stufte die Tat als islamistischen Terrorakt ein. Demnach hatte sich das Paar unabhängig voneinander radikalisiert, im Internet kennengelernt und später geheiratet. Malik soll der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) die Treue geschworen haben. M. und Farook trafen einander nach Angaben des Justizministeriums 2005 im kalifornischen Riverside. Zwei Jahre später habe Farook seinen Nachbarn zum Islam konvertiert und später für die radikale islamische Ideologie begeistert. Ende 2011 hätten die Studenten begonnen, einen Anschlag mit Bomben und Schusswaffen zu planen. M. habe ausgesagt, dass sie die Bücherei und die Cafeteria ihrer Hochschule in Riverside als Ziele ausgesucht hätten. Außerdem hätten sie einen Anschlag auf eine vielbefahrene Schnellstraße erwogen. M. kaufte den Angaben zufolge Schusswaffen, Munition, paramilitärische Ausrüstung sowie Sprengstoff. Er habe die Aufgabe übernommen, weil Farook wegen seiner Herkunft strengere Überprüfungen befürchtet habe. Die Waffen habe M. an Farook weitergegeben. Ende 2012 habe er sich von Farook distanziert, die Waffen seien dann aber beim Anschlag von San Bernardino zum Einsatz gekommen. Vier Tage danach habe M. bei einer Befragung durch die Polizei seine Verbindung zu Farook gestanden. Hauptabnehmer waren Katar, Saudi-Arabien und Südkorea. Washington – Der Umfang der US-Waffenverkäufe ins Ausland ist 2014 um fast zehn Milliarden Dollar (9,1 Milliarden Euro) im Vergleich zum Jahr davor gestiegen. Das geht der New York Times zufolge aus einer neuen Kongress-Studie hervor. Demnach nahmen die Waffenverkäufe weltweit insgesamt nur leicht zu, aber die USA allein schlossen als Hauptexporteur Waffendeals in Höhe von 36,2 Milliarden Dollar (33,07 Mrd. Euro) ab – das sind etwa 35 Prozent mehr als 2013 (26,7 Milliarden Dollar). Vor allem Multimilliarden-Verträge mit Katar, Saudi-Arabien und Südkorea hätten dazu beigetragen, dass die USA auch im vergangenen Jahr der größte einzelne Waffenlieferant der Welt geblieben seien, berichtete die Zeitung am Samstag weiter. Die Vereinigten Staaten kontrollierten etwas mehr als 50 Prozent des gesamten Marktes. Russland lag den Angaben zufolge mit einem Verkaufsvolumen in Höhe von 10,2 Milliarden Dollar auf dem zweiten Platz, gefolgt von Schweden (5,5 Milliarden Dollar), Frankreich (4,4) und China (2,2). Südkorea sei mit Verträgen im Umfang von 7,8 Milliarden Dollar 2014 der weltgrößte Waffenkäufer gewesen. Die meisten Deals (sieben Milliarden Dollar) habe das Land mit den USA abgeschlossen. Präsident klagt über Untätigkeit des Sanats. Washington – Präsident Barack Obama will den Zugang zu Schusswaffen in den USA angesichts der Blockadehaltung des Kongresses im Alleingang begrenzen. Am Montag werde er sich mit Justizministerin Loretta Lynch treffen, um mögliche Schritte zu besprechen, kündigte Obama in seiner wöchentlichen Videobotschaft an, die das Weiße Haus zu Neujahr veröffentlichte. Ich erhalte zu viele Briefe von Eltern, Lehrern und Kindern, als einfach herumzusitzen und nichts zu tun, sagte Obama. Auch viele verantwortungsvolle Waffenbesitzer glaubten daran, dass sich der Zugang zu Waffen besser regulieren lasse, um zu verhindern, dass einige Gefährliche Schaden im großen Maßstab anrichten. Am Donnerstag hatten mehrere US-Medien bereits berichtet, dass Obama per Erlass auch kleinere Waffenhändler zur Überprüfung der Käufer zwingen will. Auch die Vorschriften für das Melden gestohlener oder verloren gegangener Waffen sollen auf diesem Weg verschärft werden. Obama hat die Gesetzgeber im republikanisch beherrschten Parlament immer wieder dazu aufgerufen, sich zu strengeren Waffengesetzen durchzuringen, zuletzt nach der Attacke von San Bernardino in Kalifornien mit insgesamt 16 Toten. Die meisten Republikaner und die mächtige Waffenlobby NRA (National Rifle Association) wehren sich aber gegen einen solchen Schritt. Bereits vor drei Jahren hatte der Kongress einen Gesetzentwurf diskutiert, der Hintergrund-Überprüfungen für nahezu alle Käufer von Waffen vorgeschrieben hätte. Rund 90 Prozent der Amerikaner hätten den Entwurf unterstützt, sagte Obama. Aber die Waffenlobby mobilisierte dagegen. Und der Senat blockierte es. Obama dürfte die Vorhaben spätestens in seiner letzten Rede zur Lage der Nation am 12. Jänner ankündigen. Der Zeitpunkt scheint passend, da das öffentliche Interesse zunehmend den Bewerbern um das Präsidentenamt gilt und Obama, der im Jänner 2017 aus dem Amt scheidet, sein letztes Jahr als Staatschef beginnt. Jede präsidiale Verfügung Obamas könnte von seinem Nachfolger oder seiner Nachfolgerin allerdings sofort wieder aufgehoben werden. Im zweitbevölkerungsreichsten US-Bundesstaat Texas ist das offene Tragen von Schusswaffen ab sofort erlaubt. Mit einem am 1. Jänner in Kraft getretenen Gesetz dürfen Waffen dort bei der Arbeit, beim Einkaufen oder beim Essen im Restaurant offen in Holstern am Gürtel oder um die Schulter getragen werden. Die Bewegung Open Carry hatte jahrelang für die Gesetzesänderung gekämpft. Mehr als 40 der 50 US-Bundesstaaten erlauben das offene Tragen von Waffen bereits, allerdings mit verschiedenen Einschränkungen. Befürworter von Open Carry-Gesetzen argumentieren, dass die offen zur Schau gestellten Waffen potenzielle Straftäter abhalten würden. Kritiker entgegnen, dass Polizisten verantwortungsvolle Träger von Waffen nur noch schwer von Kriminellen unterscheiden könnten. Zudem gebe es keine Belege, dass Staaten mit Open Carry-Gesetzen sicherer sind oder es dort zu weniger Schießereien kommt. Geschäfte und Restaurants in Texas dürfen künftig selbst entscheiden, ob sie Kunden mit offen getragenen Waffen durch entsprechende Schilder den Zutritt verweigern wollen. Befürworter von Open Carry haben bereits gedroht, in dem Fall dort kein Geld mehr ausgeben zu wollen. Offen oder verdeckt getragene Waffen bleiben in Bars, Vergnügungsparks, Gotteshäusern, Gerichten und bei Sportveranstaltungen aber verboten. (APA, dpa, 1.1.2016) Justizministerin Lynch übergibt US-Präsident Vorschläge. Washington – US-Präsident Barack Obama bereitet eine Verschärfung des Waffenrechts im Alleingang vor. Obama nahm am Montag im Weißen Haus von seiner Justizministerin Loretta Lynch eine Reihe von Empfehlungen entgegen, wie er strengere Regelungen ohne Zustimmung des Kongresses mit seinen präsidialen Vollmachten durchsetzen könne. Wir haben zehntausende Menschen, die jedes Jahr durch Schusswaffen getötet werden, sagte Obama. Mit den Dekreten werde er gegen die Plage der Waffengewalt vorgehen. Die genauen Pläne des Präsidenten sind noch nicht bekannt. Aus Regierungskreisen hieß es aber, dass Obama eine stärkere Überprüfung von Waffenkäufern anstrebe und Waffenkäufe über Strohmänner unterbinden wolle. Das wird nicht alle Massenschießereien verhindern, es wird nicht jede Waffe von Kriminellen fernhalten, sagte er. Allerdings könnten durch sein Handeln Leben in diesem Land gerettet werden. Das Recht auf Waffenbesitz ist in der US-Verfassung verbrieft, Schätzungen zufolge befinden sich mehr als 300 Millionen Schusswaffen in Privathaushalten. Obama hatte den Kongress nach Bluttaten immer wieder vergeblich aufgefordert, die Regelungen zu verschärfen und sich zunehmend frustriert über die Tatenlosigkeit gezeigt. Zuletzt hatte das Parlament nach dem Angriff auf eine Grundschule in Newtown im Bundesstaat Connecticut, bei dem im Jahr 2012 insgesamt 20 Kinder getötet worden waren, über eine Neufassung des Waffenrechts beraten. Der Lobbyverband National Rifle Association (NRA) lief dagegen Sturm, der Vorstoß scheiterte wenige Monate später im Senat. Vor allem die oppositionellen Republikaner, die beide Kongresskammern kontrollieren, lehnen strengere Waffengesetze ab. Angesichts von Obamas Plänen warnte der Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Paul Ryan, vor einer gefährlichen Kompetenzüberschreitung des Präsidenten. Das wird das Land nicht mittragen, erklärte Ryan. Präsidentensprecher Josh Earnest sagte dagegen, dass die Juristen der Regierung die Gesetze sorgfältig nach Schlupflöchern durchforstet hätten, die per Dekret geschlossen werden könnten. Auch Obama selbst betonte, dass die angedachten Maßnahmen klar in meinen rechtlichen Zuständigkeitsbereich fallen. Die Verschärfung des Waffenrechts im Alleingang dürfte aber ein Fall für die Gerichte in den USA werden, wie bei Obamas Dekreten zur Einwanderungsreform. Am Donnerstag will der Präsident bei einer vom Nachrichtensender CNN übertragenen Diskussion mit Bürgern für sein Vorhaben werben. Auch in seiner letzten Rede zur Lage der Nation in der kommenden Woche dürfte Obama sich dem Thema widmen. In seiner Neujahrsansprache hatte er es als eines der drängendsten unerledigten Geschäfte seiner Amtszeit bezeichnet. Beamter schwer verletzt – Angreifer festgenommen. Philadelphia – Ein mutmaßlicher Anhänger der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat in der US-Ostküstenstadt Philadelphia einen Polizisten angeschossen und schwer verletzt. Der Angreifer habe gestanden und sich zur IS-Miliz bekannt, sagte ein Polizeivertreter am Freitag bei einer Pressekonferenz in Philadelphia. Der 30-jährige Verdächtige war am späten Donnerstagabend (Ortszeit) an einer Kreuzung auf das Polizeiauto des Beamten zugerannt und hatte durch das Fenster an der Fahrerseite mindestens elf Schüsse abgegeben. Der 33-jährige Polizist wurde den Angaben zufolge drei Mal am Arm getroffen, konnte das Feuer aber erwidern. Dabei verletzte er den flüchtigen Verdächtigen, der kurz darauf von der Polizei festgenommen wurde. Vier Aktivisten harren weiter in Naturpark aus. Portland – Der festgenommene Anführer einer regierungsfeindlichen Bürgerwehr im US-Bundesstaat Oregon und mehrere seiner Mitstreiter sind wegen der wochenlangen Besetzung eines Naturparks angeklagt worden. Der Vorwurf gegen Ammon Bundy lautet Verschwörung zur Behinderung von US-Bundesbeamten durch Gewalt und Einschüchterung, wie die Staatsanwaltschaft am Donnerstag mitteilte. Vier Mitglieder der Bürgerwehr harren den Angaben zufolge noch immer im Malheur National Wildlife Reserve aus. Einer der Besetzer, David Fry, warnte die Bundespolizei FBI im Interview mit einem Lokalradio vor Konsequenzen, sollte das Gelände gestürmt werden. Die US-Bevölkerung rief er auf, sich in Scharen zu erheben. Mitglieder der Bürgerwehr, Rancher und andere Aktivisten hatten Anfang Jänner die Kontrolle über das Malheur National Wildlife Reserve im Bezirk Harney übernommen und sich in einem Verwaltungsgebäude verschanzt. Die Gruppe wollte mit ihrer Aktion zwei Landwirten beistehen, die wegen Brandstiftung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden waren. Der Protest richtete sich auch gegen die Kontrolle der Bundesregierung in Washington über Ländereien. Bei einem Polizeieinsatz vergangene Woche wurden zwölf Menschen festgenommen, darunter Ammon Bundy und dessen Bruder Ryan. Ein Mann wurde durch Schüsse der Beamten getötet. Anschließend hatte Bundy die letzten Besetzer aufgerufen, die Aktion zu beenden. Millionen Amerikaner hören täglich wütende Radiomoderatoren, die gegen alles Nichtkonservative wettern. Ihr Motto "wir gegen die anderen" ist in der US-Politik längst angekommen. Acht Patronen in der Kimber Ultra Carry II, einer kleinen Pistole, warten nur darauf, abgeschossen zu werden. Die Waffe gilt als eine der besten amerikanischen Kleinwaffen: Swat-Teams der US-Polizei haben die Pistole ebenso in ihrem Arsenal wie Spezialkommandos des Militärs. Aber diese eine Waffe wird weder von einem Polizeibeamten im Dienst noch von einem Soldaten getragen. Sie sitzt im Halfter am rechten Oberschenkel von Lars Larson, während er seine Radioshow in der Stadt Portland im Bundesstaat Oregon moderiert. Es ist nur eine von zwei gefährlichen Waffen, die Larson bereit ist einzusetzen. Die zweite ist sein Mundwerk. In seinen beiden täglichen stundenlangen Radiosendungen fordert der Moderator in einem nicht endenwollenden Redeschwall, Hillary Clinton in einen Gefängnisoverall zu stecken, um sie wegzusperren, vergleicht er Bürgerrechtsaktivisten mit dem Ku-Klux-Klan, macht sich über Kämpfer gegen die Erderwärmung lustig, beschimpft US-Präsident Barack Obama als unehrenhaften Lügner, vergleicht ihn mit dem Teufel und nennt ihn abfällig einen Marxisten, warnt eindringlich vor Todeskommissionen durch die neu eingeführte Krankenversicherung der Regierung und behauptet selbstverständlich, dass das Einzige, was einen bösen Mann mit einer Waffe aufhalten kann, ein guter Mann mit einer Waffe ist. Die Welt Larsons, eines bekennenden Mitglieds der Republikanischen Partei und der Waffenlobby NRA, basiert auf dem Grundsatz Wir gegen die anderen. Und der Radiomoderator ist umgeben von den anderen: Zwei Drittel aller Einwohner Portlands bezeichnen sich als liberal, der Staat Oregon hat erst kürzlich den Konsum von Marihuana legalisiert, die Delegation der Stadt im Landesparlament besteht ausschließlich aus Demokraten. Trotzdem ist Larson mit seiner Radiosendung ausgesprochen erfolgreich: 150.000 Hörer schalten laut seinem Radiosender KXL jeden Tag ein. Lars Larson – das ist übrigens sein echter Name – ist keine Anomalie im amerikanischen Radiomarkt, er ist die Regel. Er gehört zu einer wortgewaltigen Armee von rechten Talk-Show-Moderatoren in den USA. Bekannt sind hierzulande nur die Stars der Branche wie Rush Limbaugh und der Fox-News-Moderator Sean Hannity. Doch im Land der vermeintlich unbegrenzten Möglichkeiten gibt es auch beinahe unbegrenzt viele Talk-Radio-Stationen, die Männer (und auch einige, wenige Frauen) wie Larson als Moderatoren beschäftigen. Rund 1.500 solcher Sender existieren heute. Das war nicht immer so. Noch in den 1980er-Jahren gab es nur eine Handvoll Radiostationen, die durchgehend politisches Talk-Radio sendeten, sagt Michael Harrison, Gründer und Herausgeber der Branchenzeitschrift Talkers Magazine im STANDARD-Interview. Der Grund lag nicht im mangelnden Interesse der Hörer, sondern beim Gesetzgeber. Die sogenannte Fairnessdoktrin sah vor, dass eine Radiostation bei politischen Themen dafür sorgen musste, dass auch der anderen Perspektive gleich viel Zeit eingeräumt wird. Auf die Gefahr, deftige Strafen zu zahlen oder gar die Sendelizenz zu verlieren, weil man nicht allen Meinungen genügend Sendezeit einräumte, wollten sich viele nicht einlassen. Ein Biedermeier im Äther war die Folge: Man sprach über Rezepte, Stars und Klatsch, Sport oder Sex. Politik blieb meistens draußen. So lange, bis Mitte der 80er-Jahre das US-Verfassungsgericht die Fairnessdoktrin aufhob, weil sie dem Recht auf Rede- und Meinungsfreiheit widersprach. Der Richterspruch hatte eine regelrechte Explosion an politischen Talk-Radio-Sendungen zur Folge. Waren die rechten Rabauken, die in stundenlangen Tiraden über die politische Linke Amerikas herfallen, zunächst noch kleine Fische im Radiogeschäft, wurden sie innerhalb weniger Jahre zu den einflussreichen Stars der Branche. So auch Lars Larson, dessen Show von einem kleinen Raum im sechsten Stockwerk eines modernen Hochhauses im Stadtzentrum von Portland aus ins ganze Land gesendet wird. Vor ihm ein schwarzes Mikrofon, hinter ihm zwei rund zwei Meter große Plakate von sich selbst. Der Radiomoderator genießt gerade die wenigen Minuten Ruhe, die ihm in der Werbepause gegönnt sind. Drei Stunden Radiosendung hat er soeben hinter sich, drei weitere Stunden liegen noch vor ihm. Drei Stunden kontinuierliches Sprechen, Diskutieren und Schimpfen – ohne Musik und mit nur wenigen Werbeunterbrechungen. Seine einzigen beiden Mitarbeiter sitzen hinter einer schalldichten Glasscheibe, schreiben Blogeinträge, betreuen die Facebook-Seite, bereiten den nächsten Einstieg vor und nehmen Anrufe entgegen. Larson hingegen steht allein in der Stille. Ausruhen tut er sich jedoch selbst in der Pause nicht: Auf drei Computerbildschirmen liest er wütende Hörer-E-Mails, bereitet Beiträge vor und tippt auf seinem wild blinkenden Mischpult hin und her. Daneben liegt ein schwarzes Smartphone, das immer wieder wegen Alarmmeldungen oder SMS von Freunden und Bekannten vibriert. Obwohl der 56-Jährige politische Ansichten vertritt, die zuletzt vor 200 Jahren modern waren, bedient er sich moderner Technologie wie ein Teenager. Das sind für mich nur Arbeitsgeräte, betont er im Gespräch mit dem STANDARD – fast so, als ob er nicht zu modern wirken wollte. Laaaaaaaaars! … Das ist die Lars Larson Show. Wir senden im ganzen Land – von der Westküste Amerikas: ehrlicher, provokanter Talk. Die Werbeunterbrechung ist vorbei, die Stille durch die laute Ansage im Radio jäh unterbrochen. Was folgt, ist typisch für die meisten Talk-Radio-Shows in den USA: Tirade auf Tirade gegen zu viele Einwanderer, den Staat, die Liberalen, die allgemeine Krankenversicherung, Ehe für Homosexuelle, die linken Medien und die korrupten Politiker in Washington. Das sind die großen Themen, aber oft redet sich der Moderator auch stundenlang über unbedeutende Kleinigkeiten in Rage. Eine Demonstration, die die Straße blockiert, oder ein Verkehrsprojekt der Stadt – nach drei Stunden weiß man oft gar nicht mehr, um was oder gegen wen es geht. Nicht die Themen, der Furor selbst ist der Treibstoff, der die Sendung am Laufen hält. Sarah Sobieraj, eine Soziologin an der Tufts Universität in Massachusetts, die das Phänomen wissenschaftlich untersucht hat, nennt amerikanisches Talk-Radio nicht umsonst die Empörungsindustrie. In der heutigen amerikanischen Medienlandschaft gibt es schier endlose Möglichkeiten für Hörer, Seher und Leser. Um die Aufmerksamkeit des Publikums zu bekommen, benutzt man im Fernsehen allzu oft Sex oder Gewalt. In der politischen Berichterstattung aber erlangt man durch Empörung Aufmerksamkeit. Die Moderatoren versuchen emotionale Reaktionen ihrer Hörer zu provozieren – ob das Hass, Angst oder Wut ist, spiele dabei gar keine Rolle. Um das zu erreichen, wird die Sprache in eine Waffe verwandelt: Politische Gegner werden als Faschisten und Sozialisten, als naiv oder radikal diffamiert. Übertreibungen sind die Pauseneinlagen der Entrüstungsdramaturgie: Da wird die Einführung einer staatlichen Regulierung schnell zum Ende des Kapitalismus erklärt. Wenn Menschen so etwas hören, bleiben sie stehen und hören zu. Und es ist so effektiv, dass die Menschen am nächsten Tag wieder einschalten. Wer aber einen alten, grantelnden Bösewicht hinter dem Mikrofon erwartet, wird enttäuscht: Larson, der solch dumpfe Parolen täglich ins Mikro schmettert, hat ein gewinnendes Wesen. Der gebürtige Oregoner mit burschikosem Gesicht ist geradezu ein Charmeur: freundlich, gewieft, immer einen Scherz auf der Lippe. Seine Fans hören nicht jemanden, der im Radio herumgrölt – Larson ist Geschichtenerzähler, Kommentator und Gesprächspartner. Die erfolgreichsten Talk-Radio-Moderatoren sind talentierte, unterhaltsame Entertainer. Solche Moderatoren haben eine persönliche Beziehung zu ihren Hörern aufgebaut, obwohl es ein Massenmedium ist, erklärt Sarah Sobieraj. Larson verwendet in seiner Sendung gerne Wörter wie wir und unsere, seine Hörer sind eine Art Gemeinschaft, die sich auch digital in Facebook-Gruppen trifft. Real gibt es auch persönliche Fantreffen. Deswegen sind diese Shows und ihre Moderatoren wichtig für ihre Hörer. Einige Fans von Radiosendungen sprachen in unseren Untersuchen davon, dass sie die Beziehung zu ihrem Moderator wirklich schätzen, sie fühlen sich als Teil einer Gemeinschaft und vertrauen dem Moderator mehr, weil sie ihn täglich hören, sagt Sobieraj. Das sei gerade für Konservative wichtig, weil sie befürchten würden, ob ihrer politischen Ansichten in der amerikanischen Gesellschaft negativ betrachtet zu werden. Die Radiosendungen seien ein sicherer Hafen, ein Rückzugsort für viele Konservative, die dort politische Zustimmung erfahren. In der Welt der Politik hat Talk-Radio, dessen Methoden sich mithilfe von Fox News im Fernsehen und in zahlreichen konservativen Blogs im Internet weiterverbreiteten, hingegen das genaue Gegenteil erreicht: Kein Politiker ist mehr sicher vor dem Zorn der rechten Zuchtmeister. Kompromiss und Zusammenarbeit in Washington wurden stigmatisiert. Jede Abstimmung wird als Test der ideologischen Reinheit gesehen. Die Abgeordneten sind sich sehr bewusst, dass sie ständig von den Talk-Radio-Shows beobachtet werden, und wissen, dass, wenn sie mit Demokraten zusammenarbeiten, es gegen sie verwendet werden wird. Radiomoderatoren haben für kompromissbereite Republikaner auch einen eigenen Begriff geprägt: Rinos – Republicans in name only. Obwohl sie nicht die Mehrheit der Wähler stellen, sind die Hörer dieser Sendungen politisch engagierter und in den parteiinternen Vorwahlen aktiver als Nichthörer, sagt Sobieraj. Das Resultat ist, dass Politiker zu immer extremeren Positionen gedrängt werden. Die Konsequenz daraus scheint aber selbst Talk-Radio-Moderatoren wie Lars Larson nicht zu behagen. Vom STANDARD angesprochen auf den derzeit führenden republikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump rümpft er zunächst die Nase. Ein New Yorker, der früher liberale Positionen vertreten hat und mit Hillary Clinton befreundet war – so jemand soll für die Republikanische Partei ins Rennen gehen? Die Ironie dabei sei, meint Sobieraj, dass Trump und Talk-Radio-Moderatoren erstaunlich ähnlich klingen. Ihr Stil und ihre Charakterisierung der amerikanischen Politik ähneln einander: Sie verwenden denselben Zugang: Empörung und Übertreibung. Und die auf Empörung beruhenden Medien haben den Boden für jemanden wie Trump aufbereitet und ihn aufgewertet. Seine Popularität drückt aus, dass die Wählerschaft wütend und enttäuscht ist. Die Angst und die moralische Entrüstung, die Talk-Radio gezüchtet hat, wird von Trump gestillt. Richterliche Anordnung in letzter Sekunde umgesetzt. Washington – Das US-Außenministerium hat am Montag (Ortszeit) die letzten der vielen tausend E-Mails von Hillary Clintons privatem Server veröffentlicht. Mit den noch ausstehenden 3800 Seiten setzte das State Department eine richterliche Anordnung um, wonach sämtliche Dokumente bis Ende Februar zu veröffentlichen seien. Die Veröffentlichung am Vorabend des Super Tuesday kommt für Clinton zu einem ungünstigen Zeitpunkt. Am Dienstag stellt sie sich in elf Bundesstaaten als Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten zur Wahl. Clinton hatte in ihrer Zeit als Außenministerin zwischen 2009 und 2013 ihre E-Mail-Kommunikation über einen privaten Server abgewickelt. Alles in allem handelt es sich um rund 53.000 Seiten. Das Außenministerium begann im Mai mit der Veröffentlichung. Die E-Mail-Affäre ist Gegenstand mehrerer juristischer Untersuchungen und auch einer Überprüfung des FBI, die einer Kandidatin Clinton in den kommenden Monaten gefährlich werden können. Clinton hatte erst sehr spät eingeräumt, dass es sich bei ihrem Verhalten um einen Fehler handelte. Die Witwe des früheren Präsidenten Ronald Reagan wurde 94 Jahre alt. Los Angeles – Die ehemalige US-First-Lady Nancy Reagan ist im Alter von 94 Jahren gestorben. Das teilte die Ronald-Reagan-Präsidentenbibliothek am Sonntag mit. Die frühere Filmschauspielerin erlag einer Herzinsuffizienz. Sie soll in der Bibliothek neben ihrem Mann, dem 2004 gestorbenen Ex-Präsidenten Ronald Reagan, im kalifornischen Simi Valley bestattet werden. Vorher bekommt die Öffentlichkeit Gelegenheit, Abschied zu nehmen. Der Republikaner Reagan amtierte von 1981 bis 1989 im Weißen Haus. Nancy Reagan spielte Mitte des vergangenen Jahrhunderts in mehreren erfolgreichen B-Filmen mit und lernte Ronald Reagan kennen, der damals ebenfalls als Schauspieler in Hollywood arbeitete. 1952 heiratete das Paar. Wie viele First Ladys machte die treue Partnerin des 40. Präsidenten sich während und nach ihrer Zeit im Weißen Haus für eigene Themen stark. Dazu zählte ihre Anti-Drogen-Kampagne Just Say No. Später unterstützte sie die Forschung zur Heilung von Alzheimer, woran ihr Mann nach seinem Ausscheiden aus dem Präsidentenamt erkrankt war. Die am 6. Juli 1921 in New York geborene Tochter eines Autoverkäufers hatte mit dem Politiker zwei Kinder, Tochter Patti und Sohn Ron. Außerdem adoptierte sie seine beiden Kinder aus erster Ehe mit der Schauspielerin Jane Wyman (Falcon Crest). Der große Einfluss auf ihren Mann, dem sie bei einer Pressekonferenz einmal sogar eine Antwort einflüsterte, brachte ihr die Spitznamen Dragon Lady und Queen Nancy ein. Zu den berühmtesten ihrer 56 Staatsbankette zählt das Abendessen für den sowjetischen Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow im Jahr 1985. Sie definierte ihre Rolle als Schutzschild für das geistige und körperliche Wohlbefinden des Präsidenten, sagte Carl Anthony, Historiker der First Ladies Library in Ohio, laut einem Bericht der Washington Post. Ich glaube, sie würde ihr Vermächtnis darin sehen, das Vermächtnis ihres Mannes mitgeformt zu haben. Die ehemalige First Lady Barbara Bush, die an der Seite von George Bush senior von 1989 bis 1993 im Weißen Haus lebte, drückte der Familie Reagans ihr Beileid aus. Nancy Reagan war Präsident Reagan absolut treu, und es beruhigt uns, dass sie noch einmal vereint werden, teilte Bush mit. Ronald Reagan war vor seiner Präsidentschaft Gouverneur von Kalifornien. Der Schauspieler und kalifornische Ex-Gouverneur Arnold Schwarzenegger schrieb auf Twitter: Nancy Reagan war eine meiner Heldinnen. Sie diente mit unglaublicher Kraft, Klasse und Grazie als First Lady und hinterließ ihre Spuren in der Welt. Jetzt ist sie bei Ronnie, aber wir Hinterbliebenen werden sie sehr vermissen. Informationen sollen von festgenommenen IS-Verantwortlichen stammen. Washington – Die US-Luftwaffe hat nach Medienberichten das Chemiewaffenprogramm der Terrormiliz Islamischer Staat ins Visier ihrer Bomber genommen. Nach Angaben von CNN stammten dafür nötige Informationen aus dem Verhör einer hochrangigen IS-Quelle, die vor drei Wochen von einem US-Spezialkommando im Nordirak gefasst worden sei. Bei dieser Quelle handelt es sich angeblich um eine Schlüsselfigur des gesamten Chemiewaffenprogramms. Das Weiße Haus und das Pentagon nahmen auf Anfrage keine Stellung zu den Berichten. Aus einer allgemeinen Aufstellung geht nur hervor, dass seit dem Wochenende Angriffe in der Gegend von Mossul geflogen wurden. Näher benannt wurden diese Ziele nicht. CNN berichtete, die Informationen aus dem Verhör hätten ausgereicht, um die Luftangriffe im Irak zu beginnen. Ziel sei, das gesamte Programm zu zerstören. Es geht dabei vor allem um Senfgas. Aus den Berichten ging nicht hervor, ob und wie erfolgreich die Angriffe waren. US-Verteidigungsminister Ashton Carter hatte vergangenen Monat in einem Interview gesagt, die USA beobachteten das Chemiewaffenprogramm nicht nur sehr genau, sondern würden auch etwas dagegen unternehmen. Das US-Spezialkommando hatte die IS-Quelle nach unbestätigten Angaben als ersten ranghohen Vertreter der Organisation im Irak festgesetzt. Bei diesem Kommando soll es sich um etwa 200 Soldaten handeln. Ihr Auftrag besteht aus geheimdienstlichen Tätigkeiten, außerdem sollen sie IS-Anführer fangen oder töten. Unklar blieb, ob der IS nach der Festnahme des mutmaßlichen Waffenspezialisten vor drei Wochen keine Anstrengungen unternommen hat, sein Programm sofort zu ändern oder zu verlegen. US-Geheimdienste legen der Terrororganisation mindestens zwölf Einsätze von Senfgas zur Last, mehrheitlich in Syrien, die anderen im Irak. Drei weitere Vorfälle sind wahrscheinlich. Nach US-Angaben kamen die dabei Getöteten aber durch die Explosion der Granaten um, nicht durch das Gas selbst. Die US-Regierung legt großen Wert darauf, dass alle Aktionen im Irak mit der Regierung des Landes abgestimmt seien. Ob an der Aktion gegen das Chemiewaffenprogramm auch irakische Kräfte beteiligt waren, blieb zunächst unklar. Indes wurde bekannt, dass das hochrangige tschetschenische Führungsmitglied des IS Tarkan Batiraschwili – Kampfname Abu Omar al-Shishani oder Omar der Tschetschene –doch nicht bei einem Luftangriff der USA in Syrien getötet worden. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte am späten Mittwochabend in London mit, er sei bei dem Angriff schwer verletzt worden. Während die Republikaner auf Zeit spielen, hat ihnen Obama einen möglichen Höchstrichter vor die Nase gesetzt, den sie schwer ablehnen können. Als Merrick Garland im Fernsehen sah, wie Leichen, auch solche von Kleinkindern, aus den Trümmern des Alfred P. Murrah Building gezogen wurden, bat er seinen Chef, ihn an den Tatort zu schicken. Es war der 19. April 1995: In Oklahoma City war ein Gebäude der Bundesverwaltung von einer Bombe verwüstet worden, 168 Menschen kamen ums Leben. Kurz darauf begann Staatsanwalt Garland, Vater zweier Töchter, die damals im Kindergartenalter waren, am Ort des Verbrechens Beweise zu sammeln. Es endete mit einem Todesurteil für den Täter Timothy McVeigh. Zwei Jahrzehnte später ist Garland der Kandidat, der den verstorbenen Antonin Scalia im Supreme Court ersetzen soll. Barack Obama hat ihn nominiert, wobei der Präsident genau weiß, welcher Hindernislauf seinem Favoriten im Kongress bevorsteht. Während führende Republikaner auf Zeit spielen – darauf spekulierend, dass im Jänner einer der ihren ins Weiße Haus einzieht –, hat ihnen Obama einen Mann vor die Nase gesetzt, den sie eigentlich nicht ablehnen können. An der Spitze des Bundesberufungsgerichts in der Hauptstadt Washington traf der 63-Jährige Entscheidungen, die es unmöglich machen, ihn ins linke oder rechte Fach zu sortieren. Die CIA, urteilte er etwa, verstoße gegen Gesetze, wenn sie der Presse keine Auskunft über Drohnenangriffe in Pakistan, Somalia oder im Jemen gebe. Dann urteilte er aber, die Geheimdienste bräuchten keine Fotos zu veröffentlichen, auf denen – gleichsam als Beweis – die Leiche Osama Bin Ladens zu sehen sei. Und nachdem George W. Bush Guantánamo de facto zur rechtsfreien Zone erklärt hatte, stimmte Garland zu: Guantánamo-Häftlinge, befand er im Jahr 2003, könnten in den USA nicht gegen ihre Inhaftierung klagen. Als Obama ihn nun vorstellte, kämpfte Garland mit den Tränen, während er sich ausmalte, welchen Stolz seine Großeltern – vor den zaristischen Pogromen aus Russland geflohene Juden – in diesem Moment wohl empfinden würden. Aufgewachsen bei Chicago, studierte Garland in Harvard Jus. 1989 wurde er Staatsanwalt. Nicht nur dass Garland das gediegene Ambiente der Anwaltskanzlei Arnold & Porter gegen ein fensterloses Büro eintauschte: Er nahm auch eine 50-prozentige Kürzung seiner Bezüge in Kauf. 1997 gab ihm der US-Senat mit klarer Mehrheit grünes Licht für den Posten am Berufungsgericht, dessen Vorsitzender er inzwischen ist. (Frank Herrmann, 17.3.2016) Obama will das umstrittene Gefangenenlager noch vor Ende seiner Amtszeit schließen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Ryan beendet Spekulationen über sein mögliches Antreten: "Ich möchte nicht für unsere Partei kandidieren." Sanders liegt laut neuer Umfrage gleichauf mit Clinton. Washington – Paul Ryan, Präsident des US-Abgeordnetenhauses und politisches Schwergewicht der Republikaner, hat eine Präsidentenkandidatur ausgeschlossen. Ich möchte nicht für unsere Partei kandidieren und werde auch keine Kandidatur annehmen, sagte Ryan am Dienstag in Washington. Er wolle damit alle Spekulationen ein für alle Mal beenden. In Kreisen der republikanischen Partei war zuvor der Wunsch laut geworden, dass Ryan als Präsidentenkandidat antritt. Hintergrund sind Zweifel, dass weder der umstrittene Bewerber Donald Trump noch dessen erzkonservativer Mitkonkurrent Ted Cruz im November die Präsidentenwahl gewinnen können. Sollten weder Trump noch Cruz im laufenden Vorwahlkampf die notwendigen 1.237 Delegiertenstimmen bekommen, zeichnet sich auf dem Republikaner-Parteitag im Juli in Cleveland (Ohio) eine Kampfabstimmung ab. Dann hätte Ryan nach Vorstellung seiner Anhänger den Hut in den Ring werfen sollen. Ryan stellte jedoch klar, dass aus seiner Sicht nur Präsidentenkandidat werden dürfe, wer auch am Vorwahlkampf teilgenommen habe. Ryan gilt als politisches Schwergewicht in seiner Partei. Sein Aufstieg war eng mit dem Machtzuwachs der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung verbunden. Seit Ende Oktober 2015 ist Ryan Präsident des Abgeordnetenhauses. Zuvor leitete er den mächtigen Budgetausschuss. Bei der Präsidentenwahl 2012 trat Ryan an der Seite von Mitt Romney als Vizepräsidentschaftskandidat an. Im Kampf um die demokratische Präsidentschaftskandidatur ist der linke Rivale von Ex-Außenministerin Hillary Clinton, Bernie Sanders, weiterhin im Aufwind. Eine neue Umfrage von Reuters/Ipsos unter 720 repräsentativ ausgewählten Demokraten sieht beide landesweit bei 48 Prozent. In New York, wo am 19. April die nächste Vorwahl stattfindet, liegt Clinton allerdings weiter in Führung. Zudem könnte Sanders neuerlicher Höhenflug für ihn zu spät kommen. Clinton hat bereits bei bisherigen Vorwahlen und vor allem unter den ungewählten Superdelegierten so viele Delegiertenstimmen gesammelt, dass es für den Senator aus Vermont mathematisch äußerst schwierig erscheint, ihren Vorsprung noch einzuholen. Nach über 100 Jahren soll erstmals wieder eine Frau – noch dazu eine schwarze – die Zwanzig-Dollar-Note zieren. Von Barack Obama stammt der schöne Satz, dass er eben anders aussehe als all die anderen Präsidenten auf den Dollarscheinen. Und diese sind auch heute noch eine Weiße-Männer-Domäne – weshalb umso bemerkenswerter ist, dass demnächst eine schwarze Frau einen solchen Schein zieren wird. Und zwar nicht irgendeinen, sondern den meistgebrauchten Zwanziger. Harriet Tubman wird die Ehre zuteil, weil sich Finanzminister Jack Lew dem Willen der Bürgerinitiative Women on Twenties beugte. Es gab auch andere Kandidatinnen, etwa die frühere First Lady Eleanor Roosevelt oder die schwarze Bürgerrechtsikone Rosa Parks. Doch am Ende gewann Tubman eine Onlineumfrage, und sie wird Andrew Jackson von der Vorderseite der 20-Dollar-Note verdrängen – jenen US-Präsidenten, unter dem im Jahr 1830 die Zwangsumsiedlung von Indianerstämmen beschlossen wurde. Tubman kam zirka 1822 als Araminta Ross im Bundesstaat Maryland zur Welt, als Sklavin. Durch einen Anwalt findet sie heraus, dass die Familie, die sie ihrer Freiheit beraubt, auch gegen den letzten Willen eines Altvorderen handelt: Der Sklavenhalter Atthow Pattison hatte nämlich in seinem Testament verfügt, dass Harriet Green, Aramintas Mutter, freizulassen sei, sobald sie das Alter von 45 Jahren erreicht habe. Doch Pattisons Enkeltochter ignoriert diesen letzten Willen. A woman, a leader, and a freedom fighter. I cant think of a better choice for the $20 bill than Harriet Tubman: https://t.co/YcsZC4ZrKg -H 1849 sollen Araminta und zwei ihrer Brüder an verschiedene Herren verkauft werden – was bedeuten würde, dass sie die beiden wohl nie wiedersieht. Bevor das geschehen kann, fliehen die drei über die Mason-Dixon-Line in den freien Norden. Araminta, die dann den freien Schwarzen John Tubman heiratet und zudem den Vornamen ihrer Mutter annimmt, kehrt bald darauf zurück nach Maryland, um Verwandten und Freunden zur Flucht zu verhelfen. Sie ersinnt Schmuggelrouten und findet Verstecke, in denen die Fliehenden tagsüber abtauchen können, bevor sie nachts weiterziehen: die Underground Railroad. Als 1861 der Bürgerkrieg beginnt, stellt Tubman ihre intimen Kenntnisse verschlungener Wege durch den Süden in den Dienst der Nordstaatenarmee: Sie wird Spionin. 1869 wird der Kriegsveteran Nelson Davis ihr zweiter Ehemann, 1874 adoptieren sie ein Kind, Gertie. In späteren Jahren engagiert sie sich für Frauenrechte und stirbt schwerkrank und mittellos 1913. Die evangelisch-lutherische Kirche in Amerika gedenkt ihrer alljährlich am 10. März. Als erster amtierender US-Staatschef. Tokio – Gut 70 Jahre nach dem Atombombenangriff der USA auf Hiroshima plant Präsident Barack Obama einem Medienbericht zufolge als erster amtierender US-Staatschef einen Besuch der japanischen Stadt. Die USA würden Japan als Termin den Abschluss des G7-Treffens in Japan am 27. Mai vorschlagen, berichtete die Zeitung Nikkei am Freitag unter Berufung auf US-Regierungskreise. Die japanische Regierung war zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Nach dem Atombombenabwurf auf Hiroshima am 6. August 1945 starben 140.000 Menschen durch den Angriff und an seinen Folgen. Die Stadt im Süden Japans wurde zum Symbol des Schreckens von Atomwaffen. Vergangene Woche hatte John Kerry als erster amtierender US-Außenminister die Gedenkstätte für die Opfer besucht und eine Visite Obamas in Aussicht gestellt. Wenn die Reise des Präsidenten den Charakter einer Entschuldigung bekäme, könnte dies in den USA zu Kontroversen führen. Die meisten US-Bürger sind der Ansicht, dass der Atombombeneinsatz zur rascheren Beendigung des Zweiten Weltkriegs gerechtfertigt war. Kurz nach Hiroshima griffen die USA mit Nagasaki eine zweite Stadt an und Japan kapitulierte. Obama hatte 2009 angekündigt, er wolle die beiden Städte besuchen. Stealth-Jagdflugzeuge besuchen Litauen und Rumänien. Im Rahmen der Nato-Aufrüstung in Osteuropa haben die US-Streitkräfte zwei F-22-Kampfflugzeuge nach Rumänien und Litauen entsandt. Die Flugzeuge landeten am Montag auf dem Luftwaffenstützpunkt Mihail Kogalniceanu, der in der Nähe der Stadt Constanța liegt, am Mittwoch kamen sie auf dem litauischen Flugplatz Siauliai an, wo sie von Präsidentin Dalia Grybauskaite begrüßt wurden. Die F-22 Raptor soll den Luftüberlegenheitsjäger F-15A-D Eagle ablösen und verfügt im Gegensatz zum Vorgänger über Tarnkappeneigenschaften. Sie kann ohne Einsatz von Nachbrennern Überschallgeschwindigkeit erreichen und gilt mit einem Stückpreis von 189 Millionen Dollar (167 Millionen Euro) als das teuerste Jagdflugzeug der Welt. Air-Force-Sprecherin Sheryll Klinkel erklärte, mit der Stationierung wolle man eine stärkere Präsenz an der Nato-Ostgrenze erreichen: Wir wollen von mehreren Stützpunkten aus operieren, um den Gegner in Unsicherheit darüber zu versetzen, wo wir demnächst auftauchen. Bei ihrer Ankunft in Rumänien verteilten die Piloten Dan Barina und Rob Morgan Ansteckabzeichen und Aufnäher und erklärten, sie seien nicht hier, um zu provozieren, sondern sollten nur die Zusammenarbeit mit den Nato-Partnern stärken. Mitte April hatten zwei russische SU-24-Bomber nur 130 Kilometer von der Enklave Kaliningrad entfernt den US-Lenkwaffenzerstörer Donald Cook in äußerst geringer Höhe überflogen und Angriffe simuliert. Gesetzesentwurf verabschiedet – Saudi-Arabien soll zur Rechenschaft gezogen werden – Obama dürfte Veto einlegen. Washington – Angehörige von Opfern der Terroranschläge am 11. September 2001 sollen nach dem Willen des US-Senats die Regierung Saudi-Arabiens verklagen dürfen. Die Abgeordneten in Washington verabschiedeten am Dienstag einen Gesetzesentwurf, der solche Klagen möglich machen würde. Familien von Opfern der Terroranschläge wollen Saudi-Arabien schon seit längerem zur Verantwortung ziehen. Mehrere Angehörige begrüßten den Schritt des Senats deshalb. Hintergrund sind Vorwürfe gegen das Land, Verbindungen zu den Terroranschlägen in den USA gehabt zu haben. Das Repräsentantenhaus muss dem Entwurf noch zustimmen. Anschließend müsste Präsident Barack Obama das Gesetz unterzeichnen. Er hat sich aber dagegen ausgesprochen. Das Weiße Haus fürchtet, dass amerikanische Bürger im Ausland durch das Gesetz Risiken ausgesetzt werden könnten. Obamas Sprecher Josh Earnest erklärte am Dienstag: Angesichts der Bedenken ist es nur schwer vorstellbar, dass der Präsident das Gesetz unterschreiben wird. Das Gesetz würde die Immunität anderer Regierungen in Bundesgerichten in den USA einschränken und es ermöglichen, sie beispielsweise wegen der Folgen von Terroranschlägen zu verklagen. Acht Monate nach Nominierung von Eric Fanning durch Präsident Obama. Washington – Acht Monate nach der Ernennung durch US-Präsident Barack Obama hat der Senat dem ersten bekennenden Homosexuellen an der Spitze des Heeresamts zugestimmt. Eric Fanning konnte am Dienstag vom Oberhaus bestätigt werden, nachdem der republikanische Senator aus Kansas, Pat Roberts, seinen Widerstand gegen die Ernennung wegen eines Streits mit dem Verteidigungsministerium über das US-Gefangenenlager Guantanamo aufgegeben hatte. Der Leiter des Heeresamtes ist der zivile Chef der Bodentruppen und führt diese gemeinsam mit dem Stabschef der Landstreitkräfte. Der 47-jährige Fanning hatte in den vergangenen 25 Jahren eine Reihe von Posten im Kongress und im Pentagon inne, unter anderem war er Assistent und Stabschef von US-Verteidigungsminister Ashton Carter. Unter Obama war Ende 2010 in der US-Armee die sogenannte Dont ask, dont tell-Regel abgeschafft worden, die es homosexuellen Armeeangehörigen verbot, sich offen zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen. Der Journalist schildert, wie das US-Militär Barack Obamas Politik konterkarierte und im Stillen mit der syrischen Armee kooperierte. STANDARD: In Ihrem Buch The Killing of Osama Bin Laden schreiben Sie von einer stillschweigenden Kooperation des amerikanischen Militärs mit dem syrischen, um Bashar al-Assad an der Macht zu halten, besonders unter Martin Dempsey, der bis September 2015 Generalstabschef der Armee war. Wann hat diese Ihren Informationen nach begonnen? Seymour Hersh: Im Frühjahr 2013 häuften sich Geheimdienstberichte über Beweise, wonach Al-Nusra und andere syrische Rebellengruppen einschließlich des Islamischen Staats, auch wenn der damals noch nicht so gut organisiert war, die Gemäßigten verdrängt hatten. Irgendwann nach Gaddafis Tod im Oktober 2011 hatten wir angefangen, über geheime Kanäle Waffen aus Libyen über die Türkei nach Nordsyrien zu liefern. Spätestens 2013 war klar, dass sie bei den falschen Leuten landeten. Es gab also Grund zur Sorge. Der Vereinigte Generalstab hat sogar eine Studie in Auftrag gegeben, um abzuschätzen, wie viele Soldaten man bräuchte, um die in Syrien lagernden Chemiewaffen unter Kontrolle zu bringen. Die Antwort: siebzigtausend. Kurzum, der Vereinigte Generalstab hatte eine andere Sicht der Dinge als das Weiße Haus. Dort behaupten sie heute noch, es gebe gemäßigte Rebellen. Das ist verrückt. Wir bewaffnen immer noch Leute, von denen wir irgendwie glauben, dass sie keine Islamisten sind. STANDARD: Handelten die Generäle auf eigene Faust, ohne Billigung des Präsidenten? Hersh: Der Vereinigte Generalstab, aber nicht nur der, auch die Defense Intelligence Agency, der militärische Nachrichtendienst, hatten das Gefühl, dass man keinen Wert auf ihre Einschätzungen legte. Es war, als wären sie blind im Weißen Haus. Ich weiß nicht, ob Dempsey dem Weißen Haus sagte, dass er diese Informationen nunmehr an einen Verbündeten weitergibt. Ich weiß, wenn ein Verbündeter um Informationen ansucht, bekommt er sie oft. Ergo wurden sie an Deutschland weitergegeben, damit sie an die syrische Armee gelangen konnten. Eine andere Regel besagt, wenn Alliierte den Vereinigten Generalstab um etwas bitten, braucht dieser nicht in jedem Fall die Erlaubnis des Weißen Hauses einzuholen. Als ich von der Sache erfuhr, sagten mir meine Kontakte, greif das nicht an. Ich könne erst darüber schreiben, wenn Dempsey das Amt verlassen habe. STANDARD: Welches Interesse haben die Deutschen, Assad dabei zu helfen, an der Macht zu bleiben? Hersh: Wie zum Teufel soll ich das wissen? Als ich Leute in der deutschen Bürokratie kontaktierte, die ich seit Jahren kannte, erwiderten sie meine Anrufe nicht. Sie wollten über das Kapitel nicht reden. Ich kann Ihnen allerdings sagen, was in meinen Augen Sinn ergibt. Deutschland will eine stabile Regierung in Syrien. Es will nicht, dass die Aufständischen siegen, denn das bedeutet noch mehr Instabilität. Und Assad ist säkular. Übrigens, wäre ich Putin und sähe mir an, was Amerika tut, würde ich sagen: Moment mal, Saddam war verrückt und gewalttätig, aber seine Regierung war säkular, Sunniten und Schiiten heirateten einander, sie dachten nicht in der Kategorie Sunnit gegen Schiit, bis wir diesen Krieg begannen. Gaddafi hat 2004 eine Wende vollzogen und uns geholfen, Al-Kaida zu bekämpfen. Im Sinne einer Antiterrorstrategie ist es einfach unsinnig, was wir tun. Außerdem tun wir so, als wäre die russische Furcht vor dem Terror nicht echt. Damaskus liegt höchstens tausend Meilen von der russischen Grenze entfernt. Es ist also nicht nur so, dass Putin seinen Einfluss ausdehnen will, um Amerika zu ärgern. Wir sind nur einfach nicht in der Lage, anders zu denken. STANDARD: Warum hat Obama nicht irgendwann gesagt, es gibt praktisch keine Gemäßigten mehr unter den syrischen Rebellen, also keine Waffen mehr für die Opposition? Das hätte doch seiner außenpolitischen Vorsicht entsprochen. Hersh: Nun, lassen Sie mich ein wenig zurückgehen in der Geschichte. Nachdem die Russen in Afghanistan einmarschiert waren, beschlossen Jimmy Carter und Zbigniew Brzeziński, es den Russen zu zeigen. Die Russen sollten erleiden, was wir in Vietnam erlitten hatten. Das nennt man wohl Schadenfreude. Also fingen wir an, Osama Bin Laden und die Jihadisten auszubilden und ihnen Waffen zu geben. Afghanistan wurde für uns zur Erfolgsstory. Russland trat mit eingezogenem Schwanz den Rückzug an, und Bin Laden hatte es vollbracht. Warum diesmal nicht syrische Rebellen mit Waffen versorgen? STANDARD: Den Fehler Afghanistans wiederholen, der letztlich zu den Anschlägen des 11. September 2001 führte? Hersh: Warum nicht Al-Nusra und den IS, deren Kämpfer härtere Hurensöhne sind als die anderen Jungs, die Drecksarbeit machen lassen? Vielleicht hat sich unsere Regierung das so vorgestellt: Lass Al-Nusra, IS und Co Assad töten, danach nehmen wir uns der Sache an. Denkt man darüber nach, kommt man zu dem Schluss: Lass dich nicht mit diesen Leuten ein, denn die Folgen kannst du nicht abschätzen. Aber wir Amerikaner beherzigen das nicht. Wenn Obama, wie im April geschehen, 250 Soldaten der Special Forces nach Syrien beordert, tut er das auch, um Putin zu zeigen, ich bin genauso stark wie du, was du kannst, kann ich schon lange. Neulich hat der Geheimdienstkoordinator James Clapper gesagt, wir gewinnen den Krieg gegen den IS. Es ist, als würde man sagen, ach ja, Russland hat im Zweiten Weltkrieg auch ein wenig geholfen. Wie viele Menschen haben die Russen damals verloren? 20 Millionen? Und wir? Eine halbe Million? Wer hat für uns den Krieg gegen die Deutschen gewonnen? Aber daran wollen wir ungern erinnert werden. Ähnlich verhält es sich mit Syrien. Russland hat eingegriffen, worauf Obama orakelte, damit wird Putin in einem Morast versinken, aus dem er sich nicht mehr befreien kann. Putin ist hineingegangen und wieder hinaus, und er hat das Blatt gewendet. STANDARD: Hat sich das Blatt wirklich gewendet? Hersh: Ja, keine Frage. Assad hing in den Seilen, heute ist er in deutlich besserer Form. Für Assad ist es eine Frage von Leben oder Tod. Verliert er den Krieg, wird er mit seiner Frau und seinen Kindern wie Mussolini enden, aufgeknüpft an einem Baum oder einer Laterne. Und da es um Leben oder Tod geht, bedient er sich aller Mittel. Daher setzt er sogar Fassbomben ein. Ich kenne noch ein Land, das Fassbomben eingesetzt hat: die Vereinigten Staaten von Amerika. In Vietnam haben wir sieben Jahre lang Fassbomben abgeworfen, gefüllt mit Napalm. Die damalige US-Außenministerin wickelte von 2009 bis 2013 ihre E-Mail-Kommunikation über einen privaten Server ab. Washington – Kurz vor dem Ende der US-Vorwahlen holt die Demokratin Hillary Clinton einer der größten Skandale aus ihrer Zeit als Außenministerin ein. Ein am Mittwoch veröffentlichter interner Untersuchungsbericht des Ministeriums kommt zu dem Schluss, dass ihre Verwendung eines privaten E-Mail-Servers für Regierungskorrespondenzen weder zulässig noch genehmigt worden war. Zwar wurden auch ihre Vorgänger getadelt und langfristige, systematische Schwächen des Ministeriums beim Umgang mit Daten festgestellt. Allerdings betont der Bericht unter Berufung auf Experten, dass Clintons Nutzung eines privaten Servers für Amtsgeschäfte ein Sicherheitsrisiko dargestellt habe. Clintons E-Mail-Computer stand in ihrem Haus in Chappaqua im Bundesstaat New York. Gegen sie laufen deswegen mehrere Untersuchungen, darunter auch eine der Bundespolizei FBI. Die Existenz des Servers wurde von dem rumänischen Hacker Marcel Lazar enthüllt, der nach eigenen Angaben leicht in das System eindringen konnte. Experten haben dafür jedoch keine Hinweise gefunden. Lazar plädierte am Mittwoch vor einem Gericht in Virginia auf schuldig zu Vorwürfen der Cyberkriminalität. Ein Clinton-Sprecher erklärte, der Bericht zeige, dass der Umgang der Ministerin mit E-Mails dem ihrer Vorgänger entsprochen habe. Ein Vertreter des Außenministeriums sagte, die im Bericht enthaltenen Empfehlungen zum Umgang mit Daten seien mittlerweile aufgegriffen worden. Clinton liegt bei den Vorwahlen der Demokraten so weit vorne, dass ihre Nominierung zur Präsidentschaftskandidatin als sicher gilt. Die Affäre könnte sie aber darüber hinaus im eigentlichen Wahlkampf gegen den Kandidaten der Republikaner belasten. Diese haben erklärt, die frühere First Lady habe mit einem privaten Server den rechtmäßigen Zugang zu Unterlagen verhindern wollen. Der republikanische Senator Jeff Sessions aus Alabama sagte in einer ersten Stellungnahme zu dem internen Bericht des Außenministeriums, es habe einen systematischen, ausgefeilten Plan gegeben, um die Sicherheitsvorschriften zu umgehen. Sessions unterstützt Donald Trump, dem seinerseits die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner kaum noch zu nehmen ist. Die Präsidentenwahl findet Anfang November statt. (Reuters, 25.5.2016) Washington will Transgender-Personen an Schulen freie Toilettenwahl geben. Wien – Elf US-Staaten haben die Bundesregierung von Präsident Barack Obama wegen ihrer Anweisung an Schulen verklagt, Transgender-Personen die freie Wahl der Toiletten zu geben. In der am Mittwoch vor einem Bezirksgericht in Texas eingereichten Klageschrift werfen die Staaten der Regierung vor, Gesetze per Rechtsverordnung umschreiben zu wollen. Der Toiletten-Streit, der seit Wochen mit zunehmender Heftigkeit tobt, erreicht damit eine neue Ebene. Das Bildungs- und das Justizministerium hatten am 13. Mai in einem Brief an Schulen und Universitäten Richtlinien definiert, um für Transgender-Schüler im Einklang mit den bestehenden Gesetzen gegen Diskriminierung ein sicheres Umfeld zu schaffen. Insbesondere wurden die Bildungseinrichtungen aufgefordert, Transgender-Personen zu erlauben, diejenige Toilette aufzusuchen, die ihrem empfundenen Geschlecht, statt ihrem Geschlecht auf der Geburtsurkunde entspricht. In der Klageschrift heißt es nun, die Bundesregierung wolle Arbeitsplätze und Bildungsorte im ganzen Land zu Laboren eines massiven sozialen Experiments machen. Sie setze sich mit ihrer rechtlich nicht bindenden Anweisung über den demokratischen Prozess sowie über Maßnahmen zum Schutz von Kindern und der Privatsphäre hinweg. Die elf US-Staaten werden von Texas angeführt. Neun von ihnen werden von republikanischen Gouverneuren regiert. Die Anweisung der Bundesregierung erging vor dem Hintergrund eines erbitterten Streits um ein Gesetz in North Carolina, das Transgender-Personen die freie Toilettenwahl in staatlichen Einrichtungen verbietet. Wegen ihrer gegensätzlichen Auffassungen über das Gesetz haben sich das Justizministerium in Washington und der Gouverneur von North Carolina gegenseitig verklagt. Das US-Justizministerium sieht in den Regelungen einen Verstoß gegen die Bürgerrechte. Während der US-Präsident im Japan um Ausgleich bemüht ist, tobt zuhause der Kampf um die nukleare Deutungshoheit. Als Paul Tibbets, der Pilot der Enola Gay, im Oktober 2007 das Zeitliche segnete, hatte er nie ein öffentliches Wort des Bedauerns für die Tragödie von Hiroshima gefunden. Man kann sich darüber nicht den Kopf zermartern, es gibt keine Moral in der Kriegsführung, Krieg an sich ist unmoralisch, sagte er sieben Jahre vor seinem Tod in einem seltenen Interview, einem Gespräch mit dem amerikanischen Radiosender NPR. Am 6. August 1945 saß Tibbets am Steuer jener B-29, von der die Bombe, der die Militärs den Namen Little Boy gegeben hatten, über Hiroshima abgeworfen wurde. Die Maschine hatte er nach seiner Mutter benannt. Die Sicht des Piloten, sie ist bis heute die vorherrschende geblieben, wenn in den Vereinigten Staaten über Hiroshima diskutiert wird, wie jetzt vor dem Besuch Barack Obamas. Nach einer Umfrage des Pew-Instituts halten 56 Prozent der Amerikaner den Einsatz der Bombe für gerechtfertigt, während 34 Prozent widersprechen und die Übrigen sich nicht festlegen möchten. Eine Mehrheit hält es nach wie vor mit den Worten Harry Trumans, des Präsidenten, der die Order zum Abwurf gab. Wir haben uns der Bombe bedient, um die Qualen des Krieges zu verkürzen, um das Leben Tausender und Abertausender Amerikaner zu retten, begründete er seinen Befehl. Obama, das hat das Weiße Haus bereits klargestellt, wird sich nicht von Truman distanzieren, weder dessen Strategie infrage stellen noch in Hiroshima um Verzeihung bitten. Auf welch schmalem Grat er sich bewegt, ließ er bereits mit einem verbalen Slalomlauf im japanischen Fernsehsender NHK erkennen. Mitten in einem Krieg hätten Politiker in führenden Positionen alle möglichen Entscheidungen zu treffen, es sei Aufgabe von Historikern, diese zu untersuchen. Als jemand, der in den vergangenen siebeneinhalb Jahren in so einer Position war, weiß ich, dass es sehr schwere Entscheidungen sind, besonders in Zeiten des Krieges. So vorsichtig Obama die innenpolitischen Klippen zu umschiffen versucht, zu erleben ist einmal mehr ein Mann des außenpolitischen Ausgleichs, der so markant wie nur wenige seiner Vorgänger neue Kapitel aufschlägt. 90 Jahre hatte kein US-Präsident kubanischen Boden betreten, bevor er die Insel besuchte. Nach Myanmar, zuvor eine Art Terra incognita für amerikanische Staatschefs, ist er gleich zweimal geflogen. Mit der Fahrt nach Hiroshima wiederum verbindet sich ein Traum, mit dem Obama bereits als Neuling im Oval Office Akzente setzte, die Vision einer atomwaffenfreien Welt, die in der Realität freilich angesichts der Aufrüstung Nordkoreas und Pakistans in noch weitere Ferne gerückt ist. Als die einzige Nuklearmacht, die eine Nuklearwaffe eingesetzt hat, stehen die USA in der moralischen Pflicht des Handelns, sagte er 2009 in seiner euphorisch bejubelten Prager Rede. Hiroshima, das Symbol für eine Agenda. Obama ist nicht der erste amerikanische Präsident, der in die japanische Stadt kommt, wohl aber der erste, der es zu Amtszeiten tut. Als Jimmy Carter 1984 im Friedenspark Hiroshimas einen Kranz niederlegte, war er knapp vier Jahre zuvor abgewählt worden. Richard Nixon, der 1964 mit zwei Schweigeminuten der Toten gedachte, sollte erst fünf Jahre später den Sprung ins Weiße Haus schaffen. Und so sorgfältig Obama jedes seiner Worte zu Truman abwägt, es ändert nichts daran, dass manche Republikaner – ebenso wie manche Militärs – allein schon im Faktum seines Besuchs einen unangemessenen Kniefall vor Japan sehen, vor dem Aggressor, der die USA mit dem Angriff auf Pearl Harbor hinterrücks überfiel. Bereits der Trip als solcher könnte als stillschweigende Entschuldigung angesehen werden, ein schwerer Affront gegenüber den Soldaten, die sich geopfert hätten, um Asien zu befreien, schreibt Lloyd R. Vasey, ein pensionierter Konteradmiral der 7. US-Flotte, in einem Beitrag für das Center for Strategic and International Studies, einen Thinktank. Republikanische Kritiker machen es dem Demokraten im Weißen Haus ohnehin ständig zum Vorwurf, dass er kleinmütig um die Welt jette, um für vermeintliche Sünden Amerikas Abbitte zu leisten. Ob Obamas globale Entschuldigungstour wohl in Hiroshima ende, fragte vor Monaten der Weekly Standard, die Zeitschrift der Neokonservativen. Am anderen Ende des Meinungsspektrums stehen linke Wissenschaftler wie Noam Chomsky oder der Politökonom Gar Alperovitz, Autor zweier Bücher über die Geschichte der Atomwaffe. Um Japan zur Kapitulation zu zwingen, seien die Bomben auf Hiroshima und Nagasaki absolut unnötig gewesen, argumentiert Alperovitz. Vielmehr sei es um eine Demonstration militärischer Macht gegangen, um ein Signal, das man in der Morgendämmerung des Kalten Krieges nach Moskau senden wollte. Japans nationalistischer Premier Shinzo Abe nützt den Obama-Besuch, um sich als Mann des Friedens zu zeigen. Realpolitisch mögen bei den G7 in Ise-Shima die wichtigeren Ereignisse stattfinden – die Konzentration der internationalen Medien liegt aber auf einem anderen Ereignis: dem für Freitag geplanten Besuch Barack Obamas im Friedenspark von Hiroshima. Die Visite des US-Präsidenten ist die erste eines amtierenden US-amerikanischen Staatsoberhauptes an jenem Ort, wo am 6. August 1945 erstmals eine Atombombe im Krieg eingesetzt wurde. Zumindest eine Absicht ist schon jetzt aufgegangen: In beiden Ländern wird erneut intensiv über die Ereignisse des letzten Kriegsjahres gesprochen. Für die Japaner handelt es sich um das Symbol ihres Leids im Zweiten Weltkrieg. Die von der ersten Atombombe Verbrannten und Verstrahlten haben es der ganzen Nation möglich gemacht, sich als Kriegsopfer zu fühlen und so die eigene Kriegsschuld zu verdrängen. Wenn Obama dies nun stärker als Washington bisher anerkennt, birgt dies aber auch eine Gefahr: nämlich jene, dass die Japaner sich weiter in der Opferrolle bestätigt fühlen. Deshalb, so argumentieren Teile der japanischen Opposition, ist es wichtig, dass sich der US-Präsident nicht für die Atombombenabwürfe entschuldigt. Dies hatte sein Stab aber ohnehin bereits im Vorfeld ausgeschlossen. Denn auch in den USA würde dies für neue Empörung sorgen. Für viele frühere US-Soldaten, die in japanischer Kriegsgefangenschaft gefoltert und zu Zwangsarbeit genötigt wurden, ist jede Form von Entschuldigung untragbar. In ihren Augen und in den Augen jener Soldaten, die nach der grausamen Schlacht um Okinawa die Fortsetzung des mörderischen Krieges auf den großen japanischen Inseln befürchteten, war der Abwurf der beiden Atombomben das richtige Mittel zur Beendigung des Krieges. 56 Prozent der Amerikaner halten den Abwurf der Bomben noch immer für gerechtfertigt. 79 Prozent der Japaner sind gegensätzlicher Ansicht. Diese Diskrepanz in der Wahrnehmung besteht fort. Obama wollte laut Vorankündigungen ohnehin nicht über die Vergangenheit, sondern über die Zukunft sprechen. Was auch im Sinne von Japans Premier Shinzo Abe ist. Auf ihn würde sonst der Druck steigen, sich für japanische Untaten im Zweiten Weltkrieg zu entschuldigen. Bisher hatte er sich um eine solche Botschaft stets kunstvoll herumgeredet. Wenn Obama mit dem nationalkonservativen Regierungschef zum Friedensmemorial geht, ist dies dennoch eine Botschaft: Er will Japan noch stärker an die USA binden, obwohl dessen Führung nicht wirklich mit der eigenen Geschichte gebrochen hat. Abe hat zwar keine kriegerischen Absichten, aber er verfolgt hartnäckig die Idee eines stolzen und wehrhaften Japan, das einem immer selbst bewussteren China Paroli bieten kann – mit einem Eifer, der sein eigentliches Wahlversprechen, Japans Wirtschaft wiederaufzurichten, in den Hintergrund rückt. Seine Ambitionen macht auch die Auswahl des Orts für den G7- Gipfel deutlich. Gleich am ersten Tag des Gipfels hat Premier Abe die Staatsführer zum Ise-Schrein geführt. Dort befindet sich der Ideologie des Staatsshinto zufolge die Göttin Amaterasu, die Urmutter Japans. Der Staatsshinto, dem Abe wieder offiziellen Rang geben will, war aber die Religion, in deren Namen Japan seine aggressive Imperialpolitik betrieben hat. Den gemeinsamen Hiroshima-Besuch will Abe nutzen, um sich vor der Bevölkerung als Premier darzustellen, der den Frieden will. Im Juli nämlich finden in Japan Oberhauswahlen statt. Abe will dort eine Zweidrittelmehrheit, um eines seiner Hauptziele umzusetzen: das Ende des nach dem Zweiten Weltkrieg von den USA verordneten Pazifismusgebots. Überlebende des Atomangriffs loben Bereitschaft zu Rede, kritisieren aber fehlenden Inhalt. Hiroshima – Zum ersten Besuch eines US-Präsidenten ist Barack Obama am Freitag in Hiroshima eingetroffen. Zusammen mit Japans Regierungschef Shinzo Abe besucht er die Stadt, die im August 1945 von einer amerikanischen Atombombe zerstört wurde. Der historische Besuch folgt auf den Abschluss des G7-Gipfels in Ise-Shima, das rund 400 Kilometer von Hiroshima entfernt liegt. Vor seiner Rede legte Obama am Mahnmal für den Atombombenabwurf einen Kranz für die Opfer nieder. Obama schloss kurz die Augen, als er vor dem Mahnmal innehielt. An seiner Seite war Abe, der sich verbeugte. Obama sprach in seiner Rede erneut von seiner Vision einer Welt ohne Atomwaffen, die er in seinem ersten Amtsjahr bei einem Besuch in Prag dargelegt hatte. Es gebe eine gemeinsame Verantwortung, der Geschichte ins Auge zu schauen und sich zu fragen, wie ein solches Leid künftig verhindert werden könne. Die Atomwaffenstaaten müssten den Mut aufbringen, der Logik der Furcht zu entkommen und eine Welt ohne Atomwaffen zu schaffen. Friedensforscher hatten Obama schon vor seinem Besuch vorgeworfen, zwar immer wieder von dieser Version zu sprechen, tatsächlich aber an einer Modernisierung des US-Atomwaffenarsenals zu arbeiten. Eine Entschuldigung für den Abwurf der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki äußerte Obama nicht. Diese war auch nicht erwartet worden, auch weil der US-Präsident schon allein wegen seines Besuchs in Hiroshima zu Hause in die Kritik geraten ist. Im Vorfeld hatte es geheißen, die Rede werde vor allem eine Warnung vor den Gräueln des Krieges sein. Vor 71 Jahren fiel der Tod vom Himmel, und die Welt veränderte sich, sagte Obama vor zahlreichen Überlebenden des Abwurfs. Wichtig sei, die Lehren aus Hiroshima zu ziehen und die Toten des Weltkriegs ehren. In dem Bild der aufsteigenden Pilzwolke, die über dieser Stadt aufstieg, werden wir stark an die Widersprüche der Menschheit erinnert, sagte Obama. Wissenschaftliche Entdeckungen und Innovation brächten nicht nur Fortschritt, sondern schüfen auch immer wirksamere Tötungsmaschinen. Die USA hielten große Arsenale von Atomwaffen. Aber wir müssen der Logik der Angst entkommen. Auch Abe äußerte sich nicht konkret zur Vergangenheit. Er betonte aber, der Besuch eröffne Japan und den USA ein neues Kapitel der Versöhnung. Er würdigt den Besuch als historisch. Wir schlagen eine neue Seite in unseren Geschichtsbüchern auf, sagte er am Freitag nach einer gemeinsamen Kranzniederlegung am Mahnmal für die Toten des Atombombenabwurfs vor 71 Jahren. Präsident Obama habe mit seinem Besuch eine schwierige, aber wundervolle Entscheidung getroffen. Abe steht immer wieder in der Kritik, weil er Japans kriegerische Kolonialvergangenheit verharmlost und stattdessen den Stolz auf die japanische Geschichte betont. Mehrere Überlebende, die der Rede in Hiroshima beiwohnten, lobten Obamas Worte. Ich glaube, die Rede selbst war eine Entschuldigung, sagte etwa der heute 73-jährige Eiji Hattori, dessen gesamte Familie bei der Explosion ums Leben kam. Hattori, der an drei verschiedenen Krebsarten leidet, hatte vor der Rede gesagt, nur eine Entschuldigung könne seinen Schmerz lindern. Ich fühle mich nun anders, ich hatte nicht erwartet, dass er so weit gehen würde. Auch der 85-jährige Takeo Sugiyama sagte, er sei sehr bewegt von der Rede. Andere kritisierten, dass Obama keine exakten Schritte angekündigt habe. Ich fürchte, ich habe nichts Konkretes gehört, sagte etwa Miki Tsukishita (75). Nur seinem Besuch zu applaudieren, ist nicht genug. Andere merkten an, dass sich auch Japan für den Angriff auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor entschuldigen solle. Unmittelbar vor seinem Besuch in Hiroshima hatte Obama das enge Verhältnis zwischen den USA und Japan gelobt. Beide Länder verbinde eine der größten Allianzen weltweit, sagte er am Freitag auf dem Militärstützpunkt in Iwakuni. Die USA haben rund 47.000 Soldaten in Japan stationiert, Obama sprach vor US-amerikanischen und japanischen Soldaten. Iwakuni liegt wenige Kilometer von Hiroshima entfernt. Sein Besuch sei eine Gelegenheit, an all jene zu erinnern, die im Zweiten Weltkrieg ihr Leben verloren hätten, sagte Obama in Iwakuni. Er sei zudem ein Beleg dafür, dass auch die größte Kluft zwischen zwei Ländern überwunden werden könne. 21-Jähriger will Todesurteil nicht hinnehmen. Boston – Der zum Tode verurteilte Attentäter vom Bostoner Marathonlauf, Dzhokhar Tsarnaev, bemüht sich um einen neuen Prozess. Tsarnaevs Anwälte stellten am Montag in der US-Ostküstenstadt einen entsprechenden Antrag. Konkrete Gründe für die gewünschte Wiederaufnahme des Verfahrens wurden zunächst nicht genannt. Ein ausführlicher Antrag soll bis Mitte August eingereicht werden. Eine Jury am Bundesgericht von Boston hatte Dzhokhar Tsarnaev Mitte Mai zum Tode verurteilt. Die Geschworenen befanden den 21-Jährigen für schuldig, gemeinsam mit seinem später getöteten Bruder Tamerlan im Zielbereich des Boston-Marathons zwei selbst gebaute Sprengsätze zur Explosion gebracht zu haben. Drei Menschen wurden bei dem schwersten Terroranschlag in den USA seit dem 11. September 2001 getötet, mehrere der 264 Verletzten verloren Arme oder Beine. Auf der Flucht erschoss das Bruderpaar einen Polizisten. Bei der offiziellen Verkündung des Todesurteils im vergangenen Monat hatte sich Tsarnaev bei den Opfern und Hinterbliebenen entschuldigt. Ich bereue die Leben, die ich genommen habe, und das Leid und den Schaden, den ich angerichtet habe, sagte der junge Mann. Die Tsarnaev-Brüder stammen aus einer tschetschenischen Familie und waren als Kinder mit ihren Eltern in die Vereinigten Staaten eingewandert. Dzhokhar Tsarnaev ist seit 2012 US-Staatsbürger und studierte an der University of Massachusetts in Dartmouth Meeresbiologie. Sein älterer Bruder Tamerlan hatte sich dem radikalen Islam zugewandt und soll bei einem Aufenthalt im Kaukasus Anfang 2012 Kontakt zu extremistischen Gruppen gehabt haben. Die Verteidigung hatte argumentiert, dass Dzhokhar unter dem Einfluss seines Bruders gehandelt habe, konnte damit das Todesurteil aber nicht abwenden. Der neueste Bewerber um die demokratische Präsidentschaftskandidatur versucht es mit Attacken von links. Mit dynastischen Erbhöfen, weiß Martin O’Malley, haben Amerikaner – theoretisch jedenfalls – nicht viel am Hut. Um der Enge des alten Europa mit seinen gekrönten Häuptern und mächtigen Adelsgeschlechtern zu entfliehen, sind viele ihrer Vorfahren ja erst über den Atlantik gekommen. Es liegt auf der Hand, dass der Demokrat an die Urinstinkte seiner Landsleute appelliert, wenn er seine Bewerbung ums Oval Office mit einer flammenden Hymne auf die Ideale der Republik begründet. Die Präsidentschaft sei keine Krone, die hin- und hergeschoben werde zwischen zwei Königsfamilien. Im Übrigen, wetterte der 52-Jährige zum Auftakt seiner Kampagne, ließ der Chef von Goldman Sachs seine Beschäftigten wissen, dass er sowohl mit einem Bush als auch mit einer Clinton gut leben könnte. Damit ist klar, in welcher Rolle O’Malley sich sieht. Er will Hillary Clinton, die haushohe Favoritin seiner Partei, von links attackieren. Mit anderen Worten, er hofft auf ein Déjà-vu. Hatte der Außenseiter Barack Obama 2008 damit gepunktet, dass die Senatorin Clinton den Einmarsch im Irak unterstützte, so porträtiert O’Malley sie sieben Jahre später als beste Freundin des Finanzadels. Der Ärger auf die Wall-Street-Banken, deren Exzesse die USA in die schwerste Rezession seit der Großen Depression trieben, ist noch immer nicht verraucht. Es bleibt ein Frustpotenzial, das auf der Rechten die Tea Party beflügelte und nun auf der Linken den Ruf nach Alternativen zu Kronprinzessin Hillary laut werden lässt. O’Malley versucht mit populistischer Schärfe daraus zu schöpfen, ähnlich wie der ergraute Senator Bernie Sanders, die Nummer drei des Kandidatenreigens. Sage mir einer, wie es sein kann, dass du wegen eines kaputten Autorücklichts sofort angehalten wirst, aber unantastbar bist, wenn du die Wirtschaft gegen die Wand fährst, polemisiert er. Während Clinton bei ihren Auftritten um keinen Millimeter abweicht von einer exakt abgezirkelten Choreografie, um nur ja keine Angriffsflächen zu bieten, setzt ihr jüngerer Rivale auf lockere Hemdsärmeligkeit. Mit O’Malley’s March, seiner Rockband, stand er zuletzt nur noch selten auf der Bühne, was sich im Wahlkampf allerdings ändern dürfte. Die Weichen, weiß er, werden bei den Vorwahlpremieren in Iowa und New Hampshire gestellt, und wer sich dort buchstäblich die Hacken abläuft, kann durchaus einen Überraschungscoup landen. O’Malleys Achillesferse ist, dass er sich der dicht geknüpften Netzwerke der Clintons lange selber bediente, um voranzukommen. Bill half mit Kontakten zu betuchten Spendern, die seine Kampagnen finanzierten, als er in Ämter gewählt wurde, die er als Sprungbretter verstand: 1999 zum Bürgermeister von Baltimore, 2006 zum Gouverneur Marylands. Baltimore galt eine Weile als Beispiel eines gelungenen urbanen Comebacks, eine heruntergekommene Stahlmetropole, die sich im postindustriellen Zeitalter mit Finanzdienstleistungen, renommierten Krankenhäusern und dem Besuchermagneten eines imposanten Aquariums neu erfand. Doch als sich der junge Afroamerikaner Freddie Gray in einem Polizeitransporter das Genick brach und sein Tod heftige Randale auslöste, sah man, dass O’Malleys Erfolgsstory die Realität allenfalls ausschnittsweise widerspiegelte. Um die schwarzen Armenviertel am Innenstadtrand hatte sie einen großen Bogen gemacht. Überblick über jene Demokraten und Republikaner, die sich für die Nachfolge von Barack Obama in Stellung bringen – oder gebracht haben. Erste größere Wahlkampfrede der Präsidentschaftsbewerberin. New York - US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton hat sich in ihrer ersten größeren Wahlkampfrede als Kämpferin für die Mittelschicht präsentiert. Amerika kann nicht erfolgreich sein, wenn ihr nicht erfolgreich seid, sagte die Ex-Außenministerin und einstige First Lady vor mehreren Tausend jubelnden Anhängern auf Roosevelt Island in New York. Clinton erklärte, sie wolle für steigende Löhne in der Mittelschicht und bessere Aufstiegschancen für die Armen sorgen. Die Demokratie dürfe nicht nur für Milliardäre und Unternehmen da sein. Außerdem wolle sie sich für die Rechte von Homosexuellen, einen Weg für undokumentierte Einwanderer zur Staatsbürgerschaft und den Ausbau erneuerbarer Energien einsetzen. Die Republikaner qualifizierte Clinton als Partei der Gestrigen ab. Es mag einige neue Stimmen im republikanischen Präsidentschaftschor geben, aber sie singen alle die gleiche Melodie, ein Lied mit dem Namen Yesterday, sagte Clinton mit Blick auf den Beatles-Hit. Clinton hatte ihre Bewerbung im April erklärt und gilt als große Favoritin für die Kandidatur der Demokraten bei der Präsidentschaftswahl 2016. Bisher bemühte sie sich um einen bescheidenen Auftritt und fuhr etwa in einem Kleinbus quer durchs Land, um den direkten Kontakt zu Wählern zu suchen. In Umfragen liegt die 67-Jährige weit vor der innerparteilichen Konkurrenz. Vor acht Jahren hatte Clinton den demokratischen Vorwahlkampf gegen Barack Obama verloren, der nach zwei Amtszeiten im Weißen Haus nicht mehr antreten darf. Bei den Republikanern zeichnet sich dagegen ein offeneres Rennen um die Präsidentschaftskandidatur 2016 ab. Bisher haben zehn Politiker ihre Bewerbung erklärt, darunter die Senatoren Marco Rubio, Ted Cruz und Rand Paul. Am Montag dürfte der ehemalige Gouverneur von Florida, Jeb Bush, dazukommen. Erwartet wird zudem die Bewerbung von Wisconsins Gouverneur Scott Walker. Zu alt, zu weiß, zu männlich: Die Republikaner werden sich bei der US-Präsidentenwahl im kommenden Jahr schwertun. Die Republikaner haben mittlerweile so viele potenzielle Präsidentschaftskandidaten aufgestellt, dass es schwer ist, den Überblick zu behalten. Die Fülle der Kandidaten kann auch als Symptom für die aktuellen Schwierigkeiten der Republikaner gedeutet werden. Die Grand Old Party weiß nicht, wohin sie will, zu viele Flügel ringen um Einfluss und um die künftige Linie der Partei. Es gibt die rechtskonservative Tea-Party-Fraktion, die von Ted Cruz, dem Senator aus Texas, umworben und auch unterstützt wird. Der moderate Flügel der Republikaner könnte sich bei Jeb Bush wohler fühlen. Der ehemalige Gouverneur von Florida und Bruder des früheren Präsidenten George W. Bush soll seine Kandidatur am Montag bekanntgeben. Ein Kandidat aber, der in der Lage ist, sowohl die Rechtskonservativen als auch Moderatere anzusprechen, ist noch nicht auf der Bildfläche erschienen. Die republikanische Wählerbasis ist im Durchschnitt eher weiß, älter und männlich als die der Demokraten. Auch bei der Midterm Election im November 2014 war dieses Muster zu beobachten, berichtete damals das Pew Research Center, ein überparteilicher Thinktank mit Sitz in Washington. Das Problem der Republikaner besteht darin, Wählergruppen anzusprechen, die nicht dieser Beschreibung entsprechen. Und genau darum geht es bei Präsidentschaftswahlen: die Stimmen der Unentschlossenen, die Stimmen der Wechselwähler. Die Positionen der Republikaner zu Migration und Abtreibungsrechten führen dazu, dass besonders Latinos und Frauen die Partei nicht einmal ansatzweise als wählbar betrachten. Ted Cruz, selbst Sohn eines kubanischen Einwanderers, tut sich besonders schwer mit der von Barack Obama vorgeschlagenen Einwanderungsreform, die auch die Legalisierung des Aufenthaltsstatus vieler Migranten vorsehen würde. Cruz, schreibt das Magazin Time, bewegt sich dabei auf einem schmalen Grat: Er versucht sich als Befürworter der Einwanderungsreform zu geben, lehnte aber bisher jeden Kompromissvorschlag zur Reform der Gesetzesmaterie ab. Besonders sperrt er sich gegen das Vorhaben, Einwanderern ohne Aufenthaltserlaubnis einen legalen Status im Land zu verschaffen. Er unterstützt allerdings die Möglichkeit, legale Wege der Einwanderung zu öffnen. Rand Paul, ebenfalls ein potenzieller republikanischer Präsidentschaftskandidat, Senator aus Kentucky und dem rechtskonservativen Parteiflügel zugehörig, versucht hingegen Einwanderung nicht zum zentralen Thema seiner Wahlkampagne zu machen. Er konzentriert sich, nachdem das Ausmaß der NSA-Überwachung bekannt wurde, auf das Recht auf Privatsphäre. Sowohl Cruz als auch Paul sind gleichsam Symptome des Zustands der Partei. Die Republikaner haben derzeit kein einheitliches Angebot, keine einheitliche Zukunftsvorstellung, die sie bei der kommenden Wahl präsentieren könnten. Allerdings ist es den Demokraten in den vergangenen 50 Jahren noch nie gelungen, drei Amtsperioden in Folge den US-Präsidenten zu stellen. Für die Republikaner steigt nun Jeb Bush in den Ring, Ex-Gouverneur von Florida und Bruder von Ex-Präsident George W.. Jeb!, steht auf den Postern im Saal, rubinrot auf weißem Grund. Wüsste man nicht, wer da am Pult mit der Aufschrift Jeb2016.com redet, ein Ex-Gouverneur Floridas namens John Ellis Bush, kurz Jeb genannt, man könnte denken, es handle sich um einen dieser Fußballer aus Brasilien, die sich ab einem gewissen Bekanntheitsgrad nennen wie Künstler. Dabei steht der Name Bush nicht nur für eine Familie, sondern für eine politische Dynastie, die zwei Präsidenten hervorbrachte, darunter einen der umstrittensten der jüngeren amerikanischen Geschichte. Wir werden Washington, dieser statischen Hauptstadt unseres dynamischen Landes, das Geschäft nehmen, anderen Probleme zu machen, sagt der Kandidat. Es ist ein Standardsatz, wie ihn fast jeder Republikaner vorträgt. Dass sich Jeb Bush das Miami Dade College aussucht, um seine Kandidatur fürs Weiße Haus zu verkünden, soll Symbolwirkung haben. Mit 170.000 Studenten ist Miami Dade nicht nur die größte Universität der USA, es ist auch die Hochschule mit dem höchsten Anteil an ethnischen Minderheiten, die im Übrigen in absehbarer Zeit die Mehrheit bilden werden. Neun von zehn Studenten sind Hispanics oder Afroamerikaner, was nicht nur am Anspruch Miamis liegt, die Exilmetropole Kubas und Drehscheibe der Karibik zu sein, sondern auch an vergleichsweise niedrigen Studiengebühren. Bush also illustriert allein schon mit der Optik, was er anders zu machen gedenkt als Mitt Romney, der 2012 gescheiterte Spitzenmann der Republikaner. Die Konservativen, weiß er, können kein Präsidentenvotum gewinnen, wenn sie sich in erster Linie als Partei weißer Amerikaner verstehen, de facto weißer, älterer Männer, wie sie den Kern der Tea-Party-Bewegung bilden. Bleiben sie auf Distanz zu den Hispanics, der am schnellsten wachsenden Wählergruppe, wird es wohl nichts mit der Rückkehr ins Oval Office. Ergo gibt Bush, zunächst einmal, den Anti-Romney. Der Geschäftsmann aus Boston stieß die Latinos mit kalten Sprüchen gegen illegale Einwanderer derart vor den Kopf, dass sie sich, obwohl von den Familienwerten her oft eher konservativ, zu 71 Prozent für Barack Obama entschieden. Bush will sie zum Seitenwechsel bewegen, auch deshalb erzählt er bei jeder Gelegenheit von der Rebellion gegen den eigenen Clan. Er war noch ein Teenager, als er 1970 auf einer Studienreise nach Mexiko die 16-jährige Columba Gallo kennenlernte, die Tochter eines Kellners. Er heiratete sie, studierte Lateinamerikanistik in Texas, nicht Jura in Harvard oder Yale, wie es der Plan der Eltern vorgesehen hatte. Nachdem Columba drei Kinder zur Welt gebracht hatte, soll sein Vater schon mal herablassend von den kleinen Braunen gesprochen haben. So gut sich die Biografie eignet, um bei den Hispanics Sympathiepunkte zu sammeln: Erst einmal muss Bush den republikanischen Vorwahlmarathon überstehen. In einem Feld, das bis zum Sommer noch auf 15 Bewerber anwachsen könnte. In einer nach rechts gerückten Partei, deren Basis Politikern des Establishments, Leuten wie ihm, gern mit Tea-Party-Verve zeigt, was eine Harke ist. Seit Bush zum letzten Mal zu einer Wahl antrat, 2002, um als Gouverneur Floridas im Amt bestätigt zu werden, sind Amerikas ideologische Gräben noch breiter geworden. Zumindest in der Vorrunde erwartet das Stammpublikum der Grand Old Party stramm konservative Hymnen, keine pragmatischen Töne, auch nicht zur Einwanderungspolitik. Und George W. Bush will es so schnell wie möglich vergessen, schon deshalb, weil er den Krieg im Irak mit der Kreditkarte bezahlte, weil er die Staatsausgaben ausufern ließ und Billionenschulden anhäufte – und damit gegen die reine Lehre vom schlanken Staatswesen verstieß. Nur: Ohne das engmaschige Netzwerk seiner Familie könnte Jeb nie die Spenden sammeln, die er für die wahrscheinlich teuerste Kampagne aller Zeiten braucht. Selbst wenn er wollte, einen Bruch könnte er gar nicht riskieren. Es ist ein Grund, warum er einen fast qualvollen verbalen Slalomlauf hinlegte, bevor er schließlich – nicht wirklich überzeugend – erklärte, er wäre nicht im Irak einmarschiert. Auf Reisen in Europa warb er damit, eher für die umsichtige, Koalitionen bevorzugende Art seines Vaters zu stehen, nicht für die burschikose, Alleingängen zuneigende seines Bruders. In Amerika interessiert so etwas derzeit nur am Rande. Wichtiger ist die Frage, ob sich die Republik mit einem Bush III im Oval Office nicht allzu weit von ihrem anti-dynastischen Gründungscredo entfernt. Der Baulöwe und Multimillionär will US-Präsident werden. Obwohl er kaum Chancen hat, wird er sehr präsent sein. Donald Trump schwebte über die Rolltreppe im Trump Tower in New York zu seinem Rednerpult, wo der 69-jährige Industriemagnat am Dienstag bekanntgab, für die Republikaner bei der US-Präsidentenwahl 2016 kandidieren zu wollen. Trump hatte schon seit 2010 mehrfach angekündigt, ein Antreten zu überlegen. Bisher war es allerdings bei Andeutungen geblieben. Nicht so dieses Mal: Trump ließ in seiner Rede wissen, dass er dieses Land wieder großartig machen werde. Seine weiteren Aussagen betrafen die Einwanderung: Er wolle eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen. Zum Islamischen Staat sagte er: Es gebe niemanden, der härter gegen den IS vorgehen werde als Donald Trump. Und die Finanzen: Er braucht niemandes Geld. Das sei nett. Er sei richtig reich. Nun werden die Chancen Trumps, tatsächlich Kandidat der Republikaner zu werden, als eher gering eingeschätzt. Dennoch wird er einer der sichtbarsten Kandidaten im Wahlkampf sein. Trump ist nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann, sondern hält auch gern sein Gesicht in Kameras. In der Reality-TV-Show The Apprentice suchte er publikumswirksam einen Lehrling. Trump ist nicht nur Hauptdarsteller, sondern auch Produzent der Show. 2012 landete er auf Platz 14 der Forbes Celebrity List. Trump ist prominent – und das spielt im Wahlkampf eine Rolle. The NY Daily News warmly welcomes Donald Trump to the Presidential race pic.twitter.com/fR7dXVXy3S Trumps Kandidatur sei schrecklich für die Politik, urteilte die Washington Post. Und zwar, weil es unmöglich sei, Trump zu ignorieren. Seine Bekanntheit wird dafür sorgen, dass er bei der vom TV-Sender Fox ausgerichteten Debatte auf der Bühne steht. Nur die zehn in Umfragen stärksten republikanischen Kandidaten dürfen bei Fox auf Sendung gehen. Mehr Kandidaten würde die Diskussion nicht aushalten, hatte der Sender angesichts der Kandidatenfülle der Republikaner entschieden. Trump würde sich bei dieser Diskussion wohl kaum an die Regel halten, realistische Politikvorschläge einzubringen und nicht zu lügen – all das garantiere, dass er Teil der medialen Erzählung dieser Debatte wird. Trump sei damit so etwas wie der Autounfall-Kandidat: Man weiß, man sollte nicht hinsehen, und tut es trotzdem. Allerdings entspricht nicht nur in den Augen der Post die mediale Präsenz Trumps bei weitem nicht seinem politischen Gewicht: Trump sei unterhaltsam, aber eben kein guter Politiker. Die Nachrichtenwebsite Politico nennt aber auch andere Faktoren, warum Trump den weiteren republikanischen Kandidaten Kopfzerbrechen bereiten könnte. Trump hat Geld – und zwar ziemlich viel davon. Wie viel genau, darüber wird heftig spekuliert. Sicher scheint, dass es sich um mehrere Milliarden Dollar handelt – machen sagen, vier, andere sagen, neun. Er kann es sich jedenfalls leisten, die mühseligen Termine zum Geldeintreiben, die andere Kandidaten absolvieren müssen, aus dem Terminkalender zu streichen. Das lässt ihm mehr Zeit, sich auf wichtigere Auftritte zu konzentrieren. Außerdem: Die Erwartungen, die an Trump gestellt werden, sind so gering, dass es schwer wird, sie nicht zu übertreffen. Wähler hätten zudem, schreibt Politico, eine Schwäche für etwas abseitige Kandidaten. Auch etwaige Angriffe seiner Parteikollegen wären schwierig. Sollte Trump sich von den Konservativen abwenden und eine eigene Partei gründen oder zumindest finanzieren, könnte das die Gewinnaussichten der Republikaner bis zur Chancenlosigkeit verringern. Noch vor drei Jahren galt der Gouverneur New Jerseys als Favorit für die Wahl 2016, dann ließ ihn die Affäre um eine aus Rache gesperrte Autobahnzufahrt abstürzen. Dennoch erklärt er nun seine Kandidatur für das Weiße Haus. Vielleicht findet Chris Christie heimlich Gefallen daran, wenn man ihn mit Tony Soprano vergleicht, dem Protagonisten einer legendären TV-Serie. Der dirigierte zwar ein kriminelles Kartell, aber so wie ihn der schwergewichtige James Gandolfini spielte, stand er auch für Gefühle, Familiensinn und die Neigung, Dinge beim Namen zu nennen. Eben für New Jersey. Den Bundesstaat im Schatten New Yorks, den die Bewohner der Metropole gern belächeln und der umso trotziger seinen rustikalen Charme zelebriert. Christie, der einmal um die 180 Kilo auf die Waage brachte, bevor ihm Ärzte ein Band um den Magen legten, um die Nahrungszufuhr zu beschränken, hat daraus eine Zeile für seinen Wahlkampf gestrickt. Sag es, wie es ist. Der Gouverneur New Jerseys ist der 14. Kandidat, der sich in den Reihen der Republikaner fürs Weiße Haus bewirbt. In den Umfragen liegt er weit hinten – doch die Wahl ist noch weit entfernt. Christie, der bei jeder Gelegenheit von seiner sizilianischen Mutter erzählt, versteht sich aufs Streiten. Seine Schlagfertigkeit könnte Gegnern, allen voran dem behäbig wirkenden Jeb Bush, zu schaffen machen. Wenn Anfang August in Cleveland die erste TV-Debatte der Konservativen über die Bühne geht, wittert er seine Chance. Sein Team vergleicht ihn mit einem Rennfahrer, der wegen einer Panne früh zum Boxenstopp musste, nun aber kräftig aufs Gas steigt. Dabei ist es noch keine drei Jahre her, da galt er als Favorit für 2016. Der Wirbelsturm Sandy war mit verheerender Kraft über die Küste New Jerseys gezogen, aus Washington schwebte Barack Obama in der Rolle des Krisenmanagers ein, Christie fand lobende Worte für den Präsidenten. Wenige Tage vor der Wahl behandelten ihn manche Parteifreunde daraufhin wie einen Nestbeschmutzer, vom Normalverbraucher indes bekam er Applaus. Damals wie heute sehnt sich Amerika nach Politikern, die Brücken über Parteienschluchten schlagen. Christie stand davor, zum Zugpferd der konservativen Mitte zu werden. Im Herbst 2013 wurde er mit klarer Mehrheit im Amt bestätigt, ein Republikaner, der sich in dem traditionell den Demokraten zuneigenden Staat behaupten konnte. Es lief gut für ihn, bis ihn Bridgegate als verbissenen Machtmenschen dastehen ließ: Um einen Bürgermeister zu bestrafen, der nicht nach Christies Pfeife tanzte, löste dessen Stab einen Megastau aus. An einer Zufahrt zur George-Washington-Brücke, die New Jersey mit Manhattan verbindet und zu den meistbefahrenen des Landes zählt, wurden kurzerhand mehrere Fahrbahnen gesperrt. Aus Rachemotiven, wie bald herauskam. Obwohl man Christie persönlich nichts nachweisen konnte, blieb ein Nachgeschmack. Auch sein sorgsam gepflegtes Sanierer-Image hat mittlerweile Schaden genommen. Das Steueraufkommen New Jerseys hält nicht Schritt mit den Pensionsverpflichtungen, die der Staat eingegangen ist. Dabei hatte Christie einst damit geprahlt, das Problem gelöst zu haben. Auf hemdsärmelige Art hatte er sich mit der Lehrergewerkschaft angelegt, um Pädagogen die Pensionen zu kürzen. Die Konservativen feierten ihn dafür: Der Stratege Henry Kissinger erklärte in kleiner Runde, der Mann wisse zwar nichts über Außenpolitik, dafür besitze er Courage. Das lokale Wirtschaftswunder, das Christie versprach, lässt auf sich warten. Mister Klartext, sagen die Kritiker, verstehe sich nur aufs Sprücheklopfen. Republikaner aus Wisconsin reicht Papiere bei Wahlbehörde ein, offizielle Verkündung erst für den 13. Juli geplant. Washington – Der Republikaner Scott Walker steigt als 15. Bewerber in das Rennen um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei ein. Der Gouverneur des Bundesstaats Wisconsin reichte nach Angaben seines Wahlkampfteams am Donnerstag die nötigen Papiere bei der Bundeswahlbehörde FEC ein und will in einer Rede am 13. Juli seine Bewerbung offiziell verkünden. Der 47-Jährige zählt zu den konservativeren Bewerbern im republikanischen Feld, in Umfragen liegt er derzeit in der Spitzengruppe. Walker hatte seinen traditionell linksliberalen Bundesstaat in den vergangenen Jahren umgekrempelt. Der Gouverneur strich staatliche Programme, senkte die Steuern und verschärfte die Abtreibungsgesetze. Landesweit bekannt machte ihn aber vor allem sein Kampf gegen die Gewerkschaften, deren Rechte er stark einschränkte. Walker setzte die umstrittenen Reformen trotz Massenprotesten durch und überstand ein von seinen Gegnern angestrengtes Abwahlverfahren. Bei den Republikanern zeichnet sich ein harter Kampf um die Nominierung ab. Als aussichtsreichster Bewerber gilt Jeb Bush, der Mitte Juni offiziell in das Rennen eingestiegen war. Der frühere Gouverneur von Florida ist der Bruder von Ex-Präsident George W. Bush und Sohn von Ex-Präsident George H.W. Bush. Zu den weiteren Konkurrenten gehören unter anderen die Senatoren Marco Rubio, Ted Cruz und Rand Paul. Erwartet wird zudem die Bewerbung von Ohios Gouverneur John Kasich. Bei den Demokraten hat die frühere Außenministerin und First Lady Hillary Clinton einen klaren Favoritenstatus. Ihre innerparteilichen Gegner sind der Senator Bernie Sanders, der ehemalige Gouverneur von Maryland, Martin OMalley, und der frühere Senator und Ex-Gouverneur von Rhode Island, Lincoln Chafee. Am Donnerstag erklärte auch der frühere Senator von Virginia, Jim Webb, seine Präsidentschaftsbewerbung. Webb hatte schon im vergangenen November Interesse bekundet. Nach vielen Monaten voller Gedanken, Überlegungen und Diskussionen habe ich mich entschlossen, die Präsidentschaft der Vereinigten Staaten anzustreben, schrieb der 69-Jährige nun auf seiner Facebook-Seite. Der Vietnam-Veteran und Kriegsgegner ist wie die anderen Clinton-Herausforderer in Umfragen aber abgeschlagen. Die Vorwahlen beider Parteien beginnen Anfang kommenden Jahres, gekürt werden die Kandidaten auf Parteitagen im Sommer 2016. Präsident Barack Obama darf bei der Wahl im November 2016 nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Präsidentschaftsbewerber gibt Vermögen mit zehn Milliarden Dollar an, "Forbes Magazine" nur mit vier Milliarden. New York – Der US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump verfügt nach eigenen Angaben über ein Vermögen von mehr als zehn Milliarden Dollar (9,1 Milliarden Euro). Diese Summe teilte das Wahlkampfteam des 69-Jährigen am Mittwoch mit. Der Republikaner verdiente demnach allein im vergangenen Jahr 362 Millionen Dollar. Die US-Präsidentschaftsbewerber müssen bei der Bundeswahlkommission (FEC) ihr Vermögen angeben. Dabei handelt es sich nicht um die exakte Höhe, sondern um Intervalle. Trumps Team erklärte, dieses System sei nicht für einen so reichen Mann wie Trump gemacht. Die FEC will die von Trump erhaltenen Zahlen ihrerseits prüfen und dann selbst veröffentlichen. Das US-Magazin Forbes stuft Trumps Vermögen als deutlich niedriger ein und gibt es mit 4,1 Milliarden Dollar an. Zuletzt senkte Forbes das Vermögen des Präsidentschaftsbewerbers sogar noch einmal leicht auf vier Milliarden Dollar ab. Zuvor hatte Trump mit abfälligen Äußerungen über Mexikaner für Furore gesorgt, was mehrere Fernsehsender dazu veranlasste, ihre Zusammenarbeit mit dem Milliardär zu beenden. Ex-Außenministerin hat jahrelang private Adresse für Dienstliches verwendet. UPDATE: Die New York Times, auf deren Berichterstattung unser Artikel fußt, hat inzwischen auf faktische Ungereimtheiten reagiert. Washington – In der Affäre um die E-Mail-Nutzung der früheren US-Außenministerin und demokratischen Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton könnte das Justizministerium nach Informationen der New York Times strafrechtliche Ermittlungen einleiten. Zwei interne Prüfer hätten die Eröffnung eines Verfahrens empfohlen, berichtete die Zeitung in ihrer Freitagsausgabe. Clinton ließ die Vorwürfe von einem Sprecher erneut zurückweisen. Clintons Umgang mit dienstlichen E-Mails während ihrer Zeit als Außenministerin hatte eine Reihe von Fragen aufgeworfen. Anfang März war bekannt geworden, dass die frühere Chefdiplomatin in ihrer Amtszeit von 2009 bis 2013 kein offizielles E-Mail-Konto, sondern ihre private Adresse genutzt hatte. Laut New York Times kamen interne Prüfungen durch das Außenministerium und die Geheimdienste Ende Juni zu dem Schluss, dass Clintons Privataccount hunderte potenziell vertrauliche E-Mails enthalten habe. Die beiden für die Untersuchung zuständigen Generalinspektoren forderten in einem Memo Ermittlungen des Justizministeriums wegen der möglichen falschen Handhabung von Regierungsgeheimnissen, wie die New York Times berichtete. Der zunächst online veröffentlichte Artikel wurde aber nachträglich geändert. In einer ersten Version erweckte die Zeitung den Eindruck, dass Clinton selbst das Ziel von Ermittlungen sein könnte. Später war nur noch von einem Verfahren im Zusammenhang mit dem privaten E-Mail-Konto die Rede. Die frühere Außenministerin bestritt stets, Verschlusssachen über ihre privaten Account verschickt oder empfangen zu haben. In einer Pressekonferenz nach Bekanntwerden der Vorwürfe hatte Clinton erklärt, sie habe aus Bequemlichkeit nur ein E-Mail-Konto geführt. Es gab keine Verletzung der Datensicherheit, beteuerte sie. Am Freitag bekräftigte ein Sprecher, dass Clinton angemessenen Praktiken im Umgang mit vertraulichem Material gefolgt sei. Clinton hatte die Kommunikation über ihre Privatadresse hdr22@clintonemail.com nicht auf den Ministeriumsservern sichern lassen. Stattdessen wurden die Daten auf einem Server gespeichert, der in dem Anwesen der Politikerin im Bundesstaat New York steht. Nach ihrer Amtszeit ließ sie nach eigenen Angaben rund 30.000 private Mails löschen, in denen es beispielsweise um die Hochzeit ihrer Tochter, die Beerdigung ihrer Mutter und ihre Yoga-Stunden gegangen sei. Etwa 55.000 Seiten an dienstlichen E-Mails übergab Clinton im vergangenen Dezember zu Archivierungszwecken an das Außenministerium. Angesichts der Kritik an ihrer E-Mail-Nutzung hatte Clinton im März versprochen, ihre Korrespondenz öffentlich zu machen. Das Außenministerium geht die Dokumente derzeit einzeln durch und schwärzt Stellen mit vertraulichen Angaben. Ein erster Satz von 3000 E-Mail-Seiten wurde Ende Juni veröffentlicht. Die große Frage ist, ob Informationen in E-Mails bereits zu dem Zeitpunkt als vertraulich eingestuft waren, als Clinton sie schickte oder empfing. Laut New York Times ist dies nicht klar. Auf jeden Fall seien im Zuge der Überprüfung einige Mailinhalte nachträglich zur Verschlusssache hochgestuft worden. Das Justizministerium hat den Angaben zufolge noch nicht über die Aufnahme von Ermittlungen entschieden. Die Republikaner werfen Clinton Geheimniskrämerei vor und mutmaßen, dass die frühere Außenministerin unliebsame Details ihrer Amtsführung zu verschleiern versucht. Politisch hat die E-Mail-Affäre der 67-Jährigen aber bisher kaum geschadet. Seit der Verkündung ihrer Präsidentschaftsbewerbung im April liegt sie in den Umfragen weit vor der parteiinternen Konkurrenz. Auch im Vergleich mit möglichen republikanischen Gegenkandidaten sehen Meinungsforscher die Demokratin mehrere Prozentpunkte vorn. Beide Parteien bestimmen ab Anfang kommenden Jahres in Vorwahlen ihre Kandidaten, die Präsidentschaftswahl findet im November 2016 statt. Präsident Barack Obama darf nach zwei Amtszeiten nicht mehr antreten. Todesstrafen-Befürworter will 2016 Präsident werden. Washington – Der republikanische Senator Ted Cruz will 2016 zum US-Präsidenten gewählt werden. Aber was tun, um aus dem Feld der 16 Mitbewerber in seiner Partei hervorzustechen – zumal wenn es zunehmend von dem öffentlichkeitssüchtigen Donald Trump beherrscht wird? Drei Tage vor der ersten Fernsehdebatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber brachte sich der 44-jährige Politiker am Montag mit einem Ein-Minuten-Videoclip ins Gespräch. Dieser zeigt den konservativen Texaner, wie er auf dem Lauf seines Sturmgewehrs Speck brutzelt. Es gebe wenige Dinge, die er mehr genieße als am Wochenende mit der Familie Frühstück zuzubereiten, lässt sich Cruz, Sohn eines Exil-Kubaners, in dem Filmchen vernehmen. Allerdings werde der Frühstücksspeck in Texas ein bisschen anders gebraten, geht es weiter, während im Hintergrund Musik wie aus einem Actionthriller ertönt. Danach wickelt der als politischer Hardliner bekannte Cruz den Speck um den Gewehrlauf, deckt ihn mit Aluminiumpapier ab und feuert Schusssalven aus zwei Magazinen ab. Das Fett tropft, zeigt sich der Schütze anschließend erfreut darüber, dass die Waffe genügend Hitze abwarf. Am Ende des Videos schnappt sich der Befürworter von Todesstrafe und lockeren Waffengesetze ein Stück Fleisch mit einer Plastikgabel und lässt es sich schmecken. Dabei ruft Cruz lachend: Maschinengewehr-Speck! (APA, 3.8.2015) Clinton führt bei Spenden. Jeb Bushs Super-PAC erhielt mehr als 100 Millionen Dollar. Trump nimmt bei sich selbst Kredite auf. Auch wenn die US-Vorwahlen erst Anfang kommenden Jahres starten und die Wahl zum Präsidenten im November 2016 stattfindet, läuft die Mobilisierung für das Spendensammeln auf Hochtouren. Denn die erste TV-Debatte ist bereits geschlagen, und vor allem in dem diesmal sehr breiten Bewerberfeld der Republikaner versucht sich jeder Einzelne besonders zu profilieren. Zum Teil schon vor Bekanntgabe der Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur startet das große Spendensammeln, die Demokratin Hillary Clinton hat mit fast 48 Millionen US-Dollar (44 Millionen Euro) die Nase vorne, weit dahinter folgt ihr Konkurrent Bernie Sanders. Erst danach kommen die ersten republikanischen Bewerber. Unterschieden wird bei Spenden zwischen zwei Kategorien: Privatpersonen können einer Bewerberin oder einem Bewerber bis zu 2.700 US-Dollar zukommen lassen. Wenn sie weniger als 200 Dollar spenden, kann das auch anonym passieren. Alle Spenden über 200 Dollar müssen in der Kategorie Itemized Contributions mit dem Namen, dem Beruf, dem Arbeitgeber und der Postleitzahl gekennzeichnet sein. Bei den demokratischen Spitzenreitern zeigt sich hier ein großer Unterschied: Hillary Clinton erhielt bisher mehr als viermal so viele Spenden über 200 Dollar als darunter. Bei ihrem Konkurrenten Bernie Sanders sind hingegen die Unitemized Contributions dreimal höher als die Itemized Contributions. Sanders hat also eine viel breitere Basis an Unterstützerinnen und Unterstützern, die ihm mit kleinen Geldbeträgen unter die Arme greifen. Er liegt jedoch, was die gesamten bisherigen Einnahmen anlangt, mehr als 30 Millionen Dollar hinter Clinton. Überraschend ist jedoch, dass Sanders trotz dieses weiten Abstands zu Clinton unter allen Bewerberinnen und Bewerbern auf Platz zwei bei den Spenden liegt – direkt hinter Hillary Clinton und noch vor Republikanern wie Jeb Bush oder Ben Carson. Bei dem republikanischen Favoriten Jeb Bush muss aber beachtet werden, dass er mit Mitte Juni erst vergleichsweise spät seine Bewerbung um die Präsidentschaftskandidatur bekanntgab – und das in einem bereits sehr fragmentierten Bewerberfeld. Jeb Bush ist außerdem Spitzenreiter bei den Einnahmen der sogenannten Super-PACs. Seit 2010 können Unternehmen und Geschäftsleute und seit 2014 auch Privatpersonen diesen Super Political Action Committees Spenden in unbegrenzter Höhe zukommen lassen. Die politischen Lobbygruppen bezahlen damit dann beispielsweise TV-Werbung, private Jets oder Hotelzimmer der Bewerber. Bedingung ist, dass sie von Parteien und Kandidaten unabhängig sind und keine direkte Koordination zwischen ihnen stattfindet – vor der offiziellen Verkündung der Bewerbung um die Kandidatur kann man sich jedoch sehr wohl absprechen. Das Jeb Bush nahestehende Super-PAC Right to Rise USA hat bereits mehr als 100 Millionen Dollar erhalten – der Betrag entspricht ungefähr dem gesamten Vorwahlkampfbudget von Mitt Romney im Jahr 2008. 24 Spender haben Bush bisher eine Million Dollar oder mehr zukommen lassen. Dagegen wirken die 20,3 Millionen Dollar, die die drei Hillary Clinton nahestehenden Super-PACs Priorities USA Action, Correct the Record und Ready PAC bisher eingetrieben haben, fast lächerlich. Und Donald Trump? Der Immobilientycoon ist quasi sein eigenes Super-PAC. Den Großteil seines derzeitigen Budgets bezieht er nicht aus Spenden oder einem Komitee, sondern aus Krediten – und diese Kredite nimmt er bei sich selbst auf. Keine Ungewöhnlichkeit – auch der demokratische Bewerber Lincoln Chafee tut es ihm gleich, obschon er sich in völlig anderen Sphären bewegt: Chafees Kredite summieren sich auf 360.000 Dollar. Bei Donald Trump machen sie mit mehr 1,8 Millionen fast 95 Prozent der gesamten bisherigen Kampagnen-Einnahmen aus. In der Vergangenheit wurden Kredite zumeist nur als Notlösung aufgenommen: Wenn die Spender zu dem Schluss gelangen, dass der betroffene Kandidat keine Chance mehr hat, kann er mithilfe eigener Kredite dennoch weitermachen. Bei Donald Trump ist das anders, er verlässt sich offenbar von vornherein nur auf sein eigenes Kapital. Ich brauche niemandes Geld ... Es ist mir egal, ich bin wirklich reich, prahlte Trump bei der Bekanntgabe seiner Bewerbung um die republikanische Präsidentschaftskandidatur Mitte Juni. Und selbst der Big Spender der Kampagne zu sein, hat einige Vorteile: Zunächst zahlen die Kandidaten im Gegensatz zu Super-PACs einen reduzierten Preis für Werbeeinschaltungen. Außerdem werden bei den TV-Spots Kandidaten vor Super-PACs bevorzugt – Donald Trump hätte also am Vorabend der wichtigen Vorwahlen in Iowa oder New Hampshire größere Chancen, einen Sendeplatz zu bekommen, als etwa Jeb Bushs Super-PAC Right to Rise USA. Was bei Donald Trump zugleich ins Auge sticht, ist die Tatsache, dass er als einziger Bewerber einen Großteil seiner derzeitigen Einnahmen bereits ausgegeben hat. Von den rund 1,9 Millionen Dollar wurden bereits mehr als 1,4 Millionen Dollar an Ausgaben verzeichnet. Die erzkonservative Bewegung ist nicht geschlossen, kämpft mit dem Thema Einwanderung – und mit Donald Trump. Was macht eigentlich die Tea Party gerade? Sie erinnern sich, diese erzkonservative staatsfeindliche Bewegung, die es bei den beiden vergangenen US-Kongresswahlen schaffte, ihre Kandidaten gegen altgediente und arrivierte Republikaner in Senat und Repräsentantenhaus nach Washington zu schicken. Sind die noch erfolgreich? Und haben sie einen Kandidaten, der 2016 Präsident werden könnte? Der Versuch einer Bestandsaufnahme in fünf Punkten. Die Anfänge der Gruppierung liegen in der Opposition gegen den demokratischen Präsidenten Barack Obama – und im Besonderen gegen die von ihm durchgesetzte Gesundheitsreform. Der sogenannte Affordable Care Act ermöglicht und erleichtert Millionen von US-Amerikanern den Zugang zur Gesundheitsversicherung und hat bisher auch allen juristischen Herausforderungen standgehalten. Präsident Obama wird seine zweite Amtszeit in etwas mehr als einem Jahr beenden. Auch wenn der nächste US-Präsident erneut von den Demokraten gestellt werden sollte, bleibt fraglich, ob sich die – oder derjenige ebenso gut als Zielscheibe für den Ärger der Tea-Party-Unterstützer eignet, wie Barack Obama. Gewählt wird der nächste US-Präsident zwar erst im November 2016, aber schon jetzt ist das Kandidatenfeld der Republikaner, die sich um die Präsidentschaft bewerben, kaum überschaubar. Kurzer Einschub: Wenn Sie sich einen Überblick verschaffen wollen, bitte hier entlang. Derzeit stehen 17 Personen am Startfeld der Republikaner. Darunter auch viele, die mehr oder weniger enge Beziehungen zur Tea Party haben. Und zwar: Ted Cruz, Bobby Jindal, Rand Paul, Mike Pence, Rick Perry, Marco Rubio, Mike Huckabee, Rick Santorum, Scott Walker. Noch hat die Tea Party sich nicht auf die Unterstützung eines dezidierten Kandidaten einigen können. Und genau das ist auch das Problem. Die Zersplitterung des Kandidatenfeldes stärkt die Tea Party nicht. Das kann sich allerdings in den kommenden Monaten noch ändern. Der Wahlkampf hat gerade erst begonnen und es könnte sich auch ein zentraler Tea-Party-Kandidat herauskristallisieren. Einer der zentraler Punkte der Tea-Party-Unterstützer ist das Thema Einwanderung, zu diesem Ergebnis kamen Theda Skocpol und Vanessa Williamson, die die Tea-Party-Bewegung für ihr Buch The Tea Party and the Remaking of Republican Conservatism analysiert haben. Dieses Thema spielt bereits im beginnenden Wahlkampf eine Rolle. Und hier beginnt auch das Dilemma: Einerseits müsste ein konservativer Kandidat eine restriktive Einwanderungspolitik vertreten, um die Stimmen Tea-Party-Anhängerschaft zu bekommen. Andererseits könnten Wählerinnen und Wählern mit lateinamerikanischen Wurzeln in sogenannten Swing-States wie zum Beispiel Florida wahlentscheidend sein. Die Latino-Wählergruppe fordert allerdings mehrheitlich einen liberalen Zugang zum Thema Einwanderung und legale Wege zur US-amerikanischen Staatsbürgerschaft. Ein Kandidat, der beide Gruppen zurfrieden stellt ist ein Spagat, der kaum zu schaffen sein wird. Der erfolgreichste Republikaner, der kommendes Jahr bei den Präsidentschaftswahlen antreten will, ist derzeit der Unternehmer und Milliardär Donald Trump. In einer aktuellen Reuters/Ipsos-Umfrage sprachen sich 30 Prozent der befragten republikanischen Wähler für Trump als Kandidat der Grand Old Party aus. An zweiter Stelle folgt mit zehn Prozent Zustimmung Mike Huckabee. Die Nachrichtenplattform vox.com schrieb Anfang August, mit Trump habe die Tea Party nun ihren Präsidentschaftskandidaten gefunden. Für viele sind Tea-Party-Politiker wie der texanische Senator Ted Cruz, der ebenfalls Präsidentschaftskandidat werden möchte, bereits Teil des Establishments gegen das sie vorgeben zu kämpfen. Trump habe den Vorteil, nicht Teil des politischen Systems der USA zu sein, sein Schwadronieren gegen politische Institutionen wird ihm abgenommen. Eine Umfrage der Monmouth University zufolge ist Trump mit 35 Prozent Zustimmung bereits der beliebteste Kandidat bei Tea-Party-Unterstützern. Noch gibt es allerdings keine offizielle Annäherung zwischen Trump und dem Tea-Party-Establishment. Aber Trump hat verkündet, dass er eine Tea-Party-Vertreterin der ersten Stunde in sein Kabinett holen wurde – Sarah Palin, die republikanische Vize-Präsidentschaftskandidatin im Jahr 2008. Palin selbst macht auch kein Geheimnis aus ihrer Bewunderung für Trump und lobte ihn kürzlich für seine Vorschläge zur Einwanderungsreform. Die beiden haben auch schon in vergangenen Jahren gegenseitige Sympathiebekundungen abgegeben. Ob daraus diesmal eine konkrete Zusammenarbeit entstehen wird, bleibt aber noch offen. Theda Skocpol, eine der Autorinnen von The Tea Party and the Remaking of Republican Conservatism, warnt allerdings davor, den Einfluss der Tea Party auf die Republikanische Partei als gering einzustufen. In einem Interview mit Salon.com verweist die Soziologin und Politikwissenschafterin darauf, dass der Erfolg der Tea Party dazu geführt habe, dass die Republikanische Partei nach Rechts gerückt sei. Mit dieser Entwicklung dominiert die Bewegung zwar die politische Agenda, hat aber gleichzeitig ihr Alleinstellungsmerkmal verloren. 'Hillary Clintons Mails aus der Zeit als Außenministerin fördern bisher kaum Brisantes zutage. Sie gab sich wie eine normale Chefin. Es war am Tag vor Silvester, als Hillary Clinton die Bankraubstory aufgriff. Sollte ich mich geschmeichelt fühlen? Wenigstens ein bisschen? Glaubt ihr, der Kerl hat die Maske absichtlich ausgesucht? Oder hat er einfach nach der nächstbesten gegriffen? Das war im Dezember 2010. In Sterling, einer Kleinstadt in Virginia, war eine Bankfiliale überfallen worden von einem Mann, der sein Gesicht hinter einer Hillary-Clinton-Maske tarnte. Zwei enge Berater der Außenministerin, ihre Stabschefin Cheryl Mills und ihr Anwalt David Kendall, tauschten sich via E-Mail darüber aus – und zumindest verrät der digitale Briefwechsel, dass im State Department ein eher lockerer Ton herrschte, bisweilen angereichert durch bissigen Humor. Sie (Clinton, Anm.) hat ein Alibi, nehme ich an?, schrieb etwa Mills an Kendall und fügte einen Agenturbericht über den Raub hinzu. Man kann nie wissen, antwortete Kendall. Nachdem die Chefin den ironischen Tonfall aufgegriffen hatte, legte er nach. Eines könne er schon nach schneller Recherche sagen: In der Geschichte der Banküberfälle hätten die Täter – wenn sie denn Politikermasken trugen – meist die von Republikanern gewählt. Vorn liege Richard Nixon (kaum überraschend angesichts des Watergate-Skandals) mit elf dokumentierten Fällen Anonyme Millionen an Clinton: Christopher Gates will mit der Sunlight Foundation Transparenz in den US-Wahlkampf bringen. STANDARD: Im Wahlkampf um die US-Präsidentschaft ist zuallererst die Fundraising-Maschine angelaufen. Jeder Bewerber versucht so viel Geld wie möglich zu sammeln. Wie beeinflusst Geld die Politik in den USA? Christopher Gates: Die Kandidaten sind derzeit viel mehr daran interessiert, Spender zu umwerben, als Wähler. Der Wettbewerb dreht sich in diesem Jahr weder um Stimmen, weil niemand wählt, noch um Umfragen, weil sie so früh wenig bedeuten – es geht ums Geld. Als Kandidat wird man nicht ernst genommen, wenn man keinen Milliardär auf seiner Seite hat. Wir nennen diese Wahl die BYOB-Wahl: Bring Your Own Billionaire. STANDARD: Der Wettlauf ums Geld wird zur Vorwahl der Vorwahl? Gates: Absolut. Wenn du populär bist und keinen massiven Super-Pac hinter dir hast, wirst du nicht ernst genommen. Auf der anderen Seite: Wenn man wie Rick Perry in den Umfragen nicht populär ist, aber einen riesen Super-Pac hinter sich hat, kann man nicht ignoriert werden. STANDARD: Was ist mit Bernie Sanders? Er will offiziell keine Unterstützung durch Super-Pacs, der Großteil seiner Spenden beträgt weniger als 200 Dollar. Ist er eine Ausnahme? Gates: Er ist keine Ausnahme. Er kampagnisiert nicht für die Nominierung als Kandidat, er führt eine Kampagne für die Seele der Demokratischen Partei. Seine Kampagne ist um ein zentrales Thema aufgebaut: ökonomische Ungleichheit. Ich weiß nicht, in wie vielen Staaten er es auf den Stimmzettel für die Vorwahl schaffen wird, da er angekündigt hat, nicht den Demokraten beitreten zu wollen. Ohne Mitgliedschaft wird es schwer sein, die demokratische Nominierung zu gewinnen. Aber seine Kampagne zeigt, wie viel man mit vielen kleinen Spenden und vielen Freiwilligen erreichen kann. Hillary Clinton führt zwar auch eine Kampagne gegen den Einfluss von Geld in der Politik, jedoch hat ihr Super-Pac gerade erst eine anonyme Spende in Höhe von einer Million Dollar angenommen. STANDARD: Seit der Oberste Gerichtshof die Beschränkungen für Spenden an Super-Pacs aufgehoben hat, wird hier viel Geld schnell verfügbar. Wie beeinflusst das die Wahlen? Gates: Der Oberste Gerichtshof hat praktisch jede Grenze für Spenden aufgehoben. In den Büchern haben wir noch ein paar Begrenzungen, aber in der Praxis sind Wahlkampfspenden jetzt unbegrenzt. Super-Pacs können Spenden in Millionenhöhe annehmen. Aber auch neben ihnen gibt es viele Wege, wie Geld, auch anonym, fließen kann. Seit den Entscheidungen des Supreme Court befinden wir uns in einer Art Wilder Westen: Es gibt keine Grenzen mehr. STANDARD: Super-Pacs müssen unabhängig von Kandidaten sein ... Gates: Aber sie sind es nicht. Teil des Problems ist, dass wir eine Wahlbehörde (die Federal Election Commission, FEC) haben, die handlungsunfhähig ist. Da sitzen drei Demokraten und drei Republikaner. Die Wahlkommission hat schon klargestellt, dass sie für die Wahl 2016 keine Regeln durchsetzen kann. Eine der Regeln für Super-Pacs ist, dass sie den Namen der Kandidaten nicht im Namen führen dürfen. Jeb Bushs Super-Pac heißt Right to Rise. Aber Carly Fiorinas Super-Pac nennt sich Carly Fiorina for President. Eine offene Verletzung der Regeln, und die FEC kann nichts tun. STANDARD: Sie haben Wege erwähnt, anonym zu spenden. Wie sehen die aus? Gates: Es gibt viele Wege, Kampagnen Geld zu spenden. Wenn man wirklich anonym spenden will, kann man das über sogenannte Social Welfare Organizations tun. STANDARD: Und noch immer Kampagnen unterstützen? Gates: Nun, es gibt ein paar Regeln dafür, was man als solche Organisation sagen darf und was nicht. Beispielsweise muss es um Wählerbildung gehen, und man kann die magischen Worte Vote for ... nicht verwenden. Aber am Ende ist es noch immer Geld, das verwendet wird, um für einen bestimmten Kandidaten zu werben. STANDARD: Mit Lawrence Lessig gibt es jemanden, der zumindest versucht, eine Kampagne rund um Wahlkampffinanzierung aufzubauen ... Gates: Ähnlich dem, wie Bernie Sanders seine Kampagne rund um wirtschaftliche Ungleichheit aufbaut. Lessig führt eine Kampagne, um Bewusstsein für das Problem von Geld in der Politik zu schaffen. Das ist großartig. STANDARD: Lessig sitzt auch im Vorstand der Sunlight Foundation. Steht bei einem Antreten nicht das Problem eines Interessenkonflikts im Raum? Gates: Ich würde das nicht so sehen. Menschen in dieser Bewegung kennen Larry schon lange, und ich bin sicher, er würde seine Funktion zurücklegen, und das Ganze wäre kein Problem. STANDARD: Gibt es eine wachsende Bewegung, die der Beeinflussung der Politik durch Wahlkampfspenden kritisch gegenübersteht? Gates: Ja, es gibt eine Bewegung rund um Menschen, die mit der Verknüpfung von Geld und Politik nicht zufrieden sind. Lessig wird mit seiner Kampagne ein Hoffnungsschimmer für diese Bürger. Was mich nachdenklich macht, ist, dass es unterschiedliche Reaktionen gibt: Die einen sind besorgt und werden aktiv, die anderen kommen zu dem Schluss, dass das System zu kaputt ist. Die zucken mit den Achseln und sagen, was kann ich als unbedeutender Bürger schon tun? (Michael Bauer, 2.9.2015) Gelder fehlten und Unterstützer waren enttäuscht. Washington – Als erster der bisher 17 republikanischen Präsidentschaftsbewerber zieht sich der frühere Gouverneur von Texas, Rick Perry, aus dem US-Präsidentschaftswahlkampf zurück. Wir haben ein überwältigendes Kandidatenfeld, vielleicht das beste seit einer Generation. Deshalb trete ich zur Seite, ich weiß, dass unsere Partei in guten Händen ist, erklärte Perry am Freitag in einer Mitteilung. So lange man der Basis gut zuhöre, werde es auch dem Konservatismus gut gehen. Perrys Kampagne war in jüngster Zeit denkbar schlecht gelaufen, ihm fehlten massiv finanzielle Mittel, enttäuschte Unterstützer hatten sich abgewandt. Zuletzt hatte Perry angeblich die Zahlungen an Mitarbeiter seiner Kampagne in einigen Bundesstaaten eingestellt. In den Umfragen der vergangenen Wochen, die bei den Republikanern allesamt deutlich vom Immobilienmogul Donald Trump angeführt werden, spielte Perry keine Rolle mehr. Perry war auch im Wahlkampf 2012 angetreten, damals war er über eine Serie von Ausrutschern gestolpert. Das republikanisch Bewerberfeld ist eines der größten seit vielen Jahren. Parteistrategen befürchten seit längerem, dass sich die Kandidaten gegenseitig marginalisieren und die große Zahl den parteiinternen Wahlkampf deutlich erschwert. Lange hatte Floridas Ex-Gouverneur Jeb Bush wie der wahrscheinlichste Kandidat seiner Partei ausgesehen, doch in diesem Sommer – lange, bevor die Vorwahlen überhaupt begonnen haben – wirbelt Trump alles durcheinander. Der nächste US-Präsident wird im November 2016 gewählt. Neonazis unterstützen die Kandidatur des Republikaners. Seine Aussagen zu Einwanderung machen rechtsextreme Positionen salonfähig. Richtig ernst hat Donald Trump am Anfang niemand genommen. Als der Immobilientycoon Anfang des Sommers im Trump Tower in Manhattan ankündigte, US-Präsident werden zu wollen, wurde geschmunzelt und gewitzelt. Drei Monate später lacht niemand mehr. Trump führt in allen Umfragen, und das republikanische Parteiestablishment ließ sich Anfang September von Trump schriftlich versichern, dass er nicht als unabhängiger Kandidat antreten werde. Trump, der sein Vermögen vererbt bekam, schwingt sich auf zum Retter der seiner Meinung nach darniederliegenden USA. Und er hat vor allem eine Frage zum Thema dieses Wahlkampfs gemacht: Einwanderung. Seine Positionen ziehen auch den äußersten rechten Rand des politischen Spektrums der USA an. Neonazistische Gruppen finden in Donald Trump ihren Kandidaten. Die Neonazi-Website The Daily Stormer gab schon Ende Juni eine Wahlempfehlung für Trump ab. Es gebe zwar viele Unterschiede, aber er spreche über reale Themen, und das sei sehr wichtig, schreibt Andrew Anglin, der Herausgeber und Gründer des 2013 gegründeten Blogs. Und Anglin ist nicht der Einzige aus der rechtsextremen Szene der USA, der Trump für den besten Präsidentschaftskandidaten hält. Seitdem die Tea Party für viele Wähler schon wieder Teil des verhassten Systems geworden ist, ist der rechte Rand auf der Suche nach einem neuen Hoffnungsträger. Den sie nun in Donald Trump gefunden hat, schrieb Evan Osnos unter dem Titel The Fearful and the Frustrated Ende August im New Yorker. Zu Trumps Unterstützern zählt neben Anglin auch das National Policy Institute, das von der Anti-Rassismus-Organisation Southern Poverty Law Center als White Supremacist-Organisation bezeichnet wird, also als eine Gruppe, die von der Überlegenheit der Weißen ausgeht. Auch die rechtsextreme Zeitschrift und Website American Renaissance zählt zu den Unterstützern Trumps. Unter den Trump-Unterstützern ist auch David Duke, ehemals führendes Mitglied des Ku-Klux-Klans, weil dieser das wahre Gefühl Amerikas versteht. Mit seiner Kampagne erreicht Trump Wählerschichten, die von anderen Kandidaten nicht angesprochen werden – und zwingt aufgrund seines Erfolges diese Themen auch seinen republikanischen Kontrahenten auf. Er platziert Einwanderung mit Nachdruck auf der Agenda des Wahlkampfs. Trump fordert unter anderem die Abschiebung von bis zu zwölf Millionen Einwanderern, die über die mexikanische Grenze ins Land gekommen sind und ohne Aufenthaltsgenehmigung in den USA leben. Er will eine von Mexiko zu zahlende Mauer an der Grenze bauen und nicht mehr jedes in den USA geborene Kind automatisch zum Staatsbürger machen. Gleichzeitig bestimmt Trump auch den Ton der Diskussion – und der wird zunehmend rauer. Trump schreckt nicht davor zurück, Einwanderer als Verbrecher und Vergewaltiger zu bezeichnen. Mit dieser Rhetorik verschiebt Trump die Grenzen der zulässigen Argumentation innerhalb der politische Debatte. Als der Republikaner Mitt Romney im Jänner 2012 von der Selbstabschiebung der undokumentierten Einwanderer sprach, flog ihm diese Aussage in anschließenden Debatten und später im Wahlkampf gegen den Demokraten Barack Obama um die Ohren. In der aktuellen politischen Debatte kann Trump Einwanderer mit lateinamerikanischen Wurzeln als Kriminelle und Vergewaltiger beschimpfen, deren Abschiebung fordern – und der öffentliche Aufschrei ist kaum zu hören. Trumps Vorschläge zur Einwanderungspolitik und die Richtung, in die er seine Konkurrenten drängt, könnten den Republikanern aber noch massive Probleme bei der 2016 anstehenden Präsidentenwahl einbrocken. Gerade in wahlentscheidenden Bundesstaaten wie Florida wird die Wählerschaft mit lateinamerikanischem Hintergrund immer größer – Politik gegen sie zu machen könnte sich rächen. Dennoch: Aktuellen Umfragen zufolge ist Trump weiterhin der Beliebteste im unübersichtlichen Feld republikanischer Kandidaten. Seit der letzten TV-Debatte ist sein Vorsprung allerdings ein wenig geschmolzen. 'Lange Zeit hatte Hillary Clinton keine parteiinterne Konkurrenz für die US-Wahl 2016 zu fürchten. Das hat sich mittlerweile geändert: Der 74-jährige Bernie Sanders ist zwar kein Newcomer, aber doch ein Durchstarter, den sie ernst nehmen sollte. Keep on rockin in the free world, dröhnt es aus den Lautsprechern. Neil Young singt da von einer Frau, unter einer alten Straßenlaterne in der Nähe einer Mülltonne, die ihr Baby zur Seite legt für den nächsten Schuss. Es ist das Lied, zu dessen Klängen Bernie Sanders die Bühnen betritt – auch diese hier, ein schnell gezimmertes Podium auf einer Wiese in Manassas. Im Unterschied zu Donald Trump, bei dem Young protestierte, weil der Tycoon den Rockklassiker zum Wahlkampfstart einspielen ließ ohne um Erlaubnis zu bitten, hat Sanders nicht nur das grüne Licht des Rockbarden: Er hat auch dessen politische Unterstützung. Und was er sagt, klang 1989, als der Song Premiere hatte, im Kern schon genauso wie heute: Sanders, der Unverbogene. Der Kampagnenmarathon hat seiner Stimme zugesetzt, bisweilen klingt sie, als habe er mit Kieselsteinen gegurgelt. Mit wehendem weißem Haar steht der 74-jährige Senator am Pult, oft hebt er den Zeigefinger, um ihn zornig niedersausen zu lassen. Seine Rede dauert gut sechzig Minuten. Anekdoten aus dem eigenen Leben, eigentlich Standard in US-Wahlkämpfen, erzählt er so gut wie nie. Nichts an ihm ist modern – aber gerade das mag Erica Bays, Physikstudentin. Mir muss keiner Unterhaltung bieten, mir braucht keiner was vorzuspielen. Bei Bernie weißt du: Der Mann ist echt. Keiner sagt Sanders, alle reden nur von Bernie. Der Älteste des Bewerberfelds kann sich, auf die offenbar jüngste Anhängerschaft stützen. Nur: Nahezu alle Gesichter sind weiß, obwohl es hier im Norden Virginias an Afroamerikanern oder Hispanics nicht mangelt. Wir sind die reichste Nation in der Geschichte der Erde. Aber nur sehr wenige Menschen spüren das, sagt der Kandidat. In keinem anderen entwickelten Land sei der Wohlstand derart ungleichmäßig verteilt. Die Kluft klaffe so breit wie seit 1928 nicht mehr, seit Börsencrash und Weltwirtschaftskrise, seit dem New Deal Franklin D. Roosevelts. Etwas läuft völlig verkehrt, wenn die obersten 0,1 Prozent fast so viel besitzen wie die unteren 90 Prozent, wettert Sanders. Das Einkommen einer Durchschnittsfamilie liege inflationsbereinigt um 5000 Dollar unter dem Stand von 1999 "Ich bin jemand, der die Wahrheit sagt". New York – Ausgerechnet Föhnfrisur-Freund Donald Trump spottet neuerdings über die Haarpracht von US-Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton. Sie hat eine neue Frisur, haben Sie das heute bemerkt?, fragte der milliardenschwere Unternehmer in einem Interview am Mittwoch. Vielleicht trage sie eine Perücke, witzelte Radiomoderator Mark Levin in Anspielung auf Trumps blonde Föhnfrisur. So muss es sein, sagte Trump, der sich ebenfalls um das Weiße Haus bewirbt, und bezeichnete die Haare der Demokratin als massiv und den Anblick als schockierend. Auf die Frage, ob ihn dieser Kommentar nicht in Schwierigkeiten bringen könnte, sagte Trump: Das ist mir egal. Ich bin jemand, der die Wahrheit sagt. Kandidat Carson vergleicht Flüchtlinge mit "Hunden" – US-Republikaner schüren weiter Terrorangst. Washington – In die hitzige Debatte um die Aufnahme syrischer Flüchtlinge in den USA – Präsident Barack Obama bezeichnete sie kürzlich als hysterisch – hat Donald Trump, republikanischer Präsidentschaftsanwärter, zusätzlich Öl ins Feuer gegossen: Der umstrittene Multimillionär fordert laut New York Times eine Registrierung aller Muslime in den USA. Er würde als Präsident ein entsprechendes Gesetz absolut implementieren. Fragen von Journalisten, ob dieser Schritt nicht dasselbe wie die Registrierung aller Juden in Nazi-Deutschland wäre, wich er aus. Ins gleiche Horn stößt Trumps Kontrahent um die Präsidentschaftskandidatur Ben Carson: Wenn ein tollwütiger Hund durch deine Nachbarschaft streift, wirst du vermutlich nichts Gutes über diesen Hund denken, sagte er am Donnerstag bei einer Veranstaltung in Alabama. Dies bedeute aber beim besten Willen nicht, dass du alle Hunde hasst. Den empörten Protest darauf tat Carson mit dem Argument ab, er meine mit tollwütigen Hunden nicht die Flüchtlinge, sondern die Terroristen. Die Republikaner stemmen sich seit den Terroranschlägen in Paris verstärkt gegen den Plan der US-Regierung, bis Ende 2016 insgesamt 10.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. Das führte zu einem Gesetzesentwurf, der syrische Flüchtlinge de facto mit potenziellen Terroristen gleichsetzt und einen kompletten Aufnahmestopp vorsieht. Er wurde bereits im Repräsentantenhaus mit republikanischer Mehrheit beschlossen. US-Präsident Barack Obama drohte mit seinem Veto, sollte die Initiative später auch den Senat passieren. Zusätzlich angefeuert wird die Debatte durch die Nachricht, dass in den vergangenen Tagen in Honduras und Costa Rica mehrere syrische Flüchtlinge, die in die USA weiterreisen wollten, mit gefälschten Pässen aufgehalten worden waren. Die US-Geheimdienste konnten bisher aber nichts über allfällige, die USA gefährdende Motive der Flüchtlinge in Erfahrung bringen. Beim Jefferson-Jackson-Dinner in New Hampshire zeigen sich die Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur von ihrer besten Seite. Das Rennen um die demokratische Kandidatur bei der US-Präsidentschaftswahl im Herbst 2016 scheint schon geschlagen zu sein. Drei Kandidaten haben angesichts von Hillary Clintons Übermacht bereits das Handtuch geworfen. Mit einer erfolgreichen TV-Debatte, dem Nichtantreten von Joe Biden und einer guten Figur in der Anhörung vor dem Bengasi-Sonderausschuss hat Clinton ihren Vorsprung weiter ausgebaut. Das Establishment unterstützt die ehemalige US-Außenministerin. Trotzdem ist es, wie die Erfahrungen aus dem Jahr 2008 gezeigt haben, noch zu früh für Sicherheiten. Beim Jefferson-Jackson-Dinner in Manchester, New Hampshire ließ Clinton trotzdem keinen Zweifel daran, dass kein Weg an ihr vorbeiführt. Ihre anwesenden Konkurrenten, der frühere Gouverneur von Maryland, Martin OMalley, und Bernie Sanders, Senator von Vermont, taten sich schwer, sich als bessere Alternative darzustellen. Umfragen zufolge liegen Clinton und Sanders derzeit in New Hampshire laut Real Clear Politics knapp beieinander, OMalley bemüht sich weit abgeschlagen darum, als Dritter mitzumischen. OMalley bezeichnete sich selbst als einzigen wahren Demokraten, er sei schließlich weder ein ehemaliger Republikaner noch ein Sozialist, was als Seitenhieb auf seine Mitwerber gedacht war. Clinton gehörte nämlich in der Highschool zu den Young Republicans, Sanders bezeichnet sich selbst als Sozialisten – für viele US-Wähler ein Schimpfwort. Trotzdem finden viele seiner linken Themen auch bei den demokratischen Wählern Anklang. Er wandte auch in New Hampshire, wo traditionell die zweite Vorwahl nach Iowa stattfindet, gegen das Establishment und stellte sich als einzige Alternative für den wahren Wandel vor. Wiederholt betont er, dass er im Gegensatz zu Clinton 2002 gegen den Einsatz im Irak gestimmt habe. Auch der Kampf gegen den Islamischen Staat war in New Hampshire Thema, wobei nur Sanders die Verantwortung für den Kampf gegen die Terrororganisation vor allem bei den Regionalmächten sieht. Einig waren sich alle drei in ihrer Kritik an dem republikanischen Bewerber Donald Trump, der erneut mit aufwieglerischen Äußerungen über Muslime auf sich aufmerksam gemacht hatte. Am 19. Dezember treffen die Kandidaten wieder in Manchester aufeinander, wenn die dritte TV-Debatte der Demokraten stattfindet. Die Bundesstaaten Iowa und New Hampshire sind von besonderer Bedeutung, da sie die ersten Primary- beziehungsweise Caucus-Staaten sind und für den jeweiligen Sieger eine bedeutende mediale Berichterstattung nach sich ziehen. Daher ist das Hauptziel der meisten Bewerber, in diesen Staaten ein gutes Resultat zu erzielen. Iowa und New Hampshire gehören zu den hartumkämpften Swing States, wo sich die Kandidaten ein Kopf-an-Kopf-Rennen liefern werden. Während in den 1960er- und 1970er-Jahren viele der größeren Staaten noch umkämpft waren, haben 40 von 50 US-Staaten in den vier Präsidentschaftswahlen seit dem Jahr 2000 gleich gewählt. So sind die Vorwahlen in den Swing States meist Auftakt der heißen Phase des Vorwahlkampfs. Iowa wählt am 1. Februar, New Hampshire am 9. Februar. Der Super Tuesday fällt 2016 auf den 1. März mit Wahlen in gleich 13 Staaten. Die zweite Phase des Wahlkampfs beginnt Ende Juli, wenn sowohl Demokraten als auch Republikaner auf ihren Parteitagen in Philadelphia (Pennsylvania) und Cleveland (Ohio) ihre Kandidaten bestimmt haben. Seit den 60er-Jahren werden in den Bundesstaaten jährlich Fundraising-Abendessen abgehalten. Im Jahr vor Präsidentschaftswahlen haben diese natürlich besondere Bedeutung. Die Demokraten nennen diese Veranstaltungen seit jeher Jefferson-Jackson-Dinner, das erste des Jahres findet in Iowa statt. Das republikanische Pendant sind die Lincoln-Reagan-Dinners. Die Jefferson-Jackson-Dinners sind nach den Präsidenten Thomas Jefferson und Andrew Jackson benannt. In letzter Zeit bekommen diese Veranstaltungen oft alternative Namen, weil sowohl Jefferson als auch Jackson Sklavenbesitzer waren. Auch Schottland Regionalregierung lässt US-Präsidentschaftsanwärter fallen – In Atlanta tauchten Hakenkreuz-Flaggen mit Bild von Milliardär auf. Washington/Edinburgh – Eine schottische Universität hat dem republikanischen US-Präsidentschaftsanwärter Donald Trump wegen seines Rufs nach einem Einreiseverbot für Muslime die Ehrendoktorwürde entzogen. Trumps Äußerungen seien mit dem Ethos und den Werten der Robert Gordon University in keiner Weise vereinbar, erklärte ein Sprecher der Hochschule der Stadt Aberdeen am Mittwoch. Die Universität im Nordosten Schottlands habe daher beschlossen, Trump den im Oktober 2010 verliehenen Ehrentitel in Betriebswirtschaftlehre abzuerkennen. Auch die schottische Regionalregierung stellte ihre Zusammenarbeit mit Trump ein. Trump sei nach seinen Äußerungen nicht länger geeignet, als Mitglied des Netzwerks GlobalScot für den Wirtschaftsstandort Schottland zu werben, erklärte ein Sprecher. Trump, dessen Mutter aus Schottland kam und der im nördlichen Landesteil des Vereinigten Königreichs mehrere Golfplätze und Hotels besitzt, hatte am Montag ein generelles Einreiseverbot für Muslime in den USA gefordert. Für Empörung sorgte er auch mit Äußerungen über angebliche No-Go-Areas in Paris und London. In Atlanta im US-Staat Georgia tauchten indes zwei Hakenkreuzplakate mit dem Antlitz des US-Präsidentschaftsbewerbers auf. Ein Polizist habe eine Nazi-Flagge an einem Brückenpfeiler entdeckt, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch. Ein Polizeifoto zeigt Trump auf dem Hakenkreuz mit Hitlerbärtchen. Als Fliege trägt Trump einen 100-Dollar-Schein. Die Philadelphia Daily News hatte Trump nach seiner Forderung eines kompletten USA-Einreiseverbots für Muslime bereits mit ausgestrecktem rechten Arm auf der Titelseite abgedruckt. Arzt bescheinigt Präsidentschaftsbewerber "exzellente" Gesundheit: Er wäre "gesündester" US-Präsident aller Zeiten. Washington – Der umstrittene Anwärter auf die US-Präsidentschaft, Donald Trump, ist nach Bekunden seines Arztes bei exzellenter Gesundheit. Der 69-Jährige verfüge über außergewöhnliche Stärke und Ausdauer und habe in den vergangenen 39 Jahren keine signifikanten Gesundheitsprobleme gehabt, bescheinigte Harold Bornstein vom New Yorker Lenox Hill-Krankenhaus, der Trump seit 1980 betreut. Auch das Herzkreislaufsystem des Milliardärs und Politneulings sei exzellent, zudem habe Trump im vergangenen Jahr fast sieben Kilogramm abgenommen, hieß es in dem einseitigen Schreiben weiter. Trump raucht und trinkt nicht. Sein Blutdruck beträgt laut Bornstein 110 zu 65, weitere Laborwerte seien ebenfalls erstaunlich exzellent. Der Geschäftsmann ist nie an Krebs erkrankt, er wurde nur einmal in seinem Leben als Zehnjähriger am Blinddarm operiert. Er nimmt nach Auskunft seines Arztes aber 81 Milligramm Aspirin täglich sowie einen niedrig dosierten Cholesterinsenker ein. Sollte Trump gewählt werden, wird er eindeutig der gesündeste Mensch sein, der je zum Präsidenten gewählt wurde, schloss Bornstein. Es ist in den USA üblich, dass Bewerber für die Präsidentschaft ein Attest ihres Arztes veröffentlichen, um ihre Fitness für das Spitzenamt nachzuweisen. Dies haben unter anderem die demokratische Favoritin Hillary Clinton und der republikanische Bewerber Jeb Bush bereits getan. Am Dienstag kommen die Präsidentschaftsbewerber der US-Republikaner in Las Vegas zu ihrer letzten Fernsehdebatte des Jahres zusammen. Trump führt das Bewerberfeld seit Monaten an. Zuletzt sorgte er mit der Forderung nach einem Einreiseverbot für Muslime für Empörung. In den Umfragen nach oben schob sich der erzkonservative Senator Ted Cruz, während der frühere Neurochirurg Ben Carson an Zustimmung verlor. Debatte demokratischer Präsidentschaftsbewerber in den USA. Washington – Harte Attacken gegen den republikanischen Präsidentschaftsbewerber Donald Trump haben die Fernsehdebatte der demokratischen Rivalen am Samstagabend in den USA geprägt. Die frühere Außenministerin und ehemalige First Lady Hillary Clinton warf Trump angesichts seiner Aussagen zu Islam und Sicherheit vor, er sei dabei, der beste Rekrutierer der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu werden. Die Extremisten würden die anti-muslimischen Reden von Trump in ihren Rekrutierungsvideos zeigen. Trump hatte zuletzt mit seiner Forderung nach einem US-Einreiseverbot für Muslime für Empörung gesorgt. Die vom TV-Sender ABC organisierte Debatte der demokratischen Präsidentschaftsbewerber fand in Manchester im Bundesstaat New Hampshire statt, in dem Anfang Februar die zweite Vorwahl abgehalten wird. Der Website realclearpolitics.com zufolge liegt Clinton in landesweiten Umfragen mit durchschnittlich knapp 56 Prozent klar vor dem linksgerichteten Senator Bernie Sanders, der auf gut 30 Prozent Zustimmung kommt. Der frühere Gouverneur von Maryland, Martin OMalley, ist mit rund drei Prozent abgeschlagen. Angesichts des islamistischen Anschlags auf eine Weihnachtsfeier im kalifornischen San Bernardino Anfang Dezember war die erste Stunde der demokratischen Fernsehdebatte ganz von den Themen Anti-Terror-Kampf, IS-Miliz, Syrien und Irak geprägt. Clinton warnte davor, dass Aussagen wie die von Trump bei Muslimen den Eindruck erwecken könnten, dass es einen Zusammenprall der Zivilisationen und eine Art Krieg gegen den Islam gebe. Sie hielt Trump Wichtigtuerei und Sektierertum vor. Um sich von der aggressiven Debatte der Republikaner abzugrenzen, setzten Clinton und Sanders demonstrativ auf Höflichkeit und Freundlichkeit. Sanders entschuldigte sich sogar bei Clinton für einen Streit, der das demokratische Lager zuletzt beschäftigte. Ein inzwischen gekündigter Mitarbeiter von Sanders hatte einen Informatikfehler genutzt, um sich vertrauliche Wahldaten der Mannschaft um Clinton zu beschaffen. Doch auch wenn sich die Demokraten in ihrer Ablehnung von Trump einig waren, so waren sie bei Themen der Außenpolitik, beim Waffenrecht oder in der Finanzpolitik doch unterschiedlicher Ansicht. So kam es unter anderem zu einer Auseinandersetzung, weil Sanders das von Clinton geforderte Überflugsverbot über Syrien ablehnt. Auch hielt er Clinton vor, den US-Einmarsch 2002 in den Irak unterstützt zu haben. Clinton wiederum versicherte, dass sie keine US-Bodentruppen in Syrien oder im Irak wolle. John Waynes Tochter: Vater würde Trump unterstützen – Sohn Ethan Wayne distanziert sich umgehend von seiner Schwester. Washington – Der umstrittene republikanische US-Präsidentschaftsanwärter Donald Trump hat nun auch einen Keil in die Familie der Schauspiellegende John Wayne getrieben. Aissa Wayne, Tochter des Westernhelden, versicherte Trump bei einem gemeinsamen Auftritt vollmundig die Unterstützung der ganzen Familie – und bezog dabei auch ihren 1979 verstorbenen Vater mit ein. Ihr Bruder Ethan Wayne stellte daraufhin umgehend im Namen der Familie klar, dass es keine geschlossene Unterstützung für Trump gebe. Aissa war am Dienstag bei einem Trump-Auftritt im John-Wayne-Museum in Iowa vorgeprescht: Wir brauchen jemanden wie Mister Trump mit Führungsqualitäten und Mut. Und ich sage euch was: Wenn John Wayne noch unter uns wäre, würde er an meiner Stelle genau hier stehen. Trump nahm den Ball dankbar auf: Die Rückendeckung von John Wayne und seiner Familie bedeutet viel. Es bedeutet diese Stärke, die man nicht sieht. Der Konter von Waynes Sohn Ethan kam rasch und knapp: Niemand kann für John Wayne sprechen, und weder die Familie noch die Stiftung unterstützen Kandidaten in seinem Namen, erklärte er. John Wayne wird als einer der wichtigsten US-Schauspieler des 20. Jahrhunderts angesehen, er starb 1979 im Alter von 72 Jahren. Seine konservativen Einstellungen tat er gern öffentlich kund: Er war ein leidenschaftlicher Unterstützer des republikanischen Präsidenten Richard Nixon (1969–1974). Landesweite Favoriten Clinton und Trump könnten Fehlstart erleiden. Des Moines (Iowa)/Washington – Im Präsidentschaftsrennen der USA beginnt am Montag (Ortszeit) die Auswahl der Spitzenkandidaten der beiden großen Parteien. Die Serie der Vorwahlen im Vorfeld der Präsidentenwahl am 8. November wird traditionell im Staat Iowa eröffnet. Der umstrittene Multimilliardär Donald Trump führt derzeit laut Umfragen US-weit das republikanische Bewerberfeld deutlich an, bei den Demokraten hat Ex-Außenministerin Hillary Clinton klar die Nase vorn. Es ist jedoch nicht sicher, dass sie in Iowa Siege einfahren können. Der kleine Staat im Mittleren Westen der USA hat zwar zahlenmäßig geringe Bedeutung für die Kandidatenkür. Ein gutes Abschneiden kann den Bewerbern jedoch wichtigen Rückenwind für die weiteren Vorwahlen in den anderen der insgesamt 50 US-Staaten geben. Im republikanischen Feld liegt Trump nach einer jüngsten Umfrage auch in Iowa voran, aber der erzkonservative texanische Senator Ted Cruz ist ihm auf den Fersen. Bei den Demokraten zeichnet sich in Iowa ein harter Zweikampf zwischen Clinton und dem unabhängigen Senator Bernie Sanders aus Vermont ab. Sanders, der sich selbst einen Sozialisten nennt, hat sich insgesamt bisher als stärkerer Konkurrent der Ex-First Lady und Ex-Außenministerin erwiesen als ursprünglich erwartet. Einer jüngsten Umfrage im Auftrag der Lokalzeitung Des Moines Register zufolge kommt aufseiten der Republikaner Trump in Iowa auf rund 28 Prozent und Cruz auf 23 Prozent der Stimmen. Auf Rang drei folgt Senator Marco Rubio aus Florida mit 15 Prozent. Abgeschlagen rangieren dahinter Bewerber wie Ben Carson oder Jeb Bush. Auf der demokratischen Seite führt Clinton in jüngsten Umfragen in Iowa durchschnittlich mit 3,3 Prozentpunkten vor Sanders, der dritte Bewerber, Martin OMalley, ist mit Riesenabstand Letzter. Gewählt wird in Iowa nach einem Caucus-Verfahren. Die Wähler werden auf 16.81 Stimmbezirke aufgeteilt. In jedem findet eine Versammlung von Parteimitgliedern statt, bei der über den Kandidaten diskutiert wird. Anschließend wird abgestimmt – bei den Republikanern geheim, bei den Demokraten offen. Mit ersten Trends wird nicht vor 06.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit am Dienstag gerechnet. Die nächste Vorwahl steht am 9. Februar in New Hampshire an der Ostküste auf dem Programm. Offiziell werden die Spitzenkandidaten nach Abschluss der Vorwahlen in allen Staaten auf Nominierungsparteitagen im Sommer bestimmt. Hillary Clinton hatte wie vorausgesagt im nordöstlichen Bundesstaat keine Chance, als klare Sieger gehen die Außenseiter aus der Vorwahl hervor. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Super-PACs nahmen in den vergangenen sechs Monaten fast 100 Millionen Dollar ein – Frühere Jeb-Bush-Unterstützer wechseln verstärkt zu Marco Rubio. Zwei Vorwahlen sind geschlagen, das Bewerberfeld hat sich mittlerweile verkleinert – wo aber haben sich die Millionen an Spendengeldern in den vergangenen Monaten gesammelt? Korrespondieren die Ergebnisse der Abstimmungen in New Hampshire und Iowa mit den Wahlkampfbudgets der Bewerber? Mit insgesamt mehr als 160 Millionen US-Dollar (143 Millionen Euro) liegt Hillary Clinton immer noch an erster Stelle, was das gesamte Wahlkampfbudget betrifft. Ihr mittlerweile einziger innerparteilicher Konkurrent Bernie Sanders kommt mit gut 75 Millionen Dollar auf weniger als die Hälfte. Sanders konnte sein Wahlkampfbudget im Gegensatz zu Clinton jedoch hauptsächlich aus Kleinspenden generieren (im Durchschnitt erhält er 27 Dollar) und hat keine Super-PAC-Millionen hinter sich. Im vierten Quartal des Jahres 2015 lag die Differenz in den Einnahmen zwischen Clinton und Sanders (ohne Super-PACs) nur mehr bei knapp fünf Millionen Dollar. Insgesamt nahmen die Super Political Action Committees im vergangenen halben Jahr fast 100 Millionen Dollar ein. Diese Spenden sind besonders wichtig, weil sie in unbegrenzter Höhe erfolgen können – auch wenn offiziell keine direkte Koordination mit den Bewerbern stattfinden darf. Auch Donald Trump hat keine Unterstützung durch Super-PACs und bezieht weiterhin den Großteil seiner Wahlkampfeinnahmen (65 Prozent beziehungsweise 12,6 Millionen Dollar) aus Krediten, die er bei sich selbst aufnimmt. Bei den Republikanern liegt mit mehr als 150 Millionen Dollar weiterhin Jeb Bush vorne – jedoch hatte er bereits rund 115 Millionen Dollar davon bis Juni 2015 zusammen. Im vergangenen halben Jahr beliefen sich die Einnahmen seines Super-PACs Right to Rise USA auf lediglich 15 Millionen Dollar, im Halbjahr bis Juni 2015 waren es noch mehr als 100 Millionen Dollar gewesen. In der jüngsten Vergangenheit hat es aber offenbar einen neuen Trend bei den Republikanern gegeben: Ende des vergangenen Jahres wechselten auffällig viele Spender von Jeb Bush zu Marco Rubio. Rund 120 Geldgeber, die zuvor noch an Bush gespendet hatten, haben sich im Dezember für Rubio entschieden und ihm rund 250.000 Dollar zukommen lassen, wie eine Analyse von Buzzfeed zeigt. Im Vergleich mit den Großspenden des vergangenen halben Jahres handelt es sich dabei aber um einen geringen Beitrag. Die größte Spende einer Einzelperson lag in diesem Zeitraum bei sechs Millionen Dollar und ging von Hedgefonds-Milliardär George Soros an das Clinton-nahe Super-PAC Priorities USA Action. Die größte Einzelspende betrug zehn Millionen Dollar und ging vom Versicherungskonzern C. V. Starr & Company des US-Managers Hank Greenberg an Bushs Right to Rise USA. Jeb Bush wird das im Wahlkampf wohl dennoch nichts mehr bringen, er liegt in aktuellen Umfragen weit hinter den Favoriten Trump, Rubio und Cruz zurück. (Text: Noura Maan, Grafik: Markus Hametner, 10.2.2016) Republikanischer Präsidentschaftskandidat: Franziskus sei "eine stark politisierende Person". Washington/Mexiko-Stadt/Vatikanstadt – Der republikanische US-Präsidentschaftsbewerber Donald Trump wirft Papst Franziskus vor, die Probleme der USA nicht zu begreifen. In einem Interview des TV-Senders FOX Business sagte Trump am Donnerstag (Ortszeit) laut Kathpress, der Papst betreibe mit seinem Besuch der Grenze in Ciudad Juarez am kommenden Mittwoch das Geschäft der mexikanischen Regierung. Ich denke, Mexiko hat ihn dazu bewegt, weil es möchte, dass die Grenze so bleibt, wie sie ist. Die machen damit ein Vermögen, und wir verlieren, so der Milliardär. Der Papst zeige wenig Verständnis für die Gefahren, die von unserer offenen Grenze mit Mexiko ausgehen. Trump hielt Franziskus in dem TV-Interview vor, die Situation an der Grenze für seine Zwecke auszunutzen. Dieser Papst sei eine stark politisierende Person. Trump will, sollte er US-Präsident werden, eine Mauer an der fast 3.500 Kilometer langen Grenze zu Mexiko bauen lassen, um illegale Einwanderer fernzuhalten. Bezahlen soll sie Mexiko. Umfragen zeigen, dass Trump mit beiden Forderungen auf breite Unterstützung bei konservativen US-Bürgern trifft. Franziskus feiert am Mittwochabend auf mexikanischer Seite unweit des bestehenden Grenzzauns mit voraussichtlich mehr als 200.000 Menschen eine Messe. Vorher will er am Rio Grande niederknien und für die rund 6.000 Menschen beten, die in den vergangenen 15 Jahren bei dem Versuch ihr Leben verloren, den Grenzfluss zu überqueren. 'US-Präsidentschaftskandidat lässt sich von Papst Franziskus keine Kritik gefallen – Franziskus hatte Trump als "nicht christlich" bezeichnet. Das Luftbild zeigt Rom: Kirchen, Kapellen; Gärten: Eine Mauer, die der Bildbearbeiter grell herausgestellt hat. Donald Trumps Kampagnenstab hat die Aufnahme via Twitter verbreitet und mit einer sarkastischen Zeile versehen. Erstaunliche Kommentare des Papstes, wenn man bedenkt, dass die Vatikanstadt zu 100 Prozent von massiven Mauern umgeben ist. Am Samstag entscheiden die Republikaner South Carolinas darüber, wen sie als Kandidaten ihrer Partei ins Rennen ums Weiße Haus schicken wollen. Einmal mehr ist es Trump, der seine Konkurrenten aus den Schlagzeilen verdrängt; einmal mehr ist er in eine Kontroverse verwickelt, die ihm am Ende eher nützen als schaden könnte – schon weil sie seinen Anhängern das Gefühl vermittelt, dass er keinem Streit aus dem Weg geht, wenn er für das zentrale Projekt seiner ansonsten so schwammigen Agenda trommelt: den Bau einer Mauer zu Mexiko. Und dass er vor keiner Autorität zurückschreckt, nicht einmal vor dem Papst. Wir wählen mit dem Mittelfinger!, twittert ein Fan aus South Carolina und macht deutlich, dass Wähler, die den Glauben an traditionelle Institutionen verloren haben, eine gewisse Respektlosigkeit durchaus zu schätzen wissen. Nach den Worten von Oran Smith, des Sprechers der religiösen Stiftung Palmetto Family Council, dürfte die Standpauke des Pontifex viele Südstaatler nur dazu bringen, die Planwagen der Wagenburg um Trump noch ein wenig enger zu stellen. Es begann damit, dass Papst Franziskus auf der Rückreise aus Mexiko eine Reporterfrage nach den Plänen des Milliardärs beantwortete, ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen: Eine Person, die nur daran denkt, Mauern zu bauen, wo immer diese stehen mögen, und nicht ans Brückenbauen denkt, ist nicht christlich. Worauf Trump tat, was er immer tut, wenn ihn jemand kritisiert: Er keilte zurück. Dass ein religiöser Führer den Glauben eines anderen Menschen infrage stelle, sei infam, wetterte er. Sollte der Vatikan dereinst vom Islamischen Staat attackiert werden, werde der Papst sich noch wünschen, dass Donald Trump US-Präsident gewesen wäre. Der hätte den IS nämlich ausgelöscht – anders als die Politiker, die nur redeten und nicht handelten. Später schob er den Medien die Schuld in die Schuhe. Die hätten Franziskus Worte stark verkürzt wiedergegeben. Trump und die Mauer, es ist das Thema, mit dem der New Yorker seine Kontrahenten vor sich hertreibt, seit er im Juni seine Kandidatur bekannt gab. Anders, suggeriert er, lasse sich die illegale Einwanderung aus dem Süden nicht stoppen. Mexiko, behauptet er, müsse die Baukosten tragen. So unsinnig das ist, bisher hat er Erfolg mit seinen Sprüchen: Auch viele Konkurrenten schlagen inzwischen deutlich härtere Töne an. Marco Rubio gehörte noch 2013 zu einer Gruppe von Senatoren, die an einer Reform des Einwanderungsrechts bastelte, um elf Millionen Illegale aus der rechtlichen Grauzone zu holen. Heute betont er, an eine solche Novelle sei erst dann zu denken, wenn sich niemand mehr ohne gültige Papiere ins Land schmuggeln lasse. Und Jeb Bush sagt bereits: Ich unterstützte Mauern und Zäune, wo es angemessen ist. Es hat also nicht den Anschein, als würde die päpstliche Gardinenpredigt den Höhenflug des Populisten Trump stoppen. Zumindest nicht in South Carolina, zumal sich die republikanischen Wähler dort nur zu 13 Prozent zum katholischen Glauben bekennen, während 65 Prozent evangelikale Christen sind. Gewinnt der Immobilienmagnat den Palmetto State, wird ihn wahrscheinlich auch in Nevada, auf der nächsten Vorwahletappe, nichts aufhalten können.' Jeb Bush beendet seinen Wahlkampf – Clinton entscheidet Nevada knapp für sich. Es dauerte nicht lange. Schon eine halbe Stunde nach Ende des Wahlgangs wurde Donald Trump zum Gewinner in South Carolina gekürt – einem Bundesstaat, der traditionell von konservativen, evangelikalen Wählern dominiert wird. Trotz lautem, fokussiertem Wahlkampf im Bundesstaat – es kann als Überraschung und nicht zu unterschätzender Erfolg gewertet werden, dass Trump ohne starke Wurzeln in der GOP nach New Hampshire hier ebenfalls mit einem zweistelligen Vorsprung reüssieren konnte. Mit 32,5 Prozent der Stimmen ließ er Ted Cruz sowie Marco Rubio klar hinter sich. Eindeutige Kandidaten, die den unterschiedlichen republikanischen Wählerschichten zugeschrieben werden können: das war einmal. Die GOP ist auf der Suche nach sich selbst, die GOP-Wähler nach ihr. Auch eine Boykott-Androhung gegen das Unternehmen Apple, das, so Trump, dazu verpflichtet wäre dem FBI bei den Ermittlungen in San Bernardino zur Seite zu stehen, kann den Immobilien-Mogul in dieser Phase des Wahlkampfes nicht mehr schaden. Die Luftbombardements gegen ISIS in Irak und Syrien reichen Trump nicht, er will Terroristen mit in Schweineblut-getauchter Munition exekutieren. Seine täglichen Sager, die in ihrer Absurdität oft nicht mehr zu überbieten sind, sind mittlerweile längst zum New Normal für die Wähler geworden. Einer, der neben Trump, als moderat durchging und zu Beginn des Wahlkampfes als großer Hoffnungsträger für die Republikaner eingeschätzt wurde, musste in South Carolina aufgeben: Jeb Bush blieb nach der Primary in New Hampshire in South Carolina ebenfalls hinter den Erwartungen und gab offiziell seinen Rückzug aus dem Wahlkampf bekannt. Marco Rubio konnte sich die diversen Wahlempfehlungen, darunter von Nikki Haley, der Gouverneurin von South Carolina, nicht zunutze machen und lieferte sich ein Duell mit Ted Cruz, dem eigentlichen Go-To-Kandidaten für konservative Kernwähler, um Platz zwei. Letztendlich lag Rubio (22,5 Prozent) mit nur 0,2 Prozentpunkten vor Cruz (22,3 Prozent). Ein eindeutiger Herausforderer, der Trump seine Favoritenrolle streitig machen könnte, wurde somit auch in diesem Bundesstaat nicht ausfindig gemacht. Ungewissheit bestimmte die Stunden vor dem Urnengang der Demokraten: Nevada hätte für Hillary Clinton eine sichere Bank sein müssen. Doch am Ende wurde der Wahlkampf im Wüsten-Bundesstaat für Clinton und ihre Entourage ein Wettlauf gegen die Zeit. Eine Umfrage des TV-Senders Fox nur zwei Tage vor den Vorwahlen sah Konkurrent Bernie Sanders erstmals in Führung. Mittels aktivem Zutun von Ehemann Bill , einem Meet & Greet mit Britney Spears und einem spätnächtlichem Besuch bei den Servicekräften ihres Hotels wollte Clinton sich bis zuletzt ein Scheitern abwenden – und die Saat ging dann auch auf. 52,7 Prozent in den Parteiversammlungen (Caucuses) entschieden sich letztlich für Clinton in einem knappen Rennen, das so vor einem Jahr niemand erwartet hätte. Sanders war in Nevada erst spät in den Wahlkampf gestartet und machte in den letzten Monaten unaufhaltsam Boden gut. Dementsprechend positiv wurde die knappe Niederlage (47,2 Prozent) bei seinem Team in Nevada aufgenommen. Wir haben Rückenwind, wir haben Momentum, sagte Sanders nach Bekanntgabe der Ergebnisse. Clinton wollte hingegen Zweifel an ihrer Kandidatur aus dem Weg zu räumen, indem sie sich gezielt auch an potentielle Sanders-Wähler richtete: Die Amerikaner haben ein Recht wütend zu sein, aber sie haben auch das Recht auf Lösungen. Ob sie damit dem Sanders-Lager den Fahrtwind aus den Segeln nehmen kann, bleibt bis zum 1. März – dem Super-Tuesday – noch abzuwarten. 'Wird die Nominierung von Donald Trump für die US-Präsidentenwahl noch zu verhindern sein? Jeb Bush zog die Konsequenzen und stieg aus dem Rennen aus. Legt man die Geschichte der US-Vorwahlen zugrunde, so ist Donald Trump auf dem sicheren Weg zur Präsidentschaftskandidatur: Hat ein Republikaner sowohl in New Hampshire als auch in South Carolina den innerparteilichen Wettstreit gewonnen, ist er bisher noch immer zum Kandidaten fürs herbstliche Finale im Kampf ums Weiße Haus gekürt worden. Trump kam in beiden Staaten als Erster ins Ziel. Morgen, Dienstag, dürfte er auch in Nevada die Nase vorn haben, und am 1. März folgt der Test, der bereits die Weichen stellen kann: Am Super Tuesday wird in zwölf der 50 Bundesstaaten gewählt, wobei der Bibelgürtel stark ins Gewicht fällt. Die mögliche Vorentscheidung fällt also in einem Milieu, das dem South Carolinas ziemlich ähnelt. Trumps Sieg im Palmetto State wirft die Frage auf, ob sein Durchmarsch noch zu stoppen ist. Er zeigt, dass sich der großmäulige Populist auf eine so stabile Gefolgschaft stützen kann, dass ihm sein verbaler Stil eines Raufbolds nichts anzuhaben scheint – auch wenn er anderen längst zum Verhängnis geworden wäre. Trumps treueste Anhänger sind Weiße ohne Collegeabschluss, die dem Kabinett Barack Obamas ebenso wie den republikanischen Fraktionsspitzen im Kongress maßgeblich die Schuld am eigenen sozialen Abstieg geben. In einem rabiaten Milliardär, der illegal Eingewanderte zu deportieren und nach China oder Mexiko abgewanderte Arbeitsplätze zurückzuholen verspricht, glauben sie einen Sprecher gefunden zu haben, der ihrem Frust Ausdruck verleiht Der Milliardär gewinnt dort, wo die verunsicherte Arbeiterschaft den Eindruck hat, vom Politikbetrieb vergessen worden zu sein. Man könnte auf Transparentpapier zwei Landkarten der USA zeichnen, bestimmte Flächen schraffieren und beide Karten übereinanderlegen: Man würde verblüffende Übereinstimmungen feststellen. Angenommen, die eine zeigte die ökonomischen Krisengebiete und die andere die Gegenden, in denen Donald Trump seine besten Ergebnisse einfuhr: Sie wären nahezu deckungsgleich. Was Trump für sich auszuschlachten versteht, ist die Ernüchterung wirtschaftlich abgehängter Amerikaner, die dem Establishment kein Wort mehr glauben. Die abschalten, wenn Statistiker gute Zahlen präsentieren oder die Regierung davon spricht, dass kein anderes Land im 21. Jahrhundert besser aufgestellt ist als die Vereinigten Staaten. Gewiss, die Arbeitslosigkeit ist von über zehn auf unter fünf Prozent gesunken, seit die Finanzkrise das Land in die schwerste Rezession seit den 1930er-Jahren stürzte. Gewiss, es gibt blühende Landschaften, es gibt die Hochburgen der Wissens- und Informationsökonomie, Seattle, San Francisco, das Silicon Valley, New York und den Speckgürtel um Washington. Es sind diese Regionen, die den Aufschwung tragen, die gesamtnationale Statistik gut aussehen lassen und dabei eine Realität verzerren, die weitaus differenzierter ist, als es die Aufwärtskurven vermuten lassen. Alabama und Georgia, Arkansas und Tennessee haben eines gemeinsam: Von wirtschaftlicher Erholung ist dort, von wenigen Wachstumsinseln abgesehen, nichts zu spüren. Im Grunde ist die Lage noch prekärer, als sie es vor der Finanzkrise war. In Alabama gewann Trump 44 Prozent, in Georgia 40, in Arkansas 34 und in Tennessee 40 Prozent der Stimmen. Diese Resultate bilden die Basis für seinen Erfolg am Super Tuesday, abgesehen vom Neuengland-Staat Massachusetts, wo er ähnlich abräumte, der berühmten Ausnahme von der Regel. Es liegen tatsächlich Welten zwischen der Hauptstadt und der tristen Provinz. Kein Zufall, dass Trump dort auftrumpft, wo er am größten ist, der Frust einer verunsicherten Arbeiterschaft, die den Eindruck hat, vom Politikbetrieb nicht nur vergessen worden zu sein, sondern obendrein noch belächelt und belehrt zu werden. Der ruppige Unternehmer sagt den Leuten, dass etwas faul ist im Staate Amerika. Die Botschaft fällt auf fruchtbaren Boden, weil die Bestandsaufnahme in Teilen stimmt. Weil sich Demokraten und Republikaner im Kongress bis an den Rand der Handlungsunfähigkeit blockieren, weil Politiker in endlosen, exorbitant teuren Wahlkämpfen immer mehr angewiesen sind auf die Gunst betuchter Mäzene, die im Gegenzug versuchen, ihre Interessen durchzusetzen. Wenn der Milliardär Trump lässig betont, dass er seine Kampagne selbst finanziert und daher keinem Spender einen Gefallen schuldet, erklärt das seine Popularität schon zur Hälfte. Wie der polternde Egomane den angestauten Ärger zu nutzen versucht, ist aber auch ein Klassiker der Demagogie. Nicht nur, dass er grotesk simple Lösungen für komplexe Probleme anbietet – den Bau einer Mauer an der Grenze zu Mexiko, um die illegale Einwanderung in den Griff zu kriegen, horrende Importzölle im Handel mit China, um nach Asien abgewanderte Arbeitsplätze zurückzuholen. Er scheut auch nicht davor zurück, rassistische Stereotypen aus der Schublade zu holen. Seiner überwiegend weißen Klientel verspricht er die Rückkehr in eine Welt, die es so nicht mehr geben wird. Die Rückkehr in die idealisierten Fünfzigerjahre, als praktisch jeder, der in Lohn und Brot stand, zur Mittelklasse zählte, sich ein bescheidenes Häuschen leisten konnte und der eine Job, den man hatte, so bezahlt wurde, dass man keinen zweiten oder dritten annehmen musste, um über die Runden zu kommen, anders als heute. Nicht zu vergessen, in den Südstaaten, in denen Trumps verlässlichste Bastionen liegen, waren schwarze Amerikaner damals noch Bürger zweiter Klasse. Bei dem Populisten, der sich allenfalls widerwillig vom Ku-Klux-Klan distanziert, hat man den Eindruck, als gehöre auch dies zur guten alten Zeit, die er so nostalgisch verklärt. Rivalen geben sich noch nicht geschlagen – Ex-Außenministerin und Baulöwe attackieren einander – Rubio warnt vor Spaltung der konservativen Bewegung. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Republikanischer Präsidentschaftsbewerber: "Sehe nach Super Tuesday keinen politischen Weg". Washington – Ben Carson bereitet offenbar seinen Rückzug aus dem Rennen der Republikaner um das Weiße Haus vor. Der frühere Kinder-Neurochirurg (64) erklärte am Mittwoch: Im Lichte der Ergebnisse des Super Tuesday sehe ich für meine weitere Kampagne keinen politischen Weg. Carson war als einer von 17 Bewerbern im Feld der Republikaner gestartet. Nach ersten Erfolgen in Umfragen stürzte er steil ab, nachdem große Lücken vor allem bei seiner außenpolitischen Kompetenz aufgetreten waren. In den Vorwahlstaaten hatte Carson nirgendwo eine Chance und war stets weit abgeschlagen. Als Außenseiter hatte er aber einige Sympathien bekommen. Carson kündigte für die kommenden Tage eine Erklärung an. An der nächsten TV-Debatte der Republikaner in Detroit wird er nicht mehr teilnehmen. Sollte Carson aussteigen, wären im Rennen der Republikaner noch vier Bewerber: Donald Trump, Ted Cruz, Marco Rubio und John Kasich. Zuletzt hatte sich Jeb Bush offiziell zurückgezogen. 55-jähriger Geistlicher hatte am Samstag das Eröffnungsgebet bei einer Wahlkampfveranstaltung des republikanischen Präsidentschaftsanwärters gesprochen. Washington – Ein Pastor im US-Bundesstaat Idaho ist nach dem Sonntagsgottesdienst auf einem Pfarrparkplatz niedergeschossen worden. Ein 30-jähriger Mann eröffnete laut US-Medienberichten (Montag) vor der Altar Church-Freikirche in Coeur dAlene das Feuer auf den Geistlichen und ergriff danach die Flucht. Der 55 Jahre alte Tim Remington wurde den Angaben zufolge mit lebensbedrohlichen Schusswunden an Kopf, Schulter, Rücken und Hüfte in ein Krankenhaus gebracht. Sein Zustand sei inzwischen stabil, hieß es. Remington hatte am Samstag das Eröffnungsgebet bei einer Wahlkampfveranstaltung des evangelikal-protestantischen Präsidentschaftsanwärters der Republikaner, Ted Cruz, gesprochen. Laut Polizeiangaben gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass der Angriff auf den Pastor einen politischen Hintergrund haben könnte. Die Identität des Täters sei geklärt, der Gesuchte aber weiterhin flüchtig. Eine Sprecherin von Ted Cruz erklärte am Montag: Wir beten für eine vollständige Genesung Remingtons. Sein Angreifer müsse nun zur Verantwortung gezogen werden. Kasich gewinnt in seinem Heimatbundesstaat Ohio, Rubio gibt nach Niederlage in Florida auf. Washington – Donald Trump hat seine Führung bei den Vorwahlen der Republikaner weiter ausbauen können und am kleinen Super Tuesday oder Super Tuesday II drei Siege errungen: in Illinois, North Carolina und dem strategisch wichtigen Bundesstaat Florida, der über eine große Anzahl Delegierter verfügt (99), die alle an den Erstplatzierten vergeben werden. Trump holte in Illinois knapp 40 Prozent. Auf den zweiten Platz kam der erzkonservative Senator Ted Cruz mit 30,5 Prozent. Ohios gemäßigt-konservativer Gouverneur John Kasich landete mit knapp 20 Prozent auf Platz drei. In North Carolina lag Trump bei rund 40 Prozent. Cruz kam auf mehr als 36 Prozent, Kasich auf knapp 13 Prozent. Auch im US-Territorium Marianen konnte Trump einen Sieg erringen. Das war ein wunderbarer Abend, das war ein großartiger Abend, sagte der Milliardär. Er rief die Republikaner zur Geschlossenheit auf: Tatsache ist, dass wir die Partei zusammenbringen müssen, erklärte er in Florida. Er habe für die Republikaner Millionen neue Wähler gewonnen: Es kommen Demokraten zu uns, Unabhängige kommen dazu und – das ist sehr, sehr wichtig – Menschen, die noch nie zuvor eine Stimme abgegeben haben, sagte Trump bei seiner Pressekonferenz in Florida – auf der keine Fragen von Journalisten zugelassen wurden, wie unter anderen CNN-Reporter Jeremy Diamond auf Twitter berichtete. During an event billed as a press conference, @realDonaldTrump takes no questions Kasich hat dafür in seinem Heimatstaat Ohio gewonnen. Auch hier werden – wie in Florida – alle Delegierten (66) an den Sieger vergeben. Damit bleibt die Hoffnung auf eine Contested Convention, bei der Trump nicht von vornherein die absolute Mehrheit der 1.237 Delegierte hat und es auf dem Parteitag zu einer Kampfabstimmung kommt. Hillary Clinton gewann die Vorwahlen der Demokraten in Illinois, Florida, Ohio und North Carolina. Vor jubelnden Anhängern sagte sie: Wir kommen der Nominierung der demokratischen Partei näher – und dem Sieg bei der Wahl im November. Das sei möglicherweise einer der folgenreichsten Wahlkämpfe unseres Lebens. An Trumps Adresse sagte Clinton: Unser Oberkommandierender muss in der Lage sein, unser Land zu verteidigen und nicht, es zu erniedrigen. Er sollte unsere Verbündeten für uns einnehmen und sie nicht vor den Kopf stoßen. Das Ergebnis aus Missouri stand allerdings noch aus, hier lag Clinton nach einem Auszählungsgrad von 99 Prozent nur knapp vor ihrem Konkurrenten Bernie Sanders. Auch bei den Republikanern ist Missouri noch too close too call: Trump und Cruz liegen hier nur 0,2 Prozentpunkte auseinander. Die Auszählung der Briefwählerstimmen könnte das Ergebnis noch verändern. Nach seiner klaren Niederlage in seinem Heimatstaat Florida hat Marco Rubio aufgegeben. Dieses Jahr werden wir nicht auf der Gewinnerseite stehen, sagte Rubio am Dienstagabend vor Anhängern und erklärte seine Wahlkampagne für beendet. Der Senator landete in Florida mit 27 Prozent weit hinter Trump, der mehr als 45 Prozent der Stimmen holte. Er hatte bis dato 168 Delegiertenstimmen gesammelt. Rubio gratulierte dem populistischen Geschäftsmann zu dessen großem Sieg bei der Vorwahl. Allerdings übte er unverhüllt Kritik am Wahlkampfstil von Trump, der einen Feldzug gegen die politischen Eliten in Washington führt und mit abwertenden Äußerungen über Migranten und Muslime für Empörung sorgte. Amerika braucht eine lebhafte konservative Bewegung. Aber eine, die auf Prinzipien und Ideen aufbaut und nicht auf Angst, nicht auf Wut, sagte Rubio. Ich bitte die amerikanische Bevölkerung, sich nicht der Angst und dem Frust hinzugeben. Im Rennen bei den Republikanern verbleibt damit neben Trump und Kasich nur noch Ted Cruz aus Texas. Der tiefgläubige Senator ist ein Liebling der erzkonservativen Tea-Party-Bewegung und hat sich mit der Parteispitze überworfen. Viele Republikaner gehen davon aus, dass er bei der eigentlichen Präsidentenwahl Anfang November genauso wie Trump eher schlechte Chancen gegen Clinton haben dürfte. Mit kontroversen Aussagen etwa zu Einwanderern und Muslimen hat der Milliardär und Populist Trump bei vielen Amerikanern für Kopfschütteln gesorgt. Cruz sagte trotz seiner bescheidenen Dienstags-Ergebnisse: Das war eine gute Nacht. Wir sammeln weiter Delegierte auf dem Weg zum Sieg. Eilig warb Cruz um die Anhänger des ausgestiegenen Rubio, den er nun als Freund und Kollegen bezeichnete: Wir empfangen Euch mit offenen Armen. Fast jede zweite Republikanerin würde Trump nicht unterstützen. Washington – Der Bewerber für die republikanische Kandidatur bei der US-Präsidentschaftswahl, Donald Trump, hat ein Problem mit der weiblichen Wählerschaft: Laut Umfragen zeigen viele Frauen dem Rechtspopulisten die kalte Schulter. Während 40 Prozent der männlichen Republikaner sagen, sie würden Trump nicht unterstützen, sind dies bei den weiblichen Republikanern sogar 47 Prozent. Gemäß der von der Washington Post zitierten Umfrage des Wall Street Journals ist also fast jede zweite Republikanerin Trump gegenüber negativ eingestellt. Betrachtet man die gesamte Bevölkerung, ist der umstrittene Multimilliardär bei Frauen noch unbeliebter: Laut einer NBC-Umfrage sehen 70 Prozent der Frauen Trump negativ, in einer CNN-Umfrage lehnten sogar 73 Prozent der Frauen Trump ab. Seit November hat Trump bei den amerikanischen Frauen zehn Prozentpunkte an Zustimmung verloren und liegt nun nur mehr bei mageren 23 Prozent. Trump hatte im Wahlkampf immer wieder Bemerkungen über Frauen gemacht, die als sexistisch und frauenfeindlich aufgefasst wurden. Er neige dazu, Frauen auf ihr Äußeres zu reduzieren und dieses dann im typischen Macho-Stil zu bewerten, heißt es in einem Artikel der Washington Post. Zuletzt hatte er sich über das Aussehen der Ehefrau seines Konkurrenten Ted Cruz, lustig gemacht. Er hatte ein verzerrtes Foto der Investmentmanagerin Heidi Cruz mit seiner eigenen Frau Melania Trump, ein Ex-Model, verglichen und seinen herablassenden Kommentar an über sieben Millionen Anhänger auf Twitter weitergegeben. Ich kämpfe auch deswegen so hart gegen ihn, weil ich ihn für das Klischee eines sexistischen frauenverachtenden Schweins halte, sagte die republikanische Parteistrategin Katie Packer, die die Anti-Trump-Bewegung Our Principles leitet. Trump würde der republikanischen Partei massiv schaden, meinte Packer gegenüber der Washington Post. "Überall werde ich gefragt, was in Amerika vor sich geht". Washington – US-Außenminister John Kerry findet die republikanische Rhetorik im Wahlkampf beschämend für unser Land. In einem Interview des Senders CBS am Sonntag wollte der Moderator von Kerry wissen, wie Menschen im Ausland darauf reagierten, dass sich Präsidentschaftsbewerber etwa für die Foltermethode Waterboarding und Einreiseverbote für Muslime im Kampf gegen den Terror stark machten. Überall wo ich hinkomme, bei jedem Treffen mit einer Führungsperson, werde ich gefragt, was in Amerika vor sich geht, antwortete Kerry. Seine Gesprächspartner seien regelrecht schockiert. Sie wissen nicht, wohin das die Vereinigten Staaten von Amerika führt. Es bringt das Gleichgewichtsgefühl der Menschen durcheinander, was unsere Stabilität und Zuverlässigkeit betrifft. Kerry fuhr fort: In einem gewissen Maß macht mir die Art, wie die Fragen gestellt werden, klar, dass das, was geschieht, beschämend für unser Land ist. Favoriten im Rennen um Präsidentschaftskandidatur Trump und Clinton im Hintertreffen – Cruz rückt in landesweiter Umfrage an Trump heran. Madison (Wisconsin)/Washington – Im Staat US-Wisconsin hat der schärfste Widersacher des Milliardärs Donald Trump im Rennen um die Präsidentschaftskandidatur der Republikaner einen überragenden Sieg eingefahren. Ted Cruz, der erzkonservative Senator von Texas, lag nach Auszählung von etwa der Hälfte der ausgezählten Stimmen mit 52 Prozent satte 20 Punkte vor dem Populisten. Bei den Demokraten gewann Bernie Sanders in Wisconsin deutlich gegen die favorisierte Ex-Außenministerin Hillary Clinton: Er führte in der Nacht auf Mittwoch mit etwa der Hälfte der ausgezählten Stimmen mit rund 54 zu 46 Prozent. Trumps deutliche Niederlage nährt bei seinen Gegnern die Hoffnung, dass sein seit Monaten andauernder Höhenflug doch noch gestoppt werden kann. Insgesamt führt der Immobilienunternehmer und Reality-TV-Star bei der Summe der Delegierten zwar klar. Die Niederlage in Wisconsin erschwert es ihm aber deutlich, vor der entscheidenden Parteiversammlung in Cleveland im Sommer die nötige Zahl der Delegierten zu sammeln. Eine Kampfabstimmung im Juli wird damit immer wahrscheinlicher, denn auch Konkurrent Cruz wird vorher keine Mehrheit der Delegierten erreichen. Kasich und Sanders hoffen noch John Kasich, dritter verbliebener Bewerber der Republikaner und Gouverneur in Ohio, lag in der Auszählung mit rund 14 bis 15 Prozent abgeschlagen hinter Cruz und Trump. Er hofft dennoch auf eine entscheidende Rolle auf dem Parteitag. Bei den Demokraten ändert die Niederlage Clintons an ihrer Favoritenrolle insgesamt wenig. Clinton hat bei den Delegierten auch die sogenannten Superdelegierten auf ihrer Seite – stimmberechtigte Parteigrößen, die von keiner Vorwahl abhängig sind. Wisconsin ist allerdings Clintons sechste Vorwahlniederlage in Folge – Konkurrent Sanders hofft, daraus Profit zu ziehen. Dem 74 Jahre alten Senator von Vermont gibt sein Sieg neuen Auftrieb. Wisconsin war der einzige US-Staat, in dem am Dienstag Vorwahlen abgehalten wurden. Der Staat hat 5,7 Millionen Einwohner und liegt nördlich von Chicago, Illinois, am Lake Michigan. Cruz holt auch in US-weiter Umfrage auf Nach seinem ebenso unerwarteten wie lang anhaltenden Höhenflug war es für Trump zuletzt nicht gut gelaufen. Der 69-Jährige hatte sich mit einer Reihe von Aussagen zur Innen-, Außen- und Sozialpolitik selbst große Probleme gemacht. In einer US-weiten Umfrage von Reuters/IPSOS ist Cruz nun Trump wieder auf den Fersen, wie schon kurzzeitig Ende März. Demnach kommt Cruz auf 35,2 Prozent Zustimmung unter den Amerikanern, Trump auf 39,5 Prozent. Die Umfrage wurde von 1. bis 5. April durchgeführt. Für die Werte wurde eine Schwankungsbreite von 4,8 Prozentpunkte angegeben. Vor einem Monat lag Cruz 20 Punkte hinter Trump. Die Republikaner bleiben in Bezug auf den Quereinsteiger Trump tief gespalten. Das Partei-Establishment versucht weiter, ihn als Kandidaten zu verhindern, und ist dafür sogar bereit, auf den mehr als unbeliebten Senator Cruz zu setzen. Die Vorwahlen sind parteiinterne Abstimmungen, bei denen Republikaner und Demokraten ihre Bewerber auswählen. Die beiden Spitzenkandidaten werden auf Parteitagen (Conventions) im Sommer gekürt. 'Bei den Republikanern verdaute Donald Trump seine Niederlage gegen Ted Cruz schwer – Der Texaner spürt Aufwind. War das jetzt die Wende im Wahlkampf? Ted Cruz und Bernie Sanders sehen es wohl so. Sowohl der erzkonservative Senator aus dem südlichen US-Bundesstaat Texas als auch sein progressiver Kollege aus dem nordöstlichen Vermont interpretieren ihre Vorwahlerfolge in Wisconsin als Schlüsselmomente einer dramatischen Aufholjagd. Nur: Es muss schon noch ein kleines, nein: ein größeres Wunder geschehen, wollen sie Donald Trump bei den Republikanern beziehungsweise Hillary Clinton bei den Demokraten noch von der Spitze verdrängen. Als Cruz seinen Sieg feierte, sprach er euphorisch von einem Signal zum Sammeln, dem seine Partei gewiss folgen werde. Er sei mehr und mehr davon überzeugt, auf dem Wahlkonvent der Republikaner im Juli die Kandidatur fürs Weiße Haus gewinnen zu können. Tatsächlich holte Cruz in Wisconsin 48 Prozent der Stimmen, womit er Trump (35 Prozent) und John Kasich (14 Prozent) auf die Plätze verwies. Tatsächlich sieht es so aus, als habe es Risse bekommen: das Bild vom Teflon-Trump, an dem scheinbar alles abperlt, auch dann, wenn er seine Gegner aufs Übelste beschimpft und dennoch niemals den Kürzeren zieht. In den jüngsten Debatten hat der Populist offenbar Schaden genommen: ein erstes Mal, als er für Strafen im Falle von Abtreibungen plädierte 'Trumps Image ist im Keller. Bei den Vorwahlen der Republikaner ist das offenbar kein Problem, im November sehr wohl. Der Flugzeughangar ist gut gefüllt. Dicht gereiht steht Mann neben Mann – und manchmal Frau – in der Halle vor einem riesigen Privatjet. Hunderte sind nach Columbus im US-Bundesstaat Ohio gekommen, um ihrem Idol dabei zuzuhören, wie er verklausuliert über die Größe seines Penis spricht: Er hat behauptet, ich hätte kleine Hände. Sie sind aber nicht klein. Ich habe das noch nie zuvor gehört. Menschen haben bisher immer gesagt: Donald, du hast die schönsten Hände. Die Menge johlt. Der Mann auf der Bühne ist Donald Trump, der sich um das höchste politische Amt der Vereinigten Staaten bewirbt. Monat für Monat stolpert er von Kontroverse zu Kontroverse Ex-Außenministerin und Milliardär untermauern Favoritenrollen – Trump: Cruz "praktisch eliminiert". New York (APA/AFP/dpa) – Im Rennen um die US-Präsidentschaftskandidatur haben Hillary Clinton und Donald Trump mit klaren Siegen im Staat New York ihren Favoritenstatus untermauert. Bei den Demokraten sah eine Hochrechnung des Sender CNN vom Dienstagabend (Ortszeit) die frühere Außenministerin bei rund 60 Prozent, ihren Rivalen Bernie Sanders bei 40 Prozent. Bei den Republikanern lag der populistische Immobilienmilliardär Trump demnach bei rund 61 Prozent. Trumps Rivalen bei den Republikanern lagen weit abgeschlagen zurück. Der Gouverneur von Ohio, John Kasich, landete laut CNN bei rund 24 Prozent, der erzkonservative Senator Ted Cruz bei 14,5 Prozent. Zur Verteilung der Delegiertenstimmen in New York lagen zunächst noch keine Angaben vor. Trump machte bei seiner Ansprache in seinem firmeneigenen Bürokomplex Trump Tower in Manhattan deutlich, dass er als Führender bei der Zahl der Delegierten die Nominierung auf dem Parteitag in Cleveland für sich beanspruchen wird. Wir führen klar und es ist nicht möglich, uns einzuholen, sagte er. Sein Kontrahent Cruz, der am Dienstag in New York nur auf rund 15 Prozent kam, sei mathematisch praktisch eliminiert, sagte Trump. Sollte Trump die große Mehrheit der 95 Delegierten in New York holen, würde er seine Chancen erhöhen, schon vor dem Parteitag im Juli die für die Nominierung des Präsidentschaftskandidaten notwendige Mindestzahl von 1237 Delegieren zu holen. Verfehlt er dieses Ziel, könnte es bei dem Parteitag in Cleveland im Bundesstaat Ohio zu einer völlig offenen Kampfabstimmung kommen. Bei den Demokraten hatte Clinton schon vor der Vorwahl in New York in der Zahl der Delegiertenstimmen einen klaren Vorsprung vor Sanders, obwohl sie in den vergangenen Wochen sieben von acht Vorwahlen gegen den linksgerichteten Senator verloren hatte. Die Ex-Außenministerin ist auch frühere Senatorin des Ostküstenstaates. Sanders Anhängerschaft haderte mit dem Wahlsystem, das die Registrierung von Wählern bereits im vergangenen Oktober vorsah. So konnten Tausende, die in den vergangenen Wochen zu Sanders-Fans geworden waren, nicht teilnehmen. Aufgrund des Wahlsystems bei den Demokraten hat Sanders keine realistische Chance mehr, Clinton einzuholen. Die meisten sogenannten Superdelegierten, die beim Parteitag im Juli in Philadelphia unabhängig vom Wahlergebnis abstimmen dürfen, haben sich für Clinton ausgesprochen. Bei den Demokraten siegt Clinton in vier von fünf Bundesstaaten – Anti-Trump-Koalition erfolglos. Washington – Die Würfel scheinen gefallen, bei den Demokraten ziemlich gewiss, bei den Republikanern noch versehen mit einem Fragezeichen. Im US-Vorwahlkampf sind die Favoriten, Hillary Clinton und Donald Trump, ihren Konkurrenten am Dienstag noch weiter davongeeilt. Clinton setzte sich in Pennsylvania, Delaware und Maryland klar gegen ihren Rivalen Bernie Sanders durch. In Rhode Island indes konnte der 74 Jahre alte Senator, der vor allem junge Amerikaner um sich zu sammeln versteht, einen Achtungserfolg verbuchen. Ein Kopf-an-Kopf-Rennen lieferten sich die beiden in Connecticut. Bei den Republikanern entschied Donald Trump die Abstimmungen in Pennsylvania, Connecticut, Rhode Island, Delaware und Maryland für sich, wobei der Abstand zu seinen Kontrahenten Ted Cruz und John Kasich noch deutlicher ausfiel, als es die meisten erwartet hatten. Trump kaum mehr zu stoppen Das kurz zuvor angekündigte Zweckbündnis zwischen den Kontrahenten des Immobilienmagnaten – Cruz lässt Kasich bei den noch ausstehenden Rennen in New Mexico und Oregon den Vortritt, während sich Kasich dafür in Indiana zurückhält – hat die erhoffte Signalwirkung in keiner Weise erzielt. Zum einen kommt es wahrscheinlich zu spät, zum anderen hat Trump der republikanischen Wählerschaft mit Erfolg eingeredet, das Establishment sei derart korrupt, dass es betrügerische Absprachen treffe, um seine Kandidatur zu verhindern. Auch wenn die Anti-Trump-Koalition in den Reihen der Konservativen noch auf eine Wende bei den Abstimmungen in Indiana (am 3. Mai) und Kalifornien (am 7. Juni) hofft, allmählich wird sie sich wohl mit dem Gedanken vertraut machen müssen, dass der schrille Milliardär im Juli entweder mit der für die Nominierung im ersten Wahlgang nötigen Delegiertenzahl von 1.237 in den Parteikonvent in Cleveland geht oder aber diese Marke nur knapp verfehlt. Sollte Letzteres der Fall sein, könnte er es dennoch mithilfe von Delegierten, die nicht an ein Vorwahlvotum gebunden sind, über die Ziellinie schaffen. Clinton praktisch durch Die Demokraten wiederum dürften in den nächsten Wochen einmal mehr jenes Wechselbad der Gefühle durchlaufen, wie es bereits 2008 das Duell ihrer Präsidentschaftsbewerber prägte. Der denkbar harten Auseinandersetzung zwischen Barack Obama und Hillary Clinton folgte im Juni der – ziemlich steif zelebrierte – Schulterschluss, schneller und letztlich reibungsloser, als man es in der Hitze des Gefechts für möglich gehalten hatte. Diesmal findet sich Clinton in der Obama-Rolle wieder, in der Rolle der Siegerin, die darauf hofft, dass ein starker Rivale der Realität Rechnung trägt und sich in seine Niederlage fügt, sobald sie besiegelt ist. Noch ist knapp ein Viertel der Sanders-Anhänger nicht bereit, die frühere Außenministerin bei der Hauptwahl im November zu unterstützen, so hat es zumindest der Fernsehkanal CBS News in einer Umfrage ermittelt. Das aber kann sich ändern. Auffällig jedenfalls, wie sehr sich die Favoritin schon jetzt bemüht, Brücken zu bauen. Sie applaudiere Sanders, sagte sie in der Wahlnacht in Philadelphia, weil er sowohl den Einfluss des Geldes in der Politik zurückzudrängen versuche als auch das Thema soziale Ungleichheit in den Vordergrund gerückt habe. Uns eint viel mehr, als uns trennt. Ob es nette Worte für einen Verlierer sind oder ob es dem Senator aus Vermont mit seiner Fundamentalkritik an den Wall-Street-Banken tatsächlich gelungen ist, Clinton ein Stück nach links zu drängen: Das herbstliche Wahlfinale wird es zeigen. Je näher das Ziel für die Favoritin der Demokraten rückt, desto eher stellt sich die Frage, wer ihr Running Mate sein soll. Eine Auswahl. Noch hat Hillary Clinton den Sieg nicht in der Tasche, aber zumindest scheint er so greifbar nahe, dass ihr Wahlkampfteam bereits über mögliche Vize-Kandidatinnen und Kandidaten nachdenkt. Die New York Times hat sich in der Demokratischen Partei, bei Clintons Verbündeten und Beratern umgehört und die potenziellen Running Mates auf ihre Qualifikationen hin abgeklopft. Die Liste der Nummer-zwei-Kandidaten umfasst: Name: Sherrod Brown Funktion: seit 2007 Senator aus Ohio, zuvor Abgeordneter im Repräsentantenhaus. Was für ihn spricht ... Brown hat sich einen Namen gemacht als Kandidat der Arbeiter, der mit Mittelklasse- und Klassenkampf-Argumenten vor allem am linken Rand der Partei wahlkämpft. Dennoch galt seine Wahlempfehlung im vergangenen Oktober Clinton und nicht dem selbsternannten sozialistischen Demokraten Bernie Sanders. ... und was dagegen: Gibt Brown seinen Sitz im Senat auf, rückt ein Republikaner nach, was die ohnehin in der Unterzahl befindlichen Demokraten weiter schwächt. Zudem spricht sein Alter (63) eher gegen ihn. Sein Name hält sich allerdings hartnäckig in allen Gerüchten, obwohl er selbst bereist mehrmals Spekulationen zurückgewiesen hat. Er sei gerührt, habe aber kein wirkliches Interesse an dem Job. Name: Julián Castro Funktion: seit 2014 Minister für Wohnungsbau- und Stadtentwicklung, zuvor Bürgermeister der Stadt San Antonio in Texas. Was für ihn spricht ... gilt als telegen und exzellenter Redner. Castro ist mexikanischer Abstammung und spricht somit auch die zunehmend einflussreiche Latino-Bevölkerung in den USA an. ... und was dagegen: Castro ist 41 und eine der eher spärlich gesäten demokratischen Nachwuchshoffnungen, allerdings erst in fernerer Zukunft, da er in seinem Auftreten oftmals sehr jung wirkt und als unerfahren gilt. Name: Tim Kaine Funktion: Senator aus sowie zuvor Gouverneur von Virgina. Was für ihn spricht ... Er ist ein beliebter Senator aus einem wichtigen Swing State, zudem spricht er fließend Spanisch, was einen erheblichen Pluspunkt in Sachen Hispanics-Wählerstimmen bringen würde. ... und was dagegen: Kaine gilt als zu moderat, einige seiner Positionen – etwa sein Eintreten für mehr Freihandel – stehen diametral zum derzeitigen Zeitgeist. Name: Amy Klobuchar Funktion: sitzt seit 2007 für den Bundesstaat Minnesota im Senat. Was für sie spricht ... Eine Frau als Präsidentschaftskandidatin und eine Frau als ihre Vizekandidatin – das wäre ein überaus starkes Zeichen. Ihr Sitz im Senat würde im Gegensatz zu jenem von Sherrod Brown nicht an einen Republikaner gehen. ... und was dagegen: Minnesota, der Bundesstaat an der Grenze zu Kanada, spielt keine wichtige Rolle im Präsidentschaftswahlkampf, Klobuchar dürfte auf nationaler Ebene zu unbekannt sein. Name: Deval Patrick Funktion: bis 2015 der 71. Gouverneur von Massachusetts. Was für ihn spricht ... Patrick war der erste Afroamerikaner im Amt des Gouverneurs von Massachusetts und der zweite – mittels einer Wahl fürs Amt bestimmte – afroamerikanische Gouverneur der Vereinigten Staaten überhaupt. Er entstammt einer armen Chicagoer Familie. Auch seine Kandidatur wäre ein starkes Statement. ... und was dagegen: Patrick hat ebenso wie Amy Klobuchar keinen wichtigen Bundesstaat im Rücken. Problematischer allerdings ist wohl sein Wechsel in die Finanzwelt, präzise: zum Finanzinvestor Bain Capital, der von Mitt Romney gegründet worden ist und sich oftmals mit der Kritik konfrontiert sah, diverse Unternehmen ausgebeutet und deren Bankrott verschuldet zu haben. Name: Thomas E. Perez Funktion: seit 2013 Arbeitsminister der Obama-Regierung, zuvor im Justizministerium tätig, bekannt als Anwalt, der sich für Bürgerrechte einsetzt. Was für ihn spricht ... Perez ist der Sohn dominikanischer Einwanderer – einer mehr also, der die wichtige Latino-Wählergruppe ansprechen würde. Gilt als beliebt und intelligent. ... und was dagegen: Perez gilt gleichzeitig als zu unbekannt und zu unerfahren, er stammt außerdem aus Buffalo, New York, womit er ebenso nicht mit einem wichtigen Bundesstaat auftrumpfen kann. Name: Mark Warner Funktion: früher Gouverneur von Virginia, inzwischen Senator. Was für ihn spricht ... Warner war bereits 2006 – neben Hillary Clinton – als möglicher Präsidentschaftskandidat der Demokraten für die Wahl 2008 im Gespräch. Er ist erfahren und genießt auch unter progressiven Wählern große Beliebtheit. ... und was dagegen: Er ist erstens sehr reich und tritt zweitens für Freihandel ein, womit man sich sowohl auf republikanischer Seite als auch unter Bernie-Sanders-Anhängern schnell Feinde macht. Name: Elizabeth Warren Funktion: sitzt seit 2013 für Massachusetts im Senat. Was für sie spricht ... Erstens der Frauen-Faktor und zweitens die Tatsache, dass sie der Superstar der progressiven Linken ist (Credit: New York Times), wodurch ihr am ehesten zugetraut wird, die Sanders-Wähler einzufangen. ... und was dagegen: Die Chemie zwischen Warren und Clinton soll nicht die beste sein, zudem herrscht auch die Befürchtung vor, dass Warren die Partei zu weit nach links rücken würde. US-Präsidentschaftsbewerber musste Hintereingang nehmen. Washington – Mehrere hundert Menschen haben am Freitag gegen eine Wahlkampfveranstaltung des republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Donald Trump im US-Staat Kalifornien demonstriert. Sie lieferten sich nach Angaben eines AFP-Fotografen in Burlingame nahe des Internationalen Flughafens von San Francisco gewaltsame Auseinandersetzungen mit Polizisten, die Beamten wurden unter anderem mit Eiern beworfen. Einige Demonstranten versuchten zudem, Absperrungen der Polizei zu durchbrechen, die vor dem Hotel aufgebaut waren, in dem Trump sprechen sollte. Angesichts der Proteste musste der umstrittene Milliardär den Hintereingang nehmen. Trumps Wahlkampf wird seit geraumer Zeit von wütenden Protesten und Prügeleien überschattet. Immer wieder liefern sich Gegner des populistischen Bewerbers auch Auseinandersetzungen mit der Polizei. Erst am Donnerstag waren in Costa Mesa in Kalifornien etwa 20 Teilnehmer eine Anti-Trump-Demonstration festgenommen worden. Hunderte Menschen hatten sich dabei ebenfalls gewaltsame Auseinandersetzungen mit der Polizei geliefert. Ein Sieg bei der Vorwahl im bevölkerungsreichsten US-Staat Kalifornien ist für Trump von zentraler Bedeutung. Dort stellt sich bei der letzten Vorwahlrunde am 7. Juni heraus, ob er vor dem Nominierungsparteitag der Republikaner im Juli die für die Nominierung als Präsidentschaftskandidat notwendigen 1237 Delegierten zusammenbekommt oder nicht. Hartes Pflaster Indiana: Republikaner droht Zwölfjährigem mit Schlägen – Spott von Trump-Anhängern, Fiorina fällt von Bühne. Der Wahlkampf hätte für den republikanischen Präsidentschaftbewerber Ted Cruz besser laufen können. Im Duell mit Donald Trump war die erzkonservative Tea-Party-Ikone bereits vor der am Dienstag stattgefundenen Vorwahl in Indiana aussichtslos abgeschlagen, von seinem Parteikollegen John Boehner wurde er als leibhaftiger Teufel bezeichnet. Die Nominierung seiner Vizepräsidentschaftskandidatin Carly Fiorina just nachdem Cruz am vergangenen Dienstag in fünf weiteren US-Bundesstaaten gegen Trump verloren hatte, brachte ihm reichlich Spott von Stephen Colbert in der Late Show ein. Am Dienstag stand dann also die Vorwahl in Indiana an. Dass der US-Bundesstaat ein hartes Pflaster für Cruz ist, zeigte sich schon vor seiner Wahlniederlage. Am Rande einer Wahlveranstaltung in der Stadt Marion ließ er sich auf eine Diskussion mit Trump-Anhängern ein. Auf seine Aussage, er würde Präsident aller US-Amerikaner sein, erhielt er die lapidare Antwort Wir wollen Sie nicht. Cruz versuchte weiter zu argumentieren: Amerika ist ein besseres Land... – ...ohne Sie bekam er zu hören. Der Kandidat ließ sich davon wenig beirren und fuhr fort: ...und eine Frage, die jeder hier fragen sollte:... – Sind Sie ein Kanadier?, ergänzte ein Trump-Fan, eine Anspielung auf Cruz nicht in den USA liegenden Geburtsort. Von einem anderen Wähler in Indiana bekam Cruz zu hören, dass er mathematisch ohnehin bereits chancenlos sei und seine Kampagne aufgeben solle. Am Übelsten lief es für Cruz jedoch in La Porte. Dort wurde seine Wahlveranstaltung von einem zwölfjährigen Buben gestört. Als er mit seiner Rede ansetzte, rief der Kleine Das ist mir egal dazwischen. Offenbar ist da ein junger Mann mit ein paar Problemen, sagte Cruz und bekam ein herzhaftes You suck! zu hören. Kinder sollten mit Respekt sprechen, antwortete Cruz: in seinem Haus würde ein Kind, das sich so benehme, den Hintern versohlt bekommen. Von seinem Publikum bekam Cruz für diese Aussage Applaus, der Zwischenrufer wurde von Polizisten aus dem Saal geführt. Carly Fiorina wiederum passte sich als Running mate Cruz Umfragewerten an: Nachdem sie bei einer Veranstaltung den Präsidentschaftskandidaten anmoderiert hatte, fiel sie von der Bühne, als hätte sich die Erde aufgetan. Die einzige Unterstützung der jüngsten Tage erhielt der radikale Christ Ted Cruz ausgerechnet von den Anhängern des Widersachers: die größte Satanistensekte der USA widersprach John Boehner. Cruz sei keineswegs der Teufel, erklärte Satanic-Temple-Sprecher Lucien Greaves. Die Christen könnten Cruz nicht einfach zu den Satanisten abschieben: We don’t fucking want him. Trump alleine auf dem Weg zur Kandidatur – Clinton bei Demokraten weit in Führung. Indianapolis (Indiana)/Washington – Der Präsidentschaftskandidat der Republikaner wird 2016 aller Voraussicht nach Donald Trump heißen. Die letzten verbliebenen Rivalen des umstrittenen New Yorker Milliardärs gaben ihr Rennen auf. Direkt nach Trumps Sieg bei der Vorwahl im Bundesstaat Indiana beendete Ted Cruz seinen Wahlkampf, am Mittwoch folgte auch John Kasich. Das bestätigte Kasich am Mittwochabend vor Anhängern in Columbus (Ohio). Bei den Demokraten unterlag Hillary Clinton gegen Bernie Sanders. Sie liegt aber bei der Zahl der Delegiertenstimmen immer noch weit in Führung. Der republikanische Parteichef Reince Priebus schrieb auf Twitter, Trump sei der anzunehmende Kandidat für die Präsidentenwahl. Er rief seine Partei zur Einheit auf: Wir müssen uns alle vereinen und uns darauf konzentrieren, Hillary Clinton zu schlagen. Kasich hatte bis zuletzt an seiner Bewerbung festgehalten, obwohl er im monatelangen Vorwahlrennen nur einen einzigen Staat geholt hatte, seinen Heimatstaat Ohio. Bei der Vorwahl am Dienstag im Bundesstaat Indiana landete er mit einer einstelligen Prozentzahl auf dem dritten Platz. Er hatte zuletzt auf eine Kampfabstimmung beim Parteitag in Cleveland gehofft und sich kurzzeitig auch mit Cruz verbündet. Trump sagte noch in der Nacht zu Mittwoch, er wolle die Partei rasch vereinen. Das müssen wir auch tun. An die Adresse von Clinton sagte er: Wir werden im November gewinnen – und wir werden hoch gewinnen. Für die beispiellose Kandidatensuche der Republikaner galt Indiana als Scheidepunkt. Cruz, Senator von Texas, hätte unbedingt gewinnen müssen, um Trump als Kandidaten noch zu verhindern. Er landete aber mit 37 Prozent 16 Punkte hinter Trump. Überraschend beendete er daraufhin seinen Wahlkampf: Wir haben alles gegeben, aber die Wähler haben einen anderen Weg gewählt. Die Monmouth-Universität analysierte, Cruz habe als Enfant Terrible und Außenseiter der Partei den Wahlkampf begonnen, sich aber schließlich als Konsenskandidat und Insider vermitteln wollen. Diese Umwandlung sei beim Wähler schlecht angekommen. Trump, der nie zuvor ein politisches Amt bekleidet hat, kann sich nun ohne große Mühe in den verbleibenden Vorwahlen seiner Partei die entscheidende Delegiertenmehrheit sichern. In Indiana holte er nach den vorliegenden Zahlen alle Delegierten und liegt nun bei rund 1.050. Gewählt wird trotzdem weiterhin, noch acht Wahltage stehen aus. Rechnerisch wird Trump die Schwelle von 1.237 erst am letzten großen Vorwahltag überschreiten, dem 7. Juni. Dann wird unter anderem in Kalifornien gewählt, dem größten Vorwahlstaat überhaupt. Die frühere Außenministerin Clinton verlor auf ihrem Weg zur Präsidentschaftskandidatur der US-Demokraten in Indiana entgegen allen Umfragen mit etwa fünf Prozentpunkten Abstand auf Sanders. Auf das Gesamtrennen der Demokraten hat das aber kaum Einfluss, denn die Delegierten in Indiana werden anteilig nach Stimmen vergeben. Sanders konnte insgesamt nur eine Handvoll aufholen. Die frühere First Lady liegt weiter viele hundert Delegierte vor Sanders. Ihr Abschneiden macht aber einmal mehr deutlich, dass auch viele Anhänger der Demokraten sie nicht als überzeugende Kandidatin sehen. Clinton gilt vielen als zu etablierte Politikerin mit einem Mangel an neuen Ideen. Sanders, der sich selber als demokratischen Sozialisten bezeichnet, will möglicherweise auf dem Parteitag in Philadelphia eine Kampfabstimmung suchen. Vor der Wahl in Indiana hatten Trump und Clinton bereits über den Staat hinaus geblickt. Beide stellen sich auf einen erbitterten Zweikampf um das Weiße Haus ein. Trump begann bereits damit, Clinton persönlich anzugehen. Wäre sie ein Mann, hätte sie keine Chance. Trump wird voraussichtlich auch an die Affären ihres Mannes Bill erinnern. Trump liegt in Umfragen für die Wahl am 8. November zum Teil zweistellig hinter Clinton. Noch deutlicher wäre in einer CNN-Erhebung der Abstand eines Kandidaten Sanders auf Trump. Clinton wiederum läge demnach in einer direkten Auseinandersetzung hinter Kasich. Trump, der sich über Monate in einem 17-köpfigen Bewerberfeld der Republikaner durchsetzte, ist auch in der eigenen Partei hoch umstritten. Befürchtet wird dort, dass sein schlechtes Ansehen auch dazu führt, dass die Demokraten am 8. November die Mehrheit im Senat zurückerobern, möglicherweise sogar auch im Repräsentantenhaus. Trump schneidet in vielen Wählergruppen miserabel ab, etwa bei Frauen, bei Latinos und bei Afroamerikanern. Es ist aber unklar, wie viele Erstwähler Trump mobilisieren kann. Rein rechnerisch muss Clinton bei der Wahl zunächst die Staaten holen, die die Demokraten bei den letzten sechs Wahlen immer geholt haben. Wenn sie dann noch Florida gewinnt, folgt sie im Jänner 2017 als erste US-Präsidentin Barack Obama nach. . Demokratische Präsidentschaftsanwärterin fordert konkrete Pläne von Trump ein. Hillary Clinton steht an einem Pult vor den chromglänzenden Tanks einer Mikrobrauerei – Jackie Os Brewery in Athens, Ohio – und erzählt von ihrer Reise quer durchs Coal Country, durch die Kohleregion der Appalachen mit ihrem Malocherstolz, ihrem Lokalpatriotismus, ihrer mancherorts bitteren Armut. Ich habe Leute getroffen, die zu Recht Dank erwarten dafür, dass sie, ihre Eltern und Großeltern dieses Land aufgebaut haben, sagt sie. Über Generationen habe die Kohle der Appalachen die Lichter angehen lassen, die Fließbänder am Laufen gehalten. Dieses Kapitel sei nicht einfach nur ein Stück Geschichte, vielmehr stehe das ganze Land in der Schuld der heute so arg gebeutelten Kohlekumpel. Weshalb es ihnen in der Strukturkrise zu helfen habe – mit Steuergeld, Bildungsprogrammen, einer besseren Infrastruktur. Ich habe verstanden Es ist der Tag, an dem Donald Trump die Kandidatur der Republikaner fürs Weiße Haus gewinnt. Es ist der Tag, an dem praktisch feststeht, wer im Herbst das Finale ums Weiße Haus bestreitet: Eine frühere First Lady, Senatorin und Außenministerin wird gegen einem Immobilienmagnaten antreten, der noch nie ein Wahlamt innehatte. Auch wenn sich Clintons überaus hartnäckiger Rivale Bernie Sanders noch nicht geschlagen gibt: An ihrem Sieg im parteiinternen Wettlauf gibt es eigentlich keine Zweifel mehr. Clinton jedenfalls ist mit ihren Gedanken längst beim Finale, ihr Gegner heißt nunmehr Trump. Ihr Auftritt in Jackie Os Brewery deutet an, mit welchen Waffen sie ihn zu schlagen gedenkt. Ich habe verstanden, signalisiert sie den frustrierten Malochern, von denen viele in dem Milliardär aus New York ihren neuen Helden gefunden haben, der auf sämtliche Regeln der politischen Korrektheit pfeift und dem sie gerade deshalb zutrauen, den Status quo aufzumischen. Trump gibt der Enttäuschung der wirtschaftlich Abgehängten eine schrille, aggressive, bisweilen vulgäre Stimme. Clinton versucht, die Vergessenen zurück auf ihre Seite zu ziehen. Trumpsche Arithmetik Ich weiß: So viele Politiker haben so viele Versprechen gegeben, die dann nicht gehalten wurden. Bei mir wird das anders sein, beteuert sie in Athens. Sie fordert Trump auf, endlich konkret darzulegen, wie er praktisch durchsetzen wolle, was er in großen Sprüchen verkünde. Eine Mauer an der Grenze zu Mexiko bauen und die Mexikaner dafür bezahlen lassen? Wie soll das gehen? Oder: die Trumpsche Arithmetik. So hat der Tycoon behauptet, der Fiskus könne jährlich 300 Milliarden Dollar sparen, wenn man Medicare, dem steuerfinanzierten Gesundheitsprogramm für Senioren, nur gestatte, mit den Pharmakonzernen härter über Medikamentenpreise zu verhandeln. In Wahrheit gibt Medicare bloß 78 Milliarden Dollar (68 Mrd. Euro) pro Jahr für Arzneimittel aus. Es ist nur eine von vielen Ungereimtheiten im Kompendium ihres Gegners, auf die Clinton noch des Öfteren zurückkommen wird. Sieben Delegierte mehr für die Ex-Außenministerin. Washington – Ex-Außenministerin Hillary Clinton hat nach Medienberichten am Samstag ihren 26. Sieg im Rennen um die demokratische Präsidentschaftskandidatur in den USA errungen. Sie schlug ihren parteiinternen Konkurrenten Bernie Sanders im US-Außengebiet Guam mit 60 zu 40 Prozent, wie Politico unter Berufung auf den örtlichen Parteivorsitzenden berichtete. Der Senator aus Vermont hat bisher 19 Vorwahlen gewonnen. Da es bei der Abstimmung in Guam aber nur um sieben Delegierte für den Nominierungsparteitag im Juli ging, ändert das Ergebnis vom Samstag wenig. Insgesamt führt Clinton bei der Delegiertenzahl deutlich vor Sanders und gilt daher als wahrscheinliche Kandidatin. Sie würde dann bei der Präsidentenwahl im November voraussichtlich gegen den Republikaner Donald Trump antreten, der im Vorwahlrennen keine Konkurrenten mehr hat. Die nächste Vorwahl findet am Dienstag in West Virginia statt. Jüngste Umfragen zeigen Sanders in Führung. Die US-Außengebiete nehmen an den Vorwahlen teil und entsenden Delegierte auf die Nominierungsparteitage, bei eigentlichen Wahlen auf US-Bundesebene (Präsident, Kongress) haben sie aber kein Wahlrecht. "Krieg der Republikaner" über ihren Kandidaten – Trump griff Hillary Clinton wegen Untreue ihres Mannes an. Washington – Im US-Präsidentschaftswahlkampf hat der republikanische Bewerber Donald Trump die Demokratin Hillary Clinton wegen der Untreue ihres Mannes hart attackiert. Mit Blick auf Affären von Ex-Präsident Bill Clinton sagte Trump in Spokane im Bundesstaat Washington, Hillary habe das Handeln ihres Ehemannes ermöglicht und damit viele Frauen verletzt. Einige der Frauen seien nicht durch ihn zerstört worden, sondern durch die Art, wie Hillary damit umging. Trump bezeichnete während seines Wahlkampfauftrittes am späten Samstagabend Bill Clinton als den Schlimmsten in der Geschichte. Auf die Kritik an Trumps Attacken angesprochen sagte er dem Fernsehsender ABC am Sonntag, solche Angriffe seien Teil des Spiels. Schließlich trete das Ehepaar Clinton gemeinsam im Wahlkampf auf. Einziger Bewerber Auf Seiten der Republikaner geht Trump am Dienstag bei den Vorwahlen in Nebraska und West Virginia als einziger Bewerber ins Rennen. Die Demokraten wählen hingegen nur in West Virgina. Bei ihnen steht die frühere Außenministerin Hillary Clinton ihrem linken Gegenkandidaten Bernie Sanders gegenüber. Sanders, der hinter Clinton zurück liegt, gilt in West Virginia als Favorit. Nach dem Ausstieg von Ted Cruz und John Kasich als letzte seiner einst 16 Mitbewerber muss sich Trump bei den Republikanern auch dann noch den Vorwahlen stellen, wenn es keinen Gegenkandidaten gibt. Trump hat bisher rund 1050 Delegierte gesammelt. Für die absolute Mehrheit und damit eine Nominierung im ersten Wahlgang beim Parteitag im Juli in Cleveland braucht er 1237 Stimmen. Hillary Clinton wiederum liegt bei den Demokraten klar vor ihrem Rivalen Bernie Sanders, sie steht de facto als Kandidatin ihrer Partei für die Präsidentschaftswahl fest. Trump vollzieht Wende bei Steuern Trump schielt inzwischen bereits auf die demokratischen Wähler. Ich werde Millionen Menschen von den Demokraten holen, kündigte er gewohnt selbstbewusst an. Ich bin ganz anders als vielleicht jeder, der bislang jemals für das Amt kandidiert hat. Umwerben möchte Trump vor allem die Anhänger des linken Senators Bernie Sanders, der mit der Favoritin Hillary Clinton konkurriert. Bernies Leute mögen meine Position in der Handelspolitik, sagte Trump. Er spielte damit auf seine skeptische Haltung zu Freihandelsabkommen an. Sanders macht ebenfalls gegen Freihandel mobil. Dadurch erklärt sich auch seine Wende in Steuerfragen: Er wolle im Falle eines Wahlsiegs Besserverdienende steuerlich stärker belasten. Ich bin bereit, mehr zu zahlen, und wissen Sie was, die Reichen sind bereit, mehr zu zahlen, sagte der Milliardär am Sonntag dem Sender ABC. Im September noch hatte Trump erklärt, alle Amerikaner sollten weniger Steuern zahlen. Der Höchstsatz solle dabei auf 25 Prozent von 39,6 Prozent sinken. Auf die Diskrepanz angesprochen sagte er, die ursprüngliche Variante sei ein Konzept gewesen, das wahrscheinlich vom Kongress geändert werden würde. Außerdem habe er das Recht, seine Meinung zu ändern. Die Priorität sei, die Steuern für die Mittelschicht und Unternehmen zu senken. Am Ende werden die Reichen vermutlich mehr zahlen. Auch in Sachen Mindestlohn – er hatte eine Erhöhung bisher stets ausgeschlossen – legte er eine Kehrtwende hin. GOP-Krieg Trump wird nach Auffassung von Meinungsforschern entweder alle oder fast alle Delegierten der Grand Old Party, die bis zum Vorwahl-Finale am 7. Juni zu vergeben sind, erringen und die Hürde von 1237 klar überwinden. In der republikanischen Partei machen sich derweil Abspaltungstendenzen breit. Zuletzt hat die Liste der Parteikollegen, die Trump verhindern wollen, allerdings ebenso zugenommen wie jene, die ihn öffentlich unterstützen. Der Fernsehsender CNN spricht gar von einem innerparteilichen Krieg, die US-Zeitung Politico schreibt, Trump sei auf dem besten Weg, die Partei zu zerstören. Paul Ryan, der Präsident des Abgeordnetenhauses etwa, hatte bereits vergangene Woche auf die Frage, ob er Trump unterstützen werde, gesagt: So weit bin ich im Moment noch nicht. Er hoffe aber, dass sich das ändere. Die ehemaligen Bewerber für die Präsidentschaftskandidatur, Jeb Bush und Lindsey Graham, erklärten hingegen, sie würden Trump nicht unterstützen. Freund und Feind Auch Mitt Romney, Kandidat der Republikaner bei der Wahl im Jahr 2012, äußerte sich ähnlich. Im November werde ich weder für Donald Trump noch für Hillary Clinton stimmen, verkündete Jeb Bush in einem Facebook-Post. Das Amt des US-Präsidenten erfordere von seinem Inhaber einen starken Charakter. Donald Trump habe dieses Naturell oder eine solche Charakterstärke nicht unter Beweis gestellt. Der frühere republikanische Präsidentschaftsbewerber und Senator von Arizona, John McCain, der sich lange eher skeptisch gegenüber Trump geäußert hatte, sicherte diesem nun seine Unterstützung zu. Es sei schlichtweg unangebracht, den Wählerwillen nicht zu akzeptieren, sagte er in einem Interview mit CNN. Auch Rick Perry, Gouverneur von Texas, und sein Kollege aus Nebraska, Pete Ricketts, stellten sich hinter Trump. Aus dem Umfeld von Ex-Vize-Präsident Dick Cheney heißt es laut Nachrichtenagentur dpa, er werde den Milliardär unterstützen. Sarah Palin, ehemalige Vizepräsidentschaftskandidatin und Ikone der Tea-Party-Bewegung, stellte sich im Jänner als eine der ersten prominenten Politikerinnen und Politiker hinter Trump. Nun warf sich die schrille ehemalige Gouverneurin von Alaska erneut in den Ring: Sie warf Ryan vor, den Willen des Volkes zu missachten, wenn er Trump seine Unterstützung nicht zusichere. Auf die Frage, ob sie selbst Interesse daran habe, als Trumps Vize anzutreten, antwortete sie: Sie wisse, dass viele Menschen sie nicht als Kandidatin sehen wollten. Ich will keine Belastung sein. Warum die US-Republikaner nach rechts gerückt sind und welche Parallelen es zu Europa gibt, erklärt Politologe Cas Mudde. STANDARD: In einem Ihrer Tweets schreiben Sie: Die US-Republikaner haben Trump erschaffen. Wie meinen Sie das? Mudde: Das überwiegende Narrativ in den USA und besonders bei den Konservativen lautet, Trump habe die Republikaner in Geiselhaft genommen. Ich habe mit dem Tweet auf einen Artikel Bezug genommen, der sagte: Die Grand Old Party (GOP) teilt nun dieselben Werte wie Trump. Meiner Meinung nach hatte die Parteibasis der Republikaner, die in den Vorwahlen abstimmt, diese Werte längst übernommen. Die GOP war in der vergangenen Dekade unglaublich opportunistisch und versuchte autoritäre, islamophobe und fremdenfeindliche Stimmungen aufzugreifen. Daran war natürlich das Parteiestablishment beteiligt. So wurde zuerst die Tea Party geschaffen, auf deren Erfolgswelle dann Leute wie Ted Cruz in den US-Kongress gespült wurden. Nun ist der Geist aus der Flasche. Der erste Geist war die Tea Party – und nun ist es Trump. STANDARD: Ist den Republikanern diese Entwicklung entglitten? Was war der Grund dafür, diesen Weg einzuschlagen? Mudde: Es hat viel mit dem System der Vorwahlen in den USA zu tun, die in vielen Bundesstaaten entscheidender als die landesweiten Wahlen sind. Dort wählt überwiegend der harte Kern der jeweiligen Partei. Bei den Republikanern sind diese Wähler eher rechts. Um dort also Stimmen zu bekommen, muss ein Kandidat während der Vorwahlen eher rechts punkten – und auch seine Politik danach ausrichten. Seit den 1970er-Jahren verfolgen die Republikaner außerdem ihre sogenannte Southern Strategy. Damit sollen Weiße in den südlichen Bundesstaaten angesprochen werden. Die Wähler in dieser Region waren lange Zeit für die Segregation, aber auch für die Demokratische Partei. Die Republikaner warben um diese Stimmen mit einer entschieden fremdenfeindlichen Kampagne, die sich vor allem gegen Schwarze richtete. Seit kurzem sind aber auch Hispanics und Muslime Gegner der Republikaner. Die Idee basiert darauf, so viele der weißen Stimmen zu bekommen wie möglich. Das geht natürlich nur auf Kosten der Stimmen der Hispanics und der Schwarzen. STANDARD: Ist das eine langfristig kluge Strategie? Hispanics werden als Wählergruppe immer zahl- und damit auch einflussreicher. Kann es sich eine Massenpartei leisten, auf diese Stimmen zu verzichten? Mudde: Nein, kann sie nicht. In gewissen Bundesstaaten haben die Republikaner diese Strategie auch schon verworfen, beispielsweise in Texas. Dieser Bundesstaat hat viele Politiker – George W. Bush war dafür ein gutes Beispiel –, die pro Hispanics agieren, weil sie wissen, dass ohne sie keine Wahl zu gewinnen ist. Das derzeitige Problem ist, dass zum einen Hispanics nicht oft zur Wahl gehen und sie zum anderen traditionell eher die Demokraten unterstützen. Wenn sich die Republikaner nun auf die Hispanics zubewegen, verärgern sie vielleicht weiße, fremdenfeindliche Wählergruppen. Bisher war die GOP nicht in der Lage, beide Wählergruppen zufriedenzustellen. STANDARD: Die republikanische Parteielite wollte Trump offenbar nicht als Präsidentschaftskandidaten. Das konnte ihn allerdings auch nicht verhindern. Mudde: Trump ist das Symptom, nicht das Problem. Ted Cruz war auch ein weit rechts stehender Kandidat. Die Republikaner müssen sich eingestehen, dass ein großer Anteil ihrer Basis für diese weit rechts stehenden Kandidaten stimmt. Wenn sie das nicht akzeptieren und Trump als singuläres Ereignis betrachten, wird dasselbe erneut passieren. STANDARD: Die Attraktivität der politischen Ränder steigt – in den USA und in Europa. Woran liegt das? Mudde: Genauso wie in Europa hat das auch in den USA mit dem Angebot des politischen Mainstreams zu tun. In Europa haben die Sozialdemokraten seit mehr als 20 Jahren kein überzeugendes Narrativ mehr. Aber auch die Konservativen haben ihre Geschichtserzählung verloren. Im Fall von Griechenland haben die Konservativen gewonnen und die Sparmaßnahmen durchgesetzt. Aber es wurde nicht als positive Geschichte erzählt, sondern als Zwang. Dasselbe gilt für das Thema Integration in Europa. Es gibt kein positives Migrationsnarrativ. Nun heißt es, wenn wir das nicht so machen, wie wir es machen, wird es nur schlimmer. Die politische Rechte dominiert auf diese Weise den Diskurs. Die Massenparteien nehmen diese Rhetorik auf und setzen ihr nichts entgegen. STANDARD: Sehen Sie eine Chance, dass dieses positive Narrativ wieder in die Politik zurückkehrt? Mudde: Nein. Ich bin diesbezüglich sehr pessimistisch. Es gibt keinen positiven Kern, aus dem sich ein neues Narrativ entwickeln kann. Die Sozialdemokratie stirbt vor unseren Augen. Treffen mit Nordkoreas Staatschef wäre Bruch mit bisheriger US-Linie. Washington – Der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Donald Trump würde sich mit Nordkoreas Staatschef Kim Jong-un zu einem direkten Gespräch treffen, sagte Trump in einem Internview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Dies wäre ein Bruch mit dem bisherigen Vorgehen der USA. Ich würde mit ihm reden, ich hätte kein Problem damit, mit ihm zu reden. Gleichzeitig würde er auf China massiv Druck ausüben, denn wir haben eine riesige wirtschaftliche Macht über China. Trump ist der einzig verbliebene Bewerber im Rennen der US-Republikaner. Die formelle Ernennung zum Präsidentschaftskandidaten soll auf einem Parteitag im Juli erfolgen. Trump will nach einem Sieg bei der Wahl im November das Pariser Klima-Abkommen neu aushandeln. Das Vertragswerk sei unfair den USA gegenüber, sagte der Milliardär. Eine Neuverhandlung des Pariser Klima-Abkommens wäre ein schwerer Rückschlag für das Projekt, das eine Begrenzung der Treibgasproduktion vorsieht. Die Regierung des scheidenden US-Präsidenten Barack Obama hatte im April zugesagt, das Abkommen noch zu ratifizieren. Trump kündigte zudem an, als Präsident die nach der Finanzkrise 2008 erlassenen Reformen zur Bankenregulierung – die sogenannten Dodd-Frank-Vorgaben – fast vollständig aufzuheben. Dodd-Frank hat einen sehr negativen Einfluss und hat einen sehr schlechten Ruf, sagte er über das Gesetzespaket. Trump erklärte weiter, er wolle langfristig einen Republikaner an der Spitze der US-Notenbank (Fed) sehen. Dabei sei er kein Feind von Amtsinhaberin Janet Yellen. Trump und die Moderatorin Megyn Kelly haben sich unterdessen öffentlich versöhnt. Trump hatte die Journalistin über Monate beleidigt. In einem Interview, das am Dienstagabend (Ortszeit) ausgestrahlt wurde, schlugen beide einen sehr respektvollen und weichen Ton an. Ich mag unsere Beziehung jetzt, sagte Trump am Ende. Kelly erwiderte: Jetzt hast du meine Handynummer. Die Fehde ging auf die erste TV-Debatte der republikanischen Präsidentschaftsbewerber im August zurück. Damals sprach Kelly Trump auf frühere sehr herablassende Bemerkungen über Frauen an. Trump reagierte empört und attackierte sie in den Monaten danach immer wieder. So bezeichnete er sie etwa als Tussi. Kellys Sender Fox News sprach von einer krankhaften Obsession. Das Interview der Moderatorin mit dem 69-Jährigen war bereits vor einigen Tagen aufgezeichnet worden. Trump gibt darin auch sehr persönliche Einblicke – etwa bei der Frage, ob jemand ihm schon einmal wehgetan habe. Wenn ich verletzt werde, greife ich Menschen hart an und ich versuche, mich zu heilen, erklärte er. Ungebundene Delegierte stellen sich hinter Trump. Damit hat er 1.238 Delegierte sicher, einen mehr als notwendig. Washington – Die Kandidatur für die US-Präsidentschaft ist ihm nicht mehr zu nehmen: Der Immobilienmilliardär Donald Trump hat die Delegiertenzahl beisammen, die er für seine Nominierung beim Parteitag der Republikaner im Juli benötigt. Dies bestätigte er selbst am Donnerstag und zeigte sich geehrt. Mehrere US-Medien hatten zuvor berichtet, dass der Rechtspopulist die absolute Mehrheit von mindestens 1.237 Delegiertenstimmen erreicht habe. Faktisch stand seine Kandidatur schon seit Anfang Mai fest, nachdem seine letzten beiden parteiinternen Rivalen aus dem Rennen ausgestiegen waren. Das von ihm nun erreichte Quorum ist insofern lediglich eine zusätzliche Bestätigung, dass ihm die Kandidatur sicher ist. Bei einer Pressekonferenz im Bundesstaat North Dakota war Trump von 15 Delegierten umgeben, die ihm zuletzt seine Unterstützung zugesagt hatten. Dabei handelte es sich um ungebundene Delegierte. Diese Gruppe von Delegierten ist beim Parteitag im Juli nicht an den Ausgang der Vorwahlen in ihrem jeweiligen Staat gebunden, sondern kann frei über den Kandidaten entscheiden. Die gewachsene Zustimmung aus den Reihen der Ungebundenen hievte den Geschäftsmann nun schon vor den nächsten anstehenden Vorwahlen über die Schwelle für seine Nominierung. Die Leute hinter mir haben uns über die Hürde gehoben, sagte Trump unter Verweis auf die ungebundenen Delegierten, die ihn bei dem Auftritt in der Stadt Bismarck umringten. Unter ihnen waren mehrere frühere Unterstützer des Senators Ted Cruz, der ebenso wie der Gouverneur von Ohio, John Kasich, zu Beginn des Monats das Handtuch geworfen hatte. In den Vorwahlen der Republikaner, die noch bis zum 7. Juni andauern, hat Trump seither keine Konkurrenten mehr. Nach Angaben des Fernsehsenders CNN hat Trump inzwischen genau 1.237 Delegierte zusammen, die Nachrichtenagentur AP sah ihn bei 1.238, ABC News bei 1.239. Seine Rivalin im Kampf um das Weiße Haus wird aller Voraussicht nach die frühere Außenministerin Hillary Clinton. Sie steht kurz davor, sich die absolute Mehrheit der Parteitagsdelegierten der Demokraten zu sichern, muss sich aber in den verbleibenden Vorwahlen voraussichtlich weiterhin mit ihrem parteiinternen Konkurrenten Bernie Sanders auseinandersetzen. Bei den Demokraten werden 2.383 Delegierte für die Nominierung gebraucht. Clinton hat nach Zählung von CNN bereits 2.304 zusammen. Eingerechnet sind auch hier ungebundene Delegierte, die bei den Demokraten Superdelegierte heißen und von denen es bei ihnen wesentlich mehr gibt als bei den Republikanern. Die Vorwahlen der Demokraten laufen noch bis zum 14. Juni. Weder Republikaner noch Demokraten veröffentlichen im Vorfeld der Parteitage eigene Angaben zur Verteilung der Delegiertenzahlen. Die US-Medien erstellen dazu ihre eigenen Zählungen. "Die Ansichten liegen zu weit auseinander", sagt der ehemalige Präsidentschaftskandidat. Washington – Der US-Republikaner Marco Rubio will nicht als Vize-Präsidentschaftskandidat unter Donald Trump antreten. Ich wäre nicht die richtige Wahl für ihn, sagte Rubio bei CNN am Sonntag. Dazu lägen er und Trump in ihren Ansichten zu weit auseinander. Trump brauche einen Vizepräsidentschaftskandidaten, der für dieselben Dinge einstehe. Rubio war selbst Präsidentschaftsbewerber der Republikaner. Der Senator aus Florida zog sich im März zurück, nachdem er in seinem Heimatstaat eine herbe Niederlage erlitt. Rubio und Trump lieferten sich während des Vorwahlkampfs einen heftigen Schlagabtausch. So bezeichnete Rubio den US-Milliardär als Hochstapler. Trump seinerseits sprach von Rubio als Leichtgewicht und nannte ihn Kleiner Marco. Rubio sagte Trump nun aber zu, ihn dabei zu unterstützen, die US-Präsidentschaftswahl am 8. November zu gewinnen. Ich will nicht, dass Hillary Clinton Präsidentin wird, sagte Rubio. Wenn ich irgendetwas tun kann, um das zu verhindern und es der Sache nützt, fühle ich mich geehrt, dafür in Betracht zu kommen. Da sich Trump die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei vorzeitig gesichert hat und bei den Demokraten die Kandidatur von Clinton so gut wie sicher ist, läuft es bei dem eigentlichen Wahlkampf auf ein Duell zwischen dem Immobilien-Milliardär und der früheren US-Außenministerin hinaus. Offiziell nominiert werden soll Trump auf dem Parteitag im Juli. Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit dem Bau mehreren Raffinerien. Curitiba – Im Korruptionsskandal um den brasilianischen Ölriesen Petrobras greift die Justiz durch – und nimmt die führenden Industriellen des Landes ins Visier. Auf Drängen der Bundespolizei sollen nun auch der Chef des größten Baukonzerns Odebrecht, Marcelo Bahia Odebrecht, und sieben weitere Spitzenmanager angeklagt werden. Es geht um den Verdacht auf Geldwäsche und Korruption im Zusammenhang mit dem Kauf von Bohrinseln des Ölkonzerns Petrobras, wie die Agencia Brasileira Montagabend (Ortszeit) mitteilte. Odebrecht hat 181.000 Mitarbeiter und ist in 23 Ländern tätig. Seit Monaten wird im Rahmen der Operation Lava Jato ein Korruptionsnetz offengelegt, auch viele Politiker sollen bestochen worden sein. Lange Haftstrafen für Manager Ein Bundesgericht in Curitiba verurteilte am Donnerstag bereits mehrere Topmanager des Baukonzerns Camargo Correa zu Haftstrafen von bis zu 15 Jahren, wie die Agencia Brasil mitteilte. Dabei ging es um den Vorwurf der Korruption im Zusammenhang mit dem Bau von mehreren Raffinerien. Petrobras ist das größte Unternehmen Brasiliens mit einem Jahresumsatz von rund 140 Milliarden US-Dollar (129,01 Mrd. Euro). Der frühere Petrobras-Spitzenmanager Paulo Roberto Costa wurde in dem Verfahren zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Die Ermittler prüfen in umfangreichen Verfahren Unregelmäßigkeiten in Milliardenhöhe. Bei der Vergabe von Aufträgen soll systematisch Schmiergeld geflossen sein, das teilweise auch an Politiker und Parteien ging. Laut früheren Aussagen von Ex-Petrobras-Direktor Costa sollen bei überhöhten Vertragsabschlüssen des Konzerns mit anderen Firmen zwei Prozent der Vertragssumme an die Arbeiterpartei von Präsidentin Dilma Rousseff geflossen sein. Belastungsprobe für Regierung Roussef Vergangene Woche hatte der Präsident des Abgeordnetenhauses, Eduardo Cunha, offiziell seinen Bruch mit Rousseff erklärt – nachdem Anschuldigungen gegen ihn erhoben worden waren, vom Baukonzern Camargo Correa fünf Millionen US-Dollar für die Beschaffung von Petrobras-Aufträgen gefordert zu haben. Cunha gehört dem Partido del Movimiento Democratico Brasileno (PMDB) an, dem wichtigsten Koalitionspartner von Staatspräsidentin Rousseff. Noch ist nicht absehbar, ob durch die Affäre auch Rousseff selbst noch stärker unter Druck geraten könnte. Der Journalist und Analyst Josias de Souza bilanzierte in seinem Blog, das Urteil des Richters Sergio Moro sei ein historischer Markstein – bisher seien solche Unternehmensgrößen in Brasilien nicht derartig belangt worden. Immer weniger Rückhalt für Dilma Rousseff. Rio de Janeiro – Die Inflation und ein tief greifender Korruptionsskandal lassen den Rückhalt zu Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff deutlich schwinden. 66 Prozent der Brasilianer sind laut einer neuen Umfrage für ein Amtsenthebungsverfahren durch den Kongress, berichtete die Zeitung Folha de Sao Paulo am Donnerstag. 71 Prozent sind mit der Regierung unzufrieden, nur acht Prozent sehen Rousseffs Regierungshandeln positiv – das seien die schlechtesten Werte für ein Staatsoberhaupt in Brasilien seit 25 Jahren. Für den 16. August sind unter anderem in Rio de Janeiro Demonstrationen gegen Rousseff angekündigt. Die Inflation liegt bei über neun Prozent, die Industrieproduktion brach im ersten Halbjahr um 6,3 Prozent ein. Zudem gibt es immer neue Enthüllungen um Korruption bei Auftragsvergaben, in die auch viele Politiker involviert sein sollen. Sonderberichterstatter kritisiert Kultur der Straflosigkeit. Brasilia – Der UNO-Sonderberichterstatter für Folter hat Brasilien vorgeworfen, in Strafvollzugsanstalten systematisch Folter anzuwenden. Wir haben viele glaubwürdige Zeugenaussagen von Menschen erhalten, die in der ersten Phase ihrer Inhaftierung unter Einsatz von Zwang oder gar unter Folter befragt wurden, sagte Juan Mendez am Freitag bei einer Pressekonferenz in der Hauptstadt Brasilia. Die Vielzahl der Fälle führe zu dem Schluss, dass es sich um ein strukturelles Problem handle, sagte der UNO-Berichterstatter, der eine Kultur der Straflosigkeit kritisierte. Mendez hatte knapp zwei Wochen lang in fünf Teilstaaten unangekündigt Gefängnisse, Polizeiwachen, Jugendhaftanstalten und psychiatrische Krankenhäuser inspiziert. Zeugen hätten ihm dabei von Schlägen und Elektroschocks berichtet, sagte er. Auch sei ihr Kopf unter Wasser gedrückt worden. Die Fälle sind selten Gegenstand von Ermittlungen oder Anzeigen und noch seltener werden sie bestraft. Dies weist auf ein hohes Maß an Straflosigkeit hin, sagte Mendez. Mit mehr als 600.000 Häftlingen liegt Brasilien weltweit auf dem vierten Platz bei der Zahl der Gefangenen. Aus dem einstigen Boomland ist ein Krisenstaat im Korruptionssumpf geworden. Der Besuch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel samt ihrer halben Regierungsmannschaft in Brasília dürfte Dilma Rousseff erfreut haben. Strahlend zeigte sich Brasiliens Präsidentin vergangene Woche an der Seite der laut Forbes-Liste mächtigsten Frau der Welt. Für einen Moment ging es nicht um ein drohendes Amtsenthebungsverfahren und um die Massenproteste gegen Rousseff, sondern um Weltpolitik mit Brasilien als wichtigem Akteur. Brasilien durchlebt derzeit die größte Krise seit 20 Jahren. Die erst im Oktober vergangenen Jahres wiedergewählte Rousseff kämpft ums politische Überleben, ihre Regierung droht auseinanderzubrechen. Seit über einem Jahr laufen Ermittlungen im milliardenschweren Korruptionsskandal um den staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobas. Täglich kommen neue Details ans Licht, in die mehr als 50 Politiker der Regierungskoalition und aus dem Führungszirkel der regierenden Arbeiterpartei PT verstrickt sind. Viele Brasilianer machen Rousseffs Regierung für die sich verschlechternde ökonomische Situation und die politische Führungslosigkeit verantwortlich. Die Wirtschaftsleistung wird in diesem Jahr um 1,5 Prozent sinken, ohne Aussicht auf baldige Besserung. Um der stetig steigenden Inflation von rund 9,6 Prozent Einhalt zu gebieten, schraubte die Zentralbank jüngst den Leitzins auf das Rekordniveau von 14,25 Prozent hoch. Unternehmer halten sich seit vier Jahren mit Investitionen zurück, und auch der Binnenkonsum, bislang stärkster Pfeiler Brasiliens, brach in den letzten Monaten ein. Als Konsequenz verordneten viele Unternehmen wie die Autobauer VW und Ford im Bundesstaat São Paulo ihren Mitarbeitern Zwangsferien, um Massenentlassungen zu verhindern. Auch der Druck der Straße auf Rousseff nimmt zu. Knapp 800.000 Menschen verlangten bei Massendemonstrationen vor einer Woche die Amtsenthebung der Präsidentin. Nur noch sieben Prozent der Brasilianer sind mit ihrer Regierungsführung zufrieden. Doch selbst Regierungskritiker müssen eingestehen, dass die juristischen Voraussetzungen für ein Amtsenthebungsverfahren derzeit nicht erfüllt sind. Rousseff müsste die Verwicklung in kriminelle Machenschaften nachgewiesen werden. Zudem ist eine Zweidrittelmehrheit im Abgeordnetenhaus und im Senat notwendig. Kämpferischer Mentor Rousseffs wichtigster Mentor, Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, setzt darauf, dass seine Nachfolgerin das Ruder noch herumreißen kann. Er ließ einen Plan ausarbeiten, der ihr das politische Überleben bis 2018 und ihm eine erfolgreiche erneute Kandidatur sichern soll. Aktiv wie lange nicht, reist er von einer Veranstaltung zur nächsten und verkündet Optimismus. Dilma muss den Fuß auf die Straße setzen und mit den Menschen sprechen, riet er Rousseff öffentlich bei einer Rede vor Petrobras-Arbeitern. Um in der schweren Krise ein Zeichen zum Bürokratieabbau zu setzen, will Rousseff nun zehn Ministerien abschaffen. Derzeit gibt es in Brasiliens Regierung neben dem Präsidialamt immerhin noch 38 weitere Ressorts. Lula da Silva kündigt sein Comeback an, um Präsidentin Rousseff zu helfen. Eine neuerliche Kandidatur als Präsident schließt er nicht aus. Die Szenerie ist perfekt gewählt. Luiz Inácio Lula da Silva steht auf der Bühne und breitet die Arme aus. Ich wollte mich auf meine Pension vorbereiten, aber meine Gegner ließen mich nicht, fängt der 69-jährige Linkspolitiker an. Man kann einen Vogel nur töten, wenn er nicht fliegt, ruft er kämpferisch in den Saal, deshalb fliege ich wieder! Die letzten Worte gehen im Jubel fast unter. Lula ist in seiner Heimat, der Arbeiterstadt São Bernardo do Campo im Bundesstaat São Paulo. Hier begann vor mehr als 40 Jahren die politische Karriere des Metallarbeiters und Gewerkschaftsfunktionärs. Und hier kündigt er viereinhalb Jahre nach Ende seiner Präsidentschaft sein politisches Comeback an. Die vergangenen Jahre habe er keine Interviews gegeben und sich kaum politisch geäußert. Aber jetzt sei er bereit, den Leuten wieder Unannehmlichkeiten zu bereiten, sagt Lula selbstbewusst. Seine Rede ist ein Paukenschlag und zeigt die dramatische Situation von Präsidentin Dilma Rousseff: Viele hatten spekuliert, dass sich ihr Vorgänger aufgrund der gegen ihn laufenden Ermittlungen politisch zurückhält. Doch das Gegenteil ist der Fall: Emsig organisiert Lula Unterstützungskampagnen für seine Nachfolgerin. Er will die Regierung vor dem Fall retten – uns sein politisches Erbe. Seit mehr als einem Jahr lähmt ein Korruptionsskandal um den staatlich kontrollierten Ölkonzern Petrobras die brasilianische Politik. Gegen Rousseff wird zwar nicht ermittelt, aber gegen mindestens 80 hochrangige Politiker ihrer Regierungskoalition. Auch Lula wird vorgeworfen, für den Bauunternehmer Odebrecht Geschäfte angebahnt zu haben. Die Popularitätswerte von Rousseff sind im Keller, und bei Massendemonstrationen im ganzen Land forderten vor zwei Wochen rund 800.000 Menschen die Amtsenthebung der Staatschefin. Das Verhältnis von Lula und Rousseff galt lange als angespannt. Volkstribun Lula hielt Rousseff vor, sich im Präsidentenpalast zu verschanzen und die sozialen Erfolge ihrer Regierung schlecht zu verkaufen. Öffentlich kritisierte er die unsichtbare Präsidentin, wie Rousseff von brasilianischen Medien wiederholt genannt wurde. Doch jetzt scheinen sich die Amtsinhaberin und ihr Ziehvater wieder zusammengerauft zu haben. Gemeinsame Veranstaltungen sind im ganzen Land geplant. Dabei soll die oft unterkühlt wirkende Rousseff von Lulas Charisma profitieren und wieder den Kontakt zur eigenen Anhängerschaft finden. Für die schlechten Umfragewerte macht Lula vor allem die konservativen Medien verantwortlich – und nicht die Fehler der Regierung. Sogar eine Kandidatur für das Präsidentenamt schließt Lula, der 2011 eine Krebserkrankung überstanden hat, nicht mehr aus. Ich habe breite Schultern und in meinem Leben schon einiges ausgehalten, gibt er sich entschlossen. Und auch Rousseff zeigte sich in den vergangenen Tagen kämpferisch wie selten in den Wochen zuvor. Ich werde niemals aufgeben, niemals! (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 30.8.2015) Genehmigung beim Obersten Gerichtshof wurde beantragt. Brasilia – Die brasilianische Polizei will nach Medienberichten den Ex-Präsidenten Luiz Inacio Lula da Silva wegen des Korruptionsskandals um den staatlichen Ölkonzern Petrobras vernehmen. Die Bundespolizei habe eine Genehmigung beim Obersten Gerichtshof beantragt, um Lula zur Aussage vorzuladen, berichtete am Freitag die Zeitschrift Epoca, die nach eigenen Angaben Zugang zu dem Antragsdokument hatte. Lula könne während seiner Präsidentschaft (2003-2011) aus den Bestechungsfällen in Brasiliens größtem Unternehmen Vorteile für sich, seine Arbeiterpartei (PT) oder seine Regierung erhalten haben, heißt es laut Epoca in der Begründung des Antrags. Die Genehmigung des Obersten Gerichtshofes werde wegen der großen Zahl verwickelter Politiker angefordert, obwohl Lula selbst keine Immunität mehr genießt. Der ehemalige Staatschef erklärte am Freitag bei einem Besuch in Argentinien, er wisse nichts von dem Vernehmungsantrag. In Brasilien führt die Bundespolizei Ermittlungen, die nach Feststellung von Indizien gegen mutmaßliche Täter an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet werden. Petrobras soll in den vergangenen zehn Jahren Milliarden Dollar bei Aufträgen verloren haben, die gegen Bestechungsgelder vergeben wurden. Rousseff sucht mit Kabinettsumbildung Befreiungsschlag. Brasilia – Brasiliens bedrängte Präsidentin Dilma Rousseff hat am Freitag eine umfassende Regierungsumbildung verkündet, in deren Zuge acht von 31 Ministerien geschlossen werden. Heute machen wir einen ersten großen Schritt zur Neuorganisation der öffentlichen Verwaltung, sagte die 67-Jährige in der Hauptstadt Brasilia. Die Schließung der acht Ministerium sei erst der Beginn. Die Regierungsumbildung war erwartet worden. Brasilien ist durch Korruption, wirtschaftliche Rezession und politische Instabilität in eine tiefe Krise gerutscht, Rousseff selbst muss ein Amtsenthebungsverfahren fürchten. Gewinner der Kabinettsumbildung ist die Mitte-rechts-Partei PMDB, der größte Partner in der Koalition mit ihrer linken Arbeiterpartei. Durch die Aufwertung der PMDB-Minister verspricht sich die Präsidentin offenbar Unterstützung, um Wirtschaftsreformen durchs Parlament zu bringen und Amtsenthebungsverfahren auszubremsen. Die Regierung hatte erst vor wenigen Tagen angesichts der anhaltenden Wirtschaftskrise Einsparungen und Steuererhöhungen von umgerechnet 15 Milliarden Euro bekanntgegeben. Zudem sollen im öffentlichen Dienst Löhne eingefroren werden, und es soll einen Einstellungsstopp geben. Auch soziale Ausgaben etwa im Wohnungs- und Gesundheitsbereich sollen gekürzt werden. Im Zuge der Streichung der acht Ministerien sollen 3.000 Posten wegfallen. Noch vor wenigen Jahren galt Brasilien mit seinen hohen Wachstumszahlen als einer der Stars unter den Schwellenländern. Doch die siebtgrößte Volkswirtschaft der Welt ist auf Talfahrt geraten. Die Regierung rechnet damit, dass sich die Wachstumsschwäche auch 2016 fortsetzt. Dilma Rousseff soll Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden finanziert haben. Brasilia – Ermittlungen gegen Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wegen Korruptionsverdachts könnten sie das Amt vor dem Ende ihres regulären Mandats kosten. Der Oberste Wahlgerichtshof entschied am Dienstag (Ortszeit) mit fünf gegen zwei Stimmen, entsprechenden Vorwürfen der oppositionellen Sozialdemokratischen Partei (PSDB) nachzugehen. Demnach soll Rousseff ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des Energiekonzerns Petrobras finanziert haben. Die Petrobras-Affäre erschüttert seit vergangenem Jahr die brasilianische Politik. Bisher sah die Justiz aber keinen ausreichenden Verdacht, möglichen Verwicklungen der Staatspräsidentin in den Skandal nachzugehen. Jetzt aber überstimmte das Wahlgericht eine frühere Entscheidung vom Februar und machte damit den Weg zu Ermittlungen frei. Es sei das erste Mal, dass gegen ein amtierendes Staatsoberhaupt wegen derartiger Vorwürfe vorgegangen werde, hieß es seitens der Behörde. Bei der Präsidentschaftsstichwahl im Oktober 2014 war Rousseff im Amt bestätigt worden – mit einem Vorsprung von knapp drei Prozentpunkten vor ihrem konservativen PSDB-Herausforderer Aecio Neves. Zwar sind außer Rousseffs gemäßigt linker Arbeiterpartei (PT) weitere Parteien von der Korruptionsaffäre betroffen, doch da die jetzige Präsidentin zwischen 2003 und 2010 dem Petrobras-Aufsichtsrat vorstand, trifft sie die Affäre besonders hart. Die Arbeiterpartei soll umgerechnet bis zu 177 Millionen Euro an Schmiergeldern von dem Staatskonzern erhalten haben. Insgesamt geht es in der Affäre um rund 3,5 Milliarden Euro. In dem Korruptionsskandal werden Unternehmer und dutzende Parlamentarier verdächtigt. Im September befand ein Gericht in Brasilia den ehemaligen PT-Schatzmeister Joao Vaccari der Korruption, Geldwäsche und Verschwörung für schuldig und verurteilte ihn zu mehr als 15 Jahren Haft. Rousseff soll außer der illegalen Wahlkampffinanzierung auch Gelder staatlicher Finanzgruppen genutzt haben, um Sozialprogramme für Arme zu fördern. In Brasilien ist das ebenfalls illegal. Die Präsidentin steht seit längerem erheblich unter Druck. Ihre Zustimmungswerte sind auf weniger als zehn Prozent gesunken, und ihr droht nun ein Amtsenthebungsverfahren. Erst Ende der Woche hatte sie ihr Kabinett gründlich umgebildet und acht von 31 Ministerien gestrichen. Damit versuchte sie, politisch wieder in die Offensive zu kommen – nach Meinung vieler Beobachter vergeblich. Die 67-jährige Rousseff kämpfte in ihrer Jugend in linken Guerillagruppen gegen die Militärdiktatur, die in Brasilien zwischen 1964 und 1985 an der Macht war. Der 2002 zum Staatschef gewählte frühere Gewerkschafter Luiz Inacio Lula da Silva holte die Wirtschaftswissenschaftlerin 2003 als Energieministerin in sein Kabinett, 2010 wurde sie erstmals zur Staatspräsidentin gewählt. Ihre reguläre Amtszeit endet am 31. Dezember 2018. Noch zahlreiche Hürden – Dilma Rousseff seit langem unter Druck. Brasilia – Das brasilianische Parlament hat den Prozess zur Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Präsidentin Dilma Rousseff gestartet. Das teilte der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Eduardo Cunha, am Mittwoch mit. Der Erzfeind Rousseffs nahm den entsprechenden Antrag der konservativen Opposition wegen des Vorwurfs geschönter Budgets in den Jahren 2014 und 2015 an. Damit beginnt ein langes und komplexes Verfahren, das mehrere Hürden nehmen muss, bevor es im eigentlichen Amtsenthebungsverfahren zu einer Abstimmung über Rousseffs Amtsverbleib kommen kann. Die konservative Opposition wirft Rousseff vor, das Budget unter anderem im Wahljahr 2014 geschönt zu haben. Ein Gericht erklärte das Budget im Oktober wegen zahlreicher Unregelmäßigkeiten für illegal. Bei der Präsidentenstichwahl im Oktober 2014 war Rousseff mit drei Prozentpunkten Vorsprung auf ihren Herausforderer Aécio Neves im Amt bestätigt worden. Rousseff steht seit längerem unter Druck, ihre Zustimmungswerte sind unter zehn Prozent gesunken. Im Oktober entschied der Oberste Wahlgerichtshof TSE, gegen Rousseff wegen Korruptionsverdachts zu ermitteln. Geprüft werden soll, ob Rousseff ihren Wahlkampf 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des Energiekonzerns Petrobras finanziert hat. Auch gegen ihren Erzfeind Cunha gibt es Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit Petrobras. Wenige Wochen vor der Inbetriebnahme – Bischof Kräutler einer der Gegner. Altamira – Ein brasilianisches Gericht hat am Donnerstag die Betriebserlaubnis für den umstrittenen Belo-Monte-Staudamm aufgehoben. Das Kraftwerk hätte bereits in wenigen Wochen in Betrieb gehen sollen. Die Richterin des Bundesgerichts in Altamira entschied, dass Betreiber Norte Energia und die brasilianische Regierung zuerst die örtliche Vertretung der staatlichen Behörde für die indigene Bevölkerung (Funai) reorganisieren müssen. Derzeit sind mehrere Funai-Vertretungen in der Region geschlossen, und die Anzahl ihrer Mitarbeiter hat sich in den vergangenen Jahren drastisch reduziert. Da diese Reorganisierung bereits 2014 gerichtlich angeordnet, aber nicht erfolgt war, belegte das Gericht nun die Regierung und das Unternehmen außerdem mit einer Geldstrafe von 900.000 Real (200.000 Euro). Mit einer maximalen Leistung von 11.200 Megawatt ist Belo Monte am Xingu-Fluss im Bundesstaat Para der drittgrößte Staudamm der Welt. Auch die österreichische Andritz AG ist an dem Projekt beteiligt. Über Jahre verzögerten Umweltschützer und Indigenenvertreter mit einstweiligen Verfügungen die Fertigstellung. An vorderster Front kämpfte der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler von Altamira-Xingu gegen den Damm. Er geißelte die Zwangsumsiedlung von 40.000 Menschen und bezeichnete Belo Monte als soziale und ökologische Katastrophe. Suche nach Ausweg nach Verhör in Petrobras-Affäre – Präsidentin Rousseff kämpft um ihr Amt. Bisher galt Brasiliens Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva als Übervater, Volkstribun und unantastbare Ikone der Linken. Doch innerhalb einer Woche hat sich das Image komplett gewandelt. Erst wurde der 70-Jährige von der Bundespolizei abgeführt und knapp vier Stunden zu seinen Verwicklungen in den Petrobras-Korruptionsskandal verhört. Jetzt soll der Ex-Staatschef wegen Geldwäsche und Falschaus sage angeklagt werden. Ein entsprechendes Gesuch der Ermittler ist bei der Staatsanwaltschaft São Paulo eingegangen. Am Donnerstagabend wurde bekannt, dass die Staatsanwaltschaft auch Untersuchungshaft beantragt. Damit rückt für Lula da Silva das Unvorstellbare – eine Gefängnisstrafe – in unangenehm greifbare Nähe. Auch in Brasilien wäre das ein bisher beispielloser Vorgang. Die Untersuchungsbehörden sprechen von starken Indizien, dass Lula von dem Korruptionsnetz um den halbstaatlichen Erdölkonzern Petrobras profitiert hat. Das Anklagegesuch bezieht sich jedoch nur auf ein 300 Quadratmeter großes Luxusapartment im Küstenort Guarujá, das Lula als Gegenleistung für die Hilfe bei Auftragsvergaben an den Baukonzern OAS erhalten haben könnte. Das Bauunternehmen soll in dem Apartment Renovierungen in Höhe von mindestens 777.000 Real (rund 190.000 Euro) vorgenommen haben. Zusammen mit Lula sollen auch seine Ehefrau Marisa Letícia und sein ältester Sohn Fábio Luiz Lula da Silva – genannt Lulinha – sowie 13 weitere Verdächtige angeklagt werden. Der Ex-Gewerkschafter gibt sich kämpferisch und stellt sich als Opfer eines Komplotts von Putschisten dar, die nur die Regierung stürzen wollten. Immer wieder beteuert er, nicht Eigentümer der Immobilie zu sein. Hinter den Kulissen heckten seine Vertrauten indes einen heiklen Plan aus, um ihn vor dem Zugriff des für die Korruptions ermittlungen zuständigen Unter suchungsrichters Sergio Mora zu schützen. Demnach soll Lula laut Folha de São Paulo als Minister in die Regierung einrücken, dann könnte nur noch der Oberste Gerichtshof Ermittlungen anordnen – ein weitaus komplizierteres Unterfangen. Angeblich soll Präsidentin Dilma Rousseff dem Plan schon zugestimmt haben. Eine Alternative hatte sie freilich nicht. Die Opposition will in den nächsten Tagen im Kongress über ein Amtsenthebungsverfahren ge-gen sie abstimmen lassen. Allerdings würde Rousseff mit einem Pro-forma-Minister Lula ihre letzte Glaubwürdigkeit als Präsidentin verlieren – das weiß sie selbst. Unterdessen gab die liberale PMDB, der größte Koalitionspartner der regierenden Arbeiterpartei PT, bekannt, mit der Opposition einen gemeinsamen Weg zu gehen. Wir können nicht ruhig zusehen, wie das Land zerfällt, erklärte die Parteispitze. Ein solcher Zusammenschluss im Kongress würde für Rousseff den Verlust der parlamentarischen Mehrheit und damit das endgültige Aus für sie und ihre Regierung bedeuten. Die Ermittlungen gegen Lula machten Rousseffs Abgang immer wahrscheinlicher, meint auch Claudio Couto, Politologe an der Wirtschaftsuniversität Getúlio Vargas. Mit Lula auf dem Schleudersitz wird der Prozess jetzt beschleunigt, sagt er. Für Brasilien bedeutet die aufgeheizte Stimmung eine weitere Radikalisierung. Gegner und Anhänger der Regierung stehen sich unversöhnlich gegenüber, regelmäßig kommt es zu Zusammenstößen. Für das Wochenende hat die Pro Impeachment-Bewegung zu Massendemonstrationen im ganzen Land aufgerufen. Auch Gewerkschaften und soziale Bewegungen haben ihre Anhänger mobilisiert. Rousseff könnte Lula in ihr Regierungskabinett aufnehmen. Brasilia – Die brasilianische Präsidentin Dilma Rousseff ist ihrem bedrängten Mentor und Vorgänger im Präsidentenamt, Luiz Inácio Lula da Silva, zu Hilfe gekommen. Am Freitag sagte sie, es würde sie mit großem Stolz erfüllen, wenn Lula ihrer Regierung angehören würde. Sie selbst sehe keine wirkliche Grundlage für die Forderung nach ihrem Rücktritt, fügte Rousseff im Hinblick auf das gegen sie laufende Amtsenthebungsverfahren im Parlament hinzu. Angesichts eines Antrags auf Anklageerhebung und Untersuchungshaft gegen Lula hatte es Spekulationen gegeben, wonach er einen bedeutenden Kabinettsposten erhalten könne. Das würde ihm ein Verfahren vor einem gewöhnlichen Gericht ersparen, denn in Brasilien kann Regierungsmitgliedern nur vor dem Obersten Gerichtshof der Prozess gemacht werden. Lula war vor einer Woche im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre um den Ölkonzern Petrobras verhört worden. Dabei ging es um eine Luxuswohnung in der Küstenstadt Guarujá im Bundesstaat Sao Paulo, deren Besitz er den Behörden verschwiegen haben soll. Lula betonte bereits mehrfach, nicht der Eigentümer des fraglichen Objekts zu sein. Die Staatsanwaltschaft wirft Lula zudem vor, von zahlreichen Begünstigungen durch korrupte Firmen profitiert zu haben. Demnach geht es um Zuwendungen in Höhe von umgerechnet 7,3 Millionen Euro. Die ehemalige Ikone der Linken wies eine Verwicklung in den milliardenschweren Korruptionsskandal, in den ranghohe Politiker fast aller Parteien verstrickt sind, stets von sich. Lula hatte Brasilien in den Jahren 2003 bis 2010 regiert. Im August kündigte er an, in die Politik zurückzukehren, um in der schweren politischen und wirtschaftlichen Krise seiner Nachfolgerin den Rücken zu stärken. Auch gegen Rousseff laufen Ermittlungen. Ihr wird vorgeworfen, ihren Wahlkampf des Jahres 2014 illegal mit Spenden von Zulieferern des Petrobras-Konzerns finanziert zu haben. Brasiliens Ex-Präsident: "Erwarte Gerechtigkeit" – Zusammenstöße von Gegnern und Anhängern der Regierung. Brasilia – Brasiliens unter Korruptionsverdacht stehender Ex-Staatschef Luiz Inácio Lula da Silva hat in einem offenen Brief die Veröffentlichung abgehörter Gespräche zwischen ihm und Präsidentin Dilma Rousseff verurteilt. Meine Privatsphäre, die meiner Frau, meiner Kinder und meiner Arbeitskollegen ist in den vergangenen Wochen durch illegal weitergegebene Informationen verletzt worden, erklärte er. Das sei traurig und beschämend. Ich erwarte lediglich Gerechtigkeit, schrieb der 70-Jährige. Er vertraue aber dem Rechtsstaat. Die Staatsanwaltschaft von São Paulo hatte für Lula Untersuchungshaft beantragt. Bei den Vorwürfen geht es unter anderem um Ungereimtheiten mit seiner Wohnung am Atlantik. Lula bestreitet, dabei von einem Baukonzern begünstigt worden zu sein. Zuvor war Medien der Mitschnitt eines Telefonats mit Rousseff zugespielt worden, der den Verdacht nahelegt, diese habe Lula zum Schutz vor Strafverfolgung zum Minister ernannt. Gegen Rousseff läuft ein Amtsenthebungsverfahren. Vielerorts kam es erneut zu Protesten. Aus der Hauptstadt Brasília wurden Zusammenstöße von Regierungsgegnern und Anhängern der Staatschefin mit der Polizei gemeldet. Eine Gruppe von rund 50 Motorradfahrern habe versucht, auf das Gelände des Regierungspalasts zu gelangen, berichtete das Portal O Globo. Sicherheitskräfte hätten Tränengas und Gummigeschoße eingesetzt. Brasiliens Ex-Präsident muss seinen Regierungsposten ruhen lassen, damit gegen ihn ermittelt werden kann. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Fortschrittspartei steigt aus – Amtsenthebungsverfahren hatte zuvor erste Hürde genommen. Erneut eine schlechte Nachricht für Dilma Rousseff: Am Dienstag kam Brasiliens Präsidentin ein weiterer Koalitionspartner abhanden. Die rechtskonservative Fortschrittspartei kündigte die Zusammenarbeit mit der Sozialdemokratin auf. Zuvor war es im brasilianischen Kongress turbulent zugegegangen. Abgeordnete der Opposition stiegen auf Tische und Bänke und hielten Plakate für eine Amtsenthebung von Rousseff hoch. Kurze Zeit später brach Jubel aus. Mit 38 Stimmen votierte ein Sonderausschuss für die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen die Präsidentin. 27 Abgeordnete stimmten dagegen. Das Votum geht als Empfehlung an den Kongress, in dem am Sonntag die entscheidende Abstimmung über Rousseffs Verbleib im Präsidentenamt stattfinden soll. Für einen Sturz der Staatschefin muss die Opposition zwei Drittel der Stimmen auf sich vereinen, also 342 der 513 Parlamentarier. Sie wird wegen fiskalpolitischer Tricksereien im Bundeshaushalt angeklagt. Das Ergebnis heute sagt gar nichts aus. Unser Kampf findet im Plenarsaal statt, sagte Expräsident Luiz Inácio Lula da Silva vor 35.000 Anhängern in Rio de Janeiro. Seit Wochen versucht Rousseffs Vorgänger hinter den Kulissen, noch wankelmütige Abgeordnete auf die Regierungsseite zu ziehen. Sie sollen mit Regierungsposten geködert werden. Als nächstes ist die Abgeordnetenkammer am Zug, sie wird am Sonntag über das Amtsenthebungsverfahren abstimmen. Das letzte Wort hat allerdings der Senat – Sollte auch er für eine Amtsenthebung votieren, könnte Rousseff bis zu 180 Tage – die Zeit der Untersuchung – suspendiert werden. Die Macht übernehmen würde dann Vizepräsident Michel Temer von der rechtsliberalen PMDB, die gerade die Regierungskoalition verließ, aber absurderweise noch Rousseffs Stellvertreter stellt. Gegen Temer laufen Korruptionsermittlungen, auch er wird von einem Amtsenthebungsverfahren bedroht. Temer selbst verschickte über Whatsapp eine 14-minütige präsidiale Ansprache an eine öffentliche Gruppe. Darin ruft er zur nationalen Rettung auf und verspricht, alle Parteien an einen Tisch zu holen. Die Aufnahme vermittelt den Eindruck, als sei sie für den Moment nach einer Amtsenthebung Rousseffs gedacht gewesen. Die Rede sei versehentlich verschickt worden, ließ Temer später ausrichten. Die regierende Arbeiterpartei reagierte empört und beschimpft den Vizepräsidenten als Putschisten. Auch Rousseff selbst wiederholte die Anschuldigungen am Dienstagnachmittag. Die veröffentlichte Whatsapp-Botschaft sei ein Beweis dafür, dass Temer Teil einer Verschwörung gegen ihre Regierung sei, sagte sie. Antrag auf Annullierung des Verfahrens beim eingereicht. Brasilia – Die brasilianische Regierung hat das Oberste Gericht des Landes eingeschaltet, um das drohende Amtsenthebungsverfahren gegen Präsidentin Dilma Rousseff abzuwenden. Generalstaatsanwalt Jose Eduardo Cardozo reichte am Donnerstag einen Antrag auf Annullierung der Amtsenthebungsprozedur ein, wie es in einer Erklärung seiner Behörde hieß. Das Verfahren sei mit Mängeln behaftet, welche die Prinzipien eines gerechten Prozesses und des Rechts auf Verteidigung verletzen, erklärte Cardozo. In dem Fall würden zudem Beweise angeführt, die Rousseffs vorherige Amtszeit beträfen, monierte der Generalstaatsanwalt. Das Oberste Gericht muss den Antrag nun auf Zulässigkeit prüfen. Sollte der Gerichtshof ihn für zulässig halten, könnte das parlamentarische Verfahren zum Amtsenthebungsprozess bis zur Verkündung eines endgültigen Urteils ausgesetzt werden. Am Sonntag ist nach bisheriger Planung die Abgeordnetenkammer dazu aufgerufen, über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens gegen Rousseff abzustimmen. Kommen dafür zwei Drittel der Stimmen zusammen, geht das Anliegen in den Senat, der das letzte Wort dabei hat. Das tatsächliche Verfahren könnte dann bis zu sechs Monate dauern, in der Zeit würde Rousseff vorübergehend suspendiert. Die brasilianische Staatschefin steht seit langem unter Druck und wird unter anderem für die schlechte wirtschaftliche Entwicklung des Landes verantwortlich gemacht. Ihr wird zur Last gelegt, Haushaltszahlen geschönt und außerdem ihren Wahlkampf illegal mit Spenden von Zulieferern des staatlichen Ölkonzerns Petrobras finanziert zu haben. Sie selbst spricht von einem Putsch gegen sie. Brasiliens Präsidentin hat die Abstimmung über die Abwendung eines Amtsenthebungsverfahrens verloren. Das weiße Gebäude des brasilianischen Kongresses leuchtet schon von weitem. Es steht am Ende der sogenannten Monumentalachse, einer der zentralen Straßen in der Hauptstadt Brasília. Die herausgehobene Lage soll die Macht des Parlaments verdeutlichen. Auf der Rasenfläche vor dem Gebäude fanden schon hunderte Demonstrationen statt. Doch dieses Mal ist das Gelände gesperrt. Die verfeindeten Lager der Gegner und Befürworter einer Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff trennen mehrere hundert Meter – und ein zwei Meter hoher Metallzaun. Wie konnte es nur so weit kommen?, ist darauf zu lesen. Der Zaun steht auch für die tiefe Spaltung der brasilianischen Gesellschaft. In einem Mammutverfahren beriet das Abgeordnetenhaus ab Freitag über den Sturz der Staatschefin. Am Sonntagabend (Ortszeit) fand dann die entscheidende Abstimmung statt. Ausgelassene Karnevalsstimmung herrscht bei den zehntausenden Demonstranten gegen Rousseff. Bei jeder einzelnen Stimmabgabe gegen die Präsidentin bricht lautstarker Jubel aus. Wir sind hier, um die Demokratie zu verteidigen, rufen hingegen auf der anderen Seite Gewerkschafter und Mitglieder von sozialen Bewegungen in die Mikrofone der aufgebauten Kameras. Sie campieren hier seit Tagen in Zelten und hoffen noch auf ein Wunder. Die Stimmung außerhalb wie innerhalb des Kongresses ist generell angespannt und wird von Tumulten begleitet. Im Abgeordnetenhaus muss die schließlich mehr als fünfstündige namentliche Abstimmung mehrfach unterbrochen werden. Oppositionsabgeordnete haben sich die brasilianische Flagge umgebunden, werfen Konfetti in die Luft und rufen Dilma raus!. Mit jeder Stimme schwindet die Hoffnung der Regierungskoalition. Am Ende haben 367 Abgeordnete mit Ja, 137 mit Nein votiert – eine Zweidrittelmehrheit also. Jetzt muss noch der Senat entscheiden. Da dort nur die einfache Mehrheit notwendig ist, gilt das Votum als sicher. Laut Verfassung wird Rousseff dann bis zu 180 Tage – die Zeit der Ermittlungen – vom Amt suspendiert. Die Macht übernimmt Vizepräsident Michel Temer von der rechtsliberalen PMDB, einer von Rousseffs größten Widersachern. Was genau Brasilien in den nächsten Wochen erwartet, ist ungewiss. Sicher ist aber, dass weder Temer noch eine aus Vertrauten zusammengezimmerte Interimsregierung das Land aus der politischen Sackgasse führen kann. Die PMDB gilt als Inbegriff politischer Dekadenz. Seit mehr als 30 Jahren ist sie in verschiedenen Regierungskoalitionen an der Macht und versorgt sich und ihre Freunde mit Posten und Privilegien. Vorschläge zur Überwindung der schwersten Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten waren von Temer bisher noch nicht zu hören. Die Herren seien nur mit Waffengewalt aus der Regierung zu entfernen, lästerte jüngst der Kolumnist Elio Gaspari in seinem Blog. João Pedro Stédile, Ikone der sozialen Bewegungen, mobilisiert bereits die Massen gegen eine neue Regierung und ruft zum Generalstreik auf. Wir werden die Produktion, den Verkehr und den öffentlichen Dienst zum Stillstand bringen! Die Bourgeoisie wird keinen Frieden bekommen! Schon einmal, vor 24 Jahren, wurde gegen den damaligen Präsidenten Fernando Collor de Mello ein Impeachment angestrengt. Am Ende trat er zurück – was Rousseff aber für sich kategorisch ausschließt. Ich werde bis zur letzten Minute kämpfen, kündigte die ehemalige Guerillera an. In den Stunden des Untergangs wurde ihr Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva zum engsten Verbündeten. Seit Wochen versuchte er, unsichere Abgeordnete mit Posten und Versprechungen zu ködern – doch beide haben die Wechselstimmung im Land offenbar zu lang ignoriert. Mit dem Abgang von Rousseff verliert nicht nur die Linksbewegung in Lateinamerika an Einfluss. Auch die Hoffnung, Brasilien könnte zum Sprachrohr der Schwellenländer werden, muss vorerst begraben werden. Bis 2013 galt Brasilien als aufstrebende Supermacht. Innerhalb von zehn Jahren wuchs die Wirtschaftsleistung um 64 Prozent, die Armut wurde halbiert. Es seien genau diese Menschen, die sich jetzt ihrer Zukunft beraubt sehen, meint der Soziologe Renato Meirelles: Die wirkliche Krise ist eine Vertrauenskrise. Die Mehrheit der Brasilianer sieht kein Licht am Endes des Tunnels, weder mit der Regierung noch mit der Opposition. Auf die Frage, wer das Land aus der Krise führen kann, hätten rund 90 Prozent keine Ahnung. Der einzige Name, der genannt wird, ist Papst Franziskus, sagt Meirelles. Aber der ist Argentinier. Die Justiz verschiebt die Entscheidung über die Berufung von Ex-Präsident Lula in die Regierung. Brasilia – Der brasilianischen Präsidentin Dilma Rousseff sind drei weitere Regierungsmitglieder abhandengekommen. Nach Angaben der Präsidentschaft legten der Bergbau- und Energieminister des Landes und die Staatssekretäre für Hafenangelegenheiten sowie Wissenschaft und Technologie am Mittwoch ihre Ämter nieder. Sie gehören der Zentrumspartei PMDB von Vizepräsident Michel Temer an, einem einstigen Verbündeten Rousseffs. Mit dem Weggang von Energieminister Eduardo Braga sowie den Staatssekretären Helder Barbalho und Celso Pansera sind nunmehr nur noch zwei PMDB-Politiker von ursprünglich sieben in der Regierungsmannschaft. Zahlreiche Ministerposten werden übergangsweise betreut. Auch der Posten des Stabschefs der Regierung ist weiterhin offen: Die brasilianische Justiz verschob eine für Mittwoch geplante Entscheidung darüber, ob die Nominierung des ehemaligen Staatspräsidenten Luiz Inacio Lula da Silva dafür rechtens ist. Rousseff droht der Verlust ihres Amtes. Die Abgeordnetenkammer hatte am Wochenende den Weg für ein Amtsenthebungsverfahren freigemacht, über das nun noch der Senat entscheiden muss. Stimmt er ebenfalls dafür, verliert Rousseff zunächst vorübergehend ihr Amt an ihren Stellvertreter Temer, solange das Verfahren läuft. Der brasilianischen Staatschefin wird Korruption zur Last gelegt. Sie soll zudem Budgetzahlen geschönt haben, um vor der Präsidentschaftswahl 2014 ihre Chancen zu verbessern. Sie selbst sieht sich als Opfer einer Verschwörung und wirft ihren Gegnern einen Putsch vor. Brasiliens Präsidentin kämpft um ihre Karriere und präsentiert sich als leidenschaftliche Kämpferin. Verrat – das ist für Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff die schlimmste Anschuldigung, die es gibt. Während der Militärdiktatur wurde sie gefoltert, gab aber keine Namen preis. Die Verachtung steht der ehemaligen Guerillera ins Gesicht geschrieben, als sie ihren ehemaligen Vize Michel Temer des Verrats und der Verschwörung gegen sie bezichtigt. Nach der verlorenen Abstimmung im Abgeordnetenhaus über ihre Amtsenthebung geht Rousseff mit ihren Gegnern scharf ins Gericht – sogar auf internationaler Bühne. Für manche mögen es bloß die letzten verzweifelten Kämpfe einer unpopulären Staatschefin sein, die in wenigen Wochen aus dem Präsidentenpalast gejagt werden wird – doch es ist mehr. In den vergangenen Tagen trat die 68-Jährige nicht als Verliererin, sondern als leidenschaftliche Kämpferin vor die Kameras. Ich werde kämpfen – nicht nur für mein Mandat: Nein, weil ich die demokratischen Prinzipien verteidige, versichert Rousseff in einem Interview mit der CNN-Korrespondentin Christiane Amanpour. Sie werde nicht einfach denjenigen die Präsidentschaft überlassen, die den Weg an die Macht abkürzen wollen. Die Anschuldigungen gegen Rousseff stehen juristisch auf wackligen Füßen. Ihr werden Haushaltstricks vorgeworfen. Trotzdem wird sie aller Voraussicht nach für die Dauer von höchstens 180 Tagen suspendiert. Für Mitte Mai ist die Senatsabstimmung über die Amtsenthebung geplant. Dann übernimmt Temer von der rechtsliberalen PMDB. Der 75-Jährige ist selbst sehr unpopulär: Nur zwei Prozent der Brasilianer würden ihn einer Umfrage zufolge wählen. Gegen ihn läuft auch eine Untersuchung, die ihn in Verbindung mit einem riesigen Bestechungsskandal bringt. Rousseff musste sich immer den Vorwurf gefallen lassen, zu technokratisch und nicht volksnah genug zu sein. Selbst ihr Ziehvater und Vorgänger Luiz Inácio Lula da Silva verspottetet sie als computerzinho: als kleinen Computer, der alle Fakten parat hat, aber wenige Emotionen zeigt. Erstaunlich offen präsentiert sie sich jetzt der Öffentlichkeit. Es wurde oft gesagt, dass ich eine schroffe Frau bin, umgeben von lauter freundlichen, höflichen und liebenswerten Männern, sagt sie ironisch in dem CNN-Gespräch. Nur Frauen werden so beschrieben, wenn sie eine Position einnehmen. In den konservativen Medien läuft schon seit langem eine Schmutzkampagne gegen Rousseff, was selbst neutrale Beobachter zugeben. Große Medienunternehmen wie jenes hinter O Globo haben alles darangesetzt, Rousseff in Verbindung mit Korruption zu bringen. Andere Medien positionieren sich, getragen von Halbwahrheiten und Gerüchten, offen für eine Amtsenthebung. Ins Bild passt ein jüngst veröffentlichter Beitrag des Magazins Istoé, in dem Rousseff als cholerisch beschrieben wird, sie drangsaliere Mitarbeiter und werfe in ihrem Büro auch schon einmal mit Möbeln um sich. Brasiliens größte Zeitschrift Veja zog nach und porträtierte wohlwollend die künftige First Lady, Marcella Temer, 43 Jahre jünger als ihr Ehemann und ehemaliges Model. Schön, sittsam und Hausfrau, lautete die Überschrift. Machtkampf zwischen Senatspräsident Calheiros und Unterhauschef Maranhão, der eine Abstimmung seiner Kammer für ungültig erklärte, um der Präsidentin Luft zu verschaffen. Brasilia – Brasiliens Senatspräsident Renan Calheiros hat in der Nacht auf Dienstag angekündigt, dass der Senat das Verfahren zur Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff fortsetzen wird. Er widersetzt sich damit der vorläufigen Verfahrenseinstellung, die der Chef des Unterhauses, Waldir Maranhão, nur wenige Stunden zuvor entschieden hatte. Maranhão hatte das Verfahren gegen Rousseff zu stoppen versucht, indem er eine Abstimmung vom April für ungültig erklärte, mit der die Abgeordneten die Entmachtung der Präsidentin gefordert hatten. Der Senat hätte diese Entscheidung der Abgeordneten am Mittwoch bestätigen müssen, damit sie gültig wird. Das kann nach Maranhãos Ansicht nun nicht passieren, denn zuvor müsse erneut die Abgeordnetenkammer entscheiden. Zunächst war unklar, ob Maranhãos Anordnung vom Obersten Gerichtshof, dem Senat oder dem Abgeordnetenhaus überstimmt werden kann. Außerdem ist unklar, ob gegen die Entscheidung des Senats zur Fortführung des Verfahrens berufen werden kann. Daher droht ein Patt zwischen beiden Kammern. In Roussefs Amtzeit fällt einer der schwersten Korruptionsskandale des Landes rund um den staatlichen Ölkonzern Petrobras. Der Präsidentin wird vorgeworfen, das Budget manipuliert zu haben, um ihre Wiederwahl 2014 zu sichern. Sie bestreitet das und spricht von einem Putschversuch. Sollte der Senat die Vorlage des Abgeordnetenhauses annehmen, müsste Rousseff ihr Amt für die Dauer des auf 180 Tage befristeten Verfahrens niederlegen. Interimistisch würde dann Vizepräsident Michel Temer, ein Rivale Rousseffs, Präsident werden. Senat will am Mittwoch über die beantragte Amtsenthebung beraten. Brasilia – Die brasilianische Regierung will die Amtsenthebung von Präsidentin Dilma Rousseff in letzter Minuten höchstrichterlich stoppen lassen: Die Regierung werde am Dienstag vor dem Obersten Gericht eine Annullierung des Amtsenthebungsverfahrens verlangen, teilten Rousseffs Anwälte mit. Der Senat will am Mittwoch über die Amtsenthebung beraten – er könnte die Präsidenten vorerst für bis zu 180 Tage suspendieren. Es wird mit einer zehnstündigen Marathonsitzung und einer Abstimmung erst Donnerstagfrüh europäischer Zeit gerechnet. Bei einer einfachen Mehrheit von 41 der 81 Senatoren muss Rousseff sofort abtreten. In der Folge würde Vizepräsident Michel Temer von der Partei der demokratischen Bewegung (PMDB) übernehmen. Er will ein Kabinett ohne die seit 2003 regierende linke Arbeiterpartei bilden. Mit Feuer, Rauchbomben und Barrikaden haben Anhänger Rousseffs am Dienstag in mehreren Städten Brasiliens wichtige Straßen blockiert. Betroffen war vor allem die Wirtschaftsmetropole São Paulo sowie Städte in neun anderen Bundesstaaten, wie das Portal Folha de S. Paulo berichtete. Nach Abgeordnetenhaus stimmt auch Senat für Suspendierung – Rousseff will aber nicht kampflos aufgeben. Ich bin noch lange nicht müde, um mein Amt zu kämpfen, verkündete Dilma Rousseff bei ihrem vorerst letzten öffentlichen Auftritt als Präsidentin. Ich bin es nur leid, von illoyalen Verrätern umgeben zu sein. Und Brasilien ist es auch. Herausfordernd und selbstbewusst präsentierte sie sich auch nach dem Votum zu ihrer Amtsenthebung am Donnerstag. Wenn eine gewählte Präsidentin ohne ein Verbrechen begangen zu haben aus dem Amt gewählt wird, ist das ein Putsch, sagte sie in einer TV-Rede. Die Entscheidung ignoriere, dass sie von über 54 Millionen Brasilianern gewählt worden sei. Ich werde für etwas bestraft, was ich nicht begangen habe. Das ist ungerecht, illegal, brutal und verursacht Schaden. Sie gehe davon aus, dass die Brasilianer die Entscheidung so wenig akzeptieren würden wie sie selbst: Ich werde niemals aufgeben zu kämpfen. Nach dem Abgeordnetenhaus hatte auch der Senat nach mehr als 20 Stunden Beratungen mit 55 Ja- zu 22 Nein-Stimmen für ihre Amtsenthebung gestimmt. Für zunächst maximal 180 Tage wird Rousseff suspendiert. In dieser Zeit übernimmt ihr ehemaliger Vize Michel Temer von der rechtsliberalen PMDB die Präsidentschaft. Es ist eine historische Niederlage: Mit Rousseff gehen auch 13 Jahre linksgerichtete Regierung in Brasilien zu Ende. Der Sturz der 68-Jährigen ist der vorläufige Höhepunkt in einem monatelangen Machtkampf. Brasilien hat ein bizarres politisches Spektakel mit verfassungsmäßig fragwürdigen Methoden erlebt. Rousseffs Amtsenthebung wird nicht mit Korruption, sondern mit Bilanztricks im Bundesbudget begründet. Allen ist klar, dass das ein fadenscheiniger Grund ist, um die glücklose Staatschefin abzulösen. Wir müssen zugeben, dass wir politische und administrative Fehler gemacht haben, sagt Senator Jorge Viana von Rousseffs Arbeiterpartei PT. Aber das hier ist ein Spiel mit gezinkten Karten. Nach der Abstimmung knallten bei der Opposition nicht nur die Sektkorken. Ein Feuerwerk erhellte minutenlang den Himmel über Brasilia. Wir feiern heute unser Neujahr, jubelte der Abgeordnete Paulinho da Força. Rousseffs Beliebtheitswerte sind im Keller, viele ehemalige Wähler machen sie für die schwere Wirtschaftskrise verantwortlich. Sie hoffen jetzt auf Temer, was genau er vorhat, ist allerdings unklar. Von umfangreichen Privatisierungen, Erleichterungen für Investoren und Kürzungen bei Sozialprogrammen ist die Rede. Der 75-Jährige ist Vorsitzender der PMDB, die als opportunistisch und machthungrig gilt. Erst vor wenigen Wochen hat die Partei das sinkende Regierungsschiff verlassen. Die Gewerkschaften haben bereits zu einem Generalstreik aufgerufen. Auch wenn Brasiliens neuer Übergangspräsident eine Regierung der nationalen Einheit beschwört, findet hinter den Kulissen ein wilder Postenschacher statt. So mag es als cleverer Schachzug anmuten, dass ausgerechnet Henrique Meirelles, der unter Ex-Präsident Lula da Silva Zentralbankchef war, Finanzminister werden soll. Der Konservative José Serra, der zweimal als Präsidentschaftskandidat scheiterte, soll das Außenamt übernehmen. Brasiliens zwielichtiger Sojakönig Blairo Maggi macht sich Hoffnung auf das Agrarministerium und wechselte just am Tag von Rousseffs Amtsenthebung die Partei. Viele Parlamentarier hoffen, dass mit der neuen Regierung die Korruptionsermittlungen im Bestechungsskandal Lava Jato auf Eis gelegt werden. Laut Transparency International wird gegen etwa 60 Prozent der Kongressabgeordneten wegen Bestechung ermittelt. Einige Würdenträger wurden schon entmachtet – weitere könnten folgen. Die Opposition hat sich mit Rousseffs Amtsenthebung an die Macht manövriert, ohne dass sie bei Wahlen antreten musste. Einige prominente Oppositionspolitiker wollen deshalb auch nicht Teil der Übergangsregierung sein. Dabei könnte nicht einmal Temer bei Wahlen antreten. Er wurde von einem Gericht wegen Betrugs bei der Wahlkampffinanzierung für acht Jahre für unwählbar erklärt. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ibope sehen zudem nur acht Prozent der Brasilianer in der neuen Übergangsregierung die beste Lösung für das Land. 62 Prozent der Befragten sprechen sich für Neuwahlen aus. Temer, so viel steht fest, wird aber keinen Versuch in diese Richtung unternehmen. Ihren Abschied aus dem Regierungspalast Planalto hat Rousseff mit viel Symbolik geplant. Alles soll nach einem vorübergehenden Auszug aussehen. Bei dem fünf Kilometer langen Marsch hin zu ihrer Privatresidenz, dem Alvorada-Palast, wird sie von Weggefährten und Vertretern der sozialen Bewegungen begleitet. Versteckte Botschaft auf Bildrückseite in Brasiliens Regierungssitz warnt "Putschisten". Brasilia – Ganz sang- und klanglos wollte die Regierungsmannschaft der suspendierten brasilianischen Staatschefin Dilma Rousseff den Präsidentenpalast Planalto in Brasília dann doch nicht verlassen. Als Mitarbeiter des Interimspräsidenten Michel Temer Rousseffs Foto abhängten, fanden sie auf der Rückseite eine giftige Botschaft. Verschwörer und Putschisten – die Geschichte wird euch nicht freisprechen, war dort zu lesen, wie die Zeitung O Estado de S. Paulo in der Nacht auf Samstag (Ortszeit) berichtete. Rousseff war am Donnerstag vom Senat für ein halbes Jahr abgesetzt worden. Ihr werden unerlaubte Kreditvergaben und die Verschleierung der tatsächlichen Haushaltslage vorgeworfen. Sie weist die Anschuldigungen zurück und spricht von einem Putsch. Amtsinhaber hat gute Chancen auf zwei Amtszeit – Neben dem Staatschef werden auch Parlament und Senat neu bestimmt – Grund für Helfer-Streik unklar. Santo Domingo – In der Dominikanischen Republik ist am Sonntag ein neuer Präsident gewählt worden. Als Favorit galt der Amtsinhaber Danilo Medina. Der 64-Jährige von der sozialdemokratisch orientierten Partei PLD gab seine Stimme in der Hauptstadt Santo Domingo ab. Sein Rivale Luis Abinader rief die Bürger zur Wahl auf. Es ist ein wichtiger Tag. Geht wählen, sagte der Unternehmer vor dem Kirchgang. Überschattet wurde die Wahl in dem auch bei deutschen Touristen beliebten Urlaubsland in der Karibik vom Streik von fast 3.000 Wahlhelfern. Warum die eigens vom Wahlamt geschulten Leute ihrer Aufgabe nicht nachkamen, war zunächst unklar. Medina sprach von einer unverantwortlichen Aktion. Die Wahlen würden davon aber nicht beeinflusst. Eine Mission der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) unter Führung des kolumbianischen Ex-Präsidenten Andrés Pastrana beobachtete die Wahl. Es habe Beschwerden über Verzögerungen gegeben, sagte Pastrana. Es sei aber genug Zeit, dass alle Wähler ihre Stimme abgeben könnten. In letzten Umfragen lag Staatschef Medina mit etwa 57 Prozent deutlich in Führung. Damit wäre er bereits im ersten Wahlgang für weitere vier Jahre im Amt bestätigt. Sein Herausforderer Abinader von der erst 2014 gegründeten Partei PRM kam laut letzten Umfragen auf etwa 34 Prozent der Stimmen. Der 64-jährige Medina kann auf eine erfolgreiche Amtsperiode zurückblicken: Mit einem Wirtschaftswachstum von mehr als sechs Prozent legte die Dominikanische Republik kräftiger zu als jeder andere Staat in Lateinamerika. Rund 6,7 Millionen Dominikaner waren aufgerufen, neben dem Staatschef auch das Parlament und den Senat neu zu bestimmen. Gewählt werden zudem Tausende Kommunalvertreter. Mit ersten Ergebnissen wird im Laufe des Montags gerechnet. Mörderische Bandenkriege erschüttern lateinamerikanisches Land. San Salvador – Bei Kämpfen zwischen zwei Flügeln einer berüchtigten Gang sind in einem salvadorianischen Gefängnis mindestens 14 Häftlinge getötet worden. Hintergrund des Blutvergießens im Gefängnis von Quezaltepque nördlich der Hauptstadt San Salvador sei ein Streit innerhalb der Gang Barrio 18 gewesen, sagte ein Sprecher des Präsidialamtes am Samstagabend (Ortszeit). El Salvador gehört zu den gefährlichsten Ländern der Welt. Zuletzt waren dort binnen drei Tagen 125 Menschen ermordet worden. Zwischen Jänner und Juni wurden nach Regierungsangaben rund 3.300 Menschen ermordet, im Vorjahreszeitraum waren es noch knapp 2.200. Die Drogenbanden in El Salvador zählen rund 72.000 Mitglieder, davon sitzen etwa 13.000 im Gefängnis. Ehemalige Offiziere sollen in Spanien vor Gericht gestellt werden – Geistliche waren vor 26 Jahren getötet worden. San Salvador – In El Salvador sind vier ehemalige Armeeoffiziere festgenommen worden, die in Spanien wegen der Ermordung von sechs Jesuiten-Priestern vor 26 Jahren angeklagt sind. Wie die Polizei des zentralamerikanischen Landes am Samstag (Ortszeit) mitteilte, wurden der frühere Oberst Guillermo Alfredo Benavides und drei weitere Ex-Offiziere bereits am Freitag festgenommen. Über ihre Auslieferung an Spanien muss das Oberste Gericht El Salvadors entscheiden. Die vier Männer sind zusammen mit 13 weiteren Ex-Militärs angeklagt, im November 1989 während des Bürgerkriegs in El Salvador sechs Jesuiten-Priester in ihrem Haus auf dem Campus der Zentralamerikanischen Universität in der Hauptstadt San Salvador ermordet zu haben. Sie töteten zudem ihre Haushälterin und deren 16-jährige Tochter. Die Priester hatten sich für eine Ende des Bürgerkriegs eingesetzt, dem zwischen 1980 und 1991 rund 75.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Gewalttat hatte damals weltweit für Empörung gesorgt. Fünf der Jesuiten besaßen auch die spanische Staatsangehörigkeit. Im Mai 2011 hatte deshalb ein spanischer Richter Haftbefehl gegen insgesamt 20 ehemalige Armeeangehörige erlassen. Ihnen soll vor einem spanischen Gericht der Prozess gemacht werden. Drei der Angeklagten sind seitdem aber bereits verstorben. Neun der Soldaten waren bereits 1991 in El Salvador verurteilt worden, darunter auch der nun festgenommene Benavides. Der ehemalige Direktor der Militärakademie in San Salvador wurde zu 30 Jahren Haft verurteilt, kam wegen eines 1993 erlassenen Amnestiegesetzes für die Zeit des Bürgerkriegs aber wieder auf freien Fuß. Am Freitag hatte ein US-Gericht die Auslieferung eines weiteren Angeklagten an Spanien gebilligt. Es gebe im Antrag Spaniens hinreichende Beweise für die Schuld des früheren Vizeverteidigungsministers Inocente Montano Morales, erklärte eine Bundesrichterin im Bundesstaat North Carolina. Der 73-Jährige saß zuletzt in den USA wegen Einwanderungsbetrugs und Meineids in Haft. Seine Auslieferung muss noch von US-Außenminister John Kerry bestätigt werden, dies gilt jedoch als Formalität. Uno-Kommission wirft Präsident Pérez Molina und seiner ehemaligen Stellvertreterin vor, Millionen unterschlagen zu haben. Seit vier Monaten kommt es in Guatemala immer wieder zu Demonstrationen gegen die grassierende Korruption. Ermittlungen der Uno-Kommission gegen die Straffreiheit in Guatemala (CICIG) haben ergeben, dass höchste Regierungskreise in einen Skandal verwickelt sind. Anfang September werden ein Präsident und Parlament gewählt. Im Rahmen der wegen der verwendeten Telefonhotline La Linea genannten Affäre ersparten sich Importeure Einfuhrabgaben, indem sie hohe Beamte bestochen haben. Die Uno-Ermittler unter Führung des kolumbianischen Exstaatsanwalts Ivan Velásquez kamen nach fast 90.000 überwachten Telefonaten zu dem Schluss, dass es hinter den von den Beschuldigten mehrfach verwendeten Codenamen Nummer eins und Nummer zwei in Wirklichkeit Präsident Otto Pérez Molina und seine im Mai zurückgetretene Exstellvertreterin Roxana Baldetti stehen. Pérez erklärte am Sonntag in einer zuvor aufgezeichneten Fernsehansprache, er werde nicht zurücktreten, sondern sich mutig dem gesetzlichen Prozess stellen und unterwerfen. Ein Vorstoß zur Aufhebung seiner Immunität scheiterte kürzlich im Parlament. Am Wochenende waren vier Minister aus Protest gegen die Amtsführung des Präsidenten zurückgetreten, Baldetti sitzt seit Freitag in Untersuchungshaft. Mittlerweile sprechen sich sogar die römisch-katholische Kirche und der Unternehmerverband CACIF für einen umgehenden Rücktritt von Pérez aus. Der einflussreiche CACIF-Chef Jorge Briz erklärte am Samstag, angesichts der Korruptionsvorwürfe müsse sich der Präsident sofort der Justiz stellen. Bei dieser Gelegenheit richtete er auch eine Mahnung an Pérez´ mögliche Nachfolger: Alle Kandidaten, die am 6. September antreten, sollten sich bewusst sein, dass wir in Guatemala nicht noch mehr Straflosigkeit und Korruption mehr brauchen. Die CICIG wurde 2006 auf Ersuchen der damaligen guatemaltekischen Regierung ins Leben gerufen, um die örtlichen Behörden bei Ermittlungen zu unterstützen. Das Modell ist so erfolgreich, dass mittlerweile auch aus den Nachbarstaaten Mexiko, El Salvador und Honduras Rufe nach der Einrichtung einer ähnlichen Organisation kommen. Präsident Pérez wollte eine Verlängerung des Mandats der UN-Ermittler, das heuer ausgelaufen wäre, mit allen Mitteln verhindern. Er änderte seine Meinung erst, als US-Vizepräsident Joe Biden bei seinem Guatemala-Besuch im April erklärte, Hilfszahlungen an das mittelamerikanische Land würden nur erfolgen, wenn die CICIG weiterhin besteht. Eine im Mai dieses Jahres veröffentlichte CICIG-Studie kommt zu dem Schluss, dass die Finanzierung der meisten Parteien des Landes so undurchsichtig ist, dass diese damit außerhalb des Gesetzes stehen. Parlament hob Immunität von Staatsoberhaupt Otto Perez nach Korruptionsvorwürfen auf. Guatemala-Stadt – Wegen der Korruptionsermittlungen gegen den guatemaltekischen Präsidenten Otto Perez darf der Staatschef das Land nicht verlassen. Das habe ein Richter angeordnet, teilte die Generalstaatsanwaltschaft am Dienstagabend mit. Damit solle verhindert werden, dass sich der Präsident ins Ausland absetzt. Wenige Stunden zuvor hatte das Parlament die Immunität von Perez aufgehoben und damit den Weg für eine Strafverfolgung des Präsidenten freigemacht. Nach Einschätzung der Ermittler stand Perez an der Spitze des Korruptionsringes La Linea, der im Zollwesen hohe Beträge unterschlagen haben soll. Die frühere Vizepräsidentin Roxana Baldetti sitzt wegen des Falls bereits in Untersuchungshaft. In einer historischen Sitzung hob der Kongress die Immunität des Ex-Generals auf. Er soll der Kopf eines Korruptionsnetzes gewesen sein. Puebla – Erstmals muss sich in Guatemala ein amtierender Präsident wegen Korruptionsvorwürfen vor Gericht verantworten. Als der Kongress am Dienstagabend einstimmig die Immunität von Otto Pérez aufhob, brach auf den Straßen der Hauptstadt Jubel aus. Der General a. D., der seit Monaten am Pranger steht und noch am Montag einen Rücktritt verweigert hatte, könnte sogar im Gefängnis landen, so wie seine Vizepräsidentin Roxana Baldetti. Vorerst bleibt er allerdings weiter im Amt, darf das Land aber nicht verlassen. Fünf Tage vor der Präsidentschaftswahl (mehr dazu in der Wahlvorschau von Bert Eder) erreicht die im April begonnene Krise um einen Korruptionsskandal in der Zollbehörde damit ihren vorläufigen Höhepunkt. Sie hat über Monate hinweg zu nie dagewesenen Massendemonstrationen geführt. Armee ließ Pérez fallen Es ist ein historischer Tag für Guatemala, sagte der Abgeordnete Amilcar Pop von der Indigena-Partei Winaq. Die Bürger haben den Politikern eine wunderbare Lektion erteilt, und das Militär hat das respektiert. Zuletzt hatte sich Pérez nur noch auf die Loyalität der Streitkräfte gestützt, nachdem ihm die Kirche, die US-Botschaft, die Medien und die Unternehmer die kalte Schulter gezeigt hatten. Nun könne die Justiz unbehindert ihren Lauf nehmen und Reformkräfte die nötigen Veränderungen angehen. Guatemalas Geschichte ist geprägt von Militärdiktaturen und Bürgerkrieg. Auch der Friedensvertrag von 1996 erfüllte die Hoffnung auf Fortschritt nicht. Korruption und Gewaltkriminalität unterhöhlten die demokratischen Institutionen. Zoll und Gebühren Tausende waren vor der entscheidenden Sitzung vor das Kongressgebäude geeilt und hatten zusammen mit der Polizei einen Korridor für die Abgeordneten freigehalten, damit sie trotz der von Pérez-Anhängern organisierten Blockade in den Sitzungssaal gelangten. 26 Abgeordnete der Regierungspartei und der zweitgrößten Partei Lider blieben der Sitzung fern. Die 132 anwesenden Abgeordneten trafen die Entscheidung aufgrund von Beweisen der UN-Kommission gegen Straffreiheit (CICIG), darunter auch Audioaufzeichnungen, in denen die Struktur des Mafianetzwerks aufgedeckt wurde, das vom Büro der inhaftierten Vizepräsidentin Baldetti aus koordiniert wurde. Pérez wusste offenbar davon und hatte mehrere Schlüsselposten mit Vertrauensleuten besetzt. Importeure nahmen per Telefon mit dem Netzwerk Verbindung auf. Der Warenwert ihrer Importe wurde dann im Zoll gesenkt, die Steuern reduzierten sich drastisch. Im Gegenzug wurden Gebühren fällig. Schätzungen zufolge verdiente das Netzwerk wöchentlich 150.000 US-Dollar. Den Schaden hatte der Staat, der ohnehin zu den ärmsten des Kontinents gehört und entsprechend wenig in Gesundheit, Bildung und Infrastruktur investiert. Es war der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Hunderttausende gingen seit der Aufdeckung des Skandals im April auf die Straßen und forderten ein Großreinemachen und politische Reformen. Wie es nun weitergeht, ist unklar. Die in Umfragen führenden Präsidentschaftskandidaten sind entweder diskreditierte Persönlichkeiten wie Manuel Baldizón von der rechtspopulistischen Partei Lider und Ex-Präsidentengattin Sandra Torres oder politische Neulinge wie der Komiker Jimmy Morales. Auch gegen zahlreiche Kandidaten auf Parlamentssitze und Rathäuser laufen Korruptionsermittlungen. Der Wahlkampf wird der CICIG zufolge zu 50 Prozent mit abgezweigten Korruptionsgeldern finanziert, zu 25 Prozent mit Drogengeldern und zu weiteren 25 Prozent mit Wahlkampfspenden von Unternehmern, die Regierungsaufträge erhalten. Die ganze demokratische Fassade bröckelt, sagt der Soziologe Bernardo Arévalo. Die aus diesen Wahlen hervorgehende Regierung hat nur wenig Legitimität, aber jetzt müssen Wege gefunden werden, wie die Forderungen der Bürger nach mehr Transparenz umgesetzt werden in entsprechende Wahlrechts- und Parteienreformen. Dazu seien ein langer Atem und weiter viel Druck der Bürger nötig. Nach Erlass von Haftbefehl – Früherem General wird massive Korruption vorgeworfen. Guatemala-Stadt – In der Korruptionsaffäre in Guatemala ist Staatschef Otto Pérez am Donnerstag zurückgetreten. Pérez habe die Entscheidung getroffen, um auf die Maßnahmen gegen ihn reagieren zu können, sagte sein Sprecher Jorge Ortega. Kurz zuvor war gegen Pérez Haftbefehl erlassen worden. Mit dem Rücktritt wolle Pérez auf individuelle Weise auf die Schritte gegen ihn reagieren, sagte Ortega. Zuvor hatte Pérez Anwalt César Calderón bereits angekündigt, dass sich der Staatschef stellen und mit den Ermittlern zusammenarbeiten werde. Parlament hatte Immunität aufgehoben Die Staatsanwaltschaft hatte mitgeteilt, dass Pérez seine Amtsvollmachten verliere, sobald Untersuchungshaft angeordnet werde. Das Parlament hatte am Dienstag die Immunität des konservativen Politikers aufgehoben und damit den Weg für eine Strafverfolgung freigemacht. Pérez wird von der Staatsanwaltschaft und UN-Ermittlern beschuldigt, einer der führenden Köpfe eines Korruptionsnetzwerks beim Zoll gewesen zu sein. Gegen Schmiergelder sollen Importeuren Zollabgaben in Millionenhöhe erlassen worden sein. Seit April verlangten Demonstranten bei wöchentlichen Massenprotesten seinen Rücktritt. Pérez beharrte aber darauf, bis zum Ende seiner Amtszeit Mitte Jänner im Amt zu bleiben. Bei der am Sonntag bevorstehenden Präsidentschaftswahl durfte Pérez aus verfassungsrechtlichen Gründen ohnehin nicht wieder antreten. Nach Auszählung von einem Fünftel der Wahllokale ist der nationalistische Komiker Jimmy Morales mit 25 Prozent am ersten Platz. Guatemala-Stadt – Offenbar als Folge des Korruptionsskandals um Guatemalas Ex-Staatschef Otto Perez hat ein Politik-Neuling die erste Runde der Präsidentschaftswahl in dem zentralamerikanischen Land gewonnen. Nach Auszählung von knapp einem Drittel der abgegebenen Stimmen lag der Fernsehkomiker Jimmy Morales am Sonntag bei einem Stimmenanteil von 25,82 Prozent, so das Oberste Wahlgericht in Guatemala-Stadt. Damit dürfte der 46-jährige Politikneuling von der nationalistischen Partei FCN-Nacion am 25. Oktober in die Stichwahl gegen den Unternehmer Manuel Baldizon gehen. Der 45-jährige Kandidat der konservativen Partei Demokratische Freiheit (Lider) kam den vorläufigen Angaben zufolge auf 19,69 Prozent. 14 Kandidaten Mehr als 7,5 Millionen Wähler waren aufgerufen, sich an der Wahl des neuen Staatsoberhauptes zu beteiligen. Insgesamt 14 Kandidaten stellten sich zur Wahl. Neben dem Präsidenten wählten die Guatemalteken 158 Kongressabgeordnete, 338 Bürgermeister und 20 Abgeordnete des Mittelamerikanischen Parlaments, das länderübergreifend für die ganze Region zuständig ist. Morales gilt in der Bevölkerung als Alternative zu den etablierten Politikern. Das Vertrauen der Guatemalteken in ihre Politiker ist tief erschüttert. Erst am Donnerstag war der im Mittelpunkt eines Korruptionsskandals stehende bisherige Staatschef Perez zurückgetreten und in Untersuchungshaft genommen worden. Staatsanwaltschaft und UN-Ermittler beschuldigen ihn, ein führender Kopf eines Korruptionsnetzwerks zu sein. Dieses soll Importfirmen gegen Schmiergelder Einfuhrzölle in Millionenhöhe erlassen haben. Der nationalistische Komiker und Politneuling Jimmy Morales landete in der ersten Runde der Präsidentschaftswahlen in Guatemala auf dem ersten Platz. Er galt als Überraschungskandidat mit Potenzial, jetzt geht er als Führender in die Stichwahl um das Amt des Staatspräsidenten Guatemalas. Jimmy Morales, Schauspieler, Regisseur und Produzent, ist politisch ein nahezu unbeschriebenes Blatt. Und gerade das ist das Geheimnis seines Erfolgs. Er sei weder korrupt noch ein Dieb, ließ er als Slogan affichieren und trifft damit den Punkt. Kaum ein Politiker in Guatemala kann überzeugend von sich behaupten, eine weiße Weste zu haben, der Großteil der Mittel der Parteien kommt laut der UN-Kommission gegen Straffreiheit in Guatemala (CICIG) aus der Korruption. Gegen Manuel Baldizón, der lange Zeit die Umfragen im Präsidentschaftswahlkampf anführte und der nun als Herausforderer gegen Morales in die Stichwahl geht, laufen Korruptionsermittlungen. Guatemalas Ex-Präsident Otto Pérez Molina sitzt wegen einer Korruptionsaffäre seit wenigen Tagen in Untersuchungshaft. Morales, der für die kleine, nationalistische Partei FCN-Nación antritt und als studierter Betriebswirt mehrere Unternehmen gegründet hat, verspricht keine Wunder: Ich kann das Leben von Guatemala nicht ändern, aber ich kann versuchen, die Guatemalteken davon zu überzeugen, dass jede Person ihren Teil zur Verbesserung der Situation beitragen muss, betonte er im Wahlkampf. Dabei inszenierte er sich als Mann einfacher Herkunft, der sich hochgearbeitet hat. Als Spross einer Arbeiterfamilie aus Guatemala-Stadt habe er bereits als Bub Bananen und Secondhand-Kleidung auf lokalen Märkten verkauft, um seine Familie zu unterstützen. Mit seinem Bruder Sammy machte er später auch TV-Karriere. Seit 15 Jahren blödeln sich die beiden durch die erfolgreiche Comedy-Serie Moralejas. Sein komödiantisches Talent nützte Morales auch in Wahlkampfreden, seine TV-Erfahrung war ihm vor allem in Interviewsituationen von Vorteil. Als er in einem Interview des TV-Senders Canal Antigua von gleich sechs Interviewern befragt wurde, bewies er Eloquenz und Medienkompetenz, auch wenn seine politisches Programm abseits des Anti-Korruptions-Aspekts kaum Konturen aufwies. Politisch steht Morales rechts, er unterstützt die Todesstrafe und ist gegen die Legalisierung von Abtreibung. Den Völkermord an der indigenen Bevölkerungsgruppe der Ixi während des guatemaltekischen Bürgerkriegs leugnet Morales. Den militärischen Hintergrund der Gründungsmitglieder seiner Partei spielt er herunter. Alles dies sind Themen, über die Morales, der 2011 als Politiker debütierte, als er sich erfolglos um das Amt des Bürgermeisters von Mixco bewarb, nicht gerne spricht. Lieber kehrt Morales den Anti-Establishment-Mann mit Saubermann-Image hervor. Das ist es auch, was seine meist urbane und gebildete Wählerschaft von ihm hören will. Am Wahlabend versprach Morales erneut, für mehr Transparenz in der öffentlichen Verwaltung sorgen zu wollen. Sollte er am 25. Oktober tatsächlich als Sieger aus der Stichwahl gegen Oppositionskandidat Manuel Baldizón hervorgehen, kann er endlich erstmals politische Erfahrung sammeln – als Staatsoberhaupt von Guatemala. (7.9.2015) Mehr als 25 Wahllokale wegen Zusammenstößen geschlossen – Äußerst niedrige Wahlbeteiligung bei erstem Urnengang seit 2011. Port-au-Prince – Überschattet von einigen Zwischenfällen ist in Haiti mit fast vierjähriger Verzögerung ein neues Parlament gewählt worden. Wie die Polizei mitteilte, wurden am Sonntag in dem Karibikstaat 26 Wahllokale wegen gewaltsamer Zwischenfälle geschlossen. Außerdem öffneten einige Wahllokale mit deutlichen Verspätungen. Es wurde mit einer Wahlbeteiligung von gerade einmal 15 Prozent gerechnet. Die EU-Wahlbeobachtermission zog dennoch eine überwiegend positive Bilanz. 5,8 Millionen registrierte Wahlberechtigte waren am Sonntag aufgerufen, sämtliche Abgeordneten und zwei Drittel der Mitglieder des Senats neu zu bestimmen. Um die 139 Parlamentsposten bewarben sich 128 registrierte Parteien und mehr als 1800 Kandidaten. Laut Umfragen vor der Parlamentswahl wollten sich nur 15 Prozent der Stimmberechtigten an dem Urnengang beteiligen. Bis Ende des Jahres sollen in Haiti unter anderem noch Kommunal- und Präsidentschaftswahlen stattfinden. Nach Angaben politischer Parteien wurden zwei Menschen getötet. Die Vorsitzende der Partei Fusion, Edmonde Supplice Beauzile, verkündete am Montag den Tod des Sohnes eines ihrer Anhänger in der Stadt Savanette im Zentrum Haitis. Angaben zu den Umständen des Todes machte sie nicht. Die Ex-Senatorin und derzeitige Präsidentschaftskandidatin sagte weiter, dass überdies zwei ihrer Parteimitglieder verletzt worden seien. Die Partei des haitianischen Präsidenten Michel Martelly, PHTK, teilte derweil mit, dass einer ihrer Unterstützer im Norden Haitis erschossen worden sei. Die Polizei nannte keine konkreten Zahlen zu Opfern am Tag der Wahl. Sie teilte mit, es seien mehr als 130 Menschen festgenommen und 23 Waffen sichergestellt worden. Der Sprecher der nationalen Polizei, Frantz Lerebours, teilte am Nachmittag (Ortszeit) mit, landesweit seien 26 Wahllokale wegen gewaltsamer Zwischenfälle in den Wahllokalen oder ihrer Umgebung geschlossen worden. In Port-au-Prince waren bereits am Vormittag mindestens drei Wahllokale verwüstet worden. Im Departement Savanette im Zentrum des Landes seien drei Wahllokale in Brand gesteckt worden, erklärte die Chefin der Oppositionspartei Fusion, Edmonde Supplice Beauzile. Landesweit öffneten zahlreiche Wahllokale mit Verspätung. In Haiti hat jeder Kandidat das Recht, Beobachter in die Wahllokale seines Wahlkreises zu entsenden. Angesichts der Vielzahl der Kandidaten gab es allerdings vielerorts nicht genügend Platz für die Beobachter und daher Streit um die Ablösung der jeweiligen Beobachter. Wegen der Verzögerungen blieben einige Wahllokale ausnahmsweise länger geöffnet. Der Sprecher der Wahlkommission, Richardson Dumel, sagte, die Verzögerungen zu Beginn der Wahl würden im Laufe des Tages aufgeholt. Die Chefin der EU-Wahlbeobachtermission, Elena Valenciano, sagte AFP: Auch wenn es Zwischenfälle in einigen Wahllokalen gab, korrigieren die Probleme sich. Das Europaparlament erklärte mit Blick auf die sich abzeichnende extrem niedrige Wahlbeteiligung, nötig sei ein Appell an die Haitianer, ihr Wahlrecht auszuüben, um die Zukunft ihres Landes zu bestimmen. Wegen eines tiefen Zerwürfnis zwischen Haitis Staatschef Michel Martelly und der Opposition wurden seit 2011 keine Wahlen mehr abgehalten. Seit der Auflösung des Parlaments im Jänner gab es keine Volksvertretung. Der monatelange Wahlkampf war von Gewalt überschattet. Das Nationale Netzwerk für die Verteidigung der Menschenrechte (RNDDH) sprach von einem Klima des Terrors und listete in einem Bericht die schlimmsten Vorfälle auf. Darunter waren neun bewaffnete Zusammenstöße, fünf Morde und zwei versuchte Morde, sieben durch Schüsse, zwei durch Messerstiche und 17 durch Steinwürfe verletzte Menschen sowie zehn Prügelfälle. Haitis Wahlgesetz sieht vor, dass niemand Teilergebnisse von Wahlen publik machen darf, bevor nicht die Wahldokumente überprüft wurden und die Wahlkommission die Ergebnisse veröffentlicht hat. Erste Ergebnisse der Parlamentswahl werden demnach erst am 19. August bekanntgegeben, die Endergebnisse sollen am 8. September vorliegen. Haiti ist das ärmste Land Amerikas. Es leidet immer noch unter den Folgen des verheerenden Erdbebens vom Jänner 2010, durch das mehr als 250.000 Menschen ums Leben kamen und nachhaltige Zerstörungen an der Infrastruktur des Karibikstaates angerichtet wurde. 'Haiti wartet sechs Jahre nach dem verheerenden Erdbeben immer noch auf den Entwicklungsschub. Port-au-Prince/Puebla – Stabilität sollten die diesjährigen Wahlen bringen, stattdessen stürzten sie Haiti wieder einmal derart ins Chaos, dass die für gestern, Sonntag, geplante Stichwahl bis auf weiteres verschoben wurde. Fast sechs Jahre nach dem schweren Erdbeben ist die Infrastruktur der karibischen Halbinsel zwar wieder einigermaßen aufgebaut – doch der Entwicklungsschub, den der Wiederaufbaukoordinator, Ex-US-Präsident Bill Clinton, versprochen hatte, ist ausgeblieben. Von Demokratie und Rechtsstaat ist das Land weit entfernt. Die internationale Gemeinschaft, allen voran die USA, tragen dafür mindestens so viel Verantwortung wie die haitianische Elite. Wahlen, Wahltermine und Wahlrat sind in Haiti drei Synonyme für politische Krisen. Die Macht zwischen den vielen Clans neu aufzuteilen ist jedes Mal ein Schlachtfest. Der nach dem Sturz von Diktator Jean-Claude Duvalier 1986 geschaffene Wahlrat ist provisorisch – weil sich die Parlamentsfraktionen nie auf eine endgültige Besetzung einigen konnten. Das Parlament ist zersplittert, die nach französischem Vorbild entworfenen Institutionen blockieren sich gegenseitig, und politische Konflikte werden regelmäßig auf der Straße ausgetragen. Wegen Streitereien zwischen dem rechtsliberalen Präsidenten Michel Martelly und der Opposition fanden von 2011 bis 2015 gar keine Wahlen statt Wahl des Nachfolgers von Staatschef Martelly wegen Boykottdrohungen zum zweiten Mal aufgeschoben – EU besorgt über Gewalteskalation. Port-au-Prince – Nach der Absage der umstrittenen Präsidenten-Stichwahl in Haiti haben Tausende Menschen den Rücktritt von Staatschef Michel Martelly gefordert. Die Demonstranten forderten am Freitagabend (Ortszeit) in der Hauptstadt Port-au-Prince auch gewaltsam die Auflösung des Provisorischen Wahlrats CEP. Die Wahlbehörde hatte zuvor zum zweiten Mal innerhalb eines Monats die Stichwahl um das Präsidentenamt zwischen dem Regierungskandidaten Jovenel Moise und dem Oppositionellen Jude Celestin wegen Boykottdrohungen auf unbestimmte Zeit aufgeschoben. Die Abstimmung in dem karibischen Krisenstaat wird seit Wochen von Betrugvorwürfen überschattet. Bei den Protesten kam nach Medienberichten ein Mensch ums Leben. Die Opposition hatte sich geweigert, den für diesen Sonntag geplanten Urnengang anzuerkennen und zum Boykott aufgerufen. Sie wirft den Wahlbehörden Manipulation zugunsten des Regierungskandidaten Jovenel Moise beim ersten Wahldurchgang Ende Oktober vor. Die Stichwahl war Ende Dezember schon einmal verschoben worden. Toter Die Wahlbehörden verwiesen diesmal auf die kritische Lage wegen der seit Tagen anhaltenden Proteste. Trotz der Maßnahme kam es in Port-au-Prince zu schweren Ausschreitungen. Im Stadtteil Petion-Ville wurde einem Bericht zufolge eine Person von aufgebrachten Demonstranten zu Tode geprügelt. Wann die Stichwahl nun nachgeholt werden könnte, ist unklar. Präsident Martelly scheidet offiziell Anfang Februar nach fünf Jahren aus dem Amt. Die EU äußerte sich besorgt über die Lage. Es sei nun entscheidend, die Gewalt zu stoppen, teilte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini mit. Auch müssten sich alle Akteure engagieren, um den Wahlprozess erfolgreich zu Ende zu bringen. Der Oppositionskandidat Celestin weigert sich, die Wahlergebnisse der ersten Wahlrunde vom 25. Oktober zu akzeptieren. Nach den offiziellen Ergebnissen hatte der als Regierungskandidat angetretene Unternehmer Moise damals die meisten Stimmen erhalten (32,8 Prozent). Celestin landete mit 25,2 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Der Senatspräsident führt die Regierung bis zur regulären Präsidentenstichwahl. Port-au-Prince – In Haiti ist nach langer Debatte der bisherige Senatspräsident Jocelerme Privert vom Parlament zum Übergangspräsidenten gewählt worden. Der 62-Jährige wurde in der Nacht auf Sonntag im zweiten Wahlgang von den Abgeordneten zum interimistischen Staatschef gewählt. Der bisherige Präsident Michel Martelly war vor einer Woche nach Ende seiner Amtszeit ohne Nachfolger abgetreten, nachdem die zweite Runde der Präsidentenwahl im Streit um Fälschungsvorwürfe auf unbestimmte Zeit vertagt werden musste. Kurz vor seinem Ausscheiden aus dem Amt hatte Martelly mit den Präsidenten der beiden Parlamentskammern vereinbart, dass das Parlament einen Übergangspräsidenten wählen soll. Privert soll das Land nun führen, bis die Präsidentschaftswahl abgehalten werden kann. Der Senatspräsident galt als einer der Favoriten bei der Abstimmung, die Debatte über die Wahl zog sich aber die ganze Nacht hin, nachdem der erste Wahlgang keine Entscheidung zwischen Privert und dem früheren Senatspräsidenten Edgard Leblanc Fils gebracht hatte. In der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 25. Oktober hatte der Regierungskandidat Jovenel Moise mit 32,7 Prozent den ersten Platz erreicht. Der Oppositionskandidat Jude Celestin, der mit 25,3 Prozent Zweiter wurde, warf der Regierung Wahlfälschung vor und sprach von einer lächerlichen Farce. Die ursprünglich für den 27. Dezember geplante Stichwahl wurde zunächst auf den 24. Jänner verschoben, dann aber mangels Einigung mit der Opposition erneut vertagt. Trauernde fordern nach Tod von Berta Caceres Gerechtigkeit. Tegucigalpa – Nach dem gewaltsamen Tod der honduranischen Umweltaktivistin Berta Caceres sind am Samstag tausende Menschen zu ihrer Beerdigung zusammengeströmt. Die Trauernden kamen aus verschiedenen Landesteilen in Caceres Geburtsort La Esperanza, 200 Kilometer nordwestlich der Hauptstadt Tegucigalpa. Sie riefen Gerechtigkeit, Gerechtigkeit und Berta lebt. Der Kampf geht weiter. Bereits am Freitag hatten bei einer Gedenkfeier für Caceres in Tegucigalpa mehr als tausend Menschen Gerechtigkeit gefordert. Caceres war am Donnerstag von Unbekannten in La Esperanza erschossen worden. Die Tat wurde auch von der UNO, den USA, Umweltaktivisten sowie Hollywood-Star Leonardo DiCaprio verurteilt. Die 43-jährige Caceres hatte als Koordinatorin der Indigenen-Organisation COPINH gegen ein Staudammprojekt am Rio Gualcarque im nordwestlichen Departamento Santa Barbara gekämpft. Durch den Stausee würden große landwirtschaftliche Flächen überschwemmt und hunderte Angehörige ihrer Lenca-Ethnie vom Wasser abgeschnitten. Die vierfache Mutter war wegen ihres Engagements gegen den Staudamm wiederholt mit dem Tode bedroht worden. Laut ihrer Organisation erhielten auch andere Mitarbeiter Morddrohungen von Männern, die nach eigenen Angaben im Auftrag des Konzerns Desa handelten, der den Staudamm errichtet. Auch das Militär, die Polizei und der örtliche Bürgermeister hätten Caceres gedroht, teilte die Organisation mit. Caceres Bruder Gustavo sagte der Nachrichtenagentur AFP, am Donnerstag seien zwei vermummte Angreifer durch die Hintertür in das Haus eingedrungen, in dem seine Schwester geschlafen habe. Durch den Lärm aufgewacht habe sie sich den beiden Eindringlingen entgegengestellt. Diese hätten ihr einen Arm und ein Bein gebrochen und dann mindestens acht Mal auf sie geschossen, berichtete Gustavo Caceres. Seine Schwester war demnach erst vor zwei Monaten aus dem Haus ihrer Mutter ausgezogen. Jetzt verstehen wir, dass es eine Form war, ihre Familie zu schützen. Berta Caceres war Anfang März in ihrem Haus erschossen worden.. Tegucigalpa – Nach dem Mord an der prominenten honduranischen Umweltschützerin Berta Caceres sind vier Verdächtige festgenommen worden. Die Männer seien am Montag bei Razzien in verschiedenen Städten des mittelamerikanischen Landes gefasst worden, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Caceres war Anfang März in ihrem Haus erschossen worden. Die Aktivistin setzte sich seit Jahren für die Rechte der Lenca-Indianer ein und kämpfte gegen Staudämme und Bergwerke in deren Siedlungsgebieten. Am Bau des umstrittenen Wasserkraftwerks Agua Zarca ist auch die deutsche Firma Voith beteiligt. Medienberichten zufolge sind unter den Festgenommenen ein aktiver Soldat, ein Ex-Militär und ein Mitarbeiter des Unternehmens Desa, das den Staudamm Agua Zarca baut. Angehörige und Kollegen von Caceres hatten zuvor die Firma für den Anschlag auf die Umweltschützerin verantwortlich gemacht. Human Rights Watch erhebt schwere Vorwürfe gegen Militärjustiz und fordert USA auf, Hilfsgelder einzufrieren. Über 3.000 kolumbianische Zivilisten haben Soldaten zwischen 2002 und 2008 ermordet, um die Leichen als gefallene Guerilla-Kämpfer zu präsentieren. Die Opfer, oft Bewohner armer Stadtteile, wurden mit falschen Versprechungen in Hinterhalte gelockt, den Getöteten drückte man Waffen in die Hand und zog ihnen abgetragene Militäruniformen an, um den Eindruck zu erwecken, sie seien bei Kampfhandlungen ums Leben gekommen. Die Soldaten, die die Morde begingen, wurden mit Sonderurlaub und Geldprämien belohnt. Vorgesetzte stellten Quoten auf, wie viele Subversive jede Einheit im Monat töten sollte, Verhaftungen wurden für diese Statistik nicht akzeptiert. Im Jahr 2008 deckten kolumbianische Medien auf, dass 19 junge Männer aus Soacha, einer Vorstadt Bogotás, verschwunden und nur wenige Tage danach an der Grenze zu Venezuela als Guerillakämpfer gefallen waren. Der Skandal kostete General Mario Montoya seinen Job als Oberkommandierender der kolumbianischen Streitkräfte – belangt wurden aber bis heute weder er noch andere hochrangige Militärs. Die über 800 Urteile, die bisher wegen der in Kolumbien Falsos Positivos genannten Fälle gesprochen wurden, betrafen fast ausschließlich einfache Soldaten, berichtet die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch in einem aktuellen Bericht. Schon zuvor war den Ermittlern aufgefallen, dass die von der Armee beschriebenen Gefechte so nicht stattgefunden haben konnten: So behaupteten die Militärs laut internen Untersuchungsdokumenten in einem Fall, man habe 200 Magazine Munition und 16 Granaten benötigt, um einen mit einem Revolver bewaffneten Angreifer zu stoppen. Human Rights Watch nennt explizit die Generäle Juan Pablo Rodríguez, derzeit Oberkommandierender der Streitkräfte, und Armeechef Jaime Laspilla als Tatverdächtige. Als sie im Bürgerkriegsgebiet eingesetzt waren, töteten ihnen unterstellte Einheiten zumindest 76 Zivilisten. Angaben der kolumbianischen Staatsanwaltschaft zufolge laufen Ermittlungen gegen insgesamt zwölf Generäle. Anklage wurde allerdings bisher in keinem dieser Fälle erhoben. Am Dienstag ordnete Oberstaatsanwalt Eduardo Montealegre an, dass vier pensionierte Generäle, darunter Ex-Armeekommandant Mario Montoya, zu den Vorwürfen aussagen müssen. Als besonders besorgniserregend sieht Human Rights Watch, dass die kolumbianische Regierung Belastungszeugen keinen ausreichenden Schutz gewährleistet: So wurde der Soldat Nixon de Jesus Cárcamo im Vorjahr in einem Militärgefängnis ermordet. Elf Tage zuvor hatte er den Ermittlern erklärt, dass er um sein Leben fürchte, weil er gegen seine Vorgesetzten ausgesagt hatte. Ein Jahr zuvor wurde die Frau eines Soldaten, der seine Aussage gegen einen Offizier nicht widerrufen wollte, von Unbekannten vergewaltigt. Schwere Vorwürfe erheben die Menschenrechtler gegen die kolumbianische Militärjustiz, die trotz Anordnung des Obersten Gerichtshofes weiterhin den Großteil der Falsos Positivos-Fälle behandelt. So sollen Militärrichter Angeklagten geholfen haben, Beweise zu unterdrücken und an der Manipulation von Tatorten beteiligt gewesen sein. Von 2008 bis 2010 war Oberst Édgar Emilio Ávial Doria für die Militärgerichte verantwortlich. Mittlerweile wurde gegen ihn selbst ein Haftbefehl ausgestellt, weil er von 2005 bis 2007 ein Bataillon kommandierte, das für zahlreiche Falsos Positivos verantwortlich sein soll. Das Militär sträubt sich, Verdächtige an zivile Gerichte auszuliefern. Ein von der Zeitschrift Semana veröffentlichtes Telefonat des damaligen Oberkommandierenden vom Dezember 2012 dokumentiert, dass man angeklagten Offizieren sogar zusagte, ihre Fälle würden bald von zivilen an Militärgerichte verlegt. Präsident Juan Manuel Santos, der von 2006 bis 2009 Verteidigungsminister war, entließ wegen des Falsos Positivos-Skandals drei Generäle und mehrere andere hochrangige Militärs. Er gibt an, die Ermittlungen gegen die Militärs zu unterstützen. Allerdings war es seine Regierung, die die kolumbianische Verfassung ändern wollte, um Menschenrechtsverletzungen generell unter die Militärgerichtsbarkeit zu stellen. Erst im April dieses Jahres wurden die umstrittensten Reformvorschläge zurückgezogen. In dem Human-Rights-Watch-Bericht wird die US-Regierung aufgefordert, einen Teil der Militärhilfe für Kolumbien, die eigentlich an Fortschritte im Menschenrechtsbereich gebunden wäre, einzustellen. Auch US-Politiker wie der demokratische Senator Patrick Leahy äußerten Bestürzung über die Vorwürfe. Ein Waffenstillstandsangebot der FARC-Guerilla lehnte Innenminister Juan Fernando Castro sagte am Dienstag ab. Präsident Santos ordnete an, die Offensive gegen die Guerilla auszuweiten, nachdem beim Abschuss eines Militärhubschraubers vier Soldaten ums Leben gekommen waren. (Bert Eder, 25.6.2015) Militäroperationen und Angriffe von Aufständischen sollen enden. Havanna – Erstmals seit Beginn ihrer Friedensverhandlungen mit der FARC-Guerilla vor knapp drei Jahren hat die kolumbianische Regierung eine Verringerung ihrer Militäreinsätze gegen die Rebellen zugesagt. Beide Seiten einigten sich auf eine viermonatige Deeskalation ihres Konflikts ab dem 20. Juli, wie die Garantiestaaten der Friedensverhandlungen, Norwegen und Kuba, am Sonntag in Havanna mitteilten. Zuvor hatten die FARC-Rebellen bereits eine einmonatige einseitige Waffenruhe ausgerufen. Die kolumbianische Regierung werde einen Prozess der Deeskalation der Militäreinsätze in Gang setzen, hieß es in einer gemeinsamen Erklärung, die der norwegische Diplomat Dag Nylander verlas. In einem weiteren Teil der Erklärung, der von dem kubanischen Diplomaten Rodolfo Benítez verlesen wurde, hieß es, die beiden Konfliktparteien hätten beschlossen, alle notwendigen Anstrengungen zu unternehmen, um ohne Verzögerung die Unterzeichnung einer abschließenden Vereinbarung herbeizuführen. Gemeint ist ein dauerhafter beiderseitiger Waffenstillstand. Die Verhandlungspartner wollen die UNO und die Union Südamerikanischer Nationen (UNASUR) bitten, sich an der Überwachung der Deeskalation zu beteiligen. Am Mittwoch hatten die FARC-Rebellen eine Waffenruhe ab Montag kommender Woche angekündigt. Ab diesem Tag will nun auch die kolumbianische Regierung ihre Militäreinsätze einschränken. Der kolumbianische Staatschef Juan Manuel Santos sagte in Bogotá, seine Regierung werde genau beobachten, ob die FARC-Rebellen ihre Zusagen einhielten. Davon hänge ab, ob seine Regierung in vier Monaten die Fortsetzung der Friedensverhandlungen befürworte. Zugleich begrüßte Santos die Fortschritte. Er sehe nun deutlich das Licht am Ende des Tunnels und das erfüllt mich mit Vertrauen und Hoffnung, sagte der Staatschef. Der FARC-Verhandlungsführer, Iván Márquez, erklärte, die Vereinbarung sei ein ein starker, viel versprechender und hoffnungsvoller Neustart. Der kolumbianische Verhandlungsführer Humberto de la Calle erklärte, mit der Vereinbarung einer Deeskalation solle das Vertrauen der Kolumbianer in den Friedensprozess gestärkt werden. Auch wenn die Regierung ihre Militäreinsätze gegen die Rebellen zurückfahre, werde sie weiterhin die Bevölkerung beschützen. Die kolumbianische Regierung und die FARC-Rebellen führen seit November 2012 Friedensgespräche in Havanna. Bei den Verhandlungen gab es bereits in drei von sechs Punkten Einigungen zwischen beiden Seiten, zuletzt wurden aber kaum noch Fortschritte erzielt. Die Rebellen hatten bereits im Dezember eine einseitige Waffenruhe ausgerufen, töteten im April jedoch in einem Hinterhalt elf Soldaten. Staatschef Santos ordnete daraufhin eine Wiederaufnahme der Luftangriffe auf mutmaßliche Stellungen der Rebellen an. Diese weiteten ihrerseits die Angriffe auf Sicherheitskräfte aus. Ende Mai beendete die FARC-Guerilla die einseitige Waffenruhe offiziell. Die Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) kämpfen seit einem halben Jahrhundert gegen den Staat und Großgrundbesitzer. In dem längsten Konflikt Lateinamerikas wurden bei Kämpfen zwischen linken Guerilleros, rechten Paramilitärs, Drogenkartellen und den staatlichen Sicherheitskräften etwa 220.000 Menschen getötet und mehr als sechs Millionen weitere aus ihren Häusern vertrieben. Zahnproben bestätigten Identität von Victor Navarro alias "Megateo". Bogota – Der seit langem gesuchte Boss der kolumbianischen Guerillagruppe Ejercito Popular de Liberacion (EPL) ist am Freitag getötet worden. Megateo gefallen. Großer Schlag, Glückwunsch, teilte Präsident Juan Manuel Santos bei Twitter mit. Victor Navarro alias Megateo sei tief in den Drogenhandel verwickelt und im Nordosten an der Grenze zu Venezuela bei einer von Bombardements begleiteten Operation von Polizei und Militär getötet worden. Zahnproben hätten die Identität bestätigt. Das sei der größte Schlag gegen den Drogenhandel seit Jahren und für die Streitkräfte der größte Erfolg seit dem Tod des damaligen Chefs der FARC-Rebellen, Alfonso Cano, im November 2011, bilanzierte die Zeitung El Tiempo. Die bereits Ende der 60er-Jahre gegründete EPL hatte zuletzt nur noch wenige Kämpfer und konzentrierte sich auf kriminelle Geschäfte. Bei den FARC übernahm nach Canos Tod der heutige Anführer Rodrigo Londono, alias Timochenko das Kommando. Mit den FARC, der größten und ältesten Rebellengruppe Kolumbiens, plant Santos einen Friedensvertrag bis März 2016. Gelingt dies auch mit der zweiten, noch nennenswert aktiven Gruppe, den ELN, könnte der über 50 Jahre andauernde Konflikt in Kolumbien dauerhaft befriedet werden. Im Rahmen einer Sonderjustiz soll es für geständige FARC-Kämpfer auch für schwere Verbrechen eine Höchststrafe von maximal acht Jahren Haft geben. Der Guerilla in Kolumbien werden vielerorts Verstrickungen in den Drogenhandel vorgeworfen, der einstige ideologische Kampf etwa für marxistisch-leninistische Ziele spielt kaum noch eine Rolle. Rebellenvertreter sollen mindestens zwei Legislaturperioden lang im Kongress und in Landes- sowie Gemeinderregierungen sitzen. Havanna – Die kolumbianische Guerillaorganisation Farc verlangt garantierte Mandate im Parlament. Als Bedingung für die Umwandlung in eine politischen Partei sei es erforderlich, dass Rebellenvertretern mindestens zwei Legislaturperioden lang Sitze im Kongress und in Landes- sowie Gemeinderregierungen direkt zugeteilt werden. Außerdem forderte Farc-Sprecherin Victoria Sandino am Samstag eine Garantie, dass keine Mitglieder der Guerillagruppe ans Ausland ausgeliefert werden. Seit November 2012 verhandelt die kolumbianische Regierung mit der Farc über eine Beilegung des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts. Bis März 2016 soll ein Friedensvertrag unterzeichnet werden. US-Außenminister versucht, in den festgefahrenen Friedensverhandlungen zu vermitteln. Havanna – Am Rande des historischen Besuchs von US-Präsident Barack Obama in Kuba haben die Vereinigten Staaten versucht, in den festgefahrenen kolumbianischen Friedensverhandlungen vermitteln. Außenminister John Kerry traf am Montag die Unterhändler der kolumbianischen Regierung und der linken Guerillaorganisation FARC. Es war ein sehr produktives Treffen, sagte der Chefunterhändler der Regierung, Humberto de la Calle, nach den Gesprächen in Havanna. Die USA wollten den Friedensprozess weiter unterstützen. Kerry habe Finanzhilfen in Höhe von 450 Millionen Dollar (knapp 400 Millionen Euro) für die Zeit nach dem Ende des seit Jahrzehnten andauernden Konflikts gemacht. So wollten die USA beim Räumen der zahlreichen Minen in dem südamerikanischen Land helfen. De la Calle erklärte nach dem Gespräch, ein wichtiges Thema seien Sicherheitsgarantien für Kämpfer, die ihre Waffen niederlegten, gewesen. Als die kolumbianische Guerilla in den 80er Jahren versuchte, sich als Unión Patriótica am demokratischen Prozess zu beteiligen, ermordeten rechte Paramilitärs 3.000 Menschen, vom einfachen Unterstützer über Abgeordnete bis zu Präsidentschaftskandidaten. Danach traf Kerry die Vertreter der FARC. Die Rebellen riefen den Außenminister dazu auf, sie als politische Kraft anzuerkennen. Bisher gilt die Guerillagruppe in den Vereinigten Staaten als terroristische Vereinigung. Die FARC dankten Kerry für die Unterstützung der USA im Friedensprozess und baten um Unterstützung, um die Gewalt durch Paramilitärs zu stoppen. Nach rund dreieinhalbjährigen Verhandlungen wollten die Konfliktparteien eigentlich am Mittwoch ein Friedensabkommen unterzeichnen. In der Schlussphase kamen die Gespräche allerdings ins Stocken. Es hakt noch an Details, etwa bei der Abgabe der Waffen der noch rund 8.000 Rebellen und einem geplanten Referendum über den Friedensvertrag. Kerry rief am Montag beide Seiten dazu auf, ihre Anstrengungen zu erhöhen und die Friedensverhandlungen rasch abzuschließen. Nötig seien ein Waffenstillstand, ein konkreter Plan für die Niederlegung der Waffen und Sicherheitsgarantien für die Konfliktparteien. Verhandlungen werden verlängert. Havanna – Bei den historischen Friedensgesprächen zwischen der FARC-Guerilla und Kolumbiens Regierung gibt es noch keinen Durchbruch, sie werden daher verlängert. Eigentlich hätten die Verhandlungen am Mittwoch in Havanna abgeschlossen werden sollen. Allerdings gibt es noch einige umstrittene Punkte, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Verhandlungskreisen erfuhr. Es hakt an Details, etwa bei der Abgabe der Waffen der noch rund 8.000 Rebellen und einem geplanten Referendum über den Friedensvertrag. Umstritten ist auch, wie die FARC-Rebellen sich künftig politisch engagieren dürfen. Die Rebellen fordern außerdem Garantien, dass es nicht zu einem Wiedererstarken der Paramilitärs kommt, die dann Ex-FARC-Kämpfer attackieren. In Kubas Hauptstadt verhandeln beide Seiten seit Ende 2012. Am 23. September 2015 kam es zum historischen Handschlag zwischen Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos und FARC-Chef Rodrigo Londono alias Timochenko. Von dem Zeitpunkt an sollte binnen sechs Monaten der Vertrag ausgehandelt werden. US-Außenminister John Kerry ermahnte beide Parteien am Montag in Kuba zu einer raschen Einigung, die USA wollen später mit einem Hilfspaket etwa bei der Minenräumung helfen. Die sogenannten revolutionären Streitkräfte Kolumbiens hatten sich 1964 gegründet, zunächst ging es ihnen um politische Ziele wie eine gerechtere Landverteilung. Heute sind viele Rebellen auch tief in den Drogenhandel verstrickt. Insgesamt sind in dem Konflikt zwischen linken Guerillagruppen, rechten Paramilitärs und dem Militär rund 220.000 Menschen gestorben. 'Die Friedensgespräche mit der Farc könnten bald abgeschlossen sein, die Verarbeitung des Bürgerkriegs beginnt aber erst. Elba Fuentes hat viele Menschen sterben sehen in den 14 Jahren, in denen sie Krankenschwester für die Guerilla der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (Farc) war. Doch der Krieg ließ nur wenig Gefühle zu, das Adrenalin der Gefechte trieb sie immer weiter. Hinzu kam die ideologische Unterweisung der kommunistischen Rebellen. Das war Gehirnwäsche, erinnert sie sich. 26 Jahre jung war die vierfache Mutter, als sie in den Krieg zog. Zuerst brachten sie mir Verletzte ins Hospital. Dann baten sie mich, wegen der Sicherheitsprobleme raus in ihre Lager zu kommen. Und ehe du dich versiehst, steckst du drin. Wer ausstieg, galt als Deserteur und musste um sein Leben fürchten. Eine Tochter kämpfte ebenfalls mit gegen rechte Paramilitärs und die Kriegsmaschinerie des Staates. Drogengelder fütterten die einen und die anderen. 220.000 Tote, sechs Millionen Vertriebene. In einem halben Jahrhundert Krieg wurde das Leid für die Kolumbianer zur Normalität. Jetzt steht die untersetzte 51-Jährige im Haus der Erinnerung in Medellín vor schwarzen Bildschirmen mit Fotos aus dem Krieg und kämpft mit den Tränen. Nun, wo der Frieden zwischen Regierung und Farc in greifbare Nähe rückt, ist Zeit zum Innehalten. Neun Millionen Bürgerkriegsopfer sind in Kolumbien registriert. Das ist statistisch gesehen jeder Fünfte. Die Aussöhnung der Gesellschaft und die Wiedereingliederung der ehemaligen Kämpfer – Schätzungen zufolge haben die Farc noch 8.000 Mann unter Waffen – wird eine der Nagelproben der Nachkriegszeit. Gelingt dies nicht, kann der Frieden blutiger werden als der Krieg. Negativbeispiele in Mittelamerika und Afrika haben es vorgemacht. Es schmerzt, dass ich zum ganzen Leid beigetragen habe, sagt Fuentes. Sie ist zusammen mit anderen ehemaligen Kämpferinnen in die Gedenkstätte gekommen. Frauen, die oft erbitterte Gegner waren, denn auch Kämpferinnen der rechten Paramilitärs sind darunter. Frauen, die in den Krieg zogen und ihre Jugend opferten. Manche taten es, um der Armut zu entkommen, andere aus Liebe, wieder andere aus Idealismus. Die wenigsten aus ideologischer Überzeugung. Doch aus Feinden können Partner werden. Die Gruppe, mit der Fuentes das Museum besucht, wird von einer Psychologin betreut und ist Teil des Wiederein-gliederungsprogramms. Viel sprechen, der Wahrheit ins Gesicht sehen, viel vergeben, resümiert Fuentes ihr Patentrezept zur Rückkehr ins normale Leben. Fast 58.000 Kämpfer haben in den vergangenen 13 Jahren die Waffen niedergelegt. Nicht alle hatten einen Beruf und eine Familie, sondern mussten mühsam zivile Umgangsformen und einen neuen Beruf erlernen. Es gilt Vorurteile einer Gesellschaft abzubauen, die ihnen nur zähneknirschend eine zweite Chance gibt. Medellín, einst mörderischste Stadt der Welt, nimmt bei der Vergangenheitsbewältigung eine Vorreiterrolle ein. Das Bürgerkriegsmuseum ist Teil davon Schweizer Botschaft hängt Schild auf Zaun – Golfverband sieht "Überreaktion". Caracas – Seit einigen Tagen hängt neben dem Gelände des Caracas Country Clubs ein großes Plakat. Geschätzter Golfspieler, ist darauf zu lesen, in Übereinstimmungen mit der Wiener Konvention über diplomatische Beziehungen ist diese Residenz Schweizer Territorium. Bälle auf dies Residenz zu schießen, gefährdet Personen auf Schweizer Territorium und stellt eine Verletzung der Wiener Konvention dar. Wenn ein Golfball jemanden auf Schweizer Boden verletzt oder tötet, sind dafür der Spieler und der Golfklub verantwortlich. Botschafterin Sabine Ulmann wollte gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters keine Stellungnahme abgeben. Der venezolanische Golfverband sprach in einer Aussendung von einer seltsamen Überreaktion, betonte aber gleichzeitig, man sehe aber keine Gefahr, dass Schweizer Territorium angegriffen werde. Die Residenz liegt in einem der wohlhabendsten Viertel der Hauptstadt. (red, 19.6.2015) Parteien haben sich auch auf eine gemeinsame Wahlkampfstrategie geeinigt. Caracas – Die venezolanische Opposition tritt bei der Parlamentswahl im Dezember mit einer gemeinsamen Liste an. Die verschiedenen Parteien hätten sich auf ein einheitliches Symbol geeinigt und würden zusammen eine Wahlkampfstrategie entwerfen, sagte der Exekutivsekretär des Oppositionsbündnisses MUD, Jesus Torrealba, in der Nacht zum Donnerstag (Ortszeit). Auch die Partei Voluntad Popular des inhaftierten Oppositionsführers Leopoldo López schloss sich der Allianz an. Zuletzt waren mehrere populäre Oppositionspolitiker von der Kandidatur ausgeschlossen worden. Umfragen zufolge könnten die Sozialisten von Präsident Nicolás Maduro bei der Abstimmung am 6. Dezember ihre Parlamentsmehrheit verlieren. Angesichts der schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise schwindet die Zustimmung zur Regierungspolitik. Venezuela schließt die heiße Grenze zu Kolumbien. Dahinter stecken mafiös-politische Interessen, die nun einen Konflikt zu entfachen drohen. Caracas/Puebla – Menschen, die mit allerletzter Kraft ihr Hab und Gut über die Grenzbrücke schleppen. Schwerbewaffnete Soldaten, die die Häuser der Fortgejagten mit einem D markieren – für demolir, also Abriss. Szenen, die sich seit einer Woche an der Grenze zwischen Kolumbien und Venezuela abspielen. Venezuelas Präsident Nicolás Maduro nahm eine Attacke auf venezolanische Grenzsoldaten zum Vorwand für die Schließung von 100 Kilometern Grenze und Massenabschiebungen illegal eingewanderter Kolumbianer. Venezuela müsse sich gegen die Infiltration rechter Paramilitärs aus Kolumbien schützen, die seine Regierung destabilisieren wollten, erklärte er. Außerdem würden die Kolumbianer die Wirtschaft und das Sozialsystem Venezuelas in den Ruin treiben. In Venezuela stammen rund fünf der 30 Millionen Einwohner aus Kolumbien. Die meisten kamen während des venezolanischen Erdölbooms in den 1970ern oder auf dem Höhepunkt des kolumbianischen Bürgerkriegs in den 1990er-Jahren und wurden unter Hugo Chávez legalisiert. Eine jüngere Einwanderungswelle brachte vor allem Schmuggler und Kriminelle, die an dem Preisgefälle zwischen den Ländern Millionen verdienen. Im sozialistischen Venezuela gilt für Grundnahrungsmittel eine obere Preisgrenze, auch Benzin ist spottbillig. Hunderte der rund 2000 Ausgewiesenen strandeten inzwischen in der Grenzstadt Cúcuta, wo die kolumbianische Regierung Auffanglager einrichtete. Leute wie Luis José Avendaño, der in einem der Lager der BBC Rede und Antwort stand. Sein Lebenslauf ist typisch kolumbianisch: Während des Bürgerkriegs in den 1990er-Jahren musste er Hals über Kopf aus seinem Heimatdorf fliehen, nachdem Aufständische seinen Vater erschossen hatten. Auch seine neue Bleibe in der Region César wurde bald überfallen – diesmal von rechten Paramilitärs. Daraufhin sei er über die grüne Grenze nach Venezuela gegangen, erzählte der Bauer. Mehrere Male habe er in den vergangenen 16 Jahren versucht, dort reguläre Aufenthaltspapiere zu bekommen, sei aber immer von den Behörden vertröstet worden. Vergangenen Sonntag früh überraschten ihn venezolanische Soldaten beim Zähneputzen und wiesen ihn an, innerhalb von zehn Minuten zu verschwinden. Ich konnte nicht viel mehr mitnehmen als das, was ich am Leib trug. Die Grenzregion ist ein heißes Pflaster. Rechte Paramilitärs, linke Guerilleros, Drogenmafia und Schmuggler bewegen sich dort relativ frei. Hintergrund für die aktuelle Eskalation ist laut der spanischen Zeitung ABC eine Abrechnung venezolanischer Mafiagruppen. Recherchen der Zeitung zufolge hatten die drei bei der Attacke verletzten Grenzsoldaten zwei Tage zuvor einen Geländewagen angehalten, der von zwei Offizieren der venezolanischen Nationalgarde gefahren wurde. Bei der Durchsuchung wurden Drogen und drei Millionen US-Dollar in bar sichergestellt. Das ist ein Krieg venezolanischer Militärkartelle, schrieb ABC. Der Konflikt kommt Venezuelas Staatschef Nicolás Maduro wie gerufen. Er hat aufgrund von Korruptionsskandalen und Wirtschaftskrise an Rückhalt verloren und versucht, vor den Parlamentswahlen im Dezember Boden gut zu machen. In Kolumbien wiederum gibt es rechtsextreme Kräfte, die an einer Verschlechterung der Beziehungen interessiert sind, um die Friedensgespräche zu diskreditieren, die Präsident Juan Manuel Santos mit der linken Farc-Guerilla führt. Am 25. Oktober finden in dem Land Regionalwahlen statt, die rechte Partei von Expräsident Álvaro Uribe Vélez schneidet in den Umfragen bisher nicht allzu gut ab. Die Schließung der Grenze schadet auch kolumbianischen Exporteuren, deren wichtigster Außenhandelspartner Venezuela ist. Die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) zeigte sich angesichts der Eskalation besorgt und versuchte, zwischen den Parteien zu vermitteln. Ein erstes Treffen der beiden Außenministerinnen ergab zwar eine verbale Entspannung, die Grenze blieb jedoch vorerst weiter geschlossen.(Sandra Weiss, 28.8.2015) Die Führungsfigur der konservativen Opposition rechnet mit einem Sieg, warnt aber vor dessen Überschätzung. STANDARD: Welche ist die größte Herausforderung für Venezuela? Henrique Capriles: Die Armut. Sie ist nach 16 Jahren Sozialismus wieder genauso hoch wie zu Anfang dieses Experiments. 16 der 30 Millionen Venezolaner sind arm, 80 Prozent können von ihrem Gehalt nicht überleben. Neun Millionen hängen von staatlicher Sozialhilfe ab. STANDARD: Trotz dieser Zahlen sind Proteste aber ausgeblieben. Capriles: Das liegt an diesen Wahlen, denn sie haben die Hoffnung auf einen Wandel geweckt. Sonst, ohne die Wahlen, wäre die Bombe wahrscheinlich schon explodiert. STANDARD: Was wird die Opposition machen, sollte sie siegen? Capriles: Vor allem einen kühlen Kopf behalten. Mein Flügel wird voraussichtlich der stärkste werden, und das sehe ich als Bestätigung für unseren Weg. Das war kein einfacher Weg, denn innerhalb der Opposition glaubten viele nicht, dass wir über die Urnen gewinnen können. STANDARD: Präsident Nicolás Maduro hat angekündigt, dass er die Revolution notfalls auf der Straße verteidigen wird. Capriles: Wer soll ihn dabei begleiten? Laut Umfragen haben wir doppelt so viel Stimmen wie er. STANDARD: 30 Prozent werden vermutlich für die Regierung stimmen. Capriles: Wir bieten ihn eine Versöhnung an und Lösungen, diese Krise zu beenden. Diese 30 Prozent beunruhigen mich nicht. STANDARD: Was fürchten Sie dann? Capriles: Ich fürchte die Wochen bis zur Amtseinführung des neuen Parlaments am 5. Jänner. In dieser Phase kann es sein, dass die Regierung versucht, die Demokratie auszuhebeln. STANDARD: Wie zum Beispiel? Capriles: Indem sie versucht, die Macht des neuen Parlaments zu beschränken – etwa durch neue Ermächtigungsgesetze. STANDARD: Was machen Sie dann? Capriles: Die Verfassung sieht mehrere Möglichkeiten vor, etwa ein Abberufungsreferendum. STANDARD: Wäre ein solcher Schritt Maduros klug? Capriles: Nein, das würde ihn noch weiter schwächen. Er müsste jetzt der Opposition Raum zugestehen. Das Land will gemeinsame Lösungen für die Wirtschaftskrise. Die Sozialistische Einheitspartei wird eine wichtige Kraft bleiben, aber viele ihrer Mitglieder rücken bereits näher an die Opposition. STANDARD: Wie kann das Parlament zur Lösung beitragen? Capriles: Es ist der Ausdruck des Volkswillens. Wir stellen schnell fest, wofür der Staat Geld ausgibt, und können darüber dann öffentlich debattieren. STANDARD: Und wenn das Parlament blockiert oder ausgehebelt wird? Capriles: Wir sollten der Regierung drei Monate Zeit geben, sich auf die neue Lage einzustellen. Wenn Maduro keinen Rettungsplan verabschiedet und uns ignoriert, müssen wir die in der Verfassung vorgesehenen Mechanismen aktivieren, um die Blockade zu beenden. Opposition erringt 99 der 167 Sitze – Präsident Maduro auf Kompromisse angewiesen. Caracas – Nach 16 Jahren sozialistischer Mehrheit steht Venezuela vor einer Zeitenwende: Die Opposition konnte bei der Parlamentswahl am Sonntag eine deutliche Mehrheit erzielen. Wie die Präsidentin des nationalen Wahlrats, Tibisay Lucena, Montagfrüh mitteilte, entfielen auf die im Bündnis Mesa de la Unidad Democratica (MUD) vereinte konservative und sozialdemokratische Opposition mindestens 99 der 167 Mandate. Der als Oficialismo bezeichnete Regierungsblock, bestehend aus der sozialistischen Partei und mit ihr kooperierender Parteien, erlitt eine herbe Niederlage – damit wird Präsident Nicolás Maduro auf Kompromisse angewiesen sein. Die Sozialisten eroberten lediglich 46 Mandate, allerdings fehlten noch einige Wahlbezirke. Die Wahlbeteiligung lag bei 74,25 Prozent. In Caracas jubelten die Menschen, Feuerwerke wurde entzündet. Maduro räumte die Niederlage ein. Wir akzeptieren das. Die Wahl war von beiden Seiten zu einem Plebiszit über das umstrittene Sozialismusprojekt erklärt worden. Unser Weg ist der Frieden, unser Weg ist die Demokratie, betonte Maduro. Die Überwindung der Wirtschaftskrise sei die größte Herausforderung. Heute hat eine Gegenrevolution triumphiert. Jetzt müsse man eine neue Etappe der von Hugo Chávez eingeleiteten bolivarischen Revolution beginnen. Die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments ist für den 5. Jänner geplant. Bis zu 200 Prozent Inflation, Mangelwirtschaft und Lebensmittelmangel hatten die Unzufriedenheit in den vergangenen Monaten deutlich erhöht. Untere soziale Schichten leiden unter fast täglich teurer werdenden Lebenshaltungskosten. Viele Venezolaner sind auf Geschäfte mit staatlich subventionierten Lebensmitteln angewiesen. Aus Angst vor einer Gewaltwelle nach der Wahl hatten die Menschen Hamsterkäufe getätigt. Das Land mit den größten Ölreserven weltweit leidet zudem unter dem niedrigen Ölpreis, was es immer schwerer macht, die Sozialprogramme zu finanzieren. Nachdem im November in Argentinien der konservative Mauricio Macri das Präsidentenamt erobern konnte, scheint sich mit der Wahl in Venezuela ein Trend in Südamerika fortzusetzen: die schrittweise Abkehr von linksgerichteter Politik, die den Kontinent seit dem Amtsantritt des 2013 verstorbenen Chávez zur Jahrtausendwende geprägt hatte. Gericht stützt Präsidenten im Machtkampf mit Opposition. Caracas – Im Machtkampf zwischen Venezuelas sozialistischem Präsidenten Nicolas Maduro und dem von der Opposition dominierten Parlament hat sich der Oberste Gerichtshof auf die Seite des Präsidenten gestellt: Das Gericht erklärte am Montag alle Handlungen der Nationalversammlung für nichtig. Es reagierte damit auf die Vereidigung von drei Oppositionsabgeordneten, deren Wahl der Oberste Gerichtshof zuvor für unzulässig erklärt hatte. Der konservative Parlamentspräsident Henry Ramos Allup hatte die drei suspendierten Abgeordneten vergangenen Mittwoch vereidigt – die Konservativen erreichten dadurch die für Verfassungsänderungen notwendige Zweidrittelmehrheit, die sie nutzen wollen, um Maduro binnen sechs Monaten aus dem Amt zu drängen. Die konservative Opposition hatte bei der Wahl am 6. Dezember nach 16 Jahren die Mehrheit im Parlament zurückerobert, das Bündnis MUD kam auf 112 der 167 Mandate. Nach dem Einspruch von Maduros Sozialisten hob der Oberste Gerichtshof die Wahl dreier konservativer Abgeordneter wegen der Anschuldigung des Stimmenkaufs aber auf – sodass die für Amtsenthebungsverfahren notwendige Zweidrittelmehrheit nicht länger stand. Vor dem Obersten Gerichtshof hatte sich bereits das Militär hinter Maduro gestellt. Die Streitkräfte des Landes bekräftigten ihre absolute Loyalität und bedingungslose Unterstützung Maduros, erklärte ihr oberster Chef, Verteidigungsminister Vladimir Padrino, am vergangenen Donnerstag. Weil bei der Anhörung die Presse anwesend war, folgten Minister Einladung zu Teilnahme nicht. Caracas – Die venezolanischen Minister und Behördenchefs des Wirtschaftssektors sind ihrer Vorladung vor das Parlament nicht gefolgt: Der Finanzminister, der Ernährungsminister, die Chefs der Zentralbank und des staatlichen Erdölkonzerns PDVSA sowie der Leiter der Steuerbehörde hätten die Abgeordneten am Donnerstag über die wirtschaftliche Lage des südamerikanischen Landes informieren sollen. Weil bei der Anhörung die Presse anwesend war, lehnten sie eine Teilnahme aber ab. Dies sei eine Missachtung des Parlaments, sagte der Präsident der Nationalversammlung, Henry Ramos Allup. Die Auskünfte der Regierungsvertreter sollten den Abgeordneten bei ihrer Entscheidung über ein Notstandsdekret von Präsident Nicolás Maduro helfen. Angesichts des abgestürzten Ölpreises leidet Venezuela unter einer schweren Wirtschafts- und Versorgungskrise. Die Inflation soll bei 250 Prozent liegen. Das Bruttoinlandsprodukt ist unabhängigen Experten zufolge im vergangenen Jahr um bis zu neun Prozent eingebrochen. Parlament beschloss Vorstoß zur Freilassung inhaftierter Oppositionspolitiker – Maduro: Kriminell und verfassungswidrig. Caracas – Der venezolanische Präsident Nicolas Maduro hat mit scharfer Kritik auf ein vom Parlament beschlossenes Amnestiegesetz reagiert, mit dem inhaftierte Oppositionspolitiker frei kommen sollen. Er bezeichnete den Vorstoß als kriminell, er sei verfassungswidrig und schütze Terroristen und Mörder. Wem nütze so ein Gesetz, fragte er. Dem Volk? Oder denen, die für die Toten 2014 verantwortlich sind? Damals starben bei Protesten gegen die regierenden Sozialisten 43 Menschen. Erwartet wird, dass Maduro mit einem Veto versuchen wird, das Gesetz zu blockieren. Im Dezember hatte das Oppositionsbündnis MUD (Mesa de Unidad Democratica) die Parlamentswahl klar gewonnen. Der prominente Oppositionsführer Leopoldo Lopez verbüßt wegen angeblicher Anstachelung zur Gewalt bei regierungskritischen Protesten eine fast 14-jährige Haftstrafe. Das Urteil wird von vielen Ländern und Organisationen als politisch motiviert kritisiert. Seine Frau Lilian Tintori kämpft mit dem MUD vehement für die Freilassung. Widerstand gegen Stromrationierung – Opposition begann mit Unterschriftensammlung für Referendum gegen Präsidenten. Caracas – Bei Protesten gegen die Stromrationierung in Venezuela sind am Mittwoch rund hundert Menschen festgenommen worden. Schauplatz der Proteste war die zweitgrößte Stadt Maracaibo, wo es nach Angaben der Behörden zu gewaltsamen Ausschreitungen kam. Mehr als 95 Menschen wurden wegen Vandalismus festgenommen, teilte der örtliche Sicherheitschef Biagio Parisi im Internetdienst Twitter mit. Gouverneur Francisco Arias Cardenas sprach von Protesten in 18 Stadtteilen der Hauptstadt des Bundesstaates Zulia. 73 Geschäfte seien attackiert worden. Die Proteste und Plünderungen folgten einem Plan zur Destabilisierung des Landes, sagte der Regierungschef von Zulia. Am Dienstag hatte die Regierung von Präsident Nicolas Maduro weitere Maßnahmen angeordnet, um die schwere Energiekrise in den Griff zu bekommen. Demnach sollen alle Beschäftigten des öffentlichen Dienstes vorerst nur noch montags und dienstags arbeiten. Schulen sollen künftig freitags geschlossen bleiben. Beamte haben frei Seit Anfang April sind bereits für die rund zwei Millionen Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes alle Freitage bis Anfang Juni arbeitsfreie Tage, ihre Arbeitszeit beträgt nur noch sechs Stunden. Zudem wird in zehn von 24 Bundesstaaten täglich der Strom für mehrere Stunden abgestellt. Die Maßnahmen sollen dem wirtschaftlich schwer angeschlagenen Land dabei helfen, Strom zu sparen. Nach Angaben der Regierung reichen angesichts einer durch das Wetterphänomen El Nino ausgelösten extremen Dürre die Wasserreserven in den 18 Talsperren des Landes für die Energieerzeugung kaum noch aus. Kritiker machen dagegen Missmanagement der sozialistischen Regierung dafür verantwortlich. Am Mittwoch begann die Opposition mit einer Unterschriftensammlung für ein Referendum über eine Amtsenthebung von Maduro. Die Opposition hat im Parlament zwar die Mehrheit, muss aber für ein Referendum über eine Amtsenthebung in einem ersten Schritt die Unterschriften von einem Prozent der wahlberechtigten Bürger, also von knapp 200.000 Menschen, sammeln. In einem zweiten Schritt müsste die Opposition sogar vier Millionen Unterschriften zusammenbekommen. Rund 50 Verletzte bei Schusswechseln. Islamabad/Neu-Delhi – Bei mehreren Schusswechseln an der Grenze zwischen den Erzfeinden Indien und Pakistan sind mindestens zwölf Zivilisten getötet worden. Dies ist die höchste Zahl ziviler Opfer an einem einzigen Tag seit 2013. Die pakistanische Armee warf den indischen Grenzschützern am Freitag vor, acht Menschen in der Nähe von Sialkot getötet zu haben. Bei den Zusammenstößen seien rund 50 Menschen verletzt worden. Aus den indischen Streitkräften hieß es dagegen, pakistanische Truppen hätten in der Unruheregion Kaschmir vier Inder getötet, darunter auch eine Frau. Tausende Menschen flohen aus ihren Häusern, wie auf Bildern im pakistanischen Fernsehen zu sehen war. Die beiden Atommächte sind seit der Unabhängigkeit von Großbritannien im Jahre 1947 verfeindet. Sie führten drei Kriege gegeneinander, zwei davon um das Himalaya-Gebiet Kaschmir. Zahlreiche Friedens- und Gesprächsversuche wurden in den vergangenen Jahren durch Schüsse an der Grenze konterkariert. 14 Tote bei Bombardement - Polizeisprecher: Acht Ausländer unter Toten. Kunduz - Bei einem Luftangriff afghanischer Sicherheitskräfte ist nach Polizeiangaben der Schattengouverneur der Taliban für die nordostafghanische Provinz Badakhshan getötet worden. Badakhshans Polizeisprecher Lal Mohammad Ahmadzai sagte am Dienstag, neben dem Schattengouverneur Maulawi Amanuddin seien bei dem Luftschlag am Vorabend 13 weitere Aufständische ums Leben gekommen. Unter den Toten seien acht Ausländer. Zivile Opfer seien nicht gemeldet worden. Die Taliban haben für die meisten der 34 afghanischen Provinzen Schattengouverneure ernannt, die dort das Kommando haben. In den vergangenen Tagen wurden insgesamt drei von ihnen getötet. Attacke beendet – Abgeordnete sind geflohen – 19 Verletzte. Kabul – Ein Selbstmordattentäter der radikalislamischen Taliban hat das afghanische Parlament im Zentrum der Hauptstadt Kabul angegriffen und die Abgeordneten zur Flucht gezwungen. Anschließend verschanzten sich sechs Kämpfer der Extremisten in einem nahegelegenen Gebäude und lieferten sich ein fast zweistündiges Gefecht mit den Sicherheitskräften. Wie die Polizei am Montag mitteilte, wurden schließlich alle sechs getötet. Bei dem Anschlag wurden den Behörden zufolge zudem mindestens 19 Menschen verletzt. Ein Polizeisprecher sagte, der Attentäter habe trotz der Kontrollstellen sein mit Sprengstoff beladenes Auto bis zum Tor des Gebäudes gefahren. Unter Parlamentariern kam deswegen Kritik auf. Die für den Geheimdienst und die Sicherheit zuständigen Regierungsstellen hätten versagt, sagte der Politiker Farhad Sediki. Der Polizei zufolge konnten alle Abgeordneten in Sicherheit gebracht werden. Sie hatten gerade über die Ernennung eines neuen Verteidigungsministers beraten. Nach dem Abzug der meisten ausländischen Kampfeinheiten im vergangenen Jahr gibt es Zweifel, ob die afghanische Armee gegen die Extremisten bestehen kann. So eroberten die Taliban in der nordafghanischen Provinz Kundus am Montag einen weiteren Bezirk. Gouverneur Nasruddin Saidi sagte der Nachrichtenagentur Reuters, das Gebiet sei seit Tagen von den Taliban eingekesselt gewesen. Man habe Verstärkung angefordert, aber keine erhalten. Die Kämpfe ereigneten sich nach seinen Worten nur drei Kilometer von seinem Amtssitz entfernt. In Kundus hatte die Bundeswehr bis 2013 einen wichtigen Stützpunkt. Heute sind deutsche Soldaten nur noch zur Ausbildung und Beratung der afghanischen Armee am Hindukusch. Ihre Zahl ist auf 850 begrenzt. 27-Jähriger war fälschlich Koran-Verbrennung vorgeworfen worden. Kabul – Die afghanische Justiz hat vier Todesurteile wegen Lynchmords an einer Frau wieder aufgehoben. Die Todesstrafen seien in drei Fällen in 20 Jahre Haft und in einem Fall in eine zehnjährige Haftstrafe umgewandelt worden, sagte der Vorsitzende Richter Nasir Mourid am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in Kabul. Die 27-jährige Afghanin war im Mai von einer Menschenmenge totgeprügelt worden. Der Fall hatte in Afghanistan und im Ausland heftige Kritik ausgelöst: Ein Amulettverkäufer hatte fälschlicherweise behauptet, die Afghanin namens Farkhunda habe eine Ausgabe des Korans verbrannt. Eine große Menschenmenge prügelte sie daraufhin im März nahe einer Moschee in Kabul zu Tode. Ihre Leiche wurde in Brand gesteckt und in einen Fluss geworfen. Im Zusammenhang mit dem Mord nahm die afghanische Polizei seinerzeit 49 Verdächtige fest. In einem über drei Tage live im Fernsehen übertragenen Prozess wurden schließlich drei Angeklagte zum Tode verurteilt, acht weitere erhielten 16-jährige Haftstrafen. Elf Polizisten wurden zu jeweils einem Jahr Haft verurteilt, weil sie der Menschenmenge bei der Ermordung der Frau tatenlos zusahen. Ein Revisionsgericht hob nun die Todesurteile auf – nach örtlichen Medienberichten in einer Beratung hinter verschlossenen Türen. Die Familie der Getöteten wurde nach Angaben ihres Bruders Mujibulla nicht informiert. Er sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Familie werde die Entscheidung nicht akzeptieren. Auch afghanische Aktivisten reagierten empört und kündigten Proteste an. Der Mangel an Gerechtigkeit und Transparenz ist inakzeptabel, schrieb der Aktivist Ramin Anwari im Kurznachrichtendienst Twitter. Der erste Prozess im Fall Farkhunda war allerdings auch umstritten gewesen: Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch äußerte sich seinerzeit besorgt, weil der Prozess binnen weniger Tage abgeschlossen wurde und viele der Angeklagten offenbar keinen Rechtsbeistand hatten. Afghanistan steht auch nach dem Sturz der islamistischen Taliban vor 14 Jahren immer wieder wegen der Missachtung der Rechte von Frauen in der Kritik. Mitunter fallen aber auch die Urteile gegen Straftäter extrem hart aus: Im vergangenen Oktober etwa waren fünf Afghanen wegen einer Massenvergewaltigung gehenkt worden. Die Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen hatten damals vergeblich den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani aufgefordert, auf die Exekutionen zu verzichten. Afghanischer Geheimdienst lieferte Informationen für US-Luftangriff. Kabul/Washington – Der Anführer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Afghanistan und Pakistan ist nach Geheimdienstangaben bei einem US-Luftangriff in Ostafghanistan getötet worden. Außer Hafis Said seien dabei rund 30 Extremisten ums Leben gekommen, teilte der afghanische Geheimdienst NDS am Samstag mit. Der NDS habe die Informationen für den US-Luftangriff in der Provinz Nangarhar in der Nacht zu Samstag geliefert. Auch nach Saids Tod sei der IS in der Region immer noch eine Bedrohung für Afghanistan. Afghanische Sicherheitskräfte und US-Truppen haben Angriffe auf die Terrormiliz verstärkt und in den vergangenen Wochen mehrere ihrer Anführer getötet. Der IS bezeichnet Afghanistan, Pakistan und weitere Teile Südasiens als Islamischen Staat Khorasan, an dessen Führungsspitze Said stand. Konflikt zwischen IS und Taliban Said war zuvor ein Anführer der pakistanischen Taliban (TTP), von denen er sich gemeinsam mit anderen Kommandeuren lossagte. Besonders in Ostafghanistan haben Gefechte zwischen den dortigen Taliban und IS-Anhängern – bei denen es sich in der Regel um abtrünnige Taliban-Kämpfer handelt – zugenommen. Die afghanischen Taliban warnten den IS im vergangenen Monat davor, sich in ihren Heiligen Krieg in Afghanistan einzumischen. Der Jihad gegen die Invasionsarmee der Amerikaner und ihrer Diener in Afghanistan muss unter einer Flagge und einer Führung geführt werden, hatten die Taliban in einem von ihnen veröffentlichten Brief an IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi geschrieben. Aus dem Innenministerium hieß es im vergangenen Monat, man gehe davon aus, dass IS-Anhänger in sieben der 34 afghanischen Provinzen aktiv seien. Anschlag in Kundus Bei Gefechten im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan wurden in der Nacht zu Sonntag nach Armeeangaben vier pakistanische Soldaten und neuen Extremisten getötet. Das pakistanische Militär teilten mit, Aufständische hätten einen Armeeposten im Stammesgebiet Süd-Waziristan angegriffen. Bei einem Bombenanschlag in der nordafghanischen Provinzhauptstadt Kundus wurden nach Polizeiangaben drei Zivilisten getötet und zehn Menschen verletzt. Talibanchef Mohammed Omar befürwortet erstmals Verhandlungen mit Kabul. Seit 14 Jahren hat man ihn nicht mehr gesehen. Dennoch gilt Mohammed Omar, bekannt als Mullah Omar, immer noch als Führer der afghanischen Taliban. Nun hat er angeblich erstmals offen Friedensgespräche befürwortet, um den Krieg am Hindukusch zu beenden. In einer ihm zugeschriebenen Botschaft kurz vor Ende des islamischen Fastenmonats Ramadan erklärt er im Internet, auch der Dialog mit dem Feind sei legitim, wenn er das Ende der Besatzung Afghanistans zum Ziel habe. Die Erklärung könnte einen Kurswechsel der Talibanspitze und ernsthaftes Interesse an Gesprächen signalisieren. Vor einer Woche hatten sich Vertreter der Taliban und Afghanistans im pakistanischen Ausflugsort Murree nahe der Hauptstadt Islamabad erstmals zu offiziellen Gesprächen getroffen, nach Ramadan ist ein zweites Treffen geplant. Bisher hatte Mullah Omar zu den Kontakten geschwiegen, Teile der Taliban lehnen Gespräche mit Kabul sogar strikt ab. In der Erklärung, die laut Experten vermutlich vom politischen Arm der Taliban formuliert wurde, verteidigt Mullah Omar nun die Gespräche ausdrücklich gegen Kritik im eigenen Lager: Nach den religiösen Bestimmungen sind Treffen und sogar friedliche Interaktionen mit dem Feind nicht verboten, erklärte er. Es ist unser legitimes Recht, alle legalen Wege zu nutzen. Zugleich betonte er, dass die Taliban herzliche Beziehungen mit Pakistan und dem Iran unterhielten. Vor allem Pakistan, das auch das Treffen in Murree organisierte, spielt eine Schlüsselrolle. Nach ihrem Sturz Ende 2011 war die Chefetage der afghanischen Taliban und auch Mullah Omar ins benachbarte Pakistan geflohen, das ihnen bis heute Zuflucht gewährt. Pakistans Geheimdienst ISI soll maßgeblichen Einfluss auf sie ausüben, manche behaupten: sie kontrollieren. Einige Experten glauben, dass Mullah Omar, wenn er überhaupt noch lebt, unter Hausarrest steht. Seine Erklärung dürfte daher auch den Segen Pakistans haben. Dennoch ist der Weg zu einer friedlichen Lösung noch weit. Die Taliban beharren weiter darauf, dass die ausländischen Truppen vollständig aus Afghanistan abziehen. Die USA wollen dagegen dauerhaft am Hindukusch eine Truppenpräsenz behalten. Auch Afghanistans Präsident Ashraf Ghani braucht ausländische Hilfe, um sich an der Macht zu halten. Doch auch die Talibanspitze steht unter Druck. Nach über einem Jahrzehnt in Pakistan muss sie um ihren Führungsanspruch fürchten. Mullah Omar selbst wirkt nur noch wie ein Phantom, ein nebulöser Geisterführer. In Afghanistan werden Zweifel lauter, ob der Führer der Gläubigen, so sein Titel, überhaupt noch lebt – oder ob er nur noch virtuell am Leben gehalten wird, weil die Talibanspitze ohne diese einende Führungsfigur um ihre Macht und ihre Autorität fürchten muss. Bereits jetzt sollen laut Medien Talibankämpfer in Afghanistan zusehends zum Islamischen Staat (IS) überlaufen und diesem Treue schwören, obwohl der IS tausende Kilometer entfernt in Syrien und im Irak sitzt. Einige Taliban werfen den Taliban-Führern vor, nur noch Marionetten Islamabads zu sein. Es ist kein Zufall, dass in der Mullah Omar zugeschriebenen Erklärung die Taliban zur Geschlossenheit ermahnt werden. Bei einem Luftangriff in der Provinz Paktika soll Abu Khalil al-Sudani ums Leben gekommen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Neue Aufnahmen zeigen Ermordung mehrerer afghanischer Dorfältester mittels Sprengstoff durch Schergen der Terrormiliz. Kabul – Die radikalislamischen Taliban haben Videoaufnahmen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), auf denen mutmaßlich die Ermordung mehrerer afghanischer Gefangener zu sehen ist, als entsetzlich verurteilt. Die Taliban erklärten am Dienstag, bei den Hingerichteten handle es sich um zivile Stammesälteste und Dorfbewohner, die brutal von ihren Entführern getötet würden. Dieses Vergehen und andere brutale Aktionen einiger unverantwortlicher ignoranter Individuen unter dem Deckmantel des Islams könnten nicht toleriert werden. Das mehr als vier Minuten lange Video war am Sonntag in jihadistischen Internetforen aufgetaucht. Zu sehen sind mehrere gefesselte Menschen, denen zudem die Augen verbunden sind. Sie werden als Abtrünnige bezeichnet, die Verbindungen zu den Taliban oder zur afghanischen Regierung hätten, und in die Luft gesprengt. Die Äußerungen in dem Video sind auf Arabisch und auf Paschtu, eine der Landessprachen in Afghanistan. Das Video ist symbolisch für die zunehmende Rivalität zwischen dem IS und den Taliban, denen während ihrer Herrschaft in Afghanistan auch eine zutiefst brutale Führung vorgeworfen worden war. Zuletzt hatte es mehrere Übertritte von Taliban-Kämpfern zu der Jihadistenmiliz gegeben. Nach dem offiziell verkündeten Tod von Taliban-Chef Mullah Omar verweigerten außerdem zahlreiche ranghohe Kämpfer seinem Nachfolger Mullah Mohammed Akhtar Mansour die Gefolgschaft. Von bewaffneten Männern aus Auto gerissen – Berlin um "schnellstmögliche Aufklärung" bemüht. Kabul – In der afghanischen Hauptstadt Kabul ist eine deutsche Entwicklungshelferin auf offener Straße entführt worden. Die Frau wurde am Montag im Stadtteil Kala-e-Fatullah von bewaffneten Männern aus ihrem Auto gerissen und verschleppt, wie Polizeikreise der Deutschen Presse-Agentur berichteten. Zunächst bekannte sich niemand zu der Entführung. Die Sicherheitslage in Kabul gilt derzeit als extrem angespannt. Aus afghanischen Regierungskreisen hieß es, die verschleppte Frau arbeite für die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ). Ein Sprecher der bundeseigenen Entwicklungsorganisation wollte sich dazu nicht äußern. Aus dem Auswärtigen Amt in Berlin hieß es lediglich, man bemühe sich um schnellstmögliche Aufklärung. Zu Einzelheiten des neuen Falls schwieg sich das Ministerium aus. Ein Sprecher sagte: Dass die Sicherheitslage in Afghanistan nicht einfach ist, liegt auf der Hand. In Afghanistan halten sich nach Angaben der deutschen Bundesregierung derzeit nur noch etwa 20 deutsche Entwicklungshelfer auf. Vor einigen Monaten waren es noch rund 200. Außerdem sind etwa 1.700 Einheimische für deutsche Entwicklungsorganisationen tätig. Die Hauptstadt Kabul galt lange Zeit als verhältnismäßig sicher. In den vergangenen Wochen wurden dort bei verschiedenen Anschlägen allerdings mehr als 50 Menschen getötet. GIZ-Mitarbeiter, die anonym bleiben wollten, sagten, die Organisation habe Drohungen von Unbekannten erhalten und Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Nicht dringend notwendiges Personal sei in Urlaub geschickt worden. Seit vergangener Woche arbeiteten die restlichen Mitarbeiter von zu Hause aus. Erst im Mai war ein Deutscher, der für die GIZ arbeitete, im Norden des Landes von den radikal-islamischen Taliban verschleppt worden. Dem Mann gelang nach etwa sechs Wochen in Geiselhaft die Flucht. Von einer niederländischen Entwicklungshelferin, die im Juni in Kabul entführt wurde, fehlt jede Spur. Trotz der neue Entführung will die deutsche Regierung die Entwicklungshilfe für Afghanistan fortsetzen. Unsere Entwicklungszusammenarbeit geht weiter, sagte eine Sprecherin. Seit dem Sturz der Taliban 2001 flossen aus Deutschland bereits etwa drei Milliarden Euro an Entwicklungshilfe nach Afghanistan. Noch nicht klar, ob es sich um einen Unfall oder einen Anschlag handelte. Herat – Bei einer Serie von Explosionen an einem Gasterminal am Rande der westafghanischen Stadt Herat sind zehn Kinder sowie ein Erwachsener ums Leben gekommen. Die Opfer hätten in einem Flüchtlingslager in der Nähe gelebt, teilte ein Sprecher des Krankenhauses in Herat am Dienstag mit. Mindestens 18 Menschen seien verletzt worden. Die Detonationen hätten sich am Montagabend ereignet und seien auch im Zentrum der drittgrößten Stadt des Landes zu spüren gewesen. Zunächst war unklar, ob es sich bei den Explosionen um einen Unfall oder einen Anschlag handelte. Bis zu 124 Mädchen mussten im Krankenhaus behandelt werden. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Opfer der Hazara-Minderheit aufgereiht und getötet – Taliban distanzierten sich. Mazar-i-Sharif – Bewaffnete Männer haben am Samstag im Norden Afghanistans 13 Männer aus ihren Autos gezerrt und erschossen. Die Angreifer hätten zwei Fahrzeuge gestoppt, alle männlichen Passagiere in eine Reihe gestellt und sie erschossen, sagte der Gouverneur des Bezirks Sari, Jafar Haidari. Bei den Opfern handelt es sich demnach um Angehörige der schiitischen Minderheit der Hasara. Die einzige Überlebende des Überfalls war eine Frau, wie der Bezirksgouverneur sagte. Die Polizei bestätigte den Vorfall und leitete eine Untersuchung ein. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Angriff. Die radikalislamischen Taliban bestritten jegliche Verantwortung für den Vorfall. Sari liegt in der bisher eher als ruhig bekannten Provinz Balch. Zuletzt waren dort im Juni neun Mitarbeiter einer tschechischen Hilfsorganisation bei einem Überfall auf ein Gästehaus getötet worden. Schiitische Hasara sind im Nachbarland Pakistan immer wieder Ziel gewaltsamer Übergriffe durch sunnitische Extremisten. In Afghanistan sind derartige Vorfälle seltener. Im Februar hatten Bewaffnete im Süden Afghanistans einen Bus überfallen und 31 Hasara entführt. 19 von ihnen kamen im Mai wieder frei. Medienberichten zufolge wurden sie gegen inhaftierte usbekische Kämpfer ausgetauscht. In den vergangenen Wochen hatten die Taliban wieder vermehrt Anschläge in Afghanistan verübt. Präsident Ashraf Ghani bezeichnete Afghanistan bei einer internationalen Geberkonferenz in Kabul am Samstag als verwundetes Land. Die hohe Arbeitslosigkeit, der blutige Aufstand der Taliban und der Vormarsch von Extremisten in der gesamten Region seien eine Gefahr für die wirtschaftlichen Reformpläne seiner Regierung. 'Während die Gewalt in Afghanistan eskaliert, machen sich immer mehr auf den Weg nach Europa. Kabul/Berlin – Erst sprengte ein Selbstmordkommando im Schutze der Nacht das Haupttor in die Luft, dann stürmten schwerbewaffnete Militante das Gebäude: Bei einem spektakulären und offenbar generalstabsmäßig geplanten Angriff auf ein Gefängnis am Rande der östlichen Provinzhauptstadt Ghazni haben die Taliban in der Nacht zum Montag über 352 Gefangene, darunter 150 ihrer Kämpfer, befreit. Unter den Geflohenen könnten hochrangige Taliban sein, hieß es auch offiziell. Bei mehrstündigen Feuergefechten wurden laut Behörden drei Taliban und vier Polizisten getötet. Nach Angaben des Vizegouverneurs hatten die Extremisten zuvor die Straße zum Gefängnis mit Sprengsätzen vermint, sodass Verstärkung nicht rechtzeitig eintraf. Die Angreifer trugen demnach Uniformen. Bereits 2008 konnten Taliban 900 Häftlinge aus einem Gefängnis in Kandahar befreien, 2011 schleusten sie ebendort 500 Gefangene über einen Tunnel aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Die Taliban feierten den Angriff als Erfolg. Seit die Nato Ende 2014 die meisten Soldaten abzog, kämpfen die Islamisten mit Sicherheitskräften um die Kontrolle. Kaum noch eine Gegend gilt als sicher. Auch Ghazni ist umkämpft, die Zahl der zivilen Todesopfer steigt. Afghanistans Präsident Ashraf Ghani hofft auf Friedensgespräche. Im Juli hatten sich Vertreter von Afghanistans Regierung und der Taliban in Pakistan zu ersten Gesprächen getroffen. Doch nachdem offiziell bekannt wurde, dass Talibanchef Mullah Omar bereits seit Jahren tot ist, sagten die Taliban eine zweite Runde ab. Stattdessen startete eine neue Gewaltwelle. Während die Aussicht auf Frieden schwindet, verlieren viele Menschen die Hoffnung. Unter den Flüchtlingen in Europa stellen Afghanen bereits die zweit- oder drittgrößte Gruppe. Zudem bangen auch viele Flüchtlinge, die bisher in Pakistan oder dem Iran lebten, um ihr Bleiberecht. Allein in Pakistan leben 1,7 bis 2,7 Millionen Afghanen Flagge über Hauptplatz gehisst – Angriff auf Gouverneurssitz, Gefangene befreit. Kunduz – Zwei Jahre nach dem Abzug der deutschen Bundeswehr aus Kunduz haben die radikalislamischen Taliban mit einer überraschenden Offensive die nordafghanische Provinzhauptstadt überrannt. Die Stadt ist unglücklicherweise an die Taliban gefallen, sagte der Sprecher des afghanischen Innenministeriums, Sedik Sedikki, am Montagabend in Kabul. Zahlen über Opfer lagen zunächst nicht vor. Regierungstruppen bereiten eine Gegenoffensive vor. Die Extremisten hatten am Montagmorgen aus mehreren Richtungen mit dem Sturm auf die Stadt begonnen und sie bis zum Abend eingenommen. Ein Taliban-Kommandant in Kunduz-Stadt namens Mullah Usman sagte, mehr als 1.000 Kämpfer hätten an der Offensive teilgenommen. Kunduz ist die erste Provinzhauptstadt, die seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 von den Aufständischen erobert wurde. Der Vizegouverneur der Provinz Kunduz, Hamdullah Daneshi, sagte: Die Taliban haben ihre weiße Flagge im Stadtzentrum gehisst. Daneshi wurde nach Berichten von Augenzeugen zum Flughafen gebracht, wohin viele der rund 300 000 Bewohner der Stadt geflohen waren. Der Flughafen war am Montagabend noch unter der Kontrolle der Regierung. Dort unterhalten die afghanischen Sicherheitskräfte Stützpunkte. Der Gouverneur hielt sich bereits vor dem Angriff im Ausland auf. Taliban-Kommandeur Mullah Usman sagte am Montagabend: Unsere Kämpfer bewegen sich nun in Richtung des Flughafen-Hügels vor, wo sich der Feind versteckt. Die Taliban hätten den Sitz des Gouverneurs, das Gebäude des Provinzrats und eine Radiostation in Brand gesetzt. Die Aufständischen riefen Zivilisten dazu auf, bis zum Ende der Kämpfe in ihren Häusern zu bleiben. In der Nähe des Flughafens unterhielt die Bundeswehr bis vor ihrem Abzug vor knapp zwei Jahren ein Feldlager. Ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur in Kunduz sagte, die Taliban hätten wichtige Zufahrtsstraßen zur Stadt abgeschnitten. Ein Regierungsmitarbeiter in Kunduz-Stadt, der anonym bleiben wollte, meinte: Taliban-Kämpfer mit ihren Waffen sind überall in der Stadt. Nach Angaben von Innenministeriumssprecher Sedikki traf am Flughafen Verstärkung ein. Wir versuchen, die Stadt zurückzuerobern. Im Moment können wir keine Opferzahlen bestätigen. Die Taliban hätten das Gefängnis in Kunduz gestürmt und mehr als 600 Häftlinge befreit. Darunter seien 144 Taliban-Kämpfer gewesen, fügte er an. Ein Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation sagte, Ausländer hätten sich ebenfalls am Flughafen außerhalb der Stadt versammelt. Lokale Medien berichteten, die Vereinten Nationen hätten ihr Personal am Montag aus Kunduz abgezogen. Das UN-Gebäude sei danach von den Taliban geplündert worden. Die deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) hatte schon vor der Offensive alle internationalen Mitarbeiter aus Kunduz herausgebracht. Das Auswärtige Amt schätzte die Entwicklung als kritisch ein. Eine Sprecherin teilte am Montag mit: Wegen anhaltender Unübersichtlichkeit ist eine abschließende Bewertung, ob damit eine grundsätzliche Änderung der Sicherheits- oder militärischen Lage verbunden ist, allerdings zu früh. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen teilte mit, in ihrem Krankenhaus in Kunduz seien seit Montagmorgen mehr als 100 Verwundete behandelt worden. 36 davon schwebten in Lebensgefahr. Die Taliban brachten unter anderem das Provinz-Krankenhaus mit seinen 200 Betten unter Kontrolle. Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid teilte über Twitter mit, Kämpfer suchten darin nach verwundeten feindlichen Soldaten. Polizisten seien gefangen genommen worden. Die Taliban hätten Fahrzeuge und Waffen erobert. Die NATO beendete ihren Kampfeinsatz in Afghanistan im vergangenen Jahr. Der Nachfolgeeinsatz Resolute Support dient vor allem der Ausbildung afghanischer Sicherheitskräfte. US-Truppen fliegen allerdings weiterhin Luftangriffe gegen die Taliban.(APA, Reuters, 28.9.2015) Mit der Einnahme von Kundus haben die 2001 von den USA entmachteten Taliban ihren Herrschaftsanspruch bestätigt. Der Westen steht vor den Trümmern seiner Afghanistan-Politik. Dass die Taliban nach ihrem Einmarsch in Kundus zuerst einmal beruhigende Botschaften an die Bevölkerung absetzten, ist Teil ihrer sozialen Anpassungsfähigkeit: Auch Bewegungen wie die ihre können nicht völlig ohne zumindest anfängliche Akzeptanz reüssieren. Das heißt nicht, dass, wenn für nötig erachtet, nicht sofort die Ausübung von Gewalt – unter anderem besonders gegen Frauen – abrufbar wäre: Jedem Widerstand wird durch Terror das Wasser abgegraben. Die Taliban sehen sich selbst als strenge, aber nach ihren Prinzipien gerechte Ordnungsmacht. So begann auch ihr Aufstieg im Afghanistan Mitte der 1990er-Jahre. Afghanistan war nach der sowjetischen Besatzung 1979 zu einem der heißen Schauplätze des Kalten Kriegs geworden: Beim Kampf gegen die Sowjets stützten sich die USA über den Umweg von Saudi-Arabien und Pakistan auch auf Islamisten – die sich zu miteinander konkurrierenden Warlords entwickelten, die nach dem Abzug der Sowjets ihren eigenen Krieg weiterführten. Die Taliban-Bewegung entstand unter jungen afghanischen Paschtunen, die, nach Pakistan geflüchtet, in Religionsschulen gesammelt und indoktriniert wurden. Ein radikaler Islam, untermauert vom extrem konservativen paschtunischen Sitten- und Rechtskodex (Paschtunwali), ergab die Ideologie, der eine erschöpfte afghanische Bevölkerung nichts mehr entgegenzusetzen hatte. 1994 setzten sich die Taliban in der Provinz Helmand und in Kandahar – die erste wichtige Stadt, die sie eroberten – fest. 1996 marschierten sie in Kabul ein und errichteten dort ihr Islamisches Emirat. Anerkannt wurde dieses nur von Pakistan, Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten – aber auch in den USA gab es Leute, die unter dem Titel Stabilisierung Afghanistans das radikalislamistische Regime mit Interesse beobachteten. In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre setzten die Taliban ihren Eroberungszug in anderen Teilen Afghanistans fort – ihr wichtigster politischer und militärischer Gegner war Ahmed Schah Massud, der am 9. September 2001 – also zwei Tage vor den Angriffen Al-Kaidas in den USA – bei einem Attentat getötet wurde. Bereits im März 2001 hatten die Taliban die Buddhastatuen von Bamyan als unislamisch zerstört. Die Taliban hatten der von Osama Bin Laden – einer der islamistischen Kämpfer, die der Kampf gegen die Sowjets in Afghanistan geformt hatte – aufgebauten Terrororganisation Al-Kaida in ihrem Emirat Gelegenheit geboten, sich auf ihren Kampf, nun gegen den Westen, vorzubereiten. Nach 9/11 forderten die USA die Taliban auf, Bin Laden auszuliefern. Als sie dem keine Folge leisteten, griffen die USA im Oktober 2001 Afghanistan an, der Uno-Sicherheitsrat hatte zuvor das amerikanische Selbstverteidigungsrecht bestätigt. Auch in der Nato wurde der Verteidigungsfall ausgerufen. Die Führung der Taliban und Al-Kaidas ging in Pakistan in den Untergrund – Mullah Omar starb 2013 (sein Tod wurde bis 2015 geheim gehalten) unbehelligt, während Bin Laden 2011 in Pakistan gestellt und getötet wurde. Im Vergleich mit dem Irak, wo sich die Lage bereits in den Monaten nach dem US-Einmarsch 2003 verschlechtert hatte, gab es in Afghanistan in den ersten Jahren Hoffnung auf eine langsame Entwicklung nach oben. Das Set von oft aus dem Exil kommenden afghanischen Politikern, unter anderem der spätere Präsident Hamid Karsai, war jedoch im Lande schlecht verankert und bald von Korruptionsvorwürfen belastet. Ein taktischer Fehler der USA war auch, Taliban und die – arabisch geführte – Al-Kaida in einen Topf zu werfen: Die Taliban stilisierten sich hingegen als paschtunische Widerstandsbewegung gegen die neue Ordnung und gewannen an Kraft, als das Engagement der USA – das längste seit dem Vietnamkrieg – und der internationalen Truppe Isaf zurückgefahren wurde. Einen Paradigmenwechsel stellt die Einsicht der afghanischen Regierung unter dem 2014 gewählten Ashraf Ghani, aber auch der USA dar, dass ein Dialog mit den Taliban nötig sei, will man Afghanistan befrieden. Die Taliban verfolgen in dieser Hinsicht keine klare Linie. Ihr neuer Führer Mullah Akhdar Mansur, der einen Teil der Familie des verstorbenen Mullah Omar gegen sich hatte, muss sich erst konsolidieren: Seine militärischen Erfolge werden ihm dabei helfen. Elf Tote bei Absturz von US-Militärflugzeug in Afghanistan. Kabul – Vier Tage nach der Einnahme von Kunduz durch die Taliban haben die afghanischen Truppen die nördliche Provinzhauptstadt nach eigenen Angaben vollständig zurückerobert. Unsere Sicherheitskräfte sind in ganz Kunduz aufgestellt, sagte Polizeisprecher Sajed Sarwar Hassaini am Freitag. Im Osten des Landes stürzte eine US-Militärmaschine ab, sechs US-Soldaten und fünf Zivilisten kamen ums Leben. Das Flugzeug sei höchstwahrscheinlich nicht abgeschossen worden, sagte ein US-Militärsprecher. Die radikalislamischen Taliban hatten Kunduz, wo die Bundeswehr jahrelang stationiert war, am Montag in einer Blitzoffensive erobert und nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen die Bevölkerung terrorisiert. Erstmals seit ihrer Entmachtung 2001 hatten die Extremisten wieder die Kontrolle über eine große afghanische Stadt übernommen. Am Dienstag startete die afghanische Armee mit Unterstützung des US-Militärs eine Gegenoffensive. Tagelang wurde erbittert gekämpft, am Donnerstag waren Sondereinheiten wieder bis ins Zentrum vorgestoßen. Am Freitagmorgen meldeten Anrainer, der Gefechtslärm sei abgeebbt, in den Straßen lägen die Leichen von Taliban. Allerdings trauten sich viele Menschen aus Sorge vor Heckenschützen nicht auf die Straßen oder ins Krankenhaus. Wir suchen in den Gassen der Stadt und in Wohnhäusern nach Taliban, sagte Provinzpolizeisprecher Hassaini. Wir werden sie finden und töten. Die Sicherheitskräfte seien in allen Vierteln der Stadt. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) erklärte allerdings, in den Krankenhäusern sei die Belegschaft wegen der Kämpfe noch nicht zurückgekehrt, es herrsche ein akuter Mangel an Personal und medizinischen Gütern. Amnesty International warf den Taliban vor, mit Morden an Zivilisten, Gruppenvergewaltigungen, Entführungen und dem Einsatz von Todesschwadronen in kürzester Zeit eine Schreckensherrschaft in der Stadt errichtet zu haben. Unter Berufung auf Augenzeugen und Bürgerrechtler erklärte die Menschenrechtsorganisation, die Islamisten hätten kleine Buben auf Erkundungstouren durch die Häuser geschickt, um ihre Opfer, vor allem Frauen, ausfindig zu machen. Familienangehörige von afghanischen Polizisten und Soldaten, darunter auch Kinder, seien gezielt ermordet, weibliche Verwandte vergewaltigt worden. Der afghanische Amnesty-Vertreter Horia Mosadik forderte die afghanischen Sicherheitsbehörden auf, die Bevölkerung viel besser zu schützen. Die US-Militärmaschine vom Typ C-130 war in der Nacht zum Freitag nahe Jalalabad abgestürzt. Bei den zivilen Opfern handle es sich um Mitarbeiter der NATO-Ausbildungsmission Resolute Support, erklärte US-Militärsprecher Brian Tribus. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudjahid erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter, die Taliban hätten die Maschine abgeschossen. US-Hauptmann Tony Wickman sagte indes: Mit hoher Wahrscheinlichkeit gab es keinen feindlichen Angriff. Es wird ermittelt. Am Flughafen von Jalalabad, das an einer wichtigen Straße zwischen der Hauptstadt Kabul und der Grenzregion zu Pakistan liegt, befindet sich ein Luftwaffenstützpunkt. Ende 2012 hatten mehrere Selbstmordattentäter den Flughafen angegriffen und fünf Menschen getötet. (APA, 2.10.2015) Pentagon will Vorwürfe überprüfen. Washington – Das US-Verteidigungsministerium hat eine Untersuchung wegen der möglichen Vertuschung von sexuellen Übergriffen auf Minderjährige durch einheimische Sicherheitskräfte in Afghanistan eingeleitet. Es müsse die Frage geklärt werden, ob es eine informelle oder offizielle Weisung des Pentagons gab, von Verbündeten begangene Taten nicht zu melden, teilte der Generalinspekteur des Pentagons Dienstag mit. Die New York Times hatte berichtete, dass US-Soldaten in Afghanistan von ihren Vorgesetzten angehalten worden seien, den sexuellen Missbrauch von Buben durch einheimische Polizisten oder Soldaten zu ignorieren, selbst wenn die Taten in einer Militärbasis begangen wurden. Sie berief sich auf Schilderungen mehrerer Soldaten. In einem Fall wurde demnach der Kommandant einer US-Spezialeinheit aus Afghanistan abgezogen, nachdem er einen ranghohen afghanischen Soldaten verprügelt hatte, weil dieser einen Buben als Sexsklaven an sein Bett gekettet festhielt. Untersuchung In einem Memo an die Armeeführung fragt der Generalinspekteur nun danach, ob und wie US-Soldaten ausgebildet wurden, um sexuelle Übergriffe auf Kinder zu erkennen und darauf zu reagieren. Der Ermittler will auch herausfinden, wie viele Verdachtsfälle gegen afghanische Regierungsmitarbeiter den US-Truppen oder ihren Verbündeten gemeldet wurden. Das afghanische Innenministerium bezeichnete den sexuellen Missbrauch von Buben als abscheulich und unanständig und wehrte sich gegen Vorwürfe, die illegalen Taten zu ignorieren. Vor allem in ländlichen Gebieten sind die offiziell geächteten Übergriffe nach wie vor ein großes Problem. Sicherheitskräfte bestätigen Abzug. Kabul – Die Taliban haben im Norden Afghanistans ein von dem schweren Erdbeben getroffenes Gebiet erobert. Die Aufständischen hätten die Bezirkshauptstadt Darkand in der Provinz Tachar unter ihre Kontrolle gebracht, teilten die Behörden am Mittwoch mit. Nach stundenlangen Kämpfen in der Nacht zogen sich Polizeiangaben zufolge die Sicherheitskräfte aus dem Gebiet zurück. Nach Angaben der Taliban wurden zwölf Polizisten und zwei Talibankämpfer getötet. Bei dem Erdbeben in der afghanisch-pakistanischen Grenzregion vom Montag sind in beiden Ländern mehr als 300 Menschen ums Leben gekommen. Tausende Menschen müssen seitdem bei Temperaturen um den Gefrierpunkt im Freien ausharren. Die Taliban sicherten Hilfsorganisationen zwar den Zugang zu der abgelegenen Bergregion am Hindukusch zu. Angesichts der anhaltenden Kämpfe und verschütteter Straßen können Helfer aber nur schwer in die Gegend vordringen. (APA/Reuters, 28.10.2015) Gefechte mit Sicherheitskräften. Kabul – Eineinhalb Monate nach der zeitweisen Eroberung der Provinzhauptstadt Kundus haben die Taliban einen nordostafghanischen Distrikt unter ihre Kontrolle gebracht. Aufständische hätten Jamgan in der Provinz Badachshan erobert, sagte der Sprecher der Provinzregierung, Nawid Frotan, am Donnerstag. Sicherheitskräfte lieferten sich Gefechte mit den Taliban. Verstärkung werde auf dem Luftweg erwartet. Es ist das zweite Mal in einem halben Jahr, dass die Taliban Jamgan unter ihre Kontrolle bringen konnten. Im Distrikt Arghandab in der südafghanischen Provinz Kandahar wurden fünf Taliban-Kämpfer und ein Soldat getötet. Aufständische hätten das Polizeihauptquartier und das Verwaltungszentrum des Distrikts angriffen, sagte Polizeisprecher Sia-ul Rahman Durani. Einer der Angreifer habe sich in die Luft gesprengt. Anschließend sei es zu einem rund 30-minütigen Feuergefecht gekommen. Partnerstaaten Deutschlands sagen Beiträge zu. Berlin – Die von Deutschland geführte Natomission im Norden Afghanistans soll auch im kommenden Jahr nahezu unverändert weitergehen. Wir wollen die Mission Resolute Support 2016 fortsetzen, sagte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) am Montag nach einem Treffen mit ihren Amtskollegen der anderen 20 in Nordafghanistan engagierten Staaten in Berlin. Die Partnernationen haben ihre Bereitschaft erklärt, dass sie alle dazu notwendigen Kräfte und Fähigkeiten für die Speiche Nord auch weiterhin zur Verfügung stellen werden, sagte von der Leyen. Die endgültigen politischen Entscheidungen dazu stehen allerdings noch aus. Von der Leyen sprach von einem sehr guten Ergebnis der Konferenz in Berlin. Das deutsche Bundeskabinett hatte bereits in der vergangenen Woche eine Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan beschlossen und die Einsatzobergrenze auf 980 Soldaten erhöht. Die Nato hatte Ende vergangenen Jahres ihren Kampfeinsatz in Afghanistan beendet. Seit Anfang dieses Jahres unterstützt sie mit dem Einsatz Resolute Support die afghanischen Sicherheitskräfte. Die vor allem zu Ausbildungszwecken im Land verbliebenen gut 13.000 ausländischen Soldaten sollten den bisherigen Plänen zufolge eigentlich bis Ende 2016 vollständig vom Hindukusch abgezogen werden. Nach den jüngsten militärischen Erfolgen der radikalislamischen Taliban vor allem in der Stadt Kunduz im September wurden diese Pläne allerdings teilweise revidiert. Insgesamt sind in Nordafghanistan derzeit rund 1.500 Soldaten aus 21 Ländern im Einsatz, ungefähr 780 von ihnen sind Deutsche. 18 Menschen verschleppt. Kabul – Nach einem Hubschrauber-Absturz im Norden Afghanistans haben Sicherheitskräfte am Mittwoch versucht, 18 von Taliban-Kämpfern als Geiseln genommene Insassen zu befreien. Wie das Verteidigungsministerium in Kabul mitteilte, musste der Hubschrauber am Dienstag mit insgesamt 21 Menschen an Bord nahe Maimana, der Hauptstadt der Provinz Faryab, notlanden. Bei einem Feuergefecht mit den Taliban wurden demnach drei der Insassen getötet, zwei Afghanen und ein Ausländer. Die Taliban gaben auf ihrer Website an, den Hubschrauber abgeschossen zu haben. An Bord des Hubschraubers waren zwei Piloten und ein Ingenieur aus Moldau, wie der moldauische Regierungschef Gheorghe Brega vor Journalisten in Chisinau sagte. Die Maschine vom Typ Mi-17 gehörte demnach der Privatfirma Walan ICC aus Moldau. Brega äußerte sich nicht dazu, ob die drei Landsleute getötet oder als Geiseln genommen wurden. Dem afghanischen Verteidigungsministerium zufolge waren zwei Ausländer unter den Geiseln. Ein erster Versuch der Sicherheitskräfte am Dienstag, die Geiseln zu befreien, wurde von den Taliban abgewehrt. Nato lässt 12.000 Soldaten im Land – deutsche Bundeswehr weitet Einsatz aus. Kabul/Washington – Die Sicherheitslage in Afghanistan hat sich einem Bericht des US-Verteidigungsministeriums zufolge im zweiten Halbjahr 2015 verschlechtert. In den vergangenen sechs Monaten hätten die Attacken der radikalislamischen Taliban zugenommen, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht. Sowohl unter den Taliban als auch in den Rängen der afghanischen Sicherheitskräfte seien mehr Menschen bei Kämpfen ums Leben gekommen. Die Taliban stellten vor allem in ihren traditionellen Hochburgen wie der Provinz Helmand eine Bedrohung dar, schrieb das Pentagon. Auch in anderen Landesteilen, etwa in der Stadt Kunduz in Nordafghanistan, hätten die Aufständischen vorübergehend für Instabilität gesorgt. Allerdings hätten die afghanischen Sicherheitskräfte weiter die Kontrolle über alle großen Bevölkerungszentren des Landes. Wegen der verschlechterten Sicherheitslage hatte die Nato bereits Anfang Dezember beschlossen, im kommenden Jahr in praktisch unveränderter Stärke von etwa 12.000 Soldaten in Afghanistan zu bleiben. Der 2001 begonnene Kampfeinsatz war vor knapp einem Jahr beendet und durch die Ausbildungs- und Unterstützungsmission der NATO Resolute Support abgelöst worden. Die deutsche Bundeswehr soll 2016 ihren Einsatz in Afghanistan sogar leicht ausweiten. Das neue Mandat mit einer Obergrenze von 980 Soldaten soll Mitte Dezember endgültig vom Bundestag verabschiedet werden. (APA, 15.12.1015) Militär: 60 Aufständische bei Vormarsch im Bezirk Marja getötet – Wenig Fortschritte in Distrikt Sangin. Kabul – Afghanische Streitkräfte haben in der umkämpften Südprovinz Helmand nach offiziellen Angaben große Teile des von Aufständischen eingenommenen Bezirks zurückerobert. Die Gebietsgewinne seien bei einer gemeinsamen Operation von Polizei und Armee im Bezirk Marja am Dienstag und Mittwoch erzielt worden, hieß es in einer Mitteilung des Gouverneurspalastes weiter. Auch die verminte Hauptstraße zwischen der Provinzhauptstadt Lashkar Gah und Marja sei wieder offen. Die Streitkräfte hätten an den beiden Tagen viele Waffen sichergestellt und 60 Aufständische getötet. Auf den Einsatz amerikanischer Spezialkräfte ging die Mitteilung nicht ein. Ein Sprecher der US-Streitkräfte, Wilson Shoffner, teilte am Dienstag mit, ein in Marja eingesetzter Soldat sei gestorben. Zwei weitere Soldaten seien verwundet worden. Seit Tagen waren trotz andauernder Kämpfe nur wenige Neuigkeiten aus der Provinz gedrungen – auch, weil die afghanische Regierung mit Konsequenzen für regierungskritische Interviews gedroht hatte. Das ging aus einem in sozialen Medien kursierenden Brief des Direktorats für Provinzverwaltung an den Gouverneur in Helmand hervor. Der stellvertretende Gouverneur Mohammad Jan Rasulyar war am Dienstag seine Amtes enthoben worden, nachdem er über Facebook den afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani aufgefordert hatte, zu handeln – sonst falle die Provinz an die Taliban. Anfang Dezember hatten diese das Zentrum des Bezirks Sangin erobert. Trotz ständiger Verstärkungen sei die Lage dort wirklich schlimm, sagte Provinzratsmitglied Abdul Majid Achundsada am Mittwoch. Es seien immer noch schwere Kämpfe im Gange. Afghanische Sicherheitskräfte konnten keinen Boden gewinnen – nur halten, was sie hatten. Das seien eine Armeebasis im Süden des Bezirks sowie Bezirksamt und Polizeistation im Zentrum. Auch in den meisten anderen der 14 Bezirke sehe es nicht besser aus. Baghran, Musa Qala and Nawzad blieben unter totaler Taliban-Kontrolle. In Kashaki, Mardja und Chanischim kontrollierten die Aufständischen alles außer den Bezirksämtern und den zentralen Polizeistationen. Sogar in einem Stadtteil der Provinzhauptstadt Lashkar Gah hätten sie sich festgesetzt. Allein in den Bezirken Garmsir and Nawa sei es ruhig. Der afghanische Taliban-Experte Borhan Osman sagt, es gebe starke Anzeichen, dass die Taliban Helmand zu ihrem Staat im Staat machen wollten. Wie groß der Einfluss der Taliban dort ist, zeigen Nachrichten vom Mittwoch. Die Nachrichtenagentur Pajhwok meldete, die Aufständischen hätten am Vortag öffentlich einen Kindervergewaltiger hingerichtet. Der Mann sei vor drei Tagen in einem ebenfalls öffentlichen Gerichtsverfahren im Bezirk Gereshk verurteilt worden. In einer anderen Meldung hieß es, die Taliban erhöben nun Steuern für Landbesitzer – umgerechnet zwei Euro pro Hektar. Explosion bei Versammlung in Haus von Politiker in Jalalabad – Taliban distanzierten sich von Anschlag. Jalalabad – Bei einem Selbstmordanschlag im Osten Afghanistans sind am Sonntag mindestens 13 Menschen getötet worden. Wie der Gouverneur der Provinz Nangarhar mitteilte, sprengte sich der Attentäter während einer Jirga, einer afghanischen Stammesversammlung, vor dem Haus eines Politikers in der Provinzhauptstadt Jalalabad in die Luft. Dabei seien 14 weitere Menschen verletzt worden. Der Politiker Obaidullah Shinwari, der im Provinzrat von Nangahar sitzt, hatte in seinem Haus zu der Jirga eingeladen. Er überlebte das Attentat den Angaben zufolge unverletzt. Einer seiner Brüder wurde aber getötet. Ein Sprecher der radikalislamischen Taliban erklärte, die Gruppe habe nichts mit dem Anschlag zu tun. Allerdings distanzieren die Taliban sich regelmäßig von Anschlägen, bei den viele Zivilisten getötet wurden. Der Sprecher des Gouverneurs wies darauf hin, dass unter den Verletzten auch Shinwaris Vater Malik Osman sei, der als prominenter Stammesältester ein scharfer Kritiker der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) ist. Jalalabad liegt an der Hauptverbindungsstraße von der afghanischen Hauptstadt Kabul nach Pakistan. Die Stadt wird immer wieder von Anschlägen erschüttert. Erst am Mittwoch waren bei einem Anschlag nahe dem pakistanischen Konsulat in Jalalabad sieben afghanische Sicherheitskräfte getötet worden. Zu der Tat bekannte sich der IS. In Nangarhar bekennen sich immer mehr Extremisten zum IS, der große Gebiete in Syrien und im Irak kontrolliert. Die IS-Miliz hat in Afghanistan vor allem Zulauf von enttäuschten Taliban-Anhängern. Der wachsende Einfluss des IS in Afghanistan zeigt sich auch darin, dass er mittlerweile eine eigene Radiosendung in paschtunischer Sprache hat. Die afghanische Regierung versucht nach eigenen Angaben, die von einem unbekannten Ort gesendete Sendung zu unterbinden. In der vergangenen Woche hatten Vertreter Afghanistans, Pakistans, der USA und Chinas in der pakistanischen Hauptstadt Islamabad einen neuen Anlauf zu Friedensverhandlungen mit den Taliban gestartet. Die Gespräche sollen am Montag fortgesetzt werden. Extremisten drohen mit weiteren Angriffen wegen "bösartiger Propaganda". Kabul – Zu dem Anschlag auf einen Kleinbus von Journalisten des TV-Senders Tolo in Afghanistan, bei dem am Mittwoch mindestens acht Menschen getötet wurden, haben sich die radikalislamischen Taliban bekannt. Weitere Angriffe auf den populären Sender würden folgen, wenn dieser nicht damit aufhöre, bösartige Propaganda über die Taliban zu verbreiten. Die Taliban hatten im Oktober verkündet, dass sie die Sender Tolo und 1TV wegen der angeblichen Verbreitung falscher Informationen als militärische Ziele betrachteten. Die Sender hatten über Vergewaltigungen berichtet, die die Taliban nach der kurzzeitigen Eroberung von Kunduz im September verübt haben sollen. Bei dem Terroranschlag heute in Kabul haben wir sieben Mitarbeiter verloren, teilte Tolo im Kurznachrichtendienst Twitter mit. Wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP sagte, sollte der angegriffene Bus Mitarbeiter des Senders nach Hause bringen. Einige Mitarbeiter seien in dem Bus verbrannt, sagte ein Tolo-Mitarbeiter. Bei den Todesopfern handelte es sich demnach überwiegend um Grafik- und Tonmitarbeiter, die hinter den Kulissen arbeiteten. Der Feind der Menschlichkeit, des Friedens und des Islams hat unsere Kollegen zu Märtyrern gemacht, weil sie ihre Verbrechen aufgedeckt haben, sagte Tolo-Nachrichtenmoderator Fawad Aman. Die Angreifer würden aber niemals ihr böses Ziel erreichen, den Sender zum Schweigen zu bringen. Der afghanische Staatschef Ashraf Ghani schrieb bei Twitter, er verurteile diesen barbarischen Angriff auf unsere mutigen Medienmitarbeiter. Die Sicherheitslage in Kabul und weiten Teilen Afghanistans hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Beobachter vermuten, dass die Taliban mit ihren Angriffen größere Zugeständnisse in den derzeit laufenden Friedensverhandlungen erzwingen wollen. Nach einem ersten Treffen in Islamabad waren Vertreter aus Afghanistan, Pakistan, China und den USA am Montag in Kabul zu einer zweiten Verhandlungsrunde zusammengekommen, die zu neuen Friedensgesprächen mit den Taliban führen sollen. Die Islamistengruppe entsandte aber keine Delegation zu den Treffen. Informelles Treffen mit Abgeordneten und Aktivisten in Doha. Doha – Bei einem Treffen in Katar haben die afghanischen Taliban Bedingungen für die Wiederaufnahme von Friedensgesprächen gestellt. Alle Kämpfer der Islamisten müssten von den Terrorlisten der USA und der UNO gestrichen und das auf sie ausgesetzte Kopfgeld annulliert werden, forderte Taliban-Sprecher Sabiullah Mujahid am Sonntag bei der Konferenz mit Abgeordneten und Aktivisten in Katars Hauptstadt Doha. Wir wollen auch, dass unser politisches Büro in Doha offiziell wiedereröffnet wird, sagte Mujahid. Die Rebellen hatten im Juni 2013 ein Büro in dem Golfemirat eröffnet, um Friedensverhandlungen zu erleichtern. Doch hatte die Darstellung des Büros als inoffizielle Botschaft einer Exilregierung den damaligen afghanischen Präsidenten Hamid Karzai so verärgert, dass das Büro nach einem Monat wieder geschlossen wurde. Der Hohe Friedensrat Afghanistans, der für die Regierung die Verhandlungen mit den Rebellen führt, rief diese zur Wiederaufnahme der Gespräche ohne Vorbedingungen auf. Jede Vorbedingung kann den Versöhnungsprozess verzögern, sagte der Ratsvertreter Aminuddin Muzaffari der Nachrichtenagentur AFP. Die Taliban müssen an den Verhandlungstisch zurückkehren, bevor sie derartige Forderungen stellen. Das seltene Treffen am Samstag und Sonntag wurde von der Gruppe Pugwash Conferences organisiert, die sich für die Lösung von Konflikten engagiert. Vertreter der Regierung in Kabul nahmen nicht teil, doch waren Abgeordnete und Vertreter der Zivilgesellschaft zugegen. Das Treffen folgt auf eine zweite Gesprächsrunde am Montag zwischen Vertretern Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA in Kabul, um einen Plan für Friedensgespräche mit den Taliban auszuarbeiten. Der afghanische Forscher Malek Sitez sieht den Vertrauensverlust in die Regierung als Fluchtgrund. Mehr als 220.000 Menschen aus Afghanistan sind laut Zahlen des UN-Hochkommissariats für Flüchtlinge (UNHCR) seit Anfang 2015 über die Balkanroute in Richtung Westeuropa aufgebrochen. Rund ein Zehntel davon, 22.256, haben laut Innenministerium bis Ende November in Österreich um Asyl angesucht. Fluchtgründe gibt es zweifellos genug. Doch der plötzliche Aufbruch hat viele überrascht. Der afghanische Menschenrechtler Malek Sitez sieht vor allem die Enttäuschung über mangelnde Fortschritte der neuen Regierung als Grund. Wolle Europa Afghanistan nachhaltig helfen, müsse man in staatliche Strukturen investieren, sagt er im Interview mti dem STANDARD. Das würde auch helfen, Jugendliche aus dem Einflussbereich extremistischer Gruppen zu holen. STANDARD: Die Ansuchen um Reisepässe haben sich in Afghanistan in den vergangenen Monaten vervielfacht. Wieso – nach fast 35 Jahren Instabilität – gerade jetzt diese Fluchtbewegung? Sitez: Nach dem Ende des Taliban-Regimes haben die Afghanen ihre Zukunft sehr optimistisch gesehen. 1,5 Millionen kehrten seit 2002 aus den Ländern in der Umgebung, vor allem Pakistan und Iran, zurück. Aber die Taliban organisierten sich neu, die Situation wurde schlechter – schon in der Zeit von Präsident Hamid Karzai. Als die nationale Einheitsregierung (Ende 2014, Anm.) an die Macht kam, während die internationale Gemeinschaft ihre Unterstützung zurückfuhr, versprachen die neuen Verantwortlichen sehr viel. Aber Präsident Ashraf Ghani und Geschäftsführer Abdullah Abdullah haben danach nichts getan. Das hat zu viel Pessimismus geführt. Statt an einer nationalen Strategie für den gesamten Staat zu arbeiten, sind die Leute in ethnische Gruppen geteilt worden. STANDARD: Und diese Spannungen haben sich zuletzt verschärft? Sitez: Ganz besonders in der jüngsten Zeit. Das macht die Menschen noch pessimistischer. STANDARD: Gibt es weitere Gründe? Sitez: Afghanistan ist von der internationalen Gemeinschaft vollkommen abhängig. Mehr als 86 Prozent des afghanischen Budgets kommen von außen. Die gesamte militärische und zivile Infrastruktur hängt an internationaler Unterstützung. Und die wurde zuletzt zurückgefahren. Die Regierung selbst kann keine Jobs für eine so große Zahl junger Menschen schaffen. Daher verlassen sie das Land. STANDARD: Was könnte man tun, um Perspektiven zu schaffen, ohne die Abhängigkeit noch mehr zu verstärken? Sitez: Eine der größten Herausforderungen sind die Extremisten in der Grenzregion zwischen Afghanistan und Pakistan. Dort gibt es 2.000 islamische Schulen, in denen Kinder zwischen fünf und 18 Jahren in extremistischem Gedankengut unterwiesen werden. Das ist das größte Hindernis für Entwicklung in Afghanistan. Meine Empfehlung an Staaten in der EU ist es, Afghanistan zu unterstützen, indem man Druck macht, die Zahl solcher Schulen zu reduzieren – etwa an die Adresse der pakistanischen Regierung. Langfristig kann das nur gelingen, wenn es auch Investitionen in den Aufbau eigener Strukturen gibt. STANDARD: Nach 2002 wurde bereits viel investiert – die Fortschritte sind begrenzt. Sitez: Ich stimme der Einschätzung nicht ganz zu. Wenn man die heutige Situation mit 2002 vergleicht, hat es sogar große Fortschritte gegeben. Das Bild des Landes ist ein anderes. Aber was stimmt, ist, dass viele Gelder schlecht oder falsch genutzt worden sind. Afghanistan ist einer der am meisten von Korruption betroffenen Staaten der Welt. Der afghanische Staat muss Strukturen schaffen, um das zu bekämpfen. Dabei kann man helfen. STANDARD: Wie sehen Sie die aktuellen Verhandlungen mit den Taliban? Will man Frieden, wird es wohl auch Zugeständnisse an Extremisten geben müssen. Sitez: Die Menschenrechtsperspektive ist eine andere als die politische. Das, wofür wir eintreten, ist ein positiver, warmer Peacebuilding-Prozess. Der Friede soll auf Gerechtigkeit basieren, auf Fortschritt. Aus einer Meschenrechtsperspektive verhandelt man über Sicherheit, politische und wirtschaftliche. Und über Jobs, den Zugang zu Bildung, zu Gesundheitsversorgung, zu Kultur. Gerechtigkeit sollte demnach eine Voraussetzung sein, so wie auch Frauenrechte, faire Prozesse, freie Medien, Wahlen. STANDARD: Da müsste es in einem politischen Friedensschluss mit den Taliban keine Einschränkungen geben? Sitez: Das ist eine emotionale Frage und eine sehr schwierige aus menschenrechtlicher Sicht. Die afghanische Verfassung sollte eingehalten werden – und deren zweites Kapitel beinhaltet die Menschenrechte. Das sind die Werte des Friedens. Ohne sie wird der Frieden in Afghanistan nicht halten. Dann ist es nur ein Waffenstillstand, der keine Ergebnisse bringt. STANDARD: Sehen Sie einen derartigen Friedensschluss in der näheren Zukunft? Sitez: Das ist die Vision. Ich weiß, dass man daran Zweifel haben kann. Wenn wir 30 Prozent davon erreichen, sind wir wenigstens auf dem richtigen Weg. STANDARD: Sind Sie selbst für die nähere Zukunft optimistisch? Sitez: Ich bin nicht sehr optimistisch. Meine Sorge ist, dass die internationale Gemeinschaft und vor allem die USA keine gute Strategie haben, um Extremismus und Terror zu bekämpfen. Das betrifft auch die Ausbreitung des Daesh in Afghanistan. STANDARD: Handelt es sich beim IS in Afghanistan wirklich um neue Gruppen? Oder sind es vorhandene, die nun unter IS-Label operieren? Sitez: Der Daesh ist als Organisation neu in Afghanistan. Aber die Idee, der Daeshismus, wenn Sie so wollen, ist alt und hat als Ideologie tiefe Wurzeln. Afghanistan ist ein armes Land, ein religiöses Land, in dem Fundamentalisten sehr aktiv sind. Der Daeshismus hat es da leicht. Attentäter hatte sich in der Warteschlange in die Luft gesprengt. Kabul – Ein Selbstmordattentäter hat sich vor einer Polizeistation in der afghanischen Hauptstadt Kabul in die Luft gesprengt und dabei mindestens zehn Menschen mit in den Tod gerissen. Weitere 20 Menschen wurden nach Angaben des Innenministers verletzt. Der Sprecher der Kabuler Polizei, Basir Mudshahid, sagte, unter den Toten seien zwei Polizisten. Der Attentäter hatte sich nach Polizeiangaben am Montag in eine Warteschlange vor dem Stützpunkt der Bereitschaftspolizei Ancop im Stadtteil Dehmasang eingereiht und seinen Sprengsatz gezündet. Die Attacke ereignete sich während eines Besuchs des deutschen Innenministers Thomas de Maizière in der afghanischen Hauptstadt. Der Minister befand sich zum Anschlagzeitpunkt mehrere Kilometer entfernt in der deutschen Botschaft. Islamistische Talibankämpfer haben sich zu dem Anschlag im Westen der Stadt bekannt. Der Anschlag sei von einem Mann aus der Provinz Kunduz ausgeführt worden, hieß es in der Mitteilung des Talibansprechers Sabiullah Mudshahid. Der Mann habe den Märtyrertod ersehnt. In den vergangenen Wochen hat die Zahl der Anschläge in Afghanistan und auch in der Hauptstadt wieder deutlich zugenommen. Konkretes Datum soll am 23. Februar beschlossen werden. Kabul/Islamabad – Erste direkte Friedensgespräche zwischen afghanischer Regierung und den Taliban sollen bis Ende Februar stattfinden. Das ging aus einer gemeinsamen Erklärung der neuen Friedensallianz für Afghanistan nach deren drittem Treffen am Samstag hervor. Um ein konkretes Datum für die Gespräche werde es bei der nächsten Planungsrunde der Vertreter Afghanistans, Pakistans, Chinas und der USA am 23. Februar in Kabul gehen, twitterte der Sprecher des Präsidentenpalasts, Safar Hashemi. Wie die traditionell gesprächsunwilligen Taliban innerhalb einer so kurzen Zeitspanne an den Tisch gebracht werden sollen, blieb zunächst unklar. Mehr Einzelheiten zu dem Plan wurden nicht öffentlich gemacht. Die Vierländergruppe rief außerdem alle Talibangruppierungen dazu auf, an den Friedensgesprächen teilzunehmen. Sie betonte, dass das Resultat des Versöhnungsprozesses eine politische Lösung sein müsse, die zu einem Ende der Gewalt und dauerhaftem Frieden führe. Von den Taliban gab es zunächst keine Stellungnahmen. Sie hatten bisher direkte Verhandlungen mit der afghanischen Regierung abgelehnt. Während einer inoffiziellen Friedenskonferenz in Doha vor zwei Wochen hatten sie außerdem Bedingungen gestellt, die vor potenziellen Gesprächen erfüllt sein müssten. Darunter war die Abschaffung der UN-Sanktionen gegen die Taliban sowie die Freilassung von Gefangenen. An dem Treffen in Islamabad hatten der pakistanische Außensekretär Aizaz Ahmad Chaudhry, der afghanische stellvertretende Außenminister Hekmat Karsai, der chinesische Afghanistanbeauftragte Deng Xijun und der amerikanische Afghanistanbeauftragte Richard Olson teilgenommen. Olson sagte dem Spiegel, die USA hätten eine Vermittlerrolle. Die Entscheidung liege am Ende bei den Taliban. Wollen sie aus ihrem Versteck zurück zu einer politischen Rolle in Afghanistan? Das allerdings wird nur gehen, wenn sie ihren Kampf gegen die Regierung aufgeben. Die Taliban müssten sich von Al-Kaida lösen, der Gewalt abschwören und die Verfassung anerkennen, sagte Olson. Olson nannte die Lage in Afghanistan schwierig. Die USA würden daher in der NATO dafür werben, neben der Ausbildung afghanischer Truppen die Finanzhilfen für die Sicherheitskräfte von rund vier Milliarden Dollar pro Jahr bis 2020 zu verlängern. Der deutsche NATO-General Hans-Lothar Domröse hält ein Ende des NATO-Einsatzes in Afghanistan 2017 für möglich. Das letzte Wort habe aber die Politik. Sollte die afghanische Luftwaffe, die wir gerade mit Hubschraubern und Flugzeugen aufbauen, im nächsten Jahr ausreichend einsatzfähig sein, so würde dies die Schlagkraft der Afghanen spürbar erhöhen, sagte er der Zeitung Die Welt (Samstag). An dem Ausbildungseinsatz Resolute Support sind 12.000 Soldaten beteiligt, darunter 830 Bundeswehrsoldaten. Ein für 2016 geplanter weitreichender Truppenabzug wurde wegen des Vordringens der Taliban verschoben. Künftig sollen NATO-Ausbilder sogar wieder verstärkt direkt in Krisenregionen eingesetzt werden. Regierung steht zu Zeitplan. Kabul – Einen Tag, nachdem Mitglieder der afghanischen und pakistanischen Regierung Friedensgespräche mit Taliban innerhalb von vier Tagen in Aussicht gestellt hatten, haben die Taliban eine Teilnahme öffentlich abgelehnt. In einer am Samstagnachmittag an Medien verschickten Email an Medien sagte ein Sprecher, Kari Jusuf Ahmadi: Wir sagen explizit, dass der ehrenwürdige Anführer niemanden autorisiert hat, an diesen Gesprächen teilzunehmen, noch hat der Führungsrat eine Entscheidung über die Teilnahme getroffen. Die Email wies auf unerfüllte Bedingungen für Gespräche hin. Amerika sende weiter frische Truppen. Auch Gefangene seien nicht freigelassen und UNO-Sanktionen nicht aufgehoben worden. Diese Bedingungen stellen die Taliban seit Jahren immer wieder. Der Sprecher von Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah, Javed Faisal, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die afghanische Regierung stehe weiter zu dem genannten Zeitplan von Gesprächen innerhalb von vier Tagen. Die Taliban seien ja nicht eine Einheit. Wir werden mit denen sprechen, die bereit sind, zu Friedensgesprächen zu kommen. Wenn Talibangruppen nicht teilnehmen wollten, werde anderweitig mit ihnen umgegangen. Die afghanische Regierung sowie die internationalen Alliierten hätten Pläne dafür. Afghanistans Präsident Ghani verurteilt "feigen Terroranschlag". Kabul – Bei einem Taliban-Anschlag in der afghanischen Hauptstadt Kabul sind am Dienstag mindestens 28 Menschen getötet und mehr als 320 Personen verletzt worden. Wie die Polizei am Dienstag weiter mitteilte, war ein Lastwagen auf einem Parkplatz direkt neben einem Regierungsgebäude zur Explosion gebracht worden. Die 28 Todesopfer seien überwiegend Zivilisten. Viele der Verwundeten schwebten in Lebensgefahr, teilte das Gesundheitsministerium mit. Präsident Ashraf Ghani verurteilte den feigen Terroranschlag. Dieser werde die Entschlossenheit der afghanischen Sicherheitskräfte im Kampf gegen den Terrorismus aber nicht schwächen. Es handelt sich um den ersten großen Anschlag der Taliban in der Hauptstadt seit dem Beginn ihrer Frühjahrsoffensive vor einer Woche. Sicherheitsdienst getroffen Ein mit Sprengstoff beladenes Auto war vor einem nur wenige Hundert Meter vom Präsidentenpalast entfernten Gebäude explodiert, in dem eine Einheit des Sicherheitsdienstes NDS untergebracht ist. Er ist für den Personenschutz von Ministern und anderen wichtigen Persönlichkeiten zuständig. Anschließend drangen mehrere Attentäter auf das schwer bewachte Gelände ein und lieferten sich Zeugen zufolge mehr als 30 Minuten lang ein Feuergefecht. Auch in dem Gebäude sei es zu Schusswechseln gekommen, sagte ein Sprecher der radikal-islamischen Taliban, die sich zu dem Angriff bekannten. Nach Angaben des Innenministeriums kam es nach der Explosion zu Schusswechseln zwischen Sicherheitskräften und Angreifern. Spezialeinheiten der afghanischen Polizei waren am Anschlagsort im Einsatz. Wenn noch irgendwelche der Terroristen am Leben sind, werden unsere Kräfte sie bald zur Hölle schicken, sagte Sprecher Sediq Sediqqi. Das Gebäude liegt in einem dicht besiedelten Gebiet der afghanischen Hauptstadt. Die Sicherheitslage in der Hauptstadt und weiten Teilen des Landes am Hindukusch hat sich in den vergangenen Monaten weiter verschlechtert. Die Taliban hatten vor wenigen Tage ihre Frühjahrsoffensive angekündigt. Neben Selbstmordattentaten sei auch die Tötung von feindlichen Kommandanten in Städten geplant. Ziel sei es, den Feind in einen Zermürbungskrieg zu verwickeln. Fahrer eines mit Sprengstoff beladenen Wagens festgenommen. Kabul – Afghanische Sicherheitskräfte haben einen Anschlag auf das Innenministerium im Zentrum der Hauptstadt Kabul verhindert. Ein mit Sprengstoff beladener Wagen habe bereits das erste von zwei Toren zu dem Ministeriumsgelände passiert, als Sicherheitskräfte den Fahrer als verdächtig erkannten und festnahmen, sagte ein Ministeriumssprecher am Dienstag. Seit der Hinrichtung von vier Taliban, einem Mitglied der Terrororganisation Al-Kaida und einem Mitglied der radikalen Haqqani-Gruppe vor neun Tagen herrscht in Kabul erhöhte Alarmbereitschaft. Die Aufständischen hatten Vergeltung angekündigt. Viele internationale Organisationen erteilten ihren Mitarbeitern in den vergangenen Tagen Ausgangssperren. Ende April hatten Taliban bei einem Autobombenanschlag vor einem Regierungsbüro 68 Menschen getötet und 347 verletzt. Nach der Tötung des Taliban-Anführers Mullah Akhtar Mansour, finden im Südwesten Afghanistans Beratungen über dessen Nachfolger statt. Kabul/Kandahar – Nach der Tötung ihres Anführers Mullah Akhtar Mansour durch eine US-Kampfdrohne wählen die radikalislamischen Taliban einen neuen Anführer. Mindestens 14 Kommandeure und Religionsführer diskutierten schon seit Sonntag über Kandidaten, hieß es am Dienstag aus pakistanischen Sicherheitskreisen. Die Beratungen fänden im Südwesten des Landes in der Provinz Baluchistan statt. Informationen der Deutschen Presse-Agentur zufolge fielen im Laufe der Beratungen sechs Männer in die engere Wahl. Unter diesen Männern befindet sich bespielsweise Mansours Stellvertreter für Militärisches Jalaluddin Haqqani. Die USA haben ein Kopfgeld von umgerechnet 4,45 Millionen Euro auf ihn ausgesetzt. Für ihn spricht, dass er als kompetent gilt und einige der öffentlichkeitswirksamsten (weil verheerndste) Anschläge der Taliban in Szene gesetzt hat. Er hat auch dazu beigetragen, die zersplitterten Taliban mehr zu einen, sagt der Sprecher der Nato-Mission Resolute Support, Charlie Cleveland. Gegen ihn spricht, das er nicht aus dem Süden – dem Kernland der Talibanelite – kommt, sondern aus dem Osten. Eine weitere Überlegung gegen ihn könnte sein, dass die USA sehr auf seine Tötung drängen und möglicherweise, wie bei Mansour, wieder selber die Initiative ergreifen. Haqqani würden von Beginn zur Zielscheibe, und die Bewegung könnte in kurzer Zeit ihren dritten Anführer verlieren. Als möglicher Nachfolger wird auch Mullah Amir Khan Mottaki gehandelt. Während der Herrschaft der Taliban war Mottaki Bildungs- und Informationsminister. Laut dem deutschen Afghanistan-Experten Thomas Ruttig ist er einer der ältesten und einflussreichsten Mitglieder in der Talibanbewegung. Er genieße breites Ansehen. Ruttig, der ihn als UN-Vertreter im Jahr 2000 getroffen hat, meint, Mottaki wäre keine schlechte Wahl. Seine Begründung: Er denkt politisch und ist kein Hardliner. Er hat für die Taliban wichtige Verhandlungen geführt und das Ansehen von Mullah Omar genossen. Auch er stammt allerdings nicht aus Kandahar, sondern aus Paktika. Auch den beiden Söhnen des langjährigen verstorbenen Talibanchefs Mullah Omar – Mullah Yaqub und sein jüngerer Bruder Abdul Manan Akhund – werden aufgrund der Beliebtheit ihres Vaters Chancen eingeräumt auf Mansour zu folgen. Yaqub, der eine Religionsschule in Pakistan besucht haben soll, steuert laut Mitteilungen Militärkommissionen der Taliban in 15 Provinzen Afghanistans. Mit Ende 20 oder Anfang 30 könnte er von vielen als zu jung für den Chefposten wahrgenommen werden. Er wird als sehr emotional beschrieben. Als Sohn des verehrten Mullah Omar ist er jedoch auch eine Figur, die zerstrittene Fraktionen wieder versöhnen könnte. Sein jüngerer Bruder, Mullah Abdul Manan Akhund, war nie sehr prominent unter den Taliban. Erst jüngst kam er zu mehr Ansehen und wurde im April, nach einem Bericht des Long War Journal, zum Chef der Kommission für Predigt und Ratschlag ernannt. Dass er eine nicht kontroverse Figur ist, könnte aber ein Vorteil sein. Der langjährige Chef der Taliban-Militärkommission, Kommandant Abdul Qayyum Zakir: Zakir, und der zweite Stellvertreter von Mansour, Haibatullah Akhundzada, stammen beide aus wichtigen Regionen für die Taliban, was ein Pluspunkt für die beiden Kandidaten sein könnte. Zakir stammt aus Helmand, wo die Taliban einen ihrer wichtigsten Kämpfe um mehr eigenes Territorium führen. Von 2001 bis 2007 war er im US-Terroristengefängnis Guantanamo Bay inhaftiert. Nach seiner Freilassung kehrte er auf das Schlachtfeld zurück. 2014 wurde er wegen Auseinandersetzungen mit Mullah Mansour als Chef der Militärkommission entlassen. Haibatullah Akhundzada stammt aus dem Kernland der Talibanführung, der Südprovinz Kandahar und genießt als religiöser Gelehrter und hochrangiger Talibanrichter Achtung und Respekt unter vielen Taliban. Es gibt aber Stimmen, die sagen, ihm fehle es an der nötigen Härte zu führen. Es ist das zweite Mal innerhalb eines Jahres, dass die Taliban einen neuen Anführer wählen müssen. Ende Juli 2015 hatte der am Samstag getötete Mansour offiziell vom bereits zwei Jahre zuvor verstorbenen Mullah Omar übernommen. Danach waren blutige interne Machtkämpfe ausgebrochen. Laut einer in der pakistanischen Express Tribune zitierten Talibanquelle sollen die Fehler vom letzten Mal diesmal vermieden werden. Mullah Akhundzada gehört zur Gründergeneration – Hardliner Haqqani wird Stellvertreter. Kabul/Dubai – Die radikalislamischen Taliban in Afghanistan hatten es sichtlich eilig, den Chefposten wieder zu besetzen: Kaum vier Tage nach dem Tod ihres Führers Mullah Akthar Mansur kürte ihre Spitze den bisherigen Vize Mullah Haibatullah Akhundzada zum Nachfolger. Der hochrangige Religionsgelehrte und Richter sei der neue Führer der Gläubigen, erklärte ein Taliban-Sprecher am Mittwoch. Damit wollte die Talibanspitze offenbar Nachfolgekämpfe verhindern und die Bewegung wieder einen. Ob das gelingt, ist allerdings fraglich. Noch am Mittwoch tauchte prompt eine Audiobotschaft auf, in der der neue Taliban-Chef angeblich Friedensgesprächen eine Absage erteilt. Nein, wir werden an keinerlei wie auch immer gearteten Friedensgesprächen teilnehmen, heißt es in der Aufnahme, die laut der Agentur Reuters von einer Taliban-Gruppe verbreitet wurde. Der bekannte Taliban-Sprecher Zabiullah Mujahid bezeichnete die Botschaft allerdings als Fälschung. Die Verwirrung könnte ein Hinweis auf erneut aufflammende Machtkämpfe sein. Akhundzada, der zwischen 55 und 60 Jahre alt sein soll, hat zwar keine Kampferfahrung auf dem Schlachtfeld, gehört aber der alten Taliban-Gründergeneration an und genießt als religiöse Autorität und Richter hohen Respekt unter den Kämpfern. So zeichnete er für fast alle Fatwas verantwortlich, die die blutigen Attacken der Taliban religiös rechtfertigten. Zudem war er Weggefährte des legendären Taliban-Chefs Mullah Omar, der ihn angeblich Lehrer nannte. Zu Akhundzadas erstem Stellvertreter wurde der Hardliner Sirajuddin Haqqani ernannt, der bereits unter Mansur die Militäroperationen geleitet hatte. Sein Haqqani-Netzwerk ist wegen seiner brutalen Selbstmordanschläge gefürchtet. Zweiter Vize wurde Mullah Jakub, der Sohn von Mullah Omar. Beide hatten auch als mögliche Kandidaten für den Chefposten gegolten, waren aber umstritten gewesen. Zugleich bestätigten die Taliban erstmals offiziell den Tod von Mansur, der am Samstag bei einem US-Drohnenangriff getötet worden war. Es war das erste Mal, dass die USA einen hochrangigen Führer der afghanischen Taliban in der pakistanischen Provinz Belutschistan töteten. Seit Monaten bemühen sich Afghanistan, Pakistan, China und die USA vergeblich, die Tali- ban an den Verhandlungstisch zu holen. Die USA begründeten die Tötung Mansurs damit, dass er sich Verhandlungen verweigert habe. Afghanistans Regierung drohte dem neuen Taliban-Chef, ihn werde das gleiche Schicksal ereilen, wenn er Gespräche ablehne. Die Strategie, die Taliban an den Verhandlungstisch zu bomben, könnte allerdings nach hinten losgehen. Experten fürchten, dass die Taliban ihre Angriffe nun erst recht verstärken, um Mansur zu rächen. Am Mittwoch schlugen die Taliban in Kabul zu und töteten bei einem Anschlag auf einen Bus elf Menschen. US-Präsident Barack Obama erklärte am Donnerstag, die Taliban seien weiterhin eine Organisation, die eine Strategie der Gewalt verfolgt und unschuldige Menschen in die Luft sprengt. Über den neuen Taliban-Chef ist nicht allzu viel bekannt. Wie Omar stammt er aus der Region Kandahar, der Wiege der Taliban. Er hielt sich im Hintergrund, spielte aber seit langem im Führungszirkel der Taliban eine entscheidende Rolle. Während ihres Regimes in Afghanistan und auch später diente er als Chefrichter. Die Taliban-Führung hofft, dass Akhundzada mit seinen ethnischen und politischen Banden die zerstrittene Bewegung wieder einen kann. Ob das gelingt, scheint allerdings fraglich. Die Militanten werden von Machtkämpfen erschüttert, seit im Sommer 2015 bekannt wurde, dass Mullah Omar bereits seit Jahren tot ist. Mansur hat sich damals an die Macht geputscht. Präsidentin der Ärzte ohne Grenzen sieht "Angriff auf Genfer Konvention" – Obama bedauert Bombardement. Genf – Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat die Bombardierung ihrer Klinik im afghanischen Kunduz als Angriff auf die Genfer Konvention bezeichnet. MSF-Präsidentin Joanne Liu forderte am Mittwoch eine Untersuchung des Vorfalls mit 22 Toten durch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission (IHFFC). Sie habe kein Vertrauen in eine interne militärische Untersuchung. Das war nicht nur ein Angriff auf unser Krankenhaus, es war ein Angriff auf die Genfer Konvention. Das kann nicht hingenommen werden, sagte die MSF-Chefin zu Journalisten in Genf. Gemäß dem Genfer Abkommen dürfen zivile Krankenhäuser unter keinen Umständen angegriffen werden. Untersuchung gefordert MSF-Belgien-Generaldirektor Christopher Stokes hatte bereits am Montag eine vollständige und transparente Untersuchung durch eine unabhängige internationale Organisation gefordert. Nach US-Angaben hätten afghanische Streitkräfte, die unter Beschuss von Taliban-Kämpfern standen, den Angriff am Samstag angefordert. Bei den Toten handelt es sich den Angaben zufolge um zwölf MSF-Mitarbeiter und zehn Patienten, darunter drei Kinder. Nach Angaben der Hilfsorganisation waren die afghanischen und die US-Streitkräfte über die GPS-Koordinaten des Krankenhauses informiert, das seit vier Jahren in Betrieb war. Es war das einzige im Nordosten Afghanistans, das schwere Kriegsverletzungen behandeln konnte. US-Präsident Barack Obama hat am Mittwoch persönlich bei Liu und beim afghanischen Präsidenten Ashraf Ghani angerufen. Obama habe dabei sein tiefes Bedauern ausgedrückt, sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Josh Earnest. Zu der Forderung nach einer unabhängigen Untersuchung wollte sich der Sprecher nicht äußern. Gespräche zwischen Militär und Ärzte ohne Grenzen am Tag vor Bombardement, bei dem NGO Anwesenheit von Taliban verneinte. Washington – Die US-Spezialeinheit, die den Luftangriff auf das Spital von Ärzte ohne Grenzen (Médecins sans frontières, MSF) in Kunduz in Nordafghanistan angefordert hat, wusste darüber Bescheid, dass es sich um ein in Betrieb befindliches Krankenhaus handelte. Das Militär soll geglaubt haben, dass Kämpfer der Taliban das Gebäude kontrollieren, wie AP berichtet. Am 2. Oktober, dem Tag vor dem Angriff, waren ein Offizier der Einheit und ein MSF-Vertreter zu Beratungen zusammengekommen, dabei wurde auch die Frage erörtert, ob sich Kämpfer der Taliban in der Klinik aufhalten würden. Dies wurde von Ärzte ohne Grenzen verneint und die Notwendigkeit der Anerkennung der medizinischen Einrichtung durch alle Konfliktparteien betont. Zwei von AP nicht näher bezeichnete Personen, die Einblick in einen Bericht eines führenden Offiziers der Special Forces erhalten hatten, erklären, dass die Ärzte ohne Grenzen mitgeteilt hatten, dass ihr Personal im Spital stationiert sei. Im Bericht stehe weiters, dass die Klinik unter Kontrolle von Aufständischen sei und dass sie am nächsten Tag von feindlichen Truppen zu befreien sei. MSF hatte die Anwesenheit von Taliban ebenso bestritten wie Berichte, dass US-Truppen vom Gelände des Spitals aus beschossen worden seien. Die Spezialeinheit hatte bei der Luftwaffe Aufklärungsflüge angefordert, wobei sich dem Bericht zufolge beide Einheiten dessen bewusst waren, dass es sich um eine geschützte medizinische Einrichtung handelte. Der Angriff wurde von einem Flugzeug zur Luftnahunterstützung des Typs AC-130 geflogen. In fünf Attacken wurde das Krankenhaus über den Zeitraum einer Stunde beschossen. Ende vergangener Woche hatte Ärzte ohne Grenzen berichtet, dass die Opferzahl des US-Luftangriffs auf mindestens dreißig gestiegen ist. Zehn Patienten und 13 Spitalsmitarbeiter wurden identifiziert, die Leichen weiterer sieben Opfer konnten nicht zugeordnet werden. Im vergangenen Jahr waren in dem Krankenhaus mehr als 22.000 Patienten behandelt und mehr als 5.900 Operationen durchgeführt worden. Ärzte ohne Grenzen hatte nach dem Bombardement eine Aufklärung durch die Internationale Humanitäre Ermittlungskommission gefordert. Jason Cone, MSF-Direktor in den USA, mahnte in einem Kommentar für die New York Times zuletzt erneut, dass die Kommission die einzige Einrichtung sei, die auf Basis der Genfer Konventionen Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht untersuchen könne. Die USA sollten die Forderung von Ärzte ohne Grenzen als Gelegenheit sehen, das Engagement Washingtons für das humanitäre Völkerrecht zu bestätigen, die eigene Glaubwürdigkeit wiederherzustellen und den geschützten Status medizinischer Einrichtungen in Kriegsgebieten zu stärken. Ein Untersuchungsbericht der Nato über den Zwischenfall verzögert sich unterdessen. Auch das US-Militär hat eine Untersuchung angeordnet. Hilfsorganisation fordert unabhängige Untersuchung des Bombardements. Berlin – Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) hat den internen Bericht des US-Militärs zu den verheerenden Angriffen auf ihre Klinik im afghanischen Kundus scharf kritisiert. Der am Mittwoch vorgelegte Bericht sei ungenügend, er wirft mehr Fragen auf als er Antworten liefert, erklärte der Geschäftsführer der deutschen Sektion, Florian Westphal, am Donnerstag in Berlin. Notwendig sei weiter eine unabhängige internationale Untersuchung der Bombardierung. Auch die deutsche Regierung müsse dafür ihren Einfluss geltend machen. Bei dem Angriff auf die Klinik am 3. Oktober waren 30 Menschen getötet worden, darunter 14 Mitarbeiter von Ärzte ohne Grenzen und mindestens zehn Patienten, auch Kinder. In dem US-Untersuchungsbericht wird in erster Linie menschliches Versagen als Grund angegeben. Der tragische, aber vermeidbare Zwischenfall wurde hauptsächlich durch menschliches Versagen verursacht, sagte US-General John Campbell bei der Vorstellung am Mittwoch im NATO-Hauptquartier in Kabul. Eigentlich hätte ein hunderte Meter entferntes Gebäude bombardiert werden sollen, in dem verfeindete Kämpfer vermutet wurden. Campbell habe in seiner Erklärung das humanitäre Völkerrecht überhaupt nicht erwähnt, sondern sich auf geheime Einsatzregeln der US-Armee bezogen – das reicht nicht aus, erklärte Westphal. Um Krankenhäuser im Kriegsgebiet in Afghanistan betreiben zu können, müssen wir vom US-Militär wissen, ob es dasselbe Verständnis von den in den Genfer Konventionen festgelegten Regeln im Krieg hat wie wir. Die Bundesregierung müsse Druck auf die USA machen, damit diese endlich die Arbeit der genau für solche Fälle geschaffenen Internationalen Humanitären Ermittlungskommission zulässt. Auch der Geschäftsführer der für die Klinik verantwortlichen belgischen Sektion von Ärzte ohne Grenzen, Christopher Stokes, reagierte erbost auf den Bericht. Es ist schockierend, dass ein Angriff der US-Streitkräfte ausgeführt werden kann, obwohl diese weder Sichtkontakt zum Zielobjekt noch Zugang zu der Liste der Objekte haben, die nicht angegriffen werden dürfen, und außerdem die Kommunikationssysteme versagen, sagte er. In Kunduz seien 30 Menschen getötet worden und jetzt Hundertausende ohne Zugang zu lebensrettender Hilfe, offenbar nur, weil unser Krankenhaus schlicht und einfach das nächstgelegene große Gebäude neben einem freien Feld war und grob einer Beschreibung des eigentlichen Zieles entsprach. Die erschreckende Abfolge an Fehlern zeige grobe Fahrlässigkeit seitens der US-Streitkräfte und Verletzungen der völkerrechtlichen Regeln der Kriegsführung. Die USA hätten den Ärzten ohne Grenzen bisher weder den Untersuchungsbericht noch Teile daraus zur Verfügung gestellt, erklärte die Organisation weiter. Campbell habe die Vertreter der Organisation lediglich kurz vor der gestrigen Pressekonferenz in Kabul telefonisch über erste Ergebnisse informiert. MSF pocht weiter auf eine Veröffentlichung des Berichts. Nach MSF-Angaben wurden in der Klinik zum Zeitpunkt des Angriffs 105 Patienten behandelt, darunter verletzte Taliban-Kämpfer, aber auch Frauen und Kinder. Die Organisation erklärte, dass auch verwundete Taliban-Kämpfer nach dem Völkerrecht als Patienten geschützt seien. Sie müssten ohne Diskriminierung behandelt und dürften nicht angegriffen werden. Auf dem Krankenhausgelände seien weder bewaffnete Kämpfer gewesen, noch habe es dort Kampfhandlungen gegeben. Präsident lehnte letztes Gnadengesuch ab – Angst vor neuen Unruhen. Dhaka – In Bangladesch sind zwei wegen Kriegsverbrechen verurteilte Oppositionspolitiker gehängt worden. Justizminister Anisul Huq gab Sonntagfrüh die Hinrichtung von Ali Ahsan Mohammad Mujahid und Salahuddin Quader Chowdhury bekannt. Die beiden Männer waren wenige Stunden zuvor mit ihrem letzten Gnadengesuch gescheitert. Präsident Abdul Hamid lehnte eine Begnadigung ab, kurz darauf wurde die Hinrichtung vorbereitet. Der 66-jährige Chowdhury war wegen Gräueltaten während des Unabhängigkeitskriegs 1971 vor Gericht gestellt worden. Das umstrittene Kriegsverbrechertribunal verurteilte den Politiker der oppositionellen Bangladesh Nationalist Party (BNP) vor zwei Jahren wegen Völkermords, Folter und Vergewaltigung zum Tode. Chowdhury war langjähriger Parlamentsabgeordneter und ein enger Vertrauter der heutigen BNP-Vorsitzenden Khaleda Zia. Der 67-jährige Mujahid war ebenfalls 2013 wegen Kriegsverbrechen zum Tode verteilt worden. Dem Islamisten wurde unter anderem die Verantwortung für die Ermordung von Intellektuellen während des Unabhängigkeitskriegs 1971 vorgeworfen. Mujahid gehörte der Führung der größten islamistischen Partei Bangladeschs an, der Jamaat-e-Islami. In Bangladesch wurden in den vergangenen Jahren zahlreiche Oppositionelle, darunter viele Islamisten, wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen zu langen Haftstrafe oder zum Tode verurteilt. Im Jahr 2010 war in Bangladesch ein Tribunal zur Aufarbeitung von Gräueltaten während des Krieges 1971 gegen Pakistan gegründet worden. Laut Regierungsangaben wurden in dem Krieg bis zu drei Millionen Menschen getötet, in vielen Fällen von Einheimischen, die mit den pakistanischen Streitkräften zusammenarbeiteten. In unabhängigen Schätzungen wird die Zahl der Todesopfer mit 300.000 bis 500.000 angegeben. Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi in Peking. Peking – In der Großen Halle des Volkes umwarb der chinesische Präsident Xi Jinping die aus Burma (Myanmar) kommende Menschenrechtsaktivistin Aung San Suu Kyi, mit der Peking noch vor wenigen Jahren nichts zu tun haben wollte. Es war ein ungewöhnliches Treffen zwischen dem absolute Macht ausstrahlenden Xi und der zierlichen Oppositionspolitikerin aus dem Nachbarland. Die Botschaft: Xi setzt auf die 69-Jährige und wünscht sich ihre politische Freundschaft. Internet-Blogs, die den Besuch zum Anlass nahmen, um eine Amnestie für den seit sieben Jahren inhaftierten Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo zu fordern, wurden jedoch zensiert. Nachrichten des in Peking empfangbaren BBC-Fernsehens wurden sofort ausgeblendet, als sie meldeten, dass Suu Kyi sich für Bürgerrechtler Liu einsetzen könnte. Der Bildschirm wurde jedes Mal schwarz. Am Ende bestimmte reine Realpolitik, dass Pekings autoritäre Parteiführer und Suu Kyi aufeinander zugehen wollen. Chinas Führer wissen, dass die Oppositionspolitikerin mit ihrer Demokratischen Union bei den Wahlen in Burma im November als aussichtsreiche Kandidatin gilt. Jahrzehntelang hatte Peking kein gutes Wort für sie übrig und unterstützte das Militärregime, während sie 15 Jahre lang im Hausarrest saß. Auch nach ihrer Freilassung 2010 durfte in China nicht über sie gesprochen werden. 2011 verbot die Zensur gar den französischen Spielfilm The Lady von Luc Besson. Der Aung San Suu Kyi preisende Film sei schädlich für Chinas politische Kultur. China hat jedoch gute Gründe, um die Beziehungen zu Burma zu verbessern und dabei um die Hilfe von Suu Kyi zu werben. Peking hatte im Verein mit den früheren Militärmachthabern in zahlreiche Wirtschaftsprojekte investiert. Sie stehen nun auf dem Prüfstand, darunter auch der Bau einer Ölpipeline. Geopolitisch wurde Burma für China zum Landkorridor mit Zugang zum Indischen Ozean. All das geht zurück auf die alte Diktatur. Seit 2012 nähert sich Burma jedoch den USA an - ein Alarmsignal für Peking. Auch Suu Kyi hat ein Motiv, sich zu arrangieren. Wenn sie zu Hause ihre Wahlen gewinnen will, muss sie einen Plan haben, wie sie mit Peking zusammenarbeiten kann - ob sie dessen Führer nun mag oder nicht. Das Verhältnis von Burma und China könne nicht wie das eines Ehepaares sein, erklärte die Politikerin pragmatisch: Eheleute könnten sich jederzeit scheiden lassen, Burma und China blieben jedoch Nachbarländer, was immer sie tun. Also warum nicht das Beste daraus machen? (Johnny Erling aus Peking, 12.6.2015) Wahlbeobachter bekamen keinen Zugang zu Urnengang in Kasernen. Rangun – Vor der historischen Parlamentswahl in Burma hat die Sorge vor Ungereimtheiten die Hoffnung auf einen demokratischen Neubeginn gedämpft. Beobachter aus dem Ausland kritisierten insbesondere, dass sie die Stimmabgabe der bis zu 500.000 Militärangehörigen nicht kontrollieren konnten, die schon vor Sonntag erfolgte. Der Prozess wäre transparenter gewesen, hätten wir Beobachter in die Kasernen schicken dürfen, sagte der FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der die Mission der europäischen Wahlbeobachter anführt, am Samstag der Nachrichtenagentur AFP. Mehr als 30 Millionen Bürger sind am Sonntag zur ersten landesweiten Wahl in dem südostasiatischen Land seit 25 Jahren aufgerufen. 1990 war die oppositionelle Nationale Liga für Demokratie (NLD) als haushohe Siegerin aus der Wahl hervorgegangen, doch die Militärs erkannten das Ergebnis nie an. Im Jahr 2011 wurde die fast fünf Jahrzehnte andauernde Militärherrschaft im Land beendet und die Macht offiziell an eine formal zivile Regierung unter dem ehemaligen General Thein Sein übertragen. Zwar gibt es in Burma keine Umfragen, doch rechnet Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi fest mit einem Sieg ihrer NLD. Zu den großen Sorgen im In- und Ausland gehört aber, wie das Militär auf einen Triumph der Liga reagieren könnte. Der einstige Junta-Führer und heutige Präsident Thain Sein betonte zwar am Freitag, er und die Generäle würden das Wahlergebnis respektieren. Aber das heißt nicht, dass auch die Leute hinter ihm dem folgen werden, mahnte Phil Robertson von Human Rights Watch. Suu Kyi selbst und ihre Anhänger wiederum befürchteten weitverbreitete Wahlfälschung. So sei die Wahl der Myanmarer im Ausland bereits chaotisch abgelaufen. Die Wahl dürfte zu einer entscheidenden Weichenstellung für die Zukunft des Landes werden. Das neue Parlament wird Anfang kommenden Jahres auch einen neuen Präsidenten bestimmen. Suu Kyi darf gemäß der vom Militär ausgearbeiteten Verfassung nicht für das höchste Amt im Staat kandidieren, weil ihre direkten Angehörigen eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Doch will die 70-Jährige die Regierung anführen und nur einen Staatspräsidenten akzeptieren, der in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet, wie sie kürzlich klarstellte. (APA, 7.11.2015) Parteichef Oo: Werden Ergebnis akzeptieren – Oppositionschefin Suu Kyi hofft auf demokratischen Neubeginn. Rangun – In Burma zeichnen sich nach der ersten freien Wahl seit 25 Jahren deutliche Gewinne für die oppositionelle Nationale Liga für Demokratie (NLD) von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi ab. Nach eigenen Hochrechnungen hat die Partei mehr als 70 Prozent der zu vergebenden Mandate erobert. Dieses Resultat beruhe auf Ergebnissen einzelner Wahllokale im ganzen Land, teilte ein NLD-Sprecher am Montag mit. In den dicht besiedelten Gebieten habe die NLD mehr als 90 Prozent der Sitze gewonnen. Sollten die Berechnungen stimmen, könnte Suu Kyis Partei die Regierung bilden. Laut Verfassung sind 25 Prozent der Parlamentssitze für das Militär reserviert. Offizielle Ergebnisse liegen noch nicht vor. Die regierende Solidaritäts- und Entwicklungspartei (USDP) hat ihre Niederlage bereits eingeräumt. Wir haben verloren, sagte Parteichef Htay Oo der Nachrichtenagentur Reuters am Montag. Seine Partei werde den Wahlausgang akzeptieren. Auch einer der ranghöchsten USDP-Vertreter, Parlamentspräsident Shwe Mann, gestand auf Facebook seine Niederlage im Wahlkreis Phyu 200 Kilometer nördlich der Hafenstadt Rangun ein. Ich gratuliere Thein Nyunt von der Nationalliga für Demokratie zum Mandatsgewinn, schrieb er. Die Wahl verlief unter strengen Sicherheitsvorkehrungen und ohne größere Zwischenfälle, mehr als 30 Millionen Menschen waren wahlberechtigt. Ein Mitarbeiter der Wahlkommission gab die Wahlbeteiligung mit rund 80 Prozent an. Das Staatsfernsehen zeigte die Stimmenauszählung live. Die Wahlkommission wollte sich im Lauf des Montags mit ersten Ergebnissen melden. Präsident Thein Sein und Oberbefehlshaber Min Aung Hlaing haben versichert, sie würden das Ergebnis anerkennen. Die USA begrüßten die Wahl, benannten aber zugleich einige Mängel. Außenminister John Kerry sagte am Montag, die hohe Wahlbeteiligung sei ein Zeichen für den Mut und die Aufopferung der Menschen in dem seit Jahrzehnten vom Militär regierten Land. Die Wahl sei aber weit davon entfernt gewesen, perfekt zu sein. Es habe wichtige strukturelle und systembedingte Hindernisse für eine demokratische Wahl gegeben. Kerry verwies unter anderem darauf, dass ein bestimmter Anteil der Sitze im Parlament von vornherein für Militärvertreter reserviert war. Wir werden die Auszählung weiter beobachten, so Kerry. Bei der Wahl entscheidet sich, ob Burma nach mehr als 50 Jahren die Dominanz des Militärs in der Politik abschütteln kann. Rund 10.000 Wahlbeobachter befanden sich im Land, tausende Kandidaten von 91 Parteien traten bei den Parlaments- und Regionalwahlen an. Bereits vor Tagesanbruch warteten die Menschen in Rangun in langen Schlangen vor den Wahllokalen. Ich habe für diejenige gestimmt, die das Volk regieren sehen will, sagte der 74-jährige Myint Aung. Wir wollen, dass sich das System ändert, sagte der pensionierte Hochschullehrer Khin Myint Myint. Suu Kyi selbst kam – landestypisch gekleidet und mit den zu einem ihrer Erkennungszeichen gewordenen Blumen im Haar – am Vormittag in ein Wahllokal in Rangun und wurde von Journalisten umringt. Im Hof des Wahllokals riefen ihre Anhänger Sieg, Sieg!. Nach der Wahl versammelten sich tausende Anhänger Suu Kyis vor der Parteizentrale. Ein Parteivertreter verlas eine Botschaft, in der die Menge aufgerufen wurde, die Ergebnisse zu Hause abzuwarten. Wenn die Ergebnisse kommen, dann will ich, dass ihr sie ruhig akzeptiert, hieß es. Am Montag sagte Sii Lyo laut der Deutschen Presse-Agentur vor Anhängern in der Parteizentrale: Es ist zu früh, unseren Kandidaten zu gratulieren, aber ihr habt sicher alle eine Vorstellung, wie die Ergebnisse aussehen. Sie mahnte, niemand solle prahlen. Das verletzte die Gefühle der Verlierer. Suu Kyi hofft, durch einen Sieg ihrer NLD den demokratischen Neubeginn in Burma besiegeln zu können. Die Partei hatte bereits 1990 die Parlamentswahl deutlich gewonnen, das Militär weigerte sich aber, das Ergebnis anzuerkennen. Vor vier Jahren wurde die Militärherrschaft beendet und die Macht an eine formal zivile Regierung unter dem ehemaligen Junta-Führer Thein Sein übertragen. Mit Hochspannung wird nun darauf geblickt, ob das Militär im Fall seiner Wahlniederlage tatsächlich die Macht an eine demokratisch gewählte Regierung abtritt. Thein Sein gab in der Hauptstadt Naypyidaw seine Stimme ab. Er hatte zugesichert, den Wahlausgang anzuerkennen. Aber das heißt nicht, dass auch die Leute hinter ihm dem folgen werden, sagte Phil Robertson von der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Im Parlament ist gemäß der Verfassung ein Viertel der Mandate nominierten Militärs vorbehalten. Daher benötigt die von der Armee unterstützte Regierungspartei USDP nur rund ein Drittel der Mandate, um gemeinsam mit den Militärs eine Mehrheit zu haben. Das Militär hat auch sichergestellt, dass es Zugang zu Schlüsselpositionen in Ministerien besitzt und über entsprechende Holdinggesellschaften Einfluss auf die Wirtschaft nehmen kann. Das neue Parlament wird Anfang kommenden Jahres auch einen neuen Präsidenten bestimmen. Suu Kyi darf gemäß der vom Militär ausgearbeiteten Verfassung nicht kandidieren, weil ihre direkten Angehörigen eine ausländische Staatsbürgerschaft haben. Die 70-Jährige will dennoch die Regierung anführen und nur einen Staatschef akzeptieren, der in Übereinstimmung mit der Politik der NLD arbeitet, wie sie kürzlich sagte. Sollte es letztlich doch zu einem knappen Ergebnis zwischen NLD und USDP kommen, könnten die kleinen Parteien in die Rolle des Königsmachers rutschen. Viele von ihnen vertreten ethnische Minderheiten. Immer wieder kommt es in Burma zu religiös motivierten Zusammenstößen zwischen Buddhisten und Muslimen. In dem Land leben etwa 1,1 Millionen muslimische Rohingya. Die meisten sind staatenlos und waren von der Parlamentswahl ausgeschlossen. Im Vorfeld gab es Sorge vor Ungereimtheiten bei der Wahl. Ausländische Beobachter kritisierten insbesondere, dass sie die im Vorhinein erfolgte Stimmabgabe der bis zu 500.000 Militärangehörigen nicht kontrollieren konnten. Der deutsche FDP-Politiker Alexander Graf Lambsdorff, der die Mission der europäischen Wahlbeobachter anführt, sagte am Sonntag, während der Stimmabgabe habe es keine Hinweise auf Wahlbetrug gegeben. Manipulationen seien aber noch bei Transport und Auszählung der Stimmzettel möglich. Auch wenn sie nicht Präsidentin sein darf, wird sie die Geschicke Burmas lenken, sagt Südostasien-Expertin Katrin Bannach. STANDARD: Das Mehrheitswahlrecht und die starke Rolle der Armee, der ein Viertel der Parlamentssitze zustehen, machen klare Aussagen über das Endergebnis der Parlamentswahl in Burma schwierig. Kann Aung San Suu Kyi die Wahl noch verlieren? Bannach: Das ist tatsächlich möglich, weil die Nationale Liga für Demokratie (NLD) zwei Drittel der Stimmen gewinnen muss, um die Mehrheit zu erlangen. Bis dato sind aber nur die Ergebnisse aus dem Zentrum des Landes bekannt, wo alle mit einem Wahlsieg der NLD gerechnet haben. Es wird sich noch herausstellen, wie die Gebiete der ethnischen Minderheiten wählen, die alle jeweils eigene Parteien haben. Aus manchen Gebieten dauert es mindestens eine Woche, bis die Wahlergebnisse überhaupt in die Hauptstadt transportiert sind. Wenn die NLD im Zentrum nicht einen haushohen Sieg davonträgt, sondern bei 70 Prozent stehen bleibt, kann sich das noch einmal ändern. STANDARD: Präsidentin darf die Friedensnobelpreisträgerin ohnehin nicht werden. Wie will sie dann regieren? Bannach: Viele Beobachter hier in Burma meinen, sie würde sich ein neues Amt schaffen wollen, was die Verfassung aber nicht zulässt. Ganz konkret wird es heißen, dass sie einen Präsidenten einsetzt, den sie im Tagesgeschäft entsprechend briefen wird, damit er die Geschicke des Landes in ihrem Sinne führt. STANDARD: Gibt es schon Kandidaten? Bannach: Nein, Suu Kyi hat sich in dieser Frage stets bedeckt gehalten. In der Hauptstadt kursieren die Namen einiger Geschäftsfrauen, die sich in der NLD engagiert haben, die man aber kaum kennt. Klar ist, dass der nächste Präsident eine relativ schwache Position haben wird, weil Suu Kyi schon deutlich gemacht hat, dass eigentlich sie das Land führen wird. Zudem hat sie in den vergangenen Jahren niemanden neben sich wirklich groß werden lassen. STANDARD: Was wird sich ändern, wenn Suu Kyi oder einer ihrer Vertreter aus der NLD an der Macht ist? Bannach: Das oberste Gebot, das sich die Partei auf die Fahne geschrieben hat, ist Rechtsstaatlichkeit. Die Menschen im Alltag, aber auch die Wirtschaft brauchen dringend verlässliche Regeln, an die man sich halten kann, weil sonst nur zählt, wen man kennt. Das Vertrauen in die Behörden und die Regierung ist gering, viele fühlen sich betrogen, hintergangen. Die Menschen erwarten sich von Suu Kyi aber auch mehr Jobs und bessere Bildung. Kurz gesagt sind die Erwartungen sehr hoch, und sie werden sehr schwierig zu erfüllen sein. STANDARD: Wird die Armee einen Sieg Suu Kyis akzeptieren? Bannach: Die Signale waren jüngst sehr positiv. Der Oberbefehlshaber hat immer wieder betont, dass er auch einen Sieg der NLD akzeptieren würde. Das Militär hat diese Wahl schließlich erst zugelassen, obwohl es im Vorfeld genügend Gründe gehabt hätte, sie zu verschieben, etwa wegen der Flutkatastrophe. Egal wie die Wahl ausgeht, wird die Armee das Land weiterhin nachhaltig politisch beeinflussen können. Laut Verfassung hat die Armee noch immer eine sehr starke Vetomacht im Parlament und besetzt die wichtigsten Ministerien, nämlich das Grenz-, das Innen- und das Außenministerium. Der mächtige Sicherheitsrat kann außerdem die Verfassung jederzeit wieder außer Kraft setzen. Die Hoffnung ist nun, dass die Armee sich auf diese Sicherheiten zurückzieht. Es gibt aber noch immer Grenzen, so wurden kürzlich kritische Studentenführer auf offener Straße verhaftet. STANDARD: Ethnische Rebellengruppen bekämpfen die Zentralregierung seit Jahrzehnten. Wie könnte es unter einer neuen Regierung mit den Friedensverhandlungen weitergehen? Bannach: Das Hauptprojekt des amtierenden Präsidenten Thein Sein war die Unterzeichnung eines nationalen Friedensabkommens, was ihm nur mittelmäßig gelungen ist, weil es nur von acht der 16 anerkannten Bevölkerungsgruppen getragen wird. Zudem ist es ein sehr schwaches Abkommen, das den Namen kaum verdient. Ein Grund für die Zurückhaltung mancher Gruppen ist wohl, dass man die neue Regierung abwarten will. Wenn jetzt Suu Kyi tatsächlich über die Regierung bestimmt, wird das für Unruhe sorgen, weil erstens das Vertrauen komplett neu aufgebaut werden muss und zweitens das Militär eingebunden werden muss, was der neuen Regierung schwerer fallen wird als der alten, die armeenah war. Indem der nationale Vertrag jetzt nicht unterzeichnet wurde, hat man eine Riesenchance verpasst. Die Zeichen für Frieden standen vor der Wahl so gut, wie es danach eigentlich nicht mehr sein kann. Ein möglicherweise schwacher Präsident unter Suu Kyi wird nicht die notwendigen Kontakte haben. Und eine neue Regierung dürfte nicht das Mandat zur Lösung der essenziellen Fragen über eine neue dezentrale Staatsstruktur haben. STANDARD: Wie steht es um das Verhältnis von Buddhisten und Muslimen, das in der Vergangenheit sehr angespannt war? Bannach: Einige radikalisierte Mönche haben im Wahlkampf starken Einfluss auf die Politik und die Gesetzgebung genommen. Ihre Organisation Ma Ba Tha wird das Land nachhaltig verändern. Selbst wenn die Wahl eine Partei an die Macht bringt, die diesen Leuten kritisch gegenübersteht, wird es schwer sein, diesen Geist wieder zurück in die Flasche zu verfrachten. Konkret hat sich keine Partei getraut, muslimische Kandidaten aufzustellen. Unter der alten Regierung hatten Muslime hingegen noch politische Vertreter. STANDARD: Wie wird sich der Einfluss Chinas auf das weit kleinere Burma entwickeln, wenn dort eine neue Regierung an die Macht gelangt? Bannach: Burma ist nicht der Vasall Pekings, als der es im Westen oft dargestellt wird. Natürlich hat das Regime während der westlichen Sanktionen in den 90er-Jahren China die Tür geöffnet, weil es der einzige Partner war, mit dem Burma große Projekte durchführen konnte. Einerseits ist Chinas Einfluss in den vergangenen zwanzig Jahren in allen Bereichen stark gestiegen, andererseits ist auch das Ressentiment der Bevölkerung gegenüber den manchmal rabiat agierenden Chinesen stark gewachsen. Es wird gemunkelt, dass die Öffnung der Regierung gegenüber dem Westen auch dem Wunsch entspringt, sich aus der chinesischen Einflusssphäre hinauszubewegen. Oppositionsführerin will über "nationale Versöhnung" reden. Yangon – Nach der historischen Parlamentswahl in Burma hat Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi Präsident Thein Sein und die mächtige Armeeführung zu Gesprächen über nationale Versöhnung aufgerufen. Die Bürger haben bei der Wahl ihren Willen zum Ausdruck gebracht, hieß es in Briefen, die Suu Kyis Nationale Liga für Demokratie (NLD) am Mittwoch veröffentlichte. Darin lädt sie Präsident Thein Sein, Armeechef Min Aung und den einflussreichen Parlamentspräsidenten Shwe Mann dazu ein, in der kommenden Woche mit ihr über nationale Versöhnung zu reden. Die NLD hat nach neuen Ergebnissen 56 der bisher ausgezählten 61 Mandate gewonnen. Am Dienstag hatte NDL-Chefin Suu Kyi gesagt, dass sie letztlich mit 75 Prozent der Mandate rechne. Dem Militär sind im neuen Parlament 25 Prozent der Sitze reserviert. Daher bräuchte die NDL 67 Prozent der bei der Wahl vergebenen Sitze, um eine absolute Mehrheit im Parlament zu erreichen. Die 70-jährige Friedensnobelpreisträgerin hofft, durch einen Sieg ihrer NLD den demokratischen Neubeginn in Burma besiegeln zu können. Die Partei hatte bereits 1990 die Parlamentswahl deutlich gewonnen, das Militär weigerte sich aber, das Ergebnis anzuerkennen. Suu Kyi verbrachte daraufhin die meiste Zeit im Hausarrest. Vor vier Jahren wurde die Militärherrschaft beendet und die Macht an eine formal zivile Regierung unter dem ehemaligen General Thein Sein übertragen. Mit Hochspannung wird nun erwartet, ob das Militär im Falle einer Wahlniederlage tatsächlich die Macht vollständig an eine demokratisch gewählte Regierung abtritt. Mehrere Schwergewichte der Regierungspartei USDP haben ihre Niederlage bereits eingeräumt, darunter ihr Parteivorsitzender Htay Oo sowie Parlamentspräsident Shwe Mann. Ein Sprecher von Präsident Thein Sein verwies am Mittwoch darauf, dass das offizielle Wahlergebnis noch nicht vorliege. Die Abstimmung sei aber frei und fair gewesen. Rund zwei Drittel der Stimmen ausgezählt – NLD liegt uneinholbar vorn. Naypyidaw – Nach Auszählung von rund zwei Dritteln der Stimmen liegt die Partei von Friedensnobelpreisträgerin Aung San Suu Kyi (70) nach der Parlamentswahl in Burma uneinholbar in Führung. Für die absolute Mehrheit in beiden Parlamentskammern fehlten ihr am Donnerstag aber noch 38 Sitze. Für 130 Parlamentssitze standen die Sieger noch nicht fest, weil die Wahlkommission noch nicht alle Stimmen ausgezählt hatte. US-Präsident Barack Obama gratulierte Burmas Präsidenten in einem Telefongespräch zum erfolgreichen und friedlichen Ablauf der Wahl. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier äußerte sich ähnlich. Es stimmt hoffnungsvoll, dass die unterlegene Regierungspartei und das Militär das Wahlergebnis anerkannt haben, teilte Steinmeier mit. Die Glückwünsche des amtierenden Präsidenten, Thein Sein, an die Wahlsieger möchte ich ausdrücklich würdigen. Bei den letzten freien Wahlen vor 25 Jahren hatte Suu Kyi auch gewonnen. Allerdings weigerte sich das Militär damals, die Macht abzugeben. Die Wähler erteilten der militärnahen Regierung von Thein Sein am Sonntag eine klare Absage. Er hatte zwar nach dem Ende der Militärdiktatur 2011 Reformen eingeleitet. Dennoch gehörte er zur alten Garde. Thein Sein war unter der Militärjunta Regierungschef. Suu Kyi will die Regierungsgeschäfte führen, wie sie betont hat. Wie, ist noch unklar, denn das macht eigentlich der Präsident. Ihr ist dieses Amt aber laut Verfassung verwehrt, weil ihre beiden Söhne ausländische Pässe haben. Suu Kyis Nationalliga für Demokratie (NLD) hatte bis Donnerstag 291 der 491 freien Sitze gewonnen, die militärnahe Regierungspartei USDP lag als zweitstärkste Kraft bei 33 Sitzen. Zusätzlich sind in den beiden Kammern aber noch 166 Militär-Abgeordnete vertreten. Alle Abgeordneten wählen im kommenden Jahr den neuen Präsidenten. Um dabei mit ihren eigenen Stimmen eine Mehrheit für ihren Kandidaten zu bekommen, braucht die NLD mindestens 329 Sitze. Die Abgeordneten wählen unter drei Kandidaten: je einen ernennen das Unterhaus und das Oberhaus, einen ernennt das Militär. Die NLD hat in beiden Häusern bereits genügend abgeordnete, um eigene Kandidaten durchzusetzen. Bei der Abstimmung aller Abgeordneter, also auch der Militärvertreter, gewinnt derjenige, der die meisten Stimmen hat, die anderen beiden werden Stellvertreter. Wahlsiegerin will vorerst Vertrauensperson für Präsidentschaftswahl nominieren. Naypyidaw/Rangun – Die Verhandlungen sind vorerst gescheitert – und auf eine Konfrontation mit dem mächtigen Militär will es Aung San Suu Kyi, Siegerin der Parlamentswahlen in Burma, nicht ankommen lassen. Wie mehrere burmesische Medien zuletzt unter Berufung auf Quellen in ihrer Nationalliga für Demokratie (NLD) berichten, will die Friedensnobelpreisträgerin in der nächsten burmesischen Regierung nicht mehr Präsidentin, sondern Außenministerin werden. Eigentlich hatte sie nach ihrem Wahlsieg versucht, mit der Armee über einen Aufstieg ins höchste Staatsamt zu verhandeln. Diese beharrte aber darauf, einen Passus in der Verfassung beizubehalten, der Suu Kyi wegen der britischen Staatsbürgerschaft ihrer beiden Söhne den Weg ins Amt versperrt. Während zahlreiche Abgeordnete in ihrer Partei auf eine Konfrontation mit dem Militär drängten und einen parlamentarischen Anlauf zur Änderung der Verfassung unternehmen wollten, hat sich Suu Kyi offenbar – zumindest vorerst – für die einfachere Lösung entschieden: Eine Vertrauensperson soll bei der – jüngst auf den 10. März vorgezogenen – Wahl für die Präsidentschaft nominiert werden. Konkrete Namen waren vorerst nicht zu erfahren, Beobachter gehen von einem kleinen Personenkreis aus. Wie es heißt, sucht Suu Kyi jemanden, der zu alt ist, um ihr nicht in Sachen Macht gefährlich werden zu können, der aber in der Partei fest genug verankert ist, um akzeptabel zu sein. Suu Kyi hatte vor der Wahl versprochen, ein Amt anstreben zu wollen, das über jenem des Präsidenten steht, wenn sie selbst nicht die Staatsführung übernehmen könne. Das könnte ihr als eine Art Super-Außenministerin gelingen. Dem Plan nach würde sie dabei nicht nur viele Repräsentationsaufgaben im Ausland übernehmen, sondern etwa auch an Sitzungen des vom Militär kontrollierten Verteidigungs- und Sicherheitsrats teilnehmen. Dass Suu Kyi offenbar die direkte Konfrontation mit den Generälen vorerst vermeiden wollte, hat auch machtpolitische Gründe: Das Militär kontrolliert laut Verfassung noch immer 25 Prozent aller Sitze im Parlament und hat damit eine Sperrminorität gegen Änderungen der Verfassung. Ein Änderungsplan hätte also wenig Chancen gehabt. Zudem braucht sie das Wohlwollen der Armee, die noch immer Innen- und Verteidigungsministerium kontrolliert: Erst kürzlich hat sie einen neuen Friedensplan für die ethnischen Konflikte angekündigt. Ein Deal mit dem Militär hätte diesem laut Gerüchten Posten in Regionalregierungen zugeschanzt und Gespräche so erschwert. Jedes Jahr fordern die von den Behörden drangsalierten "Mütter" Peking zur Neubewertung des 4. Juni auf. Sie lassen nicht locker, inzwischen seit 20 Jahren. Wider das Vergessen der Verbrechen! – Der beherzte Aufruf nimmt Bezug auf das 70. Gedenkjahr des Sieges über den Faschismus und der Kapitulation Japans und kommt aus der chinesischen Hauptstadt. Doch darf er dort nicht veröffentlicht werden. Die Verfasser und Unterzeichner eines am 1. Juni ins Internet gestellten Offenen Briefes an Chinas Führung sind 129 Frauen und Männer im Rentenalter. Fast alle leben in Peking. Ihre Telefone werden in diesen Tagen von der Polizei abgehört. Einige der Alten dürfen ihr Haus nicht verlassen. Sie nennen sich die Mütter des Tiananmen, obwohl auch Väter darunter sind, und haben seit 20 Jahren ein gemeinsames Anliegen. Sie wollen nicht zulassen, dass die Geschehnisse des 4. Juni 1989 vergessen werden. Damals räumten Soldaten auf Befehl der Pekinger Führung den von Studenten besetzten Platz des Himmlischen Friedens. Auf dem Weg dorthin schossen sie entlang ihrer Marschroute wahllos auf Passanten. Die Kinder der Mütter starben in der Nacht auf den 4. Juni, wurden Opfer eines Massakers, das unter dem Namen Tiananmen noch heute weltbekannt ist. Doch in China gibt es kein größeres Tabuthema. Die Partei lässt jede Erinnerung im Keim tilgen. Unter Parteichef Xi Jinping und seiner neuen Normalität sei das noch stärker der Fall, heißt es in dem chinesischen Schreiben. Die nach 1989 geborene Jugend Chinas könne weder aus Büchern, Zeitschriften noch aus dem Internet etwas über den 4. Juni erfahren. Die Pekinger Führung habe die eigene Geschichte zum weißen Blatt gemacht. Darin zeige sich ihre Doppelmoral. 70 Jahre nach dem Ende des Krieges verlange sie von Japans Politikern tätige Reue und Vergangenheitsbewältigung. Premier Li Keqiang habe auf dem Volkskongress im März gesagt: Ein Staatsführer darf sich nicht nur auf die Erfolge seiner Vorgänger berufen, sondern muss auch die historische Verantwortung für deren Verbrechen übernehmen. Li hätte nur Regierungschef Shinzo Abe gemeint und sich nicht eingeschlossen. Zwar stimmen die Mütter des Tiananmen der Kritik zu, dass sich Abe nicht aus der Verantwortung für Japans monströse Verbrechen flüchten dürfe. Nach der gleichen Logik müssten dann aber auch Pekings heutige Führer für alle Verbrechen die Verantwortung übernehmen, die ihre Vorgänger anrichteten. Im Brief werden die Verfolgungskampagnen genannt, in denen in der Volksrepublik Millionen Menschen totgeschlagen oder in den Selbstmord getrieben wurden, von der Bodenreform, dem Großen Sprung nach Vorn und der Hungerkatastrophe, von der Kulturrevolution 1966 bis 1976 bis zum Massaker des 4. Juni. Die mutigen Bürgerrechtler, die solche Briefe schreiben, begehen 2015 ein Jubiläum, bei denen ihnen nicht zum Feiern zumute ist. Vor genau 20 Jahren entstand die Angehörigen-Initiative, die inzwischen zum Kandidaten für den Friedensnobelpreis geworden ist. Ab 2000 gab sie sich den Namen Mütter des Tiananmen als Sammlungsbewegung für die Hinterbliebenen der Opfer des Militäreinsatzes 1989. Ihre Gründerin wurde die heute 79-jährige ehemalige Philosophiedozentin an der Volksuniversität Peking, Ding Zilin. Ihr 17 Jahre alter Sohn starb in der Nacht auf den 4. Juni in Peking. Ding wird derzeit in ihrer Wohnung, wo sie für die Asche ihre Sohnes einen Gedenkaltar gebaut hat, wieder einmal rund um die Uhr von Behörden bewacht, die ihr jeden Kontakt zur Außenwelt verwehren, bis das heikle Datum 4. Juni vorbeigegangen ist. Trotz Einschüchterungen schlossen sich den Tiananmen-Müttern 150 Angehörige an. Jahr um Jahr schrieben sie Briefe an Partei, Regierung und Parlament, forderten Rehabilitierung und riefen zum Dialog auf. Sie nennen den 4. Juni keinen Fehler der Partei, wie es Verharmloser im Ausland gerne tun, sondern ein Verbrechen am Volk. Sie fordern Peking im jüngsten Brief auf, eine neue Untersuchung anzustrengen, die Namenslisten und Zahlen aller Getöteten zu veröffentlichen, die Angehörigen über die Einzelfälle aufzuklären, für Entschädigung zu sorgen und die Täter zur Verantwortung zu ziehen. Zwei Gruppen haben das unterschrieben. Neben den 129 heute lebenden Angehörigen sind stellvertretend weitere 37 Gründungsmitglieder aus der Initiative aufgeführt, die inzwischen gestorben sind. Viele der Mütter hatten auf die Amtsübernahme von Staats- und Parteichef Xi Jinping Hoffnungen für einen neuen Anfang und Dialog gesetzt. Doch schon in seinem ersten Amtsjahr erkannten sie ihren Irrtum. Im offenen Brief im Juni 2013 hieß es, dass viele plötzlich enttäuscht und deprimiert sind. Was bei Xi erkennbar sei, sind Riesenschritte zurück in die maoistische Orthodoxie. Heute schreiben sie, dass ihre Überwachung intensiver wurde. Früher hörte die Polizei nur ihre Telefonate ab. Seit Anfang 2015 installierten sie bei manchen Angehörigen heimlich Abhöranlagen in den Wohnungen. Wie viele Menschen in der Nacht auf den 4. Juni starben ist bis heute ein Staatgeheimnis geblieben. Die Mütter konnten 203 Todesfälle dokumentieren mit Namen des Getöteten, dem Ort und wie er starb. Ding Zilin schätzte einst die Zahl der nur in der Nacht auf den 4. Juni um Leben gekommenen Personen auf über 1.000. Sie veröffentlichte in Hongkong dazu auch das Buch Suche nach den Opfern des 4. Juni mit Biografien von 186 der Getöteten. Bauarbeiten auf den Inseln haben Spannung mit Nachbarländern und den USA ausgelöst. Peking - China will seine umstrittene Landgewinnung an den Spratly-Inseln im Südchinesischen Meer wie geplant in den kommenden Tagen abschließen. Danach werde China damit beginnen, die dort vorgesehenen Einrichtungen zu bauen, kündigte der Sprecher des Außenministeriums, Lu Kang, am Dienstag in Peking an. Die Konstruktionen sind umstritten, da die Inseln ganz oder in Teilen nicht nur von China, sondern auch von Vietnam, Taiwan, Malaysia, den Philippinen oder Brunei beansprucht werden. Die USA sehen die Bauaktivitäten ebenfalls kritisch und haben ihre militärische Präsenz in dem Seegebiet verstärkt. Bei der Ankündigung der nicht näher beschriebenen Bauvorhaben sagte der Sprecher des Außenamtes, die Konstruktionen dienten neben Bedürfnissen der militärischen Verteidigung vor allem zivilen Zwecken. Er nannte Such- und Rettungsdienste, Katastrophenschutz, Meeresforschung, Seeverkehrssicherheit und Fischerei. Die Bauarbeiten haben Spannungen mit Nachbarländern und den USA ausgelöst. Der Sprecher des Außenamtes betonte, dass der Bau der Einrichtungen nicht gegen andere Länder gerichtet sei. Auch die Freiheit der Navigation und des Überflugs seien nicht beeinträchtigt. China werde seine territoriale Integrität entschlossen wahren, bekräftigte Lu Kang den Anspruch auf die Inseln. Trotzdem werde Peking versuchen, die Streitigkeiten durch Gespräche auf der Basis des Respekts vor historischer Fakten zu lösen. Nach US-Angaben ist China dabei, an fünf Stellen Land zu gewinnen und Konstruktionen zu errichten, wo vorher nur Korallenriffe und Sandbänke waren. Laut der US-Denkfabrik Foreign Policy Research Institut (FPRI) wurden in zwei Jahren 800 Hektar neues Land geschaffen. Nach Aufklärungsflügen und der Auswertung von Satellitenaufnahmen gehen US-Militärexperten davon aus, dass Hafeneinrichtungen, Kommunikations- und Überwachungsanlagen und mindestens eine Landbahn gebaut werden. Es ist auch zu Zwischenfällen zwischen der chinesischen Marine und US-amerikanischen Überwachungsflugzeugen gekommen, die gewarnt und aufgefordert wurden, das Gebiet zu verlassen. Die USA sind besorgt, dass sich China in dem Territorialstreit nicht an internationale Normen hält und seine Nachbarn mit seiner Macht in die Knie zwingt. (APA, 16.6.2015) Fast 200 chinesische Anwälte und Bürgerrechtler wurden verhaftet. Peking – Nach der Festnahme von fast 200 chinesischen Anwälten und Bürgerrechtlern sind mehrere Beschuldigte staatlichen Angaben zufolge geständig. Viele Verdächtige hätten etwa zugegeben, dass die Kanzlei Fengrui Fälle aufgebauscht und politisiert habe, um internationale Aufmerksamkeit zu erlangen, berichtete das Parteiorgan der regierenden Kommunistischen Partei, die Peoples Daily, am Sonntag. Vor Gerichtsgebäuden habe die Kanzlei Proteste organisiert, um positive Urteile für ihre Mandanten zu erwirken. Ein solches Vorgehen sei nahezu erpresserisch, hieß es in einem Bericht der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua. Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation Amnesty International vom Donnerstag befinden sich noch 31 der in den vergangenen Wochen festgenommenen Anwälte und Aktivisten in Gewahrsam. Mit im Zentrum des harten Vorgehens der Behörden steht die Pekinger Kanzlei Fengrui, die unter anderem die nach mehr als sechs Monaten in Gewahrsam freigelassene Mitarbeiterin der Zeitung Die Zeit, Zhang Miao, vertreten hat. Laut Peoples Daily erhielt die Polizei kürzlich den Auftrag, eine kriminelle Gruppe von Anwälten zu zerschlagen, denen vorgeworfen werde, Fengrui als Plattform zur Aufruhr der Öffentlichkeit zu nutzen. Einer der Geständigen sei Fengrui-Direktor Zhou Shifeng. Regimekritischer Künstler will zunächst nach Deutschland reisen. Ai Weiwei hat seinen Pass wieder. Er darf damit auch ausreisen. Der weltbekannte in China verfolgte und offiziell jahrelang totgeschwiegene Künstler erhielt am Mittwochnachmittag von den Sicherheitsbehörden sein ihm seit April 2011 abgenommenes Reisepapier ohne alle Auflagen wieder. Es hat ziemliche Zeit gekostet. Ich habe vier Jahre und drei Monate auf diesen Moment gewartet, sagte Ai dem STANDARD in einem Telefongespräch. Aber das sei jetzt ein besonderer Moment für ihn. I am happy wiederholte er auch in Englisch. Ich bin froh. Sein erstes Reiseziel werde Deutschland, genauer gesagt Berlin sein, wo sein sechsjähriger Sohn seit elf Monaten lebt und zur Schule geht. Ai hat ihn dorthin auch aus Gründen der Sicherheit geschickt. Der 58-Jährige muss sich auch einer Nachuntersuchung seiner Kopfoperation 2008 in München unterziehen, Spätfolgen eines brutalen Überfalls auf ihn. Und er hat zudem eine Gastdozentur an der Berliner Universität der Künste verliehen bekommen, die er bisher nie antreten durfte. Aber: Ich muss mich jetzt erstmal um das Visum kümmern und meinen Flug buchen. Im April 2011 hatte die Polizei den regimekritischen Künstler kurz vor seinem Abflug zu einer Auslandsausstellung am Pekinger Flughafen gestoppt und verschleppt. Sie unterstellte ihm Anstifter einer subversiven Protestbewegung zu sein, hielt ihn 81 Tage lang versteckt in auch nach Chinas Gesetzen illegaler Einzelhaft, wo er mit Methoden des Psychoterrors verhört wurde. Nachdem sich alle politischen Vorwürfe als grundlos erwiesen, schoben die Behörden eine absurde Steuerbetrugs-Klage gegen ihn nach. Der rechtswidrige Umgang mit dem Künstler schadete international dem Ansehen der Volksrepublik mehr als jede andere Willkürmaßname und Repression gegen Andersdenkende. Ai, der sich trotz Schikanen und Beobachtung rund um die Uhr den Mund und kritische Reden nicht verbieten ließ, wurde nach seiner Entlassung stillschweigend erlaubt, von Peking aus Dutzende seiner Werkschauen im Ausland zu konzipieren, vorzubereiten und in Metropolen der Welt in den renommiertesten Kunstmuseen zu zeigen. Täglich protestierte Ai auf besondere Art gegen seine Pass-Schikane, die ihm nicht erlaubte, die spektakulären Ausstellungen in New York, London, Paris oder Berlin selbst zu eröffnen. Vom 30. November 2013 an legte er als Protest in den Korb eines angeketteten Fahrrades vor seinem Atelier jeden Tag frische Blumen. Ai durfte innerhalb Chinas reisen. Es gab nie eine offizielle Anklage gegen ihn. Doch vier Jahre lang durfte keine Ausstellung von ihm im Inland gezeigt werden. Von der offiziellen Presse wurde er totgeschwiegen ungeachtet vieler weltweiter Preise und Auszeichnungen. Seit acht Monaten begann Peking den vielseitigen Künstler, der einst als Architekt das 2008 weltberühmt gewordene chinesische Olympiastadium Vogelnest mitentwarf, stillschweigend und praktisch, Schritt um Schritt zu rehabilitieren, ohne von ihm zu verlangen, sich dafür verbiegen oder vor der Staatsmacht verbeugen zu müssen. Ai, der seit 2005 mehr als 100 große Werkschauen im Ausland ausrichtete, durfte plötzlich in Peking eigene Ausstellungen unter seinem Namen zeigen und zu ihrer Eröffnung auch kommen. Er zeigte dabei auch eine Porzellanfigur des Blumenkorbs am Fahrrad als ein Kunstwerk des Protests. Chinesische Zeitungen durften berichten. Es war die letzte Hürde, bevor ihm die Behörden dann am Mittwoch seinen beschlagnahmten Reisepass wiedergaben. Am Dienstag überschrieb das Pekinger Parteiblatt Global Times, die ihn früher besonders boshaft schmähte, plötzlich eine positive Würdigung des vielseitigen Künstlers mit dem Titel. Die Rückkehr des Ai Weiwei. Verhältnis zwischen Ankara und Peking ist belastet. Peking – Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping hat den Kampf gegen uigurische Separatisten als notwendig für die Verteidigung der nationalen Sicherheit bezeichnet. Deutlich ging Xi Jinping bei einem Treffen mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan am Mittwoch in Peking auf die Kontroverse zwischen beiden Ländern über die Behandlung des muslimischen Turkvolkes im Nordwesten Chinas ein. Das Verhältnis zwischen China und der Türkei ist in den vergangenen Wochen besonders durch türkische Hilfe für uigurische Flüchtlinge belastet worden. Xi Jinping sagte, es gehe China bei der Verfolgung ostturkestanischer Unabhängigkeitskräfte um Kerninteressen seines Landes. China wolle wirksame Maßnahmen ergreifen, um den separatistischen Aktivitäten Einhalt zu gebieten. Auf diesem Wege könnten sich auch die Beziehungen zur Türkei gesund und stabil entwickeln, sagte er zu den Differenzen mit seinem Gast. Viele Angehörige des muslimischen Turkvolkes in der nordwestchinesischen Region Xinjiang verlassen China mit Hilfe von Menschenschmugglern meist in Richtung Südostasien, weil sie sich politisch, kulturell und religiös unterdrückt fühlen. China wirft türkischen Diplomaten vor, ihnen dort mit Reisedokumenten zu helfen. Die Abschiebung von rund 100 Uiguren durch Thailand nach China hatte Anfang des Monats in Istanbul zu gewaltsamen Protesten vor dem thailändischen Konsulat geführt. Spannungen gibt es auch wegen anti-chinesischer Proteste in der Türkei – nach Berichten über Beschränkungen für Muslime in China während des Fastenmonats Ramadan. Erdogan hatte die Behandlung der Uiguren in China 2009 als eine Art Völkermord bezeichnet. Das Turkvolk beklagt Unterdrückung, während Chinas Behörden uigurische Gruppen des Separatismus und Extremismus beschuldigen. Uigurische Unabhängigkeitskräfte wollen die frühere Republik Ostturkestan wiederherstellen, die sich die Kommunisten nach ihrer Machtübernahme 1949 einverleibt hatten. Nach einer Reihe von Terroranschlägen gehen die Sicherheitskräfte verschärft gegen Uiguren vor, was auch zu Auseinandersetzungen mit der Polizei geführt hat. Trotz Differenzen in der Uiguren-Frage wollen China und die Türkei wirtschaftlich enger zusammenarbeiten. Die beiden Staatsführer sprachen am Mittwoch laut chinesischen Staatsmedien unter anderem über eine engere Kooperation in den Bereichen Kernenergie und Raumfahrt sowie neue Infrastrukturprojekte in der Türkei. Erdogan will zudem die Gespräche über einen möglichen Kauf eines Raketenabwehrsystems aus China fortsetzen. Das NATO-Mitglied Türkei hatte sich 2013 für ein 3,4 Milliarden US-Dollar teures Angebot der China Precision Machinery Import and Export Corporation ausgesprochen, was aber Sorgen über die Kompatibilität mit NATO-Systemen auslöste. Vor seiner Reise sagte Erdogan, er sei offen für ein verbessertes Angebot der chinesischen Seite. Bei dem Staatsbesuch in China, den Erdogan am Mittwoch begann, sollen auch Gespräche zur Vorbereitungen auf den G-20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer im November im türkischen Antalya geführt werden. Chinas Führung ist dabei, Shi Yongxin, den Abt des für die Kung-Fu-Kampfkunst weltberühmten Shaolin-Klosters, politisch zur Strecke zu bringen. Heiliger oder Hochstapler? Niemand polarisiert Chinas Buddhisten derzeit so sehr wie Shi Yongxin, wegen seiner Geschäftstüchtigkeit umstrittener Hüter des berühmten Heiligtums Shaolin. Schwer irritiert sind auch unzählige internationale Anhänger des 1500 Jahre alten Klosters in der zentralchinesischen Provinz Henan. Shaolin gilt als Wiege des Chan- oder Zen-Buddhismus und legendäre Geburtsstätte der Kung-Fu-Kampfkunst. Ein Whistleblower bezichtigt nun den Abt, ein korrupter Tiger zu sein, nennt ihn einen Betrüger, wirft ihm Bigamie und Ausschweifungen vor. Außerdem ist die Rede von Manipulationen von Meldebescheinigungen, von Luxusautos und von zwielichtigen Übertragungen seiner Aktienguthaben. Shi sei schon als Novize wegen gefälschter Rechnungen aus dem Kloster hinausgeworfen und später nur unter unklaren Umständen wieder aufgenommen worden. Die öffentliche Erregung ist groß, und wenn sich die Vorwürfe gegen den bald 50-jährigen Abt bewahrheiten, zerstören sie nicht nur dessen persönliche Integrität: Sie würden auch eine Säule des buddhistischen Fundaments in China erschüttern. Kronzeuge ist ein angeblicher früherer Mönch, der seine Attacken mit Fotos und Dokumenten unter dem Pseudonym Der nach Gerechtigkeit sucht ins Internet stellte – anonym, was von der Zensur her eigentlich verboten ist. Es scheint mittlerweile so, als ob die politische Führung in Peking Shi fallen lässt oder gar seinen Fall betreibt. Der Politkrimi begann Ende Juli, doch schon früher hatte es ähnliche Vorwürfe gegeben: 2011 etwa hieß es, Shi sei beim Besuch von Prostituierten erwischt worden, und er habe drei Milliarden US-Dollar auf Auslandsbanken versteckt und zahle Unterhalt an eine Geliebte, die sich mit seinem Sohn in Deutschland verborgen halte. Das Shaolin-Kloster erstattete damals Anzeige und lobte 50.000 Yuan (7300 Euro) für Hinweise aus, wer hinter den bösartigen Gerüchten stecke. Auch diesmal reagierten die Jünger empört. Renommierte buddhistische Gelehrte in Peking, wie der 70-jährige Ling Haicheng, verteidigen Shi gar als Heiligen. Diabolische Feinde würden ihn seit Jahren verfolgen. Dahinter steckten mächtige regionale Interessengruppen. Sie wollten sich an ihm rächen, weil er ihre Pläne durchkreuzte, Shaolin an die Börse und ihnen damit unvorstellbaren Reichtum zu bringen. Doch die Kritikerphalanx behauptet, es sei gerade umgekehrt: Shi sei der Antreiber für die am öffentlichen Widerstand gescheiterten Aktienpläne, um Shaolin zur Weltmarke zu machen. Viele werfen ihm vor, der CEO-Mönch von China zu sein. Er habe das von ihm seit 1987 verwaltete und seit 1999 auch 16 Jahre lang als Abt geführte Kloster international zum Business-Imperium umfunktioniert und ein weitverzweigtes Geflecht lukrativer kommerzieller Gesellschaften entstehen lassen. Unter dem Dach des Klosters sitzen Buchverlage, Kung-Fu-Shows, Hersteller für Nahrungs- und Arzneimittel und das Management für 40 Kulturzentren im Ausland. Shi hat das stets als eine an die heutige Zeit angepasste Art verteidigt, die Shaolin-Idee zu globalisieren, und dabei aber jede Form persönlicher Bereicherung bestritten. Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua meldete jetzt, dass Shi 80 Prozent Anteile an einer Gesellschaft gehörten, die Shaolins immaterielle Werte vermarkten dürfe – es geht um Milliarden. Dass die offizielle Xinhua sich nun derart mit der Sache befasst, wirkt wie eine politische Vorverurteilung des Abts und das vorbereitete Ende für eine Kultfigur. Seit 22 Jahren ist Shi Vizevorsitzender des chinesischen Verbands der Buddhisten (BAC), das staatliche Aufsichtsgremium über die größte Religionsgruppe des Landes mit mehr als 200 Millionen Gläubigen und 33.000 Tempeln und Klöstern. Der Abt ist seit 1998 auch Abgeordneter im nationalen Volkskongress. Im Jahr 2000 wurde er von Chinas Medien in die Gruppe der 100 führenden Personen des Landes gewählt. Die Vorwürfe kommen jetzt zum Zeitpunkt eines geplanten Großdeals des Klosters: Seit März verhandelte Shi über den Bau eines 400-Millionen-Dollar-Resorts in Australien mit Luxushotel, Kung-Fu-Zentrum und Golfplatz. Die Vorwürfe gegen Shi passen auch ins Bild der Antikorruptionskampagnen von Staats- und Parteichef Xi Jinping gegen Funktionäre von Partei, Regierung und Armee. Sie weiten sich gerade auf andere öffentliche Bereiche aus, wo Macht, Einfluß und Geschäftemacherei unheilvoll zusammengehen. Dies geschieht aber auch vor dem Hintergrund Pekinger Kampagnen gegen Kulte und populistische religiöse Personen: In Kanton wurde kürzlich Wu Zeheng, Gründer einer angeblich übernatürliche Kräfte vermittelnden Sekte, festgenommen. Und wegen Mordverdachts wurde Qigong-Meister Wang Lin verhaftet, der im Ruf eines Rasputin für chinesische Wirtschaftsbosse steht. Shi selbst hat sich seit einer Woche nicht mehr öffentlich geäußert. Zuletzt sah ihn ein Reporter der Rechtszeitschrift Fazhi Zhoumo am vergangenen Montag. Sein Foto zeigt Shi, bewacht von vier Mönchen. Eigentlich hätte der Abt am gleichen Tag in Thailand sein sollen, ließ sich aber wegen unvorhergesehener offizieller Verpflichtungen entschuldigen. Der neue Gesetzesentwurf enthält zahlreiche Verbote. Juristen ziehen bereits düstere Parallelen zu Russland. Die Einladung zur Diskussion über den umstrittenen chinesischen Gesetzesentwurf zu Rechten und Pflichten ausländischer Nichtregierungsorganisationen (NGOs) kam überraschend – und kurzfristig: Schon am nächsten Tag mögen sich die Vertreter der Schanghaier Generalkonsulate von Deutschland, den USA und Großbritannien mit Polizeiminister Guo Shengkun sowie mit den Vizeministern des Außen- und Zivilministeriums und Schanghais Bürgermeister treffen. Ebenso kurzfristig wurden auch die Vertreter der Mercator-Stiftung sowie von zwei NGOs und mehrere Wirtschaftsdelegierte eingeladen. Thema der ungewöhnlichen, zweistündigen Konferenz war dann das im zweiten Entwurf vorliegende, bald verabschiedungsreife neue chinesische NGO-Gesetz. Kritiker nennen es eine Bedrohung für die Nichtregierungsorganisationen und werten es als Zeichen für die innenpolitische Verhärtung und als ideologische Hürde für die weitere Reform und Öffnung des Landes. Polizeiminister Guo versicherte, dass hinter dem neuen Gesetz nur gute Absichten steckten, um die Arbeit der NGOs und ihren Rechtsstatus zu schützen. Chinas Regierung würde ihr Engagement hochgradig anerkennen, und er fügte hinzu: Wir heißen NGO-Initiativen willkommen und unter-stützen sie, wenn sie zum freundschaftlichen Austausch und zur Kooperation zu uns kommen – und wenn sie sich an Chinas Recht halten. Doch die Gegner des Gesetzes sagen, dass es die zivilen Organisationen mit ihren 24 vage formulierten Verboten unter Generalverdacht stelle: Die Polizei entscheide, ob eine NGO gegen das Gesetz verstößt. Tatsächlich darf sie Büros auf Verdacht hin durchsuchen, Unterlagen und Bankkonten inspizieren, Pläne einsehen und Mitarbeiter befragen. Rechtsgrundlage: Das neue Gesetz unterstellt die Kontrolle über Auslands-NGOs den Sicherheitsbehörden – bisher war das Zivilministerium zuständig. China rücke so dem Polizeistaat näher, heißt es. Betroffen sind derzeit rund 7.000 Nichtregierungsorganisationen aller Art, auch Stiftungen und Wirtschaftsverbände. 1.000 sind sogenannte 100-Prozent-Auslands-NGOs. Alle anderen arbeiten mit dem Ausland wenigstens teilweise zusammen. Die weltweite Kritik an solchen Gesetzen, die der Willkür Tür und Tor öffnen, hat Chinas Image als Reformstaat belastet. Mit der unauffällig in Schanghai einberufenen Konferenz startete Polizeiminister Guo nun eine Propagandaoffensive zur Schadensbegrenzung: Motto: China mag die NGOs. Auslandskorrespondenten wurden allerdings nicht eingeladen – im Gegensatz zu chinesischen Fernseh- und Zeitungsjournalisten, die später sogar auf den Titelseiten die von Peking erwünschte Botschaft brachten, wie positiv ausländische NGOs doch gesehen würden. Das Parteiblatt Global Times lobte gar: China mag sie und verhält sich ihnen gegenüber besonders tolerant. Ein Termin, wann das NGO-Gesetz in Kraft tritt, wurde bisher nicht genannt – und auch nicht, ob sich an den 67 Paragrafen des Entwurfs noch etwas geändert hat. Die Schanghaier Diplomaten sprachen die internationalen Bedenken gegen das neue Gesetz an. Xu Xianming, Vizeleiter der Gesetzgebungskommission im chinesischen Volkskongress, gab ihnen als Antwort, dass gegen den NGO-Gesetzesentwurf nur einige Hundert Einsprüche eingegangen seien – weit weniger als bei anderen neuen Gesetzen. Er wertete dies als Zeichen der überwiegenden Zustimmung der Bevölkerung. Xu erwähnte aber nicht, was aus dem kollektiv unterzeichneten Einspruch von 30 Anwälten aus 13 Provinzen Chinas wurde: Sie schrieben, dass die Lex Auslands-NGOs – Teil eines Pakets von 2015 auf den Weg kommenden nationalen Sicherheits- und Internetgesetzen – nicht zur Politik der Reform und Öffnung passt. China gehe repressiver gegen NGOs vor als Russland. Die Anwälte, die ihren Einspruch auch ins Internet stellten, fanden auch das überhastete Tempo verdächtig, mit dem Peking den Gesetzesentwurf durch das Parlament getrieben hat. Am 30. Oktober 2013 sei das Gesetz nicht einmal in der Planung des Volkskongresses enthalten gewesen, außerdem würden die vielen Verbote gegen die NGOs nicht das Selbstbewusstsein China als große und aufsteigende Nation widerspiegeln. US-Vertreter: Xi wird Einführung eines Systems zum Emissionshandel bekannt geben. Washington – Chinas Präsident Xi Jinping will seinen ersten Besuch in den USA offenbar für die Ankündigung konkreter Klimaschutzmaßnahmen nutzen. Ein US-Vertreter sagte, Xi wolle am Freitag die Einführung eines Systems zum Emissionshandel in China bis 2017 verkünden. Es solle Anreize für die Verringerung des Treibhausgasausstoßes in der Industrie der Volksrepublik setzen. Bisher habe China dies nur in Pilotprojekten getestet. Davon abgesehen erwartete ein anderer US-Regierungsvertreter kaum Aufmerksamkeit erregende Ankündigungen. Eine Vereinbarung über Cybersicherheit wurde jedoch nicht ausgeschlossen. Weiter soll es um den stärkeren Einsatz umweltfreundlicher Energien durch chinesische Firmen gehen. Im November hatten Xi und sein US-amerikanischer Amtskollege Barack Obama ihr Treffen in Peking genutzt, um überraschend gemeinsame Ziele zur Verringerung klimaschädlicher Emissionen zu verkünden. Damit beseitigten sie ein zentrales Hindernis auf dem Weg zu einem globalen Klimaschutzabkommen, das Ende des Jahres bei einer UN-Konferenz in Paris beschlossen werden soll. Obama hatte angekündigt, bei seinem Treffen mit Xi auch seinen Ärger über mutmaßliche chinesische Cyberattacken auf Einrichtungen und Unternehmen in den USA anzusprechen. Xi sagte dazu in Seattle, sein Land sei selbst Opfer von Hackerangriffen. Die Regierung in Peking werde sich in keiner Form im kommerziellen Diebstahl engagieren. Die US-Regierung stellte dies offenbar nicht zufrieden. Wir erwarten, Taten zu sehen, sagte ein US-Vertreter. Die USA würden nicht zögern, die notwendigen Schritte zu ergreifen, um unsere Wirtschaft und Unternehmen zu schützen. Ein Leitartikel in der Washington Post forderte Obama zu einer härteren Gangart gegenüber China auf. Washington betrachtet überdies die Streitigkeiten Chinas mit Nachbarländern über Inseln im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer mit Sorge. Als Zeichen für die Differenzen bei Bürgerrechten und Meinungsfreiheit hatte das Weiße Haus am Dienstag Vertreter von US-Nichtregierungsorganisationen eingeladen, die unter ein geplantes neues chinesisches Sicherheitsgesetz zu fallen drohen. Xi war bereits am Dienstag in den USA eingetroffen, zunächst führte er in Seattle Gespräche mit Wirtschaftsvertretern. Nach seinem Besuch in Washington wollte Xi zur Generaldebatte der UN-Vollversammlung nach New York weiterreisen. Angriff auf sechsstöckiges Wohnhaus in Liuzhou – Keine Angaben über Tote oder Verletzte. Peking –Einen Tag nach einer Bombenserie mit sieben Toten ist es in der südchinesischen Stadt Liuzhou erneut zu einer Explosion gekommen. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, wurde am Donnerstag ein sechsstöckiges Wohnhaus in Liuzhou getroffen. Über Tote oder Verletzte gab es zunächst keine Erkenntnisse. Bei 15 Sprengstoffanschlägen vor öffentlichen Gebäuden waren in der chinesischen Provinz Guangxi am Vortag mindestens sieben Menschen getötet und 51 verletzt worden. Die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua berichtete, der Sprengstoff habe in Postpaketen gesteckt. Der Polizeichef Zhou Chanqing wertete dem Staatsfernsehen CCTV zufolge die Explosionen im Kreis Liucheng als kriminelle Handlung. Nach ersten Ermittlungen wurde ein 33-jähriger Mann aus der Gegend festgenommen. Über ein mögliches Motiv machte die Polizei zunächst keine Angaben. Nach ersten Untersuchungen werde ein 33-jähriger Mann aus der Gegend verdächtigt, an der Tat beteiligt gewesen zu sein. Über ein mögliches Motiv machte die Polizei zunächst keine Angaben. Die Explosionen ereigneten sich zwischen 13.15 Uhr und 17.00 Uhr unter anderem vor einem Krankenhaus, einem Supermarkt, einer Bushaltestelle und mehreren Regierungsgebäuden, wie CCTV berichtet. Fotos von Nutzern des sozialen Netzwerks Weibo zeigen ein halb eingestürztes Haus sowie herumliegende Trümmer. Auf einem anderen Foto ist ein Regierungsgebäude mit zersprungen Scheiben zu sehen. Sprengsätze oder kleine Bomben werden in manchen Teilen Chinas häufiger genutzt, um persönliche oder geschäftliche Streitigkeiten auszutragen. Staatsmedien hatten in der Vergangenheit auch über Racheakte an Behörden berichtet, bei denen Bomben zum Einsatz kamen. Vor zwei Jahren gestand ein 41 Jahre alter Mann in der nordchinesischen Stadt Taiyuan, mehrere kleine Bomben vor dem örtlichen Sitz der Kommunistischen Partei gezündet zu haben. Ebenfalls 2013 raste ein Auto durch Absperrungen am Tiananmen-Platz in Peking und ging in Flammen auf. Fünf Menschen starben bei dem Vorfall, für den Behörden später uigurische Extremisten verantwortlich machten. Nicht Angela Merkel muss um China werben, China wirbt um die deutsche Kanzlerin. Trotz britischen Buhlens setzt Peking weiter auf die Beziehungen mit Deutschland. In der Pekinger Großen Halle des Volkes amüsierte sich Bundeskanzlerin Angela Merkel über die Frage auf ihrer Pressekonferenz: Ob sie befürchte, dass die deutsch-chinesischen Beziehungen bei den Chinesen im Schönheitswettbewerb mit den Briten den Kürzeren ziehen. Launig sagte sie: Konkurrenz belebt das Geschäft. Wir können auch so schöne Besuche für Gäste aus China ausrichten. Merkel bezog sich auf den pompösen Empfang, den London vergangene Woche dem chinesischen Staatspräsidenten Xi Jinping bereitet hatte, wofür es mit Wirtschaftsaufträgen im Ausmaß von 60 Milliarden US-Dollar belohnt wurde. Premier Li Keqiang, der Merkel Donnerstagfrüh auf ihrer achten Kanzlerreise nach China begrüßt hatte, lachte noch mehr, als Merkel hinzufügte: Wir haben aber keine Queen in Deutschland. Doch die Bundesrepublik ist Chinas größter europäischer Handelspartner und Technologielieferant mit institutionalisierten Regierungskonsultationen und pflegt einen umfassenden Austausch auf allen Feldern. Merkels selbstbewusste Aussage, dass Deutschland in China gut aufgestellt ist, bestätigte Li indirekt bei seiner ersten Gesprächsrunde mit ihr in kleinem Kreis. Er überzog das Treffen um fast eine Stunde und entschuldigte sich bei seiner nachfolgenden Zusammenkunft mit den zu Merkels Delegation gehörenden hochkarätigen Unternehmensführern: Wir hatten so viel miteinander zu besprechen. Beide hätten sich gegenseitig immer wieder neue Bälle zugespielt. Li warb bei den Unternehmern um eine weitere Intensivierung der chinesisch-deutschen Zusammenarbeit zur Modernisierung und Digitalisierung der Industrie des Landes. China nehme sich Deutschlands Zukunftsstrategie Industrie 4.0 zum Vorbild und wolle diese mit seinem eigenen Entwicklungsweg Industrie 2025 verbinden. Doch die Unterschiede seien sehr groß. Daher wolle China von Deutschlands fortschrittlicher Technologie lernen. Es bringe seinen riesigen Markt ein. Li schlug vor, auf Regierungsebene eine neue Stelle zur Vermittlung einzurichten. Auf chinesischer Seite würde Informationsminister Miao Wei zuständig sein. Li erneuerte sein Versprechen, dass China den Schutz des geistigen Eigentums zusichern wolle. Das ist die Grundlage. Der Premier weiß, dass mangelndes Vertrauen in Chinas Zusage, fair zu spielen, das für 2015 vereinbarte deutsch-chinesische Jahr der Innovationspartnerschaft nicht recht von der Stelle kommen lässt. Nicht Merkel buhlte um die Gunst Chinas, wie viele befürchtet hatten, sondern China um sie. Das schlug sich auch in 13 im Beisein der beiden Regierungschefs unterzeichneten Kooperationen und Wirtschaftsaufträgen nieder, die zusammen 18,4 Milliarden Euro wert sein sollen. Darunter sind Bestellungen für 130 Airbusse des Typs A320 und A330 in einem Aufttragswert von rund 15 Milliarden Euro. Unterzeichnet wurde auch eine strategische Kooperation der Volkswagen AG mit Chinas ICBC-Bank, mit der VW erstmals seit langem wieder für positive Nachrichten sorgte. In Merkels Delegation reist der neue VW-Chef Matthias Müller mit. Und es gab noch andere gute Nachrichten: 2016 soll zum Jahr des deutsch-chinesischen Schüler- und Jugendaustausches werden. Überraschend stellte Chinas Premier für den Berliner Zoo wieder ein Panda-Paar in Aussicht. Merkel sagte: Deutschland und die Hauptstadt wird es besonders freuen, dass wir dazu das Gespräch aufgenommen haben. Doch Peking bot der Kanzlerin nicht nur Erholung vom zermürbenden politischen Geschäft in Berlin. Syrien und das Flüchtlingsproblem holten sie selbst im fernen China ein. Merkel hofft, die Volksrepublik, die Einfluss auf Syrien, Pakistan und Afghanistan nehmen kann und UN-Vetomacht ist, zur Teilnahme an der politischen Problemlösung zu bewegen. Chinas Premier zeigte sich der Idee aufgeschlossen. Er nannte es ein Gebot der Stunde, einen politischen Dialog in Gang zu setzen. Doch der Teufel sitzt im Detail. Li sagte, eine solche Initiative müsse dem Interesse aller Parteien entsprechen und unter den Fittichen der UN entwickelt werden. China leiste in den betroffenen Staaten bereits humanitäre Hilfe und wolle diese vor dem Winter ausweiten. Bisher ist der Umfang solcher Hilfe sehr begrenzt. Doch Staatschef Xi hatte vor kurzem mehr humanitäre Unterstützung als Beitrag Chinas zur Bewältigung der Flüchtlingskrise versprochen. Am 14. Oktober hatte er das beim Treffen mit der kroatischen Präsidentin Kolinda Grabar-Kitarović für die Grenzstaaten Europas zugesagt. Xi gab für Merkel Donnerstagabend ein Staatsdinner. Die Bundeskanzlerin war schon am Morgen mit einem Staatsakt und 21 Salutschüssen empfangen worden. Protokollarisch haben Ministerpräsidenten Anspruch auf 19 Schüsse. Chinas führende Parteifunktionäre Xi, Li und Volkskongress-Vorsitzender Zhang Dejiang waren am Donnerstag Gastgeber für Merkel. Obwohl am gleichen Tag ihr geheimes, vier Tage dauerndes ZK-Plenum zum neuen Fünfjahresplan endete. Er bestimmte Chinas Abendnachrichten. Doch Merkel kam gleich an zweiter Stelle. Solche Gesten besonderer Wertschätzung brachten Merkel aber nicht von ihrer Agenda ab. Sie habe den Rechtsstaatsdialog angesprochen, den beide Länder im November wieder führen wollen. Sie nahm auch zu den geplanten und weltweit kritisierten NGO-Gesetzen Stellung. Sie habe Li gesagt: Nichtregierungsorganisationen und politische Stiftungen leisteten einer Gesellschaft wertvolle Dienste. Das sollte in China auch in Zukunft weiter möglich sein. Die Kanzlerin wird dem Premier noch mehr sagen können. Li begleitet sie am Freitag nach Hefei, der Provinzhauptstadt von Anhui, wo er 1955 geboren wurde. Er will ihr dort Dörfer und seine Heimat zeigen. Das ist das erste Mal, dass ich seit Antritt meiner Amtszeit einen Staatsbesucher außerhalb von Peking begleite, sagte er auf der Pressekonferenz. Pekings Jugendzeitung nannte es die neue Heimatstadt-Diplomatie. Was Li nicht sagte: Direkt nachdem er am Freitag Abschied von Merkel nimmt, reist er zum am 1. November beginnenden Regierungsbesuch in Südkorea weiter.Dort will er zusammen mit Japans Premierminister Shinzo Abe und Südkoreas Präsidentin Park Geun-hye ihren einst auf Eis gelegten Dreiergipfel wiederaufleben lassen. Eines der Ziele der plötzlichen diplomatischen Flexibilität: Peking will die Nachbarn für eine Freihandelszone gewinnen als Gegengewicht zu dem soeben von den USA vereinbarten transatlantischen TPP-Abkommen, an dem China nicht beteiligt ist. Pekings Führung drängt aus gleichem Grund auch Merkel, eine China-EU-Freihandelszone zu unterstützen. Großbritannien hat seine Zustimmung schon bekundet. Merkel hielt sich bedeckt. Sie werde sich erst einmal dafür einsetzen, dass es 2016 zum Abschluss eines EU-China-Investitionsabkommens kommt. Das sei die Voraussetzung für ein EU-China-Freihandelsabkommen. Stiftung verlieh Chen Guangcheng in Washington die Truman-Reagan Freiheitsmedaille. Washington – Der blinde chinesische Bürgerrechtler Chen Guangcheng ist in den USA für seine politischen Verdienste ausgezeichnet worden. Eine Stiftung für die Opfer des Kommunismus verlieh ihm am Donnerstag (Ortszeit) in Washington die Truman-Reagan Freiheitsmedaille. Chen war 2012 aus dem Hausarrest aus einem Dorf in Ostchina in die US-Botschaft in Peking geflohen. Der Vorfall löste eine diplomatische Krise zwischen China und den USA aus. Der als Barfußanwalt bekannte 43-Jährige setzte sich zunächst für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ein. International wurde er durch seine Unterstützung für die Opfer von Zwangsabtreibungen als Folge der chinesischen Ein-Kind-Politik bekannt. Die umstrittene Regelung wurde im Oktober abgeschafft. Die geschäftsführende Direktorin der Victims of Communism Memorial Foundation (VOC) Marion Smith, bezeichnete Chen als Stimme der Entrechteten und Vergessenen: Als Barfußanwalt hat er Gerechtigkeit für diejenigen gefordert, die sich nicht allein gegen die Unterdrückung der kommunistischen Regierung wehren konnten. Für seinen Gerechtigkeitssinn und seinen Kreuzzug für die Freiheit hat er die Bewunderung der Welt auf sich gezogen. Ermittlungen gegen stellvertretende Bürgermeisterin Lu Xiwen. Peking – Chinas Kommunistische Partei hat Ermittlungen wegen Korruption gegen ihre stellvertretende Parteichefin in Peking eingeleitet. Gegen die 60-jährige Lu Xiwen werde wegen des Verdachts auf ernstzunehmende Verstöße gegen die Disziplin ermittelt, teilte die Anti-Korruptions-Kommission der KP am Mittwoch online mit. Das ist in China eine gängige Formulierung bei Korruptionsverdacht. Lu ist auch Vizebürgermeisterin der chinesischen Hauptstadt und nicht stimmberechtigtes Mitglied des KP-Zentralkomitees. Laut Berichten von Staatsmedien ist Lu die ranghöchste weibliche Funktionärin, gegen die seit dem Amtsantritt von Präsident Xi Jinping vor mehr als zwei Jahren ermittelt wird. Xi hat ein großangelegtes Anti-Korruptions-Programm gestartet, das schon mehrere Staatsfunktionäre und Unternehmenschefs zu Fall gebracht hat. Erst am Dienstag waren Ermittlungen gegen den stellvertretenden Bürgermeister von Schanghai, Ai Baojun, eingeleitet worden. Umgebautes Sowjet-Schiff Liaoning seit drei Jahren im Einsatz. Peking – China arbeitet am Bau seines zweiten Flugzeugträgers. Das 50.000 Tonnen schwere Schiff werde derzeit in der nordchinesischen Hafenstadt Dalian konstruiert, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums laut Staatsmedien am Donnerstag. Das Kriegsschiff soll demnach ein komplett in China geplanter und umgesetzter Neubau sein und sich damit vom erstem Flugzeugträger des Landes absetzen. Die Liaoning, die vor drei Jahren in Dienst gestellt wurde, ist ein erweiterter Umbau des unvollendeten sowjetischen Flugzeugträgers Warjag, den China 1998 der Ukraine abgekauft hatte. In den vergangenen Monaten gab es mehrfach unbestätigte Medienberichte, wonach China seine Flugzeugträgerflotte ausbauen will. Trotz der schwächelnden Konjunktur hatte der Volkskongress im Frühjahr den Militäretat des Landes bereits das fünfte Jahr in Folge zweistellig um 10,1 Prozent auf 127 Milliarden Euro erhöht – womit China nun hinter den USA auf Platz zwei der Länder mit dem größten Verteidigungshaushalt steht. Das Geld fließt dabei vor allem in neues Gerät: Peking arbeitet derzeit auch an der Entwicklung neuer U-Boote und Tarnkappenbomber. Die Aufrüstung Chinas besorgt viele Nachbarstaaten in der Region, mit denen Peking sich sowohl im Ost- als auch im Südchinesischen Meer um Territorien und Inseln streitet. Strengere Maßnahmen gegen abergläubische Kommunisten in der Volksrepublik. Peking – Chinas kommunistische Führung hat ihre Maßnahmen gegen abergläubische Parteimitglieder verschärft. Seit dem 1. Jänner müssen KP-Mitglieder mit ihrem Parteiausschluss rechnen, wenn sie feudalen Aberglauben wie Wahrsagerei und die traditionelle Harmonielehre Feng Shui praktizieren, berichtete die Nachrichtenagentur Xinhua. Mitglieder, die an derlei Praktiken teilnähmen, würden verwarnt. Seit der Ära Mao Zedongs kämpft die KP gegen traditionelle Rituale, die nach ihrer Auffassung gegen die marxistische Lehre und deren wissenschaftliche Grundlage verstoßen. In den Parteirichtlinien aus dem Jahr 2003 wurde feudaler Aberglaube bereits als eine der Aktivitäten aufgelistet, die die soziale Ordnung und Produktivität stören. Die neuen Regeln führen ihn nun als eigenständige Kategorie und damit als klaren Verstoß gegen die Parteidisziplin. Präsident Xi Jinping hatte in seiner Funktion als KP-Chef von den 88 Millionen Parteimitgliedern mehrfach eine striktere Einhaltung der Parteilehre gefordert. Verschwundene Kritiker tauchen Wochen später mit grotesken Geständnissen im TV auf, betroffen sind auch Ausländer. Von dem schwedischen Menschenrechtsaktivisten Peter Dahlin verlor sich am Abend des 3. Jänner jede Spur. Er war auf dem Weg zum Pekinger Flughafen und wollte nach Thailand. Er kam nie an. Erst nach zehn Tagen sagte ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Dahlin sei festgenommen worden und stehe unter Verdacht, die Staatssicherheit zu gefährden. Am 19. Jänner zeigte das Staatsfernsehen auf Kanal CCTV 13 das erste Lebenszeichen des 35-Jährigen. In der Sendung kurz vor Mitternacht gestand er, vom Ausland angeworben worden zu sein, um mit bezahlten Menschenrechtskampagnen die Regierung in Verruf zu bringen. Der Schwede sagte weiter, er habe gegen Chinas Recht verstoßen, Regierung und Volk damit verletzt. Ich bereue das tief. Er könne sich über den Umgang der Polizei mit ihm nicht beschweren. Er bedankte sich für Medizin und gutes Essen. Und auch dafür, dass er inzwischen von einem schwedischen Diplomaten besucht werden durfte. Dahlin wird in dem wiederholt gezeigten TV-Film und in einer begleitenden Medienkampagne vorgeworfen, Organisator einer großangelegte Verschwörung antichinesischer Kräfte gewesen zu sein. Hinter seiner 2009 in Hongkong mitgegründeten Rechtshilfe-Initiative Joint Development Institute und ihrem Pekinger Ableger stünden sechs westliche NGOs und eine US-Stiftung. Sie hätten mit 1,5 Millionen Dollar ein landesweit geknüpftes Netzwerk mit angeblich 151 Mitarbeitern finanziert. Absicht sei demnach gewesen, mit konstruierten Menschenrechtsberichten oder Berichten über Zwangsräumungen und Hausenteignungen Chinas Partei und Regierung zu diskreditieren. Er habe eng mit der auf Menschenrechtsfälle spezialisierten Anwaltskanzlei Fengrui zusammengearbeitet, deren Juristen ebenfalls wegen subversiver Aktivitäten angeklagt sind. Freunde, die den gegen soziales Unrecht engagierten Schweden kennen, sprechen von hanebüchenen Vorwürfen. Doch seit einem Jahr räumt Chinas Partei gezielt unter Menschenrechtsanwälten auf. Nun geht es um die angeblichen ausländischen Hintermänner. China schafft offenbar Präzendenzfälle, um sein umstrittenes, weltweit kritisiertes Kontrollgesetz für Auslands-NGOs auf dem Volkskongress im März endlich verabschieden zu können. In der Öffentlichkeit regt sich kein Widerspruch gegen die rechtsbeugenden, unter Zwang arrangierten Fernsehgeständnisse, die noch vor der Anklage und ohne Anwaltsschutz aufgenommen werden. Prominente Fälle waren jüngst die Autorin Gao Yu und der Anwalt Pu Zhiqiang, Dahlin ist aber nicht der erste ausländische Fall. Seit Oktober sind fünf Hongkonger Buchhändler um das regierungsgkritische Verlagshaus Mighty Current und den Buchladen Causeway Bay Books verschwunden. Die beiden wichtigsten Verleger darunter, der 65-jährige Lee Bo (mit britischer Staatsangehörigkeit) und der 51-jährige Gui Minhai (mit schwedischer Staatsangehörigkeit), tauchten plötzlich außerhalb Hongkongs in China auf. Sie verrieten nicht, wie sie dort hinkamen. Lee schrieb seiner Frau per Fax, er halte sich aus freien Stücken im benachbarten Shenzhen auf, um den dortigen Behörden zu helfen. Sie solle daher nicht weiter nach ihm suchen. Gui wurde vergangenen Sonntag vom Geständnis-Sender CCTV 13 gezeigt. Er sei freiwillig zurückgekehrt, um sich der Polizei zu stellen, sagte er. Er hätte 2003 in China einen Unfall mit Todesfolge verursacht, sei dann nach Hongkong geflohen. Nun habe ihn die Reue gepackt. Er wolle auch nicht, dass sich Schweden in seinen Fall einmischt. Er sei Chinese und wolle als solcher verurteilt werden. Solche nicht nachprüfbaren Geständnisse und eine groteske Zensur, die im Dezember zur Ausweisung der französischen China-Korrespondentin Ursula Gauthier führte, beginnt viele Ausländer einzuschüchtern. Westliche Botschaften protestieren. Er hoffe nicht, das das Teil der neuen Normalität in China sei, sagte EU-Botschafter Hans Dietmar Schweisgut am Mittwoch auf seiner Jahrespressekonferenz in Peking. Wir sehen einen besorgniserregenden Trend. Peter Dahlin sei bereits auf dem Weg nach Hause.. Peking – Der schwedische Bürgerrechtsexperte Peter Dahlin ist nach drei Wochen Haft wegen Gefährdung der nationalen Sicherheit freigelassen und ausgewiesen worden. Ein Kollege bestätigte, dass der 35-Jährige auf dem Weg nach Hause sei. Das Außenministerium in Peking äußerte sich am Dienstag zunächst nicht zu dem Fall. Dahlin ist der Gründer der chinesischen Rechtshilfegruppe Chinese Urgent Action Working Group (China Action), die benachteiligte Gruppen und Opfer von Menschenrechtsverletzungen unterstützt. Die Festnahme des Schweden hatte international Proteste und diplomatische Irritationen ausgelöst. In Chinas Staatsfernsehen war Dahlin vorgeführt worden und hatte gestanden, chinesische Gesetze gebrochen zu haben. Menschenrechtsgruppen sahen in dem Auftritt ein erzwungenes Geständnis. Familie von regierungskritischem Blogger soll festgenommen sein worden. Peking – In China sind nach Angaben von Menschenrechtlern mehrere Personen im Zusammenhang mit einem offenen Brief festgenommen worden, der Präsident Xi Jinping zum Rücktritt auffordert. Der regierungskritische Blogger Wen Yunchao berichtete am Samstag aus New York, seine Eltern und sein jüngerer Bruder seien in der Provinz Guangdong im Süden des Landes abgeführt worden. Die Polizei habe von ihnen erfahren wollen, ob er hinter dem anonymen Brief stecke, der Staats- und Parteichef Xi auch zunehmenden Personenkult vorwirft, so Wen Yunchao. Der 45-Jährige bestreitet jedoch jede Verbindung zu dem Schreiben. Es war Anfang März auf der Internetseite Wujie News aufgetaucht und von treuen kommunistischen Parteimitgliedern unterzeichnet. Inzwischen ist der Brief aus dem Netz verschwunden. Das internationale Komitee zum Schutz von Journalisten (CPJ) forderte die sofortige Freilassung von Wens Familie. Der US-Sender Radio Free Asia meldete vor einigen Tagen, der Chefredakteur von Wujie News, Ouyang Hongliang, und mehrere seiner Mitarbeiter seien zur Vernehmung abgeführt worden. Die britische BBC berichtete von 16 Festnahmen. Am Freitag kam der freischaffende Journalist Jia Jia frei, der nach Angaben seines Anwalts am 15. März unter dem Verdacht gefasst worden war, den Brief entworfen zu haben. Peking: Industrienationen sollen sich lieber um Wirtschaftsfragen kümmern. Peking – Mit scharfen Worten hat China gegen die Erklärung der sieben großen Industrienationen (G7) zu den Territorialstreitigkeiten im Süd- und Ostchinesischen Meer protestiert. Der Sprecher des Außenministeriums, Lu Kang, sagte am Dienstag in Peking, die Mitglieder der G7-Gruppe sollten unverantwortliche Bemerkungen und Taten einstellen. Auch dränge China die G7-Staaten, ihre Zusage einzuhalten, sich in dem Inselstreit nicht auf eine Seite zu stellen. Es liege völlig in Chinas Souveränität, Einrichtungen auf seinen Inseln zu bauen. Auch sei die Freiheit der Navigation gesichert. Angesichts der schlechten Weltkonjunktur sollten sich die G7 lieber um Wirtschaftsfragen kümmern, anstatt Streitigkeiten hochzuspielen, sagte der Sprecher. Die G7-Außenminister hatten sich zum Abschluss ihrer Beratungen am Montag im japanischen Hiroshima besorgt über die Spannungen gezeigt und eine friedliche Beilegung angemahnt. Ohne China namentlich zu erwähnen, lehnten die G7-Minister entschieden jegliche einschüchternden, zwangsweisen oder provokativen einseitigen Maßnahmen ab, die den Status quo verändern könnten. China streitet mit Japan um Inseln im Ostchinesischen Meer. Auch sorgen seine Ansprüche im Südchinesischen Meer für Spannungen mit den Philippinen, Brunei, Malaysia, Vietnam und Taiwan. In den Seegebieten liegen Rohstoffvorkommen und wichtige Schifffahrtsrouten. Peking ließ unter anderem künstliche Inseln aufschütten, militärische Anlagen und Landebahnen bauen, um über diese Außenposten seine Ansprüche zu untermauern. Damit schafft China neue Fakten und verändert den Status quo, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Peking. Ein scharfer Kommentar der chinesischen Staatsagentur Xinhua warf Japan vor, die G7-Präsidentschaft für seine Zwecke zu missbrauchen und sich im Südchinesischen Meer einzumischen, um Chinas Einfluss einzudämmen. Japan ist Gastgeber des diesjährigen Gipfeltreffens der Staats- und Regierungschefs der G7 am 26. und 27. Mai in Ise-Shima. Zu der Ländergruppe gehören neben Japan die USA, Deutschland, Kanada, Großbritannien, Frankreich und Italien. Während Chinas Machthaber beim Parteikongress in Peking sind, ist Tibet abgeriegelt. Zwei Tibeter haben sich aus Protest angezündet. Lhasa/Wien – Die meisten Tibeter kennen zwar ihr Geburtsjahr, aber an welchem Tag sie geboren sind, wissen sie oft nicht. Für Ausweise geben viele stattdessen den 10. März als Geburtsdatum an. An diesem Tag begann 1959 der tibetische Aufstand gegen die chinesische Herrschaft in Lhasa. Die ursprünglich friedliche Massenversammlung weitete sich rasch zu einem offenen Gefecht aus und kostete laut Angaben der Exilregierung über 80.000 Menschen das Leben. Fast alle größeren Anti-China-Demonstrationen fanden seitdem um den 10. März statt: Das war 1989 so und auch beim bisher letzten Aufstand 2008. Als am 10. März vor acht Jahren Mönche der zwei Klöster Sera und Drepung auf die Straßen Lhasas gingen, waren alle lokalen Machthaber in Peking. Dort fand, so wie auch jetzt wieder, der alljährliche nationale Parteikongress der regierenden Kommunisten statt. Die Demonstranten nutzten das Machtvakuum, das die Provinzchefs, die sonst in Tibet Chinas Interessen vertreten, zurückgelassen hatten. Letztere vertrauten auf politische Stabilität in Tibet, wohin in den Jahren davor Unsummen an Geldern geflossen waren. Dennoch kam es zu Sitzprotesten von Mönchen, die schließlich in gewalttätige Ausschreitungen eskalierten, vor allem gegen Han-Chinesen. Die Machthaber hatten sich verrechnet. Es brauchte Tage, bis die chinesische Regierung wieder die Kontrolle über alle Teile Lhasas hatte. Diesen Fehler machen die Machthaber seitdem nicht mehr. Schon 2008 folgten auf die Proteste Massenverhaftungen und Verhöre. Seitdem ist Lhasa dicht. Eine große Sicherheitsoffensive räumte in der Stadt auf, Gangs wurden zerschlagen, das Netz der Polizeistationen wurde während der vergangenen Jahre verdichtet. Nur durch Sicherheitsschleusen wie am Flughafen kommt man ins Zentrum der Stadt. Für ausländische Touristen gelten strenge Reisebestimmungen: Sie dürfen nur mit eigenem Fremdenführer und eigenem Fahrer reisen und nur in ausgewählten Hotels unterkommen. Die Reiseroute muss vorab bekannt und genehmigt werden. Viele Regionen sind, je nach politischer Lage, ganz gesperrt. Im März, dem politisch sensibelsten Monat, werden seit 2008 überhaupt keine Touristen nach Lhasa gelassen. Wie schon in den vergangenen Jahren ist die TAR (Autonomes Gebiet Tibet) seit 26. Februar 2016 für Touristen geschlossen. Voraussichtlich werden erst wieder ab April Touristen ins Land gelassen. Innerhalb und außerhalb Tibets greifen manche Tibeter zur drastischen Maßnahme der Selbstverbrennung, um gegen die chinesische Vorherrschaft zu protestieren. Seit dem harten Durchgreifen der chinesischen Machthaber in der TAR stieg die Zahl der Selbstverbrennungen auf 145. In den vergangenen zwei Wochen haben sich wieder zwei Tibeter angezündet. Der 18-jährige Mönch Kalsang Wangdu verbrannte sich am 29. Februar in Nyarong in Osttibet (Distrikt Sichuan) und rief nach tibetischer Unabhängigkeit. Er erlag am Weg zum Spital seinen Verletzungen. In Indien zündete sich am selben Tag der 16-jährige Schüler Dorje Tsering in einer tibetischen Siedlung in Herbertpur (Nordindien) an. Auch er verstarb wenige Tage später. Kurz vor seinem Tod veröffentlichte er eine Video-Botschaft: Der Grund, warum ich mich wie eine Butterlampe angezündet habe, ist, dass Tibet seit 1959 besetzt ist, erklärte er. Gestern hatte ich das Gefühl, dass es mein einziger Ausweg ist, mich zu verbrennen. Die amerikanische Präsidentschaftsbewerberin und Ex-Außenministerin Hillary Clinton sprach persönlich ihr Beileid aus und versprach, dass Tserings Opfer nicht umsonst gewesen sein soll. 2/29 インドのデラドゥンでMussoorie SOSの生徒Dorjee Tsering,(10年生)がFREE TIBETを訴えて焼身し重体。Hillary Clinton holding Dorje Tsering photo pic.twitter.com/6aUoP79ckW In Ngaba wiederum, im Norden Tibets, wurde am 3. März die 33-jährige Bhumo Manga verhaftet. Ihr Vergehen: Sie hielt auf einem Markt ein Porträt des Dalai Lama hoch. Bilder des Dalai Lama sind in ganz Tibet verboten. Dazu rief Bhumo Manga Slogans gegen die Besetzung Tibets durch China. Wo sie sich nun aufhält und wie es ihr geht, ist nicht bekannt. Unterdessen schätzt Zhang Chunxian, der regionale Parteichef der zweiten Problemzone Chinas, nämlich Xinjiang, die Lage in seiner Provinz als stabil ein. In den vergangenen Jahren ist es dort ebenfalls immer wieder zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen, in diesem Fall zwischen Han-Chinesen und Uiguren. Tibeter dürfen daher oft nicht nach Xinjiang fahren – und vice versa. Am Rande des Parteikongresses in Peking sagte Zhang vor Journalisten, dass die Zahl der terroristischen Zwischenfälle in Xinjiang deutlich zurückgegangen sei. Zeremonie in Anwesenheit des Dalai Lama. Dharamsala – Der Premierminister der Exiltibeter, Lobsang Sangay, ist am Freitag im nordindischen Dharamsala für seine zweite Amtszeit vereidigt worden. Ich danke allen Tibetern, dass sie mir die Gelegenheit dieser zweiten Amtszeit geben, sagte er in seiner Antrittsrede, die im Internet übertragen wurde. Sangay war im April mit 57 Prozent der Stimmen wiedergewählt worden. Etwa 130.000 Exiltibeter leben in mehr als 40 Ländern weltweit, vor allem aber in Indien, Nepal und Bhutan. Im Jahr 2011 hatte Sangay die Rolle des politischen Oberhaupts der Exiltibeter vom Dalai Lama übernommen, der immer noch deren spirituelles Oberhaupt ist. In Anwesenheit des Dalai Lama versprach Sangay, dessen Politik des Mittleren Weges fortzuführen. Sie strebt keine völlige Unabhängigkeit Tibets von China an, sondern größere Autonomie unter Chinas Herrschaft. Idealerweise wolle man echte Autonomie schon während dieser Amtszeit erreichen, die fünf Jahre dauert. Tibet sei aber auch stark genug, noch 50 Jahre weiter dafür zu kämpfen. Die Regierung mit Sitz im nordindischen Dharamsala wird von keinem Land der Welt anerkannt. Die tibetische Hochebene gehört zu China, seit die Volksbefreiungsarmee dort 1950 einmarschierte und das Land 1951 seine Unabhängigkeit aufgab. Erster Besuch eines Staatsoberhauptes seit elf Jahren – Modi trifft Sharif in Lahore. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Noch mindestens ein Angreifer auf Gelände – Am Montag weitere Schüsse und Explosionen. Neu-Delhi – Mehr als 48 Stunden nach Beginn eines Angriffs auf eine Luftwaffenbasis in Indien sind erneut Schüsse und Explosionen auf dem Gelände zu hören gewesen. Bei den Kämpfen starben am Wochenende sieben Soldaten und vier Angreifer. Mindestens ein Eindringling sei noch auf der weiträumigen Basis, berichtete der Nachrichtensender Times Now am Montag. Hubschrauber überflogen den Berichten zufolge das Gelände nahe der Grenze zu Pakistan. Die Angreifer seien wahrscheinlich pakistanische Extremisten, hieß es. Der Angriff könnte die Wiederaufnahme der Friedensgespräche mit Pakistan gefährden. Erst vor wenigen Tagen war Indiens Regierungschef Narendra Modi überraschend beim Erzfeind Pakistan, um neue Friedensgespräche einzuleiten. Indien wirft Pakistan seit langem vor, antiindischen Rebellengruppen Unterschlupf zu gewähren. Amnesty International Deutschland würdigt jahrzehntelangen Kampf gegen Folter und Diskriminierung in Indien. Berlin/Neu-Delhi – Der Rechtsanwalt und Aktivist Henri Tiphagne erhält den mit 10.000 Euro dotierten Menschenrechtspreis von Amnesty International in Deutschland. Er kämpfe seit Jahrzehnten unermüdlich und mutig gegen Folter und Diskriminierung auf dem Subkontinent, erklärte Amnesty am Montag in Berlin. Der Zeitpunkt hätte kaum besser gewählt sein können, denn die Kastenhierarchie in Indien derzeit heftig diskutiert wird. Wir setzen uns für die Ärmsten der Armen ein, sagte Tiphagne einer Nachrichtenagentur. Die allermeisten davon seien entweder Muslime, Angehörige von Stammesvölkern oder Dalits. Diese stehen ganz am unteren Ende der Kastenhierarchie in dem überwiegend hinduistischen Land – und wurden früher als Unberührbare beschimpft. Je genauer Tiphagne in seinem Heimatland Indien hinschaute, desto tiefere Abgründe taten sich auf. Menschen, die einfach verschwanden, Unruhen zwischen Angehörigen verschiedener Religionsgemeinschaften, Gewalt gegen Frauen, Gräueltaten der Polizei, Folter, zählt der 60-Jährige auf. In Indiens Verfassung von 1950 steht, dass niemand aufgrund seiner Kaste diskriminiert werden darf. Doch die Realität sieht oft anders aus, das machte gerade der Selbstmord eines Doktoranden an der Universität von Hyderabad deutlich. Dalit-Studenten beklagen, sie würden von Aktivitäten ausgeschlossen, müssten separat essen und wohnen. Seit mehr als einer Woche demonstrieren Menschen überall in Indien gegen die Herabsetzungen. Leider schaut das Land erst nach seinem Tod hin, beklagt Tiphagne. Der 60-Jährige Tiphagne wurde in Tamil Nadu im Süden Indiens geboren und von einer französischen Ärztin adoptiert. Statt wie geplant Arzt zu werden, studierte er Jus, um den Benachteiligten und Unterdrückten in Indien vor Gericht zu helfen. Seit vier Jahrzehnten engagiert sich Tiphagne für die Menschen, die in der größten Demokratie der Welt ihre Rechte kaum wahrnehmen können. Als Anwalt baute er die Organisation Peoples Watch auf, die Menschenrechtsverletzungen dokumentiert, Betroffene vor Gericht vertritt und Kinder in Schulen über ihre Rechte informiert. Tiphagne saß mehrfach im Gefängnis. Seine Organisation Peoples Watch werde von den Behörden drangsaliert, erklärte Amnesty. Der Spielraum für die Arbeit von Aktivisten wird derzeit geringer, sagte Tiphagne. Jüngst ließ die Regierung dreimal die Konten seiner Organisation für 180 Tage einfrieren, so dass sie ihre Arbeit einstellen musste. In indonesischer Provinz gilt islamisches Recht der Scharia. Banda Aceh - In der indonesischen Provinz Aceh sind mehrere unverheiratete Paare mit Stockschlägen dafür bestraft worden, dass sie im Verstoß gegen die in der Provinz geltende strenge Auslegung des islamischen Rechts der Scharia gemeinsam Zeit verbracht haben. Rund tausend Zuschauer verfolgten, wie die drei Frauen und drei Männer im Alter zwischen 18 und 23 Jahren auf einem Platz der Provinzhauptstadt Banda Aceh jeweils mehrere Stockschläge erhielten. Eine vierte Frau über 40 wurde wegen Ehebruchs bestraft. Eine der Frauen fiel nach den Schlägen in Ohnmacht, so dass sie davongetragen werden musste. Ein Vertreter des örtlichen Scharia-Gerichts sagte, die Verurteilten würden hoffentlich ihre Fehler einsehen, Gott um Vergebung ersuchen und wieder edle Menschen werden. Aceh ist die einzige Provinz im mehrheitlich muslimischen Indonesien, in dem das Recht der Scharia angewandt wird. Stockschläge sind eine übliche Strafe für gleichgeschlechtlichen Sex, Glücksspiel oder das Trinken von Alkohol, doch werden nur selten Frauen so bestraft. Die Zentralregierung in Jakarta hatte der Provinz auf Sumatra im Jahr 2001 Autonomie gegeben, um einem jahrzehntelangen Aufstand islamistischer Aufständischer den Boden zu entziehen. In der Folge wurden in den vergangenen Jahren trotz der Kritik von Menschenrechtlern eine Reihe neuer Gesetze eingeführt, die auf dem islamischen Recht der Scharia basieren. Erst diese Woche verbot Banda Aceh Frauen, sich nach 23.00 Uhr ohne Begleitung ihres Ehemannes oder eines männlichen Familienmitglieds an Unterhaltungsorte zu begeben. Verordnung nach der Scharia in indonesischer Provinz in Kraft getreten, Bestrafung "nur nach fairem Prozess". Jakarta – Sex unter Schwulen und unverheirateten Paaren wird in Aceh, der konservativsten Provinz Indonesiens, ab sofort mit Peitschenhieben bestraft. Die Verordnung trat am Freitag in Kraft. Die Bestrafung erfolgt nur nach einem fairen Prozess, sagte Syamsuddin, Chef der Scharia-Polizei in Aceh im Norden der Insel Sumatra. Am Sonntag würden Patrouillen beginnen. Zeugen müssten Sex zwischen Schwulen oder unverheirateten Paaren selbst gesehen haben. Bei einem Schuldspruch drohen bis zu 100 Peitschenhiebe. Indonesien ist das bevölkerungsreichste muslimische Land der Welt. Fast 90 Prozent der gut 250 Millionen Indonesier sind Muslime. Die große Mehrheit praktiziert einen moderaten Islam. Aceh liegt im Norden der Insel Sumatra, es ist die einzige Provinz, die das islamische Scharia-Recht voll anwendet. Auspeitschungen gibt es hier bereits für Alkoholtrinker und Glücksspieler. In anderen Provinzen können Scharia-Gerichte nur in Familienrechtsfragen angerufen werden. Bei Terrorangriffen im Zentrum der indonesischen Hauptstadt starben am Donnerstag sieben Menschen, unter ihnen fünf Attentäter. Explosionen, Schüsse, Tote auf dem Asphalt. Mindestens sieben Menschen starben bei den Angriffen einer Gruppe von Terroristen im Stadtzentrum von Jakarta, fünf mutmaßliche Täter sowie ein indonesischer und ein niederländischer Zivilist. Fünf Polizisten, ein ausländischer Zivilist und vier weitere Indonesier seien verletzt worden, erklärte zunächst der Minister für öffentliche Sicherheit, Luhut Panjaitan. Am Nachmittag bestätigte das Außenministerium in Wien dann Informationen, denen zufolge bei dem Anschlag ein Österreicher leicht verletzt worden sei. Details dazu waren vorerst nicht bekannt. Die Attentäter waren offenbar auf Motorrädern angereist und hatten mit Granaten eine Polizeistation in der Thamrin-Straße angegriffen, einer der Hauptverkehrsadern der Zehn-Millionen-Metropole. Vor dem bekannten Kaufhaus Sarinah sprengten sich Selbstmordattentäter in die Luft. Auch in einer Filiale der amerikanischen Starbucks-Kette zündete ein Terrorist eine Bombenweste. Die Angriffe waren von Zuschauern von Bürogebäuden aus gefilmt und fast zeitgleich über soziale Medien verbreitet worden. Ein Feuergefecht zwischen Sicherheitskräften und weiteren Tätern dauerte noch gut zwei Stunden, bis die Polizei Entwarnung geben konnte. Der indonesische Präsident Joko Widodo sprach von einem Akt des Terrors. Überrascht zeigte er sich nicht: Seit Monaten hatten Sicherheitsexperten vor Anschlägen durch Anhänger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewarnt. Dieser hatte jüngst angekündigt, in Jakarta ein Konzert veranstalten zu wollen. Laut Beobachtern hatten die Warnungen über die Festtage zur zeitweisen Sperrung der Thamrin-Straße geführt. Dieser Maßnahme war der größte Anti-Terror-Einsatz der letzten Jahre in Indonesien vorausgegangen. Neun verdächtige IS-Anhänger wurden dabei verhaftet. Ihnen wird vorgeworfen, für die Festtage eine Attacke vorbereitet zu haben. Einer der Verhafteten, der 35-jährige Schüler eines muslimischen Predigers, sei von diesem für einen Suizidangriff am Neujahrstag 2016 vorbereitet worden, so die Polizei. Laut dem Indonesien-Kenner Damien Kingsbury von der australischen Deakin-Universität ist es nicht verwunderlich, dass sich die Terroristen das Geschäftszentrum Jakartas als Ziel ausgesucht hatten. Nicht nur befänden sich Botschaften und Regierungsgebäude an oder in der Nähe der Thamrin-Straße. Geschäfte, unter ihnen die Starbucks-Filiale, würden von Angestellten der Vereinten Nationen frequentiert, die dort einen Sitz hat. Auch sei die Gegend beliebt bei der indonesischen Elite. Das war ein Angriff direkt auf die Seele Indonesiens, so der Experte. Andere Kommentatoren meinten, bei den Tätern handle es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um aus Irak und Syrien zurückkehrende IS-Kämpfer indonesischer Herkunft. 87,2 Prozent der gut 250 Millionen Indonesier sind Muslime. Der weitaus größte Teil der Bevölkerung verurteilt islamistisch motivierten Terror. In sozialen Netzwerken äußerten Millionen von Indonesiern ihre Abscheu gegenüber den brutalen Angriffen. In den vergangenen Jahren kam es immer wieder zu tödlichen Attentaten, sowohl in der Hauptstadt als auch auf der Ferieninsel Bali. Dort starben im Jahr 2002 bei zwei Bombenanschlägen über 200 vorwiegend westliche Touristen. Der frühere Präsident Susilo Bambang Yudhoyono sagte dem Terror den Kampf an – nicht zuletzt, weil Jakarta um den Ruf Indonesiens als Investitionsstandort fürchtete. In den folgenden Jahren starben dutzende mutmaßliche Terroristen in Feuergefechten mit Sondereinheiten, viele weitere wurden verhaftet. Yudhoyonos Nachfolger, der im Oktober 2014 gewählte Joko Widodo, führt die Verfolgung islamistischer Radikaler weiter. Wie er zum Jahrestag seiner Ernennung im Gespräch mit dem STANDARD sagte, sieht er Terrorismus zwar als eine Herausforderung, aber nicht als unlösbare: Wir nehmen das Problem ernst, wir bekämpfen es, und wir werden siegen. Der deutsche Südasienforscher Felix Heiduk hält die indonesische Demokratie für stabil genug, um gegen jihadistischen Terror anzukommen. Der Anschlag in der indonesischen Hauptstadt Jakarta hat die Aufmerksamkeit des Westens auf den südostasiatischen Inselstaat gelenkt, der Heimat von 250 Millionen Menschen ist und die zahlenmäßig größte muslimische Bevölkerung der Erde beherbergt. Felix Heiduk, Südasienexperte bei der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), gibt Einblicke in ein Land, das als Musterbeispiel für die erfolgreiche Demokratisierung einer islamisch geprägten Gesellschaft gilt. STANDARD: Indonesien gilt als Bastion eines moderaten Islam, seit einigen Jahren scheint das Land mit der zahlenmäßig größten muslimischen Bevölkerung konservativer zu werden. Woran liegt das? Heiduk: Seit mehreren hundert Jahren ist der religiöse Mainstream eher moderat, es gibt aber schon seit einigen Jahrzehnten Minderheitenpositionen mit entsprechender Ideologie, die auf einen streng islamisch geprägten Staat abzielen. Ab den frühen 80er-Jahren hat das autoritäre Suharto-Regime versucht, den Islam als Herrschafts- und Legitimationsinstrument zu nutzen. Wie auch in anderen Ländern wurde zudem in Indonesien ab den späten 70er-Jahren die konservative Ideologie der saudi-arabischen Wahhabiten über religiöse Schriften, Predigten und Stipendien importiert. Nach 9/11 lässt sich auch bei moderaten Teilen der Bevölkerung eine zunehmende Perzeption eines Kampfes der Kulturen feststellen, bei dem die Kontrahenten Islam und Westen heißen. Vor allem in urbanen Zentren hat die Islamisierung außerdem auch bei der aufstrebenden Mittelschicht angedockt, die auf der Suche nach ideologischer Orientierung ist. Es gibt aber keinerlei direkten kausalen Zusammenhang zwischen dieser konservativer werdenden Gesellschaft und der Ausübung islamistischer Militanz. STANDARD: Neben den Philippinen ist Indonesien die einzige große Demokratie in der Region. Wie stabil ist sie? Heiduk: Natürlich funktioniert die indonesische Demokratie alles andere als perfekt, in puncto Minderheitenschutz und interreligiöser Dialog etwa wurde in den vergangenen Jahren von der Regierung viel verabsäumt. Umfragen geben aber seit langem keinerlei Hinweise darauf, dass in der Bevölkerung der Wunsch nach dem Ende der Demokratie besteht. Die indonesische Demokratie wird durch Anschläge wie jenen in Jakarta sicherlich nicht unterminiert werden. STANDARD: Aus dem 250-Millionen-Einwohner-Land sind höchstens 700 Kämpfer für die Terrormiliz Islamischer Staat in den Kampf gezogen, weniger als aus viel kleineren europäischen Ländern wie Frankreich. Wie kommt das? Heiduk: Einerseits ist Indonesien ein sehr viel ärmeres und geografisch entfernteres Land als die Staaten Europas, andererseits sind die Verbindungen in den Nahen Osten weit nicht so stark. Mich hat eigentlich eher verwundert, dass überhaupt Indonesier für den IS kämpfen, weil sich der militante Islamismus bis jetzt meist in lokalen Gruppen manifestiert hat. Der IS hat es vermocht, transnational ideologische und praktische Anreize zu schaffen, dass Indonesier in so weit entfernte Regionen reisen, um zu kämpfen. Zuletzt war das in Afghanistan in den 80er-Jahren der Fall, wo es auch Indonesier aufseiten der islamischen Mujaheddin gab. Der Unterschied zu damals ist, dass viele der in jüngster Vergangenheit ausgereisten indonesischen Jihadisten ihre Familien mitgenommen haben. Zudem pflanzt sich die Spaltung der Jihadistenszene im Nahen Osten auch in Indonesien fort, der kleinere Teil der Ausgereisten kämpft für die Al-Kaida-nahe Nusra-Front, der größere Teil für den IS. STANDARD: Welche lokalen Terrorgruppen sind denn in Indonesien aktiv? Heiduk: Die bekannteste ist Jemaah Islamiyah, die seit etwa 2000 spektakuläre Bombenanschläge, vor allem jene auf die Nachtklubs in Bali im Oktober 2002, durchgeführt hat. Gegründet wurde die Gruppe unter anderem von Afghanistan-Rückkehrern, die über ein Netzwerk auch in Malaysia und den Philippinen verfügten. Infolge massiver staatlicher Repression und interner Auseinandersetzungen wurde die Gruppe nach 2002 stark geschwächt. Ehemalige Mitglieder haben danach die Gruppe Mujahidin Indonesia Timur gegründet, die vor allem in ihrer Hochburg Sulawesi staatliche Sicherheitskräfte angreift und in Propagandavideos mit dem Sturm auf den Präsidentenpalast in Jakarta droht. STANDARD: Wie hat die indonesische Regierung auf die Anschläge von Bali reagiert? Heiduk: Die Regierung war aufgrund der innenpolitischen Situation sehr darauf bedacht, nicht den Anschein zu erwecken, sie trage den US-geführten Krieg gegen den Terror nach Indonesien. Gleichzeitig wurde nach den Bali-Anschlägen eine Anti-Terror-Spezialeinheit der Polizei gegründet, um die Netzwerke zu zerschlagen. Bei diesen Einsätzen wurden eine ganze Reihe von Mitgliedern der Jemaah Islamiyah getötet oder verhaftet, die Drahtzieher der Attentate wurden zum Tod verurteilt und hingerichtet. Weniger effizient waren die Behörden hinsichtlich der Deradikalisierung der Inhaftierten. Obwohl die Regierung ihr Programm als große Innovation feierte, zeitigte es nur wenig Erfolge. Viele der aus der Haft Entlassenen schlossen sich erneut lokalen Terrorgruppen an – oder reisten ungehindert nach Syrien aus. STANDARD: Wie geht man mit religiösen oder ethnischen Minderheiten um? Heiduk: Indonesiens Verfassung ist keine islamische Verfassung und garantiert die Religionsfreiheit. Die Staatsideologie Pancasila schreibt den Glauben an einen nicht näher spezifizierten Gott in der Verfassung fest. In der Realität wird dieses Bild etwas brüchig. Zum einen gibt es eine ganze Reihe von sogenannten islamischen Sekten, zum Beispiel Ahmadiyya, die von radikalen Islamisten massiv bedroht werden. In einigen Teilen Indonesien gilt diese Bedrohung auch für die christliche Minderheit, die sich in einigen Fällen mit gewaltsamen Protesten gegen das Abhalten von Gottesdiensten oder den Neubau von Kirchen konfrontiert sah. Weiter kompliziert wird diese Situation durch die sehr ambivalente Haltung der Regierung, die sich des Themas Religionsfreiheit nicht wirklich annimmt und Verstöße gegen das Recht auf freie Religionsausübung kaum ahndet. Jihadistengruppe Islamischer Staat soll dem Verdächtigen Geld überwiesen haben. Jakarta – Die indonesische Polizei hat einen Mann festgenommen, der verdächtigt wird, die Anschläge in der Hauptstadt Jakarta finanziert zu haben. Der Mann sei unter den zwölf Verdächtigen, die seit den Angriffen am Donnerstag festgenommen wurden, sagte der nationale Polizeichef Badredin Haiti am Samstag vor Reportern. Er habe Überweisungen von der Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) erhalten, um mit dem Geld die Angriffe zu finanzieren. Eine Gruppe bewaffneter Männer hatte am Donnerstag in Jakarta mehrere Ziele angegriffen und zwei Menschen getötet. Fünf Angreifer sprengten sich in die Luft oder wurden bei Schusswechseln mit der Polizei getötet. Zu den Angriffen bekannte sich die IS-Miliz. Der Gründer der Paneuropa-Bewegung, Richard Coudenhove-Kalergi, inspirierte mit seinen Ideen zwei japanische Premiers. In den USA schrillten kurz nach den japanischen Parlamentswahlen im Jahr 2009 die Alarmglocken. Yukio Hatoyama, der Spitzenkandidat der Demokraten, hatte einen furiosen Wahlsieg eingefahren, nun stellte der neue Premierminister kurzerhand die Außenpolitik des Landes auf den Kopf. Nichts weniger als den gesamten, zumindest teilweisen Abzug amerikanischer Truppen von Okinawa forderte der damals 62-Jährige. Ein Jahr darauf lud er eine hochrangige chinesische Delegation unter Führung des späteren Staatspräsidenten Xi Jinping nach Tokio, deren Besuch - ganz im Gegensatz zur bisherigen Politik Japans gegenüber der neuen Großmacht - höchste Aufmerksamkeit erfuhr. Im Weißen Haus in Washington fürchtete man, Hatoyama wolle sich von den USA abwenden. Der neue Stil in der japanischen Außenpolitik war nichts weniger als der Versuch des Premiers, eine politische Idee zu verwirklichen, die ihn seit langem umtrieb: die Gründung einer panasiatischen Bewegung, das Zusammenleben egalitärer und brüderlich verbundener, aber zugleich unabhängiger Staaten. Ein politisches Leitbild, das Hatoyama ausgerechnet einem Österreicher und dessen Werk zu verdanken hat: Richard Coudenhove-Kalergi, dem Begründer der Paneuropa-Bewegung. Doch die Verbindungen zwischen Japan und Österreich reichen noch viel tiefer. Die Geschichte beginnt im Jahr 1892 gewissermaßen wie im Hollywoodkino oder in der Oper. Der als österreichischer Gesandter in Japan dienende Diplomat Heinrich Graf Coudenhove-Kalergi fiel in Tokio vom Pferd, Mitsuko, die Tochter des Öl- und Antiquitätenhändlers Aoyama, bei dem Coudenhove ein Kunde war, half ihm wieder auf die Beine. Daraus wurde eine Liebesgeschichte, die aber nicht im Unglück endete wie Giacomo Puccinis Oper Madama Butterfly. Graf Coudenhove-Kalergi lässt seine Geliebte Mitsuko nicht sitzen wie der amerikanische Diplomat Pinkerton seine Butterfly, vielmehr heiratet er die Angebetete. Noch in Tokio werden zwei Kinder geboren, als zweiter Sohn im Jahr 1894 Richard, dessen japanischer Vorname Eijiro lautete. Er gründete später die Paneuropa-Bewegung, und seine Ideen wurden für die politischen Vorstellungen Yukio Hatoyamas wie zuvor für seinen Großvater Ichiro wegweisend. 1896 übersiedelte die Familie Coudenhove-Kalergi auf das böhmische Familiengut Ronsberg, wo Heinrich die elterlichen Besitzungen verwalten musste. Mitsuko wurde vom Kaiser persönlich mit dem Auftrag verabschiedet, Japan in Österreich würdig zu vertreten. Nach seinem Studium der Philosophie und Geschichte hatte Richard Coudenhove-Kalergi 1924 die Zeitschrift Pan-Europa und die Paneuropa-Union gegründet. Nicht zuletzt aus der Erfahrung des Ersten Weltkriegs war er ein überzeugter Pazifist geworden, der ein vereintes Europa anstrebte, in dem die einzelnen Länder aber als gleichberechtigte Partner bestehen bleiben und ihre jeweilige nationale Eigenheiten bewahren sollten. In Wien begegnete Coudenhove-Kalergi dem japanischen Diplomaten Morinosuke Kajima, der in Berlin als Diplomat akkreditiert war. Die zwei Männer wurden Freunde. Kajima war fasziniert von der Idee eines friedlichen Zusammenlebens der verschiedenen Nationen in einem vereinten Europa, und Coudenhove-Kalergi schlug ihm vor, in Asien für ein Pan-Asia nach dem Modell eines Paneuropa zu arbeiten. Nach seiner Rückkehr nach Japan veröffentlichte Kajima Coudenhove-Kalergis Buch Pan-Europa, das er übersetzt hatte. Bereits im Jahr 1926 hatte er in seinem Buch Pan-Asia Movement and Pan-Europa Movement seine Überlegungen zur Übernahme des Coudenhove-Kalergi-schen Paneuropa-Konzepts auf Asien dargelegt. Er schied aus dem diplomatischen Dienst aus, um sich ganz der Pan-Asia-Bewegung widmen zu können. 1946 erhielt Ichiro Hatoyama, der Großvater des späteren Premiers Yukio Hatoyama, die englische Ausgabe von Coudenhove-Kalergis Buch Totaler Mensch - Totaler Staat und war so begeistert von dem Buch, dass er es ins Japanische übersetzte. Ichiro, der von 1954 bis 1956 japanischer Premierminister gewesen war, hatte auf der Basis von Coudenhove-Kalergis politischer Ethik vor etwa 60 Jahren die Yuai-Bewegung gegründet. Ichro Hatoyama strebte ein unabhängiges, nicht einseitig an die USA gebundenes Japan an. Japan sollte vielmehr mit vielen Ländern gute Beziehungen auf der Basis von Gleichberechtigung anstreben. So war er auch um gute Beziehungen mit der Sowjetunion bemüht an und reiste zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen nach Moskau. Die Yuai-Philosophie und damit das panasiatische Ideengebilde übernahm Jahrzehnte später sein Enkel Yukio, der es zu seiner außenpolitischen Maxime ausbaute. Im Zentrum stehe, so Hatoyama im Gespräch mit dem STANDARD, die solidarische Beziehung unabhängiger und freier Menschen, denen jede nationale Beschränktheit fremd ist. Bevor er 2009 Premierminister wurde, legte er in einem Aufsatz der Zeitschrift Voice seine Vorstellungen einer East Asian Community dar und nannte dabei Richard Coudenhove-Kalergi ausdrücklich als den Ideengeber für sein Modell einer Ostasiatischen Gemeinschaft gleicher und freier in brüderlichem Verhältnis zueinander stehender Staaten. Dass Yukio Hatoyama außenpolitsch eine stärkere Hinwendung zu Asien anstrebte und Japans Abhängigkeit von den USA überwinden wollte, war allgemein bekannt. Sein Konzept einer East Asian Community traf aber weder in Japan noch in den Nachbarländern Südkorea und China auf große Resonanz. Dieses politische Konzept wirkte wie eine Idee von einem anderen Stern, auch wenn Coudenhove-Kalergi seinem Freund Kajima schon in den 20er-Jahren die Übertragung des Konzepts eines Paneuropa auf Asien empfohlen hatte. Im Gespräch mit dem STANDARD gibt Hatoyama zu erkennen, dass ihm heute durchaus bewusst ist, wie weit Ostasien von der Verwirklichung einer East Asian Community entfernt ist. Im Gegensatz zu Europa waren die asiatischen Staaten jahrhundertelang weitgehend voneinander abgeschottet. Der Abschottung folgte der grausame Versuch der Kolonisierung weiter Teile Asiens durch die japanische imperiale Armee. Der tiefgehende Nationalismus in China und Südkorea ist auch Resultat dieser Demütigung durch Japan zu sehen. Zugleich sind Chinas Bestrebungen, zum Hegemon Asiens zu werden, mit Hatoyamas Vision einer East Asian Community, einer Gemeinschaft gleicher, freier und brüderlicher Staaten, nicht zu vereinbaren. Yukio Hatoyama musste politisch scheitern, weil es weder in Japan noch in den Nachbarländern ein Bewusstsein für Notwendigkeit einer East Asian Community gab und gibt. Im Gespräch mit dem STANDARD nennt er die East Asian Community jetzt ein Langzeitprojekt. Nicht nur wegen des Erhalts dubioser Spenden musste er zurücktreten, sondern weil er hartnäckig an die unmittelbare politische Umsetzung seiner Ideen glaubte. Richard Coudenhove-Kalergi war kein Politiker. Der Onkel der österreichischen Journalistin Barbara Coudenhove-Kalergi hatte politische Ideen, für die er unablässig in Büchern und Gesprächen mit Politikern warb. So gelang es ihm in einem Europa, das für die Idee einer europäischen Gemeinschaft empfänglich war, ein öffentliches Bewusstsein für ein vereintes Europa zu schaffen. Nach seinem Rückzug aus der aktiven Politik scheint Yukio Hatoyama nun in ähnlicher Weise als Ideengeber und Initiator wirken zu wollen. Aber die Chancen für die Schaffung einer Vereinigung unabhängiger, freier und gleicher Staaten sind in Asien ungleich schlechter als in Europa. Nach Japan, in das Land seiner Kindheit, kehrte Coudenhove- Kalergi noch zweimal, 1967 und 1970, zurück. Eingeladen von seinem Freund Kajima und Hatoyamas Yuai-Vereinigung, hielt er Vorträge zu seiner politischen Philosophie, wurde mit Orden ausgezeichnet und vom japanischen Kaiserpaar empfangen als der Sohn jener jungen Frau, die einst vom Kaiser den Auftrag erhalten hatte, Japan in Österreich Ehre zu machen. Juristen zweifeln öffentlich an Legalität des Plans zur "Reformierung" pazifistischer Verfassung. Der Wind bläst Japans Premier Shinzo Abe heftig ins Gesicht. Die Front gegen die von ihm und seiner Regierung geplante Neuinterpretation des Pazifismusparagrafen der japanischen Verfassung wächst. Zuletzt haben sich auch bedeutende Verfassungsexperten gegen die Pläne gewandt, die es Japan ermöglichen sollen, außerhalb des eigenen Territoriums militärisch tätig zu werden. Im Parlament werden die Wortgefechte mit der Opposition immer aggressiver, der Premier musste sich für seinen unhöflichen Diskussionsstil jüngst sogar entschuldigen. Verteidigungsminister Gen Nakatani räumte vor dem Plenum zerknirscht ein, dass mit den Einsatzmöglichkeiten der Streitkräfte auch die Gefahr für das Leben der Soldaten steige. Abe hatte das zuvor noch bestritten. Bei einer Anhörung im Unterhaus erklärten drei Verfassungsjuristen die Gesetzespläne für verfassungswidrig. Ihnen zufolge handelt es sich um eine Verfassungsänderung ohne Abhaltung der dafür notwendigen Abstimmungen, die eine Zweidrittelmehrheit im Unter- und Oberhaus erfordern und eine einfache Mehrheit bei einem Referendum. Später sagte Yasuo Hasebe, Jus professor an der Tokioer Waseda-Universität, mit der Methode der Neuinterpretation werde die Verfassung entwertet. Sein Kollege von der Keio-Universität Setsuo Kobayashi sagte gar, Japan schlage mit Verfassungsmanipulation den Weg Nordkoreas ein. Einer Umfrage aus der vergangenen Woche zufolge lehnen 63 Prozent der Bevölkerung die Verabschiedung der neuen Gesetze ab. Die Popularität des Kabinetts Abe als Ganzes ist mit 41 Prozent immer noch hoch – es ist aber der tiefste Wert seit Abes Amtsantritt 2012. Und der Widerstand mehrt sich: Vergangenes Wochenende demonstrierten in Tokio 25.000 Menschen gegen die Sicherheitspolitik der Regierung und das Hochfahren von Atomkraftwerken. Auch vernachlässigt Abe die Wirtschaftspolitik – immerhin war er wegen seiner Abenomics-Pläne gewählt worden – für seine nationale Agenda. Die Regierung gerät so in schweres Fahrwasser. Premier Shinzo Abe soll laut Medien am Freitag Erklärung abgeben. Tokio – Japans rechtskonservativer Regierungschef Shinzo Abe will in einer mit Spannung erwarteten Erklärung zum 70. Jahrestag des Kriegsendes offensichtlich das Wort Entschuldigung aussprechen. Das berichtete unter anderem die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Dienstag unter Berufung auf informierte Kreise. Kritiker haben vor einer weiteren Verschlechterung der Beziehungen zu Japans früheren Opferländern China und Südkorea gewarnt, sollte Abe auf Schlüsselbegriffe wie Entschuldigung und Aggression verzichten. Abe ist im In- und Ausland vorgeworfen worden, Japans kriegerische Vergangenheit weißwaschen zu wollen. Abe will laut Medienberichten seine Erklärung an diesem Freitag abgeben, einen Tag vor dem 70. Jahrestag der Kapitulation Japans im Zweiten Weltkrieg. Ächtung Darin dürfte er auch von Aggression sprechen, hieß es weiter. Allerdings erwäge Abe, dies nicht auf Japans Verhalten vor und während des Zweiten Weltkriegs zu beschränken, sondern sich generell auf die Ächtung von Aggressionen gegen andere Länder zu beziehen. Abe hat erklärt, grundsätzlich an einer Erklärung seines sozialistischen Vorgängers Tomiichi Murayama festhalten zu wollen. Dieser hatte sich 1995 für das von Japan während des Krieges verursachte Leiden ausdrücklich entschuldigt. China und Südkorea erwarten von Abe, dass er sich dem anschließt. Ministerpräsident Medwedew besucht die Insel Iturup, Japans Außenminister Fumio Kishida sagt Moskau-Besuch ab. Tokio – Vergangenes Wochende besuchte der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew die nördlich von Japan gelegene Insel Iturup, in Japan Etorofu genannt, die zur Inselgruppe der Kurilen gehört. Medvedev besichtigte auf der Insel Infrastruktureinrichtungen, inspizierte den Bau eines Flugplatzes und machte mit Worten und Gesten deutlich, dass Russland die Inseln als nicht verhandelbares Territorium betrachtet. Die Insel gehörte wie alle Kurileninseln früher zu Japan, wurde aber nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges von der Sowjetunion annektiert. Japan verlangt bis heute die Zurückgabe der Inseln, und der Inselkonflikt ist der Grund, weshalb es bis heute keinen Friedensvertrag zwischen beiden Ländern gibt. Die japanische Regierung, die Medwedew gedrängt hatte, auf den Besuch zu verzichten, bestellte am 22. August unverzüglich den russischen Botschafter ins Außenministerium ein, wo ihm der japanische Außenminister Fumio Kishida deutlich machte, dass Medwedews Inselbesuch Japans Position in der Inselfrage zuwiderlaufe und das die Gefühle der Japaner verletze. Die japanische Regierung entschied inzwischen den für den 31. August geplanten Besuch des japanischen Außenministers in Russland abzusagen. Der Besuch war als Vorbereitung des für Ende des Jahres geplanten Besuchs Präsident Wladimir Putins in Japan gedacht, bei dem Premier Shinzo Abe mit Putin über die Inselfrage sprechen wollte. Japan bietet ja im Gegenzug für die Rückgabe eines Teils der Inseln großzügige technische und finanzielle Hilfe bei der Entwicklung Ostsibiriens an. Auch nach dem Inselbesuch von Ministerpräsident Medwedew will die japanische Regierung an einem Treffen von Premier Abe mit Präsident Putin festhalten. Jetzt denkt man in Tokio an ein Treffen bei den großen internationalen Gipfeltreffen im Spätherbst. Medwedews Besuch auf den Kurilen muss im Zusammenhang mit den Sanktionen, die Japan nicht zuletzt auf der Druck der USA gegen Russland wegen dessen Ukrainepolitik verhängt hatte, gesehen werden. Die japanische Regierung hatte sich lange Zeit unter dem Missfallen der USA mit Sanktionen gegenüber Russland sehr zurückgehalten. Japans Premier hatte ja noch ein sehr gutes Verhältnis zu Russland, als die anderen Länder der G-7 schon sehr auf Distanz zu Russland gegangen waren. Abes persönliche Affinität zu dem autoritären Putin, vor allem aber der sehnliche Wunsch der Japaner nach der Rückgabe der Inseln, dürfte dafür der Grund sein. Dass aber ein Russland unter Präsident Putin den japanischen Wünschen nachkommt, ist kaum vorstellbar. Putin ist zu sehr Machtpolitiker, um zu akzeptieren, dass Japan sich an der westlichen Sanktionspolitik gegenüber Russland beteiligt und gleichzeitig mit Russland über den Besitz der Kurileninseln verhandeln will. Noch wahrscheinlicher ist, dass der Judoka Putin, der seinem Gegenüber Abe und seinen Vorgängern immer eine gewisse Nähe zu Japan suggeriert hatte, dies nur aus dem Grund getan hat, um an Geld und Technik zur Entwicklung Sibiriens heranzukommen, aber niemals an eine Rückgabe einer der Kurileninseln gedacht hat. Reaktion auf japanische Opfer bei Anschlägen. Tokio – Vor dem Hintergrund von Attacken auf japanische Bürger im Ausland und angesichts von Anschlägen weltweit will Japan der Gefahr mit einer neuen Anti-Terror-Einheit zur Informationsbeschaffung begegnen. Wir werden die vollen Maßnahmen ergreifen, um Terrorismus zu verhindern und japanische Staatsbürger vor Schaden zu bewahren, sagte Regierungssprecher Yoshihide Suga am Montag in Tokio. Die Einheit soll bereits am Dienstag ihre Arbeit aufnehmen. In Tokio werden rund 20 Mitarbeiter stationiert sein, 20 weitere an japanischen Vertretungen in aller Welt. Über viele Jahre hinweg war Japan vom internationalen Extremismus weitgehend verschont geblieben. Zuletzt hatte es jedoch mehrere Vorfälle mit japanischen Opfern gegeben. 2013 wurden zehn Japaner bei einer Geiselnahme in Algerien getötet, in diesem Jahr wurden zwei Japaner enthauptet. Zu der Tat bekannte sich die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Die Regierung in Tokio hatte den Start der Anti-Terror-Einheit ursprünglich für April 2016 vorgesehen, den Termin aber angesichts von Anschlägen wie in Paris im November vorgezogen, wie ein japanischer Diplomat sagte. Die Einheit soll sich auf vier geografische Gebiete konzentrieren: Südostasien, Südasien, den Nahen Osten sowie Nord- und Westafrika. Den Regierungsangaben zufolge will Japan dabei eng mit den USA und anderen Ländern zusammenarbeiten, um Terrorakte zu verhindern. Japan will vor dem G7-Gipfel im Mai und den Olympischen Sommerspielen 2020 auch zeigen, dass entsprechende Sicherheitsvorkehrungen getroffen werden. Im Wahlkampf 2008 wollte Barack Obama das Handeln der USA nach Osten wenden. Acht Jahre später ist nur manches geglückt. Wien – Klare Botschaften sollte es geben, sagten die japanischen Gastgeber am Donnerstag – und noch bevor diese sie seitens der G7-Gipfelteilnehmer offiziell aussprechen konnten, hatte China schon reagiert. Die Angelegenheit im Südchinesischen Meer hat mit keinem der G7-Staaten zu tun, teilte die Sprecherin des Außenamts, Hua Chunying, mit. Peking sei dagegen, die Angelegenheit zu hypen. Peking weiß: Auch wenn es beim Treffen der Staatschefs aus den sieben einst wichtigsten Industrieländern im japanischen Ise-Shima um eine Reihe internationaler Probleme geht – langsames weltweites Wachstum, Cybersicherheit, Ukraine-Krise und Terrorismus –, steht doch der gemeinsame Umgang mit China weit oben auf der Liste. Denn nicht nur Japan hat, in den Worten Huas, mit der Angelegenheit zu tun. Auch die USA sind tief involviert. US-Präsident Barack Obama sieht den Gipfel als eine der letzten Chancen seiner Amtszeit, den außenpolitischen Schwenk nach Asien zu fixieren, den er im Wahlkampf 2008 als großes Projekt angekündigt hatte. Denn auch wenn sich seither viel bei der Hinwendung nach Asien getan hat: Unumkehrbar ist kaum etwas. Vor allem das Dauerproblem Nordkorea, wo die USA ein kooperatives China brauchen, und der jüngste Wandel in regionalen Schlüsselstaaten führen in Washington zu Kopfschmerzen. Neue Unsicherheiten gibt es bei zwei traditionellen Verbündeten: auf den Philippinen und in Taiwan. Nummer eins ist der desi gnierte philippinische Präsident Rodrigo Duterte. Der Wahlsieger vom 9. Mai bereitet den USA nicht nur wegen möglicher Eischränkungen von Menschenrechten und Demokratie Sorgen, sondern auch deshalb, weil seine Außenpolitik schwer berechenbar ist. Im Wahlkampf gab es viel Kritik an den USA, nach dem Votum aber auch neue Kooperationsangebote. Vor allem fürchtet Washington, der unberechenbare Politiker könnte China im Inselstreit provozieren und die USA in einen Konflikt mit hineinziehen. Wenig anders ist die Lage in Taiwan, zu dessen Aufrüstung und militärischer Unterstützung die USA vertraglich verpflichtet sind: Die jüngst angelobte Präsidentin Tsai Ing-wen gilt zwar als besonnen, die Wahl der chinakritischen Politikerin hat Peking dennoch nervös gemacht. Anders als ihr Vorgänger Ma Ying-jeou will sie keine weitere Annäherung an die Volksrepublik, die Taiwan als abtrünnigen Teil ihres Territoriums betrachtet. Auf ihre Angelobung hat China besorgt reagiert, in Pekings Propaganda wurde auch das Argument vorgebracht, Tsais Stil sei extrem und emotional, weil sie unverheiratet ist. Obamas Reiseplan gibt auch Auskunft darüber, was die USA als großen Lichtblick sehen: Ungewöhnlich lange drei Tage verbrachte der US-Präsident vor dem G7-Gipfel in Vietnam, wo er das Ende des seit Jahrzehnten geltenden Waffenembargos verkündete. Die Annäherung der ehemaligen Feinde hat die gemeinsamen Interessen im Südchinesischen Meer als Hintergrund. Dass Obama deshalb die triste Menschenrechtslage in Vietnam hintanstellt, brachte zu Hause viel Kritik ein. Ein Dilemma, das sich auch in den Beziehungen zu zwei anderen Staaten spiegelt: Der alte US-Verbündete Thailand wendet sich China und Russland zu, seitdem Washington den Putsch von 2014 heftig kritisierte. Mit Malaysias Premier Najib Razak pflegt Obama hingegen enge Beziehungen, obwohl jener wegen Korruption und Inhaftierung politischer Gegner unter Beschuss steht. Und dann ist da noch das Handelsabkommen TPP. Der Deal sollte die Pazifik-Anrainer an die USA binden und China Anteile streitig machen. Doch er ist nicht nur in der Region umstritten, sondern auch in den USA, wo er im Kongress kaum Fortschritte macht. Viele Demokraten lehnen ihn ab, weil sie Konkurrenz für die heimische Wirtschaft fürchten. Viele Republikaner befürworten ihn zwar, wollen Obama aber im Wahljahr keinen Erfolg zuspielen. Nicht nur deshalb ist die Sorge wegen neuer Unberechenbarkeit beidseitig, wie Obama beim G7-Treffen eingestand: Die Staatschefs hätten sich auch sehr verunsichert über die Erfolge von Donald Trump gezeigt, sagte er. Übertritte wegen schwer gesicherter Grenze selten. Seoul – Einem nordkoreanischen Soldaten ist die Flucht nach Südkorea über die schwer gesicherte Landesgrenze gelungen. Wie das südkoreanische Verteidigungsministerium am Montag mitteilte, passierte der junge Soldat in der Früh (Ortszeit) in Hwacheon nordöstlich von Seoul die Grenze und ergab sich dort südkoreanischen Grenzschützern. Der Mann habe den Willen, überzulaufen, sagte ein Ministeriumssprecher. Die Behörden leiteten zunächst Ermittlungen ein und erklärten, zu gegebener Zeit würden weitere Informationen veröffentlicht. Hunderte Nordkoreaner fliehen jedes Jahr aus ihrer isolierten kommunistischen Heimat vor Armut und Unterdrückung, es ist jedoch selten, dass sie die schwer bewachte und von Stacheldraht gesäumte Landesgrenze nach Südkorea wählen. Zehntausende Soldaten sichern auf beiden Seiten die Grenze. Die meisten Nordkoreaner fliehen über die etwas durchlässigere Grenze nach China und reisen dann weiter, mitunter nach Südkorea. Im vergangenen Jahr gelang zwei Nordkoreanern die Flucht über die Seegrenze im Gelben Meer. Durch den Koreakrieg getrennte Familien dürfen sich im Oktober in einem Feriengebiet treffen. Seoul – Nach Marathonverhandlungen haben sich Nordkorea und Südkorea auf eine der raren Familienzusammenführungen geeinigt. Durch den Koreakrieg in den Jahren 1950 bis 1953 getrennte Familien dürfen sich vom 20. bis zum 26. Oktober in einem nordkoreanischen Feriengebiet am Berg Kumgang treffen, teilte das südkoreanische Vereinigungsministerium am Dienstag in Seoul mit. Jede Seite wählt dafür hundert Teilnehmer aus. Die Verhandlungen waren von den jeweiligen Rot-Kreuz-Verbänden der beiden koreanischen Staaten geführt worden. Sie hatten am Montagmorgen (Ortszeit) begonnen und waren die ganze folgende Nacht fortgesetzt worden. Die Gespräche waren vor zwei Wochen als Beitrag zur Entspannung des Verhältnisses von Nordkorea und Südkorea vereinbart worden. Der Konflikt zwischen Südkorea und dem kommunistischen Norden hatte sich zugespitzt, nachdem Anfang August bei der Explosion einer Landmine in der Grenzregion zwei Mitglieder einer südkoreanischen Patrouille schwer verletzt worden waren. Seoul machte Pjöngjang für den Vorfall verantwortlich und verlangte eine Entschuldigung. Nordkorea wiederum setzte dem Süden eine Frist, um die Beschallung mit Propaganda einzustellen, die Seoul als Vergeltung nach mehr als zehnjähriger Pause wiederaufgenommen hatte. In Marathonverhandlungen wendeten beide Seiten Ende August schließlich eine militärische Konfrontation ab. Dabei wurden auch die Verhandlungen über Familienzusammenführungen vereinbart. Während des Koreakriegs waren Millionen Menschen von ihren Angehörigen getrennt worden. Die meisten von ihnen starben ohne die Möglichkeit zu einem Wiedersehen. Auf der Warteliste für Familienzusammenführungen stehen rund 66.000 Südkoreaner, die meisten von ihnen sind schon um die 80 oder 90 Jahre alt. Die Begegnungen hatten im Jahr 2000 begonnen und sollten ursprünglich jährlich stattfinden. In den vergangenen fünf Jahren gab es aber nur noch eine Familienzusammenführung, mehrere andere wurden von Nordkorea in letzter Minute abgesagt. Reaktion auf Kritik aus Seoul an Atomprogramm. Seoul/Pjöngjang – Nach Kritik der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye am nordkoreanischen Atomprogramm droht Pjöngjang mit der Absage eines Termins zur Zusammenführung von Familien beider Staaten. Das Ereignis könnte vollständig scheitern, sagte ein Sprecher der nordkoreanischen Führung am späten Dienstagabend. Nicht nur die Beziehungen der Staaten, sondern die Zusammenführung der Familien sei in erhebliche Gefahr gebracht worden. Seoul reagierte besorgt auf die Warnung. In mühsamen Verhandlungen hatten sich Unterhändler aus dem Süden und dem Norden Anfang September darauf geeinigt, dass je hundert Staatsbürger vom 20. bis zum 26. Oktober Angehörige aus dem Nachbarstaat treffen dürfen. Es wäre erst die zweite derartige Gelegenheit binnen fünf Jahren, die Vereinbarung wurde als Signal der Entspannung gewertet. Mit der Absage-Androhung reagierte Pjöngjang auf Äußerungen Parks am Montag vor der UN-Vollversammlung in New York. Dort hatte Südkoreas Präsidentin das atomare Abschreckungsprogramm Nordkoreas als globale Bedrohung gebrandmarkt und die Staatengemeinschaft aufgerufen, Druck auf das kommunistische Regime auszuüben. Die Warnung aus Pjöngjang, die geplante Familienzusammenführung wieder abzusagen, sei sehr bedauerlich, erklärte das südkoreanische Vereinigungsministerium am Mittwochmorgen. Der Norden solle nicht nach Vorwänden suchen, um sich aus seiner humanitären Verantwortung zu ziehen. Während des Korea-Kriegs von 1950 bis 1953 waren Millionen Menschen von ihren Angehörigen getrennt worden. Die meisten von ihnen starben ohne die Möglichkeit zu einem Wiedersehen. Inzwischen ist der Großteil der Betroffenen schon um die 80 oder 90 Jahre alt, die Zeit rennt davon. Die Begegnungen hatten im Jahr 2000 begonnen und sollten ursprünglich jährlich stattfinden. In den vergangenen fünf Jahren gab es aber nur noch eine Familienzusammenführung. Neuer Anlauf für dauerhaften Dialog vorerst missglückt. Seoul/Pjöngjang – Vier Monate nach einem vielversprechenden Abkommen über Schritte zur Entspannung haben Süd- und Nordkorea neue Gespräche über einen weiteren Austausch ohne Einigung beendet. Während Südkorea demnach den Schwerpunkt auf die Zusammenarbeit in humanitären Fragen setzte, wollte Nordkorea vor allem ein Wirtschaftsprojekt neustarten. Auch sei kein Termin für weitere Gespräche zustande gekommen, sagte Südkoreas Vize-Vereinigungsminister Hwang Boo-gi am Samstag nach dem zweitägigen Treffen in der grenznahen nordkoreanischen Stadt Kaesong. Seine Seite habe auf eine Lösung für getrennte Familien aus beiden Ländern gedrungen, sagte Hwang. Nordkorea habe gefordert, dass das gemeinsame Tourismusprogramm für Reisen zum Kumgang-Gebirge wiederaufgenommen werden sollte. Den Vorschlag Südkoreas, diese Angelegenheit separat auf Arbeitsebene zu besprechen, habe die nordkoreanische Seite abgelehnt, wurde Hwang von südkoreanischen Sendern zitiert. Unsere Regierung betonte, dass es nicht richtig ist, die Frage der getrennten Familien mit der Wiederaufnahme des Tourismusprogramms zu verknüpfen. Tourismusprogramm Seoul hofft, dass unter anderem regelmäßige Treffen zwischen Familien ermöglicht werden, die durch den Korea-Krieg (1950-53) auseinandergerissen wurden. Nordkorea wollte den südkoreanischen Angaben zufolge, dass Seoul zunächst eine klare Zusage für das seit einigen Jahren eingefrorene Tourismusprogramm gebe. Diese Projekt für südkoreanische Touristen in Nordkorea stellte eine wichtige Devisenquelle für das kommunistische Regime in Pjöngjang dar. Die nordkoreanische Delegation wurde bei dem Treffen von Jon Jong -su, einem stellvertretenden Leiter des Sekretariats des Komitees für die Friedliche Wiedervereinigung Koreas, geleitet. Mit den Gesprächen in Kaesong wurde ein Punkt des Abkommens vom August umgesetzt. Nach neuen Spannungen hatten Spitzenvertreter beider Länder damals auch vereinbart, dass der Dialog fortgesetzt werden sollte. Als Teil des Abkommens fanden außerdem im Oktober neue kurzfristige Familientreffen statt. Auch versprachen beide Seiten, den Austausch in anderen Bereichen wieder stärker zu fördern. Im Sommer hatten sich die Spannungen nach einem Zwischenfall an der Grenze verschärft. Südkoreas Militär hatte als Vergeltung für die Verletzung eigener Soldaten durch mutmaßlich nordkoreanische Landminen seine Beschallungsaktion über die Grenze mit Propaganda wieder aufgenommen. Die Beschallung wurde wieder abgestellt, nachdem Nordkorea sein Bedauern über den Zwischenfall geäußert hatte. Gemeinsame Manöver der Verbündeten geplant. Seoul/Pjöngjang – Die USA haben ihre Truppen in Südkorea in höchste Alarmbereitschaft versetzt. Hintergrund sind die Spannungen nach dem jüngsten Atomtest Nordkoreas. Die USA haben in Südkorea 28.500 Soldaten als Abschreckung stationiert. Der Kommandant der gemeinsamen südkoreanisch-amerikanischen Streitkräfte, Curtis Scaparotti, habe den Befehl bei einem Inspektionsbesuch der Truppen erteilt, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap am Montag. Ich will, dass ihr auf lange Sicht die höchste Bereitschaftsposition einnehmt, weil geplante gemeinsame Militärübungen vor uns liegen, sagte Scaparotti. Die beiden Alliierten USA und Südkorea bereiten sich derzeit auf ihre alljährlichen Frühjahrsübungen vor. Diese sollen laut Yonhap Ende Februar beginnen. Nordkorea wirft den USA regelmäßig vor, mit diesen Manövern einen Angriff vorzubereiten. Die USA und Südkorea bestreiten dies. Südkoreas Generalstabschef Lee Sun-jun warnte bei der gemeinsamen Truppeninspektion mit Scaparotti, dass Nordkorea sich zu Provokationen hinreißen lassen könnte. Am Sonntag hatten die USA als Demonstration militärischer Stärke einen B52-Langstreckenbomber nach Südkorea geschickt. Der Bomber war nach einem Flug im Nordwesten des Landes aber wieder zu seinem Stützpunkt auf der Pazifikinsel Guam zurückgekehrt. Der Flug war eine Reaktion auf den Atomtest am vergangenen Mittwoch. Das isolierte Regime behauptet, bei dem Test sei erstmals eine Wasserstoffbombe gezündet worden. Der Test hatte weltweit Empörung ausgelöst. Erste Analysen der im Ausland gemessenen Erschütterungen deuten westlichen und südkoreanischen Experten zufolge aber eher auf den Test einer herkömmlichen Atombombe hin als auf die Zündung einer erheblich stärkeren H-Bombe. Auch der deutsche Physiker und Rüstungsforscher Götz Neuneck glaubt nicht, dass Nordkorea eine klassische Wasserstoffbombe gezündet hat. Für eine Bombe von solchem Ausmaß fehle Nordkorea das Know-how, sagte Neuneck in einem Interview mit Zeit.de. Aber eine fusionsverstärkte Atombombe sei vorstellbar und schlimm genug. Pjöngjang zieht angeblich geplanten Test laut Medienberichten vor. Pjöngjang/Seoul/Tokio – Nordkorea könnte japanischen Medienberichten zufolge seinen geplanten Raketentest bereits am Sonntag vollziehen. Die Regierung in Pjöngjang habe das Zeitfenster für den geplanten Test einer Langstreckenrakete vorgezogen, berichteten die Nachrichtenagentur Jiji Press und der Rundfunksender NHK am Samstag unter Berufung auf die japanische Regierung. Demnach soll er nun zwischen dem 7. und 14. Februar stattfinden statt zwischen dem 8. und 25. Februar. Den Berichten zufolge informierte Nordkorea die Internationale Seeschifffahrts-Organisation über den neuen Zeitplan. Nach Darstellung der Regierung in Pjöngjang soll die Langstreckenrakete einen Satelliten in den Orbit befördern. Sie betont, ihr Raumfahrtprogramm sei rein wissenschaftlicher Natur. Die Staatengemeinschaft betrachtet den Raketenstart dagegen als Test einer ballistischen Rakete und damit als Verstoß gegen eine Resolution des UN-Sicherheitsrats. Pjöngjang hat sich allen Warnungen aus dem Ausland widersetzt. Nun könnte das Land auch einen weiteren Atomtest planen, heißt es. Leitstern-4 (Kwangmyongsong-4) lautet der klingende Name des Satelliten, den Pjöngjang am Sonntag kurz nach 9.00 Uhr Früh Ortszeit in die Umlaufbahn schießen ließ. Die Machthaber sprechen zwar von einer friedlichen Mission zur Sammlung wissenschaftlicher Daten – doch allein die Fakten legen beim Raketenstart, an dem es schon bei Bekanntwerden entsprechender Planungen Kritik von fast allen Seiten gab – ein militärisches Muskelspiel nahe: Nach Informationen des südkoreanischen Geheimdienstes wiegt der Satellit lediglich 200 Kilogramm. Für wissenschaftliche Zwecke sei er daher praktisch nutzlos. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass Nordkorea mit der Rakete seine ballistische Reichweite austestet. Südkoreas Spione gehen nach eigenen Angaben außerdem davon aus, dass der Norden einen weiteren Atomtest vorbereitet – den zweiten in diesem Jahr. Anfang Jänner hatte Nordkorea nach einer Nuklearexplosion davon gesprochen, eine Wasserstoffbombe gezündet zu haben. Spätere Analysen kamen aber zu dem Schluss, es habe sich um eine reguläre Atombombe gehandelt – womöglich, so hieß es damals, habe wegen einer Fehlfunktion nur der konventionelle Atomsprengkopf gezündet. Und auch die Leitung der neuen Rakete macht Experten Sorgen: Bereits 2012 hat Kim Jong-un zwar ein ähnliches Raketenmodell, die Unha, ins All befördert. Seitdem scheint sich die nordkoreanische Technologie aber verbessert zu haben. Die Reichweite des neuen Flugkörpers soll mindestens zehntausend Kilometer betragen. Südkorea, Japan und die USA haben noch am Sonntag eine Sondersitzung des UN-Sicherheitsrats beantragt. Das UN-Gremium verurteilte den Raketenstart einstimmig als Bedrohung des Weltfriedens und kündigte eine baldige Resolution mit Sanktionsbeschlüssen an. Allen voran die USA drängen seit dem Wasserstoffbombentest Nordkoreas vor einem Monat, Wirtschaftssanktionen gegen Nordkorea weiter zu verschärfen – Russland und China stimmten damals allerdings gegen dieses Vorhaben. Deren Effekt dürfte jedoch wenig Wirkung zeigen. Mehrfach hat das Regime unter Beweis gestellt, dass es seiner inneren Sicherheit eine weitaus höhere Priorität einräumt als dem materiellen Wohlergehen seiner Bevölkerung. Viele Beobachter deuten den Raketentest vor allem als innenpolitisches Signal: Nur wenige Wochen vor dem ersten nordkoreanischen Parteikongress seit 1980 wolle Kim Jong-un seinen Machtanspruch untermauern. Südkorea gerät zwischen die Interessenslagen: Die Regierung um Präsidentin Park Geun-hye hat nun erstmals ihren Willen bekundet, ein umstrittenes Raketenabfangsystem des US-Militärs zu installieren. Die USA haben knapp 30.000 Soldaten in Südkorea stationiert. Mit Hinweis auf die Bedrohung durch den Norden drängen sie ihren Verbündeten bereits seit mehreren Jahren um eine Erlaubnis für die Luftabwehr, die zu den modernsten der Welt zählt. China wertet das Raketenabwehrsystem jedoch als Bedrohung. Womöglich wird sich der Konflikt in den nächsten Wochen weiter zuspitzen: Denn angeblich plant Pjöngjang auch einen weiteren Raketentest. Angespannte Stimmung nach Raketenstart am Wochenende – internationale Gemeinschaft ringt derweil um eine gemeinsame Linie. Pjöngjang/Seoul – Auf die politische Eskalation am Wochenende wäre am Montag auf der koreanischen Halbinsel womöglich fast eine militärische gefolgt: In der Nacht auf den Montag gab es im umstrittenen Inselgebiet zwischen Nord- und Südkorea einen Schusswechsel zwischen zwei Patrouillenbooten. Nach den Meldungen südkoreanischer Medien war ein nordkoreanisches Boot in Gewässer eingedrungen, die von Seoul aus kontrolliert werden. Nach mehreren Warnschüssen seitens Südkoreas habe es sich allerdings vertreiben lassen. Nur Stunden zuvor hatte der UN-Sicherheitsrat in einer von Südkorea, Japan und den USA gemeinsam einberufenen Dringlichkeitssitzung den Start einer nordkoreanischen Rakete von Sonntagfrüh als Bedrohung des Weltfriedens scharf kritisiert und die Ausarbeitung von einschneidenden Strafmaßnahmen gegen das Regime in Pjöngjang angekündigt. Das Gremium hatte den Angaben Nordkoreas keinen Glauben geschenkt, wonach es sich um einen friedlichen Satellitenstart und nicht um den Test einer Langstreckenrakete gehandelt habe. China und Russland, die Sanktionen eigentlich kritisch gegenüberstehen, stützten die Resolution. Wie genau die einschneidenden Maßnahmen aussehen sollen, ist aber nicht beschlossene Sache. Dass China, wie von der amerikanischen UN-Botschafterin Samatha Power gefordert, sich harten und beispiellosen Sanktionen, die die Erwartungen von (Nordkoreas Machthaber, Anm.) Kim Jong-un übersteigen, anschließen wird, gilt als unwahrscheinlich. Der chinesische UN-Botschafter Liu Jieyi sprach sich jedenfalls nur für Maßnahmen mit dem Ziel aus, Spannungen zu reduzieren. Auch Russlands Vertreter Witali Tschurkin sagte, eine UN-Resolution solle maßvoll sein und nicht den wirtschaftlichen Kollaps des kommunistisch regierten Nordkorea herbeiführen. Sowohl China als auch Russland sind Nachbarstaaten Nordkoreas, sie befürchten im Fall eines Zusammenbruchs auch Instabilität und eine große Zahl verarmter nordkoreanischer Flüchtlinge. Verhandlungen in den kommenden Wochen sollen Einigkeit zwischen Washington und Peking schaffen. Schon bisher sind harte Sanktionen gegen Nordkorea in Kraft. Die innenpolitische Kontrolle des Regimes haben sie kaum beeinträchtigt. Für Russland und China stehen aber auch strategische Fragen im Mittelpunkt. Bisher etwa hatte sich Südkorea – mit Rücksicht auf den wichtigen Handelspartner China, aber auch auf die Opposition im eigenen Land – gegen die Stationierung amerikanischer Raketenabwehrstellungen auf seinem Territorium ausgesprochen. Nur wenige Stunden nach dem Raketenstart bekundeten Vertreter von Präsidentin Park Geun-hye nun doch Interesse daran, das System Thaad aufstellen zu lassen. Eine Einheit des Systems solle nach Angaben des Pentagon-Sprechers Peter Cook so schnell wie möglich nach Südkorea verlegt werden. Bereits binnen zwei Wochen könnte dies geschehen, verlautete aus Verteidigungskreisen in Washington. Diesbezüglich gab es in Chinas Staatsmedien am Montag prompt Kritik. Das Radar des Thaad-Systems könne auf chinesisches Hoheitsgebiet eindringen, Südkorea sollte sich selbst um seine Sicherheitsinteressen kümmern. Die englischsprachige Zeitung Global Times machte deutlich, wenn auch chinesische Raketen zum Ziel werden könnten, sei das für Peking nicht akzeptabel. Laute Musik, Nachrichten und Botschaften als Reaktion auf Pjöngjangs Raketentest. Pjöngjang/Seoul – Nach dem jüngsten Raketentest Nordkoreas verstärkt Südkorea die Propagandabeschallung des Nachbarlandes. Es seien weitere Lautsprecher an der Grenze aufgebaut worden, teilte das Verteidigungsministerium in Seoul am Mittwoch mit. Zudem werde der Norden länger als bisher mit lauter Musik, Nachrichten und Propagandabotschaften beschallt. Berichten zufolge erfolgt dies nun sechs Stunden pro Tag. Südkorea hatte die Propagandabeschallung im Jänner wieder aufgenommen, als Reaktion auf den nordkoreanischen Atomtest. Dieser wurde international ebenso verurteilt wie der Raketenstart am Sonntag. Zuvor hatte Seoul die riesigen Lautsprechertürme nach einem Grenzzwischenfall im vergangenen August erstmals seit elf Jahren für zwei Wochen in Betrieb genommen. Der Konflikt mit Nordkorea hatte sich damals zugespitzt, nachdem bei der Explosion einer Landmine in der Grenzregion zwei südkoreanische Soldaten verletzt worden waren. In Marathonverhandlungen wendeten beide Seiten Ende August schließlich eine militärische Konfrontation ab. Generalstab: Zwei nordkoreanische Boote eingedrungen. Seoul – An der innerkoreanischen Grenze ist es erneut zu einem Zwischenfall gekommen. Die südkoreanische Marine feuerte nach eigenen Angaben nach der Verletzung der Grenze aus Nordkorea Freitagfrüh Warnschüsse ab. Sie habe damit auf das Eindringen zweier nordkoreanischer Schiffe, eines Patrouillen- und eines Fischerbootes, reagiert, verlautete aus dem südkoreanischen Generalstab in Seoul. Die beiden Schiffe hätten sich nach den Warnschüssen wieder in nordkoreanische Gewässer zurückgezogen. Weitere Einzelheiten waren zunächst nicht bekannt. An der innerkoreanischen Grenze kommt es immer wieder zu Spannungen zwischen den beiden Staaten. Erster expliziter Hinweis auf Atombombe mit hoher Sprengkraft. Pjöngjang – Der nordkoreanische Staatschef Kim Jong-un hat angedeutet, dass sein Land eine Wasserstoffbombe besitzt. Kim sagte kürzlich laut einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA vom Donnerstag, Nordkorea sei ein mächtiger Atomstaat, der bereit ist, eine selbstständige Atombombe und eine Wasserstoffbombe zu zünden, um seine Souveränität zu verteidigen. Demnach äußerte sich Kim während eines Besuchs in einer ehemaligen Militäreinrichtung. Das international weitgehend isolierte Nordkorea hat bereits drei Atomwaffentests ausgeführt und damit internationale Empörung ausgelöst. Wasserstoffbomben verfügen über eine deutlich größere Sprengkraft als Atombomben. Bereits zuvor hatte Nordkorea darauf verwiesen, stärkere, mächtigere Waffen zu besitzen. Kims Äußerung ist jedoch der erste explizite Hinweis auf eine Wasserstoffbombe. Über das nordkoreanische Atomwaffenprogramm gibt es keine gesicherten Erkenntnisse. Es bestehen Zweifel, ob es ausreicht, um Atomsprengköpfe mit Raketen zu weit entfernten Zielen wie den USA zu tragen. Im September hatte Nordkorea einen umstrittenen Atomreaktor wieder in Betrieb genommen. US-Außenminister John Kerry sprach danach von einer Provokation. Die USA stellen Bedingungen für die Fortsetzung der Sechs-Parteien-Gespräche. Pjöngjang/Washington/Wien – Der Verlauf der internationalen Atomdiplomatie mit Nordkorea – der sich über viele Jahre hinziehende Versuch, Pjöngjang sein Atomwaffenprogramm abzukaufen – war stets Wasser auf den Mühlen jener, die auch Verhandlungen mit dem Iran ablehnten: Während sich die Welt bemühte, die Nordkoreaner in einen diplomatischen Prozess einzubinden, wuchs und gedieh die nordkoreanische Nukleartechnologie. Nicht unähnlich war es ja mit dem Iran zwischen 2003 und 2013: wobei der große Unterschied ist, dass beim Iran die Schwelle zu Waffen nie überschritten und auch die Absicht dazu bestritten wurde. Auch bei der Atomdiplomatie mit Nordkorea kam es verschiedentlich zu Stopps, die jedoch stets wieder zurückgenommen wurden. Im Rahmen des Agreed Framework zwischen Nordkorea und den USA von 1994 nahm das Land seinen Austritt aus dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) von 1993 zurück – um 2003, nach dem Kollaps dieses Prozesses, die Rücknahme zu widerrufen (die Rechtsmeinungen gehen auseinander, ob Nordkorea nun im oder außerhalb des NPT ist: Praktisch ist das aber irrelevant). Das nächste Format, ab 2003, waren die Sechs-Parteien-Gespräche (Nordkorea, Südkorea, China, Japan, Russland, USA), die theoretisch noch immer aktuell sind, obwohl Nordkorea 2009 nach der Verurteilung eines (gescheiterten) Satellitentests durch den Uno-Sicherheitsrat deren Ende erklärte. Im ihrem Rahmen wurde 2008 sogar der plutoniumproduzierende Reaktor in Yongbyon abgebaut – seit 2013 wurde er jedoch erneuert und erweitert und ist laut nordkoreanischen Angaben wieder in Betrieb. Jeweils 2006, 2009 und 2013 fanden Atomtests statt. Das heißt, inklusive jenen von Mittwoch fallen drei Tests in die Präsidentschaft von US-Präsident Barack Obama. Das ist ein gefundenes Fressen für die Republikaner, die ihm mangelnde Durchsetzungskraft vorwerfen. Kritik kommt aber auch von einer anderen Seite, und sie bezieht sich ebenfalls auf das Beispiel des iranischen Atomstreits beziehungsweise auf dessen diplomatische Lösung. Obama verweigert nämlich, unter der Politik der strategic patience (Strategische Geduld), die Wiederaufnahme der Gespräche, ohne dass Nordkorea sich vorher zur Denuklearisierung bekennt. Verhandlungen ohne Vorbedingungen liefen auf eine Anerkennung Nordkoreas als Atomwaffenstaat hinaus, fürchtet die US-Regierung. Dafür, dass Nordkorea zur Abrüstung bereit wäre, gibt es jedoch keinerlei Anzeichen. 2013 erklärte sich das Land in seiner Verfassung zum Atomstaat. Während die Befürworter einer sofortigen Diplomatie beklagen, dass wertvolle Zeit versäumt wird – bis 2020 könnte Nordkorea in der Lage sein, bis zu 100 Bomben zu bauen –, halten die Kritiker gerade das iranische Beispiel für fatal: Es habe gezeigt, dass ein Land bei Verhandlungen weniger aufgeben muss, als die Uno-Sicherheitsratsresolutionen verlangen. Nordkorea produziert inzwischen auch angereichertes Uran, es wird geschätzt, dass es im Moment Uran für bis zu acht Waffen besitzt, dazu kämen genug Plutonium ebenfalls für bis zu acht. Wie der Iran und Libyen hat Nordkorea mit dem Vater der pakistanischen Atombombe A. Q. Khan zusammengearbeitet – es gilt aber auch selbst als Proliferator, also als Land, das Atomtechnologie weitergibt, was die internationale Gemeinschaft besonders sorgt. Das eklatanteste Beispiel dafür war die Kooperation mit Syrien, dem Nordkorea in al-Kibar eine Kopie seines Yong byon-Reaktors hinzustellen versuchte. Das Gebäude wurde 2007 von der israelischen Luftwaffe zerstört. Es gibt unterschiedliche Experteneinschätzungen und viele offene Fragen zu Nordkoreas Atomprogramm: Dazu gehört ja auch jene, was am Mittwoch wirklich getestet wurde. Wurden die ersten beiden relativ kleinen Bomben von 2006 und 2009 noch belächelt, so traut man Nordkorea inzwischen schon viel mehr zu. Eine der wichtigen Fragen ist, ob es schon Sprengköpfe bauen kann, die klein genug für die Raketen des Landes sind. Satellitenbilder zeigen verstärkte Aktivitäten auf dem Raketentestgelände Sohae. Seoul – Die nordkoranische Regierung hat am Dienstag die Internationale Seeschifffahrts-Organisation informiert, dass das Land zwischen 8. und 25. Februar einen Satelliten in eine Erdumlaufbahn bringen wird. Seit Wochen gibt es Berichte über verstärkte Aktivitäten auf dem Raketentestgelände Sohae im Westen des Landes. Satellitenbilder zeigen, dass Schnee weggeräumt wird und Fahrzeuge auf dem Gelände parken. Die USA warnten Nordkorea, einen Satelliten ins All zu schicken. Dies wäre eine eklatante Verletzung der internationalen Verpflichtungen des asiatischen Landes, sagte der zuständige Außenamts-Staatssekretär Daniel Russel am Dienstag. Die Pläne zeigten einmal mehr, dass die UN-Sanktionen gegen Nordkorea verschärft werden müssten. Nordkorea hatte 2012 behauptet, einen Satelliten ins All gebracht zu haben. Die USA warfen dem Land vor, einen verdeckten Test für atomar bestückbare Interkontinentalraketen unternommen zu haben. Der vierte Atomtest Nordkoreas am 6. Jänner löste erneut weltweit Empörung aus. "Binnen wenigen Wochen oder Monaten verfügbar"– Washington rechnet mit "direkter Bedrohung" durch Atomrakete. Washington – Nordkorea hat nach Erkenntnissen des US-Geheimdiensts den Atomreaktor Yongbyon mit der Möglichkeit zur Produktion von Plutonium wieder hochgefahren. Aus dem Reaktor könne in wenigen Wochen oder Monaten Plutonium verfügbar sein, erklärte US-Geheimdienstkoordinator James Clapper am Dienstag. Die Führung in Pjöngjang habe beschlossen, eine Atomrakete zu entwickeln, mit der sie die USA direkt bedrohen könne. Wir gehen davon aus, dass Nordkorea seinen Reaktor hinreichend lange betreibt, um in den kommenden Wochen oder Monaten das Plutonium zu gewinnen, heißt es in Clappers Jahresbericht zur weltweiten Gefahrenlage. Die von Nordkorea vorgesehene Trägerrakete vom Typ KN08 sei bereits in der Öffentlichkeit vorgeführt, aber noch nicht im Flug getestet worden. Clapper ist der wichtigste Berater von US-Präsident Barack Obama in Geheimdienstfragen. Die UNO hat wegen des nordkoreanischen Atomprogramms Wirtschafts- und Handelssanktionen gegen das Land verhängt. Zuletzt hatten ein angeblicher Wasserstoffbombentest im Jänner und der Abschuss einer Langstreckenrakete Nordkoreas im Februar für internationale Empörung gesorgt. Clapper kommt in seinem Bericht zu der Einschätzung, dass Nordkorea nach den jüngsten Tests eine ernsthafte Bedrohung von US-Interessen darstelle. Die Staatsführung Nordkoreas hatte den Reaktor Yongbyon, in dem Plutonium hergestellt wird, im Dezember 2002 enthüllt. Einige Jahre später wurde der Reaktorkomplex wieder dichtgemacht. Im Sommer 2013 zeigten aber Satellitenfotos, dass Nordkorea die Atomanlage wieder hochgefahren hatte. In Yongbyon können nach Experteneinschätzung bei voller Auslastung sechs Kilogramm Plutonium pro Jahr produziert werden – was für eine Atombombe ausreichen würde. Obama sprach am Montag in zwei getrennten Telefonaten mit der südkoreanischen Präsidentin Park Geun Hye und dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe über weitere Sanktionsmöglichkeiten gegen Nordkorea. Obama sei sich mit Abe und Park darüber einig, dass es eine starke und einige internationale Antwort auf die Provokationen Nordkoreas geben müsse, teilte das Weiße Haus mit. Nach dem jüngsten nordkoreanischen Raketentest am Sonntag plant das US-Militär die Stationierung eines Raketenabwehrsystems in Südkorea. Eine Einheit des mobilen THAAD-Systems solle so schnell wie möglich nach Südkorea verlegt werden, sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook am Montag. In Washington hieß es, dass das THAAD-System binnen zwei Wochen verlegt werden könne. Das System feuert Abfangraketen ab, die feindliche Geschosse in der Luft zerstören. China lehnt die Stationierung des Waffensystems auf der koreanischen Halbinsel ab. Der Atomreaktor Yongbyon befindet sich in der wichtigsten Atomanlage des Landes. Nach Expertenangaben besteht der Komplex rund hundert Kilometer nördlich der Hauptstadt Pjöngjang aus einem fünf Megawatt starken Forschungsreaktor sowie Zentren zur Aufbereitung von Plutonium und Brennstäben. In Yongbyon wurde Plutonium produziert, das Nordkorea für seinen ersten Atomwaffentest im Oktober 2006 nutzte. Im Zuge von Verhandlungen über das Ende seines Atomprogramms sicherte Pjöngjang 2007 zu, die Plutonium produzierende Anlage abzuschalten. Alarm in Südkorea. Pjöngjang/Seoul – Nordkorea hat am Samstag mit dem Abschuss mehrerer Artilleriegeschosse einen Alarm auf der nahe gelegenen südkoreanischen Insel Baengnyeong ausgelöst. Die Geschoße hätten allerdings die Grenze nicht passiert, sagte ein Vertreter der südkoreanischen Armee, der anonym bleiben wollte. Es könne sich um eine Militärübung Nordkoreas gehandelt haben. Die Spannungen zwischen beiden Ländern sind seit dem Atomtest Nordkoreas Anfang Jänner noch mal gestiegen. Zu Monatsbeginn feuerte die Regierung in Pjöngjang dann noch eine Langstreckenrakete ab. Die USA wie auch Südkorea werfen dem Land vor, damit gegen UN-Resolutionen verstoßen zu haben. Für Anfang März planen die beiden Verbündeten ihr jährliches Militärmanöver, an dem Hunderttausende Soldaten beider Länder teilnehmen sollen. Nordkorea bezeichnet dies regelmäßig als Kriegsvorbereitung. Vorgänger soll zu Monatsbeginn hingerichtet worden sein. Pjöngjang – Nach der angeblichen Hinrichtung von Nordkoreas bisherigem Armeechef hat Machthaber Kim Jong-un offenbar einen Nachfolger ernannt. In einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur KCNA über ein von Kim geleitetes Manöver wurde der frühere Sicherheitsminister Ri Myong-su am Sonntag als Chef des Generalstabs bezeichnet. Auch in einem zweiten KCNA-Bericht über eine Inspektion der Luftwaffe durch Kim wurde die Bezeichnung verwendet. Vor eineinhalb Wochen hatten südkoreanische Medien berichtet, Kim habe den bisherigen Armeechef Ri Yong-gil Anfang Februar hinrichten lassen. Demnach waren ihm Korruption und politische Abtrünnigkeit vorgeworfen worden. Kim soll bereits mehrfach politische Weggefährten gewaltsam aus dem Weg geräumt haben. Offiziell bestätigte Pjöngjang die Berichte nie. Nordkorea gehört zu den am stärksten abgeschotteten Ländern der Welt. Die beiden Vetomächte wollen Nordkorea nicht als Atomwaffenstaat akzeptieren. Washington – Die USA und China haben sich nach US-Angaben auf eine Resolution des UN-Sicherheitsrats zu Nordkorea geeinigt. Es handle sich um eine starke Resolution, sagte der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrats, Ned Price, am Mittwoch. Die Sicherheitsberaterin von Präsident Barack Obama, Susan Rice, und der chinesische Außenminister Wang Yi hätten sich darauf verständigt, dass die Resolution über die bisherigen hinausgehen werde. Die USA und China würden Nordkorea als Atomwaffenstaat nicht akzeptieren, sagte Price. Auch Obama habe sich an dem Gespräch zwischen Rice und Wang beteiligt. Er werde den chinesischen Präsidenten Xi Jinping am 31. März zu einem Gipfel zur atomaren Sicherheit in Washington empfangen. Nordkorea strapazierte zuletzt mit neuen Provokationen die Geduld seines Verbündeten China. Anfang Jänner hatte Nordkorea erklärt, erstmals eine Wasserstoffbombe erfolgreich getestet zu haben. Experten bezweifeln aber, dass es sich tatsächlich um eine Wasserstoffbombe handelte. Anfang Februar sorgte Nordkorea dann mit dem Start einer Langstreckenrakete international für Empörung. Als Reaktion verschärften die USA ihre Sanktionen und drängen seither auf eine neue UN-Resolution. Machthaber ordnet nach Beschluss schärferer UN-Sanktionen die Vorbereitung zum sofortigen Einsatz an. Pjöngjang/Washington – Nordkorea hat laut einem Medienbericht angeordnet, das Atomwaffenarsenal zum sofortigen Einsatz bereitzumachen. Machthaber Kim Jong-un habe den Befehl dazu am Freitag erteilt, berichtete die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Berufung auf die nordkoreanische Agentur KCNA. Das Militär bereite sich auf Präventivschläge vor, weil die Feinde das Überleben des Staates bedrohen würden, sagte Kim demnach. Die Lage sei sehr heikel. Bei der Inspektion einer Raketeneinheit erklärte Kim, Nordkorea müsse sein Atomwaffenarsenal hinsichtlich der Zahl und der Qualität ausbauen. Die Armee müsse jederzeit bereit sein, unsere nuklearen Sprengköpfe einzusetzen. Er sprach von einer extremen Zeit, in der die Amerikaner anderen Ländern Krieg und Katastrophen aufzwingen. Die Verschärfung der Rhetorik ist einerseits als Reaktion auf die jüngsten UN-Sanktionen gegen Nordkorea zu verstehen, die seinen internationalen Handlungsspielraum drastisch einschränken sollen. Zugleich fällt sie in eine Zeit des Jahres, in der die Spannungen traditionell steigen: Am Wochenende beginnen die jährlichen mehrwöchigen Großmanöver der US-Armee mit Südkorea, die die USA und Südkorea als Symbol der Abschreckung verstehen, Nordkorea aber als Vorbereitung für einen Krieg. Am Mittwoch hatte der UN-Sicherheitsrat die Resolution verabschiedet, die die nach dem jüngsten Atom- und einem Raketentest die bisher schärfsten Sanktionen gegen Nordkorea vorsieht. Auch China, der traditionelle Verbündete Nordkoreas, hatte sich an der Ausarbeitung der Maßnahmen – Einfuhrsperren, Sanktionen gegen Einzelpersonen und Handelserschwernisse – beteiligt. Nur Stunden später feuerte Nordkorea nach südkoreanischen Angaben sechs Kurzstreckenraketen ab, die nach einer Flugstrecke von 100 bis 150 Kilometer ins Meer stürzten. Der genaue Typ der Raketen, die von Wonsan an der Ostküste in Richtung Japanisches Meer abgeschossen worden waren, blieb zunächst unklar. Nordkorea testet regelmäßig Raketen mit kurzer Reichweite. Mit der Resolution 2270 reagierte der Sicherheitsrat auf Nordkoreas Atomtest im Jänner, den insgesamt vierten, und auf den Start einer Weltraumrakete im Februar. Die internationale Gemeinschaft sieht in dem Satellitenstart den verdeckten Test einer militärischen Langstreckenrakete, Nordkorea spricht von friedlichen Zwecken. Kim nannte die von den USA und Südkorea vorangetriebene UN-Entscheidung gangsterartig. Die Nordkoreaner würden nun auf einen Kampfbefehl warten. Das US-Verteidigungsministerium reagierte gelassen auf Kims jüngste Ankündigungen. Nordkorea habe noch nicht gezeigt, dass es einen Atomsprengkopf auf eine Interkontinentalrakete aufbringen könne, sagte ein Sprecher. Ein Vertreter des Weißen Hauses rief Nordkorea auf, Provokationen zu unterlassen, die die Spannungen verschärfen könnten. Südkorea kündigte unterdessen eine Reaktion auf die Atomwaffendrohungen an. Wenn Nordkorea uns provoziert, müssen wir mit einer strengen Bestrafung antworten, um ganz deutlich zu zeigen, welchen Preis Nordkorea wird zahlen müssen, sagte Präsidentin Park Geun-hye am Freitag in einer im Fernsehen übertragenen Ansprache vor Soldaten. Nordkoreas Führung müsse klargemacht werden, dass sie nicht überleben wird, wenn sie ihr Atomprogramm nicht aufgibt. Russland reagierte besorgt auf die neuen Spannungen. Kremlsprecher Dimitri Peskow sagte, sein Land hoffe, dass alle Staaten in der Region sofortige Zurückhaltung üben und eine ausgewogene Haltung wiederfinden. Die Provokationen von Nordkoreas Diktator nehmen zu. Chinas Experten sorgen sich, dass aus dem Bluff Ernst wird. Peking – Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un spielt nach seiner Drohung, Atomwaffen gegen Südkorea und die USA im Erstschlag einzusetzen, falls Anzeichen einer konkreten Bedrohung des Nordens erkennbar seien, nun seine letzte Trumpfkarte aus. Am Mittwoch behauptete er, kleine Atomsprengköpfe in Massenproduktion herstellen zu können. In einem von der nordkoreanischen Nachrichtenagentur KCNA gemeldeten Treffen mit Atom- und Raketenwissenschaftern gratulierte er den Technikern, die Atomsprengköpfe so verkleinert zu haben, dass sie auf Langstreckenraketen montiert werden können. Wir wissen nicht, ob er das wirklich kann oder nur damit angibt, sagte Zhang Liangui, einer der führenden chinesischen Nordkorea-Experten, einem Journalisten. Kim wolle die USA, die gemeinsam mit Südkorea großangelegte Militärmanöver vor der Küste begonnen haben, abschrecken und auch erschrecken. Doch genau das könnte bei den Verbündeten den gegenteiligen Effekt bewirken – die Atomwaffenbedrohung nämlich jetzt zu lösen, bevor es zu spät ist. Kim liefere ihnen sogar noch den Vorwand dafür, sagte der Strategieforscher an der Parteihochschule in Peking. Die Lage wird immer gefährlicher, dass etwas passiert. Ich glaube, dass es noch innerhalb des Jahres 2016 zum großen Wandel in Nordkorea kommen wird. China ändere Politik China, das bisher die einzige für Nordkorea eintretende Schutzmacht und dessen größter wirtschaftlicher Unterstützer war, sei dabei, seine Politik zu ändern, sagte Zhang. Das habe Außenminister Wang Yi auf seiner Pressekonferenz am Dienstag in einem Schwenk angedeutet, der vielen Beobachtern entging: China setze zwar immer noch auf die von Nordkorea 2009 aufgekündigten und völlig unrealistisch gewordenen Sechsparteiengespräche für eine Atomwaffenabrüstung. Doch man halte sich erstmals andere Möglichkeiten offen, ohne Nordkorea mehr einzubeziehen. China nimmt eine offene Haltung zu Dreier-, Vierer- oder Fünfergesprächen ein, wenn sie helfen, das Problem der Koreanischen Halbinsel an den Verhandlungstisch zurückzubringen, sagte Wang. China spüre, dass es sich trotz Unterstützung der UN-Sanktionen mit seiner widersprüchlichen Haltung selbst der Mitsprache beraubt. Es wolle Nordkorea atomar entwaffnen, sei aber nicht bereit, dafür wirklichen Druck auszuüben. Die USA, Südkorea und Japan würden Gegenaktionen immer öfter untereinander absprechen, ohne China zu konsultieren. Selbst Russland bemühe sich um eine internationale Mitarbeit an der Lösung und könnte China als wichtige Kraft ersetzen. Pulverdampf liegt in der Luft Doch China scheint umzudenken. Wang umschrieb auf der Pressekonferenz mit einem Sprichwort die Sorge angesichts der explosiven Lage: Schwerter werden gezogen, die Bogen sind gespannt. Pulverdampf liegt in der Luft. Es würde zur Katastrophe für alle Seiten werden, falls die Kontrolle darüber verlorengehe. Wang warnte aber auch Nordkorea und die USA: China werde nicht untätig zuschauen, wenn Nordkoreas Stabilität grundlegend zerstört und Chinas Sicherheitsinteressen ohne Anlass verletzt würden. Nach Ansicht des Nordkorea-Forschers Zhang können auch die neuen UN-Sanktionen das Machtzentrum Kims nicht wirklich bedrohen – ihnen fehle die Möglichkeiten zu Gewaltanwendung, wenn die Sanktionen ihr Ziel verfehlen, Nordkorea an den Verhandlungstisch zurückzubekommen und vom Ausbau seines Atomwaffenarsenals abzubringen. Kim fühle sich daher sicher. Nordkoreas Propaganda verspottet die UN-Beschlüsse als Flohstiche. Doch der Diktator habe sich bei der Reaktion Südkoreas verrechnet, sagt Zhang. Präsidentin Park Geun-hye hat vor angekündigt, die sich ständig verschärfende Bedrohung nicht mehr hinzunehmen. Die Gefahr muss eher früher als später entschärft werden. Südkorea hat daher nicht nur seine letzten beiden direkten Wirtschaftsverbindungen mit dem Norden gekappt – das Wirtschaftssondergebiet Kaesong und die trilaterale Grenzentwicklungszone zwischen Russland, Nord- und Südkorea –, sondern auch einschneidende Maßnahmen zur Isolierung Nordkoreas beschlossen: 300.000 Soldaten beteiligen sich an den derzeitigen Manövern mit den USA. Der Süden drohte der Führung des Nordens, jede Provokation mit zehnfacher Vergeltung zu beantworten. Die Gefahr von Fehleinschätzungen auf beiden Seiten, die zu militärischen Kettenreaktionen führen könnten, sei hoch, warnt Zhang, gerade während der Zeit der Manöver. Machthaber Kim zufolge sollen kleinere Atomsprengköpfe getestet werden – Ban fordert Ende von "destabilisierenden Aktionen". Seoul/Pjöngjang – Der nordkoreanische Machthaber Kim Jong-un hat neue Atomwaffentests angekündigt. Dabei sollten die kleineren Atomsprengköpfe getestet werden, deren standardisierte Herstellung Kim am Mittwoch verkündet hatte, meldete die staatliche Nachrichtenagentur KCNA am Freitag. Bereits im vergangenen Jahr hatte die Nationale Verteidigungskommission in Pjöngjang bekannt gegeben, dass nordkoreanischen Experten die Entwicklung kleinerer Atomsprengköpfe gelungen sei. Nordkorea hatte am 6. Jänner seinen vierten Atomwaffentest seit dem Jahr 2006 und einen Monat später den Start einer ballistischen Rakete bekannt gegeben. Beides verstieß gegen UN-Resolutionen. Der UN-Sicherheitsrat verhängte daraufhin die bisher schärfsten Sanktionen gegen das abgeschottete kommunistische Land. Am Mittwoch hatte Kim auch erneut mit einem präventiven Atomschlag gedroht. In Südkorea findet derzeit ein mehrwöchiges gemeinsames Manöver mit den USA statt. Am Donnerstag feuerte Nordkorea zwei Kurzstreckenraketen ab, die im Meer landeten. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte Nordkorea am Donnerstag (Ortszeit) auf, seine destabilisierenden Aktionen wie den Abschuss der zwei Kurzstreckenraketen zu unterlassen. Der Generalsekretär sei weiterhin zutiefst besorgt über die Lage auf der koreanischen Halbinsel, erklärte sein Sprecher in New York. Auch China und Russland übten Kritik an den jüngsten Aktionen Nordkoreas. Keines der beiden Länder akzeptiere die Atomwaffen-Ambitionen Nordkoreas, erklärten die Außenminister Sergej Lawrow und Wang Yi am Freitag nach Gesprächen in Moskau. Nordkorea solle zu den internationalen Verhandlungen über sein Atomprogramm zurückkehren und sich an die UN-Resolution halten, die Tests ballistischer Raketen verbiete. Die entschlossene Reaktion der Staatengemeinschaft auf den jüngsten Raketentest Nordkoreas sollte von der Regierung in Pjöngjang als Signal verstanden werden, dass sie derartige Eskapaden künftig unterlasse, sagte Lawrow. Niemand werde Nordkorea zur Seite stehen, wenn es weitere Provokationen gebe. Zugleich bekräftigte Chinas Außenminister, dass sein Land die Stationierung eines US-Raketenabwehrsystems in Südkorea ablehne, das dort unter dem Vorwand einer Bedrohung durch Nordkorea aufgestellt werden solle. Ein solches Waffensystem würde die Machtbalance in der Region ernsthaft untergraben, warnte Wang. China hatte bereits früher erklärt, dass das Radar des von den USA und Südkorea geplanten Systems weit in chinesisches Hoheitsgebiet reichen würde und daher inakzeptabel sei. 21-Jähriger soll Diebstahl von Propagandamaterial zugegeben haben. Seoul – Ein wegen feindlicher Aktivitäten in Nordkorea festgenommener US-Student ist zu 15 Jahren Arbeitslager verurteilt worden. Das habe der Oberste Gerichtshof Nordkoreas entschieden, meldete die chinesische Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Der 21-jährige Otto Frederick Warmbier von der Universität Virginia hatte sich nach nordkoreanischen Angaben zum Diebstahl von Propagandamaterial bekannt. Laut nordkoreanischen Staatsmedien gab Warmbier zu, eine politische Botschaft aus einem Mitarbeiterbereich seines Hotels in Pjöngjang entwendet zu haben. Demnach hatte ihn die Mutter eines Freundes, eine Methodistin, um eine Trophäe gebeten. Sie habe ihm ein Auto im Wert von 10.000 Dollar (gut 9.000 Euro) oder für den Fall seiner Festnahme 200.000 Dollar für seine Familie versprochen. Der junge Mann war den nordkoreanischen Angaben zufolge mit einem Touristenvisum eingereist, um die Grundlagen der Einheit des Landes zu erschüttern. Dabei habe der Student unter der Anleitung der US-Regierung gehandelt. Bei der geplanten Ausreise nach Peking Anfang Jänner wurde er festgenommen. Warmbier ist einer von insgesamt drei in Nordkorea festgehaltenen Nordamerikanern. Im Dezember war ein 60-jähriger kanadischer Priester wegen des Vorwurfs der Aufwiegelung zu lebenslanger Haft mit Zwangsarbeit verurteilt worden. In Nordkorea wurden in den vergangenen Jahren wiederholt Ausländer festgenommen, zu langjährigen Haftstrafen verurteilt und dann nach Gegenleistungen ausländischer Regierungen freigelassen. Häufig versucht Nordkorea, die Gefangenen als Faustpfand in Verhandlungen einzusetzen. Das jüngste Urteil erfolgte vor dem Hintergrund wachsender Spannungen zwischen den USA und Nordkorea. Pjöngjang hatte im Jänner seinen vierten Atomwaffentest und einen Monat später den Start einer Langstreckenrakete bekanntgegeben. Beides verstieß gegen UN-Resolutionen, weshalb der UN-Sicherheitsrat – einschließlich China und Russland – die bisher schärfsten Strafmaßnahmen gegen die Demokratische Volksrepublik Korea verhängte. Nordkoreas Machthaber Kim Jong-un warf der US-Regierung vergangene Woche vor, eine Aggression gegen sein Land vorzubereiten und schloss einen präventiven Atomangriff Pjöngjangs nicht aus. Er reagierte damit auch auf ein militärisches Großmanöver der USA und Südkoreas, das derzeit für eine weitere Zuspitzung der politischen Lage in Ostasien sorgt. Auch China kritisierte die Militärübung, an der 300.000 Soldaten aus Südkorea und 17.000 aus den USA teilnehmen. Die Tests verletzen UN-Resolutionen und bedrohen die regionale und internationale Sicherheit, heißt es. New York – Der UN-Sicherheitsrat hat am Freitag die jüngsten nordkoreanischen Raketentests verurteilt. Die 15-Mitglieder des Rats seien tief besorgt über die Starts, hieß es in einer Erklärung. Diese verletzten UN-Resolutionen und bedrohten die regionale und internationale Sicherheit. Nordkorea hatte nach südkoreanischen und US-Angaben vom Freitag eine ballistische Rakete getestet. Seit 2006 sind UN-Sanktionen gegen das Land in Kraft. Sie wurden in diesem Monat als Reaktion auf neue Atom- und Raketentests weiter verschärft. Nordkoreas Staatschef Kim Jong Un hat erklärt, sein Land müsse in der Lage sein, einen atomaren Erstschlag auszuführen. Pjöngjang: Seoul plant Schlag gegen die Führung. Seoul – Als Reaktion auf Militärmanöver der USA mit Südkorea verschärft Nordkorea seine Drohgebärden. Das Militär des international isolierten Landes drohte Südkorea am Samstag ultimativ mit Militärschlägen. Es warf der Regierung von Präsidentin Park Geun-hye in der von den Staatsmedien veröffentlichten Erklärung vor, einen Einsatz zum Schlag gegen die Führung in Pjöngjang geplant zu haben und diesen Plan umsetzen zu wollen. Südkorea müsse sich entschuldigen und die verantwortlichen Planer hinrichten lassen. Falls die unvergleichliche Verräterin Park Geun-hye und ihre Gruppe nicht auf das Ultimatum der Volksarmee antworten, wird die Artillerietruppe für große Entfernungen zu einer gnadenlosen Militäraktion übergehen, hieß es. Die Warnung ist die jüngste in einer Reihe von Drohungen, die Nordkorea zuletzt gegen Südkorea und die USA ausgestoßen hat. Nordkorea unterstellt den USA, durch ihre laufenden Militärübungen mit Südkorea einen Angriff vorzubereiten, was Washington und Seoul bestreiten. Nordkorea drohte zuletzt mehrfach mit Erstschlägen. Am Samstag wurde zudem ein Propagandavideo veröfffentlicht, das einen Atomangriff auf die USA zeigt. Die Spannungen in der Region nehmen seit einem nordkoreanischen Atomtest im Jänner – dem vierten des Landes – und einem ebenfalls umstrittenen Raketenstart ständig zu. Der UN-Sicherheitsrat verschärfte jüngst seine Sanktionen gegen das kommunistische Regime. Rakete ermöglicht angeblich Atomangriff auf US-Festland. Pjöngjang – Nordkorea hat nach eigenen Angaben am Freitag erfolgreich den Motor einer Interkontinentalrakete getestet, die einen Atomangriff auf das US-Festland ermöglichen würde. Machthaber Kim Jong-un persönlich habe den Test überwacht, meldete die amtliche Nachrichtenagentur KCNA. Nordkorea könne nun einen neuen Typ von ballistischen Interkontinentalraketen mit schlagkräftigeren Atomsprengköpfen ausrüsten und jede Jauchegrube des Bösen auf Erden einschließlich des US-Festlands angreifen, sagte Kim. Dieser große Erfolg gibt uns die feste Garantie, eine andere Art von Atomangriff auf die US-Imperialisten und andere feindliche Kräfte zu starten. Nordkorea hatte in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Raketentests gemeldet sowie angegeben, einen Atomsprengkopf entwickelt zu haben. Experten sind aber skeptisch, dass die Angaben immer der Wahrheit entsprechen. Die Lage auf der koreanischen Halbinsel ist seit dem vierten Atomtest Nordkoreas im Jänner besonders angespannt. In Reaktion auf den Atomtest sowie den anschließenden Abschuss einer Langstreckenrakete verhängte der UNO-Sicherheitsrat die bisher schärfsten Sanktionen gegen Nordkorea. Dessen Staatsmedien drohten in den vergangenen Wochen Südkorea und den USA wiederholt mit einem atomaren Präventivangriff. Washington mahnt zur Zurückhaltung – Peking: Säbelrasseln führt ins Nichts. Washington/Peking/Pjöngjang – Die USA und China haben den jüngsten Test einer Mittelstreckenrakete durch Nordkorea – wenn er offenbar auch missglückt ist – scharf kritisiert. Das Außenministerium in Washington forderte Nordkorea auf, alle Aktionen zu unterlassen, welche die Spannungen in der Region weiter anheizten. Die Regierung in Pjöngjang solle stattdessen konkrete Maßnahmen ergreifen, um ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen. Die amtliche chinesische Nachrichtenagentur Xinhua wurde noch deutlicher: Der Abschuss einer ballistischen Mittelstreckenrakete am Freitag durch die Demokratische Republik Korea markiert trotz seines Scheitern den nächsten Akt eines Säbelrasselns, das das Land ins Nichts führe, wenn es nicht beendet wird. Atomwaffen machten Nordkorea nicht sicherer. Im Gegenteil würden die hohen Kosten dafür die Wirtschaft des Landes ersticken. China ist von seinem früheren Verbündeten deutlich abgerückt. Getestet wurde vermutlich um eine Mittelstreckenrakete vom Typ Musudan mit einer geschätzten Reichweite von 2.500 bis 4.000 Kilometern. Die Musudan wurde erstmals im Oktober 2010 bei einer Militärparade in Pjöngjang vorgestellt. Der militärwissenschaftliche Informationsdienst IHS Janes ist der Ansicht, dass es sich um eine Mittelstreckenrakete mit einem einzelnen Sprengkopf handelt, die auf der Straße transportiert werden kann und mit flüssigem Treibstoff betrieben wird. Sie beruht demnach auf der russischen R-27 und nutzt auch Technik von Raketen des Typs Scud. Bei einer Reichweite der Raketen von 2.500 Kilometern könnten Südkorea und Japan getroffen werden, bei 4.000 Kilometern können die Raketen theoretisch den US-Militärstützpunkt auf der Pazifikinsel Guam erreichen, ein Außengebiet der USA. Experten sehen Nordkorea derzeit allerdings nicht in der Lage, das US-Festland anzugreifen. Staatliche nordkoreanische Medien berichteten unterdessen, südkoreanische Spione hätten eine Gruppe von 13 Nordkoreanern dazu verleitet, sich nach Südkorea abzusetzen. Das südkoreanische Wiedervereinigungsministerium hatte mitgeteilt, dass sich die 13 – ein Manager und zwölf weibliche Angestellte eines in der chinesischen Hafenstadt Ningbon von Nordkorea betriebenen Restaurants – nach Südkorea abgesetzt hätten. Die von Nordkorea im Ausland betriebenen Restaurants gelten als wichtige Einnahmequelle für das isolierte, stalinistische Regime in Pjöngjang. Südkoreanische Regierungsstellen nehmen an, dass Nordkorea etwa 130 Gaststätten in einem Dutzend Länder unterhält, darunter in der Volksrepublik China. Botschafter: Russland wartet weiter auf Erklärung für Festsetzung des Bootes. Moskau/Pjöngjang – Nordkorea hat nach Protest aus Moskau eine festgehaltene russische Jacht mit fünf Mann Besatzung wieder freigelassen. Die Elfin nehme Kurs auf Wladiwostok, teilte Russlands Botschafter in Pjöngjang, Alexander Mazegora, am Sonntag der Agentur Tass zufolge mit. Moskau warte aber weiter auf eine Erklärung des Nachbarlandes, warum das Boot festgesetzt worden war. Die Jacht war Berichten zufolge auf dem Rückweg von einem Wettkampf in Südkorea, als sie im Japanischen Meer gestoppt und von nordkoreanischen Sicherheitskräften am vergangenen Freitag an die Küste geschleppt worden sei. Moskau unterhält zu dem isolierten Regime in Pjöngjang wesentlich bessere Beziehungen als der Westen. Allerdings sind sie wegen des international kritisierten Atomprogramms Nordkoreas inzwischen nicht mehr ganz störungsfrei. 20-Jähriger in Malaysia festgenommen. Prishtina/Kuala Lumpur/Washington – Ein Student aus dem Kosovo soll für die Terrormiliz Islamischer Staat amerikanische Computer gehackt und persönliche Informationen über US-Militärangehörige weitergereicht haben. Der 20-Jährige wurde nach Hinweisen aus den USA in Malaysia festgenommen, teilte die Polizei am Freitag mit. Die USA bemühen sich um eine Auslieferung, erklärte das US-Justizministerium. Nach den Ermittlungen ist er ein Terroristenhacker, sagte der stellvertretende Generalstaatsanwalt für nationale Sicherheit, John P. Carlin. Dem Mann drohen bei einer Verurteilung in den USA 356 Jahre Haft. Der Verdächtige mit dem Decknamen Th3Dir3ctorY soll nach Angaben der US-Ermittler ein Hackernetzwerk von Kosovaren geleitet haben. Er habe E-Mail-Adressen, Passwörter, Wohnorte und Telefonnummern von mehr als 1.300 US-Militärangehörigen ausspioniert und an die im Irak und Syrien aktive IS-Miliz weitergeleitet. Der IS soll sich im August auf Twitter mit den Daten gebrüstet haben. Die Männer sollen Anschläge geplant haben. Kuala Lumpur – In Malaysia hat die Polizei sieben Mitglieder der Extremisten-Miliz Islamischer Staat (IS) verhaftet, weil sie eine Reihe von Anschlägen in dem südostasiatischen Land geplant haben sollen. Die Männer hätten ihre Anweisungen unter anderem von dem indonesischen Extremisten Bahrun Naim, teilte die Polizei am Sonntag mit. Bahrun Naim gilt als Drahtzieher des Anschlag in Jakarta am 14. Januar. Bei dem Angriff mit Gewehren und Bomben auf ein Cafe im Zentrum der indonesischen Hauptstadt waren sieben Menschen getötet worden, darunter fünf Extremisten. Nach der Tat hatte auch das benachbarte Malaysia seine Sicherheitsvorkehrungen an öffentlichen Plätzen und an der Grenze erhöht. Die IS-Mitglieder seien bei einem dreitägigen landesweiten Einsatz festgenommen worden, teilte die Polizei weiter mit. Die Verdächtigen seien zwischen 26 und 50 Jahre alt. Bei ihnen sichergestellt worden seien Munition, Fahnen des IS, Propaganda-Videos und Bücher über den Heiligen Krieg. Fall sorgt seit Monaten für politische Turbulenzen in dem Schwellenland. Kuala Lumpur – Überweisungen über mehrere hundert Millionen US-Dollar auf Privatkonten von Malaysias Regierungschef Najib Razak sorgen in dem asiatischen Schwellenland seit Monaten für heftige Auseinandersetzungen. In einer überraschenden Wendung in dem Fall gab der malaysische Generalstaatsanwalt Mohamed Apandi Ali am Dienstag bekannt, dass das Geld von der saudischen Königsfamilie stamme. Im Juli des Vorjahres deckte die US-Zeitung Wall Street Journal Zahlungen von über 681 Millionen US-Dollar auf Konten Najibs auf. Daraufhin gab es Betrugsvorwürfe und Massenproteste gegen seine Regierung – von Gegnern hieß es, die Gelder stammten aus einem staatlichen Investitionsfonds. Der Regierungschefs bestritt die Vorwürfe und sprach von einer Verschwörung, es handle sich um Spenden von Geldgebern aus den Nahen Osten. Die Behörden erklärten nun, nach Prüfung bestehe kein Verdacht auf Korruption. Das Geld sei nach Saudi-Arabien zurücküberwiesen worden. Es wurde kein Grund angegeben, warum das Geld an Najib gespendet wurde – das ist Sache von ihm und der saudischen Familie, sagte Generalstaatsanwalt Apandi. Die Regierungspartei UNMO herrscht seit der Unabhängigkeit Malaysias im Jahr 1957 ununterbrochen über das 30-Millionen-Einwohner-Land. Die Vorwürfe gegen Najib erschütterten allerdings das Vertrauen vieler Malaysier. Auch in den USA wird wegen Korruptionsvorwürfen gegen den Regierungschef ermittelt. Furcht vor drakonischen Strafen wie Handamputation für Diebe. Kuala Lumpur – Der Streit um das geplante Gesetz zur Einführung des islamischen Strafrechts in Malaysia droht in eine Regierungskrise zu münden. Am Montag kündigten Gesundheitsminister Sinniah Subramaniam von der Partei Malaysian Indian Congress (MIC) und Minister Wee Ka Siong ihren Rücktritt an, falls das Parlament das Gesetz beschließt, meldete Kathpress. Bereits am Sonntag hatten Liow Tiong Lai und Mah Siew Keong für diesen Fall mit ihrem Rückzug aus der Regierung gedroht. Wee Ka Siong und Liow Tiong gehören der Partei Malaysian Chinese Association (MCA), Ma Siew der chinesisch dominierten Partei Gerakan an. MIC, MCA und Gerakan sind Juniorpartner der Regierungskoalition Barisan Nasional (BN), die von der nationalistisch-islamischen Partei United Malays National Organisation (UMNO) dominiert wird. Die radikale islamische Organisation Perkasa verurteilte am Montag gegenüber malaysischen Medien die Rücktrittsdrohungen. Jede Drohung gegenüber der malaysischen Regierung im Zusammenhang mit islamischen Themen ist eine Beleidigung und Respektlosigkeit gegenüber dem Agong (König) als religiöses Oberhaupt und zeigt ein fehlendes Verständnis der Position des Islam als Religion der Föderation (von Malaysia), wurde ein Perkasa-Sprecher zitiert. Perkasa steht der UMNO nahe. Diese hatte in der vergangenen Woche ihre Unterstützung des von der islamischen Oppositionspartei PAS in das Parlament eingebrachten Hudud-Gesetzes angekündigt. UMNO-Sprecher versicherten, die Hudud-Gesetzgebung werde nur für Muslime und nicht für Malaysier anderer Religionen gelten. Das Gesetz soll im Oktober beraten werden. Sollte es in Kraft treten, könnten Shariagerichte drakonische Strafen wie Handamputationen für Diebe und Steinigungen für Ehebrecherinnen verhängen. Vor Protestkundgebung der Opposition. Male – Inmitten zunehmender Spannungen auf den Malediven hat Präsident Abdulla Yameen am Mittwoch den nationalen Notstand ausgerufen. Damit werden den Sicherheitskräften des Inselstaates kurz vor einer geplanten Demonstration der Opposition weitgehende Rechte eingeräumt. Yameens Gegner warfen ihm vor, er wolle die Opposition mundtot machen. Der Präsident hatte zuletzt auch in den eigenen Reihen hart durchgegriffen. Yameens Sprecher erklärte, der Notstand sei ausgerufen worden, um die Sicherheit aller Bürger zu gewährleisten. Der im Juli abgesetzte Ex-Vize-Präsident Mohamed Jameel warf dem Staatschef hingegen vor, er habe den Notstand erklärt, um die geplante Demonstration der Oppositionspartei MDP zu verhindern. Die Maßnahme ist durch nichts zu rechtfertigen, schrieb Jameel im Onlinedienst Twitter. Mit der für Freitag geplanten Protestkundgebung in der Hauptstadt Male wollte die MDP Yameen unter Druck setzen, ihren Anführer Mohamed Nasheed freizulassen. Dieser sitzt seit einer umstrittenen Verurteilung gemäß den Antiterrorgesetzen im Gefängnis. Der Prozess gegen ihn war von den Vereinten Nationen und Menschenrechtsorganisationen heftig kritisiert worden. Ob die MDP die Demonstration nun absagt, blieb zu nächst unklar. Die Lage in dem Inselstaat im Indischen Ozean ist seit einer Explosion auf dem Schnellboot des Präsidenten Ende September angespannt. Yameen blieb unverletzt, seine Frau und zwei weitere Insassen trugen leichte Blessuren davon. Während die US-Bundespolizei FBI einen Bombenanschlag ausschloss, bezeichneten die einheimischen Behörden den Vorfall als Attentat auf Yameen. Vize-Präsident Ahmed Adeeb wurde festgenommen. Ihm wird vorgeworfen, Drahtzieher des Anschlags gewesen zu sein. Im Oktober entließ Yameen außerdem mehrere Minister, den Polizeichef und andere ranghohe Vertreter der Sicherheitskräfte. Mit der Ausrufung des Notstands werden einige Vorschriften der Verfassung außer Kraft gesetzt: Der Staatschef kann nicht seines Amtes enthoben werden, Festnahmen werden erleichtert. Zudem könnte die Amtsenthebung von Vize-Präsident Adeeb beschleunigt werden. MDF-Sprecher Hamid Abdul Ghafoor forderte Yameen zum Rücktritt auf. Der Präsident habe zahlreiche Oppositionsführer inhaftieren oder einschüchtern und gegen 1700 regierungskritische Aktivisten Anklage erheben lassen. Nun gehe er auch noch gegen seine eigenen Leute vor. (APA, 4.11.2015) USA und Großbritannien setzten sich für Freilassung Nasheeds ein – Bezweifeln faires Verfahren für ehemaliges Staatsoberhaupt. Male – Der in einem äußerst umstrittenen Verfahren verurteilte Ex-Präsident der Malediven, Mohamed Nasheed, hat aus medizinischen Gründen sein Land verlassen dürfen. Der 48-Jährige sei am Montagabend für eine Rückenoperation Richtung Großbritannien gestartet, teilte seine Partei MDP mit. Zuvor hatten sich unter anderem die USA und Großbritannien für Nasheeds Freilassung eingesetzt. Nasheed war von 2008 bis 2012 der erste frei gewählte Präsident des Inselstaates im Indischen Ozean. Vor knapp einem Jahr wurde er zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt, weil er während seiner Amtszeit die Inhaftierung eines Richter angeordnet haben soll. Zahlreiche Beobachter, darunter auch die Europäische Union, bezweifelten, dass Nasheed ein faires Verfahren erhalten hatte. Derzeit regiert auf den Malediven Abdulla Yameen, der Halbbruder des früheren Autokraten Maumoon Abdul Gayoom. Die Regierung in Male erklärte, sie habe Nasheed gehen lassen, nachdem seine Familie eine Haftungserklärung unterzeichnet hätte. Der Bruder Ibrahim Nasheed sei Bürge, bis Nasheed zurückkehre. Nasheeds Partei MDP hingegen behauptet, solch eine Geisel-Vereinbarung sei nicht unterschrieben worden. US-Außenminister John Kerry forderte die maledivische Regierung auf, mehr für die Demokratie im Land zu tun. Zur Verringerung des Risikos einer Abhörung. Wellington – Der neuseeländische Regierungschef John Key wechselt alle drei Monate sein Handy, um das Risiko einer Überwachung zu verringern. Außerdem nehme er sein Mobiltelefon nicht zu Treffen mit seinen Sicherheitsberatern mit, sagte Key am Donnerstag dem Rundfunksender More FM. Ich weiß genau, dass es als Abhörgerät verwendet werden kann, egal, ob es an oder aus ist, erklärte der Premier. Er habe zwar mehr Sicherheitsvorkehrungen auf seinem Telefon als die meisten anderen Leute, aber das bedeute nicht, dass man es nicht hacken könne. Im Laufe des Jahres 2.000 Aufständische durch Militär getötet. Islamabad - Die pakistanische Luftwaffe hat bei Angriffen auf Stammesgebiete entlang der Grenze zu Afghanistan nach eigenen Angaben mindestens 20 Extremisten getötet. Kampfflugzeuge hätten Verstecke im Gebiet Datta Khel in Nord-Waziristan angegriffen, teilten die Streitkräfte am Samstag mit. Das Militär hatte im Juni vergangenen Jahres eine Offensive gegen die Extremisten in Nord-Waziristan gestartet. Offiziellen Angaben zufolge wurden im Laufe des vergangenen Jahres rund 2.000 Aufständische getötet. Da Journalisten keinen Zugang zu den Stammesgebieten haben, ist es schwierig, eine unabhängige Bestätigung für solche Angaben zu bekommen. Militär setzt Offensive an Grenze zu Afghanistan fort. Islamabad – Bei Angriffen der pakistanischen Luftwaffe sind nahe der Grenze zu Afghanistan am Donnerstag 43 mutmaßliche Extremisten getötet worden. Es seien Ziele in Gharlamai und Shawal in der Region Nordwaziristan angegriffen worden, teilte das Militär in Islamabad mit. Es handle sich um eine Fortsetzung der Offensive gegen Taliban und andere Extremisten. Das Krisengebiet liegt abgelegen und ist für Journalisten gesperrt. Die Opferangaben des Militärs konnten deshalb nicht überprüft werden. Die pakistanische Regierung kämpft seit mehr als zehn Jahren gegen einen Aufstand der radikalislamistischen Taliban. Im Juni vergangenen Jahres startete das Militär eine Offensive in Nordwaziristan. Die Offensive wurde in den vergangenen Wochen noch verstärkt. Insgesamt wurden dabei nach offiziellen Angaben mehr als 3.000 Extremisten getötet. Islamisten töteten Betende in Moschee auf Stützpunkt bei Peshawar. Peshawar – Bei einem Angriff der radikalislamischen Taliban auf einen Luftwaffenstützpunkt im Nordwesten von Pakistan sind mindestens 29 Menschen getötet worden. Bis zu 14 Taliban-Kämpfer in Uniformen hätten am Freitag eine Wohnanlage auf der Basis nahe Peshawar angegriffen und allein in einer Moschee auf dem Gelände 16 Luftwaffenangehörige beim Gebet getötet, teilte die Armee mit. 29 weitere Menschen wurden bei dem Angriff verletzt. Die Angreifer kamen aus Afghanistan, der Angriff wurde dort geplant und von dort aus kontrolliert, sagte Armeesprecher Generalmajor Asim Bajwa. Nach seinen Angaben sind 23 Angehörige der Luftwaffe, drei der Armee und drei Zivilisten unter den Toten. Nach mehrstündigen Gefechten mit Soldaten wurden demnach auch alle Angreifer getötet. Die pakistanische Taliban-Einheit Tehreek-e-Taliban Pakistan bekannte sich am Freitag per E-Mail zu der Tat ihrer Selbstmordeinheit. Die pakistanische Luftwaffe spielt eine entscheidende Rolle im Kampf gegen die Taliban und bombardiert deren Verstecke an der Grenze zu Afghanistan. Bei dem Angriff auf den Stützpunkt Badaber rund zehn Kilometer südlich von Peshawar teilten sich die islamistischen Kämpfer laut Sicherheitskreisen in Gruppen auf. Eine mit offiziellen Uniformen bekleidete Gruppe drang demnach in die Moschee ein, gab vor, dass es einen Angriff gebe und führte alle Anwesenden in einer Ecke zusammen. Dann hätten sie aus automatischen Waffen kaltblütig das Feuer auf die Gruppe eröffnet. Ein Vertreter der Luftwaffe sagte, der Stützpunkt werde vor allem als Wohnquartier für Militärangehörige benutzt. Kampfflugzeuge befänden sich nicht auf dem Gelände. Peshawar liegt am Rande der halbautonomen Stammesgebiete Pakistans und ist immer wieder Ziel blutiger Anschläge. Im Dezember wurden bei einem der schlimmsten Angriffe der Taliban in der Geschichte Pakistans in einer Militärschule mehr als 150 Menschen getötet, die meisten von ihnen Schulkinder. Der letzte große Angriff in Peshawar erfolgte im Februar, als 21 Menschen bei einem Taliban-Angriff auf eine schiitische Moschee getötet wurden. Die Stammesgebiete an der Grenze zu Afghanistan sind ein Rückzugsgebiet der Taliban und anderer Extremistengruppen wie Al-Kaida. Die pakistanische Armee führt seit mehr als einem Jahr eine Großoffensive gegen die Aufständischen in der schwer zugänglichen Bergregion. Die Taliban wurden durch die Offensive zwar offenkundig geschwächt, doch zeigt der Angriff vom Freitag die Entschlossenheit der Islamisten, ihren Kampf gegen Armee und Regierung fortzusetzen. Attentäter sprengt sich unter Gläubigen in Chalgari in die Luft. Quetta – Bei einem Selbstmordanschlag auf eine schiitische Moschee im Südwesten Pakistans sind am Donnerstag mindestens zehn Menschen getötet worden. Zwölf weitere Gläubige seien verletzt worden, als sich ein Attentäter in der Moschee der Stadt Chalgari in der Provinz Baluchistan in die Luft sprengte, wie der Innenminister der Provinz, Sarfaz Bugti, der Nachrichtenagentur AFP sagte. Unter den Toten seien sechs Kinder. Die Opferzahl könnte noch steigen, warnte Bugti. Ein Beamter sagte, der etwa 18-jährige Attentäter sei in eine Burka gehüllt gewesen. Die schiitische Minderheit, die rund 20 Prozent der pakistanischen Bevölkerung ausmacht, ist seit Jahren Opfer von Angriffen radikaler sunnitischer Islamisten. Besonders von der konfessionellen Gewalt betroffen ist die unruhige Provinz Baluchistan. Die Gläubigen in Chalgari waren anlässlich des schiitischen Trauermonats Muharram versammelt, in dem an den Tod von Imam Hussein in der Schlacht von Kerbala im Jahr 680 erinnert wird. Radikale Sunniten lehnen öffentliche Trauerfeiern für den Prophetenenkel ab. Anschlag auf Kontrollposten in südlicher Provinz Baluchistan. Quetta – Bei der Explosion eines Sprengsatzes ist im Südwesten Pakistans mindestens ein Soldat getötet worden. Mindestens vier weitere Menschen seien verletzt worden, als am Samstag an einem Kontrollposten in Quetta eine Mine explodierte, teilte die Polizei mit. Demnach ereignete sich die Detonation, als die Soldaten gerade ihren Dienst an dem Posten antraten. Quetta ist die Hauptstadt der öl- und gasreichen Provinz Baluchistan. Neben verschiedenen islamistischen Gruppen sind dort auch Separatisten aktiv, die für die Unabhängigkeit von Islamabad kämpfen. Zunächst bekannte sich aber niemand zu dem Anschlag. Um einen radikalen Mullah daran zu hindern, seine Predigt zum Freitagsgebet zu verbreiten. Islamabad – Um einen radikalen Mullah daran zu hindern, seine Predigt zum Freitagsgebet zu verbreiten, hat die Stadtverwaltung der pakistanischen Hauptstadt Islamabad zum dritten Mal in Folge für Stunden Internet und Mobilfunk abgestellt. Maulana Abdul Aziz, Geistlicher der großen Roten Moschee, darf seit Ende November nicht mehr öffentlich predigen. Damals hatte er eine Kampagne zur Wiedereinführung der Scharia in Pakistan begonnen. Der Mullah will sich das Wort nicht verbieten lassen und verkündete, er werde seine Predigt ins Handy sprechen oder per Skype übermitteln. Seine Freunde an der Moschee würden die Predigt mit Lautsprechern in die Moschee übertragen. Islamabad antwortet auf diesen Plan nun jeden Freitag zur Hauptgebetszeit mit der Totalabschaltung. Mullah Aziz gilt als Bewunderer und Unterstützer der pakistanischen Taliban. Die sind verstärkt Ziel von Militäroffensiven, seit vor einem Jahr Taliban in einer von der Armee betriebenen Schule 136 Kinder getötet hatten. Seitdem bemüht sich Pakistan, Hasspredigern und Islamisten ihre Bühnen zu entziehen. Omar Mansur ruft zu neuerlichen Angriffen auf "Kinderstuben der Ungläubigen" auf. Peshawar – Die pakistanische Talibangruppe, die am Mittwoch beim Überfall auf eine Universität nahe Peshawar 21 Menschen tötete, droht mit mehr Anschlägen auf Bildungseinrichtungen. Schulen und Universitäten seien Kinderstuben der Ungläubigen, sagte ihr Sprecher, Omar Mansoor, in einem am Freitag veröffentlichten Video. Wir werden, so Gott will, Anschläge auf Schulen, Colleges und Universitäten fortsetzen, denn sie bringen jene Menschen hervor, die Teil des unislamischen demokratischen Systems werden, sagt er. Die gleiche Organisation – die Geedar-Gruppe der Tehrik-e Taliban – steckte schon hinter dem Überfall auf eine von der Armee betriebene Schule in Peshawar im Dezember 2014. Damals töteten sie 136 Kinder. Die pakistanische Armee ist der Auffassung, dass die pakistanischen Täter aus Afghanistan gesteuert wurden. Ausgedehnte Militäroffensiven hatten in 2015 viele pakistanische Extremisten über die Grenze getrieben. Armeechef Raheel Sharif hatte am Donnerstag die afghanische Regierung und die Nato um Hilfe gebeten. Allerdings gehen umgekehrt einige Beobachter im Westen und in der Region davon aus, dass beide Talibangruppen – jene in Afghanistan und jene in Pakistan – stark von pakistanischen Geheimdiensten beeinflusst werden. Sohn des getöteten liberalen Gouverneurs Salman Taseer nach fünf Jahren befreit. Islamabad – Nach fünf Jahren in der Gewalt pakistanischer Extremisten ist der Sohn des getöteten liberalen Gouverneurs Salman Taseer befreit worden. Truppen des paramilitärischen Grenzkorps hätten Shahbaz Taseer bei Kuchlak in der Provinz Baluchistan entdeckt, sagte ein Sprecher am Dienstagabend. Extremisten hatten Shahbaz Taseer 2011 entführt – nur einige Monate, nachdem sein Vater erschossen worden war. Der Mörder, Mumtaz Qadri, was jüngst unter Protesten von Zehntausenden Pakistanern hingerichtet worden. Er hatte Gouverneur Taseer getötet, weil dieser die strengen Blasphemieregeln des Landes kritisiert und eine wegen Gotteslästerung zum Tode verurteilte Christin verteidigt hatte. Qadri war für die Tat von religiösen Pakistanern als Held gefeiert worden. Es wird vermutet, dass die Entführer des Gouverneurs-Sohnes versuchen wollten, die Freilassung Qadris aus dem Gefängnis zu erpressen. Shahbaz Taseer sei gesund. Aber nach den Entführern werde noch gesucht, sagte der Grenzkorpssprecher. Zu ihrer Identität gab es zunächst keine Informationen. Bus explodierte nahe der Grenze zu Afghanistan. Peschawar – Bei einem Bombenanschlag auf einen Bus sind am Mittwoch im Nordwesten Pakistans mindestens 15 Menschen getötet worden. Der Bus explodierte, als er in der Stadt Peschawar an der Grenze zu Afghanistan Staatsbedienstete zur Arbeit brachte. 35 Menschen wurden nach Angaben eines Polizeisprechers mit Verletzungen in ein Krankenhaus gebracht. Viele von ihnen befänden sich in einem lebensbedrohlichen Zustand. Es könne daher sein, dass die Zahl der Toten weiter steige, sagte ein Krankenhaussprecher. Etwa zehn Kilogramm Sprengstoff waren nach Aussagen von Sprengstoffexperten an dem Fahrzeug angebracht. Die Ermittlungen liefen. Die pakistanische Armee geht in der Region verstärkt gegen die extremistischen Taliban und andere Aufständische vor. Sie reagiert damit auf einen Angriff auf eine Schule im Dezember 2014, bei dem 134 Kinder getötet wurden. Seither hat die Zahl der Anschläge deutlich abgenommen. Auftakt zur Abrüstung in Anwesenheit von Präsident Benigno Aquino. Manila - Im Rahmen eines Friedensvertrages haben die muslimischen Rebellen auf den Philippinen die ersten 75 Gewehre an die Regierung abgegeben. Der Auftakt zur Abrüstung am Dienstag hat das Ziel, 145 Kämpfer der Moro Islamischen Befreiungsfront (MILF) außer Dienst zu stellen. Sie sollen im Gegenzug unter anderem Finanzhilfe der Regierung erhalten, um in ein ziviles Leben zurückzufinden. An der Übergabe der Waffen rund 900 Kilometer südlich von Manila nahmen Präsident Benigno Aquino und weitere Regierungsvertreter teil. Ein MILF-Sprecher wies darauf hin, dass die Abgabe der Waffen nicht gleichbedeutend sei mit einer Aufgabe der Rebellen, sondern Teil eines Normalisierungsprozesses. Nach 17 Jahren Verhandlungen hatten die Regierung und Rebellen der Moro Islamischen Befreiungsfront im März 2014 Frieden geschlossen. Weiterer Kanadier in den Händen der philippinischen Gruppe. Ottawa – Ein auf den Philippinen von der Islamistengruppe Abu Sayyaf entführter Kanadier ist von den Entführern getötet worden. Premierminister Justin Trudeau sprach am Montag in einer kurzen Fernsehansprache von einem kaltblütigen Mord. Kanada verurteilt diese Brutalität rückhaltlos. Der Kanadier war zusammen mit einem Landsmann am 21. September vergangenen Jahres von Abu Sayyaf aus einer Hotelanlage verschleppt worden. Die andere Geisel befindet sich noch immer in den Händen der Entführer. Bemühungen um die Freilassung seien im Gange, sagte Trudeau. Im März war ein Video mit den ausgemergelten Geiseln aufgetaucht. Mit ihnen war zudem ein Norweger in dem Film zu sehen, der zur selben Zeit verschleppt worden war. Die Islamisten drohten mit der Ermordung der Männer, wenn ihrer Forderung nach einem Lösegeld in Höhe von mehreren Millionen Euro nicht nachgekommen werde. In einem Video zuvor hatten sie 20 Millionen Euro für jede der Geiseln gefordert. Abu Sayyaf wurde in den 1990er Jahren mit Geld von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden gegründet. Die Gruppe wurde durch die Entführung zahlreicher Ausländer bekannt. Erst im Oktober ließ sie zwei Deutsche nach einem halben Jahr in Geiselhaft frei. Neben den wiederholten Entführungen von Christen und Ausländern, um Lösegeld zu erpressen, verübte die Gruppe zahlreiche Anschläge. Künftiger Präsident will zur Verbrechensbekämpfung Scharfschützen gegen mutmaßliche Kriminelle einsetzen. Davao – Die Wiedereinführung der Todesstrafe, Schießbefehle für Sicherheitskräfte und der Einsatz von Scharfschützen gegen mutmaßliche Verbrecher: Wenige Tage nach seinem Wahlsieg hat der künftige Präsident der Philippinen, Rodrigo Duterte, seine Pläne für einen gnadenlosen Kampf gegen die Kriminalität konkretisiert. Diejenigen, die mein Land töten, werden getötet. So einfach. Kein Kompromiss. Keine Entschuldigungen, sagte er am Montag in Davao. Die Todesstrafe ist auf den Philippinen vor zehn Jahren abgeschafft worden. Sobald er am 30. Juni den Amtseid abgelegt habe, werde er vom Kongress ihre Wiedereinführung verlangen, und zwar für eine ganze Reihe von Verbrechen: Drogenhandel, Vergewaltigung, Mord, Raub, Entführungen zur Lösegelderpressung, sagte der 71-Jährige vor Journalisten. Er ziehe eine Vollstreckung durch Hängen einem Erschießungskommando vor, weil er keine Kugeln verschwenden wolle, sagte Duterte weiter. Wer für zwei Kapitalverbrechen verurteilt werde, solle gleich zwei Mal gehängt werden: Nach dem ersten Hängen wird es eine weitere Zeremonie für das zweite Mal geben, bis der Kopf vollständig vom Körper abgetrennt ist. Ich mag das, weil ich wahnsinnig bin. Duterte hatte im Wahlkampf einen unerbittlichen Feldzug gegen die Kriminalität angekündigt, binnen drei bis sechs Monaten wolle er für Recht und Ordnung sorgen. Mit seiner Ansage, er werde Zehntausende Verbrecher töten, gewann er die Wahl am 9. Mai mit großem Vorsprung. Der scheidende Präsident Benigno Aquino, der nicht mehr antreten durfte, hatte vor einer Rückkehr in die düsteren Zeiten der Diktatur gewarnt, konnte sich aber kein Gehör verschaffen. Auch der Vorwurf von Menschenrechtsgruppen, in seiner Zeit als Bürgermeister von Davao habe Duterte auf Todesschwadronen gesetzt, die mehr als 1.000 Menschen getötet hätten, darunter Kinder und Kleinkriminelle, konnte ihm nichts anhaben. Den Sicherheitskräften will Duterte nun einen pauschalen Schießbefehl auf Mitglieder des Organisierten Verbrechens und Verdächtige, die sich ihrer Festnahme entziehen, erteilen. Und ich brauche Militäroffiziere, die Scharfschützen sind und aus Hinterhalten schießen. Es stimmt. Wenn ihr kämpft, werde ich einen Heckenschützen haben, der auf euch schießt, warnte er an Kriminelle. Wer die Leben unserer Kinder zerstört, wird zerstört werden. Auf den ersten Pressekonferenzen seit seinem Wahltriumph bekräftigte Duterte auch seine Pläne für ein nächtliches Alkoholverbot und ein nächtliches Ausgehverbot für unbegleitete Minderjährige. Ab 02.00 Uhr in der Nacht soll Alkohol in der Öffentlichkeit verboten werden. Für Restaurants und Hotels soll ein Rauchverbot eingeführt werden. Und Eltern, die ihre Kinder nachts wiederholt unbegleitet auf die Straßen lassen, will Duterte wegen Vernachlässigung ins Gefängnis stecken. Für Schlagzeilen hatte Duterte im Wahlkampf auch gesorgt, als er Papst Franziskus als Hurensohn bezeichnete – und das im einzigen mehrheitlich katholischen Land Asiens. Nach seiner Wahl kündigte er an, sich persönlich bei Franziskus zu entschuldigen. Am Sonntag sagte er, er habe dem Papst einen Entschuldigungsbrief geschickt. Das reicht. Dem Anführer des kommunistischen Aufstands auf den Philippinen, Jose Maria Sison, streckte Duterte hingegen die Hand entgegen. Der Gründer der Kommunistischen Partei ist seit 1987 im Exil und hatte kürzlich angekündigt, er wolle zurückkehren. Er ist willkommen. Ich würde gerne mit ihm über die Beendigung der Rebellion sprechen, sagte Duterte. Er könne sich sogar vorstellen, Kommunisten in sein Kabinett zu berufen. Kritik an "Provokationen" der USA. Washington/Peking – Der Chef der chinesischen Marine hat die USA im Streit über das Spratly-Archipel im Südchinesischen Meer vor weiteren Provokationen gewarnt. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass bereits ein kleiner Vorfall zum Krieg führen könnte, sagte Admiral Wu Shengli chinesischen Angaben zufolge am Freitag in einer Videokonferenz seinem US-Kollegen Admiral John Richardson. Die USA hatten in dieser Woche ein Kriegsschiff in die Zwölf-Meilen-Zone um eine der von China geschaffenen künstlichen Inseln des Archipels geschickt. Diese Inseln werden von den USA und Anrainerstaaten nicht anerkannt. Das chinesische Außenministerium warf den USA illegales Eindringen in chinesische Gewässer vor. Wu sagte, er hoffe, dass sich solche Vorfälle sich nicht wiederholten. Die etwa auch von Vietnam und den Philippinen beanspruchte Inselgruppe liegt an einer der wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt. Zudem werden dort Erdöl- und Erdgasvorkommen vermutet. Carter will mit Flugzeugträger durch umstrittenes Gebiet fahren – Konflikt wegen chinesischer Gebietsansprüche. Washington/Peking/Kuala Lumpur – US-Verteidigungsminister Ashton Carter hat eine Reise in umstrittene Gewässer im Südchinesischen Meere angekündigt. Er werde gemeinsam mit seinem malaysischen Kollegen Hishammuddin Hussein am Donnerstag zum US-Flugzeugträger USS Theodore Roosevelt fliegen, kündigte Carter am Mittwoch am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister der ASEAN-Staatengemeinschaft in Kuala Lumpur an. Der Flugzeugträger werde die Meeresregion durchqueren. Der Besuch solle deutlich machen, wie wichtig Washington Asien und der Pazifik seien, sagte Carter. Peking beansprucht die gesamte rohstoffreiche Meeresregion für sich, doch auch die Philippinen, Vietnam, Malaysia und Brunei erheben Gebietsansprüche. China schüttet auf Atollen Land auf und baut Landebahnen. In der vergangenen Woche hatte Peking gereizt darauf reagiert, als der amerikanische Zerstörer USS Lassen innerhalb der 12-Meilen-Zone an einem von China aufgeschütteten Riff vorbeigefahren war. Auch die Philippinen beanspruchen das Riff für sich. Das gelte sowohl für die Tamilenrebellen der Befreiungstiger von Tamil Eelam als auch für die Streitkräfte. Colombo/Genf – Im Bürgerkrieg in Sri Lanka wurden laut einem UN-Bericht sehr wahrscheinlich Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen. Das gelte für die Tamilenrebellen der Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) ebenso wie für die Streitkräfte, heißt es in dem am Mittwoch vorgestellten Bericht des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte. Der mehr als ein Vierteljahrhundert andauernde Bürgerkrieg endete im Mai 2009, als die Armee den Aufstand der LTTE mit aller Härte niederschlug. Allein in den letzten Monaten des Krieges sind nach UN-Schätzungen bis zu 40.000 Zivilisten ums Leben gekommen. In dem Bericht ist die Rede von willkürlichem Beschuss, Folter, sexueller Gewalt und Zwangsrekrutierung von Kindern. Uno will Sondergericht Um die Verbrechen aufzuarbeiten, schlagen die Vereinten Nationen ein Sondergericht vor. Darin sollen sowohl internationale als auch sri-lankische Richter, Staatsanwälte und Ermittler vertreten sein. Ein rein inländisches Gerichtsverfahren hätte keine Chance gegen das weitverbreitete und berechtigte Misstrauen, das von jahrzehntelangen Verstößen, Missbrauch und nicht gehaltenen Versprechen angefacht wurde, sagte UN-Hochkommissar Said Raad al-Hussein. Er hoffe auf die neue Regierung von Präsident Mathiripala Sirisena. Proteste gegen den Einfluss Pekings spielen den Unterstützern einer Annäherung an das Festland in die Hände. Taipeh/Wien – Ob Hung Hsiu-Chu wirklich ins Rennen um die Präsidentschaft gehen wollte, bezweifeln viele Beobachter in Taiwan. Eine versehentliche Kandidatin nannte sie jüngst auch die South China Morning Post aus Hongkong. Doch am Sonntag wird sie mit größter Wahrscheinlichkeit beim Parteitag der regierenden Kuomintang (KMT) als offizielle Vertreterin für die Wahl im Jänner 2016 bestätigt werden. Hungs kommende Kampagne gegen ihre Konkurrentin Tsai Ing-wen von der oppositionellen Demokratischen Fortschrittspartei (DPP) gilt nicht nur deshalb als historisch, weil erstmals zwei Frauen um das höchste Amt Taiwans kämpfen, sondern auch, weil das bisherige politische System auf der Insel fast vollständig auf den Kopf gestellt wird. Und am Ende könnten entscheidende Weichenstellungen für die Zukunft der Insel stehen. Bisher war es stets so: Die konservative Kuomintang, deren Mitglieder einst nach verlorenem Kampf gegen die Kommunisten aus China geflohen waren, stand für das Bewahren des sogenannten Status quo gegenüber Peking – jener Position, die zwischen der Forderung nach einer Vereinigung mit Festland-China und jener nach staatlicher Unabhängigkeit liegt. Die DPP erhob radikale und populistische Forderungen, sie stand für die Konfrontation mit dem Festland und das Streben nach staatlicher Unabhängigkeit. Doch so ist es nicht mehr – die Fronten haben sich verschoben. Das mag auch daran liegen, dass beide Kandidatinnen sich von unpopulären Vorgängern im Präsidentenamt abgrenzen müssen. Tsai übernahm die DPP 2008, als diese nach acht Jahren Regierungszeit ihres Präsidenten Chen Shui-bian am Ende schien. Dieser hatte die Konfrontation mit Peking gesucht, die Wirtschaft schleifen lassen, und war schließlich wegen Korruption verurteilt worden. Dagegen präsentiert sich Tsai nun als Kandidatin der Mitte und der moderaten Forderungen. Hung muss nun auch gegen die schlechten Beliebtheitswerte von Amtsinhaber Ma Ying-jeou antreten, der 2008 auf einer Welle des Protestes gegen die DPP ins Amt gekommen war. Er hatte versprochen, die politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Peking zu reparieren – eine Politik, die damals noch als eine Rückkehr zum Mainstream empfunden wurde. Der Ansatz schien erfolgreich: Die Entspannung brachte hunderttausende Touristen vom Festland nach Taiwan, die Wirtschaft begann wieder zu wachsen. Kritiker – und vor allem viele junge Menschen – meinen allerindgs, das Geld komme nur bei einer kleinen Gruppe an. Die Teuerung treffe aber alle, die Reallöhne seien auf dem Stand von vor 17 Jahren. Eine Wohnung in Taipeh wird für viele zunehmend unbezahlbar. Dagegen formierte sich Widerstand. Mitglieder der hauptsächlich studentischen Sonnenblumen-Bewegung organisierten im Frühjahr 2014 Großdemonstrationen in Taipeh. Sie warfen Ma vor, die Insel, deren politische Vereinigung mit dem Festland er nicht durchsetzen könne, stattdessen an Peking zu verkaufen. Mehrere Wochen lang wurde das Parlament besetzt. Und die Forderungen trafen auch bei den Wählern einen Nerv: Bei Regionalwahlen im Herbst 2014 verlor die KMT überraschend stark, die DPP legte zu wie selten zuvor. Doch das Votum hatte ungeahnte Folgen. Plötzlich wollte keiner der etablierten Politiker in der KMT mehr für die Präsidentschaft kandidieren und so seine politische Karriere riskieren. Hung, die laut manchen Beobachtern eigentlich ins Rennen gegangen war, um bekanntere Konkurrenten in den Wahlkampf zu zwingen, wurde mangels Alternativen zur Kandidatin der Regierungspartei. Die angeblich versehentliche Kandidatin tritt für eine engere Zusammenarbeit an und will gar Friedensverhandlungen mit der Volksrepublik beginnen. Forderungen nach einem Ende der Waffenimporte aus den traditionell verbündeten USA ließ sie erst kürzlich fallen. Dass sich das politische Spektrum nun – trotz der Proteste für mehr Unabhängigkeit – in Richtung Peking verschiebt, sehen viele als ironische Wendung. Doch, betonen sie, gerade die Auswahl der Kandidatinnen habe gezeigt, wie sehr sich die politische Kultur und die Gesellschaft auf der Insel mittlerweile vom Festland entfernt haben. Während in Taiwan zwei Frauen um die Präsidentschaft kämpfen, so das Argument, seien alle sieben Mitglieder im Ständigen Ausschuss des Politbüros der Kommunistischen Partei Chinas Männer. Taiwan sieht in den Abschiebungen "Entführung", China muss den Fall prüfen. Die Beziehungen zwischen Taiwan und China sind erneut auf die Probe gestellt. Taiwan wirft China vor, acht Taiwaner aus Kenia nach China entführt zu haben. Die betroffenen Personen gehören zu einer Gruppe von 76 Chinesen und Taiwaner, die in einen Betrugsfall in Kenia verwickelt waren. Acht von ihnen wurden Freitagnacht per Flugzeug nach China abgeschoben. Laut Taiwan News befänden sie sich nun in Peking. Am Dienstag gab das taiwanische Außenministerium außerdem bekannt, dass weitere 37 Taiwaner in Kenia in ein chinesisches Flugzeug gezwungen wurden. Wie ein Video zeigt, haben sich 15 Personen gegen die Abschiebung nach China gewehrt, woraufhin die kenianische Polizei Tränengas eingesetzt hätte. Das taiwanische Außenministerium betont, dass die Abschiebung auf Druck Chinas geschehen sei und kritisiert sie am Montag scharf: Dies ist ein unzivilisierter Akt illegaler Entführung und eine ernsthafte Verletzung grundlegender Menschenrechte. Das Ministerium und auch die stimmenstärkste Partei Demokratische Progressive Partei (DPP) fordern die sofortige Rückkehr der acht Personen in ihren Heimatstaat Taiwan. Die Hintergründe der Abschiebung sind nicht vollkommen geklärt. Laut dem kenianischen Generalstaatsanwalt sollten die Personen in ihre Heimat zum Prozess ausgeliefert werden. Taiwan wiederum sagt, die Personen, die aus Taiwan stammten, seien vergangene Woche in Nairobi freigesprochen worden und wurden aufgefordert, binnen 21 Tagen das Land zu verlassen. Der Sprecher des kenianischen Innenministeriums, Mwenda Njoka, sagte am Dienstag, dass sich die Menschen illegal im Land aufhielten und deshalb zu ihrem letzten Aufenthaltsort zurückgebracht werden mussten: Sie kamen von China, also brachten wir sie nach China. Am Montag gab der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Lu Kang, an, die Situation genauer prüfen zu müssen, Aber grundsätzlich verdienen Länder, die der Ein-China-Politik folgen, unsere Zustimmung. Shih Hui-fen, ein Vertreter des Rates für Festlandangelegenheiten (MAC) Taiwans, sagte am Montag, dass der Vorfall ein Abkommen zwischen Taipeh und Peking aus dem Jahr 2011 verletze, in dem festgelegt wurde, dass Bürger der zwei Länder, wenn sie im Ausland Straftaten begehen, in das jeweilige Heimatland abgeschoben würden. Im vergangenen November kam es zu einem historischen Treffen zwischen dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping und dem taiwanischen Präsdenten Ma Ying-jeou. Seit die China-kritische Tsai Ing-wen der DPP im Jänner 2016 die Präsidentschaftswahlen gewonnen hat, sind die Beziehungen wieder angespannter. China sieht Taiwan als abtrünnige Insel, die eigentlich Teil Chinas ist. Nur 22 Staaten weltweit erkennen Taiwan offiziell an, diplomatische Schwergewichte sind – mit Ausnahme des Heiligen Stuhls – nicht darunter. Viele afrikanische Staaten, die teilweise beträchtliche Entwicklungsleistungen von China erhalten, folgen Pekings Auffassung der Ein-China-Politik besonders streng. Kenia unterhält offizielle diplomatische Beziehungen mit der Volksrepublik China, nicht aber mit Taipeh. Daher kündigte Taiwans Außenministerium an, Vertreter aus Südafrika nach Kenia zu schicken, um den Fall zu untersuchen. Washington und Hanoi wollen Beziehung vertiefen – China als gemeinsamer Konkurrent. Hanoi – Es ist ein weiteres Kapitel in der Annäherung zwischen den früheren Kriegsgegnern USA und Vietnam: US-Außenminister John Kerry lobte bei seinem Besuch zum zwanzigsten Jahrestag der Normalisierung von 1995 die neue Zusammenarbeit: Die Barrieren des Misstrauens und der Missverständnisse zwischen Washington und Hanoi seien dabei, in sich zusammenzustürzen. Allerdings erwarte die US-amerikanische Regierung auch weitere Fortschritte im Bereich der Menschenrechte – davon seien auch weitere Lockerungen des Waffenembargos abhängig. Der US-Außenminister war bei seinem Besuch, der am Samstag enden sollte, mit Außenminister Phạm Bình Minh und Präsident Trương Tấn Sang zusammengetroffen. Beide hätten ihm versichert, man arbeite an weiteren Schritten im Bereich der freien Meinungsäußerung, so Kerry – aber, wie auch Pham bei einer Pressekonferenz sagte, mit speziellem Charakter und im lokalen Kontext. Die USA und Vietnam verbindet unter anderem die Sorge vor Chinas Ambitionen im Südchinesischen Meer. Im Herbst 2014 hatte Washington Teile seines Waffenembargos gegen Vietnam gelockert. Die konservativen Kräfte innerhalb der Kommunistischen Partei haben sich beim Parteitag durchgesetzt. Hanoi / Phnom Penh – Die Erwartungen waren hoch, und umso erstaunlicher ist es nun für viele, dass in Vietnam wohl auch die nächsten fünf Jahre alles beim Alten bleiben wird. Nguyen Phu Trong, mit 71 Jahren eigentlich über dem parteiinternen Alterslimit, wird die KP weitere fünf Jahre anführen. Dass es letztlich so wenig Bewegung gab, steht im Gegensatz zu den für vietnamesische Verhältnisse offenen Machtkampf um die Führungsposition, den die Partei im Vorfeld des Treffens ausgetragen hatte. Schärfster Widersacher Trongs war der bisherige Premier Nguyen Tan Dung, der den eher reformorientierten Parteiflügel führt. Er gilt als proamerikanisch und hat enge Kontakte zu den Wirtschaftseliten des Landes. Allerdings hat sich während seiner zwei Amtszeiten die Korruption verstärkt und auch die Probleme mit Krediten, vor allem der staatseigenen Betriebe, sind nicht immer angegangen worden. Als Premier musste er nach den maximal möglichen zwei Amtszeiten abtreten. Trong hingegen gehört zur alten Garde. Im Gegensatz zu Dung ist er China gegenüber deutlich aufgeschlossener. Er gilt als entschiedener Verfechter der Einparteienherrschaft. Dennoch gehen Beobachter nicht von einem radikalen Kurswechsel aus, weder ökonomisch noch politisch. Trong wird zwar als prochinesisch betrachtet, aber er wird die Annäherung an die USA eher nicht behindern, insbesondere mit Blick auf die militärischen und wirtschaftlichen Beziehungen, so Nguyen Khac Giang, Wissenschafter am vietnamesischen Institut für ökonomische und politische Forschung in Hanoi. Grund ist auch der lange Streit um Gebietsansprüche im Südchinesischen Meer. Der gigantische Nachbar hatte zuletzt immer wieder seine Muskeln spielen lassen und andere Anrainerstaaten vor vollendete Tatsachen gestellt. Nachdem China im Jahr 2014 eine Bohrinsel in den Gewässern installierte, kam es in Vietnam zu schweren antichinesischen Ausschreitungen. Vietnam wird seine Position im Streit um das Südchinesische Meer schon deshalb nicht ändern, weil jeder nachgiebigere Ansatz Ärger der breiten Öffentlichkeit entfachen würde. Auch Rajiv Biswas, Chefvolkswirt für Asien-Pazifik bei IHS Global Insight in Singapur, rechnet mit einer fortgesetzten Annäherung an die USA: Trong wird die Notwendigkeit anerkennen müssen, die Beziehungen zu vertiefen, um die steigende wirtschaftliche und politische Dominanz Chinas in Ostasien auszubalancieren. Die wirtschaftliche Reformfreude dürfte unter dem neuen starken Mann hingegen nachlassen. Biswas erwartet einen vorsichtigeren und langwierigeren Ansatz zu Reformen. Angesichts der Freihandelsabkommen mit der EU und im Rahmen der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) ergebe sich aber auch ein Reformdruck. Innenpolitisch könnte den 90 Millionen Vietnamesen eine steifere Brise ins Gesicht wehen. Der Großteil der neuen Politbüro-Mitglieder entstammt dem konservativen Parteiflügel, so Giang. Daher ist kaum zu erwarten, dass sich nun eine offenere Zivilgesellschaft entfalten kann. Auch zur Pressefreiheit könnte eine härtere Gangart einschlagen werden. 70-jähriger Dissident Nguyen Van Ly nach Kirchenangaben gesundheitlich in schlechtem Zustand. Hanoi – Als Geste gegenüber den USA ist kurz vor dem Besuch von Präsident Barack Obama in Vietnam der katholische Priester, Blogger und Dissident Nguyen Van Ly aus dem Gefängnis entlassen worden. Dies wurde von der Erzdiözese Hue bestätigt, wie der Sender Radio Free Asia (RFA) am Samstag laut Kathpress berichtete. Der 70-Jährige befinde sich gesundheitlich in einem schlechtem Zustand, aber sein Wille und sein Geist seien ungebrochen, so ein Diözesansprecher. Auf die Mitteilung der Behörden, er habe seine Begnadigung dem Staatspräsidenten von Vietnam zu verdanken, habe Nguyen Van Ly geantwortet: Das ist keine Begnadigung, sondern eine Geschenk an die USA vor dem Besuch des Präsidenten. Zudem bin ich nicht schuldig, also kann man mich auch nicht begnadigen. Präsident Obama wird am Sonntag zu einem dreitägigen Besuch in Hanoi erwartet. In den vergangenen Wochen hatte sich auch das deutsche katholische Hilfswerk missio in Aachen immer wieder für eine Freilassung des Priesters eingesetzt. Das Hilfswerk organisierte gemeinsam mit der Organisation Reporter ohne Grenzen eine Kampagne mit dem Schlagwort #freeLy in den sozialen Netzwerken. Australiens Ex-Premier veranstaltete nach Amtsverlust Umtrunk. Sydney – Nach einer Medienberichten zufolge wilden Party nach dem Verlust seines Amts als australischer Premierminister will Tony Abbott die Kosten für einen zu Bruch gegangenen Tisch übernehmen. Bei der Veranstaltung wurde ein Kaffeetisch beschädigt, erklärte Abbott am späten Montagabend, nachdem der Vorfall bei einer Parlamentsanhörung bekannt geworden war. Es war meine Veranstaltung, also übernehme ich die Verantwortung dafür. Abbott räumte ein, dass er nach seiner Absetzung als Premier in Folge einer parteiinternen Wahl am 14. September mit Mitarbeitern und Kollegen in einem Kabinettsraum einen Umtrunk veranstaltet habe. Bei der Parlamentsanhörung am Montag wurden Berichte bekannt, wonach der kleine runde Marmortisch durch eine Person beschädigt worden sein könnte, die darauf stand oder tanzte. Am nächsten Morgen seien Stücke der Tischplatte auf dem Boden und später in verschiedenen Büros entdeckt worden. Anhänger von Abbotts Liberaler Partei wiesen Berichte einer wilden Party indes zurück. Laut der Herald Sun soll sich der Umtrunk bis in die Morgenstunden hingezogen haben, Abbott selbst tanzte demnach kurzzeitig ohne Hemd. Mitarbeiter des Ex-Premiers hätten Teile des Tisches als Andenken behalten. Der damalige Verkehrsminister Jamie Briggs dementierte Berichte, er sei vom Tisch gefallen und sitze seitdem im Rollstuhl. Medienberichten zufolge sind die vielen australischen Regierungschefs der vergangenen Jahre – fünf in fünf Jahren – Partys nach ihrem Amtsverlust nicht abgeneigt. Ex-Premier Kevin Rudd soll mitten im Winter voll bekleidet in einen Pool geworfen worden sein, nachdem er 2010 gegen seine Stellvertreterin Julia Gillard verloren hatte. Erklärung über "beabsichtigte Unabhängigkeit" unterzeichnet. Canberra – Mit einem überraschenden Vorstoß zur Abschaffung der Monarchie in Australien haben die Chefs der Bundesstaaten und Territorien die Republikdebatte neu angeheizt. Sieben der acht regionalen Spitzenpolitiker unterzeichneten eine Erklärung über die beabsichtigte Unabhängigkeit. Die Republikaner-Bewegung veröffentlichte sie am Montag, einen Tag vor dem Nationalfeiertag, der an die Landung der ersten englischen Schiffe 1788 erinnert. Die britische Königin Elizabeth II. ist Staatsoberhaupt der ehemaligen englischen Kolonie. Bei einem Referendum 1999 sprachen sich 55 Prozent der Australier für eine Beibehaltung der Monarchie aus. Seitdem hat sich in mehreren Umfragen eine Mehrheit für die Umwandlung in eine Republik ausgesprochen. Es ist unnatürlich, dass das Staatsoberhaupt einer mündigen und hochentwickelten Nation wie Australien im 21. Jahrhundert immer noch aus einer englischen Adelsfamilie stammt, meinte der Chef der Republikaner-Bewegung, Peter FitzSimons. Wir sind weltführend in so vielen Bereichen, sagte die Ministerpräsidentin von Queensland an der Ostküste, Annastacia Palaszczuk, nach Angaben der Republikaner-Bewegung. Es ist an der Zeit, dass einer der unseren das Land als Staatsoberhaupt führt. Nur der Ministerpräsident von West-Australien, Colin Barnett, unterzeichnete die Deklaration nicht. Er sei auch für die Republik, aber halte den Moment für eine solche Erklärung für falsch, sagte er. 'Für "KP Oli" sind nationale Einheit und Wiederaufbau nach dem Erdbeben Hauptaufgaben. Kathmandu – Nepals Parlament hat den Kommunisten Khadga Prasad Sharma Oli zum neuen Ministerpräsidenten gewählt. Der 63-Jährige erhielt am Sonntag mehr als die Hälfte der insgesamt 601 Abgeordnetenstimmen. Sein einziger Mitbewerber war der bisherige Amtsinhaber Sushil Koirala. Der meist nur KP Oli genannte Wahlsieger wurde von 14 der 31 Parlamentsparteien unterstützt. Als wichtigste Ziele nennte er die nationale Einheit, den Wiederaufbau nach dem verheerenden Erdbeben vom April und die Lösung der Konflikte um die neue Verfassung, die Mitte September trotz teils gewaltsamer Proteste in Kraft getreten war. Seit mehr als zwei Wochen sind die Grenzübergänge nach Indien aus Folge politischer Proteste gegen die Verfassung quasi dicht. Die Regierung in Kathmandu wirft Neu Delhi vor, die Grenze aus Unterstützung für eine ethnische Minderheit zu blockieren. Indien weist dies zurück. Der Himalaya-Staat leidet daher unter Treibstoffmangel. Oli war wegen seiner politischen Aktivität insgesamt 14 Jahre in Haft. Seit 1991 ist er Abgeordneter der marxistisch-leninistischen UML; er war bereits Außen- und Innenminister. Seit 2014 führt er die Partei an. Oli sprach sich in der Vergangenheit immer wieder gegen den indischen Einfluss auf die Politik in Nepal aus.' Ethnische Minderheiten protestierten gegen neue Verfassung. Kathmandu – Nepalesische Polizisten sind am Montag gewaltsam gegen Gegner der neuen Verfassung vorgegangen, die seit Ende September einen Grenzübergang nach Indien blockierten. Shiva Patel, Generalsekretär der nepalesischen Sadbhawana-Partei und Mitveranstalter der Blockadeaktion, sagte einer Nachrichtenagentur, die Polizei habe Zelte niedergebrannt und Schlagstöcke gegen die Demonstranten eingesetzt. Etwa 15 von ihnen erlitten demnach Verletzungen. Weitere fünf wurden festgenommen, als sie sich weigerten, die Blockade abzubrechen. Patel kündigte weitere Proteste an. Über die Grenzübergänge nach Indien kommen Treibstoff und Nahrungsmittel nach Nepal. Wegen der Blockade in Birgunj, 90 Kilometer südlich der Hauptstadt Kathmandu, und an anderen Grenzübergängen war zuletzt an den Tankstellen der Treibstoff knapp geworden. Ein ranghoher nepalesischer Zollbeamter teilte mit, nach dem Polizeieinsatz seien nun mehr als hundert leere indische Lastwagen, die wegen der Grenzblockade in Nepal festsaßen, nach Indien unterwegs. Aus Indien seien aber noch keine Lastwagen über die Grenze gefahren. Minderheiten fühlen sich bedroht Die im September in Kraft getretene Verfassung sieht die Aufteilung des Himalaya-Staats in sieben Provinzen vor. Vor allem die ethnischen Minderheiten der Tharu und Madhesi im Süden des Landes fühlen sich dadurch ausgegrenzt. Sie befürchten, durch den neuen Zuschnitt der Provinzen künftig noch weiter an den Rand gedrängt und nicht angemessen politisch repräsentiert zu werden. Auch Indien ist mit der neuen Verfassung unzufrieden. Die Regierung in Kathmandu hatte dem Nachbarland vorgeworfen, die Demonstranten an der Grenze zu unterstützen und damit eine inoffizielle Blockade zu verhängen. Indien wies die Vorwürfe strikt zurück. Nepal leidet noch immer massiv unter den Folgen eines heftigen Erdbebens im April, bei dem fast 8.900 Menschen ums Leben kamen. Zudem sorgte die Verfassungsreform über viele Wochen für Spannungen und Gewalt. Bei gewaltsamen Ausschreitungen wurden mehr als 40 Menschen getötet. Zweiter Verdächtiger auf Aufnahmen von Überwachungskameras. Bangkok – Auf der Suche nach den Tätern hinter dem Bombenanschlag mit zahlreichen Toten in Bangkok verfolgt die Polizei eine neue mögliche Spur. Auf am Samstag veröffentlichten Bildern einer Überwachungskamera ist zu sehen, wie ein Mann in einem blauen T-Shirt ein Paket von einer Fußgängerbrücke an dem Ort wirft, an dem am vergangenen Dienstag ein Sprengsatz explodierte. Bei dieser Explosion wurde niemand verletzt, allerdings sorgte der Vorfall für weitere Unruhe in der Stadt, nachdem am Vortag bei einem Anschlag auf einen religiösen Schrein 20 Menschen getötet worden waren. Die Behörden hatten erklärt, eine Verbindung zwischen den beiden Explosionen nicht auszuschließen. Polizeisprecher Prawut Thavornsiri sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Bilder aus der Überwachungskamera würden ausgewertet, um festzustellen, ob der darauf zu sehende Mann als Verdächtiger einzustufen sei. Wir müssen diese Information überprüfen, die Situation ist noch immer verwirrend, sagte er. Das Video wurde wenige Minuten nach der Explosion vom Montag aufgenommen. Zu sehen ist, wie der Mann in dem blauen T-Shirt etwas Schweres in einem Plastiksack trägt, zum Rand der Fußgängerbrücke geht, den Sack abstellt und dann sein Handy benutzt. Etwa eine Minute später stößt er die Tüte mit dem Fuß in einen Kanal unter der Brücke. Am Tag darauf ereignete sich in dem nahe einem Touristenort gelegenen Kanal eine Explosion. Verletzte gab es aber nicht. Bisher konzentrierte sich die Fahndung nach dem Drahtzieher des Anschlags vom Montag auf einen mutmaßlichen Hauptverdächtigen in einem gelben T-Shirt. Dieser war beobachtet worden, wie er einen schweren Rucksack unter einer Bank an dem Schrein platzierte. Kurz darauf ereignete sich die Explosion, bei der 20 Menschen getötet wurden. Prawut zufolge ist davon auszugehen, dass es sich bei den beiden mutmaßlichen Verdächtigen um verschiedene Männer handelt. Einem Militärsprecher zufolge waren am Samstag noch 56 Verletzte des Anschlags vom Montag im Krankenhaus. Verdächtiger stellte am Samstag Attentat nach. Bangkok – Rund eineinhalb Monate nach dem schweren Bombenanschlag in Bangkok hat die thailändische Polizei bestätigt, dass es sich bei einem der beiden festgenommenen Ausländer um den mutmaßlichen Täter handelt. Weitere Auswertungen der Aufnahmen von einer Überwachungskamera, Aussagen von Augenzeugen und sein eigenes Geständnis hätten bestätigt, dass der Festgenommene tatsächlich der Mann im gelben T-Shirt sei, der laut den Aufzeichnungen kurz vor dem Anschlag einen Rucksack am Erawan-Schrein deponiert habe, sagte Polizeisprecher Prawut Thavornsiri am Samstag. Zuletzt hatten die Behörden noch erklärt, es sei wenig wahrscheinlich, dass einer der beiden festgenommenen Ausländer der Täter sei. Bei dem Anschlag auf den Erawan-Schrein waren am 17. August 20 Menschen getötet und 120 weitere verletzt worden. Die meisten der Opfer kamen aus China. Das Motiv für die Tat ist bis heute unklar, doch im September hatten die thailändischen Behörden erstmals von einer möglichen Verbindung mit der muslimischen Minderheit der Uiguren in China gesprochen. Großes Medieninteresse Die Polizei gab den Namen des Festgenommenen mit Adem Karadag an, seine Nationalität nannte sie nicht. Der Name ist aber türkisch. Er muss sich laut dem Polizeisprecher nun unter anderem wegen Mordes verantworten. Karadags Anwalt Chuchart Kanphai sagte der Nachrichtenagentur AFP, er glaube nicht an ein Geständnis seines Mandanten. Dieser sei erst vier Tage nach dem Anschlag nach Thailand eingereist. Der Anwalt beklagte, dass er seit einigen Tagen keinen Zugang mehr zu seinem Mandanten habe. Dessen wahren Namen gab er mit Bilal Mohammed an. Dutzende thailändische und ausländische Medienvertreter waren am Eriwan-Schrein vor Ort, wo der Verdächtige entsprechend dem regulären Ermittlungsverfahren die ihm vorgeworfene Tat nachstellte. Insgesamt hatte ein thailändisches Gericht Haftbefehle für 17 weitere Verdächtige ausgestellt. Teenager wurden verdächtigt, Drogen konsumiert zu haben. Phuket – Hunderte Einwohner haben auf der thailändischen Ferieninsel Phuket laut Behördenangaben am Samstag eine Polizeistation belagert, nachdem zwei Jugendliche bei einer Verfolgung durch die Polizei getötet worden waren. Aufgebrachte Demonstranten blockierten demnach eine Straße zur Polizeistation auf der 680 Kilometer südlich von Bangkok gelegenen Insel. Die dadurch verursachten Staus hätten auch die Hauptstraße zum internationalen Flughafen verstopft. Nach Angaben des Bodenpersonals waren mehrere abgehende Flüge verspätet gestartet. Die wütende Menge setzte demnach Fahrzeuge vor der Polizeistation in Brand und attackierte die Polizeistation mit Molotow-Cocktails. Zuvor seien die zwei Teenager auf einem Motorrad bei der Verfolgung gerammt und getötet worden. Nach Angaben der Polizei hatte man sie verdächtigt, Drogen konsumiert zu haben. Es seien auch Drogen bei ihnen gefunden worden, sagte der Gemeinde-Chef Chamroen Thipongthada. Phuket ist die größte Insel Thailands, die jährlich von rund zwei Millionen Touristen besucht wird. (APA, 10.10.2015) Bhumibol ist der weltweit am längsten regierende Monarch. Bangkok – Thailands König Bhumibol Adulyadej (88) hat sich nach einer Blutinfektion und einer Lungenentzündung wieder erholt. Das teilte der Palast am Sonntag mit. Bhumibols Zustand habe sich verbessert. Der schwer kranke König ist seit Mai 2015 im Krankenhaus in Behandlung. Im Dezember hatte er sich erstmals nach Monaten wieder in der Öffentlichkeit gezeigt. Bhumibol ist der weltweit am längsten regierende Monarch: Er bestieg 1946 den Thron und ist damit länger im Amt als Königin Elizabeth II. (89) in Großbritannien. In Thailand wird er von vielen als einende Figur verehrt. Genauer Grund für die harsche Strafe für Thailänderin bleibt unklar. Bangkok – Eine Thailänderin ist von einem Militärgericht in Bangkok zu sieben Jahren Gefängnis verurteilt worden, weil sie den König beleidigt haben soll. Die Behörden hätten der Frau vorgeworfen, auf ihrer Facebook-Seite über einen möglichen Putsch gegen das Regime geschrieben zu haben, sagte ihr Anwalt Thanathorn Thananon am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb sei sie zunächst wegen Volksverhetzung angeklagt worden. Nach weiteren Ermittlungen sei ihr auch Majestätsbeleidigung angelastet worden. Was genau die Frau getan haben soll, blieb unklar, wie meistens nach derartigen Urteilen. Wer in Thailand König Bhumibol Adulyadej beleidigt, riskiert zwischen 3 und 15 Jahren Haft. Kritiker warnen schon lange, dass das Gesetz häufig für politische Zwecke oder persönliche Rache missbraucht werde. Der 88-jährige Bhumibol ist der dienstälteste Monarch der Welt und wird von großen Teilen der Bevölkerung verehrt. Er gilt als Symbol für die Einheit des Landes. Versammlungen von mehr als fünf Menschen sind seit dem Militärputsch vor zwei Jahren verboten. Bangkok – Am zweiten Jahrestag des Militärputsches in Thailand haben sich Studenten zu gewagten Protestaktionen getroffen. An der Thammasat-Universität kamen rund 100 Menschen zusammen, die zum Demokratie-Monument ziehen wollten. Dort warteten bereits einige Dutzend Studenten, die auch Aktionen angekündigt hatten. Versammlungen von mehr als fünf Menschen sind seit dem Putsch verboten. Militär und Polizei hatten zuvor angekündigt, sie würden Protestaktionen unterbinden. Das Militär hatte die Macht am 22. Mai 2014 nach jahrelangem Streit zwischen verfeindeten politischen Lagern und monatelangen Straßenprotesten an sich gerissen. Wahlen werden frühestens 2017 erwartet. Ich hoffe, dass (die Regierung) schleunigst die Grundrechte wiederherstellt, damit das Volk sein eigenes Schicksal bestimmen kann, twitterte die damals gestürzte Regierungschefin Yingluck Shinawatra. Deutschland darf auch arbeitssuchenden Bürgern aus dem EU-Ausland in den ersten drei Monaten Sozialleistungen verweigern. Luxemburg/Berlin - Deutschland darf auch arbeitssuchenden Bürgern aus dem EU-Ausland in den ersten drei Monaten Sozialleistungen verweigern. Zu dieser Einschätzung kommt der Generalanwalt am Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH), Melchior Wathelet, in seinen am Donnerstag vorgelegten Schlussanträgen zum Fall eines zeitweise arbeitslosen Spaniers in Deutschland. Der Ausschluss gelte auch dann, wenn es um die Familienzusammenführung gehe. Voraussetzung sei, dass Hilfen wie das sogenannte Hartz IV der Existenzsicherung dienten und nicht den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern sollten. Andernfalls müsse der Fall genauer geprüft werden. Müsste Deutschland sofort Hartz IV zahlen, bestünde die Gefahr einer Massenzuwanderung und so einer Überforderung der deutschen Sozialsysteme, ergänzte der Generalanwalt. Patchworkfamilie aus Spanien Wathelet folgt damit der Linie des EuGH, der im November bereits in einem anderen Fall entschieden hatte, dass Deutschland EU-Ausländern Hartz IV verweigern darf, wenn sie allein zum Bezug von Sozialhilfe einreisen und keine Arbeit suchen. In vielen Fällen folgen die Luxemburger Richter der Einschätzung des Generalanwalts. Im aktuellen Streitfall geht es um eine vierköpfige Patchworkfamilie aus Spanien. 2012 war zunächst die Frau mit der gemeinsamen Tochter nach Deutschland eingereist. Als sie im Juni 2012 eine Arbeit aufgenommen hatte, zogen der Mann und sein Sohn nach. Während der ersten drei Aufenthaltsmonate verweigerte das Jobcenter beiden Hartz-IV-Leistungen. Die Debatte über Sozialleistungen für EU-Bürger schlägt vor allem in Großbritannien hohe Wellen. Premierminister David Cameron will Änderungen am Sozialsystem zu einem seiner Kernthemen bei den anstehenden Neuverhandlungen über die britische Mitgliedschaft in der EU machen. Rechtsaußen-Politiker Korwin-Mikke störte Debatte zu EU-Ticketsystem: "Ein Volk, ein Reich, ein Ticket". Der polnische Rechtsaußenpolitiker Janusz Korwin-Mikke hat bei einer Debatte im EU-Parlament den Hitlergruß gezeigt und damit für Aufregung gesorgt. Der Europa-Skeptiker wollte mit der Aktion am Dienstag gegen die europaweite Vereinheitlichung der Ticket-Systeme protestieren. Ein Reich, ein Volk, ein Ticket, rief der 72-Jährige in deutscher Sprache in den Plenarsaal. Korwin-Mikke kritisierte bei der Debatte die Vorschläge des Ausschusses für Transport und Touristik. Wir reden die ganze Zeit über Diversität, dass wir die Diversität verteidigen sollen. Aber immer, wenn es zu Abstimmung kommt, stimmen wir für Vereinheitlichung von allem, sagt er in seinem kurzen Redebeitrag, der am Mittwoch auf der Videoplattform Youtube veröffentlicht wurde. Der erklärte Demokratie-Gegner und überzeugte Monarchist Korwin-Mikke wurde bei der EU-Wahl im Mai 2014 ins Parlament gewählt. Danach wurde er kurzzeitig auch als möglicher Bündnispartner für die FPÖ gehandelt. In seiner politischen Laufbahn sorgte Korwin-Mikke immer wieder mit extremistischen Äußerungen für Aufsehen. Bereits im Wahlkampf hatte er angekündigt, er wolle das EU-Parlamentsgebäude verkaufen und dort ein Bordell errichten. Das Europäische Parlament hat erst im Mai die Immunität von Korwin-Mikke aufgehoben. Damit kam das Parlament einem Antrag der Warschauer Staatsanwaltschaft nach, die gegen Korwin-Mikke ermittelt, nachdem er im vergangenen Jahr einen anderen polnischen EU-Abgeordneten geohrfeigt hatte. Bei dem EU-Ticket-System, gegen das der polnische Politiker sich äußerte, handelt es sich um einen im Juni im Verkehrsausschuss verabschiedeten Bericht an. In diesem forderten die Parlamentarier die europäischen Transportunternehmen auf, ihre Systeme bis 2020 zu vereinheitlichen, um eine Integration der Buchungssysteme für nahtloses grenzübergreifendes Reisen zu schaffen. Wenn dies nicht geschehe, solle die EU-Kommission Gesetzesvorschläge für ein solches integriertes Ticket-System ausarbeiten. 'Berlin und Brüssel erwägen ein eigenes Budget mit eigenen Einnahmen für die Eurozone. Brüssel – Ein eigenes Budget für die Eurozone, ein europäischer Finanzminister, eigene europäische Steuern: Deutschlands Finanzminister Wolfgang Schäuble ist nach einem Bericht des Magazins Der Spiegel vom Samstag bereit, erhebliche deutsche Finanzmittel für einen eigenständigen Etat der Währungsunion abzutreten. Über dieses Budget solle dann ein europäischer Finanzminister verfügen. Dabei handle es sich aber um ein langfristiges Projekt, das über erste Überlegungen noch nicht hinausgekommen sei, hieß es aus seinem Ministerium. Die Diskussion darüber beginnt erst, sagte eine Sprecherin des deutschen Finanzministeriums. Langfristig werde über die Schaffung eigener fiskalischer Strukturen für die Eurozone nachgedacht "In Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung erfunden" – Nächster Finanzministerrat am 6. Oktober – Vestager plant keine weiteren Untersuchungen. Straßburg – In der sogenannten LuxLeaks-Affäre um Steuervergünstigungen für Konzerne in Luxemburg hat sich EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker gegen Vorwürfe verteidigt. Ich habe in Luxemburg kein System der Steuerhinterziehung, der Steuerhintertreibung oder der Steuervermeidung zulasten anderer europäischer Staaten erfunden, so Juncker am Donnerstag im Sonderausschuss des Europaparlaments in Brüssel. Mehrere Abgeordnete warfen ihm vor, sich mit Ausflüchten aus der Affäre stehlen zu wollen. Sie überschätzen meine Talente, sagte Juncker in der zuweilen hitzigen Befragung ironisch zu den Parlamentariern, die ihm kritische Fragen zu seiner Vergangenheit als Regierungschef und Finanzminister in Luxemburg stellten. Die Steuerhinterziehung oder Steuervermeidung von im Großherzogtum gemeldeten Firmen hätte er damals gar nicht betreiben können, argumentierte der heutige Präsident der EU-Kommission. Die Luxemburger Steuerverwaltung hat bestehende Gesetze zur Anwendung gebracht, ohne dass Premier oder Finanzminister darauf Einfluss gehabt hätten, sagte Juncker. Hätte er sich selbst damals in individuelle Steuerdossiers eingemischt, so wäre dieses schon vor mehreren Jahren bekannt geworden, ergänzte er. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager plant indessen keine unmittelbaren weiteren Untersuchungen zu Steuervereinbarungen zwischen Unternehmen und EU-Staaten. Wenn es Anhaltspunkte für neue Fälle gebe, werde ihre Behörde tätig werden, sagte Vestager am Donnerstag vor Journalisten in Brüssel. Aber da sind wir noch nicht. Sie relativierte damit vorherige eigene Aussagen vor dem Sonderausschuss des Europaparlaments zur Lux-Leaks-Affäre. Dort hatte sie weitere Verfahren in Aussicht gestellt und von Beweisen gesprochen, wonach bestimmte Steuervorbescheide den Wettbewerb beeinträchtigten. In der großen Debatte über umstrittene Steuervorteile für Konzerne in EU-Staaten dürfte es keine Gesetzesverletzungen gegeben haben. Der ÖVP-Delegationsleiter im EU-Parlament, Othmar Karas, erklärte am Mittwoch in Brüssel, legal gebe es eine weiße Weste für sämtliche Staaten, moralisch nicht, aus EU-Sicht auch nicht. Es dürfe keine Gesetzesverletzungen gegeben haben. Der ÖVP-Delegationsleiter forderte ein Mehrpunkte-Programm zur Verbesserung der Situation. Österreich ist eines von sechs EU-Ländern, die bisher die Fragen zu Steuervorbescheiden (Tax Rulings) nicht beantwortet hat. Karas habe daraufhin Finanzminister Hans-Jörg Schelling (ÖVP) informiert und erwartet die Antwort in den nächsten Stunden. Im Jahr 2014 hatte ein internationales Recherchenetzwerk detailliert über Hunderte Fälle berichtet, in denen multinationale Konzerne in Luxemburg auf Kosten anderer EU-Länder Steuerzahlungen vermieden. Die Affäre brachte Juncker unter Druck. Der Christdemokrat war fast zwei Jahrzehnte lang Finanzminister und Regierungschef Luxemburgs und wird für die Steuerpraktiken des Großherzogtums mitverantwortlich gemacht. Darüber hinaus geht es aber auch um die Steuerpolitik gegenüber Unternehmen in anderen EU-Ländern und der Union insgesamt. Juncker stellte es am Donnerstag so dar, dass die Affäre eigentlich nicht nur Luxemburg betreffe. Was unter dem Begriff LuxLeaks verstanden werde, habe sich inzwischen als eine fast allgemeine Praxis vieler Mitgliedstaaten erwiesen. Vor dem Hintergrund der Affäre hatte die Kommission im Juni einen neuen Anlauf im Kampf gegen Steuerflucht unternommen. Juncker bekräftigte diese Linie am Donnerstag. Abgeordnete mehrerer Parteien konnte er aber insgesamt nicht überzeugen. Enttäuschend und unverschämt nannte der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold den Auftritt. Juncker hat sich selbst als unfehlbaren Verfechter gerechter Steuerpolitik inszeniert, er hat jede Verantwortung für die Steueroase Luxemburg von sich gewiesen, obwohl das System in seiner Zeit als Finanz- und Premierminister aufgebaut wurde, erklärte Giegold. Der Linke Fabio De Masi formulierte eine ähnliche Kritik und bezog sich dabei auch auf die tax rulings, die in der Affäre eine Hauptrolle spielen. In solchen Steuerbescheiden wurde Unternehmen von den Finanzbehörden vorab mitgeteilt, in welchem Umfang sie Steuern zahlen müssen. Hierfür müsse Juncker die Verantwortung übernehmen. Der Linke hält darüber hinaus die Vorschläge der mittlerweile von Juncker geführten EU-Kommission für Reformen in der Unternehmensbesteuerung für zu schwach. De Masi forderte unter anderem: Banken, die wiederholt Beihilfe zur Steuerhinterziehung leisten, ist die Lizenz zu entziehen. Doch die Kritik kam nicht nur aus dem linken Spektrum. Ebenso heftig ging der FDP-Abgeordnete Michael Theurer mit Juncker ins Gericht. Juncker will sich seiner Vergangenheit nicht stellen, sondern er sucht nach Sündenböcken, urteilte Theurer, der Sonderberichterstatter der Volksvertretung zu LuxLeaks ist. Theurer forderte zudem Zugang zu vertraulichen Dokumenten, die über die Affäre Aufschluss geben könnten – aber bisher vor dem Ausschuss zurückgehalten würden. EU-Steuerkommissar Pierre Moscovici kündigte an, dass der nächste Finanzministerrat am 6. Oktober bereits einen Richtlinienvorschlag über Steuervorbescheide verabschieden werde, damit es Anfang 2016 zur Umsetzung kommt. Man dürfe hier nicht auf die OECD warten. Außerdem sei eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei den Unternehmenssteuern notwendig. Derzeit nehmen die Brüsseler Wettbewerbshüter Steuerdeals von Amazon und Fiat in Luxemburg, Apple in Irland sowie Starbucks in den Niederlanden unter die Lupe. Wegen günstiger Steuer-Deals zahlen Großkonzerne auf ihre in der Europäischen Union erzielten Gewinne oft nur minimale Abgaben. Zudem prüft die EU-Kommission die generelle Praxis aller EU-Staaten bei der Besteuerung von Unternehmen. Am Donnerstag beraten die EU-Mitglieder über Maßnahmen zur Eindämmung des Flüchtlingsstroms. Brüssel – Die Staats- und Regierungschefs der EU befassen sich bei einem Gipfel am Donnerstag zum zweiten Mal innerhalb von drei Wochen mit der Flüchtlingskrise. Das Treffen ist auf einen Tag angesetzt und beginnt am Nachmittag, auf der Tagesordnung stehen in der Flüchtlingsfrage die Unterstützung von Transit- und Herkunftsländern und die stärkere Sicherung der EU-Außengrenzen sowie die schnellere Abschiebung von Flüchtlingen, die nicht asyl- oder schutzberechtigt sind. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel plädierte vor dem Gipfel nachdrücklich für ein gemeinsames Handeln zur Bewältigung des Flüchtlingszustroms und forderte eine fairere Lastenverteilung in den Mitgliedsstaaten. Es ist nicht übertrieben, diese Aufgabe als eine historische Bewährungsprobe Europas zu bezeichnen, sagte sie am Donnerstagvormittag. Es sei nötig, dass die Flüchtlinge über die EU-Länder verteilt werden und die Flüchtlinge ihrerseits akzeptieren, welchem Staat sie zugewiesen werden. Mit aller Entschiedenheit wolle sich Merkel im Kreis der EU-Länder für ein gesamteuropäisches Vorgehen zur Bewältigung des Flüchtlingsaufkommens einsetzen. Zwar sei Abschottung im 21. Jahrhundert des Internets eine Illusion, so Merkel angesichts von Forderungen, die Grenzen für Flüchtlinge zuzumachen. Laut spiegel.de fordert Deutschland in einem Entwurf dennoch mehr Befugnisse für Soforteinsatzteams der Grenzschutzbehörde Frontex. Zudem sollen möglichst bald Hotspots zur Registrierung von Flüchtlingen und eine spezielle Rückführungsstelle für abgelehnte Asylwerber eingerichtet werden sowie finanzielle Anreizmaßnahmen für deren Heimatländer erhöht werden. Die Schlüsselrolle in der aktuellen Situation spiele ohne Zweifel die Türkei, sagte Merkel, ohne sie könnten die hohen Flüchtlingszahlen nicht eingedämmt werden. Es ist nicht hinnehmbar, dass die schmale Meeresrinne, die zwischen der türkischen Küste und den griechischen Inseln und damit zwischen zwei Nato-Partnern liegt, im Augenblick von Schleppern beherrscht wird. Zugeständnisse sollen die türkische Regierung zu Maßnahmen bewegen, die Grenze zur EU zu sichern und die bisher 2,5 Millionen aufgenommenen Flüchtlinge mehrheitlich im Land zu behalten. Der Fraktionsvorsitzende der konservativen EVP im Europaparlament, Manfred Weber, warnte allerdings vor zu weitgehenden Zugeständnissen an die Türkei. Die EU darf sich von der Türkei nicht in die Enge treiben lassen, sagte er der Zeitung Welt. Spätestens seit dem Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan in Brüssel in der vergangenen Woche ist klar, dass die Türkei für ihr Entgegenkommen Forderungen hat. Zum Beispiel wünscht sie sich die Einrichtung einer Sicherheitszone in Nordsyrien. Weiters soll die Visa-Liberalisierung thematisiert werden. Auch die Eröffnung eines neuen Kapitels in den Beitrittsverhandlungen mit der EU kommt wohl auf den Tisch. Das Kapitel zu Sicherheit und Justiz soll als nächstes drankommen, ein besonders heikler Verhandlungsgegenstand. Osteuropäischen Staaten wollen indes beim Gipfel ihre Strategien darlegen, um den Strom der Flüchtlinge in ihre Länder zu begrenzen. Die Visegrád-Gruppe aus Polen, Tschechien, der Slowakei und Ungarn plant laut Informationen von spiegel.de, eigene Truppen aufzustellen, die die ungarische Südgrenze sichern. Mit der EU habe man sich dahingehend nicht abgesprochen, sagte ein Diplomat laut dem Bericht: Wir müssen uns nicht mit der EU koordinieren. Auf der Tagesordnung steht eigentlich auch das Thema EU und Großbritannien und welche nächsten Schritte von der britischen Regierung zu erwarten sind. Viel Zeit wird dafür wohl nicht bleiben. Britische Medien spekulieren, dass ernsthafte Gespräche über die von Großbritannien gewünschten Konzessionen vielleicht erst im Frühjahr beginnen werden, statt wie geplant beim nächsten Gipfel im Dezember. 'Den EU-Staaten soll 2016 gelingen, woran sie seit Jahren gescheitert sind: faire Lösungen in der Flüchtlingspolitik und der Schutz der Außengrenze. Was werden im nächsten Arbeitsjahr die wichtigsten Themen der Union sein? Ein Vertreter der niederländischen Regierung zögert im Gespräch mit dem STANDARD nicht eine Sekunde: Flüchtlinge, Migration ganz generell, und die Sicherheit Kritik an Behandlung von Flüchtlingen und Deal mit Türkei unter autoritärem Präsidenten Tayyip Erdogan. Straßburg – Das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei beschäftigt am Mittwoch das Europaparlament in Straßburg. Die Abgeordneten wollen unter anderem mit EU-Ratspräsident Donald Tusk über die Flüchtlingspolitik der Europäischen Union sprechen. Dazu gehört auch die Vereinbarung mit Ankara vom März über die Rücknahme von Migranten, die illegal nach Griechenland eingereist sind. Im EU-Parlament gibt es Kritik an der Behandlung der Flüchtlinge. Die Abgeordneten wollen auch über die Menschenrechtslage in der Türkei diskutieren. Außerdem steht eine Debatte über neue Regeln für Datenschutz und Fluggastdaten auf der Tagesordnung. Über diese Frage wird am Donnerstag abgestimmt. Die Themen waren Soziales, Integration und Kampf gegen Steuervermeidung. Wien – Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz, ist Donnerstagabend in Wien mit dem neuen Bundeskanzler Christian Kern (SPÖ) zusammengetroffen. Themen des Gesprächs waren soziale Fragen in Europa, Integration und der Kampf gegen Steuervermeidung, die durch Umschichtung von Gewinnen in andere Länder erzielt wird, teilte eine Sprecherin Kerns mit. Laut dem Kurier (Donnerstag-Ausgabe) wollten Schulz und Kern bei ihrer Unterredung am Ballhausplatz auch die Beziehung zwischen dem EU-Parlament und der Bundesregierung diskutieren sowie die Kooperation auf Ebene der europäischen Sozialdemokratie abstecken. Wie der Kurier weiter schrieb, sei Schulz aber auch mit einer Botschaft nach Wien gekommen: Die Wahl von Alexander Van der Bellen zum neuen Bundespräsidenten zeige, dass man mit klarer pro-europäischer Haltung Wahlen gewinnen kann. Es ist eine Niederlage für Euro-Skeptiker. Das sollte auch andere ermuntern, mit pro-europäischen Argumenten zu werben – auch in der Flüchtlingspolitik – und nicht Populisten und Rechten hinterherzulaufen, so Schulz. Vor dem Treffen mit Kern wollte der EU-Parlamentspräsident als ersten Termin in Wien aus persönlicher Freundschaft zu einem Frühstück mit dem ehemaligen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zusammenkommen. Cameron präsentiert auf EU-Gipfel eigene Reformideen. Bevor die Staats- und Regierungschefs der EU in das harte Ringen um eine Lösung für Griechenland eingriffen, widmeten sie sich zum Aufwärmen beim EU-Gipfel am Donnerstag einer leichteren Übung: der Debatte über die Reform der EU-Verträge, die das Funktionieren der Gemeinschaft erleichtern und zugleich die Sonderwünsche einzelner Länder wie Großbritannien berücksichtigen. Basis der Beratungen war ein von fünf Präsidenten wichtiger EU-Institutionen erstelltes Reformkonzept, von Jean-Claude Juncker (Kommission), Martin Schulz (EU-Parlament), Mario Draghi (Zentralbank), Jeroen Dijsselbloem (Eurogruppe) und Ratspräsident Donald Tusk. Kern ihrer Vorschläge ist eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion. Zwei Phasen soll es geben: Zunächst soll versucht werden, über die bisher geleisteten Änderungen zur Bildung einer Bankenunion ein gemeinsames Einlagensicherungssystem zu schaffen. Dies würde allen Bürgern der Eurozone die Sicherheit geben, dass Ersparnisse von 100.000 Euro gesichert werden. Neben der Harmonisierung der Regeln für Banken, die seit einem Jahr einer von der EZB organisierten gemeinsamen Überwachung unterliegen, wollen die Präsidenten die wirtschaftspolitische Steuerung durch die EU-Kommission stärken. In einer zweiten Phase nach 2017 soll die Eurozone dann durch Maßnahmen vertieft werden, die einer Vertragsänderung bedürfte. So könnte es zu einem gemeinsamen Budget der Staaten der Währungsunion kommen. Auch soll es einen hauptberuflichen fixen Chef der Eurogruppe geben, der auch dem EU-Parlament verantwortlich wäre. Die Regierungschefs nickten den Bericht mit Wohlwollen ab. Kontroverse Diskussionen waren hingegen zu den Wünschen des britischen Premiers David Cameron am späten Abend zu erwarten. London will eine Rückverlagerung von EU-Kompetenzen, insbesondere in Fragen der Personenfreizügigkeit und bei Sozialem. Cameron kann mit Zugeständnissen rechnen, wenn dies nicht dazu führt, dass der Kern der Union behindert wird. Die britische Königin Elizabeth II nahm bei ihrem Deutschlandbesuch Mittwochabend überraschend deutlich dazu Stellung: Eine Spaltung Europas wäre gefährlich, warnte sie bei einem Festbankett in Berlin, wir müssen uns seriös anstrengen, die positiven Veränderungen seit dem Krieg zu erhalten. 'Romano Prodi warnt vor politischer Lähmung der EU. Für Romano Prodi ist es keine Frage, ob die Balkanländer zur EU gehören sollen Innenminister: Auch die Rolle des EU-Datenschutzbeauftragten gestärkt. Brüssel – Die EU-Innenminister haben am Freitag neue Kontrollrechte des EU-Parlaments und des europäischen Datenschutzbeauftragten für die EU-Polizeiagentur Europol verabschiedet. Die neue Verordnung wurde vom EU-Innenministerrat in Brüssel angenommen. In den kommenden Monaten soll der Beschluss auch mit dem EU-Parlament formalisiert werden. Der luxemburgische Innenminister und amtierende EU-Ratsvorsitzende Etienne Schneider bezeichnete den Beschluss als wichtigen Schritt, um die Polizeizusammenarbeit in Europa zu stärken. Die neue Verordnung regelt die Kontrollrechte des EU-Parlaments über Europol nach dem Lissabon-Vertrag. Außerdem sichert sie dem EU-Datenschutzbeauftragten Kontroll- und Eingriffsrechte gegenüber Europol beim Datenschutz. "Im Moment Überforderung zu groß". Brüssel – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) sieht derzeit keine Chance für eine Aufnahme von anerkannten Flüchtlingen aus der Türkei. Im Moment ist die akute Überforderung so groß, dass ich mir kein Land in der Europäischen Union vorstellen kann, das bereit wäre ad hoc eine große Zahl an Flüchtlingen zu übernehmen, sagte Kurz am Montag in Brüssel. Er halte sehr viel von solchen Resettlement-Programmen, betonte der Außenminister. Durch sie werde auch den Ärmsten der Armen geholfen. Aber die Überforderung in Europa, insbesondere in Deutschland, Österreich und Schweden ist im Moment so groß, dass es zunächst notwendig ist, diese ungesteuerten Zuströme an Flüchtlingen in den Griff zu bekommen und Grenzsicherheit zu schaffen, sagte Kurz. Erst dann könne man parallel dazu über solche Programme nachdenken. Kurz traf am Montag am Rande des EU-Außenministerrates auch mit seinem türkischen Ressortkollegen Mevlüt Cavusoglu in Brüssel zusammen. Dabei sei das Resettlement kein Thema gewesen, sagte Kurz. Kurz äußerte sich auch zu dem erwarteten positiven Vorschlag der EU-Kommission für eine Visabefreiung für die Ukraine, Georgien und den Kosovo. Bei dieser Frage dürfe sich die EU nicht von Emotionen leiten lassen, forderte er. Für Visafreiheit gebe es klare Spielregeln. Wenn die Kriterien nicht erfüllt seien, dürfe sich die EU auch nicht zu Schritten in diese Richtung treiben lassen. Um weitere sechs Monate – Deutsche Wirtschaft kritisiert Verlängerung. Brüssel – Die europäischen Wirtschaftssanktionen gegen Russland werden wegen der unzureichenden Fortschritte im Friedensprozess für die Ukraine um weitere sechs Monate verlängert. Vertreter der 28 EU-Staaten starteten am späten Freitagnachmittag das offizielle Beschlussverfahren. Es gilt als Formalie und soll bereits am Montag abgeschlossen sein. Die EU hatte die Wirtschaftssanktionen gegen Russland trotz Milliardenverlusten für heimische Unternehmen zuletzt im Sommer bis zum 31. Jänner 2016 verlängert. Gleichzeitig wurde damals beschlossen, die Handels- und Investitionsbeschränkungen erst dann aufzuheben, wenn die Vereinbarungen des Minsker Friedensplans zum Ukraine-Konflikt komplett erfüllt sind. Dies ist nicht der Fall – unter anderem muss die Ukraine erst wieder die Kontrolle über ihre Grenze im Osten bekommen. Mit der Koppelung der Sanktionen an den Friedensplan wollen die EU-Staaten den russischen Präsidenten Wladimir Putin dazu bewegen, seinen Einfluss auf die prorussischen Separatisten in der Ostukraine weiter für eine Beilegung des Konfliktes zu nutzen. Russland hatte aus Sicht seiner Kritiker die Separatisten im Bürgerkrieg auch mit Soldaten und Waffenlieferungen unterstützt. Die russische Führung hat zunächst gelassen auf die Verlängerung reagiert. Die Entscheidung war zu erwarten, wir bekamen nichts Neues zu hören, sagte Wirtschaftsminister Alexej Uljukajew nach Agenturberichten am Freitagabend. Uljukajew betonte, dass sich die Strafmaßnahmen nicht auf die russische Wirtschaft auswirkten. Moskau hält die Strafmaßnahmen jedoch für ungerechtfertigt und hat im Gegenzug Einfuhrverbote für westliche Agrarprodukte wie Obst und Fleisch verhängt. Allein die deutsche Wirtschaft rechnet für dieses Jahr mit einem Rückgang der Exporte nach Russland um 8,5 Milliarden Euro. Bereits 2014 waren sie um 6,5 Milliarden Euro eingebrochen. Der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft zeigte sich dementsprechend enttäuscht von der Entscheidung der EU-Staaten. Nachdem die russische Regierung in den vergangenen Monaten Signale der Deeskalation ausgesandt hat, hätten wir uns von den EU-Regierungschefs deutlich mehr Mut gewünscht, auf Russland zuzugehen, kommentierte der Vorsitzende Eckhard Cordes bereits im Vorfeld. Es werde völlig übersehen, dass zur Umsetzung des Minsk-Abkommens auch Kiew entscheidende Beiträge leisten müsse, etwa eine Verfassungsreform. Auf Distanz zu den Wirtschaftssanktionen ging auch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Es ist ja wohl unbestritten, dass Russland gebraucht wird, um Krisenherde in dieser Welt zu beenden, sagte er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Man muss die Frage stellen, wollen wir die Sanktionen auf unbegrenzte Zeit laufen lassen? Oder ist es an der Zeit, darüber zu reden? Dagegen betonte der ÖVP-Europaabgeordnete Othmar Karas, die EU-Mitgliedsstaaten seien wegen der Nichteinhaltung des Minsker Friedensabkommens (...) gezwungen, die Sanktionen zu verlängern. Der Vorsitzende der EU-Russland-Delegation im Europaparlament hielt sich am Freitag gemeinsam mit dem Vorsitzenden des Außenpolitischen Ausschusses, Elmar Brok, zu politischen Gesprächen in Moskau auf. Der Beschluss sollte ursprünglich bereits Anfang Dezember gefasst werden. Mehrere Länder, allen voran Italien, hatten jedoch Zweifel an der Entscheidung angemeldet, Russland einerseits mit Strafmaßnahmen zu belegen und andererseits die Hilfe des Landes im Syrienkonflikt zu suchen. Dadurch war es zu einer zweiwöchigen Verzögerung bei der Verlängerung der Sanktionen gekommen. Eine Aufhebung aller Sanktionen soll es nach dem Willen vieler EU-Staaten erst dann geben, wenn die Ukraine auch die von Russland annektierte Schwarzmeerhalbinsel Krim wiederbekommt. Für dieses Gebiet gelten besonders weitreichende Wirtschaftssanktionen. Der Beschluss zur Verlängerung der Wirtschaftssanktionen soll am kommenden Dienstag im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden. Außen- und Verteidigungsminister beraten Sicherheits- und Anti-Terror-Maßnahmen. Da draußen ist Krieg. Wir können also nicht nur Papiere verfassen. Wir müssen endlich handeln – so fasste die niederländische Verteidigungsministerin Jeanine Hennis-Plasschaert Freitag die Beratungen der Außen- und Verteidigungsminister der EU in Amsterdam zusammen. Aber genau daran mangelt es. Meldungen über eine gravierende Verschärfung der Kampfhandlungen um Aleppo in Syrien und Geheimdienstinformationen zum Erstarken der Jihadisten des Islamischen Staates (IS) in Libyen belasteten die Aussprache über eine erweiterte Sicherheitskooperation. Die Bekämpfung der Terrorgefahr gehört dazu. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der von einer Reise aus dem Mittleren Osten zur Runde stieß, betonte in düsteren Worten, wie wichtig eine konstruktive Beteiligung des Iran und Saudi-Arabiens am Syrien-Friedensprozess wäre. Der wurde in Genf gerade auf Ende Februar verschoben. Ohne diese beiden Schlüsselländer sei eine Beilegung des Konflikts nicht möglich. Im Hintergrund der Gespräche war die Migrations- und Flüchtlingskrise definitiv das Hauptthema, sagte Außenminister Sebastian Kurz. Sicherheitsexperten der Union befürchten, dass sich bei weiterer Eskalation in Syrien die Flüchtlingsbewegung nach Europa nochmals erhöht, unabhängig davon, ob es gelingt, die derzeitige Hauptroute über den Balkan zu entschärfen. Die Hoffnung der Europäer ist daher nun darauf gerichtet, dass in Libyen nach monatelanger Ungewissheit bald eine neue Einheitsregierung in die Gänge kommt, was aber fraglich ist. Dann will die EU mit ihr – und nur auf ihren Wunsch hin – polizeiliche und militärische Maßnahmen ausweiten, erklärte EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Derzeit ist die Operation Sophia zur Flüchtlingshilfe auf das Mittelmeer begrenzt und reicht nicht in libysche Hoheitsgewässer. In Zukunft könnten Training für Polizei und Militär zum Aufbau einer Armee in Libyen, die Grenzsicherung bzw. der Häfen und Maßnahmen zur Bekämpfung der Islamisten im Land selbst dazukommen – alles mit UN-Billigung. Die EU wie auch die Nato bereiten sich darauf konkret vor: Die Nato steht bereit, eine neue Einheitsregierung in Libyen zu unterstützen, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg in Amsterdam. 22 von 28 EU-Ländern sind Mitglieder der nordatlantischen Allianz und waren (mit einigen Ausnahmen) auch beim Kriegseinsatz gegen das Regime von Muammar al-Gaddafi im Frühjahr 2011 beteiligt. In Libyen sollen sich bis zu 5.000 IS-Kämpfer aufhalten. Sie sollen tief ins Schlepperwesen verstrickt sein, ein Millionengeschäft mit Flüchtlingen. Das Land beginne, ein Rückzugs- und Operationsgebiet des IS zu sein, besonders in der Hafenstadt Sirte, warnte die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen. Ausländer sollen eine Zeitlang keine Sozialhilfeleistungen bekommen. Brüssel – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist offen dafür, über Anpassungen bei der heimischen Familienbeihilfe für EU-Ausländer zu sprechen: Vorausgesetzt, der Vertrag tritt in Kraft, wenn die Briten bei der Volksabstimmung für den Verbleib in der EU stimmen, sollten wir uns zusammensetzen und darüber reden, was daraus auch für Österreich sinnvoll wäre, sagte er der Kronen Zeitung. Eine Arbeitsgruppe der zuständigen Ministerien diskutiert bereits seit einigen Wochen Möglichkeiten der Einschränkungen der Familienbeihilfe. Ergebnisse werden laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im März erwartet. Die weitere Vorgangsweise nach dem britischen Deal mit der EU sei im Beschluss der Staats- und Regierungschefs ganz klar festgelegt, erklärte Kanzleramtsminister Josef Ostermayer (SPÖ) in einer Aussendung. Wenn sich Großbritannien beim Referendum am 23. Juni gegen einen Verbleib in der Union ausspricht, komme das ganze Paket nicht, betonte Ostermayer. Falle die Entscheidung positiv aus, werde die Europäische Kommission die vereinbarten Vorschläge zur Änderung des Sekundärrechts der EU vorlegen. Durch diese Vorgangsweise sei geklärt, dass Österreich genau prüfen könne, welche Schritte und Maßnahmen aus dem Paket in Österreich angewendet werden können und für welche Bereiche man die nötigen Schritte einleite, meinte Ostermayer. In den Abschlussdokumenten sei auch bereits erklärt, wie die Anpassung der Familienbeihilfe vonstattengehen würde: Mitgliedsstaaten können demnach die Höhe von Leistungen für Kinder in einen anderen Mitgliedsstaat an die dortigen Bedingungen koppeln. Zunächst könnte das nur für Neuanträge gelten, ab 2020 auch für bestehende Ansprüche. Auch Außen- und Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) fordert angesichts der jüngsten Ergebnisse des EU-Gipfels auch in Österreich Anpassungen der Familienbeihilfe für EU-Ausländer. Auch sollten Ausländer für eine bestimmte Dauer keine Sozialhilfeleistungen wie die Mindestsicherung bekommen, bekräftigte Kurz über seinen Sprecher am Samstag. Zugewanderte Arbeitnehmer aus anderen EU-Staaten sollen in Großbritannien künftig erst nach vier Jahren Anspruch auf volle Sozialleistungen haben. Der EU-Gipfel hatte am Freitagabend auf Drängen Großbritanniens außerdem beschlossen, dass EU-Staaten künftig nicht mehr verpflichtet sein sollen, Kindern von EU-Ausländern den vollen Familienbeihilfensatz zu zahlen, wenn diese in den Herkunftsländern leben. Bereits im Sommer hatte Kurz seine Forderungen nach einer Anpassung der Familienbeihilfe auf das Niveau des Heimatlandes der Kinder sowie den temporären Ausschluss von ausländischen Arbeitnehmern von Sozialhilfeleistungen erhoben. Dementsprechend erfreut zeigte er sich am Samstag über die Ergebnisse des EU-Gipfels. Beides sei nun unter gewissen Voraussetzungen auch hierzulande möglich, und der Minister bleibe dabei, dass wir das auch in Österreich umsetzen sollten, betonte sein Sprecher. Das Thema soll nun in der Regierung besprochen werden. Österreich hat im Vorjahr 223 Mio. Euro Familienbeihilfe an im EU-Ausland lebende Kinder ausbezahlt, deren Eltern hierzulande arbeiten. 2013 waren es 207 Mio. Euro. Das geht aus einer Anfragebeantwortung des Finanzministeriums vom Herbst vergangenen Jahres hervor. Häufigstes Wohnsitzland der Kinder war Ungarn mit 7.744 Beziehern und ausbezahlten 72 Mio. Euro, dahinter folgten Kinder in der Slowakei, Polen, Deutschland, Slowenien und Tschechien. FPÖ-Generalsekretär und Delegationsleiter im Europaparlament, Harald Vilimsky, sieht in einer Kürzung bzw. überhaupt Streichung von Sozialleistungen für EU-Einwanderer ein geeignetes Instrument, Glücksritter und Wirtschaftsflüchtlinge von Österreich fernzuhalten. Er forderte in einer Aussendung angesichts der österreichischen Hauptlast der Migrationsströme einen saftigen rot-weiß-rot-Rabatt sowie auch andere Besserstellungen für unser Land. Andernfalls will er ein Referendum über den Austritt Österreichs aus der EU, quasi den Öxit, andenken. Kritik an der Koppelung der Familien-Zahlungen an die Lebenshaltungskosten im Ausland kommt von den NEOS: Immerhin zahlen EU-Ausländer in Großbritannien ihre Steuern und Beiträge und nicht in ihrem Herkunftsland, betonte EU-Abgeordnete Angelika Mlinar. In Großbritannien arbeitenden und zahlenden EU-Ausländern für vier Jahre Sozialleistungen zu versagen, verstößt in unzulässiger Weise gegen das Diskriminierungsverbot, einem zentralen Grundpfeiler der europäischen Rechtsordnung. Großbritannien entferne sich weiter von einem vereinten Europa, meinte NEOS-Europasprecher Rainer Hable. Familienministerin möchte SPÖ gemeinsam mit Kurz Vorschlag für Gesetzesänderungen und Zeitplan vorlegen. Brüssel – Familienministerin Sophie Karmasin (ÖVP) hat bereits ihre Mitarbeiter beauftragt, die jüngsten EU-Beschlüsse zur Anpassung der Familienbeihilfe ans Herkunftsland auf mögliche Umsetzung in Österreich zu prüfen. In den kommenden Wochen will sie mit ihrem Ministerkollegen Sebastian Kurz (ÖVP) der SPÖ einen Vorschlag mit möglichen gesetzlichen Anpassungen und einem Zeitplan vorlegen. Es gehe darum, dass man zeitnah nach dem britischen EU-Referendum (am 23 Juni, Anm.) handeln könne, erklärte Karmasin am Sonntag in einer Aussendung. Den britischen Deal mit der EU, der es auch Österreich ermöglichen würde, die Höhe der Familienbeihilfe an den Wohnsitz des Kindes anzupassen, begrüßte Karmasin ausdrücklich. Das bringt mehr Fairness und eine deutliche Entlastung des Familienlastenausgleichfonds. Österreich hat im Vorjahr 223 Mio. Euro Familienbeihilfe an im EU-Ausland lebende Kinder ausbezahlt, deren Eltern hierzulande arbeiten. Eine Arbeitsgruppe der zuständigen Ministerien diskutiert bereits seit einigen Wochen Möglichkeiten der Einschränkungen der Familienbeihilfe. Ergebnisse werden laut Sozialminister Alois Stöger (SPÖ) im März erwartet. Dass sich nach dem EU-Gipfel am Wochenende auch Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) diskussionsbereit gezeigt hat, die Ergebnisse zu übernehmen, sorgte bei der Grünen Sozialsprecherin Judith Schwentner für Kritik. Minister Kurz hat mit seinen unsachlichen Aussagen bereits die Türen für eine Neidpolemik gegen andere EU-BürgerInnen geöffnet. Folgt ihm Faymann auf Schritt und Tritt? Wie rückgratlos, befand Schwentner. ÖVP und SPÖ fahren einen gefährlichen Antisolidaritäts-Kurs. Gerade osteuropäische Arbeitnehmer leisteten wichtige Arbeit in Österreich, etwa in der Pflege, betonte Schwentner. Sie zahlten in Österreich denselben Beitrag wie österreichische Arbeitnehmer in den Familienausgleichsfonds ein, also stehe ihnen auch die gleiche Familienbeihilfe zu. Eine Neuerung könnte auch für Österreicher Verschlechterungen bedeuten, erinnerte sie: Wenn ein österreichischer Student künftig ein Jahr im Ausland studiere und das Lohnniveau dort niedriger ist, werde auch dieser weniger Familienbeihilfe beziehen. Die außerdem von den Briten ausverhandelte Sonderregelung, wonach Ausländer in Großbritannien erst nach vier Jahren volle Sozialleistungen erhalten sollen, findet wiederum das Team Stronach sehr vernünftig. Eine solche Regelung sei auch für Österreich wünschenswert, meinte Team Stronach-Klubobmann Robert Lugar. Vizepräsidentin der EU-Kommission fordert mehr Teamarbeit und kritisiert Finanzminister der EU. Alpbach – Ich hoffe, dass wir in der Zukunft viel härter gegen solche kriminellen Akte vorgehen. Entsetzt und entschlossen zeigte sich Kristalina Georgiewa, Vizepräsidentin der EU-Kommission, am Rande des Forums Alpbach angesichts von 71 toten Flüchtlingen, die in einem Lkw in Burgenland gefunden wurden. Im Gespräch mit dem STANDARD und der Tiroler Tageszeitung versuchte die Politikerin die Gründe der Flüchtlingskrise, wie sie meint, ein Tsunami, der sich langsam fortbewegt zu analysieren: Man sei derzeit nicht mit einem Konflikt, sondern mit einer Vielzahl von Konflikten konfrontiert. Allein im vergangenen Jahr seien es 400 gewesen. Europa habe Probleme, sich mit mehr als einer Krise gleichzeitig zu beschäftigen. Georgiewa forderte mehr Teamarbeit und kritisierte die Finanzminister der EU, die angesichts eines Budgetentwurfs mit deutlich mehr Ausgaben für Migration versuchten, das Geld zu bewachen, das von der EU zurück an die Mitgliedstaaten fließt. Sie glaubt nicht, dass der Flüchtlingsstrom rasch endet. Es gebe 60 Millionen Vertriebene, wenn nur zehn Prozent kämen, wäre das auch noch viel. Die EU müsse den Mitgliedstaaten helfen, diese Menschen zu integrieren. Man müsse entschlossen den Dialog suchen. Nach Rückzug Kroatiens aus dem Tribunal – Ronny Abraham war von Slowenien zur Rettung des Verfahrens ernannt worden. Den Haag – Das internationale Schiedsverfahren im slowenisch-kroatischen Grenzstreit ist praktisch gescheitert. Der von Slowenien zur Rettung des Verfahrens zum Tribunalsmitglied ernannte Präsident des Internationalen Gerichtshofs (IGH), Ronny Abraham, hat sich am Mittwoch aus dem Gremium zurückgezogen. Abraham sollte dem slowenischen Richter Jernej Sekolec nachfolgen, der wegen einer Affäre um Indiskretionen und angebliche Druckausübung auf das Tribunal zurückgetreten war. Kroatien zeigte sich von der Ernennung Abrahams aber unbeeindruckt und zog sich in der Vorwoche trotzdem aus dem Schiedsverfahren zurück. Er habe der Ernennung zugestimmt, weil er das Vertrauen zwischen den Parteien und den Vertragsparteien wiederherzustellen helfen wollte, wurde Abraham am Mittwoch in einer Aussendung des Schiedsgerichts zitiert. Weil er diese Erwartungen in der jetzigen Situation nicht erfüllen könne, ziehe er sich nun aus dem Tribunal zurück. Kroatien in Kenntnis gesetzt Das Schiedsgericht bestätigte in der Aussendung auch, dass es von Kroatien von der Absicht in Kenntnis gesetzt worden sei, das Schiedsabkommen zu beenden. Unter Experten ist umstritten, ob Zagreb das Abkommen einseitig auflösen kann. Das Gericht hatte es zuvor abgelehnt, seine Arbeit wegen der Pirangate genannten Affäre selbst einzustellen. Stattdessen kündigte es eine Anhörung beider Parteien an. Formell kann das Tribunal weiterarbeiten, doch hat Zagreb bereits klargestellt, dass es den Schiedsspruch nicht akzeptieren werde. Das Tribunal besteht aus fünf Richtern, drei internationalen Experten sowie je einem Richter aus Slowenien und Kroatien. Nach dem Rückzug Abrahams muss Slowenien innerhalb von 15 Tagen einen neuen Richter benennen. Tut es dies nicht, kann das Schiedsgericht selbst ein weiteres Mitglied ernennen. In der Vorwoche hatte sich bereits der kroatische Richter Budislav Vukas aus dem Schiedsgericht zurückgezogen. Er übte daraufhin scharfe Kritik an seinen Kollegen, weil diese Slowenien im Konflikt um die Adriabucht von Piran kroatische Küstengewässer hätten zusprechen wollen. Kroatien argumentiert, dass das Schiedsgericht durch die Affäre seine Glaubwürdigkeit verloren habe und auch eine Auswechslung der Richter nichts daran ändern könne. Der slowenische Richter Sekolec habe nicht nur die Geheimhaltungspflicht verletzt, sondern auch Druck auf seine Kollegen ausgeübt. Außerdem habe Slowenien auf unerlaubte Weise Beweise in das Verfahren eingebracht. Kalte Füße Nach Ansicht von Beobachtern hatte es Zagreb mit dem Rückzug aus dem Schiedsgericht vor allem deswegen so eilig, weil sich ein für Slowenien vorteilhafter Schiedsspruch abzeichnete. Aus abgehörten Telefongesprächen von Sekolec mit einer Mitarbeiterin des slowenischen Außenministeriums ging hervor, dass das Gericht Slowenien einen Großteil der umstrittenen Adriabucht von Piran zusprechen werde und nicht nur die Hälfte. Dafür sollte Slowenien bei der Landesgrenze nachgeben. Eine solche Lösung sah bereits das im Jahr 2001 von den Regierungen beider Staaten unterzeichnete Grenzverlaufsabkommen vor, doch bekam Kroatien damals kalte Füße. Das jetzige Schiedsverfahren wurde eingesetzt, nachdem sich die früheren jugoslawischen Teilrepubliken jahrelang nicht selbst auf eine Lösung einigen konnten, was in einer mehrmonatigen Blockade der kroatischen Beitrittsgespräche durch Slowenien in den Jahren 2008 und 2009 gipfelte. Das im November 2009 unter EU-Schirmherrschaft unterzeichnete Schiedsabkommen machte den Weg frei für den EU-Beitritt Kroatiens. Wegen des wieder aufgeflammten Grenzkonflikts gibt es in Slowenien bereits Forderungen, den kroatischen Beitritt zum Schengenraum zu blockieren. Aber Haltung Kroatiens offenbar unverändert. Ljubljana/Zagreb – Das internationale Schiedsgericht zur Lösung des langjährigen slowenisch-kroatischen Grenzstreits ist wieder vollständig besetzt. Das Tribunal bestellte zwei neue Ersatzmitglieder auf die vakanten Posten der nationalen Schiedsrichter Sloweniens und Kroatiens, hieß es am Freitag laut der slowenischen Nachrichtenagentur STA aus Den Haag. Das Schiedsgericht will nun die Positionen beider Parteien sorgfältig prüfen, darunter auch den kroatischen Rückzug vom Schiedsabkommen. Auch zu zusätzlichen Erklärungen könnten die beiden Länder aufgefordert werden, betonte das Gericht. Der Norweger Rolf Fife nahm in dem fünfköpfigen Tribunal den Posten des von Slowenien bestimmten Richters ein, der Schweizer Nicolas Michel den des kroatischen Richters. Die beiden Posten sind infolge von Rücktritten nach der im Juli ausgebrochenen Affäre um Indiskretionen der slowenischen Seite, die zum Rückzug Zagrebs aus dem Schiedsverfahren führte, vakant geworden. Ljubljana begrüßte die Bestellung der Ersatzrichter, mit denen das fünfköpfige Tribunal wieder vollständig ist. Das Schiedsgericht kann somit seine Arbeit fortsetzen, teilte Regierungschef Miro Cerar am Freitag mit. Diese Entscheidung stärkt die Erwartung, dass die Grenze zwischen Slowenien und Kroatien endgültig festgelegt wird, wie das die beiden Länder mit dem Schiedsabkommen vereinbart haben, hieß es aus dem Büro Staatspräsident Borut Pahor. Damit würde laut Pahor das Problem, das seit fast zwei Jahrzehnten die bilateralen Beziehungen lähmte, gelöst werden. Seit dem Ausbruch der Affäre bemüht sich Slowenien um die Fortsetzung des Schiedsverfahrens, das die umstrittene Grenze an der Nordadria und teilweise am Land bestimmen soll. Um seine Unbefangenheit zu demonstrieren, wurde die Wahl des neuen Schiedsrichters dem Tribunal in Den Haag überlassen. Zagreb enthielt sich eines Kommentars. Weil bekannt ist, dass Kroatien aus dem Schiedsverfahren ausgestiegen ist, hieß es aus dem kroatischen Außenministerium laut STA. Aus Sicht Kroatiens ist das Verfahren wegen Handlungen der slowenischen Seite für immer kompromittiert. Deswegen beteiligt sich Zagreb nicht mehr an der Arbeit des Tribunals und hat auch auf die Bestellung seines Ersatzrichters verzichtet. Dieses bestellte nun das Gericht selbst. EU-Experte Tobias Flessenkemper geht mit der Union hart ins Gericht. Sie signalisiere, dass Werte verhandelbar sind, wenn es politisch ratsam erscheint. STANDARD: Die EU-Kommission veröffentlicht jeden Herbst Fortschrittsberichte zu den Kandidatenstaaten. Heuer ist das nicht passiert. Human Rights Watch geht nun davon aus, dass die Kommission es nicht getan hat, weil im Türkei-Bericht die Menschenrechtslage und die Medienfreiheit in der Türkei kritisiert wird. Gleichzeitig will die EU der Türkei entgegenkommen, da man sie wegen der Flüchtlingskrise braucht. Tobias Flessenkemper: Es ist in der Tat erstaunlich, dass es seit Jahren zum ersten Mal nicht möglich ist, diesen Rhythmus beizubehalten. Der Prozess der EU-Erweiterung wird zunehmend von den EU-Mitgliedsstaaten politisiert. Das hat jetzt eine neue Qualität erreicht. Es ist nicht überzeugend, dass die Kommission, die in den vergangenen Jahren viele Krisen bewältigt hat, nun die Flüchtlingskrise für die Verzögerung der Fortschrittsberichte verantwortlich macht. Es scheint da eher eine unerquickliche Verbindung zu geben und so zu sein, dass durch den Besuch von Angela Merkel in Ankara ein sogenannter Pragmatismus eingeführt wurde. Letztlich sieht es so aus, als ob man hofft, dass die Türkei helfen könnte, die Flüchtlingskrise abzumildern im Tausch gegen ein weniger genaues Hinsehen bei Meinungsfreiheit und Menschenrechten. STANDARD: Welche Auswirkungen hat das auf die Erweiterungsstrategie der EU? Flessenkemper: Das steht in der Folge einer weiteren Nationalisierung der Erweiterungspolitik, bei der die EU-Mitgliedsstaaten großen Einfluss ausüben. Bisher war der Einfluss klar, wenn es um den Abschluss der Assoziierungsabkommen, die Eröffnung der Verhandlungen oder das Öffnen und Schließen von Verhandlungskapiteln ging. Nun ist zum ersten Mal offensichtlich, dass die Mitgliedsstaaten die Autorität der EU-Kommission bei der Erstellung der Fortschrittsberichte untergraben. Dabei hat die Kommission wichtige Anstrengungen unternommen, die Fortschrittsberichte zu verbessern. Das Instrument wurde in den vergangenen Jahren als wenig nützlich angesehen. Also hat man den Schwerpunkt auf Kapitel 23 und 24 des Acquis, Rechtsstaat und Justiz, gelenkt, und Kommissar Johannes Hahn hat auch begonnen, bei den Grundrechten genauer hinzusehen, etwa bei der Frage der Medien. Dieser Ansatz scheint jetzt ins Hintertreffen zu geraten. Damit gehen Risiken einher, nicht nur in der Türkei, sondern auch auf dem westlichen Balkan. Denn wenn die Reformbemühungen bei den politischen Kriterien etwa in der Justiz nicht fruchten, dann wird das Versagen der Länder bei der Regierungsführung zur größten Stärke Russlands. Denn wenn die EU ihre eigenen Werte als verhandelbar betrachtet, greift das Reforminstrumentarium der EU nicht mehr. Der Versuch eines möglichst objektiven Prozesses bei den Verhandlungen wird untergraben. STANDARD: Wenn Sie sagen, der Erweiterungsprozess sei nationalisiert. Heißt das nicht einfach, dass die Kommission sehr schwach ist? Flessenkemper: Ja, das heißt es. Das ist bereits ein längerer Prozess, der seit dem Lissaboner Vertrag offensichtlich ist. Bei der heute entscheidenden Schnittstelle von Migration, Erweiterung und Außenpolitik haben die Mitgliedsstaaten das Heft in der Hand, und die Kommission ist nicht in der Lage, kongruente Vorschläge zu machen. STANDARD: Welche Auswirkungen hat das auf die Glaubwürdigkeit der EU? Flessenkemper: Es steht ohnehin nicht gut um die Glaubwürdigkeit der EU in der Region. Die letzten Auseinandersetzungen haben sicher kein Bild der Stärke und Zusammenarbeit abgegeben. Wenn aber bei sensiblen Themen wie den politischen Kriterien mit den Kandidaten nicht aufrichtig gesprochen wird, untergräbt das nachhaltige Zusammenarbeit. Allein der Verdacht, dass der Türkei-Bericht zurückgehalten wird wegen der Wahlen, lässt eine Instrumentalisierung vermuten. Dabei war der Kommission daran gelegen, diese Berichte nutzbar zu machen und in den Ländern einen positiven Debattenbeitrag für Reformen zu geben und auch die Zivilgesellschaft an der EU-Integration zu beteiligen. Das dürfte nun noch schwieriger werden. STANDARD: Bisher hat der Besuch Angela Merkels in Ankara nichts gebracht. Wenn die EU der Türkei so entgegenkommt, weshalb besteht man dann nicht auf einem Gegenentgegenkommen? Flessenkemper: Das Vorgehen ist wirklich nicht einfach zu verstehen, zumal der EU-Beitritt ja gar keine solche Priorität der türkischen Regierung ist. Dass man glaubt, damit Verhaltensänderungen erzielen zu können, ist schwer vorstellbar. Es zeigt wohl eher, dass der Kaiser nackt ist. Was angeboten wird, ist ja nicht das, was auf der anderen Seite interessiert. Die Frage bleibt aber, ob die mangelnde Aufrichtigkeit die Reformkräfte in der Türkei nicht auch noch schwächt. Besonders wenn man in der Türkei die kritischen Medien ansieht, sind es doch die, die die europäische Perspektive stärken. Also wem nützt das Ganze langfristig? STANDARD: Werden bisherige Bedingungen für den EU-Beitritt – Verbesserung der Medienfreiheit oder Menschenrechtslage – nun nicht mehr wichtig genommen? Welche Auswirkungen hat das auf die Kandidaten auf dem Balkan? Flessenkemper: Es scheint nun auf die politischen Kriterien einen weniger starken Fokus zu geben. Das sieht man auch im Hinblick auf Mazedonien in der Migrationskrise. STANDARD: Sie meinen, dass die mazedonische Regierung wegen der Flüchtlingskrise auf keine EU-Forderungen mehr eingeht? Flessenkemper: Sie brauchen nicht mehr auf den Druck einzugehen. Sie müssen nichts mehr wie noch vor einigen Jahren, denn sie werden ja jetzt von der EU gebraucht. Durch die Migrationskrise haben sich die Plätze der Spieler am Tisch gedreht. Auf dem Balkanrouten-Gipfel hat man gesehen, dass diese Staaten als gleichberechtigte Mitspieler gesehen werden wollen. Die Gewichte verschieben sich, man sucht eine gemeinsame Antwort auf die Migrationskrise – und weil das auch eine Schließung der Balkanroute beinhalten kann, kommt den Staaten eine Rolle zu. Man geht anders mit ihnen um als vorher. Mazedonien und Serbien liegen zwischen den EU-Staaten Griechenland, Kroatien und Ungarn. Und es gibt keine Lösung ohne sie. Sie sind keine Bittsteller mehr. Serbien hat durch seinen Beitrag in der Flüchtlingskrise seine Verhandlungsposition gestärkt. STANDARD: Zu welchen Szenarien kann das führen? Flessenkemper: Bisher hat man die Bedingung gestellt: Reformiert eure Länder im Justizbereich und bei der Regierungsführung. Nun ist die EU noch weniger in der Lage, mit der Oberhand zu spielen. Sie gibt nicht mehr das Angebot, Hilfe dabei zu leisten, sondern sie bittet um Mithilfe in der Bewältigung der Flüchtlingskrise. Also werden die Bedingungen weniger wichtig, und für Kooperation bei der Bewältigung der Krise werden Belohnung im EU-Erweiterungsbereich in Aussicht gestellt. Das Problem ist, dass dabei ein repressives Element, nämlich die Migrationskontrolle, das neue ausschlaggebende Kriterium für den formalen Integrationsprozess ist und nicht mehr die liberale Agenda der politischen Kriterien. Es ist unaufrichtig, wenn man gestern noch Korruptionsbekämpfung verlangt hat, und heute ist das beiseitegeräumt. Dieser sogenannte Pragmatismus birgt große Risiken. Den meisten wird damit kein Gefallen getan, wenn Regierungsführung und Rechtsstaat nicht vorankommen. Dann kommt es zum Montenegro-Effekt: Wenn es schwache Regierungsführungen gibt, ist das Feld offen für die Einflussnahme des Putin-Regimes. Das hat man in Moldau und in Montenegro gesehen. Und Russland braucht gar nichts zu tun, wenn ihnen das zufällt. STANDARD: War es eine Falle, dass man etwa in Montenegro nie klar genug gesagt hat, dass man so eine Führung nicht duldet? Flessenkemper: Wahrscheinlich. Und jetzt, wo man in der EU innenpolitisch unter Druck kommt, neigt man dazu, schlechte Deals zu machen. Die Gefahr ist, dass sie weder den EU-Mitgliedsstaaten noch den Flüchtlingen noch den Staaten auf der Balkanroute nützen und schwer zu korrigieren sind. Die Fähigkeiten Europas und der USA im Krisenmanagement sind schwach wie selten zuvor, Russland nützt die Schwäche aus. Am Wochenende marschierten einmal mehr Demonstranten gegen die Sicherheitskonferenz in München auf. Es ging gegen die Nato, die Waffenlobby, gegen Macht- und Geschäftsinteressen, die angeblich die Weltpolitik bestimmen – dabei hätte ein näherer Blick auf die Vorgänge im Bayerischen Hof ausgereicht, um festzustellen: Bei so viel Verzagtheit, so viel Rat- und Planlosigkeit angesichts des internationalen Krisenpotpourris bleiben auch die buntesten Verschwörungstheorien blass. Schon in den vergangenen Jahren war die Stimmung in München durchwachsen, der Ausblick auf die Weltlage einigermaßen betrüblich. Syrien, die Flüchtlinge, Libyen, ganz Afrika, die Ukraine, Nordkorea – die Liste (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) der Krisenschauplätze ist lang, die der Antworten darauf dagegen kurz. Obwohl sich die deutschen Gastgeber, EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini (der Iran-Deal als positives Modell) und auch US-Außenminister John Kerry (JFK zitierend) redlich mühten, positive Stimmung zu verbreiten, wollte diese nicht so recht aufkommen. Die Vereinbarung über die Feuerpause in Syrien schien sich übers Wochenende eher zu verflüchtigen, als zu materialisieren, der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew sprach von einem neuen Kalten Krieg, der französische Premier Manuel Valls richtete den deutschen Gastgebern aus, dass es mit einer europäischen Flüchtlingsverteilungsquote nichts werde. Mit deutsch-französischer Freundschaft und Führungsstärke in Europa war dies nur schwer vereinbar. Die Fliehkräfte in Europa sind so groß, dass wir selbst hier auf der Münchner Sicherheitskonferenz ein Signal senden sollten und gemeinsam hart arbeiten, damit wir in einem Jahr bei der nächsten Konferenz noch dieselbe EU vorfinden, wie wir sie heute haben. Dann wäre viel gewonnen. Das heißt: Wir müssen um Europa kämpfen! So beschwor der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier die Teilnehmer am Beginn der Konferenz. An deren Ende war Ernüchterung – was Europa betrifft und auch das transatlantische Verhältnis. Einer, der schon lange in München dabei ist, der Chef des American Institute for Contemporary German Studies an der Johns Hopkins University in Washington, Jackson Janes, interpretiert die Lage so: Die Frage, die sich für die Europäer und Amerikaner stellt, ist die: Warum brauchen wir einander? Darauf gibt es bisher nur Antworten aus der Vergangenheit, aber keine, die in Zukunft tragen. Die Obama-Regierung habe darauf keine Antwort gegeben, auch weil der US-Präsident selber keine innere Beziehung zu Europa habe. Für eine Neudefinition der Beziehungen zu Europa müsse man wohl auf den nächsten Amtsinhaber warten (Janes geht von Hillary Clinton aus). Dabei werde es dann auch um einen pragmatischen Umgang miteinander und etwa um die Frage gehen: Was können wir nach Europa auslagern? Ausgelagert haben die USA im Wesentlichen die Ukraine-Politik. Und auch darüber gab es aus München wenig Positives zu berichten. Ein Jahr nach der Minsker Einigung auf einen Friedensplan für die Ostukraine ist dessen Umsetzung weit entfernt. Das räumte Steinmeier nach einem Treffen mit seinen Kollegen aus Russland, der Ukraine und Frankreich (Normandie-Format) in München ein. Fortschritte brachte auch ein Telefonat zwischen Obama und dem russischen Präsidenten Putin vom Wochenende nicht (zumindest in der Syrien-Frage waren die beiden einander dem Vernehmen nach näher, die Waffenruhe und der Zugang zu humanitären Hotspots müssten gemäß Vereinbarung noch in dieser Woche durchgesetzt werden). Russlands Interventionspolitik in der Ukraine und in Syrien jedenfalls machte Moskau zu einem zentralen Akteur in München. Russland hat die Oberhand in der Nahostpolitik gewonnen, erklärte etwa Norbert Röttgen, der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Deutschen Bundestag. Und der Leiter der US-Delegation, Senator John McCain, sagte: Herr Putin ist nicht daran interessiert, unser Partner zu sein. Er will vielleicht, dass Syrien eine militärische Außenstelle für Russland wird – ein neues Kaliningrad oder eine neue Krim. Und er will die Flüchtlingskrise weiter verschärfen und als Waffe einsetzen, um die transatlantischen Beziehungen und das europäische Projekt zu untergraben. Die Frage, die in München unbeantwortet blieb, ist: Warum ist er so erfolgreich damit? (Christoph Prantner aus München, 14.2.2016) Privater Besuch ohne Öffentlichkeit – Politiker seit langem befreundet. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Nach gewaltsamer Auflösung einer Demonstration durch die Polizei. Eriwan – Nach der gewaltsamen Auflösung einer Demonstration durch die Polizei sind in der armenischen Hauptstadt Eriwan erneut Tausende Menschen auf die Straße gegangen. Wie ein AFP-Korrespondent berichtete, versammelten sich am Dienstagabend fast 6000 Demonstranten auf dem zentralen Freiheitsplatz, um gegen die Regierung von Staatschef Serzh Sarksyan und die gestiegenen Strompreise zu protestieren. Sie schwenkten armenische Fahnen und riefen Schande und Nein zum Raub. Anschließend zogen die Demonstranten erneut zum Präsidentenpalast, der von Sicherheitskräften abgeriegelt wurde. In der Nacht zum Dienstag hatte die Polizei eine ähnliche Protestaktion gewaltsam aufgelöst. Nach dem Ende eines Protestmarsches, an dem sich rund 4000 Menschen beteiligten, hatten sich mehrere hundert Demonstranten zu einer Sitzblockade zusammengeschlossen und den Verkehr blockiert. Daraufhin schritten die Einsatzkräfte ein. Die Demonstranten wurden mit Wasserwerfern und Schlagstöcken auseinandergetrieben. Es gab fast 240 Festnahmen, nach Behördenangaben wurden mindestens 25 Menschen verletzt. Zivilpolizisten schlugen auch auf Journalisten ein und zerstörten oder beschlagnahmten ihre Ausrüstung. Die US-Botschaft in Eriwan äußerte sich besorgt über den Polizeieinsatz und forderte eine vollständige und transparente Untersuchung. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) forderte die armenischen Behörden auf, für Zurückhaltung der Sicherheitskräfte gegenüber Medienvertretern zu sorgen. Die Demonstration werfen der Regierung vor, nicht genug gegen die Armut in Armenien zu tun. Sie klagen vor allem über die hohen Strompreise, die in den vergangenen Monaten um mehr als 16 Prozent gestiegen sind. Die ehemalige Sowjetrepublik ist wirtschaftlich isoliert. Zudem leidet Armenien unter der Wirtschaftskrise in Russland, dem wichtigsten Handelspartner des Landes. Sarksyan nimmt Strompreiserhöhung vorübergehend zurück. Eriwan – In Armenien dauern die Demonstrationen gegen eine Erhöhung der Strompreise an. Auch nachdem Präsident Serzh Sarksyan die umstrittene Maßnahme vorläufig stoppte, weigerten sich bis zu 300 besonders entschlossene Demonstranten am Sonntag, das Zentrum der Hauptstadt Eriwan zu räumen. Es wurde erwartet, dass sich am Abend erneut tausende Menschen zu den mittlerweile gegen die Regierung insgesamt gerichteten Protesten einfinden könnten. Sarksyan hatte am Samstag erklärt, die Regierung werde bis zu einer Prüfung der Begründung und wirtschaftlichen Konsequenzen der Strompreiserhöhung vorübergehend die Last tragen. Die Annullierung der Preiserhöhung nannte er vor dem Kabinett extrem gefährlich. Sollte die Prüfung ergeben, dass die Erhöhung berechtigt sei, würden die Verbraucher die Kosten tragen müssen, warnte der Präsident. Gegenstand der Prüfung ist Armeniens Elektrizitätsgesellschaft, die die Preiserhöhung mit dem starken Wertverlust der Landeswährung Dram begründete. Die Gesellschaft gehört dem in Moskau ansässigen halbstaatlichen Konzern Inter RAO, der einem engen Vertrauten des russischen Präsidenten Wladimir Putin untersteht. Seit gut einer Woche demonstrieren tausende Menschen in der Südkaukasus-Republik, die durch die Wirtschaftskrise in Russland schwer getroffen wurde, gegen die 16-prozentige Anhebung des Elektrizitätspreises. Demonstranten wiesen Sarksyans Ankündigung am Samstagabend als unzureichend zurück und forderten die vollständige Rücknahme der Erhöhung. Wir werden gewinnen!, riefen die rund 10.000 Menschen, die sich in Eriwan nahe dem Präsidentenpalast versammelten. Veranstalter der Kundgebung war die parteilose Gruppierung Nein zur Räuberei. Unsere Forderung bleibt dieselbe: Die Entscheidung zur Erhöhung des Strompreises muss revidiert werden, rief der Aktivist Baginak Shushanyan der jubelnden Menge zu. Beim Kurznachrichtendienst Twitter bekundeten zudem einige Demonstranten offen ihre Sympathie für die Proteste auf dem Maidan-Platz in Kiew, die vor mehr als einem Jahr zum Sturz des damaligen Präsidenten Viktor Janukowitsch führten. Babken DerGrigorian wandte sich mit heißer Liebe und Respekt für #Maidan an die ukrainischen Verbündeten. Er rief die Ukrainer auf, mit Armenien die Vision eines besseren Morgen zu teilen. Allerdings betonten die Aktivisten ebenso wie der Präsident, dass die Proteste nicht gegen Russland gerichtet seien. Die Proteste hatten sich ausgeweitet, nachdem die Polizei am Dienstag mit Wasserwerfern gegen Demonstranten vorgegangen war. Es sind die seit Jahren größten Demonstrationen in der gut drei Millionen Einwohner zählenden ehemaligen Sowjetrepublik. Die EU, die USA und die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) äußerten sich besorgt über das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten. Armenien bezieht einen Großteil seiner Energie aus Russland, das auch sein wichtigster Handelspartner ist. Die Wirtschaftskrise in dem großen Nachbarstaat, die durch die westlichen Sanktionen und die niedrigen Ölpreise ausgelöst wurde, hat auch die armenische Volkswirtschaft schwer getroffen. Im Jänner war Eriwan zudem der von Russland geführten Eurasischen Wirtschaftsunion beigetreten. Drei armenische Soldaten getötet – Gespräche über umstrittene Enklave am Samstag in der Schweiz. Eriwan/Baku – Vor einem Treffen der Präsidenten Armeniens und Aserbaidschans wegen der umkämpften Enklave Berg-Karabach ist es dort zu Feuergefechten mit mehreren Toten gekommen. In der Nacht auf Freitag seien drei armenische Soldaten getötet worden, teilte das Militär der international nicht anerkannten Republik Berg-Karabach in Stepanakert mit. Auch die aserbaidschanische Seite habe Verluste erlitten. Dies wurde aber vom Verteidigungsministerium in Baku dementiert, wie russische Agenturen meldeten. Die Präsidenten Ilham Aliyev aus Aserbaidschan und Serzh Sarksyan aus Armenien wollen am Samstag in Bern in der Schweiz zusammenkommen, um über eine Lösung des Konflikts zu beraten. Berg-Karabach gehört völkerrechtlich zum mehrheitlich muslimischen Aserbaidschan, wird aber von christlichen Armeniern bewohnt. Über Berg-Karabach hinaus halten die Armenier seit einem Krieg 1992 große Teile Aserbaidschans besetzt. Als Vermittler dient die sogenannte Minsk-Gruppe der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE). Zu ihr gehören unter anderen Russland, die USA, Deutschland, Frankreich und die Türkei. 'Mittlerweile täglich Artillerieeinschläge im Konflikt um Bergkarabach. Eriwan/Baku/Moskau – Die beiden verfeindeten früheren Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan nähern sich nach Jahren ergebnisloser internationaler Vermittlungen wieder einer kriegerischen Auseinandersetzung. Eriwan meldete am Mittwoch den Einschlag von 2000 Artilleriegeschoßen an der sogenannten Kontaktlinie in Bergkarabach Bei den schwersten Gefechten seit Jahren waren dutzende Soldaten ums Leben gekommen. Stepanakert/Baku – Das aserbaidschanische Militär will die Kämpfe in der Südkaukasusregion Berg-Karabach einstellen. Das teilte das Verteidigungsministerium in Baku am Sonntag mit. Bei den schwersten Gefechten seit Jahren zwischen den Ex-Sowjetrepubliken Armenien und Aserbaidschan waren am Samstag mindestens 30 Soldaten getötet worden. Beide Seiten gaben sich gegenseitig die Schuld. Die Botschaft der Republik Aserbaidschan in Wien erklärte in einer Aussendung am Sonntag bei den blutigen Zusammenstößen am Samstag seien aserbaidschanische Zivilisten getötet und verletzt worden. Derzeit würden entlang der neuen Verteidigungslinie entsprechende Verstärkungsarbeiten verwirklicht, neue Schützengräben ausgehoben, notwendige Befestigungsarbeiten in den Stellungen durchgeführt. Einzelne Gebiete seien von aserbaidschanischen Streitkräften wieder eingenommen worden. Wie aus dem Außenministerium in Berlin verlautete, sprach der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier mit seinem aserbaidschanischen Kollegen Elmar Mammadyarov. Am Dienstag wird demnach der armenische Präsident Sersch Sargsjan zu Gesprächen in Berlin erwartet. 'Die Staatsanwaltschaft fordert wegen angeblicher Steuer- und Wirtschaftsdelikte neun Jahre Haft. Das offene Wort ist unverzichtbar, hat Aserbaidschanfahrer und Zweiter Nationalratspräsident Karlheinz Kopf erklärt, als er im Frühsommer wieder in Baku war und den politisch umstrittenen ersten Europaspielen beiwohnte. Für Offenheit ist wohl nun erneut Gelegenheit: Der international beachtete Prozess gegen die aserbaidschanische Journalistin und Bürgerrechtlerin Khadija Ismailowa könnte heute, Mittwoch, in Baku mit einem Urteilsspruch zu Ende gehen. Neun Jahre Haft fordert die Staatsanwaltschaft für eine Reihe angeblicher Steuer- und Wirtschaftsdelikte, die erst im Lauf des Verfahrens gesammelt wurden. Ich war schockiert, sagte die Präsidentin der parlamentarischen Versammlung des Europarats, die Luxemburgerin Anne Brasseur, als Ismailowa im Dezember 2014 in Untersuchungshaft genommen wurde. Die 39-jährige Journalistin sei eine wertvolle Partnerin des Europarats. Im vergangenen Juni rief der Europarat Aserbaidschan auf, die systematische Unterdrückung von Verteidigern von Menschenrechten, Medien und Regierungskritikern zu beenden. Die frühere Sowjetrepublik am Kaspischen Meer ist wie ihre Nachbarstaaten Armenien und Georgien Mitglied des Europarats. Im Juli wurde bereits Leyla Yunus, eine andere renommierte Bürgerrechtlerin, zu achteinhalb Jahren Gefängnis verurteilt Anhänger des islamischen Predigers lieferten sich Schusswechsel mit Polizei, 14 Personen wurden festgenommen. Baku – Bei der Festnahme eines islamischen Theologen und Regimekritikers in Aserbaidschan haben sich dessen Anhänger und die Polizei einen Schusswechsel mit mehreren Toten geliefert. Die Behörden der Ex-Sowjetrepublik am Kaspischen Meer sprachen offiziell von sechs Toten, wie die russische Agentur Interfax am Donnerstag aus Baku meldete. Der örtliche Fernsehsender ANS berichtete unter Berufung auf Augenzeugen, vier Polizisten und vier Anhänger von Prediger Taleh Bagirzade seien getötet worden. 14 Menschen einschließlich Bagirzade wurden nach Angaben von Innenministerium und Generalstaatsanwaltschaft bei dem Vorfall in der Siedlung Nardaran am Stadtrand von Baku festgenommen. Die bewaffnete islamische Gruppe bereitete eine Serie von Provokationen, Terroranschlägen und Massenunruhen vor, hieß es in der Mitteilung. Der prominente schiitische Theologe Bagirzade kritisiert offen die autoritäre Herrschaft des aserbaidschanischen Präsidenten Ilham Aliyev. Bagirzade war im August nach eineinhalb Jahren Haft entlassen worden. Seitdem wurde er mehrfach von den Sicherheitsbehörden vorgeladen, Anfang November auch von einem Polizeichef verprügelt. Die geistliche Führung der Muslime in Aserbaidschan verurteilte das Vorgehen gegen den Anführer der Bewegung Muslimische Einheit. Zwei armenische Soldaten erschossen. Baku – Es sollte, wie der Name bereits verrät, eigentlich um ein Miteinander gehen: um gemeinsame Strategien gegen Terror, Extremismus und Rassismus. Doch das siebente Globale Forum der UN-Allianz der Zivilisationen (Unaoc) in Baku geriet auch zu einer Bühne der Führung Aserbaidschans, um im Bergkarabach-Konflikt in Richtung Armenien Kritik auszuteilen. Dienstag wurde bekannt, dass trotz einer seit 5. April geltenden Waffenruhe in der umkämpften Region zwei armenische Soldaten ums Leben kamen. Sie seien von Soldaten Aserbaidschans erschossen worden, hieß es aus Eriwan. Dialog und Genozid Als Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew in Baku wenig später das Unaoc-Forum feierlich eröffnete, betonte er den Wert Aserbaidschans als geografische und kulturelle Brücke zwischen Ost und West. Das Land sei ein Beweis dafür, dass Multikulturalität funktioniere, sagte er, um im nächsten Moment Armenien als Aggressor zu kritisieren. Mehr als eine Million unschuldiger Menschen musste flüchten, und im besetzten Gebiet wurde alles zerstört, vor allem Moscheen. Es sei kein internationaler Druck da, um dieses Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu beenden. Wenig später setzte der Großmufti des Kaukasus, Allahsükür Paszade, die Kritik an Eriwan fort. Das christlich geprägte Armenien, sagte er, verübe einen Genozid an Einwohnern des muslimisch dominierten Aserbaidschan. Sechs Oppositionelle freigelassen. Minsk – Der weißrussische Staatschef Alexander Lukaschenko hat sechs inhaftierte Oppositionsführer begnadigt. Die als die letzten politischen Gefangenen geltenden Männer seien frei, erklärte die Präsidentschaft am Samstag in Minsk. Unter ihnen ist auch der einstige Präsidentschaftskandidat Mikola Statkewitsch. Seine Frau bestätigte der Nachrichtenagentur AFP, der Politiker sei aus dem Gefängnis entlassen worden und solle noch am Samstagabend nach Minsk zurückkehren. Bei den anderen Häftlingen handelt es sich den Angaben zufolge um Mikola Rubzew, Mikola Dedok, Igor Olinewitsch, Jewgeni Waskowitsch und Artjom Prokopenko. Die Amnestie erfolgt rund eineinhalb Monate vor der Präsidentschaftswahl in Weißrussland. Am 11. Oktober findet der Urnengang statt, dessen Gewinner bereits feststeht: Lukaschenko. Der seit mehr als 20 Jahren amtierende Machthaber hatte Ende Jänner erklärt, er werde erneut kandidieren. Lukaschenko war zuletzt 2010 mit offiziell 80 Prozent der Stimmen in seinem Amt bestätigt worden. Proteste der Opposition gegen die Wahl wurden gewaltsam niedergeschlagen. Die weißrussische Führung steht regelmäßig wegen der Menschenrechtslage in dem Land unter Kritik. Weißrussland ist das einzige Land in Europa, in dem die Todesstrafe noch angewendet wird. Auch Einreise- und Vermögenssperren gegen Lukaschenko-Getreue sollen aufgehoben werden. Brüssel/Minsk – Vor den Wahlen in Weißrussland bereitet die EU die Aussetzung von Sanktionen gegen Präsident Alexander Lukaschenko vor. Wie die Nachrichtenagentur AFP am Freitag aus EU-Kreisen erfuhr, sollen auch Einreise- und Vermögenssperren gegen 150 Vertraute und Anhänger des Staatschefs ausgesetzt werden. Das Vorhaben sei eine Geste, nachdem in Weißrussland im Sommer die letzten politischen Gefangenen freigelassen worden waren, sagte ein ranghoher EU-Diplomat. Vor einer endgültigen Entscheidung wollen die Europäer aber noch den Verlauf der Präsidentschaftswahl am Sonntag abwarten. Lukaschenko steht seit 21 Jahren an der Spitze Weißrusslands. Nach seiner letzten Wiederwahl 2010 gingen tausende Weißrussen auf die Straße. Der Staatschef ließ die Proteste blutig niederschlagen. Vor der nun anstehenden Wahl ließ er sechs inhaftierte Oppositionspolitiker frei, darunter einen einstigen Gegenkandidaten. Sie galten als letzte politische Gefangene in der früheren Sowjetrepublik. Doch keiner von ihnen darf bei der Präsidentschaftswahl antreten. Lukaschenkos Gegner haben zum Boykott der Wahl aufgerufen und warnten die EU, die Sanktionen aufzuheben. Die EU muss die Entscheidung, wie sie bei den Strafmaßnahmen weiter verfährt, vor dem 31. Oktober treffen. Dann laufen die bisherigen Sanktionen ohne Erneuerung automatisch aus. Die Strafmaßnahmen betreffen auch 20 Organisationen. Die EU will in zwei Schritten vorgehen, wie ein EU-Vertreter sagte. Sie will zunächst die Sanktionen nochmals um vier Monate bis Ende Februar 2016 verlängern, ihre Anwendung aber aussetzen. Die Mitgliedstaaten würden danach Anfang des Jahres prüfen, ob sie die Strafmaßnahmen komplett aufheben, die seit 2004 in mehreren Stufen verhängt wurden. Reise- und Vermögenssperren betrafen insgesamt 170 Weißrussen. Brüssel – Die EU will offenbar die Sanktionen gegen Weißrussland aufheben. Wie Diplomaten am Freitag in Brüssel sagten, wollen die EU-Außenminister am Montag beschließen, die bereits seit Oktober ausgesetzten Reise- und Vermögenssperren gegen insgesamt 170 Weißrussen und drei Organisationen nun dauerhaft aufzuheben. Auch Präsident Alexander Lukaschenko werde von der Liste gestrichen, sagte ein Diplomat. Der EU-Rat muss der Entscheidung noch zustimmen. Der seit zwei Jahrzehnten autoritär regierende Lukaschenko war bei der Präsidentschaftswahl im Oktober mit einem Rekordergebnis wiedergewählt worden. Nur einen Tag später hatten die EU-Außenminister die Aussetzung der Sanktionen gebilligt – als Reaktion auf die Freilassung aller politischen Gefangenen vor der Wahl. Vier Weißrussen sollen allerdings auch weiterhin auf der EU-Sanktionsliste bleiben. Ihnen wird vorgeworfen, für das Verschwinden politischer Aktivisten verantwortlich zu sein. Gleichfalls in Kraft bleibt das europäische Embargo zu Waffenlieferungen und Material, das zur Unterdrückung der Bevölkerung eingesetzt werden kann. Schulen und Universitäten am Montag geschlossen – Metro fährt auch am Montag nicht – Suche nach mindestens zwei Verdächtigen – Veranstaltungen abgesagt, Kontrollen in Zügen. Brüssel – Die höchste Terrorwarnstufe für Brüssel wird verlängert. Die belgische Hauptstadt bleibt weiter auf der höchsten Terrorwarnstufe 4, der Rest des Landes auf Stufe 3. Das teilte der belgische Premierminister Charles Michel nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates am Sonntag mit. Schulen und Universitäten bleiben am Montag geschlossen. Auch die Metro wird am Montag nicht fahren. Eine Neubewertung der Situation wird es am Montag geben. Die Behörden in Brüssel haben nach einer ruhigen Nacht auch am Sonntag vorerst die höchste Terrorwarnstufe beibehalten. Das öffentliche Leben stand damit, wie schon am Vortag, weitgehend still. Die U-Bahn blieb geschlossen, Veranstaltungen wurden abgesagt. Die Behörden bestätigten am Vormittag Medienberichte, wonach aktuell mindestens zwei mutmaßliche Terroristen gesucht werden. Sie könnten bewaffnet und zu Taten bereit sein, hieß es. Auf Anweisung des Bürgermeisters hatten am Samstag bereits ab 18 Uhr Abends die meisten Restaurants und Bars in der Stadt geschlossen. Auf den sonst so belebten Straßen der belgischen Hauptstadt verblieben teils nur die zahlreichen Polizisten und Soldaten, auch wenn einzelne Bars aus Widerstand gegen den Terror trotzdem geöffnet hatten. Abseits von einem Fehlalarm in einem Hotel gab es über Nacht keine Meldungen über neue Polizeieinsätze. Laut einer Meldung der Zeitung Le Soir werden seit Sonntagfrüh in internationalen Zügen aus und nach Belgien systematische Identitätskontrollen durchgeführt. Dabei geht es nach den Worten des belgischen Innenministers Jan Jambon nicht nur um den flüchtigen mutmaßlichen Attentäter von Paris, Saleh Abdeslam, der offenbar im Stadtteil Laeken vermutet wird. Die Gefahr ist größer als Abdeslam alleine sagte er am Samstagabend dem Rundfunksender VRT. Man suche nach mehreren Verdächtigen, deshalb habe man zu einer eine derartigen Konzentration der Mittel gegriffen. Auch der Bürgermeister der Brüsseler Gemeinde Schaerbeek, Bernard Clerfayt, sprach im belgischen Rundfunk BTBF von zwei Verdächtigen. Am späten Nachmittag wollte der nationale Sicherheitsrat erneut zusammentreten, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Noch vor dem Treffen kündigte Justizminister Koen Geens an, dass die U-Bahn am Montag voraussichtlich wieder den Betrieb aufnehmen werde. Wir werden die Metro-Stationen bewachen, sagte Geens dem Sender VRT. Wir werden weder Brüssel noch das übrige Land wirtschaftlich lahmlegen. Wir lassen uns nicht von Panik oder Angst leiten, aber wir brauchten Zeit, um alles zu organisieren. Die höchste Terrorwarnstufe gilt in Brüssel seit Samstagfrüh. Es gebe konkrete Hinweise auf ein geplantes Attentat von Terroristen mit Waffen und Sprengstoff, ähnlich wie in Paris hatte der belgische Premierminister Charles Michel am Samstag nach einer Sitzung des Nationalen Sicherheitsrates die Maßnahme begründet. Es habe Hinweise auf Anschläge an mehreren Orten gegeben, etwa auf Einkaufszentren, den öffentlichen Nahverkehr oder Großereignisse, sagte Michel ohne Details zu nennen. Erstmals seit dem Zweiten Weltkrieg blieben deshalb auch die Synagogen der Stadt am Wochenende geschlossen, sagte Brüssels oberster Rabbiner Albert Gigi am Sonntag dem israelischen Armee-Rundfunk. Der mutmaßliche Attentäter Saleh Abdeslam wurde weiterhin in Brüssel vermutet, wohin er sich nach den Pariser Attentaten laut Ermittlern abgesetzt hatte. Der US-TV-Sender ABC will von Bekannten Abdeslams erfahren haben, dass dieser angeblich darauf warte, nach Syrien zu fliehen. Er habe ihnen via Skype mitgeteilt, dass er sich weiter in Brüssel verstecke. Demnach fühlt sich Abdeslam nicht nur von der Polizei bedroht, sondern auch von Mitgliedern der Terrormiliz IS. Diese seien verärgert, weil er sich in Paris nicht, so wie angeblich vereinbart, ebenfalls in die Luft gesprengt habe, sondern nach dem Anschlag geflüchtet sei. Die Angaben wurden von Ermittlern nicht bestätigt, die Freunde Abdeslams von ABC nicht namentlich genannt. Sein Bruder Mohamed A., der in der vergangenen Woche vorübergehend festgenommen, aber bald wieder freigelassen wurde, forderte Saleh Abdeslam am Sonntag erneut auf, sich den Behörden zu stellen. Wir sagen ihm, dass wir ihn lieber im Gefängnis sehen würden, als auf dem Friedhof, sagte er dem TV-Sender RTBF. Dann könne er seiner Familie – und jenen der Opfer – die Antworten geben, auf die sie warteten. Der Ministerpräsident der Region Brüssel, Rudi Vervoort, hatte am Samstagnachmittag verkündet die U-Bahn würde noch mindestens bis Sonntag 15.00 Uhr außer Betrieb sein. Danach solle die Sicherheitslage neu evaluiert werden. Der Bahnhof Brüssel-Schuman nahe EU-Kommissions- und Ratsgebäude wurde überhaupt geschlossen. An Bahnhöfen wurde verstärkt kontrolliert, Soldaten patrouillierten in der Stadt. Auch Einkaufszentren geschlossen Am Nachmittag schlossen auch alle großen Einkaufszentren der Stadt ihre Tore, dasselbe galt für das flämische Parlament sowie die flämische Universität UVB. Das nationale Krisenzentrum riet zudem allen Geschäften der Brüssler Innenstadt, am Samstagnachmittag die Rollläden herunterzulassen. Der belgische Fernsehsender RTBF berichtete, der Bürgermeister des Viertels Molenbeek, aus dem besonders viele extremistische Islamisten stammen, habe eine militärische Bewachung aller Supermärkte angeordnet. Ebenfalls geschlossen blieb das Atomium, eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt. Das Brüsseler Musikfestival Sound/Check, bei dem 130 Musiker in einer Konzerthalle in der Innenstadt auftreten sollten, wurde ebenso abgesagt wie ein Auftritt des Sängers Johnny Hallyday und zahlreiche andere Konzerte in der belgischen Hauptstadt. Größere Plätze meiden Bereits in der Nacht auf Sonntag hatte das nationale Krisenzentrum eine Reihe von Empfehlungen an die Brüssler Bevölkerung ausgesprochen. Wir bitten darum, Plätze mit vielen Menschen in der Hauptstadtregion Brüssel zu meiden, also Konzerte, Großereignisse, Bahnhöfe, Flughäfen und den öffentlichen Personennahverkehr. Die Terrorwarnstufe 4 gilt neben dem Großraum Brüssel auch im nördlich der Hauptstadt gelegenen Vilvorde. Im Rest Belgiens gilt weiter die Warnstufe 3, was einer möglichen und wahrscheinlichen Bedrohung entspricht. Es ist nicht das erste Mal, dass in Belgien die höchste Terrorstufe gilt. Nach Angaben von RTBF wurde sie zuletzt im Mai 2014 nach dem Attentat auf das jüdische Museum, bei dem ein Islamist vier Menschen erschoss, für jüdische Einrichtungen ausgerufen. Suche nach Salah Abdeslam läuft weiter auf Hochtouren – Unklarheit über Ausmaß der Gefahr in Hannover. Paris/Brüssel/Berlin – In Frankreich, Belgien und Deutschland laufen nach der Terrorserie von Paris die Ermittlungen. Wie viele Täter beteiligt waren und wie viele noch auf freiem Fuß sind, bleibt unklar. Ebenso die Hintergründe des Terrorverdachts, der zur Absage des Fußball-Länderspiels in Hannover führte. Eine Übersicht: PARIS: BRÜSSEL: HANNOVER: Höchste Terrorwarnstufe bleibt aufrecht – Schulen und Universitäten bleiben am Montag geschlossen – Auch Metro fährt nicht. Brüssel – In Brüssel hat die Polizei am Sonntagabend mehrere Anti-Terror-Einsätze durchgeführt. Wie der Staatsanwalt bei einer Pressekonfernz nach dem Ende der Aktion berichtete, wurden 19 Durchsuchungen durchgeführt, es gab 16 Festnahmen und ein Mann wurde bei einem Schusswechsel verletzt. Der im Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris gesuchte S. Abdeslam ist nicht unter den Verhafteten. Die höchste Terrorwarnstufe für Brüssel wird verlängert. Die belgische Hauptstadt bleibt weiter auf der höchsten Terrorwarnstufe 4, der Rest des Landes auf Stufe 3. Das teilte der belgische Premierminister Charles Michel nach einer Sitzung des nationalen Sicherheitsrates am Sonntag mit. Schulen und Universitäten bleiben am Montag geschlossen. Auch die Metro wird am Montag nicht fahren. Eine Neubewertung der Situation wird es am Montag geben. Am Wochenende vor Adventbeginn startet das Weihnachtsgeschäft in Brüssel traditionell durch. So sollte das auch am Samstag sein, trotz Schneegrieselns. Die Kaufhäuser im Zentrum der Hauptstadt haben in den Wochen vor Weihnachten auch an Sonntagen geöffnet. In den Fußgängerzonen rund um den berühmten Grand Place vor dem Rathaus, wo sich Shopper und Touristen normalerweise zu einem dichten Strom von Menschen bündeln, standen die Verkaufshütten bereit. So etwa auch bei der nahen Börse, an der vorbei der Verkehr normalerweise vierspurig über den Boulevard Anspach rollt. Aber seit Samstagmorgen ist in Brüssel nichts mehr normal. Am Nachmittag war es in den Fußgängerzonen still. Nur wenige Menschen huschten durch die Straßen. Über den Anspach patrouillierten Polizisten neben Soldaten in Kampfmontur. Panzer fuhren durch die Stadt. Nach und nach machten die Geschäfte dicht. Der U-Bahn-Verkehr wurde eingestellt, Museen, der Bahnhof Luxembourg beim EU-Parlament blieben zu, ebenso die großen Kinos. In der Nacht zuvor hatte das Krisenzentrum der Regierung (OCAM), in dem alle Sicherheitsdienste gebündelt sind, Alarm geschlagen. Die Warnstufe wurde von drei auf vier angehoben: höchste Gefahr eines unmittelbar bevorstehenden Anschlags. Terroralarm ist für die Belgier, wo seit Jahren immer wieder islamistische Zellen ausgehoben werden, an sich nicht überraschend. Aber diesmal scheint alles anders zu sein, wie aus Erklärungen von Premierminister Charles Michel und seines Innenministers hervorging: Es gebe konkrete, präzise Hinweise, dass Anschläge wie in Paris bevorstünden, an mehreren Stellen der Stadt gleichzeitig. Einem der Attentäter von Paris, Saleh Abdeslam, dessen Bruder sich beim Anschlag selbst in die Luft gesprengt hatte, war die Flucht gelungen. Er kehrte offenbar nach Brüssel zurück, chauffiert von zwei Freunden. Die beiden wurden gefasst. Einer sagte bei Verhören aus, dass der flüchtige Abdeslam sehr wütend gewesen sei und dass er möglicherweise noch immer seine Sprengstoffweste trage. Gleichzeitig hatte die Polizei entdeckt, dass die Brüsseler Wohnung einer in Paris bei einer Razzia getöteten mutmaßlichen Terroristin gesäubert worden war. Sie war die Cousine des Drahtziehers Abdelhamid Abaaoud. Schlussfolgerung der Fahnder: Es müsse noch mehr Leute geben, die einen Anschlag ausführen könnten. Der Bürgermeister von Schaerbeek bestätigte das öffentlich. Die Behörden verlängerten am Sonntag den Ausnahmezustand. Fast wirkt Brüssel wie die Kulisse eines Films. Keiner kann sich der Jagd nach den Terroristen entziehen. Es ist wie im berühmten Film von Fritz Lang, M – eine Stadt sucht einen Mörder. Es gibt tausende Hinweise an die Polizei, viele Fehlalarme. Indes werden die Ermittlungen in Frankreich von der Mehrheit der Bevölkerung begrüßt – ebenso die Verlängerung des Ausnahmezustandes auf drei Monate. Maßnahmen wie Hausarrest für Gefährder, die Intensivierung von Grenzkontrollen, die Verstärkung der Exekutive und die Idee einer Nationalgarde werden laut Umfrageinstitut Ifop mit Werten zwischen 86 und 95 Prozent gebilligt. Etwas unklar erschien die Lage in Deutschland. Wie die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, sei das Fußballspiel Deutschland gegen Niederlande in Hannover tatsächlich gefährdet gewesen. Fünf Terroristen hätten präzise Sprengstoffanschläge geplant, drei davon im Stadion. Das Kommando könne immer noch zuschlagen. Genau das Gegenteil berichtete das ZDF: Bisher gebe es keine Hinweise auf die Existenz einer Terrorzelle. Verdächtiges Päckchen mit weißem Pulver entdeckt – Höchste Terrorwarnstufe für Brüssel aufgehoben. Brüssel – In Brüssel hat es inmitten der anhaltenden Terrorgefahr an der Großen Moschee einen Einsatz wegen eines möglichen Anthrax-Fundes gegeben, der sich jedoch als Fehlalarm herausstellte. Alles ist negativ, sagte Feuerwehrsprecher Pierre Meys am Donnerstagnachmittag nach Untersuchungen des aufgefundenen weißen Pulvers in einem Labor des Zivilschutzes. Es handle sich um Mehl. Unterdessen gab es im Süden Belgiens eine weitere Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen. Vor dem Hintergrund der Anschläge, bei denen vor zwei Wochen in der französischen Hauptstadt 130 Menschen getötet waren worden, waren zu Mittag in Brüssel zahlreiche Polizisten, Rettungskräfte und die Feuerwehr vor der Moschee angerückt. Unter ihnen war auch eine Einheit zur Dekontamination mit einem speziellen Container, wie AFP-Journalisten beobachteten. Die Moschee liegt im Brüsseler Europaviertel, nur wenige Schritte vom EU-Ratsgebäude und der Europäischen Kommission entfernt. Bei dem Einsatz handle es sich um eine vorsorgliche Maßnahme, betonte die Feuerwehr von Anfang an. Nach ihren Angaben war am Eingang des Gotteshauses ein Päckchen gefunden worden. Darin seien mehrere Umschläge enthalten gewesen, von denen einer ein weißes Pulver enthalten habe. Mehrere Menschen, die in direkten oder indirekten Kontakt damit gekommen seien, wurden demnach vorsorglich dekontaminiert. Die Terrorwarnstufe für die belgische Hauptstadt Brüssel ist von der höchsten Kategorie vier auf die Kategorie drei heruntergestuft worden. Damit gilt die Bedrohung durch einen Anschlag nur noch als möglich und wahrscheinlich, nicht mehr als ernstzunehmend und nahe bevorstehend. Belgische Medien berichteten am Donnerstag übereinstimmend von der Neubewertung durch das Koordinierungsorgan für die Bedrohungsanalyse. Die maximale Warnstufe vier war am Samstag verhängt worden. Die belgischen Behörden fürchteten einen Anschlag wie in Paris, wo am 13. November 130 Menschen durch islamistische Attentäter getötet worden waren. Bekannt ist, dass mehrere der Attentäter im Brüssel Problemviertel Molenbeek wohnten. Die Präsenz von Militär und Polizei in der belgischen Hauptstadt wurde massiv erhöht, wiederholt gab es Razzien und Festnahmen. Er sei beunruhigt über die Vorkommnisse an der Großen Moschee, sagte der gläubige Muslim Mohamed Dahmichi, der den Einsatz an der Großen Moschee von der gegenüberliegenden Straßenseite aus verfolgte. Es ist nicht gut. Mit all dem, was sonst noch zur Zeit in Brüssel passiert, habe ich dieser Tage Angst, das Haus zu verlassen. Anfang der Woche hatten mehrere Moscheen in Molenbeek Drohbriefe erhalten. Als Absender gab sich ein sogenannter Christlicher Staat aus – offenbar in Parallele zur islamistischen Terrororganisation Islamischer Staat. Unterdessen gab es eine weitere Razzia in Belgien. Im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen wurde im wallonischen Auvelais ein Haus oder eine Wohnung durchsucht, wie die Generalstaatsanwaltschaft in Brüssel mitteilte. Festgenommen wurde niemand, wie die Behörde erklärte, ohne weitere Details zu nennen. (APA, 26.11.2015) Drei Festgenommene nach wenigen Stunden wieder freigelassen. Brüssel – Die belgische Polizei hat am Donnerstag sechs Verdächtige festgenommen, die an der Planung von Terroranschlägen zu Silvester beteiligt gewesen sein sollen. Drei der Festgenommenen wurden allerdings nach wenigen Stunden wieder freigelassen, berichten belgische Medien. Die Festnahmen seien im Rahmen von insgesamt sieben Hausdurchsuchungen im Brüsseler Stadtgebiet sowie in Sint-Pieters-Leeuw im Umland der Hauptstadt erfolgt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Behörden hatten bereits vor wenigen Tagen Attentatspläne für die Silvesternacht aufgedeckt und zwei Männer festgenommen. In ihrem Fall sei die Untersuchungshaft um ein weiteres Monat verlängert worden, so die Staatsanwaltschaft. Beide Männer – der 30-jährige Said S. und der 27-jährige Mohammed K. – kommen laut Medienberichten aus dem Brüsseler Stadtbezirk Anderlecht und sind Mitglieder des Motorrad-Clubs Kamikaze Riders, dessen Anhänger in sozialen Netzwerken zum Teil mit antisemitischen Parolen auffielen. Aus Angst vor Anschlägen sind das Silvesterfeuerwerk und andere öffentliche Feierlichkeiten zum Jahreswechsel in Brüssel bereits am Mittwochabend abgesagt worden. Allein zum Feuerwerk auf dem Platz De Brouckere in der Innenstadt waren mindestens 50.000 Menschen erwartet worden. Doch solche Massenansammlungen seien nicht zu kontrollieren, sagte Bürgermeister Yvan Mayeur. Gemeinsam mit Innenminister Jan Jambon habe er deswegen die Entscheidung getroffen, die Feiern am Donnerstagabend nicht zu organisieren. Zehn Verdächtige festgenommen. Brüssel – Die belgische Polizei hat bei einer Razzia in Brüssel zehn Menschen wegen des Verdachts der Rekrutierung von Kämpfern der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Unsere Ermittlungen deuten darauf hin, dass mehrere Menschen nach Syrien aufgebrochen sind, um sich dem IS anzuschließen, teilte die belgische Staatsanwaltschaft am Dienstag mit. Bei den Durchsuchungen wurden Computer und Mobiltelefone sichergestellt. Belgien gehört zu den EU-Ländern, aus denen gemessen an der Bevölkerungsgröße die meisten Islamisten sich radikalen Milizen in Syrien und im Irak angeschlossen haben. Insbesondere der Brüsseler Stadtteil Molenbeek gilt als Drehkreuz für europäische Dschihadisten. Dort haben auch mutmaßliche Attentäter gelebt, die nach Erkenntnissen der Ermittler an den IS-Anschlägen in Paris im November beteiligt waren. Identität des Toten noch ungeklärt – Vier Polizisten wurden verletzt – Erklärung der Staatsanwaltschaft am Nachmittag geplant. Brüssel – Nach dem Anti-Terror-Einsatz der Polizei in Brüssel mit einem toten Verdächtigen laufen die Ermittlungen auf Hochdruck. Vier Polizisten wurden am Dienstag verletzt, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Zwei von ihnen konnten demnach das Krankenhaus bereits wieder verlassen. Die Identität des Toten werde noch geklärt, hieß es. Bei dem Toten handle sich jedoch nicht um den 26 Jahre alten Franzosen Salah Abdeslam, der im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen vom vergangenen November gesucht wird, teilte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Eric Van Der Sypt, laut Nachrichtenagentur Belga mit. Ob weitere Verdächtige flüchtig sind, war vorerst nicht klar. Für Mittwochvormittag kündigte die Staatsanwaltschaft eine Erklärung an. Zudem solle der Nationale Sicherheitsrat zusammenkommen. Sicherheitskräfte hatten am Dienstag einen Einsatz in der Gemeinde Forest gestartet. Dabei wurde der Verdächtige, der laut Staatsanwaltschaft mit einem Schnellfeuergewehr bewaffnet war, getötet. Der Einsatz im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen hatte bereits am Nachmittag begonnen. Es fielen Schüsse, dabei wurden die Polizisten leicht verletzt. An der Anti-Terror-Aktion waren nach Angaben des belgischen Innenministeriums auch französische Ermittler beteiligt. Unter den Verletzten ist demnach auch eine französische Polizistin. Die Beamten riegelten das Areal in Forest weiträumig ab. Bürger konnten zunächst nicht in ihre Wohnungen zurückkehren. Ich bin sehr überrascht. Das ist eigentlich ein familiäres und ruhiges Viertel, sagte eine Anrainerin. Sie habe stundenlang an einer Absperrung warten müssen, um zu ihrem Sohn zu gelangen. Forest ist ein sozial gemischtes Viertel mit einem großen Audi-Werk. Salah Abdeslam steht im Verdacht, an den Pariser Anschlägen beteiligt gewesen zu sein. Er ist deswegen einer der meistgesuchten Terroristen Europas. Abdeslam ist zugleich Bruder eines der Selbstmordattentäter, die sich in Paris mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft gesprengt hatten. Wie andere berüchtigte Islamisten wuchs auch er in der Brüsseler Gemeinde Molenbeek auf. Diese gilt als Islamistenhochburg. Bei den Pariser Anschlägen vom 13. November hatten mehrere Attentäter im Konzertsaal Bataclan, an verschiedenen Bars und Restaurants sowie am Fußballstadion im Vorort Saint-Denis zugeschlagen. Insgesamt starben bei der Terrorserie 130 Menschen. Frankreich ist froh, dass wenigstens einer der Pariser Attentäter lebend gefasst wurde. Doch der meistgesuchte Mann Europas entspricht nicht unbedingt dem Bild eines abgebrühten Terrorchefs. Die Franzosen kannten Salah Abdeslam seit vier Monaten, das heißt, seit den mörderischen Anschlägen von Paris mit 130 Todesopfern. 1,75 Meter, braune Augen, hieß es auf den Steckbriefen im Land. Gefährliches Individuum. Greifen Sie auf keinen Fall selbst ein. Mit der Zeit erhielt der 26-jährige Franzose marokkanischer Abstammung, der den Fahndern immer wieder im letzten Moment entwischte, die Aura eines nicht zu packenden Phantom- und Profiterroristen. Am Freitagabend wurde der Verhaftete aber wie ein mickriger Krimineller mit einer Knieverletzung ins Polizeiauto gezerrt. Anders als seine vier Spießgesellen, die mit ihm verhaftet wurden und offenbar jede Aussage verweigern, bestätigte Abdeslam laut der Pariser Staatsanwaltschaft, er habe sich am 13. November in Paris beim Stade de France während des Länderspiels Deutschland – Frankreich in die Luft sprengen wollen, dann aber einen Rückzieher gemacht. Nach Aussagen der belgischen Regierung hatte nach den Pariser Anschlägen auch etwas in Brüssel geplant. Abdeslam habe am Samstag ausgesagt, er sei bereit gewesen, etwas in Brüssel zu tun, berichtete Belgiens Außenminister Didier Reynders am Sonntag. Das könnte die Wahrheit sein, denn wir haben bei den ersten Ermittlungen viele Waffen gefunden, schwere Waffen, hieß es weiter. Zudem seien die belgischen Ermittler auf ein neues Netzwerk rund um Abdeslam in Brüssel gestoßen, sagte Reynders bei einer Veranstaltung der US-Stiftung German Marshall Fund, die die Äußerungen des Ministers in einer Erklärung zitierte. Hollande drängt auf rasche Auslieferung Der französische Präsident François Hollande drückte seine Hoffnung auf eine rasche Auslieferung nach Frankreich aus. Abdeslams Anwalt Sven Mary erklärte darauf, sein Klient werde dagegen Rechtsmittel einlegen. Derzeit wartete er in Brügge in einem Hochsicherheitstrakt. Abdeslam will einem Bericht des belgischen TV-Senders RTBF zufolge über seinen Anwalt auch Anzeige gegen den Staatsanwalt einbringen. Dieser habe Informationen aus der Einvernahme an die Öffentlichkeit weitergegeben. In Frankreich erwartet Abdeslam eine aufgebrachte öffentliche Meinung, die will, dass wenigstens einer der Täter für die Blutnacht von Paris zur Rechenschaft gezogen wird. Pariser Medien bezeichnen den Gefassten als salaud (Mistkerl) und höhnen, er habe seine Überzeugungen bis zum Schluss verraten, da er sich und andere bei der Verhaftung nicht in die Luft gesprengt habe. Rolle unklar Abdeslams Rolle bei den Pariser Anschlägen bleibt vorläufig unklar. Bisher weiß man nur, dass er Zeitzünder kaufte, Hotelzimmer für die Attentäter mietete und diese nach Paris fuhr. Terrorexperten bezeichnen ihn als Logistiker der Anschläge. Ein in der Pariser Banlieue in einem Mülleimer gefundener Sprengstoffgürtel gilt als sein eigener. Offen ist, warum dieser nicht zum Einsatz kam. War der 26-jährige Franzose, der in Molenbeek eine Bar führte, Bier trank und Hasch rauchte, aber kaum je die islamischen Gebetszeiten einhielt, vielleicht doch kein zu allem entschlossener Überzeugungstäter? Alle neun Attentäter, darunter auch der Kommandochef Abdelhamid Abaaoud, hatten bei den Anschlägen oder bei späteren Razzien ihr Leben gelassen. Abdeslam ließ sich am Freitag festnehmen, ohne sich bei dem angekündigten Polizeisturm zu sprengen. Dass er auf dem IS-Bekennervideo zu den Pariser Anschlägen nicht figurierte, deutet auch eher auf eine sekundäre Rolle hin. Erleichterung über Festnahme Ein Angehöriger der 130 Todesopfer erklärte auf jeden Fall, er sei erleichtert über die Festnahme, sei doch zu befürchten gewesen, dass Abdeslam nach Syrien flüchtete. Das Aufatmen darüber, dass der Staatsfeind Nummer eins (so der größte französische TV-Sender TF1) unschädlich gemacht wurde, dürfte allerdings rasch der Ernüchterung weichen. Und das nicht nur, weil Abdeslam möglicherweise nur ein Handlanger Abaaouds war. Der Terrorexperte Jean-Paul Rouiller meinte am Sonntag: Die wahren Drahtzieher sitzen in Syrien. Und sie heuern ihre Jihad-Rekruten in den französischen Banlieue-Vierteln weiterhin per Internet an und steuern sie per Handy fern. Zwei neue Steckbriefe Dabei haben sie die Wahl aus mehr als 8.000 Radikalislamisten – doppelt so vielen wie vor einem Jahr, wenn die Zahlen französischer Polizeiermittler stimmen. Am Wochenende entdeckten die Franzosen bereits zwei neue Steckbriefe noch flüchtiger Mitorganisatoren der Anschläge. Mohammed Abrini und Soufiane Kayal waren zwar in Paris nicht zur Tat geschritten, gelten aber unter Experten als mindestens so gefährlich wie Abdeslam. Präsident François Hollande meinte am Wochenende, die jüngsten Verhaftungen seien eine wichtige Etappe, aber kein endgültiger Abschluss. Weitere Festnahmen seien erforderlich. Damit rechtfertigte er indirekt die Verlängerung des Ausnahmezustandes, der noch bis im Mai gelten soll und Razzien sowie Hausarreste in Serie zur Folge hatte. Die Hausdurchsuchungen dieser Woche in Belgien, die ursprünglich gar nicht Abdeslam galten, auch wenn sie zu seiner Verhaftung führten, bestärken die Befürworter dieser flächendeckenden Polizeieinsätze. Verteidigungsrat Hollande hielt am Samstag mit seinen wichtigsten Ministern einen Verteidigungsrat ab. Das war auch als Signal gemeint, dass die Staatsführung der Terrorbekämpfung weiterhin oberste Priorität einräumt. Die Franzosen haben sich längst an die permanenten Militärpatrouillen und Personen- und Gepäckkontrollen gewöhnt. Für die Fußball-Europameisterschaft von Juni in Frankreich proklamiert Innenminister Bernard Cazeneuve das Nullrisiko. Im südfranzösischen Nîmes probten am Donnerstag 1200 Polizeischüler in Fankleidung eine Bombenexplosion im Stadion mit Chemiegas-Austritt. Cazeneuve freute sich, die Krankenhäuser hätten auf die Übung mustergültig reagiert. Erste gesicherte Erkenntnisse der Polizei über die Anschläge in Brüssel deuten darauf hin, dass es eine Verbindung zu Terrorattacken in Paris gibt. Die Bombenleger waren Belgier, Freunde des verhafteten Salah Abdeslam. Nach einer klaren Vollmondnacht war es Mittwochfrüh in Brüssel spürbar kühler als am Vortag. Um 7.58 Uhr, also genau 24 Stunden nach den Explosionen zweier von Selbstmordattentätern gezündeter Bomben auf dem Flughafen vor der Stadt, die mindestens elf Menschen in den Tod gerissen und mehr als hundert verletzt hatten, herrschte im Europaviertel zudem auch eine bedrückende Stille. Kaum Menschen auf der Straße. Die U-Bahn-Station Maelbeek, wo ein zweiter Terroranschlag am Vortag mindestens 20 Menschen getötet und auch mehr als hundert zum Teil lebensgefährlich verwundet hatte, war von Sichtblenden der Polizei abgeriegelt. Am Tag danach, den kein Brüsseler je vergessen wird, an dem nach den Worten von König Philippe nichts mehr so sein wird wie zuvor, schien es, als wollte Europas Metropole nicht so richtig erwachen. Zum Teil liegt das an den nahenden Osterfeiertagen. Aber die Bürger wollten den Tag nach der Ausrufung des Ausnahmezustands mit höchster Terrorwarnstufe verhalten beginnen. Bis in die Nacht hatten Fernsehen und Radio verkündet, dass der zweite Attentäter vom Flughafen, Najim Laachraoui, frei herumliefe. Er soll der Bombenbauer auch für die Anschläge in Paris im November sein. Die Polizei suchte ihn die ganze Nacht, immer wieder hörte man die Polizeisirenen. Dabei hatte die Regierung – anders als nach Paris – den Bürgern eine ganz andere Strategie im Umgang mit der Angst vorgeschlagen. Das Leben soll normal weitergehen, verkündete Premierminister Charles Michel. Man werde sich nicht einschüchtern lassen. Daher kurbelten die Verkehrsbetriebe in der Früh Zug um Zug den öffentlichen Verkehr wieder an: Busse, Züge und auch die meisten Metrolinien gingen in Betrieb. Nur der Zentralbahnhof und der im Eingangsbereich schwer beschädigte Flughafen blieben geschlossen. So wie auch die Metrostation Maelbeek, wo Forensiker die Leichenteile der zerrissenen Opfer bergen müssen: Sie wird nach Angaben des Bürgermeisters auf Wochen geschlossen bleiben müssen. In Maelbeek bildet sich die Kaltblütigkeit der Anschläge am brutalsten ab. Gesundheitsministerin Maggie De Block bat um Verständnis dafür, dass man keine genauen Opferzahlen bekanntgeben könne. Es werde noch lang dauern, bis alle Opfer identifiziert werden können. Die Angehörigen der Vermissten wurden aufgefordert, DNA-Proben und Fingerabdrücke ihrer Lieben zu liefern, um den Forensikern die Arbeit zu erleichtern. Wer die Opfer und Verletzten sind? Drei EU-Beamte seien darunter, gab die Kommission bekannt. Viele junge Leute, wahrscheinlich aus 40 Nationen, erklärte Außenminister Didier Reynders. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker kam mit dem als Gast in Brüssel weilenden französischen Premierminister Manuel Valls und Michel zur Station, für eine kleine Gedenkfeier. Stärke demonstrieren gegenüber den Menschenfeinden, dieses Bedürfnis zeigten aber auch tausende Bürger der Stadt, die an verschiedenen Plätzen Gedenk- und Solidaritätsfeiern abhielten. Vor der Börse im Zentrum gibt es einen Brennpunkt der Manifestationen. Die Menschen zünden Kerzen an, schreiben Parolen der Aufmunterung auf die Straße. Am Samstag soll es einen großen Trauermarsch durch die Stadt geben, der beim Atomium startet. Aber wer waren die Männer, die diesen Terror in die Stadt gebracht haben? Darüber gab am Nachmittag der ermittelnde Staatsanwalt Frederic Van Leeuw im Detail Auskunft. Er schilderte auch genau, wie die Anschläge abliefen. Die zentrale Erkenntnis ist, dass die Attentäter, soweit bisher bekannt, alle Belgier sind, im Land geboren – und aus dem Netzwerk des erst am vergangenen Freitag verhafteten mutmaßlichen Paris-Attentäters Salah Abdeslam. Der Anschlag auf dem Flughafen wurde von drei Männern verübt, die mit dem Taxi und ihren in Taschen versteckten Bomben ankamen. Sie begaben sich mit ihren Gepäckstrolleys in die Abflughalle, zwei zündeten bei den Check-in-Schaltern die Bomben. Der dritte Mann jedoch lief davon, seine Sprengladung detonierte nicht. Zwei Selbstmordattentäter starben, einer war Ibrahim Bakraoui – ein polizeibekannter Krimineller. Der andere soll laut DNA-Analysen der Bombenbauer Laachraoui, ein Freund Abdeslams, gewesen sein. Nach dem Dritten vorerst unbekannten Täter werde gefahndet. De Leeuw erklärte weiter, dass der Anschlag in der Metro Maelbeek von Ibrahim Bakraouis Bruder Khalid ausgeführt worden sei. Damit machte er – ohne es explizit auszusprechen – klar, dass die Attentate wohl rein auf das Brüsseler Jihadistennetzwerk zurückzuführen seien. Denn Iberahim und Khalid Bakraoui, das sind jene Brüder, die eine Wohnung im Stadtteil Forest angemietet hatten, wo es vor einer Woche bei einer Razzia zu einer Schießerei gekommen war. Nach zwei Männern wurde gefahndet. Drei Tage später wurde der Paris-Attentäter Abdeslam verhaftet, der zugab, dass man in Brüssel etwas machen wollte. Vermutlich meinte er damit die Anschläge vom Dienstag. Mikl-Leitner: EU-Staaten über mehr Terrordatenaustausch einig – Geheimdienste sollen "Datenverbund in Echtzeit" schaffen. Brüssel/Wien – Die in Salzburg inhaftierten Jihadisten dürften nach Worten von Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) Kontakte zu den Terrornetzwerken von Paris und Brüssel gehabt haben. Dies sagte der Justizminister vor dem EU-Sondertreffen der Innen- und Justizminister nach den Brüsseler Terroranschlägen in der belgischen Hauptstadt. Wir haben in Österreich derzeit 38 inhaftierte Jihadisten. Wir haben auch Personen in Salzburg inhaftiert, das wissen Sie, die verdächtigt werden, auch konkrete Kontakte gehabt zu haben zu dem Netzwerk, das für die Anschläge hier und in Paris wahrscheinlich verantwortlich ist, sagte Brandstetter. Hier geht man davon aus, dass es auch einen Konnex gibt zu den Anschlägen hier in Brüssel. Ich kann über die Inhalte unseres Ermittlungsverfahrens und auch über die Kooperation mit den Behörden, vor allem aus Frankreich, nichts Näheres sagen, das würde die Ermittlungen gefährden, sagte der Justizminister. Am 10. Dezember sind in Salzburg ein Pakistani und ein Algerier verhaftet worden, die mit falschen syrischen Pässen als Flüchtlinge eingereist waren. Sie befinden sich aktuell in Untersuchungshaft. Französische Medien haben bereits Anfang März berichtet, dass von ihnen getätigte Telefongespräche direkt auf das Umfeld des mutmaßlichen Drahtziehers der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, verweisen. Von der österreichischen Justiz war dies bisher nie offiziell bestätigt worden. Nach dem EU-Sondertreffen waren sich laut Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die EU-Staaten über einen verstärkten Datenaustausch über Terrorverdächtige einig. Oberste Priorität habe dabei der Informationsaustausch der Geheimdienste, sagte Mikl-Leitner nach dem Sondertreffen. Die EU-Staaten wollen demnach im Rahmen der Counter Terrorism Group, einer informellen Plattform der Nachrichtendienste, ein eigenes Koordinationsbüro schaffen, wo ein gemeinsamer europäischer Datenverbund in Echtzeit unter den EU-Staaten stattfinden soll. Dazu brauche es keine Beschlüsse, auch kein Parlament, das ist einfach zu tun, sagte Mikl-Leitner. Dies könnte binnen einiger Wochen geschaffen werden. (Mehr dazu in: Innenminister wünschen sich eigenen EU-Geheimdienst) Die Brüsseler Terrorserie mit hunderten Opfern war indes möglicherweise noch verheerender angelegt als bisher bekannt. Nach unbestätigten Medienberichten wollten drei weitere Täter nach dem Vorbild der Pariser Novemberanschläge auch mit Sturmgewehren um sich schießen. Zwei mutmaßliche Terroristen sollen weiter flüchtig sein. Großaufgebote der Polizei kontrollierten Züge, Flughäfen und Grenzen. Belgien hat am Donnerstagabend die Terrorwarnstufe wieder gesenkt. Die bisher geltende höchste Terrorwarnstufe vier wurde auf drei herabgesetzt. Das gelte für das ganze Land, teilte das nationale Krisenzentrum mit. Die Warnstufe war direkt nach den Attentaten Dienstagfrüh auf die höchste Stufe heraufgesetzt worden. Diese besagt, dass ein unmittelbarer Terroranschlag droht. Blumen als Zeichen des Friedens. Brüssel – Mit einem bewegenden Gedenkmarsch haben mehrere tausend Menschen in Brüssel der 32 Opfer der Anschläge vor knapp vier Wochen gedacht und gegen Terror und Hass demonstriert. Rund 7.000 Menschen folgten am Sonntag nach Angaben der Polizei dem Aufruf der Veranstalter. Neben Hinterbliebenen der Opfer nahmen auch Politiker und Vertreter der großen Religionsgemeinschaften an dem Marsch teil. Ursprünglich hätte die Kundgebung fünf Tage nach den Anschlägen vom 22. März stattfinden sollen, sie war aber aus Sicherheitsgründen abgesagt worden. Zu dem Marsch hatte ein breites Bündnis aus Bürgerverbänden aufgerufen, die ein Zeichen für die Solidarität mit den Opfern und gegen die Gewalt setzen wollten. Wenn schutzlose Zivilisten feige umgebracht werden, dann müssen sich alle Bürger erheben und ihre Abscheu zum Ausdruck bringen, sagte der sozialistische Abgeordnete Hassan Bousetta, einer der Mitorganisatoren. Das Hauptkontingent aus rund 6.000 Menschen startete vom Nordbahnhof, rund tausend Menschen setzten sich im Brüsseler Stadtteil Molenbeek in Bewegung, der als Hochburg der Islamistenszene gilt. Im Zentrum der belgischen Hauptstadt trafen die Gruppen zusammen. Die Organisatoren hatten auf 15.000 Teilnehmer gehofft. An der Spitze des Gedenkmarsches standen Hinterbliebene der Opfer. Auch Vertreter der Sicherheitsbehörden marschierten mit, ebenso wie Repräsentanten der Religionsgemeinschaften. Die muslimische Gemeinde führte ein Banner mit sich mit der Aufschrift Die Liebe ist unsere Religion und unser Glaube. Ein Feuerwehrauto mit blinkendem Blaulicht fuhr in Schrittgeschwindigkeit mit, um die wichtige Rolle der Rettungskräfte nach den Anschlägen zu betonen, wie Feuerwehrsprecher Pierre Meys sagte. Kinder aus der in Molenbeek gestarteten Gruppe riefen Parolen gegen die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS): IS hau ab, Brüssel gehört Dir nicht! Zu den Bombenanschlägen am Brüsseler Flughafen und auf einen U-Bahnhof im Stadtzentrum am 22. März hatte sich die Jihadistenmiliz IS bekannt. 32 Menschen wurden getötet, mehr als 300 Menschen weitere verletzt. Bei der Kundgebung verlas ein Mann einzeln die Namen der 32 Toten, die zwischen 21 und 79 Jahre alt waren. Dann erhielten Augenzeugen der Anschläge und Angehörige der Opfer das Wort. Der Witwer einer marokkanisch-belgischen Frau, die bei dem Anschlag in der U-Bahn-Station Molenbeek getötet wurde, ließ eine Botschaft verlesen: Unser Islam basiert auf der Liebe Gottes und auf der Liebe zum Anderen, ganz gleich welcher Kultur, welchem Land und welcher Religion er angehört, hieß es in der Botschaft. Ein Flughafenmitarbeiter empfahl den Zuhörern, Erste-Hilfe-Kurse zu machen. Dies habe ihm ermöglicht, nach dem Anschlag Verletzte zu versorgen. Nach der Kundgebung empfing Ministerpräsident Charles Michel in seiner Residenz Hinterbliebene der Opfer und Organisatoren des Marsches. Der Gedenkmarsch stand auch unter dem Eindruck umstrittener Äußerungen des belgischen Innenministers Jan Jambon. Dieser hatte die Politik der Integration von Ausländern in seinem Land in einem Interview mit der Tageszeitung De Standaard (Samstagsausgabe) als gescheitert bezeichnet. Als Beleg dafür führte er an, dass ein erheblicher Anteil der muslimischen Gemeinschaft anlässlich der Anschläge getanzt habe. Die Terroristen seien nur ein Pickel, sagte der flämische Nationalist. Darunter befindet sich ein Krebsgeschwür, dem viel schwerer beizukommen ist. (APA, 17.4.2016) Zeitungen: USB-Stick mit Kontakten zu Terrorverdächtigen wurde zudem nicht untersucht. Brüssel – Von schweren Untersuchungsmängeln der Antiterror-Behörden in Belgien gegen den nun nach Frankreich überstellten Terroristen Salah Abdeslam berichteten am Donnerstag Brüsseler Medien. So sei ein USB-Stick, der Abdeslam gehörte und Kontakte zu anderen Terrorverdächtigen enthielt, niemals analysiert worden. Bereits im Februar 2015 sei der USB-Stick sichergestellt worden. Außerdem sei ein Mobiltelefon, das Abdeslam gehörte, offenbar von den Ermittlern verlegt worden, berichteten der flämische Sender VTM und die Zeitung DH. Schließlich seien zwei weitere Mobiltelefone von Abdeslam nicht untersucht worden, obwohl die Staatsanwaltschaft verlangte, die darauf befindlichen Anrufe zu verfolgen. Frankreich ermittelt Unterdessen geht die französische Staatsanwaltschaft wegen Beteiligung an terroristischen Taten und Mord gegen den mutmaßlichen Islamisten Abdeslam vor. Dem 26-Jährigen wird die Beteiligung an den Pariser Attentaten vom 13. November mit 130 Todesopfern vorgeworfen. Er hat sich aus Sicht der Ermittler einer terroristischen Vereinigung angeschlossen, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwoch in Paris mitteilte. Abdeslam wurde nach einem Termin vor dem Ermittlungsrichter inhaftiert. Ob er auch an der Vorbereitung der Brüsseler Anschläge vom März beteiligt war, ist unklar. Er war am Mittwoch in der Früh von Belgien an Frankreich ausgeliefert worden und sitzt nun in Isolationshaft. Nach Angaben seines Anwalts Frank Berton wurde Abdeslam in Fleury-Mérogis südlich von Paris eingesperrt. Berton kündigte an, sein Mandant solle am 20. Mai vernommen werden. Zeitungsberichte: Richter lehnte Haft ab – Mann könnte noch mehrere Monate in Freiheit bleiben. Brüssel – Ein wegen Beteiligung an einer Terrororganisation zu fünf Jahren Haft verurteilter 25-jähriger Muslim befindet sich in Brüssel weiter auf freiem Fuß, berichteten die Zeitungen La Dernière Heure und Het Laatste Nieuws am Montag. Der Mann soll sogar eine Enthauptung in Syrien gestanden haben, dennoch habe der Richter vergangene Woche keine sofortige Inhaftierung angeordnet. Der Mann namens Iliass K. wurde zu fünf Jahren Haft verurteilt, die Hälfte davon auf Bewährung. Die Staatsanwaltschaft hatte die unverzügliche Inhaftierung verlangt, der Richter aber befand das nicht für notwendig. Das Urteil ist nicht rechtskräftig, sollte der Mann Berufung einlegen, kann er bis zur endgültigen Gerichtsentscheidung mehrere Monate in Freiheit bleiben. Der Mann hatte die Enthauptung offenbar im Verlauf eines Telefongesprächs gestanden, von dem sich Het Laatste Nieuws die Aufzeichnung besorgen konnte. Das war ein Ketzer, hatte er seinem Gesprächspartner über das Opfer gesagt, wir haben ihm den Kopf abgeschnitten. Nun wurde laut La Dernière Heure eine Untersuchung über dieses Geständnis eingeleitet, das wahrscheinlich zu einem zweiten Prozess führen werde. Gruppe soll neue Anschläge in Belgien geplant haben. Brüssel – Die belgische Justiz hat vier Menschen unter dem Verdacht festgenommen, neue Anschläge in Belgien geplant zu haben. Drei von ihnen wurden unter Auflagen wieder freigelassen, wie die Staatsanwaltschaft am Mittwochabend mitteilte. Wir haben Spuren von Plänen für einen Angriff in Belgien gefunden, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Eric Van der Sypt, der Nachrichtenagentur AFP. Die Verdächtigen wurden in Flandern gefasst und seien der Teilnahme an den Aktivitäten einer Terrorgruppe beschuldigt worden. Zudem würden sie verdächtigt, Kämpfer für Syrien und Libyen rekrutiert zu haben. Mehrere der Festgenommenen hätten sich selber der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) anschließen wollen. Wann die Gruppe festgenommen wurde, wurde zunächst nicht mitgeteilt. Es gebe bisher keine Verbindung zu den Terroranschlägen vom 22. März auf den Brüsseler Flughafen und einen U-Bahnhof der belgischen Hauptstadt, bei denen 32 Menschen getötet worden waren, erklärte die Staatsanwaltschaft. 'EU-Feinde missbrauchen Brexit-Kampagne. Die britische Regierung hat nach den Terroranschlägen von Brüssel dem Nachbarn volle Unterstützung zugesichert. Wir teilen die gleichen Werte von Freiheit und Demokratie, sagte Premier David Cameron am Mittwoch im Unterhaus. EU-Feinde nutzten die islamistischen Gräueltäten umgehend im Abstimmungskampf um den Brexit: Ein Ukip-EU-Abgeordneter sowie ein Ex-Tory-Parteichef machten Schengen für den Terrorismus mitverantwortlich. In einem Telefonat habe er seinem belgischen Kollegen Charles Michel alle erdenkliche Unterstützung zugesagt, betonte Cameron nach einer Sitzung des Krisenstabes Cobra. Bisher gebe es keine Anzeichen für etwaige Verbindungen der Täter auf die Insel oder unmittelbar bevorstehende Nachahmungstaten. Die Anschlagsgefahr wird aber weiter als höchst wahrscheinlich eingestuft. Innenministerin Theresa May berichtete im Unterhaus von vier britischen Verletzten Verbindungen zu Brüsseler Selbstmordattentätern werden untersucht – Nachricht in Mobiltelefon kurz vor Anschlag. Düsseldorf/Gießen – Im Zusammenhang mit den Terroranschlägen von Brüssel hat die deutsche Polizei zwei Verdächtige in Gießen und im Raum Düsseldorf festgenommen. Demnach wurde bereits am Mittwochabend in Gießen ein Mann festgenommen, in dessen Mobiltelefon die Beamten Hinweise auf einen Zusammenhang mit den Attentaten von Brüssel fanden. Im Raum Düsseldorf sei am Donnerstag ein den Behörden in Nordrhein-Westfalen als Salafist bekannter Mann festgenommen worden, der möglicherweise zum Umfeld der Brüssel-Attentäter gehört. Entsprechende Berichte des Magazins Der Spiegel und der ARD wurden der Deutschen Presse-Agentur in Berlin am Freitag aus Sicherheitskreisen bestätigt. Offiziell bestätigten die Behörden am Freitag lediglich zwei Festnahmen, sie wollten sich aber nicht zu Details äußern. Nach ARD-Informationen war ein 28-jährige Marokkaner bei einer Routinekontrolle auf dem Bahnhof in Gießen einer Streife der Bundespolizei aufgefallen. Eine Ausweiskontrolle habe ergeben, dass für den Mann eine Einreisesperre in den Schengenraum gelte – und dass er in Italien und Deutschland straffällig geworden war. 2014 hatte er demnach erfolglos in Deutschland einen Asylantrag gestellt. Als sich die Polizei daraufhin am Donnerstag intensiver mit dem Mann beschäftigte, hätten sich Papiere über einen Krankenhausaufenthalt wegen einer nicht näher beschriebenen Verletzung am 18. März 2016 gefunden, berichtet die ARD. An diesem Tag war der Terrorverdächtige Salah Abdeslam in der belgischen Hauptstadt festgenommen worden. Laut Spiegel kommt in einer Kurznachricht des in Gießen festgenommenen Verdächtigen der Name des U-Bahn-Attentäters von Brüssel, Khalid El Bakraoui, vor. Eine weitere SMS-Nachricht enthielt nur das Wort fin – französisch für Ende. Diese Nachricht sei offenbar am Dienstag um 9.08 Uhr gesendet worden. Nach bisherigen Erkenntnissen sprengte sich Bakraoui laut Spiegel um 9.11 Uhr in die Luft. Die Ermittler versuchten nun zu klären, inwieweit der Mann zum Umfeld der Attentäter gehört haben könnte. Ein Sprecher der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft bestätigte auf dpa-Anfrage nur, dass am Donnerstag ein Mann festgenommen worden sei, gegen den nun unter anderem wegen Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat ermittelt werde. Bei dem Mann soll es nach Spiegel-Informationen um den Salafisten Samir E. gehen. Er sei ebenso wie der Brüsseler Flughafenattentäter Ibrahim El Bakraoui im Sommer 2015 von den türkischen Behörden im Grenzgebiet zwischen der Türkei und Syrien aufgegriffen worden. (In einer ersten Version des Artikels hatte es noch geheißen, Samir E. sei mit Khalid El Bakraoui, dem U-Bahn-Attentäter, abgeschoben worden). Die türkischen Behörden hätten beide verdächtigt, sich auf der Seite der Islamisten am syrischen Bürgerkrieg beteiligt zu haben oder noch beteiligen zu wollen. Beide seien daraufhin nach Amsterdam abgeschoben worden, dem Ausgangspunkt ihrer Reise. Der Verdächtige sei am Donnerstagnachmittag im Raum Düsseldorf von einem Spezialeinsatzkommando der Polizei festgenommen worden. Die Behörden wollten nun untersuchen, ob sich E. und Bakraoui näher gekannt haben oder gemeinsam in der Türkei unterwegs waren. Nach der Festnahme des dritten Attentäters sollen weitere Verdächtige auf der Flucht sein – Belgien klagt zweite Person wegen vereitelten Paris-Anschlages an. Brüssel – Im Zusammenhang mit dem vereitelten Terroranschlag von Paris hat die belgische Staatsanwaltschaft am Sonntag gegen einen zweiten Verdächtigen Anklage erhoben. Abderaman A. war am Freitag bei einem Polizeieinsatz im Stadtteil Schaerbeek angeschossen und von der Polizei zunächst in Untersuchungshaft genommen worden. Bereits am Samstag war zudem gegen den ebenfalls am Freitag festgenommenen Rabah N. Anklage erhoben worden. Beiden Verdächtigen wird vorgeworfen, an der Planung eines Attentats in Paris beteiligt gewesen zu sein. Die französischen Behörden hatten in diesem Zusammenhang am Donnerstag den Franzosen Reda Kriket festgenommen und von konkreten Anschlagsplänen gesprochen. In Krikets Wohnung im Pariser Vorort Argenteuil wurden Sprengstoff und Waffen sichergestellt. Er gehört derselben belgischen Terrorzelle an wie der mutmaßliche Drahtzieher der Pariser Anschläge vom November 2015, Abdelhamid Abaaoud. Nach den Bombenexplosionen in Brüssel und der Pariser Anschlagserie vom November fahnden die Sicherheitsbehörden weiter nach mehreren mutmaßlichen Terrorhelfern. Nach Informationen der Welt am Sonntag sollen sich mindestens acht Verdächtige in Syrien aufhalten oder in Europa auf der Flucht sein. Die meisten davon seien Franzosen und Belgier, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Sicherheitskreise. In Brüssel wird eine Klarstellung der Staatsanwaltschaft erwartet, ob es sich bei einem festgenommenen Mann um den tagelang gesuchten dritten Attentäter vom Flughafen handelt. Nach dem Welt am Sonntag-Bericht zählen die gesuchten Islamisten zu den Kontaktpersonen des mutmaßlichen Drahtziehers der Pariser Anschläge, Abdelhamid Abaaoud, und des in Belgien gefassten Terrorhelfers Salah Abdeslam. Nach Ermittlungsergebnissen aus Frankreich und Belgien soll der mutmaßliche Kopf der europäischen IS-Terrorzellen der Algerier Mohamed Belkaid gewesen sein, der bei einem Polizeieinsatz in Belgien erschossen wurde. Er soll gemeinsam mit Najim Laachraoui, einem Bombenbauer und späteren Brüssel-Attentäter, die Terrorkommandos bei den Pariser Attentaten von Belgien aus per Telefon angeleitet und koordiniert haben, wie das Sonntagsblatt weiter berichtete. Sonntagfrüh gab es an verschiedenen Orten in Belgien insgesamt 13 Hausdurchsuchungen, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, die meisten davon im Großraum Brüssel. Die Razzien stünden im Zusammenhang mit Terrorismus-Ermittlungen, hieß es. Eine ausdrückliche Verbindung zu den Attentaten vom Dienstag stellte die Behörde aber nicht her. Von insgesamt neun festgenommenen Personen wurden bis zum Nachmittag fünf wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei den übrigen sollte ein Richter im Laufe des Tages über eine mögliche Untersuchungshaft entscheiden. Vermisstes US-Paar ist tot Ein seit den Anschlägen von Brüssel vermisstes Paar aus den USA ist indes neuen Angaben zufolge bei den Attentaten getötet worden. Wir haben erfahren, dass (die beiden, Anm.) bei dem Anschlag am Brüsseler Flughafen starben, teilte der Arbeitgeber des Mannes am Samstag mit. In einem Auftritt beim Kurzbotschaftendienst Twitter, den US-Medien dem Bruder des Manns zuordneten, wurde dies bestätigt. Wir haben erfahren, dass Feiglinge meinem Bruder wenige Wochen nach seinem 30. Geburtstag das Leben genommen haben, schrieb der Mann dort. Das Paar habe seit dem Jahr 2014 in Brüssel gelebt, teilte der Arbeitgeber mit. Die Regierung in Washington hatte am Freitag bestätigt, dass zwei US-Bürger getötet worden seien und mehrere weitere vermisst würden. Der dritte Attentäter vom Brüsseler Flughafen ist laut der belgischen Zeitung Le Soir längst gefasst. Der in der Nacht auf Freitag festgenommene Faycal C. sei von jenem Taxifahrer identifiziert worden, der das Terrorkommando zum Flughafen brachte. Eine offizielle Bestätigung gab es zunächst nicht. Wie der Sender RTBF berichtete, wird noch auf das Ergebnis einer DNA-Analyse gewartet. Gegen Faycal C. wurde Haftbefehl erlassen wegen Beteiligung an terroristischen Morden. Waffen oder Sprengstoff waren bei ihm nicht gefunden worden. Nach den Razzien in Brüssel vom Donnerstag und Freitag sitzen weiterhin mehrere Verdächtige im Gefängnis. Neben Faycal C. wurden gegen zwei weitere Verdächtige, die am Freitag bei Razzien festgenommen worden waren, Haftbefehle wegen der Beteiligung an terroristischen Aktivitäten erlassen. Zu den Anschlägen in Brüssel und Paris hatte sich die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekannt. In der französischen Hauptstadt wurden am 13. November 130 Menschen getötet, in Brüssel rissen drei Selbstmordattentäter am 22. März 28 Menschen mit in den Tod. Sicherheitslage angespannt Die Sicherheitslage in Belgien ist weiterhin angespannt. Ein für diesen Sonntag geplanter Marsch gegen die Angst in Brüssel wurde abgesagt, da die Polizei mit laufenden Ermittlungen ausgelastet ist. In Italien wurde indes ein in Belgien gesuchter Algerier mit mutmaßlichen Verbindungen zu den Verantwortlichen der Terroranschläge von Brüssel und Paris festgenommen. Der Mann gehöre zu einer Bande von Passfälschern, die mit den Attentätern in Verbindung gestanden habe, teilte die italienische Polizei am Samstagabend auf Twitter mit. Neben Abdeslam sollen jeweils mindestens einer der Attentäter von Brüssel und Paris von der Bande gefälschte Papiere genutzt haben. Bereits 2015 sollen zwei Jihadisten in Frankreich vor den IS-Anschlagsplanungen gewarnt haben, wie aus Verhörprotokollen der beiden aus dem Juni und August 2015 hervorgehe. Die beiden Islamisten seien in Syrien vom IS ausgebildet worden und anschließend nach Frankreich zurückgekehrt. Im Verhör des französischen Inlandsgeheimdienstes DGSI warnten sie demnach davor, dass große Terroranschläge in Europa bevorstünden. Dort (in Syrien) gibt es eine regelrechte Fabrik und sie versuchen in Frankreich oder Europa zuzuschlagen, soll einer der Männer am 13. August 2015 gesagt haben. Der am Donnerstag festgenommene Fayçal C. wurde am Montag aus Mangel an Beweisen wieder freigelassen. Brüssel – Nach den Anschlägen in Brüssel haben die Ermittler noch keine Gewissheit, dass sie den überlebenden mutmaßlichen Attentäter vom Flughafen gefasst haben. Sie baten am Montag um Hinweise zum Mann mit dem Hut, der auf einem Überwachungsvideo mit den Selbstmordattentätern einen Gepäckwagen vor sich herschiebt. Die Ermittler gingen nach Angaben aus Sicherheitskreisen zwar davon aus, dass ein am Donnerstag festgenommener Mann namens Fayçal C. der Komplize vom Flughafen ist. Sie mussten den Verdächtigen allerdings am Montag laut Staatsanwaltschaft wieder aus Mangel an Beweisen auf freien Fuß setzen. Die Beschreibung des auf den Bildern einer Überwachungskamera zu sehenden mutmaßlichen dritten Täters auf der Internetseite der Polizei wurde am Montag um ein Video ergänzt. Auf den Fahndungsbildern ist der Verdächtige gemeinsam mit den beiden späteren Selbstmordattentätern zu sehen, die als Ibrahim El Bakraoui und Najim Laachraoui identifiziert wurden. Der gesuchte Dritte steht auf dem Bild rechts. Er schiebt einen Gepäckwagen und trägt einen helle Jacke und eine dunkle Mütze. Auch in der flämischen Stadt Kortrijk hat es am Montag Razzien gegeben. Das meldete die belgische Nachrichtenagentur Belga mit Hinweis auf Informationen der örtlichen Staatsanwaltschaft. Kortrijk liegt im westlichen Teil Flanderns in der Nähe zur Grenze mit Frankreich. Bisher hatten sich die Durchsuchungen im Zusammenhang mit Anti-Terror-Ermittlungen auf die Hauptstadt Brüssel und das Umland beschränkt. Festnahmen gab es über das Wochenende auch in Italien und den Niederlanden. Bei zwei im Raum Düsseldorf und in Gießen festgenommenen Männern sehen die Behörden dagegen keine Verbindung zu den Brüsseler Anschlägen, bei denen nach jüngsten Angaben 38 Menschen starben. Die Brüsseler Staatsanwaltschaft beschuldigte am Montag drei weitere Personen der Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe. Damit ist ein halbes Dutzend Männer in Brüssel wegen Terrorvorwürfen in Haft. Durch die Selbstmordattentate im Flughafen und in der U-Bahn am Dienstag voriger Woche starben nach jüngsten Angaben des Gesundheitsministeriums 38 Menschen, darunter drei Attentäter. Vier Patienten seien im Krankenhaus ihren Verletzungen erlegen, teilte Gesundheitsministerin Maggie De Block mit. Zunächst war von 35 Toten einschließlich der Attentäter die Rede. Die Toten stammen neben Belgien unter anderem aus Großbritannien, Italien, China, den Niederlanden, Frankreich, Deutschland, Schweden und den USA. Mehr als 300 Menschen wurden verletzt. In und um Brüssel durchsuchte die Polizei am Wochenende zahlreiche Gebäude. Mehrere Menschen wurden vorübergehend festgenommen und verhört. In Italien wurde Medienberichten zufolge ein Algerier festgenommen, der Pässe für Extremisten gefälscht haben soll, die mit den Anschlägen in Verbindung gebracht werden. Die Ermittler seien ihm durch Razzien und Festnahmen in Belgien und Deutschland auf die Spur gekommen. Sein Name sei auch in Dokumenten aufgetaucht, die bei der Durchsuchung einer Wohnung nahe Brüssel im Oktober entdeckt worden seien. Dabei seien auch Fotos von Extremisten gefunden worden, die in die Anschläge von Brüssel und Paris verwickelt sein sollen. Niederländische Anti-Terror-Einheiten nahmen am Sonntag in Rotterdam einen Mann in Gewahrsam, der einen Anschlag in Frankreich geplant haben soll. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft soll der 32-jährige Franzose schnellstmöglich an Frankreich ausgeliefert werden. Die französischen Behörden hätten bereits am Freitag um dessen Festnahme ersucht. Der Mann sei im Zuge von Terrorismus-Ermittlungen identifiziert worden. Er werde verdächtigt, an der Vorbereitung eines Terroranschlags in Frankreich beteiligt zu sein. Bei einem in der Nacht zum Donnerstag in Gießen festgenommenen Marokkaner bestätigte sich der Verdacht einer Verbindung zu den Brüsseler Anschlägen nicht. Eine Sprecherin der Bundesanwaltschaft sagte am Samstag, bislang gebe es keine belastbaren Anhaltspunkte für einen Zusammenhang. Das gelte auch für einen im Raum Düsseldorf Festgenommenen. Druck auf Exekutive erhöht sich – Brüsseler Flughafen strebt baldige Teilöffnung an. Brüssel/Wien – Belgien war am Dienstag wieder dort, wo man schon am Donnerstag war: Man fahndet wieder – oder noch immer – nach dem Mann mit dem Hut, nachdem die Sicherheitsbehörden den Verdächtigen Fayçal C. am Montagabend ohne Auflagen freilassen mussten, weil er ein belastbares Alibi habe und daher doch nicht der dritte Flughafenattentäter sein dürfte. Diese Entscheidung sorgt für Kritik. So bedauerte der Bürgermeister von Brüssel, Yvan Mayeur, die Freilassung des 30-Jährigen: C. sei jedenfalls ein Unruhestifter und habe wahrscheinlich Jihadisten angeworben, sagte Mayeur im Radiosender France Inter. Auch wenn C. nicht wegen einer direkten Verwicklung in die Anschläge festgehalten werden konnte, hätte er doch wegen anderer Tatbestände in Haft bleiben sollen, sagte Mayeur. Der Mann hat Flüchtlinge aufgewiegelt und sich mit Vertretern von Hilfsorganisationen geprügelt, berichtete der Bürgermeister von Ereignissen in einem provisorischen Flüchtlingslager im Herbst in der belgischen Hauptstadt. Schon damals habe er, Mayeur, die Staatsanwaltschaft aufgefordert einzugreifen – allerdings vergeblich. Auch in zahlreichen Medienberichten und Kommentaren ist dieser Tage von einem Totalversagen von Polizei, Staatsanwaltschaft und Geheimdiensten die Rede. Tatsächlich aber kam es in den vergangenen Tagen zu zahlreichen Festnahmen nach Razzien – so auch am Montagabend laut Meldungen der Nachrichtenagentur Belga in der westflämischen Stadt Kortrijk nahe der Grenze zu Frankreich. Bisher hatten sich die Polizeiaktionen auf Brüssel und die Hauptstadtregion beschränkt. Wie die Polizei versichert, habe man nun etliche mutmaßliche Akteure und Mitwisser in Haft, die mit den Anschlägen in Paris vom 13. November und denen in Brüssel vergangene Woche in Zusammenhang stehen. Die Identität des Mannes mit Hut, der zusammen mit zwei bei den Bombenexplosionen am Flughafen ums Leben gekommenen Attentätern auf dem Video einer Überwachungskamera zu sehen ist, war aber bis Dienstagabend nach wie vor unbekannt. Der Flughafen Zaventem könnte noch im Laufe dieser Woche zumindest teilweise wieder geöffnet werden: Nach einem Testlauf für ein neues Verfahren zur Abfertigung von Passagieren am Dienstag könnte ein Teil des Flughafens frühestens ab Mittwoch – so eine Airport-Sprecherin – wieder in Betrieb gehen. Die Abflughalle, in der sich die Explosionen ereigneten, sei davon natürlich ausgenommen. Vielmehr soll diese durch eine behelfsmäßige Konstruktion umgangen werden. Bei dem Test am Dienstag ging es vor allem um persönliche Sicherheit und Feuerschutz sowie Gepäckabfertigung und Effizienz der Beschilderung. Zunächst erhalten gemäß Airportbetreiber nur einige wenige Flüge von Brussels Airlines, einer Lufthansa-Tochter, eine Starterlaubnis. Sobald die Kapazität technisch und logistisch hochgefahren werden könne, könnten auch andere Fluggesellschaften ihre Flugpläne einreichen. Im und um das Bundesparlamentsgebäude in Brüssel wurden die Sicherheitsmaßnahmen am Dienstag intensiviert, allerdings bei gleichbleibender Sicherheitsstufe, wie eine Sprecherin mitteilte. Das öffentliche Leben blieb noch recht ruhig, viele Brüsseler verbrachten die Osterurlaubstage außerhalb der Stadt. 32 Menschen bei Anschlägen ermordet. Brüssel – Eine Woche nach den Terroranschlägen von Brüssel sind alle Todesopfer identifiziert. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft vom Dienstagabend wurden bei den Selbstmordattentaten am Flughafen und in einer Metro insgesamt 32 Menschen getötet. 17 davon waren Belgier und 15 Ausländer. Nicht miteingerechnet sind die drei Selbstmordattentäter. Die Behörden korrigierten damit erneut die Zahl der Anschlagsopfer. Zuletzt hatte es geheißen, dass 35 unschuldige Menschen getötet wurden. Die erneute Korrektur wurde damit erklärt, dass drei Opfer zunächst sowohl auf der Liste der im Krankenhaus gestorbenen Menschen als auch auf der an den Anschlagsorten erstellten Liste geführt wurden. Voller Betrieb Ende Juni oder Anfang Juli angepeilt. Brüssel– Knapp zwei Wochen nach den Anschlägen hat der Flughafen in Brüssel unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen am Sonntag teilweise wieder geöffnet. Um 13.40 Uhr (MESZ) soll die erste von drei geplanten Maschinen von Brussels Airlines nach Faro abheben. Im Tagesverlauf sind noch Flüge nach Athen und Turin geplant. Die drei Flugzeuge wurden am Abend zurück in Brüssel erwartet. Der Betrieb soll sukzessive ausgebaut werden, bereits am Montag sind weitere Flüge angesetzt darunter nach New York und Berlin Tegel. In der provisorischen Abflughalle können zunächst nur etwa 800 Passagiere in der Stunde abgefertigt werden, das entspricht einem Fünftel der üblichen Kapazität. Mit einer Rückkehr zur vollen Auslastung rechnet der Flughafenbetreiber bis Ende Juni oder Anfang Juli. Passagiere und deren Gepäck werden künftig unmittelbar nach ihrer Ankunft im Flughafen kontrolliert. Zunächst soll der Airport nur mit dem Auto angefahren werden dürfen, erläuterte Flughafen-Chef Arnaud Feist. Zur Kontrolle der Nummernschilder werden Spezialkameras aufgestellt. Zudem sollen Fahrzeuge stichprobenartig untersucht werden. Patrouillen von bewaffneter Polizei und Militär werden erhöht. Die Wiedereröffnung des Airports bezeichnete Feist als Zeichen der Hoffnung. Am 22. März waren in der Abflughalle des Brüsseler Airports Zaventem zwei Bomben explodiert und hatten das Gebäude schwer beschädigt. Kurz darauf sprengte sich in einer Metro-Station im EU-Viertel ein weiterer Selbstmordattentäter in die Luft. Bei den Anschlägen wurden 32 Menschen getötet und Hunderte verletzt. Zudem kamen drei Attentäter ums Leben. Die Anschläge in Brüssel ereigneten sich wenige Tage nach der Verhaftung des Hauptverdächtigen der Attentate in Paris im November mit 130 Toten. Salah Abdeslam wurde in der belgischen Hauptstadt gefasst. Ermittler gehen davon aus, dass die Pariser Anschläge von Brüssel aus gesteuert wurden. Insbesondere der Stadtteil Molenbeek gilt als Drehkreuz für Dschihadisten. Dort kam es am Samstag zu Krawallen. Trotz eines Verbots versammelten sich in dem Problemviertel Anhänger der rechten Szene sowie Gegendemonstranten. Es flogen Mülleimer durch die Luft. Die Polizei hatte Wasserwerfer in Stellung gebracht, setzte sie aber nicht ein. Mehrere Personen wurden festgenommen. Die Arbeit der belgischen Sicherheitsbehörden ist nach den Anschlägen von Brüssel heftig in die Kritik geraten. Der Ministerpräsident der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Oliver Paasch, sagte im Deutschlandfunk, Polizei, Justiz und Geheimdienste in Belgien hätten nicht genug miteinander geredet. Zudem müsse viel mehr für die Integration getan werden, um Parallelgesellschaften wie in Molenbeek zu verhindern. Auch Bundesinnenminister Thomas de Maiziere bemängelte eine fehlende Zusammenarbeit in Europa. Viele Staaten möchten Informationen bekommen, aber keine geben, sagte er dem Tagesspiegel vom Sonntag. Viele fürchteten offenbar wegen der Zahl an Gefährdern in ein schlechtes Licht gerückt zu werden.(APA, 2.4.2016) Führender Sozialdemokrat: "Es gibt keine parlamentarische Mehrheit mehr". Sarajevo – Die Regierung im größeren Teil von Bosnien-Herzegowina, der Föderation, ist nach nur sieben Monaten zerbrochen. Es gibt keine parlamentarische Mehrheit mehr, sagte der Spitzenpolitiker Zeljko Komsic, dessen Sozialdemokraten (DF) bisher der Koalition angehörten, am Donnerstag. Die DF hatte sich mit der größten Partei der muslimischen Bosniaken (SDA) und den Kroaten über die Neubesetzung der Führungspositionen in Staatsunternehmen zerstritten. Bosnien und Herzegowina besteht aus zwei fast völlig unabhängigen Teilen. Die Bosniaken und Kroaten regieren in der Föderation, die Serben kontrollieren den zweiten Landesteil, die Republika Srpska. Bosnien droht seit vielen Jahren wegen des Streits seiner Politiker und der überall grassierenden Korruption die Unregierbarkeit. 'Vorzeige-Unternehmer Edin Mehić hofft, dass Bosniens Mächtige Reformen auf den Weg bringen. Man hat es nicht leicht als Unternehmer in Bosnien-Herzegowina, sagt Edin Mehić (38). Erst recht nicht, wenn man bei dem Spiel, das alle spielen, nicht mittun will: Korruption und Bürokratie, die beiden größten Hemmschuhe der bosnischen Wirtschaft. Serienunternehmer und Angel Investor nennt Mehić sich, reich geworden ist der studierte Mathematiker, der den Krieg der 1990er-Jahre in Sarajevo verbrachte und danach für das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR tätig war, mit dem 2004 gegründeten Jobportal Posao.ba. 182.000 meist junge und gut ausgebildete Bosnier haben ihre Bewerbungsunterlagen dort gespeichert Annäherung an EU stockt – Bosnien-Herzegowina droht im Herbst die Staatspleite. Sarajevo – Diesmal wird auf hart gespielt. Die EU arbeitet mit internationalen Finanzinstitutionen eng dabei zusammen, Reformen von Bosnien-Herzegowina zu fordern. Zu Besuch in Sarajevo stellte Österreichs Außenminister Sebastian Kurz am Donnerstag klar: Wir koppeln die Annäherung an die EU, aber auch die Unterstützung von Bosnien-Herzegowina in finanzieller Hinsicht an die notwendigen Reformen, denn anders wird sich das Land nicht weiter entwickeln können. Und: Die Wirtschaftsreformen haben Priorität. Ich habe das Gefühl, dass die EU und die internationalen Finanzinstitutionen es hier sehr ernst meinen. Auf Nachfrage des Standard, ob es, wenn bis zur Deadline am 30. Juni die Reformagenda nicht unterschrieben ist, kein Geld mehr von der Weltbank und dem IWF für Bosnien-Herzegowina geben würde, sagte Kurz klar und deutlich: So ist es! Zurzeit fehlt für die Reformagenda (Reform des Arbeitsrechts, Verwaltungsreform) die Unterschrift des bosnisch-serbischen Landesteils Republika Srpska (RS). Bosnien-Herzegowina dürfte laut Experten im Herbst, wenn kein neues Geld fließt, zahlungsunfähig sein. Kurz sagte, dass er nicht hoffe, dass es dazu komme. Aber wenn es jetzt keine Einigung auf die Reformagenda gibt, wird das definitiv Konsequenzen geben. Es wird kein Geld geben und das hätte dramatische Auswirkungen auf das Land. Einigen sei der Ernst der Lage bewusst. Auf die Frage, ob dies auch in der RS der Fall sei, sagte Kurz: Das ist wahrscheinlich eine schwierige Frage. Es geht aber nicht nur um die RS, sondern überhaupt darum, dass wir ein Land haben, das funktional de facto nicht politisch zu führen ist. Es brauche einen neuen Ansatz der EU. Der Vertrag von Dayton habe zwar Frieden, aber keinen funktionierenden Staat geschaffen. Mittelfristig braucht es deshalb die Verfassungsreform, sonst kommt man aus dem nicht funktionierenden politischen System nicht hinaus, so der Außenminister. Zum Kampf gegen Jihadismus (viele Kämpfer in Syrien und im Irak kommen vom Balkan) verwies Kurz in puncto Auslandsfinanzierung auf das Islamgesetz in Österreich, das die laufende Finanzierung kappt. Wir wissen, dass es in Bosnien-Herzegowina nicht nur viel Einfluss von Saudi-Arabien und anderen Ländern gibt, die versuchen, den Islam zu verändern, sondern auch immer stärker werdende Radikalisierungstendenzen. Das ist brandgefährlich, denn das passiert in Europa. Wir brauchen aber einen Islam europäischer Prägung.(awö, 19.6.2015) Ex-Kommunisten und Tschetniks kämpften darum, in Bosnien-Herzegowina ein Großserbien zu schaffen. Der Plan kam aus Belgrad. Im Sommer 1995 wurden in der Gegend von Srebrenica innerhalb von nur wenigen Wochen mehr als 8.000 Menschen erschossen. Andere wurden auf der Flucht in die Gebiete, die von der bosnischen Armee kontrolliert waren, wie Tiere durch Ostbosnien gejagt. Wenn die bosniakischen Flüchtlinge über eine Brücke mussten oder sich nicht im Wald schützen konnten, wurden sie einfach niedergeschossen: alte, junge, verletzte, völlig ausgehungerte, erschöpfte, um Mitleid flehende Menschen. Welche Motive, welche Ideologie stand hinter dem schwersten Verbrechen seit dem Zweiten Weltkrieg in Europa? Jene, die die Bosniaken im Juli 1995 in Ostbosnien, nachdem die bosniakische Enklave Srebrenica gefallen war, ermordeten, waren Mitglieder der Armee der Republika Srpska, Soldaten also, die sich natürlich an die Genfer Konvention zu halten hatten. Ihre Offiziere wie ihr Kommandant Ratko Mladić wurde von der Jugoslawischen Volksarmee abgezogen, also gehörten sie ursprünglich eher zur kommunistisch-titoistischen als zur Tschetnik-Tradition, erklärt der britische Historiker Marko Attila Hoare dem Standard. Der genozidale Krieg sei von der Jugoslawischen Volksarmee (JNA) und dem Regime von Slobodan Milošević eingeleitet worden – also ehemaligen Kommunisten, die formal der Partisanentradition treu waren. Dieser Umstand macht es bis heute schwierig, die ideologischen Ursprünge klar darzustellen. Genau genommen können wir also nicht sagen, dass der Völkermord in Srebrenica das Werk der Tschetnik-Ideologie war, erklärt Hoare. Auf der anderen Seite, habe aber sowohl die politische Führung der bosnischen Serben, die antikommunistische Demokratische Partei, die in der Tradition der Tschetniks stand, als auch die bosnisch-serbische Armee und auch Miloševićs Regime, großserbische Ziele und Taktiken angenommen. Hoare spricht von einem Widerhall der Tschetniks aus dem Zweiten Weltkrieg. Damals entwarf etwa einer der führenden Tschetniks Stevan Moljević 1942 ein politisches Programm, welches ein homogenes Serbien vorsah, in welchem in jeder Region die Serben eine absolute Mehrheit haben sollten. Zu diesem Zweck sollten aus diesen Gebieten 2,6 Millionen Nicht-Serben ausgesiedelt werden. Knapp 50 Jahre später sagte Mihailo Marković, der Vizepräsident und Chefideologe von Miloševićs Sozialistische Partei Serbiens im Oktober 1991: Es wird zumindest drei Einheiten in dem neuen jugoslawischen Staat geben: Serbien, Montenegro und ein vereintes Bosnien und die Knin-Krajina. Die Knin-Krajina war jener Teil von Kroatien, der von serbischen Einheiten 1991 besetzt und erst 1995 von Kroatien zurückerobert wurde. Von dem ursprünglichen Vorhaben des Milošević-Regimes aus 1990 ist bis heute die Republika Srpska in Bosnien-Herzegowina geblieben, die Republika Srpska Krajina in Kroatien wurde hingegen nach dem Krieg aufgelöst. Die Ideen für den Staat, der nie zustande kam, wurden bereits viele Monate vor Beginn des Kriegs in Bosnien-Herzegowina festgelegt. Die Ziele wurden in Belgrad zwischen 1990 und 1992 von Miloševićs Regime und dem Kommando der JNA formuliert und blieben im Grunde unverändert auch nachdem die bosnisch-serbische Armee formal unabhängig von Belgrad und der JNA wurde, so der Professor der Kingston Universität. Man wollte damit auf das Versagen Serbiens zu Beginn des Jahres 1990 reagieren, als dieses versucht hatte, Jugoslawien als eine zentralisierte Föderation unter serbischer Führung aufzubauen. Also versuchte man es mit Plan B, indem man einerseits Serbiens Souveränität als Republik absicherte, andererseits aber Bosnien und Kroatien zerteilte und einen neuen Staat, der zwar formal Jugoslawien heißen, de facto aber Großserbien sein sollte, schaffen wollte, so Hoare. Dieses Ziel umfasste Bosnien-Herzegowina zu zersplittern, um eine bosnisch-serbische Entität aus diesem Territorium herauszuschneiden, und die Nicht-Serben zu zerstören, vor allem die Bosniaken als Gruppe auf dem Territorium dieser neuen Entität, erklärt Hoare. Dies sollte durch Massentötungen, Folter, Vergewaltigung, kulturelle Zerstörung und andere Mittel erreicht werden, aber vor allem über gewaltsame, organisierte Massenvertreibung der Bevölkerung (ethnische Säuberung). (8.7.2015) Britischer Entwurf wurde sechsmal geändert. Entschließung sprach vom Massaker als Völkermord. New York/Belgrad/Srebrenica – Eine von Großbritannien eingebrachte Resolution zum 20. Jahrestag des Massakers von Srebrenica ist am Mittwoch im UNO-Sicherheitsrat in New York gescheitert. Russland legte sein Veto dagegen ein. Die Entschließung sprach vom Massaker als Völkermord. Die ostbosnische Stadt Srebrenica, während des Bosnien-Krieges (1992-95) zur UNO-Schutzzone erklärt, wurde am 11. Juli 1995 von bosnisch-serbischen Truppen eingenommen, die in den folgenden Tagen rund 8.000 Männer und Burschen in der Umgebung der Kleinstadt brutal ermordeten. Das Massaker gilt als größtes Kriegsverbrechen in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. UNO-Soldaten aus den Niederlanden hatten den Angreifern unter General Ratko Mladic die Stadt kampflos überlassen. Der Resolutionsentwurf wurde von zehn Staaten des Sicherheitsrates unterstützt, vier (Angola, China, Nigeria und Venezuela) enthielten sich der Stimme, das mit Vetomacht ausgestattete Russland stimmte als einziges Mitglied dagegen. Der russische UNO-Botschafter Witali Tschurkin hatte vor der Abstimmung gewarnt: Eine Annahme der Resolution wäre unausgewogen und destruktiv. Der britische Entwurf würde Konflikte auslösen, da darin nur ein Volk beschuldigt wäre. Dies würde dem Versöhnungsprozess in Bosnien-Herzegowina nicht dienlich sein. Russland ist ein enger Verbündeter Serbiens, das sich entschieden gegen den Text gewandt hatte. Der Resolutionsentwurf hatte in den vergangenen Wochen für große Aufregung in Belgrad und unter den bosnischen Serben gesorgt. Serbien betrachtete den Entwurf als gegen das ganze Volk gerichtet. Alle Serben würden so des Völkermordes bezichtigt, hieß es in Belgrad. Die Regierung wandte sich mit einem Protest sogar an die britische Königin Elizabeth II. Die serbischen Behörden vermeiden es tunlichst, das Massaker von Srebrenica als Völkermord zu bezeichnen. Man spricht von einem schrecklichen oder schweren Verbrechen. Das UNO-Tribunal für Exjugoslawien (ICTY) und der Internationale Gerichtshof (IGH), das höchste UNO-Gericht, sahen dagegen sehr wohl einen Völkermord. Am Dienstag war die Sitzung des UNO-Sicherheitsrates zu Srebrenica wiederholt aufgeschoben worden, nachdem Russland mit einem Veto gedroht hatte. Bemühungen um einen Kompromiss unter den Mitgliedern des Rates waren am Mittwoch offenbar ohne Resultate geblieben. In dem britischen Text wurde eine Anerkennung des Kriegsverbrechens gegen tausende muslimische Bosnier im Juli 1995 als eine Voraussetzung für die Versöhnung der ehemaligen Kriegsparteien bezeichnet. Diejenigen, die wegen schwerer internationaler humanitärer Menschenrechtsverletzungen im Bosnien-Konflikt – wie etwa des Völkermords von Srebrenica – beschuldigt würden, müssten juristisch verfolgt werden, hieß es in dem Text. Großbritannien ist empört über das Veto, sagte der britische UNO-Botschafter Peter Wilson. Das Handeln Russlands befleckt das Andenken an all die, die während des Völkermordes starben. Moskau wird das vor den Familien der 8.000 Opfer erklären müssen. Wir haben alles getan, um Russland entgegenzukommen, sagte US-Botschafterin Samantha Power. Wir haben nicht einmal den Schuldigen genannt. Aber Russland ist kompromisslos. Das ist ein Veto gegen Fakten, die von Hunderttausenden Dokumenten, Fotos und forensischen Beweisen unterlegt sind. Erinnerung und Anerkennung seien der Schlüssel zur Versöhnung. Findet Russland etwa auch, dass eine Leugnung des Holocausts der Versöhnung helfen würde? Russland kann als eine der fünf Vetomächte – die anderen sind die USA, China, Frankreich und Großbritannien – mit einer Ablehnung jede UNO-Resolution zu Fall bringen. Auf einen französischen Vorstoß vor einigen Jahren, in Fragen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit freiwillig auf Vetos zu verzichten, hatte Moskau nicht reagiert. Der ICTY in Den Haag klagte bisher insgesamt 20 Personen im Zusammenhang mit dem Völkermord in Srebrenica an. Die Verfahren gegen 15 der Angeklagten wurden auch abgeschlossen. In den Prozessen gegen den einstigen bosnisch-serbischen Präsidenten Radovan Karadzic und seinen Militärchef Mladic, die als Hauptverantwortliche gelten, stehen die Urteile noch aus. (APA, 8.7.2015) Bosnische Präsidentschaft entschuldigt sich – Belgrader Außenministerium reicht Protestnote ein. Sarajevo/Belgrad – Nachdem der serbische Premier Aleksandar Vučić bei seinem Besuch in der Gedenkstätte Potočari anlässlich der Gedenkveranstaltungen zum 20. Jahrestag des Genozids in Srebrenica am Samstag ausgebuht, ausgepfiffen und mit Flaschen und Steinen angegriffen worden war, hat sich am Wochenende die bosnische Staatspräsidentschaft für die Attacke entschuldigt. Augenzeugen berichteten, dass Vučić durch einen Stein verletzt und seine Brille zerschlagen wurde. Die bosnische Präsidentschaft bedankte sich dafür, dass Vučić im Geiste der Versöhnung gekommen war, und kündigte an, dass gegen die Täter ermittelt werde. Man betonte, dass man daran arbeiten werde, das Vertrauen und die Beziehungen zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien zu verbessern. Auch die Mütter von Srebrenica, eine Opferorganisation, drückten Bedauern aus. Das war keine Attacke auf Vučić, sondern auf uns alle, auf unsere Würde, sagte Munira Subašić. Ex-US-Präsident Bill Clinton, der an der Gedenkveranstaltung teilgenommen hatte, sagte, dass der Angriff wohl nicht passiert wäre, wenn Vučić ein wenig später gekommen oder nur bei der Gedenkstätte gewesen wäre. Vučić war entgegen der Empfehlungen seiner eigenen Sicherheitsleute – und anders als etwa Clinton – durch den Friedhof gegangen, wo Hinterbliebene gerade ihre Angehörigen, Opfer des Genozids von 1995, beisetzten. In Bosnien-Herzegowina ist Vučić wegen seiner Vergangenheit als serbischer Ultra-Nationalist umstritten. Für Kritik sorgte auch, dass Serbien mit Unterstützung Russlands im Vorfeld der Veranstaltung erfolgreich eine UN-Resolution zum Genozid in Srebrenica verhindert hatte. Auf dem Begräbnis wurden ihm auf einem Plakat seine eigenen Worte aus dem Jahr 1995 entgegengehalten: Für jeden getöteten Serben werden wir 100 Muslime töten. In Belgrad wiederum unterbrach der Sender Pink einen Film und sendete ein Sonderprogramm mit dem Titel Attentat auf Vučić. Bis in die Abendstunden wechselten sich zahlreiche Experten und Politiker im Studio ab oder wurden telefonisch zugeschaltet. Auch Innenminister Nebojša Stefanovic sprach kurz nach der Attacke auf Vučić von einem Attentat. Man konnte von organisiertem Mordversuch, Lynchen, einer Ohrfeige für Serbien, einem Angriff auf das serbische Volk hören. Außenminister Ivica Dačić erklärte, dies alles sei die Folge der Politisierung von Srebrenica und ein Angriff auf die serbische Friedenspolitik, und reichte in Sarajevo eine Protestnote ein. Der Grundton war, dass Serbien eine Versöhnung wolle, doch dass das nicht möglich sei in einer Stimmung, in der nur die Bosniaken als Opfer dargestellt würden. Vučić selbst versprach versöhnlich, seine Friedenspolitik fortzusetzen, garantierte allen Bosniaken in Serbien Sicherheit und meinte: Meine Hand bleibt weiter ausgestreckt. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, Andrej Ivanji aus Belgrad, 12.7.2015) Der bosnische Serbenpräsident will über die staatliche Justiz abstimmen. Die EU warnt davor. Dodiks Drohung, ein Referendum zu machen, ist wie ein Turbofolklied, sagt Sudbin Musić und lächelt verschmitzt. Die auf dem Balkan beliebten Turbofolk-Songs haben immer ähnliche und seichte Melodien und zuweilen nationalistische Texte. Tatsächlich spricht der Präsident der Republika Srpska (RS), Milorad Dodik, der die Unabhängigkeit des bosnischen Landesteils anstrebt, bereits seit 2006 von einem Referendum. Die Mehrheit der Bürger der RS sind für eine Unabhängigkeit und Eigenständigkeit. Dodik kann damit jedenfalls punkten und bekämpft alles Bosnische. Seit geraumer Zeit werden bosniakische Kinder in der RS nicht mehr in Bosnisch unterrichtet, sondern in der Sprache Bosniakisch, die es gar nicht gibt. Auf den Zeugnissen steht also für die serbischen Kinder Serbisch und für die bosniakischen Kinder Bosniakisch. Die Ablehnung des Bosnischen führte sogar dazu, dass Orte wie Bosanski Šamac, Bosanski Brod oder Bosanska Dubica ihren ersten Namensteil verloren haben. Unterstützen Sie das verfassungswidrige und nichtautorisierte Aufzwingen von Gesetzen des Hohen Repräsentanten und der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien-Herzegowina, vor allem die aufgezwungenen Gesetze über das Gericht und die Staatsanwaltschaft von Bosnien-Herzegowina und die Umsetzung ihrer Entscheidungen auf dem Territorium der Republika Sprska?, lautet die Referendumsfrage. Eigentlich sollte der Volksentscheid bereits am 15. November stattfinden, doch durch ein Veto der Bosniaken dürfte er nun hinausgezögert werden. Man rechnet nächstes Frühjahr damit. Die gesamtstaatliche Justiz ist Dodik ein Dorn im Auge. Er argumentiert, dass die Justiz gegen Serben – insbesondere in Kriegsverbrecherprozessen – voreingenommen sei. Er will die gesamtstaatliche Ebene schwächen. Der Völkerrechtler und Spezialist für die bosnische Verfassung, Edin Šarčević, kritisiert, dass bei dem Versuch, mit der EU-Kommission eine Verhandlungslösung zu finden, nur mit bosnischen Politikern gesprochen werde, die teilweise inkompetent seien, weil sie keine Juristen sind. Im Falle einer Abhaltung eines Referendums müsste der bosnische Verfassungsgerichtshof die Sache prüfen und feststellen – gleich wie im Fall von Katalonien –, ob eine Straftat begangen wurde, so Šarčević. Er sorgt sich zudem, dass sich die Position der Beklagten verschlechtern könnte, wenn die Kompetenzen auf die Ebene der Landesteile verschoben würden, weil die politische Kontrolle der Justiz zunehmen könne. Vergangene Woche warnten auch die EU-Außenminister vor dem Referendum, weil es der bosnischen Verfassung und dem Friedensabkommen von Dayton widerspricht. Das Referendum ist nicht nur ein Ärgernis und eine Drohung, das ist eine Bedrohung des gesamten EU-Integrationsprozesses, sagt ein Diplomat zum STANDARD. Wir haben ein Problem, so ein anderer. Man sollte die Schlange nicht zur Königskobra machen, sagt ein dritter Diplomat und meint damit, dass man Dodik nicht den Gefallen tun sollte, indem man dem Ganzen zu viel Aufmerksamkeit gebe. Bisher war die EU allerdings mit Beschwichtigungen und Entgegenkommen nicht erfolgreich. Auch Sanktionen, die früher noch von Hohen Repräsentanten ausgesprochen wurden, sind kaum eine Option. Wie will man das umsetzen, ohne auszuschauen wie der Kaiser ohne Kleider?, so ein hoher westlicher Diplomat. Der Hohe Repräsentant Valentin Inzko verweist darauf, dass der Respekt für das Friedensabkommen von Dayton keine Wahl, sondern eine Verpflichtung sei. Wir sind uns des Ernstes der Situation bewusst. Einseitige Handlungen könnten destabilisierend sein. Inzko spricht von politischem Abenteurertum. Präsident Dodik mag das nicht verstehen, aber er jagt die Investitionen weg, die wir brauchen, um Jobs zu schaffen, die seine eigenen Wähler wollen. Wie er das rechtfertigt, ist sein Problem, aber es wird auch mein Problem und das einer größeren internationalen Gemeinschaft, wenn er die Sezession und die Anfechtung des Friedensabkommens befürwortet. Inzko selbst ist in Bosnien-Herzegowina wegen seines beschränkten Handlungsspielraums und seiner geringen Aktivität umstritten. Dodik hat sich längst auf ihn eingeschossen. Das jetzt lancierte Referendum wird als Generalprobe für ein Unabhängigkeitsreferendum gesehen und führt deshalb zu Ängsten unter Bosniaken und Kroaten in der RS. Von bosniakischer Seite wird argumentiert, dass das Ansinnen einer Unabhängigkeit der RS so etwas wie eine Rechtfertigung der ethnischen Säuberungen darstellen würde. Tatsächlich hat sich die ethnische Zusammensetzung in beiden Landesteilen, in der Föderation und in der RS, die es bis 1992 gar nicht gab, durch den Krieg stark verändert. Insgesamt waren 81 Prozent aller zivilen Opfer (38.239) im gesamten Gebiet von Bosnien-Herzegowina Bosniaken, nämlich 31.107 Personen, 4.178 waren Serben (elf Prozent) und 2.484 Kroaten (sieben Prozent). Alle Konfliktparteien haben im Krieg gegen die Genfer Konvention verstoßen, Zivilisten getötet, gefoltert und vergewaltigt, Häuser und religiöse Stätten zerstört. Aber es gibt signifikante qualitative Unterschiede. Die meisten Verstöße wurden von Serben gegen bosnische Muslime begangen, so der Endbericht der UN-Expertenkommission. Gegen einige Repräsentanten des Kriegsregimes in der RS wie den Expräsidenten Radovan Karadžić wurden und werden Prozesse in Den Haag gemacht. Ihnen wird die Bildung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen mit dem Ziel, die Nichtserben zu vertreiben. Dodik hat übrigens vor einiger Zeit vorgeschlagen, dass eine Straße oder ein Platz nach Karadžić und dem Exgeneral Ratko Mladić, der wegen des Genozids in Srebrenica angeklagt ist, benannt werden sollten. In Sarajevo läuft zurzeit ein Verfahren gegen den ehemaligen bosniakischen Kommandanten Naser Orić, der für die Überfälle auf serbische Dörfer rund um Srebrenica verantwortlich sein soll, bei denen dutzende Menschen ermordet wurden und hunderte vertrieben. Orić wird trotz dieser Verbrechen von vielen Muslimen als Held verehrt. Im Drina-Tal wurden laut dem Bosnischen Totenbuch aus dem Jahr 2012, in dem alle Daten zusammengefasst wurden, 28.135 Menschen getötet, das entspricht 29,3 Prozent aller Toten des Bosnien-Kriegs. Von diesen Toten waren 5.571 Serben und davon 835 Zivilisten. 80 Prozent waren Bosniaken, nämlich 22.472 Personen. Und davon waren wiederum 15.400 Zivilisten, also 68,5 Prozent. Die absolute Mehrheit der Bewohner der Region war vor dem Krieg Bosniaken, jetzt ist das nicht mehr so. Ähnlich sieht es rund um Prijedor aus. Erst im Vorjahr im November wurden einige Nachbarn von Musić verhaftet, die im Jahr 1992 an den ethnischen Säuberungen beteiligt waren. Viele Verbrechen auf allen Seiten sind noch nicht aufgeklärt. Die Überlebenden der ethnischen Säuberungen haben aber Angst vor politischer Instabilität. Musić meint: Wenn es zu einem Unabhängigkeitsreferendum kommen würde, würde ich sofort von hier fliehen. Dabei arbeiten die Regierungen der Landesteile Föderation und Republika Srpska auf einer inhaltlichen Ebene in letzter Zeit gut zusammen. Dodik ist auch pragmatisch genug, Muslime mit Bauaufgaben zu betrauen, wenn für ihn die Rechnung stimmt. Doch offiziell wird die nationalistische Karte gezogen. Letztes Jahr gab die Regierung der RS laut dem EU-Observer 2,5 Millionen Dollar für Berater in den USA aus. Der Firma Picard, Kentz & Rowe in Washington werden für Hinweise, wie man die RS auf legalem Weg stärken kann, monatlich heuer 90.000 Dollar überwiesen. Zurzeit leben etwa 1,3 Millionen Menschen in der Republika Srpska. Zehntausende Serben sind während des Krieges und danach in diesen Landesteil geflüchtet, viele aus der Föderation und viele aus Kroatien. Auch das hat die ethnische Zusammensetzung verändert. In der RS haben es Bosniaken schwer, einen Job zu bekommen, so wie in der Föderation die Serben. Es gibt Unternehmen, die nur eine Ethnie anstellen. Musić meint aber auch, dass Bosniaken mehr Unterstützung aus der Diaspora bekommen würden – weil eben viele Angehörige nach Deutschland oder Schweden geflohen sind und dort gut Geld verdienten. Deshalb ginge es manchen Bosniaken besser als Serben. Die Serben, die etwa in Drvar hungern, das sind meine Mitbürger, denen es zu helfen gilt. Musić ist es nicht wichtig, ob das Gebiet, in dem er lebt, Republika Srpska heißt oder nicht. Er will sich nur frei und sicher fühlen. Wir müssen doch miteinander leben, meint er. Und fügt hinzu: Alle, die anders denken, werden unglücklich sein und unglücklich sterben. Mord an 27 bosniakischen Zivilisten im Jahre 1992 angelastet. Sarajevo – In der westbosnischen Kleinstadt Bosanski Novi sind am Donnerstag fünf mutmaßliche Kriegsverbrecher festgenommen worden. Während der umfassenden Polizeiaktion wurden laut Medienberichten auch vier Hausdurchsuchungen durchgeführt. Den festgenommenen bosnischen Serben wird der Mord an 27 bosniakischen (muslimischen) Zivilisten in den Dörfern Agici und Ekici im Jahre 1992 angelastet. Daraufhin wurde fast die gesamte bosniakische Bevölkerung aus der Region vertrieben. In Kozluk gefundene Opfer waren im Juli 1995 ermordete Einwohner Srebrenicas. Sarajevo – In der ostbosnischen Ortschaft Kozluk sind aus einem Massengrab 55 Leichen geborgen worden. Bei den Toten handelt es sich um Opfer des Massakers von Srebrenica im Juli 1995. Das Massengrab war erst vor wenigen Wochen mehr als 20 Jahre nach dem als Völkermord eingestuften Kriegsverbrechen in der Gemeinde Zvornik etwa 70 Kilometer nördlich von Srebrenica entdeckt worden. Insgesamt wurden 15 komplette Leichen, sowie Leichenteile von 40 weiteren Opfern in dem Grab gefunden, wie eine Sprecherin des Instituts für vermisste Personen in Sarajevo am Mittwoch mitteilte. Die Hände der in Kozluk verscharrten Leichen seien am Rücken gefesselt gewesen, hieß es. Im Zuge der Exhumierungsarbeiten seien auch Kleidungsstücke und persönliche Gegenstände der Opfer sichergestellt worden. Bei den Getöteten handelt es sich laut dem Institut um bosniakische (muslimische) Einwohner von Srebrenica, die nach der Einnahme der Kleinstadt durch bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 in Kozluk ermordet wurden. Bereits 1999 waren in der Ortschaft drei Massengräber mit Gebeinen von insgesamt 340 Opfern gefunden worden. Insgesamt wurden damals rund 8.000 bosniakische Buben und Männer getötet. Das Massaker gilt als größtes Kriegsverbrechen in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg. Seit dem Ende des Bosnien-Krieges wurden mehr als 7.100 Leichen der Opfer des Massakers gefunden. Nach mehr als 1.000 Opfern wird weiter gesucht. Separatistische Serben-Partei hatte Postkarten verteilt. Sarajevo/Wien – Der internationale Bosnien-Beauftragte, der österreichische Diplomat Valentin Inzko hat auf Postkarten geschriebene Todesdrohungen erhalten. Es handelt sich um Karten, die von der Partei des bosnisch-serbischen Präsidenten Milorad Dodik verteilt worden waren, wie es aus Inzkos Büro in Sarajevo am Freitag hieß. Dodiks Unabhängige Sozialdemokraten (SNSD) hatten 10.000 der Postkarten vor dem 9. Jänner anlässlich des Gründungstages der Republica Srpska verteilt. Abgebildet drauf sind Karikaturen von Inzko sowie von ausländischen Richtern am bosnischen Verfassungsgericht. Das Gericht hatte den Feiertag der Serben am 9. Jänner für diskriminierend erklärt. Die Öffentlichkeit wurde aufgerufen, Botschaften auf die Karten zu schreiben und diese dann an Inzko zu schicken. Inzko und Dodik vertreten gegensätzliche Ansichten. Während der internationale Beauftragte Hüter des Dayton-Friedensabkommens von 1995 ist, das einen gemeinsamen Staat Bosnien-Herzegowina mit der Republika Srpska als Landesteil vorsieht, ist der Führer der bosnischen Serben für seine separatistische Rhetorik bekannt. Inzko ist kraft seines Amtes mit weitgehenden Vollmachten ausgestattet und kann so in die bosnische Politik bis hin zur Absetzung von Politikern eingreifen. Dodik hat sich auch für die Abschaffung des internationalen Beauftragten und anderer internationaler Funktionäre ausgesprochen, die in Bosnien für Ordnung sorgen sollen. Aus Inzkos Büro hieß es, viele hätten auf den zugesandten Karten lediglich ihre politischen Ansichten kundgetan. Einige enthielten aber auch Beschimpfungen und sogar Todesdrohungen. Todesdrohungen seien strafbar, man werde die betreffenden Karten den zuständigen Behörden übergeben. Das Porto sei im Voraus von den SNSD beglichen worden, dies werfe die Frage auf, ob die Partei die Todesdrohungen nicht begünstigt habe. Von den SNSD in Banja Luka war zunächst niemand für eine Stellungnahme erreichbar. Für die bosnischen Serben ist der 9. Jänner der Tag der Staatlichkeit. An jenem Tag 1992 erklärte die Volksgruppe ihre Unabhängigkeit. Es folgte der dreijährige Bosnien-Krieg gegen Bosniaken (bosnische Muslime) und Kroatien mit 100.000 Toten. Das teils international besetzte Verfassungsgericht hatte im November geurteilt, das Datum sollte geändert werden: Es falle nämlich mit einem orthodoxen Feiertag zusammen, was Nicht-Serben im Landesteil Republika Srpska ausschließe.) Belohnung für Fortschritte im EU-Annäherungsprozess erhofft. Sarajevo – Bosnien-Herzegowina wird bis Ende Jänner einen Beitrittsantrag an die EU stellen. Das hat Mladen Ivanic, serbisches Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums, bestätigt. Das Land würde von Brüssel eine Art Belohnung für die im Vorjahr erreichten Fortschritte im EU-Annäherungsprozess verdienen, sagte Ivanic laut Medienberichten. Brüssel hatte im März 2015 grünes Licht für das Inkrafttreten des Stabilisierungs-und Assoziierungsabkommens mit Sarajevo erteilt, das sieben Jahre zuvor abgeschlossen worden war. Dies erfolgte, nachdem sich bosnische Behörden und führende Politiker Anfang des Jahres zu Reformen bekannt hatten, welche die EU-Annäherung des Landes ermöglichen sollen. Gegen Kriegskommandanten von Srebrenica Naser Oric läuft in Sarajevo soeben ein Prozess. Sarajevo – Naser Oric, der einstige Kriegskommandant von Srebrenica, der sich in Sarajevo derzeit wegen einer Kriegsverbrechenanklage zu verteidigen hat, ist in Bosnien zum Ministerberater bestellt worden. Wie heute, Freitag, bosnische Medien berichteten, soll Oric den Minister für Kriegsveteranen in der Bosniakisch-Kroatischen Föderation, Salko Bukvarevic, beraten. Die Bestellung von Oric zum Ministerberater sei schon seit längerer Zeit besprochen worden. Nun seien die Voraussetzungen dafür geschaffen worden, hieß es in Medienberichten. Oric und eine weitere Person haben sich in Sarajevo wegen Morden an drei bosnisch-serbischen Kriegsgefangenen bei Srebrenica im Jahre 1992 zu verteidigen. Die Festnahme des Kriegskommandanten von Srebrenica im Juni 2015 in der Schweiz auf Basis eines serbischen Haftbefehls hatte für Spannungen zwischen Sarajevo und Belgrad gesorgt. Oric wurde allerdings nach Sarajevo überstellt, wo im August auch die Anklage gegen ihn erhoben wurde. Oric war 2006 vor dem Uno-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien zunächst zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Er soll in zwei Fällen Morde und Misshandlungen nicht verhindert haben. Im Berufungsverfahren wurde er 2008 von den Vorwürfen freigesprochen. Erst kürzlich hatte die bosnische Wahlkommission Grünes Licht für die Bestellung des in Untersuchungshaft sitzenden Politikers Bakir Dautbasic zu neuem Verkehrsminister Bosnien-Herzegowinas gegeben. Der Politiker war wegen angeblicher Zeugenbeeinflussung im Verfahren gegen den mutmaßlichen Drogendealer Naser Kelmendi festgenommen worden. Manche Frauen in Bosnien lassen sich Hymen rekonstruieren. Sie hatten bereits seit zwei Jahren Spaß miteinander. Aber er wollte sie einfach nicht heiraten. Da fuhr sie von Bosnien-Herzegowina nach Belgrad und ließ sich von Doktor Dušan Protić das Jungfernhäutchen rekonstruieren. Dann ging sie zu ihrem Freund und sagte: Und jetzt gibt es erst wieder Sex, nachdem wir geheiratet haben! Der Gynäkologe Protić macht seit 40 Jahren Hymenrekonstruktionen, früher sei eher nach Unfällen oder Vergewaltigungen danach gefragt worden, berichtet er. Heute verlören Mädchen ihre Jungfräulichkeit auf Exkursionen, oder sie wollten eine Hymen rekonstruktion, nachdem sie von der ersten Liebe enttäuscht worden waren. Viele Patientinnen erzählten, dass die Schwiegermutter fordere, dass sie vor der Hochzeit zur Überprüfung des Jungfernhäutchens zum Gynäkologen gehen. Protićs Patientinnen sind aus allen Religionsgruppen und zwischen 18 und 30 Jahren alt, die älteste war 39. Sie kommen vom gesamten Balkan, aber auch aus Österreich und Deutschland. Die Operation dauere höchstens eine Stunde. Protić hat eine ganze Sammlung von Fotos, die ihm Patientinnen von ihren blutbefleckten Bettlaken nach der Hochzeitsnacht geschickt haben. Es ist wohl der irrationalste medizinische Eingriff überhaupt – denn die läppische anatomische Veränderung soll eine mythische Vorstellung beweisen, die das Gegenteil der Realität darstellt. Die Schwindelei, die bis zu 3000 Euro kosten kann, dient allein dazu, patriarchale Wünsche zu befriedigen. In Bosnien-Herzegowina werden Frauen, die in streng muslimische Familien einheiraten, viermal vor der Hochzeit gefragt, ob sie Jungfrauen seien. Oft geht es eigentlich darum, dass der Mann sichergehen will, dass er der erste Sexualpartner ist. Der Jungfräulichkeitskult vor der Ehe hatte ursprünglich damit zu tun, dass die Männer sicher sein wollten, dass die Kinder von ihnen stammen. Die Jungfräulichkeit wurde in Europa aber durch das Christentum zum wichtigen Identitätskriterium, erklärt die Kulturhistorikerin Anke Bernau, es ging darum, dass der Staat und die Familie nicht so wichtig sein sollten wie der Glaube. Dies war die Grundlage für den Zölibat der Priester und Nonnen. Ab dem frühen Mittelalter war die Jungfräulichkeit bei Frauen ein Zeichen von Zugehörigkeit zu einer höheren Schicht. In den USA ist Jungfräulichkeit vor der Ehe nach wie vor wichtig. Im Islam geht man ohnehin davon aus, dass man jungfräulich in die Ehe geht. Außerehelicher Geschlechtsverkehr kann mit 80 Hieben bestraft werden – Voraussetzung für diese Strafe sind aber vier Augenzeugen, die es natürlich nie gibt. Im säkularen Bosnien-Herzegowina sieht die Islamische Glaubensgemeinschaft außerehelichen Sex zwar als Sünde an, Bestrafungen überlässt man aber ohnehin ganz dem Staat. Verina Wild vom Institut für Biomedizinische Ethik in Zürich betont, dass es immer ein Machtmittel war, die Jungfräulichkeit so hoch zu hängen. Heute sei die Genitalchirurgie aber ein riesiger Markt, mit der Hymenrekonstruktion würde auch in Westeuropa viel Geld gemacht. Unter Medizinern werde trotzdem nicht viel dar über debattiert. Es sei sehr wichtig, dass Gynäkologen Frauen, die Angst davor haben, als Nichtjungfrauen gebrandmarkt zu werden, Alternativen zur Hymenrekonstruktion aufzeigen. Niemand kann sehen, ob jemand tatsächlich eine Jungfrau ist, und ein Mann kann das beim Sex gar nicht merken, so Wild. Außerdem kann man ja das Blut auch anders auf das Laken zaubern. Tricks dafür gebe es bereits seit dem Mittelalter. Abgesehen davon bluten viele Frauen bei der Defloration ohnehin nicht. Die Sorge, dass ihr genau das passieren würde, brachte eine junge Frau aus dem erzkonservativen südserbischen Sandžak zu Doktor Protić. Sie bat – obwohl sie noch nie Sex hatte – um ein gestrafftes Hymen, das bei der Defloration bluten sollte. Der traurige Hintergrund: Ihre Schwester war in der Hochzeitsnacht vor den Gästen bloßgestellt worden, weil sie nicht geblutet hatte. Sie wurde von ih rem Schwager wieder in die Herkunftsfamilie zurückgebracht. Größter Protest der Opposition seit einem Jahrzehnt. Banja Luka – Tausende Anhänger und Gegner des Präsidenten der bosnischen Teilrepublik Republika Srpska, Milorad Dodik, sind am Samstag in Banja Luka auf die Straße gegangen. Beide Lager beschuldigten sich gegenseitig der Korruption und des Verrats. Es war die größte Protestdemonstration gegen den seit einem Jahrzehnt regierenden Dodik. Dodiks Gegner werfen ihm vor, in kriminelle Machenschaften verwickelt und für die katastrophale Wirtschaftslage verantwortlich zu sein. Sie fordern seinen Rücktritt und Neuwahlen im Herbst. Dodik, Vorsitzender der Union der unabhängigen Sozialdemokraten (SNSD), rief zu einer Gegenkundgebung auf, die zeitgleich nur wenige hundert Meter entfernt im Stadtzentrum stattfand. Unterstützung erhielt er von Darko Mladic, dem Sohn des in Den Haag als Kriegsverbrecher angeklagten ehemaligen bosnisch-serbischen Armeechefs Ratko Mladic. Dagegen schloss sich Sonja Karadzic Jovicevic, die Tochter des wegen Kriegsverbrechen und Völkermords zu 40 Jahren Haft verurteilten ehemaligen bosnischen Serbenführers Radovan Karadzic, der Opposition an. Bei den durch starke Polizeikräfte getrennten Kundgebungen gab es keine Zwischenfälle. Milanko Mihajlica, Chef der rechtsextremen Radikalen Partei, sagte bei der Oppositionskundgebung:Bald wird die Republika Srpska von wirklichen Patrioten regiert, nicht von den falschen. Der Vorsitzende der rechten Oppositionspaertei SDS, Mladen Bosic, beschimpfte Dodik als Dieb. Dieser nannte auf der von ihm einberufenen Gegenkundgebung Bosic einen Verräter. Dodik hatte wiederholt ein Referendum über die Unabhängigkeit der Republika Srpska ins Spiel gebracht. Diese bildet zusammen mit der kroatisch-muslimischen Föderation die Republik Bosnien-Herzegowina. Der Bosnien-Krieg von 1992 bis 1995 hatte Bosnien-Herzegowina in zwei halbautonome Teile gespalten, die jeweils ihre eigene Regierung haben. Die an der Grenze zu Serbien gelegene Republika Srpska zählt etwa 1,3 Millionen Einwohner, überwiegend ethnische Serben. Treffen soll Augen für Fortschritte öffnen und Wege zu Verbesserungen ebnen. Nicht nur Österreichs neue Regierung gelobt, gegen die schlechte Laune anzukämpfen – auch in Bosnien-Herzegowina soll nun eine Imageoffensive für ein besseres Geschäftsklima sorgen. In unserer Gesellschaft geht es mehr um Vorstellungen als um Fakten, sagte der Premierminister des bosnischen Landesteils, Fadil Novalić, anlässlich der zweitägigen Konferenz in Sarajevo, bei der es darum ging, die Reformagenda vorwärtszuschieben. Und wir sind leider ertränkt in negativen Vorstellungen. Die Johns-Hopkins-Universität (SAIS) in Washington und die amerikanische Botschaft in Sarajevo brachten Anfang der Woche führende Figuren aus Wirtschaft, Politik und Wissenschaft zusammen, um zu demonstrieren, dass man Bosnien-Herzegowina weder aus dem Auge lassen noch zulassen will, dass die Reformen wieder einmal verwässert werden. Ein weiterer Teil der Konferenz findet am Freitag an der Diplomatischen Akademie in Wien statt. Nach den Worten des Hohen Repräsentanten für Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, geht es auch darum, Aufmerksamkeit auf das Land zu lenken. Er sprach am Donnerstag von einem Wettbewerb der Krisen. Das Land habe das Glück, nicht als Krisenstaat in den Schlagzeilen zu sein. Nun sollen aber Schlagzeilen der positiven Art folgen. Das wünscht sich auch Mujo Selimovic, Vorstandsvorsitzender des Handelsunternehmens Mims Group, der bei der Konferenz am Freitag ebenfalls dabei ist: Aus der Ferne sieht manches tatsächlich nicht so gut aus. Aber wenn man das echte Leben sieht, dann stellt man fest, dass vieles in Wirklichkeit besser ist. Was nicht heiße, dass sich nicht einiges ändern müsse, vor allem in Sachen Geschäftsklima. Dabei gehe es vor allem um die längst anstehenden Reformen: Nach der 2014 gestarteten deutsch-britischen Initiative wurden zumindest mit viel Druck der EU das Arbeitsgesetz geändert und das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit der EU in Kraft gesetzt. Nun geht es darum, die Bedingungen für die Wirtschaftstreibenden zu verbessern, sagt Premier Novalić. Weitere Punkte auf der Agenda sind: Verringerung der staatlichen Ausgaben auf allen Ebenen, Budgetdisziplin, Reform des Gesundheitssystems, Privatisierung von staatlichen Unternehmen, gerechtere Verteilung von Sozialhilfen (Kürzungen für Veteranen), Vereinfachung der Bürokratie für Investoren und mehr Rechtssicherheit. Was bislang noch immer fehlt, ist ein Koordinationsmechanismus zwischen den beiden Landesteilen (Föderation und Republika Srspka), damit diese mit der EU zusammenarbeiten können. Bisher können keine Vorbeitrittshilfen ausgezahlt werden, weil dieser Mechanismus fehlt. Insgesamt geht es um 850 Millionen Euro für das Land, die nicht ausgezahlt werden können. Als Novalić auf der Konferenz gefragt wurde, woran es eigentlich liege, dass dieser Mechanismus nach monatelangen Verhandlungen noch immer nicht vorhanden ist, sagte er, es ginge um so unwichtige Details, dass er sich nicht einmal daran erinnern könne. Das ist typisch für Bosnien-Herzegowina. In den 20 Jahren nach dem Krieg hat man sich geradezu daran gewöhnt, dass nichts funktioniert und dass sich keiner verantwortlich fühlt. Die politischen Eliten gelten als lahm, der Druck der Wähler fehlt. Daniel Hamilton vom Zentrum für Transatlantische Studien an der SAIS, rief die bosnischen Politiker deshalb dazu auf, klarer zu sagen, dass die Reformen im Interesse des eigenen Landes und der Gesellschaft seien und nicht deshalb gemacht werden sollten, weil der Westen dies wolle. Das sieht im Gespräch in Wien auch Regierungsberaterin Aida Soko so. Sie war lange in der Privatwirtschaft und bei internationalen Organisationen, bevor sie im vergangenen Jahr in die Politik ging. Wieso sie gerade nun, nach zahlreichen Ankündigungen, glaubt, dass sich tatsächlich etwas ändern könnte? Die Regierung hat nun konkrete Reformziele, und sie hat einen Fahrplan. Immerhin habe man auch die Änderungen beim Arbeitsgesetz trotz der Proteste letztlich beschlossen. Rund ein Drittel des Fahrplans sei bereits erfüllt, und zwar schneller als erwartet. Das habe auch erste Erfolge beim Kampf gegen den Braindrain gebracht – auch wenn in diesem Bereich noch viel mehr getan werden müsse. Interessant waren bei der Konferenz in Sarajevo auch die Beiträge von Investoren, die vor allem beklagten, dass sie sich in dem Zuständigkeitsdschungel von Landesteilen und Kantonen verirren würden. Auch sie forderten eine proaktivere Zugangsweise der Regierung. In Bosnien-Herzegowina ist nicht einmal das Firmengesetz zwischen der Föderation und der Republika Srpska harmonisiert. Kritik gab es auch an ungerechtfertigten Steuerforderungen. Auf dem gesamten Balkan werden Steuerstrafen immer wieder dazu verwendet, Firmen zu bestrafen. Als positives Beispiel für eine enge Koordination zwischen Bildungspolitik und den Bedürfnissen der Wirtschaft wurde Goražde genannt. Die ostbosnische Stadt gilt seit geraumer Zeit als Vorzeigebeispiel für wirtschaftliche Entwicklung. Zurzeit wird an einem neuen Kredit von Weltbank und IWF für Bosnien-Herzegowina verhandelt. Der IWF verlangt Änderungen in der Verwaltung und dass Pensionen mit der Anzahl geleisteter Arbeitsjahre verknüpft werden. Die Republika Srpska soll laut internen Informationen doppelt so hoch verschuldet sein wie die Föderation. Immer wieder werden in Bosnien-Herzegowina gar keine Löhne ausgezahlt. Und die Situation wird von Tag zu Tag prekärer. Sasha Toperich von SAIS betont, dass die Zusammenarbeit zwischen den Regierungen der Föderation und der RS verbessert wurde. Die bisherigen Reformmaßnahmen hätten zu einem Anstieg der Einnahmen im Ausmaß von 3,8 Prozent geführt, die Schulden seien um 1,4 Prozent gesunken. Doch der Abschluss der IWF-Vereinbarung wird der Hauptschritt sein, um das Investitionsklima zu verbessern, so Toperich zum STANDARD. Natürlich muss Bosnien-Herzegowina schneller vorangehen, mahnt er. Doch es sei auch wahr, dass es bereits sichtbare Resultate gibt. In den USA hätten zwei Senatoren weitere Finanzhilfe des Kongresses für den Privatsektor in Bosnien-Herzegowina versprochen. (Adelheid Wölfl aus Sarajevo, Manuel Escher, 19.5.2016) Polizeiprotest gegen Pensionsreform. Sofia - Etwa 1.000 bulgarische Polizisten haben bei einem Protest gegen die Pensionsreform auch den Rücktritt von Innenministerin Rumjana Batschwarowa verlangt. Diese neue Forderung wurde bei Protestaktionen am Samstag in Sofia gestellt. Nach einer Kundgebung vor dem Innenministerium zogen die Demonstranten zum Parlament. Hunderte Polizisten hatten bereits am Freitag gegen die geplante stufenweise Anhebung des Pensionsalters im Sicherheitssektor von 52 auf 55 Jahre protestiert. Das Innenministerium hatte die Forderungen der Polizeigewerkschaft nach Rücknahme der Rentenreform im Sicherheitsbereich abgelehnt. Innenministerin Batschwarowa, eine renommierte Soziologin, sah andere Motive hinter den angekündigten zehntägigen Protesten. Die Polizisten wollen am Sonntag ein Protestlager aus Zelten vor dem Parlamentsgebäude aufbauen. (APA, 13.6.2015) 'Die Rechts-links-Koalition versucht mit zwei Justizreformen die Dauerkritik aus Brüssel und im eigenen Land an der grassierenden Korruption zu dämpfen. Eine Reform ist halb durch, die andere hat das Parlament versenkt. Recht und Gesetz sind in Bulgarien immer ein bisschen aus dem Tritt. Das sieht man schon an den beiden Löwinnen, die den Aufgang zum Sofioter Justizpalast flankieren. Eine der beiden schreitet so, wie kein Tier es tut – mit dem linken Vorderbein nach vorn, während das linke Hinterbein noch einen Schritt zurückgesetzt ist: ein Kunstfehler, zu sozialistischen Zeiten 1985 in Bronze gegossen. Mit Reformen an der Spitze des Justizapparats und bei der Bekämpfung der Korruption von Staatsvertretern unternimmt die seit bald einem Jahr regierende Rechts-Links-Koalition in Bulgarien nun einen neuerlichen Versuch, Kritik aus der EU und der eigenen Gesellschaft zu dämpfen. Bewundernd blicken die Bulgaren auf ihren Nachbarn Rumänien, wo Bürgermeister und Minister regelmäßig hinter Gitter kommen. In Bulgarien dagegen wurden während mehr als 25 Jahren Experiment mit Demokratie und Marktwirtschaft zwar Richter oder Abgeordnete wegen ihrer Geschäfte mitunter strafrechtlich belangt und auch zum Rücktritt veranlasst. Letztinstanzliche Verurteilungen, die gar in einer Haftstrafe mündeten, gab es nicht. Von der neuen Justizreform verspricht sich die Regierung von Premier Boiko Borissow wieder einmal mehr Transparenz. Kernstück der Reform ist die Teilung des Obersten Justizrats (VSS) in eine Kammer für Staatsanwälte und eine andere für Richter. Dabei soll das Parlament bei der Bestellung der Staatsanwältekammer ebenso viel Gewicht erhalten wie der Justizapparat selbst: beide wählen jeweils sechs Staatsanwälte in den VSS. In der Richterkammer ist es anders 'Premier Boiko Borissows Partei Gerb dürfte stärkste Kraft im Land bleiben. Sofia/Wien – Ein Jahr nach der Rückkehr an die Macht schaut die Rechtspartei Gerb von Regierungschef Boiko Borissow zuversichtlich den Kommunalwahlen am Sonntag entgegen. Borissows Partei Bürger für eine europäische Entwicklung Bulgariens (Gerb) dürfte die stärkste Kraft im Land bleiben und weiter die wichtigsten Städte Sofia, Plowdiw, Warna und Stara Zagora führen. Aufmerksam aber wird verfolgt, ob die Unternehmerpartei DPS nun offiziell zur zweiten Kraft in Bulgarien wird. Gewählt wird die Partei der Rechte und Freiheiten (DPS) traditionell von den türkischstämmigen Bulgaren und der Roma-Minderheit Scheitern von Reform zur Korruptionsbekämpfung im Parlament sorgt für Koalitionsstreit. Sofia – Der bulgarische Justizminister Hristo Iwanow ist wegen eines Streits über die Justizreform in dem ärmsten EU-Land zurückgetreten. Der 41-Jährige legte sein Amt während einer Parlamentssitzung am Dienstag nieder, bei der über wichtige neue Regeln für die Justiz abgestimmt wurde. Iwanows Partei Demokraten für ein starkes Bulgarien (DSB) droht nun damit, der Regierung die Unterstützung zu entziehen. Bulgarien wird von einer Mitte-rechts-Regierung unter Führung von Ministerpräsident Bojko Borissow und seiner konservativen GERB-Partei regiert. Die nun gescheiterte Justizreform war im Sommer vereinbart worden und galt als Schlüsselprojekt des kleinen Regierungspartners DSB. Bei der Abstimmung im Parlament kam die notwendige Mehrheit von mehr als 180 der 240 Parlamentarier zwar zustande, es gab aber Kompromisse bei der Vorlage des Justizministers. Eine Gesetzesänderung, die die Unabhängigkeit der Höchstrichter stärken soll, wurde abgelehnt. Regierungschef Bojko Borissow nahm Iwanows Rücktritt nach dessen Worten an. Iwanow begründete seinen Schritt damit, dass man durch eine gerade verabschiedete Verfassungsänderung in Bulgarien immer mehr über eine Obrigkeit des Generalstaatsanwalts reden kann. Mit großer Erleichterung kann ich nun erklären, dass ich die Vollmachten des Justizministers nicht mehr ausüben werde, sagte er. Ein schöneres Weihnachtsgeschenk könnte ich mir nicht machen. Die Regierung von Borissow hatte beim Amtsantritt vor gut einem Jahr Reformen in der ineffektiven bulgarischen Justiz versprochen. Brüssel forderte das Balkanland auch nach dem EU-Beitritt 2007 wiederholt auf, seine Justiz zu reformieren und die Korruption besser zu bekämpfen. Die Anklage gegen einen charismatischen Imam und seine Anhänger wegen Verbreitung von IS-Propaganda und Unterstützung von Jihadisten enthüllt das tiefgehende Problem in und mit Bulgariens Randgesellschaft. In den kühlen Morgenstunden des 25. November 2014 wurde das Roma-Viertel in der südbulgarischen Stadt Pasardschik unsanft aus dem Schlaf gerissen. Gegen sechs Uhr früh rollten gepanzerte Autos der Polizei durch die schmutzigen Straßen, und schwer bewaffnete, maskierte Beamte stürmten mehrere Gebäude, unter ihnen auch die Ebu-Bekir-Moschee. Ein Imam, Achmed Mussa, war der Erste, der verhaftet wurde. Am Ende des Tages waren im Zuge einer gemeinsamen Operation der Staatlichen Agentur für Nationale Sicherheit (DANS) und der Staatsanwaltschaft, die die Verbreitung radikaler islamistischer Propaganda untersuchte, 26 Personen inhaftiert worden. Die Polizei durchsuchte über 40 Häuser im Istok-Viertel und andere Orte nach Material, das auf die Unterstützung der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hinweist. Eine Gruppe bärtiger Männer im Hof der Moschee machte ihrem Ärger gegenüber Reportern Luft. Wir haben nichts mit dem IS zu tun. Ich kenne ihn so gut, wie ich Sie kenne, fauchte ein großer Mann. Ein Stück Papier steckte an seiner Kappe, auf dem in arabischer Schrift zu lesen war: Es gibt keinen Gott außer Allah – ein Satz, der auf den schwarzen Flaggen der IS-Kämpfer verwendet wird, der aber auch eine Säule des islamischen Glaubens ist. Sieben Monate später, im Juli 2015, erhob die Staatsanwaltschaft Anklage gegen 14 Muslime – darunter Imam Mussa. Ihnen wurde vorgeworfen, religiösen Hass zu schüren und durch die Verbreitung von IS-Propaganda den Krieg in Syrien und im Irak zu unterstützen. Dem Balkan Investigative Reporting Network (BIRN) liegt die Anklageschrift vor. Darin werden Mussa und zwei andere Personen zudem beschuldigt, ausländische Jihadisten auf ihrem Weg nach Syrien unterstützt zu haben. Mussa ist ein 40-jähriger, charismatischer salafistischer Prediger mit zwei Vorstrafen wegen Verbreitung religiösen Hasses. Mussas Viertel Istok liegt im Herzen von Pasardschik. Dort fühlt man sich dem Rest der Stadt irgendwie nicht zugehörig. Die In frastruktur ist schlecht, es gibt keine öffentlichen Verkehrsmittel. Die Mehrheit der 20.000 Einwohner des Viertels spricht Türkisch als Muttersprache. Von der bulgarischen Gesellschaft werden diese Menschen zumeist als Roma wahrgenommen, auch wenn sie sich selbst oft als Türken oder einfach als Muslime bezeichnen. Früher waren sie nicht so streng gläubig, was zum Teil damit zu tun hatte, dass Religion vom kommunistischen Regime unterdrückt wurde. Sie praktizierten eine ei gentümliche Form des Islam, die auch Elemente des Christen- und des Heidentums beinhaltete. Wenn wir den Kuckuck rufen hörten, dachten wir, dass jemand sterben würde. An solche Dinge glaubten wir, sagt ein Mann aus der Gemeinde. Das ist nicht der Islam. Abdullah Salih, der Großmufti der Provinz Pasardschik, formuliert es so: Sie wurden als Muslime geboren. Sie sagten, sie seien Muslime, aber sie benahmen sich im täglichen Leben nicht wie Muslime. Inzwischen haben sie gelernt. Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus im Jahr 1989 stießen religiöse Gruppierungen bei den Roma auf offene Ohren. Einige bulgarische Muslime reisten in die Türkei und in den Nahen Osten, um ihr religiöses Wissen zu vertiefen. Sie brachten fremde Bräuche und Rituale mit, die zu Konflikten zwischen neuen und alten Imamen führten. Mussa war bis zu seinem 20. Lebensjahr Christ und besuchte die örtliche evangelische Kirche, wurde aber später eine Leitfigur des neuen Islam in Istok. Gerichtsunterlagen seiner Vorstrafen vermitteln eine Kurzversion seiner Wandlung. Während eines Besuchs in Österreich Mitte der 1990er-Jahre konvertierte er zum Islam und besuchte später einen einjährigen Kurs für Imame im bulgarischen Dorf Surnitsa. Sein Lehrer, der über eine theologische Qualifikation aus Saudi-Arabien verfügte, machte ihn mit salafistischen Ideen bekannt. Mussa, dem in seiner Jugend eine Mischung aus Depression und Schizophrenie diagnostiziert wurde, hat von den offiziellen muslimischen Behörden in Bulgarien keine Bewilligung, als Imam zu arbeiten. Dennoch machte er sein Haus zu einer Gebetsstätte und begann zu predigen. Er wurde später Mitglied der Ebu-Bekir-Moschee, die 2002 zum Teil mit Mitteln einer saudischen Stiftung errichtet worden war. Er predigte für gewöhnlich überall – in Kaffeehäusern und auf der Straße, bei Hochzeiten und Beerdigungen. Seine Ideen verbreiteten sich über Skype und Youtube in die benachbarten Städte und Migrantengemeinden in Westeuropa. Mussa wurde für manche Leute aus der Nachbarschaft, die ihn für einen guten Menschen halten, rasch zu einer Autorität. Eine Frau ist überzeugt, er würde sein Herz für die Armen geben. Unter seiner Führung haben seine Anhänger in den vergangenen zehn Jahren allmählich ihr Erscheinungsbild, ihre Bräuche und Gepflogenheiten geändert. Sie gaben ihre bulgarischen Namen auf und tauschten sie gegen arabische ein. Mussa selbst hieß früher Angel Stoyanov. Sie begannen, nur muslimische Festtage und keine Nationalfeiertage zu feiern – nicht einmal Geburtstage. Die Männer ließen sich lange Bärte wachsen, trugen kurze Haare und lange Gewänder. Die Frauen begannen, ihre Gesichter unter Burkas zu verstecken. Nun wird Mussa zur Last gelegt, in seinen Predigten Krieg zu propagieren, mit der IS-Flagge im Hintergrund. Den Zeugenaussagen in der Anklageschrift zufolge habe er seinen Anhängern wiederholt erklärt, dass es die Pflicht eines jeden Muslims sei, dem vom IS in Syrien und im Irak ausgerufenen Kalifat und seiner Armee beizutreten. Mindestens 332 ausländische Kämpfer aus Westeuropa und den westlichen Balkanstaaten sind zwischen Anfang 2013 und Juni dieses Jahres auf ihrem Weg nach Syrien und in den Irak durch Bulgarien gereist, auch wenn es nicht alle bis ins Kriegsgebiet schafften. Die Menschen in Istok sagen, dass Mussas Anhänger, deren geschätzte Zahl zwischen 300 und 500 liegt, zu den anderen im Viertel auf Distanz gehen. Sasho, ein 50-jähriger Mann, sitzt an einem warmen Tag vor seinem Kebab-Geschäft und Café im Zentrum von Istok und kann mit einem anderen Beispiel aufwarten. Sehen Sie, platzt er heraus und zeigt mit dem Finger auf die Gäste eines angrenzenden Kaffeehauses. Die mit den Bärten kommen nicht zu mir ins Geschäft. Er sagt, Leute aus Mussas Gemeinde würden nur zu seinem Konkurrenten gehen, weil er Muslim ist: Sie unterhalten sich nicht mehr mit anderen. Andere Muslime in Istok sind der gleichen Meinung und lehnen Mussas Interpretation des Islam ab. Ich kann nicht so leben, wie man vor tausend Jahren gelebt hat. Ich bevorzuge eine Form des Islam, die dem modernen Leben entspricht, sagt Yashar Angelov, ein 55-jähriger Beamter, der im Rathaus von Pasardschik arbeitet. Die Beziehungen zwischen der kleinen christlichen Gemeinde in Istok und Mussas Anhängern sind noch angespannter. In einem Fastfood-Restaurant, mitten im Lärm der Mittagspause, hebt Yanko Angelov, der Sohn eines hiesigen evangelischen Pastors, sein T-Shirt und zeigt auf die Pistole an seinem Hosenbund. Er trage die Waffe als Schutz, sagt er, seit er und sein Vater 2005 angegriffen wurden. Vor vier Jahren habe eine Gruppe muslimischer Männer aus Istok außerdem einen anderen Pastor und dessen Freund mit Schlagstöcken und Eisenrohren schwer zusammengeschlagen. Angelov ist überzeugt, dass diese Angriffe einen religiösen Hintergrund haben, auch wenn sie in Polizeiberichten nur als Verstöße gegen die öffentliche Ordnung und Ruhe aufscheinen. Er sagt, Konflikte zwischen der evangelischen Gemeinde und den Taliban, wie er sie nennt, seien in Istok gang und gäbe. Manche glauben, die Gründe dafür, dass sich Mussas Anhänger dem Salafismus zuwandten, seien nicht primär religiöser Natur.Die dringlichsten Probleme in diesem Viertel sind soziale und wirtschaftliche, sagt Yashar Sali, als Imam der wichtigsten Moschee der Stadt das Gesicht des offiziellen Islam in Pasardschik. Wenn sie ein normales Leben führten, würden sie sich nicht für diese Strömungen interessieren, sagt er und behauptet, dass die Bürger von Istok vom Staat im Stich gelassen und einem wirtschaftlichen Genozid ausgesetzt worden seien. Als Bulgarien in den 1990ern zum System der Marktwirtschaft wechselte, traf es die Roma am schlimmsten. Viele waren in staatlichen Fabriken und Agrargenossenschaften beschäftigt gewesen, die geschlossen oder aufgelöst wurden. Kürzungen der Ausgaben im Gesundheits- und Bildungs wesen hatten eine besonders fatale Auswirkung auf die ländlich strukturierten und isolierten Gemeinden, in denen viele Roma leben. Die Menschen dort hatten nur noch beschränkten Zugang zu Krankenhäusern, Schulen, Kindergärten, Sozialeinrichtungen und öffentlichen Verkehrsmitteln. Der Volkszählung im Jahr 2011 zufolge sind 60 Prozent der Roma über 15 Jahre nicht erwerbstätig. Mindestens zwei Generationen der Roma sind praktisch ohne Bildung und in immer größerer Armut aufgewachsen. Antonina Jeliazkova, Anthropologin und Leiterin einer in Sofia ansässigen NGO, meint, es sei wenig überraschend für sie, dass die Menschen in Istok auf der Suche nach einer neuen Identität seien. Sie wollen Teil von etwas Größerem sein, etwas, das die Mauern ihrer Ghettoisierung niederreißt, sagt Jeliazkova. Yanko Mishev, Leiter des Kuratoriums der Ebu-Bekir-Moschee in Istok, sagt, dass Arbeitgeber gegenüber Menschen aus der Gemeinde voreingenommen seien und ihnen keinen Job geben würden. In Pasardschik ist der Rassismus am größten, sagt er bei einem türkischen Kaffee nach dem Freitags gebet. Mishev schätzt, dass mehr als die Hälfte der Einwohner des Viertels im Ausland arbeiten. Egal welche jungen Männer ihr jetzt auf der Straße trefft, sie werden in einem Monat wieder weg sein, sagt er. Ein Job in Deutschland bedeutet für Roma-Familien zumeist die ökonomische Lebensader. Die offiziellen Ermittlungen gegen Mussa und seine Gruppe legen jedoch nahe, dass sie auch gefährliche Verbindungen schaffen kann. Ein Zeuge erzählte der Staatsanwaltschaft, dass einer der Angeklagten, Angel Simov, jenen Türken, dem er angeblich geholfen hatte, nach Syrien zu reisen, bei der Arbeit in Deutschland kennengelernt hatte. Gerichtsunterlagen belegen, dass Mussa 2001 in Köln Kontakt mit der in Deutschland ansässigen, radikalen türkischen islamistischen Organisation Kalifatstaat aufnahm und sich bereiterklärte, ihre Ideen zu verbreiten. Köln hat über 5000 bulgarische Einwohner, darunter viele Gastarbeiter aus Pasardschik. Gruppenweise stehen sie an der Kreuzung der Hansemannstraße und der von Bäumen gesäumten Venloer Straße im Bezirk Ehrenfeld herum. Sie sind dort um sechs Uhr früh, wenn die Lastwagen sie für Einsätze auf der Baustelle aufsammeln, und dann wieder am Abend, Zigaretten rauchend, ihre Gesichter gezeichnet von den Mühen des Arbeitstages. An dieser Ecke steht auch Rujdi Zakir, ein kleiner, redseliger Mann aus Pasardschik, der in einer Kölner Kohlefabrik arbeitet. Er ist Mitglied der Gemeinde von Achmed Mussa und schimpft auf die bulgarischen Politiker und Medien, die seiner Meinung nach mit der Dämonisierung des Imams und seiner Anhänger Konflikte schüren. Sie sagen, wir würden zum Islamischen Staat gehören. Ja, meine Frau trägt eine Burka, aber wie macht sie das zu einer Terroristin?, fragt er. Er vergleicht Bulgarien mit Deutschland, und wenig überraschend schneidet sein Heimatland dabei schlecht ab. In Deutschland, sagt Zakir, versuche niemand, Menschen nach ethnischer Zugehörigkeit oder Religion zu trennen. Eliza Aleksandrova, eine Bulgarin, die ein Zentrum für muslimische Frauen in Köln leitet, äußert sich ähnlich. Aleksandrova hilft Familien aus der Pasardschik-Gemeinde, Arbeit zu finden und Deutschkurse zu besuchen. Die deutsche Gesellschaft ist offen, deshalb haben diese Menschen hier eine Chance, ein normales Leben zu beginnen, sagt sie. Sie verfolgt die Nachrichten über die Ermittlungen gegen Mussa und seine Anhänger mit Bestürzung. Sie ist überzeugt, dass die bulgarischen Behörden das Pro blem übertrieben darstellen, weil sie wenig über Religion wissen und verstehen, besonders, was den Islam betrifft. Ivelina Karabashlieva, Expertin für Radika lisierungsprävention, hat Bedenken, was die Folgen des Gerichtsprozesses gegen Mussa und seine Anhänger betrifft: Bulgarien sollte in die Prävention investieren. Du kannst eine Geisteshaltung nicht mit Verurteilungen verändern. Der Staat sollte eine Alternative zur IS-Propaganda anbieten, sagt sie. Das bedeute aber auch, dass Lehrkräfte darauf vorbereitet werden müssen, diese Themen mit ihren Schülern zu diskutieren, und wissen sollten, wie man Zeichen der Radikalisierung erkennen kann. Sozialarbeiter und lokale Gemeindebeamte sollten in den Grundlagen des Islam und Sala fismus geschult werden, um zu verstehen, was gefährlich sei und was nicht. Die Angeklagten warten derweil noch immer auf ihren Gerichtstermin. Ein Richter entschied am 2. Dezember 2015, dass die Verhandlung nicht fortgesetzt werden könne, da die ursprüng liche Anklage Unklarheiten und Verfahrensmängel aufweise. Die Staatsanwaltschaft reichte umgehend eine überarbeitete Ankla geschrift ein, die die Einwände des Gerichts berücksichtigte, und schuf so die Voraussetzungen dafür, dass der Prozess 2016 beginnen kann. Drei der in diesem Fall angeklagten Männer haben die gegen sie vorgebrachten Anklagepunkte akzeptiert. Eine Person enthielt sich der Aussage. Alle anderen, darunter auch Mussa, bekannten sich nicht schuldig. Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate und die USA haben Millionen Dollar in die bulgarische Waffenproduktion investiert. Das Ziel der Transaktionen: Der Krieg in Syrien sollte Munition bekommen. Im Oktober vergangenen Jahres fiel erstmals auf, dass Jumbojets vom Typ Boeing 747, als saudi-arabische Frachtflugzeuge gekennzeichnet, am Flughafen Sofia landeten. Das war insofern bemerkenswert, als noch nie zuvor ein saudisches Frachtflugzeug auf Bulgariens Hauptstadtflughafen gelandet war. Aufgefallen ist diese Neuerung Stephan Gagow, einem langjährigen Planespotter aus Bulgarien. Die Frequenz der Flüge nahm so stark zu, dass Gagow einen Thread in einem einschlägigen Onlineforum eröffnete, den er mit den Worten die reguläre Route betitelte. Beobachter posteten, dass sie die Flugzeuge zweimal gegen Ende Oktober landen gesehen hätten, einmal im November, viermal im Dezember und jeweils einmal im März und Mai des Jahres 2014. Das riesige Flugzeug sei voll beladen aus Dschidda gekommen und in die saudische, etwa 100 Kilometer von der jordanischen Grenze entfernte Stadt Tabuk geflogen, berichteten die Planespotter, die Online-Flugtrackingtools benutzen. Gagows Schätzungen zufolge nahmen die Flugzeuge jedes Mal zwischen 60 und 80 Tonnen in Kisten verpackte Fracht an Bord. Er habe nicht erkennen können, was in den Kisten war, schrieb er, aber sie seien offensichtlich sehr schwer gewesen. Als die saudischen Flüge aufhörten, kamen plötzlich Frachtflugzeuge aus Abu Dhabi. Maschinen vom Typ Airbus A330F und Boeing 777F mit der Aufschrift Etihad Cargo landeten zwischen Ende Juni und Mitte August 2015 fünfmal in Sofia. Erst kürzlich, am 19. Oktober, flog ein Airbus 330F von Etihad Cargo von Abu Dhabi nach Burgas in Bulgarien und anschließend zum Luftwaffenstützpunkt Al-Dhafra, einem Militärflugplatz südlich der emiratischen Hauptstadt. Es dürfte sich um ausgedehnte Waffenlieferungen gehandelt haben. Laut dem jährlichen bulgarischen Rüstungsexportbericht (siehe Grafik), der im August 2015 – unter weitgehender Nichtbeachtung der Medien – veröffentlicht wurde, hat die Regierung 2014 den Verkauf von Waffen und militärischer Ausrüstung im Wert von über 85 Millionen Euro an Saudi-Arabien bewilligt. Von der bulgarischen Regierung erfuhr BIRN, das am Balkan tätige Investigative Reporting Network, dass in diesem Jahr auch der Verkauf von Waffen an die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) genehmigt wurde. Bulgarien produziert und lagert in erster Linie Waffen sowjetischer Bauart. Laut Analysten ist es unwahrscheinlich, dass Saudi-Arabien oder die VAE diese für ihre eigenen Streitkräfte erwerben, da sie selbst moderne westliche Waffen verwenden. Es sei deshalb, so die Experten, wesentlich plausibler, dass sie das Kriegsmaterial für lokale Truppen, die sie in Syrien und im Jemen unterstützen, gekauft hätten, wo Waffen sowjetischer Bauart weitverbreitet sind. Ein ehemaliger bulgarischer Militäroffizier mit guten Verbindungen erzählte, dass die saudischen Anschaffungen in den von den Planespottern gesichteten Flugzeugen transportiert worden und für syrische Oppositionsgruppen bestimmt waren. 2014 kauften auch die USA im Rahmen eines mittlerweile eingestellten 500-Millionen-Dollar-Programms Waffen aus Bulgarien für die Ausbildung und Ausrüstung syrischer Oppositionsstreitkräfte. Während der Zeit des Kommunismus baute Bulgarien, ein Land mit nur sieben Millionen Einwohnern, eine gewaltige Waffenindustrie auf, in der 110.000 Menschen Beschäftigung fanden und die pro Jahr bis zu 1,5 Milliarden Dollar (1,3 Milliarden Euro) in harter Währung eintrug. Das Regime erwarb sowjetische Technologie zur Herstellung von Kleinwaffen und Munition. Für sein 100.000 Mann starkes Militär und die Möglichkeit einer allgemeinen Mobilmachung häufte es ein riesiges Arsenal an. Nikolaj Nikolow blickt prüfend durch seine große Brille und erwähnt beiläufig, dass er an einem Tisch mit Carlos gesessen sei, dem berüchtigten marxistischen Terroristen, der vor 40 Jahren in Wien den Opec-Überfall mit drei Toten organisiert hatte. Nikolow, ein Pseudonym zum Schutz seiner Identität, handelt seit mehr als 25 Jahren mit Waffen. Alle schneiden mit, sagt er, auch Regierungsbeamte und Zwischenhändler. Die Provisionen sind ein Mehrfaches des Waffendeals wert. Wenn etwas zehn Millionen kostet, beläuft sich der Endpreis auf 35 Millionen. In einem kleinen Café in der Innenstadt von Sofia, wo er sich gerne zur Abwicklung seiner Geschäfte trifft, raucht Nikolow eine Zigarette nach der anderen und erinnert sich. Nach dem Zusammenbruch des kommunistischen Regimes 1989 ging die Waffenproduktion in Bulgarien erheblich zurück. Die offiziellen Rüstungsexporte betrugen 2006 nur mehr 111 Millionen Euro. Doch dann erholten sich die Verkaufszahlen wieder und waren Regierungsinformationen zufolge bis 2014 auf 403 Millionen Euro gestiegen. Die meisten Waffenexporte gab es während der Jugoslawienkriege, das meiste ging nach Serbien und Albanien, berichtet Nikolow. Damals besaßen wir Arsenale im Wert von Milliarden, jetzt haben wir nur noch ein paar Hundert Millionen. Obwohl Produktion und Verkauf heute nur noch einen Bruchteil dessen ausmachen, was vor 1989 umgesetzt wurde, ist der Handel mit Waffen in Bulgarien nach wie vor ein äußerst lukratives Geschäft. Es ist immer noch rentabler als Drogenschmuggel, sagt Nikolow. Saudi-Arabien war in den vergangenen Jahren kein besonders wichtiger Kunde für bulgarische Waffenfirmen gewesen. Das änderte sich jedoch 2014. Laut dem Bericht der bulgarischen Regierung wurden im vergangenen Jahr Verkäufe von Rüstungsgütern und militärischer Ausrüstung im Wert von 85,5 Millionen Euro nach Saudi-Arabien genehmigt – darunter Munition im Wert von 65,4 Millionen Euro, Großkaliberwaffen im Wert von 12,5 Millionen Euro und Kleinkaliberwaffen im Wert von fünf Millionen Euro. Ende 2014 beliefen sich die Exportverträge bulgarischer Rüstungsunternehmen mit dem Golfstaat auf 28,9 Millionen Euro. Bulgariens Wirtschaftsministerium, das den Handel mit Waffen überwacht, erklärte in einer Stellungnahme gegenüber BIRN, dass die Verträge Kleinwaffen sowie leichte und schwere Waffen umfassten. Ben Moores, Chefanalyst für Verteidigung beim Beratungsunternehmen IHS Janes, glaubt, dass solche Waffen wahrscheinlich nach Syrien oder in den Jemen geliefert werden. Das saudische Militär sei mit leichten Maschinengewehren belgischer Herstellung bewaffnet und verwende keine SPG-9, sagt Moores. Diese Waffen kommen aus Bulgarien, werden offenbar aber weiterverkauft. Es ist ziemlich unwahrscheinlich, dass diese Waffen vom saudischen Militär verwendet werden, sie werden jedoch häufig im Jemen, im Irak und in Syrien eingesetzt, sagte er. Saudi-Arabien ist ein wichtiger Unterstützer der gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad kämpfenden Truppen. Riad finanzierte den Massenankauf von Infanteriewaffen aus Kroatien für syrische Oppositionsstreitkräfte, berichtete die New York Times 2013 unter Berufung auf amerikanische und westliche über die Käufe informierte Quellen. In einem BBC-Interview Ende Oktober 2015 gab der saudische Außenminister Adel al-Jubeir offen zu, dass Riad die syrischen Oppositionskämpfer mit Waffen beliefert habe. Wir müssen zu einer Veränderung der Kräfteverhältnisse am Boden beitragen, erklärte er. Einige der nach Saudi-Arabien transportierten Waffen könnten auch im Jemen gelandet sein. Saudi-Arabien begann seine Militärintervention im Jemen Ende März, um die gegenüber dem im Exil lebenden Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi loyalen Truppen zu unterstützen. Im Gegensatz zu Saudi-Arabien hatten die Vereinigten Arabischen Emirate bereits in jüngerer Vergangenheit Waffen von Bulgarien gekauft. Laut einer von WikiLeaks veröffentlichten diplomatischen Depesche der US-amerikanischen Botschaft in Sofia haben die Emirate 2010 den Kauf von zehntausenden Sturmgewehren, 100.000 hochexplosiven Ladungen, Panzerabwehrwaffen und Munition für die damalige Regierung im Jemen finanziert. In der Depesche hieß es außerdem, dass Bulgarien die US-Botschaft bei potenziell umstrittenen Waffengeschäften zurate ziehe. Die Botschaft verweigerte auf Anfrage des Recherchenetzwerks BIRN die Auskunft darüber, ob sie Kenntnis darüber habe, ob andere Länder bulgarische Waffen für den Einsatz in Syrien kauften. 2015 habe die bulgarische Regierung den Export von Munition, Feuerwaffen und Rüstungsgütern in die Emirate genehmigt, gab das Wirtschaftsministerium Auskunft, Mengen und Beträge nennt man keine. Am 6. Juni 2015 zwang eine tödliche Explosion auf einem Waffentestgelände in Bulgarien die USA dazu, einzuräumen, dass man im Zuge der Bemühungen, die syrischen Oppositionskämpfer zu unterstützen, Waffen in Bulgarien gekauft hatte. Ein amerikanischer Lieferant, der 41-jährige Navy-Veteran Francis Norwillo, starb durch die Explosion einer Granate beim Laden eines RPG-7-Raketenwerfers. Zwei weitere US-Bürger und zwei Bulgaren wurden ebenfalls verletzt. Die Amerikaner hätten für eine US-Firma namens Purple Shovel gearbeitet, die vom US-Militär beauftragt worden war, die Ausbildung und Ausrüstung von Oppositionskämpfern in Syrien zu unterstützen, erklärte die US-Botschaft in einem knappen Statement. Die drei Unternehmer führten zur Zeit des Unfalls eine Einschulung für die Mitarbeiter einer anderen Firma durch, erklärte die Botschaft und verweigerte jeden weiteren Kommentar zu dem Thema. Einer Beschaffungsdatenbank der US-Regierung zufolge erteilte das Kommando für Spezialoperationen (SOCOM), das für die Militäraktionen des US-Militärs zur Unterstützung der syrischen Kämpfer verantwortlich war, Purple Shovel im Dezember 2014 einen Auftrag im Wert von über 26,7 Millionen Dollar (24,6 Millionen Euro) zur Lieferung von ausländischen Waffen und Munition. Laut Datenbank stammen diese aus Bulgarien. Purple Shovel, eine Firma mit Sitz in Sterling (Virginia), wollte sich weder zu dem Vorfall noch zu dem Vertrag mit SOCOM äußern. Aus der US-Beschaffungsdatenbank geht außerdem hervor, dass SOCOM auch einem anderen US-Unternehmen, UDC USA, einen Auftrag im Wert von über 32.000 Dollar (28.200 Euro) zur Lieferung von Munition aus Bulgarien erteilt hat. Der Vertrag wurde am selben Tag unterzeichnet wie der Deal mit Purple Shovel und weist dieselbe Solicitation ID auf – die bei einer schriftlichen Ausschreibung verwendete Kennzahl zur Erfüllung eines Vertrags. Auf die Frage, ob der Vertrag für das US-Einsatzkommando zur Bewaffnung der syrischen Kämpfer gewesen sei, erklärte Firmenchef Matthew Herring gegenüber BIRN am Telefon: Nein, wir hatten damit nichts zu tun, und es ist uns sicher nicht gestattet, darüber zu sprechen. Die militärischen Anstrengungen der USA, Streitkräfte auszubilden und auszurüsten, um die militanten IS-Kämpfer in Syrien zu bekämpfen, wurden von den Mitgliedern des US-Kongresses als wirkungslos kritisiert. Am 9. Oktober 2015 erklärte die Obama-Regierung, man werde dieses Programm beenden. Ein verdecktes CIA-Programm zur Bewaffnung von Syrern, die die Truppen Assads bekämpfen, blieb bestehen. An einem heißen Morgen Ende Juli unterhielt sich ein Dutzend syrischer Oppositionsführer im Anschluss an ein Koordinationstreffen in einem Café eines Boutiquehotels nahe dem Taksim-Platz im Zentrum Istanbuls. Sie bereiteten ihren Aufbruch in die südliche Türkei und ihre Rückkehr an die vorderste Front in Nordsyrien vor. Einer der Männer erklärte, dass die Lieferung von Waffen an Oppositionsstreitkräfte über zwei militärische Operationsräume erfolge – einen in der Türkei und einen in Jordanien. Alle drei sagten, dass sie Waffen aus dem Operationsraum in der Türkei – den sie abgekürzt MOM nannten – erhalten hätten, darunter AK-47-Gewehre, RPG-7-Panzerbüchsen und SPG-9-Geschütze. Auf die Frage, ob sie bulgarische Waffen erhalten hätten, meinte einer: Alle Waffen in Syrien sind russische Modelle. Sowohl das Regime als auch die Revolutionskräfte verwenden sie. Sie können aus Bulgarien, der Ukraine oder der Tschechischen Republik stammen, aber wir wissen nicht genau, wo sie hergestellt wurden. Nachdem ihm erklärt wurde, dass auf bulgarischen Waffen manchmal die in zwei Kreise eingeschriebene Zahl zehn zu finden sei, schickte ein Kommandant von seinem Mobiltelefon eine Whatsapp-Nachricht an einen Kämpfer seiner Einheit in Syrien, der drei Fotos von Waffen zurückschickte. Auf zweien war das Symbol zu sehen. Der Kommandant erklärte, die Waffen seien im Westen der Provinz Aleppo zum Einsatz gekommen. Ein Waffenexperte, der nicht genannt werden wollte, identifizierte diese zwei Waffen später als eine Panzerbüchse und ein PK-Maschinengewehr. Bulgarien versorgte über viele Jahre sowohl die syrischen als auch die irakischen Armeen, weshalb manche Waffen aus den bestehenden Arsenalen dieser Länder stammen könnten. Es gibt aber auch Berichte, wonach den syrischen Rebellengruppen überschüssiges Material aus Bulgarien zur Verfügung gestellt wurde. Ebenso wie Saudi-Arabien und die USA ist auch die Türkei stark in die Unterstützung der Oppositionsgruppen in Syrien involviert. Nihat Ozcan, ein Militäroffizier im Ruhestand und Analyst für die Economic Policy Research Foundation of Turkey (Türkische Forschungsstiftung für Wirtschaftspolitik), sagt, dass Staaten, die die syrische Opposition unterstützen, auch die Türkei als Transitroute benützen, um Waffen nach Syrien zu schaffen. Ein syrischer Mitarbeiter einer Hilfsorganisation mit Kenntnissen über die moderaten Anti-Assad-Kämpfer in den Provinzen Idlib und Aleppo sagt, dass von ausländischen Staaten erworbene Waffen über den militärischen Operationsraum zu den Oppositionskräften transportiert werden. Die Waffen würden an die türkisch-syrische Grenze geliefert, wo sie von syrischen Kämpfern übernommen würden, erzählte er in einem Interview in der türkischen Stadt Gaziantep nahe der Grenze. Das bestätigen mehrere syrische Oppositionsquellen: Die militärischen Operationsräume in der Türkei und in Jordanien würden von einer Gruppe westlicher und arabischer Länder unterstützt, darunter die Vereinigten Staaten, Saudi-Arabien und die VAE sowie die Türkei und Jordanien selbst. (Mariya Petkova, Übersetzung: Barbara Maya, 21.1.2016) Ehemaliger Ministerpräsident spricht auch mit anderen Parteien über eine neue Regierung. Kopenhagen – Nach dem knappen Sieg der bürgerlichen Opposition bei der Parlamentswahl in Dänemark vor zwei Tagen führt der Liberale Lars Lokke Rasmussen schon heute, Samstag, erste Sondierungsgespräche über eine neue Regierung. Dazu will sich der frühere dänische Ministerpräsident mit allen Parteien auf dem Parlamentssitz Christiansborg treffen. Wie eine Regierung aussehen könnte, war unklar. Verhandeln wird Lokke Rasmussen vor allem mit den Rechtspopulisten, die größte bürgerliche Partei noch vor der liberalen Venstre wurden. Doch die Dänische Volkspartei stellt hohe Ansprüche an eine Regierungsbeteiligung. Auch mit den anderen Parteien des Mitte-Rechts-Lagers, den Konservativen und der liberalen Allianz, will Lokke sprechen. Bei der Wahl am Donnerstag war die Regierung der sozialdemokratischen Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt abgewählt worden. Sie hat bereits in der Wahlnacht ihren Rücktritt angekündigt. Der historische Erfolg der Rechtspopulisten hatte die Koalition von Thorning-Schmidt am Donnerstag zu Fall gebracht, obwohl ihre Sozialdemokraten sogar zugelegt hatten und stärkste Partei geblieben waren. Die rechte Dänische Volkspartei ist künftig mit 37 Sitzen (21,1 Prozent) zweitstärkste Kraft im Parlament. Lokke Rasmussens Partei Venstre musste bei der Wahl sogar herbe Einbußen hinnehmen. Die vier Parteien des Mitte-Rechts-Lagers – Liberale, Rechtspopulisten, Konservative und liberale Allianz stützen den 51 Jahre alten früheren Ministerpräsidenten als Regierungschef. Pia Kjærsgaard ist die ehemalige Vorsitzende der Dänischen Volkspartei. Kopenhagen – Gut zwei Wochen nach der Wahl in Dänemark ist am Freitag Pia Kjærsgaard zur neuen Parlamentspräsidentin gewählt worden. Die frühere Chefin und Mitbegründerin der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei (DF) ist damit die erste Frau an der Spitze des dänischen Folketing. Die Wahl Kjærsgaards zur Parlamentspräsidentin gilt als großer symbolischer Sieg für die Rechtspopulisten, auf deren Unterstützung der neue Premier, Lars Løkke Rasmussen, mit seiner Minderheitsregierung angewiesen ist. Zunächst war als Kandidatin für das Amt auch Ex-Ministerpräsidentin Helle Thorning-Schmidt von der sozialdemokratischen Partei im Gespräch gewesen, aber Rasmussen hatte sich für Kjærsgaard starkgemacht. Die 68-jährige gelernte Haushaltshilfe war zunächst Mitglied der populistischen Fortschrittspartei, bevor sie 1995 austrat und die Dänische Volkspartei gründete. Diese konnte sehr bald die Fortschrittspartei von der politischen Bildfläche verdrängen. Kjærsgaard sorgte unter anderem im Wahlkampf 2011 mit scharfen Tönen zum Thema Asylpolitik für Aufsehen, als sie die Ausweisung von Angehörigen straffälliger Zuwanderer bis in die dritte Generation forderte. Im Jahr 2012 übergab sie die Parteiführung in die Hände von Kristian Thulesen Dahl. Obwohl ihre Partei nicht Teil der neuen Minderheitsregierung ist, wird ihr Einfluss schon deutlich: Kaum war das neue Kabinett im Amt, wurden bereits die Wiedereinführung von Grenzkontrollen sowie Leistungskürzungen für Asylwerbende angekündigt. Die finanzielle Unterstützung soll um die Hälfte reduziert werden. Am Freitag wurde die neue Regelung im Parlament diskutiert, im September soll sie in Kraft treten. Die Dänische Volkspartei konnte bei den Parlamentswahlen am 18. Juni ihren Stimmenanteil gegenüber 2011 fast verdoppeln. Damit stieg sie zur zweitstärksten Kraft nach der sozialdemokratischen Partei auf und sicherte dem bürgerlichen Block unter der Führung Rasmussens von der rechtsliberalen Venstre die Mehrheit. Der Mitte-Links-Block erlitt trotz des ersten Platzes der Sozialdemokraten eine Niederlage, Thorning-Schmidt trat als Premierministerin und Parteichefin zurück. Der autonome, zu Dänemark gehörende Inselstaat wählt am Dienstag. Der derzeitige Premier und Extorwart muss sein Amt laut Umfragen wohl abgeben. Tórshavn – Spätestens seit der legendären 0:1-Niederlage Österreichs im Fußball-EM-Qualifikationsspiel vor 25 Jahren sind die Färöer-Inseln in Österreich ein Begriff. Für die Färöer-Inseln ist dieser Sieg vergleichbar dem österreichischen 3:2 gegen Deutschland in Córdoba 1978: Er prägte sich in das kollektive Gedächtnis ein. Kaj Leo Johannesen, der damalige färöische Ersatztorwart, ist heute amtierender Premierminister der Mitte-rechts-Regierung des autonomen, jedoch zur dänischen Krone gehörenden Inselstaats im Nordatlantik. Am Ólavsøka, dem färöischen Nationalfeiertag Ende Juli, rief Johannesen in seiner Eröffnungsrede nach der Sommerpause für den 1. September Neuwahlen aus. Diese finden damit drei Monate früher statt als geplant, nachdem Johannesen und seine Partei der Unionisten seit längerem wegen der Affäre um den Bau des Østerøtunnels unter heftiger Kritik gestanden hatten, berichtet die österreichische Botschaft in Kopenhagen. Der Tunnel sollte die beiden Inseln Eysturoy und Streymoy unterseeisch verbinden. Die knapp 50.000 Färinger – die Einwohnerzahl entspricht in etwa der St. Pöltens – sprechen eine eigene Sprache (Färöisch) und betrachten sich selbst nicht als Dänen, sondern als Nachfahren der Wikinger. Am ersten September stehen ihnen sieben Parteien zur Wahl, um die 33 Abgeordneten des Løgting – des Parlaments der Färöer-Inseln – und damit auch den Premierminister zu wählen. Das Løgting wird normalerweise alle vier Jahre gewählt. Seine Wurzeln können mehr als tausend Jahre zurückverfolgt werden. Damit zählt es zu den ältesten Parlamenten der Welt. Die vier größten Parteien sind die prodänischen Sozialdemokraten und die sezessionistischen Republikaner auf der linken Seite und die prodänischen Unionisten und die sezessionistische Volkspartei auf der rechten Seite des Parteienspektrums. Sie werden von drei weiteren kleineren Parteien ergänzt. Seit Jahrzehnten schwanken die Wahlergebnisse der vier größten Parteien um jeweils 20 Prozent. Aktuelle Meinungsumfragen legen einen knappen Sieg der Sozialdemokraten am 1. September nahe, die dann Koalitionspartner suchen müssten. Der Wahlkampf verläuft nicht besonders kontroversiell: Ein Wahlkampfmanager der Färöer-Inseln hat fast das Problem, dass er kein Wahlkampfthema findet, sagte der österreichische Botschafter in Kopenhagen, Ernst-Peter Brezovszky, im Gespräch mit dem STANDARD. So würden diesmal alle Parteien von Steuererleichterungen für niedrigere Einkommen sprechen, nachdem nach der Wahl 2011 nur höhere Einkommen entlastet worden seien. Neben der Tunnelbauaffäre drehe sich der Wahlkampf um innenpolitische Debatten bezüglich der Rechte gleichgeschlechtlicher Paare sowie Regelungen rund um die Fischereiindustrie, insbesondere zur Verteilung der Fischfangquoten. Fischprodukte machen fast den gesamten färöischen Export aus. Die innen- und außenpolitischen Zuständigkeiten in der Beziehung zum Mutterland Dänemark sind seit 1948 im bestehenden Autonomiegesetz geregelt. Bei innenpolitischen Fragen oder bei der Wirtschaftspolitik haben die Färinger weitgehende Selbstbestimmung. Justiz, Landesverteidigung sowie Außenpolitik liegen hingegen im Kompetenzbereich der dänischen Regierung. Mit dem Vertrag von Fámjin bekamen die Färinger 2005 jedoch mehr Kompetenzen in Fragen der Außen- und Verteidigungspolitik. Wie Grönland sind die Färöer-Inseln durch zwei Abgeordnete im dänischen Folketing vertreten. Diese spezielle Situation der Kompetenzverteilung führte bereits öfter zu Spannungen zwischen der EU, den Färöer-Inseln und deren Mutterland Dänemark, das im Gegensatz zu den Färöer-Inseln EU-Mitglied ist. So beispielsweise in den vergangenen Jahren beim oft als Herings- und Makrelenkrieg bezeichneten Streit um Fischfangquoten im Nordatlantik. Die Färöer-Inseln erhöhten damals eigenständig die Quoten. Ein aktuelles Beispiel wären die Handelsbeziehungen mit Russland. Aufgrund der wechselseitigen Sanktionen zwischen Europäischer Union, Norwegen und Russland, an denen sich die Färöer-Inseln nicht beteiligen, seien diese zum zweitgrößten Fischlieferanten Russlands aufgestiegen, was zu Spannungen mit der dänischen Regierung führte, berichtete die dänische Zeitung Berlingske. Der dänische Außenminister Kristian Jensen habe daraufhin von den Färingern mehr Balance zwischen der ökonomischen Bedeutung der Fischerei und ihrem politischen Aspekt gefordert. Derartige eigene Wege würden auch zeigen, dass sich die Färinger weniger als Dänen und mehr als eine Art mittelalterlicher Stadtstaat sehen, sagte der österreichische Botschafter Brezovszky in Kopenhagen. Trotz seiner Kleinheit spiele jener dort eine große Rolle, wo er glaubt, dass der Fokus passe. Das sei nicht immer zur Freude der dänischen Krone. In Anbetracht der aktuellen Debatte zwischen Anhängern und Gegner einer Renationalisierung innerhalb der Europäischen Union sei es daher sehr interessant, wie Dänemark mit dieser nicht immer einfachen Konstellation umgehe – und immer wieder Konsens finde, so Brezovszky. (sal, 31.8.2015) http://www.government.fo/home/ http://www.faroeislands.fo 53,1 Prozent stimmten gegen die Übernahme von EU-Regelungen in der Justiz. Kopenhagen – In Dänemark hat das Lager der EU-Skeptiker in einer Volksabstimmung einen Sieg errungen. Die Wähler sprachen sich am Donnerstag mehrheitlich dagegen aus, bestimmte EU-Vorschriften im Justizbereich zu übernehmen. 53,1 Prozent stimmten mit Nein, die Wahlbeteiligung lag mit 72 Prozent überraschend hoch. Es ging um Gesetze, die für einen Verbleib Dänemarks in der Polizeibehörde Europol nötig wären. Die Regierung und die oppositionellen Sozialdemokraten hatten dafür geworben. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei warnte dagegen davor, die Souveränität über wichtige Sicherheitsfragen an die EU abzugeben. Volkspartei-Chef Kristian Dahl Thulesen sagte nach der Abstimmung: Die Dänen wissen: Wenn man die Dinge Brüssel überlässt, ist man zu großen Teilen einem intransparenten System ausgeliefert, in dem wir viel von unserer Demokratie verlieren. Ministerpräsident Lars Lokke Rasmussen hingegen äußerte sich gelassen. Ich betrachte das nicht als Rückschritt, sagte er zum Ausgang des Volksentscheids. Der Grund, weshalb die Dänen unsere Vorschläge abgelehnt haben, ist wahrscheinlich, dass es dieses Gefühl der Unsicherheit gibt, weil Europa derzeit mit anderen großen Problemen konfrontiert ist, die wir nicht gelöst haben. Die Abstimmung wird auch in Großbritannien aufmerksam verfolgt, wo ein Referendum über einen Verbleib in der EU ansteht. Dänemark, Großbritannien und Irland hatten Anfang der 1990er-Jahre das Zugeständnis erhalten, zumindest in der Justiz- und Innenpolitik bei der europäischen Integration abseits zu bleiben. Männer sollen 2014 elf Unbewaffnete erschossen haben und kamen als Flüchtlinge im September nach Finnland. Helsinki – Die finnische Polizei hat am Dienstag in Tampere zwei Iraker festgenommen. Die beiden Männer stehen im Verdacht, als Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) nahe der irakischen Stadt Tikrit elf Morde begangen zu haben. Laut Aussendung der Kripo in Helsinki handelt es sich um zwei 23-Jährige. Die beiden seien im September als Flüchtlinge nach Finnland eingereist. Die Polizei gab an, den mutmaßlichen Terrorkämpfern durch eigene Ermittlungsarbeit unter Mitwirkung der finnischen Staatspolizei (Säpo) auf die Spur gekommen zu sein. Den beiden Männern wird vorgeworfen, im Jahr 2014 auf dem syrischen Bürgerkriegsschauplatz elf unbewaffnete Menschen erschossen zu haben. Von der Tat existiert ein Video, das offenbar zu Propagandazwecken vom IS im Internet verbreitet wird. Premier Alexis Tsipras, der ein neuerliches Votum ausgeschlossen hatten, steht innerparteilich unter Druck. Athen - Griechenlands Premier scheint die Neuwahldebatte zu entgleiten: Obwohl Alexis Tsipras diesbezügliche Forderungen aus seiner Syriza-Partei am Vortag als Unsinn abqualifiziert hatte, forderte am Freitag auch der stellvertretende Ministers für soziale Sicherheit, Dimitris Stratoulis, vorgezogene Parlamentswahlen auszurufen, wenn die Gläubiger des Landes ihre Bedingen für Finanzhilfen nicht lockern. Die Gläubiger wollen harte Maßnahmen durchsetzen, sagte Stratoulis, der für seine unnachgiebige Haltung in der linken Syriza-Partei bekannt ist. Wenn sie von ihrem Erpressungspaket nicht abgehen, wird die Regierung ... alternative Lösungen finden müssen, Wahlen. Ob diese Position in der Syriza verbreitet ist, ist unklar. Am Donnerstag hatte Finanzminister Yanis Varoufakis vorgezogene Wahlen ausgeschlossen. Ministerpräsident Alexis Tsipras steht aber unter dem Druck seiner linken Anhänger, sich den Forderungen der Gläubiger nicht zu beugen und an seinen Wahlversprechen festzuhalten. Die Syriza hat Einschnitte zulasten des Großteils der griechischen Bürger ausgeschlossen. Die Krise in Griechenland stellt die europäische Integration infrage, sagt Forscher Markus Kaim. STANDARD: In der öffentlichen Diskussion um die Zukunft Griechenlands überwiegen derzeit wirtschaftliche Aspekte. Welche Rolle spielen jedoch geopolitische Überlegungen bei den Verhandlungen? Kaim: Ich halte den Ausdruck Geopolitik, der Einzug in die öffentliche Debatte gefunden hat, in diesem Fall für unzutreffend. Vielmehr geht es um verschiedene Konfliktebenen. Im Moment haben wir einen finanzpolitischen Konflikt, der sich ausweiten könnte. STANDARD: In welche Richtung könnte sich der Konflikt konkret ausweiten? Kaim: Der wirtschaftspolitische Konflikt könnte sich zu einem integrationspolitischen Konflikt in der Europäischen Union ausweiten, wenn er das nicht bereits ist. Und dieser könnte zu einem außen- und sicherheitspolitischen Konflikt führen. STANDARD: Können Sie das genauer erklären? Kaim: Die Grundannahme des Integrationsprozesses der letzten sechzig Jahre ist, dass er sich weiterhin bruchlos vollziehen wird in Richtung einer immer enger verknüpften Europäischen Union. Die Griechenland-Krise hat die nach wie vor existierenden Bruchlinien – Stichworte Austeritätspolitik und Souveränitätsrechte – wieder zutage gefördert. STANDARD: Was bedeutet diese Debatte in Bezug auf die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union? Kaim: Es zeigt vor allem, dass die EU kein selbstverständliches Erfolgsmodell mehr ist. Der Integrationsprozess schien noch vor zehn Jahren eine immerwährende Erfolgsgeschichte zu sein, und Europa war im Frieden mit sich selbst. Vor diesem Hintergrund konnte sich die EU nach außen wenden. Heute bieten etwa Russland und China ganz offensiv konkurrierende politische Ordnungsmodelle an. STANDARD: Welches Interesse haben die USA am Ausgang der Verhandlungen mit Griechenland? Kaim: Ich glaube, dass es Washington egal ist, welcher Modus Operandi mit Griechenland gefunden wird: mit oder ohne Referendum, mit oder ohne Schuldenschnitt. Wichtig ist ihnen der Erfolg des Integrationsprozesses der Europäischen Union an sich, weil Washington heute großes Interesse an einem starken und einigen Europa hat, etwa in der Ukraine-Krise. STANDARD: Würde im Falle eines Ausscheidens Griechenlands aus der Eurozone oder gar aus der EU auch die Nato nervös, die etwa eine große Militärbasis auf Kreta betreibt? Kaim: Ich sehe keinen direkten Zusammenhang zwischen der griechischen Finanzkrise und der Verteidigungspolitik Athens. Zwar mögen vielleicht die finanziellen und politischen Handlungsspielräume geringer werden, aber selbst wenn Griechenland aus der Eurozone ausscheidet, wird dies nicht zwingend zur Folge haben, dass sich Athen sicherheitspolitisch neu orientiert. STANDARD: Sie haben kurz die Ukraine angesprochen. Wie gestaltet sich das Spannungsverhältnis zwischen der EU, Russland und Griechenland? Kaim: Die Ursorge der Europäer, dass die Griechen ihre Vetomacht im Rahmen der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik geltend machen würden – Stichwort Sanktionen gegen Russland –, hat sich nicht manifestiert. Die Griechen haben der Verlängerung der Sanktionen zugestimmt. Das Erpressungspotenzial hat sich nicht entwickelt, und die Griechen sind in dieser Hinsicht solidarischer, als wir gemeinhin glauben. STANDARD: Alexis Tsipras hat Russlands Präsident Wladimir Putin besucht. Kaim: Es gibt zwar Akteure innerhalb Griechenlands, die mit der Idee einer Sonderbeziehung zu Russland spielen. Das wird bei politischen Debatten innerhalb der EU natürlich instrumentalisiert. Ich sehe jedoch keinen Mehrwert einer griechischen Politik, die sich von Europa entfernt und eine Annäherung an Russland sucht. Denn eine Grundgleichung bleibt bei allem Zwist weiterhin bestehen: Die EU potenziert den Einfluss Griechenlands in der Welt. STANDARD: Neben Italien und Spanien gilt Griechenland für viele Flüchtlinge als Tor nach Europa. Stärkt das die Verhandlungsposition Griechenlands? Kaim: Mein Eindruck ist, dass die Griechen mit dem Flüchtlingsthema spielen und versuchen, Druck aufzubauen. Generell glaube ich, dass das Drohpotenzial aber auch an Grenzen stößt. STANDARD: Vor welchen Herausforderungen steht ein möglicherweise instabiles Griechenland im Hinblick auf seine Nachbarn? Kaim: Ich sehe nur Verlierer auf der europäischen Seite. Die EU wird ein Verlierer sein wegen ihrer geschwächten außenpolitischen Handlungsfähigkeit. Griechenland definitiv auch. Ein Verlassen der EU halte ich aber ohnedies für total unwahrscheinlich. Eine abgestufte Mitgliedschaft Griechenlands wäre eine Option, wie bei Polen oder Dänemark. Bei diesen denken wir nicht darüber nach, ob es destabilisierend wirken würde. Eine Renationalisierung der griechischen Außen- und Sicherheitspolitik könnte aber durchaus ungeahnte Konsequenzen haben, wenn man sich vorstellt, dass sich beispielsweise der Konflikt mit der Türkei neu entfacht. 'Tsipras-Kritiker gründen eigene Parlamentsgruppe – Neuwahltermin wackelt wegen Regierungsbildungsversuchen der Opposition. Griechenland hat schon ruhigere Sommer erlebt. Kaum war der dritte Rettungskredit nach dramatischen Wochen unter Dach und Fach, verkündete Alexis Tsipras am Donnerstagabend seinen Rücktritt. Die Griechen sollen noch einmal wählen, und das schnell: Am 20. September, in einem Monat, will der linke Regierungschef nach kaum einem halben Jahr im Amt ein neues Votum haben. Zunächst hat Tsipras aber mit Tumulten in den eigenen Reihen zu kämpfen: Im Parlament haben 25 Abgeordnete des linken Flügels seiner Syriza-Partei am Freitagvormittag eine eigenständige Parlamentsgruppe gebildet. Angeführt wird Laiki Enotita (Volkseinheit) vom ehemaligen Energieminister Panagiotis Lafazanis. Ex-Finanzminister Yanis Varoufakis ist nicht Teil der abgespalteten Gruppe. Tsipras Plan für rasche Neuwahlen könnte außerdem von der Nea Dimokratia (ND) durchkreuzt werden: Evangelos Meimarakis, Interimsvorsitzender der konservativen früheren Regierungspartei seit dem Rücktritt von Ex-Premier Antonis Samaras, will den Spielraum ausschöpfen, den die Verfassung ihm gibt. Er erhielt als Chef der zweitstärksten Parlamentspartei um Mitternacht das Mandat zu einer Regierungsbildung. Möglicherweise auch mithilfe der Faschisten, wurde in der Nacht auf Freitag in Athen spekuliert. Doch die Stimmen reichen nicht. Tsipras war zuvor zurückgetreten. Die Griechen sollten entscheiden über all das, was ich gemacht habe, versicherte der 41-Jährige dick geschminkt und treuherzig in seiner kurzen Fernsehansprache am Donnerstagabend, die Augen auf den unsichtbaren Teleprompter gerichtet, wo der Redetext stand. Doch das ist nur die halbe Wahrheit. Die Regierung hat keine Mehrheit mehr. Das kann niemand ignorieren, hatte Panos Skourletis, der Minister für Energie, Umwelt und Wiederaufbau, früher am Tag im Staatsfernsehen ERT eingeräumt. Mehr als ein Viertel der Parlamentsfraktion von Syriza, des regierenden linksradikalen Kleinparteienbündnisses, versagte dem Premier zuletzt die Gefolgschaft. Das Kreditabkommen mit den Gläubigern, die neuen Steuererhöhungen und Pensionskürzungen, die Wiederaufnahme der Privatisierungen – alles das komplette Gegenteil der Wahlversprechen und der Reden, mit denen die Partei vor die Griechen getreten war und im Jänner ihren historischen Wahlsieg errungen hatte. Syriza ist seither gespalten. Mit der vorgezogenen Parlamentswahl im nächsten Monat will Tsipras sie auf den neuen Kurs bringen. Die Griechen müssen also noch einmal an die Urnen, weil der Regierungschef ein Problem mit seiner eigenen Partei hat. Ich will völlig ehrlich sein, sagte Tsipras den Griechen am Donnerstagabend. Wir haben nicht das Abkommen erreicht, das wir wollten. Wie schon 2012 wird eine Übergangsregierung aus Verwaltungsbeamten das Land für vier Wochen führen. Interimspremier wird dann die Vorsitzende des Verfassungsgerichts, Vassiliki Thanou-Christofilou. Doch zuvor hat ND-Chef Meimarakis drei Tage Zeit für Sondierungen. Zusammen mit der sozialistischen Pasok und der liberalen Bürgerbewegung To Potami käme er nur auf 106 Stimmen im Parlament EU-Kommission über Entwicklung "nicht beunruhigt". Die Neuwahl in Griechenland war mit der EU-Kommission abgestimmt und dürfte am vereinbarten Spar- und Reformkurs nichts ändern. Eine Sprecherin der Behörde sagte am Freitag in Brüssel, man sei über die Entwicklung nicht beunruhigt. Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe mehrfach mit Griechenlands Premier Alexis Tsipras telefoniert. Die Gelassenheit steht in deutlichem Kontrast zur Aufregung nach der Wahl von Tsipras im Jänner. Damals hatte Juncker noch erklärt, die demokratische Entscheidung anzuerkennen und Änderungen am Reformkurs vornehmen zu wollen. Diesmal ist davon keine Rede mehr. Unabhängig vom Wahlausgang gelte das erst kürzlich mit Tsipras vereinbarte Memorandum, heißt es nun. EU-Diplomaten ergänzten, jede neue Regierung müsse für eingegangene Reformzusagen geradestehen. Allerdings hatte Griechenland noch im Juli in einem Referendum gegen den Reformkurs gestimmt. Wie aus zwei Dokumenten hervorgeht, die erst jetzt bekannt wurden, kommen auf die Griechen nun noch größere Belastungen zu. Athen muss im Zuge des Privatisierungsprogramms noch 55 detaillierte Vorgaben umsetzen – vom Report on the Real Estate Portfolio über die Vergabe von Konzessionen bis zum Abschluss aufgeschobener Privatisierungen. Insgesamt soll Athen so 50 Milliarden Euro einnehmen, um einen Teil seiner Schulden zu begleichen. Sehr vage fällt die soziale Folgenabschätzung aus, die die Kommission zum neuen Hilfsprogramm vorgelegt hat. Die Studie enthält keine Angaben zu sozialen Problemen wie Arbeitslosigkeit oder Armut. Stattdessen preist sie geplante Strukturreformen, die Griechenland zurück zu Stabilität und Wachstum bringen würden. Parlament formal aufgelöst – Tsipras will neues Mandat. Athen – Griechenland wählt am 20. September ein neues Parlament. Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos habe am Freitag per Dekret das Parlament formal aufgelöst und damit den Neuwahl-Termin fixiert, hieß es aus dem Präsidialamt in Athen. Zuvor wurde die Übergangsregierung unter der Richterin Vasiliki Thanou vereidigt. Dieses Interims-Gremium soll das Land bis zur Bildung einer neuen Regierung führen. Die wichtigsten Posten des geschäftsführenden Kabinetts besetzen Experten, die das Vertrauen der Mehrheit der Parteien haben. Dabei setzt Athen auf Kontinuität: Das Finanzministerium wird der langjährige Unterhändler in den Verhandlungen mit den Gläubigern, Giorgos Chouliarakis, führen. Er war bisher als Fachmann bei den Kreditverhandlungen dabei und soll das Vertrauen der Geldgeber-Experten haben. Außenminister ist der altgediente Diplomat Petros Molyviatis (87). Am Donnerstag hatte Pavlopoulos die Präsidentin des höchsten Gerichtshofes (Areopag), Thanou, mit der Bildung der Interimsregierung beauftragt. Zuvor waren alle Bemühungen gescheitert, im derzeitigen Parlament eine neue Regierungsmehrheit zu finden. Damit wurde der Weg zur Neuwahl frei, die der bisherige Ministerpräsident Tsipras mit seinem Rücktritt vor einer Woche erreichen wollte. Er fordert angesichts des neuen harten Sparprogramms ein frisches Mandat vom Volk. Mit der Fixierung des Wahltermins durch den Präsidenten am Freitag kann nun auch der Wahlkampf offiziell beginnen. Eine erste Umfrage zeigt, dass die Parteien noch viel Arbeit leisten müssen, um die Gunst der Wähler zu gewinnen. Jeder vierte Bürger (25,5 Prozent) ist nämlich bisher unentschieden. Das Bündnis der radikalen Linken (Syriza) von Alexis Tsipras führt in der Gunst der Wähler mit 23 Prozent, gefolgt von den Konservativen Nea Dimokratia (ND) mit 19,5 Prozent. Die Umfrage wurde am Freitag in der linken griechischen Zeitung Efimerida ton Syntakton veröffentlicht. Die Rechtsextremisten der Goldenen Morgenröte können mit 6,5 Prozent damit rechnen, drittstärkste Kraft zu werden. Es folgen die Kommunisten (KKE) mit fünf Prozent, die Sozialisten (Pasok) mit 4,5 Prozent und die Partei der politischen Mitte To Potami mit vier Prozent. 3,5 Prozent bekommt die von Syriza abgespaltene neue Partei Volkseinheit (LAE) mit 3,5 Prozent. Bangen um den Einzug ins Parlament – es gibt eine Drei-Prozent-Hürde – muss der bisherige Koalitionspartner der Syriza, die rechtspopulistische Partei der Unabhängigen Griechen (Anel). Sie kam in der Umfrage nur auf zwei Prozent. Populärster griechischer Politiker bleibt laut Umfrage der bisherige Regierungschef Tsipras mit 41 Prozent Zustimmung. Der ND-Chef Evangelos Meimarakis kommt auf 34 Prozent. Zoe Konstantopoulou wird für die neue Linkspartei kandidieren. Athen – Drei Wochen vor der griechischen Parlamentswahl ist die griechische Parlamentspräsidentin Zoe Konstantopoulou aus der Syriza-Partei von Alexis Tsipras ausgetreten. Bei der vorgezogenen Wahl am 20. September werde sie für die neue Linkspartei Volkseinheit (LAE) kandidieren, teilte sie bei einer Pressekonferenz in Athen am Montag mit. Tsipras und viele seiner engen Mitarbeiter hätten alle ihre Wahlversprechen gebrochen, erklärte die Parlamentspräsidentin ihre Beweggründe. Konstantopoulou war eine der Spitzenpolitikerinnen der Syriza. Umfragen zeigen, dass die LAE-Partei, die sich am 21. August von der Syriza abspaltete, etwa 3,5 Prozent bei der Wahl bekommen könnte. Tsipras war als Regierungschef zurückgetreten, um sich in der Neuwahl Rückendeckung für seien harten Sparkurs zu holen. Regierungschef zeigt Bereitschaft zu Bündnis mit Sozialdemokraten, wenn sich diese von der Rechten distanzieren. Athen – Angesichts knapper Umfragen schließt Griechenlands Ex-Regierungschef und Syriza-Vorsitzender Alexis Tsipras gut zwei Wochen vor der Parlamentsneuwahl eine Koalition mit den Sozialdemokraten nicht mehr kategorisch aus. Bedingung für ein Bündnis mit der Pasok sei, dass sich deren neue Vorsitzende Fofi Gennimata von der Rechten distanziert, sagte Tsipras am Donnerstagabend dem Fernsehsender Kontra. Tsipras war in der vergangenen Woche als Ministerpräsident zurückgetreten. Eigentlich hoffte der nach wie vor populäre Syriza-Chef, der nach einem dramatischen Kurswechsel die Bedingungen der Geldgeber für ein drittes Rettungspaket akzeptiert hatte, bei der Wahl am 20. September eine absolute Mehrheit für seine Linkspartei zu erreichen. Nach mehreren Umfragen liegen Syriza und die konservative Nea Dimokratia (ND) derzeit aber fast gleichauf bei rund 25 Prozent. Bisher hatte Tsipras eine Zusammenarbeit mit den Parteien des alten Regimes – zu denen er die langjährige Regierungspartei Pasok zählt – ausgeschlossen. In dem Fernsehinterview sagte er nun, Pasok-Chefin Gennimata habe eine rechte Position und nicht die Position der europäischen Sozialdemokraten eingenommen. Wenn sich das nicht ändert – und ich wäre froh, wenn es sich ändert –, gibt es keine Perspektive für eine Kooperation. Tsipras bisheriger Koalitionspartner, die rechtsgerichteten Unabhängigen Griechen (Anel), könnten am 20. September an der Dreiprozenthürde scheitern. Pasok liegt zwar selbst nur bei rund fünf Prozent, allerdings hatte Gennimata Anfang der Woche beschlossen, ein Bündnis mit der gemäßigten kleinen Linkspartei Dimar zu bilden. Korruptionsvorwürfe gegen Syriza kurz vor der Parlamentswahl. Athen – Wenige Tage vor der Parlamentswahl in Griechenland muss sich die Syriza-Partei von Expremier Alexis Tsipras gegen Korruptionsvorwürfe wehren. Die konservative Zeitung Realnews hatte enthüllt, dass die Baufirma des ehemaligen Ministers für Regierungskoordination, Alekos Flambouraris, einen öffentlichen Auftrag in Höhe von 3,9 Millionen Euro erhalten hatte. Der 77-jährige Flambouraris, ein Tsipras-Vertrauter, wies die Anschuldigungen zurück. Seine Firma habe die Ausschreibung im November 2014 gewonnen, also vor dem Wahlsieg von Syriza im Jänner 2015. Der Vertrag sei im Mai unterzeichnet worden. Flambouraris will sich zuvor von seinem Firmenanteil getrennt haben. Der unter Hausarrest stehende Führer der Faschistenpartei Goldene Morgenröte, Nikolaos Michaloliakos, erklärte derweil am Donnerstag in einem Radiointerview erstmals, seine Partei trage die politische, nicht aber die rechtliche Verantwortung für den Mord an dem Sänger Pavlos Fyssas. Der Rapper wurde 2013 von einem Parteimitglied erstochen, daraufhin begann die Justiz Ermittlungen gegen die Goldene Morgenröte. Sie liegt mit sechs bis sieben Prozent in den Umfragen auch dieses Mal stabil an dritter Stelle. Linker Rapper Fyssas von Goldene-Morgenröte-Sympathisant erstochen. Athen – Die Mutter des linken Rappers Pavlos Fyssas, der vor zwei Jahren von einem Anhänger der griechischen Neonazi-Partei Chrysi Avgi (Goldene Morgenröte) erstochen wurde, hat vor der Wahl der rechtsextremen Partei gewarnt. Jeder Wähler der Partei werde zum Mordkomplizen, sagte Magda Fyssas der Wochenzeitung To Vima vom Samstag. Die Mitglieder der Partei seien Reptilien, die Partei insgesamt eine Nazi-Organisation, die Hitlers Programm folgt. Sie werden nicht aufhören, ich hoffe nur, dass kein anderes Kind den Preis zahlt, sagte Fyssas. Der 34-jährige Pavlos Fyssas war am 17. September 2013 vor einer Bar von einem Chrysi-Avgi-Anhänger erstochen worden. Seine Familie wirft der Parteiführung vor, den Mord angeordnet zu haben. Die Tat schockierte das Land und führte zur Festnahme zahlreicher Parteimitglieder, darunter etlicher Parlamentsabgeordneter. Die offen antisemitische und fremdenfeindliche Partei war in den 80er-Jahren gegründet worden, führte jedoch lange Zeit ein politisches Schattendasein. Die Wut über Einwanderung und Sparmaßnahmen katapultierte sie im Jahr 2012 aber ins Parlament. Damals wurde die Partei drittstärkste Kraft und erhielt 18 Mandate. Trotz der Empörung in der Öffentlichkeit über ihre Politik und ihre gewaltsamen Anhänger könnte Chrysi Avgi bei der Parlamentswahl am Sonntag mit sechs Prozent der Stimmen erneut auf dem dritten Platz landen. Regierung von Koalitionsmehrheit gestützt – Premier verspricht rasche Umsetzung der von Geldgebern geforderten Reformen. Athen – Gut zwei Wochen nach seinem Wahlsieg hat der griechische Premier Alexis Tsipras in der Nacht auf Donnerstag das Vertrauen des Parlaments bekommen. Alle 155 Abgeordneten der Koalition von Tsipras Syriza-Partei und der rechtspopulistischen Partei der Unabhängigen Griechen stimmten in einer namentlichen Abstimmung mit Ja. Die 144 Abgeordneten der Opposition stimmten mit Nein, ein Abgeordneter fehlte, teilte das Parlamentspräsidium mit. Damit erreichte Tsipras die absolute Mehrheit der 300 Sitze. Tsipras hatte zuvor in seiner Regierungserklärung eine rasche Umsetzung der von den Geldgebern geforderten Reformen versprochen. Er machte dabei kein Hehl daraus, dass den Griechen schwierige Zeiten bevorstehen. Wir müssen die Zähne zusammenbeißen, sagte er. Sein Ziel nach Erfüllung der mit den Gläubigern vereinbarten Auflagen sei, mit ihnen über eine Umstrukturierung der Schulden zu sprechen, die griechischen Banken zu rekapitalisieren und Investitionen ins Land zu holen. Der Opposition warf Tsipras vor, ihn nur zu kritisieren und keine Vorschläge zu machen: Ich habe keine Vorschläge der Opposition gehört. Sie haben uns nicht gesagt, welche Ihre Vision ist, wie das Land aus der Krise herauskommen soll. Der Chef der stärksten Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND), Evangelos Meimarakis, kritisierte die programmatischen Erklärungen der neuen Regierung. Der Winter, der kommt, wird hart sein. Vielleicht wird er der härteste der letzten Jahre sein, sagte Meimarakis vor der Abstimmung. Er warf Tsipras vor, neue Steuern in Höhe von 6,4 Milliarden Euro zu planen. Dabei würden vor allem Pensionisten und Arbeitnehmer belastet, meinte Meimarakis. Ist das ihr linkes Programm? Der Budgetentwurf von Finanzminister Euklid Tsakalotos zeige, dass die Wirtschaft weiter schrumpfen und die Arbeitslosigkeit steigen werde. Die Nea Dimokratia werde zwar weiter alle Reformen und Privatisierungen unterstützen, neue Steuern aber nicht, sagte Meimarakis. Deswegen werde sie der Regierung nicht das Vertrauen aussprechen. Auch alle anderen Parteien kritisierten das Regierungsprogramm. Finanzminister Tsakalotos legte dem Parlament parallel zur Regierungserklärung einen Budgetentwurf vor. Die Schulden sollen im nächsten Jahr auf 333,5 Milliarden Euro steigen, das wären 192,4 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Ende 2015 sollen die Schulden noch 315,8 Milliarden Euro betragen, 181,8 Prozent des BIP. Die Arbeitslosigkeit soll 2016 mit 25,8 Prozent extrem hoch bleiben. Der Entwurf muss noch mit den Geldgebern der EU abgestimmt werden. Savvaidou habe "gegen die Interessen des Staates" gearbeitet. Athen – Die Links-Rechts-Regierung in Athen hat am Donnerstag die Chefin der Behörde entlassen, die für die Eintreibung der Steuern zuständig ist. Katerina Savvaidou sei entlassen worden, weil sie gegen die Interessen des Staates gearbeitet habe, sagte eine Regierungssprecherin. Wie die griechische Presse berichtete, hängt die Entscheidung mit der schlechten Beziehung zwischen Savvaidou und dem griechischen Finanzminister Euklid Tsakalotos zusammen. Savvaidou war noch von der Vorgängerregierung unter dem konservativen Ministerpräsidenten Antonis Samaras eingestellt worden. Unklar blieb zunächst, wie die Gläubiger auf die Entlassung reagieren, da die Behörde eigentlich unabhängig ist und Interventionen der Regierung nicht erlaubt sind. 'Karamanlis-Clan oder Mitsotakis-Clan: Stichwahl um den Parteivorsitz bei Griechenlands konservativer Nea Dimokratia. Alt gegen eigentlich auch Alt heißt die Wahl, vor der die Nea Dimokratia steht, Griechenlands konservative Partei und die derzeit wichtigste Oppositionskraft im Land: Evangelis Meimarakis und Kyriakos Mitsotakis stehen einander am 10. Jänner in einer Stichwahl von Parteibasis und -sympathisanten, die sich dazu einschreiben können, gegenüber. Meimarakis ist 62 und seit vier Jahrzehnten Parteipolitiker, Mitsotakis ist 47, aber ein Spross der Mitsotakis-Dynastie: Der Vater war Premier (1991–1993), Abgeordneter von 1946 an und das große Gegengewicht zur Karamanlis-Dynastie in der Nea Dimokratia Außenminister Kotzias kommt am 11. Mai nach Wien und bringt die griechische Botschafterin wieder mit. Diese soll dann bleiben. Nach zwölf Wochen Verstimmung ist Schluss. Wie DER STANDARD aus griechischen Regierungskreisen erfuhr, ist ein Besuch von Außenminister Nikos Kotzias am 11. Mai in Wien geplant. Damit soll die diplomatische Krise zwischen den beiden Ländern beigelegt werden, die Österreich im Februar durch die Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge ausgelöst hatte. Kotzias, so heißt es, wird Botschafterin Chryssoula Aliferi mitbringen. Griechenland hatte die Botschafterin aus Protest gegen den Alleingang Österreichs und der Westbalkanstaaten zu Konsultationen zurückgerufen. Das ist unter EU-Staaten ein äußerst seltener Vorfall. Aliferi soll nach Ende des Besuchs in Wien bleiben und ihre Aufgabe als Botschafterin fortsetzen. An den politischen Gegebenheiten habe sich nichts geändert, heißt es aus griechischen Regierungskreisen: Die Grenzen blieben geschlossen, und Griechenland trage weiter die Last der Flüchtlinge, die sich im Land seither sammeln. Doch das Arbeitsessen, zu dem Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) seinen griechischen Amtskollegen und die Botschafterin einlädt, sei eine gute Gelegenheit, über die Differenzen zu sprechen. Im Anschluss an das Essen trifft Kotzias die griechische Gemeinschaft in Wien. Diese Idee soll aus dem Außenministerium gekommen sein. Beide Seiten versichern aber gleichermaßen ihr Interesse an einem Ende der Krise. Die ÖVP-Minister Kurz und Johanna Mikl-Leitner hatten am 24. Februar die Außen- und Innenminister der Balkanstaaten zu einem Treffen nach Wien eingeladen, um die Schließung der Flüchtlingsrouten abzustimmen. Der EU-Partner Griechenland jedoch war als Hauptbetroffener nicht zur Konferenz gebeten worden. Davor und danach gab es zudem auf Initiative Wiens Treffen der Polizeichefs der Anrainerstaaten, zu denen Griechenland ebenfalls nicht eingeladen wurde oder aus Protest fernblieb. Ziel war die Abschottung Österreichs vom Flüchtlingsstrom und die Isolierung Griechenlands, dem zuerst die beiden ÖVP-Minister, bald auch SPÖ-Chef Werner Faymann (SPÖ) Nachlässigkeit im Umgang mit den Flüchtlingen vorwarfen. Es geht nicht, dass Griechenland wie ein Reisebüro agiert und alle Flüchtlinge weiterschickt, sagte der Kanzler in einem Interview. Die griechische Regierung reagierte äußerst verärgert. Außenminister Kotzias warf Österreich in einer Stellungnahme eine Politik im Geist des 19. Jahrhunderts vor. Die Balkankonferenz sei eine Initiative außerhalb der europäischen Institutionen gewesen und stehe im Gegensatz zu Beschlüssen des EU-Rats. Als Kotzias am Tag nach der Balkankonferenz die Rückberufung der Botschafterin verkündete, erntete er noch einen spöttischen Kommentar des Außenministeriums in Wien: Österreich kann die Anspannung in Griechenland nachvollziehen, nachdem der Druck auf Griechenland steigt, an einer Eindämmung des Flüchtlingsstroms mitzuwirken. Die griechische Botschafterin könne die Zeit in Athen nutzen, um der Regierung die österreichische Position zu erklären, hieß es noch. Ein Wunsch der damaligen Innenministerin Mikl-Leitner, nur Tage nach der Rückberufung der Botschafterin zum Besuch nach Athen zu kommen, wurde von der griechischen Regierung abschlägig beschieden. Mikl-Leitners Rücktritt mag später zur Verbesserung der Atmosphäre beigetragen haben, ebenso der Besuch von Verteidigungsminister Hans Peter Doskozil (SPÖ) bei seinem griechischen Amtskollegen. Wiens Kurswechsel in der Flüchtlingsfrage war in Athen von Beginn an als innenpolitisch motiviert verstanden worden angesichts des Aufstiegs der FPÖ. Den Ausgang der ersten Runde der Bundespräsidentenwahl am Sonntag sehen griechische Regierungsvertreter als Bestätigung dieser Auffassung. Viele frühere Minister kehren auf ihre Posten zurück, Euklid Tsakalotos wird erneut Finanzminister. Athen – Drei Tage nach dem Wahlsieg des Linksbündnisses Syriza ist am Mittwoch die neue griechische Koalitionsregierung unter Ministerpräsident Alexis Tsipras vereidigt worden. Dabei setzte Premier Alexis Tsipras auf Kontinuität, zahlreiche Minister seiner vorherigen Regierung kehrten auf ihre Posten zurück. Dazu zählen der als gemäßigt geltende Finanzminister Euklid Tsakalotos und Verteidigungsminister Panos Kammenos, der dem Syriza-Koaltionspartner Unabhängige Griechen (Anel) vorsteht. Der 55-jährige Tsakalotos war im Sommer bereits einen Monat lang Finanzminister, nachdem sein Vorgänger Giannis Varoufakis nach vielen Kontroversen mit den internationalen Gläubigern zurückgetreten war. Tsakalotos, der in Oxford studierte, ist entschieden für einen Verbleib Griechenlands in der Eurozone und genießt in der EU Respekt. Er ist nun maßgeblich für die Umsetzung der Spar- und Reformauflagen zuständig, die Griechenland der EU, der Europäischen Zentralbank und dem Internationalen Währungsfonds im Gegenzug für ein drittes Hilfspaket von bis zu 86 Milliarden Euro zugesagt hat. Stellvertretender Finanzminister wird Giorgos Chouliarakis, der maßgeblich an den Verhandlungen mit der EU beteiligt war. Auch Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis und Außenminister Nikos Kotzias kehrten auf ihre Posten zurück. Das Innenministerium übernimmt der frühere Gesundheitsminister Panayotis Kouroublis. Giannis Mouzalas soll als Einwanderungsminister die Flüchtlingskrise bewältigen. Das neue Kabinett hat 16 Minister sowie 30 Vizeminister und Staatssekretäre. Sie sollten am Mittwoch vereidigt werden. Tsipras Syriza-Partei war bei der vorgezogenen Parlamentswahl am Sonntag mit 35,5 Prozent erneut stärkste Kraft geworden. Um die absolute Mehrheit im Parlament zu bekommen, erneuerte sie ihr Bündnis mit der rechtspopulistischen Anel. Tsipras war im August zurückgetreten, nachdem ihm der linke Flügel seiner Partei die Gefolgschaft verweigert hatte. Die von den Abtrünnigen gegründete Partei schaffte es nicht in das neue Parlament. Später am Mittwoch stand für den griechischen Regierungschef der EU-Sondergipfel in Brüssel zur Flüchtlingskrise auf dem Programm. Dabei seien auch ausführliche Begegnungen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker geplant, teilte Tsipras Presseabteilung mit. Die EU-Kommission erinnerte den Regierungschef eindringlich an seine Reformzusagen. Der IWF erklärte, er warte mit Ungeduld darauf, mit der neuen Regierung an den notwendigen Maßnahmen zu arbeiten, um Griechenland auf den Pfad eines dauerhaften Wachstums zu bringen. Durch die Vereinbarung mit den internationalen Geldgebern ist das griechische Regierungsprogramm weitgehend vorgezeichnet. Tsipras wird aber voraussichtlich versuchen, zumindest mit der Bekämpfung von Korruption und Freunderlwirtschaft bei seinen Wählern zu punkten. Bei den Konservativen gehen die Befürworter des EU-Austritts in die Offensive gegen den Premier. Das Wahlversprechen ist erfüllt: Großbritannien hält zum zweiten Mal nach 1975 ein Referendum über den Verbleib in der Europäischen Gemeinschaft ab. Doch trotz des historischen und mit 544:53 Stimmen eindeutigen Votums im Unterhaus stand Premier David Cameron auch am Mittwoch wieder unter dem Druck der eigenen Partei. Die Nein-Sager drängen ihren Parteivorsitzenden dazu, die Regierung bei der spätestens Ende 2017, möglicherweise aber schon im kommenden Jahr anstehenden Volksabstimmung auf Neutralität zu verpflichten. Dabei wird es um Zugeständnisse gehen, die der 48-Jährige bei den bevorstehenden Verhandlungen mit Brüssel erzielen will. Da kann die Regierung nicht neutral sein, sagte Cameron. Die politischen Flitterwochen nach seinem überzeugenden Wahlsieg vor Monatsfrist, der ihm allerdings nur eine knappe Mehrheit im Parlament bescherte, sind für den Premierminister damit vorbei. Nach heftiger Kritik vom rechten Flügel musste Cameron zu Wochenbeginn zurückrudern von einer für seine Verhältnisse erstaunlich klaren Ansage: In seiner Regierung könne nur bleiben, wer ihm in der Europapolitik den Rücken stärke. Am Dienstag verdeutlichte die Debatte über das Referendumsgesetz im Unterhaus das tiefe Misstrauen, das Cameron und seinem Team aus den Reihen der EU-Feinde entgegenschlägt. Vergeblich beschwor Außenminister Philip Hammond die Einigkeit seiner Partei mit der Bevölkerung: Die große Mehrheit will, dass Großbritannien in der reformierten EU bleibt. Jüngste Umfragen deuten tatsächlich auf einen Stimmungswandel hin. Anders als zu den schlimmsten Zeiten von Wirtschaftskrise und Unsicherheit über den Euro würden derzeit 55 Prozent der Briten für den Verbleib im Klub stimmen, 36 dagegen, der Rest gibt sich unentschlossen. Entschlossenheit herrscht hingegen bei den langjährigen Befürwortern des Austritts. Am Wochenende stellte sich eine Gruppe von mehr als 50 Tory-Hinterbänklern, die dieses Ziel verbindet, öffentlich vor. Mit dem Namen Conservatives for Britain mussten sie provozierend wirken auf all jene Parteifreunde, für die ein gesunder Patriotismus mit der Mitgliedschaft in der EU vereinbar ist. Als moderate Forderung bezeichnete Sprecher Steve Baker die Vorstellung der Europaphobiker, das Parlament solle Souveränität über sein eigenes Territorium haben. Logische Folgerung: Westminster müsse künftig ein Vetorecht gegen jegliche EU-Bestimmung erhalten. Das sei nicht erreichbar, teilte der selbst als Skeptiker der europäischen Integration bekannte Außenminister Hammond umgehend in BBC mit: Das wäre praktisch das Ende der EU. Stattdessen will die Regierung offenbar eine Erweiterung des bereits bestehenden Systems erreichen, wonach eine Gruppe nationaler Parlamente neuen Vorschriften aus Brüssel die gelbe oder sogar rote Karte zeigen könnte. Außerdem hat Cameron Einschränkungen des angeblich weitverbreiteten Sozialtourismus versprochen, um die Zuwanderung aus Mittel- und Osteuropa zu bremsen. Der Regierungschef selbst betont bei jeder Gelegenheit, wie optimistisch er den Verhandlungen mit Brüssel entgegensehe. Die Interimsführung der Labour-Party hat seit der Wahl eine Kursänderung vollzogen: Die Fraktion stimmte für die Volksabstimmung, die der zurückgetretene Vorsitzende Edward Miliband im Wahlkampf noch abgelehnt hatte. Man werde aber zugunsten des EU-Verbleibs argumentieren, erläuterte die amtierende Parteichefin Harriet Harman. Außerdem will Labour gemeinsam mit den SNP-Nationalisten aus Schottland eine Neuerung durchsetzen, die sich beim dortigen Referendum bewährt hat: Anders als bei Unterhauswahlen sollen auch 16- und 17-Jährige abstimmen dürfen. Erhöhung des Mindestlohns soll die Einsparung von insgesamt 17 Milliarden Euro abfedern. London – Der britische Premierminister David Cameron hat einen Budgetentwurf mit Sozialkürzungen in Milliardenhöhe vorgelegt. Bei den Sozialausgaben seien Einsparungen in Höhe von zwölf Milliarden Pfund (17 Milliarden Euro) vorgesehen, sagte Finanzminister George Osborne am Mittwoch bei der Vorstellung des Entwurfs im Parlament. Gleichzeitig will die Regierung den Mindestlohn von 7,2 Pfund (9,9 Euro) erhöhen. Das soll die Streichungen im Sozialbudget mildern. Weitere fünf Milliarden Pfund sollen demnach neue Maßnahmen etwa im Kampf gegen die Steuerflucht bringen. Außerdem will die Regierung die Verwaltungsausgaben senken. Cameron hatte die Staatsausgaben bereits in seiner ersten Amtszeit deutlich gekürzt. Er musste dabei allerdings auf seinen Koalitionspartner, die Liberaldemokraten, Rücksicht nehmen, die eine weniger harte Sparpolitik forderten. Bei der Parlamentswahl im Mai hatten seine konservativen Tories dann überraschend eine absolute Mehrheit errungen. Das Votum wurde als Bestätigung für die Sparpolitik des Premierministers gewertet, der nun allein regieren kann. Für die gesamte Legislaturperiode bis 2020 plant seine Regierung nun Kürzungen von 37 Milliarden Pfund. Nachdem für 2015 und 2016 noch ein Defizit in Höhe von 3,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erwartet wird, soll bis 2019/2020 ein Budgetüberschuss erzielt werden. Die Sozialkürzungen sollen unter anderem durch eine Senkung der Obergrenze für sämtliche Sozialleistungen erreicht werden. Familien, die im teuren London leben, sollen künftig nur noch maximal 23.000 Pfund im Jahr bekommen. Im Rest des Landes gilt eine neue Obergrenze von 20.000 Pfund. Im Mai musste die Labour Party eine Niederlage einstecken. Im Kampf um den Parteivorsitz hat nun ein Urgestein gute Karten: Jeremy Corbyn.. Fast drei Monate nach der Wahl schaut Großbritannien halb belustigt, halb verzweifelt auf die schwer geschlagene, aber immer noch größte Oppositionspartei. Trotz ihres drittschlechtesten Ergebnisses seit 1918 widmet sich die Labour Party nicht etwa der Analyse ihrer Niederlage und möglichen Ideen, wie man die Mitte zurückgewinnt. Vielmehr scheint die einstige Arbeiterpartei vor einem Linksruck zu stehen, der sie auch für 2020 unwählbar machen würde. Die Verkörperung dieser Politik heißt Jeremy Corbyn, 66. Er vertritt seit 1983 den Wahlkreis Islington North im Unterhaus – dort also, wo sich in den 1980er-Jahren die verrückte Linke (loony Left) tummelte. Im gleichen Jahr kamen auch Tony Blair und Gordon Brown ins Parlament. Doch während diese beiden die neue Realität der Thatcher-Ära anerkannten, ihre Partei zu New Labour umformten und an die Regierung führten, blieb Corbyn sozialistischen Idealen treu und verharrte auf den Hinterbänken des Parlaments. Nicht einmal ein Parteiamt hatte er jemals inne, und von innerparteilichem Ausgleich will er nichts wissen. Liegt Corbyn gerade deshalb in einer Umfrage unter Labour-Mitgliedern vor seinen Mainstream-Konkurrenten? 91 Ortsvereine favorisieren den Altlinken, 83 wollen den Schattengesundheitsminister Andrew Burnham, 79 entschieden sich für die Schatteninnenministerin Yvette Cooper. Die Parteirechte Liz Kendall liegt mit 14 auf dem letzten Platz. Kein Zweifel: Corbyn elektrisiert viele, seine Kampagne quillt über von jungen Leuten. Der Vegetarier mit dem eisgrauen Vollbart und der stets etwas leidenden Miene erledigt seine Wege mit dem Fahrrad. Er tritt für die nicht einmal von den meisten Iren mehr gewünschte Vereinigung der grünen Insel ein, will die Abschaffung der Monarchie und die Verstaatlichung von Eisenbahn sowie Gas-, Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Seine Prinzipientreue trug sogar zur Scheidung von seiner zweiten Frau bei: Weil diese den Sohn auf ein Gymnasium statt auf eine Gesamtschule schicken wollte, verließ Corbyn das eheliche Heim. Darüber mag der Politiker heute allerdings nicht mehr reden. Andere Parteigrößen machen nun gegen Corbyn mobil. Ex-Gesundheitsminister Alan Milburn beschuldigte seine Parteifreunde, sie hätten wohl einen Todeswunsch – vergleichbar dem längsten Brief eines Selbstmörders, mit dem Labour 1983 in die zweite Wahl gegen Margaret Thatcher zog und haushoch verlor. Und Tony Blair teilte all jenen, deren Herz für Corbyn schlägt, mit, sie sollten sich doch einer Transplantation unterziehen. Dies wiederum rief den langjährigen Vizepremier John Prescott auf den Plan: Mit Beleidigungen sei dem Phänomen nicht beizukommen. Unterdessen reiben sich die Konservativen unter Premier David Cameron die Hände. Schamlos haben sie gute Labour-Ideen wie die Erhöhung des Mindestlohns sowie niedrigere Energiepreise in ihr Regierungsprogramm aufgenommen und preisen sich damit der Mittelschicht als Partei für die ganze Nation an. Die freche Behauptung könnte Realität werden, wenn sich Labour tatsächlich ins linksradikale Ghetto zurückzieht. Wahl eines neuen Parteivorsitzenden am Freitag: Ex-Premier warnt vor Jeremy Corbyn. London – Der frühere britische Premierminister Tony Blair hat vor der Wahl eines neuen Labour-Vorsitzenden an alle Stimmberechtigten appelliert, nicht auf den Parteilinken Jeremy Corbyn zu setzen. Andernfalls drohe den britischen Sozialdemokraten die Vernichtung, schrieb Blair am Donnerstag im Guardian. Nie zuvor sei Labour in so tödlicher Gefahr geschwebt, beschwor Blair die Parteimitglieder, Gewerkschafter und Anhänger, die von Freitag an den Nachfolger des zurückgetretenen Wahlverlierers Ed Miliband bestimmen. Das Ergebnis wird am 12. September bekanntgegeben. Corbyn biete nichts Neues, sondern kehre zurück zu erfolglosen Forderungen aus der Zeit der Klassenkämpfe in den 80er-Jahren. Der 66-Jährige konkurriert mit drei weiteren Kandidaten um den Posten des Labour-Chefs und hat in den vergangenen Wochen immer wieder Schlagzeilen gemacht, weil er unter anderem für Verstaatlichungen und die Abschaffung der britischen Atomwaffen eintritt. Nachdem Corbyn lange als chancenlos gegolten hat, liegt er in Umfragen und bei den Buchmachern inzwischen vorne. Die Wahl des neuen Parteichefs ist umstritten, da sich erstmals auch außerparteiliche Unterstützer anmelden konnten, um mitzuwählen. Viele Labour-Mitglieder befürchten eine Unterwanderung durch extreme Linke und Parteigegner. Abgeordneter will nicht auf seit Jahren unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsbericht warten. Seit einer Woche können Mitglieder und registrierte Unterstützer der britischen Sozialdemokraten entscheiden, wer nach dem Rücktritt Ed Milibands Parteichef werden soll. In den Umfragen führt Linkskandidat Jeremy Corbyn. Am Freitag kündigte Corbyn im Guardian an, er werde sich als Parteichef beim britischen und irakischen Volk für die Teilnahme am US-geführten Angriff auf den Irak entschuldigen. Er versprach, dass Labour unter seiner Führung nie wieder unnötigerweise unsere Truppen ins Gefecht schicken werde. Die Partei werde nie wieder denselben Fehler begehen und sich über die Uno und internationale Gesetze hinwegsetzen, versprach er. Die Unterstützung des Irak-Kriegs durch den damaligen Labour-Premierminister Tony Blair hat die Partei viele Wählerstimmen gekostet und ist auch zwölf Jahre danach noch ein dunkles Kapitel der Parteigeschichte. Laut nicht unumstrittenen Zahlen des Projekts Iraq Body Count kamen in dem Konflikt 219.000 irakische Zivilisten ums Leben. Auf US-Seite lagen die Verluste bei 4.425, die britische Armee verlor 179 Soldaten. Corbyns Kritik an Blairs Irak-Abenteuer nimmt wohl die Ergebnisse des seit Jahren unter Verschluss gehaltenen Untersuchungsberichts zur britischen Beteiligung an dem Krieg vorweg. Der Bericht hatte ursprünglich bereits vor fünf Jahren erscheinen sollen, der Vorsitzende der Untersuchungskommission, John Chilcot, lehnt aber eine Veröffentlichung ab, weil die darin genannten Personen das Recht hätten, zum Inhalt Stellung zu beziehen. Die Untersuchungskommission kostete die britischen Steuerzahler bis April 2014 umgerechnet 11,75 Millionen Euro. Vor einer Woche kündigten die Familien von 29 Gefallenen an, Klage einzureichen, wenn das Dokument nicht bis Jahresende veröffentlicht wird. Corbyn äußerte nun die Ansicht, man müsse nicht auf Chilcot warten, um zu wissen, dass Fehler begangen wurden. Ex-Premierminister Blair hat sich bisher geweigert, sich für den Angriff auf den Irak zu entschuldigen. Vor dem Chilcot-Ausschuss äußerte er 2011 lediglich Bedauern für die Opfer. Auch der damalige Labour-Chef Ed Miliband wollte sich nicht entschuldigen, sondern bezeichnete den Krieg lediglich als falsch. Das Ergebnis der Labour-Abstimmung soll am 12. September bekanntgegeben werden. Neben Corbyn treten mit Liz Kendall, Andy Burnham und Yvette Cooper drei gemäßigte Kandidaten an. Britische Zeitungen schießen sich auf den neuen Oppositionsführer ein, dieser wittert ein Ablenkungsmanöver. London – Der britische Oppositionsführer Jeremy Corbyn (66) ist Großbritanniens ungewollter neuer Medienstar: Keine Titelseite ohne den neuen Labour-Chef, Prominente und Royals rücken in die zweite Reihe. Corbyn hat angekündigt, eine neue, sachlichere Art von Politik machen zu wollen – doch auf dem Weg dahin ist er schon in einige Fettnäpfchen getreten. Sein schlimmstes Vergehen in den Augen der nach eigener Definition überwiegend patriotisch gesinnten Presse: Corbyn hat die Nationalhymne nicht mitgesungen. Bei einem Gedenkgottesdienst zum 75. Jahrestag der Luftschlacht von Großbritannien am Dienstag stand Corbyn, langjähriger Republikaner, schweigend mit verschränkten Händen da, als God Save the Queen gesungen wurde. Es war eine kontroverse Entscheidung, die ihm Kritik von Abgeordneten der Regierungspartei und auch aus den eigenen Reihen einbrachte. Doch niemand reagierte schärfer als die Presse: Schändlich sei Corbyns Benehmen, eine Brüskierung der Königin und eine Abfuhr für das ganze Land, so die Sun und der Telegraph. Die Daily Mail fügte hinzu, dass nicht einmal Corbyns oberster Hemdknopf geschlossen gewesen sei. Corbyn antwortete knapp auf Twitter: Wir haben keine Zeit für Geschwätz, schrieb er, Leute leiden in diesem Land – und wir haben Arbeit zu tun. Er ist bekannt dafür, kein Freund der Medien zu sein. In seiner Kampagne zur Übernahme des Parteivorsitzes in der Labour Party baute er vor allem auf Freiwillige und soziale Netzwerke, um seine Botschaften zu verbreiten. Auch nach seinem Sieg gab er nur wenige Interviews. Einen Auftritt in einer der wichtigsten Polit-Talkshows des Landes sagte er ab – wegen eines Terminkonflikts mit einer Veranstaltung an der Basis. Auch das beratungsintensive Image-Management, das Vorgänger wie Tony Blair und Ed Miliband betrieben, lehnt Corbyn ab. Der langjährige Hinterbänkler verspricht, Politik nicht für die Medien, sondern die Menschen zu machen – mehr Fakten, weniger Theater, wie er es am Mittwoch bei der Fragestunde im Parlament formulierte. Dort kam das gut an: Premierminister David Cameron sagte, niemand sei begeisterter als er, wenn es gelänge, die traditionell turbulente Fragestunde aufrichtiger zu machen. Corbyns Prinzipientreue und sein enger Draht zur Labour-Basis haben ihn dahin gebracht, wo er jetzt ist. Doch in seiner neuen Rolle könnte seine Verweigerung gegenüber den Medien ihm schaden, warnen Kommentatoren. Eine Medienoffensive mit klaren, spitzen Botschaften ist entscheidend, sonst bleibt eine Schmierenkampagne unwidersprochen, schrieb der Guardian. Der Independent ging noch einen Schritt weiter: Corbyn müsse seine Strategie im Umgang mit den Medien radikal ändern – die Presse aus Prinzip zu ignorieren, sei Selbstmord durch Naivität. Der britische Premier stellt vier Hauptforderungen an die Europäische Union. Mit einer programmatischen Rede hat David Cameron die entscheidende Runde der Verhandlungen über Großbritanniens Verbleib in der EU eingeläutet. Vor dem Thinktank Chatham House in London präsentierte der Premier am Dienstag eine Liste mit vier Themen: Sie reichen von größerer Flexibilität des Brüsseler Clubs über Garantien für Mitglieder außerhalb der Eurozone bis zur Einschränkung von Sozialleistungen für EU-Migranten. Er wolle die Mitgliedschaft seines Landes langfristig sichern, sagte Cameron, schloss aber ausdrücklich auch den Austritt nicht aus. Diese Reformen sind nicht nur für Großbritannien gut, sondern für die gesamte EU. In der knapp dreiviertelstündigen Rede betonte der Konservative mehrfach die Bedeutung der 28er-Gemeinschaft für die ökonomische und militärische Sicherheit Europas. Die Union sei kein Selbstzweck, sondern ein wichtiges politisches Instrument – vergleichbar mit Nato oder UN. Als zweitgrößte Volkswirtschaft sowie zweitgrößter Beitragszahler dürfe das Land darauf zählen, dass den Bedenken Rechnung getragen werde. Wir gewinnen durch die Union hinzu, tragen aber auch viel bei. Cameron verglich Europas Lage mit der Situation im Jänner 2013, als er die Volksabstimmung bis Ende 2017 versprochen hatte. Seither hätten der Ostukraine-Konflikt, die Eurokrise, die Flüchtlingswellen sowie die Terrortruppe IS verdeutlicht, warum die Kooperation der europäischen Demokratien wichtig sei. Gleichzeitig gebe es Probleme innerhalb der Europäischen Union, die angepackt werden müssten. Die Rede sowie der Begleitbrief an EU-Ratspräsident Donald Tusk legen die Grundlage für die Gespräche bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Dezember. Sollte spätestens im Jänner Einigkeit über die britischen Ideen erzielt werden, rechnen in London viele schon im Juni mit dem Referendum – das ist auch die Strategie von Finanzminister George Osborne, der am Dienstag mit Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker das weitere Vorgehen abstimmte. Konkret wünschen sich die Briten folgende Veränderungen: Statt den Euro als Ziel wirtschaftlicher Integration zu begreifen, soll eine Union diverser Währungen definiert werden. Dies will London ebenso vertraglich festschreiben wie die förmliche Entlassung aus der Verpflichtung zu immer engerer Union. Gemeinsam soll man sich größere Wettbewerbsfähigkeit auf die Fahne schreiben. Dann möchte London EU-Einwanderern für deren erste vier Jahre auf der Insel bestimmte Sozialleistungen vorenthalten. Die Reaktionen in London fielen verhalten aus. Ein prominenter EU-Feind in der Tory-Fraktion, Jacob Rees-Mogg, nannte Camerons Forderungen eine ziemlich dünne Suppe. Nigel Farage von Ukip sprach wegwerfend von einer Charade: Er meint es ja nicht ernst. Die proeuropäische Labour-Abgeordnete Emma Reynolds kündigte die Unterstützung der Opposition für den Versuch an, EU-Immigranten Sozialleistungen vorzuenthalten. Tatsächlich stehen Cameron zu Hause mindestens so harte Auseinandersetzungen bevor wie in Brüssel. Mehr als ein Viertel der Unterhausabgeordneten, viele Oberhauslords sowie mehrere Minister wollen lieber heute als morgen den Ausstieg. Abschätzig verglich Exfinanzminister Nigel Lawson seinen Parteichef mit einem Fischer, der nur auf unbedeutende Fische abziele. Mit harten Bandagen geht die Dachorganisation Vote Leave vor: Sie registrierten eigens eine fiktive Firma, damit zwei Aktivisten am Montag Camerons Rede auf dem Jahreskongress des Industrieverbands CBI stören konnten. Als hochproblematisch bezeichnete die EU-Kommission Camerons Forderungen. Kommissionssprecher Margaritis Schinas kritisierte am Dienstag vor allem die Beschränkung der Freizügigkeit für Arbeitnehmer. Die Stärkung der nationalen Parlamente dürfte hingegen unproblematisch sein. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel zeigte sich zuversichtlich, für die schwierigen und weniger schwierigen Punkte eine Lösung zu finden – ohne aber ins Detail zu gehen. Laut Scotland Yard kein Zusammenhang mit Anschlägen in Paris. London – Die britische Polizei hat am Mittwoch in Luton bei London vier Terror-Verdächtige festgenommen. Den etwa 30-jährigen Männern werde vorgeworfen, in die Planung von Terrorakten und deren Anstiftung verwickelt zu sein. Beamte von Scotland Yard hätten zudem mehrere Wohnungen in Luton durchsucht. Wie Scotland Yard weiter mitteilte, stehen die Ermittlungen in keinem Zusammenhang mit den Terroranschlägen in Paris. Britischer Premier: "Wollen Änderungen, die rechtlich verbindlich und irreversibel sind" – Kritik aus Polen. Brüssel – Das umstrittene Vorhaben, dass zugewanderte EU-Bürger vier Jahre in Großbritannien gearbeitet haben müssen, um bestimmte Sozialleistungen zu erhalten, bleibt nach den Worten des britischen Premiers David Cameron am Tisch. Cameron sagte am Freitag nach dem EU-Gipfel in Brüssel: Was wir wollen, sind Änderungen, die rechtlich verbindlich und irreversibel sind. Cameron betonte, sein Ziel bleibe es, im Februar mit der EU eine Einigung in allen vier von ihm geforderten Punkten zu erzielen. Wir suchen nach einer Lösung, weniger nach einem Kompromiss. Die EU-Kommission habe diesbezüglich zugesagt, an einer Lösung zu arbeiten. Großbritannien sei besser dran, wenn es in einer reformierten Union bleibe, sagte Cameron. Auch die EU-Staats- und Regierungschefs seien durch die Bank der Ansicht gewesen, dass es für die EU besser sei, wenn Großbritannien in der EU bleibe. Keiner der vier Bereiche seiner Forderungen sei leicht auflösbar, sagte Cameron. Doch für Großbritannien sei es besonders wichtig, dass die EU nicht zu einem einheitlichen Währungsraum werde, dass Großbritannien nicht an einer immer engeren Union teilnehmen müsse, dass es mehr Wettbewerbsfähigkeit gebe und dass der Migrationsdruck quer durch Europa eingeschränkt werde. Der Druck durch Neuankömmlinge ist zu groß geworden. Die Forderungen Großbritanniens stoßen jedoch auch auf Kritik: Polens Regierungschefin Beata Szydlo hat die Forderungen nach einer Beschränkung von Sozialleistungen für EU-Bürger als inakzeptabel bezeichnet. Die Polen in Großbritannien trügen zur Wirtschaftsleistung ihres Gastlandes bei, sagte Szydlo laut der Nachrichtenagentur PAP bei dem EU-Gipfel in Brüssel. Der britische Premierminister David Cameron hat beim EU-Gipfel zugesichert, dass die von ihm geforderten Reformen der Union nicht zu Diskriminierungen von EU-Bürgern führen dürfen. Nun sind alle Regierungen optimistisch, dass bis Februar ein Kompromiss kommt. David Cameron war bestens gelaunt, als er in der Nacht auf Freitag nach der ersten Session des EU-Gipfels vor Journalisten trat. Nichts ist sicher, im Leben wie in Brüssel, aber ich würde sagen, der Weg für eine Einigung im Februar ist bereitet, erklärte der britische Premierminister. Beim Abendessen hatte er mit 27 Regierungschefkollegen und Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zum ersten Mal ausführlich alle Details der von ihm geforderten Reformen der EU durchbesprochen. Er wünscht sich eine Verschlankung, die Rückführung von Kompetenzen in Mitgliedstaaten, wo dies möglich ist, eine Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, weniger Regulierung zum Beispiel. In all diesen Punkten sind die Partner bereit, Großbritannien Zugeständnisse zu machen, sofern die Union dadurch nicht eingeschränkt wird. Frankreichs Präsident François Hollande sprach sich da für ein Europa der zwei Geschwindigkeiten aus: Es müsse Gruppen von Staaten möglich sein, gemeinsam voranzuschreiten, wenn sie das wollten. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel betonte, dass ein fairer Kompromiss möglich sei. Bis zum nächsten EU-Gipfel Mitte Februar würden alle technischen und legistischen Details geprüft. Aber: Es dürfe keine Diskriminierung von EU-Bürgern geben, die Säulen des EU-Vertrages, etwa die Personenfreizügigkeit, müssten unangetastet bleiben. Wie der jetzt viel optimistischere Ratspräsident Donald Tusk bestätigte, habe Cameron zugesagt, dass auch er dieses Prinzip voll respektiere. Besonders heikel ist das vor allem bei einer Forderung des Briten im Sozialbereich. Weil er den Zuzug von Billigarbeitern aus Osteuropa einschränken will, soll London bei Sozialleistungen Einschränkungen vornehmen können. Wer nicht mindestens vier Jahre seinen Wohnsitz in Großbritannien habe, solle keinen Zugang zu bestimmten staatlichen Leistungen haben. Die Visegrád-Staaten Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei lehnten das strikt ab. Es könnte nun aber eine Lösung geben, für die jedoch eine Änderung im Primärrecht des EU-Vertrages nötig wäre. Das dauert in der Regel Jahre, weil EU-Verträge von allen Mitgliedsländern ratifiziert werden müssen. Cameron plant sein Referendum jedoch für spätestens 2017. Wie es aussieht, könnte Großbritannien im Sozialkapitel – wie schon bisher bei einigen anderen Politiken – eine Opt-out-Klausel bekommen, die andere Staaten nicht tangiert. Offenbar ist Cameron bereit, auf die Vier-Jahres-Klausel zu verzichten und eine Alternativlösung für Einschränkungen bei Sozialleistungen auszuarbeiten. Es gibt in den EU-Staaten heute schon sehr unterschiedliche Regelungen zur Inanspruchnahme von Sozialleistungen. Weniger schwierig dürfte die Umsetzung der Forderung sein, dass Großbritannien sich nicht an der weiteren Integration der Union beteiligen muss. 'Eine Untersuchung des High Court benennt Wladimir Putin als einen der Hintermänner des Mordes am russischen Dissidenten. In der Londoner Klinik zeigte das Mordopfer mit dem Finger auf den mutmaßlichen Anstifter: Russlands Präsident Wladimir Putin, schrieb Alexander Litwinenko im November 2006, kurz vor seinem qualvollen Tod, habe sich als barbarisch und skrupellos erwiesen. Gut neun Jahre danach hat am Donnerstag eine unabhängige Untersuchung durch einen früheren Richter am britischen High Court die ungeheuerliche Anschuldigung gleichsam bestätigt: Litwinenko, abtrünniger Mitarbeiter des russischen Inlandsgeheimdienstes FSB, wurde mitten in London von zwei Russen mit radioaktivem Polonium-210 vergiftet. Dies geschah, glaubt Sir Robert Owen, mit hoher Wahrscheinlichkeit nach Maßgabe des FSB und wurde wahrscheinlich von dessen damaligem Chef Nikolai Patruschew sowie auch von Präsident Putin genehmigt. Das Verdikt hätte nach englischem Recht mit hoher Wahrscheinlichkeit zwar nicht vor einem Kriminalgericht, wohl aber in einem Zivilverfahren zur Verurteilung der Angeklagten und ihrer Hintermänner geführt. Innenministerin Theresa May sprach im britischen Unterhaus von einem staatlich sanktionierten Mord und einem inakzeptablen Bruch des Völkerrechts, nannte Russland autoritär, aggressiv und nationalistisch. Sie verwies aber auch auf die Notwendigkeit, weiterhin mit Moskau zusammenzuarbeiten, etwa wegen des syrischen Bürgerkrieges. London werde dem russischen Botschafter starken Unmut mitteilen, die Konten der beiden Tatverdächtigen Andrej Lugowoj und Dimitri Kowtun wurden gesperrt. Gegen beide bestehen europäische Haftbefehle, seit der Generalstaatsanwalt 2007 Anklage gegen sie erhoben hat. Ihre Auslieferung wird von Russland verweigert, beide beteuern ihre Unschuld. Owens 244-seitiger Bericht geht dem Leben und Tod des knapp 44-jährig verstorbenen Litwinenko detailliert auf den Grund. Mehr als 60 Zeugen gaben Auskunft. Zusätzlich bediente sich Owen auch diverser Geheimdienstberichte. Dies nahm Moskau am Donnerstag zum Anlass, die Untersuchung insgesamt als voreingenommen, undurchsichtig und politisch beeinflusst zu diskreditieren. Sprecher der Opposition, aber auch konservative Hinterbänkler drängten die Tory-Regierung David Camerons zu härterem Vorgehen. So fordert Labour die umgehende Ausweisung sämtlicher Geheimdienstmitarbeiter der russischen Botschaft sowie eine Diskussion über die Vergabe der Fussball-WM 2018, die in Russland stattfinden soll. May sagte die Prüfung einer Liste von Individuen und Organisationen zu, die Litwinenkos Witwe bestraft sehen will. Marina Litwinenko sowie ihr Sohn Anatoli gehörten zu den mehr als 60 Zeugen – Scotland-Yard-Beamte, Atomwissenschafter und Russland-Experten -, die öffentlich vor dem Untersuchungsrichter Auskunft gaben. Hingegen lehnten Lugowoj, heute Abgeordneter, sowie Kowtun die Einladung zur persönlichen Aussage ab. Als Agent des FSB (zeitweiliger Leiter: Putin) hatte Litwinenko in den 1990er-Jahren gegen organisierte Kriminelle ermittelt. Weil er die Korruption staatlicher Behörden öffentlich machte, wurde er entlassen und inhaftiert. 2000 gelang ihm mit Frau und Sohn die Flucht nach Großbritannien. 2006 wurde er britischer Staatsbürger Schon im Juni könnten die Briten das Ende ihrer EU-Mitgliedschaft besiegeln, prominente Ex-Politiker spielten Szenarien durch. Welche Folgen hätte ein Brexit? Beide Seiten der Debatte über Großbritanniens möglichen Austritt aus der Europäischen Union versuchen immer wieder, Antworten auf diese letztlich unbeantwortbare Frage zu geben. Ein Workshop in London, auf dem das Szenario durchgespielt wurde, machte am Montag immerhin eines klar: Auf beiden Seiten würde die Abkehr der fünftgrößten Wirtschaftsmacht der Welt vom größten globalen Binnenmarkt hohe Emotionen freisetzen. Eine verheerende Entscheidung, die wir als unfreundlichen Akt wahrnehmen – der frühere irische Premierminister John Bruton klingt fast, als stehe er kurz vor der Mobilisierung seiner Streitkräfte gegen den großen Nachbarn. Man werde viele Finanzdienstleister nach Dublin holen, gleichzeitig aber auf Zugang landwirtschaftlicher Produkte zum britischen Markt bestehen. Wie gut, dass alles nur ein Spiel ist. Einstweilen jedenfalls. Premierminister David Cameron hat den Briten bis Ende 2017 die Volksabstimmung versprochen, womöglich kommt es schon Ende Juni diesen Jahres zum Urnengang. Der Konservative selbst bezeichnet sich neuerdings gern als überzeugten Europäer und will – anders als mindestens ein halbes Dutzend Kabinettsmitglieder – offensiv für den EU-Verbleib werben. Die Umfragen legen aber nahe: Die Briten könnten für den Brexit stimmen und damit Camerons politische Karriere beenden. Um dies zu vermeiden, hofft der Premier beim Februar-Gipfel in Brüssel auf Zugeständnisse der Partner. Dies war Grundlage der ersten Hälfte des Planspiels, an dem sich viele prominente Ex-Politiker beteiligten: Unter der Ägide des EU-skeptischen, eng mit der Downing Street verbandelten Thinktanks Open Europe saßen im Veranstaltungszentrum einer früheren Brauerei mitten in der City of London zehn Verhandlungspartner am runden Tisch. Erklärtes gemeinsames Ziel: Großbritannien im Club zu halten. Wir wollen Sie dabeihaben, aber nicht um jeden Preis, wandte sich der frühere deutsche Finanzstaatssekretär Steffen Kampeter an den britischen Vertreter, Ex-Außenminister Malcolm Rifkind. Und so stritt man sich munter um die Bedeutung der Formel von der immer engeren Union, um Garantien für die Länder außerhalb der Eurozone, nicht zuletzt um Sozialleistungen für Bürger anderer Mitgliedsstaaten. Für vier Jahre, so sieht es Camerons Plan vor, sollen Neuankömmlinge vom Kontinent von Wohltaten wie dem Kombilohn und vom Kindergeld auf der Insel ausgeschlossen sein. Diskriminierung, unmöglich, rufen da die Vertreter Polens, der Niederlande und der EU-Kommission gleichermaßen. Irlands Bruton fasst das Unwohlsein der EU-Partner zusammen: Können wir sicher sein, dass Sie nicht in zehn Jahren mit neuen Forderungen auf uns zukommen? Dieses Problem immerhin bestünde beim Brexit nicht – die Verhandlungen über eine Trennung wären endgültig. Für diesen Teil des Experiments hat Open Europe den früheren Finanzminister und überzeugten Brüssel-Feind Norman Lamont als britischen Vertreter aufgeboten. Sollten ihm seine Landsleute den Wunsch nach dem EU-Austritt erfüllen, will Lamont Großbritannien nicht als irgendein Drittland behandelt wissen. Großzügig bietet er weitere Finanzbeiträge an, will im Gegenzug aber den Zugang zum Binnenmarkt erhalten, nicht zuletzt für das Londoner Finanzzentrum. Prompt wird das bis dahin in freundlichem Tonfall ausgetragene Planspiel doch eher zu einem Wargame, wie die englische Übersetzung lautet. Es gebe einen großen Unterschied zwischen drinnen und draußen, warnt Italiens Kurzzeit-Premier Enrico Letta. Erst habe man monatelang die britische Folter ausgehalten, klagt Kampeter, und nun, nach der Brexit-Entscheidung, wollten die Briten sich die Rosinen aus dem EU-Kuchen picken. Das ist nicht akzeptabel. Regierung intervenierte nach Entscheidung im Oberhaus. London – Es ist eine Tradition, die die britische Regierung um keinen Preis aufgeben will: das Drucken von Gesetzestexten auf Tierhäute. In der vergangenen Woche hatte das Oberhaus entschieden, aus Kostengründen darauf zu verzichten und so jährlich mehr als 100.000 Euro zu sparen. Das Cabinet Office, das die Regierungsaktivitäten koordiniert, schritt nun dagegen ein. Cabinet-Office-Minister Matthew Hancock sagte dem Daily Telegraph vom Montag, die Behörde sei bereit, die Druckkosten zu übernehmen. Die Welt um uns herum ändert sich ständig, daher sollten wir uns einige unserer großen Traditionen bewahren und das Pergament nicht aussterben lassen. Das letzte Wort dürfte aber noch nicht gesprochen sein: Einige Abgeordnete stellten klar, dass das Parlament und nicht die Regierung darüber zu entscheiden habe. Die Gesetze auf Pergamentrollen werden in einem zum Londoner Parlamentsgebäude gehörenden Turm – dem Victoria-Tower – aufbewahrt. Sie nehmen viel Platz weg: So ist etwa eines zu Steuerfragen aus dem Jahr 1821 fast 350 Meter lang. Zu zweit würde es einen Tag lang dauern, den kompletten Text auszurollen. Schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon unter den Teilnehmern. London – Gegen die Erneuerung des britischen Atomwaffenprogramms haben in London Zehntausende demonstriert. An dem Protestmarsch gegen die in Schottland stationierten Waffen nahm am Samstag auch die schottische Regierungschefin Nicola Sturgeon teil. Veranstalte sprachen von vielen Zehntausend Teilnehmern, die Polizei macht in Großbritannien dazu keine Angaben. Nach einem Bericht der britischen Regierung müsste Großbritannien über die kommenden 20 Jahren 31 Milliarden Pfund (39 Mrd. Euro) in vier neue U-Boote investieren, die mit Atomwaffen bestückt sind. Zusätzlich müssten 10 Milliarden Pfund für unerwartete zusätzliche Ausgaben bereitstehen. Laut Umfrage hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent für Verbleib in EU – Zugewinne für Befürworter. London – In Großbritannien halten sich die Befürworter und Gegner eines EU-Austritts (Brexit) weiter nahezu die Waage. Nach einer am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Instituts ORB für die Zeitung Independent würde derzeit eine hauchdünne Mehrheit von 51 Prozent für einen Verbleib des Landes in der EU stimmen. Damit gewann das Lager der EU-Befürworter gegenüber der vorherigen ORB-Umfrage vor einem Monat etwas dazu. Damals hatten nur 48 Prozent angegeben, bei dem Referendum am 23. Juni gegen einen Brexit stimmen zu wollen. Insgesamt ergeben die Umfragen in Großbritannien derzeit ein unklares Bild. So hatte eine am Dienstag veröffentlichte Telefon-Umfrage des Instituts Ipsos MORI einen Vorsprung der EU-Befürworter von acht Prozentpunkten ergeben, was allerdings ein Rückgang um zehn Punkte bedeutete. Online durchgeführte Befragungen deuten dagegen auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen beider Lager hin. Der ORB-Umfrage zufolge tendieren 77 Prozent der jungen Wähler zwischen 18 und 24 Jahren zu einem Verbleib in der EU, während nur 40 Prozent der Briten über 65 Jahren Großbritannien weiter in der EU sehen wollen. Zugleich erwarten Meinungsforscher aber, dass die Wahlbeteiligung junger Briten geringer sein wird als die ihrer älteren Mitbürger. Der britische Finanzminister George Osborne, der zu den entschiedenen Gegnern eines Brexit gehört, warnte seine Landsleute erneut vor den Folgen eines EU-Austritts. Das auf neue Rekordstände gewachsene Leistungsbilanz-Defizit des Landes zeige, dass jetzt nicht die Zeit sei, die EU zu verlassen. Angesichts des unsicheren Ausblicks für das Wirtschaftswachstum dürfe die ökonomische Sicherheit des Landes nicht durch einen EU-Austritt aufs Spiel gesetzt werden, warnte der Schatzkanzler. 'Malcolm Rifkind kämpft für den Verbleib in der EU. Er verlangt, dass sich die Union vom Ziel einer immer stärkeren Integration verabschiedet. Wien – Die Konferenz des von ihm gegründeten Institute for Strategic Dialogue über Österreichs Rolle in Mitteleuropa und auf dem Balkan fand am Freitag in der Diplomatischen Akademie statt, wo George Weidenfeld bis 1938 studiert hatte. Aber der große österreichisch-britische Verleger war selbst nicht mehr dabei Anhänger und Gegner der EU derzeit laut Umfragen gleichauf. London – Zehn Wochen vor dem Referendum in Großbritannien haben EU-Anhänger und Brexit-Befürworter ihre offiziellen Kampagnen gestartet. Wir sind von unserem Sieg überzeugt, sagte ein Sprecher der nationalistischen UKIP-Partei am Freitag. Ex-Finanzminister Alistair Darling warf den EU-Gegnern ein Spiel mit dem Feuer vor. Laut Umfragen steht der Ausgang auf Messers Schneide. Der konservative Premier David Cameron hatte den Briten das Referendum am 23. Juni versprochen – in der Hoffnung, so die EU-Skeptiker in den Reihen seiner Tories zum Schweigen zu bringen. Ein Sieg des Brexit-Lagers könnte ihn das Amt kosten sowie die Insel und die EU in große Unsicherheit stürzen, lauten die Befürchtungen in Brüssel und beim Internationalen Währungsfonds (IWF). Cameron selbst meint, das Königreich werde in der EU stärker und reicher sein als außerhalb: Britain Stronger In Europe heißt sein Motto. Er hatte der EU eine Reform abgerungen, die den britischen Sonderstatus vergrößert. Doch musste er auch Rückschläge hinnehmen, wie den Triumph bei einem nicht bindenden Anti-EU-Referendum vergangene Woche in den Niederlanden. Londons populärer Bürgermeister Boris Johnson hat sich auf die Seite des Brexit-Lagers geschlagen, das sich auf den Slogan Vote Leave (Wähle Verlassen) einigte. Er wollte am Freitag und Samstag bei zahlreichen Veranstaltungen für den EU-Ausstieg werben. Das Referendum sei, als hätte ein Gefängnisaufseher aus Versehen die Tür offen gelassen, und die Menschen erblicken draußen das Land im Sonnenlicht, sagte er. Oppositionsführer und Labour-Chef Jeremy Corbyn hatte sich erst am Donnerstag offen für den EU-Verbleib ausgesprochen, weil dies im besten Interesse des Volkes dieses Landes wäre. 1975 hatte er beim Referendum über den Beitritt Großbritanniens zur damaligen Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) mit Nein gestimmt. Er habe seine Meinung zu Europa geändert, weil die EU Jobs geschaffen habe und Schutz für Arbeiter, Konsumenten und die Umwelt biete, sagt er nun. Die Labour-Unterstützung könnte für das Ja-Lager entscheidend werden, da am Abstimmungstag mit einer höheren Mobilisierung der EU-Gegner zu rechnen sei, vermuten Umfrageinstitute. Derzeit liegen dem Projekt What UK Thinks zufolge beide Lager bei rund 50 Prozent. Während EU-Spitzenvertreter aus Brüssel vor Kampagnen-Auftritten auf der Insel zurückschrecken, will US-Präsident Barack Obama nächste Woche in London offensiv für den EU-Verbleib werben. Obama werde ganz offen und klar sagen, warum er glaube, dass das für Großbritannien gut wäre, kündigte sein Berater Ben Rhodes an. Eine entsprechende einstimmige Entschließung wurde an die Regierung gerichtet. London – Das britische Parlament hat die Regierung aufgefordert, die Verbrechen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat gegen Christen, Jesiden und Schiiten in Syrien und im Irak als Völkermord einzustufen. Die Abgeordneten verabschiedeten am Mittwochabend einstimmig eine Entschließung, die allerdings nicht bindend ist. Das US-Repräsentantenhaus hatte im März in einer ebenfalls einstimmig verabschiedeten Resolution die US-Regierung ebenfalls aufgefordert, die IS-Gräueltaten als Völkermord zu bezeichnen. Die Regierung kam dem nach. Der IS sei völkermörderisch in seinem Selbstverständnis, in seiner Ideologie und in seinem Handeln, sagte Außenminister John Kerry. Die Jihadisten würden außerdem Verbrechen gegen die Menschlichkeit begehen. Zugleich forderte Kerry, die Taten des IS von einem internationalen Gericht aufarbeiten zu lassen. Die Jihadisten kontrollieren große Teile des Irak und Syriens und haben in den von ihnen beherrschten Gebieten einen islamischen Gottesstaat ausgerufen. Die USA fliegen seit dem Sommer 2014 gemeinsam mit Verbündeten, darunter auch Großbritannien, Luftangriffe auf IS-Stellungen. Für den Kampf am Boden setzt Washington auf die irakischen Streitkräfte, kurdische Verbände sowie die Opposition gegen den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad. Sie werden von US-Spezialkräften unterstützt. Die eigene Partei macht Premier Cameron vor dem britischen EU-Referendum das Leben schwer. In den ersten Tagen des offiziellen Abstimmungskampfes um den Brexit hat sich der Ton der Debatte weiter verschärft. Die Befürworter eines Verbleibs in der EU würden die Briten behandeln wie die Kinder und mit Angstparolen zum Gehorsam zwingen, wettert etwa der prominenteste Brexit-Prediger im Kabinett, Justizminister Michael Gove. Hingegen bezeichnet Finanzminister George Osborne die EU-Feinde als ökonomische Analphabeten. Die Konservativen unter Premier David Cameron haben schwierige Wochen hinter sich: Rücktritt von Sozialminister Iain Duncan Smith, drohende Jobverluste in der Stahlindustrie, Panama Papers. Dennoch bleiben die Brexit-Umfragen weitgehend stabil. Während Online-Abstimmungen gelegentlich ein Foto-Finish suggerieren, haben die EU-Verbleiber bei telefonischen (und in der Branche als präziser eingeschätzten) Befragungen mit durchschnittlich acht bis neun Punkten Vorsprung die Nase vorn. Tory-Mehrheit will Brexit Dabei belegen die überwiegend EU-feindlichen Zeitungen wie Daily Telegraph, Daily Mail und Sun ihre Leser mit einem Trommelfeuer europäischer Horrornachrichten. Die öffentlich-rechtliche BBC wirkt hingegen eingeschüchtert. Zudem nutzen viele konservative Aktivisten den aktuellen Kommunalwahlkampf in England sowie die Regionalwahlen in Schottland und Wales zur Agitation gegen die EU, statt für die eigene Partei zu werben. Bei den Torys wünscht sich eine Mehrheit der Parteimitglieder den Austritt und steht damit gegen die eigene Regierung und Parlamentsfraktion. Angefeuert werden sie von prominenten EU-Feinden mit brutaler Rhetorik: Sein eigener Parteichef Cameron rede Schwachsinn, teilte etwa Londons Bürgermeister Boris Johnson mit. Und: Die Regierung sei durch die Verschwendung von Steuergeldern für ein milde proeuropäisches Flugblatt vollkommen unglaubwürdig, tobt der frühere Verteidigungsminister Liam Fox. Immer wieder beklagen die Brexit-Prediger ein angebliches Projekt Angst der Regierung. Sie kopieren damit die Parolen der schottischen Nationalisten und deren Werbung für die Unabhängigkeit der Nordprovinz beim Referendum vor zwei Jahren. Hingegen bleiben die EU-Befürworter in der Defensive. In Wales und Schottland könnte dies damit zu tun haben – glaubt Professor Richard Wyn Jones von der Uni Cardiff -, dass die Aktivisten im Wahlkampf stehen. Nach dem Urnengang am 5. Mai dürften sie sich in die Endphase des EU-Abstimmungskampfes werfen. Besonders bei Labour, der größten Oppositionspartei, scheint Unschlüssigkeit darüber zu herrschen, ob man sich in den Bruderkrieg der Konservativen einmischen solle. Parteichef Jeremy Corbyn hielt zwar kürzlich erstmals eine Rede zugunsten des EU-Verbleibs, nutzte sie aber vor allem zu Angriffen auf Cameron & Co. Ein Spiel für Narren Einer aktuellen Umfrage zufolge vertrauen mehr Briten den Aussagen Corbyns zu Europa als jenen von Premier Cameron oder Londons Hansdampf Johnson. Das überrascht insofern, als Corbyn im Vergleich zu den konservativen Marktschreiern selten in Erscheinung tritt. Dies dürfte mit seiner tiefen Skepsis gegenüber der EU zu tun haben, die er mit seinen Freunden vom linken Labour-Flügel bereits in der Volksabstimmung von 1975 ablehnte. Nach seiner Wahl zum Parteichef im vergangenen Herbst zwangen ihn die führenden Außenpolitiker der Partei zum Kurswechsel. Aber Enthusiasmus sieht anders aus. Die positiven Argumente und Emotionen für den Verbleib fehlen bisher weitgehend. Stattdessen werden vor allem Risiken betont. So kommt eine 200-seitige Expertise des Finanzministeriums zu dem Schluss, ein Austritt werde dem Land bis 2030 bis zu sechs Prozent der Wirtschaftsleistung kosten. Dabei seien solche Vorhersagen über ein oder zwei Jahre hinaus ein Spiel für Narren, lächerlich und unmöglich, ärgert sich der Londoner Ökonom Howard Wheeldon. 46 Prozent der Befragten würden derzeit für einen Brexit stimmen, 44 dagegen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Lichtblick für Labour bei Kommunalwahlen – Corbyn kann von Camerons Schwäche nicht profitieren. Bei den Regional- und Kommunalwahlen in Großbritannien sind die landesweiten Machtverhältnisse weitgehend unangetastet geblieben. In den Regionalparlamenten von Wales und Schottland büßten die regierenden SNP und Labour ihre Mandatsmehrheiten zwar ein, können aber mithilfe kleinerer Parteien weiterregieren. Den Konservativen von Premier David Cameron hat der heftige parteiinterne Streit um die EU-Mitgliedschaft des Landes (Brexit) weniger geschadet als erwartet. Die Labour-Partei kann von der Schwäche der Regierung nicht profitieren – doch das enttäuschende Ergebnis wird vom Einzug eines Sozialdemokraten ins Londoner Rathaus überstrahlt: Der 45-Jährige Sadiq Khan, Sohn pakistanischer Einwanderer und praktizierender Muslim, wird die Weltstadt regieren. Khan hatte mit hässlichen rassistisch-religiösen Vorurteilen zu kämpfen. Seine Labour-Partei reagierte aber auch nur zögerlich auf eine Serie von antisemitischen Äußerungen durch Parteifunktionäre. Die Tories brachten den früheren Strafverteidiger ohne Belege mit islamistischen Extremisten und sogar Terroristen in Zusammenhang. Khans Gegenkandidat Zac Goldsmith habe so das Image der Partei beschädigt und im Kampf um ethnische Wählergruppen Brücken gesprengt, kritisierte Andrew Boff, Fraktionschef im Rathaus, seinen Parteifreund. Die Kontroverse unterminierte Premier Camerons Behauptung, seine Partei sei vereint und für die ganze Nation da. Immerhin ließen ihn die Wähler ungeschoren – trotz einer unausgegorenen Schulreform, des schludrigen Budgets, des Arbeitskampfes im Gesundheitswesen und des brutalen Streits über Europa. Cameron hatte sogar Grund sich zu freuen: In Schottland feierten die Tories unter ihrer dynamischen Regionalchefin Ruth Davidson ein Mini-Comeback, legten zu und verdrängten Labour auf Platz drei. Davidson selbst gewann unerwartet in Edinburgh ein Direktmandat. Freilich liegen die beiden landesweiten Parteien meilenweit hinter der schottischen Nationalistenpartei SNP, die mit 42 Prozent nur knapp an der bisherigen absoluten Mehrheit der Mandate im Edinburgher Landtag vorbeischrammte. In Wales verbuchten die Nationalisten von Plaid Cymru (PC) Zugewinne, Parteichefin Leanne Wood holte das Direktmandat im Wahlkreis Rondda, einer langjährigen Labour-Hochburg. Labours Ministerpräsident Carwyn Jones musste Verluste schlucken, bleibt im Cardiffer Parlament aber unangefochten. Ein Riesenerfolg gelang in Wales der nationalpopulistischen Ukip: Erstmals ziehen die EU-Feinde mit sieben Mandaten in den 60-köpfigen Landtag ein. Während dieses Ergebnis den Streitern für den Brexit Auftrieb gibt, hoffen die Befürworter von Großbritanniens Verbleib in der EU auf neue Energie durch die Wahlkämpferinnen der europafreundlichen Parteien Labour sowie SNP und PC. Knapp sieben Wochen vor der Volksabstimmung legen die Umfragen einen knappen Ausgang nahe. Viel dürfte dann von der Beteiligung abhängen. Am Donnerstag gingen 55 Prozent der Schotten und 45 Prozent Waliser, aber Prognosen zufolge lediglich 40 Prozent der Engländer wählen. Ergebnisse aus Nordirland sowie von direkt gewählten Polizeiaufsehern wurden erst im Laufe des Wochenendes erwartet. In der nordirischen Allparteienregierung unter Ministerpräsidentin Arlene Foster kommt es aller Voraussicht nach höchstens zu Gewichtsverschiebungen zwischen katholischen Republikanern und unionistischen Protestanten. Der Sieg des Labour-Kandidaten Khan hat den unter Druck stehenden Parteichef Jeremy Corbyn und dessen linken Parteiflügel vor einer internen Revolte bewahrt. Der langjährige Hinterbänkler, 66, wird vor allem in der Parlamentsfraktion heftig für seine lahme Oppositionspartei gescholten, bleibt aber bei den linken Parteiaktivisten beliebt. Der britische Premier betont die europäischen Verbindungen, Brexit-Befürworter sprechen von einer Angstkampagne. Mit einer eindringlichen Warnung vor Isolationismus hat Premierminister David Cameron am Montag die letzte Phase des Abstimmungskampfs um Großbritanniens EU-Verbleib eingeleitet. Wann immer sich die Insel vom Festland abgewandt habe, hätten beide Beteiligten schlecht ausgesehen. Von Cäsars Legionen bis zum Spanischen Erbfolgekrieg, von den Napoleonischen Kriegen bis zum Fall der Berliner Mauer – Britannien ist immer eine europäische Macht gewesen, so stolz wir auch auf unsere weltweiten Verbindungen sind, sagte der Regierungschef. Das Lager der Befürworter eines Brexit und die Anhänger eines Verbleibs in der EU hatten sich zuletzt auf die Regional- und Kommunalwahlen am Donnerstag konzentriert. Nun, da sämtliche Ergebnisse ausgezählt und analysiert sind, tritt das Referendum in gut sechs Wochen uneingeschränkt an die Spitze der politischen Aufmerksamkeit. Verschämt hat die Regierung noch einige Streitthemen ausgeräumt, die für anhaltenden Zoff mit den eigenen Hinterbänklern zu sorgen drohten. So musste die Bildungsministerin Nicky Morgan eine erst vor wenigen Wochen angekündigte Reform der Schulen einkassieren, die den Kommunalregierungen jeglichen Einfluss genommen hätten. Auch gab Cameron dem Drängen von Flüchtlingsorganisationen nach. Demnächst sollen einige Hundert, womöglich sogar mehrere Tausend unbegleitete Kinder aus Syrien in Großbritannien aufgenommen werden. Pikanterweise ließ der Premierminister seine Rede vom früheren Labour-Außenminister David Miliband, Sohn zweier vor Hitler Geflohenen, einleiten. Damit sollte nicht zuletzt die Überparteilichkeit der EU-Befürworter zum Ausdruck gebracht werden. Ebenfalls am Montag veröffentlichte die Lobbygruppe ein neues Video, in dem Veteranen des Zweiten Weltkriegs zu Wort kommen. Unter anderem berichtet der spätere Chef des Verteidigungsstabs, Feldmarschall Edwin Bramall (93), von seinen Erfahrungen. Im Fall eines Brexit-Votums würden wir uns zurückbewegen, statt wie damals die Wunden zu heilen, glaubt der General. Das Video richtet sich nicht zuletzt an die Altersgenossen der Veteranen. Einer Ipsos-Mori-Umfrage zufolge wollen nur 30 Prozent der Briten im Alter über 65 Jahre an der EU-Mitgliedschaft festhalten. Die internen Befragungen der beiden Lager scheinen ein eindeutiges Bild zu ergeben. Während bei Brexit-Anhängern die bessere Kontrolle der Einwanderung, besonders aus EU-Staaten, als wichtigstes Argument genannt wird, spielt für den Verbleib im Club das Thema Sicherheit die wichtigste Rolle. Dabei geht es um militärische Sicherheit ebenso wie um die wirtschaftlichen Folgen eines Brexit. Finanzminister George Osborne sprach mit Blick auf Donald Trump am Sonntag von Politikern, die mit dem Zorn der Leute spielen. Wer sich von der modernen Weltwirtschaft abschottet, macht einen Riesenfehler. Die Leute mit niedrigen Löhnen leiden darunter am meisten. Der enge Cameron-Vertraute geißelte außerdem den Vorschlag des Kabinettskollegen und EU-Feinds, Justizminister Michael Gove, der Großbritanniens Verbleib im Binnenmarkt für verzichtbar hält. Das wäre eine Katastrophe für die Jobs und den Lebensstandard der Leute, sagte Osborne. Die EU-feindlichen Zeitungen geißelten auch am Montag wieder Camerons und Osbornes Argumente als Ausdruck einer mit dem Angstfaktor spielenden Kampagne. Aus den Äußerungen des Premierministers schlossen sie, der konservative Parteichef warne vor dem Risiko eines Weltkriegs, behauptete die Times. Es wäre schön, wenn die Regierung die Wählerschaft wie Erwachsene behandeln würde, höhnte das einflussreiche Boulevardblatt Daily Mail. Auch der emeritierte Erzbischof von Westminster, Kardinal Cormac Murphy-OConnor, mahnte eine positivere Kampagne an. Allerdings gipfelte ein Artikel des Kardinals in der Intellektuellenpostille Spectator in dem nicht gerade übermäßig positiven Argument: Europa braucht Erneuerung, und ein Austritt Großbritanniens würde dies erschweren. Die EU-Befürworter hoffen auf neuen Schwung durch jene Parteiaktivisten von Labour sowie schottischer und walisischer Nationalisten, die bis Donnerstag mit dem Wahlkampf beschäftigt waren. Allerdings hat die ganz heiße Phase noch nicht begonnen. Die machen jetzt erst mal eine oder zwei Wochen Pause, glaubt der frühere Labour-Abgeordnete Nick Palmer. Erst in den vier Wochen vor dem 23. Juni werde das Rennen entschieden. Die traditionelle Ansprache fand inmitten der Debatte über einen EU-Austritt Großbritanniens statt. London –Konservative EU-Feinde haben am Mittwoch die Regierungserklärung ihres eigenen Premiers scharf kritisiert. David Cameron habe wichtige Vorhaben aufgegeben, weil er Hals über Kopf die Volksabstimmung über die EU-Mitgliedschaft gewinnen wolle, sagte Ex-Sozialminister Iain Duncan Smith. Der Zorn entzündet sich besonders am Fehlen eines sogenannten Souveränitätsgesetzes, das den Vorrang des Unterhauses vor europäischen Institutionen bekräftigen sollte. Gewöhnlich leitet die von Königin Elizabeth II verlesene Thronrede das Regierungsprogramm ein. Die Zeremonie im Oberhaus, zu der die Unterhaus-Abgeordneten herbeigerufen werden, stand am Mittwoch ganz im Schatten des Referendums am 23. Juni. Das Programm enthielt laut BBC 21 Gesetzesvorhaben. Dazu zählen die Reform der überfüllten Gefängnisse, eine Entzerrung des Adoptionsrechts und Maßnahmen gegen islamistische Extremisten. Die Oppositionsparteien sprachen dennoch von einer verpassten Gelegenheit. Die Regierung habe keine Ideen, was getan werden solle, spottete Labour-Veteran Charles Falconer: Sie hätte besser daran getan, mit der Regierungserklärung bis nach dem Referendum zu warten. Der Sprecher der Liberaldemokraten, Alistair Carmichael, bezeichnete die Regierung als völlig auf das Management der Konservativen Partei fokussiert. Wenn das stimmt, haben der Premier und sein Team in der Downing Street schwere Arbeit vor sich. Die wütenden Reaktionen lassen Rückschlüsse zu auf das eisige Klima bei den Tories. Das umstrittene – und nun doch nicht geplante – Souveränitätsgesetz hatte Cameron im Februar selbst ins Spiel gebracht, um den damals noch amtierenden Londoner Bürgermeister auf seine Seite zu ziehen. Es soll der Sorge Rechnung tragen, zu viele Gesetze und Bestimmungen würden der Insel von Brüssel aufgezwung. Vier Wochen vor der Abstimmung signalisieren Umfragen erstmals eine deutliche Mehrheit für einen EU-Verbleib. Das Publikum in der Londoner Methodistenhalle beklatschte sie freundlich, und der Anteil der Austrittsbefürworter wuchs im Lauf des Abends von 17 auf 30 Prozent. Und doch mochte bei der Labour-Abgeordneten Gisela Stuart, Vizevorsitzenden der wichtigsten Brexit-Lobbygruppe Vote Leave, am Montagabend kein rechter Frohsinn aufkommen. Der Grund: Gut vier Wochen vor der Volksabstimmung sind die EU-Feinde in den Umfragen eklatant zurückgefallen. Schon beginnen erste Schuldzuweisungen. Jüngste Befragungen hatten mehr Verwirrung gestiftet, als Klarheit geschaffen. Während Telefonumfragen einen deutlichen Vorsprung für den EU-Verbleib ergaben, deuteten Umfragen per Internet auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hin. Hingegen lassen die Ergebnisse der Meinungsforschungsfirma ORB, veröffentlicht im EU-feindlichen Daily Telegraph, kaum einen Zweifel: Premier David Cameron und die Lobby Britain stronger in Europe liegen in allen wichtigen Gruppen vorn. Ausgerechnet jene Wähler, die bisher als solide Unterstützer galten, nämlich Pensionisten, Tory-Wähler sowie Männer insgesamt, scheuen das Risiko und sprechen sich für den EU-Verbleib aus. Insgesamt ermittelte ORB 55 Prozent für den Verbleib und 42 Prozent für den Brexit – mit nur noch drei Prozent Unentschlossenen. Zur Begründung wird auf die beinahe täglichen, zum Teil apokalyptischen Warnungen vor einem Wirtschaftseinbruch verwiesen, den das Cameron-Lager für den Fall des Brexit beschwört. Am Dienstag beschwor der Premierminister vor Angestellten des Billigfliegers Easyjet die Gefahr höherer Reisekosten herauf. Die zu erwartende Abwertung des Pfundes werde Ferien im Rest Europas teurer machen. Am Montag hatte eine Expertise des Finanzministeriums bestätigt: Sollten die Briten am 23. Juni für den EU-Austritt stimmen, müsse man mit einem schweren kurz- bis mittelfristigen Schock rechnen. Das Bruttoinlandsprodukt würde binnen zwei Jahren um 3,6 Prozent sinken, 820.000 Jobs würden verlorengehen. Das Lager der Austrittsbefürworter hat dem Sperrfeuer wenig entgegenzusetzen, im Gegenteil: Ernst zu nehmende Ökonomen wie Andrew Lilico von der Brexit-Lobbygruppe Ökonomen für Britannien oder Gerard Lyons, Berater des Londoner Ex-Bürgermeisters Boris Johnson, räumen die Wahrscheinlichkeit eines kurzfristigen Schocks ein, sehen aber mittel- und langfristig rosige Perspektiven. Hingegen reden führende EU-Feinde nonchalant über mögliche Jobverluste sowie Gehaltseinbußen. Um frei von Brüssel zu sein, würde ich Gras essen, schreibt etwa Guardian-Kolumnist Pfarrer Giles Fraser. Der bittere Ton der Brexit-Befürworter lässt auf die Stimmung schließen. Ex-Finanzminister Nigel Lawson warf seinen früheren Beamten vor, sie würden sich prostituieren – sein Nachfolger und Parteifreund George Osborne wäre so etwas wie ein Zuhälter. Ex-Sozialminister Iain Duncan Smith ruft das Wahlvolk auf, Osborne kein Wort zu glauben. Innerhalb des Lagers der EU-Feinde werden erste Schuldzuweisungen erprobt. So veröffentlichte Leave.EU im Internet die Mobiltelefonnummern führender Vote Leave-Leute. Diese sollen unter Druck gesetzt werden, damit der Ukip-Vorsitzende Nigel Farage eine prominentere Rolle im Abstimmungskampf erhält. Rund vier Wochen vor dem Referendum gibt es weiter keine klare Prognose. Die britische Botschafterin in Wien hofft auf eine "pragmatische" Entscheidung. London – Für den Ausgang des Referendums über den Verbleib Großbritanniens in der EU gibt es weiter keine klare Prognose. Sowohl die Gegner als auch die Befürworter eines Brexit kommen derzeit laut einer am Mittwoch veröffentlichten Yougov-Umfrage für die Times auf 41 Prozent. Im Vergleich zur Vorwoche bedeutet das einen Verlust von drei Prozentpunkten für die Gegner und einen Zuwachs von einem Punkt für die Befürworter. Die Briten stimmen am 23. Juni ab. Auch viele andere Umfragen der vergangenen Wochen haben auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen hingedeutet. In den vergangenen zehn Tagen hatten wiederholt aber die Gegner eines Austritts die Nase leicht vorne gehabt. Premierminister David Cameron macht sich seit Monaten für den Verbleib des Landes in der Europäischen Union stark. Nach seiner Einschätzung würde ein Ausstieg das Wirtschaftswachstum des Landes beeinträchtigen und zu steigender Arbeitslosigkeit führen. Führende europäische Politiker wie Ökonomen warnen allgemein vor den Auswirkungen eines Austritts. Die Welthandelsorganisation (WTO) sagt Großbritannien zum Beispiel hohe Zollkosten im Falle eines EU-Austritts voraus. Die Einfuhrzölle beliefen sich auf jährlich neun Milliarden Pfund (11,8 Milliarden Euro), sagte WTO-Chef Roberto Azevedo in einem am Mittwoch veröffentlichten Interview mit der Financial Times. Hinzu kämen 5,5 Milliarden Pfund an Exportzöllen auf Überseemärkten. Großbritannien verliere bei einem Brexit den Zugang zu 58 Ländern, mit denen die EU entweder den Wegfall von Zöllen oder sehr niedrige Kosten vereinbart habe. Die Handelsbeziehungen müssten komplett neu aufgestellt werden. Es ist extrem schwierig und komplex, diese Abkommen zu verhandeln, sagte Azevedo. Und es ist sehr langwierig. Vor den komplexen Herausforderungen bei der Neuaufstellung in den internationalen Beziehungen warnt auch Susan le Jeune dAllegeershecque, britische Botschafterin in Wien. Die Entscheidung für die Abhaltung eines Referendums hält sie für richtig, aber riskant. Man habe die Stimmung und die Ressentiments in der Bevölkerung nicht ignorieren können, ein Ausstieg aus der EU würde aber unvorhersehbare Folgen für Großbritannien haben: Wir sind stärker innerhalb der EU. Die Botschafterin hofft, dass die Briten eher pragmatisch als emotional entscheiden werden, und verweist auf das Unabhängigkeitsreferendum in Schottland vom vergangenen Herbst: Zum Schluss hätten dabei die wirtschaftlichen Argumente den Ausschlag dafür gegeben, bei Großbritannien zu bleiben. Ein dominantes Thema der Brexit-Befürworter ist die Einwanderung von EU-Bürgern, die das Sozial- und Gesundheitssystem belastet. Die Befürworter versprechen den Briten nicht zuletzt hier eine neue Selbstbestimmung. Großbritannien könnte EU-Gesetze abschaffen und endlich die Einwanderung stoppen. Wenn sich die Briten am 23. Juni für einen Austritt aus der EU entscheiden, passiert zunächst allerdings nichts. Im Fall der Fälle bleibt Großbritannien wohl zwei weitere Jahre EU-Mitglied. So sieht es Artikel 50 des EU-Vertrags vor. Innerhalb dieser beiden Jahre würde das Land die Bedingungen des Ausstiegs aushandeln. Innenministerin befürchtet, dass Frauen diskriminiert wurden. London – Die britische Regierung lässt die Rechtsprechung der informellen islamischen Schiedsgerichte prüfen. Es bestehe der Verdacht, dass Frauen von den religiösen Räten bei der Anwendung des islamischen Scharia-Rechts diskriminiert worden seien, erklärte Innenministerin Theresa May am Donnerstag. Das sei eine ernste Sorge. Es gebe nur einen Rechtsstaat, der allen Bürgern Rechte und Garantien gebe. In England und Wales gibt es rund 30 informelle islamische Schiedsgerichte, die vorwiegend unter Anwendung der Scharia in Familienfragen vermitteln. Ihre Entscheidungen sind rechtlich nicht bindend und werden offiziell nicht anerkannt. Die nun eingeleitete Prüfung unter Leitung der Professorin Mona Siddiqui soll den Verdacht klären, dass gewisse Schiedsgerichte Zwangsehen legitimieren oder Scheidungsurteile zum Nachteil der Frauen fällen. "Times of London" berichtete, anegeblich existierender Plan solle bis nach Brexit-Referendum geheim gehalten werden. London/Brüssel – Wenige Wochen vor dem Brexit-Referendum hat die EU-Kommission einen britischen Pressebericht zurückgewiesen, wonach ihre neue Außen- und Verteidigungsstrategie auf den Aufbau einer EU-Armee zielt. Die Zeitung The Times berichtete am Freitag, der Plan beinhalte Schritte in Richtung der Schaffung einer europäischen Armee und solle bis nach dem EU-Referendum Ende Juni geheim gehalten werden. Es gibt absolut keinen Plan, mit der globalen Strategie eine EU-Armee aufzustellen, erklärte eine Kommissionssprecherin dagegen. Es gibt kein geheimes Papier. Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini sei vor einem Jahr beauftragt worden, in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten eine globale EU-Strategie zur Außen- und Sicherheitspolitik zu erstellen. Sie werde diese wie vorgesehen Ende Juni vorlegen. Befürworter eines Austritts Großbritanniens aus der EU sahen sich durch den Times-Bericht bestätigt. Das Pro-EU-Establishment sagt nicht die Wahrheit, schrieb der Chef der europafeindlichen Ukip (UK Independence Party), Nigel Farage, im Kurznachrichtendienst Twitter. Europäische Union dringt auf eine vollständige EU-Armee. In dem Times-Bericht hieß es, die neue Globalstrategie Mogherinis sehe die Entwicklung neuer europäischer militärischer und operationeller Strukturen einschließlich eines Hauptquartiers vor. Dies werde von Deutschland und anderen Ländern als erster Schritt zu einer EU-Armee unterstützt. Versuche, eine solche Armee aufzubauen, waren von Großbritannien bisher immer im Ansatz erstickt worden. London sieht traditionell keine eigene Rolle für die EU in diesem Bereich, sondern setzt auf die Nato unter Beteiligung der USA. So hat London auch verhindert, dass es ein EU-Militärhauptquartier in Brüssel gibt. EU-Einsätze wie etwa in Mali werden deshalb dezentral aus den Mitgliedstaaten geleitet. Sigmundur Davíð Gunnlaugssons Stellvertreter solle vorübergehend das Regierungsamt übernehmen. Reykjavík – Trotz des Proteststurms nach den Enthüllungen der Panama Papers will Islands Regierungschef das Feld nicht ganz räumen. Seine Partei hatte einen Rücktritt schon angekündigt. Jetzt aber ruderte der Ministerpräsident selbst zurück. Rücktritt vom Rücktritt? Erst bietet Islands durch die Panama Papers in die Kritik geratener Regierungschef Sigmundur Davíð Gunnlaugsson seiner Partei nach deren Angaben an, sein Amt niederzulegen. Dann verkündet er selbst, nur eine Pause einzulegen. Nach Enthüllungen über eine Offshore-Firma seiner Frau hatten Tausende Isländer gegen ihn protestiert. In einer Pressemitteilung, die sein Büro am späten Dienstagabend verbreitete, hieß es: Der Ministerpräsident ist nicht zurückgetreten und wird weiterhin als Vorsitzender der Fortschrittspartei tätig sein. Er habe nur vorgeschlagen, dass sein Stellvertreter Ingi Johannsson das Regierungsamt vorübergehend übernehme. Ein angesehener isländischer Historiker nannte Gunnlaugssons Verhalten am Mittwoch absurd. Man kann nicht seine Erlaubnis abgeben, Ministerpräsident zu sein, und dann sagen, man wird sie nach einiger Zeit zurückbekommen, sagte Gudni Johannesson dem isländischen Fernsehen. Diese Pressemitteilung ist absurd und erklärt nicht, was gestern in Island passiert ist. Natürlich könne Gunnlaugsson nach der nächsten Wahl wieder Ministerpräsident werden. Aber man kann es nicht so aussehen lassen – weder in Island noch im Ausland – als lege er nur eine kurze Pause ein. Das ist absurd. Die Panama Papers enthalten laut Medienberichten Informationen über die Firma Wintris auf den Britischen Jungferninseln, auf die Millionen geflossen sein sollen. Gunnlaugsson und seine spätere Frau sollen daran zunächst gleichberechtigt beteiligt gewesen sein. 2009 habe der liberale Politiker seine Anteile aber an seine Frau übertragen. Gunnlaugsson erklärte, weder er noch seine Frau hätten zu irgendeiner Zeit Geheimnisse vor den isländischen Steuerbehörden gehabt. Die Enthüllungen hatten die nach Polizeiangaben größten Proteste in der Geschichte der kleinen Inselrepublik ausgelöst. Am Montagabend waren bis zu 12.000 Menschen gegen Gunnlaugsson auf die Straße gegangen. Auch für Dienstag hatten sich mehr als 2.000 Menschen über Facebook verabredet. Die Opposition hatte einen Misstrauensantrag gestellt. Ob es dazu nun ein Votum geben solle, war zunächst unklar. Das isländische Parlament wollte erst am Donnerstag wieder zusammenkommen. Für Mittwoch waren aber Gespräche der Parteien geplant. Premier nach Panama-Leaks zurückgetreten – Neuwahlen im Herbst. Reykjavík – Die Regierung in Island will ohne ihren durch die Panama Papers in die Kritik geratenen Chef Sigmundur Davíð Gunnlaugsson weitermachen. Gunnlaugsson sei zurückgetreten, teilte ein Sprecher der liberalen Fortschrittspartei am späten Mittwochabend nach ausführlichen Beratungen mit allen Parteien mit. Neuer Premier soll Vize-Parteichef Sigurður Ingi Jóhansson werden. Die Chefin der oppositionellen Piratenpartei, Birgitta Jónsdóttir, teilte zudem mit, dass man sich mit der Regierungskoalition auf vorgezogene Parlamentswahlen im Herbst geeinigt habe. Umfragen zufolge würde die Piratenpartei die Mehrheit bei Neuwahlen in dem 330.000 Einwohner zählenden Inselstaat gewinnen und die Regierungskoalition aus Fortschritts- und Unabhängigkeitspartei ablösen. Gunnlaugssons Name war in Zusammenhang mit den Enthüllungen der sogenannten Panama Papers aufgetaucht. Demnach besitzt seine Frau Anteile an einer Briefkastenfirma auf den Britischen Jungferninseln. Er hatte seine Anteile für einen Dollar an sie verkauft. Gunnlaugsson bestritt, die Vermögenswerte den Finanzbehörden verheimlicht zu haben, und hatte sich zunächst geweigert zurückzutreten. Am Mittwochabend hatten den dritten Tag in Folge tausende Isländer vor dem Parlament in Reykjavík demonstriert und den Rücktritt des Ministerpräsidenten gefordert. Gunnlaugsson musste wegen Panama-Enthüllungen sein Amt aufgeben. Reykjavik – Islands neuer Regierungschef Sigurdur Ingi Johannsson ist am Donnerstag offiziell in sein Amt eingesetzt worden. Der bisherige Landwirtschaftsminister legte in Reykjavik seinen Amtseid ab, wie Journalisten der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die Regierungskoalition hatte beschlossen, Johannsson bis zu vorgezogenen Parlamentswahlen im Herbst zum Interims-Ministerpräsidenten zu ernennen. Er löst Sigmundur David Gunnlaugsson ab, der wegen Enthüllungen in den Panama Papers sein Amt aufgeben musste. Ein weltweites Netzwerk von Journalisten hatte in den vergangenen Monaten einen umfangreichen Datensatz über Briefkastenfirmen ausgewertet, die über die in Panama-Stadt ansässige Finanzkanzlei Mossack Fonseca laufen. Gunnlaugsson geriet unter Druck, nachdem sein Name am Wochenende im Zusammenhang mit einer Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln in den Panama Papers aufgetaucht war. Demnach hat Gunnlaugsson vor neun Jahren mit seiner künftigen Ehefrau auf den britischen Jungfraueninseln eine Briefkastenfirma gegründet und dort Millionen Euro geparkt. Ende 2009 überschrieb er seiner Partnerin für einen symbolischen Dollar seinen ganzen Anteil. Er war aber schon Mitte des Jahres ins Parlament eingezogen und hatte dabei sein Vermögen verschwiegen. Koalition zeigt sich im Parlament trotz Panama-Papers unerschütterlich. Reykjavik – Nach dem Rücktritt des durch die Panama Papers in die Kritik geratenen isländischen Ministerpräsidenten hat die Regierung ein Misstrauensvotum überlebt. Im Parlament stimmten am Freitag die beiden Regierungsparteien, die zusammen 38 Abgeordnete stellen, geschlossen für die Regierung. Die 25 Abgeordneten der Opposition votierten dagegen. Wir sind das Gespött auf der ganzen Welt. Niemand denkt daran, sich zu entschuldigen oder Verantwortung zu übernehmen nach dem, was passiert ist, sagte Ottar Proppe von der Oppositionspartei Helle Zukunft am Freitag. Gott beschütze Island und so, aber lasst die Trolle diese Regierung einkassieren. Die Opposition hatte die Abstimmung gefordert, nachdem der Name des liberalen Regierungschefs Sigmundur David Gunnlaugsson in den Berichten über Finanzgeschäfte mit Briefkastenfirmen aufgetaucht war. Gunnlaugssons Frau besitzt eine Firma auf den Britischen Jungferninseln. Nach starken Protesten war Gunnlaugsson zurückgetreten. Als neuen Ministerpräsidenten hatte seine Fortschrittspartei Sigurdur Ingi Johannsson benannt. Gemeinsam mit der Unabhängigkeitspartei will sie bis zum Herbst weiterregieren. Dann soll es – ein halbes Jahr vor Ende der Legislaturperiode – Neuwahlen geben. Tausende Isländer hatten seit Montag gegen Gunnlaugsson und seine Regierung protestiert. Fünf Islamisten wollten offenbar See Badovc vergiften, der Wasserleitungen von kosovarischer Hauptstadt speist. Prishtina – Vor einigen Jahren war es noch normal, dass im Kosovo plötzlich der Strom ausfiel. Am Sonntag wurden – aus Sicherheitsgründen – die Wasserleitungen in Prishtina gesperrt, die vom See Badovc in der Nähe der kosovarischen Hauptstadt gespeist werden. Der Grund: Es bestand dringender Verdacht, dass eine Gruppe von Islamisten das Wasser in dem See vergiften wollte. Fünf Personen wurden festgenommen – und werden vorerst einen Monat in Untersuchungshaft bleiben. Zwei der Verhafteten sollen für die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) gekämpft haben. In der Tasche eines der Verdächtigen, Enis L., soll Gift gefunden worden sein, berichteten lokale Medien. Möglicherweise hatten die Islamisten auch den Plan, das Leitungswasser in der mazedonischen Stadt Skopje zu vergiften.Hunderte Islamisten aus Bosnien-Herzegowina, Serbien, Albanien, Mazedonien und dem Kosovo kämpfen für den IS in Syrien und dem Irak. Sicherheitsexperten berichten immer wieder von Rekrutierungsversuchen. Die große Armut und Arbeitslosigkeit sind neben religiösem Extremismus Faktoren, die auf dem Balkan Rekrutierungen befördern. Der Einfluss wahhabitischer Strömungen nimmt seit den letzten Jahren zu, dabei spielen NGOs aus den Golfstaaten eine Rolle. Anfang Juni wurde ein Video mit dem Titel Die Ehre liegt im Djihad, eine Botschaft an den Balkan veröffentlicht, in dem auf die Geschichte der Muslime auf dem Balkan verwiesen wird und IS-Kämpfer aus Balkanstaaten ihre Landsleute auffordern, für den IS in den Irak und nach Syrien zu gehen. Wer nicht gehen könne, solle die Diktatoren auf dem Balkan bekämpfen: Wenn Du kannst, stell Sprengstoff unter ihre Autos, in ihre Häuser. Wenn Du kannst, nimm Gift und schütte es in ihre Getränke, hieß es da. Serbien will dagegen vorgehen. Prishtina/Belgrad – Der Kosovo, der jüngste Staat Europas, hat diese Woche offiziell die Aufnahme in die UNESCO beantragt. Der Antrag löste Empörung in Serbien aus. Der kosovarische Außenminister Hashim Thaci erwartet, dass die Aufnahme seines Landes in die Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur im Oktober erfolgt. Prishtina, das im Februar 2008 seine Unabhängigkeit verkündet hatte, wurde bisher von mehr als 100 UNO-Mitgliedstaaten anerkannt, ist aber noch kein Mitglied der Vereinten Nationen. Belgrad lehnt es nach wie vor ab, die Unabhängigkeit seiner ehemaligen südlichen Provinz anzuerkennen. Serbien will laut Belgrader Medienberichten vom Samstag gegen eine eventuelle Aufnahme des Kosovo in die UNESCO vorgehen. Jede Erwägung des Antrags auf die Aufnahme des Kosovo in die UNESCO würde nicht nur eine Verletzung der Resolution 1244 (vom Juni 1999, Anm.) des UNO-Sicherheitsrats darstellen, sondern würde sich auch auf den laufenden Dialog zwischen Belgrad und Prishtina in Brüssel ausgesprochen negativ auswirken, teilte das Außenministerium auf eine Anfrage der Tageszeitung Politika mit. Der EU-geführte Dialog zielt auf die Normalisierung der wechselseitigen Beziehungen. Die UNO-Resolution 1244, die weiterhin in Kraft ist, behandelt den Kosovo als einen Bestandteil Serbiens. Die Vetomacht Russland hatte vor Jahren im UNO-Sicherheitsrat seine Abänderung verhindert. Der Antrag Prishtinas erfolgte, wie Medien in Belgrad feststellten, nach dem dieswöchigen Besuch des griechischen Außenministers Nikos Kotzias im Kosovo. Er hatte Unterstützung seines Landes für die Mitgliedschaft des Kosovo in internationalen Organisationen angekündigt. Athen hat den Kosovo bisher nicht anerkannt. Drei mittelalterliche serbisch-orthodoxe Klöster – in Pec, Gracanica und Decani – und eine Kirche in Prizren gehören derzeit zum UNESCO-Welterbe. Nach dem Krieg, in dem Hunderte heilige (serbische) Stätten in Brand gesetzt worden seien, diese nun den kosovarischen Politikern, die aus dem Krieg hervorgegangen seien, anzuvertrauen, wäre ein Verbrechen, meinte Marko Djuric, Chef des serbischen Regierungsbüros für den Kosovo, gegenüber der Tageszeitung Blic am Samstag. Laut früheren Medienberichten wollte die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel bei ihrem kürzlichen Besuch in Belgrad die serbischen Politiker auffordern, ihren Widerstand gegen die UNO-Aufnahme des Kosovo in absehbarer Zeit aufzugeben. Zur Aufarbeitung von UCK-Gräueltaten an Serben – Sondergericht könnte auch Außenminister Thaci in Bedrängnis bringen. Prishtina (Pristina)/Wien – Nach monatelangem Tauziehen hat das kosovarische Parlament am Montag ein Sondertribunal zur Aufarbeitung von Kriegsverbrechen der Kosovo-Befreiungsarmee (UCK) während des Kosovo-Krieges (1998-1999) auf den Weg gebracht. Die Ergebnisse könnten neben zahlreichen anderen Regierungspolitikern auch Außenminister und Vize-Premier Hashim Thaci in Bedrängnis bringen. Die Parlamentarier stimmten nach einer mehrstündigen Marathondebatte am Montagabend zuerst für die zur Einrichtung des Tribunals notwendige Verfassungsänderung, bevor sie auch das eigentliche Gesetz zu dessen Schaffung verabschiedeten. Frühere Anläufe waren gescheitert. Auch am Montag boykottierten die Oppositionsparteien die Abstimmung, zwei Abgeordnete der Regierungspartei PDK von Thaci stimmten laut Medienberichten ebenfalls gegen die Verfassungsänderung. Thaci war früher selbst führendes UCK-Mitglied, hatte sich jedoch nach internationalem Druck für die Einrichtung des Sondertribunals eingesetzt. Ehemalige UCK-Kämpfer empfingen ihn daher am Montag mit Dieb, Dieb-Rufen und bewarfen ihn mit Flaschen. Allerdings könnte das Tribunal auch Thaci selbst in Bedrängnis bringen. Der Schweizer Europarats-Sonderermittler Dick Marty hatte ihm und früheren Verbündeten neben anderen Kriegsverbrechen vorgeworfen, Serben getötet und deren Organe anschließend verkauft zu haben. Thaci hat die Anschuldigungen stets zurückgewiesen. Die EU richtete 2011 eine Sonderarbeitsgruppe in der Angelegenheit ein. In einem Zwischenbericht erklärte der damalige Chefermittler Clint Williamson vor rund einem Jahr zwar ausreichende Beweise für Kriegsverbrechen, nicht jedoch für systematischen Organhandel gefunden zu haben. Namen konkreter Beschuldigter nannte er damals nicht. Diese werden wohl erst bekannt, wenn die mittlerweile vom US-Juristen David Schwendiman geleitete Ermittlungsgruppe die ersten mutmaßlichen Kriegsverbrecher anklagt. Voraussetzung dafür ist wiederum das am Montag beschlossene Sondertribunal. Mit ersten Anklagen wird nun Anfang 2016 gerechnet. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) und sein deutscher Amtskollege Frank-Walter Steinmeier zollten dem Schritt am Dienstag Beifall. Kurz sprach von einem wichtigen Schritt zur Aufarbeitung des Vergangenheit und einem Zeichen demokratischer Reife. Die Abgeordneten haben damit bewiesen, dass es ihnen ernst ist damit, den Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit folgend die Geschehnisse (...) lückenlos aufzuklären, lobte der Außenminister. Auch Steinmeier würdigte eine mutige Entscheidung für Verfassungsänderungen, um rechtsstaatliche Prinzipien und strafrechtliche Verantwortung durchzusetzen. Die kosovo-albanische UCK war erstmals 1996 nach Repressionen und Übergriffen der serbischen Polizei mit Anschlägen und Angriffen in Erscheinung getreten. Zuvor hatte der serbische Präsident Slobodan Milosevic 1989 der Provinz Kosovo den Autonomiestatus größtenteils entzogen, und es wurden Albaner-feindliche Gesetze erlassen. Regional-Regierung und -Parlament wurden aufgelöst. Nach einer Volksabstimmung im Kosovo wurde die Republik Kosovo proklamiert und eine Paralleladministration der Albaner errichtet. 1998 kam es schließlich zu dem von Gräueltaten und Massenvertreibungen geprägten, offenen Unabhängigkeits-Krieg zwischen der UCK und Rest-Jugoslawien, in den schließlich die NATO aufseiten der Kosovo-Albaner eingriff. Der Kosovo kam danach unter UNO-Verwaltung, ehe er 2008 seine Unabhängigkeit erklärte. Milosevic wurde u.a. wegen Kriegsverbrechen im Kosovo angeklagt. Mehrere ehemalige UCK-Kämpfer landeten vor dem UNO-Kriegsverbrechertribunal für das ehemalige Jugoslawien (ICTY) in Den Haag. Prominentester Fall: Der Ex-Befehlshaber und spätere Ministerpräsident Ramush Haradinaj. Er wurde aus Mangel an Beweisen freigesprochen, wobei etliche Zeugen unter mysteriösen Umständen starben. Nur im Fall von Haradin Bala kam es zu einer Verurteilung zu 13 Jahren Haft. Das Sondertribunal gilt als Teil des Normalisierungsprozesses zwischen Serbien und dem Kosovo, auf den die Europäische Union für eine weitere Annäherung beider Staaten pocht. Es soll sich nun mit noch offenen Anschuldigungen, darunter jener des Organhandels, befassen. Prishtina tritt in Vertragsbeziehung mit Europa – Marktöffnung und Rechtsanpassung – Regierungschef: "Wir hoffen, der nächste Schritt ist Visa-Befreiung". EU-weit/Straßburg – Der Kosovo ist ein Stück näher an die EU gerückt. Beide Seiten unterzeichneten am Mittwoch ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), was üblicherweise der erste Schritt in Richtung einer EU-Mitgliedschaft ist. Die Unabhängigkeit der serbischen Ex-Republik wird allerdings von fünf EU-Staaten – Rumänien, der Slowakei, Griechenland, Spanien und Zypern – nicht anerkannt. Das Abkommen wurde in Straßburg am Rande der EU-Parlamentssitzung von Ministerpräsident Isa Mustafa, der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn unterzeichnet. Für den Kosovo sei dies ein sehr wichtiger Tag, weil heute treten wir in Vertragsbeziehungen mit der Europäischen Union ein, sagte Mustafa. Durch das Abkommen werde der Prozess von Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlicher Integration sowie die Reformen des Landes und der Weg in Richtung Mitgliedschaft in der Europäischen Union gestärkt. Der Kosovo werde damit verantwortungsbewusst umgehen. Wir hoffen, der nächste Schritt ist eine Visa-Befreiung, sagte Mustafa. Mogherini sprach von einem sehr wichtigen Schritt, der bisher mit viel Arbeit auf beiden Seiten verbunden war. Sie hoffe, auf ein rasches Inkrafttreten des Abkommens. Ich überzeugt, dass es den Menschen im Kosovo viel Gutes bringen wird, auch der Europäischen Union und der Stabilität in der Region. Hahn bezeichnete das Abkommen als Meilenstein in unseren gegenseitigen Beziehungen, insbesondere in Hinblick auf die europäischen Bestrebungen des Kosovo. Hahn will nächste Woche den Kosovo besuchen und bereits die Umsetzung des Abkommens verfolgen. Hahn lobte die von Mustafas Regierung durchgeführten Reformen, die offenbar nicht von jedem geschätzt werden, aber sie werden hoch geschätzt von uns und der europäischen Familie. Es ist ein starkes Statement des Kosovo in Richtung Europäischer Union. In den vergangenen Wochen war es im kosovoarischen Parlament mehrmals zu Tumulten gekommen, weil die albanische Opposition eine Normalisierung der Beziehungen zu Serbien mit allen Mitteln verhindern will: Neben Eiern und Gläsern warfen die Abgeordneten auch schon dreimal mit Tränengas. Die Kosovo-Berichterstatterin des EU-Parlaments, Ulrike Lunacek, sagte, der Kosovo mache damit einen großen Schritt vorwärts im EU-Annäherungsprozess. Das ist auch und gerade angesichts der aufgeheizten politischen Stimmung im Kosovo wichtig. Die EU sende damit das Signal, dass das Land nicht zur vergessenen Peripherie gehöre, sondern Teil des europäischen Einigungsprozesses sei. Das SAA beinhalte eine vollständige Öffnung des EU-Marktes für Produkte aus dem Kosovo, während der Kosovo für einige sensible Produkte längere Übergangsfristen erhält. Auch der politische Dialog, die Anpassung an EU-Recht bei Wettbewerb, öffentlicher Beschaffung, Copyright, Konsumentenschutz, Soziales, Bildung, Kultur und Umwelt ist Teil des Abkommens. Die Isolation der Bevölkerung des Kosovo gehört endlich beendet, forderte Lunacek Visa-Befreiung als nächsten Schritt für den Kosovo. Das Kosovo hatte sich im Jahr 2008 unabhängig von Serbien erklärt. Belgrad erkennt die Unabhängigkeit bis heute nicht an, 23 der 28 EU-Mitglieder haben dies aber getan. Um ein Wiederaufflammen der Spannungen zwischen Kosovo und Serbien zu verhindern, hatte die EU 2013 ein Normalisierungsabkommen zwischen beiden Seiten vermittelt. Es machte den Weg für Gespräche über einen EU-Beitritt mit Serbien und über das Assoziierungsabkommen mit dem Kosovo frei. Das Abkommen muss nun noch ratifiziert werden. Die EU-Kommission hatte im Oktober 2012 grünes Licht für Verhandlungen über ein Assoziierungsabkommen gegeben. Sie wurden Mitte 2013 gestartet. Als einziger Westbalkanstaat wartet der Kosovo unterdessen weiterhin auf die Visa-Befreiung. Der frühere Warlord Ramush Haradinaj hat in Peja nicht mehr das Sagen. Peja liegt unter den Bergen, auf denen jetzt im Oktober schon zwischen orangebraunen Bäumen der Schnee liegt. In der kosovarischen Stadt sitzen die Leute aber noch gerne draußen im Café. In Peja ist es in den letzten Jahren ruhiger geworden, die Stadt in der Region Dukagjini galt noch bis vor kurzem als Hochburg der Kriminalität. Seit zwei Jahren ist Bürgermeister Gazmend Muhaxheri, der der Regierungspartei LDK angehört, hier im Amt. Die ehemaligen Kämpfer der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK, die sich später in der Partei AAK wiederfanden, haben in Dukagjini einiges an Einfluss eingebüßt. Die AAK boykottiert seit Wochen die Parlamentsarbeit mit Tränengas, weil sie gegen zwei Abkommen der Regierung ist. Bürgermeister Muhaxheri sieht darin vor allem ein Zeichen für ihren Machtverfall. Denn wer nicht in der Regierung sitze, komme weniger leicht an öffentliche Gelder heran. AAK-Chef Ramush Haradinaj und seine Leute würden noch immer Geld mit Benzin und Glücksspiel machen. Aber heute brauchen die USA ihn nicht mehr, weil es eine große Koalition gibt. Muhaxheri denkt aber, dass die alten Strukturen noch immer gefährlich sein können, vor allem, weil sie jetzt Macht und Geld verlieren. Haradinaj war eine der führenden Figuren der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK in der Region Dukagjini im Westkosovo. Die USA setzten im Krieg im Jahr 1999 auf ihn, weil er als einer der Warlords galt, die in der Lage waren, für Stabilität zu sorgen. Zwei seiner Brüder, Luan Haradinaj und Shkellzen Haradinaj, wurden von serbischen Einheiten getötet. Nach dem Krieg kam es zu Abrechnungen zwischen der UÇK und der Fark, einer anderen bewaffneten Gruppe, die der Demokratischen Liga des Kosovo (LDK) nahestand. Es gab fünf bis sechs Exekutivkomitees, die beauftragt waren zu säubern, sagt Bürgermeister Muhaxheri. Im Rahmen dieser Abrechnungen gab es eine Fehde zwischen der Familie Haradinaj (UÇK) und der Familie Musaj (Fark). Bei einer Schießerei im Rahmen dieser Fehde im Jahr 2000 wurde Ramush Haradinaj verletzt und ins US-Camp Bondsteel ausgeflogen. In diesen Jahren nach dem Krieg wurden zahlreiche Fark-Leute ermordet. Darunter auch Sinan Musaj, ein Mitglied des Musaj-Clans. Ramush Haradinajs Bruder Daut wurde 2002 wegen dieses Mordes und drei weiterer verurteilt. Doch nicht nur Mitglieder der Fark fanden den Tod, sondern auch solche, die bereit waren, als Zeugen in solchen Mordfällen auszusagen. Tahir Zemaj sollte der Hauptzeuge gegen Daut Haradinaj sein. Er und sein Sohn Enis und sein Neffe Hysen wurden im Jänner 2003 auf offener Straße ermordet. Dann kamen jene dran, die versuchten, das zu untersuchen. Im November 2003 wurden die Polizisten Sebahate Tolaj und Isuf Haklaj auf dem Weg zur Arbeit getötet. Sie waren Teil der Untersuchungseinheit zur Aufklärung schwerer Verbrechen. Das Problem war damals, dass die UN-Verwaltung Unmik korrupt war. Sie hat sich nicht für die Sicherheit der hiesigen Polizei interessiert, nur für die eigenen Leute, sagt Muhaxheri dem STANDARD. Die Morde und Abrechnungen seien dann 2003 beziehungsweise 2004 gestoppt worden, weil die AAK, deren Chef Haradinaj ist, Teil der Regierung wurde und Ramush Haradinaj selbst Premier. Bloß im Jahr 2005 wurde noch ein weiterer Bruder von Ramush, Enver Haradinaj, im Auto erschossen. Ebenfalls 2005 musste Haradinaj selbst ins Gefängnis nach Den Haag, wo ihm vor dem Jugoslawien-Tribunal wegen Kriegsverbrechen der Prozess gemacht wurde. Haradinaj wurde vorgeworfen, im Krieg Teil einer verbrecherischen Unternehmung gewesen zu sein, die zum Ziel hatte, totale Kontrolle über die Dukagjini-Region zu bekommen, indem Serben, aber auch Roma, Ägypter und Albaner und andere Zivilisten, die unter Verdacht standen, mit Serbien zu kollaborieren, weggebracht oder misshandelt wurden. Insbesondere Serben wurden ab 1998 von der UÇK aus ihren Dörfern vertrieben. Das Gericht hielt fest, wie schwierig es gewesen sei, Zeugen zum Sprechen zu bringen. Man habe den starken Eindruck erhalten, dass die Zeugen sich unsicher fühlten. Sieben Morde wurden in dem Verfahren der UÇK nachgewiesen. Doch man konnte Haradinaj nicht nachweisen, dass es eine gemeinsame vorsätzliche Bildung einer verbrecherischen Unternehmung gegeben hatte, und er wurde 2008 freigesprochen. Zumindest ein Zeuge starb unter mysteriösen Umständen. Das Verfahren wurde nochmals aufgerollt, aber Haradinaj 2012 erneut aus Mangel an Beweisen freigesprochen. Jüngst tauchte der Name Haradinaj wieder auf, als es im Mai zu Feuergefechten zwischen albanischen Kämpfern und der Polizei in der mazedonischen Stadt Kumanovo kam. Zwei der Kämpfer, die bei der Schießerei starben, hatten für die Haradinajs gearbeitet: Mirsad Ndrecaj und Beg Rizaj. Von beiden gibt es Fotos gemeinsam mit Haradinaj. Rizaj war sein Bodyguard. Muhaxheri glaubt, dass es noch etwa 20 Jahre dauern wird, bis die alten UÇK-Kader aus der Politik verschwunden sind. Die sind ja im Staat installiert, sagt er zum STANDARD. Zu den alten Kadern gehören auch noch Mitglieder der Regierungspartei PDK von Hashim Thaçi. Fatmir Limaj, der lange Zeit so etwas wie die rechte Hand von PDK-Chef Thaçi war, hat zwar mittlerweile seine eigene Partei, die ebenfalls das Parlament boykottiert, weiß aber sehr viel über die PDK. Thaçi selbst hat in den vergangenen Jahren zwar versucht, in der Partei die ehemaligen Mitglieder der Shik, des Geheimdiensts währendes Krieges, an den Rand zu drängen. Aber der Machtkampf in der PDK zwischen den alten UÇK-Kadern und jungen, progressiven Kräften geht weiter. Ich habe Angst, dass einige von den alten Kadern in der PDK die andere Seite nun zu Fall bringen, sagt Muhaxheri. So gesehen sind der gesamte Parlamentsboykott und die Krise im Kosovo auch als Machtkampf innerhalb der Regierungspartei zu verstehen. Nach Tränengasattacke im Parlament. Pristina – Nach der neuerlichen Tränengasattacke im kosovarischen Parlament sind am Montag in Prishtina weitere zwei Oppositionsabgeordnete festgenommen worden. Die Parlamentarier der nationalistischen Bewegung Vetevendosje, Haxhi Shala und Ismajl Kurteshi, hatten zuvor durch den Einsatz von Tränengas versucht, eine Parlamentssitzung zu verhindern. Die Sitzung des Parlaments wurde daraufhin unter Ausschluss der Opposition abgehalten. Die drei führenden Oppositionsparteien, Vetevendosje (Selbstbestimmung), Allianz für die Zukunft (AAK) und Nisma (Initiative) blockieren seit Wochen das Parlament, um die Umsetzung der zwischen Serbien und dem Kosovo erzielten Vereinbarung, wonach der serbischen Minderheit mehr Rechte zugestanden werden, zu verhindern. Am Samstag war bereits der frühere Vetevendosje-Chef Albin Kurti festgenommen worden, einige Tage zuvor auch die Klubchefin der Allianz für die Zukunft, Donika Kadaj-Bujupi. Über beide wurde eine 30-tägige Haft verhängt. Nationalistische Bewegung protestiert gegen die geplante Bildung einer Serben-Gemeinschaft. Prishtina – Tausende Regierungsgegner haben am Samstag im Kosovo gegen ein von der EU vermitteltes Abkommen zur Normalisierung der Beziehungen zu Serbien protestiert. Einige Demonstranten griffen die Polizei im Zentrum der Hauptstadt Prishtina (Pristina) mit Brandsätzen und Steinen an. Mehrere Fensterscheiben des Regierungssitzes gingen zu Bruch, zudem brach ein Feuer in dem Gebäude aus. Die Sicherheitskräfte feuerten Tränengas auf die Demonstranten ab. Zu den Ausschreitungen war es nach dem Abschluss einer von drei führenden Oppositionsparteien im Stadtzentrum abgehaltenen Protestveranstaltung gekommen. Die Opposition läuft Sturm gegen das Vorhaben, der serbischen Minderheit im Kosovo mehr Rechte zuzugestehen. Auch die Beilegung eines Grenzstreits mit dem benachbarten Montenegro lehnt die Opposition mit der Begründung ab, damit seien Gebietsverluste verbunden. Der Oppositionspolitiker Fatmir Limaj von der Partei Initiative für das Kosovo warf der Regierung vor, sie setze die Souveränität des Kosovos aufs Spiel, und forderte Neuwahlen. Die Opposition blockiert seit Wochen zudem immer wieder Parlamentssitzungen mit Tränengas, Eierwürfen und Pfeifkonzerten. Das Kosovo hatte sich 2008 einseitig für unabhängig von Serbien erklärt. Die serbische Regierung und die Kosovo-Serben erkennen die Unabhängigkeit aber nicht an. Eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Pristina und Belgrad ist aber Voraussetzung für den von Serbien gewünschten Beitritt zur Europäischen Union. Auch die Kosovo-Regierung strebt die Aufnahme in die EU an. EU und USA pumpen hunderte Millionen in Europas jüngsten Staat, vermissen aber Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Etwa 70 Millionen Euro zahlt die EU jedes Jahr an den Kosovo, Sonderzahlungen wie die 38 Millionen, die kürzlich für die Ankurbelung der Wirtschaft im strukturschwachen Norden ausgegeben wurden, nicht eingerechnet. Aus den USA kommen etwa 20 Millionen im Jahr dazu, erklärt Samuel Zbogar, Sonderbeauftragter der Europäischen Union und Leiter des EU-Büros in Europas jüngstem Staat, gegenüber dem STANDARD: Diese Unterstützung ist weltweit ohne vergleichbares Beispiel. Doch trotz der Investitionen, die seit der Unabhängigkeitserklärung vor acht Jahren fließen, ist die Wirtschaftslage des Kosovo weiter trostlos: Die Arbeitslosigkeit lag laut aktuellem EU-Jahresbericht im Jahr 2014 über 35 Prozent, 61 Prozent der 15- bis 24-Jährigen waren demnach ohne Beschäftigung. Schätzungen gehen von bis zu 70 Prozent Jugendarbeitslosigkeit aus. Auf dem Weg vom Flughafen ins Zentrum der Hauptstadt Prishtina ist ein Granit- und Marmorexportunternehmen zu sehen, ansonsten besteht die Wirtschaft augenscheinlich aus Autowerkstätten, Gebrauchtwagenhändlern, Autowäschern und Bauunternehmen. Große Hoffnungen setzt die Regierung in den Ausbau der Landwirtschaft sowie in Auslandsinvestitionen. So will ein französisches Konsortium das Skigebiet Brezovica reaktivieren, indem es in den nächsten 17 Jahren 410 Millionen dort investiert. Türkische Unternehmer haben kürzlich die stillgelegte Förderbandfabrik in Suhareka, den größten Industriebetrieb des Landes, erworben. Wann die Produktion wieder aufgenommen wird, können Vertreter der Kosovo-Handelskammer nicht sagen. Im Winter 2014/15 machten sich fast fünf Prozent der Bevölkerung mithilfe von Schleppern und über die grüne Grenze auf den Weg nach Deutschland: der Beginn der Balkanroute, über die heute Flüchtlinge nach Europa strömen. Genaue Zahlen sind schwer zu finden. Dass es 100.000 der 1,8 Millionen Kosovaren gewesen seien, die in der Hoffnung auf Asyl und Arbeit nach Mitteleuropa wollten, bestreitet EU-Integrationsminister Bekim Çollaku: Höchstens 70.000 hätten versucht, das Land zu verlassen. Dass mittlerweile viele zurückgekehrt sind, sei nicht auf die von Deutschland und Österreich geschalteten Inserate zurückzuführen, die von einer illegalen Einreise abrieten, sondern auf die die Bemühungen seiner Regierung. Diese habe den Auswanderungswilligen empfohlen, doch auf die versprochene Visa-Liberalisierung zu warten, statt ein Einreiseverbot zu riskieren. Wenn die Visapflicht allerdings nicht heuer wegfällt, werden nicht 100.000, sondern 200.000 Kosovaren an der EU-Grenze stehen, sagt Çollaku, bevor er sich von der Pressedelegation verabschiedet: Er hat einen Termin beim EU-Sonderbeauftragten Zbogar. Der Vertreter der Union, dessen vierjähriges Mandat demnächst abläuft, erklärt, dass der Kosovo einen Großteil der von der EU gestellten Bedingungen erfüllt hat. Probleme gebe es allerdings noch mit Korruption auf hoher Ebene und bei der Definition der Grenze zum Nachbarland Montenegro. Die Einrichtung eines Sondergerichts zu Kriegsverbrechen in Den Haag, der die Regierung in Prishtina nach langen Verhandlungen zustimmte, sieht Zbogar als Erfolg: Wir und die USA haben sie ersucht, das zu tun, und sie haben keine anderen Freunde. Das Tribunal soll zu Vorwürfen gegen Mitglieder der ehemaligen UÇK-Guerilla ermitteln, die von der Misshandlung Kriegsgefangener bis zu angeblichem Organhandel reichen. Derzeit verfolgen 1.600 von der EU bezahlte Polizisten und Juristen im Kosovo Kriminelle. Ob die örtliche Justiz nach dem Auslaufen des Eulex-Mandats im Juni diese Aufgabe übernehmen kann, ist unsicher: Von hohen EU-Vertretern hört man, dass Kriegsverbrecher wie Sami Lushtaku, der zu zwölf Jahren Haft verurteilt wurde, auf offener Straße spazierengehen, sieben Bürgermeister, denen Amtsmissbrauch vorgeworfen wird, weigerten sich zurückzutreten. Regelmäßig übten Politiker Druck auf Gerichte aus, nicht gegen Helden des Unabhängigkeitskampfs gegen Serbien vorzugehen. Den EU-Vertretern stößt übel auf, dass die Eulex Amtsträger wie den Bürgermeister von Prizren, der zweitgrößten Stadt des Landes, verurteilt, die zweite Instanz, die mit kosovarischen Richtern besetzt ist, diese Urteile dann aber wieder aufhebt. Kurz vor den Feierlichkeiten zum achten Jahrestag der Unabhängigkeit Mitte Februar sprachen EU-Vertreter offene Drohungen aus: Die französische Botschafterin erklärte, es werde keine EU-Integration geben, solange die Korruption nicht abnehme, ihre deutsche Amtskollegin bezeichnete den Kampf gegen organisierte Kriminalität als ungenügend, und der US-Vertreter drohte an, er werde Politikern und Beamten, die ihre Ämter missbrauchen, nicht mehr die Hand geben. Medien: Ehemaliger UNMIK-Chef Kouchner als möglicher Zeuge genannt. Prishtina – Der Ende Februar zum neuen Präsidenten des Kosovo gewählte derzeitige Außenminister Hashim Thaçi muss sich noch vor seinem Amtsantritt Anfang April mit schweren Vorwürfen auseinandersetzen. Der ehemalige Spitzenfunktionär der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK) dürfte sich mit einer Kriegsverbrecheranklage auseinandersetzen, spekulieren Medien in Prishtina unter Berufung auf einen westlichen Diplomaten. Genannt wird auch ein potenzieller Zeuge – der ehemalige erste Unmik-Chef Bernard Kouchner (1999 bis 2001). In der Vergangenheit hatte der französische Politiker bereits wiederholt Vorwürfe zurückgewiesen, dass er UÇK-Spitzenfunktionäre vor Bestrafung geschützt hatte. Vor dem Sondertribunal für Kriegsverbrechen von Kosovo-Albanern während des Krieges (1998 bis 2000) sollen jüngsten Ankündigungen zufolge im September erste Anklagen erhoben werden. Chefankläger David Schwendiman ließ in der Vorwoche wissen, dass Thaçi keine Immunität genießen würde. Verdacht auf Organhandel Das Kosovo-Sondertribunal soll sich unter anderem mit dem mutmaßlichen Organhandel während des Krieges befassen, dessen die Drenica-Gruppe, deren Anführer Thaçi war, verdächtigt wird. In einem dazu im Jahr 2010 angefertigten Bericht des damaligen Schweizer Europarats-Sonderermittlers Dick Marty wurde Thaçi allerdings nicht mit Organhandel in Verbindung gebracht, dafür aber einige seiner engsten Mitarbeiter. Führende kosovarische Oppositionsparteien hatten die Bemühungen Thaçis um das Präsidentenamt als Versuch gedeutet, sich vor dem Sondertribunal zu schützen. Die Opposition hat die Wahl Thaçi auch vor dem Verfassungsgericht angefochten. Eine Entscheidung steht noch aus. Sorgen bei Minderheitenvertretern – Kaum Überraschungen in Regierungserklärung von neuem Ministerpräsidenten Maris Kucinskis. Riga – Die am Donnerstag vom Parlament in Riga abgesegnete Neuauflage der Rechtskoalition in Lettland will an den Hauptpunkten ihrer bisherigen Politik festhalten. Sorgen bereiten der russischsprachigen Bevölkerung allerdings einige im Regierungsprogramm enthaltenen Punkte zur Schulreform. Demnach soll künftig an bisher vorwiegend russischsprachigen Schulen Lettisch zur alleinigen Unterrichtssprache werden. Darüber hinaus plant die neue Regierung, Dutzende Schulen zu schließen beziehungsweise zusammenzulegen. Auch diese Maßnahme dürfte zu Lasten kleinerer Schulen in Regionen gehen, wo Russischsprachige die Mehrheit stellen. Die meisten dieser Gebiete liegen im Südosten des Landes. Während Minderheitengruppen wie das Hauptquartier zum Schutz russischsprachiger Minderheiten bereits Widerstand gegen die Regierungspläne ankündigten, war die größte Oppositionspartei im lettischen Parlament, die von der russischsprachigen Bevölkerung getragene Harmonie (Sozialdemokraten), zunächst bemüht, die Wogen zu glätten. Einer ihrer Repräsentanten verwies zunächst lediglich darauf, dass das Koalitionsprogramm eine unscharfe politische Zielsetzung enthalte. Außer den Schulreformplänen will die neue Regierung in Riga, die sich von der bisherigen hauptsächlich durch den Führungswechsel von den Konservativen zur Partei Grüne/Bauernunion und deren Kandidaten Māris Kučinskis als neuem Regierungschef unterscheidet, an der strikten Ablehnung einer europäischen Flüchtlingsquote festhalten. Das beinhaltet die Weigerung, mehr als die schon zugesagten 776 Flüchtlinge aus anderen EU-Ländern aufzunehmen. Diese Linie ist in dem baltischen EU-Staat weit weniger umstritten als die Sprachenfrage. Die strikte Flüchtlingspolitik wird laut Umfragen von weiten Teilen der Bevölkerung mitgetragen. Insgesamt wartete die Regierungserklärung nur mit wenigen Überraschungen auf. Die Erhöhung des Etats für die Armee und die Verstärkung der Militärpräsenz an der Grenze zu Russland waren bereits unter der Anfang Dezember zurückgetretenen konservativen Regierungschefin Laimdota Straujuma beschlossen worden. Kucinskis sagte im Parlament am Donnerstag, das Land könne sich in der derzeitigen Situation keine Turbulenzen und keinen Stillstand leisten. Als Prioritäten seines Kabinetts nannte er neben der Stärkung Wirtschaft, nationaler Sicherheit und Identität sowie der geplanten Schul- und Sozialreform auch die Verbesserung der demographischen Situation. Lettland hat heute weniger als zwei Millionen Einwohner. Vor 15 Jahren waren es noch 2,5 Millionen gewesen. Viele Auswanderer aus dem Baltikum verdienen ihr Geld in Ländern wie Deutschland, Irland und Großbritannien. (Andreas Stangl, 11.2.2016 Mehr als drei Viertel gegen Stimmrecht für Nicht-Staatsbürger. Luxemburg - Im Großherzogtum Luxemburg wird kein Ausländerwahlrecht bei nationalen Wahlen eingeführt. Die Luxemburger lehnten am Sonntag bei einem Referendum mit 78 Prozent Nein-Stimmen einen entsprechenden Vorschlag der Regierung von Premierminister Xavier Bettel ab. Dies bedeutet, dass Ausländer auch weiterhin in keinem EU-Land an nationalen Parlamentswahlen teilnehmen dürfen. Die Luxemburger sprachen sich auch mit fast 81 Prozent dagegen aus, das Wahlalter von 18 auf 16 Jahre herabzusetzen. Auch mit dem Vorschlag, die Amtszeit von Ministern auf zehn Jahre zu begrenzen, hatte Bettel keinen Erfolg: Nur gut 30 Prozent waren dafür. Die Bürger haben drei klare Antworten gegeben und die respektieren wir auch, sagte Bettel nach Bekanntgabe des Ergebnisses. Der 42-jährige Liberale hatte das Einwohnerwahlrecht damit begründet, dass gut 45 Prozent der rund 550.000 Einwohner Luxemburgs Ausländer seien und ein Demokratiedefizit im zweitkleinsten Land der EU vermieden werden müsse. Das Einwohnerwahlrecht sollte nur für jene Ausländer gelten, die länger als zehn Jahre in Luxemburg wohnen und zuvor schon an kommunal- oder Europawahlen teilgenommen haben. Die Regierung aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen wollte jene Reformen, die die Zustimmung der Bürger gefunden hätten, in eine neue Verfassung einarbeiten. Diese soll 2017 bei einem erneuten Referendum beschlossen werden. Die oppositionelle Christlich-Soziale Volkspartei (CSV) zeigte sich zufrieden mit dem Votum. Wenn Bettel ein Ehrgefühl hätte und den Willen des Volkes respektierte, dann würde er noch heute Abend seinen Rücktritt erklären, schrieb der frühere Parteivorsitzende Michel Wolter auf Twitter. Bettel lehnte einen Rücktritt ab: Im Referendum geht es nicht darum, der Regierung eins auszuwischen, sondern den Bürgern die Möglichkeit zu geben, sich selbst zu positionieren. Die Ablehnung der Bürger fiel deutlich härter als erwartet aus. Bei einer repräsentativen Umfrage vor der Wahl hatten nur 53 Prozent gesagt, dass sie das Ausländerwahlrecht ablehnten. Der Premier hatte vor dem Referendum der Deutschen Presse-Agentur gesagt: Im Moment haben wir mit dem Referendum schon gewonnen, egal was das Resultat ist: Wir haben es fertiggebracht, dass wieder über Politik zusammen geredet wird. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Parlament, Alex Bodry, zeigte sich enttäuscht: Das Ergebnis ist eindeutig, das müssen wir zur Kenntnis nehmen. Am Verfassungsreferendum von 2017, wo es auch um andere Fragen geht, wolle die Regierung aber festhalten. Zur Volksabstimmung waren 245.000 Luxemburger aufgerufen. Im Großherzogtum herrscht Wahlpflicht, daher lag die Wahlbeteiligung bei deutlich mehr als 80 Prozent. 'Die türkische Nationalmannschaft ist nicht schlecht in Form, nur der Plan fehlt halt. Istanbul – Wenn die Partie in Antalya am Gründonnerstag irgendetwas über den Ölstand im Getriebe der türkischen Nationalelf vor dem EM-Aufwärmmatch gegen Österreich etwas sagt, dann das: Kaltstart gibt es nicht, aber wie geschmiert läuft es im Team von Fatih Terim dann doch wieder nicht. Beim 2:1 (Cenk Tosun erzielte beide Tore) gegen Schweden (ohne Zlatan Ibrahimovic) gab es viel Gestochere, wenige starke Spielzüge. Der geneigte Autofahrer weiß aus der Werbung: Je höher der Anteil der Additive beim Öl, desto besser die Qualität. Trainer Terim tut sich allerdings seit Jahren schwer, eine wirklich schlagkräftige Mannschaft zusammenzubauen. Zwischen Arda Turan, dem Kapitän und Star des Teams, und Volkan Demirel, dem wandelnden Haftkleber im Tor, liegt ein weites Feld der Unbeständigkeit. Die Verteidigung gilt als problematisch, ein Stürmer von internationalem Format fehlt, und Ex-Nationaltorwart Demirel ist selbst ein Epos – außerordentlich erfolgreich, aber ebenso impulsiv. Terim ersetzte ihn nach dem Eklat beim Kasachstan-Spiel vor zwei Jahren durch den jüngeren, sehr viel verträglicheren Volkan Babacan 'Vor den Krisengesprächen zu Mazedonien sagt DUI-Chef Ali Ahmeti, dass die Beziehungen zu den Nachbarn besser werden müssen. STANDARD: Sind Sie wie die Sozialdemokraten dafür, dass es eine Übergangsregierung gibt? Ahmeti: Ich kann nicht im Voraus sagen, ob wir eine Übergangsregierung haben werden. Die Themen der Vereinbarung von vergangener Woche sind, die Wahllisten in Ordnung zu bringen, Reformen in der Justiz, die euro-atlantische Integration voranzutreiben, die Beziehungen zu den Nachbarstaaten und die interethnischen Beziehungen zu verbessern. STANDARD: Sie waren immer dafür, dass Mazedonien der EU und der Nato beitritt. Nehmen Sie die Regierungspartei VMRO-DPMNE ernst, die das offiziell auch will, wenn sie gleichzeitig einen prorussischen Kurs eingeschlagen hat? Ahmeti: Ich möchte nicht auf diese konspirativen Spekulationen eingehen. Ich kann Ihnen versichern, dass es einen politischen Konsens im Land gibt, dass unsere Zukunft die EU und die Nato sind. Ob es auch geheime Verhandlungen gibt oder nicht, steht nicht auf unserer Agenda. STANDARD: Es geht hier auch nicht um Konspirationen, sondern um Interessen, etwa die Pipeline Turkish Stream für russisches Gas, die die mazedonische Regierung unterstützt hat. Ahmeti: Unser Interesse ist die Nato-Allianz Neun Festnahmen mutmaßlicher IS-Mitglieder bei Razzien in mazedonischen Städten. Skopje – Die Polizei hat in Mazedonien neun Personen festgenommen, die verdächtigt werden, Verbindungen mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu unterhalten. Laut dem mazedonischen Innenministerium fanden die Razzien vergangene Woche in Häusern und Moscheen in Skopje, Tetovo, Struga, Kumanovo und Gostivar statt. Die Festgenommenen werden verdächtigt, Kämpfer für Syrien und den Irak zu rekrutieren. 27 Personen, die weiterhin gesucht werden, werden bereits im Ausland vermutet. Einer der Festgenommenen ist ein selbst ernannter Imam namens Rexhep M., der sich außerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft bewegt. Innenminister Mitko Cavkov bezeichnete ihn als den wichtigsten ideologischen Führer der Islamisten. Gegen 36 Mazedonier, die verdächtigt werden, in anderen Staaten gekämpft zu haben, soll rechtlich vorgegangen werden. Nach mazedonischem Recht ist sowohl der Kampf im Ausland als auch das Rekrutieren von Kämpfern verboten. Die Behörden in Mazedonien arbeiten laut eigenen Angaben eng mit den österreichischen Behörden zusammen. Bei der Razzia gegen Islamisten in Österreich war im Vorjahr in Graz auch ein mazedonischer Staatsbürger festgenommen worden. Razzia gegen Helfer bei blutigen Zusammenstößen in Kumanovo im Mai. Skopje – Fünf Monate nach den blutigen Zusammenstößen zwischen einer bewaffneten Albanergruppe und der Polizei in der nordmazedonischen Kleinstadt Kumanovo hat die Polizei am Donnerstag eine umfangreiche Aktion gegen Helfer der Gruppe gestartet. Mehre Personen wurden laut Medienberichten festgenommen, ihre genaue Zahl war zunächst nicht bekannt. Die Polizeiaktion, bei der auch Hubschrauber zum Einsatz kamen, wurde in den Siedlungen um Kumanovo sowie um die Hauptstadt Skopje durchgeführt. Während der zweitägigen Zusammenstößen in Kumanovo waren am 9. und 10. Mai 18 Personen, darunter acht Polizisten, ums Leben gekommen, weitere 30 Ordnungshüter wurden verletzt. Etwa 30 Mitglieder der bewaffneten Gruppe – mehrere stammten aus dem Kosovo – hatten sich der Polizei gestellt. Der Hintergrund der Ereignisse von Kumanovo wurde bis dato nicht aufgeklärt. Übergangsregierung soll vorzeitige Parlamentswahlen vorbereiten. Skopje – Das Balkanland Mazedonien erhält eine Übergangsregierung, die vorzeitige Parlamentswahlen vorbereiten soll. Er werde bis Mitte Jänner zurücktreten und damit eine neue technische Regierung ermöglichen, sagte der seit 2006 amtierende Regierungschef Nikola Gruevski am Sonntag in der Hauptstadt Skopje. Er werde damit seine Zusage vom vergangenen Sommer einhalten und Wahlen im kommenden April zulassen. Die Übergangsregierung ist Teil eines von der EU im letzten Sommer vermittelten Abkommens zwischen den tief zerstrittenen Regierungs- und Oppositionslagern. Damit soll die fast einjährige innenpolitische Krise beendet werden. Die Opposition hatte über Monate abgehörte Telefonate von Gruevski und führenden Mitarbeitern veröffentlicht, mit denen großangelegte Korruption bewiesen werden sollte. Gruevski hatte die Telefongespräche als illegale Machwerke eines nicht näher bezeichneten ausländischen Geheimdienstes bezeichnet. Der Rücktritt des Langzeitpremiers nach dem Abhörskandal soll einen Neustart für das Land bringen. Skopje – Nach dem Rücktritt des mazedonischen Langzeitpremiers Nikola Gruevski am Donnerstag wird Emil Dimitriev Übergangspremier. Seine Übergangsregierung soll die vorgezogenen Parlamentswahlen am 24. April vorbereiten. Der 37-jährige Dimitriev ist Generalsekretär der regierenden nationalkonservativen Partei VMRO-DPMNE und hat dieses Amt seit 2013 inne. Der Soziologe war zuvor stellvertretender Verteidigungsminister gewesen. Mit den vorgezogenen Parlamentswahlen, über die sich die führenden Parteien im vergangenen Sommer geeinigt hatten, soll die tiefe politische Krise im Balkanland überwunden werden. Die Krise hält seit der letzten Parlamentswahl im April 2014 an. Zunächst ging es um den Vorwurf von Wahlmanipulationen. Im Vorjahr spitzte sie sich zu, nachdem die führende Oppositionspartei, der Sozialdemokratische Bund (SDSM), Aufnahmen präsentierte, welche die illegale Abhörung von mehr als 20.000 Bürgern, darunter Journalisten, belegen sollten. Damit befasst sich derzeit eine Sonderstaatsanwältin. Inszenierte Streitereien dominieren vor den Wahlen am 5. Juni. Skopje/Tirana – Als Mitte Februar das Adler-Monument in Skopje eingeweiht wurde, mussten natürlich die albanischen Schüler alle erscheinen. Die Schulen wurden geschlossen. Die Partei rief. Denn nicht nur die slawischen Mazedonier, sondern auch die Albaner wissen, dass es in dem semi-autoritären Staat gefährlich sein kann, wenn man nicht gehorcht, wenn die Politiker appellieren. Der schwarze Adler glänzte also auf der Blumeninsel im Kreisverkehr in dem Viertel Cair, das hauptsächlich von Albanern bewohnt wird. Und der Chef der größten Albaner-Partei DUI, Ali Ahmeti, machte Werbung – hauptsächlich für sich selbst. Denn am 5. Juni finden Wahlen statt. Monumente, die nationalistisch aufgeladen werden, sind seit Jahren der Renner in Skopje. Auf der einen Seite des Vardar, wo hauptsächlich slawische Mazedonier leben, hat die Regierungspartei die ganze Innenstadt mit Nationalhelden-Statuen vollgestellt. Auf der anderen Seite gibt es für die Albaner bislang nur ein Skenderbegh-Monument – und jetzt auch den Adler. Der hat allerdings eine UÇK-Plakette unter seinen Krallen. Die Nationale Befreiungsarmee (UÇK) führte im Jahr 2001 einen bewaffneten Aufstand an. Dieser UÇK-Adler ist also extrem nationalistisch aufgeladen. Die Reaktion auf die Adler-Einweihung folgte. Die nationalistisch-slawische Partei VMRO-DPMNE will nun ein Kreuz in der Nähe des Adlers aufstellen, obwohl bereits ein Riesenkreuz, das die Orthodoxie repräsentiert, auf dem Berg oberhalb der Stadt leuchtet. Die allermeisten Albaner in Skopje sind Muslime. Nun haben Anhänger der Albaner-Partei DUI den Sockel für das geplante zweite Kreuz demoliert. Westliche Medien berichteten von drohenden ethnischen Spannungen. In der banalen Realität geht es aber um Parteitaktik. Das Spielen mit dem Adler und dem Kreuz ist vor den Wahlen immer wieder ein Thema, sagt der Philologe Izer Maksuti. Das hat nichts mit ethnischen Spannungen zu tun, sondern damit, dass die zwei Parteien Nationalismus stiften. Die Mehrheit der Bürger würden dieses Spiel aber verstehen. Das gemeinsame Elend verbindet uns ja, meint Maksuti. Die Instrumentalisierung des schwarzen Adlers für nationalistisch-albanische Zwecke und als Abgrenzung zu den orthodoxen Mazedoniern ist ohnehin völlig absurd. Denn der Adler ist nichts anderes als der byzantinische Reichsadler, also ein Symbol der Orthodoxie, wie der Historiker Jens-Oliver Schmitt erklärt. Dieser wurde im Kampf gegen die Osmanen im 15. Jahrhundert verwendet. Erst ab Ende des 19. Jahrhunderts, vor der Nationalstaatswerdung von Albanien, wurde der Adler als Nationalzeichen für die Albaner reaktiviert. Eigentlich müssten sich die Mazedonier bedanken, dass die Albaner jetzt orthodoxe Propaganda machen, scherzt Schmitt. Auch in Albanien und im Kosovo werden mehr Adler-Monumente aufgestellt. Manche fragen sich bereits, wo sich die Adler-Fabrik befindet. Sicher in Elbasan, meinte kürzlich ein Bekannter. Denn dort ist die Luftverschmutzung so groß, und der Adler ist deshalb doppelköpfig geworden, weil er in Elbasan nach links und nach rechts husten muss. Bei Protesten in Bitola wurden am Sonntagabend zehn Demonstranten und vier Polizisten verletzt. Das Land steckt seit April 2014 in einer tiefen politischen Krise. Skopje – Die Proteste gegen die Entscheidung des mazedonischen Präsidenten Gjorge Ivanov über die Politiker-Amnestie dürften nach einem in Skopje ruhig verlaufenen Sonntag einen neuen Aufschwung erhalten. Der Bürgerverband Protestiram (Ich protestiere) kündigte für Montag in der Hauptstadt und zum ersten Mal auch in Stip und Kumanovo neue Demonstrationen an. Gefordert wird der Rücktritt des Staatschefs. In Bitola, wo seit Tagen Proteste anhalten, kam es am Sonntagabend zu einer gewaltsamen Auseinandersetzung zwischen Demonstranten und der Polizei. Zehn Demonstranten und vier Polizisten wurden laut Medienberichten verletzt. Demonstriert wurde auch in Veles. Mazedonien steckt seit den vorgezogenen Parlamentswahlen im April 2014 in einer tiefen politischen Krise. Sie hatte sich Anfang des Vorjahres zugespitzt, als die Opposition Tonbandaufnahmen präsentierte, die von einem gesetzwidrigen Abhören von mehr als 20.000 Bürgern zeugten. Ivanov hatte vergangene Woche 56 Politiker amnestiert, die in den Korruptions- und Abhörskandal verwickelt sein sollen, und goss damit erneut Öl ins Feuer. Die unter der EU-Vermittlung im Sommer 2015 erzielte Vereinbarung der vier führenden Parteien zur Lösung der politischen Krise, die unter anderem die Abhaltung von Neuwahlen am 24. April vorsah, ist vor dem Scheitern. Die Wahlen wurden in der Vorwoche für den 5. Juni ausgeschrieben. Die Opposition hatte allerdings ihren Boykott angekündigt. Gemäß einer Meinungsumfrage würde dieser derzeit von rund 53 Prozent der Bürger unterstützt. Durch die Entscheidung Ivanovs ist die Arbeit der Sonderstaatsanwaltschaft, die seit September die politischen Affären untersucht, praktisch ausgesetzt. Bei der Staatskrise geht es nicht nur um einen Machtkampf, sondern auch um Einflusssphären der EU, der USA und Russlands. Zurzeit werfen die Leute in Skopje nicht mit Farbbeuteln, sondern schenken einander nur bunte Eier. Der Machtkampf in Mazedonien ist aber noch lange nicht zu Ende. Jetzt ist aber erst einmal Osterpause für die Orthodoxen. Mazedonien ist nicht nur innenpolitisch, sondern auch geopolitisch in einem Schwebezustand. Seit 2005 wird die Integration in die EU und Nato durch das griechische Veto wegen des Namensstreits verhindert, und seither oszilliert das Land zwischen westlichen und östlichen Interessen. Das merkt man auch in der aktuellen Staatskrise. Russland unterstützt das Anliegen der nationalkonservativen Regierungspartei VMRO-DPMNE, am 5. Juni Wahlen abzuhalten. Die EU und die USA wollen die Wahlen nun eher verschieben. Das wird wohl auch passieren, denn die sozialdemokratische Opposition kann innerhalb der Wahlkommission verhindern, dass die Wahllisten unterschrieben werden. Die USA unterstützen traditionell in der Region die Albaner – in Mazedonien etwa ein Viertel der Bevölkerung. Die größte albanische Partei DUI ist deshalb so etwas wie der Partner des Westens in der Regierung. Seit Präsident Gjorge Ivanov aber eine Amnestie für korruptionsverdächtige Politiker erlassen hat, ist die DUI zum entscheidenden Faktor geworden. Der Westen will, dass sie die Allianz mit der VMRO aufgibt. In Mazedonien geht es nicht nur um einen Wahltermin oder um die Zukunft von Parteien, sondern auch um Einflusssphären. Die USA locken mit einer Nato-Mitgliedschaft. Russland verdächtigt angesichts dessen hingegen den Westen, ein Ukraine-Szenario heraufzubeschwören. Fakt ist, dass die USA an der Seite der EU seit einem Jahr an den Vermittlungen mit den vier Parteichefs beteiligt sind. Als sich die Krise vor einem Jahr zuspitzte, meldete sich auch das russische Außenministerium zu Wort. Und als im April die Proteste – die sogenannte bunte Revolution – begannen, warnte Moskau: Die Verwendung des Ukrainischen Szenarios und Versuche, illegale Taten und einen Staatsstreich von außen zu befeuern, könnte zu schweren Erschütterungen in Mazedonien und einer Destabilisierung am Balkan führen. Das russische Außenamt kritisierte die Opposition, die zu einem Werkzeug geworden sei, einen internen Konflikt anzuzetteln, um die Wahlen am 5. Juni zu stören. Weiters forderte die russische Regierung die westlichen Partner auf, zu der Vereinbarung bezüglich der Wahlen zu stehen. Der russische Botschafter in Mazedonien, Oleg Schtscherbak warnte kürzlich in einem Interview mit Nova Makedonija davor, dass sich die EU und die USA über bestimmte Regeln hinaus engagierten. Alle Versuche, von außen Druck auszuüben – auch durch offene Manipulation der Zivilbewegung – kann zu desaströsen und unvorhersehbaren Konsequenzen führen, so Schtscherbak, der in dem Zusammenhang auch die Ukraine nannte. Es gebe zudem Beispiele, wo eine Amnestie Positives bewirkt habe, verteidigte er Ivanov. So etwa 1994 in Russland, als alle pardoniert waren, die wegen des Coups 1991 angeklagt waren. Russland reagiert schnell. Als die OSZE nun Unterstützung für die Zivilgesellschaft signalisierte, die auf die Straße geht, protestierten russische Vertreter sogar beim Generalsekretär. Die russischen Narrative von der Manipulation von außen ähneln stark der Rhetorik des Präsidenten selbst. In seiner Rede an die Bürger anlässlich der Amnestie, schrieb Ivanov, dass die Krise von jemandem anderen geschaffen wurde. Was in Mazedonien passiert ist, ist nicht unser Spiel. Es ist das Spiel von wem anderen, so der Staatsschef. Er mutmaßte, dass jemand Politiker in kriminelle Verfahren involvieren wolle. Er gehe aber davon aus, dass diese nicht schuldig seien, und er könne nicht erlauben, dass die Politiker erpresst würden. Ivanov hatte bereits im Jänner bei einer Rede die Einmischung von ausländischen Botschaften kritisiert, die zuerst die Krise geschaffen hätten und sich dann als Lösung präsentierten, indem sie eine illegale Staatsanwaltschaft schafften. Offensichtlich war ihm also schon seit langem die Intervention des Westens ein Dorn im Auge. Er meinte sogar, dass die von EU-Kommissar Johannes Hahn vermittelte Przino-Vereinbarung die Spannungen bloß erhöht habe. Weitere Schachzüge sind zu erwarten. So kann es durchaus sein, dass die Schaffung der Sonderstaatsanwaltschaft, die von der EU unterstützt wird, verfassungsrechtlich angefochten wird. Am Montag hat die neue albanische Partei Besa demonstriert – dem Jahrestag schwerer Schießereien in Mazedonien. Vor einem Jahr fanden in der mazedonischen Stadt Kumanovo bisher ungeklärte Schießereien zwischen albanischen Kriminellen (teils aus dem Kosovo) und Sicherheitskräften statt. Zehn Kriminelle und acht Polizisten wurden bei den Feuergefechten, die zwei Tage dauerten, getötet. Ein ganzes Stadtviertel wurde zerstört, die Menschen blieben schwer traumatisiert zurück. Der alten albanischen Partei DUI von Ali Ahmeti wird seither von vielen Albanern in Mazedonien vorgeworfen, dass sie die Zivilisten in Kumanovo nicht geschützt habe. Unter den mazedonischen Albanern – etwa ein Viertel der Bevölkerung – macht nun Besa von sich Reden. Besa heißt so viel wie Ehrenwort und geht auf das albanische Gewohnheitsrecht zurück, den Kanun. Die Partei wurde 2014 gegründet. Parteichef Bilal Kasami, der in der Hauptstadt Skopje in einem neuen Büro in der Nähe der Burgfestung residiert, definiert seine Partei als konservativ und wirtschaftsorientiert. Wer ihn unterstützt, kann er nicht sagen, weil die Geschäftsleute fürchten müssten, dass sie dadurch Schaden erlitten. Kasami ist überzeugt, dass er mit Steuerzahlungen bestraft wurde und sein Geschäft in Tetovo deshalb geschlossen wurde, weil er sich von der stärksten albanischen Partei DUI abgewandt hat. In ganz Südosteuropa fungieren Parteien hauptsächlich als Jobbeschaffer und Schutzherren für Geschäftsleute, verlangen aber Loyalität. Und oft missbrauchen sie staatliche Strukturen. Es gibt zu viel gegenseitige Beeinflussung von Parteien, Institutionen und dem Staat, meint Kasami zum STANDARD. Und vor allem haben wir keinen Rechtsstaat. Kasami hofft, dass seine Partei bei den Wahlen sogar die DUI überflügeln kann. Es muss aufhören, dass man für 1.000 Denar (etwa 16 Euro, Anm.) in Mazedonien irgendeine Partei wählt. Für die regierenden Parteien gibt es nur zwei Optionen: Entweder sie kommen wieder in die Regierung, oder sie kommen ins Gefängnis. Und wenn es einen Rechtsstaat gibt, dann kommen sie ins Gefängnis. Kasami fordert deshalb noch mehr Unterstützung der EU und der USA, damit der Demokratisierungsprozess vorangeht und tatsächlich freie Wahlen stattfinden können. Er überlegt, dass Besa mit anderen kleinen albanischen Parteien in einem Wahlbündnis antreten soll. Jedenfalls will er die oppositionellen Sozialdemokraten (SDSM) unterstützen und den Wählern damit im Vorfeld signalisieren, das man einen Machtwechsel anstrebt. Die bisherige Regierung bestand aus einer Koalition zwischen der nationalkonservativen mazedonischen VMRO-DPMNE und der albanischen Partei DUI. Besa setzt aber auch durchaus auf die nationale Karte. Wenn es um den Namensstreit geht – Griechenland blockiert deswegen Mazedoniens Aufnahme in die Nato und die EU –, will man dieses Thema nützen, um gleich die Verfassung zu ändern. Kasami: Der Staat muss neu definiert werden. Zurzeit ist Mazedonien ein Staat für die Mazedonier und die anderen, die hier leben. Aber ich will, dass die Albaner als konstituierendes Volk in der Verfassung genannt werden. Es gebe viele Albaner in Mazedonien, die nicht einmal die mazedonische Staatsbürgerschaft hätten, weil sie nicht Mazedonisch sprechen würden, meint der Politiker. Prinzipiell will Kasami aber weg vom Konzept der Ethno-Nationalität, die in Südosteuropa (mit Ausnahme Albaniens) das wichtigste Merkmal von Identität ist und damit in der täglichen Politik eine Rolle spielt wie sonst vielleicht nur noch bei den Basken in Spanien. Wir brauchen nicht nur, was die Religion betritt, Säkularismus, sondern auch ethnischen Säkularismus, so Kasami. Bisher seien die Verbindungen der Albaner zum Staat noch zu schwach. Doch wir haben ja keinen anderen Staat, Mazedonien ist unser Mutterland, und wir wollen hier integriert werden. Kasami sieht die Albaner in Mazedonien – trotz des Ohrid-Abkommens aus dem Jahr 2001, das den blutigen Konflikt beendete – als diskriminiert an. Er garantiert, dass in keinem Fall die Religion für politische Ziele missbraucht wird. Und er fordert auch gleiche Rechte für alle, die sich zu keiner Religion bekennen. In diversen Medien in Mazedonien wird seit Monaten gemunkelt, Besa werde von der türkischen Partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan unterstützt. Kasami weist das strikt zurück. Wir haben nur Unterstützung von den albanischen Migranten aus Deutschland, aus Österreich und der Schweiz. Die Diaspora ist nicht so unter Druck wie die Geschäftsleute hier, sagt er zum STANDARD. Zuvor hatte sich auch das Verfassungsgericht in die Konfliktlösung eingeschaltet. Skopje – Das mazedonische Parlament hat am Mittwochnachmittag mit einer klaren Mehrheit die für den 5. Juni einberufene vorgezogene Parlamentswahl erneut verschoben. Ein neuer Termin wurde nicht festgelegt. Eigentlich hat das Parlament mit 96 Stimmen eine Abänderung des Wahlgesetzes beschlossen. Der Beschluss beinhaltete auch die Wahlverschiebung. Die Parlamentssitzung wurde einberufen, nachdem sich am Vormittag in die Krisenlösung auch das Verfassungsgericht eingeschaltet hatte. Das Gericht soll sich nämlich zur Auflösung des Parlamentes am 7. April äußern. Dadurch wurden schon am Vormittag alle Wahlvorbereitungen vorübergehend gestoppt. Strittig für die führende Oppositionskraft, den Sozialdemokratischen Bund (SDSM) war allerdings eine weitere Parlamentsentscheidung. Auf Vorschlag des Premiers Emil Dimitriev wurden nämlich zwei Minister aus den SDSM-Reihen – Inneres und Arbeit – wieder durch die früheren Minister aus den Reihen der nationalkonservativen VMRO-DPMNE ersetzt. Dimitriev erläuterte den Vorschlag, wonach Mitko Cavkov und Dime Spasov wiederum zum Innenminister und Arbeitsminister werden sollten, mit der Wahlverschiebung. Die SDSM-Funktionäre – Oliver Spasovski (Inneres) und Frosina Remenski (Arbeitsministerium) – waren im Jänner in die Übergangsregierung aufgenommen worden, die eigentlich die Parlamentswahlen für den 24. April vorbereiten sollte. Der Termin wurde später auf 5. Juni verschoben. Die Rückkehr der früheren Minister dürfte bedeuten, dass die VMRO-DPMNE bemüht ist, die vorgezogene Parlamentswahl zu vermeiden. Die reguläre Wahl ist im April 2018 fällig. Wegen schwerer Korruptionsvorwürfe gegen Spitzenpolitiker und -beamte. Chisinau – Nach Massenprotesten einer Bürgerbewegung in der Ex-Sowjetrepublik Moldau haben Zehntausende prorussische Anhänger der Opposition den Rücktritt der prowestlichen Regierung gefordert. Die moskautreuen Sozialisten, die die stärkste Fraktion im Parlament bilden, sowie die Gruppe Unsere Partei verlangten am Sonntag zudem Neuwahlen und den Rücktritt des Präsidenten Nicolae Timofti. Die Demonstrationen in Chisinau hatten Anfang September begonnen. Wegen schwerer Korruptionsvorwürfe gegen Spitzenpolitiker und -beamte mobilisiert eine proeuropäische Bürgerbewegung seitdem immer wieder zu Protestaktionen. Auf dem zentralen Platz von Chisinau kampieren seit Wochen Dutzende Regierungsgegner. Nun hatten auch die prorussischen Oppositionsparteien zu Großkundgebungen aufgerufen. Beide Gruppen hatten zugesagt, sich nicht gegenseitig zu stören. Moldau mit knapp 3,5 Millionen Einwohnern steckt seit Jahren in einer Krise. Die Opposition will das Land enger an Russland binden. Die Regierung, die einen EU-Beitritt anstrebt, schließt Neuwahlen aus. Wegen Korruptionsverdachts gegen Premierminister Strelet. Chisinau – In der Republik Moldau ist am Donnerstag die pro-europäische Regierung unter Premierminister Valeriu Strelet durch einen Misstrauensantrag gestürzt worden. Die Koalitionsregierung aus Liberaldemokraten (PLDM), Demokraten (PD) und Liberalen war erst seit Ende Juli im Amt. 65 der 101 Parlamentarier in Chisinau stimmten für den Antrag. Somit ist klar, dass auch Mandatare der Regierungsparteien gegen das Strelet-Kabinett votiert hatten. Die PD hatte im Vorfeld Strelets Rücktritt gefordert, was dieser aber verweigerte. Die Opposition hatte den Antrag mit der unzufriedenstellenden Aktivität der Regierung und angeblichen Verwicklungen des Premiers in korrupte Geschäfte begründet. Diese Anschuldigungen bezeichnete Strelet als absurd. Kürzlich war der Ex-Premier und PLDM-Chef Vlad Filat wegen Korruptionsverdachts festgenommen worden, nachdem das Parlament für die Aufhebung seiner Immunität gestimmt hatte. Das Kabinett wird nun aufgelöst. Binnen drei Tagen muss Staatspräsident Nicolae Timofti einen neuen Premierminister mit der Regierungsbildung beauftragen. Sollte diese misslingen, käme es zu vorgezogenen Wahlen. Nicht einmal die Hälfte der Montenegriner ist für einen Nato-Beitritt – Russland kündigt "Vergeltungsmaßnahmen" an. Podgorica/Brüssel – Während die Regierungspolitiker von einem historischen Tag für Montenegro sprachen, fordert die Opposition weiter ein Referendum über den Nato-Beitritt. Miodrag Lekic von der Demokratischen Front kritisierte etwa, dass die Nato im Vorfeld Montenegro für Fortschritte auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit gelobt habe, obwohl doch jeder im Land wisse, dass dabei nicht viel erreicht wurde. Der Nato-Beitritt diene den Herrschenden dazu an der Macht zu bleiben, weiter Korruption zu betreiben und ihr autokratisches Modell fortzusetzen, so Lekic. Beim Gipfel in Brüssel war der kleine Adria-Staat eingeladen worden, das 29. Mitglied des Nordatlantik-Pakts zu werden. Seit man 2009 Montenegro einen Aktionsplan übergab, hat man innerhalb der Nato gezögert, weil die Zustimmung zum Beitritt bei der Bevölkerung so gering war. Doch der Beitritt war in den vergangenen Jahren Ziel Nummer eins der Regierung in Podgorica. Die Pro-Nato-Kampagnen in Fernsehen und Radio haben in den vergangenen Monaten auch viel Geld gekostet. Die Zustimmung zum Beitritt ist gestiegen – aber noch immer ist etwa die Hälfte der Bevölkerung dagegen. Das hat vor allem historische Gründe: Viele Serben in Montenegro – etwa 30 Prozent der Bevölkerung – nehmen Anstoß an den Nato-Angriffen 1999 im Kosovokrieg gegen das ehemalige Jugoslawien. Montenegro hat sich 2006 von Serbien getrennt und ist seitdem ein unabhängiger Staat – allerdings war auch damals nur knapp die Hälfte der Einwohner für diesen Schritt. In den vergangenen Wochen fanden in der Hauptstadt Podgorica Proteste statt. Die Demonstranten wandten sich gegen die Korruption, einige sprachen sich aber auch gegen den Nato-Beitritt aus. So wetterte etwa der serbisch-orthodoxe Metropolit Amfilohije gegen die Nato als terroristische Organisation. Das ist nicht mein Montenegro und nicht das Montenegro meiner Vorfahren, warnte er vor den Folgen des Beitritts. Schließlich sei man für die Freiheit von Sünde und satanischen Kräften. Nato-Gegner führen aber auch weit profanere Dinge ins Treffen. Etwa die Wirtschaftsbeziehungen zu Russland, das ein wichtigster Auslandsinvestor ist. Die Nato hat Interesse, die Balkanhalbinsel zu integrieren und russische Einflüsse zurückzuhalten. Mit dem Beitritt von Montenegro wären alle Staaten an der Adria-Küste Mitglieder. Slowenien, Kroatien, Albanien und Griechenland sind es ja bereits. Russland nannte die Nato-Erweiterung auf dem Balkan eine Provokation, eine Mitgliedschaft wäre ein weiterer Schlag für die Sicherheit in Europa und die Beziehungen zwischen Russland und der Nato. Der Sprecher der russischen Präsidentschaft Dmitri Peskow kündigte Vergeltungsmaßnahmen an. Wegen Protesten der Opposition gegen Nato-Mitgliedschaft. Podgorica – Angesichts der Proteste der prorussischen Opposition hat der Regierungschef von Montenegro, Milo Djukanovic, das Parlament am Montag zu einem Vertrauensvotum für seine Regierung aufgerufen. Djukanovic sagte vor Journalisten in Podgorica, es sei die Frage aufgeworfen worden, ob die Regierung noch über den Rückhalt des Parlaments verfüge. Djukanovic, der in Montenegro seit 1991 entweder Präsident oder Regierungschef ist, macht Russland für die Proteste zur Verhinderung einer Nato-Mitgliedschaft des Balkanlandes verantwortlich. In den vergangenen Wochen hatten tausende prorussische Demonstranten gegen eine mögliche Nato-Mitgliedschaft ihres Landes demonstriert. Sie forderten ein Referendum zu dieser Frage. Führende Oppositionsparteien sind seit September durch wiederholte Proteste bemüht, den Premier zum Rücktritt zu zwingen. Anfang Dezember hatte die NatoMontenegro offiziell eingeladen, sich der Militärallianz anzuschließen. Russland drohte daraufhin mit Gegenmaßnahmen zum Schutz der eigenen Sicherheit und Interessen. Russland sieht die Nato-Erweiterung als Bedrohung seiner Sicherheit. Seit Ende des Kalten Krieges hat die Allianz zwölf neue Mitglieder aus Ost- und Südosteuropa aufgenommen. Zuletzt wurde das Bündnis im Jahr 2009 um Kroatien und Albanien erweitert. Diplomaten zufolge könnte Montenegro spätestens in eineinhalb Jahren NATO-Mitglied werden. Das Land hatte sich 2006 von Serbien abgespalten und verfügt über eine Armee von nur 2000 Soldaten. Regierung und drei Oppositionsparteien finden Kompromiss zur umstrittenen Medienreform. Podgorica/Sarajevo – Ohne die USA wäre es wohl nicht so weit gekommen: Vergangene Woche hat die montenegrinische Regierung unter Langzeitpremier Milo Ðukanović eine Vereinbarung mit drei Oppositionsparteien verfasst: Bis zu den Wahlen im Oktober soll eine Übergangsregierung die Geschäfte führen – vier Ministerien und das Amt des Vizepremiers gehen an Oppositionspolitiker. Vor einigen Monaten hatte Ðukanović eine Zusammenarbeit mit der Opposition noch ausgeschlossen. In Podgorica wird deshalb spekuliert, dass Washington ein Machtwort gesprochen hat. Auch die redaktionelle Ausrichtung des Staatsfernsehens, das so wie private TV-Sender Propaganda für die Regierung macht, wird geändert. Chefin Radojka Rutović soll zurücktreten und ein neues Management ernannt werden. Zudem soll die Staatsanwaltschaft möglichen Betrug bei der vergangenen Wahl untersuchen, und viele Behörden sollen überwacht werden, damit es nicht zu neuen Manipulationen kommt. Nach 20 Jahren Machtmonopol räumt Ðukanovićs Partei DPS nun anderen Kräften ein wenig Raum ein – allerdings passiert dieser sanfte Wechsel ganz unter seiner Regie. Die Fäden hält der alte Stratege noch immer in der Hand. Der Mann, der seit 1991 fast durchgehend entweder Präsident oder Premier war, will sein Land, das er 2006 zur Unabhängigkeit führte, noch in die Nato bringen. Die USA unterstützen dies, schließlich sind die Nachbarn an der Adriaküste – Slowenien, Kroatien und Albanien – bereits im Klub. Geostrategisch ist es deshalb wichtig, dass auch Montenegro beitritt. Im Frühjahr 2017 soll es so weit sein – es geht nur noch um den Ratifizierungsprozess. Im Zuge des Beitrittsprozesses entstand in den vergangenen Monaten die Möglichkeit, Druck auf Ðukanović auszuüben. Auch die EU fordert seit langer Zeit mehr Rechtsstaatlichkeit – ohne viel Erfolg. Im Dezember wurde aber dann Expräsident Svetozar Marović wegen Korruptionsvorwürfen verhaftet, was in Montenegro einem Wunder gleichkommt. Nun soll es auch zu einer Demokratisierung kommen. Bereits im Oktober 2015 ging die Opposition auf die Straße. Sie argumentierte, dass die Regierung wegen Manipulationen nicht legitimiert sei, Wahlen zu organisieren. Überraschenderweise bot Ðukanović der Opposition an, auf parlamentarischer Ebene einen Dialog zu führen. Dieser führte zum jetzigen Deal – die Oppositionspartei Demokratische Front ist allerdings nicht Teil davon. Ðukanović hat gut gespielt und setzt auf die Uneinigkeit der Opposition, gleichzeitig will er der Internationalen Gemeinschaft zeigen, dass er konstruktiv ist, sagt der Menschenrechtsaktivist Nenad Koprivica. Die Publizistin Milka Tadić, bezweifelt, dass es möglich ist, in einem halben Jahr einen fundamentalen Wandel in einem Land herbeizuführen, wo Institutionen und Entscheidungen von der DPS dominiert sind. Als Test gilt die Lokalwahl in Tivat am 17. April, bei der das neue Wahlgesetz getestet wird. Übergangsregierung ist Voraussetzung für Parlamentswahl im Herbst. Podgorica – Montenegros Ministerpräsident Milo Đukanović hat nach mehrmonatigen Verhandlungen mit der Opposition die Bildung einer Übergangsregierung vereinbart, die die Voraussetzung für faire und freie Wahlen schaffen soll. Die Parlamentswahl ist für den Herbst angesetzt. Wie der TV-Sender RTCG am Dienstag berichtete, wurde die Vereinbarung von der Sozialdemokratischen Partei (SDP), die bis vor kurzem langjähriger Bündnispartner von Đukanovićs Demokratischer Partei der Sozialisten (DPS) war, und den oppositionellen Parteien Demos und URA von Miodrag Lekić und Žarko Rakčević unterzeichnet. Die führende Oppositionskraft Demokratische Front schloss sich der Vereinbarung nicht an. Durch die Vereinbarung sollen der Opposition die Posten des Innen-, Finanz- und Arbeitsministers zufallen. Sie hat zum Ziel, Wahlmanipulationen, über die in Oppositionskreisen seit Jahren spekuliert wird, zu verhindern. Die Übergangsregierung dürfte vom Parlament bereits am Donnerstag bestätigt werden. Gleichzeitig soll SDP-Chef Ranko Krivokapić vom Amt des Parlamentspräsidenten enthoben werden. Das Regierungsbündnis mit der DPS war nach 17 Jahren Ende des Vorjahrs zerfallen. Die Demokratische Front hat unterdessen Proteste angekündigt. Die Koalition mehrerer Parteien hatte im Herbst Dauerproteste in Podgorica veranstaltet und den Rücktritt von Đukanović gefordert. Der DPS-Chef ist seit 1991 entweder als Regierungs- oder Staatschef so gut wie ununterbrochen an der Macht. Staatsanwaltschaft stellt sich auf Beschwerden ein. Den Haag – In den Niederlanden ist am Mittwoch ein Fernsehspot des Rechtspopulisten Geert Wilders mit einer Reihe von Mohammed-Karikaturen ausgestrahlt worden. Wilders nutzte für den knapp drei Minuten langen Beitrag einen Sendeplatz kurz vor den Nachrichten, der den Parteien im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zusteht. Zur Ausstrahlung des Clips seiner Freiheitspartei (PVV) im Sender NOS sagte der Abgeordnete, es gehe ihm darum, die Meinungsfreiheit gegen Gewalt zu verteidigen. Dabei bezog er sich auf einen Angriff gegen einen Wettbewerb mit Mohammed-Karikaturen, der Anfang Mai im US-Staat Texas stattfand und zu dem sich die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) bekannt hatte. Viele Muslime sehen Mohammed-Karikaturen als Gotteslästerung an und fühlen sich dadurch provoziert. Die niederländische Generalstaatsanwaltschaft stellte sich wegen des Spots auf Beschwerden ein und sprach von einem sehr komplizierten juristischen Sachverhalt. Niederländischen Medienberichten zufolge wurden die Botschaften des Landes im Ausland aufgefordert, Vorsichtsmaßnahmen für den Fall gewaltsamer Protestaktionen zu ergreifen. Wilders und seine Freiheitspartei (PVV) haben mit islamfeindlichen Aktionen bereits wiederholt Proteste von Muslimen heraufbeschworen. Im Parlament verfügt die PVV über zwölf von 150 Abgeordneten. Angriffe auf Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern bei Protesten gegen Polizeigewalt. Den Haag – Nach dem Tod eines Mannes in niederländischem Polizeigewahrsam ist Den Haag erneut von heftigen Ausschreitungen erschüttert worden. Rund 300 Demonstranten griffen in der Nacht auf Donnerstag Polizisten mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern an. 16 Personen wurden festgenommen, wie ein Polizeisprecher mitteilte. Im Stadtteil Schilderswijk, in dem überwiegend Zuwanderer und farbige Niederländer wohnen, kam es bereits die dritte Nacht in Folge zu Krawallen. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Pferdestaffeln gegen die Menge vor. Tod eines Mannes in Polizeigewahrsam Anlass der Proteste war der Tod eines Mannes von der niederländischen Karibikinsel Aruba. Er war am vergangenen Wochenende bei einem Festival in Den Haag gewaltsam festgenommen worden und kurz danach gestorben. Der Mann soll auf dem Festival gerufen haben, dass er eine Waffe bei sich habe. Er war nach Polizeiangaben jedoch unbewaffnet. Fünf Beamte wurden vorläufig vom Dienst suspendiert. Seither wurden bei nächtlichen Protesten gegen das Vorgehen der Polizei zahlreiche Personen festgenommen. Die vorwiegend jungen Demonstranten richten sich vor allem gegen angebliche Diskriminierung und Rassismus bei der Polizei. Die Tochter eines marokkanischen Gastarbeiters will der Quälgeist der Regierung sein. Es hatte etwas von einer Fernsehspielshow. Holland sucht den Parlamentschef, wurde hinter den Kulissen gewitzelt. Vier Wahlgänge waren nötig, erst dann stand fest: Die neue Vorsitzende des niederländischen Abgeordnetenhauses trägt einen marokkanischen Namen: Khadija Arib, 55 Jahre alt, Tochter eines Gastarbeiters aus Hedami bei Casablanca. Markenzeichen: knallroter Lippenstift, dunkle Locken. Arib kam als 15-Jährige nach Amsterdam und hat sowohl einen niederländischen als auch einen marokkanischen Pass. Die geschiedene dreifache Mutter – sie hat eine 32-jährige Tochter und 30 Jahre alte Zwillingssöhne – gilt als Musterbeispiel einer emanzipierten Immigrantin. Nach ihrem Soziologiestudium spezialisierte sie sich auf die Rechte von Frauen und Kindern. Dass die Niederlande einen Kinderombudsmann bekamen, ist vor allem ihrem Einsatz zu verdanken. 1982 gründete sie die marokkanische Frauenvereinigung der Niederlande. Seit 1998 sitzt sie für die Sozialdemokraten im Parlament in Den Haag. Die Vorzeige-Immigrantin hat auch zwei Bücher über Frauenrechte und Emanzipation geschrieben: Couscous am Sonntag handelt von ihrer eigenen Familiengeschichte, Allah hat uns so geschaffen befasst sich mit den Problemen lesbischer Frauen aus Marokko, Ägypten und dem Irak. Dass sie nun zur Parlamentschefin gewählt wurde, zeige, wie schön dieses Land sein kann, wenn man die Chancen ergreift, die es einem bietet, kommentierte Arib selbst ihre Wahl und versprach, ein lastpak zu sein – ein Quälgeist, der dafür sorge, dass das Parlament von der Regierung immer ausreichend informiert werde. In der acht Stunden dauernden Debatte vor ihrer Wahl war es Arib gelungen, auch unangenehme Fragen mit Bravour zu parieren. Auf ihre Fremdsprachenkenntnisse angesprochen konterte sie, man könne sie zwar nicht mit EU-Kommissar Frans Timmermans vergleichen, der als Sprachenwunder gilt und mühelos von einer Sprache in die andere wechselt. Aber so schlecht Englisch wie Fußballtrainer Louis van Gaal spreche sie nun auch wieder nicht. Und auf die Frage, ob sie denn Führungs- und Managementqualitäten besitze – schließlich fällt fortan auch das 500 Köpfe zählende Personal des Parlamentsgebäudes in ihre Obhut –, antwortete sie lapidar: Ich war eineinhalb Jahre lang Sekretärin im Fraktionsvorstand der Sozialdemokraten – das zählt bei denen für fünf. Adler sollen feindliche Flugobjekte aus der Luft holen. Utrecht – Die niederländische Polizei will eine ungewöhnliche Waffe gegen einen möglichen terroristischen Anschlag einsetzen: Raubvögel. Als Mittel gegen feindliche Angriffe mit Drohnen würden zur Zeit Raubvögel getestet, sagte ein Polizeisprecher am Montag der Deutschen Presse-Agentur in Driebergen bei Utrecht. Die ersten Ergebnisse seien sehr vielversprechend. Die Polizei und die nationale Behörde zur Terrorismusbekämpfung wollen im Sommer über den Einsatz von Raubvögeln entscheiden. Im Auftrag der Polizei richtet ein Spezialunternehmen die Raubvögel ab. Es ist eine Low-Tech-Lösung für ein High-Tech-Problem, sagte der Direktor des Betriebes Guard From Above, Sjoerd Hoogendoorn. Es würden mehrere Arten Vögel – zum Beispiel Adler – getestet und ausgebildet. Bei dem mehr als ein Jahr dauernden Training werde ihr Jagdinstinkt genutzt. Für die Vögel ist so eine Drohne wie eine Beute, die sie in der Luft packen und dann an einen sicheren Ort bringen. Die niederländischen Sicherheitsbehörden testen auch andere Mittel gegen den Missbrauch der unbemannten Flugzeuge. Dazu gehörten Spezialdrohnen und Computerprogramme, mit denen eine feindliche Drohne umprogrammiert werden könne. Beteiligung möglicherweise unter der 30-Prozent-Hürde. Amsterdam – Die Niederländer haben bei dem Referendum das EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine überwiegend abgelehnt. 64 Prozent der Wähler hätten mit nein gestimmt, geht aus Nachwählerbefragungen am Mittwoch hervor. 36 Prozent hätten sich für das Abkommen ausgesprochen. Ob die Volksbefragung überhaupt gültig ist, war zunächst fraglich. Dafür muss die Wahlbeteiligung bei mindestens 30 Prozent liegen. Zunächst wurden nur 29 Prozent gezählt. Das Ergebnis ist für Regierung nicht bindend. Das Referendum galt zugleich als Test für die Europa-Stimmung der Niederländer. Unklar ist, wie die Regierung auf das Nein der Wähler reagieren wird. Das EU-Assoziierungsabkommen soll zu einer engeren wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit mit der Ukraine führen und wurde bereits von den übrigen 27 EU-Mitgliedsstaaten ratifiziert. 61 Prozent der Abstimmenden dagegen – Premier Rutte: Abkommen nicht mehr "einfach so zu ratifizieren" – Tusk: Kiew-Vertrag weiter gültig. Den Haag – Die Niederländer sagen Nein zum EU-Assoziierungsabkommen mit der Ukraine. 61,1 Prozent der Wähler haben beim Referendum am Mittwoch gegen das Abkommen votiert, nur 38 Prozent stimmten dafür. Die Stimmbeteiligung lag bei 32 Prozent, womit das Referendum auch die vorgeschriebene Mindestbeteiligung knapp erreichte. Das Referendum war von Europaskeptikern mit Wählerunterschriften erzwungen worden. Formell ist es nur beratender Natur, doch wird sich die Regierung nur schwer über das Ergebnis hinwegsetzen können, nachdem das gesetzliche Beteiligungsquorum von 30 Prozent der 12,5 Millionen Stimmberechtigten übertroffen wurde. Wir können das Assoziierungsabkommen jetzt nicht einfach so ratifizieren, sagte Ministerpräsident Mark Rutte zum Ergebnis am Wahlabend. Das Nein-Lager hat überzeugend gewonnen. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hatte im Vorfeld des Referendums vor den dramatischen Folgen eines Neins für ganz Europa gewarnt. Insbesondere könnte das Votum auch den Austrittsbefürwortern in Großbritannien Auftrieb vor dem Brexit-Referendum am 23. Juni geben. Offiziell ging es bei dem Referendum um die Billigung oder Ablehnung des 2014 unterzeichneten Assoziierungsabkommens zwischen der EU und Kiew. Die europaskeptischen Initiatoren der Befragung erklärten aber, dass das Verhältnis zur Ukraine für sie nicht im Mittelpunkt stehe: Sie warben für ein Nein der Wähler, um der EU generell einen Denkzettel zu verpassen. Der Rechtspopulist Geert Wilders bejubelte das Ergebnis als fantastisch. Es zeige, dass viele Niederländer die Nase voll von der Europäischen Union haben. Einer der Initiatoren des Referendums, der Jurist Thierry Baudet, sagte, nun beginne die Diskussion über eine andere EU. Tatsächlich traf das Referendum den Nerv vieler Niederländer, die vor elf Jahren mit einer ähnlich klaren Mehrheit gegen die EU-Verfassung votiert hatten. Es ist gut, dass es ein Referendum gibt, in dem wir unsere Meinung über Brüssel sagen können, sagte ein 49-jähriger Wähler. Ein 65-Jähriger sagte, das Abkommen sei nicht gut für die Niederlande. Es gebe bereits zu viele EU-Mitglieder. Auffallend war jedoch das Stadt-Land-Gefälle. Mehrere große Städte, unter anderem die Hauptstadt Amsterdam, votierten mit Ja, während es in ländlichen Gegenden zum Teil massive Nein-Mehrheiten gab. Rutte hatte bei seiner Stimmabgabe in einer Volksschule in Den Haag hervorgehoben, dass das Assoziierungsabkommen der Ukraine dabei helfen solle, einen Rechtsstaat und ihre Demokratie aufzubauen. Einerseits sollten dadurch in der Ukraine Minderheiten wie Juden und Homosexuelle geschützt, andererseits die Ränder Europas stabilisiert werden. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko warb vor dem Referendum um die Zustimmung der Niederländer und schickte dazu sogar Minister in die Niederlande. Die Ukraine dürfe nicht zum Opfer einer internen niederländischen Debatte über die Zukunft der Europäischen Union werden. Ratspräsident Donald Tusk sagte am Donnerstag, dass das Abkommen mit der Ukraine trotz des Ergebnisses in den Niederlanden weiter vorläufig angewendet werde. Tusk erklärte aber, dass er in Gesprächen mit Rutte dessen Schlussfolgerungen und Absichten hören wolle. Ein Sprecher von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker teilte lediglich mit, dass dieser traurig über das Abstimmungsergebnis sei. Der Fraktionschef der Europäischen Volkspartei (EVP) im Europaparlament, Manfred Weber, fordert nach dem Nein der Niederländer mehr Bürgernähe und -beteiligung in der EU. Wir müssen Europa demokratisieren, sagte Weber am Donnerstag im Deutschlandfunk. Es müsse Schluss sein mit Entscheidungen in Brüsseler Hinterzimmern. Vielmehr sollten die politisch Verantwortlichen stärker auf die Bürger zugehen, für Europa werben und zeigen, dass sie deren Sorgen ernst nehmen. Ganz besonders gelte dies für Großbritannien, wo die Bevölkerung im Juni über den Verbleib des Landes in der EU abstimmt, erklärte der Deutsche. Die Niederlande, die derzeit die EU-Ratspräsidentschaft innehaben, haben das Abkommen mit der Ukraine als einziger der 28 EU-Mitgliedstaaten noch nicht ratifiziert. Das Parlament hat bereits seine Zustimmung gegeben. Lediglich die rechtspopulistische Freiheitspartei (PVV) von Wilders, die Sozialisten (SP) sowie die Partei für die Tiere (PVdD) riefen zur Ablehnung des Abkommens auf. Der politische Teil des Assoziierungsabkommen wird seit Ende 2014 bereits vorläufig angewandt, seit dem 1. Jänner auch das darin enthaltene Freihandelsabkommen. Russland hatte das Assoziierungsabkommen scharf kritisiert. Der Konflikt um das Abkommen hatte zum Jahreswechsel 2013/2014 zu gewaltsamen Demonstrationen, dem Sturz des pro-russischen Präsidenten Viktor Janukowitsch sowie der militärischen Aggression Russlands im der früheren Sowjetrepublik geführt. Der Ukraine-Konflikt kostete auch zahlreiche Niederländer das Leben, die im Juli 2014 an Bord einer über der umkämpften Ostukraine abgeschossenen Passagiermaschine waren. 298 Menschen starben beim Abschuss von Flug MH17 der Malaysia Airlines. Kein Sprengstoff gefunden, Verdächtiger wurde festgenommen – Flugbetrieb lief durchgehend normal weiter – Nervosität bei Sicherheitskräften. Den Haag / Amsterdam – Eine vorübergehende Teilsperrung des Amsterdamer Flughafens Schiphol hat am Dienstagabend Erinnerungen an die Anschläge auf dem Brüsseler Flughafen vom März wachgerufen. Ein Mensch sei in einer verdächtigen Situation festgenommen worden, teilte eine Sprecherin der Flughafenbehörde mit. Laut einem Sprecher der niederländischen Militärpolizei untersuchten Sprengstoffexperten das Gepäck des Verdächtigen. Demnach wurde der Mann gegen 21.45 Uhr MESZ auf dem Platz vor dem Haupteingang zur Flughafenhalle festgenommen und war am Mittwoch weiter im Polizeigewahrsam, wie die niederländische Militärpolizei über Twitter mitteilte. Der Flughafen war am Dienstagabend teilweise geräumt und abgesperrt worden. Wie auf der Internetseite des Airports mitgeteilt wurde, lief der Luftverkehr aber normal weiter. Die Polizei untersuche einen Zwischenfall, hieß es dort. Gegen 1.30 Uhr war auf Fernsehbildern zu sehen, dass Teile der Sperren wieder abgebaut wurden. Wenige Minuten danach bestätigte der Flughafen via Twitter das Ende der Evakuierungen. All areas are accessible again. Tomorrow, flights will run as usual. Thank you all for your patience and understanding tonight. Neben Teilen des Flughafens habe man auch das angrenzende Sheraton-Hotel vorübergehend evakuiert. Die Tageszeitung Telegraaf berichtete online, es sei ein suspektes Paket gefunden worden. Auf Bildern in Sozialen Medien war zu sehen, wie ein Entschärfungsroboter eine rote Tasche untersuchte. Auch dabei wurde aber ersten Berichten zufolge kein Sprengstoff gefunden. Seit den Anschlägen auf den Brüsseler Flughafen Zaventem im März gilt in Schiphol die höchste Alarmstufe. Der Amsterdamer TV-Sender AT5 berichtete unter Berufung auf Wachpersonal von insgesamt drei Festnahmen. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es aber nicht. Später hieß es in Medienberichten, die beiden weiteren Personen seien nur untersucht, nicht aber verhaftet worden. Ein vom Telegraaf zitierter Behördenvertreter sagte, die beiden Männer hätten nichts mit der Evakuierung des Flughafengebäudes zu tun. Ob sie sich überhaupt noch in Polizeigewahrsam befänden, könne er nicht sagen. Die Ermittlungen waren nur auf einen Teil des Gebäudes und des Vorplatzes beschränkt. Der Flughafen teilte auf Twitter nach Mitternacht mit, dass Züge weiterhin fahrplangemäß an den Stationen hielten. Trains to and from Schiphol are running. Railway platforms are accessible. Buses and taxis are departing from departure level. Für Busse und Taxis gab es eine Umleitung vom betroffenen Ankunftsterminal zu jenem für Abflüge. Diese wurde später wieder aufgehoben. Teile der Parkhäuser waren nach Berichten des Algemeen Dagblad hingegen auch nach Ende der Flughafen-Evakuierung nicht erreichbar. Niederländische Fernsehsender zeigten, wie schwer bewaffnete Polizisten zeitweise vor dem Flughafengebäude patrouillierten. Ein Hubschrauber kreiste über dem Airport. Auf Bildern waren auch Einsatzfahrzeuge hinter Absperrungen zu sehen. Nach einem Bericht des TV-Senders NOS untersuchten Einsatzkräfte zudem vier Personen, die sich in einem Auto mit belgischem Kennzeichen befunden hätten. Dieser Verdacht habe sich allerdings nicht erhärtet, die untersuchten Personen konnten ihre Reise fortsetzen. Schiphol ist einer der größten Flughäfen in Europa und ein wichtiges Drehkreuz für Umsteiger. Er zählt mehr als 50 Millionen Passagiere pro Jahr. Im März hatten islamistische Attentäter einen Anschlag auf den Flughafen und die U-Bahn in Brüssel verübt. In der Abfertigungshalle des Flughafens Brüssel-Zaventem hatten sich am 22. März zwei Attentäter in die Luft gesprengt. Später verübte ein Komplize in einer U-Bahn in Brüssel einen weiteren Selbstmordanschlag. Die Täter rissen insgesamt 32 Menschen mit in den Tod. Seit dem 3. April wurde der Flugverkehr in Zaventem schrittweise wieder aufgenommen. In den Niederlanden ist in den vergangenen Tagen die Nervosität wegen der Terrorgefahr gestiegen. Mehrere der späteren Attentäter von Brüssel waren über den Flughafen Schipol nach Einsätzen für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien wieder nach Europa eingereist. Zudem waren nach den Anschlägen von Brüssel auch in der Stadt Rotterdam mehrere Verdächtige verhaftet worden. Neben dem Flughafen war am Dienstagabend auch der Bahnhof von Leiden wegen eines verdächtigen Paketes evakuiert worden. Die Stadt liegt etwa 25 Kilometer von Schiphol entfernt. Auch die Station wurde später wieder für den Verkehr freigegeben. Die dortige Festnahme eines Verdächtigen habe sich als falscher Alarm herausgestellt, sagte eine Sprecherin der Polizei in Den Haag. Eine weitere Festnahme am Flughafen selbst habe nichts mit dem Sicherheitsalarm zu tun gehabt. Rechtsextremer Attentäter wehrt sich gegen Isolationshaft. Oslo – Der norwegische Attentäter Anders Behring Breivik hat zum Auftakt seines Prozesses für bessere Haftbedingungen mit dem Hitler-Gruß provoziert. Der Rechtsextremist erschien am Dienstag mit kahl rasiertem Schädel in der für das Verfahren genutzten Turnhalle des Gefängnisses Skien, wandte sich den Journalisten zu und hob den rechten Arm. Er klagt den Staat auf unmenschliche Behandlung. Breivik sitzt seit fast fünf Jahren in Isolationshaft. Er bekommt keinen Besuch von anderen, hat keinen Kontakt zu Mithäftlingen und seine Briefe werden abgefangen. Nun klagt er gegen seine unmenschliche Behandlung. Seit seiner Festnahme am 22. Juli 2011 ist der heute 37-Jährige in Isolationshaft. Das bedeutet, dass er keinen Kontakt zu anderen Häftlingen hat, dass seine Korrespondenz mit der Außenwelt zensiert wird und er nur wenige Besucher empfangen darf. Das ist eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung, schreibt sein Anwalt Öystein Storrvik in der Anklageschrift und sieht darin einen Verstoß gegen die Artikel 3 und 8 der Europäischen Menschenrechtskonventionen, zu denen sich Norwegen verpflichtet hat. Ab Dienstag geht es also vier Tage lang wieder um den Mann, über den in Norwegen am liebsten niemand sprechen möchte. Wie kann jemand, der 77 Menschen brutal und rücksichtslos getötet und das Leben von Hunderten zerstört hat, für sich die Menschenrechte beanspruchen? Und das vor einem Gericht, das er – wie er bei seiner Verurteilung zu 21 Jahren Gefängnis sagte – nicht anerkennt? Breivik will sich einen Platz am Rednerpult verschaffen, das ist ganz klar, meint Lisbeth Kristine Röyneland von der Unterstützergruppe für die Angehörigen und Opfer der Anschläge vom 22. Juli 2011. Ich bin sicher, dass er versuchen wird, über seine rechtsextremen Ansichten zu sprechen. Doch sie vertraue darauf, dass das Gericht das unterbinden werde. Drei Stunden lang will Breivik am Mittwoch über seine Haftbedingungen referieren. Außerdem sollen Ärzte und Gefängnismitarbeiter aussagen. Das Verfahren findet aus Sicherheitsgründen im Sportsaal des Gefängnisses in Skien statt. So kann sich das Gericht gleich selbst die drei Zellen, die Breivik zur Verfügung stehen, anschauen. Über die Frage, wie öffentlich der Prozess Breivik gegen den Staat sein soll, wurde im Vorfeld viel gestritten. Während das Strafverfahren 2012 größtenteils im norwegischen Fernsehen übertragen wurde, findet nun das meiste unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Breiviks Anwalt Storrvik ist sicher, dass es seinem Mandanten nur um die Verbesserung seiner Haftbedingung geht. Noch nie war in Norwegen ein Häftling so lange isoliert. Breivik zeige deutliche Isolationsschäden, sagt er, ohne diese näher beschreiben zu wollen. Nachdem seine Mutter vor drei Jahren gestorben ist, habe Breivik nur noch einen privaten Besucher gehabt. Soziale Kontakte beschränkten sich auf das Gefängnispersonal. Selbst er als Anwalt könne mit ihm nur durch eine Glasscheibe sprechen, sagt Storrvik. Ich habe die gefährlichsten Verbrecher Norwegens verteidigt, bevor Breivik so bezeichnet wurde. Aber das habe ich noch nie erlebt. Kjetil Mujezinovic Larsen, Professor am Norwegischen Zentrum für Menschenrechte an der Universität Oslo, glaubt nicht, dass Breivik mit seiner Klage durchkommt. Auch wenn er recht isoliert ist, so sei doch das physische Angebot recht gut. Er habe es warm, könne trainieren und komme täglich an die frische Luft. Larsen hält es allerdings für möglich, dass die Dauer von Isolationshaft überdacht wird. Bisher gibt es keine Begrenzung, für wie lange ein Häftling der Kontakt zu anderen Menschen verweigert werden darf. Doch selbst wenn Breivik mit seiner Klage durchkäme, wäre das in den Augen des Menschenrechtsexperten keine Niederlage. Es würde nur beweisen, dass unsere Rechtsstaatlichkeitsprinzipien funktionieren. Norweger brauche Menschen, mit denen er sprechen kann und die seine Gedanken korrigieren. Oslo – Am letzten Verhandlungstag im Prozess des Attentäters Anders Behring Breivik gegen den norwegischen Staat appellierte Breiviks Anwalt an das Gericht, den mentalen Zustand seines Klienten in Betracht zu ziehen. Auch wenn der Mörder von 77 Menschen bei seiner Verurteilung als zurechnungsfähig eingeschätzt wurde, sei er mental verletzlich, sagte Öystein Storrvik. Er sitzt jeden Tag allein mit seinen Gedanken. Nun kommt er heraus und sagt, er ist ein nationalsozialistischer Führer, und spricht über Dinge, die normale Menschen für absurd halten. Breivik brauche einen Menschen, mit dem er sprechen könne und der seine Gedanken korrigiere. Klage gegen Staat Breivik hat den norwegischen Staat wegen Verstoßes gegen die Menschenrechte verklagt, weil er seit fast fünf Jahren in Isolationshaft sitzt. Er leide unter Kopfschmerzen, Konzentrationsschwierigkeiten und Mutlosigkeit. Ärzte, Gefängnismitarbeiter und Psychologen, die in dem vier Tage dauernden Zivilprozess aussagten, waren nicht der Auffassung, die Beschwerden seien eine Folge der Isolation. Die Regierungsseite argumentierte, Breivik sei immer noch gefährlich und solle keinen Kontakt zu Mitgefangenen haben. Sie zitierte aus Briefen, in denen er beschrieb, wie einfach es wäre, das Gefängnispersonal zu überwältigen. Bündnis soll Konservativen Passos Coelho aus dem Amt drängen. Lissabon – Die Tage der Mitte-Rechts-Regierung in Portugal könnten gezählt sein: Die Sozialisten wollen aus den Linksparteien ein Regierungsbündnis schmieden und Ministerpräsident Passos Coelho so aus dem Amt drängen. Ein solches Bündnis galt bisher als ausgeschlossen. Gut eine Woche nach den Parlamentswahlen in Portugal haben die Sozialisten (PS) den Versuch gestartet, mit einem breiten Linksbündnis die Regierungsmacht zu übernehmen. Der PS-Parteichef Antonio Costa begann Verhandlungen mit anderen Linksparteien im Parlament, um die Mitte-Rechts-Regierung von Ministerpräsident Pedro Passos Coelho abzulösen. Bis zum Ende der Woche werde man sehen, ob die Grundlage für eine gemeinsame Regierung der Linken vorhanden sei, sagte Costa am Montagabend nach einem Treffen mit Staatspräsident Anibal Cavaco Silva in Lissabon. Der PS-Parteichef hatte zuvor Gespräche mit der Sprecherin des marxistischen Linksblocks (BE), Catarina Martins, geführt. Es habe dabei eine Annäherung in einer Reihe von Punkten gegeben, berichtete er. Die BE-Sprecherin betonte: Nun wird klar, dass die Regierung von Passos Coelho am Ende ist. Das Mitte-Rechts-Bündnis namens Portugal a Frente (PaF/Portugal voran) von Passos Coelho war aus der Wahl am 4. Oktober erneut als stärkste Kraft hervorgegangen, hatte aber die absolute Mehrheit verloren. Die linken Oppositionsparteien PS und BE sowie das von den Kommunisten geführte Bündnis CDU errangen zusammen mehr als die Hälfte der Sitze. Costa kündigte an, in den kommenden Tagen solle in Verhandlungen mit dem Linksblock geprüft werden, ob die noch bestehenden Differenzen überbrückt und die Grundlagen für eine stabile Regierung geschaffen werden könnten. Die Kommunisten hatten sich zuvor bereiterklärt, ein linkes Regierungsbündnis zu unterstützen. Staatspräsident Anibal Cavaco Silva hatte Passos Coelho in der vorigen Woche mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt. Ein Gespräch des amtierenden Regierungschefs mit dem bisherigen Oppositionsführer Costa blieb jedoch ohne Ergebnis. Ein Regierungsbündnis der drei linken Parteien galt bisher vor allem aufgrund großer Differenzen in der Finanzpolitik als praktisch ausgeschlossen. Der Linksblock und die Kommunisten lehnen die Sparauflagen der europäischen Institutionen grundsätzlich ab. Die Sozialisten treten dagegen nur für eine Modifikation der Sparpolitik ein. Niederschlagung der Demokratiebewegung "Prager Frühling" in Fernsehdoku verteidigt – Botschafter ins Prager Außenministerium zitiert. Prag/Moskau – Tschechien hat mit heftiger Empörung auf eine russische Fernsehdoku reagiert, die den blutigen Sowjet-Einmarsch in der CSSR vom August 1968 rechtfertigt. Die Regierung in Prag zitierte den russischen Botschafter ins Außenministerium. Das teilte das Ministerium am Montag in Prag mit. Der sozialdemokratische Ressortchef Lubomir Zaoralek zeigte sich sehr verbittert und zutiefst beunruhigt. Die Dokumentation des staatlichen Senders Rossija 1 hatte die Niederschlagung der Demokratiebewegung Prager Frühling verteidigt. Es sei eine Reaktion auf Umsturzpläne der Nato und von Faschisten gewesen. Man hat auf uns mit Maschinengewehren geschossen, sagte ein ehemaliger Sowjet-Soldat in der Sendung. Tschechische Historiker sprachen von Geschichtsfälschung. Der tschechische Ministerpräsident Bohuslav Sobotka erklärte entschieden: Es war eindeutig eine Okkupation gegen den Willen der damaligen tschechoslowakischen Regierung und gegen den Willen unserer Bürger. Russische Regierung und Medien dürften die Geschichte nicht verfälschen, forderte der Sozialdemokrat. Kritik kam auch aus der Slowakei. Die Ausstrahlung des Dokuments, das die historischen Wahrheiten verfälsche, schädige die traditionell guten Beziehungen zu Russland, hieß es. Bei den tagelangen Straßenkämpfen im August 1968 gab es Historikern zufolge 108 Tote und mehr als 500 Schwerverletzte. Bisher hatte sich Moskau von dem Einmarsch distanziert. Der russische Präsident Wladimir Putin räumte 2006 in Prag sogar eine moralische Verantwortung seines Landes für den Einmarsch der Warschauer-Pakt-Staaten 1968 in die Tschechoslowakei ein. Eine rechtliche Verantwortung lehnte er aber ab. Ein weiterer Grund für die Einbestellung des russischen Botschafters am Montag in Prag waren die Einreiseverbote gegen EU-Politiker. Unter den Namen auf der sogenannten Schwarzen Liste Moskaus sind auch vier Tschechen, darunter Ex-EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle sowie der Russlandkritiker und Ex-Außenminister Karel Schwarzenberg. Trotz der aktuellen Spannungen wird der slowakische Regierungschef Robert Fico am Dienstag bei Kremlchef Putin erwartet. Gesprächsthemen sollen Energiepolitik und Gaslieferungen sein. Der Linkspolitiker war als einer von wenigen EU-Politikern zum Weltkriegsgedenken am 9. Mai nach Moskau gereist. Seit 2010 in Wien – Name des Nachfolgers offiziell noch nicht bekannt. Wien/Moskau – Der russische Botschafter in Wien, Sergej Netschajew, wird nach fünf Jahren seinen Posten voraussichtlich noch diesen Sommer räumen. Alles hängt von der Abstimmungsprozedere des neuen Missionschefs ab. Diese ist formell noch nicht beendet, hieß es am Freitag aus der russischen Botschaft auf Anfrage der APA. Der Name des Nachfolgers ist bisher offiziell nicht bekannt. Sergej Jurjewitsch Netschajew (Netschaew) hatte im April 2010 seinen Vorgänger Stanislaw Wiliorowitsch Ossadtschij (2004-2010) im Amt abgelöst. Zuvor war der gebürtige Moskauer (Jahrgang 1953) und studierte Germanist jahrelang im russischen Außenministerium und als Diplomat in Deutschland tätig. Regierung reagiert mit Gesetzesplänen auf Yukos-Affäre. Moskau – Russland erwägt die Einführung eines neuen Gesetzes zur Beschlagnahmung von ausländischem Staatsvermögen. Ministerpräsident Dmitri Medwedew sagte am Donnerstag, die Regierung sollte die Immunität aufheben können, die in Russland für fremde Staatsvermögen gilt. Dies solle die Umsetzung von Justizbeschlüssen erlauben, darunter die Konfiszierung von Besitz. Die Regierung reagiert damit auf die vorübergehende Beschlagnahmung von russischem Staatsbesitz infolge eines Urteils zum früheren Ölkonzern Yukos. Das internationale Schiedsgericht in Den Haag hatte im Juli 2014 Russland dazu verurteilt, ehemaligen Aktionären des Yukos-Konzerns Entschädigungen von insgesamt 50 Milliarden Dollar (rund 44 Milliarden Euro) zu zahlen. Die Aktionäre hatten vor dem Gerichtshof wegen Zwangsenteignung geklagt. Yukos war 2004 in einem undurchsichtigen Auktionsverfahren an russische Staatsunternehmen um den Energiekonzern Rosneft verkauft worden. Moskau lehnt eine Entschädigung der ehemaligen Aktienbesitzer mit der Begründung ab, dass die Gerichtsentscheidung unrechtmäßig sei. Infolge des Urteils wurde in mehreren Ländern, darunter Frankreich und Belgien, russische Vermögenswerte eingefroren. Medwedew sagte nun, das neue Gesetz sei ausgearbeitet worden im Kontext vielfach illegaler Aktionen, die aus politischen Gründen gegen unseren Staat und unsere Aktiva in gewissen Ländern getroffen wurden. Laut der Zeitung Wedomosti sollen von dem Gesetz, das nach der Sommerpause ins Parlament kommen soll, die Vermögenswerte von Staatschefs sowie Botschaften, Kriegsschiffe und Flugzeuge ausgenommen sein. Außenminister Sergej Lawrow fordert Einbindung der syrischen Armee in die Koalition gegen den IS. Doha/Moskau – Luftschläge allein reichen nicht aus, um den Vormarsch des Islamischen Staates (IS) zu stoppen, erklärte Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow bei einem Außenminister treffen in Doha. Russland schlägt daher die Gründung einer breiten Koalition gegen die Islamisten vor, der Kurden, irakische und syrische Armee angehören sollen. Lawrow begründete die Initiative damit, dass diese Kräfte schon jetzt am Boden mit der Waffe in der Hand der terroristischen Bedrohung entgegentreten. Der laut Lawrow auf einer Idee Wladimir Putins basierende russische Plan würde das von den USA geächtete Assad-Regime in Damaskus plötzlich zum Verbündeten des Westens im Terrorkampf machen. Russland selbst würde einer solchen Koalition freilich nur bei einem entsprechenden Mandat des UN-Sicherheitsrats beitreten, heißt es zugleich aus Moskauer Diplomatenkreisen. Einigkeit über das weitere Vorgehen herrscht keinesfalls: In Doha gelang es Lawrow jedenfalls nicht, US-Außenminister John Kerry von dem Konzept zu überzeugen. In der Frage liegen wir offensichtlich noch auseinander, räumte Lawrow ein. Washington hatte zuletzt eine Bombardierung aller Kräfte angedroht, die die von ihr unterstützten Rebellen bedrohen. Dazu zählt nicht nur der IS, sondern auch die syrische Armee. Das werde den Kampf gegen den Terrorismus nur noch erschweren, warnte Lawrow, der forderte, eine Eimischung von außen in die syrische Krise zu stoppen und stattdessen alle Konfliktparteien zu neuen Verhandlungen zu zwingen. Wie die tief verfeindeten Gruppierungen an einen Tisch zu bekommen sind, ist dabei noch völlig unklar. Verkauf der Hubschrauberträger wurde im August wegen Russland-Sanktionen abgesagt, die Höhe der Rückzahlung ist weiter umstritten. Paris/Moskau – Nach der geplatzten Lieferung zweier Mistral-Kriegsschiffe an Russland wird Frankreich voraussichtlich knapp eine Milliarde Euro an Moskau zurückzahlen. Die Regierung werde den russischen Behörden die vereinbarte Summe von 949.754.849 Euro zahlen, heißt es in einem Gesetzesentwurf, den die Nationalversammlung am Mittwoch veröffentlichte. Der Entwurf soll am 15. September dem Auswärtigen Ausschuss der Nationalversammlung und zwei Tage später dem Parlamentsplenum vorgelegt werden. Bisher hatte die Regierung nur mitgeteilt, dass die Rückzahlung unter einer Milliarde Euro liegen werde. Die Satirezeitung Le Canard Enchchainé berichtete allerdings, die Gesamtkosten für das geplatzte Rüstungsgeschäft beliefen sich auf rund zwei Milliarden Euro, da noch viele Zusatzkosten etwa durch die Auflösung eines Vertrags zur künftigen Instandhaltung der Schiffe entstünden. Finanzminister Michel Sapin wies das zurück. Frankreich und Russland hatten Anfang August bekanntgegeben, dass sie sich auf die Auflösung des Mistral-Vertrags geeinigt hätten. Russland hatte die beiden Hubschrauberträger im Wert von rund 1,2 Milliarden Euro im Juni 2011 bestellt. Wegen des russischen Vorgehens in der Ukraine legte Frankreich die Lieferung im vergangenen Jahr jedoch auf Eis. Danach verhandelten beide Seiten monatelang über die Kosten. Die Schiffe der Mistral-Klasse sind die größten französischen Kriegsschiffe nach dem Flugzeugträger Charles de Gaulle. Sie können unter anderem mehrere Landungsboote, 16 Hubschrauber, 13 Panzer und 450 Soldaten unterbringen. Ihre Lieferung an Russland stieß bereits vor der Ukraine-Krise auf Vorbehalte bei osteuropäischen Ländern, die befürchteten, dass Russland die Schiffe für Landeoperationen nutzt. Die französische Regierung will nun andere Länder als Käufer gewinnen. Als Interessenten werden unter anderen Ägypten, Kanada und Indien gehandelt. 20 von 21 Gouverneuren gewannen ohne Stichwahl – Opposition verliert und klagt über EInschränkungen. Erfolgreicher Stimmungstest für Russlands Regierung ein Jahr vor der Dumawahl: Von den 21 Gouverneuren, über die am Sonntag abgestimmt wurde, muss nur das Oberhaupt der Region Irkutsk Sergej Jeroschtschenko in eine Stichwahl. Der Kandidat der Kremlpartei Einiges Russland verpasste die Mehrheit im ersten Wahlgang mit 49,6 Prozent denkbar knapp. Besser lief es für seinen Parteikollegen Leonid Markelow, der es auf 50,8 Prozent schaffte, obwohl er bei einem Wahlkampfauftritt unzufriedenen Bürgern damit drohte, die einzige asphaltierte Straße des Dorfs umzupflügen, weil er sich schlecht empfangen fühlte. Das im Internet verbreitete Video des Auftritts sorgte für Schlagzeilen und Missmut, aber nicht für die Abwahl Markelows. Geradezu sozialistische Ergebnisse fuhren hingegen der seit 1997 regierende Gouverneur von Kemerowo Aman Tulejew und der Präsident der Teilrepublik Tatarstan Rustam Minnichanow ein. Bei einer Wahlbeteiligung von jeweils 92 Prozent erreichte der erste 96,7 Prozent Zustimmungswerte, der zweite rund 94 Prozent. Das in der Duma etablierte Vierparteiensystem blieb bei den Wahlen zu den Regionalparlamenten weitgehend stabil. Einiges Russland ist dabei die führende Kraft, die Kommunisten erzielten leichte Zugewinne, die nationa listische LDPR und Gerechtes Russland errangen ebenfalls ihre Mandate. Eine Chance, diese Konstellation in der nächsten Duma zu ändern, haben die Nationalisten von der Heimat-Partei des Vizepremiers Dmitri Rogosin. Die liberale Oppositionspartei Parnas, deren Kandidatur nur in der Region Kostroma zugelassen wurde, scheiterte hingegen deutlich an der Fünf-Prozent-Hürde. Die Partei klagte über zahlreiche Behinderungen. So wurde der Wahlkampfmanager der Partei Andrej Piwowarow verhaftet. Am Wahltag konfiszierte die Polizei dann bei der Opposition eine größere Geldsumme, die als Kaution dienen sollte. Israel befürchtet, dass russische Waffen Aufständischen in die Hände fallen könnten. Jerusalem – Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu ist am Montag nach Moskau geflogen, um dem russischen Präsidenten Wladimir Putin seine Sorge über dessen militärisches Eingreifen in Syrien mitzuteilen. Israel befürchtet, dass russische Waffen den Aufständischen im Nachbarland in die Hände fallen könnten. Außerdem will Israel verhindern, dass es versehentlich zu einer Konfrontation mit dem russischen Militär kommt. Dies gilt besonders für den Einsatz der Luftwaffe. Russland hatte kürzlich Kampfjets auf den Flughafen der syrischen Stadt Latakia verlegt. Israel hat in der Vergangenheit Luftangriffe auf Rebellen im Süden Syriens und libanesische Hisbollah-Kämpfer geflogen, die des Waffenschmuggels verdächtigt werden. Netanjahu werde wohl versuchen, mit Putin Regeln abzustimmen, um Zusammenstöße zu vermeiden, hieß es in Israel. Möglicherweise werden sich Israel und Russland darauf verständigen, ihre Einsätze auf bestimmte Gebiete Syriens zu beschränken – oder darauf, dass sie tagsüber und wir nur nachts fliegen, sagte ein früherer Berater Netanjahus, der seinen Namen nicht genannt haben wollte. Israel befürchtet unter anderem, dass seine Kampfflugzeuge ins Visier russischer Flugabwehrsysteme geraten oder es zu einer direkten Konfrontation mit russischen Kampfjets kommen könnte. Auch könnte die Hisbollah von den russischen Waffen profitieren. Der Ministerpräsident strebe voraussichtlich eine Zusicherung Putins an, dass Russland die Kontrolle über seine Waffen behalte und nicht bei der Bewaffnung der Hisbollah helfe, sagte der frühere Berater. Kämpfer der Hisbollah unterstützen seit langem die Truppen des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad im Bürgerkrieg. Russland als Schutzmacht Assads hatte nach US-Angaben zuletzt schweres Militärmaterial, darunter Kampfpanzer, Hubschrauber und Kampfflugzeuge nach Latakia verlegt. Südlich der Küstenstadt betreibt das russische Militär einen Marine-Stützpunkt. Auch die USA, die in Syrien Stellungen der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) bombardieren, bemühen sich, Konflikte mit dem russischen Militär zu vermeiden. Durch Gespräche mit dem russischen Militär solle erreicht werden, dass es nicht zu Unfällen und ungewollten Konfrontationen komme und beide Seiten wüssten, was im Kampf gegen den IS geschehe, erklärte US-Außenminister John Kerry am Sonntag bei einem Besuch in Berlin. "Absolut der Beste, was Qualität und Prestige betrifft". Rom – Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi hält den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den besten Politiker der Welt. In einer Phase allgemeinen Mangels an Leadern in der Welt ist Putin absolut der Beste was Qualität und Prestige betrifft, sagte Berlusconi laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA am Sonntag. Berlusconi hatte Putin vor zwei Wochen auf der von Russland annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim besucht. Ich habe Putin gebeten, uns allein ohne Leibwächter unter die Leute zu mischen. Man hätte die Liebe und die Sympathie sehen sollen, mit der Putin empfangen wurde. Die Frauen warfen sich in seine Arme, sie weinten und dankten. Die Menschen sind auf der Krim glücklich, dass sie nicht mehr unter der ukrainischen Regierung stehen, die nicht demokratisch gewählt worden, sondern dank eines Staatsstreiches im Einsatz ist, sagte Berlusconi Er selber sei in Russland populär, berichtete Berlusconi. Ich werde mit einem Spitznamen genannt, den ich sehr mag: Silvio Rubacuori, so Berlusconi. Ruby Herzensbrecherin ist der Name der marokkanischen Nachtklubtänzerin wegen der Berlusconi sich wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit einer Minderjährigen verantworten musste. Er wurde von diesen Vorwürfen 2014 letztinstanzlich freigesprochen. EU-Kommissionspräsident: "Können uns Verhältnis zu Russland nicht von Washington diktieren lassen". Brüssel/Passau – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat sich für eine Entspannung im Konflikt mit Russland ausgesprochen. Wir müssen uns um ein brauchbares Verhältnis zu Russland bemühen. Das ist nicht sexy, aber das muss sein. Wir können so nicht weitermachen, sagte er am Donnerstag in Passau bei einer Veranstaltung zum Thema Flüchtlinge. Man müsse nicht in vollkommenes Einvernehmen gelangen, aber wieder eine vernünftige Gesprächsbasis etablieren. Juncker kritisierte, dass US-Präsident Barack Obama Russland als Regionalmacht abqualifiziert habe. Man muss Russland anständig behandeln, so Juncker. Wir können uns unser Verhältnis zu Russland nicht von Washington diktieren lassen. Das geht nicht. Von Russland selbst forderte der EU-Kommissionschef, sich massiv zu bewegen. Wie sie in Sachen Krim vorgegangen sind und in Sachen Ostukraine, das geht so nicht. Russland hatte die ukrainische Schwarzmeerhalbinsel im März 2014 annektiert. Im bewaffneten Konflikt zwischen prorussischen Separatisten und der Armee in der Ostukraine wurden mehr als 8.000 Menschen getötet. Kiew und der Westen werfen Moskau vor, die Separatisten zu unterstützen, was der Kreml zurückweist. Die Russen sind ein stolzes Volk, das Land habe eine Rolle zu spielen, sagte Juncker. Man darf sie nicht von der Bildfläche verdrängen, sonst melden sie sich, wie wir gesehen haben, sehr schnell wieder. Seit Ende September greift Russland mit Luftangriffen auch in den syrischen Bürgerkrieg ein. Nach russischen Angaben zielt der Einsatz auf die Jihadistenmiliz Islamischer Staat und andere Terrororganisationen ab. Der Westen fordert von Russland, ausschließlich den IS zu bombardieren. Junckers Aussagen sorgten am Freitag für Unruhe in der Brüsseler Behörde. Der Sprecher Junckers wollte die Aussage über ein Diktat Washingtons nicht bestätigen, meinte aber, jedem stehe es frei zu interpretieren, was der Kommissionspräsident gesagt habe. Gruppe soll Anschlag in Moskau geplant haben. Moskau – Russische Sicherheitskräfte haben mehrere Menschen festgenommen, die einen Anschlag auf das öffentliche Verkehrssystem in Moskau geplant haben sollen. Wie der Inlandsgeheimdienst FSB am Montag weiter mitteilte, absolvierten einige von der Festgenommenen Trainingsprogramme in Ausbildungslagern der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien. Alle Terrorverdächtigen seien Russen. Zwei Verdächtige gaben demnach bei ihrer Vernehmung die Anschlagspläne zu. Bei einer Razzia am Sonntag im Zentrum der russischen Hauptstadt waren in der Wohnung eines der Männer Medienberichten zufolge vier Kilogramm Sprengstoff und selbst angefertigte Bomben gefunden worden. Mehr als 120 Menschen wurden demnach in Sicherheit gebracht, während Experten den Sprengstoff unschädlich machten. Die Zahl der Festgenommenen gab der FSB mit mindestens drei an. Sie kehrten demnach lange vor dem Beginn der russischen Luftangriffe in Syrien am 30. September nach Russland zurück. Sie hielten sich in der am Sonntag durchsuchten Wohnung auf, in der regelmäßig zwischen sechs und elf Menschen lebten. Der staatliche Fernsehsender Rossiya zeigte Aufnahmen von der Razzia. Zu sehen waren Polizisten, die Säcke mit Beweismaterial sowie eine Waschmaschine wegtrugen. Von ihr hieß es, sie habe als Versteck dienen können. Nach Angaben russischer Behörden kämpfen etwa 2.000 Russen aufseiten der Jihadisten in Syrien. Im Juni hatte eine im Nordkaukasus kämpfende bewaffnete islamistische Gruppe in einem Video dem Islamischen Staat Gefolgschaft geschworen. Die Gruppe bekannte sich in den vergangenen Jahren zu einer Reihe tödlicher Angriffe, darunter den Anschlag auf den Moskauer Flughafen Domodedowo im Jänner 2011, bei dem 37 Menschen getötet wurden. Kreml bestätigt Panne bei staatlich kontrollierten Sendern. Moskau – Zwei russische Fernsehsender haben versehentlich Dokumente über ein neues System atomar bestückter Torpedos veröffentlicht. Kreml-Sprecher Dmitri Peskow bestätigte am Mittwoch entsprechende Medienberichte und sagte, ein derartiges Versehen dürfe sich nicht wiederholen. Die staatlich kontrollierten Sender NTW und Kanal Eins hatten am Dienstag in Berichten über ein Treffen von Präsident Wladimir Putin mit Militärvertretern in Sotschi Geheimdokumente zu einem noch in der Entwicklungsphase steckenden Torpedo-System mit der Bezeichnung Status-6 gezeigt. In dem deutlich sichtbaren Begleittext heißt es, die auf U-Booten stationierten Torpedos würden bei ihrem Einschlag die Gebiete derart stark radioaktiv verseuchen, dass sie für lange Zeit für jede militärische, landwirtschaftliche oder wirtschaftliche Aktivität unbrauchbar seien. Zwar wurden die Aufnahmen von den beiden Sendern später wieder gelöscht, doch auf mehreren Internetseiten wurden Screenshots veröffentlicht. Wie die Aufnahmen in die Sendungen gerieten, war zunächst unklar. Beide Sender stehen unter strikter Kontrolle des Kreml. Putin hatte diese Woche den USA und ihren Verbündeten vorgeworfen, Moskaus atomare Kapazitäten ausschalten zu wollen. Moskau brauche deshalb Waffen, die in der Lage sein müssten, jede Form von Raketenschutzschild zu überwinden, erklärte er. Der Krieg in der Ostukraine spielte in Wladimir Putins alljährlicher Rede zur Lage der Nation heuer keine Rolle mehr. Das sieht nach einer irreparablen Beziehung aus: In seiner Rede zur Lage der Nation hat Wladimir Putin erneut schwere Vorwürfe gegen die türkische Führung erhoben. Den Abschuss eines russischen Bombers werde sie noch bereuen, drohte er. Nur wenige Minuten seiner einstündigen Rede verwendete Putin auf die Außenpolitik. Doch ihren Stellenwert verdeutlichte er dadurch, dass er sie an den Anfang seines Vortrags vor rund 1000 Offiziellen im Kremlpalast setzte. Mit einem Dank an die russischen Soldaten und einer Schweigeminute für die Gefallenen in Syrien begann Putin – dann setzte es scharfe Kritik an der Türkei. Erneut wiederholte der Kremlchef seinen Vorwurf, dass sich die türkische Führung durch den Kauf von billigem Öl der Terrormiliz Islamischer Staat bereichere und dass sie Terroristen in ihrem Land Zuflucht gewähre. Allah hat die Führungsclique der Türkei gestraft, indem er ihr den Verstand raubte, rief er. Russland werde den Abschuss seines Bombers nicht vergessen. Eine militärische Antwort schloss Putin zwar aus, kündigte aber harte Gegenmaßnahmen an: Wenn jemand glaubt, dass er nach der Verübung eines hinterhältigen Kriegsverbrechens mit ein paar Tomaten oder Einschränkungen im Baubereich und anderen Sektoren davonkommt, dann irrt er sich gewaltig, sagte Putin Bezug nehmend auf die jüngst eingeführten Wirtschaftssanktionen, die Moskau offenbar durch neue Strafen verschärfen will. Die Details ließ der russische Präsident offen. Dafür bestätigte Energieminister Alexander Nowak, dass Pläne zum Bau der Pipeline Turkstream gestoppt sind. Auch der Bau eines 20 Milliarden Dollar teuren Atomkraftwerks liegt auf Eis. Als weitere Überraschung sei eine Unterstützung der Kurden denkbar, glaubt der Politologe Stanislaw Belkowski. Trotz seiner Angriffe gegen die Türkei nutzte Putin die Rede nicht – wie von einigen Beobachtern erwartet – zu einer Abrechnung mit der Nato, deren Mitglied die Türkei ist. Im Gegenteil: Putin erneuerte sein Angebot zur Kooperation, indem er eine breite Antiterrorkoalition forderte. Kein Land ist in der Lage, allein den Terror zu besiegen, sagte er. Die unterschiedlichen Zielsetzungen der kriegsführenden Mächte in Syrien tangierte er dabei lediglich, als er – ohne die USA beim Namen zu nennen – von Kräften sprach, die im Bestreben, Despoten zu stürzen, den Mittleren und Nahen Osten, von Afghanistan über den Irak und Syrien, bis hin nach Libyen destabilisieren. Keine Rolle spielte diesmal die Ukraine, und selbst die Krim kam nur am Rande vor, als er die Halbinsel als Beispiel für Russlands Größe und Stärke nannte. Erkennbar war das Bemühen, gleichzeitig an den Patriotismus der Russen zu appellieren, ohne den Westen übermäßig zu provozieren. So widmete sich Putin in seiner Rede großteils wirtschaftlichen und sozialen Problemen. Demnach stellt sich der Kreml auf ein längeres Ölpreistief ein. Putin räumte ein, die Lage sei schwer, wenn auch nicht kritisch. Neu sind Putins Rezepte zur Krisenbekämpfung nicht: Über die Diversifizierung der Wirtschaft, die Bekämpfung der Korruption und die Verbesserung des Investitionsklimas spricht er seit Jahren. Auf die Sanktionen will der Kreml mit mehr Freiheiten für Unternehmer antworten, das Heer der Kontrolleure abschaffen – das alles haben die Russen schon einmal gehört. Premier Davutoglu möchte "von Angesicht zu Angesicht reden". Ankara/Moskau – Nach den jüngsten Vorwürfen des russischen Präsidenten Wladimir Putin hat die türkische Regierung erneut um Entspannung in der eskalierenden Krise geworben. Lasst uns unsere Angelegenheit angehen, indem wir von Angesicht zu Angesicht reden, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu an die Adresse Putins. Aber lasst uns keine Kampagnen gegeneinander führen, die an die Zeit des Kalten Krieges erinnern. Der türkische Regierungschef hielt sich am Freitag zu einem Besuch in Aserbaidschans Hauptstadt Baku auf. Davutoglu sagte, die Türkei hege nicht einmal das geringste negative Gefühl gegenüber dem russischen Volk. Türken und Russen sind zwei große Völker, die die Geschichte Europas und Asiens geprägt haben. Davutoglu betonte erneut, dass sich die Türkei für den Abschuss des russischen Kampfjets in der vergangenen Woche nicht, wie von Moskau verlangt, entschuldigen werde. Wir entschuldigen uns nicht dafür, unsere Grenzen zu schützen. Davutoglu wies erneut die russische Anschuldigung zurück, die türkische Regierung unterstütze die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und billige den grenzüberschreitenden Ölschmuggel. Er frage sich, warum die Regierung in Moskau solche Anschuldigungen erst seit dem Abschuss des Flugzeuges erhebe. Unklar, ob wegen beschädigter Speicherkarte mit verwertbaren Daten zu rechnen ist. Moskau/Ankara – Im Beisein ausländischer Experten haben russische Beamte am Freitag die Blackbox des von der Türkei abgeschossenen russischen Kampfflugzeugs geöffnet. Der Flugschreiber werde transparent für die russische und internationale Öffentlichkeit analysiert, sagte der Vize-Kommandeur der russischen Luftwaffe, Sergej Dronow, bei dem live im russischen Fernsehen übertragenen Vorgang. Die Untersuchung der Blackbox hat den russischen Behörden zufolge keine neuen Erkenntnisse gebracht. Der Flugschreiber sei so stark beschädigt, dass keine Daten ermittelt werden konnten, sagte am Montag der stellvertretende Flugsicherheitschef der russischen Luftwaffe, Sergej Bainetow. Unsere Spezialisten haben die Speicherkarte entnommen, leider hat sie Schäden davongetragen, sagte der Luftwaffenbeamte Sergej Bainetow. Die Ermittler würden sich diesbezüglich mit den internationalen Beobachtern beraten. Zu den Schäden an der Blackbox zählen nach russischen Militärangaben zahlreiche Kratzer und Dellen, das Gerät war demnach an der Absturzstelle aber keinem Feuer ausgesetzt. Dronow sagte, die Blackbox sei seit ihrem Fund an der Absturzstelle nicht geöffnet worden. Er wies zugleich darauf hin, dass es genügend Beweise gebe, dass die russische Maschine den türkischen Luftraum nicht verletzt habe. Der Kampfjet sei 5,5 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt im syrischen Luftraum unterwegs gewesen. Nach Angaben Ankaras dagegen war der Jet in türkischen Luftraum eingedrungen. Der Abschuss des russischen Kampfjets durch die Türkei an der türkisch-syrischen Grenze am 24. November hatte zu einem schweren Zerwürfnis zwischen Moskau und Ankara geführt. Moskau beschloss eine Reihe von Strafmaßnahmen gegen das Land. Von der Untersuchung der Blackbox erhofft sich Russland Aufschluss über die Geschoßbahn und die Position des Kampfflugzeugs. Bei der Öffnung der Blackbox waren am Freitag Experten aus China, Großbritannien und den USA anwesend. Zhanna Nemzowa, die Tochter des ermordeten Oppositionspolitikers Boris Nemzow, erklärte bei einer Veranstaltung des Wiener Instituts für die Wissenschaften vom Menschen (IWM), warum ein politischer Umschwung in Russland vermutlich noch länger dauern wird. Vor fast einem Jahr wurde der russische Oppositionspolitiker Boris Nemzow auf offener Straße erschossen. Die Ermittlungen gehen nur schleppend voran, Spuren führen jedoch in die russische Teilrepublik Tschetschenien. Deren politisches Oberhaupt, Ramsan Kadyrow, fiel zuletzt durch harsche Kritik an der russischen Opposition auf. Deren Vertreter seien als Verräter und Volksfeinde zu behandeln. Genau solche Form von negativer Propaganda, die Hass und Gewalt in der Gesellschaft verbreite, macht Zhanna Nemzowa, Boris Nemzows älteste Tochter, für den Mord an ihrem Vater verantwortlich. Nachdem sie sich in Russland nicht mehr sicher gefühlt hatte, verließ sie im Mai 2015 ihre Heimat und lebt seither in Deutschland. Bei der Diskussion im Institut für die Wissenschaften vom Menschen (IWM) zum Thema Russischer Nationalismus am Dienstagabend in Wien betonte Nemzowa, niemals große Hoffnungen gehegt zu haben, dass der Mord an ihrem Vater vollständig aufgeklärt werden würde. Sie wirft dem russischen Staatsapparat vor, die Ermittlungen nicht ernsthaft zu betreiben, und kritisiert den fehlenden politischen Willen des Regimes: Die Verdächtigen im Mordfall Nemzow seien ihres Erachtens Männer, deren Namen zuvor niemand – weder in Russland noch im Ausland – gehört hätte. Sie dienten im tschetschenischen Bataillon Sewer, das unter der Kontrolle des tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow steht. Auf ihre Forderung, Kadyrow im Rahmen der Ermittlungen zu befragen, erhielten die Hinterbliebenen laut Nemzowa jedoch eine Absage. Im Rahmen der Diskussion äußerte sich Zhanna Nemzowa jedoch nicht nur zum Mord an ihrem Vater, sondern unternahm auch den Versuch, die russische Gesellschaft – betont auf der Grundlage persönlicher Erfahrungen – zu analysieren. Die Journalistin bezeichnete das russische Regime dabei als hybrides System, eine Mischung aus Demokratie und Autokratie. Um dieses System zu erhalten, bediene sich die politische Elite Russlands einer neuen nationalen Ideologie, eines wiederentdeckten Patriotismus. Gemeinsam mit imperialistischem Gedankengut und festgefahrenen archaischen Strukturen werde so versucht, Instabilität und ideologischen Krisen entgegenzuwirken. Im diesem Rahmen werde die Gesellschaft laut Nemzowa in zwei Gruppen unterteilt: Patrioten und Verräter. Diese Polarisierung wird der Journalistin zufolge vor allem durch die effektive Propagandamaschinerie in Russland gefördert. Darin liegt ihrer Meinung nach auch das Geheimnis der ungebrochen hohen Umfragewerte des russischen Präsidenten. Wenngleich es kritische Medien (wie die Zeitung Nowaya Gazeta oder den Fernsehsender Doshd) gibt, hält Nemzowa deren Reichweite für zu gering, um viele Menschen zu erreichen. Der Großteil der Fernsehsender befinde sich unter staatlicher Kontrolle und kritisches Denken werde weder medial noch an Universitäten zugelassen. Nemzowa betonte, dass beruflicher Erfolg an absolute Loyalität gegenüber dem Regime gekoppelt sei. Nur regimetreue Ideologien und Ideen seien an Universitäten und im öffentlichen Raum erwünscht. Aufgrund des Mangels an öffentlicher politischer Diskussion haben junge Menschen meist kaum die Möglichkeit, kritisches Denken zu erlernen. Unter anderem aus diesem Grund habe sich eine gewisse Gleichgültigkeit innerhalb der russischen Bevölkerung entwickelt, glaubt Nemzowa. Die meisten Menschen fallen nicht in eine der beiden Kategorien, seien weder Patrioten oder Verräter. Ein Großteil glaube einfach, dass man am politischen Prozess ohnehin nichts ändern könne. Die Verantwortung, etwas in Russland zu verändern, liegt laut Nemzowa dennoch beim russischen Volk: Veränderung wird nicht durch die internationale Gemeinschaft herbeigeführt, sondern durch das Volk selbst. Nemzowa erachtet es jedoch als unwahrscheinlich, dass sich die russische Gesellschaft so schnell wie der Ölpreis verändern wird, da soziale Veränderungen bekanntlich Zeit brauchen: Vor dem Fall der Sowjetunion waren die Menschen in Russland arm und litten an Hunger. Auch damals dauerte es einige Jahre, bis sich etwas in der Bevölkerung regte. Heute gehe es den Menschen vergleichsweise gut, weshalb dieser Prozess noch lange dauern werde. Wenngleich die russische Mehrheitsgesellschaft derzeit noch keine Veränderung fordert, glaubt Nemzowa, dass diese Zeit kommen wird. Über ihren Platz in der russischen Gesellschaft sagte die junge Frau: Das mag vielleicht befremdlich wirken, aber ich selbst sehe mich als Patriotin, aus diesem Grund beschäftige ich mich auch mit diesen Themen. An eine baldige Rückkehr in ein Russland, in dem Rechtsstaatlichkeit herrscht, glaubt sie derzeit eher nicht. Russische Regierung sieht in Äußerung von US-Vizefinanzminister Provokation. Moskau – Kremlsprecher Dmitri Peskow hat die Korruptionsvorwürfe von US-Vizefinanzminister Adam Szubin gegen Russlands Präsidenten Wladimir Putin zurückgewiesen. Putin mache seine Freunde reich und dränge Personen, die er nicht als Gefolgsleute betrachte, an den Rand, hatte Szubin zuvor in einer BBC-Dokumentation gesagt. Seinen eigenen Reichtum verstecke Putin, doch die US-Regierung wisse seit Jahren davon. Für mich ergibt das ein Bild von Korruption, so Szubin. Peskow bezeichnete die Anschuldigungen als reine Erfindung und Verleumdung. Beweise sei Szubin schuldig geblieben, daher würden die haltlosen Behauptungen eher ein fahles Licht auf das US-Finanzministerium als auf Putin werfen. Nach Ansicht Peskows haben die jüngsten Beschuldigungen allerdings keinen Einfluss auf die bilateralen Beziehungen. Das Verhältnis zwischen Russland und den USA sei so zerstört, dass es nicht weiter Schaden nehmen könne. Es ist der zweite persönliche Angriff auf Putin aus dem angelsächsischen Raum innerhalb von acht Tagen: Vor gut einer Woche hatten britische Ermittler erklärt, dass der russische Geheimdienst FSB und Putin persönlich wahrscheinlich in die Ermordung des ehemaligen KGB-Agenten Alexander Litwinenko involviert seien. Litwinenko war 2006 an einer Vergiftung durch radioaktives Polonium-210 gestorben und hatte auf dem Sterbebett in London ebenfalls Putin für seinen Tod verantwortlich gemacht. Der zuletzt veröffentlichte Bericht eines britischen Richters kommt zu dem Schluss, dass das Gift in seinen Tee gekippt wurde. Als Tatverdächtige werden der ehemalige Geheimdienstler und jetzige Duma-Abgeordnete Andrej Lugowoi und der Geschäftsmann Dmitri Kowtun genannt. Die Beziehungen zwischen Russland und dem Westen sind seit der Ukraine-Krise stark angespannt. Die EU und die USA haben nach der russischen Annexion der Krim mit Sanktionen reagiert, Russland erwiderte diese mit Gegensanktionen. Laut Außenminister Sergej Lawrow hat sich das Verhältnis zwischen Russland und den USA aber bereits lange vor der Krise eingetrübt. Lawrow machte in seiner Pressekonferenz am Dienstag dafür das Weiße Haus und dessen Bemühungen, Russland einzuengen, verantwortlich. Ein konstruktiver Dialog sei möglich, eine Rückkehr zu den alten Beziehungen zwischen Russland und dem Westen werde es aber nicht geben, sagte er. In einem Interview mit dem russischen Staatssender Rossija 1 sprach der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow über die Beteiligung seiner Landsleute am Kampf gegen die Terrormiliz "IS". Grosny – Der tschetschenische Präsident Ramsan Kadyrow soll noch vor dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien Informationen über Sondertrainingslager im Nahen Osten erhalten haben, wo tschetschenische Geheimdienstmitarbeiter undercover eingeschleust wurden. Das geht aus einer Meldung auf der Internetseite der tschetschenischen Regierung von Montag hervor. In Russland wusste man noch nicht, dass diese Organisation ISIS genannt werden würde, auch ich wusste es nicht. Es gab Informationen darüber, dass es eine Vorbereitung für terroristische Gruppierungen geben werde. Die Ausbildner stammten aus Nato-Staaten. Wir haben in diese Trainingslager Agenten des tschetschenischen Geheimdienstes eingeschleust, erzählte Kadyrow dem russischen Staatsfernsehen Rossija 1 am Sonntag. Diese Leute sind freiwillig dorthin gegangen, um Russland vor seinen Feinden zu schützen, erörterte das Oberhaupt der tschetschenischen Republik weiter. Den tschetschenischen Geheimdienstagenten sei es gelungen, ein Netz innerhalb der Terrororgansation Islamischer Staat (IS) aufzubauen. Sie sammelten Kadyrow zufolge Informationen über die Struktur der Organisation, die Zahl der Terroristen und konnten so Ziele für Bombardierungen russischer Flugzeuge ausmachen beziehungsweise die Ergebnisse dieser Angriffe festmachen. Dank der Arbeit der Agenten gelingt es der russischen Luftwaffe, terroristische Basen in Syrien zu zerstören, betonte Kadyrow. Der Pressesekretär des russischen Präsidenten Wladimir Putin, Dmitrij Peskow, reagierte auf die Aussage Kadyrows und meinte, dass diese Informationen noch von den entsprechenden Behörden bestätigt werden müssen. Russland geht seit 30. September 2015 mit Luftangriffen gegen die Terrororganisation IS vor. Straßburger Richter geben Alexej Nawalny Recht – Urteil noch nicht rechtskräftig. Straßburg/Moskau – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Verurteilung des prominenten Kremlkritikers Alexej Nawalny zu fünf Jahren Lagerhaft als willkürlich gerügt. Es sei zu befürchten, dass dieses Urteil vom Jahre 2013 politischer Natur war, stellten die Straßburger Richter am Dienstag fest. Dies gelte auch für die Verurteilung von Nawalnys Mitangeklagtem Piotr Ofitserow. Das russische Strafgesetz sei zu Lasten der beiden Beschuldigten willkürlich interpretiert worden. Moskau wurde vom Gerichtshof angewiesen, Nawalny und Ofitserow jeweils 8.000 Euro Schmerzensgeld zu zahlen. Die Straßburger Richter verwiesen darauf, dass Nawalny zuvor auf seinem Blog den russischen Präsidenten Wladimir Putin in Verbindung mit einem Finanzskandal gebracht hatte. Dabei ging es um die Veruntreuung von Geldern beim Bau einer Pipeline in Sibirien. Drei Wochen nach der Veröffentlichung dieser Vorwürfe seien die ersten Ermittlungen gegen Nawalny eingeleitet worden. Es sei unmöglich, dies zu ignorieren, heißt es in dem Urteil. Der 39 Jahre alte Nawalny, der seit Jahren die weitverbreitete Korruption in den russischen Eliten anprangert, begrüßte das Urteil. Die Wahrheit ist auf unserer Seite und wir werden gewinnen, schrieb er auf seinem Blog. Er wolle seine Heimat gegen die Diebe und Betrüger verteidigen, die in Russland die Macht an sich gerissen hätten. Das Urteil wurde von einer kleinen Kammer gefällt und ist noch nicht rechtskräftig. Russland kann binnen drei Monaten Rechtsmittel einlegen. Der Gerichtshof kann den Fall dann an die 17 Richter der Großen Kammer verweisen – er muss dies aber nicht tun. Bei dem Prozess im Jahre 2013 wurde Nawalny vorgeworfen, umgerechnet 400.000 Euro eines staatlichen Unternehmens veruntreut zu haben. Seine Strafe wurde später auf Bewährung ausgesetzt. Ende 2014 wurde der Putin-Gegner in einem anderen umstrittenen Betrugsprozess erneut verurteilt, und mit ihm sein Bruder Oleg. Während der Blogger mit einer Bewährungsstrafe davonkam, musste sein Bruder eine dreieinhalbjährige Haftstrafe antreten. Auch in diesem Fall hatte Nawalny die Vorwürfe als politisch motiviert zurückgewiesen. Seinen Ruf als furchtloser Kritiker der Mächtigen verdankt Nawalny vor allem seinem Blog, in dem er seit 2007 kritische Recherchen über die dubiosen Geschäftspraktiken russischer Großkonzerne veröffentlicht. Im Ausland wurde er als Wortführer der Proteste gegen die umstrittene Parlamentswahl im Dezember 2011 und die Wiederwahl von Putin ins Präsidentenamt im Mai 2012 bekannt. Bei der Wahl des Moskauer Bürgermeisters im September 2013 landete Nawalny auf dem zweiten Platz. Auch Bürgerrechtler mit dem Tod bedroht – Kadyrow weist Verdacht von sich. Unbekannte haben an der Grenze zwischen den russischen Kaukasusrepubliken Inguschetien und Tschetschenien eine Gruppe von Bürgerrechtlern und Journalisten überfallen und misshandelt. Der Kleinbus des Komitees gegen Folter und ein Begleitwagen waren auf der Fernstraße von Beslan Richtung Grosny unterwegs, als drei Pkws sie an den Straßenrand drängten. 15 bis 20 Maskierte schlugen die Scheiben ein und zerrten Insassen aus dem Wagen. Die Opfer berichteten, mit Holzknüppeln und scharfen Gegenständen geschlagen worden zu sein. Dabei beschimpften die Schläger sie als Verräter und Terroristen. Anschließend nahmen die Täter mehrere Telefone mit, zündeten das Fahrzeug der Journalisten an und flüchteten. Es war schrecklich. Ich dachte, ich muss sterben. Ich dachte, ich hätte meiner Frau noch einmal richtig Lebewohl sagen sollen, beschrieb der norwegische Journalist Oystein Windstad den Vorfall. Windstad, der sich eigenem Bekunden nach heftig gewehrt hat, musste mit ausgeschlagenen Zähnen, Platz- und Stichwunden im Gesicht und am Körper ins Spital eingeliefert werden. Dort wurde ihm ein Gips angelegt. Verletzt wurde auch die schwedische Radioreporterin Maria Persson Löfgren. Insgesamt mussten vier der neun Opfer im Krankenhaus behandelt werden. Ihr Zustand sei aber zufriedenstellend, heißt es. Laut dem russischen Journalisten Jegor Skoworoda wurde die Gruppe seit Beginn der Pressereise beschattet. Zunächst seien sie nur bis zur tschetschenischen Grenze überwacht worden. Heute sind sie uns sowohl hier als auch dort gefolgt, berichtete er. Der Menschenrechtsrat des russischen Präsidenten forderte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika und den Chef des Ermittlungskomitees, Alexander Bastrykin auf, persönlich Kontrolle über Ermittlungen zu übernehmen. Kremlsprecher Dmitri Peskow nannte den Überfall absolut empörend. Der Leiter des Komitees gegen Folter, Igor Kaljagin, äußerte freilich den Verdacht, dass tschetschenische Sicherheitsorgane an der Tat beteiligt gewesen seien. Kaljagin gilt als Intimfeind von Staatspräsident Ramsan Kadyrow. Sein Büro in Grosny wurde nach einer Kadyrow-Schelte im vergangenen Jahr angezündet. Kadyrows eigener Menschenrechtsbeauftragter, Nurdi Nuchadschijew, wies die Vorwürfe als absurd zurück. Stattdessen verdächtigte er Kaljagin, den Vorfall selbst inszeniert zu haben. Der tschetschenischen Führung komme der Überfall nicht gelegen, sagte Nuchadschijew. Mit ähnlicher Argumentation verwahrt sich die Umgebung Kadyrows auch gegen Verdächtigungen im Mordfall des Oppositionellen Boris Nemzow. In Russland inhaftierter Soldatin wird Tod von Journalisten vorgeworfen. Moskau – Ein russisches Gericht hält die ukrainische Kampfpilotin Nadja Sawtschenko der Beihilfe zum Mord an zwei Journalisten in der Ostukraine für schuldig. Die Richter gingen davon aus, dass die 34-Jährige aus Hass absichtlich den Tod zweier Menschen verursacht habe, erklärte Richter Leonid Stepanenko am Montag in Südrussland. Russische Nachrichtenagenturen meldeten, dies komme einem formalen Schuldspruch gleich. Der Richter verlas jedoch weiter seine Ausführungen, das abschließende Urteil wurde noch nicht verkündet. Sawtschenkos Anwälte Mark Feygin und Nikolai Polosow sagten Reuters, sie erwarteten den Richterspruch später am Montag, möglicherweise aber auch erst am Dienstag. Das Strafmaß wurde zunächst nicht verkündet. Es soll erst nach Verlesen der Begründung bekanntgegeben werden – voraussichtlich am Dienstag. Moskau wirft Sawtschenko vor, 2014 im Kriegsgebiet Ostukraine tödliches Mörserfeuer auf zwei russische Journalisten gelenkt zu haben. Sie habe aus politischem Hass und Feindseligkeit gehandelt, hieß es. In der Ukraine wird die Pilotin als Nationalheldin und Symbol des Widerstands gegen den Kreml verehrt, während sie im russischen Staatsfernsehen als gefährliche Nationalistin dargestellt wird, die das Blut russischer Zivilisten an den Händen hat. Sie selbst bestreitet jegliches Fehlverhalten und spricht von einem Schauprozess. Das Gerichtsverfahren hatte die Spannungen zwischen Russland und der Ukraine weiter verschärft. Schon vor dem Urteil hatte die 34-Jährige angekündigt, dass sie es nicht anfechten werde. Sie setzt auf einen Austausch Gefangener zwischen Russland und der Ukraine. Sonst werde sie nach Inkrafttreten des Urteils in zehn Tagen wieder in Hungerstreik treten, kündigten ihre Anwälte an. Die Vertretung der Europäischen Union in Moskau verlangte die sofortige Freilassung Sawtschenkos. Der russische Grenzschutz verweigerte am Montag einer ukrainischen Abgeordneten die Einreise zu dem Prozess. Auch Sawtschenko hat ein Mandat, sie war 2014 in Abwesenheit ins ukrainische Parlament gewählt worden. Die Kampfpilotin war im Juni 2014 von prorussischen Separatisten gefangen genommen und an Russland übergeben worden. Die russischen Behörden werfen ihr vor, den Mörserbeschuss ins Ziel dirigiert zu haben, der die beiden Journalisten tötete. Russland unterstützt die Separatisten im Osten der Ukraine, die gegen die Regierung in Kiew kämpfen. Zwei russische Journalisten im Donbass durch Granaten getötet – Russische Justiz beschuldigt Pilotin. Die ukrainische Kampfpilotin Nadia Sawtschenko wurde am Montag von einem Gericht in der südrussischen Region Rostow schuldig gesprochen. Die Richter sehen es als erwiesen an, dass die Soldatin für den Tod zweier russischer Journalisten verantwortlich ist. Sie habe deren Tod aus Hass absichtlich verursacht. Der Richter begann am Montag damit, die Begründung zu verlesen – das Strafausmaß wird erst am Ende verkündet. Der 34-Jährigen drohen 23 Jahre Haft in einem Straflager. Das Ende der Urteilsverkündung wurde für den späten Montagabend oder für Dienstag erwartet. Im Gerichtsgebäude verfolgten neben den Anwälten Sawtschenkos auch viele Unterstützer das Prozessende. Auch ihre jüngere Schwester Vera Sawtschenko war dabei – sie hat in den letzten zwei Jahren weltweit für die Freilassung Nadias gekämpft. Wir wissen, dass wir in Russland keinen fairen Prozess und kein faires Urteil erwarten können, deshalb kämpfen wir weiter für die Freilassung Nadias, sagte sie dem ukrainischen Fernsehen in einem Telefoninterview. Nadia Sawtschenko ist in ihrem Heimatland eine Nationalheldin. Präsident Petro Poroschenko hat ihr im vergangenen Mai die höchste Auszeichnung verliehen: Seitdem hat sie auch offiziell einen Heldenstatus. Vor allem die EU und die USA hatten seit der Inhaftierung Sawtschenkos im Juni 2014 immer wieder versucht, bei den Machthabern in Moskau eine Freilassung zu erreichen. Noch am Wochenende hatte US-Präsident Barack Obama seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin in einem Telefonat gefragt, warum er Sawtschenko nicht freilasse. Die Position Moskaus hatte vor Monaten Außenminister Sergej Lawrow deutlich gemacht: Erst nach der Verurteilung werde sich der Kreml zur Personalie Nadia Sawtschenko äußern. Und in der Tat: Beobachter in Kiew berichten, dass hinter den Kulissen bereits Gespräche zwischen Moskau, Kiew und Berlin laufen. Die deutsche Regierung spielt offenbar eine zentrale Rolle. Sawtschenkos Anwalt, Mark Fergin, der 2012 auch die Punk-Musikerinnen von Pussy Riot vertreten hat, gab vergangene Woche bekannt, Präsident Poroschenko habe ihm mitgeteilt, dass in Kürze eine Ärztegruppe der Berliner Charité sich nach Rostow aufmachen werde. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier wird am Mittwoch zu einem Besuch in Moskau erwartet, unter anderem will er über die Syrien-Friedensverhandlungen und über die Ukraine sprechen – auch das Thema Nadia Sawtschenko stehe an, sagte ein Diplomat, der nicht genannt werden will. Ukrainische Medien berichten seit Wochen über einen möglichen Austausch Sawtschenkos gegen zwei russische Geheimdienstmitarbeiter, die seit geraumer Zeit in ukrainischer Haft sitzen. Die Kampfpilotin lehnt jedoch jede Art von Deal ab, wie sie selbst Anfang März während der Gerichtsverhandlung erklärte. Sie sei unschuldig, habe während der Kämpfe im Frühsommer 2014 ihre Pflicht als Soldatin getan und mein Land verteidigt. In Kiew gibt es auch Stimmen, die befürchten, die als eigenwillig und bisweilen ruppig geltende Kampffliegerin könnte eine mühsam herbeigeführte Abmachung von Diplomaten zunichtemachen und sich am Ende sogar weigern, sich gegen russische Gefangene austauschen zu lassen. Auf Nadia Sawtschenko wartet eine Strafe von 20 bis 23 Jahren Lagerhaft. Die sportliche Frau, die schon mehrere Hungerstreiks in den vergangenen zwei Jahren hinter sich hat, sagte: Bevor ich in einem Lager in der russischen Provinz verrotte, sterbe ich – für mein Land, für die Freiheit und für die Ukraine. (Nina Jeglinski aus Kiew, 22.3.2016) Amtszeit dauert fünf Jahre. Moskau – Russlands bisherige Menschenrechtsbeauftragte Ella Pamfilowa (62) ist zur neuen Leiterin der einflussreichen Wahlkommission bestimmt worden. Das meldete die Agentur Interfax am Montag in Moskau. Der Kreml erhofft sich von dem Schritt, dass die Parlamentswahl in knapp sechs Monaten weniger der Kritik der liberalen Opposition und internationaler Wahlbeobachter ausgesetzt sein wird als frühere Urnengänge. Regierungsgegner hatten Pamfilowas Vorgänger Wladimir Tschurow massive Fälschungen bei der Wahl 2011 vorgeworfen und Hunderttausende auf die Straße gebracht. Die oppositionelle Parnas-Partei begrüßte Pamfilowas Wahl. Aber sie ist ein Teil des Systems, wir erwarten keine großen Verbesserungen, meinte Parteichef Michail Kasjanow. Pamfilowa sagte, sie wolle das Vertrauen der Bürger in Wahlen zurückgewinnen. Die Menschen sollen das Gefühl haben, dass ihre Stimme wirklich zählt, sagte die parteilose Politikerin mit Blick auf die Wahl am 18. September 2016. Für Pamfilowa stimmten 14 der 15 Mitglieder der Wahlkommission. Die Amtszeit dauert fünf Jahre. Beim Besuch von Präsident Fischer am Dienstag geht es auch um Russlands Position in Europa. Moskau/Wien – Auch wenn es sich bei der Moskaureise des Bundespräsidenten am Dienstag und Mittwoch um einen bilateralen Besuch handelt: Als EU-Mitgliedstaat, der nicht der Nato angehört, hat Österreich besondere Spielräume für die Gestaltung seiner Beziehungen zu Russland – die dann eben doch über das rein Bilaterale hinausgehen. Diese internationale Dimension haben zuletzt Diplomaten beider Seiten zur Sprache gebracht. Europa und Russland können nur gemeinsam agieren – das geht vom Terrorismus bis zur wirtschaftlichen Krise, die wir auf dem Kontinent erleben, erklärte der österreichische Botschafter in Moskau, Emil Brix, im Vorfeld von Fischers Visite. Neben den großen außenpolitischen Themen Syrien, Ukraine und Migration werde es bei den Moskauer Gesprächen auch um Österreichs Vorsitz in der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) im nächsten Jahr gehen, so Brix im Gespräch mit der APA. Für Moskau ist die OSZE ein wichtiges internationales Gremium. Nach der Annexion der Krim hatte Russland sein Stimmrecht in der Parlamentarischen Versammlung des Europarats verloren und war aus dem Kreis der G8, der Gruppe führender Industriestaaten, ausgeschieden. Auf der Bühne der OSZE jedoch ist das Land nach wie vor vollwertiger Diskussionspartner. Auch die EU-Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts würden die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit zwischen der EU und Russland derzeit begrenzen, sagte Dmitrij Ljubinskij, russischer Botschafter in Wien, vor Journalisten: Das nutzt niemandem. Österreich gehöre aber zu jenen Ländern in der EU, die am meisten Verständnis dafür haben, dass wir in eine Sackgasse geraten sind, so Ljubinskij. Offizielle Debatten über die im Juni auslaufenden Sanktionen sind in Moskau dennoch nicht zu erwarten. Über eine Verlängerung müssen die EU-Staaten einstimmig entscheiden, einen österreichischen Alleingang wird es dabei nicht geben. Sehr wohl aber gebe es unterschiedliche Geschwindigkeiten bei der Aufnahme eines verstärkten Dialogs mit Russland, erklärte Botschafter Brix. Sein russisches Gegenüber Ljubinskij wünscht sich auch mehr Dialog bei der Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus und warnt vor gemeinsamen Gefahren durch die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Konflikte im Nahen Osten: Ist es dann vernünftig, die Kräfte an der Grenze zu Russland zu verstärken?, kritisierte der Botschafter jüngste Pläne der Nato, eine Panzerbrigade in ihre östlichen Mitgliedsländer zu schicken. Bundespräsident Fischer bezeichnete Russland im Vorfeld seines Besuchs als wichtiges und einflussreiches Land in genau jenem Raum, der auch für Österreich von größter Bedeutung ist. Eine Politik, die Europa von Russland trennen wolle, sei falsch. Wien und Moskau hätten in der Vergangenheit auch in schwierigen Phasen den Kontakt aufrechterhalten, so Fischer: Wir sagen offen und direkt unsere Meinung – auch eine kritische Meinung –, aber wir können auch zuhören. Außenminister Sebastian Kurz reist am Dienstag von Washington kommend ebenfalls nach Moskau und trifft dort seinen russischen Amtskollegen Sergej Lawrow. Bundespräsident Fischer wird von einer Regierungsdelegation und von Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl begleitet. Leitl gilt als entschiedener Gegner der Sanktionen gegen Russland. In Europa aber würden einige glauben, nur mit Drohgebärden Politik machen zu müssen. Russland habe im Iran eine konstruktive Rolle gespielt und sich in Syrien positiv eingebracht, erklärte Leitl. Moskaus Syrien-Engagement an der Seite von Machthaber Bashar al-Assad ist international umstritten. Ex-Leibwächter und enger Vertrauter des russischen Präsidenten soll für Ordnung im Land sorgen. In Russland entsteht eine neuer Sicherheitsapparat: Präsident Wladimir Putin hat die Gründung der Nationalgarde beschlossen. Leiter der künftigen Elitetruppe im Kampf gegen Terror und organisierte Kriminalität wird sein Ex-Leibwächter Wiktor Solotow sein – der Mann also, der Putin jahrelang körperlich am nächsten stand. Interessant ist, dass Solotow zugleich als das Bindeglied im Kreml zu Tschetschenenoberhaupt Ramsan Kadyrow gilt, den Oppositionsführer Ilja Jaschin als Bedrohung der nationalen Sicherheit Russlands bezeichnet. Wie der russische Präsident selbst stammt auch Solotow aus den Reihen des Geheimdienstes KGB. Der heute 62-Jährige arbeitete seit den 1970er Jahren im Personenschutz hochrangiger Funktionäre. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion fand er in St. Petersburg einen Job als Leibwächter von Bürgermeister Anatoli Sobtschak und dessen Stellvertreter: Wladimir Putin. Als Letzterer dann in Moskau Karriere machte, nahm er Solotow in den Kreml mit. Als Schatten Putins bezeichnen ihn einige Medien daher auch. Von 2000 bis 2013 leitete er den Sicherheitsdienst Putins. Solotow war stets mehr als ein Präsidentenleibwächter. Er war der persönliche Bodyguard Putins. Und er hat – laut der kremlkritischen Nowaja Gaseta – vom Vertrauen Putins durchaus profitiert. Solotows Sohn Roman verbindet erfolgreich einen Leitungsposten in einem staatlichen Personen- und Objektschutzunternehmen mit der Tätigkeit als millionenschwerer Bauunternehmer. Seit 2014 leitete Solotow die bewaffneten Truppen des Innenministeriums, auf deren Basis nun die Nationalgarde aufgebaut werden soll. Mit einer Stärke von bis zu 400.000 Mann besitzt sie durchaus Einflusspotential. Zu ihren Aufgaben zählt nicht nur die Gewährleistung von Ordnung und Sicherheit, sondern auch mögliche Kampfeinsätze im Innern. So wurden Innenministeriumstruppen in beiden Tschetschenienkriegen eingesetzt. Für Aufsehen sorgte die Meldung, dass Beamte der Nationalgarde im Notfall ohne Vorwarnung schießen dürfen. Zur Auflösung illegaler Demos dürfen die Beamten darüber hinaus physische Gewalt anwenden. Politische Beobachter werten die Gründung des Organs als zusätzliche Absicherung des Kremls vor den Parlamentswahlen im Herbst. Vor fünf Jahren, nach der Duma-Wahl 2011, kam es zu massiven Protesten. Die Opposition sprach von grober Wahlfälschung, nachdem die Kremlpartei Einiges Russland sich nur knapp die Mehrheit der Stimmen sichern konnte. "Nachtwölfe" feiern Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg – Rocker sind auf Provokation gefasst – Stopp in Wien. Wien/Berlin/Moskau – Der russische Rockerclub Nachtwölfe hofft bei seiner geplanten Motorradtour von Moskau nach Berlin auf mehr Entgegenkommen als im Vorjahr. Wir fürchten uns nicht vor Schwierigkeiten, sind aber auf Provokationen gefasst, sagte Organisator Andrej Bobrowski am Freitag der Agentur Ria Nowosti in Moskau. Die Tour nach Berlin solle den Vormarsch der Roten Armee 1945 nachzeichnen. Die Zahl der Teilnehmer gab Bobrowski mit 40 an, zudem würden bis zu 60 Sympathisanten erwartet. Der kremlnahe Motorradclub habe die nötigen Dokumente beisammen. Wir haben schon alle Schengen-Visa, sagte Bobrowski. Die Fahrt soll vom 29. April an unter anderem durch Österreich nach Berlin führen, wo sie am 9. Mai endet. Die Teilnehmer sehen die Tour als Würdigung der Kämpfer, mit der sie den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg feiern. Im letzten Jahr haben die Rocker in Wien vor dem Heldendenkmal der Roten Armee am Schwarzenbergplatz einen Kranz niedergelegt. Wann die Nachtwölfe dieses Jahr in Wien sein werden, ist den Behörden bisher noch nicht bekannt. Bei der Fahrt im vergangenen Jahr hatten Berliner Behörden die Visa mehrerer Mitglieder der Nachtwölfe annulliert und damit deren Einreise verhindert. Die martialische Tour leiste keinen Beitrag zur Stärkung der deutsch-russischen Beziehungen, hieß es unter anderem zur Begründung. Zudem hatte die Fahrt vergangenes Jahr auch in Osteuropa für heftige Proteste gesorgt. So verweigerten Polen und mehrere andere Länder den Bikern die Einreise. Bobrowski sprach von einer friedlichen Absicht. Wir möchten den europäischen Nachbarn als Freunde die Hand reichen, sagte er. Es gehe nicht darum, jemanden mit sowjetischer Symbolik zu traumatisieren. Eine rote Siegesfahne werden wir aber mitnehmen. Die Nachtwölfe sehen die Tour selbst als Würdigung antifaschistischer Kämpfer, mit der sie den Sieg der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg feiern. Letztes Jahr mussten bei einem Streit am orthodoxen Friedhof in Prag bei einer Kranzniederlegung zwischen zwei Dutzend Sympathisanten und Gegnern der kremlnahen Nachtwölfe die Polizei eingreifen. 'Kreml: Präsident verdiente im Jahr 2015 lediglich 119.000 Euro – Sprecher bekommt fast das Vierfache – Obamas verdienten im Vorjahr 436.065 Dollar. Moskau/Washington – Der russische Präsident Wladimir Putin hat nach offiziellen Angaben vergangenes Jahr 119.000 Euro verdient und damit weniger als einige seiner Mitarbeiter. Als Jahreseinkommen habe Putin 8,9 Millionen Rubel angegeben, teilte der Kreml am Freitag in Moskau mit. Sein Sprecher Dmitri Peskow habe mit 36,7 Millionen Rubel fast das Vierfache verdient. Präsidialamts-Vize Wjatscheslaw Wolodin kam sogar auf 87,1 Millionen Rubel. Die Panama Papers hatten zuletzt die Frage aufgeworfen, ob Putins Umfeld Geld in Briefkastenfirmen versteckt, auf das er Zugriff hat. Sein Name taucht in den Unterlagen nicht auf. Allerdings braucht der mächtige Kremlchef keine eigene Kasse. Sein Apparat ist reich Vor allem die Strafmaßnahmen der EU gegen Russland bringen Österreichs Politik in die Bredouille. Wien – Wenn es um die Russland-Sanktionen geht, dann steckt Österreichs Politik in einem Dilemma. Sie muss sich an die gemeinsame Linie der EU halten, will aber auch auf die Klagen der heimischen Unternehmer hören. Das russische Importverbot von gewissen Lebensmitteln trifft zum Beispiel Bauern, die in der ÖVP traditionell viel zu sagen haben. So hat Russland im August 2014 unter anderem den Import von Äpfeln verboten. In Summe sind im selben Jahr die österreichischen Agrarexporte gleich um 50 Millionen Euro eingebrochen. Das waren gerade einmal 1,5 Prozent der gesamten Exporte nach Russland in diesem Jahr. Die heimische Wirtschaft bringt das nicht ins Wanken, sie verkauft im Jahr Güter und Dienstleistungen im Wert von weit über 100 Milliarden Euro ins Ausland. Einzelne Unternehmer sind aber stark betroffen und schreien auf. Auch die OMV, das gemessen am Umsatz größte Unternehmen Österreichs, sorgt mit seinen engen Geschäftsbeziehungen mit Russland für Kopfweh bei Politikern. Das führt dann dazu, dass ÖVP-Chef Reinhold Mitterlehner bei einem Besuch in Moskau davon spricht, Brüssel habe die guten wirtschaftlichen Beziehungen Österreichs mit Sanktionen verdorben. Obwohl die Maßnahmen von der österreichischen Regierung mitbeschlossen wurden. Die Maßnahmen betreffen etwa auch Maschinen für den Ölsektor. Aber nicht nur die Sanktionen plagen heimische Unternehmer. Viel gewichtiger ist die russische Wirtschaftskrise, die von den Sanktionen verschärft, aber ursprünglich durch den Einbruch der Ölpreise verursacht wurde. Die Ar beitslosigkeit und die Inflation im Land sind stark gestiegen. Die Menschen können sich immer weniger leisten, der Handel mit Russland ist deshalb im Vorjahr um fast 40 Prozent eingebrochen. Russland war vor der Rezession der elftwichtigste Handelspartner Österreichs. Nun liegt das Land auf Platz 15. Nummer eins bleibt Deutschland. Mit dem Land handelt Österreich mittlerweile zwanzigmal so viel wie mit Russland. Zum Vergleich: Bevor die Geschäfte mit russischen Firmen eingebrochen sind, war es nur elfmal so viel. Reaktion auf Beschluss der Nato, ihre Präsenz in den Nachbarstaaten Russlands zu stärken. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Mann soll Informationen über Streitkräfte gesammelt haben. St. Petersburg – Der russische Inlandsgeheimdienst FSB hat einen mutmaßlichen Spion aus Estland festgenommen. Der Mann habe auf Anweisung des estnischen Innenministeriums Informationen über die russischen Streitkräfte gesammelt und weitergegeben, teilte der FSB am Freitag der Agentur Interfax zufolge mit. Der Verdächtige habe damit mutmaßlich der Sicherheit Russlands Schaden zugefügt. Der Agent sei in St. Petersburg festgenommen worden. Der 1969 geborene Mann wohne zwar in Estland, besitze jedoch nicht die estnische Staatsbürgerschaft. Ihm drohen in Russland bis zu 20 Jahre Haft. Russlands Präsident will aber keinen Rüstungswettlauf eingehen. Moskau – Russlands Präsident Wladimir Putin sieht sich nach der Inbetriebnahme der neuen US-Raketenabwehr in Osteuropa zu Gegenmaßnahmen veranlasst. Sein Land werde prüfen, wie wir dieser Bedrohung der Sicherheit Russlands ein Ende zu setzen können, sagte Putin am Freitag bei einem Treffen mit Verteidigungsberatern in Moskau. Wir werden alles Nötige tun, um das strategische Gleichgewicht zu wahren. Russlands müsse sich der Bedrohung seiner Sicherheit stellen. Einen neuen Rüstungswettlauf mit den USA will Putin aber nicht in Kauf nehmen. An einem solchen Wettlauf werden wir nicht teilnehmen, sagte er. Wir werden hier sehr sorgfältig vorgehen. Anderen Meldungen zufolge kündigte Putin allerdings sehr wohl eine Anpassung der Staatsausgaben an, um die neue Bedrohung zu neutralisieren. Den USA warf er vor, einen solchen Rüstungswettlauf provozieren zu wollen. Putin argumentierte, mit der Raketenabwehr in Osteuropa verletzten die USA den INF-Vertrag zur Eliminierung von Mittel- und Kurzstreckenraketen, den Washington und Moskau 1987 ausgehandelt hatten. An der Ostgrenze der NATO war am Donnerstag erstmals ein US-Raketenabwehrsystem in Betrieb genommen worden. Die Anlage im südrumänischen Deveselu soll Raketen im Anflug auf Europa zerstören. Die NATO baut seit Anfang des Jahrzehnts einen Raketenschild auf, der die europäischen Verbündeten vor Angriffen schützen soll. Das Bündnis verweist dabei regelmäßig auf Bedrohungen durch Mittelstreckenraketen aus dem Nahen Osten, die USA verweisen immer wieder auf den Iran. Das Abwehr-System im rumänischen Deveselu, das im Juli beim Gipfel in Warschau offiziell in den Raketenabwehr-Schirm der NATO integriert werden soll, ist die zweite Phase beim Aufbau dieses NATO-Projektes. In der Türkei wurde bereits ein Radar in Betrieb genommen, und vier Schiffe mit Raketenabwehr-Systemen sind im spanischen Rota stationiert. Treffen mit Staats- und Regierungschefs aus Dänemark, Schweden, Finnland, Norwegen und Island in Washington. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Wegen offenkundiger Probleme in der Migrationspolitik verzeichnen die Rechten wachsende Erfolge. Sind die Schwedendemokraten (SD) bald Schwedens größte Partei? Die einwanderungskritischen Rechtspopulisten, die bei den Parlamentswahlen vor einem Jahr 12,9 Prozent der Stimmen erhielten, legen stetig zu. Mehrere Umfragen bescheinigen ihnen jetzt Werte zwischen knapp 18 und 20 Prozent. Nur noch sechs bis neun Prozentpunkte trennen sie von den regierenden Sozialdemokraten, deren einstige Kernwähler zur Konkurrenz überlaufen: In der Arbeiterschaft sind die SD inzwischen die Nummer eins. Unterdessen ist die Migrationspolitik zur wichtigsten Wählerfrage aufgestiegen, noch vor Dauerbrennern wie Gesundheitswesen und Schulpolitik. Ist der Vormarsch der Rechten noch zu stoppen – und wenn ja, wie? Dass die sozialdemokratische Parteispitze die offene Auseinandersetzung meide, werde die SD jedenfalls weiter begünstigen, urteilt Mats Knutson, Kommentator des schwedischen Fernsehens. Migrationsminister Morgan Johansson hatte vor einigen Tagen eine Fernsehdebatte mit einem führenden SD-Politiker abgesagt. Grund sei wohl politische Panik gewesen, fürchtet der Kolumnist der Tageszeitung Dagens Nyheter Johan Croneman: Es sei fraglich, ob man eine solche Debatte überhaupt gewinnen könne. In der Tat bietet die migrationspolitische Bilanz in dem Land, das 2014 im Verhältnis zur Einwohnerzahl EU-weit mit Abstand die meisten Asylbewerber aufnahm, zahlreiche Ansatzpunkte für Kritik. Der wohl schwerwiegendste ist das weitgehende Scheitern der Integration am Arbeitsmarkt. Mehr als sieben Jahre dauert es durchschnittlich von der Ankunft in Schweden bis zur Arbeitsaufnahme. Erschwerend wirkt dabei der akute Wohnungsmangel in den Großstädten Identität der Reisenden kann nicht lückenlos festgestellt werden. Stockholm – Die staatliche schwedische Eisenbahn hat einen Stopp des Personenverkehr von Dänemark in das Land angekündigt. Als Grund gab das Unternehmen SJ am Montag an, es sei nicht in der Lage – wie von der Regierung in Stockholm gefordert –, die Identität aller nach Schweden einreisenden Fahrgäste zu überprüfen. Die Kontrollen sollen den Zuzug von Migranten eindämmen. In diesem Jahr sind in Schweden 150.000 Asylbewerber angekommen. Die Regierung hat sich deshalb aus dem Schengenabkommen über den freien Personenverkehr vorübergehend ausgeklinkt und ein Gesetz verabschiedet, das Personenkontrollen in allen öffentlichen Verkehrsmitteln vorschreibt. Ab dem 4. Jänner müssen alle Transportunternehmen mit Strafen rechnen, wenn sie Passagiere ohne einen Identitätsnachweis mit Foto ins Land bringen. Die Bahn erklärte, sie habe nicht die Kapazitäten für solche Kontrollen. Daher stelle sie den Personenverkehr ein, bis eine praktikable Lösung gefunden sei. Das Unternehmen Öresundstag, das einen Pendlerdienst zwischen Schweden und Dänemark anbietet, erklärte zudem, es werde ab dem 4. Jänner den Verkehr im Berufsverkehr reduzieren, um ausreichend Zeit für die Personenkontrollen zu haben. Zehn Länder haben Beteiligung zugesagt. Bratislava – In der Slowakei soll ein neues Schulungszentrum für Geheimdienstagenten aus Nato-Staaten entstehen. Eine entsprechende Absichtserklärung habe der slowakische Verteidigungsminister Martin Glvac am Donnerstag im US-amerikanischen Norfolk unterschrieben, berichtete die Tageszeitung Pravda am Donnerstag. Das Zentrum geht nach Angaben Glvacs auf einen gemeinsamen Vorstoß der Slowakei und Polens zurück. Das Zentrum wird im slowakischen Militärübungsgelände Lest angesiedelt sein und auf Ausbildung und Training im Abwehrbereich zielen. Bereits zehn Länder haben laut Glvac zugesagt, sich zu beteiligen, darunter Deutschland, Italien, Tschechien und Ungarn. Weitere wie Frankreich, die USA und Großbritannien wollen nächstes Jahr folgen. Einen konkreten Eröffnungstermin gibt es aber noch nicht. Beobachter rechnen damit, dass das Zentrum vor allem dazu dienen soll, besser auf Sicherheitsbedrohungen im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise zu reagieren. Gemeinsam wird man sich auf Risiken vorbereiten können, die aus den gegenwärtigen Flüchtlingsthemen hervorgehen, erklärte der Sicherheitsexperte Andor Sandor gegenüber Pravda. Premier Ficos Linkspartei Smer blieb hinter den Erwartungen, dafür schaffte die rechtsradikale Kotleba den Einzug ins Parlament. Insgesamt acht Parteien ziehen nach der Wahl vom Samstag in den slowakischen Nationalrat ein. Die Bildung einer Regierungskoalition dürfte sich somit kompliziert gestalten. Zum ersten Mal ist mit acht Prozent der Wählerstimmen auch die rechtsextreme Volkspartei Unsere Slowakei (ĽSNS) von Marian Kotleba im Parlament vertreten. Der Holocaust-Leugner war Ende 2013 überraschend zum Präsidenten der mittelslowakischen Region Banská Bystrica gewählt worden. Kotleba ist bekannt für seine rassistischen Äußerungen gegen Roma und Flüchtlinge. Mehrfach wurde er bereits wegen Volksverhetzung und Gefährdung der Demokratie angeklagt. Am Jahrestag des slowakischen Nationalaufstandes gegen Nazideutschland wehte vor seinem Büro die schwarze Flagge. Auf ihren Wahlplakaten lockte die ĽSNS mit Sprüchen wie Gegen die Diebe mit Krawatten und Parasiten in Siedlungen. Gemeint sind korrupte Politiker und Roma, die zum Teil in Ghettos hausen. Besonders bei jungen Wählern soll die Partei gepunktet haben. Nun schickt sie 14 Abgeordnete in den Nationalrat. Als weitere Überraschung entpuppte sich das Ergebnis der linksorientierten Smer-SD (Richtung Sozialdemokratie), die in den vergangenen vier Jahren allein die Regierung bildete. Auch wenn sie zum vierten Mal in Folge stärkste Partei wurde, musste sie sich mit 28,3 Prozent der Wählerstimmen zufriedengeben – das schlechteste Ergebnis seit 2002. Vor vier Jahren hatten sich noch 44,4 Prozent der Wähler für Smer entschieden. Im Wahlkampf hatte die Partei vor allem gegen Flüchtlinge Stimmung gemacht. Experten gehen davon aus, dass sie damit erst recht den Nationalisten und Rechtsextremen in die Hände spielte. Smer-Chef und Premierminister Robert Fico sprach noch in der Wahlnacht von einer Pattsituation. Er wolle aber alle Parteien, die es ins Parlament geschafft haben, zu Gesprächen einladen. Diese müssten sich jedoch auf historische Kompromisse einstellen. Hinter Smer landete die liberale SaS (Freiheit und Solidarität) mit 12,1 Prozent der Stimmen auf dem zweiten Platz. Parteichef Richard Sulík, EU-Abgeordneter und Euroskeptiker, feierte sich bereits nach den ersten Exit-Polls euphorisch als Sieger der Wahlen. Rund ein Prozent weniger erhielt die populistische Oľano-Nova. Eine Koalition mit Smer schlossen beide Parteien aus. Gleich dahinter – und nur knapp vor Kotlebas Rechtsextremen – platzierte sich mit 8,6 Prozent die ebenfalls nationalistische Slowakische Nationalpartei (SNS), die vor vier Jahren knapp an der Fünfprozenthürde gescheitert war. Neben der ĽSNS ist die konservative Partei Sme Rodina (auf Deutsch: Wir sind eine Familie) mit 6,6 Prozent der Stimmen ein weiterer Neuling im slowakischen Parlament. Das zentrale Thema der erst vor wenigen Monaten gegründeten Gruppe ist der Schutz der traditionellen Familie – und ebenfalls ein Antieinwanderungsprogramm. Auch wenn sie sich in der Flüchtlingsfrage mit Smer einig ist, schließt Sme Rodina eine Koalition mit der Fico-Partei aus. Ebenso wie die Ungarn-Partei Most-Híd, die 6,5 Prozent der Wählerstimmen erreichte. Deren Parteichef Béla Bugár bezweifelte am Sonntag, dass es überhaupt möglich sein werde, eine stabile proeuropäische Regierung zu bilden. Die achte Gruppierung, die es mit 5,6 Prozent ins Parlament schaffte, ist Sieť (Netz), die Partei des ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Radoslav Procházka, der sich von der christdemokratischen Partei KDH abgespaltet hatte. Auch sie trat zum ersten Mal bei Parlamentswahlen an. Bei den letzten Umfragen war sie noch auf Platz zwei gesehen worden, nun schaffte sie gerade noch die Fünfprozenthürde – im Gegensatz zu Procházkas Expartei KDH, die knapp an ihr scheiterte. Eine Koalition mit der Smer schloss Sieť nicht ausdrücklich aus. An einem Punkt waren sich alle Parteien einig: Eine Koalition mit der rechtsextremen ĽSNS kommt für keine von ihnen infrage. Es ist allerdings fraglich, wie die Parteien unter einen Hut gebracht werden können. Zu unterschiedlich sind teilweise ihre Programme, zu groß die persönlichen Animositäten zwischen einigen ihrer Proponenten. Sollten die aller Voraussicht nach schwierigen Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition keine Früchte zeigen, dann könnte Präsident Andrej Kiska auch eine Beamtenregierung einsetzen. Sie könnte zumindest in der Zeit der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft im zweiten Halbjahr 2016 die Geschicke des Landes führen. Sozialdemokraten einigen sich mit drei Mitte-rechts-Parteien auf Koalition. Bratislava – Trotz erheblicher Verluste bei der Parlamentswahl Anfang März steht der slowakische Regierungschef Robert Fico vor einer dritten Amtszeit. Seine linkspopulistische Smer-SD einigte sich am Mittwoch auf eine Koalition mit der rechten Slowakischen Nationalpartei (SNS), der konservativen Sieť und der Partei der ungarischen Minderheit, Most-Híd. Die Koalition verfügt über 81 der 150 Abgeordneten. Als stärkste Partei stelle seine Smer-SD neben dem Ministerpräsidenten auch die Minister für Auswärtiges, Inneres, Wirtschaft, Finanzen, Gesundheit, Arbeit, Soziales und Kultur, sagte Fico am Mittwoch. Allerdings verweigerten sich drei Abgeordnete von Sieť und ein Abgeordneter von Most-Híd einem Regierungseintritt. Die neue Regierung kündigte an, in den kommenden vier Jahren 100.000 Jobs zu schaffen. Zudem will sie die Körperschaftssteuer von 22 auf 21 Prozent senken. Fico will seine Koalition so bald wie möglich dem Präsidenten vorstellen. Bei der Wahl am 5. März hatte es eine Rekordzahl von acht Parteien ins Parlament geschafft, weshalb eine schwierige Regierungsbildung erwartet wurde. Mit der Einigung wurden nun Neuwahlen vor der slowakischen EU-Ratspräsidentschaft ab Juli vermieden. Der Politologe Pavol Baboš sprach deshalb von einem reinen Zweckbündnis. Von 2006 bis 2010 hatte Ficos Smer-SD schon einmal mit der nationalistischen SNS koaliert. Beide setzten im Wahlkampf auf einen strikten Kurs gegen Muslime und Flüchtlinge. Ficos Rechnung ging nicht auf: Seine Partei verfügt statt 83 nur noch über 49 Sitze. Stattdessen zog die rechtsextreme LS-Naše Slovensko (Unsere Slowakei) mit 14 Mandaten erstmals ein. Fico spielte bei der Regierungsbildung in die Hände, dass ihm der Europaskeptiker Richard Sulík das Amt streitig machen wollte. Sulíks Partei Freiheit und Solidarität (SaS) war überraschend zweitstärkste Kraft geworden. Die gemäßigten Parteien Sieť und Most-Híd stellten sich zwar zunächst hinter Sulík, machten aber klar, dass sie mit dessen hartem Kurs in der Europa- und Flüchtlingspolitik keine Freude haben. Den Ausschlag bei der Regierungsbildung gab die Entscheidung der SNS, keine Gespräche mit den oppositionellen Rechtsparteien führen zu wollen. Weil eine Rechtsregierung somit rechnerisch nicht möglich war, erklärten sich Sieť und Most-Híd doch zu Verhandlungen mit Smer bereit. Vordringliche Aufgabe der Regierung müsse nun sein, gegen die Korruption vorzugehen, sagte der Politologe Zsolt Gál. Diese finde sich überall, ob bei öffentlichen Auftragsvergaben oder der Nutzung von EU-Geld. Smer-Partei hatte bei den Wahlen Anfang des Monats die absolute Mehrheit verfehlt, einigte sich aber am Dienstag mit drei kleineren Parteien auf eine Koalition. Bratislava – Der Sozialdemokrat Robert Fico bleibt für eine dritte Amtszeit slowakischer Ministerpräsident. Seine Smer-Partei hatte bei den Wahlen Anfang des Monats die absolute Mehrheit verfehlt, einigte sich aber am Dienstag mit drei kleineren Parteien auf eine Koalition. Mit der neuen Koalition kann im Laufe der Woche die Regierungsbildung beginnen. Vor vier Jahren hatten die Sozialdemokraten noch die absolute Mehrheit gewonnen und konnten allein regieren. Nachdem Fico im Wahlkampf eindeutig Haltung gegen die europäische Flüchtlingspolitik bezogen hatte, ziehen auch rechtsgerichtete Gruppierungen ins neue Parlament ein. Fico wehrt sich vehement gegen die von der EU angestrebten Quoten zur Aufteilung von Flüchtlingen. Seine ablehnende Haltung gegenüber muslimischen Einwanderern teilen auch die meisten Oppositionsparteien. Im Juli übernimmt die Slowakei für ein halbes Jahr turnusmäßig die EU-Ratspräsidentschaft und hat damit größeren Einfluss auf die Debatten in der Union. Medien vermuten Herzinfarkt – Erster Auslandsbesuch nach Wiederwahl abgesagt. Bratislava – Der slowakische Ministerpräsident Robert Fico ist am Donnerstag in Bratislava in ein Krankenhaus eingeliefert worden. Er werde momentan wegen akuter Gesundheitsprobleme untersucht, die man aber nicht konkretisieren wolle, teilte Ficos Sprecherin Beatrice Saboova mit. Slowakische Medien berichteten von einem Verdacht auf einen Herzinfarkt. Laut der Tageszeitung Dennik N haben Ärzte am Nationalen Institut für Herz-Kreislauf-Erkrankungen am Vormittag entschieden, dass Fico über Nacht im Krankenhaus bleiben muss. Weitere Untersuchungen seien geplant. Auch Ficos Ehefrau ist im Krankenhaus eingetroffen. Laut Medienberichten hatte der 51-Jährige Donnerstagfrüh während seines Lauftrainings auf dem Donaudamm Druck auf der Brust und Herzprobleme verspürt. In den vergangenen beiden Wochen erschien Fico nur selten in der Öffentlichkeit, meist gab er lediglich eine Stellungnahme ab, ohne Journalistenfragen zu beantworten – unüblich für den sonst redseligen Premier. Ficos für Donnerstag geplanter Staatsbesuch in Tschechien wurde abgesagt, erklärte die Sprecherin. Es sollte der erste Auslandsbesuch seit der Wiederwahl Anfang März und der Bildung seiner schon dritten Regierung sein. Auf dem Programm standen Verhandlungen dem tschechischen Regierungschef Bohuslav Sobotka und ein Empfang bei Präsident Miloš Zeman. Erst am Mittwoch hatte Fico die Regierungserklärung vorgestellt, mit der sich seine Vier-Parteien-Koalition am Montag der Vertrauensfrage im Parlament stellen wird. Die Koalition seiner Smer mit der rechtspopulistischen Slowakischen Nationalpartei, der Ungarnpartei Most-Hid und der konservativen Siet bezeichnete er dabei als historischen Kompromiss. Im Juli wird die Slowakei erstmals den EU-Ratsvorsitz übernehmen. Generalstaatsanwaltschaft prüft mögliche Auflösung von Kotlebas Volkspartei – Unsere Slowakei. Bratislava – Der rechtsextremen slowakischen Volkspartei-Unsere Slowakei (LS-NS) von Marian Kotleba droht ein Verbot. Wie das Institut für Menschenrechte (ILP) am Donnerstag mitteilte, hat die Generalstaatsanwaltschaft in Bratislava Untersuchungen zur möglichen Auflösung der Gruppierung eingeleitet. Das ILP hatte sich an die Staatsanwaltschaft gewendet, nachdem Kotlebas Volkspartei für einen Schock bei den Parlamentswahlen Anfang März gesorgt hatte. Bei dem Urnengang kam die LS-NS überraschend auf acht Prozent der Stimmen und stellt damit derzeit 14 der insgesamt 150 Abgeordneten im slowakischen Parlament. Einen Aufruf der Menschenrechtler für ein Verbot der rechtsextremen Gruppierung hatten im Internet über 20.000 Menschen unterstützt. Der Fakt, dass diese Partei formell demokratisch ins Parlament gekommen ist, ändert nichts daran, dass sie absolut nicht demokratisch ist, die Wähler belogen hat und ihre Ziele nicht zu vereinbaren sind mit der slowakischen Verfassung, erklärte Peter Weisenbacher, Direktor des Instituts für Menschenrechte. Neben der Initiative des ILP sind bis Mitte März bei der slowakischen Generalstaatsanwaltschaft insgesamt über 160 Anträge zur Auflösung der LS-NS eingegangen, bestätigte eine Sprecherin der Behörde der slowakischen Nachrichtenagentur TASR. Diese würden derzeit geprüft. Die Aktivisten beklagten, dass die LS-NS faktisch identisch sei mit der faschistischen Vorgängerpartei von Kotleba, der Slovenska pospolitost (Slowakische Gemeinsamkeit), die auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft vom slowakischen Höchstgericht bereits 2006 verboten wurde. Die Extremisten von Kotleba hatten daraufhin 2010 die Partei der Weinfreunde übernommen und sie in die Volkspartei-Unsere Slowakei umbenannt. Seit 2013 ist der Extremistenführer Kotleba auch Regionspräsident im slowakischen Banska Bystrica. Die Slowakei übernimmt am 1. Juli die EU-Präsidentschaft, Premier Robert Fico fürchtet, dass Migranten "den Charakter unseres Landes ändern". Bratislava – Kurz vor der Übernahme der EU-Präsidentschaft durch die Slowakei hat Premier Robert Fico mit einer Äußerung über den Islam für Aufsehen gesorgt. Auch wenn das komisch klinge, der Islam hat keinen Platz in der Slowakei, zitierte die Nachrichtenagentur TASR Fico am Mittwochabend. Das Problem sei nicht so sehr, dass Migranten kommen, sondern dass Migranten den Charakter unseres Landes ändern, erklärte der Premierminister demnach weiter. Wir wollen den Charakter dieses Landes nicht ändern ... Lasst uns ehrlich gegenüber uns selbst sein und sagen, dass das so nicht in der Slowakei passieren darf. Die Slowakei, die zu den größten Kritikern der Umverteilung von Flüchtlingen innerhalb Europas gehört und bisher kaum Schutzsuchende aufgenommen hat, übernimmt ab 1. Juli die rotierende Ratspräsidentschaft der EU von den Niederlanden. Viele befürchten, dass dies zu Rückschritten bei der ohnehin schon mehr als schleppend laufenden Flüchtlingsumverteilung führen könnte. Fico bezog sich gegenüber TASR auch explizit auf die Situation in Österreich. Wenn die Slowakei eine ähnliche Position eingenommen und ebenfalls so großzügig Schutzsuchende aufgenommen hätte, wäre sie heute in einer ähnlichen Lage wie das Nachbarland, sagte er, ohne den Wahlerfolg der FPÖ direkt zu erwähnen. Wenn das allein nicht als gutes Praxisbeispiel reicht, gibt es auch noch die Entwicklungen in Deutschland, wo radikale Parteien an Unterstützung gewinnen, fügte Fico hinzu. Ex-Richterin verdrängte konservative Volkspartei aus dem Rathaus. Madrid/Barcelona - Die aus der Protestbewegung Indignados (Die Empörten) hervorgegangene Kandidatin Manuela Carmena ist zur neuen Bürgermeisterin von Madrid gewählt worden. Sie erhielt bei der Abstimmung am Samstag die absolute Mehrheit und verdrängte so die seit 24 Jahren regierende konservative Volkspartei (Partido Popular/PP) aus dem Rathaus der spanischen Hauptstadt. Unmittelbar nach der Wahl legte die 71-jährige Ex-Richterin ihren Amtseid ab. Vielen Dank. Jetzt sind wir alle Bürgermeister, schrieb sie im Online-Dienst Twitter. «Gracias, Madrid. Vamos a gobernar escuchando. Llamadnos por nuestros nombres de pila, somos vuestros servidores.» http://t.co/gWq9yUzRRh Carmenas von der linken Partei Podemos (Wir können) unterstütztes Bündnis Ahora Madrid hatte bei den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai 20 Sitze geholt. Auch die neun Abgeordneten der Sozialisten (PSOE) stimmten nun für die 71-Jährige und verschafften ihr so die Mehrheit im Stadtrat. Die frühere Richterin war in jungen Jahren im kommunistischen Widerstand gegen Spaniens damaligen Diktator Francisco Franco aktiv. Wie andere Mitglieder von Ahora Madrid engagierte sie sich in der 2011 entstandenen Indignados-Bewegung gegen die Spar- und Reformpolitik der Regierung. Auch in Spaniens zweitgrößter Stadt Barcelona feierte die linke Protestbewegung bei der Kommunalwahl große Erfolge. Ada Colau, die sich im Wahlkampf besonders gegen Zwangsräumungen engagiert hatte, sollte ebenfalls noch am Samstag für das Bündnis Barcelona En Comu das Amt der Bürgermeisterin übernehmen. Colaus Plattform hatte bei der Wahl mit elf Mandaten einen Sitz mehr als die bisher regierende nationalkonservative CiU errungen. Gegner der Loslösung von Spanien rund drei Monate vor Neuwahlen fast zehn Punkte vor Befürworten. Barcelona – Nur wenige Monate vor den plebiszitären Neuwahlen in Katalonien nimmt der Zuspruch für eine Loslösung der Region vom restlichen Spanien ab. Laut einer am Freitag veröffentlichten Umfrage des katalanischen Meinungsforschungsinstituts (CEO) sprechen sich nur noch 42,9 Prozent der Katalanen für die Unabhängigkeit aus. 50 Prozent hingegen ist für den Verbleib bei Spanien. Kataloniens separatistischer Ministerpräsident Artur Mas (CiU) hat für den 27. September plebiszitäre Neuwahlen angesetzt, bei denen die knapp fünf Millionen wahlberechtigten Katalanen indirekt über die Unabhängigkeit der nordöstlichen Region abstimmen sollen, in dem sie separatistischen oder nicht-separatistischen Parteien ihre Stimme geben. Die Regionalwahlen sollen das Unabhängigkeitsreferendum ersetzten, welches eigentlich am 9. November 2014 hätte stattfinden sollen, das aber im letzten Moment vom spanischen Verfassungsgericht als illegal verboten wurde. Laut der Umfrage nahm auch die direkte Unterstützung der separatistischen Parteien ab. Artur Mas bürgerliche Nationalisten (CiU) sowie die radikale, linksrepublikanische Separatistenpartei Esquerra Republicana (ERC) kommen demnach nur noch auf jeweils 13,3 Prozent der Stimmen. Bei den vergangenen Kommunalwahlen im Mai rutschte CiU bereits um sechs Punkte auf 21,5 Prozent ab. ERC hingegen steigerte sich im Vergleich zu den Kommunalwahlen vor vier Jahren um mehr als sieben Punkte auf 16,4 Prozent der Stimmen. Kurz vor den Regionalwahlen verzeichnen beide sich für die Unabhängigkeit einsetzenden Parteien allerdings Verluste. Die neue linke Protestpartei Podemos (Wir können) dürfte laut der CEO-Umfrage mit 10,8 Prozent hingegen auf Anhieb drittstärkste Partei im katalanischen Regionalparlament in Barcelona werden. Zusammen mit dem linken Grünen-Bündnis ICV, mit dem bereits eine Koalition ausgehandelt wurde, könnten sie demnach sogar stärkste Fraktion werden. Die Umfrage ist allerdings unter Vorbehalt zu lesen: Insgesamt 29,1 Prozent der Befragten gaben gar keine Parteipräferenz an. Podemos spricht sich gegen die Unabhängigkeit Kataloniens, aber für das Recht der Katalanen aus, darüber abstimmen zu dürfen. Bereits bei den Kommunalwahlen im Mai verloren die Nationalisten die strategisch wichtige Mittelmeermetropole Barcelona an das linke Wahlbündnis Barcelona en Comu, an dem sich auch Podemos beteiligt. Seit Ende Mai regiert nun Ada Colau, eine linke Aktivistin der Plattform gegen Zwangsräumung, Spaniens zweitgrößte Stadt. 'Und auch in Saragossa benennt man eine Halle lieber nach einem Trainer als nach dem König. Es war ihr erster großer Eklat: Ada Colau, Neobürgermeisterin von der linken Bürgerliste Barcelona en Común (Gemeinsam für Barcelona), ließ die Büste von Exkönig Juan Carlos I. aus dem Plenarsaal des Rathauses der katalanischen Hauptstadt entfernen. Colau rechtfertigte dies mit ihrer tiefen republikanischen Überzeugung. Zudem plant sie, ein Denkmal der von Exdiktator Francisco Franco siegreich bekämpften Zweiten Republik (1931–1939) wieder auf dem Juan-Carlos-Platz aufzustellen – sehr zum Unmut der Politiker des rechtskonservativen Partido Popular (PP), die tags darauf im Rathaus ein Bild des amtierenden Königs Felipe VI. hochhielten. Respekt für die Krone und die Institutionen, forderte Vizeregierungschefin Soraya Sáenz de Santamaría (PP) vehement von Colau ein. Sowie, dass eine Büste oder ein Porträt von Felipe VI., wie es das Gesetz vorsieht, im Plenarsaal ausgestellt werde. Solche Aktionen erzeugen viel Lärm, schaffen aber keine Arbeitsplätze. Doch breitet sich laut El País der Virus der Colau-Geste rasant aus. Immer mehr Städte, die von der linken Podemos-Bewegung nahestehenden Bürgerlisten regiert werden, folgen dem Beispiel: Saragossas Bürgermeister Pedro Santisteve lässt die Prinz-Felipe-Halle nun nach dem im Vorjahr verstorbenen Basketballtrainer José Luis Abós umbenennen. Santisteve entgegnete auf Kritik, dass in einer Online-Unterschriftenkampagne binnen zehn Tagen mehr als 15.000 Einwohner dies einforderten, und betont im STANDARD-Gespräch: Es wird aktuell das Regime der Transition – des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie – hinterfragt, das in einer Zwei-Parteien-Hegemonie unter dem König mündete. Auch Montcada i Reixac bei Barcelona ließ das Porträt Felipes abnehmen – wegen demokratischer Hygiene, wie Bürgermeisterin Laura Campos betonte. Im westandalusischen Cádiz tauschte Bürgermeister José María González Santos just nach Amtsantritt das Porträt von Juan Carlos aus. Seinen Platz nimmt nun Fermín Salvochea, anarchistischer Bürgermeister der Stadt während der Ersten Republik (1873–1874), ein. Auch Gemeinden im nordwestspanischen Galicien folgten Hauptstraße Avinguda Meridiana in Barcelona über mehrere Kilometer voller Menschen. Madrid/Barcelona – Mehr als eine Million Menschen haben sich am Freitagnachmittag in Barcelona zu einer Kundgebung für die Abspaltung Kataloniens von Spanien versammelt. Schon vor dem offiziellen Beginn der Demonstration war die zum Regionalparlament führende Hauptstraße Avinguda Meridiana über eine Distanz von mehreren Kilometern mit Menschen gefüllt. Unabhängigkeit, Unabhängigkeit, Unabhängigkeit skandierten viele. Nach Angaben der verschiedenen Veranstalter meldeten sich mehr als 500.000 Menschen zur Kundgebung an. Im vorigen Jahr waren bei der seit 2012 jährlich am 11. September, dem katalanischen Nationalfeiertag, veranstalteten Demonstration rund 1,8 Millionen auf die Straßen gegangen. Diesmal findet die Kundgebung nur 16 Tage vor der mit Spannung erwarteten Regionalwahl in der wirtschaftsstärksten Region Spaniens im Nordosten des Landes statt. Die Separatisten um Regierungschef Artur Mas haben den vorgezogenen Urnengang vom 27. September zum Unabhängigkeitsplebiszit erklärt. Im Falle eines Wahlsieges wolle man die Abspaltung von Spanien einleiten, bekräftigte Mas am Freitag. Nach jüngsten Umfragen können die Separatisten die absolute Mehrheit der Mandate im katalanischen Parlament erreichen. Die Madrider Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hat jedoch wiederholt betont, sie werde eine Trennung der Region unter keinen Umständen zulassen. Im November haben sich bei einer symbolischen Volksbefragung in Katalonien gut 80 Prozent der Teilnehmer für eine Unabhängigkeit ausgesprochen. Allerdings beteiligten sich lediglich zwei Fünftel der und 5,5 Millionen Stimmberechtigten. Danach verlor die Unabhängigkeitsbewegung deutlich an Schwung. Katalonien ist eine der wohlhabendsten und wirtschaftlich stärksten Regionen Spaniens. 'Nicht nur auf politischer Ebene, auch die ökonomischen Einschätzungen über eine Abspaltung Kataloniens von Spanien divergieren extrem. Kataloniens Sezessionisten lassen sich offenbar durch nichts einschüchtern – weder von den harschen Warnungen zu Euro- und EU-Austritt seitens der Madrider Zentralregierung und der EU-Kommission noch vor jener zu eingeschränktem Bargeldverkehr (Corralito), den Spaniens Nationalbankdirektor Luis Maria Linde im Falle einer Abspaltung prophezeite, dann aber nur wenige Tage später als doch unwahrscheinlich revidierte. Spaniens Unternehmerbundpräsident Juan Rosell (CEOE) warnte ebenso wie Handelskammerchef José Luis Bonet im Falle einer souveränen Republik Katalonien vor höherer Arbeitslosigkeit und niedrigerem Lebensstandard . All das – und selbst der in den Raum gestellte Stopp der Pensionszahlungen oder auch die Abwanderungsdrohungen von Großbanken wie Caixabank (Hauptaktionär der Erste Bank) oder der Banco Sabadell – lässt die Nationalisten kalt. Die Ungewissheit über die Zukunft der abtrünnigen Region im Nordosten Spaniens schürt vielmehr unter den katalanischen Unternehmern Nervosität. Mehr als tausend Klein- und Mittelbetriebe sind bis August dieses Jahres bereits abgewandert, sagte Kataloniens Unternehmerbundchef Josep Bou, der eine Wahlempfehlung für prospanische Listen abgab. Einzelne Analysten, wie etwa von Barclays, erwarten ein hohes Risiko für einen Zahlungsausfall (Default) der von Spanien getragenen katalonischen Schuldenlast im Falle einer Unabhängigkeit Kai-Olaf Lang vom Thinktank SWP hält die Separatisten für weniger geeint, als es das Wahlergebnis suggeriert. Mit knapper Mehrheit haben die sezessionistischen Parteien am Sonntag die Wahl in der spanischen Region Katalonien für sich entschieden. Während die einen das Ergebnis als Ausdruck der Selbstbestimmung der Katalanen interpretieren, beharren die anderen auf einem Verbleib der wohlhabenden Region um Barcelona beim spanischen Staat. Der deutsche Wissenschafter Kai-Olaf Lang erklärt, wie es nun weitergehen könnte. STANDARD: Was bedeutet der knappe Ausgang der Wahl vom Sonntag in Katalonien? Lang: Die meisten Umfragen im Vorfeld deuteten schon darauf hin, dass es für die unabhängigkeitsorientierten Kräfte schwer werden würde, eine absolute Mehrheit in Stimmen zu erreichen. Dass sie zusammen auf eine Mehrheit in Mandaten kommen, war aber ebenso wahrscheinlich. Es war eine starke Mobilisierung zu beobachten, die Wahlbeteiligung war sehr hoch, aber offensichtlich konnten beide Seiten ihre Anhänger an die Wahlurnen bringen, also auch diejenigen, die separationsskeptisch sind. STANDARD: Wie einig sind sich die Nationalisten eigentlich? Lang: Sie haben ein gemeinsames strategisches Ziel, nämlich die Loslösung Kataloniens vom spanischen Staatsverband. Es gibt aber durchaus Unterschiede darin, wie konsequent man vorgehen soll: Während pragmatischere Kräfte weiterhin dafür plädieren, auch mit einer widerwilligen Zentralregierung in Verhandlungen einzutreten, und eine Unabhängigkeit nur als Ultima Ratio sehen, fordern andere Strömungen ein unilaterales Ausscheiden. Abgesehen davon liegen die Unabhängigkeitsbefürworter in Fragen der Wirtschafts- und Sozialpolitik weit auseinander. Eine der großen Herausforderungen wird nun sein, ob es diese unterschiedlichen Gruppen schaffen, auch in prosaischen Fragen wie Finanz- und Bildungspolitik einen Modus Vivendi zu finden, um regieren zu können. STANDARD: Der bisherige Regionalregierungschef Artur Mas will binnen 18 Monaten eine Verfassung für Katalonien ausarbeiten lassen. Wie könnte diese aussehen? Lang: Das siegreiche Bündnis Junts pel Sí hat vor der Wahl eine Roadmap ausgearbeitet, die es Katalonien mittels eines vierstufigen Plans erlauben würde, sich in 18 Monaten von Spanien abzuspalten. Ob man diese Phasen entschlossen durchspielt und ob die Verbundenheit – auch gegen den zu erwartenden starken Widerstand aus Madrid – ausreicht, ist ungewiss. Man darf nicht vergessen, dass Ende des Jahres in ganz Spanien gewählt wird. Die Frage ist nun, ob ein Regierungswechsel in Madrid für die Katalanen nicht ein neues Fenster für Verhandlungen öffnen könnte – bestimmt nicht über die Unabhängigkeit, aber vielleicht über andere Reformen. Ich glaube also, dass die neue katalonische Regierung zunächst sehr umsichtig handeln und die spanischen Wahlen abwarten wird. STANDARD: Wie würde sich ein starkes Abschneiden der Linken in Gesamtspanien auf die katalonische Frage auswirken? Lang: Die Sozialisten haben intern einen Formelkompromiss mit den katalonischen Sozialisten gefunden, wonach man offen für Gespräche über eine Föderalisierung Spaniens ist. Podemos hat erklärt, man wolle eine grundsätzliche Verfassungsrevision und wäre prinzipiell bereit, die rechtlichen Voraussetzungen für ein katalonisches Unabhängigkeitsreferendum zu schaffen. Die Frage ist, ob die Parteien in der Lage sind, den Katalanen ein glaubwürdiges Angebot zu unterbreiten. Schließlich braucht man aufgrund der hohen Hürden in der Praxis immer die Stimmen der Volkspartei (Partido Popular, Anm.), um die Verfassung zu ändern. Und auch innerhalb der Sozialisten ist die Frage der Föderalisierung umstritten. STANDARD: Ministerpräsident Mariano Rajoy hat gewarnt, dass Katalonien im Fall einer Unabhängigkeit nicht mehr Teil der EU wäre. Das scheint die Wähler nicht besonders geschreckt zu haben. Lang: Die Signale aus Madrid haben vermutlich auf beide Seiten gewirkt. Die Madrider Banken haben vor Währungsproblemen gewarnt, der spanische Außenminister vor dem Verlust der EU-Staatsbürgerschaft, der Fußballverband vor einem Ausschluss des FC Barcelona aus der Primera División (höchste spanische Liga, Anm.). Viele Katalanen haben darin den Versuch der Einschüchterung gesehen und sozusagen jetzt erst recht für die Unabhängigkeitsparteien gestimmt. Andere haben sich dann doch noch einmal Gedanken gemacht, ob der Preis einer vollumfänglichen Eigenstaatlichkeit nicht zu hoch wäre. STANDARD: Wie geht es weiter? Lang: In Katalonien muss durch das jetzt gewählte Parlament zunächst ein neuer Präsident gewählt werden. Amtsinhaber Mas ist aber für die linkssozialistische CUP, die zweite Unabhängigkeitsliste, eigentlich nicht wählbar. Vielleicht einigt man sich auf einen Kompromisskandidaten. Wenn das nicht klappt, würde es Neuwahlen geben. Grundsätzlich wird in den nächsten Wochen viel darüber diskutiert werden, ob das Ergebnis dem weiteren Prozess in Richtung Unabhängigkeit Legitimation verschafft hat. Dazu gehört, dass die Unabhängigkeitsbefürworter das Ergebnis als Erfolg interpretieren, weil sie eine Mehrheit der Parlamentssitze erlangt haben, die Unionisten aber darauf hinweisen, dass nur knapp 48 Prozent der Wähler für die Sezessionisten gestimmt haben. Zentralregierung will Beschluss des Regionalparlaments kippen – Premier Rajoy an Regionalregierung: "Ungehorsam". Madrid/Barcelona – Die spanische Regierung hat eine Verfassungsklage gegen den Plan Kataloniens zur Abspaltung von Spanien erhoben. Generalstaatsanwältin Marta Silva de Lapuerta legte die Klage am Mittwoch dem Verfassungsgericht vor. Die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy hatte zuvor auf einer Sondersitzung die Anrufung des Gerichts beschlossen. Sie stellte zugleich den Antrag, dass das Verfassungsgericht katalanische Amtsträger absetzt, die sich über Gerichtsbeschlüsse hinwegsetzen. Rajoy teilte nach der außerordentlichen Kabinettssitzung mit, das Verfassungsgericht solle den Unabhängigkeitsbeschluss des katalanischen Parlaments und alle seine Auswirkungen mit sofortiger Wirkung aussetzen. Das katalanische Parlament hatte am Montag für die Unabhängigkeit von der Zentralregierung und die Schaffung einer eigenen Republik bis spätestens 2017 gestimmt. Der Beschluss enthält auch einen Fahrplan für einen 18-monatigen Abspaltungsprozess. Unter anderem sollen binnen 30 Tagen die gesetzlichen Grundlagen für ein eigenes Sozialversicherungssystem und eine eigene Finanzverwaltung geschaffen werden. Premier Rajoy bezeichnete den Beschluss am Mittwoch als Ungehorsam gegenüber den Institutionen: Die Souveränität gehört dem gesamten spanischen Volk, diese Souveränität kann nicht geteilt werden. Nach Angaben aus Justizkreisen sollte das Verfassungsgericht noch im Lauf des Mittwochs über den Antrag der Regierung beraten. Katalonien hat rund 7,5 Millionen Einwohner und stellt ein Fünftel der Wirtschaftskraft von ganz Spanien dar. Für 20. Dezember sind Parlamentswahlen in Spanien geplant, die katalonische Frage dominiert derzeit die Debatten. Verhaftungen erfolgten in Katalonien. Madrid – Die spanische Polizei hat drei mutmaßliche Unterstützter der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Die Festnahmen seien am Freitag in Katalonien im Nordosten des Landes erfolgt, teilte das Madrider Innenministerium am Samstag mit. Zwei Männern im Alter von 42 und 32 Jahren sei in Barcelona das Handwerk gelegt worden. Sie hätten die Ideologie des IS verbreitet und über soziale Netzwerke vor allem junge Frauen angeworben. Die beiden stammten aus Tanger in Marokko und hätten in Barcelona zusammen gelebt. Außerdem sei in der Stadt Granollers rund 30 Kilometer nordöstlich von Barcelona eine 24-jährige Frau festgenommen worden. Die junge Spanierin habe vorgehabt, sich im Syrienkrieg dem IS anzuschließen. Seit Jahresbeginn wurden in Spanien nach offiziellen Angaben 68 mutmaßliche Unterstützer des IS festgenommen. Mehr Festnahmen (95) hatte es zuletzt in Spanien nur 2005 gegeben – nach den von Islamisten verübten Anschlägen vom 11. März 2004 auf mehrere Madrider Züge, bei denen 191 Menschen starben. Regionalregierung will Gerichtsurteil ignorieren. Madrid/Barcelona – Das spanische Verfassungsgericht hat am Mittwoch den eingeleiteten Unabhängigkeitsprozess in Katalonien gestoppt. Die Richter gaben einer Klage der spanischen Zentralregierung Recht und erklärten den vom katalanischen Regionalparlament in Barcelona eingeleiteten Abspaltungsprozess für verfassungswidrig und illegal. Am 9. November verabschiedeten das separatistische Parteien-Bündnis Junts pel Sí sowie die anti-kapitalistische CUP-Partei im Regionalparlament mit ihrer absoluten Mehrheit feierlich eine Resolution, mit welcher der Prozess zur Schaffung eines unabhängigen katalanischen Staates in Form einer Republik eingeleitet wurde. Die Resolution sah zudem den Aufbau staatlicher Strukturen, eines eigenen Finanzamtes und die Ausarbeitung einer katalanischen Verfassung vor. Die Ausrufung der staatlichen Unabhängigkeit sollte binnen 18 Monaten erfolgen. Doch bereits vor Bekanntgabe des Urteils stellte die Übergangsregierung von Artur Mas klar, sich über eine Entscheidung des spanischen Verfassungsgerichts hinwegsetzen und an ihrem Plan zu einer Abspaltung der Region von Spanien festhalten zu wollen. Man sei dazu durch einen Beschluss des katalanischen Parlaments legitimiert, sagte Vizeregierungschefin Neus Munte in Barcelona. Auch die im November verabschiedete Resolution erwähnt explizit den Ungehorsam gegen richterliche Entscheidungen aus Madrid. Auch das Verfassungsgericht warnte bereits zuvor Kataloniens Amtsträger davor, dass sie sich strafbar machen und abgesetzt werden können, falls sie sich über den Gerichtsbeschluss hinwegsetzen und den Prozess der Abspaltung fortführen sollten. Die Drohung richtete das Gericht unter anderem an den katalanischen Regierungschef Artur Mas, die Parlamentspräsidentin Carme Forcadell und die Minister der katalanischen Regierung. Nachdem die Zentralregierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) bereits zuvor im November vergangenen Jahres ein geplantes Unabhängigkeitsreferendum verhinderte, rief Artur Mas als Ersatz plebiszitäre Regionalwahlen aus, die am 27. September stattfanden. Sein separatistisches Mehrparteien-Bündnis Junts pel Sí ging aus den Wahlen zwar als stärkste Partei hervor, erreichte aber nicht die absolute Mehrheit. Nur knapp 47 Prozent der 7,5 Millionen Katalanen sprachen sich überhaupt für die Unabhängigkeitsbefürworter aus. Dennoch trieb Mas den Prozess zusammen mit der ebenfalls separatistischen CUP-Partei an. Die anti-kapitalistische Formation unterstützt den Abspaltungsprozess, weigert sich aber dem konservativen Nationalisten Artur Mas ihre Stimmen zur Wiederwahl als Ministerpräsident zu geben. Erst auf einem Parteikongress am 27. Dezember wollen die Kommunisten darüber abstimmen. Sollten sie sich weiterhin gegen Mas aussprechen, könnte es bereits im März zu Neuwahlen in Spaniens wirtschaftsstärkster Region kommen. Verdächtige sollen in direktem Kontakt mit Führung in Syrien gestanden sein. Madrid – Die spanische Polizei hat zwei mutmaßliche Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Wie das Madrider Innenministerium am Dienstag mitteilte, verhafteten die Sicherheitskräfte einen 32-Jährigen in Mataró bei Barcelona und eine 19-Jährige in Pájara auf der Kanaren-Insel Fuerteventura. Die aus Marokko stammenden Verdächtigen hätten in direktem Kontakt zu den IS-Anführern in Syrien gestanden und seien in der Lage gewesen, Anschläge zu verüben. Sie hätten über das Internet Propagandamaterial des IS verbreitet, Morddrohungen in Frankreich und Spanien verschickt und einer hoch qualifizierten Zelle zur Anwerbung von Jihadisten angehört. Die Festnahmen deuteten darauf hin, dass die Terrormiliz ihre Strategie geändert habe, betonte das Innenministerium. Die neuen IS-Kämpfer müssen nicht mehr nach Syrien oder in den Irak reisen, um dort ausgebildet zu werden. Die Ausbildung erfolgt in dem Land, in dem die neuen Jihadisten wohnen. In Spanien wurden seit Anfang dieses Jahres etwa 100 mutmaßliche Islamisten festgenommen. Verdächtiger soll Verbindungen zu "Jihad Jane" gehabt haben. Barcelona – In Spanien ist ein von den USA gesuchter mutmaßlicher Jihadist festgenommen worden, der Verbindungen zu der als Jihad Jane bekannten US-Extremistin Colleen LaRose gehabt haben soll. Ali Charef Damache, der die algerische und die irische Staatsbürgerschaft besitzt, sei am Donnerstag in Barcelona festgenommen worden, sagte ein Vertreter der katalanischen Regionalregierung, Jordi Jané, am Freitag. Der Verdächtige, der von den USA mit einem internationalen Haftbefehl gesucht werde, sei von der Regionalpolizei aufgespürt und festgenommen worden. Nach Angaben aus Justizkreisen muss nun ein Richter entscheiden, ob er in Haft bleibt. Nach Angaben der US-Behörden arbeitete Damache mit Colleen LaRose zusammen, einer Frau aus dem US-Bundesstaat Pennsylvania, die zum Islam konvertierte und unter dem Decknamen Jihad Jane Anschläge plante. LaRose war im vergangenen Jahr zu zehn Jahren Haft verurteilt worden, unter anderem wegen der Planung eines Mordanschlags auf den schwedischen Karikaturisten Lars Vilks. Vilks hat wegen Karikaturen des Propheten Mohammed bereits mehrere Todesdrohungen erhalten. Den US-Behörden zufolge rekrutierte Damache gemeinsam mit Komplizen im Internet Männer, um Anschläge in Südasien und Europa auszuführen. Außerdem hätten sie zur Unterstützung von Anschlagsplänen Frauen rekrutiert, die aufgrund ihrer Pässe keine Probleme hatten, nach und innerhalb von Europa zu reisen. Nach Angaben der spanischen Justiz war Damache zuvor bereits in Irland festgenommen worden. Ein Gericht verweigerte jedoch seine Auslieferung an die USA und ließ ihn frei. In den USA drohen Damache bis zu 45 Jahre Haft. Jihad Jane hat sich inzwischen nach eigenen Angaben vom islamischen Extremismus losgesagt. Regierungschef wurde von Jugendlichem während Wahlkampfauftritts offenbar nicht verletzt. Madrid – Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy ist im Wahlkampf von einem Jugendlichen angegriffen worden. Ein 17-Jähriger habe den Regierungschef in Pontevedra im Nordwesten des Landes mit der Faust ins Gesicht geschlagen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Efe am Mittwoch. Der Jugendliche habe anschließend auch auf einen Leibwächter eingeprügelt. Er sei von den Sicherheitskräften überwältigt und von der Polizei in Handschellen abgeführt worden. Eso no es una bofetada, es un puñetazo https://t.co/P9A39zqeuS Die Attacke ereignete sich auf einem Spaziergang, den Rajoy mit Parteifreunden in der Stadt unternahm, in der er einen großen Teil seiner Jugend verbracht hatte. Der Jugendliche hatte sich nach diesen Informationen dem Regierungschef genähert mit dem Vorwand, ein Selfie mit dem Ministerpräsidenten aufnehmen zu wollen. Der konservative Politiker schrieb nach dem Zwischenfall auf Twitter: Es geht mir gut. Ich mache mich auf den Weg zu einer Wahlkampfveranstaltung in La Coruna. Die Wirtschaftskrise hat in Spanien tiefe Spuren hinterlassen. Die linke Protestpartei Podemos könnte davon profitieren. Eine Daunenjacke schützt gegen die Kälte, eine Haube gegen den Wind. Mar Mas (49) macht Wahlkampf für die Antiausteritätspartei Podemos (Wir können) in der Madrider Innenstadt. Die Kapitänin für Touristenschiffe hat sich einen Monat freigenommen und ist in ihre Heimatstadt gekommen, um für die Violetten zu werben. So etwas passiert nur einmal im Leben, ist sie sich sicher und hofft auf ein gutes Abschneiden der Partei des 37-jährigen Politikprofessors Pablo Iglesias, der einen Wandel für Spanien nach vier Jahren Sparpolitik verspricht. Mas beantwortet Fragen zum Programm, hört zu, wenn Bürger von alltäglichen Sorgen berichten: Arbeitslosigkeit, der Nachwuchs auf Jobsuche im Ausland, teure Stromrechnungen, kein Geld für die fällige Rate des Wohnungskredits. Die ganze Auswirkung der Krise wird deutlich, erklärt Mas. Mas selbst weiß, was Krise bedeutet. Sie war TV-Produzentin, machte sich 2002 selbstständig und drehte Dokumentarfilme. Bis zur Finanzkrise 2007, erzählt sie. Die Bauspekulationsblase platzte, Banken crashten, Spanien schlüpfte unter den Rettungsschirm, die Sparpolitik begann. Die Filmemacherin verlor Abnehmer und musste ihr Unternehmen schließen. Sie legte das Kapitänspatent ab und schippert seither Schiffe durch das Mittelmeer und die Karibik. Im Mai, als die pensionierte Richterin Manuela Carmena mit der Bürgerliste Ahora Madrid (Jetzt Madrid) rund um Podemos die Kommunalwahlen gewann, verfolgte Mas die Entwicklung aus der Ferne. Jetzt wollte ich einfach dabei sein. Immer wieder wirft Mas einen Blick auf ihr Smartphone: Wir brauchen einen Fahrer, fünf Leute zum Flugblattverteilen ..., lauten die Nachrichten. Als der Wahlkampf vor zwei Wochen begann, hatten sich in der Innenstadt 23 Menschen als Helfer eingeschrieben. Jetzt sind es bereits über 80. Anders als die beiden alten Parteien, der regierende, konservative Partido Popular (PP) und der sozialistische PSOE, oder die ebenfalls zum ersten Mal antretende rechtsliberale Ciudadanos (Bürger) hat Podemos keine Millionenkredite bei den Banken aufgenommen. Ihr Wahlkampf wird über Kleinstkredite der Sympathisanten finanziert. Zwei Millionen Euro sind so zusammengekommen. Das reicht für Material, für Säle, aber nicht für große Plakatwände oder gar für zusätzliche Fernsehwerbung und Anzeigen. Ich habe kein Geld gegeben. Ich nutze mein Erspartes, um hier zu sein und zu arbeiten, sagt Mas. Sie plakatiert, fährt den Lieferwagen, baut Bühnen auf. Podemos setzt auch auf soziale Netzwerke, Infostände und tausende Veranstaltungen überall im Land. Die Straße fragt, heißt es dann. Es kommen Bürger, die einfach ihrem Unmut Luft machen wollen oder von ihren sozialen Nöten reden: Wählt auf keinen Fall die beiden Altparteien, ruft einer. Macht was für uns Langzeitarbeitslose, alle haben uns vergessen, sagt eine Frau über 50. In Madrid hat sich viel geändert, seit die Konservativen nach mehr als 20 Jahren das Bürgermeisteramt verloren haben. Bürgermeisterin Carmena hat die Dienstwagen abgeschafft und fährt U-Bahn. Eine neue Dienststelle vermittelt bei drohenden Zwangsräumungen zwischen Betroffenen und Banken. Wer dennoch seine Wohnung verliert, bekommt eine kommunale Unterkunft. Während der Sommerferien werden bedürftige Kinder, die das Jahr über kostenlos an der Schulspeisung teilnehmen, weiterhin versorgt. Der Sozialhaushalt wurde um 24 Prozent aufgestockt. Wir werden die große Überraschung sein, glaubt Mas. Umfragen machen ihr dabei Hoffnung. Die sozialistische PSOE und die Partei Ciudadanos, die beide ebenfalls den Wandel versprechen, verloren zuletzt an Zustimmung, während die Protestpartei zulegen konnte. Seit Montag dürfen keine Umfragen mehr veröffentlicht werden. So schauen alle auf eine Zeitung im kleinen Nachbarland Andorra, die weiterhin Wähler befragt. Im Internet wurden den Parteien – je nach ihrer Farbe – Symbole zugeteilt, das Ergebnis wird zum Kilopreis angezeigt. Für die violette Partei Podemos steht die Aubergine. Das Wasser symbolisiert den Partido Popular, die rote Erdbeere die Sozialisten, und die Orange ist die Chiffre für Ciudadanos. Die Aubergine kostet mittlerweile 20,40 Euro. Es fehlt nur ein Euro, um vor den Erdbeeren zum zweitteuersten Produkt zu werden. Allerdings wird Wasser trotz starken Preisverfalls mit 25,80 immer noch am teuersten gehandelt. Orangen sind am billigsten. (Reiner Wandler aus Madrid, 20.12.2015) 'Für die Regierung reicht es wohl nicht. Juan Carlos Monedero fordert solide Oppositionsarbeit. STANDARD: Das Motto von Podemos ist: Geboren, um zu gewinnen. Sind Sie jetzt nicht etwas kurz gefallen? Monedero: Gewinnen ist nicht nur eine Frage der Zahl der Abgeordneten. Gewinnen bedeutet auch, das Zweiparteiensystem zu besiegen. An die Regierung zu kommen ist natürlich immer ein Ziel, aber das war von vornherein für eine Partei, die noch nicht einmal zwei Jahre alt ist, sehr schwierig. Erstmals hat eine politische Kraft, die klar gegen die Austeritätspolitik auftritt, 5,2 Millionen Stimmen erhalten. Das bedeutet die Rekonstruktion eines politischen Raumes. STANDARD: Wie will Podemos von diesem Ergebnis den Weg in den Regierungspalast schaffen, oder ist das nicht mehr das Ziel? Monedero: Das ist nach wie vor unser Fahrplan. Wir sind die einzig große Partei in Spanien, die eine Alternative zur Sparpolitik plant. Die einzige echte Alternative sind wir. Wir müssen jetzt zweigleisig fahren: Zum einen gute Parlamentsarbeit, eine gute Oppositionsarbeit machen, die zeigt, dass wir in der Lage sind, wirklich Politik zu gestalten. Gleichzeitig müssen wir – und das ist für mich sehr wichtig – erneut die Arbeit auf den Straßen und Plätzen intensivieren, um zu erreichen, dass ein Teil der Bevölkerung umdenkt, der nach wie vor der Vergangenheit verhaftet ist. STANDARD: Ist das als Kritik an Podemos gemeint? Viele werfen der Partei vor, die Basis vernachlässigt zu haben und nur an die Wahlmaschinerie gedacht zu haben. Monedero: Nach der Bewegung der Empörten gab es zwei Möglichkeiten. Die Empörung zu repräsentieren oder die Empörung neu zu kanalisieren. Wir haben sie neu kanalisiert. Ein Teil der Empörung gilt nicht dem System als solchem, sondern den Auswüchsen des Systems. Ich bin davon überzeugt, dass wir die Hegemonie erlangen müssen. Dazu braucht es Verwaltungsapparate. Zum Beispiel ist es wichtig, dass das öffentliche TV nicht Parteisender sind. Deshalb müssen wir bei Wahlen erfolgreich sein. Aber all das nützt nichts, wenn wir den Kampf um die Kultur vernachlässigen. STANDARD: Wie lange wird die Legislaturperiode dauern? Monedero: Ich glaube, nicht viel mehr als zweieinhalb Jahre. Allerdings wäre ich da vorsichtig. Mit dem völlig offenen Panorama machen solche Spekulationen wenig Sinn. Ich bin überzeugt, dass der junge König Felipe VI. eine Legitimität für seine Zeit auf dem Thron braucht. Sie könnten so etwas wie eine große Koalition zwischen PP, PSOE und Ciudadanos suchen Parteichef Iglesias besteht aber auf Referendum zu Katalonien. Madrid/Barcelona – Der Chef der spanischen Linkspartei Podemos, Pablo Iglesias, hat den Sozialdemokraten (PSOE) angeboten, gemeinsam eine neue Regierung unter dem bisherigen konservativen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy zu verhindern. Wir werden Spaniens Führung nicht Mariano Rajoy überlassen, sagte Iglesias am Sonntag vor dem Leitungsgremium seiner Partei. Er forderte die PSOE auf, ihr Theater zu beenden und klar zu sagen, was sie wolle. Offiziell lehnt die größte Oppositionspartei PSOE einen Amtsverbleib Rajoys und eine Zusammenarbeit mit dessen Volkspartei (PP) bisher ab. Iglesias bekräftigte zugleich sein Eintreten für einen Volksentscheid über die Unabhängigkeit Kataloniens. Die PSOE-Führung lehnt das ab. Der PSOE-Abgeordnete Rafael Simancas antwortete Iglesias am Sonntag, die Mehrheit der Spanier habe bei der Parlamentswahl am 20. Dezember für den Wandel gestimmt. Die großen Veränderungen hätten Vorrang vor dem Beharren auf einem Volksentscheid über die katalanische Frage. Die spanischen Wähler hatten dem seit der Übergangsphase nach dem Tod des Diktators Francisco Franco im Jahr 1975 und der politischen Wende von 1982 funktionierenden Zweiparteiensystem bei der Parlamentswahl eine Absage erteilt. Die Zahl der Mandate von Rajoys Volkspartei nahm um 63 auf 123 ab. Die Oppositionspartei PSOE, die wiederholt die Regierung stellte, kam auf nur noch 90 Sitze. Podemos und die liberale Partei Ciudadanos zogen als dritt- und viertstärkste Kraft mit 69 beziehungsweise 40 Abgeordneten ins Parlament ein. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 von 350 Parlamentssitzen. König Felipe VI. als Staatsoberhaupt obliegt es, nach Gesprächen mit den Vorsitzenden aller im Parlament vertretenen Parteien einen Regierungschef vorzuschlagen. Dieser kann jedoch erst sein Amt übernehmen, wenn das Parlament ihm mehrheitlich das Vertrauen ausspricht. Ohne die Stimmen von Podemos und PSOE hat Rajoy keine Mehrheit. Die liberale Partei Ciudadanos kündigte bereits an, dass sie sich bei einer Abstimmung über eine Fortsetzung der PP-Regierung enthalten werde. Die konstituierende Sitzung des Parlaments ist für den 13. Januar vorgesehen. Sollte der Prozess der Regierungsbildung nach zwei Monaten nicht abgeschlossen sein, muss der König Neuwahlen ansetzen. 'Regionalpremier Artur Mas vom Wahlbündnis "Gemeinsam für das ''Ja ''" pokerte hoch. Kataloniens Regionalpremier Artur Mas vom Wahlbündnis Gemeinsam für das Ja pokerte hoch. Zu hoch, denn nach dem Nein der linksradikalen Sezessionisten über seine Wiederwahl dürfte der abtrünnigen Region ein neuerlicher Urnengang drohen. Granada/Barcelona – Ein endloser Verhandlungsreigen, der seit den Regionalwahlen Kataloniens am 27. September andauert, ist in die Sackgasse geraten. Neuwahlen bis Mitte März dürften drohen. Zu verhärtet sind die Positionen, zu unerreichbar erscheinen die verbleibenden Alternativen. Binnen 18 Monaten hätte eine Koalitionsregierung, angeführt von Regionalpremier Artur Mas, die wesentlichen Weichenstellungen für eine Abspaltung von Spanien vollziehen sollen – gemäß einer parlamentarisch Roadmap zur Unabhängigkeit, die umgehend vom Madrider Verfassungsgericht gekippt wurde. Der angestrebte Weg des Wahlbündnisses Gemeinsam für das Ja, also für die Unabhängigkeit (Junts pel Sí, abgekürzt JxS) – aus rechtsliberalen Nationalisten (CDC), Linksszessionisten (ERC) und kleineren Fraktionen ist nun definitiv blockiert. Die linksradikale Kandidatur der Volkseinheit (CUP) will nicht Mehrheitsbeschaffer für eine weitere Legislaturperiode unter Mas sein. Gemeinsam würden JxS mit 62 und die CUP mit ihren zehn Abgeordneten die absolute Mehrheit im 135 Sitze zählenden Parlament in Barcelona haben, doch das Problem war und ist Mas – für die CUP wohlgemerkt, und zwar wegen der unter ihm propagierten Sparpolitik, konträr zum Anti-Austeritäts-Kurs der Linksradikalen, und seines Naheverhältnisses zum in massive Korruptionsskandale verwickelten Familienclan von Ex-Regionalpremier Jordi Pujol (CDC). Zudem variieren die Vorstellungen der CUP zu einer unabhängigen Republik Katalonien deutlich, da sie katalanische Gebiete in Frankreich und der Region Valencia für den zu schaffenden Neo-Staat beanspruchen. In einer Handvoll Urabstimmungen der CUP-Basis über die vergangene Woche votierte man stets gegen die Wiederwahl von Mas. Einmal gar wurde das Kuriosum eines Patts erzielt: 1515 zu 1515 Stimmen. Wie die CUP-Abgeordnete Anna Gabriel betont, wäre ihre Partei prompt zu einstimmiger Unterstützung alternativer JxS-Kandidaten bereit. Präferenzen sind Raül Romeva, JxS-Listenerster und Ex-EU-Parlamentarier der – oder eben ERC-Parteichef Oriol Junqueras. Doch zeigt sich Mas selbst, der sich der Unterstützung seiner Parteikollegen gewiss ist, ebenso stur und kämpferisch wie die CUP: Er habe Lust, Madrid und jenen regionalen Kräften, die einem nichts einfach machen, die Stirn zu bieten, sagte er. Alternativen zu Neuwahlen sind rar. Abseits der CUP-Unterstützung im Gegenzug für Mas Kopf wäre mit der Podemos-nahen Fraktion Katalonien, ja es ist möglich ein Pakt rechnerisch denkbar. Mit elf Abgeordneten hätte sie ausreichend Gewicht für die Regierungsbildung mit JxS. Doch beharrt man auf einem Referendum über die Sezession und ist mehr als zuversichtlich, dass Katalonien sich klar für den Verbleib bei Spanien aussprechen würde. Hier mischt das Vakuum der zentralspanischen Machtverteilung nach den Parlamentswahlen vom 20. Dezember mit. Nicht minder unklar wie in Katalonien ist die Bildung einer Regierung in Madrid: Rechts der Mitte erreicht der konservative Premier Mariano Rajoy vom Partido Popular, der mit seiner Dialogverweigerung als größter Motor der katalonischen Unabhängigkeitsbewegung gilt, mit der rechtsliberalen Ciudadanos-Liste keine Mehrheit. Links müssten sozialistischer PSOE, Podemos und Linkssezessionisten der ERC zueinanderfinden. Doch PSOE-Chef Pedro Sánchez ist Gegner eines Katalonien-Referendums, da dieser Schuss nach hinten losgehen könnte. Und die ERC-Leute sind Hardliner in Sachen Sezession. Wahrscheinlicher erscheint, dass heuer nicht nur die Katalanen neuerlich zu den Urnen gerufen werden.' Madrid möchte eine Trennung nicht zulassen. Madrid/Barcelona – Die Zeichen in Spanien stehen auf Sturm. Während eine Regierungsbildung in Madrid auch drei Wochen nach der Parlamentswahl nicht absehbar ist, bekommt es der südliche EU-Mitgliedstaat nun mit einem großen Problem zu tun: Katalonien will sich vom Rest des Landes abspalten. Die neue Regionalregierung in Barcelona verfolgt das Ziel, die wirtschaftsstärkste Region Spaniens bis Mitte 2017 in einen unabhängigen Staat zu verwandeln. Nächste Station Unabhängigkeit, heißt die Devise, die Oriol Junqueras ausgegeben hat, einer der führenden Politiker im katalanischen Regierungsbündnis Junts pel Sí (Gemeinsam fürs Ja). Dabei hatte in Spanien eigentlich niemand damit gerechnet, dass die Separatistenallianz sich mit der linksradikalen Partei CUP auf eine Regierungsbildung einigen würde. Alles hatte auf Neuwahlen in der Region mit 7,5 Millionen Einwohnern hingedeutet, denn die antikapitalistische CUP weigerte sich, dem bisherigen Regierungschef Artur Mas zu einer neuen Amtszeit zu verhelfen. Beide Seiten verständigten sich jedoch im letzten Moment überraschend auf ein Regierungsbündnis. Sie traten die Flucht nach vorn an, weil sie bei Neuwahlen deutliche Stimmenverluste zu befürchten gehabt hätten. Die Separatisten ließen Mas fallen, die linksradikale CUP verzichtete auf Oppositionspolitik und verpflichtete sich dazu, dem neuen katalanischen Regierungschef Carles Puigdemont in wichtigen Abstimmungen eine Mehrheit zu sichern. Die Wahl des neuen separatistischen Premiers in Katalonien trifft Spanien zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die konservative Regierung von Ministerpräsident Mariano Rajoy ist seit der Parlamentswahl am 20. Dezember 2015 nur noch geschäftsführend im Amt. Wer die neue Regierung in Madrid bilden wird, steht in den Sternen. Rajoy war davon ausgegangen, dass er sich mit der Suche nach einer Mehrheit Zeit lassen könnte. Aber dieses Kalkül wurde nun von den Katalanen über den Haufen geworfen. Die Konservativen verstärken jetzt den Druck auf die Sozialisten (PSOE) und deren Parteichef Pedro Sanchez, die strikte Ablehnung einer großen Koalition aufzugeben. Die PSOE ist die einzige Partei, die Rajoy zu einer stabilen Mehrheit und zu einer neuen Amtszeit verhelfen könnte. Kataloniens neuer Regierungschef Puigdemont tritt noch energischer für eine Abspaltung der Region von Spanien ein als der Vorgänger Mas. Der 53-jährige Sohn eines Bäckers war in Spanien und weiten Teilen Kataloniens bisher weitgehend unbekannt. Der Ex-Journalist stand bei der Katalonien-Wahl am 27. September 2015 nur an dritter Stelle auf der Wahlliste der Separatisten in Gerona. Er wurde von Mas per Fingerzeig zum Nachfolger auserkoren. Die Opposition bezeichnete das Vorgehen als undemokratisch: Puigdemont wurde neuer Regierungschef, obwohl er bei der Regionalwahl nicht als Spitzenkandidat angetreten war. Seine Regierung will nun den Fahrplan zur Unabhängigkeit umsetzen, auf den das Separatistenbündnis Junts pel Sí sich verständigt hatte. Danach sollen zunächst drei Gesetzesvorhaben in Gang gesetzt werden: die Ausarbeitung einer Verfassung für einen unabhängigen Staat Katalonien, der Aufbau einer eigenen Pensionsversicherung und die Schaffung einer katalanischen Steuerbehörde. Der Prozess soll bis Mitte 2017 mit einem Referendum über die Unabhängigkeit Kataloniens abgeschlossen werden. Rajoy betonte, die Spanier können beruhigt sein. Eine Abspaltung der Region werde es nicht geben. Antrag der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft auf Verfahrenseinstellung wurde abgelehnt. Palma de Mallorca/Madrid – Der Prozess gegen die spanische Infantin Cristina wegen Beihilfe zum Steuerbetrug in einer Korruptionsaffäre wird fortgesetzt: Das Gericht in Palma de Mallorca wies am Freitag die Anträge von Verteidigung und Staatsanwaltschaft ab, das Verfahren gegen die 50-jährige Schwester von König Felipe VI. einzustellen. Die Verteidigung argumentierte, weder die Staatsanwaltschaft noch die Finanzverwaltung hätten als Geschädigte Anklage gegen ihre Mandantin erhoben. Die Staatsanwaltschaft hatte von der Infantin zwar die Zahlung von Schadenersatz gefordert, wollte aber kein Verfahren gegen sie eröffnen. Der Ermittlungsrichter Jose Castro hatte aber eine von der Anti-Korruptionsgruppe Manos Limpias (Saubere Hände) eingereichte Klage zugelassen. Der bis zur jetzt getroffenen Entscheidung des Gerichts ausgesetzte Prozess, der am 11. Jänner begonnen hatte, wird nun am 9. Februar fortgeführt. Außer der Prinzessin gibt es noch 17 weitere Angeklagte, darunter ihr 48-jähriger Mann Inaki Urdangarin. Die Ermittlungen in der Finanzaffäre dauern seit dem Jahr 2010 an. Der Infantin wird zur Last gelegt, Gelder aus illegalen Geschäften ihres Ehemanns nicht deklariert zu haben. Urdangarin soll zusammen mit einem ehemaligen Geschäftspartner sechs Millionen Euro für eine gemeinnützige Stiftung Noos veruntreut haben, deren Vorsitzender er war. Die Gelder sollen die Angeklagten über Strohfirmen in die eigene Tasche gewirtschaftet haben. Die bekannteste der Firmen, Aizoon, gehörten Cristina und ihrem Mann gemeinsam. Die vierfache Mutter beteuert jedoch, nichts von den mutmaßlichen Machenschaften gewusst und in finanziellen Dingen vollkommen ihrem Ehemann vertraut zu haben. Der einstige Handballnationalspieler muss sich in dem Prozess unter anderem wegen Untreue, Steuerhinterziehung, Betrugs und Geldwäsche verantworten. Cristina droht im Fall ihrer Verurteilung eine Strafe von acht Jahren Haft. Ihr 48-jähriger Ehemann muss möglicherweise mehr als 19 Jahre hinter Gitter. Cristina ist in der Geschichte der spanischen Monarchie die erste nahe Verwandte eines Königs, die in einem Finanzverfahren angeklagt ist. Parteichef Sánchez will sowohl mit linker Partei Podemos als auch mit Rechtsliberalen sprechen. Spaniens König Felipe VI. hat Dienstagabend den Generalsekretär der spanischen Sozialisten (PSOE), Pedro Sánchez, mit der Regierungsbildung beauftragt. Zuvor hatte er eine zweite Gesprächsrunde mit allen im Parlament vertretenen Parteien abgehalten. Der noch amtierende Konservative Mariano Rajoy hatte dabei dem Monarchen und Staatschef mitgeteilt, keine Parlamentsmehrheit für eine Regierung zu haben. Wir haben heute nicht die nötige Unterstützung, aber wir werden nicht darauf verzichten, zu versuchen, eine Regierung mit PSOE und Ciudadanos zu bilden, hatte er gesagt. Rajoy will sich auch weiterhin um eine solche Große Koalition bemühen. Seine Volkspartei (PP) hatte die Wahlen am vergangenen 20. Dezember zwar gewonnen, doch die absolute Mehrheit deutlich verfehlt. Die Wähler hatten Rajoy für seine Sparpolitik abgestraft. Erstmals zogen die junge Anti-Austeritätspartei Podemos und die rechtsliberalen Ciudadanos in die Volksvertretung ein. Das Parlament ist dadurch so aufgespalten, dass eine Regierungsbildung alles andere als leicht wird, auch nicht für den zweitplatzierten Sánchez, der jetzt eine fortschrittliche Reformmehrheit schmieden will. Der Sozialist wird in zwei Richtungen verhandeln. Zum einen hat er das Angebot von Podemos-Chef Pablo Iglesias, eine fortschrittliche Regierung des Wandels zu bilden. Zum anderen streckt er seine Fühler Richtung Ciudadanos aus. Beide Seiten haben Forderungen: Die drittplatzierte Podemos will ein umfangreiches Sozialprogramm. Iglesias besteht außerdem auf einem gemischten Kabinett, proportional zum Wahlergebnis. Für sich selbst fordert er den Posten des Vizepremiers. Sánchez scheint davon nicht begeistert zu sein. Er ist zehn Tage lang nicht auf Podemos zugegangen. Eine Koalition mit Podemos bräuchte außerdem die Unterstützung durch nationalistische Parteien aus Katalonien und dem Baskenland, um eine Mehrheit im Parlament zu erzielen. Einige der Regionalfürsten der PSOE sprachen sich am Wochenende strikt gegen diese Variante aus. Deshalb will Sánchez auch mit Ciudadanos ins Gespräch kommen. Sollte er sich mit den Rechtsliberalen einigen, hätte er allerdings ebenfalls ein Problem: Iglesias kündigte an, dass seine Podemos dagegen stimmen werde. Umgekehrt kündigte auch Ciudadanos an, gegen jedwede Koalition, in der Podemos vertreten ist, zu stimmen. Nur wenn sich im zweiten Wahlgang Rajoys PP enthalten würde, könnte Sanchez mit einer PSOE-Ciudadanos-Koalition die Regierung stellen. Diese stillschweigende Große Koalition wird derzeit von einigen wichtigen Medien und auch von einflussreichen Vertretern aus der Wirtschaft unterstützt. Zu erneuten Wahlen käme es erst dann, wenn eine Abstimmung im Parlament über eine Regierung stattgefunden hat und scheitert. Dann haben die Abgeordneten zwei Monate Zeit, um eine Lösung zu finden. Der PP könnte in dieser Phase der Entscheidungsfindung dann versuchen, selbst eine Art Große Koalition anzuführen – wenn auch ohne Rajoy als Regierungschef. Erst wenn alle diese Versuche fehlschlagen, würde zwei Monate später gewählt. (Reiner Wandler aus Madrid, 2.2.2016) Verhandlungen beenden Stillstand bei Regierungsbildung. Madrid – Gut zwei Monate nach der Parlamentswahl in Spanien hat die Linkspartei Podemos am Montag Verhandlungen mit der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) über eine Regierungsbildung aufgenommen. Angestrebt werde eine Regierung des Wandels und des Fortschritts unter Beteiligung weiterer linker Gruppierungen, erklärte Podemos-Chef Pablo Iglesias auf Twitter. In Spanien herrscht seit der Parlamentswahl am 20. Dezember ein Stillstand bei der Regierungsbildung. Podemos hatte sich bis zur vergangenen Woche geweigert, mit der PSOE zu verhandeln, solange diese mit der liberalen Partei Ciudadanos spricht. Der PSOE-Vorsitzende Pedro Sanchez, der von König Felipe VI. mit der Regierungsbildung betraut worden war, lehnte wiederum Iglesias Forderung nach exklusiven Verhandlungen ab. Bei der Parlamentswahl hatte die bisher regierende rechtskonservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy 119 von 350 Mandaten gewonnen, aber eine eigene Mehrheit verfehlt. Die PSOE kam auf 89 Sitze, Podemos stellt 65 und Ciudadanos 40 Sitze. Die restlichen Mandate gingen an Vertreter linksnationaler Parteien und Unabhängigkeitsbefürworter. Rajoy hatte bei PSOE und Ciudadanos erfolglos für eine Zusammenarbeit geworben. 'In Spanien häufen sich die Fälle, in denen Kunstschaffende aufgrund von Antiterrorgesetzen gerichtlich verfolgt und mit Haftstrafen bedroht werden. Gegen die Repressionswelle regt sich nun Widerstand. Da werden Puppenspieler für ihre Satire der Verherrlichung des Terrorismus beschuldigt Abstimmung am späten Mittwochabend geplant. Madrid – Das spanische Parlament debattiert am Mittwoch ab 9 Uhr über das Regierungsprogramm des Sozialisten Pedro Sanchez. Am späten Abend sollen die Abgeordneten über die Wahl von Sanchez zum Ministerpräsidenten abstimmen. Der 44-Jährige benötigt dann die absolute Mehrheit, um den Konservativen Mariano Rajoy von der Macht zu verdrängen. Es gilt als praktisch ausgeschlossen, dass der Sozialist genügend Stimmen erhalten wird. Bei einem Scheitern wird es an diesem Freitag eine zweite Abstimmung geben, bei der die einfache Mehrheit ausreicht. Sanchez hatte bei der Vorstellung seines Programms versprochen, im Falle seiner Wahl zum Regierungschef einen politischen Wandel einzuleiten und auf Dialog und Verständigung zu setzen. Bürgermeister von Granada festgenommen. Granada – Die konservative Volkspartei (PP) des spanischen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy ist erneut von einem Korruptionsskandal erschüttert worden. Die Polizei nahm am Mittwoch den PP-Bürgermeister von Granada, Jose Torres Hurtado, die ebenfalls der PP angehörende Stadträtin Isabel Nieto und mehrere Bauunternehmer fest. Wie die staatliche Nachrichtenagentur Efe berichtete, stehen die Festgenommenen im Verdacht, einem Netz von korrupten Politikern und Geschäftsleuten in der südspanischen Metropole anzugehören. In dem Skandal geht es unter anderem um den Bau einer Diskothek und einer Rollschuhbahn in einer geschützten Grünanlage. Eine Serie von Korruptionsskandalen in den vergangenen Jahren hatte der PP bei der Parlamentswahl am 20. Dezember 2015 kräftige Stimmverluste eingebracht. Aufgrund dieser Affären weigern die Sozialisten (PSOE) und die liberalen Ciudadanos (Bürger) sich, Rajoy zu einer Mehrheit im Parlament und damit zu einer zweiten Amtszeit zu verhelfen. Basis der Linkspartei lehnt Pakt der Sozialisten mit Liberalen ab, Neuwahlen rücken näher. Madrid – Die Basis der spanischen Linkspartei Podemos hat sich in einer Urabstimmung gegen eine Unterstützung des Regierungspakts der Sozialisten und der liberalen Partei Ciudadanos ausgesprochen. Die Entscheidung sei mit überwältigender Mehrheit von rund 88 Prozent der abgegeben Stimmen erfolgt, berichteten spanische Medien am Montag. Damit wird die Wahl einer neuen Regierung unter Sozialistenchef Pedro Sánchez unwahrscheinlicher, Neuwahlen rücken näher. Die PSOE und Ciudadanos hatten sich zuletzt auf einen Regierungspakt verständigt, brauchen aber zur Abwahl der bisherigen konservativen Regierung unter Mariano Rajoy die Stimmen von Podemos. Die Wahl am 20. Dezember hatte zu unklaren Mehrheitsverhältnissen geführt. Bisher konnten die Parteien sich auf keine Koalition einigen, die über eine ausreichende Mehrheit verfügen würde. Wenn bis zum 2. Mai kein neuer Ministerpräsident gewählt wird, muss König Felipe VI. nach der Verfassung das Parlament auflösen und für den 26. Juni Neuwahlen ansetzen. Abstimmung soll im Juni stattfinden. Madrid – Nach dem Scheitern der Regierungsbildung in Spanien werden die Wähler im Juni erneut an die Urnen gerufen. Nach einer letzten Beratungsrunde mit den Parteien kündigte König Felipe am Dienstag an, er werde keinem Kandidaten mehr den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Kein Parteichef habe genügend Unterstützung gefunden, um im Parlament eine Mehrheit für die Wahl zum Ministerpräsidenten zusammenzubekommen. Der König machte damit den Weg für eine Neuwahl des Parlaments frei, die wahrscheinlich am 26. Juni stattfindet. Der Chef der Sozialisten, Pedro Sanchez, sagte, er habe nicht genügend Stimmen, um gewählt zu werden. Der konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy erklärte dies ebenfalls. Zuletzt stieg der Druck auf die Parteien, ihre politischen Gräben doch noch zu überwinden, da die Frist für die Wahl eines neuen Regierungschefs am Montag abläuft. Die Parteien gaben sich gegenseitig die Schuld am politischen Stillstand. Nach der Wahl im Dezember verfügte keines der großen politischen Lager über eine Mehrheit im Parlament. Rajoy holte für seine konservative Volkspartei zwar die meisten Stimmen, verlor mit 132 Sitzen in der 350 Abgeordneten zählenden Volksvertretung jedoch die absolute Mehrheit. Die Sozialisten erreichten 90 Mandate, die in der Gruppe Podemos zusammengeschlossenen Gegner der Sparpolitik kamen auf 69 Abgeordnete. Die liberale Partei Ciudadanos verfügt über 40 Mandate. Seit der Wahl im Dezember hat sich keine Koalition gefunden. Nun ist König Felipe der Geduldsfaden gerissen. Madrid – Die Spanier müssen erneut an die Urnen. Mehr als vier Monate nach der Parlamentswahl vom 20. Dezember erklärte König Felipe VI. die Verhandlungen zur Regierungsbildung für gescheitert, nachdem er am Montag und Dienstag Gespräche mit den Vertretern aller im Parlament vertretenen Parteien geführt hatte. Er werde niemanden mehr mit der Regierungsbildung beauftragen, verkündete er. Damit werden Neuwahlen am 26. Juni unumgänglich. Seit der Wahl sitzen erstmals vier starke Fraktionen im Parlament: der konservative Partido Popular (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy, die sozialistische PSOE, die junge Antiausteritätspartei Podemos und die rechtsliberalen Ciudadanos. Keine Partei hat eine ausreichende Mehrheit. Keine Mehrheit Der PP hatte im Dezember ihre absolute Mehrheit verloren. Angeschlagen durch unzählige Korruptionsskandale fand Rajoy keine Koalitionspartner. Felipe beauftragte deshalb den Führer der zweitstärkste Kraft, den Sozialisten Pedro Sánchez, mit der Regierungsbildung. Zwar handelte dieser erfolgreich ein Abkommen mit Ciudadanos aus, doch reicht das nicht für eine Mehrheit. Ein Linksbündnis, wie es Podemos und mehrere kleinere Parteien vorgeschlagen haben, und das mit Duldung durch nationalistische Kräfte aus dem Baskenland und Katalonien eine ausreichende Mehrheit hätte erzielen können, lehnten die Sozialisten bis zum Schluss ab. Förmlich im letzten Augenblick versuchte die valencianische Compromis die Blockade zu brechen. Die Regionalbewegung, die im Bündnis mit Podemos angetreten war, legte einen 30-Punkte-Plan für eine Koalition aller fortschrittlichen Kräfte vor. Die PSOE akzeptierte 27 Punkte, lehnte jedoch ein Gesetzespaket gegen die Zwangsräumung säumiger Wohnungseigner ebenso ab wie die Streichung der Schuldenbremse in der Verfassung und die Rücknahme einer Arbeitsmarktreform, die den Kündigungsschutz völlig aufgeweicht hatte. Außerdem weigerte sich die PSOE einmal mehr, eine Koalition zu bilden. Sánchez wollte mit seinen 90 Abgeordneten allein unter Duldung von Podemos und Ciudadanos regieren. Die absolute Mehrheit liegt bei 176 Mandataren. Eine Beleidigung aller Spanier sieht Compromis-Chefin Monica Oltra in der starren Position der Sozialisten. Sie selbst regiert in ihrer Heimatregion Valencia in Koalition mit den Sozialisten. Streit Sánchez sucht die Schuld für die Neuwahlen bei Podemos. Herr Iglesias hat die Tür geschlossen, wiederholte Sánchez immer wieder auf seiner Pressekonferenz nach dem Besuch beim König. Der angesprochene Podemos-Chef Pablo Iglesias sieht dies freilich anders. Pedro Sánchez hat zu oft Nein gesagt, sagt er. Anders als die PSOE habe sich Podemos kompromissbereit gezeigt, beteuerte der junge Politikprofessor. Tatsächlich hatte die neue Partei mehrmals programmatische Forderungen abgeschwächt und Iglesias selbst hatte angeboten, nicht persönlich in einer eventuellen Koalitionsregierung sitzen zu wollen. Für Iglesias ist Sánchez in einem Käfig gefangen. Die großen Wirtschaftsvertreter des Landes sowie Regionalfürsten und Altpolitiker der PSOE – unter ihnen Ex-Premier Felipe González – hätten ein Linksbündnis nicht zugelassen. Diese favorisierten stattdessen eine große Koalition, um Podemos von der Macht fernzuhalten. Podemos will mehr Stimmen Wir werden nach den Wahlen der PSOE erneut die Hand reichen, sagte Iglesias. Podemos versucht jetzt mit der postkommunistischen Vereinigten Linken ein Wahlbündnis zu schmieden, um so die Sozialisten im Juni zu überholen. PSOE und Podemos trennten nur 300.000 Stimmen. Die große Frage ist nun, ob es zu nennenswerten Wählerverschiebungen kommt. So manche Umfrage zeigt, dass dies nicht zu erwarten ist. Dann steht Spanien im Sommer einmal mehr vor einer Blockade, die sich nur durch ein Linksbündnis oder durch eine große Koalition, wie sie Rajoy und auch Ciudadanos immer wieder gefordert und die Sozialisten abgelehnt haben, auflösen lässt. Auch nach Neuwahlen – Sanchez will weiter mit Ciudadanos und Podemos verhandeln. Madrid – Die spanischen Sozialisten (PSOE) wollen auch nach den anstehenden Neuwahlen keine Große Koalition mit der konservativen Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy eingehen. Die PSOE wird keinen Pakt mit der PP schließen, kündigte der PSOE-Parteichef Pedro Sanchez am Donnerstag an. Er werde nach den Wahlen erneut versuchen, ein Bündnis mit den liberalen Ciudadanos (Bürger) und der Linkspartei Podemos (Wir können) zu bilden, sagte Sanchez im Radiosender Cadena Ser. Der Sozialistenchef war zuletzt damit gescheitert, eine solche Allianz zustande zu bringen. Daher ist Spanien seit den Wahlen vom 20. Dezember 2015 weiterhin ohne eine gewählte Regierung. Wenn bis zu diesem Montag (2. Mai) kein Ministerpräsident gewählt worden ist, muss König Felipe VI. das Parlament auflösen und Neuwahlen für den 26. Juni ansetzen. Monarch löst das Parlament auf und ruft Neuwahlen für Juni aus. Madrid –Erstmals seit Spaniens Rückkehr zur Demokratie in den 1970er Jahren stehen in dem Land vorgezogene Neuwahlen an. Nach dem endgültigen Scheitern einer Regierungsbildung setzte König Felipe VI. am Dienstag den erneuten Urnengang für den 26. Juni an. Der König unterzeichnete ein Dekret, mit dem das Parlament aufgelöst wurde. Der Monarch stellte das Dekret im Beisein von Parlamentspräsident Patxi Lopez aus. Es ist das erste Mal, dass dies in der demokratischen Ära geschieht, weil wir nicht in der Lage waren, das Mandat zu erfüllen, das uns die Bürger übertragen haben, sagte Lopez. Nach dem Ende der Franco-Diktatur 1975 waren die großen Parteien in Madrid nie gezwungen, eine Koalition zu bilden. Die Enttäuschung der Spanier über das Verhalten der Parteien bei den gescheiterten Koalitionsverhandlungen ist riesig. Drei von vier Spaniern sind jedenfalls der Meinung, die Politiker und Parteien hätten ihre persönlichen Interessen über das Gemeinwohl gesetzt. Das ergab eine am Dienstag veröffentliche Umfrage des staatlichen Sozialforschungs-Instituts CIS. Trotz der Unzufriedenheit über den politischen Stillstand und das Verhalten der Parteien dürften Neuwahlen aber wohl kaum neue Machtverhältnisse bringen. Das belegt ebenfalls die CIS-Umfrage. 80 Prozent der Befragten gaben zumindest an, sie hätten die gleiche Partei gewählt, auch wenn sie zuvor gewusst hätten, dass dies zu Neuwahlen führt. Bereits eine am Sonntag von der Zeitung El Pais veröffentliche Umfrage lässt vermuten, dass es selbst bei einem erneuten Urnengang zu keiner großartigen Machtverschiebung im Parlament kommen wird. Demnach dürfte die konservative Volkspartei (PP) von Ministerpräsident Mariano Rajoy mit 29 Prozent erneut die Wahlen gewinnen. Die Sozialisten (PSOE) von Oppositionsführer Pedro Sanchez könnten zwei Prozent verlieren, aber mit 20,3 Prozent der Stimmen zweitstärkste Partei bleiben. Auch die linkspopulistische Podemos (Wir können), Spaniens drittstärkste Formation, könnte über zwei Prozent ihrer Stimmen verlieren und sich bei 18,1 Prozent positionieren, während die neue liberale Bürgerpartei Ciudadanos drei Punkte gut macht und auf 16,9 Prozent an Podemos heranrückt. Große Machtverschiebungen versprechen Neuwahlen also nicht. Rajoys Volkspartei zählt auf die treueste Wählerschaft und überstand durch ihre politische Abwesenheit bei der Regierungssuche recht unbeschadet die chaotischen und aggressiven Koalitionsverhandlungen. Auch dass die Konservativen von mehreren Korruptionsskandalen durchgeschüttelt wurden, schadete ihnen wenig. Ob sie jedoch in der Lage sein werden, eine Regierung zu bilden, hängt vom Zuwachs der Liberalen ab, die einzige Partei, die eventuell für eine Regierungskoalition mit den Konservativen bereit wäre. Liberalen-Chef Albert Rivera forderte dafür aber den Abgang Rajoys und eine generationelle und personelle Gesamterneuerung der PP-Führung. Wahlentscheidend könnte aber vor allem auch die Vereinte Linke (UP-IU) werden, die ihren Stimmenanteil bei Neuwahlen laut der Metroscopia-Umfrage in El Pais auf 6,6 Prozent fast verdoppeln könnte. Ein geplantes Wahlbündnis mit Podemos würde dann einen linksextremen-postkommunistischen Gegenblock zu den Konservativen bilden. Das wiederum könnte das Verhalten der beiden großen Volksparteien möglicherweise stark beeinflussen. Die Sozialisten könnten sich für eine Große Koalition öffnen, um nicht als politische Linksalternative zu verschwinden. Auch die Hürden, die zwischen Liberalen und Konservativen existieren, dürften durch einen starken linksextremen Block abnehmen, meint auch der spanische Politologe Angel Cazorla im APA-Gespräch. Podemos und Vereinte Linke hoffen, Sozialisten bei Neuwahlen Ende Juni als linke Alternative zu konservativen Wahlfavoriten ablösen zu können. Madrid – Ein Monat vor Beginn des spanischen Wahlkampfes haben die linke Protestpartei Podemos (Wir können) und die postkommunistische Parteiallianz Vereinte Linke (Izquierda Unida) am Freitagabend ihr Wahlbündnis bekanntgegeben. Unter dem Namen Unidos Podemos (Vereint können wir) will sich das Bündnis als politische Alternative zu den regierenden Konservativen (PP) etablieren. Wir treten an, um gemeinsam die PP zu besiegen, erklärten die beiden Parteiführer, IU-Chef Alberto Garzon und Podemos-Frontmann Pablo Iglesias. Symbolisch besiegelten sie ihren Pakt auf dem Madrider Zentralplatz der Puerta del Sol, wo Spaniens Empörten-Bewegung am Sonntag den fünften Jahrestag ihrer historischen Demonstrationen feiert. Podemos ist zwar nicht das politische Sprachrohr der auch als Bewegung des 15. Mai bekannten, parteiübergreifenden Protestaktion, fand aber dort hier ihren Ursprung. Iglesias und Garzon rückten bei der Präsentation des Wahlbündnisses bewusst mit Blick auf die Sozialisten (PSOE) vom Links-Rechts-Schema ab und versprachen eine transversale Politik von oben und unten. Anscheinend will vor allem Podemos verhindern, dass das Bündnis bei den Sozialisten als weiterer Linksruck aufgefasst wird und mögliche Koalitionsverhandlungen nach dem Urnengang verhindern könnte. So stellte vor allem Pablo Iglesias bei der Vorstellung der Wahlkoalition mit den Postkommunisten klar: Wir werden den Sozialisten die Hand reichen, um eine Regierung des Fortschritts zu bilden. Bei den vergangenen Wahlen im Dezember wurde Podemos auf Anhieb drittstärkste Kraft mit nur 300.000 Stimmen weniger als die Sozialisten, die auf den zweiten Platz hinter der konservativen Volkspartei (PP) des amtierenden Regierungschefs Mariano Rajoy kamen. Dieser verlor fast drei Millionen Stimmen und damit die absolute Mehrheit. IU erzielte rund 900.000 Stimmen. Jüngsten Umfragen zufolge verbessern Podemos und die Vereinte Linke ihr Wahlergebnis vom 20. Dezember. Der Pakt bedient nun die gesamte Alterssparte der spanischen Linken. Hinter Podemos stehen vor allem junge Linkswähler zwischen 18 und 30 Jahren. Die Vereinte Linke wird hauptsächlich von Linkswählern zwischen 35 und 54 Jahre gewählt, verdeutlich der spanische Wahlforscher Jose Pablo Ferrandiz im APA-Gespräch. So kann die linke Bündnisliste laut verschiedener Umfragen bei den Wahlen am 26. Juni mit 24 Prozent zweitstärkste Kraft nach der PP werden, die auf 29 Prozent käme. Die Sozialisten von Oppositionsführer Pedro Sanchez (PSOE) könnten mit 22 Prozent nur noch drittstärkste Partei werden, dicht gefolgt von den konservativen Liberalen Ciudadanos (Bürger). Nachdem keine Partei nach den Wahlen im Dezember eine regierungsfähige Parlamentsmehrheit hinter sich bringen konnte, löste König Felipe VI. Anfang Mai das Parlament auf und rief Neuwahlen aus. Der neue Urnengang versprich aber keine all zu großen Machtverschiebungen, wodurch sich die Koalitionsverhandlungen im Juli erneut als sehr schwierig herausstellen dürften. Regierungspartei erreicht nur 40,7 Prozent der Stimmen, säkulare CHP mit 25 Prozent zweitstärkste Kraft. Ankara – Das Ziel eines Präsidialsystems ist für den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdoğan mit der Parlamentswahl in weite Ferne gerückt: Nach mehr als zwölf Jahren Alleinregierung verlor seine islamisch-konservative Partei AKP am Sonntag die absolute Mehrheit. Laut offiziellem Ergebnis rutschte die AKP auf 40,7 Prozent der Stimmen ab und muss damit eine Koalition bilden. Die Kurdenpartei HDP schaffte es mit 13 Prozent ins Parlament. Der Sitzanteil der AKP im neuen Parlament liegt nach Auszählung von 99,9 Prozent der Stimmen bei 258. Das sind 18 Mandate weniger, als zur Fortsetzung der Alleinregierung nötig gewesen wären. Bei der Wahl im Jahr 2011 hatte die AKP fast 50 Prozent der Stimmen und 328 Mandate erreicht. Die Kurdenpartei HDP schaffte nun den Sprung über die Zehn-Prozent-Hürde und darf 79 Abgeordnete ins Parlament in Ankara schicken. Die säkulare CHP wurde mit 25 Prozent und 132 Sitzen zweitstärkste Kraft, die rechtsgerichtete MHP wird im neuen Parlament mit knapp 16,5 Prozent und 81 Abgeordneten vertreten sein. Die Wahlbeteiligung lag bei 86 Prozent. Eine Regierungsbildung wird nun schwierig. Die AKP ist erstmals auf einen Koalitionspartner angewiesen. Beobachter sahen die MHP als wahrscheinlichsten Partner an. Der hochrangige AKP-Politiker Burhan Kuzu sagte, baldige Neuwahlen seien unausweichlich. Laut der Verfassung kann der Staatspräsident neue Wahlen anordnen, wenn keine neue Regierung zustande kommt. In seiner ersten Pressekonferenz am Wahlabend schloss HDP-Co-Vorsitzender Selahattin Demirtas aus, dass seine Partei eine Koalition mit der AKP eingehen werde. Wir werden uns an unsere Wahlversprechen halten, sagte Demirtas Sonntagabend bei einer Pressekonferenz im Istanbuler Stadtteil Beyoglu. Wir haben versprochen, keine Koalition mit der AKP einzugehen, daran werden wir uns halten, betonte Demirtas. Das Volk habe Erdoğan gezeigt, dass es kein Präsidialsystem wolle. Das türkische Parlament hat insgesamt 550 Sitze. Um die von Erdoğan angestrebte Verfassungsänderung für ein Präsidialsystem im Alleingang durchführen zu können, hätte die AKP die Stimmen von 367 Abgeordneten gebraucht, also eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Für die Ausrufung eines Referendums hätte eine 60-Prozent-Mehrheit von 330 Stimmen genügt. Laut den Wahlanalysen von CNN-Türk und anderen Fernsehsendern profitierte die HDP vor allem von Wählern, die Erdoğans Präsidialpläne ablehnten. Bereits im Vorfeld war spekuliert worden, dass der HDP bei der Wahl eine Schlüsselrolle zukommen könnte. Die HDP vertritt die kurdische Minderheit in der Türkei und ist außerdem zum Sammelbecken all jener geworden, die unzufrieden mit der Regierung der AKP sind. Zudem verlor die AKP im kurdischen Südosten der Türkei erheblich an Boden. Beobachter machten dafür unter anderem die Tatsache verantwortlich, dass sich die AKP-Regierung im vergangenen Jahr geweigert hatte, der kurdischen Stadt Kobanê im Norden Syriens im Kampf gegen die Jihadisten-Miliz Islamischer Staat (IS) zu helfen. Das Ergebnis ist eine Niederlage für Erdoğan, der die HDP im Wahlkampf scharf angegriffen hatte, obwohl der Präsident nach der Verfassung zur Neutralität verpflichtet ist. Die HDP war mit dem Ziel in den Wahlkampf gezogen, Erdoğans Präsidialsystem zu verhindern, und hatte vor einer Diktatur gewarnt. Weder die AKP noch Erdoğan haben erklärt, wie ein Präsidialsystem aussehen sollte. Bisher ist der Ministerpräsident Regierungschef. Die Parlamentswahl ist die erste seit dem Amtsantritt von Präsident Erdoğan im vergangenen August. Erdoğan war davor Ministerpräsident. Im südtürkischen Diyarbakir haben die Menschen den erstmaligen Einzug der HDP ins Parlament gefeiert. Tausende Menschen versammelten sich am Sonntagabend in der Kurdenmetropole, tanzten und feuerten Feuerwerkskörper ab. Die HDP-Anhänger waren euphorisch angesichts des Erfolgs ihrer Partei: Ich glaube, dass heute die Diktatur endet und die Demokratie beginnt, sagte der 38-jährige Ferid Kanzary. Die 53-jährige Pervin Ayle sagte: Ich bin sehr glücklich. Das gibt mir Hoffnung für die Zukunft. Das Wahlkampfende war von schwerer Gewalt überschattet worden. Bei einem Sprengstoffanschlag auf eine HDP-Veranstaltung in der Kurden-Metropole Diyarbakir wurden am Freitagabend nach Angaben von Polizei und Ärzten mindestens drei Menschen getötet und 220 verletzt. Ministerpräsident und AKP-Chef Ahmet Davutoğlu sagte nach seiner Stimmabgabe laut DHA, ein Verdächtiger sei festgenommen worden. Der Hintergrund der Tat blieb weiter unklar. Im Wahlkampf war die HDP immer wieder zum Ziel von Anschlägen und Übergriffen geworden. Nach Angaben des Innenministeriums schützten am Sonntag mehr als 400.000 Sicherheitskräfte die Wahl. Zehntausende Wahlbeobachter waren im Einsatz. 56,6 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen: 53,7 Millionen in der Türkei und 2,9 Millionen im Ausland. Bis Ende Mai konnten Auslandstürken in türkischen Botschaften und Konsulaten wählen. Anders als in der Türkei hat die AKP bei den Türken in Österreich eine absolute Mehrheit gewonnen. Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu von Sonntag stimmten rund 64 Prozent der in Österreich lebenden wahlberechtigten Türken für die AKP. Die HDP bekam rund 14 Prozent. In Deutschland stimmten 53 Prozent für die AKP. Die HDP kam auf 18,7 Prozent. Drittstärkste Kraft wurde die CHP mit 15,8 Prozent. Die meisten in der Schweiz lebenden türkischen Wahlberechtigten stimmten nach Angaben von Anadolu für die HDP (rund 49 Prozent), gefolgt von der AKP (rund 24 Prozent). Fast die Hälfte der rund 2,9 Millionen Türken, die im Ausland ihre Stimme abgeben durften, lebt in Deutschland. Nach Angaben von Anadolu lag deren Wahlbeteiligung bei rund 44 Prozent. (APA, 8.6.2015) CHP-Abgeordneter Baykal äußerte sich nicht zu Präferenzen seiner eigenen Partei. Istanbul - Nach der Parlamentswahl in der Türkei loten die bisherige Regierungspartei AKP und die Oppositionsparteien Koalitionsmöglichkeiten aus. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan traf am Mittwoch in Ankara mit dem künftigen Alterspräsidenten des Parlaments, dem CHP-Abgeordneten Deniz Baykal, zusammen. Baykal sagte anschließend, Erdogan sei offen für jede Art von Koalitionslösung. Der Präsident sei der Ansicht, eine Regierung müsse sobald wie möglich gebildet werden. Zu Präferenzen der CHP, die die größte Oppositionspartei ist, äußerte sich Baykal nicht. Die AKP hatte bei der Wahl am Sonntag nach mehr als zwölf Jahren an der Macht ihre Regierungsmehrheit im Parlament verloren, war aber stärkste Partei geblieben. Laut Presseberichten dringt insbesondere die türkische Wirtschaft auf die Bildung einer Großen Koalition. Auch ein Bündnis zwischen der AKP und der nationalistischen MHP gilt als möglich. Ein Problem ist den Berichten zufolge vor allem die Forderung der Opposition, dass sich Erdogan als Staatspräsident - wie von der Verfassung vorgeschrieben - künftig aus der Regierungsarbeit heraushalten soll. Bisher hatte Erdogan die Richtung der AKP-Regierungspolitik vorgegeben. Rund 100 Menschen verletzt – Politiker und Sicherheitsexperten sehen IS-Miliz hinter Anschlag – Furcht vor Übergreifen des syrischen Bürgerkriegs. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Polizei setzte bei Demonstrationen in Istanbul Wasserwerfer und Tränengas ein, Zahl der Toten stieg auf 32. Ankara/Athen – Der türkische Geheimdienst hatte im Vorfeld des Bombenanschlags in der Grenzstadt Suruç am Montag bereits zwei konkrete Warnungen an Polizei und Militär im Land weitergegeben, so wurde bekannt. Rund 100 Personen waren daraufhin landesweit festgenommen worden. Agenten des Geheimdienstes MIT hatten Hinweise auf Selbstmordattentate, die Mitglieder der Terrormiliz Islamischer Staat in der Türkei am 22. Juni und am 3. Juli möglicherweise verüben wollten, so hieß es am Dienstag in türkischen Medienberichten. Der amtierende türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu reiste am Tag nach dem Anschlag in die Provinzstadt Sanliurfa und gab vor dem Sitz des Gouverneurs eine Erklärung ab In mehrheitlich kurdischer Stadt Diyarbakır. Diyarbakır – Im Südosten der Türkei ist am Donnerstag bei einer Schießerei mindestens ein Polizist getötet worden. Ein weiterer Polizist wurde bei dem Vorfall in der mehrheitlich von Kurden bewohnten Provinzhauptstadt Diyarbakır verletzt, wie Sicherheitskräfte berichteten. Über den Hintergrund der Bluttat war vorerst nichts bekannt. Bereits am gestrigen Mittwoch waren in der nahegelegenen Stadt Ceylanpınar zwei Polizisten getötet worden. Die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) übernahm dafür die Verantwortung. Es habe sich um eine Vergeltungsaktion für den mutmaßlichen Anschlag der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Suruç vom Montag mit 32 Toten gehandelt, so die Begründung. Bisher konnten nur Drohnen von der Militärbasis Incirlik starten. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Die Türkei hat ihre Offensive gegen IS und PKK ausgeweitet. Zugleich kam es vor allem in kurdisch geprägten Gebieten zu Anschlägen. Ankara/Wien – Die Gewaltspirale in der Türkei hat sich am Wochenende weitergedreht: Zwei Soldaten wurden bei einem Anschlag auf einen Konvoi in der kurdisch geprägten Provinz Diyarbakır getötet. Ankara machte die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK dafür verantwortlich. Diese bekannte sich zunächst nicht zu der Tat. Vier Soldaten wurden verletzt. Medienberichten zufolge wurde außerdem in der südöstlichen Stadt Cizre bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und PKK-Anhängern ein 23-Jähriger getötet Streifen soll viele syrische Flüchtlinge aufnehmen, die derzeit in der Türkei leben. Washington/Berlin – Die Türkei und die USA haben sich im Kampf gegen die Terrormiliz IS nach US-Medienberichten grundsätzlich auf den Aufbau einer Sicherheitszone in einem Streifen im Norden von Syrien entlang der türkischen Grenze geeinigt. Das berichteten die New York Times und die Washington Post am Montag unter Berufung auf ungenannte Regierungsmitarbeiter beider Seiten. Die Einigung betreffe einen Rahmen, Details seien noch offen, schrieb die New York Times. Der Streifen solle rund 100 Kilometer lang sein und könnte viele syrische Flüchtlinge aufnehmen, die derzeit in der Türkei leben. Ziel ist es, eine IS-freie Zone zu schaffen und mehr Sicherheit und Stabilität entlang der türkischen Grenze zu Syrien zu gewährleisten, zitierte die Zeitung einen Mitarbeiter der US-Regierung. Dafür sollten US-Kampfflieger, syrische Rebellen und das türkische Militär in der umkämpften Region künftig enger kooperieren. Laut Washington Post will die US-Regierung aber nicht offiziell von einer geschützten Zone sprechen. Auch eine von der Türkei seit längerem geforderte Flugverbotszone solle es dadurch nicht geben. 'Ankara will den IS aus dem syrischen Grenzgebiet vertreiben. Die Pufferzone soll wohl auch den Vormarsch der Kurden stoppen. Ankara/Athen – Der Eintritt in den Krieg gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) könnte der türkischen Regierung bringen, was sie seit Jahren international fordert: eine Pufferzone in Syrien an der Grenze zur Türkei. Türkische Regierungsvertreter, allen voran Premierminister Ahmet Davutoglu und Außenminister Mevlüt Çavusoglu, haben indirekt die Schaffung einer solchen Zone beschrieben, aus der Kämpfer des IS durch Militärschläge vertrieben würden. Offen bleibt aber, wie diese Zone militärisch gesichert würde. Es wird keinen Platz für Daes nahe der türkischen Grenze geben, erklärte Davutoglu türkischen Journalisten gegenüber '"Unmöglich" Friedensprozess fortzusetzen – Nato-Sondertreffen zur Türkei von Anschlag überschattet. Ankara – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat den Friedensprozess mit den Kurden aufgekündigt. Es sei unmöglich, diesen Weg mit denjenigen fortzusetzen, die die nationale Einheit gefährdeten, sagte der Staatschef am Dienstag vor Journalisten in Ankara. Er forderte das Parlament auf, die Immunität von Politikern mit Verbindungen zu terroristischen Gruppen aufzuheben. Außerdem erklärte er, dass eine Sicherheitszone in Nordsyrien den Weg für die Rückkehr von 1,7 Millionen in der Türkei lebenden syrischen Flüchtlingen ermöglichen könne. Von der Nato erwartet Erdoğan Unterstützung für seinen Anti-Terror-Kampf. Die Türkei fliegt seit einigen Tagen Luftangriffe gegen Stellungen der jihadistischen Organisation Islamischer Staat (IS) in Syrien und der in dem Land verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Nordirak. Anlass sind mehrere tödliche Anschläge im von Kurden bewohnten Südosten der Türkei, für die der IS und die verbotene Arbeiterpartei PKK verantwortlich gemacht werden. Auf Antrag der Türkei kamen am Dienstag in Brüssel die Botschafter der 28 Nato-Staaten zusammen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sicherte der Türkei angesichts der Bedrohung durch den IS die starke Solidarität des Bündnisses zu. Terrorismus in jeglicher Form kann nicht toleriert oder gerechtfertigt werden, sagte der Nato-Generalsekretär. Die Türkei hat nicht um zusätzliche militärische Nato-Präsenz in der Türkei gebeten, sagte Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach dem Sondertreffen. Er verwies dabei darauf, dass die Türkei über sehr fähige Streitkräfte verfüge. Das ist die zweitgrößte Armee in der Allianz, erklärte Stoltenberg. Ankara hat Beratungen nach Artikel 4 des Nato-Vertrags verlangt. Dieser Artikel sieht Konsultationen vor, wenn ein Nato-Mitglied meint, dass die Unversehrtheit des eigenen Territoriums, die politische Unabhängigkeit oder die eigene Sicherheit bedroht ist. Anlass für das Treffen ist nach Nato-Angaben der Ernst der Lage in der Türkei nach den Terrorangriffen der vergangenen Tage. Dabei sind Dutzende zu Tode gekommen. Es gab auch Gefechte mit IS-Kämpfern an der syrisch-türkischen Grenze. Die türkischen Luftschläge im Irak und in Syrien haben zunächst keinen Einfluss auf den Einsatz der deutschen Bundeswehr im Süden der Türkei. Die Aufgabe der deutschen Patriot-Raketenabwehrstaffeln dort sei es, die Region um die Stadt Kahramanmaraş vor Angriffen aus Syrien zu schützen, sagte Deutschlands Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen am Montagabend bei einem Besuch in Mali. Diese Aufgabe bleibt bestehen. Die Soldaten seien auch weit genug vom Zielort der Luftangriffe entfernt. Die Türkei sollte sich endlich für eine einheitliche Strategie entscheiden und nicht gleichzeitig den Islamischen Staat und dessen Gegner bekämpfen, sagte der deutsche Politiker Elmar Brok (CDU), Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Europaparlament, der Welt. Er forderte eine diplomatische Offensive von EU, USA und der Türkei im Nahen Osten, um die Kämpfe zu beenden. Die Türkei war zuletzt Rückzugsort und Transferland von Kämpfern des Islamischen Staats, sagte Brok. Die türkische Regierung müsse erkennen, dass der IS ihr Hauptfeind sei. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat zugleich die Fortsetzung des Friedensprozesses in der Türkei mit den Kurden gefordert. Auf Twitter sagte Kurz, die jüngsten Terroranschläge in der Türkei seien inakzeptabel. Die Anstrengungen Ankaras im Kampf gegen den IS seien wichtig. Aber der Friedensprozess mit den Kurden muss fortgesetzt werden, betonte der Außenminister. Recent terrorist attacks in #Turkey unacceptable; Turkeys efforts to fight ISIL important. But Need to continue peace process with #Kurds. Nach einem Anschlag in der osttürkischen Provinz Mus erlag ein Mitglied der türkischen Gendarmerie seinen schweren Verletzungen. Terroristen hätten das Auto des Mannes am Montagabend beschossen, berichtete die Nachrichtenagentur DHA unter Berufung auf den Provinzgouverneur. Im Wagen hätten sich auch die Ehefrau und die Tochter des Opfers befunden. Die Frau sei leicht verletzt worden. Die Familie sei auf dem Rückweg von einem Besuch bei Freunden gewesen. Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Ebenfalls im Osten der Türkei ist eine Gaspipeline durch eine Explosion beschädigt worden. Die Explosion in der Grenzprovinz Agri habe in der Nacht auf Dienstag ein Feuer an der Pipeline aus dem Nachbarland Iran ausgelöst, teilte Energieminister Taner Yıldız mit. Der Brand habe aber schnell gelöscht werden können. Nach einer Reparatur könne wieder Gas durch die Pipeline fließen. In türkischen Medienberichten war von Sabotage die Rede, für die die PKK verantwortlich gemacht wurde. Zunächst bekannte sich jedoch niemand zu dem Vorfall. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich indes besorgt über die türkischen Luftangriffe auf die PKK. Er hofft auf eine sofortige Rückkehr zu konstruktivem Dialog, so dass eine friedliche Lösung gefunden werden könne, wie er in einer Mitteilung der Vereinten Nationen in New York am Montag erklärte. Der UN-Generalsekretär rief alle Beteiligten dazu auf, nicht zurückzukehren zu einem tödlichen Konflikt, der den Menschen in der Türkei in der Vergangenheit schon so viel Leid zugefügt hat.' Jahrelang hat Ankara abgestritten, dass der IS ungestört Kämpfer im Land rekrutieren kann. Nun wurden mutmaßliche Drahtzieher verhaftet. Bagcilar, das Arbeiterviertel weit im Westen Istanbuls, wo die Straßenbahn nach einer Stunde Fahrt vom Zentrum endet, ist so ein Fleck auf der Karte des Islamischen Staates (IS). Halis Bayancuk alias Abu Hanzala, ein junger Mann mit Rauschebart und weißem wallendem Gewand, lebt dort mit seiner Frau und versorgt die Terrormiliz mit neuen Rekruten, so heißt es. Als die türkische Polizei vergangene Woche frühmorgens anklopfte, nahm sie das Ehepaar gleich mit. Bayancuk ist eines der wenigen mutmaßlichen IS-Mitglieder in Istanbul, das nun in Haft sitzt. Die Behörden kennen ihn, der regierungstreuen islamischen Tageszeitung Star hat er auch schon ein Interview gegeben. Der Emir von Al-Kaida in der Türkei wurde er zeitweise genannt. Bayancuk, ein selbsternannter Imam, der aus Diyarbakir stammen soll, hatte die Türkei schon davor gewarnt, den IS in Syrien anzugreifen. Auch in Ankara soll er gepredigt haben, in ebenjenem Stadtviertel, das schon im September 2014 durch einen Bericht der New York Times zum Politikum wurde. Hacibayram heißt es, nach dem mittelalterlichen Dichter und Gründer eines Sufiordens. Das Viertel mitten in der türkischen Hauptstadt sei eine Drehscheibe für alle junge Türken, die zum IS nach Syrien fahren wollen, hieß es in dem Bericht. Tayyip Erdogan tobte damals tagelang gegen die NYT und deren Korrespondentin. Schamlos nannte er den Bericht, Islam habe nichts mit Terrorismus zu tun, und ebenso wenig leiste die Türkei Terroristen Hilfe. Als nun die Razzien gegen mutmaßliche IS-Mitglieder begannen, nahm die Polizei auch in Hacibayram 15 Personen fest, mehrheitlich Syrer. Am Dienstag wurden alle wieder auf freien Fuß gesetzt. Die anderen, wichtigeren IS-Leute seien zuvor schon geflüchtet, behaupten Oppositionsmedien. Die Internetportale des IS in der Türkei – wie Tevhidi Gündem und Darul Hilafe – sind seit Mitte des Monats oder spätestens seit der Entscheidung zum Militärschlag am 23. Juli geblockt. Doch die Festnahmewelle gegen mutmaßliche IS-Mitglieder scheint bereits weitgehend zum Stillstand gekommen zu sein. Unter den 1.050 Festgenommenen zu Wochenbeginn machen mutmaßliche Unterstützer der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK oder ihrer Jugendorganisation YDGH den weitaus größten Teil aus. Auch von den Luftangriffen auf IS-Stellungen erfährt die türkische Öffentlichkeit mittlerweile nichts mehr. Die Verlautbarungen auf der Webseite der türkischen Armee beziehen sich nur noch auf Kampfhandlungen mit der PKK. Der amtierende Premier Ahmet Davutoglu versuchte am Mittwoch vor den Abgeordneten seiner Fraktion den Eindruck zu zerstreuen, es ginge der Regierung in erster Linie um den Kampf gegen die Untergrundarmee PKK und die kurdisch dominierte Parlamentspartei HDP. Führende Regierungspolitiker wie Bülent Arinç sprachen in der anschließenden Parlamentsdebatte einmal mehr von der dreifachen Bedrohung der Türkei durch die PKK, die linke Terrorgruppe DHKP-C und den IS. Staatschef Erdogan hatte am Vortag den Friedensprozess mit den Kurden für beendet erklärt und zur Strafverfolgung seines politischen Gegners, des HDP-Kovorsitzenden Selahattin Demirtas, aufgerufen. Ein führender AKP-Politiker brachte am Mittwoch bereits einen Antrag auf Aufhebung der Immunität von Demirtas beim Parlamentspräsidenten ein. Dabei ging es aber um den Vorwurf des Wahlbetrugs, den Demirtas vor der Parlamentswahl im Juni gegen die AKP erhoben hatte. Ankara unterzeichnete am Mittwoch offiziell ein Abkommen mit den USA über die Öffnung der Militärbasis von Incirlik nahe Adana. Viel Unterstützung finden die geschäftsführende Regierung und der Staatschef nicht für ihren plötzlichen Kurswechsel. Die Türken sind sich einig, dass der Militäreinsatz in Syrien dem Land weit mehr schadet als nutzt. 61 Prozent der AKP-Wähler, 75 Prozent der Anhänger der Rechtsnationalisten der MHP und weit über 80 Prozent der CHP- und HDP-Wähler sind dieser Ansicht laut einer Umfrage des Metropoll-Instituts. Je nach Parteizugehörigkeit gibt es unterschiedliche Auffassungen, wie schlimm die Gegner sind: Bei AKP- und MHP-Wählern rangieren die syrischen Kurden knapp hinter dem IS, bei den Sozialdemokraten ist er mit weitem Abstand der gefährlichste Gegner an der Grenze. HDP-Chef Demirtaş wird Anstachelung zu bewaffneten Protesten vorgeworfen. Ankara – In der Türkei ermittelt die Staatanwaltschaft Medienberichten zufolge gegen den Chef der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtaş, weil er im Herbst Demonstranten aufgehetzt und bewaffnet haben soll. Der Nachrichtenagentur Anadolu zufolge wird wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Anstachelung zur Gewalt ermittelt. Das Verfahren gegen Demirtaş wurde demnach am Donnerstag in der überwiegend von Kurden bewohnten Provinz Diyarbakır eingeleitet. Sollte es zu einem Prozess gegen den Chef der pro-kurdischen Partei kommen, drohen Demirtaş bis zu 24 Jahre Haft. Hintergrund der Ermittlungen seien die Demonstrationen in Zusammenhang mit der syrischen Stadt Kobane. Bei den gewaltsamen Protesten waren im Oktober 2014 mehr als 30 Menschen getötet worden. Wie am Freitag bekannt wurde hat die Justiz auch die HDP-Ko-Parteichefin ins Visier genommen. Gegen Figen Yüksekdag seien Ermittlungen wegen Propaganda für eine terroristische Gruppe eingeleitet worden, berichtete Anadolu. Demirtas und Yüksekdag bilden die Doppelspitze der Kurdenpartei HDP, die bei den Wahlen im Juni mit 13 Prozent einen historischen Erfolg errungen und der regierenden islamisch-konservativen AKP damit die absolute Mehrheit verbaut hatte. Bei den Ermittlungen gegen Yüksekdag geht es um Äußerungen der HDP-Ko-Chefin im Juli zugunsten der kurdischen Rebellen in Syrien, die mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) in der Türkei verbunden sind. Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan hatte Demirtaş vorgeworfen, er unterhalte Kontakte zu militanten Kurden. Er forderte das Parlament in dieser Woche auf, die Immunität für Abgeordnete aufzuheben, denen er Verbindungen zur verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK unterstellt. Dies zielt auf die HDP, die bei der Wahl Anfang Juni überraschend stark abgeschnitten und Erdoğans islamisch-konservative AKP um die absolute Mehrheit gebracht hatte. Demirtaş bestreitet den Vorwurf, er unterhalte Kontakte zur PKK und bekomme Anweisungen von ihr. Wir haben zur PKK überhaupt keine Beziehungen, sagte er am Donnerstag im ZDF-heute journal. Dies sei schmutzige Propaganda Erdoğans. Demirtaş warf der Regierung in Ankara zudem vor, dass deren Angriffe auf die IS-Jihadisten nur ein Vorwand seien, um gegen die PKK vorzugehen. Erdoğan schüre den Konflikt auch, um die HDP zu schwächen und der AKP bei möglichen Neuwahlen einen politischen Vorteil zu verschaffen, sagte Demirtaş der Nachrichtenagentur AFP. Er rief die Regierung und die PKK dazu auf, ihre Angriffe sofort einzustellen und am Friedensprozess festzuhalten. Ein Ende der Gewalt ist weiterhin nicht in Sicht: In den vergangenen Tagen sollen insgesamt 190 Menschen bei türkischen Luftschlägen gegen PKK-Stellungen in der Türkei und im Nordirak getötet worden sein. Rund 300 Menschen seien verletzt worden, berichtet die Zeitung Hürriyet Daily News am Donnerstag unter Berufung auf Geheimdienstquellen. Am Donnerstag weitete die türkische Luftwaffe ihre Angriffe auf die PKK offenbar aus: 30 türkische Kampfjets bombardierten PKK-Stellungen im Nordirak, wie türkische TV-Sender berichteten. Die türkischen Angriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak haben Fragen nach der Zukunft des delikaten Friedensprozesses zwischen der Türkei und den militanten Kurden aufgeworfen. Seit 2013 hatten beide Seiten bis vor kurzem eine Waffenruhe weitgehend eingehalten. Bei Gefechten zwischen dem türkischen Militär und Anhängern der PKK sind indes vier Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien drei Soldaten und ein PKK-Kämpfer, berichtete die Nachrichtenagentur DHA unter Berufung auf die türkischen Streitkräfte am Donnerstag. Die Soldaten seien in der südosttürkischen Provinz Sirnak in einen Hinterhalt geraten, als sie eine Straße für einen Militärkonvoi sichern wollten. Die Armee gehe weiter gegen PKK-Kämpfer in der Gegend vor. In der osttürkischen Provinz Bingöl sei ein Bombenanschlag auf den Postzug verübt worden, der von Istanbul in den Iran fährt, berichtete DHA weiter. Niemand sei verletzt worden, der Zug habe weiterfahren können. Der Provinzgouverneur machte die PKK für den Anschlag verantwortlich, wie DHA weiter berichtete. Die PKK machte zu den Anschlägen zunächst keine Angaben. "Tatsache, dass die Terrororganisation Zivilisten als menschliche Schutzschilde nutzt". Istanbul/Bagdad – Nach Berichten über acht tote Zivilisten bei einem türkischen Luftangriff im Nordirak hat das türkische Außenministerium Ermittlungen eingeleitet. Es werde jede Anstrengung unternommen, um bei Luftangriffen zivile Opfer zu vermeiden, hieß es am Samstagabend in einer Erklärung. Man wisse, dass sich keine Zivilisten in dem besagten Camp aufhielten und dass zum Zeitpunkt des Angriffs hochrangige PKK-Mitglieder dort gewesen seien. Auf der anderen Seite ist es leider eine Tatsache, dass die Terrororganisation Zivilisten als menschliche Schutzschilde nutzt, hieß es weiter. Anrainer hatten der Deutschen Presse-Agentur berichtet, dass bei dem Bombardement kurz vor Sonnenaufgang mindestens acht Zivilisten getötet worden seien. Zudem seien sieben Menschen verletzt worden. Vergangene Woche hatte die Türkei einen ausgedehnten Luftkrieg gegen die PKK im irakischen Kurdistan begonnen und den Friedensprozess mit der Organisation aufgekündigt. Die PKK hat mehrfach Polizisten in der Türkei angegriffen. '24 Verletzte bei Angriff auf Armeeposten – Ein Soldat durch Mine getötet. Istanbul- Der Konflikt zwischen der türkischen Regierung und der kurdischen Minderheit verschärft sich weiter: Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) bekannte sich am Sonntag zu einem Selbstmordanschlag auf Ordnungskräfte in der Osttürkei Neue Welle von Gewalt in der Türkei: Angreifer nahmen Polizei und US-Konsulat ins Visier. Istanbul – Nach der tödlichen Anschlagsserie in der Türkei hat die Armee Stellungen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) im Südosten des Landes bombardiert. 17 Positionen der kurdischen Rebellen sind laut Militär in der Nacht auf Dienstag in der Provinz Hakkari neutralisiert worden. Die PKK bekannte sich zu einem der Anschläge am Montag und stellte Bedingungen für eine Rückkehr zur Waffenruhe. Vergeltung für Terrorserie Bei den Luftangriffen handelte es sich offenbar um Vergeltung für eine Serie von Angriffen, bei denen am Montag in Istanbul und dem Südosten der Türkei fünf Polizisten und zwei Soldaten getötet worden waren. In der Nacht auf Montag hatte ein Selbstmordattentäter zunächst eine Polizeiwache im Istanbuler Stadtteil Sultanbeyli angegriffen. Bei einem anschließenden Feuergefecht waren ein Polizist und zwei weitere Angreifer getötet worden. Zu dem Angriff bekannte sich die PKK. Zudem griffen Bewaffnete das US-Konsulat im Viertel Istinye im europäischen Teil der Stadt an. Eine der beiden Angreiferinnen wurde kurze Zeit später verletzt festgenommen, ihre Komplizin konnte flüchten. Die linksextreme Gruppe DHKP-C, die bereits 2013 einen Selbstmordanschlag auf die US-Botschaft in Ankara verübt hatte, bekannte sich zu der Tat. DHKP-C erklärte, der Kampf gegen den Imperialismus und seine Kollaborateure werde fortgesetzt. In der südöstlichen Provinz Sirnak wurden zudem bei einem Bombenanschlag vier Polizisten getötet, während beim Beschuss eines Armeehubschraubers und einem von PKK-Stellungen ausgehenden Angriff mindestens ein Soldat starb. Auch am Dienstag griffen PKK-Kämpfer nach Angaben aus Sicherheitskreisen in der Region eine Armeebasis an. Dabei sei in Sirnak ein Soldat getötet worden. In der Provinz Bingol wurde nach Angaben der örtlichen Behörden ein PKK-Mitglied bei einem Gefecht mit Sicherheitskräften getötet. Die türkische Regierung hatte am 24. Juli nach einem Selbstmordanschlag der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in der Grenzstadt Suruc mit mehreren Toten einen Krieg gegen den Terror gestartet, der sich sowohl gegen die IS-Miliz als auch gegen die PKK richtet. Seitdem flog die Luftwaffe dutzende Angriffe auf PKK-Stellungen im Südosten der Türkei und im Nordirak, aber nur drei Angriffe auf IS-Positionen in Syrien. PKK stellt Bedingungen Die PKK stellte indes am Dienstag Bedingungen für eine Rückkehr zur 2013 geschlossenen Waffenruhe. Wie türkische Medien berichteten, forderte die Union der Gemeinschaften Kurdistans (KCK), eine politische Organisation der PKK, die unabhängige Überwachung einer neuen Waffenruhe und die Freilassung politischer Gefangener. Außerdem dürfe die Armee die Waffenruhe nicht nutzen, um ihre Präsenz in den Kurdengebieten zu verstärken, erklärte die KCK. Die Eskalation der Gewalt fällt mit einer politischen Krise in der Türkei zusammen. Auch zwei Monate nach der Parlamentswahl, bei der die islamisch-konservative Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) ihre absolute Mehrheit verlor, gibt es keine neue Regierung. Kritiker werfen Präsident Recep Tayyip Erdogan vor, Neuwahlen provozieren zu wollen in der Hoffnung, dabei doch noch die nötige Mehrheit zu erhalten, um seine Pläne zur Ausweitung der Macht des Präsidenten umzusetzen. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu von der AKP und der Vorsitzende der säkularen CHP, Kemal Kilicdaroglu, sprachen am Montag erstmals über die Bildung einer Regierungskoalition. Kulturminister Ömer Celik und der CHP-Vize Haluk Koc, die ebenfalls teilnahmen, erklärten anschließend, beide Seiten bemühten sich um einen Konsens. In vielen Bereichen sei bereits Einigkeit erzielt worden, ein weiteres Treffen diese Woche sei geplant. 'US-Luftwaffe veröffentlicht Bilder mit Bomben beladener F-16-Flugzeuge beim Start. Istanbul/Washington – Die Türkei hat Angaben der US-Regierung widersprochen, wonach US-Kampfjets erstmals von türkischem Boden aus Stellungen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Norden Syriens angegriffen haben. US-Kampfflugzeuge hätten am Mittwoch von der südtürkischen Basis Incirlik aus keine Kampfeinsätze unternommen, sagte Außenminister Mevlüt Cavusoglu am Donnerstag im Fernsehsender Habertürk. Dagegen hatte das US-Verteidigungsministerium erklärt, bei den ersten Einsätzen der Jets von Incirlik aus seien Angriffe auf IS-Positionen geflogen worden. Die US-Flugzeuge, die gestern von Incirlik starteten, haben an keinerlei Operation teilgenommen, sagte Cavusoglu laut einer Mitschrift von Habertürk in dem Interview. Sie absolvieren Aufklärungsflüge. Zuvor hatte die regierungsnahe türkische Zeitung Daily Sabah gemeldet, die US-Angriffe hätten gemäßigten Rebellen im Norden Syriens beim Vormarsch gegen den IS geholfen. Die Türkei hatte sich lange gegen eine Freigabe von Incirlik für Einsätze der internationalen Anti-IS-Koalition gesträubt, Ende Juli jedoch eine entsprechende Vereinbarung mit den USA getroffen. Für das US-Militär erleichtern die Einsätze von Incirlik aus den Kampf gegen den IS erheblich. Die türkische Regierung hatte vergangene Woche eine großflächige Offensive gegen den IS angekündigt. Allerdings gibt es in einigen Bereichen Meinungsverschiedenheiten zwischen der Türkei und den USA. Nach Angaben Ankaras wollen die Türkei und die USA den IS aus einem Gebietsstreifen in Nordsyrien vertreiben und dieses Gebiet zu einer Schutzzone für Flüchtlinge erklären Zwei Festnahmen, Hintergründe noch unklar. Istanbul – Am Eingang zum Dolmabahce-Palast in Istanbul sind am Mittwoch Schüsse gefallen. Das meldete die Nachrichtenagentur Dogan und berichtete von zwei Festnahmen. Die Verdächtigen trugen demnach automatische Waffen. Berichte über mögliche Opfer gab es vorerst zwar keine, doch berichteten Augenzeugen von Rettungswagen, die zum Tatort unterwegs waren. Auch eine Explosion soll zu hören gewesen sein, meldeten mehrere Internetmedien. Nach Angaben des Senders Al-Jazeera kamen die Wachsoldaten am Tor des Palastes unter Beschuss. Die Polizei sperrte eine Hauptverkehrsstraße, die am Palast vorbeiführt. Offizielle Angaben zu dem Vorfall lagen zunächst nicht vor. Der aus der Zeit des Osmanischen Reichs stammende Palast ist eine beliebte Touristenattraktion. Er dient auch als Amtssitz des Ministerpräsidenten in Istanbul. 'Staatschef hat mit der Bildung einer Übergangsregierung begonnen, die das Land bis zu Neuwahlen führen soll. Ankara/Wien – Ist das Parlament erst einmal weg, hat er freie Bahn: Tayyip Erdoğan, der machtverliebte Präsident der Türkei, kann das Kriegsrecht ausrufen, die Armee in Marsch setzen – und notfalls auch gleich die Neuwahlen vertagen, auf die er so gedrängt hat, um das Ergebnis seiner konservativ-islamischen AKP bei den Parlamentswahlen vom Juni zu korrigieren. Kein Gesetz wird im Moment respektiert, rief der Chef der größten Oppositionspartei, der Sozialdemokrat Kemal Kiliçdaroğlu, am Wochenende aus: Er bezeichnete das Vorgehen des Präsidenten als zivilen Putsch. Tatsächlich aber steht alles in der Verfassung: die Sondervollmachten des Präsidenten, die Auflösung des Parlaments, die Allparteienregierung, die übergangsweise die Türkei führen soll. Nur die Person Erdoğan ist es, die der Opposition und dem kritischen Teil der Gesellschaft Sorgen macht. Und natürlich die Sicherheitslage im Land, die sich dramatisch verschlechtert hat und vor deren Hintergrund der Staatschef nun seine Fäden zieht. Montagnachmittag sprach Erdoğan über drei Stunden mit dem Präsidenten des noch bestehenden Parlaments, Ismet Yilmaz, und rief danach offiziell zu Neuwahlen auf. Yilmaz, Erdoğans Parteifreund, legt jetzt als zweithöchste Figur im Staat fest, wie die Ressorts im Übergangskabinett an die Parteien verteilt werden. Offiziell zumindest. Auch der bisher geschäftsführend amtierende Premier Ahmet Davutoğlu, Erdoğans früherer Außenminister, hatte öffentlich versichert, er, Davutoğlu, sei es, der die Minister aussuche. Da hatte ihn Erdoğan noch gar nicht zum Chef des Übergangskabinetts ernannt. Kaum jemand hat Zweifel, dass Erdoğan alles entscheidet. Das gilt auch für den Wahltermin, den der Präsident auf den 1. November festlegte – über den Kopf der Wahlbehörde hinweg, die dafür eigentlich zuständig wäre. Die Umfragen allerdings – so vorsichtig sie in der Türkei auch zu behandeln sind – lassen keinen sicheren Sieg der AKP erkennen. Regierungskritische Umfrageinstitute sagen sogar noch einen weiteren Rückgang der Stimmen für die Konservativ-Religiösen voraus und einen Anstieg für die Kurden- und Linkspartei HDP. Bei den Parlamentswahlen im Juni verlor die AKP erstmals nach zwölf Regierungsjahren die absolute Mehrheit Ministerpräsident soll innerhalb von fünf Tagen ein Kabinett zusammenstellen, das bis zu den Neuwahlen im Herbst regieren wird. Istanbul – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu mit der Bildung einer Übergangsregierung beauftragt. Wie die offizielle Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag meldete, soll Davutoğlu innerhalb von fünf Tagen ein Kabinett zusammenstellen, das die Türkei bis zu den vorgezogenen Neuwahlen im Herbst regieren soll. Erdoğan hatte die Neuwahlen zuvor wegen der offiziell gescheiterten Regierungsbildung nach der Parlamentswahl vom 7. Juni angekündigt. Die türkische Wahlkommission hat am Dienstag den 1. November als Tag der Parlamentsneuwahlen offiziell festgelegt. Der Beschluss wurde bei einer Pressekonferenz bekannt gegeben. Der Übergangsregierung sollen laut Verfassung Politiker aller im Parlament vertretenen Parteien angehören. Da die rechtsgerichtete MHP und die säkularistische CHP aber bereits ihren Verzicht auf eine Beteiligung erklärt haben, bleiben nur noch Erdoğans islamisch-konservative Regierungspartei AKP sowie die prokuridsche Partei HDP. Darüber hinaus will Davutoğlu auch Persönlichkeiten von außerhalb des Parlaments für Ministerposten gewinnen. Es wäre das erste Mal, dass eine prokurdische Partei in einer türkischen Regierung sitzt. In der Presse wird bereits über die HDP-Kandidaten für die drei der Partei zustehenden Ministerposten spekuliert. HDP-Chef Selahattin Demirtaş forderte, die Hälfte der Kabinettsposten solle mit Frauen besetzt werden. Zur Neuwahl kommt es, weil es der AKP nicht gelungen war, nach der Juni-Wahl eine Koalition zu schmieden. Damals hatte die AKP nach zwölf Jahren erstmals ihre Regierungsmehrheit eingebüßt, war aber stärkste Partei geblieben. Die Opposition und viele Beobachter werfen dem türkischen Präsidenten vor, die Neuwahl absichtlich herbeigeführt zu haben, um dann für die AKP die Regierungsmehrheit zurückzuerobern. Eine Koalitionsregierung würde seinem Plan zuwiderlaufen, mit einer Verfassungsänderung das Amt des Staatsoberhauptes mit deutlich mehr Kompetenzen auszustatten. HDP-Vizechef Selahattin Demirtaş glaubt bei der Türkei-Wahl an Stimmenzuwächse seiner Partei. STANDARD: Die Neuwahlen am 1. November werden alle Probleme lösen, die durch die Parlamentswahl im Juni entstanden sind, sagt Staatspräsident Tayyip Erdogan. Ist das so? Demirtaş: Was Erdogan als Problem sieht, ist, dass die AKP nicht mehr allein regiert. Kann sie wieder allein regieren, ist für ihn das Problem gelöst. STANDARD: Sie glauben, dass Ihre Partei HDP bei der Wahl noch zulegen wird. Warum? Demirtaş: Ja, wir werden Stimmen dazugewinnen. Die Menschen in der Türkei wollen Frieden, sie wollen zusammenleben. Sie sehen aber, dass Erdogan in die Alleinregierung vernarrt ist. Dass er den Krieg benutzt, um die HDP unter die Sperrklausel zu drücken. (Für den Einzug ins türkische Parlament muss eine Partei landesweit mindestens zehn Prozent erreichen, Anm.) Das ist der Hauptgrund, warum die Menschen die HDP unterstützen. STANDARD: Im vergangenen Wahlkampf kam die Polizei zu Ihnen nach Hause in Diyarbakir. Fürchten Sie, dass Sie dieses Mal verhaftet werden könnten? Demirtaş: Nein, das glaube ich nicht. Ich bin Abgeordneter und genieße Immunität. Die Lage ist jetzt natürlich sehr angespannt. Aber auch beim letzten Mal, als wir einen lockeren, fröhlichen Wahlkampf gemacht haben, gab es insgesamt 167 Angriffe auf unsere Wahlveranstaltungen und Parteibüros. Wir werden versuchen, auch dieses Mal das Beste daraus zu machen. STANDARD: Wie ist der Friedensprozess zwischen den Kurden und dem türkischen Staat eigentlich zu einem Ende gekommen? Demirtaş: Erdogan wollte einen Frieden ohne Demokratie. So hat er es sich in seinem Kopf vorgestellt. Er wollte mit dem Friedensprozess nicht die Demokratisierung der Türkei antreiben, sondern nur die PKK vernichten. Das ist ihm nicht gelungen, und das ist der Grund, weshalb er vom Verhandlungstisch aufstand und den Friedensprozess beendete. Seine Idee war, die PKK sollte die Waffen niederlegen und er könnte dann eine Ein-Mann-Diktatur errichten. Erdogan hat sich an keine der Abmachungen gehalten, die verhandelt worden waren. STANDARD: Sie haben die PKK dazu aufgerufen, ohne Wenn und Aber die Angriffe einzustellen. Haben Sie den Eindruck, dass Sie gehört werden? Demirtaş: Die Waffen zum Schweigen bringen, habe ich gesagt. Ich habe zu einem Waffenstillstand aufgerufen. Die PKK beachtet uns, weil die Bevölkerung hinter uns steht. Wir sind die Stimme der Bevölkerung. Die PKK aber sagt: Ein Waffenstillstand ist gut und nützlich, aber solange es Operationen der türkischen Armee gibt, ist er nicht möglich. Der Waffenstillstand muss von beiden Seiten ausgehen. Deshalb versuchen wir auch, mehr Druck auf den Staat als auf die PKK auszuüben. Mehr als ein Dutzend Festnahmen bei Protesten gegen Präsident Erdogan und dessen Kurdenpolitik. Istanbul – Die türkische Polizei ist offenbar mit Tränengas, Wasserwerfern und Gummigeschoßen gegen regierungskritische Demonstranten in Istanbul vorgegangen. Mehr als ein Dutzend Menschen wurden festgenommen, berichtete ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP am Dienstag. Rund 500 Teilnehmer hatte sich zu dem Protest gegen Präsident Recep Tayyip Erdogan und die türkische Kurdenpolitik in der Istiklal-Straße im europäischen Teil Istanbuls versammelt. Als die Demonstranten eine Kette bilden wollten und Parolen gegen Erdogan riefen, schritt die Polizei ein. Die Nachrichtenagentur Anadolu berichtete von 14 Festnahmen, darunter auch ein türkischer AFP-Fotograf. Nach einer Behandlung im Krankenhaus wegen einer Verletzung am Arm wurde er später wieder freigelassen. Berichten zufolge wurde auch ein Anadolu-Kameramann verletzt. Das Verhältnis zwischen der kurdischen Bevölkerung und den türkischen Sicherheitskräften ist angespannt, seit die Regierung und die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ihre seit zwei Jahren geltende Waffenruhe aufgekündigt haben. Der Konflikt konzentriert sich auf den Südosten des Landes, doch gibt es auch in Istanbul regelmäßig Zwischenfälle. Debatte um Zukunft des Gotteshauses in Istanbul neu belebt. Istanbul – Der neue türkische Kulturminister Yalcin Topcu befürwortet die Umwandlung der Hagia Sophia in Istanbul in eine Moschee. Er wünsche sich das von ganzem Herzen, sagte Topcu laut Presseberichten vom Donnerstag. Die Debatte über die Zukunft des Gotteshauses in der Istanbuler Altstadt lebt damit wieder auf. Die islamistische Zeitung Yeni Akit berichtete, aus religiösen Kreisen erhalte der Minister viel Unterstützung. Vor Topcu, der in der derzeitigen Übergangsregierung bis zu den Neuwahlen im November für Kultur und Tourismus zuständig ist, hatten sich bereits namhafte Politiker der islamisch-konservativen Partei AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan für die Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee ausgesprochen. Der Minister ist jedoch der erste für Kulturgüter zuständige Ressortchef, der sich für einen solchen Schritt ausspricht. Die Hagia Sophia war von ihrer Errichtung im 6. Jahrhundert bis ins 15. Jahrhundert die Reichskirche der Byzantiner und wurde nach der Eroberung durch die muslimischen Osmanen zur wichtigsten Moschee des Osmanischen Reiches, das im Ersten Weltkrieg zerbrach. Seit den 1930er-Jahren ist die Hagia Sophia ein Museum, in dem Gottesdienste aller Art verboten sind. Chef der kurdischen HDP spricht von mehr als 400 Übergriffen und sieht Schuld bei Erdogan und Davutoglu. Istanbul – Die Auseinandersetzungen zwischen der Untergrundorganisation PKK und der Türkei haben mit Gewaltakten im südöstlichen Grenzgebiet begonnen. Jetzt droht sich der Konflikt auf das gesamte Land auszuweiten. Der Konflikt mit der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK verschärft die Spannungen in der Türkei. Nach gewaltsamen Ausschreitungen türkischer Nationalisten hat die Polizei 93 Menschen festgenommen, wie die Behörden in Istanbul am Mittwoch mitteilten. Türkische Demonstranten hatten am Dienstag an verschiedenen Orten des Landes gegen die PKK demonstriert. Zuvor hatte sich der Konflikt zwischen der Türkei und der PKK im südöstlichen Grenzgebiet ausgeweitet. Kurdische Bürger und Geschäfte waren am Dienstagabend das Ziel zahlreicher Gewalttaten. Nach Angaben des Führers der prokurdischen Partei HDP, Selahattin Demirtas, kam es zu mehr als 400 Übergriffen. Amateurvideos in sozialen Netzwerken zeigten die Beschädigung kurdischer Geschäfte. Demirtas gab dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan und Premier Ahmet Davutoglu die Schuld an der eskalierenden Situation. Die von einer Hand gelenkte Angriffsaktion wird von der Regierung ausgeführt, sagte Demirtas. Sowohl die HDP-Zentrale in der Hauptstadt Ankara als auch andere Büros der Partei im Land wurden attackiert. In einigen Regierungskreisen werden der Partei Verbindungen zur verbotenen PKK nachgesagt. Die HDP war nach den Wahlen in diesem Jahr erstmals ins Parlament eingezogen. In Istanbul griffen Anhänger Erdogans erneut das Gebäude der Zeitung Hürriyet an. Ihr Herausgeber Sedat Ergin kritisierte, dass Erdogan den ersten Überfall auf das Gebäude der Zeitung am Sonntag nicht verurteilt und damit einen weiteren Angriff vermieden habe. Eine niederländische Journalistin, die seit Jahren über die Kurdenproblematik in der Türkei berichtet, soll derweil aus dem Land ausgewiesen werden, wie ihr Anwalt am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur sagte. Frederike Geerdink, die hauptsächlich für Radio und Zeitungen arbeitet, war bereits am Sonntag in einem Friedenslager kurdischer Aktivisten im Südosten des Landes festgenommen worden. Bei PPK-Anschlägen sind diese Woche bereits 31 türkische Polizeibeamte getötet worden. Die Türkei flog zahlreiche Luftangriffe auf PKK-Stellungen im Nordirak. Prokurdische Medien wie die Nachrichtenagentur Firat meldeten auch Opfer in der Zivilbevölkerung und machten Sicherheitskräfte dafür verantwortlich. Der stellvertretende türkische Premier Numan Kurtulmus verurteilte die Übergriffe auf das Hürriyet-Gebäude und politische Parteien auf einer Pressekonferenz. Er versprach, dass die Wahlen wie geplant stattfinden würden. Wir verurteilen die Drahtzieher hinter diesen Ereignissen, sagte Kurtulmus. Die Verantwortlichen würden zur Rechenschaft gezogen. Bis zu den Neuwahlen am 1. November wird die Türkei von einer Übergangsregierung geführt. Auf Twitter bezeichnete Davutoglu die Übergriffe als inakzeptabel. Die US-Botschaft in Ankara teilte ebenfalls via Twitter mit: Wir sind über die Berichte gewaltsamer Ausschreitungen in der Türkei besorgt. Wir verurteilen insbesondere Angriffe auf politische Parteien oder ethnische Minderheiten. Alle Proteste sollten friedlich verlaufen. Es sei zudem wichtig, dass politische Parteien und Medien in der Türkei von der Polizei geschützt würden. (APA, 9.9.2015) Nach massiven Protesten von kurdischen Politikern. Diyarbakir – Nach massiven Protesten wurde die Ausgangssperre in der abgeriegelten Stadt Cizre im Südosten der Türkei am Samstag aufgehoben. Die seit acht Tagen bestehende Ausgangssperre endete um 07.00 Uhr in der Früh (Ortszeit), gab der Gouverneur der Provinz Sirnak, Ali Ihsan Su, bekannt. Das türkische Militär habe seinen Einsatz erfolgreich beendet. Allerdings gibt es weiterhin Kontrollposten an den Zufahrtsstraßen nach Cizre. Die Bürgermeisterin von Cizre, Leyla Imret, ist am Freitagabend auf Anweisung des Innenministers von ihrem Amt entbunden worden. Gegen die HDP-Politikerin sind zugleich Ermittlungen wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten eingeleitet worden, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu. Die Strassensperren nach Cizre werden nun von der Polizei aufrechterhalten, die Armee hat sich am Freitagabend zurückgezogen. Kurdische Parlamentarier und Kabinettsmitglieder hatten sich auf den Weg nach Cizre gemacht, weil sie den Tod vieler Zivilisten befürchten, wurden aber von der türkischen Armee gestoppt. In der 120.000-Einwohner-Stadt Cizre, einer Hochburg der verbotenen Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), liefern sich türkische Soldaten und kurdische Rebellen seit Tagen offenbar schwere Gefechte. Nach Angaben der Kurdenpartei HDP wurden mindestens 21 Zivilisten getötet, darunter auch Kinder. Die türkische Regierung erklärte, mehr als 30 PKK-Kämpfer seien getötet worden und ein Zivilist. HDP-Chef Selahattin Demirtas hatte der Armee vorgeworfen, die Bevölkerung als Geisel zu nehmen. Es werde auf alle geschossen, die sich auf die Straße trauten. Es fehle auch an Wasser und Nahrungsmitteln. Die Ausgangssperre komme einem Todesurteil gleich. Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muiznieks, hatte die türkischen Behörden aufgerufen, unabhängige Beobachter nach Cizre zu lassen. "Unzensierte" Fotos von getöteten Soldaten veröffentlicht. Ankara – Türkische Staatsanwälte haben Ermittlungen gegen die einflussreiche Mediengruppe Dogan wegen terroristischer Propaganda eingeleitet. Wie die halbamtliche Nachrichtenagentur Anadolu am Dienstag meldete, wird Dogan vorgeworfen, unzensierte Bilder von getöteten türkischen Soldaten veröffentlicht zu haben. Die von der Regierung als Terrororganisation gebrandmarkte Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hatte im August mehrheitlich kurdischen Südosten des Landes Anschläge auf Soldaten und Polizisten verübt. Der Dogan-Mediengruppe gehören unter anderen die gleichnamige Nachrichtenagentur, die auflagenstarke Tageszeitung Hürriyet und der Fernsehsender CNN Türk an. Die türkische Polizei hatte erst am Montag die Verbreitung des liberalen Nachrichtenmagazins Nokta wegen einer regierungskritischen Titelseite verhindert und einen seiner Redakteure festgenommen. Kritiker werfen dem Staatschef Recep Tayyip Erdogan vor, die Meinungs- und Pressefreiheit in der Türkei vor der Parlamentswahl am 1. November immer weiter einzuschränken. Serie von Luftzwischenfällen mit russischen Jets in türkischem Luftraum reißt weiterhin nicht ab. Ankara/Wien – Nach einem vierten Luftzwischenfall mit einem russischen Kampfjet in ebenso vielen Tagen sucht die türkische Führung nach einem diplomatischen Weg zur Beilegung der wachsenden Spannungen mit Moskau. Die Krise in Syrien ist keine türkisch-syrische Krise und darf es nicht sein, erklärte der türkische Premier Ahmet Davutoglu am Mittwoch. Nach Darstellung Davutoglus habe die russische Seite ein Treffen angeboten. Dieses müsse natürlich in Ankara stattfinden, sagte der Premier. Wie am Mittwoch in der Türkei bekannt wurde, erfasste eine russische MiG-29 am Montag erneut türkische Kampfjets beim Pa trouillenflug an der Grenze zu Syrien mit dem Zielradar. Die Radarerfassung ist die Vorstufe zum Abschuss. Der Vorfall dauerte dieses Mal acht Minuten und 45 Sekunden, was ausschloss, dass es sich um ein Versehen handelte. Der russische Botschafter wurde wieder ins Außenamt einbestellt. Am Dienstag wurden dann acht türkische Maschinen 30 Sekunden lang von einem Flugabwehrsystem in Syrien erfasst, meldete die türkische Armee am Mittwoch. Nur zwei der bisher 57 Bombardements der russischen Luftstreitkräfte in Syrien hätten sich gegen Stellungen der Terrormiliz Islamischer Staat gerichtet, gab Davutoglu an. Die Türkei unterstützt Rebellen der Freien Syrischen Armee und islamistische Verbände beim Kampf gegen das Regime von Syriens Staatschef Bashar al-Assad. Eine von der russischen Regierung gecharterte Fähre mit dem Namen Aleksandr Tkachenko soll zuletzt am 6. September Militärfahrzeuge durch den Bosporus nach Syrien transportiert haben. Die Spannungen in der Türkei halten derweil an, ohne dass die weiter regierende konservativ-islamische Partei von Staatschef Tayyip Erdogan und Premier Davutoglu davon offenbar profitiert. Drei neue Umfragen vor den Parlamentswahlen am 1. November legen den Schluss nahe, dass die AKP wie bei den Wahlen im vergangenen Juni erneut die absolute Mehrheit verpasst. Zwei Umfrageinstitute errechneten 39 und 40 Prozent für die Erdogan-Partei, eines kam auf 42,6 Prozent. Auf die Sitzzahl umgelegt, könnte das 246 oder bestenfalls 268 Mandate im Parlament bedeuten. Für eine Alleinregierung brauchte die AKP mindestens 276 Sitze. Die Konservativ-Religiösen sind in der Türkei seit November 2002 an der Macht. Derzeit führt eine Übergangsregierung die Geschäfte, die aber wiederum mit AKP-Politikern oder der Partei nahestehenden Persönlichkeiten besetzt wurde. Türkei verschärft Sicherheitsmaßnahmen, Opferzahl noch immer unklar – Wahlkampf kurzzeitig gestoppt – Militär geht weiter gegen PKK vor. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Die Attentäter von Ankara sind identifiziert, beide waren beim IS in Syrien. Ankara/Wien – Türkische Ermittler haben die mutmaßlichen Selbstmordattentäter identifiziert, die am Samstag den Anschlag auf eine Friedenskundgebung in Ankara verübt haben. Wie in türkischen Medien in den Tagen zuvor bereits spekuliert wurde, kamen beide Täter aus der Stadt Adiyaman im Südosten des Landes und hatten längere Zeit bei der Terrormiliz Islamischer Staat (IS ) in Syrien verbracht. Sie waren der Polizei auch bekannt. Bei dem einem Mann handelt es sich um Yunus Emre Alagöz, den älteren Bruder des Selbstmordattentäters, der sich im Juli in der Grenzstadt Suruç in die Luft gesprengt hatte und 33 Menschen tötete. Der andere Täter soll Ömer Deniz Dündar gewesen sein. Auch sein Name stand wie jener der Alagöz-Brüder auf einer Liste von Terrorverdächtigen der türkischen Polizei. Mit Dündars Vater hatte die liberale Tageszeitung Radikal bereits vor zweieinhalb Jahren, im Frühjahr 2013, im Rahmen eines Berichts über junge Türken gesprochen, die zum IS nach Syrien gehen. Er habe mehrmals die Polizei in Adiyaman aufgesucht und die Verhaftung seines Sohnes verlangt, erzählte der Vater nun einer anderen türkischen Zeitung. Die Behörden hätten aber kein Interesse gezeigt. Ömer Dündar war 2014 für acht Monate nach Adiyaman zurückgekehrt. Oppositionsführer Kemal Kılıçdaroğlu von der sozialdemokratischen CHP forderte erneut den Rücktritt des Innen- und des Justizministers in der Übergangsregierung. Beide stehen der konservativ-islamischen AKP nahe. Das Innenministerium suspendierte am Dienstag aber drei führende Polizei- und Geheimdienstchefs der Provinz Ankara im Rahmen der Ermittlungen. Die Botschafter von 27 EU-Staaten – darunter Österreichs Vertreter Klaus Wölfer – legten am Montagabend Blumen am Schauplatz des Anschlags nieder 'Kommission und Merkel bemühen sich stark um Kooperation bei Flüchtlingspolitik. Trotz massiver Bedenken wegen der Verletzungen von Grundrechten durch die Behörden – sei es durch Repressionen gegen Oppositionelle und Journalisten, sei es das brutale Vorgehen gegen Kurden – dürfte die EU der Türkei schon bald den Status eines sicheren Drittstaates zuerkennen. Das zeichnete sich im Vorfeld des EU-Sondergipfels der Staats- und Regierungschefs ab heute, Donnerstag, in Brüssel ab. Dort stehen alle Pläne, die der Bewältigung der Flüchtlingswelle dienen sollen, auf der Tagesordnung: die Einrichtung von Hotspots zur Registrierung und Verteilung der Flüchtlinge Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel besucht Istanbul – Kritische Töne aus Türkei zu Meldung über Abkommen. Ankara/Wien – Zwei Wochen vor den Parlamentswahlen in der Türkei haben die Staats- und Regierungschefs der EU dem autoritär regierenden Präsidenten Tayyip Erdoğan und seiner konservativ-islamischen Partei AKP zu einem politischen Erfolg verholfen. Erdoğan und sein Premier Ahmet Davutoğlu dürften die von der EU versprochene schnellere Aufhebung der Visapflicht für Türken ebenso wie das dreimal höhere Angebot für eine Geldhilfe nun zu einem Trumpf im Wahlkampf machen. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel reist zudem am Sonntag zu einem Treffen mit Erdoğan und Davutoğlu in die Türkei, was angesichts der kurzen verbleibenden Zeit bis zu den Wahlen im Land ungewöhnlich ist. Die Kanzlerin vermeidet allerdings einen Empfang im neuen Präsidentenpalast in Ankara, der in der türkischen Öffentlichkeit als Symbol von Prunksucht und Verschwendung von Steuermitteln gilt. Merkel wird anders als zu Wochenbeginn gemeldet nun nach Istanbul fliegen. Türkische Kommentatoren wie Murat Yetkin von der liberalen Tageszeitung Radikal machen sich gleichwohl wenig Illusionen über die Beweggründe, die zu den großzügigen Angeboten der EU an die Türkei führten. Merkels plötzliche Liebe zu Erdoğan sei natürlich in der Flüchtlingskrise begründet, stellte Yetkin fest. Erdoğan und das konservativ-religiöse Lager, das bei den vorgezogenen Wahlen am 1. November die Mehrheit für die Alleinregierung zurückerobern will, kosteten ihren diplomatischen Erfolg aus und ließen die Europäer nach dem Gipfel in Brüssel am Donnerstag zappeln. So widersprach der Sprecher der AKP, Ömer Çelik, EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn: Nichts sei bisher mit der EU in der Flüchtlingsfrage vereinbart, die Gespräche dauerten an. Außenminister Feridun Sinirlioğlu nannte nun auch die angebotenen drei Milliarden Euro für die Flüchtlingshilfe zu niedrig und unannehmbar. Erdoğan wiederum machte sich in einer Rede in Istanbul lustig über Merkel und die Europäer. Da sage jemand Wir nehmen 30.000 bis 40.000 Flüchtlinge auf und werde sofort zum Kandidaten für den Friedensnobelpreis erklärt, sagte Erdoğan ironisch über die deutsche Kanzlerin. Die Türkei dagegen habe 2,2 Millionen Syrer und 300.000 Iraker aufgenommen. Kritik kam von den Grünen im EU-Parlament. Es sei falsch, dass die EU zu der politischen Eskalation in der Türkei schweige, ließ Fraktionschefin Rebecca Harms erklären. Interimspremier Davutoglu zieht für die syrische Kurdenpartei PYD eine rote Linie westlich des Euphrat. Ankara/Wien – Ahmet Davutoglu, der Chef der türkischen Übergangsregierung, hat sein Fernsehpublikum mit Aussagen über Angriffe auf die Kurden in Syrien verwirrt, aber doch eine politisch weitreichende Festlegung getroffen: Westlich des Euphrat, im syrischen Kriegsgebiet, toleriert die Türkei keine Präsenz der Demokratischen Unionspartei PYD und ihres militärischen Flügels YPG. Diese werden allerdings sowohl von den USA wie von Russland unterstützt. Wir haben gesagt: ‚Westlich des Euphrat wird die PYD nicht passieren. Überschreitet sie diesen Punkt, greifen wir an.‘ Zweimal haben wir angegriffen, erklärte Davutoglu am Montagabend in einem Interview mit A-Haber, einem der regierungsfreundlichen Sender in der Türkei. Ein syrischer Hubschrauber wurde vergangenes Jahr abgeschossen. Ein unbemanntes Flugzeug wurde beim Überflug getroffen, fuhr Davutoglu fort, um offenbar zwei Beispiele für eine militärische Antwort der Türkei an der Grenze zu Syrien anzuführen. Zeit und Ort der beiden Angriffe auf die kurdischen Rebellen in Syrien nannte der Premier jedoch nicht, was den Zuschauern leicht entgangen sein konnte. Der Abschuss des Militärhubschraubers, den Davutoglu erwähnte, war zudem erst im Mai dieses Jahres erfolgt, kurz vor den Parlamentswahlen in der Türkei, nicht 2014. Die diesen Monat abgeschossene Drohne dürfte wiederum dem russischen Militär in Syrien gehört haben. Westlich des Euphrat auf syrischem Gebiet liegt die Grenzstadt Jarablus. Von dort bis weiter westlich zum syrischen Städtchen Azaz – etwa 90 Kilometer Luftlinie – soll sich die Pufferzone erstrecken, für deren Einrichtung die türkische Führung seit langem plädiert. Nach den Vorstellungen Ankaras soll diese Zone von Rebellen der Freien Syrischen Armee (FSA) kontrolliert werden, keinesfalls von den Kurden. Weitere Gebietsgewinne der PYD, die bereits zwei Drittel der syrisch-türkischen Grenzlinie beaufsichtigt, will die Türkei keinesfalls hinnehmen. Weil die syrischen Kurden mit der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbündet sind, bezeichnet Ankara die PYD und deren Miliz YPG ebenfalls als Terrororganisationen. Die US-Regierung lehnt dies jedoch ausdrücklich ab. Sie unterstützt die syrischen Kurden mit Waffen im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS). Seit dem Besuch von PYD-Chef Salih Müslim in Moskau im vergangenen August und dem Beginn der russischen Militärintervention in Syrien ist die türkische Führung noch nervöser geworden. Zwei Angriffe durch die türkische Armee meldete jüngst die Kurdenmiliz YPG: am 24. und 25. Oktober bei Tel Abyad. Die Grenzstadt liegt östlich des Euphrat. Angestellte wehren sich mit Regenschirmen – Wenige Tage vor der Neuwahl – EU besorgt. Istanbul – Vier Tage vor der Neuwahl in der Türkei hat die Polizei die Zentrale eines regierungskritischen Medienkonzerns in Istanbul gestürmt. Am Mittwochmorgen verschafften sich Sicherheitskräfte vor laufenden Fernsehkameras unter anderem mit einem Metallschneider Zugang zum Gelände der regierungskritischen Mediengruppe Koza Ipek, wie auf im Internet verbreiteten Live-Bildern zu sehen war. Angestellte versuchten, die Polizei mit Regenschirmen zurückzudrängen. Die Beamten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. In dem Gebäude im Bezirk Sisli sind unter anderem die Sender Kanaltürk und Bugün TV untergebracht. Nach Angaben des Chefredakteurs von Bugün TV, Tarik Toros, drangen die Polizisten in die Sendezentrale ein und wollten den Sender abschalten, was ihnen jedoch nicht gelang. Die Sicherheitskräfte hätten sich nicht ausgewiesen und auch keinen Durchsuchungsbefehl gehabt, sagte Toros am Mittwoch in Bugün TV. Was in diesem Gebäude seit dem Morgen passiert ist, das ist alles rechtswidrig, sagte er. EU besorgt Die EU reagierte besorgt auf das Vorgehen der türkischen Behörden. Die Türkei muss wie jedes andere Land, das über einen EU-Beitritt verhandelt, sicherstellen, dass die Menschenrechte eingehalten werden – das schließt auch das Recht auf freie Meinungsäußerung ein, sagte die Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini in Brüssel. Die Entwicklungen seinen besorgniserregend und würden von der EU genau beobachtet. Die Kopak Ipek Holding, zu der die Sender Bugün TV und Kanaltürk gehören, steht der Bewegung um Prediger Fethullah Gülen nahe. Gülen war einst ein enger Verbündeter des Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Inzwischen wirft Erdogan dem im US-Exil lebenden Prediger vor, Polizei und Justiz unterwandert zu haben und die türkische Regierung stürzen zu wollen. Die Regierung in Ankara ging wiederholt gegen Tausende mutmaßliche Anhänger des Geistlichen in Justiz, Polizei und den Medien vor. Ein Gericht hatte die Koza Ipek Holding am Montag unter staatliche Aufsicht gestellt und Treuhänder eingesetzt. Dem Konzern wird nach Angaben der staatsnahen Nachrichtenagentur Anadolu vorgeworfen, die Terrororganisation der Gülen-Anhänger finanziert und unterstützt zu haben. Die Empörung über den Polizeieinsatz führte zu einem ungewöhnlich einheitlichen Protestauftritt der zerstrittenen Opposition. Abgeordnete der Mitte-Links-Partei CHP, der rechtsnationalen MHP und der pro-kurdischen HDP waren nach Angaben von Bugün TV vor Ort. HDP-Chef Selahattin Demirtas sagte in Istanbul, die Polizeiaktion verstoße gegen die Verfassung und gegen das nationale und internationale Recht. Schon Anfang September waren mehrere Firmen der Koza Ipek Holding durchsucht worden, darunter Redaktionsgebäude in der Hauptstadt Ankara. Die Türken wählen am Sonntag ein neues Parlament. Umfragen zufolge sieht es nicht danach aus, dass Erdogans islamisch-konservativer Partei AKP die bei der Wahl Anfang Juni verlorene absolute Mehrheit zurückgewinnen kann. Die Neuwahl war notwendig geworden, weil die Koalitionsgespräche der AKP im Sommer gescheitert waren. Offensive gegen Stellungen der jihadistischen Organisation "Islamischer Staat" (IS) nahe der syrisch-türkischen Grenze. Ankara/Istanbul – Streitkräfte der Türkei und der USA haben laut einem Bericht mit turkmenischen Kräften eine Offensive gegen Stellungen der jihadistischen Organisation Islamischer Staat (IS) nahe der syrisch-türkischen Grenze begonnen. Das berichtete die türkische Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi am Sonntag unter Berufung auf Sicherheitskreise. Am heutigen Sonntag finden in der Türkei Parlamentswahlen statt. Mit Unterstützung turkmenischer Kämpfer am Boden habe die US-geführte Militärallianz am Samstag mehrere Luftangriffe geflogen, hieß es. Sechs F-16-Kampfjets der türkischen Luftwaffe hoben demnach vom Stützpunkt Incirlik ab und flogen acht Luftangriffe. Auch eine Angriffsdrohne der Allianz sei zum Einsatz gekommen. Bei den Luft- und Bodenangriffen seien mehr als 50 IS-Kämpfer getötet und 30 weitere verletzt worden. Die Luftangriffe trafen den Angaben zufolge acht IS-Stellungen in zwei Dörfern der nordsyrischen Provinz Aleppo, unmittelbar an der Grenze zur türkischen Provinz Kilis, sowie eine Verbindungsstraße. In den beiden Dörfern gebe es nach wie vor Gefechte zwischen den radikalislamistischen IS-Kämpfern und der beteiligten Rebellengruppen, hieß es weiter. Parallel dazu finden am heutigen Sonntag in der Türkei Parlamentswahlen statt. Die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdogan will bei diesen Parlamentswahlen ihre absolute Mehrheit zurückerobern, die sie im Juni verloren hatte. Die zentrale Frage ist, ob der AKP das gelingen kann, wenn die pro-kurdische HDP erneut die Zehn-Prozent-Hürde überwindet und ins Parlament einzieht. Umfragen deuten nicht darauf hin, dass die AKP die dafür notwendigen mindestens 276 Sitze gewinnen wird, es ist aber auch nicht gänzlich ausgeschlossen. Erdogans Ziel ist die Einführung eines Präsidialsystems, wofür er aber eine starke AKP-Alleinregierung benötigt. Die Opposition warf Erdogan vor, er habe eine Koalition nach den Parlamentswahlen im Juni verhindert, um bei der Neuwahl doch wieder eine absolute Mehrheit für die AKP zu bekommen. Beobachter machen zudem Erdogan für die instabile, angespannte Lage im Land verantwortlich. Sie werfen ihm vor, diese gezielt hervorgerufen zu haben um der AKP vor diesem Hintergrund einen starken Wahlsieg zu verschaffen. 'Trotz Kritik an Medienfreiheit strebt Europa schnelle Lösung mit der Türkei an. Ankara/Wien – Den jährlichen Bericht über den Fortschritt ihres größten Beitrittskandidaten hat die EU-Kommission auf die Zeit nach den Parlamentswahlen verschoben. Fertig ist er schon, nur politisch passt der Türkeibericht nicht mehr ins Umfeld. Brüssel und die EU-Regierungen wollen ein Abkommen mit Ankara zur Lösung der Flüchtlingskrise, keinen neuen Streit über Kritik an der Gängelung von Justiz und Medien, die Staatschef Tayyip Erdogan und seine Regierung als ungehörig empfinden. Was geht das euch an, schnappte Erdogan am Samstag auf die Frage eines Journalisten zurück. Kümmert euch um Wahlen in euren Ländern! Der Staatschef zeigte sich erbost über einen offenen Brief, den ihm 50 internationale Medien nach der Zwangsverwaltung regierungskritischer Sender und Zeitungen geschrieben haben. Wir bleiben äußerst besorgt über die Verschlechterung der Pressefreiheit in der Türkei und ihre Folgen auf die Wahlen am 1. November und darüber hinaus, erklärte das Internationale Presse Institut (IPI) in Wien bei der Vorstellung eines neuen Türkeiberichts am Samstag. Die türkische Justiz hatte vergangene Woche die Koza-Ipek-Holding in Ankara unter Kuratel gestellt. Die Firmengruppe gehört einem Unternehmer, der die Bewegung des Predigers Fethullah Gülen unterstützt, einem früheren Bundesgenossen Erdogans. Zur Mediengruppe der Holding zählen vor allem zwei TV-Sender –Bugün TV und Kanaltürk – und zwei Tageszeitungen – Bugün und Millet. Die Sender wurden abgeschaltet, die Leitung der Zeitungen ausgetauscht Absolute Mehrheit für prokurdische HDP in der Schweiz. Wien – Schon vor dem endgültigen Ergebnis der türkischen Parlamentswahl ist klar, dass die Türken in Österreich überwiegend für die islamisch-konservative AKP von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gestimmt haben. 69 Prozent stimmten in Österreich für die Regierungspartei, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu am Sonntagabend. Die kemalistische Oppositionspartei CHP erhielt laut Anadolu in Österreich 10,42 Prozent, die ultranationalistische MHP 6,73 Prozent. 12,36 Prozent der Austro-Türken stimmten für die prokurdische HDP. Die Zahlen entsprachen einem Auszählungstand von 53,3 Prozent. In Deutschland stimmten 59,3 Prozent der Türken für die AKP. Die HDP kam auf 16,72, die CHP auf 15,13 Prozent. 7,17 Prozent stimmten für die MHP, die Wahlbeteiligung betrug 41,6 Prozent. In der Schweiz kam die HDP auf 50,52 Prozent der Stimmen, die AKP erreichte 27 Prozent, die CHP 17,28 Prozent und die MHP 3,94 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 25,4 Prozent. Aktuelle Ausgabe der Zeitschrift "Nokta" beschlagnahmt. Istanbul – Einen Tag nach dem Wahlsieg der islamisch-konservativen AKP in der Türkei ist die Polizei erneut gegen eine regierungskritische Publikation vorgegangen. Zwei ihrer leitenden Redakteure seien am Montag festgenommen worden, berichtete die Zeitschrift Nokta auf ihrer Internetseite. Die aktuelle Ausgabe sei beschlagnahmt worden. Die Titelseite zeigt Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan mit der Aufschrift: Montag, 2. November, Beginn des türkischen Bürgerkrieges. Bereits im September war Nokta Ziel einer Polizeirazzia gewesen. Damals hatte das Magazin eine Fotomontage mit Erdogan verbreitet, der lächelnd ein sogenanntes Selfie vor dem Sarg eines getöteten türkischen Soldaten macht. Nokta erscheint nach eigenen Angaben mit einer Auflage von 10.000 Exemplaren wöchentlich. Kritiker werfen Erdogan und der AKP-Regierung immer wieder vor, die Pressefreiheit zu beschneiden. Der Chefredakteur der regierungskritischen Zeitung Cumhuriyet, Can Dündar, warnte nach dem AKP-Wahlsieg vom Sonntag: Man muss sich auf eine Zeit verschärfter Repressionen einstellen. Auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen (RoG) liegt die Türkei auf Platz 149 von 180 Staaten. Nachrichtenagentur Dogan: Auch leitende Beamte und Polizisten in Haft genommen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Tränengas und Gummigeschosse eingesetzt. Istanbul – Mit Gummigeschossen und Tränengas hat die türkische Polizei am Freitag eine Studentendemonstration in Istanbul aufgelöst. Bereitschaftspolizisten kesselten die Studenten vor der Universität ein und nahmen zahlreiche Demonstranten fest, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP beobachtete. Es gab mehrere Verletzte. An dem Protest waren etwa 200 Studenten beteiligt, sie forderten die Abschaffung des Hochschulkontrollgremiums YÖK, das am Freitag auf den Tag genau vor 34 Jahren von der Militärjunta eingerichtet worden war. Die Jugend lässt sich nicht einschüchtern, (Staatspräsident Recep Tayyip) Erdogan und der YÖK werden zusammenbrechen, stand auf einem Plakat. Die Mörder-Regierung muss zur Rechenschaft gezogen werden, skandierten die Studenten. Auch in Antalya im Süden des Landes protestierten Studenten am Jahrestag gegen den YÖK, der als Kontrollgremium der Regierung verhasst ist. Dort setzte die Polizei Wasserwerfer ein. Medienberichten zufolge wurden in Antalya neun Demonstranten in Polizeigewahrsam genommen. In Antalya findet kommende Woche der Gipfel der 20 führenden Industrie- und Schwellenländer (G-20) statt. 10.000 Menschen fliehen aus umkämpfter Stadt Silvan. Diyarbakir – Bei Kämpfen zwischen kurdischen Rebellen und der türkischen Armee sind drei türkische Soldaten und mindestens elf Mitglieder der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) getötet worden. Wie die Behörden im Südosten der Türkei am Freitag mitteilten, wurden die PKK-Kämpfer am Donnerstag bei Gefechten in den Bezirken Cizre und Silopi in der Provinz Sirnak getötet. Die Armee wiederum teilte mit, bei einem Einsatz gegen die PKK in der Region Van in der Nähe der Grenze zum Iran seien ein Soldat getötet und drei weitere verwundet worden. Die Soldaten seien von PKK-Kämpfern von einem Haus aus beschossen worden. Zwei weitere Soldaten seien am Freitag bei der Explosion einer Mine an einer Straße im Bezirk Lice in der Region Diyarbakir getötet worden. Die Zeitung Hürriyet berichtete unterdessen, dass etwa 10.000 Menschen aus Silvan im Südosten der Türkei geflohen seien. Über die Stadt hat die Armee eine umstrittene Ausgangssperre verhängt, zudem ist sie seit elf Tagen abgeriegelt. Lokale Abgeordnete hätten über eine fürchterliche Knappheit an Lebensmitteln, Wasser und Strom berichtet. Es gab Medienberichten zufolge mehrere Tote, sowohl bei der Polizei als auch unter der Zivilbevölkerung. Die türkischen Sicherheitskräfte versuchen in der Gegend die Kontrolle über drei Bezirke wiederzuerlangen, in denen die Jugendorganisation der PKK aktiv ist. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Freitag, die gegen die PKK gerichtete Offensive in der Stadt sei weitgehend abgeschlossen. Er fügte aber hinzu: Sie wird weitergehen bis Friede in jedem Viertel von Silvan wieder hergestellt ist. Die Türkei, die Europäische Union und die USA stufen die PKK als Terrororganisation ein. Die PKK hatte einen einseitig verkündeten Waffenstillstand vor den Parlamentswahlen vom 1. November wieder aufgekündigt, nachdem die siegreiche islamisch-konservative Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan ein weiterhin hartes Vorgehen gegen die Rebellen angekündigt hatte. Der Konflikt war im Juli erneut eskaliert. Seither wurden mehr als 150 Vertreter von türkischer Armee und Polizei getötet sowie hunderte PKK-Kämpfer. Die Armee fliegt vor allem Luftangriffe gegen PKK-Stellungen im Nordirak und im Südosten der Türkei. Zwei HDP-Abgeordnete konnten wegen Ausgangssperre nicht an Vereidigung teilnehmen. Ankara – Mehr als zwei Wochen nach der türkischen Parlamentswahl hat Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Chef der islamisch-konservativen AKP und Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu mit der Regierungsbildung beauftragt. Das berichtete der Sender CNN Türk am Dienstag. Bei der Neuwahl am 1. November hatte die AKP mit 49,5 Prozent ihre bei der Wahl im Juni verlorene absolute Mandatsmehrheit wiedererlangt. Die Neuwahl war nötig geworden, weil die Bildung einer Koalitionsregierung gescheitert war. Am Dienstag wurden auch die Abgeordneten des Parlaments vereidigt. Die AKP erhielt bei der Wahl vor rund zwei Wochen 317 der 550 Sitze. Die Mitte-links-Partei CHP erreichte 25,2 Prozent der Stimmen und stellt 134 Abgeordnete. Drittstärkste Kraft im Parlament ist die prokurdische HDP mit 59 Sitzen, gefolgt von der ultrarechten MHP mit 40. Zwei Abgeordnete der HDP konnten nach eigenen Angaben wegen einer seit Freitag andauernden Ausgangssperre im südosttürkischen Nusaybin nicht an der Vereidigung teilnehmen. In der Stadt gehen Sicherheitskräfte gegen mutmaßliche Kämpfer der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) vor, es gibt heftige Gefechte. Die Bevölkerung ist weitgehend von der Außenwelt abgeschnitten. 23 Ziele in der Nacht auf Samstag bombardiert. Ankara – Türkische Kampfjets haben in der Nacht zum Samstag Stellungen der verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK im Nordirak bombardiert. 23 Ziele seien beschossen worden, erklärte die türkische Armee. Darunter seien Unterkünfte und Materiallager. Auch in der südosttürkischen Provinz Sirnak seien PKK-Stellungen angegriffen worden. Die Türkei, die USA und die EU haben die PKK, die für einen eigenen Kurdenstaat kämpft, als Terrororganisation eingestuft. Seit Beginn des PKK-Aufstandes 1984 sind mehr als 40.000 Menschen getötet worden. Ein seit März 2013 andauernder Waffenstillstand mit der Türkei war im Juli zusammengebrochen. Richter zieht "Herr der Ringe"-Experten zur Klärung hinzu. Istanbul – Ein Arzt muss sich in der Türkei vor Gericht verantworten, weil er Präsident Recep Tayyip Erdoğan mit der Herr der Ringe-Figur Gollum verglichen hat. Nun will das Gericht Experten der Fantasy-Trilogie heranziehen, berichtete die Zeitung Milliyet am Mittwoch. Die Kenner der Bücher von J. R. R. Tolkien und der Verfilmungen sollen klären, ob es sich bei dem Vergleich von Erdoğan mit der dürren, fahlen und glubschäugigen Figur um eine Beleidigung handelt. Das Gericht der Provinz Aydin beauftragte zwei Wissenschaftler, zwei Psychologen und einen Filmexperten mit der Prüfung möglicher Ähnlichkeiten. Der Arzt Bilgin Ciftci hatte auf seinem Twitter-Konto nebeneinander Bilder von Gollum und Erdoğan veröffentlicht, auf denen der Präsident essend, staunend und überrascht zu sehen ist. Ciftci verlor deshalb bereits seinen Job im Krankenhaus und wurde im Oktober kurzzeitig festgenommen. In der Türkei müssen sich zunehmend Bürger unter dem Vorwurf der Beleidigung des Präsidenten vor Gericht verantworten. In dem Fall von Ciftci wollte sich der Richter nun aber nicht festlegen und vertagte den Fall bis zur Entscheidung der Experten auf Februar. IS hatte Stadt unter seine Kontrolle gebracht. Bagdad – Irakische Sicherheitskräfte haben am Dienstag nach offiziellen Angaben große Teile der Stadt Ramadi von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückerobert. Die Gegend Al-Tamim im Südwesten der hundert Kilometer von der Hauptstadt Bagdad entfernt liegenden Stadt sei zurückerobert worden, hieß es von offizieller Seite. Es ist ein bedeutender Sieg für die irakischen Truppen, die seit Wochen darum kämpfen, das Gebiet rund um Ramadi wieder unter ihre Kontrolle zu bekommen. Ramadi ist die Hauptstadt der westirakischen Provinz Anbar. Der IS hatte Ramadi im Mai erobert und kontrolliert nahezu die gesamte Provinz. Anfang Oktober starteten die irakischen Regierungstruppen mit Unterstützung der US-Luftwaffe einen Angriff zur Rückeroberung. Der IS hatte im Sommer des vergangenen Jahres große Landstriche im Irak und im benachbarten Syrien unter seine Kontrolle gebracht. Einheimischen und ausländischen Truppen gelang es bisher nicht, die Extremisten zu besiegen. Polizei setzt Tränengas und Wasserwerfer ein. Diyarbakir – Bei Zusammenstößen zwischen Demonstranten und Polizisten in der südosttürkischen Kurdenhochburg Diyarbakir sind nach Angaben aus Sicherheitskreisen am Montag zwei Menschen erschossen worden. Die Demonstranten wurden nach Angaben aus informierten Kreisen bei Protesten gegen eine Ausgangssperre von Kugeln getroffen. Es gab mindestens zwei Verletzte. Aus Sicherheitskreisen verlautete zudem, in der nahegelegenen Provinz Mardin seien fünf kurdische Aufständische getötet worden. Ministerpräsident Ahmet Davutoglu zeigte sich zum weiteren Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) entschlossen. Die Zusammenstöße ereigneten sich am Vormittag, als hunderte Menschen versuchten, ins Stadtviertel Sur vorzudringen. Unter den Demonstranten waren auch Abgeordnete der prokurdischen Demokratischen Partei der Völker (HDP). Für das Viertel Sur, das seit Wochen immer wieder Schauplatz von Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und PKK-Anhängern ist, gilt seit Ende November eine Ausgangssperre. Damals wurde dort der prominente prokurdische Menschenrechtsanwalt Tahi Elci erschossen. Auch für weitere Bezirke im kurdischen Südosten der Türkei gelten Ausgangssperren. Insgesamt wurden nach einer Zählung von Menschenrechtlern seit Mitte August in 17 türkischen Städten Ausgangssperren verhängt. Betroffen waren mehr als 1,3 Millionen Einwohner. Am Freitag erhielten Reporter der Nachrichtenagentur AFP während einer Unterbrechung der Ausgangssperre die Möglichkeit, das Stadtviertel Sur von Diyarbakir in Augenschein zu nehmen. Sie fanden eine wie im Krieg zerstörte Stadtlandschaft vor, mit von Kugeln durchsiebten Häuserfassaden und Barrikaden in den Straßen. Hunderte Bewohner ergriffen die Flucht. Sie glauben, dass sie uns einschüchtern können, indem sie immer neue Barrikaden und Schützengräben errichten, sagte Ministerpräsident Davutoglu dem Fernsehsender A Haber. Auch er sei nicht von Ausgangssperren begeistert. Diese seien aber zum Schutz von Zivilisten erforderlich. Wenn erforderlich, würden die Städte Haus für Haus von Terroristen gereinigt. Kurdische Aufständische hatten im Jahr 1984 im Südosten der Türkei einen Kampf um größere Autonomierechte begonnen. Der Konflikt der Regierung in Ankara mit der PKK eskalierte im Juni wieder, der vor drei Jahren eingeleitete Friedensprozess kam zum Erliegen. In dem Konflikt wurden in den vergangenen 30 Jahren etwa 45.000 Menschen getötet. (APA, 14.12.2015) 'Strafexpeditionen der Armee in die Kurdenstädte haben den Widerstand nur angeheizt: Das Militär setzt zur Großoffensive an, 200.000 sind geflüchtet. Ankara – Als der türkische Regierungschef vor zwei Jahren den Flughafen in der ärmlichen Grenzprovinz Sirnak eröffnete, tief im mehrheitlich kurdischen Südosten des Landes, da sprach er vom Friedensprozess, von Demokratie und seiner Entschlossenheit, zu einer Lösung der Kurdenfrage zu kommen. Am Mittwoch flog am zweiten Tag in Folge keine Maschine der Turkish Airlines mehr nach Sirnak: Am Boden rollen die Panzer, in den Städten der Region ist faktisch Krieg. Stadtviertel um Stadtviertel, Straße für Straße werde von den Terroristen gesäubert, verkündete Ahmet Davutoglu im türkischen Fernsehen. Der Regierungschef gibt nun mehrmals in der Woche Interviews. Einmal geht es um Russlands Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei, das andere Mal um die türkischen Soldaten im Irak, die Bagdad angeblich nicht haben wollte Großeinsatz von Armee und Polizei in südöstlicher Provinz Sirnak. Diyarbakir – Bei Einsätzen gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) haben türkische Sicherheitskräfte im Südosten des Landes binnen zwei Tagen 23 mutmaßliche Rebellen getötet. Die Terroristen seien durch Soldaten und Polizisten in den Bezirken Cizre und Silopi in der Provinz Sirnak eliminiert worden, berichtete die regierungsnahe Nachrichtenagentur Anadolu am Donnerstag. Sondereinsatz In der Kurdenregion sind derzeit tausende Sicherheitskräfte im Sondereinsatz. Es gelten Ausgangssperren, in manchen Gegenden herrschen kriegsähnliche Zustände. Kurdische Aufständische hatten im Jahr 1984 im Südosten der Türkei einen Kampf um größere Autonomierechte begonnen. Der Konflikt der Regierung in Ankara mit der PKK eskalierte im Juni wieder, der vor drei Jahren eingeleitete Friedensprozess kam zum Erliegen. In dem Konflikt wurden in den vergangenen 30 Jahren etwa 45.000 Menschen getötet. IS-Mitglieder sollen Angriff auf US-Konsulat geplant haben. Istanbul – Wegen mutmaßlicher Anschlagspläne gegen das US-Konsulat in Istanbul hat die türkische Polizei laut einem Medienbericht elf mutmaßliche Mitglieder der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Bei den Festgenommenen handle es um Syrer, die mit falschen Pässen ausgestattet waren, meldete die Nachrichtenagentur Dogan am Donnerstag. Am internationalen Flughafen von Istanbul wurden derweil zwei weitere mutmaßliche IS-Kämpfer gefasst. Vor einer Woche hatte das US-Konsulat in Istanbul unter Verweis auf Informationen über eine mögliche Sicherheitsbedrohung seinen Betrieb eingeschränkt. Anfang der Woche wurde dann in Istanbul ein mutmaßliches IS-Mitglied unter dem Verdacht festgenommen, einen Selbstmordanschlag auf das Konsulat geplant zu haben. Laut der türkischen Zeitung Hürriyet sagte der frühere Tennisstar Boris Becker einen Auftritt bei einer Marketing-Konferenz in Istanbul aus Sorge vor möglichen Terroranschlägen ab. Nach einer Reihe mutmaßlich vom IS verübter Anschläge in der Türkei hatte Ankra den Kampf gegen die Jihadistenmiliz verstärkt. Seither gab es zahlreiche Festnahmen. Laut Innenminister Efkan Ala verhängte die Türkei seit Beginn des Syrien-Konflikts Einreisesperren gegen mehr als 33.740 Terror-Verdächtige aus 123 Ländern. Mehr als 2780 weitere mutmaßliche Jihadisten wurden demnach festgenommen und in ihre Heimatländer abgeschoben. 'Im Südosten der Türkei geht die Offensive der Sicherheitskräfte gegen die PKK in die zweite Woche. Ankara/Bagdad – Sieben Tage die Woche und rund um die Uhr werden die Ärzte dieses Mal Dienst tun, hatte der türkische Gesundheitsminister zu Beginn der Militäroffensive angekündigt. Mehmet Müezzinoğlu wagte sogar eine Einschätzung des Kriegs in den kurdischen Städten: 80 Prozent der Militäroperationen gegen die Untergrundarmee PKK seien bereits erfolgreich gewesen. Für Güler Yamalak, eine 32-jährige Mutter in der umkämpften Stadt Çizre, stellt sich das anders dar. Die schwangere Frau erlitt vergangenen Sonntag einen Bauchschuss. Die Nachbarn sagen, die türkischen Sicherheitskräfte hätten auf der Straße um sich gefeuert. Güler Yamalak liegt nun auf der Intensivstation. Ihr Baby hat sie verloren. Der Städtekrieg im Südosten der Türkei geht in seine zweite Woche, und mittlerweile räumte der Gesundheitsminister der konservativ-islamischen Regierung einen Personalmangel in den Krankenhäusern ein. Die PKK sei daran schuld, weil sie Ärzte und Krankenpfleger angreife. Die Guerillaarmee, die in der Türkei wie in der EU offiziell als Terrororganisation gelistet ist, sei auch verantwortlich für die Flucht der Zivilbevölkerung im Südosten, erklärte Premier Ahmet Davutoğlu. Doch das ist dann auch nur die halbe Wahrheit. Auf Bildern aus Sur etwa, dem Innenstadtbezirk von Diyarbakir, die von der türkischen Armee selbst veröffentlicht worden sind, sieht man Soldaten, verschanzt hinter Sandsäcken am Fenster eines Klassenzimmers, das Gewehr im Anschlag Frauen feuerten auf eintreffende Anti-Terror-Einheit – Stadtviertel gilt als Hochburg der kurdischen PKK. Istanbul – Bei einer Schießerei mit der Polizei sind einem Medienbericht zufolge in der türkischen Metropole Istanbul zwei Terroristinnen getötet worden. Wie die Nachrichtenagentur Dogan am Dienstag berichtete, ging eine Anti-Terror-Einheit der Polizei in der Nacht in dem belebten Bezirk Gaziosmanpasa gegen ein Versteck von Extremisten vor. Zwei Frauen in einer Wohnung schossen demnach auf die Polizisten, die ihrerseits das Feuer erwiderten. Bei der Schießerei wurden dem Bericht zufolge die beiden Frauen getötet und vier Beamte leicht verletzt. Zur Identität der Getöteten wurden keine Angaben gemacht. Das Istanbuler Viertel gilt als Hochburg der Anhänger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Behörden vermuten, dass dort auch militanten Kämpfern Schutz gewährt wird. Dem Bericht zufolge gehörten die Frauen zu einer Zelle, die für eine Bombenexplosion in der Nähe einer U-Bahnstation in Istanbul Anfang Dezember verantwortlich sein soll. Dabei waren mehrere Menschen verletzt worden, doch hatte sich keine Gruppe zu der Tat bekannt. Die türkische Regierung geht derzeit im Südosten des Landes in einer Großoffensive gegen die PKK vor. Seit Mitte vergangener Woche wurden mindestens 115 mutmaßliche PKK-Kämpfer getötet. Auch mehrere Zivilisten und Soldaten starben bei den Einsätzen. Türkischer Regierungschef reagiert auf Autonomieforderung. Ankara – Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu hat die Kurden von den anstehenden Gesprächen über eine Verfassungsänderung ausgeladen. Nach deren nahezu unverfrorenen Autonomieforderungen sei es nicht länger angebracht, die Kurden als Gesprächspartner zu akzeptieren, sagte der islamisch-konservative Politiker am Montag vor Journalisten. Er richtete sich damit an die prokurdische Partei der Völker (HDP), die viertstärkste Fraktion im türkischen Parlament. Eine Dachorganisation der kurdischen Bewegungen in der Türkei, zu der die HDP gehört, hatte am Sonntag die Autonomie für die Kurdenregionen im Südosten gefordert. Für Davutoğlus AKP-Regierung ist dies eine Provokation ersten Ranges. Die türkischen Sicherheitskräfte führen derzeit in den Kurdengebieten eine harte Offensive gegen Rebellen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), die schon mehr als 200 Menschen das Leben gekostet hat. Davutoğlu will im Laufe der Woche mit den anderen Fraktionen erste Gespräche über die von der AKP anvisierte Verfassungsänderung führen. Die Regierungspartei will durch die Reform die Macht von Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan stärken. Zwar hat Erdoğans AKP bei der vorgezogenen Wahl im November 49,5 Prozent der Stimmen gewonnen und kann damit weiterhin allein regieren. Die verfassunggebende Mehrheit von 367 Mandaten verfehlte sie aber deutlich und braucht nun für die Reform deswegen die Unterstützung der Opposition. Die Oppositionsparteien im Parlament lehnen die von der AKP angestrebte Machtausweitung für das Präsidentenamt bisher geschlossen ab. Türkischer Ministerpräsident: "Nicht vergessen, dass die Türkei, als alle Staaten Sanktionen gegen Russland verhängten, dies nicht tat". Belgrad/Ankara – Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu hat seinen aktuellen Besuch in Belgrad auch zu Kritik an den Wirtschaftssanktionen Moskaus genutzt. Unsere russische Freunde sollen nicht vergessen, dass die Türkei, als alle Staaten Sanktionen gegen Russland verhängten, dies nicht tat, sagte Davutoğlu. Russen, die sich über die Sanktionen gegen sie beschwerten, führen diese nun gegen uns ein. Nach dem Abschuss eines russischen Kampfflugzeuges durch die türkischen Streitkräfte im Grenzgebiet zu Syrien hatte Moskau im November umfangreiche Wirtschaftssanktionen gegen die Türkei verhängt. Serbien wird als wichtigster Verbündeter Moskaus auf dem Balkan angesehen. Dass sich der Besuch Davutoğlus in Belgrad auf die Beziehungen Serbiens zu Moskau negativ auswirken könnte, glauben serbische Behörden allerdings nicht. Wir sind Freunde der Russischen Föderation und der Türkei, und das wird so bleiben, versicherte der serbische Premier Aleksandar Vučić. Der Besuch Davutoğlus war vor allem der Förderung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen den zwei Staaten gewidmet. Das Handelsvolumen ist heuer laut Amtsangaben um 20 Prozent erhöht worden. Ein geplantes Treffen von Davutoğlu, Vučić und dem bosnischen Premier Denis Zvizdić in Novi Pazar, dem Verwaltungszentrum des südwestserbischen Sandschaks, wurde wegen schlechter Witterungsverhältnisse vom Programm gestrichen. Im Sandschak lebt die Mehrheit der in Serbien ansässigen Muslime. Auch ein Zivilist unter den Toten. Istanbul/Diyarbakir – Bei einem Militäreinsatz gegen die verbotene Kurdische Arbeiterpartei (PKK) in der südosttürkischen Stadt Silopi sind 29 Menschen ums Leben gekommen, darunter ein Zivilist. Die türkischen Streitkräfte teilten am Sonntag mit, sie hätten 28 PKK-Kämpfer getötet. Die prokurdische Oppositionspartei HDP erklärte, die Armee habe das Viertel Zap am Samstagabend mit Panzern eingekreist und unter schweren Beschuss genommen. In einem anderen Viertel hätten Scharfschützen einen 65-jährigen Mann in seinem Haus getötet. Der HDP-Parlamentsabgeordnete Ferhat Encü, der sich in Silopi aufhält, sagte der Deutschen Presse-Agentur, die Gefechte in der Stadt dauerten an. Artilleriefeuer sei zu hören. In Silopi hatten die Behörden vor 20 Tagen eine Ausgangssperre verhängt. Nach Angaben der HDP werden vor allem in unter starkem Beschuss stehenden Vierteln die Lebensmittel knapp. Unabhängige Überprüfungen der Angaben sind in Gebieten unter Ausgangssperre nicht möglich. Im Juli entflammten nach mehr als zwei Jahren Feuerpause erneut Kämpfe zwischen der PKK und der türkischen Regierung. Vor mehr als zwei Wochen begannen Sicherheitskräfte eine Großoffensive in der Südosttürkei. Es kommt dabei zu schweren Gefechten mit der PKK-Jugendorganisation YDG-H, unter anderem in Silopi, Cizre und Diyarbakir. Dem einstigen Erdogan-Vertrauten werden Putschpläne vorgeworfen. Istanbul – In Istanbul beginnt am Mittwoch der Prozess gegen den islamischen Prediger Fethullah Gülen, einen früheren Vertrauten und jetzigen Erzfeind von Präsident Recep Tayyip Erdoğan. Der in den USA lebende Gülen soll sich in Abwesenheit wegen Umsturzversuchen und Bildung einer Terrorgruppe verantworten. Mit Gülen sind 70 weitere Verdächtige angeklagt, vor allem ehemalige Polizisten. Gülens Verteidigung hält die Vorwürfe für konstruiert und für einen Beleg der autokratischen Machtansprüche der Staatsführung. Vorwurf: Anweisungen zum Sturz der Regierung Der 74-jährige Gülen war einst ein enger Verbündeter Erdoğans. Die beiden überwarfen sich jedoch vor dem Hintergrund des wachsenden Einflusses des Predigers. Die Regierung warf schließlich Gülens Bewegung vor, hinter den Korruptionsvorwürfen gegen Erdoğans engstes Umfeld zu stecken, die Ende 2013 aufkamen. Die Regierung betrachtet die Bewegung des Geistlichen als eine Art Parallelstaat. Konkret vorgeworfen wird Gülen, Verbündeten in den Reihen der Polizei Anweisungen zum Sturz der Regierung gegeben zu haben. Gülens Anwalt Nurullah Albayrak erklärte, es gebe keine Beweise für eine derartige Terrorgruppe. Alle Punkte in der fast 1.500 Seiten umfassenden Anklageschrift würden auf Vermutungen beruhen. Der einzige Beweis, den sie haben, ist ein Telefonat meines Mandanten mit einem Polizisten, sagte Albayrak. Darin gibt es keinen Hinweis auf irgendwelche Anweisungen. Die Staatsanwaltschaft dürfte für Gülen und zwei frühere Polizeichefs lebenslange Haft fordern. Den weiteren Angeklagten drohen ebenfalls Gefängnisstrafen, einigen wird Mitgliedschaft in einer bewaffneten Gruppe vorgeworfen. USA lehnten Gülen-Auslieferung ab Gülen lebt seit 1999 im US-Bundesstaat Pennsylvania, hat von dort aus aber weiter enormen Einfluss in der Türkei. Er leitet ein großes Netz an Schulen, Unternehmen und Hilfsorganisationen und pflegt Kontakte zu Polizei, Justiz und Medien. Die Türkei forderte von den USA vergeblich die Auslieferung des Predigers. Die Behörden waren in der jüngsten Vergangenheit auch gegen Firmen und Anhänger Gülens in der Türkei vorgegangen. Insgesamt vier Festnahmen nach Selbstmordanschlag – "Nicht gezielt gegen Deutsche gerichtet". Istanbul/Berlin – Der syrische Selbstmordattentäter von Istanbul ist nach Angaben der türkischen Regierung als Flüchtling in die Türkei eingereist. Das bestätigte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu am Mittwochabend in Istanbul. Der Attentäter sei nicht als Terrorverdächtiger unter Beobachtung gestanden, sagte der Regierungschef. Die Zahl der im Zuge der Ermittlungen zum Anschlag Festgenommenen erhöhte sich nach Regierungsangaben auf fünf. Am Mittwoch sei es zu vier weiteren Festnahmen gekommen, sagte Davutoglu. Nach Angaben von Innenminister Efkan Ala war ein erster Verdächtiger bereits am Dienstagabend festgenommen worden. Die Nachrichtenagentur DHA meldete unter Berufung auf die Polizei, bei seiner Registrierung als Flüchtling seien dem Attentäter namens Nabil Fadli am 5. Jänner in Istanbul Fingerabdrücke abgenommen worden. Diese hätten nun dabei geholfen, den 27-Jährigen als Attentäter zu identifizieren. Fadli sei bei der Registrierung von vier Menschen begleitet worden, nach denen gefahndet werde. Unklar blieb, ob es sich bei diesen vier Gesuchten um die Festgenommenen vom Mittwoch handelte, von denen Davutoglu sprach. Der Regierungschef sagte, die Verbindung des Attentäters zur Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sei erwiesen. Er äußerte aber den Verdacht, dass andere Akteure den IS als Subunternehmer für den Anschlag instrumentalisiert hätten. Wer das sein könnte, werde mit Hochdruck untersucht. Davutoglu warf dem syrischen Regime außerdem vor, auf schmutzige Weise mit dem IS zusammenzuarbeiten. Er setzte das aber nicht in direkten Bezug zu dem Anschlag von Istanbul. Bei dem Anschlag waren zehn deutsche Touristen getötet worden. Sechs Verletzte würden noch in Krankenhäusern behandelt, sagte der Regierungschef. Der Anschlag habe sich aber nicht gezielt gegen Deutsche gerichtet. Deutschlands Innenminister Thomas de Maizière sieht deshalb keinen Grund, von Reisen in die Türkei abzusehen. Es gebe keine Hinweise dafür, dass sich der Anschlag gezielt gegen Deutsche gerichtet habe, sagte auch de Maizière am Mittwoch bei einem Besuch in Istanbul. Der Deutsche Bundestag gedachte am Mittwoch der Opfer. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) rief dazu auf, sich von dem brutalen Selbstmordanschlag eines fanatischen Attentäters nicht verunsichern zu lassen. Wir werden vor dem Terror nicht zurückweichen, sagte de Maizière nach einem Treffen mit seinem türkischen Kollegen Ala in Istanbul, wo er Blumen am Tatort ablegte und verletzte Anschlagsopfer im Krankenhaus besuchte. Wir stehen entschlossen an der Seite der Türkei im Kampf gegen den Terrorismus. Beide Länder seien bedroht, daher sei eine gemeinsame Antwort nötig. Deutschland und die Türkei rücken noch enger zusammen. Ein Ermittlerteam des Bundeskriminalamts (BKA) wurde derweil nach Istanbul entsandt. Es unterstütze die Ermittlungen vor Ort, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin. Laut der Nachrichtenagentur Anadolu wurden binnen zwei Tagen bis Mittwoch insgesamt 74 mutmaßliche IS-Mitglieder festgenommen. 16 von ihnen stünden im Verdacht, einen schweren Anschlag in Ankara geplant zu haben, meldete Anadolu. Am Mittwoch wurden demnach im Badeort Antalya drei weitere mutmaßliche IS-Kämpfer gefasst. Alle drei seien Russen. In Adana seien 17 mutmaßliche Jihadisten gefasst worden, darunter drei weitere Russen sowie Tadschiken, Afghanen und ein schwedischer Staatsbürger. 39 Verletzte, Behörden gehen von PKK als Urheber aus. Istanbul – Bei einem Anschlag radikaler Kurden auf eine Polizeiwache im Südosten der Türkei sind nach Behördenangaben sechs Menschen getötet und 39 verletzt worden. Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) habe in der Nacht eine Autobombe vor dem Gebäude in der Stadt Cinar südlich von Diyarbakir gezündet, hieß es am Donnerstag in einer Erklärung des Provinzgouverneurs. Unter den Opfern seien auch Familienangehörige von Polizisten aus einer nahegelegenen Unterkunft. Zeitgleich mit der Bombenexplosion hätten die Angreifer das Feuer mit Schusswaffen eröffnet. Die PKK-nahe Agentur Firat berichtete, zunächst sei es zu einer Autobombenexplosion gekommen, dann sei die Polizeistation mit Raketen angegriffen worden. Das fünfstöckige Gebäude sei komplett zerstört worden. Firat machte keine Angaben zu den Angreifern. Seit dem Zusammenbruch einer Waffenruhe im Sommer eskaliert der Konflikt zwischen der Regierung und der PKK. Mitte Dezember begann die Armee eine Offensive gegen Anhänger der militanten Organisation. In mehreren Städten geht sie unter anderem mit Kampfpanzern gegen PKK-Kämpfer vor, die sich in Wohngebieten verschanzt haben. Dabei sind Hunderte Menschen getötet worden. In dem Konflikt zwischen der PKK und der Zentralregierung in Ankara sind seit 1984 mehr als 40.000 Menschen getötet worden.(APA, 14.1.2016) Verbotene Partei bekennt sich zu Angriff, bei dem am Donnerstag ein Polizist und fünf Zivilisten getötet worden. Ankara – Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat sich zu einem Anschlag auf eine Polizeiwache im Südosten der Türkei bekannt und sich zugleich für die Tötung von Zivilisten entschuldigt. Es ist klar, dass Zivilisten niemals unser Ziel sein können, erklärte die PKK am Samstag. Bei dem Anschlag in der Nähe von Diyarbakir am Donnerstag waren ein Polizist und fünf Zivilisten getötet worden. Das Ziel des Anschlags seien die Sicherheitskräfte gewesen, hieß es in der von der prokurdischen Nachrichtenagentur Firat veröffentlichten Erklärung. Die PKK sei traurig über den Tod mehrerer Zivilisten und übermittle den Angehörigen der Opfer ihr Beileid. Der Friedensprozess zwischen der türkischen Regierung und der PKK war im Sommer zusammengebrochen. Der jahrzehntelange Konflikt mit den Rebellen eskalierte seitdem immer weiter. Das türkische Militär geht seit Dezember mit aller Härte gegen die Rebellen im Südosten der Türkei vor. Besonders in den Städten Cizre, Silopi und Diyarbakir gab es heftige Straßenkämpfe mit vielen zivilen Opfern.) Bericht: Geschoße stammten vermutlich aus Syrien. Istanbul – Durch mutmaßlichen Beschuss aus Syrien ist einem Medienbericht zufolge in der Türkei nahe der Grenze zwischen beiden Ländern mindestens ein Mensch getötet worden. Zwei Geschoße seien am Montag nahe einer Schule in der südlichen Stadt Kilis eingeschlagen, berichtete der türkische Fernsehsender NTV. Mindestens drei weitere Menschen seien verletzt worden. Der Sender zeigte Bilder von Verletzten, die in Krankenhäuser gebracht wurden. Unter Berufung auf den Bürgermeister von Kilis, Hasan Kara, berichtete NTV, alle Schulen in der Region seien vorsorglich evakuiert worden. Der Politiker gab demnach an, dass der Beschuss vermutlich aus Syrien erfolgt sei. Ermittlungen gegen Oppositionschef wegen Beleidigung eingeleitet. Ankara – Weil er Präsident Recep Tayyip Erdogan als Möchtegern-Diktator bezeichnet hat, ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den türkischen Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu. Dem Vorsitzenden der Republikanischen Volkspartei (CHP) werde Präsidentenbeleidigung vorgeworfen, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu am Montag. Laut Medienberichten verlangt Erdogan zudem umgerechnet 30.000 Euro Schmerzensgeld und Schadenersatz. Kilicdaroglu war am Samstag als CHP-Chef wiedergewählt worden. Auf dem Parteitag kritisierte er Erdogan wegen der jüngsten Festnahmen von fast 20 Wissenschaftern, die in einer Petition ein Ende des Militäreinsatzes in den Kurdengebieten gefordert hatten. Intellektuelle, die ihre Meinung sagen, werden einer nach dem anderen von einem Möchtegern-Diktator gefangen genommen, sagte Kilicdaroglu. Laut Anadolu drohen ihm bei einem Schuldspruch bis zu vier Jahre Haft. Die verurteilte Türkin hatte dem damaligen Ministerpräsidenten 2014 den Mittelfinger gezeigt. Istanbul – Eine Türkin soll wegen Beleidigung von Präsident Recep Tayyip Erdoğan für fast ein Jahr ins Gefängnis. Die Frau sei wegen eines Vorfalls im Jahr 2014 zu elf Monaten und 20 Tagen Haft verurteilt worden, berichtete die Nachrichtenagentur DHA am Mittwoch. Damals soll sie in der Küstenstadt Izmir laut Medienberichten einem vorbeifahrenden Konvoi Erdoğans den Mittelfinger gezeigt und den Politiker dabei beschimpft haben. Sie hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und kann gegen das Urteil noch Berufung einlegen. Erdoğan war damals noch Ministerpräsident und Chef der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP. Im August 2014 wurde er zum Staatspräsidenten gewählt. In der Türkei werden immer wieder Regierungskritiker wegen Beleidigung von Amtspersonen verurteilt. Bürgerrechtler sehen darin eine gezielte Kampagne gegen AKP-Gegner. Erdoğan ist unterdessen mit regierungskritischen Akademikern wegen einer von ihnen unterzeichneten Petition zum Kurdenkonflikt hart ins Gericht gegangen. Die sogenannten Intellektuellen würden den Preis für ihren Verrat zahlen, sagte Erdoğan am Mittwoch in einer Rede vor Politikern in seinem Präsidentenpalast in Ankara. Er warf den Wissenschaftern vor, die Einheit der Nation zu bedrohen und ihren Hass auf die Werte und Geschichte der Türkei zu verbreiten. Mit ihrem komfortablen Leben aufgrund des vom Staat gezahlten Gehalts sei es nun vorbei. Mehr als 1.200 türkische Wissenschafter hatten in der vergangenen Woche eine Petition unterzeichnet, die die Staatsführung auffordert, die von den Sicherheitskräften verübten vorsätzlichen Massaker und Deportationen kurdischer und anderer Menschen in den Kurdengebieten in der Südosttürkei zu beenden. Erdoğan nannte die Unterzeichner Verräter und bezichtigte sie der Komplizenschaft mit den Terroristen der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Polizei hatte am Freitag 18 Unterzeichner der Petition festgenommen und später wieder freigelassen. Sie müssen sich aber weiterhin wegen des Vorwurfs der Terrorpropaganda verantworten. Gegen die weiteren Unterzeichner sind Ermittlungen wegen Beleidigung des Staats im Gange. Mehrere Universitäten leiteten zudem Disziplinarverfahren gegen Mitarbeiter ein. Die EU-Kommission und die US-Regierung verurteilten das türkische Vorgehen. Die PKK hat den Krieg in die Städte getragen, sagt Sicherheitsexperte Metin Gürçan. Doch Ankara hat diesen Konflikt nicht verstanden.. STANDARD: Wie sieht die militärische Lage in den kurdischen Städten im Südosten der Türkei aus? Wer kämpft hier wie gegen wen? Gürçan: Das hier ist eine ganz neue Art der militärischen Auseinandersetzung. Noch vor drei Jahren wurde der Kampf zwischen der Türkei und der PKK auf dem Land ausgetragen. Jetzt ist es ein Krieg in den Städten, und zwar in diesem Ausmaß zum ersten Mal in den drei Jahrzehnten des Konflikts. Von einem physischen Terrain hat sich der Konflikt auf ein von Menschen bewohntes Terrain bewegt. Die PKK nutzt diesen neuen Raum aus, der türkische Sicherheitsapparat dagegen hat ihn noch nicht völlig verstanden. STANDARD: Wie kommen Sie zu dieser Einschätzung? Gürçan: Die türkische Armee hat sehr schnell militärisch auf diese neue Situation geantwortet, ohne die Dynamik und die Besonderheiten dieser Art von Konflikt zu untersuchen. Das ist mein kritischer Einwand. Ankara versucht eine Art Belagerungsstrategie in diesen Städten, um den Willen der PKK-Kämpfer zu brechen und jener Zivilisten, die sie unterstützen. Daraus ist nun ein psychologischer Krieg geworden. Doch wer zahlt dafür den höchsten Preis? Die Zivilbevölkerung. Die sozialen und wirtschaftlichen Kosten dieses Städtekriegs sind hoch. Die PKK, die diese Form des Kriegs aus ihrem Kampf gegen den IS (Terrormiliz Islamischer Staat, Anm.) in Syrien und dem Irak kennt, nutzt das aus. Ankara wiederum scheint diese Kosten nicht voll abschätzen zu können. STANDARD: Wie sollte denn die Armee Ihrer Meinung nach mit den Bewaffneten in den Städten umgehen? Gürçan: Die Entscheidungsträger in Ankara militarisieren diesen Konflikt. Sie haben einen Hammer in die Hand genommen und betrachten die Gräben und Barrikaden, die von der PKK In den Städten errichtet wurden, als Nägel, die man einschlagen muss. Das ist eine kinetische Herangehensweise. Besser wäre es, um die Gräben herumzugehen und die Gründe für ihre Existenz zu verstehen. In diesen Konfliktzonen ist jeder Zweite unter 30 Jahre alt. Die Arbeitslosigkeit ist enorm. Diese Jugend in den Städten lebt in der zweiten oder dritten Generation in Ghettos von Familien, die in den 1990er-Jahren gezwungen wurden, ihre Dörfer zu verlassen. Dies sind junge Menschen, die sich entfremdet fühlen. Die PKK versteht diese Dynamik und nutzt sie für sich aus. Ankara dagegen sieht alles unter dem Paradigma von Terrorismus und Terrorabwehr. Das ist ein wichtiges Paradigma, aber nicht eines, das die Ursachen dieses Konflikts zur Gänze erklärt. STANDARD: Sollte die türkische Armee dann versuchen, was die Amerikaner im Irak und in Afghanistan versuchten: die Herzen der Zivilbevölkerung gewinnen? Gürçan: Richtig. Denn wie wird jetzt der Erfolg der Militäroperationen gemessen? Die Zahlen von getöteten Kämpfern der PKK und der YDG-H (Jugendorganisation der Kurdistan Arbeiterpartei PKK, Anm.) sollen der Bevölkerung zeigen, dass der Konflikt gewonnen wird. Ich halte das für ein ungeeignetes Mittel, um Erfolg oder Scheitern zu messen. Besser wäre es, sich auf die Zivilisten zu konzentrieren, die in diesen Konfliktzonen festsitzen. Deren Herzen muss man gewinnen, um auch diesen Konflikt zu gewinnen. Das große Problem in Ankara, das ich sehe, ist die fehlende Strategie. Was kommt nach einem militärischen Sieg? Wie wird ein solcher Sieg in einen dauerhaften politischen Erfolg umgelegt? Hier gibt es viele Fragezeichen. Wir haben uns so auf den Sieg konzentriert, dass wir Gefahr laufen, den Frieden zu verpassen. STANDARD: Können Armee und Polizei denn diesen Städtekrieg überhaupt gewinnen? Gürçan: Sie können das. Aber die Frage ist, was danach kommt. Ist der militärische Sieg genug? STANDARD: In wie vielen Städten im Südosten wird jetzt gekämpft? Gürçan: Derzeit geht es um 18 Stadtzentren. In rund 50 Stadtvierteln wird gekämpft, vor allem in der Provinz Diyarbakir, in der strategisch wichtigen Stadt Çizre, in Silopi, Nusaybin, zum Teil in Silvan und in Yüksekova. 1,5 Millionen Menschen sind davon betroffen nach Angaben der türkischen Polizei, 300.000 Menschen sind wegen der Kämpfe geflüchtet. STANDARD: Welche Waffen hat die kurdische Seite? Gürçan: Maschinengewehre und RPG-7-Panzerbüchsen. Ein wichtiger Punkt. Die PKK hat nicht nur den Konflikt in die Städte verlegt, sie hat Minderjährigen Waffen gegeben, mit denen sie die Armee zu Überreaktionen provoziert. NGO: 198 Zivilisten binnen fünf Monaten getötet – Premier will Militäreinsatz fortführen. Istanbul – Immer öfter sind Zivilisten Leidtragende der türkischen Offensive gegen PKK-Kämpfer im Südosten des Landes. Bei Gefechten zwischen der Regierung und kurdischen Rebellen kamen nach Angaben der türkischen Menschenrechtsstiftung TIHV vom Samstag in den vergangenen fünf Monaten 198 Zivilisten ums Leben, darunter auch 39 Kinder. Seit August verhängten die Behörden bereits zahlreiche Ausgangssperren im kurdischen Südosten des Landes. Seit Mitte Dezember geht die Armee dort gegen die Jugendorganisation der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistands PKK, der YDG-H, vor. Seit Beginn der Offensive wurden nach Militärangaben alleine in den Provinzen Diyarbakir und Sirnak 680 PKK-Kämpfer getötet. Regierungskritische Medien berichten, dass die Bewohner kaum Zugang zu Nahrungsmitteln, Strom und Medizin hätten. Weil die Gebiete seit Dezember durchgehend unter einer Ausgangssperre stehen, können die Angaben nicht unabhängig überprüft werden. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu sagte am Samstag, die militärische Offensive werde weitergehen, bis die PKK ihre Waffen niederlege. Zwei Milliarden mehr als bisher akkordiert. Berlin/Brüssel – Die Türkei fordert nach einem Medienbericht zur Bewältigung der hohen Zahl von Kriegsflüchtlingen aus dem benachbarten Syrien zwei Milliarden Euro mehr von der EU als bisher zugesagt. Ankara will nun fünf Milliarden Euro haben, wir sind aber nur bereit, die versprochenen drei Milliarden Euro zu geben, sagte ein hoher EU-Diplomat der Welt (Online/Samstag). Mit dem Geld, von dem noch nichts ausbezahlt ist, sollen die Lebensbedingungen der inzwischen 2,5 Millionen Syrien-Flüchtlinge in der Türkei verbessert werden. Die EU hatte sich im Rahmen eines Aktionsplans zur Zahlung der drei Milliarden Euro an die Türkei verpflichtet. Italien weigert sich aber bisher, die Summe mitzutragen und fordert, das Geld komplett aus dem EU-Haushalt zu nehmen. Ankara sagte der EU im Gegenzug für die Milliardenhilfe zu, den Grenzschutz zu verbessern, so dass weniger Flüchtlinge in die EU gelangen. Derzeit kommen weiter Tausende von Flüchtlingen mit Schlauchbooten auf die in der Nähe der türkischen Küste gelegenen griechischen Ostägäisinseln – und damit in die EU. Dann geht es auf der Balkanroute nach Zentral-, West- und Nordeuropa. Wie die Welt weiter berichtet, werden die Verhandlungen über die Milliarden für die Türkei zusätzlich dadurch belastet, dass Ankara bei der Auszahlung des Geldes stärker mitbestimmen will. Die Regierung der Türkei tut sich sehr schwer damit zu akzeptieren, dass die Milliardenhilfen für Flüchtlinge nur schrittweise und nach strenger Bedarfsprüfung durch die EU ausgezahlt werden sollen, hieß es in Diplomatenkreisen. Nach dem Willen der EU soll das Geld demnach in konkrete Projekte wie den Bau von Schulen fließen. Brüssel wolle die Auszahlungen streng kontrollieren, um zu verhindern, dass das Geld beispielsweise in dunklen Kanälen der türkischen Bauwirtschaft versickert und so nur ein Bruchteil bei den Flüchtlingen ankommt. Der italienische Regierungschef Matteo Renzi hatte am Freitag in Berlin gesagt, er hoffe, dass die EU-Kommission die von Rom erbetenen Antworten noch vor dem Syrien-Gebertreffen in London am 4. Februar liefern werde, so dass Italien seinen zugesagten Beitrag dann auch leisten könne. Bei der Geberkonferenz geht es auch um die Unterstützung der Länder, die Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien aufgenommen haben. Innenminister: Binnen Tagen in Cizre, bis zu zwei Wochen in Diyarbakir. Istanbul – Der Militäreinsatz gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK im Südosten der Türkei ist nach Regierungsangaben fast beendet. In der Stadt Cizre nahe der irakischen Grenze werde die Operation in wenigen Tagen abgeschlossen sein, sagte der türkische Innenminister Efkan Ala am Dienstag in Ankara. Nur noch ein Prozent sei unter Kontrolle der PKK. Im Viertel Sur der Kurdenmetropole Diyarbakir könnten die Kämpfe noch bis zu zwei Wochen andauern, fügte Ala hinzu. Die türkische Armee geht seit Dezember in einer Großoffensive gegen die PKK im Südosten des Landes vor. In den Städten liefern sich Sicherheitskräfte Gefechte mit der PKK-Jugendorganisation YDG-H. Die Kämpfe konzentrierten sich vor allem auf die Städte Cizre, Silopi und auf das Viertel Sur in Diyarbakir. In den Orten gelten seit Dezember Ausgangssperren. Zehntausende sind de facto in ihren Häusern eingeschlossen, unabhängige Beobachter haben keinen Zutritt. Den Einsatz in Silopi hatte die Regierung schon vor zwei Wochen als weitestgehend beendet erklärt. Die Ausgangssperre wurde dort gelockert und gilt zurzeit nur noch nachts. Unterschiedlichen Angaben zufolge sollen zwischen 10 und 60 Menschen ums Leben gekommen sein. Istanbul – In der zwischen türkischen Regierungstruppen und kurdischen Milizen umkämpften Stadt Cizre sind mehrere Menschen getötet worden. Nach unterschiedlichen Angaben gab es in der Nacht auf Montag zwischen 10 und 60 Todesopfer. Der staatliche Sender TRT berichtete zunächst, Sicherheitskräfte hätten bei einem Einsatz 60 Kämpfer der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK getötet. Die Armee teilte am Montag mit, sie habe am Vortag zehn Kämpfer eliminiert. Die Opposition dagegen spricht von mindestens zehn getöteten Zivilisten, darunter sei ein Kind. Der Abgeordnete der pro-kurdischen Partei HDP, Faysal Sariyildiz, der sich in Cizre aufhält, sagte der Deutschen Presse-Agentur am Telefon, neun Menschen seien bei einem Brand im Viertel Cudi in einem unter Beschuss stehenden Gebäude ums Leben gekommen. Ein Bub sei zudem von Sicherheitskräften im Hauseingang erschossen worden. In dem Gebäude würden sich weitere 52 Zivilisten aufhalten. Sariyildiz warf der türkischen Regierung vor, in Cizre ein Massaker zu verüben. Zuvor hatte er gegenüber der prokurdischen Nachrichtenagentur Firat (ANF) erklärt, in einem Keller seien bis zu 30 völlig verbrannte Leichen entdeckt worden. In Cizre gilt seit Mitte Dezember eine Ausgangssperre. Informationen aus den Gebiet lassen sich unabhängig nicht überprüfen. Mehr als 16 Tote in Cizre und Diyarbakir – Auch Ausschreitungen in Istanbul. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Ankara bestellt US-Botschafter ins Außenministerium ein – Washington weigert sich, die syrischen Kurden der PYD als Terrorgruppe zu betrachten. Ankara/Athen – Wer lang genug laut ruft, bekommt auch eine Antwort: Seit Wochen drängen der türkische Staatschef und sein Premier die politischen Partner im Westen, die syrischen Kurden von der PYD (Demokratische Unions-Partei) als Terroristen und als Filiale der kurdischen Untergrundarmee PKK zu erklären. Bin ich euer Partner, oder sind es die Terroristen in Kobane?, polterte Staatspräsident Tayyip Erdogan am vergangenen Wochenende gegen die USA – wie kann ich euch trauen?. Die Replik kam vom Sprecher des US-Außenministeriums: Wir sehen die PYD nicht als Terrororganisation an. Wir stellen fest, dass die Türken es tun, sagte John Kirby. Daraufhin bestellte das türkische Außenministerium am Dienstag US-Botschafter John Bass ein. Washigtons Haltung sei inakzeptabel, hieß es. Nach Kobane, der kurdischen Stadt an der syrisch-türkischen Grenze, die im Spätsommer 2014 Schauplatz einer Schlacht gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) war, hatte sich Brett McGurk, der Sondergesandte des US-Präsidenten für die internationale Koalition gegen den IS, auf den Weg gemacht. Der kurze Besuch bei Polat Can, dem Sprecher der Kurdenmiliz der PYD, am 30. Jänner sollte eine Art Trostpreis sein. Denn die PYD war, wie von der türkischen Regierung gewünscht, gerade von der neuen Runde der Syrienverhandlungen in Genf ausgeschlossen worden. McGurks Besuch in Kobane empfanden Regierung und Präsident in Ankara als Schlag ins Gesicht. Wie es nun nach der Antwort aus Washington weitergeht im Streit der USA und ihres Nato-Partners Türkei, ist offen. Auf dem Spiel steht nicht nur eine Namenskarte am Verhandlungstisch in Genf. Beim Streit um die PYD geht es um die Kurden in der Türkei ebenso wie um den Kampf gegen den IS und den Bürgerkrieg in Syrien. Die USA unterstützen die Miliz der PYD, die Volksverteidigungseinheiten (YPG), mit Waffen. Die Kurdenmiliz gilt als der noch schlagkräftigste Akteur unter den Rebellen in Syrien im Kampf gegen den IS. Die türkische Regierung stellt das in Abrede. PYD und YPG seien keine Opposition im syrischen Bürgerkrieg, heißt es in Ankara Kämpfe mit PKK. Ankara – Bei der Militäroffensive gegen die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK in der Südosttürkei sind seit Dienstag 22 PKK-Kämpfer und drei Soldaten getötet worden. Die türkischen Streitkräfte teilten am Mittwoch mit, in der Provinz Sirnak hätten Soldaten sieben PKK-Kämpfer am Grenzübertritt aus Syrien hindern wollen. Bei den anschließenden Gefechten sei ein Soldat getötet worden. Zwei weitere Soldaten seien bei Kämpfen in der Stadt Cizre und im Viertel Sur in der Kurdenmetropole Diyarbakir getötet worden. Die Armee habe in den Bezirken seit Dienstag zudem 22 Kämpfer eliminiert. Cizre und das Viertel Sur in Diyarbakir stehen seit Dezember unter Ausgangssperre. Sicherheitskräfte liefern sich dort sei Wochen Gefechte mit PKK-Anhängern. Das Schicksal von mehr als 20 Verletzten, die nach Oppositionsangaben seit mehr als zwei Wochen in einem Keller in Cizre ausharren, ist weiter unklar. Nach Angaben des Chefs der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP, Selahattin Demirtas, sind Dutzende weitere Einwohner in Häusern eingeschlossen. Demirtas hatte am Dienstag in Ankara gesagt, er vermute, dass viele inzwischen von Sicherheitskräften getötet wurden, und warf der Regierung ein Massaker vor. Grenzöffnung: Türkischer Premier will Flüchtlinge in Länder abschieben, die "gute Tipps geben". Ankara – Tayyip Erdoğan hat am Donnerstag den Ton in der Syrien-Krise verschärft. Wir werden einige Zeit geduldig sein, sagte er in einer Rede in Istanbul. Dann aber werde Ankara gezwungen sein, das zu tun, was nötig ist. Schon zuvor hatte der türkische Staatspräsident dem Iran vorgeworfen, indirekt an gnadenlosen Massakern beteiligt zu sein. Teheran unterstützt in Syrien Machthaber Bashar al-Assad. Die Uno müsse daher endlich eingreifen, um eine ethnische Säuberung zu verhindern, so Erdoğan. Er bezog sich dabei auf die Offensive der syrischen Regierung in Aleppo sowie im Norden der Stadt, die auch von russischen Luftangriffen unterstützt wird. Wenig später drohte er auch dem Westen, diesmal mit einer Abschiebung von Flüchtlingen in andere Staaten. Sein Land bereite sich darauf vor, dass bis zu 600.000 Menschen aus Aleppo und Umgebung fliehen könnten, wenn die Offensive weitergehe. Bisher sind nach aktuellen Berichten bis zu 50.000 Menschen geflüchtet, viele von ihnen bis zur syrisch-türkischen Grenze, die Ankara geschlossen hält. Zu Forderungen nach einer Grenzöffnung sagte Erdoğan, in jene Länder, die nun gute Tipps geben, könnte Ankara bald selbst Flüchtlinge abschieben. Die Türkei habe kein Schild mit der Aufschrift Dummkopf auf der Stirn. Russland schlägt Waffenruhe vor und dementiert Bombardierung von Aleppo. Russland bleibt in Syrien bei seiner Linie. Der Kreml werde seine Militärstrategie nicht den Wünschen des Pentagons nach ändern, sagte der Sprecher des Verteidigungsministeriums Igor Konaschenkow. Moskau werde Washington sicher nicht dabei helfen, auf politischem Weg einen Machtwechsel in Syrien zu erzielen. Ziel unserer Operation in Syrien ist die Vernichtung des Terrors, eine offensichtliche und direkte Bedrohung der Sicherheit unseres Landes und weltweit. Russland macht damit deutlich, dass es die derzeitige Offensive der syrischen Armee bei Aleppo weiterhin unterstützen wird. Innerhalb einer Woche habe die Luftwaffe 2000 Objekte vernichtet und zwei einflussreiche Terror-Kommandeure getötet, sagte Konaschenkow. Einen Waffenstillstand soll es nach den Vorstellungen des Kremls erst zum 1. März in Syrien geben. Nach Ansicht westlicher Diplomaten hofft die russische Führung, dass bis dahin in Syrien Fakten geschaffen sind und Präsident Bashar al-Assad die Lage in der strategisch wichtigen Region vollends kontrolliert. Die Vorwürfe, dass das russische Militär dabei auch zivile Opfer in Kauf nehme, weist Moskau strikt zurück. Im Gegenteil: Die Vorwürfe einer Bombardierung Aleppos schickt Russland an den Absender zurück. Nicht russische Flugzeuge, sondern amerikanische hätten über Aleppo gearbeitet, sagte Konaschenkow. Die USA weisen das zurück. Das russische Außenministerium sprach von Sorge angesichts einer Kampagne, die von westlichen Politikern und Medien gegen Russland gefahren werde. Moskau habe eine Koordination der Antiterroreinsätze in Syrien vorgeschlagen, stoße dabei aber auf Widerstand aus Washington, beklagte Sprecherin Maria Sacharowa. Besonders die Türkei bleibt Ziel russischer Vorwürfe: Den angedachten Einsatz türkischer und saudischer Bodentruppen sieht Moskau kritisch. Möglicherweise verfolge Ankara das Ziel unter dem Deckmantel merkwürdiger erklärter Ziele ein bestimmtes Territorium, das an der Grenze zur Türkei liegt, zu okkupieren, erhob Sacharowa den Vorwurf einer geplanten Annexion von Teilen Syriens durch die Türkei. Den seit Monaten andauernden Konflikt über die Zukunft Syriens weiten Russland und die Türkei immer stärker aus und ziehen dabei auch ihre Nachbarländer in den Streit. Die von Moskau abhängigen und von Georgien abtrünnigen Kaukasusrepubliken Südossetien und Abchasien mussten sich so unlängst der Blockade gegen die Türkei anschließen, obwohl gerade Abchasien stark an die Türkei gebunden war. Russland wiederum befürchtet nun, dass sich Aserbaidschan im Streit auf die Seite Ankaras schlägt. 'Ankara will nach dem Anschlag auf Soldaten offenbar internationale Unterstützung gegen PKK und PYD. Nach dem Terroranschlag auf türkische Soldaten in der Haupstadt Ankara drängt die politische Führung des Landes offenbar auf Konsequenzen mit Blick auf den Krieg in Syrien. Die Türkei sei nicht länger zufrieden mit einfachen, leeren Entschuldigungsbotschaften, sagte Regierungssprecher Numan Kurtulmuş am Mittwochabend: Wir erwarten, dass die internationale Gemeinschaft bei uns steht. Im Klartext heißt das, die Regierung in Ankara erwartet nun ein gemeinsames Vorgehen mit den Nato-Partnern und anderen Verbündeten gegen die kurdische Untergrundarmee PKK und die mit ihr verbundene Miliz der Kurdenpartei PYD in Syrien. Letztere hat in den vergangenen Tagen erhebliche Gebietsgewinne im Norden Syriens verzeichnet, die Ankara nicht hinnehmen will. Der Terroranschlag in Ankara, bei dem am Mittwochabend mindestens 28 Menschen ums Leben kamen, könnte der PKK zugeschrieben werden. Sie kämpft derzeit im Südosten des Landes gegen die türkische Armee. Die syrische PYD wiederum wird von Ankara wie die PKK als Terrororganisation angesehen. Die PYD sei nur ein Ableger der PKK, behauptet die türkische Regierung 28 Tote und dutzende Verletzte nach Anschlag auf Militärkonvoi in Ankara, sechs Tote bei weiterem Anschlag in der Südosttürkei. Ankara – Der schwere Anschlag in der türkischen Hauptstadt Ankara ist nach Angaben von Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu von einem Kurden aus Syrien verübt worden. Die syrische Kurdenmiliz Volksverteidigungseinheiten (YPG) habe das Attentat zusammen mit der türkischen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) ausgeführt, sagte Davutoğlu am Donnerstag. Neun Personen seien in Zusammenhang mit dem Anschlag festgenommen worden. Syrische Kurden dementieren Der Chef der wichtigsten syrischen Kurdenpartei, der Partei der Demokratischen Union (PYD), hat am Donnerstag die Verantwortung seiner Partei für den Anschlag auf einen Militärkonvoi in Ankara bestritten, bei dem Mittwochabend 28 Menschen ums Leben gekommen waren. Die von der türkischen Regierung geäußerten Beschuldigungen zielten klar darauf ab, in Syrien eine Intervention zu versuchen. Die YPG, die von der Türkei verantwortlich gemacht wird, ist der bewaffnete Arm der PYD. Neuer Anschlag Zudem wurde am Donnerstag ein Militärkonvoi im Südosten der Türkei von einer Explosion erschüttert. Mindestens sechs Menschen seien getötet worden, hieß es aus Sicherheitskreisen. Die Explosion ereignete sich demnach auf der Straße zwischen der Kurdenmetropole Diyarbakır und dem Bezirk Lice. Der Südosten der Türkei ist Schauplatz heftiger Auseinandersetzungen zwischen der Armee und Kurden. 28 Tote in Ankara Bei dem Anschlag in Ankara wurden am Mittwochabend mindestens 28 Menschen getötet und 61 verletzt, sagte der stellvertretende Ministerpräsident Numan Kurtulmuş. Es handle sich um einen Angriff auf die gesamte Nation. Seit dem bislang blutigsten Anschlag in der Türkei, bei dem im Oktober bei einer prokurdischen Friedensdemonstration in Ankara 103 Menschen getötet worden waren, gilt im Land die höchste Terrorwarnstufe. Davutoğlu sagte nach dem Anschlag seine Teilnahme an Gesprächen über die Flüchtlingskrise in Brüssel ab. Er wollte am Donnerstag mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und dem griechischen Premier Alexis Tsipras sprechen. Außerdem sollte er die Staats- und Regierungschefs der Koalition der Willigen treffen. Auch dieser Minigipfel, der in der österreichischen EU-Vertretung stattfinden sollte, wurde laut STANDARD-Informationen abgesagt. Der Anschlag wurde international verurteilt. Bundeskanzler Werner Faymann zeigte sich erschüttert. Merkel erklärte: Die Bundesregierung verurteilt diesen neuerlichen terroristischen Akt auf das Schärfste. Auch Frankreichs Präsident François Hollande verurteilte das schändliche Attentat und versicherte der Türkei seine Unterstützung. Auch die iranische Regierung sprach der Türkei ihr Mitgefühl aus. Dieser Anschlag hat erneut bewiesen, wie wichtig und notwendig der gemeinsame Kampf gegen die Terroristen ist, sagte der iranische Außenministeriumssprecher Jaber Ansbari. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Anschlag. Er hoffe, dass die Verantwortlichen rasch zur Rechenschaft gezogen würden, sagte Ban am Mittwochabend. In dieser tragischen Zeit stehen die Vereinten Nationen den Menschen und der Regierung der Türkei solidarisch zur Seite. Präsident Recep Tayyip Erdoğan berief ein Sicherheitstreffen ein und sagte eine Reise nach Aserbaidschan ab. Er kündigte an, den Kampf gegen den Terror noch entschlossener weiterzuführen. Die Türkei wird nicht zögern, von ihrem Recht auf Selbstverteidigung jederzeit, überall und unter allen Umständen Gebrauch zu machen, erklärte Erdoğan. Die Regierung verhängte aus Gründen der nationalen Sicherheit eine Nachrichtensperre über den Anschlag, die aber nicht offizielle Verlautbarungen betrifft. Die prokurdische Oppositionspartei HDP, der Erdoğan eine Nähe zur PKK vorwirft, verurteilte den Anschlag am Mittwochabend. Zu der Explosion kam es im Regierungsviertel Çankaya vor dem Hauptquartier der Luftwaffe in der Nähe des Parlaments. Ziel des Anschlags waren nach Armeeangaben Fahrzeuge, die Militärangehörige transportierten. Auf Fotos vom Anschlagsort waren ausgebrannte Busse zu sehen. Die Bombe sei explodiert, als die Fahrzeuge gegen 18.30 Uhr (17.30 MEZ) bei einer Ampel hielten, teilte die Armee mit. Sie bestätigte, dass Soldaten unter den Opfern sind, machte aber keine Angaben zu deren Anzahl. Nach Angaben des Provinzgouverneurs explodierte eine Autobombe. Türkische Sicherheitskräfte sind in den vergangenen Monaten vor allem in der Südosttürkei Ziel von PKK-Anschlägen geworden. Im September starben bei einem PKK-Anschlag in dem kurdischen Dorf Dağlıca 16 Soldaten. Die Armee geht seit Mitte Dezember mit einer Offensive gegen PKK-Kämpfer im überwiegend von Kurden bewohnten Südosten der Türkei vor. In mehrere Bezirken gelten Ausgangssperren, zuletzt weitete die Armee ihren Einsatz auf die Stadt Idil aus, wo es in der Nacht auf Mittwoch schwere Gefechte gab. Ein mehr als zwei Jahre anhaltender Waffenstillstand zwischen PKK und Regierung war im Juli gescheitert, seither eskaliert der Konflikt. In der Vergangenheit kam es jedoch auch immer wieder zu Anschlägen, die nicht von der PKK verübt wurden, sondern der Terrormiliz Islamischer Staat oder linksterroristischen Gruppen angelastet wurden. Im vergangenen Monat riss ein Selbstmordattentäter in Istanbul elf deutsche Touristen in den Tod, die Regierung machte den IS dafür verantwortlich. Nach dem jüngsten Terrorakt steht eine türkische Militärintervention in Syrien im Raum. Ahmet Davutoğlu weiß es am Vormittag und die Regierungspresse schon in der Nacht zuvor: Ein Kurde aus Syrien war es, ein Mitglied der dortigen Kurdenmiliz YPG. Saleh Najar soll sein Name gewesen sein, 23 oder 24 Jahre alt und aus dem nordsyrischen Städtchen Amude. Er sprengte sich mit einem Auto in die Luft, als fünf Kleinbusse der Armee vorbeifahren, die Soldaten aus dem Regierungsviertel in Ankara nach Dienstschluss am Mittwochabend nach Hause bringen. So sagt es der Premier. Die Rechnung für diesen Angriff werden wir bezahlen lassen, droht Davutoğlu. Wann und wie, behalte sich die Türkei vor. Weiße Planen hängen an der Straßenkreuzung, wo die Merasin-Straße in den Inönü-Boulevard mündet. Noch untersuchen Polizeibeamte den Anschlagsort. Das türkische Parlament ist ganz in der Nähe, das Finanzministerium und Kommandostellen der türkischen Armee. 27 Soldaten und eine Zivilistin, die junge Reporterin eines kleinen Fernsehsenders, sterben bei dem Terroranschlag. Es ist der zweite in der türkischen Hauptstadt innerhalb von vier Monaten. Dieses Mal aber geht es um Geopolitik, um Krieg und Frieden und den Einmarsch der Türkei in Syrien. Wie die Teile eines Puzzles fällt nun alles zusammen zu einem klaren Bild, so wird die politische Führung in Ankara nicht müde zu betonen. Der Selbstmordanschlag beweist, welche Gefahr von den syrischen Kurden ausgehe, den sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG), die nur eine Bauernfigur des syrischen Regimes seien, ein piyon, wie Davutoğlu sagt. Und der politische Arm der YPG, die Demokratische Unionspartei (PYD), die sich nun anschickt, ein 500 Kilometer langes autonomes Kurdengebiet an der Grenze zur Türkei zu errichten, sei ein und dasselbe wie die Untergrundarmee PKK – eine Terrororganisation. Noch am Donnerstag ruft die Türkei den UN-Sicherheitsrat an. Sie will Informationen über die syrische Kurdenmiliz vorlegen. Das Schachbrett der syrischen Kriegsparteien soll neu geordnet werden, notfalls mit Gewalt. PYD-Chef Salih Müslim weist zurück, dass seine Partei hinter dem Anschlag stecke. Nach dem Premier tritt im Präsidentenpalast in Ankara der Hausherr selbst vor die Presse. Flankiert von Armeechef Hulusi Akra, Innenminister Efkan Ala und Verteidigungsminister Ismet Yilmaz nimmt auch Tayyip Erdoğan die Nato-Verbündeten wegen der syrischen Kurden in die Pflicht. Erdoğan spricht langsam und getragen. 14 Verdächtige seien im Zusammenhang mit dem Anschlag bisher gefasst worden, es werden wohl noch mehr werden, sagt der Staatspräsident: Unsere Freunde in der internationalen Gemeinschaft werden nun besser verstehen, wie eng die Verbindungen von PYD und YPG mit der PKK sind. Seit vergangenem Samstag feuert die türkische Armee bereits auf syrisches Territorium und versucht, den Vormarsch der Kurden zu verhindern. Bewaffnet von den Amerikanern, unterstützt durch die Luftangriffe der Russen, nutzt die YPG die Gunst der Stunde und will die letzte Lücke schließen, die ihr selbstverwaltetes Gebiet noch trennt – ein knapp 90 Kilometer langer Korridor an der türkisch-syrischen Grenze, der bisher in der Hand islamistischer Rebellen war, hauptsächlich der Al-Nusra-Brigaden und der von der Türkei unterstützten Ahrar al-Sham. Der Artilleriebeschuss von Stellungen der YPG werde fortgesetzt, erklärt Regierungschef Davutoğlu am Donnerstag. Mehrere hundert Rebellen, bewaffnet mit leichter Artillerie und sogar Panzern, sollen in den vergangenen Tagen von der Türkei zur Verstärkung über den Grenzübergang Bab-al-Salam in den umkämpften Korridor geschleust worden sein. 500 Bewaffnete waren es allein am Mittwoch nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Ankara soll die Rebellen nachts aus der nordsyrischen Provinz Idlib über türkisches Gebiet zum Übergang Bab-al-Salam gebracht haben. Die Türkei will verhindern, dass die nächstgelegene syrische Stadt Azaz in die Hände der Kurden fällt und damit der Zugang zu Aleppo, der umkämpften zweitgrößten Stadt des Landes, abgeschnitten ist. Aus Washington kommen Solidaritätsadressen an die türkische Führung. Das State Department, der nationale Sicherheitsrat, Verteidigungsminister Ashton Carter versichern unserem türkischen Verbündeten Rückhalt nach dem Anschlag in Ankara. Dabei sind die Beziehungen herzlich schlecht, seit der Streit über die syrischen Kurden zwischen den USA und der Türkei in den vergangenen Tagen öffentlich ausgetragen wurde. Ein militärisches Abenteuer der Türkei in Syrien wollen die Amerikaner aber nun verhindern. Ankara ereilen weitere schlechte Nachrichten: Auf das türkische Kulturzentrum in Stockholm wurde Mittwoch ebenfalls ein Bombenanschlag verübt. Syrische Kurden als Feindbild der Türkei – Gleichberechtigung stärkt die Einheiten. Abdullah Öcalan, der Gründer und Führer der Kurdischen Arbeiterpartei PKK, ist im kurdischen Siedlungsgebiet im Norden Syriens omnipräsent. Öcalan, der seit 1999 wegen zahlreicher ihm zur Last gelegter Verbrechen in der Türkei inhaftiert ist, wird auch bei den syrischen Kurden wie ein Heiliger verehrt. Sein Bild prangt an Hauswänden, in Wohnzimmern, er schmückt Fahnen, sein Konterfei baumelt an den Rückspiegeln der Autos. Zu Wochenbeginn gab es in etlichen kurdisch-syrischen Städten große Kundgebungen, mit denen des 17. Jahrestags der Inhaftierung Öcalans in der Türkei gedacht wurde. Auch das ist ein Grund, warum die erstarkten Kurden in Syrien der Türkei ein Dorn im Auge sind. Die PYD, die Partiya Yekitiya Demokrat, die im syrischen Kurdengebiet – noch ohne Wahlen – das Sagen hat, versteht sich als Schwesterpartei oder als verlängerter Arm der PKK und ist folgerichtig das Feindbild der türkischen Regierung, die den kurdischen Einfluss im Nachbarstaat fürchtet. In den syrischen Bürgerkriegswirren ist es den Kurden gelungen, einen Großteil ihres Siedlungsgebiets, in dem etwa zwei Millionen Menschen leben, unter ihre Kontrolle zu bringen. Sie führen einen erbitterten Krieg gegen den Islamischen Staat – und haben sich mit dem syrischen Herrscher Bashar al-Assad irgendwie arrangiert. In der strategisch wichtigen Stadt Qamishli, die im direkten Grenzgebiet zur Türkei liegt, gibt es den einzigen funktionierenden Flughafen im Norden Syriens. Der Flughafen wird nach wie vor von den Assad-Truppen verwaltet, obwohl die Stadt längst in der Hand der PYD ist. Die Kurden verfügen über eine beachtliche militärische Kampfkraft, den Amerikanern sind sie ein willkommener Partner im Kampf gegen den IS, was wiederum der Türkei gar nicht passt. Das hat zuletzt zu schweren Verstimmungen zwischen der Türkei und den USA geführt. Während die USA die sogenannten Volksverteidigungseinheiten (YPG) mit Waffenlieferungen unterstützen, sieht die Türkei diese als Terrororganisation an. Was das Beziehungsgeflecht in dieser Region noch komplizierter macht: Auch die Russen unterstützen die syrischen Kurden. Die YPG war maßgeblich an der Befreiung des kurdischen Kobane an der Grenze zur Türkei beteiligt, sie hat gemeinsam mit PKK-Kämpfern, die aus dem Irak vorgestoßen waren, auch eine große Anzahl von Jesiden vor der Terrormiliz IS im Sinjar-Gebirge gerettet. Das politische System in der nunmehr selbstverwalteten Kurdenregion basiert auf einer ausgeklügelten Form der Basisdemokratie. Neben der PYD sind auch andere Parteien und Minderheiten wie Assyrer, Armenier oder auch Araber aus der Region in die Verwaltung eingebunden. Es ist auch ein gesellschaftliches Experiment. Die angestrebte Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist gerade in dieser Region eine Besonderheit. Das führt – politisch erwünscht – auch dazu, dass viele Frauen bei den Volksverteidigungseinheiten unter Waffen sind, sie bilden eigene Einheiten, die von den IS-Kämpfern besonders gefürchtet sind. Parlamentspräsident Schulz: Türkei könnte historische Chance verspielen – Davutoglu rechtfertigt Vorgehen mit Putschvorwürfen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Kämpfe an mehreren Orten – Eine Bestätigung der türkischen Streitkräfte gab es zunächst nicht. Istanbul – Die türkische Armee hat im Südosten des Landes nach einem Bericht 16 Kämpfer der Untergrundorganisation Arbeiterpartei Kurdistans (PKK ) getötet. Während des Einsatzes im Bezirk Idil am Montag sei es zu schweren Gefechten gekommen, meldete die Nachrichtenagentur DHA am Montag. Eine Bestätigung der türkischen Streitkräfte gab es zunächst nicht. DHA berichtete weiter, auch in Daglica in der Provinz Hakkari hätten sich Sicherheitskräfte und PKK-Kämpfer Gefechte geliefert. Die Armee geht seit mehr als drei Monaten gegen die PKK im Südosten des Landes vor. Die Behörden hatten im Bezirk Sur der Kurdenmetropole Diyarbakir Mitte Dezember und in Idil Mitte Februar eine Ausgangssperre verhängt. Die Ausgehverbote in den Städten Silopi und Cizre wurden inzwischen gelockert und gelten nur noch in der Nacht. Die Nachrichtenagentur wurde ebenso wie die Zeitung Zaman unter staatliche Aufsicht gestellt. Istanbul – Nach der regierungskritischen Zeitung Zaman ist in der Türkei auch die mit dem Blatt eng verbundene Nachrichtenagentur Cihan unter staatliche Zwangsaufsicht gestellt worden. Cihan meldete am Montagabend, das Istanbuler Gericht habe dieselben Treuhänder wie bei Zaman ernannt. Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu bestätigte, dass Cihan unter Zwangsverwaltung gestellt wurde. Zaman – die bisher größte Oppositionszeitung der Türkei – und Cihan gehören beide zum Medienkonzern Feza Gazetecilik, der der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen nahesteht. Der im US-Exil lebende Gülen war einst Verbündeter von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan, hat sich mit ihm aber überworfen. Gülens Hizmet-Bewegung wurde in der Türkei zur Terrororganisation erklärt. Anadolu meldete, Feza Gazetecilik werde beschuldigt, die Gülenistische Terrororganisation zu unterstützen. Erdogan wirft Gülen vor, Parallelstrukturen im Staat geschaffen zu haben, um ihn zu stürzen. Zaman und das englischsprachige Schwesterblatt Todays Zaman waren am Freitag unter Zwangsaufsicht gestellt worden. Zaman wurde anschließend auf Regierungslinie gezwungen. Explosion auf der Einkaufsstraße Istiklal Caddesi: 40 Verletzte. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Medienberichte bestätigt – Kein offizielles Bekenntnis. Istanbul – Die Türkei macht die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) für den Selbstmordanschlag von Istanbul verantwortlich. Innenminister Efkan Ala erklärte am Sonntag, bei dem Attentäter handle es sich um einen 1992 geborenen Mann aus dem Süden des Landes, der Mitglied des IS gewesen sei. Die Regierung in Ankara hatte zuvor auch die verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK als möglichen Urheber genannt. Nach dem Anschlag, bei dem der Attentäter vier Menschen mit in den Tod riss, verbot die Regierung in mehreren Städten die geplanten Feiern zum kurdischen Neujahrsfest Newroz. Zudem wurden die Sicherheitsvorkehrungen im ganzen Land erhöht. Nach Angaben der Regierung in Jerusalem kamen bei dem Anschlag in der Einkaufsstraße Istiklal drei Israelis ums Leben. Zwei von ihnen hatten demnach zudem die US-Staatsbürgerschaft. Den türkischen Behörden zufolge war das vierte Todesopfer ein Iraner. Unter den 36 Verletzten waren ebenfalls zahlreiche Ausländer. Österreicher sind nach Angaben des Außenministeriums keine darunter. Der Salzburger Bürgermeister Heinz Schaden (SPÖ), der mit seiner Frau den Urlaub in Istanbul verbringt, entging nach eigenen Angaben nur knapp dem Anschlag. Sie wären zum Zeitpunkt des Anschlags in der Einkaufsstraße gewesen, wenn sie auf dem Weg dorthin nicht eine Kaffeepause eingelegt hätten, sagte Schaden. Der Selbstmordattentäter soll nach Darstellung eines Regierungsmitarbeiters ursprünglich ein anderes Ziel gehabt haben. Demnach wollte er den Sprengsatz an einem belebteren Ort zur Explosion bringen, wurde aber von der Polizei abgeschreckt und zündete dann in Panik die Bombe. Im Zusammenhang mit dem Anschlag seien zunächst fünf Menschen festgenommen worden, erklärte Ala. Er kündigte Ausgangssperren in sieben Provinzen an. Angesichts des Attentats würden auch alle Sicherheitsmaßnahmen auf den Prüfstand gestellt, sagte der Minister weiter. Türkische Internet-Nutzer berichteten von Schwierigkeiten, Facebook und Twitter aufzurufen. Die Behörden haben nach früheren Anschlägen bereits den Zugang zu Internet-Netzwerken blockiert, weil dort Bilder der Angriffe veröffentlicht wurden. Der Anschlag in Istanbul ist der vierte seiner Art in der Türkei seit Jahresbeginn. Vor einer Woche waren bei einem Selbstmordattentat in Ankara 37 Menschen getötet worden. Im Februar starben ebenfalls in der Hauptstadt bei einem ähnlichen Anschlag 29 Menschen. Kurdische Extremisten haben sich zu beiden Angriffen bekannt. Im Jänner hatte ein Selbstmordattentäter zehn Menschen im historischen Zentrum Istanbuls getötet, die meisten von ihnen Deutsche. In diesem Fall machte die türkische Regierung den IS für den Anschlag verantwortlich. Die Türkei sieht sich gegenwärtig mit mehreren Bedrohungen konfrontiert. Als Teil einer US-geführten Allianz kämpft sie in den Nachbarstaaten Syrien und Irak gegen den IS. Zudem sind im Süden des Landes die schwersten Kämpfe gegen die PKK seit den 1990er Jahren wieder aufgeflammt. (APA, 20.3.2016) Nach Berichten über Waffenlieferungen an syrische Rebellen droht zwei Journalisten lebenslange Haft. Istanbul/Wien – Ein medienöffentliches Verfahren sollte es nicht werden – das war schon vor dem Prozessstart am Freitag klar, und die Richter stellten dies zum Beginn der Verhandlung noch einmal klar. Die Verhandlung gegen den Chefredakteur der Zeitung Cumhuriyet Can Dündar und dessen Hauptstadt-Büro-Leiter Erdem Gül – ihnen droht im Fall einer Verurteilung lebenslange Haft – findet hinter verschlossenen Türen statt, legte das Gericht fest. So soll offenbar verhindert werden, was die beiden Angeklagten wenige Tage zuvor angekündigt hatten: den Fokus der Öffentlichkeit statt auf den Prozess selbst wieder auf den Bericht zu lenken, der ihn ausgelöst hatte. Denn dabei geht es um eine Angelegenheit, die die Regierung allem Anschein nach nicht in Berichten wiederfinden möchte: Im Mai 2015 hatte das links-säkulare Blatt neben einem von Dündar gezeichneten Bericht Bilder und Videos präsentiert, die von einer Razzia im Jahr 2014 stammen und geheime und mutmaßlich illegale Waffenlieferungen aus der Türkei an extremistische Rebellen in Syrien dokumentieren sollen. Auf den Bildern ist zu sehen, wie Beamte einen Lkw durchsuchen, in dem sich – versteckt unter Medikamentenschachteln – Artilleriegeschoße finden. Erdoğan gestand in der Folge ein, dass die Lkws dem Geheimdienst MIT gehörten. Sie hätten aber nicht Waffen für Extremisten, sondern Hilfen für Turkmenen geliefert – als deren Schutzmacht sich Ankara sieht. Vor allem aber drohte der Präsident den Journalisten. Diese stünden mit dem in den USA lebenden Prediger Fethullah Gülen in Verbindung. Dieser, ein früherer Unterstützer Erdoğans, der im US-Exil lebt, plane mittels eines Staates im Staat einen Umsturz. Daher, so Erdoğan, werde er die Angelegenheit nicht einfach vergessen können – er stellte auch persönlich Strafanzeige gegen die Journalisten. Dündar und Gül wurden im November 2015 wegen des Verdachts auf Spionage, der Preisgabe von Staatsgeheimnissen und der Vorbereitung eines Staatsstreichs in Untersuchungshaft genommen. Mehr als einen Monat verbrachten beide Männer in Isolationshaft, erst im Februar wurden sie nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes – den Erdoğan später heftig kritisierte – vorläufig wieder auf freien Fuß gesetzt. Vor dem Gericht demonstrierten Freitag rund 200 Menschen – unter ihnen auch europäische Diplomaten, wie Agenturen schrieben. Insgesamt hat die EU aber zurückhaltend auf die Rückschritte bei der Pressefreiheit in der Türkei reagiert – stattdessen baut sie in der Migrationskrise auf Ankara als Partner und hat bei einem Gipfel Mitte März der Regierung in Ankara Zugeständnisse gemacht. Nur wenige Tage zuvor hatte diese die auflagenstärkste Zeitung des Landes, Zaman, wegen deren Nähe zur Gülen-Bewegung unter ihre Kontrolle gebracht. Türkischer Präsident kommt zu Atomgipfel nach Washington – US-Präsident plant Dreiertreffen mit Japan und Südkorea. Washington – Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdoğan besucht in dieser Woche Washington, bekommt aber wohl von US-Präsident Barack Obama kein bilaterales Treffen gewährt. Das geht aus US-Angaben vom Montag hervor. Die Beziehungen zwischen den beiden traditionellen Verbündeten USA und Türkei sind derzeit wegen der türkischen Militäroffensive gegen kurdische Kämpfer stark angespannt. Die USA unterstützen kurdische Einheiten in ihrem Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat im Irak und in Syrien. Erdoğan reist ebenso wie mehrere weitere Staatschefs zu einem Gipfel über nukleare Sicherheit in die US-Hauptstadt. Am Rande des Gipfels, der am Donnerstag und Freitag stattfindet, plane Obama bisher nur ein einziges bilaterales Treffen, nämlich am Donnerstag mit dem chinesischen Staatschef Xi Jinping, sagte ein US-Regierungsmitarbeiter. Zudem komme Obama zu einem Dreiertreffen mit dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe und der südkoreanischen Präsidentin Park Geun-hye zusammen, um über die Spannungen mit Nordkorea zu sprechen. Wie das Weiße Haus am Montag mitteilte, bietet das Treffen am Donnerstag die Gelegenheit, über gemeinsame Antworten auf die Bedrohung durch Pjöngjang zu sprechen. Die kommunistische Führung des streng abgeschotteten Landes droht immer wieder mit dem Einsatz von Atombomben. Israel rief seine Bürger zum umgehenden Verlassen der Türkei auf. Ankara – Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) plant einem britischen Nachrichtensender zufolge Angriffe auf jüdische Kinder in der Türkei. Vorgesehen seien Anschläge auf Kindergärten, Schulen und Jugendzentren, berichtete Sky News am Montag unter Berufung auf nicht näher bezeichnete Geheimdienstkreise. Die Informationen stammten von sechs Personen, die in der vergangenen Woche in der südtürkischen Stadt Gaziantep festgenommen worden seien. Das wahrscheinlichste Ziel sei eine Synagoge in dem Istanbuler Stadtteil Beyoğlu, an die ein Gemeindezentrum und eine Schule angeschlossen seien, berichtet Sky weiter. Als Reaktion seien in der Türkei außerordentliche Sicherheitsmaßnahmen eingeleitet worden. Welcher Geheimdienst dem Sender die Informationen zukommen ließ, wurde nicht bekannt. Die Nachrichtenagentur Reuters konnte die Angaben zunächst nicht bestätigen. Türkische Behörden waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Bei Anschlägen in der Türkei sind in diesem Jahr mehr als 80 Menschen getötet worden, darunter mehrere Israelis. Die israelische Regierung hatte am Montag ihre Staatsangehörigen aufgefordert, das Land so rasch wie möglich zu verlassen. Es bestehe eine hohe konkrete Gefahr, dass Touristenattraktionen von Extremistengruppen angegriffen würden, teilte die Anti-Terror-Behörde mit. 'Neue Maßnahme im langjährigen Kampf gegen verbotene Kurden-Partei. Ankara – Im langjährigen Kampf gegen die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan nun erstmals vorgeschlagen, PKK-Unterstützern die türkische Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Wir müssen alle Maßnahmen treffen, dazu gehört, den Anhängern der terroristischen Organisation (der PKK) die Staatsbürgerschaft abzuerkennen. Dies sagte Erdoğan am Dienstag vor Anwälten in Ankara. Als Unterstützer bezeichnete Erdoğan Akademiker, Journalisten und Politiker, die wie ein Wolf im Schafspelz agierten. Diese Leute haben es nicht verdient, unsere Mitbürger zu sein, sagte Erdoğan. Wir sind nicht dazu verpflichtet, Leute mitzutragen, die ihren Staat und ihr Volk verraten. Die Unterstützer der PKK seien auch nicht anders als Terroristen, die Bomben werfen. Es sei nicht zulässig, Verrat an Staat und Nation zu begehen. Gegen die linksliberale, prokurdische Demokratische Partei der Völker (HDP) betreiben Erdoğan und seine islamisch-konservative Regierung seit längerem eine Kampagne wegen angeblicher Unterstützung der in der Türkei als Terrororganisation verbotenen PKK. So soll den beiden HDP-Vorsitzenden, Selahattin Demirtaş und Figen Yüksekdağ, und weiteren Abgeordneten der Partei die parlamentarische Immunität entzogen werden. Die Freiheitsfalken Kurdistans (TAK), nach Einschätzung der türkischen Behörden eine Untergruppe der PKK, bekannten sich zu zwei Selbstmordanschlägen in der Hauptstadt Ankara, bei denen im Februar und März insgesamt 65 Menschen getötet wurden. Friedensgespräche zwischen der Regierung und der PKK, die im Herbst 2012 begonnen hatten, brachten kein Ergebnis. Nach einer zweijährigen Waffenruhe flammte der Konflikt im Sommer 2015 neu auf. Seit 1984 wurden in dem Konflikt rund 40.000 Menschen getötet. Die türkische Polizei ging unterdessen mit einer neuen Festnahmewelle gegen die Bewegung des Erzfeindes von Erdoğan, des islamischen Predigers Fethullah Gülen, vor. Bei Razzien in zahlreichen Landesteilen wurden nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Anadolu insgesamt 68 Menschen festgenommen, darunter Beamte, Lehrer und Geschäftsleute. Die Razzien richteten sich gegen Mitglieder von Gülens sogenannter Hizmet-Bewegung (zu Deutsch: Dienst). Der Prediger lebt in den USA. Die Gülen-Anhänger betreiben in der Türkei Schulen, Medien und Wirtschaftsunternehmen und haben sich im Laufe der Jahre auch im Behördenapparat großen Einfluss verschafft. Erdoğan wirft der Bewegung eine Unterwanderung des Staatsapparats mit dem Ziel eines Umsturzes vor, was Hizmet zurückweist. Gülen, ein ehemaliger Unterstützer Erdoğans, hatte sich Ende 2013 mit dem damaligen Regierungschef und heutigen Präsidenten überworfen. Seitdem geht die Regierung immer wieder mit Entlassungswellen in Justiz und Polizei sowie Festnahmewellen gegen Gülen-Anhänger vor. Insgesamt sollten bei der Aktion am Dienstag 120 Menschen in Polizeigewahrsam genommen werden Abkommen soll in Kürze "zum Abschluss gebracht" werden. Ankara/London – Die Türkei und Israel stehen nach türkischen Angaben kurz vor der Normalisierung ihrer jahrelang stark angespannten Beziehungen. Bei Beratungen in London seien Fortschritte erzielt worden, erklärte das Außenministerium in Ankara am Freitag. Ein entsprechendes Abkommen werde beim nächsten Treffen, das sehr bald einberufen werde, zum Abschluss gebracht, hieß es in der Erklärung. Das israelische Außenministerium wollte auf Nachfrage keine Stellungnahme abgeben. An den Gesprächen in London waren laut Ankara von türkischer Seite der Staatssekretär im Außenamt, Feridun Sinirlioglu, auf israelischer Seite der Sondergesandte Joseph Cietschanover, sowie der Interimspräsident des Nationale Sicherheitsrates, General Jacob Nagel, beteiligt. Die Beziehungen beider Länder sind seit 2010 angespannt. In mehreren Gesprächsrunden hatten beide Seiten zuletzt eine schrittweise Wiederannäherung erreicht. So wurde bei einem Treffen in Genf im Dezember nach israelischen Angaben vereinbart, dass Israel Entschädigungen für die türkischen Opfer zahlt, die 2010 bei der Erstürmung der Gaza-Hilfsflottille durch die israelische Armee getötet worden waren. Im Gegenzug sollte Ankara alle Klagen gegen Israel einstellen. Bei der Erstürmung der Mavi Marmara, des türkischen Führungsschiffs der Gaza-Hilfsflottille, hatte ein israelisches Kommando Ende Mai 2010 neun Türken getötet. Ein weiterer Türke starb nach fast vier Jahren im Koma. Der Konvoi aus insgesamt sechs Schiffen mit Aktivisten aus mehreren Ländern sollte Hilfsgüter für Palästinenser in den von der Hamas regierten Gazastreifen bringen. Seit dem Vorfall befanden sich die einst engen türkisch-israelischen Beziehungen auf einem Tiefpunkt. Ankara verwies den israelischen Botschafter des Landes, setzte die militärische Zusammenarbeit mit Israel aus und verlangte eine förmliche Entschuldigung sowie ein Ende der Blockade des Gazastreifens. Israel verteidigt diese mit dem Argument, dass auf dem Seeweg Waffen an die Hamas gelangen könnten. Unter dem Druck der USA entschuldigte sich der israelische Regierungschef Benjamin Netanyahu Ende März 2013 bei seinem damaligen türkischen Kollegen Recep Tayyip Erdogan für den tödlichen Angriff. 2014 ordnete ein Gericht in Istanbul die Festnahme ehemaliger israelischer Generäle wegen des Angriffs auf die Mavi Marmara an. Im Oktober vergangenen Jahres strengte die Familie eines der zehn Todesopfer, das die US-Staatsbürgerschaft hatte, eine Klage gegen Ehud Barak an, der bei dem Angriff Israels Ministerpräsident und Verteidigungsminister war. Politologe fordert Schmerzensgeld wegen Äußerungen des türkischen Präsidenten. Istanbul – Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan, der für seine Beleidigungsklagen bekannt ist, sieht die eigenen Angriffe auf Kritiker durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Das geht aus einer Erwiderung von Erdoğans Anwalt auf eine Schmerzensgeldforderung gegen den Staatschef hervor, wie die Oppositionszeitung Cumhuriyet am Montag berichtete. Erdoğan hatte eine Gruppe von Akademikern, die in einem Aufruf das Vorgehen der türkischen Sicherheitskräfte gegen kurdische Rebellen kritisierten, als niederträchtig und ekelerregend bezeichnet und ihnen Komplizenschaft mit Terroristen vorgeworfen. Als einer der Betroffenen reichte der Politologe Baskin Oran darauf eine Zivilklage ein und verlangte umgerechnet rund 3.000 Euro Schmerzensgeld von Erdoğan. Laut Cumhuriyet verwies Erdoğans Anwalt Hüseyin Aydin auf die Rechtsprechung des türkischen Verfassungsgerichtes und des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs in Straßburg. Zudem seien Erdoğans Äußerungen nur an Terrorunterstützer gerichtet gewesen. Eine Entscheidung des zuständigen Gerichts über Orans Klage steht noch aus. In Istanbul hatte vergangene Woche ein Strafprozess gegen vier Unterzeichner des Akademiker-Appells begonnen. Die Angeklagten wurden für die Dauer des Verfahrens auf freien Fuß gesetzt. Kritiker werfen Erdoğan vor, das Recht auf freie Meinungsäußerung immer weiter einzuschränken. Seit seinem Amtsantritt als Präsident im Sommer 2014 sind fast 2.000 Strafverfahren wegen mutmaßlicher Beleidigung des Staatsoberhauptes eingeleitet worden. In Deutschland geht Erdoğan mit juristischen Mitteln gegen das Schmähgedicht des ZDF-Moderators Jan Böhmermann vor. Seit Monaten andauernde Rivalität mit Präsident Erdoğan wurde dem AKP-Regierungschef zu viel. Ankara/Athen – Der Herrscher und der Lehrer werden sie genannt. Tayyip Erdoğan ist der reîs, Ahmet Davutoğlu der hoca, weil er auch Professor ist und Bücher schrieb. Koch und Kellner wäre weniger schmeichelhaft. Aber Donnerstagnachmittag, an dem einem Bienenhaus gleich emsigen Sitz der türkischen Regierungspartei AKP in Ankara, gibt der Kellner seinen Hinauswurf selbst bekannt. Ahmet Davutoğlu, der türkische Regierungschef, ist nach nicht ganz zwei Jahren im Amt von Staatspräsident Erdoğan abserviert worden. Es hieß, ich wollte nicht ein Premier sein, der Treuhänder des Präsidenten ist. Ich habe mich zur Treuhandschaft verpflichtet. Aber ich habe auch dem Amt des Regierungschefs Geltung gegeben, sagt Davutoğlu im übervollen Presseraum. Die Kameras sind auf ihn gerichtet, die Sender übertragen live. Der 57-jährige Professor spricht mit belegter Stimme, verhaspelt sich immer wieder. Die Rivalität zwischen dem Staatspräsidenten, der das Regierungssystem der Türkei auf seine eigene Person zuschneidet, und dem Premier, der Premier sein wollte, ist zu groß geworden. Persönliche Entscheidung Nach tagelangen Spekulationen über einen Rücktritt gibt Davutoğlu einen Termin für einen Sonderparteitag der konservativ-islamischen AKP bekannt. Am 22. Mai, früher als bisher kolportiert, soll eine neue Führung bestimmt werden. Er werde nicht mehr Kandidat sein, sagt der Premier und Parteichef. Es ist die Formel, auf die sich Erdoğan und Davutoğlu geeinigt haben, um den Augenschein eines Rücktritts zu vermeiden. Ich wünsche ihm alles Gute, sagt der Präsident, es war die persönliche Entscheidung des Regierungschefs. Davutoğlu hat zu dem Zeitpunkt noch gar nicht mit seiner Rede begonnen. Loyalität bis ans Ende Die Einheit der Partei sei das Wichtigste, meine Loyalität gegenüber dem Präsidenten wird bis ans Ende dauern, beteuert der türkische Premier. In der ersten Reihe sitzen die Granden der Partei mit versteinerter Miene. Jeder weiß, was gespielt wird. Davutoğlu selbst nennt den Auslöser der Krise – wenn auch nur in vagen Worten -, die zu seinem Abgang führt: die Entscheidung im obersten Parteigremium am vergangenen Freitag, dem Parteichef das angestammte Recht zu nehmen, Führungspositionen der AKP auf lokaler Ebene zu besetzen. Der Rückzug sei nicht meine Wahl, sondern eine Notwendigkeit, erklärt Davutoğlu. Abdülkader Selvi, ein Kolumnist, der vor nicht allzu langer Zeit noch für das islamische BoulevardblatYeni Safak schrieb und mittlerweile beim regierungskritischen Massenblatt Hürriyet untergekommen ist, kolportierte aus AKP-Kreisen, was wirklich geschehen sein soll. Davutoğlu habe sich bei Erdoğan beklagt, dass die Parteifreunde Unterschriften für einen Parteitag sammelten mit dem Ziel, ihn, Davutoğlu, auszutauschen. Führer Erdoğan Natürlich, das ist normal, soll Erdoğan geantwortet haben, schließlich bin ich ihr Führer. Erdoğan hatte seinen langjährigen Außenminister und Berater Davutoğlu im August 2014, nach dem Wechsel ins Präsidentenamt, an die Spitze von Regierung und Partei gesetzt. Bald schon wurden aber Rivalitäten bei wichtigen Personalentscheidungen sichtbar. Davutoğlu überredete Geheimdienstchef Hakan Fidan, einen Erdoğan-Vertrauten, zur Kandidatur bei den regulären Parlamentswahlen im Juni 2015 und versprach ihm zweifellos ein wichtiges Ministeramt. Erdoğan pfiff Fidan zurück. Davutoğlu versuchte auch vergeblich, den langjährigen Minister und Erdoğan-Vertrauten Binali Yildirim zu verhindern. Der Präsident platzierte ihn in das neue Kabinett Davutoğlu nach den Wahlen vom November 2015. Yildirim gilt nun als einer der möglichen Nachfolger von Davutoğlu. Auch Erdoğans Schwiegersohn, der junge Energieminister Berat Albayrak, wird genannt. Sorgen in der EU Türkischer Premier Davutoğlu muss Platz machen. Bedeutet nicht viel Gutes für die EU-Türkei-Beziehung, twitterte am Donnerstag – nur Minuten nach dem Ende der Parteisitzung in Ankara – die Türkeiberichterstatterin im Europaparlament, die niederländische Sozialdemokratin Kati Piri. Eine neue Regierung könne Auswirkungen auf das Flüchtlingsabkommen haben, sagte Piri zuvor in einem Interview. Es sei noch zu früh, um Rückschlüsse zu ziehen, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Junge Frau muss elf Monate und 20 Tage ins Gefängnis. Istanbul – Eine Studentin ist in der westtürkischen Stadt Bursa einem Medienbericht zufolge wegen Beleidigung von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan zu knapp einem Jahr Haft verurteilt worden. Zusätzlich zu diesen elf Monaten und 20 Tagen Gefängnis habe die 23-Jährige eine Haftstrafe von drei Jahren und neun Monaten wegen Propaganda für die verbotene kurdische Arbeiterpartei PKK erhalten, meldete die Nachrichtenagentur DHA am Freitag. Die Verurteilte sei aus der Untersuchungshaft entlassen worden und bleibe bis zu einem Urteil des Berufungsgerichts auf freiem Fuß. Verurteilt wurde die Studentin wegen Inhalten, die sie über soziale Medien verbreitet hatte, wie DHA berichtete. Die 23-Jährige habe zur Verteidigung angegeben, diese Inhalte nicht verstanden zu haben, da sie auf Kurdisch gewesen seien. Um welche Inhalte es sich handelte, wurde nicht bekannt. Nach Angaben des türkischen Justizministeriums wurden seit Erdogans Wahl zum Staatsoberhaupt im August 2014 mehr als 1.800 Verfahren wegen Präsidentenbeleidigung eröffnet. Interne Splittergruppe der MHP will langjährigen Parteichef Bahceli stürzen und wieder vermehrt junge Wähler ansprechen. Ankara – In der ultra-rechten türkischen Partei MHP tobt ein Richtungskampf: Die Polizei hinderte am Sonntag eine Splittergruppe der Partei daran, in Ankara einen umstrittenen außerordentlichen Parteikongress abzuhalten. Dies sei angeblich auf Anordnung des Gouverneurs der Hauptstadt geschehen, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Gegner des langjährigen MHP-Chefs Devlet Bahceli wurden von Barrikaden und Wasserwerfern daran gehindert, sich in einem Hotel in Ankara zu treffen, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP beobachtete. Die Gruppe der parteiinternen Dissidenten möchte den 68-Jährigen nach schweren Wahlverlusten stürzen. Bahceli geht gerichtlich gegen seine Gegner vor, um so einen Parteikongress zu verhindern. Die MHP ist die viertgrößte Partei des Landes. Im November übersprangen die Ultrarechten nur knapp die 10-Prozent-Hürde für den Einzug ins Parlament – sie verloren die Hälfte ihrer bis dahin 80 Sitze. MHP-Chef Bahceli, der die Partei seit 19 Jahren führt, will erst 2018 den nächsten Parteikongress einberufen und offenbar bis dahin an der Spitze bleiben. Seine parteiinternen Gegner wollen den Kampf nicht aufgeben. Niemand sollte sich die Hände reiben, erklärten sie am Sonntag. Die Basis und nicht der Chef werde das letzte Wort haben. Die Parteirebellen um Ex-Innenministerin Meral Aksener sehen in einem Führungswechsel die Chance, wieder mehr junge Wähler aus dem national-konservativen Milieu zu gewinnen, die zur Regierungspartei von Präsident Recep Tayyip Erdogan gewechselt sind. Der Machtkampf in der MHP könnte sich auch im Fall von Neuwahlen auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament auswirken. Die regierende AKP strebt ein Referendum über eine Verfassungsänderung an, es fehlt ihr dafür aber derzeit die notwendige Mehrheit. Die türkische Regierung geht gegen prokurdische Oppositionsvertreter vor. Istanbul – Das türkische Parlament will am Freitag in entscheidender Abstimmung über den Entzug der Immunität von 138 der 550 Abgeordneten befinden. Das soll per befristeter Verfassungsänderung geschehen, die von der islamisch-konservativen Regierungspartei AKP angestrebt wird. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die prokurdische Oppositionspartei HDP, ihre Fraktion wäre am stärksten betroffen. Für eine Verfassungsänderung ist eine Zweidrittelmehrheit von 367 der 550 Abgeordneten notwendig. Bei einer 60-Prozent-Mehrheit (330 Stimmen) kann Präsident Recep Tayyip Erdoğan eine Volksbefragung einleiten, bei der eine einfache Mehrheit reicht. Erdoğan wirft den HDP-Abgeordneten vor, Sprachrohr der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Er hat dazu aufgerufen, ihre Immunität aufzuheben. Bereits bei der ersten Abstimmung am Dienstag stimmte eine breite Mehrheit für den Vorschlag. EU-Politiker haben das Vorgehen kritisiert. Erdogans Regime geht mit der Maßnahme vor allem gegen prokurdische Oppositionsvertreter vor. Ankara – Auf Betreiben von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat das türkische Parlament die Aufhebung der Immunität von mehr als einem Viertel der Abgeordneten beschlossen. Mehr als zwei Drittel der Parlamentarier stimmten am Freitag in Ankara für den umstrittenen Vorstoß von Erdogans islamisch-konservativer AKP. Der Schritt richtet sich vor allem gegen die pro-kurdische HDP. Erdogan wirft der HDP vor, der verlängerte Arm der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zu sein. Erdogan hatte ausdrücklich dazu aufgerufen, die Immunität der HDP-Abgeordneten aufzuheben, denen nun Festnahmen und Untersuchungshaft drohen könnten. Erdogan sprach am Freitag von einer historischen Abstimmung. Im Schwarzmeerort Rize sagte er vor jubelnden Anhängern: Mein Volk will in diesem Land keine schuldigen Parlamentarier in diesem Parlament sehen. Vor allem will es jene nicht im Parlament sehen, die von der separatistischen Terrororganisation (PKK) unterstützt werden. Nun seien die Gerichte am Zug. Nehmt sie und richtet über sie. Sie sollen den Preis, welchen auch immer, bezahlen. Die HDP hatte vor der Abstimmung angekündigt, notfalls bis zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu ziehen, um die Aufhebung der Immunität zu verhindern. HDP-Chef Selahattin Demirtas – dem die Immunität ebenfalls entzogen werden soll – hatte die AKP gewarnt: Wir werden nicht erlauben, dass Ihr über uns in Euren (von Euch) abhängigen Gerichten urteilt. Die einmalige Aufhebung der Immunität von 138 der 550 Abgeordneten geschieht über eine befristete Verfassungsänderung. Das Parlament beschloss mit der dafür erforderlichen Zweidrittelmehrheit, diesen Satz aus Artikel 83 auszusetzen: Ein Abgeordneter, der vor oder nach der Wahl eine Straftat begangen haben soll, darf nicht festgenommen, verhört, verhaftet oder vor Gericht gestellt werden, wenn die Versammlung nicht anderweitig entscheidet. Die Verfassungsänderung tritt erst mit der Veröffentlichung im Amtsanzeiger in Kraft. Dann ist der Weg für eine Strafverfolgung der 138 Abgeordneten frei. Die HDP befürchtet die Festnahme von Abgeordneten ihrer Fraktion, gegen die vor allem Terrorvorwürfe erhoben werden. Parlamentarier anderer Parteien sehen sich Anschuldigungen wie etwa Amtsmissbrauch ausgesetzt. Die 138 Abgeordneten, denen die Immunität entzogen werden soll, verteilen sich auf alle vier Parteien im Parlament: Nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu gehören 27 zur AKP (317 Sitze), 51 zur Mitte-Links-Partei CHP (133 Sitze), 50 zur pro-kurdischen HDP (59 Sitze) und neun zur ultrarechten MHP (40 Sitze). Betroffen ist außerdem die einzige parteilose Abgeordnete. Ihr Mandat können die Abgeordneten erst bei einer letztinstanzlichen Verurteilung verlieren. Da es keine Nachrücker in der Türkei gibt, verliert dann auch die Partei den Sitz. Sollten mindestens fünf Prozent der Sitze frei werden, was 28 Abgeordneten entspricht, muss nach der Verfassung in diesen Wahlbezirken nachgewählt werden. (APA, dpa, 20.5.2016) Regierungsumbildung unter neuem Premier – Wirtschaftsminister Simsek bleibt. Ankara/Istanbul – Lange getüftelt wurde nicht. Dienstagfrüh um 1.25 Uhr sitzt Binali Yıldırım in der Limousine und rollt hinauf zum Präsidentenpalast in Ankara. Der türkische Premier ist einbestellt worden, der Staatschef kurz vom UN-Gipfel in Istanbul zurückgekommen. Tayyip Erdoğan geht mit seinem Gefolgsmann Yıldırım die Liste des neuen Kabinetts durch. Dienstagvormittag verkündet der Erdoğan-Premier dann die Regierung Nummer 65 in der Geschichte der türkischen Republik. Die Märkte reagieren erleichtert. Denn der große Schock bleibt aus: Der Staatsminister für die Wirtschaft, Mehmet Şimşek, gehört auch dem neuen Kabinett an und behält den Rang eines Vizepremiers. Erdoğans Schwiegersohn Berat Albayrak tritt nicht an Şimşek Stelle oder wird – wie geunkt wurde – gar Außenminister. Auch Bulut Yiğit, der umstrittene nationalistisch-populistische Wirtschaftsberater des Präsidenten, zieht nicht in die Regierung ein. Die Rationalen bleiben, die Verschwörungstheoretiker werden nicht stärker, stellen regierungskritische Beobachter in der Türkei fest. Doch die neue Führung in Ankara ist gleichwohl noch enger bei Erdoğan. Dein Weg ist unser Weg, deine Mission ist unsere Mission, deine Liebe ist unsere Liebe, verkündet Premier Yıldırım: Das war gestern so, ist auch heute so und wird auch in Zukunft so bleiben. Mehr und mehr rückt der politische Diskurs im Land in Richtung Ein-Mann-Staat. Dabei hat der Staatschef seine Mitgliedschaft bei der konservativ-islamischen AKP ruhend stellen müssen. So verlangt es die Verfassung. In der Praxis ist es anders, wie Yıldırım ohne Umschweife verstehen ließ. Dass Erdoğan die Regierung zusammenstellte und nicht der Premier, galt als ausgemacht. Eine Akzentverschiebung gab es in der Außenpolitik: Zwar bleibt Mevlüt Çavusoglu Außenminister, EU-Minister und Beitritts-Unterhändler Volkan Bozkır fiel jedoch heraus. An seine Stelle rückt Ömer Çelik, bisher Sprecher der AKP. Er füllte einst das Amt des Kulturministers aus, als er dem liberalen Ertuğrul Günay folgte, der Erdogan zu kritisch geworden war. Die EU-Kommission in Brüssel wird sich bei der nun strittigen Visaliberalisierung und der weiteren Umsetzung des Flüchtlingsdeals wohl auf noch härtere Töne einstellen müssen. Das demonstrierte am Abend auch der Präsident selbst: Erdoğan sagte in seiner Rede beim NGO-Gipfel in Istanbul, ohne Fortschritte bei der Visaliberalisierung werde es auch keine Ratifizierung des Rücknahmeabkommens geben. 'Die rechtsgerichtete MHP hält den Schlüssel in der Hand für den weiteren Weg des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan. Ankara/Athen – Warum die Eile?, hatte der Parteichef noch vor kurzem gefragt, während die Flammen schon hochschlugen. Devlet Bahçeli, der verschlossene Führer der türkischen Rechtsnationalisten, sperrte sich lange gegen einen Sonderparteitag, für den vier Rivalen gemeinsam Stimmen gesammelt hatten. Man möge sich bis zum regulären Termin im März 2018 gedulden, erklärte der Vorsitzende. Nun hat ihn das oberste Berufungsgericht in der Türkei zur Abhaltung eines Sonderparteitags verdonnert. Keine Kleinigkeit: Die rechtsgerichtete MHP hält den Schlüssel in der Hand für den weiteren Weg des türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan. Bahçeli hat den Sonderparteitag für den 10. Juli angesetzt. Er werde nochmals für den Vorsitz kandidieren, ließ er trotzig verkünden. Seit bald 20 Jahren ist der Rechtsnationalist in diesem Amt. TV-Auftritte scheut er, als schlechter Redner ist der 68-Jährige bekannt. Doch im sektiererischen Milieu der türkischen Rechtsislamisten zählt grimmig zur Schau getragene Entschlossenheit. Bisher. Seit Bahçeli die Parlamentswahlen im Juni 2015 mitgewonnen und dann die durch sein Zutun zustande gekommenen Neuwahlen im November verloren hat, gilt er als Auslaufmodell. Mit Bahçeli an der Spitze – so sagen die Umfragen – kann die MHP wie im Herbst 2015 nur um die elf Prozent oder gar noch weniger erringen. Mit jedem Nachfolger, und vor allem mit der streitbaren Nationalistin Meral Aksener an der Spitze, erreiche die Partei deutlich mehr. Politische Beobachter in der Türkei sind sich einig, dass Staatschef Erdogan auf eine schwache MHP setzt: Die Wähler sind großteils ident mit jenen von Erdogans Partei AKP. Seine Präsidialverfassung könnte Erdogan allenfalls mit Stimmen der Bahçeli-MHP durchsetzen Angeblich mit Anti-Flugzeug-Raketen ausgestattet. Istanbul – Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan hat einer Zeitung zufolge Russland vorgeworfen, die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) mit Waffen zu versorgen. An die separatistische Terrororganisation seien Luftabwehrgeschosse und Raketen geliefert worden, sagte Erdoğan nach Angaben der Zeitung Sabah und anderer regierungsnaher Medien vom Montag. Die Waffen seien über den Irak und Syrien zur PKK gelangt. Erdoğan äußerte sich der Zeitung zufolge am Wochenende vor Journalisten während eines Fluges in die südöstliche Provinz Diyarbakir. Die türkische Regierung bestätigte die Äußerungen zunächst nicht. Die PKK kämpft seit drei Jahrzehnten im Südosten der Türkei gegen die Regierung in Ankara. Die Türkei betrachtet auch die Kämpfer der syrisch-kurdischen YPG-Miliz als Terroristen. Diese werden sowohl von Russland als auch den USA im Kampf gegen die Extremistenmiliz IS unterstützt. Der türkische Vize-Regierungschef Numan Kurtulmuş kritisierte am Montag, dass die Spezialkräfte der USA YPG-Abzeichen trügen. Dies sei unvereinbar mit der amerikanisch-türkischen Freundschaft. Vor etwa zwei Wochen war ein türkischer Kampfhubschrauber bei Gefechten mit der PKK in der Südosttürkei vermutlich abgeschossen worden. Die Armee hatte zunächst von einem technischen Defekt gesprochen. Später hatten die Streitkräfte eingeräumt, der Helikopter sei möglicherweise doch abgeschossen worden. Die PKK hatte ein Video veröffentlicht, das den Abschuss zeigen sollte. Bei dem Vorfall waren die beiden Piloten getötet worden. Die Beziehungen zwischen Moskau und Ankara sind seit dem Abschuss eines russischen Kampfjets im syrisch-türkischen Grenzgebiet durch die Türkei Ende November auf einem Tiefpunkt. Russland fordert eine Entschuldigung, die Erdoğan bisher verweigert. Die Premierminister Albaniens und Serbiens diskutierten in Wien mit NGO-Vertretern – Vučić: Brauchen von EU nicht Geld, sondern politische Unterstützung. Sie zeigten demonstrativ ihre neue Beziehung. Mein Freund Edi nannte der serbische Premierminister Aleksandar Vučić seinen albanischen Kollegen Rama bei der Diskussion mit Vertretern der Zivilgesellschaft aus Südosteuropa am Mittwochabend in der Ankerbrotfabrik im zehnten Wiener Gemeindefabrik. Die Veranstaltung, die von der Erste Stiftung organisiert wurde, war der Auftakt der Westbalkankonferenz, die am Donnerstag in Wien stattfindet. Und Freund Edi war so nett, dem Aleksandar den Vortritt bei der Beantwortung der Fragen zu überlassen. Nach einem Konzert des Jugendorchesters Superar stellten fünf Vertreter von NGOs, die sich an der Basis engagieren, ihre Projekte vor und richteten durchaus emotionale Worte an die Politiker. Aus Bosnien-Herzegowina war Außenminister Igor Crnadak vertreten, aus Montenegro Igor Lukšić. Larisa Suša aus dem bosnischen Gračanica war besonders klar: Wir werden euch sagen, was ihr tun sollt, und ihr werdet es tun. Doch am Ende dominierten die Politiker die Diskussion. Vučić referierte zunächst über die Wirtschaftsreformen und die Konsolidierung des Budgets in Serbien, während Rama darauf verwies, dass er ohnehin täglich mit der Zivilgesellschaft in Kontakt sei. Er verwies darauf, dass es mehr Engagement der EU auf dem Balkan brauche, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Er schlug etwa vor, dass Deutschland die Berufsschulen in Albanien unterstützen solle. Albanien hat zwar den EU-Kandidatenstatus, kann aber noch keine Verhandlungen beginnen. Rama: Den Kandidatenstatus zu haben ist in etwa so, als wenn man heiraten wollen würde, aber noch niemanden gefunden hat, der einen heiraten will. Der montenegrinische Außenminister Lukšić meinte, dass Montenegro immerhin so etwas eine Liebesaffäre mit der EU habe, da es bereits die Verhandlungen begonnen habe. Die die Staaten müssten sich jedenfalls mehr auf eine freie Wirtschaft konzentrieren. Sein bosnischer Kollege Crnadak konzentrierte sich auf das Korruptionsproblem und regte an – nach der Idee von Vučić –, etwas Gemeinsames in der Region zu finden, das man zelebrieren könne. An EU-Erweiterungsverhandlungen-Kommissar Johannes Hahn ging die Frage, ob der Juncker-Plan zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit auch auf die Nicht-EU-Staaten in Südosteuropa ausgeweitet werden könne. Dieser sagte zu, dass es zumindest Möglichkeiten für auf dem Balkan aktive Unternehmer geben soll, vom Juncker-Plan zu profitieren. Ardian Hackaj vom Institut Shtetiweb aus Tirana schlug vor, eine staatenübergreifende Kommission von Experten zu gründen, damit die südosteuropäischen Länder die Reindustrialisierung der Region gemeinsam fördern, die Produktion ankurbeln und nicht nur die Märkte öffnen können. Die Vertreter der Zivilgesellschaft kritisierten auch die mangelnde Medienfreiheit in Südosteuropa, etwa dass die Eigentümer der Medien nicht einmal bekannt sind. Rama forderte finanzielle Unterstützung von der EU. Wir sind keine Jesus-Region, sondern eine Thomas-Region. Wir glauben Sachen erst, wenn wir sie angreifen können. Nach den blumigen Worten des albanischen Premiers meinte Vučić ziemlich trocken, dass er kein guter Redner sei. Er sagte zu Hahn: Wir brauchen nicht euer Geld. Wir haben genügend Geld. Ich habe kein Geld verlangt für die Flüchtlinge in Serbien, aber wir brauchen eure politische Unterstützung. Er werde nicht versuchen, irgendjemandem zu gefallen, sein Job sei, ein gutes Umfeld für die Wirtschaft zu kreieren und die Einstellungen der Leute zu ändern. Viele leben noch immer mit der Einstellung des Sozialismus, wo die Regierung für jeden einen Job suchen sollte. Vučić forderte die Vertreter der Zivilgesellschaft auf, Vorschläge zu machen, wie man die Wirtschaft verbessern könne. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel fordert, dass chancenlose Asylwerber vom Balkan ein schnelles Verfahren bekommen. Der Westbalkan spielte beim Westbalkangipfel am Ende kaum mehr eine Rolle. Dominiert wurde das Treffen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel mit Kanzler Werner Faymann, der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und den Regierungschefs der südosteuropäischen Staaten vom Flüchtlingsthema. Merkel zeigte sich über den Tod der Flüchtlinge in Österreich erschüttert und meinte, man müsse das Thema schnell angehen. Wir haben mehr Flüchtlinge auf der Welt als jemals seit dem Zweiten Weltkrieg. Aus eigener historischer Erfahrung sei es ihr wichtig, jenen Schutz zu geben, die in einer ausweglosen Situation sind. Merkel sagte weiter, dass man die Flüchtlinge nicht nach Griechenland, Serbien oder Mazedonien zurückschicken könne und es auch nicht sinnvoll sei, sie nach Ungarn abzuschieben. Es habe sich gezeigt, dass das Dublin-Abkommen nicht funktioniere. Man müsse aber sowohl jenen, die eine hohe, als auch jenen, die eine niedrige Anerkennungsquote haben, schnelle Verfahren geben. Leute vom Westbalkan, die um Asyl ansuchen, haben praktisch keine Chance, einen positiven Bescheid zu bekommen. Diese könne man großteils nach Hause schicken, so Merkel. Sowohl Faymann als auch Merkel und Mogherini sprachen sich für faire Quoten aus. Faymann meinte, man müsse jene EU-Staaten überzeugen, die zurzeit wenige Flüchtlinge unterbringen. Mogherini sprach sich auch für eine EU-weite Liste an sicheren Herkunftsländern aus. Für Südosteuropa wurde am Donnerstag ein regionales Jugendwerk aus der Taufe gehoben. Jugendlichen aus der Region soll damit die Möglichkeit eröffnet werden – analog zum französisch-deutschen Vorbild nach dem Zweiten Weltkrieg –, einander zu treffen und sich auszutauschen. Südosteuropa-Experte Florian Bieber spricht von einer Initiative mit Potenzial. Auf politischer Ebene bedeutend ist auch die von Westbalkanstaaten-Vertretern unterschriebene Deklaration, dass man sich künftig nicht gegenseitig auf dem Weg in die EU blockieren werde. Das ist erstmals ein klares Commitment, sagte Bieber. Die Staaten müssen nun jährlich über die Fortschritte in diesem Bereich berichten. Angeregt wurde auch ein EU-Koordinator für die offenen bilateralen Konflikte. Ohne das Engagement der EU würden diese Konflikte auf dem Balkan nämlich nicht gelöst, so Bieber. Weil es aber auch offene Probleme zwischen EU- und Nicht-EU-Staaten gibt, fordert Bieber auch mehr Engagement von EU-Staaten. Der Namensstreit zwischen Griechenland und Mazedonien kann nicht von der Uno gelöst werden. Als positiv erachtet der Leiter des Südosteuropa-Zentrums der Uni Graz, dass im Vorfeld des Gipfels Druck entstanden sei, Probleme zu lösen. Der Gipfel hat als Zielpunkt eine Dynamik ausgelöst. Wichtigstes Beispiel ist das Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo zu dem Verband serbischer Gemeinden im Norden. Auf die Frage, wann Serbien nun mit den Beitrittsverhandlungen beginnen könne, sagte Merkel in der Hofburg, dass sie noch kein Datum nennen könne, aber dass Serbien durch die Einigung mit dem Kosovo den Verhandlungen ein bedeutendes Stück nähergekommen sei. Sie zwinkerte dem serbischen Premier Aleksandar Vučić lobend zu, als Mogherini über das Abkommen sprach. Dieser sprach stellvertretend für alle anwesenden Premierminister (Bosnien-Herzegowina, Kosovo, Albanien, Mazedonien) und betonte, dass neben der wirtschaftlichen Entwicklung die Änderung der Einstellungen auf dem Balkan die Hauptaufgabe sei. Es gehe darum, nicht mehr Spiele zu spielen und die Haltung zu ändern, dass der Staat für alles zuständig sei. Wir sehen die EU nicht als Bankomat, sondern als eine Organisation, die Werte vertritt, die wir teilen, so Vučić. Thema der Westbalkankonferenz war auch die Infrastruktur. So soll künftig die Autobahn Serbien über den Kosovo mit Albanien verbinden. Der Ausbau des fehlenden Stücks wird von der EU unterstützt. Der frühere Hohe Repräsentant in Bosnien-Herzegowina, Wolfgang Petritsch, begrüßte die Initiative, monierte aber, dass man letztlich mehr Geld in die Region hineinpumpen müsse. Er forderte auch ein rasches Follow-up der Konferenz, eine panregionale Initiative, um eine bessere Koordination im Flüchtlingsbereich zu ermöglichen. Die EU muss mit dem UN-Flüchtlingshochkommissariat und den Nicht-EU-Staaten besser kooperieren, sagte Petritsch. Lokalwahlen insgesamt "fair und ruhig" – Kriminelle traten als Kandidaten an – Opposition in der Krise. Es waren die ersten Wahlen, seit Albanien den EU-Kandidatenstatus innehat. Die internationale Beobachtermission der OSZE/ODIHR kritisierte die Politisierung der öffentlichen Institutionen, die den Wahlprozess unterminieren. Die Leiterin der Mission Audrey Glover nannte etwa namentlich die zentrale Wahlkommission. Doch insgesamt wurden die Wahlen als ruhig und fair beurteilt. Die EU gratulierte den albanischen Bürgern und mahnte, man solle den Empfehlungen der Beobachtermission folgen. Die NGO Koalition für freie Wahlen und nachhaltige Demokratie stellte keine signifikanten Irregularitäten oder Wahlfälschungen fest. In vier Prozent der Fälle kam es vor, dass Wähler, die auf der Liste waren, trotzdem nicht zur Wahl zugelassen wurden, in drei Prozent konnten Leute wählen, obwohl sie nicht auf den Listen standen. Für albanische Verhältnisse ist das ein Erfolg. Manche Wähler machten mit ihren Handys Fotos von den Wahlzetteln, die sie später der betreffenden Partei als Beweis für ihre Loyalität vorwiesen. Eigentlich ist es in Albanien deshalb verboten, Taschen in die Wahlzelle mitzunehmen. Mancherorts standen auch Partei-Leute direkt vor den Wahlzentren und winkten mit Geldscheinen. Doch immerhin: Es kam zu keiner Gewalt. Und insofern werden die Lokalwahlen vom Sonntag von der internationalen Gemeinschaft positiv beurteilt. Die Kandidatur von offensichtlich Kriminellen bei den Bürgermeisterwahlen wurde bereits im Vorfeld diskutiert – schadete diesen aber nicht. Die Plattform Balkan Insight (BI) veröffentlichte die Namen von drei Personen, die wegen krimineller Aktivitäten verhaftet worden waren. Dazu gehören die zwei sozialistischen Bürgermeisterkandidaten Artur Bushi und Elvis Rroshi, die für Kruja und Kavaja kandidierten. Bushi wurde etwa 2010 in Italien verhaftet und verdächtigt, Mitglied einer kriminellen Bande zu sein, die Kokainhandel betreibt. Bushi und Rroshi wurden übrigens am Sonntag zu Bürgermeistern gewählt. Eigentlich haben die beiden großen Parteienblöcke 2014 vereinbart, dass Personen mit kriminellem Hintergrund keine öffentlichen Posten einnehmen sollten. Die Demokratische Partei zog schließlich noch vor der Wahl den Kandidaten Gentian Muhameti zurück, der wegen Drogenhandels in Italien verurteilt worden war. Das Problem ist, dass sich die Parteien zuweilen auf Kriminelle stützen, weil diese Geld und Einfluss haben, um für ausreichend Wählerstimmen zu sorgen. Auch die Zusammenstellung der Wahllisten sorgte wieder einmal für Konflikte. Die Staatsanwaltschaft verlangte etwa die Rücknahme von 2.800 Namen auf der Wahlliste von Durres, nachdem veröffentlicht worden war, dass der Bürgermeister diese Leute, die gar nicht in Durres wohnen, über private Firmen registrieren hatte lassen. Die Opposition kritisierte, dass in der Hafenstadt vor der Wahl plötzlich sieben Mal mehr Leute gemeldet waren als in den zwei Jahren davor. Premier Edi Rama erklärte, dass die Wahl wiederholt werden sollte, wenn der sozialistische Kandidat weniger als 2.000 Stimmen Vorsprung haben sollte – was nicht der Fall war. Auch der Druck auf Journalisten wurden während des Wahlkampfs wieder einmal offenbar. So wies der Bürgermeister von Elbasan, Qazim Sejdini, ein Sozialist, Journalisten kürzlich darauf hin, dass sie oft vergessen, dass sie einen Job haben und dass sie mit ihrem Mund und ihrer Kamera die Interessen ihrer Eigentümer beschädigen. In Südosteuropa werden viele Parteien nur gewählt, weil die Leute Angst haben, ihre Jobs zu verlieren. Für Lulzim Basha, den Vorsitzenden der Demokratischen Partei (PD) in Albanien, dürfte es hingegen nach der Niederlage schwer werden, seinen Posten zu behalten. Basha, der in den vergangenen Jahren auch Bürgermeister in Tirana war, konnte sich nicht vom alten Paten der Partei, Sali Berisha, lösen. Dieser funkte dauernd hinein. Basha stand in seinem Schatten – und dieser ist lang. Intern wird in der DP nun über einen Neuanfang diskutiert – und darüber, wie man sich aus der Ära Berisha, die auch mit Korruption und Autoritarismus verbunden wird, distanzieren kann. Opposition verlor auch im Norden Die PD verlor am Sonntag nicht nur den Bürgermeisterposten von Tirana an die Sozialisten – neuer Stadtchef wird Erion Veliaj. Nach letztem Stand gingen 46 der 61 Bürgermeisterämter an die auch auf Staatsebene regierende Linkskoalition, nur 15 konnte die Rechtskoalition gewinnen. Außer der traditionell katholischen und konservativen Stadt Shkodra im Norden sind die Gemeinden, die der DP blieben, ökonomisch wie politisch unwichtig. Einzige Ausnahme im traditionell linken Süden ist Permet. Dort konnten die Demokraten offensichtlich deshalb gewinnen, weil sie einen ehemaligen Sozialisten an die Spitze setzten. Ansonsten konnte die Linkskoalition in allen wichtigen großen Städten wie Tirana, Durres, Korca, Elbasan und Vlora gewinnen. Konsequenz aus "Indiskretionen" bei deutschem NSA-Untersuchungsausschuss. Berlin - Die US-Geheimdienste haben laut einem Zeitungsbericht eine wichtige Kooperation mit dem deutschen Bundesnachrichtendienst (BND) auf Eis gelegt, bei der es um den Schutz von Bundeswehrsoldaten im nordirakischen Erbil vor Anschlägen ging. Auslöser seien die jüngsten Indiskretionen, schrieb die Bild-Zeitung (Mittwochsausgabe) unter Berufung auf informierte Kreise. Weil aus dem NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags immer wieder geheime Informationen öffentlich würden, überprüften die US-Dienste ihre Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Bundeswehr ist mit bis zu hundert Mann im kurdischen Teil des Irak, um kurdische Kämpfer an deutschen Waffen für den Kampf gegen die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) auszubilden. Der BND baue in Erbil ein System zum Schutz der deutschen Soldaten auf, berichtete die Bild. Dabei sei es auch wichtig, Kommunikation und Truppenbewegungen der Islamisten zu überwachen. Die Technologie sollte dem Bericht zufolge wie auch schon beim Afghanistan-Einsatz aus den USA kommen. Es geht dabei um Dinge, die man nicht von der Stange kaufen kann, zitierte Bild einen Geheimdienstmitarbeiter. Bereits vor mehreren Wochen habe der BND ein Ersuchen um technische Zusammenarbeit an die USA übermittelt. Doch auf eine Zusage warte er bis heute. Das ist irritierend, erklärte ein Geheimdienstmitarbeiter laut Bild. Ein US-Geheimdienstmitarbeiter sagte der Zeitung: Es geht um Hochleistungstechnik zur elektronischen Aufklärung. Auf unserer Seite besteht die Sorge, dass solche Hardware Teil des deutschen Untersuchungsausschusses werden könnte. Solange dieses Risiko bestehe, scheine es schwer vorstellbar, dass wir sensible Technologie zur Verfügung stellen. Für die deutschen Soldaten im Einsatz kann die angeforderte Technologie dem Bericht zufolge überlebenswichtig sein. Ohne die Technik der Amerikaner, heißt es laut Bild aus deutschen Sicherheitskreisen, sind wir da blind. Der parlamentarische Untersuchungsausschuss des Deutschen Bundestags befasst sich seit mehr als einem Jahr mit den Ausspäh-Aktivitäten des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland. Kramp-Karrenbauer setzt Homosexuellenehe in eine Reihe mit Inzucht und Vielehe. Berlin - In Deutschland hat die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) mit ihren Äußerungen zur Homo-Ehe einen Sturm der Entrüstung bei SPD, Linken und Grünen ausgelöst. Wenn Kramp-Karrenbauer die Eheöffnung für Homosexuelle in eine Reihe mit Inzucht und Vielehe setze, sei dies eine grobe Entgleisung, erklärte der SPD-Politiker, Johannes Kahrs, am Mittwoch in Berlin. Kramp-Karrenbauer begebe sich mit ihren Äußerungen in zutiefst homophobe und menschenfeindliche Fahrwasser und verlasse den politisch statthaften Diskurs. Sie sollte sich bei den Bürgern entschuldigen, forderte der SPD-Beauftragte für die Belange von Lesben und Schwulen, Kahrs. Die Union ist argumentativ in puncto Gleichstellung am Nullpunkt angelangt, kritisierte der Linken-Abgeordnete Harald Petzold. Mit obskuren Statements und schrillen Tönen wird versucht, ein Horrorszenario an die Wand zu malen. Er bezog sich dabei sowohl auf Kramp-Karrenbauer als auch die CDU-Abgeordnete Erika Steinbach. Sie hatte mit Blick auf Befürworter der Gleichstellung von militanten Homoaktivisten gesprochen. Wenn man keine Argumente hat, beschwört man absurde Folgen, kritisierte der Grünen-Abgeordnete Volker Beck in einer Erklärung. Von Verwandtenaffären habe er bisher nur in der CSU gehört. Deshalb sollten wir bitte wieder sachlich werden, bevor es verletzend wird. Zuvor hatte Kramp-Karrenbauer der Saarbrücker Zeitung gesagt, es gebe in der Bundesrepublik bisher eine klare Definition der Ehe als Gemeinschaft von Mann und Frau. Wenn wir diese Definition öffnen in eine auf Dauer angelegte Verantwortungspartnerschaft zweier erwachsener Menschen, sind andere Forderungen nicht auszuschließen: etwa eine Heirat unter engen Verwandten oder von mehr als zwei Menschen, sagte die CDU-Politikerin. Die Debatte über die Homo-Ehe war nach dem Ja der Iren bei einem Referendum neu entbrannt. Eine völlige Gleichstellung lehnt die Union ab, allerdings hat das Bundeskabinett in der vergangenen Woche eine Reihe von Neuregelungen zugunsten gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften beschlossen, die bestehende Nachteile gegenüber Ehepartnern beseitigen. Kein Schnaps und brav Dixi-Klos benützen: Die Gegner des G7-Gipfels haben ihr Protestcamp in Garmisch nun doch mit einigen Auflagen errichten dürfen. Was gibts in Bayern zum Mittagessen? Na? Simon lacht, der Schweiß rinnt ihm aus den Rastalocken. Gulasch natürlich. Bei uns allerdings mit Geschnetzeltem aus Tofu. Für den 30-Jährigen aus Thüringen ist der Tag noch heißer als für andere. Er hat sich im Widerstandscamp gegen den G7-Gipfel für die Volksküche gemeldet und kocht bei 30 Grad unter freiem Himmel. Ich möchte den Leuten hier im wahrsten Sinne des Wortes Kraft geben, damit sie gegen dieses Gipfeltreffen protestieren können, sagt er und deutet auf ein großes Transparent. G7 Gipfel ist geschmacklos, darum kochen wir für Euch, steht darauf. Er findet es einfach nicht in Ordnung, dass sich da sieben Leute treffen, die keiner gewählt hat, und Weltpolitik bestimmen können. Deshalb hat er seine Isomatte eingepackt und ist ins Camp gekommen. Dieses steht dem Domizil für die Staats- und Regierungschefs von Deutschland, Japan, USA, Kanada, Frankreich, Italien und Großbritannien zwar in puncto Komfort um einiges nach - die Herrschaften residieren schließlich im rund 20 Kilometer entfernten Schloss Elmau. Doch auch das Camp des Aktionsbündnisses Stopp G7 Elmau auf einer baumlosen und daher äußerst heißen Wiese hat mittlerweile einige Bekanntheit erreicht. Die Verwaltung von Garmisch-Partenkirchen genehmigte es zunächst nicht und argumentierte mit fehlendem Hochwasserschutz. Doch das Verwaltungsgericht München hob die Entscheidung auf, und so wurde es am Freitag auf der Wiese stündlich voller und bunter. Nicht nur kleine Zelte wurden aufgebaut, auch Fahnen und Transparente zogen ein. So blickt Che Guevara entrückt in die bayerische Bergwelt, ein A im Kreis flattert zu Gitarrenklängen im heißen Wind. Doch Anarchie herrscht hier beileibe nicht. Die Camper müssen schon einige Regeln einhalten. Es gibt keinen Schnaps, kleinere und größere Geschäfte werden in Dixi-Klos erledigt, nicht in der schönen Natur. Das Gesundheitsamt war auch schon da und hat kontrolliert, ob es ordnungsgemäße Waschgelegenheiten gibt, auf dass nicht das nahe gelegene (allerdings sehr kalte) Flüsschen Partnach herhalten muss. Alles fein und friedlich hier, sagt Adrian, als er durch das Camp führt und nicht ohne stolz erklärt, dass sich im Camp auch unsere eigenen Sanitäter und Rechtsanwälte befinden. Ich hoffe, es bleibt so ruhig, sagt Melanie, die aus Berlin angereist ist. Sie war 2007 schon beim G8-Gipfel in Heiligendamm an der Ostsee dabei. Um Entwicklungshilfe hat man sich dabei nicht gekümmert, lautet ihre Kritik. Deshalb will sie heute, Samstag, auf der zentralen großen Demo gegen das Treffen durch den Ort marschieren. Im Camp haben wir keine Angst vor Randalierern. Die kommen hier nicht rein, erklärt die Soziologiestudentin. Aber uns besorgt schon, dass jemand die Demo missbraucht. Gewaltsamer Protest fällt ja leider auf alle Demonstranten zurück. Mike aus dem nahen München sieht es genauso, aber dennoch stört ihn die massive Polizeipräsenz: Man kann ja keinen Schritt tun, ohne auf Polizei zu stoßen. Er hätte eine viel bessere Verwendungsmöglichkeit für die vielen Einsatzkräfte: Sie sollten lieber im Mittelmeer Flüchtlinge retten. Über das massive Polizeiaufgebot spottet selbst EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker: Ich werde am Sonntag am G7-Treffen in Bayern teilnehmen, wenn mich die bayerische Polizei nicht daran hindert, das Hotel zu erreichen. Gastgeberin Angela Merkel aber verteidigt den großen Aufwand und erklärt, irgendwo müsse man sich ja mal zusammensetzen und reden können: Wir haben in der Geschichte Europas gesehen, wohin es geführt hat, wenn nicht gesprochen wurde. Alles ruhig, vermeldet die Polizei am Freitag in Garmisch. Ihr gelang im Zuge ihres G-7-Einsatzes schon jede Menge Beifang. Sie stellte bei Kontrollen rund 6600 Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz fest, wies an den Grenzen mehr als 350 Personen zurück, erwischte 118 Personen mit Drogen und 59 Personen, gegen die ein Haftbefehl vorlag. Allerdings räumt auch die Polizei ein, dass die Anspannung vor der Ankunft der Gäste am Sonntag wächst. Die Ruhe in Person ist hingegen Merkel. Noch bevor ein einziger ihrer hohen Gäste einen Fuß ins Schlosshotel gesetzt hat, schraubte sie schon die Erwartungen an das Treffen herunter: Man kann von einem Sonntag und einem Montag in Elmau nicht die Lösung aller Konflikte erwarten. (Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirchen, 6.6.2015) Hunderte Gegner des G-7-Gipfels sind zu einer Kundgebung in Garmisch-Partenkirchen zusammengekommen. Garmisch-Partenkirchen/Elmau - Hunderte Gegner des G-7-Gipfels sind am Samstag zu Mittag zu einer Kundgebung vor dem Bahnhof in Garmisch-Partenkirchen zusammengekommen. Nach Angaben des Aktionsbündnisses Stop G-7 Elmau waren es 1.000. Außerdem seien rund 2.000 Demonstranten vom Protestcamp am Ortsrand auf dem Weg zum Bahnhofsvorplatz. Auf Schildern war zu lesen: Kein intelligentes Volk verkauft seine Demokratie und Rettet die Umwelt vor der Profitwirtschaft. Für Unmut sorgte das massive Polizeiaufgebot am Rande der Kundgebung. Um 14 Uhr soll ein Demonstrationszug Richtung Mittenwald starten und schließlich zurück zum Ausgangsort kommen, wo von 17 Uhr an eine Abschlusskundgebung geplant ist. Am Sonntag und Montag treffen sich die Staats- und Regierungschefs sieben wichtiger Industrienationen auf Schloss Elmau. G-7-Gegner unterwegs. Viel Polizei und eine friedliche Demonstration. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich etwa 3.600 Menschen, nach Angaben des Protestbündnisses Stop G7 Elmau sind es 5000 Teilnehmer. Unsere Korrespondentin Birgit Baumann ist vor Ort und versorgt uns mit Eindrücken und Bildern. Am Sonntag, dem Auftakt des G-7-Gipfels, ist ein weiterer Protestmarsch Richtung Elmau geplant. In direkte Nähe zum Schloss werden - wenn überhaupt - aber nur wenige Demonstranten gelassen. Bei der Demonstration gegen den G7-Gipfel kam es auch zu Rangeleien mit der Polizei, Mehrheit der Demonstranten blieb friedlich. Also das war so: Der Edmund aus Murnau, unweit von Garmisch-Partenkirchen, hat vor ein paar Wochen seiner Frau zugeschaut, wie sie die Osterdeko wieder wegräumen wollte. Da waren zwei prächtige Hähne dabei, und da ist dem Ehepaar eine Idee gekommen. Hut gebastelt, Hähne draufgesteckt, und so stehen sie jetzt an diesem Samstag in der Hitze vor dem Bahnhof von Garmisch-Partenkirchen, um bei der Demonstration gegen den G-7-Gipfel mitzumarschieren. Ich protestierte gegen Massentierhaltung und gegen das Handelsabkommen TTIP, weil da werden die Standards noch einmal heruntergedrückt, erklärt Edmund. Der Schweiß rinnt ihm herunter - so wie allen anderen auch. Demonstranten, Organisatoren vom Aktionsbündnis Stop G7 Elmau, Polizisten, Journalisten, sie alle leiden unter der enormen Hitze. Aber demotechnisch, verrät ein Polizist, ist diese nicht schlecht. Wenn es ganz heiß oder ganz kalt ist, dann steigt die Chance, dass der Protest friedlich bleibt. Mittelwarm hingegen sei schlecht. Denn das ist die große Frage, die Garmisch-Partenkirchen seit Wochen umtreibt: Wird der Protest friedlich bleiben? In München, am Fronleichnamstag, war es so gewesen. 35.000 Menschen waren gekommen. Doch jetzt in Garmisch ist die Szene anders. Viele linke und revolutionäre Gruppen sind angereist und sammeln sich vor dem Bahnhof. Hoch die internationale Solidarität! skandieren viele schon mal, um sich noch wärmer zu laufen. Immer wieder gehen Gruppen von Polizisten in Kampfmontur durch die Menge. Den Organisatoren stinkt das gewaltig. Wir halten uns an alle Auflagen, also bitten wir jetzt die Polizei die Demo zu verlassen, verkünden sie via Lautsprecher. Es funktioniert. Ich bin auch hergekommen, um gegen diese Polizeimaßnahmen zu demonstrieren, sagt eine Rentnerin, Wir sind doch hier ein friedlicher kleiner Landkreis, das ist ein Wahnsinn. Außerdem fühlt sie sich als Stimme des Volkes: Wenn wir nicht zeigen, dass wir gegen den Gipfel sind, dann kriegen das Merkel und Obama ja gar nicht mit. Ihr Ehemann hätte sogar eine Botschaft an US-Präsident Barack Obama: Yes you could, but you did not. Den Friedensnobelpreis habe der US-Präsident bekommen, sagt er, und was sehe man heute wenn man auf die Weltkarte blicke: Mehr Konflikte denn je, und jetzt mit der Ukraine sogar vor unserer Haustüre. Sie steht aufrecht in der Hitze des frühen Nachmittags und blickt energisch auf die vielen Polizisten, deren Präsenz für herrlich ungewohnte Bilder sorgt. Wann sonst sieht man so viele Uniformierte vor der Mutter Gottes, die überlebensgroß und samt Jesukind, von einer Hauswand grüßt. Andere und Jüngere haben schon aufgegeben. Matt liegen viele schwarz Gekleidete am Rande der Straße im Schatten und warten, dass es endlich los geht. Dass es nicht zur vereinbarten Uhrzeit losgeht, liegt an zu großen Transparenten. Das bayerische Polizeigesetz erlaubt sie nur in einer bestimmten Größe. Viele aber überschreiten die angegebenen Maße deutlich. Das Organisationsteam und die Polizei verhandeln hektisch, man merkt jedoch auf beiden Seiten das Bemühen zur Deeskalation. Dann endlich ist alles geklärt, der Zug startet. Seid laut, seid entschlossen! werden die Demonstranten von den Organisatoren aufgefordert. Langsam zieht der Tross los, von 3.600 Teilnehmern spricht die Polizei, 5.000 wollen die Organisatoren gezählt haben. Sie ziehen vorbei an der Konditorei, dem Eissalon, dem Gästehaus Zufriedenheit, auch am Sportgeschäft der beiden bayerischen Schilegenden Rosi Mittermaier und Christian Neureuther.Hinter den Gartenzäunen, auf gepflegtem Gras und zwischen prächtigen Pfingstrosen, stehen die Einheimischen und schauen dem Spektakel zu. Manche sind fasziniert (gut, dass es Leute gibt, die sich engagieren), manche entsetzt (so viel Polizei für ein paar laute Demonstranten, was das kostet). Einmal mehr wird der Aufruf des Aktionsbündnisses verlesen: * Weg mit den Freihandelsabkommen TTIP, TISA und CETA - die Welt ist keine Ware. * Gegen Militarisierung und Krieg - Schluss mit den Kriegen der NATO-Staaten. * Grenzen auf für alle Menschen - Solidarität mit den Migrant*innen und Flüchtenden. * Stoppt die Ausbeutung von Mensch und Natur - Entzieht die natürlichen Lebensgrundlagen der Profitwirtschaft. * Gegen den sozialen Kahlschlag - Die Konzerne sollen ihre Krise selbst bezahlen. * Stopp watching us - Gegen Überwachungsstaat und den Abba demokratischer Rechte. Es wird geklatscht, gesungen und gepfiffen.Ist eh nichts anderes als bei einem Länderspiel, sagt ein Polizist zum anderen. Zunächst bleibt auch alles friedlich - selbst im berüchtigten schwarzen Block, den es so offiziell ja gar nicht gibt. Aber natürlich marschieren an einer Stelle auffällig viele schwarz gekleidete junge Menschen mit Sonnenbrillen und Kapuzenjacken. Manchmal ziehen sich noch schwarze Tücher über die untere Gesichtshälfte. Dann kommt sofort die Aufforderung der Polizei, diese wieder abzunehmen. Eigentlich hätten wir sie sofort rausziehen können, weil das ja schon ein Verstoß gegen das Vermummungsverbot war, sagt Polizeisprecher Peter Grießer zum Standard, aber wir wollten den Ball auch flach halten. Nach drei Stunden kommt es doch zu ersten Auseinandersetzungen. Demonstranten zünden eine Nebelrakete und versuchen auszuscheren. Doch die Polizei geht sofort mit Pfefferspray dazwischen. Ein Polizist und eine Demonstrantin werden verletzt, die Polizei widerspricht der Darstellung der Gipfelgegner, sie habe auch Schlagstöcke verwendet. Feuerlöschpulver auf Polizisten sprühen und Flaschenwerfen ist NICHT friedlich und GEHT GAR NICHT, twittert die Polizei danach. Und das alles passiert, während noch kein einziger G-7-Staats- oder Regierungschef den bayerischen Boden betreten hat. Diese kamen erst Samstagabend und am Sonntag an und werden dann - je nach Wetterlage - mit Limousinen oder per Helikopter vom 100 Kilometer entfernten München ins Luxus-Schloss Elmau gebracht. Die eigentlich für Sonntag geplante Mini-Demonstration, in deren Rahmen 50 G-7-Gipfelgegner in der Nähe des Schlosses protestieren hätten dürfen, wurde am Samstag vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof untersagt: Die Aktivisten hätten es abgelehnt, in Polizeifahrzeugen hingebracht zu werden, und einen Fußmarsch ließen die Richter wegen unmittelbarer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit nicht zu. (Birgit Baumann aus Garmisch-Partenkirchen, 6.6.2015) Dateien aus Outlook-Programmen von Abgeordneten abgegriffen. Hamburg – Bei ihrem Spähangriff auf das Computernetz des Deutschen Bundestags haben die unbekannten Täter einem Medienbericht zufolge offenbar auch große Mengen vertraulicher E-Mails von Abgeordneten erbeutet. Das berichtete das Portal Spiegel Online am Donnerstag unter Berufung auf mehrere mit dem Fall vertraute Quellen. Die Hacker, die vermutlich mithilfe eines in einer E-Mail versteckten Trojaners in das deutsche Bundestagsnetz Parlakom eingedrungen seien, hätten nach bisherigen Erkenntnissen Daten in einer Größenordnung von rund 16 Gigabyte abgezweigt. Die Angriffe richteten sich demnach gegen mindestens 15 Abgeordneten-Büros. Nach Informationen von Spiegel Online ist es den Hackern gelungen, von mehreren Parlamentsrechnern sogenannte Personal Store-Dateien (PST) zu stehlen. Dabei handle es sich um digitale Archive des E-Mail-Programms Outlook, in denen unter anderem eingegangene und gesendete Nachrichten gespeichert sind. Zudem suchten die Hacker dem Bericht zufolge offenbar gezielt nach internen Adressverzeichnissen, Terminkalendern und aktuellen Office-Dokumenten von Bundestagsabgeordneten. Welche Parlamentarier Opfer des elektronischen Postraubs wurden und aus welchem Zeitraum der entwendete E-Mail-Verkehr stammt, blieb offen. Im Mai war ein größer angelegter Cyberangriff auf das IT-Netz des Parlaments bekannt geworden. Dabei ist nach bisher vorliegenden Angaben ein hochprofessionelles Programm in das System eingedrungen und hat mehrere angeschlossene Rechner infiziert. Es kam offenbar auch zu Datenabflüssen, die nach Angaben der Bundestagsverwaltung aber wohl seit etwa zwei Wochen gestoppt sind. Ein ehemaliger Verwaltungsrichter soll zum Sonderermittler des deutschen NSA-Ausschusses werden. Berlin/Wien – Der erste Eindruck ist fraglos eher jener eines biederen Juristen. Doch ob der pensionierte deutsche Bundesrichter Kurt Graulich wirklich der brave Regierungsmann ist, vor dem Deutschlands Oppositionsparteien nun warnen, das scheint zumindest fraglich. Tatsächlich ist der Mann, von dem die Welt am Sonntag erfahren haben will, er stehe als Sonderbeauftragter des deutschen NSA-Ausschusses für die Einsicht in die Selektorenliste des BND fest, mehrfach durch Widerspruch gegen Pläne der Regierung und gegen Autoritäten aufgefallen – notfalls auch gegen seine eigene. In einem Internet-Interview mit der deutschen Bürgerrechtsgruppe Humanistische Union – für die Graulich gelegentlich auch schreibt – zeigte er sich offen für Kritik an von ihm verfassten Urteilen: Er sei Abiturjahrgang 1968. Wir sind mit diesen Themen bestens vertraut. Das SPD- und Gewerkschaftsmitglied unterschrieb in den 1980er-Jahren eine Petition gegen Aufrüstung bei der Nato, zuletzt äußerte er immer wieder Verständnis für den Ruf nach mehr Aufklärung in der NSA-BND-Affäre. Der Süddeutschen Zeitung sagte er jüngst, man hinke bei der Rechtsentwicklung für Spionage dem Polizeirecht 25 Jahre hinterher. Nicht nur Freunde machte sich der oft farbig formulierende Filmfan auch in der Zeit zwischen 1999 und 2014 am Bundesverwaltungsgericht bei Deutschlands Schlapphüten. Dort hatte er sich neben dem Polizei- und Ordnungsrecht auf das Recht der Nachrichtendienste spezialisiert. Immer wieder gab es von ihm Kritik an den Befugnissen der Spione. 2007 trat er als Herausgeber des Buches Wie die Freiheit schützen? in Erscheinung, in dem für mehr Kontrolle über die Dienste argumentiert wird. Das dürfte nun zu Verzögerungen bei der kolportierten Einigung auf Graulich geführt haben, der allgemein als kompetent beschrieben wird. Das, und womöglich die Erinnerung an die 1990er-Jahre: Damals war er als Personalre ferent in Hessens Justizministerium mehrfach mit der CDU zusammengestoßen. Diese versuchte nun Bedenken zu streuen, ob Graulich technische Details der NSA-Affäre durchblicke. Sollte er wirklich ernannt werden, wird der Mann, über dessen Privat leben wenig bekannt ist, jedenfalls viel innere Ruhe brauchen. Die holt er sich auch aus spirituellen Quellen: Graulich ist Zen-Buddhist, der Internationale Zen-Tempel in Berlin führt ihn als Übersetzer des Diamant-Sutra ins Deutsche. Gerade dann, wenn alles perfekt sein soll, passieren manchmal Pannen. Einige kleine Fauxpas während des Staatsbesuchs von Elizabeth II. in Deutschland: Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen – Urteil ging über das von Anklage geforderte Strafmaß hinaus. Im Auschwitz-Prozess hat das Landgericht Lüneburg den früheren SS-Mann Oskar Gröning zu vier Jahren Haft verurteilt. Er habe sich der Beihilfe zum Mord in 300.000 Fällen schuldig gemacht, urteilte das Gericht am Mittwoch. Ob der gesundheitlich angeschlagene 94-Jährige haftfähig ist, muss die Staatsanwaltschaft prüfen, wenn das Urteil rechtskräftig ist. Das Gericht ging mit seinem Urteil über das von der Anklage geforderte Strafmaß hinaus. Gröning hatte im Prozess seine Beteiligung und moralische Mitschuld am Holocaust eingeräumt. Der später auch Buchhalter von Auschwitz genannte Gröning hatte gestanden, Geld von Verschleppten gezählt und zur SS nach Berlin weitergeleitet zu haben. Er sagte aus, zwei- bis dreimal vertretungsweise Dienst an der Rampe getan zu haben, um dort Gepäck zu bewachen. Die Staatsanwaltschaft hatte dreieinhalb Jahre Haft gefordert, von denen 22 Monate als verbüßt angesehen werden sollten, weil eine Verurteilung schon vor Jahrzehnten möglich gewesen wäre. Erste Ermittlungen hatte es 1977 gegeben. Anwälte der über 70 Nebenkläger hielten das von der Staatsanwaltschaft verlangte Strafmaß für zu gering. Die Verteidiger plädierten auf Freispruch, weil Gröning den Holocaust im strafrechtlichen Sinne nicht gefördert habe. Im Falle eines Schuldspruchs solle von einer Strafe abgesehen werden. (APA, 14.7.2015) Der nationalkonservative Flügel übernimmt die Partei "Alternative für Deutschland". Der Partei droht nun das Zerbrechen. Berlin – Tumultartige Szenen waren der Wahl von Frauke Petry zur neuen, alleinigen Vorsitzenden der Partei Alternative für Deutschland (AfD) vorangegangen. Parteigründer Bernd Lucke wurde Samstag bei seiner Rede in der Essener Grugahalle mit Buhrufen niedergeschrien, das Parteitagspräsidium musste mehrfach zur Ruhe mahnen. Insbesondere als Lucke vor Vorurteilen gegenüber dem Islam warnte, steigerte sich die Empörung eines großen Teils der Teilnehmer. Der Ökonomieprofessor wies darauf hin, dass mehr als zwei Millionen Muslime in Deutschland leben würden, und fragte: Was wollen wir denn mit diesen Menschen machen? Frauke Petry, bisher Kovorsitzende der Partei, hatte auf diese Frage eine Antwort parat, die den meisten Parteimitgliedern gefiel. Der Islam vertrete ein Staatsverständnis, das uns in Mitteleuropa völlig fremd ist und das mit dem deutschen Grundgesetz nicht vereinbar ist. Die sächsische Landeschefin forderte: Wenn wir uns weiterentwickeln wollen, müssen wir uns überlegen, wie wir das bewerkstelligen wollen. Mit Blick auf die islamkritischen Pegida-Proteste erklärte sie, auch wenn man nicht alle Forderungen teile, seien es diese Bürger, für die wir primär Politik machen wollen. Als Beispiel nannte sie eine russlandfreundlichere Außenpolitik oder eine Begrenzung der Zuwanderung. Bei der darauffolgenden Abstimmung stimmten 60 Prozent der anwesenden Parteimitglieder für Petry und damit für einen stärkeren national-konservativen Kurs der Partei. Das Ergebnis war deutlicher als erwartet. Bernd Lucke kam hingegen nur auf 38 Prozent der Stimmen. Damit wird die 40-jährige Petry alleinige Parteichefin und führt in Zukunft die Geschicke der AfD. Bisher wurde die 2013 gegründete Partei von drei gleichberechtigten Vorsitzenden geleitet, zu denen auch Lucke und Petry zählten. Seit Monaten tobt der Machtkampf zwischen den beiden, nun droht der Partei eine Spaltung. Denn bereits am Samstagabend beschloss Luckes liberale Initiative Weckruf 2015, die unter anderem islamfeindliche Positionen ablehnt, eine Befragung ihrer Mitglieder über das weitere Vorgehen. Dabei werde eine Parteigründung nicht ausgeschlossen, sagte die Europaabgeordnete Ulrike Trebesius. Noch während des Parteitags verließen außerdem zahlreiche Anhänger Luckes am Samstag die Halle. Die Streitigkeiten haben sich mittlerweile auch auf die AfD-Umfragewerte ausgewirkt. In den meisten bundesweiten Umfragen liegt die Partei unter der Fünfprozenthürde, die für einen Einzug in den Bundestag übersprungen werden muss. Noch vor einigen Monaten konnte die Partei sicher mit einem Erfolg bei der Wahl im Jahr 2017 rechnen. Lucke sei das gutbürgerliche Aushängeschild der AfD gewesen, sagt der Politologe Jürgen Falter zu Reuters. Der ist frei von jedem Verdacht, dass er irgendwo rechtsextrem sein könnte. Ohne ihn werde die AfD viel angreifbarer. Eine Kostprobe gab FDP-Chef Christian Lindner, der unmittelbar nach Luckes Niederlage erklärte: Die Entscheidung für Petry macht die AfD zur Pegida-Partei. Der Parteigründer lässt nach Wahlsieg von Frauke Petry über eine Gegenbewegung abstimmen. Ganz geschlagen gibt er sich noch nicht. Bernd Lucke, der die Alternative für Deutschland (AfD) als wirtschaftsliberale Protestpartei gegründet hatte, am Wochenende aber deren Vorsitz an die nationalkonservative Frauke Petry abgeben musste, ist kurz nach seiner Niederlage mit seinen Getreuen wieder zu neuen Taten bereit. Die Europaparlamentarierin Ulrike Trebesius, eine Mitstreiterin Luckes, kündigte am Montag an, man werde die Mitglieder des Weckrufs 2015 in den kommenden Tagen fragen, ob wir gemeinsam austreten sollen aus der AfD. Weckruf 2015 nennt sich jener Verein innerhalb der AfD, in dem Lucke rund 4000 seiner Anhänger versammelt hat. Diese wollen, dass sich die AfD weniger nationalkonservativ und stärker wirtschaftsliberal gibt. Zum Vergleich: Insgesamt hat die AfD 22.000 Mitglieder. Lucke erwägt auch die Gründung einer eigenen, neuen Partei. Und es gäbe da nach den Worten von Trebesius noch eine Alternative: Oder wir gehen in der AfD in den Winterschlaf. Die ersten Wirtschaftsliberalen flüchten nach Petrys Sieg vom Wochenende bereits. Der frühere Präsident des Bundes Deutscher Industrieller (BDI) und AfD-Europaparlamentarier Hans-Olaf Henkel (ein Vertrauter von Lucke) ist bereits aus der Partei ausgetreten. Nicht ich habe die AfD verlassen, sondern die AfD mich, erklärte er. Für Pöbeleien und Intrigen sei er nicht zu haben. Es drohe nun eine NPD im Schafspelz. Aus Bayern, Schleswig-Holstein, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg berichten Parteifunktionäre, dass viele AfD-Mitglieder auch die Partei verlassen wollen. Petry, die für die Drei-Kind-Familie, eine stärkere Sicherung der Grenzen und den Dialog mit Islamkritikern eintritt, bestreitet jedoch, dass es mit ihr nun einen Kurswechsel geben wird. Vielmehr habe sich die Partei die Freiheit über die Themen wieder zurückerobert. Sie hatte Lucke immer wieder vorgeworfen, zu sehr auf das Thema Euro und Finanzpolitik zu setzen. Auf Luckes Überlegungen, die AfD zu verlassen, reagierte Petry gelassen und erklärte: Bernd Lucke hat angekündigt, für nichts mehr anzutreten in diesem Bundesvorstand. Er muss selbst entscheiden, wie er seine weitere politische Zukunft sieht. Am Ende eines Streits gibt es entweder eine Versöhnung oder gegebenenfalls eine saubere Trennung. Die Entscheidung liegt bei ihm. In Deutschland seien seit dem Jahr 2000 zwölf Anschläge verhindert oder vereitelt worden. So warb Innenminister de Maizière vor dem Höchstgericht für die Lausch- und Spähbefugnisses des Bundeskriminalamts. Das Gericht ist skeptisch. Der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte die Reise von Berlin nach Karlsruhe am Dienstag persönlich angetreten und gleich auch noch den Präsidenten des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, mitgebracht. Verhandelt wurde über ein brisantes Thema: Die erweiterten Lausch- und Spähbefugnisse in Deutschland seit dem Jahr 2009. Zu diesem Zeitpunkt trat das BKA-Gesetz zur Terrorabwehr in Kraft. Damals erhielt das Bundeskriminalamt Möglichkeiten, die bis dahin nur der Polizei in den Ländern zustanden. So darf seither auch das BKA mit richterlicher Genehmigung private Computer anzapfen, Wohnungen akustisch und per Video überwachen. Zur Gefahrenabwehr hat das BKA das Recht, ohne Wissen des Betroffenen Telefonate zu überwachen und aufzuzeichnen. Gegen das Gesetz Verfassungsklage eingereicht haben unter anderem der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP), Exkulturstaatsminister Michael Naumann (SPD), Grüne, Rechtsanwälte und ein Arzt. Den Klägern gehen die Überwachungsmöglichkeiten zu weit. Sie sehen darin Bürgerrechte massiv verletzt. So erklärte Baum, Betroffene wüssten oft gar nicht, wie weit die Möglichkeiten der Überwachung reichen. Selbst Gespräche mit Vertrauenspersonen wie Ärzten oder Anwälten seien nicht mehr geschützt. Baum: Sie sind nicht mehr sicher, wenn Sie zu einem Psychiater gehen, dass diese Angaben, die Sie dort über Ihr Privatleben, über Ihre Sorgen machen, nicht eines Tages bei der Polizei landen. Das ist ein Hauptangriffspunkt von unserer Seite. De Maizière und Münch verteidigten das Gesetz natürlich. So erklärte der Minister, Deutschland sei seit 2000 insgesamt zwölf Terroranschlägen entgangen. Diese seien entweder misslungen oder konnten vereitelt werden. Das sei zum Teil Glück gewesen, auch hätten ausländische Nachrichtendienste Hinweise gegeben. Aber: Es war auch das neue BKA-Gesetz, das die Beamten in den Stand gesetzt hat, entsprechende Ermittlungen aufzunehmen. Laut Münch gab es seit 2009 insgesamt 1.500 Gefährdungshinweise, die auf mögliche Anschlagsplanungen oder -vorbereitungen hindeuteten. In nur 15 Fällen seien Maßnahmen nach dem BKA-Gesetz eingesetzt worden. De Maizière betonte, die Maßnahmen seien weit entfernt von einer Massenüberwachung. Bei der Verhandlung wurde die Skepsis des Gerichts deutlich. Die Richter stellten de Maizière viele Fragen und gaben ihm auch eine Liste mit klärungsbedürftigen Punkten mit. Vizepräsident Ferdinand Kirchhof erklärte, man müsse bis zum Urteil im Herbst folgende Frage beantworten: Wie viel an Datenschatz darf der Verfassungsstaat den Ermittlungsbehörden zugestehen, und welchen Datenschutz schuldet er seinen Bürgern? (Birgit Baumann aus Berlin, 8.7.2015) Noch keine Entscheidung über Gründung einer neuen Partei. Berlin – Bernd Lucke, abgewählter Chef der Euro- und EU-kritischen Partei Alternative für Deutschland (AfD), tritt nach dem verlorenen Machtkampf aus der Gruppierung aus. Er wolle nicht als bürgerliches Aushängeschild für Vorstellungen missbraucht werden, die er grundsätzlich ablehne, teilte der AfD-Mitbegründer am Mittwoch mit. Dazu zählen insbesondere islamfeindliche und ausländerfeindliche Ansichten. Er habe zu spät erkannt, dass immer mehr Mitglieder in die Partei drängten, die die AfD zu einer Protest- und Wutbürgerpartei umgestalten wollen. Kommenden Freitag werde er aus der AfD austreten. Am Wochenende unterlag Lucke auf dem AfD-Parteitag bei der Vorstandswahl seiner Konkurrentin Frauke Petry, die einen klar rechtspopulistischen Kurs einschlagen will. Die 40-Jährige appellierte an die AfD-Mitglieder, in der Partei zu bleiben, und beteuerte, die AfD werde bei ihren Wurzeln bleiben. Nach Luckes Angaben sind seit dem Wochenende über tausend Mitglieder aus der AfD ausgetreten. Der von Lucke initiierte Verein Weckruf 2015 will diese Woche entscheiden, ob er kollektiv die AfD verlässt und eine neue Partei gründet. Die AfD hat nach Parteiangaben rund 23.000 Mitglieder, der Weckruf nach eigenen Angaben gut 4.000 Anhänger. Über die mögliche Gründung einer neuen Partei habe er noch nicht entschieden, erklärte der 52-jährige Europaabgeordnete Lucke. Deutscher Außenminister sieht "Sieg der Diplomatie" – Kanzlerin Merkel mahnt zu rascher Umsetzung. Berlin – Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat das Atomabkommen mit dem Iran als historisch gewürdigt und hofft auf positive Effekte auch im Bürgerkriegsland Syrien. Die Vereinbarung mit Teheran nach mehr als zwölf Jahren sei ein Sieg der Diplomatie über Krisen, Konflikte und Gewalt, sagte der SPD-Politiker am Dienstag in den ARD-Tagesthemen. Zur scharfen Kritik aus Israel sagte er, die Regierung sollte sich das Abkommen genauer anschauen und nicht mit sehr grobschlächtiger Kritik gegenüber diesem Abkommen verfahren. Er betonte, die Vereinbarung baue gerade nicht auf gegenseitigem Vertrauen auf, denn das sei über die Jahre verloren gegangen. Grundlage ist jetzt nicht das Vertrauen, sondern Grundlage ist Transparenz und Kontrolle. Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) forderte eine rasche Umsetzung des Abkommens zur Beilegung des Atomstreits mit dem Iran. Ich appelliere an alle Seiten, zu einer zügigen Umsetzung beizutragen, erklärte Merkel am Dienstagabend in Berlin. Damit besteht die realistische Chance, einen der schwierigsten internationalen Konflikte auf diplomatischem Weg zu überwinden. Bei der Umsetzung müssten sich alle Beteiligten an den vereinbarten Zeitplan halten. Merkel wertete das Abkommen als wichtigen Erfolg beharrlicher Politik und internationaler Diplomatie. Wir wollen Iran den Besitz von Atomwaffen unmöglich machen, erklärte sie weiter. Das wäre für die Sicherheitslage in der gesamten Region und darüber hinaus ein wesentlicher Gewinn. Mit dem Verhandlungsergebnis von Wien sei die internationale Gemeinschaft diesem Ziel sehr viel näher gekommen. Die fünf UN-Vetomächte, Deutschland und der Iran hatten Dienstag früh in Wien jahrelange Verhandlungen über ein Atomabkommen abgeschlossen. Die Regierung in Teheran verpflichtet sich unter anderem zu Begrenzungen bei der Urananreicherung und akzeptiert internationale Kontrollen. Im Gegenzug sollen die Sanktionen der Weltgemeinschaft gegen den Iran schrittweise gelockert werden. Linken-Politiker Richter vermutet rechtsextremen Hintergrund. Berlin – Nach dem mutmaßlichen Sprengstoffanschlag auf das Auto eines deutschen Politikers der Linkspartei im sächsischen Freital haben Kriminaltechniker erste Ergebnisse vorgelegt: Demnach löste ein verbotener Böller die Detonation in dem geparkten Fahrzeug aus. Es handelt sich um ein pyrotechnisches Erzeugnis, das in Deutschland nicht zugelassen ist, sagte eine Sprecherin des Operativen Abwehrzentrums (OAZ) am Dienstag. Unbekannte hatten in der Nacht zum Montag eine Scheibe eingeschlagen und den Böller in das Innere des Autos von Kommunalpolitiker Michael Richter geworfen. Der Wagen wurde stark beschädigt, Scheiben zersplitterten, verletzt wurde niemand. Richter, der sich als Fraktionschef der Linken im Freitaler Stadtrat für Flüchtlinge einsetzt, vermutet einen rechtsextremen Hintergrund. Laut Polizei gibt es aber noch keine Hinweise auf die Täter. Ermittelt werde in alle Richtungen. Eine politisch motivierte Tat können wir aber nicht ausschließen, sagte die OAZ-Sprecherin – zumal es sich bei dem Betroffenen um einen aktiven Politiker handle. In Sachsen wurden Unterstützer von Asylbewerbern bereits in den vergangenen Monaten bedroht. Laut Innenministerium bearbeitet das OAZ seit Beginn des Jahres Straftaten gegen Amts- und Mandatsträger in Zusammenhang mit der Flüchtlings- und Asylpolitik. Bisher gibt es in 23 Fällen mit 15 Amts- und Mandatsträgern Ermittlungen – unter anderem wegen Beleidigung, Bedrohung oder Sachbeschädigung. Und das sind nur Fälle, die zur Anzeige gebracht werden, sagte die OAZ-Sprecherin. Die Dunkelziffer sei vermutlich weitaus größer. Innenstaatssekretär Michael Wilhelm (CDU) verurteilte solche Angriffe: Sie sind Angriffe auf unseren Rechtsstaat und unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung. 20 Millionen Euro mehr für NATO-Übungen. Berlin – Wegen der Ukraine-Krise gibt Deutschland in diesem Jahr 20 Millionen Euro zusätzlich für Manöver der Bundeswehr aus. Grund für die Aufstockung der Mittel von 70 auf rund 90 Millionen Euro seien die NATO-Übungen im östlichen Bündnisgebiet, teilte ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministerium der Deutschen Presse-Agentur auf Anfrage mit. Insgesamt schickt die deutsche Bundeswehr in diesem Jahr 154.000 Soldaten in internationale Manöver. Das sind etwas weniger als die 160.000 Soldaten im vergangenen Jahr, aber mehr als doppelt so viele wie 2013 mit rund 73.000 Soldaten. Das geht aus einer Antwort des Ministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die der dpa vorliegt. In Polen und dem Baltikum nehmen dieses Jahr 4.400 Soldaten an 16 Manövern teil. Diese Übungen sind als Rückendeckung für die an Russland grenzenden NATO-Partner gedacht, die sich von ihrem mächtigen Nachbarn bedroht fühlen. Das größte NATO-Manöver des Jahres steht noch bevor und findet in Südwesteuropa statt. Vom 28. September bis zum 16. Oktober werden mehr als 30.000 Soldaten aus etwa 35 Ländern an der Übung Trident Juncture in Italien, Spanien und Portugal teilnehmen. Darunter werden auch 3.000 Bundeswehrsoldaten sein. Das sind mehr, als in allen Auslandseinsätzen der Bundeswehr zusammen. Sigmar Gabriel war ein SPD-Chef, der die Basis begeisterte. Doch nun wächst die Entfremdung, viele verstehen seine Volten nicht mehr. In dieser Woche war Sigmar Gabriel endlich am Ziel – wenn auch nur für 13 Minuten. So lange dauerte am Mittwoch die Kabinettssitzung im Berliner Kanzleramt, die der SPD-Chef als Vizekanzler leiten durfte. Denn Angela Merkel erholt sich gerade in Südtirol von den Strapazen des Regierens und von Stuhlproblemen in Bayreuth. Dort war, bei der Premiere von Tristan und Isolde, ihre Sitzgelegenheit zusammengekracht. Gabriel hingegen saß für eine knappe Viertelstunde in Berlin fest auf ihrem Platz. Das möge er doch genießen, wurde sogleich gelästert – denn als Kanzler wird der SPD-Chef diesen Sessel möglicherweise niemals einnehmen können. Nicht nur, weil die SPD in Umfragen nach wie vor über magere 25,5 Prozent nicht hinauskommt, während CDU und CSU sich über Werte jenseits der 40-Prozent-Marke freuen können. Auch innerhalb der SPD rumort es unüberhörbar, Unzufriedenheit mit Gabriel macht sich breit. Vor kurzem veröffentlichte Björn Uhde, SPD-Mitglied aus Schleswig-Holstein, via Facebook einen Kommentar, der in der SPD für viel Gesprächsstoff sorgt. Hallo Sigmar, ich habe ein Problem, schreibt Uhde und bezeichnet den SPD-Chef als Mister Zickzack. Viele Ortsvereinsvorsitzende kommen gar nicht mehr dazu, SPD-Politik zu erklären, klagt er und droht: Auch ich werde mich nicht für Wahlkampfstände hergeben, wo wir wegen deines Zickzackkurses zu Recht in Grund und Boden kritisiert werden. Tatsächlich war die Politik der SPD in letzter Zeit nicht immer ganz stringent, etwa bei der umstrittenen Vorratsdatenspeicherung. Zuerst war Gabriel selbst dagegen, dann jedoch schwenkte er um und zwang Justizminister Heiko Maas (SPD), ein Gesetz vorzubereiten. Während andere SPD-Spitzenpolitiker deutlich machten, mit der Pegida-Bewegung nichts zu tun haben zu wollen, tauchte Gabriel überraschend und unabgesprochen bei einer Veranstaltung in Dresden auf, um mit Pegida-Anhängern zu sprechen. Nicht erklärbar war vielen auch sein Schwenk in der Griechenlandpolitik. Zunächst hatte Gabriel stets auch Solidarität mit Athen angemahnt. Doch als diese nach den Verhandlungen mit den Geldgebern beschlossen, ein Referendum abzuhalten, wurde sein Ton harscher. Man werde nicht die überzogenen Wahlversprechen einer zum Teil kommunistischen Regierung durch die deutschen Arbeitnehmer und ihre Familien bezahlen lassen, so Gabriel. Nicht gut kam zudem seine Reise nach Teheran an. Nicht einmal eine Woche nach Abschluss des Atomabkommens fuhr Gabriel (in seiner Eigenschaft als Wirtschaftsminister) bereits mit einer Wirtschaftsdelegation in den Iran, um dem Mullah-Regime seine Aufwartung zu machen. Tenor der Kritik: Gabriel habe sich viel zu schnell angebiedert. Dessen Konter: Er suche eben Kontakte statt Konflikte. Auch ein Strategiepapier Gabriels sorgt für heftige Debatten. Darin ist von innerer und äußerer Sicherheit die Rede, von einem patriotischen Selbstverständnis und davon, dass Steuern und Sozialabgaben nicht hoch, sondern fair sein müssten. Offensichtlich will Gabriel die SPD im Bundestagswahlkampf 2017 in der politischen Mitte positionieren. Juso-Chefin Johanna Ueckermann höhnt, da werde eher ein Bild der CDU light gezeichnet als eines der SPD. Und der linke SPD-Vize Ralf Stegner legte ein eigenes Zukunftspapier vor. In dem fordert er einen höheren Spitzensteuersatz, höhere Erbschaftssteuern und die Abschaffung des Ehegattensplittings. Der Frust der Genossen schlägt sich auch in Umfragen nieder. Laut einer Forsa-Umfrage für den Sternsind nur 50 Prozent der SPD-Mitglieder mit Gabriels Arbeit als SPD-Chef zufrieden. Bloß 35 Prozent der Befragten halten ihn für den besten Kanzlerkandidaten für die Wahl 2017. Was viele über die Kanzlerkandidatur der SPD 2017 denken, hat gerade Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) formuliert, indem er Merkel lobte: Sie macht das ganz ausgezeichnet – sie ist eine gute Kanzlerin. Und: Ob die Bezeichnung Kanzlerkandidat für den SPD-Bewerber noch richtig ist oder nicht, das werden wir sehen. Immerhin gibt es einen Trost für Gabriel: Seinen Job macht ihm keiner streitig. Es zeigt auch niemand Ambitionen für die Kanzlerkandidatur 2017. Denn der Bedarf, sehenden Auges gegen die beliebte Merkel in eine Niederlage zu gehen, ist nicht sehr ausgeprägt. Bericht über Vorbereitungen für Wahlkampagne 2017 – Seehofer will absolute Mehrheit als Wahlziel. Berlin – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) strebt nach Spiegel-Informationen eine vierte Amtszeit an. Sie habe sich offenbar entschieden, bei der nächsten Bundestagswahl noch einmal anzutreten, berichtet das Nachrichtenmagazin in seiner neuen Ausgabe. Bei einem Strategietreffen mit CDU-Generalsekretär Peter Tauber und Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler besprach sie dem Bericht zufolge bereits, wer für die Kampagne der Union in gut eineinhalb Jahren zuständig sein solle. Demnach plant die CDU-Spitze keine externe Wahlkampfzentrale, sondern will die Kampagne vom Konrad-Adenauer-Haus in Berlin aus führen. Als Ergebnis der Unterredung seien schon erste Helfer angesprochen worden, berichtete das Magazin weiter. Auch mit Horst Seehofer, Chef der CDU-Schwesternpartei CSU in Bayern, habe die CDU-Vorsitzende vor einigen Wochen strategische Fragen des Wahlkampfs diskutiert. Der Spiegel berichtet weiter, Seehofer wolle, dass die Union eine absolute Mehrheit als Wahlziel ausgibt. Merkel sei in diesem Punkt skeptisch. Intern habe Merkel erklärt, sie werde die Entscheidung, ob sie erneut kandidiert, offiziell erst Anfang 2016 bekannt geben, berichtete der Spiegel weiter. Unklar sei noch, ob Merkel eine Kandidatur für die gesamte Legislaturperiode anstrebt. Die 61-Jährige ist seit November 2005 deutsche Bundeskanzlerin. Die CDU/CSU liegt seit langem stabil über 40 Prozent, in den jüngsten Umfragen von Ende Juli erreichte sie 42 Prozent. Bei der Bundestagswahl 2013 hatte sie 41,5 Prozent erzielt. Nach Ermittlungsverfahren gegen Blogger wegen Landesverrats. Berlin- Angesichts der Ermittlungen wegen Landesverrats gegen kritische Journalisten sieht sich der deutsche Generalbundesanwalt Harald Range mit Rücktrittsforderungen aus den Reihen der Koalition konfrontiert. Entscheidungen dieses GBA im gesamten #NSA Komplex sind nur noch peinlich. Es wäre Zeit den Hut zu nehmen, twitterte der SPD-Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss, Christian Flisek. SPD-Vize Ralf Stegner schloss sich an. Christian Flisek hat recht. Der Generalbundesanwalt hat sich vollständig vergaloppiert und hat das Ziel seiner Aufgabenstellung offenkundig aus den Augen verloren, sagte er am Samstag dem Handelsblatt. Zuvor hatten bereits Linken-Chef Bernd Riexinger und FDP-Vize Wolfgang Kubicki Ranges Rücktritt verlangt. Unterstützer des betroffenen Blogs Netzpolitik.org gingen am Samstag in Berlin für Pressefreiheit auf die Straße. Am Donnerstag war bekannt geworden, dass die Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Journalisten von Netzpolitik.org eingeleitet hat. Der Generalbundesanwalt sah bei Gründer Markus Beckedahl und Autor Andre Meister einen Verdacht auf Landesverrat, weil sie Pläne des Bundesamts für Verfassungsschutz zum Ausbau der Internet-Überwachung beschrieben und Auszüge vertraulicher Dokumente ins Netz gestellt hatten. Daraufhin hatte Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen Anfang Juli Anzeige gegen Unbekannt erstattet. Nichtstun im Zusammenhang mit den massenhaften NSA-Ausspähaktionen und stattdessen mit Kanonen auf Blogspatzen zu schießen und dabei die verfassungsrechtlich geschützte Pressefreiheit zu treffen, das passt in keiner Weise zu den Pflichten des Generalbundesanwalts, kritisierte Stegner im Handelsblatt. Ähnlich Riexinger: Wie kommt man eigentlich auf die Idee, gegen ein paar Journalisten zu ermitteln, aber nichts dagegen zu unternehmen, dass Millionen Menschen ausspioniert werden?, sagte er der Zeitung. Ich denke es ist an der Zeit, dass Generalbundesanwalt Harald Range seinen Hut nimmt, bevor noch mehr passiert oder besser gesagt unterlassen wird. Zudem müsse geklärt werden, mit welchen politisch Verantwortlichen die Ermittlungen abgesprochen worden seien. Kubicki sagte der Welt am Sonntag: Wenn der Generalbundesanwalt die verfassungsrechtliche Rechtsprechung zur Pressefreiheit und zur Aufgabe von Journalisten nicht beachtet, dann ist er in seinem Amt eine Fehlbesetzung. Die Äußerungen von Justizminister Heiko Maas (SPD), der am Freitag Zweifel an den juristischen Vorwürfen gegen die Blogger bekundet hatte, seien eine maximale Klatsche für Range. Der CDU-Politiker Patrick Sensburg wies die Rücktrittsforderungen zurück und sieht darin einen Ausdruck von Stillosigkeit im Umgang miteinander. Der Generalbundesanwalt macht seit Jahren eine gute Arbeit und lässt sich von keiner Seite beeinflussen. Die Unabhängigkeit der Justiz ist dabei in Deutschland ein hohes Gut, sagte Sensburg dem Handelsblatt. Range hatte am Freitag deutlich gemacht, dass er die Ermittlungen gegen Netzpolitik.org momentan nicht weiter vorantreibt und auf mögliche Exekutivmaßnahmen verzichtet. Zunächst werde ein externes Sachverständigengutachten zur Frage eingeholt, ob es sich bei den Veröffentlichungen um die Bekanntgabe eines Staatsgeheimnisses handelt, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. In der NSA-Affäre hatte die Bundesanwaltschaft nach langen Prüfungen ein – inzwischen eingestelltes – Ermittlungsverfahren wegen der Ausforschung des Handys von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeleitet. Wegen des massenhaften Ausspähens von Bundesbürgern durch den US-Geheimdienst NSA wurde Ranges Behörde nicht in dieser Weise tätig – obwohl ihr Tausende von Anzeigen vorlagen. Auch nachdem bekannt wurde, dass der BND der NSA über Jahre geholfen haben soll, europäische Unternehmen und Politiker auszuforschen, leitete die Bundesanwaltschaft bisher kein Ermittlungsverfahren ein. Kanzlerin: Geeigneter Zeitpunkt noch nicht erreicht. Berlin – Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat eine Kandidatur für eine vierte Amtszeit nicht ausgeschlossen. Im ZDF-Sommerinterview antwortete die CDU-Vorsitzende am Sonntag auf die Frage, ob sie 2017 noch einmal antreten werde, sie habe den Bürgern gesagt, dass sie als Bundeskanzlerin für diese Legislaturperiode zur Verfügung stehe. Über alles Weitere wird zum geeigneten Zeitpunkt entschieden. Der ist noch nicht erreicht, so Merkel weiter. Außenminister Frank-Walter Steinmeier warnte die SPD davor, angesichts ihrer schwachen Umfragewerte und der Beliebtheit von Merkel die Wahl 2017 bereits verloren zu geben. Die SPD wird den Anspruch nicht aufgeben, eine Regierung von vorne zu führen, sagte der SPD-Politiker der Bild am Sonntag. Eine Partei mit 150-jähriger Geschichte wird Wahlen nicht verloren geben, bevor der Wahlkampf begonnen hat. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Torsten Albig (SPD) hatte im Juli die Notwendigkeit eines eigenen Kanzlerkandidaten für die Bundestagswahl 2017 in Zweifel gezogen, weil Merkel ohnehin kaum zu schlagen sei. Bundestagsfraktionschef Thomas Oppermann sagte der Welt am Sonntag: Wer mitten in der Sommerpause, über zwei Jahre vor der Bundestagswahl, eine Debatte über den Kanzlerkandidaten der SPD eröffnet, betreibt Wahlkampf für Angela Merkel. Wenn an diesem Sonntag Bundestagswahl wäre, käme die SPD nach einer Emnid-Umfrage für die Bild am Sonntag nur auf 24 Prozent und läge damit 19 Punkte hinter der Union mit 43 Prozent. Neue Dokumente seien "uralte Unterlagen" – Vorwurf der falschen eidesstattlichen Erklärung. Berlin – Der deutsche Linke-Fraktionschef Gregor Gysi hat sich optimistisch über eine endgültige Einstellung der Ermittlungen im Zusammenhang mit den Stasi-Vorwürfen gegen ihn geäußert. Bei den nachträglich bei der Hamburger Justiz eingegangenen Unterlagen gehe es um uralte Unterlagen, die bloß noch nicht beigefügt gewesen seien. Und deshalb bin ich da sehr optimistisch, sagte Gysi am Sonntag in Berlin. Nachdem die Hamburger Justizbehörde am Freitag eine Weisung von Generalstaatsanwalt Lutz von Selle aufgehoben hatte, gegen Gysi Anklage wegen des Verdachts einer falschen eidesstattlichen Versicherung zu erheben, äußerte sich der Fraktionschef selbstbewusst. Ich habe nie eine andere Entscheidung als die der Staatsanwaltschaft Hamburg erwartet, nämlich das Ermittlungsverfahren gegen mich einzustellen. Weil: Ich gebe keine falschen eidesstattlichen Versicherungen ab. So einfach ist es, sagte Gysi. Die Justizbehörde hatte die Staatsanwaltschaft zugleich zu neuen Ermittlungen ermahnt. Die Staatsanwaltschaft prüft seit Anfang 2013, ob Gysi die Unwahrheit gesagt hat. Er hatte in zwei Zivilverfahren erklärt, dass er als Anwalt in der DDR niemals Mandanten ausspioniert oder an die Stasi, den Inlands- und Auslandsgeheimdienst der DDR, verraten habe. Auslöser der Ermittlungen waren Anzeigen der früheren DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld und eines pensionierten Richters. 'Für Tochter Monika waren die politischen Fußstapfen zu groß, Franz Josef Strauß'' Ehefrau war todunglücklich. München/Berlin – Es hört niemals auf. Auch zum 100. Geburtstag polarisiert Franz Josef Strauß wie kein zweiter Politiker in Deutschland. Pünktlich zum Jubiläum veröffentlichte ausgerechnet der Spiegel bisher unbekannte Akten, die belegen sollen, dass sich Franz Josef Strauß jahrelang mittels einer Briefkastenfirma von Unternehmen schmieren ließ. So soll 1964 eine vom Ehepaar Strauß und dem Anwalt Reinhold Kreile die Wirtschaftsberatung namens Eureco gegründet worden sein. Über eine Treuhandkonstruktion flossen die Gelder, Strauß selbst trat nicht in Erscheinung. Für die Kritiker von FJS ist dies Wasser auf die Mühlen, sind sie doch der Überzeugung, dass der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef durch und durch korrupt war und sich Aufträge für die Industrie sowohl privat als auch für die Partei honorieren ließ. 1965 erklärten Richter des Landgerichts München, es könne keinem Zweifel unterliegen, dass ihm der Geruch der Korruption anhafte. Aber es war eben nur vom Geruch die Rede. Als Der Spiegel wenig später schrieb, Strauß sei ein der Korruption schuldiger Minister, der Geld angenommen habe, das ihm nicht gehörte, klagte Strauß erfolgreich dagegen. Doch zum Jubiläum fanden sich auch noch andere unschöne Geschichten in den Medien: So wurde erst vor kurzem bekannt, dass das Wohnhaus von Strauß in München samt Whirlpool, Sauna und Garten (Schätzwert 2,7 Millionen Euro) zwangsversteigert werden muss, weil Strauß-Sohn Franz Georg Geldprobleme hat. Zudem tauchten ebenfalls bisher unbekannte Tagebucheintragungen von Ehefrau Marianne auf. Darin beklagt sie die Lieblosigkeit ihres Ehemannes, dass er ständig unterwegs sei, die Familie bloß an hinterer Stelle komme und an den Wochenenden zu Hause der übliche Wochenendsuff stattfinde. Eine Zeitlang erwog Marianne Strauß sogar die Trennung von ihrem in der Öffentlichkeit stehenden Ehemann, es kam letztendlich jedoch nicht dazu. Heute, wie schon in den vielen Jahren davor, wird Strauß natürlich von seiner Tochter Monika Hohlmeier verteidigt: Mein Vater war kein Polterer. Die Hohlmeierin, wie sie in Bayern allgemein genannt wird, war nach dem Tod von Strauß im Jahr 1988 eigentlich die Hoffnungsträgerin der CSU. Sie brachte es auch bis zur bayerischen Kultusministerin – doch danach endete die zunächst vielversprechende Karriere der Tochter. Sie musste wegen der Stimmzettelaffäre in der Münchner CSU zurücktreten. Sie soll damals Dossiers über Parteifreunde erstellt und diese erpresst haben. Danach zog sie sich völlig aus der Öffentlichkeit zurück. 2009 kehrte sie zurück in die Politik und wurde ins EU-Parlament gewählt. Eine große politische Karriere beziehungsweise ein Comeback in Bayern strebt sie jedoch nicht mehr an. Es wäre ihr wohl auch kein Erfolg beschieden.' Auslieferung verzögert sich wegen Mängeln – Davor schon Probleme mit Sturmgewehr G36. Berlin – Nach den Pannen beim Sturmgewehr G36 bereitet der Deutschen Bundeswehr jetzt auch das neue Maschinengewehr MG5 Probleme. Die ursprünglich ab Juni geplante Auslieferung der ersten Gewehre sei wegen Unregelmäßigkeiten auf das kommende Jahr verschoben worden, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP in Berlin. Er bestätigte damit einen Bericht der Bild am Sonntag. Das MG5 wird von Heckler & Koch hergestellt und soll das neue Standard-Maschinengewehr der deutschen Armee werden. Als Kosten wurden rund 200 Millionen Euro veranschlagt. Bereits im Mai hatte es Berichte über Präzisionsmängel beim MG5 gegeben. Der Verteidigungsexperte Tobias Lindner (Grüne) sagte der Zeitung Bild am Sonntag, die Teilstreitkräfte hätten das Gewehr teilweise nur als bedingt geeignet bewertet. Der Ministeriumssprecher wies dies zurück. Es seien Änderungswünsche angemeldet worden, die auch berücksichtigt würden, sagte er. Vor einigen Monaten hatte das Sturmgewehr G36 für Schlagzeilen gesorgt. Nach jahrelanger Kritik und diversen, zum Teil widersprüchlichen Gutachten hatte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) Ende März massive Probleme bei der Treffsicherheit des G36 eingeräumt. Weil die Gewehre bei hohen Außentemperaturen oder vielen Schüssen hintereinander überhitzen und nicht mehr treffen, will die Ministerin sie in ihrer bisherigen Version ausmustern. Herausforderungen nur gemeinsam zu lösen. Eigentlich sollte sich die Medienkonferenz M100 Sanssouci am Donnerstag mit der Neuordnung der Welt 70 Jahre nach dem Potsdamer Abkommen auseinandersetzen. Aber die aktuelle Flüchtlingssituation war bei dem Colloquium, an dem Chefredakteure, Politiker und Historiker teilnahmen, ein zentrales Thema. Außenminister Frank-Walter Steinmeier nutzte die Gelegenheit, um Humanität und europäische Solidarität bei der Verteilung der Flüchtlinge einzufordern. Es kann nicht sein, dass nur eine Handvoll Länder Flüchtlinge aufnehmen. Asyl ist nicht nur ein deutsches Grundrecht. Auch in Syrien selbst müsse man eine Lösung finden nach fünf Jahren Bürgerkrieg: Wir haben eine hohe moralische Verpflichtung. Zuvor hatte bereits der langjährige deutsche Außenminister Hans-Dietrich Genscher mehr Solidarität eingemahnt. Es müsse Respekt für die Würde des Menschen geben. Der 88-Jährige, der sich von einer Krankheit erholt und per Video zugeschaltet war, nannte die Migrationsfrage eine der drängendsten Herausforderungen für unsere Gesellschaften. Er verlangte einen energischen Neustart der EU – nicht irgendwann, sondern jetzt. Stärkere Einbindung Russlands Auffällig war, dass Genscher, der von 1974 bis 1992 Außenminister war, mehrfach für eine stärkere Einbindung Russlands eintrat. Die europäischen und globalen Herausforderungen könnten nur gemeinsam gelöst werden, sicher nicht ohne oder gar gegen Russland. Genscher nannte Russland den wichtigsten Partner in Europa. Er rief die Nato auf, den grob vernachlässigten Konsultationsmechanismus mit Russland zu nutzen. Jamie Shea, stellvertretender Nato-Generalsekretär, ging in seiner Rede nicht direkt darauf ein. Er betonte, dass es Russlands Entscheidung sei, wenn es nicht zum Westen gehören wolle. Aber Moskau dürfe nicht Nachbarstaaten davon abhalten. Die Annexion der Krim sei nicht etwas, was man als lokale Schwierigkeit betrachten könne. Es gehe auch nicht nur um die Ukraine. Wir stehen vor einer Bedrohung nicht nur für Europa, sondern für die liberale Ordnung, sagte Shea. Wenn man von Wien aus nach Westen schaut, dann kann man optimistisch sein. Wenn man von Wien aus nach Osten blickt, dann schaut es viel düsterer aus als noch vor 18 Monaten. Nach Angaben Sheas, der als Nato-Sprecher während des Jugoslawienkriegs fungierte, werden global die Schocksituationen häufiger. Er sprach von 200 wesentlichen Vorfällen pro Monat – von Syrien bis zur Sahelzone. Shea sieht auf Europäer neue Herausforderungen zukommen, weil die Amerikaner nicht mehr bereit seien, eine so große Rolle im Sicherheitsbereich zu spielen wie zur Zeit des Kalten Krieges. Sind die Europäer bereit, diese Last zu tragen?, fragte Shea. Am Abend wurde die Redaktion des französischen Satiremagazins Charlie Hebdo mit dem M100-Medienpreis für Verdienste um die Pressefreiheit und Demokratie ausgezeichnet. Chefredakteur Gérard Biard pochte auf das Recht, auch Religionen zu verspotten. Das hat nichts mit Blasphemie zu tun. Außenminister Steinmeier nun auf Platz eins. Berlin – Die Beliebtheit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ist in gleich mehreren Umfragen im Sinken begriffen. Auf der Politikertreppe des Nachrichtenmagazins Der Spiegel musste die Kanzlerin erstmals in dieser Legislaturperiode den Spitzenplatz an einen Sozialdemokraten abgeben – und zwar an Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Von Steinmeier wollten 67 Prozent der Befragten, dass er künftig eine wichtige Rolle spielt. Merkel rutschte auf Rang vier – noch hinter Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU/Rang zwei) und Präsident Joachim Gauck (Rang drei). Auf die Frage, ob die Kanzlerin auch künftig eine wichtige Rolle spielen sollte, antworteten 63 Prozent der Interviewten mit Ja. Im Vergleich zur letzten Umfrage dieser Art im Juni verschlechterte sich ihr Wert damit um fünf Punkte. Auch im jüngsten ZDF-Politbarometer war Merkel in einer Umfrage zu den wichtigsten Politikern auf Platz vier abgerutscht. Auf einer Skala von plus 5 bis minus 5 kam sie dort auf einen Durchschnittswert von 1,9 – ihren schlechtesten Wert in dieser Legislaturperiode. Im aktuellen Wahltrend von Stern und RTL büßte die Kanzlerin drei Punkte auf 49 Prozent ein und erzielte damit den niedrigsten Wert in diesem Jahr. Plagiatsjäger werfen Verteidigungsministerin Regelverstöße in medizinischer Doktorarbeit vor. Berlin – Plagiatsjäger werfen der deutschen Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (56) Regelverstöße in deren medizinischer Doktorarbeit vor. Die 1990 erschienene Arbeit zur Frauenheilkunde enthalte zahlreiche wörtliche und sinngemäße Textübernahmen, die nicht als solche kenntlich gemacht sind, heißt es auf der Internetseite VroniPlag Wiki, wo Nutzer ihre Erkenntnisse zusammentragen. Bisher seien auf 27 der insgesamt 62 Textseiten Plagiatsfundstellen dokumentiert. Die Medizinische Hochschule Hannover überprüft auf Wunsch der Ministerin die Arbeit. Erste interne Ergebnisse werden für die nächsten Tage erwartet. Von der Leyen wehrte sich gegen die Kritik. Den Vorwurf des Plagiats kann ich zurückweisen, sagte die CDU-Vizevorsitzende den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montag). Sie habe Ende August von den Aktivitäten im Netz erfahren. Noch am selben Tag habe sie die Hochschule gebeten, die Dissertation durch eine fachkundige und neutrale Ombudsstelle überprüfen zu lassen. Über die Vorwürfe hatte zuerst Spiegel Online berichtet. Ein Sprecher der Hochschule sagte, dass die Ombudsperson die Arbeit den gültigen Verfahrensregeln zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis (GWP) gemäß prüfe. Mit dem vertraulichen Bericht über die Ergebnisse der Vorprüfung an die Hochschulleitung ist in den nächsten Tagen zu rechnen, kündigte er an. Danach sei mit der Einleitung einer förmlichen Untersuchung durch die GWP-Kommission zu rechnen. Von der Leyen sagte weiter: Es ist nicht neu, dass Aktivisten im Internet versuchen, Zweifel an Dissertationen von Politikern zu streuen. Tatsächlich haben Plagiatsvorwürfe schon mehrere Spitzenpolitiker in Bedrängnis gebracht – bis hin zum Rücktritt. Deutschlands Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) musste 2011 sein Amt niederlegen, nachdem ihm die Universität Bayreuth den Doktortitel aberkannt hatte. 2013 trat Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) nach dem Entzug ihres Titels durch die Uni Düsseldorf zurück. Plagiatsvorwürfe gab es auch gegen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die Uni Gießen stellte in seinem Fall 2013 weder wissenschaftliches Fehlverhalten noch Täuschungsabsicht fest. Aus den Auswertungen auf VroniPlag Wiki zu von der Leyens Arbeit geht hervor, dass drei der beanstandeten Seiten zwischen 50 und 75 Prozent Plagiatstext enthalten und fünf Seiten mehr als 75 Prozent. Der Jusprofessor Gerhard Dannemann von der Berliner Humboldt-Universität, der seit Jahren bei VroniPlag mitarbeitet, sagte Spiegel Online, die Arbeit sei eher ein mittelschwerer als ein schwerer Fall. Problematisch finde er allerdings die 23 gefundenen Fehlverweise – also Hinweise auf Quellen, in denen der zitierte Inhalt gar nicht zu finden sei. Das ist im medizinischen Bereich besonders gefährlich. Von der Leyen promovierte im Bereich Frauenheilkunde. Der Titel der Arbeit lautet: C-reaktives Protein als diagnostischer Parameter zur Erfassung eines Amnioninfektionssyndroms bei vorzeitigem Blasensprung und therapeutischem Entspannungsbad in der Geburtsvorbereitung. Die Grünen-Politikerin Agnieszka Brugger forderte sofortige Aufklärung. Das ist eine Frage der Glaubwürdigkeit, sagte sie der Mitteldeutschen Zeitung (Montag). Ihr Fraktionskollege Kai Gehring wies darauf hin, dass von der Leyen als Verteidigungsministerin auch oberste Dienstherrin der Bundeswehr-Universitäten sei. Daraus erwächst eine ganz besondere Verantwortung. Die Verteidigungsministerin soll in ihrer Dissertation gegen Zitierregeln verstoßen haben, sie weist den Vorwurf zurück. Berlin – Auch die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist unter Plagiatsverdacht geraten. Sie soll Teile ihrer 1990 erstellten Doktorarbeit über Diagnosen von Krankheiten vor der Geburt abgeschrieben haben. Das behauptet die Internetplattform Vroniplag. Man habe 37 Textpassagen festgestellt, die gegen wissenschaftlich anerkannte und auch in der damals maßgeblichen Promotionsordnung geregelte Zitierregeln verstoßen, sagt Gerhard Dannemann von der Humboldt-Universität Berlin. Den Vorwurf des Plagiats kann ich zurückweisen, reagiert von der Leyen auf die Vorwürfe. Sie habe Ende August von der Überprüfung durch Vroniplag erfahren und daraufhin selbst die Medizinische Hochschule in Hannover, wo sie promoviert hat, um eine Überprüfung der Dissertation gebeten. Enthüllungen der Plattform haben bereits zwei deutsche Regierungsmitglieder den Job gekostet: den ehemaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) und Ex-Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Guttenberg hatte Jus studiert, Schavan Erziehungswissenschaften. Bis zu 9.000 Teilnehmer – Pegida-Gründer wegen Volksverhetzung angeklagt. Dresden – Die fremdenfeindliche Pegida-Bewegung hat in der ostdeutschen Stadt Dresden erneut tausende Anhänger mobilisiert. Nach einer ersten Auszählung von Studenten der Technischen Universität Dresden nahmen am Montag bis zu 9.000 Menschen an dem Abendspaziergang der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes teil. In der Vorwoche waren demnach rund 7.500 Menschen gekommen. Pegida macht seit dem vergangenen Herbst mit Demonstrationen in Dresden und anderen deutschen Städten von sich reden. Ein Polizeisprecher sagte Dienstagfrüh, bei der Veranstaltung habe es keine Störungen gegeben. Es habe während des Aufzugs lediglich verbale Auseinandersetzungen zwischen einigen Pegida-Anhängern und Teilnehmern einer weiteren Kundgebung gegeben. Zu den Teilnehmerzahlen machte die Polizei keine Angaben. Anklage gegen Bachmann Pegida-Gründer Lutz Bachmann sieht sich mit einer Anklage wegen Volksverhetzung konfrontiert. Grundlage sind die im Jänner aufgetauchten Facebook-Postings aus dem Herbst 2014, in denen Bachmann Ausländer als Viehzeug, Gelumpe und Dreckspack bezeichnet hatte. Nach Angaben der Dresdner Staatsanwaltschaft soll Bachmann damit in Kauf genommen haben, den öffentlichen Frieden zu stören. Bachmann äußerte sich am Montag kurz zu der Anklage und sagte, sich nicht mundtot machen zu lassen. Ein linker Reformer rückt in die erste Reihe. Gregor Gysi, der nun scheidende Fraktionschef der deutschen Linken, hat einmal einen Preis bekommen, der seinem Nachfolger Dietmar Bartsch wohl eher nicht zuteilwerden wird. Das Seminar für Allgemeine Rhetorik der Universität Tübingen zeichnete Gysis Rede zum NSA-Skandal im Bundestag vom 18. November als Rede des Jahres 2013 aus. Bartsch weiß, dass auch abseits der Linken viele im Bundestag den Rückzug Gysis von der Fraktionsspitze bedauern, denn Gysi ist ein brillanter Rhetoriker und sorgte oft für Heiterkeit im Hohen Haus. Doch der deutlich zurückhaltendere Bartsch, der nun die Fraktion gemeinsam mit Sahra Wagenknecht führen wird, sagt auch selbstbewusst: Ich bin nicht Gysi, ich bin anders. Wie sein Vorgänger und wie auch Wagenknecht stammt Bartsch aus dem Osten Deutschlands. Geboren wird er in Stralsund (im heutigen Mecklenburg-Vorpommern). Nach dem Abitur studiert er in Ostberlin Politische Ökonomie, in die SED tritt er 1977 ein. In Moskau ist er von 1986 bis 1990 Aspirant an der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim Zentralkomitee der KPdSU. Hängengeblieben Kaum hat Bartsch dort promoviert, gibt es die DDR nicht mehr, und Deutschland ist schon wiedervereinigt. Die PDS, Nachfolgerin der SED, wird von einem Finanzskandal fast ruiniert, da holt Gysi Bartsch in den Vorstand. Und irgendwie bleibt der heute 57-Jährige dann in der Politik bei der Linken hängen. Er wird Bundesgeschäftsführer, Bundesschatzmeister und hinter Wagenknecht Zweiter Stellvertreter Gysis an der Fraktionsspitze. Bartsch zählt bei den Linken zum gemäßigten Reformflügel, er kann sich eine Koalition mit der SPD durchaus vorstellen und bekommt bei der Vorstellung, die Linke könnte eines Tages auch im Bund regieren, keine Schweißausbrüche wie so manch andere Genossen. All die Jahre hatte er eine Art inoffizielle Funktion in der Partei: Er war der Gegenspieler des linken Oskar Lafontaine. Die Abneigung ging so weit, dass Bartsch dessen Anhänger einmal als Lafodödel bezeichnete. 2012 wäre Bartsch gerne Parteichef geworden, doch er unterlag Bernd Riexinger. Jetzt aber rückt er im Bundestag in die erste Reihe vor. Nur die Sache mit Lafontaine ist immer noch nicht geklärt. Denn Barsch führt die Fraktion ja nicht allein, sondern gemeinsam mit Wagenknecht, und die ist bekanntlich mit dem Saarländer Lafontaine verheiratet. Politiker rufen zu Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit auf, Vorwürfe gegen Pegida – Täter in Haft. Köln – Einen Tag nach dem Mordanschlag auf die Kölner Sozialdezernentin Henriette Reker ist die parteilose Politikerin zur neuen Oberbürgermeisterin gewählt worden. Die 58-Jährige setzte sich am Sonntag mit 52,66 Prozent der Stimmen gleich im ersten Wahlgang gegen sechs Konkurrenten durch. Sie gewann mit deutlichem Abstand vor dem SPD-Kandidaten Jochen Ott und ist die erste Frau auf dem Chefsessel im Kölner Rathaus. Am Samstag war Reker bei einer Wahlkampfveranstaltung von einem 44-Jährigen mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden. Ein Richter erließ inzwischen Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen den mutmaßlichen Täter, der laut Polizei fremdenfeindliche Motive nannte. Reker ist in Köln auch für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Bei der Wahl wurde sie von CDU, FDP und Grünen unterstützt. Die behandelnden Ärzte teilten am Sonntagabend mit, dass sich Rekers Gesundheitszustand positiv entwickle. Sie müsse jedoch in stationärer Behandlung bleiben, sagte ein Kliniksprecher. Der Heilungsverlauf nimmt bei einer Verletzung dieser Art üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch. Ein psychologisches Gutachten ergab, dass der mutmaßliche Angreifer bei seinem Anschlag auf einem Wochenmarkt voll schuldfähig war. Das teilten Polizei und Staatsanwaltschaft mit. Nach Äußerungen am Tatort hatte es daran zunächst Zweifel gegeben. Der deutsche Inlandsgeheimdienst hat auch neue Erkenntnisse zu dem Attentäter publik gemacht. Dieser war demnach nur eine Randperson im rechtsextremen Lager. Der 44 Jahre alte Mann sei in den vergangenen Jahren ab und zu Mal im Internet aufgetaucht, aber er war eher eine Randperson in diesem Bereich, sagte der Chef des Verfassungsschutzes (Inlandsgeheimdienst) des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen, Burkhard Freier, am Montag im WDR-Hörfunk. In den 1990er-Jahren habe es Hinweise gegeben, dass sich der Mann der rechtsextremen Szene, insbesondere der inzwischen verbotenen Freiheitlichen Deutschen Arbeitspartei (FAP) anschließen wollte. Es wurde Haftbefehl wegen des Vorwurfs des versuchten Mordes und mehrfacher gefährlicher Körperverletzung erlassen. Der Rechtsextremismus-Forscher Hajo Funke wies im Gespräch mit dem Kölner Express auf einen möglichen Zusammenhang zwischen den fremdenfeindlichen Bewegungen der letzten Monate und derartigen Taten hin: Pegida war der Katalysator für eine neu entstandene Stimmung der Verrohung, für eine Schwemmung der Ressentiments und eine Absenkung der Hemmschwelle. Durch diese Stimmung werden Taten wie in Köln gefördert. Insgesamt waren mehr als 800.000 Menschen in Köln aufgerufen, zur Wahl zu gehen. Die Wahlbeteiligung lag bei 39,7 Prozent. 2009 stimmten 49,1 Prozent ab, damals wurde mit SPD-Mann Jürgen Roters jedoch nicht nur ein neuer Oberbürgermeister gewählt, gleichzeitig stand auch die Kommunalwahl auf dem Programm. Wie in anderen Kommunen im Bundesland Nordrhein-Westfalen sollte auch in Köln eigentlich schon Mitte September gewählt werden. Die Bezirksregierung hatte aber die Stimmzettel beanstandet, das Votum wurde verschoben. Der scheidende Oberbürgermeister Roters rief zu Standhaftigkeit auf. Es geht jetzt darum, dass wir uns nicht unterkriegen lassen, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Die Diskussion über Flüchtlinge in Deutschland werde heftiger, immer häufiger würden Asylwerberheime angegriffen. Wir müssen alle gemeinschaftlich darauf achten, dass das Klima des Zusammenlebens nicht beschädigt wird, so Roters. Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach beklagte eine Zunahme von Angriffen auf Politiker. Ich bin seit 43 Jahren in der Politik, seit 21 Jahren im Bundestag. Ohne zu dramatisieren: Der Ton wird rauer. Es hat immer wieder Beleidigungen oder Drohungen gegeben, aber nicht in einer solchen Massivität, sagte er dem Kölner Express vom Montag. Der Flüchtlingskoordinator der deutschen Regierung, Peter Altmaier (CDU), rief zum Widerstand gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Der Anschlag ist verachtenswert und abscheulich, sagte der Kanzleramtsminister den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch wenn wir die genauen Hintergründe noch nicht kennen: Wir müssen uns zu jedem Zeitpunkt deutlich abgrenzen von jeder Form von Ausländerfeindlichkeit und Gewalt. Pegida senkt die Hemmschwellen dafür, dass aus Worten Taten werden, sagte Justizminister Heiko Maas. Vertreter aller deutschen Bundestagsparteien riefen zum gemeinsamen Kampf gegen Fremdenfeindlichkeit auf. Unterdessen verdichteten sich die Hinweise auf Kontakte des 44 Jahre alten Täters in die rechtsextreme Szene. Die am Hals schwer verletzte Reker war nach einer Notoperation auf dem Weg der Besserung. Der Pegida-Bewegung gehe es um rhetorische Brandstiftung, sagte Maas der Funke Mediengruppe laut Vorausbericht. Das sind doch längst keine besorgten Bürger mehr, die da jetzt Galgen und Hitlerfratzen hinterher laufen, erklärte der SPD-Politiker mit Blick auf die für Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Bundeskanzlerin Angela Merkel bestimmte Galgenattrappe bei einer Pegida-Demonstration in Dresden. CDU-Generalsekretär Peter Tauber forderte die Bürger auf, sich gegen Aufrufe zur Gewalt zu wehren. Das gilt für Galgen bei Pegida-Kundgebungen genauso wie für eine Guillotine bei der Demo gegen das Freihandelsabkommen, sagte er der Zeitung B.Z.. Innenminister Thomas de Maizière warnte in ungewöhnlich scharfen Worten vor Pegida. Inzwischen ist es völlig eindeutig: Diejenigen, die das organisieren, sind harte Rechtsextremisten, sagte er am Sonntag in der ARD. Sie bezeichnen Asylbewerber pauschal als Verbrecher, alle Politiker als Hochverräter. Das ist fernab jedes demokratischen Konsenses. Die Bürger rief er dazu auf, sich klar von Pegida abzugrenzen: Bleiben Sie weg von denen, die diesen Hass, dieses Gift in unser Land spritzen. Jeder, der dorthin gehe, müsse wissen, dass er Rattenfängern hinterherlaufe. Der Anschlag auf Reker sei eine entsetzliche Tat gewesen. Seit Anfang des Jahres sei die Zahl der Angriffe auf Asylwerber und Flüchtlingsheime gestiegen, im August habe es gegenüber dem Vorjahresmonat eine Verdreifachung gegeben. Deutscher SPD-Chef will Spekulationen entkräften – Selbst in Krise liegt Merkel weit voran. Berlin – Der deutsche SPD-Chef Sigmar Gabriel hat die Spekulationen über eine Kanzlerkandidatur im Jahr 2017 beendet. Natürlich will ich Bundeskanzler werden, wenn die SPD mich aufstellen will, sagte der Vizekanzler und deutsche Wirtschaftsminister dem Magazin Der Stern laut Vorabbericht vom Mittwoch. Das ist doch gar keine Frage, fügte Gabriel hinzu. Der SPD-Chef würde damit zum Herausforderer der deutschen Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Es wird weithin erwartet, dass die Regierungschefin 2017 für eine vierte Amtszeit antritt. Angekündigt hat sie dies aber noch nicht. Gabriels Ankündigung fällt in eine Phase, in der die Umfragewerte von Merkel wie auch ihrer Union als Folge der Flüchtlingskrise erstmals kräftig bröckeln. Dennoch liegt die Amtsinhaberin im Vergleich mit Gabriel weit vorne. Laut einer Forsa-Umfrage sacken CDU und CSU auf zusammen 36 Prozentpunkte ab, die SPD verharrt bei 24 Prozent. 46 Prozent wollen sie weiter als Regierungschefin sehen, nur 16 Prozent der Befragten wollten Gabriel als Kanzler. Vorschlagsrecht Dem SPD-Chef steht laut Parteisatzung das Vorschlagsrecht für den Kanzlerkandidaten zu, der von einem Parteitag nominiert wird. Die SPD-Nachwuchsorganisation Jusos hatte im Sommer eine Mitgliederabstimmung über die Kandidatur ins Gespräch gebracht. Bisher zeichnen sich aber in der SPD keine weiteren Bewerber ab. Die vom Stern zitierten Gabriel-Äußerungen sind Teil eines umfassenden Artikels unter der Überschrift Der Kandidat. Darin bleibt offen, wann die Zitate gefallen sind. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 'Nach der Absage des Länderspiels bezeichnet BKA-Chef Holger Münch Deutschland als "erklärtes Anschlagsziel". Die Regierung warnt jedoch vor Panik, Weihnachtsmärkte solle man ruhig besuchen. Es hätte ein starkes Signal werden sollen: Der Fußball trotzt dem Terror. Nur wenige Tage nach den Anschlägen von Paris wollten die deutsche und die niederländische Elf gegeneinander in Hannover zum Länderspiel antreten. Doch während im Londoner Wembley-Stadion vor der Partie Frankreich gegen England aus zehntausenden Kehlen die Marseillaise erklang und danach gespielt wurde, herrschte in Hannover Schweigen. Gut eineinhalb Stunden vor Anpfiff wurde das Match von der Polizei abgesagt. Im Stadion waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht viele Besucher; diese wurden aufgefordert, den Ort zügig und ohne Panik zu verlassen. Am späteren Abend trat der deutsche Innenminister Thomas de Maizière (CDU) vor die Presse, um die Absage zu begründen: Die Hinweise auf die Gefährdung des heutigen Fußballspiels haben sich im Laufe des Abends so verdichtet, dass wir nach Abwägung dringend empfohlen haben, dieses Länderspiel abzusagen. Nähere Angaben wollte er nicht machen. Er erklärte bloß: Die Quelle und das Ausmaß der Gefährdung möchte ich nicht weiter kommentieren. Ein Teil der Antworten würde die Bevölkerung verunsichern. Er bat jedoch die deutsche Öffentlichkeit um einen Vertrauensvorschuss und betonte, dass wir bittere Gründe hatten, uns so entscheiden. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel war zu diesem Zeitpunkt schon wieder auf dem Weg zurück nach Berlin. Sie war mit de Maizière in der gleichen Regierungsmaschine von der deutschen Hauptstadt nach Hannover geflogen, um dort – gemeinsam mit ihm, Justizminister Heiko Maas (SPD) und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) – das Spiel im Stadion zu verfolgen. Deutsche Medien berichten, Berlin habe vom französischen Geheimdienst einen Hinweis auf einen bevorstehenden Sprengstoffanschlag bekommen. Am Mittwochmorgen jedoch erklärte eine Sprecherin der Polizei: Es gab keine Festnahmen und keinen Sprengstoff. Holger Münch, der Chef des deutschen Bundeskriminalamtes (BKA), sagte nach der Absage des Fußballspiels, Deutschland sei erklärtes Angriffsziel islamistischer Terroristen. Es gebe aber derzeit keinen weiteren konkreten Anhaltspunkt für ein weiteres Anschlagsziel. Wegen der großen Verunsicherung gebe es zwar sehr, sehr viele Hinweise von besorgten Bürgern auf verdächtige Personen. Die Behörden gingen dem auch nach. Grundsätzlich gelte aber: Wir müssen die Spreu vom Weizen trennen. Er betonte auch, es gebe keine belastbaren Erkenntnisse, wonach jihadistische Gruppen den Andrang von Flüchtlingen zur Einschleusung von Terroristen nach Deutschland nutzten. Ein großes Risiko hingegen sei die Anwerbung von jungen Flüchtlingen durch Salafisten. Es brauche hier Integrationsmaßnahmen, um Zuwanderern schnellstmöglich Sicherheit und Halt in der deutschen Gesellschaft zu bieten. Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen sieht Deutschland ebenfalls im Visier der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS): Deutschland ist Feind des IS. Er erklärte auch, dass es keine hundertprozentige Sicherheit gebe: Wenn der IS uns treffen kann, wenn der IS Terroranschläge in Deutschland durchführen kann, dann wird er es tun – das ist unsere große Sorge. Die Bundesregierung warnt jedoch vor Panik. Wir sind uns einig, dass wir nicht bereit sind, unsere Lebensweise grundsätzlich zu ändern. Wir wollen uns treffen bei großen Veranstaltungen. Wir wollen ins Bundesliga-Stadion. Wir wollen auf Weihnachtsmärkte. Wir wollen ins Theater gehen. Wir wollen uns auf Marktplätzen treffen. Wir wollen Volksfeste feiern. Und das wird so bleiben, sagte de Maizière. Kanzlerin Merkel dankte den Sicherheitsbehörden und erklärte: Ich war genauso traurig wie Millionen Fans. Die Absage von Hannover sei aber richtig gewesen. Ein Aufruf an die Bevölkerung, die Lebensweise zu ändern, oder besonders wachsam zu sein, kam von ihr nicht. Die Deutsche Fußball Liga (DFL) hält an den Spielen am kommenden Wochenende fest. Die Spielansetzungen der Bundesliga und der 2. Bundesliga werden nicht verändert.' 32-Jähriger legte bei Prozess in München umfangreiches Geständnis ab. München/Washington/Moskau – Ein wegen Landesverrats angeklagter früherer Mitarbeiter des deutschen Auslandsgeheimdienstes BND hat ein umfangreiches Geständnis abgelegt und Bedauern über seine Spitzeldienste für die USA geäußert. Zu allererst möchte ich sagen, dass mir mein Handeln leidtut, sagte der 32-jährige Markus R. am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht München. Er wolle versuchen, zur Aufklärung des Falls beizutragen, kündigte der Bürokaufmann zu Beginn seines ausführlichen Geständnisses an. Geld sei nicht sein ausschlaggebendes Motiv gewesen, sagte R., der in bescheidenen Verhältnissen in München lebte. Getrieben hätten ihn vielmehr die Unzufriedenheit mit seiner eintönigen Tätigkeit in der Verwaltung des Bundesnachrichtendienstes (BND) in Pullach und Abenteuerlust. Markus R. ist unter anderem wegen Landesverrats und Bestechlichkeit in besonders schweren Fällen angeklagt. Ihm droht im äußersten Fall eine lebenslange Freiheitsstrafe. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, er habe von 2008 bis 2014 Hunderte vertrauliche Dokumente des BND an den US-Geheimdienst CIA geliefert und dafür mindestens 95.000 Euro bekommen. Kurz vor seiner Festnahme im Sommer 2014 soll R. auch dem russischen Geheimdienst SWR Unterlagen zugespielt haben. Der Fall hat das Verhältnis zwischen den USA und Deutschland zusätzlich belastet, das bereits wegen der Aktivität des US-Geheimdienstes NSA (National Security Agency) getrübt war. Der 32-Jährige räumte am Mittwoch detailliert ein, über die Jahre hinweg rund 300 bis 350 Dokumente an die CIA weitergegeben zu haben. Darunter sei auch eine umfangreiche Personaldatenbank gewesen – diese soll Decknamen und echte Identitäten deutscher Agenten im Ausland enthalten haben. Der Mann war im Juli 2014 festgenommen worden und sitzt seitdem in Untersuchungshaft. Die Kandidatin war einen Tag vor der Wahl niedergestochen worden, der Genesungsprozess schritt gut voran. Köln – Rund einen Monat nach dem Messerangriff auf die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker hat die Politikerin die Amtsgeschäfte übernommen. Am Freitagvormittag trat sie in der westdeutschen Großstadt ihren Dienst an und beantwortete Fragen von Journalisten. Ihr Genesungsprozess war nach Angaben der Stadt zuletzt gut vorangeschritten. Die parteilose Reker habe sich deshalb auch schon von zu Hause aus um einige Entscheidungen kümmern können. Die 58-Jährige war einen Tag vor der Wahl Mitte Oktober an einem Wahlkampfstand niedergestochen worden und lag vorübergehend im künstlichen Koma. Dem Angreifer werfen Ermittler fremdenfeindliche Motive vor. Reker war zuvor als Sozialdezernentin für die Flüchtlinge in Köln zuständig gewesen. Cem Özdemir glaubt, der Grund für die Eile seien die bevorstehenden Parteitage von CDU und SPD. Berlin – Der deutsche Grünen-Chef Cem Özdemir warnt vor einer überhasteten Entscheidung des Bundestags über den Syrien-Einsatz der Bundeswehr. Der eigentliche Skandal bei dieser Abstimmung ist, dass die Regierung das im Schweinsgalopp in dieser Woche durchboxen möchte, sagte Özdemir der Mitteldeutschen Zeitung (Mittwochausgabe). Und der einzige Grund dafür sind die anstehenden Parteitage von CDU und SPD. Beide hätten das Thema gern vorher von der Tagesordnung. Der Bundestag soll die Entsendung von bis zu 1200 Soldaten am Freitag beschließen. Die Bundeswehr soll die Luftangriffe auf die Extremistenmiliz IS durch Aufklärungsflüge unterstützen und mit einer Fregatte einen französischen Flugzeugträger im Mittelmeer schützen. Die Bundesregierung hatte das Mandat für den Kampfeinsatz am Dienstag auf den Weg gebracht. Özdemir kündigte an, er selbst werde sich bei der Abstimmung enthalten. In der Grünen-Fraktion votierten der Zeitung zufolge am Dienstagnachmittag 41 Grünen-Abgeordnete mit Nein und fünf mit Ja bei einer Enthaltung. Knapp 20 Parlamentarier hätten gefehlt. In Bayerns Hauptstadt wollten offenbar IS-Terroristen in der Silvesternacht Anschläge verüben. Ausländische Geheimdienste warnten. Gesucht wird nach Verdächtigen aus Syrien und dem Irak. Ein Neujahrsvormittag am Münchner Hauptbahnhof: Die einen stecken noch in der Silvesterpartynacht fest, die anderen sind schon ganz im neuen Jahr angekommen und ziehen das Rollköfferchen Richtung Gleise. Die Züge fahren pünktlich. Nur die Gegenwart der patrouillierenden Polizisten sind Zeichen dafür, dass diese Silvesternacht in München keine gewöhnliche war. Nach einer Terrorwarnung befreundeter Geheimdienste waren am Silvesterabend sowohl der Münchner Hauptbahnhof als auch der Bahnhof Pasing geräumt worden. Es gab einen sehr konkreten Hinweis, sagte der Münchner Polizeipräsident Hubertus Andrä in einer eilig anberaumten Pressekonferenz am Freitag: Am Silvesterabend sei um 19.40 Uhr eine Terrorwarnung eingelangt – wohl vom französischen Geheimdienst: Fünf bis sieben Terroristen wollten sich demnach mutmaßlich am Hauptbahnhof und am Bahnhof München-Pasing, der immerhin der drittgrößte in ganz Bayern ist, in die Luft sprengen, jeweils zu zweit. Das Ganze sollte um Mitternacht geschehen, so Andrä. Die Terrorpläne werden dem Islamischen Staat (IS) zugeschrieben. Es blieb nicht viel Zeit, gerade einmal vier Stunden. Beide Bahnhöfe wurden schnellstens evakuiert, der Zugverkehr umgeleitet, viele S-Bahnen fuhren nicht. 550 Polizisten aus ganz Bayern waren im Einsatz. Gefasst wurde aber niemand. Am Neujahrstag gegen 3.30 Uhr wurden die betroffenen Bahnhöfe dann wieder geöffnet, die Züge konnten weiterrollen. Das ist das bisher gute und gleichwohl ernüchternde Ergebnis dieser dramatischen Stunden. Die intensiven Ermittlungs- und Kontrollmaßnahmen, so Andrä, haben zu keinerlei Konkretisierung der Informationen geführt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte noch in der Nacht, die Einschätzung der Gefährdung sei vergleichbar mit jener unmittelbar vor dem Fußballspiel in Hannover gewesen, das im November nach den Paris-Anschlägen kurzfristig abgesagt worden war. Wurde ein womöglich furchtbarer Anschlag vereitelt? Keiner weiß am 1. Jänner 2016 Genaueres dazu zu sagen, die Polizei gibt nur spärliche Informationen. Die fünf bis sieben mutmaßlichen Terroristen stammen demnach aus dem Irak und aus Syrien. Etwa die Hälfte von ihnen seien mit Namen und anderen Personendaten identifizierbar, so Andrä. Und: Ob es diese Personen überhaupt gibt, wissen wir nicht. Viele Fragen bleiben vorerst offen. Die vorhandenen Angaben zu den Personen seien allerdings so konkret, dass wir Personen identifizieren könnten, meinte Andrä. Nun würden alle Datenbestände durchforstet. Einer der Hinweise stammt nach Medienberichten aus dem Irak. Der deutsche Bundesnachrichtendienst (BND) habe den Hinweisgeber dort selbst befragen können, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Fast gleichzeitig gab Herrmann vorerst Entwarnung: Die Lage hat sich wieder etwas entspannt, nachdem heute Nacht Gott sei Dank kein Anschlag verübt wurde. Wir haben in etwa wieder die Lage wie zuvor. In der Stadt selbst und auf die vielen Silvesterpartys haben die Terrorwarnungen und Bahnhofssperrungen offenbar kaum Auswirkungen gehabt. Ich sehe, dass ausgiebig gefeiert wurde, kommentierte Andrä. Es habe zwar besorgte Anrufe gegeben, viele Bürger hätten sich über die Facebook- und Twitter-Accounts der Polizei informiert. Abgesagt oder unterbrochen wurde aber nichts. Auch bei dem alternativen Tollwood-Festival auf der Theresienwiese feierten Tausende. Die Polizei beschränkte ihre Aktionen auf die zwei Bahnhöfe – chirurgische Eingriffe seien das laut dem Polizeipräsidenten gewesen. Obwohl alles ruhig abgelaufen ist und keine Panik aufkam, kursierten in München am Freitag Mutmaßungen, Gerüchte und Spekulationen. Bestätigt wurde von der Polizei, dass es schon eine Woche zuvor konkrete Hinweise auf eine Terrorbedrohung gegeben hatte – offenbar durch den US-Geheimdienst. Der Polizeipräsident machte klar: Ohne die erste Warnung wäre die zweite anders beurteilt worden, und es hätte den Terroralarm in der Silvesternacht nicht gegeben. Berichten, dass kürzlich in München zwei IS-Gefährder festgenommen worden seien, widersprach die Polizei. Den Münchnern empfahl Andrä: Die Leute sollen jetzt weiter so leben, wie sie es gewohnt sind, und ihrem Vergnügen nachgehen. Deutschland prüft Asylanträge von Syrern wieder einzeln. Berlin – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will die Anzahl der Flüchtlinge in Deutschland im neuen Jahr spürbar verringern, wie sie in ihrer im Voraus verbreiteten Neujahrsansprache ankündigte. Ab dem 1. Jänner sollen zudem wieder alle Asylsuchenden in Deutschland eine ausführliche Einzelfallprüfung durchlaufen. Merkel zeigte sich in ihrer Rede überzeugt, dass für Deutschland die Herausforderung durch den Flüchtlingsandrang eine Chance sei. Denn wir haben ein großartiges bürgerschaftliches Engagement und ein umfassendes Konzept politischer Maßnahmen, sagte die Kanzlerin. National, in Europa und international arbeiten wir daran, den Schutz der europäischen Außengrenzen zu verbessern, aus illegaler Migration legale zu machen, die Fluchtursachen zu bekämpfen und so die Zahl der Flüchtlinge nachhaltig und dauerhaft spürbar zu verringern. Das deutsche Bundesamt für Migration und Flüchtlinge bestätigte unterdessen am Donnerstag einen Bericht der Bild-Zeitung, wonach sich Asylsuchende ab dem neuen Jahr wieder einer genauen Prüfung von Herkunft, Ausbildung und Fluchtweg unterziehen müssen. Vor allem nach den Anschlägen von Paris war verstärkt die Forderung laut geworden, die Identität aller Schutzsuchenden ohne Ausnahme genau zu ermitteln. Wegen der hohen Flüchtlingszahlen hatte das Migrations-Bundesamt Ende 2014 begonnen, Asylanträge von Schutzsuchenden aus Ländern mit hoher Anerkennungsquote wie Syrien, dem Irak und Eritrea nur noch nach Aktenlage zu bearbeiten. Damit mussten die Asylbewerber keine persönliche Anhörung mehr durchlaufen, sondern konnten ihre Fluchtgründe schriftlich erklären und bekamen ohne Einzelfallprüfung fast durchweg Flüchtlingsschutz nach der Genfer Konvention. Österreich ist vom Prinzip der Einzelfallprüfung nie abgewichen. Auch Kauder für mehr deutsche Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten. Berlin – Der deutsche Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) will Konsequenzen aus dem Terroralarm in München ziehen. Auch im neuen Jahr bleibt die Lage sehr ernst, sagte de Maiziere der Bild-Zeitung (Samstag-Ausgabe). Künftig werde es daher noch intensiver als bisher darauf ankommen, dass wir mit den Sicherheitsbehörden anderer Staaten eng zusammenarbeiten und Informationen austauschen. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sprach sich für eine verstärkte Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten aus. Wir brauchen gut ausgestattete Nachrichtendienste, die die Informationen über Anschlagsplanungen zusammentragen und bewerten, sagt Kauder der Bild. Ganz wichtig ist eine enge Kooperation mit den Nachrichtendiensten anderer Länder. Die Vorgänge in München zeigten wieder einmal, wie falsch hier viele in den anderen Parteien liegen, die diese Zusammenarbeit immer wieder infrage stellen, fügte Kauder hinzu. Die Münchner Polizei hatte mit dem Terroralarm auf Hinweise auf mögliche Anschläge am Hauptbahnhof sowie am Bahnhof Pasing durch fünf bis sieben mögliche Attentäter irakischer und syrischer Herkunft reagiert. Die beiden Bahnhöfe wurden deshalb in der Silvesternacht für mehrere Stunden gesperrt und die Menschen in der bayerischen Metropole aufgerufen, größere Menschenansammlungen zu meiden. Der nächtliche Terroralarm für München wurde am Neujahrstag aufgehoben. Konsequenzen des Terroralarms in der Silvesternacht für die laufende Flüchtlingsdebatte sieht Kauder nicht, wie er der Bild sagte. Gleichwohl halte er eine spürbare Verringerung der Zahl der Flüchtlinge (für) notwendig. Hier müsse sich die EU beweisen. Ich hoffe, dass gerade die osteuropäischen EU-Staaten jetzt zur Einsicht kommen und die Solidarität zeigen, die sie in anderen Fällen immer gern einfordern, sagte Kauder. Weiter reichenden Forderungen der CSU erteilte der Unionsfraktionschef eine Absage: Dass Flüchtlinge ohne Pässe kämen, mache vielfach die Prüfung ihrer Asylbegehren schwieriger. Eine einfache Lösung für solche Fälle, wie sie jetzt vorgeschlagen wird, gibt es aber nicht – zumal Flüchtlinge aus Bürgerkriegsgebieten tatsächlich oft ihr ganzes Hab und Gut verloren haben, hob Kauder in der Bild hervor. In einer am Mittwoch bekannt gewordenen Beschlussvorlage für die Klausursitzung der CSU-Landesgruppe Anfang Jänner in Wildbad Kreuth spricht sich die CSU dafür aus, Flüchtlingen die Einreise nur dann zu erlauben, wenn auch gültige Ausweisdokumente vorgezeigt werden können. Keine neuen Erkenntnisse – Mehr Polizei im Einsatz. München – Die deutschen Sicherheitsbehörden fahnden nach dem Terroralarm vom Silvesterabend in München weiter nach mutmaßlichen islamistischen Attentätern. Die Stadt ist ruhig. Es gibt keine neuen Erkenntnisse, sagte ein Polizeisprecher am Samstagvormittag. Ob es die teilweise namentlich bekannten Verdächtigen aus Syrien und dem Irak überhaupt gibt, ist weiter unklar. Die Sicherheitskräfte seien weiter mit verstärkten Kräften im Einsatz. Wir haben mehr Polizei, die in der Stadt unterwegs ist, teilte der Sprecher weiter mit. Etwa 100 bis 200 Beamte seien erneut zusätzlich im Dienst. Die Behörden gehen davon aus, dass es gegenwärtig keine konkrete Anschlaggefahr mehr gibt. Innenminister Joachim Herrmann hatte bereits am Freitag Entwarnung gegeben. Wir sind froh, dass es sehr ruhig ist, sagte der Polizeisprecher am Samstag. Die Anrufe besorgter Bürger hätten abgenommen. Viele Münchner hatten sich am Silvesterabend und am Neujahrstag teils mit Fragen zur Sicherheit und teils mit Beobachtungen bei der Polizei gemeldet. Die Hinweise würden derzeit kriminalpolizeilich abgearbeitet, sagte der Polizeisprecher. Nach Hinweisen befreundeter Geheimdienste auf ein mögliches Attentat der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) hatten die Behörden in der Silvesternacht den Hauptbahnhof sowie den Bahnhof im Stadtteil Pasing evakuiert. Herrmann und Polizeipräsident Hubertus Andrä sprachen von fünf bis sieben Personen, die Anschläge wie in Paris verüben wollten. Laut einem Zeitungsbericht existiert ein dementsprechendes CSU-Beschlusspapier. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Terrorgefahr aber weiterhin "abstrakt vorhanden". München – Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat Berichte über geplante Terroranschläge um den Dreikönigstag in München relativiert. Es gibt keine konkreten Hinweise auf den 6. Januar, sagte Herrmann am Montag im ZDF-Morgenmagazin. Es habe lediglich vage Hinweise auf die Zeit um Dreikönig gegeben. Die Terrorgefahr sei gleichwohl abstrakt vorhanden. Deshalb sind alle Sicherheitsbehörden hellwach, betonte der Minister. Das bestätigte auch das Polizeipräsidium in München. Dort hatten die Behörden in der Silvesternacht wegen einer Anschlagsdrohung den Hauptbahnhof und den Bahnhof im Stadtteil Pasing gesperrt. Ein Polizeisprecher sprach von einer abstrakten Gefahr, wie sie in anderen Großstädten auch bestehe. Wir werden nicht wieder hochsatteln auf eine konkrete Gefahr, da müssten sich schon neue Erkenntnisse ergeben, sagte er. In der Stadt sind den Angaben zufolge aber mehr Streifen als üblich unterwegs. Rund 100 Kräfte verstärken die Münchner Beamten. Dennoch kann ich aus reinstem Herzen sagen, müssen sich die Bürger keine Sorgen machen und sollen ihr Leben leben, wie sie es gewohnt sind, erklärte der Polizeisprecher. Arbeit bereiten den Beamten allerdings anonyme Anrufer, die nach dem Terroralarm in der Silvesternacht Anschläge androhen. Erst am Sonntagabend hatten die Beamten einen Mann festgenommen, der eine Bombenexplosion an einer U-Bahn-Strecke angekündigt hatte. Der Bayerische Rundfunk und der Südwestrundfunk hatten am Sonntag berichtet, die ersten Hinweise auf einen Terroranschlag in München seien vor Weihnachten von einem Iraker gekommen. Er habe den Sicherheitsbehörden als Anschlagziel den Münchner Nahverkehr und als Zeitpunkt die Tage um das Dreikönigsfest genannt sowie sieben arabische Allerweltsnamen. Nach einem weiteren, konkreteren Hinweis des französischen Geheimdiensts auf mögliche Anschläge an Silvester waren dann in der Nacht zu Neujahr zwei Bahnhöfe gesperrt worden. Bei einem Treffen in Berlin zollte der türkische Premier Ahmet Davutoğlu der Flüchtlingspolitik Angela Merkels Respekt. Berlin/Davos/Wien – Gleich mehrere türkische Minister sind am Freitag gemeinsam mit Regierungschef Ahmet Davutoglu zu deutsch-türkischen Regierungskonsultationen nach Berlin gekommen. Kein Zweifel: Zwischen beiden Regierungen besteht erhöhter Gesprächsbedarf. Hintergrund ist neben dem Kampf gegen den Terrorismus vor allem die Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die Umsetzung des Aktionsplans der Europäischen Union mit der Türkei, für den die EU drei Milliarden Euro zugesagt hatte, ist bisher kaum vom Fleck gekommen. Das Geld ist noch nicht nach Ankara geflossen, zwischen den EU-Mitgliedstaaten herrscht Streit über die Finanzierung. Bei der gemeinsamen Pressekonferenz mit Davutoglu versprach die deutsche Kanzlerin Angela Merkel die baldige Überweisung des Geldes, um die Lebensumstände der Flüchtlinge in der Türkei zu verbessern. Umgekehrt gibt es auch bei den Maßnahmen der Türkei zur Reduktion der Zahl von Flüchtlingen, die über die Ägäis auf die sogenannte Balkanroute gelangen, nur langsame Fortschritte. Merkel lobte allerdings, dass die Türkei mittlerweile Arbeitserlaubnisse für syrische Flüchtlinge vergibt – und damit eine Verpflichtung aus dem gemeinsamen Aktionsplan mit der EU einlöst. Ahmet Davutoglu streute der Hausherrin im deutschen Kanzleramt Rosen für ihre Flüchtlingspolitik, die Merkel im Inland immer mehr unter Druck setzt. Mit der Öffnung der Grenzen für Schutzsuchende habe sie einen historischen Schritt im Sinne des humanen Gewissens der Menschheit gesetzt. Davutoglu hatte zuvor bei einem Auftritt beim Weltwirtschaftsforum in Davos versichert, dass in Berlin nicht um Geld verhandelt werde. Das ist keine Geldangelegenheit. In einem Gespräch mit Journalisten in Davos betonte er jedoch, dass die EU wegen der Flüchtlingskrise höhere Finanzhilfen als die versprochenen drei Milliarden Euro einkalkulieren müsse. Drei Milliarden Euro sind nur dazu da, den politischen Willen zur Lastenteilung zu zeigen. Die Türkei habe umgerechnet bereits fast neun Milliarden Euro für Flüchtlinge ausgegeben. Sein Land habe 2,5 Millionen Flüchtlinge aus Syrien aufgenommen und 300.000 weitere aus dem Irak. 62.000 Kinder seien in Flüchtlingslagern in der Türkei geboren worden. Das wirke sich auf die Sozialausgaben aus. Angela Merkel nahm in Berlin auch auf den Untergang von drei Flüchtlingsbooten in der Ägäis Bezug, bei dem am Freitag mindestens 44 Menschen ums Leben gekommen waren, darunter 20 Kinder. Das Schlepperunwesen müsse gemeinsam bekämpft werden. Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble beklagt indes fehlende Abstimmung bei der Entscheidung Österreichs für Obergrenzen für Flüchtlinge. Ich musste ein bisschen Luft holen, als ich gehört habe, dass diese Entscheidung mit uns nicht sehr eng abgesprochen war, sagte er Spiegel online. Kanzler Werner Faymann reagierte verschnupft: Er habe Merkel am Dienstag über die Richtung der Pläne informiert, sagte er der Kronen Zeitung. Die Entscheidungen im Detail seien in Wien gefallen. In Davos hatte Schäuble erklärt: Die Frage, wie lange wir noch einen solchen Zustrom verkraften, will ich nicht beantworten. Er ist zu hoch. (afs, schub, 22.1.2016) Vizekanzler Gabriel: Partei gehört in Verfassungsschutzbericht und nicht ins Fernsehen. Berlin – Die Vorsitzende der Partei Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, hat einen Sturm der Empörung mit dem Vorschlag ausgelöst, an der Grenze im Extremfall Schusswaffen gegen Flüchtlinge einzusetzen. SPD-Chef Sigmar Gabriel forderte daraufhin in der Bild am Sonntag eine Beobachtung der Partei durch den Verfassungsschutz. Der deutsche Vizekanzler sprach sich zudem dafür aus, die AfD aus Diskussionsrunden im öffentlich-rechtlichen Fernsehen zu verbannen: Für mich gehört die AfD in den Verfassungsschutzbericht und nicht ins Fernsehen. Petry hatte im Mannheimer Morgen vom Samstag angesichts des großen Flüchtlingsandrangs verlangt, es müsse verhindert werden, dass weiter so viele unregistrierte Flüchtlinge über Österreich einreisen könnten. Die Polizei müsse dafür notfalls auch von der Schusswaffe Gebrauch machen, sagte Petry. Kein Polizist will auf einen Flüchtling schießen. Ich will das auch nicht. Aber zur Ultima Ratio gehört der Einsatz von Waffengewalt. Die Äußerungen wurden parteiübergreifend scharf kritisiert, die Urteile reichten von geisteskrank über menschenverachtend bis verroht. Petry habe sich politisch vollends verirrt, befand SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Kein deutscher Polizist würde auf Flüchtlinge schießen, erklärte der Vizevorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek. Wer ein solches radikales Vorgehen vorschlägt, will offenbar den Rechtsstaat aushebeln und die Polizei instrumentalisieren. Der Unions-Innenpolitikexperte Stephan Mayer (CSU) sagte, der Gedanke, dass Grenzschützer notfalls von der Schusswaffe Gebrauch machen sollten, sei völlig inakzeptabel und erinnere auf fatale Weise an das Unrechtsregime der DDR. Die Frau ist offensichtlich geisteskrank, sagte der Vorsitzende der Union der Opferverbände Kommunistischer Gewaltherrschaft (UOKG), Dieter Dombrowski, der Mitteldeutschen Zeitung. Wer als Deutscher mit der Kenntnis um 2.000 erschossene Flüchtlinge an der innerdeutschen Grenze fordert, auf unbewaffnete Flüchtlinge zu schießen, der kann geistig nicht normal sein. Petry zeige mit diesen Forderungen ihr wahres Gesicht, erklärte der Linken-Politiker Jan Korte. Die Aussagen sind inhuman, verroht und antidemokratisch. Nach Ansicht der Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt offenbart Petrys Forderung die hässliche Fratze der AfD. Es zeigt sich, dass die AfD eine zutiefst rassistische, diskriminierende und menschenverachtende Partei ist. Ihr Fraktionskollege Konstantin von Notz sagte dem Handelsblatt, die AfD sei auf dem besten Weg, der parlamentarische Arm der gewalttätigen Naziszene zu werden. Zuletzt hatte es im Zusammenhang mit der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz Debatten über eine Teilnahme der AfD an TV-Diskussionen gegeben. Auslöser war die Weigerung der rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), in einer Live-Debatte gemeinsam mit AfD-Vertretern aufzutreten. Gabriel machte sich nun dafür stark, die Partei nicht mehr zu Debatten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen einzuladen. Bei der AfD gibt es massive Zweifel, dass sie auf der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Republik steht, sagte er. Früher galt in Deutschland eine klare Regel: Parteien, die sich gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung unseres Landes wenden, denen helfen wir nicht noch, ihre Propaganda über das Fernsehen zu verbreiten. 'Verdächtiger Algerier aus Nordrhein-Westfalen soll auch Kontakte zum IS haben. Berlin – Die Berliner Polizei stellt nach der Aufdeckung einer mutmaßlichen islamistischen Terrorzelle Ermittlungen an über mögliche Verbindungen eines in Nordrhein-Westfalen festgenommenen Algeriers zu den Anschlägen von Paris. Am Freitag veröffentlichte sie ein Foto, das den 34-jährigen Hauptverdächtigen Farid A. mit diversen Waffen zeigt. Das Bild soll im Kampfgebiet von Syrien aufgenommen worden sein. Die Polizei gab an, eines der Bilder zu veröffentlichen, um klarzustellen, weshalb die Behörden den Hinweis in besonderem Maße als ernsthaft einstufen. Der Spiegel berichtete, der Polizei liege ein weiteres Foto vor, auf dem der Mann mit einer Person aus dem Umfeld der Pariser Attentäter zu sehen sei. Er soll auch neben Leichen posieren. Die Berliner Ge neralstaatsanwaltschaft ermittelt gegen ihn und drei weitere Algerier wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Der 34-jährige Algerier, der am Donnerstag in einer Flüchtlingsunterkunft im sauerländischen Attendorn (Nordrhein-Westfalen) festgenommen wurde, bleibt vorerst in Haft. Das Amtsgericht in Dortmund erließ eine sogenannte Festhalteanordnung gegen ihn und seine 27-jährige Ehefrau. Da in seiner Heimat Algerien ein Haftbefehl vorliegt, könnte ein Auslieferungsverfahren beginnen. Dem Mann wird Mitgliedschaft in der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) vorgeworfen. Am Donnerstag war bei einer bundesweiten Razzia ein weiterer Verdächtiger in Berlin festgenommen worden. Der 49-Jährige stammt ebenfalls aus Algerien V-Mann soll Al-Kaida Geld übergeben haben. Berlin – Die deutsche Bundesanwaltschaft ermittelt einem Zeitungsbericht zufolge gegen Mitarbeiter des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wegen des Verdachts der Unterstützung einer ausländischen Terrorvereinigung. Der Nachrichtendienst soll einem V-Mann der Islamisten-Szene im Jahr 2010 Geld für Al-Kaida zugesteckt haben, berichtete die Berliner Morgenpost unter Berufung auf die Bundesanwaltschaft. Das von Amts wegen eingeleitete Ermittlungsverfahren richtet sich der Zeitung zufolge gegen einen namentlich bekannten und weitere namentlich nicht bekannte Mitarbeiter. Die Unterstützung einer Terrororganisation kann laut Strafgesetzbuch mit bis zu fünf Jahren Haft geahndet werden. Die Ermittlungen gehen dem Bericht zufolge auf Schilderungen des aus der Islamisten-Szene ausgestiegenen einstigen V-Mannes Irfan Peci zurück. In seinem Buch Der Dschihadist, das im vergangenen Sommer erschien, schreibt Peci, dass er mit einer Spende von 500 Euro das Vertrauen einer wichtigen Führungsfigur der Berliner Islamisten-Szene erlangen sollte. Sein Führungsoffizier beim BfV habe gewusst, dass das Geld für Al-Kaida bestimmt war. Der hauptamtliche Mitarbeiter des BfV habe der Übermittlung nach einer Prüfung der hausinternen Juristen der Behörde dennoch zugestimmt. Das Geld habe das BfV eigens dafür bereitgestellt. Bereits zuvor soll Peci mit dem Wissen des BfV einem Verbindungsmann der Terrorgruppe Deutsche Taliban Mudschaheddin 300 Euro gegeben haben. Das Geld nahm er laut eigener Aussage aus der regulären Bezahlung, die das BfV ihm für seine Dienste angeblich regelmäßig zukommen ließ. Das BfV hatte die Tätigkeit Pecis als V-Mann schon 2010 im Rahmen einer Gerichtsverhandlung offen gelegt. Zum Vorwurf der Geldübergabe an das Terrornetzwerk Al-Kaida wollte das Amt gegenüber der Morgenpost keine Stellung nehmen. Die deutsche Bundesregierung hatte die Vorwürfe schon zuvor zurückgewiesen. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Hans-Christian Ströbele forderte, die Bundesanwaltschaft müsse die Vorwürfe ohne Rücksicht auf die Person und Institution konsequent verfolgen und nicht nur pro forma. Es sei unerträglich, wenn terroristische Vereinigungen ihre Tätigkeit über den Verfassungsschutz und seine V-Person auch mit deutschen Steuergeldern finanzieren, zitiert ihn die Berliner Morgenpost. Integrationskonzept nach SPD-Protesten abgemildert – Forderung nach Ausnahmen beim Mindestlohn wurden aufgegeben. Berlin – Die CDU-Spitze hat ein Integrationskonzept für Flüchtlinge beschlossen und ist dabei Bedenken der SPD zu Ausnahmen beim Mindestlohn entgegengekommen. In dem am Montag vom CDU-Bundesvorstand verabschiedeten Papier Fördern und Fordern wird die Kürzung von Sozialleistungen verlangt, wenn Flüchtlinge Integrations- und Sprachkurse nicht wahrnehmen. Ein dauerhaftes Aufenthaltsrecht soll an Auflagen gekoppelt werden. Heftig kritisierte Ausnahmen beim Mindestlohn ließ die CDU fallen. Wir haben zur Kenntnis genommen, dass die Sozialdemokraten es kategorisch ablehnen, über Änderungen beim Mindestlohn zu sprechen, sagte CDU-Generalsekretär Peter Tauber. Ursprünglich wollten die Christdemokraten Flüchtlinge wie Langzeitarbeitslose behandeln: Sie sollten in den ersten sechs Monaten der Beschäftigung keinen Anspruch auf den Mindestlohn haben. Dagegen hatten der Koalitionspartner SPD und Gewerkschaften heftig protestiert. Der Mindestlohn gilt für alle, unabhängig vom Pass, mahnte eine Sprecherin von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) am Montag. Frank Bsirske, Chef der Gewerkschaft Verdi, warnte am Montag davor, einen tiefen Graben zwischen den Menschen im Niedriglohnbereich und den Flüchtlingen aufzureißen. Der Vorschlag, Flüchtlinge vom Mindestlohn auszunehmen, mache sie wider Willen zu Lohndrückern und spiele sie gegen andere aus, die eine Beschäftigung im Niedriglohnbereich hätten und anstrebten. Kritik äußerte auch der Arbeitnehmerflügel der CDU. Nun will die CDU-Spitze nur noch in die Mindestlohn-Regeln für Praktika eingreifen. Für Asylberechtigte und anerkannte Flüchtlinge sollen Praktikumszeiten, bei denen vom Mindestlohn abgewichen werden kann, auf mindestens sechs Monate verlängert werden, heißt es in dem Beschluss. Damit entschärft die CDU die Gefahr eines erneuten Koalitionskrachs. Union und SPD hatten sich vergangene Woche erst nach mehreren Anläufen und monatelangem Streit auf ein zweites Paket mit Asylrechtsverschärfungen geeinigt. Mit ihren Vorschlägen zur Integration macht die CDU eine klare Trennung auf. Wer nicht schutzbedürftig ist und daher keine Bleibeperspektive hat, muss Deutschland wieder verlassen, heißt es in dem Papier. An die Aufgenommenen formuliert die Partei Erwartungen: Integration besteht aus Fördern und Fordern. Sie ist ein Angebot, aber auch eine Verpflichtung zu eigener Anstrengung. Vorgeschlagen werden verpflichtende Integrationsvereinbarungen. Die Pläne sehen zudem vor, anerkannten Flüchtlingen und Asylberechtigten ein unbefristetes Daueraufenthaltsrecht künftig erst dann zu gewähren, wenn sie nachweisen können, dass sie ausreichend Deutsch sprechen, ihren Lebensunterhalt sichern können und keine Straftaten begangen haben. Der Spracherwerb soll früh gefördert werden und verpflichtend sein. Wer Sprach- und Integrationskurse schwänzt, dem sollen die Sozialleistungen gekürzt werden. Abgerückt ist die CDU von dem Vorschlag, das Schulpflicht-Alter für Flüchtlinge ohne Schulabschluss auf 25 Jahre anzuheben. Nun soll geprüft werden, ob durch eine längere Beschulung deren Chancen verbessert werden, fit für Ausbildung oder Job gemacht zu werden. Die SPD kritisierte, dass die CDU keine Kosten für ihre Vorschläge nennt. Wer von Integration redet und über die Finanzierung schweigt, der belügt die Bevölkerung, sagte Parteichef Sigmar Gabriel nach einer Sitzung des SPD-Präsidiums in Mainz. Der Vizekanzler bezifferte die Kosten für ein Integrationsprogramm auf drei bis fünf Milliarden Euro pro Jahr. Das SPD-Präsidium beschloss die Kernelemente einer Deutschland-Allianz für sozialen Zusammenhalt und Integration. Jeder Flüchtling soll demnach möglichst von der ersten Aufenthaltswoche an Deutschunterricht bekommen. Für verpflichtende Integrations- und Sprachkurse müsse der Bund die nötigen Mittel bereitstellen. Die CDU-Schwesterpartei CSU hätte sich weitgehende Ausnahmen beim Mindestlohn für Flüchtlinge vorstellen können. Es kommt entscheidend auf die Ausgestaltung an, sagte Parteichef Horst Seehofer am Montag vor einer Vorstandssitzung in München vor dem CDU-Beschluss. Da ist viel Klugheit gefordert. Seine Partei sei prinzipiell mit dem – ursprünglichen, später aber abgemilderten – Integrationspapier der CDU einverstanden. Alles ist abgestimmt, und wir begrüßen diese Initiative der CDU im Prinzip sehr. Jens Spahn: "Jeder spürt, dass Europa gerade in einer schwierigen Phase ist. Daher wollen wir die Zukunft Europas diskutieren und haben dazu verschiedene Blinkwinkel eingeladen". Berlin – CDU-Präsidiumsmitglied Jens Spahn hat einen Medienbericht zurückgewiesen, dass junge Unionspolitiker am Wochenende ein Treffen gegen die Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel planen. Jeder spürt, dass Europa gerade in einer schwierigen Phase ist. Daher wollen wir die Zukunft Europas diskutieren und haben dazu verschiedene Blinkwinkel eingeladen, sagte Spahn der Nachrichtenagentur Reuters am Freitag zu einem Treffen der CDU2017. Der Gruppe gehörden junge Abgeordnete aus Bund und Ländern an, darunter auch Spahn. Jede andere Deutung unseres jetzigen Treffens ist – mit Verlaub – bullshit, sagte Spahn. Der Spiegel hatte berichtet, die Gruppe wolle sich gegen die Flüchtlingspolitik der CDU-Vorsitzenden positionieren. Spahn hatte in den vergangenen Wochen von einem Staatsversagen in der Flüchtlingspolitik gesprochen. Eingeladen seien die Botschafter von Frankreich, Österreich, Dänemark, Polen und Ungarn sowie Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU), sagte Spahn. Schäuble hatte sich zuletzt klar hinter die Flüchtlingspolitik Merkels gestellt, die eine Reduzierung der Zahlen durch einen europäischen Ansatz und die Bekämpfung der Fluchtursachen erreichen will. Die Unions-Abgeordneten wollten auch über europäische Probleme wie den drohenden Brexit, ein Ausscheiden Griechenlands aus der Euro-Zone und wachsendem Populismus diskutieren, sagte Spahn, der auch Finanz-Staatssekretär ist. Man stimme mit der Kanzlerin überein, dass eine europäische Lösung die beste Lösung wäre. Deutsche Kanzlerin nennt Wiener Entscheidung voreilig, Mikl-Leitner weist Kritik als "absurd" zurück. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel kritisiert die Kurswende Österreichs in der Flüchtlingspolitik zu Obergrenzen für Neuankömmlinge. Vor allem der Zeitpunkt dafür genau vor dem EU-Rat am 18. Februar sei etwas unglücklich gewesen, sagte sie am Sonntagabend im ARD-Talk von Anne Will (hier die Sendung in der ARD-Mediathek). Wenn Österreich nicht einseitig seine Maßnahmen eingeführt hätte, hätten wir auf den regulären Rat am 18. März warten können. Somit hätte man noch etwas mehr Zeit gehabt, etwa in Griechenland Unterbringungsmöglichkeiten zu errichten, sagte Merkel. Dann hätte man in Europa überlegen können, wie wir die Umverteilung hinbekommen hätten. Wir hätten mehr Zeit gehabt. So aber habe der nächste EU-Gipfel auf den 7. März vorgezogen werden müssen. Weil nun Österreich so entschieden hat, ist das entstanden, was wir hier sehen, sagte Merkel und nahm damit auf die Zahl der Flüchtlinge Bezug, die nun in Griechenland stark gestiegen sei. Wir können Griechenland nicht einfach sitzen lassen, erklärte Merkel. Es sei eine verdammte Pflicht und Schuldigkeit, dass Europa einen gemeinsamen Weg findet. Wir schaffen das! Noch Anfang Oktober hatte die deutsche Kanzlerin dieses mittlerweile legendär gewordene Motto verteidigt und in Plauderton bei Anne Will Zuversicht zu verbreiten versucht. Am Sonntagabend kam sie wieder als einziger Gast in Wills Sendung, es war ein eher überraschender und erst drei Tage vorher angekündigter Besuch. Zu besprechen aber gab es genug. Deutschland gespalten, in Europa isoliert. Wann steuern Sie um, Frau Bundeskanzlerin?, lautete die Frage der Sendung. ... Das ist nicht mein Europa. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bei #AnneWill.https://t.co/IwWLO3nz1x Doch Will begann nicht mit dieser Frage, die ganz Deutschland in der Flüchtlingspolitik bewegt – nämlich wann denn auch Deutschland (s)eine Kurskorrektur in der Asylpolitik einleiten werde. Es ging zunächst allgemein um Deutschlands Zustand. Merkel will das Land nicht gespalten sehen. Es gibt harte Diskusionen, es gibt Polarisierung, räumte sie ein. Aber das sei nichts Neues, wenngleich die Polarisierung größer geworden sei. Fremdenfeindliche Übergriffe wie in Bautzen und Clausnitz verurteilte sie. Man kann Sorge haben, sagt Merkel, aber es gebe Grenzen. Da sind Bürger Deutschlands. Die tun etwas, was ich zutiefst ablehne. Noch einmal fragte Will, ob nicht auch Merkel mit ihrer Politik zur Spaltung beitrage. Nein, antwortete die Kanzlerin und erklärte: Das ist eine Zeit, eine Herausforderung, die habe ich mir nicht ausgesucht, die hat sich niemand ausgesucht. Sie müsse sich aber fragen, was ist nachhaltig und richtig für Deutschland. Und da laute die Antwort: Europa zusammenhalten und Humanität zeigen. Das funktioniere nicht durch einseitige Grenzschließung oder was auch immer. Für die Lösung brauche man eine bestimmte Zeit. Sie verstehe, dass viele Menschen ungeduldig seien, versicherte jedoch: Wir sind auf einem vernünftigen Weg. Allerdings räumte Merkel auch ein: Die Menschen werden, solange sie den nachhaltigen Erfolg noch nicht sehen, sagen, die Politik habe es nicht im Griff. Dann, nach 15 Minuten, stellte Will ihre Frage konkret: Steuern Sie um, Frau Bundeskanzlerin? Davon will Merkel nichts hören. Nein, antwortet sie, weil ich zutiefst überzeugt bin, dass der Weg, den ich eingeschlagen habe, der richtige ist. Die Lösung der Flüchtlingskrise liege in der gemeinsamen europäischen Verantwortung. Merkel wirkte während der gesamten Sendung gelassen, kein bisschen gereizt, auch als Will nach Obergrenzen fragte, die Österreich schon eingezogen hat, die Merkel hingegen strikt ablehnt. Dazu kann ich Ihnen nichts sagen, erklärte sie, wir arbeiten aber daran, dass die Fluchtursachen bekämpft werden. Hier erlaubte sich Merkel sogar einen kleinen Scherz und fragte, ob sie an dieser Stelle der Sendung schon darüber sprechen dürfe, was alles an Maßnahmen erfolge. Es folgten die bekannten Punkte: Bekämpfung des Schlepperwesens, besserer Schutz der EU-Außengrenzen, Zusammenarbeit mit der Türkei. Und wenn das alles nicht klappen werde, wollte Will wissen. Werde Merkel dann aufgeben und doch die Grenzen schließen? Deren Antwort: Nein, da muss ich weitermachen. Das Treffen am 7. März sei ein wichtiger Gipfel, aber dann gebe es einfach am 18. März den nächsten. Sie sei sehr optimistisch, dass uns der europäische Weg gelingt. Es sei überhaupt nicht der Zeitpunkt, über Alternativen nachzudenken. Ein Schlusswort gab es auch noch: Ich bin guten Mutes. Nur wer an sich selbst glaubt, kann Erfolge erringen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wies die Kritik an der österreichischen Flüchtlingspolitik als absurd zurück. Deutschland habe im Dezember selbst Tageskontingente eingeführt und damit einen gewaltigen Rückstau bei uns verursacht, teilte Mikl-Leitner in der Nacht auf Montag mit. Wir bremsen weiter – und das machen wir übrigens bereits auch für Deutschland. Österreich werde dafür kritisiert, Migranten nicht mehr unbegrenzt einreisen zu lassen, und dafür, einen Teil nach Deutschland weiterreisen zu lassen. Anscheinend scheint für manche die europäische Lösung darin zu bestehen, dass sich alles in Österreich sammelt, erklärte Mikl-Leitner. Dabei nehme Österreich auch heuer mehr Menschen auf als der überwiegende Teil der anderen Länder. Wir müssen uns also sicher keinen Vorwurf gefallen lassen – von keiner Seite. Den Österreichern muss man von Druck nichts erzählen, sagte die Innenministerin zum Rückstau von Flüchtlingen in Griechenland wegen der von Wien orchestrierten Schließung der Balkanroute. Als Deutschland Tageskontingente eingeführt habe, habe das einen Rückstau in Österreich verursache. Kurzfristig mussten wir bis zu 18.000 Menschen tagelang zusätzlich notversorgen, die eigentlich nach Deutschland wollten. Damals habe es keinen europaweiten Aufschrei gegeben. Mikl-Leitner räumte ein, dass es jetzt auch in Griechenland Druck gebe. Und wir helfen finanziell. Es brauche aber einen Paradigmenwechsel. An erster Stelle müsse das Retten stehen, an zweiter Stelle die Zurückweisung. Dann haben die gefährlichen Überfahrten sofort ein Ende. Anwälte argumentieren mit "Geschichtsfälschung" und "irreparablem Schaden". Berlin – Im Rechtsstreit mit seinem einstigen Ghostwriter Heribert Schwan hat der deutsche Altkanzler Helmut Kohl (CDU) den Autor auf mindestens fünf Millionen Euro Schadenersatz geklagt. Der Prozess werde am Donnerstag vor dem Landgericht Köln eröffnet, berichtete die Bild-Zeitung vom Mittwoch. In dem Buch Vermächtnis. Die Kohl-Protokolle hatte Schwan ausführlich aus Tonbandaufnahmen zitiert, die Kohl für seine Memoiren angefertigt, aber nie freigegeben hatte. Die Höhe der Entschädigung müsse sich an der historischen Dimension des Vorgangs bemessen und dem Ausmaß der versuchten Geschichtsfälschung und dem irreparablen Schaden entsprechen, argumentieren die Kohl-Anwälte dem Bericht zufolge in der Klageschrift. Die beantragte Entschädigung sei nicht unverhältnismäßig. Es gibt keinen vergleichbaren Fall, in dem ein langgedienter Staatsmann (...) in gleicher Weise derart hintergangen und durch Rechts- und Vertrauensbruch derart öffentlich bloßgestellt, vorgeführt und verspottet wurde, heißt es demnach. Zugleich machen die Anwälte laut Bild deutlich, wie sehr Schwan den Altkanzler hintergangen und in falscher Sicherheit gewogen habe. Noch im Herbst 2012, zwei Jahre vor Veröffentlichung seines Buches, habe Schwan dem Altkanzler in einem persönlichen Schreiben versichert: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, lieber Helmut Kohl, was immer Sie über meine publizistischen Aktivitäten lesen oder hören: Ich habe nicht die Absicht, ein Enthüllungsbuch zu schreiben. (...) Ich werde Sie und Ihr politisches Wirken für unser Land in angemessener Weise zu würdigen wissen. Darauf können Sie sich für alle Zeit verlassen. Schwan und sein Mitautor Tilman Jens zitieren in ihrem im Oktober 2014 erschienenen Buch den Altkanzler mit drastischen Äußerungen über frühere Weggefährten, darunter die von Kohl 1991 in sein Kabinett berufene heutige Bundeskanzlerin Angela Merkel. Das Buch basiert auf Gesprächen zwischen Kohl und Schwan, die der Kölner Autor als damaliger Biograf Kohls auf Tonband mitgeschnitten hatte. Kohl hatte vor Gericht bereits ein Veröffentlichungsverbot für zahlreiche Zitate erwirkt. Alternative für Deutschland käme in allen drei Bundesländern, in denen Wahlen anstehen, problemlos in den Landtag. Berlin – Die Grünen können eineinhalb Wochen vor der Landtagswahl darauf hoffen, im deutschen Bundesland Baden-Württemberg stärkste Kraft zu werden. Der am Donnerstag veröffentlichten Umfrage von Infratest Dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen zufolge erreicht die Partei unter Ministerpräsident Winfried Kretschmann 32 Prozent der Stimmen und landet damit deutlich vor der CDU, die auf 28 Prozent kommt. Die Grünen lägen damit auch deutlich über ihrem Wahlergebnis aus dem Jahr 2011, als sie gut 24 Prozent erreichten. Die CDU hingegen würde elf Prozentpunkte einbüßen. Großer Verlierer wäre auch die SPD, die nach 23,1 Prozent 2011 in der Vorwahlumfrage nur noch 13 Prozent erreicht. Eine Fortsetzung der grün-roten Regierung wäre daher trotz des guten Abschneidens der Grünen nicht mehr möglich. Die Sozialdemokraten liegen in der Umfrage gleichauf mit der Alternative für Deutschland (AfD), die FDP verbessert sich um knapp drei Punkte auf acht Prozent. Könnten die Baden-Württemberger den Ministerpräsidenten direkt wählen, würden sich 64 Prozent für Kretschmann und nur 17 Prozent für CDU-Herausforderer Guido Wolf entscheiden. In Rheinland-Pfalz könnte die CDU die SPD als stärkste Partei ablösen. Die Christdemokraten mit Spitzenkandidatin Julia Klöckner verbessern sich in der Umfrage leicht auf 36 Prozent, die Sozialdemokraten unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer fallen auf 34 Prozent. Bei einer Direktwahl würden jedoch 50 Prozent Dreyer und nur 30 Prozent Klöckner ins Amt wählen. Die schwersten Verluste im Mainzer Parlament drohen den Grünen, die von 15,4 um mehr als die Hälfte auf sieben Prozent fielen. Rot-Grün könnte daher auch in Rheinland-Pfalz nicht weiterregieren. Die AfD kommt auf neun Prozent, während die FDP mit fünf Prozent knapp den Einzug in den Landtag schafft. In Sachsen-Anhalt bleibt die CDU unter Ministerpräsident Reiner Haseloff in der Umfrage mit 31 Prozent deutlich stärkste Kraft. Sie verliert zwar gegenüber 2011 eineinhalb Punkte, könnte die Koalition mit der SPD (15 Prozent) aber knapp fortführen. Die Sozialdemokraten wären gegenüber der vorigen Wahl, in der sie noch 21,5 Prozent erreichten, größter Verlierer. Zweitstärkste Kraft bliebe die Linkspartei mit 21 Prozent, während die AfD mit 19 Prozent Dritter würde. Die Grünen blieben mit 5,5 Prozent im Landtag. Die FDP erreicht in der Umfrage 4,5 Prozent und muss um den Einzug bangen. 46 Prozent würden Haseloff direkt wählen, je zwölf Prozent Herausforderer Wulf Gallert (Linke) oder Katrin Budde (SPD). In Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt finden am 13. März Landtagswahlen statt. Für die Umfragen befragte Infratest Dimap zu Beginn der Woche jeweils rund 1.000 Wahlberechtigte. Der Bundestagsabgeordnete will einen Monat lang nicht am parlamentarischen Geschehen teilnehmen – Am Dienstag wurden Drogen bei ihm gefunden. Berlin – Der deutsche Grünen-Bundestagsabgeordnete Volker Beck wird wegen der Drogenvorwürfe einem Zeitungsbericht zufolge in den kommenden Wochen nicht am parlamentarischen Geschehen teilnehmen. Sein Arzt habe ihn für einen Monat krankgeschrieben, berichtete die Süddeutsche Zeitung am Samstag unter Berufung auf den Büroleiter des Grünen-Politikers. Bei Beck war am späten Dienstagabend bei einer Polizeikontrolle in Berlin eine Substanz gefunden worden, bei der es sich um ein Betäubungsmittel handeln könnte. Berichten zufolge könnte es die synthetische Droge Crystal Meth gewesen sein. Die Ermittler können die Substanz aber nicht ohne weiteres untersuchen, weil dies Teil eines Ermittlungsverfahrens ist – und über ein solches müsste zunächst der Bundestag informiert werden. Beck hatte nach Bekanntwerden der Drogenvorwürfe seinen sofortigen Rückzug von allen Fraktionsämtern angekündigt. Beck war innen- und religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Wähler könnten die Grünen erstmals zur stärksten Kraft machen. Zugpferd ist Ministerpräsident Winfried Kretschmann. Es ist nicht so, dass gar kein Mensch außerhalb von Baden-Württemberg Guido Wolf kennt. Seinen großen Moment hatte der CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl Anfang Dezember, als er Kanzlerin Angela Merkel beim Parteitag einen Plüschwolf überreichte und berichtete, in seinem Ländle sei wieder ein echter Wolf gesichtet worden. Seither nennen Naturschützer Baden-Württemberg Wolfserwartungsland, und Guido Wolf tut das auch. Er meint damit allerdings nicht das Raubtier, sondern sich selbst. Merkel war anzusehen, dass sie das mit dem knuddeligen Plüschwolf nicht ganz so toll fand. Aber sie machte gute Miene zum kindischen Spiel. Schließlich stand die CDU in Baden-Württemberg in Umfragen gut da und bereitete sich darauf vor, einen in ihren Augen historischen Irrtum zu beseitigen – nämlich den ersten grünen Ministerpräsidenten Deutschlands. Es wird ja nicht noch einmal ein AKW in Fukushima explodieren, feixte man in der Südwest-CDU. Dieses Ereignis war es, das die CDU 2011 letztlich das Regierungsamt kostete. Zuvor hatte sie 58 Jahre lang durchgehend das Amt des Ministerpräsidenten besetzt. Dann ereignete sich im März 2011 – vier Tage vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg – der Super-GAU von Fukushima. Die die Atomkraft bejahende CDU sackte von 44,2 auf 39 Prozent, die Grünen stiegen von 11,7 auf 24,2 Prozent und waren sogar stärker als die SPD (23,1 Prozent). Seither regiert Grün-Rot unter Winfried Kretschmann das als konservativ geltende Bundesland. Ist Kretschmann eigentlich ein Schwarzer?, fragt der Moderator den Ministerpräsidenten bei einer Wahlveranstaltung in Karlsruhe. Desch is’ Blödsinn, antwortet der, wenngleich er sich über die neuesten Umfragen freut. Diese sagen den Grünen am Sonntag den Wahlsieg mit 32 Prozent voraus, die CDU liegt nur bei 28 Prozent. Unklar ist aber, ob Grün-Rot weiterregieren kann. Die SPD ist im Keller, nämlich bei rund 13 Prozent, dieses Ergebnis könnte auch die AfD erreichen. Zwar besetzt die SPD mit dem Wirtschafts- und dem Finanzministerium im wirtschaftsstarken BaWü Kernressorts. Aber sie hat keine Chance, sich gegen Kretschmann zu profilieren. Der war quasi vom ersten Tag an Landesvater: Grün, aber dennoch konservativ. Neuem aufgeschlossen, aber dennoch ein Ministerpräsident, der im Autoland Baden-Württemberg selbstverständlich den Dienst-Mercedes fährt. In einem Wahlkampfspot hobelt er sorgsam an einem Stück Holz und erklärt, etwas schaffen zu wollen, das bleibt. Während Wolf über einen schwierigen Wahlkampf und einen steinigen Weg klagt, sagt der populäre Kretschmann in bedächtigem Singsang: Wir haben Ökologie und Ökonomie versöhnt. Das ist der Weg Baden-Württembergs. Wo immer er mit seinem Wahlkampfmobil, dem Busle (ein sehr kleiner Bus), hinkommt, macht Kretsch deutlich, dass die ersten fünf Jahre erst der Anfang waren: Wir haben das Land gut und ordentlich regiert, mehr ist es erst mal auch nicht. Jetzt müsse man nicht nur noch mehr Jobs durch die Energiewende schaffen, sondern auch weiter daran arbeiten, Bildungserfolge von der Herkunft zu entkoppeln. Natürlich ist das Flüchtlingsthema im Wahlkampf immer dabei. Kretschmann hat dafür einen einprägsamen Slogan gefunden: Wir können auch Krise. Will heißen: Er unterstützt Merkel in ihrer Flüchtlingspolitik. Als der Realo im Bundesrat dafür stimmte, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien und Serbien zu sicheren Herkunftsländern zu erklären, gab es noch Unruhe bei den Grünen. Doch jetzt, da Kretschmanns Kurs den Wahlsieg bedeuten könnte, ist jegliche Kritik verstummt. Er kann sich sogar den Satz erlauben: Ich bete jeden Tag, dass die Kanzlerin gesund bleibt. Derlei würde CDU-Mann Wolf nicht über die Lippen kommen. Er ist wie seine rheinland-pfälzische Parteikollegin Julia Klöckner auf Distanz zu Merkel und fordert Tageskontingente für Flüchtlinge. Bevor er sich dafür aussprach, hat er nicht einmal Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl informiert – und Merkel schon gar nicht. Diese jedoch tourt dennoch unermüdlich durchs Lände und bittet: Wählen Sie CDU, wählen Sie Guido Wolf zum Ministerpräsidenten dieses Landes! (Birgit Baumann aus Karlsruhe, 9.3.2016) Die Deutschen stimmen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt auch über die Asylpolitik ab. Das ist neu und lässt darauf schließen, dass sich die SPD vorsorglich auf einen desaströsen Wahlsonntag einstellt. Am Montag nach den Wahlen wird es diesmal keine traditionelle Post-Elektions-Pressekonferenz des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel (SPD) im Berliner Willy-Brandt-Haus geben. Die drei SPD-Spitzenkandidaten bekommen nur ihre Blumensträuße und werden kurze Statements abgeben. Fragen sind unerwünscht. Denn diese könnten ziemlich ungemütlich werden. In Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg steht die SPD wohl vor einem Debakel. In beiden Bundesländern drohen massive Verluste, im Ostland Sachsen-Anhalt liegen die Sozialdemokraten sogar hinter der rechten Alternative für Deutschland (AfD), in Baden-Württemberg auch nicht so enorm weit von ihr weg. Mildern könnte das Desaster ein Sieg von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) in Rheinland-Pfalz. Wochenlang war die SPD-Spitzenkandidatin, die derzeit mit den Grünen regiert, weit hinter CDU-Oppositionschefin und CDU-Bundesvizechefin Julia Klöckner gelegen. Doch dann schmolz der Vorsprung der CDU-Frau und Merkel-Vertrauten jede Woche ein bisschen mehr dahin. Denn Klöckner war im Wahlkampf auf Distanz zu Merkel gegangen und hatte einen eigenen Plan A2 zur Asylpolitik vorgelegt. Dieser sieht zwar keine fixen Obergrenzen bei der Aufnahme neuer Flüchtlinge vor, aber Tageskontingente, die Merkel jedoch ablehnt. Zuletzt waren Dreyer und Klöckner Kopf an Kopf gelegen, kurz vor der Wahl hatte Dreyer in Umfragen sogar die Nase vorn. Egal, wie das Rennen zwischen den beiden Frauen nun ausgeht: Auch Klöckner bekommt am Montag den obligatorischen Blumenstrauß in Berlin. Und Merkel wird persönlich in einer Pressekonferenz Rede und Antwort stehen. Sie zeigte sich vor den Wahlen am Sonntag noch einmal zuversichtlich, dass sich die AfD nicht dauerhaft in Deutschland etablieren können werde. Derzeit hätten viele Menschen den Eindruck, dass wir die Probleme, die diese große Flüchtlingsbewegung mit sich bringt, noch nicht gelöst haben, sagte sie in einem Interview mit derBerliner Zeitung. Dies sei in der Eurokrise ähnlich gewesen. Aber, so Merkel: Nachdem sichtbar wurde, dass Europa die richtigen Maßnahmen ergriffen hatte, sank die Zustimmung zur AfD wieder. Zunächst aber wird die AfD am Sonntag hohe Gewinne einfahren, vor allem in Sachsen-Anhalt. Da dort auch die Linke viele Stimmen bekommen wird, sah es in Umfragen eine Zeitlang so aus, als könnte es nach der Wahl nicht einmal mehr für die amtierende CDU-SPD-Regierung unter Ministerpräsident Rainer Haseloff (CDU) reichen. Doch zuletzt gab es wieder eine rechnerische Mehrheit für dieses Bündnis, wenn auch eine sehr knappe. Merkel rief die Deutschen am Freitag dazu auf, freundlich und offen auf Flüchtlinge zuzugehen, ihnen aber auch klarzumachen, dass es darum gehe, die Regeln unseres Zusammenlebens zu beachten, unsere Werte zu respektieren und selbstverständlich nach unseren Gesetzen zu leben. Dazu gehörten die Gleichberechtigung von Frau und Mann sowie Toleranz gegenüber Andersdenkenden. Diese von Merkel geforderte Freundlichkeit hat der Spitzenkandidat der CDU in Baden-Württemberg, Guido Wolf, eher nicht so betont. Er ist auch einer, der sich von Merkel absetzte und gemeinsam mit Julia Klöckner für Tageskontingente eintrat. Für die CDU Baden-Württemberg war dieser Wahlkampf eine Premiere. Zum ersten Mal in ihrer Geschichte musste sie ihn aus der Opposition heraus führen. In der Stuttgarter Staatskanzlei sitzt ja der erste und einzige grüne Ministerpräsident Deutschlands: Winfried Kretschmann. Dieser erlebte mit seiner Partei in der Schlussphase des Wahlkampfes noch ein Umfragewunder: Die Grünen liegen auf Platz eins, sie habe die CDU um einiges hinter sich gelassen. Das ist zum Großteil der Person und Persönlichkeit von Kretschmann zu verdanken – diesem bedächtigen und konservativen Grünen. Er hat im Wahlkampf einfach nichts falsch gemacht, sagt Andrea Römmele, Politologin an der Hertie School of Governance in Berlin. Bescheidenes Auftreten, gepaart mit Unterstützung für MerkelsFlüchtlingskurs dürfte sich am Sonntag auszahlen. Allerdings schwächelt sein roter Koalitionspartner so eklatant, dass unklar ist, ob die Neuauflage von Grün-Rot gelingt. Kretschmann wäre auch für Schwarz-Grün offen, aber das lehnt die CDU ab. Wenn schon ein solches Bündnis, dann will sie den Ministerpräsidenten stellen. So erklärte CDU-Mann Wolf kurz vor der Wahl: Die CDU kämpft bis zum Wahltag dafür, dass nichts gegen sie geht. Über Koalitionen reden wir am Tag nach der Wahl. Regierungschef Winfried Kretschmann freut sich über Platz ein, CDU und SPD lecken nach herben Verlusten ihre Wunden. Stuttgart/Berlin – Umfragen sind zunächst ja nur Momentaufnahmen. So hatte der einzige und erste grüne Ministerpräsident von Deutschland – nämlich Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg – in den letzten Wochen vor der Wahl reagiert, wenn er auf die guten Umfragewerte seiner grünen Partei angesprochen wurde. Nur nicht unbescheiden sein und im letzten Moment die Show vermasseln schien sein Motto zu lauten. Es hat sich ausgezahlt. Laut ersten Hochrechnungen wurden die Grünen am Sonntag in Baden-Württemberg – und somit überhaupt in einem deutschen Bundesland – die stärkste Kraft. Die Baden-Württemberger haben noch einmal Geschichte geschrieben, freute sich Kretsch mann bei der Wahlparty und erneuerte gleich seinen Führungsanspruch: Ich sehe in diesem Wählervotum den Auftrag, erneut die Landesregierung zu bilden und den Ministerpräsidenten zu stellen. Schon bei der letzten Wahl, im Jahr 2011, hatten sie stark zulegen können. Dies lag damals am Fukushima-Effekt, vier Tage vor der Wahl hatte sich der Super-GAU im japanischen Atomkraftwerk ereignet. Stärkste Kraft war – mit einigen Verlusten – die CDU geblieben, doch Kretschmann konnte mit seinen Grünen und der SPD die erste grün-rote Landesregierung in Deutschland bilden und schickte die Südwest-CDU nach 58 Jahren in die Opposition. Somit musste die CDU die Landtagswahl 2016 zum ersten Mal in ihrer Geschichte in Baden-Württemberg aus der Opposition heraus machen, und dies endete mit einem Misserfolg. Die Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Guido Wolf sackte tief ab. Natürlich kann uns dieses Wahlergebnis nicht zufriedenstellen. Das ist ein Ergebnis, das die CDU Baden-Württemberg nicht kennt, kommentierte er enttäuscht den Wahlausgang. So wie die rheinland-pfälzische CDU-Spitzenkandidatin Julia Klöckner hatte sich auch Wolf im Wahlkampf von der Asylpolitik von Kanzlerin Merkel distanziert und dem A2-Plan von Klöckner angeschlossen, in dem Tageskontingente und Registrierzentren in der Nähe der deutsch-österreichischen Grenze gefordert werden. Zumindest eines freut die CDU. Kretschmann kann nicht mit seinem grün-roten Wunschbündnis weiterregieren, dafür reicht es nicht, da die SPD so eklatant verloren hat. Die Sozialdemokraten, die zwar das Wirtschafts- und das Finanzministerium führten, sanken auf 13 Prozent und liegen damit nur knapp vor der erstmals angetretenen AfD. Die FDP ist wieder im Landtag vertreten. Es würde für Grün-Schwarz reichen, aber ein Bündnis mit den Grünen will Wolf nur eingehen, wenn er selbst Ministerpräsident werden kann. Kretschmann könnte aber auch noch zum bisherigen Koalitionspartner SPD die FDP ins Boot holen und eine etwas neue Form der Ampelkoalition bilden. CDU-Vizechefin Klöckner und die Grünen verlieren. Berlin/Mainz – Zumindest eines hatte man an diesem Wahlsonntag für das Bundesland Rheinland-Pfalz schon mit Sicherheit voraussagen können: Gewinnen würde eine Dame. Aber welche, das war lange die Frage gewesen. Zum ersten Mal waren in Rheinland-Pfalz zwei Frauen als Spitzenkandidatinnen der größten Parteien gegeneinander angetreten. Das Rennen machte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), die in den vergangenen Jahren mit den Grünen regiert hatte. Erste Hochrechnungen sahen die SPD klar vor der CDU, die derzeit im Landtag die einzige Oppositionspartei ist. Die Grünen aber verloren massiv. Wieder im Landtag ist die FDP, auch die AfD kommt mit rund zehn Prozent hinein. Ich bin einfach nur glücklich und dankbar, sagte Dreyer. Allerdings kann sie nicht mehr mit den Grünen allein regieren, sondern muss sich einen Partner dazusuchen. FDP-Bundeschef Christian Lindner machte gleich am Wahlabend deutlich, dass die FDP eine Regierungsbeteiligung nicht ausschließen wolle, wenn man liberale Prinzipien und Projekte einbringen könne. Der Wahlkampf war ganz auf Dreyer als Landesmutter zugeschnitten gewesen. Sie hatte auch immer klargemacht, dass sie in Mainz bleiben wolle und es sie nicht nach Berlin dränge. Dreyer ist seit Jänner 2013 Regierungschefin von Rheinland-Pfalz und nahm in ihrer bescheidenen und bodenständigen Art bald die Rolle der Landesmutter ein. Von ihrer Erkrankung (multiple Sklerose) ließ sie sich nicht unterkriegen, manche Termine muss sie aber im Rollstuhl absolvieren. Auch Klöckner, eine fröhliche Winzertochter, betonte im Wahlkampf immer wieder, wie sehr sie doch mit ihrer rheinland-pfälzischen Heimat verwurzelt sei und dass sie nichts anderes als hier Ministerpräsidentin werden wolle. Schließlich habe sie in Berlin sowohl ihr Bundestagsmandat als auch ihr Amt als Staatssekretärin im Verbraucherschutzministerium aufgegeben, um sich ganz der Landespolitik zu widmen. Doch Klöckner glaubte man das nicht. Sie ist auch Bundesvizechefin der CDU und somit eine von Angela Merkels Stellvertreterinnen. Immer wieder wird in Berlin gemunkelt, Klöckner wolle eines Tages Merkel nachfolgen. Daher wurde ihr Asylplan A2, den sie mitten im Wahlkampf vorlegte, besonders beachtet. In diesem kommt zwar das Wort Obergrenze nicht vor, aber Klöckner tritt für flexible Tageskontingente für Flüchtlinge ein. Warten, bis sie dran sind, sollen sie in grenznahen Registrierzentren. Mit beiden Vorschlägen war Klöckner auf Distanz zu Merkel gegangen. Lange Zeit war die CDU in Umfragen in Führung gelegen, Klöckner hatte sich schon auf die Übernahme der Staatskanzlei vorbereitet. Doch dann reichte es doch nur wieder für Platz zwei, die CDU verlor sogar noch. Immerhin freute sich Klöckner über eines: Rot-Grün ist abgewählt. Nach dem Wahlsieg von Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg fürchtet der linke Flügel ins Hintertreffen zu geraten. Zwei Tage nach dem Wahlsonntag freut sich Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt immer noch über den Sieg der Grünen und Winfried Kretschmanns in Baden-Württemberg. Es zeigt, dass die Grünen ganz neue Wählerschichten erreichen konnten, sagte sie am Dienstag. Schon am Tag zuvor hatte sie geschwärmt, dass auch die Bundes-Grünen von den Parteifreunden im Südwesten lernen könnten. Als Erfolgsmodell von Kretschmann, unter dessen Führung die Grünen 30,3 Prozent holten, lobt sie gute Politik und Pragmatismus. Auch Parteichef Cem Özdemir erklärt, die Grünen wären ja mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn sie nicht von Kretschmanns Erfolg lernen würden. Göring-Eckardt und Özdemir als Vertreter des Realo-Flügels macht der Sieg Kretschmanns besonders froh. Denn er gilt als ausgewiesener Pragmatiker. Und wenn so einer derartige Stimmengewinne für die Grünen einfahren und sie zur stärksten Partei machen kann, dann werde man darauf wohl im Bundestagswahlkampf Rücksicht nehmen. Bis dahin ist noch Zeit, gewählt wird im Herbst 2017, und die Grünen müssen – wie die anderen Parteien auch – erst einmal ein Wahlprogramm erstellen. Führende Linke, wie Fraktionschef Anton Hofreiter oder Parteichefin Simone Peter müssen nach dem Erfolg Kretschmanns aber Sorge haben, dass dieses keine allzu linke Handschrift tragen wird – zumal sich viele Grüne mit Schrecken an die Bundestagswahl 2013 erinnern. Damals forderten die Grünen Steuererhöhungen für Besserverdiener und wurden dafür von den Wählern abgestraft: Sie sanken von 10,7 auf 8,4 Prozent. Kretschmann muss seine Position jedoch noch festigen, indem er jetzt, nach der Wahl, eine Regierung zustande bringt. Für das bisherige Bündnis mit der SPD reicht es rechnerisch nicht mehr. Er würde gerne Sondierungsgespräche mit der CDU führen. Diese war bisher nicht begeistert davon, für die Grünen möglicherweise den Juniorpartner zu machen. Doch mittlerweile gibt es doch Überlegungen in der Südwest-CDU, der Einladung zu folgen. Die beiden CDU-Bundestagsabgeordneten Karin Maag und Stefan Kaufmann haben einen Antrag gestellt, über grün-schwarze Koalitionsverhandlungen in einem CDU-Mitgliedervotum zu entscheiden. In Baden-Württemberg wurde auch schon ein Name für ein etwaiges grün-schwarzes Bündnis gefunden – die Kiwi-Koalition: viel Grün, einige schwarze Kerne. Gegen ein weiteres Bündnis von Grünen und Schwarzen hätte auch Kanzlerin Angela Merkel nichts einzuwenden, es würde ihre Optionen nach der Wahl 2017 erweitern. Derzeit gibt es in Hessen eine solche Koalition, aber diese wird von der CDU geführt, die Grünen sind Juniorpartner. Seine Macht wird Kretschmann jedenfalls am Freitag ausspielen. Da soll der Bundesrat Algerien, Marokko und Tunesien in die Liste sicherer Herkunftsländer aufnehmen, Flüchtlinge können dann leichter abgeschoben werden. Die grüne Bundesspitze ist dagegen, aber Kretschmann wird Union und SPD in der Länderkammer zur Mehrheit verhelfen. "Die Union muss einmal wieder ein Projekt formulieren, was wir wollen" – Treffen der deutschen Koalitions-Spitzen am Abend. München – Vor dem Koalitions-Spitzentreffen am Mittwochabend in Berlin hat CSU-Chef Horst Seehofer Kanzlerin Angela Merkel (CDU) vor einem weiteren Abrutschen in der Wählergunst gewarnt. Umfragewerte von 32 Prozent für die Unionsparteien im Bund seien ein Tiefpunkt, sagte Seehofer der dpa in München – und warnte: Wenn wir unsere Politik nicht ändern in Berlin, dann werden wir unter 30 Prozent rutschen. Der bayerische Ministerpräsident betonte: Die Union muss einmal wieder ein Projekt formulieren, was wir wollen. Auf die Frage, welche Erwartungen er an seine Gespräche am Abend in Berlin habe, sagte Seehofer: Wenig. Im Streit mit Merkel über die Flüchtlingspolitik bleibt Seehofer trotz der massiv gesunkenen Flüchtlingszahlen bei seiner Klagedrohung. Einen Antwortbrief Merkels auf das bayerische Forderungsschreiben hatte er bis Dienstag nach eigenen Angaben noch nicht bekommen. Der CSU-Chef betonte aber: Der Eingang eines Briefes ist nicht zwingende Voraussetzung für die Einreichung einer Klage. Bayern verlangt vom Bund unter anderem effektive, umfassende Grenzkontrollen und eine Obergrenze für Flüchtlinge. Seehofer machte deutlich, dass er die gesunkenen Flüchtlingszahlen eindeutig nicht als Ergebnis von Merkels Politik sieht, sondern als Resultat der Grenzschließungen auf der Balkanroute. Die Entwicklung, die wir jetzt erleben, ist vor allem eine Entwicklung durch Österreich und Mazedonien. Das wolle er Merkel am Mittwochabend auch anhand eines Schaubildes verdeutlichen – darauf sind die täglichen Flüchtlingszahlen seit über einem Jahr in einer Kurve dargestellt. Merkel und Seehofer werden zunächst unter vier Augen sprechen. Später wird der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel dazustoßen. Die Parteichefs wollen Lösungen für Streitthemen wie die Reform der Erbschaftsteuer, Neuregelungen bei Leiharbeit und Werkverträgen sowie die geplante Lebensleistungsrente suchen. Die Flüchtlingskrise wird ein weiteres Thema sein. Plakatwerbung für Zigaretten soll verschwinden, Verbot sexistischer Werbung als Reaktion auf Übergriffe von Köln. Berlin – Plakatwerbung für Zigaretten und sexistische Werbung sollen nach Plänen der deutschen Bundesregierung verboten werden. Bundesernährungsminister Christian Schmidt (CSU) kündigte in den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstagsausgaben) an, dass er Werbung für Zigaretten auf Plakaten und im Kino verbannen will. Justizminister Heiko Maas (SPD) plant seinerseits einem Spiegel-Bericht zufolge, geschlechterdiskriminierende Werbung zu unterbinden. Schmidt kündigte an, dass sein Gesetzentwurf in Kürze im Bundeskabinett beraten werde. Deutschland ist nach seinen Angaben das letzte Land in der EU, in dem noch uneingeschränkt Außenwerbung für Tabakerzeugnisse erlaubt ist. Das geplante Tabakwerbeverbot soll demnach ab 2020 in Kraft sein und auch für E-Zigaretten gelten. Es erstreckt sich den Plänen zufolge auf Außenflächen wie Plakatwände oder Litfaßsäulen. Tabakwerbung an Außenflächen von Fachgeschäften, in Verkaufsstellen wie Trinkhallen oder Tankstellen soll aber erlaubt bleiben. In Kinos soll das Werbeverbot bei allen Filmen gelten, die für Zuschauer unter 18 Jahren freigegeben sind. Maas will seinen Gesetzesentwurf für ein Verbot geschlechterdiskriminierender Werbung laut Spiegel bald in die Ressortabstimmung geben. Geplant ist demnach eine Änderung des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Den Plänen zufolge könnten künftig Plakate oder Anzeigen verboten sein, die Frauen oder Männer auf Sexualobjekte reduzieren. Im Streitfall würde ein Gericht die Entscheidung treffen. Mit dem Vorhaben setzt Maas dem Bericht zufolge einen Beschluss der SPD-Parteispitze um. Die hatte in Reaktion auf die sexuellen Übergriffe der Silvesternacht in Köln beschlossen, ein moderneres Geschlechterbild in Deutschland zu etablieren. Die Polizei hatte bei dem deutschen Politiker Anfang März vermutlich Crystal Meth gefunden – Strafzahlung von 7.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft Berlin hat das Verfahren gegen den grünen deutschen Bundestagsabgeordneten Volker Beck wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Suchtmittelgesetz eingestellt. Das berichtete Spiegel Online am Mittwoch. Beck muss allerdings eine Geldstrafe von 7.000 Euro zahlen. Beck war im März bei einer Polizeikontrolle mit 0,6 Gramm einer betäubungsmittelsuspekten Substanz erwischt worden. Dabei soll es sich um Crystal Meth gehandelt haben. Beck hatte danach seine Ämter als innen- und religionspolitischer Sprecher der Grünen abgegeben, behielt aber sein Bundestagsmandat. Regierung will Integrationsgesetz am 24. Mai beschließen. Berlin – Die Koalitionsspitzen in Deutschland haben sich nach monatelangem Streit in der Flüchtlingskrise auf mehrere Maßnahmenpakete zur Integration und zur Terrorbekämpfung geeinigt. Der Entwurf des Integrationsgesetzes für Flüchtlinge soll bei der Regierungsklausur am 24. Mai beschlossen werden, vereinbarten die Spitzen von CDU, CSU und SPD in der Nacht auf Donnerstag, wie aus einem der Nachrichtenagentur Reuters vorliegenden Eckpunktepapier hervorgeht. Das Gesetz werde sich an den Grundsätzen des Förderns und Forderns orientieren, heißt es in dem Dokument. Bei Ablehnung von Integrationsmaßnahmen würden die Leistungen nach dem Asylbewerbergesetz gekürzt. Asylwerbern soll künftig ein Wohnsitz zugewiesen werden können. Eine Verletzung der Wohnsitzzuweisung führt für die Betroffenen zu spürbaren Konsequenzen, heißt es. Vorgesehen sind demnach auch 100.000 Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge. Um Asylwerbern und Geduldeten den Zugang zum Arbeitsmarkt zu erleichtern, soll die Vorrangprüfung für drei Jahre abgeschafft werden. Bisher dürfen sie eine Arbeitsstelle nur besetzen, wenn Einheimische oder andere Europäer keinen Vorrang haben. Auch als Leiharbeiter dürfen sie künftig beschäftigt werden. Aus den Unionsparteien hieß es nach den siebenstündigen Beratungen, man sei mit den Ergebnissen zufrieden. Kanzlerin Angela Merkel (CDU), CSU-Chef Horst Seehofer und der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel wollten sich demnach bei einer Pressekonferenz zu den Ergebnissen äußern. Daran sollten auch Innenminister Thomas de Maiziere (CDU), Arbeitsministerin Andrea Nahles und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) teilnehmen. Nach den Anschlägen von Paris und Brüssel will Deutschland zudem die Sicherheit durch ein Maßnahmenpaket erhöhen. Die Koalitionsspitzen verständigten sich unter anderem darauf, die Ermittlungsbefugnisse der Bundespolizei zu verbessern. Verdeckte Ermittler sollten bereits zur Gefahrenabwehr – insbesondere bei Schleuserkriminalität – zum Einsatz kommen und nicht erst bei der Strafverfolgung. Auch eine engere Zusammenarbeit mit wichtigen Staaten in der Terrorabwehr ist vorgesehen. Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst (BND) sollen mit ausländischen Partnerdiensten Daten austauschen, allerdings unter klar definierten Bedingungen. Zudem sollen die gemeinsamen Daten von Nachrichtendiensten und Polizeistellen künftig für Analysen fünf Jahre und damit länger als bisher nutzbar sein. Verurteilte Unterstützer einer terroristischen Vereinigung sollen unter eine Führungsaufsicht gestellt werden können. Zudem will Deutschland Personal und Mittel der Sicherheitsbehörden aufstocken. Damit Vereinsverbote strenger beachtet werden, sollen Verstöße dagegen härter geahndet werden. Provider und Händler werden verpflichtet, auch bei Nutzern von Prepaid-Mobilfunkgeräten stets ein gültiges Identitätsdokument mit vollständiger Adresse zu verlangen. Internetunternehmen sollen sich freiwillig selbstverpflichten, gegen terroristische Propaganda in ihren Netzwerken vorzugehen. Den Sicherheitsbehörden soll es möglich werden, in den Daten der Telekomgesellschaften die automatisierte Suche mit unvollständigen Namensbestandteilen zu nutzen. ZDF wertet Entscheidung der deutschen Regierung im Fall des satirischen "Schmähgedichtes" als politisch. Berlin – Der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV) Frank Überall hat die Entscheidung der Regierung in der Böhmermann-Affäre kritisiert. Ich finde das absurd, sagte er am Freitag der Deutschen Presse-Agentur. Die Regierung hatte zuvor dem Wunsch der Türkei nach einem gesonderten Strafverfahren gegen den TV-Moderator Jan Böhmermann wegen Beleidigung des türkischen Staatschefs Recep Tayyip Erdogan stattgegeben. Die Kanzlerin hat zwar betont, wie wichtig ihr Meinungs-, Kunst- und Pressefreiheit seien – allein mir fehlt der Glaube, sagte Überall. Recht habe die Kanzlerin allerdings damit, dass diese Entscheidung keine Vorverurteilung sei. Ich hoffe, dass es gar nicht erst zu einer Anklage kommt, so der DJV-Vorsitzende. Und selbst wenn, bedeute dass nicht, dass Böhmermann zwangsläufig verurteilt werde. Am Ende glaube ich, dass die Presse- und Meinungsfreiheit höher wiegt. Der TV-Sender ZDF hat die Zustimmung der deutschen Regierung für ein gesondertes Strafverfahren gegen Böhmermann als politische Entscheidung bewertet. Inhaltlich nahm der Sender am Freitag keine Stellung dazu und verwies auf das Justizverfahren. Die Bundesregierung hat nach Paragraf 104a Strafgesetzbuch eine politische Entscheidung getroffen, teilte das ZDF auf Anfrage mit. Voraussetzung einer Strafbarkeit ist aber die Erfüllung des Beleidigungstatbestands. Dazu trifft die Entscheidung der Bundesregierung keinerlei Wertung. Das ist Aufgabe der Justiz. Kanzlerin Angela Merkel hatte einem Wunsch der Türkei nach einer Strafverfolgung wegen Beleidigung von Organen und Vertretern ausländischer Staaten stattgegeben. Sie verwies darauf, dass die Justiz hierbei das letzte Wort habe, nicht die Regierung. Böhmermann hatte in seiner satirischen TV-Show Neo Magazin Royale (ZDF, ZDFneo) ein Schmähgedicht vorgetragen, in dem er den türkischen Präsidenten heftig beleidigte, um nach eigenen Angaben aufzuzeigen, dass dies nicht erlaubt sei. Das ZDF hatte am Montag erklärt, an seinem Moderator festzuhalten, die Sendung Neo Magazin Royale werde fortgeführt. Dabei bleibt es nach Angaben vom Freitag. Die deutsche Regierung macht den Weg frei für ein Strafverfahren gegen ZDF-Satiriker Jan Böhmermann. Die Entscheidung fiel nicht im Konsens. Vielleicht wird dieser Freitag in die Geschichtsbücher eingehen oder später einmal im Unterricht dafür herangezogen werden, wenn es darum geht, die Richt linienkompetenz eines deutschen Regierungschefs zu erklären. Es begann um 13.00 Uhr mit dem Auftritt Merkels: Sie teilte mit, dass die Regierung sich entschlossen habe, dem Er suchen der Türkei, den ZDF-Satiriker Jan Böhmermann durch die deutsche Justiz strafrechtlich verfolgen zu lassen, stattgebe. Merkel räumte freimütig ein, worüber man schon tuschelte: Es gab unterschiedliche Auffassungen zwischen den Koalitionspartnern Union und SPD. Im Ergebnis wird die Bundesregierung im vorliegenden Fall die Ermächtigung erteilen. Als Kotau vor dem türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan – dessen AKP von einer zweifellos richtigen Entscheidung sprach – will Merkel diese Entscheidung nicht verstanden wissen. Sie sagte, dass man in Deutschland auf Gerichte vertraue: Im Rechtsstaat ist die Justiz unabhängig. Die Regierung handle nach Paragraf 103 des Strafgesetzbuches (Beleidigung eines ausländischen Staatsoberhauptes). Die unabhängige Justiz hat das letzte Wort. Gleichzeitig machte Merkel aber auch deutlich, dass der 103er in Zukunft entbehrlich sei. Daher will die Koalition ein Gesetz zur Abschaffung des Paragrafen verabschieden. Dieses soll im Jahr 2018 in Kraft treten. Am Nachmittag traten Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Justizminister Heiko Maas (beide SPD) vor die Presse, um ihre Sichtweise zu erklären. Und diese stimmt nicht mit jener Merkels überein: Gemäß ihren Schilderungen waren alle SPD-Minister gegen eine Ermächtigung, hingegen sprachen sich alle CDU- und CSU-Regierungsmitglieder dafür aus. Und so erklärte Steinmeier: Wegen der Stimmengleichheit entschied die Stimme der Bundeskanzlerin. Das Unbehagen der roten Minister erklärte der Außenminister so: Meinungs-, Presse- und Kunstfreiheit sind höchste Schutzgüter unserer Verfassung. Er räumte aber ein, dass es gute Gründe für beide Alternativen der Entscheidung gebe. Maas sagte, Erdogan habe ohnehin schon als Privatmann Anzeige wegen Beleidigung erstattet: Die Frage, ob es sich bei den Äußerungen von Herrn Böhmermann um Satire oder schon um eine strafbare Beleidigung handelt, wird deshalb ohnehin von den Gerichten nach Recht und Gesetz entschieden. Trotz der Differenzen wurde in SPD-Kreisen aber bereits gestreut, dass es die Sozialdemokraten nicht auf einen Koalitionsbruch ankommen lassen wollen. Ähnlich wie Maas argumentiert auch Grünen-Chef Cem Özdemir, der die Entscheidung ebenfalls kritisiert: Es fühlt sich falsch an, dass es hier eine Sonderbehandlung gibt. Dem türkischen Präsidenten wäre auch der normale Rechtsweg offengestanden. Vor der türkischen Botschaft in Berlin hätte am Freitagnachmittag eine Ziegendemo gegen Beleidigung stattfinden sollen. Aktivisten wollten mit Ziegenmasken und Kopftüchern für die Freiheit der Kunst demonstrieren und Schrifttafeln mit Böhmermanns Gedicht mitbringen. Doch das Verwaltungsgericht bestätigte ein Verbot der Polizei. Dies sei aber keine Aussage über die Strafbarkeit von Böhmermanns Handeln, hieß es. Vielmehr würde die isolierte Zitierung des Gedichts die Voraussetzungen einer beleidigenden Schmähkritik erfüllen, der Persönlichkeitsschutz gehe vor. Und Böhmermann selbst? Der ließ am Abend durch seinen Anwalt Christian Schertz ausrichten:_Diese Verfolgungsermächtigung war völlig überflüssig und ohne Not, denn Erdogan habe bereits als Privatperson einen Strafantrag gestellt. Berlin habe rechtlich wie rechtspolitisch höchst bedenklich gehandelt.(Birgit Baumann aus Berlin, 15.4.2016) Michael Hubertus von Sprenger hat ein Faible für umstrittene Mandanten. Auf hoher See und im Gericht ist man bekanntlich in Gottes Hand. Im zweiten Fall auch ein wenig in derjenigen seines Anwalts. Und so wird der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan schon genau geschaut haben, wer ihn in Deutschland in der Causa Böhmermann beraten und vertreten soll. Seine Wahl fiel auf den Münchner Anwalt Michael Hubertus von Sprenger. Dieser weist auf seiner Website Familienrecht, Erbrecht, Immobilienrecht, Baurecht, Arbeitsrecht und Medienrecht als Tätigkeitsgebiete aus. Von Vertretung ausländischer Staatschefs im Falle von Beleidigungen ist nicht die Rede. Aber das ist ja ein Sonderfall, und daher verrät Sprenger nicht, wie der Auftrag zustande kam. Böhmermann habe schlicht eine Person beleidigt Nur so viel: Er sei mit einem Berater Erdogans gut bekannt, und als dieser anfragte, ob Sprenger seinem aufgebrachten, von Böhmermanns Schmähgedicht sehr getroffenen Chef behilflich sein könne, habe er sofort zugesagt. Denn, so der 75-jährige Spezialist für Presserecht: Es reicht im 21. Jahrhundert nicht mehr aus, Tucholsky mit dem Satz zu zitieren, dass Satire alles dürfe. Jan Böhmermann habe schlicht eine Person beleidigt. Sprenger hat BWL und Jus in Berlin und Bonn studiert, sein zweites Staatsexamen legte er in München ab. Dort gründete er 1974, nachdem er eine Zeitlang in der Kreditabteilung einer Großbank gearbeitet hatte, mit einem Partner seine Anwaltskanzlei. Verteidigte bereits Irving und Görüş Erdogan ist zwar Sprengers prominentester Mandant, aber beileibe nicht der erste, dessen Person umstritten ist. So verteidigte der Anwalt auch schon den britischen Holocaust-Leugner David Irving und Millî Görüş – jene Organisation, die vom Verfassungsschutz als islamistisch eingestuft wird und wegen Verleumdung gegen den Freistaat Bayern klagte. Zu Sprengers Mandanten zählt zudem der Schauspieler Götz George, für den er nach einem Bootsunfall hohen Schadenersatz herausschlug. Ebenfalls von ihm vertreten wird Jürgen Elsässer, Chefredakteur der rechtskonservativen Zeitschrift Compact. Den hat die ehemalige Bundestagsabgeordnete der Grünen, Jutta von Ditfurth, als glühenden Antisemiten bezeichnet. Sie verlor in zwei Instanzen und hat nun Verfassungsbeschwerde eingelegt. Doch lange Verfahren stören Sprenger nicht. Ich streite es durch, bis ich obsiege, sagt er. Schließlich wirbt er mit dem Satz, gerne behilflich zu sein, um Ihren guten Ruf wiederherzustellen. (Birgit Baumann aus Berlin, 17.4.2016) Besetzung der Ministerposten in Bündnis aus SPD, FDP und Grünen noch unklar. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Kritik auch an Finanzierung durch Saudi-Arabien. Berlin/Wien – In deutschen Moscheen predigen laut einem Zeitungsbericht derzeit rund 970 Imame, die von der türkischen Religionsbehörde (Diyanet) entsandt worden sind. Ihre Aufenthaltsdauer in Deutschland liege in der Regel bei fünf Jahren, schreibt die Welt am Sonntag unter Berufung auf die Türkisch-Islamische Union der Anstalt für Religion (DITIB). Der Grünen-Vorsitzende Cem Özdemir sagte der Welt am Sonntag, in DITIB-Moscheen gebe es zwar viele engagierte Gemeindemitglieder, die tolle Arbeit leisteten. Der Dachverband selbst aber sei der verlängerte Arm des türkischen Staates. Ankara mache DITIB immer mehr zu einer politischen Vorfeldorganisation der regierenden islamisch-konservativen AKP (Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung). Er forderte: Die Türkei muss die Muslime endlich freigeben. Özdemir sieht vor allem den Einfluss des Wahhabismus als großes Problem. Vertreter dieser puritanischen Interpretation des sunnitischen Islam, die in Saudi-Arabien Staatsreligion ist, versuchen seiner Ansicht nach auch in Deutschland den Mehrheitsislam zurückzudrängen. Der Regierung fehle in Bezug auf saudische Finanzmittel für hiesige islamische Einrichtungen das Problembewusstsein, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Man behandelt Saudi-Arabien mit Samthandschuhen und arbeitet sich stattdessen an Symbolthemen wie dem Burka-Verbot ab. Die Bürgermeisterin des Berliner Bezirks Neukölln, Franziska Giffey (SPD) sagte der Welt am Sonntag, sie sehe es kritisch, wenn Moscheevereine fremdgesteuert sind und dort Imame predigen, die nicht nach dem deutschen Werteverständnis ausgebildet und nicht hier aufgewachsen sind. Das Bundesvorstandsmitglied der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD), Georg Pazderski, sagte: Die Türkei mischt sich mit dieser Praxis massiv in die deutsche Innenpolitik ein. Dies dürfe genauso wenig geduldet werden wie die Finanzierung von Moscheen in Deutschland aus dem Ausland. Die religionspolitische Sprecherin der Linken im Bundestag, Christine Buchholz, betonte, es dürfe keine Sonderbehandlung einzelner Religionen geben. Deshalb brauche Deutschland auch kein Islamgesetz, wie in Österreich. Aus der CSU war zuletzt die Forderung gekommen, die Finanzierung von Moscheen aus dem Ausland zu stoppen. Das im Vorjahr in Österreich in Kraft getretene Islamgesetz brachte als einen zentralen Punkt ein Verbot der Finanzierung aus dem Ausland. Petry sieht AfD als "Fieberthermometer" der Gesellschaft. Stuttgart – Die AfD nimmt Kurs auf den Deutschen Bundestag und erneuert ihre Kampfansage an die etablierten Parteien: Parteichefin Frauke Petry erhob am Samstag auf dem Bundesparteitag in Stuttgart den Machtanspruch ihrer Partei. Ihr Ko-Vorsitzender Jörg Meuthen sagte, das künftige Parteiprogramm werde weg vom links-rot-grün versifften 68er-Deutschland führen. Vor dem Tagungsort gab es gewaltsame Proteste, die Polizei nahm 400 Demonstranten in Gewahrsam. Die AfD wolle nicht dauerhaft als Juniorpartner in den Parlamenten sitzen, sagte Petry unter dem Beifall der mehr als 2.000 Parteimitglieder. Wir wollen Mehrheiten erringen, damit wir unsere Programmatik als Gegenentwurf zum politischen Establishment durchsetzen können. Die AfD trage als am schnellsten wachsende Partei in Deutschland eine Riesenverantwortung, sagte Petry weiter. Sie sei das Fieberthermometer einer Gesellschaft, die die demokratische Kontroverse wieder mühsam erlernen muss. Die AfD-Chefin verwies darauf, dass die von ihrer Partei verfolgte direkte Demokratie ein einzigartiges Alleinstellungsmerkmal sei. Parteivize Alexander Gauland sagte, die Erfolge der AfD würden den etablierten Parteien inzwischen das Fürchten lehren. Petry kritisierte in ihrer Rede den Umgang der Medien mit ihrer Partei. Für den gebetsmühlenartigen Vorwurf des Rechtsrucks gebe es keine Belege, sagte sie. Trotz einer massiven Diffamierung und Dämonisierung wachse der Zuspruch für die AfD. Petrys Ko-Vorsitzender Meuthen sagte, Ziel sei, die AfD als neue konservative Größe im Land zu etablieren. Der Fraktionschef im baden-württembergischen Landtag betonte die Geschlossenheit der Parteispitze und nannte explizit auch den als Rechtsaußen geltenden Thüringer Landeschef Björn Höcke: Wir stehen zu dem breiten Meinungsspektrum, das es in unserer Partei gibt. Das erste Parteiprogramm, das am Sonntag beschlossen werden soll, solle auch Ausdruck eines gesunden Patriotismus sein. Die AfD wolle zudem einen schlanken Staat, der Sozialpolitik nicht mit der Gießkanne für alle und jeden betreibt, sagte Meuthen. Die AfD will in dem Programm einen Anti-Islam-Kurs festschreiben, der Islam soll als unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt werden. Weitere Schwerpunkte sind die Forderung nach einem Ausstieg aus dem Euro, ein Plädoyer für die traditionelle Familie, der Ruf nach mehr direkter Demokratie und das Festhalten an der Atomenergie. Zu dem Leitantrag des Vorstands liegen mehrere hundert Änderungsanträge vor, die zum Teil deutlich schärfere Positionen enthalten. Die AfD ist nach ihren Erfolgen in den Ländern, wo sie inzwischen in acht Parlamenten vertreten ist, auch auf Bundesebene im Aufwind. Anderthalb Jahre vor der Bundestagswahl liegt sie in Umfragen zwischen zwölf und 14 Prozent. Der AfD-Europaabgeordnete Marcus Pretzell kündigte auf dem Parteitag an, er wechsele nach seinem Rauswurf aus der Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (EKR) im EU-Parlament in das Lager um die Chefin der rechtsextremen Front National, Marine Le Pen. Am Samstagvormittag versuchten teils vermummte Demonstranten, die Zufahrtswege zu dem am Stuttgarter Flughafen gelegenen Tagungsort zu blockieren. Die Beamten setzten nach Polizeiangaben Pfefferspray ein, außerdem wurde der Einsatz von Wasserwerfern angedroht. Die Demonstranten setzten den Angaben zufolge Reifen in Brand und warfen Feuerwerkskörper. Eine Demonstration in der Stuttgarter Innenstadt, an der sich laut Polizei 1.800 Menschen beteiligten, blieb friedlich. Jede Partei stellt fünf Minister in neuer Regierung. Stuttgart – In Baden-Württemberg haben sich Grüne und CDU auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Zum Abschluss verständigten sich die beiden Parteien auch auf die Verteilung der Ressorts, wie Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und CDU-Landeschef Thomas Strobl am Sonntag nach der großen Koalitionsrunde in Stuttgart mitteilten. Beide Parteien bekommen demnach fünf Ministerien. An die Grünen gehen die Ressorts Finanzen, Umwelt, Soziales, Wissenschaft und Verkehr. Die CDU bekommt die Ministerien für Kultus, Wirtschaft, Inneres, Ländlichen Raum und Justiz. Die Namen der Minister wurden noch nicht benannt. Der Koalitionsvertrag soll am Montag vorgestellt werden. Auf wesentliche Inhalte hatten sich die Parteien bereits am Freitag geeinigt. Dem Koalitionsvertrag muss noch die Basis von CDU und Grünen auf Parteitagen zustimmen. Am 12. Mai soll Kretschmann als Ministerpräsident wiedergewählt werden. 'Die Wahlerfolge und das Programm der AfD sorgen in der CDU für Unruhe. Sie diskutiert, wie man die junge Partei wieder kleinkriegen kann. Kanzlerin Angela Merkel will "ohne Schaum vor dem Mund " diskutieren. Über ihre politischen Gegner äußert sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel nur selten, lieber spricht sie über die Ziele ihrer eigenen Partei. Auch die AfD hat sie lange Zeit ignoriert. Doch jetzt, da diese schon einige große Erfolge bei Landtagswahlen hatte, in Umfragen bundesweit um die zehn Prozent liegt und ihr erstes Parteiprogramm (mit striktem Anti-Islam-Kurs) beschlossen hat, will Merkel offenbar nicht mehr länger schweigen. Die Bild-Zeitung berichtet, sie habe in der CDU-Präsidiumssitzung sogar erstmals eine Kurskorrektur in Aussicht gestellt und erklärt, die Union müsse sich wieder verstärkt um konservative Wählerschichten bemühen. Nur so könnte man der AfD das Wasser abgraben. Merkel selbst allerdings dementierte dies am Dienstag. Es gebe keinerlei neue Strategie im Umgang mit der AfD; jedoch die Aufgabe, die noch entschiedener gemacht werden muss, aus uns heraus selbst darzustellen, was wir wollen, wohin wir gehen, welche Überzeugungen uns tragen, sagte sie beim Besuch des Französischen Gymnasiums in Berlin. Der Einsatz für Europa sei eine Strategie, die weiter gilt, erklärte sie. Man müsse Europa stärken, denn wenn die Europäer im 21. Jahrhundert ihre Ziele durchsetzen wollten, könnten sie dies nicht alleine tun. Die AfD hingegen will das Volk über einen Verbleib im Euro abstimmen lassen und das undemokratische Konstrukt EU zugunsten einer Freihandelszone auflösen. Merkel betonte auch, sie finde, dass wir genug gute Argumente haben, uns mit anderen Meinungen – auch denen der AfD – auseinanderzusetzen, und zwar ohne jeden Schaum vorm Mund und ohne Pauschalurteile. CDU-Bundesvizechefin Julia Klöckner ist ganz auf Merkels Linie und erklärt: Wir sollten nicht dazu übergehen, die AfD zu ignorieren oder zu beschimpfen. Wir müssen heikle Themen offen erklären und diskutieren, um so AfD-Wähler mit Argumenten zurückzuholen. CDU-Generalsekretär Peter Tauber allerdings kritisiert das am Wochenende beschlossene AfD-Programm als reaktionär und autoritär. In der CDU-Spitze wird auch betont, dass es auf keinen Fall Koalitionen mit der AfD geben werde. Doch in der Partei wollen nicht alle diesen Ausgrenzungskurs fahren. In einigen Bundesländern (Sachsen-Anhalt, Thüringen, Sachsen) können sich einzelne konservative Abgeordnete vorstellen, die Koalitionsmöglichkeit mit der AfD nicht außer Acht zu lassen – um die in Deutschland unbeliebten großen Koalitionen oder linke Mehrheiten zu verhindern. Ihnen schwebt auch in der CDU eine Rückkehr zu konservativen Werten vor. Gerne zitiert wird aus dem Buch Konservativ des ehemaligen hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU), in dem dieser beklagt: Die mangelnde programmatische Präsenz der Konservativen in der CDU macht ganze Gruppen unserer Bevölkerung praktisch mundtot. Apropos mundtot: Satiriker Jan Böhmermann hat sich in der Zeit mit massiver Kritik an Merkel zu Wort gemeldet und erklärt, sie habe ihn nach seinem Schmähgedicht filetiert, einem nervenkranken Despoten (Recep Tayyip Erdogan, Anm.) zum Tee serviert und einen deutschen Ai Weiwei aus mir gemacht. Ankara hat ein Strafverfahren gegen Böhmermann gefordert, Berlin hat dem stattgegeben. (Birgit Baumann aus Berlin, 4.5.2016)' Zuvor hatte Ministerpräsident Seehofer seine Klagsandrohung an den Bund auf Eis gelegt. Berlin – Die rechtspopulistische AfD hat Klage gegen die bayerische Landesregierung wegen des Vorwurfs der Untätigkeit bei der Grenzsicherung eingereicht. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) habe seine mehrfach angedrohte Verfassungsklage gegen den Bund wegen ungesicherter Grenzen nicht eingereicht, begründete der AfD-Landesvorsitzende Peter Bystron am Dienstag den Gang vor das Verwaltungsgericht München. Eine Gerichtssprecherin bestätigte den Eingang der Klage. Der CSU-Chef sei vor Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schon wieder eingeknickt, erklärte Bystron. Seehofer hat Anfang des Monats die Klagsandrohung auf Eis gelegt, am Dienstag bestätigte die Landesregierung den Beschluss. Der CSU-Chef hatte gefordert, den Zuzug hunderttausender Flüchtlinge durch wirksame Grenzkontrollen zu verhindern. Vorwürfe, die Klage bedeute Wasser auf die Mühlen der AfD, hatte Seehofer zurückgewiesen: Nicht diejenigen, die Recht und Ordnung herstellen wollen, fördern die AfD, sondern diejenigen, die das Problem nicht lösen. Der Spuk der AfD wäre laut Seehofer sofort vorbei, wenn es zu einer Begrenzung der Zuwanderung komme. Treffen möglicherweise am 23. Mai. Berlin – Die AfD hat die Einladung des Zentralrats der Muslime in Deutschland zu einem Treffen angenommen. Ein Sprecher von AfD-Chefin Frauke Petry sagte den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland vom Mittwoch, dem Zentralratsvorsitzenden Aiman Mazyek sei ein Treffen am 23. Mai vorgeschlagen worden. Mazyek bestätigte den Zeitungen den Eingang eines entsprechenden Schreibens der AfD: Nun werden wir schauen, ob der Terminvorschlag allen Beteiligten passt. Mazyek hatte die Spitze der islamfeindlichen AfD Ende April zu einem Gespräch eingeladen. Wir wollen wissen: Warum hassen Sie uns?, begründete er den Vorstoß. Die AfD beschloss wenige Tage später ihr erstes Parteiprogramm und legte sich darin auf einen klaren Anti-Islam-Kurs fest. Der Islam gehört nicht zu Deutschland, heißt es in dem Grundsatzprogramm. An dem nun geplanten Treffen sollen dem Bericht zufolge von AfD-Seite neben Petry auch die Bundesvorstandsmitglieder Alice Weidel und Albrecht Glaser teilnehmen. Auch Mazyek will demnach nicht alleine zu dem Gespräch kommen. Bundespräsident traf Merkel und Gauck – Bevorstehender Kanzlerwechsel in Wien Thema. Wien/Berlin – Beim Verhältnis zwischen Österreich und Deutschland gibt es keinen Grund zum Stirnrunzeln. Das sagte Bundespräsident Heinz Fischer am Donnerstag nach seinen Gesprächen in der deutschen Hauptstadt. Der Ton zwischen Wien und Berlin sei immer maßvoller gewesen als der zwischen München und Berlin, sagte Fischer zur APA. Es handelt sich um eine der letzten Auslandsreisen des Bundespräsidenten. Nach seinen Gesprächen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel und seinem Amtskollegen Joachim Gauck, der ihn gemeinsam mit Ehefrau Margit zum Mittagessen in Schloss Bellevue empfing – zog Fischer am Donnerstagnachmittag Bilanz. In einem Punkt haben Merkel und ich hundertprozentig übereingestimmt, sagte Fischer auf die Frage der APA. Nämlich dass der Ton zwischen Wien und Berlin immer maßvoller und vorsichtiger war als der Ton zwischen München und Berlin oder Sankt Pölten und Wien. Deutschland habe sich wegen der österreichischen Innenpolitik nicht besorgt, sondern sehr interessiert gezeigt. Sowohl Merkel als auch Gauck hätten ihn um Erläuterungen gebeten. In beiden Gesprächen habe es weder auf deutscher noch auf österreichischer Seite Stirnrunzeln gegeben. Fischer habe versichert, dass trotz der Wechsel in Wien – gemeint war der Rücktritt von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) – die politische Stabilität gewährleistet sei. Solche Wechsel gehörten zu den Grundsätzen der Demokratie. Außerdem hat das Bundeskanzler Faymann wirklich eindrucksvoll, sachlich und mit Würde gemacht, sagte Fischer vor österreichischen Korrespondenten. Gesprächsstoff bei Gauck seien eigentlich alle Themen gewesen, so Fischer. Neben dem deutsch-österreichischen Verhältnis, der Präsidentenwahl, der Regierungsumbildung, Russland und Ukraine, dem letzte China-Besuch Gaucks, auch ausführlich die Flüchtlingspolitik. Fischer betonte dabei, man wolle keine Grenzen schließen und insbesondere auch den Brenner-Pass nach Italien nicht sperren, hieß es. Zur Entwicklung in der Türkei – ein schwieriges, ernstes Problem – zitierte Fischer die Meinung der deutschen Kanzlerin. Merkel sei überzeugt, dass es sowohl auf der europäischen als auch auf der türkischen Seite ernsthaftes Interesse an einer Lösung gebe und dass man nicht vorzeitig nervös werden solle. Es gebe durchaus die Chance, nach weiteren Verhandlungen noch gute Resultate zu erzielen und aufrecht zu erhalten. In Baden-Württemberg steht die erste grün-schwarze Regierung Deutschlands am Start – Warnung vor AfD-Schelte. Der Grünen-Politiker Winfried Kretschmann ist am Donnerstag zum zweiten Mal zum Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg gewählt worden. Er wird das Bundesland im Südwesten Deutschlands künftig mit einer grün-schwarzen Regierung führen – der ersten auf Landesebene in der Bundesrepublik. Kretschmann wurde zwar im Landtag im ersten Wahlgang gewählt, aber ihm fehlten sieben Stimmen aus dem neuen, grün-schwarzen Regierungslager. Die Abweichler sind eher in der CDU-Fraktion zu suchen, denn dort gibt es massive Vorbehalte gegen das Bündnis. Von 2011 an hatte Kretschmann mit den Sozialdemokraten koaliert. Doch für die Neuauflage einer solchen Koalition hatte es wegen der eklatanten Schwäche der SPD am Wahltag nicht mehr gereicht. Die CDU hatte eigentlich gehofft, die Staatskanzlei wieder zurückzuerobern, doch sie fiel dann am 13. März noch hinter die Grünen zurück. Für viele Schwarze ist es schwierig, sich nun als Juniorpartner der Grünen im Landtag und in der Regierung einzufinden – schließlich haben sie die Ökopartei jahrzehntelang als politischen Gegner bekämpft. Am Mittwoch, bei Probeabstimmungen in der CDU-Fraktion, hat es etliche Nein-Stimmen für Kretschmann gegeben. Dies wurde auch als Zeichen des Misstrauens gegen den CDU-Landesvorsitzenden Thomas Strobl gewertet. Er wird Kretschmanns Vizeregierungschef und außerdem Innenminister. Es gibt Kritik, dass er die schwarzen Posten eher im Alleingang verteilt hat und die Fraktion in diesen Prozess nicht genug eingebunden war. Als Erfolg für die CDU kann Strobl die Einstellung von 1500 neuen Polizisten verbuchen. Mehr Mittel für die innere Sicherheit war eine Wahlkampfforderung der CDU gewesen. Dafür konnten die Grünen ihre Gemeinschaftsschulen erhalten. In Opposition sind nun SPD, FDP und die Alternative für Deutschland (AfD). Kretschmann plädiert für eine differenzierte Sicht auf die AfD und sagt: Ein Teil der AfD ist rechtsradikal, den muss man in der Tat dämonisieren. Aber alle anderen nicht. Man müsse auf AfD-Wähler zugehen und sie wie Flüchtlinge integrieren. Polizei ermittelt wegen Beleidigung der deutschen Kanzlerin. Stralsund – Vor dem Wahlkreisbüro der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel in Stralsund haben Unbekannte in der Nacht auf Samstag einen Schweinekopf mit beleidigender Aufschrift abgelegt. Nach Polizeiangaben bemerkte eine Funkstreife den abgeschlagenen Tierkopf gegen 05.40 Uhr. Die beleidigende Aufschrift habe sich gegen Merkel gerichtet. Den genauen Wortlaut wollte das zuständige Polizeipräsidium Neubrandenburg auf Nachfrage der Nachrichtenagentur AFP nicht nennen. Es handelt sich um Täterwissen, sagte ein Sprecher. Bisher gebe es noch keine Verdächtigen. Die Kriminalpolizei ermittelt den Angaben zufolge wegen Beleidigung zum Nachteil der Bundeskanzlerin sowie wegen Verstoßes gegen das Tierkörperbeseitigungsgesetz. Führende CDU-Politiker führen Österreich als Beispiel gegen Fortsetzung der Großen Koalition an. Berlin – Politiker der deutschen Regierungspartei CDU führen die politische Lage in Österreich als Argument gegen die Fortführung der Großen Koalition ins Feld. Österreich ist da Menetekel. Wir brauchen mehr als eine Koalitionsoption. Das ist am Ende auch gut für die Demokratie und die politische Kultur, sagte CDU-Präsidiumsmitglied und Finanz-Staatssekretär Jens Spahn dem Nachrichtenmagazin Focus. Auch der CDU-Fraktionschef im Bundestag, Volker Kauder, sprach sich in einer Frage der Rheinischen Post nach österreichischen Verhältnissen gegen eine Fortführung des Paktes mit den Sozialdemokraten (SPD) aus. Eine Fortsetzung der Großen Koalition sollte es nach der nächsten Wahl möglichst nicht geben, auch wenn wir nach wie vor gut mit der SPD regieren. Den Regierungsfraktionen sollte wieder eine stärkere Opposition gegenüberstehen, sagte Kauder. In Deutschland finden im kommenden Jahr Bundestagswahlen statt. Im Regierungsbündnis zwischen der CDU von Kanzlerin Angela Merkel und der SPD machten sich zuletzt Ermüdungserscheinungen bemerkbar. Sowohl Spahn als auch Kauder nannten ein schwarz-grünes Regierungsbündnis als Alternative zur Großen Koalition. Vizekanzler Gabriel will Konkurrenzkampf um Kanzlerkandidatur, doch rote Granden winken ab. Ein bisschen neidisch blicken die deutschen Sozialdemokraten dieser Tage gen Österreich. Das Land hat einen neuen Kanzler, und der ist Sozialdemokrat. Bei den deutschen Genossen löst das Thema hingegen gequälte Schnappatmung aus. Noch heute erinnern sich viele in der SPD mit Schaudern an die Kanzlerkandidatur 2013. Da gab es lange eine Troika aus Parteichef Sigmar Gabriel, Ex-Finanzminister Peer Steinbrück und dem damaligen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Und dann plötzlich, getrieben von den Medien und überhastet, war Steinbrück viel früher Kandidat als eigentlich vorgesehen. Das Ergebnis ist bekannt: Bei der Wahl verlor die SPD krachend gegen die Union und Angela Merkel. Eine der Lehren daraus sollte sein: Das mit der Kandidatur machen wir beim nächsten Mal besser. Doch jetzt, mehr als ein Jahr vor der Bundestagswahl 2017, quält sich die SPD schon wieder mit dieser K-Frage. Und es läuft erneut nicht optimal. Im dieswöchigen Spiegel hat Gabriel wieder einmal eine seiner berühmten Überlegungen angestellt und erklärt, er als Parteichef müsse nicht automatisch gegen Merkel ins Rennen gehen. Es wäre vielmehr hervorragend, wenn es im nächsten Jahr zwei oder drei Leute aus der Führungsspitze der SPD gäbe, die sagen: Ich traue mir das zu. Allerdings: Dort haben sie gleich die Köpfe eingezogen. Wir machen uns nicht gegenseitig die Posten streitig, erklärte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz, dessen Name immer wieder im Spiel ist, wenn es um die Frage geht, ob die SPD eventuell einen neuen Chef braucht. Scholz spielte den Ball auch gleich zu Gabriel zurück: Der SPD-Vorsitzende ist der natürliche Kanzlerkandidat. Dies zu versichern, beeilte sich auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der schon 2009 als Herausforderer von Merkel gescheitert war. Er hat den Zugriff auf die Kanzlerkandidatur, sagte er über Gabriel. Und dass er selber sich auf die Außenpolitik konzentrieren wolle. Hannelore Kraft, Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, betont immer wieder, sie stehe nicht zur Verfügung, sondern werde im Land bleiben. Dass die Lust auf eine Bewerbung nicht so groß ist, sieht auch Gabriel selber ein: Solange wir in Umfragen bei 20 Prozent liegen, ist es schwierig, den Kanzler zu stellen, sagt er und wird für seine Kandidaten suche von Unionsfraktionsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer verhöhnt: Die SPD ist gerade voll in der Wahlkampfvorbereitung: Jeden Tag lehnt eine(r) die Spitzenkandidatur ab. Rechtspopulisten: "Dialog auf Augenhöhe" hat nicht funktioniert – Zentralratsvorsitzender Mazyek: AfD "große Gefahr" für Deutschland. Berlin – Das Treffen sollte eine Verbesserung der schlechten Beziehungen bringen, doch es endete mit einem Eklat. Schon nach einer Stunde beendete die Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Frauke Petry, am Montag den Dialog mit dem Zentralrat der Muslime in Deutschland. Zunächst hatten Petry und ZMD-Chef Aiman Mazyek einander in einem Berliner Luxushotel noch höflich die Hand geschüttelt, Petry war allerdings mit 18-minütiger Verspätung erschienen. Gesprächsbedarf hätte es nach Ansicht des Zentralrates genug gegeben, denn vor einem Monat beschloss die AfD bei einem Parteitag ihr erstes Parteiprogramm, und in diesem heißt es: Der Islam gehört nicht zu Deutschland. Zudem will die AfD Muslimen den Bau von Minaretten und den Ruf des Muezzins verbieten. Mazyek erklärte daraufhin, dies erinnere ihn an die dunkelste Zeit Deutschlands, und lud die AfD zum Gespräch. Nach dem Treffen gab es gar keine Unstimmigkeiten darüber, wer denn dieses nun platzen habe lassen, das nahm die AfD freimütig auf sich. Wir wollten einen Dialog auf Augenhöhe, erklärte Petry, aber das habe nicht funktioniert. Denn: Wir mussten uns vorwerfen lassen, eine Partei aus dem Dritten Reich zu sein. Zudem habe der Zentralrat verlangt, ein demokratisch gewähltes Parteiprogramm zurückzunehmen. Mazyek hingegen sagte, die AfD sei eine große Gefahr für Deutschland. Dies sei nicht seine persönliche Meinung, sondern ergebe sich aus den Positionen des Grundgesetzes, dem das AfD-Programm zuwiderlaufe. Beide Seiten betonten aber, sie wollten weiterhin mit den Anhängern des anderen sprechen. Ex-Muslimin Mina Ahadi: "Wenn man den Islam kritisiert, hat man Probleme mit den linken Intellektuellen". Das Treffen zwischen der islamophoben Partei Alternative für Deutschland (AfD) und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) in Berlin endete am Montag nach kurzer Zeit in einem programmierten Eklat. Zentralrats-Chef Aiman Mazyek hatte AfD-Vorsitzende Frauke Petry zum Gespräch geladen, verbunden mit der Frage Warum hassen Sie uns?. Der Zentralrat forderte, dass die AfD den Satz, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, aus dem Parteiprogramm streicht. Die AfD wiederum stößt sich an der Gleichsetzung mit der NS-Ideologie durch den Zentralrat und forderte einen Widerruf. Die AfD hatte zuletzt auch bei Mina Ahadi, der Vorsitzenden des religionsfreien Zentralrats der Ex-Muslime wegen eines Gesprächs angefragt. Ahadi erteilte Petry in einem offenen Brief eine Absage. Im Gespräch mit dem STANDARD erläutert sie ihre Gründe und spricht über Islamkritik und Multikulturalismus. STANDARD: War das Treffen zwischen der AfD und dem Zentralrat der Muslime von vorneherein nur eine Show mit logischem Scheitern? Mina Ahadi: Ich denke auch, dass sowohl der Zentralrat als auch die AfD einige Punkte vertreten, die nicht miteinander vereinbar sind. Der Satz im Parteiprogramm, dass der Islam nicht zu Deutschland gehört, ist eine Identitätsfrage für die AfD, es stehen die Standpunkte gegeneinander. STANDARD: Eine provokante Frage: Gehört der Islam zu Deutschland? Ahadi: Nein, der Islam gehört nicht zu Deutschland, wie auch alle anderen Religionen nicht zu Deutschland gehören. Die Fragestellung ist falsch. Ich stelle dazu gerne die Gegenfrage: Gehört Deutschland zum Mittelalter oder der Vergangenheit?. Religion ist Privatsache und sollte sich nicht in Bereiche wie das politische System oder das Unterrichtswesen einmischen. In Deutschland und in Österreich haben die Kirchen aber Macht und mischen sich ein. Das zeigt sich schon, wenn eine Partei wie die CDU die Religion im Namen führt. Auf dieser Grundlage versuchen die islamischen Organisationen ebenfalls Einfluss zu gewinnen. Deswegen bin ich für eine absolute Trennung von Kirche und Staat. Dass der Islam eine aggressive, frauenfeindliche, politische Bewegung ist, muss gesehen werden. STANDARD: Welchen Rückhalt hat der ZMD in der muslimischen Bevölkerung? Ahadi: Kein Mensch hat Mazyek gewählt, der ZMD vertritt nur eine kleine Gruppe der Muslime in Deutschland. Im Zentralrat sind verschiedene Richtungen vereinigt, aber von bestimmten Gruppen wie den Salafisten und saudi-finanzierten versucht man Abstand zu halten. Die deutsche Regierung verlangt jedoch wegen der Deutschen Islamkonferenz eine Zusammenarbeit der muslimischen Gruppierungen. STANDARD: In Ihrem offenen Brief an Petry schreiben Sie, die AfD träume den gleichen fundamentalistischen Traum wie die Islamisten. Ist das eine Überspitzung, die AfD definiert sich zumindest selbst als demokratische Partei? Ahadi: Dazu muss man die Frage klären, was ist die AfD? Die Partei definiert sich über Parolen gegen die EU und fokussiert auf Islam, Sharia, politischen Islam. In ihrem Programm haben sie zwar auch auf dem Humanismus basierende Aussagen, es werden dabei Positionen eingenommen, die auch wir vertreten und die von vernünftigen Menschen geteilt werden können. Aber ihre wesentlichen Signale vergiften das Klima in Deutschland. Wenn sie fordern, das Flüchtlingschaos zu beenden und davon sprechen, auf Flüchtlinge an den Grenzen zu schießen, dann hat das einen Einfluss auf die Gesellschaft. Die Luft ist schmutzig geworden in Deutschland. Die pauschale Propaganda hat einen Effekt auf der Straße. STANDARD: Kann es mit Parteien wie der AfD einen Diskurs geben? Ahadi: Prinzipiell bin ich der Meinung, dass eine offene Diskussion möglich sein muss. Petry hat mich eingeladen, weil sie meine Positionen kennt. Wenn wir gemeinsam auftreten würden hieße es, beide sind islamkritisch. Ich möchte nicht vereinnahmt werden. Ich gehe auch nicht zu einer FP-Wahlveranstaltung. Wenn aber zum Beispiel Norbert Hofer eine Debatte in der Öffentlichkeit führen wollte, gerne. STANDARD: Stichwort Hofer, wie ordnen Sie das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl ein? Ahadi: Fünfzig Prozent, das ist zu viel. Die Schere zwischen arm und reich, die Arbeitslosigkeit, die Flüchtlinge, das sind Themen, die fast nur von den Rechten besetzt werden. Ich wünsche mir, dass über bestehende Probleme offen geredet wird. Es muss eine Kursänderung stattfinden. STANDARD: Was sollte die deutsche Regierung respektive die anderen EU-Staaten in der Flüchtlingsfrage tun? Ahadi: Merkel wurde stark kritisiert, aber ich schätze sie für ihre Haltung. Sie hat versucht menschlich zu agieren, andere EU-Staaten waren jedoch gleichgültig. Die AfD oder auch die FPÖ bieten einfache Antworten auf schwierige Fragen. Aber in den Krisengebieten haben Millionen Menschen alles verloren, und man muss Fragen warum? Was hat die EU verursacht, und was haben die USA verursacht? Diese Fragen sind wichtig. Ich weiß das aus meiner eigenen Lebenserfahrung: die Flüchtlinge haben eine Geschichte und eigene Erlebnisse, die man beachten muss. Aber hier erhalten sie als ihre Identität alle den Stempel Moslem. Sie werden über ihre Religion definiert. Daher werden Moscheen und Imame als Mittel zur Integration gesehen, aber das ist der falsche Ansatz. Man muss den Migranten die hier geltenden Prinzipien und Freiheiten klar machen. Man muss ihnen sagen, du darfst hier keine Frau schlagen, du kannst dein Kind nicht zwingen, ein Kopftuch zu tragen und du kannst am Arbeitsplatz kein Kopftuch tragen. STANDARD: Welche Erfahrungen haben Sie aus Österreich mitgenommen? Ahadi: Das Diskussionsklima in Österreich ist sehr schlecht. Die Ideologie einer multikulturellen Gesellschaft ist in der Debatte sehr stark verwurzelt. Die Probleme werden damit verharmlost. Unter der Bezeichnung Multikulturalismus werden Dinge wie Ehrenmorde und Zwangsehen als Kultur abgestempelt und bagatellisiert. Das Kopftuch gilt bei manchen Feministinnen und Menschenrechtlerinnen als emanzipiert und wird auch Kultur und Religion zugeordnet. Wenn sich jemand wie ich als Ex-Muslim definiert und deswegen Personenschutz benötigt, ist das kein Thema. Im Umgang mit dem Iran hat gegenüber Themen wie dem Kopftuchzwang oder Geschlechtertrennung an den Universitäten immer Gleichgültigkeit geherrscht. Die Sharia, die Hinrichtungen und Steinigungen wurden immer nur am Rande angesprochen. Die europäische Linke hat den Islamisten im Iran geholfen. Uns Frauen und alle Menschen hat man verraten. STANDARD: Wie schätzen Sie die Verantwortung der Medien ein? Ahadi: Ich halte nichts von Rechtsextremen, die erklären, alle Medien seien korrupt. Aber vernünftigen Kritikern und Organisationen sollten mehr Möglichkeiten gegeben werden zu Wort zu kommen. Ich habe in Österreich sehr wenig Chancen gehabt, meine Themen in die Medien zu bringen. Ich habe meine ganze Kraft gegen den politischen Islam und gegen die Todesstrafe eingesetzt. Aber wenn man den Islam kritisiert, hat man sofort Probleme mit den linken Intellektuellen. In Österreich noch mehr als in Deutschland. Die Linken haben nichts verstanden und versagt – sie sind schuld an der heutigen Situation. Es müssen Fragen gestellt werden: was wird in den Moscheen gemacht, woher kommt das Geld? Die Menschen reagieren dann, indem sie die Partei wählen, die über die Probleme redet, und das Feld wird den Rechtsextremen überlassen. Aber wir müssen die Prinzipien der Renaissance verteidigen, nicht die des Abendlandes. Parteichefin Petry entschuldigte sich – Gauland kann sich an Äußerung angeblich nicht erinnern, Zeitung verweist auf Aufnahme. Der stellvertretende Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD), Alexander Gauland, hat sich abschätzig über den dunkelhäutigen deutschen Fußball-Nationalspieler Jérome Boateng geäußert. Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut, aber wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben, sagte er der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung. Nach harter Kritik an Gauland entschuldigte sich AfD-Chefin Frauke Petry für den Eindruck, der entstanden ist. Gauland verteidigte sich, er habe in einem vertraulichen Hintergrundgespräch mit der Zeitung nur die Einstellung mancher Menschen beschrieben. Dem widersprach die FAS. Herr Gauland stufte nur den Teil des Gesprächs, in dem er sich über AfD-Führungspolitiker äußerte, als Hintergrund ein und bat, daraus nicht zu zitieren, heißt es in einer Erklärung der Redaktion. Der deutsche Justizminister Heiko Maas nannte Gaulands Äußerung schlicht rassistisch. Boateng hat eine deutsche Mutter und einen ghanaischen Vater. Vergangene Woche hatten sich bereits Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in sozialen Netzwerken abschätzig über ihn geäußert. Anlass war eine Aktion des Kinderschokolade-Herstellers Ferrero, der anlässlich der Fußball-EM Verpackungen mit Kinderbildern deutscher Nationalspieler bedruckte. Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat, sagte Petry der Bild-Zeitung. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist. Gauland erklärte am Sonntag: Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten. Er habe sich in dem Hintergrundgespräch mit der Zeitung an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt ist. Die Zeitung verwies hingegen darauf, dass zwei ihrer Berliner Korrespondenten die entsprechende Aussage aufgezeichnet hätten. Am Abend räumte Gauland in der ARD ein, Boatengs Name möge gefallen sein. Boateng selbst reagierte gelassen. Er könne darüber nur lächeln, es sei traurig, dass so etwas heute noch vorkommt, sagte er am Sonntagabend in der ARD nach dem deutschen Testspiel gegen die Slowakei. Ich glaube, heute waren auch genug positive Antworten im Stadion. Ich habe ein paar Plakate gesehen. Im Stadion in Augsburg hatte es Sympathiebekundungen für Boateng gegeben. Ich hätte Jerome Boateng sehr viel lieber in der Nachbarschaft als Alexander Gauland, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt der Funke-Mediengruppe. Maas nannte Gaulands Äußerung niveaulos und inakzeptabel: Wer so redet wie Gauland, entlarvt sich selbst – und zwar nicht nur als schlechter Nachbar, schrieb er auf Facebook. Die Aussagen sind schlicht rassistisch und menschenverachtend. SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, viele empörten sich über Gaulands Bemerkung als fremdenfeindlich: Boateng ist aber kein Fremder, sondern Deutscher. Das zeige, dass Gauland nicht nur gegen Fremde, sondern auch gegen das Gute an Deutschland sei: Modernität, Weltoffenheit und Liberalität. Gabriel zog daraus den Schluss: Gaulands AfD ist auch deutschfeindlich. Innen- und Sportminister Thomas de Maizière sagte der Bild, anders als die AfD setze Boateng mit seinem vielfältigen sozialen Engagement neben dem Platz wichtige Impulse für den Zusammenhalt Deutschlands: Jeder Deutsche kann sich glücklich schätzen, solche Leute zu haben, als Teamgefährte, deutscher Staatsbürger und als Nachbar. Der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, nannte es in der FAS einfach geschmacklos, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft für politische Parolen zu missbrauchen. Millionen Menschen liebten die Mannschaft, weil sie so ist, wie sie ist. Boateng sei ein herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich gesellschaftlich stark engagiere und für viele Jugendliche ein Vorbild sei. Der Manager der Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, sagte der Zeitung: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine. Nachdem sich AfD-Vize Gauland rassistisch über den deutschen Nationalspieler geäußert hatte, gingen die Wogen hoch. Berlin – Zwei Wochen vor Beginn der Fußball-EM sorgt eine Aussage des stellvertretenden Chefs der Alternative für Deutschland, Alexander Gauland, über den deutschen Nationalspieler Jérôme Boateng für Aufregung und löste in Politik und sozialen Netzwerken eine Welle der Empörung aus. Boateng, als Sohn einer deutschen Mutter und eines aus Ghana stammenden Vaters in Berlin geboren und aufgewachsen, werde zwar als Spieler in der Nationalmannschaft geschätzt, doch das bedeute nicht, dass er nicht als fremd empfunden werde, sagte Gauland im Gespräch mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung: Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben. Boateng reagierte auf die Beleidigung zwar gelassen, hielt in einem ARD-Interview nach dem Länderspiel zwischen Deutschland und der Slowakei am Sonntagabend aber fest, es sei traurig, dass so etwas heute noch vorkommt. Empörung über Gauland: Boateng reagiert gelassen https://t.co/Gt1mhQHoji #AfD #Boateng Der Verteidiger von Bayern München betonte in dem Interview auch, dass im Augsburger Stadion genug Leute eine sehr schöne Antwort auf Gaulands Äußerung gegeben hätten. Tatsächlich waren im Stadion zahlreiche Sympathiebekundungen zu sehen, darunter Jérôme, sei unser Nachbar und Jérôme, zieh neben uns ein. Nach harter Kritik an Gauland entschuldigte sich AfD-Chefin Frauke Petry in der Bild-Zeitung für dessen Aussagen: Herr Gauland kann sich nicht erinnern, ob er diese Äußerung getätigt hat. Ich entschuldige mich unabhängig davon bei Herrn Boateng für den Eindruck, der entstanden ist. Auch auf Twitter äußerte sich Petry versöhnlich. Jêrome Boateng ist ein Klasse-Fußballer und zu Recht Teil der deutschen Nationalmannschaft. Ich freue mich auf die EM. #Nachbarn Als Reaktion auf Petrys Twitter-Statement veröffentlichte der Rapper Eko Fresh ein ihr gewidmetes Lied und schrieb auf Twitter: Frauke Petry, du bist so sexy, wenn du lügst. Gauland erklärte am Sonntag in einer Pressemitteilung: Ich habe nie, wie die FAS insinuiert, Herrn Boateng beleidigt. Ich kenne ihn nicht und käme daher auch nicht auf die Idee, ihn als Persönlichkeit abzuwerten. Er habe sich in dem Hintergrundgespräch mit der Zeitung an keiner Stelle über Herrn Boateng geäußert, dessen gelungene Integration und christliches Glaubensbekenntnis mir aus Berichten über ihn bekannt ist. Die Zeitung verwies hingegen darauf, dass zwei ihrer Berliner Korrespondenten die entsprechende Aussage aufgezeichnet hätten. Am Abend räumte Gauland in der ARD ein, Boatengs Name möge gefallen sein. Gegen die Überschrift des FAS-Artikels (Gauland beleidigt Boateng) wolle er dennoch juristisch vorgehen, denn ich habe Herrn Boateng überhaupt nicht bewertet oder abgewertet. Aus Gründen#Boateng #boatengsnachbar #Gauland pic.twitter.com/vRR4ubIRiQ Gauland fühlt sich wegen seiner Äußerungen jedenfalls zu Unrecht an den Pranger gestellt, hält jedoch an seinem Verständnis für Menschen mit fremdenfeindlichen Ressentiments hält Gauland fest. Ich bin natürlich kein Rassist, sagte Gauland am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Frage, ob denn Menschen, die Vorbehalte gegen Nachbarn mit ausländischen Wurzeln haben, Rassisten seien, sagte er: So weit würde ich nicht gehen. Politiker mehrerer Parteien empörten sich über Gaulands Äußerung. Justizminister Heiko Maas bezeichnete sie als niveaulos und inakzeptabel: Wer so redet wie Gauland, entlarvt sich selbst – und zwar nicht nur als schlechter Nachbar, schrieb Maas auf seiner Facebook-Seite. Die Aussagen sind schlicht rassistisch und menschenverachtend. Boatengs frühere #Nachbarn sind übrigens ziemlich stolz auf ihn. Zu recht! #Wedding #Gauland pic.twitter.com/lwnYF4Kgn9 Ich hätte Jérôme Boateng sehr viel lieber in der Nachbarschaft als Alexander Gauland, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt. Julia Klöckner von der CDU bezeichnete Gaulands Verhalten als typisches Afd-Muster. Lieber Boateng als Gauland als Nachbarn. Typisches Muster AfD: beleidigen, provozieren - später dann relativieren. https://t.co/vDhbCqSz6L SPD-Chef Sigmar Gabriel sagte, viele empörten sich über Gaulands Bemerkung als fremdenfeindlich: Boateng ist aber kein Fremder, sondern Deutscher. Das zeige, dass Gauland nicht nur gegen Fremde, sondern auch gegen das Gute an Deutschland sei: Modernität, Weltoffenheit und Liberalität. Gabriel zog daraus den Schluss: Gaulands AfD ist auch deutschfeindlich. Viele nennen #Boateng-Äußerung von #Gauland fremdenfeindlich. Boateng ist aber Deutscher. #AfD ist deutschfeindlich! pic.twitter.com/b8UnP8azAM Innen- und Sportminister Thomas de Maizière sagte der Bild, anders als die AfD setze Boateng mit seinem vielfältigen sozialen Engagement neben dem Platz wichtige Impulse für den Zusammenhalt Deutschlands: Jeder Deutsche kann sich glücklich schätzen, solche Leute zu haben, als Teamgefährte, deutscher Staatsbürger und als Nachbar. Der Präsident des Deutschen Fußballbundes (DFB), Reinhard Grindel, nannte es einfach geschmacklos, die Popularität Boatengs und der Nationalmannschaft für politische Parolen zu missbrauchen. Millionen Menschen liebten die Mannschaft, weil sie so ist, wie sie ist. Boateng sei ein herausragender Spieler und ein wunderbarer Mensch, der sich gesellschaftlich stark engagiere und für viele Jugendliche ein Vorbild sei. Auf seiner Website und seiner Facebook-Seite reagierte der DFB zudem mit einer Videobotschaft. Auch der Manager der deutschen Nationalmannschaft, Oliver Bierhoff, wandte sich gegen Gaulands Äußerung: Es ist ja nicht das erste Mal, dass wir mit solchen Aussagen konfrontiert werden. Sie bedürfen keiner weiteren Kommentierung, die Personen diskreditieren sich von alleine. Vergangene Woche hatten sich bereits Anhänger der fremdenfeindlichen Pegida-Bewegung in sozialen Netzwerken abschätzig über Boateng geäußert. Anlass war eine Sonderedition des Kinderschokolade-Herstellers Ferrero, der anlässlich der Fußball-EM Verpackungen mit Kinderbildern deutscher Nationalspieler bedruckte. V-Mann-Führer des Informanten "Piatto" kann sich kaum erinnern. München – Im Münchner NSU-Prozess gegen mutmaßliche deutsche Rechtsterroristen hat das Gericht am Mittwochnachmittag zum ersten Mal seit Verfahrensbeginn vor mehr als zwei Jahren die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Damit wird die Vernehmung eines ostdeutschen Verfassungsschutzbeamten voraussichtlich ohne Zuhörer und Journalisten fortgesetzt. Der Beamte war V-Mann-Führer des vertraulichen Informanten Piatto. Die Verteidiger des Angeklagten Ralf Wohlleben hatten beantragt, die Öffentlichkeit auszuschließen. Begonnen hatte die Vernehmung des Beamten bereits am Mittag in einer öffentlichen Sitzung. Zur Tarnung seiner Identität hatte sich der Zeuge eine Kapuze über den Kopf gezogen. Die meisten Fragen beantwortete er allerdings nicht, meist mit Hinweis auf sein lückenhaftes Gedächtnis. Der Vorsitzende Richter Manfred Götzl rügte ihn dafür scharf. Zur Pflicht eines Beamten gehört auch, sich vorzubereiten, sich auseinanderzusetzen und sich Gedanken zu machen, sagte er. (APA, 1.7.2015) Angeklagte Beate Zschäpe sah sich Dokumentationen über Rechtsextremismus und unaufgeklärte Straftaten an. Nach dreijähriger Bearbeitungszeit haben deutsche Ermittler im Prozess gegen die Neonazi-Gruppe Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) dieser Tage aus den USA Daten des Youtube-Accounts der Angeklagten Beate Zschäpe erhalten. Die mutmaßliche Terroristin war auf dem Videoportal als Liese 1111 unterwegs . Laut deutschen Medien wurde von diesem Account insgesamt 784 Beiträge angesehen, fast die Hälfte davon über die Pornoindustrie, viel Neonazi-Content wie Heimattreue deutsche Fußball-Jugend – Glatze und Hakenkreuz, aber auch Dokumentationen über Rechtsextremismus (Frauen in der NPD). Aufschlussreicher ist der Zugriff auf eine Aufzeichnung der Sendung Aktenzeichen XY ungelöst vom 28. Mai 2008: In dem Programm berichtete ZDF-Journalist Rudi Cerne über den im Sommer 2007 begangenen rätselhaften Mord an der Polizistin Michèle Kiesewetter in Heilbronn, der mittlerweile dem NSU zugerechnet wird. Auch Berichte über damals noch unaufgeklärte Banküberfälle in Ostdeutschland, die man nach der Aufdeckung der Bande 2011 dem NSU zur Last legte, wurden von dem Account abgerufen. Die deutsche Bundesanwaltschaft hatte bereits im Jänner 2012 ein Rechtshilfeersuchen an die USA gestellt, um die Daten von Facebook- und Youtube-Konten der Terrorverdächtigen im Umkreis des NSU zu erhalten. Beate Zschäpe kann sich seit Anfang Juli auf den Rechtsbeistand des Münchner Anwalts Mathias Grasel verlassen, der sie neben ihren bisherigen Pflichtverteidigern Anja Sturm, Wolfgang Heer und Wolfgang Stahl berät. Das Verfahren läuft seit über zwei Jahren, ein Ende ist nicht in Sicht. Zschäpe muss sich für die zehn Morde verantworten, die die Anklage dem Nationalsozialistischen Untergrund zuschreibt. Ihre Gesinnungsgenossen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhard begingen Selbstmord, als sie die Polizei nach einem Banküberfall festnehmen wollte. Die Wohnung, die Zschäpe und die beiden Uwes teilten, brannte kurz danach aus. Die Brandlegung wird Zschäpe zur Last gelegt, in den Trümmern fanden die Ermittler eine neun Seiten lange Liste mit Zugangsdaten für diverse Foren, Onlineshops und Mail-Accounts, darunter auch Zschäpes Youtube-Account. Beamter des Verfassungsschutzes soll im November 2011 Anordnung zum Schreddern von Unterlagen über NSU und V-Leute angeordnet haben. München – Nebenkläger im Prozess gegen mutmaßliche deutsche Rechtsterroristen haben umfangreiche Beweisaufnahmen zur Vernichtung von Akten im Inlandsnachrichtendienst beantragt. So soll der Beamte des Verfassungsschutzes mit dem Decknamen Lothar Lingen als Zeuge vernommen werden. Er soll wenige Tage nach dem Auffliegen der drei Mitglieder des Nationalsozialistischen Untergrunds am 4. November 2011 angeordnet haben, Unterlagen über den NSU und zahlreiche V-Leute zu schreddern. Damit habe sich der Beamte rechtswidrig verhalten, sagte Rechtsanwältin Antonia von der Behrens in ihrer Antragsbegründung in München am Montag. Neonazi-Sänger erschien nicht Der einzige für Montag geladene Zeuge, der Sänger einer früheren Neonazi-Band aus dem ostdeutschen Thüringen, war wie schon zu früheren Terminen nicht erschienen. Er habe ein ärztliches Attest vorgelegt, sagte der Vorsitzende Richter Manfred Götzl am Vormittag. Aus den Akten geht hervor, dass der Mann mit der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und ihren beiden Gesinnungsgenossen Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt befreundet war. Zschäpe muss sich als einzige Überlebende des Trios für alle Verbrechen des Nationalsozialistischen Untergrunds verantworten, darunter als mutmaßliche Mittäterin für die zehn Morde, die die Anklage der Terrorgruppe vorwirft. Der NSU-Prozess läuft seit mehr als zwei Jahren. Bisher gab es 222 Verhandlungstage. Die Kosten belaufen sich nach Schätzungen auf bisher 33 Millionen Euro. Zschäpe muss sich als mutmaßliche Mittäterin für sämtliche Taten verantworten, die die Anklage dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) vorwirft. Darunter sind zehn überwiegend rassistisch motivierte Morde. Die 40-Jährige hatte ihren Anwälten einen Bruch des Vertrauensverhältnisses und den Verrat von internen Informationen vorgeworfen. Das wiesen die Verteidiger stets zurück. Zschäpe scheiterte zuletzt bereits zum dritten Mal mit ihrem Ansinnen, einen oder alle ihrer ursprünglichen Verteidiger loszuwerden. Auch eine Strafanzeige gegen die drei Anwälte wegen einer angeblichen Verletzung der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht verlief im Sande: Die Staatsanwaltschaft München sah kein strafbares Verhalten und lehnte Ermittlungen ab. 13 Polizisten verletzt, zwölf Demonstranten festgenommen. Leipzig – In Leipzig ist es bei einem Aufmarsch der rechtspopulistischen Initiative Offensive für Deutschland (OfD) und einer Gegendemonstration am Samstag zu heftigen Ausschreitungen gekommen. 13 Beamte wurden verletzt und zwölf Demonstranten in Gewahrsam genommen, wie die Polizei mitteilte. Der OfD-Aufmarsch war vom früheren Chef des Anti-Islam-Bündnisses Legida, Silvio Rösler, angemeldet worden. Die etwa 350 rechtsgerichteten Demonstranten wurden aus den Reihen der rund tausend Gegendemonstranten mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Polizei hatte 800 Beamte im Einsatz, um die beiden Gruppen auseinanderzuhalten. Dabei sei es auch zu massiven Angriffen auf die Beamten gekommen, teilte die Polizeidirektion Leipzig mit. Insgesamt 459 Angriffe. Dresden – Das deutsche Bundesland Sachsen ist deutschlandweit Spitzenreiter bei ausländerfeindlichen Übergriffen. Das geht aus Zahlen hervor, die die Informationsplattform Mediendienst Integration am Donnerstag in Dresden vorstellte. Demnach wurde fast ein Viertel aller bisher in diesem Jahr registrierten Brandanschläge auf Asylunterkünfte in Sachsen verübt. Bei 101 entsprechenden Straftaten entfielen 24 auf den Freistaat, dahinter rangieren Nordrhein-Westfalen (17), Baden-Württemberg (10) und Bayern (8). Einschließlich der Brandanschläge wurden insgesamt 459 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte registriert. Sachsen ist auch hier mit 126 Vorfällen einsame Spitze, gefolgt von Nordrhein-Westfalen (59), Bayern (36) und Baden-Württemberg (32). Die Daten stammen aus Zahlen der Polizei und von Opferberatungen, hieß es. Nach den Terroranschlägen von Paris befürchten Experten eine weitere Zunahme von Angriffen auf Flüchtlingsquartiere. Es gebe zwar bisher noch keine Toten, aber derzeit ein Klima, in dem so etwas wieder geschehen könnte, sagte Timo Reinfrank, Koordinator bei der Amadeu Antonio Stiftung aus Berlin. Das Niveau der Hetze in sozialen Medien sei beispiellos. Nach Einschätzung von Grit Hanneforth, Chefin des Kulturbüros Sachsen, wurde die rassistische Mobilisierung im Freistaat beginnend mit 2011 jahrelang erprobt. Beate Zschäpe soll an allen zehn Morden an Unternehmern und einer Polizistin in den Jahren 2000 bis 2007 beteiligt gewesen sein. Die rechtsextreme Terrorzelle NSU (Nationalsozialistischer Untergrund) soll es gar nicht gegeben haben. Und sie selbst sei an keinem einzigen Mord beteiligt gewesen. Das sagte Beate Zschäpe am Mittwoch im Oberlandesgericht München aus. Bei Anwälten, die Hinterbliebene als Nebenkläger vertreten, löst diese Strategie Kopfschütteln aus. So sagt Anwalt Sebastian Scharmer: Die Erklärung hält einer gründlichen Überprüfung nicht stand. Zschäpe als ahnungslose, den beiden Mittätern unterlegene Frau, die von den Taten jeweils vorher nichts wusste – das glaubt ihr niemand, der die Verhandlung von Anfang an besucht hat. Die Aussage ist konstruiert, ohne Belege und in sich widersprüchlich. Sie wird Zschäpe nicht vor einer Verurteilung retten. Auch die Bundesanwaltschaft vertritt eine ganz andere Version, dem entsprechend lautet die Anklage gegen die heute 40-Jährige: Ihr wird Mittäterschaft in zehn Mordfällen, besonders schwere Brandstiftung sowie Mitgliedschaft in und Gründung einer terroristischen Vereinigung (dem NSU) vorgeworfen. Die Morde an acht türkischstämmigen und einem griechischen Kleinunternehmer wurden zwischen 2000 und 2006 in München, Dortmund, Nürnberg, Kassel, Rostock und Hamburg begangen. Das erste Opfer war der Blumenhändler Enver Simsek aus Nürnberg, das letzte Kioskbesitzer Halit Yozgat aus Kassel. Alle Männer wurden mit einer Ceská 83, Kaliber 7,65 mm ermordet. Der NSU soll zudem für das Nagelbomben-Attentat in Köln 2004, einen Sprengstoffanschlag in Nürnberg 1999, den Anschlag auf die Saarbrücker Wehrmachtsausstellung 1999 und den Sprengstoffanschlag in einer Düsseldorfer S-Bahn-Station 2000 verantwortlich sein – ebenso für den Mord an der 22-jährigen Polizistin Michèle Kiesewetter im Jahr 2007. Das Motiv für den Mord an der Polizistin lag für die Ermittler im Dunkeln. Zschäpe sagte nun aus, es sei ihren Freunden Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos um die Waffen der Polizistin gegangen. Zschäpe ist in diesem Mammutprozess, der am 6. Mai 2013 begann, nicht die einzige Angeklagte. Ebenfalls auf der Anklagebank sitzen vier mutmaßliche Helfer und Unterstützer: André E., Holger G. und Carsten S. sowie der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. In Sicherheitskreisen geht man davon aus, dass es rund 130 Unterstützer des NSU gegeben haben muss. Das antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (apabiz) in Berlin kommt nach eigenen Recherchen auf 200 Personen. Böhnhardt und Mundlos raubten im November 2011 in Thüringen eine Bank aus. Als die Polizei die beiden in einem Wohnwagen festnehmen wollte, fand sie nur noch die Leichen vor. Bis heute hält sich das Gerücht, sie hätten sich nicht selbst getötet, sondern seien beseitigt worden, um Pannen bei Verfassungsschutzämtern zu vertuschen. Deutschlands Justizminister Heiko Maas: "Wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt". Berlin – Die deutsche Polizei bestätigte am Freitagnachmittag Berichte, wonach Unbekannte in der Nacht auf Freitag eine scharfe Handgranate auf eine Flüchtlingsunterkunft im Bundesland Baden-Württemberg geworfen haben. Der Vorfall ereignete sich in Villingen-Schwenningen. Verletzt wurde niemand. Die Handgranate explodierte nicht, obwohl der Splint, mit dem derartige Sprengkörper zur Explosion gebracht werden können, gezogen war. Die Granate sei aber jedenfalls mit Sprengstoff gefüllt gewesen. Vorsichtshalber habe man sie notgesprengt. Mitarbeiter eines Wachdienstes entdeckten den Sprengsatz gegen 1.15 Uhr, wie die Polizei mitteilte. Experten des Entschärfungsdienstes beim Landeskriminalamt Stuttgart hätten die Handgranate dann am frühen Morgen auf dem Gelände der Flüchtlingsunterkunft neben einem der Container, die für die Security-Leute aufgestellt worden sind, gesprengt. 20 Bewohner hätten dafür kurzzeitig ihre Wohnungen verlassen müssen. Derzeit seien in den Gebäuden in einer ehemaligen französischen Kaserne 104 Menschen untergebracht. Die Polizei korrigierte damit frühere Angaben, wonach 176 in der Unterkunft lebten. Man habe keinen aktuellen Stand gehabt, da sich die Zahlen täglich änderten. Die Kriminalpolizei sagte in einer Pressekonferenz, dass man eine 75 Kräfte umfassende Soko Container gebildet habe. Diese habe am Freitagnachmittag die Nachbarschaftsbefragungen fast komplett abgeschlossen. Laut Entschärfungsdienst handelte es sich um eine Granate des Typs m52, diese habe rund 100 Gramm TNT-Sprengstoff enthalten. Allerdings habe es sich um einen Blindgänger gehandelt. Ob in diesem ein Zünder war, konnte man am Freitagnachmittag noch nicht sagen. Die andere Möglichkeit, warum die Granate nicht exlodiert ist, könne ein technischer Defekt sein. Bundesjustizminister Heiko Maas hat den Handgranaten-Anschlag scharf verurteilt. Das Ausmaß der Gewalt ist erschreckend, erklärte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Die Täter dürfen nicht ungestraft davonkommen. Sie müssen konsequent ermittelt und bestraft werden, forderte er. Die Zunahme der Angriffe auf Flüchtlinge sei dramatisch. Sprengkörper auf Flüchtlingsheime fliegen heute schon, wir dürfen nicht abwarten, bis es die ersten Toten gibt. Ähnlich äußerte sich der Zentralrat Deutscher Sinti und Roma. Dieser feige Anschlag zeigt, dass gewaltbereite Rechtsextremisten durch ihre Taten den Frieden in unserer Gesellschaft gefährden und uns auseinanderdividieren wollen, erklärte sein Vorsitzender Romani Rose. Umso mehr gelte es, für die Demokratie und den Rechtsstaat einzustehen. Besonders Politiker trügen hierbei eine große Verantwortung. Die populistische Rhetorik in der Asyldebatte führt dazu, dass Ängste bei der Bevölkerung geschürt werden, kritisierte Rose. Im vergangenen Jahr hat es in Deutschland nach einem Bericht von Spiegel online mehr als tausend Angriffe auf Flüchtlingsheime gegeben. Das geht aus einer Erhebung des Bundeskriminalamts (BKA) hervor. Der Statistik zufolge hatten 901 der Taten einen rechtsradikalen Hintergrund. 2014 hatte es noch insgesamt 199 Attacken gegeben, davon 177 mit rechtsradikalem Hintergrund. Deutlich gestiegen ist dem Bericht vom Donnerstag zufolge besonders der Anteil der Gewalttaten. Im vergangenen Jahr seien 173 solcher Fälle gezählt worden, 2014 seien es 28 gewesen. Die Zahl der Brandstiftungen stieg demnach von sechs auf 92. Der dramatische Anteil der Straftaten gegen Asylbewerberunterkünfte bereitet uns große Sorgen, sagte BKA-Chef Holger Münch dazu Spiegel online. Die Taten müssen genauso konsequent verfolgt und bestraft werden wie rechtsextremistische Hetze in sozialen Netzwerken. Letztere sei der Nährboden für Fremdenhass und Ausländerfeindlichkeit. 7.112 Tatverdächtige ermittelt – Mindestens 691 Personen verletzt. Berlin – Im vergangenen Jahr ist die Zahl rechter Gewalttaten nach Angaben des Berliner Tagesspiegels drastisch gestiegen. Deutschlandweit habe die Polizei demnach nach vorläufigen Erkenntnissen 921 einschlägige Delikte von Neonazis und anderen Rechten im Jahr 2015 registriert. Bei den Angriffen wurden demnach mindestens 691 Menschen verletzt. Die Berliner Tageszeitung berief sich auf Zahlen aus den Antworten der Bundesregierung auf monatliche Anfragen der Fraktionen von Christdemokraten, Sozialdemokraten und Linkspartei zu politisch motivierter Kriminalität. Die Zahlen würden wahrscheinlich noch deutlich steigen, da die Polizei erfahrungsgemäß viele Delikte nachmelde. Insgesamt stellte die Polizei nach diesen Angaben vergangenes Jahr insgesamt 13.846 rechte Straftaten fest. Dazu gehören auch Taten, bei denen keine Gewalt angewendet wurde wie zum Beispiel Beleidigungen. Es wurden 7.112 Tatverdächtige ermittelt, die Polizei nahm 161 Personen fest, schrieb die Zeitung. Die Zahl der Haftbefehle ist mit 17 allerdings gering. Die Polizei meldete zugleich 965 Delikte im Zusammenhang mit linker Gewalt, bei denen mindestens 397 Menschen verletzt wurden. Vergleichszahlen zu den vorläufigen Meldungen der Polizei für 2014 liegen dem Bericht zufolge nur unvollständig vor. Brennende Asylwerberheime, Hassparolen, meist fremdenfeindlicher Hintergrund. Berlin – Rechtsextreme Straftaten haben in Deutschland stark zugenommen. Nach vorläufigen Zahlen registrierten die Sicherheitsbehörden im vergangenen Jahr 13.846 einschlägige Delikte – das entspricht einer Steigerung um mehr als 30 Prozent im Vergleich zu 2014. Das ergibt sich aus Zahlen, die die Linke-Politikerin Petra Pau regelmäßig beim deutschen Innenministerium abfragt. Da nun auch die Angaben für Dezember vorliegen, veröffentlichte Pau am Mittwochabend die Jahresübersicht für 2015. Es handelt sich jedoch lediglich um vorläufige Zahlen, da die Polizei erfahrungsgemäß viele Fälle nachmeldet. 2014 hatten die Sicherheitsbehörden in ihrer vorläufigen Statistik 10.541 rechtsextreme Straftaten festgestellt. Auch die Gewaltbereitschaft steigt: So wurden vergangenes Jahr 921 rechtsextreme Gewalttaten (2014: 496) mit 691 Verletzten (2014: 431) registriert. Die meisten dieser Gewalttaten, insgesamt 612, waren fremdenfeindlich motiviert. Damit hat sich diese Zahl im Vergleich zu 2014 (316) fast verdoppelt. Die Zahl der Menschen, die bei diesen Übergriffen verletzt wurden, erhöhte sich auf 459 (2014: 272). Pau bezeichnete die Entwicklung als alarmierend. Die tatsächlichen Zahlen dürften überdies weitaus höher liegen: Erfahrungsgemäß verdoppeln sich die Zahlen nach der Nachmeldung der Polizeibehörden von Bund und Ländern noch einmal, sagte die Linke-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur. Das heißt, wir haben täglich drei bis vier rechtsextrem motivierte Gewalttaten. Dies zeige, dass der Rechtsextremismus längst wieder eine Gefahr für Leib und Leben von Menschen ist, die nicht in das menschenfeindliche Muster der Nazis passen. Dabei gehe die Gefahr keineswegs nur von organisierten Neonazis aus, sondern auch von freien Gruppen, die zunehmend gegen Flüchtlinge und deren Unterstützer mobilisierten. Die Probleme bei der Aufnahme von Flüchtlingen wirkten dabei wie ein Katalysator: Staatliche Institutionen und Zivilgesellschaft zeigen sich überfordert, und dort, wo Lücken gelassen werden, stoßen Nazis hinein und instrumentalisieren das. Rechtsterroristin gibt nach jahrelangem Schweigen Details preis. München – Die mutmaßliche deutsche NSU-Rechtsterroristin Beate Zschäpe ist nach eigenen Angaben während ihres Untergrundlebens von ihrem Komplizen Uwe Böhnhardt geschlagen worden. In einer weiteren vor Gericht von ihrem Anwalt verlesenen Aussage berichtete sie am Mittwoch in München, das sei vor allem in der Anfangszeit nach dem Abtauchen der drei im Jahr 1998 passiert. Und zwar häufig dann, wenn Böhnhardt verbal die Argumente ausgingen. Zschäpe schilderte beispielhaft, wie es einmal Streit gegeben habe wegen einer Pistole, die offen auf dem Tisch in der Wohnung herumlag. Sie habe das nicht gewollt. Uwe Böhnhardt war das egal, und er beendete den lautstarken Streit mit Schlägen, heißt es in Zschäpes Erklärung. Sie hatte im Dezember ihr bis dahin jahrelanges Schweigen gebrochen und im Jänner einen ersten Fragenkatalog des Oberlandesgerichts München beantwortet. Streit habe es auch beim Zugang zum Internet gegeben. Sie wie auch der dritte im NSU-Trio, Uwe Mundlos, hätten gern einen eigenen Anschluss in der Fluchtwohnung gehabt. Uwe Böhnhardt war jedoch strikt dagegen, da er darin ein Sicherheitsrisiko sah, sagte die Angeklagte. Darüber habe es mehrmals Auseinandersetzungen gegeben, bis er mich erneut schlug, um das Thema zu beenden. Nach Zschäpes Darstellung war Böhnhardt sowohl ihr als auch Mundlos in Diskussionen unterlegen gewesen. Wenn er nicht weiter gewusst habe, sei er gewalttätig geworden. Mit der Zeit habe sie sich darauf eingestellt und einschätzen können, wann es besser ist, eine Diskussion zu beenden und eine Eskalation zu vermeiden. Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt waren 1998 aus Jena (Thüringen) verschwunden und versteckten sich zunächst bei rechtsradikalen Gesinnungsgenossen in Chemnitz (Sachsen). Später zogen sie nach Zwickau (Sachsen). Während dieser Jahre sollen Mundlos und Böhnhardt zehn Menschen in ganz Deutschland aus überwiegend rassistischen Gründen ermordet und zwei Sprengstoffanschläge in Köln verübt haben. Zschäpe muss sich dafür wegen Mittäterschaft verantworten. In ihrer ersten Aussage hatte sie bestritten, in die Mordpläne des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) eingeweiht gewesen zu sein. Gericht verurteilte Täter wegen versuchten Mordes – Ausländerhass als Motiv. Hannover – Sechseinhalb Monate nach dem Brandanschlag auf ein deutsches Flüchtlingsheim in Salzhemmendorf hat das Landgericht Hannover die drei Täter wegen versuchten Mordes und versuchter schwerer Brandstiftung zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Gegen zwei Männer im Alter von 25 und 31 Jahren verhängten die Richter nach Angaben eines Gerichtssprechers Haftstrafen von acht und sieben Jahre. Eine 24-Jährige erhielt viereinhalb Jahre Gefängnis. Dem Sprecher zufolge hatten die Richter bei ihrem Urteil am Donnerstag keinen Zweifel an der rechtsradikalen Gesinnung aller drei Angeklagten. Diese seien letztlich aufgrund von Ausländerhass tätig geworden. Die Beschuldigten selbst hatten dies stets bestritten, auch wenn sie den nächtlichen Brandanschlag vom August vergangenen Jahres selbst zugaben. Nach Überzeugung des Gerichts hatte einer der beiden Männer einen zuvor eigens zu diesem Zweck gebauten Molotowcocktail durch ein Fenster eines von Flüchtlingen bewohnten Hauses in der kleinen niedersächsischen Gemeinde geworden. In der betroffenen Wohnung lebte eine Mutter aus Simbabwe mit ihren drei Kindern im Alter von vier, acht und elf Jahren. Der Bodenbelag verschmorte durch den Brandsatz, die schlafenden Bewohner blieben unverletzt. Während die Richter die zwei Männer als Haupttäter einstufte, verurteilten sie die Frau als Mittäterin. Diese hatte ihre beiden erheblich angetrunkenen Bekannten mit dem Auto zum Anschlagsziel gefahren. Trotz Trunkenheit billigte das Gericht den zwei Männern allerdings keine erhebliche Einschränkung ihrer Steuerungsfähigkeit zu. Dafür seien sie vor und nach der Tat viel zu koordiniert vorgegangen. Die rechtsextremistischen Überzeugungen der Angeklagten sah das Gericht unter anderem auch durch deren im Zuge der Ermittlungen sichergestellte Kommunikation über Dienste wie Whatsapp belegt. Demnach hatten die Männer dort unter anderem eine klar nationalsozialistisch orientierte Gruppe gegründet und sich entsprechend geäußert. Neben dem Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe aufgrund von Rassenhass sahen die Richter auch zwei weitere Mordmerkmale erfüllt an. So wurde der Brandanschlag auf die schlafenden Opfer heimtückisch verübt, zudem wurde ein sogenanntes gemeingefährliches Tatwerkzeug benutzt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Staatsanwaltschaft und Verteidigung haben zunächst eine Woche Zeit, Revision gegen die Entscheidung einzulegen. Einen der beiden Angeklagten verurteilten die Richter aufgrund von Alkoholproblemen zusätzlich zu einer Behandlung in einer Entziehungsklinik. Er wird diese allerdings erst antreten, nachdem er zunächst einen Teil seiner Haftstrafe im Gefängnis abgesessen hat. Nicht verurteilter Mann genießt seit 1. Juli internationalen Schutz. Tallinn – Estland hat einem ehemaligen Häftling aus dem US-Gefangenenlager Guantánamo eine befristete Aufenthaltserlaubnis erteilt. Dem nicht verurteilten Mann sei am 1. Juli internationaler Schutz und ein einjähriges Aufenthaltsrecht gewährt worden, sagte eine Sprecherin der Polizei- und Grenzschutzbehörde am Montag. Für Reisen in andere Länder müsse der ehemalige Gefangene allerdings noch ein Reisedokument beantragen. Erst damit könne er die Reisefreiheit des Schengener Abkommens in Anspruch nehmen und Visa beantragen, sagte die Sprecherin der Deutschen Presse-Agentur. Estland hatte im Oktober 2014 einer Anfrage der USA zugestimmt, einen nicht verurteilten Häftling aus dem Lager Guantanamo aufzunehmen. Estland protestiert gegen Haftstrafe und fordert Freilassung, auch EU verurteilt Schuldspruch. Moskau – Ein Gericht im nordwestrussischen Pskow hat den Esten Eston Kohver wegen Spionage, Waffenschmuggels und illegalen Grenzübertritts zu 15 Jahren Haft verurteilt. Kohver gehört dem estnischen Verfassungsschutz an und ermittelte nach Angaben Tallinns gegen einen Schmugglerring, als er im September 2014 bei einem fingierten Treffen mit einem Informanten vom russischen Geheimdienst FSB in Grenznähe festgesetzt wurde. Umstritten ist dabei zwischen beiden Ländern, auf welcher Seite der Grenze er festgenommen wurde: Laut estnischer Darstellung wurde Kohver von einem Sonderkommando gekidnappt und über die Grenze geschleppt. Moskau besteht darauf, dass der mit Pistole, 5000 Euro und einem Abhörgerät ausgestattete Beamte auf russischem Gebiet geschnappt wurde. Eine zunächst vereinbarte Zusammenarbeit zur Aufklärung des Vorfalls wurde später von russischer Seite annulliert. Die Verhandlung wurde unter höchster Geheimhaltung durchgeführt. Journalisten bekamen Kohver, der seine Schuld bestreitet, nur bei der Urteilsverkündung zu Gesicht. Das harte Urteil belastet das ohnehin gespannte bilaterale Verhältnis weiter: Estlands Premier Taavi Roivas nannte den Prozess eine Farce, das estnische Außenministerium kritisierte das Urteil scharf. Wir planen, zusammen mit unseren Bündnispartnern internationalen Druck auszuüben, um die Freilassung Eston Kohvers und seine Heimkehr zur Familie zu erzwingen, kündigte Außenministerin Marina Kaljurand an. Kohver hat laut seinem Anwalt vier kleine Kinder zu versorgen. Dritte Ehe für estnisches Staatsoberhaupt. Tallinn – Liebe ohne Grenzen: Der estnische Präsident Toomas Hendrik Ilves (62) hat der lettischen Regierungsbeamtin Ieva Kupce (38) das Ja-Wort gegeben. Die Hochzeit habe im kleinen Kreis stattgefunden, berichteten Medien in Tallinn am Samstag. Für Ilves ist es die dritte Ehe. Vor etwa acht Monaten hatte er sich nach elf gemeinsamen Jahren von seiner Frau Evelin scheiden lassen. Mitte November verlobte er sich mit Kupce. Estlands neue First Lady leitete bisher im lettischen Verteidigungsministerium eine Abteilung zum Schutz vor Internetkriminalität. Ilves bringt drei Kinder in die Ehe mit, Kupce eines. Die Amtszeit von Ilves endet im August. 'Knapp ein halbes Jahr nach dem Attentat auf die Satirezeitschrift "Charlie Hebdo" Anschlag in Industriequartier bei Lyon – Unternehmer enthauptet. Zuerst hielten die zwei Täter einen Transportunternehmer – offenbar den Arbeitgeber eines der Täter – an; sie enthaupteten ihn, brachten islamistische Inschriften an seinem Kopf an und spießten diesen auf einen Zaun der Firma Air Products. Dann durchbrachen sie mit einem Auto die Eingangspforte zum Gelände des Unternehmens; dort öffneten sie Gasflaschen und rammten sie, um sie zur Explosion zu bringen. Das ist laut Polizei das wahrscheinlichste Szenario der Attacke von Freitag in Saint-Quentin-Fallavier südöstlich der Rhône stadt Lyon. Genauere Einzelheiten lagen bei Redaktionsschluss noch nicht vor. Offenbar wurden vor Ort Bänder oder Fahnen mit islamistischen Inschriften gefunden. Zwei Mitarbeiter wurden durch die Explosionen verletzt. Der mutmaßliche Täter wurde festgenommen, nachdem ihn offenbar ein Feuerwehrmann überwältigt hatte. Eine zweite Person wurde später ebenfalls festgenommen; es war aber vorerst unklar, ob es sich um einen Mittäter handelte. Die französische Staatsanwaltschaft schaltete die Antiterrorpolizei ein. Den Tatort sicherte ein Großaufgebot ab. Staatspräsident François Hollande verließ den EU-Gipfel in Brüssel und organisierte im Pariser Elysée-Palast einen Krisenrat. In einer Erklärung im Fernsehen sprach er von einem Anschlag terroristischer Natur. Er rief alle Parteien zu einem nationalen Schulterschluss gegen die Bedrohung auf, warnte aber auch vor kollektiven Schuldzuweisungen. Wir müssen unsere Werte verteidigen und dürfen niemals zulassen, dass die Angst Oberhand gewinnt, erklärte der sozialistische Präsident. Premierminister Manuel Valls, der seine Südamerika-Reise unterbrach, ordnete für alle Sicherheitsbehörden in der Region Rhône-Alpes erhöhte Wachsamkeit an. Die Sicherheitsmaßnahmen in Frankreich sind seit den Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo und den jüdischen Supermarkt im Jänner verstärkt. Der mutmaßliche Täter wird von der Polizei salafistischen Kreisen zugerechnet. Der Chauffeur soll aus Saint-Priest stammen, einer Vorstadt von Lyon unweit des Tatorts. Der verheiratete Vater von drei Kindern soll sich in der Haft als Vertreter der Terrormiliz Islamistischer Staat (IS) ausgegeben haben. Innenminister Bernard Cazeneuve gab bekannt, der Festgenommene sei 2006 wegen islamistischer Umtriebe überwacht worden; 2008 habe man ihn aber wieder aus dem Register gestrichen. Seine Frau, die mittlerweile verhaftet wurde, fiel offenbar aus allen Wolken: Ich weiß nicht, was passiert ist, sagte sie zu Journalisten. Er ging morgens um sieben Uhr zur Arbeit. Um zwölf kam er nicht zurück. Meine Schwägerin sagte mir: ‚Schalt den Fernseher ein.‘ Und da stoppte mein Herz: Ich kenne ihn, das ist mein Mann! Erst im April hatte die Polizei einen Anschlag auf eine Kirche in der Nähe von Paris vereitelt. Sie verhaftete einen 24-jährigen Studenten in Villejuif (südlich von Paris), bevor er zur Tat schreiten konnte. Der Tatverdächtige von Villejuif hat einen ähnlichen Werdegang wie jene zwei Brüder, die das Magazin Charlie Hebdo angriffen. In beiden Fällen staunte die Polizei, wie glatt sich der Übergang vom geschichtslosen Ban lieue-Jugendlichen zum eiskalten Terroristen vollzog. Von ersten Kontakten auf Islamisten-Webseiten oder späteren Jihadreisen nach Syrien abgesehen, ist er kaum eruierbar. Wenn sie einmal im Griff von Islamisten sind, können sich diese labilen Charaktere sehr schnell indoktrinieren und manipulieren lassen. Der neueste mutmaßliche Attentäter in der Gasfabrik stammt seinerseits aus einer Vorstadt in Lyon – und der dortigen Salafistenszene. Einer mehr, sagen sich die Franzosen. Die Herkunft des Terroristen kommt ihnen mittlerweile bekannt vor. Sie wissen, dass hunderte von Banlieue-Jugendlichen in den Jihad gereist sind, tausende Kontakt zu Islamisten haben. Das schürt Ängste vor ständig neuen Attacken, erklärt aber auch die fast schon schulterzuckende Reaktion der französischen Öffentlichkeit. Ebenso gravierend ist der Umstand, dass die potenziellen Terrorkandidaten immer noch eine verschwindende Minderheit ge genüber dem Gros der friedfertigen Muslime darstellen, die derzeit Ramadan begehen. Sie haben mit Terror so wenig am Hut wie alle anderen Franzosen. Im Vorstadtzug werden die Banlieue-Jugendlichen aber in den nächsten Tag wieder schief angeschaut. Bald werden sie von den Franzosen wieder übersehen werden. Bis zum nächsten Terroranschlag.' 35-Jähriger hat Schweigen gebrochen. Paris – Der Attentäter von Lyon hat nach Informationen der französischen Nachrichtenagentur AFP zugegeben, seinen Chef getötet zu haben. Der 35-jährige Yassin S. habe sein Schweigen gebrochen und Details über den Anschlag genannt, berichtete die Agentur am Sonntag unter Berufung auf Ermittler. Der 35-jährige mutmaßliche Täter schwieg zunächst, am Samstagabend stellte er sich doch den Ermittler-Fragen. Ob er möglicherweise Komplizen hatte, konnte weiterhin nicht eruiert werden. S. habe zugegeben, den Chef des Transportunternehmens vor dem Anschlag getötet und enthauptet zu haben, hieß es in einem Bericht. In einem anderen Bericht hieß es, dass es noch unklar sei, ob der Attentäter sein Opfer enthauptet hat oder den Kopf erst nach dessen Tod abtrennte. Bei einer ersten Autopsie seien Würgemale am Hals festgestellt worden, hieß es. Die Leiche des 53-jährigen Mannes war am Freitag nach dem Anschlag auf ein Werk für Industriegase in Saint-Quentin-Fallavier nahe der französischen Stadt Lyon entdeckt worden. Yassin S. hat den Angaben zufolge nach der Tat ein sogenanntes Selfie, also ein Selbstporträt mit dem abgetrennten Kopf seines Chefs gemacht. Dieses übermittelte er über den Kurznachrichtendienst WhatsApp an eine Handy-Nummer in Kanada. Die kanadischen Behörden bemühen sich, den Empfänger zu ermitteln. Es könnte eine Relais-Nummer sein, die lediglich zur Weiterleitung dient. Das Foto fanden die Ermittler auf dem Handy des Attentäters. Die französische Zeitung Le Figaro schrieb, der Mann sei ab 2000 durch den Kontakt zu einem Salafisten in seinem früheren Wohnort Pontarlier radikalisiert worden sein. Dieser Mann namens Frederic J. S. werde verdächtigt, vor fünf Jahren mit Aktivisten des Terrornetzwerks Al-Kaida Anschläge in Indonesien geplant zu haben. Dieser Kontakt sei den französischen Sicherheitsdiensten aufgefallen, weshalb Yassin S. zwischen 2006 und 2008 unter Beobachtung gestellt worden sei. Anschließend wurde die Beobachtung jedoch nicht fortgesetzt. Der Kopf des Mannes wurde auf einem Zaun aufgespießt, der die Fabrik umgibt. Dort waren auch eine schwarze und eine weiße Islamistenflagge zu sehen. Ein Feuerwehrmann hatte Yassin S. am Tatort überwältigt. Der Vater von drei Kindern befindet sich mit seiner Ehefrau und einer Schwester in Polizeigewahrsam. S. war in seinem Wohnviertel als guter Nachbar bekannt. Der Mann lebte mit seiner Ehefrau und drei Kindern im Erdgeschoß eines gepflegten Wohnblocks in Saint-Priest. Er war erst vor mehreren Monaten in diese kleine Stadt im Ballungsraum von Lyon gezogen. Er arbeitete als Lieferfahrer einer Firma, die Zugang zu dem Gelände des Unternehmens Air Products hatte, das auf die Herstellung von Industriegasen spezialisiert ist. In Frankreich hat Präsident Francois Hollande am Freitag die höchste Sicherheitsstufe für 158 Industriebetriebe der Region Rhone-Alpes angeordnet, die wegen der Verarbeitung gefährlicher Materialien der Seveso-Richtlinie unterliegen. Außerdem kündigte die Regierung eine Aufstockung der Sicherheitskräfte an. Bei Polizei und Gendarmerie sollen 500 neue Stellen pro Jahr geschaffen werden, die Nachrichtendienste mit 1.500 neuen Mitarbeitern verstärkt werden. Die rechte und rechtsradikale Opposition in Frankreich verlangte weitere Schritte. Der Chef der konservativen Republikaner, Ex-Präsident Nicolas Sarkozy, forderte schärfere Sicherheitsmaßnahmen. Die Chefin der rechtsradikalen Front National (FN), Marine Le Pen, verlangte, verdächtige ausländische radikale Islamisten auszuweisen und islamistischen Franzosen, die Straftaten begangen hätten, die Staatsangehörigkeit zu entziehen. 'Langsam klärt sich das Profil von Yassin S., der am Freitag seinen Arbeitgeber enthauptete. Wer ist Yassin S.? Seit Freitag fragt sich Frankreich, wie ein Mann seinen Vorgesetzten auf einem Parkplatz am Stadtrand von Lyon umbringen, ein Selfie von sich und dem abgetrennten Kopf machen und dann versuchen konnte, ein Gaswerk in die Luft zu sprengen. Seine eigene Frau erklärte, sie falle aus allen Wolken. Die Medien spekulierten zuerst, ob es sich um ein persönliches Rachedelikt gegen den Arbeitgeber handle. Die Polizei hatte den 35-jährigen Franzosen mit algerisch-marokkanischen Eltern zwar 2006 wegen seiner Radikalisierung durch eine salafistische Bewegung überwacht. Doch der Chauffeur und dreifache Familienvater rückte in der sogenannten S-Akte des französischen Geheimdienstes nie höher als in die 13. von insgesamt 16 Gefahrenstufen – 2008 wurde seine Beschattung eingestellt. Zu Unrecht. Einmal mehr war die Polizei von der Masse der zu kontrollierenden Islamisten offensichtlich überfordert. Am Sonntag wurde bekannt, dass eine frühere Nachbarin Yassin S. sonderbares Benehmen mehrfach der Polizei gemeldet hatte. Den Vorladungen leistete sie allerdings keine Folge. Yassin S. sei öfters mehrere Monate verschwunden gewesen, um dann als anderer Mann zurückzukehren. Er habe nicht mehr Bonjour gesagt und keine Frau mehr angeblickt Er sei kein Jihadist, gab der 35-Jährige am Montag Ermittlerinformationen zufolge an. Paris – Der mutmaßliche Attentäter in Frankreich, der die Enthauptung seines Chefs gestanden hat, will nicht aus islamistischen Motiven gehandelt haben. Der 35-Jährige habe den Ermittlern gesagt, er sei kein Jihadist, gab eine mit der Untersuchung vertraute Person am Montag an. Er habe zudem frühere Aussagen bekräftigt, wonach er die Tat am Freitag nach vorausgegangenen Streitereien mit seiner Frau und seinem Chef begangen habe. Warum er am Anschlagstag neben den abgetrennten Kopf seines Opfers Fahnen mit dem muslimischen Glaubensbekenntnis aufhängte, erklärte der Festgenommene aber nicht. Der Mann war am Tatort, einer Chemiefabrik am Rande von Lyon, festgenommen worden. Bei einer Überprüfung des Handys des Verdächtigen wurde ein Foto entdeckt, das ihn vor seiner Festnahme mit dem Kopf zeigt. Das Bild wurde an ein Mobiltelefon eines Franzosen geschickt, das zuletzt im syrischen Raqqa geortet wurde, einer Hochburg der IS-Miliz. Der Verdächtige soll zudem versucht haben, die Fabrik in die Luft zu sprengen. Präsident François Hollande hatte von einem Terroranschlag gesprochen. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, der Festgenommene sei nicht vorbestraft. Er sei aber in der Vergangenheit vom Staatsschutz überwacht worden, weil die Gefahr einer Radikalisierung bestanden habe. Front-National-Gründer erzielt juristischen Sieg über Tochter, weil Richter seine Suspendierung aufheben. Nanterre – Im erbitterten Streit mit seiner Tochter Marine hat Front-National-Gründer Jean-Marie Le Pen einen juristischen Sieg errungen. Ein Gericht in Nanterre nahe Paris erklärte die Suspendierung der FN-Parteimitgliedschaft des 87-Jährigen wegen eines Formfehlers für nicht rechtens. Die von seiner Tochter durchgesetzte Strafmaßnahme wurde aufgehoben. Marine Le Pen hatte im April mit ihrem Vater gebrochen, nachdem dieser mit erneuten antisemitischen Provokationen für Aufregung gesorgt hatte. Im Mai setzte die FN-Spitze seine Parteimitgliedschaft aus, der Titel des FN-Ehrenpräsidenten soll ihm entzogen werden. Jean-Marie Le Pen hatte unter anderem und zum wiederholten Mal die NS-Gaskammern als Detail der Geschichte bezeichnet. Er torpedierte damit den Kurs seiner Tochter, die dem Front National mit einer Abkehr von seinen offen rassistischen und antisemitischen Parolen ein respektableres Ansehen verschaffen und so neue Wähler gewinnen möchte. Staatsanwaltschaft will Fall um Wahlkampffinanzen zu Akten legen – Untersuchungsrichter prüfen. Paris – Frankreichs Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy kann auf das Ende von Ermittlungen in einer Finanzaffäre hoffen, die bisher seine politische Zukunft gefährdete. Die Pariser Staatsanwaltschaft will nach Angaben aus Justizkreisen vom Montag die Ermittlungen um eine Strafzahlung einstellen, die Sarkozys konservative Partei UMP Ende 2013 regelwidrig für den früheren Präsidenten beglichen hatte. Nun müssen aber noch Untersuchungsrichter entscheiden, ob sie dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen oder nicht. Die Finanzaffäre geht auf den Präsidentschaftswahlkampf des Jahres 2012 zurück. Sarkozys Wahlkampfbudget wurde wegen einer Überschreitung der zulässigen Obergrenze im Nachhinein für ungültig erklärt. Der konservative Politiker wurde verpflichtet, 153.000 Euro im Voraus erhaltene Wahlkampfhilfe zurückzuzahlen sowie den Betrag, um den er sein Budget überzogen hatte – rund 363.600 Euro. Die Summe übernahm aber seine Partei, was rechtswidrig ist. In der Affäre wurde Anfang Februar der frühere UMP-Vorsitzende Jean-Francois Copé formell der Untreue beschuldigt. Anfang April entging Sarkozy einem solchen Ermittlungsverfahren. Er wurde lediglich zum Zeugen mit Rechtsbeistand erklärt, im französischen Strafrecht ein Status zwischen Zeugen und Beschuldigtem. Nun könnten die Ermittlungen ganz eingestellt werden. Sarkozy ist allerdings noch in eine Reihe weiterer Affären verstrickt. Diese gefährden seine Ambitionen, bei der Präsidentschaftswahl im Jahr 2017 den Elysee-Palast zurückzuerobern. François Hollande schlug in Rede zu Nationalfeiertag Parlament der Euroländer vor. Welch schönes und sonderbares Land! Frankreich feierte am Dienstag seinen Nationalfeiertag Quatorze Juillet mit Tanzbällen, Feuerwerken und einer farbenprächtigen Truppenparade über die Pariser Champs-Élysées. Zehntausende verfolgten säbelbewehrte Gendarminnen und bärtige Fremdenlegionäre, Federbüsche und Bérets, die Marseillaise und den Chant des Partisans, den Gesang der Widerstandskämpfer im Zweiten Weltkrieg. Als Kontrapunkt zu den blitzenden Uniformen enthüllte das engagierte Online-Portal Mediapart, dass die Kindesmissbrauchsvorwürfe gegen französische Soldaten in Westafrika nicht der Vergangenheit angehörten, sondern weitergehen. Aber auch diese Form von Résistance gegen das Militär gehört in Frankreich zum Ritual: Seit der Revolution von 1789 gehört der 14. Juli genauso den Roten wie den Patrioten. Neu war am Dienstag einzig, dass auch Anti-Terror-Einheiten wie GIGN, Raid und BRI über die Champs-Élysées defilierten. Sie traten mit Helmen und Sonnenbrillen an, mit zahlreichen Orden auf der Brust. Die Nation erbrachte ihnen damit eine Hommage, nachdem sie die Attentäter der Charlie Hebdo-Redaktion und des jüdischen Supermarktes Anfang Jänner ohne Kollateralschäden neutralisiert hatten. An der Spitze der 3000-köpfigen Truppenparade fuhr der Staatschef vom Triumphbogen aus die rot, weiß und blau beflaggte Prachtavenue im offenen Wagen stehend ab. Da Nationalfeiertag war, blieben sogar die Pfiffe, die François Hollande regelmäßig empfangen, aus: Die Franzosen scharten sich hinter dem Präsidenten wie früher hinter dem Monarchen – so unpopulär er auch sein mag. Immerhin hat der siebente Präsident der Fünften Republik in letzter Zeit einige Pluspunkte gesammelt. In der Griechenlandkrise verteidigte er das vorrangige Ziel Frankreichs, den Grexit zu verhindern. Ich sage nicht, dass Frankreich gewonnen hat, meinte er nach der Truppenparade im üblichen Fernsehinterview am Nationalfeiertag. Europa hat gewonnen. Lieber sprach der Staatschef über Außenpolitik und fordert Teheran auf, zu einer Lösung in Syrien und im Irak beizutragen. Auch wärmte er die französische, von Deutschland skeptisch beäugte Idee einer EU-Wirtschaftsregierung auf. Neu schlägt er ein Parlament der Euroländer vor. Zugleich machte Hollande aber auch klar, dass er die Achse Berlin- Paris nicht weiter strapazieren will: Ohne Frankreich und Deutschland kommt Europa nicht voran. Und wenn er Griechenland weiterhin seine Hilfe zusage, gehe es ebenfalls um die europäische Idee. Diese ist allerdings gemäß Hollande nichts anderes als eine vergrößerte Idee Frankreichs. Es gehe um eine gewisse Idee Frankreichs, meinte der 60-Jährige mit Bezug auf einen Ausdruck des Begründers der Fünften Republik, Charles de Gaulles. 'Die französische Polizei hat einen neuen Terroranschlag vereitelt – offenbar einen von vielen. Auch Werkstätten mit Explosionsgefahr werden nun besser geschützt. Drei Verdächtige im Alter von 17, 19 und 23 Jahren waren am Donnerstag noch in Untersuchungshaft, nachdem ein vierter Festgenommener freigelassen worden war. Innenminister Bernard Cazeneuve erklärte, das Trio habe einen Terroranschlag auf eine französische Militäranlage geplant. Polizeikreisen zufolge gestanden die drei, das Fort Béar in Port-Vendres bei Perpignan ins Auge gefasst zu haben. Sie wollten Ende des Jahres oder am 7. Jänner 2016 zuschlagen, wenn sich der mörderische Anschlag auf das Satireblatt Charlie Hebdo jähren wird. Ihr Ziel sei es gewesen, einen Offizier zu entführen und zu enthaupten, um die mit einer Gopro-Kamera gefilmte Szene danach ins Internet zu stellen. Anstifter war der jüngste des Trios, ein 17-Jähriger, der sich nach französischem Sprachgebrauch 2014 radikalisiert hatte. Nahestehende hätten ihn auf der Anti-Jihad-Plattform der Regierung angezeigt, worauf ihn der Inlandsgeheimdienst auch einvernommen habe. Sehr aktiv in den sozialen Medien, habe er die Absicht geäußert, in den Krieg nach Syrien zu reisen. Danach wurde er intensiv überwacht 'Der Attentäter ist formal identifiziert: Passagiere hinderten den jungen Marrokaner an einem Massaker. Der mutmaßliche Thalys-Attentäter ist formal identifiziert worden. Bei dem Verdächtigen handle es sich um einen Marokkaner, der von den spanischen Geheimdiensten als radikaler Islamist eingestuft worden sei, verlautete am Samstag aus Pariser Polizeikreisen. Der junge Mann war mit einer Kalaschnikow, einer Pistole und einem Teppichmesser bewaffnet, als er in Brüssel in den Thalys von Amsterdam nach Paris stieg. Es hätte eigentlich noch viel schlimmer kommen müssen. Blutspritzer an den Fenstern und auf den Sitzen zeugten am Tag nach der Tat von der Gewalt des Anschlags. Am Freitag um 17.50 Uhr hatte ein junger Mann im Hochgeschwindigkeitszug Amsterdan-Paris das Feuer auf andere Fahrgäste eröffnet. Er schoss zuerst zwei Männer in den Hals und den Rücken. Im hintersten Wagon brach Panik aus, die Passagiere gingen hinter den Sitzen in Deckung. So auch zwei amerikanische Soldaten. Der eine, Alek Skarlatos (22), besann sich aber und rief seinem Kumpan Anthony Sadler (23) zu: Lets go! Die beiden stürzten sich auf den Schützen. Ihr Freund Spencer Stone machte mit und wurde von dem Messerstich verletzt, als er den Täter in den Schwitzkasten nehmen wollte. Skarlatos und Sadler sowie ein 62-jähriger britischer Rugbytrainer packten ihrerseits das Sturmgewehr und schlugen so lange auf den Kopf des Attentäters ein, bis er bewusstlos zu Boden stürzte. Zwanzig Minuten später hielt der Zug in der nordfranzösischen Stadt Arras. Die Verletzten wurden ins Spital gebracht Das Land sei einer ständigen Gefahr ausgesetzt, vor der es sich schützen müsse, sagt der Präsident. Paris – Nach dem mutmaßlichen Anschlagsversuch auf einen Thalys-Schnellzug auf dem Weg nach Paris hat Frankreichs Staatschef François Hollande vor weiteren Attentaten gewarnt. Der Vorfall im Thalys sei ein neuer Beweis, dass wir uns auf weitere Angriffe vorbereiten und uns schützen müssen, sagte Hollande am Dienstag bei einer Rede vor den in Paris versammelten französischen Botschaftern. Frankreich sei ständig einer Gefahr ausgesetzt. Der unter anderem mit einer Kalaschnikow bewaffnete mutmaßliche Islamist hatte am vergangenen Freitag im Thalys auf dem Weg von Amsterdam nach Paris das Feuer eröffnet. Zwei US-Soldaten und weitere Passagiere überwältigten den 25-jährigen Marokkaner und verhinderten damit vermutlich ein Blutbad. Einer der Soldaten und ein zweiter Mann wurden schwer verletzt. Der Angreifer hätte ein grässliches Blutbad anrichten können, sagte Hollande am Dienstag. Seit dem islamistischen Anschlag auf die Satirezeitung Charlie Hebdo mit zwölf Toten im Jänner wurde Frankreich immer wieder Ziel von Islamisten. Die französische Regierung warnte wiederholt vor neuen Anschlägen. Hollande hat in seiner Rede auch mehr Engagement zur Lösung der syrischen Krise gefordert, auch um der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) entgegenzutreten. Der Terrorismus bedroht alle Akteure der Region und alle Mächte, warnte er. Der Einfluss der Terroristen müsse verringert werden, ohne Syriens Präsidenten Bashar al-Assad im Amt zu halten. Die politische Wende in Syrien ist eine Notwendigkeit. Hollande will bei der Suche nach einer Lösung der Krise in Syrien die Golfstaaten und den Iran einbinden. Zudem rief er die Türkei auf, sich im Kampf gegen den IS einzubringen und den Dialog mit den Kurden wieder aufzunehmen. Französischer Agent war vor 30 Jahren an der Versenkung des Greenpeace-Schiffs beteiligt. Wellington – Mehr als 30 Jahre nach der Versenkung des Greenpeace-Schiffs Rainbow Warrior in Neuseeland durch den französischen Auslandsgeheimdienst DGSE hat der damalige DGSE-Agent und Bombenleger sich entschuldigt. In einem am Sonntag auf der Internet-Enthüllungsseite Mediapart veröffentlichten Interview gab Jean-Luc Kister zugleich Details der nächtlichen Geheimdienstoperation vom 10. Juli 1985 preis. Mit ihr sollten Proteste der Umweltschützer gegen französische Atomwaffentests im Südpazifik verhindert werden. Der Greenpeace-Fotograf Fernando Pereira ertrank damals an Bord des Schiffs. Kister hatte damals als DGSE-Kampfschwimmer ein gewaltiges Loch in den Rumpf des Greenpeace-Schiffs gesprengt. In dem Interview bedauerte er nun seine Aktion zutiefst und bat Pereiras Angehörige, die anderen Umweltschützer an Bord des Schiffs und das neuseeländische Volk um Verzeihung. Er habe den Tod eines Unschuldigen auf dem Gewissen, und das wiege schwer. Den vom damaligen Verteidigungsminister Charles Hernu unter Staatspräsident Francois Mitterand angeordneten Einsatz von insgesamt zwölf DGSE-Agenten bezeichnete Kister in dem Interview als unverhältnismäßig. Mögliche Alternativen hätten die politischen Entscheidungsträger abgelehnt. Unter anderem sei erwogen worden, die Schiffsschraube zu zerstören, um das Auslaufen der Rainbow Warrior aus dem neuseeländischen Hafen Auckland zu verhindern. Nein, sie muss versenkt werden, habe es geheißen. Mediapart-Gründer Edwy Plenel, der das Interview führte, sagte der Nachrichtenagentur AFP, offen bleibe die Rolle des 1996 verstorbenen Staatschefs Mitterrand. Der Politiker der Sozialistischen Partei (PS) hatte die Operation Satanique (Satanischer Einsatz) nach Angaben des damaligen DGSE-Chefs Pierre Lacoste selbst genehmigt. Aber inwieweit wusste Mitterrand, dass diese so gewalttätig sein würde?, fragte der Enthüllungsjournalist. Am Einsatz zur Befestigung von zwei Haftminen an der Rainbow Warrior waren neben Kister Jean Camas und Gerard Royal, der Bruder der derzeitigen Umweltministerin und ehemaligen sozialistischen Präsidentschaftsbewerberin Segolene Royal, beteiligt. Der Fall sorgte weltweit für Empörung. Der vor zehn Jahren verstorbene neuseeländische Regierungschef David Lange sprach von einem gemeinen Akt internationalen, staatlich unterstützten Terrorismus. Der eng mit Mitterrand befreundete Hernu trat zurück, DGSE-Chef Lacoste wurde gefeuert. Die zwölf beteiligten Agenten kamen glimpflich davon. Zwei von ihnen wurden im November 1985 in Auckland zwar zu zehn Jahren Haft verurteilt. Ein Jahr später wurden sie aber nach einem Deal mit der neuseeländischen Regierung in ein Militärgefängnis auf dem Hao-Atoll in Französisch-Polynesien verlegt und bald entlassen. Die anderen Beteiligten kamen nie vor Gericht. Premier Valls will aber keine französischen Soldaten schicken. Paris – Frankreich würde ein Eingreifen regionaler Truppen gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien unterstützen. Einen Einsatz französischer Bodentruppen bezeichnete Premierminister Manuel Valls am Dienstag in der Nationalversammlung in Paris erneut als unrealistisch. Aber falls Länder der Region sich zu einer Koalition verbünden, um Syrien von der IS-Tyrannei zu befreien, dann hätten diese Länder die Unterstützung Frankreichs, sagte er. Bei den angekündigten französischen Luftschlägen gegen IS-Stellungen in Syrien will Frankreich darauf achten, nicht Machthaber Bashar al-Assad in die Hände zu spielen. Wir werden nichts tun, was das Regime stärken könnte, versicherte Valls. In Syrien tobt ein blutiger Bürgerkrieg zwischen dem Assad-Regime, mehreren Rebellengruppen und den IS-Milizen. Frankreichs Luftwaffe beteiligt sich seit einem Jahr bereits an Angriffen einer US-geführten Koalition auf den IS im Irak, schlug jedoch bisher anders als die USA nicht in Syrien zu. Vergangene Woche schickte Paris dann Aufklärungsflüge über IS-beherrschte Gebiete im Osten des Landes, um auch dort Luftschläge vorzubereiten. Die konservative französische Opposition kritisierte die Regierungspolitik als unklar. Was ist ihr vorrangiges Ziel? Der Abgang von Assad oder der Kampf gegen den IS?, fragte Christian Jacob, Fraktionschef der Republikaner. Luftschläge allein liefen Gefahr, ein Schlag ins Wasser zu sein. Anders als im Irak hat die syrische Assad-Regierung, mit der Frankreich keine diplomatischen Beziehungen führt, einem französischen Eingreifen gegen den IS nicht zugestimmt. Paris begründet den Einsatz seiner Luftwaffe mit Artikel 51 der UNO-Charta, der Militäreinsätze zur Selbstverteidigung erlaubt. Valls verwies dabei auf Terroranschläge in Frankreich: Wir wissen es: Die jihadistische Bedrohung, die sich gegen Frankreich richtet, kommt aus den vom IS kontrollierten Zonen. Die französische Regierung schätzt, dass 1.880 Einwohner Frankreichs jihadistischen Netzwerken angehören. 491 von ihnen seien ins Kampfgebiet in Syrien und dem Irak gereist, 133 dort gestorben. Mann prangerte nach Brandstiftung wachsende Kriminalität an. Paris – Weil er Autos anzündete und dann eine angeblich zunehmende Kriminalität anprangerte, ist ein früherer Verantwortlicher von Frankreichs rechtsextremem Front National (FN) zu drei Jahren Haft verurteilt worden. Die Strafe gegen Adrien Desport sei angesichts der Schwere der Taten mehr als angemessen, sagte die Vorsitzende Richterin des Strafgerichts von Meaux am Mittwoch bei der Urteilsverkündung. Der 25-Jährige wurde zudem mit fünf Jahren Unwählbarkeit belegt und muss mehrere Autobesitzer entschädigen. Die frühere Nummer zwei des FN im östlich von Paris gelegenen Departement Seine-et-Marne hatte unter anderem in einer Nacht im April mit fünf Mittätern 13 Autos angezündet. Anschließend prangerte Desport im Internet eine wachsende Unsicherheit an. In seinem Interblog forderte er unter Verweis auf die Brandstiftungen mehr Überwachungskameras und eine Bewaffnung der Gemeindepolizei. Ich bin sehr wenig stolz auf das, was ich getan habe, sagte Desport während des Prozesses. Ich habe Fehler gemacht, und ich bin hier, um für das zu bezahlen, was ich getan habe. Mehrere seiner Komplizen wurden am Mittwoch ebenfalls zu Haftstrafen verurteilt, die teilweise zur Bewährung ausgesetzt wurden. Während des Prozesses hatte die Vorsitzende Richterin beschrieben, wie sich die Angeklagten mit Alkohol betranken und mit Medikamenten aufputschten und dann aufbrachen, um Autos zu zerstören. Der FN hat Desport inzwischen verstoßen, die Partei selbst hatte ihn der Polizei gemeldet. Eine angeblich zunehmende Unsicherheit ist ein beliebtes Wahlkampfthema der rechtsextremen Partei. 'Eine Gruppe donauschwäbischer Flüchtlinge hat 1950 tatkräftig damit begonnen, ein kleines Dorf in Südfrankreich zu reanimieren, über das selbst der damalige Bürgermeister schon das Kreuz geschlagen hatte. Eine kleine, europäische Geschichte von Wirtschaftsmigration, Vertreibung, Flucht und Neuanfang. Im Jahr 1950 war das kleine Dorf La Roque-sur-Pernes, wenn schon nicht tot, so doch todgeweiht. Gerade noch 17 Alte lebten in dem Dorf mit der mächtigen romanischen Kirche. Von den mehr als 1000 Hektar, die einst unter der sanften provencalischen Sonne bewirtschaftet worden waren, waren noch 50 im Kulturbetrieb. Der Bürgermeister – Édouard Delebecque hieß er – schrieb gerade an einem Buch, das 1951 unter dem Titel Un village qui séteint erschien. Ein Dorf, das verlischt. Um zu erzählen, warum es dann doch nicht so weit gekommen ist, muss man weit ausholen. Bis tief ins 18. Jahrhundert, als nach der Zweiten Türkenbelagerung 1683 ganz Ungarn und der Nordbalkan unter habsburgisches Zepter kam. 1718 wurden im Frieden von Passarowitz die habsburgisch-osmanischen Interessengebiete für die nächsten 200 Jahre abgesteckt. Habsburg regierte damit über ein weites, aber weitgehend auch unkultiviertes, sumpfiges Land. In drei großen Migrationsbewegungen holte man deshalb zwischen 1722 und 1787 Zigtausende 'Sie sind nicht mehr richtig links, wollen aber auch nicht ganz rechts sein: Von Michel Onfray über Alain Finkielkraut bis zu Michel Houellebecq geraten immer mehr französische Intellektuelle ins Fahrwasser des Front National. Michel Onfray ist der Inbegriff des französischen Denkers: ein brillanter Theoretiker und dazu ein libertärer Lebemann, dessen auf Deutsch übersetzte Werke – ein Bruchteil seiner reichen Produktion – Titel tragen wie Die genießerische Vernunft oder Philosophie der Ekstase. Der 56-jährige Gründer einer Volksuniversität in der Normandie-Metropole Caen ist zudem Atheist und Sozialist, Schopenhauer-Doktorand und Freud-Kontrahent, polemisch und populär. Und ein klein wenig populistisch. Denn nun steht ein Verdacht im Raum, lanciert von der Zeitung Libération, dem Blatt der Pariser Bobos, mit denen Onfray seit jeher auf Kriegsfuß steht. Ein schrecklicher Verdacht, einer, der den politischen und medialen Tod bedeuten kann: Onfray mache sich die Thesen des rechtsextremen Front National (FN) zu eigen. In diversen Stellungnahmen, darunter ein Interview mit der konservativen Zeitung Le Figaro, hatte er erklärt, Themen wie Immigration und nationale Identität würden von den etablierten Parteien zu Unrecht gemieden, da sie für das Volk durchaus von Belang seien. Der Tod des Flüchtlingskindes Aylan sei eine Manipulation, die Emotionen für die Flüchtlingsaufnahme schüren solle 'Frankreichs Präsident unterzeichnet bei China-Besuch mit Staatschef Xi eine gemeinsame Erklärung. Noch vergangene Woche zeigte sich UN-Klimachefin Christina Figueres skeptisch, ob die angestrebte Beschränkung auf eine Temperaturerhöhung um 1,5 bis zwei Grad bis zum Jahrhundertende realisierbar sei. Bei einer Konferenz in Bonn erklärte sie, die von 146 Staaten eingereichten nationalen Klimaziele ergäben umgerechnet eine Zunahme um 2,7 Grad. Die Differenz von einem Grad mag minimal erscheinen. Sie kann aber gewaltige Folgen haben, wie der belgische Klimatologe Jean-Pascal van Ypersele von der Universität Louvain schätzt: Die Wahrscheinlichkeit, dass das Grönlandeis langfristig vollkommen schmilzt – was den Ozeanspiegel um bis sieben Meter steigen lassen könnte –, sei bei einer Klimaerwärmung um drei Grad ungleich höher als bei einer Zunahme um zwei Grad. Am Montag gab es nun aber Fortschritte in einem zentralen Punkt. China, das allein ein Viertel der weltweiten Treibhausgase produziert, erklärte sich am Montag zu einem ehrgeizigen und verbindlichen Abkommen in Paris bereit. Eine entsprechende bilaterale Erklärung unterzeichneten der chinesische Präsident Xi Jinping und der französische Staatschef François Hollande in Peking. China zeigt sich insbesondere bereit, dass eine vollständige Revision der Klimaziele alle fünf Jahre stattfinden könne. Sie soll die erreichten Fortschritte festhalten, danach werden gegebenenfalls die getroffenen Maßnahmen verschärft. Den französischen Unterhändlern gelang es nicht, den Chinesen konkrete Zusagen über allfällige Sanktionen abzuringen, sollte ein Land seine Versprechen nicht einhalten. Peking hält dies für unvereinbar mit der nationalen Souveränität. Einzelne Nichtregierungsorganisationen sind deshalb der Meinung, dass die Fünfjahresrevision zahnlos bleibe Front-National-Gründer soll Vermögen vor Fiskus versteckt haben. Paris – Bei dem französischen Rechtsextremisten Jean-Marie Le Pen hat es wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eine Hausdurchsuchung gegeben. Das Haus des Gründers der rechtsextremen Front National (FN) im Großraum Paris wurde am Mittwoch auf Anordnung der Justiz durchsucht, wie die Nachrichtenagentur AFP aus Justizkreisen erfuhr. Gegen den langjährigen FN-Vorsitzenden, der kürzlich mit der inzwischen von seiner Tochter Marine geführten Partei gebrochen hatte, laufen seit Juni Ermittlungen wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und Geldwäsche. Ende April hatte die investigative Onlinezeitschrift Mediapart enthüllt, dass die Anti-Geldwäsche-Abteilung des Finanzministeriums (Tracfin) wegen eines Trusts auf den britischen Jungferninseln ermittelt, der von Genf aus verwaltet wurde und auf den persönlichen Assistenten von Le Pen lief. Demnach enthielt er 2,2 Millionen Euro, davon 1,7 Millionen in Gold. Nach Angaben aus Justizkreisen wurde das Konto 2014 geschlossen und das Geld auf eine Bank auf den Bahamas überwiesen. Le Pen bestreitet, an einem Trust im Ausland beteiligt zu sein. 'Frankreich pflegt sein revolutionäres Erbe. 300 Jahre nach dem Tod von Ludwig XIV. steht es ganz im Bann des absolutistischen Herrschers. Es war ein gewaltiger Leichenzug, der sich an jenem Herbstabend 1715 vor Schloss Versailles langsam in Bewegung setzte. Die 2.500 Menschen in Schwarz nahmen sich in der einbrechenden Dunkelheit bald nur noch als Silhouetten aus. 400 Arme gingen mit rauchenden Fackeln voraus, wie es das mittelalterliche Protokoll wollte. Es folgte das livrierte Schlosspersonal, dann die Pagen, die Musketiere, die Höflinge. In der Mitte die Karosse mit der sterblichen Hülle des Königs, des Sonnenkönigs Mann eröffnete Feuer in Café – Mindestens sieben weitere Menschen verletzt. Paris – In einem Café im elften Bezirk der französischen Hauptstadt Paris hat am Abend ein Mann mit einer Schusswaffe das Feuer eröffnet. Mehrere Menschen sollen dabei getötet oder verletzt worden sein, wie die Tageszeitung Le Monde berichtet. Medienberichte sprachen von drei Toten und sieben Verletzten, Im Stade de France waren während des freundschaftlichen Fußball-Länderspiels zwischen Frankreich und Deutschland zwei Explosionen zu hören. Der französische Präsident François Hollande wurde in Sicherheit gebracht. Zur Zeit darf aus Sicherheitsgründen niemand das Stadion verlassen. 'Bei mehrere Angriffen sind am Freitagabend nach ersten Polizeiangaben mindestens 18 Menschen ums Leben gekommen. In der Nähe eines Fußballspiels Frankreichs gegen Deutschland kam es zu Explosionen.. An mehreren Orten ist es am Freitagabend in Paris zu Anschlägen gekommen, dazu gab es Sprengstoffexplosionen und offenbar eine Geiselnahme. Die Polizeipräfektur sprach von 35 Toten Ein Attentäter wohnte in dem Brüsseler Problembezirk, auch der potenzielle Drahtzieher soll von dort stammen. Und schon wieder Molenbeek: Der TV-Sender RTL meldet ohne Angabe von Quellen, dass ein Belgier mit marokkanischen Wurzeln als mutmaßlicher Drahtzieher der Anschläge identifiziert wurde. Auch Abdelhamid A. stammt aus dem Brüsseler Bezirk Molenbeek und gilt als einer der grausamsten IS-Terroristen in Syrien. Er wurde von der belgischen Polizei bereits nach der Schießerei mit zwei Toten in Verviers im Jänner gesucht. Mindestens einer, wenn nicht zwei der Selbstmordattentäter seien Freunde von A. gewesen, berichtete die belgische Tageszeitung De Standaard am Montag unter Berufung auf belgische Sicherheitsdienste. Molenbeek war gleich nach den Anschlägen im Fokus der Ermittler. Nur 18 Stunden nach den Attentaten in Paris stürmten Antiterroreinheiten der belgischen Polizei am Samstag mehrere Wohnungen in dem ans Zentrum angrenzenden Stadtbezirk von Brüssel. Insgesamt sieben Männer wurden verhaftet, die in Verdacht stehen, mit dem Terror in der 300 Kilometer entfernten französischen Hauptstadt direkt in Verbindung zu stehen. Am Sonntag bestätigte die Bürgermeisterin des Bezirks, dass man ein Netzwerk von Islamisten ausgehoben habe, drei Brüder sollen dort aktiv gewesen sein. Mutmaßlich zwei Attentäter mit französischer Staatsbürgerschaft hätten zuletzt in Brüssel gewohnt, einer in Molenbeek. Auf ihre Spur waren die Behörden durch zwei in Brüssel angemietete Autos gekommen, die in Paris bei Anschlägen auf Cafés und das Bataclan-Theater verwendet wurden. Dass der Terror wieder in Molenbeek zu Hause war, konnte die belgischen Behörden wenig überraschen. In dem Problembezirk mit 90.000 Einwohnern, wo viele Nordafrikaner zweiter und dritter Einwanderergeneration leben, rekrutieren Salafisten seit Jahren, regelmäßig gibt es Razzien. Mit dem jüngsten Anschlag bestätigte sich, dass Attentäter hier Unterschlupf fanden – wie bei mehreren Terrorakten seit einem Jahrzehnt. 2004 sprengten etwa Islamisten einen Zug im Madrider Bahnhof Atocha, zwei Mittäter wurden in Molenbeek verhaftet. Im Jänner 2015 wurde eine Terrorzelle im ostbelgischen Verviers ausgehoben, bei einer Schießerei starben zwei Islamisten. Die Spuren der Gruppe führten nach Molenbeek. Auch das gescheiterte Attentat auf den Schnellzug Thalys von Brüssel nach Paris im Sommer begann dort: Der Täter hatte bei seiner Schwester in Molenbeek gewohnt. Kontrollen vor UN-Klimakonferenz wieder eingeführt. Straßburg – Seit der Wiedereinführung der Kontrollen an den französischen Grenzen ist fast tausend Menschen die Einreise nach Frankreich verwehrt worden. Die Abgewiesenen seien als mögliches Risiko für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit eingestuft worden, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Samstag in Straßburg. Nach den Anschlägen von Paris am 13. November hatte die Regierung die Sicherheitsmaßnahmen auch mit Blick auf die am Montag beginnende UN-Klimakonferenz verschärft. Die Grenzkontrollen dienten zum einen dem Schutz der Klimakonferenz COP21, zum anderen der Gefahrenabwehr im Zuge der seit den Anschlägen vom 13. November erhöhten Terrorgefahr in Frankreich, sagte Cazeneuve bei einem Besuch eines französisch-deutschen Grenzübergangs. Insgesamt seien fast 15.000 Polizisten, Gendarmen und Zollbeamte an den Grenzen mobilisiert, insbesondere im Norden Frankreichs. Zur offiziellen Eröffnung des Klimagipfels in Le Bourget nördlich von Paris werden am Montag fast 150 Staats- und Regierungschefs anreisen, unter ihnen Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), US-Präsident Barack Obama, die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und der chinesische Präsident Xi Jinping. An diesem Tag sollen zwischenzeitlich Autobahnen und die Pariser Stadtautobahn gesperrt werden, um die Konvois mit den Staats- und Regierungschefs ungehindert passieren zu lassen. Zwei geplante große Demonstrationen am Rande des Klimagipfels wurden gestrichen. 'In der zweiten Runde der französischen Regionalwahl ist der rechte FN doch noch leer ausgegangen. User stellten dazu Fragen, Stefan Brändle antwortete. Die sich anbahnende Umwälzung in der französischen Polit-Landschaft hat am Ende doch nicht stattgefunden. Der Front National unter Marine Le Pen siegte bei den Stichwahlen am vergangenen Wochenende in keiner Region und geht damit bei den französischen Regionalwahlen endgültig leer aus. Beruhigt zurücklehnen können sich die Sozialisten und Konservativen deshalb aber nicht, denn die staats-, sozial- und wirtschaftspolitischen Herausforderungen bleiben immens und angesichts der 2017 stattfindenden Präsidentenwahl stehen ihnen auch noch Führungsdebatten und kräftezehrende Grabenkämpfe ins Haus. Eine Ausgangssituation also, die ganz nach dem Geschmack der radikalen Rechten sein dürfte. Stefan Brändle, Frankreich-Korrespondent des STANDARD, beantwortet hier wie schon nach dem ersten Wahlgang die Fragen der Userinnen und User zu den Konsequenzen der Regionalwahlen und der Entwicklung, die auf die Franzosen – Bürger wie Politiker – zukommt. User Verbal Kint interessiert sich für den auf den ersten Blick nicht ganz eindeutigen Wahlmodus bei den Regionalwahlen in Frankreich: Stefan Brändle: Sie haben recht, es ist keine eigentliche Mehrheitswahl mit einem Stichwahl-Duell. Auf der französischen Regionalebene gelangt eine Partei in die Finalrunde, wenn sie im ersten Durchgang mehr als zehn Prozent Stimmen erzielt hat. Das trifft oft auf drei, vier oder fünf Parteien zu, zwei sind hingegen sehr selten. Bei diesen Wahlen war das zwar im Norden und in Südfrankreich der Fall, wo Marine Le Pen beziehungsweise Marion Maréchal-Le Pen gegen je einen konservativen Kandidaten antraten. Aber das geschah nur, weil sich die sozialistischen Kandidaten nach dem ersten Wahlgang zurückgezogen hatten, um einen Sieg des Front National (FN) zu verhindern. Die Besonderheit des Regionalwahlsystems liegt nicht nur in der Zehn-Prozent-Hürde, sondern auch in einem Bonus für die bestplatzierte Partei des zweiten Durchgangs: Die siegreiche Formation erhält zusätzlich zu ihrer proportionalen Sitzzahl ein Viertel der Sitze zugesprochen. Das verschafft ihr im Normalfall die absolute Mehrheit. Wenn die Sitzverteilung einmal feststeht, wählt der Regionalrat seinen Präsidenten. Das wird in Frankreich meist Ende der Woche der Fall sein. Die Regionalpräsidenten leiten übrigens den parlamentarischen Rat wie auch den Exekutivausschuss. Wie es mit dem konservativen Kandidaten aussieht, möchte User Getz wissen. Denn natürlich passiert in letzter Zeit kaum etwas, ohne dass zumindest mit einem Auge auf die 2017 anstehende Präsidentenwahl geblickt wird: Stefan Brändle: Einigkeit und französische Konservative sind zwei Begriffe, die einander nicht mögen. Die Konservativen folgen spätestens seit de Gaulle dem Chefprinzip, und ihre Partei ist in erster Linie eine Wahlmaschine im Dienste des Vorsitzenden. Und da sich seit dem Ende der De-Gaulle-Ära so ziemlich jeder französische Konservative berufen fühlt, das Erbe des Urvaters weiterzuführen, ist das Gerangel an der Parteispitze groß. Auch unter Parteichef Sarkozy. Der Ex-Präsident will 2017 Revanche für seine Abwahl 2012 nehmen, muss sich aber im kommenden Jahr einer internen Primärwahl stellen. Sarkozy ist auch intern umstritten, nachdem er selbst in den Augen seiner Parteifreunde eine sehr mäßige Präsidentschaft von 2007 bis 2012 hingelegt hat. Sein gefährlichster Widersacher ist Alain Juppé, ein Gaullist alter Schule. Schwer zu sagen, wer sich durchsetzen wird. Umfragen sehen Sarkozy eher bei der Primärwahl vorne, Juppé hingegen bei der Präsidentenwahl. Das kompliziert die Dinge beträchtlich. Sarkozys Schritt-für-Schritt-Taktik, Juppé in der Primärwahl und dann Hollande oder Le Pen in der Präsidentenwahl zu besiegen, kann aufgehen. Aber Juppé hätte zum Beispiel gegen Hollande bessere Chancen. Wichtig ist der Faktor Zeit. Sarkozy hat einen harten Kern von Anhängern in der Partei, aber der ist am Schrumpfen. Andererseits ist Juppé bereits 70. Also ein dritter Mann? Ex-Premier François Fillon gibt sich neuerdings als Hardliner, doch ihm geht der Killerinstinkt ab, der gegenüber Sarkozy unerlässlich ist. Bruno Le Maire gibt sich gerne als Erneuer, auch wenn er wie ein Technokrat der Pariser Eliteschulen wirkt Muslimisches Gebetshaus beschädigt – Zuvor war bei Protesten das Einschreiten der Polizei provoziert worden. Ajaccio – Auf der französischen Mittelmeerinsel Korsika ist es zu tagelangen anti-arabischen Protesten gekommen, bei denen ein muslimisches Gebetshaus demoliert und mehrere Koranausgaben beschädigt wurden. Die Ausschreitungen in einem Problemviertel der Hauptstadt Ajaccio alarmierten die Regierung in Paris, die Inselverwaltung befürchtet einen großen Imageschaden für das Urlaubsparadies. Derzeit gilt für bestimmte Teile der korsischen Hauptstadt Ajaccio ein Versammlungsverbot. Vertreter muslimischer Gemeinden riefen am Wochenende zur Ruhe auf. Auslöser der anti-arabischen Unruhen war eine stundenlange Straßenschlacht am Donnerstagabend: Eine Gruppe Vermummter hatte in dem Einwandererviertel zunächst ein Feuer gelegt, um gezielt Feuerwehr und Polizisten anzulocken, wie die Behörden mitteilten. Beim Eintreffen der Beamten seien diese von Vermummten mit Eisenstangen und Baseballschlägern angegriffen worden, berichtete ein Feuerwehrmann. Es hätte Tote geben können. Zwei Feuerwehrleute und ein Polizist wurden verletzt. Mindestens einer der jugendlichen Angreifer soll anti-korsische Parolen gerufen haben. Als Reaktion kam es zunächst am Freitagabend zu einer anti-arabischen Demonstration, an der sich etwa 600 Menschen beteiligten. Immer wieder wurden Rufe wie Araber raus und Wir sind hier zu Hause laut. Laut Polizei scherten etwa 300 Demonstranten aus und zogen zu einer Siedlung, in der viele Einwanderer leben. Dort schlugen sie die Glastür zu einem Gebetssaal ein und verwüsteten den Raum. Mehrere Koranausgaben wurden angezündet. Trotz aller Appelle zur Ruhe und einem Großaufgebot an Sicherheitskräften zogen auch am Samstagabend wieder etwa hundert Demonstranten durch Ajaccio, riefen Araber raus und Dies ist unsere Heimat. An einem Wohngebäude in der selben Siedlung, in der das am Vorabend beschädigte Gebetshaus liegt, wurden gläserne Eingangstüren zerschlagen. Premierminister Manuel Valls verurteilte die Unruhen scharf. Nach der unannehmbaren Attacke auf Feuerwehrleute eine unannehmbare Schändung eines muslimischen Gebetsorts, schrieb er auf Twitter. Innenminister Bernard Cazeneuve sprach von ausländerfeindlichen und rassistischen Ausschreitungen. Der Rektor der Großen Moschee von Paris, Dalil Boubakeur, sagte im Fernsehsender BFMTV, er sei bestürzt und traurig. Wichtig seien jetzt Ruhe und Gelassenheit. Der Präfekt von Korsika zeigte sich wegen der Außenwirkung für die Insel beunruhigt, die vom Tourismus in den Sommermonaten lebt. Ich habe mich mit einer Delegation getroffen und sie aufgerufen, diese Demonstrationen zu stoppen, die ein verheerendes Bild von Korsika vermitteln, sagte Christophe Mirmand vor Journalisten. Die anti-arabischen Demonstranten begrüßten ihrerseits das Versprechen der Behörden, Polizisten in allen Siedlungen einzusetzen. Angriffe auf Polizei und Feuerwehr, "Araber raus"-Parolen und ein verwüstetes muslimisches Gebetshaus. Was ist da los auf Korsika?. Bis zum 4. Jänner sind in Teilen der korsischen Hauptstadt Ajaccio Kundgebungen untersagt. Zuvor gab es Übergriffe auf Sicherheitskräfte und tagelange antiarabische Demonstrationen. Aber was ist auf der französischen Mittelmeerinsel eigentlich passiert? Hier einige Antworten. Was war der Auslöser für die Proteste? Die derzeitige Eskalation begann Donnerstagnacht, am 24. Dezember. In dem Einwandererviertel Jardins de LEmpereur der korsischen Hauptstadt Ajaccio wurde Feuer gelegt, um Polizei und Feuerwehr gezielt dorthin zu locken. Die eintreffenden Einsatzkräfte sind von jugendlichen Angreifern mit Eisenstangen und Baseballschlägern attackiert worden. Das Resultat: Zwei Feuerwehrleute und ein Polizist sind verletzt. Einer der Angreifer soll antikorsische Parolen gerufen haben. Als Reaktion auf diesen Übergriff auf Sicherheitskräfte kam es zu gewalttätigen antiarabischen Demonstrationen, an denen sich rund 600 Personen beteiligten. Laut Polizei scherten etwa 300 Demonstranten aus und zogen in das oben erwähnte Einwandererviertel. Dort schlugen sie die Glastür zu einem Gebetssaal ein und verwüsteten den Raum. Mehrere Koranausgaben wurden angezündet. Am Freitag kam es trotz Aufrufen zur Ruhe und dem verstärkten Einsatz von Sicherheitskräften zu weiteren Demonstrationen. Die Teilnehmer der Proteste riefen erneut Parolen wie Araber raus oder Das ist unsere Heimat. Das seit Sonntag geltende Demonstrationsverbot wurde nicht komplett eingehalten, berichtete France24. Mittlerweile sind zwei Personen wegen der Übergriffe auf Polizei und Feuerwehr verhaftet worden. Die Süddeutsche Zeitung vergleicht die Probleme Korsikas mit jenen der Pariser Großstädte: hohe Arbeitslosigkeit, Kriminalität und eine immer größer werdende Feindseligkeiten zwischen Migranten und alteingesessenen Korsen. Rund 15 Prozent der korsischen Bevölkerung sind Migranten – mehrheitlich aus dem Maghreb (Marokko, Tunesien und Algerien). Bei den Regionalwahlen im Dezember in Frankreich wurde zum ersten Mal ein Bündnis aus separatistischen und nationalistischen Parteien zur stärksten politischen Kraft. Der stramme Nationalist Jean-Guy Talamoni ist nun Präsident des Inselparlaments, der etwas moderatere Gilles Simeoni wurde Regierungschef. Die beiden nationalistischen beziehungsweise separatistischen Parteien sind bei der Stichwahl erstmals gemeinsam angetreten und haben nun eine komfortable Mehrheit im Parlament. Beide fordern eine stärkere Autonomie Korsikas. Talmoni geht das allerdings nicht weit genug. Sein Ziel bleibt die Unabhängigkeit Korsikas von Frankreich. Frankreichs Premierminister Manuel Valls ist, wie der STANDARD-Korrespondent Stefan Brändle schreibt, auf die Zusammenarbeit des Regionalparlaments bei der Bekämpfung der Drogen-, Waffen- und Schleppermafia auf der Insel angewiesen. Die kriminellen Banden sind wiederum eng verknüpft mit der militanten korsischen Befreiungsorganisation FLNC (Fronte di Liberazione Naziunale Corsu), die allerdings 2014 das Ende des bewaffneten Kampfes bekanntgab. Für Simeoni, den Chef der Inselregierung, ist allerdings Frankreich für die Probleme der Insel verantwortlich. Denkbar schlechte Voraussetzungen für eine gemeinsame politische Linie. Sowohl Valls als auch Innenminister Bernard Cazeneuve verurteilten die Übergriffe auf den Gebetsraum ebenso wie die Aggression gegen Feuerwehr und Polizei. Cazeneuve sprach von einem üblen Beigeschmack von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit. 'Angreifer trug Bekennerschreiben und Zettel mit schwarzer IS-Fahne bei sich. Der neue Anschlag in Paris ereignete sich kurze Zeit nachdem der französische Präsident François Hollande in einem anderen Stadtkreis eine Rede zum Gedenken an das Blutbad in der Redaktion des Satiremagazins Charlie Hebdo vom 7. Jänner 2015 beendet hatte. Ein 20-Jähriger versuchte am Donnerstag kurz vor Mittag in ein Polizeikommissariat im Viertel La Goutte dOr einzudringen. Der wegen Raubes polizeibekannte Täter hatte ein langes Messer gezückt und Allahu akbar (Gott ist größer) gerufen. Dazu trug er einen vermeintlichen Sprengstoffgürtel, der sich im Nachhinein als Attrappe herausstellen sollte. Die anwesenden Polizisten erschossen den Eindringling. Ein Zeuge sprach von zwei oder drei Schüssen, dementierte aber die Polizeiversion, der Angreifer sei auf die beiden Wachhabenden zugerannt. Anrainer filmten danach den auf der Straße liegenden Mann und seine Tatwaffe. Polizeikräfte sperrten in der Folge das ganze Viertel, in dem ein ausgesprochenes Nationalitätengemisch lebt und das früher für Zusammenstöße mit der Polizei bekannt war. Seit der Einrichtung einer Polizeiwache hatte sich die sozial gespannte Lage etwas beruhigt. Aus Polizeikreisen hieß es, der in Marokko geborene Täter sei ohne Ausweispapiere unterwegs gewesen, habe aber ein Bild mit der Flagge der Terrormiliz IS und ein unmissverständliches Bekennerschreiben auf Arabisch bei sich getragen. Aufgrund dieser Erkenntnisse werde der Vorfall als Terroranschlag eingestuft. Polizisten mit gezogenen Waffen sicherten die Zone ab. Der Verkehr zweier U-Bahn-Linien, die sich bei der nahen Station Barbès-Rochechouart kreuzen, wurde vorübergehend eingestellt. Nahe gelegene Schulen konnten nicht mehr betreten oder verlassen werden. Nach der Sicherung des Viertels stattete Innenminister Bernard Cazeneuve der Polizeiwache einen Besuch ab. Die weitflächige Reaktion der Behörden konstrastierte mit der zuerst vorsichtigen Einschätzung des Innenministeriums, laut dem es zu früh sei, von einem Terrorakt zu sprechen. Bisher gehe man von einer bloßen Aggression aus. Ähnlich vorsichtig hatte sich die Regierung nach einer Attacke am Neujahrstag in Valence (Rhonetal) geäußert. Ein 29-jähriger Mann maghrebinischer Abstammung war mit seinem Auto in die Wächter der lokalen Moschee gefahren und hatte dabei einen Soldaten verletzt, bevor er selber durch zwei Schüsse verletzt und außer Gefecht gesetzt wurde. In Spitalshaft erklärte er, er habe Soldaten der französischen Armee, die in Syrien Zivilisten umbringe, töten wollen. Auf seinem Computer wurde jihadistische Propaganda gefunden, wie die Staatsanwaltschaft bekanntgab Freispruch für Kritiker nach Verleumdungsklage. Es kommt selten vor, dass das Wiener Tanzparkett die Kulisse für eine französische Gerichtsverhandlung abgibt – zumal mit prominenter Beteiligung: Frankreichs Rechtspopulistin Marine Le Pen, um Salonfähigkeit bemühte Präsidentschaftskandidatin, hatte im Februar 2012 Verleumdungsklage gegen Dominique Sopo, den Vorsitzenden der Organisation SOS Racisme, eingereicht. Die Chefin des Front National (FN) hatte zuvor am Ball des Wiener Korporationsrings, kurz: WKR-Ball, in der Wiener Hofburg teilgenommen und war dabei auch mit dem FPÖ-Politiker Martin Graf zusammengetroffen, während vor dem Gebäude hunderte Teilnehmer einer Kundgebung gegen den Ball protestiert hatten. Sopo las davon am nächsten Tag in den Medien und veröffentlichte ein Kommuniqué unter dem Titel Dirty Dancing, in dem er sich über die Teilnahme Le Pens an einem antisemitischen Ball von Nostalgikern des Dritten Reiches ausließ. Le Pen zeigte ihn daraufhin wegen Verleumdung an. 2014 begann in Paris der Prozess, und das erstinstanzliche Gericht verurteilte Sopo zu 600 Euro Strafzahlung und 1.000 Euro Schadenersatz. Der Verurteilte berief aber, und im vergangenen November fand dann eine mehrstündige Verhandlung – unter anderem mit Zeugen des Wiener Abends – statt. Der in Wien lebende französische Forscher Jérôme Segal erklärte unter anderem, die Vereinigung Olympia, die bekannteste WKR-Burschenschaft, habe zum Beispiel das Führerprinzip hochgehalten, bevor sie 1938 aufgelöst worden sei, um danach als Kameradschaft Johann Gottlieb Fichte und Jahre nach dem Krieg wieder unter dem eigenen Namen aufzuerstehen. Später hätten auch Neonazis mitgemacht. Erwiesen sei ferner, dass auch zwei Mitarbeiter des Olympia-Mitgliedes Graf Neonazi-Material bestellt hätten. Le Pens Anwalt David Dassa-Le Deist argumentierte dagegen, es könne keine Rede von einem antisemitischen Ball sein. In der mitbeteiligten Burschenschaft Albia habe sogar der Zionismus-Begründer Theodor Herzl 1881 mitgemacht. Dass dieser zwei Jahre später wegen judenfeindlicher Stimmung wieder ausgetreten war, erwähnte der Anwalt allerdings nicht. Dem Pariser Berufungsgericht blieb auch nicht verborgen, dass der WKR-Ball an einem Auschwitz-Jahrestag stattgefunden hatte. Es kam am Donnerstag zum Schluss, dass Dominique Sopos Wortmeldung nach dem Wiener Traditionstreffen legitim gewesen sei. Es sei nachzuvollziehen, dass ein Anti-Rassismus-Kämpfer sich zum Benehmen einer Präsidentschaftskandidatin äußere, wenn dieses die Anliegen seines Verbandes direkt betreffe. Sopo erklärte nach Bekanntwerden des Urteils, Marine Le Pen sei einmal mehr der Lüge überführt, wenn sie angebe, die Meinungsfreiheit zu verteidigen, aber gleichzeitig Gegner vor Gericht zerre. Die Front-National-Chefin reagierte vorläufig nicht auf das Gerichtsurteil. Ihrer Präsidentschaftskampagne für 2017 wird nun aber ein Wiener Makel anhaften. Drohanrufe an mindestens fünf Gymnasien eingegangen. Paris – Nach Bombendrohungen gegen sechs Pariser Gymnasien ist der Alarm an fünf Schulen wieder aufgehoben. An einer Schule seien die Überprüfungen noch nicht abgeschlossen, erklärte das Rektorat der für die Schulen zuständigen Pariser Akademie am Dienstag. Die Gymnasien hatten zuvor Drohanrufe erhalten, daraufhin wurden die Schüler nach den geltenden Notfallplänen in Sicherheit gebracht und die Polizei rückte an. Der Sender France Info berichtete zu Mittag, dass Polizeipatrouillen mit Hunden im Einsatz waren. In Frankreich gilt nach den Terroranschlägen vom 13. November der Ausnahmezustand. Auch die Sicherheitsvorkehrungen an Schulen wurden erhöht. Organisation sieht zahlreiche Menschenrechtsverletzungen. Paris – Amnesty International hat den nach den Anschlägen von Paris verhängten Ausnahmezustand scharf kritisiert und zahlreiche Menschenrechtsverletzungen angeprangert. In einem am Donnerstag veröffentlichten Bericht kritisiert die Menschenrechtsorganisation brutale Notmaßnahmen wie nächtliche Wohnungsdurchsuchungen und Hausarreste. Damit würden die Rechte hunderter Männer, Frauen und Kinder mit Füßen getreten. Amnesty forderte die Regierung auf, den Ausnahmezustand nicht wie geplant erneut zu verlängern. Staatschef François Hollande hatte den Ausnahmezustand nach der Anschlagsserie vom 13. November mit 130 Toten verhängt. Er räumt den Behörden umfassende Befugnisse ein, darunter nächtliche Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss, Versammlungsverbote sowie Hausarrest für mutmaßliche Gefährder. Seit den Anschlägen wurden auf dieser Grundlage mehr als 3.200 Wohnungen durchsucht, mehr als 400 Menschen wurden unter Hausarrest gestellt. Traumatisiert und stigmatisiert Die Betroffenen seien traumatisiert und stigmatisiert, erklärte nun die Menschenrechtsorganisation, die Interviews mit 60 Menschen führte. Einige hätten angegeben, ihre Arbeit verloren zu haben. Zugleich kritisierte Amnesty, die Maßnahmen hätten kaum Ergebnisse gebracht: Es seien lediglich vier polizeiliche Voruntersuchungen wegen Terrorvergehen und 21 Ermittlungen wegen Terrorverherrlichung eingeleitet worden. In Ausnahmesituationen können Regierungen außergewöhnliche Maßnahmen ergreifen, sie müssen es aber mit Vorsicht tun, erklärte der Amnesty-Direktor für Europa und Zentralasien, John Dalhuisen. In Frankreich haben ausgeweitete Exekutivbefugnisse mit nur sehr wenig Kontrolle über ihre Ausübung zu einer ganzen Reihe von Menschenrechtsverletzungen geführt. Die Anwendung des Ausnahmezustands in Frankreich ist bereits von mehreren Menschenrechtsorganisationen kritisiert worden, ebenso vom Europarat. Die Regierung will die umstrittene Maßnahme trotzdem ein zweites Mal verlängern: Der Ausnahmezustand läuft noch bis zum 26. Februar und soll dann um drei Monate bis Ende Mai verlängert werden. Das Parlament muss dem noch zustimmen. Amnesty forderte die Regierung auf, das Vorhaben einer Verlängerung aufzugeben. Es gebe keine befriedigenden Garantien für einen Respekt der Menschenrechte. Die Regierung will den Ausnahmezustand auch in der französischen Verfassung verankern. Die Debatte für eine solche Verfassungsreform in der Nationalversammlung beginnt am Freitag. Partei soll für Assistenten kassiert haben, die in Paris und nicht in Straßburg arbeiteten. Paris/Straßburg – Französische Ermittler haben am Mittwoch die Zentrale des rechtsextremen Front National (FN) durchsucht. Die französische Partei wird verdächtigt, EU-Geld für Assistenten von Europaabgeordneten bezogen zu haben, obwohl diese anscheinend für die Partei in Frankreich arbeiteten. Am Dienstag hatten Ermittler bereits das Wohnhaus des FN-Gründers und EU-Abgeordneten Jean-Marie Le Pen durchsucht, wie eine Sprecherin der Pariser Staatsanwaltschaft bestätigte. Der Front National weist die Vorwürfe zurück, in einer Mitteilung warf sie den französischen Behörden vor, es handle sich um eine politisch gesteuerte Aktion gegen die Partei. Das Verfahren war im vergangenen Jahr vom EU-Parlament ins Rollen gebracht worden. Es hatte die EU-Antibetrugsbehörde Olaf eingeschaltet, weil es Hinweise auf Unregelmäßigkeiten bei 20 Assistenten sah. Unterstützung aus EU-Töpfen darf laut Parlamentsvorschriften nur für Hilfen bezogen werden, die für die Ausübung des parlamentarischen Mandats des Abgeordneten erforderlich sind und damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen. Verträge mit Fraktionen des Parlaments oder politischen Parteien sind ausdrücklich ausgeschlossen. 'Vor allem die Jungen im Front National beteuern, nicht in alten Kategorien von rechts und links zu denken. Ein Lokalaugenschein. Das trifft sich aber gut: Das Pariser Parteilokal des Front National Jeunesse (FNJ), der Jugendbewegung von Marine Le Pens Gruppierung, liegt ausgerechnet in der Rue Jeanne dArc. Dass die Straße nach der Schutzheiligen der Franzosen – und auch die Frontisten berufen sich auf sie – benannt ist, sei purer Zufall, lacht FNJ-Chef Gaëtan Dussausaye (21). An der Eingangstür steht nicht Front National, sondern unverbindlich Forum. Ja, der Parteiname erwecke oft eine ablehnende Reaktion, bekennt Dussausaye, Philosophiestudent mit Dreitagesbart. Aber unsere Bewegung ist keineswegs rassistisch: nur kompromisslos für die Souveränität Frankreichs. Als Beleg führt Dussausaye an, dass er selbst im Pariser Ausländerviertel Clignancourt wohne. Bestätigt sich dort etwa die rechtsextreme These des grand remplacement, der Verdrängung der abendländischen Zivilisation durch die arabische und afrikanische Immigration? Nein, das ist ein rassisches Konzept, dem unsere Jugendorganisation nicht folgt, beteuert Dussausaye. Wir sprechen nicht von einem ethnischen, sondern von einem kulturellen Wechsel: In Clignancourt gibt es immer weniger herkömmliche Fleischhauer oder Bistros 'Nichts ist mehr übrig vom Umfragehoch für François Hollande nach dem Terror in Paris – viele fordern für die Präsidentschaftswahl 2017 sogar eine Vorwahl. Die Leibwächter bildeten eine Menschenkette um den Präsidenten, dennoch wurde er beim Pariser Agrarsalon angerempelt Verdächtiges Gepäckstück wurde gefunden. Toulouse – Im südfranzösischen Toulouse ist am Mittwochmorgen der Flughafen geräumt worden. Eine Sprecherin der Präfektur des Départements Haute-Garonne sagte, dass der Grund ein verdächtiger Gegenstand sei, der nun untersucht werde. (red, 23.3.2016) Fin du contrôle de sécurité. Laérogare est réouverte, le trafic aérien reprend progressivement. Retards importants à prévoir sur les vols. Front-National-Gründer hatte Gaskammern als "Detail" der Geschichte bezeichnet. Paris – Weil er die nationalsozialistischen Gaskammern zum wiederholten Mal als Detail der Geschichte bezeichnete, ist der rechtsextreme französische Politiker Jean-Marie Le Pen am Mittwoch zu einer Geldstrafe von 30.000 Euro verurteilt worden. Das Pariser Strafgericht sprach den 87-jährigen Gründer von Frankreichs rechtsextremem Front National (FN) am Mittwoch der Leugnung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit schuldig. Der langjährige FN-Parteivorsitzende und Europaabgeordnete hatte vor einem Jahr in einem Fernsehinterview seine Aussage wiederholt, die Gaskammern der NS-Konzentrationslager seien ein Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs gewesen. Der Satz rief nicht nur die Staatsanwaltschaft auf den Plan und führte zu einem Prozess. Seine Tochter Marine Le Pen distanzierte sich öffentlich von ihrem Vater und warf den Parteigründer sogar aus der Front National. Der FN-Ehrenpräsident hatte mit seinen Äußerungen den Kurs der Parteivorsitzenden torpediert, dem Front National ein gemäßigteres Ansehen zu verschaffen und so neue Wähler zu gewinnen. Der Gerichtsverhandlung im Februar blieb der Europaabgeordnete fern. Er argumentierte, seine parlamentarische Immunität schütze ihn vor jeglicher Strafverfolgung. Die Staatsanwaltschaft widersprach dem, weil Le Pen den Satz nicht im Zusammenhang mit seinem Parlamentsmandat gesagt hatte. Dieser Argumentation schloss sich das Pariser Strafgericht am Mittwoch an. Le Pen hatte die Gaskammern erstmals im September 1987 als Detail der Geschichte des Zweiten Weltkriegs bezeichnet. Anschließend wiederholte er dies mehrfach, unter anderem 1997 in München und 2009 vor dem Europaparlament. Er wurde deswegen bereits mehrfach verurteilt. Aktivisten befürchten Unterwanderung durch Randalierer. Paris – Am Rande der Protestbewegung Nuit debout in Paris ist es in der Nacht auf Dienstag zu Ausschreitungen gekommen. Aktivisten hätten am Place de la République eine Barrikade errichtet und Wurfgeschosse auf eingreifende Polizisten geschleudert, teilten die Behörden mit. An einem Geschäft, einer Bankfiliale und zwei Restaurants seien zudem Scheiben eingeschlagen oder mit Farbbeuteln beworfen worden. Bereits seit knapp zwei Wochen treffen sich jeden Abend unter dem Motto Nuit debout (Nacht im Stehen oder Durchwachte Nacht) Hunderte Demonstranten auf dem Place de la Republique, um Ideen für eine sozial gerechtere Gesellschaft zu entwerfen. Ähnlich wie die Bewegung der Indignados (Empörten) in Spanien versteht sich die Nuit debout als horizontal, führer- und sprecherlos. Zwar räumte die Polizei am Montagmorgen das auf dem Platz in der Pariser Innenstadt errichtete Protestcamp, nachdem eine Versammlungserlaubnis erloschen war. Die Teilnehmer der Nuit debout meldeten aber umgehend eine neue Demonstration an – und so versammelten sich am Montagabend erneut zahlreiche Menschen auf dem Platz. Nach Polizeiangaben zogen dann gegen Mitternacht rund 400 Menschen in kleinen Gruppen in Richtung eines Bezirksrathauses und warfen dabei Mülleimer um. Bei ihrer Rückkehr hätten die Gruppen auf dem Weg eingesammelte Absperrungen dabei gehabt, mit denen sie dann auf dem Place de la Republique eine Barrikade errichte hätten. Daraufhin sei es zu den Zusammenstößen mit der Polizei gekommen. Die Behörden riefen die Verantwortlichen von Nuit debout auf, ihrer Verantwortung gerecht zu werden, um neue Zwischenfälle zu verhindern. Was angesichts der fehlenden Hierarchie aber schwierig ist. Schon seit einigen Tagen fürchten die Aktivisten, dass sich Randalierer unter die friedlichen Demonstranten mischen könnten. Am Wochenende hatten Hunderte Menschen versucht, vom Platz aus zur Wohnung von Premierminister Manuel Valls zu gelangen, es gab Verwüstungen und acht Festnahmen. Hunderte Jugendliche plünderten Geschäfte, die Polizei nahm mehr als 20 Personen fest. Paris – Nach einem Interview des französischen Präsidenten Francois Hollande ist es am Donnerstagabend in Paris zu schweren Ausschreitungen gekommen. Nachdem Hollande im Fernsehen seine umstrittenen Arbeitsmarktreformen verteidigt hatte, zogen nach Polizeiangaben rund 300 Jugendliche randalierend durch die französische Hauptstadt. Rund 20 Menschen wurden festgenommen. Zuvor hatte sich erneut die Bewegung Nuit debout (Aufrecht durch die Nacht) zu Protesten gegen die geplante Änderung des Arbeitsrechts versammelt. Wie seit zwei Wochen kamen am Place de la Republique, dem Zentrum der Protestbewegung, am Abend wieder Hunderte Menschen unter dem Motto Nuit debout zusammen. Einige von ihnen verfolgten auf einem Fernseher ein Interview, in dem der französische Präsident die geplanten Maßnahmen zum Arbeitsrecht verteidigte. Nach dem Ende der Sendung verließen Hunderte Demonstranten gemeinsam den Platz, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Sie kündigten an, zum Elysee-Palast, dem Sitz des Präsidenten, zu marschieren. Polizisten stellten sich ihnen jedoch in den Weg, woraufhin die Demonstranten in andere Richtungen zogen und im Norden und Osten der Hauptstadt randalierten. Die Demonstranten schlugen Schaufensterscheiben ein, plünderten Geschäfte und beschädigten Autos. Die Polizei war mit einem Großaufgebot im Einsatz. Nach einiger Zeit zogen sich die Demonstranten in kleinen Gruppen zurück. Bereits am Donnerstagnachmittag hatten sich nach Polizeiangaben 1.700 Aktivisten auf dem Place de la Republique versammelt. Dabei kam es zu Zusammenstößen, als vermummte Demonstranten Stühle, Stöcke und Flaschen auf die Polizisten schleuderten. Die Beamten setzten Tränengas ein. Nach Polizeiangaben wurden vier Demonstranten und sieben Polizisten verletzt. Sechs Demonstranten seien festgenommen worden. Am Abend gab es zudem Proteste nahe dem Fernsehstudio, in dem das Interview mit Hollande geführt wurde. Seit zwei Wochen treffen sich jeden Abend unter dem Motto Nuit debout Hunderte Demonstranten auf dem Place de la République, um gegen die geplante Lockerung des Arbeitsrechts und für mehr soziale Gerechtigkeit zu protestieren. In ganz Frankreich zogen bereits Hunderttausende Menschen gegen die Pläne auf die Straße. Hollande verteidigte das Vorhaben am Donnerstagabend im TV-Sender France 2. Er habe das Land in den vergangenen vier Jahren modernisiert und dabei das Sozialmodell bewahrt. Er werde bis zu seinem letzten Tag im Amt an Reformen arbeiten. Ja, es geht besser: es gibt mehr Wachstum, ein niedrigeres Defizit, weniger Steuern, höhere Margen für die Unternehmen, mehr Kaufkraft für die Arbeitnehmer, sagte der Staatschef. Deshalb werde ich bis zum Schluss weitermachen. Seit Hollandes Amtsantritt 2012 ist die Zahl der Arbeitslosen um fast 650.000 gestiegen und hat den historischen Höchstwert von knapp 3,6 Millionen erreicht. Hollande hat eine erneute Kandidatur im kommenden Jahr von Erfolgen im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit abhängig gemacht. In dem Interview kündigte er an, Ende dieses Jahres zu entscheiden, ob er 2017 für eine zweite Amtszeit kandidieren werde. Der Sozialist ist angesichts von schwachem Wirtschaftswachstum und Rekordarbeitslosigkeit so unbeliebt wie kein anderer Präsident vor ihm in Frankreichs jüngerer Geschichte. Er verharrt rund ein Jahr vor der Präsidentenwahl in einem beispiellosen Umfragetief. Drei Viertel der Franzosen wollen, dass Hollande auf eine Kandidatur im Frühjahr 2017 verzichtet, wie eine am Donnerstag in der Tageszeitung Le Parisien veröffentlichte Umfrage ergab. In einer anderen Umfrage für den TV-Sender BFMTV bescheinigen 87 Prozent der Befragten Hollande eine schlechte Bilanz. 'Wirtschafts- und Industrieminister Emmanuel Macron plant offenbar, 2017 Präsident zu werden. Wird Emmanuel Macron, nachdem er seine Französischlehrerin erobern konnte und geheiratet hat, auch Frankreich im Sturm nehmen? Der 38-jährige Minister für Wirtschaft, Industrie und Digitales Frankreich nährt Spekulationen über ein Antreten bei der Präsidentschaftswahl 2017. Wohl zu diesem Zweck hat er im nordfranzösischen Amiens die Formation En Marche (in Bewegung) lanciert: Sie trägt seine Initialen und will in einer landesweiten Tür-zu-Tür-Operation die Stimmung im Land eruieren, sagt ein Mitarbeiter. Wenn das nicht nach Wahlkampfvorbereitung klingt ... Der Exinvestor der Bank Rothschild, erst kürzlich aus dem Parti Socialiste ausgetreten, verficht ein Credo, das für französische Verhältnisse geradezu liberal ist: gegen die 35-Stunden-Woche, das Beamtenstatut und die Vermögenssteuer Tränengas gegen Demonstranten am Platz der Republik. Paris – Die französische Polizei hat in der Nacht auf Montag erneut eine Demonstration der Bewegung Nuit debout in Paris gewaltsam aufgelöst. Die Sicherheitskräfte setzten nach eigenen Angaben Tränengas ein, nachdem sie mit Wurfgeschoßen attackiert worden seien. Zudem seien am Rande der Demonstration Kisten und Mistkübel unter anderem an einem Eingang zu einer Metrostation in Brand gesetzt worden. Auch die Schaufenster eines Geschäftes seien eingeschlagen worden. Zwei Demonstranten wurden den Polizeiangaben zufolge festgenommen. Zum Zeitpunkt der Räumung befanden sich demnach etwa 600 Menschen auf dem Platz, wo sich seit dem 31. März jeden Abend Demonstranten versammeln, um gegen eine geplante Arbeitsrechtsreform zu protestieren und mehr soziale Gerechtigkeit zu fordern. Die Bewegung Nuit debout – frei übersetzt Die Aufrechten der Nacht – hat sich inzwischen auf dutzende französische Städte ausgebreitet. Am Nachmittag war es in der französischen Hauptstadt am Rande von Demonstrationen zum 1. Mai bereits zu Ausschreitungen gekommen. Gegen mehrere Vermummte, die auf Sicherheitskräfte losgehen wollten, ging die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern vor. Knapp 20 Menschen wurden festgenommen. Der sozialistische Staatschef Francois Hollande will unter anderem eine Lockerung des Kündigungsschutzes und die Aufweichung der 35-Stunden-Woche durchsetzen. Dadurch erhofft sich die Regierung die Schaffung von Jobs. Besonders junge Menschen befürchten jedoch, dass durch die Reform die Arbeitsverhältnisse noch unsicherer werden. Sozialdemokratischer Präsident strebt Lockerung der 35-Stunden-Woche an. Paris – Drei Viertel der Franzosen lehnen die geplante Lockerung des Arbeitsrechts ab: In einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage für den Nachrichtensender BFMTV sprachen sich 74 Prozent der Befragten gegen das Reformvorhaben des sozialistischen Staatschefs Francois Hollande aus. 37 Prozent der Befragten sind eher gegen das Projekt, über das seit Dienstag in der französischen Nationalversammlung debattiert wird, 37 Prozent sind vollkommen dagegen. Über die Parteigrenzen hinweg ist eine Mehrheit der Befragten gegen die Reform, wie die Meinungsforscher des Instituts Elabe dokumentieren: Unter den Anhängern der oppositionellen Linkspartei sind es 93 Prozent, bei denen der rechtspopulistischen Front National 87 Prozent, bei denen der konservativen Republikaner von Ex-Staatschef Nicolas Sarkozy 65 Prozent. Auch 55 Prozent der Anhänger von Hollandes Sozialisten sprechen sich gegen die Reform aus. Die französische Nationalversammlung hatte am Dienstag die auf eineinhalb Wochen angesetzte Debatte über die umstrittene Reform begonnen. Im Kampf gegen die hohe Arbeitslosigkeit will Hollande unter anderem die 35-Stunden-Woche lockern, betriebsinternen Vereinbarungen den Vorrang vor Branchenvereinbarungen geben und die Regeln für betriebsbedingte Kündigungen klarer gestalten. Gewerkschaften, Studenten- und Schülerorganisationen, aber auch Vertreter des linken Sozialistenflügels kritisieren das Vorhaben als zu unternehmerfreundlich. Seit Wochen gibt es massive, teils gewalttätige Proteste gegen die vermutlich letzte größere Reform in der in einem Jahr auslaufenden Amtszeit Hollandes. Autos dürfen vorläufig nur 20 Liter tanken. Paris – Die seit Wochen anhaltenden Proteste gegen eine in Frankreich geplante Arbeitsmarktreform treffen nun auch die Autofahrer. Zur Sicherung der Energieversorgung wurde in mehreren Departements von Bretagne und Normandie im Nordwesten des Landes die Benzinabgabe an Tankstellen rationiert. Autos dürfen vorläufig nur 20 Liter, Lastwagen 150 Liter Sprit tanken, wie es in einer Verordnung etwa der Präfektur in Rennes vom Freitag heißt. Damit soll der Blockade von Raffinerien und Depots durch Mitarbeiter begegnet werden. An Tankstellen der Region waren auf Fernsehbildern Fahrzeugschlangen zu sehen. Das Arbeitsmarktgesetz der Regierung unter Präsident François Hollande soll Unternehmen Flexibilität bringen, um mehr Jobs im unter Rekordarbeitslosigkeit leidenden Frankreich schaffen zu können. Kritiker befürchten allerdings eine Aufweichung von Arbeitnehmerrechten. Gewerkschaften haben für kommende Woche zum nächsten Aktionstag aufgerufen. Hollande will ungeachtet der Proteste an dem Gesetz festhalten. Mehrere der getöteten Attentäter identifiziert, Fahndung nach Komplizen. Nach den Anschlägen in Paris am Freitagabend mit mindestens 129 Toten sind noch lange nicht alle Fragen geklärt. Mehrere der sieben am Freitag getöteten Attentäter wurden bereits identifiziert. Laut dem für Terrorismus zuständigen französischen Staatsanwalt François Molins habe es drei Teams gegeben, die koordiniert vorgegangen seien. Die insgesamt sieben Terroristen benutzten demnach Sturmgewehre des Typs Kalaschnikow. Außerdem hätten sie die absolut gleiche Art von Sprengstoffwesten getragen, sagte Molins. Einer der im Musiksaal Bataclan getöteten Attentäter ist der Franzose Ismael Omar M. Dem Staatsanwalt zufolge ist er als 29-jähriger Franzose identifiziert worden, der den Behörden wegen seiner Radikalisierung bekannt war. Er sei mehrfach vorbestraft, allerdings niemals wegen Verbindungen in jihadistische Netzwerke, sagte Molins. Französischen Medienberichten zufolge wurden in der Nacht auf Sonntag der Bruder und der Vater des identifizierten Franzosen verhaftet. Einer der Selbstmordattentäter aus dem Musiksaal Bataclan wurde als Samy A. identifiziert. Er wurde 1987 in Frankreich geboren. Gegen ihn wurde 2012 wegen einer versuchten Reise in den Jemen ein Ermittlungsverfahren wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung eingeleitet. Er stand unter richterlicher Überwachung, doch entzog er sich im Herbst 2013 der Überwachung, woraufhin ein internationaler Haftbefehl gegen ihn ausgestellt wurde. 2013 war er laut seiner Familie nach Syrien gegangen. Drahtzieher Der Drahtzieher der Anschläge könnte der polizeibekannte belgische Jihadist Abdelhamid A. sein. Mindestens einer, wenn nicht zwei der Selbstmordattentäter sollen Freunde von A. gewesen sein. A. gilt bereits seit längerem als der meistgesuchte Islamist Belgiens. Er soll sich zuletzt in Syrien aufgehalten haben. Früher lebte er in dem als Islamistenhochburg bekannten Brüsseler Stadtteil Molenbeek. Dort wohnte auch der Selbstmordattentäter Brahim A. Der Franzose Brahim A. hatte sich am Freitagabend am Boulevard Voltaire in Paris in die Luft gesprengt. Nach seinem Bruder Salah A. wurde international mit Fahndungsfotos gesucht, Montagmittag wurde gemeldet, er sei in Brüssel verhaftet worden, was umgehend dementiert wurde. Bilal H. soll sich vor dem Stade de France in die Luft gesprengt haben. Der Franzose wurde 1995 geboren und soll in Syrien gekämpft haben. Bei einem der Selbstmordattentäter vom Stade de France wurde ein auf den Namen Ahmed A. ausgestellter syrischer Pass gefunden. Wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet, wurde der Inhaber des Passes als Flüchtling in Griechenland registriert, wie die griechischen Behörden bestätigten. Am Montag wurde berichtet, dass in Serbien ein bis auf das Foto identischer Pass aufgetaucht ist. Der Verdacht liegt nahe, dass es sich um Fälschungen handelt. Am 5. November wurde in Bayern ein Mann im Besitz eines Schnellfeuergewehrs und Sprengstoffs festgenommen, der in Verbindung mit den Attentaten stehen könnte. Der Fall in Rosenheim wird gerade aufgeklärt, sagte der deutsche Innenminister Thomas de Maizière. Es gibt einen Bezug nach Frankreich, aber es steht nicht fest, ob es einen Bezug zu diesem Anschlag in Paris gibt. Im Auto des Festgenommenen seien Waffen gefunden worden. Auf der Navigationsadresse war eine Adresse in Paris vermerkt, sagte der deutsche Innenminister. Um aber einen Deutschland-Bezug zu den Pariser Anschlägen herzustellen, sei es noch zu früh. Das bayerische Landeskriminalamts teilte mit, der Verdächtige sei 51 Jahre alt und stamme aus Montenegro. In seinem Auto seien acht Maschinenpistolen, ein Revolver und zwei weitere Pistolen gefunden worden. Die Ermittler versuchten anhand der Aussagen von Augenzeugen und Videoaufnahmen eine Chronologie der Anschläge zu rekonstruieren. Am Freitag gegen 21.20 Uhr sprengten sich am Stade de France im Norden von Paris drei Attentäter in die Luft. Fast zeitgleich eröffneten Attentäter in mehreren Straßen im Osten von Paris das Feuer auf Cafés, Bars und Restaurants. Anschließend griffen vier Attentäter im selben Viertel den Konzertsaal Bataclan an, wo sie mindestens 89 Menschen töteten, bevor sie sich selbst in die Luft sprengten beziehungsweise erschossen wurden. Handelt es sich um dieselben Männer, die zuvor auf die Cafés feuerten? Wahrscheinlich ja, glaubt die Polizei, will aber nicht ausschließen, dass überlebende Attentäter geflohen sind. Die Terrorwelle in Paris hat nach einer Bilanz der Staatsanwaltschaft 129 Tote gefordert. Diese Zahl sei angesichts der großen Zahl von Schwerverletzten allerdings vorläufig, sagte Staatsanwalt François Molins am Samstag in Paris. Es gebe 352 Verletzte, 99 davon akute Notfälle. Sieben Terroristen seien gestorben. Unter den bei der Anschlagsserie Verletzten befindet sich auch ein 20-jähriger Tiroler, der eine schwere Schussverletzung erlitt und in Frankreich behandelt wird. Mittlerweile ist er außer Lebensgefahr. Am Stadion Stade de France haben sich nach Angaben von Staatsanwalt Molins drei Explosionen ereignet. Jeweils wurde die Leiche eines Selbstmordattentäters in der Nähe gefunden. Zudem wurde dabei ein Passant getötet. Der Terror in Frankreich ist die Perversion der Rechtschaffenheit. Er vernichtet und stellt sich als ultimative Blasphemie über Gott. Welche persönliche Verfassung braucht es, welcher bizarrer religiöser Rechtfertigungsstrategien bedarf es, um eine Kalaschnikow durchzuladen, mit ruhiger Hand zu zielen und mehrere Magazine auf ausgelassene, entspannte, völlig fremde Menschen leerzuschießen, die in einem x-beliebigen Café in Paris sitzen? Wie kann jemand, der sich angeblich um die schreiende Ungerechtigkeit in der Welt sorgt, über die Benachteiligung (der Muslime) verbittert ist und die Menschheit auf den richtigen Weg bringen will, so viel Böses tun und so viel Leid anrichten? Diese Fragen lassen sich aus der Sicht der Opfer kaum rational beantworten. Aus der Sicht der Täter allerdings sind die eigenen Handlungen vernünftig, das Blutbad in gewissermaßen folgerichtig. Ihre Logik mag die des Extremismus und völlig pervertiert sein, aber sie ist zwingend: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Das hatte in Paris – ausgerechnet Paris – bereits vor langer Zeit eine Form des Schreckens hervorgebracht, die von frappierender Strukturähnlichkeit mit jener der jihadistischen Weltsicht von heute ist. Damals, um das Jahr 1789, nahm die Geschichte einen blutigen Lauf: vom absolutistischen Königtum zum von Robespierre ausgerufenen, absolut gesetzten Tugendgebot für das französische Volk, dessen Feinde im Staatsterreur, dem staatlich organisierten Schrecken, durch die Guillotine zu entleiben waren. Die Revolution fraß ihre Kinder. In Paris auf der Place de La Concorde, nicht weit von jenen Stellen, an denen an diesem Freitag die tödlichen Schüsse fielen, die Sprengstoffgürtel der Angreifer detonierten. Jakobiner und Jihadisten – beide Kinder jenes mörderischen Geistes, der die eigene Tugend, den eigenen Glauben, das eigene Ideologem außerhalb jeden Zweifels stellt. Ein Geist, der kein Leben will, sondern das alles oder nichts postuliert. Ein Geist, der vernichten will und der seine Jünger zu eifrigen Agenten des Nihilismus macht. Argumentierte Maximilien de Robespierre, der selbst auf dem Schafott endete, unter weltlichen Gesichtspunkten und insbesondere mit Blick auf die Demokratie, stellen seine islamistischen Geistesverwandten auf die religiöse Dimension ab – und verursachen damit nicht nur verabscheuungswürdige Blutbäder, sondern begehen statt frommer Gottesfürchtigkeit die ultimative Blasphemie. Sei es in Pariser Restaurants, sei es in Kenia in einem Einkaufszentrum oder einer Universität, sei es bei einer Friedenskundgebung im türkischen Ankara: Indem die Jihadisten völlig unbeteiligte Menschen ermorden, stellen sie sich über die Schöpfung des von ihnen so verehrten Gottes, über Gott im Namen des Glaubens. Wer, wie die Attentäter von Paris, die eigene Weltanschauung, den eigenen Glauben, das eigene Handeln absolut setzt und jedem Begründungszwang außerhalb von Offenbarung und Erleuchtung entzieht, wer sich zum Herren über Leben und Tod aufschwingt, macht sich selbst zu Gott. Damit betreiben die jihadistischen Fanatiker genau das, was sie dem Westen bei allen Gelegenheiten wortreich vorwerfen: Sie treiben den absoluten Individualismus auf die Spitze – ohne göttliches Maß und ohne irdisches Ziel. Wer sich derart aller Zwänge entledigt und aller Verantwortung entzieht, dem mag es auch nicht mehr als verrückt oder zumindest verroht erscheinen, dutzende Menschen um ihr Leben zu bringen und deren Angehörige und Familien für alle Zeit zu traumatisieren. Wo die Perversion der Rechtschaffenheit normal wird, muss niemand mehr Anstoß daran nehmen, Menschen zu enthaupten, zu verbrennen, zu ertränken oder mit einem Sprengstoffhalsband in die Luft zu jagen. So wie seiner Zeit Heinrich Himmler vor seinen SS-Schergen faseln konnte, dass es nicht einfach sei, neben Bergen von Leichen anständig zu bleiben, so können sich heute blutjunge Kämpfer des sogenannten Islamischen Staates neben Pritschenwagen stellen, auf denen ihre entstellten Opfer liegen. Sie haben keinerlei schlechtes Gewissen, sich mit abgeschnittenen Köpfen von Feinden und Ungläubigen zu präsentieren oder Kinder dazu zu bringen, Gefangenen in den Kopf zu schießen. Es ist ja für die gute Sache. Der Tod ist für Allah. Und für das tugendhafte, rechtschaffene und gottgefällige – Leben. Was kann gegen diese Art des Terrorismus unternommen werden? Die nun erhobenen Forderungen, Feuer mit Feuer auszubrennen, mögen archaisch wirken. In einer zivilisierten, ja kultivierten Welt möge uns doch Besseres, Vernünftigeres einfallen. Die Frage ist: Auf welche Logik wollen wir uns einlassen? Und haben wir überhaupt eine Chance, aus der aufgezwungenen, perversen Logik des Todes auszubrechen? Eine Antwort darauf zu geben, ist so schwierig wie kaum etwas anderes in diesen Tagen. Das Akronym bedeutet das Gleiche wie Isis oder Isil. Das jüngste Wort, an das sich die Welt gerade gewöhnt, ist Daesh: Es ist nichts anderes als das Akronym (ein Wort aus den Anfangsbuchstaben mehrerer Wörter) von Islamischer Staat im Irak und in Syrien auf Arabisch: Ad-Dawla al-Islamiya fi l-Iraq wa-sh-Sham (das e in Daesh ergibt sich aus der Aussprache. Daesh heißt also nichts anderes als Isis oder Isil, es wird aber vermehrt auch in nichtarabischsprachiger Umgebung verwendet, weil es das von vielen Muslimen zurückgewiesene islamisch verschwinden lässt. Es heißt zwar das Gleiche, klingt jedoch neutraler. Auf Arabisch hat es eine – erwünschte – pejorative Note. Mit dem s oder l am Ende von Isis/Isil hat es folgende Bewandtnis: Im Arabischen steht, siehe oben, für das, was wir meist mit Syrien übersetzen, ash-Sham. Das ist die historische Region des frühen Kalifats, ein Großsyrien, also – heute ein eher veralteter Begriff – die Levante. Eigentlich stimmen ja alle diese Begriffe – Daesh, Isis, Isil – nicht mehr: Die Organisation hat im Sommer 2014 die geografischen Spezifizierungen Irak und Sham als Zeichen der Universalität ihres Kalifats eliminiert. Deshalb schreiben wir im STANDARD nur IS. Das erste Mal taucht der IS als Isi auf: Islamischer Staat im Irak. So nannte sich ab Oktober 2006 die Organisation, die 2004 als Al-Kaida in Mesopotamien gegründet worden war. Deren gängige Abkürzung war Aqi (Al-Qaida in Iraq). 2010, als der jetzige selbsternannte Kalif Ibrahim – alias Abu Bakr al-Baghdadi – die Gruppe übernahm, war sie sehr schwach. Der Krieg in Syrien wurde für sie zum Jungbrunnen, von dort schwappte sie ab 2013 wieder in den Irak zurück. Interpol-Generalsekretär: Insgesamt 25.000 Kämpfer bei Extremisten in Syrien und Irak aktiv. Madrid – Interpol hat 5.800 ausländische Kämpfer identifiziert, die sich den Jihadisten im Irak und in Syrien angeschlossen haben. Sie seien aus etwa 50 Ländern eingereist, sagte Interpol-Generalsekretär Jürgen Stock am Mittwoch bei einer Anti-Terror-Konferenz in Sevilla. Insgesamt seien 25.000 Kämpfer in den Reihen der Jihadistenorganisation Islamischer Staat und anderer extremistischer Gruppen aktiv. Der IS hatte sich zu der Anschlagsserie in Paris bekannt, bei der am Freitag 129 Menschen getötet wurden. Mehrere Angreifer – französische und belgische Staatsbürger – sollen zuvor in Syrien gewesen sein. Stock forderte als Reaktion auf die steigende Bedrohung eine engere Zusammenarbeit der Länder mit Interpol. Informationen sind die Basis der Polizeiarbeit. Die Informationen müssen deswegen mit Interpol geteilt werden. In Sevilla sind am Mittwoch Experten aus der ganzen Welt zu einer dreitägigen Konferenz über den Kampf gegen den Terrorismus zusammengekommen. 'Frankreichs Innenminister Cazeneuve fordert Erklärungen, wie der international Gesuchte ungehindert durch Europa reisen konnte. Paris/Brüssel/Damaskus – Erste Gerüchte hatte es schon im Laufe der Polizeiaktion in Saint-Denis gegeben Stammen aus 20 verschiedenen Ländern. Paris/Wien – Bei den Attentaten von Paris kamen in der vergangenen Woche neben zahlreichen Franzosen 25 Menschen aus 20 verschiedenen Ländern ums Leben. Das gab Justizministerin Christiane Taubira am Freitag in Paris bekannt. Auch acht Länder der Europäischen Union seien betroffen. Die bisher insgesamt 130 Toten seien inzwischen alle identifiziert, schrieb das Justizministerium. Bei den Anschlägen in Bars und Restaurant, dem Muikklub Bataclan sowie am Fußballstadion Stade de France waren gut 350 Menschen teils schwer verletzt worden. Unter den Verletzten ist auch ein Tiroler und ein österreichisch-mexikanischer Doppelstaatsbürger. 'Angst als kollektives Trauma ist nicht erst seit den Anschlägen von Paris ein Thema. In der Flüchtlingskrise wird nicht nur emotional diskutiert, es wird bewusst mit Ängsten gespielt. Wie soll man umgehen mit Angst? Was steht auf dem Spiel, wenn wir Sicherheit gegen Freiheit tauschen?. Als am vergangenen Freitag Explosionen im Pariser Stade de France während des Spiels Frankreich gegen Deutschland zu hören waren, sprengten sich gerade drei Selbstmordattentäter in unmittelbarer Nähe in die Luft. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier dachte, im Publikum sitzend, zuerst, es seien Feuerwerkskörper gewesen. Stattdessen war es der Beginn der wohl schlimmsten Terrorserie der vergangenen Jahrzehnte in Frankreich – und der zweite Anschlag in und auf Paris im Jahr 2015. 130 Menschen starben an mehreren Tatorten, die meisten im Musikklub Bataclan. Es war ein Angriff auf die freie, offene Gesellschaft der westlichen Welt und ihren Lebensstil, der es erlaubt, am Freitagabend gut gelaunt ein Rockkonzert zu besuchen. Oder mit Freunden Wein in einem Café zu trinken. Oder mit 80.000 anderen Fans Fußball zu schauen. Als am Sonntag das Gerücht von neuerlichen Schüssen im Pariser Viertel Marais die Runde machte, kam es an der Place de la République zu einer Massenpanik. Minutenlang wurden Tweets über einen vermeintlichen Anschlag abgesetzt Unklar, ob es einen Zusammenhang mit dem Attentat in Paris gab. Wohnung wurde wegen des Verdachtes auf Waffenschmuggel durchsucht. Toulon – Bei einer Razzia in der südfranzösischen Stadt Toulon ist Medienberichten zufolge ein Zöllner getötet worden. Ein Mann hätte auf die Beamten mit einem Sturmgewehr gefeuert, als diese sein Haus Montagfrüh wegen des Verdachtes des Waffenschmuggels durchsuchen wollten, berichteten mehrere französische Medien. Der Angreifer wurde festgenommen, ein weiterer Verdächtiger konnte fliehen. Ein weiterer Beamter wurde bei der Schießerei verletzt. Das Gebiet wurde weiträumig abgesperrt. Unklar war, ob die Razzia im Zusammenhang mit den Attentaten in Paris mit 130 Toten stand. Nationalratspräsidentin Bures: Veranstaltung "Zeichen des Widerstands" – Bundespräsident Fischer: "Flüchtlinge dürfen nicht zum Sündenbock werden". Wien – Die Spitzen der Republik sind am Montagabend zu einer Gedenkveranstaltung anlässlich der Attentate von Paris zusammengekommen. Die Veranstaltung im Parlament sei ein Zeichen des Widerstands, sagte Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) in ihrer Ansprache. Bundespräsident Heinz Fischer betonte, dass die europäischen Werte auch im Kampf gegen den Terror aufrechterhalten werden müssten. Hass und Angst schwächen die Vernunft und stärken irrationales Verhalten, so Fischer. Genau das dürften die Terroristen nicht erreichen. Wir bekämpfen den Terror, aber nicht den Islam oder eine bestimmte Religion, eine bestimmte Nationalität. Flüchtlinge dürften nicht in doppelter Weise zum Opfer werden: Was die Terroristen in ihrem Fanatismus verbrechen, darf nicht dazu führen, dass Flüchtlinge zum Sündenbock werden. Dass die Spitzen der österreichischen Republik heute hier versammelt sind, ist ein Zeichen des Widerstands – steht dieses Haus doch wie kein anderes in diesem Land für unsere Demokratie, für jene Werte, die von den Terroristen auf abscheuliche Weise bekämpft werden, sagte Bures. Bei der Antwort auf die Frage, wie man den Terror bekämpfen soll, dürfe man sich nicht von Angst leiten lassen. Angst ist oft kein guter Ratgeber, ganz besonders, wenn es um das sensible Verhältnis von Freiheit uns Sicherheit geht, so Bures. Die Spannung zwischen Freiheit und Überwachung sprach auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) an. Über diese Balance müsse man sorgsam diskutieren. Das Erschütternde an dem Anschlag sei, dass sich der Angriff weniger gegen den Staat und sein Symbole, sondern gegen die Gesellschaft an sich gerichtet habe. Unsere Trauer gilt den Toten, unser Mitgefühl den Verletzten und Angehörigen, betonte er. Ein Waffenstillstand gefolgt von einem demokratischen Prozess sei die beste, aber wahrscheinlich auch die schwierigste Option, um der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) den Boden zu entziehen. Es ist das Gebot der Stunde auf diese Morde, diesen Terror, mit einem Schulterschluss und einem stärkeren Zusammenhalt zu reagieren und sich nicht einschüchtern zu lassen, sagte Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). In Österreich gebe es traditionell eine intensive und respektvolle Zusammenarbeit der Glaubensgemeinschaften. In der Hilfe für Schutzsuchende, die vor eben diesem Terror auf der Flucht sind, zeige sich, ob wir in der Lage sind, diese Menschenrechte auch für Flüchtlinge zu leben, so Faymann. An der Gedenkveranstaltung nahmen unter anderem die Mitglieder der Bundesregierung, die Klubobleute, der französische Botschafter in Wien Pascal Teixeira da Silva, Vertreter der Glaubensgemeinschaften sowie des Nationalrats und des Bundesrats teil. Musikalisch begleitet wurde die Veranstaltung in der Säulenhalle des Parlaments von Mitgliedern der Wiener Philharmoniker. Auch die IG Autoren meldete sich anlässlich der Veranstaltung zu Wort: Europa darf sich angesichts des Terrors nicht spalten lassen. Der Ausbau von Grenzbefestigungen zur symbolischen und tatsächlichen Abschottung ist der falsche Weg, hieß es in einer Erklärung. Regierung begründet Maßnahme mit Ausnahmezustand nach Anschlägen. Straßburg – Nach den Pariser Anschlägen mit 130 Toten hat Frankreich die Europäische Menschenrechtskonvention teilweise ausgesetzt. Davon habe die Regierung den Generalsekretär des Europarats, Thorbjörn Jagland, in Kenntnis gesetzt, teilte ein Sprecher des Europarats am Mittwoch mit. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt. Frankreich begründet die Maßnahme mit dem nach den Anschlägen vom 13. November ausgerufenen Ausnahmezustand, der mittlerweile auf drei Monate verlängert wurde. Dabei beruft sich die Regierung auf Artikel 15 der Konvention. Demnach können Unterzeichner von den Verpflichtungen abweichen, wenn das Leben der Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht wird und die Lage im Land das unbedingt erfordert. Ausgenommen ist davon allerdings das Folterverbot, das unter keinen Umständen ausgesetzt werden darf. Unter Berufung auf Artikel 15 könnte Frankreich beispielsweise die Inhaftierung eines Verdächtigen ohne richterlichen Beschluss rechtfertigen. Dem Sprecher des Europarats zufolge ist es Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu prüfen, ob die Aussetzung eines Artikels im Einzelfall berechtigt ist oder nicht. Der Ausnahmezustand ermöglicht in Frankreich unter anderem Ausgangssperren, Wohnungsdurchsuchungen ohne richterlichen Beschluss auch in der Nacht und Hausarrest für Menschen, deren Aktivität sich als gefährlich für die Sicherheit und die öffentliche Ordnung erweist. Außerdem können Versammlungsverbote verhängt und Konzertsäle und Kinos geschlossen werden. Von Artikel 15 der Menschenrechtskonvention haben in der Vergangenheit bereits andere Mitgliedsstaaten des Europarats Gebrauch gemacht, die nach regionalen Unruhen und Konflikten vorübergehend einen Ausnahmezustand ausriefen – etwa die Türkei (1990), Georgien (2006) und Armenien (2008). Nach Belgier wird im Zusammenhang mit den Anschlägen gefahndet. Brüssel – Die Familie von Mohamed Abrini, nach dem im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen vom 13. November gefahndet wird, hat beteuert, dass er für die Tatzeit ein Alibi habe. Ich habe ihn persönlich am Freitag, dem 13., um 17.00 Uhr zu Hause gesehen, sagte einer seiner Brüder am Donnerstag der Nachrichtenagentur AFP in der Wohnung der Familie im Brüsseler Brennpunktviertel Molenbeek. Um 20.15 Uhr an diesem Abend habe Mohamed eine Verabredung mit seiner zukünftigen Frau gehabt, um den Mietvertrag für eine Wohnung zu unterschreiben. Und sie haben die Schlüssel bekommen, fügte der Bruder hinzu. Seitdem hätten sie Mohamed nicht mehr gesehen, sagten der Bruder und seine Mutter. Von einer möglichen Reise Mohameds nach Syrien wüssten sie nichts. Er habe noch bei seinen Eltern gelebt, sei wegen kleiner Delikte aber auch mehrmals im Gefängnis gesessen. Der 30-jährige Belgo-Marokkaner Mohamed Abrini war zwei Tage vor den Pariser Anschlägen von der Überwachungskamera einer Tankstelle in Ressons nördlich von Paris gefilmt worden. Er war zusammen mit dem unter Hochdruck gesuchten Saleh Abdeslam in einem bei den Anschlägen verwendeten Renault Clio unterwegs. Einige Stunden später, am 12. November gegen 3.00 Uhr, waren die beiden Männer offenbar in Brüssel zurück und wurden in der Nähe eines Seat und eines Clio gesehen. Seit Dienstag wird mit einem Fahndungsbild nach Abrini gesucht. Er wird als gefährlich und wahrscheinlich bewaffnet beschrieben. Abrini wurde außerdem auf einer Liste von 85 radikalisierten Bürger geführt, die nach Angaben aus informierten Kreisen in Brüssel vor einigen Monaten an die Behörden von Molenbeek übermittelt wurde. Darin wurde er verdächtigt, in das Bürgerkriegsland Syrien gereist und wieder zurückgekehrt zu sein. Seine Mutter sagte AFP, Mohamed habe manchmal seine Religion gelebt und manchmal ließ er sie fallen. Er habe nie über die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) gesprochen oder über Pläne, nach Syrien zu reisen. Allerdings sei Mohameds jüngerer Bruder Souleymane vor 15 Monaten in Syrien gestorben, sagte die Mutter. Er habe sich vorher dem IS angeschlossen, ohne seiner Familie Bescheid zu sagen. Zu den Pariser Anschlägen mit 130 Toten hat sich der IS bekannt. Salah Abdeslam ist der Bruder eines der Selbstmordattentäter, seine genaue Rolle bei den Angriffen ist unklar. Die Ermittler gehen davon aus, dass er die Selbstmordattentäter am Stade de France mit einem Renault Clio zu dem Stadion fuhr. Ein im Pariser Vorort Montrouge gefundener Sprengstoffgürtel gehörte vermutlich Abdeslam. Er floh am Tag nach den Anschlägen offenbar mithilfe von Komplizen nach Belgien und wird nun gesucht. Nach Angaben von Abrinis Mutter waren die beiden Männer bereits seit ihrer Jugend befreundet. Sie seien aber nicht die ganze Zeit zusammen gewesen, sagte Abrinis Bruder. Polizei durchsucht erneut Häuser in Problemviertel Molenbeek. Brüssel – In Brüssel hat es am Mittwoch erneut Razzien und Festnahmen im Zusammenhang mit den Pariser Anschlägen vom 13. November gegeben. Die Polizei habe fünf Häuser durchsucht und zwei Menschen zum Verhör mitgenommen, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in der belgischen Hauptstadt mit. Vier der Razzien fanden demnach im berühmt-berüchtigten Problemviertel Molenbeek statt, die fünfte im Stadtteil Saint-Josse-ten-Noode. Über die Identität der Festgenommenen machte die Generalstaatsanwaltschaft keine Angaben. Die Razzien hingen ihren Angaben zufolge aber mit zwei Verdächtigen der Pariser Anschläge mit 130 Toten zusammen. Zum einen ging es demnach um den flüchtigen Mohamed Abrini. Der 30-Jährige war zwei Tage vor den Anschlägen an einer Tankstelle nördlich von Paris gefilmt worden, als er mit dem ebenfalls gesuchten Salah Abdeslam unterwegs war. Der zweite Verdächtige, mit dem die neuen Razzien in Brüssel zu tun hatten, ist den Angaben zufolge Ahmad Dahmani. Dieser wurde im Zusammenhang mit den Anschlägen im November in der Türkei festgenommen und ist derzeit dort in Haft. US-Armee: Charaffe Al-Mouadan plante "aktiv weitere Anschläge". Damaskus/Paris – Ein führendes französisches Mitglied der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) mit direkten Verbindungen zu den Attentätern von Paris ist nach Angaben der US-Armee in Syrien getötet worden. Der Franzose Charaffe Al-Mouadan sei am Heiligen Abend getötet worden, sagte der für die Anti-IS-Koalition zuständige Sprecher der US-Armee, Steve Warren, am Dienstag vor Journalisten. Mouadan habe aktiv weitere Angriffe gegen den Westen geplant. Der 26-jährige Mouadan hatte demnach direkte Verbindungen zu dem mutmaßlichen Drahtzieher der Pariser Anschläge vom 13. November, dem belgischen Jihadisten Abdelhamid Abaaoud. Dieser war nach den mutmaßlich von ihm geplanten Anschlägen mit 130 Todesopfern bei einem Polizeieinsatz im Vorort Saint-Denis getötet worden. Außerdem sei Mouadan mit Samy Amimour befreundet gewesen, der sich bei den Anschlägen in der Konzerthalle Bataclan in die Luft gesprengt hatte. Bei Militäreinsätzen im Dezember seien insgesamt zehn hochrangige IS-Vertreter in Syrien und im Irak getötet worden, sagte Warren weiter. So wurde laut US-Armee am 26. Dezember im irakischen Mossul Abdel Kader Hakim getötet, ein Spezialist für die Fälschung von Dokumenten, der laut Warren ebenfalls Verbindungen zu dem Netzwerk gehabt haben soll, das für die Anschläge von Paris verantwortlich ist. Die französischen Ermittler kannten ihn nach eigenen Angaben nicht. Bei Mouadan waren die französischen Ermittler vorsichtiger, was seine Beziehung zum mutmaßlichen Drahtzieher Abaaoud anbelangt. In Anti-Terror-Kreisen in Paris hieß es, es gebe keine bekannte und sichere Verbindung zu Abaaoud. Allerdings bestätigten die französischen Ermittler, dass Mouadan mit dem Selbstmordattentäter Amimour befreundet war und einen weiteren der Pariser Attentäter, Omar Ismail Mostefai, kannte. Mouadan war als Sohn marokkanischer Eltern im Großraum Paris aufgewachsen. Er wurde 2012 festgenommen, nachdem er mit Amimour und einem weiteren Freund nach Jemen oder Afghanistan gehen wollte. Das Trio hatte sich über das Internet radikalisiert, Mouadan hatte sogar Schießunterricht in einem Verein der Polizei von Paris genommen. Im August 2013 ging er in das Bürgerkriegsland Syrien, nachdem in Frankreich ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet worden und er unter Kontrolle der Justiz gestellt worden war. Ob Frankreich an dem Einsatz der US-geführten Koalition gegen Mouadan in Syrien beteiligt war, blieb zunächst unklar. Die französische Luftwaffe hatte nach den Pariser Anschlägen begonnen, auch IS-Ziele in Syrien zu bombardieren. Laut US-Armee wurde im Dezember in der Nähe der IS-Hochburg Raqqa in Syrien auch ein IS-Vertreter aus Bangladesch getötet, der seine Ausbildung in Großbritannien absolviert hatte. Siful Haque Sujan war demnach Teil des Hacker-Teams der IS-Miliz und war an der Abwehr von Überwachungsmaßnahmen beteiligt. Konsequenz aus Anschlägen Mitte November. Paris – Vor dem Hintergrund der Anschläge in Paris hat die französische Regierung drei radikale islamische Vereinigungen verboten. In der französischen Republik sei kein Platz für Gruppen, die zu Terrorismus und Hass aufrufen, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Mittwoch. Die drei Vereinigungen betrieben eine Moschee im östlich von Paris gelegenen Lagny-sur-Marne, die Anfang Dezember geschlossen worden war. Die Schließung der Moschee sowie zwei weiterer Gotteshäuser wegen mutmaßlicher radikaler Umtriebe war im Zuge des Vorgehens der Behörden nach den Anschlägen mit 130 Toten Mitte November erfolgt. Cazeneuve hatte schon damals gesagt, dass die hinter den Moscheen stehenden pseudo-kulturellen Vereinigungen sehr bald verboten würden. Möglich sind die harten Maßnahmen wegen des derzeit in Frankreich geltenden Ausnahmezustands. Zu Hass und Jihad aufgerufen Die Moschee in Lagny-sur-Marne galt als salafistisch. Bei Durchsuchungen im Dezember waren dort unter anderem Munition und Propagandamaterial beschlagnahmt worden. Cazeneuve begründete nun die Entscheidung des Kabinetts zum Verbot der Gruppen damit, dass deren Anführer in den vergangenen Jahren zum Hass und zum Jihad aufgerufen hätten. Der Festgenommene soll sich der Jidhadistenmiliz "Islamischer Staat" angeschlossen haben. Rabat – In Marokko ist ein Belgier mit direkten Verbindungen zu den Attentätern von Paris festgenommen worden. Wie das marokkanische Innenministerium am Montag mitteilte, handelt es sich um einen Belgier marokkanischer Abstammung, der in Syrien zunächst in den Reihen der Al-Nusra-Front, dem syrische Zweig der Al-Kaida, gekämpft hatte, bevor er sich der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen habe. Der Verdächtige wurde den Angaben zufolge bereits am 15. Januar in der Hafenstadt Mohammedia in der Nähe von Casablanca festgenommen. Seine Identität wurde zunächst nicht bekanntgegeben. Das Ministerium nannte nur seine Initialen. Der Mann sei als Guerillakämpfer ausgebildet und an diversen Waffen trainiert worden. Er sei mit einem der Paris-Attentäter nach Syrien gekommen. Von dort aus sei er in die Türkei, nach Deutschland, Belgien, die Niederlande und Marokko gereist.# Nach den Attentaten, zu denen sich der IS bekannte, führten viele Spuren nach Belgien. Mindestens zwei der Attentäter sollen im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gewohnt haben. Der in Brüssel geborene Hauptverdächtige Salah Abdeslam wird weiter gesucht. Mehrere Verdächtige sind in Belgien bereits angeklagt. In Paris waren im November bei islamistischen Anschlägen 130 Menschen getötet worden. Propagandabild zeigt Deutsches Kanzleramt in Flammen – Auch Flughafen Köln-Bonn in Drohvideo zu sehen. Berlin – Die Islamistengruppe IS hat ihre Anhänger zu Anschlägen in Deutschland nach dem Vorbild der Brüsseler Attentate aufgerufen. Auf Propagandagrafiken, die nach Angaben der auf die Beobachtung extremistischer Gruppen spezialisierten US-Firma Site am Mittwoch über den Kurznachrichtendienst Twitter verbreitet wurden, wird unter anderem der Köln-Bonner Flughafen gezeigt. Was deine Brüder in Belgien schaffen, schaffst du auch!, heißt es auf der Grafik, die auch einen in Kampfmontur etwas abseits des Gebäudes stehenden Angreifer zeigt. Ein weiteres Propagandabild zeigt das Kanzleramt in Flammen. Deutschland ist ein Schlachtfeld, lautet die Inschrift dazu. Insgesamt wurden Site zufolge fünf Bilder mit Aufrufen zu Anschlägen veröffentlicht. Alle tragen das Logo des IS-Medienablegers Furat Media. Zusammen mit den Bildern wurden Site zufolge auch arabische Übersetzungen der Bildinschriften per Twitter verbreitet. Das Bundeskriminalamt (BKA) wertet die Attentatsdrohungen der Extremistenmiliz aus, sagte eine Sprecherin am Donnerstagvormitag. Das Video sei bekannt. Klar ist, dass Deutschland im Fadenkreuz des internationalen Terrorismus steht und dass Anschläge passieren können. Das neue Video ändere aber nichts an der gegenwärtigen Gefahrenbewertung. Bei den Selbstmord-Anschlägen am Dienstag voriger Woche im Brüsseler Flughafen und in der U-Bahn wurden nach Angaben der belgischen Regierung 38 Menschen einschließlich der drei Attentäter getötet. Deutschland ist nach Angaben der Sicherheitsbehörden als Anschlagsziel im Visier von Islamisten. Nach den Brüsseler Attentaten hatte Bundesinnenminister Thomas de Maiziére vergangene Woche erklärt, gegenwärtig längen keine Hinweise auf bevorstehende Anschläge in Deutschland vor. Die Lage ist angespannt, erklärte er jedoch. EU-Kommissionspräsident beklagt, dass aus Anschlägen kaum Lehren gezogen werden. Straßburg – EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat schwere Versäumnisse der EU-Staaten in der Terrorismusbekämpfung kritisiert. Wenn etwas gescheitert ist, dann sind wir alle gescheitert, sagte Juncker am Mittwoch vor dem EU-Parlament. Seit Jahrzehnten habe sich die EU geschworen, aus Anschlägen die Lehren zu ziehen und einen echten Informationsaustausch zu schaffen. Die Zersplitterung schwäche Europa, kritisierte Juncker. Wir brauchen eine wirkliche Sicherheitsunion. Juncker sagte, nach den islamistischen Terroranschlägen von Paris vergangenen November habe die EU-Kommission binnen sechs Tagen einen Vorschlag zur Kontrolle von Feuerwaffen vorgelegt. Nach sechs Monaten habe ich keine Anzeichen, dass das Paket verabschiedet wird. Juncker kündigte an, die EU-Kommission werde einen ehrgeizigen Fahrplan mit neuen Maßnahmen vorlegen. Der Fraktionschef der konservativen EVP-Fraktion, Manfred Weber, sagte: Bei Europol ist die Freiwilligkeit gescheitert beim Sammeln von Informationen. Europol müsse das Recht haben, von den EU-Staaten Informationen einzufordern. Der Chef der Sozialdemokraten im EU-Parlament, Gianni Pittella, forderte die Schaffung eines europäischen Nachrichtendiensts. Paris-Verdächtiger soll in Brüssel an Schießerei mit Polizisten beteiligt gewesen sein. Brüssel/Paris – Der mutmaßliche Paris-Attentäter Salah Abdeslam ist am Mittwoch von Belgien nach Frankreich überstellt worden, berichtete die Zeitung La Dernière Heure. Abdeslam war nach den Anschlägen von Paris am 13. November, bei denen 130 Menschen getötet wurden, als einer der Hauptverdächtigen gesucht worden. Der 26-Jährige stammt aus dem Brüsseler Stadtteil Molenbeek, wo er mit Komplizen die Anschläge von Paris vorbereitet haben soll. Abdeslam wird in Belgien vorgeworfen, als aktiver Schütze oder Helfer an einer Schießerei zwischen drei Männern und Polizisten in der Brüsseler Gemeinde Forest/Vorst beteiligt gewesen zu sein. Bei einer Hausdurchsuchung im Zusammenhang mit den Anschlägen von Paris hatten am 15. März drei Verdächtige das Feuer auf die Polizisten eröffnet. Zwei Angreifer konnten in der Folge fliehen, einer wurde von einem Scharfschützen der Polizei getötet. In der Wohnung der Angreifer wurden Fingerabdrücke Abdeslams gefunden. Drei Tage später wurde Abdeslam im Brüsseler Stadtteil Molenbeek gefasst. Vier Tage danach, am 22. März, wurden bei den Selbstmordattentaten von Brüssel 32 Menschen getötet. Frankreich hatte nach der Festnahme Abdeslams dessen Auslieferung beantragt. Belgien stimmte dem Gesuch zu. Frankreichs Staatschef sieht sich nach leichtem Aufschwung im Aufwind. Die Wahlentscheidung fällt am 7. Mai 2017. So viel ist bekannt: François Hollande will es noch einmal wissen – bloß wollen die Franzosen nichts mehr von ihm wissen. Laut Umfragen sind mehr als 80 Prozent gegen eine Wiederkandidatur des 61-jährigen Sozialisten. Nun steht der Termin fest, an dem sich die Zukunft des Landes entscheiden wird: Das Innenministerium hat festgelegt, dass die Schlussrunde der Präsidentschaftswahl am 7. Mai 2017 stattfinden wird. Der konservative Abgeordnete Hervé Mariton twitterte freundlicherweise: Sogar eine Ziege würde François Hollande 2017 schlagen. Links klingt es ähnlich: François Hollande wird nur ein Mandat absolvieren, prophezeit der Soziologe Michel Wieviorka. Er wird wie Ludwig XV. enden, der nachts und heimlich begraben wurde, weil er das Volk dermaßen gegen sich aufgebracht hatte. Auch Starökonom Thomas Piketty, Autor von Das Kapital im 21. Jahrhundert, wirft ihm vor, er neutralisiere mit seiner Sparpolitik seine eigenen Anstrengungen, die Konjunktur wieder anzuwerfen. Und als Hollande vom Front National die Idee übernehmen wollte, Terroristen die Staatsbürgerschaft abzuerkennen, urteilte Piketty hart: Zur Inkompetenz kommt auch noch die Schmach. Der Präsident, der es allen recht machen will, bringt alle gegen sich auf. Aber Hollande wäre nicht Hollande – das heißt, ein unverbesserlicher Optimist –, wenn er darin nicht etwas Positives sähe. Seine Spindoktoren im Elysée erklären, die diversen sozialistischen Umfragefavoriten seien nicht breit genug verankert: Premier Manuel Valls und Wirtschaftsminister Emmanuel Macron seien für die Partei zu rechts, die Ex-Minister Arnaud Montebourg und Benoît Hamon für die Mittewähler zu links. Nur einer vermöge Wähler von weit links bis ins Zentrum hinter sich zu scharen: der Gleiche, der schon 2012 gewonnen habe. Mit dem Präsidentenbonus in die Stichwahl und dort siegreich gegen Marine Le Pen? Dieses Szenario überzeugt parteiungebundene Kritiker wie Piketty und Wieviorka kaum. Sie verlangen deshalb mit Nachdruck eine Vorwahl der Linken. Und zwar ohne Hollande. Auch Sozialistenchef Jean-Christophe Cambadélis, der dem Präsidenten nahesteht, kann sich der Forderung nach einem linken Einheitskandidaten nicht widersetzen. Aber er schweigt zur entscheidenden Frage, ob sich der Präsident der Vorwahl unterziehen müsste. Erniedrigend wäre für den französischen Staatschef allein schon der Umstand, gegen ein Dutzend anderer Kandidaten antreten zu müssen. Der hohe Präsident der Republik in den Untiefen der Parteipolitik – undenkbar! Und doch muss Hollande im Hintergrund verzweifelt um seinen Platz in der Rangordnung feilschen. Er sei nicht grundsätzlich gegen eine Vorwahl, lavieren seine Berater. Die Bedingung sei aber, dass der Staatschef neben den Kandidaten der Grünen oder Kommunisten der einzige Vertreter der Sozialistischen Partei sein müsse. Seit einigen Tagen spürt Hollande den Frühling. Die Wirtschaft wächst etwas schneller als erwartet, die Zahl der Arbeits losen sinkt seit einem Monat. In den Pariser Medien taucht die Frage auf: Ist Frankreich vielleicht tatsächlich über dem Berg? Staatschef Hollande legt in den Umfragen bereits ganz leicht zu. Der unpopulärste Präsident der Fünften Republik sei wie euphorisiert, vermelden Insider. Als wäre er schon im Wahlkampf, verteilt er Geschenke an einzelne Bevölkerungsgruppen: Für Landwirte, junge Arbeitslose, Beamte und Lehrer stellte er in den letzten Wochen insgesamt 2,4 Milliarden Euro bereit. Kein Entscheid, kein Auftritt, der nicht die Königswahl von 2017 im Visier hätte. Eine Mai-Tagung zum Thema Die Linke und die Macht verwandelte Hollande in eine einzige Wahlveranstaltung in eigener Sache. Hollandes Kampf gegen seinen Ruf, gegen die bösen Auguren, die Miesmacher, ist gestartet. Es ist ein einsamer Kampf des ewig Unterschätzten, der beweisen will, dass er es nicht von ungefähr bis an die Staatsspitze gebracht hat. Der beweisen will, dass er nicht auf verlorenem Posten steht. Das ist Shakespeare-Stoff, die Reconquista des Monarchen, des Obersten im Land, der zuunterst gelandet ist, aber nie aufgehört hat, an sich zu glauben. François Hollande ist der Mann, der seine Chance noch packen will. Selbst dann, wenn er ganz offensichtlich keine mehr hat. An der Grenze zur abtrünnigen Provinz Südossetien sind die Folgen des Krieges von 2008 bis heute spürbar. Eine Stunde von Tiflis entfernt liegt das georgische Dorf Ergneti verschlafen an der administrativen Grenze zur abtrünnigen Provinz Südossetien. Entlang der Hauptstraße sind kaum Menschen zu sehen. Zur Mittagszeit spielt die Sonne, die durch die Äste der großen, alten Obstbäume fällt, Schattenspiele. Ein verrosteter Wolga-Pkw blockiert den Weg ins Zentrum. Vier Männer mittleren Alters unterhalten sich auf einer Bank. Der Georgienkrieg von 2008 ist als Thema immer noch allgegenwärtig. Denn der Alltag hat sich seither massiv verändert: 200 Häuser umfasste Ergneti noch zu Beginn des Jahres 2008. Während des Krieges, der im August nur fünf Tage dauerte, wurden 150 davon zerstört. Das Schulhaus sei zum Glück erhalten geblieben, sagen sie – aber Schüler gebe es kaum noch. Schon vor 2008 war das Leben in Ergneti beschwerlich, erzählen die Männer weiter, aber man lebte ganz gut vom Handel mit Agrarprodukten – bis Russland 2006 ein Handelsembargo verhängte. Bald habe Russland den Strom abgestellt, später auch das Gas. Und dann kam der richtige Krieg, als Georgiens Präsident Michail Saakaschwili versuchte, das abtrünnige Südossetien zurückzuerobern. Bis zum Waffenstillstand am 12. August wurden im ganzen Land etwa 850 Menschen getötet. Südossetien – wie auch Abchasien – erklärte sich unabhängig, Moskau erkannte dies an. Seither leben die Bewohner Ergnetis de facto an einer Landesgrenze. Nika Kasradse erinnert sich an die Zeit, als er in der damals noch autonomen georgischen Provinz Südossetien zur Schule ging. 2008 brachen plötzlich viele Kontakte ab, georgische Familien wurden zu Flüchtlingen. Bis heute hat Nika zu einzelnen Familienmitgliedern keinen Kontakt mehr. Heute gehören Zwischenfälle zum Alltag. Nicht selten werden Bauern bei der Apfelernte festgenommen, weil sie die Grenzlinie überschritten haben. Immer wieder riskieren Georgier Verhaftungen, um Familiengräber auf der anderen Seite zu besuchen. Vor allem im Mai während der Pimpernussernte – eine georgische Delikatesse, die auf den Hügeln jenseits der Trennlinie wächst – steigen die Grenzübertretungen und damit die Festnahmen massiv an. 150 Menschen wurden allein im Jahr 2014 von südossetischen Behörden verhaftet. Nach wenigen Tagen werden sie in der Regel entlassen, die Freilassung erfolgt meistens unter Vermittlung der 2008 entsandten EU-Beobachtungsmission EUMM (European Union Monitoring Mission). Umso besorgter verfolgen die Menschen das, was Tiflis als neue, schleichende Grenzverschiebungen auf georgischem Territorium sieht. Die Angst vor einem Wiederaufflammen der Gewalt ist groß. Am 10. Juli 2015 standen plötzlich die Grenzschilder in den Siedlungen Ortschossani und Zitelubani um 300 Meter beziehungsweise 1200 Meter weiter südlich auf georgischem Gebiet. Damit sahen sich nicht nur georgische Bauern in den Grenzdörfern um Ackerland beraubt. Die Grenze rückte quasi über Nacht näher an die Ölpipeline heran, die von Aserbaidschans Hauptstadt Baku zum georgischen Schwarzmeerhafen Supsa führt. Auch der EUMM sind die Aktivitäten nicht entgangen. Das monatliche Treffen des Komitees für Konfliktvorbeugung und die Schaffung von neuen Reaktionsmechanismen (IPRM), an dem neben der georgischen und der südossetischen auch die russische Seite teilnimmt, befasste sich in einem außerordentlichen Termin in Ergneti mit dem Thema. Lösungen gibt es nur auf lokaler Ebene. Kestutis Jankauskas, Chef der EUMM-Mission, weist im Gespräch mit dem STANDARD darauf hin, dass das grundlegende politische Problem auf diplomatischer Ebene unter Beteiligung der internationalen Gemeinschaft gelöst werden müsse. Die Bewohner von Ergneti hoffen, dass sich Georgien und Russland irgendwann einigen, obwohl die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ihnen keine großen Hoffnungen machen. Vor allem in wirtschaftlicher Hinsicht leidet die Bevölkerung unter der Eiszeit mit Russland, bedauert Nika Kasradse. Russlands Handelsembargo sei zwar aufgehoben worden, dafür seien neue Steuern und Abgaben eingeführt worden, sodass die einfachen Bauern es nicht leichter hätten. Die Annäherung an die EU sehen die Bewohner von Ergneti skeptisch. Die europäischen Werte seien den Georgiern fremd, heißt es auf Nachfrage. Präsident muss neuen Kandidaten innerhalb von sieben Tagen vorschlagen. Tiflis – Der georgische Regierungschef Irakli Garibaschwili hat überraschend seinen Rücktritt angekündigt. Einen Grund dafür nannte er bei einer am Mittwochabend im Fernsehen übertragenen Ansprache nicht. Laut der Verfassung der Südkaukasusrepublik muss mit dem Ministerpräsidenten das ganze Kabinett zurücktreten, der Präsident muss innerhalb von sieben Tagen dem Parlament einen neuen Kandidaten vorschlagen. Ein offizielles Amt zu bekleiden sei für ihn nie ein Selbstzweck gewesen, sagte Garibaschwili. Ein Amt ist für mich lediglich eine Möglichkeit, meinem Land und meinem Volk zu dienen. Giorgi Kwirikaschwili ist neuer Premierminister. Der eine Mann des Vertrauens geht, der andere kommt. Bidsina Iwanischwili, der Milliardär, der Georgien aus dem Hintergrund regiert, hat einen neuen Premier installiert. Auf den jungen Irakli Garibaschwili, ehemals Direktor der wohltätigen Cartu-Stiftung des Milliardärs, folgt nun Giorgi Kwirikaschwili, ehemals Direktor der Cartu-Bank. Die Firma regiert. Alle sind sie mit Iwanischwili in die Politik gegangen, als der Milliardär 2012 ein Mehrparteienbündnis mit dem viel versprechenden Namen Georgischer Traum zusammenkaufte und im Kaukasusstaat tatsächlich den ersten Machtwechsel durch Wahlen erreichte, nicht durch einen Putsch oder Straßenrevolution. Seither ist der Traum doch recht verblasst. Kwirikaschwili, der 48-jährige Banker und Rechtspolitiker, soll der Koalition wieder mehr Elan verschaffen. Denn nächstes Jahr im Herbst sind Parlamentswahlen. In drei Jahren im Kabinett des Georgischen Traums hat Kwirikaschwili zunehmend an Gewicht gewonnen. Erst im September wechselte er das Ressort, übernahm das Außenministerium und überließ seinem Vize Dimitri Kumsischwili das Wirtschaftsministerium. Nach dem plötzlichen Rücktritt des georgischen Premiers vergangene Woche stand Kwirikaschwili schnell als Nachfolger fest. 15 Jahre Altersunterschied sind schon eine Garantie für einen neuen Stil, so hoffen die Koalitionsparteien. Kwirikaschwili soll mehr Autorität ausstrahlen als sein nur 33 Jahre alter Vorgänger. Als Außenminister konnte er sich noch im Vorbeigehen mit einem großen politischen Erfolg schmücken – der von Brüssel lange vorbereiteten Visafreiheit für die Georgier. An der pro-westlichen Ausrichtung der kleinen Kaukasusrepublik hat sich nichts geändert. Es ist unmöglich, Russland zu beschwichtigen, indem man geopolitische Vereinbarungen mit Moskau trifft, warnte Kwirikaschwili noch im vergangenen Monat als Außenminister und Vizepremier. Die Krim-Annexion und der Separatistenkrieg in der Ukraine haben die anfänglichen Hoffnungen des Georgischen Traums auf eine Normalisierung mit Moskau zunichtegemacht. Als Wirtschaftsminister war Kwirikaschwili wenig erfolgreich, gemessen an den Job-Versprechen der Koalition. Der studierte Mediziner und Ökonom ist mit Maia Tsinadse verheiratet und hat zwei Töchter und zwei Söhne. Sein offizielles Vermögen ist überschaubar: zwei Häuser und eine Miniwohnung in Tiflis. Stadtoberhaupt Marino will trotz Festnahmewelle im Gemeinderat nicht das Handtuch werfen – "Werde bis 2023 im Amt bleiben". Rom – Während täglich neue Enthüllungen im Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre Mafia Capitale für Aufregung sorgen, kämpft Roms Bürgermeister Ignazio Marino um seine politische Zukunft. Obwohl der Druck für seinen Rücktritt wächst, will der seit 2013 amtierende Marino im Amt bleiben. Ich bleibe bis Ende der Amtszeit 2018 und hoffe auf eine Wiederwahl bis 2023, erklärte das Stadtoberhaupt. Marino, Arzt und Senator der Demokratischen Partei von Premier Matteo Renzi, steht unter großem Druck, nachdem mehrere seiner Gemeinderäte und Funktionäre in den Strudel der Korruptionsermittlung Mafia Capitale geraten sind. Die Bürger und die Parteien meiner Koalition unterstützen mich nach wie vor. Wir werden unsere Arbeit für Erneuerung und Transparenz fortsetzen, versicherte Marino. Nicht nur Oppositionsparteien, auch Spitzenpolitiker seiner eigenen PD-Gruppierung fordern mittlerweile die Auflösung der Römer Stadtregierung. Auch Premier Renzi hat dem Bürgermeister den Rücken gekehrt: Wenn Marino regierungsfähig ist, soll er die Stadt regieren. Wenn er dazu nicht mehr imstande ist, soll er nach Hause gehen, meinte der Premier. Er bezog sich dabei auf Missstände in der schwerverschuldeten Gemeinde Rom. Der Regierungschef hatte kürzlich auch seine Entschlossenheit signalisiert, die Organisation des vom Papst ab Dezember geplanten Heiligen Jahres als römisches Großevent der Verwaltung Marinos zu entziehen und in die sauberen Hände des Präfekten Franco Gabrielli zu legen. Vor drei Wochen waren Ermittlungen gegen mehrere Stadträte aufgenommen worden. 50 Personen wurden bisher im Zuge der Affäre festgenommen. Ein Kartell aus mafiösen Unternehmen, von denen die meisten unter dem Deckmantel von Genossenschaften agierten, erkaufte sich mit Schmiergeldern die Gunst von Funktionären und Politikern, so der Vorwurf der römischen Staatsanwaltschaft. Die Stadträte sollen im Gegenzug dafür gesorgt haben, dass der Kriminellenring Mafia Capitale lukrative öffentliche Aufträge erhielt. Besonders aktiv war die Gruppe demnach bei der Abfallentsorgung und der Reinigung von Parkanlagen sowie bei der Betreibung von Flüchtlingseinrichtungen. Die Ermittlungen betreffen zwar nicht direkt den Bürgermeister, die Oppositionsparteien demonstrieren jedoch seit Tagen und fordern einen Rücktritt des gesamten Gemeinderats. Marino ist seit Juni 2013 Bürgermeister der 3,5 Millionen-Metropole. Im Zentrum der Ermittlungen zu Mafia Capitale steht der im Dezember festgenommene römische Mafiaboss Massimo Carminati. Die Untersuchungen haben erneut gezeigt, dass die Mafia schon lange kein regional begrenztes Problem mehr ist. Die römische Mafia sei unabhängig von der Cosa Nostra in Sizilien, der Ndrangheta in Kalabrien oder der Camorra um Neapel entstanden, stellten die Ermittler fest. Längst haben die Clans ihre Macht auch in der italienischen Hauptstadt ausgebaut. "Russischer Präsident will mir Staatsbürgerschaft verleihen". Rom – Italiens Ex-Premier Silvio Berlusconi träumt von der russischen Staatsbürgerschaft. Der von unzähligen Justizproblemen belastete und zuletzt auch politisch auf Talfahrt befindliche Medienzar würde am liebsten nach Moskau zu seinem Freund, dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, ziehen. Putin sei bereit, ihm die Staatsbürgerschaft zu verleihen und ihm den Posten des Wirtschaftsministers anzubieten, berichtete Berlusconi im Gespräch mit seinen Verbündeten nach Angaben der Tageszeitung La Stampa. Hier in Italien werde ich als Krimineller betrachtet. In Russland sind sie bereit, mir goldene Brücken zu bauen, damit ich dorthin ziehe, so der 78-jährige Medienzar. Die engen Beziehungen zwischen Berlusconi und Russland hatten während der Amtszeit des Medienunternehmers als Premier immer wieder Kritik in italienischen Oppositionskreisen ausgelöst. 'Regierungschef Matteo Renzi wird immer unbeliebter – gleichzeitig tüfteln die Matteo Salvini und Silvio Berlusconi an einem Pakt für Neuwahlen.. Wenn in Italien Politiker plötzlich von Koalitionen und Allianzen zu sprechen beginnen, ist dies in der Regel ein Zeichen dafür, dass sie mit baldigen Neuwahlen rechnen. Bei Matteo Salvini ist dies ganz offensichtlich: Wenn sie nicht noch in letzter Sekunde die vierte Regierung in Folge erfinden, die ohne Wahlen zustande kommt, dann wird im nächsten Jahr gewählt, tönt der Lega-Nord-Chef in der aktuellen Ausgabe von Panorama. Renzis Partei werde nach dem Sturz der Regierung einem Trümmerhaufen gleichen und die Wahlen verlieren – aber nur, wenn das Mitte-rechts-Lager geeint antrete, warnt Salvini. Der Wunschpartner des 42-jährigen Mailänder Populisten ist ein weiterer Mailänder Populist: Silvio Berlusconi. Eine Allianz mit Berlusconis Forza Italia wäre die beste Lösung, betont Salvini. Das klang vor kurzem noch anders: Der bald 80-jährige und mit einem Ämterverbot belegte Expremier habe keine Zukunft 'Der Bürgermeister Roms ist über fragwürdige Spesenabrechnungen gestolpert und zurückgetreten. Nun hat Premier Renzi ein Problem. Am Vorabend seiner Demission als Römer Stadtoberhaupt hatte Marino noch zu retten versucht, was nicht mehr zu retten war: Er erklärte, dass er die gesamten Spesen, die er während seiner bisherigen Amtszeit ausgegeben habe, an die Stadt zurückzahlen werde. In den Tagen zuvor wurde berichtet, dass der Bürgermeister private Abendessen in Römer Altstadtrestaurants mit der Kreditkarte der Stadt beglichen habe. Auf den Spesenabrechnungen hatte Marino angegeben, dass er mit Vertretern von Institutionen diniert habe, was aber von seinen angeblichen Gästen und zwei Wirten dementiert wurde: Der Bürgermeister sei in mindestens sechs Fällen mit seiner Frau oder mit Verwandten essen gekommen. Obwohl Marino an der Korrektheit seiner Abrechnungen festhielt, wirkte die Ankündigung der Rückzahlung wie ein Schuldeingeständnis. Am Donnerstagabend kam dann die Rücktrittserklärung per Videobotschaft, in welcher Marino von einem Komplott sprach und vom Versuch, das Wahlresultat auszuhebeln. Letztlich war ihm aber gar nichts anderes übriggeblieben, als den Hut zu nehmen: So wie die Dinge liegen, ist das Ende dieser Regierung unausweichlich, hatte ein Stadtrat erklärt, der wie der Vizebürgermeister und zwei weitere Stadträte aus Protest gegen Marino sein Amt niedergelegt hatte. Fallengelassen wurde der Bürgermeister auch von seiner Partei, dem sozialdemokratischen PD von Regierungschef Matteo Renzi. Der Premier ist am Römer Schlamassel nicht unschuldig: Er hatte im vergangenen Jahr, als Rom im Sumpf der Affäre Mafia Capitale versank, mehrfach Marinos Fähigkeit angezweifelt, die korrupte und verlotterte Hauptstadt wieder auf Vordermann zu bringen. Renzi konnte sich jedoch nicht dazu aufraffen, Marino zum Rücktritt zu bewegen, zumal dieser in dem Skandal – im Unterschied zu zahlreichen Gemeinderäten des PD – eine weiße Weste behalten hatte. Außerdem fürchtete sich der Regierungschef vor Neuwahlen: In allen Umfragen liegt die Protestbewegung von Beppe Grillo klar vorne. Die Hauptstadt an die Grillini zu verlieren wäre für den Premier eine Blamage sondergleichen. Der früheste Termin für Neuwahlen wäre nun der Frühling 2016 Weitgehende Entmachtung des Senats und Verkleinerung auf 100 Mitglieder. Der Kampf um den Senat hat Wochen gedauert und wurde teilweise auf bedenklichem Niveau geführt. Angehörige der kleinen Kammer beschimpften einander, zwei Senatoren wurden wegen obszöner Gesten für Tage von der Debatte ausgeschlossen und um die Verabschiedung der Reform zu blockieren, hatte ein Senator einen Computer-Algorithmus erfunden, mit dem er 82 Millionen Abänderungsanträge produzierte. Mit der gestrigen Abstimmung ist dieser Senat in seiner bisherigen Form praktisch Geschichte: Noch erforderliche Passagen der Verfassungsänderung im Parlament gelten als Formalität. Mit der Reform wird die kleine Kammer auf 100 Mitglieder geschrumpft und in eine Regionalkammer verwandelt, ihre gesetzgeberische Kompetenz drastisch reduziert. Es handelt sich um die am weitesten reichende Reform des italienischen Grundgesetzes seit dem Zweiten Weltkrieg. Ihr Ziel ist die Überwindung des heutigen Systems mit zwei gleichberechtigten Parlamentskammern (Senat und Abgeordnetenkammer), das für viel parlamentarischen Leerlauf verantwortlich gemacht wird. Die Regierung von Matteo Renzi verspricht sich von der Reform eine schnellere Gesetzgebung und ein effizienteres Regieren. Kritikern geht das alles viel zu weit: In Kombination mit dem neuen Wahlgesetz, das der stärksten Partei automatisch zu einer absoluten Mehrheit in der Abgeordnetenkammer verhelfen wird, verleihe die Verfassungsreform dem Regierungschef eine zu viel Macht. Nicht wenige bezeichnen die gestern verabschiedete Vorlage als Reform, die sich Renzi auf den Leib habe schneidern lassen. Vor der Schlussabstimmung haben grosse Teile der Opposition den Saal aus Protest verlassen. Das Abstimmungsresultat fiel dementsprechend klar aus: 179 Senatoren stimmten für die Verfassungsreform, 16 dagegen. Im kommenden Herbst will Renzi die Reform den Italienern in einer Volksabstimmung unterbreiten. Premier Renzi einigt sich mit populistischer Fünf-Sterne-Bewegung. Rom – Nach 32 ergebnislosen Wahlgängen und einem dreimonatigen politischen Streit hat es Italiens Premier Matteo Renzi am Mittwochabend geschafft, im Parlament drei neue Verfassungsrichter wählen zu lassen. Möglich wurde die Wahl durch eine Einigung Renzis mit der populistischen Oppositionspartei Fünf Sterne um den Ex-Kabarettisten Beppe Grillo. Bei den neuen Verfassungsrichtern handelt es sich um den von Renzis Demokratischer Partei (PD) unterstützten Augusto Barbera, den Fünf-Sterne-Kandidaten Franco Modugno und Giulio Prosperetti, Berufungsrichter im Vatikan. Dieser wurde vor allem von den Zentrumsparteien NCD und UDC unterstützt. Genug der Blamage Renzi konnte dank des Abkommens endlich das notwendige Quorum von 649 Stimmen für die drei Kandidaten erreichen. Das Parlament habe sich mit den Verzögerungen bei der Wahl schon genug blamiert, jetzt müsse es endlich zu einem Ergebnis kommen, hatte Renzi am Mittwoch gedrängt. Das Verfassungsgericht besteht aus 15 Richtern, ein Drittel wird vom Präsidenten ernannt, ein Drittel vom Parlament gewählt. Die übrigen fünf Mitglieder werden durch die obersten Gerichte gewählt. Die Amtsdauer beträgt neun Jahre, es ist keine weitere Amtszeit möglich. Seit Wochen geht Italiens Premier auf Konfrontation mit der EU. Dem Kommissionspräsidenten platzte jetzt der Kragen. Ich stelle fest, dass der italienische Ministerpräsident – den ich sehr respektiere – jede Gelegenheit nutzt, um die EU-Kommission herabzuwürdigen, polterte Juncker am Freitag. Er wisse nicht, warum Renzi dies tue. Die Stimmung zwischen der EU-Kommission und der italienischen Regierung sei jedenfalls nicht die allerbeste, betonte der luxemburgische Kommissionspräsident in einem Gefühlsausbruch, wie man ihn in Brüssel nicht oft erlebt. Juncker hätte auch sagen können: Zwischen Brüssel und Rom herrscht Eiszeit. Seit Wochen kritisiert der italienische Premier, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt zu restriktiv ausgelegt werde, was das fragile Wirtschaftswachstum in Italien gefährde. Gleichzeitig beklagt Renzi eine angebliche Vorherrschaft Deutschlands in der EU. Schon Mitte Dezember hatte er in einem Interview mit der Financial Times gefordert: Europa muss 28 Ländern dienen, nicht nur einem. Renzis Auftritte werden nicht nur in Brüssel, sondern insbesondere auch in Berlin als unnötig geräuschvoll und theatralisch empfunden. Das Fass zum Überlaufen gebracht hat nun die einstweilige Weigerung Roms, sich an der Finanzhilfe von drei Milliarden Euro zu beteiligen, welche die Europäische Union der Türkei im Rahmen der Flüchtlingskrise zur Verfügung stellen will. Der italienische Beitrag beläuft sich auf rund 300 Millionen Euro. Juncker sprach am Freitag von einer erstaunlichen Reserviertheit Italiens, das als einziges aller EU-Länder gegen die Finanzmittel an die Türkei opponiert und damit den Kredit blockiert. Es ist offensichtlich, dass Renzi mit seinen Polemiken gegen Brüssel und Berlin zumindest teilweise innenpolitische Ziele verfolgt: Er steht unter Druck der europaskeptischen Protestbewegung von Beppe Grillo und der fremdenfeindlichen Lega Nord, die immer mehr Zulauf erhalten. Mit markigen Worten gegen die Brüsseler Bürokraten versucht Renzi, seinen Gegnern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Antwort auf Junckers Ausbruch ließ denn auch nicht lange auf sich warten: Die Zeiten, in denen unser Land mit dem Hut in der Hand in Brüssel vorgesprochen hat, sind vorbei: Italien fordert Respekt, erklärte Renzi noch am Freitagabend. Neben dem innenpolitischen Kalkül kann Renzi aber durchaus auch mit sachlichen Argumenten aufwarten. So ist es zum Beispiel nachvollziehbar, dass es in Rom nicht als selbstverständlich empfunden wird, zur Eindämmung der Flüchtlingsströme in Richtung Deutschland 300 Millionen an Ankara zu überweisen, nachdem man bei der Bewältigung des Zustroms von Bootsflüchtlingen an den eigenen Küsten jahrelang vergeblich auf die Solidarität von Brüssel und Berlin gewartet hatte. Der Kredit an die Türkei steht außerdem im Widerspruch zu den permanenten Vorhaltungen aus Brüssel bezüglich der Einhaltung der Sparvorgaben. Ins gleiche Kapitel fällt das von der EU Ende des vergangenen Jahres gegen Italien eingeleitete Verfahren wegen der nicht vollständigen Registrierung aller Flüchtlinge, die an den italienischen Küsten landen. Renzi bezeichnet dieses Verfahren als absurd und erinnert daran, dass es in erster Linie die EU-Partner seien, die ihren Verpflichtungen nicht nachkämen: Von den insgesamt 40.000 Flüchtlingen, die in zwei Jahren von Italien und Griechenland in die nördlicheren EU-Staaten hätten umgesiedelt werden sollen, haben nach drei Monaten weniger als 200 das Land verlassen können. Wir halten 90 Prozent unserer Verpflichtungen ein, die EU weniger als ein Prozent, betont Renzi. Auch in anderen Bereichen sind nach Auffassung von Rom in den letzten Monaten doppelte Standards angelegt worden – etwa bei den Russland-Sanktionen. So kritisierte Renzi im Dezember, dass die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream zwischen Deutschland und Russland trotz Sanktionen ausgebaut werden solle, während Berlin den Bau einer South-Stream-Pipeline, von der Italien profitiert hätte, verhindert habe. Rom fühlt sich veräppelt: Deutschland, das sich erfolgreich für eine Verlängerung der Sanktionen eingesetzt hatte, macht mit Moskau Geschäfte, während Italien, das bezüglich der Handelsrestriktionen auf der Bremse gestanden war, leer ausgeht. Wer entscheidet hier eigentlich? fragte Renzi. Entweder die Regeln gelten für alle oder für niemanden. Berufungsprozess in Mailand: Verdacht lautet auf Steuerbetrug. Rom – Die Mailänder Staatsanwaltschaft hat am Dienstag drei Jahre und zwei Monaten Haft für Piersilvio Berlusconi, Sohn von Italiens ehemaligem Premier Silvio Berlusconi, gefordert. Berlusconi Junior, Vizepräsident des TV-Konzerns Mediaset ist zusammen mit anderen Managern der Fernsehgruppe im Rahmen eines Berufungsprozesses in Mailand wegen Steuerbetrugs angeklagt. Wegen desselben Vorwurfs wurde eine Haftstrafe von drei Jahren und vier Monaten für Mediasets Verwaltungsratschef, Fedele Confalonieri, seit Jahren rechte Hand Berlusconis, beantragt. Der Prozess läuft gegen weitere sieben Mediaset-Manager. Bei einem erstinstanzlichen Prozess waren sie alle 2014 freigesprochen worden. Gegen den Freispruch hatte die Mailänder Staatsanwaltschaft jedoch Einspruch eingereicht. Zu den Angeklagten im Prozess zählt auch der US-Filmproduzent Frank Agrama. Mithilfe Agramas soll Berlusconis Gruppe Filmrechte zu überhöhten Preisen gekauft haben, um Schwarzgeld auf geheimen Bankkonten hinterlegen zu können, lautet der Vorwurf der Mailänder Staatsanwaltschaft. Auf Bankkonten in Steuerparadiesen sollen so 34 Millionen Dollar (25,6 Mio. Euro) angehäuft worden sein. Mastermind Casaleggio zog im Hintergrund der Fünf-Sterne-Bewegung die Fäden für Grillo. Beppe Grillo hat einmal erzählt, dass er gar nicht gewusst habe, was ein Blog überhaupt sei: Das habe ihm erst Gianroberto Casaleggio gezeigt, als dieser ihm 2005 seine Website eingerichtet habe. Der Blog des Genueser Komikers Grillo zählt seither zu den beliebtesten Internetforen Italiens und ist zugleich sein wichtigstes Kommunikationsinstrument mit seinen Anhängern. Und natürlich war der am Dienstag im Alter von 61 Jahren an einem Herzleiden verstorbene Casaleggio auch mit von der Partie, als Grillo 2009 seine Protestbewegung aus der Taufe hob. Nur vier Jahre später wurde der Movimento 5 Stelle (M5S) bei den Parlamentswahlen 2013 auf Anhieb stärkste Oppositionspartei – und heute ist die Bewegung populär wie nie zuvor: In den Umfragen nähert man sich der 30-Prozent-Marke. Bei den Kommunalwahlen in Rom von Anfang Juni gilt die 37-jährige Kandidatin Virginia Raggi als aussichtsreichste Bewerberin. Den Erfolg verdanken die Grillini nicht nur dem temperamentvollen Grillo, sondern auch dem öffentlichkeitsscheuen Casaleggio: Der esoterisch angehauchte Multimedia-Fachmann war Vordenker und Guru der Bewegung. Der Norditaliener, der mit seinen langen, grauen Locken an den einstigen deutschen Kommunarden Barden Angelo Branduardi erinnerte, war eine der obskursten Figuren in der an originellem Personal nicht armen italienischen Politik. Letztlich wusste man wenig von ihm – bekannt war eigentlich nur, dass der Vegetarier sich auf Computer verstand und dass er eine Neigung zu Verschwörungstheorien besaß. Big Data und die sozialen Medien verkörperten für Casaleggio eine Zeitenwende: Die Analyse des Nutzerverhaltens mache aus dem Internet eine Wahrsage-Maschine, mit der die Zukunft vorausgesagt werden könne. Während Grillo die Rampensau gab, schrieb Casaleggio das Nicht-Statut des M5S. Von ihm stammte auch die Methode, wie die Bewegung ihre meist völlig unbekannten Kandidatinnen und Kandidaten für die politischen Ämter auswählt: Registrierte Aktivisten geben auf Grillos Blog per Mausklick ihre Stimmen ab. Oft reichen in dieser Internetdemokratie wenige Dutzend Klicks für eine Kandidatur. Casaleggio war jeweils auch der Strippenzieher, wenn ein unbotmäßiges Mitglied aus der Bewegung ausgeschlossen werden musste – was seit den Wahlen 2013 oft vorgekommen ist. Die Macht Casaleggios war mitunter auch den Aktivisten des M5S unheimlich. Mit dem Tod des umstrittenen Gurus droht dem M5S wenige Wochen vor den Kommunalwahlen eine Führungskrise: Grillo hatte im Februar behauptet, bei der Gründung der Bewegung nur gescherzt zu haben und dass er sich in Zukunft wieder auf seine bisher sehr erfolgreiche, aber unterbrochene Komikerkarriere konzentrieren wolle – was er jetzt auch tut. Somit sieht sich die Bewegung gleich beider Überväter beraubt. Zwar haben Grillo und Casaleggio vor einigen Monaten ein neues Führungsgremium eingesetzt – in der Gestalt von fünf Abgeordneten und Senatoren – doch diese sind einander nicht alle gewogen, und es wäre keine Überraschung, wenn es unter ihnen schon bald zu einem unschönen Machtkampf käme. Vielleicht beginnen wir erst heute zu kapieren, wie wichtig die Vision und die Weitsicht von Casaleggio waren, twitterte der trauernde Grillo am Dienstag. Opposition wirft Regierung in Rom Interessenskonflikte vor. Rom – Gleich zwei Misstrauensabstimmungen hat der italienische Premier Matteo Renzi am Dienstagabend im Senat überstanden. Die Misstrauensanträge waren von Oppositionsparteien nach dem Rücktritt der Industrieministerin Federica Guidi wegen des Vorwurfs der Interessenskonflikten vor drei Wochen eingereicht worden. Vorgelegt wurden die Misstrauensanträge von der populistischen Fünf-Sterne-Bewegung, sowie von der rechtskonservativen Forza Italia um Ex-Premier Silvio Berlusconi gemeinsam mit der ausländerfeindlichen Lega Nord. Damit hofften die Oppositionskräfte, den Rücktritt von Premier Renzi zu bewirken. Renzi verfügt im Senat jedoch über eine solide Mehrheit. Die Oppositionsparteien werfen Premier Renzi Verstrickungen in einflussreiche Wirtschaftslobbys vor. Die oppositionellen Senatoren beziehen sich dabei auf eine laufende Untersuchung der Staatsanwaltschaft der Stadt Potenza zu Ölfeldern in der süditalienischen Region Basilikata, die zum Rücktritt der Industrieministerin geführt hatte. Die Ministerin, gegen die keine Justizermittlungen laufen, soll ihren Lebensgefährten über eine damals noch nicht bekannt gemachte Gesetzesänderung informiert haben, von der der sizilianische Unternehmer geschäftlich zu profitieren hoffte. Der Unternehmer, Gianluca Gemelli, ist eine Schlüsselfigur in der Untersuchung, die zur Festnahme von 37 Personen, darunter mehreren Mitarbeitern des Ölkonzerns ENI, geführt hatte. Ursprünglich ging es in der Untersuchung um illegale Giftmüllentsorgung in der Ölindustrie in Basilikata. Der Premier will eine "gigantische Kampagne" zur Modernisierung von Italiens Verfassung. Seine Feinde bringen sich in Stellung. Rom/Wien – Als Bühne hat Matteo Renzi Florenz auserkoren, seine Heimat. Die Stadt, von der er als Bürgermeister losgezogen ist, um in Rom die Macht zu übernehmen, wählte der italienische Premierminister als Ausgangspunkt für jene entscheidende Schlacht, die sein mögliches politisches Ende bedeuten kann. Mehr als zwei Jahre ist Renzi nun im Amt, und noch immer verwandelt er jede Wahl, jedes Referendum, jeden Misstrauensantrag zu einer Grundsatzentscheidung für oder gegen ihn. Selten aber hat Italiens Premier ein Vorhaben derart eng mit seinem eigenen Schicksal verbunden wie dieser Tage. Renzi ist kein Mann, der in kleinen Schritten denkt. Auch nach Florenz ist er in der vergangenen Woche gekommen, um in dramatischer Sprache Großes zu verkünden: Er starte eine gigantische Kampagne für die Modernisierung Italiens, das am Scheideweg steht. Durchs Parlament hat er das Gesetz, das eine effizientere Verwaltung vorsieht, bereits gebracht. Dem war allerdings ein langer Kampf vorausgegangen: Schließlich beschneidet damit der Senat, die zweite Kammer des italienischen Parlaments, seine eigenen Kompetenzen: Er wird kleiner und unwichtiger. Die Kritik reißt auch weiterhin nicht ab, selbst in Renzis eigenen Reihen nicht. Vor allem, weil sie den nächsten Regierungschefs deutlich mehr Macht gibt und weil Senatoren nicht mehr direkt gewählt werden. Die Bestätigung möchte Renzi nun von den Italienern, weswegen er in Florenz die Mutter aller Reformen und die größte aller Schlachten ausruft: Wenn ich verliere, gehe ich nach Hause. Es ist bei weitem nicht das erste Mal, dass Matteo Renzi das Durchsetzen seiner Vorstellungen an sein politisches Überleben knüpft. Das mag mitunter größenwahnsinnig klingen, bisher aber hat es ihm stets den Rücken gestärkt. Die erste Probe erfolgte mit den Wahlen zum EU-Parlament gleich zwei Monate nach seiner Ernennung zum Regierungschef, der jüngste Test ist gerade zwei Wochen her: Am 18. April scheiterte ein Referendum über die Begrenzung von Öl- und Gasbohrungen vor den Küsten des Landes an einer zu geringen Beteiligung, was Renzi zum Sieg uminterpretierte, da er die Italiener indirekt aufgerufen hatte, sich zu enthalten. Vom Überleben seiner Verfassungsreform jedoch, das hat Renzi deutlich gemacht, hänge nicht nur sein Amt als Premier ab, sondern davon mache er gleich seine gesamte politische Zukunft abhängig. Wie es um diese steht, lässt sich allen bisher veröffentlichten Umfragen nach derzeit nicht abschätzen, nicht einmal vorsichtig: Gefragt, ob die Italiener für oder gegen die Reform sind, ergibt sich einmal ein haushohes Pro, einmal ein knappes Kontra. Die Tendenz bleibt unklar. In der Zwischenzeit bringen sich Renzis politische Gegner in Stellung: Der Parteisekretär der Lega Nord, Matteo Salvini, steht ebenso bereits in den Startlöchern wie der ehemalige Premierminister Silvio Berlusconi mit seiner Forza Italia (FI). Wobei allmählich klar wird, wer der eigentliche Hauptgegner aus dem rechten Lager ist. Der aufstrebende Salvini macht keinen Hehl daraus, dass er nicht nur das 20-jährige Bündnis zwischen Lega Nord und Berlusconi für überholt befindet, sondern Berlusconi gleich mit dazu: In der Politik sei es nun einmal wie bei allem anderen im Leben, antwortete der 43-jährige Salvini kürzlich im Fernsehen auf die Frage, ob ein Mitte-rechts-Lager ohne Berlusconi bestehen könne: Alles hat ein Ende. Die Zeichen stehen tatsächlich schlecht für Berlusconi: In den Umfragen hat ihn die Lega bereits eingeholt, immer mehr einstige Weggefährten sagen sich von ihm los. Dass er selbst nach seiner rechtskräftigen Verurteilung wegen Steuerbetrugs und Bilanzfälschung nicht kandidieren darf, macht ihn ebenso wenig attraktiv wie die schlichte Tatsache, dass er bald 80 Jahre alt sein wird. Mein Gegner, betont der selbstbewusste Salvini stets, heißt Renzi. Wahrscheinlich ist das der nächste Kampf, den Italiens Premier ausfechten muss. 'Italien erhält als letztes westeuropäisches Land ein Gesetz zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften und Ehen ohne Trauschein. Premier Renzi griff dazu einmal mehr zum Mittel der Vertrauensabstimmung. Italiens Premier feierte den Sieg, bevor dieser feststand: Heute ist ein Festtag für viele – für alle, die sich endlich anerkannt fühlen, schrieb Matteo Renzi schon am Mittwochvormittag auf seiner Facebook-Seite. Und: Gesetze würden für Personen gemacht, nicht für Ideologien. Der Regierungschef konnte sich den vorzeitigen Jubel leisten. In der Abgeordnetenkammer, in der das Gesetz über die unioni civili (zivilen Partnerschaften) am Mittwoch endgültig verabschiedet werden sollte, verfügt seine Regierung über eine solide Mehrheit. Das bestätigte sich in der Vertrauensabstimmung, die die Regierung mit 369 zu 193 Stimmen überstand. Das Gesetz selbst wurde schließlich, noch deutlicher, mit 372 zu 51 Stimmen angenommen. Die Vertrauensfrage ist ein brachiales Instrument – es bedeutete, dass die Abgeordneten zum Gesetz keine Abänderungsanträge mehr stellen konnten und die Vorlage in der vom Senat bereits im Februar verabschiedeten Form zur Abstimmung gelangte. Die Opposition bezeichnete dieses Vorgehen als undemokratisch und als Missachtung des Parlaments. Reformenministerin Maria Elena Boschi konterte, das es sich bei den zivilen Partnerschaften um ein zentrales Projekt im Regierungsprogramm handle, was das Stellen der Vertrauensfrage rechtfertige. Tatsächlich hatte Renzi das Gesetz zur persönlichen Prestigeangelegenheit erhoben: Wir schreiben heute ein weiteres wichtiges Kapitel für das Italien, das wir wollen, erklärte der Premier. Italien war bis Mittwoch das einzige westeuropäische Land, in dem weder ein Rechtsrahmen für homosexuelle Partnerschaften noch Regelungen für die hunderttausenden Ehen ohne Trauschein existierten. Diese Lücke ist nun geschlossen. Das italienische Gesetz orientiert sich am deutschen Modell der eingetragenen Partnerschaften. Homosexuelle und unverheiratete heterosexuelle Paare werden, nachdem sie sich amtlich haben registrieren lassen, künftig in Steuer- und Erbschaftsfragen, bei Pensionen und in diversen anderen Bereichen den traditionellen Ehepaaren weitgehend oder vollständig gleichgestellt. Sie können künftig den Nachnamen ihres Partners oder Doppelnamen annehmen Vor den Parlamentswahlen in Kroatien an diesem Sonntag liegt die konservative HDZ in Umfragen vor den regierenden Sozialdemokraten. Dieses Jahr ist die Welt nach Tovarnik gekommen. Als Ungarn die Grenzen nach Serbien zumachte, kamen von einem Tag auf den anderen tausende Menschen in den Ort mit den zwei Cafés, der Tankstelle und dem Lokal, wo man Cevapi essen kann. Die Tovarniker standen staunend auf der Straße und sahen zu, wie die Polizei die Flüchtlinge in Busse geleitete, dann sammelten sie den Müll ein. Am nächsten Tag kamen wieder Tausende. Nur geblieben ist bislang kein Einziger. Prägt das Thema die Wahlen diesen Sonntag? Josef Gross, 63, ein Landwirt, der in der Cevabdzinica sitzt, schüttelt den Kopf. Die Flüchtlinge sind hier nicht wahlentscheidend, sagt er. Alle Leute hier würden ihnen helfen, egal ob Sozialdemokraten oder konservative HDZ-Wähler. Die tun uns ja leid, die haben alles verloren, erklärt Gross. Die Leute hier in Slawonien wissen, was Flucht bedeutet. Dieses Eck von Kroatien war zwischen 1991 und 1995 von serbischen Einheiten besetzt. Die Kroaten wurden vertrieben. Auch Herr Gross. Er kam erst nach zehn Jahren wieder zurück, verbrachte eine Zeit in Österreich und in Norwegen. Ein Teil seiner Familie musste bereits nach dem Zweiten Weltkrieg flüchten, denn seine Mutter Anna Gross kam aus einer deutschsprachigen Familie. Die Schwabas – wie man sie hier in der Region nennt – galten kollektiv als Verräter. Anna Gross hatte aber Glück und konnte in Jugoslawien bleiben. Deshalb hört Gross immer auch ein wenig seine Mutter, wenn jemand Deutsch spricht. Er hofft, dass die HDZ gewinnen wird. In Slawonien wird traditionell eher rechts gewählt, das hat nichts mit den Flüchtlingen zu tun. Die Kommunisten sollen endlich weg, plädiert Gross für einen Machtwechsel – in den vergangenen vier Jahren führten die Sozialdemokraten die Regierung. Die lieben ja Kroatien nicht einmal, die waren eigentlich für Jugoslawien. Und hier werden sie von den Serben gewählt, weil die sich dann mehr Chancen ausrechnen, sagt er. In Slawonien hallt der Krieg noch immer nach. Den Umfragen zufolge wird die HDZ die Mehrheit der 151 Mandate im Parlament bekommen – etwa 66. Die Wahrscheinlichkeit einer Mitte-rechts-Regierung ist auch deshalb höher, weil die HDZ mehr Koalitionsoptionen hat. Zu den potenziellen Partnern gehören nicht nur die acht Mandatare, die die Minderheiten vertreten. Die Parteien zweier Politiker, die mit dem Gesetz in Konflikt gerieten, jene des Bürgermeisters von Zagreb, Milan Bandic (Korruptionsvorwürfe), und jene von Exminister Radimir Cacic (Unfall mit Todesfolge) könnten auch mit der HDZ zusammenarbeiten. Die Sozialdemokraten (SDP) können nur mit der istrischen Regionalpartei IDS, die vielleicht drei Parlamentarier haben wird, rechnen. Fraglich ist, wer überhaupt zur Wahl geht. In Zagreb haben viele jegliches Interesse an Politik verloren. Der 50-jährige Goran K. kann sich mit keiner Regierung anfreunden. Und die Flüchtlinge? Er findet, dass man ihnen helfen sollte, bedenkt aber, dass sich die demografische Struktur in Europa stark verändern wird. Was ihn am meisten besorgt, ist aber die tiefe Krise, in der Kroatien seit Jahren steckt – wirtschaftlich wie gesellschaftlich. Es geht darum, ob es vorwärts oder rikverts geht, sagt er und verwendet dabei das deutsche Wort rückwärts. Dann zieht er seinen Hut zurecht und geht aus dem Einkaufszentrum, hinaus in den Regen. Die 33-jährige Schauspielerin Maja S. wartet auf ihr Kind, das im Treppenhaus des Shoppingcenters hin und her läuft. Sie hat Angst vor den Rechten, Angst davor, dass mit der HDZ jene an die Macht kommen, die gegen Ausländer, Schwule und alle anderen sind. Kroatien sei gespalten zwischen denen, die helfen wollen, und denen, für die Flüchtlinge potenzielle Terroristen seien. Maja will die grün angehauchte Partei Orah wählen. Eine ältere Dame, die die Rolltreppe herunterfährt, glaubt, dass die Amerikaner an der Flüchtlingskrise schuld sind. Und wählen? Nein, wählen gehe ich schon lange nicht mehr, sagt sie. Wahlbündnisse rund um HDZ und Sozialdemokraten auf neue Partei Most angewiesen – Mitte-links-Koalition wahrscheinlich. Der Wille zur Macht schien noch in der Wahlnacht zu obsiegen. Die neue kroatische Partei Most – zu Deutsch Brücke – beteuerte vor der Wahl noch, gar nicht in die Regierung zu wollen. Nach dem überraschenden Erfolg – Most wird wohl 19 der 151 Mandate bekommen – interpretiert man das nun ganz anders. Most-Politiker Drago Prgomet wird bereits gerüchteweise als neuer Premier in einer Mitte-links-Koalition gehandelt. Prgomet sagte am Montag, dass man nicht aus der Verantwortung fliehen könne und nur gegen eine Regierung sei, die die von Most gewünschten Reformen nicht umsetze. Tatsächlich ist nach der Wahl am Sonntag eine Koalition ohne Most nicht möglich. Zurzeit stehen die Chancen für die Sozialdemokraten besser, obwohl das Wahlbündnis rund um die konservative HDZ die meisten Stimmen bekam. Der sozialdemokratische Premier Zoran Milanović ging noch in der Wahlnacht auf Most zu. Er sagte, man wolle als Partner und nicht als führende Kraft in einer künftigen Koalition agieren – und schloss damit nicht aus, dass auch der Premiersposten an die Neuen gehen könnte. Weitere Gründe sprechen für die Konstellation: Weil die istrische Partei IDS nur mit der SDP zusammenarbeiten will, liegen das HDZ-Wahlbündnis im Parlament (Sabor) und das linke Bündnis rund um die SPD mit der IDS mit jeweils 59 Mandataren gleichauf. Die HDZ kann also kaum mit Überlegenheit argumentieren. Auch inhaltlich würden SDP und Most besser zusammenpassen. Zur bankenkritischen Most gehört etwa der Ökonom Ivan Lovrinović, der sich für Leute, die durch die hohen Zinsen der Frankenkredite in Not kamen, einsetzte. Er handelte mit der Mitte-links-Regierung einen Deal aus. Es gibt also bereits Kontakte. Most-Politiker Drago Prgomet stammt wiederum eigentlich aus der HDZ, wurde dort aber von Parteichef Tomislav Karamarko hinausbefördert, was nicht gerade als gute Basis für eine künftige Kooperation zu sehen ist. Zudem wandte sich die HDZ vorerst noch gar nicht an Most. Progmet schloss aber am Montag keine Option aus. Staatspräsidentin Kolinda Grabar-Kitarović, die HDZ-treu und parteiisch agiert, kündigte an, dass die HDZ relative Wahlgewinnerin sei. Laut Verfassung muss sie aber jenen mit der Regierungsbildung beauftragen, der in der Lage ist, eine Mehrheit im Sabor zu bilden, also mindestens 76 der 151 Parlamentarier hinter sich zu sammeln. Eine große Koalition wird zurzeit ausgeschlossen. Most werde sich nun in erster Linie fragen, in welcher Regierung sich die Partei am ehesten weiterentwickeln könne und wo sie ihren Einfluss durchsetzen kann, meint der Politologe Dejan Jović zum STANDARD. Die Partei habe nun pragmatische Gründe zusammenzubleiben. Der Erfolg hilft, sich zu vereinen, so Jović. Er zeigt, dass es den Versuch gibt, mehr Pluralismus einzuführen. Die Partei Most hat ihre Basis bei Lokalpolitikern wie dem Bürgermeister von Metković, Bozo Petrov. Petrov kommt aus der ultrakonservativen Bewegung Eiche, die sich für katholische Werte einsetzt. Gewonnen hat er aber in Metković damit, dass er Gehälter für Politiker kürzte, teure Dienstwagen abschaffte und ganz auf Effizienz setzte. Most will die Anzahl der Gespanschaften (Kreise) von 20 auf sechs reduzieren. Der große Zulauf zu Protestparteien ist nicht neu. Bei der Präsidentschaftswahl vor einem Jahr bekam der bankenkritische Kandidat Ivan Vilibor Sinčić auf Anhieb mehr als 16 Prozent der Stimmen. Most hat neben Lovrinović als Experten auch den Rechtsprofessor Robert Podoljnak an Bord und ist damit auch für jene attraktiv, die mehr Sachpolitik wollen. Sie gelten als moralische Opposition, sagt der Analytiker Davor Gjenero. Ein Abgeordneter aus der Partei ausgeschlossen. Zagreb – Die neue kroatische Partei Most (Brücke), die als Reformkraft bei den Parlamentswahlen aus dem Stand drittstärkste Kraft geworden war, hat sich gespalten. Drago Prgomet, einer von 19 Abgeordneten im neuen Parlament, sei aus der Partei ausgeschlossen worden, teilte Most auf ihrer Facebook-Seite mit. Er habe eigenmächtig Koalitionsgespräche mit dem amtierenden sozialdemokratischen Regierungschef Zoran Milanovic geführt und damit das Vertrauen vollständig zerstört, wurde der Schritt begründet. Außer Prgomet hatten noch mehrere andere Most-Politiker an den Koalitionsgesprächen teilgenommen. Die neue Partei wollte die etablierten Großen, die seit einem Vierteljahrhundert die Regierungen unter sich ausgemacht hatten, zu tief greifenden Reformen zwingen. Wie es mit der Regierungsbildung weitergeht, ist im jüngsten EU-Mitglied Kroatien völlig offen. Die beiden Großparteien, die Sozialdemokraten (SDP) und die konservative Oppositionspartei HDZ, haben mit Partnern jeweils nur 59 Sitze im Parlament mit 151 Abgeordneten. Nach dem Votum am vergangenen Sonntag ist Most für eine klare Mehrheit unverzichtbar. Zagreber Gericht hob Untersuchungshaft auf – Verfassungsgericht hatte Verlängerung der U-Haft für gesetzeswidrig erklärt. Zagreb – Der kroatische Ex-Premier Ivo Sanader kommt frei. Das Zagreber Landesgericht hob am Mittwoch die Untersuchungshaft auf, berichteten kroatische Medien. Am Nachmittag sollte der 62-Jährige das Gefängnis in Remetinec, wo er die letzten drei Jahre verbrachte, bereits verlassen. Das Landesgericht reagierte damit auf eine Entscheidung des Verfassungsgerichts. Dieses hatte am Vortag erklärt, dass die Verlängerung der U-Haft Ende September gesetzeswidrig gewesen sei. Der Oberste Gerichtshof hatte damals das Korruptionsurteil gegen Sanader im Fimi-Media-Fall aufgehoben, die U-Haft aber mit Berufung auf Fluchtgefahr verlängert. Laut dem Höchstgericht wurden die Haftgründe nicht ausreichend erklärt, um eine Fluchtgefahr zu rechtfertigen, hieß es in der Entscheidung, mit der einer weiteren Verfassungsbeschwerde Sanaders stattgegeben wurde. Das Verfassungsgericht ordnete an, dass der Ex-Premier spätestens am 30. November freigelassen werden muss, wenn das zuständige Gericht bis dahin keine neue Verlängerung der U-Haft aufgrund relevanter Gründe beschließt. Der Ex-Premier wird nach Angaben seiner Anwälte ohne jegliche Sicherheitsauflagen freigelassen werden. Seit der Aufhebung des Urteils hatte er vergeblich versucht, mit einer Kaution freizukommen. Die angebotenen Immobilien, die für die Kaution hinterlegt werden sollten, wurden vom Gericht abgelehnt. Im Fall Fimi Media war Sanader im Jahr 2014 wegen Plünderung der Staatskassen zu neun Jahren Haft und knapp zwei Millionen Euro Strafe verurteilt worden. Das Oberste Gericht hat Ende September dieses erstinstanzliche Urteil aufgehoben und eine Neuaufrollung des Prozesses angeordnet. Zuvor hatte das Verfassungsgericht Ende Juli zwei weitere rechtskräftige Urteile in den Korruptionsaffären rund um den ungarischen Mineralölkonzern MOL und die Kärntner Hypo Alpe Adria aufgehoben und zur Neuverhandlung zurückverwiesen. Nach Rücktritten wegen Abhöraffäre. Warschau - Polen hat seit Dienstag drei neue Minister. Präsident Bronislaw Komorowski ernannte die von Regierungschefin Ewa Kopacz am Montag vorgeschlagenen Kandidaten. Neuer Schatzminister wurde Andrzej Czerwinski, bisher Vorsitzender des Parlamentsausschusses für Energie und Rohstoffe. Der Herzchirurg Marian Zembala übernahm die Leitung des Gesundheitsministeriums und der ehemalige Olympiateilnehmer Adam Korol das Sportministerium. Ihre Vorgänger waren in der vergangenen Woche zurückgetreten, nachdem Ermittlungsakten zu einer ein Jahr zurückliegenden Abhöraffäre um belauschte Politikergespräche im Internet veröffentlicht worden waren. Quorum nicht erreicht. Warschau – In Polen ist eine Volksabstimmung über die Einführung des Mehrheitswahlrechts gescheitert. Wie die Wahlleitung am Montag mitteilte, nahmen am Sonntag lediglich 7,8 Prozent der mehr als 30 Millionen Wahlberechtigten an dem Referendum teil. Für eine gültige Abstimmung wäre eine Wahlbeteiligung von mehr als 50 Prozent erforderlich gewesen. Bei dem Votum sollten die Wähler entscheiden, ob künftig jene Kandidaten ins Parlament einziehen, die in ihren Wahlkreisen die meisten Stimmen erhalten. Bisher wird in Polen nach einer Mischung aus Mehrheits- und Verhältniswahlrecht, bei dem Parteien Wahllisten aufstellen, über die Verteilung von Abgeordnetenmandaten entschieden. Unter den Wählern, die sich an der Volksabstimmung beteiligten, fand eine Wahlrechtsänderung allerdings Zustimmung: Rund 79 Prozent plädierten für das Mehrheitswahlrecht. Das Referendum ging auf eine Initiative von Ex-Präsident Bronislaw Komorowski zurück. Die Polen sollten zudem ihr Votum über die Parteienfinanzierung aus öffentlichen Mitteln und das Steuerrecht abgeben. Russischer Botschaft soll ins Außenministerium zitiert werden. Warschau/Moskau – Neuer diplomatischer Streit zwischen Polen und Russland: Der polnische Außenminister Grzegorz Schetyna will am Montag den russischen Botschafter Sergej Andrejew ins Außenamt zitieren. Grund ist ein Interview des Fernsehsenders TVN24, in dem der Diplomat am Freitagabend Warschau vorwarf, die Kontakte zu Moskau einzufrieren. Die polnisch-russischen Beziehungen sind nach Andrejews Worten auf dem schlechtesten Stand seit 1945. Zudem warf er Polen Mitschuld beim Ausbruch des Zweiten Weltkriegs vor. Die damalige polnische Regierung habe vielfach den Bau einer Anti-Hitler-Koalition blockiert, sagte er. Polen war daher teilweise verantwortlich für die Katastrophe im September 1939. Schetyna sagte am Samstag, der Botschafter solle Stellung nehmen zu seinen Äußerungen, die mangelnde Geschichtskenntnis zeigten. In den vergangenen Wochen war es zwischen Warschau und Moskau zu Streit über die Demontage sowjetischer Denkmäler in Polen gekommen. Am Freitag hatte das Moskauer Außenministerium die polnische Botschafterin Katarzyna Pelczynska-Nalecz nach Berichten über die Zerstörung eines sowjetischen Soldatenfriedhofs in Nordostpolen einbestellt. Russland warf Polen daraufhin Vernachlässigung ihrer Pflichten zum Schutz sowjetischer Gedenkstätten vor. Hinter dem Wahlsieg der Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) stehen auch strukturelle Gründe, sagt Politologe Karolewski. STANDARD: Polen blickt auf Jahre der Stabilität zurück, mit hohen Wachstumsraten und vielen neuen Arbeitsplätzen. Warum hat die regierende Bürgerplattform (PO) die Wahl so deutlich verloren? Karolewski: Das Bruttoinlandsprodukt hat sich in den letzten zehn Jahren verdoppelt. Fast verdoppelt hat sich zuletzt aber auch die Arbeitslosigkeit der 18- bis 29-Jährigen. Sie liegt heute bei etwa 25 Prozent. Junge Leute haben an Perspektive eingebüßt. Die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), die früher vor allem schlechter ausgebildete Wähler in ländlichen Gebieten angesprochen hat, konnte bei vielen dieser jungen Leute punkten – auch bei solchen mit höherer Bildung. STANDARD: Auch wer Arbeit hat, klagt in Polen häufig über prekäre Beschäftigungsverhältnisse. Spielte das im Wahlkampf eine Rolle? Karolewski: Ja, die sogenannten Müllverträge waren ein großes Thema. Selbst junge Menschen mit Hochschulabschluss haben kaum Chancen, unbefristete Verträge zu bekommen. Meistens haben sie nur Werkverträge oder Arbeitsverhältnisse auf Zeit. STANDARD: Die ungleiche Verteilung von Reichtum und Chancen wäre doch ein klassisches Thema für die Linke. Warum konnte sie daraus kein Kapital schlagen? Karolewski: Erstens ist mit Razem (Zusammen, Anm.) eine neue linke Partei aufgetaucht, die moderner erscheint. Das sind junge Leute, die eine westeuropäische Version linker Politik vertreten. Sie sind, anders als Teile des Wahlbündnisses Vereinigte Linke (ZL), nicht belastet durch die kommunistische Vergangenheit und haben der ZL Stimmen weggenommen. Zweitens haben sich innerhalb des Wahlbündnisses ZL Parteien zusammengefunden, die eigentlich gar nicht zueinandergepasst haben. STANDARD: Was war außer den wirtschaftlich-strukturellen Gründen noch ausschlaggebend für die Wahlniederlage der PO? Karolewski: Der Abhörskandal vergangenes Jahr hat den Zynismus der Macht verdeutlicht und die Regierungsparteien für viele Menschen unsympathisch gemacht. Das hat eine Rolle gespielt. Genau wie die Entscheidung des PO-Politikers Donald Tusk, 2014 als Premier zurückzutreten, um EU-Ratspräsident zu werden, oder die Niederlage von Bronislaw Komorowski bei der Präsidentenwahl – und seine Annahme, dass er dabei gar nicht verlieren kann. Der PiS ist es gelungen, eine Wendestimmung zu erzeugen, während die Hauptbotschaft der PO nur das Bewahren des Erreichten war. STANDARD: Hat sich die PiS, die noch zur Zeit ihrer Wahlniederlage 2011 als EU- und deutschlandfeindlich galt, verändert? Karolewski: Andere Leute werden nun andere Akzente setzen. Aber die Europafeindlichkeit der PiS ist auch ein Klischee. Der Lissabonner Vertrag etwa wurde unter einer PiS-Regierung ausgehandelt. Die PiS ist eine nationalkonservative Partei, aber sie ist nicht ultranationalistisch. Mit dem französischen Front National oder der ungarischen Jobbik ist sie nicht zu vergleichen. Wahlkommission gibt Sitzverteilung erst am Dienstag bekannt. Warschau – Bei der Parlamentswahl in Polen hat die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) 37,58 Prozent der Stimmen erhalten. Dies geht aus dem am Montag veröffentlichten amtlichen Endergebnis hervor. Die bisher regierende liberale Bürgerplattform (PO) der scheidenden Ministerpräsidentin Ewa Kopacz erhielt demnach 24,09 Prozent. Die Verteilung der Sitze wollte die Wahlkommission erst am Dienstagabend bekannt geben. Laut Nachwahlbefragungen kommt die Partei des früheren Regierungschefs Jaroslaw Kaczynski mit 242 der 460 Sitze im Parlament auf die absolute Mehrheit. Die PO erhält demnach nur 133 Mandate. Linke Parteien schafften es gar nicht ins neue Parlament. Nach der für Dienstagabend erwarteten Bekanntgabe der Sitzverteilung legt der nationalkonservative Präsident Andrzej Duda den Termin für die konstituierende Sitzung des Parlaments fest, das spätestens bis zum 24. November erstmals zusammenkommen muss. Eine Kundgebung im polnischen Wrocław, bei der antiislamische und antisemitische Parolen geschmettert wurden, löste Bestürzung aus. Der braune Sumpf an Verachtung, Hass und Niedertracht schwappt nun auch in Polen an die Oberfläche. Bisher war bei Attacken auf Ausländer, Juden, Muslime oder Homosexuelle immer wieder von Einzelfällen die Rede. Staatsanwälte und Richter verharmlosten das Gebrüll von Fußballrowdys, die in Stadien Juden ins Gas oder Haut ab nach Auschwitz riefen. Auch die Schändungen jüdischer Friedhöfe gingen meist als dumme Jungenstreiche durch. Jetzt aber brannte vergangene Woche auf dem Rathausplatz der niederschlesischen Metropole Wrocław (Breslau) eine Juden-Puppe mit Schläfenlocken, schwarzem Kaftan und einer Europaflagge in der Hand. Unter dem Gebrüll Bóg, honor i ojczyzna! – Gott, Ehre und Vaterland – von knapp hundert rechtsradikalen Demonstranten übergoss der makabre Zeremonienmeister den Juden mit Benzin und zündete ihn an. Polen den Polen, skandierte einer der Organisatoren auf der mobilen Bühne vor dem Rathaus. Die Skinheads und Rechtsradikalen vom Nationalradikalen Lager (ONR) und der Allpolnischen Jugend schrien es ihm nach und schwenkten die weiß-rote polnische Flagge. Kein Islam in Polen! Keine muslimischen Terroristen! Gegen die EU! Für ein nationales Polen! Gut zehn Minuten lang brannten der Jude und die EU-Flagge lichterloh. Dennoch griff die Polizei nicht ein. Passanten gingen gleichgültig weiter oder trauten sich – angesichts der passiven Polizei – nicht gegen die Hassdemonstranten vorzugehen. Die Allpolnische Jugend, deren Vertreter seit den Wahlen am 25. Oktober auch im polnischen Parlament sitzen, macht die Juden für die angebliche Islamisierung Europas verantwortlich. Die Flüchtlinge seien in Wirklichkeit Sozialschmarotzer oder gar Terroristen. Auf dem größten Transparent war zu lesen: Sie kommen hierher, um unsere Welt zu verändern, um zu zerstören, abzufackeln und zu vergewaltigen! Von der Bühne hetzte Jarosław Bogusławski: Jemand gibt ihnen Geld – für die Boote, für die Waffen in Europa. Jemand finanziert diese ganzen Ausschreitungen. Wir müssen wissen, wer das tut. Noch weiß ich es nicht – noch nicht! Danach schallte die Stimme einer anderen Rechtsradikalen über den ganzen Rathausplatz: Ich wende mich an die Anhänger der falschen Multikulti-Ideologie, an diejenigen, die die Mörder in die Europäische Union eingeladen haben. Diese Mörder, diese Islamisten, diese Fundamentalisten werden sich nicht assimilieren. Sie werden Terror säen, vergewaltigen und töten. Ihr, die ihr diese Menschen zu uns eingeladen habt, habt das Blut der Opfer von Paris an den Händen. Kaum war die Demonstration vorbei, veröffentlichte die Wrocławer Lokalausgabe der Gazeta Wyborcza auch schon einen Bildbericht sowie auf der Internetseite ein Video von der Verbrennung der Juden-Puppe. Der Oberbürgermeister von Wrocław, Rafał Dutkiewicz, verurteilte die Demonstration aufs Schärfste: In Breslau ist kein Platz für Rassismus und Xenophobie. Wir werden mit aller Entschiedenheit unsere Werte verteidigen: Offenheit, Toleranz und kulturelle Vielfalt. Dutkiewicz zeigte die Demonstranten bei der Staatsanwaltschaft an. Fassungslos über die Entwicklung zeigt sich Aleksander Gleichgewicht. Für die Jüdische Gemeinde in Wrocław gab er eine Erklärung ab. Es könne nicht sein, dass ungelöste politische Weltprobleme, die auch unser Land betreffen können, keine verantwortungsvolle Diskussion in Polen auslösen, sondern zur Rechtfertigung einer immer größer werdenden Welle von braunem Rassismus dienen, von Chauvinismus, Antisemitismus und primitivem Antiislamismus. Besonders enttäuscht sei er über die Passivität von Polizei, Staatsanwaltschaft und Politikern. In einigen Wochen schon werde Wrocław die Kulturhauptstadt Europas 2016 sein. Unsere wunderbare Stadt darf nicht von diesen zynischen und rassistischen Schurken in den Dreck gezogen werden. Auch die neue linke Partei Razem (Gemeinsam), die es bei den Wahlen noch nicht ins Parlament schaffte, aber gute Chancen auf den Einzug in vier Jahren hat, verurteilte die Kundgebung scharf und erstattete Anzeige. Polens Präsident Andrzej Duda und die neue Premierministerin Beata Szydło hingegen schwiegen bisher. Ihr Problem: Die meisten Slogans der Rechtsradikalen von Wrocław klangen schon so ähnlich in deren eigenen Wahlkampagne an. Polens rechtsnationale Regierung will trotz der Zusicherung des Vorgängerkabinetts an die EU keine Kriegsflüchtlinge aufnehmen – es sei denn, die EU könne für jeden einzelnen Flüchtling eine Sicherheitsgarantie abgeben. Proteste vor Verfassungsgericht. Warschau – Der Streit um Polens neue Regierung und die ihr von Kritikern vorgeworfene Einflussnahme auf das Verfassungsgericht spitzt sich weiter zu. Am Donnerstag kam es in Warschau zu Protesten vor dem Gericht. Die bei Facebook ins Leben gerufene Bürgerbewegung Komitee zum Schutz der Demokratie (KOD) demonstrierte gegen die Regierung, der sie eine Bedrohung der Demokratie vorwirft. Es sind schon jetzt fast 150 Leute gekommen, ich hatte mit insgesamt 30 gerechnet, freute sich KOD-Gründer Mateusz Kijowski. Die Veranstalter rechneten im Laufe des Tages mit weiteren Unterstützern. Auch eine deutlich kleinere Gruppe von Regierungsanhängern versammelte sich vor dem Verfassungsgericht. Die seit zwei Wochen amtierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hatte fünf vom alten Parlament gewählte Verfassungsrichter durch eigene Kandidaten ersetzt. Angeheizt wurde der Protest durch die Vereidigung von vier neuen Richtern in der Nacht zum Donnerstag durch Präsident Andrzej Duda. Den Kandidaten der Vorgängerregierung hatte er dies verweigert. Hochrangige Juristen warfen ihm Verfassungsbruch vor. Es ist ein Skandal, sagte Kijowski während des Protests. Mit der ganztägigen Aktion wollen die KOD-Anhänger ihre Solidarität mit dem Gericht kundtun und weitere Bürger zum Widerstand ermutigen. Bei Facebook hat die Gruppe, die ihre Arbeit fast zeitgleich mit der Regierung aufnahm, bereits rund 40.000 Anhänger. Die neue rechtsnationale Führung wird Polen nicht so leicht umbauen können, in der Bevölkerung regt sich Widerstand. Weiß-rote Fahnen, so weit das Auge reicht: Tausende Demonstranten marschierten am Sonntag bei Eiseskälte, Wind und Regen durch Polens Hauptstadt Warschau, allen voran Jaroslaw Kaczynski, Chef der rechtsnationalen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und zurzeit der mächtigste Mann Polens. Kaczynski, der in den Jahren 2006 und 2007 Premier Polens war und nach dem Unfalltod seines Zwillingsbruders Lech in Smolensk versucht hatte, ihn als Präsidenten Polens zu beerben, klagte in einer flammenden Rede auf dem Drei-Kreuz-Platz die anderen an, politische Heuchler zu sein. Sie würden die Demokratie nicht verteidigen, wie sie behaupteten, sondern den Siegern der Parlamentswahlen vom Oktober das Recht verweigern, Polen zu regieren. Wir haben die Wahlen gewonnen, und sie erlauben uns nicht, dieses Land umzubauen. Polen muss aber umgebaut werden, und das muss ein großer Umbau sein, empörte er sich. Diejenigen, die in der Zeit der Volksrepublik verhindert hätten, dass der polnische Papst Johannes Paul II. ein drittes Mal das damals kommunistisch regierte Polen besuchte, würden jetzt auch gegen die PiS-Regierung mobilmachen. Diejenigen, die da angeblich für die Demokratie kämpften, hätten nur die Interessen einer kleinen Gruppe im Auge. Sie hätten sich den Fremden im Ausland verkauft oder auch denjenigen im Lande, die nichts mit den Interessen der Mehrheit der Polen gemein hätten. Deren Widerstand müssen wir brechen. Das schaffen wir! Auch Journalisten, die der neuen Regierung und ihren Parteigängern nicht genehm sind, waren Ziel der Kritik: Ein Priester rückte der linksliberalen Tageszeitung Gazeta Wyborcza mit einer Teufelsaustreibung zu Leibe. Umringt von Mitgliedern nationalkonservativer Gruppen aus dem Umfeld der PiS, sprach er vor dem Warschauer Verlagshaus des Blattes ein Exorzismusgebet. Die Teilnehmer der Aktion trugen unter anderem ein Transparent mit der Aufschrift Kreuzzug für das Vaterland. Nur einen Tag zuvor, am Samstag, hatte in Warschau noch eine völlig andere Stimmung geherrscht. Auf dem Protestmarsch des Komitees zur Verteidigung der Demokratie hatten Demonstranten neben polnischen auch zahlreiche EU-Flaggen geschwungen. 50.000 Gegner der seit einem Monat regierenden PiS protestierten gegen die Politik der neuen Minister und der PiS-Abgeordneten im Parlament. Vor dem Verfassungsgericht skandierten sie de-mo-kra-cja (Demokratie) und kon-sty-tu-cja (Verfassung). Mit den Hymnen Freude schöner Götterfunken und Noch ist Polen nicht verloren machten sich diejenigen gegenseitig Mut, die die polnische Demokratie in Gefahr sehen. Auch in Krakau, Breslau, Posen, Stettin und mehreren kleineren Städten demonstrierten Menschen gegen die Regierung. Mehrheit bedeutet nicht Diktatur, sagte Mateusz Kijowski, der Gründer des Komitees zur Verteidigung der Demokratie. Es könne nicht sein, dass die neue Regierung, nur weil sie die absolute Mehrheit im Parlament habe und auch der Präsident aus den Reihen der PiS stamme, den Rechtsstaat aus den Angeln hebe. Das Verfassungsgericht sei Hüter der Verfassung. Seine Urteile seien endgültig und sowohl vom Präsidenten als auch vom Parlament zu respektieren und umzusetzen. Kijowski spielte damit auf den aktuellen Konflikt um das Verfassungsgericht an. Dabei geht es um die Besetzung von fünf Richterstellen in dem insgesamt 15-köpfigen Gremium. Die PiS weigert sich, drei Richter anzuerkennen, die noch das Vorgängerparlament ausgewählt hatte. Statt zwei der im Dezember frei gewordenen Stellen zu besetzen, hatte das neue Parlament gleich fünf parteinahe Richter ernannt, die sofort von Präsident Duda vereidigt wurden. Das ist verfassungswidrig, urteilte das Verfassungsgericht. Präsident, Premier und Parlament müssten dieses Urteil nun eigentlich umsetzen. Doch der Kampf ist noch nicht ausgestanden. PiS-Chef Kaczynski sagte in einer Sendung von TV Republika, das Urteil der Verfassungsrichter sei zweifelhaft und könne nicht in Kraft treten. Rechtsradikaler Chemiker wollte mit Bombenattacke Revolution auslösen. Warschau – Ein polnischer Chemiker ist für die Planung eines Bombenanschlags auf das Parlament in Warschau zu 13 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der Angeklagte sei fest entschlossen gewesen, seine Pläne in die Tat umzusetzen, sagte die Richterin der Agentur PAP zufolge am Montag in Krakau (Kraków). Er habe die wichtigsten Personen des Staates umbringen und eine Revolution auslösen wollen. Auch der damalige liberalkonservative Regierungschef Donald Tusk und Expräsident Bronisław Komorowski sollen Ziele des geplanten Anschlags gewesen sein. Der Mann war im November 2012 in Krakau festgenommen worden. Die Polizei fand in seinem Haus Materialien zum Bombenbau. Nach Angaben der Ermittler soll er versucht haben, zunächst zwei Studenten für den Anschlag anzuwerben. Nachdem diese absprangen, habe er seine Pläne allein fortgesetzt. Der Verurteilte soll sich an den Taten des rechtsradikalen norwegischen Attentäters Anders Behring Breivik orientiert haben. Er selbst behauptete vor Gericht, dass er von verdeckt arbeitenden Ermittlern des Geheimdienstes ABW in eine Falle gelockt worden sei. Opposition hält Gesetz für verfassungswidrig – Asselborn: EU-Kommission muss Polen vorladen. Warschau – Das polnische Unterhaus hat mit der Mehrheit der nationalkonservativen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) eine umstrittene Neuordnung des Verfassungsgerichts verabschiedet. Nach einer stürmischen Debatte stimmten am Dienstag 235 Abgeordnete für das Gesetz und 181 dagegen, berichtete die Agentur PAP. Die zweite Parlamentskammer, der Senat, hat nun 30 Tage Zeit, sich mit der Vorlage zu befassen. Sie sieht vor, dass das Verfassungsgericht Entscheidungen nur mehr mit Zweidrittel- statt mit einfacher Mehrheit fällen kann, 13 von 15 Richtern müssten beteiligt sein. Das Gericht würde damit praktisch handlungsunfähig, befürchten Kritiker. Zudem entfällt der bisherige Paragraf über die Unabhängigkeit des Gerichts. Die Opposition hält das Gesetz für verfassungswidrig und einen Versuch, das Gericht in seiner Arbeitsfähigkeit zu beschneiden und zu zerstören. Ex-Minister Andrzej Halicki von der liberalen Bürgerplattform (PO) sagte: Heute ist mit bloßem Auge zu erkennen, dass wir es mit einem schleichenden Staatsstreich zu tun haben. Anne Brasseur, die Präsidentin der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, hatte Polen noch vor übereilten Schritten gewarnt, die weitreichende Einschränkungen der Justizgewalt zur Folge hätten. Zuvor hatte sich bereits Präsident Andrzej Duda geweigert, mehrere Verfassungsrichter zu vereidigen, die noch vom früheren liberalkonservativ dominierten Parlament gewählt worden waren. Er ernannte stattdessen fünf andere Richter, die als Gefolgsleute der PiS gelten. An den vergangenen zwei Wochenenden waren Zehntausende Polen auf die Straße gegangen, um gegen den Rechtsruck unter Ministerpräsidentin Beata Szydlo zu demonstrieren. Die PiS von Ex-Regierungschef Jarosław Kaczyński verfügt seit der Wahl im Oktober über die absolute Mehrheit in beiden Kammern. Der ehemalige Präsident Lech Walesa hat die neue Regierung als eine Gefahr für die Demokratie kritisiert und zu Neuwahlen aufgerufen. Diese Regierung handelt gegen Polen, gegen das, was wir erreicht haben, Freiheit, Demokratie, ganz zu schweigen davon, dass sie uns in der ganzen Welt lächerlich macht, sagte Walesa am Mittwoch dem Sender Zet. Er rief dazu auf, ein Referendum zu organisieren, in dem die Bevölkerung ihren Unmut über die Regierung manifestieren und vorgezogene Parlamentswahlen fordern solle. Auch der Ton des derzeitigen EU-Ratsvorsitzenden Luxemburg wurde schärfer. Die Ratspräsidentschaft forderte die EU-Kommission auf, die polnische Regierung nach Brüssel vorzuladen. Die Einschränkung der Rechte des Verfassungsgerichts ist nicht akzeptabel, sagte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn am Mittwoch im Reuters-Interview. Es geht um die Grundrechte nicht nur Polens, sondern der EU, die hier verletzt werden. Deshalb müssen die EU-Kommission, das Europäische Parlament und notfalls auch der EU-Rat handeln, sagte Asselborn. Zuvor hatte er den Rechtsruck bereits als furchterregend bezeichnet, Parallelen zu sowjetischen Methoden gezogen und offen mit einem Stimmrechtsentzug auf EU-Ebene für Polen gedroht. Vizepräsident Timmermans droht polnischer Regierung mit Konsequenzen wegen Umbesetzung bei Höchstrichtern. Die EU-Kommission hat Mittwochabend ungewöhnlich rasch und in scharfer Form auf die jüngsten Entscheidungen der neuen nationalkonservativen Regierung in Polen beim Umbau des Verfassungsgerichts reagiert. In einem Schreiben an Außenminister Witold Waszczykowski und Justizminister Zbigniew Ziobro, das dem STANDARD vorliegt, fordert Vizepräsident Frans Timmermans umgehend Aufklärung über die Hintergründe der Entscheidungen sowie deren vorläufiges Aussetzen. #Poland And heres the letter pic.twitter.com/dduIAGgdRc Wie berichtet will die Regierung im Eilverfahren drei ihr politisch nicht genehme Verfassungsrichter austauschen und durch eigene Gefolgsleute ersetzen. Das polnische Parlament beschloss am Mittwoch in einem Schnellverfahren Gesetze, die die Geschäftsordnung des Höchstgerichts in diesem Zusammenhang verändern sollen. Die Kommission hält dazu fest, dass sie das als ungültig betrachte. Auch die vorzeitige Abberufung des Präsidenten des Gerichtshofs wie seines Stellvertreters durch die Regierung erachte man als ungültig – ganz so, wie es das Gericht selbst erklärt hatte. Der luxemburgische Außenminister und derzeitige EU-Ratsvorsitzende Jean Asselborn hatte deshalb zuvor Maßnahmen der EU verlangt, weil die polnische Regierung Verfassung und Demokratie ausheble. In seinem Brief erklärt Timmermans nun, dass auch die EU-Kommission den europäischen Wertekodex wahrscheinlich verletzt sieht. Er ist für Grundrechte in der EU zuständig und macht seine Ministerkollegen darauf aufmerksam, dass die Union eine Rechtsgemeinschaft sei, die Herrschaft des Rechts ein gemeinsamer Wert sei, auf dem die Union aufgebaut sei. Daher lege die Kommission besonderes Augenmerk auf Veränderungen, die die Integrität, Stabilität und das gute Funktionieren eines nationalen Verfassungsgerichtshofs untergraben könnten. Timmermans bezieht sich ausdrücklich auf ein Erkenntnis der polnischen Verfassungsrichter selbst, die die Nachnominierung dreier Richter durch die neue Regierung als irregulär einstuften. Solange das nicht geklärt sei, müssten alle weiteren Entscheidungen unterbleiben, erklärte der Stellvertreter von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Er erwarte, sofort über den Stand des Verfahrens informiert zu werden. Eine solche Erklärung der Kommission gegenüber einer Regierung eines Mitgliedslandes ist selten, wobei der scharfe Ton diesmal besonders auffällig ist. Zuletzt hatte es ähnlich Schritte gegenüber der ungarischen Regierung unter Premier Viktor Orbán gegeben. Auch dabei war es um ein verfassungsrechtlich bedenkliches Eingreifen beim Höchstgericht und in die Medienfreiheit gegangen. Auch die polnische Regierung kündigte bereits Schritte zum Mediengesetz an. Gespräche dauerten Medienberichten zufolge mehr als sechs Stunden. Warschau/Budapest – Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán und der Chef der nationalkonservativen polnischen Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, sind am Mittwoch im südpolnischen Niedzica zu einem informellen Treffen zusammengekommen. Die Gespräche dauerten Medienberichten zufolge mehr als sechs Stunden. Offizielle Informationen zu der Begegnung gab es nicht. Kaczyński, dessen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) seit November in Polen alleine regiert, hatte bereits nach Orbáns Wiederwahl seine Bewunderung für Orbán ausgedrückt: Er hat uns ein Beispiel gegeben, wie wir gewinnen können ... und dann wird es ein Budapest an der Weichsel geben, sagte er damals vor seinen Anhängern. Mit neuen Gesetzen zur Änderung des Medienrechts und des Verfassungsgerichts hat die Warschauer Regierung Beobachtern zufolge einen ähnlichen Kurs wie die rechtskonservative Regierung Orbáns eingeschlagen. EU-Politiker äußerten bereits Sorgen über die Rechtsstaatlichkeit der Maßnahmen. Kaczyński hat in der Regierung von Ministerpräsidentin Beata Szydło kein Amt, gilt aber als starker Mann der PiS, der im Hintergrund die Fäden in der Hand hält. (red, APA, dpa, 6.1.2015 ) Fraktionschef Volker Kauder fordert bei Verstößen gegen europäische Werte den Mut zu Sanktionen gegen das konservativ regierte Land. Berlin/Mainz – Der deutsche CDU-Fraktionschef Volker Kauder hat im Streit mit der neuen polnischen Regierung EU-Sanktionen als geeignetes Mittel bezeichnet. Die polnische Regierung muss wissen: Bestimmte Grundwerte darf man in Europa nicht verletzten, sagte Kauder dem Spiegel. Sollten Verstöße gegen europäische Werte festgestellt werden, müssen die Mitgliedsstaaten den Mut zu Sanktionen haben. Es sei richtig, dass sich die EU-Kommission die Lage genau anschaue. Auch bei der Klausurtagung der CDU-Spitze in Mainz wurde am Freitagabend die Entwicklung in Polen kritisch beurteilt. Nur der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz hatte nach Teilnehmerangaben die polnische Führung verteidigt. Die rechtsnationale Regierung in Warschau steht unter anderem wegen Reformen des Verfassungsgerichts und der Medien international in der Kritik. Der für Medienpolitik zuständige EU-Kommissar Günther Oettinger hat damit gedroht, den sogenannten Rechtsstaatsmechanismus zu aktivieren. Dagegen hat Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker Strafmaßnahmen gegen Polen als unwahrscheinlich bezeichnet. Ungarn lehnt sie kategorisch ab und hat angekündigt, notfalls ein Veto einzulegen. Bei einem verstorbenen General soll ein entsprechender Akt samt unterschriebener Verpflichtungserklärung aufgetaucht sein. Warschau – Der polnische Gewerkschaftsführer, spätere Präsident und Friedensnobelpreisträger Lech Wałęsa hat nach Erkenntnissen des Instituts für Nationales Gedenken (IPN) in Warschau für den kommunistischen Geheimdienst gearbeitet. Im Haus des im November verstorbenen Ex-Generals Czesław Jan Kiszczak sei Wałęsas Personalakt und seine Verpflichtungserklärung zur Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst gefunden worden, sagte IPN-Direktor Lukasz Kaminski der Agentur PAP zufolge am Donnerstag. Die Unterschrift Wałęsas sei echt. Wałęsa war in kommunistischer Zeit Anführer der Gewerkschaft Solidarność und von 1990 bis 1995 erster demokratisch gewählter Präsident Polens. Er bestritt die Existenz derartiger Unterlagen und sprach von einer Fälschung. Im Jahr 2000 sprach ihn ein Gericht vom Vorwurf der Spitzeltätigkeit frei. Das IPN verwaltet die Geheimdienstunterlagen und ist auch für die juristische Aufarbeitung von Verbrechen aus nationalsozialistischer und kommunistischer Zeit zuständig. Wałęsa gilt als Kritiker der seit Oktober regierenden neuen nationalkonservativen Regierung und des Chefs der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jarosław Kaczyński. Im Dezember warnte der 72-Jährige angesichts der gesellschaftlichen Spannungen vor einem Bürgerkrieg in Polen. Dabei waren Wałęsa und Kaczynski früher enge Vertraute und politische Mitstreiter: Jaroslaw und sein Zwillingsbruder Lech, der 2010 als Staatspräsident bei einem Flugzeugunglück starb, gehörten in den Achtzigerjahren der Solidarność an, die sich gegen das kommunistische Regime stellte. Nach der demokratischen Wende schlugen sich die beiden auf die Seite des konservativen Wałęsa, als das Solidarność-Lager in einen linken und einen rechten Flügel auseinanderbrach. Wenig später gingen sie aber in scharfe Opposition zu Wałęsa. Wałęsa weist Vorwürfe zurück Es sei eine handschriftliche Zusage zur Zusammenarbeit entdeckt worden, unterschrieben mit Lech Wałęsa und dem Tarnnamen Bolek, sagt Institutschef Kaminski. Außerdem lägen Quittungen über Honorarzahlungen vor. Wałęsa, der sich derzeit im Ausland aufhält, teilte mit: Es können keine von mir stammenden Dokumente vorliegen. Er will sich juristisch gegen die neuerlich erhobenen Vorwürfe wehren. Schon zuvor war ihm in zwei IPN-Büchern vorgeworfen worden, in den 70er-Jahren Kollegen auf der Danziger Werft für die kommunistische Geheimpolizei SB bespitzelt zu haben. Ein Sondergericht sprach Wałęsa aber vor mehr als 15 Jahren von allen Spitzelvorwürfen frei. Im Jahr 2008 warf Lech Kaczyński Wałęsa persönlich Spionage vor. Polens früherer Präsident soll für Kommunisten spioniert haben. Warschau – Das für die Aufarbeitung der kommunistischen Vergangenheit Polens zuständige Institut für Nationales Gedenken (IPN) hat am Montag Unterlagen veröffentlicht, die Spitzeltätigkeiten des früheren polnischen Präsidenten Lech Wałęsa für den Geheimdienst beweisen sollen. Vor Journalisten wurden in Warschau unter anderem Kopien von Wałęsas angeblicher Kooperationsverpflichtung und von Empfangsquittungen für Honorarzahlungen präsentiert. Grafologische Gutachten zur Verifizierung der Handschrift auf den Dokumenten wurden jedoch nicht vorgelegt. Am Donnerstag hatte das IPN mitgeteilt, es sei eine handschriftliche Zusage zur Zusammenarbeit Wałęsas mit dem kommunistischen Geheimdienst Służba Bezpieczeństwa (SB) entdeckt worden, unterschrieben mit Lech Wałęsa und dem Tarnnamen Bolek. Diese wurde nun in Kopie präsentiert, ebenso mit Bolek unterzeichnete Quittungen sowie Aufzeichnungen zu angeblichen Berichten Wałęsas aus den Jahren 1970 bis 1976. In einer auf den 8. Juni 1976 datierten handschriftlichen Notiz eines SB-Mitarbeiters wurde angesichts des arroganten Verhaltens Wałęsas ein Ende der Zusammenarbeit empfohlen. Am Donnerstag hatte Wałęsa die Anschuldigungen umgehend zurückgewiesen. Es können keine von mir stammenden Dokumente vorliegen, erklärte der 72-jährige frühere Anführer der Gewerkschaft Solidarność. Am Freitag teilte er mit, er habe einen Fehler gemacht – aber nicht, wie es gesagt wird. Er habe nicht mit dem SB zusammengearbeitet und auch weder Geld angenommen noch schriftlich oder mündlich Bericht erstattet. Allerdings habe er sein Wort gegeben, nicht über damalige Vorgänge zu sprechen. Diese Zusage werde er derzeit sicher nicht brechen. Bereits früher war dem Friedensnobelpreisträger Wałęsa in zwei IPN-Büchern vorgeworfen worden, in den 1970er-Jahren Werftkollegen für den SB bespitzelt zu haben. Ein Sondergericht sprach ihn aber vor mehr als 15 Jahren von allen Vorwürfen frei. Die neuen Papiere wurden im Erbe des früheren Innenministers und Geheimdienstchefs Czesław Kiszczak gefunden. Wałęsa zählt zu den herausragenden Persönlichkeiten Polens in den vergangenen Jahrzehnten, um die Bewertung seines Wirkens wird seit langem heftig gestritten. Erbitterter politischer Gegner Wałęsas in der aktuellen Politik des Landes ist Jarosław Kaczyński, Chef der regierenden rechtskonservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit PIS. Der Chef der polnischen Höchstrichter warnt vor einer "Rechtsanarchie" in seinem Land. Für Polens Präsident Andrzej Duda geraten die Treffen auf internationaler Bühne immer mehr zum Spießrutenlauf. Am Wochenende war es der US-amerikanische Präsident Barack Obama, der von Duda wissen wollte, wann endlich in Polen die Verfassung wieder respektiert werde. Und auch Thorbjörn Jagland, der Generalsekretär des Europarates, und Frans Timmermans, der Vizechef der Europäischen Kommission, forderten Polen bei Besuchen in Warschau in den vergangenen Tagen zum Einlenken im Streit um das polnische Verfassungsgericht auf. Alle interessierten sich vor allem für eines: Wann wird in Polen wieder die Rechtsstaatlichkeit hergestellt? Seit Monaten weigert sich Polens Präsident, drei vom Parlament legal ernannte Verfassungsrichter zu vereidigen und Urteile des Verfassungsgerichts umzusetzen, wie es das Grundgesetz von ihm verlangt. Duda rechtfertigt dies damit, dass die rechtsnationale Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) über ein Mandat des Volkes verfüge, da sie bei den Wahlen im Oktober 2015 die absolute Mehrheit in beiden Kammern des Parlaments gewann und auch Duda als PiS-Parteimitglied zum Präsidenten gewählt wurde. Diesem Mandat des Volkes zufolge müssten nun sämtliche Institutionen im Staate mit den eigenen Parteileuten besetzt werden. Dies gelte auch für das Verfassungsgericht. Säßen dort nicht PiS-Parteifunktionäre, sondern unabhängige Richter oder solche, die eine andere politische Meinung verträten, so würden sie die Gesetze der PiS für verfassungswidrig erklären und damit den angestrebten guten Wandel im Land verzögern oder unmöglich machen. Seit dem Amtsantritt der neuen Regierung im November 2015 wurde bereits das demokratische Prinzip der Gewaltenteilung in Legislative (Parlament), Exekutive (Regierung und Präsident) und Judikative (Gerichte) aufgehoben. Auch die öffentlich-rechtlichen Medien sind inzwischen direkt einem Minister unterstellt, der die Intendanten nicht nur ernennt, sondern auch jederzeit wieder abberufen kann. Zudem versucht die PiS mit aller Macht, eben das einzige Kontrollorgan, das geblieben ist, zu entmachten: das Verfassungsgericht. Zunächst hielt sich Andrzej Rzeplinski, der Präsident des Verfassungsgerichts, diplomatisch zurück und versuchte die hysterisch anmutenden Attacken vieler PiS-Politiker abperlen zu lassen. Doch die dadurch provozierten Angriffe aus der Gesellschaft auf ihn haben dermaßen zugenommen, dass er inzwischen um Polizeischutz bitten musste. Dennoch kündigte die Bezirksstaatsanwaltschaft von Warschau inzwischen an, gegen Rzeplinski wegen Amtsmissbrauchs zu ermitteln. Seit einigen Wochen ist die Staatsanwaltschaft keine unabhängige Behörde mehr, sondern untersteht direkt dem PiS-Politiker, Justizminister und Generalstaatsanwalt Zbigniew Ziobro. Am 9. März hatte Rzeplinski ein wichtiges Urteil des Verfassungsgerichts verkündet: Das Reparatur-Gesetz vom 22. Dezember 2015, wie die PiS die Demontage des Verfassungsgerichts durch die PiS-Mehrheit im Parlament nennt, sei verfassungswidrig und daher null und nichtig. Gemäß Polens Verfassung müsste nun eigentlich Polens Premierministerin Beata Szydlo dieses Urteil unverzüglich publizieren, sodass es rechtswirksam werden kann. Doch Szydlo ist, wie auch andere PiS-Politiker, der Ansicht, dass es sich bei dem Urteil keineswegs um ein Urteil handle, sondern lediglich um eine Meinung. Sie – Szydlo – sei aber nicht verpflichtet, Richter-Meinungen im Amtsblatt zu publizieren, breche also keineswegs die Verfassung. Da das Reparatur-Gesetz sofort in Kraft getreten sei, nachdem Präsident Duda es unterschrieben habe, müssten sich die Verfassungshüter daran halten und ab sofort alle Fälle chronologisch nach Eingang abarbeiten. Sollte sich das Gericht allerdings nach ein bis zwei Jahren bis zum Reparatur-Gesetz vorgearbeitet haben und es dann für verfassungswidrig erklären, wäre seine Glaubwürdigkeit massiv beschädigt. Rzeplinski und auch alle bisherigen Präsidenten des Verfassungsgerichts sind überzeugt, dass es den PiS-Politikern genau darum geht. Wir stehen kurz vor einer Rechtsanarchie, sagt Rzeplinski inzwischen ganz offen. Regierungschefin: EU soll sich nicht in internen Konflikt einmischen. Warschau/Straßburg – Polens Ministerpräsidentin Beata Szydlo hat die Entschließung des Europaparlaments in Straßburg als Angriff auf den polnischen Staat bezeichnet. Die EU solle sich besser mit ihren aktuellen ernsthaften Krisen beschäftigen und sich nicht in einen internen politischen Konflikt einmischen, sagte Szydlo am Mittwochabend im polnischen Fernsehen. Die Demokratie in Polen sei nicht in Gefahr. Zuvor hatte sich das Europaparlament ernsthaft besorgt über das Vorgehen der polnischen Regierung gegen das Verfassungsgericht des Landes gezeigt. Die Abgeordneten sprachen am Mittwoch in einer mit großer Mehrheit verabschiedeten Entschließung von einer effektiven Lähmung des Gerichts und warnten vor einer Gefahr für Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit. Die polnische Regierung müsse unverzüglich die Entscheidungen des Verfassungsgerichts beachten, forderte das EU-Parlament. Polen steckt in einer politischen Krise, seitdem das von der rechtskonservativen Regierungspartei PiS beherrschte Parlament im vergangenen Dezember im Eilverfahren und gegen den Widerstand der Opposition Maßnahmen verabschiedet hatte, mit denen das Verfassungsgericht erheblich geschwächt wird. Die amtierende niederländische EU-Ratspräsidentschaft leitete wegen der Schwächung des Verfassungsgerichts und anderer umstrittener Gesetze bereits ein Verfahren zur Prüfung der Rechtsstaatlichkeit in Polen ein. Dies ist eine Premiere in der Geschichte der Europäischen Union. PiS-Vorsitzender gegen Einmischung aus dem Ausland in Polen. Warschau – Der nationalkonservative polnische Parteichef Jarosław Kaczyński hat Deutschland Demokratie-Defizite vorgeworfen. Der Vorsitzende der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), der als starker Mann hinter der Regierung gilt, wies Kritik wegen demokratischer Missstände in seinem eigenen Land am Montag zurück. Allerdings gebe es in Deutschland Probleme. Dort entstehen ernst zu nehmende Aktivitäten, die darauf hinweisen, dass die dortige Demokratie liquidiert wurde. Als Beispiel nannte der ehemalige Ministerpräsident im regierungsnahen Magazin W Sieci die Arbeit im Deutschen Bundestag, wo die Abgeordneten ohne Zustimmung der Vorgesetzten gar nichts machen können. Seit dem Amtsantritt der neuen polnischen Regierung gab es mehrfach schon Misstöne zwischen Warschau und Berlin. Am Dienstag ist der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier in der polnischen Hauptstadt zu Besuch. Kaczyński wehrte sich zugleich gegen jede Einmischung aus dem Ausland. Wir haben kein Interesse daran, dass die Deutschen hier die dominierende Kraft sind, sagte der PiS-Vorsitzende. Sicher ist das ein starkes Land, und es wäre gut, wenn wir sehr gute Beziehungen hätten, aber nicht auf der Grundlage des Schutzbefohlenen. Wir müssen unsere Interessen und unsere Souveränität schützen. Die EU-Kommission hat unter anderem wegen der faktischen Lähmung des Verfassungsgerichts ein Prüfverfahren gegen Polen eröffnet. Proteste gegen die rechtsnationale Regierung, doch auch Hassreden und Gewalt von Nationalisten prägen die Stimmung. Hart knallen die schweren Stiefel aufs Pflaster. Militärisch gedrillt ziehen rund 400 Schlägertypen in Viererreihen durch Białystok, die Hauptstadt Podlachiens in Ostpolen. Fast alle tragen schwarze Uniformen und grüne Armbinden mit dem Faust-Schwert-Symbol der Falanga, der einstigen Sturmtruppe der rechtsradikalen Partei National-Radikales Lager (ONR). Unter der weiß-roten Flagge Polens brüllen sie: Zionisten werden statt Blättern an den Bäumen hängen und Stolz! Stolz auf die polnische Nation! Die Polizei greift nicht ein, sie bildet Vor- und Nachhut des unheimlichen Zuges. Am Abend meldet sie: Keine besonderen Vorkommnisse. Am Tag zuvor hatten die ausländischen Studenten der Technischen Universität Białystok einen warnenden Brief erhalten. Gefahr für Leib und Leben sei in Verzug. Am Samstag wird in Białystok der Marsch einer nationalistischen Gruppe stattfinden, lasen die schockierten Erasmus-Stipendiaten. Das National-Radikale Lager proklamiert rassistische Ideen. Daher empfehlen wir ganz entschieden: Verlassen Sie ab elf Uhr Samstagmorgen bis vier Uhr Sonntagfrüh nicht mehr das Studentenwohnheim! Hauptstadt des Rassismus Seit Jahren gilt Białystok als Polens Hauptstadt des Rassismus. Der jüngste Bericht der Staatsanwaltschaft für die Jahre 2013 bis 2015 zeigt aber einen lawinenartigen Anstieg von Hassverbrechen in ganz Polen. Verfolgte die Staatsanwaltschaft 2013 noch 835 Fälle von Brandstiftungen, Überfällen und Beleidigungen, die sich klar gegen Ausländer und Nichtkatholiken richteten, so waren es 2015 bereits 1548 Fälle. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Staatsanwaltschaft bei einem großen Teil der Anzeigen die Ermittlungen erst gar nicht aufnahm, da es sich etwa bei Jude raus-Schmierereien um Bagatellfälle handle. Andere Straftaten wie die Zerstörung jüdischer Grabsteine wurden als Rowdytum klassifiziert. Opfer der rassistisch motivierten Verbrechen sind vor allem Roma, Juden, Muslime und Schwarze. Białystok zahlt einen hohen Preis für die bisherige Untätigkeit von Lokalpolitikern, Geistlichen, Staatsanwälten und Richtern gegenüber dem brauen Mob. Vollends vorbei war es mit dem guten Ruf der Stadt, als ein Białystoker Staatsanwalt das Hakenkreuz als indisches Zeichen des Glücks bezeichnete und sich weigerte, Ermittlungen gegen eine Hakenkreuz-Schmiererei aufzunehmen. Metropole des Esperanto Vor dem Zweiten Weltkrieg war Białystok eine jüdische Stadt mit polnischen, deutschen und weißrussischen Minderheiten. Auch muslimische Tataren leben hier seit rund 600 Jahren. Das Sprachengewirr inspirierte Ludwik Zamenhof zur Kunstsprache Esperanto. Der jüdische Augenarzt, dem die Verständigung aller Nationen am Herzen lag, ging in die Weltgeschichte ein und ist Białystoks berühmtester Sohn. Doch die Stadt konnte sich nicht dazu entschließen, sich als Metropole des Esperanto oder Stadt Ludwik Zamenhofs zu deklarieren. Zwar streicht sie in Hochglanzbroschüren ihre multikulturelle Vergangenheit heraus, erzählt jedoch nicht die Geschichte der Juden, Deutschen, Weißrussen und Tataren. Mitten in Białystok steht die prächtige katholische Kathedrale. Dies ist das Wort des Herrn, beginnt Priester Jacek Międlar Mitte April seine Predigt für die aus ganz Polen angereisten Rechtsradikalen. Die Kurie von Białystok hatte die Kathedrale für den Gottesdienst zu Ehren des National-Radikalen Lagers zur Verfügung gestellt. Null Toleranz für jüdische Feigheit! Dabei ist Priester Międlar kein Unbekannter in Polen: Zweimal schon wurde er für seine hasserfüllten rassistischen Ausfälle strafversetzt. Zu Beginn des Gottesdienstes marschieren schwarz uniformierte Schlägertypen ein und bilden Schulter an Schulter ein langes Spalier bis zum Altar. Jeder hält eine grüne Parteifahne mit dem Falanga-Sturmtruppen-Zeichen in der Hand. Der Priester ist voll des Lobes für die kurzgeschorenen ONR-Mitglieder in den Kirchenbänken. Mutig und kompromisslos würden sie die großpolnische Idee gegen die marxistische Europäische Union verteidigen, gegen Verräter, Feiglinge und Andersdenkende. Sein Glaubensbekenntnis sei klar: Null Toleranz für jüdische Feigheit! Polnische Verräter müssten einer national-radikal-katholischen Chemotherapie unterzogen werden. Barmherzig gegenüber unseren Nächsten hassen wir Verbrechen und Sünde und bauen eine Zivilisation von Recht und Gerechtigkeit auf, eine Zivilisation, zu deren Bau uns Gott persönlich aufruft! Nach einem gemeinsamen Gebet mit dem Polizeiseelsorger von Podlachien verabschiedet Priester Międlar die ONR-Anhänger, die nun auf der Straße mit dem Segen der katholischen Kirche Polens gegen die EU, Kommunisten, Verräter und Zionisten zu Feld ziehen werden. Verbot öffentlicher Auftritte Drei Tage nach der ONR-Messe in Białystok nahm der Posener Erzbischof Stanislaw Gadecki offiziell Stellung: Als Vorsitzender der polnischen Bischofskonferenz äußere ich meine entschiedene Missbilligung zum Missbrauch eines Gotteshauses für politische Manifestationen, die dem christlichen Glauben fremd sind. Der Missionarsorden der Vizentiner, dem Jacek Międlar angehört, griff dieses Mal rigoros durch und verhängte ein Verbot öffentlicher Auftritte über den ONR-Priester. Er darf künftig keine Versammlungen mehr einberufen, Treffen oder Pilgerfahrten organisieren. Auf Twitter verabschiedete sich der Priester von seinen Anhängern für unbestimmte Zeit, postete ein Selbstporträt mit kämpferisch erhobener Faust und dem trotzigen Aufruf: CWP! – Ruhm für Großpolen! (Gabriele Lesser aus Białystok, 6.5.2016) 'Sozialpsychologe Michal Bilewicz erklärt, warum über die Hälfte der Jungwähler für rechte und rechtsradikale Parteien stimmte. STANDARD: Mehr als 60 Prozent der Wähler bis 30 Jahre stimmten für rechte bis rechtsextreme Parteien. Wie kam es zu diesem Rechtsruck? Bilewicz: Ein großer Teil der Jugend bekennt sich zu einem sehr konservativen Weltbild, aber fast ebenso viele sind enttäuscht von der bisherigen Politik und gingen gar nicht wählen. Vor vier Jahren war das noch anders: Da stimmten mehr als die Hälfte der Jungwähler für liberale Parteien, etwa die Palikot-Bewegung. Aber die ging in Streit und Chaos unter. STANDARD: Die jungen Palikot-Protestwähler blieben also zu Hause? Bilewicz: Genau. Stattdessen gingen diesmal eher antidemo kratisch Eingestellte zur Wahl. Die rechten Parteien Recht und Gerechtigkeit (PiS), Kukiz’15 und Korwin haben ein klares Freund-Feind-Bild: Wer nicht für uns ist, ist gegen uns. Zudem wollen sie eine starke Führungsfigur, die gesellschaftliche Normen vorgibt. Das ist rechter Autoritarismus. STANDARD: Sind junge Leute nicht eher aufmüpfig? Bilewicz: Normalerweise schon. Wir haben es auch mit einem eklatanten Versagen der Schulen zu tun, die die Staatsbürger- und Demokratieerziehung schleifen ließen. Außerdem führen die instabile soziale Lage, der schwierige Start ins Berufsleben und die fehlende Lebensplanung nicht nur zu einem Grundgefühl der Angst, sondern oft auch dazu, dass die jungen Wähler bei rechten Parteien ihr Kreuzerl machen. Diese Entwicklung sehen wir in ganz Europa. STANDARD: Genauso gut könnten sie aber auch links wählen ... Bilewicz: Einer Theorie zufolge, die Immo Fritsche in Leipzig und Eva Jonas in Salzburg entwickelten, haben rechte Wähler oft das Gefühl, die Kontrolle über das eigene Leben verloren zu haben. Sie fühlen sich fremdbestimmt und suchen nach einer starken Führungsfigur. STANDARD: Aber dabei bleiben sie doch fremdbestimmt? Bilewicz: Ja, aber schauen wir kurz nach Russland: Viele haben keine Arbeit, die Industrie liegt am Boden PiS: "Unsere Unterstützung ist nicht bedingungslos". Warschau – In Polen ist eine Debatte über eine Unterstützung für eine zweite Amtszeit von EU-Ratspräsident Donald Tusk entbrannt. Außenminister Witold Waszczykowski schränkte am Montagabend allerdings ein: Es ist noch zu früh dafür. Aber natürlich erklären wir immer Unterstützung für Polen, die sich um hohe internationale Posten bemühen. Bisher galt Tusk, der seit Dezember 2014 EU-Ratspräsident ist, als rotes Tuch für die regierenden Nationalkonservativen der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Nach seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit kann sich Tusk für eine Wiederwahl bewerben. Unsere Unterstützung ist nicht bedingungslos, hatte zuvor der PiS-Europaabgeordnete Ryszard Czarnecki im Interview des nationalkatholischen Nachrichtenportals Fronda.pl angekündigt. Donald Tusk muss in Brüssel gemäß der polnischen Staatsraison und im nationalen Interesse Polens vorgehen. Wir geben ihm keinen Blankoscheck. Fraktionssprecherin Beata Mazurek sagte, Tusk könne auf Unterstützung zählen, wenn er Polen nicht schade. Die PiS-Regierung steht nach umstrittenen Gesetzesreformen zu Medien und Justiz in der Kritik. Die EU-Kommission leitete im Jänner ein Prüfverfahren zur Rechtsstaatlichkeit in Polen ein. Massenproteste gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung am 4. Juni geplant. Warschau – Die polnische Regierung verschafft den Beamten des Landes ein verlängertes Wochenende – dafür müssen sie jedoch an einem Tag landesweiter Demonstrationen arbeiten. An diesem Tag, Samstag, den 4. Juni, plant die inner- und außerparlamentarische Opposition in Polen neue Massenproteste gegen die Politik der nationalkonservativen Regierung in Warschau. In dem am Freitag unterzeichneten Erlass an die Regierungsbeamten erklärte die Leiterin der polnischen Regierungskanzlei, Beata Kempa, den Freitag nach Fronleichnam (26. Mai) für arbeitsfrei – den Beamten winkt damit ein langes Wochenende. Der freie Tag muss allerdings am 4. Juni nachgearbeitet werden, entschied Kempa. Auf diesen Tag fällt auch der Jahrestag der ersten teilweise freien Wahlen im Jahr 1989 kurz vor dem Ende der kommunistischen Herrschaft. Am vergangenen Wochenende hatten in Polen mehr als 200.000 Menschen auf der größten Kundgebung seit 1989 gegen die Warschauer Regierung demonstriert. Ponta wegen angeblicher Aktenfälschung, Geldwäsche und Beteiligung an Steuerhinterziehung unter Druck. Die rumänische Antikorruptionsstaatsanwaltschaft (DNA) hat am Freitag mehrfache Korruptionsanklagen gegen den amtierenden sozialdemokratischen Premier Victor Ponta (PSD) erhoben. Gleich nach Bekanntwerden der Anschuldigungen forderte Staatschef Klaus Johannis den Premier öffentlich zum Rücktritt auf. Ponta lehnte mit dem Argument ab, dass allein das Parlament ihn seines Amtes entheben könne. Ponta werden mit Bezug auf seine frühere Tätigkeit als Anwalt Aktenfälschung, Geldwäsche sowie Beteiligung an Steuerhinterziehung vorgeworfen. Er soll 2008 mit der Anwaltskanzlei seines Kollegen und Freundes, des Ex-Senators Dan Sova (PSD), eine Zusammenarbeit eingegangen sein, im Rahmen derer er 17 Rechnungen für fiktive Dienstleistungen im Gesamtwert von etwa 40.000 Euro stellte. Nach einer Finanzkontrolle wurden dann laut Anklage nach dem Copy-Paste-Prinzip 16 Berichte nachgereicht, um diese Honorare zu rechtfertigen. Einen Teil des Geldes soll Ponta für den Kauf zweier Luxuswohnungen in Bukarest verwendet haben. Auf ausdrückliche Anforderung Pontas habe Sovas Anwaltskanzlei diesem außerdem einen Geländewagen zur Verfügung gestellt. Die zwischen Pontas und Sovas Anwaltskanzleien unterzeichnete Kooperationsvereinbarung bezog sich auf Rechtsberatungsverträge der Anwaltskanzlei Sova mit zwei staatlichen Energiekomplexen. Diese Verträge, die sich samt Erfolgsboni für Sova auf fast 800.000 Euro beliefen, sind seit geraumer Zeit Gegenstand der DNA-Ermittlungen gegen Sova, da sie offenbar ohne vorschriftsmäßige Ausschreibungsverfahren abgeschlossen wurden, und der verursachte Schaden sich laut DNA-Schätzungen auf etwa 16 Millionen Euro beläuft. Nach Einleitung der Ermittlungen soll Sova zudem die Löschung von Festplatten und E-Mails veranlasst haben, um Beweismaterial zu kompromittieren. Elf Niederschriften, die seine Anwälte nachträglich als Beweismittel vorlegten, sollen einen nicht realen Tatbestand bezeugen und falsch datiert worden sein. Bereits zweimal stimmte das Parlament - trotz Kritik aus dem In- und Ausland - gegen eine Aufhebung der Immunität Sovas. Ponta ist indes auch als Premier mit der Anschuldigung eines Interessenskonflikts konfrontiert, weil er Sova in seinen Regierungen wiederholt als Minister bestellte. Diesbezüglich liegt nun auch in seinem Fall ein Antrag der DNA auf Immunitätsaufhebung vor, über den das Parlament, in dem die Regierungsparteien über eine komfortable Mehrheit verfügen, bald entscheiden wird. Laut PSD-Vertretern bestünden keine Gründe für eine Amtsniederlegung. Es sei zudem verdächtig, dass die Anschuldigungen gegen Ponta ausgerechnet an jenem Tag erfolgten, an dem die Opposition einen Misstrauensantrag gegen seine Regierung stellt. 60.000 Menschen gingen gegen Korruption auf die Straße – Präsident Johannis beginnt Verhandlungen zur Regierungsbildung. Bukarest – Auch nach dem Rücktritt von Premier Victor Ponta sind am Mittwochabend in Rumänien erneut Zehntausende Menschen auf die Straße gegangen. Insgesamt 60.000 demonstrierten am Abend in zahlreichen Städten gegen Korruption, es waren die mit Abstand größten Straßenproteste der vergangenen Jahre. Die Protestierenden forderten ein neues System mit neuen Leuten. In der rumänischen Hauptstadt Bukarest protestierten bis zu 35.000 Menschen auf mehreren Plätzen der Stadt. Auch in Sibiu/Hermannstadt, Cluj/Klausenburg, Timisoara/Temeswar, Brasov/Kronstadt, Craiova, Arad, Ploiesti, Iasi/Iassy und weiteren Städten fanden Kundgebungen statt. Eine Großdemonstration mit 25.000 Teilnehmern am Dienstagabend hatte den Rücktritt der Regierung sowie des zuständigen Bezirksbürgermeisters Cristian Piedone Popescu bewirkt. Die Demonstranten hatten den Politikern und dem korrupten System, die Schuld für den verheerenden Brand in einer Bukarester Disco mit 32 Todesopfern vorgeworfen. Korruption kostet Menschenleben skandierten sie. Auch nach dem Rücktritt Pontas am Mittwoch beruhigte sich die Lage nicht. Die Protestierenden forderten am Abend ein von Korruption befreites politisches System mit neuen Leuten. Ihr kauft uns nicht mit zwei Rücktritten, riefen die empörten Menschen. Da aus ihrer Sicht alle Parteien dieselbe Misere vertreten, forderten die Demonstranten die Einsetzung einer Technokratenregierung ohne parteipolitische Verankerung. Unter anderem wird ein neues, von 580 auf 300 Mitglieder verringertes Parlament gefordert. Dies entspricht dem Ergebnis einer Volksbefragung aus dem Jahr 2009, das keine der nachfolgenden Regierungen umsetzte. Mit den Straßenprotesten steigt auch der Druck auf Präsident Klaus Johannis (Iohannis), der am heutigen Donnerstag Verhandlungen mit den Parteien zur Bildung einer neuen Regierung beginnt: Johannis, vergiss nicht, Rumänien gehört nicht dir! skandierten Protestierende am Mittwochabend. Am Donnerstag hat Johannis den bisherigen sozialdemokratischen Bildungsminister Sorin Campeanu (PSD) zum interimistischen Ministerpräsidenten ernannt. Der bisherige sozialdemokratische Regierungschef Victor Ponta war am Mittwoch zurückgetreten. Campeanu war seit 2014 Bildungsminister und ist außerdem Rektor der Bukarester Universität für Bodenkultur und Veterinärmedizin sowie Vorsitzender des Nationalen Rektorenrates. Als kontrovers galt seine Rolle als Generalsekretär des Nationalrates zur Anerkennung akademischer Titel, Diplome und Zertifikate (CNATDCU). Campeanu war eines der rund 20 Mitglieder, die 2012 vom damaligen Bildungsminister Liviu Pop zusätzlich eingesetzt wurden, als es um das mögliche Plagiat des damaligen Premiers Victor Ponta ging. Ponta verzichtete Anfang des Jahres nach dreijähriger Kontroverse schließlich freiwillig auf seinen Doktortitel. Mit Campeanus Ernennung stellte sich Johannis gegen den Wunsch von Pontas PSD, die den bisherigen Verteidigungsminister Mircea Dusa (PSD) als Übergangsregierungschef vorgeschlagen hatte. Johannis erklärte angesichts der massiven Proteste, von nun an auch die Stimme der Zivilgesellschaft bei Entscheidungen berücksichtigen zu wollen. Bürger werden auch zu Rundfunkgebühren, Präimplantationsdiagnostik und "Stipendien-Initiative" befragt. Bern - In der Schweiz hat am Sonntag eine Volksabstimmung über die Einführung einer einheitlichen Erbschaftssteuer begonnen. Die Initiatoren wollen, dass künftig eine Bundessteuer von 20 Prozent auf Erbschaften und Schenkungen ab zwei Millionen Franken (1,91 Mio. Euro) fällig wird. Ihr Anliegen hat laut Umfragen eher schlechte Chancen. Ob und wie hoch Erbschaften und Schenkungen besteuert werden, ist in der Schweiz bisher allein Sache der 26 Kantone. Die rund fünf Millionen wahlberechtigten Eidgenossen können in einer weiteren Frage der Volksabstimmung auch den Umgang mit der Präimplantationsdiagnostik festlegen. Es geht darum, ob in der Schweiz wie in einer Reihe anderer Länder die Früherkennung schwerer Krankheiten bei Retortenbabys zugelassen werden soll. Befragt werden die Schweizer auch zur Stipendien-Initiative, die die Ausbildung unabhängiger von der Geldbörse der Eltern machen will. Als offen gilt auch das Votum zum neuen Radio- und Fernsehgesetz. Es sieht vor, dass künftig alle Haushalte eine Empfangsgebühr bezahlen müssen, unabhängig davon, ob sie ein Radio- oder TV-Gerät besitzen. Rechtskonservative Schweizerische Volkspartei kann mit einer stärkeren Machtbeteiligung rechnen. Bern – Die Abgeordneten des Schweizer Parlaments wählen am Mittwoch (ab 8.00 Uhr MEZ) eine neue Regierung. Dabei kann die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP) mit einer stärkeren Machtbeteiligung rechnen. Die SVP wird mit großer Wahrscheinlichkeit künftig mit zwei Ministern im Kabinett vertreten sein, statt bisher nur mit einem. Darauf hatten sich die großen Parteien nach dem Triumph der Rechtskonservativen bei den Parlamentswahlen am 8. Dezember verständigt. Die SVP war mit einem Programm zur Verschärfung des Asylrechts und zur Reduzierung der Einwanderung auch von EU-Bürgern stärkste politische Kraft geworden. Sie plädiert außerdem dafür, sich stärker von der Europäischen Union abzugrenzen. Mit 29,4 Prozent der Stimmen hatte sie das beste Ergebnis ihrer Geschichte erreicht. Schweizer Regierungen werden stets von den wählerstärksten Parteien gebildet und arbeiten nach dem Kollegalitätsprinzip. Auch im neuen Kabinett werden neben der SVP die bürgerlich-liberale FDP sowie die Sozialdemokraten (SP) und die Christdemokraten (CVP) vertreten sein. Syrer vor kurzem in Schweiz eingereist – Waffenarsenal eines Rechtsextremisten entdeckt. Genf – Die Schweizer Polizei hat nach dem Terroralarm in Genf zwei Verdächtige festgenommen. Die Ermittlungen gegen die beiden Männer, die am Freitag im Raum Genf festgenommen worden seien, liefen wegen des Verdachts der Unterstützung terroristischer Organisationen wie Al-Kaida oder des Islamischen Staats (IS), teilten die Behörden am Samstag mit. Eine Verbindung zwischen den Festgenommenen und dem jüngsten Anschlag in Paris sei zur Zeit nicht erkennbar. Im Auto der beiden Syrer seien Spuren von Sprengstoffen festgestellt worden. Die Schweiz hatte am Donnerstag nach Hinweisen auf einen möglichen Anschlag einen Terror-Großalarm für Genf ausgerufen und die Sicherheitsmaßnahmen in der UN-Metropole deutlich verstärkt. Die beiden Männer seien in Untersuchungshaft, sagte der Genfer Generalstaatsanwalt Olivier Jornot bei einer Pressekonferenz. Ihre Festnahme hat laut Jornot aber nichts mit der Fahndung nach vier mutmaßlichen Islamisten zu tun. Die beiden Verdächtigen hätten syrische Pässe und seien nach eigenen Angaben erst vor kurzem in die Schweiz gekommen, sagte Staatsanwalt Jornot. Der Kauf ihres Autos lag nach ihren Angaben auch noch nicht weit zurück. In dem Wagen wurden Spuren von Sprengstoff gefunden, aber keine Rückstände von Giftgas. Ihre Aussage machten die beiden Männer laut Jornot auf Arabisch. Der Staatsanwalt wollte sich nicht dazu äußern, ob die beiden Verdächtigen Visa für den Schengenraum hatten. Auch zum Kennzeichen ihres Autos wollte er keine Angaben machen. Zuvor hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft mitgeteilt, die Festgenommenen würden verdächtigt, Sprengstoff oder Giftgas produziert, versteckt und transportiert zu haben. Zudem werde ihnen ein Verstoß gegen das Gesetz vorgeworfen, welches das Terrornetzwerk Al-Kaida und die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) verbietet. Die Bundesanwaltschaft bestätigte damit Medienberichte vom Freitag. Die Genfer Polizei hatte am Donnerstag wegen Hinweisen auf eine akute Bedrohung der Schweizer Großstadt die Alarmstufe auf drei von fünf erhöht. Am Mittwochabend war der UN-Sitz in Genf geräumt und durchsucht worden. Die Bundesanwaltschaft erklärte, sie habe ein Ermittlungsverfahren eingeleitet, um ein terroristisches Ereignis zu verhindern. Die Genfer Sicherheitsbehörden sprachen von einer konkreten Bedrohung. Die Polizei schrieb vier mutmaßliche Anhänger der IS-Miliz zur Fahndung aus. Schweizer Medien veröffentlichten ein Foto der vier Verdächtigen, das der schweizerischen Polizei von den US-Behörden übermittelt worden sein soll. In Genf und der umliegenden Region wurden insbesondere an Orten wie Bahnhöfen und den UN-Institutionen zusätzliche Polizisten eingesetzt. Die Fahndung nach den vier mutmaßlichen Islamisten steht nach Angaben der Behörden im Kontext der Anschläge von Paris, bei denen am 13. November 130 Menschen getötet worden waren. Mehrere Quellen, die nicht namentlich genannt werden wollten, gaben aber an, dass es offenbar keine direkte Verbindung zwischen der Fahndung in Genf und den Pariser Anschlägen gebe. Laut Jornot wurde am Donnerstagabend das Haus eines Schweizers in Genf durchsucht. Dabei seien ein großes Waffenarsenal mit Kalaschnikows, M16-Gewehren und rund 30 älteren Waffen sowie eine Fahne vom Dritten Reich entdeckt worden. Der mutmaßlich rechtsextreme Waffenbesitzer habe aber nichts mit den beiden festgenommenen Syrern zu tun, machte der Generalstaatsanwalt in seiner Pressekonferenz deutlich. Der Mann sei Anhänger einer Überlebensideologie und bereite sich in seiner Wohnung auf den Kriegsausbruch vor. (APA, 12.12.2015) 59 Prozent der Wähler lehnen die SVP-Durchsetzungsinitiative ab, höchste Wahlbeteiligung seit 14 Jahren. Zürich – Die Schweizer haben am Sonntag schärfere Bestimmungen zur Ausweisung straffälliger Ausländer abgelehnt. Einer Hochrechnung des Fernsehens zufolge lehnten gut 59 Prozent der Wähler die sogenannte Durchsetzungsinitiative der rechtskonservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP) ab. Es ist eine herbe Niederlage für die Partei um ihren Vordenker Christoph Blocher, die immer wieder mit Ausländerthemen punkten konnte. Entscheidend zum Nein beigetragen hat laut dem Politologen Claude Longchamp, dass die Gegner der Initiative die Wähler im großen Stil mobilisieren konnten. Man hat gesehen, dass die Mobilisierung insbesondere in den großen Städten exemplarisch hoch ist, sagte der Leiter des Forschungsinstituts GFS Bern. Die Wahlbeteiligung erreichte mit 62 Prozent den vierthöchsten Wert bei Volksbefragungen in der Schweiz. In manchen Regionen betrug die Wahlbeteiligung um die 70 Prozent. Mit ihrem Vorschlag wollte die SVP die Ausweisung von Ausländern erzwingen, die gegen Gesetze verstoßen haben. Weil die Partei mit der Umsetzung ihrer 2010 von der Bevölkerung angenommenen Ausschaffungsinitiative unzufrieden war, wollte sie einen mehr als 50 Delikte umfassenden Katalog in der Verfassung verankern lassen, um einen absoluten Ausweisungsmechanismus zu schaffen. Nicht nur eine Verurteilung wegen Verbrechen wie Mord, Vergewaltigung und Einbruch, sondern auch leichtere Delikte wie wiederholte Geschwindigkeitsübertretungen sollten automatisch zu einem Landesverweis führen – ohne Einspruchsmöglichkeit. Gegen die Pläne der mit 29,4 Prozent Wähleranteil stärksten Partei formierte sich breiter Widerstand. Die wirtschaftsfreundliche FDP und die Sozialdemokraten stellten sich ebenso dagegen wie Vertreter aus Wirtschaft und Wissenschaft. Befürchtet wurde, dass bei einem Ja der Ruf der Schweiz als Wirtschaftsstandort wie schon nach dem Einwanderungsvotum schweren Schaden nimmt. Die Zivilgesellschaft ist erwacht und hat klargemacht, dass sie Rechtsstaat, Minderheitenschutz und Menschlichkeit über Fremdenfeindlichkeit und den totalitären Machtanspruch einer einzelnen Partei stellt, sagte Christian Levrat, Präsident der Sozialdemokraten. Ebenfalls abgelehnt haben die Wähler am Sonntag ein von der Jugendorganisation der Sozialdemokraten angestrebtes Spekulationsverbot für Nahrungsmittel. Hingegen hieß die Bevölkerung die Pläne der Regierung für eine zweite Tunnelröhre durch den Alpenpass Gotthard in den Süden der Schweiz gut. Wähler hatten strikten Vorschlag der Schweizer Rechtspopulisten in Votum eine Absage erteilt. In der Schweiz droht vom 1. Oktober an kriminellen Ausländern nach Verbüßung ihrer Strafe die langjährige Ausweisung. Das hat die Regierung in Bern am Freitag beschlossen. Damit wird das Ergebnis der Volksabstimmung vom vergangenen Sonntag umgesetzt. Das mit 58,9 Prozent deutliche Nein der Eidgenossen zur Durchsetzungsinitiative der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) hatte zwar die automatische und ausnahmslose Ausweisung verhindert. Zugleich hatte es den Weg für eine abgemilderte Änderung im Ausländerrecht freigemacht. Demnach können Richter in Ausnahmefällen aufgrund einer Härtefallklausel von der Ausweisung absehen. Drei Männer planten Anschläge. Bern – Wegen versuchter Beihilfe zur Vorbereitung eines Anschlags sind in der Schweiz drei irakische Unterstützer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt worden. Die Männer hätten versucht, Informationen zu beschaffen sowie Material und Personal in die Schweiz zu bringen, die für einen Anschlag nötig gewesen wären, so das Bundesstrafgericht in Bellinzona am Freitag. Ein Anschlagsplan war laut Staatsanwaltschaft bereits klar initialisiert worden. Zwei Angeklagte erhielten Gefängnisstrafen von jeweils vier Jahren und acht Monaten, der dritte wurde zu drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ein vierter Angeklagter wurde mangels Beweisen freigesprochen. Es sei verwerflich, dass die Angeklagten versucht hätten, ihren Kampf in ein Land zu exportieren, das sie mit seinem Sozialsystem maßgeblich unterstütze, erklärte das Gericht. Die Anklage stützte sich unter anderem auf Protokolle von Internet-Chats. Sie seien als Aufrufe zum Kampf anzusehen, auch wenn nicht alle Schlüsselwörter einen zwingend aggressiven Charakter gehabt hätten. Drei der Angeklagten befanden sich seit April 2014 in Untersuchungshaft, die Zeit wurde auf das Strafmaß angerechnet. Slowenien hat Kosovos Ex-Premier Haradinaj festgenommen. Kurz zuvor war Ex-Srebrenica-Kommandant Naser Oric verhaftet worden. Wenige Tage nach der Festnahme des Ex-Kommandanten der bosnischen Armee, Naser Oric, in der Schweiz wurde am Mittwoch – ebenfalls aufgrund eines serbischen Haftbefehls – der Ex-Kommandant der Kosovo-Befreiungsarmee (UÇK), Ramush Haradinaj, in Slowenien festgenommen. Das kosovarische Parlament verabschiedete noch am Donnerstag eine Resolution, die die slowenischen Behörden aufforderte, Haradinaj den Pass zurückzugeben und ihn in den Kosovo ausreisen zu lassen. Der kosovarische Außenminister Hashim Thaçi verwies darauf, dass das Problem nicht in Ljubljana, sondern in Belgrad liege. Er selbst konnte kürzlich nicht nach Serbien reisen, weil auch ihm – gleichfalls wegen eines serbischen Haftbefehls – die Festnahme droht. Die serbischen Haftbefehle, die über die Interpol weitergeleitet werden, haben bereits in der Vergangenheit für Aufruhr gesorgt. So wurde 2011 in Wien der bosnische Ex-General Jovan Divjak festgenommen, der alles andere als ein Kriegsverbrecher ist. Oric hingegen wird von Serbien vorgeworfen, in dem bosnischen Dorf Zalazje 1992 Verbrechen an serbischen Zivilisten verübt zu haben. Der Ex-Kommandant der bosnischen Armee in Srebrenica wurde 2009 wegen unerlaubten Waffen- und Sprengstoffbesitzes zu zwei Jahren Haft verurteilt, aber später begnadigt. Seine Verhaftung erfolgte kurz vor dem Gedenken an den Genozid in Srebrenica vor 20 Jahren Anfang Juli. Dort wurden 1995 etwa 8.000 Bosniaken von bosnisch-serbischen Einheiten ermordet. Politische Eliten aus Serbien und dem bosnischen Landesteil Republika Srpska (RS) kritisieren nun eine UN-Resolution zu dem Völkermord, die von Großbritannien vorgeschlagen wurde. Serbiens Außenminister Ivica Dacic sagte, er erwarte, dass die Welt den bosniakischen und den serbischen Opfern die Ehre erweise. Der Präsident der RS, Milorad Dodik, will, dass Russland gegen die Resolution ein Veto einlegt. Serbien ist aufgefordert, mit seiner jüngsten Geschichte konstruktiv und mit einer europäischen Orientierung umzugehen. Das wird durch den nicht reformierten Sicherheitsapparat und die Geheimdienste erschwert, die weiterhin eine einflussreiche Rolle spielen und von ihrer historischen Verantwortung ablenken wollen, moniert Tobias Flessenkemper von der Südosteuropagesellschaft. Das werde auch bei wiederkehrenden Reaktionen anlässlich von Gedenktagen deutlich. Der in diesen Momenten betriebene Aufwand an Diplomatie und Medienarbeit weist auf ein vermutlich tiefes emotionales Problem mit der Geschichte der Balkan-Kriege hin. Außenminister appelliert an UNO-Sicherheitsrat britischen Entwurf nicht anzunehmen. Belgrad/New York – Der Entwurf einer britischen UNO-Resolution zum Massaker in Srebrenica sorgt weiterhin für Aufregung in Belgrad. Der serbische Außenminister Ivica Dacic warnte laut der serbischen Tageszeitung Vecernje novosti vom Mittwoch nun vor einer unabsehbaren und langfristig negativen Auswirkung dieser Erklärung auf den Stabilisierungsprozess in der Region. Dacic forderte demnach die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats in einem Schreiben dazu auf, die Resolution nicht anzunehmen. Der Minister verwies zudem darauf, dass sich der Westbalkan mit neuen Herausforderungen und Bedrohungen bei dem Thema Sicherheit auseinandersetzen müsse, auf die die führenden Politiker Serbiens neue Antworten finden müssten. Die serbische Regierung hatte sich bereits vor einer Woche in einem Brief an die ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats gegen die geplante Resolution ausgesprochen. Am 7. Juli, vier Tage vor dem 20. Jahrestag des Srebrenica-Massakers, will sich der Sicherheitsrat zum britischen Erklärungsentwurf äußern. Belgrad favorisiert russischen Vorschlag Russland unterbreitete dem Sicherheitsrat unterdessen einen Gegenvorschlag zum britischen Entwurf, der in Belgrad als ausgewogener betrachtet wird. Die von London entworfene Resolution wird hingegen als einseitig wahrgenommen, da sie lediglich auf die Opfer des Srebrenica-Massakers verweist und die Opfer anderer Kriegsverbrechen, die während der Balkan-Kriegen begangen wurden, außer Acht lässt. Zahlreiche hochrangige Politiker und Ex-Politiker von Serbien und Bosnien-Herzegowina übten in den vergangenen Wochen heftige Kritik an dem britischen Resolutionsentwurf. Der bosnisch-herzegowinische Außenminister Igor Crnadak, ein Serbe, warnte Mitte Juni etwa vor einer Spaltung, die diese Erklärung in seinem Land verursachen würde. Es gelte, allen, die in Srebrenica ums Leben gekommen seien, Ehre zu erweisen, erklärte er. Der serbische Außenminister Ivica Dacic kritisierte etwa, dass an Dutzenden Stellen von Völkermord die Rede sei, Versöhnung aber kaum in dem britischen Resolutionsentwurf vorkomme. Nach der Einnahme der ostbosnischen UNO-Schutzzone Srebrenica durch bosnisch-serbische Truppen im Juli 1995 wurden rund 8.000 bosniakische Bewohner in der Umgebung der Stadt brutal ermordet. Ihre Leichen wurden später in etlichen Massengräbern gefunden. Nach zahlreichen Opfern des Massakers wird noch gesucht. Srebrenica liegt im heutigen Bosnien-Herzegowina. Der Internationale Gerichtshof hatte 2007 jenes Massaker als Völkermord qualifiziert, ebenso das UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) in mehreren Urteilen gegen ehemalige bosnisch-serbische Militärs. Die Urteile für die zwei Hauptverantwortlichen, den ehemaligen Präsidenten der Republika Srpska, Radovan Karadzic, und den ehemaligen Generalstabschef Ratko Mladic, stehen noch aus. Mogherini und Ban verurteilten Angriff – Serbischer Premier reagierte gelassen. Brüssel – Die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini forderte eine Aufklärung des Angriffs auf den serbischen Regierungschef Aleksandar Vučić bei der Gedenkfeier zum 20. Jahrestag des Srebrenica-Völkermordes. Wir erwarten eine volle Untersuchung dieses Zwischenfalls durch die bosnischen Behörden, sagte Mogherini am Samstag. Auch UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilte den Vorfall. Dass Vučić, der die historische Entscheidung zur Teilnahme an der Gedenkfeier getroffen habe, diese nach Steinwürfen leicht verletzt verlassen musste, geht gegen den Geist von diesem Tag des Gedenkens, kritisierte Mogherini. Es zeigt, dass wir alle unsere Bemühungen verstärken müssen, den Hass zu überwinden, und Versöhnung in der ganzen Balkan-Region und darüber hinaus betreiben müssen, sagte die EU-Außenpolitikerin. Heute ist ein Tag der Versöhnung, der Würde und der Achtung. Die EU wird Bemühungen in diese Richtung weiter unterstützen. Vučić selbst ragierte gelassen: Meine Hand bleibt weiter ausgestreckt, sagte der Politiker am Samstag in Belgrad nach einer Sondersitzung der Regierung. Der Angriff sei nicht von den Angehörigen der Opfer im Bosnien-Krieg (1992-95) organisiert worden. Bei einer Pressekonferenz in Belgrad rief er erneut zur Versöhnung zwischen Serben und Bosniaken (Muslimen) auf. Der Ministerpräsident machte drei Gruppen von Fußball-Schlachtenbummlern für den Angriff verantwortlich, von welchen eine, die ihn allerdings nur beschimpft hatte, aus Serbien angereist sei. Der Aussage des serbischen Regierungschefs war zu entnehmen, dass der Angriff auf ihn gut organisiert gewesen sei. Beim Verlassen der Gedenkstätte von Potocari flogen Steine und andere Gegenstände gegen Vučić. Seine Brille wurde zerbrochen, er kam aber mit einer verletzten Lippe davon. Man habe Tötet Vučić und Tötet den Tschetnik gerufen, schilderte der Regierungschef bei der Pressekonferenz. Weiter versöhnungsbereit Zur Journalistenfrage, ob es sich um einen Attentatsversuch gehandelt habe, meinte Vučić: Sie wollten mich sicher nicht zum Mittag- oder Abendessen einladen. Meine Hand der Versöhnung mit den Bosniaken bleibt gestreckt, unterstrich Vučić ferner. Wir müssen mit den Bosniaken zusammenleben, sie werden meine Hand der Versöhnung akzeptieren, so der serbische Ministerpräsident. Der Bürgermeister von Srebrenica, Camil Durakovic, entschuldigte sich beim serbischen Ministerpräsidenten für den Angriff in Potocari. Er zeigte sich über den Zwischenfall tief enttäuscht, berichtete die serbische Presseagentur Tanjug. Vučić hat heute die Mutter von Srebrenica, Munira Subasic, umarmt, der Gedenkfeier für die Opfer beigewohnt und sich eine Blume von Srebrenica angesteckt, womit er zu zeigen versuchte, dass er mit unserer Trauer und dem Leiden mitfühlt, wurde Durakovic zitiert. Serbiens Innenminister Nebojsa Stefanovic hat den Zwischenfall als einen skandalösen Akt und als Mordversuch bezeichnet. Bosnien sei nicht dem Mindestmaß an seinen Pflichten im Hinblick auf die Sicherheit des serbischen Regierungschef nachgekommen, sagte Stefanovic. Er hatte am Freitag gewarnt, dass drei Fußballfangruppen, davon eine aus dem südwestserbischen Novi Pazar, bei der Gedenkfeier für Zwischenfälle sorgen dürften. Für die Sicherheit in Potocari war am Samstag die bosnisch-serbische Polizei zuständig. Srebrenica liegt seit dem Kriegsende in der kleineren bosnischen Entität. Serbien ist empört: Kroatien feiert zwanzigstes Unabhängigkeitsjubiläum und lädt Nato-Mitglieder ein – USA, Großbritannien, Deutschland sagen ab. Seit zwei Jahrzehnten läuten am 5. August in Serbien die Trauerglocken, während in Kroatien der Tag des Sieges gefeiert wird, die Rückeroberung der von Serben besetzten Territorien, die endgültige Befreiung von der serbischen Okkupation. An diesem Tag drangen 1995 kroatische Truppen im Rahmen der Militäroperation Oluja (Sturm) in die serbische Hochburg Knin ein. Für Kroaten ist es eine berechtigte Aktion mit glorreichem Ergebnis gewesen, der Höhepunkt des Freiheitskampfes, für Serben ein Kriegsverbrechen, ethnische Säuberung mit Vorbedacht, die die Tötung von rund 2.000 und die Vertreibung von über 200.000 Serben zur Folge hatte. Die Standpunkte sind unversöhnlich. Jedes Jahr kühlen so Anfang August die Beziehungen zwischen Belgrad und Zagreb massiv ab. Dieses Jahr sind die gegenseitigen Vorwürfe und Schuldzuweisungen noch lauter, die unterschiedliche Deutung der gemeinsamen Geschichte kommt besonders krass zum Ausdruck: Zum zwanzigsten Jahrestag der Befreiung will nämlich die kroatische Regierung neben der zentralen Feier am 5. August in Knin am Tag davor eine Militärparade in Zagreb organisieren, Nato-Mitglieder wurden eingeladen an der Parade teilzunehmen. Belgrad reagierte empört. Die Teilnahme an der kroatischen Militärparade, die die ethnische Säuberung der Serben glorifiziert, werde Serbien als einen antiserbischen Akt betrachten, erklärte der serbische Außenminister Ivica Dačić. Aus welchen Gründen auch immer, sagten tatsächlich die USA, Großbritannien, Deutschland, aber auch Slowenien, Ungarn oder Rumänien ihre Teilnahme ab. Und der ewige Streit zwischen Belgrad und Zagreb über Henker und Opfer, Helden und Kriegsverbrecher nahm einen neuen Lauf. Nun herrscht in Kroatien tiefe Bestürzung. Sieg der serbischen Diplomatie und Jubiläums-Siegesfeier im Schatten der diplomatischen Niederlage titelte die kroatische Presse. Unsere Diplomatie hat eine schmerzhafte Niederlage gegen die Aggression der serbischen Außenpolitik erlitten, schreibt die kroatische Zeitung Večernji list. In Belgrad beobachtet man mit Genugtuung den Streit in Kroatien, wer denn schuld an dem Fiasko sei, die Berichterstattung kroatischer Medien über den angeblichen außenpolitischen Einfluss Serbiens, das der Westen nicht verärgern wolle, um es nicht in die russische Umarmung zu treiben. Während die meisten Medien auf beiden Seiten Salz in unverheilte Kriegswunden streuen, stellen nur wenige mit Bedauern fest, wie weit entfernt die Region von einer Versöhnung ist. Das zeigt sich angesichts der zwanzigsten Jubiläumsfeier der Befreiung in Kroatien ebenso wie bei der zwanzigsten Gedenkfeier des Völkermordes in Srebrenica vor zwei Wochen. Abkommen für Nordkosovo geschlossen – Diskussion mit Zivilgesellschaft und Regierungschefs. Es war ihnen dann doch zu peinlich, mit leeren Händen nach Wien zu kommen. Am Dienstag, kurz vor Beginn des großen Westbalkangipfels, brachten die Delegationen von Serbien und dem Kosovo in Brüssel noch schnell die längst ausstehende Einigung für den Nordkosovo unter Dach und Fach. Konkret geht es um die Bildung einer Assoziation der serbischen Gemeinden, um Energie, Telekommunikation und die Brücke über den Ibar in der geteilten Stadt Mitrovica. Auch einige andere südosteuropäischen Staaten hatten im Vorfeld der Konferenz in Wien noch politische Lösungen gefunden. So haben sich die mazedonischen Parteichefs auf ein Prozedere für die Neuwahlen kommenden April unter der Mediation von EU-Kommissar Johannes Hahn geeinigt, die Föderation in Bosnien-Herzegowina hat das von der EU geforderte Arbeitsgesetz unterschrieben, und Bosnien-Herzegowina und Montenegro haben sich auf ein Grenzabkommen geeinigt. Das wird am Mittwoch unter der Schirmherrschaft von Bundespräsident Heinz Fischer in der Hofburg unterschrieben. Anfangs hatten die Bosnier noch Bedenken, ob das nicht allzu viele kakanische Züge haben könnte, doch schließlich fand man es doch einleuchtend, in der Wiener Hofburg ein wenig feiern zu können. Das Grenzabkommen folgt auf einen Streit um ein Gebiet in Montenegro, das unter der Besatzung von Österreich-Ungarn noch zu Bosnien-Herzegowina gehörte. Es ging um 74 Quadratkilometer vor der Bucht von Kotor. Doch die bosnischen Ansprüche hatten von Anfang an keine Chance. Noch ein weiteres Grenzabkommen, jenes zwischen dem Kosovo und Montenegro, könnte in Wien unterzeichnet werden. Zentral ist aber eine Deklaration aller südosteuropäischen Staaten, die noch keine EU-Mitglieder sind. Sie besagt, dass sie einander bei der EU-Annäherung nicht blockieren werden. Angesichts der Spannungen zwischen Serbien und dem Kosovo, der von Serbien nicht als Staat anerkannt wird, ist diese Deklaration weitreichend. Aber auch die anderen Balkanstaaten haben offene bilaterale Streitigkeiten. Zudem wurden die benachbarten EU-Staaten eingeladen, die Deklaration zu unterzeichnen. Besonders wichtig wäre das im Fall von Griechenland, das die EU- und Nato-Integration Mazedoniens seit zehn Jahren per Veto verhindert und auch beginnt, Albanien Schwierigkeiten zu machen. Wichtig wäre es auch im Fall von Kroatien, das einen nationalistischen Kurs gegenüber Serbien und Bosnien-Herzegowina eingeschlagen hat. Doch die beiden EU-Staaten zeigen bisher keine Ambitionen mitzumachen. Am Mittwoch wird im Außenministerium mit Unterstützung des European Fund for the Balkans über die offenen bilateralen Konflikte diskutiert. Das Konzept stammt von dem Südosteuropa-Experten Florian Bieber von der Universität Graz. Am Mittwochabend findet in der Ankerbrotfabrik eine Diskussionsveranstaltung mit den Premierministern von Serbien und Albanien, Aleksandar Vučić und Edi Rama, sowie den Außenministern von Bosnien-Herzegowina und Montenegro und Vertretern der Zivilgesellschaft aus Südosteuropa statt. Es geht um drei große Themenblöcke: wirtschaftliche Entwicklung und die Schaffung von Arbeitsplätzen, Meinungsfreiheit und regionale Zusammenarbeit. Das Außenministerium ist an die Erste Stiftung herangetreten, die Veranstaltung zu organisieren. Es geht darum, dass die Politiker und die Zivilgesellschaft auf Augenhöhe diskutieren, sagt Maribel Königer von der Erste Stiftung. Das Thema wirtschaftliche Entwicklung wurde vergangenes Jahr auf Initiative der deutschen Kanzlerin Angela Merkel angestoßen. Sie ist es auch, die den Berlin-Prozess begonnen hat, bei dem sich die Premiers, die Wirtschafts- und Außenminister nun jährlich treffen, um gemeinsame Projekte zu besprechen. Merkel wird am Donnerstag auch in Wien sein, ebenso die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Kommissar Hahn. Das nächste Treffen innerhalb des Berlin-Prozesses findet kommendes Jahr in Paris statt, 2017 ist Italien dran. Weil es in absehbarer Zeit keine EU-Erweiterung geben wird, wollen zentrale EU-Staaten so signalisieren, dass die südosteuropäischen Staaten sich trotzdem an der EU orientieren sollen. Man will sie quasi an der Stange halten und gleichzeitig den Einfluss Russlands im Zaum halten. Deutschland ist seit vielen Jahren das engagierteste Land auf dem Balkan. Aber auch Österreich ist nicht nur wirtschaftlich interessiert. Sebastian Kurz ist der erste Außenminister seit langem, der den Balkan wirklich zu einem Schwerpunktgebiet gemacht hat und sich tatsächlich interessiert. Konkret soll es bei der Diskussion auch um die Bildungssysteme auf dem Balkan gehen. Es gibt sehr viele Hochschulabsolventen, aber wenige Berufsschüler. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche private Universitäten gegründet worden, mit zweifelhaftem Ruf. Es ist relativ einfach, in Südosteuropa einen Abschluss mit Geld zu bekommen. Die Vertreter der Zivilgesellschaft sollen auch die mangelnde Medienfreiheit (auch in Serbien kontrolliert die Regierung zahlreiche Medien) ansprechen. Am Donnerstag sollen dann die Empfehlungen der Zivilgesellschaft den Politikern auf dem Gipfeltreffen präsentiert werden. Sorge hat man, dass der Gipfel zu sehr von dem Asylthema und den Migranten aus den Balkanstaaten dominiert werden könnte. Deshalb ist Kurz auch nach Mazedonien geflogen, um das Thema abzufangen. Im Vorfeld des Gipfels wird auch in der EU-Kommission darum gerungen, dass Mogherini und Hahn mit ein paar konkreten Ideen zu den Asylsuchenden in der EU nach Wien kommen. Die wichtigste Veranstaltung findet im Anschluss an die Diskussionsveranstaltung in der Ankerbrotfabrik statt. Im Austria-Stadion wird ein Politikerteam aus Südosteuropa gegen Österreicher und Slowenen spielen. Das Ganze steht unter dem Motto FC Future EU against FC EU. Wer von den Balkan-Premiers im Tor stehen wird, ist noch nicht ausgemacht. Die beiden großen Führer, der Serbe Vučić und der Albaner Rama, kommen infrage. Kurz und der slowenische Regierungschef Miro Cerar sind auch dabei. Letzterer wird als sehr fussballbegabt eingeschätzt. Auf der Europaseite spielen auch der politische Direktor im Außenministerium, Jan Kickert, und der Chef der Balkanabteilung, Johann Sattler, der sich den Kick ausgedacht hat. Staat soll dem Bund der jüdischen Gemeinden für 25 Jahre jährlich 950.000 Euro zahlen. Belgrad – Das Vermögen der Holocaust-Opfer in Serbien soll an den Bund der jüdischen Gemeinden rückerstattet werden. Eine seit 2011 erwartete entsprechende Regelung liegt nach Angaben der Tageszeitung Vecernje novosti (Donnerstagsausgabe) nun vor. Unter Berufung auf den Chef der staatlichen Rückerstattungsagentur Strahinja Sekulic berichtete das Blatt, dass der Staat den jüdischen Gemeinden in den kommenden 25 Jahren jährlich 950.000 Euro auszahlen werde. Geplant sei auch die Rückerstattung in Form von Sachgütern wie beispielsweise Grundstücken oder Gebäuden – sofern dies möglich sei, so das Blatt. Dies soll allerdings nicht für Kunstwerke im Besitz von Museen gelten. Keine Rückerstattung soll es auch im Falle von Gebäuden geben, die seit dem Zweiten Weltkrieg vom Parlament und sonstigen Staatsinstitutionen genutzt werden. Die jüdische Gemeinschaft in Serbien hatte vor dem Zweiten Weltkrieg etwa 30.000 Mitglieder. Rund 80 Prozent waren vom Holocaust betroffen. Die meisten kamen im KZ-Lager Semlin am linken Save-Ufer bei Belgrad ums Leben. Derzeit leben in Serbien nur noch etwa 3.000 Juden. Die Rückgabe des nach dem Zweiten Weltkrieg beschlagnahmten Vermögens in Serbien hatte bereits im Februar 2012 begonnen. Die Rückerstattung an die jüdischen Gemeinden hatte sich bisher verzögert. In einer groß angelegten Polizeiaktion sind in der Nacht auf Samstag 79 Personen in Serbien festgenommen worden. Belgrad – In einer groß angelegten Polizeiaktion sind in der Nacht auf Samstag 79 Personen in Serbien festgenommen worden. Darunter befinden sich laut Belgrader Medienberichten auch der frühere Handels- und Landwirtschaftsminister Slobodan Milosavljevic (2007-08), zwei frühere stellvertretende Minister und mehrere Chefs von staatlichen Unternehmen. Nach weiteren fünf Personen wird gefahndet. Unter den Festgenommenen befinde sich auch die frühere Chef-Korruptionsbekämpferin, Zorana Markovic, berichtete das Internetportal B-92. Durch Geldwäsche, Amtsmissbrauch und Bestechungen soll die Gruppe seit 2004 den Staat um 100 Millionen Euro betrogen haben, erklärte Innenminister Nebojsa Stefanovic bei einer Pressekonferenz in Belgrad. Es würde sich um die bisher größte Polizeiaktion gegen Korruption handeln, so der Minister weiter. Tageszeitung: Russland soll sich für früheren Chefdiplomaten Vuk Jeremic einsetzen, Kritik auf dem Westen. Belgrad – Vuk Jeremic, der ehemalige serbische Außenminister und frühere Vorsitzende der Uno-Vollversammlung, kann nicht mit der Unterstützung Belgrads für die von ihm angestrebte Kandidatur für den Posten des Uno-Generalsekretärs rechnen. Für Jeremic würde sich Moskau stark einsetzen, entschlossener Widerstand komme aus europäischen und US-amerikanischen Diplomatenkreisen, berichtete die Zeitung Danas. Der serbische Präsident Tomislav Nikolic hatte Anfang des Jahres wissen lassen, dass er die Kandidatur von Jeremic nicht unterstützen würde. Außenminister Ivica Dacic bestätigte daraufhin, dass sein Amtsvorgänger auch keine Unterstützung der Regierung genieße. Jeremic (40) war zwischen 2007 und Mitte 2012 Außenminister Serbiens, danach übernahm er das einjährige Amt des Vorsitzenden der UNO-Vollversammlung. Als Serbiens Chefdiplomat hatte der Funktionär der damals regierenden Demokratischen Partei (DS) durch undiplomatische Aussagen immer wieder für Wirbel und Verstimmungen vor allem in den Beziehungen zu Kroatien gesorgt. Serbien hat wenige Tage vor Ablauf der Frist keinen eigenen Kandidaten für den Posten des UNO-Generalsekretärs nominiert. Laut früheren Ankündigungen aus serbischen Regierungskreisen will Belgrad auch keinen Kandidaten aus der Region unterstützen, da sich dieser nach seiner Deutung vom ersten Tag an um die Aufnahme des Kosovo in die Uno einsetzen würde. Slowenien, Kroatien und Mazedonien haben bereits ihre Kandidaten für den Posten des Generalsekretärs vorgeschlagen. Ljubljana nominierte den ehemaligen Staatspräsidenten Danilo Turk, Kroatien seine Außenministerin Vesna Pusic, Mazedonien den ehemaligen Präsidenten der Uno-Vollversammlung, Srgjan Kerim. Österreich erkannte frühere serbische Provinz bereits 2008 an. Wien/Belgrad – Der FPÖ-Präsidentschaftskandidat Norbert Hofer hat in Serbien mit einer Aussage zum Status des Kosovos für Aufsehen gesorgt. Kosovo ist Teil von Serbien, zitierte das serbische Boulevardblatt Kurir am Montag aus einem Interview mit dem Dritten Nationalratspräsidenten. Hofer-Sprecher Konrad Belakowitsch konnte die Aussagen gegenüber der APA vorerst nicht kommentieren. Die frühere serbische Provinz Kosovo hat 2008 ihre Unabhängigkeit erklärt. Österreich war eines der ersten Länder, das den Kosovo als unabhängigen Staat anerkannt hat. Insgesamt taten dies bis zum heutigen Tag 111 Länder, darunter 23 der 28 EU-Staaten. Serbien akzeptiert die Unabhängigkeit seiner früheren Provinz nicht, eine Aufnahme in die UNO scheitert am Widerstand der Vetomächte Russland und China. Bereits während des Präsidentschaftswahlkampfes hat sich Hofer gegen eine Aufnahme des Kosovos in internationale Organisationen ausgesprochen. Zudem hat sich der FPÖ-Politiker immer wieder für die Anliegen nationalistischer Serben in Bosnien-Herzegowina starkgemacht. Bei einem Besuch des umstrittenen Präsidenten der Republika Srpska, Milorad Dodik, im September 2015 in Wien erklärte Hofer etwa, dass er die Bestrebungen der Republika Srpska hinsichtlich einer eigenen selbstbestimmten Zukunft zu 100 Prozent unterstützt. In Österreich leben nach Angaben der Statistik Austria mehr als 130.000 österreichische Staatsbürger, die aus Serbien gebürtig sind. Die FPÖ hat sich in der Vergangenheit immer wieder um die Stimmen dieser Bevölkerungsgruppe bemüht. Antikorruptionsprozesse in Slowenien und in Kroatien zeigen, dass viele Vorwürfe gegen Politiker am Ende ungeklärt bleiben. Eine zentrale Rolle spielen dabei die Verfassungsgerichtshöfe in den beiden Staaten. Ljubljana/Zagreb – Vergangene Woche hat die Antikorruptionsbehörde in Ljubljana einen neuen Bericht veröffentlicht, wonach Expremier Janez Jansa nicht erklären könne, woher 210.000 Euro auf seinem Konto stammen. In seiner Zeit als Mitglied des Parlaments und als Premier sind seine Einkünfte unverhältnismäßig und ohne Erklärung gewachsen, so die Antikorruptionsbehörde. Jansa war bereits 2013 wegen Schmiergeldannahme beim Ankauf von Patria-Radpanzern zu zwei Jahren Haft verurteilt worden. Doch dann hob das Verfassungsgericht im April das Urteil auf und verwies das Verfahren zurück in die erste Instanz: Das Gericht habe nicht nachweisen können, dass das Schmiergeld auch angenommen worden sei, so das Argument. Der neue Prozess kann aber nicht innerhalb der Frist bis Ende des Sommers beendet werden, und so wird die Anklage gegen Jansa wahrscheinlich wegen zu langer Verfahrensdauer fallen gelassen, erklärt der Politologe Marko Lovec dem STANDARD. In Slowenien bleibt die Causa also ungeklärt, obwohl in Österreich der Lobbyist Wolfgang Riedl verurteilt wurde, weil er jemandem in Slowenien 900.000 Euro Schmiergeld gegeben hat. Das Verfahren gegen Jansa zeigt exemplarisch die Grenzen der Justiz auf, wenn es darum geht, Korruptionsvorwürfe gegen Politiker zu klären. In Slowenien wurde aber der Versuch gestartet, die ethischen Standards zu heben. Demnach dürfen Verurteilte nicht im Parlament sitzen. Doch das Verfassungsgericht erklärte, dass dies im Fall Jansa nicht gelte, weil dieser gewählt wurde, als die Bürger das Urteil schon kannten. Auch der Bürgermeister von Zagreb, Milan Bandic, der vergangenen Oktober wegen Korruptionsvorwürfen, Amtsmissbrauchs und illegaler Einflussnahme festgenommen wurde, ist wieder in Amt und Würden. Er will nun mit seiner Partei für Arbeit und Solidarität landesweit bei den Parlamentswahlen antreten. Im Zentrum der Vorwürfe standen die städtischen Betriebe der Zagreber Holding. Ein Auftrag zur Müllentsorgung über eine Million Euro soll ohne Ausschreibung an eine Firma gegangen sein. Zusätzlich sollen Firmen von Bauprojekten der Stadt profitiert haben. Bandic ging im Herbst gegen eine Kaution von zwei Millionen Euro frei. Von den Vorwürfen ist heute fast nichts übrig geblieben. Auch in diesem Fall war es ein Spruch des Verfassungsgerichts, der Bandic die Freiheit brachte. Teilweise ist es das Justizsystem, teilweise die Regelung, wonach man trotz solcher Anschuldigungen noch Bürgermeister sein kann. Außerdem ist das Verfassungsgericht nicht völlig unabhängig, erklärt der Analyst Dragan Zelic von der NGO Gong die Gründe für das Versanden. Nun laufen nur nebensächliche Untersuchungen, etwa wegen Missbrauchs von Stadtressourcen für die neokonservative Gruppe Im Namen der Familie. Bandic unterstützt ohnehin rechte Kreise. So hat die Stadt Zagreb die Erlaubnis für ein Protestcamp von Kriegsveteranen erteilt. Und Bandic will, dass der Flughafen nach dem Nationalisten Franjo Tudjman benannt wird. "Dnevnik": Botschaft in Ljubljana ertappte Geheimdienst SOVA bei Spionageversuch – Slowenische Polizei befasst sich mit dem Fall. Ljubljana/Wien – Der slowenische Geheimdienst SOVA ist einem Medienbericht zufolge bei einem Spionageversuch auf die österreichische Botschaft in Ljubljana ertappt worden. Die misslungene Bespitzelung habe sich zwischen März 2013 und November 2014 zugetragen, wie die Tageszeitung Dnevnik am Montag berichtete. Die slowenische Polizei habe auf Anzeige Österreichs Ermittlungen eingeleitet. Der Fall ähnelt einem Spionageroman: Dnevnik zufolge wurde ein Geheimdienstmitarbeiter angewiesen, zur Beschaffung interessanter Informationen enge Kontakte mit einer Mitarbeiterin der Botschaft zu knüpfen. Diese habe die Absichten des Geheimdienstlers durchschaut und meldete es ihrem Vorgesetzten, wie das Blatt berichtete. Kein Kommentar Mit dem Spionageversuch befasse sich nun die slowenische Polizei, auch die Staatsanwaltschaft ist laut der Zeitung informiert. Sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die SOVA verwehrten einen Kommentar unter Berufung auf geheimdienstlich relevante Informationen. Kein Kommentar, hieß es auch aus der österreichischen Botschaft in Ljubljana dazu. Im österreichischen Außenministerium war seit Montagvormittag keine Stellungnahme zu bekommen. Das Büro des Regierungschefs Miro Cerar bestätigte indes, dass der aktuelle Premier über den Fall Bescheid weiß. Der Ministerpräsident war über das Verfahren, das von den österreichischen Behörden eingeleitet wurde, informiert, hieß es gegenüber der Zeitung. Kommentieren könne Cerar die laufenden Verfahren jedoch nicht, so sein Büro. Der Vorfall gefährde die guten Beziehungen zwischen den beiden Ländern aber nicht, hieß es aus Kreisen des Regierungschefs. Begründet wird dies unter anderem damit, dass Slowenien bei den Bemühungen um die Fortsetzung des Schiedsverfahrens im slowenisch-kroatischen Grenzstreit eine maßgebliche Unterstützung durch Österreich erhalte. Sicherheitsfiasko Slowenische Sicherheitsexperten kommentierten die Angelegenheit als ein Sicherheitsfiasko, das auf die schlechte Situation innerhalb des Geheimdienstes SOVA zurückzuführen sei. Zum Zeitpunkt des Spionageverdachts war Stane Stemberger der Chef des Geheimdienstes. Bestellt von der Regierung unter Regierungschefin Alenka Bratusek, leitete er die SOVA von März 2013 bis November 2014. Fast zwei Drittel der Slowenen stimmten am Sonntag in einem Referendum gegen die Gleichstellung der Homosexuellen im Eherecht. Die liberale Regierung ist mit ihrem Gesetz gescheitert. Aktivisten wollen nun auf rechtlicher Ebene die Diskriminierung bekämpfen. Ljubljana – Wir sind bereits daran gewöhnt. Immer wenn wir verlieren, ist das ein kleiner Schritt nach vorn, sagt der LGBT-Aktivist Mitja Blazic aus Ljubljana zum STANDARD. Die slowenischen Schwulen und Lesben versuchen sich über das Referendum am Sonntag hinwegzutrösten, bei dem sich eine Mehrheit gegen ihre rechtliche Gleichstellung ausgesprochen hat. Mehr als 63 Prozent Slowenen stimmten dagegen. Das Gesetz war im März von der liberalen Regierung gemacht worden, doch kirchennahe konservative Kreise hatten dagegen mobilisiert. Blazic und seine Mitstreiter überlegen nun auf einer anderen Ebene die mangelnde Gleichberechtigung der Homosexuellen zu bekämpfen. Sie wollen insgesamt 70 Gesetze, die diskriminierend sind – etwa im Sozialversicherungsrecht – vor dem Verfassungsgerichtshof bekämpfen. Mit dieser Strategie waren wir schon erfolgreich. Das Verfassungsgericht hat immer für die Gleichstellung argumentiert, so Blazic. Während es auf politischer Ebene in Slowenien offenbar nicht möglich ist, das zu erreichen. Tatsächlich ist das im Vergleich ansonsten atmosphärisch viel liberalere Slowenien für Homosexuelle rechtlich sogar rückständiger als Kroatien, wo die eingetragene Partnerschaft mehr Rechte vorsieht. Das slowenische Gesetz zur eingetragenen Partnerschaft für Homosexuelle stammt aus dem Jahr 2005 und ist vergleichsweise mickrig. Am Sonntag ging es eigentlich nur um einen Satz, der die Ehe als Verbindung zwischen zwei Personen und nicht mehr als Verbindung zwischen Mann und Frau definieren sollte. Blazic meint, dass die Slowenen nun aber gegen diese Gleichstellung stimmten, weil die Gegner mit Unwahrheiten mobilisiert haben sollen. So wurde etwa verbreitet, dass Lehrer in der Schule – im Falle der Gleichstellung – anders über Homosexualität unterrichten hätten sollen, oder, dass Leute, die nicht schwulenfreundlich agierten, arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten hätten können. Ein Grund für das Scheitern der Gleichstellungsbefürworter sei auch gewesen, dass man nur zwei Monate Zeit gehabt habe, um die Kampagne zu organisieren, so Blazic. Allerdings habe man in der Kampagne auch neue Phänomene gesehen, etwa, dass sich auch Eltern und Großeltern für die Rechte ihrer homosexuellen Kinder auch im Sinne der Enkelkinder einsetzten. Wir geben uns nicht so schnell geschlagen, Blazic. Sicher ist, dass das Referendum unter sehr schwierigen und besonderen Bedingungen abgehalten wurde. Denn durch die Flüchtlingskrise ist Slowenien stark nach rechts gerückt. Wir bauen Zäune an der Grenze, die Leute haben vor Flüchtlingen Angst, der Nationalismus wächst. Wenn das Referendum im März stattgefunden hätte, hätten wir vielleicht auch verloren, aber nicht so hoch, meint der Aktivist. Die Gruppe Es geht um die Kinder!, die auf der Gegenseite kampagnisierte, will nun übrigens nach kroatischem Vorbild eine Partei gründen. Ihr Chef Ales Primc will auch ein neues Gesetz vorschlagen, dass eine Besserstellung für Homosexuelle aber ohne Adoptionsrecht vorsehen soll. Er selbst kündigte an, in die Politik zu gehen. Außenminister Zaorálek sieht "gefährlichen Zusammenhang" zwischen schwarzer Liste und Geschichtsdoku. Prag/Wien – Tschechiens Außenminister Lubomír Zaorálek zeigte sich am Montagabend nach seiner Begegnung mit dem russischen Botschafter Sergey Kiselev weiterhin besorgt über das Verhältnis Moskaus zur EU und zur eigenen Geschichte. Kiselev war wegen der russischen Einreiseverbote gegen EU-Politiker ins Prager Außenministerium zitiert worden. Auf der schwarzen Liste Moskaus stehen auch vier Tschechen, darunter der ehemalige EU-Erweiterungskommissar Stefan Füle und Ex-Außenminister Karl Schwarzenberg. Kiselev soll im Zusammenhang mit der Liste von Personen gesprochen haben, die beim Umsturz in der Ukraine im vergangenen Jahr eine Rolle gespielt hätten. Thema der Unterredung war auch ein Dokumentarfilm über die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968, der kürzlich vom russischen Staatsfernsehen ausgestrahlt worden war. Die Invasion der Warschauer-Pakt-Truppen in die Tschechoslowakei wird in dem Film als notwendiger Schritt gegen einen drohenden Umsturz durch die Nato, ehemalige SS-Leute und Faschisten dargestellt. Für den überwiegenden Teil der tschechischen Öffentlichkeit kommt das einer Provokation und einer inakzeptablen Fälschung der Geschichte gleich. Der Prager Frühling, der von der damaligen reformkommunistischen Führung der Tschechoslowakei unter Alexander Dubcek mitgetragen wurde und 1968 in der Abschaffung der Pressezensur einen Höhepunkt fand, gilt bis heute als Versuch eines demokratischen Aufbruchs und einer Loslösung von Moskau. Seine gewaltsame Niederschlagung durch die Sowjetunion und andere Staaten des Warschauer Pakts wird auch von jenen Politikern verurteilt, die die Idee eines Sozialismus mit menschlichem Antlitz, wie er 1968 in der Tschechoslowakei propagiert wurde, vehement kritisieren. Außenminister Zaorálek sieht zwischen der aktuellen schwarzen Liste Moskaus und dem Film über das Jahr 1968 einen gefährlichen Zusammenhang. In beiden Fällen gehe es darum, hinter den politischen Entwicklungen in einem anderen Land nicht das dortige Volk zu sehen, sondern fremde Mächte. Derartige Verschwörungstheorien, durch die in Russland das Bild vom bösen Westen gezeichnet werde, seien sehr beunruhigend, so der Sozialdemokrat. Es handle sich um grobe, lügenhafte und himmelschreiende Geschichtsfälschung. Der russische Botschafter habe laut Zaorálek versucht, die Bedeutung der Dokumentation, die auch mit Ausschnitten aus Sowjet-Propagandafilmen arbeitet, herunterzuspielen: Nach wie vor gelte die Erklärung des ehemaligen sowjetischen Präsidenten Michail Gorbatschow, der eine moralische Verantwortung seines Landes für die Invasion 1968 einräumte, so Kiselev. Auch Russlands Präsident Wladimir Putin hatte sich 2006 bei seinem Besuch in Prag dem noch angeschlossen. So soll eine bessere Parteidisziplin erzielt werden. Prag – Die tschechische Protestbewegung ANO von Finanzminister Andrej Babis will ihre Kandidaten bei Wahlen künftig im Voraus einem Psychotest unterziehen. Damit soll eine bessere Parteidisziplin erzielt werden und möglichen neuen Parteirebellen vorbeugend aus dem Weg gegangen werden, schrieb die Tageszeitung Hospodarske noviny (Mittwoch-Ausgabe). Kürzlich hatte es in mehreren Regionen Aufstände gegen die ANO-Führung gegeben. Ich stelle mir vor, dass die ersten zehn Kandidaten auf der Liste in jedem Kreis einen Psychotest absolvieren, sagte der erste Vizechef von ANO, Jaroslav Faltynek. Als früherer Spitzenmanager von Babis Holding Agrofert habe er sich selbst einer Psycho-Diagnostik unterzogen. Dabei wird man so gründlich gecheckt, dass man nach dem vierstündigen Test nicht einmal mehr weiß, wie man heißt, so Faltynek. Auch der Brünner Oberbürgermeister Petr Vokral (ANO) unterstützt die Idee mit der Begründung, die Bewegung sollte sich vor Karrieristen schützen. ANO sei noch so jung, dass sie noch nicht dem Ansturm von Leuten standhalten kann, die sich nur ihre Ambitionen (...) erfüllen wollen , so Vokral. ANO wurde erst 2011 gegründet. Einen größeren Zulauf von Mitgliedern verzeichnete ANO erst 2013, nachdem die Bewegung in den Wählerumfragen zu punkten begonnen hatte. Im selben Jahr trat sie erstmals bei Parlamentswahlen an und landete gleich auf Platz zwei, knapp hinter den Sozialdemokraten (CSSD). Es kam sogleich zur Regierungsbeteiligung. Aus der EU-Wahl im Mai 2014 und den Kommunalwahlen in Tschechien im Herbst 2014 ging die Babis-Bewegung jeweils als stärkste Kraft hervor. Seit Monaten liegt ANO an der Spitze der Wählerumfragen. (APA. 29.7.2015) Geheimdienste bekommen deutlich mehr Befugnisse. Prag – Die tschechischen Geheimdienste bekommen künftig deutlich mehr Befugnisse. Präsident Miloš Zeman unterzeichnete das umstrittene Regelwerk am Dienstag, wie das Präsidialamt in Prag mitteilte. Mit richterlicher Zustimmung können sich die Geheimdienste nun bei Verdachtsfällen über das Bankgeheimnis hinwegsetzen. Bisher war dies nur bei Terrorismusverdacht möglich. Die Nachrichtendienste bekommen dadurch Zugang zu den Steuerdaten der Finanzbehörden sowie zu den Namen von Telefonnutzern. Die konservative Opposition kritisierte die Regelung als einen Eingriff in die Privatsphäre. Datenschutzaktivisten sprachen von einem Blankoscheck für die Sicherheitsbehörden. Konvička forderte Internierung von Muslimen in KZ. Prag – Gegen den Chef der rechtsradikalen tschechischen Anti-Islam-Bewegung Martin Konvička sind Ermittlungen eingeleitet worden. Die Staatsanwaltschaft von CČeské Budějovice (Budweis) habe Ermittlungen wegen Verhetzung gegen Konvička aufgenommen, teilte dessen Anwältin Klára Samková am Dienstag laut der Nachrichtenagentur ČTK mit. Der Chef der ausländerfeindlichen Bewegung Block gegen den Islam habe in Postings auf seinem Facebook-Profil zu Gewalt gegen Muslime aufgerufen, so der Vorwurf. Konvička hatte darin laut ČTK unter anderem gefordert, Muslime sollten in Konzentrationslager gesperrt werden oder dass Fleisch- und Knochenmehl aus ihnen gemacht werden solle. Im Falle einer Verurteilung drohen dem Insektenkundler bis zu drei Jahre Haft. Ein Sprecher Konvičkas bezeichnete die Ermittlungen als direkten Angriff auf die Meinungsfreiheit. Die Äußerungen seien außerdem bereits mehr als ein Jahr alt, erklärte seine Anwältin. Konvička, ein Zoologie-Dozent an der Universität in České Budějovice, hat mit seiner Bewegung Block gegen den Islam in den vergangenen Monaten mehrere Kundgebungen gegen Muslime organisiert. Die Bewegung will bei den Regionalwahlen im kommenden Jahr antreten. Bei einer Demonstration der islamfeindlichen Gruppierung vergangene Woche war auch der tschechische Präsident Miloš Zeman als Redner aufgetreten und hatte den Islam als Kultur von Mördern und religiösem Hass bezeichnet. Die Teilnahme des Staatsoberhaupts an der Veranstaltung am Jahrestag der Samtenen Revolution 1989 hatte für heftige Kritik gesorgt. Am 17. November wird in Tschechien zugleich auch an die blutige Niederschlagung von Protesten gegen die Nazi-Besatzung und die Schließung der Hochschulen im Jahr 1939 erinnert. Tschechisches Staatsoberhaupt sorgt erneut mit flüchtlingsfeindlichen Aussagen für Aufregung. Prag – Der tschechische Staatspräsident Miloš Zeman hat erneut vor der andauernden Flüchtlingsbewegung gewarnt. Dabei handle es sich um eine organisierte Invasion und keine spontane Bewegung von Flüchtlingen, sagte der für seine flüchtlingsfeindlichen Aussagen bekannte Präsident am Samstag in einer vom Fernsehen übertragenen Weihnachts- und Neujahrsrede. Er habe Mitgefühl mit Kindern und alten Menschen, so Zeman in seiner Ansprache. Die Mehrheit der Flüchtlinge seien jedoch gesunde Männer ohne Familien, und da stelle er sich die Frage: Warum nehmen sie nicht die Waffe in die Hand und kämpfen gegen den Islamischen Staat? In diesem Zusammenhang erinnerte Zeman daran, dass die Tschechen im Zweiten Weltkrieg aus dem Protektorat Böhmen und Mähren (1939–45) nach Großbritannien geflohen seien, nicht aber um britische Sozialleistungen zu beziehen, sondern um für die Freiheit ihrer Heimat zu kämpfen, sagte der Staatschef weiter. Zum Schluss seiner Ansprache betonte Zeman: Dieses Land ist unser! Dieses Land ist nicht und kann nicht für alle sein! In Tschechien haben in diesem Jahr knapp 1.400 Menschen Asyl beantragt. Davon wurden nach Angaben des Innenministeriums 70 positiv beschieden. In Österreich rechnet das Bundesamts für Asyl und Fremdenwesen heuer mit insgesamt 95.000 Asylanträgen. Deutschland verzeichnete Anfang Dezember offiziell eine Million Flüchtlinge seit Jahresbeginn. Gespräche mit Zeman und Fahrt mit historischem Salonzug von Ex-Präsident Masaryk geplant. Prag/Wien – Bundespräsident Heinz Fischer kommt am kommenden Montag und Dienstag zu einem zweitägigen Staatsbesuch nach Tschechien. Er wird per Bahn in die tschechische Hauptstadt reisen. Es handelt sich um Fischers letzten Staatsbesuch in ein befreundetes Nachbarland, teilte sein Sprecher, Bruno Aigner, am Freitag mit. Begleiten werden den Bundespräsidenten außer seiner Ehefrau Margit Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP), Unterrichtsministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ), der burgenländische Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) und Wirtschaftskammerchef Christoph Leitl, Arbeiterkammer-Präsident Werner Muhm sowie Vertreter österreichischer Firmen, wissenschaftlicher und kultureller Institutionen, wie die tschechische Botschaft in Wien mitteilte. Fischer wird auf dem Prager Hauptbahnhof in den historischen Salonzug des ersten tschechoslowakischen Staatspräsidenten Tomas Garrigue Masaryk umsteigen und in die mittelböhmische Gemeinde Stochov (etwa 30 Kilometer westlich von Prag) fahren, die in der Nähe des Präsidentenschlosses in Lany liegt. In Stochov werden Fischer und Zeman eine Tafel enthüllen, die an das erste Treffen der Staatschefs Österreichs und der Tschechoslowakei nach dem Zerfall der Monarchie, Michael Heinisch und Masaryk, und an die Unterzeichnung des Vertrages über die Zusammenarbeit zwischen den beiden Staaten am 16. Dezember 1921 erinnert. Danach werden Fischer und Zeman Kränze am Grab Masaryks in Lany niederlegen und im Präsidentenschloss Gespräche führen. Fischer wird nach dem chinesischen Staatspräsidenten Xi das zweite Staatsoberhaupt, das Zeman auf dem Schloss Lany empfängt. Am Montagabend steht dann ein offizielles Staatsbankett auf der Prager Burg auf dem Programm. Am Dienstag wollen Fischer und Zeman in Prag gemeinsam ein tschechisch-österreichisches Wirtschaftsforum eröffnen. Am selben Tag wird Fischer mit dem tschechischen Regierungschef Bohuslav Sobotka zusammentreffen, das Österreichische Gymnasium in Prag sowie die Firma Reinwag/Komwag besuchen. Ziel des Besuchs sei es, eine neue Dynamik in die bilateralen Beziehungen zu bringen, sagte Aigner. Die Beziehungen bezeichnete er als gut. Es gebe viele Kontakte auf politischer, wirtschaftlicher und kultureller Ebene. Inhaltlich wird es auch um die Verkehrsverbindungen und regionale Zusammenarbeit zwischen Österreich und Tschechien gehen. Auch internationale Themen dürften zur Sprache kommen, wie die Flüchtlingskrise, der Ukraine-Konflikt oder der Krieg in Syrien. Im Vorfeld von Fischers Besuch zeichnete Zeman am gestrigen Donnerstag, dem 7. April, den ehemaligen österreichischen Botschafter in Prag, Ferdinand Trauttmansdorff, mit dem höchsten Staatsorden – dem Orden des Weißen Löwen – aus. Zeman würdigte so den Beitrag Trauttmansdorffs zur Entwicklung der Beziehungen zwischen Tschechien und Österreich, teilte Zemans Sprecher Jiri Ovcacek mit. Trauttmansdorff war von 2010 bis 2015 Botschafter in Prag. Kritiker sehen Verwechslungsgefahr mit Tschetschenien. Prag – Die Tschechische Republik heißt nun auch offiziell einfach Tschechien. Das beschlossen die Vertreter der höchsten Verfassungsorgane am Donnerstagabend, teilte ein Regierungssprecher mit. Auf Englisch nennt sich das Land nun Czechia, auf Französisch la Tchéquie. Damit endet eine mehr als 20-jährige Diskussion, während derer Vorschläge wie Czechland verworfen wurden. Der nur ein Wort umfassende Ausdruck soll vor allem bei Sportereignissen und in Marketingmaterialien Verwendung finden. An der Sitzung nahmen neben Präsident Miloš Zeman und Regierungschef Bohuslav Sobotka auch die Vorsitzenden der beiden Parlamentskammern sowie die Außen-, Verteidigungs- und Industrieminister teil. Die neue Staatsbezeichnung soll nun amtlich bei den Vereinten Nationen registriert werden. Kritiker hatten auf die Verwechslungsgefahr von englisch Czechia mit Chechnya, also der russischen Teilrepublik Tschetschenien, verwiesen. Ein Gegner der Kurzform Česko (Tschechien) war der 2011 gestorbene Ex-Präsident, Essayist und Dramatiker Václav Havel. Mir laufen Schauer über den Rücken, wenn ich diesen Ausdruck in Briefen von Lesern erblicke, sagte er einmal in einem Interview. Sonderbriefmarke mit Kaiser Karl IV. aus dem Verkehr gezogen. Prag – Teure Panne bei der tschechischen Post: Auf einer Sonderbriefmarke zum 700. Geburtsjahr des römisch-deutschen Kaisers Karl IV. hat sich ein Lateinfehler eingeschlichen. Statt des richtigen Karolus Quartus für Karl der Vierte stehe auf der Marke Karolus Quatrus, teilte ein Postsprecher am Montag mit. Die fehlerhaften Bögen werden aus dem Verkehr gezogen und ersetzt. Manch einen Sammler dürfte es freuen, denn in den Augen von Philatelisten erhöhen Druckfehler den Wert einer Briefmarke. Karl IV. (1316-1378) war auch König von Böhmen und wird im Jubiläumsjahr in Tschechien als Pater Patriae (Vater des Vaterlandes) gefeiert. Mehr als 50.000 ukrainische Soldaten in Krisengebiet stationiert, Rüstungsbetriebe arbeiten "im Dreischichtsystem". Kiew – Kurz vor dem G 7-Gipfel hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko vor einer beispiellos großen Gefahr eines russischen Einmarsches in der Ukraine gewarnt. Deshalb seien im Kriegsgebiet mehr als 50.000 ukrainische Soldaten stationiert, und deshalb würden die Rüstungsbetriebe der Ukraine im Dreischichtsystem arbeiten, sagte Poroschenko vor Journalisten am Freitag in Kiew. Der Präsident bekräftigte Forderungen nach Uno-Friedenstruppen für die Ostukraine. Bei seiner großen Pressekonferenz kündigte Poroschenko außerdem ein Telefonat mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und US-Präsident Barack Obama vor dem G 7-Gipfel an, um Positionen zu koordinieren. Bei dem Gipfel in Bayern am Sonntag und Montag ist die Ukraine-Krise eines der großen Themen. Die Stationierung von Friedenstruppen in der Ukraine ist im Westen umstritten. Poroschenko warf den Separatisten und Russland vor, immer wieder das Minsker Friedensabkommen von Mitte Februar zu brechen. Solche Verstöße müssten bestraft werden, verlangte er. Der Befürworter eines Nato-Beitritts der Ukraine kündigte auch die Öffnung eines Büros der Vereinten Nationen an. Die Stelle solle die Stationierung von Friedenstruppen organisieren. Die Soldaten sollten die Ukraine vor russischen Aggressoren schützen und die russisch-ukrainische Grenze verteidigen, sagte Poroschenko. Angesichts der jüngsten schweren Kämpfe in Marjinka westlich der Separatistenhochburg Donezk sagte Poroschenko, dass ein Angriff der Aufständischen erfolgreich abgewehrt worden sei. Marjinka war demnach am Mittwoch von 500 bis 1000 Kämpfern angegriffen worden. Dutzende Menschen starben bei den Gefechten. Es seien auch zwölf Saboteure festgenommen worden, die Widerstand gegen die ukrainische Armee geleistet hätten, sagte der Präsident. Unter ihnen sei ein russischer Staatsbürger. Die Separatisten bestätigten das. Es handle sich um einen Russen in den Reihen der Aufständischen. Noch während der Ukrainer in Kiew sprach, wies Kreml-Sprecher Dmitri Peskow in Moskau die Vorwürfe einer russischen Gefahr zurück. Die ukrainische Regierung verstoße systematisch gegen den in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbarten Friedensplan, sagte Peskow. Dies habe die Lage im Donbass verschärft. Russland habe zudem Hinweise, dass die jüngsten Kämpfe um Marjinka von ukrainischer Seite provoziert worden seien, sagte Peskow der Agentur Interfax zufolge. Mit Nachdruck wies er auch Behauptungen zurück, reguläre russische Soldaten seien in der Ostukraine im Einsatz. Die Anwesenheit von russischen Staatsbürgern bedeute nicht, dass sie Soldaten im Dienst ihres Landes seien. Die prorussischen Separatisten sprachen erneut von einem massiven Beschuss ihrer Stellungen durch die ukrainischen Streitkräfte. Es läuft eine Eskalation des Konflikts, sagte Separatistenführer Andrej Purgin. Die Ukraine habe ihre schweren Waffensysteme wieder an die Frontlinie verlegt. Die EU zeigte sich ebenso wie die USA besorgt. Es sei die schwerst wiegende Verletzung der im Minsker Friedensplan vereinbarten Waffenruhe seit Februar, sagte die EU-Außenbeauftragte Frederica Mogherini. Für die neuen Kämpfe machte die Italienerin indirekt die von Russland unterstützten Separatisten verantwortlich. Die USA pochten indes darauf, den Druck auf Russland mit Sanktionen aufrecht zu erhalten. Dies sei auch das Ziel des bevorstehenden G 7-Gipfels. Deutschlands Kanzlerin Merkel sagte unterdessen, dass angesichts der jüngsten Spannungen eine Rückkehr Russlands zu der Gruppe der acht wichtigen Industrienationen (G 8) derzeit unrealistisch sei. Mehr als 9.000 russische Soldaten sollen im Einsatz sein - OSZE will Beobachterzahl im Donbass verdoppeln. Kiew - Mehr als 40.000 prorussische Rebellen kämpfen nach Angaben Kiews gegen die Regierungstruppen im Osten der Ukraine. Das Waffenarsenal der Separatisten, die über fast 560 Panzer verfügten, entspreche einer Armee eines mittelgroßen europäischen Staates, sagte Verteidigungsminister Stepan Poltorak am Montag in Kiew. Seinen Angaben zufolge sind unter den 42.500 Kämpfern etwa 9.500 russische Soldaten. In dem Konflikt in der Ostukraine wurden seit April 2014 bereits mehr als 6.400 Menschen getötet. Ein im Februar im Minsk unterzeichnetes Friedensabkommen konnte die Gewalt bisher lang nicht beenden. Die Ukraine und der Westen werfen Russland vor, die Separatisten in der Ostukraine militärisch zu unterstützen. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte Moskau bereits in der vergangenen Woche beschuldigt, mehr als 9.000 Armeeangehörige in der Ostukraine stationiert zu haben. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) will angesichts der andauernden Gewalt die Zahl ihrer Beobachter auf 1.000 verdoppeln, sagte der Vizechef der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, am Montag nach Angaben der Agentur Unian in Kiew. Bisher habe keine Seite des Konflikts Listen über die von der Frontlinie entfernten Waffen vorgelegt, sagte Hug. Der Mitte Februar in Minsk (Weißrussland) vereinbarte Friedensplan sieht neben einer Waffenruhe auch den Abzug schweren militärischen Geräts vor. In der Ostukraine sind mindestens sieben Regierungssoldaten ums Leben gekommen, als ihr Fahrzeug auf eine Mine fuhr. Das teilte ein Armeesprecher am Montag örtlichen Medien zufolge in Kiew mit. Die Militärs seien im Raum Donezk unterwegs gewesen, um Munition zu Stellungen der ukrainischen Armee zu bringen, hieß es. Ihr Lkw fuhr vermutlich auf eine Panzerabwehrmine der prorussischen Separatisten. Maskierte stürmten Zeltlager - Mehrere Regierungskritiker festgenommen. Kiew - Dutzende Maskierte haben im Zentrum der ukrainischen Hauptstadt Kiew ein neues Protestlager mit Zelten von Regierungsgegnern gestürmt und mit Gewalt geräumt. Ein Teil der etwa 30 Demonstranten auf dem Maidan - dem Unabhängigkeitsplatz - sei festgenommen worden, berichteten Medien am Montag. Die Protestierenden hatten am Vorabend das Zeltlager aufgebaut und unter anderem den Rücktritt von Präsident Petro Poroschenko und Regierungschef Arseni Jazenjuk gefordert. Sie verlangten die Rücknahme von Energiepreiserhöhungen sowie einen Inflationsausgleich für Pensionen und Mindestlöhne. In Kiew kommt es immer wieder zu Protesten vor allem mit sozialen Forderungen. Die prowestliche Führung, die nach gewaltsamen Massenprotesten auf dem Maidan im vergangenen Jahr an die Macht gekommen war, wirft den Demonstranten vor, von russischen Geheimdiensten gesteuert und bezahlt zu sein. Auf Flugblättern war von einem Maidan 3.0 die Rede - nach den beiden prowestlichen Massenprotesten 2004/2005 und 2013/2014. Der Donbass bleibt Teil der Ukraine. Die Kämpfe in der Region setzen sich unterdessen fort. Schwarze Wolken über Kiew. Stundenlang versuchte die Feuerwehr vergeblich, den Brand in einem Treibstofflager südwestlich der ukrainischen Hauptstadt unter Kontrolle zu bekommen. Die Flammen griffen immer weiter um sich und breiteten sich schließlich auch auf ein benachbartes Waldstück aus. 16 Treibstoffzisternen sind verbrannt, vier Feuerwehrleute bei Explosionen ums Leben gekommen, über ein Dutzend Menschen wurden verletzt, und in Kiew ging schwarzer Regen herab. Das Unglück, dessentwegen Präsident Petro Poroschenko den Notstand ausrufen musste, ist symptomatisch für die derzeitige Krise in der Ukraine, wo sich ständig neue Brandherde entzünden. In der Ostukraine ist trotz des Waffenstillstandsabkommens keine Ruhe eingekehrt, seit Anfang Juni wird wieder mit schweren Waffen gekämpft. Am Dienstag berichteten die Konfliktparteien über Gefechte entlang fast der gesamten Frontlinie. Die aktivsten Kampfhandlungen wurden aus Awdejewka, Horliwka, Krymskoje, Marjinka und Schirokino gemeldet. Diplomatisch gibt es immerhin eine vorsichtige Annäherung: Die Rebellen haben neue Vorschläge zur Verfassungsänderung der Ukraine an die Kontaktgruppe geschickt. Hatten Separatistenführer wie Alexander Sachartschenko bisher stets auf dem Recht einer Abspaltung der Donbass-Region beharrt, so heißt es in dem neuesten Konzept: Einzelne Gebiete mit Sonderstatus oder ihre Vereinigungen bleiben unveräußerlicher Bestandteil der Ukraine. Ihre Rechte und Freiheiten sollten durch eine Abmachung mit der ukrainischen Regierung festgelegt werden. Die Macht in der Region sollen laut diesem Vorschlag aber weiterhin Sachartschenko und das Oberhaupt der Luhansker Volksrepublik Igor Plotnizki ausüben. Die jüngste Offerte steht weitgehend in Einklang mit der offiziellen Position Moskaus in dem Konflikt. Trotz der von russischen Medien lancierten expansionistischen Neurussland-Visionen hat Präsident Wladimir Putin die Gebiete Donezk und Luhansk formell stets zur Ukraine gezählt (und auch deren Unterhalt von Kiew gefordert). Moskau verlangt aber weitreichende politische Unabhängigkeit der militärisch von den Rebellenmilizen kontrollierten Region, die zugleich außenpolitische Entscheidungen Kiews - wie den dort betriebenen Nato-Beitritt - blockieren können soll. Zwar betont Moskau, in den Ukraine-Konflikt nicht involviert zu sein, andererseits ließ die russische Führung ihren Einfluss auf das Nachbarland schon bei der ärgerlichen Reaktion auf die Ausladung vom G7-Gipfel und neue Sanktionsdrohungen durchblicken: Kremlsprecher Dmitri Peskow verspottete die G7 als ineffektiv. Ohne Russland wäre die Lösung globaler Probleme ohnehin nicht möglich, sagte er mit Blick auf die Ukraine. Die Beziehungen zwischen den beiden Nachbarn drohen sich dabei weiter zu verschärfen. Grund ist der Streit um die Friedensmission der Russen in der von Moldau abtrünnigen Region Transnistrien. Kiew sieht in den russischen Truppen dort - nahe der Grenze zu Odessa - einen Destabilisierungsfaktor. Poroschenko hat daher nun den Transit russischer Soldaten und Militärgüter in die Region verboten. Das russische Außenministerium hat den Schritt scharf kritisiert. Die Ukraine verstoße damit gegen ihre eigenen Verpflichtungen als Garant des Friedens in Moldau, hieß es. Die russische Wochenzeitschrift Sowerschenno Sekretno (Streng geheim) schrieb daraufhin, noch sei die Versorgung der russischen Soldaten in Transnistrien gesichert, doch auf Dauer sei selbst ein militärisches Durchbrechen der Blockade nicht ausgeschlossen. Poroschenko ficht in Kiew allerdings bei weitem nicht nur mit Kremlchef Putin, sondern auch gegen aktuelle und ehemalige Mitglieder der eigenen Führungsspitze. Dabei spitzt sich hinter den Kulissen derzeit besonders der Konflikt mit dem Oligarchen und Ex-Gouverneur von Dnepropetrowsk Ihor Kolomoisky zu. Nachdem Poroschenko zuletzt dessen Vertrauten Igor Paliza als Gouverneur von Odessa entlassen und den Posten mit Michail Saakaschwili besetzt hatte, revanchierte sich Kolomoisky mit einem Überfall rechter Schläger auf die Gay-Parade in Kiew, um Poroschenko im Westen zu diskreditieren. Regierung informierte Europarat über Aussetzung. Dort will man trotzdem Beschwerden nachgehen. Straßburg – Angesichts des bewaffneten Konflikts in der Ostukraine hat die Regierung in Kiew die Europäische Menschenrechtskonvention in den betroffenen Regionen teilweise ausgesetzt. Eine entsprechende Benachrichtigung traf am Mittwoch beim Europarat in Straßburg ein. Ende Mai hatte das ukrainische Parlament den Schritt per Abstimmung ermöglicht. Demnach garantiert die Regierung in den Regionen Donezk und Luhansk, wo sich die Rebellen Kämpfe mit Regierungstruppen liefern, mehrere Grundrechte nicht mehr. Dazu gehören das Recht auf Freiheit und Sicherheit, auf ein faires Gerichtsverfahren und auf Schutz des Familienlebens. Kiew begründet die Aussetzung mit einer bewaffneten Aggression Russlands gegen die Ukraine. Sie werde sowohl von regulären russischen Soldaten als auch von illegalen bewaffneten Gruppen angeführt, die von Russland kontrolliert und finanziert würden, heißt es in der Mitteilung der ukrainischen Regierung an den Europarat. Befristet ist die sogenannte Sistierung bis zum vollständigen Ende der bewaffneten Aggression durch die Russische Föderation, wie es in dem Papier an den Europarat heißt. Serhij Sajez, Jurist beim Kiewer Helsinki-Büro für Menschenrechte, hatte den Schritt schon seit langem erwartet. Er hilft der Regierung, rechtlich Verantwortung für Verstöße gegen die Menschenrechte zu übernehmen. Das heißt aber nicht, dass sie in Hinkunft auf die Menschenrechte keine Rücksicht mehr nehmen muss, sagt er dem STANDARD. Kiew hätte das schon zu Beginn des Konflikts machen sollen. EGMR will trotzdem Beschwerden nachgehen Dessen Generalsekretär Thorbjörn Jagland betonte, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte werde dennoch weiter alle Beschwerden gegen die Ukraine prüfen. Dabei werde er in jedem Fall untersuchen, ob die Aussetzung bestimmter Garantien gerechtfertigt sei. Eine Aussetzung der Menschenrechtskonvention ist vorgesehen, wenn die Sicherheit eines Landes etwa durch einen Krieg oder andere Notsituationen gefährdet ist. Der betroffene Staat muss diese Maßnahme begründen und auch angeben, welche Paragrafen des Abkommens und welche Gebiete davon betroffen sind. Nach jüngsten Angaben der ukrainischen Regierung kämpfen derzeit mehr als 40.000 Rebellen gegen Regierungstruppen. Kiew zufolge beteiligen sich auch rund 9.500 russische Soldaten an den Kämpfen. 'Noch keine Bestätigung der OSZE über Berufung von derzeitigem UNO-Botschafter. Wien - Der österreichische Spitzendiplomat Martin Sajdik, derzeit UNO-Botschafter in New York, soll laut Berichten der Presse und des Kurier (jeweils Freitagausgabe) der neue Ukraine-Sondergesandte der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) werden. Marina Markovic, Sprecherin des serbischen OSZE-Vorsitzes, bestätigte die Berichte gegenüber der APA am Freitag zunächst nicht. Die Ukraine-Beauftragte der OSZE, Heidi Tagliavini, hatte ihr Amt Anfang Juni niedergelegt. Zu den konkreten Beweggründen der Schweizer Spitzendiplomatin, die zwischen den Konfliktparteien vermittelte, machten die OSZE und das Außenministerium keine Angaben. Kurz davor war das Treffen der trilateralen Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk vertagt worden. Die Kontaktgruppe, bestehend aus Vertretern Kiews und Moskaus sowie der OSZE, wollte in der weißrussischen Hauptstadt mit den Separatisten über die Umsetzung der im Februar unterzeichneten Friedensvereinbarung beraten. Sajdik wird Tagliavini in ihr Amt im Juli nachfolgen, berichtete die Presse. Seine Wahl habe noch vor der entscheidenden Sitzung in der Nacht auf Freitag als sicher gegolten. Für seine Kür sei nicht die Zustimmung aller 57 Mitgliedstaaten, sondern lediglich des OSZE-Vorsitzlandes Serbien, sowie der Ukraine, Russland, Frankreich und Deutschland nötig. Aus dem Außenministerium hieß es, dass Sajdik bestens für den Job geeignet sei, bestätigen könne man seinen Wechsel zur OSZE aber nicht. Die Letztentscheidung treffe das Vorsitzland Serbien, sagte Ministeriumssprecher Martin Weiss am Freitag zum STANDARD. Serbien unterstützt Botschafter Sajdik. Ernsthafte Gegenkandidaten gibt es nicht, so der Kurier. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) habe beste Kontakte zum derzeitigen OSZE-Vorsitzenden, Serbiens Außenminister Ivica Dacic. Kurz habe sich über die Personalie auch schon mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow und Deutschlands Frank-Walter Steinmeier ins Einvernehmen gesetzt. Der 66-jährige, Russisch sprechende Sajdik ist seit Jänner 2012 Ständiger Vertreter Österreichs bei den Vereinten Nationen. Er ist verheiratet und Vater von vier Kindern, und spricht auch Englisch, Französisch und Italienisch. Der Jurist studierte auch an der Lomonossow-Universität in Moskau und an der Außenstelle der Johns-Hopkins-Universität in Bologna. Er trat 1975 in den Dienst des Außenministeriums und arbeitete ab 1978 bei der österreichischen UNO-Vertretung in Genf Seit den Maidan-Protesten hat sich das Leben in der Ukraine radikal verändert, sagt der Politologe Taras Kuzio. STANDARD: Sie waren in letzter Zeit häufig in der Ostukraine. Was sind Ihre Eindrücke vom Alltagsleben der Menschen vor Ort? Kuzio: Der Donbass ist etwa zu einem Drittel von Separatisten und russischen Kräften besetzt, zu zwei Dritteln von ukrainischen Kräften. Auf der ukrainisch kontrollierten Seite gibt es immerhin eine gewisse Normalität, die Menschen bekommen Pensionen und Sozialleistungen. Auf der Seite der Separatisten hingegen finden wir nur ein großes schwarzes Loch. Es gibt dort keine funktionierende Wirtschaft. Die sozialen Sicherungssysteme der Ukraine kommen nicht durch, und Wladimir Putin hat die Region gewissermaßen aufgegeben. Es gibt dort massive Korruption, humanitäre Hilfsgüter werden häufig gestohlen und auf dem Schwarzmarkt verkauft. Donezk, wo vor dem Konflikt mehr als eine Million Menschen lebten, ist nachts eine Geisterstadt. STANDARD: Was lässt sich über die politischen Entwicklungen und die öffentliche Meinung in den betroffenen Regionen sagen? Kuzio: Es gibt eine Verhärtung der Positionen. Auf der von Kiew kontrollierten Seite entwickelt sich die Situation ähnlich wie im Rest der Ukraine. Es entstehen viele Bürgerinitiativen, zum Beispiel Gruppen von Frauen, die sich um die etwa eine Million Binnenflüchtlinge kümmern. Sie sind übrigens fast alle russischsprachig, die Sprache ist also nicht der Punkt. Auch der Begriff prorussisch ist sehr vage. Es war Putins Fehler anzunehmen, dass prorussisch auch pro Putin heißt. Das ist aber nicht der Fall. Wenn ein Österreicher die deutsche Kultur mag, dann heißt das noch lange nicht, dass er Deutschland beitreten möchte. Es gibt viele Menschen, die russisch sprechen, Verwandte in Russland haben und sich der russischen Kultur nahe fühlen, aber trotzdem ukrainische Patrioten sind. Das ist der Grund, warum Putin von der Schaffung eines Neurussland abgerückt ist. STANDARD: Wie sieht man das in den Gebieten der Separatisten? Kuzio: Dort ist die wichtigste Informationsquelle das russische Fernsehen, das jede Menge Falschmeldungen bringt. Es gab etwa die berühmte Geschichte über ein Kind, das in der Ukraine gekreuzigt worden sein soll. Sie war komplett an den Haaren herbeigezogen, aber so etwas verleitet die Leute zu glauben, dass die Ukrainer keine menschlichen Wesen sind, und dass man sie töten darf. Außerdem haben wir das Paradox, dass Putin die ukrainischen Behörden als faschistisch bezeichnet. Dabei ist es Putin selbst, der mit den europäischen Faschisten gemeinsame Sache macht. STANDARD: Welche Motive stehen hinter Putins Beziehungen zur europäischen radikalen Rechten? Kuzio: Sein wichtigster Feind ist nicht die ukrainische Regierung, sondern der Westen - die Nato, die EU und die Ordnung, die sich nach dem Ende des Kalten Kriegs etabliert hat. Die Allianz mit bestimmten europäischen Parteien ist eine Zweckehe, aber keiner der Partner will sie zu sehr in die Öffentlichkeit tragen. Dabei spielt natürlich auch Geld eine Rolle. Der Front National in Frankreich etwa hat ja von Russland einen Millionenkredit bekommen. Aber auch die extreme Linke in Europa ist antiamerikanisch und gegen die EU. Beides ist für Putin von Vorteil. STANDARD: Mit der Annexion der Krim hat Putin Tatsachen geschaffen, im Fall der Ostukraine ist die Lage viel unübersichtlicher. Worin bestehen die Unterschiede? Kuzio: 2012, am Beginn seiner dritten Amtszeit als Präsident, gab es in Moskau einige Proteste. Die Paranoia davor, dass in Russland eine Art Revolution entstehen könnte, ließ Putin nach Wegen suchen, um seine Beliebtheit zu steigern. Die Krim war dafür perfekt, das ist ein sehr populäres Thema. Eine Invasion in der Ostukraine hingegen wäre nicht populär. Daher muss Putin auch den Tod von Soldaten vor der eigenen Bevölkerung verschweigen und die Existenz russischer Truppen in der Region leugnen. STANDARD: Es gibt einen neuen Vorschlag der Separatisten, den Donbass als Teil der Ukraine anzuerkennen. Ist das ein Durchbruch oder ein taktischer Zug? Kuzio: Die meisten westlichen Regierungen gehen davon aus, dass über das Vorgehen der Separatisten in Moskau entschieden wird, nicht in Donezk oder Luhansk. Die Separatisten wollten die Region ja ursprünglich an Russland anschließen, genau wie die Krim. Putin aber wollte das nicht. Unter anderem, weil das sehr teuer wäre - wie übrigens auch die Krim für ihn sehr teuer ist. Für Putin ist es also besser, wenn der Donbass Teil der Ukraine bleibt und Kiew weiter Schwierigkeiten bereitet. Er möchte einen föderalen ukrainischen Staat, in dem eine Region ihr Veto gegen die Innen- und Außenpolitik einlegen kann. Das würde Kiew aber nie akzeptieren. Ein ukrainischer Regierungsverantwortlicher, der sich darauf einlässt, wäre politisch am Ende. Wenn es ein Referendum über die Ostukraine gäbe, würde, glaube ich, ein großer Teil der Ukrainer sagen: Fahrt zur Hölle, schließt euch Russland an. Diese Option wird nicht öffentlich diskutiert, aber sie steht dennoch quasi als Schatten im Raum. In Wien wird darüber beraten, wie man der Ukraine auf die Beine helfen und die Spannungen mit Russland überwinden kann. Wien – Der Veranstaltungsort war schnell gefunden: Als wir vor zwölf Monaten begonnen haben, diese Konferenz zu planen, war klar, dass sie diesmal im Zentrum Europas stattfinden muss. Denn dort sei man zu lange einer Illusion angehangen, sagte Wolfgang Ischinger, der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC), zu Beginn des Core Group Meetings der MSC am Dienstag in Wien – der Illusion, dass Europa immun sein würde, vor Krisen, wie es sie anderswo gab. Der Konflikt in der Ukraine habe das Gegenteil bewiesen – und daher soll er auch im Zentrum des Treffens von 60 Spitzenpolitikern und Entscheidungsträgern, zum größten Teil aus den EU-Staaten, Mittel- und Osteuropa und Russland, stehen, die am Dienstag und Mittwoch im Wiener Palais Liechtenstein über Krieg und Frieden diskutieren. Konkret sollte es nicht nur um die Suche nach einer Lösung in der aktuellen Krise gehen, sondern auch um ein besseres Verhältnis zu Russland. Angesichts des neuerlichen Aufflammens schwerer Kämpfe in der Ostukraine gewann aber auch das Titelthema an neuer Brisanz: die Debatte, wie Europa seine gemeinsame Sicherheitsarchitektur weiter stärken könne. Sie schwankt, aber sie steht noch, befand Österreichs Außenminister Sebastian Kurz – um sie nicht einstürzen zu lassen, müsse neues Vertrauen zwischen Moskau und Europa gefunden werden. Das sah sein ukrainischer Amtskollege Pawlo Klimkin anders: Ich persönlich glaube nicht an Vertrauen. Angesichts des russischen Verhaltens sei es vor allem wichtig, selbstbewusst aufzutreten, und sich glaubhaft gegenseitig des Beistands zu versichern. Das wollen auch die USA, deren Regierung dafür eintritt, die Kosten des Konflikts für Russland zu erhöhen, wie es am Dienstag hieß. Dabei geht es naturgemäß auch darum, dass Kiew eine bessere Verteidigung bekommt – dafür möchte man mehr tun. Bisher haben die USA dies indirekt versucht. Die Pläne, schwerere Waffen im Baltikum und in weiteren Staaten im östlichen Europa zu stationieren, sorgten am Rande der Konferenz für heftige Diskussionen. Aber auch über direkte Unterstützung wird nun wieder gesprochen – also Waffenlieferungen der Amerikaner für die ukrainische Armee, wie sie Kiew und amerikanische Hardliner seit Monaten fordern, was die meisten EU-Staaten aber skeptisch sahen. Bei der Nato hieß es am Dienstag dazu, es sei Angelegenheit der USA, ob diese schwere Waffen an Kiew liefern wollen. Jedenfalls sei klar: Die Ukraine habe als souveräner Staat das Recht, sich selbst zu verteidigen. In Washington selbst läuft weiter die politische Debatte dazu, ob die Ukraine aufgerüstet werden soll. Im Senat liegt ein Gesetzesentwurf vor. Am Nachmittag wurde aber auch darüber diskutiert, wie es die Ukraine nach der aktuellen Krise schaffen solle, auf die Beine zu kommen, und die hartnäckigen Probleme in der Wirtschaft, in der Verwaltung und mit der Korruption in den Griff zu bekommen. Denn nur dann, so hieß es, könne sie etwa auch als Vorbild für Russland wirken. Angereist war für die Besprechungen an beiden Tagen neben Klimkin, Russlands Vizeaußenminister Alexej Meschkow und dem serbischen Außenminister und OSZE-Vorsitzenden Ivica Dacic auch Starinvestor George Soros, der Vorsitzende der Open Society Foundation. Später am Abend wurde dann konkreter darüber diskutiert, wie trotz der Gegensätze das Verhältnis zwischen den USA, Europa und Russland wieder repariert werden könne. Ein wichtiges Instrument dazu soll auch weiterhin die OSZE bleiben, die in der Ukraine-Krise zu neuer Bedeutung gelangt ist – und deren Berichte von den Beobachtungsmissionen im ostukrainischen Konfliktgebiet von allen Seiten weitgehend akzeptiert werden, wie auch Kurz am Dienstag wieder betonte. Wie die OSZE künftig gestärkt und besser in Bemühungen um Frieden eingebunden werden kann, soll am Mittwoch erläutert werden. Ein Team hochrangiger Experten aus allen wichtigen OSZE-Regionen, das von Ischinger geleitet wird, hat dazu einen Bericht erarbeitet, dessen Zwischenergebnisse am Vormittag vorgelegt werden sollten. Unzufriedenheit über Kämpfe wächst auf beiden Seiten - Regierung stoppt Medikamentenlieferungen. Kiew/Moskau - Für die ostukrainische Großstadt Donezk war es ein vergleichsweise ruhiger Tag, ehe am Dienstagnachmittag eine gewaltige Explosion die Bewohner aufschreckte. Die Detonation nahe des (ehemaligen) Flughafens war im gesamten Stadtgebiet zu hören. Eigentlich sollten schwere Waffen längst von der Front verschwunden sein, doch laut dem jüngsten OSZE-Bericht gab es allein am Wochenende 800 Einschläge solcher Waffen, wobei beide Seiten gegen das Abkommen verstoßen. Besonders heftig wird derzeit wieder um Horliwka und Marjinka gekämpft. Im Süden ist das Dorf Schirokino unter Dauerbeschuss. Das ukrainische Militär berichtete am Dienstag von zwei Toten und fünf Verwundeten, die Separatisten ihrerseits sprachen von drei verwundeten Rebellen und fünf Zivilisten. Angesichts der nicht abreißenden Gewalt schwinden die Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung. Das Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in Minsk am Dienstag galt als eine der letzten Chancen, den Prozess doch noch in Gang zu setzen. Das Scheitern der vorangegangenen Runde Anfang Juni hat zur Aufgabe der OSZE-Sondergesandten Heidi Tagliavini geführt, die dem Vernehmen nach ihr Amt demnächst an den Österreicher Martin Sajdik übergeben soll. Ein Durchbruch wurde bei den Verhandlungen auch am Dienstag nicht erzielt: Ein ukrainischer Unterhändler klagte, dass es auf Kiewer Vorschläge keine Reaktion und auch keine konstruktiven Gegenvorschläge gegeben habe. Rebellenvertreter Denis Puschilin sprach zwar von einzelnen positiven Schritten, zeigte sich aber ebenfalls unzufrieden mit dem Ergebnis. Bewegung habe es lediglich bei der Debatte um den Abzug schwerer Waffen gegeben, heißt es. Die Gespräche sollen nächste Woche fortgesetzt werden. Die Regierung in Kiew verschärft die umstrittene Blockade des Donbass weiter. Lebensmittel, Medikamente und medizinische Güter dürften nur noch bedingt in das von den prorussischen Separatisten kontrollierte Gebiet geliefert werden, teilte der Geheimdienst in Kiew am Dienstagabend mit. Die Behörde leitet die Anti-Terror-Operation gegen die Aufständischen. Ausnahmen sind Waren, die als humanitäre Hilfe verteilt werden sollen. Ukrainische Organisationen beklagen aber, dass sie wegen der Blockade schon seit zwei Wochen keine Hilfe mehr in das Kriegsgebiet bringen können. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst dabei sowohl östlich als auch westlich der Demarkationslinie: Der politische Konflikt wird in der Ukraine von einer scharfen Wirtschaftskrise begleitet. In Kiew blockierten mehrere Hundert Demonstranten die Rada. Sie protestierten gegen die drastischen Sozialkürzungen der neuen Regierung. Die Gewerkschaften drohen mit landesweiten Streiks. Auch in Donezk kam es jüngst trotz Demonstrationsverbots zu Protesten. Vor dem Regierungsgebäude forderten Demonstranten, deren Häuser vom Beschuss besonders betroffen waren, den Premier der Donezker Volksrepublik Alexander Sachartschenko auf, den Krieg zu beenden und den Waffenstillstand durchzusetzen. Sachartschenko versuchte, die Menge zu beruhigen. Anschließend beklagte er die immer gleichen Fragen und nannte die Demo eine Provokation. (André Ballin, 16.6.2015) Neue Kämpfe im Donbass - Streit um Auflösung des Freiwilligenbataillons "Tornado". Kiew/Moskau – Der US-Senat hat bei der Billigung des eigenen Militärhaushalts auch Waffenlieferungen an die Ukraine abgesegnet. Insgesamt 300 Millionen Dollar kann Verteidigungsminister Ashton Carter nun in Absprache mit dem Außenministerium für die Vorbereitung, Ausrüstung und logistische Unterstützung der ukrainischen Streitkräfte ausgeben. Mindestens 60 Millionen Dollar davon sind für die Lieferung von Technik und Waffen reserviert. Das Gesetz muss noch mit dem Repräsentantenhaus abgestimmt werden, wo kein Widerstand dagegen erwartet wird, ehe es Präsident Barack Obama zur Ratifizierung vorgelegt wird. Im Weißen Haus gab es bisher Bedenken gegen die Lieferung sogenannter letaler Waffen an die Ukraine, allerdings kühlen sich die Beziehungen zwischen Moskau und Washington schnell ab, sodass ein Veto Obamas unsicher ist. In Kiew wurde bereits ein entsprechender Wunschzettel vorbereitet. Neben Mitteln der elektronischen Kampfführung und Fernmeldeausrüstung hofft die ukrainische Führung auch auf Artillerieaufklärungsradare und Panzerabwehrwaffen. Die USA seien inzwischen zu entsprechenden Lieferungen bereit, versicherte am Freitag der Vizechef der Präsidialverwaltung Andej Taranow. Er rechne ab Oktober mit dem Beginn der Waffenhilfe, sagte er. Unterdessen setzen sich die Kämpfe unvermindert fort. Bei Artillerieeinschlägen in Donezk und Marjinka gab es Tote und Verletzte. Für die neuerliche Verschärfung der Lage bei Mariupol machen sich Regierungstruppen und Rebellen gegenseitig verantwortlich. Die Kämpfe haben zu einer scharfen Reaktion in Washington geführt: Sollten die Separatisten weitere Gebiete erobern, werde dies zusätzliche Sanktionen für Russland nach sich ziehen, erklärte der Pressesprecher des US-Außenministeriums, John Kirby. Der ukrainischen Führung machen allerdings nicht nur die Rebellen, sondern auch die eigenen Freiwilligenbataillone zu schaffen. Massiven Streit gibt es derzeit um das Bataillon Tornado, das sich seiner Auflösung widersetzt. Auslöser war die willkürliche Beschlagnahme eines Kohlezugs aus den Rebellengebieten trotz Passierscheins von Antiterrorzentrum und Finanzbehörden. Daraufhin wurden acht Bataillonsangehörige, darunter der Kommandeur, wegen des Vorwurfs von Schwerverbrechen festgenommen. Die Beschuldigten weisen die Vorwürfe zurück und sprechen von Korruption. Ben Hodges, Oberkommandant der US Army in Europa, glaubt, dass der Konflikt mit Moskau einige Jahre anhält. Russlands Präsident Wladimir Putin wolle einen Keil zwischen die europäischen Nato-Staaten und die USA treiben, glaubt der Oberkommandant der US Army in Europa, Ben Hodges. Daher müsse der Westen wachsamer als bisher verfolgen, wie Moskau etwa in Medien in Deutschland und Italien investiere. Die jüngsten, heftigen Beschwerden des Kreml über Nato-Pläne zur Stationierung schweren Geräts in Osteuropa hält er für eine bewusste Überreaktion. Wichtiger als über Waffenlieferungen zu debattieren sei es aber, dass sich die Nato-Partner über eine gemeinsame Strategie und ein Ziel-Szenario für die Ukraine einig seien, sagte er im Interview mit dem STANDARD. STANDARD: Auf die Pläne zur Entsendung von Nato-Ausrüstung in mehrere Staaten im Osten Europas gab es beträchtliche Reaktionen aus Moskau. Was ist Ihre Einschätzung? Hodges: Es handelt sich um eine Überreaktion. Halten Sie sich die Zahlen vor Augen: rund 250 Panzer, bewaffnete Fahrzeuge und Panzerhaubitzen, die über sieben verschiedene Staaten verteilt werden. Die passen allesamt auf den Parkplatz bei der Hofburg. STANDARD: Haben Sie neben den politischen auch militärische Reaktionen aus Russland wahrgenommen? Hodges: Politisch waren sie sicher lautstark. Aber ich weiß nicht, ob sie deshalb etwas tun werden. Russlands Überreaktion ist unbegründet. Besonders, wenn man an Moskaus eigene unangekündigte Übungen denkt, bei denen 30.000 Soldaten, hunderte Panzer und Dutzende Flugzeuge nahe der Nato-Grenzen auftauchen. STANDARD: Könnte Russland denn wirklich einen Nato-Staat attackieren? Hodges: Ich hoffe nicht. Aber ich kenne auch niemanden, der damit gerechnet hat, dass sie die Krim angreifen würden. Meine Verantwortung als Militärkommandant ist, dass die Streitkräfte auf alle denkbaren Fälle vorbereitet sind. Ich bin sicher, Präsident Putin will keinen Kampf mit der Nato. Aber ich bin auch sicher, er will die Nato zerbrochen sehen. Und er will einen Spalt zwischen Europa und die USA treiben. STANDARD: Was sehen Sie als Anzeichen dafür? Hodges: Die Menge an Geld, die Russland in Medien in Europa investiert. Russia Today gibt etwa riesige Summen in Deutschland aus, aber auch in Italien. Das ist der Hybridkrieg: Es wird keine lange Kolonne russischer Panzer geben, die ein Land überfallen. Es geht darum, die Temperatur knapp unter 100 Grad zu halten. Das Recht zu verdrehen, Informationen zu verbreiten, Zweifel zu nähren. STANDARD: Gibt es konkrete Schritte, um zu vermeiden, dass eines Tages der Siedepunkt erreicht ist? Hodges: Ich glaube, es ist wichtig herauszufinden, wie demokratische Staaten in Sachen Information mithalten können. Die Russen stehen nicht unter der Last, die Wahrheit sagen zu müssen. Aber jeder Staatenlenker im Westen muss damit rechnen, dass die Medien oder das Parlament ihm widersprechen. Ich glaube, Information ist der beste Weg, um im Hybridkrieg zu bestehen. STANDARD: Wie viele Soldaten und schwere Waffen hat Russland noch in der Ostukraine? Hodges: Ich kann keine exakte Zahl nennen – sie würde sich auch binnen weniger Stunden wieder ändern. Was unzweifelhaft ist, ist die Art der Waffen, die es dort gibt: Luftabwehrsysteme, Raketensysteme, Mittel zur elektronischen Kriegsführung. STANDARD: Was ist Ihr Eindruck von der Mission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ostukraine? Hodges: Die Mitglieder der Beobachtungsmission nehmen große Risiken auf sich. Auf der russischen Seite wurde ihnen aber nicht erlaubt, alles zu sehen. Das ist ein gutes Beispiel für eine Sicherheitsstruktur, die nun versucht ihre Arbeit zu tun. Und dafür, wie Russland versucht, die Ordnung zu ändern. Sie sind Teil der OSZE und wollen dennoch der OSZE nicht erlauben, ihre Arbeit zu machen. STANDARD: Wie weit ist das US-Training für ukrainische Soldaten vorangeschritten –und was wird genau gemacht? Hodges: Es sind rund 300 US-Soldaten im Ausbildungszentrum Jaworiw. Wir trainieren dort drei Bataillone des ukrainischen Innenministeriums. Das erste ist gerade fertig geworden. Nun folgen die weiteren beiden. STANDARD: Seit Wochen gibt es eine politische Debatte über US-Waffenlieferungen an Kiew. Welche Waffen würden der ukrainischen Armee denn militärisch überhaupt etwas bringen? Hodges: Ich glaube, dass die Debatte um Waffen den wichtigsten Punkt verfehlt. Nämlich: Was soll das Ergebnis des Konfliktes sein, was ist die Strategie? STANDARD: Wladimir Putin hat jüngst bei einer Rüstungsmesse die Anschaffung von 40 neuen Atomraketen angekündigt. Was sagt Ihnen das? Was ist die passende Antwort der Nato? Hodges: Was bitte hat der Westen getan, dass Putin denken würde, er braucht 40 weitere Atomwaffen? Nichts. Der russische Botschafter in Dänemark hat dort gesagt, sie könnten ein Ziel für Atomwaffen sein. Dänemark! Der stellvertretende Premier Dmitri Rogosin meint, Panzer brauchen keine Visa, wenn er über Sanktionen spricht. Wir müssen alle scharfsichtig beobachten, was passiert. Das ist nicht nur ein Problem, das mit Präsident Putin zusammenhängt, sondern eine geänderte Einstellung in Russland, die vermutlich ein paar Jahre anhalten wird. Streifendienst soll korrupte Verkehrspolizei ablösen. Kiew – Mit der Vereidigung von 2.000 neuen Ordnungshütern hat der ukrainische Präsident Petro Poroschenko das Startsignal für eine umfassende Polizeireform in der Ex-Sowjetrepublik gegeben. Service statt Strafe stehe künftig im Mittelpunkt, sagte Poroschenko am Samstag bei einer Feier in der Hauptstadt Kiew. Dazu soll ein Streifendienst nach westlichem Vorbild die als korrupt geltende Verkehrspolizei ablösen. Nach Kiew sollen nun die Großstädte Lwiw (Lemberg), Odessa und Charkiw folgen, bevor der Dienst im ganzen Land eingeführt wird. Das neue Polizeigesetz war erst am Donnerstag von den prowestlichen Kräften im Parlament verabschiedet worden. Tote und Verletzte bei Gefechten zwischen Polizei und rechtem Sektor. Die Lage bleibt weiterhin angespannt. Moskau/Kiew – Eine Kleinstadtschießerei als Fanal für die Ukraine: Mukatschewe, eine 85.000-Seelen-Gemeinde in der Westukraine, 40 Kilometer von der Grenze zu Ungarn entfernt, wurde am Wochenende Austragungsort eines erbitterten Machtkampfs zwischen dem paramilitärischen Rechten Sektor und dem Innenministerium. Stundenlang lieferten sich die Nationalisten Gefechte mit der Polizei. Dabei kamen auch schwere Maschinengewehre und Granatwerfer zum Einsatz. Die Bilanz der Attacke: drei Tote, 14 Verletzte, mehrere ausgebrannte Autos – und ein politisch sichtlich angeschlagener Präsident. Petro Poroschenko hatte zunächst angeordnet, die Verbrecher, die die Schießerei in Mukatschewe begonnen haben, zu entwaffnen und festzunehmen. Doch die Demonstration der Stärke gelang nicht, stattdessen musste sich Poroschenko in demütigende Verhandlungen mit Nationalistenführer Dmytro Jarosch begeben, der seinen Anhängern verbot, aufzugeben. Der Rechte Sektor lieferte am Montag seine Sichtweise des Vorfalls: Demnach haben die Paramilitärs in der grenznahen Region die Funktion von Ordnungshütern übernommen und seien gegen Zigarettenschmuggel vorgegangen, der ihren Angaben nach vom Rada-Abgeordneten Michail Lanjo (dessen Angaben deuten eher auf versuchte Schutzgelderpressung des Rechten Sektors hin) gedeckt wird. Daneben fordern sie die Absetzung von Innenminister Arsen Awakow, der seit einiger Zeit den Kurs gegen die radikalen Extremisten verschärft hat. Zur Unterstützung der Kämpfer in Mukatschewe trommelte Jarosch landesweit Anhänger zu Demonstrationen zusammen. Vor der Präsidialverwaltung richteten Anhänger des Rechten Sektors in Flecktarnbekleidung gar eine Feldküche ein, um ihren notfalls langen Atem zu demonstrieren. Widersprüchliche Berichte gibt es zudem über einen Truppenabzug von Freiwilligenbataillonen des Rechten Sektors im Donbass und sogar von angeblichen Straßensperren vor Kiew. In jedem Fall zeigte die Drohgebärde Wirkung: Das Innenministerium wurde von der Behandlung des Vorfalls in Mukatschewe vorläufig ausgeschlossen, die Verhandlungen hat der Geheimdienst SBU übernommen, dessen Chef Wassili Grizak sicherte den Nationalisten eine gerechte Untersuchung zu. Der Geheimdienst habe nur Fragen an Einzelpersonen, die Tätigkeit des Rechten Sektors werde nicht eingeschränkt. Zudem wurde die gesamte Führungsebene der Zollbehörden in der Karpatenregion beurlaubt, der Abgeordnete Lanjo vernommen, ihm droht der Entzug der Immunität. Die an der Schießerei beteiligten Männer hingegen waren Montagabend noch auf freiem Fuß. Erste Anhörung hinter verschlossenen Türen – Sawtschenko drohen bis zu 25 Jahre Haft. Donezk – Im südrussischen Donezk hat am Donnerstag der Prozess gegen die ukrainische Kampfpilotin Nadja Sawtschenko wegen der mutmaßlichen Beteiligung an der Tötung zweier russischer Journalisten begonnen. Die erste Anhörung fand hinter verschlossenen Türen statt. Der 34-jährigen Angeklagten, die ihre Unschuld beteuert, drohen bis zu 25 Jahre Haft. Nach einigen Stunden wurde die Sitzung jedoch vertagt. Ein neuer Termin war zunächst nicht bekannt. Zu der Anhörung trafen diplomatische Vertreter aus Österreich, den USA, Großbritannien, Kanada, Norwegen sowie der EU in Südrussland ein. Der Zugang zum Gerichtssaal wurde ihnen aber nicht gewährt. Sawtschenko wird vorgeworfen, für den Tod der beiden für den russischen Fernsehsender VGTRK tätigen Journalisten Igor Korneljuk und Anton Woloschin mitverantwortlich zu sein. Diese waren am 17. Juni 2014 in der ostukrainischen Region durch Granatenbeschuss tödlich getroffen worden. Einer von Sawtschenkos Anwälten, Mark Feigin, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, seiner Mandantin gehe es gut. Das wird kein Prozess, sondern – wie üblich – eine Propagandaschau, sagte Feigin, der nach eigenen Angaben eine Splitterschutzweste nach Donezk mitnahm. Sawtschenko, die als Freiwillige in den Reihen des rechtsextremen und Kiew-treuen Freiwilligenbataillons Ajdar kämpfte, soll die Position der Journalisten an das ukrainische Militär durchgegeben haben. Die Staatsanwaltschaft wirft der Hubschrauberpilotin außerdem vor, am 23. Juni 2014 illegal die Grenze nach Russland überquert zu haben, wo sie festgenommen wurde. Dagegen erklärt die Verteidigung, prorussische Rebellen hätten Sawtschenko in der Ostukraine gefangen genommen und an Russland ausgeliefert. Sawtschenkos Anwalt Ilja Nowikow sagte, seine Mandantin war nicht an der Tötung der Journalisten beteiligt und habe dafür ein hundertprozentiges Alibi. Die USA riefen Russland auf, Sawtschenko umgehend freizulassen. Die Ukraine wirft Russland einen politisch motivierten Schauprozess vor. Sawtschenko sei im Donbass gefangen und gewaltsam über die Grenze verschleppt worden, heißt es aus Kiew. Der Kreml weist eine Einmischung in den Fall entschieden zurück. Es gebe Ermittlungen gegen Sawtschenko, denen zufolge sich die Angeklagte schwerer Verbrechen schuldig gemacht habe. Donezk, wo der Prozess stattfindet, liegt unweit der gleichnamigen Rebellenhochburg in der Ostukraine. Der erste Prozesstag wurde von einem großen Polizeiaufgebot in der 50.000-Einwohner-Stadt begleitet. Die Verteidigung erklärte, sie werde sich um eine Verlegung des Prozesses nach Moskau bemühen. Damit solle vermieden werden, dass das Verfahren in der Nähe des ostukrainischen Gebiets abgehalten werde, in der es besonders viele Gegner der Kiewer Regierung gebe. Im Oktober 2014 wurde Sawtschenko in Abwesenheit in das ukrainische Parlament gewählt. Aus Protest gegen ihre Inhaftierung trat sie in einen mehr als 80 Tage dauernden Hungerstreik, den sie wegen schwerer Gesundheitsprobleme im März abbrach. Kulturministerium prüft, ob von dem Schauspieler eine "Gefahr für die nationale Sicherheit" ausgeht. Kiew – Gerard Depardieu (66) ist wegen seiner Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin bei ukrainischen Behörden in Ungnade geraten. Nach antiukrainischen Äußerungen sei der Filmstar aus Frankreich auf eine vorläufige schwarze Liste von 567 ausländischen Künstlern gesetzt worden, teilte das ukrainische Kulturministerium am Mittwoch mit. Die Liste sei von besorgten Bürgern erstellt worden. Sollte nun etwa der Geheimdienst feststellen, dass von Depardieu eine Gefahr für die nationale Sicherheit ausgehe, würden seine Filme verboten. Depardieu hatte sich nach Kritik an Frankreichs Steuersystem 2013 einen russischen Pass besorgt. Der Ostukraine-Krieg hat viele ihrer Geschäfte zunichtegemacht. Nun versuchen die Reichsten, ihre Interessen mit einer eigenen Partei zu wahren. Auch für Kiew gilt: Wer nicht unbedingt bleiben muss, flieht vor den hochsommerlichen Temperaturen aufs Land oder ans Meer. Doch eine Gruppe der finanzkräftigsten Ukrainer nützt diese Tage, um sich ungestört zu treffen und ein Projekt zu besprechen: Die Oligarchen Wiktor Pintschuk, Rinat Achmetow und Sergej Taruta wollen eine eigene Partei gründen. Die drei sollen einander schon mehrfach getroffen haben. Einige Zeitungen, wie die üblicherweise gut unterrichtete Komsomolskaya Prawda, wollen in Erfahrung gebracht haben, dass eine solche Partei vor allem die Bewohner im Osten und Süden der Ukraine ansprechen soll. Und das Newsportal Observatorglaubt zu wissen, welche Motive hinter der Neugründung stecken: Unter der Regierung von Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk haben vor allem die Oligarchen stark an politischem Einfluss verloren. Vor allem Taruta und Achmetow haben durch den Krieg im Donbass große Teile ihres Vermögens an die Separatisten verloren. Achmetow, der immer noch als reichster Mann des Landes gilt, meldete sich kürzlich in einem Interview mit Segodna zu Wort. Darin beklagte er die Lage in Donezk: Was der Krieg in unserer Heimat angerichtet hat, ist unbeschreiblich. Die Arbeit vieler Jahre ist zerstört. Die Menschen sind geflüchtet. Und die, die geblieben sind, leiden. Eigentlich hatte Achmetow am 29. Juli mit 50.000 Menschen in der Donbass-Arena den 70. Geburtstag von Schachtar-Donezk-Trainer Mircea Lucescu feiern wollen. Doch derzeit ist kein Platz für Fußball und Feiern, weil die meisten Einwohner in Donezk unter dem Krieg leiden, beklagte der Besitzer des Fußballvereins. Auch Taruta, der 2014 einige Monate lang Gouverneur von Donezk war, hat zuletzt wiederholt sehr kritische Worte für die derzeitige Regierung gefunden. Kiew habe den Donbass bereits abgeschrieben, sagte er im Fernsehen. Er habe seit Kriegsausbruch enorme Summen verloren. Bereits im Herbst 2014 hatte er eine eigene Partei bilden wollen, doch das Projekt wurde letztlich doch nicht realisiert. Pintschuk war bisher eher dafür bekannt, mehrere politische Projekte gleichzeitig zu unterstützen. Der Schwiegersohn von Alt-Präsident Leonid Kutschma hat laut Politikberater Taras Berezovets stark an politischem Einfluss verloren. Die Regierung wirkt sehr abgekoppelt, das stößt bei den Oligarchen auf Unverständnis, sagte Berezovets der Zeitung Komsomolskaya Prawda. Vor allem die angestrebte De-Oligarchisierung, die sich die Regierung auf die Fahnen geschrieben hat, mache Achmetow und Co nervös. Der Politologe Wladimir Fessenko glaubt, dass das neue Parteiprojekt durchaus Aussicht auf Erfolg hat. Allein Achmetow beschäftigt fast eine halbe Million Menschen. Etliche seiner Betriebe sind teilstaatlich, Achmetow fungiert als Mehrheitseigner der Aktienanteile. Die Regierung hat eine Entlassungswelle angekündigt, das verunsichert die Menschen: Sie suchen nach Helfern. Außerdem gibt es noch ein anderes Problem: Vor allem Achmetow hat die frühere Regierung sehr stark unterstützt, er finanzierte jahrelang Ex-Präsident Viktor Janukowitsch. Auch Pintschuk hatte sich mit Janukowitsch arrangiert. Berezovets: Das haben einige Vertreter der jetzigen Regierung nicht vergessen. Unklar bleibt vorerst, wie die neue Partei heißen soll und welche Politiker sie anführen werden. Ende Oktober finden Kommunalwahlen statt. Es mehren sich auch Hinweise, dass die Regierungskoalition in den nächsten Monaten auseinanderfallen könnte: Das Fünf-Parteien-Bündnis gilt als zerstritten und hochgradig heterogen. Beobachter sind sich jedenfalls einig: Trotz aller Verluste verfügen die Oligarchen nach wie vor über genügend finanzielle Ressourcen und Einfluss, sodass sie die politische Landschaft in Kiew kräftig aufmischen könnten. Rebellen wiesen Darstellung zurück – Kiew erhöht Militärausgaben. Mariupol – Die prorussischen Rebellen haben nach Angaben der ukrainischen Regierung die heftigsten Angriffe gegen die Regierungstruppen seit der Mitte Februar vereinbarten Waffenruhe gestartet. 400 Separatisten griffen demnach mit Panzern ukrainische Streitkräfte rund um die Stadt Starohnatiwka an, die 50 Kilometer nördlich der ukrainischen Hafenstadt Mariupol liegt. Die ukrainischen Truppen hätten die Offensive unter Einsatz von Artillerie gestoppt und Gelände zurückerobert, sagte ein Militärsprecher am Montag. Die Rebellen wiesen die Darstellung zurück und warfen ihrerseits den Regierungstruppen massiven Beschuss der Aufständischen vor. Die vom Staatsbankrott bedrohte Ukraine hat zuletzt ihre Militärausgaben um umgerechnet 217 Millionen Euro erhöht. Die Europäische Union hat die jüngsten Verletzungen der Waffenruhe in der Ostukraine scharf verurteilt. Die erneute Eskalation des Konfliktes (...) verstößt gegen Geist und Buchstaben der Abmachungen von Minsk, ließ die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Dienstagabend in Brüssel mitteilen. Die von der Regierung kontrollierte Hafenstadt Mariupol ist strategisch wichtig. Sie liegt am Asowschen Meer und unweit der Frontlinie. Mit ihrer Einnahme durch die Separatisten könnte die Grundlage für einen Landkorridor zwischen der russischen Grenze und der von Russland annektierten Halbinsel Krim entstehen. Daher hat der Westen einen Vorstoß der Rebellen bei Mariupol immer wieder als Überschreiten einer roten Linie bezeichnet, die zur Verschärfung der Sanktionen gegen Russland führen würde. Zumeist Verteidiger der Krim-Annexion betroffen. Kiew – Im Propagandakrieg mit Moskau hat die Ukraine dutzende Bücher russischer Journalisten und Schriftsteller verboten, die nach offizieller Darstellung den Faschismus propagieren und die Ukraine demütigen und erniedrigen. Das auch für den Zoll zuständige Finanzamt teilte am Mittwoch mit, der Verkauf von 38 Werken von Autoren wie Eduard Limonow, dem Gründer der in Russland verbotenen rechtsextremen Nationalbolschewiken, und dem Journalisten Sergej Dorenko sei ab sofort verboten. Der Antrag zur Beschlagnahmung der Bücher wurde demnach im Juli von staatlichen Medienkomitee gestellt. Die Behöde wirft den Autoren vor, zu ethnischen und religiösen Konflikten anzustacheln und die territoriale Integrität der Ukraine zu bedrohen. Die Organisation hatte zuvor bereits die Ausstrahlung russischer Fernsehserien und Filme verboten, weil sie angeblich die ukrainische Geschichte falsch darstellen. Die meisten der nun betroffenen Autoren hatten im vergangenen Jahr öffentlich die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland verteidigt. Einige von ihnen warfen der proeuropäischen Führung in Kiew zudem vor, Neonazis zu sein. Die Beziehungen Russlands und der Ukraine sind seit dem Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch im Februar 2014 auf einem Tiefpunkt. Kiew wirft Moskau vor, nach der Annexion der Krim die prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine mit Waffen und Kämpfern zu unterstützen. Die beiden Staaten liefern sich seit Monaten einen heftigen Propagandakrieg, um die eigene Bevölkerung und die internationale Öffentlichkeit für die eigene Position zu gewinnen. Beide Länder verschärften die Zensur und verhinderten Auftritte von Künstlern aus dem Nachbarland. Die Veranstalter einer Demonstration von Homosexuellen in Odessa zeigen sich empört, dass die Polizei die Sicherheit beim "Marsch der Gleichheit" nicht garantieren kann. Odessa – Nach Gewaltdrohungen gegen eine geplante Demonstration von Homosexuellen in der ukrainischen Hafenstadt Odessa hat ein örtliches Gericht die Kundgebung verboten. Durch die Veranstaltung könne eine Gefahr für die öffentliche Ordnung sowie für Leib und Leben der Teilnehmer und anderer Personen entstehen, sagte ein Justizsprecher am Donnerstag in der Millionenstadt am Schwarzen Meer. Die Polizei hatte mitgeteilt, sie könne die Sicherheit bei der für Samstag geplanten Parade nicht garantieren. Die Veranstalter zeigten sich empört über das Verbot und kündigten Widerspruch an. Die Veranstalter bekräftigten, der Marsch der Gleichheit werde notfalls ohne Erlaubnis stattfinden. Falls uns das Gericht bestimmte Stadtteile verbietet, wäre das kein Problem: Odessa ist groß. Wir geben nicht auf, sagte eine Sprecherin örtlichen Medien zufolge. Rechtsextremisten hatten gedroht, die Demonstration zu stören. Kritik kam auch von der orthodoxen Kirche. Bei einer Kundgebung in Kiew war es Anfang Juni zu Zusammenstößen mit Ultranationalisten gekommen. Gouverneur der Region ist seit Ende Mai der georgische Ex-Staatschef Michail Saakaschwili. Gegen ihn liegt in seiner Heimat ein Haftbefehl wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch vor. Die Führung in Kiew erwartet von dem 47-Jährigen, dass er Odessa modernisiert. Deutschland spricht von "sorgenvoller Entwicklung". Kiew – Bei erneuten heftigen Kämpfen in der Ostukraine sind nach Angaben beider Konfliktparteien zwei Menschen getötet worden. Wie ein Sprecher des ukrainischen Militärs am Freitag sagte, wurden binnen 24 Stunden bei Kämpfen mit prorussischen Aufständischen in dem Konfliktgebiet ein Soldat getötet und sechs weitere verletzt. Ein Kommandant der Rebellen sagte zudem, bei einem nächtlichen Angriff auf Gorliwka durch die Armee sei ein Zivilist ums Leben gekommen. Die Stadt unweit von Donezk wird von den Rebellen gehalten. Am Donnerstag hatte Kiew erklärt, dass die prorussischen Kämpfer in der Ostukraine den heftigsten Beschuss seit Abschluss der Waffenruhe im Februar gestartet hätten. Der Vorsitzende des Sicherheits- und Verteidigungsrats, Alexander Turtschinow, warf den Rebellen außerdem vor, einen Sturmangriff vorzubereiten. US-Außenminister John Kerry äußerte sich in einem Telefonat mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow sehr besorgt. Auch ein Sprecher des deutschen Auswärtigen Amts sprach am Freitag in Berlin von einer sorgenvollen Entwicklung in den vergangenen Tagen. Der ohnehin schwierige politische Prozess werde mit jedem Angriff noch komplizierter. Der Ministeriumssprecher rief beide Konfliktparteien dazu auf, zu der in Minsk vereinbarten Waffenruhe zurückzukehren. Russland: Kiew bereitet Offensive vor – Deutscher Außenminister Steinmeier warnt in Interview vor "explosiver Lage". Kiew – Bei Kämpfen zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten sind in der Ostukraine mehrere Zivilisten getötet worden. Nach Angaben der Polizei in der Hafenstadt Mariupol wurden im nahegelegenen Sartan ein Mann und eine Frau getötet, als Rebellen die Kleinstadt beschossen. Moskau warnte unterdessen, Kiew könnte sich auf eine neue Offensive vorbereiten. Zudem seien mehrere Menschen verletzt worden. In der Nähe der Rebellenhochburg Donezk beschossen Regierungstruppen nach Angaben der Aufständischen die Stadt Gorliwka. Dabei seien mindestens drei Menschen getötet worden, erklärten die Separatisten auf ihrer Webseite. Wegen der Kämpfe geriet der russische Rubel am Montag unter Druck und fiel im Vergleich zum Dollar auf den tiefsten Stand seit sechs Monaten. Eigentlich gilt seit Februar ein Waffenstillstand. Die Region kommt dennoch nicht zur Ruhe: In der vergangenen Woche wurden die schwersten Kämpfe seit Unterzeichnung des Friedensabkommens gemeldet. Deutscher Außenminister Frank-Walter Steinmeier sprach am Wochenende von einer explosiven Lage. Wenn sich jetzt nicht beide Konfliktparteien auf den Friedensprozess besinnen, können wir jederzeit in eine neue militärische Eskalationsspirale geraten, warnte er in der Bild am Sonntag. Russland Außenminister Sergej Lawrow verglich die Lage unterdessen in einer Pressekonferenz mit jener vom vergangenen Sommer: Es ist wie im vergangen August, als ukrainische Soldaten den Befehl zum Angriff erhielten. Man dürfe mit der gefährlich instabilen Lage im Osten des Landes nicht experimentieren. Wichtig sei, dass das Abkommen von Minsk weiter erfüllt werde. Im Konflikt, der im April 2014 ausgebrochen war, sind bisher mehr als 6.500 Menschen getötet worden. Kiew wirft Moskau vor, die Kämpfe mit Unterstützung für die Separatisten anzuheizen. Moskau bestreitet dies, beschuldigt aber seinerseits Kiew, an einer Eskalation der Lage interessiert zu sein. Die EU verurteilt die jüngsten Kämpfe zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten in der Ostukraine nahe Mariupol. Eine Sprecherin der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini rief beide Seiten dazu auf, das Waffenruheabkommen von Minsk zu achten. Wir verurteilen die jüngste Eskalation von Kämpfen scharf, sagte die Sprecherin. Diese hätten zum Tod von Zivilisten in den zwei Städten Sartan und Gorliwka geführt. Es sei von größter Wichtigkeit, dass beide Seiten den Waffenstillstand beachten und alle angemessenen Maßnahmen in Achtung des Völkerrechts ergreifen würden, um Zivilisten zu schützen. Ukraine bat um Termin. Berlin/Paris – Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Francois Hollande kommen am Montag (24.) in Berlin mit dem ukrainischen Staatspräsidenten Petro Poroschenko zusammen. Aus Diplomatenkreisen in Kiew verlautete, das Treffen sei auf Initiative Poroschenkos anberaumt worden. In deutschen Regierungskreisen wurde am Dienstag die Ankündigung des französischen Außenministers Laurent Fabius zu dem geplanten Treffen bestätigt. Laut Fabius soll das Treffen am Nachmittag stattfinden. Er erinnerte an die Forderung nach einer vollständigen Umsetzung des Waffenstillstands, wie sie im Minsker Friedensplan zwischen Russland, der Ukraine, Deutschland und Frankreich vereinbart worden war. Der ukrainische Staatschef hatte am Dienstag bereits mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker telefonisch die aktuelle Lage in der Ukraine sowie die Umsetzung des Friedensabkommens erörtert. Bis Ende des Monats ist ein Treffen beider Politiker geplant. Die EU unterstützt die pro-westliche Regierung der Ukraine unter anderem mit Geld für deren Reformbemühungen. Das Land steht wegen des monatelangen Bürgerkriegs zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten am Rande der Staatspleite. Die Rebellen kontrollieren im Osten wichtige Industriestandorte. Der im weißrussischen Minsk vereinbarte Friedensplan sieht vor, dass die Konfliktparteien Panzer und Artillerie verschiedener Kaliber von der Front abziehen. Beobachtern zufolge wurde dies bisher nicht vollständig umgesetzt. (APA, 18.8.2015) "Wir haben große Schwierigkeiten an die Hauptschauplätze heranzukommen". Kiew – Die OSZE klagt über starke Behinderungen ihrer Arbeit in der umkämpften Ostukraine. Wir haben große Schwierigkeiten, an die Hauptschauplätze heranzukommen, sagte der stellvertretende Leiter der OSZE-Beobachtermission, Alexander Hug, der Zeitung Die Welt (Mittwoch). Beide Seiten behindern uns massiv, besonders die Rebellen. Den Beobachtern der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa werde der Zugang zu bestimmten Gebieten verwehrt. An Kontrollpunkten werden wir nicht durchgelassen. Dort verhalten sich die Bewaffneten mitunter aggressiv, sagte Hug. Die Gefechte zwischen Regierungstruppen und prorussischen Separatisten hatten sich in der Region zuletzt intensiviert. Militärsprecher: 14 Soldaten in den vergangenen 24 Stunden verletzt. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Tarnkappenjets wurde von Spangdahlem nach Łask verlegt. Warschau/Washington – Auf einem Stützpunkt im Zentrum Polens sind am Montag zwei US-Tarnkappenjets vom Typ F-22 gelandet. Die Landung der hochmodernen Kampfflugzeuge wurde vom polnischen Info-Kanal TVP übertragen. Sie waren dem Bericht zufolge vom US-Luftwaffenstützpunkt in Spangdahlem in Rheinland-Pfalz aus nach Polen geflogen. Dort landeten sie auf dem Stützpunkt Łask. Polen grenzt an die Ukraine, und die Regierung in Warschau sieht sich durch Russlands Vorgehen im Ukraine-Konflikt selbst bedroht. In der Ostukraine kämpfen Regierungstruppen gegen prorussische Separatisten. In dem Konflikt wurden seit April 2014 fast 7000 Menschen getötet. Der Konflikt hat die schärfsten Ost-West-Spannungen seit dem Ende des Kalten Krieges heraufbeschworen und Polen fordert einen stärkeren Schutz durch die NATO. Westliche Regierungen werfen Russland vor, die Aufständischen in der Ukraine mit Waffen zu versorgen und eigene Kampftruppen einzusetzen, was Moskau bestreitet. Die Tarnkappenjets können von Radaranlagen kaum erfasst werden. Die Maschinen vom Typ F-22 sind seit 2005 einsatzbereit. Sie werden seit vergangenem September bei Luftangriffen auf mutmaßliche Stellungen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Irak und in Syrien eingesetzt. Insgesamt verfügen die US-Streitkräfte über 180 dieser Maschinen. In der vergangenen Woche kündigte die Regierung in Warschau für Mitte 2016 die Stationierung von schweren US-Waffen auf zwei Stützpunkten in Polen an. Das Arsenal aus Panzern und Panzerhaubitzen solle auf einem Stützpunkt im Westen des Landes und auf einem Stützpunkt im Nordosten untergebracht werden, sagte Verteidigungsminister Tomasz Siemoniak am Donnerstag. Das US-Verteidigungsministerium hatte im Juni mitgeteilt, es sollten in Polen, Bulgarien, Rumänien und in den baltischen Staaten zeitweise 90 Abrams-Kampfpanzer, 140 Bradley-Schützenpanzer und 20 Panzerhaubitzen stationiert werden. Der Konflikt in der Ukraine und die Annexion der ukrainischen Schwarzmeerhalbinsel Krim durch Russland haben in mehreren osteuropäischen Staaten und in den Balten-Republiken die Sorge vor einer expansiven Außenpolitik Russlands verstärkt. Wegen der hohen Kosten war die Anschaffung der F-22, die Lenkbomben tragen kann, im Kongress umstritten. Der Hersteller Lockheed Martin beziffert den Stückpreis auf mehr als 140 Millionen Dollar. Expertenschätzungen gehen sogar von bis zu 350 Millionen Dollar je Raptor aus, wenn man Wartung und Reparaturen einbezieht. Wegen der aufwendigen Wartung sollen die Flugkosten pro Stunde über 44.000 Dollar betragen. Die knapp 19 Meter lange, mit Tarnkappentechnik ausgestattete Raptor ist nur schwer vom Radar zu erfassen und gilt als modernstes Kampfflugzeug des US-Militärs. Verteidigungsminister Ashton Carter hatte Russland vergangene Woche als sehr, sehr ernsthafte Bedrohung bezeichnet. Die USA müssten ihre militärischen Kapazitäten an der russischen Aggression ausrichten, sagte Carter. Russlands Präsident Wladimir Putin verhalte sich mit seinen Aktionen in der Ukraine wie ein echter Gegenspieler. Beide Konfliktparteien melden keine gravierenden Verstöße. Kiew/Donezk – Die für das ostukrainische Kriegsgebiet Donbass vereinbarte Waffenruhe wird nach Darstellung der Konfliktparteien weitgehend eingehalten. Die ukrainischen Regierungstruppen und die prorussischen Separatisten teilten am Dienstag mit, dass keine gravierenden Verstöße festgestellt worden seien. Es sei deutlich ruhiger geworden, sagte Separatistensprecher Eduard Bassurin der Agentur Interfax zufolge. Die Aufständischen und die Regierung hatten unter Vermittlung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der vergangenen Woche ein Ende der Gewalt vereinbart, um einen ruhigen Beginn des neuen Schuljahres zu ermöglichen. Separatistenführer Alexander Sachartschenko sagte, dass im Kriegsgebiet mehr als 100.000 Kinder mit dem Schulunterricht begonnen hätten. In der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurden am Tag nach den blutigen Protesten gegen eine Verfassungsreform noch mehr als 140 Menschen im Krankenhaus behandelt. Am Montag hatten radikale Ultranationalisten bei einer gewaltsamen Aktion vor dem Parlament eine Granate geworfen und geschossen. Die Gegner der Verfassungsreform befürchten, dass der Donbass einen Sonderstatus erhält und dann auch Autonomiebestrebungen in anderen Regionen des Landes zunehmen könnten. 'Die Artillerie schweigt, doch die Waffenruhe im Donbass ist noch brüchig – Krawalle in Kiew – Spekulationen über Anschluss an Russland in Donezk. Moskau/Kiew – Neuer Versuch zum neuen Schuljahr. Am 1. September, traditionell erster Schultag in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion, ist offiziell eine weitere Feuerpause in Kraft getreten. Stand elf Uhr am 1. September halten beide Seiten die Feuerpause völlig ein, teilte Darja Olifer, Pressechefin des Kiewer Vertreters in der Ukraine-Kontaktgruppe, Ex-Präsident Leonid Kutschma, mit. In der Nacht hatte es hingegen zumindest noch Gefechte mit Handfeuerwaffen gegeben. Die Militärführung berichtete von Angriffen auf Marjinka, Awdejewka, Opytnoje und Krymskoje Menschenrechts-Hochkommissar wirft Konfliktparteien geringe Rücksicht auf Zivilisten vor. Genf – UN-Angaben zufolge sind 7.962 Menschen bisher in dem bewaffneten Konflikt in der Ostukraine getötet worden. Beinahe 18.000 hätten Verwundungen erlitten, teilte das UN-Hochkommissariat für Menschenrechte am Dienstag bei der Vorlage eines neuen Berichts zur Lage in der Ostukraine mit. Erfasst wurden alle Opfer unter den ukrainischen Streitkräften, der Zivilbevölkerung und den separatistischen Kampfgruppen seit Mitte April 2014. Der UN-Hochkommissar für Menschenrechte, Said Raad al-Hussein, warf beiden Seiten des Konflikts vor, immer weniger Rücksicht auf die Bevölkerung zu nehmen und auch normale Wohngebiete zu beschießen. Dadurch seien in letzter Zeit besonders viele Opfer unter Zivilisten zu beklagen. Von Mitte Mai bis Mitte August wurden den Angaben zufolge 105 Zivilisten getötet und 308 verletzt. In den drei Monaten davor seien es 60 Tote und 102 Verletzte gewesen. EU verlängert Russland-Sanktionen. Kiew – Rückschlag für die Waffenruhe: Im Kriegsgebiet Donbass sind bei den ersten Verstößen gegen die Feuerpause seit Tagen mindestens zwei ukrainische Regierungssoldaten getötet worden. Zwei weitere Militärangehörige seien verletzt worden, ein Soldat gelte als vermisst, teilte Präsidialamtssprecher Andrej Lyssenko am Montag in Kiew mit. Die prorussischen Separatisten im Gebiet Luhansk warfen der Armee ebenfalls Angriffe vor. Die Feuerpause – der Kern des Minsker Friedensplans vom Februar – gilt seit 1. September. Nach Darstellung der Konfliktparteien ist die Lage seitdem stabiler geworden, doch berichten beide Seiten immer wieder von vereinzeltem Beschuss. Neben der Waffenruhe sollen als weiterer Friedensschritt schwere Waffen von der Front abgezogen werden. Dadurch soll eine entmilitarisierte Zone entstehen. Die Ukraine habe inzwischen sämtliche Panzer zurückgezogen, teilte das Verteidigungsministerium in Kiew mit. Bei neuen Angriffen der Separatisten könnten diese aber schnell wieder in Position gebracht werden, hieß es. Angesichts der weiterhin brüchigen Ruhe in der Ostukraine bekräftigte Präsident Petro Poroschenko in Kiew seine Forderung nach westlichen Waffenlieferungen. Es gehe darum, einen wirksamen Mechanismus der Abschreckung aufzubauen, erklärte er in der Zeitung Die Welt. Die prowestliche Führung in Kiew sieht Russland als Aggressor in dem blutigen Konflikt, in dem seit April 2014 nach UN-Angaben rund 8000 Menschen getötet wurden. Wir kämpfen im Moment mit den Waffen des 20. Jahrhunderts gegen die Waffen des 21. Jahrhunderts. Und Russlands Militäretat ist 30 bis 45 Mal größer als unserer, sagte Poroschenko. Deutschland und weitere westliche Staaten lehnen Waffenlieferungen in die Ex-Sowjetrepublik ab. Allerdings hat Kiew bereits aus dem Westen sogenannte nicht-tödliche Militärgüter erhalten, darunter ungepanzerte Humvee-Geländefahrzeuge. Die Europäische Union verlängerte wegen des schweren Konflikts ihre Sanktionen gegen Vertraute von Kremlchef Wladimir Putin und Angehörige der prorussischen Separatisten im Donbass. Damit dürfen 149 Menschen bis zum 15. März 2016 nicht in EU-Staaten reisen. Den Betroffenen wird vorgeworfen, die Ukraine-Krise angeheizt zu haben. Die EU hat mehrere Arten von Strafmaßnahmen gegen Russland verhängt. Die Ukraine müsse Reformen jetzt oder nie umsetzen, sagt Odessas Gouverneur, der georgische Expräsident Michail Saakaschwili. STANDARD: Warum tut sich die Ukraine so schwer, Reformen umzusetzen? Die Menschen werden nun langsam ungeduldig. Saakaschwili: Leider verhindert der Krieg sehr viel. Aber das ist nicht das Hauptproblem. Die größten Widersacher der Reformen sind die Oligarchen. Ihr Einfluss ist nach wie vor sehr groß. Viele staatliche Unternehmen werden von Personen geführt, die durch die Oligarchen diese Jobs bekommen haben. Die zugesagte Privatisierung verläuft leider sehr schleppend. Sicher, es gibt auch einzelne Reformprojekte, die umgesetzt werden, wie zum Beispiel die neue Verkehrspolizei in Kiew und Odessa. Doch insgesamt verläuft der Prozess zu langsam. STANDARD: Sie sind seit 100 Tagen Gouverneur der Region Odessa, haben Sie Reformerfahrungen aus Georgien dort umgesetzt? Saakaschwili: Nicht nur in Odessa, ich habe eine Reihe von Experten aus Georgien mitgebracht, die unter anderem in der Kiewer Regierung arbeiten. In der gesamten Ukraine haben wir es mit einer sehr verkrusteten Bürokratie zu tun, die in der Regel nach sowjetischen Methoden arbeitet. In der Verwaltung, Polizei, Justiz und in den großen staatlichen Unternehmen haben sich die Abläufe teilweise gar nicht verändert. Die Ukraine steht vor der Wahl: das ganze Land schnell und komplett zu verändern – oder gar nicht. STANDARD: Wie soll eine Veränderung aussehen? Saakaschwili: Das Land muss erkennen, dass eine Verwaltung effektiv arbeiten soll, Steuern gezahlt werden, Beamte und Angestellte angemessen bezahlt werden müssen. Derzeit ist es vielerorts so, dass Oligarchen die Gehälter der Beamten zahlen. Zudem erhalten die Staatsdiener der Ukraine nur ein paar Hundert Euro im Monat, davon kann keiner leben. Alle sind darauf angewiesen, Schmiergelder einzutreiben. Die Ukraine befindet sich heute auf dem Stand, auf dem Georgien 2004 war, ganz am Anfang eines umfassenden Reformprozesses. Das ist übrigens 1990 in Ostdeutschland auch so gelaufen. Die Führungsebene wurde ausgetauscht, tausende junge Beamte eingestellt. Das hat auch nicht allen gefallen. STANDARD: Wer bezahlt die Reformen in Odessa? Saakaschwili: Die USA haben drei Millionen Dollar (2,65 Millionen Euro, Anm.) gegeben. In Odessa wurde die alte Verkehrspolizei aufgelöst und ersetzt. Doch eine neue Polizei hat nur dann Sinn, wenn auch andere Bereiche wie Justiz, Staatsanwaltschaft oder Zoll umgebaut werden. STANDARD: Wie reagieren die Menschen auf Ihre Arbeit? In Odessa lebt auch eine große russischsprachige Gemeinschaft. Saakaschwili: Die Leute merken, dass sich in ihrem Alltag etwas ändert. Keiner zahlt schließlich gerne Bestechungsgeld oder mag es, wenn Polizisten einen behandeln wie einen Untertan. Aber es gibt auch Hindernisse, die uns vor allem von russischer Seite in den Weg gelegt werden. Seit ich im Amt bin, finden fast täglich Demonstrationen statt. Doch die Bevölkerung schließt sich nicht an, es sind meistens nicht mehr als 50 bis 70 Menschen. Die russische Propaganda verfängt nicht mehr, das war vor zwölf oder 18 Monaten noch anders. Doch die Stimmung hat sich verändert. STANDARD: Wie viele Beamte haben Sie bereits entlassen? Saakaschwili: Alle Verkehrspolizisten. Der Polizeichef und der Leiter der Militärpolizei sind in Haft wegen Annahme von Bestechungsgeldern. Ausschreibungen werden in Odessa nur noch elektronisch gemacht, damit jeder sehen kann, wer sich an dem Prozess beteiligt. Bis Ende des Jahres sollen Verwaltungszentren einsatzfähig sein, dort können die Bürger von der Steuererklärung bis zum Bauantrag alles abgeben, und es wird innerhalb weniger Tage bearbeitet oder beantwortet. Präsident Petro Poroschenko hat mir den Auftrag erteilt, Odessa als eine Art Versuchslabor für die gesamte Ukraine zu nutzen. STANDARD: Was will Wladimir Putin in der Ukraine erreichen? Saakaschwili: Er hat die Idee, die Ukraine zu dominieren, längst noch nicht aufgegeben. Deshalb versucht er, den Einfluss auf Parteien, Politiker und Personen auszuweiten. In Odessa gibt es die Bessarabien-Gruppe – diese Leute versuchen, den Gedanken des Separatismus in die Südwestukraine zu tragen. Das Projekt wird aus Russland gesteuert und bezahlt. Allerdings hat Putin sich mit seiner Aktion im Donbass überhoben. STANDARD: Fühlen Sie sich sicher? Saakaschwili: In Odessa bin ich sicher, mehr fürchte ich mich vor Oligarchen aus der Zentralukraine. Die lokale Mafia in Odessa gibt es zwar noch, doch die Oligarchen sind gefährlicher. STANDARD: Warum kritisieren Sie die Regierung und vor allem Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk so scharf und öffentlich? Wollen Sie Regierungschef werden? Saakaschwili: Die Ukraine braucht Veränderungen, und zwar jetzt. Die Menschen werden ungeduldig, das ist ein Alarmsignal, weil die Ukrainer eigentlich sehr wohlwollend sind. Sollte es wieder zu Protesten kommen, werden sie ganz anders ablaufen als auf dem Maidan 2004 und 2013. Es gibt mittlerweile viele paramilitärische Gruppen, die nur darauf warten, an die Macht zu kommen. STANDARD: Aber warum so harte Worte gegen Jazenjuk? Saakaschwili: Leider ist es in diesem Land nicht anders möglich, die Betroffenen aufzurütteln. STANDARD: Wären Sie bereit, ein Amt in Kiew zu übernehmen? Saakaschwili: Ich habe derzeit keine Pläne, meinen Posten als Gouverneur von Odessa aufzugeben. Jeder in der Ukraine weiß, dass die Veränderungen jetzt oder nie angepackt werden müssen. Die Regierung in Kiew hat derzeit eine große Aufgabe: Umsetzung der Reformen. 44-jähriger Boxer will Reformen fortführen. Kiew – Star-Boxer Vitali Klitschko tritt noch einmal bei der Bürgermeister-Wahl in Kiew an: Das 44-jährige Oberhaupt der ukrainischen Hauptstadt gab am Montag offiziell seine erneute Kandidatur bekannt. Er wolle die Reformen weiterführen, die begonnen worden seien, hob Klitschko in einer Erklärung hervor. Der einstige Box-Weltmeister im Schwergewicht war im Mai 2014 zum Bürgermeister von Kiew gewählt worden. Allerdings könnte seine Wiederwahl angesichts einer Bilanz, die in der Drei-Millionen-Einwohner-Stadt bisher niemanden beeindruckt, nicht so reibungslos über die Bühne gehen. In Kiew wird Ende Oktober gewählt. Klitschko gehörte zu den Anführern der proeuropäischen Massenproteste, die im Sturz des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gipfelten. Der frühere Profiboxer hatte zunächst für das Präsidentenamt kandidiert, sich dann aber hinter den Milliardär Petro Poroschenko gestellt. Gaslieferungen bis Ende März 2016 gesichert. Brüssel/Kiew/Moskau – Die Ukraine hat sich mit Russland auf die Gasversorgung im Winter geeinigt. Die von der EU vermittelte Vereinbarung sichert Lieferungen bis März 2016 zu, wie der für Energiefragen zuständige EU-Kommissions-Vizepräsident Maros Sefcovic nach fünfstündigen Verhandlungen am Freitagabend in Brüssel mitteilte. Für eine Unterzeichnung des Abkommens seien aber noch getrennte Verfahren nötig. Russlands Energieminister Alexander Nowak sagte, der Deal sichere auch den ungehinderten Gas-Transit in die EU. Der immer wieder aufflammende Streit zwischen Moskau und Kiew über Gaspreise hatte wiederholt Sorgen geschürt, dass es bei Lieferungen in die EU zu Unterbrechungen kommen könnte. Es ist gut, dass es nach langen und schwierigen Verhandlungen zu einer Einigung gekommen ist, auch wenn ich mir gewünscht hätte, dass es für eine längere Zeit Planungssicherheit für alle Seiten gegeben hätte, erklärte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) in Berlin. Jetzt haben wir zumindest über den kommenden Winter eine vernünftige Lösung, die eine humanitäre Krise in der Ukraine verhindern hilft. Es sei zu hoffen, dass es bei der Umsetzung keine weiteren Schwierigkeiten geben werde. Nowak sagte der Nachrichtenagentur RIA zufolge, die Ukraine werde für die Gaslieferungen im vierten Quartal rund 230 Dollar pro Tausend Kubikmeter zahlen. Im Juli war der bisherige Vertrag ausgelaufen. Seitdem gab es keine Lieferungen mehr und es wurde über den Preis gestritten. Im zweiten Quartal hatte die Ukraine noch 247 Dollar pro Tausend Kubikmeter gezahlt. Kiew wollte nun eigentlich nur etwas mehr als 220 Dollar überweisen, während Moskau nach eigenen Angaben dieses Jahr von europäischen Kunden im Schnitt eher 235 bis 242 Dollar bekommt. Sefcovic sagte, die Ukraine zahle jetzt einen vergleichbaren Preis wie die EU-Länder aus der Nachbarschaft. Die Ukraine steht wegen Misswirtschaft, Korruption und einem Konflikt mit prorussischen Separatisten im Osten am Rande des Staatsbankrotts. Sie wirft Russland vor, Gaslieferungen als politisches Druckmittel einzusetzen. Die Verhandlungen werden im Westen aufmerksam verfolgt, da die Ukraine ein wichtiges Transitland für Gaslieferungen in die Europäischen Union ist. Frankreichs Staatspräsident François Hollande setzte am Freitag als Gastgeber des Ukraine-Gipfels in Paris auf einen diplomatischen Erfolg, um Frieden in dem Bürgerkriegsland zu erreichen. Doch er rechnete nicht mit dem Engagements Wladimir Putins – in Syrien. Der Vierergipfel aus Frankreich, Deutschland, Russland und der Ukraine war ein Anlass voller Paradoxe. Offiziell war das vierstündige Treffen im Pariser Élysée-Palast dem politischen Prozess in der Ukraine nach dem Minsker Abkommen gewidmet. Das Hauptinteresse der Journalisten lag aber ganz woanders – nämlich in der Entwicklung in Syrien. Denn dort herrscht Krieg, dort schaffen russische Kampfflugzeuge mit ihren Einsätzen gerade neue Tatsachen – während die Waffenruhe im ostukrainischen Donbass-Gebiet an der Grenze zur Russland eher gut eingehalten wird. Nach dem Gipfel erklärten die deutsche Kanzlerin Angela Merkel und der französische Präsident François Hollande in einer Pressekonferenz unisono, es gebe keinen Link zwischen den beiden Krisenherden, und damit auch nicht zwischen den diesbezüglichen internationalen Verhandlungen. Sie traten damit dem Eindruck entgegen, dass der russische Präsident Putin mit seinen Militärschlägen in Syrien Druck auf die Ukraine-Gespräche machen wollte, um eine Milderung der Sanktionen gegen die russische Wirtschaft zu erreichen. IS bombardieren Wir haben über Syrien gesprochen, räumte Hollande vor den Journalisten ein, um aber klarzumachen, dass er vor allem zu Putin gesprochen habe. Er habe seinem russischen Amtskollegen erklärt, dass es darum gehe, die Stellungen der Terrormiliz IS zu bombardieren, nicht etwa die der Opposition gegen das Assad-Regime. Was Putin darauf antwortete, sagte Hollande nicht. Was die Ukraine-Krise anbelangt, sprachen die beiden EU-Vertreter von kleinen Fortschritten. Beide Seiten sind aufeinander zugegangen, erklärte Merkel. Insbesondere habe sich Putin verpflichtet, sich dafür einzusetzen, dass die geplanten Wahlen nach ukrainischem Recht stattfinden können. Was das genau heißt, ist allerdings umstritten: Wird der russische Präsident auf die Separatisten einwirken, sodass sie die für Oktober und November geplanten Lokalwahlen in Luhansk und Donezk– die klar gegen ukrainisches Recht und damit gegen das Minsker Abkommen des Staatenquartetts verstoßen – absagen? Das wird sich in den nächsten Tagen weisen müssen. Verzögerungen erwartet Die vier Außenminister sollen sich zu weiteren Erörterungen treffen, beschlossen Hollande, Merkel und Putin im Beisein des ukrainischen Staatschefs Petro Poroschenko. Das lässt aber auch die Lesart zu, dass die vier Staats- und Regierungschef in Wahrheit nicht weitergekommen sind. Französische Diplomaten räumten ein, im Friedensprozess in der Ukraine werde es zu Verzögerungen kommen. Hollande erklärte seinerseits, der Minsk-Prozess – benannt nach einem früheren Abkommen der vier Staaten – werde bis Ende des Jahres nicht wie geplant abgeschlossen. Für den Gastgeber ist das dürftige Resultat des Vierergipfels eine kleinere Schlappe. Vor dem ersten Minsker Abkommen war der französische Präsident nur Beifahrer gewesen. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hatte ihn ins Boot geholt, um ihrem Schlichtungsversuch zwischen Russland und der Ukraine einen gesamteuropäischen Anstrich zu geben. Im Juni 2014 schaffte es Hollande immerhin, Kremlchef Putin und den – damals erst designierten – ukrainischen Präsidenten im Normandie-Ort Bénouville zusammenzubringen. Vorgänger als Vorbild Danach hegte der 60-jährige Pariser Sozialist große Pläne: Er wollte in der Ukraine eine Lösung erreichen, so wie sein Vorgänger Nicolas Sarkozy 2008 die Georgienkrise gelöst hatte – jedenfalls nach eigenem Verständnis. Élysée-Berater erzählen gerne, dass Hollande sogar öfters über Militärplänen der Donbass-Region brüte. Anfang September, als sich die Lage in der Ostukraine beruhigt hatte, dachte er öffentlich bereits über eine Aufhebung der Sanktionen gegen Moskau nach. Zu wenige Zugeständnisse Daraus wird vorerst nichts. Putin hat nicht genug nachweisbare Zugeständnisse wie etwa den Rückzug der schweren Waffen von der ukrainisch-russischen Grenze gemacht. Mangels handfester Ergebnisse lobten französische Unterhändler das bessere Gesprächsklima. Alle Seiten waren offensichtlich darum bemüht, kein zusätzliches Öl ins Feuer zu gießen. Letztlich würden auch Merkel und Hollande die Sanktionen nur zu gerne aufheben. In Frankreich wäre dies ein Mittel, den Druck zu mildern, unter dem Hollande vonseiten der Bauern steht. Sie haben durch den Exportstopp nach Russland fast so viele Marktanteile verloren wie ihre deutschen Berufskollegen. Damit liegt der Ball bei Präsident Poroschenko, der jetzt seine Fähigkeit zum Kompromiss zeigen muss. Kiew/Moskau – Geschickter Schachzug der prorussischen Rebellen im Donbass-Gebiet: Die Führungen der Donezker (DVR) und Luhansker Volksrepublik (LVR) haben ihre umstrittenen Wahlpläne unter Berufung auf den Pariser Gipfel des Normandie-Vierers zurückgestellt. Ausgehend von den Resultaten dieser Arbeit erklären wir unsere Bereitschaft, die Wahlen vom 18. Oktober und 1. November auf das kommende Jahr zu verschieben, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung von DVR-Sprecher Denis Puschilin und seinem LVR-Kollegen Wladislaw Dejnego. Ausschlaggebend für den Entschluss seien die Empfehlungen der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des französischen Präsidenten François Hollande gewesen, teilten die Unterhändler der Rebellen mit. Als neuer Wahltermin gilt der 21. Februar. Bis dahin müsse Kiew alle politischen Forderungen des Minsker Abkommens erfüllen, heißt es in der Erklärung. Zu den Forderungen der Rebellen gehören der Sonderstatus für das Donbass-Gebiet, Straffreiheit für alle Separatistenkämpfer und eine Absprache bei der geplanten Verfassungsänderung über die Autonomierechte der ukrainischen Regionen. Sowohl in Moskau, als auch in Kiew wurde die Verschiebung der Wahl begrüßt. Dabei sind die Forderungen durchaus heikel für den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko: Schon während der ersten Lesung des Dezentralisierungsgesetzes Ende August kam es zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Nationalisten und Polizeikräften. Bei den Protesten wurden Dutzende Beamte durch eine Handgranate verletzt, mehrere von ihnen starben. Zwar passierte die Verfassungsänderung in erster Lesung die Rada, doch die Populisten um Oleh Ljaschko warfen Poroschenko Verrat vor und kündigten ihren Ausstieg aus der Koalition an. Um die Verfassungsänderung letztlich durchsetzen zu können, reicht die einfache Mehrheit in der Rada nicht aus. Poroschenko muss mindestens 300 der 450 Abgeordneten hinter sich bringen. Derzeit ist unklar, wie er die nötige Anzahl von Parlamentariern gewinnen will. Die Forderung der Separatisten, an der Ausarbeitung der Verfassung beteiligt zu werden, dürfte den Widerstand in Kiew noch verstärken. Damit steckt Poroschenko in der Zwickmühle. Offiziell hat Kiew die Rebellenführer stets als direkte Verhandlungspartner abgelehnt. Lässt er sich nun von ihnen die Gesetze diktieren, verliert Poroschenko seine Glaubwürdigkeit. Andererseits muss der ukrainische Präsident den Eindruck vermeiden, selbst ein Hindernis auf dem Weg zur Durchsetzung des Minsker Friedens zu sein. In jedem Fall stehen ihm ein schwieriges Taktieren und ein harter Machtkampf gegen die Hardliner in den eigenen Reihen bevor. Außenminister Lawrow trifft am Montag OSZE-Generalsekretär Zannier. Kiew/Moskau – Russland schlägt eine stärkere Überwachung des vereinbarten Waffenrückzugs aus dem Osten der Ukraine durch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vor. Russland ist dafür, dass die Zahl der Beobachter auf das erlaubte Maximum von 1.000 erhöht wird, erklärte das Außenministerium am Samstag in Moskau. Derzeit seien es 543. Außenminister Sergej Lawrow trifft am Montag mit OSZE-Generalsekretär Lamberto Zannier zusammen. Die ukrainische Regierung versucht seit dem vergangenen Jahr, den Aufstand prorussischer Separatisten im Osten des Landes niederzuschlagen. Bei den Kämpfen sind mehr als 8.000 Menschen gestorben. Der Westen wirft Russland vor, die Kämpfer militärisch zu unterstützen. Die Regierung in Moskau weist dies zurück. (APA/Reuters, 10.10.2015) Mehrere Festnahmen an neuem "Feiertag des Landesverteidigers". Kiew – Bei einer Kundgebung von ukrainischen Rechtsextremisten in Kiew hat die Polizei mehr als zehn Teilnehmer vorübergehend festgenommen. Die Sicherheitskräfte hätten Pistolen, Messer und Feuerwerkskörper beschlagnahmt, teilten die Behörden am Mittwoch mit. An dem sogenannten Marsch der Helden zum neu geschaffenen Feiertag des Landesverteidigers (14. Oktober) beteiligten sich örtlichen Medien zufolge rund 2.000 Anhänger der militanten rechtsextremen Parteien Swoboda und Rechter Sektor. Die Demonstranten forderten unter anderem die Freilassung inhaftierter Gesinnungsgenossen. Viele schwenkten Bildern zufolge gelb-blaue Staatsfahnen sowie das rot-schwarze Banner der Nationalisten. Manche Teilnehmer hatten Plakate mit dem Bild des ukrainischen Nazi-Kollaborateurs, Kriegsverbrechers und Nationalhelden Stepan Bandera dabei. Bandera (1909–1959) ist im Konflikt zwischen Russland und der Ukraine eine besondere Reizfigur. Im Zweiten Weltkrieg hatte er einen von der Sowjetunion unabhängigen ukrainischen Staat ausgerufen. Viele der am Umsturz in Kiew 2014 beteiligten Kräfte sehen ihn als Vorbild. In der Ostukraine und in Russland gilt Bandera indes als Verräter und Nazi-Kollaborateur. Vereinbarung von Ende September soll in drei Etappen umgesetzt werden. Kiew – Vor der Kommunalwahl in der Ukraine haben die Konfliktparteien im Kriegsgebiet Donbass nach eigener Darstellung den Abzug von Panzern und Artillerie fortgesetzt. Sowohl das ukrainische Militär als auch die prorussischen Separatisten im Gebiet Luhansk meldeten am Dienstag die Verlegung ihrer Geschütze mit einem Kaliber von weniger als 100 Millimetern. In drei Etappen soll einer Vereinbarung von Ende September zufolge Kriegsgerät 15 Kilometer von der Frontlinie entfernt werden. Kommunalwahl am Sonntag – ohne Donbass In der Ukraine finden an diesem Sonntag Kommunalwahlen statt. Nur in den Separatistengebieten wird nicht abgestimmt. Nach internationalem Druck hatten die Aufständischen umstrittene eigene Wahlen auf den kommenden Frühling verschoben. Der Minsker Friedensplan vom Februar sieht vor, dass auch in den abtrünnigen Gebieten nach ukrainischem Recht abgestimmt wird. Die Wahlen wie auch die noch bestehende Wirtschaftsblockade des Donbass durch die ukrainische Regierung gehören zu den zentralen Streitpunkten, die noch nicht gelöst sind. In der weißrussischen Hauptstadt Minsk wollte am Dienstag die Ukraine-Kontaktgruppe erneut beraten. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa vermittelt in dem Gremium, an dem auch Russland beteiligt ist. Wahl in strategisch wichtiger Stadt Mariupol abgesagt – Wahlergebnis könnte Schicksal von Koalition Poroschenkos besiegeln. Kiew/Mariupol – Der Konflikt mit den prorussischen Separatisten im Osten der Ukraine hat am Sonntag die Kommunalwahlen in dem Land überschattet. In der ostukrainischen Hafenstadt Mariupol, der letzten größeren Stadt in der Konfliktregion unter Kontrolle der ukrainischen Armee, wurde die Wahl kurzfristig abgesagt. Die Wahlen gelten als wichtiger Test für den prowestlichen Staatschef Petro Poroschenko. Als Grund für die Absage der Wahl in Mariupol, wo prorussische Gruppen im Wahlrennen vorne lagen, wurden offiziell Probleme mit den Wahlzetteln angegeben. Der Urnengang müsse deshalb verschoben werden, teilte die städtische Wahlkommission mit. Poroschenko sagte, in Mariupol wurde Wahlbetrug vorbereitet. Er nannte dies bei seiner Stimmabgabe in Kiew absolut inakzeptabel. Enttäuschte Wähler erhoben in Mariupol indes den Vorwurf, dass die 500.000-Einwohner-Stadt absichtlich ohne Verwaltung bleiben solle. Die prorussischen Rebellen im Osten des Landes hatten wiederholt versucht, die strategisch wichtige Stadt zu erobern, die zwischen den von den Rebellen kontrollierten Gebieten und der von Russland annektierten Halbinsel Krim liegt. Die Rebellen-Gebiete waren von den Wahlen ohnehin ausgenommen. Die Separatisten boykottieren den Urnengang wollen dort nächstes Jahr eigene Wahlen abhalten. Angesichts der unsicheren Lage hatten die ukrainischen Behörden aber auch beschlossen, in 122 von der ukrainischen Armee kontrollierten Kommunen an der Frontlinie keine Wahlen abzuhalten. In dem Gebiet wird seit September ein Waffenstillstand weitgehend eingehalten. Für Präsident Poroschenko, dem vorgeworfen wird, sein Versprechen einer raschen Beendigung des Konflikts nicht eingehalten beziehungsweise den prorussischen Rebellen zu sehr nachgegeben zu haben, sind die Kommunalwahlen von womöglich vitaler Bedeutung. Seine zerstrittene Regierungskoalition könnte an der Wahl sogar zerbrechen, was eine Auflösung des Parlaments zur Folge haben könnte. Analysten gingen davon aus, dass die Vaterlandspartei von Julia Timoschenko die Koalition verlassen könnte, sollte sie bei den Kommunalwahlen gut abschneiden. Für die Regierung ist eines der größten Risiken bei den Wahlen zudem ein Erstarken der prorussischen Opposition in Kommunen im Süden und Südosten des Landes. In einigen Städten wie Charkow an der Grenze zum Separatisten-Gebiet oder Odessa am Schwarzen Meer könnten Anhänger des Anfang 2014 entmachteten Kreml-treuen Präsidenten Viktor Janukowitsch den Sieg davon tragen. In Charkow stand der Janukowitsch-Getreue Gennadi Kernes zur Wiederwahl, dem Misshandlungen von proeuropäischen Demonstranten zur Last gelegt werden. In Odessa standen sich der prorussische Amtsinhaber Gennadi Truchanow und der Deutsch-Ukrainer und ehemalige Microsoft-Jurist Sascha Borowik gegenüber. Poroschenkos Zustimmungswerte sind stark eingebrochen. Nach jüngsten Umfragen lehnen 71 Prozent der Ukrainer seine Amtsführung ab, nachdem er im Mai 2014 noch im ersten Durchgang mit 54,7 Prozent der Stimmen gewählt worden war. Viele Ukrainer leiden auch unter steigenden Lebenshaltungskosten, Steuern und Sparmaßnahmen wegen der Auflagen der internationalen Gläubiger des verschuldeten Landes. Die Wahllokale schließen um 19.00 Uhr. Mit Ergebnissen wurde wegen des komplizierten Auszählungsverfahrens erst in einigen Tagen gerechnet. Mehr als 1.500 internationale Wahlbeobachter waren vor Ort. Kiewer Wahlkommission legt Urnengang am 15. November fest. Kiew – Der Kiewer Bürgermeister und Ex-Boxer Vitali Klitschko muss am 15. November in einer Stichwahl gegen den nationalistischen Parlamentarier Borislaw Berjosa um das Amt in der Metropole antreten. Das teilte die Wahlkommission in der ukrainischen Hauptstadt am Freitag mit. Demnach erhielt Klitschko in der ersten Runde der Kommunalwahl am vergangenen Sonntag 40,5 Prozent der Stimmen. Auf den Zweitplatzierten Berjosa entfielen 8,8 Prozent. Weil keiner der Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen erringen konnte, kommt es nun zu einer Stichwahl der beiden Bestplatzierten. In der ersten Runde lag die Wahlbeteiligung bei knapp 42 Prozent. Soldat: Haben nur noch Gewehre und Steine. Kiew – Wenige Tage nach den Rebellen hat auch die ukrainische Armee nach eigenen Angaben den Abzug ihrer schweren Waffen entlang der Waffenstillstandslinie im Osten des Landes abgeschlossen und damit eine Kernforderung im Friedensprozess erfüllt. Am Samstag seien alle Mörser aus Piski und Opitne in der Nähe des monatelang umkämpften Flughafens von Donezk abgezogen worden, sagte ein Militärsprecher. Eine Bestätigung der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) gab es zunächst nicht. Journalisten der Nachrichtenagentur AFP beobachteten am Samstag einen Militärkonvoi, der Mörser von Regierungsstellungen in Piski in Richtung eines Waffenlagers abtransportierte. Ein ukrainischer Soldat sagte gegenüber AFP, dass die Truppe nun nur noch über Gewehre, Kalaschnikows und Steine verfüge, um sich im Falle eines Angriffs zu verteidigen. Wir reagieren nicht auf Provokationen oder Schüsse der Rebellen, versicherte er. Dennoch warfen einander Regierungstruppen und prorussische Rebellen am Samstag gegenseitig vor, den Waffenstillstand in den vergangenen Tagen gebrochen zu haben. Nach Angaben Kiews wurden Regierungstruppen mit Gewehren, Granatwerfern und Mörsern beschossen. Vier Soldaten wurden demnach verletzt, als sie auf eine Landmine traten. Ein Rebellensprecher warf einem ukrainischen Freiwilligenbataillon vor, Donezk bombardiert zu haben. Die gegen Kiew kämpfenden Rebellen hatten am Donnerstag erklärt, ihre schweren Waffen von der Frontlinie in der Donezk-Region abgezogen zu haben. In der Nachbarregion Luhansk (Lugansk) hatten beide Seiten nach eigenen Angaben schon im Oktober den Abzug beendet. Die Konfliktparteien hatten sich Ende September verständigt, alle Panzer, Artilleriegeschütze von einem Kaliber unter 100 Millimeter und Mörser je 15 Kilometer hinter die Front zu verlegen. Der Waffenabzug ist ein Schlüsselelement des Minsker Friedensfahrplans vom Februar. Er soll zu einer 30 bis 40 Kilometer breiten Pufferzone führen, um das Aufflammen neuer Gewalt zu verhindern. Wichtigste nächste politische Etappe des Minsk-Prozesses sind Wahlen in den von den Rebellen ausgerufenen Volksrepubliken Donezk und Luhansk. Sie sollten eigentlich noch in diesem Jahr stattfinden, wurden aber inzwischen auf Anfang 2016 verschoben. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hatte am Freitag in Berlin mit seinen Amtskollegen aus Frankreich, Russland und der Ukraine über den Konflikt beraten. Danach zeigte er sich zuversichtlich, dass spätestens bis Anfang Dezember sämtliche schwere Waffen aus dem Kampfgebiet verschwunden sein könnten. Auch mit der Entfernung dort versteckter Minen solle vor dem Wintereinbruch begonnen werden. 'Diplomaten sehen "kleine Fortschritte" in der Ostukraine – Doch während verhandelt wird, gefährden neue Provokationen den fragilen Waffenstillstand. Zwei Schritt vor und einen zurück: Von Stabilität ist das ostukrainische Donbass-Gebiet immer noch weit entfernt. An zwei Donezker Schulen war so vergangenen Dienstag mit der scheinbaren Normalität wieder Schluss – zumindest kurzfristig. Der Unterricht fiel aus. Die Außenbezirke der Rebellenhochburg waren unter Beschuss geraten. Daneben klagten die Separatisten gleichentags über Angriffe auf die Ortschaft Spartak. Der Generalstab in Kiew seinerseits berichtete von drei Verstößen gegen die Waffenruhe vonseiten der prorussischen Kämpfer. In den vergangenen Tagen haben sich die gegenseitigen Angriffe und Provokationen gehäuft. Der seit Anfang September haltende Waffenstillstand ist zunehmend brüchiger geworden. Am Sonntag warfen sich beide Seiten vor, eine Eskalation des Konflikts vorzubereiten: Die ukrainische Armee ziehe Panzer und Artillerie hinter der Front zusammen, behauptete der Verteidigungsminister der Donezker Volksrepublik Eduard Bassurin. Während die ukrainische Seite sich voll an das Minsker Abkommen haltend den Abzug seiner Mörser mit einem Kaliber bis zu 100 Millimeter abgeschlossen hat, setzen die Anhänger der sogenannten russischen Welt den Beschuss ziviler Ortschaften fort, konterte der Sprecher des ukrainischen Militärstabs Leonid Matjuchin und warf den Untergrundkämpfern den Einsatz von MGs, Scharfschützengewehren und Granatwerfern vor. Die Rebellen würden von Russland mit Waffennachschub versorgt, fügte Boris Kremenezki, der ukrainische Vertreter am gemeinsamen Koordinations- und Kontrollzentrum für den Waffenstillstand, hinzu. Noch hat die jüngste Lageverschärfung glücklicherweise nicht zu neuen Opfern geführt. Doch ein weiteres Zündeln könnte schwerwiegende Folgen haben; immerhin hat der Konflikt UN-Angaben nach bisher schon mehr als 8000 Tote gefordert. Die Diplomaten hoffen, dass die vereinbarte Abrüstung zur Entspannung beiträgt. Zuletzt hatten Rebellenmilizen und Kiewer Truppen den Abzug von Mörsern vermeldet. Am Dienstag soll die Monitoringmission der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) mit der Überprüfung dieser Angaben beginnen. In der Vergangenheit hatte die OSZE mehrfach Verzögerungen beim Waffenabzug kritisiert. Die Außenminister des Normandie-Vierers demonstrierten bei ihrem jüngsten Ukraine-Gipfel trotz der Probleme Optimismus. Die Gespräche waren deutlich besser, als das nasskalte Wetter hier am Tegeler See erwarten ließ, konstatierte der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier nach den Verhandlungen, die er als konzentriert, sehr sachorientiert und sehr kollegial lobte. Als wichtigste Aufgabe nannte Steinmeier die Konsolidierung des Waffenstillstands, der durch eine Ausweitung des Waffenabzugs erreicht werden soll. Daneben soll in der Konfliktzone aber auch mit der Räumung von Minen begonnen werden, die eine latente Gefahrenquelle für die lokale Bevölkerung bleiben und auch die Beobachtungen der OSZE erschweren. Bestimmte Zonen bleiben schwer kontrollierbar. Kontrovers bleibt das Thema Wahlen im Donbass. Die Eckpunkte dazu soll die Ukraine-Kontaktgruppe in den nächsten Wochen aushandeln. Größter Konfliktpunkt ist der Umgang mit den Vertriebenen. Kiew fordert ein Wahlrecht für alle aus dem Bürgerkriegsgebiet geflohenen Ukrainer. Die Rebellen lehnen dies mit der Begründung einer möglichen Manipulation durch die Vergabe von zusätzlichen Pässen ab. (André Ballin aus Moskau, 8.11.2015)' Wichtiger Stimmungstest für prowestliche Regierung um Staatschef Poroschenko. Kiew – In einer Stichwahl entscheiden in der Ukraine am Sonntag 28 große Städte und die Metropole Kiew über das einflussreiche Amt des Bürgermeisters. In der Hauptstadt strebt der frühere Boxweltmeister Witali Klitschko für die Präsidentenpartei Solidarnist (Solidarität) seine Wiederwahl an. Der landesweite Urnengang gilt als wichtiger Stimmungstest für die prowestliche Regierung um Staatschef Petro Poroschenko. Die Ex-Sowjetrepublik Ukraine wird von einem Kampf gegen moskautreue Separatisten im Osten des Landes sowie einer Finanzkrise erschüttert. Die Wahllokale sind von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr MEZ geöffnet. Aussagekräftige Ergebnisse werden für Montag erwartet. Offenbar klarer Sieg mit über 70 Prozent. Kiew – Der frühere Boxweltmeister Witali Klitschko (44) hat die Bürgermeisterwahl der ukrainischen Hauptstadt Kiew Prognosen zufolge klar gewonnen. Auf den Amtsinhaber entfielen zwischen 65 und 72 Prozent, berichteten Medien am Sonntagabend unter Berufung auf mehrere Nachwahlbefragungen. Klitschko wäre damit für fünf Jahre auf den einflussreichen Posten gewählt. Der Chef der Regierungspartei Solidarnist (Solidarität) war 2014 über eine vorgezogene Wahl für zunächst eineinhalb Jahre ins Amt gelangt. Auf Klitschkos Gegner, den nationalistischen Abgeordneten Borislaw Berjosa, entfielen in der Stichwahl demnach zwischen 28 und 35 Prozent. Außer in Kiew wurden am Sonntag in 28 weiteren Großstädten neue Bürgermeister gewählt. In der westukrainischen Metropole Lwiw (Lemberg) setzte sich ersten Prognosen zufolge Amtsinhaber Andrej Sadowy mit rund 61 Prozent gegen Herausforderer Ruslan Koschulinski von der ultranationalistischen Partei Swoboda (Freiheit) durch. In der strategisch wichtigen Industriestadt Dnipropetrowsk sahen zwei von drei Nachwahlbefragungen Boris Filatow, einen Vertrauten des Milliardärs Ihor Kolomojski, zunächst mit 55 und 62 Prozent vorne. Aussagekräftige Ergebnisse werden für diesen Montag erwartet. Die Wahl galt auch als wichtiger Stimmungsmesser für die prowestliche Regierung des Landes. Die Ukraine wird vom Kampf gegen prorussische Separatisten im Osten und einer Finanzkrise erschüttert. Die abtrünnigen Gebiete im Donbass nahmen am Urnengang nicht teil. Wahlleiter Michail Ochendowski hatte am Nachmittag erklärt, er rechnete landesweit mit einer Beteiligung von nur etwa 30 Prozent der Berechtigten. Präsident Petro Poroschenko warb bei seiner Stimmabgabe in Kiew für eine Teilnahme an der Wahl. Für Aufregung sorgte eine Aktivistin der Organisation Femen, die mit blankem Oberkörper gegen Prostitution protestierte. Sie wurde nach kurzer Zeit weggeführt. Klitschko zeigte sich gelassen. Warum nicht, wenn sie sich präsentieren will, sagte der amtierende Bürgermeister. Klitschko hatte im ersten Wahlgang vor drei Wochen etwa 41 Prozent der Stimmen erhalten, sein Kontrahent Berjosa rund neun Prozent. Die Führung der Europäischen Union verknüpft ein Ende der Sanktionen gegen Russland weiter mit einer vollständigen Umsetzung des Minsker Friedensplans für die Ostukraine. Das erklärten EU-Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker am Sonntag am Rande des G-20-Gipfeltreffens in Belek nahe Antalya in der Türkei. Nachrichtenagentur berichtet von mehreren gesprengten Strommasten. Kiew/Moskau – Ein Stromausfall sorgt für neue Spannungen im russisch-ukrainischen Verhältnis: Nachdem Unbekannte in der ostukrainischen Region Cherson vier Starkstromleitungen lahmgelegt hatten, gingen für die 1,9 Millionen Bewohner der Krim in der Nacht zum Sonntag alle Lichter aus. Die Masten wurden soeben gesprengt, teilte Ilja Kiwa, ein Vertreter des ukrainischen Innenministeriums, auf seiner Facebook-Seite mit. Schon am Freitag hatten Demonstranten, vornehmlich Krimtataren und Kämpfer des Rechten Sektors, die seit Wochen die Einfahrten zur Krim blockieren, versucht, die Stromleitungen zu sprengen, und sie dabei schwer beschädigt. Die ukrainische Nationalgarde musste schließlich anrücken, um die Demonstranten zu vertreiben und Reparaturtrupps den Zugang zu ermöglichen. Wegen der Zusammenstöße wurden inzwischen in der Ukraine mehrere Strafverfahren eingeleitet, auch die Suche nach den Strom-Saboteuren läuft. Das Energieministerium versprach, zumindest eine Hochspannungsleitung in Kürze wieder in Betrieb zu setzen. Immerhin ist auch die Energieversorgung von Teilen der Oblast Cherson akut gefährdet. Wann die Stromlieferungen Richtung Krim wieder aufgenommen werden, ist noch völlig offen. Die Folgen für die Krim sind erheblich: Die Halbinsel ist nach ihrem völkerrechtswidrigen Anschluss an Russland in ihrer Energieversorgung weiter von der Ukraine abhängig. Rund 70 Prozent des Stroms müssen vom Festland importiert werden. Perspektivisch sollen vom russischen Festland verlegte Leitungen Abhilfe schaffen. Doch am Sonntag blieben die meisten Häuser auf der Krim im Dunkeln. Die mobilen Stromgeneratoren auf der Krim dienen zunächst der Energieversorgung von strategisch und sozial wichtigen Einrichtungen, also Militärstützpunkten und Krankenhäusern. Für die Bewohner hingegen ist der Strom streng stundenweise rationiert. Die Treibstoffvorräte für den Betrieb der Generatoren unter voller Belastung reichen nach Angaben des russischen Energieministeriums für knapp einen Monat. Die Führung der Krim hat den Notstand ausgerufen. Netzabschaltungen wird es leider auf der ganzen Halbinsel geben, erklärte der Vizepremier der Krim, Michail Scheremet. Die Bevölkerung werde informiert über die Zeiten, zu denen es in ihrer Region Strom gebe. Profitieren können davon aber wohl allenfalls die Bewohner der größeren Städte wie Sewastopol, Simferopol oder Jalta. Die Bevölkerung wurde aufgerufen, keine elektrischen Heizgeräte zu benutzen. Um Strom zu sparen, wird die Straßenbeleuchtung abgeschaltet, Kindergärten bleiben geschlossen. Zuletzt hatte es auch in Moskau Bemühungen gegeben, den Konflikt mit der Ukraine zu entschärfen. Der neue Zwischenfall dürfte die Konfrontation aber wieder anheizen. Der von Moskau bestellte Krim-Premier Sergej Aksjonow bewertete das Kappen der Stromleitungen als Terroranschlag unter Mithilfe der Kiewer Regierung. Drei Soldaten verletzt. Kiew – Bei Feuergefechten in der Ostukraine sind nach Berichten vom Samstag erneut Menschen getötet und verletzt worden. Ein ukrainischer Soldat sei durch Beschuss prorussischer Separatisten getötet worden, teilte der Sicherheitsrat in Kiew mit. Drei Soldaten seien verletzt worden. Im Gebiet Donezk hätten die Rebellen seit Freitag elfmal die geltende Waffenruhe verletzt. Die Separatisten berichteten von Schüssen auf das Dorf Saizewo nördlich von Donezk. Dabei sei eine Frau tödlich getroffen worden. Der Militärsprecher der sogenannten Volksrepublik Donezk, Eduard Bassurin, schrieb den Angriff dem ukrainischen Freiwilligenbataillon Aidar zu. Jazenjuk will Ende für Ostsee-Gaspipeline – Positiver EU-Bericht zur Visabefreiung am 15. Dezember erwartet. Brüssel – Die Ukraine fordert die Verlängerung der von der Europäischen Union verhängten Sanktionen gegen Russland. Die Ukraine hat ihren Teil des Minsker Abkommens erfüllt und tut dies weiter, sagte Regierungschef Arseni Jazenjuk am Montag nach einem EU-Ukraine-Assoziationsrat in Brüssel. Russland müsse Minsk aber noch umsetzen. Jazenjuk sagte, Montag früh seien wieder Schüsse von russischen Milizen in der Ostukraine gefallen. Die Sanktionen der EU gegenüber Russland müssten fortgesetzt und an die vollständige Umsetzung der Minsker Waffenruhevereinbarung geknüpft werden. Jazenjuk, die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini und EU-Nachbarschaftskommissar Johannes Hahn versicherten, dass das Freihandelsabkommen zwischen der EU und der Ukraine am 1. Jänner 2016 in Kraft treten wird. Die EU sei noch zu Gesprächen bereit, sagte Hahn. Er wies aber darauf hin, dass die EU 35 Millionen Euro zur Verfügung stelle, um ukrainischen Klein- und Mittelbetrieben die Anpassungen für den Zugang zum europäischen Markt zu erleichtern. Der Zugang zum EU-Markt bedeute auch Zugang zum Weltmarkt, sagte Hahn. Der ukrainische Regierungschef erwartet für den 15. Dezember einen positiven Bericht der EU-Kommission zur Visabefreiung für ukrainische Bürger bei Reisen in die EU. Hahn zeigte sich seinerseits sicher, dass der Bericht positiv ausfallen werde, wollte aber das Ergebnis nicht vorwegnehmen. Die Ukraine hat alles erfüllt, sagte Jazenjuk. Der ukrainische Regierungschef kritisierte den geplanten Ausbau der Ostsee-Gaspipeline zwischen Russland und Deutschland heftig. Das Projekt Nordstream II müsse beendet werden, sagte er. Es ist nicht im Interesse der Ukraine und er Europäischen Union. Hahn sagte, für die Europäische Union sei es wichtig, dass weiter Wettbewerb herrsche. Die EU müsse überdies dafür sorgen, dass Investoren die Gesetze einhalten. Seit März 2014 zählt der Kreml die Krim offiziell zu seinem Herrschaftsgebiet – doch noch ist die Region weit weg von Russland. Die dunkelsten Tage sind vorbei auf der Krim: Als im November ukrainische Nationalisten und Anhänger der krimtatarischen Medschlis einen Anschlag auf die Hochspannungsleitungen vom ukrainischen Festland auf die Halbinsel verübten, gingen dort erst einmal die Lichter aus. Inzwischen sind nur noch 250.000 der knapp zwei Millionen Einwohner völlig ohne Strom. Die Liebe der Krimbewohner zur Ukraine hat die Aktion sicher nicht gestärkt. Doch wer geglaubt hatte, dass die Anfang Dezember von Russlands Präsident Wladimir Putin persönlich eröffnete Energiebrücke vom russischen Festland zur Krim deren Energieprobleme auf die Schnelle löst, sah sich getäuscht. Laut Sergej Sadaklijew, dem Vizechef des Katastrophenschutzes der Krim, läuft über diese Brücke nur geringfügig mehr (219 Megawatt) ein, als über die nach der Zerstörung notdürftig wieder hergerichteten Leitungen aus der Ukraine (192 Megawatt). Der Großteil (mehr als 400 Megawatt) wird immerhin schon selbst produziert. Allein für den Bedarf reicht es nicht. So bleibt das Leben beschwerlich, der Zugang zu den Errungenschaften der Zivilisation auf einige Stunden am Tag beschränkt. In der Hafenstadt Sewastopol beispielsweise, dort wo Putin vor eineinhalb Jahren noch symbolträchtig die Militärparade zum Tag des Sieges abgenommen hatte, besteht der Tagesablauf für die Menschen aus dem Wechsel von drei Stunden Strom und drei Stunden Kerzenschein – und dies nicht wegen der bevorstehenden Weihnacht. Eine zweite Leitung von Russland soll ab Dienstag in Betrieb gehen und zur Linderung der Nöte beitragen. Bis Sommer 2016 ist geplant, die Energieabhängigkeit der Krim von der Ukraine endgültig zu beenden. Auch die Wasserversorgung, ein weiterer heikler Punkt, soll dann gewährleistet sein. Drei Jahre später, so das Versprechen, wird die Halbinsel über eine mehr als drei Milliarden Euro teure Brücke dann auch physisch an Russland angeschlossen. Mit Versprechen ist das so eine Sache: Die Mehrheit der Krimbewohner hatte im völkerrechtlich umstrittenen Referendum für die Angliederung gestimmt, weil ihnen nach Jahren der Vernachlässigung durch Kiew Moskau auch einen schnellen Aufschwung und bessere Lebensverhältnisse versprach. Doch der Prozess zieht sich in die Länge: Selbst vom nicht gerade üppigen Durchschnittsverdienst der Russen – durch den Rubelverfall auf umgerechnet 440 Euro geschrumpft – sind die Einwohner der Krim noch weit entfernt: Weniger als 280 Euro nehmen sie im Schnitt mit nach Hause, in der Hafenstadt Sewastopol als eigenständigem Föderationsobjekt ist es nur geringfügig besser (knapp 300 Euro). Gewinner sind Rentner und Beamte, deren Bezüge deutlich angehoben wurden. Für Unternehmer hingegen sind die Vorteile weniger offensichtlich. Bürokratie und Korruption haben sich nicht verringert: Vom Papierkram her sind wir so etwa 20 Jahre zurückgefallen. Die Anzahl der nötigen Dokumente, um Geschäfte zu machen, übersteigt alle Grenzen, kritisiert Unternehmer Roman. Andere beklagen, dass viele Beamte noch aus ukrainischer Zeit gewohnt seien, Bestechungsgelder zu kassieren. An der Gewohnheit habe sich wenig geändert. Viele kleine Händler haben durch die Schließung der Grenzen zur Ukraine ihr Geschäft verloren. Die vor allem privat organisierte Tourismusbranche hat die Umstellung von ukrainischen auf russische Besucher ebenfalls noch nicht völlig bewältigt: Waren es 2012 rund 6,1 Millionen Touristen, so werden für 2015 etwa 4,5 Millionen erwartet. Trotzdem: Der Unmut hält sich angesichts der noch stärker kriselnden Ukraine in Grenzen. Es hätte viel schlimmer kommen können, so die allgemeine Stimmung von Sewastopol bis nach Kertsch mit Blick auf die Vorgänge im Donbass. Zudem kann die Krim darauf hoffen, von der auch vom Kreml betriebenen Isolation Russlands zu profitieren: Europa ist für russische Touristen nach dem Rubeleinbruch zu teuer, Ägypten nach dem Terroranschlag zu gefährlich, türkische Strände sind nach dem Abschuss eines russischen Bombenflugzeugs tabu. So bleibt für die Russen nur noch die Krim als Erholungsort. Die Landwirtschaft könnte ebenfalls vom Wegfall der Konkurrenz profitieren. Jede gekaufte türkische Tomate ist ein Beitrag zu einer weiteren Rakete, die auf unsere Jungs abgeschossen wird, begründete Regierungsberater Gennadi Onischtschenko das Embargo gegen Ankara. Die Krim bereitet sich bereits auf einen Boom beim Absatz von Tomaten, Zitrusfrüchten und Weinen im kommenden Jahr vor. Soll ab Mitternacht gelten. Minsk – Kurz vor dem Neujahrsfest haben sich die ukrainische Führung und die prorussischen Separatisten auf eine verschärfte Feuerpause im Kriegsgebiet Donbass geeinigt. Eine bedingungslose Waffenruhe solle von diesem Mittwoch an (00.00 Uhr Ortszeit, 23.00 Uhr MEZ) gelten, sagte Martin Sajdik von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) am Dienstagabend. Dies hätten die Konfliktparteien bei einem Treffen der Ukraine-Kontaktgruppe in der weißrussischen Hauptstadt Minsk vereinbart, sagte er. Diese Initiative ist vor allem für die Bewohner des Donbass nötig, damit sie in Frieden Weihnachten und Neujahr feiern können, sagte eine Sprecherin des ukrainischen Vertreters in der Kontaktgruppe, Leonid Kutschma. Die Aufständischen bestätigten die Einigung. Der OSZE-Sondergesandte Sajdik forderte die Konfliktparteien angesichts der instabilen Lage im Frontbereich zu weiteren Anstrengungen auf. Es seien noch nicht alle Probleme beseitigt, betonte er. Die Waffenruhe gilt seit September. Dennoch hatte es in den vergangenen Monaten immer wieder Verstöße und Berichte über getötete Kämpfer gegeben. Die OSZE beobachtet die Entwicklungen in der Ostukraine mit mehr als 500 Mitarbeitern. Das nächste Treffen der Kontaktgruppe ist für den 13. Jänner geplant. Krim-Führung sieht Sabotage. Kiew – Ein Defekt der einzigen Stromleitung vom ukrainischen Festland zur Krim hat auf der von Russland annektierten Halbinsel zu erheblichen Versorgungsproblemen geführt. Die Regierung der Schwarzmeer-Region warf der Regierung in Kiew vor, den Sturz eines wichtigen Strommastes nicht verhindert zu haben. Die frühere Sowjetrepublik wies dies zurück. Erst vor fünf Wochen hatten vermutlich Krimtataren und ukrainische Extremisten die Halbinsel durch Anschläge vom Netz abgeschnitten. Es sei unklar, ob der seinerzeit reparierte Mast durch eine Explosion oder durch starke Winde umgestürzt sei, sagte ein Behördensprecher am Donnerstag in Kiew. Er kündigte eine schnellstmögliche Reparatur an. Die Führung der Krim forderte die etwa zwei Millionen Bewohner der Halbinsel mit Nachdruck zum Energiesparen auf. Allerdings sollten sich die Menschen die Feiern zum neuen Jahr nicht nehmen lassen. Der Kreml kritisierte die Führung in Kiew indes scharf. Russland werde mit der Ukraine wohl keinen Vertrag zur Stromversorgung der Krim schließen, sagte der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, am Freitag. Er verwies auf eine Umfrage eines russischen Instituts, derzufolge sich 93 Prozent der zwei Millionen Bewohner der Krim gegen ein von Kiew angestrebtes Abkommen ausgesprochen hätten. Nach den Anschlägen von November hatte Moskau eine behelfsmäßige Energiebrücke vom russischen Festland eingerichtet. Zusammen mit der Eigenproduktion der Halbinsel, etwa durch Dieselgeneratoren, reicht dies aber nur für eine stundenweise Versorgung. Russland und die Ukraine streiten derzeit auch über einen Handelspakt, den die Führung in Kiew mit der EU geschlossen hat, sowie über einen Kredit von drei Milliarden US-Dollar (rund 2,7 Mrd. Euro). Die Ukraine fordert von Russland bessere Bedingungen für eine Tilgung der Schulden. Moskau lehnt ab und will vor Gericht ziehen.. Von beiden Konfliktparteien – Neues Abkommen angeregt. Kiew – Im Ukraine-Konflikt haben die OSZE-Beobachter im Krisengebiet beiden Seiten Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe vorgeworfen. In der Unruheregion im Osten des Landes sei erneut mit Artillerie geschossen worden, obwohl das Kriegsgerät längst von der Frontlinie abgezogen sein müsste, sagte Alexander Hug von der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Kiew. Zudem hätten sowohl die ukrainischen Regierungseinheiten als auch die prorussischen Separatisten die Arbeit der OSZE-Beobachter behindert. Angesichts der andauernden Probleme in der Ostukraine sollten alle Seiten über ein mögliches neues Abkommen nachdenken, in dem die drängendsten Fragen geregelt werden könnten, regte Hug am Donnerstag an. Die Konfliktparteien hatten zwar bereits im Februar 2015 in Minsk einen Friedensplan vereinbart. Dessen Umsetzung verläuft aber schleppend. Russland bekräftigte seine Kritik an der Ukraine. Die pro-westliche Regierung in Kiew zeige keinen politischen Willen zum Dialog mit Vertretern des Gebiets Donbass, sagte Vizeaußenminister Grigori Karassin der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Die Ukraine wirft ihrerseits Russland vor, mit der Unterstützung der Aufständischen die Umsetzung des Friedensplans von Minsk zu behindern. Stromversorgung im westukrainischen Ivano-Frankivsk am 23. Dezember unterbrochen. Kiew – Das ukrainische Energieministerium ermittelt wegen eines angeblichen Hackerangriffs auf die Stromversorgung. Das Elektrizitätsunternehmen Prykarpattyaoblenergo gibt an, dass am 23. Dezember in einem Teil des von ihm versorgten Gebiets das Netz zusammengebrochen sein, weil dieses von außen beeinflusst worden sei. Der Stromausfall habe auch die Gebietshauptstadt Iwano-Frankiwsk im Westen des Landes betroffen. Eine Sprecherin des ukrainischen Geheimdienstes SBU gab an, hinter dem Angriff stünde Russland. Es sei gelungen, Schadsoftware , die von russischen Sicherheitsdiensten stamme, rechtzeitig zu deaktivieren und so einen längeren Stromausfall zu verhindern. Falls sich die Anschuldigungen bestätigen, wäre dies der erste durch eine Cyberattacke gezielt herbeigeführte Stromausfall weltweit, sagte der Sicherheitsexperte Robert Lee der Nachrichtenagentur Reuters. Aus dem Kreml war vorerst keine Stellungnahme verfügbar. Trotz heftigen Widerstands aus Moskau lassen die Europäische Union und die Ukraine am (heutigen) Neujahrstag ein umfassendes Freihandelsabkommen in Kraft treten. Die Vereinbarung sieht einen fast 100-prozentigen Verzicht beider Seiten auf Zölle vor. Die Ukraine passt dabei ihre Vorschriften an die der EU an, um den Handel zu vereinfachen. Zudem werden unter anderem die Ansiedelung von Unternehmen erleichtert und der freie Kapitalverkehr garantiert. Wegen russischer Bedenken hatten die EU und die Ukraine eineinhalb Jahre lang Gespräche mit Kreml-Vertretern geführt. Eine Einigung konnte allerdings nicht erzielt werden. Ursprünglich hatte der Handelspakt bereits im November 2014 in Kraft treten sollen. Moskau argumentiert, die heimische Wirtschaft könne durch das Abkommen der EU mit der Ukraine Nachteile erleiden, weil zollfreie Importe aus dem Westen über die Ukraine auch nach Russland gelangen könnten. Als Schutzmaßnahme setzt Russland zum 1. Jänner seinerseits den bisher bestehenden Freihandel mit der Ukraine außer Kraft. Im Konflikt um einen Kredit über drei Milliarden Dollar will Moskau in britisches Gericht einschalten. Moskau – Russland hat im Schuldenstreit mit der Ukraine juristische Schritte angekündigt. Das Nachbarland habe einen Kredit über drei Milliarden Dollar und die fälligen Zinsen von 75 Millionen Dollar zum 31. Dezember nicht zurückgezahlt, teilte das russische Finanzministerium mit. Deshalb werde Russland vor einem britischen Gericht eine Klage einreichen. Das Finanzministerium sprach von einem Zahlungsausfall der Ukraine und kündigte ein sofortiges Verfahren gegen Kiew an. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte persönlich angeordnet, die Ukraine vor ein Gericht zu bringen. Russland hatte den Kredit in Höhe von umgerechnet 2,7 Milliarden Euro im Jahr 2013 der damaligen Regierung des prorussischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gewährt. Die derzeitige Regierung in Kiew kündigte im Dezember aber an, dass sie die Schulden nicht fristgerecht bis zum 20. Dezember zurückzahlen werde. Die Ukraine verlangt von Russland einen Abschlag von 20 Prozent von der Schuld, wie es auch andere private Gläubiger dem Land zugestanden hatten. Moskau besteht jedoch darauf, dass die Schulden in vollem Umfang getilgt werden und bietet höchstens eine Streckung bei der Rückzahlung an. Wegen des Schuldenstreits hatte der Internationale Währungsfonds (IWF) im Dezember eine Änderung seiner Kreditregeln beschlossen, um Kiew weiter finanziell unterstützen zu können. Bisher durfte der Währungsfonds einem Land kein Geld leihen, das Kredite einer anderen Regierung nicht zurückzahlt. Demnach hätte der IWF also einen im März vereinbarten Kredit an Kiew im Umfang von 17,5 Milliarden Dollar aussetzen müssen. Dies ist nun nicht nötig. Seit der Annexion der Krim-Halbinsel durch Russland im Frühjahr 2014 ist der Konflikt zwischen Moskau und Kiew eskaliert. Auslöser war der Streit um das Freihandelsabkommen zwischen der Ukraine und der EU, das am Freitag mit Verzögerung in Kraft trat. Putin kündigte daher seinerseits zum 1. Jänner ein Freihandelsabkommen mit der Ukraine auf. Moskau hatte befürchtet, das Abkommen werde eine Überschwemmung des russischen Marktes mit europäischen Waren zur Folge haben. Verhandlungen, welche die russischen Bedenken gegen das Abkommen ausräumen sollten, waren gescheitert. Im Ukraine-Konflikt wurden seit dem Frühjahr 2014 mehr als 9.000 Menschen getötet. Angebliche russische Gaslieferungen an einen ukrainischen Grenzort erhitzen die PR-Strategen beider Seiten. Hat er, oder hat er nicht? Kiew und Moskau streiten erbittert darüber, ob Kremlchef Wladimir Putin in einem Akt der Menschlichkeit einer frierenden Kleinstadt im ostukrainischen Gebiet Cherson (befindet sich unter der Kontrolle Kiews) den Gashahn aufgedreht hat oder nicht. Der Streit zeigt, wie angespannt das Verhältnis der slawischen Bruderstaaten zueinander ist – und wie beide Seiten jede Nachricht zu ihren Gunsten auslegen. Das Bild passt perfekt in die Moskauer Abendnachrichten: Die ganze Ukraine muss wegen ihrer korrupten Führung frieren, weil das Land kein russisches Gas hat. Die ganze Ukraine? Nein, ein kleiner Ort an der Grenze zur Krim bekommt von dort sein Gas, nachdem der Bürgermeister Alexander Tulupow ausgerechnet Putin um Hilfe gebeten hat. Kremlsprecher Dmitri Peskow erklärte, Tulupow habe sich wegen des starken Frostes in der Region – die Temperaturen am Asowschen Meer sind auf Werte um minus 15 bis minus 20 Grad gefallen – an die russische Führung gewandt. Putin habe daraufhin Anweisung gegeben, die Frage der Gaslieferungen in die ukrainische Ortschaft Henitschesk zu lösen. Zur Erinnerung: Die russischen Gaslieferungen an die Ukraine wurden Ende November ausgesetzt, weil Kiew keine Vorauszahlungen mehr leistete. Eine Einigung über den Preis für das erste Quartal 2016 steht noch aus. Die ukrainische Führung erklärte unlängst gar, dass das Land ganz ohne russisches Gas auskomme. Doch nun friert es in der Region Cherson gewaltig. In der russischen Regierung wurde auf Putins Anweisung reagiert: Vizepremier Dmitri Kosak erklärte später, das erste Gas sei schon in der Nacht auf Dienstag geflossen. Krim-Oberhaupt Sergej Axjonow bezifferte den Umfang der Lieferungen nach Henitschesk auf 14.000 Kubikmeter. Bei ihnen ist der Gasdruck im System auf das Doppelte gestiegen, darüber hat mich eben die Führung von Tschernomorneftegas unterrichtet, sagte er. Das mutet wie eine Geste fast biblischer Nächstenliebe an, schließlich haben ukrainische Nationalisten zusammen mit Anhängern der krimtatarischen Medschlis erst kürzlich die Stromversorgung vom Festland zur Krim gekappt, weshalb die Bewohner der Halbinsel immer noch mit scharfen Stromrationierungen leben müssen. Der letzte Anschlag auf die Stromleitungen ereignete sich einen Tag vor Silvester. Aus Kiew freilich folgte postwendend das Dementi: Der Chef des nationalen Gasversorgers Naftogas Ukraini, Andrej Kobolew, nannte die Meldungen über russische Lieferungen ein Fake. Henitschesk werde weder mit russischem Gas noch mit Gas des auf der Krim beheimateten Unternehmens Tschernomorneftegas beliefert, sagte er. Bürgermeister Tulupow wurde zwar als Mitglied des Oppositionsblocks, Nachfolger der einstigen Janukowitsch-Machtbasis Partei der Regionen, gewählt, doch auch er dementierte jegliche Anfragen an russische Behörden. Die einzigen Personen, mit denen er wegen der eiskalten Wohnungen verhandelt habe, seien aus der ukrainischen Führung gewesen. Tulupows Vizeverwaltungschef bestätigte andererseits, dass Henitschesk Gas aus den Speichern auf der Krim bekommen habe. Doch dafür gibt es laut Naftogas eine ganz einfache Erklärung: Es handle sich um Gas der ukrainischen Lagerstätte Strilkowe. Das Gasfeld liegt in der Arabat-Nehrung, die geografisch zur nun von Moskau regierten Krim, politisch aber noch zur von Kiew gelenkten Region Cherson gehört. Gelagert werde dieses Gas aber auf der Krim, da es keinen direkten Anschluss an das Gasleitungssystem auf dem Festland gebe. Nach dem 1. Jänner 2016 haben die Okkupationsbehörden der Autonomen Republik Krim vier Tage lang das aus Cherson stammende Gas gesperrt, das in den Glebow-Speicher auf der Krim lagerte, heißt es in der offiziellen Naftogas-Stellungnahme. Dass Tschernomorneftegas den Glebow-Speicher für sich beansprucht, wird dabei nicht erwähnt. Was in Moskau als Geste des guten Willens verbreitet wird, ist damit nach Kiewer Lesart bösartige Sabotage. Die PR-Strategen beider Seiten haben sich in jedem Fall warmgelaufen. Bleibt zu hoffen, dass auch die Wohnungen der Bewohner von Henitschesk bald wieder einigermaßen auf Betriebstemperatur sind. Nach monatelangem Stillstand nehmen die Verhandlungen um die Zukunft des Donbass Fahrt auf. Moskau – Ruhe herrscht in der Donbass-Region auch nach dem im Herbst ausgehandelten Waffenstillstand – dem fünften seit Beginn der Kämpfe – nicht. Nach Angaben Kiews haben die Rebellen die Feuerpause allein von Sonntag auf Montag 48-mal gebrochen. Die Separatisten wiederum berichteten, Regierungstruppen hätten die Ortschaften Kominternowo und Sewerny unter Beschuss genommen und dabei einen Zivilisten verletzt. Als Erfolg gilt, dass die schweren Waffen schweigen. Die Gefechte werden weitgehend mit Handfeuerwaffen geführt. Doch der Friedensprozess schleppt sich dahin. Öffentlichkeit und Medien – in Atem gehalten durch die Syrien-Krise – haben den Konflikt in der Ostukraine weitgehend ausgeblendet, die beteiligten Akteure zeigten sich bisher mit dem Zustand eines eingefrorenen Konflikts nach dem Vorbild Transnistriens in der GUS-Republik Moldau zufrieden. Weder die Verfassungsreform in der Ukraine noch die nach ukrainischem Gesetz vereinbarten Wahlen in den abtrünnigen Volksrepubliken oder die Rückführung der Grenze unter Kiewer Kontrolle sind bisher vom Fleck gekommen. Doch nun kommt von höchster Ebene aus Bewegung in die Sache: Ende Dezember hat Russland Boris Gryslow zum neuen offiziellen Vertreter in der Ukraine-Kontaktgruppe bestellt, womit das Thema, das bisher auf der unteren Diplomatenebene angesiedelt war, in Moskau auf ein neues Niveau angehoben wurde. Gryslow, einst Innenminister und Duma-Chef, gilt als enger Vertrauter von Präsident Wladimir Putin. Bekannt für seinen legendären Ausspruch Das Parlament ist kein Ort für Diskussionen, sieht Gryslow zumindest in Minsk einen angemessenen Ort für Debatten und Verhandlungen. Zum Minsker Abkommen gebe es keine Alternative, sagte er, und tatsächlich hat er den Prozess selbst durch ein zunächst geheimgehaltenes Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko wieder angeschoben. In einem Interview versicherte Gryslow nun, dass die Gespräche kurz vor einem Durchbruch stünden. Wir können jetzt deutlich vorankommen bei der Realisierung des Minsker Abkommens, sagte er der russischen Tageszeitung Kommersant. Es gebe nicht nur bei der Minenräumung und der Lösung humanitärer Fragen Fortschritte, sondern auch Annäherung bei den schwierigen politischen Fragen. Flankiert werden die Verhandlungen in Minsk zudem durch direkte Verhandlungen zwischen Washington und Moskau – die sich beide offiziell im Konflikt um das Donbass-Gebiet als Beobachter bezeichnen. In der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad kamen nun in der Ortschaft Pionerski, dem ehemaligen Neukuhren, der langjährige Kreml-Chefideologe Wladislaw Surkow und die für Europa zuständige US-Staatssekretärin Victoria Nuland zu einem Treffen zusammen. Dabei konnten sich beide Seiten offenbar auf einen Kompromiss einigen, mit dem sich vor allem Moskau zufrieden zeigte. Surkow jedenfalls lobte die Gespräche als sehr konstruktiv. Vereinbart wurde, mehr Druck auf die jeweiligen Schützlinge auszuüben, um den ins Stocken geratenen Verhandlungsprozess wieder in Bewegung zu setzen. Russland kann sich davon auch wirtschaftliche Dividenden erhoffen. Immerhin sind die Sanktionen gegen das Land an die Umsetzung des Minsker Prozesses geknüpft. Der Koordinator der Sanktionspolitik im US-Außenministerium, Daniel Fried, machte Moskau zumindest Hoffnung, dass die mit der Ostukraine-Krise verbundenen Restriktionen bis Jahresende fallen könnten. Nach Expertenschätzungen haben die Sanktionen Russland bisher bis zu 1,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gekostet. Separatistenführer Chodakowski: "Das würde bedeuten, dass ukrainische Truppen zwischen uns und Russland stehen". Donezk – Im Ukraine-Konflikt wollen die prorussischen Separatisten nicht wie vereinbart der Regierung die Kontrolle über die Grenze zu Russland zurückgeben. Das würde bedeuten, dass ukrainische Truppen zwischen uns und Russland stehen, sagte der Separatistenführer Alexander Chodakowski in Donezk. Der ukrainische Ex-Geheimdienstler amtiert nun als Sekretär des Sicherheitsrats der sogenannten Volksrepublik Donezk. Der vor fast einem Jahr in Minsk geschlossene Friedensplan sieht als letzten Schritt vor, dass die Ukraine wieder die Herrschaft über die Grenze übernimmt. Seit Minsk habe sich die Lage beruhigt, sagte Chodakowski. Als einer von wenigen Separatisten lobte er die deutsch-französischen Anstrengungen für eine Beilegung des Konflikts. Europa dürfe sich als Vermittler nicht zurückziehen, sonst drohe neues Blutvergießen. OSZE-Sonderbeauftragter Sajdik: Auf der Sicherheitsseite hapert es – Schwer, Vertrauen zu schaffen. STANDARD: Beinahe täglich wird gegen die Waffenruhe in der Ostukraine verstoßen. Der vereinbarte Abzug der schweren Waffen verläuft schleppend. Es gibt keinerlei Fortschritte in der Kontaktgruppe, was die geplanten Wahlen in der Region betrifft. Der russische Außenminister Lawrow sieht den gesamten Prozess in einer Sackgasse. Wie würden Sie die derzeitige Situation in der Ukraine beschreiben? Sajdik: Es ist natürlich gefährlich, wenn man Herrn Minister Lawrow widerspricht, aber als Sackgasse würde ich es nicht bezeichnen. Und ich habe auch aus der derzeitigen Zusammenarbeit mit den Russen nicht den Eindruck, dass sie sich selber in einer Sackgasse sehen. Es ist richtig, dass unsere Fortschritte langsam sind. Aber in diesen politischen Prozessen geschieht vieles, das man nicht unmittelbar messen kann. Es gibt Fortschritte dadurch, dass man nun schon seit sieben Monaten beinahe wöchentlich miteinander spricht und die Positionen der jeweils anderen Seite sehr gut kennt. Daraus lassen sich zumindest Gemeinsamkeiten erkennen. Wir sind noch nicht an dem Punkt angelangt, an dem man das Gemeinsame und das Trennende festlegen könnte. Aber durch diesen langen Gesprächsprozess ist schon ein großes Stück des Weges gemacht. Irgendwann muss dieser Weg auf die politische Ebene führen und dort müssen dann die Entscheidungen fallen. STANDARD: Viele Analysten sagen, dass die zweite Minsker Vereinbarung für die russische Seite gut ist, weil sie den Status quo zementiert. Auch der Westen sei damit einverstanden, weil es keine Kämpfe und Toten mehr gibt. Nur die Ukraine selbst sei mit dem Papier unzufrieden. Kann man auf dieser Basis überhaupt den Weg zu einer politischen Lösung des Konfliktes finden? Sajdik: Faktum ist, dass Minsk II genau heute (Freitag, Anm.) ein Jahr alt wird. Wenn sie die Situation heute mit der vor einem Jahr vergleichen, dann erscheinen die Stimmen, die Minsk kritisieren, insofern als nicht fair, weil sie diese Erinnerung ausklammern. Das vergangene Jahr hat dazu beigetragen, dass sich die Ukraine politisch und wirtschaftlich stabilisieren konnte. Und Minsk hat dazu einen Löwenanteil beigetragen. STANDARD: Die politische Gesprächsfrequenz hat seit Jahresbeginn wieder deutlich zugenommen. Wie interpretieren sie das? Sajdik: Die Präsidenten Obama und Putin haben telefoniert. Die Außenminister Lawrow und Kerry miteinander gesprochen. Die diplomatischen Berater von Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Hollande sind nach Kiew gereist. Das Thema Donbass ist in der internationalen politischen Agenda top. Das zeigt, dass es in diesem Prozess sehr bald darum geht, Entscheidungen zu treffen. Die Vorarbeiten dafür gedeihen, sodass diese auch in absehbarer Zeit tatsächlich getroffen werden können. Das ist der Hintergrund für diese Aktivitäten. STANDARD: Heißt das, dass es nun ernst wird etwa was die Vorarbeiten für die Wahlen im Donbass betrifft? Sajdik: Es ist zu hoffen. Aber zu erwarten, dass Entscheidungen auf der Ebene der Experten getroffen werden könnten, wäre naiv. Politische Kompromisse müssen geschlossen werden. Und mit gutem Willen ist das auch machbar. Ohne die Sicherheitsseite allerdings, ohne einen wirklichen Waffenstillstand, ohne verifizierbaren Waffenabzug wird kein Vertrauen geschaffen. Und da hapert es noch immer. Angesichts der täglichen Vorfälle an der Kontaktlinie sind alle Seiten in der Schuld, weil es auch darum geht, festzustellen, ob sie in der Lage sind, ihre eigenen Leute an der Front zu kontrollieren oder nicht. STANDARD: Ist eine politische Lösung mit den Sanktionen gegen Russland möglich oder müssen diese zuerst weg? Sajdik: Die Sanktionsperiode läuft bis Juli. In großen Konturen ist eine politische Lösung bis dahin möglich. Wenn ich das nicht glaubte, müsste ich ja sofort aufhören zu arbeiten (lacht). 'Regierung von Premier Arseni Jazenjuk übersteht Misstrauensvotum am Dienstagabend nur knapp. Kiew/Moskau – Der Blitzableiter bleibt im Amt: Nach wochenlangem Chaos ist der Machtkampf in der politischen Führung der Ukraine eskaliert, doch das Parlament scheiterte mit einem Misstrauensvotum gegen Ministerpräsident Arseni Jazenjuk Steinmeier fordert Ende des Machtkampfs in ukrainischer Führung – "Null Toleranz für Korruption". Kiew – Deutschland und Frankreich haben die Ukraine trotz der aktuellen Regierungskrise zur vollen Umsetzung der Friedensvereinbarungen von Minsk aufgefordert. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein französischer Kollege Jean-Marc Ayrault drängten beim Besuch in Kiew am Dienstag auf politische Reformen sowie auf die Einhaltung des ausgehandelten Waffenstillstands für den Landesosten. Dagegen wird sowohl von den prorussischen Separatisten als auch von ukrainischer Seite immer wieder verstoßen. Steinmeier sagte nach Treffen mit Präsident Petro Poroschenko und Ministerpräsident Arseni Jazenjuk: Die Welt wartet darauf, dass es Fortschritte geben wird. Wir können nicht hinnehmen, dass der vereinbarte Waffenstillstand immer wieder durchbrochen wird. Auch die politischen Vereinbarungen von Minsk müssten umgesetzt werden. Anfang März soll in Paris dazu das nächste Treffen der beiden Außenminister mit ihren Kollegen aus Russland und der Ukraine im sogenannten Normandie-Format stattfinden. Befürchtet wird, dass die Regierungskrise in Kiew die ohnehin schleppende Umsetzung der Vereinbarungen weiter verzögert. Jazenjuk hatte vergangene Woche ein Misstrauensvotum knapp überstanden, aber seine Mehrheit im Parlament verloren. Kommt es zu vorgezogenen Wahlen, dürfte sich die Auszahlung der IWF-Gelder weiter verzögern. Die ehemalige Sowjetrepublik steckt in einer schweren Wirtschaftskrise. Steinmeier und Ayrault warnten die zerstrittenen ukrainischen Parteien davor, bei den begonnenen Reformen jetzt auf halbem Weg stecken zu bleiben. Die parteipolitischen Grabenkämpfe müssten beendet werden. Steinmeier forderte Signale der Stabilisierung und auch des Reformwillens. Das heißt auch, dass es nicht um persönliche Befindlichkeiten oder Konkurrenzen gehen kann. Auch das Verhältnis zwischen Poroschenko und Jazenjuk ist inzwischen sehr belastet. Es dürfe in der Führung der Ukraine nicht um persönliche Befindlichkeiten oder Machtkämpfe gehen, sagte Steinmeier. Die Zeit dränge, erklärte der Minister unter Verweis auf den Internationalen Währungsfonds (IWF), der die Auszahlung von Hilfsgeldern in Milliardenhöhe wegen der stockenden Reformen schon vor Monaten gestoppt hat. Der deutsche Außenminister forderte insbesondere einen härteren Kampf gegen die weit verbreitete Korruption. Es muss eine Politik geben, die getrieben ist von dem Grundsatz: Null Toleranz für Korruption. Ayrault sagte: Es ist noch viel Arbeit zu tun auf dem Weg der Reformen. Dazu braucht die Ukraine eine funktionsfähige Regierung. Das schlimmste Szenario für die Ukraine wäre, auf halbem Weg stehen zu bleiben – mit halb umgesetzten Reformen und keinen Perspektiven für den Donbass. Steinmeier sagte, die Wirtschaftsreformen müssten vorangetrieben werden. Außerdem könne nicht akzeptiert werden, dass in dem Konflikt mit den gegen Kiew kämpfenden Rebellen in der Ostukraine der vereinbarte Waffenstillstand derart häufig verletzt werde. Auch das Gesetz über die Wahlen im Osten dürfe nicht länger verschoben werden. Kiew besteht auf einem vollständigen Ende der bewaffneten Auseinandersetzungen als Voraussetzung für Wahlen in der Ostukraine. Ayrault sagte dazu, je früher das Wahlgesetz vorliege, desto eher werde dies zur Stabilisierung der Lage beitragen. Die ukrainischen Konfliktparteien hatten vor einem Jahr in Minsk einem Friedensplan zugestimmt. Dieser sah zunächst eine Waffenruhe, dann den Abzug von Waffen und schließlich politische Schritte vor – bis hin zu einer Teilautonomie für die prorussischen Rebellengebiete und Kommunalwahlen. Kämpfe halten trotz vereinbarter Waffenruhe an. Kiew – Im ostukrainischen Kriegsgebiet sind trotz vereinbarter Waffenruhe erneut mindestens drei Menschen getötet worden. Bei Kämpfen mit prorussischen Separatisten starb ein Regierungssoldat beim Dorf Hranitne im Donezker Gebiet, wie Präsidialamtssprecher Andrej Lyssenko am Freitag in Kiew mitteilte. Zwei Zivilisten wurden den Aufständischen in Luhansk zufolge von Sprengfallen getötet. Insgesamt seien im Separatistengebiet Donezk in der vergangenen Woche elf Menschen ums Leben gekommen – darunter zwei Zivilisten, hieß es. Im Rahmen des in Minsk (Weißrussland) vereinbarten Friedensprozesses wurden insgesamt neun Gefangene ausgetauscht. Präsident Petro Poroschenko bestätigte die Freilassung von drei Ukrainern. Den Aufständischen zufolge fand der Austausch bei Schtschastja statt. Parlament enthob Chefankläger mit überwältigender Mehrheit seines Amts. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. In Russland wegen Beteiligung an Reporter-Mord verurteilte 34-Jährige verweigert Essen und Trinken. Moskau – Die ukrainische Kampfpilotin Nadja Sawtschenko ist nach ihrer Verurteilung zu 22 Jahren Haft in Russland in einen Hungerstreik getreten. Sawtschenko stellte das Essen und Trinken ein und forderte in einem Brief, den einer ihrer Anwälte, Mark Feigin, am Mittwoch auf Facebook veröffentlichte, ihre sofortige Rückkehr in die Ukraine. Sie trinkt nicht, sagte Feigin einer Nachrichtenagentur. Die 34 Jahre alte Sawtschenko hatte angekündigt, in einen Hungerstreik zu treten, sobald der Beginn ihrer 22-jährigen Haftstrafe offiziell bestätigt sei. Dies war am Dienstag durch ein Gericht im Südwesten Russlands erfolgt. Menschen können mehrere Wochen lang ohne Essen auskommen, ohne Wasser aber nur wenige Tage überleben. Die Hubschrauberpilotin war am 22. März von einem russischen Gericht wegen eines tödlichen Angriffs auf zwei russische Journalisten in der Ostukraine zu 22 Jahren Lagerhaft verurteilt worden. Sie wurde für schuldig befunden, im Sommer 2014 der ukrainischen Armee den Aufenthaltsort der Reporter mitgeteilt zu haben, woraufhin diese durch Granatbeschuss getötet wurden. Die Pilotin, die in einem Freiwilligen-Bataillon gegen die prorussischen Rebellen kämpfte, weist sämtliche gegen sie erhobenen Vorwürfe als politisch motiviert zurück. Bereits von Dezember 2014 bis März 2015 war sie mehr als 80 Tage lang in einen Hungerstreik getreten, Anfang März 2015 stellte sie erneut für sieben Tage das Essen und Trinken ein. Die Ukraine bemüht sich seit ihrer Verurteilung um einen Gefangenenaustausch. Der ukrainische Präsident Petro Poroschenko hatte während des Prozesses erklärt, er sei bereit, zwei mutmaßliche russische Geheimdienstagenten, die derzeit in Kiew vor Gericht stehen, gegen Sawtschenko auszutauschen. Der Kreml hatte am Dienstag bekräftigt, dass es noch keine Entscheidung über das Schicksal Sawtschenkos gebe. Streit um Regierungsteam vor Parlamentsabstimmung – Finanzministerin Jaresko könnte nächster Regierung nicht mehr angehören. Kiew – In der Ukraine droht die Wahl des Nachfolgers von Ministerpräsident Arseni Jazenjuk zu platzen. Der Wunschkandidat von Präsident Petro Poroschenko, Wolodimir Groisman, drohte nach Angaben von Abgeordneten mit einer Absage, nachdem es Streit um seine Regierungsmannschaft gegeben hatte. Zwar konnte Groisman den Angaben zufolge am Dienstag doch überzeugt werden, es ist jedoch nicht sicher, ob er im Parlament überhaupt die notwendige Mehrheit bekommt. Groisman hatte am Montagnachmittag noch verkündet, dass er das Amt annehmen will. Er sei gut für den Posten geeignet, weil ich 24 Stunden am Tag arbeiten kann, sagte der bisherige Parlamentspräsident. Bei einem Treffen der Präsidentenpartei am Abend gab es nach Angaben von Abgeordneten dann jedoch Streit um die Besetzung der Kabinettsposten. Groisman lehnte demnach mehrere Kandidaten ab. Bei einem weiteren Parteitreffen am Dienstag konnte Groisman dann offenbar überzeugt werden, doch anzutreten. Wie der Parteivertreter Sergej Leschtschenko sagte, wurde ein Kabinett zusammengestellt, in dem Groisman erheblichen Einfluss, aber nicht die volle Kontrolle haben wird. Das Parlament muss am Dienstag nun zunächst über die Entlassung Jazenjuks entscheiden. Die Annahme seines Rücktritts gilt als sicher. Ob Groisman die notwendige Mehrheit bekommt, ist allerdings unklar. Der 38-Jährige gilt als geschickter Brückenbauer und strebt eine enge Bindung der Ukraine an die EU an. Für seine Wahl bräuchte er Stimmen der Partei von Ex-Ministerpräsidentin Julia Timoschenko und anderer proeuropäischer Kleinparteien. Sie verlangten für ihre Unterstützung einflussreiche Posten im künftigen Kabinett. Jazenjuk hatte am Sonntag seinen Rücktritt verkündet und damit die Konsequenzen aus einer monatelangen Regierungskrise gezogen. Mitte Februar hatte er trotz einer Rücktrittsaufforderung durch Poroschenko noch ein Misstrauensvotum im Parlament überstanden. Allerdings war seine Regierungskoalition danach zerbrochen. Jazenjuks Partei war bei der Wahl im Oktober 2015 zur zweitstärksten Kraft im ukrainischen Parlament geworden. In Umfragen liegt sie derzeit aber nur bei zwei Prozent, viele Wähler sind unzufrieden mit der schlechten wirtschaftlichen Lage und der anhaltenden Korruption. Die für die Verhandlungen mit den internationalen Geldgebern zuständige Finanzministerin Natalja Jaresko wird Abgeordneten zufolge der künftigen Regierung des krisengeschüttelten Landes nicht mehr angehören. Ihre Nachfolge trete vermutlich der frühere Investment-Manager Olexandr Daniljuk an, sagten am Dienstag mehrere Parlamentsmitglieder übereinstimmend. Ringen hinter verschlossenen Türen beunruhigt auch IWF – nächster Versuch am Mittwoch. Kiwe/Moskau – Totgesagte leben länger: Das Schicksal von Arsenij Jazenjuk schien schon im Februar besiegelt. Seiher hat der Premier nicht nur ein Misstrauensvotum und den Zerfall der Regierungskoalition überstanden, sondern am Dienstag gar noch seine eigene Rücktrittserklärung – zumindest vorläufig. Die eigentlich als kurze Formalie gedachte Abstimmung in der Rada über den Rücktritt Jazenjuks und die Bildung einer Nachfolgeregierung erwies sich als Marathon und Hindernislauf zugleich. Erst am Nachmittag tauchte überhaupt das Projekt einer Abwahl des Premiers auf der Tagesordnung des Parlaments auf – doch zur Abstimmung kam es nicht mehr. Die an der Regierung beteiligten Parteien wurden sich offenbar nicht über die Verteilung der Posten im neuen Kabinett einig. Rada-Vizechef Andrij Parubij beendete die Sitzung des Parlaments schließlich nach stundenlangem ergebnislosem Hickhack in den Hinterzimmern. Der nächste Versuch soll bereits am Mittwoch stattfinden. Einerseits gibt es offenbar Differenzen zwischen Poroschenko und dem Premierminister in spe, Wladimir Groisman, über einzelne Personalien. Andererseits dürfte auch die Nationale Front (NF) von Jazenjuk hoch pokern. Für Jazenjuk wäre das Scheitern der Verhandlungen optimal, meint der Kiewer Politologe Alexander Kawa. Solange er Premier ist, hat er alle Machthebel der Exekutive in der Hand. Als einfacher Abgeordneter der Regierungskoalition wäre sein Einfluss dahin, analysiert er. Sein Interesse an einer Einigung sei also gering, glaubt Kawa. Die NF streitet jede Verzögerungstaktik ab. Theoretisch könnte Poroschenko vorgezogene Neuwahlen ausrufen, um das Machtvakuum zu füllen. Doch dabei droht nicht nur Jazenjuks NF in der Versenkung zu verschwinden, auch Poroschenkos Popularität ist zuletzt stark gesunken und hat durch die Publikation der Panama Papers noch zusätzlich gelitten. Er würde ebenfalls geschwächt. Europaratsgeneralsekretär Thor bjorn Jagland bezeichnete die Situation in der Ukraine als äußerst instabil. Die Regierung müsse nicht nur schnell gewählt werden und ihre Arbeit aufnehmen, sondern auch das Tempo bei den Reformen erhöhen, forderte der norwegische Sozialdemokrat und Diplomat. Auch der Internationale Währungsfonds (IWF) hat auf das politische Chaos reagiert und seine Wachstumsprognose gegenüber dem vergangenen Herbst von zwei auf 1,5 Prozent gesenkt. Die Inflation wird mit gut 15 Prozent ebenfalls höher als erwartet ausfallen. "Ich bin bereit, mein Präsidentenflugzeug nach Russland zu schicken". Kiew – Im Streit um die in Russland inhaftierte Ukrainerin Nadeschda Sawtschenko zeichnet sich nach Darstellung der Führung in Kiew eine Lösung ab. Er habe den Eindruck, mit Russland die Bedingungen für ihre Befreiung abgestimmt zu haben, sagte Präsident Petro Poroschenko am Dienstag nach einem Telefonat mit Kremlchef Wladimir Putin. Ich bin bereit, mein Präsidentenflugzeug nach Russland zu schicken, teilte Poroschenko mit. Der Kreml gab sich zurückhaltender. Bei dem Telefonat vom späten Montagabend hätten die Staatschefs über Sawtschenko gesprochen, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow. In Kürze könne der ukrainische Konsul in Rostow am Don die Soldatin im Gefängnis besuchen. Sawtschenko war im März zu 22 Jahren Haft verurteilt worden. Ihr wird vorgeworfen, für den Tod von russischen Reportern in der Ostukraine verantwortlich zu sein. Das Urteil hatte scharfe Kritik ausgelöst. Sawtschenko hatte in den Reihen des rechtsextremen Bataillons Ajdar gegen die Separatisten gekämpft, als sie gefangengenommen wurde. Beobachter erwarten, dass Sawtschenko gegen zwei in der Ukraine unter anderem wegen Terrorismus zu je 14 Jahren Haft verurteilte Russen ausgetauscht wird. Die Männer sollen als Soldaten der russischen Armee für die moskautreuen Separatisten im Donbass gekämpft haben. Nach russischer Darstellung waren sie aber aus der Armee ausgetreten. Die Anwälte der Russen kündigten an, das Urteil nicht anzufechten. Schwere Waffen eingesetzt. Kiew – Bei Kämpfen im ostukrainischen Gebiet Donezk sind drei Regierungssoldaten getötet worden. Fünf weitere wurden verletzt, wie Präsidialamtssprecher Andrej Lyssenko am Mittwoch in Kiew mitteilte. Zwar habe es weniger Verstöße gegen die geltende Waffenruhe als in den letzten Tagen gegeben. Die von Russland unterstützten Separatisten setzten aber immer mehr schwere Waffen ein, eigentlich von der Front abgezogen sein sollten. Schwerpunkte der Gefechte waren wie in den Vortagen die Vororte der Stadt Awdijiwka, Horliwka und der zerstörte Flughafen der Separatistenhochburg Donezk. Die Verluste der Regierungstruppen stiegen damit seit Anfang des Jahres auf über 40 Tote und etwa 250 Verletzte. Der 2015 vereinbarte Minsker Friedensplan wird nur stockend umgesetzt. Vor allem fehlt es weiter an einem Gesetz für Lokalwahlen in den Separatistengebieten. Die Rebellen verschoben deshalb am Dienstag ihren Wahltermin erneut auf 24. Juli. Keine Einigung über Lokalwahlen – Steinmeier: Waffenstillstand soll stabiler gemacht werden. Berlin – Im Ukraine-Konflikt hat auch ein neues Krisentreffen in Berlin keinen Durchbruch gebracht. Die Außenminister aus Deutschland, Frankreich, Russland und der Ukraine gingen am Mittwoch ohne konkrete Vereinbarungen für eine politische Lösung auseinander. Es war bereits das zwölfte Treffen der Minister im sogenannten Normandie-Format. Insbesondere gelang es in der Villa Borsig in Berlin nicht, sich auf die Grundzüge eines Gesetzes zu einigen, mit dem in den umstrittenen Gebieten im Osten der Ukraine Lokalwahlen abgehalten werden können. Nach dem ursprünglichen Fahrplan hätten die Wahlen bereits im Herbst vergangenen Jahres stattfinden sollen. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier sagte, die Vorstellungen auf beiden Seiten seien in dieser Frage noch sehr weit voneinander entfernt. Jetzt soll eine Arbeitsgruppe versuchen, Kompromissmöglichkeiten auszuloten. Strittig ist unter anderem, ob die mehr als eine Million Binnenvertriebenen wählen dürfen. Offen ist auch, wie im Wahlkampf und während der Wahlen die Sicherheit gewährleistet werden kann. Russlands Außenminister Sergej Lawrow warf der Ukraine vor, eine Autonomie für den Osten ebenso wie eine Amnestie für Separatisten zu verzögern. Ohne diese könne es keine Wahlen geben. Nach Angaben Steinmeiers gab es zumindest Fortschritte in Sicherheitsfragen. Damit soll der Waffenstillstand im Osten des Landes stabiler gemacht werden. Die Außenminister hätten sich bei dem Treffen auf eine Entflechtung der Militäreinheiten entlang der Front in der Ostukraine geeinigt, sagte Steinmeier. Zudem sollten entmilitarisierte Zonen eingerichtet werden. Auch der Informationsaustausch entlang der Front solle verstärkt werden, erklärte er. Der ukrainische Außenminister Pawlo Klimkin äußerte sich nach Angaben der russischen Nachrichtenagentur TASS enttäuscht: Wir haben in Schlüsselfragen keine Vereinbarungen erzielen können. Und leider führt diese Uneinigkeit dazu, dass der Minsk-Prozess wohl eingefroren wird. In der weißrussischen Hauptstadt hatten sich alle vier Länder im Februar 2015 auf einen Friedensplan verständigt. Davon ist aber mit Ausnahme der Waffenruhe nur ein Bruchteil umgesetzt. Die Europäische Union muss in den nächsten Wochen über die Zukunft der Sanktionen entscheiden, die sie gegen Russland verhängt hat. Falls nicht alle 28 EU-Mitglieder für eine Verlängerung stimmen, laufen die Strafmaßnahmen Ende Juli aus. Denkbar wäre aber auch eine Lockerung in bestimmten Bereichen. Der Krieg in der Ostukraine hat nach Angaben der Vereinten Nationen seit 2014 schon mehr als 9.000 Menschen das Leben gekostet. Trotz des offiziellen Waffenstillstands gab es auch in diesem Jahr auf beiden Seiten mehrere Dutzend Tote. Friedensplan von Minsk sieht Abstimmung in von prorussischen Aufständischen kontrollierten Gebieten vor. Kiew – Tausende Nationalisten haben in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gegen mögliche Wahlen im Separatistengebiet der Unruheregion Donbass protestiert. Die Demonstranten warfen Feuerwerkskörper und Rauchbomben vor dem Gebäude des Parlaments, wie die staatliche Agentur Ukrinform am Freitag meldete. Wahlen in den von prorussischen Aufständischen kontrollierten Gebieten von Donezk und Luhansk sind Bestandteil des Friedensplanes von Minsk. Die Nationalisten sehen in den Abstimmungen ein nicht gerechtfertigtes Nachgeben gegenüber Separatisten. Sie fordern ein hartes Vorgehen. Solange die Ukraine keine Kontrolle über die Grenze nach Russland hat, sollten im Donbass keine Wahlen stattfinden, sagte der Abgeordnete Andrej Bilezki. Diese Kundgebung ist eine Warnung, sagte ein Teilnehmer dem Internetsender Hromadske.ua. Der Polizei zufolge nahmen mehr als 2000 zumeist Vermummte teil. Viele Demonstranten werden der als rechtsextrem geltenden Gruppierung Asow zugerechnet. Ukrainischen Presseberichten zufolge soll ein Sondergesetz über die Separatistengebiete kurz vor dem Abschluss stehen. Kiew weigert sich unter Verweis auf die unklare Sicherheitslage, Wahlen abzuhalten. Gruppe möglicher Beteiligter am Abschuss im Visier. Kiew/Rotterdam – Knapp ein Jahr nach dem Abschuss von Passagierflugzeug MH17 über der Ostukraine machen die strafrechtlichen Ermittlungen große Fortschritte. Wir kommen überzeugenden Beweisen immer näher, teilte der leitende Staatsanwalt Fred Westerbeke am Dienstag in Rotterdam mit. Verdächtige seien zwar formell noch nicht identifiziert worden. Aber eine Gruppe möglicher Beteiligter ist nach den Worten des Staatsanwaltes im Visier der internationalen Ermittler. Dabei gehe es sowohl um mögliche Auftraggeber als auch Ausführer. Die Maschine der Malaysia Airlines war am 17. Juli 2014 vermutlich von einer Luftabwehrrakete abgeschossen worden. Alle 298 Menschen an Bord wurden dabei getötet. Da die meisten Opfer aus den Niederlanden kamen, leitet das Land auch offiziell die Ermittlungen. Ende des Jahres sollen die Ermittlungsergebnisse vorgelegt werden. Die Ermittlungen richten sich vor allem auf den Abschuss der Boeing mit einer sogenannten Buk-Rakete, sagte der Staatsanwalt. In der Ostukraine kämpfen pro-russische Aufständische gegen die pro-westliche Regierung in Kiew. UN-Sicherheitsrat soll deutlich gegen die Verantwortliche für den Absturz vorgehen. Kuala Lumpur – Ein internationales Tribunal soll dem Willen Malaysias zufolge die Schuldfrage beim Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugs MH17 vor einem Jahr klären. Es sei wichtig, dass der Uno-Sicherheitsrat deutlich gegen die Verantwortlichen vorgehe, erklärte das Außenministerium in Kuala Lumpur am Montag. Auch die Niederlande hatten ein solches Tribunal Anfang Juli gefordert. 298 Menschen starben am 17. Juni beim Absturz der Maschine in der Ostukraine. Das Passagierflugzeug war über der Kriegsregion Donbass abgeschossen worden. Die Ukraine und westliche Staaten halten prorussische Rebellen für verantwortlich und werfen Moskau eine Mitschuld vor. Russland gibt die Schuld dagegen der Ukraine. Die meisten der Opfer stammten aus den Niederlanden, Australien und Malaysia. Die Uno-Vetomacht Russland ist gegen ein solches Gericht, solange die Niederlande ihre offizielle Untersuchung des Absturzes nicht beendet haben. Die Einsetzung eines solchen Tribunals wäre in Überstimmung mit dem bisherigen Vorgehen des Sicherheitsrates in solchen Fällen, betonte Malaysia. Ein Tribunal mit von der Uno ernannten Richtern und Anklägern wäre unabhängig und könnte zusätzliche Untersuchungen durchführen. Antwort auf die Schuldfrage wird es nicht geben. Amsterdam/Kiew – Knapp fünfzehn Monate nach dem Abschuss des Passagierfluges MH17 über der Ostukraine soll an diesem Dienstag die Ursache bekanntgegeben werden. Der niederländische Sicherheitsrat will in seinem Abschlussbericht die Frage beantworten, ob die Boeing der Malaysia Airlines von einer bodengestützten Luftabwehrrakete des Typs Buk abgeschossen wurde. Darauf weisen bisher alle Ermittlungen hin. Bei dem Absturz am 17. Juli 2014 waren alle 298 Menschen an Bord getötet worden. Die Ukraine und Russland machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Eine Antwort auf die Schuldfrage wird es nicht geben. Doch möglicherweise konnten die Experten feststellen, ob die Rakete vom Gebiet der prorussischen Rebellen oder der Ukraine abgefeuert worden war. An der Untersuchung unter Leitung der Niederlande waren Experten aus sieben Ländern beteiligt. Russland hatte bereits im Vorfeld die Untersuchung als voreingenommen kritisiert. "Wichtige Informationen ignoriert". Kiew – Russland wehrt sich weiter gegen die Erkenntnisse des niederländischen Abschlussberichts zum MH17-Abschuss über der Ostukraine. Der Bericht sei unvollständig, sagte der Vizechef der Luftfahrtbehörde, Oleg Stortschewoj, am Mittwoch der Agentur Interfax zufolge in Moskau. Wichtige Informationen – etwa über Raketenteile und Explosionssplitter – seien ignoriert worden. Russland hatte früher behauptet, ein ukrainischer Kampfjet oder ukrainische Regierungseinheiten hätten im Juli 2014 das malaysische Passagierflugzeug MH17 abgeschossen – und nicht die moskautreuen Separatisten. Die ukrainische Regierung und westliche Staaten werfen Russland vor, den Verdacht von den Aufständischen ablenken zu wollen. Der Separatistenführer Alexander Sachartschenko wies eine Beteiligung der Aufständischen am MH17-Absturz erneut zurück. Wir haben es schon einmal gesagt und sagen es wieder: Wir haben dieses Flugzeug nicht abgeschossen, sagte er in Donezk. (APA, 14.10.2015) 'Ungarn weigert sich, Asylwerber zurückzunehmen – Kurz drohte mit "negativen Konsequenzen". Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat gegen die am Dienstag öffentlich gewordene Entscheidung Ungarns, sich nicht mehr an die Verordnung zur Rücknahme von Asylwerbern zu halten, protestiert: Es sei inakzeptabel, dass der Nachbarstaat die sogenannte Dublin-III-Verordnung aussetze, so Kurz. Am Mittwoch ruderte Budapest allerdings zurück; man habe nicht die Anwendung einer EU-Rechtsnorm gekündigt, eine solche Entscheidung sei nicht getroffen worden, erklärte der ungarische Außenminister Péter Szijjártó am Mittwoch bei einer Pressekonferenz. Bestehende Missverständnisse sollten ausgeräumt werden, wurde Szijjártó von dem Internetportal der Tageszeitung Nepszava zitiert. Ungarn halte alle Rechtsnormen der EU ein. Jedoch habe die Regierung Informationen erhalten, wonach Österreich und andere zehn EU-Staaten illegale Einwanderer nach Ungarn zurückschicken wollen, und damit sind wir nicht einverstanden, betonte Szijjártó. Denn diese Asylwerber hätten das EU-Territorium nicht in Ungarn, sondern in Griechenland betreten, deswegen müssten sie dorthin zurück. Die Regierung wies den Justizminister an, umgehend Verhandlungen mit der EU-Kommission zum Thema zu beginnen. Die Dublin-III-Verordnung trat im Juli 2013 in Kraft und legt fest, dass für die Durchführung von Asylverfahren jener europäischer Mitgliedstaat zuständig ist, den ein Antragsteller zuerst betreten hat. Rechtlich ist eine einseitige Aufkündigung der Verordnung nicht vorgesehen. Diese Möglichkeit gibt es einfach nicht, sagt Verica Trstenjak, Professorin für Europarecht an der Universität Wien. Das wäre so, als ob Tirol sagen würde, wir respektieren die österreichische Steuergesetze nicht mehr. Die Dublin-III-Verordnung ist für alle EU-Mitgliedstaaten bindend. Trstenjak sieht neben einem Vertragsverletzungsverfahren, wie es nun Österreich von der EU-Kommission verlangt, kaum eine Möglichkeit gegen diese Entscheidung Ungarns rechtlich vorzugehen. Dieses Prozedere nimmt allerdings sehr viel Zeit in Anspruch und führt zuerst lediglich zu einem sogenannten Feststellungsurteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in Luxemburg. Dieses Urteil stellt – wie der Name schon sagt – nur fest, dass Unionsrecht verletzt wurde. Erst in einem zweiten Prozess, könnte der EuGH dann auch Strafzahlungen verhängen. Insgesamt könnte dieser Rechtsweg mehr als fünf Jahre in Anspruch nehmen. Eventuell könnte rechtlich auch nach Artikel 7 des EU-Vertrages gegen Ungarn vorgegangen werden. Damit könnten bestimmte Mitgliedschaftsrechte, beispielsweise das Stimmrecht im Rat, suspendiert werden, wenn die Grundwerte der Europäischen Union, die in Artikel 2 des EU-Vertrages festgeschrieben sind, verletzt wurden. Diese Möglichkeit wurde aber bisher noch nie genutzt. Noch ist unklar, wie genau die Maßnahmen aussehen, die von der Regierung Orban nun bezüglich der Dublin-III-Verordnung ergriffen wurden. Marie-Pierre Granger, Juristin, Politikwissenschafterin und derzeit Assistenzprofessorin an der Central European University in Budapest, will aber nicht ausschließen, dass mit der Vorgehensweise auch von innenpolitischen Themen abgelenkt werden soll. Solange über Asylsuchende geredet wird, gehen Themen wie die wirtschaftliche Situation, die hohe Arbeitslosenquote oder Probleme im Bildungs- und Gesundheitssystem unter, sagt Granger. Die Anzahl der Asysuchenden in Ungarn sei zwar tatsächlich massiv angestiegen, allerdings würden tatsächlich nur wenige Personen im Land bleiben. Der ungarische Vorstoß könnte auch als Agenda-Setting für den am Donnerstag und Freitag anstehenden EU-Gipfel interpretiert werden. Dort wird es erneut um den Plan der EU-Kommission gehen, eine Quote zur Aufteilung von Flüchtlingen auf die einzelnen EU-Staaten einzuführen. Bisher ist die Kommission mit diesem Vorschlag gescheitert. Die Ungarn haben kaum rechtlich korrekte Möglichkeiten, der Situation von erwartet 120.000 Flüchtlingen allein in diesem Jahr gegenzusteuern, stellt Michael Anderheiden, Jurist und Professor an der Andrássy Universität in Budapest, fest. Eine Möglichkeit wäre, Flüchtlinge unkontrolliert weiterreisen zu lassen – etwa auch nach Österreich. Anderheiden: Dann befände sich Österreich in der Situation, in der Ungarn jetzt ist, solange die Flüchtlinge in Österreich beharrlich über ihren Reiseweg schweigen. In einem Telefongespräch mit Szijjártó am Dienstagabend hatte Kurz erklärt, dass das Vorgehen Ungarns negative Auswirkungen haben werde. Das kann Österreich nicht tolerieren, so Kurz in dem Telefonat laut Außenministerium. Kurz forderte zudem, dass die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren einleite. Auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) forderte Konsequenzen seitens der EU-Kommission. Überstellungen müssten wieder möglich gemacht werden. Gegebenenfalls müsse die Union Ungarn mit Personal etwa von der Grenzschutzagentur Frontex zu Hilfe kommen. Die Ministerin geht davon aus, dass Ungarn seine Entscheidung in den nächsten Tagen zurücknimmt. Ändere Budapest trotzdem seine Haltung nicht, sei ein Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten. An ihrer Entscheidung, im österreichischen Flüchtlingswesen prioritär Dublin-Fälle abzuarbeiten, also jene Anträge, wo andere europäische Länder für das Verfahren zuständig sind, hält Mikl-Leitner fest, auch wenn keine Überstellungen nach Ungarn möglich seien. Die Ministerin ist überzeugt, dass sich das Problem innerhalb weniger Tage gelöst haben wird. Zuvor hieß es, der ungarische Premier Viktor Orbán habe einseitig die Dublin-III-Verordnung suspendiert. Das würde bedeuten, dass Ungarn fortan keine Asylwerber mehr zurücknehmen wird, die über die ungarische Grenze in die EU gekommen sind und danach in andere Mitgliedstaaten weitergezogen sind. Das berichtete die Presse online am Dienstag. Österreichs Innen- und Außenministerium haben die EU-Kommission daher am Dienstag aufgefordert, ein Vertragsverletzungsverfahren zu prüfen. Zuvor hatte die EU-Kommission Ungarn aufgefordert, zur aktuellen Entscheidung Stellung zu nehmen. Ein solcher Schritt sei in den gemeinsamen Asyl-Regeln der EU nicht vorgesehen, hieß es laut der Nachrichtenagentur Reuters am Dienstagabend von der Brüsseler Behörde. Brüssel fordert eine Antwort darüber, was getan wird, um die Frage zu lösen. Die Zahl der Asylanträge innerhalb eines Jahres ist in Ungarn um 1.236 Prozent gestiegen. das ist ein höherer Anstieg als dem EU-Schnitt entspricht. Das geht aus den jüngsten Daten der EU-Statistikbehörde Eurostat hervor. Demnach wurden in dem Land – im heurigen 1. Quartal 32.810 Anträge gestellt. Im selben Zeitraum des Vorjahres waren es noch 2.455 Anträge gewesen. Allerdings zieht ein Großteil der Asylwerber, die in Ungarn einen Asylantrag stellen, bald darauf weiter in Richtung Westen und Norden. Auch gegenüber jenen EU-Staaten, die eine überdurchschnittliche Steigerungsrate aufwiesen, hebt sich Ungarns Anstieg mit deutlichem Abstand ab: Österreich und Portugal verzeichneten den zweithöchsten Anstieg – mit je einem Plus von 180 Prozent. Dies bedeutet dennoch eine fast siebenmal niedrigere Steigerungsrate als jene in Ungarn. In Österreich hatten im ersten Quartal des Vorjahres 3.470 Personen erstmalig einen Asylantrag gestellt, die Zahl stieg im ersten Quartal 2015 auf 9.710 Anträge. Auch bei den Asylanträgen pro 1 Million Einwohner liegt Ungarn mit 7.245 gleich hinter Schweden (7.765) auf Platz zwei. Dahinter folgt dann mit einigem Abstand Österreich: Im ersten Quartal gab es hier pro 1 Million Einwohner 3.750 Anträge. Auch in Malta (3.390) und in Deutschland (2.635) war die Zahl der Anträge pro Kopf vergleichsweise hoch. Im EU-Schnitt lag dieser Wert bei 365 Anträgen. Laut Innenministerium in Wien hat es von Jänner bis Ende Mai aus Österreich 620 Dublin-Überstellungen in andere Länder gegeben. Wie viele davon nach Ungarn gingen, wird noch recherchiert. Der EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag wird über eine mögliche Umverteilung von Flüchtlingen in Europa beraten.' Budapest verschärfte Asylgesetz, auch um Zaun zu Serbien errichten zu können. Budapest/Wien – Ungarn ist offenbar nun wieder bereit, aus anderen EU-Ländern zurückgesandte Flüchtlinge zu übernehmen. Laut einer Aussendung der ungarischen Botschaft in Österreich vom Montag hat die ungarische Migrationsbehörde den anderen EU-Staaten am 3. Juli eine entsprechende Entscheidung mitgeteilt. Ende Juni war Ungarn mit der EU in der Flüchtlingsfrage auf Konfrontationskurs gegangen. Es hatte die Dublin-III-Verordnung der EU ausgesetzt, die eigentlich vorsieht, dass Flüchtlinge wieder aufgenommen werden, die in Ungarn in die Europäische Union eingereist, dann aber in andere EU-Länder weitergefahren sind. Unterdessen hat Ungarn ungeachtet der internationalen Kritik sein Asylgesetz verschärft, um den Zustrom von Flüchtlingen zu begrenzen. Das Parlament in Budapest verabschiedete am Montag ein entsprechendes Gesetz. Es bildet unter anderem die rechtliche Grundlage für die Errichtung eines Zauns an der südlichen Grenze zu Serbien mit dem Ziel, die illegale Einwanderung zu stoppen. Zudem erlaubt es der ungarischen Regierung, Asylanträge von Flüchtlingen abzulehnen, die über andere, als sicher eingestufte Länder nach Ungarn eingereist sind, und schränkt den Zeitraum zur Überprüfung von Asylansprüchen ein. Die Vereinten Nationen und der Europarat hatten das Gesetz mit der Begründung kritisiert, es schränke den Schutz von Flüchtlingen ein. Ungarns Ministerpräsident liefert sich in Budapest einen Krieg mit seinem einstmals engen Weggefährten Lajos Simicska. Die Budapester Stadtverwaltung hat am Wochenende damit begonnen, Litfaßsäulen des Werbeunternehmens Mahir-Cityposter aus einigen Straßenzügen zu entfernen. Das Rathaus ist fest in der Hand der Fidesz-Partei des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán. Mahir-Cityposter wiederum gehört dem Oligarchen Lajos Simicska, einem engen Weggefährten Orbáns aus dessen politischen Anfangszeiten. Doch seit mehr als einem Jahr sind Orbán und Simicska verfeindet, zwischen ihnen tobt Krieg. Hintergrund der jüngsten Eskalation: Im Vorjahr hatte die Stadtverwaltung einseitig den Vertrag mit Simicskas Werbefirma gekündigt. Diese hätte bis zur Jahreswende von sich aus ihre rund 760 Litfaßsäulen aus der Stadt entfernen sollen. Simicska aber betrachtet die Kündigung des noch 15 Jahre laufenden Vertrags als Rechtsbruch. Am 11. Jänner beginnt in Budapest ein Gerichtsprozess, der diese Frage klären soll. Als am Wochenende die ersten Litfaßsäulen abgetragen waren, schickte Simicska Kapuzenmänner seiner Sicherheitsfirma aus, um die anderen Säulen zu schützen. An der Stelle ausgerissener Werbeträger ließ er umgehend neue aufstellen. Daraufhin drohte Orbáns Sicherheitsberater György Bakondi am Montag mit großen Polizeieinsätzen. Simicska war in der Frühzeit der Fidesz Orbáns Mann für die Parteifinanzen. Mit zum Teil umstrittenen Methoden schaffte er das nötige Geld für teure Kampagnen heran. Die früher kommunale Firma Mahir-Cityposter – in etwa mit der Wiener Gewista vergleichbar – brachte er im Rahmen der Privatisierungen nach der Wende unter seine Kontrolle. Das Unternehmen ist heute ein eher kleiner Mosaikstein in Simicskas Firmenimperium, das vor allem in Zeiten, in denen Orbán regierte (1998–2002 und seit 2010), massiv anwuchs. Zum Bruch kam es, weil Simicska dem mit harter Hand regierenden Orbán zu mächtig wurde. Der Regierungschef begann aus diesem Grund vor zwei Jahren, Simicskas Handlanger aus den Ministerien und Ämtern zu entfernen, in denen über die Vergabe jener lukrativen – und meist EU-finanzierten – Aufträge entschieden wird, von denen Simicskas Imperium bis dahin fürstlich gelebt hatte. Im vergangenen Februar trat der ansonsten jede Medienöffentlichkeit scheuende Tycoon überraschend ins Rampenlicht, um seinen Ex-Intimus Orbán als Abschaum zu beschimpfen. Im Oligarchen-Krieg gibt es indes mehrere Fronten. So erwarb neulich der von Premierminister Orbán vorgeschickte ehemalige Filmproduzent Andrew Vajna den zweitgrößten privaten Fernsehsender des Landes, TV 2. Doch Simicska droht dem Orbán-Mann, in die Suppe zu spucken: Kaum hatte Vajna den Deal verkündet, ließ Simicska ausrichten, dass bereits Tage zuvor eine von ihm kontrollierte Firma ihr Vorkaufsrecht an TV2 geltend gemacht hätte. Der Sender wäre demnach ein zweites Mal – und illegal – an Vajna verkauft worden. Auch diese Frage werden demnächst die Gerichte klären müssen.(Gregor Mayer aus Budapest, 5.1.2016) Nach Protesten wegen chaotischer Zustände. Budapest – Nach Protesten wegen chaotischer Zustände an Ungarns Schulen hat die rechtskonservative Regierung die Staatssekretärin für das Schulwesen, Judit Czunyi-Bertalan, entlassen. Wie der zuständige Minister Zoltan Balog am Samstag in Budapest bekannt gab, wird die Politikerin künftig als Regierungskommissarin für digitale Content-Entwicklung arbeiten. Als Nachfolger nominierte Balog den bisherigen Staatssekretär für das Hochschulwesen, Laszlo Palkovics. Beobachter in Budapest halten die Entlassung von Czunyi-Bertalan für ein Bauernopfer. Die loyale Funktionärin aus der Regierungspartei Fidesz (Bund Junger Demokraten) von Ministerpräsident Viktor Orban habe den Flurschaden bereinigen sollen, den ihre von 2010 bis 2014 amtierende Vorgängerin Rozsa Hoffmann angerichtet habe, schrieb das Nachrichten-Portal index.hu am Samstag. Hoffmann hatte in vollem Einklang mit den Vorstellungen Orbans das Schulwesen zentralisiert, die Lehrfreiheit eingeschränkt und die Lehrer der Willkür staatlicher Stellen ausgeliefert. Die abrupten Veränderungen brachten aber die meisten Schulen an den Rand ihrer Funktionsfähigkeit. Am vergangenen Mittwoch gingen deshalb in zwölf Städten Tausende Lehrer, Schüler und Eltern auf die Straße. Proteste gegen Zentralisierung des Bildungswesens durch die rechtskonservative Regierung. Budapest – In Budapest haben tausende Ungarn gegen die Bildungspolitik der nationalkonservativen Regierung von Ministerpräsident Viktor Orban protestiert. Zu der Kundgebung, einer der größten gegen die Regierung in den vergangenen Jahren, versammelten sich am Samstag schätzungsweise mehr als 10.000 Menschen auf den Straßen der Hauptstadt. Auf Transparenten und Schildern waren Slogans wie Freies Land! Freie Schule! und Orban raus! zu lesen. In Ungarn wurden seit dem Amtsantritt von Orbans Fidesz-Partei im Jahr 2010 etliche Reformen verabschiedet, die von Kritikern als Eingriff in die Unabhängigkeit der Justiz und die Freiheit der Medien gewertet wurden. Auch das Bildungssystem wurde reformiert, weil es der Fidesz als zu liberal galt. Neben der Schaffung einer neuen staatlichen Schulaufsicht wurden ein nationaler Lehrplan geschaffen, die Unterrichtsmaterialien vereinheitlicht und eine Mindeststundenzahl für Schüler eingeführt. Die Reformen brachten Lehrer, Eltern und Gewerkschaften auf die Barrikaden. Aus dem allgemeinen Unmut wurde Ende November eine Massenprotestbewegung, als die Leitung einer renommierten Oberschule in der östlichen Stadt Miskolc einen offenen Protestbrief ins Internet stellte. Darin warnten die Pädagogen, dass das ganze Bildungssystem in Gefahr und alles ins Chaos geglitten sei. Den Brief unterzeichneten seither mehr als 700 Schulen und insgesamt 30.000 Lehrer und Eltern. In der vergangenen Woche marschierten bereits rund 5.000 Eltern und Lehrer durch Miskolc. Auch am Samstag klagten wieder viele Lehrer über Überlastung und andere alltägliche Probleme. Die Lehrer sind genauso überlastet wie die Schüler, sagte Oliver Pilz, ein Lehrer aus Miskolc, der Nachrichtenagentur AFP. Ungarische Schüler müssten oft länger lernen als Erwachsene arbeiten. Außerdem gebe es an den Schulen oft noch nicht einmal genug Kreide. Angesichts des ungewohnten Gegenwinds war das Parteienbündnis der rechten Regierung, das im Parlament in Budapest eine absolute Mehrheit hat, bereits vorsichtig zurückgerudert. Orban setzte den zuständigen Staatssekretär ab. Das Bildungsministerium lud Lehrer zu einem runden Tisch. Doch die Gewerkschaften kritisierten, die Maßnahmen seien rein kosmetischer Natur und drohten mit Streiks. Die Demonstration am Samstag war die größte Protestkundgebung seit 2014. Damals waren zehntausende Ungarn gegen die Einführung einer umstrittenen Internetsteuer auf die Straße gegangen. Den Kritikern zufolge sollten durch die Steuer auch Regierungsgegner geschwächt werden, die das Internet als Sprachrohr nutzen. Unter dem Druck der massiven Proteste hatte Orban die Pläne schließlich auf Eis gelegt. Wegen der umstrittenen Bildungspolitik hatte die Fidesz-Partei in Umfragen nun erneut an Zustimmung verloren. Orbans harte Linie in der Flüchtlingspolitik hat den Abwärtstrend inzwischen jedoch gestoppt. Ungarn hatte 2015 einen Stacheldrahtzaun an seiner Grenze zu Serbien errichtet, um Flüchtlinge abzuhalten. Außerdem trat eine Verschärfung der Einwanderungsgesetze in Kraft. Unerlaubter Grenzübertritt wird nun mit bis zu drei Jahren Haft bestraft. Gericht: Abstimmung über umstrittene Schließung der Geschäfte am Sonntag darf auch gegen den Willen des Premiers stattfinden. Budapest – Zum ersten Mal seit dem Machtantritt von Viktor Orbán vor sechs Jahren zeichnet sich in Ungarn eine Volksabstimmung gegen den ausdrücklichen Willen des rechtskonservativen Regierungschefs ab. Das Oberste Gericht in Budapest entschied am Mittwoch, dass das Volksbegehren der oppositionellen Sozialistischen Partei (MSZP) gegen den umstrittenen Sonntags-Geschäftsschluss rechtens ist. Sobald die Sozialisten 200.000 Unterschriften gesammelt haben, müsse eine Volksabstimmung über die Abschaffung der Regelung abgehalten werden, deren Ergebnis bindend für die Regierung sei. Der vor einem Jahr von Orbán verfügte Sonntags-Geschäftsschluss ist in Ungarn höchst unpopulär. Die Sozialisten versuchen schon seit längerem, ein Volksbegehren gegen die Entscheidung auf den Weg zu bringen. Orbán-Anhänger hatten dies aber immer wieder mit parallel eingereichten Scheinanträgen blockiert. Zuletzt hatten Fußball-Hooligans am 23. Februar einen MSZP-Politiker am Sitz der Wahlkommission daran gehindert, sein Begehren rechtzeitig einzureichen. Das Oberste Gericht entschied nun, dass dies nicht rechtens war. Zugleich machte es den Weg frei für das Volksbegehren der Opposition. Maria Giulia Sergio ist nach Syrien ausgewandert. Es ist die Frage, warum eine junge italienische Frau sich radikalisierte, die die Öffentlichkeit beschäftigt. Immer wieder tauchte der Name Adriano auf. Marta Serafini, Mailänder Journalistin, vermutete beim Lesen der Abhörprotokolle der vermutlich ersten italienischen Jihadistin einen Code. Maria Giulia Sergio telefonierte mit ihren Eltern und wollte, dass diese ihr nach Syrien folgen. Bis sich herausstellte, dass Adriano die Katze ist, die Maria Giulias Eltern daran hinderte, ihrer Tochter nachzureisen. Maria Giulia nennt sich jetzt Fatima. Die 28-jährige Italienerin reiste vor einem Jahr nach Syrien, um der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu dienen. Ihre Eltern sollten nachkommen, doch sie sind in Haft, weil bei ihnen Geld gefunden wurde. Sie stehen im Verdacht, eine Terrororganisation finanziert zu haben. Die Mutter ist mittlerweile verstorben. Die Katze und die Sorge der Eltern über das syrische Essen gaben dem Fall eine skurrile Note, die Italien mitverfolgte. In den Medien wurde sie zur Lady Jihad. Marta Serafini hat ihre Geschichte aufgeschrieben und das Buch Maria Giulia que devienne Fatima (Maria Giulia, die zu Fatima wurde) veröffentlicht. Maria Giulia ist nicht der einzige Fall in Italien, aber der prominenteste: Seit 2014 sind 81 Italiener für den IS in den Krieg gezogen. Für ein Land mit knapp 60 Millionen Einwohnern ist das nicht viel. Insgesamt soll es etwa 5.000 europäische Foreign Fighters geben, das Innenministerium rechnet mit etwa 200 aus Österreich. Warum es in Italien weniger Jihadisten gibt, hat der Politikwissenschafter Lorenzo Vidino untersucht. Seine These: In Italien fehlt die zweite Generation eingewanderter Muslime. Anders als beispielsweise in Frankreich kamen erst in den 1990er-Jahren Einwanderer aus muslimischen Ländern nach Italien. Dadurch haben sich weder traditionelle Netzwerke entwickeln können, noch gibt es eine salafistische Szene oder Propagandamaterial auf Italienisch. Das ist aber keine Erklärung für Maria Giulia. Denn sie ist Italienerin. Auch Serafini wollte herausfinden, was eine italienische Biotechnologie-Studentin, die in einer Pizzeria arbeitet, dazu bringt, in den Jihad zu gehen. Maria Giulia stammt aus einem Ort im Süden, ihre Eltern sind katholisch, aber laut Serafini mehr abergläubisch als religiös. Sie übersiedelten in den Norden, wo sie wie eine normale italienische Familie lebten. Maria Giulia heiratete einen Muslim, mit 24 Jahren konvertierte sie, mit 28 war sie Italiens bekannteste Terroristin. Von ihrem ersten Mann ließ sie sich scheiden, weil er ihr zu wenig radikal war. Über eine Bekannte wurde ihr ein neuer Ehemann vermittelt, mit dem sie im September 2014 nach Syrien ausreiste. Warum sich Maria Giulia in den vier Jahren radikalisierte, hat Serafini nicht herausgefunden, obwohl sie das die Jihadistin in einem Skype-Interview fragte. Ich habe sie auch immer wieder gefragt, ob sie auch kämpft, aber darauf hat sie mit IS-Propagandasätzen geantwortet. Die Anschläge auf die Satirezeitschrift Charlie Hebdo in Paris haben die italienische Regierung dazu veranlasst, im Februar die Antiterrorgesetze zu verschärfen. Stefano Dambruoso, Abgeordneter der liberalen Regierungspartei Scelta Civica, erklärt, dass strengere Gesetze kaum mehr möglich seien. Dann wäre die Balance zwischen Sicherheit und Privatsphäre gefährdet. Dambruoso gilt als Italiens Terrorexperte, er hat als Staatsanwalt wichtige Terrorprozesse gegen Al-Kaida-Terroristen geführt. Heute reicht ein Verdacht, um abgehört zu werden, und für nichtitalienische Staatsbürger ist der Verdacht ausreichend, um ausgewiesen zu werden. Wir können selbst Menschen, die chatten, festnehmen, sagt Dambruoso. Seit Anfang des Jahres wurden 45 Personen des Landes verwiesen, weil sie unter Verdacht standen, in Terrorpläne verwickelt zu sein. Das entspricht einer Abschiebung pro Woche. Weitere 64 wurden verhaftet. Die Zahl der Soldaten, die auf der Straße patrouillieren, wurde deutlich erhöht. Statt 3.000 Soldaten bewachen nun 4.800 öffentliche Einrichtungen und Plätze. Vidino würde sich mehr vorbeugende Maßnahmen wünschen. Doch der Politikwissenschafter, der an der George Washington University in den USA unterrichtet, sieht es pragmatisch: Prävention ist nicht in unserer DNA. Tatsächlich gibt es bis dato kaum staatliche Präventionsprogramme, die Radikalisierung verhindern könnten. Der Staat setzt auf Überwachung. Ganz so drastisch sieht es Dambruoso nicht: Auch in Italien gebe es Deradikalisierung. Aber wegen der schwierigen wirtschaftlichen Situation sei es schwierig, der Öffentlichkeit zu sagen, dass derartige Programme finanziert werden, während überall anders gespart werde. Rechtspopulisten und Clowns sind mir ihrer Forderung, die Grenzen zu schließen, einfach lauter, sagt der Abgeordnete. In einem Aspekt sind Dambruoso und Vidino einer Meinung. Es sind nicht Terrororganisationen, die eine Bedrohung darstellen, sondern Einzelpersonen, die sich innerhalb weniger Wochen radikalisieren. Sie besuchen die gleichen Schulen wie unsere Kinder, sagt Dambruoso. Warum der Aufwand betrieben wird, wenn keine akute Gefahr besteht? Es ist die Angst, dass wie in Frankreich eine zweite Generation heranwächst, die für den Staat eine Gefahr darstellen könnte, erklärt der Abgeordnete. Maria Giulias Name steht auf der Liste der Terrorfahnder. Sollte sie zurückkommen, wird sie sofort verhaftet. Der Prozess gegen ihren Vater beginnt in den nächsten Wochen. Hunderte Demonstranten protestierten in Oberbayern gegen das Treffen - Mehrere Verletzte und Festnahmen. Garmisch-Partenkirchen - In Garmisch-Partenkirchen hat Sonntagmittag der G7-Gipfel mit dem ersten von zwei für diesen Tag angesetzten Diskussionspanelen begonnen. Dem Treffen der hochrangigsten Vertreter sieben großer Industrienationen (Deutschland, USA, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Japan, Italien) ging ein Gespräch der deutschen Kanzlerin Angela Merkel und des US-Präsidenten Barack Obama voraus, in dem sie sich auf die Beibehaltung der Sanktionen gegen Russland verständigten. Die Sanktionen sollen demnach fortgeführt werden, bis Moskau das Minsker Abkommen erfüllt und die Souveränität der Ukraine respektiert. Das teilte das Weiße Haus am Sonntag mit. Mit Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi traf am späten Sonntagvormittag der letzte Teilnehmer des Gipfels am Flughafen München ein. Vor Schloss Elmau, dem etwa zehn Kilometer Luftlinie von Garmisch-Partenkirchen entfernten Schauplatz des Treffens, demonstrierten zu diesem Zeitpunkt laut Polizei bereits rund 650 Menschen gegen den Gipfel. Die Veranstalter sprachen auf Twitter von 700 bis 1.000 Demonstranten. Bei der Protestaktion gab es zunächst keine Zwischenfälle. 25.000 Polizisten sind zur Sicherung des Treffens abkommandiert. Schon in der Früh war US-Präsident Barack Obama eingetroffen. Er landete ebenfalls auf dem Münchner Flughafen und traf am Vormittag die deutsche Bundeskanzlerin und Gastgeberin Angela Merkel in dem Ort Krün bei Elmau. Merkel und Obama hielten vor der Alpenkulisse kurze Ansprachen. Merkel freute sich, dass sich Obama entschieden habe, bevor wir richtig mit der Arbeit anfangen, hier noch einmal ein Stück deutsches Kulturgut, ein Stück bayerisches Kulturgut zu sehen. Sie nannte die USA unseren Freund, unseren Partner, räumte aber auch Meinungsverschiedenheiten ein. Grüß Gott, sagt Obama in Krün und nannte in seiner kurzen Rede die beiden Länder untrennbare Bündnispartner. Irgendjemand habe Obama vor den Worten Ich bin ein Krüner gewarnt, twitterte der Journalist Stephan Detjen vom Deutschlandradio - einer von Obamas Vorgängern, John F. Kennedy, sagte 1963 den legendären Satz: Ich bin ein Berliner. Irgendjemand hat #Obama gewarnt, dass er in Krün besser nicht sagt: Ich bin ein Krüner #G7 Neben einem Eintrag Obamas ins Goldene Buch des Touristenorts Krün war auch eine Begegnung mit Bürgern zu Brotzeit und Bier geplant, von der die Polizei Demonstranten abhielt. Dass bei den Gipfelgesprächen etwa die NSA/BND-Affäre zur umstrittenen Zusammenarbeit der Geheimdienste Deutschlands und der Vereinigten Staaten eine größere Rolle spielen wird, hatte Merkel schon vor dem Treffen ausgeschlossen – anders die Lage in der Ukraine und das Verhältnis Merkels und Obamas zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Man müsse gemeinsam der russischen Aggression in der Ukraine entgegenstehen, sagte Obama. Der US-Präsident verteidigte die Fortführung der Sanktionen gegen Russland. EU-Ratspräsident Donald Tusk hatte zuvor sogar eine mögliche Verschärfung der Maßnahmen angedeutet: Wenn jemand eine Diskussion über Änderungen am Sanktionsregime beginnen will, dann wäre das eine Diskussion über eine Verschärfung, sagte Tusk am Rande des Gipfels. Putin selbst darf nicht nach Elmau kommen - Russland war nach der Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim aus dem Kreis der G8-Staaten ausgeschlossen worden. Seit 2014 tagt die Gruppe wieder im Format der G7. Der Ausschluss Russlands ist wegen des internationalen Einflusses Moskaus umstritten. Neben Russland wird es beim Gipfel auch um die Konflikte in Syrien, Irak und Libyen sowie die schwierigen Atomverhandlungen mit dem Iran gehen. Die Staats- und Regierungschefs aus Nigeria, Tunesien und Irak sind eingeladen zu einer Debatte über die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus, wie sie etwa von der Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) ausgeht. Neben aktuellen Konflikten und Kriegen wollen die Tagungsteilnehmer auch über Wirtschaftsthemen wie die Griechenland-Krise und das TTIP-Handelsabkommen, über Klimaschutz und Umweltstandards, über Gesundheitsthemen wie die Bekämpfung möglicher Epidemien und die Antibiotikaresistenz durch deren massiven Einsatz in der Lebensmittelproduktion diskutieren. Zwar blieben die Proteste Rande des Gipfels weitgehend friedlich, vereinzelt kam es aber zu Auseinandersetzungen. Mehrere G7-Gegner sind nach Angaben ihres Aktionsbündnisses bei einem gewaltsamen Aufeinandertreffen mit der Polizei am Samstag verletzt worden. Eine Frau liege auf der Intensivstation eines Krankenhauses, sagte am Sonntag Georg Ismael, einer der Sprecher von Stop G7 Elmau. Bei anderen Demonstranten sei es zu einem Fingerbruch, einem ausgerenkten Ellbogen und Verätzungen der Haut gekommen. Die Polizei teilte auf Anfrage mit, zwei Demonstranten seien verletzt und medizinisch behandelt worden. Von Knochenbrüchen sei ihm nichts bekannt, sagte der Polizeisprecher Hans-Peter Kammerer. Weil der geplante Sternmarsch am Sonntag auf der ursprünglich angemeldeten Strecke nicht genehmigt worden war, musste er vor dem von den Behörden festgelegten Sicherheitsbereich um Schloss Elmau enden. Dieser ist mehrere Kilometer um das Tagungshotel gezogen und liegt damit deutlich außerhalb der Hör- und Sichtweite des Treffens. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hatte entschieden, dass auch eine zwischenzeitlich genehmigte 50-köpfige Protestdelegation nicht in Hör- und Sichtweite von Schloss Elmau protestieren darf. Zur Begründung teilte das Gericht mit, dass die Demonstranten sich nicht von der Polizei zu einer Protestfläche vor dem Hotel transportieren lassen wollten. Die von den G7-Gegnern geforderte Möglichkeit, zu Fuß zum Schloss zu gehen, lehnte das Gericht aus Sicherheitsgründen ab. Die Blockade einer Bundesstraße in Garmisch-Partenkirchen beendete die Exekutive am Sonntagvormittag und trug einige G7-Gegner weg. Etwa ein Dutzend Aktivisten hatte sich am Morgen im Ortsteil Höfle auf die Straße Richtung Elmau und Mittenwald gesetzt. Auf ihrem Plakat war zu lesen: Wir sehen nur Einschüchterung, Abschottung und Willkür. Nach Angaben der Polizei war die Straße wegen der Aktion etwa eine Stunde gesperrt. Sieben Personen haben die Straße freiwillig verlassen, fünf wurden weggetragen und festnommen, sagte ein Polizeisprecher. Dabei sei niemand verletzt worden. Ein weiterer Mann befindet sich seit Samstag in Polizeigewahrsam, weil er nach Polizeiangaben bei der Demonstration von Stop G7 Elmau eine Zaunlatte in Richtung der Polizisten warf. Nach Angaben von Stop G7 Elmau wurden im Rahmen der Proteste gegen den Gipfel insgesamt bis zu 20 Menschen vorläufig festgenommen. US-Präsident will gegen Hacker vorgehen: "Müssen mindestens so stark sein wie Angreifer". Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Kanzlerin Merkel konnte sich beim Klimaschutz durchsetzen, die Exekutive erlebte vor allem friedlichen Protest. Frieden, Ruhe, im Optimalfall einen strahlenden Sonnenaufgang: Das war es, was die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihren G7-Kollegen in der bayerischen Alpenwelt unweit von Schloss Elmau auch am zweiten und letzten Gipfeltag bieten wollte. Doch dann gab es gleich in der Früh eine kleine visuelle Belästigung. Greenpeace-Aktivisten forderten die G7-Staaten zu einer globalen Klimawende auf und projizierten ihre Botschaft per Laser in Riesenbuchstaben auf das Zugspitzmassiv. Thematisch war dies nicht unpassend, denn Merkel hatte am zweiten Tag das Weltklima auf die Tagesordnung gesetzt. Zuvor jedoch bekamen die Fotografen wieder viele Gelegenheiten, um schöne Bilder von den Staats- und Regierungschefs der sieben wichtigsten westlichen Industriestaaten einzufangen: von lauter schwarzen Herren und einer Dame in Himbeerrosa, nämlich Merkel. Am Vortag hatte sie wie eine Kornblume in Blau aus dem Schwarz der Herren geleuchtet. Auch das eine Botschaft: Merkel sticht heraus und führt. Aus dem Tal unten, aus Garmisch-Partenkirchen, drangen schon am Vormittag Nachrichten ans Schloss, die das Kanzlerinnen-Ohr sicher erfreut haben: Die Demonstranten sagten kurzerhand den Abschlussprotest ab, nachdem nur rund 30 Personen auf den Bahnhofsvorplatz gekommen waren. Ursprünglich waren 500 erwartet worden. Obwohl sie am Sonntag nicht bis zum Schloss vordringen hatten können und am Samstag ihr Camp von einem Wolkenbruch fast weggespült worden war, waren die Organisatoren des Aktionsbündnisses Stop G7 jedoch mit dem Protest zufrieden. Damit haben sie schlussendlich doch etwas mit der Polizei gemeinsam, die ebenfalls positive Bilanz zog. Ein Österreicher war übrigens während der Proteste in Gewahrsam genommen worden, weil er einen Suppenteller auf Einsatzkräfte geworfen hatte. Merkel bezeichnete ihre Veranstaltung als sehr produktives Treffen. Die G7 kam überein, die Sanktionen gegen Russland nicht nur aufrechtzuerhalten. Wir sind auch bereit, sollte das erforderlich sein - was wir aber nicht wollen -, gegebenenfalls Sanktionen zu verschärfen , sagte Merkel zum Abschluss. Der Westen wirft Moskau vor, prorussische Separatisten in der Ostukraine zu unterstützen und damit das Land zu destabilisieren. US-Präsident Barack Obama schickte eine Warnung an den russischen Präsidenten Putin: Das Vorgehen Russlands in der Ukraine schadet dem russischen Volk. Die russische Wirtschaft ist bereits geschwächt worden. Erfreut konnte die deutsche Kanzlerin auch bekanntgeben, dass sie sich beim Klimaschutz dann doch gegen Japan und Kanada durchgesetzt hat: Es gab ein klares Bekenntnis zum Zwei-Grad-Ziel. Die G7-Länder wollen vor Ablauf des Jahrhunderts den Ausstoß von Treibhausgasen auf null reduzieren, um die globale Erwärmung auf weniger als zwei Grad Celsius gegenüber dem Niveau vor Beginn der Industrialisierung zu begrenzen. Ein Fonds für Klimaschutz in Entwicklungsländern, der ab 2020 jährlich mit 100 Milliarden US-Dollar aus öffentlichen und privaten Mitteln gefüllt werden soll, wurde beschlossen. Verstärkt werden soll auch der Kampf gegen Epidemien wie Ebola. Dafür, so Merkel, müsse das Gesundheitssystem in vielen Ländern verbessert werden. In der Abschlusserklärung heißt es: Wir sind fest entschlossen, die Ebola-Fallzahlen auf null zu reduzieren. Zum ersten Mal befasste sich die G7-Gruppe auch mit dem Meeresschutz. Vereinbart wurde ein Aktionsplan zur Müllvermeidung und Säuberung der Meere von Abfällen. Außerdem spricht sich die Gruppe für ein internationales Regelwerk für den Abbau von Rohstoffen (Nickel, Kupfer und Platin) in den empfindlichen Tiefseeregionen aus. Zum Schluss wurde Merkel noch gefragt, ob sie auch nach Tirol zum Treffen der Bilderberger kommen werde. Nein, wird sie nicht. Aber sie erklärte: Ich wünsche der Bilderbergerkonferenz sehr viel Erfolg. Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der Vojvodina angelastet. Den Haag/Belgrad – Das UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien (ICTY) wird am 31. März das Urteil für den serbischen Ultranationalisten Vojislav Šešelj in dessen Abwesenheit verkünden. Dies teilte das Tribunal laut der staatlichen Presseagentur Tanjug am Dienstag mit. Šešelj, der Ende 2014 aus Gesundheitsgründen auf freien Fuß gesetzt worden war, wurde allerdings aufgefordert, sich bis zum 22. März schriftlich zu äußern, ob er der Urteilsverkündung doch beiwohnen möchte. Der wegen Kriegsverbrechen in Kroatien, Bosnien-Herzegowina und der Vojvodina angeklagte serbische Ultranationalist ließ bisher wiederholt wissen, dass er nicht mehr freiwillig ins Tribunalsgefängnis Scheveningen zurückkehren werde. Die heutige Tribunalsentscheidung wurde mit der Ablehnung des Angeklagten, ins Gefängnis zurückzukehren, aber auch mit dem Verhalten der serbischen Regierung erklärte, die nach Meinung des Gerichts nicht adäquate Mittel einsetze, um Šešelj dazu zu zwingen. Šešelj hatte sich im Februar 2003 freiwillig dem Haager Gericht gestellt. Nach der vorläufigen Freilassung behauptete er, das Gericht besiegt zu haben. Über den derzeitigen Gesundheitszustand des an Krebs Erkrankten ist derzeit nichts bekannt. Bei den für April geplanten Parlamentswahlen will Šešelj seiner Serbischen Radikalen Partei nach acht Jahren erneut den Einzug ins Parlament sichern. Jüngsten Umfragen zufolge dürfte ihm dies auch gelingen. Im Wahlkampf will Šešelj auch von dem Urteil punkten, das nächste Woche vor dem Haager Gericht für den Ex-Präsidenten der Republika Srpska, Radovan Karadžić, verkündet wird. Seine Partei hatte für denselben Tag eine Großkundgebung in Belgrad eingerufen. Richterspruch basiere auf "Spekulationen und Indizien" – Serbische Boulevardzeitung spricht von "Vergewaltigung" durch Kriegsverbrechertribunal. Den Haag / Sarajevo – Der frühere Präsident der Republika Srpska, Radovan Karadžić, hat sich über seine Verurteilung zu einer 40-jährigen Haftstrafe durch das Haager Kriegsverbrechertribunal überrascht gezeigt. Das ist katastrophal, ich kann nicht glauben, dass ein solches Urteil gefasst wurde, zitierte die Belgrader Tageszeitung Večernje novosti Karadžić am Freitag. Sein Anwalt hat bereits Berufung angekündigt. Das Urteil basiere auf Spekulationen und Indizien und nicht auf Tatsachen, meinte Karadžić demnach gegenüber seinem Anwalt Goran Petronijević. Auch hätten die Europäische Union, das Gericht und die internationale Staatengemeinschaft selbst nach den Terrorangriffen in Paris und Brüssel nicht verstanden, womit die bosnischen Serben in den Neunzigerjahren konfrontiert gewesen seien, versuchte Karadžić den Bosnien-Krieg (1992–1995) mit den jüngsten Terroranschlägen in Verbindung zu bringen. Empört über den Urteilsspruch zeigte sich auch die regierungsnahe, serbische Boulevardzeitung Informer. Welche Schande, eine weitere schreckliche Ungerechtigkeit zum 17. Jahrestag der verbrecherischen Nato-Aggression (1999, Anm.), titelte das Blatt am Freitag. Serbien werde von Den Haag vergewaltigt, hieß es dort zudem. Unaufgeregter gab sich der Großteil der übrigen Printmedien Serbiens. Die Tageszeitung Blic verwies darauf, dass im Laufe der Urteilsverkündung auch immer wieder der frühere Militärchef der bosnischen Serben, Ratko Mladić, und der serbische Ultranationalist Vojislav Šešelj als für Kriegsverbrechen verantwortlich angeführt wurden. Das Urteil gegen Šešelj soll nächsten Donnerstag verkündet werden, der Prozess gegen Mladić ist noch im Gange. Russland kritisiert das Urteil ebenfalls. Wir sagen seit langem, dass die Arbeit des Internationalen Kriegsverbrechertribunals politische motiviert ist. Alle Fälle, die dort verhandelt wurden, waren einseitig, sagte Vizeaußenminister Gennadi Gatilow am Freitag in Moskau. Das Urteil sei ungerechtfertigt, erklärte der Vize-Vorsitzende des außenpolitischen Ausschusses im russischen Parlament, Leonid Kalaschnikow. Das ist ein völlig einseitiges Vorgehen des Westens. Die Kosovaren, die man nicht braucht, hat man schon lange laufengelassen, dagegen wird den Serben ein faires Gerichtsverfahren verweigert, sagte Kalaschnikow der Agentur Tass zufolge. Russland gilt als enger Verbündeter Serbiens. Haager Gericht forderte Auslieferung von drei angeklagten Ultranationalisten. Belgrad/Den Haag – Ein Belgrader Gericht hat am Mittwoch die Überstellung von drei vom UN-Tribunal für Kriegsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien wegen Missachtung des Gerichts angeklagten Ultranationalisten ausgeschlossen. Serbien wäre verpflichtet, die wegen Kriegsverbrechen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschheit angeklagten Personen zu überstellen, stellte das Gericht fest. Bei den Anklagen für Missachtung des Haager Gerichtes gebe eine solche Verpflichtung nicht, so das Gericht. Das UN-Tribunal hatte drei Parteifreunde des wegen Kriegsverbrechen angeklagten Ultranationalistenführer Vojislav Seselj der Missachtung des Gerichtes angeklagt. Sie sollen im Prozess gegen Seselj Belastungszeugen erpresst und eingeschüchtert haben. Auch sollen sie versucht haben, Zeugen durch Bestechungsgelder dazu zu bewegen, nicht gegen Seselj auszusagen. Die Anklage gegen die drei war im Dezember veröffentlicht worden. Seselj war unterdessen Ende März in erster Instanz aller Kriegsverbrechenvorwürfe freigesprochen worden. Das Berufungsverfahren ist soeben im Gange. Die serbische Regierung hatte Anfang März ein Verfahren zur Auslieferung der drei angeklagten Ultranationalisten eingeleitet. Papst-Biographie "bietet einen der großartigsten Stoffe unserer Zeit für einen internationalen Kinofilm". München - Das Leben von Papst Benedikt XVI. (88) kommt ins Kino. Die Produktionsfirma Pantaleon von Schauspielstar Matthias Schweighöfer (34) plant einen Film über das Leben von Joseph Ratzinger. Dafür habe sie sich die Rechte an einer Papst-Biografie des Kirchenexperten Peter Seewald gesichert, teilte die Firma am Dienstag in München mit. Es handelt sich um das Buch Pontifex, das im Herbst 2016 im Pattloch-Verlag erscheint, wie eine Verlagssprecherin bestätigte. Das Leben des deutschen Papstes Benedikt XVI. bis zu seinem historischen Rücktritt, bietet einen der großartigsten Stoffe unserer Zeit für einen internationalen Kinofilm, teilte Dan Maag, Vorstand der Pantaleon Entertainment AG, mit, der den Film unter anderem gemeinsam mit Schweighöfer produzieren will. "Es ist besser, dem Papst nichts zu sagen". Der Papst solle davon nichts erfahren. Diese Aussage soll der 72-jährige Kardinal Giuseppe Versaldi, einst mächtiger Vertreter der Präfektur für ökonomische Angelegenheiten des Vatikans und derzeit für die Kongregation der katholischen Erziehung verantwortlich, in einem Telefonat von sich gegeben haben. Allerdings wurde er dabei abgehört. Die Staatsanwaltschaft von Trani in Süditalien ermittelt wegen angeblich fehlgeleiteter Finanzierung öffentlicher Mittel an Vatikan-Institutionen. Es ist besser, dem Papst nichts von den 30 Millionen Euro Finanzierung zu sagen, soll der genaue Wortlaut Versaldis gewesen sein, als er mit dem Direktor des Kinderkrankenhauses Bambino Gesù, Giuseppe Profiti, telefonierte. Bei besagten 30 Millionen Euro handelt es sich Berichten italienischer Medien zufolge um Staatsmittel, die für die Finanzierung des Krankenhauses Bambino Gesù vorgesehen gewesen seien. Sie sollen unerlaubterweise an die Vatikan-Hautklinik IDI umgeleitet worden sein, die inzwischen unter Zwangsverwaltung steht. Die Staatsanwaltschaft von Rom hat Unterlagen angefordert, um der Angelegenheit nachzugehen. Kardinal Versaldi dementierte die Vorwürfe und sagte, seine Aussage sei falsch interpretiert worden. Papst Franziskus hat noch nicht Stellung genommen. Die angeblich illegalen Finanzierungen sollen 2014 von hohen Prälaten der Kirche vorgenommen worden sein, ohne den Papst darüber zu informieren. Angeblich beweisen weitere abgehörte Telefongespräche zwischen dem Direktor der Kinderklinik, Profiti, und dem in dem Krankenhaus für die Finanzen verantwortlichen Massimo Spina, dass ein Großteil der für die Spitalssanierung zur Verfügung gestellten Mittel an die Vatikanbank IOR abgezweigt worden sein dürfte. Sowohl dem Kardinal als auch Profiti werden enge Verbindungen zum früheren Generalsekretär von Papst Benedikt XVI., Tarcisio Bertone, nachgesagt. Gegen den inzwischen von Franziskus abgesetzten Bertone sind Untersuchungen wegen dubioser Geschäfte im Gange. Ecuador, Bolivien und Paraguay sind die Stationen auf der bisher längsten Auslandsreise des Pontifex. Vatikanstadt/Quito – Papst Franziskus hat in Ecuador seine erste große Südamerika-Reise mit einem Aufruf zum Dialog begonnen. Der argentinische Pontifex traf am Sonntag in Quito ein und wurde von Präsident Rafael Correa auf dem Flughafen Mariscal Sucre empfangen. In der Gegenwart können wir im Evangelium die Schlüssel finden, die es uns möglich machen, uns den aktuellen Herausforderungen zu stellen, indem wir die Unterschiede schätzen, den Dialog und die Beteiligung ohne Ausgrenzungen fördern, sagte der Papst. Dabei sei besonders auf die Schwächsten und die am meisten verletzlichen Minderheiten zu achten. Dies sei eine Schuld, die ganz Lateinamerika noch trage, sagte Franziskus in Anspielung auf Correas Anprangerung der Ungleichheiten in der Region. Ecuadors Präsident hatte die soziale Frage als das Grundproblem Lateinamerikas bezeichnet. Für die Armut in der Region seien perverse politische, soziale und wirtschaftliche Systeme verantwortlich, sagte Correa vor dem Papst. Pontifikale Metaphern Franziskus erwähnte den ecuadorianischen Vulkan Chimborazo als den nächsten Punkt der Erde zu Mond, Sonne und Sterne. Die Kirche werde allgemein mit dem Mond identifiziert, die Sonne mit Jesus. Wenn der Mond sich vor der Sonne verstecke, versinke er in Dunkelheit. Auch die Kirche verliere ihr Licht, wenn sie sich vor der Sonne verberge, warnte er. Auf dem 45 Kilometer langen Weg vom Flughafen zur Nuntiatur wechselte der Papst von einem geschlossenen Wagen ins offene Papamobil, um die zahlreichen Menschen am Straßenrand beim Vorbeifahren besser grüßen zu können. Am Montag ist als erster Höhepunkt der neunten Auslandsreise des 78-Jährigen eine Messe in der Pazifikmetropole Guayaquil vorgesehen. Zur Messe am Dienstag in Quito werden bis zu zwei Millionen Menschen erwartet. Der achttägige Besuch in drei Ländern soll Franziskus von Ecuador aus weiter nach Bolivien und Paraguay führen. In Bolivien will er in Santa Cruz de la Sierra eine Messe halten und auch die Haftanstalt Palmasola besuchen, in der knapp 5.000 Häftlinge leben. In Paraguay stehen zwei Messen und ein Jugendtreffen auf dem Programm. Seine Heimat Argentinien besucht der Papst voraussichtlich erst nächstes Jahr nach der Präsidentenwahl. Neben der Staatschefin Cristina Fernandez de Kirchner werden aber in Paraguay zum Papstbesuch mehrere hunderttausend Argentinier erwartet. Am 13. Juli kehrt Franziskus nach Rom zurück. 'Franziskus fordert Abkehr von Ideologiehörigkeit und warnt vor einem "Weltkrieg in Etappen". Havanna/Puebla – Vor zehntausenden Gläubigen hat Papst Franziskus in Havanna am Sonntag den Dienst am Nächsten in den Mittelpunkt seiner Messe gestellt. Wer nicht lebt, um den Nächsten zu dienen, vergeudet sein Leben, sagte er in einer kurzen, aber einprägsamen Predigt, die er mit dem Rangstreit der Jünger im Matthäusevangelium begonnen hatte. In einer Anspielung auf die kämpferische Verteidigung des Sozialismus, die Kubas Staatschef Raúl Castro am Vortag bei Franziskus’ Ankunft unternommen hatte, warnte der Papst vor der Verherrlichung von Ideologien und Machtgelüsten. Man dient Menschen, nicht Ideologien, schrieb er den seit 56 Jahren auf Kuba regierenden Castro-Brüdern ins Stammbuch. Wie auch schon bei seiner Ankunft am Vortag wirkte der 79-Jährige dabei etwas matt und ermüdet. Der Papst kritisierte auch die Korruption – ein in Lateinamerika weitverbreitetes Übel. Es gebe viele, die mehr sich selbst dienten als den Nächsten, warnte er. In vorderer Reihe saßen Raúl Castro sowie rund 3500 Würdenträger, darunter der brasilianische Befreiungstheologe Frei Betto und die argentinische Präsidentin Cristina Fernández de Kirchner, eine enge Verbündete der Castros. Nicht zur Messe kam die Tochter des argentinisch-kubanischen Befreiungskämpfers Ernesto Che Guevara – trotz eines entsprechenden Aufrufs der kommunistischen Partei. Das sei heuchlerisch, sagte die Ärztin der Nachrichtenagentur AFP. Seit den frühen Morgenstunden hatten sich Zehntausende auf dem Platz eingefunden, darunter auch Dissidenten wie die Bloggerin Yoani Sánchez, die live twitterte. Nach Berichten der US-Nachrichtensender NBC und Univision nahm der kubanische Sicherheitsdienst aber auch drei Demonstranten fest, die in weißen T-Shirts auf dem Platz vor der Messe Flugblätter verteilten. Im Gegensatz zum Besuch von Johannes Paul II., der als erster Papst 1998 Kuba besucht hatte, hielt sich die Begeisterung der Anwesenden jedoch in Grenzen; kein spontaner Beifall, keine Sprechchöre brandeten auf. Auf der Fahrt zum Gottesdienst säumten Tausende mit den Flaggen Kubas und des Vatikans den Weg des offenen Papamobils, aus dem Franziskus den Gläubigen zuwinkte. Am Nachmittag traf er sich mit Staatschef Raúl Castro zu einem privaten Gedankenaustausch treffen; auch dessen bettlägerigem Bruder Fidel besuchte er für ein Gespräch. Anschließend war ein Gedankenaustausch mit kubanischen Jugendlichen geplant, bevor der Papst dann am Montag nach Holguín weiterreisen wollte. Bei seiner Ankunft am Samstag hatte der Papst einen eindringlichen Friedensappell formuliert und vor einem Dritten Weltkrieg in Etappen gewarnt. Außerdem hatte er Kuba und die USA zu einer Fortsetzung ihrer Annäherung aufgefordert, bei der der Vatikan als Vermittler eine Schlüsselrolle gespielt hatte. Von Kuba aus wird der Papst in die USA weiterfliegen, wo er unter anderem vor dem US-Kongress und der UN-Vollversammlung sprechen wird.' Auch zwei oppositionelle Frauen in Gewahrsam genommen. Holguin/Vatikanstadt – Während des Besuchs von Papst Franziskus im kommunistischen Kuba sind mindestens 50 Dissidenten vorübergehend festgenommen worden. Das sagte der Sprecher der oppositionellen Kommission für Menschenrechte und Nationale Versöhnung (CCDHRN), Elizardo Sanchez, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Auch zwei oppositionelle Frauen, die von der Kirche zu einer Begegnung mit dem Papst in der Kathedrale der Hauptstadt Havanna eingeladen waren, kamen in Gewahrsam. Als ich zur Nuntiatur gehen wollte, haben sie mich vor meinem Haus festgenommen und vier Stunden festgehalten, sagte die Dissidentin Miriam Leiva der dpa. Franziskus wurde am Montag bei der zweiten Station in Holguin von zehntausenden Menschen empfangen. Sie jubelten dem Oberhaupt der katholischen Kirche entlang der Straßen und auf dem Revolutionsplatz der Stadt zu, wo Franziskus eine Messe feierte. Er ist der erste Papst, der die Stadt im Osten des Landes besucht. Nach einem Aufenthalt in Santiago am Dienstag fliegt der 78-Jährige in die USA weiter, wo er bis Sonntag bleibt. In seiner Predigt rief Franziskus dazu auf, Mitmenschen mit Respekt zu begegnen und ihnen zu dienen. Sie seien nicht diejenigen, von denen man lebt, die man gebraucht und missbraucht, sagte er in Holguin. Man dürfe sich nicht von Äußerlichkeiten blenden lassen und müsse hinter die Fassade schauen. Jesu Liebe heile unsere Kurzsichtigkeiten und regt uns an, unseren Blick zu weiten und nicht bei der äußeren Erscheinung oder dem politisch Korrekten stehen zu bleiben, sagte der Papst. Die katholische Kirche Kubas lobte der Papst angesichts des Mangels an Kirchen und Priestern in dem kommunistischen Karibikstaat für ihre Anstrengungen und Opfer. In Havanna hatte er zuvor auch den Revolutionsführer und Ex-Machthaber Fidel Castro getroffen. Castro empfing den Argentinier in einem blau-weißen Trainingsanzug. Das sehr vertraute und formlose Gespräch in der Residenz Castros habe 30 bis 40 Minuten gedauert, sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi. Der Papst hatte schon bei der Ankunft in Havanna seine spezielle Achtung und Ehrerbietung für den Anführer der Revolution geäußert. Castro war 2006 als kubanischer Staatschef zurückgetreten und hatte das Amt an seinen Bruder Raul übergeben. Der Papst hat auch bei der Annäherung der einstigen Erzfeinde USA und Kuba vermittelt. In Kuba sucht er besonders den Kontakt zur Jugend, um deren Glauben zu stärken. 60 Prozent der elf Millionen Kubaner sind katholisch getauft – sie konnten ihren Glauben aber nach der Revolution von 1959 lange Zeit nicht frei ausüben. Outing kurz vor Start der Bischofssynode zu Ehe und Familie. Rom – Ausgerechnet vor der am Sonntag beginnenden Bischofssynode zur Ehe und Familie bekennt sich ein prominenter Vatikan-Theologe der römischen Kurie zur seiner Homosexualität. Der 43-jährige polnische Priester Krysztof Charamsa erklärte im Interview mit der Mailänder Tageszeitung Corriere della Sera, er sei homosexuell, habe einen Partner und sei bereit, die Folgen dafür zu zahlen. Ich will, dass die Kirche und meine Gemeinschaft wissen, wer ich bin: Ich bin ein homosexueller Priester, der glücklich und stolz über seine Identität ist. Ich bin bereit, die Folgen dafür zu tragen. Doch die Zeit ist gekommen, dass die Kirche ihre Augen vor gläubigen Schwulen öffnet und begreift, dass die Lösung, die sie vorschlägt – die totale Abstinenz vom Liebesleben – unmenschlich ist, so Charasma, Sekretär der theologischen internationalen Vatikan-Kommission. Der seit 17 Jahren in Rom lebende Charasma ist der erste Geistliche mit einer aktiven Rolle im Vatikan, der sich outet. Allein hätte ich mich im Albtraum meiner verleugneten Homosexualität verloren, doch Gott lässt uns nie allein. Ich glaube, dass er mich dazu geführt hat, jetzt diesen starken existenziellen Beschluss zu fassen, sagte Charamsa. Sich zu outen, sei seine Pflicht gegenüber seiner Gemeinschaft, der Kirche und sexueller Minderheiten. Er werde Papst Franziskus persönlich in einem Brief über seine Identität berichten. Er werde dasselbe mit den Leitern der katholischen Universitäten in Rom tun, in denen er Theologie doziere. Zu meinem großen Leid ist es wahrscheinlich, dass ich nicht mehr in einer katholischen Einrichtung unterrichten werden kann, sagte er. Den Teilnehmern der Synode wolle er sagen, dass jeder Mensch Recht auf Liebe und Familie habe. Diese Liebe muss von der Gesellschaft und von den Gesetzen geschützt werden. Vor allem muss sie von der Kirche gepflegt werden. Christentum ist die Religion der Liebe, so der Geistliche. Charamsa erklärte auch, dass er einen Lebensgefährten habe. Er hat mir geholfen, meine letzten Ängste in Kraft der Liebe umzuwandeln, meinte der Pole. Er sei sich bewusst, dass er auf sein bisheriges Leben verzichten werden müsse. Ich tue das nicht, weil ich mit meinem Partner leben will. Das ist ein viel umfassender Beschluss, der von einer Überlegung über die Einstellung der Kirche entsteht, so der Priester. Franziskus warnt vor Einsamkeit in menschlichen Beziehungen. Vatikanstadt – Papst Franziskus hat am Sonntag mit einer Messe im Petersdom die dreiwöchige Ordentliche Bischofssynode zur Berufung und Sendung der Familie in Kirche und Welt von heute eröffnet. 270 Bischöfe beraten bis zum 25. Oktober im Vatikan über den kirchlichen Umgang mit Familie und gewandelten Familienbildern in der Welt von heute. 314 Kardinäle, Patriarchen, Bischöfe und Priester zelebrierten die Messe zur Eröffnung der Synode. Es ist die zweite Bischofssynode im Pontifikat von Papst Franziskus nach jener im Herbst 2014. Österreich wird bei der Synode von Kardinal Christoph Schönborn, dem Feldkircher Bischof Benno Elbs und dem Wiener serbisch-orthodoxen Bischof Andrej Cilerdzic vertreten. Insgesamt beteiligen sich rund 400 Personen an der Weltbischofssynode: Neben den Synodenmitgliedern befinden sich auch 120 Berater, Experten, Beobachter und Gäste aus der Ökumene darunter. Warnung vor Konsumgesellschaft In seiner Ansprache warnte Papst Franziskus vor der heutigen, konsumistischen Kultur. Man erlebt das Paradoxon einer globalisierten Welt mit vielen Luxuswohnungen, aber immer weniger die Wärme im Haus und in der Familie. Es gibt viel Spaß, aber immer mehr eine tiefe Leere im Herzen. Viel Freiheit, aber wenig Autonomie. Immer mehr Menschen fühlen sich einsam, sagte der Heilige Vater. In der heutigen Welt sei es immer schwieriger, eine stabile Beziehung aufzubauen. Die dauerhaft, treue und stabile, fruchtbare Liebe wird immer mehr verhöhnt und als Sache der Vergangenheit betrachtet, sagte der Heilige Vater. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften Die Arbeitssitzungen der Synode beginnen am Montag mit einer organisatorischen Ansprache von Synodengeneralsekretär Kardinal Lorenzo Baldisseri und einer thematischen Einführung vom Generalberichterstatter Kardinal Peter Erdö. Allerdings beschränkt dieser sich zunächst nur auf die erste der drei Themengruppen des Grundlagenpapiers. Die Einführung in den zweiten und den dritten Teil erfolgt zu Beginn der zweiten und der dritten Woche. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften, Patchworkfamilien, künstliche Empfängnisverhütung und die Frage der wiederverheirateten Geschiedenen stehen ebenfalls zur Diskussion. Weitere Themen sind etwa Abtreibung, die Unterstützung lediger Mütter, Gewalt und sexueller Missbrauch in Familien, Konsequenzen aus den großen Migrationsbewegungen sowie die Weitergabe des Glaubens an die junge Generation in einem religionsfernen Umfeld. Für Aufsehen sorgte im Vorfeld der Synode das Outing des polnischen Priesters und Vatikan-Theologen Krysztof Charamsa, der sich zu seiner Homosexualität bekannt hat. In den dreiwöchigen Gesprächen im Vatikan zeigte sich einmal mehr, dass die Konservativen in der katholischen Kirche sich keinen Meter bewegen wollen. Synode stammt aus dem Griechischen und bedeutet gemeinsamer Weg. Doch die Bischofsversammlung in Rom zeigte eher Trennendes auf. Mit großer Betroffenheit und Trauer haben wir die öffentlichen Äußerungen einzelner Synodenväter zu Personen, Inhalt und Verlauf der Synode wahrgenommen, schreibt die deutschsprachige Arbeitsgruppe in ihrem Schlussbericht. Die gebrauchten Bilder und Vergleiche sind nicht nur undifferenziert und falsch, sondern verletzend. Wir distanzieren uns entschieden. Der Arbeitsgruppe gehört auch der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn an, eine der prominentesten Reformkräfte. Der direkte Ton ist ein Hinweis darauf, wie viel Frust sich bei vergleichsweise liberalen Bischöfen angestaut hat. Sinn und Zweck der Synode wäre es gewesen, starre Moralvorstellungen zu Familie und Sexualität zu hinterfragen und im Hinblick auf die Seelsorge (nicht auf die Lehre) Lösungen zu erarbeiten. Angesichts der schwierigen Lage, in der sich viele Familien heute befinden, könne es die Kirche nicht mit dem Wiederholen der immergleichen Regeln bewenden lassen, hatte Papst Franziskus schon vor einem Jahr betont. Betrachtet man nun die Vorschläge der dreizehn Arbeitsgruppen, kehrt Ernüchterung ein. Vorschläge – wie der des deutschen Kardinals Walter Kasper, wiederverheiratete Geschiedene unter bestimmten Voraussetzungen zu den Sakramenten zuzulassen – finden sich nur noch sehr verwässert. Und von einem anderen Reizthema, nämlich der Öffnung der Kirche gegenüber Homosexuellen, ist nur noch ganz verschämt am Ende des Dokuments die Rede. Der für Samstag erwartete Schlussbericht der Synode zuhanden des Papstes – eine Synthese aller Berichte der dreizehn Arbeitsgruppen – dürfte noch zurückhaltender ausfallen. Letztlich haben sich jene durchgesetzt, die jede Änderung an der bisherigen Praxis als Verrat am Evangelium gebrandmarkt hatten. Franziskus Strategie, seine Reformen im Dialog mit den Bischöfen zu verwirklichen, statt von Rom aus einfach anzuordnen, ist am Widerstand der Konservativen gescheitert. Man hat also drei Wochen miteinander geredet, ohne sich wirklich näherzukommen. Jetzt bliebe wohl nur noch ein Machtwort des Papstes.(Dominik Straub aus Rom, 24.10.2015) Franziskus: Gesellschaft "trunken von Konsum und Vergnügung, von Überfluss und Luxus". Rom/Vatikanstadt – Papst Franziskus hat zu Weihnachten die moderne Konsumgesellschaft kritisiert. Bei der Christmette im Petersdom am Heiligen Abend erinnerte er daran, dass Jesus in einem Stall in großer Armut geboren worden sei. Dieses Kind lehrt uns, was wirklich wesentlich ist in unserem Leben, sagte Franziskus. In einer Gesellschaft, die oft trunken ist von Konsum und Vergnügung, von Überfluss und Luxus, von Augenschein und Eigenliebe, ruft er uns zu einem nüchtern-besonnenen, das heißt einfachen, ausgewogenen und gradlinigen Verhalten auf, das fähig ist, das Wesentliche zu erfassen und zu leben, sagte der Papst. In einer Kultur der Gleichgültigkeit solle der Lebensstil der Christen erfüllt sein von Erbarmen, Einfühlungsvermögen, Mitleid und Barmherzigkeit. Nach christlichem Glauben ist mit der Geburt Jesu Gott Mensch geworden. Das Datum ist nicht bekannt, doch wird der Tag seit der Spätantike am 25. Dezember gefeiert. Dieses Weihnachten fällt in ein außerordentliches Heiliges Jahr, das von Franziskus ausgerufene Jubiläum der Barmherzigkeit. Am 8. Dezember hatte der Papst die Heilige Pforte des Petersdoms geöffnet und darüber hinaus dazu aufgerufen, in allen Kathedralen der Welt heilige Türen zu öffnen. Wegen Terrorgefahr galten beim Zugang zum Petersdom verschärfte Sicherheitsmaßnahmen. Auf dem Petersplatz erstrahlte der 25 Meter hohe Weihnachtsbaum, den die bayerischen Gemeinden Hirschau, Schnaittenbach und Freudenberg gestiftet hatten. Daneben stand eine Krippe mit 24 lebensgroßen Figuren aus der norditalienischen Provinz Trient. Am Mittwoch war bekanntgeworden, dass der Papst 2016 mit dem Karlspreis ausgezeichnet wird. In einer Zeit, in der viele Menschen in Europa Orientierung suchten, sende er eine Botschaft der Hoffnung und der Ermutigung aus, hatte das Karlspreisdirektorium in seiner Begründung mitgeteilt. Einer von fünf Angeklagten im Vatileaks-2-Prozess nun unter Hausarrest. Vatikanstadt – Der einzige Gefängnisinsasse im Vatikan muss Weihnachten nicht hinter Gittern verbringen: Der spanische Geistliche Lucio Angel Vallejo Balda, einer der fünf Angeklagten im Vatileaks-2-Prozess, sei aus der Zelle der vatikanischen Gendarmerie entlassen und in eine Unterkunft im päpstlichen Staat gebracht worden, teilte der Vatikan am Mittwoch laut Kathpress mit. Dort stehe er seit Dienstag unter Hausarrest, so Sprecher Federico Lombardi. Der Sekretär der Präfektur für die wirtschaftlichen Angelegenheiten des Heiligen Stuhls sitzt seit Anfang November in Untersuchungshaft im Vatikan. Er war der einzige Häftling im Vatikan. Die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, vertrauliche Unterlagen an zwei italienische Journalisten weitergegeben zu haben. Seit Anfang Dezember muss sich Vallejo vor einem vatikanischen Gericht verantworten. Im droht eine mehrjährige Haftstrafe. Katholische Kirche begeht Weltfriedenstag – Franziskus: "Hoffnung auf eine bessere Welt nicht fallen lassen". Vatikanstadt – Papst Franziskus hat in seiner Neujahrspredigt dazu ermuntert, 2016 die Gleichgültigkeit zu überwinden, die jede Form von Solidarität verhindere. Er rief daher am Freitag im Petersdom zur Überwindung der falschen Neutralität auf. Der Papst befasste sich in seiner Neujahrespredigt auch mit der Flüchtlingsfrage. Millionen von Menschen seien auf der Flucht vor Krieg, Hunger und Verfolgung. Sie setzen ihr Leben aufs Spiel, damit ihre fundamentalen Rechte respektiert werden, so Franziskus in seiner Predigt. Manchmal fragen wir uns, wie ist es möglich, dass die Arroganz des Stärksten den Schwächeren demütigt?, fragte der Papst. Bis wann wird die menschliche Boshaftigkeit auf der Erde Gewalt und Hass verbreiten und unschuldige Lebensopfer erfordern? Papst Franziskus hat am Freitag zugleich in seiner Botschaft zum Weltfriedenstag zu Neujahr alle Menschen guten Willens aufgerufen, trotz Kriege und terroristischer Aktionen mit ihren tragischen Folgen die Hoffnung auf eine bessere Welt nicht fallen zu lassen. Als Thema für den Weltfriedenstag, den die katholische Kirche am 1. Jänner begeht, wählte Franziskus den Titel Überwinde die Gleichgültigkeit und erringe den Frieden. Der Papst kritisierte in der Botschaft die fortschreitende Globalisierung der Teilnahmslosigkeit gegenüber dem Leid anderer. Diese nehme im privaten, gesellschaftlichen und staatlichen Bereich besorgniserregend zu. Diese Entwicklung bedrohe den Frieden in der Welt. Ihr müsse eine Kultur der Solidarität und der Barmherzigkeit entgegengesetzt werden. Der Weltfriedenstag wurde von Papst Paul VI. 1968 ins Leben gerufen. Seither wenden sich die Oberhäupter der römisch-katholischen Kirche zu Jahresbeginn mit einer Friedensbotschaft an die Repräsentanten der Staaten und an die Menschen guten Willens in aller Welt. Seine Botschaft zum Weltfriedenstag veröffentlichte Franziskus bereits Mitte Dezember. Darin betonte Jorge Mario Bergoglio, die gewaltsamen Konflikte hätten das vergangene Jahr von Anfang an bis zu seinem Ende charakterisiert und sich in zahlreichen Regionen der Welt so vervielfältigt, dass sie die Züge dessen angenommen haben, was man einen Dritten Weltkrieg in Raten nennen könnte. Und dennoch riefen manche Ereignisse dazu auf, die Hoffnung auf die Fähigkeit des Menschen, mit Gottes Gnade das Böse zu überwinden, nicht zu verlieren, sagte der Papst. Wegen Verleumdung – Vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Rom/Vatikanstadt – Ein Gericht in Rom hat am Montag den Vatikan-Prälaten Nunzio Scarano wegen Verleumdung zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Der Prälat wurde zugleich vom Vorwurf der Korruption freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft hatte für Scarano eine vierjährige Haftstrafe gefordert. Scarano wurde wegen der Verleumdung eines ehemaligen Geheimdienstagenten verurteilt, dem er Korruption vorgeworfen hatte. Scarano war früher Rechnungsprüfer der vatikanischen Güterverwaltung APSA. Der Prozess lief seit Juli 2014. Dabei ging es um die vorgetäuschte Schenkungen einer Offshore-Gesellschaft, die laut den Ermittlern von Scarano über Konten des vatikanischen Geldinstituts IOR abgewickelt worden sein sollen. Scarano war im Juni 2013 von italienischen Behörden verhaftet worden, da er an einer versuchten illegalen Überführung von 20 Millionen Euro Bargeld in einem Privatjet aus der Schweiz nach Italien beteiligt gewesen sein soll, lautete der Vorwurf. Er erhob seinerseits schwere Vorwürfe gegen seine Vorgesetzten. Messe in der Basilika der Jungfrau von Guadalupe. Mexiko-Stadt – Papst Franziskus hat in Mexiko Gewalt und Korruption angeprangert und den politisch Verantwortlichen ins Gewissen geredet. Zu Beginn seines fünftägigen Besuchs feierte er am Samstag eine Messe mit mehr als 50.000 Menschen in der Basilika der Jungfrau von Guadalupe in Mexiko-Stadt. Dabei sprach er den Opfern von Gewalt und ihren Angehörigen Trost zu. Das Oberhaupt der katholischen Kirche war am Samstagmorgen nach seinem historischen Treffen mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill I. auf Kuba in Mexiko eingetroffen. Präsident Enrique Pena Nieto empfing ihn am Flughafen von Mexiko-Stadt. Begeisterte Menschen jubelten Franziskus auf seiner kilometerlangen Fahrt im Papamobil durch die Straßen der Hauptstadt zu. In einer Ansprache im Präsidentenpalast mahnte der Papst die anwesenden Politiker, für wahre Gerechtigkeit und wirksame Sicherheit in Mexiko zu sorgen. Nach Privilegien oder Vorteilen für einige wenige auf Kosten des Wohls aller zu streben, sei der Nährboden für Korruption, Drogenhandel, den Ausschluss anderer Kulturen, Gewalt und auch Menschenhandel, Entführung und Tod. Tausende Gläubige, die sich auf dem Zocalo-Platz vor dem Palast versammelt hatten, klatschten dem Papst Beifall. Es war das erste Mal, dass ein mexikanischer Präsident einen Papst im Nationalpalast empfing. Obwohl Mexiko nach Brasilien über die zweitgrößte katholische Gemeinde der Welt verfügt, wurden die diplomatischen Beziehungen zum Vatikan erst 1992 wiederhergestellt. Pena Nieto gehört der aus einer antiklerikalen Tradition stammenden Partei der Institutionalisierten Revolution (PRI) an. Jetzt rollte er dem Papst den roten Teppich aus und lobte den Argentinier wegen seiner Bescheidenheit, Liebenswürdigkeit und menschlichen Wärme. In der Basilika der Jungfrau von Guadalupe predigte der Papst: Gott steht den Müttern, Vätern und Großeltern bei, die erleben müssen, wie ihre Kinder fortziehen, verloren gehen oder ihnen entrissen werden. Nach der Messe begab sich Franziskus zum Beten hinter den Altar mit dem Bild der dunkelhäutigen Jungfrau Maria (La morenita), die nach katholischem Glauben im Jahr 1531 dem indigenen Bauern Juan Diego erschienen sein soll. In dem sehr engen Raum verlor der 79-jährige Papst kurz das Gleichgewicht, als er einem Mädchen für das Überbringen von Blumen danken wollte. Er fiel in einen Sessel hinter ihm und stand sogleich wieder auf, wie im Vatikan-Fernsehsender CTV zu sehen war. Vatikan-Sprecher Federico Lombardi erklärte später, der Papst sei wohlauf. Für Sonntag war eine weitere Messe in der Stadt Ecatepec geplant, die für ihre vielen Frauenmorde berüchtigt ist. In dem Vorort von Mexiko-Stadt übernachteten tausende Menschen in Erwartung der Messe trotz Kälte im Freien. Ecatepec gilt als eine der gefährlichsten Städte des Landes. Die Ermordung und das Verschwinden von Frauen sind dort mittlerweile noch häufiger als in der Stadt Ciudad Juarez an der Grenze zu den USA, die der Papst zum Ende seiner Reise ebenfalls besucht. Im mexikanischen Drogenkrieg wurden seit knapp einem Jahrzehnt bereits mehr als 100.000 Menschen getötet. Franziskus verurteilt Anschläge in Brüssel – "Waffenhändler hinter diesem Kriegsakt". Vatikanstadt – Papst Franziskus hat am Gründonnerstag elf Flüchtlingen die Füße gewaschen, darunter auch mehreren Muslimen. Im Rahmen der Zeremonie in einer Flüchtlingseinrichtung bei Rom kniete Franziskus vor jedem nieder, übergoss die Füße mit Wasser und küsste sie. Ob Muslime, Hindus, Katholiken oder Kopten: Wir sind alle Brüder, wir sind alle Kinder desselben Gottes, sagte Franziskus. Der Papst verurteilte die Terroranschläge in Brüssel, die er als Kriegsakt bezeichnete. Schuld an dem Terror hätten vor allem die Waffenhändler, so das Kirchenoberhaupt. Im Gegensatz zur Gewalt in Brüssel hob Franziskus die Bedeutung der Messe in der Flüchtlingseinrichtung hervor, in der Menschen verschiedener Religionen sich als Brüder respektierten, die in Frieden leben wollten, sagte der Papst. Insgesamt nahmen an dem Ritus, der an die Fußwaschung Jesu bei seinen Jüngern im Abendmahlssaal erinnert, Flüchtlinge aus Nigeria, Eritrea, Mali und Pakistan teil. Dabei handelte es sich um drei Muslime, einen Hindu, drei koptische Frauen aus Eritrea und vier katholische Nigerianer sowie eine italienische Katholikin, die in der Einrichtung arbeitet. Die Kandidaten für die Fußwaschung wurden unter den knapp 900 Bewohnern des Flüchtlingsheims ausgewählt. Vor dem Besuch des Papstes schickte der Vatikan 200 große Ostereier, ein Schachbrett aus Holz und mehrere signierte Fuß- und Baseballbälle als Geschenke in das Flüchtlingsheim. Ein muslimischer Flüchtling aus der Einrichtung hatte nach Angaben des katholischen Fernsehsenders Tv 2000 nach den Attentaten von Belgien in einem Brief an den Papst geschrieben. Ich möchte Papst Franziskus sagen, dass nicht alle Muslime Terroristen sind. Es tut mir leid, was in Frankreich und Belgien passiert ist, so der Senegalese. Alle zwölf Menschen, denen der Papst die Füße wusch, haben einen Leidensweg hinter sich. Der aus Mali stammende 37-jährige Sira, einer der drei an der Zeremonie beteiligten Muslime, musste mehrere Länder durchqueren, bevor er nach Libyen gelangen und dort aus in ein Flüchtlingsschiff nach Italien besteigen konnte. Der Papst wusch auch dem aus Pakistan stammenden Khurram die Füße, der Iran, die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Ungarn und Österreich überquerte, bis er im vergangenen September Italien erreichte. Auch vier Frauen waren für die Zeremonie ausgewählt worden. Zu ihnen zählte die aus Eritrea stammende Luchia Mesfun. Die Frau überquerte trotz ihrer Schwangerschaft das Mittelmeer. Ihre Tochter Merhawit kam vor fünf Monaten in Italien zur Welt. Ich kann meine Freude nicht beschreiben. Der Besuch des Papstes ist für uns ein großartiges Ereignis, sagte die Frau. Ausgewählt für den Ritus wurde auch eine italienische Mitarbeiterin der Flüchtlingseinrichtung, die vor wenigen Tagen ihre Mutter verloren hatte. Franziskus hatte erst im Jänner das Ritual offiziell geändert und per Dekret Frauen und Mädchen zugelassen. Die Messe mit der Fußwaschung, die live im Fernsehen übertragen wurde, erinnert an das Letzte Abendmahl Jesu. Traditionell fand diese Gründonnerstags-Liturgie in der Lateran-Basilika statt, der römischen Bischofskirche des Papstes. Franziskus hatte nach seinem Amtsantritt vor drei Jahren mit der Tradition seiner Vorgänger gebrochen, die Fußwaschung nur bei Priestern zu vollziehen. Seitdem wusch der Argentinier bereits Häftlingen, Kranken, Behinderten und jungen Gefangenen die Füße. Mehrstündige Messe in Erinnerung an Auferstehung Christi – Am Karfreitag Schlafsäcke an Obdachlose verteilt. Vatikanstadt – Papst Franziskus begeht am heutigen Samstag die Feier der Osternacht im Petersdom in Rom. Zur mehrstündigen Zeremonie, die an die Auferstehung Jesu erinnert, werden Tausende Pilger erwartet. Mit der Weihe des Feuers für die Osterkerze wird der Heilige Vater in der Vorhalle des Petersdoms die festliche Liturgie zur Auferstehung Christi beginnen. Den Höhepunkt erreichen die Osterfeierlichkeiten am Sonntag mit einer festlichen Ostermesse auf dem Petersplatz. Anschließend verkündet der Papst die traditionelle Osterbotschaft und spendet den Segen Urbi et Orbi (der Stadt Rom und dem Erdkreis). Im Vatikan liefen am Samstag die Vorbereitungen für die Osterfeiern mit Papst Franziskus: Seit der Früh dekorierten etwa zwei Dutzend Floristen aus den Niederlanden den Petersplatz für die Ostermesse. Insgesamt 42.000 Blumen und Gartenpflanzen sollen die Stufen vor der vatikanischen Basilika am Sonntag in ein frühlingshaftes Farbenmeer verwandeln. Die Blumen sind das traditionelle Geschenk niederländischer Blumenzüchter. Am Freitagabend betete Franziskus mit Zehntausenden den traditionellen Kreuzweg am Kolosseum. Das Holzkreuz trug der Papst nicht selbst. Die Meditationen für die 14 Stationen des Kreuzwegs wurden in diesem Jahr vom italienischen Kardinal Gualtiero Bassetti, Erzbischof von Perugia, verfasst. Zugleich kritisierte Franziskus die Unentschlossenheit und Gefühllosigkeit Europas angesichts der Flüchtlingskrise. Dadurch seien das Mittelmeer und die Ägäis zu immer voller werdenden Friedhöfen geworden. In seinem Gebet verurteilte der Papst dabei auch die Schließung der Grenzen angesichts des Flüchtlingsandrangs. Während des Kreuzwegs hatte Franziskus Schlafsäcke und kleine Geschenke an Obdachlose in Rom verteilen lassen. Der Päpstliche Almosenmeister Konrad Krajewski sei gemeinsam mit Freiwilligen und anderen Obdachlosen durch die Straßen der Stadt gezogen und habe die Pakete an auf der Straße schlafende Menschen ausgegeben, teilte der Vatikan am Samstag mit. Es habe sich dabei um eine Aufmerksamkeit des Papstes in spiritueller Einheit mit dem Kreuzweg am Kolosseum gehandelt, bei dem Franziskus gemeinsam mit Zehntausenden Gläubigen das Leiden Christi nachempfunden hatte. Die Helfer machten bei ihrem Kreuzweg in der Stadt nach Angaben des Vatikans an etwa 100 Stationen Halt und waren bis nach Mitternacht unterwegs. Papst Franziskus ist für sein Engagement für Obdachlose bekannt. Er hat für die Menschen, die auf den Straßen rund um den Vatikan leben, bereits eine Unterkunft, Toiletten und Duschen in der Nähe des Petersplatzes und einen Friseur eingerichtet. Zudem lässt der 79-Jährige immer wieder Schlafsäcke, Geschenke und andere Aufmerksamkeiten an Roms Obdachlose verteilen. In seinem Schreiben zur Familiensynode rüttelt Papst Franziskus nicht an den kirchlichen Vorgaben für wiederverheiratete Geschiedene. Aber er öffnet eine Tür. Die Erwartungen an die Buchvorstellung am Freitag im Vatikan waren groß gewesen: Immerhin hatten Bischöfe aus der ganzen Welt in den vergangenen zwei Jahren ausgiebig über die Familie diskutiert und dabei auch kontroverse Themen wie den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen oder Homosexuellen angeschnitten. Diese beiden ewigen Streitpunkte finden sich auch im nachsynodalen Schreiben Amoris laetitia (Freude der Liebe) wieder, in dem Papst Franziskus seine Eindrücke der Synode zusammenfasst. Doch auf konkrete Vorgaben, auf die endgültige römische Lösung, verzichtet der Papst – zumindest bei den wiederverheirateten Geschiedenen. Wenn man die zahllosen Unterschiede der konkreten Situationen berücksichtigt, kann man verstehen, dass man von der Synode oder von diesem Schreiben keine neue, auf alle Fälle anzuwendende kanonische Regelung erwarten durfte, schreibt Franziskus. Der Papst betont stattdessen die Wichtigkeit der Unterscheidung, die Notwendigkeit, nicht alle Verbindungen über einen Kamm zu scheren. Es gebe viele Gründe, warum eine Ehe scheitern könne. Und da die Verantwortung nicht in allen Fällen dieselbe sei, müssten auch die Konsequenzen oder die Wirkungen einer kirchlichen Norm (wie der Ausschluss von der Kommunion) nicht immer die gleichen sein: Die Priester haben die Aufgabe, die betroffenen Menschen entsprechend der Lehre der Kirche und den Richtlinien des Bischofs auf dem Weg der Unterscheidung zu begleiten. Der Schlüssel zur seelsorgerischen Begleitung der wiederverheirateten Geschiedenen und anderer Gläubiger, die in irregulären Situationen lebten, sei die Integration, betont Franziskus. Es gehe darum, alle einzugliedern. Man müsse jedem Einzelnen helfen, seinen eigenen Weg zu finden, an der kirchlichen Gemeinschaft teilzuhaben. Niemand darf auf ewig verurteilt werden, das ist nicht die Logik des Evangeliums. Abstraktes Familienbild Die Kirche wende sich liebevoll auch jenen zu, die auf unvollendete Weise an ihrem Leben teilnehmen – diese Haltung finde auch im laufenden Jahr der Barmherzigkeit ihren Ausdruck. Außerdem müsse die Kirche demütig erkennen, dass sie mit ihrem bisherigen Festhalten an einem abstrakten Idealbild der Familie, das oft wenig mit der Realität zu tun gehabt habe, die Ehe nicht erstrebenswerter gemacht, sondern das völlige Gegenteil bewirkt habe. Diese Selbstkritik und die Barmherzigkeit gegenüber menschlichem Scheitern dürften aber nicht verwechselt werden mit einer Haltung des Laisser-faire. Die Kirche dürfe nicht darauf verzichten, sich zugunsten der Ehe zu äußern, nur um in Mode zu sein. Angesichts des moralischen und menschlichen Niedergangs würde man der Welt damit Werte vorenthalten, die sie nötig habe. Ehe und Familie behielten ihren hohen Stellenwert: Nur die ausschließliche, unauflösliche Vereinigung zwischen einem Mann und einer Frau erfüllt die vollkommene gesellschaftliche Funktion, weil sie eine beständige Verpflichtung ist und die Fruchtbarkeit ermöglicht. Der Verweis auf die Fruchtbarkeit ist zugleich eine klare Absage an die Homo-Ehe: Die Kirche müsse zwar die Vielfalt familiärer Situationen anerkennen, die einen gewissen Halt geben könnten. Doch die eheähnlichen Gemeinschaften oder die Partnerschaften zwischen Personen gleichen Geschlechts können nicht einfach mit der Ehe gleichgestellt werden, heißt es in Papst Franziskus Amoris laetitia. Denn keine widerrufliche oder der Weitergabe des Lebens verschlossene Vereinigung sichere die Zukunft der Gesellschaft. Im Gegenteil: Diese Partnerschaftsformen beeinträchtigten die Reifung der Personen und die Pflege der gemeinschaftlichen Werte. Das hatten selbst Franziskus konservativer Vorgänger, Johannes Paul II. und Benedikt XVI., nicht deutlicher ausgedrückt. Zeitung: Immobiliengruppe Re schätzt theoretischen Wert italienischer und vatikanischer Immobilien auf mehr als 1.000 Milliarden Euro. Vatikanstadt – Der Papst hat in Italien mit einer Äußerung über das Vermögen der dortigen katholischen Kirche Aufsehen erregt. Am Montag hatte er in seiner Rede zur Eröffnung der italienischen Bischofsvollversammlung gesagt, behaltet nur das, was zur Glaubenserfahrung und zur Nächstenliebe des Gottesvolkes dienen kann, wie Kathpress berichtet. Daraufhin veröffentlichte die italienische Tageszeitung Corriere della Sera am Dienstag einen Bericht über das mutmaßliche Vermögen des Vatikans und der italienischen Kirche. Demnach schätzt die Immobiliengruppe Re, die in kirchlichen Kreisen tätig ist, den theoretischen Wert der Immobilien von Vatikan und italienischer Kirche insgesamt auf mehr als Tausend Milliarden Euro. In Italien gibt es im Unterschied zu Österreich keinen Kirchenbeitrag. Die Bürger können entscheiden, ob sie 0,8 Prozent ihrer Einkommenssteuer der Kirche oder anderen Religionsgemeinschaften zu Gute kommen lassen wollen. Im Jahr 2014 erhielt die katholische Kirche in Italien dadurch gut eine Milliarde Euro. Einbezogen in die Schätzung des Gesamt-Immobilienvolumens wurden auch 9.000 Schulen und 4.000 Pflegezentren in kirchlicher Hand. Aus dem Bericht geht laut Kathpress weiter hervor, dass die Einnahmen nicht immer dem Wert der Immobilie entsprechen – beispielsweise seien einige Wohnungen nur für die Hälfte ihres Marktwertes vermietet. Papst Franziskus hat schon öfter eine arme Kirche für die Armen gefordert. Er verteidigte Besitztümer der Kirche jedoch auch mit dem Argument, dadurch könne das karitative Engagement der Kirche finanziert werden. Wegen unterschiedlicher Ansichten über die Führung. Vatikanstadt – Der frühere Aufsichtsratschef der Deutschen Bank, Clemens Börsig, verlässt die Führung der Vatikan-Bank im Streit. Er habe ebenso wie sein italienischer Vorstandskollege Carlo Salvatori wegen unterschiedlicher Ansichten über die Führung des Instituts seinen Posten geräumt, teilte der Vatikan am Mittwoch mit. Börsig und Salvatori waren zunächst nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Die beiden gehörten zu sechs 2014 ernannten nicht-klerikalen Vorstandsmitgliedern, die für mehr Transparenz in der von Skandalen erschütterten Bank sorgen sollten. Gegen die auch als Institut für religiöse Werke bekannte Bank hatte es schwere Vorwürfe gegeben. Der frühere Vatikan-Bank-Chef Ettore Gotti Tedeschi musste wegen verdächtiger Millionen-Transfers seinen Hut nehmen. Papst Franziskus hatte eine Schließung des Geldhauses erwogen, sich dann jedoch für Reformen entschieden. Krisentruppe soll auf bis zu 40.000 Soldaten anwachsen – NATO-Generalsekretär fordert höhere Verteidigungsausgaben. Brüssel/Moskau – Die NATO will ihre schnelle Eingreiftruppe wegen der Spannungen mit Russland massiv aufstocken. Die Einheit solle von 13.000 auf bis zu 40.000 Soldaten anwachsen, kündigte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg zum Auftakt eines zweitägigen Treffens der Verteidigungsminister des Bündnisses am Mittwoch in Brüssel an. Er mahnte die Verbündeten, auch ihre Wehretats als Reaktion auf die neue Sicherheitslage zu steigern. Wir werden uns nicht in ein Wettrüsten treiben lassen, aber wir müssen unsere Länder schützen, sagte er. Auf aggressive Handlungen Russlands müsse die Allianz aber reagieren. Heuer werden wohl nur fünf der 28 NATO-Mitglieder das beim Gipfel in Wales bekräftigte Ziel erreichen, zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes für die Verteidigung auszugeben. Es ist nicht defensiv, einen Teil eines Landes zu annektieren, sondern ein aggressives Vorgehen, sagte Stoltenberg mit Blick auf den Fall der ukrainischen Halbinsel Krim. Zudem warf er Russland vor, weiterhin Truppen und Ausrüstung zur Destabilisierung der Ostukraine zu schicken. Es gibt überhaupt keinen Zweifel daran, dass Russland für aggressive Handlungen in Europa verantwortlich ist, sagte Stoltenberg. Die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen rechnet trotz der neuen militärischen Drohgebärden nicht mit einem Rückfall in den Kalten Krieg. Damals seien sich zwei Blöcke gegenübergestanden, heute sei die Welt durch die Globalisierung völlig verändert, sagte sie. Wir sind rund um die Welt vernetzt, wir sind ökonomisch miteinander so verflochten, dass es eine Rückkehr zum Kalten Krieg nicht geben kann und nicht geben darf. Trotz aller Konflikte sei allen Beteiligten bewusst, dass es Probleme wie die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) gebe, bei denen alle zusammenstehen müssten. Den Kern der Eingreiftruppe namens NATO Response Force (NRF) bildet die 5.000 bis 7.000 Soldaten starke Speerspitze, die derzeit von Deutschland geführt wird und im Falle einer Krise im Osten zuerst zum Einsatz käme. Außerdem zählen dazu die Truppen, die sich auf die Übernahme der jährlich rotierenden Speerspitze vorbereiten sowie die, die diese Aufgabe gerade hinter sich haben – also zusammen noch einmal 10.000 bis 14.000 Soldaten. Damit stehen der NRF drei Brigaden Landstreitkräfte zur Verfügung. Bei dem Treffen in Brüssel sollen ihnen Einheiten von Marine, Luftwaffe und Spezialkräften sowie weitere Kontingente auf freiwilliger Basis an die Seite gestellt werden. Wir werden den Entscheidungsprozess beschleunigen, aber die politische Kontrolle (über die Truppe) beibehalten, versicherte Stoltenberg. Er sprach damit ein Manko der NRF an: Sie wurde in der Vergangenheit nie eingesetzt, weil es stets am gemeinsamen politischen Willen mangelte. US-Verteidigungsminister Ash Carter hatte zuvor angekündigt, sein Land werde schwere Waffen und andere militärische Ausrüstung in den baltischen Staaten, Bulgarien, Rumänien und Polen stationieren. Dies soll die Partner an der Ostflanke der NATO beruhigen, die Übergriffe nach dem Vorbild des russischen Vorgehens in der Ukraine befürchten. Nach Angaben des US-Militärs geht es unter anderem um rund 250 Kampfpanzer, Schützenpanzer und Panzerhaubitzen. Russland lehnt die Stationierung schwerer US-Waffen so nah an seiner Grenze vehement ab. Die russische Armee will Militärbasen in Polen und Rumänien als mögliche Ziele ins Visier nehmen, sollten sich die beiden NATO-Länder am Raketenabwehrsystem der USA beteiligen. Teile einer Raketenabwehr, die auf Russlands strategische nukleare Kräfte zielten, seien ein Problem und würden automatisch zum Ziel, sagte der Vizechef des Sicherheitsrats, Jewgeni Lukjanow, Mittwoch laut Agentur Interfax. Polen und Rumänien sollten darüber nachdenken, ob sie sich am Schild beteiligen. Falls es ihnen gefällt, wegen eines US-amerikanischen Waffensystems ein Ziel zu sein, ist das ihre Entscheidung, meinte Lukjanow. Einen solchen Konflikt könne aber niemand gewinnen. Die USA argumentieren, das lange geplante Projekt solle vor möglichen Angriffen aus dem Nahen und Mittleren Osten schützen. Russland sieht den geplanten Schild als Gefahr für seine Sicherheit. Erst vor kurzem hatte ein russischer Diplomat einer dänischen Zeitung gesagt, dass die Atommacht ihre Nuklearsprengköpfe auf jeden in Europa richten könne, der Teile der US-Raketenabwehr stationiert. Dies hatte im Westen Empörung ausgelöst. Von der Leyen äußerte sich besorgt zur geplanten Aufstockung des russischen Atomwaffen-Arsenals. Damit befassen sich im Augenblick die NATO-Gremien, sagte sie. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche die Anschaffung 40 zusätzlicher Interkontinentalraketen für das Nuklear-Arsenal angekündigt. (APA/Reuters, 24.6.2015) Soll Anfang Oktober bei Treffen in Brüssel beschlossen werden. Brüssel – Die Nato will Kommandozentralen in weiteren östlichen Bündnisstaaten errichten, nämlich in Ungarn und der Slowakei. Die Pläne sollen am 8. Oktober bei einem Verteidigungsministertreffen in Brüssel beschlossen werden. Das bestätigte am Freitag ein Sprecher des Militärbündnisses der Deutschen Presse-Agentur. Angesichts des angespannten Verhältnisses zu Russland rüstet die Nato seit Monaten stark auf. Bereits Anfang des Jahres wurde die Einrichtung von sechs regionalen Stützpunkten in Estland, Lettland, Litauen sowie Polen, Bulgarien und Rumänien beschlossen. Sie sollen bis Juli voll einsatzfähig sein. Größte Übung der Allianz seit 13 Jahren. Berlin – Es ist das größte Manöver der NATO seit 13 Jahren. 36.000 Soldaten werden in den nächsten sechs Wochen in Spanien, Portugal und Italien aufmarschieren. 130 Flugzeuge, 16 Hubschrauber sowie 60 Schiffe und U-Boote sind im Einsatz. Neben den 28 NATO-Staaten nehmen 14 Partner- und Beobachternationen an der Übung teil. Die deutsche Bundeswehr schickt 3000 Soldaten – mehr als sie derzeit in all ihren 16 Auslandseinsätzen zusammen hat. Die NATO übt in diesem Jahr besonders viel – vor allem im östlichen Bündnisgebiet. Staaten wie Litauen, Estland, Lettland, aber auch das deutlich größere Polen fühlen sich seit Beginn der Ukraine-Krise von ihrem mächtigen Nachbarn Russland bedroht. Die Übungen sollen den NATO-Partnern den Rücken stärken. So wurde im Juni erstmals die neue schnelle Eingreiftruppe der NATO, die so genannte Speerspitze, im westpolnischen Sagan getestet. 2100 Soldaten zeigten dort dem eigens angereisten NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg und vier Verteidigungsministern – darunter Ursula von der Leyen – was sie können. Stoltenberg gab damals die Parole aus: Die NATO wird sich weiter um Dialog und Kooperation bemühen, aber das kann nicht auf der Grundlage von Schwäche geschehen. Das Manöver Trident Juncture (Dreizackiger Verbindunspunkt) übertrifft nun alles, was in den letzten Monaten geübt wurde. An diesem Montag beginnt eine Vorübung, der offizielle Starttermin ist der 3. Oktober. Der große Truppenaufmarsch findet dann zwischen dem 21. Oktober und dem 6. November statt. Mit den Arbeiten an dem Drehbuch begann eine NATO-Einheit im norwegischen Stavanger bereits vor mehr als zwei Jahren. Im Mittelpunkt stehen die beiden virtuellen afrikanischen Staaten Kamon und Lakuta und ihr Konflikt um den kostbaren Rohstoff Wasser und die Kontrolle von Staudämmen. Der UN-Sicherheitsrat bittet die NATO um Hilfe, das Bündnis interveniert mit Land-, Luft- und Seestreitkräften. Der Feind wird per Computer simuliert. Für die NATO geht es erneut um den Test ihrer schnellen Einsatzkräfte und um das Training für neue Einsatzszenarien wie die hybride Kriegsführung, also Angriffe mit verdeckten Mitteln: Wirtschaftlicher Druck, Propaganda, Cyberattacken oder verdeckte Militäroperationen, wie sie Russland in der Ostukraine vorgeworfen werden. Dass Rapid Trident so groß geraten ist, hat auch etwas damit zu tun, dass die NATO-Streitkräfte seit dem Ende des Kampfeinsatzes in Afghanistan vor knapp einem Jahr wieder größere Kapazitäten haben. Zwischen 2001 und 2014 waren bis zu 130.000 Soldaten des Bündnisses am Hindukusch stationiert. Jetzt ist nur noch ein Zehntel der Truppe für Ausbildungszwecke übrig geblieben. Die NATO hat jetzt wieder etwas Luft, sagt Harald Kammerbauer, Sprecher der an der Übung beteiligten deutschen Soldaten. Für die Bundeswehr hat zwar die Zahl der Einsätze in den letzten Jahren nicht abgenommen, die Zahl der eingesetzten Soldaten sank aber deutlich. 2002 hatte die Truppe noch mehr als 10 000 Soldaten im Einsatz, jetzt sind es nur noch rund 2800. Die vor fünf Jahren vom damaligen deutschen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg angeschobene Bundeswehrreform basierte noch auf der Annahme, dass die Bundeswehr sich immer mehr zur Armee im Einsatz entwickeln würde. Die Ukraine-Krise hat die Prioritäten wieder etwas verschoben. Die Bundeswehr übt jetzt wieder mehr innerhalb Europas, als dass sie sich in Einsätzen jenseits des Kontinents engagiert. 'Beim Nato-Außenministertreffen dominieren die Konflikte in Syrien und zwischen der Türkei und Russland die Tagesordnung. Die Nato ist im Grunde träge. Interne Reformen im Militärbündnis aus 28 Staaten, das waffentechnisch und finanziell von den USA dominiert wird, aber auch die Aufnahme weiterer Mitglieder haben lange Vorläufe. So war es nicht ganz verwunderlich, dass die vorgesehene Tagesordnung der Allianz beim zweitägigen Herbsttreffen im Hauptquartier in Brüssel, das am Dienstag auf Ebene der Außenminister begann, etwas überholt anmutete und dann ganz von aktuellen Bedrohungen und Ereignissen rund um Syrien dominiert war. Auf dem Papier hätten eigentlich die Aufträge der Staats- und Regierungschefs vom letzten Gipfel in Wales 2014 ins Ziel gebracht werden sollen. Seit Wochen arbeiten sich die Stäbe von Generalsekretär Jens Stoltenberg an der Liste ab: Konsequenzen aus dem geplanten Abzug der Truppen in Afghanistan, der nun wegen der angespannten Sicherheitslage verschoben wird – 12.000 Soldaten bleiben Beschluss bei Außenministertreffen am Mittwoch erwartet. Brüssel – Die NATO treibt ihre Erweiterung auf dem Westbalkan voran und will den Kleinstaat Montenegro in die Militärallianz aufnehmen. Der Nordatlantikrat habe auf Botschafterebene einer entsprechenden Einladung an das Balkanland zugestimmt, teilten Diplomaten am Montag in Brüssel mit. Offiziell müsse diese noch von den ab Dienstag tagenden NATO-Außenministern gebilligt werden. Dies werde am Mittwoch am zweiten Tag des Treffens erfolgen. Montenegro werde dann spätestens in eineinhalb Jahren Mitglied sein. Bis dahin würden mit dem Land noch die Vorbereitungen für den Beitritt getroffen, hieß es. Im Anschluss müssten die Parlamente der bisherigen 28 Mitgliedstaaten den Beitritt ratifizieren. NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg sagte, eine Einladung zum Beitritt durch die Außenminister wäre eine historische Entscheidung, die das Engagement der NATO gegenüber dem Westbalkan verdeutliche und die Politik der offenen Tür des Bündnisses unterstreiche. Nach seiner Abspaltung von Serbien und der Unabhängigkeit 2006 hatte Montenegro eine Annäherung an die NATO eingeleitet. Jüngst hatten die USA als wichtigste Militärmacht im Bündnis den Beitrittswunsch des Landes mit nur 630.000 Einwohnern unterstützt. Zuletzt war die NATO im Jahr 2009 um Kroatien und Albanien erweitert worden. Auch die NATO-Partnerländer Bosnien-Herzegowina, Georgien und Mazedonien streben eine Mitgliedschaft an. Kurden rücken auf umkämpfte syrische Stadt Tal Abjad vor. Akcakale – Türkische Sicherheitskräfte haben am Wochenende zeitweise gewaltsam tausende Syrer an einem Grenzübergang im Südwesten des Landes zurückgedrängt. Mit Wasserwerfern und Warnschüssen trieben sie die Menge am Samstag und Sonntag in Akcakale auseinander, wie ein Fotograf der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Später am Sonntag durften dann die ersten Menschen, die auf der Flucht vor heftigen Kämpfen um die Stadt Tal Abjad auf der syrischen Seite der Grenze waren, passieren. Die Menschenmenge wurde an der Grenze hinter einem Zaun mit Stacheldraht zurückgehalten. Viele der Flüchtlinge reckten angesichts der heißen Witterung leere Flaschen in die Höhe und baten um Wasser. Die türkischen Sicherheitskräfte ließen allerdings lange Zeit niemanden passieren. Sie setzten immer wieder Wasserwerfer und auch Warnschüsse ein, um die Flüchtlinge nicht zu nah an den Zaun kommen zu lassen. Am Sonntag dann durften erste Flüchtlinge die Grenze überqueren. Dutzende Wartende reisten ein, noch immer harrten aber tausende an dem Grenzübergang aus. Die Türkei hatte am Donnerstag Maßnahmen angekündigt, um den Zustrom syrischer Flüchtlingen zu begrenzen. Seit dem Beginn des Bürgerkriegs in Syrien vor mehr als vier Jahren nahm die Türkei bereits etwa 1,8 Millionen Flüchtlinge auf. Kurdische Einheiten liefern sich derzeit erbitterte Gefechte mit der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) um Tal Abjad. Nach Behördenangaben flohen in den vergangenen Tagen mehr als 13.000 Syrer vor den Kämpfen in die Türkei. Ein Kommandant der Kurden sagte am Sonntag, die Einheiten seien bis auf 50 Meter an die Stadt herangerückt und lieferten sich heftige Gefechte mit den IS-Kämpfern. In die Stadt hinein schafften es die Kurden demnach aber noch nicht. Tal Abjad dient dem IS als Einfallstor für Kämpfer, die aus der Türkei in die syrische Provinz Raqqa kommen. Am Sonntag wehte über der Stadt weiter die schwarze IS-Flagge. Um Tal Abjad war Gefechtslärm zu hören, östlich der Stadt ereignete sich eine heftige Explosion. Der Sondergesandte der Vereinten Nationen für Syrien, Staffan de Mistura, ließ am Sonntag erklären, er habe eine Einladung von Syriens Staatschef Bashar al-Assad zu Gesprächen angenommen. Er werde bald nach Damaskus reisen, um unter anderem über die humanitäre Lage zu beraten, hieß es. Koordinator Clapper: Jihadisten "ziemlich geschickt" beim Fälschen von Pässen. Washington – Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) schleust nach Angaben von US-Geheimdienstkoordinator James Clapper als Flüchtlinge getarnte Kämpfer nach Europa ein. Clapper sagte am Dienstag bei einer Anhörung im US-Senat, dass die IS-Miliz den Flüchtlingsstrom ausnutzt. Außerdem seien die Jihadisten ziemlich geschickt bei der Herstellung falscher Pässe, mit denen sie ihre Kämpfer ausstatten würden. Die größte Gefahr in den Vereinigten Staaten ist laut Clapper, dass sich Menschen durch die IS-Propaganda im Internet radikalisieren und Anschläge verüben. Als Beispiel nannte er die Attacke Anfang Dezember im kalifornischen San Bernardino, als ein pakistanischstämmiger US-Bürger zusammen mit seiner pakistanischen Ehefrau die Weihnachtsfeier seines Arbeitgebers gestürmt und 14 Menschen getötet hatte. Die USA fliegen an der Spitze einer internationalen Koalition Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien und im Irak. Die Jihadisten kontrollieren weite Teile beider Länder und haben für das Gebiet ein Kalifat, einen islamischen Gottesstaat, ausgerufen. Für den Kampf am Boden setzt Washington auf verbündete syrische Rebellen, kurdische Verbände und die irakische Armee, die mit Waffenlieferungen und Militärausbildern unterstützt werden. Auch US-Spezialkräfte sind im Einsatz, einen groß angelegten Einsatz von Bodentruppen lehnt US-Präsident Barack Obama aber ab. Der IS sei die vordringliche Terrorbedrohung, sagte Clapper. Neben dem in Syrien und im Irak ausgerufenen Kalifat schlage die Organisation auch in anderen Ländern Wurzeln, insbesondere in Libyen. Der US-Geheimdienstkoordinator zeigte sich besorgt über die wachsende Fähigkeit, Anschläge gegen eine große Reihe von Zielen rund um die Welt auszuführen und zu inspirieren. 60 Jahre bilaterale Beziehungen Anlass des Besuchs. Jerusalem/Wien – Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Montag den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu in Jerusalem getroffen. Bei dem Gespräch sollten die bilateralen Beziehungen, der Kampf gegen Antisemitismus, der Nahost-Friedensprozess sowie Syrien und der Iran zur Sprache kommen. Gegenüber österreichischen Journalisten wollte sich Netanyahu nicht äußern. Mir ist nicht erlaubt, auf Fragen zu antworten. Der Premierminister erlaube das dem Außenminister nicht, scherzte Netanyahu, der sowohl das Amt des Regierungschefs als auch das des Außenamtschefs ausübt. Anlass für den Besuch von Kurz ist das 60-jährige Bestehen der diplomatischen Beziehungen zwischen Österreich und Israel. Diese waren von Höhen und Tiefen gekennzeichnet. Als Kurt Waldheim 1986 Präsident wurde und als die FPÖ 2000 in die Regierung kam, legte Israel die Beziehungen auf Eis. Kurz meinte zu mitreisenden Journalisten, dass Österreich aufgrund seiner historischen Verantwortung den besonderen Auftrag habe, sich um ein gutes Verhältnis zu Israel und dem Judentum zu bemühen. Österreich habe die Verantwortung, einen intensiven Austausch zu Israel zu pflegen, sagte der Außenminister. Österreich habe außerdem die Verantwortung, gegen jede Form des Antisemitismus anzukämpfen. Hier gebe es viel zu tun: Die Sicherheitssituation von Juden in Europa habe sich verschlechtert. Viele wandern nach Israel aus, vor allem aus Frankreich. Ein Europa ohne Juden ist nicht mehr Europa, betonte Kurz. Kurz und Netanyahu unterzeichneten am Montag das Working Holiday-Abkommen. Dabei handelt es sich um eine bilaterale Vereinbarung über Ferien-Arbeitsaufenthalte von jungen Menschen. Zwischen 18- und 30-Jährige können so während eines Urlaubs bis zu sechs Monate im jeweils anderen Land unbürokratisch einer Beschäftigung nachgehen. Nach seinem Gespräch mit Netanyahu besucht Kurz das Herzl-Museum. Dort legt er auf dem Grab von Theodor Herzl, dem Vordenker eines Judenstaats, einen Kranz nieder. Danach sind ein Besuch der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem sowie ein Treffen mit österreichischen Holocaust-Überlebenden geplant. Am Abend findet ein Empfang im Israel Museum anlässlich 60 Jahre Österreich-Israel Diplomatische Beziehungen statt. Dort hat sich von israelischer Seite Justizministerin Ayelet Shaked angesagt. Aufgebrachte Menge griff Rettungswagen mit zwei Syrern an, einer der beiden Verletzten starb. Jerusalem – Lang aufgestaute Wut und Frustration über die Syrien-Politik der israelischen Regierung unter den Drusen des Landes ist am Montagabend weiter eskaliert. Einwohner eines Drusendorfes auf den von Israel kontrollierten Golan-Höhen griffen ein Ambulanzfahrzeug der israelischen Streitkräfte (IDF) an, das offenbar zwei verletzte syrische Rebellen abtransportieren wollte. Eine Person starb dabei laut israelischen Polizeiangaben. Der zweite verwundete Syrer wird derzeit in einem israelischen Krankenhaus versorgt, seine Verletzungen sind lebensbedrohlich. Zwei Soldaten sind bei dem Angriff laut Haaretz ebenfalls verletzt worden. Laut Behörden warfen die Dorfbewohner Steine und andere Geschoße auf das Fahrzeug, wodurch die beiden bereits Verwundeten noch schwerer verletzt wurden. Laut Haaretz wurden die Syrer auch geschlagen. Es ist der bereits zweite Angriff durch Drusen auf eine israelische Militärambulanz innerhalb von 24 Stunden. Premierminister Benjamin Netanjahu rief die Drusenanführer in seinem Land dazu auf, die Situation zu beruhigen. Sheikh Muwafaq Tarif, geistlicher Führer der israelischen Drusen, verurteilte die Angriffe scharf. Die Drusen sind eine arabische Minderheit, die sowohl in Israel, Syrien als auch im Libanon lebt. Viele der rund 700.000 Drusen Syriens sind derzeit im syrischen Bürgerkrieg von Jihadisten bedroht, die die Mitglieder der geheimnisumwobenen Sekte als Häretiker ansehen. Anfang Juni richteten Mitglieder der radikal-islamischen Jabhat an-Nusra, dem syrischen Ableger der Al-Kaida, ein Massaker an Drusen in der syrischen Stadt Idlib an. Nun rücken Kämpfer der Nusra-Front in die Drusengebiete am Golan vor. Viele Drusen im benachbarten Israel fordern schon seit geraumer Zeit ein Eingreifen der Regierung Netanjahu aufseiten ihrer bedrohten Brüder in Syrien. Eine Forderung, die die Regierung in Jerusalem bisher ablehnte. In Nordisrael leben mehr als 100.000 Drusen, von denen viele als Berufssoldaten in den Streitkräften dienen und wichtige Posten im Militär besetzen. Gleichzeitig leben auf dem von Israel annektierten Teil der Golan-Höhen jedoch Drusen, die nicht die israelische Staatsbürgerschaft besitzen. Die Eskalation kommt nicht überraschend, in den vergangenen Tagen gab es Massendemonstrationen von Drusen in Israel. Einige von ihnen werfen der Regierung vor, mit Islamisten zusammenzuarbeiten. Israels Drusen fordern eine Intervention im syrischen Bürgerkrieg zugunsten ihrer Glaubensbrüder, die von radikalen Islamisten bedroht sind. Es waren wüste Szenen, die sich Montagabend in der Nähe von Majdal Shams im Norden Israels abspielten. Ein aufgebrachter Mob attackierte einen Militärkrankentransport, der zwei Verletzte ins Krankenhaus bringen wollte. Die Angreifer waren Drusen, die in dem Fahrzeug verletzte Islamisten vermuteten. Bei dem Vorfall, bei dem neben Fäusten auch Steine und andere Geschoße flogen, ist einer der beiden syrischen Verletzten gestorben. Der zweite Patient wurde schwer verletzt, auch zwei Soldaten, die die beiden begleiteten, trugen Blessuren davon. Inzwischen wurden insgesamt neun mutmaßliche Verdächtige verhaftet. Die israelische Polizei geht davon aus, dass ein Soldat den Angreifern den Tipp gegeben hatte. Es war nicht der erste derartige Vorfall an diesem Tag, zuvor wurde ebenfalls ein Krankenwagen angegriffen. Das Geschehen spiegelt den aufgestauten Zorn vieler Drusen in Israel über die Untätigkeit ihrer Regierung wider. Mehr als 100.000 Drusen leben in Israel, mehr als doppelt so viele im Libanon und sieben Mal so viele – rund 700.000 – in Syrien. Die Mitglieder der islamischen Sekte werden von radikalen Islamisten wie dem Islamischen Staat (IS) und dem syrischen Al-Kaida-Ableger Jabhat an-Nusra (JN) als Häretiker angesehen. Als Anfang 2015 Jabhat an-Nusra-Mitglieder Drusen, die in Dörfern in der Provinz Idlib lebten, zwangen, zum Islam zu konvertieren, war das nur ein Vorgeschmack auf das, was die Drusen von den radikalen Islamisten noch zu erwarten hatten. Erst Anfang Juni wurden rund 20 Drusen Opfer eines Massakers durch Kämpfer der Jabhat an-Nusra. Trotzdem sind die Fronten nicht immer klar, die Position der Drusen im syrischen Bürgerkrieg erst recht nicht. Walid Jumblatt, schillender Drusenführer im Libanon, unterstützte etwa in einem Interview Anfang des Jahres offen die Jabhat an-Nusra, das Massaker an Drusen bezeichnete er gar als Einzelfall. Für Tobias Lang, Wiener Politikwissenschafter und Autor des Buches Die Drusen im Libanon und Israel, sind die Aussagen Jumblatts ein Versuch, die Drusen neutral zu positionieren. Das ist ihm im Libanon auch ganz gut gelungen, immerhin waren während der Bombenanschläge letztes Jahr Drusen keine primären Ziele und auch in den drusischen Dörfern nahe der Grenze zu Syrien hat es bis jetzt keine Attacken von Jabhat an-Nusra gegeben, so Lang in einer E-Mail zum STANDARD. Der Cluster von drusischen Dörfern in der Provinz Idlib wäre zudem schon länger unter Kontrolle der Jabhat an-Nusra. Jumblatts Mediation hat mit großer Sicherheit dazu beigetragen, dass bis vor kurzer Zeit außer massiven Einschnitten in die Religionsfreiheit keine Verfolgung stattgefunden hat. Auch das Massaker an rund 20 Drusen Anfang Juni durch Kämpfer der Jabhat an-Nusra sei im Nachhinein von dieser verurteilt worden: Ein interessanter Kontrast, wenn man sich zum Beispiel die Verfolgung der Jesiden durch den IS vor Augen führt. Ich bin überzeugt, dass es ohne Jumblatt in Idlib schon viel früher zu ähnlichen Massakern wie Anfang des Monats gekommen wäre. Doch auch dem Assad-Regime stehen viele Drusen – in Syrien traditionell eher nationalistisch eingestellt – immer kritischer gegenüber. Zwar kämpfen tausende Drusen an der Seite des syrischen Regimes, doch verweigern mehr und mehr von ihnen den Militärdienst. Derzeit gibt es besonders in Suweida eine wachsende Kluft zwischen dem Regime und den Drusen, was auch den vielen Zwangsrekrutierungen geschuldet ist. Mit Scheich Balous hat sich eine neue Führungsfigur herauskristallisiert, die sehr regimekritisch ist und eigene Milizen aufgestellt hat, meint Lang. Gleichzeitig würden aber viele Drusen auch einen Rückzug des Regimes aus der Region fürchten, wodurch sie mit Jabhat an-Nusra und dem Islamischen Staat alleingelassen wären. Ursprünglich, so Lang, gab es zu Beginn des Bürgerkrieges durchaus auch vereinzelt drusische Rebellengruppen: Aber mit der wachsenden Islamisierung des Aufstandes wurden sie entweder herausgedrängt, haben von selber aufgehört oder sind ganz einfach durch die syrische Armee oder Pro-Assad-Milizen zerschlagen worden. Eine ähnliche Entwicklung habe es auch bei politischen Aktivisten der Drusen gegeben. Ihr Versuch, möglichst neutral zu bleiben, hat die Drusen in eine Situation manövriert, in der sie zwischen allen Stühlen sitzen. Viele Drusen im benachbarten Israel hoffen daher auf eine Intervention ihrer Regierung zugunsten der Glaubensbrüder in Syrien. Mehrere Entwicklungen, die nicht alle zusammenhängen, hätten dazu geführt, meint Lang: das Massaker in Idlib, die steigende IS-Aktivität in Suweida, wo die meisten Drusen leben, großer Druck durch verschiedene Rebellengruppen auf die Region und die prekäre Lage des von Rebellen eingeschlossenen Dorfes Hadhar, das in Sichtweite Israels liegt. Weiter angeheizt wird die Situation dadurch, dass einige Drusen in Israel ihre Regierung verdächtigen, mit Jabhat an-Nusra zu kooperieren. Dafür, so Lang, habe er noch keine Beweise gesehen. Dass Israel mit Rebellengruppen entlang der Waffenstillstandszone kooperiert, halte ich aber für erwiesen. Israel versorge syrische Rebellen medizinisch in einem Feldspital aber auch in normalen Krankenhäusern. Hinzu kommt die innenpolitische Frustration, die sich lange aufgestaut hat. Lang: Die wirtschaftliche Lage ist nicht zufriedenstellend und die Unzufriedenheit mit der Regierung groß, besonders wegen immer wiederkehrenden Vorwürfen der Enteignung von Land für öffentliche Zwecke. Man fühlt sich trotz der Wehrpflicht der jüdischen Mehrheit gegenüber diskriminiert – meiner Meinung nach zu Recht. Fazit des Drusenexperten: Israels Drusen sind eine tickende Zeitbombe. Doch wollen Syriens Drusen überhaupt eine Intervention Israels? Laut Lang sei es schwierig, diesbezüglich eine allgemeine Aussage zu treffen: Die meisten syrischen Drusen sehen in Israel vermutlich primär eine Besatzungsmacht, die ihnen fast eine ganze Provinz weggenommen hat. Allerdings ist die Lage vielerorts derart prekär, dass unterdessen wohl jede Hilfe angenommen wird. Palästinenser warfen Steine und Böller. Jerusalem – Bei Zusammenstößen mit Palästinensern sind israelische Polizisten am Sonntag auf dem Jerusalemer Tempelberg in die Al-Aksa-Moschee eingedrungen. Die Beamten seien gegen Palästinenser vorgegangen, die sich in der Moschee verbarrikadiert und dort vermutlich Feuerwerkskörper und Benzinbomben für mögliche Ausschreitungen gelagert hätten, teilte die Polizei mit. Mehrere Polizisten seien bei dem Einsatz verletzt worden. Maskierte Randalierer seien in die Moschee geflüchtet und hätten die Einsatzkräfte von dort mit Steinen und Böllern beworfen, hieß es in der Polizeimitteilung weiter. Um eine Verschärfung der Lage zu verhindern seien die Beamten einige Meter weit in die Moschee eingedrungen und hätten die Türen geschlossen. Es kommt äußerst selten vor, dass israelische Sicherheitskräfte in das Innere der Al-Aksa-Moschee vordringen. Die Al-Aksa-Moschee auf dem Tempelberg in Ost-Jerusalem, den die Araber Al-Haram Al-Sharif (Edles Heiligtum) nennen, ist das drittwichtigste islamische Heiligtum nach Mekka und Medina. Menschenrechtsorganisationen lehnen Praxis ab. Tel Aviv – Israels Parlament hat einem Gesetz zugestimmt, das die Zwangsernährung von Gefangenen während eines Hungerstreiks erlaubt. Demnach dürfen nun Menschen, die wegen mutmaßlicher terroristischer Vergehen inhaftiert sind, zwangsernährt werden, wenn ihr Leben oder ihre Gesundheit gefährdet seien, berichtete die Nachrichtenseite Ynet am Donnerstag. Palästinensische Gefangene treten in Israel immer wieder in den Hungerstreik. Einige Menschenrechtsorganisationen lehnen die Praxis der Zwangsernährung ab. Hungerstreik ist oft das einzige Mittel, das Gefangene haben, um gegen ungesetzliche Inhaftierung und unmenschliche Bedingungen zu protestieren, heißt es in einer Erklärung der Organisation Ärzte für Menschenrechte. Zwangsernährung sei eine Form unmenschlicher erniedrigender Behandlung. Präsident Rivlin interveniert bei der Regierung. Jerusalem – Der Entschädigungsfonds für Opfer von Terroranschlägen in Israel hat den Antrag einer katholischen Pilgerstätte zurückgewiesen, den bei einem Brandanschlag jüdischer Extremisten entstandenen Millionenschaden zu erstatten. Wir können die Summe nicht erstatten, weil wir gesetzlich gehalten sind, nur Terroropfer im Rahmen des israelisch-palästinensischen Konflikts oder von Kriegsfolgen zu entschädigen. Dies erklärte die Sprecherin des Fonds, Idit Lev-Serahia, am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur AFP. Bei dem Anschlag auf die Brotvermehrungskirche gehe es aber um religiös motivierte Täter, sagte sie. Die mit berühmten Bodenmosaiken ausgestattete Kirche im deutschen Benediktinerpriorat Tabgha am See Genezareth gilt gläubigen Christen als der Ort, an dem Jesus Christus bei der Speisung der Fünftausend fünf Brotlaibe und zwei Fische unendlich vermehrte. Bei dem Anschlag war Mitte Juni das Atrium der Kirche ausgebrannt, zwei Menschen erlitten Rauchvergiftungen. Weil auch die Infrastruktur der Pilgerstätte stark geschädigt wurde, erwartet die Kirche Kosten von mehr als einer Million Euro, um die Schäden zu beseitigen. Der Inlandsgeheimdienst Schin Bet ermittelte eine Gruppe von israelischen Rechtsextremisten als Täter, die seit zwei Jahren vermehrt Anschläge auf christliche Bauten und auf palästinensische Privathäuser in Israel und im besetzten Westjordanland verübte. Zwei nationalreligiöse Juden Anfang 20 wurden inzwischen wegen des Anschlags in Tabgha unter Anklage gestellt. Die Täter hatten an der Pilgerstätte hebräische Parolen gegen Heiden und Götzendiener hinterlassen. Wir hoffen jedoch, dass eine finanzielle Regelung auf anderem Wege gefunden werden kann, sei es über das Tourismusministerium oder das Amt des Ministerpräsidenten, sagte die Fonds-Sprecherin. Als der Ablehnungsbescheid diese Woche den Benediktinern schriftlich mitgeteilt wurde, wendeten sich diese an Israels Staatschef Reuven Rivlin, wie dessen Sprecher bestätigte. Rivlin hatte Tabgha vor zwei Wochen besichtigt, unmittelbar bevor er eine Reise zum Vatikan antrat. Dabei hatte er den Mönchen seine Unterstützung im Bemühen um Entschädigung zugesagt. Der Bürochef des Präsidenten hat inzwischen mit dem Sekretär des Regierungskabinetts gesprochen, sagte der Präsidentensprecher am Donnerstag. Dieser habe versichert, dass eine Lösung gefunden werde. Zwischenfälle rund um jüdisches Neujahrsfest. Den dritten Tag in Folge kam es Dienstagfrüh zu Krawallen auf dem Tempelberg in Jerusalem, wo Dutzende vermummte Palästinenser israelische Polizisten mit Steinen und Feuerwerkskörpern bewarfen. Die Polizei setzte Schreckgranaten ein. Widersprüchliche Angaben gab es darüber, ob Polizisten auch ins Innere der Al-Aksa-Moschee vorgedrungen sind oder bloß Möbelstücke, Abfallkübel und Bretter beiseite räumten, mit denen Palästinenser den Eingang verbarrikadiert hatten. 26 Palästinenser und einige Polizisten wurden als leicht verletzt gemeldet. Gegen Mittag war der Tempelberg auch für nicht-muslimische Besucher wieder geöffnet, während vermutlich junge Palästinenser noch immer in der Moschee verschanzt waren. Die Erhitzung der Lage hat anscheinend mit dem jüdischen Neujahrsfest zu tun, das Sonntagabend begonnen hat und bis Dienstagabend andauerte. Für diese Zeit war auf dem Plateau, das Juden und Muslimen heilig ist, mit mehr nichtmuslimischen Besuchern als üblich zu rechnen. Laut Polizeiangaben hatten Palästinenser in der Al-Aksa-Moschee Wurfgegenstände gehortet. Der Tempelberg wird seit 1967 von Israel kontrolliert, die Verwaltungshoheit wurde aber Jordanien überlassen, das sie wiederum der muslimischen Wakf-Stiftung übertragen hat. Eine seit Langem bestehende Vereinbarung sieht vor, dass Juden und andere Nicht-Muslime zwar durch einen gesonderten Zugang den Tempelberg betreten, dort aber keine Gebete verrichten dürfen. Manche religiöse Juden halten diese Regelung für ungerecht. Muslimische Funktionäre wiederum beobachten genau, ob Juden etwas tun, was als Gebet ausgelegt werden könnte – etwa singen oder mit geschlossenen Augen Worte murmeln. Insbesondere wurden von der Islamischen Bewegung Mourabitat und Mourabitoun eingesetzt, also Wächterinnen und Wächter, die mit aggressiven Rufen und auch tätlich gegen jüdische Besucher vorgegangen sind. Diese Wächterorganisationen wurden erst vorige Woche durch die israelischen Behörden verboten. Der jordanische König Abdullah, aus muslimischer Sicht Schirmherr des Tempelbergs, warnte Israel vor weiteren Provokationen in Jerusalem, die Jordanien zwingen könnten, Maßnahmen zu ergreifen. Gespräche über Umsetzung des Iran-Atomdeals – Treffen am 9. November. Washington – Nach der offenbar endgültig verhinderten Blockade des Iran-Atomabkommens im US-Kongress empfängt Präsident Barack Obama den wohl schärfsten Kritiker des Deals in Washington. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu werde am 9. November im Weißen Haus zu Gast sein, kündigte Obamas Sprecher Josh Earnest am Mittwoch an. Die beiden wollten über die Umsetzung der internationalen Vereinbarung sowie über Teherans destabilisierende Maßnahmen im Nahen Osten sprechen. Bei der Begegnung soll es aber auch um den Konflikt mit den Palästinensern und die diskutierte Zwei-Staaten-Lösung gehen. Das Verhältnis zwischen Obama und Netanjahu ist seit Jahren gespannt. Washington kritisiert den andauernden Siedlungsbau Israels und wirft Netanjahu mangelnden Willen beim Friedensprozess vor. Durch den von Obama beworbenen Deal um das iranische Atomprogramm hat sich die Beziehung der beiden weiter verschlechtert. Im März hatte Netanjahu auf Einladung der Republikaner vor dem US-Kongress eine umstrittene Rede gehalten, die teils als Affront gegen Obama gewertet wurde. Die Rede war mit Obama nicht abgesprochen, ein Treffen hatte dieser mit Hinweis auf die seinerzeit bevorstehende Wahl in Israel abgelehnt. Israel geht zu wenig gegen Fanatiker in den eigenen Reihen vor, beklagt die Religions- und Friedensaktivistin Anat Hoffman. STANDARD: Es ist 20 Jahre her, dass Yitzhak Rabin vom jungen jüdischen Rechtsradikalen Yigal Amir ermordet wurde. Hat sich Israel von dieser Tat je erholt? Hoffman: Nein. Es war das vielleicht erfolgreichste Attentat der Welt. Die Ermordung von Martin Luther King oder John F. Kennedy hat den Lauf der Geschichte nicht verändert, Rabins Tod sehr wohl. STANDARD: Spaltet die Ermordung Rabins am 4. November 1995 immer noch das Land? Hoffman: 50 Prozent der orthodoxen Juden zweifeln an der offiziellen Tatversion und vermuten eine Verschwörung dahinter. Es ist auch falsch, dass man den Attentäter totschweigt. Wir sollten von Amir hören. Er ist stolz darauf, dass er mit rabbinischer Unterstützung gehandelt hat. Diese Art des messianischen Fanatismus wird Israel noch zerstören, und wir wehren uns dagegen nicht genug. Wir bekämpfen die Fanatiker bei unseren Nachbarn, aber nicht die eigenen. Wie kann es sein, dass wir zwar alle finden, die Terroranschläge gegen Israelis verüben, aber nicht die Täter, die Moscheen und arabische Familien im Schlaf anzünden? Diese Gewalt geht nicht von einem Mob aus, sondern von Rabbinern, die das Judentum für die Botschaft missbrauchen, dass Juden mehr wert sind als andere. STANDARD: Erklärt sich daraus der wachsende Konflikt um den Tempelberg in Jerusalem? Hoffman: Es gab lange eine Vereinbarung, dass orthodoxe Juden den Tempelberg nicht betreten. Nicht mehr: Jetzt unterstützt der israelische Staat ein Museum, das zeigt, wie man die Moscheen beseitigt und einen neuen Tempel errichtet. Und die Vize-Außenministerin Zipi Hotovely erklärt öffentlich, sie träume davon, dass die israelische Fahne auf dem Tempelberg weht. Der Innenausschuss der Knesset hat 18 seiner 40 Sitzungen über den Tempelberg abgehalten. STANDARD: Aber Premier Benjamin Netanjahu betont, dass Israel den Status nicht verändern wird. Hoffman: Sie bauen nichts auf dem Tempelberg, aber der verbale Status quo hat sich geändert. Ein Mitglied der rechten orthodoxen Gemeinde, das respektiert werden will, muss heute auf dem Tempelberg beten. STANDARD: Warum sollen Juden das denn nicht tun dürfen? Hoffman: Im Prinzip bin ich für die Freiheit, überall zu beten, aber es hängt vom Ton ab. Diese rechten Politiker verfolgen eine rassistische Rhetorik. Muslime sehen das, und nicht nur Juden, die auf dem Tempelberg beten. Ein Plakat, das die Beseitigung der Moscheen fordert, soll zwar legal sein. Aber der Staat darf es nicht unterstützen. STANDARD: Die ultraorthodoxen Parteien in der Knesset galten einst als potenzielle Partner für den Frieden. Sind sie das immer noch? Hoffman: Ja, die Tempelbergbewegung geht nicht von ihnen aus, sondern von den religiösen Nationalisten wie Naftali Bennett. Die Ultraorthodoxen bedrohen meine Religion, die religiösen Zionisten meine Demokratie. Ich studiere die gleichen Bibeltexte wie sie und lese etwas ganz anderes darin. Was wir hier erleben, ist die wichtigste Debatte unserer Zeit, nicht nur für Israel, sondern für die ganze Welt. STANDARD: Aber sind nicht auch die Messerattacken auf Israelis Zeichen eines religiösen Fanatismus, der auch vom Ausland aus über soziale Medien geschürt wird? Hoffman: Die Attacken werden von den Medien überschätzt. Wir sagen, das ist die Intifada des Bestecks. Natürlich schadet es uns, aber es bedroht nicht Israels Existenz. Und es zeigt, wie die Besatzung junge Menschen zu Verzweiflungstaten treibt. Damit die sozialen Medien das Blut zum Kochen bringen können, muss die Temperatur schon sehr hoch sein. STANDARD: Sehen Sie irgendeine Hoffnung für den Frieden? Hoffman: Ja, und sie heißt Ayman Odeh, der Chef der Vereinigten Liste. Er ist der Politiker, der Frieden schaffen kann, er ist der Messias der Linken. Ist das nicht unglaublich, dass ich 20 Jahre nach Rabins Ermordung meine Hoffnung in einen Araber lege? (Eric Frey, 4.11.2015) Kommunikationschef Ran Baratz beschimpft auch Kerry und Rivlin. Jerusalem/Washington – Der neue Medienberater des israelischen Regierungschefs Benjamin Netanjahu ist kurz nach seiner Ernennung von einer Reihe früherer Äußerungen eingeholt worden, in denen er über Spitzenpolitiker herzog. Wie Medien am Donnerstag berichteten, schmähte Ran Baratz etwa US-Präsident Barack Obama als modernen Antisemiten. Netanjahus Büro hatte am Mittwochabend die Ernennung des 42-Jährigen bekannt gegeben. Seitdem enthüllten die israelischen Medien eine ganze Reihe rüder Entgleisungen von Baratz. Den Berichten zufolge bescheinigte er US-Außenminister John Kerry die mentale Reife eines Zwölfjährigen. Und nach dem umstrittenen Auftritt Netanjahus vor dem US-Kongress im März, der gegen den Willen der US-Regierung stattfand, schrieb Baratz im Online-Netzwerk Facebook: Die Art, wie Obama von Netanjahus Rede spricht, ist typisch für das moderne Gesicht des Antisemitismus in den westlichen und liberal gesinnten Ländern. Die Enthüllungen über seinen frisch ernannten Medienberater kommen zeitlich sehr unpassend für Netanjahu, der am Montag im Weißen Haus sein wird, um das belastete Verhältnis zu kitten. Auch in der sensiblen Frage des Tempelbergs, der einer der Auslöser für die aktuellen Unruhen in Israel und den Palästinensergebieten ist, vertrat der in einer Siedlung im besetzten Westjordanland lebende Baratz rechtsradikale Positionen. Auf dem Onlineportal NRG ist ein Text von ihm zu lesen, in dem er für die Errichtung des Dritten Jüdischen Tempels auf dem Gelände der Al-Aksa-Moschee plädiert. Muslime dürften dann nach seiner Vorstellung dort nur noch beten, wenn sie den Ort als heilige jüdische Stätte anerkennen. Besonders taktlos ging Baratz vergangene Woche mit dem israelischen Staatschef Reuven Rivlin um, der wie Netanjahu Mitglied der konservativen Likud-Partei ist, aber anders als dieser betont bescheiden auftritt. Unter Bezug auf Morddrohungen gegen den Präsidenten aus den Reihen der israelischen Rechtsextremisten schrieb Baratz auf Facebook, Rivlin sei eine dermaßen unbedeutende Person, dass er nichts zu fürchten habe. Die marginale Bedeutung des Staatschefs zeige sich darin, dass er im Flugzeug zweite Klasse reise und jedem Passagier freundlich die Hand schüttele. Den Gipfel der Lästerei erreichte Netanjahus neuer Medienberater mit der Aussage: Wir könnten Rivlin mit einem Hängegleiter von den Golanhöhen in die vom islamischen Staat kontrollierte Zone Syriens schicken. Aber die werden uns anflehen, dass wir ihn wieder zurücknehmen. Diese Äußerungen ließen sich auch am Tag nach seiner Ernennung noch auf Facebook nachlesen. Regierung will ausländischen Einfluss auf israelische Politik unterbinden. Jerusalem – Israel hat Kritik am geplanten Transparenz-Gesetz für Nichtregierungsorganisationen zurückgewiesen. Das israelische Justizministerium will Gruppierungen im Parlament ausweisen, die finanzielle Unterstützung aus dem Ausland erhalten. Mitglieder der Deutsch-Israelischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag hatten Ministerpräsident Benjamin Netanyahu gebeten, das Gesetz zu stoppen, wie die Nachrichtenseite Haaretz berichtete. Ausländischen Einfluss unterbinden Justizministerin Ayelet Shaked von der Siedlerpartei Das Jüdische Haus verteidigte vor ihrem Deutschlandbesuch am Sonntag das Gesetz in einem Brief. Eine solche Regelung sei notwendig. Die Regierung will damit nach eigener Aussage ausländischen Einfluss auf die israelische Politik unterbinden. Ein Sprecher des Vorsitzenden der Parlamentariergruppe, Volker Beck (Grüne), bestätigte am Freitag den Eingang des Briefes. Israels einflussreichste Bürgerrechtsorganisation ACRI kritisierte das geplante Gesetz als harten Schlag gegen die Demokratie, das Recht auf freie Meinungsäußerung und Menschenrechte, wie sie auf ihrer Internetseite schreibt. Besuch Ende Dezember abgesagt – Zuvor starke Proteste in Israel. Donald Trump, Bewerber um die republikanische US-Präsidentschaftskandidatur und derzeit wegen antiislamischer Äußerungen stark in der Kritik, hat seinen für 28. Dezember geplanten Besuch in Israel abgesagt. Auf Twitter kündigte er an, er werde den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu später besuchen, wenn ich Präsident der USA bin. In Israel selbst kamen zuvor vor allem aus der Linksopposition Aufrufe an Netanjahu, das Treffen mit Trump abzusagen, das ein Schlag ins Gesicht der muslimischen Bürger Israels wäre. Trump hatte zuletzt im eigenen Land und in der Welt Empörung ausgelöst, als er die komplette und vollständige Beendigung der Einreise von Muslimen in die USA verlangt hatte. Netanjahu weist DonaldTrumps jüngste Bemerkungen über Muslime zurück, hieß es in einer Erklärung der israelischen Premierskanzlei. Doch das Treffen mit Trump sei schon vor zwei Wochen vereinbart worden, und Netanjahu wolle alle Präsidentschaftsbewerber von jeder Partei treffen, die Israel besuchen – diese Politik bedeutet keine Unterstützung irgendeines Kandidaten oder seiner Ansichten. Besuche von US-Präsidentschaftsbewerbern in Israel sind üblich, doch in der Vergangenheit war dem konservativen Premier immer wieder vorgeworfen worden, er würde in Washington zugunsten der Republikaner Stimmung machen. Die Jerusalem Post berichtete, dass Trump sogar einen Rundgang auf dem Tempelberg vorbereite. Auch bevor er seinen Besuch absagte, galt es als ausgeschlossen, dass die israelischen Behörden das genehmigen würden. Wegen der Spannungen in der Region hat Netanjahu auch einheimischen Politikern derartige Besuche untersagt. Ein Auslöser der seit Monaten anhaltenden Terrorwelle war die Befürchtung von Palästinensern gewesen, die Regelungen für das Plateau, auf dem der Felsendom und die Al-Aksa-Moschee stehen, könnten verändert werden. Eine Petition, die Netanjahu aufforderte, Trump wieder auszuladen, wurde von 37 israelischen Parlamentariern unterschrieben, darunter auch zwei, die der Regierungskoalition angehören. Während alle Führungspersönlichkeiten in den USA und in der Welt die rassistischen und finsteren Aussagen von Herrn Trump verurteilen, will unser Premierminister mit ihm zusammensitzen, sagte die Initiatorin der Petition, die linksgerichtete Abgeordnete Michal Rosin. Oppositionschef Jizchak Herzog von der Arbeiterpartei erklärte hingegen, er würde für sich selbst ein Treffen mit Trump nicht ablehnen. Israels Staatspräsident Reuven Rivlin, der gerade in Washington zu Besuch ist, schien auch auf Trump zu reagieren, als er dort sagte: Wir sind nicht im Krieg mit dem Islam. Fahndung nach israelischem Araber, der in Bar das Feuer eröffnete. Tel Aviv – Ein israelischer Araber hat im Zentrum von Tel Aviv das Feuer eröffnet und auf Menschen in einer Bar geschossen. Bei dem Anschlag am Freitag wurden zwei Menschen getötet und mindestens sechs weitere verletzt, wie die Nachrichtenseite ynet berichtete. Andere Medien sprachen von sieben Verletzten. Die Sicherheitskräfte stuften die Tat als Terrorakt ein. Spezialeinheiten fahndeten am Abend weiter nach dem Täter, wie die Polizei mitteilte. Bei dem Angreifer soll es sich Medienberichten zufolge um einen 29-jährigen Araber mit israelischer Staatsbürgerschaft handeln. Demnach identifizierte ihn sein Vater anhand von Videoaufnahmen. Auf Bildern einer Überwachungskamera war zu sehen, wie der Mann eine automatische Waffe aus seinem Rucksack holt und losfeuert. Zeugen sagten laut Nachrichtenseite Times of Israel, er habe rund zehn Schüsse abgegeben. Auf Aufnahmen von Überwachungskameras eines nahegelegenen Lebensmittelgeschäfts ist ein junger Mann mit einem Rucksack zu sehen, der zunächst so tat, als ob er einkaufen wolle. Dann ging er zum Ausgang des Geschäfts, stellte seinen Rucksack auf einen Rollkoffer, holte eine Waffe heraus, die wie eine Maschinenpistole aussieht, und eröffnete draußen das Feuer. Meldungen, wonach in dem Rucksack des Täters ein Koran gewesen sein soll, wollte eine Polizeisprecherin weder bestätigen noch dementieren. Die Inhaberin eines benachbarten Friseursalons, Osnat David, sagte, sie habe Schüsse, Schreie und weinende Menschen gehört. Meine Kunden und ich haben uns im Lager versteckt und waren still, sagte die Friseurin am Telefon. Wir hatten nicht mal Zeit, den Laden zu schließen. Wir haben uns auf den Boden gelegt, damit der Terrorist uns nicht sieht. Das alles dauerte 20 Minuten. Wir haben gezittert, wir haben uns aneinandergeklammert. Zwei Minuten vor der Tat habe sie noch vor dem Salon eine Zigarette geraucht, fügte David hinzu. Es ist ein Wunder. Wenn ich draußen geblieben wäre, wäre ich jetzt tot. Erst vor wenigen Tagen hatte die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) Drohungen gegen Israel ausgesprochen. Die Polizei betonte jedoch, es werde in alle Richtungen ermittelt. Polizeisprecher Micky Rosenfeld sagte, die Polizei suche im Zentrum von Tel Aviv nach dem Verdächtigen. Die Ermittlungen laufen, um herauszufinden, ob der Vorfall einen kriminellen oder terroristischen Hintergrund hat, fügte er hinzu. (APA, 1.1.2016) Verdächtiger soll vor einer Woche auf Gäste in einer Bar geschossen haben. Tel Aviv – Der mutmaßliche Attentäter von Tel Aviv ist bei einer Schießerei in einer arabischen Stadt im Norden Israels erschossen worden sein. Vor einer Woche hatte ein Mann im Zentrum von Tel Aviv mit einer automatischen Waffe auf Gäste einer Bar geschossen und zwei Menschen getötet. Sieben weitere wurden verletzt. Auf seiner Flucht soll er im Norden Tel Avivs zudem einen arabischen Taxifahrer erschossen haben. Bei dem Mann soll es sich um einen 29-jährigen israelischen Araber aus der Ortschaft Arara im Norden Israels handeln, hieß es am Dienstag. An diesem Tag wurde auch überraschend der Vater des Verdächtigen festgenommen. Er werde der Beihilfe zum Mord beschuldigt, berichteten israelische Medien. Fünf weitere Angehörige seien ebenfalls in Haft genommen worden. Netanjahu: Zusammenarbeit mit Deutschland "sehr fruchtbar". Haifa – Nach der Ankunft eines in Kiel gebauten U-Boots in Haifa hat Israels Ministerpräsident Deutschland für die Stärkung unserer Seemacht gedankt. Benjamin Netanjahu betonte am Dienstag, die Sicherheitszusammenarbeit beider Länder sei sehr fruchtbar. Der Export nach Israel ist umstritten, weil die U-Boote nach Meinung von Experten mit Atomwaffen nachgerüstet werden können. Rund vier Wochen nach seiner Abfahrt in Kiel kam das Boot der Dolphin-Klasse am Dienstag in Haifa an. Die Rahav ist 68 Meter lang und mit zehn Torpedo-Rohren ausgerüstet. Die U-Boote gelten als wichtiger Teil der israelischen Abschreckung gegenüber dem Iran, durch den sich der jüdische Staat weiterhin existenziell bedroht sieht. Netanjahu sagte, das U-Boot solle mit fortschrittlichen Mitteln aus israelischer Produktion ausgestattet werden. Diese Mittel werden uns zur See in der Verteidigung und im Angriff wie eine geballte Faust helfen, sagte Netanjahu. Feinde müssten wissen, dass Israel in der Lage ist, mit sehr großer Macht jene zu schlagen, die uns Schaden zufügen wollen. Israel hat insgesamt sechs U-Boote bei der Kieler Werft ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS) bestellt. Das aktuelle Schiff ist das fünfte. Es hat rund 400 Millionen Euro gekostet. Die Rahav war bereits 2013 in Anwesenheit israelischer Militärs auf der Werft in Kiel getauft worden. Das Boot hatte Kiel am 17. Dezember 2015 verlassen. Gespräche über Nahost in Davos: IS und Iran für Netanjahu "gefährlichste Kräfte". US-Außenminister John Kerry rechnet trotz der jüngsten Boykott-Drohungen der syrischen Opposition mit einem zügigen Beginn der Friedensverhandlungen für das Bürgerkriegsland. Die Gespräche könnten einen oder zwei Tage später anfangen, sagte Kerry am Donnerstag bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in Davos. Es wird aber keine größere Verzögerung geben. Die Verhandlungen sollten am 25. Jänner in Genf beginnen. Bei seinem Auftritt vor dem Forum sagte Netanjahu, er zweifle, ob sich Syrien auf Dauer als ein Staat halten könne. Im besten Fall sei eine leichte Balkanisierung Syriens zu erwarten. Das Atomabkommen mit dem Iran bewertete Netanjahu weiter kritisch. Mit Blick auf den Iran warnte er, Teheran strebe auch nach der Vereinbarung mit den Weltmächten weiter nach dem Bau einer Atombombe. Ich hoffe, dass sich letztlich herausstellen wird, dass ich mich geirrt habe. Ich wäre der glücklichste Mensch – aber ich bezweifle, dass es so kommt. Den Iran und die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hält Netanjahu für die gefährlichsten Kräfte weltweit. Sie sind zwei Seiten der militanten islamischen Münze. Der IS könne aber besiegt werden. Zuerst müsse verhindert werden, dass die Terrormiliz weiter über Einnahmen aus dem Ölgeschäft verfügen könne. Dann kann man die Nervenzentren bombardieren. Dazu muss man nicht ganz Syrien oder den Irak bombardieren. Netanjahu räumte ein, dass es dazu und zu anderen Themen Diskussionen mit den USA gebe. Aber ungeachtet der Spannungen seien die Beziehungen zu den USA weiterhin felsenfest, betonte der Regierungschef. Israel verhandle mit den USA über ein umfassendes Militärhilfepaket. Seinen Angaben zufolge gibt es auch eine wachsende Annäherung arabischer Staaten an Israel, dar unter auch Saudi-Arabien. Kritisch äußerte sich Netanjahu über die Europäer: Die EU-Kommission hatte im Vorjahr trotz heftigen Widerstands aus Israel eine Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen in den besetzten Gebieten beschlossen, damit Verbraucher in der EU entscheiden können, ob sie solche Produkte kaufen wollen. Diejenigen, die einseitig Israel die Schuld im Konflikt mit den Palästinensern geben, seien die UN – und leider auch Europa. An seinem Leiden an Europa ließ auch der britische Premierminister David Cameron die nach Davos angereisten Teilnehmer teilhaben. Er hoffe auf eine Einigung über eine EU-Reform im Februar. Wir haben gute Fortschritte gemacht, sagte Cameron zu den bisherigen Verhandlungen in Brüssel. Aber wir sind sicherlich noch nicht am Ziel. Heikelster Punkt: Zuwanderer aus der EU sollen bestimmte staatliche Leistungen erst nach vier Jahren erhalten. Das sagte er gleich zweimal bei seinem Auftritt in Davos. Der Druck durch die Migration in Großbritannien sei zu groß. Wenn beim nächsten EU-Gipfel ein guter Deal auf dem Tisch liegt, nehme ich ihn, rief Cameron in den Saal. Dann werde er auch zum bevorstehenden EU-Referendum mit all seiner Kraft für einen Verbleib Großbritanniens in der Gemeinschaft kämpfen. Falls es aber keine Einigung gebe, schließe ich nichts aus, fügte Cameron sogleich hinzu. Er schickte noch zwei Drohungen hinterher. Es könne auch erst Ende 2017 abgestimmt werden. Und: Wir sind keine schlechten Europäer. Aber wenn es weiter in Richtung politische Union geht, dann ohne uns. NS-Verbrecher bat israelischen Präsidenten 1962 um Milde: "Richter können sich nicht in meine Lage versetzen". Jerusalem – Israel hat am Mittwoch ein Gnadengesuch des zum Tode verurteilten deutschen NS-Verbrechers Adolf Eichmann an den damaligen israelischen Präsidenten veröffentlicht. Yitzhak Ben Zvi lehnte das Gesuch vom 29. Mai 1962, in dem Eichmann seine Rolle in der NS-Vernichtungsmaschinerie herunterspielte, ab. Er wurde wenige Tage später hingerichtet. Hier einige Auszüge aus dem handschriftlichen Brief, der auch in maschinenschriftlicher Version vorliegt: Den Richtern ist in der Beurteilung meiner Person ein entscheidender Irrtum unterlaufen, da sie sich nicht in die Zeit und in die Lage versetzen können, in der ich mich während der Kriegsjahre befunden habe. (...) Es ist nicht richtig, dass ich so eine hochgestellte Persönlichkeit gewesen wäre, dass ich die Verfolgung der Juden selbstständig hätte betreiben können und betrieben hätte, gegen eine solche Machtfülle spricht deutlich die von den Richtern im Urteil übergangene Tatsache, dass ich niemals einen solchen Dienstrang hatte, der mit so entscheidenden, selbstständigen Befugnissen hätte verbunden sein müssen. So habe ich aber keine einzige Anordnung im eigenen Namen gegeben, sondern stets nur im Auftrag gehandelt. (...) Es ist auch nicht richtig, dass ich mich niemals von menschlichen Gefühlen hätte beeinflussen lassen. Ich habe gerade unter dem Eindruck der erlebten unerhörten Greuel, sofort um meine Versetzung gebeten (...) Ich erkläre nochmals, wie bereits vor Gericht geschehen: Ich verabscheue die an den Juden begangenen Greuel als größtes Verbrechen und halte es für gerecht, dass die Urheber solcher Greuel jetzt und in Zukunft zur Verantwortung gezogen werden. (...) Ich war kein verantwortlicher Führer und fühle mich daher nicht schuldig. Den Spruch des Gerichts kann ich nicht als gerecht anerkennen und bitte Sie, Herr Staatspräsident, von dem Gnadenrecht Gebrauch zu machen und anzuordnen, dass das Todesurteil nicht vollstreckt wird. 'Beamter muss sich vor wegen Amtsmissbrauchs verantworten. Jerusalem – Ein israelischer Polizeioffizier hat Rechtsextremisten einen Hinweis auf jüdische Frauen geliefert, die mit Arabern befreundet sind. Wegen Amtsmissbrauchs und Verletzung der Privatsphäre sei gegen den 23-jährigen Truppführer der Grenzpolizei ein Verfahren vor dem Jerusalemer Bezirksgericht eingeleitet worden, erklärte das israelische Justizministerium am Donnerstag. Die für Polizeivergehen zuständige Abteilung des Ministeriums fand demnach heraus, dass der Polizist vor 13 Monaten bei einer Routinekontrolle ein Fahrzeug anhielt, in dem zwei junge Jüdinnen und zwei arabische Freunde aus Ost-Jerusalem saßen, die aus dem Badeort Eilat zurückkehrten. Der Beschuldigte fotografierte die Insassen und ihre Ausweise mit seinem Mobiltelefon. Danach sendete er laut Anklage die Daten über den Mitteilungsdienst WhatsApp an den früheren rechtsextremistischen Knessetabgeordneten Michael Ben Ari und an Benzi Gopstein, den Gründer der rassistischen Gruppierung Lehava. Er drängte sie, etwas zu unternehmen, damit die Rassenvermischung aufhöre. Die Grenzpolizei habe keine juristische Handhabe dagegen und müsse als Quelle der Informationen geheim bleiben, fügte der Truppführer hinzu. Der Vorgang kam mit Verspätung heraus, als Gopstein wegen gewalttätiger Proteste seiner Gruppe durchsucht wurde und sich die Nachricht auf seinem Mobiltelefon fand. Der bekannte Rechtsextremist Gopstein, der im August ungestraft auch das Abbrennen christlicher Kirchen im biblischen Land Israel rechtfertigte, kommentierte dazu laut Haaretz auf Facebook: Israels Polizei sollte dem Beamten wegen seiner Sorge um unsere jüdischen Schwestern eine Verdiensturkunde aushändigen Anlass ist ein Treffen von Knesset-Mitgliedern mit Familien von Attentätern. Jerusalem – Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will illoyale Abgeordnete künftig aus dem Parlament verbannen lassen. Wie sein Büro am Montag bestätigte, wurde am Vortag bei einem Treffen der Koalitionsspitzen vereinbart, ein Gesetz einzubringen, das den Ausschluss von Parlamentsabgeordneten wegen ungebührlichen Verhaltens ermöglicht. Anlass ist ein umstrittenes Treffen von drei arabischen Knesset-Mitgliedern mit Hinterbliebenen palästinensischer Attentäter. Das neue Gesetz mit Verfassungscharakter soll nach den Vorstellungen Netanjahus einen Parlamentsausschluss von Abgeordneten ermöglichen, wenn es dafür eine Dreiviertelmehrheit gibt – also wenn mindestens 90 der 120 Knessetabgeordneten zustimmen. Das neue Gesetz soll nun im Eilverfahren ins Parlament eingebracht werden. Anfang der vergangenen Woche hatten drei Abgeordnete der nationalistischen arabischen Balad-Partei Familien von Ostjerusalemer Palästinensern besucht, die erschossen wurden als sie Anschläge verübten und deren Leichname beschlagnahmt worden waren. Die drei Politiker wollten durch ihren Besuch nach eigenen Angaben die Forderung der Hinterbliebenen nach Übergabe der Leichen unterstützen. Während das im israelisch besetzten Westjordanland zuständige Verteidigungsministerium die Leichen von Attentätern zur Bestattung freigibt, verweigert der im annektierten Ostjerusalem zuständige Minister für Innere Sicherheit die Herausgabe. Minister Gilad Erdan hält dies für eine wirksame Abschreckungsmaßnahme. Seit Ausbruch einer neuen Gewaltwelle im Oktober wurden 165 Palästinenser, in der Mehrzahl Attentäter, 26 Israelis, ein US-Bürger und ein Eritreer getötet. Netanjahu beauftragte parallel zu seiner Gesetzesinitiative die Generalstaatsanwaltschaft zu prüfen, ob die drei Balad-Abgeordneten strafrechtlich belangt werden können. Generalstaatsanwalt Avichai Mandelblit forderte seinerseits die Polizei auf, umfangreiche Informationen über das Treffen mit den Attentäterfamilien zu sammeln. Danach werde über rechtliche Schritte entschieden, teilte das Justizministerium mit. Eizenkot fordert Wahrung der Verhältnismäßigkeit. Jerusalem – Israels höchster Militär hat vor übermäßiger Gewaltanwendung beim Kampf gegen jugendliche palästinensische Attentäter gewarnt. Sollte sich ein 13-jähriges Mädchen mit einer Schere oder einem Messer Soldaten nähern, wünsche er nicht, dass ein Soldat das Feuer auf das Mädchen eröffne und das Magazin leere, sagte Generalstabschef Gadi Eizenkot laut dem Fernsehsender Channel Two am Mittwoch vor Mittelschülern, die demnächst zur Armee eingezogen werden. Vielmehr müsse der Soldat die Gewalt anwenden, die zur Erfüllung des Ziels erforderlich sei, sagte Eizenkot. Seit dem 1. Oktober wurden bei politisch motivierten Gewaltakten nach einer AFP-Zählung 25 Israelis, ein US-Bürger und ein Eritreer getötet. Im gleichen Zeitraum wurden bei solchen Attacken und bei Protestaktionen 172 Palästinenser getötet, in der Mehrheit erwiesene oder mutmaßliche und zum Teil sehr junge Attentäter. Eizenkot spielte mit seinen Äußerungen möglicherweise auf einen Vorfall an, bei dem im November zwei 14 und 16 Jahre alte Palästinenserinnen einen älteren Mann in Jerusalem mit einer Schere leicht verletzten. Ein Polizist soll daraufhin auf die 16-jährige Schülerin geschossen haben, obwohl sie bereits getroffen war und reglos am Boden lag. Die 14-jährige wurde durch Polizeischüsse schwer verletzt. Die schwedische Außenministerin Margot Wallström hatte die israelische Regierung im Dezember gegen sich aufgebracht, als sie forderte, die außergerichtlichen Hinrichtungen als Antwort auf die Angriffe zu stoppen. Im Jänner sagte sie bei einer Parlamentsdebatte in Stockholm, es sei unerlässlich, dass diese Todesfälle gründlich und glaubwürdig untersucht werden, um Klarheit zu schaffen und eventuelle Verantwortlichkeiten zu ermitteln. Botschafter beschimpften einander. New York – Bei einer Debatte im UN-Sicherheitsrat in New York ist es am Montag zum Eklat zwischen dem Vertreter Israels und seinem palästinensischen Kollegen gekommen. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon forderte den Palästinenser Riyad Mansour auf, Angriffe von Palästinensern auf Israelis zu verurteilen. Schande über euch für die Glorifizierung des Terrorismus, rief Danon. Darauf entgegnete Mansour: Schande über euch für das Töten palästinensischer Kinder. Obwohl vom Sitzungspräsidenten zur Ordnung gerufen, hörten beide nicht auf und beschimpften einander über die offenen Mikrofone weiter. In der Debatte ging es um eine geplante UN-Resolution, mit der die Palästinenser einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten erreichen wollen. Der Entwurf wird von mehreren arabischen Staaten verhandelt und liegt dem UN-Sicherheitsrat noch nicht offiziell vor. Die USA hatten 2011 gegen einen ähnlichen Entwurf ihr Veto eingelegt. Kritiker sprechen von "Annexion durch die Hintertür". Jerusalem – Die israelische Knesset-Partei Jüdisches Heim (HaBajit haJehudi) will den Geltungsbereich israelischer Gesetze künftig automatisch auf die Siedlungen in besetzten Gebieten ausdehnen. Das Vorhaben stieß am Montag auf heftige Kritik von Opposition und palästinensischen Medien. Justizministerin Ayelet Shaked hatte am Sonntagabend angekündigt, binnen Jahresfrist sollten alle von der Knesset verabschiedeten Gesetze auch in der komplett von Israel verwalteten Zone des palästinensischen Gebiets gelten. In diesem sogenannten C-Gebiet, das 60 Prozent der Fläche des besetzten Westjordanlands ausmacht, leben inzwischen rund 400.000 Israelis in Siedlungen, die international als völkerrechtswidrig und als ein Haupthindernis für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts angesehen werden. Ein Gesetzentwurf werde in Kürze abgestimmt mit dem Verteidigungsministerium in die parlamentarische Beratung eingebracht, erklärte die Justizministerin. Shakeds Parteichef, Bildungsminister Naftali Bennett, unterstützte den Vorstoß: Es gehe darum, eine Anomalie zu beenden, sagte er am Montag im staatlichen Radio. Derzeit gelten in den Siedlungen Erlasse der Militärverwaltung, die sich am israelischen Zivilrecht orientieren. Bennett erklärte, es gehe darum, diese Anpassung zu beschleunigen und zu automatisieren. Für die palästinensische Bevölkerung soll weiterhin die Militärjustiz zuständig sein. Der liberale Oppositionsabgeordnete Jaakov Peri, früherer Chef des Inlandsgeheimdienstes, kritisierte, die angestrebte Gesetzesänderung sei eine Annexion unter der Hand. Auch die meistverkaufte Tageszeitung Yediot Ahronot bezeichnete das Vorhaben als Annexion durch die Hintertür. Die Schlagzeilen der palästinensischen Presse waren ebenfalls dem Vorhaben gewidmet. Die Regierungszeitung Al-Hayat al-Yadida nannte ihn eine politische Bombe, die letztlich darauf ziele, das Westjordanland Israel einzuverleiben. 61-Jähriger soll mit Medienkontakten gegen Bewährungsauflagen verstoßen haben. Jerusalem – Die israelische Staatsanwaltschaft hat den früheren Informanten über das israelische Atomprogramm Mordechai Vanunu erneut angeklagt. Wie aus der Klagsschrift hervorgeht, die der Nachrichtenagentur AFP vorlag, werden dem 61-Jährigen insbesondere Pressekontakte zur Last gelegt. Diese verstießen gegen Bewährungsauflagen, die bei seiner Freilassung 2004 nach Verbüßung einer 18-jährigen Haftstrafe gegen Vanunu verhängt worden waren. Der Nukleartechniker hatte 1986 in der englischen Sunday Times Details über ein mutmaßliches israelisches Atomwaffenprogramm veröffentlicht und mit Fotos aus dem Forschungszentrum Dimona belegt. Vanunu wurde daraufhin vom israelischen Geheimdienst aus Rom entführt und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, die er voll verbüßen musste. Bei seiner Haftentlassung wurden ihm ein Verlassen des Landes sowie Kontakte zu Ausländern und Journalisten untersagt. Laut der am Sonntag vor dem Jerusalemer Bezirksgericht verlesenen Anklage soll Vanunu 2013 zwei US-Bürger in Jerusalem getroffen und 2014 seine Wohnung gewechselt haben, ohne die Polizei zu informieren. Zudem habe er 2015 in einem Interview mit dem israelischen Privatsender Kanal Zwei vertrauliche Informationen preisgegeben, ohne zuvor die vorgeschriebene Freigabe der Militärzensur einzuholen. In dem TV-Interview hatte der einstige Atom-Informant beteuert, er verfüge über kein Geheimwissen mehr und wolle lediglich die Ausreise zu seiner mittlerweile in Norwegen lebenden Ehefrau gestattet bekommen. Israel gilt als das einzige Land im Nahen Osten, das über Atomwaffen verfügt, hat dies aber nie offiziell bestätigt. Netanjahu zitierte seinen Verteidigungsminister und Parteifreund Jaalon nach umstrittenen Aussagen von Generalmajor Golan zu sich. Jerusalem – In Israel sorgt eine Rede von Generalmajor Yair Golan zum Holocaust-Gedenktag derzeit für Streit: Der Vize-Generalstabschef hatte vor einer Woche gesagt, es beunruhige ihn, widerliche Trends wahrzunehmen, die in Europa auftraten, und insbesondere in Deutschland vor 70, 80 und 90 Jahren, und nun hier unter uns im Jahr 2016 gleiche Anzeichen zu sehen. Zahlreiche rechtsgerichtete Politiker verurteilten diese Mahnungen. Forderungen zur Entlassung Golans kamen auf. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu nannte den Vergleich schockierend und zitierte am Montag Verteidigungsminister Moshe Jaalon zu sich, nachdem dieser Golan in Schutz genommen und die Offiziere ermutigt hatte, ihre Meinung zu äußern: Sagt weiter, was ihr denkt, auch wenn dies der Hauptströmung entgegensteht oder den Positionen eurer vorgesetzten Befehlshaber und der politischen Führung widerspricht. Jaalon verteidigte zugleich insbesondere die Einsatzregeln der Armee: Wir werden kein schießwütiges Verhalten zulassen, keine rachsüchtige Vendetta oder Zornesausbrüche. Noch während Jaalon redete, widersprach ihm das Büro des Ministerpräsidenten: Die Kommandanten der Streitkräfte dürfen nur in angemessenen Foren und über Themen, die in ihrer Zuständigkeit liegen, frei reden. Andernfalls werde die Armee in den politischen Streit hineingezogen. Über Inhalt und Ausgang der Unterredung, zu welcher der Regierungschef den Minister am Montagvormittag zu sich bestellte, wurde zunächst nichts bekannt. In den israelischen Medien wird gegenwärtig spekuliert, dass Jaalon, der wie Netanjahu der konservativen Likud-Partei angehört, aus der Regierung gedrängt werden könnte, und dass dieser auf die zunehmende Entwicklung der Partei nach rechts mit einer Spaltung des Likud reagieren könnte. Israels Premier kritisiert die französische Nahost-Initiative – Kurz anlässlich 60 Jahre bilaterale Beziehungen in Israel. Wenn Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sagt, er sei frustriert über die EU, dann ist er wohl mehr als nur das. Jüngster Anlass ist – so hörte man am Montag aus der Delegation von Außenminister Sebastian Kurz, der sich am langen Pfingst-Wochenende aus Anlass des 60-Jahre-Jubiläums der Aufnahme bilateraler Beziehungen in Jerusalem aufhielt – die sogenannte französische Initiative: Paris propagiert einen Plan, internationale Partner an einen Tisch zu bringen, um den israelisch-palästinensischen Konflikt zu lösen. Neben Israel und den Palästinensern sollen, so der Plan, auch Russland und die USA daran teilnehmen. Letztere tun das, wenngleich eher zögerlich. Besonders die Ankündigung Frankreichs, Palästina solle auch dann anerkannt werden, sollten die Gespräche scheitern, interpretiert man in Jerusalem als unlauteres Druckmittel. Österreich wird übrigens, so bestätigte Kurz, bei seiner Haltung bleiben: Eine Anerkennung Palästinas gibt es nur mit einem Friedensvertrag. Netanjahu lehnte die französische Initiative am Sonntag erneut ab. Er bleibe aber offen für direkte Gespräche, also solche allein zwischen Jerusalem und Ramallah. Diese Option hat sich aber schon seit vielen Jahren als nicht zielführend erwiesen. Im Gespräch mit Kurz nahm Netanjahu am Montag Österreich von der Verärgerung über Europa zwar aus, doch andere Partner würden Israel als einzigen regionalen Stabilitätsfaktor zu wenig würdigen. Man müsse, so wurde Netanjahu in diplomatischen Kreisen zitiert, das größere Bild sehen, also auch die regionale Bedrohung aus Syrien und dem Irak: Der Islamische Staat werde weiter wachsen, wenn man ihn nicht gemeinsam militärisch bekämpfe. Ganz anders geartet die Reaktionen auf Seiten der Palästinenser, denen Außenminister Kurz bereits am Sonntagabend einen Besuch in Ramallah abgestattet hatte: Sowohl Palästinenserpräsident Mahmud Abbas als auch Außenminister Riyad al-Malki setzen große Erwartungen in den Pariser Plan, wie Kurz später im Gespräch mit österreichischen Journalisten bestätigte. In beiden Gesprächen, sowohl mit Abbas als auch mit al-Malki, habe Kurz eine Haltung der Hoffnung feststellen können. Die Palästinenser setzen auf die französische Initiative, weil sie damit die Hoffnung auf Anerkennung Palästinas durch mehrere Staaten verknüpfen – und zwar auch dann, wenn die Gespräche scheitern sollten. Beide hätten aber auch eingeräumt, dass eine Anerkennung ihres Staates, ohne einen Friedensvertrag zu erlangen, für das tägliche Leben der Menschen kaum einen Unterschied mache. An die Adresse Frankreichs war in israelischen Diplomatie-Kreisen zuletzt der Vorwurf zu hören, dass eine internationale Konferenz nicht nur übermäßig Druck auf Israel ausüben würde, sondern auch durch die Ankündigung einer automatischen Anerkennung ein getarnter Weg für Paris sei, Palästina anzuerkennen, ohne diese groß innenpolitisch durchsetzen zu müssen. Auch wenn Israel mit der EU hadert: Bilateral sind die Beziehungen zwischen Jerusalem und Wien in Ordnung – und sollen es auch bleiben: Netanjahu interessierte sich im Gespräch mit dem österreichischen Außenminister am Montag auch für die Bundespräsidentenwahl am kommenden Sonntag. Kurz berichtete, der israelische Premier habe sich sehr gut informiert gezeigt und erkennen lassen, dass Israel keine Veränderung plane: Der Wahlausgang – wie er auch sein werde – werde das Verhältnis Israels zu Österreich ebenso wenig verändern wie jenes Israels zur FPÖ. Kurz ergänzte: Die österreichische Bundesregierung hat ebenfalls größtes Interesse daran, die Beziehungen so zu belassen, wie sie jetzt sind: Freundschaftlich und intensiv – auch wenn man (Stichwort: Siedlungspolitik) in Einzelfragen unterschiedlicher Ansicht sei. Das 60-Jahr-Jubiläum der bilateralen Beziehungen zwischen Österreich und Israel war bereits in Wien mit ein Anlass für einen großen diplomatischen Empfang gewesen. Offiziell hatte am vergangenen Freitag die israelische Botschaft wegen des 68. Jahrestages der Unabhängigkeit ins Palais Liechtenstein geladen – doch zentralen Raum nahm bei den Festreden auch das bilaterale Jubiläum ein. Schon damals hatte Außenminister Kurz die gemeinsame Geschichte als Auftrag interpretiert zu lernen, wie man Politik und Zukunft gestalten kann. Das wiederholte Kurz auch bei mehreren Anlässen während seiner Israel-Reise: So sagte er im Gespräch mit Netanjahu am Montag, die Geschichte sei auch eine Ermahnung, niemals die an den Opfern des Holocaust begangenen Verbrechen und diese so dunkle Zeit zu vergessen. Kurz und Netanjahu widmeten sich aber auch Zukunftsthemen: So wurde am Montag ein Abkommen mit dem Namen Working Holidays Programme (WHP) unterzeichnet. Das Jugendaustauschprogramm berechtigt junge Menschen zwischen 18 und 30 Jahren, während eines Urlaubsaufenthalts im jeweils anderen Land zur (Mit-)Finanzierung des Aufenthalts einer frei gewählten Beschäftigung nachzugehen. Solche Programme gibt es seit Anfang 2015 schon mit Neuseeland, Südkorea, Taiwan und Hongkong. Nach seinem Gespräch mit Netanjahu legte Kurz auf dem Grab von Theodor Herzl, dem Vordenker eines Judenstaats, einen Kranz nieder, ebenso in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, die er schon vor zwei Jahren, bei seiner ersten Israel-Reise besucht hatte. Ein emotionaler Höhepunkt war danach das Treffen mit österreichischen Holocaust-Überlebenden in Jerusalem, viele von ihnen hoch betagt, manche weit über 90 Jahre alt. Am Abend wurde zu einem diplomatischen Empfang im Israel Museum Justizministerin Ayelet Shaked erwartet. 'Ex-Außenminister Lieberman wird Verteidigungsminister – Forderung nach Todesstrafe für Terroristen nicht durchgesetzt. Tel Aviv – Avigdor Lieberman hat seinen Traumjob – der Rechtsaußen wird zwar aus prozeduralen Gründen noch bis nächste Woche warten müssen, ehe er als Israels Verteidigungsminister angelobt wird, aber die Entscheidung darüber ist bei Verhandlungen zwischen der großen Regierungspartei Likud und Liebermans kleiner Partei Israel, unser Heim in der Nacht auf Mittwoch gefallen. Am Vormittag haben der konservative Premier Benjamin Netanjahu und Lieberman den Koalitionsvertrag unterschrieben. Meine Regierung wird der Suche nach Frieden mit den Palästinensern und allen Nachbarn verpflichtet bleiben, sagte Netanjahu danach vor der Presse, meine Politik hat sich nicht verändert, wir werden weiterhin jeden Weg zum Frieden suchen und dabei die Sicherheit unserer Bürger garantieren. Die letzten Hindernisse hatten nichts mit Nahost- oder Sicherheitspolitik zu tun gehabt. Es ging um die Forderung Liebermans nach einer Pensionsreform, durch die Neueinwanderer eine Altersrente bekommen sollen. Eine besonders problematische Forderung – die Todesstrafe für Terroristen – musste Lieberman fallen lassen. Wie auch immer die Details aussehen, Israel wird ab nächster Woche die rechteste Regierung seiner Geschichte haben, wie Kommentatoren und die Linksopposition es ausdrückten. Netanjahu hatte seit den Wahlen vor mehr als einem Jahr ständig von einer Erweiterung der Koalition gesprochen, denn bisher hatte er im Parlament nur eine Mehrheit von einer einzigen Stimme hinter sich. Dass das gerade jetzt passiert, hat zunächst einmal innenpolitische, praktische Gründe: Netanjahu wird im Parlament das Budget durchbringen müssen und braucht zusätzliche Hände, um die Abstimmungen zu überstehen. Lange hatte es so ausgesehen, als würde die Koalition nach links erweitert, wodurch Netanjahu in der Welt besser ausgesehen, aber in der eigenen Partei Schwierigkeiten bekommen hätte. Doch die Koalitionsverhandlungen mit der Arbeiterpartei sind letztlich gescheitert – ob Netanjahu sie absichtlich scheitern ließ, ist vorläufig nicht klar. Kurzfristig bedeutet das nun, dass Netanjahu stabiler im Sattel sitzt Heftige Kämpfe an der Grenze. Riad/Sanaa - Die Houthi-Rebellen und ihre Verbündeten im Jemen haben am Samstag erstmals eine Scud-Rakete auf Saudi-Arabien abgefeuert. Sie sei von zwei Patriot-Raketen abgefangen worden, teilte das saudiarabische Militär mit. Mit dem Raketenbeschuss des Königreichs wurde eine neue Eskalationsstufe im Jemen-Konflikt erreicht, in dem Saudi-Arabien und sunnitische Verbündete seit Ende März Luftangriffe gegen die schiitischen Houthi-Miliz fliegen. Ziel der ballistischen Rakete mit einer Reichweite von rund 300 Kilometern war die Stadt Khamis Al-Mushait im Südwesten Saudi-Arabiens. Dort befindet sich der größte Luftwaffenstützpunkt im Süden des Landes. Die Houthis erklärten über ihren Sender Al-Massira, der Angriff habe der Prinz-Khaled-Basis gegolten. Der Beschuss zeigt, dass die Houthi-Rebellen ungeachtet der Luftangriffe immer noch über schwere Waffen verfügen. In der Nacht zum Samstag gab es auch heftige Gefechte entlang der Grenze. Im Sender Al-Arabiya war vom schwersten Angriff die Rede, den die Houthis und die mit ihr verbündete Republikanische Garde bisher vorgetragen hätten. Die vom Iran unterstützten Aufständischen haben weite Teile des Landes und die Hauptstadt Sanaa unter ihre Kontrolle gebracht. Das von Saudi-Arabien angeführte Militärbündnis will dem ins Exil geflohenen Präsidenten Abd-Rabbu Mansur Hadi wieder an die Macht verhelfen. Die Luftangriffe haben nach Darstellung der Allianz vornehmlich zum Ziel, Raketenstellungen auszuschalten, von denen aus Saudi-Arabien und andere Nachbarn beschossen werden könnten. 'UN-Generalsekretär Ban forderte Gewaltverzicht. Genf/Sanaa/Kairo - Die Tatsache, dass schließlich Delegationen beider Kriegsparteien im Jemen, das heißt Vertreter der gestürzten Regierung von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi und der schiitischen Huthi-Rebellen, Montag in Genf zugegen waren, galt schon als erster Erfolg. Auf eine konkrete Agenda hatte man sich aber zuvor nicht einigen können Vorerst kein Termin für zweite Verhandlungsrunde – UNO sieht Hilfsbedarf von 1,4 Milliarden Euro. Genf – Die Genfer Friedensgespräche für den Jemen sind nach Angaben des Außenministers der jemenitischen Exil-Regierung, Riad Yassin, ergebnislos zu Ende gegangen. Seine Delegation sei voller Hoffnung zu den Gesprächen unter UN-Vermittlung angereist, sagte Yassin am Freitag vor Journalisten in Genf. Die Delegation der Houthi-Rebellen habe es jedoch leider nicht ermöglicht, bei den Gesprächen echte Fortschritte zu erzielen. Die Bemühungen um eine Verhandlungslösung sollten aber fortgesetzt werden, selbst wenn es kein Datum für weitere Gespräche gebe. Der UN-Sondergesandte Ismail Ould Cheikh Ahmed äußerte sich optimistisch, dass eine Vereinbarung über einen Waffenstillstand schon bald erreicht werden kann. Prinzipiell sähen beide Seiten die Notwendigkeit. Die Tür für weitere Gespräche sei offen. Er hoffe, dass eine Waffenruhe noch vor einer weiteren Runde erreicht werde, sagte Ould Cheikh Ahmed. In dem blutigen Konflikt zwischen den vom Iran unterstützten schiitischen Rebellen und den Kräften, die loyal zu dem nach Saudi-Arabien geflüchteten Präsidenten Abd Rabbu Mansour Hadi stehen, sind bereits mehr als 2600 Menschen getötet worden. Die UNO erhöhte inzwischen die Schätzung für den Hilfsbedarf auf 1,6 Milliarden Dollar (gut 1,4 Milliarden Euro). Inzwischen seien vier Fünftel der Gesamtbevölkerung von 21 Millionen Menschen auf Hilfe von außen angewiesen, sagte der Sprecher des UN-Büros für die Koordinierung der humanitären Hilfe (Ocha), Jens Laerke, in Genf. Millionen Menschen hätten kein sauberes Wasser und erhielten keine Gesundheitsversorgung. Inzwischen breiteten sich Krankheiten wie das Dengue-Fieber und Malaria aus. Keine Einigung bei Friedensgesprächen in Genf – Mehr als ein Dutzend Tote. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. 80 Prozent der Bevölkerung auf Hilfe angewiesen – 20 Millionen Jemeniten keinen Zugang zu sauberem Wasser. New York – Die Vereinten Nationen haben die arabische Militärkoalition angesichts der humanitären Notlage im Jemen zu einer Beendigung ihrer Seeblockade aufgerufen. In einer einstimmig beschlossenen Erklärung des UNO-Sicherheitsrats hieß es am Donnerstag, es sei aus humanitärer Sicht unerlässlich, die Versorgung des Jemen mit Handelsgütern aufrecht zu erhalten. Mehr als 21 Millionen Menschen und damit 80 Prozent der Gesamtbevölkerung im Jemen sind nach Angaben des UNO-Nothilfekoordinators Stephen OBrien auf Hilfe angewiesen. Es sei lebensnotwendig, dass das Land wieder über die Häfen mit Essen, Treibstoff und anderen dringend benötigten Importgütern versorgt werde, sagte OBrien. Der Jemen sei abhängig von Importen, die seit Beginn der Kämpfe aber weitgehend eingebrochen seien. In weiten Teilen des Landes herrsche ein Lebensmittelnotstand. Im Jemen kämpfen seit Monaten schiitische Houthi-Rebellen und ihre Verbündeten gegen Soldaten, die dem nach Saudi-Arabien geflohenen Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi die Treue halten. Im Jänner brachten die Rebellen die Hauptstadt Sanaa vollständig unter ihre Kontrolle. Am 26. März startete eine arabische Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens Luftangriffe auf die Rebellen. Die Militärallianz errichtete eine Seeblockade, um Waffenlieferungen an die Aufständischen zu unterbinden. Nach Angaben der UNO haben derzeit mehr als 20 Millionen Jemeniten keinen Zugang zu sauberem Wasser. Wegen der mangelhaften Gesundheitsversorgung breiteten sich Krankheiten wie das Dengue-Fieber und Malaria aus. Die UNO stellte nach Angaben OBriens zusätzliche Nothilfen in Höhe von 25 Millionen Dollar (22,30 Mio. Euro) bereit. Der UNO-Sicherheitsrat rief die Weltgemeinschaft zu weiterer finanzieller Unterstützung auf. Von den zur Bewältigung der humanitären Krise benötigten 1,6 Milliarden Dollar seien bisher erst zehn Prozent bereitgestellt worden. (APA, 25.6.2015) Ölraffinerie in Hafenstadt Aden geriet durch Beschuss in Brand. Aden – In der jemenitischen Hafenstadt Aden haben Rebellen am Samstag offenbar gezielt auf einen Frachter mit Hilfsgütern für die notleidende Bevölkerung geschossen. Ein Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, Rebellen hätten auf einen Frachter aus Katar geschossen, der Lebensmittel aus Dschibuti an Bord gehabt habe. Der Beschuss habe das Schiff gezwungen, abzudrehen. Bei dem Angriff mit Artilleriegeschossen wurde ein Tank in der Ölraffinerie der Stadt getroffen, wie ein Vertreter der Aden Refinery Company sagte. Dadurch sei ein Feuer ausgebrochen. Ein AFP-Reporter sah Flammen und Rauchwolken aufsteigen. Der Hafen und die Raffinerie liegen in einem Bereich von Aden, der von regierungstreuen Kämpfern kontrolliert wird. In dem Gebiet gibt es immer wieder schwere Gefechte zwischen Kämpfern, die dem nach Saudi-Arabien geflohenen Präsidenten Abd Rabbo Mansour Hadi die Treue halten, und schiitischen Houthi-Rebellen. Die aus dem Norden des Landes stammenden Rebellen waren im September in die Hauptstadt Sanaa eingerückt. Als sie Sanaa im Jänner unter ihre Kontrolle brachten, floh Hadi ins südjemenitische Aden. Als die Rebellen sich im März Aden näherten, floh der Staatschef nach Saudi-Arabien und bat die Regierung um Unterstützung. Eine von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz fliegt seit Ende März Luftangriffe auf die Rebellen im Jemen. Am Samstag flog die Militärkoalition nach Angaben eines Hadi-treuen Milizionärs mindestens 15 Luftangriffe Nach UN-Angaben sind mittlerweile 80 Prozent der jemenitischen Bevölkerung – 20 Millionen Menschen – auf humanitäre Hilfe angewiesen. In Aden ist die Lage besonders prekär. Die Bevölkerung beklagt Lebensmittel- und Wasserknappheit, und die Gesundheitsbehörden fürchten die Ausbreitung von Krankheiten. Anfang des Monats hatten Rebellen ein von der UNO gechartertes Schiff angegriffen, als dieses sich mit Hilfsgütern an Bord Aden näherte. Armeestützpunkt nördlich der Hafenstadt Aden von der jemenitischen Armee eingenommen. Sanaa – Die jemenitische Armee und regierungstreue Milizen haben nach Angaben von Bewohnern weitere wichtige Stellungen von der schiitischen Houthi-Miliz zurückerobert. Mit starker Luftunterstützung der von Saudi-Arabien angeführten Allianz sei es gelungen, in der Nacht einen Armeestützpunkt nördlich von Aden und einen weiteren in der östlichen Provinz Shabwa einzunehmen. Dies berichteten Einwohner und Regierungsstellen am Samstag. Tags zuvor hatte die Exil-Regierung die Hafenstadt Aden nach tagelangen Gefechten für befreit erklärt. Bewohner Adens berichteten, die Houthi-Rebellen und ihre Verbündeten hätten am Freitag versucht, sich neu zu formieren und den nördlichen Stadtrand von Aden zurückzuerobern. Der Angriff, bei dem die Rebellen Raketen eingesetzt hätten, sei aber abgewehrt worden. Mit starker Luftunterstützung hätten die Regierungstruppen eine Offensive begonnen, um einen der größten Luftwaffenstützpunkte des Landes rund 60 Kilometer nördlich von Aden wieder unter einzunehmen. Die Houthi kontrollieren die Hauptstadt Sanaa und weite Teile des Landes. Die vom sunnitischen Saudi-Arabien geführte Allianz will der ins saudiarabische Exil geflüchteten Regierung wieder zur Macht verhelfen. IS-Terroristen bekennen sich zu Anschlag mit vier Toten in Sanaa. Aden – In die jemenitischen Regierungstruppen werden Milizen aufgenommen, die an ihrer Seite gegen die schiitischen Houthi-Rebellen kämpfen. Der Oberste Verteidigungsrat der jemenitischen Exil-Regierung beschloss dies am Dienstag in Saudi-Arabien, wie die regierungstreue Nachrichtenagentur Saba berichtete. Bei dem Treffen unter Vorsitz von Exil-Präsident Abd-Rabbu Mansour Hadi sei der mutige Beitrag zur Verteidigung der Heimat durch die Milizen des sogenannten Volkswiderstandes gewürdigt worden, einem Zusammenschluss von für Autonomie kämpfenden Gruppen aus dem Süden. Die Kämpfe in dem Land dauerten indes rund um die Hafenstadt Aden im Süden an. Sunnitische Regierungstruppen konnten dort schiitische Rebellen weiter zurückdrängen, nachdem diese die Stadt bereits aufgeben mussten. Auch die von Saudi-Arabien geführte Koalition unterstützte die Regierungstruppen erneut mit Luftangriffen. Nach Angaben aus Militärkreisen kamen aufseiten der schiitischen Rebellen zwölf Menschen ums Leben, auf der Gegenseite drei. In der Hauptstadt Sanaa, die von den Rebellen gehalten wird, starben laut Augenzeugen und Ärzten zudem vier Menschen bei einem Autobombenanschlag, zu dem sich die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) bekannte. Der Anschlag ereignete sich in der Nähe einer schiitischen Moschee. Aktivisten warfen Huthi-Verbündeten wahllose Bombardierung in Hafenstadt vor. Sanaa/Aden – Im Jemen haben regierungstreue Truppen Stellungen der Huthi-Rebellen in der Nähe der Hafenstadt Aden eingenommen. Örtliche Behörden erklärten am Donnerstag, die Kämpfer hätten mit Unterstützung durch Luftangriffe der von Saudi-Arabien geführten Allianz Muthalath al-Ilm unter ihre Kontrolle gebracht. Die Stadt liegt östlich von Aden, von dort hätten die schiitischen Huthi-Rebellen die Hafenstadt mit Raketen beschossen. Auch mehrere Ortschaften nördlich von Aden seien von den Milizen, die sich Südliche Widerstandskräfte nennen, zurückerobert worden. Aden selbst hatten Milizen, die den ins Exil geflohenen Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi unterstützen, Mitte Juli von den Houthi zurückerobert. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) warf mit den Huthi verbündeten Einheiten vor, sie hätten wahllos Wohnviertel in Aden bombardiert. Allein bei einem Angriff am 19. Juli auf einen Stadtteil seien zahlreiche Zivilisten getötet worden, darunter Kinder, teilte die Organisation mit. Dabei könne es sich um Kriegsverbrechen handeln. In die jemenitischen Regierungstruppen werden indes Milizen aufgenommen, die an ihrer Seite gegen die Huthis kämpfen. Der Oberste Verteidigungsrat der jemenitischen Exil-Regierung beschloss dies am Dienstag in Saudi-Arabien, wie die regierungstreue Nachrichtenagentur Saba am Mittwoch berichtete. Bei dem Treffen unter Vorsitz vom Exil-Präsidenten Hadi sei der mutige Beitrag zur Verteidigung der Heimat durch die Milizen des sogenannten Volkswiderstandes gewürdigt worden, einem Zusammenschluss von für Autonomie kämpfenden Gruppen aus dem Süden. Der Konflikt ist eskaliert seitdem die arabische Allianz unter Riads Führung Ende März begonnen hat, mit Luftangriffen gegen die Huthi-Rebellen vorzugehen. Die Militärkoalition will damit dem vertriebenen Präsidenten Hadi wieder an die Macht verhelfen. Die Huthis halten noch immer die Hauptstadt Sanaa und kontrollieren weite Teile des Landes. In dem Konflikt wurden nach UN-Schätzungen bisher fast 4.000 Menschen getötet. 1,2 Millionen Menschen wurden innerhalb ihres Heimatlandes vertrieben. Mehr als 20 der 25 Millionen Einwohner sind auf Hilfe angewiesen, sechs Millionen Jemeniten droht unmittelbar der Hungertod. Sicherheitschef von Aden getötet. Sanaa – Bei einem Luftangriff der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition im Norden des Jemen sind mindestens 35 Menschen ums Leben gekommen. Aus medizinischen Kreisen hieß es am Sonntag, die Kampfflugzeuge hätten in der Stadt Abs ein Werk zur Produktion von Trinkwasser bombardiert. Bei den Opfern handle es sich ausschließlich um Arbeiter des Werks. Waffen oder Kämpfer der schiitischen Huthi-Rebellen hätten sich nicht in der Fabrik befunden. Ärzte und Augenzeugen teilten dagegen mit, 17 Zivilisten und auch 14 Rebellen seien getötet worden. Die Wasserfabrik und eine nahegelegene Stellung der Huthis in der nördlichen Provinz Hijja (Hidschdscha). Die verkohlten Leichen seien in Krankenhäuser gebracht worden, berichteten Ärzte. Das arabische Militärbündnis bombardierte Zeugen zufolge auch zwölf mutmaßliche Rebellenpositionen in der Nachbarprovinz Saada. Auch südlich der Hauptstadt Sanaa und aus der zentralen Provinz Baida wurden Luftangriffe gemeldet. Angaben über weitere Opfer gab es zunächst nicht. In der Hafenstadt Aden wurde am Sonntag der Sicherheitschef getötet. Bewaffnete hätten Oberst Abdelhakim al-Sanidi von einem Motorrad aus erschossen, als er sein Haus im Bezirk Mansourah verließ, teilte die Polizei mit. Die Angreifer seien geflohen. Saudi-Arabien und seine Verbündeten greifen seit Ende März regelmäßig die Huthis und die mit ihnen verbündeten Einheiten des ehemaligen Staatschefs Ali Abdallah Saleh an, die große Teile des bitterarmen Landes überrannt haben. Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen den Huthis und der Zentralregierung war im Jänner eskaliert, als die Aufständischen aus dem Norden des Landes die Hauptstadt Sanaa eroberten. Das Golfkönigreich unterstützt Präsident Abed Rabbu Mansour Hadi. Als die Rebellen Ende März auf Aden vorrückten, floh Hadi nach Saudi-Arabien und bat das benachbarte Königreich um Hilfe. Zwar konnten die Regierungstruppen mit Unterstützung der Koalition die Rebellen aus Aden wieder vertreiben. Die Sicherheitslage in der zweitgrößten Stadt des Landes ist aber nach wie vor prekär. Bereits vor rund zehn Tagen waren laut der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) bei Luftangriffen des Bündnisses auf die Stadt Taiz 65 Zivilisten ums Leben gekommen, darunter 17 Kinder. Fahrzeug wurde auf Weg von Rebellenhauptstadt Saada in Hauptstadt Sanaa beschossen. Sanaa – Im Jemen sind zwei Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) erschossen worden. Die beiden Jemeniten seien auf dem Rückweg von der Rebellenhochburg Saada im Norden zur Hauptstadt Sanaa gewesen, als ein Mann das Feuer auf ihre Fahrzeuge eröffnet habe, sagte eine IKRK-Sprecherin am Mittwoch. Die Wagen seien klar als Fahrzeuge des Roten Kreuzes gekennzeichnet gewesen, sagte die Sprecherin und verurteilte den Angriff aufs Schärfste. Zwei weitere Mitarbeiter hätten den Beschuss unbeschadet überstanden. Das IKRK hatte am Dienstag seine Arbeit in der südlichen Hafenstadt Aden ausgesetzt, nachdem bewaffnete Männer die örtliche Zentrale überfallen und geplündert hatten. Die humanitäre Lage im Jemen ist katastrophal. Seit der Eskalation des Konflikts zwischen den Houthi-Rebellen und ihren Verbündeten in der Armee sowie den Regierungstruppen und ihren ausländischen Unterstützern Ende März wurden bereits mehr als 4.400 Menschen getötet. Ein Großteil der Bevölkerung des ohnehin armen Landes ist infolge des Konflikts von Hunger bedroht. Zwei Selbstmordattentäter sprengten sich in Sanaa in die Luft. Sanaa – Bei zwei Selbstmordanschlägen auf eine Moschee sind in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa am Mittwoch nach Angaben von Rettungskräften mindestens 28 Menschen getötet worden. Etwa 75 weitere Menschen seien verletzt worden, teilten Ärzte mit. Nach Angaben von Augenzeugen sprengte sich ein Attentäter mit einem Sprengstoffgürtel in die Luft. Der zweite steuerte demnach ein mit Sprengstoff präpariertes Fahrzeug in eine Menge von Gläubigen, als diese die Moschee im Norden Sanaas verließen. Zu dem Anschlag bekannte sich wenig später die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). In der jüngeren Vergangenheit hatten IS-Extremisten im Jemen bereits mehrfach Anschläge verübt. Nur wenige Stunden zuvor hatte das Internationale Rote Kreuz mitgeteilt, zwei seiner Mitarbeiter seien von Bewaffneten gezielt getötet worden. Im Jemen kämpfen seit Monaten Truppen von Präsident Abd Rabbu Mansour Hadi mit Unterstützung einer von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition gegen Houthi-Rebellen und mit ihnen verbündete Armee-Einheiten des ehemaligen Staatschefs Ali Abdullah Saleh. Seit der Eskalation des Konflikts zwischen den Houthi-Rebellen und ihren Verbündeten in der Armee sowie den Regierungstruppen und ihren ausländischen Unterstützern Ende März wurden bereits mehr als 4.400 Menschen getötet. Ein Großteil der Bevölkerung des ohnehin armen Landes ist infolge des Konflikts von Hunger bedroht. Vermutlich bei Unfall in Munitionsfabrik. Sanaa – Im Jemen sind am Freitag 22 Soldaten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten getötet worden, die sich an der Militärkoalition gegen die schiitischen Huthi-Rebellen beteiligen. Es ist die bisher höchster Opferzahl, die die Streitkräfte der Emirate im Jemen meldeten. Die Umstände blieben zunächst unklar. Laut jemenitischen Militärquellen war es in einem Munitionslager zu einer Explosion gekommen. Bei der Explosion auf einem Militärstützpunkt in der Provinz Marib östlich der Hauptstadt Sanaa soll es sich um einen Unfall gehandelt haben. Dabei seien mehrere Jemeniten und Soldaten der arabischen Koalition ums Leben gekommen, hieß es aus den Quellen. Saudi-Arabien hatte die Koalition geschmiedet, nachdem die Aufständischen den jemenitischen Präsidenten Abd Rabbu Mansour Hadi aus dem Land vertrieben hatten. Seit dem Beginn der Luftangriffe im März konnten die Rebellen in verschiedenen Regionen zurückgedrängt werden. Über den Einsatz von Bodentruppen der Koalition im Jemen gibt es wenige Informationen. Militärkoalition hat schwere Lufangriffe auf Stellungen der Houthi-Rebellen geflogen – 60 Soldaten getötet. Sanaa – Saudi-Arabien hat im Jemen die bisher schwersten Verluste seit Beginn seiner Luftangriffe in dem Bürgerkriegsland erlitten. Bei einer Explosion in einem Waffenlager in der jemenitischen Provinz Mareb kamen auch zehn Soldaten des Königreichs ums Leben, wie ein Sprecher des saudiarabischen Militärs am Samstag mitteilte. Damit verlor die von Saudi-Arabien geführte Koalition am Freitag insgesamt 60 Soldaten. Als Reaktion flog die Allianz einige der schwersten Luftangriffe der vergangenen Monate auf die von den aufständischen Houthi-Rebellen kontrollierte Hauptstadt Sanaa. Die emiratische Nachrichtenagentur WAM hatte bereits am Freitag berichtet, dass bei dem Zwischenfall 45 Soldaten der Vereinigten Arabischen Emirate ums Leben gekommen seien. Auch fünf bahrainische Soldaten starben, wie die staatliche Nachrichtenagentur des Landes meldete. Die Emirate ordneten eine dreitägige Staatstrauer an. Militärstützpunkt beschossen Nach Angaben des emiratischen Vize-Außenministers Anwar Gargash explodierte eine Rakete in dem Waffenlager. Ein Anführer der Houthi-Rebellen erklärte, die Aufständischen hätten einen Militärstützpunkt östlich der Hauptstadt Sanaa beschossen. Demnach wurden auch Panzer und Hubschrauber zerstört. Im Jemen tobt seit Monaten ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den Houthis und Anhängern von Präsident Abed Rabbu Mansour Hadi, der nach Riad geflohen ist. Saudi-Arabien, die Emirate und Bahrain gehören zu einer Koalition, die die Rebellen seit Ende März aus der Luft bombardiert. Die ursprünglich aus dem Norden des Jemen stammenden Houthis haben weite Teile des Landes überrannt. Die Koalition verstärkte nach dem Tod ihrer Soldaten die Luftangriffe auf Sanaa. Nach Angaben des von den Houthis kontrollierten Gesundheitsministeriums vom Sonntag starben bei Dutzenden von schweren Bombardements mindestens 27 Zivilisten. Unter anderem soll dabei eine Rakete ein Waisenhaus getroffen haben. Auch ein Krankenhaus sei bei dem Angriff auf eine Militärbasis im Süden der Stadt beschädigt und daraufhin evakuiert worden. Soldaten der Vereinigten Arabischen Emirate marschieren auf umkämpfte Gebiete in der Provinz Mareb. Sanaa – Im Jemen verdichten sich die Hinweise auf eine Bodenoffensive des von Saudi-Arabien angeführten Militärbündnisses gegen die Houthi-Rebellen. Soldaten des Bündnisses rückten am Dienstag auf umkämpfte Gebiete im Süden der Provinz Mareb vor, wie Augenzeugen berichteten. Unterstützt wurden sie demnach durch bewaffnete Fahrzeuge, Panzer und Raketenwerfer sowie von Teilen der jemenitischen Armee und örtlichen Milizen. Seit Ende März war lediglich bekannt, dass die Militärkoalition den Jemen aus der Luft bombardiert. Berichten zufolge sollen Soldaten der Vereinigten Arabischen Emirate bereits in den vergangenen Wochen eine Schlüsselrolle beim Zurückdrängen der Houthis aus dem Süden des Landes gespielt haben. Nun gibt es Gerüchte, dass der Verbund die Befreiung Sanaas anstrebt. Die Hauptstadt wird von den Houthis kontrolliert. Bei neuen Luftangriffen auf Sanaa sind am Dienstag mindestens zehn Menschen getötet worden. Sieben der Opfer waren nach Krankenhausangaben Zivilisten, bei den drei weiteren handelte es sich um Leibwächter eines Offiziers der Aufständischen. Dessen Haus war eines der Ziele der Angriffe, bombardiert wurden zudem eine Polizeischule und die Zentrale der Sicherheitskräfte, wie AFP-Korrespondenten berichteten. Die Explosionen lösten bei vielen Einwohnern Panik aus. Mehrere Menschen wurden durch Splitter verletzt. Im Jemen tobt seit Monaten ein blutiger Bürgerkrieg zwischen den schiitischen Houthis und Anhängern des sunnitischen Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi, der in das saudi-arabische Riad geflohen ist. Die offensivere Gangart der Streitkräfte der Koalition folgt kurz auf ihre schwersten Verluste in dem blutigen Konflikt: Am Freitag waren bei einer Explosion in einem Stützpunkt mindestens 60 Militärangehörige aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, Saudi-Arabien und Bahrain ums Leben gekommen. Die Rebellen sprachen davon, die Basis beschossen zu haben. Nach saudi-arabischer Darstellung explodierte eine Rakete in einem Waffenlager. Der Golfstaat Katar verstärkte die Präsenz der Allianz daraufhin und entsandte 1.000 Soldaten, 200 gepanzerte Fahrzeuge und 30 Apache-Kampfhubschrauber in die Region. Die seit einigen Tagen deutlich verstärkten Luftangriffe der Koalition auf Sanaa gingen auch am Dienstag weiter. Dabei wurden Polizeigebäude und ein militärischer Stützpunkt in der Hauptstadt getroffen. Staatschef war im März vor Huthi-Rebellen nach Saudi-Arabien geflohen. Aden – Nach sechs Monaten im saudi-arabischen Exil ist der jemenitische Präsident Abed Rabbu Mansour Hadi nach Angaben aus Sicherheitskreisen in sein Land zurückgekehrt. Hadi sei am Dienstag mit einem saudi-arabischen Militärflugzeug in der südlichen Hafenstadt Aden gelandet, hieß es von Sicherheitskräften am dortigen Flughafen. Bereits in der vergangenen Woche waren Regierungschef Khaled Bahah sowie mehrere Minister nach Aden zurückgekehrt. Hadi landete den Angaben zufolge am frühen Abend auf dem Luftwaffenstützpunkt neben dem Flughafen von Aden. Hadi war Anfang des Jahres vor den Houthi-Rebellen aus der Hauptstadt Sanaa nach Aden geflohen, bevor er Ende März angesichts der heranrückenden Aufständischen nach Saudi-Arabien floh. Obwohl er seitdem nur noch begrenzte Kontrolle über den Jemen hat, wird er von der Staatengemeinschaft weiter als legitimer Präsident anerkannt. Nach der Flucht Hadis ins Exil startete Saudi-Arabien mit einer Koalition arabischer Staaten Luftangriffe, um die Houthi-Rebellen zurückzudrängen und Hadi die Rückkehr an die Macht zu ermöglichen. Nach der Entsendung von Bodentruppen im Juli gelang es den Truppen Hadis, Aden und fünf Provinzen im Süden von den Rebellen zurückzuerobern. Die Rebellen kontrollieren weiter Sanaa und verschiedene Provinzen im Norden und im Zentrum des Landes. Hadis Regierungschef Bahah kehrte in der vergangenen Woche aus dem Exil nach Aden zurück. Er gestand aber ein, dass die Lage der Regierung selbst im Süden nicht gesichert sei. Die Regierung stützt sich dort auf eine Reihe von Milizen, die aber teils eigene Ziele verfolgen. Der Konflikt zwischen Regierungstruppen und Rebellen ließ zudem die Islamistenmiliz Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap) erstarken, die ihre Aktionen im Süden ausweiten konnte. Die aus dem Norden des Landes stammenden Houthi-Rebellen gehören der Minderheit der Zaiditen an, einer Untergruppe der Schiiten. Sie sind mit den Anhängern des früheren Präsidenten Ali Abdullah Saleh in der Armee verbündet. Die Aufständischen sehen sich derzeit einer Offensive in der Provinz Marib östlich von Sanaa ausgesetzt. Die Regierungskräfte rücken dort seit zehn Tagen mit Unterstützung von Kampfflugzeugen und Bodentruppen der arabischen Militärallianz vor. Das von Saudi-Arabien angeführte Bündnis flog am Dienstag erneut Luftangriffe auf Sanaa. Beim Bombardement eines Wohnviertels wurden mindestens 21 Rebellen und Zivilisten getötet, wie Augenzeugen und Rettungskräfte berichteten. Der Angriff richtete sich demnach gegen ein Gebäude der Houthi-Rebellen im Viertel Al-Sabin, doch seien auch umliegende Wohnhäuser getroffen worden. Mehrere weitere Bewohner würden noch unter den Trümmern vermutet. (APA, 22.9.2015) Unicef: 1,7 Millionen Minderjährigen droht Mangelernährung. Genf – Bei den Kämpfen im Jemen sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit März mehr als 500 Kinder getötet und über 700 weitere verletzt worden. 1,7 Millionen Minderjährige seien durch Mangelernährung gefährdet, teilte das UN-Kinderhilfswerk Unicef am Freitag in Genf mit. 606 Kinder, vier Mal so viele wie im vergangenen Jahr, wurden demnach von den Konfliktparteien als Soldaten zwangsrekrutiert, bewaffnet oder an Kontrollposten eingesetzt. Der Unicef-Sprecher Christophe Boulierac sagte, die Todesfälle gebe es sowohl bei den Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition als auch bei Straßenkämpfen am Boden. Im Jemen, wo vier Fünftel der Bevölkerung jünger als 18 Jahre sind, benötigten etwa zehn Millionen Kinder dringend humanitäre Hilfe. Es könnten mehr Minderjährige an Krankheiten sterben als durch Bomben oder Kugeln. Im Jemen kämpfen die Truppen von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi mit Unterstützung einer von Riad angeführten Militärallianz gegen Houthi-Rebellen und mit ihnen verbündete Armee-Einheiten des ehemaligen Staatschefs Ali Abdallah Saleh. Nach UN-Angaben wurden in dem Konflikt bisher allein 2.355 Zivilisten getötet und mehr als doppelt so viele verletzt. Etwa 1,4 Millionen Menschen flohen vor der Gewalt. Ein von den Niederlanden ausgearbeiteter Resolutionsentwurf für den UN-Menschenrechtsrat sah umfassende internationale Untersuchungen zu Menschenrechtsverletzungen und Kriegsverbrechen im Jemen seit September 2014 vor. Unter dem Druck Saudi-Arabiens und mit Unterstützung der USA und Großbritanniens wurde der Entwurf diese Woche zurückgezogen. Stattdessen nahm der UN-Menschenrechtsrat am Freitag per Konsens der 47 Mitgliedstaaten eine von Saudi-Arabien vorgelegte Resolution an. Darin wird die UNO lediglich aufgefordert, eine nationale Untersuchung zu unterstützen. 100 Zivilisten bei Luftangriffen getötet – Streumunition eingesetzt. Sanaa – Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der von Saudi-Arabien geführten Militärkoalition Kriegsverbrechen im Jemen vor. Neue Erkenntnisse führten zu noch mehr Beweisen für rechtswidrige Luftschläge des saudisch geführten Bündnisses, von denen einige die Tragweite von Kriegsverbrechen haben, sagte Amnesty-Krisenberaterin Donatella Rovera. Für einen am Mittwoch veröffentlichten Amnesty-Untersuchungsbericht wurden 13 tödliche Luftangriffe auf die Stadt Sada im Norden des bitterarmen Bürgerkriegslandes untersucht, bei denen nach Angaben von Amnesty etwa 100 Zivilisten starben, darunter 59 Kinder. Dabei sei auch international geächtete Streumunition eingesetzt worden. Gleichzeitig forderte die Organisation Waffenexporteure wie die USA auf, sicherzustellen, dass verkauftes Kriegsgerät nicht zur Verletzung der Menschenrechte benutzt werde. Deutsche Rüstungsunternehmen verkauften 2014 Güter mit einem Gesamtwert von 209 Millionen Euro an Saudi-Arabien. Die sunnitische Militärallianz unter saudischer Führung bombardiert den Jemen seit mehr als einem halben Jahr aus der Luft. Ziele sind dabei Stellungen der aufständischen Huthi-Rebellen, die gegen Anhänger des Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi kämpfen. Erst am Donnerstag wurden bei einem Luftangriff auf eine von Rebellen gehaltene Stadt erneut mindestens 13 Menschen getötet, weitere 38 Menschen wurden verletzt. Der Angriff traf nach Angaben von Augenzeugen und Ärzten ein Gebäude in der von Rebellen gehaltenen Stadt Sanban, in dem gerade Hochzeit gefeiert wurde. Einen kleinen Grund zur Hoffnung gibt es angesichts neuer, angeblicher Friedensabsichten der Huthis: Der UN-Sondergesandte Ismail Ould Cheikh Ahmed verkündete am Mittwoch, die Aufständischen hätten sich dazu bereit erklärt, eine UN-Resolution umzusetzen, die ihren Rückzug aus besetzten Städten beinhalten würde. Medienberichten zufolge wurden bei dem Angriff mehrere Menschen verletzt. Sanaa – Eine Klinik von Ärzte ohne Grenzen in der jemenitischen Provinz Sadaa wurde Ziel von Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition. Das gab die Organisation am Dienstag bekannt. Unsere Einrichtung ... wurde vergangene Nacht von mehreren Luftangriffe getroffen, mit Patienten und Personal in der Einrichtung, hieß es am Dienstag auf Twitter. Our facility in #Saada #Yemen was hit by several airstrikes last night with patients & staff inside the facility. Dabei sollen mehrere Menschen verletzt worden sein, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Saba unter Berufung auf Aussagen des Spitalsdirektors. Die Luftangriffe führten zu der Zerstörung des gesamten Spitals samt der medizinischen Einrichtung, sagte Ali Mughli. .@MSF first photos for its health facility in Haydan #Saada after the airstrikes that took place last night. #Yemen pic.twitter.com/PUFEF0Yiq5 Saudi-Arabien und andere Golf-Staaten gehen seit vergangenen März gemeinsam mit jemenitischen Truppen gegen die Huthi-Rebellen vor. Die Militärallianz unterstützt die Regierung von Abd Rabbu Mansur Hadi, der vor den Rebellen nach Saudi-Arabien geflohen war. Truppen der sunnitischen Golf-Staaten versuchen, in die Hochburgen der mit dem Iran verbündeten schiitischen Rebellen im Norden des Landes vorzustoßen und die Hauptstadt Sanaa zurückzuerobern. Dabei werden auch immer wieder zivile Ziele getroffen. Laut Saba wurden bei weiteren Luftangriffen unter anderem eine Mädchenschule und mehrere Wohnhäuser beschädigt. Ärzte ohne Grenzen leistet in Krisengebieten auf der ganzen Welt medizinische Hilfe. Anfang Oktober war ein Spital von Ärzte ohne Grenzen im afghanischen Kunduz zum Ziel von US-Luftangriffen geworden, dabei wurden dutzende Menschen getötet und verletzt.(red, Reuters, 27.10.2015) Saudisch geführte Allianz dementiert, das Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen angegriffen zu haben. Sanaa/Wien – Mehr als 200.000 Menschen haben im Jemen nach dem Angriff auf ein Krankenhaus von Ärzte ohne Grenzen nun keinen Zugang mehr zu medizinischer Hilfe. Das gab die Organisation am Mittwoch bekannt. Nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen war die Klinik im Bezirk Haydan (Provinz Saada) in der Nacht zum Dienstag bei Luftangriffen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zerstört worden, mehrere Menschen wurden verletzt. Riad wies die Verantwortung für den Angriff zurück. Auf die Frage, ob die Allianz die Klinik angegriffen habe, schrieb Brigadegeneral Ahmed Asseri am Dienstag: Ganz und gar nicht. Ärzte ohne Grenzen erklärte in einer Aussendung, das Krankenhaus sei zunächst am Montag um 22.30 Uhr mehrmals angegriffen worden, über einen Zeitraum von zwei Stunden sei es zu weiteren Angriffen gekommen. Die Abteilung zur stationären Behandlung, die Ambulanz, die Geburtenabteilung, das Labor und die Notaufnahme wurden alle zerstört, erklärte Miriam Czech, Projektkoordinatorin von Ärzte ohne Grenzen in Saada. Dies war das einzige Krankenhaus in der Gegend, das noch in Betrieb war. .@MSF health center that was destroyed by airstrikes in #Saada was providing life-saving health services #Yemen pic.twitter.com/gUwHPHrZAg Die GPS-Koordinaten des Krankenhauses seien der Militärallianz aber regelmäßig mitgeteilt worden, das Dach der Einrichtung außerdem eindeutig und gut sichtbar mit dem Logo von Ärzte ohne Grenzen gekennzeichnet. Dieser Angriff zeigt einmal mehr, dass Zivilisten im Jemen völlig missachtet werden, sagte Hassan Boucenine, der Einsatzleiter von Ärzte ohne Grenzen im Jemen. Nach Angaben von Unicef war es bereits das 39. Gesundheitszentrum, das seit März im Jemen bei Luftangriffen getroffen wurde. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon forderte einem UN-Sprecher zufolge ein sofortiges Ende aller Operationen im Jemen, einschließlich der Luftangriffe. Zugleich sprach er sich für umfassende Ermittlungen aus. Auch die Organisation Ärzte ohne Grenzen verlangt die restlose Aufklärung des Vorfalls. Erst Anfang Oktober war ein Spital von Ärzte ohne Grenzen im afghanischen Kunduz zum Ziel von US-Luftangriffen geworden, dabei wurden 30 Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. Abd Rabbo Mansour Hadi will in Aden eine Militäroffensive gegen die Rebellen "überwachen". Aden – Nur einen Tag nach Beginn einer Offensive gegen die Rebellen ist Jemens Präsident Abd Rabbo Mansour Hadi aus seinem saudi-arabischen Exil zurückgekehrt. Hadi habe sich unmittelbar nach seiner Landung im südlichen Aden in den Präsidentenpalast begeben, um dort die Militäroffensive gegen die Aufständischen in der südwestlichen Provinz Taez zu überwachen, hieß es aus Präsidentschaftskreisen. Aden dient seit Monaten als Übergangshauptstadt und Sitz der Regierung, seitdem die Huthi-Rebellen die eigentliche Hauptstadt Sanaa unter ihre Kontrolle gebracht haben. Hadi war bereits vor sechs Monaten ins Exil beim Bündnispartner Saudi-Arabien geflohen. Im September war er für einige Tage zurückgekehrt, hatte den Jemen dann jedoch wieder verlassen. Nach einem Bombenanschlag auf den improvisierten Sitz der Regierung in einem Hotel in Aden war ihm auch Premier Khaled Bahah sowie dessen Minister gefolgt. Bahah ist bereits am Sonntag in den Jemen zurückgekehrt und hat angekündigt, dass ihm auch seine Minister folgen würden. In den vergangenen Tagen verdichteten sich zudem Hinweise auf möglicherweise bevorstehende Friedensverhandlungen. Mindestens zehn Tote – Präsident Rabbo Mansur floh im Hubschrauber. Aden – Bei einem Bombenanschlag in der Nähe des Präsidentenpalasts in der jemenitischen Hafenstadt Aden sind mindestens zehn Menschen ums Leben gekommen. Unter den Opfern der Explosion eines Autos an einem Kontrollpunkt seien Sicherheitskräfte und Zivilisten, berichteten Augenzeugen am Donnerstag. Die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag. In einem im Internet veröffentlichten Bekennerschreiben steht, der Selbstmordattentäter habe Abu Hanifa al-Hollandi geheißen. Der arabische Nachrichtenkanal Al-Arabiya berichtete, Jemens Präsident Rabbo Mansur Hadi habe sich während der Tat in dem Palast aufgehalten. Kurze Zeit später sahen Augenzeugen einen Helikopter von dem Gelände starten. Das südliche Aden ist der provisorische Sitz der international anerkannten jemenitischen Regierung in dem Bürgerkriegsland, da die Hauptstadt Sanaa von den Houthi-Rebellen kontrolliert wird. Zuletzt war es mehrfach zu Anschlägen auf die Behörden gekommen. Im Dezember starb der Gouverneur Adens, Jaafar Saad, durch einen Bombenanschlag. Die Terrormiliz Islamischer Staat bekannte sich zu der Tat. Kämpfer seien nicht auf Widerstand gestoßen. Aden – Im Süden des Jemen hat die Extremistengruppe Al-Kaida nach Berichten von Anrainern die Stadt Azzan zurückerobert. Zahlreiche Kämpfer seien am frühen Morgen in den 70.000 Einwohner zählenden Ort in der Provinz Shabwa eingedrungen und hätten in den Straßen Kontrollposten errichtet, sagte ein Bewohner am Montag der Nachrichtenagentur Reuters am Telefon. Sie sind nicht auf Widerstand gestoßen, es gab keine Gefechte, hieß es weiter. Azzan ist ein wichtiges Handelszentrum in der ausgedörrten Bergregion und stand bereits ein Jahr lang unter Kontrolle der Al-Kaida, bevor 2012 eine Allianz mehrerer Stämme und bewaffnete Einwohner die Extremisten wieder vertrieben. In dem vom Bürgerkrieg zerrissenen Land mischt auch die sunnitische Gruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) mit. Experten im Westen stufen den Al-Kaida-Ableger als den gefährlichsten Teil der gesamten Organisation ein. Die Gruppe hat sich auch zu dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo im Jänner vergangenen Jahres bekannt. Im Jemen nutzen die Extremisten den Vormarsch der von Saudi-Arabien geführten Allianz sunnitischer Staaten gegen die schiitische Houthi-Miliz. Saudi-Arabien, das sich als Führungsnation der Sunniten versteht, unterstützt den jemenitischen Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi. Diesen haben die Houthi-Milizen 2014 aus der Hauptstadt Sanaa vertrieben, sie beschuldigen ihn und seine Regierung der Korruption. Saudi-Arabien wirft dem Erzrivalen Iran vor, die Rebellen zu unterstützen, was der Iran und die Houthi bestreiten. Das Königreich Saudi-Arabien und der Iran, der sich als Schutzmacht der Schiiten begreift, liefern sich im Jemen einen Stellvertreterkonflikt. Neun Tote bei zwei Angriffen. Aden – Bei einem US-Drohnenangriff im Süden des Jemen ist ein wichtiger Al-Kaida-Kommandant nach Angaben seiner Familie getötet worden. Ein Angehöriger sagte am Donnerstag, Jalal Belaidi, alias Abu Hamza, sei bei dem Angriff in der Gegend von Maraqesha in der Provinz Abyane zusammen mit zwei seiner Leibwächter getötet worden. Belaidi war ein wichtiger Kommandant von Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Aqap). Bei einem zweiten US-Drohnenangriff in der Provinz Shabwa am Mittwochabend wurden sechs Al-Kaida-Kämpfer getötet, wie ein Vertreter der Sicherheitskräfte bekannt gab. Demnach feuerte das unbemannte Flugzeug eine Rakete auf ein Fahrzeug in der Gegend von Rodhum ab. Die US-Streitkräfte sind die einzigen, die in der Region über Drohnen verfügen. Berichte über Angriffe werden vom Pentagon aber nicht bestätigt. Al-Kaida hatte in den vergangenen Monaten den Konflikt zwischen den Regierungstruppen und den schiitischen Houthi-Rebellen genutzt, um seine Macht im Süden des Landes auszuweiten. Die islamistischen Rebellengruppen eroberten erst vor wenigen Tagen die Stadt Assan in der Provinz Schabwa. Sie kontrollieren zudem die Provinzhauptstadt Sinjibar in Abyane und die nahegelegene Stadt Jaar. Norden des umkämpften Jemen von Houthi-Rebellen beherrscht. Riad – Im Süden von Saudi-Arabien sind zwei Menschen durch Geschoße aus dem Jemen getötet worden. Wie die saudi-arabischen Behörden am späten Samstagabend mitteilten, starben ein Soldat und ein Zivilist. Demnach wurde am Samstagmorgen zunächst eine saudi-arabische Grenzschutzpatrouille in der Region Assir aus dem Norden des Jemen unter Beschuss genommen. Dabei wurde ein Soldat getötet, wie die Nachrichtenagentur Spa unter Berufung auf das Innenministerium berichtete. Am Samstagabend schlug zudem ein Geschoß in der südlichen Stadt Najran ein, wie der örtliche Zivilschutz mitteilte. Dabei starb ein ausländischer Zivilist – es blieb zunächst aber unklar, woher er stammte. Der Norden des Jemen wird von den schiitischen Houthi-Rebellen kontrolliert. Das sunnitische Königreich Saudi-Arabien hatte im Frühjahr 2015 an der Spitze einer Militärkoalition in den Konflikt zwischen den Houthi-Rebellen und der jemenitischen Regierung eingegriffen. Seitdem wurden nach Angaben aus Riad im Grenzgebiet in Saudi-Arabien mehr als 90 Menschen durch Geschoße aus dem Jemen getötet. In dem Konflikt im Jemen starben der UNO zufolge bereits mehr als 6.100 Menschen, fast die Hälfte davon Zivilisten. Amnesty-Krisenbeauftragte Donatella Rovera über Waffenlieferungen an die saudi-geführte Koalition und Vorwürfe gegen die Huthi-Rebellen. Von den westlichen Medien weitgehend unbeachtet bombardiert eine von Saudi-Arabien angeführte Militärkoalition seit über zehn Monaten Rebellen im den Jemen. Ein bericht an den UN-Sicherheitsrat erhabt Vorwürfe gegen beide Konfliktparteien. Amnesty-Krisenbeauftragte Donatella Rovera sprach mit Bert Eder über ihre Erfahrungen im Land und westliche Unterstützung für die Luftangriffe. STANDARD: Nur wenige westliche Ausländer reisen in den Jemen. War es schwierig hinzukommen? Rovera: Schon ein bisschen. Man braucht ein Visum der Saudis, weil die Flüge von dort ausgehen, die Saudis überprüfen die Passagierliste. STANDARD: Wie lange waren sie dort, welche Regionen haben Sie bereist? Rovera: Ich war im Sommer einen Monat lang dort, die Reise führte mich sowohl in den Norden als auch den Süden des Landes. Reisen im Inland sind schwierig zu organisieren, NGOs wie Ärzte ohne Grenzen fliegen für Einsätze entweder direkt in den Norden oder nach Aden. Wir haben die Strecke mit dem Auto bewältigt und waren gerade in Aden, als Streitkräfte der Vereinigten Arabischen Emirate die Stadt von den Huthi-Rebellen eroberten. STANDARD: Warum erreichen uns im Gegensatz zum Konflikt in Syrien kaum Nachrichten über Kämpfe im Jemen? Von dort gibt es tägliche Aussendungen über Luftschläge der US-geführten Koalition, zahlreiche Bürgerjournalisten berichten in sozialen Medien über die Ereignisse … Rovera: Ausländische Journalisten gibt es kaum im Jemen. Außerdem dauert der Konflikt in Syrien bereits lange an. Als ich 2012 mehrmals dort war, gab es auch kaum Berichte. Mittlerweile haben ausländische Journalisten Kontakte aufgebaut, um an Informationen zu kommen. Jemen war nie ein großes Thema in der westlichen Berichterstattung. Außerdem fehlt der Presse eine wichtige Quelle: Tausende Flüchtlinge aus Syrien können ihre Geschichten erzählen, während die Bewohner des Jemen keine Möglichkeit zur Flucht haben. Nach Saudi-Arabien, also in das Land, das sie bombardiert, können und wollen sie nicht flüchten, außerdem ist die dortige Medienlandschaft nicht wirklich erwähnenswert. Manche schaffen es in Booten nach Dschibuti, wo die Lebenskosten aber extrem hoch sind. Oman wäre sicher, aber dafür müsste man den ganzen Jemen durchqueren, also auch Gebiete, die von den Jihadistengruppen Al Kaida und IS kontrolliert werden. Außerdem können sich viele eine solche Reise nicht leisten. Die Bevölkerung leidet also unter der Blockade und dem Bombardement, kann aber nicht fliehen. STANDARD: Ein kürzlich an die Öffentlichkeit gelangter Bericht an den UN-Sicherheitsrat wirft allen Konfliktparteien vor, Hunger als Mittel der Kriegsführung einzusetzen und bemerkt, dass keine einzige humanitäre Kampfpause eingehalten wurde. Rechnen Sie damit, dass der Sicherheitsrat deshalb aktiv wird? Rovera: Die aktuelle Sicherheitsrats-Resolution zum Jemen unterstützt ganz klar eine Konfliktpartei und rechtfertigt den Krieg. Die sogenannte international anerkannte Regierung Präsident Hadis genießt wohl mehr Unterstützung bei den Personen, die für diese Resolution gestimmt haben, als im eigenen Land: Sein Mandat ist abgelaufen, er wurde als einziger Kandidat gewählt. Die Internationale Gemeinschaft ist, was den Schutz der Zivilbevölkerung im Jemen betrifft, grandios gescheitert. Alle Konfliktparteien sind für zivile Opfer verantwortlich, aber die meisten Toten fordern die Luftangriffe der saudi-geführten Koalition. Artilleriegranaten oder -raketen zerstören vielleicht ein Haus, aber eine 500 oder 1.000 Kilo schwere Bombe richtet einen viel größeren Schaden an. Sowohl EU-Mitgliedstaaten als auch die USA unterstützen diese Bombardements – 99,9 Prozent der Geschoße und Bomben, die ich im Jemen gesehen habe, stammten aus US-Fertigung, darunter auch international geächtete Streubomben. Berater aus den USA und möglicherweise auch aus Großbritannien stehen der Koalition bei der Zielauswahl zur Seite. Bereits vor dem Krieg war Jemen von Lebensmittelimporten abhängig, weil dort fast nichts produziert wird – durch die Blockade gibt es praktisch keine Lieferungen aus dem Ausland mehr, die Wirtschaft steht still. Schon vor dem Konflikt hatte die Bevölkerung einen viel niedrigeren Lebensstandard als etwa die Syrer oder die Iraker, seitdem hat sich die Situation drastisch verschlechtert. STANDARD: Es gibt Berichte über Munitionslieferungen aus Brasilien, im Jänner verunglückte eine Frachtmaschine vom Typ Boeing 747, die mit 100 Tonnen 500-Kilo-Bomben aus Belarus beladen war, beinahe bei der Landung auf der Abha King Khalid Airbase. Geht den Saudis die Munition aus? Rovera: Ich bin da skeptisch. Der Großteil des Kriegsmaterials, das wir im Jemen gefunden haben, war ziemlich alt, bis auf eine Streubombe stammte alles aus den 70er- und 80er-Jahren. Das in letzter Zeit angeschaffte Material wurde also offenbar eingelagert. Man weiß recht wenig über die Waffenbestände der Koalitionsmitglieder, aber wenn man das Ausmaß der Bombardements betrachtet, besteht kein Mangel. Ein Großteil der Luftangriffe ist militärisch betrachtet sinnlos, sie treffen Wohnhäuser, Geschäfte, Fabriken oder Moscheen. STANDARD: Was sagen Sie dazu, dass die Präsidentengarde der Vereinigten Arabischen Emirate, die im Jemen kämpfen soll, von einem australischen General befehligt wird? Natürlich konnte Mark Hindmarsh das nicht voraussehen, als er 2010 das lukrative Angebot annahm, die Emirate hatten sich zu diesem Zeitpunkt an keinen kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligt … Rovera: Das kann ich nicht beantworten, die Verantwortung liegt bei der Regierung der Emirate, wen immer sie beschäftigt. Es gibt auch Kämpfer aus Lateinamerika im Jemen. Sowohl die Emirate als auch Bahrain, Katar und mehrere andere Staaten haben anfangs bestritten, Bodentruppen im Jemen zu haben, solche Sachen erfahren wir oft nur durch Todesanzeigen in den Zeitungen, die Koalition selbst veröffentlicht praktisch keine Informationen. Dass Marokko beteiligt ist, erfuhren wir erst, als ein Pilot getötet wurde, sogar sudanesische Streitkräfte wurden gesichtet: die UN unterstützen also eine Koalition, an der ein Land beteiligt ist, gegen dessen Präsidenten es eine Anklage vor dem Internationalen Strafgerichtshof gibt und gegen das ein Waffenembargo besteht – so verrückt ist der ganze Einsatz! Solange keine konkreten Kriegsverbrechen-Vorwürfe gegen den Australier vorliegen, drohen ihm wohl keine Konsequenzen. Generell ist es kaum möglich festzustellen, wer für Luftangriffe verantwortlich ist. Wir erfahren nicht, welchem Land das Flugzeug gehört, das die Bombe abwarf, die ein bestimmtes Haus zerstört hat – die Koalition veröffentlicht solche Informationen nicht. STANDARD: Die Saudis unterstützen die international anerkannte Regierung – welche Rolle spielt Ihrer Ansicht nach Iran in diesem Konflikt? Rovera: Das weiß ich nicht. Im Gegensatz zum Irak oder zu Syrien, wo iranische Rüstungsgüter und wiederholt auch hochrangige Militärvertreter wie Qassem Soleimani, der Kommandeur der al-Quds-Einheit, gesehen wurden, haben wir im Jemen keine solchen Beobachtungen gemacht. Das Land steht unter Belagerung durch die saudi-geführte Koalition, was Waffenlieferungen zusätzlich erschwert … STANDARD: Der UN-Bericht erwähnt, dass an Bord eines Fischerbootes Konkurs-Panzerabwehrraketen mit iranischen Beschriftungen entdeckt wurden, die offenbar für die Huthis bestimmt waren … Rovera: In solch kleinem Maßstab kann das durchaus sein, aber große Lieferungen können weder auf dem Luft- noch auf dem See- oder dem Landweg erfolgen. STANDARD: Laut UN-Bericht bombardiert die Koalition Zivilisten und Flüchtlingslager. Den Huthis wird vorgeworfen, afrikanische Migranten und Flüchtlinge als menschliche Schutzschilde zu missbrauchen. Am Ende steht die Forderung nach einer internationalen Untersuchungskommission. Gibt es Hoffnung, dass eine solche in absehbarer Zeit eingerichtet werden könnte? Rovera: Das wär zu begrüßen. Der Großteil der Zivilisten wird allerdings von der Koalition getötet, manche auch von den Huthis. Die Koalition hält das ganze Land in einem Belagerungszustand, die Huthis verfolgen Menschen, die sie kritisieren, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und blockieren Lebensmittellieferungen für Städte wie Tai´iz, wie unser Bericht kritisiert. Es gibt keine Guten in diesem Krieg. Wenn eine Seite weniger Schäden anrichtet, bedeutet dies nur, dass sie nicht über die dafür erforderlichen Mittel verfügt. Militärallianz um Saudi-Arabien flog Angriff auf Houthi-Rebellen. Sanaa – Bei einem Luftangriff der von Saudi-Arabien angeführten Militärkoalition sind laut Augenzeugen am Samstag im Jemen rund 40 Menschen getötet worden. Die Opfer seien Zivilisten und schiitische Rebellen, berichteten Augenzeugen. Der Angriff habe sich gegen einen Markt nordöstlich der Hauptstadt Sanaa gerichtet. Auch von 30 Verletzten war die Rede. Aus Stammeskreisen an Ort und Stelle hieß es, der Angriff habe drei Fahrzeuge ins Visier genommen, in denen Rebellen transportiert wurden. Demnach ereignete sich der Angriff auf einem Markt der Stadt Naqil bin Ghaylan. Seit September 2014 kämpfen im Jemen Truppen des sunnitischen Präsidenten Abd-Rabbu Mansour Hadi gegen schiitische Houthi-Rebellen und deren Verbündete. Die regierungsnahen Kämpfer werden durch die von Saudi-Arabien angeführte Militärallianz unterstützt. In dem Konflikt wurden seit März 2015 rund 6.000 Menschen getötet. "Dutzende Kämpfer" getötet. Washington – Die USA haben bei einem Luftangriff auf ein Ausbildungslager der Terrorgruppe Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel im Jemen dutzende Kämpfer getötet. Wie das US-Verteidigungsministerium am Dienstag weiter mitteilte, nutzten das Lager in den Bergen des Bürgerkriegslandes mehr als 70 Terroristen. Die USA würden den genauen Erfolg des Angriffs noch überprüfen, jedoch sei nach ersten Erkenntnissen klar, dass dutzende dieser Kämpfer getötet worden seien. Der US-Luftangriff bedeute einen Schlag gegen diese Gruppierung, die den Jemen als Basis für die Bedrohung von Amerikanern nutze. Im Jemen ist neben anderen auch Al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) sehr aktiv. Ein Militärbündnis unter Führung Saudi-Arabiens fliegt seit einem Jahr Angriffe in dem Bürgerkriegsland. Die schiitischen Huthi-Rebellen kontrollieren große Teile vor allem im Norden und Westen des Landes und kämpfen gegen Truppen und Verbündete von Präsident Abd Rabbo Mansur Hadi. Präsident Hadi warf Khaled Bahah Scheitern vor. Aden – Der jemenitische Präsident Abd-Rabbu Mansour Hadi hat Regierungschef Khaled Bahah entlassen. Er warf dem Ministerpräsidenten laut einem am Sonntag veröffentlichten Schreiben Scheitern unter anderem in der Wirtschafts- und der Sicherheitspolitik vor, wie die amtliche Nachrichtenagentur Sabanew berichtete. Bahah war seit 2014 im Amt und fungierte auch als Vizepräsident des Jemen. Zuvor war er Vertreter des Jemen bei den Vereinten Nationen gewesen. Zum Nachfolger Bahahs als Regierungschef ernannte Hadi den Angaben zufolge seinen bisherigen Berater Ahmed bin Dagher, neuer Vizepräsident solle der General Ali Mohsen al-Ahmar werden. Der Schritt kommt wenige Tage vor dem für den 10. April geplanten Inkrafttreten eines unter UNO-Vermittlung ausgehandelten Waffenstillstands zwischen regierungstreuen Truppen und Rebellen. Am 18. April wollen die Konfliktparteien in Kuwait zu Friedensgesprächen zusammenkommen. Die schiitischen Houthi-Rebellen hatten Anfang vergangenen Jahres die Hauptstadt Sanaa und andere Städte erobert und den sunnitischen Präsidenten Hadi zur Flucht aus dem Land gezwungen. Seit März 2015 fliegt eine Militärkoalition unter Führung Saudi-Arabiens Luftangriffe im Jemen, um die vom Iran unterstützten Rebellen zurückzudrängen und Hadi zu ermöglichen, an die Macht zurückzukehren. Nach UNO-Angaben wurden in dem Konflikt seit dem saudi-arabischen Eingreifen rund 6.300 Menschen getötet. Reaktion auf Einnahme von Militärstützpunkt durch Houthi-Rebellen. Sanaa – Nur einen Tag nach dem Start direkter Friedensgespräche der jemenitischen Konfliktparteien hat die Regierungsdelegation ihre weitere Teilnahme ausgesetzt. Als Grund nannte Außenminister Abdel-Malek al-Mikhlafi am Sonntag die Übernahme eines Militärstützpunktes sowie Waffenstillstandsverletzungen durch die vom Iran unterstützten Houthi-Rebellen. Es werde erst wieder verhandelt, wenn die Aufständischen die Berücksichtigung des Waffenstillstandes garantierten, schrieb er auf dem Kurznachrichtendienst Twitter. Die Verhandlungen begannen am 21. April in Kuwait-Stadt unter UN-Schirmherrschaft. Am Samstag hatten sich Vertreter von Rebellen und Regierung erstmals direkt gegenüber gesessen. Im Anschluss war von produktiven Gesprächen die Rede gewesen. Allerdings hatten die Rebellen noch am selben Tag den Militärstützpunkt Al-Umaliqa im Norden Jemens überrannt. Beide Seiten werfen sich vor, die Waffenruhe schon tausende Male gebrochen zu haben. Die Houthi-Rebellen hatten Anfang vergangenen Jahres die Hauptstadt Sanaa und andere Städte erobert und Präsident Abd Rabbu Mansur Hadi zur Flucht nach Saudi-Arabien gezwungen. Im März 2015 startete dann eine von Riad geführte Militärallianz mit Angriffen auf die Aufständischen und ihre Verbündeten in der Armee, um Hadi die Rückkehr an die Macht zu ermöglichen. Mehr als 6400 Menschen sind dem Konflikt zum Opfer gefallen. 2,8 Millionen Menschen flüchteten vor der Gewalt. 'Iris Gerlach vom Deutschen Archäologischen Institut spricht über Plünderungen, Zerstörungen und Rettungsversuche im vom Krieg gebeutelten Jemen. STANDARD: Die Sicherheitslage im Jemen hat sich seit dem Eingreifen Saudi-Arabiens dramatisch verschlechtert. Doch sie war doch auch schon vor Ausbruch der Kämpfe schlecht. Gerlach: Einer der Forschungsschwerpunkte des Deutschen Archäologischen Instituts (DAI), das seit fast 40 Jahren im Jemen ist, liegt in der Oase von Marib mit ihren Städten und Palästen, Tempelanlagen, Friedhöfen und dem großen Damm aus dem ersten Jahrtausend vor Christus. Dort haben wir arbeiten können, solange es ruhig war. Die Lage hat sich aber tatsächlich im Laufe der letzten Jahre dramatisch verschlechtert. Wir haben darauf dahingehend reagiert, dass wir einerseits Wächter vom jeweiligen Stamm für den Grabungsplatz, sowie für uns als Team angestellt haben. Andererseits hatten wir ab 2009 zudem auch noch Militär von der Zentralregierung in Sanaa. Diese beiden Komponenten zusammen haben uns in diesen Krisenregionen geschützt. Vor allem aber der lokale Stamm war Garant dafür, dass man nicht entführt wurde, weil sie für die Sicherheit gebürgt haben. Problematisch war es, wenn man das Stammesgebiet verließ und die Straße, einen quasi rechtsfreien Raum, erreichte. Da benötigte man dann auf jeden Fall Militärschutz, um zurück nach Sanaa zu kommen. STANDARD: Nun herrscht Krieg im Jemen. Aber sind die jemenitischen Kulturgüter überhaupt direkt von den Kämpfen betroffen? Gerlach: Ja. Vor allem seit März 2015, seit dem Eingreifen der saudi-arabischen Koalition und den folgenden Luftangriffen auf den Jemen. Wir müssen leider in zunehmendem Maße verzeichnen, dass gerade die Fundplätze aus dem frühen ersten Jahrtausend v. Chr. im Zuge dieser Kampfhandlungen zerstört werden. Archäologische Stätten sind aber nur das eine. Es gab auch massive Luftschläge u. a. auf die Altstadt von Sanaa, die zum Unesco-Kulturerbe gehört. Das wird oft vergessen: Im Jemen gibt es auch eine einzigartige mittelalterliche Architektur. Jedes Altstadthaus in Sanaa etwa, aber auch unzählige Dörfer sind für sich bereits bedeutende Kulturstätten. Das sind häufig in sich geschlossene, teilweise rezent kaum überformte historische Siedlungsensembles. Die Altstadt von Sada zum Beispiel, die jetzt durch saudische Luftangriffe völlig zerstört ist, stand auf der Tentative List der UNESCO. Es gibt viele solcher Kulturstätten, die bei uns in Europa alle unter Denkmalschutz stehen würden. In der Stadt Dhamar wurde ein relativ neues Museum durch einen Bombenangriff völlig zerstört. Dort vernichtete dieser einzige Angriff weit über 10.000 Objekte unwiederbringlich. Das DAI hat bereits frühzeitig gemeinsam mit internationalen Kollegen eine Liste mit allen archäologischen Stätten und Museen zusammengestellt. Diese übergab die Unesco umgehend der saudi-arabischen Militärkoalition – mit der dringenden Bitte, diese Plätze nicht anzugreifen. Leider sieht die Realität aber anders aus. Wenn vermutet wird, dass sich dort gegnerische militärische Einrichtungen befinden, wird auf die Kulturstätten keine Rücksicht genommen. Es gibt da anscheinend oft diese Haltung: Who cares, dann geht eben ein ganzes Museum oder ein alter Tempel kaputt. Hauptsache, wir kommen mit unseren politischen Zielen voran. Aufgrund dieser Einstellung gibt es wohl auch letztlich Angriffe auf Krankenhäuser und Schulen – obwohl dies konträr zu jeglicher Vernunft und Moral steht. STANDARD: Gibt es neben Schäden durch Kämpfe auch Raubzüge in archäologischen Stätten und Museen, wie wir das bereits in Syrien und im Irak gesehen haben? Gerlach: Das ist leider teilweise auch der Fall. Es finden zudem religiös motivierte Zerstörungen statt. Gerade im Süden des Landes, im heutigen Hadramawt, sind Zerstörungen von Heiligengräbern zu beobachten, die der radikalen wahhabitischen Auslegung des Islams nicht entsprechen. Die wurden teilweise bereits vor dem Krieg beschädigt, doch ihre gezielte und vollständige Zerstörung findet heute statt, da in den betroffenen Regionen keine staatliche Kontrolle mehr existiert bzw. Extremisten die Macht übernommen haben. Und es werden Museen geplündert: Das passiert ebenfalls durch Al-Kaida und andere jihadistische Gruppen vor Ort. Vor allem Sinjibar, die Provinzhauptstadt von Abian, ist nachweislich davon betroffen. Zum Glück ist es aber zumindest bisher nicht zur Ausradierung eines ganzen Fundplatzes aufgrund religiöser Motivation gekommen. Doch gestalten sich die massiven Plünderungen an vielen Orten als existenzbedrohend für die archäologischen Stätten. Anzahl und Intensität dieser Zerstörungen nehmen seit Beginn der militärischen Auseinandersetzung deutlich zu. STANDARD: Merkt man diese Plünderungen auch auf dem Markt für Kulturgüter? Gerlach: Ja, was Südarabien betrifft verfolgen wir vom DAI aus auch den Antiken-Markt und arbeiten mit dem deutschen Bundeskriminalamt (BKA) und Interpol zusammen. Im Zuge dessen bekommen wir immer wieder Objekte zur Begutachtung, die im Zoll liegen oder auf europäischen Auktionen angeboten werden. Zum Glück handelt es sich oft um Fälschungen, doch kommen heute auch vermehrt echte Stücke mit gefälschten Dokumenten ins Land. Auffallend ist dabei, dass jetzt immer häufiger Objekte mit der Herkunftsangabe Aus alten Sammlungen auftauchen. Das quantitive Anwachsen von Antiken aus Kriegsgebieten aus anscheinend alten und damit zumindest offiziell legalen Altbeständen wundert einen dann schon. Letztlich sehen wir dabei nur die Oberfläche des Handels – nämlich was in Auktionshäusern – meist legal – angeboten oder vom Zoll abgefangen wird. Wir wissen aber von einem umfangreichen und wohlorganisierten Schwarzmarkt. Dabei werden die Objekte außerhalb unserer direkten Kontrolle verschoben. Unsere Kenntnisse dazu sind äußerst gering. Mal erhalten wir indirekte Informationen, häufig aber eben auch gar nicht. STANDARD: In Syrien und im Irak gibt es einen vom Islamischen Staat (IS) organisierten Handel mit Kulturgütern. Wie sehr sind die Raubzüge im Jemen organisiert? Gerlach: Anders als in Syrien und im Irak, habe ich derzeit keinerlei Information, dass im Jemen jihadistische Organisationen aus dem Antikenhandel Profit schlagen. Wir wissen aber, dass religiös motiviert zerstört wird. Dies geschieht, weil es sich entweder um Zeugnisse einer präislamischen Kultur handelt oder um Hinterlassenschaften und damit Symbole einer anderen islamischen Glaubensausrichtung 19 Tonnen Munition beschlagnahmt. Kuwait-Stadt – In Kuwait haben die Sicherheitskräfte eine dreiköpfige Terrorzelle zerschlagen und riesige Mengen Munition, Sprengstoff und Waffen beschlagnahmt. Drei kuwaitische Staatsbürger seien festgenommen worden und hätten gestanden, einer Terrorgruppe anzugehören, teilte das Innenministerium des an den Irak grenzenden Golfemirats am Donnerstag mit. Demnach wurden 19 Tonnen Munition, 144 Kilogramm Sprengstoff sowie drei Panzerabwehrraketen, 56 andere Raketen, 204 Handgranaten, Schusswaffen und diverse Zünder beschlagnahmt. Die Waffen seien in einem Bauernhof in Abdali nahe der irakischen Grenze sowie zwei weiteren Häusern in nicht genannten Orten gefunden worden. Im Juni hatte sich ein saudiarabischer Selbstmordattentäter in einer schiitischen Moschee in Kuwait-Stadt in die Luft gesprengt und 26 Menschen in den Tod gerissen. Hunderte weitere Gläubige wurden verletzt. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) bekannte sich zu dem Angriff. 29 Verdächtige sind derzeit wegen des Anschlags in Haft. Ende Juli gaben die Behörden zudem die Zerschlagung einer fünfköpfigen IS-Zelle bekannt. Fluglinie verzichtet auf wichtige Destinationen, um nicht länger Israelis transportieren zu müssen. Washington/Kuwait-Stadt/London – Die Fluglinie Kuwait Airways hat ihre Verbindungen nach New York und London eingestellt, weil sie ansonsten Israelis hätte mitnehmen müssen. Das US-Verkehrsministerium erklärte am Mittwoch, dass die kuwaitische Fluggesellschaft nach einer offiziellen Aufforderung, die Diskriminierung israelischer Bürger zu beenden, mitgeteilt habe, die beiden Städte nicht länger anzufliegen. Das Ministerium hatte dem Unternehmen im September einen Brief geschrieben, in dem es aufgefordert wurde, sich an das Gesetz zu halten, das unbegründete Diskriminierung von Fluggästen verbietet. Der Streit geht auf das Jahr 2013 zurück, als ein israelischer Bürger beim Versuch scheiterte, unter Verwendung eines israelischen Passes ein Ticket im Reservierungssystem von Kuwait Airways zu buchen. Auf Nachfrage der US-Regierung erklärte die Fluglinie damals, sie befolge die kuwaitische Gesetzgebung, die wirtschaftliche Beziehungen mit Menschen oder Firmen verbietet, die in Israel leben oder die israelische Staatsbürgerschaft haben. Wie die meisten arabischen Staaten erkennt das Golfemirat Israel nicht an. 'Der krebskranke Sultan Qabus ist zur Behandlung in Deutschland. Beobachter sorgen sich, dass die Nachfolge noch nicht geregelt ist. Maskat/Wien – Vor gut einem Jahr waren der Oman und seine Zukunft in den internationalen Medien plötzlich Thema: Sultan Qabus bin Said hatte erstmals den Nationalfeiertag und seinen Geburtstag im November 2014, den 75., im Ausland verbracht und in einer TV-Rede seinen Landsleuten mitgeteilt, er könne aus den Gründen, die Sie kennen, nicht nach Hause kommen. Die Gründe kannten in der Tat alle Omanis, auch wenn sie niemand offiziell aussprach: eine Darmkrebserkrankung des seit 1970 regierenden Sultans, die in Deutschland behandelt wurde. Qabus kehrte schlussendlich im März 2015 nach achtmonatiger Abwesenheit nach Maskat zurück, danach war er selten, aber doch in der Öffentlichkeit zu sehen. Am Wochenende hat er den Oman wieder Richtung München verlassen, Routinechecks, wie es heißt. Aber einmal mehr wird dadurch in Erinnerung gerufen, dass im Oman – gelegen in einer instabilen Region an der Straße von Hormuz, mit dem Kriegsland Jemen im Süden – die Nachfolgefrage ungeklärt ist. Oder zumindest sein dürfte, denn man weiß ja nicht, ob nicht angesichts der langen Krankheit Qabus’ im Hintergrund doch bereits Entscheidungen gefällt wurden. Im 1996 von oben verordneten omanischen Grundgesetz steht, dass der neue Sultan ein männlicher muslimischer Nachkomme von Sultan Turki bin Said (1871– 88) sein und omanische muslimische Eltern haben muss. Im Fall des Ablebens von Qabus, dessen kurze Ehe kinderlos blieb und der auch keine Brüder hat, würde der Familienrat zusammentreten und versuchen, sich auf einen Sultan zu einigen. Gelingt das innerhalb von drei Tagen nicht, tritt der Verteidigungsrat, das Parlament und drei Höchstrichter zusammen, um jene Person als Herrscher zu bestätigen, deren Name Qabus in einem Briefkuvert hinterlassen hat. Beziehungsweise in zwei Briefen, die an verschiedenen Orten (Maskat und Salalah) deponiert sind, wie er 1997 selbst sagte: Und es handelt sich auch nicht nur um einen Namen, sondern um zwei, deren Abfolge allerdings die Präferenzen Qabus’ anzeigt. Das kann ohne Probleme vonstattengehen, aber in einer Region, in der derzeit alle Konfliktlinien aufzubrechen scheinen, die es nur gibt, kann das auch schiefgehen. Sultan Qabus hat den modernen Oman, der für die meisten seiner Bürger ein Wohlfahrtsstaat ist, geschaffen und ist sehr beliebt – aber sogar er war immer wieder mit Umsturzversuchen (Mitte der 1990er-Jahre und 2005, beide religiös motiviert) und Missmut konfrontiert. Ob sein Nachfolger ad hoc mit der nötigen Legitimität innerhalb und außerhalb der Familie ausgestattet wäre, um einen ruhigen Übergang zu managen, bleibt zu sehen. Als Begründung für Qabus’ Vorgangsweise wird stets angeführt, dass er Rivalitäten im Vorfeld verhindern wollte. Eine andere Befürchtung soll gewesen sein, dass äußere Kräfte versuchen, seinen designierten Nachfolger zum Träger ihrer Interessen zu machen. Wie weit das mit der depressiven Persönlichkeitsstruktur Qabus’ zu tun hat – wie weit er fürchtete, das Schicksal seines Vaters zu erleiden, den er selbst 1970 ins Exil schickte –, kann man nur vermuten. Der Preis ist, dass verhindert wurde, dass ein Nachfolger Autorität aufbauen konnte. Wer aber sind die Namen, die in Qabus’ Kuverts stehen? Es werden im Allgemeinen drei Cousins genannt, und zwar die Söhne seines Onkels, des Bruders seines Vaters, Tariq bin Taimur. Dieser war nach dem Umsturz 1970 kurz Premierminister. Die drei sind: Asaad bin Tariq (geboren 1954), Berater des Sultans Männer sollen Gründung von Kalifat geplant haben. Abu Dhabi – Wegen Terrorvorwürfen strengen die Vereinigten Arabischen Emirate einen Prozess gegen insgesamt 41 Verdächtige an. Ermittler werfen den Männern aus dem In- und Ausland nach Angaben vom Sonntag vor, einen Sturz der Regierung und die Gründung eines Kalifats geplant zu haben. Dazu hätten sie eine Gruppe mit einer terroristischen Ideologie gegründet, erklärte die Generalstaatsanwaltschaft nach Angaben der amtlichen Nachrichtenagentur WAM. Zu den Staatsangehörigkeiten der Beschuldigten wurden keine Angaben gemacht. Diese hätten Anschläge auf dem Boden der Emirate geplant, hieß es allerdings. Zudem hätten sie Kontakt zu Terrorgruppen im Ausland gehabt. Ob die Jihadistenmiliz Islamischer Staat gemeint war, blieb unklar. Größere Prozesse wie der nun angekündigte sind in den Emiraten selten. Von radikalislamischer Gewalt, wie sie in vielen anderen arabischen Ländern herrscht, blieben sie bisher weitgehend verschont. Die Regierung der Emirate verfolgt eine unnachgiebige Politik gegen radikale Islamisten. Am Ramadan-Ende meldet die von Riad unterstützte jemenitische Regierung einen Sieg gegen die Huthi-Rebellen in Aden. Sanaa/Wien – Der beinahe vier Monate andauernde Krieg im Jemen ist ein journalistischer weißer Fleck: Es gibt keine kontinuierliche unabhängige Berichterstattung über die Kampfhandlungen und ihre Folgen, Informationen kommen nur anlässlich spektakulärer Vorfälle und Wendungen durch. Dazu gehört auch die Befreiung von Aden von den schiitischen Huthi-Rebellen. Den Durchbruch der Kampagne meldete die jemenitische Regierung von Abd Rabbo Mansur Hadi, der in Riad residiert, just am Ramadan-Ende. Vom vor ein paar Tagen verkündeten Waffenstillstand ist keine Rede mehr. Ein Teil des Kabinetts soll bereits nach Aden zurückgekehrt sein. Hadi sagte in einer Rede, dass Aden der Schlüssel zur Rettung der Nation sei. Dass die südjemenitische Hauptstadt mit ihren Sezessionisten nun als Symbol des jemenitischen nationalen Zusammenhalts dient, ist ein seltsamer Nebeneffekt des Konflikts. Die militärische Lage ist schwer einzuschätzen. Seit Kriegsbeginn sind den von Saudi-Arabien und anderen Arabern mit Luftangriffen unterstützten Truppen am Boden keine nachhaltigen militärischen Gewinne gelungen. Anti-Huthi ist auch noch lange nicht Hadi-loyal. Der jemenitische Präsident, der 2012 als Vizepräsident das Amt vom abtretenden Ali Abdullah Saleh übernahm – geplant war für zwei Jahre –, war politisch nie stark. Saudi-Arabien ist es nicht gelungen, wie angedacht eine substanzielle sunnitische Bodentruppe, die gegen die Huthis und deren Verbündeten Saleh kämpft, aufzustellen. Pakistan hat abgewunken – ein Eingreifen auf der Seite Saudi-Arabiens im Jemen hätte die bereits existierenden sunnitisch-schiitischen Konflikte weiter angeheizt, und mit dem aus der Isolation tretenden Iran, der die Huthis unterstützt, will man es sich auch nicht verderben. Auch Ägypten hat zurzeit andere Sorgen – plus ein historisches Jemen-Interventionstrauma. Das Wall Street Journal meldete am Freitag, dass in Aden Soldaten aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gegen die Huthis mitgekämpft hätten. Weiters heißt es, auch Elemente von Aqap – al-Kaida auf der Arabischen Halbinsel – seien an den Kämpfen beteiligt gewesen. Demnach hätten Aqap-Kämpfer den Sieg mitgefeiert, bei dem die Leichen von Huthis zur Schau gestellt wurden. Auch diese Nachricht ist nicht zu verifizieren. Dass die Gegner Saudi-Arabiens dem Königreich eine direkte Kooperation mit Al-Kaida unterstellen, überrascht nicht. Glauben kann man jedoch, was Bruce Riedel von der Brookings Institution schreibt, nämlich dass Al-Kaida in Teilen der Provinz Hadramaut Fuß gefasst hat, auch in der Haupt- und Hafenstadt Mukalla, die von Flüchtlingen gestürmt wird, weil sie als vor den saudischen Luftangriffen sicher gilt. Dass Al-Kaida der lachende Dritte im Konflikt zwischen Huthis/Saleh und Hadi beziehungsweise zwischen dem Iran und Saudi-Arabien sein wird, ist keine Überraschung. Die einzige ernsthafte Konkurrenz erwächst ihr aus dem Islamischen Staat. Der übliche Propagandakrieg wird zurzeit auch noch verschärft durch Stimmen innerhalb Saudi-Arabiens, die gegen die neuen starken Männer unter dem neuen König Salman opponieren. Besonders der anonyme Twitterer Mujtahidd, von dem vermutet wird, dass er ein Mitglied des Königshauses ist, agitiert gegen den kleinen General – Königssohn, Vizekronprinz und Verteidigungsminister Mohammed bin Salman, dem er sogar vorwirft, die Staatskassen zu plündern. Mujtahidd hatte noch zu Wochenbeginn getwittert, die Huthis seien nicht zu schlagen. Sicher ist, dass sie noch immer genügend Schlagkraft haben, um saudi-arabische Stellungen über die Grenze hinweg anzugreifen. Politische Lösung ist keine in Sicht: Auch wenn eine Seite den Krieg gewinnen sollte, wird sie doch die Verlierer einbinden müssen. Keine Gruppe kann den Jemen alleine regieren. Aber die Diplomatie wird mit andauerndem Krieg immer schwieriger, sie wird auf eine Phase der Erschöpfung warten müssen. Hunderttausende Jemeniten sind völlig unversorgt auf der Flucht, die anderen sind viel zu arm, um ihnen zu helfen. IAEA-Plan zur Klärung offener Fragen zu Atomprogramm ist für Gegner einzige Angriffsfläche. Wien – Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA), aber auch das US-Außenministerium sind am Donnerstag Medienberichten über angebliche Details einer Vereinbarung zwischen der IAEA und dem Iran entgegengetreten: Einem (nicht verifizierten) Entwurf einer Abmachung zufolge, der der Nachrichtenagentur AP zugespielt worden war, würde die IAEA ihre Einschätzung der iranischen Militäranlage Parchin – wo früher Aktivitäten stattgefunden haben sollen, die auf ein Atomwaffenprogramm hindeuten – ausschließlich auf vom Iran gelieferte Proben und Informationen stützen. Der Iran inspiziert Parchin selbst, war der Sukkus der Geschichte. Dazu meldete sich IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano zu Wort und nannte den AP-Bericht eine falsche Darstellung. Ein Sprecher des US-State-Department stellte klar, dass die IAEA dem Iran auf keinen Fall die Parchin-Inspektion überlassen werde: Das ist nicht, wie die IAEA arbeitet. Was die meisten Experten für einen Spin von Gegnern des zwischen dem Iran und der inter nationalen Gemeinschaft am 14. Juli in Wien abgeschlossenen Aktionsplans (JCPOA) halten, wurde jedoch von Medien und Gruppen, die Argumente gegen den JCPOA suchen, aufgegriffen. Die gesamte Parchin-Story hatte schon immer großes Aufregungspotenzial – während sich Inspektoren von einer physischen Inspektion schon allein deshalb wenig er warten, weil die Aktivitäten laut Geheimdiensteinschätzungen vor etwa 13 Jahren eingestellt wurden und reichlich Zeit war, alle Spuren zu entfernen. Ausführliche Abtrage- und Umbauarbeiten in Parchin sind durch Satellitenaufnahmen dokumentiert. Das heißt, die Parchin-Inspektionen werden eher überschätzt. Die Auseinandersetzung mit dem Iran um Inspektionen war auch prinzipieller Natur: Es geht um den Willen zur Transparenz und zu Kooperation. Dass es auf der Roadmap zwischen IAEA und dem Iran, die ebenfalls am 14. Juli abgeschlossen wurde, Störgeräusche geben würde, war erwartet worden. Die Abarbeitung der offenen Fragen, die die IAEA zu vergangenen nu klearen Aktivitäten des Iran hat – den sogenannten PMDs (Possible Military Dimensions) –, ist Vor aussetzung dafür, dass der JCPOA umgesetzt werden kann. Die Roadmap ist momentan die einzige Angriffsfläche für die Gegner des Deals. Nachdem der Iran wie vorgesehen bis 15. August den IAEA-Fragenkatalog beantwortet hat – ob zufriedenstellend oder nicht, weiß man nicht –, beginnt in Kürze die heiße Verifizierungsphase. Angreifbar ist der Prozess auch deshalb, weil er vertraulich ist. Für den Wunsch nach Vertraulichkeit – die für inspizierte Länder immer wichtig ist – hat der Iran spezielle Gründe, nicht zuletzt der nationalen Sicherheit gerade dann, wenn es sich um so etwas wie eine Generalbeichte handelt, etwa was in der Militäranlage Parchin gemacht wurde, auch wenn es nicht Teil eines Atomprogramms war. Es wird interessant sein zu sehen, wie viel davon im Abschlussbericht der IAEA, der am 15. Dezember vorliegen soll, landen und wie viel davon öffentlich werden wird. Dass die IAEA ihre seit der Abwicklung der südafrikanischen Atomwaffen und der Entdeckung des irakischen Atomprogramms, beides zu Beginn der 1990er-Jahre, sorgsam entwickelten Inspektionsstandards unterschreitet, ist jedenfalls mehr als unwahrscheinlich. Was die IAEA und der Iran konkret ausgemacht haben, weiß man nicht. Aber einiges weist darauf hin, dass bei den Parchin-Inspektionen dem iranischen Misstrauen – der Furcht vor Manipulationen und gefälschten Beweisen – stattgegeben wurde: Das würde die iranische Rolle beim Sammeln von Proben erklären, die der AP-Bericht anspricht. Es ist ja selten die ganze Geschichte erfunden. Die Skepsis der Gegner des Deals, ob auch alles seriös ablaufe, hat natürlich auch ihre Gründe in der Realität. Es ist nicht zu bestreiten, dass der politische Wille vorhanden ist, über die Vergangenheit des iranischen Atomprogramms hinwegzusehen, wenn eine höchstmögliche Sicherheit für die Gegenwart vorhanden ist, dass das iranische Atomprogramm zivil bleibt. IAEA-Chef Amano ist nicht der Mann, so die allgemeine Einschätzung, sich dem US-Willen entgegenzusetzen – anders als sein Vorgänger Mohamed ElBara dei 2003 vor dem Irakkrieg. Damals meldete die IAEA keine Hinweise auf ein Atomprogramm, das die US-Regierung jedoch für einen Krieg brauchte. Nach der Massenpanik mit fast 800 Toten fallen Äußerungen wie "Gottes Wille" und "Fehler der Pilger" – diese sind auch schon früher getätigt worden. Der Ärger über das saudische Missmanagement wuchs nach dem Statement eines saudischen Offiziellen, der die Verantwortung seiner Regierung an der Massenpanik bei der Hadsch mit 800 Toten zu negieren schien: Es sei Gottes nicht zu ändernder Wille gewesen, hatte er gesagt. Gleichzeitig stellte er in den Raum, dass die Pilger selbst schuld gewesen seien, weil sie die offiziellen Anweisungen nicht befolgt hätten. Diese Aussage zog, wie vorauszusehen, eine Antwort aus dem Iran nach sich, wo der religiöse Führer Ayatollah Khamenei die saudische Führung beschuldigte, dass ihr muslimische Leben völlig egal seien. Bei diesem Text handelt es sich nicht um einen Bericht vom Hadsch-Unglück am Donnerstag, dessen Opferbilanz sich inzwischen bereits den 800 nähert (manche Verletzte werden noch sterben), sondern um einen Buchausschnitt aus Islam in the World von Malise Ruthven (3. Ausgabe). Er behandelt das große Hadsch-Unglück von 1990 mit mehr als 1.400 Toten. Der saudische Offizielle, wie ich ihn genannt (und deshalb in Klammern gesetzt habe) war König Fahd, während der religiöse Führer des Iran damals wie heute der gleiche ist (Ayatollah Khomeini war 1989 gestorben). Der heutige saudische König, Salman, reagierte zwar anders, versprach Aufklärung und eine Revision der Hadsch-Regeln, aber die Statements von Gottes Willen und Pilger haben sich falsch verhalten sind von anderen gefallen. Die Hadsch-Katastrophe von 1990 zog auch eine Verstimmung zwischen Saudi-Arabien und Indonesien nach sich, woher besonders viele verunglückte Pilger stammten. Die Saudis haben seitdem tatsächlich Unsummen in Ausbau und Logistik gesteckt. Oft – auch von Ruthven – wird darauf verwiesen, dass etwa das Maha Kumbh Mela Fest am Ganges bis zu zehn Millionen Hindu-Pilger involviert und solche Unglücke nicht vorkommen. Aber der Knackpunkt an der Hadsch sind eben die im Ritual vorgesehen Abläufe und Ortswechsel, besonders gegen Ende der Hadsch bei der bis zu zwei Millionen Menschen gleichzeitig bewegt werden. Wer – als Nichtmuslim – über die Abläufe und ihre Bedeutung mehr wissen will, ist bei Ruthven gut aufgehoben. Das Ritual der Teufelssteinigung hat unklare und wohl heidnische Ursprünge, im Koran kommt es nicht vor. Auch die Deutung, dass das Bewerfen der drei Säulen mit Kieseln die Steinigung Satans darstellt, wird zwar nicht in Frage gestellt, ist aber eigentlich kanonisch nicht belegt. Populär ist auch der Glaube, dass man, wenn man im Zustand der rituellen Reinheit (ihram) stirbt, die für die Vollziehung der Hadsch nötig ist, schon besonders nah am Paradies ist. Es ist aber keineswegs so, dass dieser fromme Glaube etwas mit Todessehnsucht oder gar Fanatismus zu tun hat. Das ist ganz normale Volksfrömmigkeit. Wohl niemand will auf der Hadsch sterben (und bei einem Unglück schon gar nicht), auch wenn das alte oder kranke Leute in ihrer Volksfrömmigkeit zu Hadsch-Antritt sogar proklamieren mögen. Wie wichtig der Gedanke des besonderen Stands der Gnade ist zeigt, dass manche Gelehrte auch den Zustand eines Pilgers, der auf dem Weg zur Hadsch oder auf dem Rückweg von der Hadsch stirbt, als gesegnet anrechnen – obwohl sich der Pilger ja da nicht im Zustand der rituellen Reinheit befindet. Das hat natürlich historische Gründe: Die Reise nach Mekka war in früheren Zeiten tatsächlich mörderisch, dass man dabei umkam, war nicht so unwahrscheinlich. Im 19. Jahrhundert wurde die Reise zwar langsam leichter – aber damit stiegen die Pilgermassen und die Frequenz der Cholera-Epidemien in Mekka. Zum Zustand der Gnade ist noch zu sagen, dass religiöse Lehrer im Allgemeinen betonen, dass die Hadsch keineswegs – wie es offenbar immer wieder geglaubt wird – Sünden auslöscht, also eine Art Ablass darstellt. Das wäre dann doch zu katholisch. 19 bekannte Persönlichkeiten Algeriens fragen sich, ob der Präsident noch weiß, was im Land passiert. In Algerien ist die seltsame Situation eingetreten, dass 19 bekannte Persönlichkeiten einen Brief an den Staatspräsidenten schreiben, um ihn um ein Treffen zu bitten – aber dafür den Weg über die Öffentlichkeit wählen. Da sie Zweifel daran haben, dass Präsident Abdelaziz Bouteflika den Brief jemals zu Gesicht bekommt, geben sie die Existenz und den Inhalt des Briefs in einer Pressekonferenz bekannt. Damit haben sie zwar noch immer keine Garantie, dass er ihn bekommt, aber sie haben öffentlich den Finger auf die Wunde gelegt: Ist der Präsident eigentlich noch auf dem Laufenden über das, was in Algerien passiert? Als Wortführerin der Gruppe tritt die Linkspolitikerin und Juristin Louisa Hanoune auf. Die Zeitung El Khabar meldet, dass der Brief, der am 1. November vorgestellt wurde, noch von dutzenden anderen Personen des öffentlichen Lebens aus den unterschiedlichsten Lagern unterstützt wurde. Um jedoch den Wunsch, von Bouteflika empfangen zu werden, glaubhaft und machbar zu halten, haben sie den Brief selbst nicht mehr unterzeichnet. Auslöser für die Aktion waren mehrere Fälle, in denen prominente Briefschreiber das Gefühl hatten, ihr Brief an den Präsidenten sei im Nirwana gelandet. Dazu gehören etwa die Exministerin Khalida Toumi und eine prominente Figur aus dem Unabhängigkeitskrieg gegen die Franzosen, Abdelkader Guerroudj (Si Djilal, von den Franzosen 1957 zum Tode verurteilt und ein algerischer Nationalheld). Bouteflika, Präsident seit 1999, hatte im April 2013 einen Schlaganfall erlitten, dennoch trat er 2014 zu den Wahlen an und wurde für eine vierte Amtszeit wiedergewählt, obwohl klar war, dass er nicht im Vollbesitz seiner Kräfte war: Ein Video, das ihn im Dezember 2013 mit dem damaligen französischen Premier Jean-Marc Ayrault zeigte, erwies sich als aus nur einer aus verschiedenen Perspektiven aufgenommenen Bewegungssequenz zusammengeschnitten. Hanoune betonte jedoch bei der Pressekonferenz vor wenigen Tagen, dass es den Briefschreibern nicht um Bouteflikas Amtsfähigkeit gehe, sondern um die Frage, wer den Zugang zu ihm nach welchen Kriterien reguliere. Es handle sich auch keinesfalls um eine politische Initiative. Der Brief macht aber sehr wohl auf die ernsthafte Verschlechterung der politischen und sozialen Situation in Algerien aufmerksam und spielt auf Vorgänge in den vergangenen Wochen an: Anfang Oktober wurde der pensionierte General Hocine Benhadid (mit dem Spitznamen Bazooka) im Rahmen eines spektakulären Einsatzes der Sicherheitskräfte verhaftet, nachdem er im Fernsehen den Bruder des Präsidenten, Said Bouteflika, sowie Armeechef Ahmed Gaid Salah kritisiert hatte. Benhadid wurde der Verrat militärischer Geheimnisse vorgeworfen. Zuvor war bereits der Antiterrorchef Abdelkader Ait-Ouarab (General Hassan) festgenommen worden. Die Verunsicherung hat im September mit der Entlassung des langjährigen Geheimdienstchefs Mohamed Mediène (Toufik) begonnen. All diese Maßnahmen wurden als im Kontext des Machtkampfs zwischen Bouteflika und den Militärs stehend wahrgenommen – aber die Algerier und Algerierinnen können sich eben nicht sicher sein, ob es der Präsident selbst ist, der die Entscheidungen fällt. Und für wen wird da der Weg bereitet, die Nachfolge anzutreten? Abdelaziz Bouteflikas um zwanzig Jahre jüngerer Bruder Said (Jahrgang 1957) ist zugleich auch sein Leibarzt. Die Briefschreiber kündigten an, im Fall, dass das Gespräch mit Bouteflika zustande kommt, die Öffentlichkeit über die Beweggründe des Präsidenten getreulich zu informieren. Wenn sie nichts von ihm hören, werden sie weitere Schritte unternehmen, sagen sie. Allerdings wurde die Sache zu Wochenbeginn verkompliziert, als eine weitere Namensliste von angeblichen Unterzeichnern auftauchte, die ihre Unterschriften jedoch auf Anfrage dementierten: Da sind wohl Nebelwerfer am Werk, die von der eigentlichen Fragestellung ablenken wollen: Wer regiert Algerien? (Gudrun Harrer, 11.11.2015) Der Arabische Frühling ließ tatsächlich keinen Stein auf dem anderen: Aber die Region sieht heute ganz anders aus, als es sich die Menschen diesseits und jenseits des Mittelmeers damals erträumten. Aber auch wenn fünf Jahre danach fast alles im Argen liegt: Aus der Geschichte weiß man, wie lange politische Übergangsprozesse sein können. Der Arabische Frühling, der 2011 den Nahen Osten und Nordafrika erfasste, ließ tatsächlich keinen Stein auf dem anderen: Aber die Region sieht heute ganz anders aus, als es sich die Menschen diesseits und jenseits des Mittelmeers damals erträumten. Aber auch wenn fünf Jahre danach fast alles im Argen liegt: Aus der Geschichte weiß man, wie lange und chaotisch politische Übergangsprozesse sein können. Es ist viel verlangt von den Betroffenen – und dazu gehören längst auch die Europäer -, zu versuchen, inmitten von sich überstürzenden Ereignissen in historischen Dimensionen zu denken. Die fünfte Wiederkehr dessen, was man damals den Arabischen Frühling nannte, macht jedoch genau dies nötig. Ja, erstellt man heute einen Befund, ist alles ein Desaster: In Syrien, dem Jemen und Libyen Kriege und politischer Zerfall, Ägypten mit überfüllten Gefängnissen, Terror und Chaos auf dem Sinai, Tunesien inmitten einer fragilen Transition zwischen Hoffnung und Enttäuschung, die sich soeben wieder in neuen Protesten Luft macht. Denn das Angebot an die jungen Leute in der Region sieht so aus: nach Europa flüchten oder gleich zum Islamischen Staat gehen. Oder auch nacheinander: Man wird in Europa als Wirtschaftsflüchtling deklassiert und kehrt in tiefem Hass auf jene, die einen abgelehnt haben, nach Hause zurück. Oder: Man darf in Europa bleiben, wo aber nicht Milch und Honig fließen und auch keine Wohnung, kein Auto und kein Job warten, sondern das persönliche Scheitern. Ein Rekrutierungspool für die Radikalen. Also ein Desaster. Dennoch wäre es verfehlt, nach fünf Jahren eine abschließende Bilanz über den Arabischen Frühling ziehen zu wollen. Vielmehr sollten wir uns fragen, was uns, die Zuseher und Kommentatoren der Ereignisse, damals verleitet hat zu glauben, dass der Sturz von Regimen – der Spitze von in Jahrzehnten verfestigten, korrupten und gewalttätigen Apparaten – alle Übel der Region auf einen Schlag lösen würde. Selbst wenn diese Apparate mit verschwunden wären, die Gesellschaften, entmündigt, korrumpiert und gewaltbereit, wären noch immer da gewesen. Allerdings waren selbst die Prognosen derer, die holprige Übergangsprozesse prophezeiten, nicht so pessimistisch, wie die Bilder deprimierend sind, die sich uns heute bieten: Wie oft wurde etwa von Ägypten und Libyen betont, dass es sich dabei um Länder mit einigermaßen homogenen Gesellschaften handelt, ergo nicht zerfallsgefährdet wie der konfessionell und ethnisch disparate Irak nach 2003 oder wie es Syrien und der Jemen werden sollten. Die von Muammar al-Gaddafi bewusst herbeigeführte Absenz von staatlichen Strukturen in Libyen wurde von manchen Experten sogar als Chance gesehen: Konnte man da nicht ganz von vorn beginnen, die Institutionen von unten völlig neu aufbauen? Oder war nicht Ägypten gut dran, mit den bereits etablierten Institutionen, die man wie Gefäße leeren und danach wieder von oben mit Demokratie befüllen konnte? Es war alles – man darf den Begriff verwenden, seit sich Harry Frankfurt damit philosophisch auseinandergesetzt hat – Bullshit, Humbug. Dass sich in Transitionen alle Arten von Chaos und Herrschaft abwechseln können, könnte man aus der Geschichte wissen. Wann war eigentlich der politische Übergang nach der Französischen Revolution von 1789 beendet, die den Franzosen erst einmal die Guillotine bescherte (tatsächlich von einigen als humanitäre und demokratische Errungenschaft gesehen, waren die Hinrichtungen doch schnell und für alle Stände gleich)? Bevor 1870 die Dritte Französische Republik kam – ursprünglich ebenfalls als Provisorium gedacht -, durchlebte Frankreich alle möglichen Stadien und vor allem auch eine Schreckensherrschaft, die den Terror zur ultimativen Gerechtigkeit erklärte. Das könnte einem bekannt vorkommen. Aber Vergleiche funktionieren nie ganz und solche aus der Geschichte schon gar nicht und auch nicht die Erwartung, dass Menschen auch aus den historischen Erfahrungen anderer lernen können. Als stünde man vor einem Baukasten und müsste nur die richtigen Werkzeuge und -stücke herausnehmen. Aber der Kasten sieht eben jedes Mal ganz anders aus. Im Arabischen Frühling etwa standen zum ersten Mal die Tools der neuen Kommunikationstechnologien der sozialen Netzwerke zur Verfügung – die Beteiligte und Zuseher gleich einmal per se für Demokratie hielten. Dabei musste und muss man erst lernen, wie man sie für politischen Wandel einsetzt. Mobilisierung ist nicht alles. Vor allem, wenn es keinerlei Konsens darüber gibt, wofür mobilisiert wird. Das Volk – wer immer das ist – will, dass das Regime fällt, aber danach, was ist das nächste Anliegen? Zumindest die heutigen Migrationsbewegungen, die ja tatsächlich nicht nur aus vom Krieg heimgesuchten Gebieten kommen, öffnen die Augen dafür, wie stark die wirtschaftliche und soziale Komponente dessen war, was die Menschen 2011, auf der Höhe der globalen Finanzkrise und mit wachsenden Umweltproblemen, im Nahen Osten und Nordafrika auf die Straßen trieb. Nicht nur in den klassischen Staaten des Arabischen Frühlings: In Algerien etwa gab es bereits im Jänner 2011 Proteste gegen hohe Lebensmittelpreise. Die Forderung nach politischer Reform war fast überall vom Thema Ungleichheit und schlechte Lebensbedingungen begleitet, in Marokko, Jordanien, dem Sudan, im Irak und sogar im Oman. Auch im reichen Saudi-Arabien reagierte das Regime auf Unruhe im Volk, indem es ökonomische Boni verteilte. Nicht nur in dieser Beziehung sind die Revolutionen denen, die sie gemacht haben, alles schuldig geblieben. Vor allem die persönliche Sicherheit, das Gefühl, in geordneten staatlichen Verhältnissen zu leben, nicht der Kriminalität ausgeliefert zu sein, ist weitgehend verschwunden: Und da helfen die ebenso berechtigten Hinweise, dass Sicherheit und Ordnung in den arabischen Autokratien kein freundliches, sondern ein äußerst brutales Gesicht hatten und ebenso willkürlich waren, gar nichts. Wer sich heraushielt, wer nicht politisch war, der konnte überleben, unbehelligt bleiben, das hörte man nach 2003 sogar in dem Land, das die schlimmste arabische Diktatur überhaupt gewesen war, im Irak. Was nach dem Sturz Saddam Husseins passierte, betraf hingegen fast jeden. Und ebenfalls 2011: Wenn sich der vermeintlich starke Staat – der einen ja nicht nur terrorisiert, sondern meist auch versorgt hat – als schwach erweist, dann flüchten sich die Menschen in andere Identitäten als die nationale: die Religion, die Volksgruppe, den Stamm, den Clan. Nun denkt und kämpft jeder für sich und die Seinen. Und der große Gewinner heißt Islam: War das nicht die Kraft, die schon immer als einzige den Diktaturen etwas entgegengesetzt hat? Vor fünf Jahren um diese Zeit ist also der Tunesier Zine el-Abidine Ben Ali, dessen morsches Mafiaregime nur wenig Widerstand zeigte, schon gestürzt, in Libyen lässt Gaddafi die Demonstranten niedermähen, und in Ägypten steht die Entscheidung kurz bevor. Hosni Mubarak nähert sich seinem Abgang in kleineren Schritten: Als er verspricht, nicht mehr zu den nächsten Präsidentschaftswahlen – noch 2011 fällig – anzutreten und auch nicht seinen Sohn vorzuschicken, hätte die Revolution einhalten müssen, meinen später viele. Das hätte den geordneten Übergang garantiert, der verhindert wurde, als das völlig freie Spiel der Kräfte zum Tragen kam. Am 29. Jänner ernannte sich Mubarak seinen Vizepräsidenten: Omar Suleiman, den Geheimdienstchef. Eine Wahl, die von den Demonstranten und Demonstrantinnen, die seit dem 25. auf dem Tahrir-Platz ausharrten und ihre lebensgefährlichen Paraden mit der Polizei und anderen Angreifen ausfochten, als Hohn empfunden wurde. Für den alten Präsidenten war es hingegen ein bedeutungsschwangerer Schritt: Er selbst war der Vizepräsident des 1981 ermordeten Anwar al-Sadat gewesen, Sadat jener des 1970 verstorbenen Gamal Abdul Nasser. Dreißig Jahre lang hatte er vermieden, sich einen Vertreter und verfassungsmäßigen Nachfolger zu holen. Als am 11. Februar Bewegung in das Patt zwischen Regime und Demonstranten kam, sah es zuerst so aus, als würde Suleiman die Geschäfte übernehmen. Aber die obersten Militärs hatten verstanden, dass sie sich, wenn die Armee ihre Macht behalten sollte, in jenem Moment an der Seite der Demonstranten positionieren mussten. Der Hohe Militärrat unter Mohammed Hussein Tantawi schickte nicht nur Mubarak, sondern auch dessen Vizepräsidenten heim. Der Jubel erfüllte nicht nur den Tahrir-Platz, sondern die ganze Welt – oder fast, etwa nicht Israel, wo die Regierung nicht auf das im Westen erzählte Kitschnarrativ hereinfiel, dass die arabischen Aufstände nur mit den arabischen Autokraten, aber nichts mit der westlichen Nahostpolitik zu tun hätten. Immerhin, US-Präsident Barack Obama hatte sich beizeiten von Mubarak distanziert. Durch die anderen arabischen Regime sandte diese Distanzierung der USA von jenem Mann, der die wichtigste arabische Säule ihrer Nahostpolitik darstellte, vielleicht noch größere Schockwellen als der Sturz Mubaraks selbst. Die Saudis haben Obama das nie verziehen – und auch nicht, was danach kam. Der Aufstieg der Muslimbrüder durch die Parlamentswahlen 2011 und die Präsidentschaftswahlen 2012 und die westliche Zusammenarbeit mit ihnen, die bei uns als demokratische Unvermeidlichkeit gesehen wurde, halten auch heute noch viele Araber für ein US-Komplott. Wenn man den arabischen Ländern eine sowohl durch Wahlen legitimierte als auch islamische Regierung gibt, dann werden sie doch eine Ruhe geben und Al-Kaida vergessen, oder? Die salafistischen arabischen Monarchien am Persischen Golf fühlten sich direkt bedroht: Vielleicht war das Programm ja auch für sie vorgesehen? Es ist die übliche maßlose Überschätzung der Gestaltungsfähigkeit der USA und des Westens insgesamt: In Wahrheit waren und sind sie im Nahen Osten überforderte Zuschauer. Als der im Juni 2012 zum Präsidenten gewählte Muslimbruder Mohammed Morsi begann, den ägyptischen Karren an die Wand zu fahren, bemühten sich sowohl die USA als auch die EU um Vermittlung. Morsi war beratungsresistent. Sein Sturz im Juli 2013 wurde von großen Teilen der ägyptischen Gesellschaft getragen – aber mindestens ebenso glücklich war das saudische Regime. Das tiefe Misstrauen in der arabischen Welt gegen die Muslimbrüder, das auch zur Fragmentierung der Rebellenszene in Syrien beitrug, war wohl eine der unerwartetsten Erkenntnisse des Arabischen Frühling. Eine andere Spaltung, jene zwischen Sunniten und Schiiten, hatte schon eine neue Dynamik entwickelt, als die USA 2003 im mehrheitlich schiitischen Irak den sunnitischen Diktator stürzten. 2011 begrüßte der schiitische Iran enthusiastisch Mubaraks Fall – noch dazu am 11. Februar, dem Tag der Islamischen Revolution von 1979. Morsi stand bei vielen Arabern unter Verdacht, gleich wie die vom Iran unterstützte palästinensische Bruderorganisation Hamas den schiitischen Republikanern in Teheran die arabischen Türen öffnen zu wollen. 2013 begannen noch dazu die USA dem Iran einen Verhandlungsweg aus dem Atomstreit zu eröffnen, was auf der arabischen Seite des Persischen Golfs ebenfalls als US-Parteinahme zugunsten Teherans gesehen wurde. Heute dominiert der Kalte Krieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran die Geschicke der Region. Der Aufstand in Syrien gegen die Assadsche Präsidialdynastie wurde zum Versuch, einen Verbündeten des Iran loszuwerden. Konfessionelle Töne – Sunniten gegen Alawiten/Schiiten – waren zu Beginn als Mobilisierungsmittel willkommen und wurden bald zum Selbstläufer. Im Jemen wurde ein klassischer Konflikt marginalisierte Peripherie gegen ein schwaches Zentrum zu einem sunnitisch-schiitischen Krieg. Und so weiter. Viele Menschen in der Region sind von diesen Ereignissen, die so gar nicht zu ihrem Selbstbild passen, so überwältigt, dass sie zu Verschwörungstheorien Zuflucht nehmen: Hat denn der Westen im Nahen Osten jemals etwas anderes im Sinn gehabt als sein divide et impera? In dieses Schema wird auch das Auftauchen des Islamischen Staats oft gepresst. Dabei ist der IS ein typisches Zerfallsprodukt, er besetzt die Räume, die die korrupte Ordnung hinterlassen hat. Der Westen lenkt und beherrscht da rein gar nichts. Vielmehr stehen auch wir vor den Trümmern dessen, was seit 1990, dem Zusammenbruch des Ostblocks, als reine Lehre gegolten hat: Gebt den Leuten freie Wahlen, eine ins globale System integrierte Marktwirtschaft, lasst sie eine neue Verfassung schreiben – als Dokument eines Konsenses, wie der neue Staat aussehen und funktionieren soll -, Institutionen, und alles wird gut. Und was ist, wenn es diesen Konsens nicht gibt? Wenn durch die freien Wahlen Kräfte ans Ruder kommen, deren Legitimation nicht von allen anerkannt wird? Die Legitimation, das ist der Schlüssel, der das Schloss der Zukunft aufsperren wird – eine Ordnung, von der die Menschen in der Region nicht glauben, dass sie von außen kommt und zugunsten der Interessen anderer maßgeschneidert ist. Aber der Weg dorthin ist lang und führt durchs tiefe Tal. Der Westen sitzt, ob er es will oder nicht, mit am Tisch, aus historischen Gründen, und Europa auch aus geografischen. Wir teilen das Mittelmeer, das mare nostrum, über das die Flüchtlinge zu uns kommen und weiter zu uns kommen werden, bis es eines Tages vorbei sein wird. US-Präsident Barack Obama erklärt seine vielkritisierte Entscheidung von August 2013, keine Militärschläge gegen das Assad-Regime in Syrien anzuordnen. Washington/Wien – Als politisches Resümee eines US-Präsidenten, der das Weiße Haus erst in einem Dreivierteljahr verlassen wird, kommt das große Obama-Feature Jeffrey Goldbergs in The Atlantic etwas früh – und wird sein Verhältnis zu einigen seiner Partner in seinem letzten Jahr im Amt nicht einfacher machen. Am augenscheinlichsten verärgert zeigt sich Saudi-Arabien, dessen Exbotschafter in den USA, Prinz Turki al-Faisal, der öfter als Sprachrohr für das Königshaus fungiert, auf Arab News einen Gastkommentar publizierte: Mr. Obama, wir sind keine Schwarzfahrer. Goldberg hat über die Jahre hinweg den US-Präsidenten immer wieder interviewt, die Themen weitergesponnen, was dem Reflexionsgrad beider, des Interviewten und des Interviewers, guttut: ein Luxus, der normale Journalisten, die jeden noch so banalen von einem Politiker ergatterten Wortschnipsel sofort reproduzieren müssen, mit Neid erfüllt. Goldberg nennt seinen Artikel The Obama Doctrine. Es geht aber darin besonders um Nahost-Politik, und hier wiederum, als Angelpunkt, um Obamas Entscheidung, im August 2013 das Erwartete nicht zu tun und Syriens Machthaber Bashar al-Assad nicht zu bombardieren, was ihm bei manchen Partnern – allen voran Saudi-Arabien – den Ruf eines hoffnungslosen Softies eintrug. Insofern wäre Teil der Doktrin Barack Obamas etwa der Satz Jemanden zu bombardieren, um zu beweisen, dass man ihn zu bombardieren gewillt ist, ist so ziemlich der schlechteste Grund. Seine Berater, unter anderen US-Außenminister John Kerry, der auch das Denken der nahöstlichen Partner besser kennt, argumentierten aber im Sommer 2013 genau in diese Richtung: Wenn ein US-Präsident eine rote Linie zieht – den Einsatz von chemischen Waffen im Syrien-Konflikt -, dann muss er sich selbst an diese Linie halten. Auch Kerrys Vorgängerin Hillary Clinton sah es so: Wenn du sagst, du wirst zuschlagen, dann musst du zuschlagen. Da gibt es keine Wahl. Barack Obama hingegen sperrt sich innerlich gegen diese und andere Erwartungshaltungen an einen US-Präsidenten – und traf seine Entscheidung 2013 nach anderen Kriterien: Durch einen Militärschlag konnte man die Bedrohung durch das syrische C-Waffenarsenal nicht ausschalten. In der von Goldberg wiedergegebenen Version der Geschichte spricht Obama Russlands Präsidenten Wladimir Putin an, der dann Assad zur Aufgabe seiner chemischen Waffen überredet. 2013 spielte – falsche Einschätzung, nicht nur der USA – der Islamische Staat (IS) eine noch nicht so große Rolle, aber retrospektiv ist die Annahme, dass Regime-Chemiewaffen in signifikanter Qualität und Quantität in IS-Hände hätten fallen können, realistisch. Es war tatsächlich wichtiger, sie wegzubekommen, als Assad zu bombardieren. Obamas Verbündete und die syrische Opposition sahen das anders, für sie war ja prinzipiell das Nichteingreifen der USA in Syrien Grund dafür, dass der Aufstand zum konfessionell konnotierten Krieg metastasieren konnte. Obama wiederum wirft Saudi-Arabien vor, an der ideologischen Misere des Islam, am Hochkommen des islamistischen Radikalismus in Syrien und anderswo mitschuldig zu sein. In seiner wütenden Antwort erinnert Turki Obama daran, dass Saudi-Arabien bei der Terrorismus-Bekämpfung ganz vorn dabei ist – und auch daran, dass den USA die Partnerschaft mit den Saudis viel Geld bringt. Obama dürfte für sich früh die Frage gestellt haben, ob die US-saudische Partnerschaft wirklich so unverzichtbar ist – in Turkis Antwort wird klar, dass vor allem die Alternative die Saudis in Rage versetzt: die US-Normalisierung mit Teheran, die Obama, ohne übertriebene Erwartungen, betreibt. Laut Goldberg erwartet er jedoch von Riad, die Region mit den Iranern zu teilen. Was die nahöstlichen Staatsmänner betrifft, zeigt sich Obama besonders vom türkischen Präsidenten Tayyip Erdogan enttäuscht, aber auch von Israels Premier Bibi Netanjahu – über dessen Arroganz sich aber auch schon US-Politiker beschwerten, die an sich gute Beziehungen zu ihm hatten. Obama beschreibt eine Szene, in der er Netanjahu mehr oder weniger auffordert, er solle aufhören, ihn wie einen Idioten zu behandeln: Er sei nämlich der Präsident der Vereinigten Staaten. Die Frage, im Text paradigmatisch gestellt von einem CNN-Reporter, verfolgt jeden US-Präsidenten: Why cant we take out these bastards? Warum greifen die USA nicht ein, um diesen oder jenen zu erledigen und die Ordnung wiederherzustellen? Für Obama gibt es Fälle, bei denen das US-Interesse nicht groß genug und das Risiko zu groß ist. In Libyen weigerte er sich, in den Führersitz zu steigen, und überließ den potenziellen Schwarzfahrern, Europäern und Arabern, die nominelle Leitung. Die Angeberei Präsident Nicolas Sarkozys über den französischen Beitrag lässt er durchgehen: Wenn es das ist, was die anderen brauchen, um die Sache weniger kostspielig für die USA zu machen, so ist es das wert. Europa kommt im Atlantic-Feature sonst so gut wie nicht vor. Obamas Blick ist nach Asien gerichtet. Dass auch der Nahe Osten für die USA an Bedeutung verliert, macht ihre dortigen Partner so nervös. Obama hat die Idee aufgegeben, die Region zu reparieren. 'Zwar wurde die "Einheit" beschworen, die Türkei und Ägypten, der Iran und Saudi-Arabien bleiben einander spinnefeind. Istanbul/Wien – Die Vorsitzübergabe geriet fast schon zum feindlichen Akt. Als der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry am Ende seiner Wortmeldung kühl anmerkte, dass er die Präsidentschaft der OIC (Organisation der Islamischen Kooperation) der Türkei übergebe, aufstand und einfach wegging und ein fast schon wutschnaubender türkischer Präsident Tayyip Erdogan sich aufmachte, um den Vorsitz einzunehmen, war klar: Falls der saudische König Salman auf seiner Ägypten-Türkei-Tour wirklich vorgehabt haben sollte, Ankara und Kairo zu versöhnen, dann ist er glamourös gescheitert. Sie bleiben wie Hund und Katz. Der ägyptische Präsident Abdelfattah al-Sisi war erst gar nicht zum OIC-Gipfel gekommen, bei dem ziemlich vergeblich die Einheit der Muslime beschworen wurde. Die Türkei hat Sisi nie verziehen, dass er den Sturz des Muslimbruderpräsidenten Mohammed Morsi im Sommer 2013 anführte – und Ägypten verzeiht der Türkei ihre Kritik daran nicht. Die saudische Führung, die die Entfernung Morsis kräftig unterstützte, wurde zwar sowohl in Kairo als auch in Ankara heftig umworben, aber in dieser Beziehung konnte König Salman nichts ausrichten. Dass Sisi überhaupt Shoukry entsandte, war bereits als ein Entgegenkommen der Ägypter gedeutet worden. Darüber hinaus gab es keine Geste zwischen Ägyptern und Türken. Dabei war das nicht einmal der größte Bruch, den der Gipfel in Istanbul offenlegte. Das bleibt der iranisch-arabische – auch wenn hier letztlich nicht ganz so heiß gegessen wie gekocht wurde. Vor dem Gipfel war nämlich sogar spekuliert worden, dass sich Saudi-Arabien darum bemühen wird, die iranische Mitgliedschaft in der 1969 gegründeten OIC – der größten Staatengemeinschaft nach der Uno – suspendieren zu lassen. Davon war dann nicht die Rede. Am anderen Ende der Skala hatte es die Hoffnung gegeben, dass es zu einem Händedruck zwischen König Salman und dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani kommen könnte. Auch der fand nicht statt; in diesem Fall hat die Türkei, die vor dem Gipfel vom Wundenheilen sprach, ihr Vermittlungsziel verfehlt. Salman reiste am Donnerstag nach seiner Rede sofort ab. Schon zu Wochenbeginn waren die iranisch-saudischen Wogen hochgegangen: Zu einem den Gipfel vorbereitenden Treffen in Jeddah hatten die Iraner nicht reisen können, angeblich, weil sie keine Visa bekommen hatten. In Jeddah war die OIC-Schlusserklärung mit vier Iran- und einem Hisbollah-kritischen Paragrafen vorbereitet worden. Der iranische Außenminister Mohammed Javad Zarif stellte daraufhin den Saudis bei seiner Rede in Istanbul am Dienstag in Aussicht, sie würden wie Tariq Aziz enden: der Außenminister Saddam Husseins in den 1980er-Jahren, der damals, während des iranisch-irakischen Kriegs, bei der OIC erfolgreich gegen den Iran Stimmung machte (obwohl der Irak den Iran überfallen hatte und nicht umgekehrt). Tariq Aziz ist 2015 nach zwölfjähriger Haft im Irak gestorben. Die Rede des iranischen Präsidenten Hassan Rohani fiel dann wesentlich versöhnlicher im Ton aus. Beobachter gingen davon aus, dass seine Präsenz eine mögliche Eskalation verhinderte. Die bewussten Paragrafen in der langen Schlusserklärung, die auf alle möglichen Probleme in der islamischen Welt eingeht, gibt es trotzdem. Die OIC verurteilte die Angriffe gegen die saudi-arabischen diplomatischen Missionen in Teheran und Mashhad, wies die hetzerischen Erklärungen zur Ausführung von Gerichtsbeschlüssen gegen Straftäter, die sich im Königreich Saudi-Arabien terroristischer Verbrechen schuldig gemacht haben, zurück. Beides bezieht sich auf den Konflikt um die Hinrichtung des schiitischen Geistlichen Nimr Baqir al-Nimr zu Jahresbeginn. Darüber hinaus bedauerte die OIC die iranische Einmischung in die inneren Angelegenheiten diverser Länder und die Unterstützung von Terrorismus. Die libanesische Schiitenmiliz Hisbollah wurde ebenfalls wegen terroristischer und die Sicherheit und Stabilität unterminierender Aktivitäten verurteilt. Aber eine ähnliche Initiative wurde auch schon in der Arabischen Liga von mehreren Ländern nicht unterstützt. Das heißt, auch die OIC-Erklärung wird nicht von allen Mitgliedern vorbehaltlos mitgetragen. Des einen Terrorist ist des anderen Freiheitskämpfer. (ANALYSE: Gudrun Harrer, 16.4.2016)' IS-Jihadisten setzen sprengstoffbeladene Kettenfahrzeuge ein - USA liefern schwedisches Panzersystem. Bei der Eroberung der irakischen Stadt Ramadi Ende Mai hat die Jihadistengruppe IS (Islamischer Staat) eine neue Waffe eingesetzt. Die Aufständischen beluden Panzerfahrzeuge, die sie von der flüchtenden irakischen Armee erbeutet hatten, mit Sprengstoff und setzten die von Selbstmordattentätern gesteuerten Fahrzeuge ein, um Verteidigungsstellungen zu durchbrechen. Laut Angaben des US-Außenministeriums kamen beim Angriff auf Ramadi bis zu 30 sprengstoffbeladene Fahrzeuge zum Einsatz, zehn Explosionen waren mindestens so stark wie die der LKW-Bombe, mit der Oklahoma-Attentäter Timothy McVeigh 1995 insgesamt 168 Menschen tötete. Dem Fahrer einer Panzerbombe, der am Montag eine Polizeistation nahe der Stadt Samarra angriff, gelang es, zwei vor dem Tor geparkte Humvee-Geländewagen beiseite zu schieben, bevor er sein Fahrzeug zur Explosion brachte. Bei dem Angriff starben mindestens 40 irakische Soldaten. Die USA kündigten darauf an, zusätzliche Panzerabwehrraketen zu liefern. Insgesamt 2.000 AT4-Systeme des schwedischen Herstellers Saab sind bereits im Irak eingetroffen. Tausend davon wurden laut CNN an irakische Regierungstruppen übergeben. Die seit 1987 erhältliche Panzerabwehrwaffe wird von zahlreichen Armeen weltweit eingesetzt. Sie kann auch aus beengten Räumlichkeiten wie Bunkern abgefeuert werden, ohne den Schützen zu gefährden. Dadurch eignet sie sich besonders für den Kampf in bebauten Gebieten. Außerdem haben die Iraker russische Kornet-Panzerabwehrraketen beschafft. Mit diesen soll es der Besatzung eines Armeestützpunktes im 50 Kilometer westlich von Bagdad gelegenen Al-Shiha am Samstag gelungen sein, insgesamt acht Selbstmordangriffe abzuwehren. Am Mittwoch gelang es Mitgliedern der US-geführten Koalition, eine Fabrik, in der IS-Jihadisten Fahrzeuge für den Einsatz als rollende Bomben modifizierten, durch Luftangriffe zu zerstören. Laut einem Oberst der irakischen Armee war die Anlage in der Nähe der nordirakischen Stadt Hawijah die größte ihrer Art. Die Explosionen waren laut AFP noch im 55 Kilometer entfernten Kirkuk zu hören. Bei dem Angriff wurden laut Spitalsangaben über 70 Personen getötet. Aftermath of airstrikes on one of the biggest car bomb factories in #Iraq, in the Daish stronghold of Hawijah. pic.twitter.com/RT6jlS7Hsm US-Verteidigungsminister Ashton Carter übte indes wegen der Niederlage in der irakischen Provinz Anbar heftige Kritik an der irakischen Armee. Er wies im Fernsehsender CNN darauf hin, beim Kampf um Ramadi seien die Iraker der IS-Miliz zahlenmäßig weit überlegen gewesen. Die irakischen Truppen haben einfach keinen Willen zum Kampf gezeigt, monierte er. Zwei Autobomben gezündet – Armee zieht sich zurück. Bagdad – Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat die Großstadt Baidschi im Nordirak mit Selbstmordattentätern angegriffen und die Regierungstruppen aus dem Zentrum verdrängt. Die Islamisten hätten am Samstagabend zwei Autobomben gezündet, berichteten zwei Armeeoffiziere am Sonntag. Dann habe es stundenlange Gefechte mit den Streitkräften und schiitischen Milizionären gegeben. Demnach beherrscht der IS drei Stadtteile und bekommt weiteren Nachschub. In Baidschi steht die größte Raffinerie des Landes. Der IS hatte die Stadt bei seinem schnellen Vormarsch im vergangenen Jahr erobert. Seitdem gibt es dort immer wieder Kämpfe. Auch in anderen Landesteilen kam es am Wochenende wieder zu Gewalt. In der vom IS beherrschten Stadt Ramadi im Westirak wurden beim Einschlag von zwei Raketen mindestens 18 Menschen getötet. Es habe sich um Unschuldige gehandelt, die sich nach dem täglichen Fasten im Ramadan zu einem traditionellen Spiel versammelt hätten, berichteten Zeugen. In Bagdad explodierten mehrere Sprengsätze. Dabei kamen mindestens 14 Menschen ums Leben. (Reuters, 5.7.2015) Deutsche Bundeswehr bestätigt GasAusländische Experten untersuchen Spuren. Berlin – Die Jihadistengruppe Islamischer Staat (IS) soll in der Nähe der nordirakischen Stadt Makhmur Giftgasgranaten auf kurdische Peschmerga-Kämpfer abgefeuert haben, berichtet das kurdische Nachrichtenportal Rudaw. Peschmerga-Kommandant Muhammad Khoshawi zufolge sind französische und US-amerikanische Experten angereist, um Proben zu entnehmen. Die Peschmerga-Kämpfer hätten dabei Reizungen der Atemwege durch das Giftgas davongetragen, sagte ein Sprecher des deutschen Verteidigungsministeriums am Donnerstag. Die Bundeswehr sieht laut Bild-Zeitung für ihre Soldaten, die rund 60 Kilometer nordöstlich von Makhmur stationiert sind, keine erhöhte Gefahr. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums sagte: Eine Gefährdung in diesem konkreten Fall war aufgrund der großen Entfernung völlig ausgeschlossen. Die vom IS in dem Gebiet eingesetzten Geschütze haben in der Regel eine Reichweite von etwa zwei Kilometern. Mit einem weiteren Vorrücken der Jihadisten in Richtung der Kurdenhauptstadt Erbil rechnen Experten zur Zeit nicht. In den vergangenen Wochen hatte es schon mehrfach Berichte über den Einsatz von Chlorgas im Irak gegeben, die sich aber bisher nicht bestätigt haben. Zahl der Posten soll von 33 auf 22 verringert werden – Zusammenlegung von Ministerien geplant. Bagdad – Nach dem Beschluss von Reformen zur Bekämpfung der allgegenwärtigen Korruption im Irak hat Ministerpräsident Haidar al-Abadi mehrere Posten in seinem Kabinett gestrichen. Vier Ministerien, darunter die für Frauen und für Menschenrechte, wurden aufgelöst, teilte al-Abadis Büro am Sonntag in Bagdad mit. Vier weitere Ministerien wurden anderen angegliedert. Darüber hinaus strich al-Abadi drei seiner Stellvertreterposten. Das Parlament hatte vergangene Woche ohne Debatte einstimmig ein Maßnahmenpaket verabschiedet, mit dem die Regierung die Korruption in Politik und Verwaltung eindämmen will. Zudem sollen die Reformen die Funktionsweise der Verwaltung verbessern, die Ausgaben reduzieren und in dem von konfessionellen Spannungen und der Gewalt der Dschihadisten geplagten Land allgemein für bessere Dienstleistungen sorgen. Die Regierung reagierte damit auf wochenlange Proteste und einen Appell des obersten schiitischen Geistlichen Ayatollah Ali al-Sistani. Die Reformen beinhalten auch die Abschaffung der drei Vizepräsidentenposten. Davon ist auch al-Abadis Vorgänger Nuri al-Maliki betroffen, der nach seinem erzwungenen Rücktritt als Ministerpräsident vor einem Jahr zum Vizepräsidenten ernannt worden war. Al-Abadi hatte bereits bei seiner Amtsübernahme versprochen, entschlossen gegen Korruption vorzugehen, doch hatte sich anschließend wenig geändert. Kampf gegen Jihadistenmiliz bleibt schwierig. Washington – Vom Westen unterstützte kurdische Kämpfer haben nach US-Angaben sieben Dörfer im Nordirak von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) befreit. Die Peschmerga-Kämpfer hätten in der Nähe der Stadt Tus seit Mittwoch mehr als 200 Quadratkilometer an Boden gut gemacht und sieben Dörfer zurückerobert, teilte das zentrale US-Militärkommando (Centcom) am Freitag in Washington mit. Die US-geführte internationale Koalition gegen den IS habe die Kurden dabei mit insgesamt 25 Angriffen mit Kampfflugzeugen und Drohnen unterstützt. In anderen Teilen des Irak gebe es weniger Fortschritte, räumte Centcom-Sprecher Patrick Ryder ein. So versuche die irakische Armee weiter, Ramadi, die an den IS gefallene Hauptstadt der Provinz Anbar, zu isolieren. Es bleibt ein anspruchsvoller Kampf, sagte Ryder. In Baiji nördlich von Bagdad halte die irakische Armee weiterhin die Stellung auf einer zuletzt hart umkämpften Erdölraffinerie. Mit der Einnahme von Baiji selbst, habe der IS ein wenig Boden gut gemacht, dafür allerdings einen hohen Preis bezahlt. Insgesamt stehe die irakische Armee in einigen Gegenden noch vor großen Herausforderungen, dafür verliere der IS aber ständig an Kämpfern und Anführern. Die IS-Miliz hatte im Juni 2014 weite Teile des Irak überrannt. Mit Unterstützung der von den USA angeführten Militärkoalition kämpfen die irakischen Streitkräfte darum, die Dschihadisten zurückzudrängen. Am Donnerstag waren bei einem Selbstmordattentat in Al-Jaraishi nördlich von Ramadi zwei irakische Generäle getötet worden, darunter die Nummer zwei des Militärkommandos von Anbar. Zu der Tat bekannte sich der IS. Irakische und türkische Behörden begannen Suche. Bagdad – In der irakischen Hauptstadt Bagdad sind 18 Türken verschleppt worden. Es handle sich um 14 Bauarbeiter, drei Ingenieure und einen Buchhalter, die auf der Baustelle eines Fußballstadions gearbeitet hatten, sagte ein Sprecher des türkischen Außenministeriums nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu Ajansi. Nach irakischen Polizeiangaben wurden die Türken von maskierten, bewaffneten Männern entführt. Nach unterschiedlichen Angaben fand die Verschleppung im schiitischen Stadtteil Sadr City oder im Vorort Habibiya statt. Die Polizei habe eine Suchaktion gestartet, hieß es. Das türkische Außenministerium teilte weiter mit, die türkischen Staatsbürger seien von den anderen Arbeitern selektiert worden. Die Hintergründe der Tat seien noch unklar. Man stehe in engem Kontakt mit den irakischen Behörden. Im Vorjahr waren in der Stadt Mossul 46 Türken vom Islamischen Staat (IS) entführt worden. Sie wurden nach drei Monaten wieder freigelassen. Der Irak beschuldigt die USA, zu wenig Hilfe gegen den "Islamischen Staat" geboten zu haben, und schielt nach Moskau. Bagdad/Wien – Wie hältst du’s mit den Russen – das scheint die neue Gretchenfrage im syrisch-irakischen Konflikttheater zu sein. Nicht immer ist die Antwort so eindeutig, wie es die USA von den von ihnen unterstützten Akteuren erwarten. Der exemplarische Fall ist der Irak, wo Premier Haidar al-Abadi zwar bestimmt nicht von US-Gnaden regiert – das tat auch sein Vorgänger, der schon 2006 ins Amt gekommene Nuri al-Maliki, nicht –, aber in einem engen strategischen Bündnis mit Washington steckt. 2008 wurde nämlich nicht nur das Sofa (Status of Forces Agreement) vereinbart, das die US-Truppenpräsenz bis 2011 regelte, es wurde auch ein SFA (Strategic Framework Agreement) abgeschlossen. Für das Bündnis mit den USA gab es aber auch stets eine starke strategische Konkurrenz: die Iraner. Und da kommt nun auch noch Russland dazu. Abadi wurde am Rande der Uno-Vollversammlung in New York belauert: Was wird er zur russischen Intervention in Syrien sagen? Die Alarmglocken begannen zu schrillen, als bekannt wurde, dass Russland, der Iran, Syrien und der Irak beschlossen hatten, in Bagdad eine gemeinsame Informationszentrale einzurichten. Abadi selbst beschleunigte danach die Spekulationen. Von France 24 TV gefragt, ob er mit Russland bereits über russische Militärschläge gegen den Islamischen Staat (IS) im Irak diskutiert habe, antwortete er laut Reuters: Noch nicht. Es ist möglich. Wenn wir das Angebot bekommen, werden wir es uns ansehen – und ich würde es begrüßen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow betonte daraufhin, dass Moskau nicht eingeladen wurde. Hängt es also nur von einer Einladung ab? Abadi versäumte im Interview nicht, darauf hinzuweisen, dass der Irak von den USA enttäuscht sei: Wir hatten von der internationalen Koalition, von den Amerikanern, erwartet, dass sie mit einer massiven Luftmacht kommen, um unsere Sicherheitskräfte zu schützen. Das ist nicht eingetreten. Im Moment erhalten wir Unterstützung, aber keine hochgradige, sie ist beschränkt. Das Einzige, was für uns wichtig ist, ist, wie man am besten Daesh (den IS, Anm.) bekämpft. Es gibt tatsächlich Anzeichen, dass die Iraker die Einladung an Russland bald aussprechen könnten: Hakim al-Zamili, der Chef des Verteidigungs- und Sicherheitskomitees im irakischen Parlament, sprach am Mittwoch davon, dass in den nächsten Tagen oder Wochen die Entscheidung fallen werde. Das hänge vom Erfolg der russischen Luftschläge in Syrien ab. Auch bei ihm fehlte die Spitze gegen die USA nicht: Russland solle eine größere Rolle im Irak spielen, definitiv eine größere als die Amerikaner. Man kann das natürlich auch als Aufforderung an Washington verstehen, sich mehr zu engagieren. Noch sind die USA im irakischen Staat vorn, was den Einfluss anbelangt, und können es bleiben – aber nicht gratis. Geradezu enthusiastisch nehmen im Irak jene schiitischen Milizen, die dem Iran nahestehen, die Idee einer russischen Intervention im Irak auf. Eine Crux des Kriegs gegen den IS im Irak ist tatsächlich, dass die USA nicht mit diesen Milizen und diese natürlich auch nicht mit den USA kooperieren können. Die Kosten sah man ganz deutlich bei der langen Wiedereinnahme von Tikrit: Da mussten zuerst einmal die schiitischen Milizen scheitern, bevor Bagdad wieder offiziell das Ruder übernehmen und die für einen Durchbruch nötige US-Hilfe aus der Luft abrufen konnte. Beliebt sind die Russen aber nicht nur bei den irakischen schiitischen Milizen: Präsident Wladimir Putin kommt nun zur Ehre, gemeinsam mit dem Chef der schiitischen Hisbollah, Hassan Nasrallah, in Damaskus plakatiert zu werden, plus dem iranischen Religionsführer Ali Khamenei und dem Profiteur der ganzen Angelegenheit, dem syrischen Staatschef Bashar al-Assad: als Männer, die sich vor niemandem außer Gott beugen. Ein Plakat, das geradezu dafür gemacht scheint, alle sunnitischen Gruppen in Syrien zu einem neuen Jihad gegen Russland zu mobilisieren. Viel ärgerlicher muss es jedoch für die USA sein, dass die von ihnen militärisch unterstützten syrischen Kurden bei manchen Analytikern in den Verdacht kommen, mit der neuen russisch-syrischen Offensive zu sympathisieren: Denn diese könnten ihnen helfen, ihr Einflussgebiet weiter auszudehnen, das heißt, das Projekt des Zusammenschlusses der kurdischen Gebiete in Syrien (Rojava) weiter voranzutreiben. Dies wollen die USA, die durch ihre Luftoffensive gegen den IS in Syrien die kurdische Konsolidierung möglich gemacht haben, nicht: aus Rücksicht auf die Türkei. Abwartend verhalten sich auch die irakischen Kurden – wobei hier aber großes Interesse an stabilen Beziehungen zu Ankara besteht. Jihadistenführer nicht unter den Opfern. Bagdad – Der Chef der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, hat am Sonntag einen irakischen Luftangriff vermutlich überlebt. Das irakische Militär erklärte, ein Konvoi Baghdadis sei in der westlichen Provinz Anbar bombardiert worden. Er wurde in einem Fahrzeug weggebracht. Sein Gesundheitszustand ist unklar, hieß es. In Anbar an der Grenze zu Syrien habe er sich mit hochrangigen IS-Mitgliedern beraten sollen. Bei einem zweiten Angriff auf den Ort des Treffens nahe Karabala seien viele Anführer der Gruppe getötet oder verletzt worden, hieß es weiter. Augenzeugen und Ärzte sprachen ebenfalls von Todesopfern unter den Islamisten, sagten jedoch, Baghdadi sei wohl nicht darunter. Die irakischen Sicherheitskräfte hatten in der Vergangenheit bereits mehrfach gemeldet, Baghdadi sei verletzt oder getötet worden. Die Berichte bestätigten sich jedoch nie. Nach Angaben des irakischen Innenministeriums erfolgte der jüngste Luftangriff am Samstagmittag. Das US-Militär nahm zu den Berichten nicht Stellung. Ein Vertreter des IS erklärte per Telefon, er könne nicht bestätigen, dass sich Baghdadi in dem Konvoi befunden habe. Doch selbst wenn er tot sein sollte, würde das keine Auswirkungen auf den IS haben, sagte der Vertreter: Wir würden einen Anführer verlieren, aber es gibt 1.000 Baghdadis. Der selbsternannte Kalif hat bisher Bombardierungen einer US-geführten Militärallianz und einen Zwei-Fronten-Krieg im Irak und in Syrien überlebt. Nach einem US-Luftangriff im November gab es Spekulationen, Baghdadi sei verletzt oder tot. Das US-Militär hatte die Berichte nicht bestätigt. Der IS hat große Teile des Irak und Syriens unter seine Kontrolle gebracht und ein Kalifat ausgerufen, eine besondere Form eines islamischen Gottesstaats. Nach offiziellen irakischen Angaben wurde Baghdadi im Jahr 1971 in Samarra geboren. Nach dem US-Einmarsch im Irak soll er sich erstmals Aufständischen angeschlossen haben. Die USA setzten ein Kopfgeld von zehn Millionen Dollar (8,80 Mio. Euro) auf ihn aus. Bis Jahresende bis zu 1000 Menschen aus dem Nordirak erwartet. Stuttgart/Dohuk – In einem deutschlandweit einzigartigen Sonderprogramm für traumatisierte Opfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) haben die Bundesländer Baden-Württemberg und Niedersachsen bisher 500 Menschen aufgenommen. Bis Jahresende würden insgesamt bis zu 1000 IS-Opfer aus dem Nordirak erwartet, sagte der Projektleiter des baden-württembergischen Staatsministeriums, Michael Blume, der Deutschen Presse-Agentur in der nordirakischen Stadt Dohuk. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte im vergangenen Jahr das Programm für die Aufnahme von sexuell missbrauchten Frauen und Kindern angekündigt. Aktuell befinden sich 436 IS-Opfer in dem südwestlichen deutschen Bundesland. Hinzu kommen 64 in Niedersachsen. Schleswig-Holstein will sich ebenfalls einbringen. Hessen berät noch über eine Beteiligung. Bei dem Projekt hatte es unter anderem Probleme bei der Visa-Vergabe für die Opfer sowie zuletzt bei der Suche nach Unterkünften in den Gemeinden gegeben. Die Frauen und Kinder sollen in Deutschland mithilfe von Psychologen ein neues Leben beginnen. Krise zwischen Partei von Präsident Massud Barzani und der zweitstärksten Partei verstärkt sich. Erbil – Im Nordirak hat sich die Krise zwischen der KDP (Kurdische Demokratische Partei) von Präsident Massud Barzani und der zweitstärksten Partei in der kurdischen autonomen Region, Gorran, verschärft. Premier Nechirvan Barzani entließ am Dienstag fünf Gorran-Minister aus der Regierung. Der der Gorran angehörende Parlamentspräsident Yussuf Mohammed wurde mit einer Gruppe Gorran-Abgeordneter auf seinem Weg ins Parlament nach Erbil von Sicherheitskräften gestoppt. Gorran-Mitglieder beschuldigten die KDP eines Putsches gegen Rechtsstaat und Demokratie. Die PUK (Patriotische Union Kurdistans) von Jalal Talabani kritisierte das KDP-Vorgehen gegen Gorran. Die KDP wirft ihrerseits Gorran vor, Demonstranten aufgehetzt zu haben, die KDP-Büros stürmten und in Brand setzten. In Suleymaniya war es zu Protesten gegen die Regionalregierung und Ausschreitungen mit mehreren Toten gekommen, der direkte Anlass waren ausstehende Gehälter. Hintergrund der Auseinandersetzung ist der Streit über die Präsidentschaft: Das Mandat Massud Barzanis ist abgelaufen, die Parteien konnten sich bisher weder auf eine Verlängerung noch auf einen Modus für Präsidentenwahlen einigen. Exil-Iraner berichten von 22 Toten. Bagdad – Bei einem Raketenangriff auf das Lager der exil-iranischen Volksmujaheddin nahe Bagdad Donnerstagabend sind nach Angaben des Nationalen Widerstandsrates Iran (NWRI) 22 Menschen ums Leben gekommen. Hunderte seien verletzt worden. Camp Liberty befindet sich in der Nähe des internationalen Flughafens von Bagdad. Der Angriff habe um 19:40 Uhr Ortszeit begonnen und sei der bisher schwerste auf das Lager gewesen, hieß es in einer Aussendung des NWRI. Mindestens 80 Raketen hätten das Camp getroffen. Der Schaden und das Feuer seien dramatisch. Sehr viele Wohncontainer seien in Brand geraten. Die Bewohner versuchten mit dem, was ihnen zur Verfügung stehe, die Brandherde einzudämmen. Die exiliranische Oppositionsführerin Maryam Rajavi machte das iranische Regime für das blutige Massaker verantwortlich. Sie rief UNO und den Irak zum Schutz der wehrlosen Bewohner auf. Rajavi wies in diesem Zusammenhang auf ein mit den iranischen Flüchtlingen in Camp Liberty unterzeichnetes Memorandum of Understanding für deren Schutz hin. Die Nachrichtenagentur Reuters meldete unter Berufung auf einen irakischen Armeesprecher, dass 15 Raketen bei dem Camp der exil-iranischen Opposition eingeschlagen seien. Es sei nicht sofort klar gewesen, ob der Angriff den Volksmujaheddin gegolten habe, die seit dem iranisch-irakischen Krieg in den 1980er Jahren im Irak stationiert sind. Die Raketen seien aus dem sechs Kilometer entfernten Viertel Bakriya abgefeuert worden, sagte der Sprecher. Der Nationale Widerstandsrat Iran ist der politische Arm der Gruppe Volksmujaheddin, die jahrelang mit Gewalt für ein Ende der Mullah-Herrschaft im Iran kämpfte. Nach dem Einmarsch der US-Armee im Irak 2003 wurden die Volksmujaheddin entwaffnet. Die EU strich die Gruppe 2009 von ihrer Terrorliste, die USA fällten diese Entscheidung 2012. Seit damals ist sie in der früheren US-Militärbasis Camp Liberty untergebracht. Iraker lieferte der Regierung Bush "Beweise" für Massenvernichtungswaffen Saddams. Bagdad/Wien – Wenn es ein irakisches Gesicht der amerikanischen Invasion im Irak im Jahr 2003 gibt, dann ist es das von Ahmed Chalabi. Der irakische Politiker starb am Dienstag kurz nach seinem 71. Geburtstag in Bagdad. Immerhin war er dort geblieben, anders als viele irakische Kriegsenthusiasten von 2003, die längst schon wieder im Ausland leben. Bei Chalabi, in dem seine US-Fans den George Washington des Irak sehen wollten, mag mitgespielt haben, dass sich sein einstiges enges Verhältnis zur Regierung von George W. Bush bald in Misstrauen und Feindschaft verkehrte. Der Titel einer Biografie von Aram Roston aus dem Jahr 2008, Der Mann, der die USA in den Krieg trieb, illustriert, worum es ging. Dabei könnte man genauso ihn, Chalabi, als nützlichen Idioten der kriegswilligen Neocons bezeichnen. Er half, das an Beweisen für irakische Massenvernichtungswaffen zu liefern, was nötig war, um zumindest die noch unter dem Schock von 9/11 stehenden Amerikaner von der Notwendigkeit eines Einmarsches im Irak zu überzeugen. Chalabi, dem ein gewisses Charisma nicht abzusprechen war, fand auch willige Helfer in Medien und Wissenschaft, etwa bei Judith Miller in der New York Times, dem Publizisten Christopher Hitchens oder bei dem angesehenen Nahosthistoriker Bernard Lewis. Ahmed Chalabi wurde 1944 in Bagdad, im schiitischen Bezirk Kadhimiya geboren, seine Familie wanderte bereits 1956, noch in der Monarchie, in die USA aus. Der begabte junge Mann studierte am MIT und machte sein Mathematik-Doktorat an der Universität Chicago. Als Mathematiker war er auch an der American University in Beirut tätig. 1977 gründete er in Jordanien die Petra Bank, deren spektakuläre Pleite ihm zehn Jahre später eine Verurteilung in absentia zu 22 Jahren Haft bescherte. Chalabi beschuldigte das Saddam-Regime einer Intrige. 1992, ein Jahr nach dem Golfkrieg, gründete Chalabi den INC (Iraqi National Congress), der lange Zeit aus dem Nordirak agierte. Ende der 1990er-Jahre begann seine aktive – und mit vielen Millionen US-Steuerdollar unterstützte – Arbeit in Washington, die ihn 2003 zum Hoffnungsträger der USA im von Saddam Hussein befreiten Irak machte. Nach dem Krieg stellte sich nicht nur heraus, dass es im Irak keine Massenvernichtungswaffen gab, sondern auch dass Chalabi keinerlei irakischen Rückhalt hatte. Der Mann, den die USA als Präsidenten des befreiten Irak vorgesehen hatten, schaffte es im Dezember 2005 nicht einmal mehr, ins Parlament gewählt zu werden, obwohl er zuvor Ölminister und Vizepremier gewesen war. Auch später wurde sein Namen immer wieder für Posten genannt. Schon früh wandte sich Chalabi, auf der Suche nach einer Hausmacht, dem religiösen schiitischen Block zu – und hatte auch keine Berührungsängste mit radikal antiamerikanischen Kräften wie der Gruppierung von Muqtada al-Sadr. Bereits 2004 war der Vorwurf aufgetaucht, Chalabi habe als Agent des Iran agiert, was allerdings nie bewiesen wurde. Chalabi hingegen behauptete, der damalige CIA-Chef George Tenet sei der Erfinder der Massenvernichtungswaffenlüge gewesen. Ex-Premier Nuri al-Maliki macht seinem Nachfolger das Leben schwer. Allerdings beging auch Abadi schwere politische Fehler. Bagdad/Wien – Als der irakische Premier Haidar al-Abadi Mitte August seine Reformpläne für den Staatsapparat verkündete, war ihm nationale und internationale Zustimmung sicher: Besonders die Absicht, mit dem konfessionell-ethnischen – sunnitisch-schiitisch-kurdischen – Proporz bei der Vergabe von Posten in Politik und Verwaltung aufzuräumen, wurde als Bruch mit den üblen Angewohnheiten der Post-Saddam-Ära gelobt. Der erste Schritt Abadis war gleich die Abschaffung der Posten der drei Vizepräsidenten, darunter seines Vorgängers als Premier, Nuri al-Maliki. Zu Wochenbeginn hat nun das Parlament in Bagdad, das sich im August noch ohne Gegenstimme für die Reformen aussprach, Abadi die Autorisierung dafür entzogen: keine Maßnahmen mehr ohne vorherige Absegnung im Abgeordnetenhaus. Damit bekommt der Premier die Rechnung dafür präsentiert, dass er verabsäumte, sich für seine radikalen Reformpläne politische Verbündete zu suchen. Er hatte sich auch – etwa bei der Abschaffung von Posten – über die irakische Verfassung hinweggesetzt. Auch ein Misstrauensantrag gegen Abadi ist nicht mehr ausgeschlossen. Einer der jüngsten Reformvorschläge, ein völlig neues Gehaltsschema für Staatsangestellte, ging sogar Abadis großem Protektor in der heiligen schiitischen Stadt Najaf, Ayatollah Ali Sistani, zu weit. Im Sommer 2015 hatte der 85-jährige Mullah mit seinen Predigten (die er nicht mehr selbst hält, sondern halten lässt) die Regierung erst auf Reformkurs gebracht. Nach Demonstrationen gegen die schlechte Infrastruktur, vor allem den Strommangel, in mehreren irakischen Städten hatte Sistani Abadi zum Handeln aufgefordert. Dieser reagierte mit seinem radikalen Sparkurs. Das Budget ist durch den niedrigen Ölpreis und durch die Kosten des Kriegs gegen den Islamischen Staat schwer belastet, und die Korruption im Apparat ist endemisch. Bei der neuen politischen Krise im Irak geht es jedoch um viel mehr als um die Staatsfinanzen. Befürchtungen haben sich bestätigt, dass der von Abadi entlassene Maliki – der schon den Premiersposten 2014 nur unter großem Druck zugunsten Abadis räumte – nun mehr denn je gegen ihn agitiert. Beide sind aus derselben Partei, der schiitisch-religiösen Dawa, die sich immer mehr in eine pragmatische Abadi-Fraktion und jene Malikis, die sich zunehmend dem Einfluss iranischer Hardliner zu öffnen scheint, spaltet. Das zieht den ganzen Rechtsstaats-Parteienblock – der größte Block im Parlament, dessen größte Partei wiederum die Dawa ist – in Mitleidenschaft. Einer der Streitpunkte ist etwa die jüngste Ernennung eines Generalsekretärs des Ministerrats durch Abadi: Der neue Mann, Emad Khersan, steht im Ruf, gute US-Beziehungen zu haben und ist deshalb für die Iran-Fraktion inakzeptabel. Offenbar rechnet sich Maliki, der von 2006 bis 2014 Premier war und gegen Ende immer autokratischer regierte, Chancen auf ein Comeback aus. Es gibt sogar Milizen, die die Forderung nach einer dritten Amtszeit Malikis im Namen tragen. Das spielt darauf an, dass Maliki die Wahlen 2014 gewann und dann dennoch nicht Premier bleiben konnte. Abadis Problem ist die Mächtigkeit der Milizen, die im Kampf gegen den Islamischen Staat unverzichtbar sind. Nur ein Teil gilt als vom Iran unbeeinflusst, etliche beziehen sich direkt auf den Kommandeur der iranischen Al-Quds-Brigaden, Ghassem Soleimani. Ayatollah Sistani fordert hingegen immer wieder ein irakisches Gewaltmonopol über die Milizen ein. Der Geistliche, der die iranische Provinz Sistan im Namen trägt und lange keinen irakischen Pass besaß, gilt vielen als Bollwerk gegen den iranischen Einfluss. So soll er einen Brief an den religiösen Führer des Iran, Ali Khamenei, geschrieben haben, in dem er sich über Soleimani beklagte, der sich im Irak nicht wie ein Gast im Ausland betrage. Allerdings greift der gesellschaftlich äußerst konservative Sistani dadurch – völlig gegen seine Tradition, die ihn als Quietisten definiert – immer mehr direkt in die Tagespolitik und sogar in Sicherheitsfragen ein. Sistanis Draht zur Regierung wird durch seinen Sohn Rida Ali aufrechterhalten, der regelmäßig mit Abadi telefonieren soll. Andererseits gibt es auch die Sorge, was nach Sistani kommt: Ob der mächtigste Mullah wieder einer sein wird, der nicht will, dass der Irak zum Hinterhof des Iran verkommt. Mann soll laut Polizei einer extremistischen Gruppe im Nahe Osten angehören. Innsbruck – Ein 20-jähriger Iraker ist am Mittwoch in einer Flüchtlingsunterkunft im Tiroler Unterland von Beamten des Einsatzkommandos Cobra festgenommen worden. Seit Anfang Oktober laufende Ermittlungen hätten den Verdacht erhärtet, dass er einer extremistischen Gruppe im Nahen Osten angehörte und an dort begangenen schweren Straftaten beteiligt gewesen sein könnte, teilte die Exekutive am Freitag mit. Die Festnahme des Asylwerbers sei ohne Komplikationen verlaufen, hieß es. Über den Iraker wurde die Untersuchungshaft verhängt. Der 20-Jährige stehe im Verdacht, Mitglied einer als terroristischen Vereinigung zu bezeichnenden schiitischen Miliz im Irak zu sein, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck, Hansjörg Mayr. Die nächste Haftprüfung werde am 4. Dezember stattfinden, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Innsbruck am Samstag. Es bestehe kein Zusammenhang mit den jüngsten Terroranschlägen in Paris, betonte der Sprecher. Auch gebe es keinen konkreten Verdacht, dass der Iraker eine terroristische Aktivität in Österreich oder Europa geplant habe. Der 20-Jährige habe jedoch in Sozialen Netzwerken die Attentate in Paris gutgeheißen, sagte Mayr. Der IS hat laut einem Einwohner gedroht, alle umzubringen, die den Anweisungen des Militärs folgen. Ramadi – Das irakische Militär hat nach eigenen Angaben die Bewohner der von der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrollierten Stadt Ramadi aufgefordert, diese sofort zu verlassen. Das teilte ein Sprecher der irakischen Sicherheitskräfte am Montag mit. Seinen Angaben nach berichteten Bewohner der Stadt aber, der IS habe gedroht, diejenigen umzubringen, die den Anweisungen des Militärs folge leisten. Dem Militärsprecher zufolge betrachten die Extremisten die rund 50.000 Bürger unter ihrer Kontrolle als Geiseln. Demnach müssten Familien, die versuchen, Ramadi zu verlassen, eine Strafe von umgerechnet 5.600 Euro pro Familie an den IS zahlen. Im Mai hatte das irakische Militär die Hauptstadt der Provinz Anbar an die Extremisten verloren. Seither versucht die Armee vergeblich, die Stadt zurückzugewinnen. Der Aufruf deutet auf eine bevorstehende Offensive hin, Details dazu wurden jedoch nicht genannt. Auch US-Soldaten sind im Irak im Einsatz. Eine US-geführte Koalition fliegt seit mehr als einem Jahr Luftangriffe auf IS-Stellungen. Ministerpräsident al-Abadi: "Wir brauchen keine ausländischen Kampftruppen auf irakischem Boden". Bagdad/Washington – Die irakische Regierung lehnt einen von den USA angekündigten Einsatz von Spezialeinheiten im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in ihrem Land ab. Wir brauchen keine ausländischen Kampftruppen auf irakischem Boden, erklärte Ministerpräsident Haider al-Abadi am Dienstag. In einer zweiten Mitteilung ergänzte er später, jeder Militäreinsatz und jede Stationierung von ausländischen Truppen im Irak – ob Spezialkräfte oder sonstige – benötigten die Zustimmung seiner Regierung und müssten mit ihr abgesprochen werden. Unklar blieb damit zunächst, inwieweit die US-Regierung die Pläne mit al-Abadi abgestimmt hatte. Zuvor hatten bereits mächtige irakische Schiiten-Gruppen erklärt, sie würden die US-Truppen angreifen. US-Verteidigungsminister Ashton Carter hatte vor dem Kongress in Washington die Entsendung eines Expeditionskorps aus Spezialkräften in den Irak angekündigt. Dies solle dem Irak helfen, den Druck auf den IS zu erhöhen. Dazu gehörten Razzien, die Befreiung von Geiseln und die Ergreifung von IS-Anführern. Erwartet wurde in Washington eine Einheit aus etwa 200 Soldaten. Die regulären amerikanischen Kampftruppen waren 2011 aus dem Irak abgezogen worden. (APA, Reuters, 2. 12. 15) Wegen Kämpfen in Ramadi oft kein Zugang zu Bildung und Gesundheitsversorgung. Bagdad – Fast 200 Kinder sind nach Angaben der Vereinten Nationen seit Jahresbeginn im blutigen Konflikt im Irak getötet worden. Außerdem seien mehr als 300 Buben und Mädchen verwundet worden, teilte die Uno am Donnerstag mit. Überall im Land litten Kinder unter den Folgen der Feindseligkeiten. Laut UN haben hunderte Minderjährige wegen Angriffen auf Schulen und Krankenhäusern keinen Zugang zu Bildung oder zu einer Gesundheitsversorgung. Allein in der westirakischen Stadt Ramadi seien 45 Schulen zerstört oder beschädigt worden. In weiten Teilen des Landes wüten Kämpfe zwischen der sunnitischen Terrormiliz Islamischer Staat einerseits und der irakischen Armee, schiitischen Milizen und den kurdischen Peschmerga-Kämpfern andererseits. Die Extremisten beherrschen im Norden und Westen des Irak große Gebiete. Die britische Wissenschafterin Lydia Wilson hat im Irak zum Tode verurteilte IS-Kämpfer interviewt. Mit Kämpfern des Islamischen Staats (IS) über die Motive ihrer Taten zu sprechen ist kein leichtes Unterfangen. Die britische Wissenschafterin Lydia Wilson hat im Irak drei zum Tode verurteilte Vertreter einer lokalen IS-Gruppe interviewt. Das Ziel: Die Forscherin wollte mehr über die Psychologie der Terroristen wissen. Da das Sample sehr klein war, hat Wilson keinen wissenschaftlichen Text über die Tiefeninterviews verfasst, sondern in dem US-Magazin The Nation über ihre Erfahrungen berichtet. Im Gespräch mit dem STANDARD erzählt sie, wieso der Islam nicht der wichtigste Beweggrund für die Befragten war, sich am Kampf des IS zu beteiligen, warum der IS so stark rekrutiert und was seinen Kampf von jenem von Al-Kaida unterscheidet. STANDARD: Wie sind Sie auf die Idee gekommen, Interviews mit zum Tode verurteilten IS-Terroristen zu machen? Wilson: Ich untersuche seit vielen Jahren Konflikte aus anthropologischer und psychologischer Sicht. Ich mache sehr viel Feldforschung, bei der ich mit internationalen Kollegen aus verschiedenen Disziplinen zusammenarbeite. Unsere Hauptfragen sind, wann, wie und warum Menschen wie eben auch die Kämpfer des Islamischen Staates ihr wertvollstes Gut, ihr Leben, hergeben. STANDARD: Wie haben Sie Ihre Interviewpartner gefunden? Wilson: Ich bin vor fünf Jahren zum ersten Mal in den Irak gekommen, wo ich zunächst Kämpfer der Kurdischen Arbeiterpartei (PKK) interviewte. Danach war ich längere Zeit im Libanon und kehrte 2013 wieder in den Irak zurück, als dort der Islamische Staat begann, sich als solcher zu bezeichnen, und es sehr heftige Kämpfe gab. Die Kontakte zu Kurden und irakischen Sicherheitskräften waren schnell hergestellt. IS-Kämpfer für meine Interviews zu finden war ungleich schwieriger. Ich hatte es auch vorgezogen, meinen Kopf zwischen den Schultern zu behalten. Viele IS-Kämpfer wurden außerdem im Kampf getötet. Vonseiten der Kurden hörten wir, dass Festnahmen auch nicht erwünscht waren, weil viele verletzte IS-Kämpfer eine versteckte Sprengladung am Körper hatten. Es wurden also nicht sehr viele von ihnen gefangen genommen. Mit denen, die gefasst wurden, wurde auch nicht zimperlich umgegangen, wie wir hörten. Ein Peschmerga erzählte uns, wie fünf IS-Kämpfer gefangen genommen und nach kurzer Befragung durch Kopfschuss hingerichtet worden seien. Im März 2015 erfuhr ich, dass in Kirkuk die kurdische Polizei Aktionen gegen den IS durchführte, bei denen Kämpfer auch festgenommen wurden. Über einen lokalen Polizeichef wurde mir und meinem Kollegen erlaubt, die Interviews zu machen. Wir fuhren dann nach Kirkuk, wo die Festgenommenen vom Gefängnis zur Polizeistation gebracht wurden. In Handschellen, begleitet von vielen Polizisten. STANDARD: Wer waren die IS-Kämpfer? Wilson: Es handelte sich um drei sunnitisch-arabische Iraker, 21, 26 und 27 Jahre alt. Sie waren Teil einer lokalen Terrorzelle. Einer kam direkt aus Kirkuk, die anderen beiden zogen in ihrer Kindheit hierher. Der jüngste war Analphabet, die anderen hatten drei und sechs Jahre lang die Grundschule besucht. STANDARD: Wofür wurden sie verurteilt? Wilson: Sie waren für viele Autobombenanschläge in Kirkuk verantwortlich, bei denen es eine sehr hohe Opferzahl gab. Sie haben die Bomben auf Marktplätzen gezündet, um möglichst viele Menschen zu töten. Einer von ihnen war auch an der Ermordung eines Polizisten beteiligt. STANDARD: Haben Sie mitbekommen, wie viele IS-Kämpfer in irakischen Gefängnissen waren? Wilson: Nur sehr wenige werden lebendig gefasst. Viele sprengen sich in die Luft, bevor sie festgenommen werden, auch um den Schaden zu maximieren. Wenn sie gefasst werden, werden sie im Irak nach dem Terrorgesetz verurteilt, was in den meisten Fällen die Todesstrafe bedeutet. STANDARD: Alle drei Befragten wurden zum Tode verurteilt? Wilson: Zwei schon, einer bekam 15 Jahre Gefängnis. STANDARD: Was haben Sie die Gefangenen gefragt? Wilson: Wir haben einen psychologischen Test mit ihnen gemacht, den wir auch schon in anderen Ländern durchgeführt haben. Damit wollten wir herausfinden, was ihre wirklich wichtigsten Werte sind, die ihnen heilig sind. Wir testeten auch, wie sie ihre eigene Gruppe der arabischen Sunniten wahrnehmen im Vergleich zu anderen, die ihr Leben bestimmt haben. Wir haben von ihnen nicht erwartet, dass sie uns erzählen, dass sie die größten Fans des IS sind oder die größten Hasser der USA. Hier hätten sie sicher vorbereitete Antworten für uns gehabt. Wir haben sie eher mit ungewöhnlichen Fragen konfrontiert, die sie vielleicht noch nie zuvor in ihrem Leben gefragt wurden. Ihnen über diesen psychologischen Ansatz zu begegnen war ein guter Weg, damit sie sich uns öffneten und mehr von sich herausließen. STANDARD: Welche Antworten kamen da? Wilson: Wir hatten ihnen zur Einstimmung Karten gezeigt, auf denen mehrere Bodybuilder zu sehen waren, vom ganz schwachen bis zum stärksten. Darauf war auch die Flagge des IS. Wir fragten sie nach ihrer Einschätzung der Stärke des IS. Der Jüngste zeigte auf das Bild mit dem schwächsten Mann, wohl um so zu tun, als ob er kein Unterstützer des Islamischen Staates sei. Dann legten wir ihnen die Bilder mit einer kurdischen Fahne vor: Hier zeigte er auf den zweitstärksten. Bei den irakischen Sicherheitskräften zeigte er auf das mittlere, der Iran wurde ein wenig schwächer bewertet, und die USA wurden als die Stärksten eingeschätzt. STANDARD: Was waren Ihre wesentlichen Erkenntnisse? Warum kämpfen diese jungen Leute für den IS? Wilson: Bei den Gesprächen hat sich gezeigt, dass die Befragten zum Großteil nicht wirklich die extremen Ansichten vertraten, die von der IS-Propaganda verbreitet werden. Sie wussten nicht einmal die Hälfte davon. Sie kannten beispielsweise nicht die Geschichte und die Hintergründe des Kalifats. Sie wussten auch nichts über den Kalifen Abu Bakr al-Baghdadi, ihren vermeintlichen Anführer. Sie sagten zwar, dass sie unter der Scharia leben wollten, wussten aber auf Nachfrage nicht, wie ein solches Leben im Detail aussehen sollte. Sie reagierten sehr verwirrt und konnten auch nicht wirklich erklären, was der Jihad für sie bedeutete. STANDARD: Sie waren also nicht wirklich mit dem Islam vertraut? Wilson: All diese Begriffe, die der IS sehr oft verwendet und die von außen als starker ideologischer Rahmen angesehen werden, wurden von diesen jungen Kämpfern zum Großteil einfach nicht verstanden. Das heißt nicht, dass sie sich dem Islam nicht verpflichtet fühlten, das taten sie sehr wohl. Auf die Frage, was Islam für ihn bedeutet, sagte einer: Mein Leben. Der Islam spielte für sie also schon eine Rolle, aber nicht in der extremen Form, wie es die Führer des Islamischen Staates verlangen. Hier ging es nicht darum, in den Himmel, in das Paradies zu kommen. STANDARD: Was hat sie dann angetrieben? Wilson: Sehr viel klarer war, dass diese Kämpfer überzeugt waren, für ihr Land, für ihre Familie und ihre Würde zu kämpfen. Allen gemeinsam war ein tiefer Hass auf die USA und ihre eigene Regierung im Irak. Sie fühlten sich sehr diskriminiert und in ihrer politischen Vertretung nicht repräsentiert. Seit Al-Kaida im Irak ausgelöscht wurde, gab es niemanden, der ihnen anbot, für sie zu kämpfen. Bis der IS kam. Der IS gab ihnen die Gelegenheit, ihre Identität zu verteidigen und stolz darauf zu sein, Sunnit zu sein. Es ging ihnen aber auch um profanere Gründe wie Geld. Einer von ihnen stammte aus einer Familie mit 17 Geschwistern. Er gab an, aufgrund einer Rückenverletzung arbeitsunfähig geworden zu sein. Das Geld, das ihm der IS bot, war also sehr willkommen. Es gab aber auch dieses verbindende Element des Hasses auf die USA. Aber nicht im ideologischen Sinn des IS, wie er beispielsweise über Social Media verbreitet wird. Hier ging es sehr viel mehr um persönliche Erfahrungen. Aus Sicht der Befragten wurde ihnen von den Amerikanern ihre Kindheit und Jugend weggenommen, und somit konnten sie auch kein normales Leben führen. Einer der Verurteilten sagte zu uns: Sie haben Saddam beseitigt, aber auch unsere Sicherheit. Ich war kein Anhänger Saddams, weil wir unter ihm Hunger litten, aber wir hatten zumindest keinen Krieg. Als die Amerikaner kamen, hat der Bürgerkrieg begonnen. STANDARD: Also ist einer der Hauptgründe der lokalen Kämpfer die Rache an den USA? Wilson: Nicht wirklich Rache, weil die Amerikaner auch nicht mehr vor Ort sind. Es geht eher darum, dass sie glauben, dass sie von den Amerikanern und den Schiiten ihrer sunnitischen Identität beraubt wurden. Unter der US-Besatzung wurden sehr viele Sunniten inhaftiert. Ihre Kinder wuchsen vaterlos, ohne Identifikationsfigur auf. STANDARD: Was fühlten Sie, als Sie die Terroristen interviewten? Wilson: Das Gefühl, das ich am stärksten empfand, war Traurigkeit. Ich saß sehr jungen Männern gegenüber, die wie junge Buben aussahen, die in großen Schwierigkeiten steckten. Sie waren sehr dünn. Sie kamen in das Zimmer und richteten ihre Augen konstant auf den Boden. Sie machten sich so klein wie nur möglich. Als sie dann während des Gesprächs mehr aufmachten, hatten sie ganz normale minimale Bedürfnisse. Sie wollten ihre Kinder und ihre Familien sehen. Wenn sie über ihre Beteiligung am Kampf und ihre Zeit im Gefängnis sprachen, zeigten sie normale menschliche Reaktionen. STANDARD: Können Sie ein Beispiel nennen? Wilson: Der 26-Jährige war verheiratet und hatte zwei Kinder, einen Sohn namens Rasuul und eine Tochter namens Rusil. Wir legten ihm Karten vor, mit denen wir testeten, wie sehr er sich einer bestimmten Gruppe nahefühlte. Darauf waren Kreise gezeichnet, die auf einer Karte sehr weit voneinander entfernt waren, und solche, die mehr und mehr überlappend waren. Bei der Frage nach seiner Verbindung zum IS zeigte er auf die Karte mit der geringsten Verknüpfung. Er hatte uns vorher auch schon erzählt, dass das Leben unter dem Islamischen Staat die Hölle gewesen sei und er nur kämpfte, weil er von ihnen terrorisiert worden sei. Diese Antwort hatte er aber schon in den Befragungen der Polizei gegeben, sie war also eher erwartbar. Was für ihn unerwartet kam, waren die Fragen nach seiner Familie, nach dem Irak und dem Islam. Ohne lange nachzudenken, zeigte er bei Familie sofort auf die Karten mit den überlappenden Kreisen. Er sagte: Mein größter Wunsch ist, bei meiner Familie, meinen Kindern zu sein. Bei Irak und Islam wählte er die aus, wo es nur eine teilweise Überschneidung gab. STANDARD: Gibt es Ihrer Erfahrung nach einen Unterschied zwischen irakischen IS-Kämpfern und denen aus dem Ausland? Wilson: Ja, da gibt es einen riesigen Unterschied. Und man kann auch die ausländischen Kämpfer nicht einfach in einen Topf werfen. Ich würde sagen, dass die meisten von ihnen nicht dieselben Gründe haben wie die irakischen Kämpfer, denen es um ihr eigenes Land geht. Die IS-Kämpfer aus dem Ausland teilen grundsätzlich sehr viel stärker die IS-Ideologie, aber auch nicht immer. Hier liegt auch der große Unterschied zu Al-Kaida. Diese hat bei der Aufnahme neuer Mitglieder ein ideologisches Training verlangt, ehe ihnen erlaubt wurde, sich am Kampf zu beteiligen. Man musste diesen ideologischen Background mitbringen. Der IS verlangt das überhaupt nicht. Er verlangt zunächst nur die ultimative Identifikation. Hier erfolgt die Indoktrinierung erst, wenn man schon am Kampf beteiligt ist. Das ist der große Unterschied, der bedeutet, dass der IS eine viel größere Zahl an Menschen anspricht. Wir sehen unter den ausländischen Kämpfern viele unterschiedliche Gründe, sich dem IS anzuschließen. Vor allem unter den Frauen gibt es vermehrt die Motivation, die dekadente westliche Gesellschaft zu verlassen und sich einer Bewegung anzuschließen, die sie als spirituell reiner empfinden. Dann gibt es jene, die die extreme Auslegung des Islam anspricht, und jene, denen das Abenteuer oder der Ruhm eines Krieges eine Identität und Gemeinschaft bietet, die sie in der westlichen Gesellschaft nicht finden, weil sie hier vielleicht auch mit Islamophobie konfrontiert sind. Es gibt also eine sehr große Bandbreite an Gründen. STANDARD: Was erhoffen Sie sich durch Ihre Interviews? Wilson: Meine Kollegen und ich versuchen mit den Gesprächen noch viel mehr darüber herauszufinden, wer diese Menschen sind, die sich dem IS anschließen, und warum sie tun, was sie tun. Wir wollen den Leuten, die die Macht haben, hier für Veränderung zu sorgen, eine Grundlage geben, um viel besser einordnen zu können, warum es zu gewissen Handlungsweisen kommt. In den Medien und von Politikern werden IS-Kämpfer als das namenlose, gesichtslose Böse beschrieben. Aber diese Pauschalisierung trifft nicht den Kern der Sache. Menschen haben Namen und Gesichter. Jeder Mensch hat eine Geschichte. Manche von ihnen mögen sehr böse sein. Um im Kampf gegen den Islamischen Staat Lösungen zu finden, müssen wir jedoch analysieren, wie sie zu diesen Bestien geworden sind. Ich hoffe, dass ich mit meiner Arbeit einen Beitrag zur Schwächung des IS leisten kann. Ministerien: "Bedeutender Beitrag im Kampf gegen den Terrorismus". Prag – Tschechien wird dem Irak für den Kampf gegen den Islamischen Staat 6.600 Maschinengewehre schenken. Die Übergabe der Waffen und Munition im Gesamtwert von 21,5 Mio. Kronen (795.471 Euro) werden die USA vermitteln. Dies sieht ein Plan des Prager Verteidigungsministeriums und Außenministeriums vor, wie die tschechische Tageszeitung Pravo (Montag-Ausgabe) berichtete. Laut dem Blatt kann man davon ausgehen, dass die tschechische Regierung dem Plan zustimmen wird. Bereits 2014 und 2015 hatte das Kabinett eine kostenlose Lieferung von Munition an irakische Armee und Polizei im Gesamtwert von 41 Mio. Kronen gebilligt. Jetzt handelt es sich um Maschinengewehre vom Typ 58 aus der kommunistischen Ära, die aus der Ausrüstung des tschechischen Heeres zurückgezogen wurden. 3.000 von ihnen sind noch ganz neu, die übrigen sind gebraucht. Bestandteil der geplanten Lieferung sind auch 7,2 Mio. Patronen, hieß es. Laut dem Prager Verteidigungsministerium und Außenministerium wird die Lieferung an die irakischen Sicherheitskräfte einen bedeutenden Beitrag der Tschechischen Republik im Kampf gegen den Terrorismus darstellen, der außerdem die kritische Situation der Flüchtlinge in den betroffenen Gebieten verbessern sollte. IS laut irakischer Armee aus Provinzhauptstadt Anbars vertrieben – Premier Abadi will IS 2016 aus dem Land verdrängen. Ramadi/Damaskus –Der irakische Ministerpräsident Haider al-Abadi ist nach dem Sieg gegen die radikalislamische IS-Miliz in Ramadi zu einem Überraschungsbesuch in der mehrheitlich befreiten Provinzhauptstadt von Anbar eingetroffen. Er sei am Dienstag in einem Hubschrauber auf dem Gelände der Universität am südlichen Rand der Stadt gelandet. Vorgesehen seien Treffen mit leitenden Vertretern des Militärs und der Terrorismusbekämpfung, die an der Offensive auf Ramadi beteiligt gewesen seien, hieß es. Abadi hatte am Montag die Rückeroberung Ramadis bekannt gegeben. Die Stadt war im Mai in die Hände des IS gefallen. Für die Armee ist der Sieg in Ramadi ein wichtiger und lang ersehnter Erfolg. 2016 soll nach den Worten Abadis das Jahr werden, in dem der Islamische Staat (IS) im Irak endgültig besiegt wird. Die Miliz hatte im Sommer 2014 in einer Blitzoffensive weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Sie beherrscht zudem große Gebiete im benachbarten Syrien. Die Aktion lief nicht gerade ohne Rückschläge: Mehrfach hatte die irakische Regierung die Einnahme der Stadt Ramadi angekündigt, am Montag folgte nun die Erfolgsmeldung. Das staatliche Fernsehen zeigte, wie Soldaten die Nationalflagge auf dem Regierungskomplex Ramadis hissten. Allerdings waren auch während der Übertragung im Hintergrund noch immer Explosionen und Schüsse zu hören. Der Gouverneur der Provinz Anbar, Soheib Alrawi, sagte am Abend allerdings, die Befreiung der Stadt sei noch nicht vollständig abgeschlossen. Ramadi ist befreit, sagte Brigadegeneral Yahya Rasool allerdings bereits im Staatsfernsehen. Auch Parlamentspräsident Salim al-Juburi beglückwünschte die Soldaten zur Befreiung der Stadt Ramadi vom Terrorismus. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte in Berlin, die Rückeroberung Ramadis zeige einmal mehr, dass der IS nicht unbesiegbar ist, weder im Irak noch in Syrien. US-Außenminister John Kerry erklärte, die irakischen Truppen hätten mit gewaltigem Mut und Tapferkeit gekämpft. Das irakische Militär bekämpft den Feind mit Ausdauer, Geschick und Entschlossenheit. Ramadi sei kein isoliertes Ereignis, sondern stehe in einer Reihe mit großen Verlusten des IS im Irak und im nördlichen Syrien. Auch US-Verteidigungsminister Ashton Carter sprach von einem signifikanten Schritt vorwärts im Kampf gegen diese barbarische Gruppe. Der IS hatte die hundert Kilometer westlich von Bagdad gelegene Stadt Ramadi im Mai erobert. Anfang Dezember erkämpfte die Armee, die von Kampfflugzeugen der US-geführten internationalen Militärallianz unterstützt wird, mehrere große Stadtteile von Ramadi zurück. Am Dienstag rückte sie ins Stadtzentrum vor. Im Laufe der Woche flog die internationale Koalition nach eigenen Angaben 31 Luftangriffe auf Ramadi, um die irakischen Soldaten zu unterstützen. Die Befreiung der Stadt sei das Ergebnis von vielen Monaten harter Arbeit der irakischen Armee, der Anti-Terror-Einheit, der irakischen Luftwaffe, von örtlichen und nationalen Polizeikräften und Stammeskämpfern, sagte der Sprecher der Militärkoalition, Steve Warren. Die irakische Armee begann am Montag damit, die von den Jihadisten installierten Sprengfallen zu entschärfen. Allein in den Regierungsgebäuden und den Zufahrtsstraßen wurden nach Militärangaben 300 Bomben und Sprengsätze deponiert. Die vor den Kämpfen geflohenen Einwohner Ramadis kehrten nur langsam in die zerstörte Stadt zurück. Der IS hatte im Sommer 2014 große Teile Syriens und des Nordiraks erobert. Nach Angaben eines US-Instituts verlor die Miliz seit Jahresbeginn aber 14 Prozent seines Gebietes. Nach dem Sieg in Ramadi könne die Armee nun die Rückeroberung der Provinz Niniwe in Angriff nehmen, sagte Parlamentspräsident al-Juburi. In der dortigen Provinzhauptstadt Mossul hatte IS-Chef Abu Bakr al-Bagdadi vor eineinhalb Jahren sein Kalifat ausgerufen. US-Verteidigungsministerium hatte von mehreren Luftschlägen berichtet. Washington/Mossul – Der Sender CNN hat ein Video veröffentlicht, das einen Angriff auf ein Geldlager der Terrormiliz Islamischen Staat(IS) im irakischen Mossul zeigen soll. Das amerikanische Verteidigungsministerium hatte zuvor von einem solchen Angriff berichtet. Wie viel Geld sich genau in dem Lager befand, verriet das Pentagon aber nicht. In der tonlosen Videosequenz ist die Bombardierung eines Gebäudes zu sehen, nach der eine Wolke kleiner Fetzen durch die Luft gewirbelt wird, bei denen es sich um Geldscheinreste handeln könnte. Es war ein guter Angriff. Wir schätzen, dass er ISIL um Millionen von Dollar beraubt hat, hatte General Lloyd Austin am Donnerstag bei einem Treffen mit Verteidigungsminister Ashton Carter gesagt. ISIL ist eine andere Bezeichnung für die Terrormiliz. Es sei nicht der erste Angriff dieser Art gewesen, sagte Austin. Wir haben in den vergangenen Monaten mehrere andere Geldlager bombardiert. Washington führt den Kampf gegen den IS an der Spitze einer internationalen Koalition. Kampfjets fliegen Angriffe im Irak und Syrien. Vor 25 Jahren begann der US-geführte Golfkrieg zur Befreiung Kuwaits: Der irakische Diktator Saddam Hussein hatte seine Bedeutung für die USA über- und die Schwäche der Sowjetunion unterschätzt. Alles, was sie tun können, ist, mit ihren Flugzeugen zu kommen und uns zu bombardieren. Bumm, bumm, bumm, bumm bumm, bumm. Na und? Nichts wird passieren, wir werden ihnen die Hölle heißmachen... Als Saddam Hussein das sagte, am 7. August 1990, war Kuwait seit fünf Tagen von irakischen Elitetruppen besetzt, und die versuchte Auslöschung der kuwaitischen Identität hatte begonnen: Kuwait wurde annektiert und zur 19. Provinz des Irak erklärt. Der irakische Präsident war vielleicht überrascht von der Vehemenz der internationalen Reaktionen auf seinen Überfall auf das kleine Emirat. Die vom Uno-Sicherheitsrat verhängten internationalen Wirtschaftssanktionen gegen den Irak, die endgültig erst Jahre nach dem Sturz Saddams aufgehoben wurden, waren bereits in Kraft. Und der ehemalige Diplomat George H. W. Bush, seit 1989 amerikanischer Präsident, begann seine Möglichkeiten abzuwägen. Es wurden viel mehr als ein paar Flugzeuge: Am 17. Jänner jährt sich der Beginn des Golfkriegs zum 25. Mal, in dem Saddam Hussein vernichtend geschlagen wurde. Er veränderte die ganze Region nachhaltig. Die oben zitierten Worte sind dem irakischen Diktator keineswegs in den Mund gelegt, er hat sie so gesprochen. Als im April 2003 die US-Truppen nach und nach in die öffentlichen Gebäude Bagdads vordrangen, fiel ihnen ein Schatz für Historiker in die Hände: tausende Tonbänder, auf denen Saddams Gespräche mit seinem Führungsstab – wenn man die Ja-Sager, die ihn umgaben, so nennen kann – aufgezeichnet waren. Sie sind heute teilweise veröffentlicht. Man muss erwähnen, dass es typisch für die US-Invasion von 2003 war – von George W. Bush, Sohn des Kriegspräsidenten von 1991, verantwortet -, dass die Amerikaner keine Skrupel hatten, irakische Dokumente einfach so in die USA mitzunehmen. Saddam Hussein glaubte demnach 1990 tatsächlich nicht, dass sein Kuwait-Überfall ernsthafte Konsequenzen haben würde. Beinahe bis zum letzten Moment hielt er einen Angriff der USA und der Allianz, die Bush senior aufgebaut hatte und in der Region in Stellung brachte, für unwahrscheinlich. Das basierte auf zwei falschen Annahmen. Erstens auf dem Verhalten des Westens während des Iran-Irak-Kriegs (1980 – 88), den der Irak ja ebenfalls mit einem Überfall auf den Nachbarn vom Zaun gebrochen hatte: Die USA akzeptierten damals, so wie viele Landsleute Saddams auch, die Bollwerkfunktion des irakischen Regimes gegen eine Ausbreitung der Islamischen Revolution, die den Schah, einen amerikanischen Verbündeten, 1979 hinweggefegt hatte. Als sich der Iran im Laufe des Kriegs mit dem Irak militärisch konsolidierte – durch schreckliche Opfer erkauft – und der Irak zu verlieren drohte, begannen die USA, Saddam Hussein subtil unter die Arme zu greifen, mit Krediten und geheimdienstlicher Zusammenarbeit. Und 1990/1991 war die Islamische Republik Iran doch noch immer da, wenngleich Revolutionsführer Ayatollah Khomeini 1989 gestorben war: Weshalb sollten die USA also ein Interesse daran haben, den Irak entscheidend zu schwächen? Der islamische Iran war Saddam Husseins Lebensversicherung. Interessant ist, dass das zwar nicht in dem Ausmaß, wie er es glaubte, stimmte, aber auch nicht völlig falsch war: Denn sein Regime wurde nach dem verlorenen Krieg 1991 tatsächlich nicht beseitigt, obwohl es den USA möglich gewesen wäre. Dies wiederum trug zu Saddams Fehleinschätzung 2003 bei, als er ebenfalls fast bis zu Kriegsbeginn nicht glauben konnte, dass die USA diesmal ernst machen und ihn stürzen würden, zu Gunsten des Iran. Der zweite Grund, warum Saddam sich 1990 irrte, war ein geopolitischer: Er selbst war als Politiker auch ein Kind des Kalten Kriegs – und er hatte nicht verstanden, dass dieser soeben dabei war, zu Ende zu gehen. Nicht nur, dass die in den letzten Zügen liegende Sowjetunion nicht mehr die Kraft gehabt hätte, einem US-Krieg gegen den Irak viel entgegenzusetzen. Mit Michail Gorbatschow stand noch dazu ein Mann an deren Spitze, der zu einer Verständigung mit dem Westen fähig war. Auch das alleine hätte nicht genügt: Es war George H. W. Bushs Stärke – die seinem Sohn gute zehn Jahre später völlig abging -, dass er das Spiel der multilateralen Diplomatie perfekt beherrschte. Wie die USA im Uno-Sicherheitsrat die nötigen Resolutionen in intensiver Arbeit mit den anderen Ratsmitgliedern vorbereiteten, war ein diplomatisches Meisterstück. Die Verurteilung des irakischen Einmarsches in Kuwait war ja eine relativ einfache Übung. Aber dass am 29. November 1990 der Uno-Sicherheitsrat – mit der Enthaltung Chinas und den Gegenstimmen Kubas und Jemens – eine Resolution verabschiedete, in der dem Irak eine Frist bis 15. Jänner gesetzt und bei Nichterfüllung alle erforderlichen Mittel angedroht wurden, war beinahe eine Sensation. Die USA und die Sowjetunion stellten ein und demselben nahöstlichen Diktator einen Krieg in Aussicht. Technisch war es so, dass der Sicherheitsrat die direkte Aktion gegen den Irak den Uno-Mitgliedsstaaten überließ – eine Aufgabe, die die USA übernahmen, wogegen sich Moskau nur kurz auflehnte. Die Monopolstellung der USA, die unipolare Welt, die da am Horizont erschien – das vermeintliche Ende der Geschichte -, waren zu deutlich: Gorbatschow erschien es wohl am klügsten, sich durch Kooperation einen Platz als Akteur zu behaupten. Rechtlich war der Krieg die Ausübung der kuwaitischen Selbstverteidigung, delegiert an eine von den USA geschmiedete Allianz, die 670.000 Soldaten aufmarschieren ließ, 410.000 davon Amerikaner. Auch arabische Staaten beteiligten sich – der schlaue Fuchs Hafiz al-Assad in Syrien schlug sich auf die richtige Seite. Und Saudi-Arabien, das direkt bedroht war, erlaubte die Stationierung von US-Truppen – im Land der heiligen Stätten des Islam. Das war der Moment, in dem ein gewisser Osama bin Laden, ein Afghanistan-Heimkehrer (1989 hatten die Sowjets Afghanistan aufgegeben), der König Fahd seine Kämpfer zur Verteidigung Saudi-Arabiens angeboten hatte, die Familie Saud zum Feind erklärte. Aber einen Schritt zurück, in den Dezember 1990: Die Diplomatie lief heiß, Moskau versuchte redlich,Saddam zum Abzug zu überreden – der, wenig überraschend, auf der Klaviatur des israelisch-palästinensischen Konflikts zu spielen begann. Wenn die Israelis die besetzten Palästinensergebiete verließen, würde auch er sich aus Kuwait zurückziehen. Das fand Nachhall auf den arabischen Straßen. Palästinenserführer Yassir Arafat stand fest zu seinem Gönner Saddam, später sollten die Palästinenser den irakischen Scud-Raketen, die in Israel einschlugen, zujubeln. Aber das war nicht der einzige Grund dafür, dass die USA – wie es der damalige Uno-Botschafter der USA, Thomas Pickering, Jahre später der Autorin erzählte – im Laufe des Herbstes vom Wunsch abrückten, die Krise mit Saddam Hussein friedlich beizulegen. Denn nach 1988 war klar geworden, dass Saddam nach dem Ende des Iran-Kriegs nicht in den Friedensmodus zurückkehrte, sondern weiter aufrüstete. Von Superwaffen war die Rede – und der israelische Geheimdienst meldete Hinweise auf ein irakisches Atomwaffenprogramm. Dass der Irak Chemiewaffen hatte, war bekannt: Er hatte sie gegen den Iran eingesetzt (eine Warnung der USA, angeblich mit Atombomben, führte dazu, dass Saddam sie 1991 in den Arsenalen ließ). Die USA beschlossen, die sich ihnen politisch und militärisch bietende Chance zu nützen, den Status quo in der Region zu ändern, wie es Pickering formulierte. Das reflektiert im Nachhinein eine ziemliche Sicherheit, dass ein Krieg mit dem Irak ohne allzu große Schwierigkeiten zu gewinnen war: Mit den Gefühlen während der Vorkriegszeit 1990/1991 stimmt das jedoch nicht überein. Auch in den Köpfen der Menschen in aller Welt war der Kalte Krieg noch nicht vorbei: Von einem möglichen Weltenbrand war die Rede. In Wien wurde der Opernball abgesagt. Das geschah wenige Jahre später, während des Schlachtens vor unserer Haustür, auf dem Balkan, nie. Aber die riesige militärische Macht des Irak hatte tatsächlich nur auf dem Zeitungspapier existiert: Den am 17. Jänner aus der Luft beginnenden massiven Angriffen der Alliierten – erstmals in die Wohnzimmer übertragen von einem relativ neuen Nachrichtensender, CNN – hatte der Irak wenig entgegenzusetzen. CNN sorgte auch dafür, dass sich der Krieg im westlichen Bewusstsein in einer Art – so hätte man später gesagt – Computerspiel-Ästhetik niederschlug: Aus Vogelperspektive sah man, wie es vermeintlich menschenleere Gebäude auf Knopfdruck zerriss. Aber für die Iraker war es ein grausamer, opferreicher Krieg, auch für die Zivilbevölkerung. Die Infrastruktur gehörte zu den Zielen. Am 24. Februar 1991 begann die Bodenoffensive, und auch von diesem Tag ist uns ein GesprächSaddams mit Getreuen überliefert. Es hat surreale Züge: Saddam: Man kann sagen, dass ihre Überlegenheit in der Luft unsere Bewegungsfreiheit etwas behindert. Männlicher Sprecher 1: Dazu kommt, Sir, Sie kennen die Situation unserer Einheiten. Seiner Exzellenz sei Dank. Ich will sagen, es ist nicht wahrscheinlich, aber zwischen einer jeden Brigade sind 30 Kilometer, das ist ein Loch. Männlicher Sprecher 2: Wichtig ist, dass der Angriff unserer Einheiten auf diese Armee stark ist. Saddam: Bei Gott, unsere Einheiten sind und bleiben exzellent. (Aus: The Saddam Tapes. The Inner Workings of a Tyrants Regime 1978-2001.) Drei Tage später erklärte Präsident Bush Kuwait für befreit, und Saddam Hussein akzeptierte die Sicherheitsratsresolution vom 2. August 1990, in der er zum Abzug aus Kuwait aufgefordert worden war. Dass bei einem eventuellen Verlassen Kuwaits die Ölquellen in Brand gesteckt werden sollten, hatte er schon früher entschieden. Der Weg nach Bagdad war für die US-Truppen frei: Dass Bush senior ihn nicht beschritt, erklärte er später stets damit, dass erstens das Uno-Mandat nur für die Befreiung Kuwaits gegolten habe und dass er zweitens nicht riskieren wollte, die arabischen Verbündeten gegen sich aufzubringen. Aber einer der politischen Gründe lag in Teheran: Saddam Hussein war als Dorn im Fleisch der Mullahs noch immer nützlich. Gleichzeitig musste er unschädlich gemacht werden: Resolution 687 wurde geschmiedet, in der die Sanktionsaufhebung an die Abrüstung der irakischen Massenvernichtungswaffenprogramme geknüpft wurde. Diese fand zwar mit großen Problemen, aber doch statt – aber das nahmen die USA nicht zur Kenntnis. Saddams Irak wurde eingefroren: stabil, aber bewegungsunfähig. Was das für die irakische Gesellschaft bedeutete, wurde erst nach 2003 klar. Saddam Hussein selbst hatte sich nach 1991 davon überzeugt, dass er den Krieg doch gewonnen hatte: Waren die USA nicht wieder abgezogen? Auch das ist durch Gesprächsprotokolle belegt. Zur Veränderung des Status quo in der Region gehörte für Bush senior auch, Israel, das den arabischen Beitrag zum Kampf gegen Saddam würdigend zur Kenntnis nehmen musste, und die Palästinenser, die ihren Schutzherren verloren hatten, an einen Tisch zu zwingen: 1991 fand die Madrider Friedenskonferenz statt. Sie selbst verlief im Sand, aber im Hintergrund entstand der Oslo-Prozess. Den Palästinenserstaat, den er hervorbringen sollte, gibt es allerdings noch immer nicht. Provinzhauptstadt erst Ende Dezember von IS zurückerobert. Ramadi – Ein Selbstmordattentäter hat bei einem Anschlag in der irakischen Provinzhauptstadt Ramadi mindestens 18 Soldaten mit in den Tod gerissen. Ramadi war erst Ende Dezember aus den Händen der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) befreit worden. Mindestens ein mit Sprengstoff beladenes Auto sei an einem Armeestandort im Norden Ramadis explodiert, sagte ein Befehlshaber der Deutschen Presse-Agentur. Zudem seien viele Einsatzkräfte verletzt worden, einige dieser befänden sich in einem kritischen Zustand. Zunächst bekannte sich niemand zu der Tat. Irakische Regierungstruppen hatten die Provinzhauptstadt westlich von Bagdad vor fünf Wochen für befreit erklärt. Im Irak und Syrien verfügt die Miliz derzeit über bis zu 25.000 Mann. Vor zwei Jahren wären es noch bis zu 31.000 Kämpfer. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. USA: Kein Hinweis, dass Material in die Hände des IS gefallen ist. Bagdad – Aus einer Lagerstätte im südirakischen Basra ist hochgiftiges radioaktives Material verschwunden, das von Terrorgruppen zum Bau einer schmutzigen Bombe verwendet werden könnte. Der Stoff sei äußerst gefährlich, teilten mehrere Behördenvertreter der Nachrichtenagentur Reuters mit. Es habe sich in einem Schutzcontainer von der Größe eines Laptops befunden, hieß es. Der Container werde seit November vermisst. Er habe sich in einem Lager des US-Ölfelddienstleisters Weatherford befunden. Der radioaktive Stoff werde eingesetzt, um Öl- und Gaspipelines mittels Gammastrahlen auf Schäden zu untersuchen. Das US-Außenministerium teilte mit, dass es von der Angelegenheit wisse. Es gebe aber keinen Hinweis, dass das Material in die Hände der Terrormiliz Islamischer Staat oder anderer militanter Gruppen gefallen ist. Ein US-Regierungsvertreter gab an, dass der Irak der UN-Atomenergiebehörde (IAEA) bereits im November das Verschwinden einer Spezialkamera gemeldet habe, die das hochgiftige Iridium-192 enthalte. Sie haben die ganze Zeit danach gesucht. Ob sie verlegt oder gestohlen wurde, ist unklar, sagte der US-Beamte. Einem irakischen Behördenvertreter zufolge befanden sich bis zu 10 Gramm des radioaktiven Materials in dem Container. Iridium-192 wird von der IAEA als radioaktives Material der Stufe 2 klassifiziert, das schon nach Minuten oder Stunden dauernde Schäden an Personen bewirken kann. Größere Mengen des Materials sind bereits in den USA, Großbritannien und anderen Staaten verschwunden. Experten befürchten, dass es verwendet werden kann, um eine schmutzige Bombe zu bauen. Das ist ein konventioneller Sprengsatz, der radioaktives Material enthält. Wir befürchten, dass das radioaktive Material in die Hände des IS fallen könnte, sagte ein irakischer Sicherheitsbeamter. Mit einem Sprengsatz könnten sie daraus eine schmutzige Bombe machen. Es war völlig unklar, wer den Container an sich genommen haben könnte. Es dürfte aber jemand mit Insiderkenntnissen sein, da in dem Betriebsgebäude in Basra keine Einbruchsspuren zu sehen waren. Attentäter sprengt sich während der Siegerehrung nach Fußballspiel in die Luft. Hilla – Bei einem Selbstmordanschlag im Irak sind am Freitag mindestens 30 Menschen getötet worden. Der Attentäter habe sich während der Siegerehrung nach einem Fußballspiel in die Luft gesprengt, sagte ein Polizist. Der Anschlag habe sich in der Ortschaft Al-Asriya etwa 40 Kilometer südlich der Hauptstadt Bagdad ereignet. Es seien 65 Menschen verletzt worden. Es sollte gerade der Siegerpokal übergeben werden, als der Attentäter sich in der Menge in die Luft sprengte, berichtete der Polizist. Im Krankenhaus der nächstgelegenen größeren Stadt Iskandariyah wurde am Abend die Zahl von 30 Todesopfern bestätigt. Auch der Bürgermeister starb im Krankenhaus an den bei der Explosion erlittenen Verletzungen, berichtete ein Arzt. Im Irak gibt es seit Jahren immer wieder Selbstmordanschläge. Meist richten sie sich gegen Schiiten. Zuletzt bekannte sich häufig die sunnitische Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu derartigen Attentaten. (APA, 25.3.2016) Jasim Khadijah soll an der Tötung eines US-Soldaten beteiligt gewesen sein. Bagdad/Washington – Die US-Armee hat nach eigenen Angaben im Irak einen Raketenexperten der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) getötet. Jasim Khadijah sei bei einem Drohnenangriff getötet worden, teilte der Sprecher der US-geführten Allianz gegen die Jihadisten, Steve Warren, am Sonntag mit. Khadijah sei vermutlich an einem IS-Raketenangriff beteiligt gewesen, durch den im März im Nordirak ein US-Soldat getötet wurde. Bei dem Angriff in der Nähe von Makhmur waren auch acht US-Marineinfanteristen verletzt worden. Laut Pentagon war es das zweite Mal seit dem Beginn des internationalen Einsatzes gegen den IS im Irak, dass ein US-Soldat getötet wurde. Der Angriff sei offenbar von Khadijah gesteuert worden, sagte Warren. Der Raketenexperte sei früher Offizier der irakischen Armee gewesen. Erstmals seit Wochen gibt es im Irak Anzeichen für eine Lösung der politischen Krise. Die USA und der Iran machen Druck. Bagdad/Wien – Vielleicht diente die Serie von Selbstmordattentaten, denen am Mittwoch in Bagdad bis zu hundert Menschen zum Opfer fielen, zumindest dazu, die politische Klasse wachzurütteln: Zum ersten Mal seit mehreren Wochen schienen sich am Donnerstag Möglichkeiten zur Beendigung der Regierungs- und Verfassungskrise im Irak aufzutun. Zuvor waren die Befürchtungen gestiegen, dass die politischen Streitereien bald auch wieder auf der Straße ausgetragen werden könnten. Am 6. Juni beginnt der Fastenmonat Ramadan, der im Irak seit 2003 traditionell gewalttätig verläuft, besonders wenn er in den heißen Sommer fällt. Das politische Vakuum trifft den Irak zudem mitten im Krieg gegen den Islamischen Staat (IS), der sich, militärisch geschwächt, zunehmend auf Selbstmordattentate verlegt. Auch am Donnerstag starben wieder mindestens zwanzig Menschen bei IS-Anschlägen. Noch am Dienstag war eine geplante Parlamentssitzung wieder nicht zustande gekommen, weil durch den Boykott zu vieler Abgeordneten das Quorum verfehlt wurde. Am Mittwoch konnte sich jedoch das Kabinett unter der Führung von Premier Haidar al-Abadi erstmals wieder zu einer Arbeitssitzung treffen, es kamen 13 von 22 Ministern. Fern blieben vor allem die Minister der Kurdenparteien und der Sadristen (der Bewegung von Muktada al-Sadr). Aber bei den Kurden bahnt sich ein Schwenk an: Am Donnerstag sprach sich der Premierminister der Kurdischen Regionalregierung in Erbil, Nechirvan Barzani, dafür aus, dass die Kurden ihre parlamentarische Arbeit in Bagdad wieder aufnehmen. Wenn sie ins Parlament zurückkehren würden, wäre dieses wieder beschlussfähig. Die Kammer hat dramatische Wochen hinter sich: Zuerst hatte sich Mitte April die Mehrheit in ein Gegenparlament abgespalten, das Parlamentssprecher Salim al-Juburi abwählte, aber seinerseits die Beschlussstärke verlor, als mehrere Parteien wieder absprangen. Geblieben ist davon ein neuer Oppositionsblock, die Reformfront, die beansprucht, stärker zu sein als die Rechtsstaats-Allianz, die den Premier stützt – und eventuell beanspruchen könnte, den Regierungschef zu stellen. Hinter der Reformfront scheint Abadis Vorgänger als Premier, Nuri al-Maliki, zu stecken, hinter dem wiederum radikale Iran-nahe schiitische Milizen in die Politik drängen. Allerdings gehört der Reformfront paradoxerweise auch Malikis großer ideologischer Gegner an, der Säkulare Iyad Allawi, neben einzelnen Überläufern aus anderen Fraktionen. Ob der neue Block Zukunft hat, bleibt zu sehen. Die kurdischen Parteien – zerstritten in Kurdistan, einig in Bagdad – hatten sich im April gegen Abadi gestellt, als dieser nach Massendemonstrationen von Anhängern des schiitischen Mullahs Sadr al-Muktada die Regierung zu einem Expertenkabinett umwandeln wollte. Die Kurden hätten zwar sogar das wichtige Ölministerium bekommen, aber eben mit einem nicht von ihnen vorgeschlagenen Minister. Als Abadi nach Protesten der Regierungsparteien zurückkrebste, ließ Sadr seine Demonstranten in die ehemalige Grüne Zone, das jetzige Regierungsviertel, marschieren und das Parlament stürmen. Dabei wurde auch Iran raus gerufen: Sadr stilisiert sich als irakischer Nationalist. Berichte, dass Sadr daraufhin nach Teheran geflogen sei, um sich zu entschuldigen, wurden vom Iran dementiert. Sicher ist hingegen, dass der Iran, aber auch die USA hinter den Kulissen versuchten, Druck auf ihre Verbündeten im Irak auszuüben, die politische Krise konstruktiv zu lösen. Die USA, die auch am Donnerstag wieder Luftangriffe gegen den IS flogen, fürchten um die Zukunft ihrer Militäroperation. Teheran ist auch deshalb besorgt, weil sich zuletzt vor allem innerschiitische Bruchlinien zeigten. Diese sind zwar nicht neu, aber die anderen – Schiiten gegen Sunniten, Kurden gegen Araber – haben sie meist in den Hintergrund gedrängt. Aber auch alle anderen Probleme bleiben bestehen, etwa, welches politische Angebot die Regierung in Bagdad den arabischen Sunniten in den IS-Gebieten machen kann, um sie wieder an den Irak glauben zu lassen. In Kurdistan redet Präsident Massud Barzani weiter von einem – wenngleich nicht bindenden – Referendum im Herbst, in dem die Kurden über ihre Unabhängigkeitswünsche abstimmen können sollen. Das wiederum erhöht die Nervosität in gemischten Gebieten, die die Kurden für sich beanspruchen. Die Terrorgruppe rüstet sich für die Fußball-EM und kündigt Anschläge in Europa und den USA an. Bagdad – Die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat ihre Anhänger laut einer neuen Audiobotschaft zu Anschlägen in Europa und den USA aufgerufen. In einem der Gruppe zugeschriebenen Clip, der am Samstag auf Twitter verbreitet wurde, werden die Gefolgsleute von einem Sprecher angehalten, im Fastenmonat Ramadan Angriffe auf militärische und zivile Ziele im Westen zu verüben. Für die Echtheit der Aufnahme gab es zunächst keine Bestätigung. Der Ramadan beginnt heuer Anfang Juni. Die radikalen Sunniten haben große Teile des Irak und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht und sind auch in Libyen und Afghanistan präsent. Nach jüngsten Angaben des französischen Geheimdienstes rüstet sich der IS für eine Welle von Bombenanschlägen auf Menschenmengen während der Fußball-Europameisterschaft. Vor sechs Monaten waren bei koordinierten Anschlägen auf Cafes, Bars, ein Fußballstadion und eine Konzerthalle in Paris 130 Menschen ums Leben gekommen. Die EM startet am 10. Juni und dauert bis zum 10. Juli. Zu den 51 Spielen in zehn Stadien werden mehr als 2,5 Millionen Besucher erwartet. Bei den jüngsten Antikorruptionsprotesten in der irakischen Hauptstadt gab es am Wochenende die ersten Toten. Die Eskalation schürt Ängste, der innerschiitische Konflikt könnte zu noch mehr Gewalt führen. Bagdad/Kairo – Zum zweiten Mal innerhalb weniger Wochen durchbrachen viele Demonstranten am Freitag die Hochsicherheitsanlagen des Regierungsviertels in Bagdad, der Grünen Zone. Sie verwüsteten das Büro von Premier Haidar al-Abadi und anderer Minister. Das erste Mal hatte sich ihre Wut vor allem gegen das Parlament gerichtet. Die Polizei setzte nun scharfe Munition, Gummigeschoße, Wasserwerfer, Tränengas und Blendgranaten ein. Die Bilanz der Ausschreitungen: vier Tote und mehr als 90 Verletzte. Die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Grüne Zone – die als Symbol der Abgehobenheit der Regierung vom Volk gilt – wurden nochmals verschärft. Diese friedliche Revolution hatte der schiitische Kleriker Muktada al-Sadr ausgerufen. Sie richtet sich gegen die Korruption in der Regierung, und Sadr verlangt, dass die religiösen und ethnischen Quoten abgeschafft werden. Die Demonstranten warfen der Regierung zudem vor, die Sicherheit der Bürger nicht gewährleisten zu können, nachdem in Bagdad eine Serie von Selbstmordanschlägen der Jihadisten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wieder zahlreiche Tote gefordert hatte. Das irakische Parlament hat es bisher nicht geschafft, die Forderungen der Demonstranten umzusetzen. Abadi hatte eine Regierung vorgeschlagen, in der mehrere parteiunabhängige Experten hätten vertreten sein sollen. Aber sowohl die beiden großen schiitischen Blöcke – die Gegenspieler der Sadr-Bewegung – als auch die Kurden lehnten ab. Die Kurden haben am Wochenende zudem angekündigt, dass ihre Abgeordneten in dieser aufgeheizten Stimmung nicht nach Bagdad zurückkehren würden, da zu befürchten sei, dass das nächste Mal das kurdische Präsidium Ziel der Demonstranten sein könnte. Mit intensiven diplomatischen Bemühungen haben die Vereinten Nationen und die EU versucht, ein völliges Abgleiten ins Chaos zu verhindern. Der UN-Gesandte Jan Kubis sprach bereits Anfang Mai vor dem Sicherheitsrat Klartext. Er kritisierte das Versagen der Regierung und der politischen Klasse, verlangte, den politischen Prozess zu erneuern, das mächtige Patronage-System abzuschaffen und sich vom Erbe von schlechter Regierungsführung und Korruption zu befreien. Alle Versuche der internationalen Gemeinschaft, die rivalisierenden politischen, religiösen, militärischen und Stammeskräfte zu einer friedlichen Lösung zu bewegen, sind gescheitert. Am Wochenende hat sich auch US-Präsident Barack Obama eingeschaltet. Er sprach sich nicht nur für verschärfte Sicherheitsvorkehrungen in der Grünen Zone aus, sondern verlangte auch, dass der irakischen Bevölkerung Möglichkeiten eingeräumt werden müssten, dass sie ihre Anliegen über demokratische Institutionen durchsetzen könne. Die USA befürchten insbesondere, dass die politische Lähmung zu einer Verzögerung der militärischen Operationen zur Befreiung der Stadt Mossul vom IS führen könnte, dem vordringlichsten Anliegen der USA im Irak. Seit Juni 2014 befindet sich die Metropole unter Kontrolle der Islamisten. Das Seilziehen um die Stellung der verschiedenen militärischen Kräfte – Armee und Milizen – im Kampf um Mossul und die Frage, wer in der nördlichen Metropole später das Sagen hat, sind aber ebenfalls wichtige Streitpunkte, die zur politischen Lähmung führen. Teheran hat ebenfalls einflussreiche Vertreter nach Bagdad geschickt. Auch sie konnten nicht durchsetzen, dass sich die verfeindeten Fraktionen auf eine Partnerschaft in der Regierung einigten. Die Schüsse vom Freitag sind deshalb ein Alarmzeichen, dass der schwelende Konflikt unter den schiitischen Gruppierungen in noch mehr Gewalt ausarten könnte. Auto- und Motorradbomben in drei Stadtteilen explodiert. Bagdad – Bei einer Anschlagsserie in Bagdad sind am Montag mehr als 20 Menschen getötet und etwa 50 verletzt worden. Nach Angaben von Polizei und Krankenhäusern explodierten drei Sprengsätze. In dem schiitischen Stadtbezirk Shaab wurden zwölf Menschen durch eine Autobombe getötet, sieben kamen ebenfalls durch eine Autobombe in dem sunnitischen Vorort Tarmiya ums Leben. In dem schiitischen Bezirk Sadr City starben zwei Menschen durch eine an einem Motorrad befestigte Bombe. Wer hinter den Taten stand, war zunächst unklar. Zuletzt hatte die sunnitische Extremistenorganisation Islamischer Staat (IS) die Verantwortung für zahlreiche Attentate in und um die irakische Hauptstadt übernommen, bei denen dutzende Menschen getötet wurden. Irans Ex-Präsident wirft Ultrakonservativen eine Sabotierung der Atomgespräche vor. Wien - Der mächtige iranische Ex-Präsident und Chef des Schlichtungsrates, Akbar Hashemi-Rafsanjani, hat die Hardliner im Iran laut der Nachrichtenagentur IRNA erneut scharf attackiert und ihnen eine Sabotage der Atomgespräche vorgeworfen. Einige Gruppen bevorzugen es, dass die Probleme bleiben, weil deren Lösung ihre eigenen Ziele beeinträchtigen würde, erklärte er in einer Rede in Dezful am Montag. Der Iran sei dabei, mit dem Westen eine friedliche Lösung im Konflikt um sein friedliches Nuklearprogramm zu finden, und manche Gruppen würden die diplomatischen Annäherungen blockieren und die iranischen Verhandler unentwegt beleidigen, um ihre eigenen Interessen abzusichern, ergänzte er. Unsere Verhandler tun ihr Bestes, um die Ausreden des Westens, Druck auf den Iran auszuüben, zu minimieren, sagte Rafsanjani. Angesichts der Krisenherde in der Region forderte Rafsanjani alle Muslime auf, an einem Strang zu ziehen, um den Feinden Einhalt zu gebieten. Die Hardliner im Iran haben die Gruppe Wir sind besorgt gebildet, die von der Regierung rund um Präsident Hassan Rohani eine sofortige Beendigung des Kuschelkurses mit dem Westen fordert. Sie plädieren für eine Rückkehr der Widerstands-Politik wie unter dem ehemaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad. Seit dem Amtsantritt Rohanis im August 2013 versucht die iranische Regierung unter dem Motto Kooperation statt Konfrontation eine Annäherung an den Westen zu erreichen. Bis Ende Juni soll der 13 Jahre andauernde Atomstreit rund um die iranische Urananreicherung endgültig beigelegt werden. Bei dem finalen Deal soll die Islamische Republik dem Westen glaubhafte und überprüfbare Garantien dafür abgeben, dass sein Nuklearprogramm ausschließlich friedlich ist. Im Gegenzug will die 5+1-Gruppe (fünf UNO-Vetomächte plus Deutschland) die Wirtschaftssanktionen gegen Teheran suspendieren. Irans Außenminister will am Montag zurück in Wien sein – Gespräche werden über Deadline am 30. Juni hinaus andauern. Der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif reist kurz vor der Deadline der Atomgespräche mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland für Beratungen nach Teheran zurück. Er soll Medienberichten zufolge am Montagabend wieder nach Wien zurückkehren, ein längerer Aufenthalt ist aber nicht ausgeschlossen. Beobachter halten das für ein positives Zeichen, da es bedeuten könnte, dass Zarif nun etwas in der Hand hat, was sich Teheran vorweisen lässt. Aus iranischen sowie US-amerikanischen Verhandlungskreisen wurde am Sonntag zudem bestätigt, dass die Delegationen über den 1. Juli hinaus in Wien bleiben werden. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini hatte zuvor bereits von einer möglichen Verlängerung der Frist, die am 30. Juni ausläuft, gesprochen: Wenn ein paar Tage mehr notwendig sind, werden wir uns diese Tage nehmen, sagte Mogherini am Sonntag. Vor seiner Abreise traf Zarif am Sonntag noch jeweils mit US-Außenminister John Kerry, dem britischen Außenminister John Hammond sowie dem chinesischen Außenminister Wang Yi und dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier zusammen. Der russische Außenminister Sergej Lawrow wird Medienberichten zufolge erst am Montagabend in Wien erwartet. Steinmeier zeigte sich seinerseits bei der Ankunft im Wiener Palais Coburg überzeugt, dass eine Verständigung gelingen müsse, wenn wir bei den verhandelten und vereinbarten Eckpunkten von (der Vereinbarung von, Anm.) Lausanne bleiben. Entscheidend bleibe aber die Frage der Transparenz, um sicherstellen zu können, dass das Vereinbarte auch tatsächlich im Iran eingehalten wird, erklärte Steinmeier. Der britische Außenminister John Hammond sprach noch von wesentlichen Differenzen die weiterhin zwischen den Verhandlungsparteien bestünden. Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal, es gibt rote Linien, stellte Hammond klar. EU-Außenbeauftragte Mogherini zeigte sich optimistischer: Der starke politische Wille aller Parteien sei vorhanden. Die Gespräche würden zwar schwierig werden, aber nicht unmöglich. Am Rande der Atomverhandlungen kamen Gerüchte auf, die ehemalige EU-Außenbeauftragte und Iran-Sonderbeauftragte Catherine Ashton sei von Diplomaten gebeten worden, zur finalen Gesprächsrunde nach Wien zu reisen. Um inhaltliche Differenzen soll es nicht gehen, vielmehr wird die Vorgehensweise aber als ein persönlicher Affront gegenüber Mogherini interpretiert, die versuchte, sich in den letzten Gesprächsrunden als Hauptverhandlerin zu etablieren. Medienberichte über eine Einigung bei der Inspektion von Militäranlagen konnten bisher nicht bestätigt werden. Wien/Teheran – Im Atomstreit zwischen der 5+1-Gruppe (USA, Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Deutschland) und dem Iran geht es vier Tage vor der Deadline am 7. Juli zwar voran, es gibt aber noch keine Einigung. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) erklärte am Freitag, dass es Fortschritte gebe, aber einige Punkte noch offen seien. Als Gastgeber sind wir zuversichtlich, dass es eine Einigung gibt. Das würde Stabilität nicht nur für die Region, sondern für uns alle bringen, sagte Kurz nach einem Treffen mit Bundespräsident Heinz Fischer und dem iranischen Außenminister Mohammad Javad Zarif in der Präsidentschaftskanzlei. Ähnlich optimistisch äußerte sich Fischer. Er meinte, dass es noch einige Formulierungsfragen zu lösen gebe, Zarif aber letztlich zuversichtlich sei, dass ein Deal zustande kommt. Zarif selbst sprach am Rande der Verhandlungen im Wiener Palais Coburg am Freitag von vielen Fortschritten, die zuletzt gemacht worden seien. Allerdings müsse auch der Westen einen politischen Willen für einen Deal aufbringen. Die andere Seite müsse ihre Bereitschaft zu einer Übereinkunft dabei auch durch Taten beweisen. Ob die Verhandlungen wirklich – so wie derzeit geplant – am 7. Juli enden werden, ist unterdessen ungewiss. Ein namentlich nicht genanter hoher Verhandler aus der US-Delegation deutete am Freitagabend an, dass eine weitere Verlängerung um wenige Tage möglich sei, sofern eine Einigung greifbar erscheine. Ja, das ist denkbar, lautete die Antwort auf eine entsprechende Frage der Nachrichtenagentur Reuters. Aber wir wollen so schnell wie möglich einen Abschluss. Am Freitag hatten iranische Medien berichtet, dass die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) sich mit dem Iran bereits auf die Modalitäten für die Inspektion von Militäranlagen geeinigt habe. Das konnte bisher nicht verifiziert werden. Für IAEA-Chef Yukiya Amano steht ein Durchbruch noch aus. Er hatte am Donnerstag in Teheran mit dem iranischen Präsidenten Hassan Rohani über die Inspektion von Militäranlagen und die Untersuchung angeblicher früherer Atomwaffenprogramme gesprochen. Ich glaube, beide Seiten haben nun ein besseres Verständnis davon, wie es vorangehen könnte, aber wir haben noch mehr Arbeit vor uns, sagte Amano am Freitag. Der Kabinettschef Rohanis, Mohammad Nahavandian, ist am Freitag zu einer Spezialmission nach Wien gekommen, um in den Endspurt der Atomverhandlungen Bewegung hineinzubringen. Zuvor postete der Spitzendiplomat das Foto eines Flugzeuges auf Instagram und bat die iranische Bevölkerung, für ihn zu beten. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur IRNA ist die Reise eine Spezialmission, bei der der Sondergesandte die notwendigen Konsultationen mit der Delegation führen soll, um zu einem endgültigen Deal im Atomkonflikt zwischen der 5+1-Gruppe und Teheran zu gelangen. Auch über das Wochenende gehen im Wiener Palais Coburg die technischen Expertenverhandlungen und das Ringen um einen Vertrag unter der Leitung von Zarif und US-Außenminister John Kerry weiter. Die Iran-Gespräche sind eine politische Domäne. Aber die IAEA spielt eine große Rolle bei der Umsetzung. Das Zauberwort heißt "Zusatzprotokoll". Wien/Teheran – Die mediale Aufmerksamkeit für die Atomgespräche mit dem Iran verlagerte sich am Freitag nach Teheran. Aus der iranischen Hauptstadt hieß es vormittags, dass eine Einigung über die Inspektion von Militäranlagen durch die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) erreicht sei. Das wurde später von IAEA-Generaldirektor Yukiya Amano relativiert: Trotz Fortschritten sei der Durchbruch noch nicht da. Amano war nach Teheran gereist, um Gespräche über jene Teile des Abkommens zu führen, bei denen die IAEA eine wichtige Rolle spielen wird. Dass er dies nicht mit den iranischen Vertretern in Wien aushandeln wollte, sei aussagekräftig, sagt ein Iran-Experte und Beobachter der Verhandlungen, der nicht genannt werden will, zum STANDARD: Wiederholt habe bei der Frage der Militäranlagen der religiöse Führer, Ali Khamenei, so starke Ansagen gemacht – und damit auch den iranischen Verhandlern in Wien den Boden unter den Füßen weggezogen –, dass die IAEA Teheran nun für den einzigen Ort halte, wo das zu klären sei. Die Debatte über die Militäranlagen hat sich zuletzt auf beiden Seiten aufgeschaukelt, und zwar in der bereits üblichen propagandistisch ungenauen Art. Im Westen wurde von Hardlinern die Forderung erhoben, dass es ohne komplette Öffnung aller iranischen Militäranlagen nicht gehe, und im Iran identifizierten die Hardliner das Additional Protocol der IAEA als bösen Trick der internationalen Gemeinschaft, um sich Zugang zu allen Orten der nationalen Sicherheit im Iran zu verschaffen. Beim Additional Protocol handelt es sich um einen Zusatz zum Atominspektionsabkommen, das ein Staat mit der IAEA schließt, dem sogenannten Safeguards-Abkommen. Nach den Erfahrungen mit dem Irak, wo 1991 geheime Urananreicherungsprogramme mit einer militärischen Dimension entdeckt wurden, einigten sich die IAEA-Mitgliedsstaaten – denn sie sind es, die die Regeln machen – auf verschärfte Inspektionsinstrumente. In früheren Zeiten wurde gar nur das Nuklearmaterial inspiziert, das ein Staat der IAEA erklärt hatte. Das Additional Protocol – das der Iran bereits einmal unterzeichnet und bis 2005 angewandt hat, aber nie ratifizierte – sieht im Wesentlichen vor: schärfere Inspektionen, auch mit ganz kurzen Ankündigungszeiten (zu kurz, um etwas verschwinden zu lassen), Inspektionen in allen Anlagen, die ein Atomprogramm betreffen (das heißt nicht nur in solchen, wo angereichertes Material im Spiel ist), und Anlagen, von denen vermutet wird, dass sie etwas mit einem Atomprogramm zu tun haben, auch wenn sie keine Nuklearanlagen sind. Im Iran ist das die umstrittene Militäranlage Parchin. Es ist keineswegs so, dass die IAEA unter dem Zusatzprotokoll einfach in jede Militäranlage hineinspaziert – das würde kein Land der Welt akzeptieren. Die IAEA stellt die Anfrage, das Land antwortet darauf – und im konkreten iranischen Fall wäre etwa eine Möglichkeit, eine dritte Instanz zu schaffen, die sich mit strittigen Fragen befasst. So etwas wäre im Rahmen des Additional Protocol möglich. In der Lösung dieses Punktes ist viel mehr enthalten als nur eine zukünftige Möglichkeit für tiefgreifendere Inspektionen. Auch den sogenannten PMDs, Possible Military Dimensions – jenen Aspekten der iranischen Atomforschung, die unter Verdacht stehen, einem Waffenprogramm gegolten zu haben –, ist nur so beizukommen. Bisher lehnt der Iran gewisse Inspektionen mit der Argumentation ab, dass es keine rechtliche Grundlage gäbe: Mit dem Additional Protocol wäre das anders. Dass die PMDs erst im Rahmen einer Umsetzung eines Abkommens bearbeitet werden würden, ist seit längerem klar. Die Zeit wäre zu kurz gewesen, vor allem aber war der Iran zu dieser Vorausleistung mangels Vertrauens nicht bereit. Gespräche in Wien vor der Deadline am 7. Juli – Weitere Verschiebung aber möglich. Wien – 13 Jahre dauert der Atomkonflikt mit dem Iran, 13 Tage waren bis heute, Dienstag, für die jüngste Gesprächsrunde in Wien anberaumt. Bis zu diesem Datum sollte die schon einmal verlängerte Frist für eine Einigung laufen, die sich die Teams der fünf UN-Vetomächte und Deutschland (5+1) und des Iran gesetzt hatten. Doch ob diese Frist halten würde, schien am Montag zunehmend ungewiss. Ein Deal bis zur Deadline am 7. Juli ist zeitlich fast nicht möglich, sagte etwa am Vormittag ein iranischer Verhandler. Ein Außenministertreffen der 5+1 (UN-Vetomächte plus Deutschland) am Montagabend mit dem Iran hat weiter keinen Durchbruch gebracht. Es gebe weiterhin ernsthafte Differenzen erklärte eine iranische Quelle gegenüber der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA. Tagsüber hieß es noch, man sei sich zwar über die allermeisten Punkte des rund 80 Seiten langen Vertragspapiers einig. An jenen wenigen Fragen, in denen es bisher keine Einigung gegeben habe, spieße es sich aber hartnäckig. Auch die große Runde aller Außenminister habe in dieser Hinsicht kaum Fortschritte erzielt. Am späten Montagabend traten sie allerdings zu einer neuen Beratungsrunde zusammen – dabei sollte es auch um den Zeitplan gehen, hieß es aus Diplomatenkreisen. Noch immer keine Lösung schien es zuvor etwa in der Frage zu geben, wie die Sanktionen wieder in Kraft treten können, sollte sich der Iran nicht an das Abkommen halten – auch, wenn man sich offenbar vergangene Woche deutlich nähergekommen ist. Die Agentur Reuters meldete zudem am Montagnachmittag, dass auch die Debatte darüber noch anhalte, was mit den bestehenden Sanktionen passieren soll, die sich nicht direkt gegen das Atomprogramm des Iran richten – etwa jene gegen das iranische Raketenprogramm. Mögliche neue Deadline, so hieß es, sei der 9. Juli, der schon vor Beginn der Gespräche als wirkliche Deadline genannt wurde. Hintergrund: Der US-Kongress hatte im April ein Gesetz beschlossen, das den Abgeordneten eine Begutachtungszeit von 30 Tagen für ein Abkommen zusichert, bevor die Sanktionen aufgehoben werden können. Nach 9. Juli verlängert sich diese Zeit wegen der Kongresssommerpause auf 60 Tage. Das würde Gegnern Zeit geben, Widerstand zu organisieren. Der Iran fordert ein sofortiges Ende der Strafmaßnahmen nach Inkrafttreten einer Vereinbarung, zeigt sich offenbar in der Frage der Deadline aber flexibel. Man wolle sich lieber ein paar Tage mehr Zeit nehmen, so ein Verhandler. Eine neue Verhandlungsrunde zu späterer Zeit könne hingegen nicht im Interesse der Beteiligten liegen. Dass es bei den Gesprächen festgefahrene Fronten gebe, verneinten Verhandler aller Seiten aber vehement. Es habe auch am Montag wieder neue Bewegung gegeben, sagte Chinas Außenminister Wang am Nachmittag. Teheran will Aufhebung aller UN-Sanktionen. Wien – Nach Angaben der US-Delegation bei den Wiener Atomgesprächen würden die von der UNO verhängten Sanktionen gegen das Raketenprogramm und den Waffenhandel des Iran auch unter einem Atomabkommen bestehen bleiben. Das sagte ein hochrangiger US-Vertreter am Dienstag. Der Iran fordert die Aufhebung aller gegen ihn verhängten Sanktionen bei Inkrafttreten eines Atomabkommens. Das müsse auch für den Handel mit Waffen und Raketen gelten. Der Westen lehnt dies aber ab. Der US-Delegierte betonte, man sei noch nie so nahe an einer Einigung gewesen. Trotzdem sei man noch nicht dort, wo man sein müsste. Medien: Iran macht "konstruktiven" Vorschlag, schließt Überschreiten "roter Linien" aber aus. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. EU lässt Sanktionen gegen Iran bis 13. Juli ausgesetzt, Delegationen haben angeblich Zimmer bis 17. Juli reserviert. Wien – Bei den Atomverhandlungen zwischen den Weltmächten und dem Iran in Wien sieht US-Außenminister John Kerry weiter Bewegung. Ich denke, dass wir einige offene Fragen gelöst haben und Fortschritte machen, sagte Kerry am Freitag in Wien. Die Atmosphäre sei sehr konstruktiv. Es seien aber noch zwei sehr komplizierte Punkte ungelöst, sagte Kerry, ohne diese zu nennen. Die Minister würden am Samstag wieder zusammenkommen, um auszuloten, ob sich die letzten verbleibenden Hürden überwinden ließen, sagte der britische Außenminister Philip Hammond am Freitag in Wien. Wir machen Fortschritte, aber es geht quälend langsam voran, erklärte Hammond. Auf Arbeitsebene würden die Verhandlungen in den kommenden zwölf Stunden weitergehen. In US-Regierungskreisen hieß es, das Grundsatzabkommen mit dem Iran sei bis Montag verlängert worden, um mehr Zeit für die Gespräche zu schaffen. Die Europäische Union lässt aus dem selben Grund einen Teil ihrer Sanktionen gegen den Iran bis zum 13. Juli ausgesetzt. Inoffiziell hieß es, die Verhandlungen in Wien könnten noch bis 17. Juli dauern. Laut Insidern wurden zumindest bis zu diesem Zeitpunkt die Hotelzimmer der Verhandlungsdelegationen reserviert. Es sieht so aus, als würden wir das Wochenende in Wien verbringen, sagte der iranische Außenminister Mohammad Javad Zarif. Eigentlich wollten die Politiker bis zum (heutigen) Freitag einen Abschluss erzielen. Der russische Präsident Wladimir Putin erklärte, er hoffe auf eine rasche Einigung. Danach sollten alle Sanktionen gegen den Iran aufgehoben werden, forderte er. Die Sanktionsfrage gehört nach Angaben aus Verhandlungskreisen zu den letzten Problemen, die gelöst werden müssen. Besonders umstritten ist die Aufhebung des Waffenembargos gegen den Iran. US-Außenminister John Kerry hatte am Donnerstag gewarnt, die USA seien zu einem Abbruch der Verhandlungen bereit, wenn man sich nicht zu schwierigen Entscheidungen durchringen könne. Wir können nicht ewig warten. Zugleich sprach er von echten Fortschritten. Ein wichtiger Berater des geistlichen Oberhauptes des Iran, Ayatollah Ali Khamenei, kritisierte Kerry dafür scharf. Seine Bemerkungen seien Teil der psychologischen Kriegsführung des Landes gegen die Islamische Republik, sagte Ali Akbar Velayati nach einem Bericht der halbamtlichen Nachrichtenagentur Tasnim. Die Grenzen der iranischen Führung müssten respektiert werden. Diese hatte Khamenei im Juni genannt: Einen längerfristigen Stopp des Atomprogrammes und Kontrollen militärischer Anlagen wird es demnach nicht geben. Auch Präsident Hassan Rohani nahm an Demonstration teil – diesmal keine "Tod Amerika"-Rufe. Teheran – Hunderttausende Menschen sind am Freitag im Iran zu Protesten gegen Israel auf die Straßen gegangen. Zu den landesweiten Demonstrationen hatte die Regierung anlässlich des jährlich stattfindenden Al-Quds-Tages aufgerufen. Gleichzeitig mit den Demonstrationen wurden diesmal in Wien die Atomverhandlungen zwischen dem Iran und den fünf UN-Vetomächten sowie Deutschland (5+1) fortgesetzt. Al-Quds ist der arabische Name für Jerusalem. Aus Solidarität mit den Palästinensern findet im Iran jedes Jahr am letzten Freitag des Fastenmonats Ramadan eine Kundgebung statt. Hintergrund ist die Besetzung Ost-Jerusalems durch Israel während des Sechstagekrieges 1967. Der Iran erkennt Israel nicht an und betrachtet dessen Regierung als Wurzel aller Probleme im Mittleren Osten. Auch Präsident Hassan Rohani nahm an den staatlich organisierten Demonstrationen im Zentrum Teherans teil. Die Palästinenser werden letztendlich ihre Ziele erreichen, sagte er Reportern. Eine Rede hielt er – obwohl geplant – nicht. Rohani war gerade von einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin in Ufa zurückgekommen. Dort ging es auch um das Atomtreffen in Wien. Die Rede am Al-Quds-Tag wurde von Parlamentspräsident Ali Larijani gehalten. Aber auch er befasste sich mit den Atomverhandlungen. Der Westen würde einen großen strategischen Fehler begehen, falls er die Gespräche scheitern lässt, sagte Larijani. Der Iran würde in diesem Fall sehr schnell das Atomprogramm wieder aufnehmen. Auch eine Zusammenarbeit in der Region würde dann scheitern. Im iranischen Staatsfernsehen, das Rohani nahe steht, wurden am Al-Quds-Tag am Freitag anders als früher keine Tod Amerika-Rufe ausgestrahlt. Dies twitterten mehrere Mitarbeiter der amtlichen Nachrichtenagentur IRNA am Freitag. Beobachter glauben, dass die Regierung offenbar Zurückhaltung angeordnet hat. Besonders auffällig bei der diesjährigen Demonstration waren die vielen Sprechchöre und Plakate gegen Saudi-Arabien. Nieder mit der saudischen Königsfamilie sei in Teheran und anderen Städten gerufen worden, berichtete IRNA. Die saudischen Luftangriffe auf die pro-iranischen Huthi-Rebellen in Jemen und Riads Politik in Syrien haben in den letzten Monaten zu einer Krise zwischen den beiden islamischen Mächten geführt. Abkommen schon vor Abschluss von allen Seiten als "schlecht" und "gefährlich" kritisiert – Opposition gibt Netanjahu Mitschuld an nuklearem Iran. Mit saurer Miene blickten die Israelis am Montag nach Wien, wo sich ein Abkommen mit dem Iran abzeichnete, das die israelische Führung monatelang als schlecht kritisiert hatte und das sie wohl weiterhin bekämpfen wird. Unter den Großmächten gebe es vielleicht solche, die bereit sind, vor der Realität zu kapitulieren, die der Iran diktiert, was dessen ständige Aufrufe zur Zerstörung Israels einschließt, sagte Premier Benjamin Netanjahu, doch wir werden nicht den Preis dafür bezahlen. Netanjahu wies dabei insbesondere darauf hin, dass gerade in der Abschlussphase der Verhandlungen am Wochenende bei einem Massenaufmarsch in Teheran mit der Duldung der iranischen Führer Ali Khamenei und Hassan Rohani US-amerikanische und israelische Flaggen verbrannt worden seien. Über die Ablehnung des Abkommens gab es im Inhalt quer durch die israelischen Parteien einen breiten Konsens, wobei die Opposition Netanjahu Mitschuld daran gab, dass es nicht gelungen sei, einen nuklearen Iran zu verhindern. Netanjahu sprach von einer Parade der Konzessionen an den Iran, wobei in Wien sogar noch rote Linien überschritten worden seien, die man bei den Vorverhandlungen in Lausanne gezogen hätte. Spezifischer wurde Verteidigungsminister Moshe Yaalon vor dem Sicherheitsausschuss des Parlaments mit dem Vorwurf, durch das Abkommen werde keine einzige Nuklearanlage geschlossen und keine einzige Anreicherungszentrifuge abgebaut: Wir bekommen nach dem Abkommen den Iran als nuklearen Schwellenstaat, der fortfährt Terror auszuüben und vor allem wirtschaftlich stärker wird, so Yaalon. Der Iran wird zu einer bedeutenderen Bedrohung nicht nur für Israel, sondern für die Stabilität der ganzen Welt – wir bewegen uns auf ein schlechtes Abkommen zu, und wir müssen uns in der Periode danach weiterhin darauf vorbereiten, uns mit eigenen Kräften zu verteidigen. Das Abkommen sei gefährlich und voller Lücken, hieß es von verschiedenen Beobachtern und Politikern, und die vorgesehenen Kontrollen für das iranische Nuklearprogramm seien schlichtweg eine Farce. Israel sei in die Isolation geraten und von Gesprächen ausgeschlossen worden, die für das Land schicksalhaft sein könnten. Auch Oppositionschef Yitzhak Herzog von der Arbeiterpartei äußerte schwere Bedenken: Das Abkommen wird den Sicherheitsinteressen Israels schaden und zu einem sofortigen Rüstungswettlauf führen, der unseren Feinden und den Terrororganisationen in der ganzen Region dienen wird. Herzog betonte, es wäre richtig gewesen, wenn die Großmächte Israel in die Details eingebunden hätten, bevor dieses Abkommen zu voller Reife kommt. Das sei aber nicht passiert, weil es zwischen dem Premierminister und dem Weißen Haus kein Vertrauen und keinen Dialog gibt, und darin sieht Herzog ein klares Versagen von Netanjahu. Allgemein wurde erwartet, dass Israel nach einer eventuellen Einigung in Wien in den nächsten Wochen versuchen würde, im US-Kongress Überzeugungsarbeit gegen das Abkommen zu leisten. 'Kaum war die Pressekonferenz in Wien zu Ende, da brachen auf den iranischen Straßen schon frenetische Hupkonzerte aus. Ausnahmsweise sogar mit offizieller Genehmigung des Innenministeriums – und das im Monat Ramadan. So etwas ließen sich die Iraner freilich nicht zweimal sagen. Gefasster gab sich standesgemäß Staatspräsident Hassan Rohani. Er begrüßte in einer Ansprache das Wiener Abkommen und äußerte die Hoffnung, dass somit der Weg für eine zukünftige Zusammenarbeit geebnet sei. Der Iran habe große Hürden überwunden, aber beide Seiten stünden letztlich als Sieger da: Man habe das gemeinsame Ziel erreicht. Rohani ging dann auf die Präsidentenwahl ein, die er vor zwei Jahren gewonnen hatte: Damals hätten sich die Menschen für den Fortschritt entschieden. Er, Rohani, habe bei seiner Vereidigung betont, dass die Welt nur dann mit dem Iran zusammenarbeiten könne, wenn man ihn als gleichwertigen Partner anerkenne. Rohani unterstrich auch die Verdienste seiner Regierung darum, die Wirtschaft in Schwung zu bringen und bedankte sich für die Geduld aller Staatsbürger. Der Iran habe seine erklärten Ziele erreicht Sieben Resolutionen sollen, sofern der Iran sich an die Vereinbarungen hält, aufgehoben werden. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Der US-Außenminister beginnt eine Medienoffensive, um die amerikanische Öffentlichkeit und den US-Kongress von dem Abkommen zu überzeugen. Washington/Tel Aviv – US-Außenminister John Kerry hat nach eigenen Angaben versucht, die von Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu geäußerten Bedenken gegen den Atom-Deal mit dem Iran zu zerstreuen. Es wäre Fantasie, zu glauben, man könne mit dem Iran einen besseren Deal als das in Wien ausgehandelte Abkommen erzielen, erklärte Kerry. Er äußerte sich in diesem Sinne in mehreren Interviews, die Teil einer Medienoffensive der Regierung von US-Präsident Barack Obama waren, um die amerikanische Öffentlichkeit, den US-Kongress und Israel vom Atom-Deal mit Teheran zu überzeugen. Die US-Regierung legte am Sonntag das Atomabkommen mit dem Iran dem Kongress zur Begutachtung vor. Dieser hat nun ab Montag 60 Tage Zeit, um darüber zu beraten und abzustimmen. Kerry sagte nach Angaben der israelischen Nachrichtenseite ynet von Sonntag in einem Interview mit dem Sender PBS, er habe zuletzt am Donnerstag mit Netanyahu telefoniert. Auch während der Atomverhandlungen in Wien sei er regelmäßig mit dem israelischen Premier in Kontakt gestanden. Der US-Außenminister wies die Forderung Netanyahus zurück, der Westen solle den Druck auf den Iran solange aufrechterhalten, bis dieser seine atomaren Ambitionen aufgibt. Sie werden nicht durch die Sanktionen gebrochen, das ist bewiesen, meinte er. Sollte der Kongress das Abkommen zu Fall bringen, dann wird es einen Konflikt in der Region geben. Der Atom-Deal sei die einzige Alternative, warnte Kerry. Wenn die USA Nein sagen, wird der Ayatollah nicht an den Verhandlungstisch zurückkehren. Wer kann ihm dann unter diesen Umständen die Schuld geben?, so der US-Außenminister. Kerry trat auch Bedenken entgegen, dass der Iran seine neu gewonnen finanziellen Möglichkeiten nutzen werde, um seine Verbündeten in der Region zu unterstützen und seinen militärischen Einfluss auszubauen und damit direkt Israels Sicherheitsinteressen zu gefährden. Sie dürfen das nicht tun, nicht einmal außerhalb dieses Abkommens, betonte der Außenminister. Es gebe eine UN-Resolution, die dem Iran verbiete, Mittel an die Hisbollah zu transferieren. Laut Kerry wird es der Iran überhaupt schwer haben, zusätzliche Geldmittel für seine Verbündeten in den nächsten Jahren locker zu machen. Präsident (Hassan) Rohani muss jetzt an das iranische Volk liefern. Sie haben hohe Erwartungen an dieses Abkommen und hoffen auf eine Änderung ihrer Lebensbedingungen. Der Iran muss 300 Milliarden Dollar (275,5 Mrd. Euro) aufwenden, um seine Ölindustrie wieder auf den Stand vor fünf Jahren zu bringen. Kerry wies auch auf das iranische Verteidigungsbudget hin, das jährlich 15 Milliarden Dollar betrage. Die Golfstaaten würden 130 Milliarden pro Jahr dafür ausgeben. Der US-Außenminister versicherte, man werde die militärischen Kapazitäten anderer Staaten weiter ausbauen, um den Einfluss des Iran zurückzudrängen. Netanyahu setzt seinen Kampf gegen das Atomabkommen mit dem Iran unvermindert fort. Am Sonntag rief er die Mitglieder des US-Kongresses auf, sich für einen besseren Deal mit Teheran einzusetzen, wie die israelische Nachrichtenseite ynet berichtete. Ich denke, das einzig richte ist, mit diesem Deal einfach Schluss zu machen. Man kann vieles tun, um die Aggression des Iran zu stoppen und dieser Deal gehört nicht dazu, sagte Netanyahu in einem Interview mit dem US-Sender CBS. Er fühle sich verpflichtet, das zu sagen, denn das Atomabkommen gefährde sein Land, die Region und die Welt. Israel könne sich niemals sicher fühlen, wenn das Abkommen in Kraft trete. Von rund einem Dutzend Wirtschaftsvertretern nach Teheran begleitet. Teheran/Berlin – Am zweiten Tag seines Iran-Besuchs trifft der deutsche Wirtschaftsminister und Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) am Montag mit Präsident Hassan Rohani zusammen. Zudem sind in der Hauptstadt Teheran Gespräche mit drei Ministern, dem Gouverneur der Zentralbank, Vertretern der iranischen Industrie- und Handelskammer sowie Unternehmern geplant. Zum Auftakt seiner Reise hatte Gabriel am Sonntag eine deutsche Vermittlerrolle zwischen dem Iran und Israel angeboten. Er verteidigte zudem das Existenzrecht Israels: Für Deutschland muss klar sein: Wer immer mit uns nachhaltige Beziehungen hat, der kann nicht das Existenzrecht Israels politisch infrage stellen. Gabriel ist der erste westliche Spitzenpolitiker, der Teheran nach der Atom-Einigung vom vergangenen Dienstag besucht. In Wien hatten sich der Iran, die fünf UNO-Vetomächte und Deutschland auf ein Abkommen verständigt, das den Bau einer iranischen Atombombe verhindern soll. Im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen gegen das ölreiche Land schrittweise aufgehoben werden. Zuletzt war vor 13 Jahren mit dem damaligen Finanzminister Hans Eichel ein deutsches Kabinettsmitglied im Iran. Gabriel wird von rund einem Dutzend Wirtschaftsvertretern begleitet. Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) geht davon aus, dass die Exporte innerhalb von vier Jahren von 2,39 Milliarden in 2014 auf zehn Milliarden Euro mehr als vervierfacht werden können. In New York will der UNO-Sicherheitsrat am Montag über die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran entscheiden. Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. Damit sind die Strafmaßnahmen allerdings nicht automatisch aufgehoben. Erst muss die Internationale Atomenergie-Organisation (IAEO/IAEA) bestätigen, dass Teheran seinen Verpflichtungen nachgekommen ist. Zudem geht es nur um die UNO-Sanktionen – es gibt aber auch Strafmaßnahmen der Europäischen Union und der USA. Die US-Regierung von Präsident Barack Obama leitete dem Kongress unterdessen den Text der Atom-Vereinbarung mit dem Iran zu. Für die Prüfung gibt es nun eine Frist von 60 Tagen bis zum 17. September. 'US-Verteidigungsminister nach Iran-Deal in Nahost. Am Beginn einer Art Beschwichtigungsmission traf US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Montag in Jerusalem ein, wo er mit Israels Premier Benjamin Netanjahu zusammentreffen sollte, dem wohl lautstärksten Gegner des Nukleardeals mit dem Iran. Carter will danach mit Saudi-Arabien und Jordanien zwei weitere beunruhigte Verbündete besuchen. Während im US-Kongress noch über den Iran-Deal gestritten wird, beginnt die Region schon, sich auf die Folgen einzustellen. Die Situation ändert sich täglich, wir müssen unsere Strategie anpassen, sagte Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon. Israel ist der Grundstein der US-Strategie im Nahen Osten, versicherte Carter, wir wissen, was unsere Interessen sind, und ein Grundsatz der USA ist unsere Freundschaft und unser Bündnis mit Israel. Netanjahu war nicht müde geworden, gegen das schlechte Abkommen zu wettern. Insbesondere wies er darauf hin, dass Irans oberster Führer, Ali Khamenei, nach dem Abschluss in Wien erklärt habe, der Iran werde an seiner antiamerikanischen und antiisraelischen Politik nichts ändern. In Israel glaubt zwar niemand daran, dass der US-Kongress das Abkommen tatsächlich noch torpedieren könnte Generalmajor Firuzabadi gilt als enger Vertrauter des geistlichen Oberhauptes Ayatollah Ali Khamenei. Dubai – Der iranische Militärchef hat sich für das Wiener Atomabkommen ausgesprochen. Die Vereinbarung habe viele Vorteile, sagte Generalmajor Hassan Firuzabadi am Samstag. Er gilt als ein enger Vertrauter des geistlichen Oberhauptes des Iran, Ayatollah Ali Khamenei. Eigentlich müssten ja die Streitkräfte sich die meisten Sorgen machen, sagte er. Aber diese Vereinbarung und die Resolution des UNO-Sicherheitsrates haben viele Vorzüge, die Kritiker ignorieren. Konservative Parlamentsmitglieder im Iran sowie der oberste Kommandant der einflussreichen Revolutionsgarden haben sich gegen die Atom-Vereinbarung mit den fünf UNO-Vetomächten sowie Deutschland ausgesprochen. Khamenei selbst hat sich öffentlich noch nicht eindeutig positioniert. Unklar ist, wie genau das Abkommen im Iran ratifiziert wird. Letztendlich dürfte jedoch Khamenis Urteil entscheidend sein. In den USA wirbt Präsident Barack Obama derzeit um Zustimmung zu dem Abkommen. Er trifft insbesondere bei den Republikanern auf Gegenwehr. Der Mann, der Khamenei sagt, was dieser denkt. Feigheit kann man ihm nicht nachsagen, dem Chefredakteur und Leitartikler der iranischen Hardliner-Postille Keyhan, des Organs der iranischen Atomdealgegner: Hossein Shariatmadari ignoriert alle Warnungen, die die iranische Medienaufsichtsbehörde Anfang August gegen jene Zeitungen – auch Keyhan – losließ, die der iranischen Regierung nichts weniger als Verrat an den Prinzipien der Islamischen Republik vorwerfen. Shariatmadari schreibt weiterhin gegen das Abkommen, das einerseits das iranische Atomprogramm auf Jahre beschränken, aber andererseits dem Iran eine Aufhebung der Wirtschaftssanktionen bringen soll. Für seinen Leitartikel am Samstag ließ sich Shariatmadari etwas Besonderes einfallen: Er analysierte die Rede, die der religiöse Führer Ali Khamenei nach Abschluss des Atomdeals gehalten hatte, und kam zum Schluss, dass Khamenei im Grunde gegen das Abkommen sei. Weshalb das iranische Parlament dem – unausgesprochenen – Wunsch Khameneis entsprechen und dagegen stimmen solle. Fürwahr ein rabulistisches Kunstwerk: Khamenei wird ja nicht müde zu betonen, dass der Atomdeal keine Auswirkungen auf die sonstige iranische Politik haben wird. Und da das – meint Shariatmadari – unmöglich ist, ist Khamenei eigentlich gegen das Abkommen. Ist doch klar. Hossein Shariatmadari (66) hat teuer für die Revolution bezahlt, deren Pfeiler, wie die Feindschaft zu den USA, er heute in Gefahr sieht. Während der Schah-Zeit wurde er verhaftet, schwerstens gefoltert und zu lebenslanger Haft verurteilt. Sein Medizinstudium konnte er nicht abschließen. 1979 kam die Befreiung – und der Aufstieg Khomeinis, zu dessen Gefolgschaft Shariatmadari schon zuvor gehört hatte. Diesem System, wie er es versteht, hat er sein Leben verschrieben, dafür wird er von den sogenannten Prinzipalisten bewundert – und von den Moderaten und Reformern gefürchtet und gehasst. Die Polarisierung durch die Präsidentschaft Mahmud Ahmadi-Nejads beziehungsweise dessen umstrittene Wiederwahl 2009 machte er mit wahrer Wonne mit: Den Herausforderer Ahmadi-Nejads, Mir-Hossein Mussavi, beschuldigte er der finstersten Verbrechen. Als er im Dezember 2014 an der Universität Teheran einen Vortrag halten wollte, wurde er als Lügner niedergebrüllt. Wenige Fans hat er auch auf der arabischen Seite des Persischen Golfs, seitdem er iranische Ansprüche auf Bahrain anmeldete. Iranische Regierung will das Waffensystem nach eigenen Angaben im Kampf gegen die IS-Miliz einsetzen. Teheran – Die umstrittene Lieferung des russischen Flugabwehrsystems S-300 an den Iran steht nach Angaben aus Teheran kurz bevor. Schon nächste Woche wird der Vertrag in Moskau unterschrieben, sagte Verteidigungsminister Hussein Dehghan am Dienstag. Der Minister fügte laut der Nachrichtenagentur Fars hinzu, dass der Iran das neueste Modell der Raketen erhalten werde. Die iranische Regierung will das Waffensystem nach eigenen Angaben zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) einsetzen. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte die geplante Lieferung als sehr schwerwiegend eingestuft, weil sie das aggressive Verhalten des Iran in der Region noch verstärke. Im April hatte Moskau einen Lieferstopp für die Raketen aufgehoben. Geliefert werden sollte nach einer internationalen Einigung über das iranische Atomprogramm. Diese Vereinbarung wurde im Juli geschlossen. Fateh 313 hat Reichweite von 500 Kilometern. Teheran – Die iranischen Streitkräfte verfügen über eine neue Kurzstreckenrakete, die am Samstag von Präsident Hassan Rohani persönlich vorgestellt wurde. Die Fateh (Sieger) 313 habe eine Reichweite von 500 Kilometern, berichtete die Nachrichtenagentur Sepah News der Revolutionsgarden. Ihre Sensoren und die Technologie seien weiter entwickelt als die ihrer Vorläufer. Das neue Modell, das anlässlich des jährlichen Tags der Rüstungsindustrie vorgestellt wurde, sei erfolgreich getestet und bereit für die Serienproduktion. Irans Präsident betonte, die Rakete sei notwendig zur Verteidigung des Landes. Verteidigung und Abschreckung Irans Strategie basiert auf Verteidigung und Abschreckung, sagte Rohani. Wer sich nicht gegen seine Nachbarn und Feinde verteidigen könne, müsse sich darauf einstellen, jederzeit besetzt zu werden. Das iranische Raketenprogramm ist international umstritten und war auch Gegenstand der Verhandlungen über das Atomprogramm des Landes. Diese führten am 14. Juli nach jahrelangen Verhandlungen in Wien zum Abschluss eines dauerhaften Abkommens mit der Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschland. Die Vereinbarung sieht deutliche Einschnitte bei der Urananreicherung und verschärfte Kontrollen der Atomanlagen vor. Im Gegenzug werden die schmerzhaften Finanz- und Handelssanktionen des Westens gegen Teheran schrittweise aufgehoben. Der UN-Sicherheitsrat machte am 20. Juli mit einer Resolution den Weg für die Aufhebung der in dem Konflikt verhängten UN-Wirtschaftssanktionen frei, untersagte dem Iran jedoch, ballistische Raketen zu besitzen, die als Träger von Atomwaffen verwendet werden können. Der Iran bestreitet, jemals an der Entwicklung von Atomwaffen gearbeitet zu haben. Vorsitzender von Expertenrat wirft Washington "Brandstiftung" vor – Teheran verbittet sich "US-Einmischung". Teheran – Für den Iran bleiben die USA auch nach dem Abkommen über das iranische Atomprogramm der Feind Nummer eins. Der ultrakonservative Vorsitzende des Expertenrats, Ayatollah Mohammad Yazdi, sagte am Dienstag laut Presseberichten, der Iran werde trotz des Atomabkommens seine Außenpolitik nicht ändern. Die Islamische Republik Iran betrachtet die USA weiter als Feind Nummer eins, sagte Yazdi zur Eröffnung der jährlichen Sitzung des Expertenrats. Das Gremium aus 86 Geistlichen wählt das geistliche Oberhaupt und kontrolliert im Prinzip auch die Ausübung des Amtes. Yazdi versicherte, der Iran werde nicht zulassen, dass die USA die iranische Wirtschaft erneut kontrollieren. Die USA würden den Nahen Osten in Brand stecken, um Israel zu schützen, sagte der Ayatollah, der im Frühjahr zum Vorsitzenden des Expertenrats gewählt worden war. Auch das geistliche Oberhaupt im Iran, Ayatollah Ali Khamenei, hatte nach der Wiener Atomvereinbarung Mitte Juli mit der Gruppe der fünf UN-Vetomächte und Deutschland klar gemacht, dass dies nichts grundsätzlich an der Haltung Teherans gegenüber den USA ändere. Keine diplomatischen Beziehungen Teheran und Washington unterhalten keine diplomatischen Beziehungen mehr seit der Besetzung der US-Botschaft durch radikale Studenten im November 1979. Der als gemäßigt geltende Präsident Hassan Rohani setzt sich seit seinem Amtsantritt im August 2013 für eine Verbesserung des Verhältnisses ein. Während der monatelangen Verhandlungen über das Atomprogramm gab es regelmäßig Gespräche zwischen den Außenministern der beiden Länder. Eine Normalisierung der Beziehungen steht aber für beide Seiten nicht auf der Tagesordnung. Die iranische Justiz wies unterdessen einen Aufruf von US-Außenminister John Kerry zur Freilassung des US-Bürgers Amir Hekmati als unzulässige Einmischung zurück. Die Justiz werde alle Fälle gemäß dem Gesetz und in aller Ruhe prüfen, insbesondere solche, die den Verdacht der Spionage zugunsten der USA beträfen, sagte der Leiter der Justiz, Ayatollah Javad Larijani, laut Presseberichten. Der frühere US-Soldat Hekmati ist seit vier Jahren unter Spionageverdacht in Haft. Er war während eines Besuchs bei seiner Familie im Iran festgenommen worden. Leitl: "Wenn man das jetzt nicht macht, macht jemand anderer das Geschäft". Teheran – Die ganze Iran-Reise über hatte sich Bundespräsident Heinz Fischer schon bemüht, dem wirtschaftlichen Aspekt einen kulturellen gegenüberzustellen: Die ungewöhnlich große, 26-köpfige Kultur- und Wissenschaftsdelegation sei neben den hohen politischen Treffen ein Beweis dafür, dass die Reise nicht – wie Kritiker meinen – ausschließlich dem wirtschaftlichen Gewinn gewidmet sei, sondern auch einem Versuch der Annäherung. Nun sollte der Mittwoch vor allem im Zentrum der Künste und der Wissenschaft stehen. Der reine Kulturaustausch war es dann aber auch wieder nicht: Insbesondere aus dem Wirtschaftsministerium wurde vehement darauf hingewiesen, dass der mitgereiste Vizekanzler und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner am Mittwoch auch im Namen österreichischer Universitäten – etwa der Uni Wien und der Montanuniversität Leoben – insgesamt 13 Memoranda of Understanding mit iranischen Bildungseinrichtungen, aber auch Unternehmen unterzeichnete. Dabei geht es etwa um Pläne zum Studierendenaustausch, aber auch um in Teilen durchaus geschäftliche Joint Ventures. Schon am Vortag hatten Mitterlehner und Außenminister Sebastian Kurz gemeinsam mit ihren iranischen Gegenübern vier Memoranden unterfertigt. Grund für den ungewöhnlichen Modus: Wegen der vermutlich noch bis mindestens Jänner 2016 geltenden Sanktionen ist es schwierig, bindende Verträge zu unterschreiben. Daher also die Memoranda of Understanding, die Wirtschaftskammerpräsident Christoph Leitl bei einem Termin mit Journalisten am Dienstagabend verdichtete Absicht nannte – wenn man das jetzt nicht macht, dann macht jemand anderer das Geschäft. Für Fischer stand nach einem morgendlichen Besuch beim Vorsitzenden des Schlichtungsrats, Ali Akbar Hashemi Rafsandjani, tatsächlich das kulturelle Programm im Mittelpunkt. Nach einem frühen Termin in der Teheraner Nationalbibliothek (einem Museum für Kalligrafien) ging die Reise nach Isfahan, wo die Regierungsdelegation mit dem Gouverneur Rassoul Zargarpoor zusammentraf und der Naghshe Jahaan (Muster-der-Welt-Platz) sowie Führungen durch die Lotfallah-Moschee und die Imam-Moschee – allesamt Unesco-Weltkulturerbe – auf dem Programm standen. Obama: "Sieg für Sicherheit in der Welt" – Republikaner kündigen weiteren Widerstand an. Washington/Teheran – Die Demokraten von US-Präsident Barack Obama haben eine mögliche Blockade des Atomabkommens mit dem Iran im US-Senat verhindern können. Die Republikaner verfehlten am Donnerstag in der Parlamentskammer im ersten Anlauf die benötigte Mehrheit für einen Gesetzesentwurf, der die internationale Vereinbarung ablehnen sollte. Sie hätten für ihr Vorhaben 60 der 100 Stimmen benötigt, das Votum ging aber 58 zu 42 aus. Obama scheint damit das wohl wichtigste außenpolitische Projekt seiner beiden Amtszeiten gesichert zu haben. Die Übereinkunft soll verhindern, dass der Iran Atomwaffen erlangt. Der US-Präsident sprach von einem Sieg für die Diplomatie, für die amerikanische nationale Sicherheit und für den Schutz und die Sicherheit in der Welt. Zuvor hatten sich die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, der britische Premierminister David Cameron und der französische Präsident Francois Hollande in einem gemeinsamen Zeitungsbeitrag erneut für das Abkommen mit dem Iran stark gemacht. Auch die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton hatte in den vergangenen Tagen für die Mitte Juli in Wien erzielte Vereinbarung geworben. Obama hatte sich persönlich im Senat dafür eingesetzt. In dem Abkommen hatten sich die Verhandlungspartner USA, Russland, China, Frankreich, Großbritannien und Deutschland mit dem Iran darauf geeinigt, dass Teheran die Zahl seiner zur Urananreicherung nötigen Zentrifugen für die nächsten zehn Jahre deutlich verringert und auch die Uranbestände drastisch reduziert werden. Außerdem sollen Kontrollore intensiven Zugang zu allen Atomanlagen des Landes bekommen. Im Gegenzug werden die Wirtschaftssanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben. Sollte das Land gegen die Auflagen verstoßen, sollen die Strafmaßnahmen aber wieder aktiviert werden. Republikaner kündigen Widerstand an Während Demokraten das Ergebnis vom Donnerstag lobten, kündigten die Republikaner weiteren Widerstand an. Es besteht nun kein Zweifel, dass der US-Kongress die Fortsetzung dieser historischen Vereinbarung erlauben wird, sagte der demokratische Minderheitsführer im Senat, Harry Reid. Der republikanische Mehrheitsführer Mitch McConnell zeigte sich enttäuscht. Diese Vereinbarung ist eine Metapher für all die Fehler, die der Präsident gemacht hat. Zwar hat der US-Kongress, der sich in dem langen Streit ein gesetzliches Mitspracherecht gesichert hatte, noch bis kommenden Donnerstag Zeit, das Abkommen zu kippen. Doch nach der Abstimmung im Senat scheint nun ausgeschlossen, dass ein weiterer Anlauf zur Blockade, etwa aus dem Abgeordnetenhaus, noch Erfolg haben könnte. Eine formale Ratifizierung des Abkommens durch den US-Kongress ist nicht erforderlich. Allerdings hätte sich das Parlament gegen die Aufhebung der von den USA verhängten Strafmaßnahmen sperren können. In den vergangenen Wochen hatten 42 Senatoren aus dem Lager von Obamas Demokraten ihre Unterstützung für den Iran-Deal erklärt. Mit dieser Stimmenzahl blockierten die Demokraten nun die von den Republikanern eingebrachte Resolution. Ein bis Freitag erwartetes Votum im Repräsentantenhaus zu dem Abkommen ist damit nur noch symbolisch. Der republikanische Vorsitzende im Repräsentantenhaus, John Boehner, gab sich dennoch kämpferisch. Diese Debatte ist noch lange nicht vorbei, ehrlich gesagt, beginnt sie erst, erklärte er. Seine Partei werde jedes Werkzeug, das uns zur Verfügung steht, nutzen, um die volle Umsetzung dieses Abkommens zu stoppen, zu verlangsamen und zu verschieben. Boehner könnte Obama verklagen Boehner schloss auch nicht aus, Obama zu verklagen, weil dieser dem Kongress nicht alle geforderten Dokumente zum Iran-Abkommen zur Überprüfung ausgehändigt habe. Der Republikaner warf dem Weißen Haus vor, angebliche Geheimvereinbarungen zwischen dem Iran und der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO/IAEA) verschwiegen zu haben. McConnell kündigte der Form halber eine neue Abstimmung für die kommende Woche an. Er sagte zudem, dass der Iran weiterhin die Möglichkeit zur Anreicherung von Uran habe und die iranische Führung nach wie vor zur Zerstörung Israels aufrufe. Obama erklärte jedoch, mit der Umsetzung des Abkommens werde nun begonnen, um den Iran daran zu hindern, eine Atomwaffe zu erhalten. Auf Kritik stieß das Abkommen erneut bei jüdischen Lobbygruppen in den USA. Die proisraelische Organisation AIPAC sprach von einem unvollkommenen, unbeliebten Abkommen mit einem nicht vertrauenswürdigen Regime. (APA, 11.9.2015) Satelliten-Technik sowie Kurz- und Mittelstreckenflieger Suchoi Superjet 100 von Teheran erworben. Moskau – Der Iran hat nach eigenen Angaben Satelliten-Bauteile und Verkehrsflugzeuge im Volumen von umgerechnet rund 18,8 Milliarden Euro gekauft. Ein entsprechender Vertrag sei bei der Luftfahrtmesse in Moskau im vorigen Monat unterzeichnet worden, sagte der Chef des iranischen Branchenverbandes, Manuchehr Manteghi, am Samstag der russischen Nachrichtenagentur Sputnik. Neben Satelliten-Technik gehe es dabei auch um den Kurz- und Mittelstreckenflieger Suchoi Superjet 100, hieß es. Seit dem Atomabkommen der fünf UNO-Vetomächte und Deutschlands mit dem Iran im Juli arbeiten die Regierungen in Moskau und Teheran an einem Ausbau der beiderseitigen Wirtschaftsbeziehungen. Der Iran stimmte damals einer Kontrolle seines Atomprogramms zu und erhofft sich davon eine Lockerung der Wirtschaftssanktionen. (APA/Reuters, 26.9.2015) Der Vorschlag betrifft auch einen im Iran inhaftierten "Washington Post"-Korrespondenten, US-Außenminister Kerry reagiert zurückhaltend. New York – Der iranische Präsident Hassan Rohani hat den USA einen Gefangenenaustausch angeboten. Wenn die USA dort inhaftierte Iraner freiließen, werde er alles in seiner Macht Stehende tun, um eine schnelle Freilassung der US-Häftlinge im Iran zu bewirken, sagte Rohani in einem am Sonntag ausgestrahlten CNN-Interview. US-Außenminister John Kerry reagierte zurückhaltend. Rohani sagte CNN mit Blick auf 19 in den USA inhaftierte Iraner: Wenn die Amerikaner angemessene Schritte ergreifen und sie freilassen, werden damit sicherlich das richtige Umfeld und die richtigen Umstände für uns geschaffen, alles in unserer Macht und unserem Zuständigkeitsbereich stehende zu tun, um schnellstmöglich auch Freiheit für die im Iran gefangen gehaltenen Amerikaner zu erwirken. Er ergänzte: Nichts würde mich glücklicher machen. Die USA hatten wiederholt die Freilassung ihrer Bürger in iranischen Gefängnissen ohne Vorbedingungen gefordert. Im Iran sind derzeit mindestens drei US-Bürger in Haft, darunter der Washington Post-Korrespondent Jason Rezaian. Der Journalist und seine iranische Frau Yeganeh Salehi waren im Juli 2014 in ihrem Haus in Teheran festgenommen worden. Rezaian werden Spionage und Zusammenarbeit mit feindlichen Regierungen zur Last gelegt. Salehi, die ebenfalls Journalistin ist, wurde im Oktober vergangenen Jahres gegen Kaution freigelassen. Der weiterhin inhaftierte Rezaian besitzt die iranische und die US-Staatsbürgerschaft. Der Iran erkennt doppelte Staatsbürgerschaften aber nicht an und bezeichnet das Verfahren daher als rein iranische Angelegenheit. Auch zwei weitere iranischstämmige US-Bürger, der zum Christentum konvertierte Saeed Abedini und der ehemalige US-Soldat Amir Hekmati, befinden sich in iranischer Haft. Der frühere FBI-Agent Robert Levinson wird seit einem Iran-Aufenthalt im Jahr 2007 vermisst, sein Verbleib ist unklar. Die 19 Iraner in US-Gefängnissen wurden wegen Verstößen gegen die Sanktionen gegen die Islamische Republik inhaftiert. US-Außenminister Kerry bestätigte, dass mit dem Iran über einen Gefangenenaustausch gesprochen worden sei. Wir hatten einige Gespräche, aber wir werden abwarten und schauen, wo wir stehen, sagte er auf Nachfrage von Reportern. Bisher habe er dazu noch nichts direkt von den Iranern gehört. Seit Rohanis Amtsantritt vor zwei Jahren hat sich das Verhältnis zwischen dem Iran und dem Westen verbessert. Im Juli schloss Teheran mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland ein Atomabkommen. Es soll dem Iran die friedliche Nutzung der Atomtechnologie erlauben und zugleich mit Kontrollen und der Einschränkung seiner Urananreicherung sicherstellen, dass er keine Atomwaffen produziert. Im Gegenzug sollen die in dem Streit verhängten Sanktionen aufgehoben werden, die Irans Wirtschaft seit Jahren massiv belasten. Die USA und der Iran unterhalten allerdings weiterhin keine diplomatischen Beziehungen. Erklärung steht in Widerspruch zur Haltung von Präsident Rohani, der mit den USA das Atomabkommen schloss. Dubai/Teheran – Irans geistliches Oberhaupt Ayatollah Khamenei hat am Mittwoch alle Verhandlungen mit den USA untersagt. Derartige Gespräche öffnen ihrem wirtschaftlichen, kulturellen, politischen und geheimdienstlichen Einfluss Tür und Tor, sagte Khamenei seiner Website zufolge in einer Ansprache an Marinekommandeure der Revolutionsgarde. Selbst während der Atomverhandlungen hätten die Amerikaner bei jeder Gelegenheit versucht, dem Iran zu schaden, so Khamenei. Diese Gespräche waren im Juli mit einer internationalen Vereinbarung abgeschlossen worden. Khamenei ist die mächtigste politische Figur im Iran. Seine Erklärung steht im direkten Widerspruch zur Haltung von Präsident Hassan Rohani, der eine Normalisierung der Beziehungen zum Westen anstrebt. Rohani hat zudem wiederholt erklärt, mit jedem zu verhandeln, um Probleme in der Region zu lösen. Khamenei hat das Atomabkommen bisher nicht öffentlich abgesegnet. Erzkonservative Kräfte im Iran versuchen weiterhin, die Vereinbarung zu verhindern. Voten über einzelne Artikel von Vereinbarung stehen aber noch an. Teheran – Das iranische Parlament hat Medienberichten zufolge dem Atomabkommen mit den Großmächten im Grundsatz zugestimmt. Im Parlament in Teheran stimmten demnach am Sonntag 139 Abgeordnete für die Vereinbarung vom Juli. 100 Parlamentarier stimmten dagegen, zwölf enthielten sich. Etwa 40 Abgeordnete blieben der Sitzung fern. Nach Angaben des Parlamentspräsidenten Ali Larijani verabschiedete das Parlament das Atomabkommen damit grundsätzlich, weitere Voten über die einzelnen Artikel der Vereinbarung sollen aber folgen. Laut den Medienberichten verlief die Sitzung turbulent. Der konservative Abgeordnete Alireza Zakani forderte grundlegende Änderungen am Gesetzestext. Dieser nutze den USA mehr als dem Iran. Die fünf UN-Vetomächte und Deutschland hatten sich Mitte Juli mit dem Iran auf ein Abkommen geeinigt, das dem Land die zivile Nutzung der Atomtechnologie erlauben, es zugleich aber am Bau von Atombomben hindern soll. Teheran verpflichtete sich zu tiefgreifenden Einschnitten bei der Urananreicherung und akzeptierte Kontrollen im Gegenzug für eine Aufhebung der Sanktionen. Diese machen der iranischen Wirtschaft seit Jahren massiv zu schaffen. Weg frei für Umsetzung. Teheran – Der iranische Wächterrat hat als höchstes Verfassungsorgan das Landes das Atomabkommen mit dem Westen ratifiziert. Die Entscheidung sei am Mittwoch getroffen worden, berichtete die iranische Nachrichtenagentur ISNA weiter. Das Abkommen selbst war vom Parlament schon am Sonntag verabschiedet worden. Am Dienstag waren letzten Details geklärt worden. Damit ist der Weg frei für die Umsetzung des am 14. Juli in Wien erzielten Abkommens. Die Atomvereinbarung mit den fünf UNO-Vetomächten soll verhindern, dass der Iran Atomwaffen baut. Israel ist der entschiedenste Gegner des Abkommens mit der Begründung, dieses verhindere die atomare Bewaffnung des Iran nicht. Trotz heftiger Kritik der iranischen Hardliner hatte das Parlament in Teheran beschlossen, demnächst der in Wien ansässigen Internationalen Atomenergie-Agentur (IAEA) auch Inspektionen von Militäranlagen zu erlauben. Nur müssten diese vorher vom Nationalen Sicherheitsrat bewilligt werden. Laut westlichen Geheimdienstberichten soll der Iran in einigen Militäranlagen in der Vergangenheit Atomtests durchgeführt haben. Die Besichtigung dieser Anlagen war seit Jahren einer der Hauptstreitpunkte in den Atomverhandlungen und auch innerhalb der iranischen Führung. Die endgültige Umsetzung des Wiener Abkommens erfolgt jedoch erst nach dem für Mitte Dezember geplanten Abschlussbericht der IAEA. Danach erst können auch die für den Iran lähmenden Wirtschaftssanktionen aufgehoben werden. US-Geschäftsmann Siamak Namazi wurde im Oktober in Teheran verhaftet – Auch zwei reformorientierte Journalisten festgenommen. Washington – Im Iran ist Medienberichten zufolge ein US-Bürger iranischer Herkunft festgenommen worden. Der Geschäftsmann Siamak Namazi, der die iranische und die US-Staatsbürgerschaft hat, sei im Verlauf des Monats Oktober während eines Besuchs in Teheran inhaftiert worden, berichtete die Washington Post laut Nachrichtenagentur AFP unter Berufung auf einen Freund der Familie. Israelischen Medienberichten vom Montag zufolge forderten US-Abgeordnete deshalb verschärfte Sanktionen gegen Teheran. Im Iran sitzen nun bereits vier US-Bürger iranischer Herkunft in Haft. Unter ihnen ist der Washington Post-Korrespondent Jason Rezaian, der seit Juli 2014 in Teheran unter dem Vorwurf der Spionage in Haft sitzt. Zudem sind der frühere US-Soldat Amir Hekmati wegen Spionage und der christliche Konvertit Saeed Abedini wegen der Bildung eines Bibel-Studienkreises inhaftiert. Die Nachricht von der Inhaftierung Namazis war publik geworden kurz nachdem US-Außenminister John Kerry vorige Woche in Wien mit seinem iranischen Kollegen Mohammad Javad Zarif zu Gesprächen über eine politische Lösung des Syrien-Konflikts zusammengekommen war. Indes sind offenbar zwei reformorientierte Journalisten festgenommen worden. Wie die Nachrichtenagentur Ilna am Dienstag berichtete, handelt es sich um die Reporter Issa Saharchis und Ehsan Masandarani. In dem Bericht wurden keine näheren Angaben zum Zeitpunkt und zu den Gründen der Festnahme gemacht. Saharchis hatte in den vergangenen Monaten in Interviews mit ausländischen Medien wiederholt Kritik am geistlichen Oberhaupt Ali Khamenei und ranghohen Mitgliedern der iranischen Regierung geäußert. 2013 war er nach einer dreijährigen Haftstrafe entlassen worden, zu der er wegen Beleidigung Khameneis und regierungsfeindlicher Propaganda verurteilt worden war. Masandari leitet die reformorientierte Tageszeitung Farhichtegan und war 2009 während der Proteste gegen die Wiederwahl des damaligen Präsidenten Mahmoud Ahmadinejad inhaftiert worden. Russische Firmen dürften unter bestimmten Bedingungen Nuklear-Ausrüstung in den Iran ausführen. Moskau – Gut vier Monate nach der Einigung im Atomstreit mit dem Iran lockert Russland ein Exportverbot für sensible Technologien in die Islamische Republik. Russische Firmen dürften unter bestimmten Bedingungen Nuklear-Ausrüstung in den Iran ausführen sowie das Land in seinem Atomprogramm finanziell und technisch unterstützen, heißt es in einem am Montag veröffentlichten Erlass von Präsident Wladimir Putin. Nach jahrelangen Verhandlungen hatten sich die fünf UN-Vetomächte Russland, USA, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland Mitte Juli mit der Regierung in Teheran auf eine Beschränkung des Atomprogramms geeinigt. Im Gegenzug sollen die Sanktionen gegen den Iran schrittweise aufgehoben werden. Putin traf am Montag zu einem Besuch im Iran ein. Der iranische Botschafter in Moskau gab am Montag laut einer Meldung der Nachrichtenagentur Tasnim zudem bekannt, dass Russland mit der Auslieferung des S-300-Raketenabwehrsystems begonnen habe. Die Erlaubnis für Geschäfte mit der iranischen Atomindustrie bezieht sich dem Dekret zufolge auf die Modernisierung des Schwerwasser-Reaktors Arak, auf Umbauten in der Uran-Anreicherungsanlage Fordow sowie auf den Import von Roh-Uran und den Export der angereichertem Form des radioaktiven Stoffs. Die Uran-Anreicherung stand im Mittelpunkt des jahrelangen Atomstreits, in dem der Iran verdächtigt wurde, unter dem Deckmantel der zivilen Nuklearnutzung Atomwaffen zu entwickeln. Der Iran bestreitet das. Uran kann je nach Anreicherungsgrad als Brennstoff für Atomkraftwerke oder aber für den Bau von Kernwaffen genutzt werden. Bericht: Geheimes Programm bis 2003 – Seit 2009 keine Anzeichen mehr für Forschung. Wien – Der Iran hat nach Überzeugung der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) bis vor einigen Jahren an einem geheimen Forschungsprogramm zur Entwicklung eigener Atomwaffen gearbeitet. Das geht aus einem Bericht der IAEA hervor, der am Mittwoch mehreren Nachrichtenagenturen in Wien vorlag. Die Behörde betont, dass diese Bemühungen vor allem bis 2003 stattfanden. Seit 2009 gebe es keine Anzeichen mehr für entsprechende Aktivitäten. Die Forschung Teherans sei nicht über Machbarkeits- und Wissenschaftsstudien sowie den Erwerb von technischem Know-How hinausgegangen. Der Iran habe kein Nuklearmaterial für militärische Zwecke beiseite geschafft. Der Verdacht einer sogenannten möglichen militärischen Dimension (PMD) des iranischen Atomprogramms hatte seit mehr als zehn Jahren die Beziehungen der internationalen Gemeinschaft mit Teheran überschattet. Die IAEA bestand hartnäckig auf Aufklärung. Polizei: Inhaftierte wollten über Internet neue Unterstützer rekrutieren. Teheran – Die iranische Polizei hat 53 Sympathisanten der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) festgenommen. Die Inhaftierten hätten in Grenzgebieten zum Irak im Westen und Südwesten des Landes versucht, über das Internet iranische Islamisten zu rekrutieren, sagte der Chef der Internet-Polizei (IIP), Kamal Hadiafar, am Montag der Nachrichtenagentur Tasnim. In dem Zusammenhang habe die IIP auch rund 130 Webseiten blockiert, erklärte Hadiafar. Die Nationalität der Festgenommenen wurde nicht bekannt. Nach den Anschlägen in Paris im vergangenen Monat herrscht auch im Iran die Sorge vor ähnlichen IS-Terrorangriffen. Der schiitische Iran gehört zu den Erzfeinden des IS, dessen Mitglieder hauptsächlich Sunniten und Wahhabiten sind. Laut Teheran sind iranische Revolutionsgarden nur als militärische Berater in Irak und Syrien tätig. Berichten zufolge nehmen sie aber in beiden Ländern auch direkt an den Kämpfen gegen den IS teil. Damit habe der Iran gegen zwei UN-Resolutionen verstoßen, so ein US-Vertreter. Washington/New York – Der Iran hat nach Informationen aus US-Regierungskreisen erneut eine ballistische Rakete getestet. Die Mittelstreckenrakete sei am 21. November abgefeuert worden, sagten zwei Vertreter der US-Regierung am Montag. Damit habe der Iran gegen zwei UN-Resolutionen verstoßen. Der UN-Sicherheitsrat hat der islamischen Republik die Erprobung derartiger Geschosse untersagt. Eine Verletzung des Atomabkommens, das im Juli vereinbart wurde, liegt dagegen nicht vor. Erst im Oktober hatte der Iran eine ballistische Rakete getestet. Die USA, Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatten daraufhin ein Eingreifen der Vereinten Nationen (UN) gefordert. Angesichts der Gewalt radikaler Gruppen wie dem IS dränge sich diese Pflicht auf, sagte der iranische Präsident. Dubai – Der iranische Präsident Hassan Rohani hat an die Muslime appelliert, das Ansehen ihrer Religion in der Weltöffentlichkeit zu verbessern. Angesichts der Gewalt radikaler Gruppen wie des Islamischen Staats (IS) dränge sich diese Pflicht auf, sagte Rohani am Sonntag bei einer Islam-Konferenz in Teheran. Schließlich lehne die islamische Lehre Gewalt ab. Extremismus habe seinen Ursprung in Engstirnigkeit und Maßlosigkeit. Haben wir jemals darüber nachgedacht, dass nicht Feinde, sondern eine gleichwohl kleine Gruppe innerhalb der islamischen Welt die Sprache des Islam benutzt, um ihn als eine Religion des Tötens, der Gewalt, der Peitschenhiebe, der Erpressung und des Unrechts darzustellen?, fragte Rohani. Der als Reformer geltende Politiker kritisierte die Sprachlosigkeit muslimischer Länder angesichts des Blutvergießens in Syrien, im Irak und Jemen. Der Iran selbst ist mit dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad verbündet und pflegt enge Verbindungen in den Irak. Der IS hat in Syrien und dem Irak weite Landesteile unter seine Kontrolle gebracht, gerät in jüngster Zeit aber zunehmend unter Druck. Im Jemen unterstützt der Iran die Huthi-Rebellen, die dort gegen die vom sunnitischen Saudi-Arabien gestützte Regierung um die Macht kämpfen. Wichtige Bedingung des Atomabkommens vom Sommer erfüllt – Kerry: "Wichtiger Schritt". Teheran/Moskau – Der Iran hat mit der Verschiffung von niedrig angereichertem Uran eine wichtige Bedingung des Atomabkommens vom Sommer erfüllt. Der zuständige Vizepräsident der Islamischen Republik, Ali Akbar Salehi, sagte am Montag der Nachrichtenagentur ISNA zufolge, der Abtransport sei abgeschlossen. Neun Tonnen niedrig angereichertes Uran seien auf dem Weg nach Russland. Der Abtransport war neben der Reduzierung der Anzahl der Zentrifugen eine der wichtigsten Verpflichtungen des Irans im Atomabkommen vom 14. Juli 2015 mit dem Westen. Im Gegenzug wird der Iran 137 Tonnen Yellowcake aus Russland einführen. Das pulverförmige Gemisch aus Uranverbindungen ist Ausgangsstoff für die Herstellung von Brennelementen. US-Außenminister John Kerry sagte, der Abtransport des Materials sei einer der bedeutendsten Schritte, die die Islamische Republik bisher im Rahmen des Abkommens unternommen habe. Er sprach von mehr als elf Tonnen Uran-Material an Bord des Schiffes, das den Iran am Montag in Richtung Russland verließ. Der Iran hatte sich im Juli mit der 5+1-Gruppe (die vier UN-Vetomächte USA, Russland, China, Frankreich und Großbritannien sowie Deutschland) auf eine deutliche Beschränkung seines Atomprogramms geeinigt. Damit soll die Sorge der Weltgemeinschaft vor einer iranischen Atombombe zerstreut werden. Im Gegenzug sollen die Wirtschaftssanktionen fallen. Mit diesem Schritt wird spätestens im Februar 2016 gerechnet. Die Internationale Atomenergiebehörde soll in den nächsten 10 bis 25 Jahren überprüfen, ob sich Teheran an die Bestimmungen des Abkommens hält. Russland hat unterdessen den Abtransport von niedrig angereichertem Uran aus dem Iran als bedeutenden Schritt zur Umsetzung des Atomabkommens gewürdigt. Damit wird der zentrale und aufwendigste Teil des Handlungsplans erfüllt, erklärte das russische Außenministerium am Dienstag in Moskau. Alle Unterzeichner des Abkommens sollten nun den notwendigen Eifer an den Tag legen, um es vollständig zu verwirklichen. Wie das Atomabkommen zwischen dem Iran und den fünf UN-Vetomächten und Deutschland vorsieht, brachte Teheran neun Tonnen Nuklearmaterial per Schiff auf den Weg nach Russland. Auch die USA sprachen von einem wichtigen Beitrag zur Erfüllung des Atomabkommens. Radikale Kräfte versuchen aus der Krise zwischen Riad und Teheran Kapital für Wahlen schlagen. Die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran werfen ihre Schatten auf die bevorstehenden Expertenrat- und Parlamentswahlen im Iran Ende Februar. Während radikale Kräfte daraus Kapital schlagen wollen, suchen gemäßigte Konservative und Liberale nach einem vernünftigen Ausweg. Der Angriff auf die saudi-arabische Botschaft wurde von fast allen Medien und Politikern im Iran verurteilt. Laut offiziellen Angaben wurden bis jetzt 46 Personen festgenommen. Präsident Hassan Rohani hat schriftlich Justizchef Sadegh Larijani aufgefordert, die Drahtzieher dingfest zu machen und vor Gericht zu stellen. Für Freitag angekündigte Demonstrationen gegen Saudi-Arabien wurden abgesagt. Die konservativen Medien und an erster Stelle Keyhan ergehen sich in Verschwörungstheorien: Hinter dem Verhalten Saudi-Arabiens stecke ein US-Plan. Sie fordern die Regierung auf, das Atomabkommen, das in Kürze in Kraft treten soll, zu kündigen – was auf völlig taube Ohren stößt. Bei den Wahlen fürchten die Konservativen, ihre Mehrheit im Parlament zu verlieren: Sie orten nun eine Unterwanderung der Wahlen durch liberale Kräfte, die sich hinter einem islamischen Mäntelchen verstecken. Mehrere Parteigänger des früheren Regierungschefs Mahmud Ahmadi-Nejad, die im Parlament sitzen, wurden von der Wahlkommission als Kandidaten abgelehnt. Die gemäßigten Konservativen wollen unter keinen Umständen mit Anhängern Ahmadi-Nejads zusammengehen. Parlamentspräsident Ali Larijani plant überhaupt mit seiner Partei Rahrovan-e Velayat im Alleingang anzutreten. Bei den Expertenratswahlen sorgt die Kandidatur des Enkels von Ayatollah Ruhollah Khomeini für Spannungen. Hassan Khomeini weigerte sich, an der sogenannten Feststellungsprüfung teilzunehmen und sein religiöses Wissen unter Beweis zu stellen. Das Prüfungsgremium wertete dies als Verzicht auf die Kandidatur. Darauf meldeten sich jedoch einige Ayatollahs mit der Meinung zu Wort, dass Khomeinis religiöse Qualifikation keiner Prüfung bedarf. Auch in der Medienlandschaft scheinen Umwälzungen bevorzustehen. Der Sitz des langjährigen mächtigen Chefredakteurs der Keyhan, Hossein Shariatmadari, könnte wackeln: Es bekommt einen Stellvertreter. Die von der Revolutionsgarde herausgegebene Zeitung Yalasarat wurde wegen Beleidigung der Vizepräsidentin Shahindokht Molaverdi verboten und aufgefordert, sich bei ihr zu entschuldigen. Im staatlichen Fernsehen sorgt eine Arbeitsgruppe unter Vorsitz des früheren Atombeauftragten Saeed Jalili für Diskussionen, weil nach Meinung der moderaten Kräfte die Neutralität der staatlichen Medien verletzt wurde. Vor allem kritisieren sie die Berichterstattung über das Atomabkommen und die bevorstehenden Wahlen im Fernsehen. Die Spannungen zwischen Saudi-Arabien und dem Iran und vor allem der Abbruch der diplomatischen Beziehungen von saudischen Verbündeten zum Iran werden in den Medien mehr oder weniger auf die leichte Schulter genommen – und von den Karikaturisten als willkommener Stoff genützt. Vor allem, dass die beiden kleinen Staaten Dschibuti und die Komoren diplomatische Sanktionen gegen den Iran verhängt haben, scheint die Satiriker zu amüsieren. Vizeaußenminister erwartet Abschlussbericht der Atomenergiebehörde. Teheran/Wien – Der Iran erwartet für Freitag den Abschlussbericht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) zu seinem Atomprogramm, der grünes Licht zur Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran bedeuten könnte. Die IAEA werde in ihrem Bericht bestätigen, dass der Iran seine Auflagen erfüllt habe, sagte der stellvertretende Außenminister Abbas Araqchi am Mittwoch laut der Nachrichtenagentur Fars. Nach jahrelangem Streit über das Atomprogramm – westliche Staaten warfen dem Iran die Entwicklung von Nuklearwaffen vor – gab es im Juli eine Einigung. Der Iran verpflichtete sich zu einem Ende einiger Atomaktivitäten und internationalen Inspektionen, im Gegenzug sollten die Sanktionen aufgehoben werden, die die Wirtschaft des Landes seit einem Jahrzehnt lähmen. Gemeinsame Erklärung mit Mogherini erwartet Der Abschlussbericht der IAEA soll Auskunft darüber geben, wie weit der Iran die Auflagen erfüllt. Die UN-Atombehörde wollte die iranischen Angaben am Mittwoch nicht kommentieren. Araqchi sagte am Mittwoch, dem Abschlussbericht folge am Samstag oder Sonntag eine gemeinsame Erklärung des iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif und der EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini über die Umsetzung des Atomdeals und eine Aufhebung der Sanktionen. Marinesoldaten waren in iranische Gewässer geraten und wurden nach Gesprächen wieder freigelassen – Kritik an Pentagon. Tampa – Die kurzzeitige Inhaftierung von zehn US-Marinesoldaten durch den Iran sorgt auch nach deren Freilassung für Spannungen zwischen beiden Ländern. Die Videoaufnahmen des iranischen Staatsfernsehens, auf denen zu sehen ist, wie die Soldaten auf dem Boden kniend ihre Hände über den Kopf halten, sorgten ob der erniedrigenden Behandlung für Unmut in den USA. In dem Video ist außerdem ein Interview mit einer Entschuldigung des Befehlshabers der US-Marinesoldaten zu sehen: Es war ein Fehler, es ist unsere Schuld, und wir entschuldigen uns für diesen Fehler. Als Reaktion auf das Video sagte US-Verteidigungsminister Ashton Carter am Donnerstag: Natürlich sehe ich es nicht gerne, wenn unsere Leute von ausländischem Militär inhaftiert werden, achtete jedoch zugleich darauf, nicht zu viel in das Video zu interpretieren, da dieses durch die Linse der iranischen Regierung gezeigt wurde. Am Dienstag waren zwei Boote der US-Marine im Persischen Golf von iranischen Sicherheitskräften aufgehalten worden, nachdem diese bis zu zwei Kilometer tief in die Hoheitsgewässer des Iran eingedrungen waren. Daraufhin wurden die Boote und zehn Soldaten, darunter eine Frau, festgesetzt. Verteidigungsminister Carter erklärte, dass die US-Boote aufgrund eines Navigationsfehlers unweit der Insel Farsi, wo der Iran eine Marinebasis unterhält, gelandet seien. Durch den direkten Kontakt zwischen US-Außenminister John Kerry und dessen iranischem Amtskollegen Javad Zarif konnte die Krise binnen kurzer Zeit gelöst werden. Weniger als 24 Stunden nach dem Vorfall kamen die Mitglieder der US-Marine wieder frei. Der Zeitpunkt für diesen diplomatische Krise könnte nicht schlechter sein: Die Soldaten wurden nur wenige Stunden nach der State-of-the-Union-Rede von US-Präsident Barack Obama gefangen genommen. Dem Pentagon und dem Außenministerium wird in den USA vorgeworfen, wegen des unmittelbar bevorstehenden Erfolgs in den Atomverhandlungen mit dem Iran diplomatische Spannungen vermeiden zu wollen und deswegen zurückhaltend auf den Vorfall zu reagieren. Die Ereignisse sind zudem auf den Präsidentschaftswahlkampf übergeschwappt, in dem die republikanischen Bewerber sehr kritisch zu dem Atomdeal stehen. Die Freilassung der US-Marinesoldaten am Tag nach der Inhaftierung zeigt jedoch auch, wie viel sich durch das iranische Atomabkommen verändert hat: Ich glaube, wir alle können uns vorstellen, wie sich eine ähnliche Situation vor drei oder vier Jahren abgespielt hätte. Dieser Vorfall konnte friedlich und auf offizieller Ebene gelöst werden, sagte US-Außenminister Kerry und betonte die äußerst wichtige Rolle der Diplomatie für die Sicherheit unseres Landes. Unter dem damaligen iranischen Präsident Mahmoud Ahmadinejad wurde bei einem vergleichbaren Vorfall im März 2007, als 15 britische Marinesoldaten in iranischen Gewässern festgenommen wurden, deren Freilassung erst nach 13 Tagen erwirkt. Unter anderem "Washington-Post"-Journalist Jason Rezaian freigelassen – Baldige Aufhebung der Sanktionen erwartet. Wien – Unmittelbar vor dem erwarteten Ende der Sanktionen gegen den Iran im Atomstreit haben die USA und der Iran Gefangene ausgetauscht. Nach US-Angaben vom Samstag ließ der Iran fünf US-Bürger frei. Darunter sei auch ein Reporter der Washington Post, Jason Rezaian. Außer dem Journalisten kamen Amir Hekmati, Saeed Abedini und Nosratollah Khosravi frei. Ein fünfter US-Bürger, der Student Matthew Trevithick, wurde jedoch nicht im Zusammenhang mit der Gefangenenaustausch-Vereinbarung freigelassen. Die Betroffenen hätten Teheran noch nicht verlassen, sollen aber demnächst in die Schweiz fliegen. Zugleich seien sieben Iraner begnadigt worden, die in den USA wegen Verstößen gegen die Iran-Sanktionen verurteilt worden seien oder auf ihren Prozess warteten. Sechs davon haben auch die US-Staatsbürgerschaft. Gegen 14 Iraner haben die USA zudem die bei Interpol eingereichten Haftbefehle zurückgenommen. Ihre Auslieferung galt als unwahrscheinlich, sagte der US-Regierungsvertreter. In Wien wurde am Samstag weiterhin auf die Bestätigung der Internationalen Atombehörde (IAEA) gewartet, dass der Iran seine Verpflichtungen aus dem 2015 geschlossenen Atomabkommen erfüllt hat. Unmittelbar darauf könnten die seit Jahren bestehenden Sanktionen der USA und anderer westlicher Staaten gegen die Islamische Republik aufgehoben werden. Der Iran zeigte sich morgens noch optimistisch. Die Sanktionen werden heute aufgehoben, sagte Außenminister Mohammad Javad Zarif am Samstag früh in Wien, heute ist ein großer und guter Tag für die ganze Welt. Am Abend reagierte er auf die Verzögerungen jedoch via Twitter mit den Worten Diplomatie erfordert Geduld. Were getting to #ImplementationDay. Nothing serious. Diplomacy requires patience, but we all know that it sure beats the alternatives. Ein Zeichen für weitere Verzögerungen war die Verschiebung der Rede des iranischen Präsidenten Hassan Rohani zum Implementation Day – anstatt samstags soll sie nun erst sonntags stattfinden. In Wiener Palais Coburg hatte sich Zarif zuvor bereits mit der EU-Außenbeauftragten Federica Mogherini und US-Außenminister John Kerry getroffen. Auch mit Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) fand ein Gespräch statt. Eine abschließende Pressekonferenz war zunächst für den frühen Abend geplant, wurde dann aber auf 22 Uhr verschoben. Meeting @JZarif in Vienna to finalise work for #ImplementationDay #IranDeal pic.twitter.com/CBiA2kmRaN Die EU hat für die Aufhebung der Sanktionen bereits letzte Vorbereitungen getroffen. Nach Angaben von Diplomaten liegt ein entsprechender Beschluss seit Freitagvormittag bereit. Die EU-Sanktionen waren im Zuge des Streits über das iranische Atomprogramm verhängt worden. Sie sahen unter anderem ein Einfuhrverbot für iranisches Erdöl und Gas vor. Auch große westliche Ölunternehmen stellen sich offenbar darauf ein, dass die Aufhebung der Sanktionen unmittelbar bevorsteht. In Erwartung einer entsprechenden Entscheidung hätten der französische Konzern Total und die britische Shell Manager in die Islamische Republik entsandt, meldete die iranische Nachrichtenagentur Mehr am Samstag. Dort träfen diese sich mit Vertretern der Unternehmen National Iranian Oil Company (NIOC) und National Iranian Tanker Company (NITC). Der Iran plant zudem einen Großauftrag an Airbus zu vergeben. Transportminister Abbas Achundi sagte am Samstag laut der Agentur Tasnim, mit dem Flugzeugbauer sei der Kauf von 114 Passagiermaschinen bereits vereinbart worden. Airbus erklärte daraufhin, es würden keine Geschäftsverhandlungen mit dem Iran geführt, bis die Sanktionen gegen das Land aufgehoben seien. Das als historisch geltende Abkommen soll dafür sorgen, dass der Iran keine Atombombe bauen kann. Der von Teheran ersehnte Abbau der massiven Sanktionen bedeutet auch ein Ende der weitgehenden politischen wie wirtschaftlichen Isolierung der Islamischen Republik. Alle Parteien haben stetig Fortschritte hin zum Implementierungstag gemacht, hatte US-Außenamtssprecher Mark Toner am Freitagabend bekundet. Nach 18-monatigen intensiven Verhandlungen hatten sich die UN-Vetomächte (USA, Russland, China, Großbritannien und Frankreich) sowie Deutschland und die EU mit dem Iran im Juli 2015 auf den Atomdeal geeinigt. Die Vereinbarung sieht unter anderem vor, dass Teheran 13.000 Zentrifugen zur Urananreicherung abbaut sowie seine Bestände an angereichertem Uran drastisch senkt. Auch verschärfte internationale Kontrollen sind dem Abkommen zufolge vorgesehen. Offenbar am Rande von Wiener Atomtreffen Gefangenenaustausch vereinbart. Wien – Der amerikanisch-iranische Journalist Jason Rezaian ist nach Monaten der Gefangenschaft im Iran freigelassen worden. Kerry bestätigte am Samstagabend schließlich, dass insgesamt fünf US-Bürger freigelassen wurden. Vier von ihnen, darunter der Washington-Post-Korrespondent Jason Rezaian, wurden am Sonntag aus Teheran ausgeflogen. It is confirmed: Saeed is released from Iranian prison. Im Gegenzug sollen sieben Gefangene in den USA (sechs davon iranisch-amerikanische Doppelstaatsbürger) freigelassen werden: Nader Modanlo, Bahram Mechanic, Khosrow Afghahi, Arash Ghahreman, Tooraj Faridi, Nima Golestaneh und Ali Sabouni. Der Austausch dürfte am Rande des Treffens zwischen US-Außenminister John Kerry und seinem iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif in Wien rund um die Finalisierung des Atom-Deals mit Teheran vereinbart worden sein. Rezaian und seine iranische Frau Yeganeh Salehi waren im Juli 2014 in ihrem Haus in Teheran festgenommen worden. Salehi, die ebenfalls Journalistin ist, wurde im Oktober gegen Kaution freigelassen. Rezaian (39), der für die Washington Post arbeitet, wurde im Herbst von einem hinter verschlossenen Türen tagenden Gericht wegen Spionage verurteilt. Die US-Regierung hatte wiederholt seine Freilassung gefordert. Die Washington Post betonte, Rezaian sei unschuldig. Kontrollgremium hatte nur 30 von 3.000 Kandidaten bestätigt. Teheran – Der iranischen Präsident Hassan Rohani hat die Disqualifizierung der Reformkandidaten vor der Parlamentswahl im Februar scharf kritisiert. Von dem Kontrollgremium Wächterrat fordert er nun eine Revision. Das Parlament ist das Haus des Volkes und nicht einer bestimmten politischen Fraktion, sagte Rohani am Donnerstag. Das System solle neutral bleiben und einen fairen Wahlkampf ermöglichen, sagte Rohani der iranischen Nachrichtenagentur Isna zufolge. Gut fünf Wochen vor der Wahl sind nach Angaben aus Reformerkreisen 99 Prozent der Reformkandidaten vom Wächterrat disqualifiziert worden. Von den 3.000 Kandidaten wurden nur 30 bestätigt. Die Entscheidungen des Wächterrats führten im ganzen Land zu Kritik. Daher wird auch erwartet, dass das Gremium zumindest einige der Disqualifizierungen zurücknimmt. Im Iran muss der Wächterrat die ideologische Qualifikation der Kandidaten vor Wahlen bestätigen. Die Kriterien der zwölf erzkonservativen Mitglieder dieses Gremiums für die Auswahl der Kandidaten wurden in den vergangenen Jahren immer wieder kritisiert. Als Kontrollgremium ist der Rat jedoch verfassungskonform. Mit der Umsetzung des Atomabkommens und der guten Stimmung im Land wegen der Aufhebung der Wirtschaftssanktionen wurden den pro-Rohani-Reformern gute Chancen auf einen Wahlsieg am 26. Februar eingeräumt. In dem Fall sehen die Hardliner, die seit drei Legislaturperioden das Parlament dominieren, ihre politische Existenz gefährdet. Das iranische Parlament hat 290 Sitze. Mehr als 80 Prozent der liberalen Kandidaten von Parlamentswahl ausgeschlossen. Irans Präsident Hassan Rohani griff zu einem gewagten Vergleich: Juden, Christen, Anhänger von Zarathustra und sonstige Minderheiten im Iran – sie haben im Parlament ihre Abgeordneten. Wieso also verweigert man sieben bis 20 Millionen anderen Menschen, ihre Favoriten zu wählen?, fragte der Regierungschef in einer Rede im Parlament. Ziel der scharfen Kritik: das Vorgehen des Wächterrats, der zuvor mehr als 80 Prozent der liberalen Kandidaten von der für Februar geplanten Parlamentswahl ausgeschlossen hatte. Rohani reagierte damit direkt auf eine Rede des religiösen Führers Ayatollah Ali Khamenei. Dieser hatte zwar alle Iraner aufgefordert, an der Wahl teilzunehmen, aber indirekt auch das Vorgehen des Wächterrats begrüßt. Zudem hatte er vorausgesagt, das kommende Parlament werde sehr ähnlich wie das aktuelle aussehen, in dem es kaum Reformer gibt. Wie will man Leute ermuntern, an Wahlen teilzunehmen, wenn man ihnen nicht ermöglicht, ihre Favoriten ins Parlament zu schicken?, fragte nun Rohani bei einem Zusammentreffen der Direktoren des Innenministeriums. Das Vorgehen des Wächterrats hat im Iran eine Welle der Empörung und Kritik ausgelöst. Unbeirrt davon scheint das Gremium die Linie trotzdem weiterzuverfolgen. Auch die Imame nahmen am Freitag den Wächterrat in Schutz – sie bekommen ihre Anweisungen, etwa jene für die anzusprechenden Themen, direkt vom Rat der Freitagsimame. Die Einschränkungen des Wächterrats machten auch keinen Halt vor manchen kritischen Konservativen. So wurden unter anderen Söhne und Enkel vieler namhafter Mitstreiter des Gründers der Islamischen Republik, Ayatollah Ruhollah Khomeini, ausgeschlossen. Unter ihnen ist auch ein Enkel Ayatollah Khomeinis, der für das Parlament kandidieren wollte. Der andere Enkel Khomeinis, Hassan Khomeini, will für den Expertenrat kandidieren. Es steht noch nicht fest, ob er zugelassen wird. Ali Motahari, der Sohn des Ideologen der Islamischen Revolution, Ayatollah Morteza Motahari, wurde ebenfalls von der Wahl ausgeschlossen, obgleich er seit zwei Legislaturperioden im Parlament sitzt. Das zog den Zorn der gemäßigten Konservativen nach sich. Ali Motahari hatte mehrmals im Parlament den Hausarrest der Anführer der grünen Bewegung, Mirhossein Mussavi und Mehdi Karrubi, als gesetzeswidrig bezeichnet und ihre Freilassung verlangt. Die liberale Presse sparte zuletzt nicht mit ihrer Kritik am Wächterrat und hat dabei sogar bei den gemäßigten Konservativen Rückhalt bekommen. Eine breite Front von Reformern, Liberalen, gemäßigten Konservativen und sogar konservative und linientreue Künstler und Schriftsteller stellen sich ebenfalls hinter die Forderung Rohanis nach mehr Flexibilität des Wächterrats. Die große Frage bleibt aber, wie man die Leute ermuntern will, an der Wahl am 26. Februar überhaupt teilzunehmen, wenn man ihre Favoriten als Kandidaten ausschließt. Teile der Presse zeichnen ein düsteres Bild von den kommenden Wahlen, falls der Wächterrat kein Entgegenkommen zeigt. Sein Hintergrund und seine theologische Qualifikation seien für alle klar, "angeblich nur für den Wächterrat nicht". Teheran – Der Enkel des früheren Revolutionsführers Ayatollah Ruhollah Khomeini will Protest gegen seine Disqualifizierung vor der Wahl im Iran einlegen. Ein Kontrollgremium hatte Hassan Khomeinis Kandidatur für den Expertenrat abgelehnt. Der Expertenrat ist eines der wichtigsten Gremien im Iran, weil die 86 geistlichen Mitglieder sowohl über die Wahl als auch über die Abwahl des obersten Führers bestimmen können. Die erzkonservativen Kleriker im Expertenrat waren wenig begeistert von den politischen Ambitionen des 43 Jahre alten Khomeini, der reformorientierte Ansichten vertritt. Er und viele andere konnten die Entscheidung des Wächterrats nicht verstehen, sagte Khomeini nach Angaben der Nachrichtenagentur Mehr. Ich bin ja wahrlich kein Unbekannter im Iran. Sein Hintergrund und seine theologische Qualifikation seien für alle klar, angeblich nur für den Wächterrat nicht, sagte Khomeini. Daher wolle er gegen die Disqualifizierung protestieren. Er hoffe, dass es bis zur Wahl am 26. Februar eine Revision der Entscheidung geben werde. Möglicher Verkauf von Kampfjets an Teheran – Kritik aus Israel. Moskau/Teheran – In einem umstrittenen Rüstungsgeschäft will Russland dem Iran an diesem Donnerstag ein modernes Flugabwehrsystem vom Typ S-300 übergeben. Das meldete die Staatsagentur Ria Nowosti am Mittwoch in Moskau. Ort der Übergabe sei in der Stadt Astrachan nahe des Kaspischen Meeres, hieß es. Der Iran ist ein Anrainer des Binnenmeers. Beide Länder würden auch über einen möglichen Verkauf von Kampfjets an Teheran sprechen. Israel kritisiert das S-300-Geschäft als Bedrohung des Militär-Gleichgewichts der Region. Der S-300-Vertrag im Wert von etwa 740 Millionen Euro war bereits 2007 unterschrieben, aber wegen des internationalen Konflikts über das iranische Atomprogramm ausgesetzt worden. Im April 2015 hatte der russische Präsident Wladimir Putin den Lieferstopp aufgehoben. Nach Ansicht von Experten könnten die Raketen etwa dazu dienen, iranische Atomanlagen vor Angriffen Israels und den USA zu schützen. General: Waffen gezielt für möglichen Kampf gegen Israel entwickelt. Teheran – Bei den erneuten Raketentests im Zentraliran hatten nach Angaben der Nachrichtenagentur Fars zwei der Raketen eine israelfeindliche Aufschrift. Demnach stand auf zwei der von den Revolutionsgarden am Mittwoch getesteten Raketen auf hebräisch Israel muss ausradiert werden. Es ist das erste Mal seit Beginn der Präsidentschaft von Hassan Rouhani 2013, dass dieser Satz im Iran wieder benutzt wurde. Rouhanis Vorgänger Mahmoud Ahmadinejad, der den Revolutionsgarden nahestand, hatte 2005 mit diesem Satz für internationale Empörung gesorgt. Ein hochrangiger Kommandant der Revolutionsgarden, die Elitearmee der Islamischen Republik, räumte ein, dass sich das Raketenprogramm gegen Israel richte. Wir haben unsere Raketen mit einer Reichweite von 2.000 Kilometern gebaut, um unseren Feind, das zionistische Regime, aus einer sicheren Entfernung treffen zu können, zitierte die Agentur ISNA Brigadegeneral Amir Ali Hajizadeh. Tests Erst am Dienstag hatte der Iran nach eigenen Angaben mehrere ballistische Raketen getestet. Die USA befürchten, dass die Geschosse mit Atomsprengköpfen bestückt werden könnten. Sie kündigten an, den Vorgang im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf die Agenda zu setzen und drohten mit einer Verschärfung der eigenen, amerikanischen Sanktionen. Sie betonten aber, dass die Tests nicht gegen das im Juli geschlossene Abkommen zur Beilegung des Atomstreits verstießen. Dieses sieht eine erhebliche Einschränkung des iranischen Atomprogramms vor. Im Gegenzug werden internationale Wirtschaftssanktionen gelockert. Gegen die Einigung lief insbesondere die israelische Regierung Sturm. Nach ihrer Auffassung ist dem Iran nicht zu trauen. Sie sieht die Existenz des eigenen Staats gefährdet. 'Innenminister Fazli bezeichnet die vor allem von Israel und den USA kritisierten Tests als international rechtmäßig. Wien – Die aktuellen iranischen Raketentests seien nichts anderes als eine Überprüfung und Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit Am Mittwoch hätte der zweitägige Staatsbesuch Hassan Rohanis beginnen sollen. Einen Ersatztermin gibt es noch nicht. Bei der Einladung im Herbst war Österreich noch Nummer eins – das erste EU-Land, dessen Staatschef nach dem Atomdeal mit dem Iran Teheran besuchte. Nun, nach Ende der Sanktionen, wäre Wien nur noch Nummer drei gewesen. Im letzten Augenblick hat der Iran die Reise nach Österreich am Dienstag abgesagt – aus Sicherheitsgründen, wie es heißt. Auch ein Besuch in Bagdad (Sonntag bis Dienstag) wurde verschoben. Seit den Anschlägen in Brüssel haben wir ständig verhandelt und den Iranern Sicherheit garantiert, sagte eine Sprecherin von Bundespräsident Heinz Fischer zum STANDARD. Jetzt erfolgte die finale Absage. Ersatztermin gibt es noch keinen. Dabei nimmt Österreich für viele Iraner eine Sonderrolle ein – das hörte man nicht nur während der Vorbereitung von der Wirtschaftskammer, die hoffte, den Handel mit dem Iran in Schwung zu bringen, das ist auch von iranischer Seite immer wieder zu vernehmen. Wie die ZiB 2 am Dienstag berichtete, sollen vier Milliarden Euro des Iran auf österreichischen Konten liegen. Es geht nicht nur um die langen diplomatischen Beziehungen, die seit Kaiserzeiten gewachsen sind, und um den Symbolwert Wiens als Ort der Atomverhandlungen. Teheran hält Österreich nicht zuletzt zugute, dass es auch in der Zeit der Wirtschaftssanktionen politische Kanäle zur weitgehend isolierten Regierung von Präsident Mahmud Ahmadi-Nejad offenhielt. Diese guten Kontakte sehen freilich nicht alle als Stärke. Mehrere Gruppen – darunter die Grünen, die Israelitische Kultusgemeinde und die Plattform Stop the Bomb – hatten eine Absage des Rohani-Besuchs gefordert und Proteste in der Wiener Innenstadt angekündigt. Demonstranten wollten auf dem Heldenplatz ihren Unmut über die Einladung kundtun. Gegner verweisen auf jüngste Raketentests des Iran, die einmal mehr von Vernichtungsdrohungen gegen Israel begleitet waren, und darauf, dass sich Rohani nie eindeutig von der Leugnung des Holocaust distanziert hat. Auch ein Uno-Bericht von Mitte März gibt Anlass zur Kritik: Er weist für das vergangene Jahr 996 Hinrichtungen aus – die höchste Zahl seit zwei Jahrzehnten. Ausgesprochen wurden die Urteile vor allem für Drogenbesitz, aber auch für Korruption und, wie es heißt, gewisse sexuelle Handlungen. Gestiegen ist auch die Zahl der hingerichteten Minderjährigen. Dass man trotz der vielen Kritikpunkte am Besuch festhalten wollte, so das Gegenargument, hat auch mit der Hoffnung zu tun, dass weniger Isolation den Iran zu mehr Zusammenarbeit in Syrien und in der Region bewegen möge und dass wirtschaftliche Kooperation auch eine Öffnung des Landes beschleunigen könnte. Rohani selbst hat vergangene Woche in einer Rede zum persischen Neujahr mehr innenpolitischen Wandel angekündigt – seine Regierung werde dieses Jahr im Inneren dasselbe erreichen, was wir außenpolitisch letztes Jahr mit dem Atomabkommen geschafft haben. Die Aussage war von Beobachtern auch als direktere Kampfansage an die konservativen Kreise im Iran gewertet worden. Bisher hatte sich Rohanis Regierung vor allem auf den Atomdeal und bessere Wirtschaftsbeziehungen zum Ausland konzentriert. Die Wahlergebnisse vom Februar haben seinem Kabinett vorerst neuen Rückenwind beschert – trotz vieler Kandidaturverbote wurden in großer Mehrheit reformnahe Kandidaten gewählt, sowohl ins Parlament als auch in den wichtigen Expertenrat. In den Augen seiner Anhänger steht Rohani nun unter Druck zu liefern. Und Druck gibt es auch von anderer Seite: Ayatollah Ali Khamenei, der oberste religiöse Führer des Iran, hat erst jüngst gefordert, dass die zahlreichen Auslandsreisen des Präsidenten endlich auch für das Land wirtschaftliche Vorteile bringen mögen. Diese hat die oberste Instanz im Land bisher offenbar nicht gesehen. Irans oberster Führer: "Wer sagt, Zukunft liegt in Verhandlungen, ist ahnungslos oder ein Verräter". Dubai/Teheran – Irans oberster geistlicher und politischer Führer Ayatollah Ali Khamenei setzt für die Entwicklung des Iran in erster Linie auf militärische Stärke und nicht Diplomatie. Diejenigen, die sagen, die Zukunft liegt in Verhandlungen, nicht in Raketen, sind entweder ahnungslos oder Verräter, wurde Khamenei am Mittwoch auf seiner Website zitiert. Sollte der Iran Verhandlungen anstreben, aber keine Macht zur Verteidigung haben, würde er bei selbst Bedrohungen durch schwache Staaten nachgeben müssen. Zuvor hatten mehrere westliche Staaten die jüngsten iranischen Raketentests in einem Brief an UN-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteilt. Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsanjani, der de facto die moderateren politischen Kräfte anführt, hatte vergangene Woche zudem auf Twitter erklärt: Die Zukunft liegt im Dialog, nicht Raketen. Khamenei hat bei allen Staatsangelegenheiten das letzte Wort. Im vergangenen Jahr unterstützte er das Atomabkommen, das einen Schlussstrich unter den jahrelangen Streit zog. Seitdem hat er aber dazu aufgerufen, von einer weiteren Annäherung an die USA und deren Verbündete abzusehen und die militärische und wirtschaftliche Stärke des Iran zu bewahren. Mit seinen Äußerungen vom Mittwoch stärkt er den strengkonservativen Revolutionsgarden den Rücken, die jüngst Raketen testeten. Verteidigungsminister dementiert Angaben eines Kommandanten – Politischer Machtkampf möglich. Teheran – Verwirrung um einen Raketentest im Iran: Verteidigungsminister Hussein Dehghan hat Angaben dementiert, es sei eine verbesserte Version einer Mittelstreckenrakete getestet worden. Solch einen Test haben wir nicht vorgenommen, sagte der Minister am Montagabend der Nachrichtenagentur Isna. Den Test hatte die Nachrichtenagentur Tasnim zuvor nach Angaben eines hochrangigen Armeekommandanten gemeldet. Ali Abdullah hatte Tasnim mitgeteilt, dass die vor zwei Wochen getestete Rakete eine Reichweite von 2000 Kilometern habe und noch treffgenauer als die Vorgängermodelle sei. Die Raketentests sind nach Einschätzung aller Fraktionen im Iran legitim und mit Blick auf militärische Drohungen Israels und der USA sogar notwendig. Der moderate Präsident Hassan Rohani will deshalb aber nicht die durch das Atomabkommen verbesserten Beziehungen mit dem Westen aufs Spiel setzen. Die Raketentests könnten auch den wirtschaftlichen Aufschwung mittels ausländischer Investitionen gefährden, den Rohani versprochen hat. Den Hardlinern und einigen Generälen im Land käme dies hingegen gelegen. Zuletzt hatte es immer wieder Meldungen gegeben, wonach sich seit den Parlamentswahlen im Iran der Machtkampf zwischen den beiden Lagern zugespitzt hätte. Diese hatten die Reformer um Rohani hoch gewonnen. Angaben zu Raketentests können im Iran meistens nicht unabhängig überprüft werden, da sie alle ohne neutrale Beobachter stattfinden. Im Westen bestand immer die Sorge, der Iran könnte mit seinen Shahab-3-Raketen, die eine Reichweite von 2000 Kilometern haben sollen, seinen Erzfeind Israel angreifen. Präsident Rohani betonte jedoch mehrfach, der Iran wolle gegen kein Land in der Region vorgehen und das Militärpotenzial diene nur der Verteidigung. Die Befürchtungen nahmen nach der Umsetzung des Atomabkommens Mitte Jänner zwischen dem Iran und dem Westen zwar ab. Trotzdem gab es im März erneut heftige Diskussionen: Auf zwei der von den Revolutionsgarden getesteten Mittelstreckenraketen stand auf Hebräisch Israel muss ausradiert werden. Konflikt wegen Beschlagnahmung iranischer Vermögen im Falle eines Terroranschlags mit iranischer Beteiligung. Teheran – Der Iran will in einem Rechtsstreit mit den USA wegen der Beschlagnahmung iranischer Vermögen den Internationalen Gerichtshof einschalten. Wir werden in naher Zukunft den Fall nach Den Haag bringen, sagte Präsident Hassan Rohani am Dienstag. Der Iran werde nicht zulassen, dass die US-Amerikaner Zugriff auf legitimes Vermögen des Irans erhielten, so Rohani nach Angaben der Nachrichtenagentur ISNA. Das Oberste Gericht der USA hatte im April entschieden, dass Hinterbliebene von Terroropfern, die bei Angriffen mit iranischer Beteiligung umgekommen sind, Anspruch auf milliardenschwere Entschädigungen haben. Konkret geht es um einen Terroranschlag in Beirut im Jahr 1983, bei dem 241 US-Marines starben, sowie um einen Anschlag in Saudi-Arabien 1996 mit 19 toten US-Soldaten. Der gemäßigte Konservative konnte auch Abgeordnete aus dem Lager der Reformer mobilisieren. Teheran – Der iranische Parlamentspräsident Ali Larijani ist mit deutlicher Mehrheit im Amt bestätigt worden. Bei dem Votum stimmten am Sonntag 173 Parlamentarier für den gemäßigt konservativen Politiker, 103 Abgeordnete gaben ihre Stimme seinem Herausforderer Mohammed Reza Aref aus dem Reformer-Lager. Der bisherige Parlamentspräsident galt im Vorfeld bereits als erneuter Favorit für den wichtigen Posten. Larijani gehört dem konservativen Lager an, hat aber das im Juli 2015 von Präsident Hassan Rohani mit den Weltmächten geschlossene Atomabkommen unterstützt. Dieses führte im Jänner zur Aufhebung der im Atomstreit verhängten Finanz- und Handelssanktionen. Bei den Parlamentswahlen Ende Februar und Ende April hatten die Konservativen ihre bis dahin dominierende Stellung verloren. Dem offiziellen Ergebnis zufolge erhielt das Lager der Reformer 133 Sitze, das der Konservativen 125 Mandate. Ein großer Teil der Abgeordneten ist zudem unabhängig. Larijani gelang es nun, auch eine Reihe von Moderaten und Reformern sowie Unabhängigen zu überzeugen. Das neu gewählte Parlament war am Samstag erstmals zusammengetreten. Das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Khamenei rief die Abgeordneten auf, ein Bollwerk gegen die Listen und die unverschämten Forderungen der Gegner des Landes zu sein. Rohani sagte in der Majlis, um die Probleme des Landes zu lösen, müssen Regierung und Parlament zusammenarbeiten. Damit kein anderer als der maronitische Exgeneral Michel Aoun zum Präsidenten gewählt werden kann, boykottiert die Hisbollah die Parlamentssitzungen. Beirut/Wien – Beim 27. Mal ist es nur mehr eine kurze Mediennotiz: Am Mittwoch ist der Anlauf – es war weniger als ein Versuch -, im Parlament in Beirut einen libanesischen Präsidenten zu wählen, erneut gescheitert. Die libanesische Geschichte ist voll von Episoden präsidentiellen Vakuums: Auch Michel Suleiman, der das Amt am 25. Mai 2014 verwaist zurückließ, war der Kompromisskandidat nach einem halbjährigen Patt. Die Präsidentschaftskrise 1988/1989 war – kurz vor dem formellen Bürgerkriegsende – zwar noch dramatischer, aber die damaligen 409 Tage ohne Präsident hat der Libanon heute mit fast vierzig Tagen mehr überschritten. Am 23. April 2014, also bereits vor Ablauf des Mandats Suleimans, fand der erste Wahlgang statt, keiner der Kandidaten erreichte die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. Da bei den nächsten Wahlversuchen eine einfache Mehrheit genügen würde, boykottieren die Abgeordneten der Allianz des 8. März rund um die Hisbollah die Wahlsitzungen. Es gibt kein Quorum, und die Wahl kann nicht stattfinden. So wird zwar nicht der vom 8. März aufgestellte Michel Aoun, Chef der Freien Patriotischen Bewegung, gewählt – aber auch kein anderer. Aoun spielte schon 1988 eine Rolle – als ein entgegen dem libanesischen Nationalpakt eingesetzter Ministerpräsident (das Konkordanzsystem sieht vor, dass ein maronitischer Christ das Präsidentenamt innehat, Premier ist ein Sunnit, Parlamentspräsident ein Schiit). Der 80-Jährige, im Bürgerkrieg Chef einer mächtigen Miliz, musste 1990 fliehen und kehrte erst 2005 zurück. Der Präsidentenkrise liegt die durch den Krieg in Syrien, in dem die libanesischen Parteien und Gruppen auf unterschiedlichen Seiten stehen, verstärkte Gespaltenheit der libanesischen Politik zugrunde. Zwar haben sich die libanesischen Parteien in der Baabda-Erklärung von 2012 verpflichtet, den Konflikt nicht in den Libanon zu tragen, sie bleiben aber hoffnungslos entlang der Linie pro oder kontra Assad gespalten. Die iranisch-gesponserte Hisbollah, die in Syrien auf der Seite des Assad-Regimes militärisch engagiert ist, will deshalb keinen von der anderen Seite vorgeschlagenen Präsidenten, der ihr Druck machen könnte. Trotz wiederholter Anläufe, einen Kompromiss zu finden, ist das auch nach mehr als eineinviertel Jahren nicht gelungen. Da der Syrien-Konflikt nicht nur ein Bürgerkrieg mit Overspill, sondern auch ein Stellvertreterkrieg im großen iranisch-saudischen Kalten Krieg geworden ist, muss sich wohl auch auf der Metaebene, zwischen den Sponsoren der Gruppen in Syrien und im Libanon, Teheran und Riad, etwas bewegen. Die wichtigste Partei in der mit dem 8. März konkurrierenden Allianz des 14. März ist die sunnitische Zukunftsbewegung von Saad Hariri, Sohn des 2005 ermordeten Expremiers Rafiq Hariri, die Saudi-Arabien nahe steht. Auch im Libanon sind die sunnitischen Ränder für den Extremismus anfällig. Manche scherzen, dass man sieht, dass der Libanon gar keinen Präsidenten braucht: Wenn es keinen gibt, dann übernimmt das Kabinett dessen Aufgaben – was aber heißt, dass die Konsensfindung in der Regierung, in der alle großen Parteien sitzen, extrem schwer wird. Das Parlament funktioniert während eines präsidentiellen Vakuums überhaupt vorwiegend als Wahlkörper, nicht als legislatives Organ: Nichts geht weiter. Aoun rief am Mittwoch, einen Tag vor einer Kabinettssitzung, seine Anhängerschaft zu Protesten auf die Straße. Allerdings geht es da schon wieder um eine Weiterdrehung des Pokers: Vergangene Woche verlängerte Verteidigungsminister Samir Moqbel angesichts der angespannten Sicherheitslage und des politischen Stillstands das Mandat der Spitzen der Armee, vor allem von Armeechef Jean Kahwaji. Da Aoun diesen Posten für seinen Schwiegersohn, Shamel Roukoz, wollte, ist er empört – und ein möglicher Kompromiss vom Tisch, denn der Armeechefposten würde Roukoz für später für das Staatspräsidentenamt in Stellung bringen. Nun versucht Aoun zu erzwingen, dass die im Oktober fällige Pensionierung von Roukoz als Kommandant der Spezialtruppe der libanesischen Armee aufgeschoben wird, damit er im Spiel bleibt. Der 14. März – inklusive seiner christlichen Parteien – lehnt das aber ab. Aoun spielt als Teil des 8. März nicht nur im großen libanesischen Politpoker, sondern auch im kleinen, maronitischen. Es geht um die Zukunft seiner Partei, und er bestellt sein Haus: mangels Söhnen für die Schwiegersöhne, von denen ein anderer der Außenminister Gebran Bassel ist. Scheich Ahmed al-Asir hatte sich Gesichtsoperation unterzogen. Beirut – Ein bekannter untergetauchter Islamist ist auf dem Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut festgenommen worden. Der Salafistenführer Scheich Ahmed al-Asir sei am Samstag bei dem Versuch, mit einem gefälschten Ausweis über Ägypten nach Katar auszureisen, von Behörden festgenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur. Ein Sprecher der Sicherheitsbehörden im Libanon erklärte, der Sunnit Al-Asir habe sich zuvor einer Gesichtsoperation unterzogen. Der Kritiker der schiitischen Hisbollah-Miliz und Unterstützer des Widerstandes gegen Machthaber Bashar al-Assad im benachbarten Syrien ist seit Juni 2013 auf der Flucht. Damals hatte die libanesische Armee seine Basis südlich von Beirut gestürmt, bei den Kämpfen starben unter anderem 18 Soldaten. 2014 wurde Al-Asir von einem Militärgericht wegen der Gründung einer bewaffneten Gruppe, die Armeeangehörige getötet hat, sowie wegen der Aufhetzung von Sunniten und Schiiten verurteilt – der Richter empfahl die Todesstrafe. Partei könnte politischen Konflikt im Land weiter verschärfen. Beirut – Die Hisbollah hat sich in der seit Wochen andauernden libanesischen Müllkrise zu Wort gemeldet. In einer Erklärung am Dienstag stellte sich die schiitische Miliz hinter die Forderungen der Demonstranten, die seit Beginn der Krise gegen Korruption und Misswirtschaft der Verwaltung auf die Straße gehen. Die Müllkrise spiegle die endemische und wachsende Korruption der letzten zwei Jahrzehnte wider, ließ sie verkünden. Die Politik verfolge eigene Interessen auf Kosten der Bevölkerung. Friedliche Proteste wären das gute Recht der libanesischen Bevölkerung. Kommentatoren, beispielsweise in der führenden libanesischen Tageszeitung An-Nahar, werfen der Hisbollah vor, die bisher rein von der libanesischen Zivilgesellschaft getragene Bewegung für ihre Zwecke instrumentalisieren zu wollen. Beobachter befürchten, dass die Einmischung die Krise noch verschärfen könnte. Neben der Müllkrise steckt der Libanon in einer tiefen politischen Krise. Das Parlament ist tief gespalten zwischen einem mit Saudi-Arabien und einem mit der Hisbollah sympathisierenden Block. Das Amt des Staatsoberhaupts ist seit mehr als einem Jahr unbesetzt. Die handfeste Müllkrise lähmt das Land weiter. Wiederholt hat die libanesische Regierung das bevorstehende Ende der Krise verkündet, aber auch am Dienstag konnten nach einer mehrstündigen Kabinettssitzung keine Lösungen für die drängende Entsorgung der Abfallberge auf den Straßen der Hauptstadt Beirut präsentiert werden. Die Kundgebungen wurden fortgesetzt. Danach kam es zu Zusammenstößen einiger Randalierer mit der Polizei. Mehrere Personen wurden festgenommen. Entscheidung nach wochenlangen Protesten. Beirut – Nach wochenlangen Protesten der Bevölkerung hat die libanesische Regierung einen Aktionsplan gegen die durch die Schließung der größten Deponie des Landes verursachte Müllkrise beschlossen. Es sollten zwei neue Mülldeponien im Land eröffnet werden, teilte am Mittwochabend Landwirtschaftsminister Akram Shehajeb mit. Zudem solle die Verantwortung für die Verwaltung von Mülldeponien an die jeweiligen Städte und Gemeinde übergeben werden. Die Einigung erfolgte nach sechsstündigen Beratungen des Kabinetts, die von neuen Protesten in Beirut begleitet wurden. Im Libanon war Mitte Juli nahe der Hauptstadt Beirut der Mistplatz Naameh, die größte Mülldeponie des Landes, geschlossen worden. Um die Situation zu entspannen, soll laut Shehajeb der Mistplatz nun für eine Woche wieder geöffnet werden, sodass Beirut und die Vororte ringsum schnell von den Müllbergen befreit werden können. Die Proteste gegen die Müllkrise haben sich allerdings längst zu einer umfassenden Staatskrise ausgeweitet. Zehntausende Libanesen schlossen sich den Protesten an, die unter dem Motto Ihr stinkt stehen. In den vergangenen Wochen forderten die Demonstranten auf mehreren Kundgebungen nicht nur eine Lösung des Müllproblems. Sie wollen auch ein Ende der Korruption und der Misswirtschaft sowie Verbesserungen bei der Infrastruktur des Landes wie der Strom- und Wasserversorgung. Allgemeine Unzufriedenheit herrscht zudem über die schlechte Wirtschaftslage im Libanon. Der Libanon steckt schon seit längerem in einer tiefen politischen Krise. Das Parlament ist tief gespalten zwischen einem von den USA und Saudi-Arabien unterstützten Lager um den sunnitischen Ex-Ministerpräsidenten Saad Hariri und einem von der schiitischen Hisbollah angeführten Block, der unter anderem vom Iran und von Syrien unterstützt wird. Das Amt des Staatsoberhaupts ist seit mehr als einem Jahr unbesetzt. Die Wahl eines neuen Präsidenten scheiterte mehrfach. Israel beschießt Ziele im Südlibanon – Opferangehörige über Kuntars Tod erleichtert. Tel Aviv/Beirut – Nach Angaben der libanesischen Hisbollah-Miliz ist ihr Führungsmitglied Samir Kuntar bei einem israelischen Luftangriff getötet worden. Israelische Kampfflugzeuge hätten in einem Vorort der syrischen Hauptstadt Damaskus ein Wohngebäude mit Raketen angegriffen, berichtete der Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar am Sonntag. Am Abend schlugen dann drei offenbar zur Vergeltung aus dem Libanon abgefeuerte Raketen im Norden Israels ein, wie eine Militärsprecherin in Tel Aviv mitteilte. Israelische Artillerie habe daraufhin Ziele im südlichen Libanon beschossen. Berichte über Opfer lagen vorerst nicht vor. Nach dem Angriff auf Kuntar (54) hatten Bilder ein zerbombtes mehrstöckiges Wohnhaus gezeigt. Zwei weitere Menschen, bei denen es sich um Helfer Kuntars handeln soll, wurden nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte getötet. Sechs Menschen wurden demnach bei dem Angriff am Samstagabend verletzt. Justizministerin Ayelet Shaked zeigte sich im Militärradio glücklich über die Nachricht, äußerte sich aber nicht dazu, ob Israel den Angriff geflogen hatte. Kuntar war 2008 nach etwa drei Jahrzehnten Haft in Israel freigelassen worden. Er war bei einem Gefangenenaustausch zwischen Israel und der Hisbollah freigekommen, der unter deutscher Vermittlung zustande gekommen war. Seitdem war Kuntar aktives Mitglied der mit Israel verfeindeten Hisbollah und in deren Rängen aufgestiegen. Im Jahr 1979 hatte er als 16-Jähriger ein palästinensisches Terrorkommando angeführt und war für den Tod zweier israelischer Polizisten sowie eines Vaters und dessen zweier kleiner Töchter im Alter von zwei und vier Jahren verantwortlich. Einem der Mädchen hatte er den Schädel zertrümmert. Zwei weitere Angreifer wurden damals getötet, ein dritter wurde festgenommen. Kuntars Familie begann am Sonntag in Beirut mit Trauervorbereitungen. Angehörige der israelischen Opfer reagierten hingegen mit Genugtuung auf seinen Tod. Smadar Haran, deren zwei kleine Töchter und Ehemann 1979 von Kuntar ermordet worden waren, sprach von historischer Gerechtigkeit, wie die israelische Nachrichtenseite ynet am Sonntag berichtete. Die Witwe wurde mit den Worten zitiert: Es hat mich sehr geschmerzt, als er aus dem Gefängnis entlassen wurde. Der Hisbollah-Sender warf syrischen Rebellengruppen vor, mit Israel kooperiert und Kuntars Aufenthaltsort verraten zu haben. Israels Außenministerium in Jerusalem wollte sich nicht zu den Berichten über einen israelischen Luftangriff äußern. Roni Haran, Bruder des ermordeten Familienvaters, beschrieb den Tod Kuntars als kleinen Trost. Er war einer der grausamsten Mörder in Israel, hat nie Reue geäußert und war im Libanon eine Symbolfigur, sagte er dem israelischen Rundfunk am Sonntag. Die Tochter eines der getöteten israelischen Polizisten sagte, sie sei stolz auf den Staat Israel, der einen guten Job gemacht hat. Mit dem Tod Kuntars habe sich für sie ein Kreis geschlossen. Bei Protesten im Sommer kam es auch zu Ausschreitungen, nun soll Abfall ins Ausland gebracht werden. Beuirut – Die libanesische Regierung hat nach Massenprotesten wegen einer Müllkrise den Export des Abfalls beschlossen. Das Kabinett stimmte am Montag einem Plan zu, den Müll per Schiff von zwei Firmen außer Landes bringen zu lassen. Es handle sich um eine Katastrophe, die durch jahrelange Nachlässigkeit ausgelöst worden sei, sagte Ministerpräsident Tammam Salam. Die Krise wurde ausgelöst, weil im Juli die wichtigste Mülldeponie der Hauptstadt Beirut geschlossen wurde. Daraufhin wurde der Abfall mitten im Hochsommer wochenlang nicht abgeholt. Bei den Protesten im Sommer kam es auch zu Ausschreitungen. Die schwache Regierung wird immer wieder kritisiert, die Infrastruktur des Landes zu vernachlässigen. Auch 25 Jahre nach dem Ende des Bürgerkrieges kommt es in Beirut täglich zu Stromausfällen. Der Konflikt im benachbarten Syrien hat die Regierung weiter geschwächt und alte Gräben zwischen den Bevölkerungsgruppen wieder aufgerissen. 'Seit dem Syrienkrieg nehmen die Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften auch im Libanon zu. Mit Strafaktionen heizt Saudi-Arabien diese Stimmung an. Bereits zum 36. Mal hat sich am Mittwoch die Charade abgespielt: Die Abgeordneten des libanesischen Parlamentes waren aufgerufen, einen Präsidenten zu wählen. Wie bei den 35 Versuchen davor wurde das Quorum verfehlt, wenn auch weniger deutlich. Die schiitische Hisbollah will noch nicht – und die christlichen Maroniten, denen der Posten zufällt, können sich nicht auf einen Kandidaten einigen. Der Libanon erlebt unruhige Zeiten. Im November gab es bei einem IS-Anschlag in einem schiitischen Wohnviertel Beiruts 43 Tote. Seit zehn Tagen schießt Saudi-Arabien eine Salve nach der anderen gegen den Zedernstaat. Am Mittwoch erreichte die Eskalation einen neuen Höhepunkt, als alle Golfländer Hisbollah zur Terrororganisation erklärten. Saudi-Arabien realisiere, dass die USA den Iran immer stärker als stabilisierenden Faktor in der Region betrachte – und gegen diesen Verlust des eigenen Einflusses kämpfe Riad mit allen Mitteln an, erklärt der Politologe Hilal Khashan von der American University im Gespräch mit dem STANDARD. Saudi-Arabien, traditionell ein großzügiger Pate des Libanon, hat vier Milliarden Dollar (3,7 Milliarden Euro) Militärhilfe eingefroren, eine Reisewarnung ausgesprochen – die Golfländer folgten -, 90 Libanesen ausgewiesen und mehrere libanesische Firmen auf die schwarze Liste gesetzt. Der Vorwand war ein diplomatisches Geplänkel. Hintergrund ist die Rolle der Hisbollah-Kämpfer in Syrien an der Seite des Assad-Regimes und des Iran US-Thinktank beziffert potenzielle Gewinne für Wirtschaft mit 170 Milliarden Dollar binnen 10 Jahren. Washington - Eine Friedensregelung in Nahost würde Israelis und Palästinensern nach einer US-Studie Milliardengewinne bringen. Eine Zwei-Staaten-Lösung würde der israelischen Wirtschaft binnen eines Jahrzehnts Gewinne von mehr als 120 Milliarden Dollar (knapp 108 Milliarden Euro) bescheren, hieß es in der am Montag veröffentlichten Studie der US-Denkfabrik Rand Corporation. Den Palästinensern würde eine Normalisierung im selben Zeitraum 50 Milliarden Dollar (knapp 45 Milliarden Euro) bringen. Israel und die Palästinenser haben es trotz der Unterzeichnung von Friedensverträgen vor mehr als 20 Jahren bisher nicht geschafft, ihren blutigen Konflikt beizulegen. Vor einem Jahr war die bisher letzte Runde von Friedensverhandlungen geplatzt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte während des Wahlkampfs im März der Idee eines unabhängigen Palästinenserstaats eine Absage erteilt. Seit seinem Wahlsieg beteuert er jedoch immer wieder, er sei doch weiterhin an einer Zwei-Staaten-Lösung interessiert. Militärstaatsanwaltschaft stellt Untersuchung zu Tod von Kindern am Strand von Gaza ein. Jerusalem/Gaza - Der Tod von vier Fußball spielenden Kindern bei einem israelischen Angriff auf den Gaza-Strand hat während des Kriegs im vergangenen Sommer für Entsetzen gesorgt. Der israelische Generalmilitärstaatsanwalt Danny Efroni hat den Fall nun am Donnerstag nach einer strafrechtliche Untersuchung für abgeschlossen erklärt. Die Soldaten hätten die Kinder für Kämpfer der radikal-islamischen Hamas gehalten, hieß es unter anderem in dem Bericht. Tragischerweise wurde später klar, dass bei dem Angriff vier Kinder getötet wurden, die sich ohne klaren Grund in einem militärischen Gebiet aufhielten, erklärte die Armee die Entscheidung. In drei anderen Fällen ordnete Efroni eine strafrechtliche Untersuchung an. Unter anderem geht es um den Tod von neun Palästinensern bei einem Angriff auf ein Café an der südlichen Gaza-Küste am 9. Juli 2014. Wegen Plünderungen während eines anderen Vorfalls sollen drei Soldaten angeklagt werden. Insgesamt waren dem Generalmilitärstaatsanwalt etwa 190 Beschwerden vorgelegt worden, unter anderem wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen. Israel und militante Palästinenser hatten im Sommer 2014 einen 50-tägigen Gaza-Krieg geführt. Dabei wurden mehr als 2200 Palästinenser getötet oder erlagen später ihren Verletzungen. Auf israelischer Seite starben mehr als 70 Menschen. Frankreichs Außenminister Fabius: Neue Minister müssen sich zu Zwei-Staaten-Lösung bekennen. Jerusalem – Nach dem Auseinanderbrechen der palästinensischen Einheitsregierung will der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas die radikalislamistische Hamas offenbar nicht an einer neuen Regierung beteiligen. Nach dessen Ansicht sollen der Regierung nur Palästinenser angehören, die Israel anerkennen, erklärte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius am Sonntag nach einem Treffen mit Abbas in Ramallah. Zudem sollen jene Palästinenser laut Abbas Gewalt ablehnen und mit den Prinzipien des (Nahost-)Quartetts übereinstimmen, führte Fabius weiter aus. Dies schließe die Hamas aus. Und das passt uns perfekt, fügte Fabius hinzu. Dem Nahost-Quartett gehören die EU, die USA, Russland und die UNO an. Es setzt sich für eine Zwei-Staaten-Lösung ein. Die palästinensische Einheitsregierung hatte am Mittwoch ihren Rücktritt eingereicht. Das Auseinanderdriften des Westjordanlands, wo Abbas Partei Fatah das Sagen hat, und des von der Hamas beherrschten Gazastreifens hatten die Krise ausgelöst. Die genau ein Jahr zuvor aus Technokraten gebildete Einheitsregierung sollte eigentlich die Gräben zwischen Hamas und Fatah überwinden, gelungen ist ihr das allerdings nicht. Im Gazastreifen konnte sie nie die Verwaltung übernehmen, weil die Hamas dort weiter die Kontrolle über die Sicherheitskräfte beanspruchte. Der Entschluss von Abbas, die Regierung grundlegend neu zu formieren, dürfte auch durch die indirekten Kontakte zwischen der Hamas und Israel ausgelöst worden sein, die unlängst bekannt wurden. Dabei geht es um eine langfristige Waffenstillstandsvereinbarung für den Gazastreifen. Vonseiten der israelischen Regierung wurden diese Angaben am Mittwoch bestätigt. Die Kontakte dienen demnach dem Versuch, die Feuerpause, mit der am 26. August vergangenen Jahres der siebenwöchige Gazakrieg beendet worden war, auf fünf bis zehn Jahre zu verlängern. Vonseiten der Palästinensischen Autonomiebehörde in Ramallah wird befürchtet, dass Israel einen Separatfrieden mit der Hamas anstrebt, um die Verbindungen zwischen dem Westjordanland und dem Gazastreifen weiter zu schwächen. Fabius sagte, er habe darüber mit dem israelischen Regierungschef Benjamin Netanjahu gesprochen. Wenn ich seine Antwort richtig verstanden habe, bedeutet das, dass es irgendwie, ich weiß nicht wie, Gespräche über den Gazastreifen und eine Verbesserung der humanitären Lage gibt, sagte der französische Chefdiplomat. Bei seinen Besuchen in Jerusalem und Ramallah warb Fabius für eine UN-Resolution, um den auf Eis liegenden Nahost-Friedensprozess wiederzubeleben. Er stieß damit bei Netanjahu allerdings auf Ablehnung. Dieser wies vor seinem Treffen mit Fabius ganz entschieden alle Versuche zurück, uns internationale Diktate aufzuzwingen. Nach dem Treffen bekräftigte Netanjahu, dass ein Frieden nur durch direkte Verhandlungen zwischen den Seiten ohne Vorbedingungen zustande kommen könne. Er wird nicht durch UN-Resolutionen zustande kommen, die von außen auferlegt werden sollen, fügte Netanjahu hinzu. Als Voraussetzung für einen Frieden nannte er die Anerkennung Israels durch die Palästinenser sowie strenge Sicherheitsvereinbarungen. Exekutivkomitee soll am späten Montagabend zu Beratungen zusammenkommen. Ramallah – Die Palästinensische Befreiungsorganisation PLO will über die Zukunft der palästinensischen Regierung entscheiden. Nach Verwirrung über einen möglichen Rücktritt der Einheitsregierung von Fatah und Hamas wollte das Fatah-Exekutivkomitee am späten Montagabend zu Beratungen zusammenkommen. Es soll entschieden werden, ob das Kabinett von Ministerpräsident Rami Hamdallah weiterregiert oder ob die Regierung umgebildet wird. Am Mittwoch hatte ein Berater des palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas Hamdallahs Rücktritt verkündet. Kurz darauf dementierte ein anderer Sprecher den Schritt. Später teilte Hamdallah mit, das PLO-Exekutivkomitee werde über die Zusammensetzung der neuen Regierung entscheiden. Die rivalisierenden Palästinenserorganisationen Hamas und Fatah hatten vor einem Jahr eine Einheitsregierung gebildet. Wegen tiefer Differenzen zwischen den beiden Lagern war diese jedoch nie wirklich arbeitsfähig. Binnen sechs Monaten vorgesehene Neuwahlen fanden nie statt. Das PLO-Mitglied Hanna Amira sagte dem palästinensischen Rundfunk am Montag, es sei mit einer Wiederernennung Hamdallahs zum Ministerpräsidenten zu rechnen. Die im Gazastreifen herrschende Hamas spricht Israel das Existenzrecht ab, die Fatah will sich dagegen mit Israel arrangieren. Faktisch hat Abbas kaum Einfluss im Gazastreifen. Er warf der Hamas vor, dort eine Schattenregierung zu führen. Die Hamas hatte Abbas wiederum kürzlich zum Rücktritt aufgefordert. Geschoß stammt laut Armee aus dem von der Hamas beherrschten Küstenstreifen – Keine Berichte über Verletzte. Jerusalem/Gaza – Aus dem Gazastreifen ist nach israelischen Angaben eine Rakete Richtung Südisrael abgefeuert worden. In Sikim, Karmia, Netiw HaAsara und Yad Mordechai hätten am Dienstagabend Sirenen geheult, teilte die Armee bei Twitter mit. Deren Sprecher Peter Lerner zufolge gab es keine Berichte über Verletzte. Er schrieb, der Raketenwerfer sei anschließend von der Armee in einem Luftangriff zerstört worden. Beschuss aus dem Gazastreifen auf Israel hatte zuletzt zugenommen. Zu den jüngsten Angriffen bekannte sich eine radikale Gruppe, die mit der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sympathisiert. Die im Gazastreifen herrschende Hamas war zuletzt hart gegen die Salafistenorganisation vorgegangen. Die Angriffe nährten die Sorge vor einer erneuten größeren Konfrontation zwischen Israel und den Palästinensern im Gazastreifen. Israel und die Palästinenser hatten nach dem Gaza-Krieg Ende August eine unbefristete Waffenruhe verkündet. In dem 50-tägigen Krieg waren rund 2200 Palästinenser und mehr als 70 Israelis getötet worden. Präsident Abbas wirft der Hamas vor, mit Israel separat über einen Waffenstillstand zu verhandeln. Ramallah/Wien – Eine Woche, nachdem die Agenturen die Auflösung der palästinensischen Regierung innerhalb der nächsten 24 Stunden gemeldet haben, sieht es in Ramallah nach institutionellem Chaos aus. Premier Rami Hamdallah reichte tatsächlich den Rücktritt ein und wurde mit der Bildung einer neuen Regierung beauftragt: Wie diese aussehen soll, mit oder ohne Hamas oder vielleicht unter Einbeziehung anderer Fraktionen, war bis Mittwoch unklar. Der Regierungspartner Hamas wurde von der Entscheidung Präsident Mahmud Abbas jedenfalls völlig überrascht, zwischen Ramallah und Gaza fliegen die Anschuldigungen hin und her. Als Begründung für ihre bevorstehende Auflösung hatte Abbas angeführt, dass es der Regierung nie gelungen sei, die Arbeit im Gazastreifen aufzunehmen. Das vor einem Jahr gebildete Technokratenkabinett – das heißt, die Hamas war Regierungsmitglied, stellte aber keine Minister, weshalb die USA nicht mit Ramallah brachen – hat tatsächlich wenig von dem geschafft, was es sich vorgenommen hatte. Vor allem hat die Regierung nicht, so wie angekündigt, die seit Jahren überfälligen Wahlen auf allen Ebenen auf den Weg gebracht. Fast skurril mutet an, dass Abbas derzeitiger Zorn auf die Hamas durch angebliche Gespräche zwischen Israel und der Hamas über einen langfristigen Waffenstillstand ausgelöst wurde. Kurz nach der Angelobung der Einheitsregierung vor einem Jahr folgte der Gazakrieg, zu dem vor wenigen Tagen ein Uno-Bericht erschien, der beiden Seiten mögliche Kriegsverbrechen anlastet. Am Mittwoch verlautete, dass Außenminister Riad al-Maliki – also muss die alte Regierung zumindest mit der Fortführung der Geschäfte betraut worden sein – am Donnerstag in Den Haag beim Internationalen Strafgerichtshof belastendes Material gegen Israel hinterlegen will. Die damalige Versöhnung zwischen den Palästinenserfraktionen Fatah und Hamas, die seit 2007 getrennt das Westjordanland respektive den Gazastreifen kontrollieren, wurde wenig überraschend nie mit Leben erfüllt. Die Hamas hielt die Fatah weiter aus dem Gazastreifen heraus, aus Angst vor einer Korrosion ihrer Macht und Kontrolle, die sie ohnehin schon mit noch radikaleren Gruppen teilen muss. Für die Menschen im Gazastreifen hieß das, dass die nach dem Krieg im Juli und August 2014 umso dringender gebrauchte Hilfe und Normalisierung nie kamen. Der Wiederaufbau ist auch weit hinter dem Plan, die Hamas hat immer wieder mit finanziellen Schwierigkeiten bei der Bezahlung ihrer Beamten zu kämpfen. Durch den Wechsel an der Spitze des saudischen Königshauses hat die Hamas gleichzeitig eine Chance, etwas aus der Isolation herauszukommen, in die sie nach dem Sturz der Muslimbrüder – ihrer Mutterpartei – in Ägypten im Sommer 2013 gestürzt ist. Auch Kairo, das von saudischer Hilfe abhängig ist, zeigt sich nicht mehr so Hamas-feindlich wie zuvor. Deshalb nehmen Beobachter die Gerüchte über eine Kontaktaufnahme zwischen Israel und der Hamas durchaus ernst. Abbas, der mit der Auflösung der palästinensischen Autonomiebehörde droht, befindet sich in einer schwierigen Lage. Davon, dass er sowohl im Konflikt mit der Hamas als auch mit Israel viele Sympathien auf seiner Seite hat – für den Zusammenbruch der Friedensverhandlungen im Vorjahr haben auch die USA Israel mehr Schuld zugewiesen als den Palästinensern –, hat er nichts. Eine französische Initiative für eine Uno-Sicherheitsratsresolution, die die Parameter für eine palästinensische Staatsgründung enthalten soll, stagniert. Wenn Abbas nun tatsächlich weiter den Weg durch die Uno-Institutionen geht – vor allem, wenn er sich an den Strafgerichtshof wendet –, verärgert er die USA, die er trotz allem braucht. Im Westjordanland steigt die Gewaltbereitschaft. Auch die US-Regierung warnt davor, dass der Status quo nicht ewig aufrechterhalten werden kann. Die Aussichten auf sinnvolle Friedensverhandlungen sind denkbar gering. In der Autonomiebehörde wächst die Nervosität. Am Dienstag wurden Konten des ehemaligen unabhängigen Premiers Salam Fayyad gesperrt, wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten seiner NGO Future for Palestine. Wie Haaretz schreibt, soll der Grund sein, dass Fayyad von den Vereinigten Arabischen Emiraten unterstützt wird – die auch den Hauptrivalen Abbas, Mohammed Dahlan, fördern, dem Ambitionen auf dessen Nachfolge nachgesagt werden. Behandlung im Krankenhaus. Jerusalem – Nach einem lebensbedrohlichen Hungerstreik hat Israel der Freilassung eines palästinensischen Häftlings zugestimmt. Khader Adnan, ein ranghohes Mitglied des Islamischen Jihad, solle noch vor Ende des muslimischen Fastenmonats Ramadan freikommen, berichtete das israelische Fernsehen am Montag. Im Gegenzug habe er zugestimmt, seinen Hungerstreik nach 55 Tagen abzubrechen. Adnan werde angesichts seines schlechten körperlichen Zustands in einem israelischen Krankenhaus behandelt. Es war ein neuer Ausbruch der Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern befürchtet worden, sollte der in den Palästinensergebieten populäre Häftling sterben. Der Islamist war immer wieder von Israel festgenommen und ohne offizielle Anklage in Haft gehalten worden – zuletzt vor einem Jahr im Rahmen einer Festnahmewelle im Westjordanland. Israel reagierte damit auf die Entführung und Ermordung dreier Jugendlicher durch militante Palästinenser. Im Februar 2012 hatte Adnan nach einer ähnlichen Einigung einen 66-tägigen Hungerstreik beendet. Mit der Aktion protestierte er gegen seine sogenannte Verwaltungshaft in Israel. Dabei können die Betroffenen für sechs Monate und länger ohne Anklageerhebung aus Sicherheitsgründen festgehalten werden. Palästinensischer Präsident drängt auf Einigung im Friedensprozess. Jerusalem/Ramallah – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu und der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas haben erstmals seit einem Jahr wieder miteinander telefoniert. Netanyahus Büro teilte mit, der Ministerpräsident habe Abbas am späten Freitagabend angerufen, um ihm zum Ende des Fastenmonats Ramadan ein frohes Eid-al-Fitr-Fest zu wünschen. Der Mitteilung zufolge versicherte Netanyahu, dass Israels Bürger sich Frieden und Stabilität in der Region wünschten. Die offizielle palästinensische Nachrichtenagentur WAFA bestätigte das Gespräch. Demnach habe Abbas erwidert, dass es wichtig sei, im nächsten Jahr eine Einigung zwischen den beiden Völkern zu erreichen. Der Zeitung Haaretz zufolge fand das letzte Telefonat der beiden Politiker im Juni 2014 statt. Im vergangenen Jahr waren die Beziehungen zwischen Netanyahu und Abbas angespannt. Grund waren unter anderem der Gaza-Krieg und der Beitritt der Palästinenser zum Internationalen Strafgerichtshof. Training soll unter anderem Ausbildung an der Waffe sowie Zivilschutz und Erste Hilfe vorsehen. Gaza/Jerusalem – Die militanten Qassam-Brigaden wollen diesen Sommer im Gazastreifen 25.000 Palästinenser für den Kampf gegen Israel ausbilden. Am Samstag hätten dafür die Trainingslager geöffnet, schrieb die Organisation auf ihrer Webseite. Die Qassam-Brigaden sind der militärische Flügel der radikal-islamischen Palästinenserorganisation Hamas, die seit 2007 im Gazastreifen herrscht. Die Ausbildungsstätten heißen Lager für die Pioniere der Befreiung. Dort sollen Männer im Alter zwischen 15 und 60 Jahren darin ausgebildet werden, ihre Aufgabe beim Kampf um die Befreiung (Jerusalems) zu erfüllen. Demnach sieht das Training unter anderem die Ausbildung an der Waffe sowie Zivilschutz und Erste Hilfe vor. Zuletzt hatte die Hamas im Jänner rund 17.000 Jugendliche zwischen 16 und 21 Jahren für den Kampf gegen Israel ausgebildet. Während des vergangenen Gaza-Krieges starben im Sommer 2014 mehr als 2.200 Palästinenser und mehr als 70 Israelis. Am Samstag veröffentlichte die Hamas ein neues Kampflied. Der Krieg ist noch nicht vorbei, heißt es darin. Der Weltbank zufolge hat der Gazastreifen mit knapp 44 Prozent die wahrscheinlich höchste Arbeitslosenquote weltweit. Unter Jugendlichen sind sogar 60 Prozent ohne Job. Auch aus Mangel an Beschäftigung und auf der Suche nach Einkommen schließen sich Beobachtern zufolge zahlreiche Menschen der Hamas an. Hasskommentare in sozialen Netzwerken nach scharfer Verurteilung von Brandanschlag im Westjordanland. Jerusalem – Die israelische Polizei hat Ermittlungen wegen bedrohlicher Äußerungen gegen Präsident Reuven Rivlin im sozialen Online-Netzwerk Facebook eingeleitet. Wie ein Sprecher des Staatsoberhaupts am Montag erklärte, folgte die Welle von Schmähungen auf Rivlins scharfe Verurteilung von Attentaten auf Palästinenser. Dieser hatte am Freitag auf seiner Facebook-Seite zum nächtlichen Brandanschlag auf zwei palästinensische Wohnhäuser, bei dem ein Kleinkind getötet und drei weitere Familienmitglieder schwer verletzt wurden, geschrieben: Es schmerzt mich, dass einige meiner Landsleute ihre Menschlichkeit verlieren und den Weg des Terrorismus wählen. Dies ist nicht der Weg des Staates Israel und des jüdischen Volks. Leider haben wir das Phänomen des jüdischen Terrorismus bisher offensichtlich zu nachlässig behandelt. Rivlin forderte ein hartes Durchgreifen der Sicherheitsbehörden gegen die Extremisten. Die Stellungnahme des Präsidenten löste auf Facebook ein lebhaftes Echo aus, mehr als 2.000 Nutzer kommentierten den Eintrag. Neben viel Zustimmung gab es zahlreiche hasserfüllte Äußerungen, von denen manche in Drohungen gipfelten: Du dreckiger Verräter wirst schlimmer enden als Ariel Sharon, schrieb eine Frau unter Verweis auf den früheren Regierungschef, der vor seinem Tod acht Jahre lang im Wachkoma lag. Ein anderer Nutzer richtete drohende Worte an das Staatsoberhaupt: In Russland wärst Du jetzt schon zerstückelt in Schuhkartons gefunden worden. Die Polizei erhielt nach eigenen Angaben am Sonntag belastendes Material vom Sicherheitsdienst des Präsidialamts und leitete Ermittlungen ein, um die Strafbarkeit der bedrohlichen Äußerungen in sozialen Netzwerken zu prüfen. Bei dem Brandanschlag im israelisch besetzten Westjordanland war in der Nacht zum Freitag der eineinhalbjährige Ali bei lebendigem Leib verbrannt, seine Familienangehörigen wurden lebensgefährlich verletzt. Für den Anschlag werden radikale jüdische Siedler verantwortlich gemacht. Die israelische Regierung verurteilte das Attentat und kündigte ein hartes Vorgehen gegen jüdische Extremisten an. Israel greift Hamas-Trainingslager im Gazastreifen an. Jerusalem – Nach einem Raketenangriff aus dem Gazastreifen hat die israelische Armee einen Vergeltungsangriff gestartet, bei dem zwei Palästinenser verletzt wurden. Bei dem Angriff auf ein Trainingslager des bewaffneten Arms der Hamas-Bewegung im Zentrum des Gazastreifens seien am Freitagabend ein Mensch schwer und ein anderer leicht verletzt worden, sagte ein Sprecher der Notdienste in Gaza der Agentur AFP. Die israelische Armee hatte zuvor mitgeteilt, dass eine Rakete aus dem Gazastreifen im Süden Israels eingeschlagen sei. Eine bisher unbekannte Jihadistengruppe namens Die Enkel der Gefährten des Propheten bekannte sich zu dem Raketenangriff. Es habe sich um die erste Antwort der salafistischen Jihadisten auf den jüdischen Angriff auf Al-Aksa gehandelt, erklärte die Gruppe. Die israelische Polizei war im Juli bei Zusammenstößen mit Palästinensern auf dem Tempelberg in Jerusalem in die Al-Aksa Moschee eingedrungen. Im Gazastreifen gibt es eine Reihe militanter Salafistengruppen, die der herrschenden Hamas-Bewegung zu große Nachgiebigkeit gegenüber Israel vorwerfen. (7.8.2015) Israels Premier stellt Palästinenserchef keine Vorbedingungen. Die bekannten Positionen bleiben aber aufrecht. Jerusalem – Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu hat sich zu sofortigen Friedensgesprächen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas ohne Vorbedingungen bereiterklärt. Ich bin bereit, nach Ramallah oder jedem anderen Ort zu gehen, um direkt zu verhandeln, sagte er am Dienstag vor Mitgliedern der Gruppe Women Wage Peace (Frauen machen Frieden). Ich habe keine Vorbedingungen für Verhandlungen, sagte Netanyahu. Die Bemerkungen wurden nach dem Treffen mit den Aktivistinnen von seinem Büro verbreitet. Bekannte Positionen Allerdings betonte Netanyahu darin auch seine altbekannte Position: Die Lösung ist zwei Staaten für zwei Völker – ein demilitarisierter palästinensischer Staat, der den Nationalstaat des jüdischen Volkes anerkennt. Wenn die Aktivistinnen den palästinensischen Präsidenten träfen, sollten sie ihm sagen: Ich bin bereit zu einem Treffen, wenn er es ist, sagte Netanyahu. Die letzte Runde der Friedensgespräche unter US-Schirmherrschaft war im April 2014 nach neun Monaten abgebrochen worden. Kurswechsel nach der Wahl Seit seiner Wiederwahl als Chef der israelischen Mitte-rechts-Regierung betont Netanyahu seine Bereitschaft, einen Palästinenserstaat anzuerkennen. Vor der Wahl hatte er Israels wichtigsten Verbündeten USA gegen sich aufgebracht, weil er diese Anerkennung strikt ablehnte. Jüngst kursierten Gerüchte, dass Palästinenserchef Abbas, frustriert vom Scheitern der Friedensverhandlungen, seinen Rücktritt überlegt. Women Wage Peace ist eine jüdisch-arabische Frauenorganisation, die nach dem Gazakrieg 2014 gegründet wurde und sich für ein friedliches Zusammenleben der beiden Völker einsetzt. Vier Kinder verletzt. Tel Aviv – Bei einem mutmaßlich palästinensischen Anschlag im Westjordanland sind am Donnerstag nach Armeeangaben zwei Israelis getötet worden. Das Militär teilte mit, nahe der Siedlung Itamar im Norden des Westjordanlands habe ein Angreifer das Feuer auf ein israelisches Fahrzeug eröffnet. Dabei wurde nach Medienberichten ein Elternpaar tödlich verletzt. Auch vier Kinder des Paares hätten Verletzungen erlitten. Wegen eines Streits um die Nutzung des Tempelbergs in Jerusalem ist es zuletzt immer wieder zu Konfrontationen zwischen Israelis und Palästinensern gekommen. Bei einer Ansprache vor der UN-Vollversammlung in New York sagte Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas am Mittwoch, er sehe sich nicht mehr an die Friedensverträge mit Israel gebunden. Attentäterin schwer und ein Beamter leicht verletzt – Israel reagierte mit Luftangriff auf Raketenbeschuss aus Gazastreifen. Ramallah – Eine Palästinenserin hat sich in unmittelbarer Nähe mehrerer israelischer Polizisten im Westjordanland in die Luft gesprengt. Die Frau sei dabei schwer und ein Polizist leicht verletzt worden, teilte die Polizei am Sonntag mit. Die Palästinenserin sei auf einem Motorrad unterwegs gewesen und von der Polizei angehalten worden. Daraufhin habe sie Allahu Akbar (Gott ist groß) gerufen und ihren Sprengsatz gezündet. Kurz zuvor waren bei einem israelischen Luftangriff auf den Gazastreifen eine Palästinenserin und ihre dreijährige Tochter getötet worden. Ein Fünfjähriger und ein Mann wurden Krankenhausangaben zufolge verletzt. Zeugen berichteten von einer heftigen Detonation in einem Lager der radikalislamischen Hamas in Gaza-Stadt, die ein in der Nähe stehendes Haus zum Einstürzen gebracht habe. Das israelische Militär erklärte, die Luftwaffe habe zwei Ziele der Hamas angegriffen. Die Gewalt zwischen Israelis und Palästinensern ist zuletzt neu eskaliert. In den vergangenen zwölf Tagen wurden dabei vier Israelis und 23 Palästinenser getötet. Israels Luftwaffe hat nach Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen ein Ziel im Süden des Palästinensergebiets angegriffen. Kampfflugzeuge hätten am frühen Sonntagmorgen ein Ausbildungszentrum des bewaffneten Flügels der in dem Küstengebiet herrschenden radikalislamischen Hamas beschossen, hieß es aus palästinensischen Sicherheitskreisen. In der Einrichtung selbst sei niemand verletzt worden. Allerdings sei ein nahestehendes Haus eingestürzt. Dabei seien eine schwangere 30-Jährige und deren kleine Tochter getötet worden, hieß es von Krankenhausmitarbeitern. Bis zu vier weitere Familienmitglieder seien verletzt worden. Nach Angaben eines Sprechers der israelischen Armee reagierten die Streitkräfte mit dem Angriff auf Raketenbeschuss. Drei Raketen waren zuvor aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abgefeuert worden. Wer sie abschoss, war zunächst unklar. Zwei Raketen gingen auf offenem Gelände in Israel nieder. Schäden oder Verletzte gab es nicht. Israel und Palästinenser beschuldigen sich gegenseitig. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Diese Woche sollen Gespräche für Entspannung sorgen, die Erwartungen sind gering – Drei Tote bei Anschlag am Sonntag. Wird es ein umfassender Aufstand – also die Dritte Intifada–, oder ist es doch nur eine vorübergehende Erhitzung? Täglich halten nun Israelis und Palästinenser, sowohl Politiker und Sicherheitsexperten als auch einfache Bürger, nach Anzeichen Ausschau, aus denen man die Richtung herauslesen könnte. Das Wochenende hat jedenfalls noch keine klare Antwort gegeben: Am Samstag hatten Palästinenser in Jerusalem, bei Ramallah und in Hebron gleich fünf separate Messerattacken auf jüdische Israelis verübt – dabei waren vier der Angreifer erschossen worden. Am Sonntag war es zunächst ruhig. Am Abend allerdings gab es Tote und Verletzte bei einem Schussattentat in Beer-Schewa. Bei einem der Toten handelte es sich um einen Angreifer, beim anderen um einen Soldaten. Ein zunächst als zweiter Attentäter verdächtiger Mann aus Eritrea starb ebenfalls, nachdem er angeschossen worden war. Mindestens elf Menschen seien verletzt worden, darunter Polizisten und Zivilisten. Der bewaffnete Attentäter habe sich trotz verschärfter Überwachung Zugang zu dem Busbahnhof verschafft und dort das Gewehr eines Soldaten geschnappt, so die Schilderung der Polizei. Nach einem Feuergefecht mit Sicherheitskräften sei er erschossen worden, als er flüchten wollte. Zu einer gefährlichen Konfrontation kam es Sonntagfrüh, als rund 30 strengreligiöse Juden zum Josefsgrab in Nablus vordrangen – diese manchen Juden heilige Stätte war am Freitag durch Palästinenser in Brand gesetzt worden. Israelische Soldaten holten die Männer in Koordination mit der palästinensischen Polizei wieder heraus. Ohne Zweifel hat sich eine Intifada-Stimmung aufgebaut. Bei der israelischen Bevölkerung, auf die über ihre hektischen Medien ständig neue Terrormeldungen einprasseln, spürt man Anflüge von Panik. Die palästinensische Jugend wird besonders durch die sozialen Medien, in denen die zum Teil noch im Kindesalter stehenden Messerattentäter glorifiziert werden, aber etwa auch durch Zurufe der Hamas zum Kampf angestachelt. Die israelische Führung setzt immer robustere Maßnahmen ein, die den Terror stoppen sollen, aber auch den gegenteiligen Effekt haben könnten. Doch gerade in einer solchen Stimmung muss man Augenmaß bewahren. Die Zahl der an den Attacken und Zusammenstößen beteiligten Palästinenser ist jetzt viel geringer, als sie es bei den Aufständen 1987–1993 und 2000–2004 war. Die Intifadas waren von gut organisierten, ausgebildeten Terrorzellen getragen worden, hinter denen die politische Führung stand. Die Messerattentate verbreiten jetzt zwar Schrecken, sind aber doch punktuell und amateurhaft. Wie lange diese Gewaltphase auch dauern wird, sie wird die Situation nicht verbessern. Mahmud Abbas, der schon die zweite Intifada als Fehler bezeichnet hatte, will zwar auch jetzt offenbar keinen bewaffneten Aufstand, der Palästinenserpräsident kann es sich aber nicht leisten, den Messerterror zu verurteilen. Benjamin Netanjahu wiederum ruft Abbas auf, sofort Verhandlungen ohne Vorbedingungen aufzunehmen, doch niemand hört dem israelischen Premier zu. Die Palästinenser glauben nicht an den guten Willen der Israelis und versuchen, in internationalen Organisationen zumindest auf dem Papier einen eigenen Staat zu bekommen. Vom letzten Versuch einer Verhandlungslösung hatte sich John Kerry im April 2014 verabschiedet. An die Initiative des US-Außenministers hatte ohnehin nur er selbst geglaubt. Jetzt schaltet sich Kerry plötzlich wieder ein: Er will am Donnerstag in Berlin mit Netanjahu reden und danach, vermutlich in Amman, mit Abbas. Die Erwartungen sind bescheiden, aber vielleicht könnten klärende Worte zum Besuch von Nicht muslimen auf dem Tempelberg gesprochen werden. Obwohl die Israelis versichern, den Status quo nicht zu verändern, glauben die Palästinenser, dass Israel die Muslime zurückdrängen will. Einen kolportierten französischen Vorschlag, auf dem Tempelberg internationale Beobachter zu postieren, wies Netanjahu zurück: Die Gebetsordnung, die Besuchsrechte wurden in den letzten 15 Jahren nicht verändert – Israel ist nicht das Problem auf dem Tempelberg, Israel ist die Lösung. (Ben Segenreich aus Tel Aviv, 19.10.215.) Uno-Generalsekretär traf Palästinenserpräsident Abbas. Jerusalem – Im Bemühen um eine Eindämmung der blutigen Gewalt in Nahost ist UN-Generalsekretär Ban Ki-moon am Mittwoch in Ramallah mit palästinensischer Präsident Mahmoud Abbas zusammengetroffen. Bei neuen tödlichen Zwischenfällen waren am Vortag ein Israeli und fünf Palästinenser getötet worden. Vier der Palästinenser wurden bei ihren Anschlägen von Sicherheitskräften erschossen, ein fünfter kam bei Konfrontationen an der Grenze zum Gazastreifen zu Tode. Ein israelischer Siedler wurde im südlichen Westjordanland überfahren, nachdem sein Auto von einer palästinensischen Menge mit Steinen beworfen worden war. Bei einem Treffen mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu hatte Ban beide Seiten am Dienstagabend zur Mäßigung und zu einer Rückkehr an den Verhandlungstisch aufgerufen. Ich bedaure willkürliche Angriffe auf Zivilisten, sagte Ban zu der jüngsten Welle palästinensischer Attacken auf Israelis. Solche Terrorakte machen jeden Ort unsicher, und jede Person ungeachtet von Geschlecht und Alter zu einem potenziellen Opfer. Scharfe israelische Gegenmaßnahmen könnten jedoch kontraproduktiv sein, sagte Ban. Israelis und Palästinenser stehen an der Schwelle einer neuen katastrophalen Gewaltperiode. Wir müssen verhindern, dass die Situation in einen religiösen Konflikt eskaliert, mit möglichen regionalen Auswirkungen. Ban sprach sich für die Aufnahme ernsthafter Friedensgespräche aus, die auf ein Ende der israelischen Besatzung abzielen.(APA, 21.10.2015) US-Außenminister Kerry gibt sich nach Berlin-Besuch für Treffen des Nahost-Quartetts in Österreich optimistisch. Berlin/Jerusalem/Wien – Die umstrittene Äußerung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, der Großmufti von Jerusalem Amin al-Husseini habe seinerzeit Adolf Hitler zur systematischen Vernichtung der Juden angestiftet, war nicht gerade dazu angetan, die jüngsten Spannungen zwischen Israel und den Palästinensern zu mindern. Dennoch zeigte sich US-Außenminister John Kerry am Donnerstag einmal mehr vorsichtig optimistisch: Nach einem mehrstündigen Gespräch mit Netanjahu in Berlin sagte er, er rechne mit baldigen Fortschritten. Er glaube, dass alle Beteiligten an einer Lösung interessiert seien. Netanjahu zeigte – wie schon nach einem Treffen mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel – weiterhin Härte und bezichtigte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas der Lüge und Hetze gegen Israel. Am heutigen Freitag findet am Rande der Syrien-Konferenz in Wien (siehe oben) auch ein Treffen des Nahost-Quartetts statt. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini erklärte, sie wolle gemeinsam mit Kerry, dem russischen Außenminister Sergej Lawrow sowie dem UN-Gesandten für Nahost versuchen, eine gemeinsame, starke Botschaft an die Konfliktparteien auszusenden, dass sich die Situation beruhigen muss. Seit Monatsbeginn nahm die Zahl von Anschlägen deutlich zu. Acht jüdische Israelis wurden dabei getötet. Außerdem wurden 50 Palästinenser getötet. Bei den meisten von ihnen handelte es sich um mutmaßliche Angreifer, andere wurden bei Protesten erschossen. Seit drei Wochen eskaliert erneut die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern. Gaza – Bei Zusammenstößen mit israelischen Soldaten sind nach Angaben der palästinensischen Behörden im Westjordanland und Gazastreifen mehr als 90 Menschen verletzt worden. Im Gazastreifen hatten am Freitag Demonstranten israelische Soldaten mit Steinen beworfen, berichteten Augenzeugen. Die Soldaten feuerten demnach Tränengas ab, schossen aber auch mit Gummigeschoßen und scharfer Munition. Wie ein Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza mitteilte, wurden dabei etwa 65 Menschen verletzt. Im Westjordanland wurden den dortigen Gesundheitsbehörden zufolge 31 Menschen bei ähnlichen Zusammenstößen verletzt. Seit drei Wochen eskaliert erneut die Gewalt zwischen Israel und den Palästinensern. Bei rund 30 palästinensischen Anschlägen und Konfrontationen von Demonstranten mit Sicherheitskräften wurden neun Israelis, ein Afrikaner und mehr als 50 Palästinenser getötet. Die meisten Palästinenser waren Attentäter, die bei ihrem Anschlag von Sicherheitskräften oder Zivilisten erschossen wurden. Als ein Auslöser der neuen Gewalt gilt ein Streit um die Nutzungsrechte des Tempelbergs in Jerusalem, der Muslimen und Juden heilig ist. Israel streitet palästinensische Vorwürfe ab, es wolle mehr Kontrolle über die drittheiligste Stätte des Islams erlangen. Opfer erlitt schwere Stichwunde im Nacken. Jerusalem – Ein Palästinenser hat am Montag im Süden des besetzten Westjordanlands einen 19-jährigen Israeli mit einem Messer schwer verletzt, bevor er erschossen wurde. Der Angreifer stach sein Opfer in den Nacken und verwundete es schwer, teilte das israelische Militär mit. Der Angreifer starb noch am Tatort, nachdem er von Schüssen getroffen wurde. Der schwer verletzte Israeli wurde in ein Krankenhaus in Jerusalem gebracht. Der Angriff ereignete sich an einer Kreuzung am Nordrand von Hebron. Die größte palästinensische Stadt im Westjordanland ist ein Schwerpunkt der Welle von Attentaten palästinensischer Angreifer auf jüdische Israelis. Dabei wurden seit Monatsbeginn acht Israelis getötet. Im gleichen Zeitraum wurden 54 Palästinenser und ein arabischer Israeli getötet. Die meisten von ihnen waren erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Die anderen wurden bei oder am Rande von gewaltsamen Protesten getötet. Erneut mutmaßlicher palästinensischer Angreifer erschossen – Bill Clinton will bei Rabin-Gedenken in Tel Aviv sprechen. Hebron/Tel Aviv – Im Westjordanland hat es am Samstag neue Gewalt zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften gegeben. In Hebron kam es zu Krawallen zwischen steinewerfenden Palästinensern und israelischen Soldaten, als dort die Leichen von fünf mutmaßlichen palästinensischen Attentätern bestattet wurden. In Tel Aviv sollte indes am Abend die Ermordung von Ex-Premier Yitzhak Rabin erinnert werden. Tausende Palästinenser versammelten sich am Samstag in Hebron, um die fünf Jugendlichen, darunter zwei junge Frauen, zu beerdigen. Sie schwenkten palästinensische Flaggen und riefen Wir werden sterben, aber Palästina wird weiterleben. Ein weiterer Palästinenser wurde im besetzten Ostteil Jerusalems beigesetzt. Am Freitagabend war bereits ein Palästinenser in Jenin im Westjordanland bestattet worden. Nach israelischen Angaben waren sie für Messerattacken oder versuchte Messerangriffe auf Soldaten verantwortlich. Die Leichen der mutmaßlichen Attentäter waren bisher von den israelischen Behörden als Abschreckungsmaßnahme zurückgehalten worden, um weitere Angriffe zu verhindern. Am Freitag war mitgeteilt worden, dass sieben Leichen freigegeben worden seien, offenbar um die angeheizte Lage zu beruhigen. Die Familien der getöteten Palästinenser beklagen die Praxis der Zurückhaltung der Leichen als kollektive Bestrafung. Die israelische Armee hat am Samstag bestritten, für den Tod eines acht Monate alten palästinensischen Buben in Bethlehem verantwortlich zu sein. Das palästinensische Gesundheitsministerium im israelisch besetzten Westjordanland hatte zuvor mitgeteilt, das Baby sei am Freitag in seinem Elternhaus an von Soldaten abgefeuertem Tränengas erstickt. Dazu hieß es jetzt in einer Erklärung der Streitkräfte, Untersuchungen hätten ergeben, dass es keinerlei Zusammenhang zwischen dem Armeeeinsatz und dem tragischen Tod des Kindes gebe. Tränengas wurde demnach in dutzenden Metern Entfernung vom Haus der Familie verwendet. Keines der bei Zusammenstößen mit palästinensischen Jugendlichen eingesetzten Mittel zu deren Vertreibung sei auf das Haus gerichtet gewesen. An der Beerdigung des Buben nahmen am Samstag Hunderte Menschen teil. Die Spannungen zwischen Palästinensern und israelischen Sicherheitskräften haben seit Anfang Oktober wieder stark zugenommen. In Jerusalem und im Westjordanland, vor allem rund um Hebron, kommt es seit fast einem Monat ständig zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen israelischen Soldaten und steinewerfenden palästinensischen Jugendlichen. Überdies gibt es täglich Messerangriffe auf Israelis. Am Samstag wurde erneut ein mit einem Messer bewaffneter Palästinenser von israelischen Sicherheitskräften erschossen. Der Mann sei von Jenin im besetzten Westjordanland auf dem Weg nach Israel gewesen und habe sich einem Kontrollposten genähert, teilte die Polizei mit. Die Grenzpolizisten hätten das Feuer auf den mutmaßlichen Angreifer eröffnet, bevor er sie habe angreifen können. Insgesamt wurden bei den Anschlägen seit Anfang Oktober bisher neun Israelis getötet. Im Zuge der Unruhen starben im gleichen Zeitraum 66 Palästinenser und ein arabischer Israeli, bei mehr als der Hälfte von ihnen handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Auch am Freitag hatte es im Westjordanland wieder schwere Zusammenstöße gegeben. Bei einem Tränengas-Einsatz der israelischen Streitkräfte erstickte dabei ein acht Monate alter palästinensischer Bub, wie das palästinensische Gesundheitsministerium bekannt gab. Zuvor hatte ein Palästinenser in Jerusalem bei einer Messerattacke einen US-Touristen verletzt, bevor der Angreifer erschossen wurde. In Tel Aviv liefen am Samstag indes die Vorbereitungen für eine Gedenkveranstaltung zur Ermordung des früheren israelischen Regierungschefs Rabins vor 20 Jahren. Ex-US-Präsident Bill Clinton sollte bei der Veranstaltung eine Rede halten. Rabin war am 4. November 1995 von einem jüdischen Rechtsextremisten erschossen worden. Rabin und der frühere Chef der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Yasser Arafat, hatten 1993 als Gäste von Clinton ein in Oslo ausgehandeltes Friedensabkommen unterzeichnet. Seit der Ermordung Rabins gab es zwar weitere Verhandlungsrunden, die jedoch keine Ergebnisse brachten. Derzeit liegen die Friedensgespräche vollständig auf Eis. Palästinenser erschossen, zweiter Verdächtiger festgenommen. Jerusalem – Bei einer neuen Messerattacke auf israelische Soldaten ist am Montag ein mutmaßlicher palästinensischer Attentäter erschossen worden. Der Vorfall habe sich am Jalame-Übergang zwischen Israel und dem Westjordanland ereignet, teilte die Armee mit. Soldaten hätten sich zwei Verdächtigen an einer Tankstelle neben dem Kontrollpunkt genähert. Einer von ihnen habe daraufhin versucht, einen der Soldaten mit einem Messer anzugreifen. Daraufhin habe die Truppe das Feuer auf ihn eröffnet. Der zweite Verdächtige sei festgenommen worden. Es sei der dritte Vorfall an dem Übergang zur Palästinenserstadt Jenin in den vergangenen Wochen, hieß es in einer Mitteilung des Militärs. Seit Anfang Oktober sind bei palästinensischen Messerattacken und Konfrontationen zehn Israelis und mehr als 70 Palästinenser getötet worden. Die meisten der getöteten Palästinenser waren Attentäter, die bei ihren Anschlägen von israelischen Sicherheitskräften oder Zivilisten erschossen wurden. Der Rest kam bei Ausschreitungen im Westjordanland, in Ostjerusalem und an der Grenze zum Gazastreifen ums Leben. Als ein Auslöser der neuen Gewalteskalation gilt der Streit um die Besuchs- und Gebetsrechte auf dem Tempelberg in Jerusalem, der Muslimen und Juden heilig ist. Zwei Palästinenser erschossen und vier Israelis schwer verletzt. Jerusalem – Bei erneuter Gewalt im Westjordanland sind am Freitag zwei Palästinenser getötet und vier Israelis schwer verletzt worden. Bei einer Protestaktion östlich von Chan Junis erschoss die israelische Armee nach palästinensischen Angaben einen Palästinenser, in Hebron wurde eine 72-jährige Palästinenserin wegen eines mutmaßlichen Angriffsversuchs getötet. Bei mehreren Angriffen im Westjordanland erlitten vier Israelis schwere Verletzungen, ein weiterer wurde leicht verletzt. Bei Zusammenstößen im südlichen Gazastreifen erschoss die israelische Armee am Freitag einen 23-jährigen Palästinenser. Wie das Gesundheitsministerium der im Gazastreifen regierenden radikalislamischen Hamas weiter mitteilte, ereignete sich der Vorfall östlich von Chan Junis bei einer Protestaktion mehrerer Palästinenserorganisationen. Die israelische Armee erklärte, die Soldaten hätten zunächst Warnschüsse in die Luft abgegeben und dann das Feuer eröffnet, als mehrere Palästinenser die Pufferzone zu Israel hätten durchbrechen wollen. An verschiedenen Orten im Gazastreifen wurden insgesamt 30 Palästinenser durch Schüsse verletzt. In Hebron im Westjordanland erschossen israelische Soldaten nach Armeeangaben eine Palästinenserin. Die 72-Jährige habe versucht, Armeeangehörige mit ihrem Wagen zu rammen, hieß es. Palästinensische Ärzte sagten, die Frau sei vermutlich bei strömendem Regen unbeabsichtigt vom Weg abgekommen. An einer heiligen Stätte im Westjordanland verletzten Unbekannte zwei Israelis durch Schüsse. Der Vorfall habe sich am Grab der Patriarchen in Hebron ereignet, erklärte die israelische Armee. Sanitäter teilten später mit, ein 16-Jähriger befinde sich nach dem Angriff in einem ernsten Zustand. Zudem werde ein 18-Jähriger wegen leichter Verletzungen im Krankenhaus behandelt. Das Grab der Patriarchen, darunter der jüdische Stammvater Abraham, ist sowohl den Juden als auch den Muslimen heilig. Bei einem Messerangriff nördlich von Jerusalem verletzte ein Palästinenser einen Israeli schwer. Wie die israelische Armee mitteilte, griff der Mann sein Opfer vor einem Supermarkt in der jüdischen Siedlung Shaar Binjamin im Westjordanland an und ergriff anschließend die Flucht. In der Nähe des Dorfes Beit Anon südlich von Hebron wurde nach Angaben von Armee und Sanitätern ein 19-jähriger Israeli angeschossen und schwer verletzt. In Hebron wurden bei Zusammenstößen nach dem muslimischen Freitagsgebet zwischen Steine werfenden Palästinensern und israelischen Soldaten 15 Palästinenser verletzt, wie palästinensische Rettungskräfte mitteilten. Gewaltsame Auseinandersetzungen gab es auch in der Nähe der jüdischen Siedlung Psagot bei Ramallah. Die israelische Armee setzte dort Gummigeschosse und Tränengas ein und feuerte Warnschüsse in die Luft, wie eine Reporterin der Nachrichtenagentur AFP berichtete. Journalisten vor Ort wurden demnach von Soldaten beleidigt und mit Blendgranaten beschossen. Die Spannungen zwischen Israelis und Palästinensern hatten sich in den vergangenen Wochen verschärft. Seit Anfang Oktober gab es in Israel, in Ostjerusalem und im Westjordanland fast täglich Angriffe auf israelische Zivilisten und Sicherheitskräfte. Jeden Freitag rufen palästinensische Bewegungen im Westjordanland und im Gazastreifen zu Protesten gegen Israel an. Neun Israelis fielen den Attentaten seitdem zum Opfer. Im selben Zeitraum wurden mehr als 70 Palästinenser getötet. Bei mehr als der Hälfte von ihnen handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Mittlerweile wird eine neue Intifada, ein gewaltsamer palästinensischer Aufstand gegen Israel, befürchtet. Großfahndung nach mehreren Angriffen auf Israelis. Jerusalem/Hebron – Die israelische Armee hat am Samstag die Ausgänge der Stadt Hebron im besetzten Westjordanland blockiert und eine Großfahndung nach mutmaßlichen palästinensischen Angreifern vom Vortag eingeleitet. Soldaten durchsuchten mehrere palästinensische Häuser, unter anderem im Viertel Tel Rumeida, das an eine für Palästinenser verbotene Straße grenzt. Das Gebiet liegt in der von Israel kontrollierten sogenannten Zone H2, in der sich auch die Ibrahim-Moschee, auch bekannt als Grab der Patriarchen, befindet. Die Pilgerstätte gilt gläubigen Juden und Muslimen als heilig. Der Überlieferung nach sollen dort der gemeinsame Stammvater Abraham, Isaak und Jakob sowie ihre Frauen Sara, Rebekka und Lea begraben sein. Unbekannte hatten dort am Freitag während eines noch bis Samstagabend dauernden Besuchs von etwa 4.000 jüdischen Pilgern zwei Israelis durch Schüsse verletzt. In der Nähe des Dorfes Beit Anon bei Hebron wurde nach Armeeangaben ein weiterer Israeli angeschossen und schwer verletzt. Die israelische Menschenrechtsorganisation Btselem kritisierte die Abriegelung des Tel-Rumeida-Viertels und die strikten Sicherheitskontrollen der dort lebenden Palästinenser durch die israelische Armee. In Hebron leben etwa 500 durch Wachtürme und Stacheldraht abgesicherte jüdische Siedler inmitten von rund 200.000 Palästinensern. (APA, 7.11.2015 ) 24 Festnahmen im Westjordanland. Tel Aviv – Israelische Sicherheitskräfte haben in der palästinensischen Stadt Kalkilia im Westjordanland ein mutmaßliches Netzwerk der radikal-islamischen Hamas ausgehoben. 24 Mitglieder seien in der Nacht festgenommen worden, teilte die Armee am Dienstag mit. Die Drahtzieher hätten die Tätigkeit der Hamas in der Region wiederbeleben wollen und Terroranschläge geplant, hieß es. Es seien auch 35.000 Schekel (knapp 8.300 Euro) beschlagnahmt worden. Das Geld sollte angeblich zur Finanzierung von Terroraktivitäten dienen. 'Die EU-Kommission hat mit einer Leitlinie zur Kennzeichnung von Waren aus israelischen Siedlungen Verärgerung ausgelöst. Mit einer interpretativen Notiz über die Kennzeichnung von Produkten aus israelischen Siedlungen hat die EU am Mittwoch in Israel einen Sturm der Entrüstung ausgelöst, der quer durch die politischen Lager ging. Regierungs- und Oppositionspolitiker sprachen von einer dummen Entscheidung, einer Kapitulation vor der Boykottbewegung und einem Preis für den palästinensischen Terror. Regierungschef Benjamin Netanjahu fühlte sich gar an den Nazi-Boykott jüdischer Waren erinnert: Die Kennzeichnung von Produkten des jüdischen Staates durch die EU bringt dunkle Erinnerungen zurück, Europa sollte sich für sich selbst schämen, erklärte er in einem auf Facebook veröffentlichten Video. Vor Medienvertretern in Jerusalem versuchte der EU-Botschafter in Israel, der Däne Lars Faaborg-Andersen, zu beschwichtigen: Es handle sich bloß um eine technische Angelegenheit, die keine neue Politik ausdrückt – die EU ist gegen jede Form von Boykott oder Sanktionen und gegen alles, was auf eine Isolierung Israels abzielt. Das israelische Außenministerium, das Faaborg-Andersen zu Erläuterungen einbestellte, sah das ganz anders: In einer offiziellen Stellungnahme verurteilte es den außergewöhnlichen und diskriminierenden Schritt, der doppelte Maßstäbe an Israel anlege und dabei ignoriert, dass es weltweit 200 andere territoriale Konflikte gibt. Faaborg-Andersen bekannte, dass die EU noch nie zuvor eine ähnliche Anweisung für irgendein anderes Land erteilt habe Konfrontation zwischen jugendlichen Palästinensern und israelischer Armee. Ramallah/Tel Aviv – Bei Konfrontationen nach einer Häuserzerstörung im Westjordanland sind am Montag mindestens zwei Palästinenser getötet worden. In Kalandia bei Ramallah sei es zu einer Auseinandersetzung zwischen jugendlichen Palästinensern und der israelischen Armee gekommen, schrieb die palästinensische Nachrichtenagentur Maan. Dabei seien auch mehrere Menschen verletzt worden. Die israelische Armee teilte mit, das Haus eines palästinensischen Attentäters sei in Kalandia demoliert worden. Er sei für einen tödlichen Anschlag auf einen Israeli im Juni verantwortlich gewesen. Während des Einsatzes hätten Palästinenser auf die Soldaten geschossen. Diese hätten das Feuer erwidert. Israels Höchstes Gericht hatte in der vergangenen Woche die Zerstörung der Gebäude als Strafmaßnahme erlaubt. Seit Anfang Oktober sind bei einer Serie palästinensischer Anschläge 13 Israelis getötet worden. Im selben Zeitraum starben rund 80 Palästinenser, die meisten wurden erschossen, weil sie Israelis angegriffen hatten. Als ein Auslöser der Gewalt gilt ein Streit um Besuchs- und Gebetsrechte auf dem Tempelberg in Jerusalem, der Muslimen und Juden heilig ist. Baupläne im besetzten Ostteil Jerusalems seit Jahren umstritten. Jerusalem – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat den Verkauf von hunderten Siedlerwohnungen im besetzten Ostteil Jerusalems genehmigt. Ein Regierungsvertreter bestätigte am Dienstag, dass Netanjahu zugestimmt habe, 436 Wohnungen im jüdisch-orthodoxen Viertel Ramat Shlomo und 18 Wohnungen in Ramot auf den Markt zu bringen. Bereits 2010 hatte Israels Innenministerium während eines Besuchs von US-Vizepräsident Joe Biden angekündigt, 1.600 Wohnungen in Ramat Shlomo bauen zu wollen. Die Ankündigung war in den USA auf heftigen Widerstand gestoßen und hatte die bilateralen Beziehungen über Monate eingetrübt. Wegen der Spannungen waren die Baupläne zunächst auf Eis gelegt worden, im Mai hatte Israel den Bau von 900 Siedlerwohnungen in Ramat Shlomo dann aber doch genehmigt. Die Regierung unter US-Präsident Barack Obama betrachtet Israels Siedlungspolitik im seit 1967 besetzten Ostjerusalem sowie im Westjordanland als eines der größten Hindernisse für einen Friedensvertrag zwischen Israelis und Palästinensern. Angriff eines Palästinensers in großem Büro- und Geschäftszentrum. Tel Aviv – Bei palästinensischen Anschlägen in Tel Aviv und im Westjordanland sind am Donnerstag fünf Menschen getötet worden. In Tel Aviv erstach ein Angreifer in einem Bürogebäude zwei Israelis und verletzte einen weiteren mit einem Messer. Wenig später eröffneten Palästinenser südlich von Bethlehem das Feuer auf Israelis und rammten danach eine Gruppe mit ihrem Auto. Dabei starben drei Menschen: ein Israeli, ein US-amerikanischer Tourist und ein Palästinenser. Weitere Menschen wurden verletzt, alle Angreifer nach Polizeiangaben gefasst. Die im Gazastreifen herrschende Hamas begrüßte den Anschlag in Tel Aviv als heroisch. Israelische Medien berichteten, der Angreifer habe vor einem jüdischen Gebetsraum im Panorama-Gebäude im Süden der Stadt auf Menschen eingestochen. Nach Angaben der palästinensischen Nachrichtenagentur Maan stammte der Täter aus Hebron im Westjordanland. Wir haben gerade angefangen zu beten, da kam ein blutüberströmter Mann in die Synagoge gelaufen und brach zusammen, erzählte ein Augenzeuge der Nachrichtenseite ynet. Wir sahen einen Terroristen mit einem riesigen Messer, der in den Gebetsraum eindringen wollte, aber wir konnten gerade noch die Tür blockieren. In Tel Aviv wurde zuletzt am 8. Oktober ein Palästinenser erschossen, nachdem er auf eine Soldatin eingestochen hatte. Die Unruhen wurden durch Gerüchte ausgelöst, wonach Israel den Tempelberg in Jerusalem schließen will, auf dem sich zwei wichtige islamische Heiligtümer befinden. Die israelische Regierung macht die Palästinenserführung für das Streuen der Gerüchte verantwortlich und hat mehrfach bekräftigt, den Status quo nicht antasten zu wollen. Mann wollte angeblich Messerangriff verüben. Jerusalem – Im Westjordanland ist ein Palästinenser erschossen worden, der angeblich einen Messerangriff verüben wollte. Der mit einem Messer bewaffnete Mann haben sich einer Tankstelle genähert, die von Trampern genutzt wird, und sei von einem israelischen Soldaten erschossen worden, teilte die Polizei am Dienstag mit. Auf israelischer Seite sei bei dem Vorfall nahe des Siedlungsblocks von Gush Etzion südlich von Jerusalem niemand verletzt worden. An der Straßenkreuzung zwischen Bethlehem und Hebron gab es in den vergangenen Wochen bereits wiederholt Angriffe. In Israel und den besetzten Palästinensergebieten ist die Situation seit Monaten stark angespannt. Palästinensische Einzeltäter verübten seit Anfang Oktober dutzende Attacken auf Israelis, zumeist mit Stichwaffen. Nach Zählung der Nachrichtenagentur AFP wurden 17 Israelis, ein US-Bürger und ein Eritreer getötet und hunderte weitere Menschen verletzt. Auf palästinensischer Seite gab es 102 Tote, darunter ein arabischer Israeli, ein Großteil davon mutmaßliche Attentäter. Während die internationale Gemeinschaft Schritte zur Entspannung fordert, will Israel die Strafmaßnahmen verschärfen. Hunderte israelische Sicherheitskräfte im Einsatz in Jerusalem. Jerusalem – Hunderte israelische Sicherheitskräfte sind am Mittwoch in ein palästinensisches Viertel eingedrungen, um dort das Haus eines Attentäters zu zerstören. Rund 1.200 Polizisten und Soldaten seien an der Aktion in Shuafat im arabischen Ostteil Jerusalems beteiligt, berichtete die Nachrichtenseite ynetnews. Das Haus gehöre einem Palästinenser, der vor einem Jahr in Jerusalem eine Gruppe von Israelis mit seinem Auto gerammt und zwei von ihnen getötet hatte. Der Attentäter wurde bei dem Anschlag erschossen. Die radikal-islamische Palästinenserorganisation Hamas hatte sich damals zu der Tat bekannt. Die Familie des Attentäters, ein Vater von fünf Kindern, hatte ebenfalls Unterstützung bekundet. Die Sicherheitskräfte stellten sich während des Einsatzes in Shuafat auf mögliche Unruhen ein. Polizisten begleiteten die schweren Militärfahrzeuge. Israels Höchstes Gericht hatte die Maßnahme gebilligt. Die Zerstörung der Häuser von mutmaßlichen, verurteilten oder auch getöteten Terroristen ist allerdings völkerrechtlich umstritten. Menschenrechtsorganisationen lehnen die Strafmaßnahme als Kriegsverbrechen ab. Israel rechtfertigt sie hingegen als wichtige Abschreckung. In den Häusern leben in der Regel die Familien der Attentäter, die durch die Zerstörung häufig obdachlos werden. Reaktion auf Kennzeichnungspflicht für Produkte aus israelischen Siedlungen in besetzten Gebieten. Jerusalem – Israel will nach der Kennzeichnungspflicht für Siedlerprodukte die EU vorerst nicht mehr als Vermittlerin im Nahost-Friedensprozess akzeptieren. Die diplomatischen Beziehungen zur EU und deren Vertretern würden auf Anordnung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in dieser Angelegenheit bis zu einer Neubewertung ausgesetzt, teilte das Außenministerium am Sonntag mit. Das Verhältnis zu einzelnen Ländern wie Deutschland, Frankreich und Großbritannien sei davon allerdings nicht betroffen. Produkte, die in jüdischen Siedlungen in besetzten palästinensischen Gebieten hergestellt werden, müssen gegen den Willen Israels künftig gekennzeichnet werden. Die EU-Kommission hatte die neue Pflicht zur Herkunftsbezeichnung vor kurzem beschlossen. Die EU betrachtet wie die meisten Staaten israelische Siedlungen in besetzten Palästinensergebieten als völkerrechtswidrig. Aus ihrer Sicht sind sie ein Haupthindernis auf dem Weg zu einer Zwei-Staaten-Lösung, als deren Folge Israelis und Palästinenser friedlich nebeneinander leben würden. Soldaten nahmen fünf Menschen fest. Ramallah – Israelische Soldaten haben einen Palästinenser bei einem Einsatz in einem Flüchtlingslager im Westjordanland getötet. Der 20-Jährige wurde bei dem Vorfall am Dienstag am Stadtrand von Bethlehem erschossen, wie medizinische Kreise und palästinensische Medien berichteten. Eine große Anzahl Soldaten hatte demnach am frühen Morgen das Lager betreten, um Aktivisten festzunehmen. Anrainer hätten die Soldaten mit Steinen und Flaschen beworfen. Die Armee habe daraufhin Tränengas eingesetzt und geschossen. Dabei sei der Mann getötet worden. Die israelische Armee sagte, ein Palästinenser habe die Truppen angegriffen und sei erschossen worden. Die Soldaten nahmen fünf Menschen fest, wie Bewohner des Lagers berichteten. Seit Beginn einer neuen Gewaltwelle Anfang Oktober wurden insgesamt 117 Palästinenser getötet. Nach israelischen Angaben kamen die meisten bei Angriffen auf Israelis um. Andere starben bei Zusammenstößen mit dem Militär. Im selben Zeitraum wurden 18 Israelis getötet. Polizist nach Vorgehen gegen Mädchen bei Scheren-Attacke verhört. Jerusalem – Tödliche Schüsse auf eine am Boden liegende 16-Jährige: Erste Ermittlungen gegen einen Polizeibeamten haben in Israel die Diskussion um die Wahrung der Verhältnismäßigkeit bei der Abwehr von Messerattacken neu entfacht. Geklärt werden soll, warum der Polizist nach einer Scheren-Attacke auf eine bereits angeschossene und reglos am Boden liegende palästinensische Teenagerin feuerte. Vonseiten israelischer Bürgerrechtler und aus dem Ausland wird zunehmend Kritik am Vorgehen der israelischen Sicherheitskräfte laut. Auf Empfehlung der Generalstaatsanwaltschaft leitete das israelische Justizministerium Ermittlungen gegen den Beamten ein, der Ende November im Zentrum von Jerusalem auf zwei mit Scheren bewaffnete palästinensische Mädchen geschossen hatte. Der Mann wurde am Sonntag vernommen. Seit Anfang Oktober in Israel und den besetzten Palästinensergebieten eine Serie von Angriffen auf Israelis begann, ist dies das erste Mal, dass gegen einen Angehörigen der Sicherheitskräfte ermittelt wird. Die beiden 14 und 16 Jahre alten Ost-Jerusalemer Cousinen hatten am 23. November im Westteil der Stadt nahe des jüdischen Zentralmarkts mit Scheren um sich gestochen. Die Schülerinnen wollten den Bruder von einer der beiden rächen, der 2013 bei gewaltsamen Protesten einen tödlichen Kopfschuss erlitt. Ein Kampfmittelräumer der Polizei sah die Scheren-Attacke, sprang aus seinem Auto und schoss auf die beiden Angreiferinnen, die einen 70-jährigen Mann leicht verletzten. Die 14-jährige war sofort tot, ihre 16-jährige Cousine lag verletzt am Boden. Wie Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigen, ging der Beamte zurück zu ihr und schoss erneut auf sie. Diese Handlungsweise löste die aktuellen Ermittlungen aus. Israels Generalstaatsanwalt Jehuda Weinstein hatte Ende Oktober vor dem Hintergrund mehrerer fragwürdiger Vorfälle klargestellt, dass die Einsatzregeln klar vorschreiben, dass keine Schüsse mehr abgegeben werden dürfen, wenn die Gefahr für Leib und Leben abgewendet ist. Wer auf einen bereits kampfunfähigen Attentäter schieße, verstößt gegen das Gesetz. Israelische Bürgerrechtler kritisieren, dass dieser Grundsatz in den vergangenen zehn Wochen mehrfach missachtet worden sei. Bei Dutzenden Angriffen mit Messern sowie Schusswaffen und Autos sind in dieser Zeit bereits 17 Israelis und ein US-Bürger getötet worden. Die meisten Angreifer wurden auf der Stelle erschossen. Auch ein eritreischer Flüchtling, der fälschlich für einen Attentäter gehalten wurde, wurde von Wachleuten und einem aufgebrachten Mob getötet. Die Menschenrechtsgruppe BTselem nahm den Vorfall zum Anlass, einen offenen Brief an Ministerpräsident Benjamin Netanjahu zu schreiben, in dem sie auf das Risiko außergerichtlicher Hinrichtungen hinwies. Dabei wurden vier Fälle in Jerusalem und einer im Westjordanland genannt, bei denen auf mutmaßliche Attentäter noch geschossen wurde, als diese bereits regungslos am Boden lagen. BTselem kritisierte, dass Äußerungen von israelischen Regierungsmitgliedern ein Klima erzeugt hätten, in dem Polizeibeamte und sogar bewaffnete Zivilisten zu Richtern und Henkern werden. So habe der Minister für Innere Sicherheit Gilad Erdan verkündet: Jeder Terrorist sollte wissen, dass er die Attacke, die er begehen will, nicht überleben wird. Auch im Ausland erzeugte die hohe Todesrate unter den erwiesenen oder mutmaßlichen Messerstechern Zweifel am rechtsstaatlichen Vorgehen. Zwei Sonderberichterstatter des UN-Menschenrechtsrats berichteten Mitte November: Fälle übermäßigen Gewalteinsatzes durch israelische Sicherheitskräfte gegen Palästinenser, von denen einige wie standrechtliche Hinrichtungen aussehen, werden weiterhin bekannt und manche wurden auf Video festgehalten. Auch Schwedens Außenministerin Margot Wallström verurteilte vergangene Woche in einer Fragestunde des Parlaments die anhaltenden Messerattentate auf Israelis, warnte aber zugleich, die Antwort darauf dürfe nicht unverhältnismäßig sein und berge das Risiko von außergerichtlichen Hinrichtungen. Das israelische Außenministerium verurteilte diese Äußerung als skandalös, erschreckend unverschämt und realitätsfremd. Israeli bei zweiter Attacke binnen 24 Stunden verletzt. Jerusalem – Bei einer neuen Messerattacke auf einen israelischen Polizisten ist in Jerusalem am Wochenende zwei junge Palästinenser erschossen worden, bei einer zweiten Attacke binnen 24 Stunden wurde ein Israeli leicht verletzt. Die Gewalt war von einem Video jüdischer Extremisten angeheizt worden, in dem der Feuertod eines palästinensischen Kindes gefeiert wird. Die jüngste Messerattacke ereignete sich am Sonntagmorgen nahe dem zentralen Busbahnhof in West-Jerusalem, von dem Sonntags stets hunderte israelische Soldaten zu ihren Stützpunkten zurückkehren. Ein Palästinenser habe einen Soldaten leicht mit einem Küchenmesser verletzt, sei dann von einem privaten Wachmann überwältigt worden, erklärte die Polizei. Der Angreifer sei verhaftet worden. Am Samstagmorgen wollten Polizisten in der Jerusalemer Altstadt einen Verdächtigen kontrollieren. Als der Palästinenser ein Messer gezogen habe, sei er angeschossen worden und später seinen Verletzungen erlegen, teilte die Polizei mit. Am Samstagnachmittag hatten nach Polizeiangaben etwa 150 palästinensische Demonstranten entlang der Mauer der Altstadt in Ostjerusalem gegen die Praxis der israelischen Behörden protestiert, die Leichen getöteter palästinensischer Angreifer zu behalten und nicht ihren Angehörigen auszuhändigen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummigeschoße gegen die Demonstranten vor, als aus deren Reihen Steine geworfen wurden. Dem palästinensischen Roten Halbmond zufolge gab es etwa zwei Dutzend Verletzte. In Israel und den besetzten Palästinensergebieten ist die Lage seit Monaten stark angespannt. Seit Anfang Oktober gab es zahlreiche Messerattacken von Palästinensern auf Israelis. Bei Angriffen und Unruhen wurden seitdem laut einer Zählung einer Nachrichtenagentur 133 Palästinenser, 19 Israelis, ein US-Bürger und ein Eritreer getötet. Zahlreiche weitere Menschen wurden verletzt. Der Zorn der Palästinenser war durch ein Video angefacht worden, in dem jüdische Extremisten den Feuertod eines palästinensischen Kleinkinds feiern. In dem Video sind Gäste bei der Hochzeit eines rechtsradikalen Brautpaares zu sehen, die mit Waffen, Messern und einem Molotowcocktail tanzen und einem Foto eines im Juli bei einem Brandanschlag getöteten palästinensischen Buben Messerstiche versetzen. Das am Mittwochabend im israelischen Fernsehen gezeigte Video verbreitete sich schnell im Internet. Am Donnerstag leitete die israelische Justiz Ermittlungen dazu ein. Israelischen Medienberichten zufolge wurde der Bräutigam schon früher zu Vergehen im Zusammenhang mit jüdischem Extremismus befragt. Andere Hochzeitsgäste waren demnach Freunde oder Verwandte von Verdächtigen, die im Zusammenhang mit dem Brandanschlag auf die palästinensische Familie festgenommen worden waren. Papst Franziskus plädierte in seiner Weihnachtsansprache am Freitag für eine Wiederaufnahme der Nahost-Friedensgespräche. Israelis und Palästinenser sollten in direkten Dialog miteinander treten, sagte er. Notwendig sei eine Übereinkunft zur Überwindung des Konflikts, der schwere Auswirkungen auf die gesamte Region habe. Die Friedensgespräche zwischen Israelis und Palästinensern liegen auf Eis, seit der letzte Vermittlungsversuch von US-Außenminister John Kerry im April 2014 scheiterte. Reaktion auf Raketenangriffe aus Palästinensergebiet. Gaza/Jerusalem – Nach Raketenangriffen aus dem Gazastreifen hat die israelische Luftwaffe nach Angaben aus Sicherheitskreisen mehrere Ziele in dem Palästinensergebiet angegriffen. Die Luftangriffe am frühen Samstagmorgen hätten vier leer stehenden Anlagen von Beit Hanoun im Norden des Gazastreifens bis Rafah im Süden gegolten, verlautete aus palästinensischen Sicherheitskreisen. Dabei sei Sachschaden entstanden, aber niemand verletzt worden. Die israelische Armee teilte mit, die Luftwaffe habe zwei militärische Trainingslager der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas sowie zwei Militäranlagen beschossen. Die Hamas werde für alle Angriffe aus dem Gazastreifen verantwortlich gemacht, hob die Armee im Hinblick auf die vorherigen Raketenangriffe hervor. Am Freitagabend waren zwei Raketen aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels abgeschossen worden. Es gab weder Verletzte noch Sachschaden. Seit dem Ende des Gaza-Kriegs im Sommer 2014 wurden nach Militärangaben fast 30 Geschoße aus dem Gazastreifen auf Israel abgefeuert. Sunnitische Kämpfer, die nach eigenen Angaben Verbindungen zur Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) haben, bekannten sich zu den Angriffen. Haus von palästinensischen Attentäter zerstört. Jerusalem – Zwei Palästinenser sind nach einem Messerangriff auf einen Kontrollposten der israelischen Armee im besetzten Westjordanland erschossen worden. Die beiden Palästinenser hätten versucht, die Soldaten an der Straßensperre im Norden des Jordantals anzugreifen, doch hätten die Soldaten sie erschossen, teilte eine Armeesprecherin am Samstag mit. Israel und die besetzten Palästinensergebiete werden seit drei Monaten von einer neuen Welle der Gewalt erschüttert. Seit Anfang Oktober gibt es in den besetzten Gebieten fast täglich Messer- oder Autoangriffe auf Israelis. Die zumeist jungen Täter wurden bei den Angriffen meist erschossen. Laut einer Zählung der Nachrichtenagentur AFP wurden bei Angriffen und Zusammenstößen seit dem 1. Oktober 146 Palästinenser und 22 Israelis, ein Eritreer und ein US-Bürger getötet. In der Folge verschärfte Israel die Strafmaßnahmen gegen die Familien palästinensischer Attentäter. Wie die Armeesprecherin sagte, wurde in der Nacht auf Samstag in Hebron das Haus eines Palästinensers zerstört, der am 3. Oktober erschossen worden war, nachdem er einen israelischen Rabbi getötet hatte. Die Zerstörung von Häusern von Attentätern wird von Israel als effektives Abschreckungsmittel betrachtet, von Kritikern aber als unzulässige Kollektivstrafe verurteilt. Am Samstag sollten auch die Leichen von vier bei Angriffen getöteten Palästinensern übergeben werden. Armee berichtete von Anschlagsversuch am Grenzzaun. Gaza – Bei einem Luftangriff der israelischen Armee auf mutmaßliche Attentäter sind am Mittwoch im Gazastreifen ein Palästinenser getötet und mindestens drei weitere verletzt worden. Dies berichteten Israels Streitkräfte und ein palästinensischer Behördensprecher. Die in dem Autonomiegebiet herrschende Hamas-Behörde bestätigte am Mittwoch, es handle sich um Mitglieder der Kassam-Brigaden, des militärischen Hamas-Arms. Sie hätten sich dem Grenzzaun genähert. Die israelische Armee teilte mit, die Männer seien dabei gewesen, einen Sprengsatz zu legen. Sie hätten vorgehabt, ihn gegen israelische Truppen an der Grenze einzusetzen. Sicherheitskräfte an der Grenze zu Gaza haben zunehmend mit einer Bedrohung durch feindliche Terrorgruppen zu kämpfen, die die Lage destabilisieren wollen, sagte Armeesprecher Peter Lerner. Der Sprecher des Gesundheitsministeriums in Gaza, Ashraf al-Kudra, erklärte, bei dem Beschuss auf dem Strand nahe der Grenzkommune Beit Lahija seien ein 31-jähriger Mann getötet und mindestens drei weitere verletzt worden. Meist nur Sachschaden In den vergangenen Monaten richteten israelische Luftangriffe auf Ziele im Gazastreifen meist nur Sachschäden an und waren eine Vergeltung für Raketenbeschuss aus der Palästinenserenklave am Mittelmeer, der seinerseits weitgehend folgenlos blieb. In jüngster Zeit häufen sich Zwischenfälle direkt an den Sperranlagen, bei denen israelische Patrouillen beschossen oder mit Sprengvorrichtungen angegriffen werden. Israel und extremistische Palästinensergruppen im isolierten Gazastreifen haben seit 2008 dreimal Krieg gegeneinander geführt, zuletzt fünfzig Tage lang im Sommer 2014. Bei dem Konflikt wurden etwa 2.200 Palästinenser getötet, davon laut UNO etwa 1.500 Zivilisten. Große Teile der kleinen palästinensischen Küstenenklave wurden verwüstet. Auf israelischer Seite wurden 73 Menschen getötet, darunter 67 Soldaten. Im August 2014 verkündeten Israel und die Palästinenser eine Waffenruhe. Danach war es im Grenzgebiet nur noch sporadisch zu Konfrontationen gekommen. Auf Raketenangriffe militanter Palästinenser aus dem Gazastreifen reagiert Israel stets mit Luftangriffen auf Ziele in dem schmalen Küstenstreifen. Nach Attacke bei Hebron Anschlag auf Israelin nahe Bethlehem. Jerusalem – Erneut hat am Montag ein palästinensischer Angreifer eine israelische Frau innerhalb einer Siedlung im besetzten Westjordanland angegriffen. Das Opfer erlitt Stichwunden, der Angreifer wurde von Wachpersonal angeschossen, wie Armee und Sanitätsdienste mitteilten. Am Sonntagabend war eine sechsfache Mutter in ihrem Hauseingang erstochen worden. Seit dem Ausbruch der jüngsten Gewaltwelle im Nahost-Konflikt waren dies die ersten beiden Attentate innerhalb jüdischer Siedlungen. Der Angriff am Montag ereignete sich südöstlich von Bethlehem in der Siedlung Tekoa. Eine Frau wurde dort durch Messerstiche schwer verletzt, ehe Wachleute den palästinensischen Angreifer mit Schüssen außer Gefecht setzten. Zu seinem Zustand gab es zunächst widersprüchliche Angaben. Großfahndung Unterdessen ging auch am Montag die Großfahndung nach dem Attentäter weiter, der am Sonntagabend in der Siedlung Otniel eine 38-jährige Israelin erstochen hatte, die ihn daran hinderte, in ihr Haus einzudringen. Dort hielten sich drei ihrer sechs Kinder auf. Otniel ist eine isolierte Siedlung im Hügelland südlich von Hebron. Seit Anfang Oktober wurden bei mit Messern, Autos oder Schusswaffen verübten Angriffen von Palästinensern 24 Israelis und ein US-Bürger getötet. Im gleichen Zeitraum wurden bei diesen Zwischenfällen und bei Protestaktionen 155 Palästinenser getötet. Etwa zwei Drittel von ihnen waren erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Griechenland und andere Staaten mit Vorbehalten in Brüssel – Kritik auch aus den USA. Brüssel – Nach stundenlangem Ringen haben die EU-Außenminister eine umstrittene Erklärung zum Israel-Palästina-Konflikt verabschiedet. In dem Dokument vom Montag zeigt sich die EU besorgt über die wachsende Gewalt von beiden Seiten, es wird aber auch auf die von der EU eingeführte Kennzeichnungspflicht für Produkte aus jüdischen Siedlungen verwiesen. Vorbehalte Griechenlands und anderer Länder hatten eine schnelle Verabschiedung am Morgen verhindert. Der Rat ist zutiefst besorgt, dass der andauernde Zyklus der Gewalt in den vergangenen Monaten zu einem erheblichen Verlust von menschlichen Leben geführt hat, hieß es in den gut zweiseitigen Schlussfolgerungen. Die EU verurteilt darin die Terroranschläge und Gewalt von allen Seiten. Nur eine Wiederaufnahme des Dialogs könne die Gewalt beenden. Die EU bekräftigt zudem ihre Unterstützung einer Zwei-Staaten-Lösung und bezeichnet jüdische Siedlungen in Palästinensergebieten als illegal. Die Schlussfolgerungen seien einstimmig verabschiedet worden, sagte die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini am Abend. Sie seien eine gute und gemeinsame Basis für das Engagement der EU im Nahost-Friedensprozess. Die ursprünglich geplanten Schlussfolgerungen seien aber leicht verwässert worden, sagte ein Diplomat. In der ersten Fassung sei aus Sicht Griechenlands zu viel von Gewalt der Siedler die Rede gewesen. Die Passagen seien deshalb gestrichen worden. Auch Zypern, Ungarn und Bulgarien machten laut Teilnehmern Vorbehalte geltend, weshalb der Entwurf überarbeitet werden musste. Den Vogel abgeschossen hätten die Polen, sagte der Diplomat weiter. Sie hätten sich geweigert, die Formulierung zu akzeptieren, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten bei der Kennzeichnungspflicht für Produkte aus jüdischen Siedlungen geeint seien. Nun heißt es lediglich, sie blieben dem Vorgehen verpflichtet. Die EU-Kommission hatte Mitte November – und damit zur Zeit des polnischen Regierungswechsels – festgelegt, dass das Siegel Made in Israel für Erzeugnisse aus jüdischen Siedlungen etwa im Westjordanland nicht mehr akzeptiert wird. Es muss nun um das Wort israelische Siedlung ergänzt werden. Israel hatte Ende November als Reaktion auf die Kennzeichnungspflicht die Kontakte zur EU im Nahost-Friedensprozess ausgesetzt. Laut der Tageszeitung Haaretz vom Wochenende versuchte die israelische Regierung bis zuletzt zu verhindern, dass die Außenminister am Montag ihre Erklärung verabschieden und damit die Unterscheidung zwischen Israel und den Siedlungen erneut betonen. Auch der US-Botschafter in Israel hat Israels Siedlungspolitik ungewöhnlich scharf kritisiert. Zu häufig werde nichts gegen Siedlergewalt unternommen, bemängelte Dan Shapiro am Montag bei einer Konferenz in Tel Aviv. Manchmal erscheint es, als messe Israel im Westjordanland juristisch mit zweierlei Maß – einem für Juden und einem für Palästinenser, sagte der Botschafter nach Angaben der Zeitung Haaretz. Eine Zwei-Staaten-Lösung sei weiterhin die einzige Lösung, betonte Shapiro. Die US-Regierung sei besorgt und bestürzt über die israelische Siedlungspolitik, die Fragen über Israels Absichten aufwerfe. Israels Regierungschef Benjamin Netanyahu reagierte darauf empört. Die Äußerungen des Botschafters seien inakzeptabel und falsch, sagte er nach Angaben seines Büros. Ein mutmaßlich palästinensischer Täter hatte am Sonntag im südlichen Westjordanland eine Israelin vor den Augen ihrer Kinder erstochen. Am Montag verletzte ein palästinensischer Attentäter eine schwangere Frau in der Siedlung Tekoa und wurde anschließend selbst durch Schüsse von Sicherheitskräften verletzt. Das US-Außenministerium verurteilte die Anschläge auf die Frauen in schärfster Form. Diese schrecklichen Vorfälle unterstreichen die Wichtigkeit positiver Schritte, um die Ruhe wiederherzustellen, die Spannungen zu verringern und ein sofortiges Ende der Gewalt zu erzielen, sagte Sprecher John Kirby. Bei einer Welle der Gewalt sind seit Anfang Oktober mehr als 20 Israelis und mehr als 150 Palästinenser getötet worden. Ein 16-jähriger Palästinenser soll die Tat gestanden haben. Das Opfer, eine sechsfache Mutter, wurde am Montag beigesetzt. Die israelischen Sicherheitskräfte haben zwei Tage nach dem Mord an einer Frau in einer israelischen Siedlung im Westjordanland den mutmaßlichen Täter gefasst. Der 16-jährige Palästinenser habe die Tat gestanden, so die Polizei. Das Opfer, Dafna Meir (38), war am Sonntag vor ihrem Wohnhaus in der Siedlung Otniel, in dem sich drei ihrer Kinder befanden, erstochen worden. Am Montag wurde sie beigesetzt. Die Tat setzt eine Terrorserie in Israel fort, bei der in den vergangen Monaten dutzende Israelis mit Messern oder Stichwerkzeugen getötet oder verletzt wurden. In vielen Fällen wurden die Angreifer nach oder während ihrer Tat erschossen. Israel skeptisch – Fabius drohte mit Palästina-Anerkennung. Paris – Frankreich hat offiziell eine Initiative zur Wiederaufnahme von Friedensgesprächen Israels mit den Palästinensern vorgestellt. Paris setzt sich für eine internationale Friedenskonferenz in diesem Sommer ein, wie der französische Botschafter Patrick Maisonnave am Dienstag ranghohen Mitarbeitern des israelischen Außenministeriums in Jerusalem sagte. Der Sprecher des israelischen Außenministeriums betonte, Israel sei für direkte Verhandlungen mit den Palästinensern ohne Vorbedingungen. Man lehne jeglichen Versuch ab, die Ergebnisse solcher Gespräche im Vorfeld festzulegen, sagte er. Er wollte sich nicht dazu äußern, ob Israel die Idee einer internationalen Konferenz akzeptiert. Der ehemalige französische Außenminister Laurent Fabius hatte schon im Jänner Pläne zu einer internationalen Friedenskonferenz angekündigt. Daran sollten USA, Europäische Union und arabische Staaten beteiligt sein. Sollte dieser diplomatische Vorstoß scheitern, wolle Frankreich einen palästinensischen Staat anerkennen, sagte Fabius. Die letzten Friedensverhandlungen zwischen Israel und den Palästinensern waren vor knapp zwei Jahren gescheitert. Beide Seiten betonen, sie seien an neuen Verhandlungen interessiert, werfen aber der jeweils anderen Seite vor, solche Versuche zu blockieren. Seit Anfang Oktober wird die Region von einer neuen Gewaltwelle erschüttert. US-Außenminister traf Palästinenserpräsident Abbas in Jordanien. Washington – US-Außenminister John Kerry hat Israelis und Palästinenser zum Abbau der aktuellen Spannungen aufgerufen. Dies habe Kerry am Sonntag bei einem Gespräch mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Jordanien deutlich gemacht, sagte ein US-Außenamtssprecher. Demnach sprachen die beiden Politiker unter anderem über die jüngsten Gewalttaten im Westjordanland und in Jerusalem. Seit Oktober wurden in Israel und den Palästinensergebieten bei politisch motivierten Gewalttaten und bei Protestaktionen gegen die anhaltende Besatzung 176 Palästinenser und 27 Israelis getötet. Bei der Mehrzahl der palästinensischen Opfer handelt es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die meist mit Stichwaffen und in einigen Fällen auch mit Autos oder Schusswaffen Israelis attackierten. Kerrys Sprecher unterstrich, dass die USA den israelischen Siedlungsbau in den besetzten Gebieten weiterhin als illegal betrachteten. Washington werde sich zudem weiter für eine Zwei-Staaten-Lösung für Israelis und Palästinenser einsetzen. Kerry traf in Jordanien auch König Abdullah II. Bei dem Gespräch sei es vor allem um den Bürgerkrieg in Syrien gegangen, teilte der Palast in Amman anschließend mit. Zugleich habe der König die Notwendigkeit unterstrichen, den Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern wieder in Gang zu bringen und zu einer Zwei-Staaten-Lösung zu kommen. Männer dringen in Siedlung nahe Nablus ein. Jerusalem – Zwei Palästinenser sind am Mittwoch nach einem Angriff auf israelische Siedler im Westjordanland von Soldaten erschossen worden. Die beiden Männer seien in die Siedlung Eli südlich von Nablus eingedrungen, teilte die israelische Armee mit. Dort hätten sie einen Mann attackiert. Ein weiterer Siedler sei verletzt worden, als er zu Hilfe kam. Soldaten töteten schließlich die beiden Palästinenser. Seit Oktober wurden in Israel und den Palästinensergebieten bei politisch motivierten Gewalttaten und bei Protestaktionen gegen die anhaltende Besatzung 180 Palästinenser sowie 28 Israelis, ein US-Bürger, ein Eritreer und ein Sudanese getötet. Bei der Mehrzahl der palästinensischen Opfer handelt es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die meist mit Stichwaffen und in einigen Fällen auch mit Autos oder Schusswaffen Israelis attackierten. Auch Schließung palästinensischer Medien bei Aufrufen zu Gewalt vorgesehen. Jerusalem/Tel Aviv – Wegen der Serie von Anschlägen durch Palästinenser plant Israel Gegenmaßnahmen vom Bau von Sperranlagen bis hin zur Schließung bestimmter palästinensischer Medien. Das Maßnahmenpaket sei bei einer Krisensitzung von Ministerpräsident Benjamin Netanyahu mit Verteidigungsminister Moshe Yaalon sowie Vertretern von Militär, Polizei und Geheimdienst beschlossen worden, berichteten Medien am Mittwoch. Am Vortag war bei mehreren Attacken in Jerusalem und im Großraum Tel Aviv ein US-Tourist getötet worden. Es gab mehrere Verletzte. Die Anschlagsserie überschattet den Besuch des US-Vizepräsidenten Joe Biden in Israel und bei der Palästinenser-Führung. Lücken schließen Beschlossen wurde unter anderem, Lücken in der bestehenden Sperranlage im Bereich Jerusalem zu schließen. In der Gegend von Tarqumiya im südlichen Westjordanland solle ein neuer Sperrzaun gebaut werden, berichtete die Jerusalem Post. Arbeitsgenehmigungen für Palästinenser aus dem Westjordanland sollten eingeschränkt werden, berichtete der israelische Rundfunk. Palästinensische Medien, die zur Gewalt aufrufen, sollen geschlossen werden. Mit strengeren juristischen Maßnahmen muss zudem künftig rechnen, wer Palästinensern ohne Aufenthaltsgenehmigung in Israel hilft. Ein 22-jähriger Palästinenser aus Qalqiliya, der den 28-jährigen US-Touristen in Tel Aviv erstach und zehn weitere Menschen verletzte, hatte keine Einreisegenehmigung für Israel. Zahlreiche Menschen in Jaffa niedergestochen, weitere Angriffe in Jerusalem und Tel Aviv – Vier palästinensische Attentäter getötet. Tel Aviv – Bei einer Messerattacke im Süden von Tel Aviv ist am Dienstag mindestens ein Mensch getötet worden, 12 weitere wurden zum Teil schwer verletzt. Bei dem Todesopfer soll es sich um einen US-amerikanischen Touristen handeln. Der palästinensische Attentäter habe an drei verschiedenen Orten auf Passanten eingestochen, teilte eine Polizeisprecherin mit. Ein Polizist erschoss den Angreifer. Der Anschlag ereignete sich im Stadteil Jaffa an einer auch bei Touristen beliebten Promenade am Mittelmeer. Zuvor waren bei einer Serie neuer Anschläge auf Israelis am Dienstag drei palästinensische Attentäter getötet worden. In Jerusalem habe ein Palästinenser auf Polizisten geschossen und zwei von ihnen schwer verletzt, teilte eine Polizeisprecherin mit. Andere Beamte hätten ihn dann erschossen. In Tel Avivs Vorstadt Petah Tikva stach ein Palästinenser auf einen Israeli ein. Das Opfer und der Besitzer eines Geschäfts hätten ihm das Messer entrissen und den Angreifer dabei verletzt, berichteten Augenzeugen. Herbeigerufene Polizisten hätten den Palästinenser dann erschossen. Wenige Stunden zuvor war eine Palästinenserin erschossen worden, nachdem sie in Jerusalems Altstadt einen israelischen Grenzpolizisten mit einem Messer angegriffen hatte. Bei einer Gewaltwelle sind seit Anfang Oktober 29 Israelis und rund 190 Palästinenser getötet worden. Die meisten Palästinenser wurden bei Anschlägen auf Israelis erschossen. Andere kamen bei Konfrontationen mit israelischen Sicherheitskräften ums Leben. Erneuter Attentatsversuch nahe Großsiedlung Ariel im Westjordanland. Jerusalem – Zwei Palästinenser sind nach einer Messerattacke auf eine israelische Soldatin im Norden des besetzten Westjordanlandes von der Armee erschossen worden. Wie die Streitkräfte mitteilten, ereignete sich Angriff am Donnerstag an einer Kreuzung nahe der israelischen Großsiedlung Ariel. Nach Angaben der Rettungsdienste erlitt die etwa 20-jährige Soldatin mittlere bis schwere Stichwunden. Die beiden Angreifer seien am Tatort verstorben. Israel und die Palästinensergebiete werden seit Oktober von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der bisher 196 Palästinenser, 28 Israelis und vier Ausländer starben. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die zumeist Messer sowie seltener Schusswaffen oder Autos für ihre Angriffe nutzten. Andere starben bei Protestaktionen gegen die israelische Besatzung des Westjordanlands und Ostjerusalems. Wibisono begründet in Genf seinen Mandatsverzicht. Genf – Der scheidende UNO-Sonderberichterstatter für die Palästinensergebiete hat den Umgang Israels mit den Menschenrechten der Palästinenser scharf kritisiert. Insbesondere gehe Israel den Rechtsverstößen durch seine Besatzungskräfte und die Siedler nicht nach, kritisierte Makarim Wibisono am Montag bei der Vorlage seines letzten Berichts vor dem UNO-Menschenrechtsrat (UNHRC) in Genf. Im Jänner hatte der Indonesier seinen Mandatsverzicht verkündet, weil Israel ihm seit der Amtsübernahme Mitte 2014 den Zutritt zum Berichtsgebiet verweigerte. Schon seinem Vorgänger, Richard Falk aus den USA, hatte Israel keine Reise in die Palästinensergebiete gestattet. Diese mangelnde Kooperationsbereitschaft scheint leider die Fortsetzung einer Situation zu signalisieren, in der die Palästinenser täglich unter den Menschenrechtsverletzungen der israelischen Besatzung leiden, sagte Wibisono und fügte hinzu, die Schuldigen für diese Rechtsverstöße würden nie zur Rechenschaft gezogen. Der israelische UNO-Botschafter in Genf, der dem UNHRC regelmäßig Parteilichkeit vorwirft, blieb der Vorstellung des Berichts fern. Der Vertreter der EU im Menschenrechtsrat, der dänische Diplomat Peter Sörensen, bedauerte, dass Israel den Berichterstatter nicht in die Palästinensergebiete reisen ließ. Zugleich kritisierte er, dass dessen Mandat vom Rat ausschließlich auf die Untersuchung von Rechtsverletzungen durch Israel begrenzt wurde. Video von israelischer Menschenrechtsorganisation Betselem veröffentlicht – Soldat wurde umgehend supsendiert. Hebron – Ein israelischer Soldat soll in Hebron einen verletzten palästinensischen Attentäter mit einem gezielten Kopfschuss getötet habe. Dies zeigt ein Video, das am Donnerstag von der israelischen Menschenrechtsorganisation Betselem veröffentlicht wurde. Israels Militär sprach von einem schwerwiegenden Vorfall, der gegen die Werte der israelischen Armee verstößt. Am Donnerstagmorgen hatten zwei mit Messern bewaffnete Palästinenser in Hebron im südlichen Westjordanland einen Soldaten verletzt. Die Armee teilte kurz darauf mit, beide Angreifer seien erschossen worden. Betselem veröffentlichte später ein Video, auf dem zu sehen ist, wie einer der Palästinenser nach der Attacke offensichtlich verletzt und reglos am Boden liegt. Nachdem der angegriffene israelische Soldat von einen Krankenwagen abtransportiert wird, zielt ein anderer Soldat auf den Verletzten. Dann feuert er einen Schuss in den Kopf des am Boden Liegenden. Unmittelbar darauf fährt ein weißes Auto vorbei. Sekunden später ist zu sehen, wie viel Blut aus dem Kopf des getöteten Palästinensers fließt. Das Militär teilte mit, auf Bitten der zuständigen Kommandanten sei eine interne Untersuchung eingeleitet worden. Der Soldat wurde festgenommen. Mann hatte tödliche Messerattacke in Hebron verübt. Ramallah – Israelische Soldaten haben die Wohnung der Familie eines palästinensischen Angreifers im südlichen Westjordanland zerstört. Sicherheitskräfte umstellten am Donnerstag in der Früh das Haus in Hebron, wie Zeugen berichteten. Die israelische Armee bestätigte den Vorgang und verwies auf eine Anordnung der Regierung. Der Palästinenser hatte im Dezember in Hebron einen Israeli mit einem Messer angegriffen. Der Mann starb Wochen später an seinen Verletzungen. Der Angreifer wurde bei der Attacke erschossen. Familienmitglieder des Attentäters berichteten, die Soldaten hätten die nicht-tragenden Wände und die Fenster eingeschlagen. Andere Wohnungen im Haus wurden nicht beschädigt. Die Zerstörung der Wohnsitze mutmaßlicher, verurteilter oder auch getöteter Terroristen ist völkerrechtlich umstritten. Menschenrechtsorganisationen lehnen die Strafmaßnahme als Kriegsverbrechen ab. Israel rechtfertigt sie hingegen als wichtige Abschreckung. "Österreichisch-arabisches Kulturzentrum" kündigt Vortrag von Leila Khaled an. Wien – Die palästinensische Flugzeugentführerin Leila Khaled soll im April einen Vortrag in Wien halten. Das österreichisch-arabische Kulturzentrum (Okaz) postete eine entsprechende Terminankündigung auf seiner Website. Das Okaz bezeichnet die 71-jährige Khaled darin als Revolutionsikone, Befreiungskämpferin und internationale Ikone des antiimperialistischen Widerstands. Die medialen Auftritte der jungen dunkeln (sic) Palästinenserin hätten in der Vergangenheit nicht nur eine Welle der Sympathie, sondern auch der internalen (sic) Solidarität mit dem Widerstand der Palästinenser hervorgerufen. Nach Jahrzehnten der Einreiseverweigerung sei es nun endlich soweit. Ob der Termin jedoch wie von dem Verein angekündigt stattfinden wird, ist fraglich. In Deutschland wurde ein von einem palästinensischen Verein für den Tag des Bodens am 30. März geplanter Auftritt abgesagt. Khaled hätte dabei auf einem Hallenspielplatz vor palästinensischen Familien sprechen sollen. Wie der Sprecher des Außenministeriums, Thomas Schnöll, im Gespräch mit dem STANDARD mitteilt, wurde Khaled von keiner österreichischen Vertretungsbehörde ein Visum ausgestellt – im Gegensatz zu den niederländischen Behörden, die ihr trotz Konsultationspflicht ein Schengenvisum erteilten. Laut Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck führten falsche Daten dazu, dass Khaled nicht als Aktivistin der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) identifiziert wurde. Das Schengenvisum kann von Österreich nicht widerrufen werden, damit ist auch die Einreise Khaleds in Österreich hinzunehmen, wie Grundböck gegenüber dem STANDARD ausführt. Die Beurteilung der Veranstaltung liege im Bereich der Stadt Wien. Khaled erlangte mit Flugzeugentführungen 1969 und 1970 zweifelhafte Berühmtheit. Im Jahr 1969 zwang sie den Piloten einer Maschine der US-amerikanischen Fluglinie TWA, die von Rom nach Tel Aviv unterwegs war, nach Damaskus zu fliegen. Die israelischen Passagiere wurden als Geiseln verwendet, um syrische und ägyptische Kriegsgefangene freizupressen, das Flugzeug wurde gesprengt. Im Schwarzen September des Jahres 1970 war Khaled an der Entführung einer israelischen El-Al-Maschine beteiligt. Zeitgleich wurden drei weitere Flugzeuge der Swissair, der TWA und der britischen BOAC gekapert und nach Syrien umgeleitet. Doch die Entführung des israelischen Flugzeugs scheiterte: Die Terroristen wollten das Cockpit stürmen. Khaleds Komplize, der nicaraguanische Sandinist Patrick Argüello, warf eine Handgranate, die jedoch nicht zündete. Daraufhin wurde er von einem Passagier mit einer Whiskyflasche niedergeschlagen. Argüello schoss mehrmals und verletzte dabei einen Flugbegleiter. Der Pilot brachte die Angreifer mit einem Sturzflug-Manöver aus dem Gleichgewicht und sorgte so dafür, dass ein an Bord befindlicher Mossad-Agent eingreifen konnte. Argüello wurde angeschossen und starb nach der Landung an seinen Verletzungen. Khaled selbst wurde verletzt und nach der Notlandung in London-Heathrow verhaftet, jedoch in der Folge gemeinsam mit anderen Terroristen nach Syrien ausgeflogen, obwohl die Geiselnahme der Passagiere aus den anderen Flugzeugen zu dem Zeitpunkt schon beendet war. In Damaskus wurden die Terroristen als Helden empfangen. Diplomaten in New York beschimpften einander. New York – Bei einer Debatte im UN-Sicherheitsrat in New York ist es am Montag zum Eklat zwischen dem Vertreter Israels und seinem palästinensischen Kollegen gekommen. Der israelische UN-Botschafter Danny Danon forderte den Palästinenser Riyad Mansour auf, Angriffe von Palästinensern auf Israelis zu verurteilen. Schande über euch für die Glorifizierung des Terrorismus, rief Danon. Darauf entgegnete Mansour: Schande über euch für das Töten palästinensischer Kinder. Obwohl vom Sitzungspräsidenten zur Ordnung gerufen, hörten beide nicht auf und beschimpften einander über die offenen Mikrofone weiter. In der Debatte ging es um eine geplante UN-Resolution, mit der die Palästinenser einen Stopp des israelischen Siedlungsbaus in den Palästinensergebieten erreichen wollen. Der Entwurf wird von mehreren arabischen Staaten verhandelt und liegt dem Sicherheitsrat noch nicht offiziell vor. Die USA hatten 2011 gegen einen ähnlichen Entwurf ihr Veto eingelegt. Treffen mit Abbas – Deutschlands Haltung in UN offen. Berlin – Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Siedlungspolitik Israels in den Palästinensergebieten scharf kritisiert, Deutschlands Haltung zu einer UN-Resolution aber offengelassen. Berlin unterstütze die jüngste französische Nahost-Friedensinitiative, sagte Merkel am Dienstag nach einem Treffen mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas in Berlin. Angesichts der Sprachlosigkeit zwischen den Konfliktparteien sei es wichtig, dass jede auch noch so unwahrscheinliche Möglichkeit genutzt wird, um Fortschritte zu erzielen. Es sei aber nicht sehr wahrscheinlich, dass morgen ein Friedensplan auf dem Tisch liegt. Die französische Initiative verzögert sich, ein Ministertreffen könnte Anfang Juni stattfinden. Merkel pochte darauf, dass sich alle wichtigen Akteure an einem solchen Vorstoß beteiligen müssten. Die Palästinenser wollen nicht auf Frankreich warten, sondern nach den Vorstellungen von Abbas mit einer Resolution im UN-Sicherheitsrat Druck auf Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu aufbauen. Merkel sagte, sie verstehe, dass Abbas immer wieder den Weg in den Sicherheitsrat suche. Noch besser wäre, wir würden es schaffen, dass kein Siedlungsbau mehr stattfindet, ergänzte sie. Abbas bezeichnete die Lösung des Nahostkonflikts erneut als Schlüssel auch im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Den Palästinensern bleibe keine andere Möglichkeit als jene über die Vereinten Nationen: Wir wissen, dass Israel zwölf Resolutionen ignoriert hat, und trotzdem haben wir keinen anderen Weg. Bewegungsfreiheit für Palästinenser aus Angst vor Anschlägen während jüdischem Osterfest eingeschränkt. Jerusalem – Aus Angst vor Anschlägen zum jüdischen Osterfest, dem Pessach-Fest, hat die israelische Armee eine komplette Abriegelung des Westjordanlandes und des Gazastreifens angeordnet. Diese Maßnahme gelte für Freitag und Samstag, teilte ein Militärsprecher am Donnerstagabend mit. Ausnahmen gebe es nur in humanitären und medizinischen Notfällen. Das Pessach-Fest gehört zu den zentralen Festen des Judentums und erinnert an den Auszug der Israeliten aus Ägypten. Die israelische Armee riegelt aus Anlass des Festes jedes Jahr die Palästinensergebiete ab. Israel und die Palästinensergebiete werden seit Oktober von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der bisher 201 Palästinenser, 28 Israelis und vier Ausländer getötet wurden. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter, die zumeist Messer, seltener auch Schusswaffen oder Autos für ihre Angriffe nutzten. Andere starben bei Protestaktionen gegen die israelische Besatzung des Westjordanlands und Ostjerusalems. Zwölfjährige wegen geplanter Messerattacke auf Siedler in Haft. Jerusalem/Ramallah – Israels Militärjustiz hat die jüngste jemals festgehaltene palästinensische Gefangene aus der Haft entlassen. Die zwölfjährige Dima al-Wawi sei am Sonntag am Grenzübergang Tulkarem im Norden des Westjordanlands den palästinensischen Behörden übergeben worden, berichtete ein AFP-Fotograf. Von dort sei sie zu ihrer Familie nahe Hebron im Süden des besetzten Palästinensergebiets gebracht worden. Nach Angaben ihre Rechtsanwalts war al-Wawi die jüngste Palästinenserin, die jemals ins Gefängnis musste. Am 9. Februar war das Mädchen in seiner Schuluniform am Eingang zu einer jüdischen Siedlung mit einem Messer aufgegriffen worden. In einem Strafverfahren vor einem Militärgericht kam es zu einer Verständigung, bei der die Zwölfjährige zugab, dass sie einen Mordanschlag habe begehen wollen. Sie erhielt eine Strafe von vier Monaten Gefängnis. Auf Antrag ihrer Verteidiger kam das Kind nun nach Verbüßen der halben Strafzeit frei. Nach israelischem Militärrecht, das in den seit bald 50 Jahren besetzten Gebieten für die palästinensische Bevölkerung gilt, beginnt die Strafmündigkeit im Alter von zwölf Jahren. Das ist laut dem Kinderhilfswerk Unicef in demokratischen Staaten einmalig. Im Verlauf einer zumeist mit Stichwaffen, seltener mit Schusswaffen oder Autos verübten Anschlagswelle wurden seit Oktober 28 Israelis, vier Ausländer und 201 Palästinenser, zumeist Attentäter, getötet. Insbesondere infolge dieser jüngsten Gewaltwelle sitzen nach Angaben der israelischen Strafvollzugsbehörde derzeit 438 palästinensische Minderjährige in Haft. Von ihnen sind rund hundert jünger als 16 Jahre. Auch zweites Opfer eines Messerangriffs vom Dienstag ist über 80 Jahre alt. Jerusalem – Bei einem Messerangriff in Jerusalem ist eine 86 Jahre alte Holocaust-Überlebende verletzt worden. Dies bestätigte am Mittwoch eine Sprecherin des Krankenhauses Shaarei Zedek in Jerusalem. Die Frau werde auf der Intensivstation behandelt. In der Klinik liege auch das zweite Opfer des Angriffs vom Dienstag, eine 82-Jährige. Die Frauen waren in einer Gruppe auf einer Promenade im Ostteil Jerusalems unterwegs, als zwei mutmaßlich palästinensische Vermummte mit Messern auf sie einstachen. Die Täter konnten nach Polizeiangaben in ein arabisches Viertel flüchten. Man suche weiter nach ihnen, sagte Polizeisprecher Mickey Rosenfeld am Mittwoch. Die Holocaust-Überlebende habe drei Stichverletzungen am Rücken erlitten, schwebe jedoch nicht in Lebensgefahr, sagte die Krankenhaussprecherin. Die Frau lebe in einer Einrichtung für betreutes Wohnen der Jewish Agency, die für Einwanderung nach Israel zuständig ist, bestätigte der Sprecher Avi Mayer. Seit Oktober vergangenen Jahres kommt es immer wieder zu palästinensischen Angriffen auf Israelis. Dabei sind bisher 31 Israelis getötet worden, 381 wurden teils schwer verletzt. Mehr als 200 Palästinenser kamen ums Leben, die meisten bei ihren eigenen Attacken. Als Auslöser galt ein Streit um den Tempelberg in Jerusalem, inzwischen hat die Gewalt aber eine Eigendynamik entwickelt. Israels Verteidigungsminister Moshe Yaalon hat derweil die Hamas am Mittwoch vor Attacken aus dem Gazastreifen gewarnt, den die islamistische Palästinenserbewegung kontrolliert. Erst vor einer Woche haben wir Versuche der Hamas und anderer Terrorgruppen erlebt, unser Leben zu bedrohen und unsere Soldaten zu schädigen, sagte Yaalon bei einer Zeremonie zum israelischen Tag der Gefallenen und Anschlagsopfer auf einem Soldatenfriedhof in Tel Aviv. Vergangene Woche hatte es nach dem Fund zweier Angriffstunnel, die nach Israel führten, vier Tage lang Feuergefechte gegeben, bei denen aus dem Gazastreifen Raketen und Mörsergranaten abgefeuert wurden, worauf die israelischen Streitkräfte mit Luftangriffen und Panzerbeschuss reagierten. Wir werden auf alle, die sich mit uns anlegen, mit eiserner Faust reagieren, wo auch immer sie sich befinden, sagte Yaalon. Dem Gedenktag schließt sich am Donnerstag der israelische Unabhängigkeitstag an, an dem die Proklamation des Staates Israel vor 68 Jahren gefeiert wird. Aus diesem Anlass demonstriert zudem an mehreren Orten die arabische Minderheit in Israel für ihre Rechte. Am Sonntag, dem palästinensischen Tag der Nakba (Katastrophe) findet eine große Protestkundgebung in Ramallah im besetzten Westjordanland statt. 'Erster tödlicher Vorfall seit drei Wochen – Polizei: Warnschüsse missachtet. Jerusalem -Eine Palästinenserin ist am Montag laut israelischer Polizei bei einer versuchten Messerattacke auf einen Grenzpolizisten erschossen worden. Die Frau sei mit gezückter Stichwaffe am Grenzübergang Biddu nördlich von Jerusalem auf den Beamten zugelaufen und habe Warnschüsse missachtet, berichtete die Polizei weiter. Deshalb habe der Polizist gezielt geschossen, um sie zu stoppen. Israel und die Palästinensergebiete werden seit Oktober von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der bisher 205 Palästinenser, 28 Israelis und vier Ausländer getötet wurden. Bei der Mehrzahl der getöteten Palästinenser handelte es sich um erwiesene oder mutmaßliche Attentäter. Mehrere hundert Israelis wurden teils schwer verletzt. In den vergangenen Wochen hat die Zahl der Angriffe spürbar abgenommen Für Raif Badawi ist keine Berufung mehr möglich. Riad - Der Oberste Gerichtshof Saudi-Arabiens hat die Verurteilung des Bloggers Raif Badawi zu tausend Stockhieben und zehn Jahren Gefängnis bestätigt. Die letztinstanzliche Entscheidung des Gerichts sei unwiderruflich, sagte Badawis nach Kanada geflüchtete Ehefrau Ensaf Haidar am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Sie befürchtet nun, dass ihr Mann schon in Kürze die nächsten Hiebe erdulden muss. Dieses Urteil hat mich schockiert, sagte Haidar. Sie sei optimistisch gewesen, dass es mit dem Beginn des Fastenmonats Ramadan und dem Amtsantritt des neuen Königs Salman eine Begnadigung für politische Häftlinge wie meinen Mann geben werde, sagte sie. Das Schicksal Badawis bewegt die weltweite Öffentlichkeit seit Monaten. Der 31-jährige Blogger war wegen Beleidigung des Islams verurteilt worden. Bisher musste Badawi Anfang Jänner 50 Hiebe erdulden. Weitere Hiebe wurden zunächst aus medizinischen Gründen verschoben. Badawis Ehefrau sagte am Sonntag, sie befürchte, dass die Auspeitschungen bereits in wenigen Tagen fortgesetzt werden könnten. Die Strafe hatte international Entsetzen ausgelöst, zahlreiche Politiker forderten das ultrakonservative Königreich zur Freilassung Badawis auf. Kritik kam unter anderem von den Vereinten Nationen, den USA, und mehreren EU-Staaten, darunter Österreich. Wegen der harten Strafen gegen Badawi geriet auch das von Saudi-Arabien finanzierte Abdullah-Zentrum für interreligiösen Dialog in die Kritik. Auch am Sonntag zeigten sich die Grünen entsetzt über den Fall Badawi. Das bringt die Frage des vom saudischen Regime finanzierten Abdullah-Zentrums in Wien wieder weit nach vorne auf der Agenda, sagte die Grünen-Abgeordnete Alex Korun. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat das Urteil als Unrecht bezeichnet. Wir werden daher auch nicht locker lassen und darauf drängen, dass dieses Urteil nicht vollstreckt wird, sondern eine Begnadigung von Badawi erfolgt, sagte Kurz laut einer Aussendung am Sonntag. Es müsse möglich sein, seine Meinung zu äußern, wie der Blogger es getan habe. Badawi war im Juni 2012 festgenommen worden. Sein Vergehen aus Sicht der Herrscher besteht darin, dass er in seinem Blog immer wieder die Religionspolizei für ihre harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islams kritisierte. Zudem setzte er sich für eine Diskussion darüber ein. Ein von Badawi mitgegründetes Internetforum wurde gesperrt. Enthüllungsplattform veröffentlichte 60.000 Dokumente des saudi-arabischen Außenministeriums. Riad/Wien – 60.000 geheime – zum Teil als top secret eingestufte – Dokumente des saudi-arabischen Außenministeriums wurden am Freitag veröffentlicht, und weitere warten in der Wikileaks-Pipeline: Riad gibt zu, Opfer eines Cyberangriffs geworden zu sein, die Bürger des Königreichs – und damit auch die Medien – werden aufgefordert, den Feind nicht zu unterstützen, indem sie den Inhalt der Papiere, viele davon diplomatische Depeschen, verbreiten. Anderswo beginnt das Durchsortieren, auf der Suche nach Sensationen, die es laut Agenturen jedoch nicht gibt: wie etwa den Beweis dafür, dass Saudi-Arabien radikale islamistische Gruppen unterstützt. Bruce Riedel von der Brookings Institution in Washington macht jedoch in der New York Times darauf aufmerksam, dass solche Agenden nicht vom Außenministerium, sondern von den Sicherheitsdiensten wahrgenommen würden. Auch wenn man die Vorgangsweise von Wikileaks nicht gutheißt, so sind die Dokumente eine Fundgrube von Details zumindest bezüglich dessen, was an ein saudi-arabisches Außenministerium herangetragen wird (nicht immer ist der weitere Verlauf der Geschichte bekannt). Sehr oft geht es um Geld. Unangenehm dürfte etwa für den libanesischen Führer der rechtsgerichteten christlichen Forces Libanaises, Samir Geagea, sein, dass nun nicht nur bekannt ist, dass er Riad um eine Parteispende angegangen ist, sondern dass er beteuerte, alles zu tun, was Riad von ihm wolle. Geagea wird als möglicher libanesischer Präsident genannt. Im Libanon dürfte das saudische Scheckbuch besonders oft zum Einsatz kommen. In Ägypten hingegen hätten sich die Saudis schon unter den Muslimbrüdern gerne großzügig gezeigt: Was einer der heute im Gefängnis sitzenden Führer der Bruderschaft, Khairat al-Shater, bereits 2012 behauptete – dass Saudi-Arabien zehn Milliarden Dollar für die Freilassung des 2011 gestürzten Hosni Mubarak offerierte –, wird zwar nicht direkt verifiziert, aber man weiß nun, dass es zumindest ein Thema war. Riad hat im Juli 2013 den Sturz Mohammed Morsis unterstützt. Bestätigt wird die enge Beziehung des irakischen Politikers Iyad Allawi zu Saudi-Arabien. Allawi war lange die Hoffnung aller antiiranischen Kräfte im und außerhalb des Irak. Er durfte, wie man nun weiß, nach Gutdünken an seine Klientel Visa für die Pilgerfahrt nach Saudi-Arabien verteilen. Viele der Depeschen haben mit der Bekämpfung des iranischen Einflusses beziehungsweise der saudischen Furcht davor zu tun. Beim Thema Iran wurde auch Druck auf Medien ausgeübt. 2012 bekamen sie die Anweisung, sich in der Berichterstattung über Russland – im Syrien-Konflikt auf der Seite des in Riad verhassten Bashar al-Assad – zurückzuhalten. Die politische Dividende blieb damals aus, heute arbeitet Riad neuerdings an der Verbesserung seiner Beziehungen zu Moskau. Die Medien des Königreichs waren am Wochenende voll von Berichten über den Besuch des saudischen Vizekronprinzen und Verteidigungsministers Mohammed bin Salman in Russland. Saudileaks hingegen war kein Thema. Angeblich soll weitere Züchtigung erlaubt worden sein. Riad/Montreal – Der saudiarabische Blogger Raif Badawi könnte nach Angaben seiner Frau in den kommenden Tagen erneut Stockhiebe erhalten. Wie Ensaf Haidar am Dienstag in Kanada mitteilte, soll Saudi-Arabien laut einer informierten Quelle grünes Licht für eine erneute Züchtigung ihres Mannes gegeben haben. Haidar appellierte erneut an den saudiarabischen König Salman, das Martyrium ihres Mannes zu beenden und ihn zu begnadigen. Sie sei erstaunt über die geplante Wiederaufnahme der Auspeitschungen, da der Fall Badawi noch vor dem Obersten Gericht in Saudi-Arabien sei, erklärte Haidar weiter. Zugleich rief sie den König auf, die Ausreise ihres Mannes nach Kanada zu erlauben, damit er sie und die gemeinsamen Kinder nach vier Jahren der Trennung wiedersehen könne. Badawi war wegen Beleidigung des Islams zu tausend Stockhieben und zehn Jahren Haft verurteilt worden. Ihm wird vorgeworfen, in seinem Blog wiederholt die Religionspolizei für die harte Durchsetzung der in dem wahhabitischen Königreich vorherrschenden strengen Auslegung des Islams kritisiert zu haben. Im Jänner erhielt er 50 Peitschenhiebe. Nach internationalen Protesten gab es bisher keine weitere Züchtigung. 74-Jährigem drohten 350 Peitschenhiebe. London – Ein 74 Jahre alter Brite Karl Andree, der in Saudi-Arabien wegen illegalen Alkoholbesitzes im Gefängnis sitzt, wird ohne die ihm angeblich drohende Prügelstrafe entlassen. Er dürfe in der kommenden Woche zu seiner Familie heimkehren, sagte Großbritanniens Außenminister Philip Hammond am Mittwoch. Der Familie des Mannes zufolge, die öffentlich um Gnade für ihren Angehörigen gebeten hatte, war der 74-Jährige vergangenes Jahr festgenommen und neben 350 Peitschenhieben auch zu zwölf Monaten Haft verurteilt worden, die er inzwischen abgesessen habe. Außenminister Hammond war am Mittwoch zu Gesprächen in Saudi-Arabien und hatte sich persönlich für ihn eingesetzt. Andree wurde zu der Haftstrafe und den Peitschenhieben verurteilt, weil er in Saudi-Arabien mit selbstgekeltertem Wein erwischt worden war. Die Gesetze in dem ultrakonservativen Königreich beruhen auf der islamischen Scharia. Sie untersagen Produktion und Konsum von Alkohol. Der Brite, der eine Krebserkrankung überlebte, war in der Ölbranche tätig und lebt seit 25 Jahren in Saudi-Arabien. (APA, 28.10.2015) Unbekannte eröffneten Feuer auf Streifenwagen. Riad – Im Osten Saudi-Arabiens sind am Mittwoch zwei Mitglieder der Sicherheitskräfte von Unbekannten erschossen worden, wie ein Sprecher des Innenministeriums der staatlichen Nachrichtenagentur SPA sagte. Um ein Uhr in der Früh sei das Feuer auf den Streifenwagen eröffnet worden. Saudi-Arabien gehört zu den Verbündeten der USA im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat in Syrien und im Irak. In dem islamischen Land kommt es immer wieder zu Anschlägen.) Abstimmung über Gemeinderäte in ultrakonservativem Königreich – 900 Frauen kandidieren. Riad – In Saudi-Arabien haben am Samstag die ersten für Frauen offenen Wahlen in der Geschichte des streng muslimischen Landes stattgefunden. Bei der Abstimmung über die Gemeinderäte im Königreich durften Frauen erstmals sowohl wählen als auch kandidieren. Die nach Männern und Frauen getrennten Wahllokale öffneten um 08.00 Uhr (Ortszeit, 06.00 Uhr MEZ) für neun Stunden. Landesweit bewarben sich mehr als 900 Kandidatinnen um die Sitze in insgesamt 284 Gemeinderäten. Allerdings reichen die Befugnisse der Kommunalvertretungen über Straßenbau, öffentliche Anlagen und Müllabfuhr kaum hinaus. In die Wählerlisten schrieben sich nach amtlichen Angaben nur 130.600 Frauen ein, etwa zehn Mal weniger als Männer. Im ultrakonservativen Königreich Saudi-Arabien unterliegen Frauen zahlreichen Beschränkungen, zu denen auch ein Fahrverbot gehört. Das nun gewährte aktive und passive Wahlrecht für Frauen gilt einigen als zumindest kleiner Schritt nach vorn. Der Wahlausgang dürfte aber weniger vom Geschlecht als von der Stammeszugehörigkeit der Kandidaten abhängen. Abdullah al-Zaher, der zum Tatzeitpunkt 15 Jahre alt war, soll einen Brandsatz auf Polizisten geworfen haben. Im Jahr 2015 wurden in Saudi-Arabien bisher 151 Menschen hingerichtet, im gesamten Vorjahr waren es lediglich 90 Todesurteile, die vollstreckt wurden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International kritisiert, dass die Höchststrafe auch für kleine Vergehen verhängt wird, was einen Verstoß gegen internationales Recht darstelle. Nun soll der schiitische Demonstrant Abdullah Hasan al-Zaher enthauptet und dann gekreuzigt werden. Das Gericht wirft ihm vor, an Protesten teilgenommen und regierungsfeindliche Slogans gerufen, einen Brandsatz besessen und auf Polizisten geworfen und zur Verschleierung von Straftaten beigetragen zu haben. Zaher wurde im März 2013, kurz vor seinem 16. Geburtstag, festgenommen. Seine Familie beteuert, er habe an der Demonstration nur teilgenommen, weil ihn ein Freund dazu eingeladen habe. Er sei mit Gewalt gezwungen worden, ein vorgefertigtes Geständnis zu unterzeichnen. Der Menschenrechtsorganisation European Saudi Organisation for Human Rights zufolge wurde ihm während seiner 20-monatigen Untersuchungshaft der Zugang zu einem Rechtsanwalt verweigert, obwohl das gesetzlich vorgeschrieben wäre. Die exzessive Anwendung der Prügel- und Todesstrafe hat zu einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Großbritannien geführt: Nachdem der 74-jährige Brite Karl Andree wegen Alkoholbesitzes zu 350 Peitschenhieben verurteilt worden war und der neue Labour-Chef Jeremy Corbyn sich für den zum Tatzeitpunkt 17-jährigen Demonstranten Ali Mohammed al-Nimr eingesetzt hatte, zog die britische Regierung die Bewerbung für einen mit mehr als acht Millionen Euro dotierten Auftrag zur Ausbildung saudischer Vollzugsbeamter zurück. Saudi-Arabien sieht trotz des Konflikts mit dem Iran die syrischen Friedensgespräche nicht gefährdet. New York/Teheran/Riad – Der UN-Sicherheitsrat hat den Angriff auf die saudische Botschaft in Teheran verurteilt. In einer am Montag veröffentlichten Erklärung forderte der Sicherheitsrat den Iran auf, diplomatisches und konsularisches Eigentum und Personal zu schützen und den internationalen Verpflichtungen auf diesem Gebiet voll nachzukommen. In einem Brief an den UN-Sicherheitsrat äußerte der Iran sein Bedauern über die Angriffe auf die Botschaft und versprach, alle notwendigen Maßnahmen zu treffen, um solche Vorfälle in Zukunft zu verhindern. Der UN-Sicherheitsrat rief alle Seiten zum Dialog und zum Abbau der Spannungen in der Region auf. Nicht erwähnt wurde in der Erklärung die Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien, die den Sturm auf die saudische Botschaft in Teheran ausgelöst hatte. Vor der Erklärung des Sicherheitsrats hatte Saudi-Arabien von den UN gefordert, sich für den Schutz seiner diplomatischen Einrichtungen im Iran einzusetzen. Die umstrittene Hinrichtung von 47 Menschen wegen Terrorvorwürfen verteidigte Saudi-Arabien. Die Angeklagten hätten faire und gerechte Verfahren ohne Berücksichtigung ihrer religiösen Zugehörigkeit gehabt. Man bedauere zutiefst, dass UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sich besorgt über die Vorwürfe gegen die Hingerichteten und die Prozesse geäußert habe. Die Bemühungen um einen Frieden in Syrien sieht Saudi-Arabien nicht gefährdet. Wir werden weiterhin sehr hart daran arbeiten, den Friedensprozess in Syrien zu unterstützen, sagte der saudische UN-Botschafter, Abdallah al-Muallimi, am Montag. Der Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Iran habe darauf keinen Einfluss. Saudi-Arabien werde an den kommenden Syrien-Gesprächen teilnehmen und sie nicht boykottieren. Gleichzeitig warf er dem Iran aber vor, die Bemühungen um einen Frieden in dem Bürgerkriegsland bisher nicht besonders unterstützt zu haben. Am 25. Jänner sollen in Genf Gespräche zwischen den syrischen Konfliktparteien beginnen. Während Saudi-Arabien sunnitische Rebellengruppen in Syrien unterstützt, ist der Iran enger Verbündeter von Machthaber Bashar al-Assad. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier rief Saudi-Arabien und den Iran nachdrücklich zur Deeskalation auf. Der ganze Mittlere Osten, und gerade Saudi-Arabien und Iran, sind uns etwas schuldig, sagte Steinmeier der Bild-Zeitung vom Dienstag. Die Weltgemeinschaft habe sich seit Jahren massiv für die Befriedung der miteinander verflochtenen Konflikte in der Region eingesetzt. Jetzt brauchen wir verantwortliche Akteure in der Region, die verantwortlich handeln, in Riad genauso wie in Teheran. Ich setze darauf, und ich erwarte auch, dass die Entscheidungsträger dem auch gerecht werden. Iran will mit Saudis sprechen Der iranische Präsident Hassan Rouhani hat die Entscheidung Saudi-Arabiens kritisiert, die bilateralen diplomatischen Beziehungen abzubrechen. Gleichzeitig signalisierte er Bereitschaft zu Gesprächen mit Riad. Die eigenartige saudische Entscheidung, die Beziehungen abzubrechen, kann nicht die Enthauptung eines geistlichen Kritikers vertuschen, sagte Rouhani am Dienstag. Dennoch glaube der Iran, dass diplomatische Verhandlungen die beste Option seien, Differenzen auszuräumen. Auch Kuwait ordert Botschafter zurück Unterdessen ruft auch Kuwait seinen Botschafter aus dem Nachbarland zurück. Das meldete die staatliche Nachrichtenagentur Kuna am Dienstag unter Berufung auf das kuwaitische Außenministerium. Der Erstürmung der saudi-arabischen Botschaft in Teheran stelle einen groben Bruch internationaler Verträge dar, hieß es. Dass es Saudi-Arabien und dem Iran gelingt, ihre Konkurrenz zu managen, ist Voraussetzung für Lösung der Konflikte im Nahen Osten. Das wird nun schwieriger. Es gibt kaum einen Konflikt im Nahen Osten, der nicht irgendwie von der iranisch-saudischen Konkurrenz betroffen wäre: In den vergangenen Jahren hat sich diese immer mehr zu einem Kalten Krieg – zu dem auch heiße Stellvertreterkriege gehören – entwickelt. Manche Experten schließen nicht mehr aus, dass es in der Zukunft auch zumindest zu punktuellen direkten kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den beiden Staaten kommen könnte. Dabei waren die letzten Monate des Jahres 2015 internationalen Versuchen gewidmet, die saudisch-iranischen Spannungen wenigstens einzuhegen: Dahinter stand die Einsicht, dass weder der Krieg in Syrien noch jener im Jemen von einer Seite alleine gewonnen beziehungsweise ein militärischer Sieg politisch umgesetzt werden kann. Die in Wien begonnenen Syrien-Gespräche sollten Ende Jänner zu einer ersten Runde zwischen dem – vom Iran und von Russland unterstützten – syrischen Regime und der – von Saudi-Arabien und anderen unterstützten – syrischen Opposition führen. Ob das in der neuen Eiszeit funktionieren wird, ist fraglich. Im Jemen wurde soeben ein Waffenstillstand beendet, auch hier ist die Fortführung der Gespräche gefährdet, bei der sich der – von Saudi-Arabien unterstützte – jemenitische Präsident und die – vom Iran unterstützten – Rebellen gegenübersitzen sollten. Auch in der politischen Blockade im Libanon, die dazu führt, dass sich das Parlament nicht auf einen Staatspräsidenten einigen kann, schien es zuletzt etwas Bewegung zu geben: Weder der Iran noch Saudi-Arabien haben ja ein Interesse daran, dass die verfeindeten politischen Blöcke – der eine geführt von der Syrien-freundlichen und vom Iran abhängigen schiitischen Hisbollah, der andere von Saudi-freundlichen, Syrien-feindlichen Sunniten – in eine echte Konfrontation am Boden abgleiten. Die Hinrichtung Nimrs beziehungsweise die Erstürmung der saudischen Botschaft in Teheran verhärtet nun die Fronten, wie ein Schlagabtausch zwischen den beiden Blockführern – dem Hisbollah-Chef Hassan Nasrallah und dem Sunniten Saad Hariri – zeigt. Besonders schlimm erwischt die iranisch-saudische Krise den Irak. Dort hat die Regierung des Schiiten Haidar al-Abadi zuletzt versucht, die eigenen irakischen Sunniten wieder zu versöhnen – und damit dem Islamischen Staat und anderen Radikalen Unterstützung zu entziehen. Dazu gehörte die Verbesserung der Beziehung zu Riad. Mitte Dezember wurde die saudi-arabische Botschaft wiedereröffnet, der Botschafter – der erste seit 1990 – traf erst vor wenigen Tagen in Bagdad ein. Diese arabische Präsenz ist wichtig für den innenpolitischen Ausgleich – aber nun steigt der Druck der mächtigen schiitischen Milizen auf Abadi, sich klar zum Bündnis mit dem Iran zu bekennen. Angriffe auf sunnitische Moscheen gab es auch, und wenn es der Regierung nicht gelingt, diese Vorfälle in den Griff zu bekommen, könnte Riad reagieren. Im Westen fragt man sich, ob im Iran die Hardliner durch die neue Fehde nicht so sehr Aufwind bekommen könnten, dass es ihnen noch gelingt, das verhasste Atomabkommen zu stoppen. Das muss nicht einmal mit dem Blick auf mögliche kriegerische Auseinandersetzungen sein: Das Urananreicherungsprogramm war ja stets auch ein Symbol für die technologische Überlegenheit der Islamischen Republik über die reichen Golfaraber, die sich alles kaufen, aber nichts selbst machen können. Für Riad wäre ein Ende der westlichen Normalisierung mit dem Iran kein ungünstiger Ausgang – kurz gedacht. Auf lange Sicht könnte es für die ganze Region eine neue Katastrophe sein. Der konfessionelle Konflikt wird im Iran und in Saudi-Arabien sehr unterschiedlich gesehen. Es gibt zwischen religiösen Schiiten und Sunniten – wobei diese Beschreibung als Kollektive natürlich eine grobe Vereinfachung ist – einen entscheidenden Unterschied bezüglich dessen, wie sie den derzeitigen Konflikt zwischen ihren Gemeinschaften sehen. In den Staatskanzleien auf der arabischen Seite des Persischen Golfs, und da wieder besonders in Saudi-Arabien, aber auch im sunnitischen religiösen Establishment vieler arabischer Länder, ist man völlig davon überzeugt, dass es ein – vom Iran ausgehendes – Projekt der Schiitisierung der islamischen Welt gibt. Der Beweis ist der Iran selbst: und zwar nicht erst seit der Islamischen Revolution von 1979, sondern seit Anfang des 16. Jahrhunderts der Safawide Ismail I. die Schia im Iran durchsetzte. Safawiden, das steht heute noch unter radikalen Sunniten synonym für Schiiten. Seitdem, so die sunnitische Wahrnehmung, ist die Schia auf Expansionskurs. Ein Beispiel ist etwa der Irak, der bis ins 19. Jahrhundert mehrheitlich sunnitisch war. Heute wird dem Iran bewusste aggressive Mission vorgeworfen. Für viele Schiiten, vor allem im iranischen Staatsapparat, stellt sich die Sache anders dar – und das erklärt auch, warum iranische Hardliner nach der Hinrichtung des saudischen Ayatollah Nimr Baqir al-Nimr nicht nur gegen Saudi-Arabien protestierten, sondern auch die USA und Israel der Mitschuld bezichtigten: Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten sei ein vom westlichen Imperialismus und Zionismus lanciertes Komplott, um die islamische Welt zu schwächen, heißt es. Die Familie Saud sei der Inbegriff eines westlichen Marionettenregimes, und es sei in der Macht der USA gewesen, die Exekution Nimrs zu stoppen. Im Grunde ist diese schiitische Verschwörungstheorie nichts anderes als der Versuch, die jahrhundertelange verletzende Zurückweisung und Kategorisierung als eine Art Muslime zweiter Klasse als böses Werk von außen zu rationalisieren. In Zeiten von Bedrohung und Unruhe – etwa während der Mongolenstürme – wurden Schiiten in mehrheitlich sunnitischen Gesellschaften oft als 5. Kolonne des Feindes dargestellt: Dieses Motiv hat sich bis heute gehalten. Der Konflikt war schon in der Stunde eins seiner Entstehung nach dem Tod des Propheten Mohammed auch ein politischer – es ging ja darum, wer die islamische Gemeinschaft führt -, wurde aber stets auch mit religiösen Argumenten ausgetragen. Dass die Schiiten ihren zwölf historischen Imamen (direkte Nachkommen Mohammeds) besondere spirituelle Fähigkeiten zuschreiben, war und ist speziell für salafistische Sunniten eine Attacke auf den strengen islamischen Monotheismus. Das alles spielte keine so große Rolle, solange die Schia politisch inaktiv war. Palästinenser soll in Saudi-Arabien wegen Gedichten hingerichtet werden, eine Lesung in Wien will auf ihn aufmerksam machen. Wien – Der österreichische Pen-Club beteiligt sich an der weltweiten Solidaritätsaktion für den palästinensischen Dichter Ashraf Fayadh. Er wurde im Vorjahr von einem Gericht in Saudi-Arabien wegen Abfalls vom muslimischen Glauben zum Tod verurteilt. Am 13. Jänner sollen Lesungen auf der ganzen Welt auf sein Schicksal aufmerksam machen, auch in Wien. Hier werden im Presseclub Concordia österreichische Autoren inkriminierte literarische Texte ihrer bedrohten, verfolgten, eingesperrten und vom Tod bedrohten Kollegen lesen, hieß es am Donnerstag. Die Veranstaltung wird auch von der IG Autorinnen Autoren und der Grazer Autorenversammlung unterstützt. Wer Wissen begrenzt, verhindert die Suche nach Wahrheit und erlaubt weder abweichendes noch eigenständiges Denken und Handeln, hieß es in der Ankündigung. Dem 35-jährigen Fayadh wurden von dem Gericht auch Gotteslästerung und Förderung des Atheismus durch seine Gedichtsammlung Befehle verinnerlicht vorgeworfen. Bereits im Mai 2014 wurde der liberale Autor Raif Badawi in Saudi-Arabien zu 1.000 Peitschenhieben und zehn Jahren Gefängnis verurteilt, was international auf Proteste stieß. Saudische Sondereinheiten sollen Munition im Jahr 2014 gegen Protestbewegung verwendet haben. Wien – Eine in Österreich hergestellte Splittergranate ist offenbar in Saudi-Arabien aufgetaucht. Saudische Sondereinheiten hätten sie im Dezember 2014 bei einem Einsatz gegen eine Protestbewegung bei sich getragen, berichtete der Spiegel in seiner aktuellen Ausgabe. Die Splittergranate stammte demnach aus der Produktion einer Tochterfirma des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall in Österreich. Die Fotos, auf die sich das Magazin beruft, sollen darauf hinweisen, dass die Demonstration in der Stadt Awamiya stattfand. Der Wohnort des im Jänner hingerichteten schiitischen Geistlichen Nimr al-Nimr wurde demnach Ende 2014 nach Protesten wegen des Todesurteils gegen Oppositionelle von saudischen Spezialeinheiten gestürmt. Nimr galt als entschiedener Gegner des sunnitischen Königshauses. Neben zwei nicht tödlichen Blend- und Knallgranaten, wie sie der Düsseldorfer Rheinmetall-Konzern produziere, sei auf den Bildern auch eine ungenutzte Splittergranate vom Kaliber 40 Millimeter zu sehen, berichtete das Magazin. Diese soll von der österreichischen Tochterfirma Rheinmetall Waffe Munition ARGES GesmbH hergestellt worden sein. Das Unternehmen mit Sitz in Rüstdorf/Schwanenstadt in Oberösterreich produziert nach eigenen Angaben ausschließlich Munition, darunter auch Splittergranaten. Dass welche aus österreichischer Produktion nun auf Bildern aus Saudi-Arabien auftauchen, erklärt Johann Stögermüller von Rheinmetall Waffe Munition ARGES GesmbH auf APA-Anfrage damit, dass diese aus einer alten Lieferung stammen könnten. Der deutsche Mutterkonzern teilte in einer Aussendung mit, dem geschilderten Sachverhalt auf den Grund zu gehen. Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck sagte der APA, es habe diesbezüglich keine Genehmigung für den Export nach Saudi-Arabien gegeben. Auskunft über Lieferungen nach Deutschland könne er aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht geben. Grundböck betonte jedoch, bei einem Waffenexport auch innerhalb der EU müsse der Käufer eine Bestätigung vorlegen, die garantiert, dass die Waffen im Land behalten werden. Zudem werde jede Anfrage für einen Waffenexport individuell geprüft. Der Export von Kriegsmaterial muss laut Gesetz vom Innenministerium in Absprache mit Verteidigungs- und Außenministerium genehmigt werden. Der Waffenhandel in kriegführende Staaten beziehungsweise Staaten, in denen das exportierte Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden kann, ist laut Gesetz verboten. Saudi-Arabien kämpft derzeit mit Luftschlägen im Nachbarland Jemen gegen die Huthi-Rebellen, zudem soll die saudische Regierung Regimegegner in Syrien bewaffnen. Der Export von Splittergranaten auch in ein friedliches Land ist laut Verteidigungsministerium nichts Ungewöhnliches. Sie gehören zur Standardausrüstung jeder Armee der Welt seit dem Ersten Weltkrieg, sagte Bundesheersprecher Michael Bauer der APA. Auch in Österreich würden sie bei Bundesheerübungen ausschließlich auf Schießplätzen eingesetzt. Eine Splittergranate besteht aus einem Sprengstoffkern, umhüllt von Stahl. Eingesetzt wird die potenziell tödliche Munition gegen ungeschützte Personenziele. Explodiert der Sprengstoff, werden die Stahlsplitter mit hoher Geschwindigkeit und entsprechend viel Kraft innerhalb eines gewissen Radius – je nach Stärke der Granate – geschleudert. Immer wieder berichten Medien von Waffen und Munition aus österreichischer Produktion in Kriegs- und Krisengebieten. Waffenhersteller wie die Steyr Mannlicher GmbH, deren Sturmgewehr laut Profil im syrischen Bürgerkrieg auftauchte, betonen stets, ihre Waffen seien in die falschen Hände geraten. Grünen-Abgeordneter Pilz vermutet Rechtsbruch bei Kriegsmaterialexport und Einrichtung des Abdullah-Zentrum als Gegenleistung. Wien – Nachdem der deutsche Spiegel von einer in Österreich hergestellten Splittergranate berichtet hat, die in Saudi-Arabien aufgetaucht ist, musste das Innenressort in Wien die Genehmigung eines fragwürdigen Exports Richtung Riad einräumen: Im Jahr 2010 hat die Republik die Lieferung von 9.000 Splittergranaten an die Saudis freigegeben, nachdem 2009 ein entsprechendes Ansuchen gestellt worden war. Konkret waren die Geschoße für das Innenministerium des Königreichs bestimmt, in dem es um die Menschenrechte nicht zum Besten bestellt ist. Auf APA-Anfrage erklärte Karl-Heinz Grundböck vom Innenressort, dass der Export in Absprache mit dem Außen- und dem Verteidigungsressort erfolgt sei. Gemäß dem heimischen Kriegsmaterialiengesetz muss das Innenressort das Außenamt bei solchen Angelegenheiten einbinden, das Verteidigungsministerium anhören – in der Praxis prüft Letzteres aber vor allem, ob die Waffen gegen österreichische Soldaten im Ausland eingesetzt werden könnten. Der Waffenhandel mit kriegsführenden Staaten und in Länder, in denen exportiertes Kriegsmaterial zur Unterdrückung von Menschenrechten verwendet werden kann, ist Österreich als Neutraler generell verboten. Schon 2009 berichtete Amnesty International von 69 Hinrichtungen und zahlreichen Auspeitschungen. Im Detail stammt die in Saudi-Arabien aufgefundene Splittergranate von einer österreichischen Tochterfirma des deutschen Rüstungskonzerns Rheinmetall. Im Jahr 2014 sollen Sondereinheiten des Königreichs diese bei einem Einsatz gegen eine Protestbewegung bei sich getragen haben, so der Spiegel. Für den Grünen Peter Pilz sind für den Export der frühere Außenminister Michael Spindelegger und Ex-Innenministerin Maria Fekter (beide ÖVP) verantwortlich, was er im Innenausschuss am Dienstag auf die Tagesordnung setzen will. Dazu vermutet Pilz, dass die Einrichtung des Abdullah-Zentrums in Wien als Gegenleistung erfolgt sei: Das Ganze war keine rechtliche, sondern offenbar eine politische Entscheidung, mit der man dem Regime einen Gefallen tun wollte. Das stinkt nach einem Geschäft. Pilz Recherchen decken sich mit Grundböcks Angaben, dass nach 2010 kein derartiger Export nach Saudi-Arabien mehr erfolgt ist. Im Mai 2012 wie im Jänner 2014, als Riad gern weitere 3.000 beziehungsweise 9.000 Stück Granaten geordert hätte, habe das Innenressort die Ausfuhr verboten beziehungsweise schon das Vorverfahren abgedreht, so der Grüne. Fekter, mittlerweile Abgeordnete und ÖVP-Kultursprecherin, lässt dem STANDARD ausrichten, dass der Export ein Verwaltungsverfahren des Innenressorts war, das ohne ihre Einflussnahme gesetzeskonform abgewickelt wurde. Auch Spindelegger, jetzt Generaldirektor des in Wien ansässigen Internationalen Zentrums für die Entwicklung von Migrationspolitik, weist über einen Sprecher politischen Tauschhandel zurück. Ende 2010 hat er per Ministerratsvortrag seinen Regierungskollegen erstmals die Idee des Abdullah-Zentrums präsentiert, 2011 wurde die umstrittene Dialogstätte dann eröffnet. Bis zur vollen Kontrolle des Landes durch Regierung – Außenminister: Erfolg nur eine Frage der Zeit. Riad/Sanaa – Saudi-Arabiens Militäreinsatz im Jemen wird nach den Worten von Außenminister Adel al-Jubeir so lange andauern, bis die sunnitische Regierung in dem Nachbarland wieder uneingeschränkt an der Macht ist. Jubeir sagte der Nachrichtenagentur AFP am Donnerstag, es sei nur eine Frage der Zeit, bis es der internationalen Koalition im Jemen gelingt, die Regierung wiederherzustellen. Ziel sei es, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet zurückzuerlangen. Die Unterstützung für die legitime Regierung werde so lange anhalten, bis diese Ziele erreicht seien oder bis eine politische Einigung darüber gefunden worden sei, sagte der saudische Außenminister. Saudi-Arabien und mehrere arabische Verbündete gehen seit März vergangenen Jahres im Jemen gegen die schiitischen Houthi-Rebellen vor, die ihrerseits gegen die Staatsführung kämpfen. Jubeir sagte zu dem Militäreinsatz, die Koalition habe der Regierung bei Gebietseroberungen sowie Versorgungsrouten für die Bevölkerung geholfen. Die Militärallianz habe außerdem ausreichend Druck auf die Houthi-Rebellen und ihre Verbündeten ausgeübt, damit diese einen politischen Prozess ernsthaft in Erwägung zögen. Mutmaßliche Verbrechen sollen der regulären Polizei oder der Drogenpolizei gemeldet werden. Dubai – Saudi-Arabien hat die Befugnisse der umstrittenen Religionspolizei eingeschränkt. Mitglieder des Komitees für die Förderung von Sitte und der Verhinderung von Laster dürften nun Verdächtige nicht mehr festnehmen, verhören, nach ihrem Ausweis fragen oder verfolgen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur SPA am Mittwoch unter Berufung auf einen Kabinettsbeschluss. Stattdessen sollen sie mutmaßliche Verbrechen der normalen Polizei oder den Drogenbehörden melden. Zudem müssen die Sittenwächter sich ausweisen. Der Präsident des Komitees wird ins Kabinett berufen und durch einen Erlass des Königs ernannt. Die Religionspolizei achtet in dem erzkonservativen islamischen Königreich unter anderem auf die Einhaltung des Verbotes von Alkohol, Musik und Kontakten zwischen Männern und Frauen in der Öffentlichkeit. Zudem setzen sie die strengen Kleidungsvorschriften für Frauen durch. In den vergangenen Monaten ist das Komitee jedoch in mehreren Fällen in die Kritik geraten. Im März wurde ein Video in den Sozialen Medien verbreitet von Religionspolizisten, die eine junge Frau schlugen, weil sie ihr Gesicht nicht verschleiern wollte. Beratungen über Kampf gegen Extremisten. Riad – Am zweiten Tag seiner Reise in den Nahen Osten ist US-Präsident Barack Obama mit den Staatschefs der arabischen Golfländer zusammengekommen. Das Treffen begann am Donnerstag in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad, wie der Nachrichtenkanal Al-Arabiya meldete. Obama ist als erster US-Präsident Gast eines Gipfels des Golfkooperationsrats (GCC). Bei den Beratungen soll es um den Kampf gegen Extremisten wie die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gehen. Auch über das schwierige Verhältnis der Golfstaaten zum schiitischen Iran wollen die Staatsoberhäupter sprechen. Obama hatte am Mittwoch zum Auftakt seiner Reise mehr als zwei Stunden lang mit dem saudischen König Salman gesprochen. Rebellen-Miliz nahe Damaskus hatte Kämpfe zuletzt wegen Vormachtstellung der Islamisten eingestellt. Hussam Dib, ehemaliger Anführer einer Rebellengruppe in Syrien, wurde am Wochenende bei einem Autounfall getötet, wie die libanesische Zeitung Daily Star berichtet. Seine Freunde hätten bestätigt, dass Dib auf dem Weg nach Deutschland war, als der Unfall passierte. Dib hatte nahe Damaskus die Bani Maarouf Commandos Miliz gegründet, die vor allem von Drusen unterstützt wurde. Die Gruppe, die zuletzt unter dem Namen Youssef al-Azmeh Brigade bekannt war, konnte aufgrund fehlender Finanzierung und der Vormachtstellung islamistischer Milizen nicht mehr weiterkämpfen. Hussam Dib hätte vor kurzem das Land über die Türkei verlassen und nun versucht nach Europa einzuwandern, sagen seine Freunde. Gefechte und Selbstmordanschlag. Kobane (Ayn al-Arab/Kobani) – Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) sind bei einem Überraschungsangriff erneut in die nordsyrische Stadt Kobane eingefallen. Bei mindestens drei Selbstmordattentaten der Extremisten und Gefechten mit kurdischen Einheiten seien insgesamt 49 Menschen getötet worden, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Neben 14 toten IS-Kämpfern waren auch viele Frauen und Kinder unter den Opfern. Die Kurden hatten Kobane an der Grenze zur Türkei erst Ende Jänner nach monatelangen Kämpfen aus der Gewalt der IS-Miliz befreit. Zugleich überfiel der IS am Donnerstag im Norden Syriens zwei weitere Orte, wie die Menschenrechtsaktivisten meldeten. Demnach griffen die Extremisten etwa 35 Kilometer südlich von Kobane das Dorf Barcha Batan an und töteten mindestens 20 Menschen, darunter zahlreiche Frauen und Kinder. Ein dritter Angriff erfolgte auf die Stadt Hasaka im Nordosten des Landes. Der neue IS-Angriff auf Kobane begann am frühen Morgen mit Selbstmordangriffen auf den Grenzübergang zur Türkei. Danach habe es Gefechte in mehreren Vierteln Kobanes gegeben, erklärten die syrischen Menschenrechtler. Kurden-Sprecher Idriss Nassan sagte, die IS-Extremisten hätten wild um sich geschossen und auf jeden gefeuert, den sie erblickt hätten. Den kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) gelang es nach eigenen Angaben, die IS-Kämpfer einzukreisen. Der türkische Vize-Ministerpräsident Numan Kurtulmus erklärte, es seien 96 Verletzte und vier Tote in türkische Krankenhäuser eingeliefert worden. Er wies zugleich den Vorwurf der Kurden zurück, die Angreifer hätten Kobane von türkischem Gebiet aus angegriffen. Entsprechende Angaben seien vollkommen gelogen, sagte Kurtulmus laut der Nachrichtenagentur Anadolu. Sie seien Propaganda und der Versuch, die Türkei zum Ziel einer Schmutzkampagne zu machen. Ein Video, das der Sender CNN Türk ausstrahlte, zeigt zwei Explosionen am Grenzübergang zur Türkei. Der zweite Attentäter kommt in einem Auto von syrischer Seite, bevor er sich in die Luft sprengt. YPG-Sprecher Redur Chalil erklärte, die IS-Angreifer hätten Uniformen syrischer Rebellen getragen und Kobane von Süden und Westen aus angegriffen. Den Kurden zufolge waren nur wenige YPG-Kämpfer in der Stadt, weil sie an anderen Fronten gegen den IS kämpfen. Der IS hatte bereits im vergangenen Jahr große Teile Kobanes eingenommen. Mit Hilfe von Luftangriffen einer internationalen Militärkoalition gelang es den Kurden in monatelangen Kämpfen jedoch, die Stadt Ende Januar zu befreien. Große Teile wurden dabei in Schutt und Asche gelegt. Erst in den vergangenen Wochen war allmählich Leben nach Kobane zurückgekehrt. Der neue IS-Angriff erfolgte nur wenige Tage, nachdem die sunnitischen Extremisten im Norden Syriens schwere Niederlagen gegen die Kurden einstecken mussten. In der vergangenen Woche hatten die Volksschutzeinheiten die weiter östlich gelegene Grenzstadt Tell Abjad befreit. Am Dienstag nahmen sie den Ort ein Ain Issa und rückten bis auf rund 50 Kilometer an die syrische IS-Hochburg Al-Rakka heran. Die Extremisten verloren durch die Niederlagen ihre wichtigsten Nachschubwege in die Türkei. IS-Kämpfer griffen am Donnerstag auch die östlich von Kobane gelegene Stadt Hasaka an. Bei Kämpfen seien mindestens 20 Dschihadisten und 30 Anhänger des syrischen Regimes getötet worden, erklärte die syrische Beobachtungsstelle. Die Extremisten hätten zwei Stadtviertel erobert. Im Süden des Landes forderte der Angriff islamistischer Rebellen auf die vom Regime gehaltene Stadt Daraa mindestens 38 Opfer. Die Aufständischen konnten im Westen der Stadt vorrücken und auch einen Kontrollpunkt nördlich Daraas einnehmen. Kämpfe in Grenzprovinz Daraa. Amman – Eine aus Syrien abgefeuerte Rakete hat am Donnerstag mindestens einem Menschen in Jordanien das Leben gekostet. Die Mörserbombe schlug auf einem belebten Markt in der Grenzstadt Ramtha ein und verletzte zudem vier Menschen, wie Generalmajor Badr al-Qady der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu sagte. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen soll die Rakete aus Kämpfen zwischen Rebellen und Regierungstruppen in der syrischen Grenzregion Daraa stammen. Bereits zuvor hatten drei Mörserbomben in Ramtha eingeschlagen – dazu lagen zunächst keine Berichte über mögliche Schäden oder Opfer vor. Laut Anadolu sei in der Stadt seit Mittwochabend ununterbrochen Raketenlärm aus Syrien zu hören. Das syrische Rebellenbündnis Die Südfront will in dieser Region die Soldaten von Präsident Bashar al-Assad aus den Grenzgebieten zu Jordanien und Israel vertreiben. In der Umgebung mehrerer ländlicher Orte in der Provinz Daraa seien bei Gefechten Dutzende Angreifer getötet worden, hieß es in syrischen Militärkreisen. Ein Sprecher der Südfront erklärte, man sei auf eine längere Offensive eingerichtet. Ziel ist die Eroberung der Provinzhauptstadt Daraa. Lastwagen in die Luft gesprengt. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Teenager ermorden Dutzende Regierungssoldaten. Internationale Koalition meldet Erfolg bei Luftangriffen auf syrische IS-Hochburg. Palmyra/Raqqa – Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat ein neues Video veröffentlicht, das die Hinrichtung von 25 syrischen Soldaten in Palmyra zeigt. Die Gefangenen werden in dem am Samstag veröffentlichten Video im Amphitheater der antiken Stadt von jungen IS-Kämpfern getötet. Bei Luftangriffen der US-geführten Militärallianz auf Raqqa sollen indes Zivilisten getötet worden sein. In dem rund zehnminütigen IS-Video aus Palmyra sind mehrere Teenager und offenbar auch Kinder zu sehen, die auf der Bühne des Amphitheaters 25 Regierungssoldaten hinrichten. Hinter den am Boden knienden Männern weht die riesige schwarz-weiße Flagge der Jihadisten. Auch unter den Zuschauern auf den Rängen sind mehrere Kinder. Die Massenexekution fand offenbar schon kurz nach der Eroberung von Palmyra durch den IS Ende Mai statt. Damals hatte bereits die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte über die Hinrichtung berichtet. Die Jihadisten haben in der Stadt bereits mehrere Mausoleen und Skulpturen zerstört. Die antiken Stätten Palmyras im Zentrum Syriens gehören zum Weltkulturerbe der UNESCO. Bei insgesamt 16 Luftangriffen gegen IS-Stellungen im nordsyrischen Raqqa wurden indes mehrere Gebäude sowie strategisch wichtige Straßen zerstört, wie der Sprecher der US-geführten Koalition, Thomas Gilleran, mitteilte. Die bisher umfangreichsten Angriffe gegen IS-Ziele in Syrien hätten die Bewegungsfreiheit der IS-Kämpfer deutlich eingeschränkt. Der Beobachtungsstelle zufolge wurden bei den Luftangriffen mindestens 22 Menschen getötet, darunter auch sechs Zivilisten. Dutzende weitere Menschen seien verletzt worden. Die Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk von Aktivisten vor Ort. Wegen der unübersichtlichen Lage in dem Bürgerkriegsland sind die Angaben von unabhängiger Seite kaum überprüfbar. Die Aktivisten berichtete am Wochenende auch von schweren Kämpfen in mehreren Teilen der westsyrischen Metropole Aleppo. Ein Zusammenschluss mehrerer Rebellengruppen eroberte demnach am Samstag ein bisher von Regierungstruppen gehaltenes Forschungszentrum im Westen der Stadt, das zu einer Kaserne umfunktioniert wurde. Regierungstruppen versuchten demnach zunächst vergeblich, das Gelände zurückzuerobern. Aleppo ist seit Juli 2012 praktisch in einen von den Rebellen gehaltenen Osten und einen von Regierungstruppen kontrollierten Westen gespalten. Die Kämpfe im Westen der Stadt sind die schwersten Gefechte seit Jahren und der erste erfolgreiche Vormarsch der Rebellen seit Juli 2013. In der Region Qalamoun an der Grenze zum Libanon wurden die Aufständischen unterdessen von Regierungstruppen und der libanesischen Hisbollah-Miliz angegriffen, die einen gemeinsamen Vorstoß zu Rückeroberung der Stadt Zabadani starteten. Im syrischen Staatsfernsehen war von einem großen Einsatz die Rede. Nach Angaben der Beobachtungsstelle warfen die Regierungstruppen allein am Samstag 22 Fassbomben ab. Zabadani ist die letzte Stadt in der Region nördlich von Damaskus, die noch von den Rebellen kontrolliert wird. Stadt Ain Issa wieder verloren – Schüsse an syrisch-türkischer Grenze. Damaskus – Zwei Wochen nach der Eroberung einer wichtigen Grenzregion in Nordsyrien durch kurdische Kämpfer gewinnt die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) wieder an Boden. Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Montag berichtete, starteten die Jihadisten eine Großoffensive, bei der zahlreiche Kämpfer der kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) zumindest verletzt wurden. Die strategisch wichtige Stadt Ain Issa, die zwischen der IS-Hochburg Raqqa und der syrisch-türkischen Grenze liegt, wurde demnach von IS-Extremisten zurückerobert. Kurdische Einheiten hatten im Juni den Ort 50 Kilometer entfernt von Raqqa eingenommen und den IS damit unter Druck gesetzt. Raqqa gilt als inoffizielle Hauptstadt des IS in Syrien. Eine Woche zuvor hatte der IS bereits mit einer Niederlage in Tel Abyad seine wichtigste Nachschubroute in die Türkei verloren. Die Kämpfe dauerten nach Angaben von Aktivisten am Montag im Umland von Ain Issa an. Auch Ortschaften nahe dem Berg Abdulaziz rund 100 Kilometer weiter östlich seien wieder von den Jihadisten unter Kontrolle gebracht worden. An der Grenze sollen in der Nacht auf Montag auch Schüsse zwischen der türkischen Armee und kurdischen Kämpfern gefallen sein. Laut Menschenrechtsbeobachtern kam es zwischen der Stadt Tel Abyad und der türkischen Seite zu dem kurzen Gefecht. Es gebe Informationen über Verletzte, Details wurden nicht genannt. Ein Kurdensprecher bestätigte den Vorfall zwar, sprach aber von einem Missverständnis. Ein Sprecher der YPG wies die Geschichte wiederum zurück. Die türkische Armee habe auf eine Gruppe Schmuggler geschossen, jedoch nicht auf die Kurden. Das Verhältnis zwischen der Türkei und den kurdischen Kämpfern in Syrien ist gespannt. Mit der Eroberung von Tel Abyad vor einigen Wochen dehnten die Kurden ihre Kontrolle auf ein zusammenhängendes Gebiet aus, das sich über hunderte Kilometer entlang der Grenze zur Türkei erstreckt. Die türkische Regierung befürchtet, dass die Kurden in Syrien einen eigenen Staat ausrufen und damit auch Unabhängigkeitsbestrebungen der Kurden im eigenen Land anheizen könnten. Die YPG sind eng mit der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verbunden. Regierungsvertreter: Ein Soldat getötet – Türkei stärkt Grenzschutz – Obama bietet Erdoğan Hilfe an. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Auch Wehrdienstverweigerer sollen straflos davonkommen. Damaskus – Nach mehr als vier Jahren Bürgerkrieg hat der syrische Staatschef Bashar al-Assad eine Generalamnestie für Armee-Deserteure und Wehrdienstverweigerer erlassen. Wie die amtliche Nachrichtenagentur SANA am Samstag berichtete, sollen sich ins Ausland geflohene Deserteure binnen zwei Monaten bei den Behörden melden, um von der Amnestie zu profitieren. Deserteure, die sich in Syrien aufhalten, sollen einen Monat Zeit bekommen. Eine Frist für Wehrdienstverweigerer wurde nicht genannt. Die syrische Armee ist nach mehr als vier Jahren Kämpfen gegen Rebellen und Jihadisten stark geschwächt. Anfang Juli hatte die Regierung eine Kampagne gestartet, um Bürger für den Dienst in den Streitkräften zu gewinnen. Seit dem Beginn des Konflikts im März 2011 wurden mehr als 80.000 Soldaten der Regierungstruppen und verbündeter Milizen getötet. Nach Angaben der in Großbritannien ansässigen syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bisher insgesamt in dem Bürgerkrieg rund 230.000 Menschen getötet. Die Angaben der Beobachtungsstelle basieren auf einem Netzwerk von Informanten in Syrien und können von unabhängiger Seite kaum überprüft werden. Es ist das zweite Mal innerhalb etwa eines Jahres, dass Assad einen Straferlass verkündet. Im Juni 2014 hatte der syrische Staatschef eine Generalamnestie angekündigt, nach der alle Häftlinge entlassen werden sollten, die bis dahin verurteilt wurden. Er bezeichnete dies als Geste der Versöhnung in dem Bürgerkriegsland. Die Umsetzung verlief jedoch schleppend, und zahlreiche politische Gefangene blieben weiter in Haft. Syrische Armee erzielte offenbar Teilerfolg gegen Rebellen. Damaskus – Bei erneuten blutigen Kämpfen in Syrien sind mindestens 65 Menschen getötet worden. Wie die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag berichtete, starben bei Auseinandersetzungen in der strategisch wichtigen Region Sahl al-Ghab binnen eines Tages 20 Kämpfer der prosyrischen Kräfte sowie 19 Rebellen. Weitere 25 Tote gab es bei heftigen Auseinandersetzungen um ein Armeelager nahe der Stadt Aleppo. Die Angaben der den Rebellen nahestehenden Beobachtungsstelle lassen sich von unabhängiger Seite kaum überprüfen. Doch stützt sie sich auf ein ganzes Netz von Aktivisten, und viele ihrer Berichte stellten sich im Nachhinein als richtig heraus. Die Region Sahl al-Ghab in der zentralen Provinz Hama grenzt an die Provinz Lattakia, aus der die Familie von Staatschef Bashar al-Assad stammt. Anfang der Woche hatten die Rebellen dort eine Offensive gestartet und mehrere Positionen erobert. Sieben davon konnten nach Angaben der Beobachtungsstelle bei den heftigen Kämpfen am Samstag von der syrischen Armee zurückerobert werden. Auch die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete von dutzenden getöteten Terroristen, die übliche Umschreibung für die Aufständischen. Am Rande von Aleppo im Nordwesten des Landes wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle bei einem fehlgeschlagenen Angriff auf ein Behelfslager der syrischen Armee mindestens 25 Rebellen getötet. Mehrere Rebellengruppen hätten den Angriff am späten Freitagabend gestartet. Bei den anschließenden Kämpfen seien auch neun Soldaten getötet worden. Unter den Toten waren demnach auch drei ranghohe Kommandanten der Rebellen. Auch hier berichtete Sana von mehreren getöteten und verwundeten Terroristen. Wie die Beobachtungsstelle weiter meldete, wurden in der einstigen Wirtschaftsmetropole im Norden Syriens am Samstag zehn Männer hingerichtet. Sie seien zuvor von einem Religionsgericht der Al-Nusra-Front zum Tode verurteilt worden. Zwei von ihnen wurde demnach Ehebruch vorgeworfen, acht weiteren legte das Gericht Kollaboration mit dem Assad-Regime zur Last. Die Al-Nusra-Front ist der syrische Zweig der Terrororganisation Al-Kaida. Aleppo ist seit dem Jahr 2012 geteilt – den Westen der Stadt kontrolliert die Führung in Damaskus, der Osten ist in der Hand der Aufständischen. Eine Anfang Juli gestartete Offensive von zwei Rebellenbündnissen in den westlichen Randgebieten der Stadt wurde von der Armee zwar zurückgeschlagen, doch setzen die Aufständischen immer wieder sporadisch ihre Angriffe fort. In der östlichen Provinz Deir Essor forderte der IS unterdessen örtliche Internetprovider auf, die Wlan-Verbindungen für Privathaushalte der Ortschaft Albu Kamal zu kappen. Eine ähnliche Anordnung hatten die radikalen Islamisten bereits im Juli für ihre Hochburg Raka erlassen. Damit will der IS die Einwohner zwingen, zum Surfen im Internet in überwachte Internetcafes zu gehen. Nach Einschätzung der Beobachtungsstelle will der IS auf diese Weise Nachrichten filtern sowie ausländische Kämpfer daran hindern, heimlich nach Wegen zur Rückkehr in ihre Heimat zu suchen. In dem 2011 losgebrochenen Bürgerkrieg in Syrien starben bisher mehr als 230.000 Menschen. Die USA fliegen zwar schon seit längerem Luftangriffe in Syrien, nun wurde aber erstmals eine selbst ausgebildete Rebellengruppe unterstützt. Washington – Die USA haben nach eigenen Angaben erstmals eine von ihnen ausgebildete Rebellengruppe in Syrien mit einem Luftangriff unterstützt. Der Luftangriff vom Freitag sei zum Schutz der Gruppe Neues Syrien erfolgt, teilte der Sprecher des US-Verteidigungsministeriums, Bill Urban, am Montag in Washington mit. Wir müssen handeln, um die Gruppe Neues Syrien, die wir ausgebildet und ausgerüstet haben, zu verteidigen, hob der Pentagon-Sprecher hervor. Zuvor hatte ein Regierungsvertreter erklärt, die US-Armee habe Stellungen der islamistischen Al-Nusra-Front bombardiert und damit auf einen Angriff der Islamisten auf von den USA ausgebildete Rebellen reagiert. Vor Bekanntgabe des US-Luftangriffs hatte der Sprecher von US-Präsident Barack Obama, Josh Earnest, am Montag den syrischen Machthaber Bashar al-Assad ausdrücklich davor gewarnt, den vom US-Militär ausgebildeten Einheiten beim Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in die Quere zu kommen. Die USA seien zu zusätzlichen Schritten bereit, um die verbündeten Rebellen zu unterstützen, sagte Earnest. Die USA fliegen seit dem vergangenen Sommer gemeinsam mit Verbündeten Luftangriffe auf IS-Stellungen in Syrien und im Irak. Für den Kampf am Boden setzt Washington auf die irakischen Streitkräfte, kurdische Verbände sowie die moderate Opposition gegen Assad. Der seit mehr als vier Jahren andauernde syrische Bürgerkrieg hatte den Aufstieg des IS begünstigt, der mittlerweile große Gebiete in Syrien und im Irak kontrolliert. Die USA haben indessen ihre Sanktionen gegen Syrien erneut ausgeweitet. Das Finanzministerium in Washington setzte am Montag zusätzlich sieben Institutionen und vier Einzelpersonen auf die Sanktionsliste, zudem wurden sieben Frachter beschlagnahmt. Die Institutionen seien größtenteils von der syrischen Regierung und ihren Unterstützern dazu genutzt worden, um die bestehenden US- und EU-Sanktionen zu umgehen, hieß es in einer Mitteilung des Ministeriums. Diese gezielten Sanktionen intensivieren den wirtschaftlichen und finanziellen Druck auf die syrische Regierung, ihre Kampagne der Gewalt gegen ihr Volk zu beenden, erklärte das Finanzministerium. In Syrien wütet seit mehr als vier Jahren ein Bürgerkrieg zwischen den Truppen von Staatschef Bashar al-Assad und gemäßigten sowie islamistischen Aufständischen. Seit Beginn der Kämpfe im März 2011 wurden nach nicht überprüfbaren Angaben der syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte bereits etwa 230.000 Menschen getötet. Neugegründete Einheit "Division 30" sollte gegen IS-Miliz kämpfen – USA bildeten 54 Mann aus. Der US-Plan zum Aufbau einer gemäßigten Rebellentruppe in Syrien hat einen weiteren Rückschlag erlitten. Wie die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag mitteilte, verschleppten Kämpfer der jihadistischen Al-Nusra-Front in der nördlichen Provinz Idlib im Dorf Kah mindestens fünf Mitglieder der sogenannten Division 30. Ein Sprecher der Rebellengruppe sprach sogar von fünf Toten, 18 Verletzten und 20 Gefangenen, berichtet die New York Times. US-Luftangriffe konnten den Angriff der Al-Nusra-Kämpfer nicht stoppen. In dieser Gruppe kämpfen von den USA ausgebildete Rebellen gegen Terrorgruppen in Syrien. Die von den USA ausgebildeten Kämpfer hatten den Angaben zufolge in einem Flüchtlingscamp in Kah Unterschlupf gesucht. Al-Nusra hätte deshalb am Montagabend das Camp gestürmt und mindestens fünf der Rebellen gefangen genommen, es könnten demnach aber auch mehr gewesen sein. Am vergangenen Donnerstag war bereits der Kommandant der Brigade, Nadim al-Hassan, gemeinsam mit sieben weiteren Kämpfern nördlich von Aleppo in die Hände der Al-Kaida-nahen Miliz gefallen. Einen Tag später wurden bei Gefechten zwischen den islamischen Extremisten und den Rebellen sechs Angehörige der Division getötet. Das hätte so nicht passieren dürfen zitiert die New York Times einen ehemaligen US-Regierungsbeamten, der bis vor kurzem mit der Syrienpolitik der USA beschäftigt war und nicht namentlich in der Zeitung erwähnt werden wollte. Nach Ansicht der Al-Nusra-Front sind die Oppositionskämpfer US-Spione. In einer Stellungnahme kündigte die Gruppe an, falls die USA ihre Hände nach Syrien ausstreckten, werde man diese abhacken. Man bemühe sich, die Division 30 zu vernichten, bevor diese in Syrien Fuß fassen könne. Die in der Türkei von US-Soldaten ausgebildete Einheit soll in Syrien vor allem gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kämpfen. Die USA wollen dafür jährlich rund 5.000 syrische Rebellen ausbilden. Weil das Militär aber Probleme hat, vertrauenswürdige Kämpfer zu finden, sind laut Verteidigungsminister Ashton Carter bisher nur 54 Männer ausgebildet worden. Verhandlungen um Freilassung weiterer Geiseln. Damaskus – Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat mehrere vor Monaten in Syrien entführte assyrische Christen freigelassen. Unter den 22 freigelassenen Geiseln seien 14 Frauen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag. Sie gehörten zu mehr als 200 Mitgliedern der christlichen Minderheit, die im Februar in der Region Khabur in der nordöstlichen Provinz Hasaka verschleppt worden waren. Die Freilassung sei das Resultat unermüdlicher Bemühungen und Verhandlungen der Assyrischen Kirche, erklärte die Beobachtungsstelle. Eine zweite Organisation, das Assyrische Netzwerk für Menschenrechte, bestätigte die Freilassung. Verhandlungen über die Freilassung der restlichen 187 Geiseln in den Händen des IS dauerten an, sagte ihr Leiter Osama Edward. Der Vorsitzende einer schwedischen Gruppe von assyrischen Christen, Afram Yakoub, sagte, bei den Freigelassenen handle es sich um ältere Frauen und Männer. Wir glauben, dass sie wegen gesundheitlicher Probleme und ihres Alters freigelassen wurden. Der Schritt nähre die Hoffnung, dass eines Tages alle assyrische Christen freikommen würden. Vor dem Beginn des Konflikts lebten in Syrien rund 30.000 assyrische Christen, die meisten in 35 Dörfern in der Provinz Hasakeh. Im Februar überrannte der IS mehrere dieser Dörfer, bevor er von kurdischen Kämpfern zurückgeschlagen wurde. Eine Straßenschießerei in Latakiya bringt die Ressentiments der Alawiten zum Vorschein. Damaskus/Wien – Mit der Verhaftung seines Cousins versuchte Bashar al-Assad diese Woche die Notbremse zu ziehen: Nachdem Suleiman al-Assad einen Kommandanten der regimetreuen Nationalen Verteidigungskräfte, Hassan Mahmud al-Shaikh, bei einem Streit wegen eines Überholmanövers niedergeschossen und umgebracht hatte, waren alawitische Demonstranten in Latakiya auf die Straße gegangen und hatten die Hinrichtung Suleimans gefordert. Der für seine Gewalttätigkeit berüchtigte 18-Jährige reagierte auf die Proteste und auf eine Internetkampagne gegen ihn mit wüsten Drohungen, bevor er festgenommen wurde. Suleiman ist einer der Söhne des im März 2014 bei Kämpfen mit Rebellen getöteten Hilal al-Assad, eines Enkels des Halbbruders von Hafiz al-Assad, dem Vater Bashars. Hilal und Suleiman al-Assad sind nur zwei Namen von Verwandten des syrischen Präsidenten, die für die Shabiha stehen, ursprünglich Schmuggler und Gangster aus der Familie, die ihre Nähe zur Macht ausnützten, um ungestraft ihren kriminellen Machenschaften nachkommen zu können. Ihr primitives Protzertum stieß schon früher auf Abscheu in einer teils arm gebliebenen Gesellschaft in den alawitischen Kerngebieten. Übergriffe und Gewalt blieben ungestraft. Mit dem Ausbruch des Kriegs in Syrien wurden die Shabiha zu einer gefürchteten Pro-Regime-Miliz, zuerst vorwiegend der Alawiten – der Religionsgemeinschaft, aus der die Assads ursprünglich stammen. Es gibt aber auch durchaus nichtalawitische Shabiha. Später wurde der Begriff von der Opposition nicht ganz exakt allgemein auf Assad-treue paramilitärische Gruppen angewandt. Suleiman al-Assads Ermordung eines alawitischen Kommandanten legte einmal mehr die Bruchstelle zwischen den Shabiha und den normalen Alawiten bloß – aber die Spannungen gehen noch viel tiefer. Überdeutlich wurde das nach der Einnahme der Luftwaffenbasis Tabqa bei Raqqa durch den Islamischen Staat im Dezember 2014, wo mindestens 120 syrische Soldaten, viele davon junge Alawiten, massakriert wurden. Es folgten Proteste und Internetkampagnen, bei denen das Regime beschuldigt wurde, die loyalen Alawiten die Rechnung für das eigene Überleben bezahlen zu lassen. Bei Begräbnissen der Toten von Tabqa wurden in Latakiya Slogans wie So Gott will, werden wir das Begräbnis deines Sohns besuchen gerufen. Alawiten-Demonstrationen gab es auch in Homs und Tartus. Den Assads wird vorgeworfen, nicht die Interessen und das Leben der Alawiten zu schützen, sondern höchstens die ihres eigenen Stamms (der Kalabiya) und engeren Clans. Ressentiments betreffen auch die Tatsache, dass die Assads ja keinesfalls das traditionelle Alawitentum fördern, sondern sich selbst als Sunniten stilisieren: Die Verfassung verlangt einen Sunniten als Staatspräsidenten. Hafiz al-Assad, der Syrien von 1970 bis 2000 regierte, galt trotzdem als Patriarch aller und als quasireligiöse Figur. Bashar ist das nie gelungen. Viele Alawiten hält nur die Angst vor den Jihadisten – für die sie Ketzer und Vogelfreie sind – beim Regime. Für den syrischen Präsidenten kommt die Krise völlig zur Unzeit: In einer Zeit, in der die syrische Armee an Rekrutierungsproblemen leidet – wie Assad selbst jüngst in einer Rede zugab –, muss das Regime darauf schauen, dass die militärischen Subunternehmer funktionieren. Nicht nur die Opposition ist fragmentiert, das gilt auch für die Pro-Assad-Kräfte. Von den Shabiha über die Volkskomitees, Nationale Verteidigungskräfte, die Volksarmee (das ist die Miliz der Baath-Partei), die Küstenschild-Brigade in Latakiya: Die Aufsplitterung des Unterdrückungsapparats straft die Regime-Propaganda, die die Existenz einer starken Zentralmacht vermitteln will, Lügen. Für Assad ist nicht nur wichtig, Kontrolle über alle Gruppen auszuüben – beziehungsweise wiederzuerlangen –, um dem Rebellendruck standhalten zu können. Die Dezentralisierung macht aus den diversen Kräften potenzielle Warlords, die auch auf eigene Rechnung kämpfen könnten, vielleicht einmal auch gegen das Regime. Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte spricht von mindestens elf Toten. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Khaled al-Asaad wurde von IS-Terroristen geköpft, die Unesco ist entsetzt über den Mord. Paris/Palmyra – Mit Entsetzen hat die Unesco auf die Enthauptung des früheren Chefarchäologen der historischen Oasenstadt Palmyra, Khaled al-Asaad, durch die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) reagiert. Sie sei betrübt und empört und verurteile die schreckliche Tat, sagte Unesco-Chefin Irina Bokowa am Mittwoch. Asaad war am Dienstag vor dutzenden Zuschauern auf einem öffentlichen Platz des Wüstenortes enthauptet worden. Sie haben ihn umgebracht, weil er sein starkes Engagement für Palmyra nicht verraten wollte, sagte Bokowa. Asaad hatte 40 Jahre lang die archäologischen Stätten in der zentralsyrischen Stadt geleitet und war trotz des IS-Vormarschs nicht geflohen. Sie haben einen großen Menschen ermordet, aber sie werden die Geschichte nie zum Schweigen bringen, sagte die Unesco-Chefin. Palmyras gut erhaltene Ruinen aus den ersten Jahrhunderten unserer Zeitrechnung gehören zum Unesco-Weltkulturerbe. Die einstige Handelsmetropole gilt als einer der bedeutendsten Komplexe antiker Bauten im Nahen Osten. Die IS-Extremisten hatten die Stadt Ende Mai von Truppen des syrischen Regimes eingenommen. Tempel von Baal Schamin mit großer Menge Sprengstoff zerstört – Unesco bezeichnet Sprengung als Kriegsverbrechen. Damaskus – Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat einen bedeutenden Tempel in der von ihr besetzten syrischen Oasenstadt Palmyra gesprengt. Der Tempel von Baal Schamin sei mit einer großen Menge Sprengstoff in die Luft gejagt worden, sagte der Direktor der syrischen Antikensammlungen, Maamun Abdulkarim, am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte die Zerstörung des Tempels. Das Gebäude sei in großen Teilen zerstört, sagte Abdulkarim. Bei der Explosion sei die sogenannte Cella des Tempels, ihr innerster heiliger Bereich, zerstört worden. Die umgebenden Säulen seien eingestürzt. Unsere schlimmsten Befürchtungen erfüllen sich gerade, sagte Abdulkarim. Die Weltkulturerbeorganisation der Vereinten Nationen (Unesco) stufte die Sprengung als Kriegsverbrechen ein. Diese Zerstörung ist ein neues Kriegsverbrechen sowie ein riesiger Verlust für das syrische Volk und die Menschheit, sagte Unesco-Chefin Irina Bokova am Montag. Die Täter müssen zur Rechenschaft gezogen werden, bekräftigte sie. Seit der IS im Mai Palmyra eroberte, gibt es große Sorge um die zum Unesco-Weltkulturerbe gehörenden antiken Schätze der Stadt. Mehrere Mausoleen und Skulpturen wurden Medienberichten zufolge bereits zerstört und die größeren Ruinen vermint. Die Jihadisten betrachten die Ausstellung von Statuen und die Verehrung von Mausoleen als Götzendienst. Das auch als Perle der Wüste berühmte Palmyra liegt etwa 210 Kilometer nordöstlich der syrischen Hauptstadt Damaskus. Namentlich erwähnt wurde die Siedlung bereits im 19. Jahrhundert vor Christus als Oase, an der die von der Seidenstraße über die Golfregion in den Mittelmeerraum ziehenden Karawanen Rast machten. Seine volle Blüte erreichte Palmyra in der römischen Zeit, etwa im ersten vorchristlichen Jahrhundert. Der vom IS zerstörte Tempel des Baal Schamin wurde im Jahr 17 errichtet. Unter dem römischen Kaiser Hadrian wurde er im Jahr 130 erweitert. Abdulkarim berichtete am Sonntag auch von weiteren Zerstörungen, die der IS in der antiken Stadt anrichtete. Im Juli sei die berühmte Löwenstatue von Athena zerstört worden. Ein Museum sei in ein Gefängnis mit Gerichtssaal umgewandelt worden. Im antiken Theater seien Hinrichtungen vollzogen worden, sagte der Direktor der syrischen Antikensammlungen. International für Entsetzen sorgte in der vergangenen Woche die grausame Hinrichtung des früheren Chefarchäologen von Palmyra, Khaleed al-Assaad. Der 82-Jährige wurde enthauptet, sein Leichnam in den Ruinen von Palmyra aufgehängt. Nach Angaben eines seiner Söhne wurde die Leiche anschließend von IS-Kämpfern zerstückelt. Laut Aktivisten auch 50 Kinder unter den Opfern. Damaskus – Bei massiven Luftangriffen des syrischen Regimes auf Rebellengebiete östlich von Damaskus sind in den vergangenen zehn Tagen laut Aktivisten fast 250 Menschen getötet worden. 50 der Opfer seien Kinder, 25 Frauen, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag. Rund 1.000 Menschen wurden demnach bei den Angriffen auf Orte in der Region Al-Ghuta verletzt. Die Menschenrechtler warfen dem Regime vor, Massaker verübt zu haben. Allein am Montag starben den Angaben zufolge in dem Ort Duma 23 Menschen. Bereits in der vergangenen Woche seien dort bei einem Angriff auf einen Markt fast 120 ums Leben gekommen. Der Ort ist eine Hochburg der Rebellengruppe Armee des Islam. Die Region Ghuta gehört zu den am meisten umkämpften Gebieten im syrischen Bürgerkrieg. In den vergangenen Tagen hat das Regime seine Luftangriffe dort verstärkt. Beobachter: Ausmaß der Schäden an Baaltempel noch unklar. Palmyra/London – Der Islamischer Staat (IS) hat in der zentralsyrischen Stadt Palmyra einen weiteren jahrhundertealten Tempel teilweise zerstört. Es handelt sich um den Baal-Tempel, wie die oppositionsnahe Beobachtungsstelle für Menschenrechte unter Berufung auf lokale Quellen am Sonntag berichtete. Der Ausmaß des Schadens sei noch nicht klar. Der Tempel bildet den größten Komplex in dem Unesco-Weltkulturerbe und war im ersten Jahrhundert nach Christus eine der bedeutendsten religiösen Stätten im Nahen Osten. Erst Anfang der Woche war bekanntgeworden, dass die Terrormiliz in Palmyra den rund 2.000 Jahre alten Tempel Baal Schamin teilweise zerstört hat. Der IS hatte Palmyra Ende Mai von Truppen des Regimes eingenommen. Seitdem herrscht weltweit Sorge, dass die Extremisten die historischen Stätten als Zeugnisse der Vielgötterei nach und nach zerstören – so wie sie es bereits im Nordirak mehrfach getan haben. In Palmyra hatten sie bisher eine rund 2.000 Jahre alte Löwen-Statue zertrümmert sowie islamische Heiligengräber gesprengt. Zudem zerstörten sie wertvolle Statuen, die Schmugglern abgenommen worden sein sollen. Die historischen Stätten in Palmyra sollen vermint sein. Laut der "Sunday Times" plant der britische Premier Luftangriffe gegen Jihadisten der IS – Er soll sich zudem bereit dazu erklären, 15.000 syrische Flüchtlinge aufzunehmen. London – Der britische Premier David Cameron will sich Medien zufolge vom Parlament in Kürze Grünes Licht für einen Militäreinsatz in Syrien geben lassen. Der Regierungschef habe vor, Anfang Oktober die Abgeordneten abstimmen zu lassen und so den Weg für Luftangriffe auf die radikale Miliz Islamischer Staat (IS) zu ebnen, berichtete die Sunday Times unter Berufung auf hochrangige Regierungsvertreter. Zudem strebe Cameron eine Militär- und Geheimdienstoffensive gegen Schlepperbanden an. Der britische Premier ist zudem bereit, 15.000 Flüchtlinge aus Lagern, die sich in der Nähe Syriens befinden, aufzunehmen. Der Premier ist zuletzt unter Druck geraten, sich stärker in der europäischen Flüchtlingskrise zu engagieren. Der britische Finanzminister George Osborne sagte Reuters am Rande eines Treffens mit seinen Kollegen aus den G20-Staaten in der Türkei am Samstag angesichts der Flüchtlingskrise, das Problem müsse an seinem Ursprung angegangen werden. Und das seien die Führung um Syriens Präsident Bashar-al Assad und der IS. Man brauche zudem einen umfassenden Plan für ein stabileres und friedlicheres Syrien. Viele der Tausenden Flüchtlinge, die sich ihren Weg nach Europa bahnen, kommen aus Syrien. Dort tobt seit Jahren ein Bürgerkrieg. Verschlimmert hat sich die Lage für die Menschen, seit der IS weite Landesteile unter seine Kontrolle gebracht hat. Die USA führen eine Militärallianz an, die die Islamisten aus der Luft angreift. 2013 lehnten die britischen Abgeordneten Militärschläge in Syrien ab. Außenminister Lawrow bestätigt Transporte und kündigt weitere Maßnahmen an. Moskau – Mit russischen Frachtflugzeugen sind nach den Worten von Außenminister Sergej Lawrow sowohl militärische Güter als auch Hilfslieferungen nach Syrien gebracht worden. Bislang hatte Russland öffentlich darauf bestanden, dass die Flüge ausschließlich humanitären Charakter hätten. Lawrow sagte am Donnerstag außerdem, russische Soldaten seien seit mehreren Jahren in Syrien stationiert. Zu anderen Berichten, nach denen sich die Soldaten auch an Kämpfen beteiligt hätten, schwieg Russland. Erst wenige Tage zuvor war die Präsenz russischer Truppen in Syrien bekannt geworden. Westliche Staaten hatten sich auch besorgt über die Lieferung von Militärgütern an das mit Moskau verbündete Regime von Präsident Bashar al-Assad gezeigt. Bulgarien hatte kürzlich seinen Luftraum für Russland gesperrt, da man Zweifel am angeblich zivilen Frachtgut in den Militärmaschinen habe. Griechenland hingegen hat nach russischen Angaben seinen Luftraum für Flüge zur humanitären Hilfe ins Bürgerkriegsland Syrien geöffnet. Die Genehmigung sei am 31. August erteilt worden, zitierte am Mittwoch die Agentur Tass einen russischen Botschaftsmitarbeiter in Athen. Die Erlaubnis gelte bis zum 24. September. Auch der Iran habe allen Bitten um Überflüge stattgegeben, berichtete zudem die Agentur Interfax unter Berufung auf die russische Botschaft in Teheran. Russland beliefert Syrien einem Zeitungsbericht zufolge mit leichten Waffen, Granatwerfern, Schützenpanzern und Militärlastwagen. Unter Berufung auf Kreise der Rüstungsexportbranche berichtete die Zeitung Kommersant am Donnerstag, Syrien habe zuvor Geld für ein Luftabwehrsystem S-300 überwiesen. Russland habe aber die Lieferung der Raketen ausgesetzt und stattdessen die anderen Rüstungsgüter geliefert. Wir haben geholfen und werden der syrischen Regierung auch weiter helfen, die Armee mit der nötigen Ausrüstung zu versorgen, damit sie ein libysches Szenario verhindert, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Libyen ist seit dem Sturz von Diktator Muammar al-Gaddafi 2011 nicht zur Ruhe gekommen. Peskow sagte, die Bedrohung in der Region gehe von den Extremisten des Islamischen Staates (IS) aus. Die einzige Kraft, die dem Widerstand entgegensetzen kann, sind die syrischen Streitkräfte, sagte er und bekräftigte damit die russische Position, dass der syrische Präsident Baschar al-Assad in die internationalen Bemühungen zur Niederschlagung des IS einbezogen werden müsse. Präsident Wladimir Putin werde in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung Ende des Monats über Syrien und den IS sprechen, fügte Peskow hinzu. Bauarbeiten in Latakia Anfang September aufgenommene Satellitenbilder des syrischen Militärflugplatzes Latakia zeigen, dass dort die Rollbahn verbreitert wird und zusätzliche Hubschrauberlandeplätze angelegt werden. Denktank Stratfor heeft de eerste recente satellietfoto van werkzaamheden aan het vliegveld van Latakia (Syrië) pic.twitter.com/KAZwkbmdM6 In Latakia haben in jüngster Zeit mehrere Schiffe der russischen Marine angelegt: die Nikolai Filchenkov lieferte Anfang September BTR-Schützenpanzer und Lastwagen, wie bei der Durchfahrt durch den Bosporus aufgenommene Bilder zeigen. Derzeit ist das Schiff schwerbeladen erneut auf dem Weg nach Syrien. Nikolay Filchenkov is clearly heavier at the stern. Possible tanks or other armed vehicles in the tank deck pic.twitter.com/FDB3QW8zrp Rege Diplomatie in Moskau Laut Süddeutscher Zeitung haben in jüngster Zeit Jordaniens König Abdallah, Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sisi, der Kronprinz der Vereinigten Arabischen Emirate Mohammed bin Zayed al-Nahyan und Adel al-Jubair, der Außenminister Saudi-Arabiens, Moskau besucht. Auch Vertreter der syrischen Exilopposition wurden dort empfangen. Außenminister Fabius fordert politische Lösung des Konflikts. Paris – Nach den USA hat sich auch Frankreich besorgt über Hinweise auf ein verstärktes militärisches Engagement Russlands im Bürgerkriegsland Syrien geäußert. Das beunruhigt mich, sagte der französische Außenminister Laurent Fabius am Donnerstagabend dem Fernsehsender France 3. Der russische Außenminister Sergej Lawrow habe zwar zurückgewiesen, dass sein Land sich stärker in den Syrien-Konflikt einmische, US-Außenminister John Kerry habe ihm aber in einem Telefonat dargelegt, dass es entsprechende Geheimdienstinformationen gebe, fügte Fabius hinzu. Nicht indem man Krieg zum Krieg hinzufügt, wird man zu einer Lösung kommen, warnte Fabius. Vielmehr müsse es eine politische Lösung des Konflikts in Syrien geben. Er hoffe, dass Amerikaner, Russen, Iraner etc. dazu beitrügen. USA warnen Die USA hatten erklärt, verstärkte Hinweise auf ein direktes militärisches Eingreifen Russlands in den syrischen Bürgerkrieg zu haben. US-Regierungsvertreter sprachen etwa von Militärflugzeugen, gepanzerten Truppentransportern und Panzerlandungsschiffen, die in den vergangenen Tagen in das Bürgerkriegsland entsandt worden seien. Auf einem Flughafen in der Region Latakia gebe es Hinweise, dass Russland plane, von dort aus eine Art Flugeinsatzzentrale zu betreiben. Kerry teilte Lawrow am Samstag in einem Telefonat seine Beunruhigung mit. Der russische Außenminister erklärte am Donnerstag, sein Land habe keine zusätzlichen Maßnahmen zur Verstärkung seiner Militärpräsenz in Syrien ergriffen. Russische Militärexperten arbeiten in Syrien, sie zeigen der syrischen Armee den Umgang mit unseren Waffen, führte Lawrow bei einer Pressekonferenz aus. Russland gehört zu den letzten Unterstützern von Syriens Staatschef Bashar al-Assad. Der russische Außenminister forderte die USA auf, die syrische Armee am Kampf gegen den Islamischen Staat zu beteiligen. Moskau/Washington – Trotz Warnungen der USA will Russland seine Waffenlieferungen an das syrische Regime fortsetzen. Zudem gebe es regelmäßig russische Marinemanöver vor der syrischen Küste, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Freitag in Moskau. Damit kommentierte er Medienberichte über eine bevorstehende Übung. In der syrischen Hafenstadt Tartus betreibt Russland seine einzige Marinebasis im Mittelmeer. Lawrow rief die USA auf, die syrische Armee an der internationalen Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) zu beteiligen. Nur mit Luftangriffen ist der IS nicht zu besiegen, sagte er nach Angaben der Agentur Interfax. Die syrische Armee habe die stärksten Bodentruppen in der Region und müsse daher eingebunden werden, meinte Lawrow. Die US-geführte Koalition gegen den IS lehnt Hilfe für die Führung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad ab. Kritiker werfen Assad vor, die von Moskau an Damaskus gelieferten Waffen könnten im Bürgerkrieg auch gegen Kämpfer der gemäßigten Opposition eingesetzt werden. Auch Auswärtigen Amt in Deutschland betont: Diskussionsprozess für Übergangslösung nötig. Eine Friedenslösung für Syrien ist auch nach Einschätzung des deutschen Auswärtigen Amts nur erreichbar, wenn auch Gespräche mit der Regierung von Präsident Bashar al-Assad stattfinden. Natürlich wird man auch mit Assad und seinen Leuten sprechen müssen, sagte die Sprecherin des deutschen Auswärtigen Amtes, Sawsan Chebli, am Montag in Berlin. Für eine Übergangslösung bedürfe es eines wie auch immer gearteten Diskussionsprozesses – da werden Assad und sein Regime natürlich eine Rolle zu spielen haben, sagte Chebli. Der UN-Sondervermittler Staffan de Mistura arbeitet derzeit am Aufbau einer Syrien-Kontaktgruppe mit den USA und Russland sowie unter Einbeziehung der Länder der Region wie Iran, der Türkei und Saudi-Arabien. Gleichzeitig warnte die Sprecherin davor, auf Assad als Garanten für eine Beendigung des Bürgerkriegs zu setzen. Die deutsche Regierung sei besorgt über die militärische Unterstützung Russlands für Assad. Dies verkompliziere die Lage in dem seit viereinhalb Jahren währenden Bürgerkrieg noch mehr. Es gebe für Syrien nur einen politischen und keinen militärischen Ausweg. Auch Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) hat jüngst für eine Einbindung des syrischen Machthabers im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) plädiert. In dem Krieg zwischen der Regierung und verschiedenen Oppositionsgruppen, darunter der radikal-islamischen Miliz IS, sind bereits 250.000 Menschen gestorben und nach Angaben von Chebli zwölf Millionen Menschen vertrieben worden. Ex-IS-Kämpfer sollten gehört werden und als Abschreckung dienen. London – Bei der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) gibt es einem Bericht zufolge eine zunehmende Zahl von Aussteigern. Mindestens 58 Mitglieder hätten die Gruppe seit Jänner vergangenen Jahres verlassen, davon allein 17 zwischen Juni und August dieses Jahres, hieß es in einem am Montag veröffentlichten Bericht des Politikinstituts International Center for the Study of Radicalisation (ICSR). In dem Bericht werden Regierungen dazu aufgefordert, den ehemaligen IS-Kämpfern zu ermöglichen, über ihre Erfahrungen zu sprechen und somit als Abschreckung für mögliche Rekruten zu dienen. Als Hauptgrund für das Verlassen des IS wird die Tötung sunnitischer Muslime genannt, darunter unschuldige Zivilisten. Ein weiterer Grund sei, dass es dem IS bisher nicht gelungen ist, den syrischen Machthaber Bashar al-Assad ernsthaft herauszufordern. Ein IS-Aussteiger, der in dem Bericht als Ebrahim B. aus Deutschland identifiziert wurde, erklärte demnach, er und zwei Dutzend Kameraden seien zur Bekämpfung Assads nach Syrien gegangen, dann aber von der Realität vor Ort eingeholt worden. Muslime kämpfen gegen Muslime, Assad ist in Vergessenheit geraten, der ganze Jihad ist auf den Kopf gestellt worden, sagte B. den Autoren. Als weitere Gründe für das Aussteigen aus dem IS werden die Korruption innerhalb der Gruppe und ein entbehrungsreiches Leben genannt. Vor allem für IS-Kämpfer aus westlichen Ländern seien etwa Stromausfälle oder der Mangel an Basisprodukten schwer zu akzeptieren. Dem Bericht zufolge stammen die aufgelisteten IS-Abtrünnigen aus 17 Ländern, darunter auch westeuropäische Staaten und Australien. Österreich ist in dem Bericht nicht vertreten. Den IS zu verlassen, sei schwierig und gefährlich, heißt es in dem Bericht. Aus Angst vor Racheaktionen seien zahlreiche Ex-IS-Kämpfer untergetaucht, viele säßen noch in Syrien oder im Irak fest. In dem Bericht werden die Regierungen dazu aufgefordert, es den Ex-IS-Kämpfern leichter zu machen, sich ohne Strafandrohung zu äußern. Zwar sei es wahrscheinlich, dass einige der Deserteure Verbrechen begangen hätten, dennoch könnten ihre Aussagen dazu beitragen, andere vom Beitritt zum IS abzuhalten, hieß es in dem Bericht. Moskau soll auch Hubschrauber und Drohnen im Einsatz haben. Washington – Russland hat nach Angaben von US-Vertretern 28 Kampfflugzeuge in Syrien stationiert. Die 28 Jagd- und Kampfflugzeuge seien in der westsyrischen Provinz Lattakia stationiert worden, einer Hochburg des syrischen Machthabers Bashar al-Assad, sagte ein US-Beamter am Montag. Ein zweiter Beamter bestätigte diese Zahl und sprach zudem von rund 20 Kampf- und Transporthubschraubern. Demnach hat Russland auch Drohnen in Syrien im Einsatz. Die USA sind angesichts eines verstärkten militärischen Engagements Russlands in Syrien in den vergangenen Wochen alarmiert. Russland ist ein enger Verbündeter Assads. Die USA warnen, dass ein direktes Eingreifen der russischen Streitkräfte in den Konflikt an der Seite Assads noch mehr Extremisten anziehen, Assad als Machthaber festigen und den Weg für eine Lösung des Konflikts versperren könnte. Russland bemüht sich derweil um eine erweiterte Koalition im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Wollten sich offenbar ungehinderten Durchzug in Syrien sichern. Washington – Von den USA in der Türkei ausgebildete syrische Kämpfer haben nach Angaben des US-Verteidigungsministeriums einen Teil ihrer Ausrüstung dem Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front ausgehändigt. Sechs Armeelaster sowie ein Teil der Munition seien auf diese Weise in die Hände der radikalislamischen Miliz gefallen, sagte Pentagon-Sprecher Jeff Davis am Freitag. Den Pentagon-Angaben zufolge entspricht das rund einem Viertel der von der US-geführten Militärkoalition zur Verfügung gestellten Ausrüstung. Offenbar wollten die Rebellen damit sicherstellen, dass sie ungehindert in ihr Einsatzgebiet kommen, sagte ein Sprecher des für den Einsatz zuständigen Central Command. Die Gruppe mit etwa 70 in der Türkei trainierten Kämpfern war am vergangenen Wochenende in Syrien eingetroffen. Schon kurz darauf gab es auf dem Kurzmitteilungsdienst Twitter Berichte, einige Kämpfer seien zur Al-Nusra-Front übergelaufen oder hätten ihre Ausrüstung an die Dschihadisten übergeben. Das Pentagon hatte diese Berichte zunächst dementiert, musste aber nun einräumen, dass zumindest die Angaben zur Militärausrüstung zutrafen. Zuvor war eine erste Gruppe von 54 Rebellen kurz nach ihrem Eintreffen in Syrien im Juli von Al-Nusra-Kämpfern angegriffen und getötet oder entführt worden. Die USA fliegen mit internationalen Partnern Luftangriffe gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und dem Irak. Darüber hinaus bilden sie in der Türkei syrische Rebellen für den Kampf gegen den IS aus. Das eine halbe Milliarde teure Programm ist allerdings umstritten: Ursprünglich sah es vor, drei Jahre lang jährlich 5400 Kämpfer in der Türkei auszubilden und nach Syrien zu schicken. Doch es kommt nicht so recht voran, unter anderem, weil es an geeigneten Kandidaten fehlt. Vor knapp zwei Wochen musste ein für das Programm zuständiger General vor einem Senatsausschuss einräumen, dass nur vier oder fünf Kämpfer tatsächlich vor Ort im Einsatz gegen den IS sei. Die US-Regierung denkt nun über eine Reform nach. Nach Merkel will auch der türkische Präsident Erdogan nicht mehr ausschließen, dass Assad noch länger im Spiel bleibt. Damaskus / Berlin / New York – Zwar sei die Möglichkeit nur theoretisch, ließ Ilja Rogatschew, Direktor im russischen Außenministerium wissen. Seine Ankündigung, dass sich Moskau unter passenden Bedingungen der internationalen – und von den USA angeführten – Koalition gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien und im Irak anschließen könnte, ließ am Freitag dennoch aufhorchen. Schon in den vergangenen Wochen hatten sich die bisher starren Positionen sowohl in Europa als auch in den USA etwas aufgeweicht. Zum russischen Engagement in Syrien hatte sich Washington nach erster Kritik abwartend geäußert: Beiträge im Kampf gegen den IS seien willkommen, wenn man auch im Umgang mit dem Regime von Präsident Bashar al-Assad weiter gegensätzlicher Meinung sei. US-Verteidigungsminister Ashton Carter sagte in der Nacht zum Freitag, wenn Russland nicht wahllos Gegner Assads bekämpfe, können man gewiss Bereiche der Zusammenarbeit finden – über konkrete Möglichkeiten wollten die Außenminister der USA und Russlands, John Kerry und Sergej Lawrow, bei einem Treffen am Rande der UN-Generalversammlung am Sonntag in New York sprechen. Schon am Donnerstag hatte Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel Flexibilität erkennen lassen: Sie schloss sich einer zuletzt – auch unter dem Eindruck der Flüchtlingskrise – schnell wachsenden Zahl europäischer Politiker an, die fordern, zur Beendigung des Syrien-Konflikts müsse auch mit Assad gesprochen werden. Ihr Außenminister Frank-Walter Steinmeier assistierte später: Wichtig sei vor allem, die Kämpfe schnell zu beenden, dafür müsse mit allen Akteuren gesprochen werden. Auch sein österreichischer Kollege Sebastian Kurz hatte mehrfach betont, zur Lösung des Konfliktes müssten sich alle Parteien an einen Tisch setzen – zuletzt am Freitag im Gespräch mit dem Syrien-Sondergesandten der Uno, Staffan de Mistura, am Rande der Generalversammlung. Und selbst im Lager bisher erbitterter Assad-Gegner wurden am Freitag neue Töne angeschlagen: Der türkische Staatspräsident Tayyip Erdogan sagte, ein Übergangsprozess für Syrien könne auch mit Assad stattfinden – eine langfristige Lösung allerdings nur ohne den Machthaber. Einigkeit gibt es aber nicht: Der britische Außenminister Philip Hammond ließ am Freitag mitteilen, der russische Aufbau in Syrien mache die Situation nur noch komplizierter. Auch Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian hatte sich schon am Vortag besorgt gezeigt. Und von der im Exil befindlichen Syrian National Coalition (SNC) hieß es, man beharre weiter darauf, dass Assad in Gesprächen über die Zukunft des Landes keine Rolle spielen dürfe. Der Aufstand in Syrien habe schließlich den einzigen Zweck, Assad und sein tyrannisches Regime zu stürzen, so Samir Nashar, ein Mitglied der SNC. Allerdings gibt es auch im Lager der Opposition Ausnahmen von der Regel: In mehreren Dörfern nahe der libanesischen Grenze ist am Freitag ein mithilfe des Iran und der Türkei ausgehandelter Waffenstillstand zwischen Rebellen und Regime in Kraft getreten, der sechs Monate dauern soll. Armee feuert laut Aktivisten Rakete auf letztes Viertel in Hand der Opposition. Homs – Bei einem Angriff der syrischen Regierungstruppen auf das letzte Viertel in der Hand der Rebellen in der Stadt Homs sind nach Angaben von Aktivisten mindestens 17 Menschen getötet worden. Die Armee habe am Samstag eine Rakete auf den Stadtteil Waer abgefeuert, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Sonntag mit. Die meisten Opfer seien Zivilisten, darunter vier Kinder und vier Frauen. Die Angaben der oppositionsnahen Organisation mit Sitz in Großbritannien, die sich auf Aktivisten und Ärzte vor Ort stützt, sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Waer ist das letzte Viertel von Homs unter Kontrolle der Opposition. Mehr als 100.000 Zivilisten und Rebellenkämpfer leben in dem Stadtteil unter der Belagerung der Regierungstruppen. Homs war eine der ersten Städte, in der es im Frühjahr 2011 Proteste gegen die Regierung von Bashar al-Assad gab. Die Großstadt zwischen Damaskus und Aleppo, die lange als Hochburg der Opposition galt, wurde von der Repression der Armee besonders hart getroffen. Im Mai 2014 fiel die Altstadt von Homs nach zweijähriger Belagerung an die Armee. Die letzten Rebellen wurden im Zuge einer Vereinbarung aus der Altstadt gebracht. Verhandlungen über eine Waffenruhe im Viertel Waer scheiterten wiederholt. "Radikale Wende" bei der UN-Generaldebatte angekündigt. London – Der britische Premierminister David Cameron rückt nach einem Bericht des Sunday Telegraph von der Forderung eines sofortigen Rücktritts des syrischen Machthabers Bashar al-Assad ab. Cameron sei offen gegenüber Vorstellungen, dass Assad über kurze Zeit in einer Regierung der nationalen Einheit bleiben könnte, berichtet die Zeitung unter Berufung auf namentlich nicht genannte Regierungsquellen. Das Blatt sprach von einer radikalen Wende, die Cameron bei der UN-Generaldebatte deutlich machen werde. Zwar sei eine langfristige, stabile Friedenslösung in Syrien mit Assad nach Ansicht Camerons nicht möglich. Dies mache aber keinen sofortigen Rückzug notwendig. Es gab immer schon die Idee, dass es einen politischen Übergang geben würde, zitiert das Blatt eine ungenannte Quelle. Der iranische Präsident Hassan Rohani sieht einen breiten internationalen Konsens für den Verbleib Assads im Amt. Ich denke, dass heute jeder akzeptiert hat, dass Präsident Assad bleiben muss, damit wir die Terroristen bekämpfen können, sagte Rohani am Sonntag dem US-Nachrichtensender CNN. Oberstes Ziel in Syrien müsse der Sieg über die Jihadisten sein. Wir haben keine andere Lösung als die zentrale Autorität und die zentrale Regierung des Landes zu stärken, sagte er. Vor der UNO-Generalversammlung hat Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Syrien-Politik der USA kritisiert. Nach Moskaus Überzeugung sei für Aktionen gegen die Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) die Unterstützung des UN-Sicherheitsrates notwendig, sagte Lawrow nach einem Treffen mit US-Chefdiplomat John Kerry am Sonntag in New York. Die USA seien aber der Meinung, dass sie für ihre Koalition gegen den IS kein grünes Licht der UNO bräuchten, sagte er der Agentur Interfax zufolge. Daraus folgt garantiert ein Verstoß gegen das Völkerrecht, warnte Lawrow. Er und Kerry hofften auf einen offenen Dialog zwischen den beiden Staatschefs, Wladimir Putin und Barack Obama bei ihrem Treffen an diesem Montag, sagte Lawrow. Moskau und Washington hätten ein gemeinsames Ziel – den Kampf gegen den IS. Nur gelinge es noch nicht, daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier mahnte indes eine gemeinsame politische Anstrengung aller beteiligten Länder an. Es macht keinen Sinn, dass die Russen ihren Kram machen in Syrien, sagte er am Sonntagabend in der ARD. Nötig sei vielmehr ein gemeinsames Vorgehen aller, um das Morden zu beenden. Dabei schloss er auch Gespräche des UNO-Sondergesandten für Syrien, Staffan de Mistura, mit Vertretern von Syriens Machthaber Bashar al-Assad für eine politische Lösung nicht aus. Steinmeier hob mit Blick auf die humanitäre Tragödie in Syrien hervor, dass etwa Korridore für die Zivilbevölkerung oder Schutzzonen für Flüchtlinge ohne die Assad-Armee nicht umzusetzen seien. Er äußerte die Hoffnung, dass es gelingen könne, alle Akteure auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen – unabhängig davon, ob Assad abtritt oder nicht. Dabei verwies Steinmeier auf mögliche Gespräche zur Bildung einer Übergangsregierung. Ex-Fotograf der Militärpolizei brachte tausende Folterfotos mit. Paris – Frankreich hat übereinstimmenden Quellen zufolge Ermittlungen wegen Kriegsverbrechen gegen die syrische Regierung von Präsident Bashar al-Assad eingeleitet. Die Staatsanwaltschaft habe nach Hinweisen aus dem Außenministerium am 15. September vorläufige Ermittlungen aufgenommen, hieß es am Dienstagabend aus Justizkreisen und von diplomatischen Quellen. Grundlage sind Aussagen und Fotos eines Cesar genannten früheren Fotografen der syrischen Militärpolizei, der im Juli 2013 aus dem Bürgerkriegsland geflüchtet war. Die strafrechtlichen Ermittlungen konzentrieren sich den Quellen zufolge auf mutmaßliche Verbrechen aus der Zeit von 2011 bis 2013. Cesar hatte sich im Juli 2013 aus Damaskus abgesetzt und dabei 55.000 Fotos mitgebracht, die zahllose Leichen mit Folterspuren zeigen sollen. Der Bürgerkrieg in Syrien begann im Jahr 2011, nachdem Assad zunächst friedliche Proteste für mehr Demokratie blutig niederschlagen ließ. In dem Konflikt sind nach UNO-Schätzungen inzwischen eine Viertelmillion Menschen getötet worden, Millionen weitere ergriffen die Flucht. Pentagon legt 500 Millionen Dollar schweres Programm wegen Rückschlägen auf Eis. Washington – Angesichts massiver Rückschläge legen die USA die Ausbildung und Ausrüstung moderater syrischer Rebellen auf Eis. Wir haben eine Pause eingelegt, sagte Pentagon-Sprecher Peter Cook am Dienstag. Vorerst würden keine Rekruten mehr in die Ausbildungslager in der Türkei und in Jordanien geschickt. Wer sich schon in dem Programm befinde, werde allerdings weiter ausgebildet. Auch neue Kandidaten würden gesucht, weil das Programm später fortgeführt werden solle. Die USA hatten im Frühjahr damit begonnen, gemäßigte Rebellen für den Kampf gegen die Islamistenmiliz Islamischer Staat (IS) auszubilden – 500 Millionen Dollar (450 Millionen Euro) waren dafür veranschlagt. Ziel war, pro Jahr 5.000 Mann auszubilden und dann wieder zurück nach Syrien zu schicken. Bisher ist allerdings nur eine Handvoll davon tatsächlich in Syrien im Einsatz. Das Pentagon musste vergangene Woche zudem einräumen, das einige von ihnen ihre Waffen an die islamistische Al-Nusra-Front ausgehändigt haben, um ein von ihr kontrolliertes Gebiet passieren zu können. 'Der russische Aufmarsch wird die Machtverhältnisse verändern. Viele Nachbarn wünschen sich eine Schwächung des Iran. Russlands Präsident Wladimir Putin habe einen großen Stein in den syrischen Blutsee geworfen – das schreibt der Kolumnist einer pan-arabischen Tageszeitung über Moskaus militärisches Engagement in Syrien. Damit würden Grenzen für den Kriegspfad und für den Lösungspfad gesetzt. Russland habe sich als schwergewichtiger Akteur aufgedrängt, der weder in Syrien noch in der Region umgangen werden könne. Und damit habe Moskau die Machtbalance verändert, lautet der Tenor der Analytiker. Putin hatte zu Wochenbeginn in seiner Rede vor der UN-Vollversammlung explizit erwähnt, dass den islamischen Staaten bei der Lösung der Syrien-Krise eine wichtige Rolle zukomme. Vor seinem Auftritt hatte er auch mit dem saudischen König Salman telefoniert. In Moskau gab es Meldungen, wonach noch im Oktober die Syrien-Kontaktgruppe – beste hend aus Saudi-Arabien, Russland, Iran, USA, Türkei und Ägypten – einberufen werden soll. Die arabischen Staaten sind sich mit Russland in der Absicht einig, die Jihadisten des Islamischen Staates (IS) bekämpfen zu wollen. Syrische Militärexperten bezweifeln allerdings, ob das der wirkliche Grund für die Stationierung von Kampfjets und 1800 Mann in der Nähe von Latakia ist. Putin hat angekündigt, nur Luftschläge gegen den IS ausführen zu wollen Großbritannien: Nur wenige Angriffe gelten IS – Assad gibt sich siegesgewiss. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Spannungen mit Ankara – Nato: Vorfall "unverantwortlich und extrem gefährlich". Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Iran verstärkt Präsenz, Ägypten unterstützt Militärkampagne, und radikale Saudis rufen dazu auf, gegen die Russen zu kämpfen. Jede militärische Intervention erzeugt neben den beabsichtigten Folgen – wenn sie denn erfolgreich ist – auch unbeabsichtigte, manchmal paradoxe, die den Erfolg auch gleich wieder mächtig relativieren können. Das klassische Beispiel aus der jüngeren Zeit ist natürlich die amerikanische Irak-Intervention von 2003, in deren Folge ein jordanischer Jihadist mit seiner obskuren Gruppe in den Irak wanderte, aus der alsbald Al-Kaida im Irak und nach seinem Tod 2006 der Islamische Staat im Irak wurde. Diese und andere Erfahrungen aus der Vergangenheit sind es, die US-Präsident Barack Obama so völlig interventionsunwillig machen, was ihm wiederum als Schwäche ausgelegt wird. Manche scheinen sich in der Tat nach George W. Bush zu sehnen. Wie auch immer. Die Konfliktbeobachter haben ihre Augen meist auf den am besten sichtbaren Handlungssträngen, und wenn man Entwicklungen ausmacht und beschreibt, die sich erst abzeichnen, dann platziert man sich selbst schnell im Lager der Paranoiden. Man muss tatsächlich aufpassen, aus einzelnen Phänomenen keinen Trend zu machen. Das passiert vor allem leicht in so unübersichtlichen Gemengelagen wie derzeit im Nahen Osten. Aber thematisieren kann und soll man solche Phänomene trotzdem. Auch das direkte russische Eingreifen in den Syrien-Konflikt zeigt bereits jetzt Randerscheinungen, die alle miteinander zu tun haben – und wieder diese teuflische Spirale zu verstärken scheinen, die die Region immer weiter nach unten zieht. Da ist zuerst einmal ein Hochfahren der iranischen Aktivitäten in Syrien. Laut dem Institute for the Study of War (ISW) haben sowohl die offiziellen iranischen Revolutionsgarden ihre Präsenz verstärkt – und zwar nicht nur als Berater, sondern als Kampftruppen – als auch Iran-gesponserte schiitische Milizen aus dem Irak. Interessant ist der Interpretationsspielraum: Die Iraner/Schiiten verstärken die russische Offensive gegen syrische Rebellen, so sieht es das ISW. Assad, Russland, der Iran kämpfen ja auf einer Seite. Das stimmt schon, nur, es ist nicht abwegig zu denken, dass die Iraner ihrerseits Wert darauf legen, dass ihre eigene Rolle in Syrien durch die maximierte russische Rolle nicht minimiert wird. Russland und der Iran verfolgen auch jeweils eigene Interessen in Syrien. Damit hat Zweitens zu tun: STANDARD-Korrespondentin Astrid Frefel berichtete schon vor einigen Tagen aus Kairo, dass man dort die russische Intervention in Syrien auch als Möglichkeit sieht, dass dort der iranische Einfluss zurückgedrängt wird. Aber natürlich geht es auch um das eigene ägyptische Terrorismusproblem. Am Wochenende hat nun der ägyptische Außenminister Sameh Shoukry der russischen Militärkampagne ausdrücklich die Fähigkeit zugeschrieben, den Terrorismus in Syrien nachhaltig zu bekämpfen. Ägypten teilt die Ansicht Russlands – und Assads –, dass der Islamische Staat (IS) nicht die einzige zu bekämpfende Terrororganisation sei. Mit dieser Position liegt Ägypten aber nicht auf der Linie seines großen Sponsors Saudi-Arabien. Dort ist man schockiert und verärgert darüber, dass Russland eben nicht nur den IS bekämpft, sondern auch eine großangelegte Kampagne gegen andere Rebellen führt – für Assad, den Saudi-Arabien weghaben will. Für Ägypten hat der Sturz Assads keine Priorität. Die russische Intervention treibt demnach einen Keil zwischen Riad und Kairo. Eine skurril und gleichzeitig gefährlich anmutende Meldung – das wäre Nummer drei – kommt von Al-Arabiya: 52 saudische Angehörige der radikalsunnitischen Internationalen Union der Muslimischen Gelehrten rufen die Muslime dazu auf, nach Syrien zu ziehen, um die Russen zu bekämpfen. Offenbar finden sie sich in einem Film wieder, in dem Afghanistan von den Sowjets befreit werden muss. Laut einem Dekret, das noch der verstorbene König Abdullah 2014 erließ, ist es saudischen Bürgern jedoch verboten, sich einem Jihad im Ausland anzuschließen. Die saudischen Behörden haben in den vergangenen Tagen einen Bombenbauerring und eine IS-Zelle auffliegen lassen. In dem zitierten Statement rufen die Islamgelehrten auch die islamistische Opposition in Syrien dazu auf, ihre Spaltung beizulegen und sich im Kampf zu vereinen. Wenn das nur annähernd gelingt – zu erwarten ist es nicht –, dann wäre das schlecht für die Russen und für Assad und für die Iraner. Für alle anderen würde es davon abhängen, wer sich als stärkste Gruppe durchsetzt. Das Vertrauen, dass das die vom Westen unterstützten Moderaten sind, ist gering. Ex-Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen wirft Russland vor, die Situation in Syrien weiter zu komplizieren. STANDARD: Erstmals seit Beginn der russischen Luftangriffe wurden am Mittwoch syrische Regierungstruppen am Boden von der russischen Luftwaffe unterstützt. Und zwar nicht gegen den Islamischen Staat, sondern gegen andere Rebellengruppen. Rasmussen: Russland macht einen Fehler, wenn es das Assad-Regime unbedingt unterstützen und halten will. Denn Assad ist die Ursache des Problems und nicht die Lösung. Das russische Engagement macht die Situation in Syrien noch komplizierter, als sie ohnehin schon ist, und es wird den Konflikt nur verlängern. Solange Assad an der Macht ist, können Blutvergießen und Bürgerkrieg in Syrien nicht gestoppt werden. Das ist der Grund, warum die Mehrheit der Staaten und der Bevölkerung im Nahen Osten ihn loswerden will und eine Langzeitlösung in Syrien unter Beteiligung Assads nicht möglich ist. Das Assad-Regime hat den Islamischen Staat erst möglich gemacht. STANDARD: Ein derzeit unwahrscheinliches Szenario, aber was wäre, wenn Assad tatsächlich zurücktritt? Rasmussen: Es ist eine Sache, Assad loszuwerden, und eine andere, eine gute Alternative zu finden. Das ist ja das Dilemma. Sollten Extremisten an die Macht kommen, könnte Syrien in eine noch schlimmere Situation schlittern. Das ist auch der Grund, warum der Westen die sogenannten moderaten Rebellen unterstützt. Dass moderate Kräfte Assad ersetzen, scheint der einzig gangbare Weg zu sein. Nun aber bekämpft Russland auch die Moderaten. STANDARD: Die moderaten Rebellen befürchten, dass auch der Iran aufseiten Russlands in den Konflikt einsteigt. Eine begründete Angst? Rasmussen: Es besteht das Risiko. Fakt ist, dass man den Islamischen Staat nicht ohne Bodentruppen bekämpfen kann. Und wenn die Länder der Region und die westlichen Staaten diese Truppen nicht einsetzen wollen, dann besteht die Gefahr, dass die Russen dieses Vakuum füllen. STANDARD: Der Westen will jedenfalls keine Bodentruppen schicken, sondern sich weiter auf Luftangriffe beschränken. Rasmussen: Es wäre auch keine gute Idee, wenn der Westen mit Truppen einmarschiert. Die Staaten der Region sollten Truppen bereitstellen, eine Luftoffensive allein genügt nicht. Und da würde ich von vornherein niemanden ausschließen. Geeignete Kandidaten für diese Aufgabe wären sicher Saudi-Arabien, die Türkei und die Golfstaaten. Die US-geführte Koalition könnte sie weiter mit Luftschlägen unterstützen. Solange Russland allerdings Assad unterstützt, wird das schwierig. STANDARD: Die Türkei hat wiederholt Luftraumverletzungen durch russische Kampfjets gemeldet. Besteht die Gefahr der Eskalation zwischen Russland und dem Nato-Staat Türkei? Rasmussen: Das Risiko besteht. Der türkische Luftraum muss respektiert werden, und wir haben auch in der Vergangenheit schon gesehen, dass die Türkei nicht zögert, Flugzeuge zu beschießen, die in ihren Luftraum eindringen. Sollte die Türkei ein russisches Kampfflugzeug abschießen, wäre das eine klare Eskalation. Die Russen wissen das, und deshalb wurden sie auch von der Nato klar gewarnt. STANDARD: Erdogan verfolgt ja auch klar seine eigene Agenda und nutzt den Kampf gegen den Islamischen Staat, um gleichzeitig die PKK im Irak zu bekämpfen. Rasmussen: Ich bedauere sehr, dass die Friedensgespräche zwischen der türkischen Regierung und den Kurden nun auf Eis liegen. Ich hoffe, dass die Gespräche bald wiederaufgenommen werden. Aber augenscheinlich hat die Türkei legitime Sicherheitsbedenken. Wenn türkische Truppen von militanten PKK-Kämpfern angegriffen werden, muss sich die Türkei verteidigen. Und wir sollten nicht vergessen, dass die PKK eine terroristische Vereinigung ist. STANDARD: Sind Sie froh, in diesen Zeiten nicht mehr Nato-Generalsekretär zu sein? Rasmussen: Ich habe diesen Job sehr gerne gemacht. Ein Job mitten im Zentrum der Geschehnisse. Aber das Mandat dauert nun einmal nur fünf Jahre. Und ich kann mich auch jetzt nicht beklagen, nicht ausreichend beschäftigt zu sein. Sechzig Luftangriffe am Freitag – General der iranischen Revolutionsgarden in Syrien getötet. Moskau – Russland hat am Freitag erneut Luftangriffe im Bürgerkriegsland Syrien geflogen. Wie Vize-Generalstabschef Igor Makuschew in Moskau sagte, wurden binnen 24 Stunden 60 terroristische Ziele in Syrien bombardiert. Nach Militärangaben wurden dabei zwei Kommandeure der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und mehrere hundert Extremisten getötet. Am Samstag wurden erneut Ziele im Westen des Bürgerkriegslands bombardiert. Russland fliegt seit Ende September Luftangriffe in Syrien, die sich nach eigenen Angaben gegen den IS und gegen andere terroristische Gruppen richten. Der Westen wirft Moskau aber vor, die meisten Angriffe würden gemäßigte Rebellen treffen, die den syrischen Präsidenten Bashar al-Assad bekämpfen. Nach Angaben von Makuschew wurden zuletzt Kommandoposten, Kommunikationszentren, Waffenlager und Ausbildungslager in Rakka, Latakia, Hama, Idlib und Aleppo bombardiert. Die beiden IS-Kommandanten sowie rund 200 Kämpfer wurden nach Armeeangaben bei einem Angriff auf einen Kommandoposten in der IS-Hochburg Rakka getötet. In der Nähe der syrischen Großstadt Aleppo wurde den Angaben zufolge außerdem ein Stützpunkt der Rebellen in einem ehemaligen Gefängnis bombardiert. Dabei seien rund hundert Rebellen getötet und ein Waffenlager zerstört worden. Offenbar begünstigt von den russischen Luftangriffen war der IS nach Angaben von Aktivisten am Freitag auf Aleppo vorgerückt. Bei den Kämpfen in Syrien ist ein General der iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Hussein Hamedani sei am Mittwochabend in der Nähe von Aleppo ums Leben gekommen, erklärte die Eliteeinheit am Freitag. Er habe die syrische Armee bei den Kämpfen gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) beraten. Der Iran ist der wichtigste regionale Verbündete des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und unterstützt ihn im Bürgerkrieg militärisch wie wirtschaftlich. Der syrischen Opposition zufolge hat der IS jüngst in der Umgebung von Aleppo Gebiete erobert. Unterdessen hat die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) im Norden Syriens nach Oppositionsangaben die größten Geländegewinne seit August gemacht. Bei Aleppo habe der IS mehrere Dörfer von rivalisierenden Aufständischen erobert, teilte die Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte am Freitag mit. Nun stünden die Extremisten nur noch zwei Kilometer vor einem Industriegebiet im Norden von Aleppo, das noch unter Kontrolle der Regierungseinheiten sei. Der Vormarsch kommt zwei Tage nach Beginn einer von russischen Luftangriffen unterstützten Bodenoffensive der syrischen Armee gegen Rebellen, die den IS bekämpfen. Das Regime und seine Verbündeten hatten am Mittwoch nördlich von Hama einen Großangriff begonnen. Nach Angaben der Beobachterstelle waren allerdings nur zehn Prozent der russischen Angriffe gegen IS-Ziele gerichtet. Die Angaben lassen sich von unabhängiger Seite nicht bestätigen. Der Westen wirft der Führung in Moskau vor, zumeist gegen andere Aufständische vorzugehen, darunter gemäßigte Gruppen, die sich gegen Machthaber Bashar al-Assad verbündet haben. CNN: 50 Tonnen Munition aus Flugzeugen abgeworfen. Damaskus – Die Kurden im Norden Syriens haben von den USA Waffen für den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) bekommen. Die Lieferung sei vor kurzem bei den Kurdischen Volksschutzeinheiten (YPG) eingetroffen, bestätigte ein Militärvertreter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Der US-Fernsehsender CNN berichtet, amerikanische C-17-Transporter hätten 112 Paletten mit insgesamt 50 Tonnen Kleinwaffenmunition und Handgranaten abgeworfen. Alle abgeworfenen Güter seien bei den vorgesehenen Empfängern angekommen. Kurden-Sprecher Idriss Nassan sagte der Deutschen Presse-Agentur: Die USA haben versprochen, Waffen zu liefern und ihre Luftangriffe zu verstärken, um den Kämpfern am Boden zu helfen. Das kurdisch-arabische Bündnis wird von den USA unterstützt wird. Ein Vertreter des US-Militärs sagte Reuters, das Bündnis werde auf die IS-Hochburg Raqqa vorstoßen. Der YPG sind mit amerikanischer Hilfe beträchtliche Geländegewinne gegen den IS im Norden Syriens gelungen. Durch das Bündnis mit den arabischen Gruppen sollen auch Sorgen zerstreut werden, die YPG habe nur kurdische Interessen im Sinn. Das Bündnis und die Waffenhilfe sind das Ergebnis eines amerikanischen Strategiewechsels in der Syrienpolitik. US-Medien hatten berichtet, Washington wolle im Nordosten Syriens eine Truppe von mehr als 20.000 Kurden und bis zu 5.000 Arabern fördern. Das Programm zur Ausbildung moderater Rebellen außerhalb Syriens haben die USA nach mehreren Fehlschlägen hingegen aufgegeben. Der NATO-Partner Türkei sieht die Allianz der USA mit der YPG jedoch kritisch, weil sie die Bildung eines Kurdenstaates an ihrer Südgrenze befürchtet. Sie betrachtet die Volksschutzeinheiten zudem als syrischen Ableger der verbotenen Arbeiterpartei PKK. Die Kurden kontrollieren mittlerweile einen Großteil der Grenze zur Türkei. Dort haben sie eine selbstverwaltete Zone errichtet. Den IS vertrieben die Kurden unter anderem aus Kobane. Für die Verteidigung der Grenzstadt hatte die YPG zuletzt im Herbst vergangenen Jahres Waffen von den USA erhalten. Die UNO startete unterdessen einen neuen Vermittlungsversuch zwischen den USA und Russland, um den Konflikt zu beenden. UNO-Vermittler Staffan des Mistura sagte bei einer Pressekonferenz in Genf am Montag, er werden in Moskau und in Washington versuchen, die beiden Staaten zu neuen Gesprächen über ein gemeinsames Vorgehen zu bewegen. Die Europäische Union fordert inzwischen von Russland ein sofortiges Ende von Luftschlägen gegen die moderate Opposition in Syrien. Die jüngsten militärischen Angriffe, die nicht auf den Islamischen Staat (IS) und andere Terrorgruppen zielen (...), geben Anlass zu tiefer Besorgnis und müssen sofort eingestellt werden, heißt es in einer Erklärung der EU-Außenminister. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier will gegen Ende der Woche in Teheran und Riad für ein gemeinsames Vorgehen der beiden verfeindeten Regionalmächte werben. Russland wies die Vorwürfe der EU-Staaten erneut zurück. Alle wissen schon lange sehr gut, dass Russland den Islamischen Staat und andere Terrororganisationen bombardiert und nicht die Opposition, betonte Vize-Außenminister Alexej Meschkow der Agentur Interfax zufolge. Russland hatte vor fast zwei Wochen in Syrien mit Luftangriffen begonnen und unterstützt damit eine Offensive des Regimes gegen ein Bündnis moderater und radikaler Rebellen. Die syrische Armee und ihre Verbündeten – darunter Kämpfer der libanesischen Schiiten-Miliz Hisbollah – konnten nördlich der Stadt Hama vormarschieren. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle drangen sie in den Süden des strategisch wichtigen Ortes Kafr Nabudah ein. Russische Jets hätten mindestens 40 Angriffe geflogen. Bereits am Wochenende hatten Regimekräfte in der Region zwei Orte eingenommen. Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte: erneut auch Zivilisten unter den Todesopfern. Beirut – Die syrische Armee geht mit Unterstützung durch die russische Luftwaffe gegen Rebellen nördlich der Stadt Homs vor. Wie das syrische Fernsehen und die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte weiter mitteilten, wurden eine Reihe von überwiegend sunnitischen Ortschaften in einer von Rebellen gehaltenen Gegend angegriffen. Dabei seien sechs Aufständische und zwei Zivilisten getötet worden, sagte Rami Abdulrahman, Direktor der Beobachtungsstelle. Die Armee habe nach konzentrierten Luftschlägen und heftigem Artilleriebeschuss mit ihrem Vormarsch begonnen, berichtete das Fernsehen. Sollte der syrische Präsident Bashar al-Assad die Region zurückerobern, könnte er damit eine Landverbindung zwischen der Hauptstadt Damaskus und seinen Hochburgen an der Küste sichern. Auch in einigen anderen Gebieten im Westen Syriens hat die syrische Armee mit Unterstützung Russlands, iranischer Soldaten und der libanesischen Hisbollah-Miliz Offensiven gegen die Rebellen gestartet. Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliert weite Teile Ostsyriens. Nachschub für Kampf um Aleppo womöglich aber nicht ausreichend. Beirut/Amman – Die gegen die syrische Armee kämpfenden Rebellen haben nach eigenen Angaben Nachschub an Panzerabwehr-Raketen erhalten. Die Waffen aus US-Produktion kämen von Staaten, die gegen Assad seien, erklärten die Rebellen am Montag. Der Nachschub sei seit dem Beginn der Armeeoffensive um Aleppo am Freitag eingetroffen, bestätigten drei Rebellengruppen der Nachrichtenagentur Reuters. Die syrische Armee wird nach Angaben der Aufständischen von Kämpfern der libanesischen Hisbollah und aus dem Iran unterstützt. Eine der Rebellengruppen, die nicht näher identifiziert werden wollten, erklärte, es komme zwar Nachschub an, der reiche aber nicht aus. Die syrische Armee hat im Gebiet um Aleppo seit Freitag größere Geländegewinne gemacht. Am vergangenen Wochenende teilte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit, die Armee habe drei Dörfer südlich der Stadt zurückerobert. Im Osten versuche sie, die Belagerung des Luftwaffenstützpunktes Kweires durch Extremisten des Islamischen Staates (IS) und Rebellen zu durchbrechen. Unterdessen planen die USA einen neuen diplomatischen Vorstoß zur Lösung des Syrien-Konflikts. Außenminister John Kerry sagte in Madrid, er werde sich in einigen Tagen mit seinen Kollegen aus Russland, der Türkei, Saudi-Arabien und Jordanien treffen. Bei den Gesprächen sollten Optionen erörtert werden, die zu einem politischen Wechsel in Syrien führen könnten. Im russischen Außenministerium hieß es dazu, der Vorschlag Kerrys werde geprüft. Die Präsidentin des russischen Föderationsrates sagte in Genf: Wir sind immer für Gespräche in jeglicher Form und wir glauben, dass Gespräche zur Bildung von Vertrauen und zur Kompromiss-Suche sehr wichtig sind. Russland unterstützt mit Luftangriffen die syrische Armee in dem seit mehr als vier Jahren andauernden Bürgerkrieg. Ziel ist nach russischen Angaben der IS. Die Kampfeinsätze richteten sich nicht gegen andere Gegner von Präsident Bashar al-Assad, die von den USA unterstützt werden. Allerdings wurden nach Angaben der Opposition und westlicher Staaten vorwiegend Gebiete bombardiert, die nicht unter Kontrolle der IS sind. Der saudi-arabische Außenminister Adel al-Jubeir hat den Iran unterdessen zu einem Ende seiner Einflussnahme in Syrien als Bedingung für gemeinsame Gespräche über eine friedliche Lösung des syrischen Konflikts aufgefordert. Der Iran müsse sich aus Syrien zurückziehen, keine Waffen mehr an die Assad-Regierung liefern und schiitische Milizen wie die Hisbollah aus dem Land abziehen. Das sagte Jubeir am Montag in Riad nach einem Treffen mit dem deutschen Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Jubeir warf dem Iran vor, eine Besatzungsmacht in Syrien zu sein. Steinmeier will Saudi-Arabien und den Iran an einen Tisch bekommen, um über Möglichkeiten für einen Frieden in dem Bürgerkriegsland Syrien zu beraten. Das lehnen die beiden verfeindeten Staaten ab. Jubeir betonte, dass Assad aus der Sicht Riads keine Rolle in Syrien spielen und keinesfalls bis zu möglichen Wahlen im Amt bleiben dürfe. Steinmeier sagte dazu, wahrscheinlich wird es kurzfristig so sein, dass wir keine Beruhigung in Syrien ohne Assad hinbekommen. Und dass es keine Zukunft für Syrien mit Assad gibt. Alle seien aber der Meinung, dass es keine langfristige Zukunft mit Assad geben kann. Steinmeier urteilte nach seinen Gesprächen in Riad: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es sehr schwer, die tiefen Gräben zwischen Riad und Teheran tatsächlich zu überbrücken. (APA, Reuters, 19.10.2015) Wichtige Finanzquelle soll ausgetrocknet werden. Bagdad – Die US-geführte Militärallianz hat im Osten von Syrien ein von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) kontrolliertes Ölfeld zerstört. Ein Sprecher der Koalition sagte am Donnerstag in Bagdad, es seien Raffinerien, Leitungen sowie Kontrollzentren des Omar-Ölfelds getroffen worden. Durch die Zerstörung der Einrichtungen würden die Jihadisten einer wichtigen Einnahmequelle beraubt. Nach Angaben des US-Militärsprechers verdienten die Extremisten mit dem Verkauf von Öl aus dem Ölfeld zwischen 1,7 und 5,1 Millionen Dollar (1,5 und 4,5 Millionen Euro) im Monat. Die in London ansässige, der moderaten Opposition nahestehende Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bestätigte, dass bei Luftangriffen auf das Ölfeld Pipelines und Tanks zerstört worden seien. Die Einnahmen aus dem Ölverkauf sind für die IS-Miliz eine wichtige Finanzquelle, doch sind die Gewinne infolge der Zerstörung wichtiger Ölanlagen deutlich gesunken. Beratungen gehen nach dem Treffen zwischen Kerry und Lawrow in Wien weiter – Thema ist Einbindung weiterer Akteuer. Moskau – Russland hat Wahlen im Bürgerkriegsland Syrien als Teil einer politischen Lösung des Konflikts gefordert. Natürlich müssen Parlaments- und Präsidentenwahlen vorbereitet werden, sagte Außenminister Sergej Lawrow dem staatlichen Fernsehsender Rossija 1 am Samstag. Nach dem weitgehend ergebnislosen Treffen mit US-Außenminister John Kerry in Wien am Vortag setzten die beiden Minister ihre Beratungen über die Lage in Syrien telefonisch fort. Nach Angaben aus Moskau sprachen sie unter anderem über die mögliche Einbindung weiterer Akteure aus Nahost. Lawrow informierte auch die Außenminister des Irans und Ägyptens über das Treffen in Wien. Bereits in den kommenden Tagen wollen Lawrow und Kerry ihre Verhandlungen über den Syrien-Konflikt fortsetzen. Der russische Außenminister machte sich für eine erweiterte Gesprächsrunde stark. Auch der Iran, Ägypten, Katar, die Vereinigten Arabischen Emirate und Jordanien müssten in die Suche nach einer Lösung eingebunden werden. Moskaus Unterstützung für die syrische Armee helfe der Regierung in Damaskus, sich zu festigen und sollte ihr Interesse an einem politischen Prozess steigern, meinte Lawrow. In Syrien tobt seit 2011 ein Bürgerkrieg, der Millionen Menschen in die Flucht treibt. Der umstrittene Machthaber Bashar al-Assad habe bei seinem überraschenden Besuch in Moskau am Mittwoch selbst gesagt, dass auf die militärische Phase des Konflikts ein politischer Prozess folgen müsse, betonte Lawrow. Die USA und die syrische Opposition fordern Assads Rücktritt. Russland ist einer der engsten Verbündeten der syrischen Regierung und unterstützt das Regime seit Ende September mit international scharf kritisierten Luftangriffen. Lawrow sagte, Russland sei prinzipiell auch bereit, der oppositionsnahen Freien Syrischen Armee mit Einsätzen von Kampfjets zu helfen. Jedoch habe das russische Militär keine Informationen über die Rebellen-Gruppe. Der Minister rief die USA erneut auf, Russland mit Angaben über deren Positionen zu versorgen. Rebellen der FSA haben russische Vorschläge für eine Zusammenarbeit abgelehnt. Zunächst müssten die Angriffe der russischen Luftwaffe auf sie aufhören, erklärten Vertreter der unter dem Banner der FSA kämpfenden Gruppen am Samstag. Erst nach einem Ende der Bombardements würde eine Kooperation erwogen, sagte ein Sprecher der Gruppe Erste Küstendivision. Auch der russische Vorschlag von Parlaments- und Präsidentenwahlen stieß auf Ablehnung. Er bedeute lediglich, dass Russland verlange, Präsident Baschar al-Assad für eine Übergangsphase an der Macht zu lassen, sagte der Chef der Gruppe Fursan al-Hak. Seit Beginn der Luftangriffe habe das russische Militär mehr als 900 Einsätze in Syrien geflogen, sagte Igor Konaschenkow vom Verteidigungsministerium. Dabei seien mehr als 800 Ziele zerstört worden, sagte er dem TV-Sender RT. Russland gibt an, Stellungen von Terroristen, vor allem des Islamischen Staates (IS), zu bombardieren. Die USA halten Russland vor, moderate Kräfte ins Visier zu nehmen. Syrische Aktivisten berichteten mehrfach von getöteten Zivilisten. Wie die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte, bombardierten die russischen Kampfjets auch ein provisorisches Krankenhaus von Rebellen in der zentralen Provinz Hama. Wie viele Menschen getötet wurden, blieb zunächst unklar. Auch die Kämpfe am Boden gingen weiter: Im Südosten der Großstadt Aleppo habe der IS am Freitag eine wichtige Nachschubroute des Regimes in die nordsyrische Millionenstadt abgeschnitten, teilten die Menschenrechtler mit. FSA-Rebellen: Russland muss zunächst Luftangriffe einstellen – Assad pocht darauf, "Terrorismus" zu eliminieren. Damaskus – In Syrien bröckelt unter den prowestlichen Gegnern von Präsident Bashar al Assad der Widerstand gegen eine militärische Zusammenarbeit mit Russland. Ein führender Vertreter der oppositionellen Freien Syrischen Armee (FSA) zeigte sich am Montag offen für eine Kooperation mit der russischen Luftwaffe. Bisher schien eine Kooperation der Rebellen mit Russland unwahrscheinlich, das die Regierung in Moskau mit Assad verbündet ist und auf eine Einbindung des Machthabers in eine politische Lösung des seit vier Jahren andauernden Bürgerkriegs dringt. Westliche Staaten haben durchblicken lassen, dass sie nicht mehr auf eine sofortige Entmachtung des Präsidenten und die Zerschlagung seiner Regierung als Voraussetzung für einen Frieden pochen. Die FSA habe das russische Kooperationsangebot nicht ausgeschlagen, widersprach ihr Sprecher, Major Issam al Reis, in der BBC Äußerungen der Kommandanten zweier FSA-Gruppen. Wir haben nur gesagt, wenn es die Russen ernst meinen mit ihrem Angebot, dann sollten sie sofort die Angriffe auf unsere Stellungen und zivile Ziele einstellen, sagte er. Wir brauchen jetzt keine Hilfe. Erst wenn die Russen ihre Angriffe einstellten, könne man über eine Zusammenarbeit reden. Russlands Außenminister Sergej Lawrow hatte angekündigt, sein Land sei bereit, der FSA mit Luftangriffen im Kampf gegen Extremisten zu helfen. Assad selbst erklärte am Montag nach einem Bericht der amtlichen Nachrichtenagentur Sana, wenn der Terrorismus eliminiert werde, würde das eine politische Lösung des Konflikts erleichtern. Unklar ist, wer aus Assads Sicht terrorverdächtig ist. In der Vergangenheit bezeichnete er damit meist alle seine Gegner. Die FSA wird von den USA unterstützt. Allerdings handelt es sich dabei um keine einheitliche Organisation, sondern um den Zusammenschluss vieler kleiner Gruppen mit teils widersprüchlichen Zielen. Stärkste Kraft der zersplitterten Opposition ist die Extremistengruppe Islamischer Staat (IS), die sowohl von Russland als auch von westlichen Staaten als Hauptgegner angesehen wird. Regierung in Teheran erwägt Teilnahme – Westen will Russland in Wien von Fassbomben-Ächtung überzeugen. Teheran/Wien – Die erstmalige Einladung des Irans zu Friedensverhandlungen für Syrien ist aus Sicht der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur IRNA ein erstes Zeichen der Vernunft. Und Vernunft sei der Schlüssel zu einer Lösung, heißt es in einem am Mittwoch veröffentlichten Leitartikel der Staatsagentur. Man erwäge die Teilnahme an der Wiener Konferenz, hieß es laut der Nachrichtenagentur Fars. Russlands Außenminister Sergej Lawrow besprach zuvor am Mittwoch telefonisch eine Teilnahme seines iranischen Amtskollegen Mohammad Javad Zarif an dem Treffen, hieß es in Moskau. Die beiden Chefdiplomaten telefonierten bereits am Dienstag miteinander. Rund 4,2 Millionen Syrer sind nach Angaben der Vereinten Nationen aus dem Bürgerkriegsland geflüchtet. Die Syrien-Konferenz ist am Donnerstag und Freitag in Wien geplant. Es wäre das erste Mal, dass US-Außenminister John Kerry mit iranischen Vertretern über ein anderes Thema als den Atomkonflikt verhandeln würde. Während des Wiener Treffens will der Westen nach US-Medienberichten die UN-Vetomacht Russland unter anderem davon überzeugen, einer Resolution des UN-Sicherheitsrats zuzustimmen, die dem syrischen Regime beispielsweise den Einsatz der international geächteten Fassbomben verbietet. Fassbomben sind mit Metallteilen und Sprengstoff gefüllte Behälter. Wegen ihrer Streuwirkung richten sie in dicht bevölkerten Wohngebieten besonders großen Schaden an. Zweites Thema soll demnach ein Fahrplan für einen politischen Übergang in Syrien sein. Kampf soll sich auf Provinz Hassaka im Nordosten konzentrieren. Damaskus – In Syrien gehen Rebellengruppen nach eigenen Angaben in eine neue Offensive gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat. Der Kampf werde sich auf die Provinz Hassaka im Nordosten konzentrieren, kündigte eine von den USA unterstütze Allianz der Aufständischen am Samstag auf YouTube an. Auch die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete über die Pläne. Erst am Freitag hatte US-Präsident Barack Obama angekündigt, amerikanische Elitesoldaten nach Syrien zu schicken. Sie sollen von den USA als moderat eingestufte Rebellen im Kampf gegen den IS unterstützen. Am Freitag kam zudem auf der Wiener Syrien-Konferenz in die diplomatischen Bemühungen um ein Ende des Bürgerkriegs Bewegung. Luftwaffenchef: Ziehen "jede mögliche Bedrohung in Betracht". Damaskus/Moskau – Zur Absicherung seiner Luftangriffe in Syrien hat Russland nach Angaben der Armee auch Luftabwehrsysteme in das Bürgerkriegsland verlegt. Moskau habe nicht nur Kampfjets und Hubschrauber, sondern auch Raketenabwehrsysteme nach Syrien geschickt, sagte Luftwaffenchef Viktor Bondarew der Tageszeitung Komsomolskaja Prawda vom Donnerstag. Das Verteidigungsministerium war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Russland ziehe bei dem Einsatz jede mögliche Bedrohung in Betracht, sagte Bondarew. So sei etwa vorstellbar, dass ein Militärflugzeug entführt und in ein Nachbarland gebracht wird. Dann müsse Russland selbst auf mögliche Luftangriffe vorbereitet sein. Insgesamt seien derzeit mehr als 50 Flugzeuge und Hubschrauber in Syrien – genau die Zahl, die wir brauchen. Mehr sind im Moment nicht nötig, sagte Bondarew. Russland fliegt seit Ende September Luftangriffe in Syrien – nach eigenen Angaben zur Unterstützung der Truppen von Staatschef Bashar al-Assad im Kampf gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS). Die USA werfen Moskau aber vor, nicht den IS zu bekämpfen, sondern als gemäßigt geltende Rebellen. Eine Militärallianz unter Führung der USA fliegt in Syrien und im benachbarten Irak schon seit mehr als einem Jahr Luftangriffe gegen den IS. Aufständische verwendeten Chemikalie bei Gefechten im August. Damaskus – Bei Kämpfen zwischen Rebellengruppen in Syrien ist nach Angaben unabhängiger Experten Senfgas eingesetzt worden. Die Chemikalie sei am 21. August bei Gefechten in Marea in der nördlichen Provinz Aleppo verwendet worden, verlautete am Donnerstag aus Kreisen der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW). Es handelt sich demnach um den ersten bestätigten Einsatz von Senfgas in dem Bürgerkriegsland. Der UN-Sicherheitsrat hatte Anfang August beschlossen, dass ein Team aus Experten der Vereinten Nationen sowie der OPCW die Verantwortlichen für Angriffe mit Chlorgas und anderen giftigen Chemikalien in Syrien ausfindig machen soll. Die syrische Opposition und der Westen werfen den Truppen von Syriens Staatschef Bashar al-Assad vor, Fassbomben mit Chlorgas von Hubschraubern abzuwerfen. Syriens Führung weist den Vorwurf zurück. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) steht ebenfalls im Verdacht, Chlorgas einzusetzen. Premier Davutoğlu: Luftangriffe reichen nicht aus. Ankara – Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu hat sich für einen internationalen Einsatz von Bodentruppen in Syrien ausgesprochen. Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) reichten nicht aus, sagte Davutoğlu dem Sender CNN International vor dem G20-Gipfel im südtürkischen Antalya. Wir brauchen eine integrierte Strategie mit Luftangriffen und Bodentruppen. Aber die Türkei kann das nicht alleine bewältigen. Wenn es eine Koalition und eine sehr gut konzipierte integrierte Strategie gibt, ist die Türkei bereit, sich darin in jedem Sinne zu beteiligen, sagte Davutoğlu. Eine solche Strategie müsse über den Kampf gegen den IS hinausgehen. Sonst drohe ein Machtvakuum, in dem eine neue Terrorgruppe entstehen können. Davutoğlu sprach sich erneut für die Schaffung einer Schutzzone in Syrien an der türkischen Grenze aus und forderte die Ablösung des Machthabers Bashar al-Assad in Damaskus. Assad müsse gehen Die Frage ist nicht, wie und wie lange Assad bleiben wird, die Frage ist, wann und wie Assad gehen wird, sagte der türkische Ministerpräsident. Eine Lösung der Krise wäre dann erreicht, wenn die syrischen Flüchtlinge in ihre befriedete Heimat zurückkehren könnten. Wenn Assad in Damaskus an der Macht bleibt, glaube ich nicht, dass irgendein Flüchtling zurückkehren wird. Syrien wird auf der Tagesordnung des G20-Gipfels am Sonntag und Montag stehen. Zuvor findet am Samstag in Wien erneut ein Treffen der Außenminister zur Lösung des Syrien-Konfliktes statt. Granaten schlugen in der Nähe der Universität ein. Damaskus – Bei einem Granatenangriff auf Syriens Regimehochburg Latakia sind nach Regierungsangaben mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. 57 Menschen seien verletzt worden, als zwei Geschosse in der Nähe der Tischrin-Universität eingeschlagen seien, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Sana am Dienstag. Bilder des Staatsfernsehen zeigten zerstörte und brennende Autos. Sana machte Terroristen für den Beschuss verantwortlich. Die am Mittelmeer gelegene Stadt Latakia ist bisher vom Bürgerkrieg weitestgehend verschont geblieben. Sie gilt neben Damaskus als wichtigste Bastion des Regimes. Russlands Luftwaffe nutzt Latakia als Basis für Angriffe in Syrien. Nordöstlich der Stadt versuchen Rebellen bisher erfolglos, in das Küstengebiet vorzustoßen. Außenminister Zarif begleitet Staatspräsidenten Rohani nach Rom. Teheran/Wien – Tagelang hatte sich der Iran geziert mit einer Zusage für eine Teilnahme an der nächsten Syrien-Gesprächsrunde in Wien – Hintergrund waren Differenzen mit Saudi-Arabien. Nun dürfte Teheran doch teilnehmen. Zwar wird nicht Außenminister Mohammed Javad Zarif in Wien erwartet – er begleitet am Wochenende den Staatspräsidenten Hassan Rohani nach Rom –, aber immerhin einer seiner Stellvertreter, erfuhr DER STANDARD. Damit lautet das Format wieder 17 plus 2: So wie bei der ersten großen Runde Ende Oktober werden Vertreter von 17 Staaten sowie der Europäischen Union und der Vereinten Nationen erwartet. In der in Wien tagenden Syrien-Kontaktgruppe sind neben den USA, Russland, Großbritannien oder Deutschland auch mehrere Staaten der Golfregion mit zum Teil sehr unterschiedlichen Interessen vertreten, darunter Saudi-Arabien und eben der Iran. Vor der neuen Gesprächsrunde sollen sich am Freitag unter der Leitung des UN-Syrien-Beauftragten Staffan de Mistura mehrere Arbeitsgruppen konstituieren. Laut Diplomaten sollen auf Beamtenebene drei Arbeitsgruppen – Opposition, Terror und Humanitäres – das Treffen der Außenminister vorbereiten. In Letzterer wird auch Österreich vertreten sein, und zwar durch den Generalsekretär des Außenministeriums, Michael Linhart. Am Montag wollen sich dann in Brüssel die EU-Außenminister mit dem Syrien-Konflikt befassen. EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini wird über den Verlauf der Gespräche in Wien informieren. Im Bürgerkrieg konnten die Regierungstruppen von Machthaber Bashar al-Assad nach Angaben aus Militärkreisen am Donnerstag die bisher von Rebellen gehaltene Stadt Al-Hader südlich von Aleppo zurückerobern. Sie gilt als strategisch sehr wichtig für beide Seiten. Die Vereinten Nationen gaben indes bekannt, auch im nächsten Jahr mit einem Milliardenbedarf für humanitäre Hilfe in Syrien zu rechnen. Uno-Nothilfekoordinator Stephen OBrien verwies bei einem Besuch in Berlin darauf, dass im laufenden Jahr dafür umgerechnet etwa sieben Milliarden Euro benötigt würden. Es wäre sehr schwierig, wenn das nächstes Jahr weniger wäre, sagte der britische Uno-Diplomat. Für Anfang Februar 2016 ist in London eine neue internationale Geberkonferenz geplant. US-Außenminister sieht günstigste Ausgangslage seit langem. Paris – US-Außenminister John Kerry hofft auf eine baldige Ablösung des syrischen Machthabers Bashar al-Assad. Es sei jetzt vorstellbar, dass wir nur noch Wochen von der Möglichkeit eines großen Umbruchs in Syrien entfernt sind, sagte Kerry am Dienstag nach einem Gespräch mit dem französischen Präsidenten Francois Hollande in Paris. Nach der internationalen Syrien-Konferenz in Wien gebe es eine Ausgangslage wie seit viereinhalb Jahren nicht mehr. Zuvor hatte Kerry im Flugzeug vor mitreisenden Journalisten gesagt: Nun brauchen wir nur noch den Beginn eines politischen Prozesses und das Inkrafttreten eines Waffenstillstands. Das ist ein gigantischer Schritt. In Syrien herrscht seit 2011 ein Bürgerkrieg, bei dem bisher rund 250.000 Menschen getötet wurden, Millionen wurden in die Flucht getrieben. Der Westen unterstützt die gemäßigte Opposition in Syrien und dringt darauf, dass Assad die Macht abgibt. Kerry war am Montag in Paris eingetroffen, wo er drei Tage nach der Anschlagsserie in der französischen Hauptstadt seine Entschlossenheit im Kampf gegen die Islamisten bekräftigte. Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte sich zu den Anschlägen in Paris bekannt, bei denen am Freitagabend mindestens sieben Attentäter 129 Menschen getötet hatten. Neue Ausgabe des IS-Magazins "Dabiq" zeigt getötete Ausländer. Raqqa – Die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS) hat die Tötung einer norwegischen und einer chinesischen Geisel bekanntgegeben. In der neuen Ausgabe des IS-Internetmagazins Dabiq wurden am Mittwoch Bilder von zwei toten Männern veröffentlicht. Daneben steht auf Englisch: Hingerichtet. Weitere Angaben machten die Extremisten nicht. In einer früheren Dabiq-Ausgabe hieß es, die beiden Geiseln, deren Entführung Anfang September bekannt geworden war, stünden zum Verkauf. Zudem wurden Bilder und persönliche Daten der Geiseln veröffentlicht. Die beiden seien von den Staaten und Organisationen der Ungläubigen aufgegeben worden, heißt es in der neuen Ausgabe von Dabiq. Die norwegische Regierung hatte im September erklärt, der Norweger werde seit Jänner gefangen gehalten, nachdem er in der syrischen Stadt Idlib angekommen sei. Der IS hat bereits mehrere ausländische Geiseln enthauptet und dazu Videos verbreitet. Zwei Dörfer im Norden des Landes sind nun nicht mehr unter Kontrolle der Terrormiliz "Islamischer Staat". Damaskus – Syrische Rebellen haben im Norden des Landes zwei Dörfer von der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zurückerobert. Die Einnahme der Orte Dalha und Harjala zeige, dass die Extremisten an der Grenze zur Türkei auf dem Rückzug seien, erklärte die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag. Demnach begannen die Rebellen einen Überraschungsangriff und konnten die IS-Anhänger nach heftigen Gefechten vertreiben. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu meldete, Jets der USA und der Türkei hätten den Angriff mit Luftschlägen unterstützt. Den Menschenrechtsbeobachtern zufolge gehörten zu den Rebellen auch turkmenische Kämpfer, die eng mit der Türkei verbunden sind. In der Region nördlich der Stadt Aleppo kontrolliert der IS bisher die Grenze auf einer Länge von rund 100 Kilometern. Die Extremisten nutzen das Gebiet als Nachschubroute. Nach Angaben von US-Außenminister John Kerry will die Türkei diesen Abschnitt aber in Zusammenarbeit mit den USA schließen. Die oppositionelle Nachrichtenseite Zaman al-Wasl veröffentlichte ein Video, das vier gefangene IS-Anhänger zeigte. Einer von ihnen gibt an, erst 15 Jahre alt zu sein. Auf die Frage, warum er für den IS gekämpft hat, antwortet er: Ich weiß es nicht. Schlagkraft gegen IS wird verdreifacht. Paris – Der französische Flugzeugträger Charles de Gaulle ist im östlichen Mittelmeer angekommen. Ab Montag seien Kampfflugzeuge von dort einsatzbereit, sagte Frankreichs Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am Sonntag dem Radiosender Europe 1. Nach den Terroranschlägen vom 13. November hat Paris die Luftangriffe gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien massiv verstärkt. Mit der Verlegung des einzigen Flugzeugträgers der französischen Marine werde die Schlagkraft verdreifacht, hatte Präsident Francois Hollande vergangene Woche erklärt. Frankreich hat damit künftig 38 Militärflugzeuge in der Region, davon sind 12 in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Jordanien stationiert. Der Flugzeugträger hat Marine-Angaben zufolge 18 Rafale-Jagdbomber sowie acht Jagdbomber des Typs Super Etendard an Bord, dazu zwei Radaraufklärer und einige Hubschrauber. Erste Flüge von französischem Flugzeugträger nach Pariser Terroranschlägen. Paris – Zehn Tage nach den Anschlägen von Paris haben französische Kampfjets vom Flugzeugträger Charles de Gaulle aus Einsätze gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) geflogen. Die Rafale-Kampfflugzeuge starteten am Montag von dem im östlichen Mittelmeer liegenden Flugzeugträger, wie eine Journalistin der Nachrichtenagentur AFP vor Ort berichtete. Zwei Ziele der IS-Miliz im Irak seien zerstört worden, teilte das Militär per Kurznachrichtendienst Twitter mit. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums in Paris wurde in der Region der westirakischen Provinzhauptstadt Al-Ramadi eine Gruppe von Terroristen ausgeschaltet. Im Gebiet der nordirakischen Metropole Mossul sei eine Artillerie-Stellung zerstört worden, die auf irakische Truppen gezielt habe. An dem knapp siebenstündigen Einsatz waren nach Angaben der Militärführung vier Kampfjets vom Typ Rafale beteiligt. Tankflugzeuge der internationalen Ant-IS-Koalition versorgten sie während der Operation mit zusätzlichem Treibstoff. Frankreichs einziger Flugzeugträger Charles de Gaulle war am Mittwoch vom französischen Hafen Toulon aus gestartet und am Wochenende im östlichen Mittelmeer vor der syrischen Küste angekommen. Nun hoben die ersten Kampfjets von dem Kriegsschiff zu Einsätzen ab. Bereits in den vergangenen Tagen hatte Frankreich eine Reihe von Luftangriffen gegen IS-Ziele in Syrien geflogen. Die Kampfjets starteten dabei von zwei Stützpunkten in den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Jordanien. Nach den Anschlägen von Paris mit 130 Toten hatte Frankreichs Staatschef François Hollande einen verstärkten Kampf gegen den IS angekündigt, der sich zu den Attentaten bekannt hat. Moskau: Haben türkischen Luftraum nicht verletzt – Putin: Abschuss wie ein "Messer in den Rücken" – Rebellen: Haben Piloten erschossen. Ankara/Moskau – Die türkische Luftwaffe hat am Dienstag ein russisches Kampfflugzeug an der syrischen Grenze abgeschossen. Zwischen den Regierungen in Ankara und Moskau gibt es nun Differenzen, ob der Luftraum der Türkei verletzt wurde oder nicht. Vertreter der Nato-Staaten kommen aus diesem Grund zu einer Sondersitzung zusammen. Das Treffen werde um 17.00 Uhr beginnen, teilte die Nato mit. Russlands Präsident Wladimir Putin hat den Abschuss als Messer in den Rücken bezeichnet, der von Helfershelfern von Terroristen ausgeführt wurde. Der Vorfall werde ernste Konsequenzen für die Beziehungen zwischen Russland und der Türkei haben, sagte Putin am Dienstag im russischen TV. Der russische Jet sei von F16-Kampfflugzeugen abgeschossen worden und etwa vier Kilometer von der Grenze entfernt auf syrischem Gebiet abgestürzt, sagte Putin. Das russische Flugzeug habe keine Gefahr für die Türkei dargestellt. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Tass wurde der türkische Militärattaché in Moskau ins Außenministerium zitiert. Ein türkischer Regierungsangehöriger sagte der Nachrichtenagentur Reuters, der Abschuss des Flugzeugs sei nicht gegen ein bestimmtes Land gerichtet. Man habe nur türkisches Territorium verteidigt. Zu dem Vorfall kam es Dienstagfrüh an der Grenze Syriens zur Türkei nahe der Mittelmeerküste. Nach türkischen Angaben wurde das Kampfflugzeug vom Typ SU-24 zehnmal binnen fünf Minuten gewarnt, dass es in fremden Luftraum eingedrungen sei. Daraufhin habe man eigene F-16-Jets geschickt und die Maschine abgeschossen. Einer der beiden Piloten, die sich per Schleudersitz aus dem Flugzeug retten konnten, wurde von turkmenischen Rebellen gefangengenommen, berichtete der Sender CNN Türk. Laut dem Fernsehsender Al-Arabya ist der zweite Pilot tot. Nach Angaben der syrischen Rebellen sind beide Piloten tot: Turkmenische Kräfte hätten die beiden Männer erschossen, sagte der Vize-Kommandant der verantwortlichen Rebellengruppe, Alpaslan Celik, am Dienstag nahe dem Ort Yamadi in Syrien zu Journalisten. Das Flugzeug stürzte nahe dem Ort Yamadi ab. In einem von syrischen Oppositionsgruppen verbreiteten Video ist zu sehen, wie sich die Piloten per Schleudersitz aus der Maschine retten. Unsere Kameraden eröffneten auf sie das Feuer und sie starben in der Luft, erklärte Celik. Zum Beweis zeigte er angebliche Stücke des Fallschirms der Piloten. Nach türkischen Angaben hat sich Dienstagfrüh auch ein zweites Flugzeug aus Syrien kommend der Grenze genähert. Dieses und der daraufhin abgeschossene russische Kampfjet seien gewarnt worden, sagte ein türkischer Regierungsangehöriger der Nachrichtenagentur Reuters. Das russische Militär teilte indes mit, man suche mit Helikoptern nahe der Grenze zur Türkei nach den Piloten. Cumhurbaşkanlığı kaynakları, düşürülen uçağın Su-24 tipi Rus savaş uçağı olduğunu açıkladı. https://t.co/qx2a08ku1p pic.twitter.com/HpGjTMkeiD Das russische Verteidigungsministerium erklärte laut den Nachrichtenagenturen Ria und Interfax am Dienstag, die Maschine habe den türkischen Luftraum nicht verletzt und sei über Syrien getroffen worden. Es habe offenbar Beschuss vom Boden gegeben, meldete Interfax. Schleudersitz Auf Videomaterial von dem Abschuss, das türkische Medien zeigten, ist zu sehen, dass sich die beiden Piloten per Schleudersitz aus der Maschine retten konnten. Die Reste des Flugzeugs gingen in einer als Turkmenen-Berge bekannten Region in Nordsyrien an der Grenze nieder. Dort kämpften Regierungstruppen zuletzt gegen Rebellen. VIDEO: Better quality footage of warplane shot down by the Turkish army crashing inside #Syria - @zaidbenjamin pic.twitter.com/4MGn0fpVFh Der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu teilte Dienstagfrüh mit, mit Nato, Uno und anderen Staaten die Entwicklungen an der Grenze zu Syrien besprechen zu wollen. Bereits am Montag forderte die Türkei die Einberufung des Uno-Sicherheitsrats, um Attacken auf Dörfer der turkmenischen Minderheit im Grenzgebiet Syriens zur Türkei zu besprechen. Vergangene Woche wurde aus Protest gegen Luftangriffe auf die Dörfer in Ankara der russische Botschafter ins Außenministerium zitiert. Hubschrauber beschossen Syrische Rebellen haben Aktivisten zufolge im Nordwesten des Landes einen russischen Hubschrauber getroffen. Die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte erklärte am Dienstag, der Hubschrauber sei in einem vom Regime kontrollierten Gebiet notgelandet, nachdem er unter Feuer geraten sei. Regimegegner berichteten, er sei nahe der Grenze zur Türkei von einer Panzerabwehrwaffe getroffen worden. Zu Opfern gab es zunächst keine Angaben. Den Informationen zufolge wurde der Hubschrauber in der Region getroffen, in dem die türkische Luftwaffe am Morgen eigenen Angaben zufolge einen russischen Kampfjet abgeschossen hatte. Die russisch-türkischen Beziehungen stehen nach dem Abschuss eines Kampfbombers vor dem Aus. Demonstranten bewarfen die türkische Botschaft mit Steinen. Moskau will nun wichtige Projekte einfrieren. Mehrere Scheiben gingen zu Bruch, als Demonstranten die türkische Botschaft in Moskau mit Steinen, Eiern, Farbpaketen und Papierfliegern bewarfen. In der Großstadt Uljanowsk bekam die türkische Brauerei Efes den Volkszorn zu spüren: 70 junge Männer forderten die Herausgabe der türkischen Flagge über der Fabrik, die dann anschließend ebenfalls mit Eiern beworfen wurde. Nach dem Abschuss eines russischen SU-24-Jagdbombers an der syrisch-türkischen Grenze gibt es nicht nur bei den einfachen Russen Vergeltungsgelüste: Auch die russische Regierung zeigte den Türken hinsichtlich Gesprächsangeboten die kalte Schulter. Außenminister Sergej Lawrow sprach von einem gezielten Hinterhalt. Meldungen Ankaras nach einem vereinbarten Treffen wies er zurück. Der überlebende russische Pilot bestreitet, vor dem Abschuss optisch oder per Funk von der Türkei gewarnt worden zu sein. Die türkische Armee veröffentliche später eine Sprachaufnahme, bei der es sich um den Funkspruch an die Piloten handeln soll. Darauf ist die mehrmalige Warnung zu hören, nach Süden abzudrehen. Premier Dmitri Medwedew, der Ankara erneut den illegalen Handel mit Öl der Terrormiliz IS vorwarf, bezeichnete die Beziehungen beider Länder, unter anderem in der Wirtschaft und im humanitären Bereich, als zerstört. Direkte Folge kann der Verzicht auf eine Reihe wichtiger Gemeinschaftsprojekte sein, türkischen Unternehmen drohe der Verlust des russischen Markts, sagte er. Medwedew spielt damit auf das Pipelineprojekt Turkstream an, das freilich zuletzt ohnehin zurechtgestutzt wurde – von seiner ursprünglichen Kapazität über 63 Milliarden Kubikmeter blieben 32 Milliarden übrig. Die Türkei hängt zu 60 Prozent von russischem Gas ab. Unklar ist auch die Zukunft eines mit russischer Hilfe geplanten Atomkraftwerks in der Türkei. Im Prinzip ist der gesamte Waren- und Dienstleistungsaustausch – etwa 44 Milliarden Dollar (41,5 Milliarden Euro) – infrage gestellt: Als Erstes wurde bereits die Tourismusbranche getroffen. Das Reiseverbot des russischen Außenministeriums trifft Ankara empfindlich. 2014 ließen russische Urlauber immerhin 3,5 Milliarden Dollar in der Türkei. Die militärisch-technische Zusammenarbeit ist ohnehin eingestellt. Daneben drohen auch den türkischen Lebensmittelhändlern Probleme. Aber auch für Russland hat das Agieren im Syrien-Konflik Konsequenzen: Die USA verschärfen nun ihren Sanktionskurs gegen Russland. Wegen Unterstützung der syrischen Regierung würden Strafmaßnahmen gegen die russische Financial Alliance Bank verhängt, teilte das US-Finanzministerium am Mittwoch mit. Zeitgleich äußerten US-Außenminister John Kerry und EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini in einem Telefonat mit Lawrow ihre Besorgnis. Fünf weitere Institutionen betroffen. Washington – Vor dem Hintergrund des Syrien-Konflikts verschärfen die USA ihren Sanktionskurs gegen Russland. Wegen Unterstützung der syrischen Regierung würden Strafmaßnahmen gegen die russische Financial Alliance Bank verhängt, teilte das US-Finanzministerium am Mittwoch mit. Zudem würden zwei Personen mit Verbindungen zur Bank mit Sanktionen belegt. Andere Strafmaßnahmen treffen fünf weitere Institutionen und zwei Personen, die ebenfalls den syrischen Machthaber Bashar al-Assad unterstützten. Darunter sei ein syrischer Geschäftsmann, der als Mittelsmann bei Ölgeschäften zwischen der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) und der syrischen Führung fungiert habe. Die Mission wäre Deutschlands aktuell größter Auslandseinsatz. Berlin – Die deutsche Bundeswehr-Führung will deutlich mehr als 1.000 Soldaten bei der von der Regierung angekündigten Syrien-Mission einsetzen. Aus militärischer Sicht wird die für den Betrieb der Flugzeuge und Schiffe notwendige Zahl voraussichtlich bei etwa 1.200 Soldatinnen und Soldaten liegen, kündigte Generalinspekteur Volker Wieker in der Zeitung Bild am Sonntag an. Damit wird die Mission der größte aktuelle Auslandseinsatz der deutschen Bundeswehr. Nach der Grundsatzentscheidung für eine Beteiligung an der Militäroperation vom Donnerstag arbeitet das deutsche Verteidigungsministerium an den Details. Am Dienstag will das Kabinett entscheiden, und auch die Beratungen im Bundestag sollen nicht lange dauern. Der Einsatzbeginn könne sehr rasch nach Mandatierung erfolgen, sagte Wieker. Die deutsche Regierung strebe ein Mandat noch in diesem Jahr an. Konkret will Deutschland mit Tornado-Aufklärungsjets und einem Kriegsschiff in den Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) eingreifen. Zudem sollen ein Tankflugzeug und Satellitenaufklärung zur Verfügung gestellt werden. Knapp zwei Wochen nach den Anschlägen von Paris hatte die deutsche Regierung beschlossen, einer entsprechenden Bitte des französischen Präsidenten Francois Hollande nachzukommen. Die deutschen Oppositionsparteien Linke und Grüne haben dem geplanten Bundeswehreinsatz die Rechtmäßigkeit abgesprochen. Die Teilnahme an diesem Krieg wäre zum jetzigen Zeitpunkt absolut völkerrechtswidrig, erklärte der Linken-Fraktionsvize Jan Korte am Sonntag in Berlin. Die Linke wird dem keinesfalls zustimmen und sich an Protesten dagegen beteiligen. Der Grünen-Außenexperte Jürgen Trittin kritisierte die Einsatzplanung der Bundesregierung. Es liegt bisher keine überzeugende Rechtsgrundlage vor, und es fehlt ein tragfähiges politisches Konzept für die Befriedung Syriens, sagte er dem Spiegel vom Samstag. Der türkische Präsident soll von illegalen Ölgeschäften mit dem "Islamischen Staat" profitieren. Moskau – Die russische Regierung hat dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und seiner Familie vorgeworfen, von illegalen Ölgeschäften mit der Extremistenmiliz Islamischer Staat zu profitieren. Es gebe Belege dafür, dass sie in die kriminellen Machenschaften verwickelt seien, sagte der stellvertretende Verteidigungsminister Anatoli Antonow am Mittwoch. Zudem legte das Ministerium Satellitenaufnahmen vor, die beweisen sollen, dass Tanklastwagen vom IS-Gebiet in die Türkei fahren. Der Zynismus der türkischen Führung sei grenzenlos, kritisierte Antonow. Sie sind in ein anderes Land gegangen. Sie plündern es ohne Gewissensbisse aus. Die Türkei sei der wichtigste Abnehmer für das Öl des IS. Das Verhältnis zwischen der Türkei und Russland ist schwer belastet, seit die Türkei in der vergangenen Woche einen russischen Kampfjet abschoss. Nach türkischen Darstellungen verletzte die Besatzung den Luftraum. Russland hat dagegen erklärt, die Maschine habe sich nur in Syrien aufgehalten. Russland warf der Türkei daraufhin bereits vor, dem IS Öl abzukaufen. Erdoğan wies das als Verleumdung zurück. Die US-Armee hat Vorwürfe Russlands zurückgewiesen. Das ist grotesk, sagte der Sprecher der US-Armee im Irak, Steven Warren, am Mittwoch. Wir weisen strikt jeden Gedanken daran zurück, dass die Türkei in irgendeiner Weise mit dem IS zusammenarbeitet. Russischer Präsident: Regime in Ankara "verräterisch" – Kritik an Einmischung in Konflikte von außen. Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin hat der türkischen Führung in scharfen Worten erneut die Unterstützung von Terroristen vorgeworfen. Wir wissen, wer jetzt in der Türkei den Terroristen hilft, sich zu bereichern, indem das gestohlene Erdöl verkauft wird, sagte Putin am Donnerstag in seiner Rede an die Nation. Das türkische Volk sei fleißig, aber das Regime in Ankara sei verräterisch. Die türkische Führung werde den Abschuss des russischen Kampfjets noch bedauern, erklärte Putin. Vielleicht weiß nur Allah, warum sie das gemacht haben. Allah beschloss, die regierende Clique in der Türkei zu bestrafen, und hat sie um den Verstand gebracht. Putin warnte außerdem vor der Terrorgefahr aus Syrien. Zu Beginn seiner Rede erinnerte er an die vielen Anschläge, die Russland in den vergangenen Jahren getroffen hätten. Eine besondere Gefahr geht heute von den Kämpfern aus, die sich in Syrien angesammelt haben, sagte er vor etwa 1.000 Amts- und Würdenträgern im Kreml. Die Einmischung von außen habe in Ländern wie Syrien und dem Irak Chaos geschaffen. Die russischen Streitkräfte in Syrien kämpften dagegen mit Zustimmung von Präsident Bashar al-Assad und seien erfolgreich gegen den Terror. Davutoglu: Lügen der sowjetischen Propagandamaschinerie Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoglu bezeichnete die Anschuldigungen in Bezug auf die Verwicklung der Türkei in den Syrien-Krieg als Lügen der sowjetischen Propagandamaschinerie. Niemand schenkt den Lügen der sowjetischen Propagandamaschinerie Beachtung, sagte Davutoglu nach Angaben der Nachrichtenagentur Anadolu. Die sowjetischen Charaktereigenschaften Russlands, die von den Sowjets übriggeblieben sind und von denen wir dachten, sie hätten sie in den letzten 20 bis 25 Jahren nach dem Kalten Krieg vergessen, kommen nach und nach ans Tageslicht. Der russische Außenminister Sergej Lawrow will am Donnerstag mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu zusammenkommen. Das Gespräch solle am Rande eines Treffens der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in Belgrad stattfinden. Es ist das erste hochrangige bilaterale Treffen seit dem Flugzeugabschuss. US-Außenminister: Luftangriffe alleine nicht ausreichend. Belgrad/Washington – Die Luftangriffe in Syrien und im Irak reichen nach Ansicht des US-Außenministers John Kerry nicht aus, um die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) zu bezwingen. Wenn es uns nicht gelingt, Bodentruppen zu finden, die sich gegen Daesh (IS) stellen, wird das nicht vollständig aus der Luft zu gewinnen sein – und wir wissen das, sagte er am Donnerstag beim OSZE-Ministerrat in Belgrad. Er betonte, dass es deswegen wichtig sei, die politische Konfliktlösung in Syrien weiter voranzutreiben. Wenn wir einen politischen Übergang erreichen, ermöglichen wir es jeder Nation und jeder Gruppe, sich zum Kampf gegen Daesh (IS) zusammenzuschließen – die syrische Armee zusammen mit der Opposition, zusammen mit allen benachbarten Ländern, Russland, den USA und anderen, sagte Kerry. Große Mehrheit für Einsatz der Luftwaffe in Kampf gegen "Islamischen Staat". Berlin – Der deutsche Bundestag hat mit großer Mehrheit einem Militäreinsatz der Bundeswehr gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat in Syrien zugestimmt. Für das Mandat stimmten 445 Abgeordnete, dagegen waren 146, sieben enthielten sich. Damit können in der kommenden Woche Tornado-Aufklärungsflugzeuge für den Syrien-Einsatz in die Türkei verlegt werden. Während die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD den Einsatz vor allem mit der Solidarität mit Frankreich nach den Anschlägen in Paris begründeten, warf die Opposition der Koalition vor, mit dem Einsatz den IS nicht zu schwächen, sondern zu stärken. Das auf ein Jahr erteilte Mandat umfasst neben der Entsendung der Tornados den Einsatz eines Tankflugzeugs und einer Fregatte. Bis zu 1.200 Bundeswehr-Soldaten sollen eingesetzt werden. Die Aufklärungsflüge sollen im Jänner beginnen. Die Fregatte Augsburg wird nach Marineangaben in den kommenden Tagen zum Verband des französischen Flugzeugträgers Charles de Gaulle stoßen. Danach würden die Schiffe durch den Suezkanal in den Golf verlegt, um von dort aus den Einsatz französischer Kampfflugzeuge fortzusetzen. Wagenknecht: Einsatz ist Wahnsinn Deutschland wird damit in einer von den USA angeführten Allianz tätig, die IS-Ziele in Syrien angreift. Auch andere Staaten haben ihre militärischen Aktivitäten verstärkt. Laut ARD-Deutschlandtrend befürworten 58 Prozent der Befragten eine militärische Beteiligung Deutschlands. Grüne und Linkspartei warfen der deutschen Regierung vor, den Militäreinsatz ohne ausreichende Beratung im Eiltempo durch den Bundestag zu peitschen. Die Regierung müsse sich zudem fragen, ob der Einsatz nicht eine Rekrutierungsmission für den IS wird, sagte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht bezeichnete es als Wahnsinn, dass nach den Anschlägen von Paris nun syrische Städte bombardiert würden. Dabei seien die meisten Attentäter aus Belgien oder Frankreich selbst gekommen. Auch Bombenkrieg ist Terror, sagte sie. Es dürfe keinen Wettlauf geben, wer sich aufs Morden besser versteht. Während die Linke ein geschlossenes Nein ankündigte, erklärten die Grünen-Politiker Cem Özdemir, Franziska Brantner und Marieluise Beck, sie wollten nicht gegen den Regierungsantrag stimmen, sondern sich enthalten. In der entscheidenden Debatte über den Einsatz sprachen für die Koalition weder Bundeskanzlerin Angela Merkel noch Minister oder Fraktionschefs. Zentrale Argumente der Redner von Union und SPD für den Einsatz waren die Solidarität mit Frankreich und der nötige Kampf gegen IS, weil dieser auch Deutschland im Fadenkreuz seiner Angriffe habe. Sie widersprachen dem Vorwurf, dass der Einsatz völkerrechtlich nicht abgesichert sei. 26 Angriffe am Freitag – Auch Stellungen des IS im Irak sind von den USA angegriffen worden. Washington/Moskau – Die von den USA geführte Allianz hat in Syrien mehrere Ölanlagen unter Kontrolle der radikal-islamischen IS-Miliz angegriffen. 26 Angriffe seien am Donnerstag geflogen worden, teilte das US-Militär am Freitag in Washington mit. Im Visier seien unter anderem ein Ölfeld in der Nähe von Abu Kamal und eine Öl- und Gasanlage bei Dair as Saur gewesen. Auch andere Stellungen des sogenannten Islamischen Staates seien attackiert worden. Die russische Luftwaffe flog ebenfalls Angriffe auf die IS-Miliz. Knapp 1500 terroristische Ziele in Syrien seien von 26. November bis 4. Dezember angegriffen worden, erklärte das Verteidigungsministerium in Moskau russischen Nachrichtenagenturen zufolge. Die insgesamt 431 Angriffe hätten IS-Stellungen in den Provinzen Aleppo, Idlib, Latakia, Hama, Homs, Rakka und Deir es-Sor gegolten. Die US-geführte Allianz zerstörte nach Angaben des US-Militärs auch Stellungen des IS im Irak. Die Extremisten haben weite Teile des Iraks und Syriens unter ihre Kontrolle gebracht und über die Staatsgrenzen hinweg ein Kalifat ausgerufen. Frankreichs Präsident Francois Hollande, der sich nach den dem IS zugeschriebenen Anschlägen von Paris um ein breites Bündnis gegen den IS bemüht, besuchte den französischen Flugzeugträger Charles de Gaulle vor der syrischen Küste. In einigen Tagen solle das Kriegsschiff verlegt werden und Führungsaufgaben für die Allianz im Kampf gegen die IS-Miliz übernehmen, sagte Hollande. Der Flugzeugträger soll in den kommenden Tagen durch den Suez-Kanal in der Persischen Golf fahren. Strategie gegen Jihadisten soll diskutiert werden. Rom – Italien wird Mitte Jänner ein Gipfeltreffen der Vertreter jener Staaten beherbergen, die den Islamischen Staat (IS) bekämpfen. Dies kündigte Italiens Außenminister Paolo Gentiloni am Montag an. Bei dem Gipfel in Rom solle über eine effiziente Anti-IS-Strategie diskutiert werden, sagte Gentiloni. Man darf dabei nicht automatisch davon ausgehen, dass tausende Soldaten die Krise auf dem Boden lösen, sagte Gentiloni. Italiens Premier Matteo Renzi hatte am Sonntag angekündigt, dass sich sein Land nicht aktiv an einem breiten Bündnis im Kampf gegen den IS beteiligen werde. Wir müssen die Terroristen besiegen. Das, was wir nicht brauchen, ist jedoch eine Mehrzahl vereinzelter Reaktionen ohne strategischen Blick. Wir können uns alles erlauben, nur nicht ein zweites Libyen, sagte Renzi. Vergangene Woche hatte Gentiloni für den 13. Dezember eine große internationale Konferenz zu Libyen in Rom angekündigt. Ziel sei es, die totale Zerrüttung des Landes und den Vorstoß der IS-Kämpfer zu stoppen, sagte Gentiloni nach Medienangaben am Donnerstag. Nach Angaben des Ministers müsse man im Fall Libyens die Wien-Methode anwenden, die bei den Verhandlungen über Syrien zu positiven Resultaten geführt habe. Saudi-Arabien will Gegner von Staatschef Assad versammeln – Steinmeier ruft syrische Opposition zu Einheit auf. Beirut/Bagdad – Als erste syrische Rebellenorganisation hat die Gruppe Jaysh al-Islam ihre Teilnahme an einem Treffen oppositioneller Kräfte in der saudi-arabischen Hauptstadt Riad angekündigt. Zu der Konferenz ab Mittwoch sollten als Unterhändler Mohammed Alloush und Mohammed Birkdar reisen, teilte die Gruppe am Montag mit. Jaysh-al-Islam-Chef Zahran Alloush werde nicht selbst an dem Treffen teilnehmen. In Riad sollen bewaffnete Rebellengruppen, die gegen den syrischen Staatschef Bashar al-Assad kämpfen, zusammengebracht werden, um eine gemeinsame Position für Verhandlungen abzustecken. Auch die politische Opposition soll vertreten sein. Jaysh al-Islam (Armee des Islam) gilt als machtvolle Gruppierung aus Islamisten und Salafisten, die Ost-Ghouta, einen Vorort der Hauptstadt Damaskus, kontrolliert. Sie soll enge Verbindungen zu Saudi-Arabien unterhalten. Der deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat unterdessen die gemäßigte syrische Opposition aufgefordert, ihre Streitigkeiten bei dem in Saudi-Arabien geplanten Treffen zu überwinden. Ich hoffe, dass es gelingt, die syrische Opposition auf eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen über eine Übergangsregierung mit der Regierung in Damaskus einzuschwören – auch wenn das manchen schwierigen Kompromiss notwendig macht, sagte Steinmeier während eines Besuchs im Irak der Deutschen Presse-Agentur dpa. Die internationale Gemeinschaft hatte sich Mitte November in Wien auf einen Fahrplan für eine politische Lösung des Syrien-Konflikts geeinigt. Er sieht vor, möglichst rasch einen Waffenstillstand zwischen Assad-Regime und moderaten Rebellengruppen auszuhandeln. Bis Mitte 2016 soll unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen eine Übergangsregierung gebildet werden. 18 Monaten später sollen Neuwahlen folgen. Steinmeier sagte weiter: Wir dürfen jetzt nicht das Momentum für ein Ende des Bürgerkriegs und der Gewalt verlieren, das bei den beiden Wiener Konferenzen entstanden ist. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns bald wieder im Wiener Format zusammensetzen und mit allen Akteuren am Tisch die nächsten Schritte gehen. Im Gespräch ist, noch vor Weihnachten eine neue Syrien-Konferenz abzuhalten, möglicherweise in New York. Abu Salah und zwei Vertraute Ende November bei US-Angriff getroffen. Mossul – Die USA haben den Finanzchef der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) für tot erklärt. Abu Salah sei bei einem Luftangriff im Nordirak getötet worden, teilte das US-Militär am Donnerstag mit. Zudem seien zwei weitere ranghohe Mitglieder der Extremistengruppe ums Leben gekommen. Der Sondergesandte von US-Präsident Barack Obama für den Kampf gegen den IS, Brett McGurk, bestätigte das. Der Angriff fand Ende November nahe Tal Afar westlich von Mossul statt. Oberst Steve Warren bezeichnete Salah, der auf der Terrorliste der USA als Muafaq Mustafa Mohammed al-Karmoush geführt wurde, als Finanzminister und eines der erfahrensten Mitglieder des IS. Er sei früher Teil von Al-Kaida gewesen. Bei den anderen Getöteten handelt es sich Warren zufolge einerseits um einen Vollstrecker von Todesurteilen und Geldeintreiber. Sein Tod schwäche die Fähigkeit des IS, Geld von der Bevölkerung zu erzwingen. Der dritte Getötete habe dem IS Rekruten zugeführt und die Beschaffung von Information und Waffen koordiniert. Der Tod der drei werde es dem IS erschweren, seine Kämpfer zu befehligen und zu kontrollieren und sich zu finanzieren, so Warren. Die USA fliegen in Syrien und dem Irak Luftangriffe auf den IS. Die Organisation kontrolliert Teile beider Länder und herrscht dort mit brutaler Hand. Zu ihren Einnahmequellen gehören vor allem Öl- und Antiquitätenverkäufe sowie Erpressung und Plünderung. Nach Einschätzung der US-Regierung erbeutete der IS bis zu eine Milliarde Dollar (910 Millionen Euro) von Banken im Irak und Syrien. Die Jihadisten hätten Banktresore in ihrem Einflussgebiet geplündert, sagte der für den Kampf gegen Terrorfinanzierung zuständige Staatssekretär im US-Finanzministerium, Adam Szubin, am Donnerstag. Die Beute daraus belaufe sich auf 500 Millionen bis zu einer Milliarde Dollar. Darüber hinaus habe die Miliz der Bevölkerung oft mit brutalen Mitteln weitere Millionen abgepresst. Der Schwarzmarktverkauf von Öl brachte dem IS noch einmal mehr als 500 Millionen Dollar ein, sagte Szubin. Der Rohstoff werde in großer Menge an die Regierung des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad verkauft. Ein Teil gelange auch über die Grenze in die Türkei. Der Ölhandel des IS habe ein Volumen von bis zu 40 Millionen Dollar monatlich. Der IS ist in dem seit Jahren andauernden Bürgerkrieg in Syrien zu einem der mächtigsten Gegner Assads geworden. Die USA und ihre Verbündeten nehmen bei ihren Luftangriffen auf den IS auch Ölanlagen im Gebiet der Extremisten ins Visier. Zudem war die finanzielle Austrocknung der radikalen Islamisten auch ein Thema des jüngsten G20-Gipfel in der Türkei. In der EU hatten unlängst Deutschland und Frankreich auf schnellere Fortschritte im Kampf gegen die Terrorfinanzierung gedrungen. Dokumenten können für die Einreise nach Europa verwendet werden. Damaskus/Bagdad – In Syrien und dem Irak sind nach Erkenntnissen europäischer Behörden Tausende Blankopässe verschwunden, die mit falschen Daten versehen für die Einreise nach Europa genutzt werden könnten. Vermisst würden rund 5000 Pässe aus den syrischen Provinzen Raqqa und Deir al-Sor sowie etwa 10.000 aus den irakischen Gebieten Anbar, Nineweh und Tikrit. Aus Diplomatenkreisen verlautete, es gebe eine Liste mit den Seriennummern Tausender Passdokumente, die in syrischen und irakischen Behörden jener Gebiete lagerten, die heute unter Kontrolle der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder anderer militanter Gruppen stünden. Da es sich um originale Passdokumente handelt, sind sie auch mit fingierten Personaldaten nur schwer als Fälschungen erkennbar. Wie die europäischen Behörden an die Seriennummern der Pässe gelangten, ist unklar. Bereits vor einigen Tagen warnte die US-Regierung davor, dass IS-Extremisten in der Lage seien, Pässe zu fälschen. Die amerikanischen Behörden bezogen sich dabei offenbar auf dieselben Informationen. Die europäischen Sicherheitsdienste befürchten, dass Extremisten und potenzielle Attentäter den Flüchtlingsstrom nutzen könnten, um auf diesem Weg mit gefälschten Pässen nach Europa zu gelangen. Vermutlich hat auch mindestens einer der Attentäter von Paris diesen Weg genutzt. Treffen am Freitag in New York – Zukunft Präsident Bashar al-Assads weiter umstritten. Moskau –Das internationale Ringen um Frieden in Syrien geht am Freitag in New York in die nächste Runde. US-Außenminister John Kerry konnte die russische Seite am Dienstag bei Gesprächen in Moskau für das geplante Außenministertreffen gewinnen, wie sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Abend bekanntgab. Kerry sagte, bei dem Treffen in Moskau habe man sich nicht auf Assads Rolle konzentriert, sondern auf den politischen Prozess. Näher gekommen sei man sich in der Frage, welche Rebellengruppen am Friedensprozess teilnehmen sollten und welche nicht. So sei man sich einig, dass die radikale IS-Miliz und der Al-Kaida-Ableger Al-Nusra-Front nicht mit am Tisch sitzen dürften.erenz einzuberufen, sagte Lawrow nach einem fast dreistündigen Gespräch mit Kerry und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. In New York soll der im November in Wien vereinbarte Friedensfahrplan vorangetrieben werden, der Gespräche zwischen moderaten Rebellen und Damaskus vorsieht. Kerry und Lawrow zeigten sich am Dienstag gleichermaßen zuversichtlich, dass die internationalen Bemühungen rasch zu einer Resolution des UN-Sicherheitsrats führen werden, um den Friedensfahrplan festzuklopfen. Russland und die USA verfolgen allerdings gegensätzliche Interessen in Syrien. Während Moskau an Präsident Bashar al-Assad festhält, schließt Washington ebenso wie die syrischen Rebellen eine Zukunft Syriens mit dem Staatschef aus. Kerry bekräftige in dem Gespräch mit Putin die Sorge der USA, dass Russland mit seinen Luftangriffen in Syrien nicht nur die Jihadistenorganisation Islamischer Staat (IS), sondern auch die moderaten Assad-Gegner bekämpft. Der Kreml-Chef habe zugesagt, darüber nachzudenken, sagte Kerry. Darüber sei er froh. Aktivisten machten die russische Luftwaffe unterdessen für den Tod von mindestens 34 Zivilisten im Norden Syriens verantwortlich. Bei einem Angriff auf einen Treibstoffmarkt in der Provinz Idlib seien am Dienstag mindestens 16 Zivilisten getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Mindestens 18 weitere Zivilisten seien bei einem Angriff auf einen vom IS organisierten Markt in der Provinz Aleppo getötet worden, hieß es weiter. Die Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien stützt sich auf ein Netzwerk von Aktivisten vor Ort, ihre Angaben sind von unabhängiger Seite kaum zu überprüfen. Russland fliegt seit September Angriffe gegen den IS und andere Rebellengruppen in Syrien. US-Verteidigungsminister Ashton Carter rief unterdessen die Türkei auf, sich stärker am Kampf gegen den IS zu beteiligen. Die Türkei hat eine enorme Rolle zu spielen, wir schätzen, was sie tun, aber wir wollen, dass sie mehr tun, sagte er auf der Reise zum Luftwaffenstützpunkt Incirlik unweit der syrischen Grenze. Ankara solle sich angemessen an den Luftangriffen und am Boden beteiligen. Nähere Einzelheiten zu den US-Forderungen nannte er nicht. Seit dem Start der russischen Offensive sollen mindestens 20 Streubomben registriert worden sein – Auch Flüchtlingslager beschossen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) prangert einen zunehmenden Einsatz von Streubomben seit dem Beginn der russischen Offensive im Bürgerkriegsland Syrien an. Seit dem Start der russischen Unterstützung für die Regierungstruppen von Staatschef Bashar al-Assad Ende September seien mindestens 20 solcher Fälle registriert worden, teilte HRW am Sonntag mit. Die Zählung umfasste demnach unter anderem Angriffe auf neun Ziele, darunter Flüchtlingslager, bei denen mindestens 35 Zivilisten getötet und Dutzende weitere verletzt wurden. HRW gab weiter an, Beweisbilder für den Einsatz von Streubomben zu haben. Die Geschoße stammten aus russischer beziehungsweise noch aus sowjetischer Produktion, erklärte die Organisation und rief den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen auf, für ein Ende der Angriffe zu sorgen. Streubomben setzen Hunderte kleinerer Bomben frei. Viele Blindgänger explodieren jedoch erst Jahre später. Genau wie Landminen geht die Munition bei Berührung in die Luft – wer nicht sofort getötet wird, überlebt meist schwer verstümmelt. Der UN-Sicherheitsrat hatte am Freitag einstimmig eine Resolution zu einem Friedensfahrplan für Syrien verabschiedet. Demnach soll eine Waffenruhe gelten, sobald Regierung und Opposition Gespräche über einen politischen Übergang aufnehmen. Schon im Jänner sollen Friedensverhandlungen beginnen. Indes gerät die Opposition nahe Aleppo immer stärker in Bedrängnis. Nach Angaben von Aktivisten und staatlichen Medien eroberten Regierungstruppen gemeinsam mit Kämpfern der libanesischen Hisbollah am Sonntag die Ortschaft Khan Touman südlich der Stadt Aleppo von islamistischen Milizen zurück. Zuvor sei die Region von syrischen und russischen Kampfflugzeugen unter massiven Beschuss genommen worden, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Es seien mindestens 40 Angriffe geflogen und 16 islamistische Rebellen getötet worden, erklärte der Leiter der Organisation, Rami Abdel Rahmane. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hat ihren Sitz in Großbritannien und bezieht ihre Informationen von einem Netzwerk von Aktivisten in Syrien. Ihre Angaben sind ebenso wie jene der Staatsmedien nicht unabhängig überprüfbar. Die syrische Regierung hatte im Oktober mithilfe russischer Luftangriffe mehrere Offensiven gegen die Rebellen begonnen. Syriens zweitgrößte Stadt Aleppo gilt im Bürgerkrieg als einer der strategisch wichtigsten Kriegsschauplätze und wurde fast vollständig zerstört. Einige Stadtteile werden von der Regierung kontrolliert, andere von Rebellen. Aktivisten: Bereits mehr als 2.100 Tote durch russische Angriffe. New York – Der UN-Sicherheitsrat hat eine Resolution zu humanitären Hilfslieferungen in das Bürgerkriegsland Syrien erneuert. Die 15 Mitglieder des Gremiums, darunter auch Russland, stimmten dem Text am Dienstag in New York geschlossen zu. Dieser sieht wie bereits vorherige Resolutionen Hilfslieferungen auch ohne das Einverständnis der Regierung in der syrischen Hauptstadt Damaskus vor. Seit dem vergangenen Jahr werden Hilfen aus der Türkei, aus Jordanien und aus dem Irak durch von syrischen Rebellen gehaltene Gebiete in das Land geschickt. Der Sicherheitsrat kritisierte in der Resolution vom Dienstag jedoch, dass die Maßnahmen nicht zu den gewünschten Erfolgen führten. Etwa 4,5 Millionen Menschen lebten nach wie vor in schwer erreichbaren Regionen des Landes. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte teilte am Dienstag mit, dass durch russische Angriffe inzwischen 2.132 Menschen getötet worden seien. Demnach handelte es sich um 598 IS-Kämpfer, 824 Kämpfer der mit dem Terrornetzwerk Al-Kaida verbündeten Al-Nusra-Front und 710 Zivilisten, darunter 161 Kinder und 104 Frauen. Die in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle stützt sich auf Aktivisten vor Ort, ihre Angaben sind unabhängig kaum überprüfbar. Russland unterstützt nach eigenen Angaben die Truppen von Staatschef Bashar al-Assad im Kampf gegen Jihadisten. Die US-geführte Allianz wirft Moskau allerdings vor, zur Stabilisierung von Assads Regierung auch mit dem Westen verbündete gemäßigte Rebellen zu bekämpfen. Russland weist dies zurück. Laut der Beobachtungsstelle wurden allein am Dienstag bei verschiedenen Angriffen und Kämpfen im Land fast 50 Menschen getötet. Allein 23 Menschen, darunter neun Kinder, starben demnach bei einem IS-Angriff auf eine Schule in der östlichen Stadt Deir Essor. Insgesamt wurden im syrischen Bürgerkrieg bereits mehr als 250.000 Menschen getötet. Libanesischer Fernsehsender: UNO vermittelte Abreise der Islamisten nach Raqqa. Damaskus – Rund 2.000 Anhänger der Terrormiliz IS und anderer Extremistengruppen werden einem Medienbericht zufolge aus Damaskus evakuiert. Sie werden aus von Rebellen gehaltenen Vierteln nahe des Flüchtlingslagers Yarmouk im Süden der syrischen Hauptstadt unter anderem in die IS-Hochburg Raqqa gebracht, wie der libanesische Hisbollah-Fernsehsender Al-Manar am Freitag berichtete. Die Extremisten wurden zum Aufgeben gezwungen, weil das syrische Regime bereits seit Jahren Versorgungskanäle in die betroffenen Viertel blockiert. Sie hatten von den Stadtvierteln Al-Hajar al-Aswad und Al-Kadam aus das benachbarte palästinensische Flüchtlingslager Yarmouk angegriffen. Machthaber Bashar al-Assad hofft indes, durch die Evakuierung Kontrolle über das strategisch wichtige Gebiet zurückzuerlangen. Bei der Einigung handle es sich dem Medienbericht zufolge um ein unter Mithilfe der UNO vermitteltes Abkommen. Die Extremisten hätten darin außerdem zugestimmt, vorher Waffen und Militärfahrzeuge zu zerstören. Eine Sprecherin der Vereinten Nationen in New York betonte gegenüber Journalisten, die UNO sei ein Beobachter in dem Abkommen für Yarmouk, aber kein Teil davon. Sie fordert seit Monaten Zugang zu dem Flüchtlingslager. Neben Anhängern des Islamischen Staates befinden sich auch Kämpfer der radikalen Al-Nusra-Front, ein Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, unter den Evakuierten. Wie der Fernsehsender weiter meldete, hätten bereits 18 Busse rund 1.500 Kämpfer und ihre Familien aus den Vierteln gebracht. Unklar war, ob die Transportmittel von der syrischen Armee oder der UNO bereitgestellt wurden. Durch das Abkommen solle die IS-Präsenz in Damaskus beendet werden. Der Sender Al-Manar gehört der libanesischen Schiitenbewegung Hisbollah. Die Miliz ist ein enger Verbündeter Assads in dem seit Jahren währenden Bürgerkrieg in Syrien. Ende Jänner sollen in Genf die Friedensgespräche unter Leitung des UN-Syrien-Beauftragten Staffan de Mistura beginnen. Die UN-Resolution bildet die völkerrechtliche Grundlage für den weiteren Friedensprozess in Syrien, wo in den vergangenen fünf Jahren rund 300.000 Menschen im Bürgerkrieg getötet wurden. Der Streit über die Zukunft des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad wird in der Resolution allerdings nicht angesprochen. Seine Rolle ist einer der großen Streitpunkte zwischen dem Westen, der einen Machtwechsel fordert, und Russland, das den syrischen Herrscher stützt. Drohungen auch gegen Länder, die Luftangriffe gegen die Jihadisten fliegen. Damaskus – In seiner ersten Botschaft seit sieben Monaten hat der selbst ernannte Kalif der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, Israel mit Anschlägen gedroht. Wir haben Palästina keine Sekunde lang vergessen. Bald, mit Gottes Erlaubnis, werdet ihr die bebenden Schritte der Mujaheddin (heiligen Krieger) hören, sagte der IS-Chef in einer 24-minütigen Audiobotschaft. Deren Echtheit ließ sich zunächst nicht sicher bestätigen. Sie wurde am Samstag von Unterstützern der Jihadisten im Internet verbreitet. Darin heißt es, Palästina werde Israels Friedhof sein. Baghdadi bekräftigte seinen Aufruf an alle Muslime, sich am Jihad zu beteiligen, um den Krieg der Ungläubigen gegen den Islam zu stoppen. Auch seine Drohungen an Europa und die USA erneuerte der IS-Chef, zudem warnte er Russland. Diese Staaten würden einen hohen Preis für ihre Angriffe auf den Islamischen Staat zahlen, sagte Baghdadi. Zuletzt hatte sich der IS-Anführer im Mai mit einer Botschaft zu Wort gemeldet. Er wendet sich nur sehr selten an die Öffentlichkeit. Den Kampf gegen die Regierung in Damaskus will Abu Hamam al-Buwayadani unvermindert weitergeführen. Damaskus – Der neue Anführer der wichtigen radikalislamischen Miliz Jaish al-Islam (Armee des Islams) hat die syrischen Rebellen zum gemeinsamen Kampf gegen das Assad-Regime aufgerufen. Lasst uns vereint sein und unsere Kräfte bündeln, sagte Abu Hamam al-Buwayadani in einer Videobotschaft, die am Sonntag vom Nachrichtensender Al-Jazeera veröffentlicht wurde. Der Kampf gegen die Regierung in Damaskus werde unvermindert weitergeführt. Der 40-Jährige ist der Nachfolger von Sahran Allush, der nach Berichten vom Freitag bei einem Luftangriff nahe der Hauptstadt Damaskus getötet worden war. Die Sunnitenmiliz Jaish al-Islam gehört zu den mächtigsten Rebellengruppen im Bürgerkrieg. Sie ist vor allem östlich von Damaskus stark. Al-Buwaydani gilt unter Aktivisten als besonnener Anführer, der aber auch den Kampf an der Front nicht scheue. Der ehemalige Geschäftsmann aus der Stadt Duma bei Damaskus – einer Hochburg der Miliz – schloss sich Allush 2011 an. Die in Großbritannien ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtet von einer starken Bindung Al-Buwaydani zu den islamistischen Muslimbrüdern. Austausch von Kämpfern und Zivilisten – Zahlreiche Tote bei Anschlägen in Homs. Damaskus/Homs – Im Rahmen eines Abkommens zwischen der syrischen Regierung und Rebellen sind hunderte aus zwei belagerten Städten stammende Syrer in der Gegend von Damaskus eingetroffen. Mehr als 300 Menschen aus den Orten Foua und Kefraya in der nordwestlichen Provinz Idlib seien am Dienstag in Sayyida Zeinab südlich der syrischen Hauptstadt angekommen, hieß es. Später am Tag solle es eine offizielle Begrüßungsfeier geben. Laut dem ungewöhnlichen Abkommen, das von der Uno unterstützt wird, wurden mehr als 450 Menschen aus drei lange Zeit umkämpften Orten fortgebracht. Mehrere Hundert Rebellen unterschiedlicher politischer und religiöser Ausrichtung waren am Montag über eine Luftbrücke aus Syrien in die Nachbarländer Türkei und Libanon ausgeflogen worden. Die UN hatten die Fluchtmöglichkeit für rund 330 syrische schiitische Kämpfer und mehr als 100 ihrer Angehörigen auf dem Flughafen der libanesischen Hauptstadt Beirut ausgehandelt, von wo aus sie später nach Damaskus weiterreisten. In Beirut waren sie von Mitgliedern der radikalen Hisbollah empfangen worden. Auf dem türkischen Flughafen Hatay landete unterdessen eine Maschine mit 126 sunnitischen Aufständischen, die ebenfalls aus Syrien evakuiert wurden. Im Gegenzug für die Erlaubnis zur Ausreise der Aufständischen wurde Syriens Machthaber Bashar al-Assad zugestanden, die zuvor über lange Zeit von den Rebellen gehaltenen Gebiete im Nordwesten Syriens wieder unter seine Kontrolle bringen zu dürfen. Unterstützt wurden die Transporte von den Vereinten Nationen (UN), dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond (SARC) und dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK). Marianne Gasser, Leiterin der IKRK-Delegation in Syrien, würdigte die Umsetzung der Vereinbarungen, appellierte zugleich aber auch an die Konfliktparteien, Hilfen für alle von den jahrelangen Kämpfen betroffenen Menschen zu ermöglichen. Der UN-Sonderbeauftragte für Syrien, Staffan de Mistura, betonte, Ziel sei ein schnellstmöglicher landesweiter Waffenstillstand. Die USA haben Russland Luftangriffe auf zivile Ziele in Russland vorgeworfen. Bei den Bombardements seien hunderte Zivilisten getötet worden, sagte Außenamtssprecher Mark Toner am Dienstag in Washington. Die Kampfjets hätten medizinische Einrichtungen, Schulen und Märkte attackiert. Im Oktober und in der ersten November-Hälfte seien mehr als 130.000 Syrer in die Flucht getrieben worden, viele von ihnen wegen der russischen Angriffe. Die Menschenrechtsorganisationen Amnesty International, Human Rights Watch sowie syrische Aktivisten hatten der russischen Armee kürzlich vorgeworfen, bei ihren Luftangriffen in dem Bürgerkriegsland hunderte Zivilisten getötet zu haben. Unterdessen töteten schon am Montag ein Selbstmordattentäter und eine Autobombe in der zentralsyrischen Stadt Homs nach Angaben des Staatsfernsehens mindestens 19 Menschen. Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ging von 32 Toten und mehr als 90 Verletzten aus. Die Angaben dieser in England ansässigen Organisation können meist nicht unabhängig bestätigt werden. Die Explosionen ereigneten sich in einem vor allem von der religiösen Minderheit der Alawiten bewohnten Viertel. Zu dieser gehört auch Präsident Bashar al-Assad. Zu ähnlichen Anschlägen hatten sich in der Vergangenheit die Terrormiliz IS oder die Al-Nusra-Front, der syrische Ableger Al-Kaidas, bekannt. Auf Twitter erteilen zahlreiche Muslime dem Aufruf Baghdadis zum Jihad eine Absage. In seiner ersten Botschaft seit sieben Monaten hat der selbsternannte Kalif der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Baghdadi, mit Anschlägen gedroht und seinen Aufruf an alle Muslime bekräftigt, sich am Jihad zu beteiligen, um den Krieg der Ungläubigen gegen den Islam zu stoppen. Der ägyptische Unternehmer und Aktivist Iyad El-Baghdadi hat die Rede des IS-Anführers auf Englisch auf Twitter verbreitet. Das nahmen zahlreiche Muslime zu Anlass, dem IS-Chef zu erklären warum sie keine Zeit für den Jihad haben. (maa, 28.12.2015) @iyad_elbaghdadi sorry, Im washing my hair Ive got Star Wars on Sunday. Maybe later. https://t.co/UQ71PkUi4j Sorry bro but currently 3 episodes in Fargo SE3 & the boys have football camp all of next week. Tue after next good? https://t.co/MqdIcN1Rjv Sorry #ISIS. This Muslim is just waking up. Needs coffee. Also, its Christmas weekend family time. 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Die Hilfe besteht neben Nahrung unter anderem aus Medikamenten für chronische Krankheiten, Schwangere und Säuglinge, wie Pawel Krzysiek, Sprecher des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) der Deutschen Presse-Agentur sagte. Dem Syrischen Halbmond zufolge reicht die Hilfe aus, um die bis zu 40.000 Menschen in der westsyrischen Stadt 40 Tage lang zu versorgen. Es wurde damit gerechnet, dass es bis in den späten Abend dauern könnte, bis alle Laster ihre Ladung in den von Rebellen gehaltenen Ort gebracht haben. Das gezielte Aushungern von Zivilisten gilt völkerrechtlich als Kriegsverbrechen. Insgesamt starben in Madaja seit Dezember nach Angaben der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) mindestens 28 Menschen wegen Mangelernährung – darunter sechs Kinder im Alter unter fünf Jahren. Erst am Sonntag bestätigte MSF fünf Todesfälle. Neben den Zivilisten befinden sich nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte etwa 125 Kämpfer der Rebellen in der Stadt. Spannungen zwischen ihnen und der Bevölkerung gebe es nicht. Zeitgleich zu der Hilfe für Madaja traf eine Lieferung in den von Rebellen belagerten Orten Fua und Kefraja im Nordwesten Syriens ein. Diese Dörfer werden von Regierungstruppen gehalten, auch dort war nach Angaben von Menschenrechtlern eine Person infolge der Blockade gestorben. Die Hilfslieferungen in Madaja und den beiden Dörfen gehen auf eine von den Vereinten Nationen vermittelte Abmachung zwischen dem Regime von Baschar al-Assad und Rebellen zurück. Hilfsorganisationen konnten nach eigenen Angaben zuletzt im Oktober Lieferungen nach Madaja bringen. Aktivisten berichteten, die Menschen ernährten sich von Blättern, Hunden und Katzen. Bilder von bis auf die Knochen abgemagerten Menschen hatten international Entsetzen ausgelöst. Uns wurde gesagt, dass Essen geliefert wird, das wir fast drei Monate lang nicht hatten (...). Ich hoffe, es wird auch Brot dabei sein, weil ich den Geschmack vergessen habe, sagte der zehnjährige Rami aus Madaja am Montag der Deutschen Presse-Agentur. Der acht Jahre alte Hassan erzählte, er und seine Familie hätten in der vergangenen Woche nur von Wasser, Pfeffer und Salz gelebt: Ich möchte Eier und Kartoffeln zum Abendessen haben. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte schätzt, dass sich bis zu 40 000 Menschen in Madaja aufhalten. Ärzte ohne Grenzen spricht von mehr als 20.000 Menschen. Eigentlich hat der Ort nur einige Tausend Einwohner, doch infolge von heftigen Kämpfen um die nahe Stadt Sabadani flohen viele Menschen nach Madaja. Frankreich forderte eine rasche Öffnung der Stadt. Es sei eine absolute Notwendigkeit, dass Syrien und Russland ihre militärischen Operationen gegen die Zivilbevölkerung beenden, sagte Außenminister Laurent Fabius in Paris. Ärzte ohne Grenzen hatte am Sonntag regelmäßige Hilfseinsätze für Madaja und die anderen eingeschlossenen Orte gefordert. Eine einzelne Lieferung wird das Problem nicht lösen, sagte der stellvertretender medizinische Direktor Tammam Aludat. Auch Mitarbeiter der Kinderhilfsorganisation SOS-Kinderdörfer weltweit brachen am Montag nach Madaja auf. Die Organisation World Vision International berichtete unter Berufung auf die Vereinten Nationen, insgesamt benötigten rund 400.000 Menschen in Syrien dringend Lebensmittel, Trinkwasser und Medizin. Liste der Oppositionsführer gefordert. Beirut – Die Regierung in Damaskus hat sich unter Bedingungen zur Teilnahme an den geplanten Friedensgesprächen zum syrischen Bürgerkrieg bereiterklärt. Benötigt werde eine Liste der Oppositionsführer, die an den Verhandlungen ab dem 25. Jänner teilnehmen sollen, sagte Außenminister Walid al-Moualem am Samstag dem UN-Gesandten Staffan de Mistura staatlichen Medien zufolge. Zudem müsste eine zweite Liste vorgelegt werden mit den Gruppen, die als Terroristen eingestuft würden. Die vom UN-Sicherheitsrat unterstützten Gespräche sollen in Genf stattfinden. Ob sie zustande kommen, ist unsicher. Oppositionsgruppen verlangen, dass die Regierung von Präsident Bashar al-Assad zunächst die Bombardierung von Wohngebieten und die Belagerungen von Städten beenden soll. Auch die Spannungen zwischen dem Iran und Saudi-Arabien belasten die Verhandlungen, weil sie jeweils andere Seiten im Konflikt unterstützen. In dem seit fast fünf Jahren anhaltenden Bürgerkrieg sind etwa 250.000 Menschen ums Leben gekommen. Millionen Syrer sind auf der Flucht. Gefechte nahe Deir ez-Zor – Hilfslieferungen für vier belagerte Städte. Damaskus – Bei heftigen Kämpfen zwischen der syrischen Armee und Anhängern der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) im Osten des Landes sind nach Angaben von Aktivisten innerhalb von zwei Tagen fast 200 Menschen getötet worden. Unterdessen konnten Hilfskonvois vier belagerte Städte in Syrien mit dringend benötigten Hilfsgütern beliefern. Allein aufseiten der Armee und ihrer Verbündeten starben seit Montag nahe der IS-Hochburg Deir ez-Zor 120 Mann, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Dienstag. 40 von ihnen seien von IS-Anhängern exekutiert worden. Zudem seien 70 Jihadisten umgekommen, darunter mindestens 28 Selbstmordattentäter. Demnach gab es auch dutzende Verletzte, die Kämpfe gingen weiter. Der IS hatte am Wochenende eine Offensive nordwestlich von Deir ez-Zor begonnen und den Vorort al-Bagaliya überrannt. Dabei richteten die Extremisten ein Massaker an. Sie töteten oder entführten mehrere hundert Menschen. Deir ez-Zor und die gleichnamige Provinz stehen fast vollständig unter IS-Kontrolle. Anhänger des Regimes halten sich jedoch noch in einer Enklave westlich der Stadt. Lebensmittellieferungen für belagerte Städte Die von regierungstreuen Truppen belagerte Stadt Sabadani hat unterdessen Lieferungen mit Nahrungsmitteln und Medikamenten erhalten, wie das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und der syrische Rote Halbmond am Dienstag mitteilten. Parallel erhielten die von Rebellen belagerten Orte Foua und Kafraya im Nordwesten des Landes sowie die von der Armee umstellte Stadt Madaya nahe Damaskus Treibstofflieferungen. In dem seit einem halben Jahr durch die Regierungstruppen belagerten Madaya sollen etwa 42.000 Bewohner festsitzen. Dutzende verhungerten nach Angaben von Hilfsorganisationen bereits. In Foua und Kafraya sollen sich etwa 20.000 Zivilisten aufhalten, in Sabadani weniger als 1.000. "Außergewöhnliche Umstände" – Luftangriffe zeigen Wirkung. London – Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) und die Schließung der türkisch-syrischen Grenze setzen die Extremisten nach Einschätzung von Aktivisten finanziell unter Druck. Der IS habe angeordnet, die Gehälter aller seiner Kämpfer um die Hälfte zu kürzen, erklärte die oppositionelle Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch. In einer IS-Mitteilung heiße es, Grund dafür seien außergewöhnliche Umstände. Die Maßnahme sei eine Folge der Grenzschließung sowie der Luftangriffe auf IS-Ölfelder und die dazugehörigen Transportwege, sagte der Leiter der Beobachtungsstelle, Rami Abdelrahman. Die Terrormiliz finanziert sich nach Einschätzung von Experten zu einem Großteil aus dem Verkauf von Erdöl, unter anderem in die Türkei. Syrische IS-Kämpfer erhalten laut den Menschenrechtsbeobachtern nach der Kürzung monatlich noch rund 200 US-Dollar (gut 180 Euro), ausländische etwa 400 US-Dollar. Die internationale Koalition unter Führung der USA fliegt seit 2014 Luftangriffe gegen IS-Stellungen in Syrien und auch im Irak. In Syrien bombardiert auch Russlands Luftwaffe die Extremisten. "Genf 3"-Konferenz noch im Jänner – Keine einheitliche Oppositionsdelegation. Genf/Wien – Russlands Außenminister Sergej Lawrow wollte den genauen Termin weder bestätigen noch absagen, es werde noch diesen Monat sein: Bereits am Montag sollte in Genf, wo Lawrow am Mittwoch seinen US-Kollegen John Kerry traf, die erste neue Syrien-Gesprächsrunde stattfinden, an der auch Oppositions- und Regimevertreter teilnehmen sollen. Der einzige diplomatische Versuch dieser Art seit Ausbruch des Kriegs in Syrien hatte im Jänner 2014 stattgefunden (Genf 2) und war im Sand verlaufen. Den 25. Jänner hatte Uno-Vermittler Staffan der Mistura zu Jahresbeginn genannt, just beim Ausbruch der Krise zwischen Saudi-Arabien und dem Iran, nach der Hinrichtung eines schiitischen Geistlichen in Saudi-Arabien und der darauffolgenden Erstürmung der saudischen Botschaft in Teheran. Aber das angespannte Verhältnis zwischen Iran und Saudi-Arabien, die beide Mitglieder der in Wien im November gegründeten International Syria Support Group (ISSG) sind, ist bei weitem nicht das einzige Problem, das die Syrien-Diplomatie plagt. Die Debatte um die Zukunft des Regimes von Bashar al-Assad beziehungsweise dessen Rolle in einer politischen Übergangszeit wurde erst einmal auf Eis gelegt, aber auch bei den anderen großen Brocken, die man zu Beginn der Gespräche geklärt haben wollte, ist man nicht weitergekommen. Es gibt keine Einigung, wer teilnehmen soll, und schon gar nicht, negativ aufgerollt, wer nicht teilnehmen darf, weil er ein Terrorist ist. Jordanien, das damit beauftragt wurde, eine Liste der in Syrien aktiven Terroristengruppen zu erstellen, hat seine Aufgabe so verstanden, dass es alle inkludiert hat, die von ISSG-Mitgliedern genannt wurden. Das führte dazu, dass die Liste von niemandem akzeptiert wurde: Was des einen Terrorist ist, ist des anderen Freiheitskämpfer. Das Projekt gilt als so gut wie aufgegeben. Auch bezüglich der Einzuladenden gibt es keinen Konsens. Hier wird die Idee ventiliert, dass es zwei Gruppen von Oppositionsteilnehmern gibt: grob gesprochen einerseits die saudisch/türkische und andererseits die syrischen Kurden, die von Russland in die Gespräche reklamiert werden. Der im Dezember in Riad formierte Oppositionsrat, der in höchstem Maß auch von der Türkei abhängig ist, sperrt sich gegen eine von anderen nominierte dritte Partei und wird in dieser Haltung von Riad unterstützt. Aber abseits der türkischen Empfindlichkeiten sind sich alle Beobachter einig, dass die von der PKK-Schwesterpartei PYD dominierten syrischen Kurden an den Verhandlungstisch gehören: Der bewaffnete PYD-Arm, die YPG, sind mit ihrer Allianz Syrische Demokratische Kräfte die erfolgreichste Gruppe, die gegen den Islamischen Staat kämpft. Die Klärung der Frage der kurdischen Teilnahme wird natürlich auch durch das extrem schlechte Verhältnis zwischen Russland und der Türkei, nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets, belastet. Hier wird nun auf die Vermittlung Katars gehofft. Der Oppositionsrat wird von Riyad Hijab, dem im August 2012 vom Assad-Regime abgesprungenen damaligen syrischen Premier, geleitet. Auch in ihm sitzen Teilnehmer, die andere – Russland, Iran, das Regime – nicht akzeptiert: die Armee des Islam, deren Chef Zahran Alloush jüngst bei einem russischen Luftschlag getötet wurde. Während die arabische Opposition den Kurden Menschenrechtsverletzungen vorwirft, vergisst sie gerne auf die Rolle von Warlords wie Alloush. Die Regimedelegation könnte Syriens Uno-Botschafter in New York, Bashar Jaafari, anführen, heißt es in Damaskus. Aber wenn Genf 3 tatsächlich zustande kommt, am 25. Jänner oder ein paar Tage später, wird es eher ein symbolisches Treffen sein. Verhandelt wird wohl noch nicht werden, trotz des ehrgeizigen, in einer Uno-Sicherheitsratsresolution fixierten Fahrplans, der – so ist die interne US-Interpretation – zu einem Abtritt Assads im März 2017 (also nach Obama!) und zu Präsidenten- und Parlamentswahlen im Sommer führen sollte. Während die USA und Russland, wenngleich mit unterschiedlichen Endszenarien, den Prozess ernsthaft wollen, scheinen die regionalen Beteiligten auf Zeit zu spielen. Das syrische Regime hat – dank Russland – militärisch einen guten Lauf und kein Interesse, diesen abzubrechen. Die Opposition hingegen will vor Verhandlungen einen Waffenstillstand sehen. Russland soll Soldaten und Ingenieure in die syrische Grenzstadt Qamishli verlegt haben. Ankara – Russland baut in der syrischen Stadt Qamishli, unmittelbar an der Grenze zur Türkei, einen neuen Stützpunkt für seine Militäreinsätze aus. Hundert Soldaten und ein Team von Ingenieuren seien mit dem Ausbau des Flughafens der Stadt beschäftigt, meldeten türkische Medien unter Berufung auf die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London und Oppositionsgruppen im Bürgerkriegsland. Das russische Kontingent soll am Montagmorgen in Qamishli gelandet sein. Das Außenministerium in Ankara gab am Donnerstag zunächst keine Stellungnahme zu den Berichten ab. Die Tageszeitung Hürriyet gab aber an, der türkische Geheimdienst habe die Landung des russischen Kontingents bestätigt. Qamishli ist ein Zentrum der syrischen Kurden der PYD, die entlang eines großen Teils der Grenze zur Türkei ihr selbst verwaltetes Gebiet Rojava errichtet haben. Die türkische Regierung sieht darin eine Bedrohung für die territoriale Einheit ihres eigenen Landes, weil die Erfolge der syrischen Kurden auch die Kurden auf der türkischen Seite zu separatistischen Bestrebungen anspornten. Qamishli liegt direkt neben der türkischen, mehrheitlich kurdischen Stadt Nusaybin an der Linie der früheren Bagdadbahn. Ankara ließ eine Mauer an der Grenze errichten, um den Austausch zwischen den Kurden auf beiden Seiten zu erschweren. In Nusaybin liefern sich Bewaffnete der kurdischen Untergrundarmee PKK und türkische Sicherheitskräfte seit Monaten immer wieder Gefechte. Der Flughafen von Qamishli wird noch von Truppen des syrischen Machthabers Bashar al-Assad kontrolliert, was für Ankara ein weiterer Beleg ist, dass die syrischen Kurden der PYD gemeinsame Sache mit Assad machen. Russland und die USA unterstützen die PYD als Bündnispartner im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat. Die Türkei dagegen hat auch die PYD zu einer Terrororganisation erklärt. Premier Ahmet Davutoğlu lehnt eine Teilnahme der PYD bei den anstehenden Verhandlungen zwischen den syrischen Bürgerkriegsparteien kategorisch ab, wie er beim Weltwirtschaftsforum in Davos am Donnerstag erklärte. Großen Einfluss auf die Besetzung am Verhandlungstisch hat Ankara freilich nicht. In belagerter syrischer Stadt droht Dutzenden Hungertod. Madaya – In der belagerten Stadt Madaya in Syrien sind seit Eintreffen eines Hilfskonvois nach Angaben von Ärzte ohne Grenzen weitere 16 Menschen an Hunger gestorben. Dutzende seien nach wie vor vom Hungertod bedroht, warnte die internationale Hilfsorganisation am Samstag. Die in der Provinz Damaskus gelegene Stadt wird seit einem halben Jahr von Regierungstruppen belagert. Etwa 42.000 Einwohner sollen dort festsitzen. Erst nach Berichten über dutzende Hungertote konnten die Vereinten Nationen, das Internationale Komitee vom Roten Kreuz und der syrische Rote Halbmond Mitte Jänner einen Hilfskonvoi schicken. Die Hilfsorganisationen fordern einen kontinuierlichen Zugang zu der nahe der Grenze zum Libanon gelegenen Stadt. Zudem 965 Kämpfer der Islamistenmiliz IS und 1.233 Kämpfer anderer Rebellengruppen getötet. Damaskus – Durch die seit vier Monaten anhaltenden russischen Luftangriffe in Syrien sind nach Informationen einer oppositionsnahen Beobachtergruppe fast 1.400 Zivilisten ums Leben gekommen. Außerdem seien 965 Kämpfer der Islamistenmiliz IS und 1.233 Kämpfer anderer Rebellengruppen getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die in Großbritannien ansässige Organisation bezieht ihre Informationen von Gruppen und Personen vor Ort in Syrien. Eine unabhängige Bestätigung der Angaben ist nicht möglich. Russland startete die Luftangriffe Ende September, um den in Bedrängnis geratenen Präsidenten Bashar al-Assad zu unterstützen. Seither hat sich die militärische Lage zu dessen Gunsten verschoben. Die syrische Opposition fordert ein Ende der Angriffe Russlands und der syrischen Führung als Bedingung für Gespräche mit der Regierung bei den Friedensverhandlungen in Genf. Die Rebellen werfen Russland vor, durch wahllose Angriffe auch abseits der Front Hunderte Zivilisten zu töten. Russland hat stets erklärt, Ziel der Angriffe sei der IS. Mohamed Alloush "am Weg" nach Genf. Genf – Das Führungsmitglied der Islamistengruppe Jaish al-Islam, Mohamed Alloush, wird nach eigenen Angaben als Chefunterhändler der Opposition bei den Friedensgesprächen in Genf anwesend sein. Ich bin auf dem Weg. Ich werde der Chefunterhändler sein, sagte Alloush am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Er wolle am Montag in Genf ankommen. Die mit dem syrischen Staatschef Bashar al-Assad verbündete russische Regierung hatte im Vorfeld der Gespräch eine Teilnahme von Terroristen auf Seiten der Opposition abgelehnt. Moskau machte dabei unter anderem geltend, dass es sich bei Alloush um den Vertreter der salafistischen Gruppe Jaish al-Islam (Brigaden der Armee des Islam) handelt. Alloush gehört dem Politbüro der bewaffneten Salafisten-Gruppierung an, die sowohl Assads Regierung als auch die Jihadistenmiliz Islamischer Staat ablehnt und laut Berichten massiv von Saudi-Arabien unterstützt wird. Er ist ein Cousin von Sahran Alloush, des im Dezember bei einem Angriff der syrischen Luftwaffe getöteten Chefs von Jaish al-Islam. Die Delegation des Hohen Verhandlungskomiteen (HNC) der Opposition, die erst verspätet zu den Gesprächen nach Genf gereist war, traf am Sonntagnachmittag bereits mit dem UN-Vermittler Staffan de Mistura zusammen. Am Montag sollte de Mistura zunächst am Vormittag mit der syrischen Regierungsdelegation und am späteren Nachmittag erstmals offiziell mit HNC-Vertretern zusammenkommen. Anti-IS-Koalition berät in Rom, Syrien-Friedensgespräche in Genf. Rom/Genf – Die am Freitag gestarteten Syrien-Gespräche in Genf standen am Dienstag erneut auf der Kippe. Die syrische Opposition hatte am Abend ein geplantes Treffen mit Uno-Sondergesandten Staffan de Mistura abgesagt – als Protest gegen die humanitäre Lage in Syrien, so Oppositionsvertreterin Farah Atassi. Schon zuvor hatte Chefverhandler Mohammed Alloush gesagt, er sei nicht optimistisch, was die Erfolgsaussichten der Gespräche betreffe. Von der syrischen Regierungsdelegation hieß es, auch für indirekte Gespräche – also solche, bei denen sich die gegnerischen Delegationen in unterschiedlichen Räumen befinden und ihre Forderungen über Vermittler weiterleiten lassen – sei es noch zu früh. Man warte immer noch darauf, dass de Mistura eine Liste übermittle, auf der die Namen der Oppositionsverhandler aufgeführt seien. De Mistura kündigte an, bis Mittwoch eine solche Liste fertigzustellen. An der Frage, welche Gruppen und Personen für die Opposition sprechen sollten, waren schon bisher Gesprächsversuche gescheitert. Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier hat derweil bei einem internationalen Treffen zur Bekämpfung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Rom davor gewarnt, die Syrien-Gespräche könnten durch den Konflikt zwischen Iran und Saudi-Arabien zusammenbrechen. Es könne sehr schnell alles zerstört werden, was bisher in Sachen Syrien erreicht worden sei, sagte er. Steinmeier wollte noch am Dienstag von Rom nach Teheran und anschließend nach Riad weiterreisen, um eine Entspannung zwischen der großteils schiitischen Islamischen Republik und dem mehrheitlich sunnitischen Königreich zu erleichtern. Beiden, so Steinmeier, wolle er dabei die Botschaft übermitteln, dass Berlin Verständnis für nationale Interessen habe, es aber eine Verantwortung für die Region des Mittleren Ostens gebe, die die Regierungen wahrnehmen sollten. In Syrien solle das Regime ein Zeichen für die Verhandlungen setzen und humanitäre Hilfe für eingeschlossene Ortschaften erleichtern. Zuletzt hatten Truppen des Regimes, unterstützt von russischen Luftangriffen, eine neue Offensive bei Aleppo gestartet. Chef der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen verdächtigt ehemalige irakische Soldaten. Damaskus – Der Generaldirektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), Ahmet Üzümcü, schließt nicht aus, dass die Jihadistenmiliz Islamischer Staat in Syrien und dem Irak Senfgas eingesetzt hat. Da sich die IS-Kämpfer keinen Zugang zu Lagerstätten chemischer Waffen verschafft hätten, bestehe der begründete Verdacht, dass sie Senfgas und andere Waffen selbst herstellen könnten, sagte Üzümcü der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom Donnerstag. Ehemalige irakische Soldaten, die am Chemiewaffenprogramm unter Saddam Hussein beteiligt gewesen seien, arbeiten dem OPCW-Chef zufolge heute für den IS. Die Jihadistenmiliz habe im Irak zwei Standorte mit Chemiewaffen kontrolliert. Der IS habe sich vor seiner Vertreibung aber keinen Zugang zu den Bunkern verschaffen können, sagte Üzümcü. Seit die OPCW am 1. Oktober 2013 ihre Arbeit zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen aufnahm, wurden laut Üzümcü in Syrien keine Nervengase mehr eingesetzt, in 80 bis 90 Fällen aber gepresstes Chlorgas und Senfgas. Vier Soldaten der syrischen Armee seien Sarin ausgesetzt gewesen. Fachleute der OPCW untersuchen derzeit in Damaskus Vorwürfe einiger Mitgliedsstaaten, wonach die syrische Regierung weiter Chemiewaffen besitzt, die sie nicht deklariert hat und die somit nicht zerstört wurden. Das betreffe Produktionsstätten für Rizin und frei fallende Bomben. Die OPCW überwacht als eine von der Uno unterstützte Organisation die Einhaltung der internationalen Konvention zum Verbot von Chemiewaffen aus dem Jahr 1993, die 1997 in Kraft trat. Ziel ist das vollständige weltweite Verbot von Chemiewaffen und die Zerstörung entsprechender Arsenale. 2013 erhielt die Organisation den Friedensnobelpreis. Wirtschaftliche Auswirkungen des Konflikts auch bei Nachbarn enorm. Washington – Die Weltbank hat die Verluste durch den auch für die Wirtschaft verheerenden Bürgerkrieg in Syrien auf 35 Milliarden Dollar (31,4 Milliarden Euro) beziffert. Der Bürgerkrieg habe Syrien, die Türkei, den Libanon, Jordanien, den Irak und Ägypten geschätzte 35 Milliarden Dollar an wirtschaftlicher Entwicklung gekostet, erklärte die Weltbank in ihrem am Donnerstag veröffentlichten Nahost-Quartalsbericht. Für die Schätzung seien Preise von 2007 zugrunde gelegt worden. Alle Nachbarstaaten Syriens seien wegen des Konflikts einem enormen Haushaltsdruck ausgesetzt, heißt es in dem Bericht, der auch auf die finanzielle Belastung durch die hohe Zahl von Flüchtlingen hinweist, die in den Aufnahmeländern zumeist arbeitslos seien. In Syrien gibt es seit Beginn des Bürgerkriegs vor fünf Jahren 13 Millionen Binnenvertriebene, weitere vier Millionen halten sich in angrenzenden Staaten auf. 260.000 Menschen wurden nach UN-Schätzungen in dem Konflikt getötet. Der Grenzübergang Öncüpinar aber weiterhin geschlossen. Tausende syrische Flüchtlinge warten auf Einlass. Ankara – Die Türkei will die an der Grenze festsitzenden syrischen Flüchtlinge aus Aleppo aufnehmen – allerdings nur im Notfall. Die syrische Führung habe einen Teil von Aleppo blockiert, sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan am Samstagabend. Wenn die dadurch vertriebenen Zivilisten vor unseren Türen stehen und keine andere Wahl haben, müssen und werden wir unsere Brüder hereinlassen, fuhr er fort. In den vergangenen Tagen waren zehntausende Menschen vor einer Regierungsoffensive und russischen Bombenangriffen aus der umkämpften syrischen Provinz Aleppo zur türkischen Grenze geflohen. Der Gouverneur der türkischen Grenzprovinz Kilis rechnet mit bis zu 70.000 Schutzsuchenden. Derzeit sitzen zehntausende Menschen an der geschlossenen Grenze fest. Der türkische Grenzübergang Öncüpinar blieb auch am Sonntag dicht, wie ein Sprecher des Gouverneursamts von Kilis einer Presse-Agentur bestätigte. Zunächst wolle die Türkei die Flüchtlinge in ihrem Heimatland versorgen. Wir tun alles, was in unserer Macht steht, sagte der Sprecher. Familien mit Kindern harrten auf der syrischen Seite in provisorischen Lagern in der Kälte aus. Ein Sprecher der regierungsnahen Hilfsorganisation IHH sagte einer Presse-Agentur am Sonntag, Helfer lieferten Essen, Decken und Zelte an etwa 50.000 in der Grenzregion nahe der Stadt Asas ausharrende Syrer. Der Gouverneur der türkischen Grenzregion Kilis hatte zuvor von 35.000 Menschen gesprochen. Ein türkischer Behördenvertreter sagte unterdessen einer Nachrichtenagentur, die Grenze werde bereits jetzt für Notfälle geöffnet. Am Freitag seien sieben Verletzte durchgelassen worden und am Samstag ein weiterer Verwundeter, damit sie in der Türkei behandelt werden könnten, sagte er. In der Türkei leben bereits über zwei Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge. Die deutsche Kanzlerin spricht mit der türkischen Regierung über ein gemeinsames Vorgehen hinsichtlich der Flüchtlingsbewegungen. Öncüpinar/Istanbul – Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, die am Montag zu Gesprächen mit der türkischen Führung über die Flüchtlingskrise nach Ankara reiste, zeigte sich entsetzt über das Leid der syrischen Bevölkerung. Wir sind nicht nur entsetzt, sondern auch schockiert über das Leid von zehntausenden Menschen durch die Bombardierungen, die mitunter von russischer Seite stammen, sagte Merkel in Ankara. Die Kanzlerin machte deutlich, dass Russland damit auch gegen eine entsprechende Uno-Resolution verstoße, die sich gegen Angriffe auf die Zivilbevölkerung richte. Deutschland und die Türkei forderten von Russland die Einhaltung dieser Resolution, sagte Merkel. Nach einer Unterredung mit Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu einigten sich Deutschland und die Türkei auf eine gemeinsame Soforthilfeaktion an der türkisch-syrischen Grenze. Eine entsprechende bilaterale Aktion gemeinsam mit Hilfsorganisationen werde umgehend beginnen, kündigte der türkische Regierungschef Ahmet Davutoglu am Montag nach dem Treffen mit der deutschen Bundeskanzlerin an. Durch die Gefechte zwischen Rebellen- und Regierungstruppen in der nordsyrischen Provinz Aleppo wurden zahlreiche Menschen zur Flucht gezwungen und warten nun an der syrisch-türkischen Grenze auf die Einreise in die Türkei. Der Grenzübergang Öncüpinar blieb den Flüchtlingen jedoch verschlossen. Erdogan kündigte an, die Flüchtlinge wenn nötig ins Land zu lassen, ohne dafür einen Zeitpunkt zu nennen. Die rund 50.000 Flüchtlinge warten trotz Winterkälte seit Tagen darauf, dass die Türkei ihre Grenze wieder öffnet. Es fehlt an Unterkünften, sanitären Anlagen und Trinkwasser. Ärzte ohne Grenzen bezeichnete die Situation der Menschen als hoffnungslos. Die Regierung in Ankara hat humanitäre Hilfe angekündigt. Die Flüchtlinge sollen jedoch auf der syrischen Seite mit Lebensmitteln und Notunterkünften versorgt werden. Aleppo liegt nur 60 Kilometer von der türkischen Grenze entfernt. Immer noch leben dort hunderttausende Menschen. Der türkische Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu rechnet damit, dass weitere zehntausend Menschen auf dem Weg in die Türkei sind. Die Türkei versorgt bereits 2,5 Millionen Flüchtlinge. Nur noch schwerverletzte Menschen werden über die Grenze gelassen. Am Freitag waren das zum Beispiel 15 Personen. Angesichts der dramatischen Lage ist im Grenzgebiet zwischen Syrien und der Türkei ein weiteres Flüchtlingslager errichtet worden. Wir haben ein zusätzliches Camp für 10.000 Menschen aufgebaut, sagte der Sprecher der regierungsnahen türkischen Hilfsorganisation IHH, Serkan Nergis, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Das neue Lager komme nun zu acht bereits bestehenden Flüchtlingscamps rund um die syrische Grenzstadt Azaz hinzu. In dem Grenzgebiet harren derzeit auf syrischer Seite zehntausende Menschen aus, die vor einer durch russische Bombenangriffe unterstützten Regierungsoffensive aus der umkämpften Provinz Aleppo geflohen sind. Der Gouverneur der türkischen Grenzprovinz Kilis rechnet mit bis zu 70.000 Schutzsuchenden, am Wochenende hielten sich nach seinen Angaben bereits mehr als 30.000 Menschen nahe Azaz unweit der türkischen Grenze auf. Die syrische Armee setzt nach Berichten aus dem Kampfgebiet ihre Offensive nördlich von Aleppo fort und ist am Montag weiter in Richtung türkische Grenze vorgestoßen. Unterstützt werde sie dabei von der russischen Luftwaffe und Milizen, die vom Iran Hilfe erhielten, berichteten Rebellen, Einwohner und die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London. Hintergrund des Merkel-Besuchs in Ankara ist ein Ende November zwischen der EU und der Türkei vereinbarter Aktionsplan. Die Regierung in Ankara sagt darin unter anderem zu, die Grenzen besser zu schützen. Im Gegenzug hat die EU der Türkei mindestens drei Milliarden Euro für die Versorgung der nach türkischen Regierungsangaben knapp drei Millionen Flüchtlinge im Land versprochen. Zudem sollen die EU-Beitrittsverhandlungen und die Gespräche zur visafreien Einreise für Türken beschleunigt werden. Ende 2015 war zwischen der EU und der Türkei ein Plan vereinbart worden, um die unkontrollierten Flüchtlingsströme nach Europa zu stoppen. Brüssel versprach Ankara die Zahlung von drei Milliarden Euro, im Gegenzug sollte die Türkei für eine Kontrolle der türkisch-europäischen Grenze sorgen. Ende Jänner forderte Ankara jedoch bereits eine Erhöhung der Zahlungen auf fünf Milliarden Euro. (APA, july, vos, 8.2.2016) Untersuchungskommission für Syrien beklagt fehlende internationale Aufmerksamkeit für Menschenrechtsverletzungen gegenüber Gefangenen. Genf – In Haftanstalten der syrischen Regierung sowie in Gefangenenlagern extremistischer Gruppen sind nach Erkenntnissen von Uno-Ermittlern Tausende von Menschen gequält und getötet worden. Folter, Vergewaltigungen, Morde und weitere Verbrechen gegen die Menschlichkeit seien dort alltägliche Praxis, erklärte die vom Uno-Menschenrechtsrat berufene Untersuchungskommission für Syrien am Montag in Genf. Verglichen mit dem blutigen Geschehen auf den Schlachtfeldern in Syrien entgingen Morde an Gefangenen oft der Aufmerksamkeit der internationalen Öffentlichkeit, beklagte die vom brasilianischen Menschenrechtsexperten Paulo Sergio Pinheiro geleitete Kommission. Zehntausende Menschen seien seit März 2011 von Sicherheitskräften des Regimes von Präsident Bashar al-Assad inhaftiert worden, vor allem Männer und männliche Jugendliche von etwa 15 Jahren an. Für Verhaftungen reiche oft allein der Verdacht, dass jemand mit der Opposition sympathisiere. Tausende seien seit ihrer Festnahme bis heute verschwunden. Der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) und der radikal-islamischen Al-Nusra-Front werfen die Ermittler Massenhinrichtungen von Soldaten sowie Exekutionen von Gefangenen nach Todesurteilen durch illegale Gerichte vor. Auch einige eher gemäßigte Rebellengruppen hätten gefangene Soldaten getötet. 'Kanzlerin müht sich um Zusammenarbeit mit Türkei. Jetzt geht es um Kontingente. Früher war es einmal die deutsch-französische Vertrautheit. Kein Blatt passt zwischen den deutschen Kanzler und den französischen Präsidenten, hieß es dann jahraus, jahrein über die Achse Bonn–Paris und später Berlin–Paris. Jetzt, im Zeichen der Flüchtlingskrise, sieht es eher nach deutsch-türkischer Innigkeit aus. Fünf Mal in ebenso vielen Monaten haben sich Angela Merkel und ihr Amtskollege Ahmet Davutoglu nun seit dem Oktober vergangenen Jahres getroffen, die Syrien-Geberkonferenz in London Anfang Februar nicht mitgerechnet. Zwischen beiden Seiten ist aber Platz für weit mehr als ein Blatt Papier, wenn es um die Erwartungen geht, welche die Kanzlerin, stellvertretend für die anderen in der EU, an die Türkei hat. Doch in Ankara bemühten sich Merkel und der türkische Regierungschef Davutoglu am Montag, Einverständnis zu zeigen. Die Türkei werde nicht allein die Bürde der syrischen Flüchtlinge tragen, sagte Davutoglu ohne Umschweife. Wir wollen uns die Aufgabe teilen, verkündete die Kanzlerin. Beide Seiten wollen außerdem die Nato in den Kampf gegen Schlepper in der Ägäis einbinden. Beim Treffen der Nato-Verteidigungsminister in dieser Woche müsse erörtert werden, inwieweit die Nato bei der Überwachung der Situation auf See hilfreich sein kann, sagte Merkel. Wenigstens 30.000 Menschen warteten am Nachmittag auf Einlass am Grenzübergang Öncüpinar, in Richtung Kilis und Gaziantep im Süden der Türkei Premier Trudeau: "Die Menschen, die täglich vom IS terrorisiert werden, brauchen nicht unsere Rache. Sie brauchen unsere Hilfe". Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Darunter 89 Zivilisten – Regierungstruppen rücken mithilfe der russischen Luftwaffe auf Großstadt vor. Beirut – Bei der Offensive der syrischen Armee in der Provinz Aleppo sind nach Angaben von Aktivisten bereits mehr als 500 Menschen getötet worden. Unter den Opfern seien 274 syrische Rebellen und ausländische Jihadisten sowie 89 Zivilisten, darunter 23 Kinder, teilte die oppositionsnahe syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Mittwoch mit. Die Regierungstruppen hatten ihre Offensive mit Unterstützung der russischen Luftwaffe am 1. Februar begonnen. Die syrische Regierungsarmee war in den vergangenen Tagen mit Unterstützung durch russische Luftangriffe bis zur bisherigen Rebellenhochburg Aleppo vorgedrungen. Zehntausende Menschen flohen an die Grenze zur Türkei. Die Angaben der den Rebellen nahestehenden Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien sind von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Aktivisten machen Russland für Attacke auf Spital von Ärzte ohne Grenzen verantwortlich – Türkei droht Kurden. Paris – Bei Raketenangriffen auf Kliniken und Schulen im Norden Syriens sind nach Angaben der Vereinten Nationen fast 50 Zivilisten getötet worden. Zahlreiche Menschen seien verletzt worden, als mindestens fünf medizinische Einrichtungen und zwei Schulen in Aleppo und Idlib getroffen worden seien, teilte die UNO am Montag in New York mit. UNO-Generalsekretär Ban Ki-moon verurteile die Angriffe als eklatante Verstöße gegen internationales Recht. Allein in der Stadt Azaz nahe der türkischen Grenze kamen am Montag nach Angaben von Bewohnern und eines Arztes 14 Menschen ums Leben, als Raketen in ein Kinderkrankenhaus und in einer zum Flüchtlingslager umfunktionierten Schule einschlugen. Dem Mediziner zufolge sind unter den Toten mindestens zwei Kinder. Es gebe viele Verletzte. Nach Angaben eines Einwohners wurde ein weiteres Flüchtlingslager im Süden von Azaz getroffen. In die von Rebellen gehaltene Stadt haben sich zehntausende Menschen vor den Kämpfen um die Metropole Aleppo im Norden Syriens geflüchtet. Bei einem Raketenangriff auf die Stadt Marat Numan im Nordwesten Syriens wurden den Angaben zufolge weitere zwei Krankenhäuser getroffen. Eine der Kliniken wird von der Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen (MSF) unterstützt. Mindestens sieben Mitarbeiter und ein Patient seien getötet worden, erklärte die Organisation. Mindestens acht Mitarbeiter werden demnach vermisst. Für die Angriffe sei entweder Russland oder die syrische Regierung verantwortlich. Der syrische Botschafter in Moskau gab dagegen in einem Interview der US-geführten Allianz die Schuld. Die Militäraufklärung habe ergeben, dass die russische Luftwaffe damit nichts zu tun habe, sagte Riad Haddad dem Fernsehsender Rossija 24. Bei einem Angriff auf ein zweites Krankenhaus in Marat Numan wurden nach Erkenntnissen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zwei Krankenschwestern getötet. Insgesamt unterstützt Ärzte ohne Grenzen in Syrien mehr als 150 Krankenhäuser. Seit Jahresbeginn wurden fünf davon bei Angriffen beschädigt. Die Kämpfe nahe der syrischen Metropole Aleppo gehen weiter und führen zu einer Verschärfung der Konfrontation zwischen der Türkei, kurdischen Milizen und Russland. Der türkische Premier Ahmet Davutoglu drohte am Montag mit der härtesten Reaktion, sollten kurdische Kämpfer der YPG-Miliz die Stadt Azaz nördlich von Aleppo einnehmen. Der türkische Regierungschef drohte den YPG-Kämpfern mit Luftschlägen, sollten sie sich nicht aus Azaz und dessen Flughafen zurückziehen. Wir werden es nicht zulassen, dass Azaz fällt, sagte Davutoğlu. Er betonte indes bei einem Besuch in Kiew, die Türkei setze keine eigenen Truppen in Syrien ein. Nach Angaben von Aktivisten rücken kurdische Kämpfer indes weiter auf Aleppo vor. Die Kurden rangen am Montag mit von der Türkei aus der Luft unterstützten islamistischen Rebellen um die 30 Kilometer nördlich von der Metropole gelegene Ortschaft Tal Rifaat, die südlich von Azaz liegt. Seit Sonntag seien mindestens 26 Islamisten getötet worden. Die türkische Armee hatte in den vergangenen Tagen Stellungen der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) und der syrischen Regierungstruppen jenseits der Grenze beschossen. Nach eigenen Angaben reagierte sie damit auf Beschuss ihres eigenen Gebiets. Das Außenministerium in Moskau teilte indes mit, es betrachte die türkischen Attacken auf syrischem Gebiet als Provokation und Bedrohung für Frieden und Sicherheit im Mittleren Osten. Russland fliegt seit Ende September zur Unterstützung der syrischen Armee Luftangriffe auf Jihadisten und andere Rebellen in Syrien. Getroffen worden sei eine Bäckerei in der Stadt Al-Shahadi. Raqqa – Bei Luftangriffen der von den USA geführten Koalition sind im Nordosten Syriens Oppositionsangaben zufolge 15 Zivilisten getötet worden. Getroffen worden sei eine Bäckerei in der Stadt Al-Shahadi in der Nähe der Grenze zum Irak, teilte die oppositionsnahe, in Großbritannien ansässige Syrische Beobachterstelle für Menschenrechte am Dienstag mit. Die Opfer hätten sich vor der Bäckerei angestellt, um Brot zu kaufen. Al-Shahadi gilt als logistisch wichtig für die Extremisten-Miliz IS, gegen die sich die Luftangriffe der Koalition richten. Durch die Stadt führen mehrere wichtige Straßen. Sollte der IS die Kontrolle über sie verlieren, wäre die IS-Hauptstadt Raqqa isoliert. Lieferungen sollen rund 100.000 Bewohner mit Nahrungsmitteln, Wasser und Medizin versorgen. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Luftangriffe haben zugenommen – Belagerte Gebiete sollen weitere Hilfe bekommen. Aleppo – Die US-geführte Koalition hat nach Angaben von Menschenrechtsbeobachtern ihre Luftangriffe auf die Terrormiliz Islamischer Staat im Nordosten Syrien verstärkt und dabei in zwei Tagen 48 Zivilisten getötet. Am Donnerstag seien bei Bombardements südlich der Stadt Hasaka mindestens 15 Menschen gestorben, darunter drei Kinder, erklärte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Bereits am Vortag hatte das Bündnis in der Region Angriffe geflogen, um eine Offensive der Kurdenmiliz YPG gegen den IS zu unterstützen. Bei der YPG handelt es sich um den bewaffneten syrischen Arm der Arbeiterpartei Kurdistans (PKK). Die Volksschutzeinheiten beherrschen große Teile des Grenzgebiets zur Türkei. Sie sind in Syrien der wichtigste Partner des Westens im Kampf gegen den IS. Zugleich wurden in fünf belagerten syrischen Städten rund 100 Lastwagen mit Hilfsgütern für 80.000 Menschen ausgeladen. Die Konvois mit Nahrungsmitteln und Medikamenten waren in den vom Regime abgeriegelten Orten Muadamiyat al-Sham, Madaya und Zabadani sowie in den von Rebellen umstellten Orten Foua und Kafraya eingetroffen. Die Menschen dort brauchen dringend Hilfe. Laut UN leben mehr als 400.000 Syrer in belagerten Gebieten. Hilfsorganisationen hatten in den vergangenen Wochen von Dutzenden Toten durch Mangelversorgung berichtet. Die Hilfskonvois sollen möglichst bald weitergehen. Die am Mittwoch eingetroffenen Konvois seien nur die erste von vielen Lieferungen, sagte die Sprecherin der UN-Organisation für humanitäre Hilfe, Linda Tom. Die UN hoffen nach eigenen Angaben, die vom IS belagerten Teile der Stadt Deir ez-Zor bis Ende nächster Woche aus der Luft versorgen zu können. Auf die Lieferungen hatten sich die USA, Russland und andere Staaten Ende vergangener Woche in München geeinigt. Das Abkommen sieht auch eine Feuerpause vor, die am Freitag in Kraft treten soll. Allerdings nahm die Gewalt in vielen Teilen des Landes in den vergangenen Tagen zu. Im Kampf gegen die Rebellen verschärfte Russlands Luftwaffe als Verbündeter des Regimes laut Aktivisten ihre Angriffe. Die Europäische Union hat offensichtlich gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die russischen Streitkräfte noch immer moderate Oppositionsgruppen ins Visier nehmen. Im jüngsten Entwurf für die Abschlusserklärung des EU-Gipfels am Donnerstag und Freitag werden Russland und das syrische Regime aufgefordert, Angriffe auf moderate Oppositionsgruppen unverzüglich zu beenden. Diese verschärften die Flüchtlingskrise und würden dem IS nutzen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch (HRW) sieht nach den Luftangriffen auf Krankenhäuser in Nordsyrien Hinweise auf eine Beteiligung des Regimes. Ein HRW-Waffenexperte habe einen Blindgänger nahe einer Klinik in der Stadt Azaz als ballistische Rakete identifiziert, erklärte die Organisation. Diese Art von Flugkörpern sei bisher nur von Regierungstruppen eingesetzt worden. Zusammen mit Angriffen in anderen Regionen Syriens waren am Montag laut UN fast 50 Menschen gestorben. Die USA, andere westliche Staaten und Aktivisten machen Russland und Syrien dafür verantwortlich. Beide Staaten wiesen die Vorwürfe hingegen zurück. Die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen zählte in Syrien seit dem vergangenen Jahr 101 Angriffe auf von ihr unterstützte Kliniken. Die Normalisierung von Angriffen auf Krankenhäuser und Zivilisten sei unerträglich, sagte Ärzte-ohne-Grenzen-Chefin Joanne Liu. Wir sagen klar und deutlich: Der Arzt deines Feindes ist nicht dein Feind. Berichte über US-Luftngriffe zur Unterstützung der Kurden. Damaskus – Die syrische Kurden-Miliz YPG hat nach Angaben von Beobachtern am Freitag die letzte IS-Hochburg in der nordostsyrischen Provinz Hasaka erobert. Seit Mittwoch habe es heftige Kämpfe um die Stadt Al-Shadadi gegeben, bei denen die YPG auch von anderen Milizen unterstützt worden sei, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte weiter. Zudem hätten massive Luftangriffe der US-geführten internationalen Koalition gegen den IS den Vormarsch der Kurden-Miliz begleitet. Der IS hatte Al-Shadadi vor zwei Jahren erobert. Regierung stimmt russisch-amerikanischem Plan zu, die Opposition ist skeptisch. Die Türkei behält sich ein "Recht auf Selbstverteidigung" vor. Damaskus – Die syrische Regierung stimmt dem russisch-amerikanischen Plan für eine Waffenruhe zu. Mit Russland werde jetzt abgesprochen, für welche Gruppen und Gebiete die Vereinbarung gelten solle, erklärte die Regierung am Dienstag. Der Plan sieht eine Waffenruhe vor, die am Samstag beginnen soll. Syrien stimme der Vereinbarung auf der Grundlage zu, dass der Kampf gegen Terrorgruppen wie Islamischer Staat, die Nusra-Front und andere mit ihnen verbundene Organisationen weitergehe, hieß es in der Erklärung. Es sei wichtig, die Grenzen zu schließen und den Nachschub aus dem Ausland für die bewaffneten Aufständischen zu stoppen. Zudem müsse verhindert werden, dass diese Organisationen ihre Kampfkraft erhöhen und sich umgruppieren. Sollte das nicht gelingen, könne die Vereinbarung scheitern. Das syrische Militär behalte sich das Recht vor, auf Verletzungen des Abkommens zu reagieren, die gegen syrische Bürger oder die Streitkräfte gerichtet seien. Die Opposition zeigte sich skeptisch. Der Präsident der Syrischen Nationalkoalition, Khaled Khoja, sagte, ein Problem sei, dass die Angriffe auf Islamistengruppen weitergehen sollen. Damit könnten Zivilisten oder die Freie Syrische Armee unter dem Vorwand von Angriffen auf Nusra ins Visier genommen werden. Auch Bashar al-Zoubi von der Freien Syrischen Armee zeigte sich aus diesem Grund skeptisch. Russland und die syrische Regierung würden diese Passage als Vorwand nutzen, um weiter die Opposition anzugreifen. Die türkische Regierung äußerte Zweifel an der Durchsetzbarkeit der Waffenruhe. Wir sind nicht optimistisch, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoğlu am Dienstag dem Fernsehsender Al-Jazeera. Die Türkei behalte sich Vergeltungsschläge in Syrien wegen des Anschlags in Ankara vergangene Woche vor. Die USA und Russland hatten sich am Montag auf die Feuerpause in Syrien geeinigt. Angriffe auf Milizen, die von der Uno als Terrorgruppen eingestuft werden, dürfen aber weitergehen. Dazu zählen die zu Al-Kaida gehörende Nusra-Front und der IS. Mutmaßlich russische Kampfflugzeuge griffen der oppositionsnahen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte zufolge am Dienstag eine der letzten noch offenen Nachschubrouten in die von Aufständischen kontrollierten Teile von Aleppo an. Regierungstruppen und verbündete Milizen aus dem Libanon und dem Iran haben im Zuge der jüngsten Offensive bereits die meisten Routen aus der Türkei gekappt. Kurz nach Bekanntwerden des Plans zu der Feuerpause setzte Präsident Bashar al-Assad für den 13. April eine Parlamentswahl an. Der UN-Sicherheitsrat hatte im Dezember in einer Resolution verlangt, dass binnen 18 Monaten eine Parlamentswahl auf der Basis einer neuen Verfassung stattfindet. Die Wahl müsse zudem von den UN begleitet werden. Die syrische Regierung akzeptiert die von Russland und den USA ausgehandelte Feuerpause – mit Einschränkungen. Mit Moskau werde jetzt darüber gesprochen, für welche Gruppen und Gebiete die Vereinbarung über den Gewaltverzicht gelten soll. Damaskus – Die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Bürgerkriegsland Syrien sind um einen weiteren Schritt vorangekommen. Syriens Machthaber Bashar al-Assad akzeptierte am Dienstag den entsprechenden russisch-amerikanischen Plan, der am Montag vorgestellt wurde. Die Waffenruhe soll den Weg ebnen für die Wiederaufnahme der Anfang Februar ausgesetzten Genfer Friedensgespräche. Der aktuelle Plan sieht eine Waffenruhe vor, die am Samstag um Mitternacht beginnen soll (Freitag 23 Uhr MEZ). Angriffe auf terroristische Gruppen wie die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) und die Al-Nusra-Front sollen aber fortgesetzt werden. Auch Syrien stimme der russisch-amerikanischen Vereinbarung nur auf der Grundlage zu, dass der Kampf gegen Terrorgruppen wie IS, die Al-Nusra-Front und andere mit ihnen verbundene Terrororganisationen weitergehe, heißt es in der Erklärung aus Damaskus. Auch sei es wichtig, die Grenzen zu schließen und den Nachschub aus dem Ausland für die bewaffneten Aufständischen zu stoppen. Es müsse verhindert werden, dass die Organisationen ihre Kampfkraft steigerten und sich umgruppierten. Sollte dies nicht gelingen, könne die Vereinbarung scheitern. Die Opposition hatte der Waffenruhe bereits grundsätzlich zugestimmt, blieb aber skeptisch. Es müsse unter anderem garantiert sein, dass Belagerungen aufgehoben, Bombardements von Zivilisten eingestellt und Hilfslieferungen ermöglicht werden, teilte das Oberste Verhandlungskomitee (HNC) der Regimegegner mit. Der Präsident der Syrischen Nationalkoalition, Khaled Khoja, sagte, ein Problem sei, dass die Angriffe auf Islamistengruppen weitergehen sollen. Damit könnten Zivilisten oder die Freie Syrische Armee unter dem Vorwand von Angriffen auf Nusra ins Visier genommen werden. Die Türkei unterstrich auch, sie behalte sich Vergeltungsschläge in Syrien wegen des Anschlags in Ankara vergangene Woche vor (siehe Artikel rechts). Premier Ahmet Davutoglu äußerte außerdem Zweifel an der Durchsetzbarkeit der geplanten Waffenruhe: Wir sind nicht optimistisch, sagte er am Dienstag dem arabischen Fernsehsender Al-Jazeera. Dem Plan zufolge müssen die Regierung Assads und die Oppositionskräfte bis Freitagmittag erklären, ob sie die Bedingungen annehmen. Syrien will mit Russland nun Details besprechen, zum Beispiel, für welche Gruppen und Gebiete die Vereinbarung gilt. Vorerst gingen die Kampfhandlungen aber noch weiter. Mutmaßlich russische Kampfflugzeuge griffen Berichten zufolge am Dienstag eine der letzten noch offenen Nachschubrouten in die von Aufständischen kontrollierten Teile von Aleppo an. Kurz nach Bekanntwerden des Plans über die Feuerpause setzte Assad am Montag für den 13. April turnusgemäße Parlamentswahlen an. Diese Vorgangsweise widerspricht allerdings der im vergangenen Herbst in Wien getroffenen Vereinbarung, wonach zuerst eine Übergangsregierung gebildet werden soll und danach Wahlen unter UN-Aufsicht stattfinden könnten. Sicherheitsrat legt Bedingungen für Verhandlungen fest – IS und Al-Nusra-Front von Feuerpause ausgenommen. New York – Der UNO-Sicherheitsrat hat sich am Freitag einstimmig hinter die Waffenruhe für Syrien gestellt, die um 23.00 Uhr in Kraft treten sollte. In einer Resolution wurden auch die Bedingungen für Friedensgespräche festgelegt. Die Gespräche im schweizerischen Genf sollten am 7. März fortgesetzt werden, teilte der UN-Sondergesandte für Syrien, Staffan de Mistura, am Freitag mit. Voraussetzungen seien, dass die unter UNO-Vermittlung vereinbarte Feuerpause eingehalten werde und dass weitere Hilfslieferungen ermöglicht würden. Von der Waffenruhe ausgenommen sind Angriffe gegen die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), die Al-Kaida-nahe Al-Nusra-Front und mit ihr verbündete islamistische Milizen. Der UNO-Sicherheitsrat forderte die Konfliktparteien am Freitag zur Einhaltung der Waffenruhe auf. Eine von Russland und den USA eingebrachte entsprechende Resolution nahm das Gremium einstimmig an. Darin wurde erneut eine Einstellung der Kampfhandlungen verlangt. Die jüngsten Verhandlungen über einen politischen Prozess in Genf waren ohne einen neuen Termin beendet worden. Bisherige Pläne für einen Weg aus dem Konflikt in Syrien sehen eine Übergangsregierung, die Erarbeitung einer neuen Verfassung und Neuwahlen vor. (APA, 26.2.2016) Der Beginn der von Russland und den USA verordneten Waffenruhe verlief relativ erfolgreich. Damaskus/Amman – Der erste Tag nach Inkrafttreten der Einstellung der Feindseligkeiten in Syrien – der Samstag – ist wahrscheinlich besser gelaufen, als es die meisten Beobachter erwartet hatten. Auf Facebook beschwerten sich Damaszener mit ihrem sarkastischen Humor, dass sie nicht schlafen hätten können, denn es sei zu leise gewesen. Untertags fanden die Leute zu einer lange vermissten Normalität auf den Straßen zurück. Aber der Ablauf dieses ersten Tages sagt zweierlei nicht aus: dass es überall ruhig war und dass damit die nächsten Tage oder gar die Zeit über die vereinbarten zwei Wochen hinaus gesichert sind. Russland hat eine Versöhnungszentrum genannte Beobachtungsstelle im Luftwaffenstützpunkt Khmeimim nahe Latakia eingerichtet, die USA verfolgen vom jordanischen Amman aus die Situation. Moskau kündigte an, Drohnen zur Überwachung einsetzen zu wollen. Die russisch-amerikanische Vereinbarung über die Feuerpause, die sich im besten Fall zu einem echten Waffenstillstand weiterentwickeln soll, sieht auch eine Hotline zwischen Russen und Amerikanern vor. Aber die Mechanismen für eine Überwachung, Koordinierung oder gar Schlichtung scheinen, passend zum vorige Woche rasch ausgehandelten Abkommen, unausgegoren. Ob sie einer großen Belastung standhalten, bleibt zu sehen. Es ist auch das Erwartbare eingetroffen insofern, als Russland, das das Regime von Bashar al-Assad unterstützt, und die kämpfenden Rebellen einander des Bruchs der Waffenruhe beschuldigen. Aus Khmeimim meldeten die Russen am Sonntag zu Mittag, dass es in den vergangenen 24 Stunden neun Verletzungen gegeben habe. Die Rebellen meldeten, russische Kampfjets hätten sechs Orte in der Provinz Aleppo bombardiert. Aber auch die regimekritische Beobachtungsstelle für Menschenrechte in London schien am Sonntag der Ansicht zuzuneigen, dass sich dort die Nusra-Front aufhalte, die ja, wie auch der Islamische Staat (IS), vom Waffenstillstand explizit ausgenommen ist. Das bleibt der größte Stolperstein: Das von der Nusra-Front gehaltene Gebiet ist von jenem der anderen Rebellen nicht sauber zu trennen. Besonders betrifft das die – umstrittene, weil eindeutig islamistische – Ahrar al-Sham, deren Führung sich zwar zur Waffenruhe bekannte, bei der jedoch interner Dissens deutlich wurde. So sagte einer der Kommandanten, man werde jene, mit denen man gekämpft habe, nicht einfach aufgeben. Damit ist eindeutig die Nusra-Front gemeint. Beobachter meinen, dass es zu Spaltungen innerhalb von Rebellengruppen kommen könnte, sobald die Kämpfe zwischen Nusra-Front und dem von Russen, Iranern und der libanesischen Hisbollah unterstützten Regime wieder voll aufgenommen werden. Die komplizierte Arbeit daran, welche Gebiete in Syrien nun grün seien – also von Rebellen kontrolliert, die sich der Waffenruhe angeschlossen haben – ist noch nicht abgeschlossen. Die Russen haben den Amerikanern Listen mit tausenden Kämpfern und 74 bewohnten Zentren übermittelt, die nicht bombardiert werden dürfen. Insgesamt überwog am Wochenende jedoch ein vorsichtiger Optimismus. Die nächsten Tage werden kritisch sein – und da am 7. März auch die Syrien-Diplomatie in Genf wieder aufgenommen werden soll, ist mit vermehrten Versuchen zu rechnen, die relative Ruhe zu torpedieren. Auch eine andere Front bleibt unklar: Russland behauptete am Sonntag – und informierte die USA in diesem Sinne -, die Türkei habe nach der Waffenruhe weiter Tal Abyad an der syrisch-kurdischen Grenze bombardiert. Die Stadt wurde von den syrisch-kurdischen YPG, den Milizen der Kurdenpartei PYD, und ihren Verbündeten dem Islamischen Staat abgenommen und wird nun gehalten: ein wichtiger Sieg, denn er unterbricht die Route des IS zwischen Raqqa und Mossul, seiner syrischen und seiner irakischen Hauptstadt. Im Irak versuchte der IS am Wochenende einen mit mehreren Selbstmordattacken eingeleiteten Vorstoß nach Abu Ghraib vor den Toren Bagdads, er wurde aber von irakischen Sicherheitskräften zurückgeschlagen. Aktivisten: 19 Tote bei Al-Nusra-Angriff, Tote auch bei Luftangriff – Waffenruhe gilt aber als intakt – Neuer Hilfskonvoi gestartet. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. "Phosphor mit gelblicher Färbung". Beirut/Amman – Im Kampf um die syrische Stadt Aleppo erhebt die Kurden-Miliz YPG schwere Vorwürfe gegen Islamisten und andere Rebellen. Diese Gruppen hätten überwiegend kurdische Wohngebiete mit chemischen Stoffen angegriffen, erklärte das YPG-Kommando am Dienstag. Es könnte sich um Phosphor mit einer gelblichen Färbung gehandelt haben. Die Kurden-Miliz kämpft seit Wochen um die Vorherrschaft an einer Front nahe Aleppo. Beim Beschuss eines Wohnviertels der Stadt im Norden des Landes starben am Sonntag den Kurden zufolge mehrere Menschen. Im Kampf gegen die Extremistenmiliz Islamischen Staat (IS) ist die YPG ein zentraler Verbündeter sowohl der USA als auch Russlands. Viele Aufständische betrachten die Gruppe aber auch als Alliierte von Präsident Bashar al-Assad, was die YPG entschieden zurückweist. Die Lage im syrischen Bürgerkrieg ist durch vielschichtige Allianzen und Rivalitäten der Konfliktparteien und ihrer Unterstützer sehr verworren. Seit gut einer Woche gilt eine Waffenruhe, die aber brüchig ist. Davon ausgenommen sind Kämpfe gegen radikale Islamisten. Die nächste Runde der Friedensverhandlungen wurde verschoben. Walid al-Moallem weist Pläne des UN-Sondervermittlers zurück. Damaskus/Genf – Unmittelbar vor Beginn neuer Friedensgespräche für Syrien hat die Regierung in Damaskus jede Diskussion um die Zukunft von Präsident Baschar al-Assad strikt ausgeschlossen. Wir werden mit niemandem über die Präsidentschaft sprechen, sagte Außenminister Walid al-Mualem am Samstag. Wenn die Opposition darauf bestehe, solle sie erst gar nicht nach Genf anreisen. Die wichtigste Oppositionsgruppe, das Hohe Verhandlungskomitee erklärte die Gespräche daraufhin als schon gescheitert. Mualem schlage damit den Sargnagel in den Verhandlungsprozess, noch eher dieser wieder in Gang gekommen sei, sagte das Mitglied des Verhandlungskomitees Monser Maschkus dem Sender Al-Arabija. UN-Sondervermittler Staffan de Mistura hatte der russischen Agentur Ria Nowosti am Freitag gesagt, spätestens in eineinhalb Jahren solle es in Syrien unter Aufsicht der Vereinten Nationen Parlaments- und Präsidentenwahlen geben. Am Montag sollen die Gespräche für eine politische Lösung in dem Land in der Schweiz beginnen. Wenn die Opposition darauf bestehe, solle sie erst gar nicht nach Genf anreisen. Die wichtigste Oppositionsgruppe, das Hohe Verhandlungskomitee, erklärte die Gespräche daraufhin als schon gescheitert. Moualem schlage damit den Sargnagel in den Verhandlungsprozess, noch eher dieser wieder in Gang gekommen sei, sagte das Mitglied des Verhandlungskomitees, Monzer Makhous, dem Sender Al-Arabiya. Auch der UNO-Sonderbeauftragte Staffan de Mistura hatte Parlaments- und Präsidentenwahlen unter Aufsicht der Vereinten Nationen innerhalb von 18 Monaten und eine neue Verfassung als Hauptthemen der neuen Verhandlungsrunde bezeichnet, die am Montag in Genf beginnen soll. Dies geht auf einen Ende 2015 von internationalen Mächten vereinbarten Friedensplan zurück. Die Opposition will sich auf die Einsetzung einer Art Übergangsregierung konzentrieren und auf die territoriale Integrität Syriens dringen. Moualem sagte die Teilnahme des Assad-Regimes an den Gesprächen, die am Montag beginnen sollen, grundsätzlich zu: Wir gehen nach Genf, um den Dialog erfolgreich zu gestalten. Das hängt nicht nur von uns ab, sondern auch von den anderen Seiten. Dabei machte der Außenminister klar, dass sich die Kräfteverhältnisse in Syrien mit dem – von der russischen Luftwaffe unterstützten – Vormarsch von Assads Truppen in den vergangenen Wochen verändert hätten. Über ihre Macht dürfe sich die Opposition bei den Verhandlungen keine Illusionen machen. Die Gespräche stoßen auch auf andere Probleme. So verlangt Russland die Einbeziehung der Kurden in die Verhandlungen, was die anderen gemäßigten Rebellen ablehnen, weil die auch vom Westen unterstützten Kurden eher mit der Assad-Regierung kooperieren. Die hinter der Opposition stehenden arabischen Golf-Monarchien haben zudem die aufseiten der Regierung kämpfende libanesische Schiitenmiliz Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt, was ihre mögliche Einbeziehung in eine Regelung erschwert. Die Genfer Friedensgespräche waren Anfang Februar ausgesetzt und ihre Wiederaufnahme seitdem mehrfach verschoben worden. Seit zwei Wochen gilt in dem Kriegsland eine von den USA und Russland ausgehandelte Waffenruhe, die trotz regelmäßiger Verstöße bisher weitgehend eingehalten wird. Ausgenommen von der Waffenruhe ist allerdings die Bekämpfung der mächtigen sunnitischen Islamistentruppen des Islamischen Staates (IS) und des Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra-Front. Der Aufstand in Syrien hatte vor fünf Jahren, am 15. März 2011, mit Demonstrationen gegen die Regierung begonnen. Extrmisten erbeuteten Waffen und Fahrzeuge. Damaskus – Truppen des syrischen Al-Kaida-Ablegers Al-Nusra-Front haben in der Nacht auf Sonntag Stellungen der von den USA unterstützten Rebellen der Division 13 im Raum Idlib erobert. Dabei seien Dutzende Rebellen umgekommen oder gefangen genommen worden, berichtete die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte. Die Al-Nusra-Kämpfer haben demnach vom Westen bereitgestellte Waffen erobert, darunter Panzerabwehrraketen und gepanzerte Fahrzeuge. Die Al-Nusra-Front ist wie die Terrormiliz Islamischer Staat von der vereinbarten Waffenruhe in Syrien ausgenommen. Luftangriffe auf "moderate Rebellen" praktisch eingestellt – Erste Teilabzug bereits begonnen. Obama telefonierte mit russischem Präsidenten Russland hat mit dem Teilabzug seiner Truppen aus Syrien begonnen. Erste Kampfflugzeuge seien vom Stützpunkt Hamaimim mit Ziel Russland gestartet, teilte das russische Verteidigungsministerium am Dienstag in Moskau mit. Überraschend hatte der russische Präsident Wladimir Putin am Montagabend einen Teilabzug von Soldaten aus dem Bürgerkriegsland Syrien angeordnet. Die Aufgabe, die dem Verteidigungsministerium und den Streitkräften gestellt war, ist im Großen und Ganzen erfüllt, sagte Putin am Montag in Moskau. Vertreter der syrischen Opposition reagierten skeptisch. US-Präsident Barack Obama begrüßte in einem Telefonat mit Putin den Rückgang der Gewalt in Syrien seit Beginn der Waffenruhe, hieß es in der Mitteilung des Weißen Hauses. Er habe jedoch auch deutlich gemacht, dass syrische Regimetruppen die Vereinbarung immer wieder unterliefen. Putin sprach sich nach Kreml-Angaben für eine enge Zusammenarbeit beider Länder bei der Beilegung des Syrienkonflikts aus. Obama betonte, dass ein politischer Wandlungsprozess notwendig sei, um die Gewalt zu beenden. Beide unterstrichen die Wichtigkeit von humanitären Hilfslieferungen zur Versorgung der Bedürftigen in Syrien. Die Ankündigung Russlands ist auch vom UN-Sicherheitsrat begrüßt worden. Das Gremium sprach am Montag hinter verschlossenen Türen über die Ankündigung Moskaus, am Dienstag mit dem Abzug zu beginnen. Anschließend sprach der derzeitige Vorsitzende des Gremiums, der angolanische UN-Botschafter Ismael Gaspar Martins, von einem positiven Schritt Russlands. Das ist das, was wir sehen wollen. Die russischen Luftangriffe in Syrien werden nicht automatisch beendet, wie Kreml-Sprecher Dmitri Peskow klarstellte. Details und Zeitrahmen des Teilabzuges werden nach seinen Worten vom Verteidigungsministerium festgelegt. Putin habe seine Entscheidung mit Syriens Machthaber Bashar al-Assad abgestimmt. Exakte Zahlen zur russischen Militärpräsenz in Syrien hält der Kreml geheim. Vertreter der syrischen Opposition reagierten zurückhaltend. Sie halten sich derzeit in Genf auf, wo am Montag die Syrien-Friedensgespräche fortgesetzt wurden. An diesem Dienstag jährt sich der Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs zum fünften Mal. Wir müssen abwarten, wie umfassend der Abzug und was der zeitliche Rahmen ist, sagte Monzer Machus, Sprecher des Hohen Verhandlungskomitees (HNC) der Opposition, am Montag in Genf. Russische Bodentruppen sind nicht entscheidend, weil es die nicht wirklich in Syrien gibt. Die Lage in Syrien würde sich aber von Grund auf ändern, wenn Russland seine Luftangriffe stoppen würde. Oppositionssprecher Salem al-Meslet kommentierte die russische Entscheidung: Niemand weiß, was Putin im Kopf hat. Aber die Sache ist die, dass er von vornherein kein Recht hat, in unserem Land zu sein. Geh einfach. Putin habe die Entscheidung für den Teilabzug mit Syriens Machthaber Assad bei einem Telefonat abgestimmt, sagte Peskow weiter. Nach Darstellung der Regierung in Damaskus gebe es kein Anzeichen für Differenzen zwischen beiden Ländern. Der Schritt sei koordiniert erfolgt und bereits seit einiger Zeit erwogen worden, erklärte das Präsidialamt am Montagabend. Der russische Stützpunkt (Tartus) und der Flugplatz in Hmeimim (bei Latakia) werden weiter funktionieren. Sie sollen zuverlässig geschützt werden, betonte Putin. Russlands Militärpräsenz sei klein, aber sehr wirkungsvoll. Er hoffe, dass die Entscheidung für alle Seiten ein Signal sei und das Vertrauen in eine friedliche Lösung des Konflikts erhöhe, sagte er bei einem Treffen mit Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Putin meinte der Agentur Interfax zufolge, Russland sei es mit seinem Einsatz in dem Bürgerkriegsland gelungen, einen Durchbruch im Kampf gegen den Terror zu erzielen. Nun wolle Moskau eine noch größere Rolle im Friedensprozess einnehmen. Nach Angaben des Kremls richten sich die russischen Luftangriffe nur gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die Al-Nusra-Front und andere Terrorgruppen. Der Westen wirft Moskau aber vor, auch gemäßigte Rebellen ins Visier zu nehmen. Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu sprach von einer erfolgreichen Mission. Die russische Armee habe in Syrien allein etwa 2.000 Kämpfer getötet, die aus Russland zum Kampf in das Bürgerkriegsland gekommen seien. Darunter seien 17 wichtige Befehlshaber von Terrororganisationen gewesen, sagte der Verteidigungsminister. Der Kreml hatte den Militäreinsatz an der Seite von Assad unter anderem damit begründet, die Rückkehr extremistischer Kämpfer aus Syrien nach Russland zu verhindern. Der russische Militärexperte Jewgeni Mintschenko bezeichnete den Teilabzug als klugen strategischen Schritt des Kremls. Putin hat sein wichtigstes Ziel (in Syrien) erreicht und will sich nicht in einen langwierigen bewaffneten Konflikt ziehen lassen. Außerdem gibt es weiter genug Möglichkeiten für die russische Armee – etwa Raketenschläge vom Kaspischen Meer aus, sagte Mintschenko. UN-Vermittler Staffan de Mistura will sich an diesem Dienstag in Genf mit Oppositionsvertretern treffen. Am Montag hatte er mit Regierungsvertretern gesprochen. Nach fünf Jahren Bürgerkrieg steuern die Friedensgespräche nach den Worten von de Mistura auf einen Moment der Wahrheit zu. Er sehe keine Alternative zu einer Verhandlungslösung. Umstritten ist zwischen den Konfliktparteien vor allem das Schicksal von Präsident Bashar al-Assad. Die Opposition schließt jeden Kompromiss aus, der Assad an der Macht lässt. Die Regierung wiederum lehnt Gespräche über einen Abtritt des Machthabers ab. Fast ein halbes Jahr flog die russische Luftwaffe Angriffe auf syrische Rebellen. Internationale Untersuchung könnte möglicherweise in Tribunal enden. Washington – US-Außenminister John Kerry hat das Vorgehen der Terrormiliz Islamischer Staat im Irak und Syrien als Völkermord an religiösen Minderheiten angeprangert. Nach meiner Beurteilung ist das, was Daesh Christen, Yeziden und Schiiten antut, Völkermord, sagte Kerry am Donnerstag in Washington vor Journalisten. Daesh ist eine der gängigen Bezeichnungen für die sunnitische IS-Miliz, die mit Tausenden Kämpfern weite Landstriche in Syrien und im Irak beherrscht. Völkermord ist das schlimmste Verbrechen im internationalen Recht. Die Terroristen vergewaltigten Frauen, enthaupteten Geistliche und gingen mit unmenschlicher Gewalt gegen Ungläubige vor, sagte Kerry. Die Einschätzung sei durch eine Untersuchung der USA unterlegt. Kerry fügte jedoch hinzu: Ich bin kein Richter. Die volle Faktenlage müsse durch eine unabhängige Untersuchung ans Licht gebracht werden. Der IS begehe Völkermord durch Worte, Taten und seine Sichtweise. Wir wissen zum Beispiel, dass der IS im August 2014 Hunderte jesidische Männer und ältere Frauen in der Stadt Kocho getötet und Zehntausende zur Flucht auf den Berg Sindschar gezwungen hat. Es ist völlig klar, dass diese Menschen getötet worden wären, wenn wir nicht interveniert hätten, sagte er. Er prangerte zudem Schändungen von Kulturgütern an sowie Hinrichtungen von Christen und muslimischen Schiiten wegen ihres Glaubens. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hatte dies zuvor bereits als Vertreibung historischen Ausmaßes bezeichnet. Ein Element des Völkermordes ist die Absicht, eine ethnische oder religiöse Gruppierung als Ganzes oder in Teilen zu zerstören, sagte der US-Außenminister. Fakt ist, dass der IS Christen tötet, weil sie Christen sind, Yeziden, weil sie Yeziden sind und Schiiten, weil sie Schiiten sind. Es gebe keinen Zweifel daran, dass der IS in einem von ihm beabsichtigen Kalifat das ethnische Mosaik zerstören würde, das einst die Region geprägt habe. Kerry sprach sich für eine unabhängige, internationale Untersuchung aus, die möglicherweise in einem Völkermord-Tribunal enden könne. Die ganze Wahrheit muss in einer unabhängigen Untersuchung und in einem juristischen Verfahren ans Licht gebracht werden, das von einem geeigneten Gericht oder Tribunal abgeschlossen wird, sagte Kerry. Weiterer Bezirk erobert – Islamisten starteten Gegenangriffe mit Autobomben. Palmyra – Die syrische Armee hat am Samstag ihre Offensive gegen die Islamisten-Miliz IS (Islamischer Staat) in der Stadt Palmyra fortgesetzt. Nach der Einnahme der symbolisch und strategisch wichtigen Zitadelle der Stadt am Freitag sei auch der nördliche Bezirk Al-Amirija zurückerobert worden, berichtete das staatliche Fernsehen. Erkenntnissen der oppositionsnahen Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit Sitz in Großbritannien zufolge kam es in zwei weiteren Stadtbezirken zu Kämpfen. Der IS habe Gegenangriffe gestartet, bei denen auch Autobomben eingesetzt worden seien. Die Armee wird von der syrischen und der russischen Luftwaffe unterstützt. Die vereinbarte Waffenruhe gilt nicht für den Kampf gegen den IS. Eine vollständige Eroberung der Stadt würde den Regierungstruppen den Weg in den Osten des Landes freimachen. Dort kontrolliert der IS weite Teile der Provinzen Deir al-Sor und Rakka. Palmyra wurde im Mai vergangenen Jahres von IS-Kämpfern eingenommen. Dort sprengten sie antike Götterskulpturen und sorgten damit für Entsetzen bei Historikern und Kunstexperten. Die UN-Kulturorganisation Unesco spricht von einem Kriegsverbrechen. Armee kündigt eine Offensive auf die IS-Hochburg Raqqa an. Palmyra – Mit der Rückeroberung der antiken Wüstenstadt Palmyra haben die syrischen Regierungstruppen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) eine schwere Niederlage bereitet. Die Armee brachte die für ihre Ausgrabungsstätten berühmte Stadt nach heftigen Kämpfen gänzlich unter ihre Kontrolle, wie ein Militärvertreter in Palmyra am Sonntag mitteilte. Das Oberkommando kündigte an, nun auch eine Offensive auf die syrische IS-Hochburg Raqqa zu starten. Sowohl die als UN-Weltkulturerbe gelisteten Ausgrabungsstätten als auch die angrenzende Neustadt seien wieder unter Kontrolle der Armee, sagte der Militärvertreter einem AFP-Korrespondenten in Palmyra. Die IS-Kämpfer seien nach Osten und Norden in ihre Hochburgen Sukhnah, Raqqa und Deir Ezzor (Deir al-Zor) zurückgewichen. Experten der Armee seien dabei, dutzende Sprengsätze und Minen in der antiken Stadt zu entschärfen. Die Einnahme von Palmyra ist ein wichtiger militärischer Erfolg für die syrische Armee und eine schwere Niederlage für die Jihadisten. Diese hatten Palmyra im vergangenen Mai erobert. In den folgenden Monaten schockierten sie die Welt durch brutale Hinrichtungen in den Ruinen der antiken Stadt und die Zerstörung zweier bedeutender Tempel, des berühmten Triumphbogens und zahlreicher Grabmäler. Am 7. März startete die syrische Armee dann mit Unterstützung der libanesischen Hisbollah-Miliz und russischer Spezialkräfte und Kampfflugzeuge eine Offensive zur Rückeroberung der Stadt. Die Unesco-Direktorin Irina Bokova hatte die Offensive auf Palmyra begrüßt. Seit einem Jahr ist die Plünderung von Palmyra das Symbol der kulturellen Säuberung, welche der Mittlere Osten erlebt, sagte Bokova. Wenn wir gewinnen, ist es die erste große Niederlage, die die Armee Daesh beifügt, hatte ein Militärvertreter am Samstag unter Verwendung der arabischen Bezeichnung für die IS-Miliz gesagt. Die Einnahme von Palmyra sei eine ähnliche Niederlage für die IS-Miliz wie der Verlust der kurdischen Stadt Kobane im Norden Syriens, sagte der Leiter der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte, Rami Abdel Rahman. Laut der oppositionsnahen Organisation, deren Angaben für Medien meist kaum zu überprüfen sind, wurden seit Beginn der Offensive in Palmyra mindestens 400 Jihadisten getötet. Es sind die schwersten Verluste für den IS in einer einzigen Schlacht seit seiner Entstehung im Jahr 2013, sagte Abdel Rahman. Auf Seiten der Regierung seien 188 Soldaten und Milizionäre getötet worden. Mit Palmyra verliere die IS-Miliz automatisch die große syrische Wüste bis zur Grenze zum Irak, sagte Abdel Rahman. Auch dort sind die Jihadisten zunehmend unter Druck: Nach langer Vorbereitung startete die irakische Armee am Donnerstag eine Offensive auf die IS-Hochburg Mossul. Neben Mossul kontrollieren die Jihadisten nun vor allem noch die syrische Stadt Raqqa und Teile von Deir Ezzor. Das syrische Oberkommando kündigte am Sonntag an, von Palmyra aus werde die Armee eine Offensive auf die IS-Hochburg Raqqa und Deir Ezzor starten. Die Jihadisten sollten in die Zange genommen und von ihrem Nachschub abgeschnitten werden, um ihrer Existenz ein Ende zu setzen in Syrien, hieß es laut der amtlichen Nachrichtenagentur SANA in der Erklärung der Streitkräfte. Laut Abdel Rahman verweigert eine kleine Gruppe von Jihadisten den von der IS-Führung angeordneten Abzug aus Palmyra und will offenbar bis zum bitteren Ende kämpfen. Die Gefechte um den Flughafen im Südosten der Stadt dauerten noch an. Die russische Luftwaffe war mit hunderten Angriffen an der Offensive auf Palmyra beteiligt. Laut dem Verteidigungsministerium in Moskau flogen Kampfflugzeuge allein zwischen Freitag und Samstag Angriffe auf 158 Ziele. Präsident Wladimir Putin hatte vergangene Woche überraschend den Abzug des Großteils der russischen Truppen angeordnet, doch bleibt weiterhin ein bedeutendes Kontingent im Land. Der Iran hat dem syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zur Rückeroberung Palmyras gratuliert. Auf die Entschlossenheit Syriens zur Vernichtung der Terrorgruppen könne man stolz sein, sagte der Chef des nationalen iranischen Sicherheitsrates, Ali Shamchani, am Montag der Nachrichtenagentur Tasnim zufolge. Die iranische Regierung und die Armee würden Syrien weiterhin voll unterstützen. 'Syrische Armee eroberte Stadt vollständig vom IS zurück. Palmyra – Die durch die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) verursachten Schäden in der syrischen Ruinenstadt Palmyra sind offenbar geringer als befürchtet. Experten begannen am Montag mit der Begutachtung der Zerstörungen Verhandlungen unter UN-Vermittlung sollen im April weitergehen. Moskau – Präsident Bashar al-Assad hat sich zur Lösung des Syrien-Konflikts für eine Regierungsbeteiligung der Opposition ausgesprochen. Die Bildung einer neuen Regierung werde nicht kompliziert sein, sagte Assad laut einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Ria vom Mittwoch. Sie soll demnach drei Gruppen umfassen: die Opposition, unabhängige Kräfte und diejenigen, die loyal zur bisherigen Führung stehen. Probleme könnten bei den Friedensgesprächen in Genf gelöst werden. Die US-Regierung lehnt eine Beteiligung des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad an einer Übergangsregierung weiter strikt ab. Präsidialamtssprecher Josh Earnest sagte am Mittwoch, er wisse nicht, ob sich Assad als Teil einer Regierung der nationalen Einheit sehe. Ganz klar wäre das für uns ein Rohrkrepierer, fügte er hinzu. Die Verhandlungen unter Vermittlung der Vereinten Nationen sollen im April in großer Runde fortgesetzt werden. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura hofft darauf, dabei mit Beratungen über den politischen Übergang zu beginnen. Das ist einer der Knackpunkte neben der künftigen Rolle Assads. Die syrische Regierungsdelegation will Assads Zukunft ausklammern, die Opposition besteht darauf, sie zu thematisieren. Ankara fürchtet Ausweitung des Kurden-Gebietes. Istanbul – Die Türkei droht mit einem erneuten Artilleriebeschuss auf kurdische Verbände in Syrien. Es gebe Hinweise darauf, dass die Kurden die strategisch wichtige Stadt Manbij in Nord-Syrien einnehmen wollten, berichtete die Zeitung Hürriyet am Donnerstag unter Berufung auf türkische Militärkreise. Sollte ein solcher Angriff beginnen, werde die Artillerie das Feuer eröffnen. Die Rolle der syrischen Kurden ist ein wichtiges Streitthema zwischen der Türkei und den USA beim derzeitigen Besuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Washington. Schon im Februar hatten türkische Panzerhaubitzen von der türkischen Seite der Grenze aus syrisches Gebiet unter Beschuss genommen. Das Bombardement galt Kämpfern der Volksverteidigungseinheiten (YPG), der Miliz der syrisch-kurdischen Partei der Demokratischen Union (PYD). Die PYD hat im Laufe des Syrien-Konflikts zwei Gebietsstreifen entlang der türkischen Grenze erobert und dort eine kurdische Autonomie ausgerufen. Ankara befürchtet, dass die PYD die beiden Gebiete vereinen und einen Kurdenstaat gründen will. Die Stadt Manbij liegt zwischen den beiden Gebieten. Die Türkei betrachtet die PYD und die YPG als Terrororganisationen, weil sie syrische Ableger der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) sind. Dagegen unterstützen die USA die syrischen Kurden als wichtige Verbündete im Kampf gegen den Islamischen Staat (IS), der weite Teile Syriens beherrscht und auch Manbij unter seiner Kontrolle hat. Laut türkischen Medienberichten haben US-Kampfflugzeuge in den vergangenen Tagen mehrmals Ziele in der Umgebung von Manbij angegriffen. Tunesier nahe Jihadistenhochburg Raqqa tödlich getroffen. Beirut – Bei einem Drohnenangriff nahe der syrischen Stadt Raqqa ist nach Angaben der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte ein Kommandant der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) getötet worden. Wie die Organisation am Donnerstag mitteilte, wurde der Tunesier Abu al-Hija am Mittwochabend tödlich getroffen. Er sei auf Anordnung von IS-Anführer Abu Bakr al-Baghdadi erst 24 Stunden zuvor aus dem Irak kommend in Syrien eingetroffen. Die Drohne stamme aller Wahrscheinlichkeit nach von der US-geführten Militärkoalition, hieß es. Raqqa gilt als Hauptstadt des Islamischen Staats in Syrien. Die Berichte der in Großbritannien ansässigen Beobachtungsstelle, die nach eigenen Angaben über zahlreiche Informanten in Syrien verfügt, sind wegen der unübersichtlichen Lage im Konfliktgebiet von unabhängiger Seite nur schwer zu überprüfen. Vergangene Woche hatten US-Einheiten nach Pentagon-Angaben den stellvertretenden IS-Chef Abdelrahman al-Kaduli getötet. Zu Beginn des Monats wurde demnach außerdem der Kriegsminister des IS, Omar al-Shishani (Omar der Tschetschene), bei einem Angriff der US-geführten Militärallianz getötet. AFP: Arbeiter einer Zementfabrik seit Montag nicht mehr aufgetaucht – Drei Menschen in Türkei bei Artilleriefeuer aus Syrien verletzt. Damaskus – Bei einem Überfall auf eine Zementfabrik in der Nähe von Damaskus haben Kämpfer der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) möglicherweise hunderte Mitarbeiter als Geiseln genommen. Ein Sprecher des betroffenen Unternehmens Badijah sagte am Donnerstag, seit dem Überfall am Montag fehle von rund 250 Angestellten jede Spur. Bewohner am Standort der Fabrik nahe der Kleinstadt Dmeir bestätigten die Angaben. Seit dem IS-Angriff auf die Fabrik am Montagmittag können wir unsere Angehörigen nicht mehr erreichen, erklärte einer von ihnen. Die Familien fürchten, ihre Angehörigen könnten von der Terrormiliz entführt worden sein. Die Badijah-Zementfabrik liegt vor den Toren von Dmeir rund 50 Kilometer von Damaskus entfernt. Dort hatte es in den vergangenen Tagen heftige Kämpfe gegeben. Syrische Regierungstruppen nahmen dabei IS-Aktivisten unter Beschuss, die in dem Ort Stellung bezogen hatten. Bei dem Beschuss durch die Regierungstruppen wurden nach Angaben der Beobachtungsstelle 18 Zivilisten getötet. In der türkischen Grenzstadt Kilis sind indes drei Menschen durch Artilleriebeschuss aus Syrien verletzt worden. Ein Haus im Zentrum der Stadt sei getroffen worden, sagten Sicherheitskräfte am Donnerstag. Die Geschosse seien von einem Gebiet aus abgefeuert worden, das von der IS-Miliz kontrolliert werde. Das türkische Militär habe als Reaktion auf den Beschuss Ziele des IS angegriffen, meldete der Nachrichtensender NTV Türk. In der Stadt Kilis haben sich viele Flüchtlinge aus Syrien in Sicherheit gebracht. Erst vor einem Monat starben zwei Menschen, als Granaten in einem Wohngebiet nahe einer Schule einschlugen. Das Nato-Land Türkei ist nach vier Selbstmordanschlägen mit zahlreichen Toten in diesem Jahr in erhöhter Alarmbereitschaft. Für zwei dieser Anschläge wird der IS verantwortlich gemacht. Washington dankt Moskau für Intervention. Washington – Nach russischer Vermittlung ist ein seit Jahren in Syrien vermisster US-Bürger von der dortigen Regierung freigelassen worden. Das US-Außenministerium dankte am Freitag der Regierung in Moskau für ihre Intervention in dem Fall. Nach russischen Angaben handelt es sich bei dem Freigelassenen um den 33-jährigen Kevin Dawes. Er sei in einer Militärmaschine nach Moskau geflogen und Mitarbeitern der US-Botschaft übergeben worden. Der russische Präsident Wladimir Putin ist ein enger Verbündeter des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, während die USA ihre diplomatischen Beziehungen zu Syrien seit der brutalen Niederschlagung der regierungskritischen Proteste im Frühjahr 2011 abgebrochen haben. Die USA wüssten die Anstrengungen zu schätzen, die die russische Regierung für den freigelassenen US-Bürger unternommen habe, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Washington. Zur Identität des Freigelassenen wollte er sich aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre nicht äußern. Das russische Außenministerium bestätigte jedoch, dass es sich um Dawes handelt, der seit 2012 in dem Bürgerkriegsland vermisst war. Die syrische Regierung habe Dawes festnehmen lassen, weil er illegal in das Land eingereist sei, hieß es in Moskau. Er sei dann am Freitag vergangener Woche in die russische Hauptstadt gebracht worden und habe Russland inzwischen wieder verlassen. Wir hoffen, dass er sich nicht wieder in eine ähnliche Lage begibt, und dass Washington die syrische Geste zu schätzen weiß, erklärte das russische Außenministerium. Laut einer Vermisstenanzeige der US-Bundespolizei FBI war Dawes im September 2012 von der Türkei aus nach Syrien eingereist, im folgenden Monat verlor sich seine Spur. Das FBI bezeichnete Dawes als freischaffenden Fotografen, in einem ausführlichen Porträt des Magazins GQ wurde er jedoch als Abenteurer mit einem Faible für das Leben als Guerillero beschrieben. Vor seinem Verschwinden in Syrien hatte Dawes im Jahr 2011 in einem Interview des US-Radiosenders NPR erzählt, dass er sich zeitweise einer bewaffneten Miliz in Libyen angeschlossen habe. Mehrere weitere US-Bürger werden nach Angaben des US-Außenministeriums noch in Syrien vermisst, darunter der 31-jährige Fotojournalist Austin Tice. Trotz des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen hatten US-Vertreter zuletzt direkten Kontakt mit syrischen Regierungsmitarbeitern, um nach den verschwundenen US-Bürgern zu forschen, wie der Ministeriumssprecher sagte. Zum selben Zweck unterhalten die USA den Angaben zufolge auch engen Kontakt zu Russland. Wir begrüßen die Unterstützung Russlands bei den Anstrengungen zur Befreiung der US-Bürger in Syrien, sagte der Sprecher. Millionenmetropole soll laut syrischem Premier "befreit" werden. Moskau – Die syrische Armee plant nach Angaben der Regierung in Damaskus gemeinsam mit Russland eine großangelegte Militäroperation zur Einnahme Aleppos. Ministerpräsident Wael al-Halqi (Halki/Halaki) kündigte die Aktion am Sonntag gegenüber russischen Parlamentsabgeordneten in Damaskus an. Mit Hilfe der russischen Luftwaffe solle Aleppo befreit werden und alle illegal bewaffneten Gruppen, die sich dem Waffenstillstand nicht angeschlossen haben oder ihn brechen sollten ins Visier genommen werden, zitierte die Nachrichtenagentur Tass den Regierungschef. Zuvor hatte bereits die der Opposition nahestehende, in Großbritannien ansässige Beobachtungsstelle für Menschenrechte über heftige Gefechte zwischen Regierungstruppen und Angehörigen von Al-Kaida sowie anderen Rebellen berichtet. Die Kämpfe hätten südlich der Millionenmetropole stattgefunden. Syrische und russische Kampfflugzeuge hätten Dutzende Angriffe in der Region geflogen. Seit einigen Wochen gilt eine von den USA und Russland mit ausgehandelte Waffenruhe zwischen den Truppen des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und den Rebellen. Doch sie gilt ausdrücklich nicht für Al-Kaida und die radikal-islamische IS-Miliz, die in Syrien und im Nachbarland Irak weite Gebiete unter ihrer Kontrolle hat. Rebellen geben Verstöße des Militärs gegen den Waffenstillstand als Begründung an und stellen die Friedensgespräche in Genf infrage. Damaskus – Wegen angeblicher Verstöße der Regierungstruppen gegen die Waffenruhe wollen mehrere syrische Rebellengruppen eine Großoffensive starten. Nach der Zunahme der Verstöße durch Regierungskräfte, darunter die gezielte Vertreibung von Menschen und die anhaltende Bombardierung von Wohnvierteln, erklären wir in Reaktion den Beginn der Schlacht, schrieben zehn Rebellengruppen in einer Erklärung am Montag. Damit steht die seit Ende Februar geltende Waffenruhe vor dem Aus. In Syrien war im Februar unter Vermittlung Russlands und der USA erstmals seit Beginn des Bürgerkriegs eine landesweite Waffenruhe zwischen Regierungstruppen und moderaten Rebellen ausgehandelt worden. Die Feuerpause galt nicht für die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) oder die islamistische Al-Nusra-Front. Trotz Verstößen beider Seiten hielt die Waffenruhe zunächst und führte zu einem deutlichen Rückgang der Gewalt in Syrien. In den vergangenen Tagen flammten jedoch die Kämpfe in der Provinz Aleppo wieder auf. Dabei hätten laut der oppositionsnahen Syrischen Beobachterstelle für Menschenrechte Rebellengruppen einen Ort in der Provinz Hama fast ganz eingenommen. Umgekehrt seien bei Angriffen der syrischen Luftwaffe in Homs mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. Die Erklärung von Montag wurde von den mächtigen islamistischen Rebellengruppe Jaish al-Islam und Ahrar al-Sham unterzeichnet, die besonders einflussreich in der Region Ost-Ghuta und in Aleppo sind. Jaisch al-Islam wird von Mohammed Alloush geführt, der bei den Friedensgesprächen in Genf der Chefunterhändler der Opposition ist. Alloush forderte am Sonntag erneute Angriffe auf die Armee. Vertraut nicht dem Regime und wartet nicht auf sein Mitleid, schrieb Alloush auf Twitter. Schlagt sie in den Nacken. Schlagt sie überall. Die syrische Opposition stellte unterdessen angesichts der brüchigen Waffenruhe die Friedensgespräche infrage. Ihr Koordinator Riad Hidshab nannte eine Fortsetzung der Verhandlungen in Genf am Montag auf Twitter inakzeptabel, sollten die Regierung und ihre Verbündeten nicht die Belagerungen von Städten beenden und Bombenangriffe gegen zivile Ziele einstellen. Er sprach von einer Verletzung der Rechte des Volkes und des internationalen Rechts, ohne Einzelheiten zu nennen. Die Friedengespräche in Genf gelten als bislang beste Chance, den syrischen Bürgerkrieg zu beenden. Jihadistenmiliz veröffentlichte Bilder von Flugzeug-Wrackteilen. Damaskus – Die Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hat nach Angaben der ihr nahen Nachrichtenagentur Amaq einen syrischen Piloten abgeschossen und gefangen genommen. IS-Kämpfer hätten den Mann gefangen, nachdem er sich mit dem Fallschirm gerettet habe, meldete Amaq am Freitag. In einem von der Agentur veröffentlichten Video waren Bilder eines ausgebrannten Flugzeugwracks zu sehen, manche Trümmerteile standen noch in Flammen. Mehrere mutmaßliche Jihadisten stehen in dem Video um das Wrack herum und zeigen auf die syrische Fahne, die auf einem Flugzeugflügel deutlich zu sehen ist. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete zunächst nichts über einen solchen Vorfall. Der IS hat in den vergangenen Wochen bereits mehrere Kampfflugzeuge der syrischen Luftwaffe abgeschossen. Im Dezember 2014 hatte die Miliz den jordanischen Kampfpiloten Maas al-Kassasbeh verschleppt. Der 26-Jährige wurde in einem Käfig bei lebendigem Leib verbrannt. Die Tötung wurde gefilmt, das Video tauchte dann im Internet auf und sorgte weltweit für Entsetzen. Binnen drei tagen mehr als 26 Menschen getötet. Beirut – Nach heftigen Kämpfen in den vergangenen Tagen haben kurdische Kämpfer und Sicherheitskräfte der syrischen Regierung im Nordosten Syriens eine Waffenruhe ausgerufen. Dies teilte die Kurdische Asayish-Miliz am Samstag mit. Die Feuerpause gelte seit Freitagmittag. Einem Augenzeugen zufolge hielt diese auch am Samstag. Zuvor waren mehr als 26 Menschen bei den drei Tage dauernden Auseinandersetzungen getötet worden. Einige sprachen von den zweitschwersten Zusammenstößen seit Beginn des Bürgerkriegs 2011. Nach Informationen der in London ansässigen Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte und des Augenzeugen hat sich die Asayish-Miliz bisher nicht aus den jüngst hinzugewonnenen Gebieten in der Provinz Hasaka rund um die türkische Grenzstadt Kamishli zurückgezogen. Die Kurden kontrollieren große Teile Nordsyriens und haben dort ihre eigene Regierung etabliert. Sie fordern ein autonomes Gebiet in dem Bürgerkriegsland. Erst am Freitag mahnten die Vereinten Nationen intensivere internationale Bemühungen zur Rettung des Syrien-Friedensprozesses und der fragilen Waffenruhe an. Laut UN-Vermittler Staffan de Mistura sollen die Friedensgespräche ungeachtet der ablehnenden Haltung der Opposition in der kommenden Woche fortgesetzt werden. Aus Protest gegen immer stärkere Kämpfe hatte diese ihre Abreise von den Verhandlungen in Genf angekündigt. Der Beobachtungsstelle zufolge kamen im Osten von Damaskus bei Bombenangriffen durch die syrische Regierung am Samstag 13 Menschen ums Leben. Spezialeinheiten sollen örtliche Kräfte im Kampf gegen die Jihadistengruppe IS unterstützen. Washington/Damaskus – US-Präsident Barack Obama will nach Informationen des Wall Street Journal bis zu 250 zusätzliche Soldaten nach Syrien schicken. Sie sollen örtliche Kräfte im Kampf gegen die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) unterstützen,erklärte der US-Präsident zum Abschluss seines Besuchs in Hannover. Bisher sind in Syrien rund 50 Angehörige von US-Spezialeinheiten auf dem Boden aktiv. Wie diese sollen auch die zusätzlichen Kräfte der Zeitung zufolge technisch keine Kampfeinsätze absolvieren, auch wenn sie in der Nähe der Frontlinien operieren. Ihre Hauptaufgabe werde sein, mehr sunnitische Araber zum Kampf gegen den IS an der Seite kurdischer Einheiten im Nordosten zu bewegen. Die USA hielten das für nötig, um erreichte Fortschritte zu bewahren und weitere zu erzielen, etwa die Rückeroberung der derzeitigen IS-Hochburg Raqqa. Das zusätzliche Kontingent werde aus Spezialkräften und Unterstützungspersonal bestehen. US-Verteidigungsminister Ashton Carter hatte erst vor wenigen Tagen die Stationierung weiterer 217 Soldaten im Irak vor allem für Ausbildungsaufgaben angekündigt. Laut einem Bericht der New York Times vom Sonntag nehmen die USA den IS auch mit Cyberangriffen ins Visier. Ziel sei es, die Kommunikationsfähigkeiten der Jihadisten einzuschränken. Zudem solle es der Terrororganisation erschwert werden, ihre Botschaften zu verbreiten, Mitglieder anzuwerben und ihre täglichen Operationen auszuführen. Obama hatte gegenüber der BBC bekräftigt, dass Bodentruppen zum Sturz des syrischen Machthabers Bashar al-Assads ein Fehler wären. Zielführender sei internationaler Druck auf dessen Verbündete Russland und Iran. Obama hatte sich stets skeptisch gegenüber Plänen einer Bodenoffensive gezeigt, obwohl vor allem die Türkei und einige Golfstaaten mehr Unterstützung für die Rebellen fordern. In Syrien wächst unterdessen die Sorge vor einem Scheitern der Waffenruhe. Bei Gefechten und Luftangriffen nahe der Hauptstadt Damaskus und in der Region um die Großstadt Aleppo starben am Wochenende mehr als 30 Menschen, darunter auch Kinder, wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mitteilte. Die Feuerpause gilt seit Ende Februar. Die syrische Opposition hatte bereits am Donnerstag angekündigt, aus Protest gegen Verletzungen der Waffenruhe die dritte Runde der Syrien-Gespräche in Genf zu verlassen. Bars und Clubs eröffnen in der syrischen Hauptstadt – "Die Lokale sind rammelvoll". Damaskus – Bei einem Militärkontrollpunkt in der Altstadt von Damaskus sitzen junge Syrer auf einer Gartenmauer und rauchen, trinken Bier oder Softdrinks und sprechen über alles – außer über den Krieg. Es ist ein Abend unter der Woche, aber die Einwohner von Damaskus eilen eifrig zu den neuen Bars, die erst in den vergangenen Monaten eröffnet hatten – manche, um Leute zu treffen, andere, um dort zu arbeiten. Die Wiederbelebung dieses einst so pulsierenden Viertels ist Teil des Versuchs, eine Atmosphäre der Normalität in der Hauptstadt Syriens zu schaffen. Unterdessen tobt der seit fünf Jahren herrschende Krieg, der bisher über 250.000 Menschen getötet und fünf Millionen Flüchtlinge gefordert hat, in der Nähe der Stadt weiter. Bomben haben letztes Jahr die Altstadt von Damaskus zerstört. Nun rauchen die Menschen hier Wasserpfeifen vor dem Pub Sharqi oder schauen Fußball im 80s, einer Bar nebenan. So etwas hätte man vor zwei Jahre hier nicht gesehen, sagt Nicolas Rahal, ein 23-jähriger Grafikdesigner. Nachdem immer mehr Bars eröffnet hatten und somit mehr Leute angestellt wurden, fingen viele an, wieder auszugehen. Ich kann nun in dieses Pub oder jenen Club gehen. Lokale machen auf und die Leute kommen, stellt Rahal fest. Der Krieg ist in der Hauptstadt immer noch spürbar: Sturmgewehre, Straßensperren und der Klang von Feuergefechten in der Ferne. Die jungen Bewohner sind besorgt um ihre Zukunft. Sie haben geliebte Menschen durch Gewalt und Vertreibung verloren. Die steil ansteigende Inflation macht das Leben furchtbar teuer. Einige junge Männer sind außerdem besorgt, zum Militär einberufen zu werden. Die verbesserte Sicherheit durch die russische Intervention und ein teilweiser Waffenstillstand im Februar brachte ein wenig Ruhe. Die Menschen in Damaskus wollen ihr Leben nun genießen wo es geht. Normales Leben Die Leute haben den Krieg satt und wollen einfach nur ein normales Leben führen. Deshalb gehen sie aus und treffen Leute, sagt die 21-jährige Barkeeperin Dana Daqqaq. In den letzten Monaten läuft es nicht nur am Wochenende, sondern jeden Tag gut. Die Lokale sind rammelvoll. Laut der Kunststudentin ist das Barleben mehr als nur das Vergessen des Krieges. Alle Nachtschwärmer hier hätten allerdings eine persönliche traumatische Vergangenheit. Verwandte von mir, die in der Armee dienten, wurden bei der Belagerung von Homs getötet, berichtet die Barbesucherin Dana Ibrahim. Sie habe darüber nachgedacht, das Land zu verlassen – so viele Freunde von ihr sind nach Europa oder in die Nachbarländer geflohen. Aber sobald ich wieder Leben gesehen habe, bin ich hiergeblieben. Ich will kein Flüchtling sein. Auch Rahal will bleiben. Er habe des Öfteren mitansehen müssen, wie Menschen neben seinem Haus von Granaten getötet wurden. Er selbst wurde bei den Protesten 2011, die später zu einem Bürgerkrieg wurden, verhaftet. Seine politische Sicht habe ihn auch Freundschaften gekostet. Diskussionen auf Facebook seien zu Prügeleien auf den Straßen geworden. Nur eine mögliche Einberufung zur Armee könnte ihn dazu bewegen auszuwandern. Ich würde versuchen, in Beirut einen Job zu finden, erzählt er. Alles wird ständig teurer. Daqqaq berichtet, dass vor einigen Wochen eine Packung Zigaretten noch 250 syrische Pfund gekostet habe, nun würde sie 450 Pfund (1,8 Euro) kosten. Sie, ihre Freunde und Gäste wollen sich diese Nacht aber keine Sorgen über den Krieg, die Wirtschaft oder Emigration machen, sondern einfach bei Musik und Getränken das Leben genießen. Zuletzt rund 30 Tote bei Bombardement in Aleppo. Aleppo – UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon hat den Angriff auf ein Krankenhaus in der syrischen Stadt Aleppo scharf verurteilt. Es sei unentschuldbar, mit solchen Angriffen Zivilisten ins Visier zu nehmen, hieß es in einer am Donnerstag in New York verbreiteten Erklärung Bans. Die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden. Bei der Attacke auf das Al-Kuds-Krankenhaus waren in der Nacht auf Donnerstag mindestens 20 Menschen getötet worden. Syrische Menschenrechtsgruppen machten Regierungstruppen dafür verantwortlich. Ban klagte, es habe in Syrien unlängst wieder blindwütige Bombardierungen durch Kräfte der Regierung und der Opposition gegeben. Er rief die Konfliktparteien auf, unverzüglich die Feindseligkeiten einzustellen. Der UNO-Generalsekretär forderte dabei insbesondere die USA und Russland auf, ihren Einfluss geltend zu machen und die verfeindeten Parteien zu einem Ende der Gewalt zu bewegen. US-Außenminister John Kerry richtete diese Erwartung vor allem an Russland. Die Truppen der von Russland unterstützten Regierung von Baschar al-Assad griffen offenbar absichtlich medizinische Einrichtungen an, erklärte Kerry in Washington. Die Attacke auf das Krankenhaus in Aleppo sei empörend, kritisierte er. Russland hat eine dringende Verantwortung, Druck auf das Regime auszuüben. Das militärische Vorgehen der Regierungstruppen in Aleppo verstoße gegen die Vereinbarungen des Waffenstillstands. Eigentlich gilt seit Ende Februar eine Feuerpause zwischen Regierungstruppen und Rebellen. Von ihr ausgenommen sind Angriffe auf islamistische Extremisten. Trotz wiederholter Verletzungen hielt die Waffenruhe prinzipiell bislang, doch droht sie nun zu scheitern. Der UN-Sondergesandte Staffan de Mistura forderte in der Nacht auf Donnerstag in Genf, die Waffenruhe dringend wiederzubeleben, bevor im Mai die nächste Runde der Friedensgespräche beginne. 'Jihadisten werden für Anschlag vom Sonntag in Gaziantep und Raketenangriffe verantwortlich gemacht – Erneut Luftangriffe auf Aufständischen-Viertel von Aleppo. Istanbul – Bei Angriffen der türkischen Streitkräfte auf Stellungen der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien sind nach türkischen Angaben mehr als 60 IS-Kämpfer getötet worden. Die Nachrichtenagentur Anadolu meldete am Montag, 34 IS-Kämpfer seien beim Beschuss durch türkische Artillerie und Raketen getötet worden. Die private Agentur DHA ergänzte, Kampfdrohnen hätten weitere 29 Kämpfer getötet. Die Drohnen seien von der türkischen Luftwaffenbasis Incirlik gestartet und hätten Waffendepots des IS in Syrien angegriffen, meldete DHA. Die USA greifen seit dem vergangenen Jahr mit Kampfdrohnen und Flugzeugen von Incirlik aus den IS in Syrien an. Mutmaßliche IS-Anhänger hatten am Sonntag in der türkischen Großstadt Gaziantep in der Nähe der syrischen Grenze bei einem Bombenanschlag zwei Polizisten getötet. Zudem greift der IS seit Jänner die türkische Grenzstadt Kilis immer wieder mit Raketen an 'Trotz Waffenruhe – Brennende Zelte, viele Verletzte, mit einem Steigen der Opferzahl ist zu rechnen. Damaskus – Bei einem Luftangriff auf ein Flüchtlingslager in Syrien sind UN-Angaben zufolge mindestens 30 Menschen getötet worden. Darunter seien auch Frauen und Kinder, teilte die Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Donnerstag mit. Aufgrund der Anzahl von Schwerverletzten werde noch mit weiteren Toten gerechnet. Der Angriff ereignete sich in der Nähe der Stadt Sarmada in der Provinz Idlib an der Grenze zur Türkei. Wer dafür verantwortlich war, war zunächst unklar. Das Lager sei zwei Mal direkt getroffen worden, sagte ein Oppositionsaktivist aus der nahe gelegenen Stadt Atmeh, der mit Personen in der Nähe des betroffenen Lagers in Kontakt stand. Mir wurde gesagt, dass viele Zelte brannten. In dem Lager hatten viele Familien aus den zuletzt heftig umkämpften Gebieten um die Städte Aleppo und Palmyra Zuflucht gesucht. Die Verletzten würden zur Behandlung in die Türkei gebracht. Der Chef der in Aleppo ansässigen und den Rebellen nahestehenden Nachrichtenagentur Shahba, Mamun al-Khatib, machte die syrischen Streitkräfte für die Angriffe verantwortlich. Zwei Kampfjets der Luftwaffe hätten vier Raketen auf das Lager abgefeuert, sagte al-Khatib. Zwei Raketen seien nahe dem Camp eingeschlagen und hätten eine Panik ausgelöst Feuerpause auch in Latakia – Sechs Zivilisten bei Angriff auf IS-Gebiet getötet. Beirut/Aleppo – Die Waffenruhe in der umkämpften syrischen Stadt Aleppo ist nach russischen Angaben um 72 Stunden verlängert worden. Es gehe darum, eine weitere Verschärfung der Situation in dem Bürgerkriegsland nicht zuzulassen, teilte am Freitagabend das Verteidigungsministerium in Moskau mit. Die Frist laufe von diesem Samstag um 00.01 Uhr an, hieß es. Die Feuerpause gilt jedoch nicht für Einsätze gegen den sogenannten Islamischen Staat (IS) und die radikale Al-Nusra-Front, syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida. Wie die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Samstag meldete, sind bei einem Luftangriff auf ein Gebiet unter Kontrolle des IS im Norden Syriens mindestens sechs Zivilisten ums Leben gekommen. Die meisten Opfer bei der Bombardierung nördlich der Stadt Aleppo seien Frauen und Kinder. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte ging davon aus, dass Flugzeuge der US-geführten internationalen Koalition für den Angriff verantwortlich sind. In der zwischen Regime und Rebellen geteilten Stadt Aleppo selbst herrschte am Samstag gespannte Ruhe, wie die Menschenrechtsbeobachter und Einwohner meldeten. Der Aktivist Mahmoud al-Shami berichtete der Deutschen Presse-Agentur, es seien keine Flugzeuge zu hören gewesen. Russland und die USA hatten sich zunächst auf eine erste Feuerpause in Aleppo für 48 Stunden geeinigt. Moskau ist ein enger Partner des Regimes in Damaskus. Dem russischen Verteidigungsministerium zufolge wurde auch eine Waffenruhe in Latakia um 72 Stunden verlängert. Bereits am Vortag sind bei erbitterten Kämpfen um ein strategisch wichtiges Dorf unweit von Aleppo Oppositionsangaben zufolge 73 Menschen getötet worden. Den Aufständischen sei es gelungen, Khan Touman wieder unter ihre Kontrolle zu bringen, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag mit. Die Kämpfer, darunter die mit Al-Kaida verbündete Nusra-Front, hätten ihre Offensive gegen Regierungseinheiten in dem Dorf bereits am Donnerstag eingeleitet. Khan Touman liegt in der Nähe der wichtigen Fernverkehrsstraße zwischen Damaskus und Aleppo. Bisher wurde die Waffenruhe dort weitgehend eingehalten. Ankara – Die türkische Armee hat Militärkreisen zufolge durch Bombardements auf Stellungen der Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS) in Syrien 55 IS-Kämpfer getötet. Diese hätten sich nördlich der syrischen Stadt Aleppo befunden, verlautete am Sonntag aus den Kreisen. Der Angriff sei bereits am Samstagabend erfolgt. Bei den Bombardements seien zudem drei Fahrzeuge und drei Raketenabschussanlagen zerstört worden. Für Aleppo selbst ist eine Feuerpause vereinbart worden, die zuletzt bis Montag verlängert wurde. Bisher wurde die Waffenruhe dort weitgehend eingehalten. Luftangriffe auf Vororte von Aleppo trotz Waffenruhe. Damaskus –Die Uno fordert mehr internationalen Druck auf die Kriegsparteien in Syrien, um sie von Angriffen auf zivile Ziele abzubringen. In jüngster Zeit habe es immer wieder Angriffe mit Kampfflugzeugen, Granaten und Raketen auf Krankenhäuser, Märkte, Bäckereien, Wasserstationen und ein Flüchtlingslager gegeben, beklagte die Kommission zur Untersuchung von Kriegsverbrechen in Syrien am Mittwoch in Genf. Die mangelnde Respektierung des Völkerrechts müsse für die Täter Konsequenzen haben, forderte der Vorsitzende der Kommission, Paulo Pinheiro. Solange die Kultur der Straflosigkeit nicht ausgerottet ist, werden Zivilisten weiterhin zu Zielen und zu Opfern, und sie werden brutal getötet, sagte er. Nach dem Völkerrecht müssten alle Konfliktparteien zwischen legitimen und illegalen Zielen unterscheiden. Dies werde in Syrien aber ignoriert, und einige der jüngsten Angriffe seien Kriegsverbrechen gewesen, heißt es in der Erklärung der Kommission. Mehrere Vororte der syrischen Stadt Aleppo sind am Mittwoch unter Missachtung einer noch geltenden Waffenruhe aus der Luft angegriffen worden. Die syrische Luftwaffe griff vor allem Positionen der Aufständischen im Osten der zweitgrößten Stadt des Landes an, wie Reporter der Nachrichtenagentur AFP berichteten. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete hingegen, in einem von der Regierung kontrollierten Viertel sei durch eine terroristische Gruppierung ein Mensch erschossen worden. Zudem gab es zwei Verletzte. Ende Februar war für Syrien eine Waffenruhe vereinbart worden. In dem seit 2012 zwischen regierungstreuen Einheiten und Aufständischen geteilten Aleppo wurde sie Ende April massiv gebrochen. Seither wurden in der Stadt rund 300 Menschen getötet. Die Waffenruhe gilt allerdings nicht für die beiden radikalen islamistischen Milizen Islamischer Staat und Nusra-Front. Letztere gilt als eine der wichtigsten Stützen der oppositionellen Gruppen in Aleppo. Viele gemäßigtere Rebellengruppen haben sich ihr um Kampf um die Stadt angeschlossen. Ob die Waffenruhe auch für sie gilt, ist umstritten. In der vergangenen Woche wurde dann eine neue Waffenruhe für Aleppo geschlossen, die bis in die Nacht zum Donnerstag gelten sollte. Konvoi wurde die Durchfahrt verwehrt. Beirut – Die notleidende Bevölkerung der syrischen Stadt Daraja muss dem Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) zufolge weiter auf Unterstützung warten. Obwohl ein Hilfskonvoi im Vorfeld sämtliche Genehmigungen erhalten habe, sei ihm die Durchfahrt verwehrt worden, erklärte das IKRK am Donnerstag auf Twitter. Die gemeinsam mit dem syrischen Roten Halbmond und den Vereinten Nationen organisierten Lieferungen wären die ersten gewesen, die die Bewohner von Daraja seit mehr als drei Jahren erreicht hätten. Laut UNO sind in der Stadt am Rande von Damaskus 4.000 Zivilisten eingeschlossen. Wer den Konvoi stoppte, wurde zunächst nicht bekannt. Daraja wird von Rebellen gehalten und von syrischen Regierungstruppen belagert. Außenminister Steinmeier: Organisation wird dringender gebraucht denn je. Berlin – Deutschland hat für das Jahr 2016 den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit (OSZE) in Europa übernommen. Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will die Ukraine-Krise, den Kampf gegen den Terror und den Einsatz für die Menschenrechte zu Schwerpunkten der Arbeit machen. Die OSZE wird in diesen stürmischen Zeiten in Europa dringender gebraucht denn je, sagte der SPD-Politiker kürzlich der Deutschen Presse-Agentur. Es ist in unserem gemeinsamen Interesse, die OSZE als Dialogforum und als Brücke zwischen Ost und West weiter zu festigen. Quasi in letzter Minute verständigten sich die Partnerstaaten am Donnerstag auf den OSZE-Etat für 2016. Dieser beläuft sich auf 141,1 Millionen Euro und bleibt damit auf dem Niveau des Vorjahres. Innerhalb des Budgets gibt es allerdings Umschichtungen. So soll es mehr Geld und Personal für Konfliktfrühwarnung, -management und -verhütung geben. Gestärkt werden auch wichtige Feldmissionen der OSZE. Der Einsatz der OSZE-Beobachter in der Ostukraine wird über einen Sonderetat finanziert, über den noch nicht entschieden ist. Steinmeier wertete die fristgerechte Einigung auf den Gesamtetat als gutes Omen: Dass es uns heute gelungen ist, den Haushalt für das kommende Jahr in trockene Tücher zu bringen, ist auch der Bereitschaft der OSZE-Partner zu verdanken, Kompromisse einzugehen und aufeinander zuzugehen, wenn es darauf ankommt, erklärte er am Donnerstagabend in Berlin. Nun können wir uns unmittelbar mit Beginn unseres OSZE-Vorsitzes mit voller Kraft der Sacharbeit widmen. Der ehemalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) rief die deutsche Regierung dazu auf, die OSZE stärker als bisher zur Lösung der Ukraine-Krise zu nutzen. Im Hinblick auf den Konflikt warnte er in der Welt (Samstag-Ausgabe): Wir stehen mit leeren Händen da. Das politische Klima in Europa wird wieder und immer stärker von den Spuren eines neuen Kalten Krieges vergiftet. Zu den 57 Mitgliedstaaten zählen alle Länder Europas, die USA, Kanada, die Nachfolgestaaten der Sowjetunion und die Mongolei. Vorläufer war die Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die im Kalten Krieg von 1975 an für Entspannung im Ost-West-Konflikt sorgen sollte. In den vergangenen Jahren hat sich die OSZE vor allem durch ihre Beobachtermission in der umkämpften Ostukraine wieder einen Namen gemacht. Der Ukraine-Konflikt ist nach Einschätzung des SPD-Außenpolitikers Gernot Erler eine der größten Herausforderungen für den deutschen OSZE-Vorsitz. Erler sagte dem Südwestrundfunk (SWR) am Donnerstag, die Rolle Russlands in Syrien sei kein Grund, Moskau im Konflikt mit der Ukraine entgegenzukommen. Er ist Sonderbeauftragter der deutschen Regierung für den OSZE-Vorsitz und Russland-Beauftragter. OSZE-Beobachter hatten am Donnerstag beiden Seiten Verstöße gegen die vereinbarte Waffenruhe vorgeworfen. In der Unruheregion sei erneut mit Artillerie geschossen worden, obwohl dieses Kriegsgerät längst von der Frontlinie abgezogen sein müsste, sagte Alexander Hug von der OSZE in Kiew. Sowohl ukrainische Regierungseinheiten als auch prorussische Separatisten hätten die Arbeit der Beobachter behindert. Islamist wollte Vermögen für weltweiten Jihad verwenden – Dokumente bei US-Einsatz in Pakistan sichergestellt. Washington – Die Familie von Al-Kaida-Chef Osama bin Laden sollte seinem Testament zufolge nach seinem Tod den Großteil seines Millionenvermögens für den weltweiten Jihad ausgeben. Das geht aus Unterlagen hervor, die im Jahr 2011 bei dem Einsatz von US-Spezialeinheiten in Pakistan sichergestellt wurden, bei dem Bin Laden erschossen wurde. Aus Geheimdienstkreisen verlautete, wahrscheinlich handle es sich bei den Dokumenten, die der Nachrichtenagentur Reuters und dem Sender ABC am Dienstag exklusiv vorlagen, um das Testament des Extremistenführers. In einem der Papiere, das offensichtlich Ende der 90er Jahre verfasst wurde, wollte Bin Laden regeln, was mit seinen im Sudan deponierten 29 Millionen Dollar (26,64 Mio. Euro) passieren sollte. Demnach waren je ein Prozent für zwei Vertraute vorgesehen. Den Rest sollten seine engen Verwandten für den sogenannten Heiligen Krieg ausgeben – zum Wohle Allahs. Außerdem nannte Bin Laden konkrete Summen, die seiner Familie zugutekommen sollten. Begünstigte waren etwa seine Mutter, einer seiner Söhne, ein Onkel und Tanten. Bin Laden hatte Anfang der 90er Jahre als offizieller Gast im damals islamistisch regierten Sudan gelebt. Im Mai 1996 wurde er von der Regierung in Khartum auf Druck der USA zur Ausreise aufgefordert und ging nach Afghanistan. Nach den Anschlägen vom 11. September 2001 wurde er zum meistgesuchten Extremisten der Welt. Knapp zehn Jahre später spürten ihn US-Ermittler in der pakistanischen Stadt Abbottabad auf. Bei einem Einsatz der Marine-Spezialeinheit Seals wurde er getötet. Aus den sichergestellten Dokumenten geht auch hervor, dass Al-Kaida-Mitglieder zunehmend wegen Spionen in den eigenen Reihen, Drohnen sowie geheimen Peilsendern besorgt waren. So schrieb Bin Laden einem Gehilfen, bei der Zahlung von Lösegeldern schnell den Koffer zu entsorgen. Seine Unterhändler im pakistanischen Peshawar wies er an, das Haus nur an bewölkten Tagen zu verlassen. Damit spielte er offenbar auf Drohnen an, mit denen die USA mutmaßliche Extremisten bekämpfen. Konzernchef Dennis Muilenburg: Projekt liegt im Zeitplan. Chicago (Illinois) – Der Luftfahrt- und Rüstungskonzern Boeing muss bei seinem neuen Tankflugzeug einen teuren Rückschlag hinnehmen. Probleme bei der Entwicklung des Betankungssystems des KC-46 genannten Jets kosten den Airbus-Rivalen unter dem Strich zusätzliche 536 Millionen Dollar (491 Millionen Euro), wie er am Freitag in Chicago mitteilte. Vor Steuern werden sogar 835 Millionen Dollar fällig. Seine Gewinnprognose wird der neue Boeing-Chef Dennis Muilenburg bei der Vorlage der Quartalszahlen am Mittwoch (22. Juli) daher entsprechend anpassen. Den Zeitplan für die Auslieferung der von den USA bestellten 179 Tankflugzeuge will der Manager dennoch einhalten. Die ersten 18 Maschinen sollen weiterhin bis August 2017 fertig werden, die übrigen bis zum Jahr 2027. Boeing hatte die Ausschreibung für den Tankflugzeug-Auftrag im Jahr 2011 in einer umstrittenen dritten Runde für sich entschieden, nachdem zuvor der Airbus-Konzern unter seinem damaligen Namen EADS den Zuschlag erhalten hatte. Mangelhafte Bohrungen zwischen hinterem Rumpf und Leitwerk. Berlin – Das deutsche Verteidigungsministerium hat die Beschaffung von Eurofighter-Kampfjets wegen eines Fertigungsfehlers vorerst gestoppt. Bei der Panne gehe es um mangelhafte Bohrungen zwischen dem hinteren Rumpf und dem Leitwerk, heißt es in einem Schreiben des Ministeriums an die Fachausschüsse des Bundestags. In der Folge dieses Mangels kann eine Schädigung der Struktur des Luftfahrzeuges und der Schraubverbindungen in diesem Bereich im Rahmen der Nutzung nicht ausgeschlossen werden. Der laufende Flugbetrieb werde aber nicht beeinträchtigt. Vier Eurofighter sind derzeit zur Luftraumüberwachung über dem Baltikum in Einsatz. Das Herstellerkonsortium aus dem europäischen Luftfahrtkonzern Airbus, der britischen BAE Systems und der italienischen Alenia Aermacchi hat von 143 bestellten Eurofightern bisher 110 ausgeliefert, die alle von dem Fehler betroffen sind. Die restlichen 33 soll die Bundeswehr bis 2018 erhalten. Die Abnahme weiterer Flieger wurde nun ausgesetzt, um den Fehler und mögliche Gewährleistungsansprüche zu prüfen. Der Eurofighter gehört zu den Rüstungsprojekten, die dem Ministerium in den letzten Jahren die meisten Probleme bereitet haben. Die Produktion liegt inzwischen elf Jahre und vier Monate hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Der Flieger hat sich nach Ministeriumsangaben um 6,9 Milliarden Euro verteuert. Das entspricht einer Kostensteigerung von 39 Prozent. Über den neuen Fehler hatte zuerst die Süddeutsche Zeitung berichtet. Schon im vergangenen Jahr gab es Probleme mit Nietenbohrungen am Rumpf, im Jahr davor gab es eine Panne bei den Schleudersitzen. Die Einsatzbereitschaft der Eurofighter lag vor einem Jahr bei 39 Prozent. Aktuelle Zahlen gibt es zwar nicht. Aus der Luftwaffe heißt es aber, dass es bis heute keine wesentliche Verbesserung gibt, weil die Anlieferung von Ersatzteilen etwa zwei Jahre dauert. Der Eurofighter entwickelt sich zunehmend zum Problembär der Luftwaffe, sagte Grünen-Budgetexperte Tobias Lindner. Im Ergebnis hat die Bundeswehr ein Flugzeug, von dem sie nicht weiß, ob es tatsächlich die Flugstunden leisten können wird, für die es bestellt worden war. Die Bundeswehr sollte von neuen Rüstungsprojekten mit den Herstellern Abstand nehmen, bis Schadensersatzforderung, Liefer- und Leistungspläne geklärt seien. Golfstaat ist am Bürgerkrieg im Jemen beteiligt. Berlin/Doha – Deutschland liefert einem Zeitungsbericht zufolge Kampfpanzer nach Katar. Obwohl das Land im Bürgerkrieg im Jemen engagiert ist, wurden kürzlich vier moderne Leopard-Panzer und drei Panzerhaubitzen verschifft, berichtet die Süddeutsche Zeitung. Die Erlaubnis für das Geschäft habe zwar die schwarz-gelbe Vorgängerregierung erteilt, die tatsächliche Ausfuhr sei aber erst kürzlich auf Referatsleiter-Ebene im Wirtschaftsministerium genehmigt worden. Die Entscheidung könnte den deutschen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel unter Druck bringen. Der SPD-Politiker wollte eigentlich keine Lieferungen von Kampfpanzern mehr in die Golfregion zulassen. Hersteller will noch heuer noch 20 Flugzeuge ausliefern. Paris/Toulouse – Die Behebung der jüngsten Probleme beim Propellergetriebe des Militärtransporters A400M von Airbus kann nach Einschätzung des Firmenchefs des Motorenherstellers Safran Monate in Anspruch nehmen. Dies könne von mehreren Wochen bis zu einigen Monaten dauern, sagte Philippe Petitcolin am Dienstag. Die Schwierigkeiten hätten bisher nicht zu Verzögerungen bei den Auslieferungen geführt. Es handle sich um zwei separate Probleme, die reguläre Inspektionen erforderlich machten. Bei Bedarf müssten Teile ausgetauscht werden. Airbus hatte am Freitag erklärt, die Ursachen und Folgen würden von der Produktionsfirma der Triebwerke, einem italienischen Airbus-Unterauftragnehmer, analysiert. Der Chef der Airbus-Sparte Military Aircraft, Fernando Alsonso, versicherte: Wir bleiben bei dem Ziel, 20 Flugzeuge in diesem Jahr auszuliefern. Der A400M wird von den größten Turboprop-Triebwerken der westlichen Welt angetrieben, die von Rolls Royce, der französischen Safran und der deutschen MTU entwickelt wurden. Der Transporter soll die in den 60er Jahren entwickelte Transall ablösen. Die Auslieferungen hatten sich wegen unterschiedlicher Schwierigkeiten immer wieder verzögert und zu einer Kostenexplosion geführt. Vor knapp einem Jahr war ein A400M in Spanien abgestürzt. 'Aus der ersten Runde der Regionalwahl in Frankreich ging der rechtspopulistische Front National als stärkste Kraft hervor. User haben dazu Fragen gestellt, Stefan Brändle hat geantwortet. Die Stichwahlen am kommenden Sonntag stehen noch aus, dennoch wird in den französischen Medien bereits von einem choc gesprochen: Der rechtsgerichtete Front National von Marine Le Pen hat im ersten Wahlgang 28 Prozent der Stimmen errungen. Die Republikaner unter Ex-Präsident Nicolas Sarkozy kamen auf etwa 26,9 Prozent und die die Sozialisten unter François Hollande gingen mit 23,3 Prozent als Verlierer der Abstimmung hervor. Für die Stichwahl wird entscheidend sein, ob in jenen Regionen, in denen sich die Sozialisten aus dem zweiten Wahlgang zurückgezogen haben, die linken Stimmen auf die Republikaner fallen. Auch das Problem des Front National, Koalitionspartner zu finden, könnte sie am Regieren hindern. User fragen, die Redaktion antwortet Stefan Brändle, Frankreich-Korrespondent des STANDARD, beantwortet hier die Fragen der Userinnen und User zu den Hintergründen und Konsequenzen der Regionalwahlen in Frankreich: Postingname2014 möchte wissen, ob der Front National nun als rechtspopulistische oder rechtsradikale Partei einzuordnen ist: Ich verfolge die französische Politik nicht wirklich im Detail, aber weil im Artikel von einem rechtsradikalen FN geschrieben wird – ist das jetzt eine rechtsradikale oder eine rechtspopulistische Partei? Der Unterschied ist ja nicht ganz unwichtig, da ich radikal eher mit Ablehnung des demokratischen Rechtsstaates und Terror verbinde, während populistisch noch halbwegs vereinbar mit der Demokratie sein kann. Stefan Brändle: Es gibt keine eindeutige Antwort auf diese wichtige Frage. Marine Le Pen hat von allem ein wenig. Radikal ist sie, weil sie mit dem EU-System (Euro) brechen, wenn nicht aufräumen will Firmen wie Mercedes und Debitel ausgespäht. Berlin - In der BND-Affäre erhärtet sich einem Magazinbericht zufolge der Verdacht der Wirtschaftsspionage des US-Geheimdienstes NSA gegen deutsche Firmen in Zusammenarbeit mit dem BND. Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) habe im NSA-Untersuchungsausschuss in geheimer Sitzung eingeräumt, Suchbegriffe mit deutschen Firmennamen zu kennen, berichtete der Spiegel am Freitag im Voraus. Wir haben das mal gefunden, habe der Mann gesagt. Derlei Einträge seien mal aufgetaucht. Dem Bericht zufolge hatten Parlamentarier den Zeugen, der beim BND für die Prüfung und Löschung kritischer Selektoren zuständig gewesen sei, mit einer Liste von Namen aus dem Archiv des Ex-NSA-Mitarbeiters Edward Snowden konfrontiert. Unter den 31 Einträgen fänden sich Firmen wie Mercedes, Deutsche Bank, der Wertpapierdienstleister Clearstream und die Telekommunikationsfirma Debitel. Der Mitarbeiter äußerte sich den Angaben zufolge aber nicht dazu, ob und wie lange die Selektoren aktiv waren und die NSA mithilfe des BND deutsche Ziele ausgespäht hat. Der Spiegel berichtete zudem aus BND-Akten, der deutsche Auslandsgeheimdienst habe seit den 50er-Jahren im Auftrag des Kanzleramts jahrzehntelang bei NATO-Verbündeten spioniert, etwa unter den Kanzlern Konrad Adenauer (CDU) und Helmut Schmidt (SPD). Auch Österreich ist nach Angaben des Grünen Abgeordneten Peter Pilz von der Spionage des BND im Auftrag der National Security Agency (NSA) betroffen. Das Knacken der Daten habe britischen Auslandsgeheimdienst MI6 dazu gezwungen, Agenten aus Einsätzen abzuziehen. London - Russland und China haben sich einem Medienbericht zufolge in den Spionagedaten-Fundus des Informanten Edward Snowden gehackt. Der britische Auslandsgeheimdienst MI6 sei dadurch gezwungen gewesen, Agenten aus Einsätzen in feindlich gesinnten Ländern abzuziehen, berichtete die britische The Sunday Times in der Nacht auf Sonntag. Die Zeitung berief sich auf Quellen im Sitz des Premierministers, im Innenministerium und in Sicherheitsbehörden. Dem Bericht zufolge verschaffte sich etwa Russland Zugang zu mehr als einer Million Geheimdokumenten aus dem Snowden-Fundus. Ein hochrangiger Regierungsvertreter sagte der britischen Rundfunkanstalt BBC, die Agenten seien versetzt worden, weil Russland und China Snowden-Dateien lesen können. Es gebe keine Hinweise darauf, dass einem von ihnen geschadet worden sei. Russlands und Chinas Wissen darüber, wie wir arbeiten, habe verhindert, dass Großbritannien an wichtige Informationen gelange, zitierte die BBC den Regierungsvertreter. Snowden hat eine der größten Geheimdienstaffären der vergangenen Jahren ans Licht gebracht. Der Computerspezialist hatte zunächst für den US-Geheimdienst CIA gearbeitet und war unter anderem in Genf stationiert. Später wechselte er zu der Vertragsfirma Booz Allen Hamilton. Für Booz arbeitete er als externer Mitarbeiter bei der National Security Agency (NSA). Als Systemadministrator hatte er Zugriff auf viele Dokumente - und kopierte tausende Unterlagen. Insgesamt soll er sich 1,7 Millionen Datensätze beschafft haben und diese an Journalisten weitergereicht haben. Seit zwei Jahren werden daraus immer neue Informationen über die weltweiten Überwachungsaktivitäten des Dienstes NSA und seines britischen Verbündeten GCHQ bekannt. Snowden wird von den USA gesucht. Auf seiner Flucht war er in Russland gestrandet und genießt dort Asyl. Der Zeitung New York Times hatte er im Oktober 2013 gesagt, er habe keine geheimen Dokumente mit nach Russland genommen. Er habe im Juni in Hongkong vor der Weiterreise nach Russland alle Unterlagen an Journalisten übergeben. Er habe keine Kopien behalten. Die Wahrscheinlichkeit, dass Russen oder Chinesen irgendwelche Dokumente bekommen haben, liegt bei null Prozent, betonte Snowden in dem Interview. Regierung gestattet nur Sonderermittler Zugang, dagegen protestiert die Opposition. Berlin – Die Abgeordneten des NSA-Untersuchungsausschusses im Deutschen Bundestag bekommen keinen direkten Einblick in die NSA-Spählisten. Nur einem Sonderermittler wird gestattet, jene Begriffe zu sehen, mit denen der US-Geheimdienst von Deutschland aus europäische Regierungen, Behörden und Unternehmen ausspioniert haben soll. Diese Entscheidung hat die deutsche Regierung dem Bundestag nun mitgeteilt und damit große Empörung ausgelöst. Die Begründung der Regierung lautet: Jedes andere Vorgehen würde die USA düpieren. Gemäß einer völkerrechtlichen Vereinbarung darf nämlich Geheimdienstmaterial der Vereinigten Staaten nur mit ausdrücklicher Genehmigung an Personen weitergegeben werden, die nicht Mitglied der Regierung sind. Und die Genehmigung der USA_liegt nicht vor. Konkret stellt sich die Regierung die Vorgehensweise so vor: Der NSA-Ausschuss soll einige honorige Persönlichkeiten – möglichst aus dem Justizbereich (etwa ehemalige Bundesrichter) – vorschlagen. Eine kürt die Regierung dann zum Sonderermittler. Er oder sie darf dann die Listen sehen, muss sich aber genau überlegen, was er den Abgeordneten darüber berichtet. Der Auftrag an diese Vertrauensperson sollte so gestellt sein, dass eine Antwort erfolgen kann, ohne damit konkrete Inhalte der Liste offenzulegen, heißt es im Schreiben der Regierung an das Parlament. Wie das genau funktioniert, ist unklar. Grünen-Abgeordneter Christian Ströbele bezeichnet dieses Vorgehen als dunkle Stunde für das Parlament. Sollte es Schule machen, dass das Bundeskanzleramt bestimmt, wie die Aufklärung gemacht wird, dann können wir unsere Kontrollarbeit nicht leisten. Auch die Linke stellt sich gegen den Beschluss quer. Beide Oppositionsparteien haben bereits angekündigt, die Angelegenheit vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen. "Ausspähen ist nicht zulässig". Paris – Der von dem US-Geheimdienst NSA ausgespähte heutige EU-Währungskommissar Pierre Moscovici hat von den USA Aufklärung verlangt. Ich bin schockiert darüber, ein Ziel gewesen zu sein, sagte Moscovici am Donnerstag vor Journalisten in Brüssel. Und das von dem Geheimdienst eines angeblich befreundeten Landes. Das ist absolut inakzeptabel. Ausspähen ist nicht zulässig. Er habe einen Brief an die amerikanische Botschafterin in Frankreich geschrieben und um Details gebeten, welche Gespräche und Nachrichten seiner Kommunikation betroffen waren und wie lange dies angedauert habe. Nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks hatte der Geheimdienst NSA wichtige Akteure der französischen Wirtschaftspolitik von 2002 bis 2012 abgehört. Zwei damalige Minister waren darunter, auch Moscovici, der seit November 2014 EU-Kommissar ist. Auch gegen drei französische Präsidenten hatte es demnach US-Spähaktionen gegeben. Weißes Haus reagiert auf Online-Petition, mehr als 167.000 Menschen hatten Begnadigung gefordert. Washington – Die US-Regierung hat eine Begnadigung des Geheimdienst-Enthüllers Edward Snowden erneut abgelehnt. Eine von mehr als 167.000 Menschen unterzeichnete Petition, die Gnade für Snowden fordert, beschied das Weiße Haus am Dienstag negativ. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter habe vertrauliche Informationen gestohlen und die Sicherheit der Vereinigten Staaten aufs Spiel gesetzt, schrieb Lisa Monaco, Anti-Terror-Beraterin von Präsident Barack Obama, in ihrer Antwort. Über das Schicksal Snowdens müsse ein Geschworenengericht in den USA entscheiden. Snowden war über das Beratungsunternehmen Booz Allen Hamilton als externer Computerexperte für die NSA tätig gewesen und konnte sich so vertrauliche Informationen über die Spähprogramme von den Servern des US-Geheimdienstes herunterladen. Ende Mai 2013 setzte er sich nach Hongkong ab, wo er die Unterlagen dann Anfang Juni 2013 den Medien zuspielte. Die Enthüllungen brachten einen massiven Überwachungsapparat ans Licht: Die NSA späht demnach nicht nur im großen Stil die Telefon- und Internetkommunikation von Menschen in aller Welt aus, sondern nahm über mehrere Jahre auch Spitzenpolitiker befreundeter Staaten, wie die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel, ins Visier. Snowden hält sich an einem geheimen Ort in Russland auf, das ihm politisches Asyl gewährt hat. Die US-Justiz sucht den 32-Jährigen mit einem internationalen Haftbefehl und wirft ihm unter anderem Spionage vor. Snowden läuft vor den Folgen seines Handelns davon und versteckt sich mit dem Schutz eines autoritären Regimes, erklärte Monaco. In der auf der Website des Weißen Hauses gestarteten Petition wurde Snowden dagegen als Nationalheld bezeichnet, den Obama umgehend begnadigen sollte. Ruf nach Reform des deutschen Auslandsgeheimdienstes. Berlin – Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht! Ihren zum geflügelten Wort gewordenen Satz aus dem Jahr 2013 würde die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel heute so wohl nicht wiederholen – oder zumindest adaptieren. Denn Ausspähen unter Freunden, das ist offenbar auch in Deutschland möglich. Mehrere deutsche Medien berichten, der BND habe in anderen EU-Staaten nicht nur auf Bitten der NSA gespäht, sondern auch mit eigenen Spähbegriffen. Der Vorgang war am Mittwochabend im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKG), das über die Aufsicht der Geheimdienste zuständig ist, Thema. An der Sitzung nahm auch BND-Chef Gerhard Schindler teil, der vor einigen Monaten schon wegen der Hilfsdienste für die USA schwer unter Druck geraten war. Der Sender RBB Inforadio berichtete, der BND habe möglicherweise bis zum Herbst 2013 unzulässige Suchbegriffe verwendet. Nach Informationen von Spiegel Online soll der BND Botschaften sowie andere Behörden von EU-Ländern und weiteren Partnerstaaten ausgespäht haben. Darunter seien auch französische und US-amerikanische Ziele gewesen. Die Frage, die im Raum steht, ist, ob die verwendeten Suchbegriffe auch vom Auftragsprofil des BND gedeckt waren, sagt der stellvertretende Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Clemens Binninger (CDU). Zum Auftragsprofil des BND gehört zwar ein Land wie Afghanistan, EU-Länder und die USA aber zählen nicht dazu. Die Abgeordneten wollen nun eine Taskforce einsetzen. Diese soll Mitarbeiter in Pullach und Berlin befragen, Akten durchforsten und sich die Selektoren vorlegen lassen. So soll klar werden, wer entschieden hat, welche Suchbegriffe zu verwenden. Der deutsche Justizminister Heiko Maas (SPD) fordert strengere Regeln bei der Fernmeldeaufklärung und erklärt in der Rheinischen Post: Wir müssen sicherstellen, dass diese Regeln auch durchgesetzt werden. Das Parlament müsse mehr Befugnisse und die ausreichenden Mittel für die Kontrolle des BND erhalten. Rechtsstaat und Grundrechte enden nicht an Deutschlands Grenzen, so Maas. Der Grünen-Geheimdienstexperte Hans-Christian Ströbele kritisiert, dass das Kanzleramt den BND nicht im Griff habe. Zu Merkels Satz vom Ausspähen sagte er: Während sie diesen Satz gesagt hat, müssen sich die Damen und Herren beim BND ja auf die Schenkel geklopft und gefragt haben: Was erzählt die denn da? (bau, 15.10.2015) Der Herr der Schlapphüte hat kaum noch "Fun". Die Bösen, das sind die von der NSA. Der Bundesnachrichtendienst (BND) hingegen hat nur irgendwie ein bisserl mitgemacht – diese Geschichte möchten die deutsche Regierung und der BND gerne glauben machen. Doch nun wurde bekannt, dass auch der BND selbst beim Ausspionieren von Freunden nicht zimperlich war. Damit rückt wieder Gerhard Schindler in den Blickpunkt. Erstens natürlich, weil der 63-Jährige der Chef des BND ist, zweitens, weil er ja die Behörde nach außen vertritt, wohingegen seine 6.500 Mitarbeiter im Verborgenen arbeiten. Seit 1. Jänner 2012 ist Schindler im Amt, und bei Dienstantritt galt er vielen in Union und SPD dank seiner Ausbildung und vorheriger Jobs als gute Besetzung für den Job. Er stammt aus Rheinland-Pfalz, absolvierte bei der Bundeswehr die Ausbildung zum Fallschirmjäger und studierte Jus in Saarbrücken. Bundesgrenzschutz, Bundesamt für Verfassungsschutz, Bundesinnenministerium – Schindler hatte alle relevanten Stationen durch, als er zum BND kam. Er ist Experte für IT-Sicherheit und Computerkriminalität und begründet das so: Der Terrorist hat heute keine AK-47 im Arm, er hat einen Laptop auf dem Schoß. Im April 2012, drei Monate nach Dienstantritt im BND-Chefzimmer, gab Schindler dem Focus ein Interview, das in Berlin für Irritationen sorgte. Er wolle die operativen Fähigkeiten der deutschen Auslandsspionage verbessern, sagte er. Dafür müssten eben auch gut kalkulierte Risiken häufiger eingegangen werden. Sein Fazit: Auch hier gilt: No risk, no fun. Seit geraumer Zeit jedoch hat Schindler kaum noch Fun. Im Frühjahr flog auf, dass der BND der NSA beim Ausspähen von europäischen Behörden und Regierungen geholfen hat. Der Chef versprach im NSA-Untersuchungsausschuss bessere Kontrolle, warnte aber auch: Wir sind abhängig von der NSA, nicht umgekehrt. Die NSA ist Partner, nicht Gegner. Nun könnte es noch einsamer werden um Schindler. Politisch hat er ohnehin kaum Rückhalt, denn er ist ein altgedientes FDP-Mitglied, und Liberale mit Einfluss sind in Berlin ja seit dem Wahldebakel 2013 Mangelware. Als die FDP noch in Regierung und Bundestag saß, waren auch viele Liberale mit dem Falken Schindler nicht einverstanden. Zum Ärger der damaligen Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) forderte er nämlich mehr Befugnisse für Geheimdienste. Generalversammlung verabschiedete entsprechende Resolution. New York – Die Wahl des nächsten Generalsekretärs der Vereinten Nationen soll offener und transparenter werden. Künftig sollen beispielsweise alle UNO-Mitgliedsstaaten nach Kandidaten für den Posten gefragt werden, heißt es in einer am Freitag in New York verabschiedeten Resolution der Generalversammlung. Bisher haben die fünf ständigen Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats – China, Frankreich, Großbritannien, Russland und die Vereinigten Staaten – einen Kandidaten ausgesucht, der dann von der Generalversammlung bestätigt wurde. Ausdrücklich erwünscht seien auch weibliche Bewerber für den seit Gründung der UNO vor 70 Jahren ausschließlich mit Männern besetzten Posten, hieß es weiter. Die Kampagne 1 für 7 Milliarden begrüßte die Neustrukturierung als wichtige Abkehr von einem geheimen und nicht mehr zeitgemäßen Prozess. Nicht in der Resolution enthalten ist der Vorschlag, dass der Generalsekretär nur eine Amtszeit an der Spitze der Vereinten Nationen stehen darf. Das hatte die Kampagne vorgeschlagen, um Wahlkampfversprechen des Amtsinhabers für eine zweite Amtszeit zu verhindern. Amtsinhaber ist derzeit der Südkoreaner Ban Ki-moon. Streitpunkt ist die künftige Rolle des syrischen Staatschefs Assad – Die USA sehen Assad als Ursache der Krise – Für Russland ist Assad aber Teil der Lösung. New York – Der russische Präsident Wladimir Putin und sein US-Kollege Barack Obama haben bei ihrem ersten Vier-Augen-Gespräch seit rund zwei Jahren kaum Annäherung in der Syrien-Frage erzielt. Die beiden Staatschefs stimmten bei ihrem eineinhalbstündigen Gespräch am Rande der UN-Vollversammlung in New York zwar darin überein, dass dringend eine politische Lösung zur Beendigung des Bürgerkriegs gefunden werden müsse. Strittig blieb aber die künftige Rolle von Machthaber Bashar al-Assad. In US-Regierungskreisen hieß es, Obama und Putin hätten allerdings Gespräche zwischen ihren Streitkräften vereinbart, um Konflikten der jeweiligen Militäroperationen in Syrien vorzubeugen. Russland hat seine militärische Präsenz dort zuletzt erhöht, die USA fliegen gemeinsam mit Frankreich und anderen Verbündeten Luftangriffe gegen die Extremistenmiliz Islamischer Staat (IS). Putin bezeichnete das Treffen als sehr nützlich und offen. Russland sei bereit, die Beziehungen zu den USA zu verbessern. Im Umfeld von Obama war von einem sachlichen Gespräch die Rede. Bei einem vorherigen Mittagessen mit anderen Staats- und Regierungschefs war der Kontakt zwischen beiden eher frostig. Sie stießen mit einem Glas an, Putin lächelte gezwungen, während Obama keine Miene verzog. Nach dem Gespräch mit Obama sagte Putin, er schließe eine Beteiligung bei einer UN-Militäroperation gegen den IS in Syrien nicht aus. Allerdings werde sein Land keine Bodentruppen entsenden. Er erwäge derzeit, was Russland tun könne, um die syrische Regierung und kurdische Rebellen im Kampf gegen den IS zu unterstützen. Mit Blick auf Assad ergänzte er, das syrische Volk müsse über sein Schicksal entscheiden, nicht Obama oder der französische Präsident François Hollande. Der Westen fordert eine Ablösung des Machthabers. Russland will die syrische Führung hingegen in die Bemühungen um eine Beendigung des Konflikts einbeziehen. Putin und Obama sprachen US-Regierungskreisen zufolge auch über die Ukraine. Obama habe seine Besorgnis über mangelnde Fortschritte bei der Umsetzung des Minsker Abkommens zum Ausdruck gebracht. Zudem habe er die Pläne der prorussischen Separatisten zur Abhaltung von Wahlen in der Ostukraine kritisiert. Hochrangiger Ex-Diplomat Ashe soll Bestechungsgelder angenommen haben – Ban Ki-moon "schockiert". New York – Korruptionsskandal um einen früheren hochrangigen Diplomaten der Vereinten Nationen: John Ashe, bis 2014 Vorsitzender der UN-Vollversammlung und Botschafter des Karibikstaates Antigua und Barbuda, soll mehr als eine Million Dollar Bestechungsgelder angenommen haben. Der 61-Jährige sei am Dienstag in der Nähe von New York festgenommen worden, teilte die New Yorker Staatsanwaltschaft mit. Fünf andere in den Skandal verwickelte Männer wurden ebenfalls festgenommen. Ashe soll das Geld von einem chinesischen Milliardär bekommen haben. Im Gegenzug soll er sich unter anderem bereiterklärt haben, sich bei den UN für die Eröffnung eines Konferenzzentrums in der chinesischen Sonderverwaltungszone Macau einzusetzen. Außerdem soll Ashe Steuern hinterzogen haben. Ihm droht eine Gefängnisstrafe. Wenn die Anschuldigungen sich als wahr erweisen, zeigt es sich, dass das Krebsgeschwür der Korruption, das zu viele lokale und staatliche Regierungen befallen hat, auch die Vereinten Nationen infiziert hat, sagte Staatsanwalt Preet Bharara. Für Rolex-Uhren, Maßanzüge und einen privaten Basketballplatz hat John Ashe sich und seine Institution verkauft. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zeigte sich schockiert. Terrorfinanzierung soll als schweres Verbrechen geahndet werden. New York – Mit einer einstimmig verabschiedeten Resolution hat der UN-Sicherheitsrat die Finanzierung der Jihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) ins Visier genommen. Erstmals tagte der Sicherheitsrat am Donnerstag auf Finanzminister-Ebene, um den gemeinsam von den USA und Russland ausgearbeiteten Resolutionsentwurf zu verabschieden. Darin werden Staaten weltweit aufgefordert, gegen die wichtigsten Finazierungsquellen des IS wie Ölschmuggel und illegalen Handel mit antiken Kulturgütern vorzugehen. Geldgeber der Jihadistenmiliz sollen aktiver bestraft werden. Die Mitgliedsstaaten werden aufgefordert, Terrorfinanzierung in ihrer nationalen Gesetzgebung als schweres Verbrechen einzustufen, selbst wenn sie nicht mit einem konkreten Terrorakt in Zusammenhang steht. Zudem sollen die Staaten den Informationsaustausch auf dem Gebiet verstärken. US-Finanzminister Jacob Lew sprach von einem wichtigen Schritt. Wichtig sei es nun, den Beschluss streng umzusetzen. Dazu sei auch eine enge Zusammenarbeit mit dem Privatsektor notwendig. Politische Situation in Europa, die Migrationskrise, die EU-Reformen sowie Fragen ihres Ressorts verpflichten sie zur "vollen Aufmerksamkeit". Sofia – Die Vizepräsidentin der EU-Kommission aus Bulgarien, Kristalina Georgiewa, hat auf eine Kandidatur ihres Landes für den UN-Vorsitz verzichtet. Die politische Situation in Europa, die Migrationskrise, die EU-Reformen sowie Fragen ihres Ressorts verpflichteten sie zur vollen Aufmerksamkeit, sagte Georgiewa in einem Telefongespräch mit Premier Boiko Borissow nach Regierungsangaben vom Montag. Georgiewas Verzicht erleichtert nun die Entscheidung der Mitte-Rechts-Regierung in Sofia, über den Kandidaten des südosteuropäischen EU-Landes für den Vorsitz der Weltorganisation zu entscheiden. Die für Haushalt und Personal zuständige 62-jährige Vizechefin der EU-Kommission war neben UNESCO-Generalsekretärin Irina Bokowa (63) für diesen Posten ins Gespräch gekommen. Bokowa, frühere sozialistische Vize-Außenministerin Bulgariens und ehemalige Botschafterin ihres Landes in Paris, hatte Anfang Februar bekräftigt, sie strebe die Nachfolge von Ban Ki-moon an. Seine Amtszeit läuft Ende 2016 ab. Russischer Außenminister glaubt, dass Terrorgruppen Zugang zur Herstellung bekommen könnten. Genf – Russland hat vor einer wachsenden Gefahr von Chemiewaffen in den Händen von Extremistenorganisationen wie dem Islamischen Staat (IS) gewarnt. Es gebe Berichte, dass Terrorgruppen Zugang zu wissenschaftlichen und technischen Unterlagen zur Herstellung solcher Waffen erlangten, sagte Außenminister Sergej Lawrow am Dienstag bei einer UN-Konferenz in Genf. Außerdem eroberten sie Chemieanlagen und nutzten die Kenntnisse ausländischer Experten, um Kampfstoffe herzustellen. Lawrow forderte Verhandlungen über einen internationalen Pakt, um diese Entwicklung zu stoppen. US-Informationen zufolge sollen IS-Kämpfer im vergangenen Jahr in Syrien und im Irak Senfgas eingesetzt haben. Nach einem Bericht der Organisation für das Verbot chemischer Waffen waren im August nördlich der syrischen Stadt Aleppo mindestens zwei Menschen Senfgas ausgesetzt. Die Gefahr nehme zu, dass ähnliche Verbrechen auch in Libyen und im Jemen verübt würden, sagte Lawrow. Ban "beunruhigt" über wachsende Fremdenfeindlichkeit in Österreich, aber Lob für Ankündigung höherer Entwicklungshilfe. Wien – UN-Generalsekretär Ban Ki-moon hat bei der ersten Rede eines ausländischen Staatsgastes in einer Nationalratssitzung vor der zunehmend restriktiven Einwanderungs- und Flüchtlingspolitik in Europa gewarnt. Solche Konzepte und Maßnahmen senden eine sehr negative Botschaft bezüglich Verpflichtungen der Staaten nach dem humanitären Völkerrecht und dem europäischen Recht aus, so Ban am Donnerstag. Ban lobte die großen Anstrengungen der österreichischen Bevölkerung und der Regierung in der Flüchtlingskrise. Jedoch bin ich über die Fremdenfeindlichkeit, die inner- und außerhalb Österreichs zunimmt, höchst beunruhigt, sagte er in seiner Rede vor den Abgeordneten, Regierungsmitgliedern und Bundespräsident Heinz Fischer. Spaltung und Marginalisierung verletzen Menschen und untergraben die Sicherheit, betonte der UN-Chef. Lob für Diskussion Er begrüßte die offene Diskussion über die Integration der Neuankömmlinge, erklärte Ban. Diese Menschen sind tapfer, widerstandsfähig und vorausschauend, sagte Ban. Die Fremden brächten benötigte Fähigkeiten und Energien in ihre neue Gesellschaft ein. Wenn ihre Ankunft gut gesteuert werde, sei sie ein Gewinn für alle. Lob gab es vom UN-Generalsekretär für die Ankündigung der österreichischen Regierung zur Erhöhung der Entwicklungshilfe. Dies sei ein ermutigendes Zeichen. Er vertraue nun darauf, dass Österreich einen nationalen Plan zur Erfüllung der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, kurz SDGs) der Uno vorlege. Der Rede Bans lauschten auch die Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer und Alexander Van der Bellen, letzterer von der Zuschauergalerie. In seiner Rede sprach der UN-Generalsekretär auch über seine Liebe zu Österreich, wo er in den 1990er-Jahren südkoreanischer Botschafter war. In meinem Herzen wird Wien immer einen besonderen Platz einnehmen, sagte Ban. Auch streute der Chefdiplomat seinem Ratgeber und wunderbaren Freund Heinz Fischer Rosen. Es ist mir ein große Ehre, als erster internationaler Gast eine Ansprache in diesem Parlament halten zu dürfen, sagte der Generalsekretär zu Beginn seiner Rede auf Deutsch. Das Rederecht für herausragende Persönlichkeiten der internationalen und europäischen Politik im Nationalratsplenum war erst zuletzt eingeführt worden. Als Redner vor einer regulären Parlamentssitzung war aber bereits Bans Vorgänger Boutros Boutros-Ghali 1993 eingeladen. Nach den Ausführungen des UN-Chefs nahmen die Klubchefs der Parlamentsparteien Stellung. FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache betonte dabei, Österreich können nicht Konflikte und Völkerwanderungswellen aus aller Welt – von Afrika oder aus dem Nahen Osten – bewältigen. Es müssten die Ursachen vor Ort in Angriff genommen und lokal Hilfe geleistet werden. Neos-Chef Matthias Strolz verglich in einer launigen Wortmeldung die Weltlage mit der Rocky Horror Picture Show und fragte ins Plenum: Können wir etwas tun, wenn sich die Menschen schlagen, hauen, morden? (APA, 28.4.2016) Deutscher Maler und der estnischer Komponist präsentieren ihre von hans Ulrich Obrist mitinitiierte Arbeit beim Kunstfestival in Manchester. Manchester – Zwei Giganten der Gegenwartskunst – der deutsche Maler Gerhard Richter und der estnische Komponist Arvo Pärt – haben ein bemerkenswertes Gemeinschaftsprojekt vorgestellt. Beim Internationalen Kunstfestival in Manchester (MIF) werden bis zum 19. Juli Kunstwerke und eine Komposition präsentiert, die sich Richter (83) und Pärt (79) gegenseitig gewidmet haben. Die beiden trafen 2013 erstmals zusammen. Richter, der nach eigenen Angaben Pärts Musik hypnotisch findet, widmete dem Komponisten eine Fotoversion seiner neuen Gemäldeserie Birkenau und sein Werk Doppelgrau (2014). Der Musiker komponierte im Gegenzug den Chorgesang Drei Hirtenkinder aus Ftima. In der Kunsthalle The Whitworth in Manchester wird zu den Werken Richters täglich wiederholt der elegische Chorgesang Aus dem Mund der Kinder und Säuglinge schaffst du dir Lob vorgetragen. In der Ausstellung würden Malerei und Musik von zwei der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts permanent vereint, sagte Hans Ulrich Obrist, Direktor der Londoner Serpentine-Galerie und Ko-Initiator des Projekts. Der deutsche Kulturtheoretiker und Musikjournalist referiert in Salzburg. Von Max Horkheimer und Theodor W. Adorno stammt der Begriff der Kulturindustrie, den die beiden Philosophen zur kritischen Analyse moderner Massenkultur und Massenkommunikation vorgeschlagen haben. Gemeint ist damit ein Massenbetrug, denn die Theorie der Kulturindustrie begreift Massenmedien als Instrumente der Manipulation. Der deutsche Kulturtheoretiker, Kunstwissenschafter und Musikjournalist Diedrich Diederichsen schlägt in einer dreiteiligen Vortragsreihe, die am Dienstag im Salzburger Kunstverein startet, ein Überdenken dieses klassischen Kulturindustriebegriffs vor. Die Person als Special Effect lautet der Titel der Referate. Der langjährige Sounds-Redakteur und Spex -Herausgeber geht von folgenden Prämissen aus: Die wichtigsten künstlerischen Formate der Gegenwart sind in den 1960ern entstanden: Performance, Konzeptkunst, Installation und Aktionismus, aber auch Direct Cinema, Heavy Rock, Psychedelik und Minimal Music stammen aus dieser Dekade. Seitdem werde in den neuen künstlerischen und populärkulturellen Entwicklungen versucht, die Effekte technischer Medien wie die Indexikalität von Fotografie und Phonographie live (oder händisch) umzusetzen. Unter Indexikalität versteht man in der Semiotik den besonderen Bezug fotografischer und filmischer Bilder zur Wirklichkeit – also den kausalen Zusammenhang zwischen Zeichen und Objekt. Während dies im frühen 20. Jahrhundert bei Slapstick oder Surrealismus realisiert worden sei, gehöre das nun zum Alltag von Popmusik oder Cinéma vérité. Diese Künste arbeiten entweder bei aufgezeichneten Studiowerken mit der Gestaltung von Authentizität – oder sie konstruieren eine neue Liveness bei Performance, Straßentheater und anderen partizipativen Formen. Die neuen Paradigmen erfordern jedenfalls laut Diederichsen eine Neuinterpretation des Kulturindustriebegriffs. Wegen der technischen Veränderungen müssten verschiedene Entwicklungsstadien dieser ideologischen Maschine unterschieden werden. Die singuläre, lebendige Person – von Warhols Screen Tests bis zu den Youtube-Stars von heute – wird immer entscheidender. Das, wofür sie steht, immer unwichtiger. (dog, 20.7.2015) Das Festival bespielt bis Samstag leerstehende Räume in Eisenerz und thematisiert regionale Entwicklungsmöglichkeiten. Meistens ist es recht ruhig in Eisenerz. Seit Jahrzehnten kämpft die einst stolze steirische Bergbaustadt mit Abwanderung, Leerstand und Überalterung. Wenn aber 800 vorwiegend junge Menschen die leerstehenden Arbeiterwohnungen im Münichtal am Eisenerzer Stadtrand beziehen, dann ist für ein paar Tage etwas los. Dann ist Rostfest. Zuerst waren wir skeptisch, sagt eine der wenigen Anrainerinnen aus der Siedlung über ihre temporären Nachbarn. Aber so sind die Eisenerzer: gegenüber Neuem zuerst immer negativ. Dabei gibt es überhaupt keine Probleme, das sind alles so brave, freundliche junge Leute. Mittlerweile hat sich das Rostfest bei der ansässigen Bevölkerung einen guten Ruf erarbeitet. Das dreitägige Festival für regionale Impulse findet zum vierten Mal statt und bespielt die Stadt mit Konzerten, Ausstellungen, Performances, Lesungen und vielen weiteren Programmpunkten, die sich mit der Region und ihren Herausforderungen beschäftigen. Häkeln für den guten Zweck, ein künstlerischer Rundgang am Erzberg und ein Tanzkränzchen mit Oldies, Schlagern und Discokugel gehören genauso dazu wie Diskussionsrunden, die Open-Air-Bühne auf dem Bergmannplatz und spätabendliche Clubabende. Wir bespielen vor allem leerstehende Räume und wollen gemeinsam mit der Bevölkerung Projekte umsetzen und die Einwohner mit Gästen von außen vernetzen., sagt Elisa Rosegger-Purkrabek vom Rostfest-Organisationsteam. Um möglichst viele Leute nach Eisenerz zu locken, findet das Festival bei freiem Eintritt statt. Die Besucher – im vergangenen Jahr waren es etwa 5000 – können aber Rostanteile erwerben und die Veranstaltung so unterstützen. Das Rostfest ist kein Festival, das Publikum mit bekannten Bands, viel Spektakel und Massenerlebnis anzieht. Es ist so etwas wie ein Gegenentwurf zum zeitgleich stattfindenden Frequency-Festival in St. Pölten. Die meisten Besucher kommen wegen der entspannten Atmosphäre nach Eisenerz, wegen der Nähe zu den Einheimischen und dem Urban Camping, dem Campen in leerstehenden Wohnungen. Sechs bis zehn Personen können gemeinsam eine Wohnung mieten, kleinere Gruppen oder Einzelpersonen teilen sich ihre Unterkunft mit anderen. Nebenan wohnen vielleicht andere Festivalbesucher, vielleicht auch eine Eisenerzer Familie, die seit 30 Jahren in der Siedlung lebt. Letztes Jahr hat eine Frau aus der Siedlung mit einem Kinderwagen kleine Schnapsflaschen an die Camper verteilt, erinnert sich Festivalbesucher Georg Plank, der zu seinem zweiten Rostfest drei Tage lang zu Fuß gepilgert ist. Alfred Haider ist ein Eisenerzer Urgestein, hat 40 Jahre am Erzberg gearbeitet und schenkt im Vereinslokal des Eisschützenvereins Leopoldstein aus, das direkt neben dem Urban-Camping-Areal liegt. Die letzten zehn Jahre waren traurige Jahre hier in Eisenerz, es hat sich nicht mehr viel getan, sagt er. Durch das Rostfest ist wieder ein bisschen Leben in die Gegend gekommen. Es tut sich wieder was, überall ist was los, das ist wie bei einem Ameisenhaufen. Wunderschön! Samstag ist der letzte Tag des diesjährigen Rostfests, dann wird es wieder ruhig in Eisenerz. (Video: Sarah Brugner & Michael Luger, 21.8.2015) Politikwissenschafter Thomas Schmidinger fasst die Ereignisse sowie die momentane Lage der vertriebenen Volksgruppen zusammen. 1915 begann mit der Verhaftung und Ermordung armenischer Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens in Konstantinopel die systematische Vertreibung und Vernichtung von Armeniern und Assyrern durch die damalige jungtürkische Regierung des Osmanischen Reichs. Zentraler Bestandteil dieser Auslöschungspolitik waren Deportationen, etwa eineinhalb Millionen Menschen wurden ermordet. Bis heute weigert sich die Regierung in Ankara, von Völkermord zu sprechen. Eine gemeinsame Erklärung der Clubobleute aller österreichischen Parlamentsparteien, in der das Geschehene als Genozid anerkannt wird, hat 2015 zu Verstimmungen mit der Türkei geführt. Türkische Verbände organisierten daraufhin in Wien eine Großdemonstration gegen die Resolution, in Dornbirn marschierten gar die rechtsextremen Grauen Wölfe auf, um gegen einen Gedenkgottesdienst in einer Kirche zu protestieren. Die Nachkommen der Überlebenden der Massaker von 1915 fanden teilweise in Syrien und im Irak eine neue Heimat, wo sie in letzter Zeit aber erneut Vertreibungen ausgesetzt sind. Politikwissenschafter Thomas Schmidinger hat die verbliebenen armenischen und assyrischen Gemeinden im Irak, in Syrien und in der Türkei besucht. Am Dienstag fasst er im Vortrag Neue Spielräume – 100 Jahre Leugnung und Verdrängung die Ereignisse sowie die momentane Lage der Volksgruppen in den drei Ländern zusammen. Im Anschluss Diskussion. 'Ist es für uns aufgeklärte Menschen heutzutage noch möglich, unbeschwert glücklich zu sein? Trotz des Zustandes unserer Welt? Und wenn ja, sind wir dann nicht ignorante Egoisten?. Für den englischen Philosophen John Stuart Mill war die Sache eindeutig: Es ist besser, ein unglücklicher Mensch zu sein als ein glückliches Schwein. Besser, ein unzufriedener Sokrates als ein zufriedener Narr. Verdammt, denken nun nicht wenige von uns, gerne hätten wir doch von beiden etwas: sokratische Schläue und närrische Glückseligkeit. Das ergäbe ein rares Amalgam. Dem Hörensagen nach entsteht es bei Erleuchtung, alle heiligen Zeiten einmal. Nachgewiesenermaßen und wiederholt hingegen dank Literatur. König Lears weiser Hofnarr etwa, der erkannte irgendwann, vermutlich als er noch nicht Hofnarr, sondern ausschließlich sokratisch klug war, dass der Welt mit Ernsthaftigkeit nicht beizukommen ist "Absurde Regie ist eine Beleidigung für die Oper", so der Dirigent. Rom – Der italienische Dirigent Riccardo Muti übt erneut scharfe Kritik an Opernregisseuren wegen ihrer oft zu radikalen Inszenierungen. Giorgio Strehler war nicht nur ein großartiger Theatermensch, er kannte auch die Musik gut. Seine Regie war nicht wie die abscheulichen Inszenierungen, die man heute sieht und von einigen auch gelobt werden. Zum Glück bin ich kein Kritiker, kommentierte Muti. Muti kritisierte etwa den russischen Regisseur Dmitri Tcherniakov für seine als Saisonpremiere 2013 inszenierte Traviata. Seine Regie habe ich als Affront gegenüber Verdi und Italien empfunden. Ich bin kein Konservativer. Doch wenn die Regie absurd ist, beleidigt sie die Oper mit Blödsinn, der am nächsten Tag, vor allem in Deutschland, in die Presse kommt, kritisierte Muti. Das Thema Opernregie sorgt derzeit in Italien für Diskussionen. Der britische Regisseur Graham Vick wurde von Scala-Intendant Alexander Pereira für die Produktion von Giacomo Puccinis La fanciulla del West durch den Kanadier Robert Carsen ersetzt. Vick war mit Scala-Musikdirektor Riccardo Chailly in Konflikt geraten ist, weil der Regisseur die Puccini-Oper in einer Schwulenbar inszenieren wollte. Chailly hatte auch mit dem Regieduo Moshe Leiser und Patrice Caurier gestritten, weil er sich gegen sexuell explizite Szenen hartnäckig gewehrt hatte, auf die die Regisseure bei der Saisonpremiere mit Verdis Giovanna d ´Arco gedrängt hatten. Schauspieler will Kampfsportschule in Belgrad eröffnen. Belgrad – US-Actionheld Steven Seagal hat nach Medienberichten die serbische Staatsbürgerschaft erhalten. Der 63-jährige Star aus Filmen wie Alarmstufe: Rot habe den serbischen Pass, berichtete das serbische Staatsfernsehen am Montag. Ende 2015 war Seagal zweimal zu Besuch in Belgrad und hatte unter anderen Präsident Tomislav Nikolic und Regierungschef Aleksandar Vucic getroffen. Bei den Gesprächen erklärte der Schauspieler, er wolle alles tun, um in der Welt für Serbien zu werben. Zugleich äußerte er den Wunsch, eine Aikido-Schule in der serbischen Hauptstadt zu eröffnen. In der Silvesternacht war der leidenschaftliche Gitarrist bei einem Freiluftkonzert in Belgrad auf die Bühne gestiegen. Seagal ist auch mit Russlands Staatschef Wladimir Putin befreundet. In der Vergangenheit engagierte sich der Kampfsportler, der lange in Japan lebte, für Sportangebote für russische Schulkinder. Er schloss nicht aus, auch die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen. Der Nationalismus in Russland nehme ständig zu. Köln/Moskau – Die weißrussische Literaturnobelpreisträgerin Swetlana Alexijewitsch hat sich pessimistisch über die künftige Entwicklung Russlands geäußert. Man hat manchmal das Gefühl, dass nach Putin hinter seinem Rücken noch viel härtere Menschen zum Vorschein kommen, sagte die Schriftstellerin am Sonntagabend bei einer Lesung in Köln. Man soll ja eigentlich an den Menschen glauben, aber mir ist dieser Glaube irgendwie abhanden gekommen. Der Nationalismus in Russland nehme ständig zu, dazu komme ein Gerede vom Dritten Weltkrieg. Ich glaube, wir stehen am Anfang eines Kalten Krieges, sagte die 67-Jährige. Künstler wie sie hätten sich seit Beginn der Perestroika unter Gorbatschow 20 Jahre lang eingeredet, dass nun die Entwicklung zur Demokratie eingesetzt habe und unumkehrbar sei. Doch diese Entwicklung sei immer nur von einer kleinen Gruppe an der Spitze vorangetrieben worden, nicht vom Volk. Das Volk habe 20 Jahre lang geschwiegen und erst wieder reagiert, als Putin die alten Parolen propagiert habe: Wir brauchen das große Russland und Wir sind von Feinden umzingelt. Die Künstler in Weißrussland und Russland seien es gewohnt, in Konflikt mit Politikern wie dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko und Putin zu stehen. Aber in Konflikt mit dem Volk zu stehen, das ist etwas anderes. Verhängnisvoll sei die Rolle der Kirche, die mit christlichen Werten nichts zu tun habe: Das ist eine Kirche, die ein Teil der Macht ist. Alexijewitsch, die im vergangenen Jahr mit dem Nobelpreis ausgezeichnet wurde, spürt in Büchern wie Secondhand-Zeit den bitteren Folgen der Sowjetherrschaft nach. 2013 hatte sie den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels erhalten. "La Rondine" in der Regie von Rolando Villazon auf dem Spielplan, Musical "Chess" und Operette "Die Zirkusprinzessin". Graz – Mit Wagners Tristan und Isolde startet die Grazer Oper die Saison 2016/17. Die Liebestragödie wird mit Nachwuchskräften in Regie und auch teilweise bei den Sängern besetzt. Puccinis La Rondine wird in der Inszenierung von Rolando Villazon erstmals gezeigt. Als Musical gibt es Chess von den Abba-Sängern Benny Andersson und Björn Ulvaeus, die Operette ist mit der Zirkusprinzessin vertreten. 19 Jahre nach der letzten Produktion wagt sich die Oper wieder an Richard Wagners tragische Liebesgeschichte Tristan und Isolde. Das Stück war ein Wunschtraum von ihm, so Chefdirigent Dirk Kaftan bei der Programmpräsentation am Dienstag. Premiere ist am 24.9., inszenieren werden die Gewinnerinnen des Ring-Award, Verena Stoiber und Sophia Schneider. Als Isolde wird Gun-Brit Barkmin ihr Debüt geben, den Tristan singt Zoltan Nyari, der bereits in Graz in Die tote Stadt zu sehen war. Noch mehr unglückliche Liebe gibt es bei Charles Gounods Romeo et Juliette (Premiere: 5.11.) und auch in La Rondine (ab 12.1.2017) ist dem Liebespaar kein Happy End beschert. Die Puccini-Oper wird in einer Produktion der Deutschen Oper Berlin erstmals in Graz gezeigt, Regie wird Rolando Villazon führen. Letal enden die Beziehungsprobleme auch in Norma, Bellinis Römerdrama in der Regie von Florentine Klepper, deren Luisa Miller heuer beim Publikum viel Anklang fand. Musicalfreunde sollten bei Chess auf ihre Kosten kommen, das Werk der beiden Abba-Sänger wurde zwar schon unzählige Male umgearbeitet, doch die Musik ist immer noch qualitätsvoll, auch wenn die Thematik rund um den Kalten Krieg etwas veraltert erscheint (Premiere: 15.10.). Dafür dürfte mit Kalmans Operette Die Zirkusprinzessin (ab 11.2.2017) zeitlose Unterhaltung auf dem Programm stehen. Einen ungewöhnlichen Doppelabend gibt es mit Alexander Zemlinskys Der Zwerg und Luigi Dallapiccolas Der Gefangene. Das Ballett unter Jörg Weinöhl bringt eine eigene Nussknacker-Version vor Weihnachten sowie einen Bach-Abend und mehrere kleinere Projekte. Die Frage nach dem Verbleib oder Abgang von Dirk Kaftan als Orchesterchef blieb auch diesmal unbeantwortet. Kaftan verließ nach der Aufzählung aller Produktionen fluchtartig den Raum, um zu einer Probe zu eilen, und Nora Schmid zeigte sich auf Nachfrage eher zugeknöpft. Das Pressebüro der Stadt Bonn hatte auf APA-Anfrage am Montag erklärt, dass Kaftan am 25. Februar zum Generalmusikdirektor in Bonn bestellt wurde und derzeit Vertragsverhandlungen geführt werden. Für die nächste Saison steht Kaftan jedenfalls noch zur Verfügung und wird neben dem Eröffnungskonzert auch das Neujahrskonzert unter dem Motto Schlag nach bei Shakespeare leiten. Erstmals gibt es auch eine enge Zusammenarbeit mit der Kunstuniversität Graz, mit der man vier kurze Opern an unterschiedlichen Plätzen verwirklichen wird. Die Amsterdamer Oper präsentiert erstmals Alban Bergs Stück in vollständiger Fassung. William Kentridge hat die Koproduktion mit der New Yorker Met und der Londoner National Opera inszeniert. Das blutig-brutale Finale kann man im Amsterdamer Muziektheater nicht sehen, sondern nur hören. Aus dem Off ertönen Lulus Entsetzensschreie, als Jack the Ripper sie meuchelt. Es ist Ende und Höhepunkt einer beispiellosen Tragödie, der Verfallsgeschichte dieser von Anfang an schon verlorenen jungen Frau. Sie wechselt die Liebhaber und Ehemänner wie andere Leute Socken, schwankt ständig zwischen Traurigkeit und Lebenssucht. Jeder Mann kennt sie unter einem anderen Namen, wie Richard Wagners Kundry scheint sie jedem das zu bieten, was er sich sehnlichst wünscht. Oft wird Lulu als sexy Vamp dargestellt oder als psychotische Grenzgängerin. Der südafrikanische Künstler und Regisseur William Kentridge hingegen zeigt sie als simples, irgendwie sogar biederes Mädchen, das in einen Strudel aus Männerlust und Lebensfrust gerät. Kentridge, den das Amsterdamer Eye Filmmuseum gerade mit einer Ausstellung ehrt, ist vor allem für seine Trickfilmarbeiten und Zeichnungen bekannt. Auf der Bühne sieht man gemorphte Figuren, rasch sich verändernde Gesichter, Zeitungsschnipsel, Avantgarde-Kunst der 1920er- und 1930er-Jahre. Mal taucht Kurt Weill im Hintergrund auf, dann blinzelt ein Sigmund-Freud-Verschnitt mit seinen mächtigen Kreideaugen. Auch zwei lebende Skulpturen gibt es, eine verrückte, zeitweise strippende Pianistin mit Bubikopf und einen grotesk verrenkten Diener, der gern mit dem Serviertablett herumläuft - und Jack the Ripper die Mordwaffe reicht. Immer wieder schafft Kentrigde neue Räume aus Formen und Licht, mal wird alles gnadenlos grell, dann wieder geheimnisvoll düster und diffus. Während der von Lothar Zagrosek klangsinnlich duftig dirigierten Zwischenspiele erlebt man eine Art Making-of, Kentridges Hand erscheint und verändert mit wenigen Bewegungen die ganze Bühne, fügt hier schraffierte Flächen hinzu, übermalt Porträts dort. In diesen ungemein eindrücklichen Räumen agieren die Protagonisten eher zurückhaltend. Mojca Erdmann etwa zeigt Lulu als ein Geschöpf, in dem es brodelt, das aber seine Gefühle, seine Wut nicht konstant nach außen trägt, wie man es bei anderen Aufführungen oft gesehen hat. Sie singt präzise bis in die Spitzen ihrer Partie. Aus der Männerriege stechen Franz Grundhebers Schigolch und Gerhard Siegel als Prinz, Kammerdiener und Marquis heraus. Jennifer Larmore gibt die lesbische Gräfin Geschwitz, die Leib und Vermögen für Lulu opfert, szenisch und vokal als Ausnahmeerscheinung. Lothar Zagrosek gelingt mit dem Royal Concertgebouw Orchester eine wirklich exemplarische Interpretation der äußerst komplizierten, mit unzähligen Stilen und formalen Prinzipien gespickten Partitur. Nach den beiden von Alban Berg vollendeten Aufzügen folgt der von Friedrich Cerha aus dem Particell rekonstruierte oder - wie manche meinen - doch eher neu komponierte Schlussakt. Viele Situationen und Bilder dieses konzentrierten, vom Publikum ausführlich gefeierten Abends bleiben haften. Die Premiere fand zur Eröffnung des renommierten Holland Festival statt, später wandert die Produktion weiter nach New York und London. 47-jährige Dramaturgin folgt auf Bettina Hering. Sankt Pölten - Marie Rötzer (47), Dramaturgin und derzeit persönliche Referentin des Intendanten am Thalia-Theater Hamburg, wird neue künstlerische Leiterin des Landestheaters Niederösterreich. Die gebürtige Mistelbacherin folgt damit auf die als Schauspielchefin zu den Salzburger Festspielen wechselnde Bettina Hering. Rötzers Vertrag beginnt im Sommer 2016 und läuft vier Spielzeiten bis Sommer 2020. Rötzer begann ihre Laufbahn Anfang der 1990er-Jahre am Landestheater in Sankt Pölten. Sie war Lektorin an der Universität Czernowitz (Ukraine), bevor sie an renommierten deutschsprachigen Theaterhäusern als Dramaturgin tätig war. Zu ihren Stationen zählten das Maxim-Gorki-Theater Berlin, die Gessnerallee Zürich, das Schauspielhaus Graz, das Staatstheater Mainz sowie nun das Thalia-Theater Hamburg, zu dessen Leitungsteam sie gehört. Bettina Hering hat das Landestheater regional und überregional stark positioniert. Daran möchte ich anknüpfen, sagte die designierte Nachfolgerin in einem ersten Statement. Für Sankt Pölten hatten sich laut Angaben des Theaters 68 Personen beworben, 28 aus Österreich und 40 aus dem Ausland. Ein dreistufiges Auswahlverfahren mündete in das abschließende Jury-Hearing. Nicht nur der Ober Rudolf aus dem "Seniorenclub": Schauspieler, Regisseur und Intendant. Wien/Kobersdorf - Fernsehzuschauern, die einst den Seniorenclub mitverfolgten, ist er als Ober Rudolf aus der sonntäglichen ORF-Sendung in Erinnerung. Jetzt ist Kammerschauspieler Rudolf Buczolich, gebürtiger Burgenländer und früherer Intendant der Schlossspiele Kobersdorf, am Samstag im 82. Lebensjahr nach längerer Krankheit verstorben. Das teilte ein Familienmitglied mit. Buczolich kam am 15. Mai 1934 im nordburgenländischen Pama zur Welt und ging in Eisenstadt ins Gymnasium. In Wiener Neustadt absolvierte er die Lehrerbildungsanstalt, bevor er sich für eine künstlerische Laufbahn entschied. Buczolich besuchte das Max Reinhardt-Seminar, das er 1956 abschloss, bevor er sein erstes Engagement in Basel erhielt. Von 1966 bis 1970 trat Buczolich im Stadttheater Hannover auf, ab 1968 arbeitete er auch bei den Vereinigten Bühnen Graz, deren Ehrenmitglied er später wurde. Nach einem Engagement am Schauspielhaus Zürich von 1970 und 1977 holte ihn der damalige Burgtheaterdirektor Achim Benning ans Haus am Ring. Seine Vielseitigkeit stellte Buczolich auch als Regisseur unter Beweis. So inszenierte er unter anderem den Talisman, Liliom am Schauspielhaus Graz und My Fair Lady am Opernhaus Graz. 1988 wurde er Intendant der Schlossspiele Kobersdorf. 1990 übernahm Buczolich auch die künstlerische Leitung der Seefestspiele in Mörbisch, die er 1992 nach einem Streit um die Bestellung Herbert Prikopas als Dirigent aber wieder zurücklegte. 1997 wurde Buczolich der Berufstitel Professor verliehen, 1998 erhielt er den Burgenländischen Kulturpreis für Darstellende Kunst. Neben seiner künstlerischen Tätigkeit engagiert sich der Burgenlandkroate, der auch Mitglied der kritischen Plattform Kultur wurde, für die Bewahrung seiner Muttersprache und die Wahrung von Minderheitenrechten. Er war mit der Sängerin und Schauspielerin Elisabeth Ofenböck verheiratet und Vater zweier Söhne. Seinen Lebensabend verbrachte der Schauspieler, der seine Bühnenkarriere aus gesundheitlichen Gründen beendete, hat, zurückgezogen in Wien. "Die stillen Nächte des Ludwig Rainer" feiert das Zillertaler Gesangstalent – allzu simpel gestrickt, kreuzbrav intoniert. Uderns im Zillertal – Zur Uraufführung in der Steudltenn vergangenen Mittwoch kamen sie zahlreich, die Zillertalerinnen und Zillertaler, nebst elf Bürgermeistern von umliegenden Gemeinden. Eine Bürgermeisterin war nicht darunter, dafür war der Pfarrer da. Der Abend galt einem berühmten Sohn des Tals. Ludwig Rainer (1821-1893), Abkömmling einer weitverzweigten Zillertaler Sängerfamilie, mit unerschütterlichem Selbstvertrauen, Pioniergeist und starkem Hang zum weiblichen Geschlecht. Um der bitteren Armut zu entfliehen, gründet er Die Rainer-Sänger, und das Quartett macht sich – hundert Jahre vor der Familie Trapp – nach Amerika auf. Nach anfänglichen Schwierigkeiten gelingt der Truppe mit dem berühmtesten aller Weihnachtslieder, Stille Nacht, der große Durchbruch. Zurück in Europa, touren die Rainer-Sänger in veränderter Besetzung quer über den Kontinent und verbringen schließlich sogar zehn Jahre als Gäste des Zaren am russischen Hof. Nebenbei zieht Ludwig Rainer ein Millionengeschäft mit Spielhahnfedern auf. So weit, so erstaunlich. Das Stück Die stillen Nächte des Ludwig Rainer, das Autor, Regisseur und Festivalleiter Hakon Hirzenberger verfasst und inszeniert hat, wird dieser bemerkenswerten Lebensgeschichte nicht gerecht. Es bleibt flach, die Dialoge sind simpel gestrickt und szenische Momente spärlich gesät. Biografische Eckdaten werden großteils als Monolog direkt dem Publikum erzählt. Auf der Seitenbühne intoniert kreuzbrav ein Grüpplein Sänger unzählige Lieder und unterbricht damit jedes Mal den Handlungslauf. Die Schauspieler Juliane Haider, Caroline M. Hochfelner, Andreas Haun, Johannes Rhomberg und Roland Jaeger als Ludwig Rainer schlagen sich darstellerisch wie gesanglich wacker. Schon zu Rainers Zeit galt sex sells und so werden Röcke gekürzt, Ausschnitte betont und traditionelle Dirndln durch Bling-bling-Kleider ersetzt (Kostüme: Andrea Bernd). Man zitiert noch die Inschrift des Grabsteins Ausgelitten, ausgerungen, viel gereist und viel gesungen, und somit endet ein Theaterabend von höchstens regionaler Relevanz. Der Österreicher war zuletzt auf deutschen Bühnen aktiv. Wien – Der österreichische, zuletzt an deutschen Bühnen tätige Schauspieler Daniel Soran ist 41-jährig in Saarbrücken gestorben. Soran war zuletzt noch als Jonathan Brewster in Arsen und Spitzenhäubchen auf der Probebühne im Oststadt Theater Mannheim gestanden, konnte aber krankheitsbedingt nicht mehr die Premiere spielen. Als Schauspieler ausgebildet wurde Soran am Prayner Konservatorium Wien (Klasse Angelica Schütz). Nach verschiedenen Auftritten in Wien (u.a. am Theater der Jugend, und Gloria Theater) ging er für feste Engagements nach Deutschland, wo er an verschiedenen deutschen Bühnen (Theater am Puls Schwetzingen), bei Festspielen und auf Theatertourneen aktiv war. Zweimal führte ihn seine Arbeit zurück nach Wien, als er in den beiden Karl-Schönherr-Stücken Der Weibsteufel und Es hatte er im Theatercenter Forum mitwirkte. Gebürtige Schweizerin übernimmt ab Spielzeit 2016/17 Leitung des Kindertheaters. Wien – Der Dschungel Wien, das laut Eigendefinition Theaterhaus für junges Publikum, bekommt eine Chefin. Ab der Spielzeit 2016/17 übernimmt die Regisseurin Corinne Eckenstein die künstlerische Leitung. Das teilte das Büro von Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny (SPÖ) am Montag mit. Eckenstein folgt auf Stefan Rabl, der nach zehn Jahren den Dschungel verlässt. Ich möchte das Theaterhaus für junges Publikum noch stärker zu einem Ort machen, wo Kunst nicht nur konsumiert, sondern selbst kreiert wird, umriss Corinne Eckenstein ihre zukünftige Aufgabe: Denn Partizipation schafft Identifikation. Das Theater wird so zum Lebensraum, wo sich Kinder und Jugendliche aktiv einbringen und mitgestalten. Der Kern des Spielplans soll weiterhin durch die freie Szene bestritten werden. Gleichzeitig will Eckenstein verstärkt auf Eigenproduktionen aus gemischten Ensembles mit Kindern, Jugendlichen und Profis setzen. Die in Basel geborene Regisseurin und Mitbegründerin von TheaterFOXFIRE absolvierte eine Ausbildung als Schauspielerin und Tänzerin in New York und San Francisco. Ihre Theaterlaufbahn begann sie am jungen theater basel, wohin sie später als Regisseurin zurückkehrte. Seit 1990 lebt Eckenstein in Wien, wo sie laut Aussendung unter anderem mit Meret Barz, Milli Bitterli, Eva Brenner, den Wiener Festwochen, dem Festival ImpulsTanz, dem Theater der Jugend und auch bereits mit dem Dschungel Wien arbeitete. Daneben ist sie auch weiterhin international tätig. Die Funktionsperiode für die neue Direktion beläuft sich auf vier Jahre und kann einmal verlängert werden. Corinne Eckenstein ist eine international tätige Regisseurin, die insbesondere mit erfolgreichen Jugendtheaterproduktionen auf sich aufmerksam gemacht hat. Durch ihre Arbeit mit der Gruppe TheaterFOXFIRE ist sie seit vielen Jahren eine wichtige künstlerische Säule des Dschungels. Mit ihrem Fokus auf Kunstvermittlung und Nachhaltigkeit hat sie in ihrem Konzept zwei zentrale Erfordernisse eines urbanen Kinder- und Jugendtheaters im 21. Jahrhundert angesprochen, streute Kulturstadtrat Mailath-Pokorny der neuen Chefin Rosen. Die internationale Ausschreibung lief von April bis Juni 2015. Insgesamt beteiligten sich 22 Personen bzw. Teams, dabei gab es 13 Bewerbungen von Frauen und neun Bewerbungen von Männern. 14 Bewerbungen kamen aus Österreich und acht Bewerbungen aus dem Ausland, hieß es in der Aussendung. Einmal im Jahr lesen bei der Langen Nacht der Kolumnisten im Wiener Rabenhof Autorinnen und Autoren eine Auswahl ihrer Texte vor. Darunter waren auch Kolumnisten des STANDARD, deren Auftritte wir aufgezeichnet haben: (red, 30.11.2015) Das Ensemblemitglied des Wiener Volkstheaters starb im Alter von 56 Jahren. Wien – Der Wiener Schauspieler Alexander Lhotzky, seit 2010 Ensemblemitglied am Volkstheater Wien, ist am Montag im Alter von 56 Jahren gestorben. Er habe an einer schweren und seltenen Erkrankung gelitten, hieß es am Dienstag in einer Aussendung des Hauses. Volkstheater-Intendantin Anna Badora zeigte sich überaus betroffen über seinen Tod: Bis Ende der Spielzeit 2014/15 war er in vielen Produktionen des Volkstheater zu sehen. Ich bedauere sehr, dass er während meiner Intendanz keine Gelegenheit mehr hatte, auf der Bühne sein Können zu zeigen. Alexander Lhotzky wurde 1959 als Sohn der Regisseurin und späteren Volkstheater-Direktorin Emmy Werner und des Schauspielers und Regisseurs Georg Lhotzky in Wien geboren. Nach seiner Matura am Lycee francais studierte er zunächst Theaterwissenschaft und war anschließend als Regieassistent am Theater der Courage und Produktionsassistent bzw. Aufnahmeleiter bei TV-Produktionen tätig. Er erhielt Schauspielunterricht bei Eva Zilcher und Dorothea Neff und legte 1983 seine Bühnenreifeprüfung ab. Von 1983 bis 2004 arbeitete er vor allem am Theater Gruppe 80, außerdem u.a. am Theater der Jugend, dem Theater in der Drachengasse, der Theater m.b.h., dem Soyfer-Theater, dem Fo-Theater, bei den Festspielen Reichenau und am Stadttheater Klagenfurt. Daneben war er auch für Funk und Fernsehen tätig. Zuletzt war er 2014/15 am Volkstheater u.a. in Aristophanes Vögel und Feydeaus Floh im Ohr zu sehen. 'Langjähriger Leiter des Wiener Ensembletheaters. Wien – Die sich langsam vollziehende Entpolitisierung des Theaters nahm Dieter Haspel schmerzlich zur Kenntnis, wie er in einem Interview mit der Austria Presse Agentur anlässlich seines 70. Geburtstag bekannte. War er doch ein Mensch, der an die Veränderbarkeit der Welt und die Notwendigkeit von Theater als Mittel zur Aufklärung stets glaubte. Vierzig Jahre lang war Haspel Theaterdirektor, als er 2010 das von ihm mitbegründete Ensembletheater am Petersplatz an die Nachfolger (Garage X) übergab. Gestern, Montag, ist der Alt-68er nach langer schwerer Krankheit in Wien gestorben. Das gab die frühere Ensembletheater-Geschäftsführerin Christine Bauer bekannt. Im Juni wäre Haspel 73 geworden. Der Arbeitersohn aus Gloggnitz in Niederösterreich, gelernter Kaufmann, gründete 1968 mit Hilde Berger und Götz Fritsch das Cafétheater, aus dem das spätere Ensembletheater hervorging. Am Standort Petersplatz (noch im ehemaligen Café Einfalt) hielt eine politisch motivierte, studentische Theatergruppe mit neuen Texten Einzug Uraufführung des österreichischen Dramatikers Ferdinand Schmalz. Zürich/Wien – Das Schauspielhaus Zürich setzt in der Saison 2016/17 einen kleinen Schweizer Schwerpunkt: Auf die Pfauenbühne kommen der Max-Frisch-Klassiker Homo Faber und die Lukas-Bärfuss-Uraufführung Frau Schmitz. In der Schiffbau-Box und der Pfauen-Kammer sind Stücke nach Romanen von Robert Walser und Markus Werner zu sehen – sowie eine Uraufführung des Österreichers Ferdinand Schmalz. Eröffnet wird die Spielzeit am 10. September in der Schiffbau-Halle mit Sophokles Antigone, wie bei der Präsentation am Mittwoch angekündigt wurde. Stefan Pucher inszeniert den von Günter Senkel und Feridun Zaimoglu bearbeiteten Stoff. Zum Saisonstart am Pfauen gibt es eine Umsetzung von Lars von Triers Film Dogville für die Theaterbühne von Stephan Kimmig, eine moderne Passionsgeschichte und Parabel über Rache und Moral. Es folgt Max Frischs Klassiker Homo Faber, der laut Intendantin Barbara Frey heute mindestens so virulet ist wie damals. Auf die Pfauenbühne kommt das Stück in der Regie von Bastian Kraft. Bereits zum vierten Mal inszeniert Frey ein Stück, das Lukas Bärfuss im Auftrag des Zürcher Schauspielhauses schrieb. Das neuste Werk heißt Frau Schmitz und befindet sich laut Frey noch in der Entwicklung. Als spektakuläre Inszenierung, die von den Darstellern einige Kletterkünste verlange, kündigte Frey Die Verwandlung an, einer Bühnenadaption einer Frank-Kafka-Erzählung durch den Isländer Gisli Örn Gardarsson. Weiter werden drei Klassiker am Pfauen zu sehen sein: Onkel Wanja von Anton Tschechow (Regie Karin Henkel), Die Wildente von Henrik Ibsen (Regie: Alize Zandwijk) und Herr Puntila und sein Knecht Matti von Bertolt Brecht (Regie: Sebastian Baumgarten). Zudem inszeniert Alvis Hermanis Madame de Sade des japanischen Dichters Yukio Mishima. Herbert Fritsch bringt als Uraufführung das Märchen Grimm auf die Bühne. Rene Pollesch, der für seine Theaterabende Theorie, Revue-Elemente und Slapstick verwebt, entwickelt fürs Schauspielhaus bereits seine siebente Arbeit. High (du weißt wovon) wird in der Schiffbauhalle uraufgeführt. Uraufführungen in der Schiffbau-Box sind etwa die Produktion In/Formation des Spoken-Word-Autors Guy Krneta und Regisseurs Sebastian Nübling und Die 120 Tage von Sodom von Milo Rau. Barbara Frey wird den Roman Jakob von Gunten von Robert Walser auf die Bühne bringen. In der Pfauen-Kammer stehen als Uraufführungen Der thermale Widerstand des Grazers Ferdinand Schmalz und Das Gelübde von Dominik Busch auf dem Spielplan. Zudem werden Zündels Abgang nach dem gleichnamigen Roman von Markus Werner und Muttermale Fenster Blau von Sascha Marianna Salzmann gezeigt. Im Theater Scala tobt ein Kampf um die Emanzipation in zehn Runden. Wien – Es darf gewürgt, geworfen und geschlagen werden. Illegal sind Kratzen, Beißen, Spucken. In die Augen stechen sowie die Genitalien sind tabu. Im Theater Scala wird gewrestled. Spucke, Schweiß und der eine oder andere Schauspieler fliegen in Wrestling Rita schon einmal quer über die Bühne, einen echten Wrestlingring mit Zuschauern auf vier Seiten (Inszenierung und Bühne: Marcus Ganser). Rita (Klara Steinhauser) muss sich über zehn Runden gegen widrigste Umstände durchsetzen, bezeichnenderweise läuft sie zu I Will Survive ein. So verliert sie die ersten Runden haushoch gegen die Mami, die lieber einen Buben wollte, die erste Schulfreundin Platin Sabin (Teresa Renner), die ihr den Lolli klaut oder den Plattenbau-Papa (Rochus Millauer), der nicht grundlos Falcos Jeanny singt. Die Hochzeit mit dem Profi-Wrestler Tino the Rock (Tino Führer) scheint ein klarer Sieg durch Liebes-K.-o. zu werden. Falsch gedacht, lässt der sie doch auch nur seine Sporttasche tragen. Ihre Karriere als Wrestlerin unterliegt der seinen, und schon gar nicht unterstützt er ihre Pläne, nach der Abendschule zu studieren. Wer behaupten will, Wrestling sei nur Show, hat Recht. Im deutschsprachigen Raum zumindest. Für die überzeugende Choreografie in Wrestling Rita hat Gerhard Humungus Hradil, Mitbegründer der Wrestling School Austria, gesorgt. Claire Luckhams Stück ist somit nicht nur geografisch, sondern auch sprachlich auf den Wiener Heumarkt verlegt worden. Dialektale Musicalelemente von Non, je ne regrette rien bis Sex Bomb bilden den sanften Gegensatz zum feurigen Krachen der Ringbretter. Dass Rita schließlich mit dem Griff The Venus Flytrap die Emanzipation erlangt, ist aus feministischer Perspektive sicher diskutabel, die Intention des Stücks jedoch ist klar. Es ist Theater zum Anfeuern und Ausbuhen, das Spektakel steht im Vordergrund. Die Message, frei nach dem Lebensdilemma der Generation Y: Du kannst alles werden, was du willst – solange du dich als Frau mit 22 Prozent weniger Gehalt zufriedengibst. 'Wie weiland Wieland Wagner arbeitet Katharina Wagner bei ihrer Bayreuther Inszenierung von "Tristan und Isolde" mit Licht und Abstraktion. Handwerklich solider gelingt Christian Thielemanns Dirigat, Evelyn Herlitzius überstrahlt als Isolde alle. Immer wieder bringt der Sommer außergewöhnliche Ereignisse wie hohe Temperaturen, politische Lethargie und regen Reiseverkehr mit sich. Letzterer staut sich Ende Juli auch in der Stadt Bayreuth, in die neben tausenden Wagnerianern auch Dutzendschaften von Journalisten pilgern, um die Neuinszenierung einer Wagner-Oper zur Weltbedeutung emporzuschreiben. Obwohl: Dieses Mal gab es sogar schon vorher einiges zu berichten. Theaterdonnerschlagzeilen dominierten die Probenzeit: Hügelverbot für Eva Wagner-Pasquier! Anja Kampe legt vier Wochen vor der Premiere die Partie der Isolde zurück! Und für Christian Thielemann wird der Posten eines Musikdirektors der Bayreuther Festspiele geschaffen, samt eigenem Parkplatzschild! Es musste natürlich so kommen, bei einer solch bedeutungsschwangeren Premiere. Katharina Wagner, bald alleinige Festivalchefin und Urenkelin des Komponisten, inszeniert Tristan und Isolde auf dem Grünen Hügel: 150 Jahre nach der Uraufführung des Werks, 129 Jahre nach der Inszenierung ihrer Uroma Cosima. Onkel Wieland und Papa Wolfgang haben die ultimative Liebesoper in der Scheune zusammen dreimal in Szene gesetzt. Katharina Wagner nahm sich Frank Philipp Schlößmann und Matthias Lippert mit ins Boot, und die bauten ihrer Chefin drei ästhetische Bühnenräume: Aus dem Verdeck von Tristans Schiff wurde ein Labyrinth aus grauen Stiegen. Botschaft, vielleicht: Die zwei Liebenden sind noch Irrende. Aus Markes idyllischem Burggarten wurde ein dunkler Gefängnishof, bewacht von seinen Mannen. Botschaft, wahrscheinlich: Die Gesellschaft sanktioniert wahre Liebe drakonisch. Und aus Tristans Burggarten auf Kareol wurde Schwärze, aus der fallweise Dreiecksformen leuchteten, die diverse fieberhafte Trugbilder Isoldens beinhalteten. Speziell der letzte Aufzug erinnert daran, wie weiland Wieland Wagner mit Licht und Abstraktion die Bühne in Bayreuth revolutionierte. Macht Katharina denn auch etwas Revolutionäres? Aber ja. Tristan und Isolde pfeifen im ersten Aufzug auf die Drogen, schütten den Liebestrank weg und vertrauen auf die körpereigenen Glückshormone. Die irische Königstochter checkt ganz von selbst, dass unter der harten Emotionskruste des Hasses, den sie für den Mörder ihres Geliebten empfindet, ein vulkanisches Liebesfeuer brodelt. Und Eveyln Herlitzius ist eine sehr, sehr energiegeladene Isolde, eine Kämpferin vom Typ Elektra; raubkatzengleich ringt sie mit ihrem Bühnenschicksal. Es wundert einen nur, dass sich die Raubkatze ausgerechnet in den harmlosen, teddybärbraven Tristan von Stephen Gould verkrallt. Und dann singt der auch noch nicht einmal halb so toll wie sie: gleichförmig, leicht schlampig, etwas reserviert. Herlitzius hingegen sucht das Extreme, schont die Stimme und scheut eine gewisse Schärfe nicht. Von atemberaubender Dezenz bis zu hysterischer Exaltiertheit: alles da. Ganz groß ihr Liebestod, in dem sie noch eins draufsetzt. Fantastisch auch, was Christian Thielemann hier macht: wie er das famose Festspielorchester wieder und wieder zurücknimmt, um dann umso intensiver zu kulminieren. Es ist überhaupt eine einzigartige Leistung, die der Deutsche hier bietet. Korrespondierend mit der Interpretation von Herlitzius lässt der Musikdirektor mit feingliedriger, sportlicher Vitalität musizieren, körperlich drängend, immer klar konturiert, nie fett und behäbig. Überaschenderweise ist da mehr vom flackernden Feuer eines Carlos Kleiber als von der glosenden Glut eines Wilhelm Furtwängler. Christa Mayer steht Herlitzius als Brangäne auch in Sachen Intensität zur Seite, eher ein Gemütlicher wie sein Herr: Iain Patterson als Kurwenal. Unauffällig Raimund Noltes Melot, schön Tansel Akzeybeks Hirte. Und Georg Zeppenfeld bietet als König Marke ganz in Senfgelb (Kostüme: Thomas Kaiser) kraftvollen, ebenmäßigen Schöngesang. Den Marke wollte Katharina Wagner ja nach eigenen Angaben zum Bad Guy stilisieren; tatsächlich agiert Georg Zeppenfeld nur äußerst steif, zerrt Isolde aber immerhin nach deren Liebestod energisch von Tristans tristem Krankenhausbett weg. Davor gelingt der jungen Regisseurin mit einer steif-stilisierten Kampfszene auf Kareol noch Skurriles, auch findet das Schwert auf des toten Ritters Brust einfach zu keiner Ruhe: Solides Regiehandwerk ist das noch nicht. Nach Beifall für die Regie und erschütterndem Getrampel für Thielemann und Herlitzius findet das Weltbedeutende, so notiert man, zu seinem Ende.' Das neu gegründete Opernstudio der Bregenzer Festspiele startete mit Mozarts "Così fan tutte". Ein junges Ensemble überzeugte genauso wie die erfrischende Regie von Jörg Lichtenstein. Bregenz – Es ist eine alte Geschichte, doch bleibt sie immer neu, dichtete Heinrich Heine über jugendlich-unglückliche Liebende. Die Story von Mozarts Così fan tutte galt lange Zeit – eigentlich das ganze 19. Jahrhundert hindurch – als unglaubwürdig. Dass die beiden Damen aus der besseren Gesellschaft ihre Geliebten in unbeholfener Verkleidung nicht erkennen und sich in den jeweils anderen verlieben: Wie soll das bitte funktionieren? Erst in der Moderne kehrte das Stück mit seiner vollen Wucht zurück, wurden seine erotischen Eruptionen mitunter auch als Erdbeben gedeutet, das das gesamte alte, vorrevolutionäre Sozialsystem erfasst: Immerhin hob Mozart das Signalwort Frankreich durch riesige Triller hervor, während sein Librettist unter anderem meinte, ein wenig Argwohn sei auf dieser Welt ganz grundsätzlich kein Fehler. Dass man die alte Geschichte jedoch auch aus gegenwärtiger Sicht als das zeigen kann, was der Untertitel der Oper formuliert, nämlich als Schule der Liebenden, demonstrieren die Bregenzer Festspiele nun im Vorarlberger Landestheater am Kornmarkt: Die Idee von Regisseur Jörg Lichtenstein, die Handlung im Theatermilieu anzusiedeln, ist nicht ganz neu, sondern ein naheliegender Kunstgriff, der aus dem Ruder laufende höfische Galanterie mit sich verselbstständigendem Spiel auf einen gemeinsamen Nenner bringt. Die eigentliche Neuheit liegt jedoch woanders: im neu eingerichteten Bregenzer Opernstudio, in dem junge Sängerinnen und Sänger intensiv proben können und das von Intendantin Elisabeth Sobotka dezidiert als Experiment bezeichnet wurde – reizvoll, mit einem Werk zu beginnen, das seinerseits als Versuchsanordnung daherkommt, dessen Ausgang der zynische Aufklärer Don Alfonso von Beginn an kennt. Man befindet sich im Bühnenbild von Susanna Boehm auf der Seitenbühne eines Operntheaters, in dem die Ebenen ständig wechseln. Die Aufführung eines anderen Stücks ist noch im Gange, während die beiden Soldaten die verhängnisvolle Wette mit dem Philosophen eingehen, der Rotwein trinkend eine lachsfarbene Tageszeitung liest. Il Giardinetto, das Gärtchen, wo die Schwestern ihren Liebhabern nachtrauern, ist die Theaterkantine. Liebesbeweise prangen am Smartphone, und das Herz des Partners trägt man nicht als Rokoko-Anhänger, sondern wie ein Tattoo am Oberarm. Der Prager Philharmonische Chor tönt mit seinem Militärjubel vom Tonband aus dem Off und beim zweiten Mal gar aus dem Ghettoblaster. Dies alles wird aber ebenso subtil eingebettet wie die Fechtszenen und die historischen Tanzschritte, aber auch Videoszenen, die die Darsteller beim unbeschwerten Baden im See zeigen. Virtuos spielt die Regie mit den Facetten zwischen Privatperson und Rollenspielern, die am Ende in Alltagskleidung auseinandergehen. Bis dahin agiert das gesamte Ensemble nicht nur mit aller Professionalität, sondern vor allem mit überschäumender Energie, die sowohl dem Setting in der Gegenwart als auch den Mozart-Charakteren gerecht wird: Glaubhaft vermittelt etwa Kelebogile Pearl Besong in den extremen Intervallsprüngen der Fiordiligi, wie diese Figur hin- und hergerissen wird. Annika Schlicht gibt eine grandiose Dorabella, der die eigene Sinnlichkeit nicht ganz geheuer zu sein scheint, Sónia Grané eine springlebendige, dabei aber nicht nur komische Despina. Auch die Herren der Schöpfung singen beinahe so schön, wie sie sich gegenüber den Damen anpreisen: Maximilian Krummen ist ein kerniger Guglielmo, Stephen Chambers ein Ferrando mit allen lyrischen Anlagen, Grigory Shkarupa ein kraftvoller Don Alfonso, dessen Überlegenheit als eingebildete deutlich wird. Das erfrischend klein besetzte Symphonieorchester Vorarlberg hat sich auf einen unkonventionellen Mozart-Stil eingeschworen, der zur szenischen Lesart passt. Wendig und leicht, mit viel Klangschönheit vor allem bei den Bläsern, mitunter sehr straff und geradezu nüchtern und sachlich führt es Dirigent Hartmut Keil, der auch für fantasievolle, andeutungsreiche musikalische Kommentare bei den Rezitativen sorgt, die keineswegs in der Mozart-Zeit verharren. Die alte Geschichte ist eben doch immer neu. Die Bregenzer Festspiele freuen sich über einen Rekordsommer. Fast 228.000 Menschen haben das Festival am Bodensee besucht. Bregenz – Drei Tage vor Festivalende hat das Führungsteam der Bregenzer Festspiele die diesjährige Saison bilanziert. Die fiel zur vollsten Zufriedenheit aus. 98 Prozent Auslastung bei 227.662 Besucherinnen und Besuchern, das lässt nicht nur den kaufmännischen Direktor Michael Diem strahlen, der mit 95 Prozent Auslastung kalkuliert hatte. Elisabeth Sobotka, die ihre erste Saison als Intendantin am See erlebte, ist rundum glücklich. Überwältigend war die Probezeit, hinreißend waren die Vorstellungen und spannend die Wettersituation, beschreibt Sobotka ihre Festspielgefühle. Besonders angetan zeigte sie sich bei der Abschluss-Pressekonferenz am Freitag von der Begeisterung der Sängerinnen und Sänger, die sich an den wenigen Regenabenden wetterfest zeigten. Sie wollen raus auf die Bühne, sehen den Regen als Herausforderung. Drei der 26 Vorstellungen von Puccinis Turandot auf der Seebühne mussten wegen Schlechtwetters abgebrochen werden. Die Oper sahen 171.230 Besucherinnen und Besucher. Hoffmanns Erzählungen im Festspielhaus besuchten 7.538. Die Inszenierung von Stefan Herheim wird am Sonntag auf ORF 3 ausgestrahlt, nächstes Jahr wird sie in Köln und 2017 in Kopenhagen zu sehen sein. Opernstudio und Opernatelier, die beiden Innovationen Sobotkas zur Förderung junger Künstlerinnen und Künstler, sollen weiter ausgebaut werden. Sobotka sieht sich durch die 99-prozentige Auslastung von Mozarts Così fan tutte, der Debütproduktion, in ihren Plänen bestärkt. Die Festspiele 2016 werden auf der Seebühne erneut Turandot zeigen, im Festspielhaus steht die Oper Hamlet von Franco Faccio auf dem Programm. Am Wochenende beginnen die Salzburger Festspiele. Der bisherige Schauspielchef ist für das künstlerische Gesamtprogramm verantwortlich. Ein Gespräch mit dem Vielbeschäftigten über kleine Brötchen, historische Eselsbrücken, Glaubenssätze, Budgetdebatten und Nackenschläge. Also gut. Ein kurzer Blick auf das Bühnenbild für Mackie Messer – Eine Salzburger Dreigroschenoper in der Felsenreitschule. Aber dann. Danke. Auf Wiedersehen. Wir müssen proben. Dort ist die Tür. Nein, viel Zeit zu verschwenden hat Sven-Eric Bechtolf nicht, vor allem nicht vor und während der Salzburger Festspiele. Vor zwei Jahren kam er als Schauspielchef an die Salzach. Nach Alexander Pereiras vorzeitigem Wechsel von Salzburgs Intendantensessel auf den der Mailänder Scala im vergangenen Jahr verantwortet er nun das künstlerische Gesamtprogramm. Vollendet in dieser Saison seinen Da-Ponte-Zyklus mit Le nozze di Figaro . Inszeniert gemeinsam mit Julian Crouch Brechts Opus über Bettler, Banden und Korruption. Und als sei dies nicht schon Vollzeitbeschäftigung genug, liest er auch noch verbindende Texte in einer konzertanten Fassung der Dreigroschenoper. STANDARD: Sie steigern Ihr Arbeitspensum von Jahr zu Jahr. Gehört das zum Sparprogramm? Sven-Eric Bechtolf: Meine Kinder sind erwachsen. Es wartet daheim selten jemand auf mich, und ich habe keine Hobbys. Man gerät in eine Dynamik und beschleunigt unversehens. Die Karosserie ist dem Baujahr entsprechend schon etwas zerbeult, aber ich glaube und hoffe, dass ich eventuelle Beschädigungen am Fahrwerk erst bemerken werde, wenn es nächsten September vorbei sein wird. STANDARD: Er sei an Nackenschläge gewöhnt, doch in Salzburg habe er fast seinen Enthusiasmus verloren, klagte Ex-Intendant Jürgen Flimm. Wie gehts Ihrem Nacken? Bechtolf: Gut. Ich bin zeit meines Lebens verdroschen worden. Sogar noch mehr als Flimm. Inzwischen pfeife ich ein munteres Liedchen, während ich vermöbelt werde. Irgendwann ist der Kopf wohl ab, aber das merke ich ja nicht mehr. STANDARD: Voriges Jahr sagten Sie, der Zweijahresintendanz hätten Sie nur aus einem Pflichtgefühl heraus zugestimmt und nicht, Zitat, weil ich Kür tanzen will. Ists immer noch Pflicht oder doch auch ein bisschen Kür? Bechtolf: Ja, ich mogele immer mehr eigene Kunststückchen unter den Lauf. Aber recht bescheidene. STANDARD: Sie wollten dafür sorgen, dass Pereiras Ideen das Licht der Welt erblicken. Wie viel von ihm ist tatsächlich im Programm? Bechtolf: Viel weniger, als ich damals absehen konnte. Wir machen eigentlich fast alles neu. STANDARD: Kriegt er Gratiskarten, wenn er kommt? Bechtolf: Natürlich!!! Ich habe Alexander Pereira sehr gern! STANDARD: Drei Schauspiel- und drei Opern-Neuinszenierungen, der Rest Wiederaufnahmen und konzertante Aufführungen: Backen Sie, wie es ein Kollege formulierte, lieber kleinere Brötchen als er? Bechtolf: Unsere Brötchen sind nicht so klein. Vor allem sind sie gehaltvoll und knusprig. Ich glaube, dass sich in den nächsten fünf Jahren eine Leistungsvereinbarung ergeben wird zwischen Politik und den Festspielen und es langfristig eine ähnliche Aufführungsanzahl geben wird wie in diesen zwei Jahren. Es wäre aber schön gewesen, wenn Sie Ihre Frage so gestellt hätten, dass man nicht den Eindruck gewinnen muss, ich sei aus charakterlicher Disposition heraus ein Zwangssparer ohne Anlass. Ich kann, darf und will nur mit dem wirtschaften, was da ist – und das hängt von politischen Entscheidungen ab. Wenn Sie der alten Vorstellungsdichte nachtrauern, wäre es begrüßenswert, wenn Sie zukünftig in dieser Zeitung für bessere Rahmenbedingungen der Festspiele die Trommel rühren. STANDARD: Trotz einer Subventionserhöhung von zwei Millionen Euro ist das Budget von 64,7 auf 59,6 Millionen Euro gesunken. Vor welcher budgetären Situation standen Sie? Bechtolf: Vor einer schlechten. Verzeihen Sie, dass ich nicht weiter darauf eingehen mag, aber der Sommer steht vor der Tür, wir geben ein Fest und erwarten Gäste – da soll man nicht mehr von den Kosten reden. Der Tisch ist jedenfalls trotzdem reich gedeckt. STANDARD: Fehlt Ihnen das Spröde, Widerständige des Young Directors Award, dem der Sponsor abhandengekommen ist? Bechtolf: Nein, es fehlt mir nicht. Ich würde heute das Old Directors Project gründen. Junge Regisseure gibt es doch viele. Aber was ist mit den alten Meistern, die der Jugendwahn des Theaters ausgesondert hat? Sie fehlen schmerzlich, das können Sie mir glauben. Ich finde, das wäre ein Inhalt für eine echte Avantgardemaßnahme. STANDARD: Sie vollenden heuer mit Figaro die Da-Ponte-Trilogie. Gibt es Bezüge zu Don Giovanni und Così fan tutte? Bechtolf: Alle drei Opern setzten sich mit Liebe und Sexualität unter sehr verschiedenen Perspektiven auseinander. Così ist die Abrechnung mit der didaktischen Desillusionierung durch die Aufklärung, Don Giovanni die bange Ahnung der sozialen Sprengkraft unserer Triebnatur, und Figaro macht die Bindungs- und Versöhnungskräfte der Sexualität und Liebe in einer utopischen Volte deutlich. Das ist nur meine Lesart. Aber dass es sich um Weltuntersuchungen auf intimstem Gebiet handelt, ist unbestritten. STANDARD: Mit Mackie Messer – Eine Salzburger Dreigroschenoper knallen Sie dem Salzburger Publikum ganz schön harte Kost vor: Gier, Betrug, Korruption – ziemlich aktuelle Themen ... Bechtolf: Ach ja, die Aktualität! Ohne die gehts ja nicht mehr, ich vergaß. Ich mag mir keine Eselsbrücken in historische Texte bauen. So augenscheinlich sind die Konstanten meist, dass ich mir geradezu naseweis vorkäme, das auch noch triumphierend unter Beweis zu stellen, nach dem Motto: Schaut mal her, ich habs verstanden! – Abstand sorgt bisweilen für bessere Übersicht. STANDARD: Aber es berührt, dass in Salzburg gerade über Bettlerbanden diskutiert wird und darüber, Bettler aus der Stadt zu verbannen. Bechtolf: Brecht hat ganz und gar nicht auf Berührung abgezielt. Im Gegenteil, er forderte: Glotzt nicht so romantisch! Mit kühlem Fatalismus erstellt er seine bittere Analyse. Er wollte den sozialdarwinistischen Raubtierkapitalismus an einem Ort zeigen, den der berührungsbereite Bürger sonst nur durch Krokodilstränen verschleiert sieht – den Boden der Gesellschaft. Selbstverständlich legt er dabei nahe, dass es sich bei der herrschenden Klasse ebenso verhält wie bei den Bettlern, Huren und Gangstern. Der Umkehrschluss ist seine Pointe. Was die Bettler in Salzburg angeht: Was ist da eigentlich der größere Skandal, die Armut oder die organisierte Ausbeutung? Ich habe die Antwort noch nicht gefunden. STANDARD: Wie oft mussten Sie bei der Programmierung nötigenfalls Konzepte und Glaubenssätze über Bord werfen? Bechtolf: Ich habe keine Glaubenssätze. Im Gegenteil, ich misstraue ihnen zutiefst. Nichts fürchte ich mehr als Dogmen, Überzeugungen und Ideologien. Ich ängstige mich vor den Gerechten, fliehe die Missionare und mag die Konsequenten nicht. Ich persönlich glaube niemandem und am wenigsten mir selbst. Starre Konzeptionen sind groteske Strategien, um der Realität die Stirn zu bieten. Kennen Sie nicht diesen ewig gültigen Kurzdialog: Wie bringt man Gott zum Lachen? – Erzähle ihm von deinen Plänen! Aber um Ihre Frage zu beantworten: Nichts bleibt, wie es wird. 'Regisseur Claus Guth streicht Dialoge, beschwert aber die Inszenierung durch Zwischenspiele. Das Orchester unter Franz Welser-Möst begeistert. Salzburg – Vollkommene Stille hätte im Großen Festspielhaus nicht geschadet 'Geliebt, gehasst, besungen und beschimpft: Wer die Schönheiten Salzburgs entdecken will, muss den Festspielbezirk verlassen. Die blaue Stunde, zwischen Tag und Nacht flirrende Traumbilder, die Stadt in Mythen versunken, verwoben zu einem Gedicht von Georg Trakl. In der Stille tun sich eines Engels blaue Mohnaugen auf. Im Winter klirrt eisblau die Schneeluft, sommers schlabbert die Hitze als bläulicher Dunst über den Türmen und Kuppeln. Durchscheinend Trakls spinstige Farben, Hyazinth und Herbstgold, Purpur, glühendes Schwarz, Nachtgrün, dunkle Träume des Dichters über dem schönen Schein dieser Stadt. Geliebt, gehasst, besungen und beschimpft, auf romanischen Grundfesten gebaut, großzügig barockisiert, in gotische Spitzen gehüllt, manieristisch übersteigert, mit Sehenswürdigkeiten übersät und von den Stadtbergen Mönchs-, Kapuziner- und Nonnberg malerisch umkesselt, steckt Salzburg voll atemberaubender Schönheiten und aufgemotzter Klischees, voll abgelutschter Stimmungsbilder und faszinierender Details. Diese Bonmotschachtel für Festspielintrigen, die schon so manchen Intendanten in die Flucht geschlagen haben, ist prall gefüllt mit dunken Geheimnissen und hellen Freuden. Die Gästebücher der Hotels und Restaurants lesen sich wie Auszüge aus internationalen Klatschspalten. Die Festspiele sind der Umweg, das Bazar der Zweck, notierte Anton Kuh ins Gästebuch nämlichen Cafés, dort, wo die Häuser entlang der Salzach hinaus in den ebenen Norden fließen. Längst dehnt sich die Hauptsaison – Festspielzeit! Zeit der hochdekorierten Herren und juwelenbehängten Damen! Zeit der illustren Cocktailpartys! – in alle Jahresrichtungen aus. Schon ist das Adventsingen nicht mehr fern, mit Turmblasen und Krippenausstellungen und mit dem romantischen Christkindlmarkt auf dem Domplatz, bald folgt die Mozartwoche rund um den Geburtstag des Wunderknaben Ende Jänner, fast übergangslos wachsen die Osterfestspiele mit den Pfingstfestspielen zusammen. Das Festspielfieber breitet sich wie ein kreativer Flächenbrand aus, längst sind auch die umliegenden Seen davon erfasst, jeder See hat sein Kulturprogramm. Auch viele Festspielkünstler logieren lieber an Seeufern als in dieser Panorama-City, wo sich kurzbehoste Tages- und geldschwere Kulturtouristen sicher gern aus dem Weg gehen würden. Salzburg ist immer ein bisschen zu schön herausgeputzt, ein wenig zu ordentlich, eine überdimensionierte, etwas zu süße Mozartkugel (die echte aus Pistazienmarzipan, hellem und dunklem Nougat und Bitterschokolade wurde angeblich bei der Weltausstellung in Paris mit einer Goldmedaille ausgezeichnet), ein mitunter heißluftig aufgeblasenes Nockerl Christian Hölbling geht mit seinem Programm "Ich kann auch anderst" neue Wege. Wien – I bin a Ölien, bin a echter Ölien, bin a Steirer in Völkermarkt – der Mechanismus des Humors ist oft recht simpel: Der oder die Belachte verhält sich der Situation unangemessen. Der Habitus passt nicht ins Feld, der Prinz nicht in die Arbeiterfamilie. Christian Hölbling weiß und nutzt das. In seinem neuen Programm Ich kann auch anderst erzählt er scharf beobachtend von sozialen und räumlichen Deplatzierungen. Und dabei nimmt er auch auf eigene Erfahrungen Bezug: Stings Englishman in New York kennt er nicht als Alien sondern als Ölien, als in der Steiermark Aufgewachsener und in Kärnten Lebender. Ob er wirklich vom Kärntnervirus, wie er fürchtend auf der Bühne des Café Niedermair preisgibt, bedroht ist, weiß der Zuschauer nicht. Die augenzwinkernde Beschreibung der schleichenden Erkrankung wirken bis hin zu Symptomen des Sprachverfalls authentisch: Wenn nur mehr Kärntner die Beispielsätze verstehen, dann ist es vielleicht schon zu spät und der Steirer aus dem Kabarettisten verscheucht. Hölbling spielt mit der eigenen Autobiographie, beschreibt den Tourneealltag genau so überzeugend wie das Aufeinandertreffen mit Peter Brabeck-Letmathe. Letzteres habe auf Anregung Hölblings zur Erfindung Nespressos geführt, weil dieser dem Nestlé-Chef riet, er solle Café wie Bonbons verkaufen und von einem Hollywood-Star bewerben lassen. Nur so sei es möglich, einen Kilo auch um 80 Euro zu verkaufen. Man will diese Forrest Gump-Geschichte nur zu gern glauben, was an Hölblings schauspielerischem Talent liegt: Mit kleinen Gesten und mit exakter Sprache gelingt es ihm, in Personalunion mehrere Charaktere auf die Bühne zu stellen: Sein kapfenberger Bandleader Mike, ein Mann mit leicht cholerischen Tendenzen und einem kernigen Hass auf VIP-Zelte, fährt mit Hölbling zur Eröffnung eines Wellnessressorts. Dass die Band dort im Bereich der very important people auftritt, führt zu wunderschön lustigen Hasstiraden und Diskussionen, wie auch der Lebensstil Hölblings zum Zankapfel wird – smart home und Hugo Boss-Kleidung führen beinahe zum Zerwürfnis der beiden. So betreibt Ich kann auch anderst elegante Gesellschaftskritik, ohne den Erzählfluss zu brechen. Sogar die Songs sind gut in das Programm eingebettet. Lässige Swing-Nummern werden dialektal überfärbt und entwickeln eine schräge Komik. Christian Hölbling wollte sich mit seinem neuen Programm nach 15 Jahren Herfried neu erfinden. Soweit, so gut! (Florian Kutej, 18. 9. 2015) Mehr Poesie als Schmäh: Uta Köbernick und Gunkl mit "Grüße aus Lakonien". Wien – Worte über Worte. Von Günther Paal alias Gunkl kennt man das: Er, der die Verballhornung professoraler Eitelkeiten, das Sezieren und Verdrehen aufgeblähter Wissenschaftsrhetorik zu seinem Kabarett erkoren hat, darf auch im neuen Programm Grüße aus Lakonien tief im Fundus europäischer Geistes- und Trivialgeschichte wühlen und sein Skalpell ansetzen. Als zeitgeistige Entsprechung quasi zur Seite gestellt (man wurde einander vorgestellt) hat man ihm die 1976 in Ostberlin geborene Liedermacherin und Schauspielerin Uta Köbernick. Die Kleinkunstpreis-Gewinnerin von 2009 lebt heute in der Schweiz. Bei der Wienpremiere von Grüße aus Lakonien im Stadtsaal macht sie mittels Geige, Gitarre und Gesang schnell klar, dass das wohl nicht aus steuerrechtlichen Gründen passierte. Kenne deinen Feind! Das schon eher. Protestsongs? Nein, ich singe Widerständchen, sagt Köbernick, bevor sie sich – mehr poetisch als komisch – an Freihandel, Europa, Überwachung oder den sozialen Netzen abarbeitet, daran erinnert, dass Geld- immer auch Schuldscheine sind und Barack Obama statt Daten oder Staaten besser Taten sammeln sollte. Ja, Köbernick streift auch den Poetryslam, reimt, rapt und raunt mehrdeutige Lyrik, solo oder von Gunkl am E-Bass begleitet. Der erklärt die Ambivalenz des Toleranzbegriffs, schaut beim Frauenbild des Augustinus, der Erkenntnistheorie oder dem Schlachtschiff von Schwedenkönig Gustav Adolf vorbei, will aber auch zu Rosettenpelz und Bauchfleisch etwas loswerden. Das Versteigen und Ausufern – auch das kennt man von Gunkl. Grüße aus Lakonien ist ein legitimer Versuch, der schwach beginnt, im zweiten Teil die Kurve kratzt und mit dem schönen Schlussduett über die Komik der Melancholie tatsächlich noch richtig lustig wird. Kein Kabarett – Poesie statt Schmäh, sei als Warnung angebracht. Im Bewusstsein dessen lohnt der Versuch. Mit "Dackeln im Sturm" melden sich Clemens Haipl und Herbert Knötzl nach 16 Jahren gemeinsam auf der Bühne zurück. Dabei geht es tierisch zu. Wien – Etwas zu haben, woran man sich halten kann, macht das Leben viel einfacher. Ein Credo, ein Motto, ein Leitfaden, so etwas. Herbert Leopold Knötzl hat Letzteren in Form eines Wollknäuels gefunden. Denn er – nein, nicht spielt – ist die Katze Minki. Im knappen, schwarzen Kleidchen schleicht Minki mal geschmeidig und mal plump über die Bühne und hascht nach dem violetten Schnürl in Clemens Haipls Händen. Der wiederum gibt Ivar den Knochenlosen, ein Wikingerchen, dem in pinken Leggings und Glitzertop (Kettenhemd) das Wilde abhandengekommen ist. Trotz seines Plastikschwerts ist er mehr fahrig denn gefährlich, mehr Fistelstimme denn Faustkampf. Zusammen sind die beiden kalkulierte Lächerlichkeit und noch viel, viel mehr: Menschen in der Tierhandlung, ein Taxifahrer, Ö1 Moderator Huri Hure... Als ProjektX wurden Haipl und Knötzl in den 90er-Jahren bekannt, Projekt X heißt immer noch ihre donnerstägliche Mitternachtssendung auf FM4. Mit ihrem neuen Programm Dackeln im Sturm stehen sie im Kabarett Niedermair aktuell zum ersten Mal seit 16 Jahren wieder gemeinsam auf der Bühne. Was sich bisher bewährt hat, das setzen sie hier fort. Dabei dreht sich vorerst einmal alles um die Katz‘. Von Knötzls emphatischer Exegese des Cat Stevens-Hits Father and Son (Kater and Son) hantelt man sich die fellflauschige Assoziationskette Katze – Cat – Muschi entlang bis zwischen die Schenkel einer altgedienten, steilen Katz. Weil eine Richtschnur aber stets die merkliche Gefahr des Strangulierstricks in sich trägt, macht man Pause, ehe die cat content-Wortspielchen ausgehen. Nach dem Neustart sollen Fische die Pointen bringen. Beziehungsweise die Fischers: Der Bundes-Heinz und die Atemlos-Helene sind jetzt nämlich zusammen, weil sie eh schon gleich heißen. Und weil es so gut passt, betreibt die Fischerin nebenbei auch noch eine Tierhandlung mit Schwerpunkt Fisch. Zufälle gibts, die gibt’s eigentlich nicht! Und es gibt Humor, den bräuchte es eigentlich nicht. Tierisch daneben zum Beispiel die Frage Schluckt’s? nach dem zwischenmenschlichen Betragen der Letztgenannten. Wer solche Schmähs und stimmungsvoll auf der Blockflöte begleiteten Gesangseinlagen (Sierra Madre) à la Muttertagsaufführung bisher mochte, wird gewiss auch mit Dackeln im Sturm etwas anfangen können. In seinem neuen Kabarettprogramm "Der Tolerator" überprüft Thomas Maurer unser aller Bereitschaft, andere Meinungen gelten zu lassen. Ein Gespräch über intellektuelle Verrenkungen und alltägliches Chaos. STANDARD: Der deutsche Kabarettist Serdar Somuncu gibt als Hassias einen alles und jedem gegenüber intoleranten Hassprediger. Liefern Sie jetzt als Tolerator das Gegenstück dazu? Maurer: Also gespiegelt ist es nicht. Man kann gut zwei Stunden vor sich hin hassen, aber zwei Stunden tolerieren ist vielleicht ein bisserl fad. Der Abend ist einfach das Produkt dieses Toleranzbegriffs, der umso schlüpfriger wird, je mehr man sich mit ihm befasst. Es handelt eher von den Mühen und den persönlichen Grenzen beim Üben der Toleranz. Die Ambivalenz des Begriffs besteht ja schon einmal darin, dass man nur Dinge toleriert, die man eigentlich nicht ausstehen kann, sonst wären sie einem ja willkommen. STANDARD: Das Wort kommt ja von tolerare, das heißt ertragen/erdulden. Goethe hat sinngemäß gesagt, dass jemand, der erduldet, auch beleidigt. Man stellt sich moralisch über ihn. Maurer: Genau. Tolerieren ist auch eine Form der Statuserhöhung. Das wird durchaus ein Teil des Programms sein. STANDARD: Wenn wir die Übersetzung ertragen nehmen, ist es eigentlich auch zum Leiden nicht weit. Ist der tolerante Mensch also ein geplagter Mensch? Maurer: Der Mensch ist an und für sich immer ein geplagter Mensch. Der Tolerante ist aber natürlich sehr spezifisch geplagt. Weil er ein Stück seiner persönlichen Freiheit, sei es freiwillig oder unter Druck, zurücknimmt, um ein soziales Miteinander zu ermöglichen. Die meisten von uns lernen zum Beispiel, ihre Wutanfälle zu kontrollieren oder Ambivalenzen auszuhalten. Das Paradoxe ist aber, eine tolerante Gesellschaft wäre nach der Wortdefinition eigentlich eine Gesellschaft, in der Leute zusammenleben, die sich gegenseitig nicht aushalten, aber sich auszuhalten gelernt haben. Paradiesisch klingt das nicht. STANDARD: Ludwig Marcuse hat gesagt, dass Toleranz immer genau so viel wert ist wie das Motiv des Tolerierens. Und diese Motive können ja auch Gleichgültigkeit, Bequemlichkeit oder Feigheit sein. Maurer: Da müsste ich drüber nachdenken, ob es nicht in der praktischen Auswirkung trotzdem angenehmer ist, wenn jemand aus Wurschtigkeit Dinge zulässt, die jemand mit einem gefestigten, etwa religiösen Weltbild nicht zulassen würde. Ein wurschtiger Diktator ist wahrscheinlich angenehmer als ein ideologisch hochmotivierter. STANDARD: Ab wann ist man eigentlich intolerant? Erst dann, wenn ich dafür sorge, dass diese Meinung nicht mehr geäußert wird? Maurer: Wenn jemand die oder die Meinung am liebsten verbieten würde. Natürlich gibt es Meinungen, die richtiger sind als andere, weil sie zum Beispiel wissenschaftlich begründet sind. Im akademischen Milieu wird es zum Teil aber auch absurd. Wenn es etwa in den Gender Studies zu den abenteuerlichsten grammatikalischen Verrenkungen kommt, um niemanden theoretisch Beleidigbaren auch nur zu streifen. STANDARD: Im Kabarett besteht die Möglichkeit zum Verlassen der Political Correctness. Maurer: Ich glaube, dass die Diskussion über Political Correctness in Österreich eine Chimäre und eigentlich ein Popanz der Rechten oder der Kronen Zeitung ist. Intensiv beschäftigen sich vorwiegend jene damit, die sich sowieso grundsätzlich unkorrekt verhalten. Und sich dann in die Rolle werfen, die Kraus die verfolgende Unschuld genannt hat: Nämlich sagen, dass sie das, was sie sagen, ja eigentlich nicht sagen dürften, wegen der Political Correctness. Dafür bekommen sie dann auch noch einen Heldenbonus. STANDARD: Ist Ihr Tolerator so ein Held? Maurer: Mein Bühnen-Ich bemüht sich redlich um Toleranz, muss aber erkennen, dass er dafür von Haus aus nicht sehr gebaut ist. Sowohl in den großen Themen als auch in den kleinen Bereichen des Lebens ist er sehr aufbrausend. Die Komik liegt natürlich immer im Scheitern. Und da ist Toleranz ein schönes Thema. Ähnlich wie bei der christlichen Nächstenliebe stößt man ja in der Regel auch mit dem Toleranzgebot mehrmals täglich an seine Grenzen. Zwei inhaltliche Eckpunkte des Programms sind der Islam und die FPÖ. STANDARD: Beim Islam toleriert Österreich im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern den Ganzkörperschleier. Richtig so? Maurer: Da das in Österreich derzeit einfach keine relevante Zahl betrifft, hielte ich ein Verbot für identitäres Brusttrommeln. Es wird im Übrigen schon deswegen nicht kommen, weil da der Tourismusverband Salzburg auf die Barrikaden ginge. Die verdienen viel mit saudischen Touristen, dort sind die kulturellen Differenzen dann auf einmal gar kein Problem. Gefallen tuts mir natürlich nicht. Aber über solche Verbote kann man erst diskutieren, wenn es eine relevante Zahl erreichen würde. STANDARD: Leben und leben lassen? Maurer: Innerhalb gewisser Grenzen halte ich das für ziemlich gesund, ja. Aber es geht natürlich nicht, dass etwa Kinder nicht in die Schule geschickt werden, weil sie irgendwann eh verheiratet werden. Diese Dinge sind aber eh bereits gesetzlich geregelt. Was ich nicht sinnvoll finde, ist, Gesetze zu Luftproblemen zu verabschieden. STANDARD: Von symbolischer Wirkung ist oft die Rede. Maurer: Die symbolische Wirkung würde eher bei denen ankommen, die sowieso alles Fremde beängstigend und bedrohlich finden und weniger bei denen, an die so etwas vernünftigerweise adressiert sein soll. STANDARD: Wurden Probleme bei der Integration beschönigt? Maurer: Es ist in der Vergangenheit sicherlich viel Blödsinn passiert. Etwa, dass man bis in die 1980er-Jahre geglaubt hat, die sogenannten Gastarbeiter würden eh wieder alle heimfahren. Man hat seitens der SPÖ bewusst und seitens der ÖVP wahrscheinlich aus Wurschtigkeit die Tatsache, dass es Probleme gibt, lange ignoriert. Und dann hat man den Fehler gemacht, zähneknirschend den Forderungen der FPÖ nachzugeben, gleichzeitig aber etwas anderes behauptet. Eine psychologisch sehr ambivalente Botschaft. Wichtig für das Zusammenleben ist das Beherrschen einer gemeinsamen Sprache und das Einhalten unseres Wertekanons. Das heißt, ich muss es auch als frommer Mensch aushalten, wenn bei einer Hotpants der halbe Hintern rausschaut. STANDARD: Wird in ihrem Programm auch die jüngste Lawine an Internetpostings zur Flüchtlingskrise eine Rolle spielen? Maurer: Ja, das nimmt eine zentrale Stelle ein. Die Kommunikationskultur hat sich damit sehr verändert. Da ist erstens die Möglichkeit der Anonymität. Und zweitens gibt es diese Facebookgruppen, die eigentlich nur Echokammern sind. Da drin hören die Leute nur noch sich selbst und müssen sich in ihrer Meinung gegenseitig aufschaukeln. Wenn wir jetzt hier den Computer aufklappen, haben wir innerhalb einer Minute die erste Mauthausen aufsperren-Forderung aufgespürt. Und das hat eine Dichte und Selbstverständlichkeit angenommen, die vor zehn Jahren aufgrund anderer medialer Kommunikationsformen noch nicht da war. Früher musste man mit einem Hassbrief noch auf die Post gehen. So etwas bremst. STANDARD: Auch die politische Kommunikation lief schon besser. Maurer: Der Aufstieg der FPÖ hat sicherlich auch stark mit dem kommunikativen Versagen der anderen Parteien zu tun. Ich finde ja, dass Christian Konrad den Job als Flüchtlingskoordinator ganz gut macht. Aber dass man da extra wen aus der Pension zurückholen muss, damit irgendetwas passiert, das ist ein erschütterndes Zeugnis von Handlungsunfähigkeit. Ein beängstigendes Signal. Wenn die Hypo ähnlich gut gemanagt wurde wie die Flüchtlingskrise, wundert einen nichts mehr. Das ist, wie wenn man im Flugzeug sitzt, und der Kapitän kommt an mir vorbeigetorkelt. Die bayerische Kabarettistin mit ihrem Programm "Ruhe bewahren!" im Stadtsaal. Wien – Sie hat gestern im Hotel einen Mann kennengelernt. Einen, der gern lacht, ohne versoffen zu sein. Ein paar Sekunden im Lift, und sie war sich sicher: Das ist er. Das spürt man. Was er wohl von Beruf ist? Künstler? Zu gut angezogen. Galerist wahrscheinlich. Bis bald, hat er gesagt, der Galerist mit dem Dreitagesbart. Und jetzt? Ruft er nicht an! Der Depp! Zu allem Überdruss muss sie nun auch noch auf die Bühne. Leute unterhalten, die Welt erklären. Pf! Da heißt es jetzt Ruhe bewahren! Die bayerische Kabarettistin Luise Kinseher gab am Samstag im Stadtsaal ihre umjubelte Wien-Premiere. Mit ihrem sechsten Soloprogramm steht sie seit 2014 auf der Bühne, im selben Jahr erhielt Kinseher auch den Bayerischen Kabarettpreis. In Wien präsentierte sich die 47-Jährige in Hochform, unterstrich einmal mehr, dass sie zu den besten ihres Fachs zählt. Ruhe bewahren! ist ein rundes, dramaturgisch ausgefeiltes Stück über die Zeit. Über das Warten und Nichtwartenkönnen, über den technologischen Wahnsinn, das gesellschaftlich verordnete Wellnessgebot und nicht zuletzt die Liebe. Hierzu präsentiert Kinseher drei Bühnenfiguren, die man dem Motiv der drei Lebensalter aus der bildenden Kunst zuordnen kann: Den größten Teil des Kabaretts bestreitet Kinseher als sie selbst in der Blüte des Lebens, wartend auf den Anruf des unbekannten Bekannten. Die Sterbeprognose vor Augen Verträumt am Tischerl sitzend, dank Smartwatch die eigene Sterbeprognose vor Augen, hält sie ein Plädoyer fürs Ergreifen des Augenblicks. Gesteht aber ein, dass der meist schon vorbei ist, bis er im Hirn ankommt. Das sei eben wie bei den Bankern der Finanzkrise: Denn so einem Millionentransfer im Millisekundentakt muss man evolutionär erst einmal gewachsen sein. Stets im richtigen Tempo bleibend, spannt Kinseher dann auch als lallende, reifere Dame im Bademantel einen Bogen: Da kommt sie von der bayerischen Innenpolitik bis zum Quantenquark und Wurmloch. Statt Mittagsschlaf gibts Powernap, und das Stammstüberl ist jetzt eine Lounge. Vom schleichenden Kulturverfall hat schließlich auch die preußelnde Pensionistin zu berichten. Da hat sich dank Alzheimer nur der liebe Gatte zum Guten verändert. Beeindruckend vor allem, wie Kinseher ihre Witzchen mit dem Publikum durchzieht, wie sie immer wieder auf den Lehrer, den ITler und die Kampfsportlerin in der ersten Reihe zurückkommt. Bissig und doch entspannt bereitet Luise Kinseher einen Abend, an dem man gern die Zeit vergisst – zumindest bis das Handy klingelt. In "Willkommen Österreich" sitzen sie seit ein paar Wochen beim Paartherapeuten. Ab Mittwoch stehen Dirk Stermann und Christoph Grissemann mit Magda Kropiunig im Klassiker "Sonny Boys" auf der Bühne des Wiener Rabenhofs. STANDARD: Sie kennen einander Ihr halbes Leben. Wie gut will man einander überhaupt kennenlernen? Stermann: Die Frage ist ja gar nicht so sehr, ob man will oder nicht. Wir sind quasi gezwungen, weil wir einander in so vielen intensiven Situationen zusammen erleben. STANDARD: Setzt Ihnen das zu? Grissemann: Es gab zwei tätliche Übergriffe, die erwähn ich immer wieder gern, aber die psychische Zerrüttung ist größer. Stermann: Ich bin psychisch so stabil, dass ich es fast ohne bleibende Schäden überstanden habe. Er hat mich abgehärtet. STANDARD: Persönliche Zwistigkeiten passen zum Stück, darin spielen Sie zwei gealterte, zänkische Komiker. Die erfolgreiche Karriere liegt hinter ihnen, die beiden sind etwas abgehalftert, jetzt sollen sie noch einmal gemeinsam auftreten. Wie kam es dazu? Stermann: 1972 hat Neil Simon sich gedacht, dass irgendwann in Österreich zwei Typen lange zusammenarbeiten und sich irrsinnig auf den Geist gehen. Für die hat er das Stück geschrieben. Probeweise haben das vor uns lauter alte Männer gespielt um zu sehen, wie das Stück so funktioniert, und das hat es scheinbar sehr gut. Jetzt dürfen die Jungen ran. Grissemann: Das war eine Idee von Rabenhof-Direktor Thomas Gratzer. Wir haben uns acht Jahre lang dagegen gewehrt, Sonny Boys für eine verschmockte Komödie gehalten, die mit uns nix zu tun hat. Dann hab ich es aber aufmerksam gelesen. Und da steckt so viel von uns selbst drin, dass ich mir gedacht hab, es wär eigentlich schade, wenn man das nicht spielt. Wer soll das sonst spielen? STANDARD: Davor haben das zum Beispiel Kapazunder wie Helmut Lohner, Otto Schenk und Gert Voss gemacht. Grissemann: Langgediente Volksschauspieler, ja. Die letzte Rolle vor der Krebsdiagnose. Das war schon auch ein Argument, es nicht zu machen, weil es so nach Abschied klingt. Was soll danach kommen? Aber die Herausforderung anzunehmen, das nicht als alte Männer zu spielen, sondern als mitten im Leben stehende, Fast-50-Jährige, hat ja auch ihren Reiz. Stermann: Das Setting wurde für uns umgeschrieben, gekürzt, auf drei Personen runtergebracht. Etwa behalten wir unsere Namen, sodass ich mir keine neuen merken muss. Grissemann: Das erleichtert die Schauspielarbeit. Stermann: Auch Magdas Rollennamen heißt Magda. Magda hätte sich natürlich viele Namen merken können, weil sie professionelle Schauspielerin ist, aber wir… STANDARD: Sie verkörpert Christophs Cousine, die die beiden Gockel immer wieder zusammenzubringen versucht. Haben Sie einander vorher schon gekannt? Kropiunig: Ja, aber wir arbeiten jetzt zum ersten Mal miteinander. Es ist nicht viel anders als bei anderen Theaterproben. Es gibt die gleichen Glücksmomente und Schwierigkeiten und läuft alles sehr professionell ab. STANDARD: Sie spielen im Fernsehen sowie auf der Bühne. Was ist Ihnen lieber? Kropiunig: Beides. Obwohl die beiden ganz verschieden sind. Ich komme vom Theater und das werde ich wahrscheinlich immer machen. STANDARD: Beim Aufzeichnen fürs Fernsehen kann man ja mehr improvisieren. Grissemann: Fernsehen ist eigentlich das Schlimmste. Es ist ein ungeprobtes Programm, von dem du selbst nicht überzeugt bist. Das sind Witze, die mir geschrieben werden und die ich aufsage. Humor von der Stange, ganz klar auf ein Publikum ausgerichtet. Willkommen Österreich ist nicht mein Humor. Ich bin teilweise vor dem Publikum schon wieder aus dem Studio draußen, weil ich mir den Mantel schnappe und zur U-Bahn laufe. Ich denke in den letzten zehn Minuten der Sendung schon, was ich zuhause essen werde. Würde ich die Witze machen, die mir gefallen, hätte ich wahrscheinlich nur 20.000 Zuschauer. Fernsehen ist ein riesiger, aufgeblähter Apparat. Da finde ich Theater angenehmer. Oder Kabarett, da sinds nur wir zwei. STANDARD: Der Humor damals, 1972, war ein anderer, die Witze handzahm. Klowitze, Schwulenwitze, Hämorrhoidenwitze kommen im Stück nicht vor. Stermann: Wir kennen weniger Tabus. Aber Klowitze wird es auch bei uns keine geben, sondern eher ein fast sentimentales Stück, eine Love-Story. Kropiunig: Ich finde grad Komödie sehr herausfordernd, weil der Charakter von dir lebt, du ganz viel von dir hineingeben musst. Boulevard hab ich schon gemacht, das will ich jetzt nicht wieder machen. Sonny Boys ist sehr dialoglastig, man muss sehr schnell denken. Es ist eine Timingsache und sehr präzise. Leute zum Lachen zu bringen ist sehr schwierig. Stermann: Wir brauchen Stichworte. Das ist das Banale am Theater. Stichwort, Stichwort, Stichwort. Wann steh ich wo, was mach ich mit den Händen… STANDARD: Hat sich Ihr Humor verändert, seit Sie angefangen haben? Stermann: Der Humor gar nicht so, aber die Herangehensweise. Früher haben wir gar nicht darüber nachgedacht, dann hat man angefangen, sich ein bissl zu überlegen, was man macht. Inzwischen haben wir eine Art von gelassener Professionalität, die nicht mehr so viel will. Für mich ist es unangenehm, wenn ich Leute im Fernsehen sehe, die so aktiv sind, das finde ich abturnend. Besser finde ich die, die sich immer weiter zurücklehnen und aus dem heraus eine Unterhaltungssendung machen. Grissemann: Wie im ganz normalen Leben. Fernsehsendungen, wo die Menschen immer so steif reden und nicht geraucht und getrunken werden darf, finde ich seltsam. Da empfinden es manche schon als anarchisch, wenn man bei uns ein Glas Wein trinkt. Das hab ich nie verstanden, ist doch absurd! Wir kriegen viele Zuschriften: Um Gottes Willen, da trinken Menschen im Fernsehen Wein, darf das sein? Stermann: Unsere Aufgabe ist es, Willkommen Österreich zu machen und gleichzeitig aus dieser Sendung auszusteigen. Nur wissen wir und die Redakteure vorher nicht, wie. Das macht es für uns spannend. Wenn es glatt über die Bühne gegangen ist, so wie es vorgesehen war, dann entsteht dadurch immer eine gewisse Leere. Es ist schon der Wunsch da, dass was passieren könnte. STANDARD: Wenn Sie beide noch einmal anfingen – dann eher wie Joko und Claas oder wie Jan Böhmermann? Stermann: Ich würde mich, wenn ich die Wahl hätte, mir einen Hamburger ins Gesicht spritzen zu lassen, immer für nein entscheiden. Grissemann: Mir wäre das auch zu anstrengend. Was einem schon zu denken gibt, ist, dass wir beide jetzt genau aus der Zielgruppe bis 49 Jahre herauswachsen. STANDARD: Stefan Raab hat die Reißleine gezogen und gesagt, er hört mit 50 auf. Von Ihnen hat man das auch mal gehört. Grissemann: Ja, ich häng auch nicht so wahnsinnig an dem Job. Ich kann mir schon vorstellen, dass in zwei Jahren Schluss ist. Ich würde die Sendung gern weitermachen, aber es ist nicht so, dass ich jetzt irrsinnig dran hänge. Ich kann mir ein gutes Leben auch ohne Willkommen Österreich vorstellen. STANDARD: Fernsehen bietet die Möglichkeit, tagesaktueller zu sein als die Bühne. Sind Sie gern politisch? Viele Situationen wiederholen sich ja doch immer wieder. Stermann: Ja, es ändert sich nichts. Wenn die Autoren uns bei der Sitzung die Witze zeigen, hätte es genau so ganz oft auch vor sechs Jahren schon sein können. Wir benutzen diese Namen eigentlich als Codes. Wenn du Mikl-Leitner sagst, dann weißt du, die Leute lachen, weil sie ahnen, jetzt kommt ein Mikl-Leitner-Witz. Den musst du gar nicht mehr machen. Es reicht, Mikl-Leitner zu sagen. Grissemann: Vollkommen austauschbare Figuren. Das Dschungelcamp ist genau das gleiche wie das Parlament, Dieter Bohlen genau das gleiche wie HC Strache. In Wahrheit gehts um den Witz und nicht um die politische Message. Haben wir ja keine. Beziehungsweise ist die, die wir haben, eh klar, und es wäre nicht amüsant, die jedem zu sagen. Zeigefingerkabarett geht mir auf die Nerven. Wenn der Witz okay ist, dann ist mir egal, ob DJ Ötzi vorkommt oder Jörg Haider. Stermann: Auf der anderen Seite ist es so: Indem wir uns über alle gleich lustig machen, entsteht irgendwann so ein Gefühl, dass man eine Demokratieverdrossenheit unterstützt. Die Möglichkeit, die du als Witzeerzähler oder Entertainer hast, ist ja sehr begrenzt. Darum würd ich gar nicht erst anfangen, irgendwas zu versuchen. Ich finde nicht, dass es die Aufgabe von Komikern ist, dass manche Sachen aufgearbeitet werden, sondern die von Journalisten. Hin und wieder möchte man aber schon eine Art Haltung zeigen, weil es wichtig ist, weil man die als Mensch eben hat. Darum bau ich darauf, dass ich das noch mit 70 moderiere, weil vielleicht weiß ich dann, wie man es richtig macht. Bis jetzt weiß ich es noch nicht. STANDARD: Bisher kämpfen Sie ja durchaus mit harten Bandagen? Stermann: Im direkten Gespräch ist das letzte, was wir wollen, Gäste der Lächerlichkeit preiszugeben. Und sonst tun das ja nicht wir, sondern die Leute selbst. Wenn der Verteidigungsminister so redet, wie er redet, dann schafft er das schon selber. Grissemann: Es wird ja niemandem die Würde gestohlen. Es ist letztendlich nicht mehr als ein Joke, ein Witz. Und es gibt nix Vergnüglicheres als Schadenfreude. Wenn jemand auf einer Bananenschale ausrutscht, kann ich da immer noch lachen. Auch wenn es ein 80-Jähriger ist. Das ist halt einfach lustig. Deswegen demütigt man ja niemanden. Zumal ich mich selbst auch nicht aus den Witzen raushalte, weil Stermann macht über mich genauso Witze wie ich über ihn. Die ganze Welt kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, dass Witze über sie gemacht werden. Das ist schon in Ordnung. STANDARD: Ich kann uns und unsere Shows nicht mehr unterscheiden, heißt es im Stück. Wie gut können Sie die Grenze zwischen Berufsironie und privat noch ziehen? Grissemann: Komplett. Das ist schon eine gezielte, gelernte Fertigkeit für den Beruf. Ich bin im Privatleben eigentlich fernab von jedem Zynismus. Ich erzähle auch keine Witze, bin in einer geselligen Runde eher sehr langweilig, stiller Trinker. Mir geht’s auf die Nerven, wenn jemand Witze erzählt. Also eigentlich bin ich das exakte Gegenteil in Sendung und privat. Stermann: Total. Es wäre ja furchtbar, würde man einem Kind mit Bauchschmerzen zynisch begegnen. STANDARD: In Willkommen Österreich haben Sie beide große Freude an Heinz Fischer. Wird er Ihnen als Bundespräsident fehlen? Stermann: Ja, aber nicht nur für unsere Arbeit. Er fehlt mir als Figur jetzt schon ein bisschen. Aber Van der Bellen wird man ja auch ins Herz schließen können. Grissemann: Wir werden uns gebührend verabschieden. Der Verein "EntArteOpera" präsentierte im Wiener MuTh Musik, die ausschließlich im Lager Theresienstadt entstanden ist. Gegeben wurden Werke von Pavel Haas, Gideon Klein und Viktor Ullmann – Klänge, die ob ihrer Komplexität zutiefst bereichern. Wien – Wenn sich die Kriegsflüchtlinge aus dem Nahen Osten heute auf ihren langen Weg nach Europa machen, dann ist ihr Ziel ein Kontinent des Friedens und des Wohlstands. Und doch ist es nicht einmal ein Menschenalter her, dass dieser Kontinent während des Zweiten Weltkriegs seine dunkelste Zeit erlebte. Im MuTh erinnerte der Verein EntArteOpera mit mehreren Veranstaltungen an jene Jahre, als etwa im Augarten noch die Geschütze auf den Flaktürmen feuerten, als in den vier Sammellagern im Zweiten Bezirk die jüdische Wiener Bevölkerung zusammengepfercht und von dort in die sogenannten Konzentrationslager abtransportiert wurde. Theresienstadt war das Vorzeigelager des NS-Regimes, zur Demonstration eines normalen Lebens auf jüdischem Siedlungsgebiet – so die grausam-sarkastische NS-Amtssprache – durfte hier sogar musiziert werden. Neben einer Ausstellung in der Aula der Akademie der Bildenden Künste, Komm mit nach Terezin, präsentierte die von Susanne Thomasberger geleitete EntArteOpera drei Konzerte im MuTh, deren Programme ausschließlich Werke enthielten, die in Theresienstadt entstanden sind. Am letzten Abend leitete mit Martin Sieghart ein Mitstreiter von Thomasberger das Georgische Kammerorchester Ingoldstadt. Sieghart hat in den letzten Jahren die tollen EntArteOpera-Produktionen von Franz Schrekers Der Schatzgräber und Walter Braunfels‘ Ulenspiegel in der Linzer Tabakfabrik dirigiert. Der Österreicher und die großteils packend und energisch musizierenden Ingoldstädter präsentierten zuerst die mit motorischer Kraft erfüllte Studie für Streichorchester von Pavel Haas, welcher Sieghart in einer kurzen Ansprache eine unglaubliche Zerrissenheit attestierte. Die Partitur des Werks blieb verschollen, Dirigent Karel Ancerl rekonstruierte sie aus Stimmenmaterial, welches im Lager gefunden wurde. Der tschechische Komponist Vojtech Saudek arrangierte Gideon Kleins letztes Werk, ein Streichtrio, zur Partita für Streicher um. Klein vollendete das Werk neun Tage vor seiner Deportation nach Auschwitz. Der Mittelsatz, ein Variationssatz, beeindruckte ob seiner Komplexität. Reiche, bereichernde Musik, die nicht nur zu Gedenkanlässen gespielt werden sollte. Bei Viktor Ullmanns letztem Werk, dem Melodram Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke, sprach Ingrid Habermann in eindrücklicher Weise die Prosadichtung von Rainer Maria Rilke. Zum Abschluss sang sich der Mozart Knaben- und Mädchenchor Wien (Leitung: Peter Lang) mit Hans Krásas kurzer Kinderoper Brundibár (in der Theresienstädter Fassung) in die Herzen der Zuschauer. Vor 71 Jahren wurden die meisten Kinder, die diese Oper in Theresienstadt vor den Besuchern des Internationalen Roten Kreuzes gespielt hatten, danach nach Auschwitz deportiert und dort ermordet. Hierüber kann man nur verstummen und danach seine Stimme dafür erheben, dass solche Zeiten nie mehr wiederkommen. Bei der Uraufführung der Oper "Morgen und Abend" von Friedrich Georg Haas wird ein rätselhafter Text von Jon Fosse zur Meditation über Tod und Leben. Im Londoner Royal Opera House brilliert u. a. Klaus Maria Brandauer. Nicht nur der Sänger Orpheus sucht den Weg in die Unterwelt. Vom Leben in das Reich des Todes, zu den Sterbenden und Verstorbenen führt das Musiktheater ja seit seinen Anfängen. Bei Friedrich Georg Haas Morgen und Abend bildet dieser Ort des Todes sogar das Zentrum der Oper. Einen genauen Zeitpunkt der Grenze, an der das Leben in den Tod überwechselt, legt Haas dabei allerdings nicht fest. Ob der alte Fischer Johannes noch lebt oder schon gestorben ist, bleibt in der Schwebe. Johannes steht – noch einmal? – von seinem Bett auf, kocht Kaffee, macht sich auf den Weg zum Meer und bildet sich dabei ein, auf einmal seine Frau und seinen Freund Peter, die doch alle schon lange verstorben sind, zu treffen, und plaudert mit ihnen lebhaft. Auch seine Lieblingstochter Tochter Signe geht, ohne ihn zu bemerken, an ihm vorüber. Sie sehen sich nicht, aber sie spüren einander. Schließlich verschwinden die Wörter, heißt es in Jon Fosses Roman Morgon og Kveld. Bleiben nur mehr Klang und Musik übrig? Die Zusammenarbeit mit dem norwegischen Schriftsteller hatte sich für Haas bereits bei der 2008 in Paris uraufgeführten Oper Melancholia bewährt. Auch damals hatte der norwegische Literaturnobelpreiskandidat selbst seinen Roman zum Libretto umgestaltet. Was aus der Binnenperspektive der Figuren erzählt wird, was die Figuren voller Erstaunen über sich selbst erleben, wird in der Oper zur großen, eindringlichen musikalischen Meditation. Gesungen wird bei Haas freilich erst nach langem, beinahe ermüdendem Warten, bis nämlich endlich die Hebamme (Sarah Wegener) die Geburt von Johannes dessen Vater, dem Fischer Olai, meldet. Denn der Sterbeszene wird, wie in Fosses Roman, das Warten auf die Geburt, die Ankunft von Johannes in der Welt, vorausgesetzt. Zunächst also Melodram. Klaus Maria Brandauer spricht auf Englisch den Monolog des wartendenden Fischers Olai monoton, dann plötzlich selbst fast in Gebärschreie ausbrechend. Die Gesangspartien sind in London in Deutsch gehalten, zumal Morgen und Abend eine Koproduktion des Royal Opera House mit der Deutschen Oper Berlin ist. Beide Sprachen sind also keine Originale, sondern Übersetzungen des norwegischen Librettos. Fischer Olai wird, wie er von sich selbst erzählt, von einer seltsamen Ruhe und einem merkwürdigen Klang beunruhigt, doch ohrenbetäubende Paukenschläge, sirrende-schwirrende Klänge und sakral anmutende Chorgesänge, von weither klingend, beherrschen zunächst die Atmosphäre. So komplex in ihrer Zerlegung von Intervallen die Komposition auch ist, sie besticht oft durch einfache Klarheit und Schönheit und warme Emotionalität. Besonders beeindruckt dabei Sarah Wegener – schon lange erfahren mit den Kompositionen von Haas und ihren geteilten Intervallen – in der Rolle der Lieblingstochter. Den sterbenden, liebenswerten Fischer Johannes spielt – recht jugendlich noch erscheinend – der weiche Bariton Christoph Pohl. Morgen und Abend ist große Oper, doch auf der Bühne (Ausstattung: Richard Hudson) sieht man in hellem Grau lediglich nur einen Kahn, eine Holztür und ein paar Möbel. Die Inszenierung von Graham Vick hält sich minimalistisch zurück, und auch der naheliegenden Versuchung, Morgen und Abend mit mythologischem Ballast und Symbolen zu beschweren (etwa die Fahrt des Fischers Johannes mit dem Kahn als Hadesfahrt zu zeigen) oder als religiöse Legende zu bebildern, entzieht sich die Aufführung. Mit nüchterner philosophischer Klarheit werden Geburt und Tod als Übergang vorgeführt: eine mystische Erfahrung, die die Klangwelten von Haas Komposition sehr effektvoll vertieft. Das große Orchester der Königlichen Oper unter Michael Boder spielte durchaus lustvoll. Den Musikern wurden für das Finale, für das letzte Übertreten der Schwelle bei gleißendem Scheinwerferlicht, für das Publikum sogar Ohrenschützer angeraten. Im April soll die Produktion von der Deutschen Oper Berlin ins Repertoire übernommen werden. 'Verdis "Giovanna d''Arco": Stürmischen Beifall erntete zu Recht Sopranistin Anna Netrebko als Glanzlicht einer mediokeren Inszenierung. Es kommt selten vor, dass den Opernbesucher das Gefühl überkommt, ein – als auffällig erkanntes – Objekt strengster Observation zu sein. Bei jenem Gebäude, dem er sich zu nähern versucht, handelte es sich ja nicht um einen gefährdeten Flughafen, vielmehr um ein Opernhaus. Bereits auf dem Platz vor der Mailänder Scala wird er jedoch von resoluten Herren mit Metalldetektoren durchleuchtet. Nachdem er die Scala doch noch betreten durfte, widerfährt ihm Selbiges abermals. Prickelnde Zeiten. Mehr als 700 Sicherheitskräfte (im und rund um das Opernhaus) kümmern sich bei der Scala-Saisoneröffnung um Ordnung. Nachrichtendienste hatten in der Oper ein mögliches Terrorziel erkannt und für Spannungsgefühle gesorgt; auch Spezialisten aus den USA sollen unterstützend zugegen gewesen sein. Kein Wunder, dass diese Stressatmosphäre auch beteiligte Kunstmenschen erfasste: Anna Netrebko ließ im Vorfeld der Premiere von Giuseppe Verdis Frühwerk Giovanna dArco verlauten, es wären diese Anschlagsmutmaßungen der Schönheit ihrer Stimme nicht über die Maßen zuträglich. Und wie die Vorstellung (nach absolvierter italiensicher Nationalhymne) beginnen durfte, schien ein Quantum ihrer Souveränität tatsächlich backstage geblieben zu sein. In der Tiefe klang Netrebko etwas blass und rudimentär, die Koloraturen wirkten nicht in jeder Faser sicher. Allerdings ist die Partie der Giovanna an sich schon von besonderer Schwere. Sie führt eben auch eine Netrebko an ihre Flexibilitätsgrenzen; und sie ist auch nicht durchgehend dieser – vor allem im Lyrischen – frappanten Stimme zuträglich. Von Minute zu Minute tönte es jedoch ausgewogener, bis sich schließlich Pracht einstellte: Dieses samtige Timbre, das besonders in den Höhen Impulsivität und luxuriöse Farbpracht zu vereinen vermag; dieses Spiel mit der Dynamik, woraus ansatzlose Pianissimi erwachsen – all dies rechtfertigt wohl die Wiederbelebung einer Oper, die seit 150 Jahren nicht an der Scala gezeigt wurde. Die Inszenierung der durchaus als Könner aktenkundigen Regisseure Moshe Leiser und Patrice Caurier lässt die Figur der Giovanna ein bürgerliches Haus des 19. Jahrhunderts erschüttern. Und dies als vom historischen Wahn geplagte Dame. Vater Giacomo (solide der für den an einer Bronchitis erkrankten Carlos Álvarez eingesprungene Devid Cecconi) ist somit der tragische Zeuge einer die Bühne immer wieder flutenden, historischen Fantasiewelt (Bühnenbild Christian Fenouillat). Da durchbohren rote Lanzen das Zimmer der bettlägerigen Giovanna. Da bricht das Volk durch Wände und bedrängt ein fragiles Mädchen, dem auch hüpfende Monsterchen zusetzen (wohl den Skulpturen der Notre-Dame-Kathedrale nachempfunden). Giovannas Fantasie kreist auch um Sexuelles, das diskret filmisch erweckt wird und auf Carlo VII. zielt. Selbiger tritt allerdings gern als ganzkörperlich vergoldete Figur auf, samt stolzem Goldpferd. Zum Finale hin werden leider auch Figuren mit Engelsflügeln sichtbar: Sie untermauern – skurril verklärend – den Eindruck, das Regieduo würde seinen psychologischen Ansatz durch allzu plakative szenische Pointen seiner vorhandenen Subtilität berauben. Ein weiterer Beweis für eine Arbeit unter dem Niveau des Duos wären die in den Bürgersalon einbrechenden Kriegsszenen. Giovanna fuchtelt hier halbherzig mit dem Schwert herum – handwerklich ist dies bescheidenste Regiemachart. Immerhin: Der Italiener Francesco Meli (Carlo VII.) legt eine stimmliche Leistung von bemerkenswert kultivierter tenoraler Energie hin. Und das Orchester unter Riccardo Chailly, dem neuen Musikdirektor der Scala, findet nach etwas bombastischem Beginn zu respektabler Klangkultur und sängerfreundlichem Pathos. Am Schluss einer Premiere, für deren Besuch bis zu 2400 Euro zu zahlen waren, gab es Applaus und Rosenregen für die Sänger; das Regieduo bekam etwas davon ab. In der Begeisterung war vielen Anwesenden (u. a. Rockerin Patti Smith und Italiens Premier Matteo Renzi) womöglich ein Zwischenfall entgangen: Eine Frau beförderte sich aus dem Zuschauerraum in den Orchestergarben und warb mit einem Slogan – für ein reicheres und gerechteres Italien.' Europäische Erstaufführung von William Bolcoms Oper nach dem Roman von Frank Norris am Linzer Landestheater. Linz – Dass die Gier nach Gold den Menschen ins Unheil führt, dieses Thema ist im Bereich des Musiktheaters spätestens seit Wagners Ring des Nibelungen weitflächig abgegrast. 1899, nur wenige Jahrzehnte danach, behandelte der US-amerikanische Schriftsteller und Emile-Zola-Fan Frank Norris in seinem Roman McTeague – A Story of San Francisco denselben Problemkreis in einem etwas realistischeren Ambiente: Ein grobschlächtiger Zahnarzt entfremdet sich von Frau und Freund ob des Streits um einen Lotteriegewinn und bringt beide dann letzten Endes um. Erich von Stroheim verfilmte Norris Werk 1924 unter dem Titel Greed, und von Stroheims Stummfilm wiederum inspirierte den Komponisten William Bolcom zur Komposition seiner ersten Oper. Womit wir auch schon in Linz wären: Denn hier erlebte McTeague – Gier nach Gold 24 Jahre nach der starbesetzten Uraufführung seine europäische Erstaufführung. William Bolcom ist in den USA eine prominente Größe im Musikleben: Der 1938 im Bundesstaat Washington geborene Komponist hat neben drei Opern und neun Sinfonien etwa Orchesterliedzyklen für Marilyn Horne und Placido Domingo sowie Solistenkonzerte für Yo Yo Ma und James Galway verfasst. Ausgebildet in den USA als auch in Europa – unter anderem von Darius Milhaud und Olivier Messiaen – hat sich Bolcom im Lauf der Jahrzehnte eine unerhört breite Palette an klanglichen und stilistischen Ausdrucksmöglichkeiten erarbeitet, die das Beste beinhaltet, was zwei Kontinente und zwei Jahrhunderte Musikgeschichte so zu bieten haben. Liebeswalzer und Rachearien Mit flirrenden Klangflächen der hohen Streicher schildert Bolcom anfangs die Gluthitze des Death Valley, in dem sich McTeague vor den Kopfgeldjägern versteckt. In den zweieinhalb Stunden danach kommt einfach alles: drohende mikrotonale Cluster der Bläser, Jahrmarkt-Remmidemmi, Broadway-Sentimentalität und Operndramatik-Liebeswalzer, Rachearien und Ehestreitduette inklusive. Bolcom mischt tausend Stilingredienzien mit versierter Hand, seine komplexe, illustrative, sich chamäleonartig wandelnde Musik folgt dem Libretto von Arnold Weinstein und Robert Altman mit leichtem Schritt wie eine versierte Tänzerin ihrem Tanzpartner. Wie schön, dass auch die Inszenierung von Matthias Davids traumhaft gut gelungen ist und beeindruckende Bilder bietet, sei es bei den Wüstenszenen oder dem handwerklich großartigen Trubel des Jahrmarkts und der Hochzeit – besser gehts nicht. Mathias Fischer-Dieskau hat ein wandelbares, wundervoll stimmungsvolles Bühnenbild gebaut, zusammen mit den Kostümen von Susanne Hubrich ergibt das ein ganz schön schräges Wild-West-Ambiente. Und auch die Sänger sind großartig, allen voran Corby Welch als McTeague mit seinem kräftigen und doch auch weich-goldenem Tenor. Cigdem Soyarslan muss sich als McTeagues Gattin Trina Sieppe von der Klemmschwester zur Sexgöttin zur Zwangsfixierten wandeln, sie schafft das und singt dabei auch noch wunderschön. Bärenstark der Bariton des als angeschlagen angesagten Michael Wagner (als McTeagues Freundfeind Schouler), und Karen Robertson füllt die zwischen Komödie und Irrsinn aufgespannte Figur der Putzfrau Maria Miranda Macapa mit hochdramatischer Intensität und rollenadäquat schepperndem, schneidendem Mezzo. Im Orchestergraben koordiniert Bolcom-Spezialist Dennis Russell Davies die Sänger, den tollen Chor (Leitung Georg Leopold) und das solide Bruckner-Orchester Linz mit fachmännischem Überblick. Begeisterung und Empfehlung. Wieder einmal zeigt das (noch) von Rainer Mennicken geleitete Linzer Landestheater, dass es auch an einem großen Haus möglich ist, interessante zeitgenössische Oper erstklassig inszeniert auf die Bühne zu bringen. Alexander von Zemlinskys "König Kandaules" an der Flämischen Oper Antwerpen. Auf dem Spielplan der Flämischen Oper in Antwerpen stand heuer die Premiere von Alexander Zemlinskys (1871-1942) König Kandaules. Doch in Belgien liegt noch der Schock des islamistischen Bombenwahnsinns in der Luft. Soldaten in Kampfuniform patrouillieren in kugelsicheren Westen, demonstrieren gelassen, aber mit MP vor der Brust vor allem Anwesenheit. Die Oper spielt. Und das ist auch gut so. Als trotziges, ganz allgemeines Jetzt erst recht!. Antwerpen und Gent sind der flämische Stagione-Vorposten von Opern-Europa, und Aviel Cahn hat den Ehrgeiz, dort ganz vorn mitzumischen. Dass ihm das Theater an der Wien seinen Operndirektor unlängst weggeschnappt hat, ist kein Wunder. König Kandaules ist eines der Meisterwerke im Schatten von Richard Strauss. Der dürfte nicht allzu traurig gewesen sein, dass sich dieser Neben-, ja Über-Strauss 1938 in die USA absetzen musste. An der vorletzten seiner neun Opern schrieb Zemlinsky 1935 bis 1939. Fertig wurde sie nicht, weil die Flucht dazwischenkam. Erst 1996 kam die von Antony Beaumont ergänzte Partitur in Hamburg zu Uraufführungsehren. In Wien haben 1997 schon Hans Neuenfels und Asher Fisch, in Salzburg 2002 Christine Mielitz und Kent Nagano für das obligate Müsste öfter gespielt werden-Echo gesorgt, dem dann doch nicht allzu viel folgte. Mythologisch an der von André Gide aus diversen Überlieferungen destillierten und vom Komponisten zum Libretto umgemodelten Geschichte ist ein Zauberring, der unsichtbar macht. Psychologisch und fantasieanregend seine Verwendung für eine Liebesnacht, bei der der Fischer und Ringfinder Gyges der Frau des Königs Kandaules die schönste Nacht ihres Lebens bereitet. Als er ihr diesen Betrug beichtet, fordert sie ihn auf, den König zu töten und an seine Stelle zu treten. Eine ziemlich abgedrehte Geschichte, die sich kaum einfach so erzählen lässt, zudem die Musik jeden Handlungsrealismus mit großer Geste verhöhnen würde. Also ein gefundenes Fressen für einen wie den Ukrainer Andrij Zholdak, der eh mehr auf die Ebenen unter (oder über) den Buchstaben der Geschichte aus ist. Ein Subtext-Regisseur à la Hans Neuenfels. Auf den spielt er sogar an, wenn hier plötzlich Riesenratten auftauchen. Und mit den eigentlich gar nicht geborenen, gleichwohl gespenstisch aktiven Kindern spielen. Diese Gäste aus dem Reich des Verdrängten bevölkern die drei Etagen des durchgestylten Bühnenhauses. Mit Fahrstuhl von der Nobelwohnküche ins Zwischengeschoß und den Tresor für den Reichtum des Kandaules, bis hinauf ins Schlafzimmer neben dem Bad mit den blutigen Kacheln ... Zusammen mit A. J. Weissbard hat sich Zholdak da ein faszinierendes Albtraumhaus gebaut. Annäherung mit gezücktem Messer, wirre Blicke, lebendiger Symbolismus, an der Wand aufleuchtendes Töte ihn, spürbare latente Gewalt. Und am Ende zwei abgestochene Männer und eine Frau, die mit ihren nicht geborenen Kindern zufrieden Seilhüpfen spielt. Dmitry Golovnin (Kandaules), Elisabet Strid (seine Königin Nyssia) und Gidon Saks (Gyges) halten an der Spitze des Ensembles dem unter Dmitri Jurowski imponierend zwischen aufgeputscht-neurotischem Klangrausch und faszinierender Feinzeichnung balancierenden Orchesterfest stand. Am Ende bleibt wieder die Frage, warum dieses Opernschmuckstück nicht öfter präsentiert wird. Nora Schmid über die Zusammenarbeit mit Musikchef Dirk Kaftan. STANDARD: Gerd Bacher hat den ORF als eine Orgel bezeichnet, auf der er nur allzu gern spielte. Ist die Grazer Oper für Sie etwas Ähnliches, ein riesiges Instrument zum Ausdruck Ihres künstlerischen Gestaltungswillens? Schmid: Ich würde es eher als ein Orchester bezeichnen. Ich bin teamorientiert, nehme Impulse aus meinem Orchester auf und treffe dann Entscheidungen, wohin es gehen soll. STANDARD: Eine Ihrer wichtigsten Entscheidungen ist die Erstellung eines Spielplans. Worauf haben Sie hier geachtet? Schmid: Mir war es wichtig, die Hörgewohnheiten der Stadt zu erkunden. Daraufhin habe ich mir überlegt, was für dieses Haus interessant sein könnte, neu zu zeigen. Gleichzeitig wollte ich in meiner ersten Spielzeit Dinge aufgreifen, in denen sich die Grazer Musikgeschichte spiegelt. Franz Schrekers Oper Der ferne Klang ist hier 1924 erstmals in Österreich aufgeführt worden. Nach dem schwerblütigen Fernen Klang wollte ich mit Rossinis Il barbiere di Siviglia eine temporeiche musikalische Komödie präsentieren. STANDARD: Mit Richard Heubergers Operette Der Opernball steht im November ein Werk eines gebürtigen Grazers auf dem Spielplan. Schmid: Genau. Dann haben wir auch mit dem Schubert-Ballettabend für Und der Himmel so weit eine Graz-Verbindung. Schubert hat hier glückliche Zeiten verbracht und wollte auch eine Oper für Graz komponieren. Der Abend bleibt aber nicht bei ihm stehen: Die Komponistin Isabel Mundry hat von uns einen Kompositionsauftrag bekommen und wird Teile der Musik schreiben. STANDARD: Das Werk mit dem stärksten Bezug zur Gegenwart ist Die griechische Passion von Martinu mit ihrer Flüchtlingsthematik. Haben Sie bei der Auswahl dieses Stückes geahnt, wie aktuell dieser Stoff werden könnte? Schmid: Der Umgang mit dem Fremden, die Angst vor Verlust, vor dem Unbekannten – das ist ein Urthema der Menschheit. Dass sich die Lage dermaßen zuspitzen wird, wussten wir zum Zeitpunkt der Entscheidung vor zwei Jahren natürlich noch nicht. Schön bei dem Stück ist, dass es nicht Partei ergreift, sondern die Problematik differenziert schildert und von allen Seiten betrachtet. STANDARD: Sie präsentieren in Ihrer ersten Spielzeit neue Regiekräfte. Schmid: Es gab in den letzten zehn, fünfzehn Jahren viele Regisseure, die oft wiedergekommen sind. Und da fand ich es einfach spannend, den Fächer weiter zu öffnen und neue Regieteams nach Graz zu bringen, die teilweise international schon sehr angesehen sind. STANDARD:: Wie kommen Sie mit Musikchef Dirk Kaftan klar? Schmid: Kaftan ist ein Dirigent, der das Theater liebt. Ein Glücksfall, denn er wurde bestellt, bevor klar wurde, dass ich Intendantin werde. Wir haben aber gleich gemerkt, dass wir viele gemeinsame Ideen haben. STANDARD: Wie ist die finanzielle Situation? Schmid: Unser Etat ist für die nächsten fünf Jahre gedeckelt. Das ist nicht optimal, wenn man etwa an die steigenden Fixkosten denkt, aber es beschert uns eine Planungssicherheit für einen längeren Zeithorizont. STANDARD: Sie sind in Bern groß geworden und leben jetzt in Graz. Gibt es Gemeinsamkeiten? Schmid: Beides sind nicht die größten Städte, man kommt schnell miteinander ins Gespräch. Ich werde hier in Graz fast jeden Tag angesprochen, in der Apotheke, auf dem Markt, beim Bäcker. Das ist in einer größeren Stadt sicher nicht so, und ich finde es wundervoll, dass die Menschen an unserer Arbeit so Anteil nehmen! (Stefan Ender, 24.10.2015) Schöner leiden: Robert Wilson mischt in Verdis Oper am Landestheater Linz versiert Kühle und Bizarrerie. Myung Joo Lee ist eine ausdrucksstarke Violetta Valéry. Linz – So monolithisch und einförmig Terry Pawsons Bau des Linzer Musiktheaters nach außen wirkt, so vielfältig-bunt ist das Programm, das der scheidende Intendant Rainer Mennicken in dieser Saison innen drin so zeigt. Egal ob Schauspiel, Musical oder Oper: Da ist Interessantes zu sehen. Zur Neuinszenierung von Giuseppe Verdis La Traviata wurde Robert Wilson geladen. Der US-Amerikaner hätte das Stück eigentlich an der Madrider Oper machen sollen, doch nach Gerard Mortiers Tod stieg das Teatro Real aus der Koproduktion aus – und das Linzer Landestheater ein. Wilson hat ja schon vor einiger Zeit zu seinem Stil gefunden, der 73-Jährige inszeniert längst keine Mozarts, Verdis oder Puccinis mehr, sondern verwandelt ihre Werke in lauter Wilsons. Bühne, Kostüme und Licht verbindet der versierte Gesamtkunstwerker dabei zu einem kühlen, klaren Plädoyer für das künstlerische Credo Weniger ist mehr. Alles äußerst aufgeräumt auch bei der Linzer Traviata. Das Seminar Schöner leiden mit Robert Wilson kann beginnen. Zum Vorspiel entschwebt eine aparte Metallskulptur nach oben. Der Hauptakteur Licht kommt gern flächig von hinten und trägt bevorzugt die Farben Blassblau, Zartsilber und Milchweiß. Auftritt der bizarren Pariser Hautevolee. Der Salonadel trägt pomadisierte Wackelköpfe zu nach oben abgewinkelten Handflächen und ist ganz hohle, überdrehte Gespreiztheit. Eine pinguinhafte Puppenarmee aus der Werkstatt von Hoffmanns Spalanzani. Was wird mit den Händen abgewehrt: die dunklen Triebe? Ohrenscheinlich konnte Wilson auch Dirigent Daniel Spaw (er leitet das solide Bruckner-Orchester Linz) und Chorchef Georg Leopold zu seinen Mitstreitern machen: Die Bühnenmusik im ersten Akt klingt wie eine musikalische Karikatur, der Chor singt eckig, wie buchstabiert. Die Komik der Nebenfiguren trifft auf die Tragik der drei Protagonisten, auch diese agieren mit ihren festgefrorenen Fluglotsenbewegungen nicht primär auf natürliche Weise. Wilson lässt Violetta von der Taille aufwärts mit einem Scheinwerfer bestrahlen: Die bei Verdi zum selbstlosen, entsagenden Engel stilisierte Kurtisane ist auch bei ihm Schönheit und Reinheit in Personalunion, eine Dame ohne Unterleib. Myung Joo Lee ist eine ikonenhafte Violetta Valéry mit großer Ausstrahlungskraft. Das Timbre ihres Soprans zählt nicht zu den Glänzendsten, aber sie bewältigt die enormen Anforderungen der Partie souverän, bietet berührende Pianissimi. Kernig und geschmeidig der Tenor von Jacques le Roux (Alfredo), die klangschönste Stimme der solistischen Trias. Ausgerechnet Seho Chang drückt als Spießbürger Giorgio Germont am kräftigsten auf die theatralische Tube und auf die Stimmbänder. Am Ende ermüdet das Glatte, Schöne, Stilisierte etwas, Violettas Tod knickt kaum. Ob die Sänger wohl vom ewigen frontalen Ansingen der Galerie schon ein steifes Genick haben? Stehende Ovationen im Großen Saal, nur bei Wilson leises Missfallen. Regie führt Madonna-Choreograf Vincent Patterson. Wien – Mitte der 1970er veröffentlicht, entwickelte sich Andrew Lloyd Webbers Porträt der argentinischen Diktatorengattin Eva Peron unter dem Titel Evita zum Musical-Welthit, der spätestens durch die Verfilmung mit Madonna 1996 zementiert wurde. 35 Jahre nach der deutschsprachigen Erstaufführung kehrt das Stück nun wieder nach Wien zurück – unter prominenter Regie und mit einer Wien-Debütantin. So wird für die Produktion inklusive Choreografie Vincent Patterson verantwortlich zeichnen, der bereits beim Evita-Spielfilm verpflichtet war und auch für Michael Jackson Choreografien erarbeitete. Die deutsche Schauspielerin und Sängerin Katharine Mehrling feiert mit dem Musical ihre persönliche Wien-Premiere, hat die Titelrolle allerdings bereits gesungen. An ihrer Seite als Argentiniens Präsident Juan Peron wird der in Wien bestens bekannte Thomas Borchert stehen, der bereits in Elisabeth oder Tanz der Vampire zu hören war. Hinzu kommt der Wahl-Wiener Drew Sarich, der in der neuen Produktion die Rolle des Revolutionärs Che Guevara übernimmt. Zumindest bis Sommer ist Evita ab 9. März am Spielplan des Ronachers, wobei durchaus die Option auf eine Verlängerung bestünde, unterstrich VBW-Musicalintendant Christian Struppeck – das hinge von der Auslastung ab. Überlaute Premiere von Andrew Lloyd Webbers Musical: Regisseur und Choreograf Vincent Paterson sorgt immerhin für eine gediegene Fusion von Gruppenszenen und intimen Momenten eines Politpärchens. Wien – Intensität ist ein kostbares Musiktheatergut. Eigentlich das kostbarste. Kommt bei Aufführungen allerdings die Sehnsucht nach Trommelfellschutz auf, ist es ein Hinweis auf das Bestreben, Intensität mit Mitteln der Dezibelverschwendung zu erzwingen. Ebendies geschah im Ronacher bei der Premiere von Andrew Lloyd Webbers Evita. Für die kommenden Vorstellungen ist – im Sinne des Gesundheitsschutzes wie auch der Attraktivität der Aufführung – kalmierendes Drehen am Lautstärkeknopf zu erflehen. Es zog dieses in erheblichen Teilen düstere Werk, bei dem ein kritischer Zeuge namens Che die biografischen Evita-Themen vorgibt, lange Zeit wie ein rasender Erzählzug vorbei, der sich selbst zu übertönen sucht. Zwischen Beginn (Eva Peróns Begräbnis) und Ende (ihr Siechtum samt ihrem Krebstod) ergab sich denn auch zu viel an trommellastiger Aufdringlichkeit. Rätselhaft bei der verbürgt hohen Qualität des Orchesters. Zweifellos jedoch war – durch das Dickicht des akustischen Überengagements hindurch – die Professionalität der Regiearbeit zu erkennen: Choreograf und Regisseur Vincent Paterson bindet Gruppentanz und intime Szenen ohne Tempoverlust aneinander. Mit bisweilen satirischer Figurenzeichnung lässt er Generäle zu Schießbudenfiguren werden oder Vertreter der Upperclass zu – ihren Widerwillen gegen Eva eckig vermittelnden – Puppen. Das koaliert stringent mit dem Duktus der Musik und sorgt für pointierte Kontrapunkte zum natürlich oberflächlich erzählten Karrieredurchmarsch einer Dame, die – wie ihr nazifreundlicher Gatte – im wahren Leben wohl politisch eher ambivalent war. Das Musical ergibt sich der Ikonenverehrung nicht zu 100 Prozent. Der Erzähler soll einen Kontrapunkt bilden, als Evitas innerer Advocatus Diaboli womöglich oder zumindest ihr kleines schlechtes Gewissen. Und als dieser Che liefert Drew Sarich die ausgewogenste, stimmlich profundeste Performance. Er ist dabei, wie Eva den ersten Tangosänger ihres Lebens betört. Er ist dabei, wenn Eva hoch oben auf einem Treppengerüst mit Juan Perón dessen Schlafzimmer betritt und eine Vorgängerin verscheucht. Er ist Zeuge und Opfer von Polizeigewalt und glanzvollen Auftritten der resoluten Dame, die auf Hinweise zu ihrer volksnahen Herkunft eher unwirsch reagiert, um schließlich todkrank in den Armen von Juan Perón (respektabel Thomas Borchert) zu landen. Katharine Mehrling spielt resolut, straff und verfügt über ein markantes, herbes Timbre. Sie klingt ein bisschen wie Popchansonnière Patricia Kaas. Es ließe sich aber ebenso behaupten, sie tönte wie Maria Bill, die Édith Piaf singt und dabei an Schlagerveteranin Mireille Mathieu denkt. Eine eigenwillige Mixtur also, die Geschmackssache ist. Eine solide Leistung war das jedoch allemal. Als Evitas Kräfte nachlassen, wird natürlich auch ihre Stimme brüchig, doch nicht immer scheint dies im Rollenverständnis begründet. Es ist halt eine Schwerstpartie: Evita ist Rockröhre, Sprechsängerin, es wurden ihr explosive Höhen hineinkomponiert wie auch zarte Piani. Und während Mehrling Grelles gelang, blieb Subtiles eben unterbelichtet. Evita wurde oft Teil dieses lärmenden Ganzen, das sich bei der akklamierten Premiere hoffentlich ausgetobt hat und Treppen, Tribünen wie das schwebende Zimmer des Paars in Hinkunft nicht mehr akustisch erschüttern muss. Noch bis Ostersonntag läuft im Raimund Theater "Messiah rocks" nach dem Oratorium von G. F. Händel. Die Vereinigten Bühnen Wien machen aus Christi Leben und Tod ein mitreißendes Kitsch-Spektakel zum Mitklatschen. Wien – Superstar war er schon. Jetzt ist er auch noch Rockstar. Er hat ja auch gerockt: im Stall geboren, im Tempel randaliert, sich ausliefern lassen, den Tod bezwungen. Geht mehr F*ck You-Attitüde überhaupt? Und hallo ewiges Leben! Ewig dauert das Spektakel im Wiener Raimund Theater zwar nicht. In kaum eineinviertel Stunden wird da verkündigt, verurteilt, gekruzifixt, begraben und auferstanden. Aber es ist eine höchst leidenschaftliche Passion, die noch bis Sonntag Europapremiere feiert. 1741 hat Georg Friedrich Händel den Messiah komponiert und noch zu dessen Lebzeiten hat sich eine regelmäßige Aufführungstradition des Oratoriums zur Osterzeit begründet. Dieser kommt man nach, weniger aber dem Original: Dani Davis (Libretto) und Jason Howland (Musik) haben sich daran zu schaffen gemacht: Gitarrensolo. Wrrm. Ein paar Bibel- und Händelzitate sind übriggeblieben. Die wurden in opulenten Hochglanzrock verpackt. Das macht das ganze Unterfangen zwar von vornherein lächerlich (no dirt, just dirtiness), aber es zieht! Leicht szenisch (Regie: Alex Balga, musikalische Leitung: Koen Schoots) nimmt man Pathosposen ein. Dramatisches Stehen, Schreiten. Billiges, aufgeblasenes Gefühl. Kitsch. Da fällt ein rotes Tuch (Blut?) vom Himmel und wird zum Schutzmantel der Armen und Geknechteten. Hinter einen Zaun gepfercht sind sie Flüchtlinge, sonst wuchten sie als Sprechchor humane Parolen zwischen die 17 Nummern. Gut so! Als Solisten stehen u. a. Ana Milva Gomes und Drew Sarich im Mittelpunkt. Fixe Rollen gibt es nicht. Aber wenn Rob Fowler King of Glory singt, ist er, das weiße Hemd offen bis zum Brustbein, der wahre King. Zu Hallelujah – im Hintergrund laufen Bilder des indischen Holi-Festes, versöhnt und bunt wie die Ostereier sind die Menschen – reißt es das Publikum endgültig mit, am Ende auch von den Sitzen. Grauenvoll. Aber auch großartig. Auf ganz seltsame, groteske Art. '"Der fliegende Holländer" im Theater an der Wien. Wien – An sich eine tolle Erfindung – das Menschengehirn. Es hat nur einen Nachteil. Es vermag Fragen zu stellen, versagt aber seine endgültigen Dienste bei der Beantwortung selbiger, insofern sie um die wichtigen, also letzten Dinge kreisen. Seit Tausenden von Jahren geht das so. Für die Kunst als solche und ihr Interpretenumfeld ist dies allerdings ein Segen. In alle Ewigkeit wird sich das Karussell der Neudeutung im Sinne der Wahrheitssuche drehen. Natürlich zeitigt diese Suche bei manchem Künstler mitunter auch überbordende Ergebnisse, führt regelrecht zur Invasion der Antworten. Es darf der Rezipient bei Olivier Pys Variante von Richard Wagners Fliegendem Holländer etwa in einem Schiff ein Theater erblicken oder umgekehrt in einem Theater ein Schiff mit einem Friedhof an Bord. Der Regisseur und Festivalleiter von Avignon besteht auf Offenheit; eindeutig will und kann er das Werk (in dessen düsterer, erlösungsfreier Urfassung) nicht begreifen. Wirklichkeitsentwürfe sind bei ihm reichlich zugegen, Py lädt dabei zur freien Deutungsentnahme. Immerhin erwachsen daraus beachtliche optische Reize: Zwar stellt sich mitunter durch – vom Bühnenhimmel herabbaumelnde – klapprige Skelette ulkiger Geisterbahnzauber ein. Jene Holzkonstruktion allerdings, die das Operngeschehen dominiert und durch sensiblen Lichteinsatz (Bertrand Killy) und Drehbühne von einem Trichter zu einem Schiffsbug oder zu einem Raum voller Kreuze mutiert, sorgt für reizvolle Bildmetamorphosen. Was immer das alles bedeuten mag, wer immer diese Senta hier auch sein soll – eine Künstlerin, die an existenzieller Enge leidet, eine Träumerin oder eine im Holländer-Wahn Gefangene -, die vieldeutigen Bilder (Bühnenbild: Pierre-André Weitz) tragen den pausenfreien Abend. Sie beherbergen dann allerdings doch recht statische Personenführung. Samuel Youn (als Holländer) hat zwar vokale Intensität, darstellerisch jedoch verlässt er sich allzu sehr auf Klischees. Dies muss auch für Lars Woldt (tolle vokale Präsenz als Donald) gelten. Etwas weniger holzschnittartig zeichnet Ingela Brimberg die Figur der Senta (nach anfänglichen Problemen eindringliche dramatische Momente). Und auch Bernard Richter (als Georg) verbreitet Bühnenleben, wirkt vokal aber etwas überengagiert. Ziemlich schön die Stimme von Manuel Günther (als Steuermann); nicht ganz in Form, was saubere Intonation anbelangt, die Damen des Schönberg-Chors. Schließlich: An diesem Abend der Todessehnsucht war Tänzer Pavel Strasil ein effektvoller, aber der Regie auch naiven Zauber verleihender Satan, dem nur der riesige Totenschädel die Show stahl, in dem es sich Senta ungemütlich machte. Dirigent Marc Minkowski und seine Musiciens du Louvre entwinden der Partitur auch zum Finale hin sich verstärkende delikate Dynamik. Eine interessante, schlanke Variante, Romantik zu erwecken. Wobei die Intonation der Blechabteilung immer für Überraschungen gut war. Applaus für Py, ein paar Buhs fürs Dirigat.' 'Die "Dreigroschenoper " in der Regie von Keith Warner kommt als handwerklich solides Revuestück daher. Also etwas harmlos. Wien – Nichts gegen Musicals an sich. Es war jedoch – vor nun zehn Jahren – keine üble Idee, den opernaffinen Repertoirehäusern (Volksoper, Staatsoper) mit dem Theater an der Wien ein drittes, nun aber dem Stagione-Prinzip Verpflichtetes hinzuzufügen. Das Musical musste ausziehen, es hatte und hat jedoch mit Raimundtheater und Ronacher noch zwei respektable Bleiben. Das Theater an der Wien blühte aber in der Intendanz von Roland Geyer zum international renommierten Ort auf, der nicht immer, aber doch signifikant oft interessante Inszenierungskunst präsentiert. Zum Zwecke des Jubiläums gerade Brecht/Weills Dreigroschenoper zu wählen zeugt denn auch konsequent von gewissem Wagemut. Das dramaturgisch beschwerliche Stück, das Sängerschauspieler in spezieller Weise fordert, verlangt von der Regie die Wahrung stückimmanenter sarkastischer Hellsicht. Gleichermaßen drängt es die Regie jedoch zur Erlösung von einer gewissen formalen Unschärfe – jedoch nicht unbedingt mit Mitteln allzu grellen Musiktheaters. Es drohte Verharmlosung. Im Dickicht all dieser Forderungen und Anforderungen hat sich Keith Warner wacker verfangen. Auf der Drehbühne belebt er eine Konstruktion handwerklich sauber, die Hinterhofcharme verbreitet und sich zur Bühne wandelt, auf der giftige Romantik zur Entfaltung kommt (Bühnenbild: Boris Kudlicka). Der Wechsel vom Sprechteil zum Gesanglichen versprüht Eleganz; unverkrampft wandelt sich das trostlose Londoner Ambiente (hier die 1950er) zum gleißenden Auftritt einander doch zugetaner Existenzen. Da trifft Macheath die Damen seines allzu großen Herzens, trifft die Spelunken-Jenny zum ruppigen Tänzchen (glänzend: Anne Sofie von Otter) oder begegnet Lucy (pointiert: Gan-ya Ben-gur Akselrod) in der Hoffnung, mit ihrer Hilfe aus einem einengenden Käfig befreit zu werden. Bedauerlicherweise erscheint in diesem heiklen Augenblick auch Polly (glänzend auch vokal: Nina Bernsteiner), die sich als Gattin des nun dem Galgen deutlich näher rückenden Macheath outet. In vielen dieser Augenblicke steht der Regie der Sinn nach Revue. Und Warner löst Situationen in Verbindung mit den Vorgängen im Orchestergarben effektvoll auf. Dass damit ein Preis – was die Tiefenschichten des Stücks anbelangt – bezahlt wird, ist allerdings ebenso klar. Wobei vor allem die etwas harmlose Gestaltung des Sprechteils und dessen knallige Darstellung zu einer ironischen Pointe führen: Diese Dreigroschenoper rückt mitunter so weit an das Musical heran, dass sie als Racheopfer des leichten Genres (wegen dessen Delogierung aus dem Theater an der Wien) wirkt. Gerade in diesem Punkt ist Tobias Moretti (als Macheath) kein Vorwurf zu machen. Bei ihm kein leichtfüßiges Outrieren – im Gegenteil. Er gibt einen Hallodri, der seine Umwelt mit subtiler Strenge traktiert. Dabei jedoch wirkt er in einer Weise unterkühlt, die schon an ironische Distanzierung von der Rolle grenzt. Seltsam. Mit Fortdauer des Stücks, mit zunehmender Nähe zu der selbstentlarvenden Heuchelei seiner Umwelt, löst sich der Knoten jedoch zusehends. Schließlich singt Moretti im Käfig hängend seinen Ekel heraus – er tut es mit dem vokalen Charme eines geschmacklich intelligenten Amateurs. Das Ensemble? Es wird veredelt durch den virtuosen Florian Boesch (als Peachum) und Angelika Kirchschlager (als witzige, scheinbar harmlose Celia). Es ist zudem auch das Klangforum Wien unter Johannes Kalitzke ein eloquenter Advokat der musikalischen Gesten und all der klanglichen Delikatessen, die trotz schlanker Instrumentierung existieren. Applaus – auch für Warner, der mit einer hängenden Mackie-Puppe am Ende versucht, ein Nachdenklichkeit weckendes Rufzeichen zu setzen. So unnötig wie peinlich.' 'Regisseurin Tatjana Gürbaca entwirft für Richard Strauss'' Oper eine düstere Welt, in der der Krieg vieler Epochen seine Spuren hinterlassen hat. Wien – Ihr Leben haben sie offensichtlich hinter sich: Der sensible Musiker Flamand trägt eine blutende Kopfwunde, während es den impulsiven Dichter Olivier mitten ins Herz getroffen hat. Blutig ist sein Hemd Er ist kein "Ritter von der traurigen Gestalt". Doch genau diese Rolle spielt Volksoperndirektor Robert Meyer im Musical "Der Mann von La Mancha", das am Samstag Premiere feiert. STANDARD: Herr Direktor Meyer, eines Ihrer Lieblingswörter ist Handwerk. Meyer: Es ist ja ein Handwerk, was wir betreiben. Schauspieler ist ein Beruf, den man gelernt haben muss, Sänger ebenso. Theaterdirektor kann man nicht lernen. Das wird man und kann es, oder man kann es nicht. STANDARD: Sie haben diese Rolle von jeher mit einer gewissen Selbstverständlichkeit ausgefüllt. Hat sie etwas mit Theaterspielen zu tun? Meyer: Es hat damit zu tun, dass man sich selbst zutraut, ein so großes Ensemble zusammenzuhalten. Es geht darum, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Wenn man Kraft, Lust und Leidenschaft hat, funktioniert es, sonst nicht. STANDARD: Im Gegensatz zu den großen Tankern Burgtheater und Staatsoper tut sich die Volksoper mit ihren vier Sparten beim eleganten Manövrieren vielleicht etwas leichter. Meyer: Dass das Burgtheater im Sprechtheater ein großer Tanker ist, ist klar. Wobei die Volksoper mehr Plätze hat – das vergisst man leicht. Aber Sie haben natürlich recht: Wir haben vier Genres, mit denen man spielen kann. Als Direktor bevorzuge ich zwar keines davon, aber als Schauspieler habe ich natürlich die Operette und das Musical sehr gerne, weil ich dort auch auftreten kann. In der Oper habe ich nichts verloren, und im Ballett schon zweimal nichts. STANDARD: Besonders dem Musical haben Sie neue Anstöße gegeben, wobei Marcel Prawy und Ihr Chefdramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz hier eine wesentliche Wiener Achse verkörpern. Meyer: Prawy hat das Musical nach Wien gebracht, als es noch verpönt war, und hier am Haus mit Kiss Me, Kate und West Side Story Riesenerfolge gelandet. Heute rümpft niemand mehr die Nase bei klassischen Musicals, wie wir sie bringen: vor allem aus den 1950er- und 1960er-Jahren. Das jüngste im Spielplan, Sweeney Todd, entstand Ende der 70er. STANDARD: Was macht den Mann von La Mancha zum Klassiker? Meyer: Von allen Musicals hat es mit Abstand den intelligentesten Text, weil es auf einem Weltroman basiert und der Text zum Teil von Cervantes ist. Deshalb ist der Don Quixote auch für einen Schauspieler ein besonderes Vergnügen. STANDARD: Gibt es da einen Widerspruch zur eingängigen Musik? Meyer: Nach der Vorstellung behält man die Melodien im Ohr, aber deshalb sind sie noch lange nicht primitiv. Die Musik ist sogar sehr heikel, weil die Rhythmen kompliziert sind. Ich kenne das Musical in- und auswendig, weil ich es schon 70-mal gespielt habe. Ich weiß also, wovon ich rede. STANDARD: Sie singen als Nichtsänger. In Musical und Operette arbeiten bei Ihnen oft Kollegen mit ganz verschiedenen Hintergründen zusammen. Wie kommt man auf Augenhöhe und in Harmonie? Meyer: Ich habe damit überhaupt kein Problem. Ich habe zwar keine Sängerausbildung, aber ich war im Kinderchor, im Kirchenchor, und zwar zuerst als Sopran, dann als Alt, schließlich als Bass. Ich habe Klavier und Trompete gelernt und natürlich auch Notenlesen. Das ist nicht ganz unvorteilhaft. Natürlich hört man, ob jemand eine Musical- oder Opernausbildung hat. Beim Mann von La Mancha haben wir mit Mehrzad Montazeri einen Opernsänger im Ensemble. Ich finde die Mischung gut. Toll ist, wenn man das vergisst, wenn alles eines wird. Am wichtigsten ist für mich aber auch hier die Verständlichkeit des Textes. STANDARD: Kommen wir zurück zu Ihrer Rolle als Direktor. Wie stehen die Aktien beim Kasino am Schwarzenbergplatz, das zu einer neuen Spielstätte werden soll? Meyer: Wir planen für dort ab der nächsten Spielzeit eine Produktion pro Saison. Ich möchte dort ausnahmslos zeitgenössische Oper zeigen, kleinere Stücke, weil das Riesenhaus Volksoper für Zeitgenössisches nicht wirklich geeignet ist – das Publikum dafür haben wir in diesem Ausmaß einfach nicht. Im Kasino kann ich hoffen, ein neues Stück zehn- bis zwölfmal zu füllen. Das ist mein Plan, den ich mit Karin Bergmann umsetzen möchte. STANDARD: Die Volksoper hat jüngst noch ein ganz anderes Haus unter ihre Fittiche genommen. Sie wissen, auf welches ich anspiele ... Meyer: Natürlich. Anlässlich der Flüchtlingskatastrophe haben wir uns gefragt, was wir beisteuern können, und uns etwas überlegt, das längerfristig Wirkung hat: Wir werden ein Haus des Diakonie-Flüchtlingsdiensts für unbegleitete Minderjährige dauerhaft unterstützen. Viele unserer Mitarbeiter haben sich entschlossen, monatlich einen Teil ihrer Gage zu spenden. Wir helfen, das Haus herzurichten, und werden ganz gezielt Sachspenden sammeln. Und natürlich möchten wir mit den Jugendlichen Zeit verbringen, um ihnen die Integration zu erleichtern. 'Mozarts "Don Giovanni" in der Regie von Achim Freyer an der Volksoper. Wien – Der fantasievolle Universalkünstler und Veteran unter den Opernpuppenspielern, Achim Freyer, lässt seinen Geschöpfen nicht einfach so freien Bühnenlauf. In seinem Kosmos der Stilisierungen, von kargen, bemalten Wänden umrahmt, sind genau definierte gestische Rituale das Rückgrat der Charaktere. Don Giovannis leicht narzisstische und skrupelfreie Galanterie vermittelt sich in dieser zwischen Deutsch und Italienisch changierenden Version etwa in drei Hauptgesten: Das wäre jene Pose, in der Giovanni graziös ein Tablett zu halten scheint. Dann wieder streichelt er einen nicht existenten Langbart oder er zelebriert auf einer unsichtbaren Geige lange Töne. Diese Reduktion des Gehabes aufs Puppenhafte lässt eine spezifische Bühnensprache entstehen, Fantasiegestalten auch, die dennoch imstande sind, eine Geschichte elegant voranzutreiben und ganz eigentümlichen Zauber zu versprühen. Es haftet dem Ganze natürlich auch etwas Verniedlichendes an, die Fixierung auf wenige markante Bewegungen verstellt jedenfalls den Blick auf mögliche ambivalente Figurenaspekte. In seelische Tiefen geht es somit kaum; es zahlt eben jeder Regieansatz einen Preis für seine Markanz. Respektabler, kompakter Klang In jedem Fall ist lange Zeit entspanntes unterhaltsames Zurücklehnen möglich: Zerlina (witzig Anita Götz) hat fast immer eine riesige Eistüte dabei. Ihr Masetto (vokal etwas unscheinbar Ben Connor) darf wie ein punkiger Vetter von Herman Munster umhertorkeln, während Don Ottavio (intensiv und klanschön Jörg Schneider) jeden Augenblick abzuheben droht, da ihm Freyer ein Luftballonoutfit verpasst hat. Alles ein märchenhafter Augenschmaus. Und auch der Komtur (vokal solide, aber kraftlos Andreas Mitschke) verbreitet keinen Schrecken. In seinem Herzen steckt jene Riesengabel, die Giovanni (solide Josef Wagner) beim Duell treffsicher in ihn gerammt hat. Das beunruhigt dann aber auch nur Leporello (deftig klingend Mischa Schelomianski). Wäre nicht das Ende – hier wird der Wüstling von einer Masse an Händen in Stücke gerissen (der Komtur hat Giovannis Kopf erhascht) – etwas drastisch ausgefallen, alles wirkte vorwiegend nett. Es musste allerdings feststellen werden, dass in Giovannis Verfolgern kannibalistische Tendenzen schlummerten. Giovanni wird zur Mahlzeit – auch für Donna Anna (wacker Kristiane Kaiser) und Donna Elvira (für Caroline Melzer eingesprungen: Esther Lee). Dirigent Jac van Steen sorgt für respektablen, kompakten Klang. Es tönt nie übertrieben, nie extrem. Fehlende Impulse und Akzente sind aber die problematische Folge. Reger Applaus, einige Buhs für den auf Giovannis Esstisch tanzenden Freyer.' 'Rebecca Nelsen und Rodney Gilfry über die Volksopernpremiere von "Kismet". Wien – Schon ein kurioses Ding: Das musikalische Grundmaterial (Orchesterstücke und Kammermusik des Russen Alexander Borodin) stammt aus dem 19. Jahrhundert. Der Text basiert auf einem Theaterstück von Edward Knobloch, das 1909 in Paris uraufgeführt wurde. Und Robert Wright und George Forrest verbanden beides Anfang der 1950er und bastelten daraus ein Musical, das in den USA mit einem Tony Award ausgezeichnet wurde: Kismet. An der Volksoper ist das Stück dreimal konzertant zu erleben, quasi als Prélude zu Borodins einziger Oper Fürst Igor, die im März neu inszeniert wird. Taugt das Musical etwas? Auf jeden Fall, finden Rebecca Nelsen und Rodney Gilfry. In der märchenhaften, im Bagdad des elften Jahrhunderts angesiedelten Geschichte singen die beiden Hajj und Marsinah, also Vater und Tochter. Eigentlich würde sich das ganze Stück darum drehen, meint Nelsen: um die bedingungslose Liebe zwischen Vater und Tochter. Hajj ist bereit, alles für seine Tochter zu tun; er tötet sogar den Wesir, als dieser sie bedroht, erklärt die Sopranistin. Zum Glück ist der Wesir ein wirklich fieser Charakter: Alle sind froh, dass er tot ist, kommentiert Gilfry die Sachlage trocken. Bei den Aufführungen wird übrigens Volksoperndramaturg Christoph Wagner-Trenkwitz den turbulenten Handlungsgang pointiert zusammenfassen. Die gebürtige Texanerin Nelsen und der in Kalifornien lebende und lehrende Gilfry haben neben ihrer Nationalität noch weitere Gemeinsamkeiten: Beide singen viel Oper mit Schwerpunkt Mozart, beide haben einige Uraufführungen gesungen (Gilfry etwa Maws Sophies Choice, Nelsen Opern von Christoph Cech und Richard Dünser), beide singen Operette und Musical. Wie kam es zu dieser enormen Bandbreite? Es hat wohl mit unserem Studium in den USA zu tun: Wir werden dort als Allrounder ausgebildet, erklärt Nelsen. Und eigentlich hätten sie Musicals dazu inspiriert, Sängerin zu werden: Ich bin in West-Texas aufgewachsen, dort gab Countrymusik und Cowboys, aber weit und breit keine Oper ... Gilfry erzählt, dass er schon an der Highschool Musicals gemacht habe; die Ausbildung zum klassischen Sänger kam erst danach. Etwa in Sachen Textdeutlichkeit habe er als Opernsänger von seiner Musical-Erfahrung profitieren können, erzählt der Bariton. Grundsätzlich singe er als Musicalsänger mit weniger Resonanz als in der Oper. Der Titel des Musicals ist Kismet, also Schicksal. Gab es für Nelsen und Gilfry einen schicksalhaften Moment, der alles veränderte? Ja. Ich hatte einen schweren Autounfall während meines Studiums, erzählt Nelsen. Ich wollte an der Ostküste weiterstudieren, konnte aber aufgrund der Verletzungen das Vorsingen dafür nicht machen. Sie habe dann Deutsch studiert, dadurch sei sie mit einem Fulbright-Stipendium nach Wien gekommen – und geblieben. So bekam eine schreckliche Sache etwas Gutes. Und bei Gilfry? Vielleicht. Wahrscheinlich. Aber er sei viel älter als die Kollegin und habe schon vergessen, meint der 57-Jährige, der als komplett eitelkeitsfreier Menschen zu beschreiben ist. Ich bin 35 Jahre mit meiner Frau verheiratet, habe drei Kinder, ein großes Haus in Kalifornien – ist doch ein ziemlich gutes Schicksal. Einen Wunsch habe er aber noch an dieses: Ich träume davon, einmal Barmann zu sein! Ich will das später mal machen! Und auch die ehemalige Autoverkäuferin Nelsen ist positiv gestimmt, freut sich darauf, auch weiter im Ensemble der Volksoper zu sein: Es ist für mich hier wie eine Familie. (Stefan Ender, 22.1.2016)' 'Giuseppe Verdis "La Traviata" an der Volksoper – Kristiane Kaiser gibt eine Violetta Valery, wie man sie in dieser Qualität und Intensität nur selten erleben darf. Wien – Wieder einmal in die Volksopern-Traviata? Gern. Hans Gratzers Inszenierung ist ein Klassiker der gegenwartsnahen Regie. 129 Mal wurde seine Harlekinade von Giuseppe Verdis Werk am Währinger Gürtel schon gezeigt. Und wieder kann man sich nicht sattsehen, an der Eleganz der Kostüme (Barbara Naujok). Und dieses Licht! Meist von milchigem Weiß, gibt es den Objekten zart verlaufende Konturen. Von Frank Sobotta beleuchtet kann sogar Leere zu einem Kunstwerk werden, zu optischer Poesie. Aber eigentlich bleibt keine Zeit, die Bühne zu genießen, wenn Kristiane Kaiser singt. Denn wenn die Wienerin als Violetta Valery ihrem emotionalen und physischen Tod entgegengeht, ist alle Aufmerksamkeit bei ihr. Kristiane Kaisers Sopran ist Balsam und Luxus zugleich. Zudem durchlebt sie das Schicksal der Titelfigur mit einer Intensität, dass es einem das Herz zuschnürt. Dass Kaiser diese Partie nicht längst an den großen Häusern singt, ist ein Rätsel. Carlos Osuna überzeugt mit seinem schablonenhaft gespielten und mit gedeckeltem Stimmpotenzial gesungenen Alfredo nur bedingt; Ales Jenis ist Kaiser als Giorgio Germont ein kraftvoller Konterpart. Die Sänger und das solide Orchester koordiniert Leo McFall bei seinem Hausdebüt recht gut.' 'Premiere von "Der Kongress tanzt" an der Wiener Volksoper in der Regie von Robert Meyer. Wien – Genesis einer Operettenuraufführung anno 2016: Es war einmal der charmante Film Der Kongress tanzt von Erik Charell aus dem Jahr 1931. Hierfür steuerte der ehemalige Ufa-Generalmusikdirektor Werner Richard Heymann zweieinhalb Nummern bei, die im Ohr blieben: so etwa Das gibts nur einmal und, unter Zuhilfenahme eines Josef-Strauß-Walzers, Das muss ein Stück vom Himmel sein. Wie nun aus diesem wenigen an Gesang eine Operette machen? Erst einmal wurde Christian Kolonovits beauftragt, aus der Tonspur des Films die Orchesterstimmen zu rekonstruieren – was ihm hervorragend gelang. Als zu Beginn der Orchestergraben hochfuhr und die in weiße Sakkos gekleideten Musiker ein Heymann-Medley spielten, glaubte man sich in den 1930ern. Da zweieinhalb Nummern für eine Operette aber eher karg sind, wurden 14 weitere Lieder Heymanns implantiert, was sich als mal mehr (Es führt kein andrer Weg zur Seligkeit) und mal weniger (Hoppla, jetzt komm ich) bereichernd herausstellte und oft etwas aufgepfropft wirkte (etwa Metternichs Heut gefall ich mir). Trotz der zusätzlichen Musiknummern erinnerte die Unternehmung im ersten Akt mehr an Sprechtheater mit Gesangsunterbrechungen (Bühnenfassung: Michael Quast und Rainer Dachselt). Als Regisseur wurde von Volksoperndirektor Robert Meyer Robert Meyer engagiert, der die Darstellung des Fürsten Metternich wiederum Robert Meyer anvertraute. Eva-Maria Schwenkel baute Regisseur Meyer ein Bühnenbild, das auf der Drehbühne nach dem Wetterhäuschenprinzip aparte Requisiten vorführte, Gertrude Rindler-Schantl schneiderte für die europäischen Diplomaten und Potentaten fantasie- und farbenprächtige Kostüme. So durfte etwa Franz Suhrada den schmucken polnischen Gesandten darstellen; trotz der drohenden Teilung seines Landes blieb Suhrada physisch unversehrt. Marco Di Sapia gab einen vorteilhaft an Matthew McConaughey erinnernden Talleyrand, Ildiko Babos war eine verführerische Comtesse. Bühnenpräsenz demonstrierte Regula Rosin als Fürstin, Fritz von Friedls Bürgermeister von Wien evozierte Parallelen zum gegenwärtigen Amtsinhaber. Die im Film von Paul Hörbiger in engen Hosen ausgefüllte Rolle des Heurigensängers übernahm Agnes Palmisano und interpretierte sie mit Rock, Charme und charakteristischem Timbre. Thomas Sigwald war als Bibikoff ein knallchargierender Adjutant des Zaren, Michael Havlicek ein lieber, etwas knödelig singender Geheimsekretär Pepi. Grundsätzlich erwies sich die Kombination von verstärkten Opernstimmen und Big-Band-Sound als suboptimal. Boris Eder trug als Zar Alexander eine Comicfigurfrisur und spielte sein eigenes Double, den Uralsky, slapstickhaft. Die schöne Handschuhverkäuferin Christel, um die sich hier alles Amouröse dreht, gab Anita Götz – man wusste nur nicht recht, warum. Wahrscheinlich, um durch ihren ruppigen Roseanne-Barr-Charme einen Gegensatz zum elfenhaften Wesen der Film-Christel von Lilian Harvey zu schaffen. Begeisterung. Ob der 1961 verstorbene Heymann himmlische Freuden erlebte, blieb ungeklärt.' Am Samstag leitet der Wiener Dirigent an der Volksoper die Premiere von Alexander Borodins Oper "Fürst Igor". Alfred Eschwé über die Qualitäten des Werks und die Qualitätssteigerungen des Hauses. STANDARD: Sie dirigieren mit Fürst Igor ein eigenartiges Werk: eine dreiviertelfertige Oper eines Komponisten, der hauptberuflich Chemieprofessor war. Die zwei Komponisten, die es fertiggestellt haben, Alexander Glasunow und Nikolai Rimski-Korsakow, haben Teile umgestellt und von 7000 Takten Borodins angeblich nur 1000 übernommen. Wie viel Borodin steckt in Borodins Fürst Igor? Eschwé: Das kann ich Ihnen nicht sagen. Was mir aufgefallen ist: dass das Stück in inspirierte und weniger inspirierte Teile zerfällt. Die Ouvertüre ist ganz bestimmt nicht von Borodin, das ist eine langweilige Potpourri-Ouvertüre in einer Sonatensatzform, mit einem faden Durchführungsteil. Ich habe sie auf dreieinhalb Minuten zusammengestrichen. STANDARD: Haben Sie noch weitere Änderungen vorgenommen? Eschwé: Wir spielen nach dem Prolog den zweiten Akt, was auch gut ist, weil die Polowetzer Tänze, der bekannteste Teil der Oper, so direkt vor der Pause kommen. Ich habe das Stück um eine Dreiviertelstunde gekürzt, sodass wir jetzt auf zwei Teile zu etwa 70 Minuten kommen, dabei habe ich nicht einen wichtigen Melodietakt rausgenommen, sondern nur Wiederholungen. Den dritten Akt, den ich kompositorisch schwach finde, habe ich deutlich zusammengestrichen. Und wir schließen mit einem Chorbild, mit den zwei Bänkelsängern Skula und Jeroschka, den zwei Wendehälsen, den zwei Herren Karls aus Russland. STANDARD: Es gibt da keine einheitliche Musiksprache, mehr ein Nebeneinander von Volksmusik, Kirchenmusik und Opernstil. Eschwé: Die Musik ist sehr heterogen, dadurch aber abwechslungsreich. Es gibt große russische Chöre – bei uns sowohl am Anfang wie auch am Ende. Dann sind wieder Teile drin, die Arie des Wladimir etwa, die könnten von Lehár sein! Daneben gibt es effektvolle Passagen, die wohl auf Rimski-Korsakow zurückgehen, anderes ist eher bieder und spröde instrumentiert. STANDARD: Wie war die Zusammenarbeit mit dem Regisseur, Thomas Schulte-Michels? Eschwé: Schulte-Michels kommt vom Schauspiel, er inszeniert oft spontan, ihm gelingen in einigen Duettszenen ungewöhnliche Lösungen fernab aller schablonenhaften Opernposen. Das Zwischenmenschliche liegt ihm, er will, dass interagiert wird. Er ist kooperativ und offen für Vorschläge. Technisch interessant ist, dass der hinterste Teil des Orchestergrabens auf Bühnenniveau hochgefahren wird, wodurch die Bühne um etwa eineinhalb Meter verlängert wird. Die Sänger können so weit vorne agieren, sind für das Publikum präsenter und auch akustisch vorteilhafter positioniert. Ich brauche das Orchester nicht so zu dämpfen. Wir spielen ganz groß besetzt, mit zwölf ersten Geigen: Da soll schon ordentlich was los sein! STANDARD: Sie dirigieren seit 1989 an der Volksoper. Wie viele Vorstellungen sind es mittlerweile? Eschwé: Das weiß ich nicht. Bis vor drei Jahren habe ich meistens alle Werke des Spielplans, die Musicals und die Ballette ausgenommen, geleitet. Ich bin auch oft eingesprungen. Asher Fisch (ein ehemaliger Chefdirigent, Anm.) hat manchmal morgens angerufen, um mir zu sagen, dass ich abends den König Kandaules oder den Feurigen Engel leiten soll. Ich glaube, dass ich Sachen gut übernehmen kann. Und nach 26 Jahren freut sich das Orchester immer noch, wenn ich dirigiere! Die Volksoper ist meine Heimat, aber ich habe auch die Möglichkeit zu gastieren: Letztes Jahr habe ich an der Semper-Oper Wildschütz gemacht, vor kurzem war ich in Neapel und habe Die lustige Witwe gemacht. Das ist für mich befruchtend und erholsam zugleich. STANDARD: Was hat sich an der Volksoper geändert in den Jahren? Eschwé: Die Qualität des Orchesters hat sich enorm verbessert. Auch weil es ein völlig anderes System gibt: Als ich angefangen habe, hat man manchmal in einem Monat zwanzig verschiedene Werke gespielt! Da gab es kaum Orchesterproben. Im neuen Kollektivvertrag haben die Musiker mehr Dienste, jetzt gibt es selbst bei Wiederaufnahmen eine, oft sogar zwei Orchesterproben, mit den Sängern probieren wir oft 14 Tage. Und bei den Probespielen kommen von den Hochschulen die besten Leute. Das Repertoire ist insgesamt schmäler geworden, umso mehr freue ich mich, dass die Volksoper den Mut hat, solche Nischenstücke wie den Fürst Igor in den Spielplan zu nehmen. 'Premiere der Shakespeare-Adaption von Thomas Adès an der Wiener Staatsoper: Das stilbunte Werk reüssiert mit tollen Sängern, hat aber Intensitätsdefizite. Dennoch ein großer Publikumserfolg. Wien - Alexander Pereira wird sich über die Wiener Werbung freuen: Auf der Bühne der hiesigen Staatsoper steht der Innenraum jenes Hauses, dem er vorsteht. Es ist die Mailänder Scala. Einen solchen Tempel der großen Gefühle hat sich der zaubernde Prospero auf seiner Fluchtinsel errichtet. Hier ist er, der aus Mailand Vertriebene, Impresario und Regieherrscher. Hier ist er aber auch eine gespaltene Persönlichkeit, deren frühere Identität (halbseitig) durch zerzauste Uniformreste andeutet wird. Die andere Hälfte zeigt den kleiderlosen Inselbewohner, der die lokalen Körperbemalungskünste schätzt. Regisseur Robert Lepage (die Produktion stammt aus der New Yorker Met) hat zu diesem Prospero indes nur Farbideen. Er lässt ihn als eine Art behäbigen Wotan-Vetter herumstehen, als Phantom seiner eigenen Oper, das mitansehen muss, wie Tochter Miranda (glänzend Stephanie Houtzeel) mit dem Sohn des Feindes, also Ferdinand (klangschön Pavel Kolgatin), turtelt, um dann zu nachhaltigen Absichten überzugehen. Adrian Eröd meistert die Partie souverän bis solide. Mehr als vergrübelte Melancholie samt einer Prise Rachewut, die in das verzeihenden Abstreifen der Zauberkräfte mündet, vermag jedoch auch er - in Verbindung mit wohlklingenden Linien - nicht zu vermitteln. Komponist Thomas Adès, der die Premiere auch dirigiert, hat nicht nur Prospero, vielmehr auch dem jungen Pärchen kantable Partien geschenkt, die selbst in der Spätromantik nicht als sonderlich modernistisch aufgefallen wären. Überhaupt bringt der Brite gerne tonale Wärme ein, um seine Version von Shakespeares Sturm zugänglich zu halten. Da ist allerdings durchaus so etwas wie postmoderner Gestaltungswille: Zu Beginn betören raffinierte Orchestergewitter (hier wirkt Lepage bilderstark) 'Paul Hindemiths "Cardillac" glänzt an der Wiener Staatsoper nach wie vor. Wien – Nicht jedem Anfang wohnt zwangsläufig Theaterzauber inne. Was die Premieren der Wiener Staatsoper anbelangt, die bisher unter der planenden Obsorge von Dominique Meyer ihren Weg ins Repertoire suchten, war allerdings tatsächlich von einem quasi magischen Einstand zu berichten. Franz Welser-Möst war 2010 der frische Generalmusikdirektor des Hauses; einer, der Paul Hindemiths Cardillac konzise dirigierte. Dann: Von nahenden Zwistigkeiten zwischen Welser-Möst und Meyer (etwa um die geplanten Mozart-Deutungen des französischen Regisseurs Jean-Louis Martinoty) war noch keine Rede. Und die Inszenierung von Sven-Eric Bechtolf war ein zauberhaft choreografiertes Porträt einer besessenen, mörderischen Goldschmiedseele, die von ihren Kunstgeschöpfen nicht lassen konnte. Mittlerweile ist Franz Welser-Möst längst im Zwist aus dem Haus geschieden. Und die Magie dieser ersten Premiere vermochte nicht vollends auf die kommenden Produktionen auszustrahlen. Ihre kühle Aura wie Eleganz hat diese Version der Hindemith-Oper allerdings bis zum heutigen Tag bewahrt. Selbstverständlich spricht das für die hohe Qualität des Alltags, zu der dieses Repertoirehaus verpflichtet ist. Und diese bezeugt natürlich auch die Verdienste des Direktors, der für die aktuelle Aufführungsserie Ersatz finden musste. Für den abgesprungenen Welser-Möst fand er den versierten Könner Michael Boder. Boder entfaltet mit dem Staatsopernorchester die polyfone Sachlichkeit dieser Partitur kultiviert und mit (selbst in drängenden Brutalmomenten) kontrollierter Emphase; auf der Bühne steht ihm eine in weiten Teilen premierenwürdige Besetzung zur Verfügung: Angela Denoke (als Tochter) ist der Inbegriff lyrischen Wohlklangs bei gleichzeitig alles durchdringender Intensität. Und Tomasz Konieczny (als Cardillac) verfügt über nötige Timbreschärfe und Präsenz, Gefahr und düstere Besessenheit ohne Aktionismus zu transportieren. Des Weiteren: Intensiv, aber bisweilen angestrengt Herbert Lippert (als Offizier), robust Wolfgang Bankl (als Goldhändler), von imposanter Klarheit der Linien und Töne aber Matthias Klink (als Kavalier), während Olga Bezsmertna (als Dame) wie auch der Staatsopernchor solide wirkten. Bewundernswert aber auch, wie gut Bechtolfs (das Puppenhaft-Maschinelle der Figuren forcierende) Regie nach wie vor funktioniert, wie delikat sie daran erinnert, was gestaltende Regie sein könnte.' Die Wiener Staatsoper eröffnet mit dem Studio Walfischgasse eine neue Spielstätte. Wien – Ja, man analysiere jene Idee von Bundestheater-Holding-Chef Günter Rhomberg, jene Idee, eines gemeinsamen Standortes der Bundestheaterhäuser im Kasino am Schwarzenbergplatz. Wir studieren die Kasino-Hypothese. Das tun wir sehr fleißig, betont Staatsopernchef Dominique Meyer. Nun aber sei man zunächst zufrieden mit der Walfischgasse, der neuen Spielstätte, die vertraglich vorerst zwei Jahre eine solche bleiben werde. Das Kinderopernzelt im großen Haus musste ja aufgegeben werden. Am Samstag startet das Projekt mit der Wiederaufnahme von Albert Lortzings Undine – und Meyer betont die Vorteile: Die Anzahl der Sitzplätze sei im Vergleich zum Kinderzelt von 143 auf 231 gewachsen. Verbessert sei auch die Infrastruktur: Die Künstler können sich über Garderoben und Toiletten freuen, und auch die extremen Temperaturschwankungen im auf Betreiben des Denkmalamtes abgebauten Zelt sind Geschichte. Sehr wichtig: In Fragen der Akustik wurden mit der Walfischgasse große Fortschritte gemacht. Das Orchester ist nun hinter den Zuschauerreihen positioniert, was die Verständlichkeit der Sänger erhöht. Daneben wird es auch Programm abseits der Kinderoper geben: Am 5. November startet eine Gesprächsrunde zum 60. Jahrestag der Staatsopern-Wiedereröffnung. Nebst Künstlergesprächen (Elina Garanca und Ferruccio Furlanetto) ist auch eine Vortragsreihe zur Operngeschichte neu im Angebot der Staatsoper. Sie wird auch von Direktor Meyer gestaltet (ab 17. Dezember). Zudem gibt es eine Dirigentenwerkstatt und Einblicke in konkrete Produktionen des großen Hauses, das auch Kinderopern spielt: Die Uraufführung des Auftragswerkes Fatima oder von den mutigen Kindern von Johanna Doderer wird etwa am 23. Dezember im Haus am Ring gezeigt. Edler Gesang, greller Humor: Donizettis "Don Pasquale" mit dem Tenor Juan Diego Flórez. Wien – Der edle Tenor rudert liebesschmachtend mit den Armen, macht dabei eine Drehung, bei der ihm der elegante Hut vom Kopf fällt. Sodann hält er ihn – den Hut – künftig fest umklammert, um diese Peinlichkeit zu verhindern und allerdings leider gleich in die nächste zu stolpern. Die Regisseurin Irina Brook erzählt Gaetano Donizettis heitere Oper Don Pasquale, die an der Wiener Staatsoper nach langer Auszeit – seit einem Jahr – wieder gezeigt wird, mit ironischer Distanz, die sich nur manchmal zu solchem Slapstick zusammenballt. Beides schadet indes weder dem Stück noch den Sängern und schon gar nicht dem Gesang. Nur momentweise stellt es den Dirigenten Evelino Pidò vor eine merkbare Herausforderung, den Aktionismus auf der Bühne mit dem Rhythmus der Partitur in Gleichklang zu halten. Ansonsten schafft er mit Eleganz und Elan die Grundlage für inspirierte Stimmen in jener Bar, die Bühnenbildnerin Noëlle Ginefri-Corbel mit Plüsch- und Kitsch-Elementen als Gegenpart für eine musikalische Umsetzung geschaffen hat, die sich fast wie von selbst durch Geschmackssicherheit abhebt. Das Staatsopernorchester bietet denn nicht nur in den berückend kantablen Lyrismen wohl dosierten Schönklang, sondern gefällt auch sonst durch Transparenz und Zurücknahme. Die Komödie auf der Staatsopernbühne schöpft stimmlich aus dem Vollen: Adam Plachetka ist ein kraftstrotzender Dottore (vulgo Masseur) Malatesta, Michele Pertusi ein polternder, leidender, jedoch vor allem (groß-)väterlich gutmütiger Titel-Antiheld. Wie ein Muster an jugendlichem Ebenmaß erscheint Valentina Naforniţă als Norina, um davon ausgehend eine ansehnliche Bandbreite an komödiantischer Karikatur lustvoll auszuschöpfen. Und der eingangs geschilderte Tenor ist kein anderer als Juan Diego Flórez, der nach wie vor durch das Wunder seiner Stimme besticht: die konzentrierte schlanke Kraft, die leuchtende Präzision der Linienführung, dabei freilich darstellerisch zuweilen ins Schemenhafte abgleitet. Insofern wirkt die Zeichnung der Figur des Ernesto dieser Inszenierung geradezu kongenial, da die Übertreibung und Vorspiegelung von Gefühlen als Motor des Plots amüsant offengelegt wird. Mussorgskis Musikdrama in einer Inszenierung von Yannis Kokkos. Wien – Sie haben es alle nicht einfach. Xenia, die Tochter des Zaren Boris, leidet, weil ihr Bräutigam verstorben ist. Xenias Amme leidet, weil Xenia leidet. Der Mönch Pimen leidet, weil er zum einen alt ist und zum anderen zu viel weiß. Der Gottesnarr leidet stellvertretend für die orthodoxe Seele, aber auch deshalb, weil ihm die Kinder eine Kopeke abgeluchst haben. Das russische Volk leidet, weil das russische Volk im Prinzip immer leidet. Und Boris Godunow leidet, weil ihm der Geist des ermordeten Zarewitschs die Seelenruhe raubt. Ja, es wird quasi pausenlos gelitten in Modest Mussorgskis Oper Boris Godunow, deshalb passt es auch gut, dass die Wiener Staatsoper nach unterschiedlichen Werkversionen seit April 2012 die knapp zweieinhalbstündige Urfassung der Oper im Repertoire hat – pausenlos, versteht sich. Yannis Kokkos hat deren sieben Bilder in Szene gesetzt, zwischen einer grau-schwarzen, abstrakten Kulissenlandschaft sieht man reichlich bedrücktes Volk in gegenwartsnahem Gewand und viel hochintensives Agieren der solistischen Kräfte. René Pape gibt den zermürbten Zaren, komplett abgerockt steht er am Ende da in seinem knittrigen, bodenlangen Goldmantel, mit wirrem, schulterlangem Fetthaar und irrem, gehetztem Blick: großartig. Der Deutsche singt eindrucksvoll mächtig, leicht spröde nur in den oberen Regionen. Wie er zieht auch Kurt Rydl als Pimen im letzten Bild noch einmal alle Register darstellerischen und gesanglichen Könnens. Da wird man wieder wach. Nein, das wurde man schon im dritten Bild, als die zwei Aktivposten Ryan Speedo Green und Benedikt Kobel als Warlaam und Missail wieder Leben in die Bude der Schenkenwirtin (geschäftig: Aura Twarowska) brachten. Belebend später auch der runde, gleißende Sopran von Aida Garifullina (als Xenia) und der helle Tenor von Norbert Ernst als Schuiskij – in den oberen Regionen. Wohlklingend Clemens Unterreiners Schtschelkalow, leichtgewichtig Pavel Kolgatins Gottesnarr. Mit Feingefühl, Umsicht und präzisen Handkantenschlägen führte Marko Letonja das mehr als solide Staatsopernorchester durch das düstre Werk. Freundlicher, und doch ermatteter Beifall am Ende. 'Giuseppe Verdis Oper wurde dank Anja Harteros zur Sensation. Wien – Was für ein Abend! Man muss wohl den Begriff Tollhaus aus der Rumpelkammer für verstaubte Ekstase-Umschreibungen hervorkramen, um zu beschreiben, was da in der Wiener Staatsoper am Sonntagabend los war nach dem Ende von Verdis Don Carlo. René Pape, Ludovic Tézier, Béatrice Uria-Monzon und natürlich Marco Armiliato – alle wurden sie wie verrückt beklatscht und beschrien. Am allerheftigsten und am längsten erwischte es aber Anja Harteros: Über die Sopranistin ging eine wahre Sturmbrandung der Begeisterung nieder, minutenlang. Schon im letzten Teil der vieraktigen Mailänder Fassung hatte nach ihrer einzigartigen Interpretation von Tu che le vanità Ausnahmezustand geherrscht: Nach einer gesanglich überwältigenden Interpretation der Elisabetta hatte die 43-Jährige hier noch einmal alle Schätze ihres vokalen Reichtums ausgebreitet und weiteste Ausdruckswelten mit dem Glanz und der Glut ihres unverwechselbaren und noch fast verschleißfreien Soprans beleuchtet. Diese runden, schwebenden Pianissimi, dieser Furor – was für eine Künstlerin, was für eine Tragödin! Brava! Nach ihren blassen Auftritten als Marschallin und Arabella ist Harteros nun endlich wieder mit voller Kraft am Werk. Ähnlich differenziert wie die deutsche Diva musizierte Marco Armiliato. Das Staatsopernorchester präsentierte sich unter der idealen Leitung des Italieners in Bestform: Der dritte Akt etwa, eröffnet von einem souveränen, bewegenden Cellosolo Robert Nagys, war großes Kino. René Papes Filippo war von eindrucksvoller soldatischer Strenge, wenn er auch seine vokale Potenz mitunter mit zu viel Druck unterstrich 'Die Premiere von Manuel Legris'' abendfüllendem Ballett "Le Corsaire" in der Wiener Staatsoper war ein Erfolg mit deutlichen Einschränkungen. Die weiblichen Figuren im Stück des 19. Jahrhundert sind ausnahmslos Verschubmassen für männliche Willkür. Wien – Eine Piraten- und Sklavenhändlergeschichte mit der Entführung schöner Frauen, einem etwas patscherten Pascha, Liebe, List, Verrat und Happy End, das ist Le Corsaire. Als Ballett 1837 in London und noch einmal – erst dann mit Erfolg – 1856 in Paris entstanden, mehrfach bearbeitet und jetzt neu erzählt von Manuel Legris, hatte es am Sonntag in der Staatsoper Premiere. Dabei kann man Legris nicht vorwerfen, er hätte den Geist des 19. Jahrhunderts auch nur eine Sekunde von rund zwei Stunden reiner Aufführungszeit verraten. Das Orchester der Wiener Staatsoper spielte die überwiegend von Adolphe Adam stammende Musik unter der Leitung von Valery Ovsianikov hurtig und sauber. Luisa Spinatellis illusionistisches Bühnenbild ist ebenfalls ganz jenseits der Gegenwart. Ein Lichtblick der Premiere war Maria Yakovleva, die den tanztechnisch schwierigen Part der weiblichen Hauptfigur Médora beinahe ausnahmslos mit überlegener Souveränität meisterte. Auch Davide Dato war als Pirat Birbanto überzeugend zackig unterwegs. Und noch eine gute Sache: Legris, der das Wiener Staatsballett seit 2010 leitet, schafft es, so gut wie seine gesamte Compagnie plus eine erkleckliche Anzahl von Elevinnen und Eleven der Staatsopern-Ballettakademie auf die Bühne zu stemmen. Am Ende gab es viel Applaus für einen langen und breiten Beweis dafür, dass die Wiener Balletttruppe ein auf Vorzeigevirtuosität und Bilderpracht angelegtes Werk bis auf wenige Ausreißer gut bewältigen kann. War dieses erste abendfüllende Wiener Stück von Manuel Legris als eine der wenigen Ballettpremieren dieser Saison also ein Erfolg? An der Oberfläche vielleicht schon. In der Struktur allerdings nur mit deutlichen Einschränkungen. Denn Legris geschickt entlang der Interpretation von Marius Petipa geführte Choreografie bleibt eher einfallsarm. Vor allem die Soli fransen des Öfteren in Wiederholungen und Redundanzen aus. Auch die Dramaturgie schwächelt, weil offenbar der Erzählstrang zu wenig und die Wirkung zu viel zählt. Auch bei etlichen Übergängen zwischen den einzelnen Bildern der drei Akte plus Epilog muss man Verlegenheitslösungen verdauen. Einige wesentliche Szenen bleiben verhuscht, und die Gestaltung der Figuren leidet darunter, dass die Tänzerinnen und Tänzer viel zu oft vor dem Publikum auftrumpfen müssen. Hat der Inhalt des an eine lyrische Dichtung von George Gordon Byron (The Corsaire, 1814) angelehnten romantischen Balletts den Choreografen von heute etwa verlegen gemacht? Tatsächlich erscheint die Geschichte mittlerweile als zutiefst frauenverachtend, exotistisch und kolonialistisch. Die weiblichen Figuren sind, auch wenn sie oft gehoben und getragen werden, ausnahmslos Verschubmassen für männliche Willkür. Außerdem wirken die Orientklischees von damals als Kulissen einfach nicht mehr bezaubernd. Freilich gilt Le Corsaire als museales Werk, das eben den Zeitgeist des 19. Jahrhunderts zeigt. Doch ein Ballettstück ist keine unveränderliche Skulptur, sondern ein flüchtiges Ereignis, dessen Original unwiederbringlich verloren bleibt. Legris hat zudem an keiner Rekonstruktion gearbeitet, sondern explizit an einer Neuerzählung im 21. Jahrhundert. Daher hätte er nicht versuchen sollen, die inhaltlichen Schattenseiten des Corsaire hinter dem Glanz seiner Aufmachung zu verstecken. Besser wärs gewesen, die Quelle kritisch zu kommentieren, und sei es nur in markanten Details. Das Flair von einst hätte trotzdem gewirkt. Eine wirkliche künstlerische Leistung wäre allerdings – gerade in unserer Gegenwart – die echte Neubearbeitung gewesen.' Doris Uhlich eröffnete das Impulstanz-Festival im Museumsquartier. Wien – An den Plattenspielern arbeitete Doris Uhlich selbst. Ihr verdankt das Festival Impuls- tanz das diesjährige Eröffnungsspektakel Hit the Boom unter freiem Himmel im Haupthof des Museumsquartiers. Der Hof war am Dienstag fast zur Gänze mit jungem, entspanntem Publikum gefüllt. Damit feierte die 38-jährige geborene Oberösterreicherin als Österreichs Entertainmenthoffnung der anderen Art (Zitat Programmfolder) einen Höhepunkt ihrer bisherigen Karriere. Hit the Boom erwies sich als Recycling-Produkt aus ihrem Stück more than naked aus dem Jahr 2013 und dem Pudertanz aus ihrer Arbeit mehr als genug von 2009. Das Pudertanz-Solo hat eine erstaunliche Karriere im Internet gemacht, vor allem auf körperlicher Freizügigkeit gewidmeten Seiten. Uhlich hat es bei Impulstanz im Vorjahr mit Dirk Stermann zu einem Duett und jetzt bei Hit the Boom mit rund zwanzig Tänzerinnen und Tänzern zu einer Gruppensause ausgebaut. Das war auch Clou von Hit the Boom. Die fröhlich auf der Bühne umherspringenden jungen Leute mussten nicht lange in Hosen und T-Shirts schwitzen. Sie entledigten sich nach gefühlten fünf Minuten jener Stoffe, die ja nur Hüllen sind, und tanzten in ihren Eigenhautkostümen. Fort-an herrschte ausgelassene Club-FKK-Atmosphäre. DJane Uhlich selbst ließ die Hosen fallen, womit sie sich selbst aus more than naked zitierte. Dort hat sie wohl ein Motiv aus dem Stück Aatt enen tionon (1996) des französischen Choreografen Boris Charmatz recycelt, der damals in Frankreich mit diesem Unten-ohne-Trio einigen Staub aufwirbelte. Verblüffend ist der Wandel der Künstlerin Doris Uhlich. Am Beginn ihrer Laufbahn ab 2006 hat sie sich mit Körpern beschäftigt, die nicht den jugendkultigen Fit-and-Fun-Maßen der Spaßgesellschaft entsprechen. Auch mit dem eigenen. Aus diesem kritischen Vorgehen ist mittlerweile ein affirmatives geworden: Das Fleisch soll Spaß haben. Sehr schön. Aber Hit the Boom mit seinem proper gebauten Tanz-Jungvolk war jetzt sozusagen die Einfleischung der Spaßgesellschaft in Form einer Freiluft-Pudergaudi. Diese Botschaft kommt in unseren Zeiten, vorsichtig formuliert, missverständlich daher. Ausgerechnet lustiges Spaßfleisch in einer Gegenwart von Kriegen, Flüchtlingsströmen, Europakrise und Übernahme der Politik durch Wirtschaftslobbys? Die große Bühne als Buffet mit mild- wild-sexy Lebendfleisch-Hors-doeuvres? Gut, man muss ein Tanzfestival nicht mit einer Trauerprozession oder einer politaktivistischen Manifestation starten, aber die Bruchlosigkeit dieses Statements der Choreografin führte über den eh schon in jedem Party-Event verhökerten Ausdruck von Lebensfreude doch in eine etwas peinliche Leere. Im Verlauf von Impulstanz selbst wird diese nicht bleiben. Vor allem in den Arbeiten, die derzeit im Weltmuseum vorbereitet werden, gibt es dann mehr Kontroversielles zu erleben. Körperausdruck rund um die "Leningrader Symphonie" von Schostakowitsch, rund um Kapitalismuskritik und Momente der Bedrängnis: Elina Pirinen, Barbara Kraus und Alix Eynaudi berücken beim Festival Impulstanz im Odeon, Schauspielhaus und Mumok. Wien – Ausgetrickst habe der sowjetische Komponist Dmitri Schostakowitsch das diktatorische Väterchen Stalin und dessen Musik-Dobermann Andrej Schdanow, heißt es. Welche Motive etwa in der Leningrader Symphonie (der Siebenten) als subversive Untertöne integriert sind, ist bis heute Thema von Diskussionen. Die 1981 geborene finnische Choreografin Elina Pirinen hat 2013 aus dem Werk (uraufgeführt 1942) ein Personal Symphonic Moment generiert: ein Tanztrio, das jetzt auch in der Reihe [8:tension] bei Impulstanz zu erleben ist. Das Stück dauert so lange wie die Symphonie, und Pirinen bringt es fertig, den darin geladenen historischen Politikdiskurs in einen gegenwärtigen zu transferieren. Dafür wurde das Stück bisher in höchsten Tönen gelobt. Zum Verhältnis zwischen dem Komponisten und dem Massenmörder gibt es ein spannendes Buch von Schostakowitschs Mitarbeiter Salomon Wolkow. Schostakowitsch lebte bis zum Beginn der Belagerung durch die NS-Truppen in Leningrad, wurde mit seiner Familie ausgeflogen und konnte so seine Siebente fertigstellen. Die wollte Stalin auch im kriegsverbündeten Westen erklingen lassen, und so gab es noch im Jahr der Fertigstellung Erstaufführungen in London und New York. Elina Pirinen, die lange klassische Musik studiert hat, konzentrierte sich bei ihrer Analyse der Symphonie auf deren affektiven Gehalt, auf die emotional überwältigende Kraft der Komposition. Und sie macht, was zu unserer Selfie-Gegenwart am besten passt, eine persönliche Affäre daraus: Und so fing ich an, sie als Apotheose der Menschlichkeit zu behandeln. Das klingt bieder. Aber so ist das Stück nicht geworden. Zu Beginn wird das Publikum lange im Dunkeln mit dem ersten Satz der Symphonie alleingelassen, bevor sehr langsam Licht aufdämmert und den Blick auf eine träge in halber Bühnenhöhe des Odeontheaters dräuende Wolke freigibt. Aus dem Hintergrund lösen sich drei Grazien, die in strenger Ordnung vorwärtsschreiten, bevor diese Strenge in Verwirrung gerät. Pirinen will hier zusammen mit ihren Tänzerinnen Kati Korosuo und Katja Sallinen zeigen, wie es stabil jugendlichen Thirtysomethings in einem reichen Staat wie Finnland heute so geht. Die Bilanz ist beeindruckend direkt: Drei Frauen als selbstbewusst agierende, aber desorientierte Ego-Nerds torkeln mit wachsender – auch gegen sich selbst gerichteter – Aggressivität durch einen Treibsand aus Identitätsfragen, Pornoelementen und schwer zu bewältigender Ambivalenz. Zwischendurch plaudern sie nonchalant über banale Privatangelegenheiten, führen einen entzückenden Chor aus schwarz gekleideten Kindern vor. Zarte Stimmen singen: Der Mond ist aufgegangen ... Am Ende kehren die drei Tänzerinnen in die anfänglichen Ordnungsmuster zurück, feiern ihren Rückzug, lassen sich von Licht und Musik auflösen. Die Frage, mit welcher Form von Diktatur sie selbst zu tun haben, lassen sie nicht ganz offen. Barbara Kraus wird in ihrem Solo Close my eyes and see deutlicher. Sobald sie allerdings Kapitalismuskritik einfließen lässt, ertönt genervtes Seufzen aus junger Brust im Auditorium. Kraus feiert ihre Begegnung mit ihrem Publikum trotzdem. Und die Wiener Performancekünstlerin riskiert, wie so gut wie immer in ihren Arbeiten, Kopf und Kragen. Das ist ihre Methode: Das Scheitern wird bewusst provoziert, und verlässlich tritt es als unsichtbarer Helfer auf. Die Performerin zerfällt, immer aus dem Moment heraus handelnd, in mehrere Persönlichkeiten, ruft Gespenster, dringt ins Publikum vor, scheut weder Witz noch Peinlichkeit. Auf der Bühne stehend, registriert sie mit geschlossenen Augen, was in den Sitzreihen vor sich geht, spricht das Husten und den Gebrauch der Mobiltelefone an, verbindet diese Unruhe mit der Musikphilosophie von John Cage. Kraus wagt es, der Tanz- und Performance-Leistungsgesellschaft, wie sie auch Pirinen vertritt, ihre Schwächen vorzuführen. Und sie macht es so überzeugend, dass sie am Ende begeisterten Applaus erntet. Riskant ist schließlich auch die White-Cube-Adaption des Stücks Monique der aus Frankreich stammenden Wiener Choreografin Alix Eynaudi in einem Videoinstallationssaal der Mumok-Ausstellung Mein Körper ist das Ereignis. Der Zusammenhang zwischen den Bondagemotiven in den Videos und in dem Duett mit Mark Lorimer ist schlüssig, und im strahlenden Weiß des hell erleuchteten Raums wird das gelungene Bühnenoriginal zu einem richtigen Nahperformance-Erlebnis. Dieses Close-up bringt Eynaudi und Lorimer in echte Bedrängnis – was zur Fesselungskunst bestens passt. Die Dänin gilt zurzeit als eine der wichtigsten europäischen Choreografinnen. Jetzt zeigt sie zwei Stücke im Tanzquartier Wien: "Red Pieces" über das Politische an den Genüssen des Körpers. STANDARD: Sie haben lange über erweiterte Choreografie gearbeitet. Warum taucht in Ihrem neuen Zyklus The Red Pieces Sex als Motiv auf? Ingvartsen: Das sieht nur so aus wie ein großer Sprung – vom Nichthumanen zu Nacktheit und Sexualität. Seit fünf Jahren beschäftigt mich die Frage nach der Choreografie außerhalb des Körpers oder zwischen ihm und seinen Umgebungen. In diesem Sinn ist 69 positions, das erste der Red Pieces, ein Stück darüber, wie Sprache den Körper in einen imaginären, virtuellen Raum hinein erweitert. STANDARD: Was heißt das konkret? Ingvartsen: 69 positions hat drei Teile. Im ersten geht es um Verbindungen zu den 1960er-Jahren. Dafür habe ich Performances studiert, die damals mit der sexuellen Befreiung, der Antikriegsbewegung und den antikapitalistischen Strömungen verbunden waren. Ich wollte den Zeitgeist verstehen, die Utopie der Sexual Liberation. Warum bestimmte Fragen bis heute relevant sind und welche neu dazugekommen sind. STANDARD: Auch in Bezug auf Sie selbst? Ingvartsen: Im zweiten Teil spreche ich über drei meiner frühen Arbeiten – manual focus, 50/50 und to come. Ich versuche auch da eine Reaktualisierung mit dem Publikum. 69 positions ist eine geführte Tour. Ich interagiere mit dem Publikum. Im dritten Teil geht es um zeitgenössische sexuelle Praktiken, in die Nichtmenschliches involviert ist. STANDARD: Mit sexuell aktiven Robotern bei Chris Cunninghams Björk-Video? Ingvartsen: Nein. Eher zum Beispiel, wie Testosteron dazu benutzt wird, den menschlichen Körper und sexuelle Wünsche zu modifizieren. Im Sinn von Beatriz Preciado, heute Paul B. Preciado (Testo Junkie, Anm.), die analysiert, wie die pharmazeutische Industrie spezifische Auffassungen von Begehren und Sexualität verbreitet, die sogar Regierungen beeinflussen. Das ist sehr interessant, auch im Zusammenhang mit, wie sie sagt, einer Pornografisierung von Arbeit. STANDARD: Auch im Kulturbereich? Ingvartsen: Preciado zufolge ist Pornografie ein ganzes Paradigma der kulturellen Industrie geworden, die Kreisläufe von Reizen schafft. Was wir in allen Bereichen sehen, in denen unsere Sinne, Affekte und Wünsche stimuliert und dabei kontrolliert und manipuliert werden: Bei Videospielen werden Kinder wie besessen von den Affekten, die diese Spiele produzieren. Und bei der Pornografie, die ein ständiges Kommen forciert. Dazu kommen Fragen danach, was Privatheit und Öffentlichkeit ist. STANDARD: Auch bei den sozialen Medien? Ingvartsen: Ja, diese Kanäle der individualistischen Selbstentblößung, in denen man ununterbrochen performen muss. Was macht das mit unserem Gemeinschaftsein? Damit hat 7 pleasures zu tun: dem Zusammensein, dem Sozialen von heute. Und damit, wie die Selbstentblößung aufgelöst werden kann. Ich formuliere nicht so sehr eine direkte Kritik zum Beispiel an Facebook, sondern Fragen danach, wie diese Netzwerke der Information Subjektivität produzieren. Und wie das die politische Sphäre beeinflusst. STANDARD: Wird nicht auch im Tanz zunehmend mit Entblößung spekuliert? Ingvartsen: Ja. Ich problematisiere auch entsprechende Erwartungen des Publikums: Genuss als Ort von Macht, Kontrolle, Manipulation. STANDARD: Da geht es doch schnell auf die Ebene der Werbung? Ingvartsen: Das Theater steht nicht außerhalb der kommerziellen Welt. Was mir passiert ist: Im Sommer hat ein Brüsseler Theater eine Aussendung verschickt, mit Hinweis darauf, wie man die Hitzewelle übersteht: Mette Ingvartsens Strategie folgen und weniger anziehen. Darunter ein Bild zu 7 pleasures. Ich war wirklich wütend. Aber das macht es für mich umso angemessener, andere Bilder von nackten Körpern zu zeigen. Ich bin nicht daran interessiert, prüde zu sagen, das und jenes sollte nicht sein. Sondern daran, wie sehr dieses Begehren voll von Mechanismen ist. Und ich führe bestimmte Dinge auch gern in ihre Extreme. STANDARD: Sie werden zusammen mit Boris Charmatz mit Chris Dercon an der Berliner Volksbühne kooperieren? Ingvartsen: Ja, wir wurden gefragt, ob wir uns ab 2017, also in zwei Jahren, einbringen können und unsere Arbeit zeigen, aber zuvor auch als ein Teil des Teams darüber nachdenken, was die neue Volksbühne sein wird. Sehr aufregend! (Helmut Ploebst, 28.10.2015) Das großartige und irritierende Solo "Mahalli" der libanesischen Choreografin im Tanzquartier Wien. Wien – Tanz und Performance aus Nordafrika und dem Nahen Osten zeigt das Tanzquartier Wien seit Jahren. Diese Aufmerksamkeit für die zeitgenössische Choreografie des arabischen Raums verstärkte sich ab 2009 auf Initiative der ehemaligen TQW-Dramaturgin Sandra Noeth. Mit deren Fortgang im Vorjahr hat sie allerdings nachgelassen. Angesichts der politischen Entwicklungen nach den arabischen Aufständen und der aktuellen Flüchtlingsbewegungen wäre ein erneuter Fokus auf die Kunstschaffenden der betroffenen Länder kein Fehler. Diese Woche zumindest werden wieder einmal einige entsprechende Arbeiten gezeigt. Den Anfang machte am Mittwoch die Libanesin Danya Hammoud, und weiter geht es am Freitag und Samstag mit zwei Stücken, für die der Marokkaner Taoufiq Izeddiou zum einen mit Meryem Jazouli und zum anderen mit Elisabeth B. Tambwe kooperiert. Hammoud (34) wurde in den bis 1990 dauernden libanesischen Bürgerkrieg hineingeboren. Das und die darauffolgenden Zeiten der politischen Instabilität und Konflikte in dem Land, das nicht ganz die Fläche von Oberösterreich hat, sind Prägungen, die 2011 von der Choreografin zu dem Solo Mahalli verarbeitet wurden. Die kurze, prägnante Arbeit hat bereits eine ausgiebige Tour durch Europa hinter sich und ist erst jetzt in einem Studio des TQW angekommen. Besser spät als nie. Als Tänzerin im eigenen Stück fixiert Danya Hammoud das Publikum von Beginn an mit durchdringendem Blick. Und sie lässt es nur in wenigen Passagen aus den Augen, in denen sie ihm ostentativ den Rücken kehrt. In ihrem freizügig geschnittenen schwarzen Minikleid sieht sie aus, als wäre sie gerade auf dem Weg zu einer Party. Da steht eine normale junge Frau mit unbewegter Miene im Licht eines Scheinwerfers knapp vor den Stühlen der ersten Reihe. Der Raum ist von einem dunklen, gleichbleibenden Sound erfüllt. Langsam nur dreht sie sich zur Seite, dann um ihre eigene Achse. Ein Lächeln beginnt um ihre Lippen zu spielen, das immer künstlicher wird und schließlich abstirbt. Der beständige Druck, unter dem Hammoud aufgewachsen ist, der politische Wahn, der ihren Körper bestimmt, und die Unsicherheit in ihrem Leben zeigen sich in diesem Tanz nicht durch einen widerständigen Ausbruch. Denn alle Bewegungen, die sie ausführt, bleiben bis zum Äußersten beherrscht. Das übersetzt die Spannungen, über welche die Künstlerin reflektiert, in eine konzentrierte Dehnung der Zeit. Darin drückt sie sich zu Boden, nimmt eine sphinxhafte Pose an, aus der sie sich sinken lässt, während der Sound einer drückenden Stille weicht. Jede nun folgende Wendung, jedes Sichdurchstrecken und jedes Abspreizen ihrer Extremitäten wirkt wie das Aufspannen einer unauslöschlichen Traumatisierung. Zwischen dieser Darstellerin und ihrem überwiegend jungen europäischen Publikum liegen Welten. Hammoud illustriert nicht, gibt keine Erklärungen ab und verzichtet auf erlösendes Brückenbauen. Sie bietet weder Unterhaltung noch Didaktik. Vielmehr spiegelt sich in ihrem Blick etwas, das die Zuschauerinnen und Zuschauer angreift und erst ganz zum Schluss loslässt. Die Art dieser Eindringlichkeit bleibt im Unbestimmten. Dieses bleibt auch erhalten, wenn der Körper der Künstlerin in Wellenbewegungen gerät, wenn sie ihren Mund, zur Seite gewandt, zu einem stummen Schrei öffnet, und wenn sie ihren Schatten in den Bühnenhintergrund begleitet. Keinen Moment lang driftet die Tänzerin dabei – und das ist die eigentliche Größe an dieser irritierenden Arbeit – ins Pathetische ab. Bleibt zu hoffen, dass Danya Hammoud auch ihr neues Stück Il y a longtemps que je nai pas été aussi calme, an dem sie gerade während einer von Kulturkontakt unterstützten Residency am Tanzquartier gearbeitet hat, in Wien präsentieren wird. William Shakespeares "Der Sturm" in Perchtoldsdorf. Perchtoldsdorf – Prospero, der geheimnisvolle Zauberer aus Shakespeares Der Sturm, hat eine wahrhaft weite Reise hinter sich. Aus Mailand, von wo man ihn einst vertrieb, segelte er vielleicht zu den Bermudas weiter. Seinen wahren Bestimmungsort, einen sandigen Strand mit Luft- und Naturgeistern, hat er aber in Perchtoldsdorf gefunden. Genauer gesagt: Vor der Fassade der Burg mimt der Schauspieler Andreas Patton einen Hippiemonarchen, einen Schmuddelfürsten hart am Rande der Verwahrlosung. Töchterchen Miranda (Josephine Bloéb) windet dem kiffenden Zausel ein paar Lockenwickler ins Haar. Prospero hat sich als Renaissancemensch sein Aussteigertum hart erarbeiten lassen. Er lebt auf der Insel von den Früchten fremder Lohnarbeit. Seine cholerischen Anwandlungen sind in Michael Sturmingers viel zu gemächlicher Inszenierung freilich kaum der Rede wert. Der milde Wilde unterhält unter seiner Dachkammer eine astreine Inselcombo, genannt die Pogo Purcell Sisters. Ein Theremin sendet Störgeräusche, Geist Ariel (Nadine Zeintl) hat ein gipsernes Antlitz und singt mit flatternden Ärmeln berückend schöne Weisen. Sie alle wurden von Sturminger, dem Intendanten der Perchtoldsdorfer Sommerspiele, zum Zwecke der Wahrheitsfindung vereint. Auf dem Spiel steht laut Programmheft die Umkehrung des Kolonialzeitalters. Von Shakespeare führt angeblich eine schnurgerade Linie zu Joseph Conrad und dem Herzen der Finsternis. Im Schutz der Burg wird das Gerüst einer Karavelle mit einem Schlauch (breite Streuung!) nassgespritzt (Ausstattung: Renate Martin, Andreas Donhauser). Immerhin muss der Hofstaat aus Neapel in Prosperos Quarantänelager notlanden. Caliban (Veronika Glatzner), der versklavte Ureinwohner, starrt vor Lehm. Im malerischen Sand steckt Holz im Gegenwert eines Waldschutzgebietes. Ferdinand (Aaron Friesz), Mirandas deklamationsschwacher Bräutigam, versteht sich auf die Kunst, Holz in kleine Scheiter zu spalten. Lauter erstbeste Einfälle ergeben leider keine zusammenhängende Erzählung. Stumm steht der fast volle Mond über Perchtoldsdorf. Er wird Zeuge von Possierlichkeiten, die sich zu keinem Ganzen fügen. Shakespeare stimmt im Alterswerk ein höhnendes Gelächter an. Prospero verzeiht, aber er vergisst nichts. Patton muss den Jim Morrison geben. Seine Widersacher sind am Schluss zu Renaissance-Salzsäulen erstarrt. Dem Besucher war kaum regsamer zumute. 'Das Theater im Krastal mit Samuel Beckett und Peter Handke. Klagenfurt – Das letzte Wort hat die Frau. Und Peter Handke war 2007 klug beraten, seine Namenlose im Monolog Bis dass der Tag euch scheidet dem alternden Schriftsteller Krapp aus Samuel Becketts Das letzte Band zurufen zu lassen: Mit diesem Echo hast du nicht gerechnet! Es stimmt einfach. Aber entschuldigend für Beckett und seinen Krapp wäre vielleicht zu sagen, dass sie den Steinbruch Krastal nicht kannten. Diese wildromantische Kulisse nahe bei Treffen am Ossiacher See schreit natürlich nach einem Echo. Und wenn Beckett und sein sarkastisches Alter Ego sie gekannt hätten, hätten sie eher damit gerechnet, dass hier kein Krappscher Hall ohne Nachhall bleibt. Nach fünf erfolgreichen Sommern lädt der Schauspieler Manfred Lukas-Luderer, bühnenbewährt vom Burgtheater bis zum Schauspielhaus Zürich, bis 8. August jeden Donnerstag, Freitag und Samstag heuer letztmals zu einer Produktion in den Steinbruch, den er für das Theater entdeckt hat. Gespielt werden die beiden genannten Monologe, die sich auch als zeitversetzter Dialog verstehen lassen, wie Handkes weibliche Monologfigur das Publikum gezielt in die Irre führt. Denn das Entscheidende an Becketts Letztem Band ebenso wie an Handkes Bis dass der Tag euch scheidet ist nicht so sehr der Stellungskrieg zwischen einem Mann und einer Frau 'Am Semmering wird Schnitzlers Stationendrama gezeigt. Wien/Semmering – Schnitzler im Kurhaus am Semmering zu inszenieren passt einfach. Fast sieht man den Dichter selbst noch durch die Straßen des Ortes schreiten. Die Spielstätte, das historische Kurhaus, verstärkt diese Stimmung nur. Der Reigen hätte freilich schon zu Schnitzlers Zeiten dem Sommerfrischleridyll nicht ganz entsprochen. Die Dirnen vom Prater passen schlecht zum Jugendstilinterieur. Aber insgesamt ist das Bild stimmig Steirischer Herbst: Das Theater im Bahnhof bringt "Black Moonshine" zur Uraufführung. Vordernberg – Die obersteirische Marktgemeinde Vordernberg hadert mit der Abwanderung der Bevölkerung – ein Phänomen des postindustriellen Zeitalters. Das ehemalige Zentrum für Roheisenerzeugung nahe den Eisenerzer Alpen zählte früher zu den reichsten Gemeinden des Landes. Heute sind lediglich zwei Gasthöfe übrig geblieben. Zeit für das Theater im Bahnhof, eine künstlerische Bestandsaufnahme vorzunehmen: Black Moonshine. Die Essenz der Freiheit. Wenn der Schlecker geht, kommen die Künstler. Wie wahr. In den Barbarasälen (die heilige Barbara ist Schutzpatronin der Bergleute), einem die Patina der letzten Jahrzehnte stolz präsentierenden Veranstaltungszentrum mit grüner Ganzjahresdekoration, markieren zwei Schauspielerinnen und zwei Schauspieler (Eva Maria Hofer, Gabriela Hiti, Rupert M. Lehofer, Jacob Banigan) das wenig aufregende Leben im Ort. Teile des Stücktextes gehen dabei auf Recherchematerial bzw. Originalzitate zurück. Zwetschken werden für einen Kuchen entkernt, Kugelschreiber für den Nebenverdienst zusammengeschraubt. 10.000 sind es, damit das bei vier Cent pro Stück auch eine schöne Summe abwirft. Manchmal kommt die Raiffeisenbank auf Rädern in den Ort. Eine Soundkünstlerin schwirrt durch die Straßen und labt sich an den Tönen, die das beschauliche Leben bietet. Auf ihre Vorliebe für schwarzafrikanische Männer kommt sie gleich zu sprechen, und begibt sich deshalb immer wieder zu dem an der Ortseinfahrt befindlichen Anhaltezentrum, in dem sich mutmaßlich Menschen dunkler Hautfarbe befinden. Auch drei Syrer spazieren durch die projizierte Landschaft. Diese Künstlerfigur darf man als selbstkritische Implementierung der Theatermacher deuten. Schließlich könnte es als überheblich missverstanden werden, den Einwohnern mit einer Interpretation deren Lebens nahezutreten. Was aber passiert in Black Moon- shine? Eine mysteriöse Frau mit Rollkoffer (Lynne Ann Williams) entsteigt einem Mercedes. Sie bleibt im Stück bezeichnenderweise nur auf der Leinwand präsent, kommt gewissermaßen nie ganz in der Realität des Gemeindelebens an. In der Garage von Stoney (eigentlich Toni), Inhaber einer Tankstelle ohne Zapfsäule, eröffnet sie eine Schnapsbrennerei und bringt mit ihrer selbstbewussten Art das soziale Gefüge ins Wanken. Es gibt nicht die eine Geschichte von Vordernberg. Und so ergibt auch das in Gemeinschaftsarbeit entstandene, vieles vor Ort aufgreifende und gut verarbeitende Stück (weiters: Ed. Hauswirth, Helmut Köpping, Johanna Hierzegger, Markus Klengel) keine runde Erzählung. Vielmehr stellen recherchierte, aber doch fiktive Momente eines Dorflebens den Blick auf ein Dasein in strukturschwacher Zone scharf. Das Zusammenbauen von 10.000 Kugelschreibern bringt übrigens 400 Euro ein. 'Schwarzer Humor im Off-Theater: Das Bernhard-Ensemble zeigt im Rahmen des Netzzeit-Festivals "Out of Control" die Uraufführung eines Stücks von Ernst.K. Weigel. Wien – Lametta umkränzt die erhöhte Bühne, unter der die Schauspielerinnen und Schauspieler hervorkriechen, zunächst aufgeregt gackernde und flatternde Vogelmenschen. Dann der Großvater, im Ganzkörper-Heldengold (Michael Welz); Tochter Autriche im roten Dirndl (Rosa Braber); ihr Freund Allemand, dem selbst beim Quickie die rechte Hand zum Hitlergruße hochschnellt (Ernst Kurt Weigel); Dr. Masante, der Körpertherapeut, dem kein Psycho-Sprech fremd ist (Kajetan Dick); DU, der Assistent mit Migrationsgegenwart (Victor Yuri Correa Vivar), dessen Name für allerhand Verwirrung sorgt (Was ist mit DU? Alle glauben, ich wäre ein Rassist, weil ich DU zu ihm sage); und schließlich Erneste, Enkel des Heldenopas im Molière-Outfit (Grischka Voss), der die Geschichte vom eingebildeten Seelenkranken erzählt, natürlich in Bernhard-Ensemble-Manier: nämlich drastisch. Das eisern beibehaltene Regiekonzept im Off-Theater in der Kirchengasse: Zwischen Commedia dell’Arte und Wiener Aktionismus ist alles möglich und absolut nichts tabu. Ernst K. Weigels (autobiografische) Tragikomödie KZ.Imaginaire (eingebildet und krank) wurde nun im Rahmen von Out of Control, dem Netzzeit-Festival für neue Musik, uraufgeführt. Es ist ein Singstück über wahre Helden und eitle Schwätzer, über Widerstandskämpfer und Mitläufer, über Flüchtlinge, Aufnahmestopps und Hilfsbereitschaft. Heilig ist den Bernhardisten nichts, vor allem nicht die Familie, Brutstätte von Ängsten aller Art, Käfig und Möglichkeitsform in einem. Alles ist lachhaft und vieles zweischneidig. Klar wird da lustvoll in Scheiße gerührt (übrigens: gelb). Weigel erzählt, wie es ist, wenn der Großvater ein Widerstandskämpfer war, der Dachau überlebt hat, schwer traumatisiert war und dem Korrigierwahn anheimgefallen: Der Großvater hat die ganze Welt retten wollen und wir haben dafür gebüßt... Er korrigierte die Weihnachtspost, die Urlaubspost, die Kochrezepte, die Nachrichtensprecher, die Hunde, die Wurstverkäufer, die ganze Welt. Alle, die ihn kannten, nannten ihn Faschist, jeder dachte über ihn, der muss der Supernazi sein, wie der die Menschen zurechtkorrigiert. Enkel eines Helden zu sein, lastet schwer. Wo bleibt man selbst? Was fühlt sich richtig an? Ähnlich wie Argan in Molières Der eingebildete Kranke bildet sich Erneste ein, psychisch krank zu sein, sucht therapeutische Hilfe. Aber alle sagen ihm, er sei normal. Das macht ihn (fast) verrückt, Phantasien geraten außer Kontrolle.Eine wirklich tolle Teambereicherung ist Florian Kmet als Einmann-Band, der das groteske, überdrehte, traurige, lustige, gnadenlose Spiel live begleitet. Fast möchte man sagen: es mit seinem groovigen Gitarrensound, dem Kratzen und Scheuern und Zupfen, mit seinen Schlagwerkzeugen, Loops und Mixes sensibel lenkt. Auf den Paukenschlag genau die Slapstickereien. Schlicht wunderschön die Melodien für die (übrigens echt guten) Songs.' Im Schauspielhaus Wien feierte "Möglicherweise gab es einen Zwischenfall" Premiere. Wien – Was bewog einen Mann dazu, aus der Menge zu treten und sich einem Panzer entgegenzustellen? Warum schießt ein anderer Mann in einem Jugendparlament wild um sich? Und warum lässt eine zur Diktatorin gewordene Exlinke irgendwann auf Demonstranten unter dem Balkon ihres Regierungssitzes schießen? Man wird nichts davon mit Gewissheit erfahren. Aber die Erzählungen von vier in weitreichende Entscheidungsprozesse involvierten Figuren (eine fehlt noch) verbindet der englische Dramatiker Chris Thorpe zu einem Stück, das den Sekundenbruchteilen auf der Spur ist: Möglicherweise gab es einen Zwischenfall (There Has Possibly Been An Incident, Deutsch: Katharina Schmidt). Thorpe zerdehnt in konzentrierter und langsamer Art, wie es am besten die Literatur vermag, jene Momente, in denen Menschen sich zu Taten entschließen (Nummer vier handelt von einer Frau in einem Flugzeug, das zu verunfallen droht). Die Veranschaulichung von Konfliktsituationen gehört zu den ureigensten Interessen der dramatischen Kunst. Im Schauspielhaus verkommt Marco Stormans deutschsprachige Erstaufführung (zeitgleich mit dem Staatstheater Saarbrücken) jedoch zu einer trockenen Sprechübung, bei der Performer sich gelegentlich mit Papierschnitzel verköstigen oder ihr Mikrofon heftig umarmen. Der Abend wäre besser im Brut aufgehoben, was ihn aber freilich noch nicht gelungener machen würde. Denn postdramatische Schauspieler auf ihre Mundwerkzeuge zu reduzieren, das ergibt nicht automatisch eine gute Performance. Anstatt die Sätze zu beleben, versickern sie in der Gleichtönigkeit eines Aufsagetheaters. In der Nachbarschaft ihrer drei Schreibtische arrangieren Vassilissa Reznikoff, Sophia Löffler und Steffen Link allerlei Zettel, kleben sich Kunstaugen auf und lächeln (als Zeichen der Nichtidentifikation mit ihrer Sprechrolle) durchgehend. Videobilder von Hinz und Kunz des Weltgeschehens (Obama, Halle Berry, Steve Jobs) weisen hinaus in die Realität, deren mikrokosmische Brennpunkte der Abend gern verhandelt hätte. Aber es bleiben nur verkürzte Assoziationen übrig: Anders Breivik oder der Tiananmenplatz. 'Im Hamakom-Theater schneidet Toxic Dreams quer durch ein Zinshaus: "It''s always sunny in Vienna". Wien – Im Jahr 2070 liegt Österreich dank der Klimaerwärmung wieder am Meer. Sizilien ist wie Atlantis versunken, und der dadurch losgetretene Migrationsstrom in höher gelegene Gefilde hat eine sizilianische Tanzexpertin nach Wien geführt. Sie wohnt nun in einem alten Zinshaus nahe dem Stadtzentrum, wo die Kriminalitätsrate hoch und die Bevölkerungsdichte niedrig ist. Zu den Nachbarn ihres Appartements, in dem ein Tanzandroide den Walzerschritt lehrt, gehören eine bombenbastelnde Revolutionärin, ein sexuell aktives junges Pärchen und – Großkritiker Karl Kraus. Das ist die Pointe: Die räumlich nebeneinander angeordneten Leben finden zu verschiedenen Zeiten statt. Bereitet Karl Kraus in seinen Gemächern anno 1912 eine Eloge auf Nestroy vor, so verdrahtet die Linksradikale im Obergeschoß um 1970 Kabel mit einer Bonbonniereschachtel und diskutiert das junge Paar der Jetztzeit das Parteiprogramm der Grünen. Die Verbindungslinien zwischen den (Selbst-) Gesprächen bleiben in Its always sunny in Vienna von Toxic Dreams aber hauchdünn. Dabei wäre die Simultaneität des Ungleichzeitigen ein wirkungsvolles Instrument zur gegenseitigen Bespiegelung (siehe z. B. Jon Fosses Stück Schlaf): Welches Echo ergibt das Gesagte 150 Jahre später im Zimmer nebenan? Diese Spuren versanden in Yosi Wanunus Inszenierung komplett. Im Hamakom-Theater, wo ein Wohnungsgeviert mit aufgemalten Möbeln bis zur Decke aufragt (Bühne: Andreas Strauss), klaffen die Spielstile auseinander, die Szenen vermögen allein für sich zu stehen, was dem Unternehmen den Wind aus den Segeln nimmt. Denn die – von Georges Perecs Roman Das Leben Gebrauchsanweisung (1978) inspirierte – Historie eines Zinshauses wäre gewiss schön anzuschauen.' 'Uraufführung von Thomas Jonigks Theaterstück nach Stefan Zweig in St. Pölten. St. Pölten – Auf der Bühne des Landestheaters Niederösterreich galoppiert ein Pferd des britischen Fotografen Eadweard Muybridge (1830-1904) vorbei. Auf Leinwand gebannt, versteht sich. Der Pionier der Fototechnik hat mittels Serienbildern Bewegungsabläufe von Mensch und Tier studiert. Das fotografische Anhalten der Zeit (um sie genauer zu betrachten) hat Autor und Regisseur Thomas Jonigk in St. Pölten auf das Theater übertragen. Um herauszufinden, wie es mit Edith von Kekesfalva, der Hauptfigur in Stefan Zweigs Roman Ungeduld des Herzens, so schnell zu Ende gehen konnte. Jonigk hat die entscheidenden Momente muybridgehaft angehalten. Keine neue Idee, aber eine zulässige, die in puristisch arrangierten Tableaus gut umgesetzt wurde. Das über der Szene thronende Schwarz-Weiß-Standbild des Pferdes (Bühne: Lisa Dässler) steht also symbolisch für die unsichtbare Zeitleiste, entlang deren Ediths tragisches Ende aufgerollt wird. Das Foto verweist aber auch auf einen gewissen Rittmeister der k. u. k. Kavallerie: Der Garnisonsoldat Anton Hofmiller (Moritz Vierboom) entfacht das Herz der jungen, gelähmten Edith (Swintha Gersthofer), ohne diese Liebe jemals ernsthaft zu meinen. Vielmehr entspringt seine Zuwendung purem Mitleid Das Theater Dschungel Wien führt – mit starker Fee – zu "Peter Pan" ins Nimmerland. Wien – Einem des Fliegens mächtigen Abenteurer in ein unbekanntes Land folgen, wo man immer Kind bleiben kann: Davon lässt sich gut erzählen. James Matthew Barrie hat die Geschichte vom Nicht-Erwachsenwerden-Wollen 1902 erstmals veröffentlicht. Von Peter Pan gibt es seither mehr als ein Dutzend Verfilmungen und unzählige Übersetzungen (u. a. von Erich Kästner). Am bekanntesten wurde über die Jahre ebenjener Abschnitt, in dem Peter in einem Londoner Kinderzimmer auf Wendy trifft und mit ihr ins Nimmerland aufbricht, wo sie die Mutterrolle der verlorenen Buben einnimmt. Im Dschungel Wien trägt Peter Pan (Sven Kaschte) erstaunlicherweise Vollbart und ist nicht mehr der Allerjüngste – eine von vielen herausfordernden Ideen Julia Burgers, deren Inszenierung für die Verzaubertheit des fiktiven Traumlandes und seiner Bewohner schöne szenische Übersetzungen bereithält. Wendy (Mira Tscherne) fliegt an einem Akrobatikseil durch die Lüfte. Mit Lichterketten wird das Nimmerland angeknipst, ein Klappmaulkrokodilskopf schleicht durch die nebelverhangene, dicke Piratenluft. Vor allem treibt Steffi Jöris (als misslaunige Fee Glöckchen sowie als Captain-Hook-Assistent) das Spiel voran. Mit stimmlicher wie akrobatischer Präzision (manche Darsteller sprechen zu verhuscht) schafft sie stets Konzentration in dieser nicht immer geschickt getakteten Inszenierung: Dramatische Momente werden zu kurz gehalten, verdichtete Stimmungen an Action verschenkt (das Hook-Gestampfe). Dabei haben Julia Burger und Julia Perschon eine schöne Textfassung erstellt, die literarischen Esprit ausstrahlt, ohne altmodisch zu wirken. Bevor am Schluss die Rosenblütenbomben platzen, kämpfen Captain Hook (Maartje Pasman) und Peter miteinander. Geht einer zu Boden, so kommentiert ein sechsjähriger Zuseher das im nach innen gekehrten Flüsterton als ein urschönes Foul. Es wäre zudem noch schön gewesen, hätte dieser Peter Pan neben dem Mutterkult auch ein wenig Vaterkult eingeführt. 'Arthur Schnitzlers Einakter im Schauspielhaus Wien. Wien – Die Pariser Kellerspelunke Der grüne Kakadu ist Schauplatz von Arthur Schnitzlers gleichnamiger Groteske, in der sich der Angstschweiß der Revolution auf den Straßen von 1789 mit dem schwülstigen Dunst der Adelsvergnügungen im Souterrain vermischt. Chevaliers, Marquis und Vicomtes treffen sich bei dem Wirt und abgewirtschafteten Theaterdirektor Prospère, um in einem Proletenstück in den prickelnden Genuss der Gefahr zu kommen. Das Proletariat könnte ihnen im echten Leben gefährlich an den Kragen gehen! Prospère ist am Schauspielhaus Wien eine Frau (Kara Schröder), die die Ausschank in Form ihrer beiden Busenzapfhähne bestens unter Kontrolle hat. Kein schlechtes Bild für einen geschäftstüchtigen Gastwirt. Und es ist generell das aus Latex, Tüll und Leder gefertigte Bühnen- und Kostümwerk von Josa Marx, das in der Inszenierung von Lucia Bihler den Ton angibt. Die beiden haben ihrer Vorliebe für sexy Oberflächen schon öfters Ausdruck verliehen (Titus am Ballhaus Ost 'Das Stück "Illegale Helfer" im Schauspielhaus Salzburg porträtiert Menschen, die Asylsuchende unterstützt haben. Salzburg – Die Flüchtlingsthematik bleibt weiterhin aktuell. Auch auf der Bühne des Schauspielhauses Salzburg: In Illegale Helfer kommen Menschen zu Wort, die Flüchtlinge und Asylsuchende auch jenseits nationalstaatlicher Gesetze mit Rat und Tat unterstützen; solche, die nach dem moralischen Diktum Erich Kästners leben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Die Südtiroler Autorin Maxi Obexer recherchierte drei Jahre lang, um mit realen Helfern Gespräche zu führen, die sie dann 2015 zu einem Hörspiel für den WDR verdichtete. Bei der Uraufführung der Bühnenversion in Salzburg lässt Regisseur Peter Arp neun Figuren auftreten, die frontal zum Publikum gewandt über Motive, Methoden, Strategien und persönliche Befindlichkeiten sprechen. Sie tun dies vor einer reduzierten Kulisse, in der die Hintergrundprojektionen von Bildern der Salzburger Künstler Peter Baldinger und Konrad Winter an die Realität erinnern – stammen sie doch aus der Bahnhofsgarage, die 2015 als Flüchtlingsunterkunft diente. Die Stimmen artikulieren Biografisches, gehen etwa ihrer Herkunft aus Familien nach, die von den Nationalsozialisten verfolgt wurden. Oder es wird an einen portugiesischen Diplomaten in Warschau erinnert, der in der NS-Zeit vielen Juden Visa ausstellte und ihnen dadurch das Leben rettete. Ein Verwaltungsrichter, der die längste Zeit Abschiebebescheide ausstellte, erzählt, wie ihn ein Einzelschicksal zum illegalen Fluchthelfer machte. Illegale Helfer ist Dokumentartheater, das von der Kluft zwischen Gesetz und Moral, von Legalität und Legitimität handelt. Noch bis 20. Februar. Im Anschluss an die Vorstellung am 1. 2. findet eine Podiumsdiskussion statt.' Theresa Hübchen hat für das Landestheater Salzburg aus Gesprächsprotokollen eine Bühnenfassung verfasst. In Nigeria herrscht Bürgerkrieg. Weil den fundamentalistischen Gotteskriegern von Boko Haram Bildung als Satanswerk gilt, verbreiten sie Angst und Schrecken, vor allem Frauen werden Opfer dieser Attacken. Neben Brandschatzungen stehen bei den Terroristen Entführungen auf dem Plan: So verschleppten sie 2014 bei einem Überfall auf das Dorf Chibok 276 Schülerinnen – bis heute befinden sich tausende Frauen in den Händen der Islamisten. Auf diese Entführungen reagierten zahlreiche Prominente mit Entsetzen: etwa Friedensnobelpreisträgerin Malala Yousafzai, die die Kampagne Bring Back Our Girls unterstützt. Journalist Wolfgang Bauer hat Frauen interviewt, denen die Flucht gelungen ist. Die Berichte über die grausamen Erfahrungen hat er im Zeit-Magazin veröffentlicht. Theresa Hübchen hat für Salzburg aus den Gesprächsprotokollen eine Bühnenfassung namens Die geraubten Mädchen verfasst. Heute Premiere. Wie lohnend könnte es sein, Michel Houellebecqs Islamismus-Roman genauer zu erforschen. Im Meidlinger Werk X flüchten die Beteiligten allzu oft in ein um Lässigkeit bemühtes Aufsagetheater. Die Provokation des Buches verpufft. Wien – Paris hat im Jahr 2022 einiges von seinem revolutionären Glanz eingebüßt. Michel Houellebecqs satirischer Roman Unterwerfung erregte bei seinem Erscheinen vor einem Jahr ungläubiges Staunen. Um einen Wahlsieg des Front National zu verhindern, entschließt sich Restfrankreich, einen gemäßigten Muslim an die Spitze der Republik zu berufen. Dieser, ein gewisser Mohamed Ben Abbès, wälzt kaiserliche Pläne. Aus der EU soll ein neues muslimisches Römisches Reich entstehen, das den gesamten Mittelmeerraum einschließt. Inzwischen sind mehrere Terrorwellen über das wirkliche Paris hinweggegangen. In Wien-Meidling, im Werk X, stellt man das Houellebecq-Buch jetzt beflissen nach. Die Seine-Metropole besteht hier aus nackten Betonwänden. Zwei Glascontainer dienen jeweils als Studenten-WG und als Wärmestube für pausierende Schauspieler (Ausstattung und Regie: Ali M. Abdullah). Die Pointe des Stoffes liegt in der ätzenden Verachtung, die Houellebecq der westlichen, käuflichen Intelligenzija entgegenbringt. Das Juste Milieu der Akademiker arrangiert sich nämlich bestürzend rasch mit den neuen Verhältnissen. Die vermeintliche Schreckensherrschaft der Islamisten erweist sich für die Rotwein süffelnden, universitären Minderleister als wahres Labsal. Einzelgänger wie der Literaturexperte François (Marc Fischer) werden kaltgestellt. Sie dürfen sich aber mit der Aussicht auf die staatlich geförderte Polygamie über die kränkende Nutzlosigkeit ihres Daseins hormonell hinwegtrösten. Über die Eignung von Unterwerfung (Soumission) als Theaterstoff kann man geteilter Meinung sein. Houellebecq betrachtet den totalen Umsturz der Verhältnisse aus den trüben Augen François. Im Werk X stellt sich der spindeldürre Mann im bestürzend hässlichen Würfelsakko als ein Bob Dylan der Zukunft vor. Einen Satz seines Leib-und-Magen-Dichters Joris-Karl Huysmans hat er auf Zettel gebannt, die er wie Karteikarten herzeigt. Mit diesem schönen Einfall können die folgenden rund zweieinhalb Stunden nicht mithalten. Regisseur Abdullahs Textfassung ist von dem blinden Eifer gekennzeichnet, auch wirklich das ganze Buch abzubilden. Die meiste Zeit über lauscht François mit stark säurehaltiger Miene den kaum enden wollenden Monologen seiner Mit- und Gegenspieler. Erzählt wird u. a. von der rührenden Sorge, mit der unser Antiheld um das Wohlergehen seines Penis besorgt ist. Ein geschwätziger Mann vom Inlandsgeheimdienst (Arthur Werner) hält François auf dem Laufenden. Ein VW rollt über die Bühne, Studierende des diverCITYLAB bilden eine Studentenfraktion, die sich mit Tee- und Zigarettengenuss über die Zeit schwindelt. Der neue Rektor (Christian Dolezal) umschmeichelt den Huysmans-Experten mit honigsüßer Suada. Gehirnwäsche gelungen! Es wäre wichtig gewesen, Houellebecqs kurioses Universum genauer zu erforschen. Doch Paris ist für Meidling vorderhand noch zu groß. "Die Fleischhauer von Wien": Das Theater im Bahnhof hat im Auftrag des Volkstheaters ein Stück auf Recherchebasis erarbeitet. Es handelt von einem am Scheideweg stehenden Familienbetrieb. Uraufführung ist am 26. Februar. Auch für Vegetarier geeignet!. Wien – Was ein Fricandeau ist oder ein mageres Meisel, das braucht man Lorenz Kabas und Pia Hierzegger vom Theater im Bahnhof (TiB) nicht mehr zu erklären. Sie haben sich mit der Teilstückkunde des Fleischerhandwerks längst vertraut gemacht. Am Freitag hat ihr auch auf Recherchen vor Ort beruhendes Stück Die Fleischhauer von Wien Premiere beim Volkstheater in den Bezirken (Volx Margareten). Die Produktion tourt danach wie üblich durch die Stadt. Für alle, die es nicht wissen: Fricandeau bezeichnet eines der kostbarsten Stücke vom Schweinsschlögel. So erklärt es Lorenz Kabas. Er ist Regisseur des Abends und entstammt selbst einer Fleischerfamilie. Das Theater im Bahnhof mit Basislager in Graz versteht sich als zeitgenössisches Volkstheater, das Prozesse in der Krise ausforscht und genauer betrachtet. Von der massiven (postindustriellen) Absiedelung handelte jüngst das Stück Blue Moonshine beim Steirischen Herbst. In Die Kaufleute von Graz (2011) wurde das Aussterben des Einzelhandels beklagt, Lehrerzimmer 8020 (2013) schilderte pädagogische Zerreißproben im Angesicht der Bildungsreform. Krisenmomente sind für das Theater eben spannend, sagt Kabas, genau darin liegt ja das dramatische Potenzial. Der Beruf der Fleischhauer ist jedenfalls krisenbehaftet. Andererseits ist es auch ein Zufall, dass nun das Fleischerhandwerk im Zentrum steht. Weder sind die TiB-Leute leidenschaftliche Fleischesser noch vehemente Ablehner. Hierzegger beispielsweise hat sich eine Zeitlang vegetarisch ernährt. Fleisch als Thema versammelt, so die Autorin des Stücks, viele Aspekte: die großen Lebensmittelketten, die luxuriösen Bobo-Attitüden (was man essen darf und was nicht) und natürlich die riskante Struktur des Familienbetriebs, der im Stück im Zentrum steht. In Die Fleischhauer von Wien will beziehungsweise soll eine Wiener Fleischhauerfamilie (Mutter und Sohn werden gespielt von Doris Weiner und Dominik Warta) den Betrieb an Verwandte aus der Steiermark (Martina Zinner, Rupert Lehofer) übergeben. Von dieser konfliktbeladenen Übergabephase handelt das Stück von Pia Hierzegger. Es sei für Vegetarier genauso geeignet, natürlich auch für Vegane, so die Autorin. Ethische Überlegungen stelle das Stück zwar an – es gibt auch eine Figur, die kein Fleisch isst -, doch sie stünden keineswegs im Zentrum. Wir wollten vielmehr eine ernste Auseinandersetzung mit dem Berufsstand, so Kabas. Während der Fleischkonsum stetig steigt, ist bizarrerweise das alte Fleischerhandwerk bedroht. Den Letzten Fleischhauern von Wien (Metroverlag, 2012) wurde bereits in Buchform gehuldigt. Das Sterben der alteingesessenen Betriebe wird sich weiter fortsetzen, prophezeit auch der Innungsmeister Erwin Fellner, einer der Gesprächspartner bei der Recherche. Für das Stück wurden Vertreter aus verschiedenen Bereichen interviewt: ein Berufsschullehrer, jemand aus der Kommission des Österreichischen Lebensmittelkodexes oder auch einer, der einen Internetvertrieb für Biofleisch eröffnet hat. Es ist, so die Erkenntnis aus den Gesprächen, nicht ein Faktor, der für das Fleischhauersterben die Verantwortung trägt. Nicht nur das wachsende Angebot in den Supermärkten verdrängt die kleinen Betriebe. Auch die EU-Auflagen stellen große Hürden dar oder grundsätzlich die Finanzierung (etwa von Lebensmittelanalysen). Nicht zuletzt ist die familiäre Betriebsstruktur ein vager Faktor. Gewiss spielt auch der veränderte Fleischkonsum eine Rolle. Da dem täglichen Kochen immer weniger Zeit eingeräumt wird, wächst der Trend zum Kurzgebratenen. Das wiederum kickt viele Fleischteile aus dem Sortiment und schmälert so das Handwerk. All dieses zusammengetragene Recherchematerial nützte Pia Hierzegger als Inspiration für das Stück. Unsere Ideen für den Abend wurden von den Gesprächen eigentlich weiter verstärkt, sagt sie. Die konkreten Gespräche führte allerdings Dramaturgin Mona Schwitzer. Hierzegger: Für mich als Autorin ist es wichtig, Distanz zu den konkreten Personen zu haben, sie nicht zu kennen, damit das beim Schreiben keine Scheu auslöst. Einige von ihnen habe ich aber trotzdem getroffen. Elias Canettis "Die Blendung" im Theater an der Gumpendorfer Straße. Wien – Elias Canettis Roman Die Blendung (1935) ist, wie der Titel schon sagt, ein großes Kabinett der Täuschungen. Die Protagonisten laufen in die offenen Messer ihrer falschen Annahmen. Herr Professor Kien (Alexander Braunshör), ein hinter Bücherwänden verschanzter, weltfremder Sinologe, verwechselt die Sorgfalt seiner Haushälterin beim Abstauben der Bücher mit der Liebe zum Gedruckten. Und ehelicht sie blöderweise. Die Nämliche, Therese Krumbholz (Petra Strasser), verkennt die Avancen eines Möbelverkäufers als Ehrerbietung, während der sich nur an ihr angeheiratetes Kapital heranmachen will. Besonders gelungen ist in Margit Mezgolichs Bühnenfassung auch die Rolle des Herrn Fischerle (toll, auch sängerisch: Elisabeth Veit), der als heimtückische, aber nicht unsympathische Unterweltsgestalt dem verblendeten Professor das restliche Geld aus der Tasche zieht. Ein Jammer, diese allseits herrschende Blindheit, zugleich aber ein Idealfall für das Theater und seine (De-)Maskierungskunst. Mezgolich, die auch Regie führt, erzählt Die Blendung als expressionistisches Illusionsspiel, in dem ein Leser (Jens Claßen) die Figuren erst zum Leben erweckt. Mit weiß gepuderten Gesichtern entern sie im Flair der 1920er-Jahre die Bühne. Hinter allerlei Türen und Türchen eines riesigen, in Düsternis gehüllten Einbaukastens (Bühne: Alexandra Burgstaller) hausen neben den Geistern des unglückseligen Bücherhaushalts auch andere Geheimnisse, die nie zum Vorschein kommen werden. In dieser magischen Realität verschwinden dicke Wälzer in Sofaritzen oder vermehren sich Figuren zu Tripleausgaben ihrer selbst. Da ist immer was los! Teil drei (Welt im Kopf) allerdings zieht sich. Hier mischt sich die an den Bühnenrand gedrängte Leserfigur zunehmend in das Spiel ein – sie kürzt ab (an dieser Stelle machen wir einen kleinen Zeitsprung) oder bekennt Verwunderung. Dass auch viele Diskussionen mit den Opfern der Verblendung nichts nützen, war erwartbar. Der Kniff hat dem Stoff aber gute Dienste erwiesen – und die Reflexion angekurbelt. 'Unterhaltsam, aber kunstfern: Simon Stone überschreibt Ibsens "Peer Gynt" am Schauspielhaus Hamburg. Eines weiß man nach diesem erstaunlichen Theaterabend im Hamburger Schauspielhaus auf jeden Fall: auch Peer Gynt hat Richard David Precht gelesen. Und auf dessen Frage: wer bin ich, und wenn ja, wie viele?, die recht originelle Antwort parat: Ich bin drei Frauen. Mutter, Tochter, Enkelin. Das berühmt-berüchtigte Gyntsche Ich, der ausgedehnteste Egotrip des Welttheaters, ist hier eine Familie, deren Verhältnisse gerade so weit ins Lächerliche und Schlamperte gerutscht sind, dass sie haargenau ins Aufmerksamkeitsprofil von Frauenzeitschriften passen. Wie dort soll man hier von der ersten Seite, also von der ersten Szene an glauben, dass Männer dazu da sind, den Frauen scheinbar unlösbare Rätsel aufzugeben, damit diesen nur ja nicht der Gesprächsgegenstand ausgeht. Der australische Theatermacher Simon Stone, aktuell einer der hipsten Trendsetter des – nicht nur – deutschsprachigen Theaters, behauptet, er überschreibe die in die Jahre gekommenen Dramen, um sie für die Gegenwart verständlicher zu machen. Im Fall von Henrik Ibsens Peer Gynt sieht das Resultat dieser Bemühung aus, als hätte er einer durchschnittlichen Allerweltsmittelklassefamilie das Stück zu lesen gegeben und sie anschließend gebeten, Themen und Motive daraus im Bühnenbild ihrer eigenen Lebens- und Erfahrungswelt nachzuspielen. Ältere Dame von Welt Als erstes ist diesen netten, etwas langweiligen und ergo vollkommen uninteressanten Leuten aufgefallen, dass es in ihrer Familie, anders als bei Ibsen, eine Frau war, die Heim, Mann und Kind verließ und außen herum ging, ehe sie schließlich nach siebenundvierzig Jahren doch wieder zurückkam. Und so steht nun die wunderbare Schauspielerin Angela Winkler als ältere Dame von Welt vor den Leuchtstoffröhrenumrissen eines putzigen Giebelhäuschens und will einfach nicht begreifen, wie der Schauspieler Ernst Stötzner, der offenbar dort wohnt, in ihr Leben geraten sein konnte. Dabei ist der gutmütige Graubart ihr doch überaus behilflich, die dunklen Flecken ihrer Lebensgeschichte aufzuhellen. Er hat nämlich nicht nur Peer Gynt gelesen, er weiß auch Ibsens Enthüllungsdramaturgie anzuwenden. Erst mal in Gang gesetzt, läuft diese Maschine wie am Schnürchen. Und kein Mensch weiß, wie man sie wieder ausschalten kann. Und so zerrt die Rekonstruktionsmechanik nun nach und nach die gesamte Familienbande ins trübe Bühnenlicht: die im Säuglingsalter verlassene Tochter (Maria Schrader), jetzt mit Raubkunst aus Syrien bestens im lukrativen kriminellen Geschäft; einen meschuggenen Schwiegersohn, dem man die obligate Rolle des Versagers aufs Auge gedrückt hat; eine Enkelin, die in Gestalt von Gala Othero Winter mit zäher Blässe jeden Ernst des Lebens konsequent sabotiert, am Ende aber, nachdem sie den Liebhaber ihrer Mutter geheiratet und ein Kind zur Welt gebracht hat, mit ihrem Rollkoffer allein loszieht, um außen herum zu gehen. Simon Stone überschreibt oder übermalt Ibsens dramatisches Gedicht nicht, er macht es klein und handlich, damit es in seinen pragmatischen, aber eigentlich fantasie- und kunstfernen Postheroismus passt. Weil Peer Gynt für ihn eine inkommensurable Figur ist, verteilt er dessen maßloses Ich auf drei Durchschnittsleben. Die wohltemperierte Allerweltsfrau als Nachfolgerin des diskreditierten männlichen Helden – so haben sich Feministinnen die Demontage des Machos wohl nicht vorgestellt. Das Erstaunlichste an diesem durchaus unterhaltsamen Theaterabend ist allerdings, dass ein junger Mann von Anfang dreißig allen Ernstes Frauen, die Heim, Mann und Kind verlassen, weil sie was Besseres finden wollen, die krumme Geschäfte machen, sich reihenweise Liebhaber zulegen und anderen Frauen die Ehemänner ausspannen, für den sittlichen Ausnahmefall hält.' Sensible Geschichte über pubertierende Buben und die Liebe im Theater der Jugend. Wien – Schulsport ist seine Sache nicht. Dafür singt Jamie (Florian Kroop) gerne bei The Sound of Music mit. Auch wenn ihm das vor seinem Übernachtungsgast jetzt peinlich ist. Ein bisschen Klischee mag man eben. Genauso wie Männer. Und ganz besonders diesen: Ste (Jakob Elsenwenger). Er ist die coole Sau. Skateboarder. Aber selbst er hat ein Problem, Vater und Bruder verprügeln ihn. Mit Lügen versucht Ste zu vertuschen, was jeder in der Nachbarschaft weiß. Ein sozialer Brennpunkt. Drei Wohnungstüren. Hinter der dritten wohnt Leah (Yodit Riemersma). Sie ist von der Schule geflogen. Mit Mama Cass‘ It’s getting better und anderen Hits aus der Zeit der Summers of Love träumt sie sich von den Stufen vor dem Haus davon. Aber besser wird dadurch natürlich nichts. Beautiful Thing von Jonathan Harvey – der Titel des Stücks klänge wie bitterböse Ironie, gäbe es da im Theater der Jugend nicht die Liebe. Die bald schönste neue Nebensache für die pubertierenden Buben. Das Verarzten der blauen Flecken wird zärtliche Annäherung. Statt Blümchen schenkt man dem Schatz eine Mütze. Mehr als 20 Jahre hat der Text auf dem Buckel, doch die Gefühle lernen eben erst zu laufen. Und auch Jamies Mutter (Simone Kabst) träumt davon, ist ihr Tony (Markus Schöttl) auch ein Tropf. Die Karikatur eines Mannes. Er trägt Dauerwelle und seine Schenkel in Hotpants zur Schau. Wenn er sie auszieht, riecht er an seinen Socken. Boyfriendmaterial ist er wirklich nicht. Aber auch als Mom ist diese zweifelsohne schon öfters gepflückte Blume aus dem Sozialbau schwerlich das große Los. Man möchte mit den Fünfen allesamt nicht tauschen müssen! Was so ordinär beginnt, entwickelt sich aber zur sensiblen Geschichte. Die Inszenierung von Werner Sobotka schafft es dann, die Lebens- und Gefühlsnöte aller Beteiligten berührend zu transportieren. Denn eigentlich sind sie alle besser, als es scheint, und die harten Worte (Schlampe, Bitch, Fotze, fick dich, Schwuchtel) nur dazu da, die weichen Kerne zu schützen. Die obligatorische Eltern-Kind-Opposition aus argumentativem Gestreite oder einfach nur Gemotze? Nichts anderes als Hilflosigkeit! Ein nicht bloß schwules Aufklärungsstück für alle ab 13. Weil auch Eltern immer noch dazulernen können. 'Im Alten Hallenbad in Feldkirch fächern dieheroldfliri die Faszination des IS auf junge Europäerinnen auf. Feldkirch – Schwerter zu Pflugscharen? I wo. Staubsauger zu Sturmgewehren, heißt es in Töchter des Jihad von dieheroldfliri. Manchmal sind Nikab und Burka dran, einmal bindet man sich weiße Schürzchen vors Gesicht. Meistens aber tragen die drei Darsteller schwarze Shirts mit überarbeiteten Markenemblems: Die geschwungenen Bögen des Fast-Food-M als Flugbahnen, rein in die Twin Towers. Über dem Sportartikel-Performance-Logo in Gebirgsform stürzt ein Kampfjet ab. Verkehrt herum geschrieben, ist die dunkle Limonade leicht frech, aber nichts im Vergleich zu dem, was das Web über die verborgene teuflische Dimension ihres Namens verlautbart. Antikapitalismus, Antiamerikanismus, Verschwörungstheorie: Ingredienzien islamistischer Propaganda. Die Prise Romantik veranschaulicht Caro Stark mit Disney, kurz lässt Regisseurin Barbara Herold den heldenhaften Aladin runter von der Leinwand – und dieser Turbanträger (Peter Bocek) hat gleich zwei Jasmins (Maria Fliri und Diana Kashlan) auf dem fliegenden Textil! Der Orientteppich prägt auch das Raumbild. Liegend wird er, wiewohl zerstückelt, gesaugt Die Burg zeigt in Carlo Goldonis Komödie ein konkurrenzloses Ensemble am Werk. Wien – Der Diener zweier Herren ist das Paradestück des Komödienreformers Carlo Goldoni. Die abgenutzten Typen der Commedia dellarte schwirren nur noch wie Geister durch die Szene, Zitate aus einer verklungenen Epoche. Die neue Zeit gehört Gestalten wie Truffaldino (Markus Meyer). Dessen Arbeitsmoral ist wahrhaft modern. Er verdingt sich im schönen Venedig bei zwei verschiedenen Brötchengebern als Lohnsklave, um wenigstens ein einziges Mal zu essen zu bekommen. Not, so lernt man im Burgtheater, macht nicht bloß erfinderisch. Sie zwingt zu physischem Totaleinsatz. Christian Stückls Inszenierung hat die Übersiedlung von Recklinghausen nach Wien heil an Knochen und Konzept überstanden. Sie passt in die laufende Spielzeit wie der Parmesan auf die Pasta. Sie gefällt sich schrecklich gut in ihrer etwas selbstverliebten Derbheit. Sie bietet phasenweise aber auch grandiosen Spaß. Und dann ist da Meyers Truffaldino. Der schuftet in seinem braunen Dreiteiler als die etwas ölige Variante des Charlie-Chaplin-Tramps. Ein staubverkrustetes Café (Bühne: Stefan Hageneier) bildet das venezianische Ambiente. Herrn Pantalones (Peter Simonischek) Tochter soll gerade verehelicht werden. Das Gegenüber ist in Gestalt des Dottore (Johann Adam Oest) die perfekte Verkörperung sämtlicher bürokratischer Sekundärtugenden: Schusseligkeit, Bereitschaft zur moralischen Entrüstung, der Besitz des Zweiten Latinums. In diese Lagune der Korruption verschlägt es zwei Turiner auf der Flucht. Die holde Beatrice (Andrea Wenzl) trägt die Maske des eigenen Bruders. Ihr Liebhaber (Sebastian Wendelin) muss wiederum den tödlichen Anschlag auf den Schwager in spe mit Schnapsorgien sühnen. Sie alle sind kurios Versprengte, die voneinander nichts wissen. Die Pistolen sitzen allzu locker im Hosenbund, die Koffer rutschen, ein Hauch von Hysterie und sozialer Abstiegsangst liegt über dem exakt zwei Mal errichteten und im Kreis gedrehten Café. Truffaldino bleibt nichts anderes übrig. Er muss charmieren und scharwenzeln und kolossale Menüs auftischen, ein Schmachtauge immer auf das Kindermädchen Smeraldina (Mavie Hörbiger) gerichtet, das als vermeintlich keusche Anstandshexe so etwas wie den Glutkern der Aufführung bildet. Simonischek bringt eine wüste Zahnprothese sehr schön zur Geltung. Was Stückls Inszenierung leider zur Gänze entbehrt, ist die leicht schäbige Anmut des Südens, das gleißende Licht Giorgio Strehlers, in dem der Spaß vom Willen zur Erkenntnis durchkreuzt wird. Unterm Strich kann man mit diesem Goldoni aus dem Geist der Depression ganz gut leben. Er zeigt ein konkurrenzloses Ensemble am Werk. Nächstes Jahr dürfen es dann auch wieder Antikenstücke und andere Bedeutsamkeiten sein. Heiner Müllers "Erinnerung an eine Revolution" als einfallsreicher Szenenwechsel im Theater an der Wien. Wien – Ein Jahr nach dessen Entstehung las Heiner Müller 1980 sein Stück Der Auftrag ein. Mit monotoner Stimme trägt er diese Erinnerung an eine Revolution in Frankreich und Jamaika vor. Mit Hintergrundrauschen bricht sie im Theater an der Wien aus den Lautsprechern. Tom Kühnel und Jürgen Kuttner haben den Mitschnitt zum Ausgangspunkt ihrer Inszenierung (einer Koproduktion des Schauspiels Hannover mit den Ruhrfestspielen Recklinghausen) genommen. Und als Träger für eine reichhaltige Szenencollage. Die Schauspieler bleiben während dieser weitestgehend stumm, bewegen bloß die Münder. Bei so viel akustischer Originaltreue, nimmt sich dafür die Szenerie reichlich Freiheiten. Die selbige prangt als Liberté, Égalité, Fraternité auch über der Bühne. Der Vorhang ist noch ein bisschen schimmernder rot und üppiger gerafft, als er sein müsste: die Rampe ist das weit offene Tor zu einem Varieté der Revolution. Der missglückten. In Paris hat soeben Napoleon die Macht übernommen, dieweilen tun auch die drei vom Konvent nach Jamaika entsandten Emissäre brieflich ihr Aufgeben kund: sie haben die Neger nicht zum Aufstand geführt. Im Gegenteil: Der eine wurde gehängt, der andere zum Verräter der Sache, der dritte hat ein Bein und darauf das Leben verloren. In Empfang nimmt die bittere Botschaft eine Kaffeekanne. Schwer von der neuen Lage getroffen, müsste das unschuldsweiße Porzellan eigentlich schon in Scherben am Boden liegen. Es bekundet sein Leiden stattdessen zu Billie Holiday. Müller selbst sei der beste Sprecher seiner Texte, glaubt das Regieduo, weil er nicht so tue, als ob er sie verstünde. Bietet der O-Ton zwar manch schöne und einprägsame Zeile (Wir sind nicht gleich, ehe wir einander nicht die Haut abgezogen haben): reizend ist er nicht. Dafür ist der szenische Ideenreichtum zuständig. Die drei Emissäre etwa treten als Tricolore auf: Galloudec als rot gewandeter Dompteur, Sasportas, selbst ein Schwarzer, als Ergebnis einer (Achtung, ironisch!) Bluefacing-Kostümidee, und Debuisson (Corinna Harfouch) als weißer Harlekin. Auf der Schaukel vor einer Südstaatenvilla holt ihn, selbst Sohn eines Sklavenhalters, seine Jugend ein: mit verheißungsvollen Zungenschlag dressiert sie ihn wie mit ihrem Fingerschlag eine Parade weißer Pudel. Harfouch, die selbst noch unter Müller an der Volksbühne in Berlin gespielt hat, hat damit die einzige mitunter auch selbstgesprochene Rolle des Abends inne. Durch die Zeit gereist präsentiert sie mit sächselndem Schlag den Monolog eines Angestellten im Aufzug – der bedeutet ihm, was dem Sklaven sein Käfig. Da ist das Publikum offenbar schon so erstaunt von dieser eigentlichen Form des Sprechtheaters, dass es euphorisch Zwischenapplaus spendet. Aber auch für den Rest gab es ausgiebige Zustimmung. Etwa für die Liveband Die Tentakel von Delphi, die mit Perkussion und Bass harte Töne anschlägt sowie treibende und frivol verspielte. Oder für das von Comicmasken dargebotene Theater der Revolution, von den Darstellern fantasie- und liebevoll gemacht im Bühnenhinteren und auf die vor dem Publikum aufgespannte Leinwand übertragen. Gleich ergeht es Che, Mao, Marx und wie die ganzen Revoluzzer der jüngeren Weltgeschichte alle heißen, die man aus dem Keller geholt hat, um sie mit der Handkamera einzufangen. Was im Büro des Chefs geschieht, geht die Bevölkerung nischt an, heißt es an einer Stelle. Was für ein Irrtum. Das gilt über die DDR hinaus. Für die Hinterzimmer der Geschichte wie auch für die Bühne. Mit seiner Burgtheater-Inszenierung von Nikolai Gogols "Der Revisor" huldigt Regisseur Alvis Hermanis ausgiebig der Welt osteuropäischer Kantinen und Garküchen. Ein erstaunlich langweiliges Unterfangen, aus dem vereinzelte Komödienspitzen herausragen. Wien – Nikolai Gogols Russland ist eine einzige wunderbare Kantine. Im Wiener Burgtheater räumt Regisseur Alvis Hermanis dem Revisor, einer der kurzweiligsten Komödien der Welt, viereinhalb Stunden ein. Die Volksküche eines Provinznestes dient nicht nur als – kulinarisch zweifelhafter – Bürgertreff. Leibhaftige Hühner von ehrfurchtgebietender Größe stolzieren flauschweich zwischen dem abgewetzten Mobiliar herum. Die geflügelten Neuzugänge des Burg-Ensembles entpuppen sich als tadellose Mitarbeiter von bemerkenswerter Disziplin. An den Anfang haben Regisseur und Kantinenleitung aber die Muße gesetzt. Küchenfeen mit Haarnetzen bringen das Geschirr zum Klingen. Erst allmählich verschaffen sich die Dörfler Zutritt. Die Hosen spannen über den Wattewänsten. Man pappt sich Püree auf den Teller und labt sich am Tee. Der Herr Schuldirektor (Johann Adam Oest) wechselt mit dem Drachen an der Kassa eine innige Umarmung. Zwei Bürger (Hermann Scheidleder, Dirk Nocker) scheinen überhaupt siamesische Zwillinge zu sein. In den monströsen Lüftungsschächten herrscht ein unsichtbares Getrappel. Die postsozialistische Tristesse hat lauter Ungeheuer geboren. Leider Gottes erzählt das beflissene Ausstattungswerk keine Neuigkeiten über Gott und die Welt. Für jede seiner Knallchargen hat Hermanis ein Auge. Wobei es mit der Menschenliebe nicht weit her ist. Gogols schneidend scharfe Satire soll 1836 den damaligen Zaren kolossal erheitert haben. Der zeitgenössische Reiz besteht angeblich in den ruchbar gewordenen Machenschaften an der Wiener Burg. Dolose Handlungen sollen unter Direktor Matthias Hartmann gesetzt worden sein. Als weiter erinnerungswürdig wird man Hermanis postsozialistische Volksausgabe des Gogol-Klassikers nicht bezeichnen wollen. In dieser Unterwelt vor schmierigen Fenstern und verschmutzten Kacheln (Ausstattung: Hermanis) schlägt die Stunde der Bäuche und Spiegelglatzen. Ein korruptes Völkchen in verbeulten Anzügen wird durch die Ankündigung, ein Kontrollbeamter sei da, vor den Kopf gestoßen. Hat da jemand Burg gesagt? Der Bürgermeister (Michael Maertens) ist ganz aus dem Häuschen. Er verschafft sich durch das Zusammenschlagen zweier Tabletts beim apathischen Mannsvolk Gehör. Er verliest einen kuriosen Brief, der das Nahen eines inkognito reisenden Prüfers ankündigt. Er möchte dem Revisor gerne mit Gefälligkeiten um den Bart gehen. Er nölt und nasaliert, wie das nur der Schauspieler Maertens kann, und fällt – fast wie der Dorfrichter Adam – vom Tisch, auf dem er steht, in den Abgrund hinunter. Von Tragik weiß diese selbstverliebte Burg-Unternehmung wenig zu berichten. Hermanis markiert mit viel Aufwand den Menschenversteher. Auf ihre Diät aus Kartoffelpampe und Absud eingeschworen, hoffen die dörflichen Einfaltspinsel auf einen Ausweg aus ihrer Lebensmisere. Hermanis gibt ihnen viele Aufgaben mit auf den Weg. Sie müssen kollektiv im Türrahmen feststecken oder sich auf beschmutzte Klosettbrillen setzen. Bei so viel Augenzwinkern bleibt weitgehend unentdeckt, wie schmalbrüstig sich der hereingeschneite Schwärmer und Schwätzer mit dem Oberlippenbart (Fabian Krüger) in Wahrheit ausnimmt. Alle Versuche, das angebliche Kontrollorgan aus der Hauptstadt geneigt zu stimmen, fruchten nichts. Der Asoziale in den volkseigenen Jeans will bloß der drallen Bürgermeistersgattin (Maria Happel) und deren überständiger Tochter (Dörte Lyssewski) an die Fehlwäsche. Mit ihm reist ein Faktotum mit Bierbauch und E-Bass (Oliver Stokowski). Happel ist, wie zu erwarten, die überlege- ne Komödienfachfrau in einer zweifelhaften Unternehmung. Als wahre Proserpina der Volksküche vereint sie in sich die Rollen der Mutter, des Vamps, der Kassiererin und der Klosettfrau. Ringsherum: eitles Kunstgewerbe, das den Schneidern und Hühnerdompteuren viel Arbeit abverlangt hat. Und die Erkenntnis, dass es keine Revision gibt, außer derjenigen, der man sich selbst unterzieht. Der Applaus war freundlich und enden wollend. 'Werner Schwabs "Fäkaliendrama" als famose Musizierstunde für drei Schauspielerinnen: Umjubelte Premiere in der klugen Inszenierung von David Bösch im Wiener Akademietheater. Wien – Ein Vierteljahrhundert ist seit der Uraufführung von Werner Schwabs (1958-1994) Fäkaliendrama Die Präsidentinnen vergangen. In diesen 25 Jahren hat der soziale Wohnbau enorme Fortschritte gemacht. Nicht so im Wiener Akademietheater (Bühne: Patrick Bannwart). Doktor Kurt Waldheim blickt mit der ihm eigenen Freundlichkeit auf die sagenhaft dreckige Wohnhölle der Putzkraft Erna (Regina Fritsch) herunter. Fuck Mother steht auf der Hinterwand geschrieben. Die resolute Erna darf als die Anführerin der drei Damen gelten. Zu Beginn starrt das Trio auf den Bildschirm eines versifften Fernsehers. Die lebenslustige Grete (Barbara Petritsch) hockt lauernd am Tisch. Wenn ihr irgendwie lustig zumute ist und sie die Fleischeslust anwandelt, verwüstet sie mit dem Lippenstift das Make-up. Die jüngste der drei Grazien heißt Mariedl (Stefanie Dvorak). Sie hält beim Fernschauen die Antenne. Sie ähnelt der Freiheitsstatue, ist aber bloß ein armes, gottesfürchtiges Mädchen mit schlotternden Knien. Damentag heißt hier: Diejenige, die am Wort ist, vergällt den beiden anderen das Glücklichsein. Als einigendes Band der kuriosen Wohngemeinschaft gilt das, was man einst den autoritären Charakter genannt hat. Erna und das Mariedl bestreiten ihr Leben im Wesentlichen damit, anderen den Dreck wegzuräumen. Die verwitwete, etwas wohlhabendere Grete duldete einst die Übergriffe ihres ersten Gemahls auf die gemeinsame Tochter. Ernas Sohn, ein Bild von einem Mann, ist der Trunksucht verfallen. Sie alle eint der Glaube an die Segnungen der Kirche. Alle drei Frauen meinen, ihr Fleisch verleugnen zu müssen. Eine einigermaßen begründete Aussicht auf die Auferstehung besitzt nur die Jüngste. Mariedl versteht sich wie niemand sonst auf die Kunst, mit ihrer bloßen Hände Fleiß verstopfte Klomuscheln freizuräumen. Sie ist eine Undine der Klosettanlagen; eine nach Scheiße duf- tende Zauberin im Dienste der Menschheit. In seinem Erstling warf Schwab einen faszinierten Blick zurück in die Grazer Kindheitswelt. Ins Auge sticht als Erstes natürlich die prinzipielle Abwesenheit der Männer. Die letzten Gattungsexemplare sind bigotte Fleischhauer (Karl Wottila), Priester und Trunkenbolde. Sexualpartner stellt man sich als Tubabläser vor, die neckisch ihre Finger in die Gesäße der Damen stecken (in mein Schatzkisterl). Als letztes Gegenüber haben die drei nicht den Tod, sondern nur einander. Und wie! Erna (Fritsch) sitzt als die wahre Präsidentin ohne Mandat unter der Bedeckung einer kolossalen Fellmütze am Tisch. Sie überwacht das Geplapper der Kolleginnen. Sie züchtigt die Schwächste unter Einsatz ihres Gehstocks. Längere Zeit bleibt unklar, was Regisseur David Bösch zur Exhumierung des Gruseldramas bewogen hat. Aber war Bösch nicht immer ein prächtiger Instinktmusiker? Die Schauspielerinnen beginnen moderat. Im zweiten Teil, nach kurzem Gesang des Liedes von Einsamen Mädchen, nimmt der eindreiviertelstündige Abend mächtig Fahrt auf. Man glaubt sich in das Ensemble-Spiel einer Jazz-Combo versetzt. Grete (Petritsch) wäre das Baritonsaxofon. Trotz näselnden Klangs spielt sie erstaunlich delikat. Erna (Fritsch) ähnelt dem Tenorsaxofon. Sie deckt die breite Mitte ab und entlädt all ihre menschliche Niedertracht in Growls und Grunzern. Mariedl (Dvorak) aber ist die Klarinette. In immer verzückteren Kadenzen schraubt sie sich dem Himmelreich auf Erden entgegen. Die ringförmige Neonlampe über ihr ersetzt dem armen, unterdrückten Wesen den Heiligenschein. Man hat Stefanie Dvorak noch nie so bezwingend gesehen, so lind und leicht, mit rotgeränderten Augen überschnappend. Es liegt in der Natur der Sache, dass die beiden älteren Damen dem Mariedl sein Glück nicht vergönnen. Das vorletzte Wort in diesem Klassiker der Wohnküchenliteratur haben die Elektromesser. Das allerletzte gehörte dem völlig zu Recht jubelnden Publikum.' 'Herbert Fritsch wird nach seiner Karriere als Castorf-Schauspieler als Regisseur viel gefeiert. Mit Molières "Der eingebildete Kranke" gibt er am Samstag seinen lang erwarteten Burgtheater-Einstand. STANDARD: Was ist Bradypepsie? Fritsch: O Gott, da fängt schon das Hauptproblem an. Denn für mich ist nicht so sehr entscheidend, was ein Wort bedeutet, sondern vielmehr dessen Klang. Der vermittelt wesentlich mehr als das, was die Worte angeblich meinen. Deshalb inszeniere ich vor allem nach dem Klang, wie sich die Körper zu einem Klang bewegen. Was Bradypepsie genau ist, weiß ich jetzt gar nicht. Wohl so etwas Ähnliches wie Dyspepsie, Apepsie oder Hydropsie. STANDARD: Sämtliche Verdauungserkrankungen, an denen der eingebildete Kranke bei Molière zu leiden meint. Fritsch: Ja, genau, Wassersucht, Austrocknung, Durchfall usw. STANDARD: Molière, der sein Theater auch aus dem eigenen Spiel heraus entwickelte, passt sehr gut zu Ihrem Theaterverständnis. Warum hat es mit dem eingebildeten Kranken doch so lange gedauert? Fritsch: Um den eingebildeten Kranken habe ich einen großen Bogen gemacht – aus ganz persönlichen Gründen. Aber nachdem ich mit Joachim Meyerhoff in Hamburg Die Schule der Frauen gemacht habe, fasste ich Mut. STANDARD: Molières Truppe hat zu einer Zeit gespielt, als in Paris viele Ballhäuser in Theater umgewandelt wurden, auch das Palais Royale, in dem Le Malade imaginaire 1673 uraufgeführt wurde. Sehen Sie sich dieser Tradition des Feierlichen verpflichtet? Fritsch: Ich fühle mich jedenfalls von Molière vollkommen verstanden. Ich stehe aber sehr gern in der Tradition des Burgtheaters, Josef Kainz vergöttere ich. Das interessiert mich tausendmal mehr als viele moderne Sachen. Ich bin ein konservativer Regisseur. STANDARD: Gehen Sie an collagehafte Abende anders heran als an klassische Stücktexte? Fritsch: Nein, denn auch Abende mit Nummerncharakter, wie sie zum Beispiel in der Barockoper üblich waren, haben einen Bogen. Bei Molière ist das Stück ja auch zusammengesetzt aus einzelnen Uhrwerken. Lauter kleine Mechaniken, die ganz sauber funktionieren. So eine Komödienmaschine findet man in der zeitgenössischen Theaterliteratur kaum. Ich stehe aber voll ein für das So-tun-als-ob. Arm abhacken! Grimassen schneiden! Wir betrügen die Leute bis zum Gehtnichtmehr. STANDARD: Als Regisseur erspielen Sie mit dem Ensemble den Text. Einen Plan muss es aber geben. Fritsch: Es schwebte mir nichts vor. Ich wusste zu Beginn nur, dass ich Joachim Meyerhoff besetzen möchte. Erst die Schauspieler, die so nach und nach dazukommen, inspirieren mich und treiben alles weiter. Natürlich habe ich eine grundsätzliche Idee von Spielweisen. Ich bin ja nach wie vor nicht wirklich ein Regisseur, sondern ein Schauspieler. Und als solcher versuche ich die Spieler zu coachen. Ich habe also kein Konzept, in das ich Leute hineinzwänge. Ich will ermutigen zum Fratzenschneiden, zum Körperverrenken, um damit noch viel mehr zu erzählen. Es kommt doch immer auf das Dazwischen an. STANDARD: Können Sie dieses Dazwischen näher erklären? Fritsch: Die Commedia dellarte zum Beispiel: Ein Pärchen will zusammenkommen, der böse Onkel ist dagegen, dann kommen ein paar Hanswurste, machen Faxen, und am Ende können sie doch zusammen sein. Die Story ist immer simpel, aber das, was die Spieler dazwischen artistisch erzeugen, das sagt tausendmal mehr aus als die Worte im Text. Das Artistische ist für mich etwas sehr entscheidendes, die große Präzision, mit der Sachen stattfinden. Jede Szene muss ein Kunststück sein! Theater ist nicht der Ort der Dichterverehrung und Literaturzelebration. Theater entsteht im Theater, nicht am Schreibtisch. STANDARD: Ihr Theater wird oft als schrill oder überdreht beschrieben. Fühlen Sie sich zu eindimensional betrachtet? Fritsch: Ja, doch. Klamauk heißt es auch oft. Niemand würde Picassos Guernica als albern bezeichnen, auch wenn die einzelnen Figuren Witzfiguren sein könnten. Sie sagen dennoch etwas sehr Dramatisches aus. Ich denke, man könnte mit meinen Mitteln sicher auch eine Tragödie machen. Ich werde das eines Tages probieren. STANDARD: Sie mögen den Begriff Sprechtheater nicht. Wie werden Sie mit Moliére dagegen vorgehen? Fritsch: Bunt, laut und schnell. STANDARD: Sie schätzen das Pathos der Monologe von Alexander Moissi oder Josef Kainz und wollen keine Realitätsnähe auf der Bühne. Sind Sie gewissermaßen ein Befürworter des falschen Tons? Fritsch: Ja, in der Tat. Ich bin auch ein Befürworter von Bad Acting! Wenn das mit Selbstbewusstsein gemacht wird. Da steckt viel drin. Ich will diese ehrlichen Bilder brechen, sie zerreißen. Übrigens auch Fernsehbilder. Alle haben dort ein und dasselbe Gesicht, ein und dieselbe Pose; es gibt keinen Ausdruck mehr, keine Gestikulation. Wie langweilig! Wenn einer eine Grimasse schneidet, haben alle sofort Angst. Der Harlekin hat in manchen Masken an der Stirn noch die zwei Höcker, des Teufels Hörner. Früher musste der Teufelsdarsteller außerhalb des Friedhofs begraben werden, so viel Angst hatte man vor ihm. Das wirkt bis heute noch nach. Harlekins wurden hingerichtet für das, was sie gespielt, für die Freiheiten, die sie sich genommen haben. STANDARD: Was nimmt man von Ihrem Abend mit nach Hause? Fritsch: Das Theater macht uns nicht besser. Wir hätten genug Zeit gehabt, das Gegenteil zu beweisen. Ich finde es schön, dass das Theater verrucht, kriminell und bis zur Hysterie lustig sein kann. Es ist keine Universität, keine Schule, kein Krankenhaus, sondern ein kultischer Ort. Wir nehmen vom Theater keineswegs unser Päckchen schön mit nach Hause und sprechen dann nochmal darüber. Das ist völliger Blödsinn. Es muss nur eines: Spaß machen, ein Rausch sein.' Autorin Sibylle Berg ist eine lautstarke Mahnerin mit Spezialgebiet Weltuntergang. "Es sagt mir nichts, dieses sogenannte Draußen" im Vestibül der Burg ist eine panische, manische, trashige Außen- und Innenweltexploration mit Musik und Tanz. Wien – Trotz Selbstoptimierung, Apps und Giga/Nano/Techno ist der Mensch kaputt. Krieg, Kapitalismus, Ausländerhass, Arbeitslosigkeit, Sexismus, Ungleichberechtigung, Bio-Wahn ... brauchts noch mehr? Es gäbe genug! Deshalb schreibt Sibylle Berg ihm seit bald 20 Jahren Gebrauchsanweisungen für sich und das Leben. Was in der Spiegel-Kolumne Fragen Sie Frau Sibylle als wöchentliche Peu-à-peu-Polemik daherkommt, kann das defekte Volk im Burgtheater-Vestibül aktuell geballt in einer österreichischen Erstaufführung erleben. Es sagt mir nichts, das sogenannte Draußen heißt die 2014 von Theater heute zum besten deutschsprachigen Stück gekürte Ein-Frau-Show. Mit der antiken Prophetin hat die schmalgesichtige Rothaarige dabei nicht nur den Namen gemein, auch lebt Berg nicht nur am liebsten nahe Felsspalten (Schweiz) und kommt eigentlich aus dem Osten (DDR), sie ist auch eine Mahnerin. Eine der gesellschaftlichen Endzeit. In Es sagt mir nichts… entwirft sie zu jenem Zweck eine namenlose Single-Mittdreißigerin. In der silberglänzend-rosa Aufmachung einer Zirkusunterhalterin (Kostüm: Moana Stemberger) tritt the one and (l)onely Sabine Haupt auf. Körperliche Gewalt hat sie schon ausprobiert, als sie ihre Aggression gegen unsichtbare Gegner noch an Opfern abreagierte. Jetzt drückt sie ihre Humantipathie und Selbsthass, Versagensangst und unerfüllten Sehnsüchte (Was, wenn alles so schlecht bleibt, wie es ist?) mit Worten aus. Mehr gilt ihr dabei auch mehr: Sie quasselt – aus Not, um die Stille zu vertreiben, in der sich ihre Einsamkeit (die gleichermaßen beschädigten Mitbewohnerinnen sind nur virtuell zugegen) sonst manifestiert. Der vernetzten, gehetzten Welt hat die Desillusionierte (Meine Entscheidungsgewalt beschränkt sich darauf, relevante Konsumentscheidungen zu treffen) nämlich den Rücken gekehrt. Wie soll man sich zu jener angesichts all ihrer Verwirrungen, Forderungen und Zumutungen auch sonst verhalten? Shopping? Zumba? Hilft alles nix gegen verlogene Euphemismen, Political Correctness, Ironie (als Schutzschild), schlechten Sex und Gender. Ein Blumengarten auf dem Land? Auch nicht. Stattdessen pflegt sie in Stadt und Prekariat ihre Neurosen. Und sie untersucht den eigenen Körper mit der Kamera – bzw. führt ihn aus Protesthaltung vor: Seine Unreinheiten, Nasenhaare und Zungenbelag. In packend hochauflösenden Bildern werden die ekeltauglichen Schönheitsfauxpas auf einer Scheibe oben rechts (Bühne: Jura Gröschl) projiziert, abwechselnd mit poppigen Illustrationen ihrer Gefühle: Ich verachte euch und ihr seid mir egal – aber nehmt mich dabei wahr! Der Mensch ist ein widersprüchliches Wesen. Deshalb kann man auch so viele Worte um ihn machen, wie Berg es tut. Rasant geht es zu. Als hätte sie den Überblick, dreht und wendet sie bzw. Haupt die Welt im Mund, was die Sprachscharniere hergeben. Da wirkt schon beim Lesen manchmal etwas erzwungen und übers Ziel hinaus geschossen. Nur so lässt sich halt die gesamte gesellschaftskritische Checklist von Generation Praktikum über Kinderarbeit bis hin zu Blowjob-Sexliteratur abhaken. Es ist eine formidable Leistung Haupts, diese 90 Monolog-Minuten zu stemmen: manisch, panisch, höchst überdrüssig-zeitgenössisch. Immer nah dran am Nervenzusammenbruch. Der damit oft einhergehende (inszenatorische) Overkill ist nun mal – manchmal besser zu genießen, manchmal ästhetisch und inhaltlich schwerer verdaulich – das Prinzip hinter Bergs Schreiben: als zynischer Zerrspiegel einer Welt, in der meist die anderen die Schlechten sind. Man selbst aber immer doch auch ein bisschen zu denen gehört. Oder gehören könnte. In der Inszenierung von Martina Gredler (Regie) wäre vielleicht zuweilen mehr Konzentration statt Show möglich und dienlich gewesen, aber auch so trifft der Abend viele wunde Punkte. Burgtheater-Uraufführung: Claus Peymann inszeniert Peter Handkes "Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte..." in kunstgewerblicher Pracht. Wien – Peter Handkes neues Stück trägt den vielleicht poetischsten, gewiss aber den unhandlichsten Titel der laufenden Spielzeit. Es heißt Die Unschuldigen, ich und die Unbekannte am Rand der Landstraße und nennt sich obendrein ein Schauspiel in vier Jahreszeiten. In ihm leistet ein poetischer Widergänger Handkes ganze Arbeit, obwohl man ihn nicht fleißig nennen wollen wird. Er tut nichts Außergewöhnliches. Er lässt sich am Rand einer Landstraße provisorisch nieder. Vorbeikommende – acht an der Zahl, die ominösen Unschuldigen – müssen vor seinen Augen passieren und die nicht erlahmende Schmählust des fidel schwätzenden Sonderlings über sich ergehen lassen. Wir befinden uns im Wiener Burgtheater. Die nach vorne wegkippende Märchenbühne stammt von Karl-Ernst Herrmann. Sie ist blendend weiß und mächtig weit und besitzt das wunderbare Flair der 1990er-Jahre. Damals wurden Handke-Uraufführungen noch zu Staatsaffären hochstilisiert. Und siehe da, so wie damals inszeniert Claus Peymann. Der noch amtierende Leiter des Berliner Ensembles nimmt sich, trotz einiger weniger Striche, eines jeden Wortes, eines jeden Beistrichs mit treu sorgender Ehrfurcht an. Handkes Drama ist das gewiss unerzählbarste, dabei im vollkommen Vagen und Unerklärlichen angesiedelte Gegenwartsstück der Stunde. In ihm gibt sich ein sympathischer junger Märchenerzähler (Christopher Nell) gleich als mehrfacher Wiedergänger seiner selbst zu erkennen. Vor einem Vorhang aus blauer Ballonseide winkt er die verwegensten Trauminhalte zu sich heran. Er ist zunächst ICH, ein epischer Erzähler in Großbuchstaben. Er ist darüberhinaus sein eigenes Double, das sich bei Bedarf als ICH, der Dramatische, zu erkennen gibt. Als multiple Persönlichkeit ist unser Straßenvagabund grundsätzlich gut zu leiden. Er nächtigt bevorzugt auf einem Hochsitz aus Wellblech. Er ähnelt mit seinem patent wippenden Haupthaar, dem Rucksack und der schmucken Weste dem jungen Hölderlin oder irgend einem anderen Dichter der Geniezeit und trägt noch eine andere Persona mit sich herum. Bei ihr handelt es natürlich um niemand Geringeren als Handke selbst, den cholerischen Pilzesammler von Chaville (Paris). Herr ICH ist im Grunde ein Landfriedensbrecher. Indem er die Benutzung des Verkehrsweges ganz seinem eigenen Gutdünken anheimstellt, gerät er mit den sogenannten Unschuldigen, ganz gewöhnlichen Verkehrsteilnehmern, in einen – freilich glimpflich ablaufenden – Konflikt. Seine Auffassungen und Meinungen presst er durch das Nadelöhr der Handke-Sprache. In dieser, die manch eine Ähnlichkeit mit dem normalen Verkehrsdeutsch aufweist, herrscht das sanfte Gesetz der Ding-Poesie. Der Tautropfen zählt darin soviel wie die kurioseste Verwünschung. Man kennt mindestens 120 Vogelarten beim Namen. Die Landstraße reizt zur Verzückung, weil man auf ihr alle diejenigen, die einem auf ihr nun einmal entgegenkommen, so herzlich grüßen kann. Und während unser Herr Landrat sich ganz naiv an der Burgtheater-Maschinerie erfreut, am Blitz und am Donner sowie am eigenen Falsettgesang, wird einem schlagartig deutlich: Peter Handke hat sich des Theaterapparats nicht ohne Nachdruck bemächtigt und sich mit ihm ganz weit hinein in die Büsche geschlagen. Man lauscht verzückt dem von Nell vorgetragenen Poetologenlatein, dem Wort vom Epos ohne Krieg, von der geheimnisvollen anderen Zeit, als Fuchs und Hase einander offenbar noch in Augenhöhe begegneten, der Landstraßenvogelmist Blinde sehend machte, die Menschen nicht schnöde miteinander kommunizierten, sondern einander voll heißer, inbrünstiger Poesie die Meinung geigten ... Man blickt gerührt in die ferne Leere des Bühnenhorizonts. Man würde Handke furchtbar gerne in allem zustimmen. Prosaisch und seinsvergessen ist die Welt der Autobahnauffahrten, der planierten Zugangswege. Unser Dasein hat zweifellos an Würzigkeit eingebüßt, an Geschmack und Gehalt. Man entdeckt nur weit und breit kein Stück, keinen geschürzten Handlungsknoten. Da ist nichts außer dem diffusen Willen, Handkes wortgewaltige Referate in all ihrer mutwilligen Pracht aufzuhübschen und zu exekutieren. Das ist, zieht man das Vermögen aller Beteiligten in Betracht, schon ein mittleres Desaster. Es ist schon relativ Hochmittag auf der Landstraße, als unser junger Märchenerzähler endlich Besuch erhält. Als Wortführer der Unschuldigen kommt Martin Schwab des gewundenen Wegs. Den Pöbler ignoriert er komplett, angestauter Luft entledigt er sich rülpsend, das heißt hingebungsvoll. Es wittert ein schöner, archaischer Ernst um Schwab. Leider zurrt ihn die Regie sicherheitshalber gleich fest auf ein paar Klischees. Die Wortführerin (Maria Happel) trippelt und gluckst und kirrt, dass es nur so eine Art hat. Der Chor der Unschuldigen unterhält sich mit den Smartphonemodellen der Oldtimer-Generation ganz prächtig. Peymann hat überhaupt eine Unmenge hübscher Details zusammengetragen. Da unser Stück ohne Handlung praktischerweise dem Gang der Jahreszeiten folgt, findet sich ausgiebig Gelegenheit, die Schar der Landstraßen-Lästlinge vor einem Papierhorizont lieblich aufzureihen. Nichts ist notwendig in dieser Kunstgewerbeübung auf technisch hohem Niveau. Niemals geht das eine zwingend aus dem anderen hervor. Immerzu wird die Handkesche Poesie auf vermeintliche Bildwirkungen hin abgeklopft. Vollends zur wunderbaren Regina Fritsch als der großen Unbekannten von der Landstraße, einem erotischen Fabelwesen, einer archetypischen Dame in Schwarz, die dem ICH auf geheimnisvolle Weise verbunden scheint, ist Peymann herzlich wenig eingefallen. Das Stück, das keines ist, und darum heißt wie noch kein anderes vor ihm, endet versöhnlich. Dieser an sich erfreuliche Umstand erklärt sich vornehmlich dadurch, dass so etwas wie ein Stück, ein Drama, gar nicht erst in Gang gekommen ist. Der Jubel, der an alle Beteiligten reichlich ausgespendet wurde, mag durch den nostalgischen Blick zurück begünstigt worden sein. Früher wurden in Handkes Namen Einbäume zu Wasser gelassen und selige Stunden verbracht, da man nichts voneinander wusste. Jetzt wurde man an der Landstraße sitzengelassen. Kein schönes Erlebnis. 'Die Burgschauspielerin ist ab Freitag in "Die Wiedervereinigung der beiden Koreas" zu sehen. Im Interview spricht sie über ihr Prosadebüt "Vulkan oder Die heilige Irene". Wien – Burgschauspielerin Dörte Lyssewski spielt ab Freitag eine von zahllosen Figuren in der szenischen Skizzensammlung Die Wiedervereinigung der beiden Koreas des Franzosen Joël Pommerat (Akademietheater, Regie: Peter Wittenberg). Seit 2009 an der Burg, debütierte Lyssewski 2015 auch als Prosaartistin. In dem Erzählband Vulkan oder Die heilige Irene (Matthes & Seitz) irren aus der Zeit gefallene Frauenfiguren durch eine spröde Welt, an der sich dennoch in allen Ecken und Enden Zeichen der Verzauberung finden lassen. Ein fantastisches Debüt, dessen gehobene Sprache von fern an Botho Strauß erinnert. Kunststück: Lyssewski wirkte in zahlreichen Strauß-Uraufführungen mit. Ein Gespräch über Kunst und Wirklichkeit. STANDARD: Wie ist Ihr Erzählband Vulkan oder Die Heilige Irene entstanden? Wie kommt es überhaupt, dass eine Burgschauspielerin so viel erstklassige Prosa in ihrer Schreibtischschublade zusammensammelt? Dörte Lyssewski: Ich beschäftige mich von Berufs wegen mit Wahrnehmung, so wie jeder andere Mensch auch, nur halt etwas genauer. Man schreibt sich dabei eben das eine oder andere auf – manche tun das, andere nicht. Ich mache mir manchmal Gedanken. Habe ich welche, schreibe ich sie auf. Der Zufall oder die selektive Wahrnehmung braucht vielleicht kein Sujet oder Movens; aber in dem Augenblick, in dem die Wahrnehmung geschärft ist, ergibt sich eine Art von Klarheit. Kurz gesagt: Man nimmt Dinge wahr, die man sonst nicht wahrgenommen hätte. STANDARD: Sie sind Schauspielerin und erzeugen eine Art von Durchlässigkeit gegenüber der Welt? Lyssewski: Ja. Es fanden sich mit der Zeit dann Fäden und Motive, Themen, die immer wiederkehren. Die ersten drei Erzählungen in Irene haben alle miteinander zu tun, bilden eine Art Trilogie. Die vierte fällt wegen ihres Standpunktes heraus ... STANDARD: Ihr Buch fällt aus den gängigen Veröffentlichungszyklen komplett heraus. Woher stammt Ihr Faible für eine derart preziöse, wahrnehmungsgesättigte Prosa? Sie schildern Frauenfiguren vor südeuropäischer Kulisse. Diese sind bestrebt, sich zu verwandeln, um ihr Recht auf eine mythische Lebensweise zu behaupten. Doch sie prallen auf eine entzauberte, ausgenüchterte Welt. Dieser Zusammenstoß endet meist tragisch. Lyssewski: Die Welt von Ovid zum Beispiel besitzt bis heute ihre Gültigkeit. Die Grundpfeiler, die unser menschliches Zusammenleben bestimmen, bestehen ja fort. Sie formen sich in Einzelschicksalen aus. Als Beispiel kann meine Figur der Byblis dienen. Jede Art Lebensgeschichte, von jedweder Frau auf der Welt, ist nur eine Spiegelung, die zeigt, wie es hätte weitergehen können, wenn ... Weil Byblis weiß, dass jeder ein Wiedergänger des anderen ist oder sein kann, gibt es für sie nur die Konsequenz des Aufhörens. STANDARD: Die Fabel: Byblis kann ihre inzestuöse Liebe zu ihrem Bruder nicht leben, aber auch nicht verwinden. Sie irrt zunehmend haltlos durch die Welt von heute und verwandelt sich schließlich in eine Quelle. Lyssewski: Für sie gibt es nur die Konsequenz des Aufhörens. Anders als in unserer heutigen Gesellschaft, in der alles konsumierbar sein soll, ist der Kompromiss für sie kein erstrebenswertes Ziel. Die Konsequenz des Denkens, Handelns und Sagens – Worte sind ja Taten – kann nur dazu führen, dass man einen anderen Blick auf die Welt wirft, und sei es denjenigen eines alten, sterbenden Hundes. Wobei ich mich in der Erzählung Byblis natürlich der Metamorphosen des Ovid bedient habe. STANDARD: Die trotzige Behauptung des Andersseins lässt sich auch nicht wegtherapieren? Man bürdet sich als Autorin die Last auf, fremd in der Welt zu sein? Lyssewski: Beschreibung oder Handeln wäre ja sonst kaum mehr möglich. Es bleibt doch sowieso so vieles fremdbestimmt. Das Pure oder Wahre gibt es ja nicht. Oft bedarf es einer Erschütterung, eines Schicksalsschlages, um ein anderes Segment von Welt wahrzunehmen. Wenn ich mich in ihm bewege und es ernst nehme, so zeitigt mein Handeln diese und jene Folgen. Das ist die Unentrinnbarkeit. Und diese nennt man Schicksal. STANDARD: Sie meinen: das Menschsein ernst nehmen? Lyssewski: Was das bedeutet, ist in letzter Konsequenz vielleicht nicht schön. Es ist unter Umständen vielleicht sogar tra- gisch. STANDARD: Wo erlernt man diesen Blick auf die Welt? Indem man, so wie Sie, blutjung als Schauspielerin debütiert? Lyssewski: Die Affinität dafür hat man womöglich schon als Kind. Das kann man nicht erlernen. Der detaillierte Blick des Kindes, das im Gras liegt und eine Ameise anschaut, ist eine Art der Wahrnehmung von Welt, die wir uns erst wieder künstlich aneignen müssen. Das Kind lebt im Augenblick. Wir wollen immer schneller als dieser Augenblick sein. STANDARD: Gewisse Bildungsinhalte werden heute kaum noch vermittelt. Deckt sich das mit Ihren Erfahrungen als Schauspielerin? Ist der Resonanzraum kleiner geworden? Darf man weniger voraussetzen? Lyssewski: Ich glaube noch immer an die Zumutung. Manche Theater heute sind zu feig. Sie meinen, dass für den Menschen von heute alles schneller gehen muss et cetera. Das glaube ich nicht. Im Burgtheater sitzen jeden Abend 1200 Menschen, und das sind alles Experten. Denen ist nichts Menschliches fremd, denen kann man jede Geschichte zumuten – von Menschen geschrieben, durch Menschen inszeniert, von Menschen für Menschen gespielt. Klingt vielleicht dämlich. Ist aber so. Kein Expertentum. Man darf die Leute nur nicht unterfordern. Passiert das, wollen sie irgendwann auch nichts mehr anderes. STANDARD: Keine Erleichterungen? Lyssewski: Dafür gibt es ja das Fernsehen. Im Theater sitzen 800 Menschen zusammen, und es wird live etwas vor ihnen verhandelt. Und sie gehen bestenfalls verändert aus dem Theater wieder hinaus. Ist doch besser, als eine Therapie zu machen. STANDARD: Eine Zumutung für die Künstler am Burgtheater war wohl auch die Debatte rund um die Abberufung von Matthias Hartmann als Direktor. Lyssewski: Es war ungustiös und äußerst unangenehm. Die Realität heute ist eine Konsequenz daraus. Es gibt weniger Geld; wir wurden eine Zeitlang als Schauspieler unmöglich angesehen, als hätten wir irgendetwas mitverursacht. Rundum unangenehm. STANDARD: Aber es gab im Ensemble ein Zusammenrücken? Lyssewski: Ich will nicht sagen, dass es keine Narben gibt. Es gibt ganz eindeutige Spuren und Konsequenzen, auch wenn wir das Publikum nicht verloren haben. Es ist jetzt erst einmal ruhig. Es sollte aber – recht betrachtet – auch nicht zu ruhig bleiben. STANDARD: Die Normalität ist auch nichts Rechtes am Theater? Ist etwas konsolidiert, gilt es auch schon wieder als fade. Lyssewski: Es gab viele Konstellationen, die jetzt anders sind. Das Ensemble hat sich massiv verändert. Kurz gesagt: Ja, die Folgen der Katastrophe spürt man. Schauen wir mal! STANDARD: Das ist sehr wienerisch. STANDARD: (lacht): Ja, der Spruch passt immer.' Sein "Werther"-Solo hat seit der Premiere 1974 die Welt umrundet. Zum 70. Geburtstag packt es der Kammerschauspieler für das Josefstadt-Theater noch einmal aus. Im Gespräch erklärt er, warum. Wien – Heribert Sasse ist ein Tierfreund. Zum Interview ins Theater in der Josefstadt begleitet ihn Jagdhündin Alma, die ihrem Bewegungsdrang glücklicherweise im Hochgebirge rund um Hinterstoder nachgeben kann. Dort wohnt Sasse, neben Wien, auch. Beim Gespräch klappt das Tier sogleich die Ohren zu. Theater interessiert sie überhaupt nicht, so Sasse. Wenn ich Texte probiere, steht Alma auf und geht. Geprobt muss derzeit intensiv werden, denn zum 70. Geburtstag am 28. September macht sich Sasse viel Arbeit und zeigt einmalig sein langgedientes Werther-Solo. Es umfasst 100 Manuskriptseiten. Dem Hund ist das schnuppe. STANDARD: Haben Sie immer Hunde gehabt? Sasse: Immer. Ich kann mir ein Leben ohne Tiere nicht vorstellen. Ich habe mich viel mit Tieren beschäftigt, hatte beispielsweise in Berlin einen Papagei. Der hat es bald spitzgekriegt, wie der Hund funktioniert und ihn herumkommandiert: Dunja, sitz! Und Platz! – mit Pause dazwischen! STANDARD: Sie sollten ein Buch über Ihre Tiererlebnisse schreiben. Sasse: Vor allem wäre eine Biografie fällig, aber ganz ehrlich: Wen interessiert das!? Nichts ist toter als ein toter Schauspieler. In zehn Jahren werden nur mehr ganz wenige wissen, wer Gert Voss war, und er war wirklich jemand. Außerdem: Man entkommt der eigenen Vergesslichkeit nicht. Und die Dinge, an die man sich ungern erinnert, lässt man bei einer Biografie doch eh weg. STANDARD: Zu Ihrer Stimme. Sie hat auf der Bühne etwas Raues, Schredderndes. Wie eine männliche Sophie Rois. Sasse: Danke für das Kompliment. Ich schätze Frau Rois auch sehr. STANDARD: Ihr erster Berufswunsch wäre ja Sänger gewesen. Sasse: Na, Sie sind ja fies. Also mein Urgroßvater Carl Luze war Erster Hofkapellmeister. Es wurde musiziert in unserem Haus. Ich wollte an der Volksoper unterkommen und mir so ein Studium sparen. Aber beim Vorsingen – ich war damals 16 und gab Lortzings Der Waffenschmied – Auch ich war ein Jüngling mit lockigem Haar – haben sie sich natürlich zerbogen. Einer hat unter Tränen gesagt, ich solle lieber Schauspieler werden. STANDARD: Ihre Rollen sind oft zwielichtig, windig. Schmierige Generäle, gruselige Friedhofswächter ... Sasse: Na ja, am Anfang war ich ja ein Hering. Ich wog 50, 60 Kilo, da habe ich auch Liebhaber gespielt. Als die Schilddrüsenerkrankung dazukam, hat sich das geändert, da bin ich auf Regie umgestiegen, weil die Rollenangebote nachließen. Die Fantasie in Besetzungsfragen ist bei Produzenten und Intendanten ja begrenzt – so auch meine: Irgendwann fällt auch der Stärkste in eine Schablone. STANDARD: Wie sind Sie eigentlich auf den Werther gestoßen? Sasse: Ich sollte in Düsseldorf Die Leiden des jungen W. von Ulrich Plenzdorf spielen. Aber diese Berliner Sprache, das war ich nicht. Sprache hat etwas mit Seele zu tun. Ich habe aber Goethes Original immer wieder gelesen und bin draufgekommen, das ist doch mehr als nur eine Liebesgeschichte, es ist politisch, beschreibt die Auflehnung gegen ein Bürgertum, enthält Fragen zur Religion. Zwei Jahre lang habe ich das mit mir herumgetragen und dann, da war ich 27 Jahre alt, dem Intendanten unterbreitet, dass ich es im Großen Haus machen möchte. Irgendwie ist es mir gelungen. Es wurde ein Boom. Ich ging auf Tournee, wurde unter anderem nach Rom, Paris, Tokio, Moskau eingeladen. STANDARD: Angeblich auch nach Kasachstan. Sasse: Ja. Dort gibt es ein Deutsches Theater. Die Leute sprachen mich auf der Premierenfeier herzhaft an: Hearst, des host super gmocht, wos mogst denn trinken. Eine Frau sagte: Det is so wunderbar jewesen. Die waren aber nie woanders als in Kasachstan! Sie haben die Dialekte von Tonbändern ihrer Eltern gelernt. STANDARD: Sie haben den Abend über die Jahrzehnte immer wieder modifiziert. Wie denn? Sasse: Man hat mich oft gefragt, ob mich das nicht langweilt, 1800 Mal das Gleiche. Aber einen Pianisten langweilt es ja auch nicht, wenn er die Appassionata zum tausendsten Mal spielt. Das ist ja dann ein ganz anderes Eintauchen. Irgendwann fängt man mit so etwas zu leben an. Es ist in dir. STANDARD: Und was ist modifiziert? Sasse: Ich habe die ganzen Auseinandersetzungen mit dem Klerus hineingenommen. Schon bei Erscheinung 1774 stellte sich der Bischof dagegen: Selbstmord könne nicht verherrlicht, die Kirche und die Obrigkeit könnten nicht so dargestellt werden. Goethe wusste, er hatte etwas gelandet, und da es so viele Vorbestellungen gab, hat er drei oder vier brisante Briefe selbst rausgenommen. Das blieb bis 1970 gedeckelt. Durch die Düsseldorfer Goethe-Gesellschaft habe ich aber die Urfassung erhalten. STANDARD: Hat sich über die Jahre das Publikum geändert? Sasse: Die Seh- und Hörgewohnheiten sind sicher anders. Ich bemerke, dass die Bereitschaft, durch Sprache Bilder entstehen zu lassen, geringer ist. Die Menschen haben heute nicht mehr den Atem, langen Beschreibungen zu folgen. Da habe ich gekürzt. Die Verarmung des sprachlichen Ausdrucks ist seit der Erfindung des Mobiltelefons – ich hab selber eines – rapide vorangeschritten. STANDARD: Haben Sie denn noch einen Koffer in Berlin? Sasse: Ich habe viele Freunde in Berlin. Aber man wird im Alter bequem. Ich will es anders beantworten: Wien war für mich in meiner Jugend schwer zu ertragen, und ich bin sehr, sehr froh, dass ich den Großteil meines Berufslebens in Berlin verbringen konnte. Diese Stadt war wacher. Heute bin ich froh, in Wien zu sein. STANDARD: Sind Sie in Berlin auf den Wiener reduziert worden? Sasse: Nein, ich hatte Glück. Ich habe zwar die großen Horváths und Schnitzlers gemacht, aber war nie nur der Österreicher. Berlin ist eine harte Stadt. Bei einem Gastspiel aus Wien fing das Publikum zu poltern an: Menschenskind, raus hier! Schmierist, nimm den Zuch! Das gab und gibt es in Wien nicht. STANDARD: Sie haben viele Leitungspositionen innegehabt, kennen die Sicht als Schauspieler. Wie soll Theater heute weitermachen? Sasse: Ich sag es Ihnen ganz offen und meine das wirklich nicht kokett: Ab einem gewissen Alter fallen Sie aus der Zeit. Ich atme diese Zeit nicht mehr so, wie sie sich für die Jungen darstellt. Deshalb lasse ich auch größtenteils das Inszenieren. STANDARD: Konnten Sie am Werther stets Neues entdecken? Sasse: Absolut. Man durchwandert ja verschiedene Lebensalter, hat andere Fragestellungen. Wenn ich gewisse gekürzte Stellen lese, frage ich mich manchmal: Wie konnte ich das nur streichen?! Deshalb finde ich den Begriff Werktreue mehr als fragwürdig. Sie lesen ein Buch, ich lese ein Buch. Und wenn wir gemeinsam darüber sprechen, werden wir sehen, dass wir gewisse Erkenntnisse nicht teilen können. 'Anna Bergmanns Strindberg-Inszenierung am Theater in der Josefstadt hat Hitpotenzial. Das Drama um die fatale Liaison einer hohen Tochter mit dem Diener umspannt hier mehrere Epochen und fasziniert in seiner hybriden Formgebung. Wien – Das Theater in der Josefstadt ist in Fahrt. Nachdem der liebestolle Patriarch Clausen aus Gerhart Hauptmanns Vor Sonnenuntergang im September die Saisontür mit Bravour aufgestoßen hat, legt nun Regisseurin Anna Bergmann mit einer noch entflammteren Heldin nach. Es knistert im Gebälk, wenn August Strindbergs Fräulein Julie (1888) die Schmauchspuren ihres hitzig kurzen Lebens durch den 90-minütigen Abend zieht. Julie ist das Kind unglücklicher Eltern. Eine Tochter aus adeligem Haus, deren (bürgerliche) Mutter zeitlebens unter dem Joch des Gatten darbte und die ihrem Spross umso heftiger einbläute, nur ja nie von einem Mann abhängig zu werden. Vom Herrn Vater wurde Julie hingegen zum Sohn erkoren und ohne viel Federlesens in die Gepflogenheiten der Jagd und des häuslichen Schlachtens eingeführt. Wäre Fräulein Julie ein Jahrhundert später entstanden, so hätte sich das versehrte junge Frauenzimmer auch in die Indie-Musik flüchten und finstere Lieder über das Existieren zum Besten geben können. Das tut Sona MacDonald in der Titelrolle auch, schwindelerregend betörend (à la Soap & Skin), aber nicht nur das. Die Inszenierung Bergmanns schießt wie ein akkurat gespitzter Pfeil aus dem 19. Jahrhundert in die Gegenwart. Das in einer Mittsommernacht kulminierende Dilemma der hohen Tochter umfasst folgenden Tatbestand: Julie gibt sich beim Fest unstandesgemäß leutselig, tanzt mit dem Forstgehilfen und dient sich schließlich dem gebildeten und stattlichen Diener Jean (Florian Teichtmeister) an. Bergmann weitet diese heftige Verbindung zu einer kühlen, sadomasochistischen Liaison und folgt damit einer zeitgenössischen Lesart, wonach sich Julia als Frau offenbar als wertlos empfindet und sich zu Selbstverletzungen zwingt, sich also bestraft für ihr unzureichendes, aussichtsloses Dasein. Die noch in historischen Kostümen (toll: Lane Schäfer) und nach Stummfilmmanier formstreng vollführten Avancen streifen in wenigen technischen Schachzügen (Bühne: Katharina Faltner) die Sepiafarben der Vergangenheit allmählich ab und gehören unversehens in die Jetztzeit. In der Liebesnacht kommt ein Tutu aus dem Sternenhimmel gefahren und stülpt sich über das glückselige Mädchen, das mit Sona MacDonald eine famos vielschichtige Interpretin hat, die mit hoher, mal tiefer Stimme, mit perückenlosem Kopf oder mit wallender Milva-Mähne ihre komplexen Befindlichkeiten äußert. Hier geht es nicht um das tiefe Ausloten von Empfindungen, sehr wohl aber um die Mechanik der Gefühle, die schmerzhafte Rechnung, dass die Liebe (oder was man dafür hält) keine Erlösung verheißt. Die Inszenierung zeigt die Äußerlichkeiten eines gefangenen Lebens, lässt deswegen aber nicht kalt. Sie verblüfft mit Witz (etwa einer hochneurotischen Sexszene), Verwandlungsfähigkeit – und Metaphysik. Denn Bergmann hat genau gelesen und viele Spielräume aufgetan, die in diesem naturalistischen Trauerspiel stecken: Das einzige, der armen Julie herzlich und ohne unangenehme Absichten zugetane Wesen ist ihr kleiner Zeisig. In der Josefstadt ist dieser Vogel zu einer Nebelkrähe vergrößert, der in einer zweiten Version außerhalb des Käfigs als Todesvogel existiert – in Gestalt des Sängers Jan Plewka. Ist es Zeit für Gefühle, so stimmen er und MacDonald in schmerzhaft schöne Duette ein (Musik: Hannes Gwisdek), oder sie schwingen gemeinsam auf einer Schaukel. Es wird in diesen Momenten vollkommen egal, welches Zeitalter ablesbar ist. Auch Florian Teichtmeister gelingt eine die Jahrhunderte mühelos auf sich vereinende Dienerfigur 'Dusan David Parízek hat für seine Fassung von Thomas Bernhards Roman einen neuen Tonfall gefunden. Die mondäne Peymann-Ästhetik ist passé: Lukas Holzhausen und Rainer Galke nehmen den "Geistesdialog" physisch-komisch im Sturm. Wien – Mit den herrschaftlichen, königlich ausgestatteten Männerwelten Thomas Bernhards, wie sie Claus Peymann einst mit Bühnenbildner Karl-Ernst Herrmann prägte, hat Dusan David Parízek nichts am Hut. Der Regisseur setzt stets auf Ausstattungsdowngrade und gibt auch den Alten Meistern am Volkstheater Auftrieb durch Entschlackung. Diese Reduktion und die mit ihr einhergehende Fokussierung auf minimalistische Körperlichkeit führt nicht selten (siehe Die lächerliche Finsternis am Akademietheater oder Der Fall Svejk bei den Wiener Festwochen) direkt zum nackten Wahnsinn. So auch im Volkstheater. Kein Tintoretto-Gemälde bekommt das Publikum zu sehen, keine samtig-grüne Sitzbank aus dem Kunsthistorischen Museum, auf der die Hauptfigur Reger, einer scheinbar überlebensnotwendigen Gewohnheit folgend, seit Jahrzehnten jeden zweiten Tag stundenlang Platz nimmt. Stattdessen richten zwei Overheadprojektoren ihr Licht auf drei große Leinwandquadrate. Sie zeigen Nahaufnahmen von Körperstellen, von Augen oder Haaren, die wie Stacheln sprießen. Es ist – die Close-ups verraten es später – die eigene arme Haut, die einem da von der Wand entgegenlacht. Denn wer Kunst betrachtet, so Reger, betrachtet letztendlich sich selbst. Mehr braucht es nicht für diesen quietschlebendigen 100-Minuten-Bernhard, nur noch das: ein gut paniertes Schnitzel aus der Alufolie, einen vom Schnürboden herabhängenden Strick und zwei paar Stöckelschuhe. Der 1985 erstmals erschienene Roman Alte Meister trägt die Genrebezeichnung Komödie. Und auf dem Grat einer solchen bewegt sich auch dieses aus seinem tollkühnen Minimalismus heraus wirkende Duett (die Erzählebene Atzbachers ließ man weg). Parízek hat keine Berührungsängste mit offenherzigen Witzen. Für das burgenländische Idiom beispielsweise nimmt der aus Nordrhein-Westfalen gebürtige Schauspieler Rainer Galke in der Rolle des Museumswärters Irrsigler bereitwillig Hilfe aus der ersten Sitzreihe an – vom Souffleur. Vastuabene Muada? hallt es dann authentisch durch das Mikrofon. Mit gleicher Hingabe groovt sich Lukas Holzhausen als Musikkritiker Reger beim Kleinreden des Großphilosophen Martin Heidegger ins Schwäbische ein (die Strümpfle selber stricke). Er kauert dabei auf der viel zu kleinen, postbourgeoisen Bordone-Sitzbank oder gerät mit Irrsiegler in eine denkwürdige Rauferei, da er in einem Anfall von Abscheu den Kunstleinwänden mit der Schere zu Leibe zu rücken gedachte – aus Verachtung all der Staatskünstler und der sie betrachtenden Staatsmenschen, die selbstredend alle Nazis seien, die nach ihrem verlogenen Museumsbesuch mit drei Fingern (dem anstelle des Hitlergrußes praktizierten Kühnen-Gruß) ihr Bier bestellten. Die Bernhard-Suada bekommt durch die Gegenwärtigkeit der Schauspielerkörper (sie sind keine bloßen Redefiguren, sondern wendige Menschen mit Haut und Haaren) plötzlich eine andere Präsenz und Dringlichkeit. Parízek schlägt einen lebhaft-lockeren Bernhard-Ton an; er hat die Imprägnierung der Figuren als Altherrenbildnisse weggesprengt, sie verjüngt (Reger ist im Original achtzig Jahre alt). Parízek dreht seine Bühnenfassung so weit, dass den großspurigen, naturgemäß paternalistischen Reden Regers (die als Trauerrede auf seine verstorbene Gattin enden) eine Hommage an die Frauen entspringt: den steten Leerstellen in Thomas Bernhards Werk. All das steckt in diesem Text. Und die beiden Volkstheater-Schauspieler sind ihm in formschöner Strenge auf der Spur.' Vorzeichen für Inszenierung hätten sich aufgrund der großen Fluchtbewegung verändert. Wien – Das Wiener Volkstheater ändert seine Pläne für die letzte Premiere der laufenden Saison: Wie es am Montag in einer Aussendung hieß, verzichtet man auf die Uraufführung von Homohalal von Ibrahim Amir und bringt stattdessen ab 22. April Brooklyn Memoiren von Neil Simon. Seitdem die große Fluchtbewegung aus Syrien und dem Irak Mitteleuropa unübersehbar erreicht hat, haben sich die Vorzeichen für eine Inszenierung von Homohalal verändert. Der öffentliche Diskurs über Geflüchtete ist zur Zeit stark von Angst und Hass geprägt. In dieser Situation ist eine Dystopie – so vielschichtig und komisch sie im Fall von Homohalal sein mag – kein geeignetes Mittel zur Auseinandersetzung über die Zukunft schutzsuchender Menschen in Österreich, heißt es aus dem Theater. Amirs 2013 entstandenes Stück entwickelt ausgehend vom Refugee Protest Camp im Wiener Sigmund-Freud-Park und in der Votivkirche einen Ausblick in die Zukunft: Im Jahr 2033 begegnet sich eine Gruppe ehemaliger österreichischer und migrantischer Aktivisten wieder, es folgt eine Bilanz: War es den einst Geflüchteten möglich, in Österreich Fuß zu fassen? Hat jemals eine Annäherung zwischen den privilegierten Unterstützerinnen und den Geflüchteten stattgefunden? Ist man sich überhaupt auf Augenhöhe begegnet? Amirs Antworten fielen kritisch aus und legten den Blick frei auf Tendenzen einer Gegenwart, die womöglich zu jener behaupteten Zukunft führen – welche sich im finalen Showdown des Texts vollends als Dystopie entpuppt, heißt es in der Aussendung des Theaters. Das Volkstheater will mit Ibrahim Amir in künstlerischer Verbindung bleiben, heißt es. Zum jetzigen Zeitpunkt setzt das Haus jedenfalls ein anderes Stück auf den Spielplan. Neil Simons Brooklyn Memoiren, das im Einwandererviertel Brooklyn Ende der dreißiger Jahre spielt und 1989 am Volkstheater seine Österreichische Erstaufführung erlebte, verhält sich auf andere Weise zum Thema Migration, heißt es. Regisseur der letzten Premiere der Spielzeit ist wie geplant Sarantos Zervoulakos. Der Premierentermin ist unverändert der 22. April. Intendantin Anna Badora und die leitende Dramaturgin Heike Müller-Merten im Gespräch über die Aufregung rund um die Spielplanänderung. Wien – Apropos Flüchtlingswelle. Rund um das Volkstheater gehen die Wogen hoch, seit man vor zwei Wochen bekanntgab, Homohalal als letzte Hauptbühnenpremiere dieser Spielzeit abzusagen. Vermutlich wäre das sang- und klanglos untergegangen, handelte es sich beim 2013 vor dem Hintergrund der Votivkirchen-Flüchtlinge entstandenen Stück nicht um eine bitterbös-satirische Flüchtlingsdystopie: Wie sieht das Zusammenleben 20 Jahre danach aus? – Schlecht! Die anfängliche Euphorie ist verflogen, die ehemaligen Helfer sind frustriert, die Flüchtlinge haben sich nicht integriert, Interkulturalität scheitert von allen Gruppen her. Und wie immer, wenn es dieser Tage um Flüchtlinge geht, ist die Hysterie nicht nur groß, sondern sie kommt von allen Seiten: von den Linken, Rechten, politisch Korrekten. Im Gespräch mit dem STANDARD bekundet Volkstheater-Intendantin Anna Badora ihr Unverständnis darüber. Die Spielplanveränderung ist zu einer Projektionsfläche für alles geworden, was sich in diesem Zusammenhang seit Köln fast schlagartig verändert hat. Als glaubte jemand, wenn Homohalal jetzt aufgeführt worden wäre, würden alle Fragen, die bisher zu stellen verabsäumt wurde, gestellt und beantwortet und alle Diskussionen, die nicht geführt wurden, vom Stück gelöst. Viel haben Badora und ihr Team seit der Verschiebung, denn beendet ist das Projekt für sie noch nicht, über die Medien ausgerichtet bekommen. Vom Anschein präventiver Selbstzensur sprach die Presse, im Falter war die Rede von einem Eindruck, dass sich das Volkstheater zuerst mit einem Flüchtlingsstück schmücken wollte, nun aber Schiss bekam. Nur der Kurier bestärkte Badora darin, das Geschrei zu ignorieren und Maßstäbe anzusetzen, die höher, schwieriger, differenzierter sind als die des Alltags. Zudem kriegt Badora Abokündigungen von enttäuschten Linken und Lobesschreiben von eifrigen Rechten (Super, weg mit der Flüchtlingsproblematik, toll!) und versteht die Welt nicht mehr. Manche wollen aber auch nur ihren Frust, dass man sich nirgendwo aussprechen kann oder intellektuelle oder politische Hilfe bekommt, abladen, glaubt sie. Wenn man Badoras erstem Spielplan etwas nicht vorwerfen kann, dann, dass sie sich mit gesellschaftskritischen Produktionen zurückgehalten hätte. Fasching, Der Marienthaler Dachs und Lost and Found fallen der leitenden Dramaturgin Heike Müller-Merten da nur unter anderem ein. An dieser einen Stelle jetzt geht uns also nicht die Luft aus, meint sie. Badora führt aus: Es ist meine Verantwortung als Intendantin, rechtzeitig umzusteuern, wenn wir merken, dass die Zeit über die Form des Stücks hinweg gefegt ist. Mein Ensemble hatte mich damit konfrontiert: Kann man diesem existenziell gewordenen Thema mit dieser Art der Umsetzung gerecht werden, ohne es damit zu banalisieren? Veränderungen erfordern übrigens deutlich mehr Mut als Augen zu und durch. Warum das? Wir lesen Stücke ja immer wieder neu und das Heute mit, sagt Müller-Merten. Als man Homohalal vor zwei Jahren auf den Spielplan gehoben habe, seien Flüchtlinge ein Randthema gewesen, das man ins öffentliche Bewusstsein bringen wollte, so Badora. Seither beherrscht es aber die Agenden der Öffentlichkeit, ist aber auch eine Frage von Leben, Tod und Zukunft für viele hunderttausend Menschen. Seit Köln ist die Auseinandersetzung darüber militant geworden und die öffentliche Meinung hat sich deutlich gedreht. Man kann die Form der Umsetzung nicht von der Situation, in der das Stück entstanden ist, trennen. In Adaptionsversuchen mit dem in Syrien geborenen und seit 2002 in Wien lebenden Autor Ibrahim Amir habe man es bisher nicht geschafft, eine den geänderten Rahmenbedingungen adäquate Form zu finden. Die Entscheidung zur Absage sei also eine künstlerische. Das Interesse an Amirs Text ist deshalb aber nicht erloschen. Man sei mit ihm in Diskussion, das Stück vielleicht auch unter Einbeziehung der inzwischen entbrannten Debatte zu aktualisieren, so Badora. Abseits eines Illusionstheaters. Sollte daraus nichts werden, stehe es Amir aber natürlich frei, es auch anderen Häusern anzubieten. Und so entzieht sich der Text als Objekt der Aufregung jener vorerst auch weiterhin weitgehend. Diskussionen und Debatten seien gewollt, so die beiden, aber zurzeit habe man es mit Behauptungen, Bevormundung und Besserwisserei zu tun – die eigene Entscheidung wie auch das ganze Flüchtlingsthema betreffend. Anja Salomonowitz inszeniert im Volx/Margareten: Befürworter wie Kritiker der Beschneidungspraxis kommen ausführlich zu Wort. Wien – Blinde Flecken in unserer Debattenkultur entlarvt am besten der sprichwörtliche Kindermund. Die Produktion Der Junge wird beschnitten hat wunderbar Fahrt aufgenommen. Befürworter wie Kritiker der Beschneidungspraxis kommen ausführlich zu Wort im Volx/Margareten – Erstere vielleicht ein bisschen mehr. Aber das liegt in der Natur der Sache. Weder wird man ein etwa fünftausend Jahre lang geübtes (jüdisches) Ritual für blanken Unsinn erklären wollen noch aber Einwände abtun, die das Recht von Buben auf körperliche Unversehrtheit propagieren. Das kleine Wortoratorium von Anja Salomonowitz umschifft alle Klippen. Die Schauspielerin Karin Lischka schlüpft nacheinander in diverse Rollen. Sie gibt Frauen, die von Skrupeln geplagt werden, weil der Penis ihres Neugeborenen unters Messer soll. Man erhält wohldosierte Proben des ehrwürdigen, nach Welthaltigkeit duftenden Dokumentartheaters. Man strapaziert fleißig die Nackenmuskulatur, weil man mit dem Nicken gar nicht nachkommt und über die Ausgewogenheit des Abends dennoch Bauklötze staunt. Neun Kinder flankieren Lischka. Sie fungieren als fein nuancierender Chor. Es ist brüllend komisch, einen schätzungsweise Zehnjährigen als Chirurgen daherreden zu hören. Man scheut sich naturgemäß, von Schnitttechnik zu sprechen. Aber genau die Verklammerung der Szenen geht der Filmerin Salomonowitz trefflich von der Hand. Das Anekdotische wird ins Allgemeine überhöht. Umgekehrt fällt die Prätention pseudorationalen Geredes von vornherein weg. Man muss die Frage, ob die Vorhaut Jesu Christi mit in den Himmel aufgefahren ist, auch als theologisch interessierter Mensch nicht wichtiger nehmen, als sie ist. Der kurze, klare Abend steht unterm linken Banner des Verfremdungsaspekts. Man schüttelt Gründe durcheinander, die man schon der Höflichkeit wegen alle für gute erkennt. Den unbedingten Mehrwert erzeugt die kindliche Offenheit. Buben- und Mädchenrollen werden getauscht, mosaische und muslimische Positionen erörtert. Die karge Bühne von Katharina Heistinger tut ein Übriges, um von den Argumenten nicht abzulenken. Immer wieder huscht ein Grinsen über die Gesichter der Kleinen. Man lernt – mehr noch als über das Hand-an-den-Penis-Legen – eine Menge Bedenkenswertes über die Art und Weise, wie stark unter Druck stehende Kulturen wie die jüdische ihre Selbstbefragung organisieren. Dazu poppt und pluckert reizvoll die Laptopmusik von Bernhard Fleischmann. Und man muss über die Dünkel von uns Erwachsenen schmunzeln. Der Höhepunkt dieses im besten Sinne aufklärerischen Abends, der seine Aussagen obendrein mit Projektionen, etwa von Stammbäumen, stützt: Ein Mädchen, das vielleicht acht Lenze zählt, ergreift das Wort. Und ihre Rede geht so: Also, ich sag dir was, bei Lacan ist der Phallus ja das Zentrum der Macht ... Ein Theaterabend, entzückend real. 'Ihrem Ruf als energische Theatermanagerin wurde Anna Badora in ihrer ersten Saison am Volkstheater gerecht. Gegen die geplante Schließung der Werkstätten protestierte die Gewerkschaft – vergeblich. STANDARD: Was überwiegt: Erleichterung, dass Sie Hürden der ersten Saison bewältigt haben oder Vorfreude auf die nächste Spielzeit? Badora: Eindeutig die Vorfreude. Ich möchte in der nächsten Spielzeit hauptsächlich auf künstlerischer und inhaltlicher Ebene durchstarten. Auch jetzt schon verzeichnen wir beachtliche künstlerische Erfolge, Lost and Found war auf der Nominierungsliste für das Berliner Theatertreffen. Inszenierungen wie Alte Meister, Nora³, Hakoah Wien und Iwanow oder im Volx/Margareten Ausblick nach oben und Selbstbezichtigung wurden von der Kritik wie vom Publikum hoch bewertet. Aber wir haben nicht nur künstlerisch viel bewegt, sondern auch viele Prozesse struktureller, personeller und finanzieller Art angestoßen, in denen wir ja noch mittendrin sind. Vor zwei Jahren hätte ich selber gesagt: Da nimmst du dir zu viel vor! Aber wenn man ererbte Ordnungen und Strukturen erst mal ein, zwei Jahre akzeptiert hat, kann man sie später nur sehr schwer aufbrechen. Was zu gestalten ist, muss man von Beginn an anpacken. STANDARD: Zuletzt sorgte die Schließung der Werkstätten für Aufregung, die Gewerkschaft befasste den Wiener SP-Landesparteitag damit und behauptete, das Volkstheater sei wirtschaftlich und künstlerisch schlecht geführt. Badora: In der künstlerischen Einschätzung vertraue ich eher Journalisten als Gewerkschaftern. Ich habe mir die Kritiken zum großen Haus angeschaut: Von neun Premieren wurden fünf extrem gut besprochen, vier kontrovers. Aber das muss Theater auch sein! Das hat nichts mit der Schließung der Werkstätten zu tun, die wurde schon vor langer Zeit diskutiert. Erste Empfehlungen des Rechnungshofs gab es 2008, und vor zwei Jahren wurden die Werkstätten ausgegliedert, um strukturelle Kosten für das Volkstheater wesentlich zu reduzieren. Leider gelang es nicht, eine stabile Kundenbasis aufzubauen. STANDARD: Stimmt es, dass der Sozialplan nur durch Streikdrohung zustande kam? Badora: Nein, von Streik war nie die Rede! Der Sozialplan ist in bestem Einvernehmen mit dem Betriebsrat zustande gekommen, an keiner Stelle sind die Verhandlungen eskaliert. Natürlich tut es mir um die Werkstätten, vor allem um die betroffenen Kollegen, leid. Und hätten wir genug Geld, würden wir die Werkstätten nicht schließen. Bei meiner Bestellung sprach man, wenn Sie sich erinnern, von einer Mission Impossible. Ich habe kein gut dotiertes Haus übernommen. STANDARD: Wie viel kann durch die Schließung der Werkstätten eingespart werden? Badora: Rund 400.000 Euro jährlich. Es geht aber auch darum, die Mittel flexibler einzusetzen. Entscheidet sich ein Regisseur gegen ein Bühnenbild, können die Mittel für Medientechnik oder Komponisten verwendet werden. Schon 2008 hat der Rechnungshof die Frage gestellt, warum die Einsparungspotenziale durch Fremdvergaben von damals 25 Prozent nicht genutzt werden, also lange, bevor ich im Volkstheater angetreten bin. Erst jetzt hat der Aufsichtsrat die Maßnahme beschlossen. STANDARD: Die Gewerkschaft verbreitete auch, es gäbe gravierende Einbrüche bei der Auslastung. Badora: Wir haben aktuell eine Auslastung knapp unter 70 Prozent, und das in allen Spielstätten. Dies ist in einem Korridor, der sich mit den Zahlen der Vergangenheit deckt. Wirtschaftlich ist das kein Absturz, und die Untergriffe am Rande der Verhandlungen zum Sozialplan kommentiere ich nicht. Wir haben eine sehr starke, bis jetzt eher ungewohnte Nachfrage an der Abendkasse. Es findet bis zu einem gewissen Grad ein Publikumsaustausch statt, immer mehr junge Leute kommen zu uns. Natürlich bin ich trotzdem noch nicht zufrieden. Aber auf der ganzen Welt weiß man, dass man für die erste Spielzeit Geduld braucht. Ich bin sicher, dass wir in der zweiten Spielzeit die Auslastung steigern können. STANDARD: Was bedeutet eigentlich die rote Tradition des Volkstheaters heute noch? Badora: Für mich heißt es, wieder zum Ort des gesellschaftlichen Diskurses zu werden, eine kritische Auseinandersetzung mit den jeweils bestehenden Verhältnissen zu führen. Unsere zweite Saison spiegelt dieses Bestreben wider: In Österreich wird gegenwärtig wieder sehr stark von Gemeinschaft, vom Wir-Gefühl geredet Am Freitag startete das Donaufestival mit Worldmusic-Stars wie Omar Souleyman und dem Hip-Hop-Künstler Gaika. Krems – Wenn der Mainstream die Avantgarde überholt, bekommen wir ein gewisses Grundproblem. Es stellt sich die Frage nach dem Warum. Warum stehen wir alljährlich seit Jahren nachts zu für die Wegarbeit am Morgen im Stall absurden Nachtzeiten in abgerockten niederösterreichischen Mehrzweckhallen herum? Wollen wir uns dringend von via Tittensender RTL 2 bekannten Käse-Synthie-, Autodrom- und Autotune-Vocals befeuertem Doku-Soap- und Schlurf-Hip-Hop langweilen lassen? Were gonna have a good, good time. Do you wanna have a good, good time? Yes, were gonna have a dings, a good, good time. Its good, sowieso. Es klingt, als wäre man im größten anzunehmenden Ernstfall Dieter Bohlen mit Anlauf in den Schritt gefahren und hätte danach zur Beruhigung eine Knuspertüte geraucht. Die Kunst des laut Programmheft die Gesellschaft anklagenden, einen Befreiungsschlag durch Plattitüden erreichenden Hip-Hop-Künstlers Gaika beim diesjährigen Donaufestival in Krems ist eine geringe. Er ödet mit seinen vielleicht sogar ungewollten Macho-Mikrofonposen zu schlaffer Formatradiomusik einfach an. Dabei hat sich Intendant Tomas Zierhofer-Kin letztmalig vor seinem Engagement als neuer Chef der Wiener Festwochen im Programmheft so bemüht. Ein letztes Mal wird hier mit der Macht des Proseminars im hochsubventionierten Rücken mit allen Mitteln aus dem Begriffsregister eines abgebrochenen Social-Studies- und Gender-Bender-Studiums geschöpft. Ö3 ist eine Erfindung von Slavoj Žižek. Moderiert wird das Ganze von Peter Weibel auf Betablockern. Selbst noch im letzten Teil eines verschleppten Viervierteltakts wird Dissidenz geortet. Die Musik kommt zwar aus dem Klappcomputer, der Sound ist allerdings Analogkäse. Der aus Chicago kommende Footwork-Star RP Boo schickt zur Sperrstundenzeit mit zwei hochgebitchten Tänzerinnen den Hip-Hop zur Amphetamin-Kurzzeittherapie. Irgendwelche Soul-Samples mit Mickey-Mouse-Stimmen kommen auch vor. Aber so ist das, wenn man Mofas auffrisiert und statt eines fetten Motorsounds quengelnde Fichtenmopeds bekommt. Neben den aus dem Kongo kommenden neuen Afro-Rock-Superstars Mbongwana Star um ehemalige Mitglieder der legendären Staff Benda Bilili, die afrikanische Musiken mit dem britischen gut angezerrten Hardrock der frühen 1970er-Jahre verbinden – und damit die lokalen, Rucksack tragenden Stammgäste des hiesigen Wachauer Marihuandl-Hanf-Shops restlos zum Tanzen bringen –, gehört am Ende der Nacht die Show einem Mann. Der syrische Hochzeits-, Weihnachtsfeier- und Firmenjubiläumssänger Omar Souleyman mag zwar mit seinem arabischen Scheich-Outfit und einem hinter Sonnenbrillen und Freddie-Mercury-Bart angesiedeltem, eher statischem Auftreten als Mann, der sich nichts traut, weil das ja auch peinlich wäre, nicht der größte Bringer sein. Die aufgefetteten Alleinunterhalter-Orgelsounds sorgen aber immerhin dafür, dass man das superbanale Technoset des so wie RP Boo aus Chicago kommenden, weltweit eher wegen nichts gehypten Hieroglyphic Being schnell wieder vergisst. Übliches Four-to-the-floor-Gestampfe trifft im elektrischen Regelkreis auf Melodien aus dem Takatukaland. Das Ganze wird im Programmheft als rhythmischer Kubismus und Synth-Expressionismus bezeichnet. Kuratorenprosa my ass. In fünf Stunden zieht der Bilderbogen "Kings of War" an den Besuchern der Festwochen im Museumsquartier vorüber. Ivo van Hove und seine Toneelgroep Amsterdam erzählen Shakespeare allzu bequem nach. Wien - Eine Galerie von Lichtbildern ersetzt die Ahnentafel. Englands gekrönte Häupter sausen im Schnelldurchgang vorüber. Ein weiter Weg führt hinab in die Geschichte der englischen Königshäuser. Etwa beim vierten Heinrich kommt der Projektor zum Stehen: Kings of War nennt sich Ivo van Hoves Inszenierung von Shakespeares Königsdramen. Die Wiener Festwochen genießen das Erstrecht an dieser rund fünfstündigen Produktion der Toneelgroep Amsterdam. Autor Rob Klinkenberg hat Texte aus Henry V., Henry VI. sowie aus Richard III. in ein makellos klingendes Holländisch übertragen. Noch schwerer aber wiegt die Zeitgenossenschaft. In der Halle E des Wiener Museumsquartiers steht ein war room. Ausstatter Jan Versweyveld hat den Königsbunker angeblich dem Hauptquartier Winston Churchills nachempfunden. Ausgerechnet das 20. Jahrhundert soll Pate stehen für die Blutfehde zwischen den Häusern Lancaster und York. Der Leichnam des letzten Königs, des vierten Heinrich, ist noch nicht kalt, da wird bereits der rote Läufer für seinen Nachfolger ausgerollt. Das Rad der Geschichte dreht sich schon wieder. Die Fürsten stürzen sich wie Hyänen aufeinander. Henry V. (Ramsey Nasr) ist der instinktgeleitete Vorzugsschüler. Im Pflichtfach Kriegskunst gebührt ihm eine dicke Eins. Sein Angriff auf Frankreich ist ein voller Erfolg. Dafür macht er beim Candle-Light-Dinner mit der französischen Prinzessin eine etwas unbeholfene Figur. Macht nichts, er zeugt rasch einen Kronprinzen und stirbt ein wenig übereilt an der Ruhr. Mit dem Spross seiner Lenden, Henry VI. (Eelco Smits), verhält es sich von Anfang an umgekehrt. Dieser kleinwüchsige Mann mit dem Charisma eines Hilfsbuchhalters ist nahe am Wasser gebaut. Anstatt seiner Braut Margaret (Janni Goslinga) beizuwohnen, schlüpft er in den Pyjama und empfiehlt seine Seele dem Herrgott. Es ist dieser Kinderkönig das einfachste Opfer für die Reißzähne der Lords. Man hat zu diesem Zeitpunkt van Hoves künstlerisches Konzept bereits gut durchschaut. Das Königshauptquartier ist eine bequeme Wohnlandschaft. Es gibt neben einigen Computeranschlüssen Fließwasser, auf einer Empore stimmen vier Posaunisten eine ebenso feierliche wie nachdenkliche Musik an (Komposition: Eric Sleichim). Ein Countertenor schwelgt in eitel Wohllaut. Die eigentlichen Gänge und Schleichwege der Macht sind uneinsehbar. Sie liegen als aseptisch weiße Korridore der portablen Kamera zu Füßen. Hier, im Verborgenen, befindet sich das eigentliche Arkanum der Macht. Hier lungern die Soldaten herum, die Papa Henry V. so überzeugend wachzurütteln versteht. Hier werden im Verlauf eines allzu langen Abends auch die Herzen ausgeschüttet. Überflüssigen Rivalen auf den Thron wird Gift in die Venen gejagt. Manch schöne Hoffnung endet auf der Bahre. Man fühlt sich leidlich unterhalten. Die Kamera weiß stets Bescheid, ihre Close-ups enthüllen jede königliche Pore. Man überschlägt im Stillen aber auch die Kosten, die für diese postmoderne Unternehmung zu entrichten sind. Für die christologischen Tönungen des Shakespeare-Stoffes ist van Hoves Inszenierung taub. Im ganzen Jammer des unglücklichen sechsten Heinrichs steckt der Vorschein einer Heiligenlegende. Es hat, kurz gesagt, nicht immer derjenige recht, der am Ende auch die Oberhand behält. Kings of War bricht das Getümmel der englischen Frühzeit auf die Logik der Fernsehserie herunter. Der Blutdurst von Shakespeares Figuren wird mit einem tüchtigen Schluck Alltagspsychologie gelöscht. Man raucht in Polstermöbeln führender Einrichtungshäuser bequem ein paar Zigaretten herunter. Und so wird ausgerechnet das große Finale, die Mordtour des dritten Richard (Hans Kesting), zur quälenden Selbstbespiegelung eines Stadttheaterkönigs. Komplett nur mit Video-Ebenbild. Das Publikum freilich war es zufrieden. '"We don''t speak to be understood" von Pieter Ampe und Benjamin Verdonck bei den Festwochen. Wien - Die Durchführung einer richtig spitzen Satire kann zum Knochenjob werden. Das jedenfalls legen die brillanten Performer Pieter Ampe und Benjamin Verdonck bei den Festwochen im Brut Theater mit ihrem Stück We dont speak to be understood nahe. Ampe (33) ist Tänzer und Choreograf, Verdonck (43) Schauspieler und bildender Künstler. Ganz hart wird das Satirewerk, wenn das Zielobjekt einer Satire nicht klar umrissen ist wie überwiegend bei Kabarett, Karikatur oder den meisten Filmsatiren. Die beiden Belgier erweisen sich als Meister der unscharfen Kontur. Und sie gehen auf nicht weniger als das Ganze. Der wilden Doppeldeutigkeit des Titels entsprechend, lautet der einzige Satz im Stück: Warum hat sich das Wäldchen in Erwartung des Schnees schon entkleidet? Verdonck, der Wäldchen wie Weltchen ausgesprochen hat, hebt die Arme, deutet eine Ballettpose an und lässt sie verwehen wie Blattwerk von einem Baum. Er legt eine Vinyl-LP auf einen Plattenspieler: Vivaldi, Die vier Jahreszeiten, Concentus Musicus. Herrlich. Auf der Bühne steht ein Kühlschrank, auf den ein Foto von Hillary Clinton geklebt ist. Im Takt der erlauchten Musik putzt sich Verdonck die Zähne, öffnet die Kühlschranktür. Ein Mann mit Rübezahlbart, Peter Ampe, grüßt heraus. Weiters auf der Bühne: ein Toaster, ein Tischerl, ein Sessel, Ventilatoren, ein Handtuch. Genug für das Weltchen zweier Draufgänger und ihrer Körperkonversation. Eine kleine Rauferei am Anfang wird sich nicht mehr wiederholen, denn zwei Ventilatoren blasen deeskalierende rosa Bändchen in diese Aufwärmübung. Den Honig, den sich Verdonck in den Mund rinnen lässt, wird er mit eigenen Lippen Ampe in den Mund füllen. Aus diesem träufelt er weiter auf den Tisch. In die entstehende Lacke drückt der Bärtige sein Antlitz: ein flüchtiges Selfie im Süßdruckverfahren. Unsichtbarer Gast bei diesem Geschehen ist, wie Verdonck im Abendzettel zur Performance andeutet, der Ökonom Milton Friedman (Kapitalismus und Freiheit). Nach dem Porträt der vielleicht nächsten US-Präsidentin Clinton der zweite transatlantische Tipp. Die Jahreszeiten-Platte wird umgedreht, eine Karriereleiter gebaut. Während eines Aufstiegs beginnt der Toaster zu rauchen. Das Publikum lacht und hüstelt. Huch, die Umwelt - mit Deutungen darf hier mit Rücksicht auf eine der Bedeutungen des Titels gearbeitet werden -, wie sie uns belastet! Ampe und Verdonck bauen eine Friedman-Freiheit - und zwar um und ab. Sie verhandeln nicht. Sie handeln, produzieren scheinbaren Unsinn, setzen Zeichen und verblasen sie wieder, werfen sich in Posen, werden zu Karikaturen von Helden. Und ja, es gibt ein großes Finale. Mit Sturm. Dazu wird, weil dann die Jahreszeiten schon ausgespielt haben, eine Single aufgelegt: We Are The World, We Are The Children. Der Musik-Appell USA for Africa, aus dem der Hit stammt, ist jetzt dreißig Jahre her. Das war doch leicht verständlich. Heute gehen afrikanische Kinder im Mittelmeer unter und mit ihnen kentert eine zum Superhit gewordene Welt. Weil das verständlich Gesagte, Gezeigte und Gesungene bisher zu nur wenig mehr als einem großen gemeinsamen Schunkeln geführt hat. Genau darauf zielt die Satire. Darin wird jegliche Bekennerkunst verweigert. Nicht schwer, das zu verstehen.' Die großartigste Hommage an den Dramatiker Heiner Müller ist im Moment im Schauspielhaus Hannover zu sehen – und bald bei den Wiener Festwochen. Gut zwanzig Jahre nach seinem Tod ist Heiner Müller ein eindrucksvolles Comeback gelungen. Im Schauspiel Hannover gastiert der Zirkus. Liberté Egalité Fraternité steht in großen Lettern über dem Portal. Doch bevor sich der Vorhang hebt und Der Auftrag gegeben wird, läuft bereits die stocknüchterne Müller-Stimme vom Band. Man wird retrospektiv Zeuge des ein wenig spröden Kulturlebens in der DDR. Vor Lesungsbeginn beklagt sich der Dichter über die Akustik. Sein zweiter Kritikpunkt: Er hätte eigentlich gehofft, sein Stück würde ihm vorgelesen, und nicht umgekehrt ... Der Auftrag, so heißt eines der relativ späten Müller-Werke (1979). In ihm stranden drei Abgesandte des Pariser Konvents an der Küste Jamaikas. Weil die Französische Revolution gerade im Gang ist, sollen sie den Leibeigenen in Übersee dabei helfen, die Ketten zu sprengen. Der Stücktext folgt einer Erzählung von Anna Seghers. Leider ist bei Einsetzen der Handlung die Revolution auch schon wieder vorüber. Zurück bleiben, im Zustand der Auflösung und des moralischen Bankrotts, die Emissäre. Debuisson wird zum Verräter und ergibt sich dem Wohlleben. Der Schwarze Sasportas endet am Galgen, der Bauer Galloudec verreckt am Wundbrand. Die Revolution ist die Maske des Todes: Müllers schwarze Metaphorik dürfte bereits zum Entstehungszeitpunkt als Verlustanzeige gelesen worden sein. In Hannover wird jetzt zweifache Wiederauferstehung gefeiert. Erstens: Müller tönt. Seine wasserklare Stimme bestreitet fast den gesamten Abend. Die Schauspieler bewegen die meiste Zeit über die Lippen zu Müllers Vortrag synchron. Zweitens: Müller ist selbst auch leibhaftig anwesend. Sein (vielleicht etwas schmächtig geratener) Wiedergänger ist der Regisseur Jürgen Kuttner, echt nur mit Müller-Brille und in zerwohnter Lederjacke. Kuttner hat im Verein mit seinem Regiekollegen Tom Kühnel eine der klügsten Geisterbeschwörungen seit Menschengedenken inszeniert. Zu sehen ist dieses kleine Meisterstück des Totenerwachens ab 23. Mai bei den Wiener Festwochen im Theater an der Wien. Ihren Auftrag haben die drei windigen Revolutionäre zurückgelegt. Überbracht wird die unheilvolle Kunde ausgerechnet von einem der Matrosen von Kronstadt. Der zaubert einen Fahnentanz in die Manege. Die Zirkusband heißt Die Tentakel von Delphi, sie spielt ohrenbetäubenden Rock auf Synthesizerbasis. Man schreibt inzwischen das Jahr 1812. Für die Bürger Frankreichs ist es nurmehr noch eine lästige Erinnerung, vom Revolutionsexport nach Übersee zu hören. Sie haben sich praktischerweise als Tasse und Teekanne verkleidet. Heiner Müller wird von Kühnel/Kuttner dicht neben Lewis Carroll (Alice im Wunderland) geparkt. Auch sonst geraten Debuisson (Corinna Harfouch) und seine Genossen in eine Zentrifuge. Der letzte Abschnitt dieser vor Einfällen platzenden Inszenierung spielt in der Wohnküche des Kommunismus. Die baufällige Hütte ist von außen nicht einzusehen, die Handkamera folgt Debuisson auf dem Fuße. Marx klopft in eine mechanische Schreibmaschine, während Rosa Luxemburg sich die Beine rasiert und Lenin Kartoffelchips in sich hineinstopft. Heiner Müllers Krieg der Landschaften – das prognostizierte Verschwinden der Menschheit vom Erdboden – muss noch warten. Harfouch bildet derweil das Zentrum der Aufführung. Als Weißclown gleicht sie David Bowie in dessen Ashes to Ashes-Phase. Mit den eckigen Bewegungen einer Gliederpuppe hetzt sie durch Der Mann im Fahrstuhl, das berühmte mittlere Erzählstück in Der Auftrag. Ein Mann wird zum Großen Vorsitzenden in ein oberes Stockwerk zitiert. Die Zeit gerät aus den Fugen. Die Liftkabine öffnet sich, und der Werktätige tritt ohne Erhalt eines Auftrags hinaus nach Peru. Wenn ihr Auftrag nur gelautet haben sollte, Müllers Bühnenlebendigkeit zu erweisen: Kühnel/Kuttner haben ihn bravourös erfüllt. 'Regisseur Konstantin Bogomolov gastiert mit "Ein idealer Gatte" nach Oscar Wilde bei den Wiener Festwochen im Museumsquartier. Die Inszenierung zeigt Schieflagen auf, mit denen die (russische) Gesellschaft konfrontiert ist. Ein Muss für Russophile. Wien – Politiker möchten die Inszenierungen Konstantin Bogomolovs in Russland gerne verbieten, aber es gelingt ihnen nicht. Zu groß ist der Zuspruch beim Publikum, auch vonseiten glamouröser Politikergattinnen, liest man im Programmhefttext von Marina Davydova, der Schauspielchefin der Wiener Festwochen. Und tatsächlich ist Ein idealer Gatte. Komödie angesichts steter Zensurdrohung ein überaus mutiges Stück, wie die Erstaufführung im deutschsprachigen Raum gestern Abend im Museumsquartier offenbarte. Vom Salonlöwen Oscar Wilde leiht sich Bogomolov nur den Titel und einen Happen vom Plot. Um dann heiß beschworene, allerdings vielfach ausgehöhlte russische Werte über den Haufen zu werfen. Der viele schöne Schnee beispielsweise, der in Russland fällt, meint bei Bogomolov meist das Rauschmittel; es ist weiters von usbekischen Sklaven die Rede, von einer schönen Olympiade, vom fallenden Rubel. Und auch die politische Intrige – sie ist der einzige direkte Bezug zu Wildes Stück – zielt ganz klar auf den Kreml, wo die erste Szene spielt. Putin? Ist ein Imperator. Vier Stunden lang – inklusive zweier Pausen, von denen eine überflüssig war – vollführen die Starschauspieler des Moskauer Künstlertheaters ihre männlichen und weiblichen Pirouetten, in karikaturhaft geschlechtstypischer Zuspitzung – und das zu reichlich und sehr lauter Musik. Denn ein russischer Schlagerstar namens Lord (Igor Mirkurbanow), eine Mischung aus Keith Richards und Roy Black, ist hier die tonangebende Figur. Er verdingte sich einst als Auftragskiller, verlor sein Herz 1999 aber an sein Opfer Robert Ternow (Alexej Krawtschenko), russischer Minister für Gummisachen, und wechselte daraufhin ins Schlagerfach. Die Erpressung durch Mrs. Cheavely (Marina Sudina) folgt, denn die Tage eines als schwul geouteten Politikers wären in Russland rasch gezählt. Bogomolov nimmt sich Zeit, schiebt ein Dorian Gray-Mittelstück ein ( Einmal fuhr Dorian mit seinen Freunden zum Skifahren nach Sotschi ...), adaptiert Szenen aus Tschechows Drei Schwestern, der Möwe oder den Faust-Teufelspakt. Man legt dabei auch zähe Kilometer zurück, zumal dicke Textströme – gesprochen oder gesungen – über die Rampe schwappen, deren Anspielungen sich nur Russen oder Russlandkennern erschließen können. Auch entgehen Spitzfindigkeiten wie dialektale Färbungen (es wird angeblich auch im usbekischen Dialekt gesprochen) den schnöden Übertitellesern. Wer das da in Leonardo da Vinci als russisches Ja zu identifizieren vermochte, war schon happy. Es bleibt dennoch genug Material zu rezipieren. Dieser Ideale Gatte, ein lautes Echo aus der schon ein wenig verglühten Poptheaterzeit, verfügt über ungewöhnliche Drehungen und einige sehr schöne Koinzidenzen. Am stärksten wirken die Kontraste: Der brutalen Erpressergeschichte und all ihren narrativen Ausläufern steht stets die zelebrierte Poesie und Idyllenlastigkeit alles Russischen entgegen. Die Birke liebt den Ahornbaum so sehr, doch dann fährt der Wind dazwischen ... Ein zynischer Tonfall trägt den ganzen Abend. Am Ende müssen einander die falschen heiraten (die politische Intrige will es so), die wahren Verliebten kriegen sich nicht. So hat man Romeo und Julia noch nie erzählt – und die Frage nach dem Sinn des Lebens beginnt hier erst.' David Espinosa entwirft im Brut in einem "ehrgeizigen Projekt" eine große Welt im Kleinen. Wien – Man darf verwundert sein ob der Vielfalt der Figürchen, die die Modelleisenbahnbauzubehörindustrie aller anzubieten hat. Und man muss vielleicht sogar besorgt sein ob des Schlags der Modelleisenbahnbauer. Nicht nur Stripperinnen aus Profession und Exhibitionisten aus Leidenschaft finden sich nämlich unter den Menschenbildern aus Hartplastik. Frappant auch die Auswahl an Varianten und Stellungen kopulierender Pärchen. Ein Schrei nach Liebe und Zuwendung? Keine Sorgen muss man sich aber wohl um David Espinosa machen. Mit flinken Fingern und viel Gewitztheit greift der Spanier in die vollen Kartons der Branche und klaubt daraus die 300 Darsteller seiner 2013 gegründeten Theatergruppe Hekinah Degul heraus. Schon kleine Zwischenfälle wie ein Husten könnten tödlich für sie enden, scherzt Espinosa. Im Maßstab 1:87 will er mit ihnen die Welt abbilden. Das Große im Kleinen. Vor einem nicht minder im Maßstab geschrumpften Publikum: Lediglich 22 Personen auf einmal finden rund um den Tisch des Figurentheatermachers, der im Brut mit Mein großes Werk (ein ehrgeiziges Projekt) Premiere im deutschsprachigen Raum feiert, Platz. Opernglas (vor Ort bereitgestellt) ist Pflicht! Denn es entgingen einem sonst all die herrlichen Details, die er ausbreitet: Von der Wiege bis zur Bahre und unter die Erde decken sie den Lauf des Lebens ab. Hochzeit und Hochzeitsreise nimmt er besonders in den Fokus. Sogar ins Weltall nimmt er sein Publikum mit. Ebenso ins Fußballstadion, auf den Spielplatz, zur Sodomie mit Reittieren, zum Ort eines Autounfalls und eines Attentats. Seine Beschränkung ist zugleich die Stärke des Abends: Mehr als zwei Hände hat auch Espinosa nicht. Nach und nach baut er seine kleinen Szenerien auf. Preziosen, die sich sukzessive verändern, mit jeder neuen Figur umschlagen, überraschende Pointen entwickeln können. Mit etwa einer Dreiviertelstunde Spielzeit ist es zwar ein kurzes Vergnügen. Mit Witz, ohne Worte, dafür allerdings gut abgestimmter Beschallung (auf den Boxen sitzen zwecks Glaubwürdigkeit kleine Bands) aber zugleich ein großes. Wie viel Budget die Festwochen heuer haben mögen (rund 15 Millionen Euro), dieses kleine große Werk ist wohl der billigste Act der Saison. Und damit ein zweifellos angenehmer Kontrast zu den Spektakeln, die allerorten versucht werden. Als solcher ist das Projekt auch entstanden, als Espinosa sich ob immer imposantere Kosten annehmender, dabei aber künstlerisch hakender Bühnenproduktionen, in denen er u. a. als Tänzer mitgewirkt hat, fragte, ob es nicht auch anders gehen müsse. Insbesondere in Zeiten knapper Kulturbudgets, Wirtschaftskrisen und sozialer Problematik. Ein Abend mit dem Auftrag zur Vorstellungskraft. Es war währenddessen mucksmäuschenstill. Spielte in TV-Serien und Filmen wie "Spaceballs". Los Angeles – US-Schauspieler Dick Van Patten, Star zahlreicher Fernsehserien, ist tot. Wie sein Sprecher laut Entertainment Weekly am Dienstag mitteilte, starb Patten in einem Krankenhaus im kalifornischen Santa Monica an den Folgen von Diabetes. Er wurde 86 Jahre alt. Bekannt war er vor allem für seine Rolle als Vater in der 70er-Jahre-Serie Eight is Enough. Er spielte auch in Serien wie The Love Boat, Arrested Development und That 70s Show mit. Patten trat auch vor die Filmkamera, unter anderem in Komödien wie Ein ganz verrückter Freitag, Mel Brooks Höhenkoller, Spaceballs und Robin Hood – Helden in Strumpfhosen. Der gebürtige New Yorker begann seine Karriere als Kinderstar und am Broadway. Erlangte Bekanntheit als Kasino-Boss in "Der Pate". Los Angeles – Der US-Schauspieler Alex Rocco ist tot. Er starb am Samstag im Alter von 79 Jahren, wie die New York Times am Sonntag (Ortszeit) unter Berufung auf seine Managerin berichtete. Todesursache sei eine Krebserkrankung gewesen. Rocco wurde als Kasino-Boss Moe Greene in Der Pate bekannt. Zu sehen war er außerdem in Die Freunde von Eddie Cole mit Robert Mitchum aus dem Jahr 1973, in Tom Hanks Regie-Debüt That Thing You Do! und in Wedding Planner – Verliebt, verlobt, verplant an der Seite von Jennifer Lopez. 1990 hatte Rocco einen Emmy Award für seine Rolle in der Sitcom The Famous Teddy Z. gewonnen. Neuauflage mit weiblichem Geisterjäger-Team. Hollywood – Komiker Bill Murray (64) spielt nach einem Bericht des Magazins Variety in der geplanten Ghostbusters-Fortsetzung mit. Details zur Rolle des Schauspielers (Und täglich grüßt das Murmeltier) seien bisher unklar, schrieb das Branchenblatt online. Auch Dan Aykroyd (63) hat angekündigt, wieder mit von der Partie zu sein. Der Film soll 2016 ins Kino kommen. Die Fortsetzung der beiden legendären Science-Fiction-Komödien aus den 80ern – Ghostbusters – Die Geisterjäger von 1984 und Ghostbusters II aus dem Jahr 1989 -, in denen Murray und Blues Brothers-Star Aykroyd die Hauptrollen hatten, soll sich um ein Geisterjäger-Team aus Frauen drehen. Gedreht wird aktuell in New York. Neben der weiblichen Starbesetzung um Kristen Wiig, Melissa McCarthy, Leslie Jones und Kate McKinnon spielt auch Thor-Darsteller Chris Hemsworth in der Geisterkomödie mit. Er soll laut dem Hollywood Reporter den Rezeptionisten der Damenriege spielen. Dem Bildvisionär ist im Linzer Moviemento eine umfassende Retrospektive gewidmet. Linz – Die Filmregisseure Andrei Tarkowski und Ingmar Bergman verband gegenseitige Wertschätzung. Immerhin halfen Bergman und das Schwedische Filminstitut bei der Realisierung des letzten Tarkowski-Werks Opfer (1985) – einer dezidierten Hommage an Bergman. Ab den frühen 1980ern arbeitete Tarkowski ausschließlich außerhalb seiner Heimat: in Frankreich, Italien und Schweden. Noch bis in den September hinein widmet das Linzer Moviemento dem Solitär, dem sowjetischen Regisseur eine Retrospektive. Der Sohn des Dichters Arsen Tarkowski erlernte ab 1954 an der Moskauer Filmhochschule bei Michail Romm das Regiehandwerk. Sein erster langer Spielfilm, Iwans Kindheit (1962), zeigt schon Züge seiner späteren Poetik. Andrej Rubljow (1966) lag in der Sowjetunion lange auf Eis, wurde dort erst 1972 aufgeführt. Kein Wunder, vom sozialistischen Realismus ist Tarkowski so weit entfernt wie etwa die Erde vom Mars. Planeten werden denn auch Thema seines nächsten Films: Solaris (1972, heute und morgen in Linz) entstand nach einem Roman von Stanislaw Lem – einer Reflexion über die Idee, dass der Mensch nicht das Weltall und ferne Planeten sucht, sondern einen Spiegel seiner selbst, und darüber, dass Kommunikation eigentlich nicht möglich ist. Konfrontiert mit der eigenen Psyche und Vergangenheit, setzt ein Zerfallsprozess ein, der auch die Verfassung der Kosmonauten erfasst. In einer Woche läuft der autobiografisch gefärbte Film Der Spiegel (1973-1975). Ein immer wiederkehrendes Thema bei Tarkowski ist die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich. In Nostalghia (1982/83) folgt Schriftsteller Andrei den Spuren eines russischen Komponisten in Italien. Der Film thematisiert die Entwurzelung des Protagonisten, die Melancholie über den Verlust der Heimat. In Stalker (1978/79) streift wieder das Science-Fiction-Genre – ganz eigen. Denn es geht um den psychologischen Subtext: In einer apokalyptischen Endzeit reisen drei Männer in eine mysteriöse Zone, um den Ort zu finden, an dem sich angeblich alle Wünsche erfüllen. Der 18-Jährige kam nahe dem Gelände des Sziget-Festival auf der Budapester Donauinsel ums Leben. Budapest – Mit nur 18 Jahren ist der deutsche Schauspieler Fynn Henkel (Die schwarzen Brüder) gestorben. Er wurde am Dienstagmorgen am Sziget-Musikfestival auf einer Donauinsel in Budapest von einem Ast erschlagen. Wie die Festivalverantwortlichen dem Portal blikk.hu mitteilten, war das Festival zu dem Zeitpunkt schon vorbei. Henkel habe sich in einem Zelt aufgehalten, das außerhalb des Festivalgeländes aufgebaut war, in einem gefährlichen Bereich, wo es verboten ist zu zelten, hieß es. In einer ersten Stellungnahme gegenüber bluewin.ch zeigte sich der Schweizer Schwarze Brüder-Regisseur Xavier Koller am Mittwoch bestürzt. Ja, es ist furchtbar! Die Nachricht hatte mich gestern Nacht erreicht. Ich kann es noch immer nicht glauben. Fynn sei ein superintelligenter, einfühlsamer junger Mann gewesen. Die Schauspielerei war mehr in seiner Neugierde verankert, als eine seiner großen Ambitionen. 36 Millionen Euro teurer Streifen erzählt Kindheit des Propheten. Teheran/Montreal – Es ist der teuerste iranische Film aller Zeiten: Mohammed, der in 171 Minuten die Kindheit des islamischen Propheten Mohammed erzählt, ist in 140 Kinos im Iran angelaufen. Der Streifen von Regisseur Majid Majidi kostete umgerechnet 36 Millionen Euro und wurde teilweise von der iranischen Regierung finanziert. Beim Filmfestival im kanadischen Montreal, wo Mohammed am Donnerstagabend seine internationale Premiere feierte, wurde Majidi deshalb von rund 50 Demonstranten des Verrats bezichtigt. Für die Dreharbeiten ließ Majidi südlich von Teheran das historische Mekka nachbauen. Er arbeitete unter anderem mit dem italienischen Kameramann und dreifachen Oscar-Preisträger Vittorio Storaro zusammen. Die Filmmusik hat der indische Komponist Allah Rakha Rahman geschrieben, der für die Musik zum Erfolgsstreifen Slumdog Millionär ebenfalls mit zwei Oscars ausgezeichnet wurde. Er habe sich vor den Dreharbeiten von schiitischen und sunnitischen Historikern beraten lassen, sagte Majidi in Montreal. Weil vor allem sunnitische Muslime die bildliche Darstellung des Propheten als beleidigend empfinden, ist Mohammeds Gesicht in dem Film nie zu sehen. In sunnitischen Ländern gab es trotzdem scharfe Kritik. Majidi, der in einer Trilogie auch noch die weitere Lebensgeschichte des Propheten verfilmen möchte, will mit dem Film auch das Bild des Islam zurechtrücken, wie er in Montreal sagte. Leider werde der Islam heute oft als radikale, fanatische und gewalttätige Religion wahrgenommen. Mit den barbarischen Terrorakten, die Terrorgruppen unter dem Deckmantel der Religion begingen, habe der Islam aber nichts zu tun. Der Islam ist eine Religion des Friedens, der Freundschaft und der Liebe, sagte der Regisseur. Das Wiener Festival zeigt wieder grelle bis anrührende Beispiele des fantastischen Films im Filmcasino. Die Bandbreite reicht von Low-Budget-Horror mit hüpfenden Männerbrüsten bis zum exzessiven Kino des Japaners Sion Sono. Wien – In den unterschiedlichsten Gestalten kann das Grauen daherkommen. Manchen schaudert vor den freiliegenden Zahnhälsen in einem Zombiemaul, anderen vor Hasen mit Riesenpenissen. Hüpfende Männerbrüste lösen hingegen bei den wenigsten Menschen Phobien aus, doch auch sie haben im Programm des traditionell auf Blut und Beuschel setzenden Slash-Filmfestivals, das von 17. bis 27. September im Wiener Filmcasino den fantastischen Film feiert, ihre Berechtigung. Kent Osborne heißt der Brüstebesitzer, der in Uncle Kent 2! in die für ihn maßgeschneiderte Rolle des Kent Osborne schlüpft. Der Storyboard-Zeichner und Katzenfreund träumt von einer Fortsetzung des von der Öffentlichkeit kaum beachteten Niedrigbudgetstreifens Uncle Kent, dessen Regisseur Joe Swanberg hat für Prequels aber nur Verachtung übrig. Swanberg inszenierte daher, wie könnte es auch anders sein, nur die ersten 13 Minuten des zweiten Teils. Nach dieser vergleichsweise nüchternen Exposition führt Filmemacher Todd Rohal seinen Helden in immer absurdere Situationen, bis dieser – angeleitet von Ray Kurzweils Buch Menschheit 2.0 – alles einfach wegmasturbiert. Das ist natürlich vollkommen jenseitig und, wenn überhaupt, nur auf eine sehr überschaubare Zielgruppe ausgerichtet, zugleich ist Uncle Kent 2! aber auch smart, rührend und einfach schrecklich komisch. Ein weiterer Bonus dieser Kombination aus Matrix, Nackerpatzerl-Unterwasserballett und Nabelfusselschau: Hier braucht man sich nicht davor zu fürchten, dass plötzlich Eingeweide durch die Luft fliegen. Anders sieht es bei der neuseeländischen Produktion Deathgasm aus, auch wenn hier ebenfalls sicher gerne das Prädikat schrecklich komisch vergeben wird. Jason Lei Howden erzählt darin, wie der jugendliche Metalfan Brodie (Milo Cawthorne) mit seiner titelgebenden Band unbewusst die Zombieapokalypse auslöst und so bald alle Hände voll zu tun hat, um die Untoten unter Zuhilfenahme von Gitarre, Bass und Kettensäge auch wieder in die Schranken zu weisen. Das mag vorhersehbar sein, wird aber mit einer spürbaren Liebe zu den Außenseiterhelden, dem Genre sowie guten Pointen erzählt. Von Body, dem Langfilmdebüt von Dan Berk und Robert Olsen, kann das leider nicht behauptet werden. Die Freundinnen Cali, Holly und Mel (Alexandra Turshen, Helen Rogers, Lauren Molina) wissen sich darin an Heiligabend nichts Besseres anzufangen, als in das Haus von Calis vermeintlichem Onkel einzusteigen. Als sie dort auf den Hauswart (Larry Fessenden) treffen und dieser im Gerangel verunfallt, wird die Freundschaft der drei Frauen auf die Probe gestellt. Dem Ganzen fehlen jedoch Spannungs- und Überraschungsmomente. Ebenfalls winterlich ist das Setting in Bunny the Killer Thing. Im verschneiten Finnland lässt Regisseur Joonas Makkonen einen Riesenhasen mit tödlichem Rammeltrieb auf Menschenjagd gehen. Wer gerne einem Mann im Kaninchenkostüm dabei zusieht, wie er unter lautem Pussy-Gegröle nach Öffnungen in jugendlichen Körpern sucht, kommt hier voll auf seine Kosten. Alle anderen sollten vor dem Film noch etwas anderes konsumieren oder naturlustig sein, sonst kann auch dieses Manifest des schlechten Geschmacks bald einmal langweilig werden. Keine Monotonie braucht man von den Filmen Sion Sonos zu befürchten. Der japanische Regisseur ist mit Love & Peace, Tag und Tokyo Tribe gleich dreimal im Slash-Programm vertreten. Eine Zeitzeugin des britischen Punk hat ein Buch geschrieben: Viv Albertine von den Slits. Am Donnerstag liest sie im Filmcasino, das zudem den Film "Exhibition" mit ihr zeigt. Wien – Punk war eine testosteronhaltige Bewegung. Zwar behaupten zeitzeugige Herren der Erschöpfung gerne, es wäre die erste Popkulturbewegung gewesen, die eine Geschlechtergleichberechtigung gebracht hätte, doch schlug sich das nur in homöopathischen Dosen nieder. Wenn, dann aber gewaltig. Etwa mit der Band The Slits. Das waren vier Teenagergören, die im Umfeld der Sex Pistols, von The Clash und Adrian Sherwoods frühen Versuchen mit Dubmusik umtriebig waren, als gebe es kein Morgen. Eine der Slits, Ari Up, wurde später die Stieftochter Johnny Rottens. Die ist 2010 an den Folgen ihres Lebens gestorben, eine andere der Slits, Viv Albertine, hat im Vorjahr ein Buch über diese Zeit geschrieben, eine Autobiografie, eine Erinnerung an die Tage der fehlenden Erinnerungen. Das Buch heißt Clothes, Music, Boys. Mit dem Titel liegen die wesentlichen Themen bereits am Tisch, am Donnerstag liest Albertine daraus im Wiener Filmcasino, stellt sich unter der Moderation von Isabella Reicher einem Publikumsgespräch und ist im Anschluss in Joanna Hoggs Film Exhibition zu sehen. Clothes, Music, Boys ist eine wild wuchernde Ansammlung von Rückblenden und Anekdoten, die den Irrsinn des Punk Ende der 1970er-Jahre in England illustriert. Sie erzählt von fröhlichem Dilettantismus, der bei Livekonzerten in Gewaltausbrüche und Messerstechereien ausartete, oder von sexuellen Übungen, bei deren Erwähnung der politischen Korrektur heute ihr Veilchenatem stockte. Dabei ging es bei all dem immer wieder um weibliche Selbstbestimmung. Zumindest wird es so dargestellt und entspricht damit klar den Forderungen, die rebellischen Teenager eben stellen: jenes Versprechen nach Gleichstellung, für das Frauen auch im Punk stärker kämpfen mussten als Männer. The Slits waren nach drei Alben Geschichte, ihr 1979 erschienenes Debüt Cut wird heute den aufregendsten Dokumenten jener Zeit zugerechnet. Kate Winslet soll US-Model und Fotografin Lee Miller spielen – Jennifer Lawrence will mit Darren Aronofsky drehen. Hollywood – Stirb langsam hat ein langes Leben: Die legendäre Actionserie mit Bruce Willis als Polizist John McClane geht in Runde 6. Dies kündigt der Hollywood Reporter an. Als Regisseur wurde Len Wiseman verpflichtet, der 2007 bereits für Stirb langsam 4.0 verantwortlich zeichnete. Derzeit ist das Projekt im Entwicklungsstadium und soll die Vorgeschichte zur 1988 gestarteten Serie erzählen. Die britische Oscar-Gewinnerin Kate Winslet (40, Der Vorleser) will die amerikanische Fotografin Elizabeth Lee Miller verkörpern. Dem Filmblatt Variety zufolge soll das noch titellose Biopic auf dem Sachbuch von Millers Sohn Antony Penrose (The Lives of Lee Miller) basieren. Über einen möglichen Regisseur und den Drehstart wurde noch nichts bekannt. Die gebürtige New Yorkerin Miller (1907-1977) hatte eine frühe Modellkarriere, dann war sie während des Zweiten Weltkriegs in London als Kriegsfotografin tätig. Sie arbeitete mit Künstlern wie Man Ray und Pablo Picasso zusammen. Winslet kommt als nächstes an der Seite von Michael Fassbender in der Filmbiografie Steve Jobs über den verstorbenen Apple-Gründer in die Kinos. Tribute von Panem-Star Jennifer Lawrence (25) steckt noch mitten in den Dreharbeiten zu der Science-Fiction-Romanze Passengers. Die Story spielt an Bord eines Raumschiffs, das gefrorene Menschen zu einer Weltraumkolonie transportiert. Doch Variety zufolge soll Lawrence bereits neue Drehpläne mit dem US-Regisseur Darren Aronofsky (46, Black Swan) schmieden. Der Filmemacher brachte zuletzt das Epos Noah in die Kinos. Einzelheiten über sein mögliches Projekt mit Lawrence wurden nicht bekannt. Es soll sich um einen kleineren Independent-Film handeln, der im kommenden Jahr gedreht werde. Lawrence ist ab November in Die Tribute von Panem – Mockingjay Teil 2 auf der Leinwand zu sehen. US-Schauspieler Steve Zahn (47, The Dallas Buyers Club) soll im nächsten Planet der Affen-Film eine Affen-Rolle übernehmen. Wie der Hollywood Reporter berichtet, wird bei seiner Transformation moderne Motion-Capture-Technologie benutzt, wie zuvor, als sich Andy Serkis in den Schimpansen Caesar verwandelte. Woody Harrelson soll einen Bösewicht verkörpern. Nach Planet der Affen: Revolution (2014) arbeitet US-Regisseur Matt Reeves (49) an der Fortsetzung War of the Planet of the Apes. Der Film soll im Sommer 2017 in die Kinos kommen. Mit dem Action-Film Road House feierte Patrick Swayze 1989 einen seiner ersten Hits. Nun wird der Film um einen Club-Rausschmeißer in einer Kleinstadt neu aufgelegt. Dem Hollywood Reporter zufolge übernimmt Nick Cassavetes (56, Wie ein einziger Tag) die Regie. Er soll auch das Skript liefern. Die amerikanische Kampfsport-Ikone Ronda Rousey (28, The Expendables 3) könnte die Nachfolge von Swayze antreten und in dem Remake die Hauptrolle als Rausschmeißerin übernehmen. Cassavetes drehte auch Filme wie John Q – Verzweifelte Wut, Alpha Dog und Die Schadenfreundinnen. Die schwedische Schauspielerin Rebecca Ferguson (31) ist nach ihrem Erfolg als Undercover-Agentin in Mission: Impossible – Rogue Nation in Hollywood gefragt. Wie das Branchenportal Deadline.com in Erfahrung gebracht hat, soll die Schauspielerin nun für die geplante Verfilmung des Bestseller-Romans Schneemann des norwegischen Autors Jo Nesbo im Gespräch sein. Der schwedische Regisseur Tomas Alfredson (Dame, König, As, Spion) konnte bereits Michael Fassbender an Bord holen. Hollywood-Regisseur Martin Scorsese ist als ausführender Produzent dabei. Es ist der siebente Roman aus der Krimireihe um den Ermittler Harry Hole. Es geht um eine verschwundene Frau, deren rosa Schal am Hals eines Schneemanns auftaucht. Drehbuchautor Matthew Michael Carnahan (World War Z) liefert das Skript. Ob er in die übergroßen Fußstapfen seines Vorgängers passen wird, ist fraglich. Er tritt nicht nur ein unheilvolles, sondern auch ein schweres Erbe an. Denn keine andere Figur hat das Böse auf der Leinwand derart personifiziert wie der Meister der dunklen Macht in der von George Lucas in den 1970er-Jahren kreierten Star Wars-Reihe. Seither spukte Darth Vader im popkulturellen Gedächtnis mehrerer Generationen und war nicht nur als Superschurke dienlich, sondern auch – das muss man sich als öffentliche Person eben gefallen lassen – als bizarre Witzfigur und Kinderschreck. Doch weil jede Geschichte irgendwann ihr Ende finden muss, sollte auch das Schicksal des Mannes mit der röchelnden Stimme besiegelt sein. Und weil das Kino immer wieder – wie schon Hugo von Hofmannsthal wusste – ein Ersatz für die Träume ist, brauchte es für den jüngsten Teil der Sternensaga, Das Erwachen der Macht, einen würdigen Nachfolger. Dass dieser zugleich die interessanteste Figur im aktuellen Krieg zwischen Gut und Böse ist, verwundert nicht weiter: Der neue Mann in Schwarz hat im Gegensatz zum restlichen, eindimensionalen Personal wenigstens ein Geheimnis. Ob Kylo Ren in die übergroßen Fußstapfen seines Vorgängers passen wird, ist dennoch fraglich. Immerhin lässt er bereits bei seinem ersten Auftritt Zeichen von Schwäche erkennen. Das mag ihn uns einfachen Menschen zwar etwas näherbringen, einem richtigen Ekel steht das allerdings auch unter der Maske nicht gut zu Gesichte. Doch vielleicht ist es gerade diese Ambivalenz, die erst recht den Hass auf sich zieht, denn schließlich kann nichts schrecklicher sein als Selbsterkenntnis. Und seine böseste Tat wird dem neuen Kuttenträger von den Rebellen und ihrer Fangemeinde ohnehin nie verziehen werden. Für den sich lange Filmminuten hinter seinem diabolischen Outfit verbergenden 32-jährigen US-Schauspieler Adam Driver, der sich bislang mit Auftritten in den Filmen von Independent-Regisseur Noah Baumbach einen Namen machte, bedeutet seine neueste Rolle jedenfalls einen Karrieresprung in Hollywoods Blockbuster-Liga. Für Driver ist es also durchaus vorteilhaft, dass er in Das Erwachen der Macht auch sein wahres, gar nicht hässliches Antlitz zeigen darf, selbst wenn es sich als Spielzeugfigur im unendlichen Merchandising-Universum der Reihe weniger gut verkaufen lässt als der Kapuzenmann. Doch zum Glück herrscht im Universum kein Vermummungsverbot. Das Salzburger "Das Kino" startet eine Reihe mit Leinwandklassikern. Slapstick und Groteske bringen uns zum Lachen. Genau wie Zirkus und Music Hall – in Letzteren trat Charles Chaplin bereits im zarten Alter von acht Jahren auf. Geboren 1889 im Londoner Stadtteil Brixton, blieb er nach einigen Tourneen mit Pantomimenensembles in den USA. Bald führte Chaplin auch Regie, seinen Ruhm begründeten aber die Auftritte vor der Kamera, wo er den naiven Landstreicher mit Melone und Stock gab – anfangs noch mit aggressiv-anarchistischen Untertönen, später dann als sympathisch-sentimentaler Tramp, der den Verlierern der Gesellschaft ihre verlorene Würde zurückgab. Das Salzburger Das Kino startet am ersten Weihnachtstag eine Reihe mit Leinwandklassikern. Zum Auftakt läuft sein finanziell erfolgreichster Film The Gold Rush (Goldrausch, USA 1925). Diesmal muss der Vagabund in Alaska ums Überleben kämpfen. Die Unbilden der Natur und der Hunger veranlassen ihn dazu, seine Schuhbänder wie Spaghetti zu verspeisen. Ab Montag folgt City Lights (Lichter der Großstadt, USA 1931): Charlie rettet einem betrunkenen Millionär das Leben, am nächsten Tag kann sich der aber an nichts erinnern. Dieses Motiv griff Bertolt Brecht später im Puntila-Stoff auf. Zu Silvester kämpft Chaplin in Modern Times (Moderne Zeiten, USA 1936) mit den Tücken des Fließbands. Die monotone Arbeit bringt ihn in eine Irrenanstalt, später kommt er als vermeintlicher Streikführer ins Gefängnis. Einer der wenigen Hollywoodfilme der 1930er-Jahre, der Kapitalismus und die damals herrschende Weltwirtschaftskrise thematisiert. Im Jänner folgt noch u. a. die Hitler-Satire The Great Dictator. Der doppelt Oscar-prämierte Kameramann und Regisseur wurde 93 Jahre alt. Santa Monica – Über das Jahr 1968 in Amerika gibt es eine ganze Reihe von exzellenten Filmen. Keiner trifft den historischen Moment des Aufbegehrens und der Zweifel wohl besser als Medium Cool (1969) von Haskell Wexler. Darin erzählt er die Geschichte eines Fernsehjournalisten, der aus dem Betrieb hinausfällt und gleichzeitig immer stärker konkrete Erfahrungen auf der Schattenseite der Gesellschaft macht. Der Moment, in dem John Casellis (gespielt von dem später von Quentin Tarantino wiederentdeckten Robert Forster) die berühmteste Rede von Martin Luther King hört und daraufhin tief bewegt I love to shoot film vor sich hin murmelt, war vermutlich auch so etwas wie ein autobiografisches Bekenntnis von Haskell Wexler selbst. Zum ersten Mal stand er hier nicht nur hinter der Kamera, sondern führte selbst Regie. Gedreht wurde halbdokumentarisch, und als er einmal Gefahr lief, ins Tränengas zu geraten, rief jemand aus seinem Team aus dem Off: Look out, Haskell, its real. Die Szene kam in den Film, ein Schlüsselmoment für das Verhältnis von Realität und Fiktion. Davor war Wexler auf dem besten Weg, eine erfolgreiche Hollywood-Karriere als Director of Photography zu machen. Er arbeitete für Elia Kazan (America, America) oder Mike Nichols. Für Whos Afraid of Virginia Woolf? wurde er mit einem Oscar für die Beste Kamera ausgezeichnet. Seine Dankesrede war kurz und programmatisch: Ich hoffe, wir können unsere Kunst in den Dienst von Frieden und Liebe stellen. Vietnamkriegs-Gegner Da klang schon sein Engagement durch, das ihn zeit seines Lebens prägen sollte. In der Anti-Vietnam-Bewegung fand er seine politische Berufung. Zugleich ist Medium Cool eine formale Reflexion auf die Komplizenschaft verschiedener Medienformen (inspiriert nicht zuletzt von den damals stark im Umlauf befindlichen Theorien Marshall McLuhans) wie auch ein Versuch, eine unkompromittierte Beobachterposition zu finden. Diese wird durch das pessimistische Ende jedenfalls nicht vollständig in Zweifel gezogen. Wexler, 1922 in Chicago in eine wohlhabende Unternehmerfamilie geboren, schaffte es nach 1968 einerseits als Visual Consultant bei American Graffiti von George Lucas beratend mitzumachen, andererseits mit Freunden wie Emile de Antonio oder Mary Lampson einen Meilenstein des radikalen amerikanischen Kinos zu setzen: Underground (1976) holte Mitglieder der Terroristenbewegung The Weathermen vor die Kamera. Schon 1974 war er mit Jane Fonda nach Nordvietnam gereist und hatte von dort den Film Introducing the Enemy mitgebracht, auch dies ein Beispiel für sein Bestreben, gegen die Mainstream-Medien andere Bilder zu finden. In einem seiner letzten Tweets gab er bekannt, dass er eine Spende für Bernie Sanders gegeben hatte, den linken Demokraten, der Hillary Clinton die Kandidatur für die US-Präsidentschaft streitig macht. Politisch war Haskell Wexler bis zuletzt hellwach. Am Sonntag ist er im Alter von 93 Jahren in Santa Monica gestorben. 'Durch das Alpine Museum der Schweiz weht ein frischer Wind. Mit der Filmcollage "Die Erweiterung der Pupillen beim Eintritt ins Hochgebirge" öffnen sich auf zwei Etagen überraschend neue Perspektiven auf die Welt der Berge. Zwei Wanderer kehren zurück ins Tal. Er komme nicht gerne heim, meint der eine, denn jedes Ankommen sei deprimierend. Worauf sein Begleiter entgegnet, dass dies nicht der Fall sei – hinter jedem Berg warte ein nächster. Im letzten Raum der Ausstellung Die Erweiterung der Pupillen beim Eintritt ins Hochgebirge, der als kleiner Kinosaal dient, wird man mit Filmausschnitten konfrontiert, die alle um das Thema Rückkehr vom Berg kreisen. Ist man nach exakt einer Stunde Wanderung durch die Installation hier angekommen, kann man somit einen letzten Blick zurück in die Welt der Berge werfen. Und dieser Blick ist mit Sicherheit ein anderer geworden als jener, mit dem man zu Beginn in dem kleinen Wartesaal im Treppenhaus des Museums auf den Einlass – beziehungsweise auf den Aufstieg – gewartet hat. Dieses Warten, das man auf einfachen Bänken sitzend zubringt, kommt einem Aufwärmen gleich, während auf einem Monitor der Countdown die Minuten bis zum Aufbruch ausweist. Als zufällig zusammengewürfelte Kleingruppe verfolgt man die unzähligen historischen Werbeclips, in denen das Gebirge seit Jahrzehnten vermarktet wird – als Idylle, Heimat, Abenteuerspielplatz. Gekauft werden sollen Schokolade, Autos und Getränke, zwischendurch hängt ein Kletterer mit dem neuesten Fotoapparat in der Steilwand. Auch das ist die Welt der Berge – ein Sammelsurium an Klischees, eine Maschinerie ständiger Bilderproduktion, die kollektive Wünsche aufgreift und deren Erfüllung vorgaukelt. Die Erweiterung der Pupillen funktioniert als Parcours durch rund hundert Schweizer Spielfilme, die in jedem der zu durchwandernden Räume eine eigene Themencollage bilden. Die Dramaturgie von Antoine Jaccoud, Drehbuchautor der Filme von Ursula Meier (Home, Sister), folgt dabei einer klassischen Gipfeltour: Vom Aufbruch über die Rast geht es hinauf bis zum Gipfel und wieder zurück ins Tal, wobei die dramatischen Momente (die Gefahr, die Katastrophe) unabdingbarer Bestandteil beziehungsweise Wegabschnitt sind. Das Besondere daran: Bei dieser Beschreitung gibt es nur spärlich begrenzte Möglichkeiten, eine bestimmte Perspektive einzunehmen: erstens, weil die Bewegungsfreiheit in den Räumen durch verschiedene Materialien (wie etwa Holzpflöcke) und die Beschaffenheit (ein als Couloir fungierender schmaler, dunkler Gang) entsprechend eingeschränkt ist, zweitens, weil die Verweildauer exakt festgelegt ist. Licht und Ton geben den weiteren Weg zur nächsten Station vor – bei dieser Begehung gibt es kein Zurück. Dennoch kann von einer Erlebnistour nicht die Rede sein. Denn die auf zwei Etagen verteilten Räume setzen auf Funktionalität und Reduktion. Im Zentrum der Aufmerksamkeit steht der Film als Ausdruck, die Ausstattung deutet vieles nur an: eine als Almwiese funktionierende grüne Matte, auf der man auf dem Rücken liegend der Natur beim Erwachen zusieht; oder der gleißend weiße Gipfelraum, an dessen Ende ein einzelner Monitor mit wabernden Nebelschwaden auftaucht, der sich als Teil eines Kreuzes erweist. Während man dem vermeintlichen Ziel mit jedem Schritt näher kommt, wird man sich als Schatten seiner selbst gewahr. Hier wird der Bruch mit ideologisch besetzten Bildern, der Die Erweiterung der Pupillen auszeichnet, besonders deutlich: Das Ankommen ist kein heroischer Sieg, sondern erzeugt ein verstörendes Gefühl von Leere und Verlorenheit. Der deutschsprachige Bergfilm gilt seit Jahrzehnten als problematisches Genre, das sich seit den Tagen von Arnold Fanck, Leni Riefenstahl und Luis Trenker nicht eben oft durch Kritik an den Verhältnissen hervorgetan hat. Die Geschichte des Schweizer Bergfilms ist seinem österreichischen Pendant nicht unähnlich: auf die vor Pathos strotzenden Filme der 1930er-Jahre, in denen das Genre eine Blütezeit erlebte, folgte der naive Kitsch der Nachkriegszeit, von dem die Tourismusindustrie bis heute zehrt und der als nationales Identifikationsangebot dient. Die Gegenbewegungen ab den 1970er-Jahren in Form des neuen Heimatfilms übten sich, wie etwa Fredi M. Murers Höhenfeuer (1985), in Revisionismus, während seit einigen Jahren viele Produktionen – selbst so unterschiedliche Arbeiten wie die aktuelle Adaption von Heidi und der österreichische Alpenwestern Das finstere Tal – einen realistischen Grundton anschlagen. Diese auch immer politisch zu lesenden Genrezugänge werden in der Ausstellung besonders durch die Form der Collage, bei der die Bilder, Perspektiven und Jahrzehnte durcheinandergewirbelt werden, unmittelbar erfahrbar. Das österreichische Alpenverein-Museum in Innsbruck, mit der Ausstellung Berge, eine unverständliche Leidenschaft mehrfach ausgezeichnet, wurde im Übrigen wegen Auflassung des Standorts geschlossen. Glücklicherweise beweisen die Schweizer Nachbarn nicht nur auf dem Gipfel, sondern auch mit der Neuausrichtung des Alpinen Museums kulturpolitischen Fernblick.' Der ungarisch-amerikanische Oscarpreisträger wurde 85 Jahre alt. Hollywood –Vilmos Zsigmond, einer der einflussreichsten Kameramänner Hollywoods und 1978 mit dem Oscar geehrt, ist tot. Er starb am Neujahrstag in Big Sur in Kalifornien, wie die Los Angeles Times am Montag berichtete. Als Todesursache habe sein Geschäftspartner eine Kombination vieler Krankheiten genannt. Zsigmond wurde 85 Jahre alt. Der Ungar hatte 1956 den Einmarsch der Russen in Budapest fotografiert und war mit den Bildern in den Westen geflohen. In den USA fand er schnell Arbeit als Kameramann, drehte zuerst aber drittklassige Filme wie etwa 2071 – Mutan-Bestien gegen Roboter. Anfang der 1970er Jahre konnte er jedoch bei dem Western McCabe & Mrs. Miller und beim Kinoklassiker Beim Sterben ist jeder der Erste die Kamera führen. Für Steven Spielbergs Unheimliche Begegnung der dritten Art bekam er dann schließlich einen Oscar. Zu seinen weiteren Arbeiten gehörten Die durch die Hölle gehen, Menschen am Fluß, Fegefeuer der Eitelkeiten und Black Dahlia. 2010 drehte er Woody Allens Ich sehe den Mann deiner Träume. Durchbruch mit "Die drei Musketiere", für "Othello" mit dem Oscar nominiert. London – Der britische Schauspieler Frank Finlay ist am Samstag in Weybridge (Großbritannien) im Alter von 89 Jahren an Herzversagen gestorben. Er war international mit dem Abenteuerfilm Die drei Musketiere (1973) bekanntgeworden. Seine Familie erinnerte am Sonntag an einen außergewöhnlichen Geschichtenerzähler, der für seine Freundlichkeit und Großzügigkeit bekannt gewesen sei. Finlay war für seine Darstellung des Jago in der Shakespeare-Verfilmung Othello (1965) für einen Oscar nominiert worden. Auch für Roman Polanskis Der Pianist hatte er vor der Kamera gestanden. Schauspieler war zuletzt 2003 in "Voll Verheiratet" zu sehen. New York – Schauspieler George Gaynes, der in der Kino-Komödie Police Academy den Polizeikommandanten Eric Lassard gespielt hat, ist tot. Der Schauspieler starb am Montag im Alter von 98 Jahren, wie seine Tochter der New York Times bestätigte. Gaynes spielte zwischen 1984 und 1994 den zerstreuten und goldfischliebenden Lassard in allen sieben Teilen der Filmreihe um eine Riege von Polizeitölpeln. Der in Helsinki geborene Schauspieler war in unzähligen Serien und Filmen zu sehen. In der Komödie Tootsie (1982) versuchte er als älterer Schauspieler, den als Frau verkleideten Dustin Hoffman zu verführen. In Voll Verheiratet mit Ashton Kutcher und Brittany Murphy spielte Gaynes 2003 einen Pfarrer, zog sich dann aber aus dem Filmgeschäft zurück. Seitdem lebte er bei seiner Tochter in dem Ort North Bend (Bundesstaat Washington), wo er dem Bericht zufolge auch starb. Das neueste Spielfilmprojekt des Künstlers, "Los Feliz", ist nach einem Viertel in Los Angeles benannt. Ein Gespräch über den Illusionismus, das, was unkritisch macht, Wertvorstellungen und Weltbilder. Wien – Es ist eine Reise entlang der Illusion in mehrfacher Hinsicht: Denn einerseits begleitet Edgar Honetschlägers neuester Spielfilm Los Feliz Lydia, eine Schauspielerin auf ihrem Weg nach Hollywood – eine Suche nach Ruhm, für den die junge Frau auch den Pakt mit dem Teufel nicht scheut. Andererseits ist das Roadmovie der erste Langfilm, der – bis auf Anfang und Ende – komplett im Studio, also vor Kulissen gedreht wurde, die obendrein gemalt sind. Statt geplanter drei Monate brauchte es drei Jahre für die nun dank einer Maschine rollenden, in japanischer Tinte gefertigten Szenenbilder. Honetschläger, der sich als bildender Künstler sieht, der auch Filme macht, verschränkt also die Medien Malerei und Film. Eine formale Liaison, die in Los Feliz auch eine inhaltliche Dimension erhält, als eine dunkle Kraft beginnt, an der Bildermacht von katholischer Kirche und Hollywood zu kratzen. Los Feliz wird nun im Rahmen einer Art Making-of-Ausstellung im 21er-Haus welturaufgeführt. Vor dem Kinostart (14. 3.) läuft er aber auch im Wettbewerb der Diagonale (8. bis 13. 3.). Komplettiert werden die Honetschläger-Festspiele mit einer weiteren Ausstellung (Galerie Charim, ab 20. 2.) und einer Retrospektive im Filmarchiv Austria (ab 14. 3.). STANDARD: Die Idee zum Film entstand im Jahr 2000 in Los Angeles, tatsächlich in Hollywood. Was reizte daran, ein Roadmovie zu drehen, ohne auf Reisen zu gehen? Honetschläger: Das Prinzip des Rolling-Background-Strip gibt es schon lange, aber es hat noch niemand gewagt, damit einen ganzen Film zu machen. Mich reizte es auch, weil es mir die Möglichkeit gab, die Bereiche Malerei und Film zusammenzuführen. STANDARD: Die Ansage Roadmovie, gefilmt in einem Studio schürt Erwartungen an den Illusionismus. Diese enttäuschen Sie aber und servieren reduzierte zweidimensionale Bilder. Ein bewusstes Spiel? Honetschläger: Die Idee war, einen Film zu schaffen, der beides kann: der dich mitnimmt und dir auch immer wieder die Illusion dahinter aufzeigt. Einerseits in die Handlung hineinfallen lassen und andererseits bar legen, dass der Film nichts anderes ist, als eine große Lüge. Das geht gar nicht anders. Als Künstler musst du ja hinter die Dinge schauen. STANDARD: Musikalisch beginnt es wie ein Ende, so als ob gerade ein Trauerzug Richtung Friedhof unterwegs wäre: Mit Richard Strauss Im Abendrot, nach einem Gedicht von Eichendorff über den nahen Tod. Warum? Honetschläger: Der Anfang ist ein Ende. Es ist ein Abgesang auf die westliche Kultur. Du siehst die Bilder von Los Angeles, diese enigmatischen Bilder von Palmen und das Hollywood-Zeichen taucht auf. Der Film ist von viel Trauer durchsetzt. Die Menschen in Los Angeles hoffen alle. Sie sitzen vorm Telefon und warten darauf, dass endlich der Agent anruft. L.A. ist die westlichste Stadt des Westens, dann kommt der große Ozean und dann Tokio, die östlichste Stadt des Ostens. Innerhalb der industrialisierten Welt ist das der größte Sprung, den du wohl von der Mentalität her machen kannst. STANDARD: Los Feliz ist ein Film darüber, wer die Herrschaft über die Bilder hat: Der Vatikan tritt als Gralshüter des westlichen Bilderglaubens fernöstlichen Konzepten gegenüber. Honetschläger: Der Grundgedanke des Films ist, wer die Bilder macht, der hat die Macht. Wir dominieren die Welt zweifelsohne immer noch mit den Bildern, die wir erzeugen. Wir wissen, dass nichts stärker wirkt, als ein Bild. Denken wir an die Flüchtlingskrise und das Bild des toten Kindes am Strand. Das Bild ist generell so dominant, das Sehen so stark. Aber stellen Sie sich vor, in einem ganz anderen Teil der Welt aufzuwachsen, dann haben Sie ganz andere Vorstellungen vom Leben, sind anders konditioniert. Und dann schauen Sie zum ersten Mal einen Hollywood-Film, der im Grunde darauf angelegt ist, dass er Wünsche und Bedürfnisse erzeugt. STANDARD: Kaya, die shintoistische Göttin sagt, der Westen sei an der Macht, weil seine Religion die Illusion von Freiheit, Liebe und Dreidimensionalität verbreitet. Im Osten stelle man sich hingegen Raum vor. Es ist wie die Liebe. Man muss es nicht sagen, man fühlt es. Was prallt da aufeinander: Illusionismus und Vorstellungskraft? Honetschläger: In der westlichen Malerei entsteht der Raum ja durch hinzufügen. Ich bin überzeugt, dass man diese drei Dimensionen durch die Zentralperspektive nur sehen kann, weil man es gelernt hat. In Japan sind die Bilder nicht umsonst so reduziert gearbeitet. Es ist fast nichts drauf, aber die Japaner sehen alles. Das, was zu sehen ist, impliziert das Ganze rundherum. Sie lernen von Kindheit an, sich alles andere dazu zu denken. Es ist eine andere Form des Sehens. Und anders sehen bedeutet in Folge auch anders fühlen. STANDARD: Es heißt im Film: Die Zentralperspektive macht die Menschen passiv. Honetschläger: Ja und der Film setzt diesen Wunsch nach Tiefe fort: je tiefer desto besser, dass du verschmelzen kannst mit der Illusion. Jeder will einfach abtauchen können. In letzter Konsequenz macht es dich unkritisch. Du akzeptierst es dann, wie es ist. STANDARD: Sie sagen Das Christentum hat als einzige Religion das Bild zum Hauptträger seiner Überzeugungskraft gemacht. Wären die Bilder, ohne die Macht der christlichen Religion auch nicht so machtvoll geworden? Honetschläger: Wenn man eine Zeit in einem anderen Kulturkreis gelebt hat, sieht man erst, wie alles um uns herum vom Christentum geprägt ist. Das kriecht in uns hinein, bestimmt unser Sehen und unser Verständnis von der Welt. STANDARD: Wenn die Bilder unsere Weltordnung, unsere Art, wie wir die Welt begreifen, so sehr bestimmen, ist Los Feliz dann als ikonoklastischer Film zu sehen? Honetschläger: Es hat sogar eine Drehbuchfassung gegeben, wo die drei Kardinäle sich intensiv zu diesem Thema unterhalten haben und auf das Konzil von Nicäa und den Bilderstreit eingegangen sind. Zumindest unterschwellig versucht der Film auszubreiten, was geschehen wäre, wenn es damals nicht dazu gekommen wäre, Bilder in der katholischen Religion zuzulassen. STANDARD: Road-Movies sind oft schnelle Erzählungen, hinter jeder Wegbiegung wartet eine neue Überraschung, so als ob die Straße, die Fortbewegung diese schnellen Wechsel irgendwie glaubwürdiger machen würde. Los Feliz nimmt das Tempo auf extreme Weise heraus. Man könnte im übertragenen Sinn nebenherspazieren. Was bedeutet das Tempo für Sie? Honetschläger: Auf der einen Seite hat es natürlich mit der Technik zu tun Andererseits war der Film war schon schneller geschnitten als er jetzt ist, aber ich habe das Gefühl gehabt, dass er viel mehr funktioniert und sich viel mehr erfüllt, wenn man sich das auch in Ruhe anschauen kann, was da passiert. Es passiert eh genug, aber in einem anderen Tempo als man gewöhnt ist. Heute macht man normalerweise Drei- bis maximal Fünf-Sekunden-Schnitte. Meine Filme habe ich schon immer recht langsam erzählt, weil ich das auch als Konsument sehr schätze. STANDARD: Jeder Satz erhält so einen Nachhall durch die Langsamkeit. Honetschläger: Es geht um Leere. Das ist ein wichtiger Aspekt. Ich finde, man sollte dem Zuschauer immer die Möglichkeit geben, eine Leere zu füllen, dass er Zeit hat zum Denken. Du musst ihm die Möglichkeit geben, in Momenten der fahrenden Monotonie zu sich zu kommen. STANDARD: Sie sparen auch nicht mit Klischees: Der Ami mit Baseballcap, der beim Anblick der Skyline von New York – im Land der unbegrenzten Möglichkeiten – feststellt: everything is possible und dann bei der ersten Provokation die Knarre zückt. Honetschläger: Natürlich spiele ich ganz stark mit Klischees. Aber ich habe viele Jahre in den USA gelebt und das Klischee tritt dir dort halt auch täglich ins Gesicht. Es freut mich, dass meine amerikanischen Freunde sich vom Film nicht angegriffen fühlen und sehr gelacht haben. Ich will ja niemanden verletzen, bin nicht dazu da, den Leuten, die Welt zu erklären, sondern Fragen aufzuwerfen. STANDARD: Etwa zum Aufeinandertreffen verschiedener Kulturen und zu kulturellen Transfers wie in vielen ihrer Filme? In Los Feliz scheint sich der Bilderglauben des Westens vor der fernöstlichen Philosophie und Perspektive bewähren zu müssen. Honetschläger: Nein, das würde ich nicht so sehen. Meine Arbeit nährt sich aus dem Vergleich. Mich interessiert es, an die Wurzel der Dinge zu gehen, ein sehr anthropologischer Ansatz. Es geht letztlich darum, darzustellen, dass jede Kultur Dinge anders löst, aber keine sich einzubilden braucht, das richtigere Prinzip zu haben. Wichtig ist, dem Zuschauer die Möglichkeit zu geben, seine eigenen Wertvorstellungen in Frage zu stellen. Eigentlich sind es Plädoyers für Gleichwertigkeit, dafür sich nicht über die anderen zu stellen. Nicolas Cage inszeniert Vergewaltigungs-Thriller, US-Teen-Star Zendaya spielt in "Spider-Man" mit. Hollywood – Amanda Seyfried (30, Ted 2) hat den Zuschlag für die weibliche Hauptrolle in dem Sci-Fi-Thriller Anon an der Seite von Clive Owen (51, Children of Men) bekommen. Variety zufolge sollen die Dreharbeiten unter der Regie von Andrew Niccol (51, Seelen, Die Truman Show) in diesem Sommer anlaufen. Seyfried und Niccol drehten zuvor den Endzeit-Thriller In Time – Deine Zeit läuft ab (2011). Owen spielt in Anon einen Ermittler in einer Welt, in der es keine Privatsphäre gibt und jeder Mensch total überwachbar ist. Doch dann begegnet er einer mysteriösen Frau (Seyfried), die ohne digitalen Fingerabdruck für die Behörden unsichtbar ist. Nicolas Cage (52, Joe – Die Rache ist sein) will zum zweiten Mal Regie führen. Dem Kinoportal Deadline.com zufolge wird der Schauspieler den Vergewaltigungs-Thriller Vengeance: A Love Story inszenieren, in dem er auch die Hauptrolle eines Polizisten spielt. 2002 hatte Cage mit Sonny sein Regiedebüt gegeben. Die Geschichte basiert auf der Erzählung Rape: A Love Story der US-Schriftstellerin Joyce Carol Oates. Es geht um eine alleinerziehende Mutter, die vor den Augen ihrer 12-jährigen Tochter Opfer einer brutalen Bandenvergewaltigung wird. Der Fall geht vor Gericht, doch dort wird ihre Glaubwürdigkeit attackiert. Über die Besetzung der weiblichen Rollen wurde noch nichts bekannt. Die Dreharbeiten sollen im April beginnen. Die amerikanische Sängerin, Tänzerin und TV-Schauspielerin Zendaya (19, K.C. Undercover, Shake It Up – Tanzen ist alles) soll in dem nächsten Spider-Man-Film mitspielen. Über ihre Rolle sei aber noch nichts bekannt, berichtet Variety. In der geplanten Neuauflage der Superheldengeschichte wird der britische Schauspieler Tom Holland (19, The Impossible) den zu Spider-Man mutierten Peter Parker als Highschool-Schüler darstellen, der trotz seiner Superheldenkräfte mit Problemen in der Schule zu kämpfen hat. Marisa Tomei (51, The Big Short) ist in der Rolle als Peter Parkers Tante May an Bord. US-Regisseur Jon Watts (34, Clown) soll im Sommer mit den Dreharbeiten für einen Kinostart im Juli 2017 beginnen. Die Besetzung für den geplanten HorrorfilmThe Mummy (Die Mumie) wächst weiter an. Wie das US-Branchenblatt Hollywood Reporter berichtet, verhandelt die Engländerin Annabelle Wallis (31, X-Men: Erste Entscheidung, Annabelle) um eine Rolle an der Seite von Tom Cruise (53, Mission: Impossible 5). Wallis soll eine Wissenschaftlerin spielen, Cruise angeblich einen Soldaten. Sofia Boutella (33, Kingsman: The Secret Service) steht bereits für die Mumien-Rolle fest. Alex Kurtzman (Zeit zu leben) führt Regie nach einem Skript von Jon Spaihts (Prometheus). Die Neuauflage von Die Mumie soll in der Gegenwart spielen und im Juni 2017 in die Kinos kommen. In der alten Mumien-Reihe spielte Brendan Fraser den Abenteurer Alex OConnell, der den Weg von Schreckens-Mumien durchkreuzt. Das Superhelden-Team in Justice League bekommt Zuwachs: Oscar-Preisträger J.K. Simmons (61, Whiplash, Spider-Man) wird die Rolle des Polizisten Commissioner Gordon übernehmen, wie der Hollywood Reporter berichtet. In der Superhelden-Story der DC Comics kämpfen unter anderem Superman (Henry Cavill), Batman (Ben Affleck) und Wonder Woman (Gal Gadot) gegen das Böse. US-Filmemacher Zack Snyder (50) übernimmt die Regie. Ab April sollen zwei Folgen gedreht werden, die das Studio Warner Bros. dann im November 2017 und im Juni 2019 auf die Leinwand bringen will. In Christopher Nolans The Dark Knight Rises schlüpfte zuletzt Gary Oldman in die Rolle des Commissioner Gordon. Der amerikanische Oscar-Preisträger Matthew McConaughey (46, Dallas Buyers Club) und der britische Star Idris Elba (43, Beasts of No Nation) werden die Hauptrollen in der Verfilmung der The Dark Tower-Reihe nach der Vorlage von Horror-Meister Stephen King übernehmen. Via Twitter bestätigten die Schauspieler und der Autor die Zusammenarbeit. Wie das Branchenblatt Hollywood Reporter berichtet, soll der Film im Jänner 2017 in die Kinos kommen. Die Buchserie mit dem deutschen Titel Der dunkle Turm ist eine Fantasy-Saga um den Revolvermann Roland Deschain (Elba) auf seiner Reise zum dunklen Turm. McConaughey wird die Figur des Antagonisten Man in Black (Mann in Schwarz) spielen. Der Däne Nikolaj Arcel (43, Die Königin und ihr Leibarzt) ist als Regisseur an Bord. Für den vierten und letzten Teil der Science-Fiction-Reihe Die Bestimmung ist indessen neuer Regisseur gefunden worden. Lee Toland Krieger (33), der zuletzt die Science-Fiction-Romanze Für immer Adaline mit Harrison Ford und Blake Lively inszenierte, ist Variety zufolge an Bord. Der deutsche Regisseur Robert Schwentke war kürzlich von dem Projekt abgesprungen. Schwentke hatte die beiden Folgen Die Bestimmung – Insurgent (2015) und Die Bestimmung – Allegiant mit Kinostart im März 2016 gedreht. Er war ursprünglich auch für den vierten Teil Die Bestimmung – Ascendant an Bord. Der US-Kinostart ist für Juni 2017 geplant. Schwentke habe nach zwei aufeinanderfolgenden Drehs eine Pause gebraucht, hieß es zur Begründung. Den ersten Teil Die Bestimmung – Divergent (2014) um die von Shailene Woodley gespielte Titelheldin hatte Neil Burger inszeniert. Kinostart für Juli 2019 geplant. Los Angeles – Star-Regisseur Steven Spielberg (69) wird den Hollywood-Star Harrison Ford (73) für Indiana Jones 5 vor die Kamera holen. Wie das Disney-Studio am Dienstag nach US-Medienberichten bekanntgab, soll der fünfte Teil der Abenteuerserie im Juli 2019 in die Kinos kommen. Indiana Jones sei einer der größten Helden der Kinogeschichte, sagte Disney-Chef Alan Horn in der Mitteilung. Seit 1981 ist Ford viermal für Spielberg in der Rolle des abenteuerlichen Archäologie-Professor Henry Walton Jones vor die Kamera getreten, zuletzt 2008 in Indiana Jones und das Königreich des Kristallschädels. Über eine fünfte Folge wurde in Hollywood schon lange spekuliert. Schauspieler starb im Alter von 66 Jahren. Los Angeles – Der US-Komiker Garry Shandling ist tot. Wie sein Sprecher Alan Nierob der Deutschen Presse-Agentur bestätigte, starb der Schauspieler und Stand-Up-Comedian am Donnerstag. Er wurde 66 Jahre alt. Zu der Todesursache machte der Sprecher keine Angaben. Dem Branchenblatt Hollywood Reporter zufolge wurde der Notarzt wegen eines medizinischen Notfalls zum Haus des Darstellers ins Los Angeles gerufen. Der Patient sei noch in ein Krankenhaus gebracht worden, hieß es. Hollywood-Kollegen trauerten um den Komödianten. Amy Schumer dankte Shandling in einem Tweet dafür, dass er sie so verdammt viel zum Lachen gebracht habe. Billy Crystal sprach von einem schockierenden, riesigen Verlust. Shandling sei einer der brillantesten Menschen gewesen, die er je kennengelernt habe. Seth MacFarlane trauerte auf Twitter um sein Comedy-Idol. Der 1949 in Chicago im US-Bundesstaat Illinois geborene Shandling hatte seit Jahrzehnten als Comedian und Schauspieler gearbeitet. Seinen Durchbruch feierte er in den 90er Jahren mit der Sitcom Die Larry Sanders Show, für die er zwei Golden Globes bekam. Zuletzt spielte er unter anderem in Iron Man 2 und The Return of the First Avenger mit. Schauspielerin starb 90-jährig im Schlaf. Los Angeles – Die US-Schauspielerin Doris Roberts, die durch die Familienserie Alle lieben Raymond bekannt wurde, ist tot. Sie starb Sonntagnacht in Los Angeles im Schlaf, berichtete das Promiblatt People am Montag unter Berufung auf ihren Sohn Michael Cannata. Roberts wurde 90 Jahre alt. Die fünffache Emmy-Preisträgerin trat in ihrer langen Karriere am Broadway auf, spielte in vielen TV-Serien und in Filmen wie Schöne Bescherung und Mrs. Miracle – Ein zauberhaftes Kindermädchen mit. Doch bekannt war sie vor allem in der Rolle der nervigen Schwiegermutter in der langjährigen Sitcom Alle lieben Raymond über die chaotische Familie des Sportjournalisten Ray Barone (Ray Romano). Roberts habe eine unglaubliche Energie und Lebensfreude gehabt, sagte Romano (58) der Zeitschrift People. Ich werde sie sehr vermissen. Schauspielerin Patricia Heaton (58), die in Alle lieben Raymond Roberts ungeliebte Schwiegertochter spielte, trauerte auf Twitter um ihre Kollegin. Roberts war ein absoluter Profi, von dem ich so viel gelernt habe. (APA, 19.4.2016) Die Retrospektive im Wiener Filmmuseum zeigt das vitale, häufig billig gemachte Hollywoodkino vor dem "Production Code": gierige Gangster und obsessive Erotik am Puls der Zeit. Wien – Ein Mann steht vor dem Eingang eines Lokals. Er zögert kurz. Dann spuckt er auf die Straße und schiebt sich beim Eintreten beinahe unmerklich seine Mütze tiefer ins Gesicht. In William A. Wellmans The Public Enemy (1931) kennzeichnet jede Geste und jede Bewegung die innere Größe dieses kleinen Mannes, der in jedem Moment Unvorstellbares zu tun bereit ist. Die liebevollen Kinnhaken, die er seinen Freunden immer wieder versetzt, sind nur Indiz. Irgendwann in diesem Film wird er unvermittelt beim Frühstück seiner Freundin eine halbe Grapefruit ins Gesicht drücken. Er wird den Reitunfall seines Freundes dadurch rächen, indem er den Stallburschen fragt, wo das Pferd stehe, hingeht und es erschießt. Oft ist im Kino von Verkörperung einer Rolle die Rede, selten trifft diese Bezeichnung so zu wie bei der Figur des Gangsters Tom Powers. Denn Tom Powers ist James Cagney. Lautes Unheil The Public Enemy ist kristallklares, physisches Kino, ganz im Einklang mit seinem Hauptdarsteller, dessen Vitalität der Film in jeder Einstellung atmet. Gemeinsam mit seinem Pendant Little Caesar (1931) von Mervyn LeRoy – mit einem furchteinflößenden und zugleich tragischen Edward G. Robinson – markiert The Public Enemy den Höhepunkt jener Gangsterfilmwelle der frühen 1930-Jahre, an die das Genre für Jahrzehnte nicht mehr heranreichen sollte. Entstanden im Schnellverfahren in den Warner-Studios, gespeist aus der Wirklichkeit, kurz aufflackernd und bald erloschen. Kampf-Kino, mythisch überhöht und dennoch purer Realismus. Angesiedelt im Spannungsfeld zwischen Prohibition, Wirtschaftskrise, protestantischen und katholischen pressure groups und Studioökonomie. Rasante, temporeiche, aber vor allem billige Filme wollte Warner mit seinen Gangsterfilmen auf den Markt bringen – The Public Enemy ist Ausdruck dieser Situation, Tom Powers Ausdruck eines Zustands. Nicht Charakter oder Figur, sondern ein gesellschaftliches Problem: The public enemy is a problem, that sooner or later we, the public, must solve, ist auf einer von Produktionschef Darryl F. Zanuck am Filmende eingeschobenen Tafel zu lesen. Chicago 1930: William A. Wellman zeichnet die Chronologie einer Verbrecherlaufbahn, den Aufstieg und Fall eines Mannes, der mit Prohibitions-Bier reich wird und mit Blut bezahlt. Eine düstere Illustration der Metropole, die durch Schlachthöfe, Gestank, Dreck, Verkehr und Straßenlärm gezeichnet wird. Die Geburt des Gangsterfilms im Geiste des Tons: Das Unheil kündigt sich lautstark an – quietschende Reifen, Mordaufträge über Telefon, ohrenbetäubende Maschinengewehre. Der Gangsterfilm braucht den neuen Ton, wie Tom Powers die neue Technologie, die Autos und die Medien braucht. Choreografierte Frivolität Die Warner-Filme vor 1934, denen die Retrospektive des Filmmuseums Tribut zollt, stehen exemplarisch für die Ära Hollywoods vor dem soganannten Production Code, eine Art Selbstzensur der großen Studios, mithilfe derer Sex und Gewalt von den Leinwänden verbannt werden sollten. Es waren die Jahre des Erwachens des klassischen Horrorfilms mit Frankenstein (1931) für Universal Pictures oder Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1932) und Island of Lost Souls (1932) für Paramount, des freizügigen Musicals wie Footlight Parade (1933) oder Gold Diggers of 1933 vom Choreografenkönig Busby Berkely für Warner – beide mit der umwerfenden Joan Blondell –, aber auch der Romantic Comedy wie Frank Capras It Happened One Night (1934). Durch Konzentration der Retrospektive auf Warner Bros. fehlen zwar maßgebliche Arbeiten anderer Studios und an diese vertraglich gebundene Autoren und Schauspieler – für das Gangstergenre etwa Howard Hawks‘ Scarface (1932) –, andererseits verdichten die knapp vierzig zu sehenden Filme auf perfekte Weise das Gefühl gehetzter Urbanität und frivoler Anzüglichkeit bis hin zu sexueller Obsession, die weit über Einblicke in Dekolletés hinausreichen. Die Kinoleinwände waren aber auch – und das gilt es im Sinne einer historischen Lektüre nicht zu übersehen – ein Nebenschauplatz aktueller Tagespolitik: Der Production Code sollte letztlich auch Vorbote von Sozial- und Wirtschaftsreformen im Zuge von Roosevelts Politik des New Deal sein. Mit seinem ersten Verdienst wird Powers die Mütze übrigens gegen einen Hut eintauschen, seinen kleinen Körper in einen Maßanzug zwängen und beim Kauf der Hose darauf achten, dass die Taschen weit genug sind, um darin eine Pistole tragen zu können. Er wird teure Autos fahren, alle Warnungen in den Wind schlagen und sich den amerikanischen Traum erfüllen. Doch es wird ein böser Traum gewesen sein. (Michael Pekler, 7.5.2016) Nachfolgegerüchte kreisen um Tom Hiddleston. London – Daniel Craig hat offenbar genug vom Heldentum: Nach vier James-Bond-Filmen wolle der britische Schauspieler die Rolle des Superagenten an den Nagel hängen, berichtete die Londoner Zeitung Daily Mail am Donnerstag. Das Filmstudio MGM habe ihn mit einer enormen Gage von rund 88 Millionen Euro für zwei weitere Bond-Filme ködern wollen – doch Craig habe endgültig abgesagt. Daniel hat schlicht und einfach genug, zitierte das Blatt eine ungenannte Quelle. Sie haben ihm einen Haufen Geld angeboten, aber er wollte es nicht. Der Superagentendarsteller hatte bereits seit längerem eine Art Amtsmüdigkeit erkennen lassen. Im vergangenen Jahr scherzte er öffentlich, er werde sich eher die Pulsadern aufschneiden, als noch einmal in die Rolle des James Bond zu schlüpfen. Seine Produzenten hatten aber gehofft, den erfolgreichen Darsteller noch umstimmen zu können. Bei britischen Buchmachern werden bereits Wetten abgeschlossen, wer den nächsten James Bond verkörpern könnte. In Führung liegt in den Wetten der 35-jährige Tom Hiddleston. Dass Hiddleston in der vergangenen Woche mit dem Regisseur und der Ko-Produzentin der letzten Bond-Streifen gesehen wurde, gab den Gerüchten weiteren Auftrieb. Liste wurde von der European Film Academy initiiert. Wien – Seinen berühmtesten Auftritt hat das Wiener Riesenrad beim Höhepunkt des Filmklassikers Der Dritte Mann. Nun wurde das österreichische Wahrzeichen als sechster Ort in die Liste der Schätze der europäischen Filmkultur der European Film Academy (EFA) aufgenommen. Am 9. Juni wird ein entsprechendes Emblem am Riesenrad enthüllt, teilte die Akademie des Österreichischen Films am Dienstag mit. Mit der Liste Treasures of European film culture zeichnet die in Berlin ansässige EFA seit Anfang 2015 Orte mit symbolischer Bedeutung für das europäische Kino aus, die auch für die Nachfolgegenerationen bewahrt und geschützt werden müssen. Zuvor wurden das Bergmancenter auf Faro, das Eisenstein-Zentrum in Moskau, das Institut Lumiere in Lyon, das Museum Il Mondo di Tonino Guerra in Pennabilli sowie die Potemkinsche Treppe in Odessa in die Filmkultur-Liste aufgenommen. Stephan Richters österreichischer Festivalbeitrag "Einer von uns" geht im "New Directors"-Wettbewerb leer aus. San Sebastian – Das isländische Sozialdrama Sparrows von Runar Runarsson ist am Samstagabend auf dem 63. Internationalen Filmfestival von San Sebastian mit der Goldenen Muschel als bester Festivalbeitrag ausgezeichnet worden. Der Österreicher Stephan Richter ging mit Einer von uns im New Directors-Wettbewerb leer aus. In auffällig vielen Filmen standen in diesem Jahr Jugendliche im Zentrum der Geschichten, die versuchen, ihren Platz in einer aus den Fugen geratenen Welt zu finden. Runarsson gelang es jedoch zweifellos am eindrucksvollsten. Langsam, ruhig, aber gleichzeitig schonungslos erzählt Runarsson die Geschichte vom 16-Jährigen Ari. Seine Eltern sind geschieden. Als sich seine Mutter mit ihrem neuen Freund auf eine lange Afrikareise begibt, schickt sie Ari aus der Hauptstadt Reykjavik zu seinem Vater in einem entlegenen Dorf an der Westküste Islands. Der Teenager taucht aus seiner urbanen, heilen Umgebung plötzlich in eine dörfliche, trostlose Welt mit einem alkoholkranken Vater, Drogen und Gewalt zwischen Jugendlichen ein. Im New Directors-Wettbewerb setzte sich der französische Regisseur Rudi Rosenberg mit seinem Teenager-Problemfilm Le Nouveau (The new kids) zurecht gegen Stephan Richters österreichischen Festivalbeitrag Einer von uns durch. Das Regiedebüt des in Wien lebenden Dresdners feierte in San Sebastian seine Weltpremiere und läuft am 20. November in den österreichischen Kinos an. Der Streifen basiert auf der wahren Geschichte des 14-jährigen Teenagers Florian P., der 2009 bei einem nächtlichen Einbruch in einen Supermarkt im Kremser Vorort Lerchenfeld in Niederösterreich von einem Polizisten von hinten erschossen wurde. In dem Film geht es um die Art und Weise, wie eine Gesellschaft mit ihren Kindern umgeht. Sie sagt sehr viel über den Zustand dieser Gesellschaft aus und wenn Kinder erschossen werden, ist irgendetwas kaputt in dieser Gesellschaft, erklärte Stephan Richter am Rande des Festivals im APA-Gespräch. Auch der in Kanada lebende österreichische Regisseur Hans Christian Berger war mit seinem ersten Langspielfilm After Eden im Rennen des mit 50.000 Euro dotierten New Directors-Wettbewerb. Unterdessen ging die Auszeichnung für die beste Regie an den belgischen Filmemacher Joachim Lafosse für seinen Streifen Les Chevaliers blancs, der die mitreißende Geschichte einer NGO erzählt, die versucht, 300 Waisenkindern aus den Bürgerkriegswirren des Tschad zu retten. Wenn jemand am Samstagabend auf dem Festival jedoch eine Auszeichnung verdiente, dann waren es der Argentinier Ricardo Darin und der Spanier Javier Camara für ihre grandiose Leistung in der herzzerreißenden Tragikomödie Truman des Spaniers Cesc Gay. Die beiden Ausnahmeschauspieler erhielten zurecht gemeinsam die Silberne Muschel für die beste männliche Darstellung. Virtuos wechselten sie in dem Sterbe-Drama zwischen tiefer Trauer, glänzendem Humor, Verzweiflung, Sarkasmus und Sentimentalität, in einer einfühlsamen Geschichte von Freundschaft, dem Sinn des Lebens und dem Sterben. Unterdessen ging der Preis für die beste weibliche Darstellerin an die kubanische Schauspielerin Yordanka Ariosa für ihre beeindruckende Leistung in dem harten Sozialdrama The King of Havana. Die Auszeichnung für das beste Drehbuch wurde in der nordspanischen Küstenstadt an die französischen Filmemacher Jean-Marie und Arnaud Larrieu für 21 nuits avec Pattie vergeben. Manu Dacosse erhielt den Fotografie-Preis für den französischen Festivalbeitrag Evolution von Lucile Hadzihalilovic, der zudem mit dem diesjährigen Jury-Preis ausgezeichnet wurde. Bereits am Freitagabend wurde die britische Schauspielerin Emily Watson in San Sebastian mit dem Festival-Sonderpreis Premio Donostia für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Hollywood-Star Julianne Moore, die eigentlich für den zweiten Premio Donostia vorgesehen war und mit Peter Solletts Sterbedrama Freeheld im offiziellen Wettbewerb vertreten war, konnte wegen Dreharbeiten nicht nach San Sebastian reisen. Auch Harry Potter-Star Emma Watson und Ethan Hawke kamen aus Termingründen nicht zur Weltpremiere von Alejandro Amenabars Psycho-Thriller Regression, der am 18. September das Festival eröffnete. Dennoch begeisterten Stars wie Sienna Miller, Ellen Page, Benicio del Toro, Emily Blunt oder Tim Roth auf dem den roten Teppich am Golf von Biskaya. San Sebastian gehört neben Berlin, Cannes und Venedig zu den großen europäischen Filmfestivals. Bis 6. März gibt es in Wien wieder Animationsfilme von Frauen zu sehen. Spätestens seit in South Park: Der Film die USA ihrem nördlichen Nachbarn den Krieg erklärten, weiß man, dass zumindest im Animationsfilm Kanada die Schuld für wirklich alles zugeschoben werden kann. So auch für das Programm des Tricky-Women-Festivals, das bis 6. März einmal mehr Animationsfilme von Frauen zeigt und dabei heuer ganz im Zeichen des Ahornblatts steht. Nicht ohne Grund, eröffnete das National Film Board of Canada 1974 immerhin das weltweit erste Studio für weibliche Filmemacher. Auch wenn es 1996 schließen musste, ist sein Einfluss bis heute spürbar. Im Wiener Metrokino sind nun sowohl kanadische Arbeiten aus den 1970er- und 1980er-Jahren wie auch der Gegenwart zu entdecken. Die Inspirationen des Bilderbogens reichen dabei von Charlotte Perkins Gilmans Kurzgeschichte Die gelbe Tapete bis zu japanischer Tentakelerotik. Ein eigener Programmpunkt ist der Pionierin Evelyn Lambart (1914-1999) gewidmet und zeigt sowohl Experimentelles wie auch die für ihre späteren Jahre typischen, mit Papierfiguren nacherzählten Fabeln. Doch auch außerhalb der Holzfällernation spielt es sich ordentlich ab. Neben buntgemischten Wettbewerbsblöcken und den Werken österreichischer Filmemacherinnen wartet das Festival unter anderem mit Schwerpunkten zu den Themen Arbeit oder Sex auf. Nur Langfilme stehen dieses Jahr keine auf dem Programm. Bestechend ist dafür einmal mehr die technische Vielfalt, die sich hinter dem Schlagwort Animationsfilm verbirgt. Da basteln Ines Christine und Kirsten Carina Geisser für Lucky aus naiven Zeichnungen einen psychedelischen Pferdealbtraum, während Nina Gantz in dem Stop-Motion-Puppenfilm Edmond zeigt, wie ihr von einem makabren Verlangen getriebene Held gleich mehrfach vor Scham versinkt. Betina Kuntzsch wiederum kombiniert in Wegzaubern Laterna-magica-Filme mit Textfragmenten aus Biografien der Künstlerinnen der Prinzhorn-Sammlung. In jedem Fall entstehen Bilder, die lange nachwirken. (1.3.2016) 'In Mexiko treten Filmemacherinnen mit provokativen Mitteln gegen gesellschaftliche Gewalt an. Das Frauenfilmfestival in Dortmund/Köln widmete ihnen einen Schwerpunkt. Die dramatische Lage in Nahost oder zuletzt auf dem Balkan hat die Aufmerksamkeit der letzten Monate von weiter westlich gelegenen Konfliktzonen für die Menschenrechte abgelenkt. Das änderte sich dieser Tage kurz, als die unabhängige interamerikanische Menschenrechts-Kommission GIEI in Mexiko unter Protest die Beendigung ihrer Untersuchung der Verbrechen an den verschwundenen Studenten von Ayotzinapa vor der endgültigen Aufklärung bekanntgab. In ihrem Abschlussbericht beklagt sie massive Behinderungen durch die Behörden, nachdem die Ermittlungen der Kommission entgegen der offiziellen Version die Beteiligung staatlicher Institutionen an den Taten festgestellt hatten. Der vorzeitige Rückzug ist ein schwerer Schlag für die Angehörgen und Unterstützer der Opfer vom 26. September 2014, aber auch für die der anderen über 70.000 Menschen, die unter ähnlichen Umständen in Mexiko verschwunden worden sind. Fast parallel kam gerade in Köln eine Gruppe mexikanischer Filmregisseurinnen und Produzentinnen auf einem Podium zusammen, um im Rahmen eines von Sonja Hofmann kuratierten Mexiko-Specials des Internationalen Frauenfilmfestivals Dortmund Köln die Bedeutung dieser strukturellen Gewalt für ihre Arbeit zu erörtern. Dabei waren sie sich einig, dass die eigene Betroffenheit wesentliches Movens für ihre oft riskante Filmarbeit sei, auch wenn bisher keine Filmemacher gezielt Opfer wurden. Individuell als eine Therapie durch Provokation Helmut-Berger-Doku läuft in einer Nebenschiene. Venedig – Die Konkurrenz unter Filmfestivals wächst. Unser Anliegen ist es, unserer Linie treu zu bleiben und ein breites Angebot an Werken aus allen Teilen der Welt zu zeigen, sagte Biennale-Präsident Paolo Baratta bei der Präsentation der Filme des 72. Festivals von Venedig (2.-12. 9.) am Mittwoch. Ein Verweis auf den Verteilungskampf mit New York, Telluride und vor allem Toronto, das schon tags zuvor sein Programm vorgestellt hatte. Zu den mit Spannung erwarteten Wettbewerbsfilmen gehören Beast of a Nation, ein Kindersoldatendrama von Cary Fukunuga (True Detective) und Charlie Kaufmans erster Animationsfilm Anomalisa (mit Duke Johnson). Die Musikerin und Künstlerin Laurie Anderson präsentiert ihr Spielfilmdebüt Heart of Dog, Oscar-Preisträger Eddie Redmayne ist in The Danish Girl als Transsexueller zu erleben, Tilda Swinton spielt in Luca Guadagninos Thriller A Bigger Splash neben Ralph Fiennes. Wichtige Autorenfilmer wie der Russe Alexander Sokurov (Francofonia), der Pole Jerzy Skolimowski (11 Minutes) und der Italiener Marco Bellocchio (Sangue del mio sangue) ergänzen das international breitgefächerte Aufgebot. Österreich ist mit Andreas Horvaths Dokumentarfilm über Schauspielerdiva Helmut Berger, Helmut Berger, Actor, in einer Nebenschiene vertreten. Außer Konkurrenz werden auch Frederick Wisemans Dokumentarfilm In Jackson Heights über den multikulturellen Stadtteil von Queens sowie Sergej Loznitsas St.-Petersburg-Film Sobytie (The Event) gezeigt. Martin Scorsese präsentiert seinen Kurzfilm The Audition, Johnny Depp kommt als kaum wiedererkennbarer Gangster in Black Mass. Eröffnet wird das Festival am 2. September mit dem Bergdrama Everest. 'Bei den Internationalen Filmfestspielen von Venedig sind manche US-Produktionen nur außer Konkurrenz zu sehen: "Spotlight" von Thomas McCarthy erzählt etwa von den investigativen Journalisten des "Boston Globe" und einem Skandal in der katholischen Kirche. Im Programm von Venedig sitzen die Kinofilme entspannt wie die letzten Saisongäste am Strand beisammen. Doch die Gemeinsamkeit trügt, am Ende des Tages werden sich viele davon in einer anderen Öffentlichkeit bewähren müssen. Cary Fukunagas Beasts of No Nation, der sich das Drama eines afrikanischen Kindersoldaten reichlich naiv als blutiges Abenteuerspiel ausmalt, wird im Herbst bei Netflix ausgestrahlt. Der neue Film des Russen Alexander Sokurow, Francofonia, sieht hingegen nur so aus, als wäre er für das Arte-Spätabendprogramm inszeniert: Der Essay um den Louvre und das Schicksal von Kunstschätzen in historisch bewegten Zeiten bleibt trotz übereinandergestapelter Bildschichten visuell unbeweglich. Schließlich sind da noch die US-Filme, die am ersten Wochenende den größten Wirbel bereiten. Angeführt von Stars kommen sie auf den Lido, um nächste Woche weiter zum Festival in Toronto zu ziehen. An dieser Kick-off-Logik liegt es auch, dass einige von ihnen hier nur außer Konkurrenz zu sehen sind. Der kompakteste davon ist Thomas McCarthys Spotlight. Es geht um jene aufsehenerregenden Fälle von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche, die Anfang 2000 durch die Tageszeitung Boston Globe aufgedeckt wurden. McCarthys kluges Drehbuch ist vollkommen auf die journalistische Recherche konzentriert – Spotlight ist der Name der berühmten investigativen Abteilung der Zeitung. Unweigerlich denkt man bei diesem Film an Genreklassiker wie den Watergate-Film All the Presidents Men. Doch die Spannung entsteht hier dadurch, dass der Fall offen daliegt, ihn aber lange niemand aufzugreifen wagte. Die Journalisten attackieren im Grunde das verlogene Selbstverständnis einer Stadt, in der die Macht der Kirche bis in Institutionen hineinreicht. Quellen wurden vertuscht, mögliche Zeugen mit Zahlungen zum Schweigen gebracht. McCarthy widersteht der Versuchung, daraus ein eindimensionales Heldenepos zu zimmern. Stattdessen setzt er auf klassisches Erzählkino, das parallelen Linien folgt, die in einem engagierten Team zusammenlaufen. Das großartige Cast verleiht den Figuren bis in Nebenrollen hinein individuelle Töne: Liev Schreiber ist der erste jüdische Chefredakteur des Globe, der sich gegen die katholische Nomenklatura stellt; Michael Keaton der gewiefte Leiter des Investigativteams; Mark Ruffallo ein rasender Reporter, der auf der Straße den nötigen Nachdruck erzeugt. Der Boston Globe hat auch in Black Mass einen kurzen rühmlichen Auftritt: US-Regisseur Scott Cooper erzählt vom irischstämmigen Mobster Whitey Bulger, der seine Karriere in Boston der versteckten Zusammenarbeit mit dem FBI verdankt. Das dünne Haar nach hinten gekämmt, die Augenfarbe verwaschen blau, die Stimme rau, bedrohlich, überrascht Johnny Depp hier mit der Darstellung eines eiskalten Kriminellen. Es dauert jedoch ein wenig, bis man sich an die Maske gewöhnt; bis die Gewalt dahinter richtig zum Vorschein kommt. Die faszinierendere Auseinandersetzung mit Machismo ist dem Brasilianer Gabriel Mascaro mit Neon Bull geglückt. Der Film führt ins Feld der Vaquejada, einer brachialen brasilianischen Rodeoform, bei der zwei Reiter einen Stier zu Fall bringen müssen. Die Breitwandbilder von Kameramann Diego Garcia, der zuletzt auch Cemetery of Splendor von Apichatpong Weerasethakul fotografiert hat, bleiben bewusst auf Distanz zu dem hormongesättigten Milieu, betonen dabei jedoch umso mehr die sinnlichen Seiten dieser Welt aus Schweiß, Gewalt und Sexualität. Widersprüche entstehen zwischen dem archaischen Dasein und moderneren Sehnsüchten der Figuren: So träumt der zentrale Cowboy (Juliano Cazarre) eigentlich davon, einmal Modeschöpfer zu sein.' Desde alla von Lorenzo Vigas erzählt von sexuell aufgeladener Beziehung zwischen zwei Männern – Fabrice Luchini als bester Schauspieler geehrt. Venedig/Wien – Die 72. Internationalen Filmfestspiele von Venedig endeten mit großen Erfolgen für das lateinamerikanische Kino: Der Debütfilm Desde alla (From Afar) von Regisseur Lorenzo Vigas aus Venezuela erhielt den Goldenen Löwen. Als bester Regisseur wurde der Argentinier Pablo Trapero für sein Gangsterfamiliendrama El Clan ausgezeichnet. Desde alla galt nicht unbedingt als einer der Favoriten des Festivals. Der in Breitwandbildern inszenierte Film erzählt von einem reiferen Mann aus dem bürgerlichen Milieu, der einen jungen Mechaniker zunächst für sexuelle Dienste zu sich nach Hause nimmt – allmählich entwickelt sich zwischen den beiden eine konfliktreiche Beziehung. Vigas dient das reduzierte Drama dazu, sich nicht nur mit Klassenunterschieden seines Landes zu befassen, sondern auch mit machistischen Männlichkeitsbildern und der Last der Vergangenheit. Es ist das erste Mal, dass der Goldene Löwe nach Venezuela geht. Den großen Kritikerfavoriten Anomalisa, einen Stop-Motion-Animationsfilm von Charlie Kaufman und Duke Johnson, würdigte die vom Mexikaner Alfonso Cuarón (Gravity) geleitete Jury am Samstagabend mit dem Großen Preis der Jury. In einem absurd-melancholischen Tonfall begleitet der Film einen Geschäftsmann auf Dienstreise nach Cincinnati, wo er in einem Hotel auf eine Frau trifft, die ihm die Gleichförmigkeit seines Daseins erst so richtig bewusst werden lässt. Der Türke Emin Alper wurde für sein traumartig verschlungene Parabel Abluka (Frenzy) mit dem Spezialpreis der Jury geehrt. Alpers Arbeit folgt einem Mann, der aus dem Gefängnis kommt, in ein gegenwärtiges Istanbul, in dem sich sonderbare, teils bürgerkriegsähnliche Vorkommnisse häufen. Gleich zwei Auszeichnungen gab es für den französischen Beitrag Lhermine: Regisseur Christian Vincent gewann für das beste Drehbuch, Fabrice Luchini als bester Darsteller. Der 63-jährige Lucchini spielt in der romantischen Komödie einen Richter, der unter Grippesymptomen laboriert und sich bei seinem jüngsten Fall in eine Frau aus seiner Laienjury verschaut. Als beste Schauspielerin wurde die Italienerin Valeria Golino (49) für Per amor vostro von Giuseppe M. Gaudino ausgezeichnet. Der einzige österreichische Beitrag, Helmut Berger, Actor, lief in der Nebenschiene Venezia Classici. Für den Helmut-Berger-Dokumentarfilm, der am Mittwoch Uraufführung gefeiert hatte, hatte der Salzburger Filmemacher Andreas Horvath den Visconti-Schauspielstar (Ludwig II., Die Verdammten) zwei Jahre lang hinweg immer wieder begleitet. Erstmals Australier an der Spitze des Filmfestivals. Paris – Der australische Regisseur George Miller wird die Jury beim diesjährigen Filmfestival von Cannes leiten. Das gaben die Organisatoren des am 11. Mai beginnenden Festivals am Dienstag bekannt. Der 70-Jährige, der auch als Drehbuchautor und Produzent arbeitet, ist der erste Australier, der die Jury der renommierten Filmfestspiele im südfranzösischen Cannes leitet. Miller zeigte sich zutiefst erfreut über seine Ernennung: Was für eine große Freude! Das möchte ich um nichts in der Welt verpassen, erklärte er. Neben der Actionfilmreihe Mad Max war Miller noch für so unterschiedliche Werke wie beispielsweise Die Hexen von Eastwick oder den Animationsstreifen Happy Feet verantwortlich, für den er einen Oscar bekam. Als Jurypräsident folgt Miller den Brüdern Joel und Ethan Coen, die der Cannes-Jury im vergangenen Jahr vorsaßen. In den Jahren zuvor hatten unter anderem Steven Spielberg, Robert De Niro, Tim Burton, Isabelle Huppert und Sean Penn die Jury geleitet. Mit "Loving" gelingt US-Regisseur Jeff Nichols ein elegisches Liebesdrama um ein gemischtrassiges Paar. Jim Jarmuschs filmische Alltagspoesie "Paterson" überzeugt nur in Maßen. Die ersten paar Bilder eines Films setzen den Ton. Das ist eine dieser ungenauen Regeln, auf die man sich bei einem Filmfestival gerne verlässt. In Loving von Jeff Nichols funktioniert es. Man sieht die dunkelhäutige Mildred (Ruth Negga) in Großaufnahme, ein stiller, gespannter Moment bei Dunkelheit. Es vergehen ein paar Sekunden, bis sie spricht. Ich bin schwanger. Mehr nicht. Gegenschuss auf den Mann. Er ist weiß, besonders weiß, möchte man sagen. Joel Edgerton hat sich für die Rolle die Haare blond gefärbt. Ganz langsam formt sich auf seinem Gesicht der Ausdruck der Freude. Das ist gut. Loving ist der Nachname dieses Paares. Um zu heiraten, müssen sie in den benachbarten Bundesstaat aufbrechen. Daheim in Virginia ist es verboten. Der Film erzählt eine wahre Geschichte. Die Lovings wurden in den späten 1950er-Jahren für ihre Ehe verurteilt. Um dem Gefängnis zu entgehen, mussten sie Virginia verlassen. Erst ein Jahrzehnt später, im Zuge der Bürgerrechtsbewegung, greifen Anwälte die Angelegenheit dann wieder auf. Vor dem Obersten Gerichtshof wird die Diskriminierung des Paares zum Präzedenzfall. US-Regisseur Jeff Nichols hat schon mehrmals bewiesen, wie gut er sich auf den Geist von Südstaatendramen versteht. In Loving unterläuft er Erwartungen, indem er die Intimität der ersten Einstellung beibehält. Statt auf Pathos und erhobenen Zeigefinger setzt er auf die Überzeugungskraft eines nuancenreichen Films, der sich vor allem auf das innere Drama einer Familie konzentriert. Edgerton spielt den ehrlichen Working-Class-Kerl, der eigentlich wie ein Redneck-Fiesling aussieht, in einer besonders stimmigen Balance aus Tumbheit und Einfühlsamkeit, Negga die kämpferische Person der beiden, die sich etwas mehr in der Öffentlichkeit exponiert. Aus dem durch das Exil beeinträchtigte Familienleben schmiedet der Film das triftigste Argument gegen die Verweigerung der Bürgerrechte. Nichols Inszenierung ist so klassizistisch wie die eines Clint Eastwood gehalten. Elegant und detailschön ist es, wie er Ausstattung, Lichtsetzung und kräftige Farben in den Dienst eines Dramas stellt, das zugleich elegisch wie auch außerordentlich expressiv zu leuchten versteht. Das Kino des US-Independent-Veteranen Jim Jarmusch ist dieser Tonart diametral entgegengesetzt: cool, fragmentarisch, lakonisch. Auch in Paterson gibt es ein Liebespaar, das innig zusammenhält. Er (Adam Driver) heißt so wie die Stadt, durch die er als Busfahrer kurvt. In seinen Pausen schreibt er Gedichte in ein Notizbuch, deren Lob der kleinen Dinge im Geiste von William Carlos Williams verfasst ist. Sie (Golshifteh Farahani) nutzt ihre Kreativität dazu, das Eigenheim ständig um Schwarz-Weiß-Muster zu erweitern. Als ironisch-liebevolle Ode an Menschen, die sich einer Kunst hingeben, die ihnen selbst genügt, ist Paterson wohl angelegt. Er will im Alltäglichen das Besondere, die Epiphanie betonen. Das gelingt in den Stadtszenen, in einer kleinen Bar oder im Bus, noch am überzeugendsten. Doch vieles andere wirkt zu gesetzt und zu forciert. In der Darstellung des Paares (mit grimmiger Bulldogge) lässt es Jarmusch selbst an Esprit vermissen. An Maren Ades hinreißendes Vater-Tochter-Duell Toni Erdmann, das in Cannes noch das ganze Pfingstwochenende nachstrahlte, konnten letztlich beide Filme nicht heranreichen.(Dominik Kamalzadeh, 16.5.2016) Elisabeth Scharangs Unterweger-Interpretation feiert Weltpremiere. Bern/Locarno/Wien –18 Werke konkurrieren heuer im Wettbewerb des Filmfestivals Locarno vom 5. bis 15. August um den Goldenen Leoparden. Eröffnet wird das Festival mit Ricki and the Flash auf der Piazza Grande. Im Familiendrama von Jonathan Demme (Das Schweigen der Lämmer) verkörpert Meryl Streep eine Bandleaderin fortgeschrittenen Alters, die sich nach Jahrzehnten auf Tour von ihren Kindern entfremdet hat und die Versöhnung sucht. Die belgische Regisseurin Chantal Akerman steht im Concorso internazionale, dem Hauptwettbewerb, u.a. dem Briten Ben Rivers (The sky trembles and the earth is afraid and the two eyes are not brothers), dem US-Amerikaner Rick Alverson (Entertainment) und der Griechin Athina Rachel Tsangari (Chevalier) gegenüber. Zur Jury gehören neben dem israelischen Regisseur Nadav Lapid, der mexikanischen Festivalleiterin Daniela Michel und der südkoreanischen Schauspielerin Moon So-ri auch der in Hollywood lebende deutsche Schauspieler Udo Kier (Altes Geld) und der US-amerikanische Regisseur Jerry Schatzberg (Asphalt-Blüten). Edward Norton (Birdman), der zum Auftakt den Excellence Award Moet & Chandon entgegen nehmen wird, ist einer von vielen bekannten Namen, die auch heuer für Glanz in der Schweiz sorgen sollen. Unter den prominenten Gästen, die mit Ehren-Leoparden ausgezeichnet werden, sind auch die französische Diva Bulle Ogier (Der diskrete Charme der Bourgeoisie), Hollywood-Schauspieler Andy Garcia (Oceans Eleven) sowie die US-Regisseur-Legende Michael Cimino (The Deer Hunter). Die große Retrospektive widmet das Festival dieses Jahr dem US-Regisseur Sam Peckinpah (1925-1984). Österreichische Filme sind bei der 68. Ausgabe kaum vertreten, mit der Weltpremiere von Jack aber u.a. auf der Piazza Grande präsent: Elisabeth Scharangs Annäherung an Jack Unterweger wird am 8. August als Mitternachtsscreening im Anschluss an die US-Komödie Trainwreck gezeigt. Jack (Kinostart: 18.9.) ist einer von drei österreichischen Filmen im Festivalprogramm. So läuft die österreichisch-portugiesische Koproduktion O que resta von Jola Wieczorek im Kurzfilmwettbewerb, der Dokumentarfilm Lampedusa in Winter von Jakob Brossmann ist in der 26. Auflage der unabhängigen Sektion Semaine de la Critique vertreten. Retrospektive zum Tier im Film im Filmmuseum – Hurch-Nachfolge wird 2017 ausgeschrieben. Wien – Die heurige Viennale, die am 22. Oktober in ihre 53. Ausgabe startet, wird tierisch – was den thematischen Schwerpunkt anbelangt. So ist die Retrospektive den Tieren im Film gewidmet. Als Hollywoodstargast ist Hitchcocks Star Tippi Hedren (Die Vögel) anlässlich ihrer Hommage geladen. Und auch das heurige Sujet verweist auf die Fauna – ziert doch ein fossiler Krokodilschädel die Plakate. Hedren, die heute engagierte Tierschützerin ist, wird also zu einer Gala nach Wien kommen, kündigte Viennale-Direktor Hans Hurch am Freitag bei einem ersten Programmausblick an. Als weiterer möglicher Stargast ist Winona Ryder im Gespräch, die mit dem Film Experimenter von Michael Almereyda vertreten ist. Neben Hedren ist auch dem argentinischen Regisseur Raoul Perrone ein Tribute gewidmet. Und schließlich wird auch der heuer mit 106 Jahren verstorbene Manoel de Oliveira gewürdigt, wenn sein portugiesischer Kollege Pedro Costa eine persönliche Auswahl an Werken präsentiert. Einen Ausblick gibt es auf das Werk des jungen uruguayischen Filmemachers Federico Veiroj, dem Hurch eine große Karriere prognostiziert. Die Tierretrospektive Animals – Eine kleine Zoologie des Kinos im Filmmuseum versammelt Werke der Filmgeschichte von Clash Of The Wolves aus 1925 über Peter Greenaways A Zed & Two Noughts aus 1985 bis zu Lucien Castaing-Taylors und Verena Paravels Leviathan aus 2012. Die Retrospektive dauert von 16. Oktober bis 30. November und damit traditionell deutlich länger als die Viennale selbst, die von 22. Oktober bis 5. November läuft. Ansonsten gelte auch für die heurige Ausgabe, dass sich Spiel- und Dokumentarfilme in etwa die Waage hielten, unterstrich Hurch. Er gehe dabei nicht mit einem konkreten roten Faden an die Programmierung: Dann sieht man aber doch manche Dinge, die sich aus dem großen Ganzen ergeben. So würden sich im Programm einerseits zahlreiche Filme mit der Kultur der Afroamerikaner beschäftigen, was in Zeiten der aufkeimenden Konflikte in der US-amerikanischen Gesellschaft Relevanz gewinne. Andererseits thematisiere sich das Kino wieder selbst auf der Leinwand. Das gelte etwa für den Dokumentarfilm The Thoughts That Once We Had von Tom Andersen. Daneben lässt sich eine verstärkte Präsenz des chinesischen Kinos feststellen und Woody Allens neues Werk Irrational Man entdecken. Und Valley of Love mit Gerard Depardieu und Isabelle Huppert bringt die zwei Altstars des französischen Kinos zusammen. Das österreichische Filmschaffen vertritt etwa die Vor-Ort-Reportage Lampedusa im Winter von Jakob Brossmann, während das Hybridwerk aus Spiel- und Dokumentarfilm Aus dem Nichts von Angela Summereder Weltpremiere feiert. Keine Veränderungen gibt es bei den Wirkungsstätten des Festivals: Das Gartenbaukino bleibt Hauptspielort, der vom Stadtkino im Künstlerhaus und der Urania flankiert wird. Hinzu kommen das Filmmuseum als Kooperationspartner bei der Retrospektive und das sanierte Metro-Kinokulturhaus, dessen offizieller Start nun schon Monate überfällig ist. Das Metrokino wird Anfang Oktober endgültig eröffnet, zeigte sich Hurch jedoch zuversichtlich. Es habe vielleicht auch etwas an seinem Druck im Vorjahr gelegen, dass hier zu früh Erwartungen geweckt wurden, da man angesichts der Schließung des Stadtkinos am Schwarzenbergplatz eine Spielstätte benötigt habe: Ich habe damals den Leiter des Metrokinos sehr gedrängt, das Kino halb-provisorisch zu eröffnen zu einem Zeitpunkt, an dem es eigentlich noch nicht zu eröffnen gewesen wäre. Nun sei die Anlage aber fertig renoviert worden und werde in der ersten Oktoberwoche mit einer Ausstellung zum frühen Kino eröffnet, was ein schönes Asset für die Zeit der Viennale-Bespielung darstelle. Am schönsten für ihn persönlich sei dabei, dass nach jetzigem Stand Viennale-Präsident Eric Pleskow nach drei Jahren gesundheitlicher Probleme erstmals wieder das Festival besuchen könne und den nach ihm benannten Kinosaal im Metrokino eröffnen wolle. Für ihn selbst sei mit der Verlängerung als Direktor um zwei Jahre bis Ende 2018 dann aber definitiv Schluss, unterstrich Hurch. So werde es Mitte 2017 die Ausschreibung für seine Nachfolge geben. Mit 2018 ist meine Arbeit wirklich zu Ende, so Hurch, der dem Festival seit 1997 vorsteht. Auch sei die Idee zur neuerlichen Verlängerung nicht von ihm gekommen, sondern einstimmig vom Kuratorium sowie dem Kulturamt der Stadt Wien gewünscht worden. Für die verbleibenden drei Jahre wälze er noch verschiedene Ideen. Eine davon sei etwa, für jedes Jahr eine zweite Person gewissermaßen als Paten zu finden, die an der Gestaltung mitwirke. Er denke hier etwa an den Maler Peter Doig, die Sängerin Patti Smith und den Philosophen Slavoj Zizek. Das werde sich bis 2016 zeigen. 'Miguel Gomes'' Triptychon "Arabian Nights" ist eines der wichtigsten Werke dieses Kinojahres: drei Filme über die Krise Portugals. Ein Gespräch. Ein ganzes Jahr lang hat der portugiesische Filmemacher Miguel Gomes in seiner Heimat gedreht, um die Auswirkungen des EU-Sparkurses von 2014 auf Land und Bevölkerung zu thematisieren. Das Ergebnis sind drei Filme, ein großartiges Triptychon namens Arabian Nights (As Mil e Uma Noites). Nicht in rein dokumentarischer Form, nicht als Fiktion, sondern im Stil eines vielgestaltigen Panoramas kombiniert er Geschichten von Prekarität, Ungleichgewicht, Korruption und Armut, die wiederum mit mythologischen Fabeln aus der Scheherazade in Verbindung stehen. STANDARD: Zu Beginn des ersten Teils verbinden Sie die Krise in Portugal mit jener des Filmemachers, darauf zu reagieren. Haben Sie dabei an die Tradition des Schelmenromans gedacht? Gomes: Ich wollte das Publikum gleich in die Stimmung der Scheherazade versetzen. Das ist ein Stück Volkskultur, das auch elementare Gefühle wie Zorn und Verzweiflung auszudrücken vermag. Ich wollte mit einem Big Bang beginnen, so, als wäre der Zustand in Portugal während des Krisenjahres 2014 der Anfang aller Dinge. Alles ist in Unordnung. Dann wird etwas Neues geboren, und es ist nicht gleich möglich, darauf zu reagieren. Elemente des Pikaresken sind in dieser Idee auch enthalten: Die Mächtigen zu karikieren ist auch eine Möglichkeit, über ihren Einfluss zu sprechen. STANDARD: Der Film öffnet sich ständig für neue Erzählungen, manche davon sind dokumentarisch, andere fiktional überhöht. Schon am Anfang gibt es eigentlich drei Erzählstränge, nicht wahr? Gomes: Ja, drei widerstreitende Stimmen: den Regisseur, der seine Arbeit nicht leisten kann, weil es ihm zu schwierig erscheint; Leute, die arbeiten wollen, es aber nicht können, weil sie entlassen wurden und keinen Job mehr finden. Und dann gibt es noch diesen Mann, der seine Arbeit wie Arnold Schwarzenegger vollzieht. Ein Terminator, der Wespen tötet. Er macht seinen Job, ohne Fragen zu stellen. Ich habe versucht, mit diesen Zugängen die Zusammenhänge zwischen imaginären und sozialen Seiten der Krise zu veranschaulichen. STANDARD: Weil Sie vorhin Big Bang sagten: Ich hatte den Eindruck, einem Organismus beim Wachsen zuzusehen. Ist das auch eine Reaktion darauf, dass alle Formen, mit denen man über die Krise erzählen könnte, aufgebraucht sind? Gomes: Wir verspürten das Bedürfnis, den Film selbst zu verwandeln, um die Perspektiven zu erweitern. Der Film wächst, wie Sie sagen, er mutiert und verwandelt seine Formen und Stimmungen. Es gibt eben nicht nur eine Sichtweise auf das alles, man muss so viele Charaktere wie möglich einbringen und eine formale Vielfalt garantieren. Erst wenn man unterschiedliche Zugänge gefunden hat, wird man der Komplexität einer solchen Krisensituation gerecht. Auf der anderen Seite haben wir mit der Scheherazade noch eine andere Anforderung gegenüber dem Zuschauer: Diese könnte lauten, dass alles auch ganz anders hätte verlaufen können. Wir müssen uns nicht für eine Variante entscheiden. Im Kino gibt es nicht den einen richtigen Weg, nur viele falsche. STANDARD: Ein Beispiel: Die Geschichte von Dixie, dem Hund, der zu mehreren Figuren führt. Zunächst in ein Apartment, in dem sich ein Paar umgebracht hat. Wie entstand diese Sequenz? Gomes: Wir haben mit der Geschichte des Paares begonnen. Die Entscheidung, in jenem Gebäude zu drehen, in dem sich das zugetragen hat, war schwierig. Wir haben uns lange damit aufgehalten, ob das ethisch überhaupt vertretbar ist. Für mich war es enorm wichtig, aufgrund des Ortes hatte ich das Gefühl, dass die Episode in den Film gehört. Wir haben Menschen aus dem Wohnbau gebeten, uns zu erzählen, was sich alles ereignet hat. Sie haben nicht nur über das Paar, sondern auch über sich selbst und das Haus gesprochen. Das hat die ursprüngliche, morbide Idee verändert. STANDARD: Ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Perspektiven verschieben, wie Absurdes neben Melancholischem steht, ist hier die Musik. Wie kamen Sie auf den Song von Lionel Richie? Gomes: Die Musik aus den 80ern, von Lionel Richie und Rod Stewart, hat mit dem verstorbenen Paar zu tun – es was sehr an Musik interessiert. Wir hatten den Eindruck, dass die beiden in den 1980ern viel glücklicher waren als zuletzt. Die Musik sagt etwas über ihre Traurigkeit aus, sie schafft eine Resonanz für das, was möglicherweise in dem Leben des Paares gefehlt hat – und es zu diesem letzten Schritt veranlasst hat. Ich finde aber generell, dass in einem Film mit sechs Stunden Länge viel Raum für Musik bleiben sollte. STANDARD: Im dritten Teil gibt es dann diese Männer, die sich für Vogelgesänge begeistern. Eine alternative Geschichte zur Krise? Gomes: Ich hatte immer mehr das Gefühl, dass wir mit dem Film zur proletarischen Klasse zurückkehren. Die Männer aus dem dritten Teil wurden in slumähnlichen Gebieten geboren, ihr Leben ist nicht sehr angenehm. Ich hatte aber den Eindruck, dass niemand im Kino auf diese Menschen eingeht und zeigt, wie sie Dinge vollbringen, die man von ihnen nicht erwarten würde. Nach all den Geschichten, die fast schon zu tragisch erscheinen, wollte ich Leute zeigen, die etwas Unerwartetes tun. Sie haben keinen Job, sie planen keine Revolution. Sie sind nur an den Vögeln und ihrem Gesang interessiert. Das bewegt mich, weil es über den Wandel der portugiesischen Gesellschaft erzählt. STANDARD: Sie erscheinen nicht mehr nur als Opfer der Krise – wie in anderen Darstellungen. Gomes: Genau, man benützt diese Figuren viel zu oft als Beispiele oder Symbole für etwas, das erzählerisch sehr vorhersehbar ist. Oft sind das Filme für ein bourgeoises Publikum, das sich besser fühlen soll, wenn es diese Geschichten über arme Leute sieht. Die Dinge sind komplizierter.' In "Der Nachtmahr" erschafft der Filmemacher und Künstler Akiz ein unheimliches Wesen, das eine junge Frau heimsucht. Ein Gespräch über digitale Geburten, ikonografische Bilder und den neuen Schrecken. Wofür dieses Wesen steht, das eines Nachts auftaucht und zum ständigen Begleiter der 16-jährigen Tina (Carolyn Genzkow) wird, ist nicht klar. Doch die junge Frau wird den Nachtalb nicht mehr los – bis sie beginnt, die hässliche Kreatur zu akzeptieren. Der Nachtmahr ist der erste Teil des filmischen Triptychons Geburt – Liebe – Tod des deutschen Künstlers Akiz. Ein Film, der davon erzählt, dass es am schwierigsten sein kann, sich selbst zu lieben. STANDARD: Ihr Film beginnt mit einer Urszene. Man sieht eine junge Frau mit ihrem Mobiltelefon spielen und das Foto ihrer Freundin Tina, der Hauptfigur, zu manipulieren, als das Wesen plötzlich am Display auftaucht. Tina und das Wesen erleben eine Verschmelzung. Ist diese Metamorphose eine Art von Geburt? Akiz: Es ist eine Geburt, weil man den Nachtmahr hier zum ersten Mal sieht, und das fötushafte Aussehen des Wesens legt eine sol- che Interpretation auch nahe. Aber ich würde nicht sagen, dass es im Film prinzipiell um Geburt geht, obwohl das Motiv immer wieder aufgegriffen wird. Zum Beispiel wenn Kim Gordon als Lehrerin über William Blake und die Geburt des Schattens spricht. Aber ich wollte keinen Film drehen, der sich von selbst erklärt, denn gerade das ist ja das Verstörende. Wenn ich mir selbst einen Film ansehe oder ein Gemälde, möchte ich es auch nicht interpretiert bekommen. Die Quintessenz eines Kunstwerks zu erfassen funktioniert für mich wie der Rohrschachtest. STANDARD: Es ist aber sicher kein Zufall, dass dieses erste Erscheinen in Form eines digitalen Bilds geschieht? Akiz: Die Kommunikation zwischen den Menschen ist heute digital. Ich will das nicht als gut oder schlecht beurteilen, aber es ging mir darum, dieser Lebenswelt so nahe wie möglich zu kommen. STANDARD: Der Begriff Nachtmahr steht für Albtraum, aber auch für den Nachtalb. Ihr Film spielt mit beiden Bedeutungen. Akiz: Ich dachte eher an das Wesen, das einem nachts auf der Brust sitzt. Der Mahr ist ein altes, beinahe vergessenes Wort. Der Titel ist ein wenig irreleitend, denn er suggeriert einen Horrorfilm. Doch ich denke nicht, dass man als Zuschauer bei diesem Film im Kino die ganze Zeit Angst hat. Das war nie meine Absicht. Zu Beginn wird eine gefährliche Stimmung erzeugt, die jedoch nie gesteigert wird. Es geht vielmehr darum, wie sich das Verhältnis zwischen der Frau und dem Wesen umdreht: Die Kreatur wird ein Teil von ihr. Das hat für mich weniger mit Horror zu tun als mit dem Gegenteil. STANDARD: Die zwei Seelen in einer Brust zu akzeptieren? Akiz: Der Horror und die Schönheit sind überall. STANDARD: Sie haben die Kreatur ja auch entworfen. Wie kam es dazu? Akiz: Der erste Entwurf entstand 2001. Eine Skulptur aus Steinguss, eine Mischung aus Embryo und Greis. Dann habe ich Gelenke und Kabelzüge eingebaut, eine neue Oberfläche kreiert und sogar eine Atmung – bis ich plötzlich zum ersten Mal an eine Filmszene dachte, in der die Kreatur neben einem Mädchen im Auto sitzt. STANDARD: Die Gestalt weckt Assoziationen zu Füsslis Nachtmahr-Gemälde. Akiz: Von diesem Gemälde bezieht der Film auch seinen Titel, aber das Füssli-Bild hat etwas Sexuelles, das ist bei mir nicht das Thema. Es ist ein ikonografisches Bild, so wie Che Guevara oder Mari- lyn Monroe. Aber ich habe Füssli tatsächlich erst wahrgenommen, als ich die Figur schon entworfen hatte. STANDARD: Wofür steht das Wesen? Akiz: Ich möchte meine Interpretation für mich behalten. Sie ist sehr banal, und es freut mich, wenn andere etwas für sich entdecken. Ob es das Unterbewusste ist oder eine ungewollte Schwangerschaft. Ich habe sogar gehört, dass es für Bulimie stehe oder für ein Wesen aus dem Totenreich, das eine lebende Seele zu sich holt. STANDARD: Das erinnert wiederum an das Blake-Gedicht, das die Schüler interpretieren sollen und das nur Tina aus rein persönlicher Sicht erklären kann. Akiz: Ich muss zugeben, dass ich dabei wahllos in die Gesammelten Werke gegriffen habe – und es hat wunderbar gepasst. Aber ich wollte kein Leitmotiv für den Film, mit dem man sich als Zuschauer dann die ganze Zeit beschäftigt. STANDARD: Tina ist das Kind reicher Eltern und wächst in bürgerlichen Verhältnissen auf. Welche Rolle spielt dieses Milieu, das den Hedonismus der Clique erst erlaubt? Akiz: Meine Ideen haben nur Sinn ergeben, wenn die Geschichte in genau einem solchen Milieu spielt. Es ist ein Leben, in dem sich Tag und Nacht auflösen. Tina entwickelt zunehmend ein Gefühl von Peinlichkeit, die ein fehlendes Zugehörigkeitsgefühl bewirkt. Sie hat eine Freundin, an die sie sich jedoch nicht wenden kann. Ich würde diese Freundschaften nicht als intime, menschliche Bindung bezeichnen. Das Hauptproblem sind ihre Eltern, wobei mir wichtig war, dass sie nicht als böse gezeichnet werden. Sie wollen helfen und reagieren dennoch mit purer Hilflosigkeit. STANDARD: Das Ende des Films gleicht einem Befreiungsschlag. Akiz: Ich sehe Tina als eine Kriegerin, die sich durch eine multimediale Welt kämpft. Am Ende ist es egal, was passiert – es wird nicht mehr so schlimm sein wie vorher. Sie erreicht wie bei einem Computerspiel ein neues Level. STANDARD: Es gibt im europäischen Genrekino ein neues Interesse für den Schrecken. Ist Der Nachtmahr einem gesellschaftspolitischen Klima der Eingrenzung und Aussperrung geschuldet? Akiz: Ich denke, das sind zwei verschiedene Dinge. Die Entwicklung des Genrekinos ist auch eine technische. Es sind heute mit der neuen Technik Dinge möglich, die vor ein paar Jahren noch undenkbar waren. Das hat aber noch nichts Politisches an sich. Die politische Dimension meines Films zu beurteilen, halte ich für schwierig. Ich habe in verschiedenen Teilen der Welt gelebt, sehe Gutes und Schlechtes. Meine künstlerischen Wurzeln erkenne ich am ehesten im Expressionismus der 1920er-Jahre. Da war ein radikaler Geist zu spüren, und es ging um archetypische Themen. Wenn Der Nachtmahr als europäischer Film mit neuem Geist bezeichnet wird, dann ehrt mich das. Dynamisch-humorvolle Manga-Adaption von Takashi Yamazaki. Wenn man ausziehen muss, um der eigenen Mutter den Kopf abzusäbeln, dann ist nicht mehr abzustreiten, dass sich ein paar Konstanten gründlich verschoben haben. So geschieht es im bisher beschaulichen Schülerleben Shinichi Izumis (Shota Sometani). Zu seiner Entschuldigung kann immerhin angeführt werden, dass der recht drastische Akt adoleszenter Abnabelung mit einer Invasion außerirdischer Killerparasiten in Zusammenhang steht. Kiseiju, die Geschichte Shinichis, basiert auf Hitoshi Iwaakis äußerst populären Manga, welcher auch bereits für eine Anime-Serie adaptiert wurde. Takashi Yamazaki, Regisseur japanischer Blockbuster und Spezialist für visuelle Effekte, hat daraus zwei vollgepackte Realfilme gezimmert, deren erster, bei der Viennale zu sehende Teil die Entwicklung seines Protagonisten vom Durchschnittssohn zum Mutantenschächter nachzeichnet. Der große Kampf gegen die Invasoren bleibt zwar noch ausgespart, doch Parasyte: Part 1, so der internationale Verleihtitel, kann auch alleine überzeugen. Der Auftakt kann als eine Art Body-Snatcher-Comedy beschrieben. Rätselhafte Kleintiere – Ohrwürmern nicht unähnlich – nisten sich dabei in Menschenhirnen ein, um ihre Wirte in formenwandelnde Kannibalen zu verwandeln. Ein Schmarotzer hat es auch auf Shinichi abgesehen, schafft es jedoch nur, mit dessen rechten Unterarm zu verschmelzen. Migi nennt sich das nüchterne Wesen, das die Hand des Schülers nun nach Belieben kontrolliert, Finger wahlweise in Stielaugen oder Klingen verwandelt. Man einigt sich auf eine symbiotische Beziehung, die sich bald gegen Migis mörderische Artgenossen beweisen muss. Während die beiden in jeder Hinsicht mehr und mehr zusammenwachsen, wird der Tonfall zunehmend ernster: von den Aliens kontrollierte Menschen infiltrieren alle Ebenen der Gesellschaft, und in Shinichis Schule droht ein Gemetzel. Um den ganzen Plot in zwei Spielfilmen unterzubringen, muss das Tempo hochgehalten, müssen einige Feinheiten der Vorlage geopfert werden. Fragen nach dem Wert von Leben, dem Leib-Seele-Problem oder der Pubertät können maximal angerissen werden, die Figurenzeichnung bleibt mitunter oberflächlicher als in Iwaakis Manga. Fans der ersten Stunde mag das sauer aufstoßen, in Summe bleibt Kiseiju aber noch immer ein rasantes Vergnügen mit wohldosiertem Witz, Action und halbierten Schulmädchen. 'Die Viennale zeigt Filme in der jeweiligen Originalsprache. Warum das mitunter verwirrend sein mag, aber auch zu unverhofften Glücksgefühlen führen kann, erklärt unser Autor in seinem Blogeintrag. In Fatima, dem Film des französischen Regisseurs Philippe Faucon, gibt es eine Szene, in der eine der Töchter das Französisch ihrer aus Algerien stammenden Mutter korrigiert. Es heiße Ich bin zufrieden, nicht Meine Freude ist zufrieden. Diese Szene ist symptomatisch für den Film. Sie zeigt pointiert, wie eine Frau nicht nur kulturell, sondern damit einhergehend auch sprachlich zwischen zwei Stühlen sitzt. Paradigmatisch ist diese Szene aber auch für das Filmfestival Viennale, das in seinem Programm jedes Jahr Filme aus diversen Ländern zeigt und dabei die Protagonistinnen und Protagonisten immer in deren Originalsprachen reden lässt. Das babylonische Sprachengewirr verwirrt und bereichert auf gute Weise und steht für eine Welt, die medial tatsächlich immer weiter wird Einen etwas anderen Zugang zu den Erlebnissen auf der Viennale hält dieser Beitrag bereit. Die Filme sind immer andere, aber gewisse Szenen wiederholen sich jedes Jahr bei eifrigen Viennalegängern. Unsere Bloggerin hat diese Erlebnisse in Skizzen festgehalten: (Antonia Aalders, 5.11.2015) Nach 20 Filmen in zehn Tagen war es soweit: Die Jury musste sich entscheiden. Ziel der STANDARD-Publikumsjury ist es, unter leitender Beobachtung unseres Auftraggebers Dominik Kamalzadeh, aus zwölf Spiel- und acht Dokumentarfilmen einen Sieger zu finden. Dieser wird dann für einen Kinostart empfohlen. Aber wie kommt man eigentlich zu einer Empfehlung? Zwei Flaschen Wein genügen nicht! Es muss eine dritte herbeigeschafft werden. Natürlich ein Blaufränkisch, der Wein, der uns durch unsere Viennale-Zeit begleitet hat. Im Wein liegt ja bekanntlich die Wahrheit, also werden wir Sie auch für unsere Entscheidung finden. In die Endauswahl schafften es sieben Filme. Vier werden vorab wegdiskutiert, um den Sieger – unseren Sieger – zu küren. Die finale Abstimmung beinhaltet zwei Spielfilme und einen Dokumentarfilm. Trommelwirbel – es gibt noch immer keinen eindeutigen Sieger. Die Doku Oncle Bernard ist nicht mehr im Rennen. Finale! Eigentlich ist die Sache klar: vier zu eins. Doch die Eins erweist sich als hartnäckig und versucht ihren Favoriten den anderen noch einmal schmackhaft zu machen. Die beiden Filme werden noch einmal in ihre Einzelheiten zerlegt. A uma hora incerta oder Nefesim kesilene kadar – Portugal oder Türkei? Die vier lassen nicht locker. Keiner wechselt die Seite. Doch nach vier Stunden ist unser Sieger gekürt. Portugal: A uma hora incerta. Sinnlich, reich, erotisch, verflochten – wie die Zöpfe der Hauptdarstellerin. Unsere Gratulation und unser Dank gelten Carlos Saboga für dieses Meisterwerk. Mögen Sie es lieber leicht und beschwingt oder schwül und spannungsgelanden?. Überkommt Sie beim Schwimmen im offenen Gewässer, selbst in heimischen Flüssen und Seen, auch die irrationale Angst, ein Raubfisch könnte plötzlich an die Oberfläche schießen und Sie mit nach unten ziehen? Die Chancen stehen sehr gut, dass auch Sie in der Kindheit von einem der bekanntesten Sommerfilme traumatisiert wurden: Der weiße Hai. Für einen Sommerfilm sind badende Menschen nun einmal ein unverzichtbares Kriterium, auch wenn Sie von einem blutrünstigen Hai gefressen werden (ganz davon abgesehen, dass sich echte Haie in freier Wildbahn natürlich nicht so verhalten). Andere Merkmale eines Sommerfilms sind die flirrende Hitze, Sonnenschein, hochgekochte Emotionen und oftmals hitzebedingt nicht die besten Entscheidungsfindungen. Ein Beispiel dafür ist der Film Der Swimmingpool mit Alain Delon und Romy Schneider. Obwohl der Film eigentlich alles vorweist, was einen netten Sommerfilm ausmachen würde, geht es hier doch ziemlich zur Sache, beginnend mit Eifersüchteleien, erotischen Verwicklungen, bis hin zu Lügen und Mord. Es geht aber auch leichter: Vicky Christina Barcelona regt zu Träumereien über eigene Sommerreisen und – lieben an und transportiert auf wunderbare Weise die Spannung in der Luft, die so manch ein Sommer mit sich bringt. Welcher ist Ihr Lieblings-Sommerfilm und warum? Warum könnte er nur im Sommer stattfinden, oder was wäre anders, würde man die Handlung in den Winter verlegen? Ist für Sie ein Sommerfilm ein klassischer Gute-Laune-Film, oder darf es trotz Sommer auch etwas düsterer zugehen? Welche Merkmale muss ein Sommerfilm für Sie erfüllen? (aan, 8.6.15) Filme ohne Filmmusik sind nur sehr schwer vorstellbar – welche Filmmusik hören Sie auch abseits vom Film gern?. Man hört nur die ersten Streicherklänge der von Yann Tiersen komponierten Filmmusik zu Die fabelhafte Welt der Amélie und ist bereits mitten in dem verzauberten Paris dieses Films – egal ob man den Film nun mag oder nicht. Wie keine zweite Kunstform versteht es die Musik, den Charakter und die Emotionen von Filmen zu transportieren und zu verstärken, harmlose Situationen bedrohlich wirken zu lassen oder bedrohliche Situationen mit fröhlicher Musik zu verfremden. Man denke da nur an die unheimliche Anfangssequenz aus The Shining, bei der eine einfache Totale auf ein Auto in einer Landschaft schon alle möglichen Ängste hervorruft, oder an die fröhliche Hintergrundmusik beim enthusiastischen Gemetzel in American Psycho. Eingeführt in der Stummfilmzeit, um den Filmen zusätzlich Stimmung zu verleihen und unter anderem auch das laute Rattern der Projektoren zu übertönen, hat Filmmusik längst ihren fixen Platz im Film-Olymp besetzt, und ihre Komponisten werden verehrt wie ihre Kollegen im regulären Musikgeschäft. Wer meint, dass es sich bei Filmmusik lediglich um Hintergrundbeschallung handelt, der soll einmal versuchen, sich seinen Lieblingsfilm ohne Musik anzusehen. Was wäre Darth Vader ohne seinen Imperial March? Ein röchelnder Mann mit Maske und schwarzem Umhang. Und wie spannend wäre Spiel mir das Lied vom Tod noch ohne die dramatisch aufgeladene Musik von Ennio Morricone? Morricone ist ein gutes Beispiel dafür, wie es Filmmusik abseits von Soundtrackaufnahmen von der Leinwand herunter und in die klassische Musikwelt geschafft hat. Er ist auch 2015 wieder auf Tour und bringt Westernatmosphäre in die großen Konzertsäle der Welt. Welche Filmmusik haben Sie daheim in Ihrer CD/Platten/MP3-Sammlung? Waren Sie bereits einmal auf einem Filmmusikkonzert? Gibt es auch Filmmusik, die Sie schlichtweg nicht aushalten? Und wie stehen Sie zur Filmmusik in Dogma 95-Filmen? (Anya Antonius, 6.7.2015) Filme über die Reise auf der Straße sind ein Klassiker der Filmgeschichte. Mögen Sie das Genre – und wenn ja, in welchem Gefährt würden Sie gerne mitfahren?. Das Nötigste zusammenpacken, ins Auto setzen, Musik aufdrehen und nur noch weg. Gerade im Sommer eine höchst verlockende Vorstellung. Die Bilder zur Idee der grenzenlosen Freiheit haben wir nicht zuletzt den Roadmovies zu verdanken. Die Bewegung als Lebensform wird hier zelebriert. Das Motiv der Reise wird dabei so gut wie immer als Aufhänger für eine Entwicklungsgeschichte genutzt: Kaum eine Figur kommt als derselbe Mensch an als der sie gestartet ist. Wenn sie denn ankommt. Ob bei Thelma und Louise (Regie: Ridley Scott, 1991) oder dem Klassiker des Genres Easy Rider (Regie: Dennis Hopper, 1969), der Ausbruch aus herkömmlichen Gesellschaftsrollen, der mit Auto oder Motorrad versucht wird, endet nicht selten tödlich. Dabei sind sich die Figuren oftmals durch eine Wir gegen den Rest der Welt-Mentalität verbunden, wie in Terrence Mallicks Badlands (1973). Genug Tote gibt es ebenfalls in Wild at Heart (Regie: David Lynch, 1990), auch wenn das legendäre Paar Sailor und Lula sprichwörtlich so gerade noch die Kurve kriegt. Es geht also weniger um das Erreichen eines Ziels als um die Reise an sich und die Bedeutung der Flucht aus Alltäglichem für die jeweiligen Protagonisten und Protagonistinnen. Nicht immer muss es freilich tragisch enden. Der alte Mann, der mit dem Rasenmäher in David Lynchs The Straight Story (1999) die USA durchquert oder die Liebesromanze Im Juli (Regie: Fatih Akin, 2000) schlagen hellere Töne an. Nicht zu vergessen Little Miss Sunshine (Regie: Jonathan Dayton und Valerie Faris, 2006), der den Familientrip im Auto als schräge Familientherapie erzählt. Die Rolle von Filmmusik wurde bereits in unserem letzten Filmforum diskutiert. In Roadmovies hat der Soundtrack zu den teils wilden Fahrten oft eine besonders prominente Rolle inne, treibt die Handlung auch auf akustischer Ebene voran. Bereits genannte Filme wie Easy Rider und Wild at Heart sind dafür dankbare Beispiele. Welche Roadmovies kommen Ihnen in den Sinn? Welche Werke halten Sie für herausragende Vertreter des Genres und welchen sprechen Sie besonderes subversives, (tragi)komisches, romantisches oder satirisches Potenzial zu? Und haftet der Idee des Roadmovies trotz internationaler Beliebtheit und Verwendung etwas typisch US- Amerikanisches an? (jmy, 13.7.2015) Drama, Herzschmerz, Hausaufgaben – der Mikrokosmos "Schule" ist um einiges komplexer als das. Die Tage werden kürzer, die Nächte werden kälter, die Ferien sind vorbei. Zeit, auch an die angenehmen Seiten der nahenden Herbstes zu denken. Es ist doch eigentlich gar nicht so schlecht, so ganz ohne schlechtes Gewissen drinnen gemütlich auf dem Sofa zu liegen und sich ein paar Filme anzusehen. Was würde in dieser Zeit besser passen, als in Schulnostalgie zu schwelgen: Highschool-Filme. Man gibt es vielleicht nur noch ungern zu, an den klassischen Highschool-Romanzen sind aber nur wenige vorbeigekommen. Quarterbacks verliebten sich in nerdige Streberinnen, Cheerleaderinnen in wilde Highschool-Rebellen mit dem Herzen eines Poeten. Sehr oft ging es um eine schiefgegangene Wette, Herzen wurden gebrochen, Vertrauen wurde erschüttert und wiedergewonnen, am Ende aber war meistens alles wieder gut. Auch die vom feministischen Standpunkt aus gesehen problematische Verwandlung der weiblichen Hauptfigur vom hässlichen Entlein zum wunderschönen Schwan wurde in einigen Filmen ausgiebig durchdekliniert. Allen Vorhersehbarkeiten und klassischen Rollenbildern zum Trotz – man kann sich dem Charme dieser Filme nicht ganz entziehen. Sie bieten oft auch ein Wiedersehen mit liebgewonnenen, mittlerweile etablierten oder in Vergessenheit geratenen, teilweise leider verstorbenen Schauspielern. Heath Ledger hat sich zwar mit seiner Rolle in Brokeback Mountain ein Monument gesetzt, wer in den 90er-Jahren sozialisiert wurde, dem fällt vermutlich aber davor noch der wunderbare Patrick Verona aus 10 Dinge, die ich an dir hasse ein. Ethan Hawke feierte im Club der toten Dichter seinen Durchbruch, und ein sehr junger, Prä-romantische-Komödien- und Prä-True Detective-Matthew-McConaughey sammelte in Dazed and Confused seine ersten Schauspielerfahrungen. In der Highschool war aber auch nicht immer alles nur schön. Rachsüchtige Slashertypen metzelten sich quer durch Freundescliquen, Schweineblut wurde vergossen, und feindlich gesinnte Kraken-Aliens arbeiteten an der Übernahme der Schule. Welche Highschool-Filme müssen unbedingt noch erwähnt werden? Schauen Sie von Zeit zu Zeit noch einen dieser Filme? Wie weit von der Realität waren sie von Ihrem eigenen Schulalltag entfernt? In welche Film-Highschool wären Sie am liebsten gegangen? (aan, 14.9.2015) 'Im Herbst 1990 kam "Goodfellas" in die Kinos. Schon damals mit hymnischen Kritiken bedacht, gilt der Mafia-Film mittlerweile als cineastischer Meilenstein. Wie gefällt Ihnen der Klassiker?. Die Welt der Mafia bedeutet für den jugendlichen Henry Hill eine Welt, in der Gewalt, Mord und Luxus das Adrenalin liefern, das das Leben für den Jungen aus ärmlichen Verhältnissen lebenswert macht. 30 Jahre und diverse Verbrechen später, verät Hill seine ehemaligen Mitstreiter und taucht ab ins Zeugenschutzprogramm. Das Ende ist – zumindest aus Mobstersicht – ernüchternd. Hill wird, so seine Selbsteinschätzung, sein restliches Leben, als schnook verbringen, als Trottel, als Spießbürger im Reihenhaus. Gelangweilt, aber immerhin lebendig. Als Goodfellas 1990 unter der Regie des damals 48-jährigen Martin Scorsese in die Kinos kam, wurde der Film als Gegenstück zu Coppolas The Godfather wahrgenommen. Wo in Coppolas Trilogie, deren letzer Teil ebenfalls 1990 erschien, selbst dem tragischen Ende noch eine gewisse Romantisierung innewohnt, der Mafia-Mythos greifbar bleibt, wirkt die Desillusionierung in Goodfellas radikaler. Die Figuren, die teilweise auf realen Vorbildern basieren, sind in einen hohen Maße selbstbezogen, unberechenbar und letztlich illoyal. Den explizt dargestellten Gewaltexzessen liegt oftmals eine Willkür zur Grunde, die die Brutalität umso erschreckender werden lässt. Gleichzeitig ist das Werk auch von einer gewissen Coolness geprägt. Goodfellas ist ein durchaus stylischer Film. Der Musik fällt eine tragende Rolle zu; so werden beispielsweise Szenen, in denen Opfer verprügelt, gefoltert oder getötet werden, immer wieder mit kontrastierenden Songs untermalt. Dadurch erhalten die Sequenzen eine zynische Dimension und zugleich eine spezielle Ästhetik. Schnell geschnittenen Sequenzen folgen eingefrorene Bilder und die Stimme Hills aus dem Off kommentiert immer wieder resümierend und lakonisch das Geschehen. Schon zeitgenössische Kritiken strichen die Kongenialiät der Besetzung heraus. Mit Ray Liotta als Henry Hill wählte Scorsese einen bis dato relativ unbekannten jungen Schauspieler, für den Goodfellas den Durchbruch bedeuten sollte. Ihm zur Seite stand mit Robert de Niro eine Hollywood-Größe, mit der Scorsese bereits mehrfach zusammengearbeitet hatte. Lorraine Bracco, später auch bei den Sopranos erfolgreich, glänzt als luxus- und zwischendurch auch kokainabhängige Frau Hills. Vor allem aber beindruckt und erschreckt Joe Pesci in seiner Rolle als Tommy DeVito. Pesci, der prinzipiell die Rolle des cholerischen Spinners abonniert zu haben scheint, gewann für seine Darbietung des überspannten, ja psychotischen Mobsters Tommy 1991 den Oscar als bester Nebendarsteller. Goodfellas gilt als einer der Höhepunkte in Scorseses Schaffen, der sich auch in Mean Streets (1973), Casino (1995) oder The Departed (2006) mit der Mafia auseinandersetzt. Teilen Sie diese Ansicht? Der Atlantic fragt sich anlässlich des Jubiläums gar: Was Goodfellas the last truly great mobster film? Ist seit nun mehr 25 Jahren also kein vergleichbar gutes Werk entstanden oder ist das Urteil überzogen? Welche anderen Werke, die sich mit dem Gangstertum beschäftigen fallen Ihnen ein und halten Sie für diskussionswürdig? Und: Ist Goodfellas besser als The Godfather? (jmy, 2.11.2015)' Filme erneut auf die Leinwand zu bringen ist beliebt in der Filmindustrie. Mit ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Welche Neuverfilmungen halten Sie für gelungen, auf welche hätte man verzichten können?. The Departed brachte Martin Scorsese endlich den langersehnten Oscar. Zwar war nun Boston der Ort des Geschehens anstatt Hong-Kong und die chinesische Mafia wurde konsequenterweise durch die irische ersetzt, aber ansonsten hält sich die Version des Altmeisters stark ans asiatische Original Infernal Affairs. Die amerikanische Variante des Katz-und-Maus-Spiels räumte dann auch mit dem Oscar jenen Preis ab, den das chinesische Vorbild schon allein wegen seines Herkunftslandes – trotz großartiger Kritiken – nur schwer hätte bekommen können. Das soll dem Nachzügler seine Qualität nicht absprechen, aber wie originell ist ein solches Vorgehen? ... Oder geht es darum gar nicht? Nicht selten greift gerade Hollywood, die mächtigste Filmindustrie der Welt, ausländische Stoffe auf, um sie neu zu gestalten: Stieg Larssons Millennium-Trilogie wurde zuerst 2009 auf Schwedisch, durchaus hochwertig verfilmt, nur um kurz später auch noch als Hollywood-Variante zu reüssieren. Michael Haneke brachte sein Funny Games (1997) einfach noch einmal unter dem Titel Funny Games U.S. heraus. Einen Film erneut zu drehen ist also ausgesprochen beliebt– schaut man auf Kassenerfolge wie Oceans Eleven (2001, Original von 1960) –, bisweilen auch beim Publikum. Der Filmklassiker Ben Hur (1959) ist übrigens auch nicht der erste seiner Art: Die Verfilmung von Lew Wallaces gleichnamigem Roman wurde bereits 1907 und 1925 auf die Leinwand gebracht. Ein Remake, das war auch Thema in einem der vergangenen Filmforen. Ob die aktuelle Neuverfilmung von Point Break – Gefährliche Brandung eine gute Idee war, wollten wir wissen. Die Antwort fiel zumeist einigermaßen vernichtend aus. Aus dem Posting spricht eine generelle Abneigung gegen Neuverfilmungen, was auch der Tenor der Diskussion war. Auch STANDARD-Autor Hans Rauscher wartete mit einem abschreckenden Beispiel auf: Tenor der Diskussion war, dass die Flut an Neuverfilmungen gerade in den vergangenen Jahren auch die Ideenlosigkeit der Filmindustrie erkennen lasse. Aber stimmt das wirklich so? Welche Beispiele für misslungene oder auch gelungene Neuverfilmungen fallen Ihnen ein? Ist das Prinzip des Remakes generell zu kritisieren oder gibt es gute Gründe, dass ein und derselbe Stoff filmisch immer wieder bearbeitet wird? Gibt es Filme, die in der zweiten Version überzeugender sind als im Original? (jmy, 15.2.2016) 1996 feierte "Fargo" in den USA Premiere – Grund genug für einen Blick zurück. Wie ist Ihre Meinung zu diesem Klassiker aus der Schmiede der Coen-Brüder?. Dies ist eine wahre Geschichte. Die in diesem Film dargestellten Ereignisse beruhen auf einem Verbrechen, das im Jahr 1987 in Minnesota geschah. Auf Wunsch der Überlebenden wurden die Namen geändert. Aus Respekt vor den Toten wurde der Rest der Geschichte genau so erzählt, wie sie sich zugetragen hat. 96 Minuten später sind sieben Menschen tot, und in der endlosen Weite der Schneelandschaft Minnesotas spielten sich Dramen von Gut und Böse ab. Und die wahre Geschichte? Ein Kunstgriff der Coen-Brüder. Es ist eine düstere Geschichte, die erzählt wird, eine von Gier und Verrat. Gleichzeitig verleiht der beschauliche Hintergrund des Kleinstadtlebens im tiefsten Winter auch den blutigsten und tragischsten Momenten eine absurde, schwarze Komik. Auch die zuständige Polizistin, Marge Gunderson, entspricht so gar nicht dem Archetypus des gequälten Ermittlers, ist sie doch das perfekte Abbild einer geerdeten, positiven Person. Glücklich verheiratet, schwanger, immer nett, aber niemals naiv bildet sie den Gegenpol zur moralischen Verderbtheit der anderen. Für die Coen-Brüder war dieser Film, ihr sechster, quasi eine Rückkehr in die Heimat, stammen sie doch selbst aus Minnesota und konnten dadurch die Eigenheiten der Bewohner besonders authentisch abbilden. Fargo war ein kommerzieller Erfolg, wurde von Kritikern hochgelobt und gewann zahlreiche Preise, darunter den Oscar für das beste Drehbuch und die beste Hauptdarstellerin. Noch zwei Dekaden später inspirierte der Film eine erfolgreiche Netflix-Serie. Hat Ihnen der Film gefallen? Haben Sie ihn damals schon gesehen oder erst kürzlich für sich entdeckt? Was ist Ihre Lieblingsszene? Wird die Serie dem Filmvorbild gerecht? Wie schätzen Sie den Film im Gesamtwerk der Coen-Brüder ein? (aan, 21.3.2016) Den Lieblingsfilm in einem Satz zu erzählen ist nicht die leichteste Übung. Zahlreiche User haben es dennoch gewagt, jetzt möchten wir die Auflösungen wissen. Unsere Aufforderung, Ihren Lieblingsfilm in einem Satz zu erzählen, hat zu einem fulminanten Ergebnis geführt: Mehr als 3000 Postings künden von der Spielfreude der Community, 90 und mehr Minuten in einen kleinen Satz zu gießen. Jetzt geht es darum, zumindest einige der zahlreichen Vorschläge auch aufzulösen. Es steht Ihnen natürlich frei, sich weiterhin kreativ in unserem Forum auszutoben! Wir möchten allerdings auch wissen, ob Sie die genannten Filme identifizieren können. Übrigens: Die Fallbeispiele der Community-Redakteure im vergangenen Forum harren auch noch einer Lösung ... Martin Gschlacht erhält "Prix Carlo di Palma" am 12. Dezember in Berlin. Wien/Berlin – Der österreichische Horrorfilm Ich seh Ich seh hat Erfolg beim Europäischen Filmpreis: Martin Gschlacht erhält für die Kameraarbeit den Prix Carlo di Palma, wie die European Film Academy am Dienstag mitteilte. Die Auszeichnung wird bei der Gala am 12. Dezember in Berlin überreicht. Insgesamt wurden bereits sechs Preisträger bekannt gegeben. Gschlachts Kameraarbeit für den Debütspielfilm von Veronika Franz und Severin Fiala sei extrem konsequent und suggestiv, heißt es in der Jurybegründung. Jedes Bild entspricht der Atmosphäre des Films, stärkt die komplette Dramaturgie und zeigt die enorme visuelle Empfindsamkeit des Kameramanns. Insgesamt zeige sich ein neues und sehr modernes Verständnis der Bildgestaltung. Neben Gschlacht dürfen sich Jacek Drosio (Schnitt für Cialo), Sylvie Olive (Szenenbild für Le Tout nouveau testament), Sarah Blenkinsop (Kostümbild für The Lobster), Cats Eyes (Filmmusik für The Duke of Burgundy) sowie Vasco Pimentel und Miguel Martins (Sounddesign für As Mil e uma noites – Vol. I-III) über Auszeichnungen freuen. In der siebenköpfigen Jury saß auch die österreichische Cutterin Monika Willi. Trophäen werden am Vorabend der Oscar-Verleihung vergeben. Hollywood – Sie werden traditionell am Vorabend der Oscars vergeben, aber gewinnen will sie niemand: die Goldenen Himbeeren für die schlechtesten Filme und Darsteller des Jahres. Ganz vorne mit dabei ist heuer die Erotik-Bestsellerverfilmung Fifty Shades of Grey mit sechs Nominierungen, darunter für die beiden jungen Hauptdarsteller Dakota Johnson und Jamie Dornan. Der Streifen mit knapp 600.000 Kinobesuchern allein in Österreich geht auch ins Rennen um die Auszeichnung als schlechtester Film des Jahres. Konkurrenz kommt von der Videospiel-Komödie Pixels mit Adam Sandler, dem Sci-Fi-Film Jupiter Ascending der Wachowski-Geschwister und der Kevin-James-Komödie Paul Blart: Mall Cop 2, die allesamt sechs Mal nominiert sind, sowie dem fünffach nominierten Superhelden-Flop Fantastic Four. Unter den nominierten Schauspielern finden sich wie gewohnt auch bisherige Oscarpreisträger, darunter Julianne Moore als Mutter Malkin im Fantasyabenteuer Seventh Son und Eddie Redmayne als Balem Abrasax in Jupiter Ascending. Chancen auf einen verhältnismäßig schmeichelhaften Preis hat Sylvester Stallone: Der 69-Jährige ist nach seinem Golden Globe für die Rückkehr als Rocky Balboa in Creed für den Razzie Redeemer Award nominiert. Auch Will Smith, Elizabeth Banks und M. Night Shyamalan haben die Chance auf den Preis, der gute Leistungen nach vielen Fehltritten honoriert. Die Goldenen Himbeeren, im Original Razzies genannt, werden seit 1980 als Gegenstück zur Oscar-Verleihung in Los Angeles vergeben, heuer am 27. Februar. Für die Gewinner der mit Gold besprühten Trophäen im Wert von knapp fünf Dollar stimmen die rund 900 Mitglieder des Razzie-Komitees online ab. Mitglied kann jeder werden, der sich online registriert und eine Gebühr von mindestens 40 Dollar beisteuert. Horrorfilm führt das Feld der Nominierungen an – Je fünf Chancen für "Das ewige Leben", "Einer von uns" und "Jack". Wien – Der österreichische Oscar-Kandidat Ich seh Ich seh hat auch bei der heimischen Würdigung die Nase vorn: Mit sechs Nominierungen geht der Horrorfilm von Veronika Franz und Severin Fiala als Favorit in die 6. Vergabe der Österreichischen Filmpreise am 20. Jänner in Grafenegg. Das Spielfilmdebüt wurde am Mittwoch unter anderem in den Kategorien Bester Film, Drehbuch, Kamera und Regie bedacht. Um die Auszeichnung als bester österreichischer Film konkurriert Ich seh Ich seh mit Wolfgang Murnbergers vierter Brenner-Verfilmung Das ewige Leben und Stephan Richters Debütfilm Einer von uns. Beide kommen – wie auch Elisabeth Scharangs Unterweger-Annäherung Jack – auf je fünf Nominierungen, Karl Markovics zweites Regiewerk Superwelt und Marie Kreutzers Romanadaption Gruber geht folgen dicht mit Nennungen in je vier Preissparten. Sowohl der Regie- als auch der Drehbuchpreis wird zwischen Ich seh Ich seh, Gruber geht und Das ewige Leben ermittelt – wobei in der Drehbuchkategorie mit Christian Frosch (Von Jetzt An Kein Zurück) ein vierter Kandidat mitmischt, weil auch die Stichwahl Stimmengleichheit gebracht hat. Es bleibt der einzige Ausreißer unter den nunmehr 16 Kategorien. Mit den Auszeichnungen für den besten Nebendarsteller bzw. die beste Nebendarstellerin sind zwei neue Sparten hinzu gekommen – eine überfällige Würdigung für jene, die eine ungemein wichtige, sehr unterschätzte Aufgabe beim Film zu leisten haben, so Ursula Strauss, die der die Preise vergebenden Akademie des Österreichischen Films neben Stefan Ruzowitzky als Präsidentin vorsteht. Gerti Drassl kommt durch die Neuerung auf gleich zwei Nominierungen, nämlich für ihre Hauptrolle in Vals ebenso wie für ihre Nebenrolle in Ma Folie. Weitere Kandidaten in der neuen Kategorie sind Inge Maux (Jack) und Susi Stach (Planet Ottakring) bzw. bei den Herren Karl Fischer (Der Vampir auf der Couch) sowie Christopher Schärf und Markus Schleinzer, die beide für Einer von uns ins Rennen gehen. Bei den männlichen und weiblichen Hauptdarstellern ist Superwelt mit Rainer Wöss und Ulrike Beimpold stark aufgestellt, können Johannes Krisch als Jack Unterweger und Manuel Rubey als von Doris Knecht erdachter Johnny Gruber in Gruber geht auf einen Preis hoffen und mischt sich mit Chucks-Hauptdarstellerin Anna Posch ein Nachwuchsstar in die illustre Runde. Um die Auszeichnung für den besten Dokumentarfilm rittern Constantin Wulffs Wie die Anderen, Nikolaus Geyrhalters Über die Jahre sowie Jakob Brossmanns Lampedusa im Winter. Brossmanns Lampedusa-Doku ist für Akademie-Obmann Josef Aichholzer dann auch ein Beispiel für jene Filme, denen es gelingt, ein Stück Vernunft in die Gesellschaft zu bringen und uns – in diesem expliziten Fall – ermöglicht, Traumaarbeit zu bewältigen. Die aktuell 336 wahlberechtigten Mitglieder der Akademie des Österreichischen Films treffen in den kommenden Wochen die Entscheidung über die Auszeichnungen, wobei insgesamt 17 Spiel-, 16 Dokumentar- und 21 Kurzfilme eingereicht worden waren. Die Kriterien für Spiel- und Dokumentarfilme sind neben dem Kinostart im Zeitraum von Oktober 2014 bis November 2015 ein österreichisches Ursprungszeugnis und der Nachweis einer erheblichen österreichischen kulturellen Prägung. Die Kurzfilm-Nominierten (Alles wird gut, Esel, Uncanny Valley) wurden indes nach dem Erfolg auf internationalen Festivals ausgewählt. Auch der österreichisch-deutsche Kurzfilm "Alles wird gut" ist nominiert. Hollywood – Alejandro Gonzáles Iñárritus Western-Rachedrama The Revenant geht mit insgesamt zwölf Nominierungen als großer Favorit in die 88. Oscar-Verleihung am 28. Februar. Der Film des mexikanischen Regisseurs wurde unter anderem in den Topkategorien Bester Film und Beste Regie bedacht und könnte seinem Hauptdarsteller Leonardo DiCaprio mit seinem auch physisch herausfordernden Part den lange erstrebten ersten Oscar als Bester Hauptdarsteller einbringen. George Millers Actionspektakel Mad Max: Fury Road liegt mit zehn Nominierungen unmittelbar hinter dem Spitzenreiter. Sieben Chancen hat Ridley Scotts Weltraumabenteuer The Martian, jeweils sechs Mal nominiert wurden Steven Spielbergs Thriller Bridge of Spies, Tom McCarthys Enthüllungsdrama Spotlight und Todd Haynes lesbisches Liebesdrama Carol. Letzteres ging jedoch in den Königskategorien Bester Film und Beste Regie etwas überraschend leer aus, dafür erntete das irische Emigrantendrama Brooklyn eine entsprechende Nominierung als Bester Film. Um die Auszeichnung konkurrieren heuer insgesamt acht Arbeiten, neben den bereits genannten auch die fünffach nominierte Wall-Street-Komödie The Big Short und das Entführungsdrama Room. Aus österreichischer Sicht erfreulich ist die Nominierung des Michael-Haneke-Schülers Patrick Vollrath für seinen Kurzspielfilm Alles wird gut. Der Film um einen Vater, der in Ermangelung des Sorgerechts in Panik seine Tochter kidnappt, wurde seit seiner Premiere in Cannes im vergangenem Jahr bereits mehrfach ausgezeichnet. Bereits im September war Patrick Vollrath in Los Angeles, um sich einen Studenten-Oscar abzuholen. Chancen auf den Besten Hauptdarsteller haben außer DiCaprio auch Bryan Cranston für Trumbo, Matt Damon für The Martian, Michael Fassbender für seine Rolle als Apple-Mastermind Steve Jobs im gleichnamigen Film sowie Eddie Redmayne für The Danish Girl. Als Beste Hauptdarstellerin gehen Cate Blanchett für Carol, Brie Larson für Room, Jennifer Lawrence für Joy, Saoirse Ronan für Brooklyn sowie Charlotte Rampling für 45 Years ins Rennen. Neben dem favorisierten Holocaust-Drama Son of Saul aus Ungarn wurden der türkisch-französische Film Mustang, Theeb aus Jordanien, das dänische Kriegsdrama Krigen sowie El abrazo de la serpiente aus Kolumbien für den Besten nichtenglischsprachigen Film nominiert. Mehr Minderheiten und Frauen: Academy ändert Aufnahme-Statuten. Los Angeles – Clint Eastwood betrachtet die Diskussion um die Oscar-Modalitäten gelassen: Die meisten Leute gewinnen nicht. Es wird eben viel geweint. Was er dabei vergisst: Manche Filmschaffende können gar nicht gewinnen, weil sie es nicht unter die Nominierten schaffen. Die rund 6000 Mitglieder der Academy sind zu homogen besetzt – 94 Prozent der Mitglieder sind weiß, 76 Prozent männlich, der Altersdurchschnitt liegt bei 63 Jahren. Nach heftiger Kritik wegen fehlender Nominierungen afroamerikanischer Künstler, in sozialen Medien unter #OscarSoWhite geäußert, sowie der Ankündigung von Stars wie Will Smith und Spike Lee, der Gala fernzubleiben, hat die Academy am Freitag Änderungen in Aussicht gestellt. Die abstimmenden Mitglieder sollen die arbeitende Mehrheit repräsentieren, so Academy-Präsidentin Cheryl Boone Isaacs. Ziel ist es, die Zahl von Frauen und Minderheiten bis zum Jahr 2020 zu verdoppeln. Das bisher auf Lebenszeit vergebene Stimmrecht werde zunächst auf zehn Jahre beschränkt. Eine Verlängerung sei nur dann möglich, wenn das Mitglied weiterhin aktiv im Filmgeschäft tätig ist. Bei der jährlichen Berufung neuer Mitglieder soll aus einem vielfältigeren Pool mit Augenmerk auf Minderheiten geschöpft werden. Vor allem die Zehn-Jahres-Beschränkung – ältere, inaktive Mitglieder erhalten einen Emeritus-Status – stößt auf Kritik. Auch weist manches Academy-Mitglied den Anwurf der Farbenblindheit zurück und delegiert die Schuld an die Filmindustrie, deren Produkte selbst nicht divers genug sind. Die Actors-Guild ist etwa tatsächlich zu 88 Prozent weiß. Insgesamt überwiegt aber Zustimmung. Spike Lee begrüßte die Reaktion, will jedoch weiter am 28. Februar fernbleiben. Regisseurin Ava DuVernay (Selma) bezeichnete die Änderung als einen guten Schritt auf einem langen, schwierigen Weg für farbige Menschen und Frauen. 45-Sekunden-Beiträge sollen keine Listen von Namen mehr enthalten. Hollywood – Die Dankesreden bei der Oscar-Verleihung sollen entschlackt werden. Wie die Organisatoren der Academy Awards am Montag mitteilten, wurde für die Vergabe der Filmpreise am 28. Februar ein neues Reglement erlassen. Demnach sollen sich die Empfänger der Preise in ihren 45-Sekunden-Dankesreden auf ihre Hauptbotschaft konzentrieren – nicht aber auf die Dankesworte für Mama, Papa und sonstige Lieblinge. Die neuen Regeln wurden beim traditionellen Vortreffen der Oscar-Nominierten erläutert, das am Montag in Beverly Hills stattfand. Die Oscar-Kandidaten können demnach an die Organisatoren der Preisverleihung eine Liste mit den Namen aller Menschen übergeben, denen sie sich zu Dank verpflichtet fühlen. Die Namen werden dann schriftlich eingeblendet. Zeichentrickfilme wie "Coraline", "ParaNorman" und "Die Boxtrolls" realisiert. Los Angeles/Hollywood – Die US-Produktionsfirma Laika ist für ihr Verfahren zum Bau von Prototypen für animierte Filme mit einem Technik-Oscar ausgezeichnet worden. Mit ihrem Einsatz des sogenannten Rapid Prototyping, mit dem Computermodelle schnell in Wachs, Kunststoff oder Metall umgesetzt werden, habe Laika Pionierarbeit geleistet. Mit Hilfe von 3D-Druckern seien große Fortschritte etwa beim Ausdruck und der Animation von Figuren gemacht worden, heißt es in der Mitteilung der Academy of Motion Picture Arts and Sciences. Die Preise wurden in der Nacht zum Sonntag in Beverly Hills (Kalifornien) verliehen. Laika brachte Zeichentrickfilme wie Coraline, ParaNorman und Die Boxtrolls auf die Leinwand. Diesen Sommer soll Kubo and the Two Strings im 3D-Format in die Kinos kommen. Bei animierten Filmen wird häufig die Stop-Motion-Technik eingesetzt, bei der die Spielfiguren in jeder Einstellung neu arrangiert werden müssen. Den anderen Technik-Oscar gewannen die Entwickler des Mari-Systems zur Bemalung von 3D-Objekten in mehreren Schichten. Mari gehört zu den in der Industrie für visuelle Effekte am stärksten verbreiteten Systemen. Für ihre Rolle als nicht eben feine Dame Daisy Domergue in "The Hateful Eight" könnte Jennifer Jason Leigh am Sonntag einen Oscar gewinnen. Die US-Schauspielerin über Fesseln, Sexismus und Tarantino. STANDARD: Gratulation zu Ihrer ersten Oscar-Nominierung. Sie haben sich das mit dem Part wirklich verdient. Leigh: Danke, es ist so schön, nominiert zu sein! Vor allem, weil es für einen Film ist, den ich wirklich liebe. Quentin ist ein außergewöhnlicher Filmemacher. Der Cast war unglaublich – ich teile die Nominierung mit ihnen allen. STANDARD: Sie werden die Gala also nicht boykottieren? Leigh: Oh nein, das werde ich nicht tun. Ich boykottiere nichts, aber ich finde, dass die Debatte um die Diversität gut war. Es ist wichtig, dass man darüber redet. STANDARD: War das auch einer der Gründe, warum Sie der Film interessiert hat? Es geht ja auch um Rassenfragen. Leigh: Das stimmt, aber ich schätze das Buch wie alles andere, was Quentin geschrieben hat. Ich habe schon immer mit ihm arbeiten wollen, und die Rolle Daisys ist so etwas wie die Rolle eines Lebens. STANDARD: Dass Ihre Figur die meiste Zeit an Kurt Russell gefesselt ist, hat Sie gar nicht gestört? Leigh: Die Handfesseln haben mich weniger beeinträchtigt als das Wetter, die Umgebung und die anderen Schauspieler. Ich liebe Rollen, in denen ich nicht viel zu sprechen habe. Ich schätze Einschränkungen überhaupt sehr – in Anomalisa musste ich nur mit meiner Stimme spielen. Einschränkungen stellen so etwas wie einen stillen Brennpunkt her. Ein Regisseur wie Tarantino erkennt ganz genau, was du tust. Und er ist so enthusiastisch, dass er dich wieder daran erinnert, wie sehr es Spiel und Spaß sein sollte, das alles zu tun. STANDARD: Fand eigentlich ein richtiges Casting statt – oder ruft Quentin an und quatscht einen nieder? Leigh: Es gibt Rollen, die er sehr spezifisch für bestimmte Schauspieler schreibt. Bei Daisy war er offener und hat an eine Handvoll Schauspielerinnen gedacht – ich war eine davon. Ich hab es also für ihn gelesen, und er dachte, ich sei die Richtige. Als ich das Script vom Casting-Chef bekam, fehlte allerdings das letzte Kapitel des Films. Absichtlich. STANDARD: Wie haben Sie dann die makabre Schlussszene nach der ersten Lektüre gefunden? Leigh: Es war ein wenig beängstigend. Aber mehr deshalb, weil Daisy plötzlich so viel spricht. Als Quentin mit mir dann die Szene las, setzte er sich jedoch nicht mir gegenüber hin, sondern neben mich – man liest aus demselben Script. Das nimmt dir viel vom Lampenfieber, denn er ist mit dir da drin, man spielt mit ihm, weil er alle anderen Rollen spricht. Als ich fertig war, rief ich meine Mutter an, die sehr aufgeregt darüber war, dass ich die Audition hatte. Sie fragte, wie es gelaufen sei. Und ich sagte: Ich weiß nicht genau, aber ich hatte die beste Zeit meines Lebens! STANDARD: Es gibt auch Leute, die die Figur der Daisy frauenfeindlich finden – hat Sie das eigentlich überrascht? Leigh: Ja, denn ich denke überhaupt nicht so. Genau das Gegenteil ist der Fall, weil Daisy als Frau nicht anders behandelt wird! Sie wird nicht sexualisiert, und ganz viele andere Filme würden eine solche Rolle sexualisieren. STANDARD: Sie bekommt aber ein paar gescheite Watschen ab. STANDARD: Ja, stimmt schon. Aber ich würde mir mehr um Walter Goggins Sorgen machen, der Mannix spielt. Er hat die feinfühligere Rolle als ich. STANDARD: Tarantino meinte, Sie hätten ihn mit einem speziellen Einfall überzeugt. Leigh: Es ging um die Szene, als Daisy angeschossen wird: Ich habe einfach laut aufgeschrien! Man hat beim Vorsprechen ja nichts zu verlieren – außer natürlich der Rolle. Ich dachte also, wie würde sich ein Schuss anfühlen? Es müsste einfach richtig schmerzen. Es mag peinlich sein zu schreien – doch seiner Natur zu folgen, das ist eben oft unangenehm. Viele würden sich daran vorbeischarwenzeln, weil man sich eben auch verwundbar macht. STANDARD: Dabei gelten Sie als scheu. Warum sind Sie dann Schauspielerin geworden – scheint man dafür nicht besonders extravertiert sein zu müssen? Leigh: Das scheint eben nur so zu sein ... (lacht) Wenn man spielt, verwendet man doch die Worte von jemand anderem. Man taucht in die Person eines anderen ein, und alles, was einen selbst betrifft, kann man auf diese Weise versteckt halten. Ich kann zwar mit dieser anderen Person über all die Dinge kommunizieren, die mich selbst betreffen – aber nur ich weiß davon, niemand sonst. Die Zuschauer können das nicht unterscheiden. Das heißt, es gibt für introvertierte Personen Freiheiten beim Schauspielen wie in wenigen anderen Berufen. Der 31-jährige Fitnesstrainer ist zum hübschesten Mann Deutschlands gewählt worden, der Titel bleibt damit in Nordrhein-Westfalen. Linstow – Mister Germany 2016 heißt Florian Molzahn und stammt aus dem nordrhein-westfälischen Solingen. Am Sonntag setzte sich der 31-jährige Fitnesstrainer gegen 15 Konkurrenten aus elf deutschen Bundesländern durch. Mehr als 1.000 Männer hatten sich bundesweit beworben. Mr. Germany kommt aus Solingen und will sich für herzkranke Kinder einsetzen https://t.co/XOZf3cTdBD via @welt /ima pic.twitter.com/ndGIWntrDP Mit 360 Punkten kürte die Jury den Mann zum Sieger. Zu den Juroren gehörte die amtierende Miss Germany, Olga Hoffmann. Auch schon der vorangegangene Mister Germany 2015 kommt übrigens aus Nordrhein-Westfalen: Vorgänger Robin Wolfinger stammt aus der Nähe von Iserlohn. Für die Gewinner gab es Uhren und ein Foto-Shooting. Alle Kandidaten durften vorher in ein Camp nach Ägypten reisen. Der neue Mister Germany ist derzeit in einer Beziehung.(red, 13.12.2015) Expertenkommission hatte in Bericht unter anderem Unregelmäßigkeiten bei Honorar-Abrechnungen gesehen. Innsbruck – Der unter anderem wegen angeblicher Unregelmäßigkeiten bei Honorar-Abrechnungen in die Kritik geratene Leiter der Innsbrucker Kardiologie, Wolfgang-Michael Franz, ist vom Rektorat der Medizinischen Universität mit sofortiger Wirkung abberufen worden. Seine Agenden nimmt bis auf Weiteres sein Stellvertreter Rudolf Kirchmair wahr. Bereits am Freitag hatte die Med-Uni mitgeteilt, dass die Beratung der Gremien ein Ergebnis gebracht habe, das aber erst zu einem späteren Zeitpunkt kommuniziert werden solle. Zuvor hatte der Endbericht einer unabhängigen Expertenkommission den Leiter der Kardiologie laut Med-Uni schwer belastet. Konkret listete die Kommission organisatorische Mängel im Führungsverhalten sowie Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung von Honoraren auf. Franz soll im untersuchten Zeitraum seit 2013 rund 200 ambulanten Patienten der allgemeinen Klasse ohne Rechtsgrundlage Sonderklasse-Honorare gestellt haben. Im ambulanten Bereich gehe es dabei um einen Betrag von rund 50.000 Euro. Zudem hatten die Experten im Bereich Führung in allen Belangen Defizite geortet. In Gesprächen mit Mitarbeitern seien Franz unter anderem mangelnde Paktfähigkeit, Kritikimmunität, Gesprächsverweigerung und fehlende Wertschätzung vorgeworfen worden. Franz hatte die Vorwürfe stets als haltlos zurückgewiesen. Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg (ÖVP) unterstützt die Abberufung. Er sicherte am Dienstag sowohl den Tirol-Kliniken als auch der Med-Uni für die notwendigen weiteren Schritte die volle Unterstützung vonseiten des Landes Tirol zu. Die Nachkommen der Vertriebenen können um die spanische Staatsbürgerschaft ansuchen. Lea Maestro aus Sarajevo ist die Erste, die sie bekommen wird. Wie töricht sind die spanischen Könige, dass sie ihre besten Bürger ausweisen und ihren ärgsten Feinden überlassen, soll der osmanische Sultan Bayezid II. gesagt haben, als im Jahr 1492 durch das Ausweisungsedikt Alhambra die katholischen Könige Isabella von Kastilien und Ferdinand von Aragonien die Juden zur Konversion zum Christentum oder zur Emigration zwangen. Das Osmanische Reich nahm viele der etwa 130.000 Vertriebenen auf. Sephardische Gemeinden gab es seitdem auch auf dem Balkan, etwa in Sarajevo. Durch ein Gesetz können Nachkommen dieser Vertriebenen die spanische Staatsbürgerschaft beantragen. Die 30-jährige Lea Maestro aus Sarajevo hat dies getan: 524 Jahre nachdem ihre Vorfahren vertrieben worden waren. Im Februar wird sie Spanierin werden. Maestro trug in den vergangenen Jahren Dokumente zusammen, die beweisen konnten, dass ihr Nachname seit Jahrhunderten in Bosnien-Herzegowina zugegen war. Sie fand etwa Zeitungsausschnitte von einer jüdischen Hochzeitsfeier in Sarajevo, in denen der Name Maestro erwähnt wurde. Aus der Zwischenkriegszeit sind auch noch Ehestandsregister vorhanden. Insgesamt hat sie sieben Jahre gewartet, bis die spanischen Behörden ihr Ansuchen positiv beantworteten. Nun will sie nach Grenada gehen, um ein Masterstudium in Lebensmitteltechnologie zu machen. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass alles gut wird, sagt sie. Ich habe zwar noch kein Stipendium und weiß nicht, wie ich leben kann, aber ich weiß, dass ich nach Spanien gehen soll. Als die sephardischen Juden vom Balkan in den 1970er-Jahren von König Juan Carlos nach Toledo eingeladen wurden, sollte auch Lea Maestros Großvater nach Spanien fliegen. Doch er weigerte sich, weil er aufgrund der Familienüberlieferung fest davon überzeugt war, dass seine Familie keineswegs aus Toledo, sondern aus Valencia stammte. Die Enkelin ging der Sache nach. Und tatsächlich: Das letzte Mal wurde der Name Maestro im Geburtsregister 1492 in Valencia erwähnt. Maestros Großvater hat das KZ Jasenovac nur knapp überlebt – und nie darüber gesprochen. Seine erste Frau war während des Ustascha-Regimes in dem KZ in Ðakovo im heutigen Kroatien inhaftiert. Auf dem Friedhof in Ðakovo wurden 600 Juden, die im Ustascha-Lager umkamen, begraben. 50 Jahre später rekonstruierte Lea Maestro aus Eigeninitiative die Gräber der Sepharden – viele von ihnen aus Sarajevo. Und sie sorgte dafür, dass neue Grabschilder angebracht wurden. Das Projekt ist auch in Israel in der Gedenkstätte Yad Vashem bekannt. Damals habe ich in Ðakovo ein Grabschild mit meinem Nachnamen gefunden , erzählt Maestro dem STANDARD. Ich habe meine Familie gefragt, ob sie etwas über ein Neugeborenes namens Sarika Maestro wüsste. Es habe sich herausgestellt, dass dies die Tochter ihres Großvaters und dessen erster Frau war, die im Lager gestorben war. Lea Maestro hatte ihre Tante gefunden, von der sie noch nichts gewusst hatte. Als ich den Namen dieses Kindes sah, fühlte ich mich mit ihr verbunden. Ich war glücklich und traurig gleichzeitig, erzählt sie. Maestros Großvater und Großmutter sprachen noch Ladino – die Sprache der spanischen Juden. Lea Maestro kann die Sprache zumindest verstehen, denn sie kann perfekt Spanisch. Sie verbrachte die Kriegsjahre ab 1992 in Malaga. Damals konnten sich die bosnischen Sepharden aussuchen, entweder nach Israel oder Spanien auszureisen. Die Familie Maestro lebte in einem Dorf in der Nähe von Malaga. Ich habe in sieben Tagen Spanisch gelernt, erzählt sie von ihrer Kindheit. Als ihre Eltern nach dem Ende des Bosnien-Kriegs 1996 nach Sarajevo zurückkehrten, wollte Lea, die damals elf Jahre alt war, in Spanien bleiben. Wenn ich jetzt die Staatsbürgerschaft bekomme, so ist das nur ein Beweis für mich, dass mein Gefühl richtig ist. Ich habe diese Verbindung zu Spanien, das ist meine Heimat, meint sie. Jetzt kommt der interessante Teil meiner Geschichte, die Umsetzung meines Wunsches. Die Krankheit Noma lässt tausende Kinder in Westafrika jährlich sterben, nur wenige überleben schwer entstellt. Harald Kubiena ringt um Worte, kämpft um Formulierungen und muss doch immer wieder zugeben, dass ihm der richtige Ausdruck fehlt. Doch nicht, weil sich der plastische Chirurg nicht auszudrücken weiß, sondern weil es für ihn unbeschreibliche Gefühle und Erlebnisse sind, die er zu beschreiben versucht. Der 44-jährige Österreicher leitet die Noma-Hilfe, die vor allem in Niger Opfer der Infektionskrankheit behandelt. Wie von Hunden zerfleischt – so beschreibt Kubiena die Gesichter der Kinder, die Noma überlebt haben. Sie gehören zu den nur etwa zehn Prozent der Erkrankten, denen die Krankheit nicht ihr Leben nimmt. Jährlich infizieren sich laut Schätzungen der Weltgesundheitsorganisation 80.000 bis 90.000 Kinder in Westafrika, 10.000 überleben schwer gezeichnet. Vor allem nach der Entwöhnung von der Muttermilch, wenn die Zahntaschen der Kleinkinder aufgrund der neuen Milchzähne offen sind, nisten sich die Bakterien durch verschmutztes Wasser und Mangelernährung ein. Dabei greifen sie zuerst das Gewebe im Mund an, eine geschwollene Backe ist die Folge. Werden zu diesem Zeitpunkt Antibiotika verabreicht, kann die Krankheit gestoppt werden. Ansonsten breiten sich die Keime weiter aus: fallen tiefergelegenes Gewebe im Mund an, attackieren im späteren Verlauf auch die Knochen und rufen eine Kiefersperre hervor. Letztgenannte macht es den Kindern fast unmöglich, Nahrung zu sich zu nehmen, und lässt Erbrechen zu einer lebensbedrohlichen Gefahr werden. Als Strafe Gottes oder böse Geister, die in die Kinder einfahren, werden die schweren Entstellungen im Gesicht der Kinder angesehen. Viele Eltern sind hilflos, wissen nicht, an wen sie sich wenden sollen. Sie verstecken oft die Kleinen in den gedrungenen Lehmhütten ihres Dorfes. Eine medizinische Infrastruktur gibt es in dem westafrikanischen Land nicht wirklich, das jährlich den letzten Platz im Index der humanitären Entwicklung der Vereinten Nationen einnimmt. Zwar hilft die traditionelle Zahnhygiene nur wenig, dennoch reisen die Mitarbeiter der Hilfsaktion Noma in die Dörfer, um sie den Menschen näherzubringen. Umringt von neugierigen Dorfbewohnern aller Altersklassen, entrollen sie schließlich Plakate, die auf Bildern den Krankheitsverlauf erklären. Dann holt ein Mitarbeiter den Holzspan heraus und zeigt den Menschen, wie sie damit ihre Zahnzwischenräume von Unreinheiten befreien. Die afrikanische Version der Zahnpasta, eine Mischung aus Holzkohle und Salz, wird dann im Mund verteilt – und mit Wasser ausgespült. Dabei kommen die Kinder meistens in Kontakt mit den gefährlichen Bakterien. Deshalb ist der Kampf gegen Unterernährung und schmutziges Wasser gleichzeitig der Kampf gegen die Krankheit. Das ist auch einer der Leitsätze der 72-jährigen Ute Winkler-Stumpf, die das Herz der Hilfsaktion Noma ist. Die ehemalige Lehrerin aus Deutschland sammelte vor mittlerweile mehr als zwanzig Jahren gemeinsam mit ihren Schülerinnen für einen kleinen Buben, der im Niger an Noma erkrankt war. Sie wollten ihm eine Operation in Deutschland ermöglichen. Es gelang. Binia war mit zwei Jahren mit den gefährlichen Bakterien infiziert worden, er war einer der wenigen Überlebenden. Mit acht Jahren erst wurde seine jahrelange Kiefersperre in Deutschland gelöst. Er bekam sein Gesicht zurück. Und neue Eltern. Denn als Winkler-Stumpf den Buben aus dem Niger wieder in Afrika besuchte, war klar, dass er nicht mehr in die Dorfgemeinschaft integriert werden konnte. Zu sehr war er bereits ausgestoßen worden. Sie holte ihn zurück nach Deutschland – als er 17 Jahre alt war adoptierte sie ihn. Mittlerweile ist Binia 28 Jahre alt, Industriekaufmann und Modedesigner. Mit seinem Selbstbewusstsein hat er laut Winkler-Stumpf aber immer noch zu kämpfen: So eine Diskriminierung haftet einem Menschen an, sagt die Gründerin der Hilfsaktion. Wie Binia wird nun durch das Engagement der deutschen und österreichischen Noma-Hilfe dutzenden Kindern ihr Gesicht zurückgegeben. Man darf sich aber nicht vorstellen, dass man die schrecklichen Narben nicht mehr sieht, stellt Kubiena klar, der einer der plastischen Chirurgen ist, die mehrmals im Jahr in den Niger fliegen, um ihre Expertise und ihre Hände zur Verfügung zu stellen. Dabei kann sich der krisenerprobte Chirurg noch genau an seinen ersten Einsatz erinnern. Als er unter Personenschutz über die staubigen Straßen der Hauptstadt Niamey in das zentrale Kinderhaus gefahren wurde. Überall sah man Straßenhunde und Kinder, die wie Straßenhunde lebten, so der Arzt über die bedrückende Stimmung bei der Ankunft. Umso mehr überrascht hatte es ihn, als er seine Patienten kennenlernte. In weißen Hemden, auf denen ihre Patientennummer aufgepinnt war, erwarteten ihn die Kinder im Alter von vier bis 16 Jahren. Mir fällt es schwer zu beschreiben, was diese Kinder, die ihre entstellten Gesichter mit solch einer Selbstverständlichkeit vor sich hertrugen, ausgestrahlt haben. Aber ich glaube, dass es einfach dieses Bereitsein in ihren Augen war, das mich so fasziniert hat, so Kubiena. Ja, diese Kinder hatten keine Angst und waren so bereit, sich dieser komplizierten Operation zu unterziehen. Kompliziert ist auch das Wort, das der Wiener Arzt verwendet, um seine Gedanken zu beschreiben, als er von einem seiner ersten Eingriffe erzählt. Dem Eingriff, nach dem der kleine Patient schließlich nicht mehr atmete. Kubiena hinterfragte sich, zweifelte. Und operierte weiter. Es waren die Erfolgsgeschichten, die den Chirurgen weitermachen ließen. Erfolgsgeschichten wie die der 16-jährigen Barira, bei der die Bakterien bereits Nase, Oberkiefer und Wangen zerstört hatten. Die junge Frau war nach einer Vergewaltigung bereits selbst Mutter und schwer entstellt. Nach mehreren Operationen konnte ihr Kubiena im Februar dieses Jahres schließlich auf der rekonstruierten Seite ihres Gesichtes die Schmucknarben, die für einige Stämme Afrikas typisch sind, einritzen. Das war wie Blutsbruderschaft, ein unbeschreibliches Gefühl, erinnert sich der Arzt. Barira könnte nun selbst bei der Hilfsaktion, die vor allem einheimische Mitarbeiter in Kliniken und Aufklärungsprogrammen beschäftigt, tätig werden. Dass die Arbeit ihrer NGO einmal so umfassend wird, hätte sich Winkler-Stumpf nie gedacht. Ein Schneeballeffekt sei es gewesen. Nun sei die Hilfsaktion Noma bereits Partner der Weltgesundheitsorganisation, arbeite an einem eigenen Lehrbuch und folgte dem Hilferuf der Regierung in Guinea-Bissau, wo sie seit einigen Jahren zusätzlich zum Engagement im Niger aktiv ist. Das erklärte Ziel der Deutschen: dass kein Kind sein Gesicht verlieren oder verstoßen werden muss. Wenn wir’s ned machen, dann macht’s keiner, so Winkler-Stumpf. Und es klingt wie eine Motivation für sich selbst: Also fangen wir an. Auch Bürgerwehren formieren sich, Kriminalsoziologe deutet das als Symptom einer tiefsitzenden Unsicherheit. Wien – In ganz Österreich formieren sich Bürgerwehren, Pfeffersprays sind ausverkauft und die Nachfrage nach Waffenscheinen ist auf Rekordhöhe. Es gibt schon länger eine tiefsitzende Unsicherheit in der Bevölkerung, erklärte der Kriminalsoziologe Reinhard Kreissl. Die Übergriffe von Köln seien nun eine zusätzliche Initialzündung gewesen. Die sozialen Medien spielen bei dem Phänomen eine zentrale Rolle. Über Facebook schließen sich etwa in Wien gerade Personen zusammen, um gemeinsam eine Bürgerwehr aufzustellen. Wir wollen nicht die Arbeit der Polizei machen. Wir wollen unseren Bürgern das Gefühl geben, dass jemand auf sie schaut, wenn es dunkel wird. Wir werden uns als Verein im Rahmen der Nachbarschaftshilfe bewegen, schreiben die Organisatoren. Seitens der Polizei läuft eine Überprüfung der Gruppe. Auch die Waffenverkäufe sind gestiegen. Ich verkaufe mehrere Glocks in der Woche, das war früher nicht so, sagte etwa der Besitzer des Waffengeschäfts Doubleaction, Gerhard Pöpl. Pfeffersprays sind überhaupt ausverkauft. Ich bekomme heute eine neue Lieferung. Damit liegt Pöpl ganz im Trend. Österreichweit kann man von einer Zunahme von 50 Prozent bei Verkäufen von Pfeffersprays ausgehen, sagte Branchensprecher Robert Siegert. Auch bei den B-Waffen wie Pistolen ist von einer Steigerung auszugehen. Wir haben im Herbst eine große Zunahme an Anträgen für Waffenbesitzkarten verzeichnet, sagte Siegert. Dies würde sich nun in den Verkaufszahlen widerspiegeln. 2015 bedeutete für die Branche auch generell ein Trendwende: Die Zahl der Waffenbesitzkarten war davor nämlich rückläufig. Für Kreissl sind die Phänomene Ausdruck einer tiefsitzenden Verunsicherung der Österreicher. Die Grundfeste des persönlichen Sicherheitsgefühls wie eine sichere Arbeitsstelle und eine dauernde Partnerschaft seien heute vor allem durch die Globalisierung nicht länger gegeben. Gleichzeitig haben die Menschen immer weniger Kontrolle über ihren Alltag, sagte der Kriminalsoziologe. Bei internationalen Konzernen reiche etwa bereits ein Beschluss, Standorte zu verlegen, und schwupps – sind in einem Land tausend Leute arbeitslos. Diese Verunsicherung schwelt schon länger innerhalb der Bevölkerung. Die Flüchtlingssituation habe den Ängsten nun eine einfache Projektionsfläche geliefert. Die Vorfälle in Köln waren sicherlich eine weitere Initialzündung, sagte Kreissl. Neben der Politik verliere nun auch die Polizei als staatliches Ordnungsorgan zunehmend das Vertrauen der Bevölkerung. Dabei spiele es keine Rolle, dass die Ängste meist völlig unbegründet sind. Ich kann jemandem tausend Mal erklären, dass es in Wien extrem unwahrscheinlich ist, Opfer einer kriminellen Tat zu werden, aber ich komme dann einfach nicht mehr durch, sagte der Kriminalsoziologe. Kreissl rechnete damit, dass die Stimmung wohl noch einige Wochen lang angespannt bleibt. Doch sobald die mediale Aufmerksamkeit wieder einen anderen Schwerpunkt bekommt, werde sich wohl auch die Bevölkerung wieder entspannen. Der Stadtpfarrer von Mattersburg kümmert sich nicht nur ums geistige Wohl der Seinen. Sondern auch ums leibliche. Günther Kroiss ist – viele Burgenländer sind das – ein Häuselbauer. Er sieht nie die Baustelle, stets nur den schon fertigen Bau. Und das tut er mit solcher Inbrunst, dass er immer wieder eine neue Baustelle anfangen kann. Jetzt gerade eine für ein Wohnheim für acht Burschen, denen das Leben bisher nicht wirklich viel geschenkt hat. Vier Österreicher und vier unbegleitete Flüchtlinge sollen hier, in dem angejahrten, nach fleißigen Händen schreienden Streckhof, nicht nur wohnen. Sie sollen hier wieder oder erstmals ins Arbeiten finden. In der Tischlerwerkstatt. Oder im Schenkhaus. Ein Schenkhaus wird es in der Mattersburger Hauptstraße klarerweise auch geben. Denn alles, was Günther Kroiss – der Wirtssohn und Absolvent der Klosterneuburger Weinbauschule – anpackt, wird am Ende immer eine Art Schenkhaus sein. Brot, Wein, Zusammenhocken: Das ist nicht bloß eine gastronomische Angelegenheit. Sondern auch eine theologische. Seit 2011 ist der 45-jährige Günther Kroiss der Stadtpfarrer von Mattersburg. Aber nicht erst seitdem hat er seiner 7000-Seelen-Gemeinde die Grundbegriffe der praktischen Seelsorge eingetrichtert: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es. Und so fuhrwerken der Pfarrer und seine Mitstreiter (Das geht nur im Team) unermüdlich, und mit dem pragmatisch-realitätsausblendenden Häuselbauerblick, im Flüchtlingswesen, in der Sozialhilfe, in der Berufseinstiegshilfe, in der Lernunterstützung, im interreligiösen Dialog. Und in der Gastronomie. Das ganz besonders. Begonnen hat alles 2000, im Jahr seiner Priesterweihe. Aus einem Maturaprojekt an der Mattersburger Handelsakademie, wo er immer noch Religionslehrer ist, entstand der Verein 2getthere, in dem Oberstufenschüler gegen geringes Entgelt lernschwachen Kollegen und Kolleginnen auf die Sprünge halfen. Das war das Vorbild für die Caritas-Lerncafés. Und Anstoß auch für die nächste Ausbaustufe, den Verein Work 2getthere. Junge Menschen, denen das Leben bisher viel aufgebürdet hat, können sich hier wieder oder erstmals ans Tätigsein gewöhnen. Ein märchenhaft verwinkeltes Haus – Relikt der einst großen Judengemeinde – wurde als Bar eingerichtet und von den Jungen geführt. Nach dem Schutzpatron der katholischen Jugend, Domenikus Savio, nennt sich diese Bar Savio. Daneben gibt es auch eine kleine Tischlerei. Hier können jene, die das Leben ein wenig leutscheu hat werden lassen, ihre Fähigkeiten erproben. Günther Kroiss ist ja keiner, der sich bloß der Ausbildung annimmt, obwohl die Geschäftführer des Gastrobereichs und der Tischlerei ihre Lehrberechtigung haben und es könnten. Aber jene, die hierher kommen, müssten sich erst in den Basics zurechtfinden, sagt Kroiss: Sie brauchen einmal eine Tagesstruktur. Geläufige sozialpädagogische Maßnahmen und Absichten erscheinen dem Pfarrer da eher weniger prioritär. Die haben ja alle eh schon eine lange sozialpädagogische Karriere hinter sich. Es gehe um Selbstfindung, die erst die Integration ins Leben möglich macht. Die Jungen müssen sich spiegeln können. Das aber durchaus auch – oder vor allem – in ihrer Tätigkeit. Ein schief gehobeltes Brett hilft diesbezüglich oft mehr als das noch so gut gemeinte Mahnwort der Fürsorgerin. Und so entstand dann auch das jüngste Werk des Mattersburger Stadtpfarrers, den sie da und dort auch Tausendsassa des Herrn rufen. Ein Baumeister stellte seinen leerstehenden, zentrumsnahen Streckhof zur Verfügung. Und wollte das Gebäude auch gleich herrichten. Aber der Pfarrer winkte ab: Das sollen die Burschen selber machen. Vier Burschen sind Österreicher, vier unbegleitete Flüchtlinge. Und diese acht tun jetzt gemeinsam, was Häuselbauer eben tun: Sie krempeln die Ärmel hoch. Bauen sich ihre Wohnung (Es gibt acht Zimmer, jeder soll ein Einzelzimmer bekommen) selber. Ihre Tischlerwerkstatt. Und dem Pfarrer das Schenkhaus – die fünfte Gastrolocation wäre das. Und unversehens, so hofft Kroiss, stehen die acht, mit so unterschiedlichen Binkerl Beladenen, mitten im eigenen Leben, in das hinein sie einander geholfen haben – ohne viel Aufhebens. Im Pfarrheim logieren zwei syrische Familien, zehn Menschen. Auch sie werden wohl, wenn auch auf andere Weise, ins neue Leben finden. Drei in sich und die Sozialpädagogik verstrickte junge Burschen logieren im Pfarrhof. Und nebenbei tut Günther Kroiss, was ein Pfarrer halt so zu tun hat: vom Aus-der-Taufe-Heben übers Beichtehören bis zum Ins-Grab-Legen. Das Tausendsassatum des Günther Kroiss hat Mattersburg jedenfalls die Bitterkeit lautstarker fremdenfeindlicher und sozialneidiger Debatten erspart. Niemand fragt mich, ob das, was ich mache, okay ist. Sondern nur: Derschupft ers eh? Eine gute Frage, die der umtriebige Pfarrer sich täglich auch selber stellt. Sich und seinem Herrgott. Vorderhand antworten beide: Ja. Der Extremsportler forderte auf Facebook eine schärfere Flüchtlingspolitik, Böhmermann nannte ihn daraufhin einen "Wirtschaftsflüchtling". Felix Baumgartner nutzt derzeit seinen Facebook-Account, um seine Meinung über Österreichs Flüchtlingspolitik loszuwerden. Am Montag postete er aus Santa Monica, Kalifornien ein Bild mit dem Sinnspruch: Ein Land, in dem Angeln ohne Angelschein rechtlich bestraft wird und Menschen ohne Pass die Grenze überqueren, können nur Idioten regieren. Nach heftiger Kritik legte er am Dienstag nach und veröffentlichte eine Stellungnahme an Alle Facebook-Freunde, Fans, Hasser, Journalisten, Politiker und Sonstige. Unter anderem forderte er darin, dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán auch einen Friedensnobelpreis zu verleihen. Denn dieser habe das einzig Richtige getan, nämlich sein Land und sein Volk, das ihn gewählt hat, zu schützen!. Ich fand ja Felix Baumgartner eigentlich immer ganz sympathisch... Tja, jetz nich mehr... pic.twitter.com/8zaqZQNkkQ Der deutsche Komiker Jan Böhmermann schaltete sich daraufhin ein und verfasste eine Antwort an den hauptberuflichen Vonirgendwoherunterfaller, mit Anspielung auf dessen Stratosphärensprung: Ich hoffe, Red Bull verleiht direkt ein Paar goldene Extraflügel an Felix Baumgartner für den weltbesten Facebookeintrag, der jemals ohne Sauerstoffzufuhr geschrieben wurde. Böhmermann erinnerte zudem daran, dass Baumgartner selbst aus finanziellen Gründen seinen Wohnsitz in die Schweiz verlegt habe, und bezeichnete ihn als Wirtschaftsflüchtling. Abschließend forderte er, Schauspieler Til Schweiger von der Kette lassen, der dafür bekannt ist, um deftige Worte in der Flüchtlingsdebatte nie verlegen zu sein. Wow, @redbull s very own Felix Baumgartner hat bei Facebook die Sauerstoffmaske abgenommen… Hilfe, Til!!!!!1!!!! pic.twitter.com/CmbZEjtCO3 Baumgartner hat Böhmermanns Posting, das viel Zuspruch fand, mittlerweile gelöscht. Zudem ist es ihm laut eigener Angabe wichtig, dass bei Zitaten als Quelle Facebook / Felix Baumgartner angegeben wird. Bitteschön. Schon seit Jahren sorgt Baumgartner mit seinen politischen Analysen für Diskussionen. So bezeichnete er im Jahr 2012 im Interview mit der Kleinen Zeitung eine gemäßigte Diktatur als die beste Regierungsform. Günther Klum verlangt 741,94 Euro Schadenersatz für Schäden an seinem Audi A8. Bergisch Gladbach/Köln – Günther Klum, Vater des deutschen Models Heidi und Fahrer einer Luxuslimousine, hat wegen eines Schlaglochs seine Heimatstadt Bergisch Gladbach geklagt. Eine Sprecherin des Kölner Landgerichts bestätigte am Mittwoch einen Bericht der Bild-Zeitung, wonach Klum nach einem Unfall 741,94 Euro Schadenersatz fordert. Laut dem Blatt war Klum im Juni 2015 mit seinem Wagen in ein zehn Zentimeter tiefes Schlagloch gefahren. Dabei sei ihm unter anderem ein Reifen kaputt gegangen. Die Reparaturkosten wolle er nun von der Stadt zurückhaben. Der Gerichtstermin am Dienstag war dem Bericht zufolge schon nach wenigen Minuten vorbei. Das Gericht habe Klum erklärt, dass bei einem asphaltierten Feldweg eine Kontrolle alle drei Monate ausreiche – und dass man eben aufpassen müsse. Ein Urteil wird Mitte Februar erwartet. Mir geht es nicht um das Geld für den kaputten Reifen und die verzogene Spur. Aber stellen Sie sich bitte vor, nicht ich wäre mit meinem großen Audi A8 und ganz langsam dort hineingeraten, sondern ein ungeübter, junger Motorradfahrer in vollem Tempo, zitiert die Bild-Zeitung Klum. Die Stadt müsse für sichere Straßen Sorge tragen. Wenn wir verlieren sollten, gehe ich in Berufung. Klägerin hatte sich für sexuell belästigte Frauen eingesetzt. Los Angeles – Wegen Mobbings und Belästigung ist der Begründer von Bikram-Yoga in den USA zu einer Millionenstrafe verurteilt worden. Ein Gericht in Los Angeles gab einer Anwältin Recht, die für Bikram Choudhury gearbeitet hatte. Nach ihren Angaben wurde sie von dem Mann hinter dem weltweiten Bikram-Imperium gemobbt, nachdem sie gegen die sexuelle Belästigung von Frauen im Unternehmen Stellung bezogen hatte. Bikram-Yoga wird in extra aufgeheizten Räumen praktiziert und ist weltweit verbreitet. Die Klägerin Minakshi Jafa-Bodden leitete die Rechtsabteilung des Imperiums. Als solche sprach sie nach eigenen Angaben mehrere ihr zugetragene Fälle von sexueller Belästigung und sexuellen Übergriffen am Arbeitsplatz an. Unter anderem ging sie Vorwürfen nach, dass eine Praktikantin vergewaltigt worden sei. Wegen ihres Einsatzes für die Frauen wurde sie nach eigenen Angaben schikaniert und bedroht und schließlich gefeuert. Choudhury soll laut dem am Dienstag gefällten Urteil der Klägerin 6,47 Millionen Dollar (sechs Millionen Euro) Schadenersatz und Schmerzensgeld zahlen. Am Montag hatte ihn die Jury in dem Fall bereits zu knapp einer Million Euro Entschädigung verurteilt. Der aus Indien stammende Choudhury soll nach seiner Übersiedlung in die USA mit seiner Yoga-Idee immensen Reichtum angehäuft haben. Vor Gericht erklärte der 69-Jährige allerdings, dass er – trotz beispielsweise bis zu 40 Luxusautos in seiner Garage – kurz vor dem persönlichen Bankrott stehe. Berlin – Ex-Genesis-Sänger Phil Collins (64) hat sich mit seiner Ex-Frau versöhnt. Ja, ich bin sehr glücklich, wieder mit Orianne und meinen beiden Söhnen Nicholas und Matthew zusammen zu leben, sagte der Brite in einem Interview mit dem deutschen Radiosender SWR3 am Donnerstag. Wir haben beide eingesehen, dass es ein Fehler war, auseinanderzugehen, und diesen Fehler haben wir korrigiert. Er könne jetzt wieder ein Vater für seine Söhne sein. Das ist ein wunderschönes Geschenk, sagte der Sänger, der nicht nur mit seiner früheren Band Genesis, sondern auch solo große Hits hatte (In The Air Tonight, Youll Be In My Heart). Die Scheidung von der mehr als 20 Jahre jüngeren Orianne Cevey war Collins dritte Scheidung gewesen und hatte ihn 25 Millionen Pfund (32,9 Millionen Euro) gekostet. Einige "Stolpersteine", die an Opfer des NS-Terrors erinnern, besprüht – Grazer Dom mit NS-Symbolen beschmiert. Graz – Die Polizeimeldung am Donnerstag war kurz und bündig: Unbekannter Täter beschädigten zwischen Anfang Dezember 2015 und 3. Feber 2016 vier sogenannte Stolpersteine, indem sie diese mit Säure oder blauer Farbe besprühten. Bei den Gedenksteinen handelt es sich um jeweils zehn mal zehn Zentimeter messende Betonsteine mit angebrachter Messingplatte, die in den Gehsteig eingelassen sind. Die Höhe des Sachschadens in unbekannt. Im Polizeibericht fehlte das wesentliches Detail: Diese Stolpersteine in der Grazer Schröttergasse im Bezirk Geidorf erinnern an die Opfer des NS-Terrors. An die jüdische Familie Kurzweil etwa oder an den Architekten und Widerstandskämpfer Herbert Eichholzer. Daniela Grabe, grüne Gemeinderätin und Initiatorin der Stolpersteine, hat am Donnerstag einen weiteren beschädigten Gedenkstein in der Grazer Oeverseegasse entdeckt. Auch am Griesplatz sind aktuell Steine beschädigt worden. Bereits vor einem Jahr wurden die Stolpersteine durch Säure beschädigt. Der Verfassungsschutz nahm damals Ermittlungen auf. Bis heute ergebnislos. Die neuerlichen Anschläge auf Stolpersteine zeigen, wie wichtig ein klares Auftreten gegen rechtsextreme Gruppen, die verhetzendes und NS-verharmlosendes Gedankengut verbreiten, ist. Genauso wichtig ist aber die konsequente Weiterarbeit an Gedenkprojekten, sagte Grabe. Es seien weiteren Verlegungen von Stolpersteinen in Graz im heurigen August geplant. Rechte Übergriffe und Straftaten nehmen massiv zu, das Klima ist bedrohlich, sagt Hanno Wisiak, Bezirksvorsteher-Stellvertreter (KPÖ) in Geidorf. Er verweist auch auf die in diesen Tagen entdeckten Nazi-Schmierereien in der Innenstadt. Auch der Grazer Dom wurde angesprüht. Prozess gegen 50-Jährigen in Graz untersucht Verbindungen zu IS-Kämpfern. Graz – Es gibt angenehmere Vormittage. Im abgedunkelten großen Verhandlungssaal des Grazer Straflandesgerichts lässt der Richter am Donnerstag einen IS-Propagandafilm abspielen. Zwischendurch switcht er auf andere Sequenzen, in denen schwere Kampfhandlungen dokumentiert und über den Gerichtsbildschirm dem Angeklagten vorgespielt werden. Warum er sich das alles, all diese Gewaltvideos, angeschaut habe, fragt der Richter. Nur damit er Arabisch lerne, wie von ihm behauptet? Das auch, ja, aber er habe sich informieren wollen, was da unten in Syrien so läuft. Interessehalber halt. Das Filmmaterial wurde bei Hausdurchsuchungen beim 50 Jahre alten Angeklagten, der seit Wochenbeginn hier in Graz vor Gericht sitzt, gefunden. Dem gebürtigen Bosnier wird von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, dass er der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beitreten und weitere Mitglieder rekrutieren wollte. Jenen Bekannten, den er von der Boxgruppe im Religionsverein kennt und den er laut Anklage zum IS vermittelt haben soll, kenne er als ruhigen, sehr aufmerksamen Menschen, den er oft kontaktiert habe. Dieser Freund ist nun auf diesem Propagandavideo zu sehen, das der Richter abspielt. Ja, wenn der Film nicht manipuliert worden sei, erkenne er ihn wieder, sagt der Angeklagte. Er wird mit den Aussagen im Film konfrontiert, wonach etwa Ungläubige getötet werden sollen. Ob er sich damit identifiziere, fragt der Richter. Der Beschuldigte zieht die Schultern zu einer abwehrenden Geste hoch. Jeder Muslim sei für seinen Weg selbst verantwortlich. Was hab ich damit zu tun? Was fragen Sie mich solche Sachen? Hab ich jemanden angegriffen?, fragt er zurück. Und plötzlich wird der Ton rauer und lauter. Ich bin nicht IS. Warum sagen Sie das dauernd? Was für einen Beweis haben Sie?, ruft der Angeklagte zum schräg vor ihm sitzenden Staatsanwalt hinüber. Sich selbst definiert der Mann schlicht als Muslim. Ich bin ein normaler Muslim. Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt. Zisterzienserpater Karl Wallner löst Leo Maasburg als Missio-Direktor ab. Wien – Der Mann hat Energien, die nur von oben kommen können. Pater Karl kennen viele als den Popmönch aus Heiligenkreuz, der mit seinen Mitbrüdern regelmäßig Hitparaden rund um den Globus stürmt. In seiner Hauptberufung ist der Zisterzienserpater, der 1963 als Josef Wallner geboren wurde, aber Rektor der Philosophisch-Theologischen Hochschule Benedikt XVI. in Heiligenkreuz. Die Hochschule ist so erfolgreich, dass wegen des großen Andrangs von Studenten und Seminaristen Wohncontainer aufgestellt werden mussten. Nun wird Pater Karl Nachfolger von Leo-M. Maasburg als Nationaldirektor der Päpstlichen Missionswerke in Österreich (Missio). Maasburgs Mandat läuft nach elf Jahren Ende August aus, die Vatikanische Kongregation folgte bei der Auswahl des Nachfolgers dem Wunsch der österreichischen Bischofskonferenz. Kardinal Christoph Schönborn ist sicher, dass Pater Karl Wallner ein Motor für die Mission sein wird. Dabei dürfte Schönborn nicht nur auf Gottvertrauen, sondern auch auf das Fundraising-Talent des neuen Missio-Chefs setzen. Hauptaufgaben der Päpstlichen Missionswerke ist die Verbreitung der Glaubenslehre und die Unterstützung der Kirche in Afrika, Asien und Lateinamerika. Eine BBC-Dokumentation enthüllt Briefwechsel von Johannes Paul II. mit einer verheirateten Frau. London/Rom – Papst Johannes Paul II. hat über Jahrzehnte eine Beziehung zu einer verheirateten Frau gehabt. Das zeigt eine BBC-Dokumentation, die am Dienstagabend im Kulturkanal Arte gezeigt wird. Dabei stellen die Autoren der Dokumentation klar, dass es keine Hinweise darauf gibt, dass Karol Wojtyla das Zölibat gebrochen habe, berichtet die Kathpress. Dennoch seien sich die verheiratete Mutter von drei Kindern und der Geistliche über drei Jahrzehnte auch emotional sehr nahe gewesen. Der BBC-Film wurde in Großbritannien bereits am Montagabend ausgestrahlt. Die Zeitung Guardian berichtete am Sonntag, ohne eine genauere Quelle zu nennen, der Vatikan habe sich von dem Beitrag distanziert. Er enthalte mehr Rauch als Feuer. Laut Dokumentation hatte der damalige Kardinal von Krakau, Karol Wojtyla (1920-2005), seit Beginn der 70er-Jahre eine intensive Beziehung zu der polnisch-amerikanischen Philosophin Anna-Teresa Tymieniecka (1923-2014), die bis zum Tod des Papstes am 2. April 2005 reichte. Dies war in Insider-Kreisen allerdings bereits bekannt. Neu an der Dokumentation ist, dass mehrere Hundert Briefe und Privatfotos die Seelenverwandtschaft dokumentieren. Begonnen hat die Beziehung Anfang der 1970er-Jahre, als Tymieniecka dem Krakauer Kardinal antrug, sein 1969 veröffentlichtes Buch Person und Tat ins Englische zu übersetzen. Aus dem Briefwechsel über philosophische Fragen entwickelte sich schnell eine sehr persönliche Korrespondenz. Schon bald kam es laut Dokumentation auch zu persönlichen Begegnungen, gemeinsamen Wanderungen oder Skiausflügen. Als der spätere Papst 1976 an einer katholischen Konferenz in den USA teilnahm, lud ihn Tymieniecka ein, im Landhaus ihrer Familie zu übernachten. In der Dokumentation bleibt unklar, wie weit Wojtyla sich über die tiefen Gefühle der aus einer polnisch-französischen Adelsfamilie stammenden Frau im Klaren war. In einem Brief, der mit September 1976 datiert ist, schreibt er: Meine liebe Teresa. Ich habe alle drei Briefe erhalten. Du schreibst, dass du zerrissen bist, aber ich konnte keine Antwort auf diese Worte finden. Jedenfalls habe der Kardinal den Kontakt zu ihr nicht abgebrochen. Im Gegenteil: Er stand dazu und habe hervorgehoben, dass die enge Beziehung für ihn ein Geschenk Gottes sei. Noch einen Tag vor dem Tod des Papstes besuchte die Philosophin ihn im Krankenhaus. Briefe von Tymieniecka liegen der BBC nicht vor. Es wird vermutet, dass sich Kopien von ihnen in jenem Archiv befinden, das von der Philosophin an die polnische Nationalbibliothek verkauft wurde. (APA, red) Johannes Paul II. soll nicht unkeusch gewesen sein, Gefühle zu Frauen waren aber da. In seinen unzähligen Briefen an eine polnisch-amerikanische Philosophin bezeichnete Papst Johannes Paul II. die verheiratete Frau als Geschenk Gottes – doch ein platonisches und nicht fleischliches, wie der Autor einer BBC-Dokumentation, die die enge Freundschaft zwischen den beiden thematisierte, betonte. Die beiden seien mehr als Freunde, aber weniger als Liebhaber gewesen. Auch die polnische Nationalbibliothek, die die Briefe besitzt, wiegelte ab: Die Frau habe zum Freundeskreis des Papstes gehört, die Beziehung sei weder vertraulich noch ungewöhnlich gewesen. Die Liebe – die platonische, aber auch die fleischliche – war für den im Jahr 2005 verstorbenen Karol Wojtyla während seines ganzen Lebens ein zentrales Thema gewesen. Er hatte einerseits eine erzkonservative Sexualmoral vertreten und jeden vor- oder außerehelichen Sex, jede Form von künstlicher Empfängnisverhütung und erst recht jeden Schwangerschaftsabbruch verdammt – andererseits hat er unzählige Oden an die Liebe zwischen Mann und Frau geschrieben und die gegenseitige Hingabe unter Eheleuten gepriesen. Dabei wurde seine Sprache nicht selten kühn: In seinem autobiografischen Buch Die Schwelle der Hoffnung überschreiten beschrieb er den ehelichen Sex – etwas verklausuliert – als Weg zur Erlösung: Als Mann und Frau erlöste er sie. Karol Wojtyla, der schon als Neunjähriger seine Mutter verloren hatte, entschied sich für die Ehelosigkeit. Er hatte sich zwar in seiner Jugend und auch als Student ein- oder zweimal verliebt, und (platonische) Verliebtheit dürfte auch bei der Freundschaft zu der im Jahr 2014 verstorbenen Philosophin im Spiel gewesen sein. Wojtylas innigste und tiefste Liebe galt jedoch spätestens nach seiner Priesterweihe der Jungfrau Maria. Totus tuus lautete das Motto, unter das er sein Pontifikat gestellt hatte: Ganz dein. Salzburgs Flughafen ist im Winter ein Hotspot für Flugzeugfotografen – ein Besuch am Zaun. Können wir kurz Pause machen?, unterbricht David Schilcher das Gespräch. Die Monarch hätt ich gerne. Er deutet auf einen Airbus A320 der britischen Airline Monarch und zückt seine Kamera. Schilcher fotografiert in seiner Freizeit Flugzeuge – er ist Planespotter. Jeden Wintersamstag treffen sich am Salzburger Flughafen dutzende, an Spitzentagen hunderte Gleichgesinnte. Sie bekommen einiges geboten: Im Fünfminutentakt starten und landen Maschinen voller Skitouristen aus Destinationen wie Moskau, Reykjavík und Tallinn. Viele davon sind Charterflüge von Airlines, die man außerhalb der Wintersaison in Österreich nicht sieht. Genau deswegen ist Salzburg im Winter ein spannendes Pflaster für die Spotterszene: Seltene Flugzeuge, ungewöhnliche Lackierungen (Liveries) und weniger bekannte Airlines ziehen die Flugzeugfans in Scharen an. Ich arbeite seit 23 Jahren am Flughafen, sagt Alexander Klaus, Flughafensprecher in Salzburg, und die Spotter waren immer schon da. Der Flughafen ließ eigens einen Hügel aufschütten, damit die Spotter über den Zaun fotografieren können, und versorgt obendrein Interessierte mit Infos zum Flugplan. Werner Beller und seine zwei Kollegen aus München freuen sich vor allem über bunte Flugzeuge und darauf, den Tag bei einem Bier in der Salzburger Innenstadt ausklingen zu lassen. In analogen Zeiten waren wir fast noch ein elitärer Verein, aber seit man alles mit Computern macht, ist die Zahl der Spotter unheimlich angestiegen, meint Beller. Der harte Kern der Szene in Salzburg wird auf etwa 50 Personen geschätzt, je nach Wetter und Flugplan stehen zuweilen aber auch mehrere hundert Spotter am Flughafenzaun und auf der Besucherterrasse. Mit wenigen Ausnahmen sind es Männer aller Altersklassen. Manche kommen einzeln, andere in Gruppen. Oft haben sie – neben dem Fotorucksack – kleine Leitern, Jausenpakete, Thermoskannen oder Dosenbier dabei. Auch an Nachwuchs fehlt es nicht. Der 20-jährige Kfz-Techniker Markus Schenk etwa jagt spezielle Liveries: Ich habe eine Spiegelreflexkamera daheim gehabt und bin dann halt einmal mitgegangen. Seine Fotos lädt Schenk auf Plattformen wie airliners.net hoch. Es ist schon ein Wettkampf mit anderen Spottern, so viele Lackierungen wie möglich zu fotografieren, sagt er. Aber warum macht man das eigentlich? David Schilcher hat die Frage schon oft gehört. Fotografieren ist meine Leidenschaft, genauso wie Flugzeuge. Andere fotografieren Blumen. Es muss auch nicht jeder jedes Hobby verstehen. Manchmal bleibt Planespotting nicht nur ein persönliches Hobby. Erst vor wenigen Wochen hat ein Spotter in Bulgarien auf Waffenlieferungen nach Saudi-Arabien und in die Vereinigten Arabischen Emirate aufmerksam gemacht. Immer wieder werden auch Fotos und Videos von Notlandungen oder Beinaheunglücken von Spottern online gestellt und an Medien übermittelt. Brisantes Material kommt in Salzburg an diesem Februarsamstag niemandem vor die Linse. Aber darum geht es auch nicht. Am Ende des Tages ist die Sammlung eines jeden Spotters wieder um ein paar schöne Flugzeugfotos angewachsen, und man verabschiedet sich mit vollen Speicherkarten: Bis nächste Woche! (Sarah Brugner, Michael Luger, 22.2.2016) Vier neue Paare für Jeison Rodriguez aus Venezuela. Caracas/Berlin – Für so manchen Normalbürger ist der Schuhkauf schon ein Problem, für Jeison Rodriguez erst recht: Der größte Mann Venezuelas hat mit Schuhgröße 66 die größten Füße der Welt. Umso glücklicher war er, als er am Mittwoch vom deutschen Schuhmacher Georg Wessels vier neue Paar Schuhe geschenkt bekam, wie Wessels berichtete. Bereits vor drei Jahren hatte der Handwerker dem Venezolaner drei Paar Schuhe geschenkt. Verwandte des 20-Jährigen in Deutschland hätten ihm berichtet, wie sehr er sich gefreut habe, sagte Wessels, der nach eigenen Angaben bereits seit 40 Jahren die größten Menschen der Welt mit passenden Schuhen beschenkt. Bisher seien das rund 500 Paar gewesen. Rodriguez wurde 2014 vom Guinness-Buch der Rekorde als Mann mit den größten Füßen der Welt registriert. Sein rechter Fuß misst 40,1 Zentimeter, der linke ist ein bisschen kleiner. Mit seinen 2,21 Metern Körpergröße ist er zudem der größte Mann Venezuelas. Seit Monaten weisen Bewohnervertreter auf die Zustände im Salzburger Heim für Schwerstbehinderte hin. Das Land ignoriert aber die Gerichtsbeschlüsse. Salzburg – Das Land Salzburg steht vor einem großen Heimskandal. Seit beinahe einem Jahr weisen die Vertreter der Bewohner des Salzburger Heimes für Schwerstbehinderte vom Verein Vertretungsnetz – Bewohnervertreter auf die Missstände im Heim Konradinum hin. Auch die Volksanwaltschaft ist in der Causa bereits aktiv geworden. Es geht um Freiheitsbeschränkungen mittels Psychopharmaka und Freiheitsentzug mittels Gurten. In vier Fällen – insgesamt leben in dem Eugendorfer Heim 34 Menschen – hat das Gericht auf Antrag der Bewohnervertretung bereits eindeutige Beschlüsse gefasst. Ein Beispiel: Die Art und Weise, wie der Bewohner derzeit lebt, ist aus heilpädagogischer Sicht abzulehnen. Und weiter: Die derzeitige Betreuungssituation ist als sekundär behindernd einzustufen. Als Akutmaßnahme hat das Gericht festgestellt, dass eine 1:1-Betreuung auch im Sinne der Gefahrabwehr notwendig sei. Das war im August 2015. Die dahinterstehenden menschlichen Schicksale gehen auch erfahrenen Sozialarbeitern nahe. Eine Frau lebt seit fast vier Jahrzehnten im Konradinum. Laut Gutachten hat die Art der Unterbringung ihre Situation deutlich verschlechtert. Im Fall eines vor mehreren Jahren ausgeschulten Jugendlichen wurde – die laut Medizinern durchaus erwünschte – Wiedereinschulung so lange hinausgeschoben, bis altersbedingt die Schulpflicht vorüber war. Nach dem STANDARD vorliegenden Informationen dürfte der Jugendliche – statt des Schulbesuchs – zumindest einmal in der Psychiatrie 60 Stunden durchgehend mit Gurten fixiert worden sein – reduziert auf die basale Existenz, wie das im Fachjargon heißt. Geschehen ist seit den Gerichtsbeschlüssen vom August so gut wie nichts. Vergangenen Freitag hatten die per Heimaufenthaltsgesetz bestellten offiziellen Bewohnervertreter vom Verein Vertretungsnetz – Bewohnervertreter wieder einen Gerichtstermin beim Bezirksgericht. Sie müssen in zwei der vier Fälle auf die Einhaltung von Gerichtserkenntnissen pochen. Entschieden wird Ende dieser Woche. Und auch dann ist nicht sicher, dass den Heimbewohnern geholfen wird. Denn das Heimaufenthaltsgesetz kennt keine Strafbestimmungen für säumige Heimträger. Die einzige Chance ist das Zivilrecht. In zwei Fällen haben die Sachwalter von Bewohnern des Konradinums bereits auf Schadenersatz wegen Grundrechtseingriffen geklagt. Das Land als Heimträger – zuständig sind das ÖVP-geführte Gesundheitsressort und das von den Grünen geleitete Sozialressort – reagiert auf die Missstände lediglich mit dem Hinweis, dass man in den nächsten Jahren die bauliche Situation verbessern wolle. Was wiederum für die Bewohnervertreter zu wenig ist. Es fehle an allem: Tagesstruktur, Kommunikationstraining, Intensivbetreuung. Nur neue, breitere Türen, bringen wenig, sagen die Bewohnervertreter Alexandra Niedermoser und Erich Wahl. Und obwohl Volksanwaltschaft wie auch Bewohnervertreter wiederholt betont hatten, dass die Missstände nicht an den Mitarbeitern lägen, sondern es schlicht an Ressourcen für das Heim Konradinum mangle, versucht die Landesregierung die Debatte als Angriffe auf die Bediensteten von außen darzustellen. In einer Aussendung des Landesmediendienstes werden ehemalige Zivildiener mit den Worten den Menschen, die hier wohnen, gehts gut und anstrengend sei nicht die Arbeit, sondern die Dinge, die von außen hereingetragen werden, zitiert. Es gibt einfach kein politisches Interesse, etwas zu verändern, resümiert die Bewohnervertretung. Die Sängerin lies sich auf der linken ein Tattoo Schulter stechen. Leute/Missbrauch/USA – Tätowierung auf der linken Schulter Los Angeles (APA/dpa) US-Sängerin Lady Gaga (29) hat sich ein Tattoo stechen lassen, das sie mit anderen Missbrauchsopfern verbinden soll. Sie präsentierte am Donnerstag mehrere Videos und Bilder auf Snapchat, die sie beim Tätowierer zeigen. Die Musikerin hatte mit einem emotionalen Auftritt bei der Oscar-Verleihung auf das Thema sexueller Missbrauch aufmerksam gemacht. The survivors on stage—including Lady Gaga—have gotten matching tattoos in solidarity. @ladygaga 💞 pic.twitter.com/wZvXrRqfBT Unterstützt wurde sie auf der Bühne von rund 50 Missbrauchsopfern, die Gaga Überlebende nannte. Bei der Probe haben die Überlebenden und ich einen Pakt geschlossen, schrieb die 29-Jährige und zeigte dazu ihre Tätowierung unter der linken Schulter. Auch andere posteten Bilder mit dem gleichen Tattoo auf Twitter. Die Sängerin (Applause) hat des Öfteren gesagt, früher selbst Opfer sexueller Gewalt gewesen zu sein. Fünf junge Leute mutieren ab Dienstagabend in Mariahilfer Schaufenstern zu Couch Potatoes. Wien – Dienstagabend startet in den Schaufenstern eines Möbelhauses auf der Wiener Mariahilfer Straße ein Weltrekordversuch im Dauerfernsehen. Fünf junge Leute aus Österreich wollen die aktuelle Bestmarke von 91 Stunden, aufgestellt in Toronto, Kanada, knacken. Geht alles glatt und die Couch Potatoes halten 92 Stunden durch, wird eine Schiedsrichterin der Guinness World Records am Samstag ab 14.00 Uhr die Zertifikate über die Eintragung ins Buch der Rekorde überreichen. Mehr als 400 Bewerber hatten sich über einen Facebook-Aufruf beim Veranstalter LG Electronics angemeldet. Antreten dürfen Zivan Pajkanovic (23) und Nadine Pauser (20) aus Wien, Johannes Spilka (19) aus Niederösterreich sowie Markus Waldl und Dominik Zeller (beide 24) aus Oberösterreich. Die offiziellen Regularien gestehen jedem Teilnehmer pro vollendeter Stunde eine fünfminütige Pause zu, die wahlweise auch angesammelt werden kann. Jeder hat so seine Taktik, um nicht einzuschlafen, schilderte einer der Betreuer des Weltrekordversuchs. Die einen unterbrechen öfter für kurzes Powernapping, die anderen wollen jeweils sechs Stunden am Stück schauen und dann eine halbe Stunde schlafen. Zum Munterhalten stehen Kaffee und Energydrinks bereit. Ein Spinning Bike und – abseits der Schaufenster – die Möglichkeit für eine kalte Dusche gibt es auch. Das Programm für die Marathon-TV-Sitzung wählen die Dauerglotzer aus dem Angebot eines Pay-TV-Senders und müssen sich dabei einigermaßen einig werden: Geschaut wird in zwei Schaufenstern auf insgesamt zwei Bildschirmen. Öffentlich bestaunt werden kann die Aktion in den Schaufenstern des Einrichtungshauses Leiner auf der Mariahilfer Straße. Reparieren statt wegwerfen: Die ehrenamtliche Werkstatt hat nun ein fixes Domizil im Stadtteil Lehen. Salzburg – Kaputte Geräte ansehen und wenn möglich reparieren, anstatt sie wegzuschmeißen: Das mobile Repair-Café des Bewohnerservice der Stadt Salzburg hat der Wegwerfmentalität den Kampf angesagt. Viermal im Jahr findet die Reparaturwerkstatt in verschiedenen Stadtteilen statt. Zwischen 150 und 250 Besucher kommen mit ihren kaputten Sachen, um sie gemeinsam mit ehrenamtlichen Reparateuren wieder auf Vordermann zu bringen. Das Angebot ist kostenlos, rund 40 Ehrenamtliche stellen ihre handwerklichen Fähigkeiten zur Verfügung. Neben dem gemeinsamen Reparieren stehen das Gespräch und das Kennenlernen im Vordergrund. Bei den elf Repair-Cafés in den vergangenen drei Jahren kamen insgesamt rund 1.500 Besucher vorbei. Rund 2.000 kaputte Gegenstände wurden begutachtet, etwa 60 Prozent konnten wieder repariert werden. So konnten einige tausend Kilo Elektroschrott vermieden werden. Nun hat das Repair-Café im künftigen Bewohnercenter Lehen, neben dem Literaturhaus, auch ein fixes Domizil. Zweimal im Monat wird dort zusätzlich zu den mobilen Veranstaltungen am Nachmittag repariert. Da der Andrang groß ist, muss man sich vorher anmelden. Im Südburgenland neu angebaute Uhudler-Reben müssen nicht abgeholzt werden. Genanalysen zeigen nämlich Erstaunliches. Eisenstadt – Das Südburgenland, das so bitterlich zu klagen versteht über die eigene Randständigkeit, dass man es in Eisenstadt oft gar nicht mehr hören möchte, hat dieser Tage einiges, wenn schon nicht zu feiern, so doch ausgiebig zu besprechen. Erst wurde die nicht nur von den Grünen heftig bezweifelte Umweltverträglichkeit der S7 – die eigentlich seit weit mehr als zehn Jahren das Industriezentrum Heiligenkreuz mit der Südautobahn verbinden sollte – positiv entschieden. Und dann das: Uhudler endgültig gerettet! Noch zu Wochenbeginn sind alle Zeichen auf Bauernkrieg gestanden. Die Frist zur behördlich auferlegten Rodung von sechs Hektar neu ausgepflanzter Ripatella-Weingärten war abgelaufen. Die betroffenen Bauern weigerten sich. Die Güssinger Bezirkshauptfrau Nicole Wild formulierte schon an einem entsprechenden Bescheid zu einer Ersatzvornahme. In und um die Uhudler-Hauptstadt Heiligenbrunn formierten sich die Bataillone. Doch glücklicherweise gibt es die Genforschung. Das vom burgenländischen Landesverwaltungsgericht beauftrage Julius-Kühn-Institut im deutschen Siebeldingen hat nämlich festgestellt, dass auch die so umstrittene, aber sehr gerne vinifizierte Ripatella-Rebe Vorfahren in der Vitis-Vinifera-Familie hat. Nur diese alteuropäischen Reben, notgedrungen gepfropft auf reblausresistente Amerikaner, dürfen als Wein gelten. Diesbezüglich setzte die EU eine endgültige Frist mit 2030. Neu ausgepflanzt dürfen die amerikanischen Direktträger, die dem Getränk einen unverwechselbaren Geschmack verleihen, schon jetzt nicht mehr werden. Sorten, die das Resultat einer amerikanisch-europäischen Kreuzung sind, dürfen das schon. Die Delaware-Rebe etwa, auf die die burgenländische Agrarlandesrätin Verena Dunst (SPÖ) ihre hohen Hoffnungen gesetzt hat. Oder auch die Sorte Concord. Nun haben aber die rheinland-pfälzischen Genetiker herausgefunden, dass die Ripatella-Rebe nicht nur auch eine amerikanisch-europäische Mischkulanz ist, sondern noch dazu eh ident mit der Concord, zu der man halt da und dort (Südburgenland) auch Ripatella sagt, was die Experten zur Annahme gebracht hat, es wären zwei verschiedene Sorten. Das zeigt schön die Wirkmächtigkeit von Benennungen. Andererseits aber auch, dass der benannten Wirklichkeit die Benennung im Grunde wurscht ist. Die wortgewaltige rote Landesrätin erhob jedenfalls das Uhudler-Glas auf den Landesverwaltungsgerichtshof. Sie habe ja die Genanalyse ins Spiel gebracht. Der Uhudler-Sprecher, ÖVP-Landtagsabgeordneter und Bürgermeister von Bildein, Walter Temmel, findet es verwerflich und gefährlich, wenn eine Politikerin eine Entscheidung der Judikative zu ihrem Erfolg erklärt. Davon unbeeindruckt, hat Christiane Brunner schon vor längerem Leiberln im Grünen-Design präsentiert, die Mehr Uhudlerei verlangen. Manche warnen jetzt freilich davor, den Tag schon vor dem Abend zu loben. Am Ende fänden die Genforscher noch heraus, dass es gar keinen Uhudler gibt. Gemeindebaumieter sind nicht viel ärmer als solche am privaten Wohnmarkt. Wien – Mieter in Gemeindebauten sind tendenziell ärmer als Personen, die ihre Verträge am freien Markt abgeschlossen haben. Jedoch: Der Unterschied ist nur marginal – vor allem in Wien, wo jeder vierte Haushalt in einer Gemeindewohnung lebt. Das geht aus einer aktuellen Studie hervor. Auch Personen mit höherem Einkommen profitieren vom kommunalen Angebot. Die Gesellschaft für Angewandte Wirtschaftsforschung (GAW) Innsbruck hat gemeinsam mit Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin das Thema soziale Treffsicherheit in Gemeindewohnungen beleuchtet. Denn die Wohnform wird, so lautet jedenfalls eine immer wieder geäußerte Kritik, oft auch von nicht bedürftigen Personen in Anspruch genommen. Untersucht wurde nun, wie treffsicher der Vorwurf ist. Tatsächlich, so heißt es, ist nur ein relativ kleiner Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Haushalte einkommensarm. Das betrifft sowohl Wien als auch die anderen Bundesländer. Zwar ist die Armutsquote der Bewohner insgesamt höher, der Unterschied zur Gruppe, die über keine Gemeindebau-Bleibe verfügen, ist aber relativ gering. Hier sticht Wien durchaus hervor: 17,7 Prozent außerhalb des Gemeindebaus leben unter der Armutsquote (herangezogen wurde der Wert von 2013, konkret 13.200 Euro Jahresnettoeinkommen, Anm.), 23,8 Prozent beträgt der Anteil bei den Mietern der Stadt. Sprich: Die Situation ist in beiden Bereichen also durchaus ähnlich. In den anderen Bundesländern ist die Kluft größer. Nur 13,2 Prozent der Personen ohne Gemeindewohnung sind arm, 22,7 Prozent Betroffene gibt es hingegen im Gemeindebau. Die insgesamt relativ hohe Wiener Gesamt-Armutsquote (19,2 Prozent, andere Bundesländer: 13,5 Prozent) wird übrigens auch nicht wirklich abgebildet: Bezogen auf die hohe Wiener Armutsquote ist der Anteil der in Gemeindewohnungen lebenden Armen in Wien relativ gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Haushalt über eine Gemeindewohnung verfügt, ist bei bescheidenem Gesamteinkommen zwar am höchsten. In Wien sind aber auch die besseren Einkommensschichten vertreten. Dort verfügen durchaus auch Personen mit einem Nettoeinkommen von 50.000 Euro über eine Gemeindewohnung – von denen es aber auch sehr viele gibt. Immerhin jeder vierte Haushalt wohnt in Objekten der Kommune. In den übrigen Bundesländern beträgt dieser Anteil nur drei Prozent. Die hohe Anzahl beschert den Wienern eine niedrigere mittlere Nettomiete (also Median-, nicht Durchschnittsmiete) als den übrigen Ländern. Interessantes Detail: Bei der Bruttomiete, also dem Entgelt plus Betriebskosten, ist die Differenz deutlich geringer, da die Betriebskosten in den Wiener Gemeindewohnungen relativ hoch sind, wie konstatiert wird. Kunden des sozialen Wohnbaus – wobei der Genossenschaftsbereich ausgeklammert wurde – müssen rund 23 Prozent ihres Einkommens für die Miete aufwenden. Damit fahren sie erwartungsgemäß relativ günstig. Die Mietbelastung liegt ca. 4 Prozentpunkte (Wien) bzw. 5 Prozentpunkte (übrige Bundesländer) unter jener bei anderen Wohnformen. Als Fazit wird die Gerechtigkeitsfrage eher verneint: Werden Sozialwohnungen danach beurteilt, ob überwiegend ärmere Haushalte begünstigt werden, erfüllen diese weder in Wien noch im Durchschnitt der anderen Bundesländer das Kriterium der sozialen Treffsicherheit. Aber, so wird angemerkt, es gebe natürlich andere politische Begründungen für den sozialen Wohnbau – fraglich ist jedoch, ob die nicht effizienter und verteilungspolitisch effektiver zu erreichen wären, heißt es. In Wien ist es vor allem die ÖVP, die eine Anpassung von Gemeindebaumieten bei steigendem Einkommen fordert. Auch am Dienstag bekräftigte die Volkspartei ihre Forderung nach einem Gehaltscheck für den Gemeindebau. Es sei Handlungsbedarf gegeben, befanden VP-Landeschef Gernot Blümel und Rathaus-Klubobmann Manfred Juraczka in einer Aussendung. Liegt das Einkommen über der zulässigen Grenze, soll der Mieter nach Ansicht der ÖVP drei Optionen haben: eine Anpassung der Miete an marktübliche Konditionen, die Möglichkeit, die Wohnung käuflich zu erwerben oder der Auszug aus der Wohnung, um diese wirklich sozial Bedürftigen zur Verfügung zu stellen. Die im Rahmen einer Höhervermietung bzw. eines Verkaufes entstehenden Mehreinnahmen sollten im Rahmen einer Bauoffensive dem geförderten Wohnbau zugutekommen, schlagen die Stadt-Schwarzen vor. Auch die Wiener Neos sprechen sich dafür aus, Mieter von Gemeindebauten bei steigendem Einkommen höhere Entgelte abzuverlangen. Die Kontrolle solle mittels Einkommensmonitoring durchgeführt werden, empfahl der Wiener Neos-Stadtentwicklungssprecher Stefan Gara. Die SPÖ lehnt hingegen ab, Mieter nach Lohnerhöhungen zur Kasse zu bitten. Verwiesen wird vor allem auf die soziale Durchmischung, die durch die unterschiedlichen Einkommensschichten gewährleistet sei. Wir wollen sozialen Aufstieg erleichtern und nicht bestrafen, Wohnbaustadtrat Michael Ludwig in einer Aussendung. Er verwies darauf, dass das Haushaltseinkommen stets ein wesentliches Kriterium bei der Vergabe sei. Ein regelmäßiger Gehaltscheck würde aber jeglichem – ebenfalls von der ÖVP regelmäßig strapazierten – Leistungsgedanken widersprechen. Nach 35 Jahren legt das Land eine Novelle zum Behindertengesetz vor. Für die Menschen, um die es dabei geht, dürfte sich kaum etwas ändern. Salzburg – Arbeit macht Freude, ist sinnstiftend und kann ein wichtiger Beitrag zur sozialen Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen sein. Seit November sind zehn von dem Salzburger Verein Lebenshilfe betreute Menschen bei der Personalvermittlungsfirma Teampool im Flachgauer Seekirchen beschäftigt. Sie sortieren Werbemittel und verpacken diese. Ein ähnliches Modell gibt es bei einem Betrieb für Reinigungstechnik. Der Wermutstropfen dabei: Alle sind nur auf geringfügiger Basis beschäftigt. Würden sie mehr verdienen, würden sie aus der Behindertenbeihilfe des Landes fallen, sagt Vereinssprecherin Claudia Tomasini. Nicht zuletzt diese Konstruktion in dem von 1981 stammenden Salzburger Behindertengesetz führe dazu, dass die meisten der Lebenshilfe-Klienten nur für ein Taschengeld von etwa 100 Euro im Monat arbeiten können. 200 der 740 von der Lebenshilfe Betreuten sind so bei Firmen oder Gemeinden tätig – nur unfallversichert, ohne sonstige sozialversicherungsrechtliche Ansprüche. Dass es auch anders gehe, zeige das Vorarlberger Projekt Spagat, sagt Tomasini. Bei diesem Inklusionsprojekt werden Behinderte angestellt, der Betrieb bezahlt aber nur die tatsächlich erbrachte Leistung. Die Differenz auf das kollektivvertragliche Entgelt – maximal 1.000 Euro monatlich – legt das Land dazu. Insgesamt nehmen in Vorarlberg bereits rund 300 Menschen an dem Arbeits- und Inklusionsprojekt teil. Von solchen Fortschritten können die Salzburger nur träumen. Denn auch in der von Soziallandesrat Heinrich Schellhorn (Grüne) vor einigen Wochen vorgelegten Novelle zum Behindertengesetz seien solche Projekte nicht vorgesehen, kritisiert man bei der Lebenshilfe. Es sei eben in Österreich immer noch eine Frage des Glücks, wo man auf die Welt kommt, so Tomasini. Auch Lebenshilfe-Geschäftsführer Guido Güntert sieht in der Gesetzesnovelle wenige Fortschritte. Generalkritikpunkt aus seiner Sicht: Das zentrale Grundprinzip der UN-Behindertenrechtskonvention – die Selbstbestimmung im Rahmen der Möglichkeiten – spiegelt sich im Landesgesetz in keinster Weise wider. Als Beispiel für die Selbstbestimmung nennt Güntert die Wohnplatzwahl. Auch weiterhin werde Menschen mit Beeinträchtigungen ein Wohnort zugewiesen, Mitbestimmung sei im neuen Gesetz nicht vorgesehen. Ähnlich die Beurteilung durch die gesetzliche Bewohnervertretung des Vereins Vertretungsnetzwerk. Die Novelle enthalte vor allem Änderungen in der Terminologie, es gebe keinen Paradigmenwechsel und keine Verbesserungen für die betroffenen Menschen, sagt die stellvertretende Bereichsleiterin für Salzburg und Tirol, Alexandra Niedermoser. Der von Schellhorn – er war urlaubsbedingt für eine Stellungnahme nicht erreichbar – als Kernstück bezeichnete Inklusionsbeirat, in dem auch Betroffene sitzen, ist für Niedermoser wenig glaubwürdig. Dieser habe keine durchgreifenden Kompetenzen, und seine Unabhängigkeit ist aufgrund der organisatorischen Nähe zum Land fraglich. Im Kern dürfte sich der neue Gesetzesinhalt vom Text des Jahres 1981 jedenfalls wenig unterscheiden. Ein Beispiel von vielen: Die Feststellung der Behinderung und der notwendigen Maßnahmen solle weiterhin nur durch die Ärzte des Landes erfolgen. Die Beiziehung anderer Experten wie etwa Sonder- oder Heilpädagogen sei nicht vorgesehen, kritisiert Niedermoser. Laut einer Imas-Studie bereut ein Fünftel "gar nichts". Frauen sind selbstkritischer. Linz – Mit ihrem Leben sind die Österreicher zumindest laut einer Studie des Linzer Meinungsforschungsinstituts Imas im Großen und Ganzen zufrieden. Nur fünf Prozent bereuen sehr viel, 28 Prozent einiges, ein Fünftel hingegen gar nichts. Im Nachhinein betrachtet würde der Großteil (70 Prozent) nur weniges anders machen, ergab die am Freitag veröffentlichte Erhebung. Befragt nach dem, was sie doch verabsäumt hätten, nannten die Interviewten aus jener Gruppe, die vieles bzw. einiges bereuen, als erstes: Keine Fremdsprache gelernt zu haben, als nächstes folgte die eigenen Träume nicht verfolgt zu haben und danach in der Schulzeit nicht alles gegeben zu haben. Über einen besonders kritischen Selbstblick verfügen laut der Erhebung vor allem Frauen sowie Personen ab 35 Jahren. Im Geschlechtervergleich bereuen die Frauen eher, die falsche Partnerwahl getroffen und nicht ihr eigenes Leben gelebt zu haben. Männer hingegen beklagen ihre Fokussierung auf das Materielle. Zu sehr nach Geld gestrebt und zu teure Anschaffungen gemacht zu haben, betrachteten sie im Rückspiegel als Fehler. Imas hat zwischen dem 19. Jänner und dem 9. Februar 1.015 Österreicher ab 16 Jahren befragt. Auf Finanzierung hatte man sich schon im Sommer 2014 geeinigt – Ausschreibungsverfahren läuft aber noch. Wien – Noch Ende des Jahres 2015 hätten die Standorte für die Kinderreha-Zentren in Österreich fixiert sein sollen. Ende November kam dann seitens des Hauptverbands der Sozialversicherungsträger das Eingeständnis, dass dieses Ziel verfehlt wird – wie man heute weiß, nicht nur knapp. Denn nach wie vor ist offen, wo es Anlaufstellen eigens für Kinder und Jugendliche geben wird, die etwa nach einer langen Krebserkrankung eine Reha brauchen. Es laufe noch Phase zwei des Ausschreibungsverfahrens, hieß es nun auf STANDARD-Nachfrage beim Hauptverband. Spätestens Ende Juni solle aber im Hauptverband der Beschluss fallen, welche Anbieter den Zuschlag erhalten. Demnach ist nach wie vor auch nicht klar, wieviele Standorte es geben wird, da elf Behandlungspunkte einzeln ausgeschrieben wurden und sich die Anzahl der Einrichtungen nach den Angeboten der Bewerber um die Zentren richtet. Bereits im Sommer 2014 hatten sich Länder und Sozialversicherung auf die Finanzierung geeinigt. Wobei Experten, etwa vom Netzwerk Kinder- und Jugendrechte, bereits viele Jahre zuvor eigene Einrichtungen für Kinder und Jugendliche mit Reha-Bedarf gefordert hatten. In Deutschland gibt es laut Initiative Kinderreha rund 8000 Betten in über 70 eigenständigen Einrichtungen für Kinder und deren Familien. Auch auf den genauen Umfang hatte man sich Mitte 2014 verständigt: Geplant sind Reha-Zentren für Kinder und Jugendliche mit insgesamt 343 Betten zuzüglich 50 Betten für Angehörige. Daran hat sich nichts geändert, hieß es aktuell vom Hauptverband. Mehr könne man über das laufende Verfahren nicht verraten. Der Großteil des Geldes zur Finanzierung der Kinderreha-Zentren in Höhe von 33 Millionen Euro pro Jahr im Vollausbau kommt von der Sozialversicherung, die Länder übernehmen pauschal 8,5 Millionen Euro jährlich. Die Initiative Kinderreha übt Kritik an den Verzögerungen: Kinder und Jugendliche brauchen im Bereich der medizinischen, psychologischen und pädagogischen Begleitung spezifisch ausgebildete Ärzte in eigenen Einrichtungen, kritisiert deren Präsident Markus Wieser, der auch Präsident der Arbeiterkammer Niederösterreich ist, in einer Aussendung. Die derzeitige Situation, in der sich Kinder oft gemeinsam mit 50- bis 80-Jährigen rehabilitieren müssten, weil es noch keine passenden Zentren gibt, sei unhaltbar, ergänzte Wieser. Air France und AUA geben Pilotinnen und Flugbegleiterinnen verhüllende Kleider mit, in Frankreich tobt dazu ein Streit. Paris/Wien – Mit dem Aufheben der Sanktionen gegen den Iran ist die Islamische Republik dem Rest der Welt ein Stück näher gerückt. Ein Ausdruck dieser Entwicklung ist die Wiederaufnahme des Flugverkehrs durch internationale Airlines. Doch das geschieht nicht ohne Friktionen: wegen der im Iran geltenden Kleiderordnung, die vor allem für Frauen einschränkend ist, weil sie diese bei Strafe zwingt, alle Körperteile außer Hände, Füße und Gesicht zu bedecken. Das gilt auch für Pilotinnen und Flugbegleiterinnen. Bei der französischen Fluglinie Air France, die Teheran ab 17. April wieder anfliegt, führte das zu einem Konflikt. Anlass war eine interne Mitteilung, die Mitarbeiterinnen aufforderte, sich nach der Ankunft im Iran mit Hose und langer Weste zu bekleiden sowie das zur Uniform gehörende Kopftuch über den Kopf zu ziehen. Die Anordnung schränke die persönliche Freiheit sowie die Meinungsfreiheit der Frauen inakzeptabel ein, reagierten zwei Flugarbeitergewerkschaften. Die meisten französischen Medien berichteten. Am Montag lenkte Air France ein: Alle Mitarbeiterinnen könnten – ohne berufliche Nachteile – auf andere Flüge wechseln. Das stehe auch allen Austrian-Airlines-Mitarbeiterinnen offen – doch bisher habe es keine Kopftuchproteste wegen Iran-Flügen gegeben, heißt es dazu bei der österreichischen Fluglinie AUA. Im Gegenteil: Für Flüge nach Teheran gibt es viele freiwillige Meldungen, sagt Wilhelm Baldia von der Pressestelle der Airline. Die AUA fliegt Teheran seit heurigem März 14-mal pro Woche an. Pilotinnen und Flugbegleiterinnen bekommen ein Kopftuch (Roosari) und einen schwarzen Mantel mit, die sie bei Verlassen des Flugzeugs anziehen sollen. Auch hier lege man Wert auf Einheitlichkeit, sagt Baldia. In Teheran könnten dann die Frauen eigene Kopfbedeckungen tragen. Kein europäischer Arbeitgeber habe das Recht, Mitarbeiterinnen etwas anzuordnen, das darauf hinauslaufe, Kopftuch oder Schleier tragen zu müssen, kommentiert dies Katya Andrusz von der Grundrechteagentur der EU (FRA). Aus einer Weigerung dürfe den Frauen kein Nachteil erwachsen. Denn fest stehe: Jeder Zwang zum Kopftuchtragen widerspricht den europäischen Grundrechten: der Achtung des Privatlebens, der Gedankenfreiheit und dem Diskriminierungsverbot. Auszeichnung geht heuer an Flüchtlingshelfer. Wien – Angesichts der Dringlichkeit und Umkämpftheit des Themas wundert es nicht: Der von der Menschenrechtsgruppe SOS Mitmensch verliehene 13. Ute-Bock-Preis für Zivilcourage geht an Menschen, die Flüchtlingen halfen. Ausgezeichnet werden Angelika Schwarzmann, Bürgermeisterin der Vorarlberger Gemeinde Alberschwende, sowie die Initiative Refugee Convoy – Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge. Schwarzmann, weil sie sich erfolgreich gegen die Rückschiebung syrischer Flüchtlinge nach Ungarn wehrte. Auch verfasste die ÖVPlerin mit anderen Alberschwendern ein Manifest der Menschlichkeit, in dem sie die Unzulänglichkeiten des EU-Asylwesens insbesondere der umstrittenen Dublin-III-Verordnung, kritisierte. Der Refugee Convoy wiederum, weil er Asylsuchenden half, aus Ungarn weiterzureisen – als abertausende Flüchtlinge im Land Viktor Orbáns festsaßen. Überreicht wird der Preis am 14. April um 19.00 Uhr im Haus der EU in der Wiener Wipplinger straße 35 – von Ute Bock persönlich, so es ihr Gesundheit zulässt. Preisreden halten Schriftstellerin Christine Nöstlinger und Eva Blimlinger, Rektorin der Akademie der bildenden Künste. Die Begrüßung übernimmt EU-Parlaments-Vizepräsidentin Ulrike Lunacek. Eine Teilnahmeanmeldung unter office@sosmitmensch.at ist erforderlich. Das Land war nach Angaben der Bewegung das erste, das ihr eine Lizenz zum Vollzug von Eheschließungen erteilte. Wellington – Die als Religionsparodie gegründete Kirche des Fliegenden Spaghettimonsters besiegelt in Neuseeland erstmals eine Ehe. Das Land war nach Angaben der Bewegung das erste, das ihr eine Lizenz zum Vollzug von Eheschließungen erteilte. Eine konventionelle Ehe wäre für uns nicht in Frage gekommen, sagte die Braut dem Sender Radio New Zealand am Freitag. Das Fest sollte am Samstag steigen. Mit der Zeremonie ist die Eheschließung rechtskräftig. Das Brautpaar muss nicht mehr zum Standesamt. Die Bewegung entstand 2005 aus Protest gegen die Anerkennung einer pseudowissenschaftlichen Evolutionslehre in US-Schulen. Viele Medikamente dienen der Freiheitsbeschränkung. Die Volksanwaltschaft sieht eine "Rechtsschutzlücke". Salzburg – Die Gesetzeslage ist eindeutig: Nach dem seit Juli 2005 geltenden Heimaufenthaltsgesetz sind alle individuellen Einschränkungen für Menschen, die in Heimen leben, meldepflichtig – egal, ob es sich um Jugendliche, Senioren oder Einrichtungen für Behinderte handelt. Kontrolliert wird die Einhaltung der Bestimmung durch die Bewohnervertretung, die als Teil des Vereins Vertretungsnetz ex lege alle in Heimen untergebrachten Menschen vertritt. Im Fall einer Beschwerde überprüfen Gerichte auf Antrag die Maßnahmen. Seit das Gesetz in Kraft ist, sind Bauchgurte oder Bettgitter aus den Heimen verschwunden. Was blieb, ist die Freiheitsbeschränkung mittels Medikamenten. Und hier beklagen die Bewohnervertreter wiederholt eine rechtliche Grauzone. Viele Medikamente, die de facto zur Ruhigstellung von Menschen verwendet werden, würden nicht als solche gemeldet. Sie würden von Ärzten und Pflegepersonal als medizinisch notwendige Therapie geführt und werden nicht bekannt, beklagen die Bewohnervertreter. Zudem werde oft auch die notwendige Zustimmung von Sachwaltern oder Eltern nicht eingeholt. Eine Sicht, der sich auch die Volksanwaltschaft angeschlossen hat. Man habe hier eine Rechtsschutzlücke, bestätigt Volksanwalt Günther Kräuter (SPÖ) am Donnerstag am Rande einer Konferenz zum Umgang mit Demenz und Freiheitsbeschränkungen in Salzburg. Einmal mehr betonte Kräuter, in diesem Zusammenhang dem Personal in den Heimen keinen Vorwurf zu machen. Wenn ein Pfleger über die Nacht für 40 Demenzkranke zuständig sei, dann richtet sich der Vorwurf gegen das System. Kräuter plädiert in diesem Zusammenhang auch für eine Lockerung der ärztlichen Schweigepflicht. Ärzte sollten im Ärztegesetz ermächtigt werden, Pflege- oder Heimleitungen die verschriebenen Medikamente mitzuteilen. Damit könnte man auch die häufig anzutreffende Übermedikation samt Wechselwirkungen eindämmen. Nicht selten nähmen Heimbewohner bis zu 15 Medikamente. Wie viele Menschen in den rund 900 österreichischen Seniorenheimen mit insgesamt rund 70.000 Plätzen mit Medikamenten ruhiggestellt werden, um den institutionalisierten Ablauf überhaupt gewährleisten zu können, weiß niemand. Zieht man Vergleichsdaten aus Deutschland heran – etwa aus einer Stichprobe des Amtsgerichtes München –, kommt man auf rund 50 Prozent. Infodefizit sei verantwortlich für gesunkene Zahl der Kontakte – Zugleich mehr Anrufe bei Frauenhelpline. Wien – Die Zahl der Verbrechensopfer, die sich an den Weißen Ring wendet, ist gesunken. Diese schlechte Nachricht teilte die Opferschutzorganisation am Dienstag mit – darauf verweisend, dass sich laut jüngst veröffentlichter Trendabschätzung des Bundeskriminalamts zugleich Fälle sogenannter Kleinstkriminalität mehren, worunter etwa auch Körperverletzung fällt. Dem Weißen Ring zufolge nahmen im Jahr 2013 noch rund 23.900 Menschen mit der Organisation beziehungsweise dem Opfer-Notruf (0800/112 112) Kontakt auf. Im Vorjahr seien es nur noch 22.000 gewesen. Ebenso verhalte es sich mit der Zahl intensiv betreuter Fälle: 2015 waren es 2054 – um gut neun Prozent weniger als 2013. Auch 2016 sei im ersten Jahresdrittel ein solcher Rückgang gegenüber 2013 zu verzeichnen. Im Schnitt lande von den mehr als 500.000 in Österreich angezeigten Kriminalitätsfällen nur jedes zehnte der Opfer, die Anspruch auf Hilfe hätten, in Opferhilfeeinrichtungen. Verbrechensopfer würden von den Behörden ungenau oder zu wenig informiert, meint Udo Jesionek, Präsident des Weißen Ringes. Vor allem ältere Personen oder Menschen mit unzureichenden Deutschkenntnissen bräuchten mehr Ermutigung als ein Formular mit einer Telefonnummer. Derzeit liefen Gespräche mit der Wiener Polizei. Künftig sollen leichter lesbare Informationen verbreitet werden. Der Verein Autonome Österreichische Frauenhäuser nahm bei der Frauenhelpline (0800/222 555) im Vorjahr hingegen mehr Anrufe entgegen, wie aus Vorjahresbilanz von Dienstag hervorgeht. Insgesamt seien es 8252 Anrufe gewesen – im Schnitt 23 pro Tag. 2014 seien es insgesamt 232 weniger gewesen. Rund die Hälfte der rund 1500 Bewohnerinnen und Bewohner der Frauenhäuser waren im Vorjahr Kinder. Walisisches Krankenhaus kooperiert mit Williams-Team. Cardiff/Grove – Boxenstopp-Technik aus der Motorsport-Königsklasse Formel 1 soll helfen, das Leben von Neugeborenen zu retten. Die Geburtsstation des Universitätskrankenhauses von Wales in Cardiff (UHW) hat mit dem britischen Autorennstall Williams eine Kooperation gestartet, die bei der Reanimation von Babys hilfreich sein soll. Spezialisten auf der Neugeborenen-Station des UHW hatten Ähnlichkeiten zwischen den blitzschnell abgewickelten Service-Stopps bei Formel-1-Rennen sowie ihrer Arbeitsweise im Krankenhaus bemerkt. Deshalb wurde das Traditions-Team aus dem englischen Grove, das bisher sieben Fahrer- sowie neun Konstrukteurs-Titel gewonnen hat und zudem ein Technologie-Center betreibt, um Hilfe gebeten. Vor kurzem erfolgte ein Gegenbesuch in der Williams-Fabrik in Oxfordshire, um sich ein Bild aus erster Hand zu machen. Die Erkenntnisse waren laut einer Team-Aussendung aufschlussreich und hilfreich: In beiden Szenarios wird ein Team benötigt, das in einer zeitkritischen Phase und auf wenig Platz reibungslos zusammenarbeiten muss. In der Formel 1 kann ein aus 20 Personen bestehendes und synchron arbeitendes Boxenteam alle vier Reifen innerhalb von nur zwei Sekunden austauschen. Bei Williams hat man den Ablauf mittlerweile so perfektioniert, dass man in den ersten vier WM-Läufen des Jahres 2016 jeweils für die schnellsten Stopps sorgte. Bodenmarkierungen im Kreissaal Darauf aufbauend hat das Neugeborenen-Team in Wales nun einige Änderungen eingeführt, um ihre Reanimations-Prozesse zu optimieren. Ein Rollwagen etwa wurde so verbessert, dass man noch schneller auf die darauf liegenden Operations-Bestecke zugreifen kann. Wie in der Formel-1-Renngarage weisen nun Bodenmarkierungen in den Kreißsälen den OP-Teams exakt den Weg. Auch hinsichtlich Kommunikation und Analysen hat man wertvolle Erkenntnisse gewonnen. Funk-Checks im Vorfeld, vermehrte Handsignale statt verbaler Mitteilungen sowie Video-Analysen und Einsatz-Nachbesprechungen gehören dazu. Die Wiederbelebung eines Neugeborenen ist sehr zeitkritisch und verlangt größte Effektivität, sagte Rachel Hayward vom Universitäts-Krankenhaus. Verzögerungen können markante Folgen hinsichtlich der Überlebenschancen beziehungsweise der Entwicklung von Langzeitschäden haben, erklärte Hayward, warum man sich mit dem Rennteam zusammengetan und Formel-1-Wissen implementiert hat. Claire Williams war als Co-Teamchefin des Rennstalls höchst erfreut, geholfen zu haben. Ihre Arbeit dort ist wirklich wichtig. Es geht jeden Tag der Woche um Leben oder Tod. Wenn wenigstens ein Teil unserer Ratschläge hilft, Leben zu retten, war das jeden Versuch wert, sagte die Tochter von Teamchef Frank Williams. Es ist ein gutes Beispiel dafür, dass sich Technologie und Wissen aus der Formel 1 als zunehmend nützlich auch für viele anderen Branchen erweist. Experten sprachen bei Konferenz der Sterbehilfegesellschaften über moralische und gesetzliche Dilemmas. Jeder muss die Möglichkeit bekommen, sich für ein würdiges Lebensende entscheiden zu können. Und deshalb muss ein jeder selbst bestimmen dürfen, wie und wann er aus dem Leben scheidet: Das ist das Ziel der Weltkonferenz für Sterbehilfe in Amsterdam, die alle zwei Jahre vom Weltverband der Sterbehilfegesellschaften organisiert wird. Sterbehilfe ist eine persönliche Entscheidung, betont Rob Jonquière, ehemaliger Hausarzt und Altvorsitzender der Niederländischen Vereinigung für ein freiwilliges Lebensende (NVVE). Man kann dafür oder dagegen sein – aber es gibt zu viele Menschen auf der Welt, die diese Option noch nicht haben. Jonquière ist Mitorganisator der Konferenz und gehört zu den rund 400 Teilnehmern, die in den vergangenen vier Tagen Erfahrungen ausgetauscht und von den moralischen und gesetzlichen Dilemmas berichtet haben, mit denen sie konfrontiert werden – Ärzte, Politiker, Juristen und Aktivisten aus 26 verschiedenen Ländern. Die Niederlande waren die Ersten, die 2002 den internationalen Alleingang wagten und ärztliche aktive Sterbehilfe gesetzlich regelten. Zwar ist Sterbehilfe nach wie vor verboten, aber hält sich der Arzt an bestimmte Richtlinien, kann die Staatsanwaltschaft von einer Strafverfolgung absehen: Der Patient muss unerträglich und ohne Aussicht auf Genesung leiden und den Wunsch nach Sterbehilfe selbst mehrfach geäußert haben. Der Arzt hat die Angehörigen zu informieren und einen unabhängigen Kollegen zurate zu ziehen. Dann muss er den Fall umgehend einer der fünf regionalen Prüfungskommissionen melden: Sie kontrollieren, ob er sorgfältig gehandelt hat oder strafrechtlich verfolgt werden muss. So weit ist es seit der Verabschiedung der gesetzlichen Sterbehilferegelung 2002 noch nie gekommen. Und das, obwohl sich die Zahl der geleisteten Sterbehilfefälle seitdem mehr als verdoppelt hat – von rund 2000 auf mehr als 5000. Das sind rund vier Prozent aller Sterbefälle in den Niederlanden. Inzwischen sind die Niederländer nicht mehr allein auf weiter Flur: Viel ist in Bewegung gekommen, konstatiert NVVE-Vorsitzende Margo Andriessen. Sterbehilfe ist auch in Luxemburg, Belgien und Kolumbien gesetzlich erlaubt. In Kanada liegt ein entsprechender Gesetzesentwurf vor. Darin geht es nicht nur um die ärztliche aktive Sterbehilfe, sondern auch um assisted suicide: um Hilfe bei Selbsttötung, die auch von Nichtärzten, beispielsweise Familienangehörigen, geleistet werden kann. In den Niederlanden ist das verboten, Sterbehilfe darf ausschließlich von einem Arzt geleistet werden: In dieser Hinsicht stehen wir still, sagt NVVE-Vorsitzende Andriessen, die sich dafür einsetzen will, dass dies auch in den Niederlanden erlaubt wird. Tabuisiert hingegen wird Sterbehilfe nach wie vor in Ländern wie Frankreich, Österreich und Deutschland: Am Vorabend der Weltkonferenz hat die deutsche Stiftung Patientenschutz vor einer weiteren Zunahme aktiver Sterbehilfe gewarnt: Offenkundig ist Töten ansteckend, so Vorstand Eugen Brysch. Die Befürworter hingegen weisen darauf hin, dass Sterbehilfe überall stattfindet – auch wenn sie verboten ist. Aber dann heimlich und unkontrollierbar, so Heleen Dupuis, Professorin für medizinische Ethik, die sich als ehemalige Senatorin 2002 für den niederländischen Sterbehilfeparagrafen eingesetzt hat. Aussteigerprogramm "Exit B" für Jugendliche der rechten oder islamistischen Szene.. Salzburg – Es war die Mutter, die Hilfe gesucht hat, berichtet Gabriele Rechberger vom Salzburger Frauenintegrationszentrum Viele. Ihr 17-jähriger Sohn hatte die Schule abgebrochen und einschlägige Kontakte in die Islamistenszene geknüpft – bis hin zum Daesch, der IS-Terrormiliz. Es habe letztlich sieben Monate gedauert, um dem jungen Mann mit bosnischen Wurzeln einen Ausweg aus seiner extremistischen Orientierung zu zeigen. Ein Onkel als männliche Bezugsperson habe schließlich die Verantwortung für den jungen Mann übernommen. Das Beispiel ist kein Einzelfall. Bei der im Dezember 2014 vom Familienministerium eingerichteten Extremismus-Hotline hat von der Gründung bis Ende 2015 rund 900-mal das Telefon geklingelt. Die in Salzburg ressortzuständige Jugendlandesrätin Martina Berthold (Grüne) hat die Extremismusberatung für Jugendliche und deren Eltern nun ebenfalls intensiviert. Exit B nennt sich die neu gegründete Plattform von insgesamt sechs Beratungseinrichtungen, die sich zu dieser zusammengeschlossen haben. Das B im Namen steht für Beratung. Es geht um Rechtsradikalismus, Islamismus, aber auch um die gerade in Salzburg besonders aktive türkische Organisation Graue Wölfe. Mit dabei sind neben dem Frauenintegrationszentrum Viele beispielsweise auch die Kinder- und Jugendanwaltschaft, der der Landesverwaltung vorgelagerte Jugendverein akzente oder die im Auftrag von Land und Stadt arbeitende Jugendhilfeorganisation Spektrum oder das Ausstiegsprogramm Turnaround. Man habe nicht einfach eine neue Beratungseinrichtung ins Leben rufen wollen, sondern ohnehin bestehende Strukturen zusammengebracht, erläutert der zuständige Jugendreferatsleiter beim Amt der Landesregierung Wolfgang Schick die Idee eine multiprofessionelle Plattform zu gründen. Die in Exit B zusammengeschlossenen Einrichtungen können freilich nicht nur kontaktiert werden, wenn ausdrücklicher Extremismusverdacht bestehe, sondern einfach auch wenn nicht klar sei, was pubertierender Blödsinn sei und was echte Ideologie, sagen die Berater. Wenn Zwölfjährige Terrorvideos am Handy anschauen, wie vor kurzem in Salzburg geschehen, sei das kaum ein Fall für die Polizei. (Thomas Neuhold, 21.5.2016) Chinesische Bleichmittelfirma wirft schwarzen Schauspieler in Waschmaschine und lässt ihn als weißen Mann dieser wieder entsteigen. Washington/Peking – Die chinesische Waschmittelfirma Qiaobi hat zumindest eines geschafft: Mit ihrer Werbung für ein neues Bleichmittel hat sie weit über die eigenen Vertriebsgrenzen hinaus für Aufregung gesorgt. Allerdings handelt es sich nicht um jene Aufmerksamkeit, die sich die Firma gewünscht hat. Denn vor allem in den USA wird der Werbespot als die rassistischste Werbung aller Zeiten verdammt. Tatsächlich geht der Spot, der Berichten zufolge auch in chinesischen Kinos gezeigt wurde, über jene Grenzen hinaus, die schon bisher von Werbung bekannt sind, in denen Hautfarben als Code für die Wirksamkeit von Reinigungsmitteln herangezogen werden. Im Werbevideo stopft eine junge Frau einem schwarzen Mann eine Packung Bleichmittel in den Mund, um ihn anschließend in eine Waschmaschine zu stopfen. Auf dieser nimmt sie danach Platz, während die Schreie des Manne zu hören sind. Am Ende entsteigt der Waschtrommel ein Mann mit weißer Hautfarbe, der von der Frau angehimmelt wird. In Sozialen Medien wird nun auch darüber diskutiert, wieso der Film zwar in den USA mehr als eine Million Besuche auf YouTube über einen Berg an kritischen Kommentaren erfahren hat, in China aber offenbar kaum kritische Reaktionen hervorruft. User argumentieren – selbst nicht immer frei von klischeehaften Vorstellungen – mit der fehlenden Migration aus anderen Kulturkreisen und der angeblichen traditionell-kulturellen Vorliebe vieler Chinesen für besonders weiße Haut. Das ebenfalls rassistische Vorbild für den Film kommt übrigens aus Italien: Dort wird ein Colorwaschmittel in einem Werbespot angepriesen, in dem der Film in die umgekehrte Richtung abläuft. Ein weißer Mann kommt in die Waschmaschine, ein schwarzer Mann entsteigt ihr. Motto: colored is better. Mast umgeworfen und jüdische Fahne mit Hakenkreuz beschmiert. Die IKG ist bestürzt, auch die Erzdiözese verurteilt Vorfall. Wien – Auf dem erst kürzlich geweihten Campus der Religionen im Wiener Stadtentwicklungsgebiet Seestadt Aspern ist ein antisemitischer Vandalenakt verübt worden. Ein Fahnenmast mit einer symbolischen jüdischen Flagge wurde umgeworfen, die Fahne wurde zudem mit einem Hakenkreuz beschmiert. Das teilte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) am Donnerstag mit. Man sei bestürzt über diesen provokanten Vorfall, hieß es. Gefordert wird eine sofortige Kraftanstrengung zur Ausforschung der Täter. Ein gemeinsames Auftreten von Politik, Religionsgemeinschaften und Zivilgesellschaft gegen steigenden Antisemitismus, Rassismus, Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz gegenüber Minderheiten aller Art ist ein Gebot der Stunde, betonte IKG-Präsident Oskar Deutsch. Auch die Erzdiözese Wien zeigte sich betroffen. Es macht mich nachdenklich, dass in unserer Stadt, die so viele Menschen willkommen heißt und die für so viele Menschen mit unterschiedlichen Religionen und Weltanschauungen Heimat geworden ist, ein solcher Akt möglich ist. Ich bin überzeugt, dass es sich um einen Einzelfall handelt. Und es ist ein Anlass, unser Bekenntnis zur Notwendigkeit des interreligiösen Dialogs und des Zusammenhalts der Religionen und Konfessionen zu bekräftigen und weiterzuführen, betonte der zuständige Bischofsvikar Dariusz Schutzki. Laut Erzdiözese wird der Campus von sechs unterschiedlichen Religionsgemeinschaften und Konfessionen errichtet – auf Initiative des Bauamtsleiters der Diözese, Harald Gnilsen. Die Segnung des Ortes fand bereits vor kurzem statt. Das gemeinsame Areal soll künftig alle Gotteshäuser beherbergen und das geistliche Zentrum der Seestadt werden, hieß es. Zuletzt wurde Österreich gleichstellungspolitisch auch von Grönland überholt. Das politische System ist aus eigener Kraft zu keinen wegweisenden Entscheidungen fähig. Jetzt auch noch Grönland! Vergangenen Freitag kam über die Presseagenturen, dass das dortige Autonomie-Parlament die Einführung der Ehe für homosexuelle Paare beschlossen hat. Am 1. Oktober tritt das neue Gesetz in Kraft. Somit hat das österreichische Parlament jetzt ein Zeitfenster von vier Monaten, um gleichstellungsrechtlich mit einer doch sehr dezentral, zwischen Europa und Amerika liegenden arktischen Insel gleichzuziehen, die nach der Antarktis weltweit die dünnste Besiedelungsdichte aufweist. Einem Land, das oft weitab der Diskussionen in anderen Teilen der Welt steht – nicht jedoch bei der Gleichstellung Homosexueller. Doch es steht zu befürchten, dass das Hohe Haus in Wien auch diese vier Monate verstreichen lassen wird. Derzeit lässt ein westliches Land nach dem anderen gleichgeschlechtliche Eheschließungen zu, Österreich aber bleibt zurück. Weil das hiesige politische System aus eigener Kraft zu derlei wegweisenden gesellschaftspolitischen Entscheidungen nicht fähig ist. Tatsächlich wurden fast alle menschenrechtlichen Fortschritte für Lesben und Schwule in Österreich durch Höchstgerichtsentscheide oder EU-Richtlinien erzwungen. Richter und Unions-Verwalter waren es, die die Politik machten – nicht die österreichischen Politiker. Das ist umso problematischer, als sich die Hinweise verdichten, dass der fortgesetzte politische Reformstau dem Mehrheitswillen des Wählervolkes krass zuwiderläuft. Darauf lässt zum Beispiel eine Umfrage des Market-Meinungsforschungsinstituts aus 2014 schließen, laut der 73 Prozent aller Österreicher und Österreicherinnen die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare befürworteten. Auch bei den Über-50-Jährigen (66 Prozent), bei Menschen mit nur Pflichtschulabschluss (81 Prozent) und in Gemeinden mit bis 5.000 Einwohnern (67 Prozent) waren klare Mehrheiten dafür. Somit handelt es sich bei dem auf Druck der ÖVP fortgesetzten Nein der Bundesregierung zur Homo-Ehe in Österreich wohl um unpopuläre Retro-Politik: um ein Auseinanderklaffen von politischer und öffentlicher Mehrheitsmeinung. Genau das nun würde die Frage der Homo-Ehe, frei nach irischem Vorbild, im Grunde auch in Österreich zu einem geeigneten Thema für die direkte Demokratie machen. Statt zuzuwarten, bis eine höchstgerichtliche Pro-Ehe-Entscheidung fällt – was länger dauern könnte, weil der Europäische Menschenrechtsgerichtshof diese Frage (noch) der politischen Gestaltungsfreiheit der Regierungen überlässt –, könnte eine solche Initiative ein für alle Mal klarstellen, ob das Land bei der Gleichstellungspolitik wirklich zu Westeuropa gehört. Natürlich: Österreich bleibt Österreich, mit all seinen demagogischen Verwerfungen. Eine Volksbefragung – oder gar Volksabstimmung – über die Homo-Ehe würde wahrscheinlich einen Rattenschwanz unguter Parallelinitiativen von rechts außen nach sich ziehen. Wenn das Volk schon über die Homo-Ehe befragt werde, warum nicht auch gleich, zum Beispiel, über die Todesstrafe oder aber einen Austritt Österreich aus der Genfer Flüchtlingskonvention, würde es wohl heißen. Doch auch, wenn allein das gegen eine solche Befragung spricht: Ein Weg aus der gleichstellungspolitischen Lähmung in Österreich wird immer dringlicher. Zumal diese Lähmung ja nicht nur das Thema Heirat umfasst: Zuletzt wurde, auf Druck der ÖVP, zum dritten Mal in Folge eine Verbesserung des Diskriminierungsschutzes Homosexueller abgeblasen. Laut einer aktuellen Umfrage hat die FPÖ für die Österreicher die größte Asylkompetenz. SPÖ und ÖVP müssen dringend vernünftige Lösungen anbieten. Seit Innenministerin Johanna Mikl-Leitners Flüchtlingszelt-Aufstellung wegen gestiegener Asylwerberzahlen, auf die man nicht vorbereitet war, heißt es, dass mit diesem Signal von Massenandrang und Notstand das Geschäft Heinz-Christian Straches erledigt werde. Strache und die FPÖ insgesamt könnten auf Urlaub gehen und sozusagen aus dem Liegestuhl heraus zuschauen, wie ihnen Wählerinnen und Wähler zugetrieben würden. Laut einer aktuellen Umfrage des Nachrichtenmagazins Profil dürfte das zutreffen. Auf die Frage, welcher Partei in der Flüchtlingsfrage die größte Kompetenz zuzutrauen sei, antworteten 29 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher: der FPÖ. Ein Prozent mehr als der Anteil derer, die angegeben hatten, die FPÖ (die auch damit auf Platz eins liegt) wählen zu wollen. Damit besitzen Strache und die Seinen in der Asylfrage in Österreich die Themenführerschaft: Nur zwölf Prozent nannten die ÖVP (die mit dem Innenministerium jenes Ressort innehat, das für Asylfragen zuständig ist!), je zehn Prozent SPÖ und Grüne, drei Prozent die Neos. Wenn es je ein menschenrechtliches Armutszeugnis für Rot-Schwarz gab, dann dieses! Der FPÖ ist es gelungen, ihre gesamte potenzielle Wählerschaft glauben zu machen, dass ihr Asylwerber raus!-Gebrüll auf Grundlage einer prinzipiellen Asylmissbrauch-Unterstellung der richtige flüchtlingspolitische Ansatz ist – während die derzeitige Bundesregierung mit der unter der Ägide Mikl-Leitners betriebenen Politik mit ihren Gesetzesnovellen, Verordnungen und Härteparolen (wie zuletzt etwa der vom Asylverfahrensstopp) zusammengenommen nur 21 Prozent überzeugt. Was die ÖVP betrifft, ist das die Ernte nach Jahren des Nachbetens blauer Härteansagen gegenüber Flüchtlingen und etlicher Gesetzesnovellen, in denen vor allem den Begehrlichkeiten des Fremdenpolizei- und Asyl-Beamtenapparats stattgegeben wurde. Was die SPÖ betrifft, ist es die Folge des jahrelangen Nichtssagens, in denen man das Thema Asyl bequem an den Koalitionspartner delegierte. In denen man das Thema bewusst ignorierte, weil man damit eh nur verlieren könne. Nun ist sogar angesichts einer solchen desaströsen asylpolitischen Wählerumfrage die Sache noch nicht (ganz) verloren. Denn immerhin 46 Prozent der Befragten können laut Befragung in keiner Partei ausreichend Kompetenzen erkennen, um die Herausforderungen zu meistern. Offenbar sehen sie weder im Gegeifere der FPÖ noch in den FPÖ-Kopierversuchen der ÖVP oder im bisherigen Nichtstun der SPÖ einen akzeptablen Handlungsansatz. Damit haben sie recht, wenn man sich das derzeitige Ergebnis vergegenwärtigt: Was derzeit an Flüchtlingspolitik geboten wird – die Zelte und die chronischen Streitereien um mehr Quartiere –, ist extrem kontraproduktiv und letztklassig. Es treibt der FPÖ tagtäglich neue Wähler zu. Also müssen die Regierungsverantwortlichen endlich versuchen, es besser zu machen – und zwar rasch: durch Abschaffung der Flüchtlingszelte mittels vorübergehender Nutzung der Kasernen, die vom Verteidigungsministerium angeboten werden. Durch gleichzeitiges Forcieren kleinerer Unterbringungseinheiten, was bedingt, dass man sich über das Nein vieler Bürgermeister hinwegsetzt. Anders geht es nicht. Und es muss klar, wiederholt und auch durch blaue Gegenparolen nicht zu entmutigen betont werden, dass Verfolgte in Österreich Schutz erhalten. Und entsprechend gehandelt werden. Die Vorschläge von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zur Lösung der akuten Quartierkrise könnten hier ein Ansatz sein. Vielleicht bestünde dann mittelfristig die Chance auf neue Themenkompetenz in Sachen Asyl jenseits blauer Parolen. Weil dann klar würde, wie inhuman und inhaltsleer die Vorschläge der FPÖ sind. Und dass sie großteils aus kommunikativen Versatzstücken aus der Küche der Spindoktoren stammen. Etwa, als Dagmar Belakowitsch-Jenewein (FPÖ) vergangene Woche im Nationalrat vorschlug, Abschiebungen aus Österreich künftig in Hercules-Transportmaschinen des Bundesheeres zu bewerkstelligen: Da drinnen können die (Abzuschiebenden, Anm.) schreien, so laut sie wollen, sagte sie, auf den aktuellen Fall der Afghanin Laila P. gemünzt, die sich erfolgreich einer für sie traumatischen Rückschiebung nach Bulgarien widersetzt hatte. Das nämlich hat Belakowitsch-Jenewein fast wörtlich von ihrem Chef übernommen. Heinz-Christian Strache hatte es 2006 in einer Rede auf dem Wiener Viktor-Adler-Markt genau so gesagt: Die asylpolitischen Vorschläge der FPÖ sind von gestern. Zu den Hintergründen des Asylwerber-Verbots in zwei niederösterreichischen Schwimmanstalten. In gleich zwei niederösterreichischen Hallenbädern scheint ein Kampf der Kulturen ausgebrochen zu sein: in beiden Freizeiteinrichtungen wurden in den vergangenen Tagen Hausverbote für Asylwerber dekretiert. Ins Florian-Berndl-Bad in Bisamberg bei Korneuburg werden Flüchtlinge bis auf Weiteres nur noch in Begleitung von Betreuern gelassen – so eine Anordnung der Bürgermeister Christian Gepp (Korneuburg) und Günter Trettenhahn (Bisamberg). Gleiches gilt im Stadtbad Mödling, auf Anordnung des dortigen, Stadtrats und Bad-Leiters Robert Mayer. Der (inzwischen wieder entfernte) Mödlinger Aushang, der Menschen mit Migrationshintergründen den unbegleiteten Zugang in den Schwimmtempel verwehrte, hat dabei für überregionales Aufsehen gesorgt: Verbot er doch, wörtlich genommen, neben Asylwerbern auch rund einem Fünftel der österreichischen Bevölkerung die Badefreuden. Was ist geschehen? In beiden Schwimmanstalten hat unbotmäßiges und offenbar nicht zu stoppendes Fehlverhalten junger Männer aus – großteils – Afghanistan zu dem Ausschluss geführt. In Bisamberg soll eine Gruppe lärmend und verboten vom Beckenrand gesprungen, einer im Damenumkleidebereich gesichtet worden sein. In Mödling sollen minderjährige afghanische Flüchtlinge in Freizeithosen und Boxershorts anstatt vorgeschriebener Badehose zum Baden gekommen, das Reinigungspersonal belästigt und versucht haben, einen Münzbehälter im Solarium zu knacken – sowie, auch hier, den Bereich der Damenkästchen heimgesucht haben. Letzteres hat – man lese ins Forum zu der Mödling-Meldung hinein – sofort Assoziationen der grimmigen Art hervorgerufen, die vor dem Hintergrund der massiven Gruppenübergriffe großteils nordafrikanischer und arabischer Männer auf Frauen zu Silvester in Köln jederzeit abrufbar sind. In den Hallenbädern hätten sich erneut derlei Verhaltensweisen manifestiert, das zeige, wie niedrig die Stellung der Frau im Islam sei, hieß es zum Beispiel. Nun gab es weder in Bisamberg noch in Mödling Anzeigen wegen Übergriffen. Und auch von der vorliegenden Meldungslage her sind Kulturkampf-Reaktionen völlig übersteuert. Auf die Gefahr hin, dass jetzt ein Mainstream-Presse-Verharmlosungs-Geschrei ansetzt: Was in beiden Bädern vorfiel, war keine religiös-ethnische Kollision, sondern offenbar ein Clash der Sprachbarrieren in Kombination mit Unwissen über Hallenbäder sowie – Stichwort Münzbehälter – möglicherweise kleinkriminellen Absichten. Tatsächlich sollten minderjährige afghanische Burschen, die wohl weder daheim, noch auf ihrer Flucht je ein Hallenbad zu Gesicht bekommen haben, in Österreich ein solches nicht ohne vorhergehende Information besuchen, wie man sich dort zu verhalten hat. Bekommen sie diese, werden sie sich mit größter Wahrscheinlichkeit akzeptabel benehmen. Die Info – und idealerweise die Begleitung beim ersten Bad-Besuch – sollte durch Flüchtlingsbetreuer erfolgen, wie sie zum Beispiel in jener unweit des Mödlinger Hallenbades gelegenen Flüchtlingsunterkunft tätig sind, in der 180 unbegleitete minderjährige Asylwerber wohnen. Auch sollten den Flüchtlingen vor dem Badebesuch tunlichst Badehosen ausgehändigt werden. Auf diese Art könnten Konflikte der beschriebenen Art und ihnen folgende Verbote – deren Rechtmäßigkeit übrigens zu prüfen ist, weil sie pauschal für alle Asylwerber gelten, was diskriminierend erscheint – vermieden werden. Das würde einiges zu einem friedlichen Zusammenleben beitragen, das derzeit durch Misstrauen und Angst der Hiesigen gegenüber den Dazugekommenen getrübt ist. Denn offenbar sind in Österreich zu viele Menschen inzwischen an einem Punkt angelangt, wo jedes Fehlverhalten der mehrheitlich muslimischen Asylwerber, die seit Mitte vergangenen Jahres in großer Zahl ins Land gekommen sind, zur tiefgehenden kulturellen Kollision hochstilisiert wird. Mit derlei Einstellungen im Gepäck werden wir Hallenbad-Konflikte und andere, tiefgreifendere Herausforderungen, vor die uns diese Flüchtlinge stellen, nicht bewältigen können. In Syrien rennen weitere Zehntausende um ihr Leben, doch Europa macht zu: eine Situation mit immensen humanitären Risiken. Es ist schlimm, aber wahr: In den kommenden Wochen könnte mit einer neuerlichen Massenflucht aus dem kriegsgebeutelten Syrien zu rechnen sein, mit weiteren abertausenden Männern, Frauen, Kindern, alten Menschen, die vor Bombenhagel und Terror um ihr Leben rennen. Davon zumindest ging man dieser Tage auf EU-Ebene aus, beim informellen EU-Außenministerrat in Amsterdam. Mit großer Wahrscheinlichkeit kommt eine große Flut von Menschen auf uns zu, sagte dort der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn – und äußerte Furcht davor, was eine solche Entwicklung in Europa beim derzeitigen Stand der Dinge bewirken könnte. Wenn man sich so umhört in Europa sollen die Menschen nicht sterben in Syrien, sondern dann erschossen werden in Europa. Mir graut es ein wenig vor der Vorstellung, die wir haben, wird Asselborn zitiert. Nun sind diese Worte wohl bewusst überspitzt gewählt. Aber grundsätzlich hat der luxemburgische Politiker recht. Eine erneut sich verstärkende Flüchtlings-Flut würde Europa just zu einem Zeitpunkt erwischen, in dem alles unternommen wird, um die Zahl Ankommender zu reduzieren. Grenzschließungen auf dem Westbalkan, weitere Zaunpläne, der österreichische Obergrenzenbeschluss: Mit dem Argument, dass sich viele andere Migranten (Wirtschaftsflüchtlinge) unter die Asylsuchenden mischen, werden die Schleusen immer mehr verengt. Nun ist nicht unverständlich, dass die (wenigen) Staaten, die in der EU 2015 die Hauptverantwortung für die Fluchtbewegung trugen – unter ihnen Österreich –, kein weiteres Jahr mit vergleichbaren Herausforderungen auf sich nehmen wollen. Und es ist nachvollziehbar – leider – dass diese Staaten, unter ihnen Österreich, aus derzeitiger Sicht nur Einzelmaßnahmen setzen können, weil die Politik im Vereinten Europa in Flüchtlingsfragen chronisch unsolidarisch ist. Das war zum Beispiel auch während der Ex-Jugoslawien-Kriege nicht viel anders, und Italien wurde mit den vielen Toten vor Lampedusa von den anderen EU-Mitgliedstaaten jahrelang völlig allein gelassen. Dennoch, seien wir ehrlich, das restriktive Vorgehen in Österreich und anderswo wird vor allem von Angst diktiert: von der Angst der Regierenden vor einem Umkippen der Verhältnisse ins offen Rechtsextreme. Weil die Ausländerfrage in Europa ein offenes Tor in Richtung Autoritarismus und Diktatur ist: Ein Problem, das bisher nicht in seiner vollen Bandbreite erkannt und bekämpft wurde – was sich jetzt, in der größten Flüchtlingskrise seit 1945, rächt. Solch eine Angst ist ein schlechter Ratgeber: Weil sie blind für die immensen humanitären Risiken der aktuellen Lage machen kann. Derzeit warten laut türkischen Berichten an der syrisch-türkischen Grenze, nahe der Stadt Azaz, mehrere Zehntausend Menschen, die dem Bombenhagel der syrisch-russischen Offensive in und um Aleppo gegen, wie es heißt, Aufständische entkommen konnten. Was geschieht, wenn aus den Zehntausenden Hunderttausende werden sollten? Wo sollen alle diese Menschen hin? Macht die EU wirklich großteils die Schoten dicht, kommen sie wohl in riesige Auffanglager in der Türkei oder in den Balkanstaaten, wo sie ohne jede ernsthafte Asyl-, aber auch Rückkehrperspektive leben müssen. Das ist keine Lösung, sondern ein riesiges menschenrechtliches Risiko. Überlässt Europa der Türkei den Umgang mit der Flüchtlingskatastrophe und werden überzählige Asylsuchende auf dem Westbalkanweg retourgeschickt, so türmen sich am unteren Ende der Fluchtkette jener Menschen, die dem Krieg entkommen, die Probleme auf: eine Situation, die für Menschenrechtsverstöße prädestiniert erscheint. Man sollte nicht vergessen: Die schlimmsten humanitären Verwerfungen fanden jeweils im Windschatten bilateraler oder internationaler Verantwortung statt, sei es aufgrund von Fehlern, Ratlosigkeit oder aus Kalkül. Ja zur harten Asyl-Linie oder keine Koalition mehr, fordert die ÖVP vom künftigen Bundeskanzler. Doch Kern und die SPÖ haben durchaus noch Entscheidungsspielraum. Die dringendste Festlegung des wohl künftigen Bundeskanzlers, Christian Kern, – jene, der die stärksten Erwartungshaltungen vorhergehen – ist: Wie hält es der neue oberste Repräsentant der österreichischen Sozialdemokraten und Regierungschef des Landes mit der Asylfrage? Geantwortet hat er bisher darauf nicht. Zwar ist diese Frage, nüchtern betrachtet, für die Zukunft Österreichs weit weniger entscheidend als wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen (von deren Gelingen wohl abhängen wird, ob die SPÖ mittelfristig FPÖ- und Nichtwähler zurückholen kann). Doch in der aufgehussten Anti-Asylanten-Stimmung im Land und angesichts der aktuellen Allgegenwärtigkeit des Themas hat Kern gerade hier keine Bedenkzeit. Von der ÖVP wird auf den Neuen an der Regierungsspitze in der Asylfrage derzeit massiver Druck ausgeübt. Das Weiterführen der bisherigen Linie – vor allem ein Ja Kerns und seiner künftigen Truppe zur Sonderbestimmung, auf deren Grundlage Regierung und Nationalrats-Hauptausschuss eine Stopp-Verordnung für Asylverfahren erlassen können – ist für die Schwarzen eine Bedingung, um die Koalition weiterzuführen. Sind dem Ex-ÖBB-General in der Flüchtlingsfrage also die Hände gebunden? Muss er zu den Asyl-Bedingungen der ÖVP Ja und Amen sagen, wenn er Neuwahlen scheut – was er und die SPÖ wohl tun, erstens wegen der dann zu erwartenden FPÖ-Mehrheit, zweitens wegen der Möglichkeit, dass bald der Blaue Norbert Hofer als Bundespräsident in der Hofburg sitzt und nur mehr Regierungen nach seinem Geschmack billigt. Nein, handlungsunfähig sind Kern und die SPÖ hier nicht. Wie es flüchtlingspolitisch im Land weitergeht, erschöpft sich nämlich keineswegs in einem Ja oder Nein zu der Asylnovelle samt ihrer – menschenrechtlich höchst umstrittenen – Sonderbestimmung, vulgo Notstandsregelung. Auch wenn sie wie geplant in Kraft tritt, dürfte die diesbezügliche Diskussion bald wieder sehr an Interesse gewinnen. Besagte Sonderbestimmung – das muss auch von Kritikerinnen-Seite einmal gesagt werden –ist aus einer Situation heraus entstanden, in der die Republik auf sich allein zurückgeworfen war. Insofern ist nachvollziehbar, dass es zu ihr kam. Hätten sich die Mitgliedsstaaten der EU nicht als völlig unwillig und unfähig erwiesen, solidarisch mit der Fluchtbewegung umzugehen, hätten nicht Zynismus und Wegschauen das Verhalten in den meisten Regierungen bestimmt, wäre sie nie beschlossen worden. Klar erscheint, dass die Regelung allein auf nationale Interessen setzt und ist damit einer EU-weiten Lösung (die aber nicht zu erkennen ist) entgegensteht. Sie ermöglicht, ein grundlegendes Menschenrecht – jenes auf Prüfung eines Asylbegehrens – für die meisten in Österreich ankommenden Flüchtlinge außer Kraft zu setzen. Das zeigt, wie wenig Wert die österreichischen Eliten dem internationalen Flüchtlingsrecht zuerkennen. Hier sind sie in Europa keineswegs allein. Nun besitzt eine ganze Reihe Staaten Sonder- und Notfallsbestimmungen für besonders exponierte Situationen verschiedenster Art. Die Frage ist jeweils, wann davon ausgegangen wird, dass eine solche Situation besteht. Genau das wird auch nach Inkrafttreten der österreichischen Asylnovelle die Gretchenfrage sein. Wann soll die Notstands-Verordnung beschlossen und wirksam werden? Aus der ÖVP heißt es dazu: Schnell muss es gehen. Das sagte etwa Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Doch eine rasche Verordnung müsste allein auf Verdacht hin beschlossen werden: Bis dato haben laut Auskunft des Innenministeriums heuer 19.000 Menschen in Österreich um Asyl ersucht. Da ist es bis hin zum Richtwert von 37.500 Asylanträgen noch recht weit. Wie werden Kern und die SPÖ sich verhalten, sollte der Koalitionspartner lang vor dem Erreichen der 37.500 den Beschluss einer Notstandsverordnung fordern? Wird er darauf hinweisen, dass das völlig übersteuert wäre? Oder wird er der ÖVP willig sein? In ersterem Fall würde herausgestrichen, dass die Sonderbestimmung nur eine Regelung für wirkliche Sonderfälle sei. In letzterem Fall würde einem Asyl-Regime zugestimmt, mit dem die FPÖ auch ohne Regierungsübernahme weite Teile ihrer Asylanten-Sündenbock-Vorstellungen umgesetzt hätte. Ein möglicher künftiger Regierungschef Heinz-Christian Strache müsste dann nur noch nachjustieren. Hier haben Kern und die SPÖ in Asylfragen weiter die Wahl. Dass ihre Entscheidung eng mit der Frage einer möglichen Annäherung an die FPÖ zusammenhängt, liegt auf der Hand. Wie es hier weitergeht, hat massiven Einfluss auf die Zukunft Österreichs. Also ob es (noch) eine Alternative zum Versinken der Republik in hegemonialen, also Politik und Gesellschaft bestimmenden Rechtspopulismus gibt. Man kann also sehr gespannt sein – besser gesagt: man muss. Beim Thema Geschlechtergerechtigkeit sieht die FPÖ rot. In dem von Norbert Hofer redigierten Blauen-Handbuch wird da als Feindbild gar Lenin bemüht. Über Österreich liegt Spannung. Der neue Bundespräsident wird gewählt. Alexander Van der Bellen oder Norbert Hofer?: Wieder eine Kür, bei der es, wie inzwischen bei fast allen Wahlen, um die Rolle der FPÖ geht. Denn Hofer hat sich in diesem Wahlkampf immer offen als Kandidat dieser Partei deklariert. Die politischen Inhalte die FPÖ waren daher in den vergangenen Tagen und Wochen naturgemäß ein in der Berichterstattung wichtiges Thema. Auch hier in diesem Blog. Hier ging es etwa um die – laut FPÖ-Parteiprogramm und dem Handbuch freiheitlicher Politik – von der FPÖ gewünschte Aufwertung des Deutschtums als Grundlage von Kultur und Kunst. Und es ging um die von Hofers Partei angestrebte Wiederabschaffung der zivilen Rechte von Lesben und Schwulen, die diesen in den vergangenen Jahren in Österreich zuerkannt wurden. Massive Änderungen, die auf Verschlechterungen hinauslaufen, sollen laut FPÖ-Plänen aber auch einer weit größeren Bevölkerungsgruppe ins Haus sehen: den Frauen. Laut blauem Parteiprogramm und Handbuch soll es einen Kahlschlag bei allen Maßnahmen geben, mit denen die öffentliche Hand Frauen fördert – etwa um ihre berufliche und einkommensmäßige Situation zu verbessern. Im FPÖ-Parteiprogramm wird dies mit der gleichen – offenbar entwaffnend gemeinten – Offenheit kundgetan, der sich im Bundespräsidentschaftswahlkampf FPÖ-Kandidat Hofer befleißigte: etwa als er ankündigte, man werde sich noch wundern: Die Bevorzugung eines Geschlechts zur Beseitigung tatsächlicher oder vermeintlicher Benachteiligungen wird von uns entschieden abgelehnt, ist da zu lesen. Keine Beseitigung von Benachteiligungen, auch von tatsächlichen nicht: Wie soll man das anders verstehen, als dass die FPÖ – diese laut Demoskopen von besonders vielen Männern gewählte Partei – für die Aufrechterhaltung der auch in Österreich noch ganz realen Ungleichbehandlung von Frauen eintritt? Und, weiter: Daher sprechen wir uns gegen eine Quotenregelung oder das ‚Gender-Mainstreaming‘ aus. Tatsächlich ist das Gender Mainstreaming ein Objekt besonderer Ablehnung der FPÖ. Das unter anderem von der EU befürwortete Prinzip, dass bei Entscheidungen auf allen gesellschaftlichen Ebenen die Gleichstellung der Geschlechter gefördert werden soll, wird von der dieser Partei geradezu verteufelt. Das zeigt sich im – von Norbert Hofer redigierten – Handbuch freiheitlicher Politik in Gestalt eines in der heutigen Zeit völlig deplatzierten Bolschewistenhasses: ‘Gender Mainstreaming‘ soll im ‚Top-Down-Prinzip‘ durchgepeitscht werden. Das bedeutet, dass auf allen staatlichen und gesellschaftlichen Ebenen alle Entscheidungen einer von der Spitze vorgegebenen Maxime unterworfen werden, steht da. Und weiter: Diese Strategie findet ihren Ursprung im Wesen der marxistisch-leninistischen Kaderpartei, in der die revolutionäre Avantgarde (Lenin) die Struktur für den Klassenkampf – hier den Geschlechterkampf –der unbedarften Masse vorgibt. Diesbezüglich, so das Handbuch, sei Konspiration am Werk, eine hidden agenda, die schlussendlich die Zerstörung der Identitäten zum Ziel habe –gesamtgesellschaftlich, kulturell sowie individuellgeschlechtlich. Von Lenins Revolutionären über frühe Feministinnen bis in die heutigen Brüsseler Bürokratenburgen ziehe sich ein roter Faden. Begrifflich dockt die FPÖ hier an die Identitären-Bewegung an, die sich zuletzt durch gut inszenierte Störaktionen hervorgetan hat. Nur: Ist der Marxismus-Leninismus im Jahr 2016 noch von politischer Relevanz? Genießt er in der heutigen, neoliberal bestimmten Welt, hundert Jahre nach der bolschewistischen Revolution, noch irgendeine über Kleingruppen hinausgehende Wichtigkeit? Sicher nicht. Und was hat das alles mit der in der EU betriebenen Frauen-Gleichstellungspolitik zu tun? Dort werde die Zersetzung der Gesellschaft propagiert, vermeint das Blauen-Handbuch: eine Endzeitvision. Als Gegenentwurf dazu haben die FPÖ und ihr Mastermind Hofer nichts als das Ziel einer Gesellschaft anzubieten, in der nicht Frauen gefördert werden, sondern deren Benachteiligung als unveränderbar gilt. Während Lesben und Schwulen europaweit das Heiraten ermöglicht wird, ist die Homo-Ehe in Österreich politisch kein Thema. Wien – Die Frage, ob man in Österreich auch zwei Männern oder zwei Frauen erlauben soll, den Bund der Ehe einzugehen, wurde bereits breit diskutiert. Aber nicht im Nationalrat, in Hinblick auf eine Gesetzesänderung: Für ÖVP, FPÖ und Team Stronach ist die Homo-Ehe nach wie vor inakzeptabel – und zusammengenommen haben sie mehr Mandate als die Eheöffnungsbefürworter SPÖ, Grüne und Neos. Helmut Graupner, Anwalt und Präsident des für Homosexuellenrechte eintretenden Rechtskomitees Lambda, will das ändern. Und hat daher, inspiriert vom Ja der Iren zur Homo-Ehe bei der Volksabstimmung Ende Mai, zusammen mit einer Reihe anderer NGOs und Gleichstellungseinrichtungen unter dem Titel Ehe gleich! den Startschuss für eine parlamentarische Bürgerinitiative gegeben. Ähnliche Initiativen laufen derzeit auch in Deutschland und in der Schweiz. Um zu ermöglichen, dass die hiesige Bürgerinitiative auf die Parlamentshomepage gesetzt wird, sodass dort auf elektronischem Weg Unterschriften gesammelt werden können, müssen 500 Menschen auf dem Papier ihre Unterstützung geben. Drei Tage nach Sammelbeginn am 5. Juni war diese Voraussetzung erfüllt. Ziel, um parlamentarisch etwas zu bewegen, müssten jedoch 100.000 elektronisch erfasste Unterschriften oder mehr sein, erläutert Michael Pock, Vorsitzender des parlamentarischen Petitionsausschusses und Gleichbehandlungssprecher der Neos. Rund 100.000 Unterschriften habe die Bürgerinitiative gegen die Vorratsdatenspeicherung, gar rund 250.000 jene zur Aufklärung des Hypo-Alpe-Adria-Skandals gesammelt. Wichtig dabei seien jeweils bekannte Persönlichkeiten als Unterstützer gewesen. Graupner hält starken Zuspruch für Ehe jetzt! für möglich. Laut einer Market-Umfrage im heurigen Jahr würden sich 73 Prozent der Österreicher auf jeden Fall oder eher doch für die Eheöffnung aussprechen. Wichtiges erstes Ziel sei jedoch die Durchführung einer parlamentarischen Enquete über die Homo-Ehe, sagt er. Es wäre dies die erste derartige Informationsveranstaltung zur Abgeordnetenmeinungsbildung im Hohen Haus zu einem Homosexuellenthema. Dass es dazu bisher noch nie kam, hänge damit zusammen, dass fast alle Gleichstellungsmaßnahmen in Österreich nicht politisch erstritten werden konnten, sondern höchstgerichtlich erwirkt werden mussten. Im Fall der Homo-Ehe ist ein Höchstgerichtsspruch bis auf Weiteres nicht zu erwarten. Im Unterschied zu Fragen der Gleichbehandlung und der Familiengründung von Lesben und Schwulen als solcher stellt der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg den Europaratsmitgliedstaaten deren Einführung frei. Dadurch sei es in Österreich dazu gekommen, dass der vierte Schritt ohne den ersten stattgefunden hat, meint Graupner. Homosexuelle dürften Stief- und Fremdkinder adoptieren, Methoden der künstlichen Befruchtung stünden ihnen offen, ihre Mutter- oder Vaterschaft werde anerkannt, sie könnten ihre Partnerschaft eintragen lassen – aber heiraten dürften sie noch nicht. 'Studie "Queer in Wien" fragte erstmals Diskriminierung ab: Nur die Hälfte outet sich im Job. Wien – Die Piktogramme zweier Frauen leuchten rot. Sie halten einander an den Händen, zwischen ihnen ein Herz: Bei diesem Bild wartet man an einzelnen Ampeln seit kurzem in Wien. In der Realität ist Händchenhalten für zwei Personen gleichen Geschlechts oft nicht so einfach, wie die von der Stadtregierung am Mittwoch veröffentlichte Studie Queer in Wien zeigt. 3.161 Personen wurden dafür zu Sexualität und Diskriminierung in Wien befragt. Rund 28 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie in den vergangenen zwölf Monaten Diskriminierungs- und Gewalterfahrungen auf offener Straße in Wien gemacht haben. Auf Platz zwei der Orte, an denen sich die teilnehmenden Lesben, Schwule, Transgender- oder Intersex-Personen (LGBTI) Übergriffen ausgesetzt fühlten, landeten die öffentlichen Verkehrsmittel. Vor allem verbale Übergriffe würden sie aber zumeist ignorieren. Selten kommt es zu Anzeigen oder zum Aufsuchen einer Beratungsstelle. Die U-Bahn sei der sicherste Ort im öffentlichen Raum, entgegnet Wiener-Linien-Sprecher Answer Lang. Es sei überall hell, man sei immer unter anderen Menschen, es werde videoüberwacht, und es gebe Sicherheitseinrichtungen. Diese sollte man auch unbedingt benutzen, wenn es eine heikle Situation gibt. Unsere Fahrer können dann entweder einschreiten oder über unsere Leitstelle rasch die Polizei verständigen, sagt Lang. Ansonsten würden die Wiener Linien stark auf Bewusstseinsbildung und gegenseitige Rücksichtnahme setzen – gerade dann, wenn es Diskriminierung betrifft. Sichtbare Schritte wollen sie zusätzlich durch spezielle Straßenbahnen für den Life Ball und bei der Regenbogenparade setzen. Wir brauchen einen Klimawandel, sagt Wiens Frauen- und Gleichstellungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ). In den Öffis, am Arbeitsplatz und auf der Uni dürfen Homo- und Transphobie nicht mehr zum Umgangston gehören. Frauenberger fordert bei Übergriffen mehr Zivilcourage: Wer beobachtet, wie ein lesbisches Pärchen angegriffen wird, weil es Händchen hält, sollte sich zu Wort melden. Diskriminierung passiert in Wien der Studie zufolge vor vor allem verbal. 79 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, dass sie im vergangenen Jahr mindestens einmal beschimpft wurden; 74 Prozent, dass sie lächerlich gemacht wurden. Die Gewalt wird allerdings auch physisch ausgetragen. 25 Prozent wurden im vergangenen Jahr Opfer von sexualisierten Übergriffen oder Gewalt, 20 Prozent wurden körperlich attackiert. Die Gewalt geht dabei vor allem von männlichen Jugendlichen aus. Auf Platz zwei der Angreifer liegen extremistische Gruppen. Von den LGBTI-Personen in Ausbildung gaben 30 Prozent an, an der Ausbildungsstätte und in der Schule geoutet zu sein. 69 Prozent hingegen haben sich nur zum Teil oder gar nicht vor ihren Schulkollegen oder Lehrenden geoutet. 15 Prozent gaben zudem an, im vergangenen Jahr gemobbt oder benachteiligt worden zu sein. Die häufigste Form, wie Diskriminierung wahrgenommen wird, ist das Klima in der Ausbildungsstätte. Oft wird die sexuelle oder geschlechtliche Identität durch beiläufige Andeutungen oder Witze schlechtgemacht. Im weiteren Berufsleben sieht es ähnlich aus. Viele befürchten negative Konsequenzen für ihre Karriere, sagt Frauenberger. Außerdem müssten Personen befürchten, dass sie aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder geschlechtlichen Identität schlechter behandelt werden. Die Angst vor Diskriminierung ist dabei leider nicht unberechtigt, so Frauenberger. 14 Prozent der Befragten haben im vergangenen Jahr Übergriffe am Arbeitsplatz erlebt. Knapp die Hälfte der Studienteilnehmer (48 Prozent) ist am Arbeitsplatz vollständig geoutet. Nur acht Prozent haben all ihren Kollegen von ihrer sexuellen Orientierung erzählt, zehn Prozent allen Vorgesetzten. Wobei Hierarchien laut Studie das Coming-out erschweren. Fast die Hälfte ist am Arbeitsplatz nicht geoutet. Das bedeutet nicht nur, beim Frühstückskaffee verheimlichen zu müssen, mit wem man am verlängerten Wochenende auf Thermenurlaub war, sagt Frauenberger. Durch das fehlende Outing würden auch Ansprüche etwa auf Pflegefreistellung verlorengehen. Auch die Zufriedenheit mit dem Leben in Wien wurde abgefragt. Großer Kritikpunkt: die eingetragene Partnerschaft. Die Unzufriedenheit zeigt deutlich, dass lesbische und schwule Paare nicht länger in die Ehe zweiter Klasse eingeteilt werden wollen, sagt Frauenberger. Gleichgeschlechtliche Paare sollten deshalb das gleiche Recht auf die Ehe bekommen: Ohne Sonderbehandlungen wie die Kategorie Nachname statt Familienname – und am Standesamt.' Engel, Bräute und Ampelpärchen: Demonstrationszug gegen Diskriminierung von Homosexuellen. Zeitgleich marschierten Abtreibungsgegner. Wien – Viele Teilnehmer der 20. Regenbogenparade auf der Wiener Ringstraße haben in Sachen Styling ihrer Fantasie keine Grenzen gesetzt. Ob Engel, Bräute, Ampelpärchen oder Teilnehmer im Trachten-Look, zu sehen gab es für Zaungäste am Samstagnachmittag so einiges. Auch auf politische Botschaften wurde nicht vergessen, schließlich handelte es sich bei der Veranstaltung eigentlich um eine Demonstration. Umschwulung auf Krankenschein Die Regenbogenparade ist eigentlich eine Demonstration gegen die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen. Deswegen hielten Teilnehmer Forderungen und Slogans fest. Dabei handelte es sich um Botschaften wie: Freedom, love, Umschwulung auf Krankenschein oder Ehe für alle statt Ampeln für alle – eine Anspielung auf die Wiener Ampelpärchen. Diese waren überhaupt ein beliebtes Thema: So verkleideten sich zwei Männer als grünes Ampelpärchen. Um den Hals hatten sie ein Schild hängen, auf dem stand: Das Ampelpärchen sagt: Grünes Licht für die Öffnung der Ehe. Abtreibungsgegner marschieren Zeitgleich bewegte sich einige Gassen vom Ring entfernt ein Demonstrationszug namens Marsch für die Familie durch die Wiener Innenstadt. Tafeln mit Parolen wie Abtreibung ist Mord wurden von den etwa 250 Demonstranten am Stephansplatz in die Höhe gehalten. Anwesend war neben der ÖVP-Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel auch der Arzt und Neu-ÖVP-Mandatar Marcus Franz. Weißes Haus in Regenbogenfarben – Nächtliche Jubelfeiern – Schlangen in den Standesämtern. Washington – Nächtliche Jubelfeiern, Schlangen in den Standesämtern: Homosexuelle haben am Freitag ihr uneingeschränktes Eherecht in allen Teilen der USA gefeiert. In vielen Bundesstaaten eilten gleichgeschlechtliche Paare schon wenige Stunden nach dem historischen Urteil des Supreme Court in Washington in die Gerichtsgebäude, um sich ihre Heiratslizenzen zu besorgen. Es gab Partys und spontane Straßenfeste, und auch das Weiße Haus machte mit: Die Nordseite der US-Regierungszentrale war am Freitagabend in den Regenbogenfarben angestrahlt. Bereits zuvor hatte Präsident Barack Obama das Urteil als Sieg für Amerika gewürdigt. Dagegen kritisierten die meisten republikanischen Präsidentschaftsbewerber für die Wahl 2016 das Urteil scharf. Lediglich die Kandidaten Jeb Bush und Lindsey Graham schlugen versöhnlichere Töne an und warben für Toleranz auf beiden Seiten – Kritikern und Befürwortern. In manchen Städten setzten die zuständigen Amtsrichter die sonst übliche 72 Stunden lange Wartezeit für Eheschließungen aus, und Paare konnten frischverheiratet ins Wochenende gehen. In manchen Fällen gab es jedoch auch Hürden, so der Washington Post zufolge etwa in Mississippi. Dort verfügte der staatliche Justizminister, dass erst ein niedrigere Instanz bestätigen müsse, dass Schwule und Lesben auch wirklich getraut werden sollten. Das höchste Gericht in Washington hatte am Freitag mit fünf zu vier Stimmen verfügt, dass noch bestehende Verbote von Homosexuellen-Ehen in 13 von 50 Staaten sowie in Teilen von Missouri aufgehoben werden müssen. Die Entscheidung des Supreme Court ist der bisher größte rechtliche Erfolg für Schwule und Lesben in den USA. Nie wieder darf ihnen diese Freiheit verwehrt werden, schrieb Richter Anthony Kennedy stellvertretend für die fünf Befürworter. In ihrer Begründung stützten diese sich auf das im 14. Zusatzartikel zur US-Verfassung verankerte Gleichbehandlungsgebot. Zuvor hatten 36 Bundesstaaten sowie der Bundesdistrikt Washington D.C. die Homosexuellen-Ehe erlaubt. Die Wiener Mann-Mann- und Frau-Frau-Ampel ist auch in Deutschland zum Gesprächsthema geworden. Berlin – Ampelpärchen, die für Toleranz werben: Was in Wien – je nach Sichtweise – der Renner oder der Aufreger rund um den Song Contest war, kommt mancherorts auch in Deutschland gut an. In München und in Frankfurt am Main sollen nach Wiener Vorbild zu den Christopher-Street-Day-Veranstaltungen am 11. Juli und am 17. Juli an einigen Ampeln erste gleichgeschlechtliche Pärchen aufscheinen. In anderen großen deutschen Städten würde man die Ampelpärchen auch gerne willkommen heißen – beispielsweise in Köln, wo sehr viele Homosexuelle leben. Also hat die SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung Köln-Innenstadt einen Antrag gestellt. Der allerdings bekam keine Mehrheit, wobei das Abstimmungsergebnis ein recht Bemerkenswertes ist. Die CDU votierte für die Ampelpärchen, die Grünen hingegen sprachen sich dagegen aus. Ihre Begründung: zu hohe Kosten. Und überhaupt müsse zuerst einmal die Homo-Ehe der klassischen Ehe gleichgestellt werden. Hintergrund der Verweigerung, die von der Grünen Jugend scharf kritisiert wird: Im Wahlkampf um den Posten des Oberbürgermeisters wollen sich die Grünen nicht auf die Seite der SPD schlagen. In Hamburg hingegen macht sich die Zweite Bürgermeisterin und grüne Senatorin für Gleichstellung, Katharina Fegebank, für die Ampeln stark. Die Alternative für Deutschland (AfD) hat daher gleich einmal vorsorglich einen Antrag in die Bürgerschaft eingebracht: Kein Euro Steuergeld für diesen Genderwahnsinn. Denn da könnte ja jeder kommen und neue Ampeln fordern – auch Rollstuhlfahrer oder Muslime. Wenn überhaupt, so die wertekonservative AfD, dann dürfe es nur Familienampeln mit Mama, Papa, Kind geben. In Berlin preschte der Bezirk Lichtenberg vor. Auf Initiative von Linken und Grünen wurde das Bezirksamt aufgefordert, sich beim Senat für schwule und lesbische Ampelpärchen einzusetzen. Diese sollten angebracht werden, wenn ohnehin eine Erneuerung oder eine Reparatur ansteht. Doch bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung heißt es: Ampeln sind nicht geeignet, politische Statements abzugeben. Dabei war die deutsche Hauptstadt schon einmal Vorreiter bei neuen Ampeln. Nach der Wende blieben die Ost-Ampelmännchen (mit Hut) erhalten. Sie sind heute ein beliebtes Berlin-Souvenir und längst auch im Westteil der Stadt zu finden. Der homosexuelle Politiker Ivan Scalfarotto protestiert gegen die Verschleppung einer Gesetzesvorlage für die Einführung einer "zivilen Partnerschaft". Täglich zwei Espressi und dann basta: Das ist die Diät, die sich Italiens Staatssekretär Ivan Scalfarotto seit diesem Montag bis auf weiteres selbst verordnet hat. Es handelt sich um den ersten Hungerstreik eines Regierungsmitglieds in Italiens Nachkriegsgeschichte. Der bekennende Schwule protestiert mit seiner Aktion gegen die systematische Verschleppung eines Gesetzes zur Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften in Italien. Der Gesetzesentwurf steckt seit Monaten im Senat fest – blockiert von mehr als 4.300 Abänderungsanträgen, die die Gegner der Homo-Ehe eingereicht haben. Die gesetzliche Regelung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften – und auch jene der heterosexuellen Partnerschaften ohne Trauschein – ist ein Thema, an dem sich im katholischen Italien schon mancher Politiker die Zähne ausgebissen hat: Es ist das einzige große Land Westeuropas geblieben, in dem keine entsprechenden Regelungen existieren. Laut der EU-Grundrechteagentur zählt Italien zu den Mitgliedsländern mit den meisten Diskriminierungen und gewalttätigen Übergriffen auf Schwule und Lesben. Auch viele der 4.300 Abänderungsanträge der nationalen Parlamentarier sind in einem unverblümt homophoben Ton gehalten. Der Streit zwischen den Befürwortern und den Gegnern eines Gesetzes für die Anerkennung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften wird sehr verbissen geführt. Im Juni hatten auf der römischen Piazza San Giovanni im Rahmen eines Family Day eine halbe Million Menschen gegen die Einführung der Homo-Ehe demonstriert und dabei vor einer schleichenden Abschaffung der traditionellen Ehe gewarnt. Der Verein Gaynet bezeichnete die Kundgebung als Festival der Homophobie. Die Fronten sind verhärtet: Man könnte meinen, dass es zwischen den Demonstrationen katholischer Fundamentalisten und den Gay-Pride-Märschen nichts gibt, sagte Scalfarotto, als er seinen Hungerstreik ankündigte. Regierungschef Matteo Renzi wollte das Gesetz zur zivilen Partnerschaft eigentlich nach Ostern vom Senat verabschieden lassen. Im besten Fall wird sich die kleine Kammer nun nach den Sommerferien im September der Vorlage annehmen. Renzis Problem ist sein wichtigster Koalitionspartner Nuovo Centrodestra (NCD), die Partei von Innenminister Angelino Alfano: Aus den Reihen der Kleinpartei, die sich 2013 von Silvio Berlusconis Forza Italia abgespaltet hat, stammen die meisten Anträge gegen das Gesetz. Ohne NCD hat die Regierung aber im Senat keine Mehrheit. Solange es lediglich um die rechtliche Gleichstellung schwuler und lesbischer Lebenspartnerschaften mit den heterosexuellen Ehen geht, sind die Italienerinnen und Italiener offener: Laut Umfragen würden mehr als 70 Prozent der Bevölkerung ein entsprechendes Gesetz gutheißen. Anders ist das, wenn es um Adoption durch homosexuelle Paare geht: Das lehnt eine klare Mehrheit ab. Der Gesetzesentwurf der Regierung sieht aber die Adoptionsmöglichkeit ausdrücklich vor, was die Chancen der Vorlage verringert. Auch der Papst, auf den sich Italiens katholische Politiker gern berufen, wird seinen Segen zu einer kirchlichen Homo-Ehe verweigern. Aber gleichzeitig hat sich Franziskus mehrfach gegen die moralische Verurteilung und gesellschaftliche Diskriminierung Homosexueller gewendet. Auch innerhalb der Kirche wächst eine neue Sensibilität, die es uns ermöglicht, kulturellen Veränderungen ohne übertriebene Emotionen zu begegnen, sagte der Generalsekretär der italienischen Bischöfe, Nunzio Galantino. Spätestens bei den Adoptionen endet aber auch beim Papst-Vertrauten Galantino die Toleranz: Nicht jeder Wunsch könne zu einem Recht erklärt werden. Rekordzulauf bei 20. Auflage der LGBT-Parade erwartet. Der Bürgermeister würde sie am liebsten aus der Innenstadt verbannen. Nach der Entscheidung des amerikanischen Obersten Gerichts für die Homo-Ehe und einem analogen Ja beim Referendum in Irland spürt Ungarns LGBT-Gemeinde Aufwind. Für die 20. Budapester Pride, die am Samstag im Zentrum der Hauptstadt startet, rechnen die Organisatoren mit einer Rekordbeteiligung. Die Eröffnungsansprache hält der international renommierte Dirigent Iván Fischer, der das Berliner Konzerthausorchester leitet. Heuer legen wir Augenmerk darauf, dass einzelne Gruppen sichtbar hervortreten, dass sie mit eigenen Transparenten erscheinen, erklärte Pride-Sprecherin Dominika Milanovich am Freitag. Das können lokale LGBT-Gruppen ebenso sein wie etwa sympathisierende Lehrer, die Initiative Christen für Schwule oder Zivilorganisationen mit anderen Schwerpunkten wie Flüchtlings- oder Obdachlosenhilfe. In Ungarn ist nicht nur Homophobie ein Problem, auch andere Minderheiten wie Flüchtlinge oder Roma haben es schwer, meinte Milanovich. Die Budapester Pride erfreut sich seit 2012 eines – für ungarische Verhältnisse – bemerkenswerten Zulaufs. Im vergangenen Jahr kamen an die 10.000 Menschen – neben Lesben, Schwulen, Bi- und Transsexuellen auch Bürger, die gegen das minderheitenfeindliche Klima im Lande demonstrieren wollten. Nicht nur Vertreter der rechtsextremen Jobbik-Partei hetzen in Ungarn gegen die Minderheiten, sondern auch Politiker der rechtspopulistischen Regierungspartei Fidesz. Regierungschef Viktor Orbán meinte etwa neulich, bei einer Pressekonferenz auf das Thema Homophobie angesprochen, dass ihm dazu Witze einfallen könnten, er aber zugleich den ungarischen Schwulen dankbar sei, dass sie nicht provozieren. Der Budapester Oberbürgermeister István Tarlós gab sich noch unverblümter: Das ganze Phänomen (der Homosexualität) ist widernatürlich und ekelhaft. Die Budapester Pride würde er am liebsten aus der Innenstadt verbannen und irgendwohin an den Stadtrand verlegen. Allerdings gebe es dafür keine juristische Handhabe, fügte er bedauernd hinzu. Derartige Äußerungen sind verantwortungslos und verstärken nur die Homophobie in der Gesellschaft, so Pride-Sprecherin Milanovich. Homosexuelle seien in Ungarn damit konfrontiert, dass sie in staatlichen Institutionen, in der Arbeitswelt oder in der Schule Diskriminierungen erfahren können. Doch die steigenden Teilnehmerzahlen der Pride signalisieren auch einen tieferen gesellschaftlichen Gegentrend. Hinzu kommen die Coming-Outs von Prominenten: So bekannten sich in letzter Zeit der Schauspieler János Kulka, der Theaterregisseur Róbert Alföldi, der Politologe Zoltán Lakner und der Start-up-Star und Gründer des IT-Unternehmens Prezi, Péter Árvai, offen zu ihrer Homosexualität. Entwurf für "Tilgungsgesetz" in Begutachtung – Noch immer 112 Strafregister-Vermerke zu Paragraf 209. Wien – Justizminister Wolfgang Brandstetter (ÖVP) will alle Strafregister-Einträge wegen Verurteilungen nach alten anti-homosexuellen Strafparagrafen streichen lassen. Nach einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) im November 2012 hat er jetzt den Entwurf für ein eigenes kleines Tilgungsgesetz in Begutachtung geschickt. 2002 hat der Verfassungsgerichtshof (VfGH) den Paragraf 209 Strafgesetzbuch – mit dem Schutzalter 18 Jahre (statt sonst 14) für homosexuelle Kontakte – aufgehoben. Schon früher waren andere speziell gegen Homosexuelle gerichtete Straftatbestände gestrichen worden, etwa 1971 das Totalverbot oder später spezielle Strafen für homosexuelle Prostitution. Die alten Urteile wurden allerdings nicht aufgehoben und die Verurteilung nicht aus dem Strafregister getilgt – außer die Verurteilten wandten sich an den EGMR. Bis heute scheinen laut den Gesetzeserläuterungen im Strafregister 112 Verurteilungen nach Paragraf 209 auf, 35 nach Paragraf 210 (homosexuelle Prostitution) plus vier zum Vorgänger-Paragrafen 500 sowie 52 zum Totalverbot. Mit dem Entwurf soll ein wesentliches Hindernis für ein Vergessen der Verurteilungen beseitigt und die Resozialisierung gestärkt werden. Ein immerhin doch elf Paragrafen langes Gesetz ist nötig, weil eine solche Generalamnestie nicht ganz einfach ist: Wenn der Betreffende zum Beispiel schon vorher wegen anderer Vergehen verurteilt worden war, könnte die Tilgung für Paragraf 209 dazu führen, dass sich die Tilgungsfristen für die anderen Delikte verlängert. Um solche Nachteile zu verhindern, wird nur auf Antrag und mit Einzelfallprüfung getilgt. Der Staatsanwalt hat die Tilgung zu beantragen, wenn für den Verurteilten keine Nachteile zu erwarten sind. Für das Verfahren zuständig ist ein Einzelrichter des Landesgerichts, an dem das Urteil erging. Kim Davis: "Wir stellen heute keine Heiratsurkunden aus". Washington – Eine Standesbeamtin im US-Staat Kentucky setzt sich weiter über die Entscheidung des Obersten Gerichtshofs zur landesweiten Einführung der Homoehe hinweg. Der Supreme Court hatte einen Einspruch von Kim Davis zurückgewiesen, doch die Beamtin weigerte sich am Dienstag noch immer, gleichgeschlechtlichen Paaren einen Trauschein auszustellen. Die Frau beruft sich auf ihren christlichen Glauben. Zwei homosexuelle Paare betraten am Dienstag das Amtsgericht in der Kleinstadt Morehead, im Schlepptau hatten sie Journalisten und Bürgerrechtler. Fernsehkameras hielten den Moment fest. Wir stellen heute keine Heiratsurkunden aus, sagte Davis. Einer der heiratswilligen Männer fragte die Standesbeamtin, woher sie die Befugnis für diese Entscheidung nehme. Davis antwortete, sie handele unter der Autorität Gottes. In einem historischen Urteil hatte der Oberste Gerichtshof Ende Juni die Homoehe überall in den Vereinigten Staaten erlaubt. Der Supreme Court erklärte Verbote von gleichgeschlechtlichen Eheschließungen in einer Reihe von Bundesstaaten für verfassungswidrig. Bereits zwei Jahre zuvor hatte der Supreme Court ein Bundesgesetz gekippt, das die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau definierte. Der Widerstand gegen die Homoehe ist in konservativ geprägten US-Staaten im Mittleren Westen und im Süden der USA aber weiter groß. Kentuckys Gouverneur hatte im Juli alle Standesbeamten angewiesen, sich dem Urteil zu fügen. Davis klagte, doch ein Bundesrichter befand, dass religiöse Überzeugungen sie nicht von ihren Amtspflichten entbinden. Auch vor dem Supreme Court scheiterte Davis mit dem Versuch, eine einstweilige Verfügung zu erreichen. Doch die Standesbeamtin blieb uneinsichtig. Mein Glauben kann von mir nicht losgelöst werden, sagte sie am Dienstag. Ich bin gewillt, die Konsequenzen zu tragen, so wie ihr alle Konsequenzen tragen müsst, wenn die Zeit des jüngsten Gerichts kommt. Davis droht nun ein Verfahren wegen Amtsbeugung. Kim Davis setzte sich über Urteil des US-Höchstgerichts hinweg. Washington – Eine Standesbeamtin im US-Bundesstaat Kentucky muss ins Gefängnis, weil sie Homosexuellen keine Trauscheine ausstellen will. Laut Berichten der New York Times und des Nachrichtensenders CNN ordnete ein Bundesrichter nach einer Anhörung am Donnerstag die sofortige Festnahme von Kim Davis an, weil sie das Urteil des Obersten Gerichtshofs zur landesweiten Einführung der Homo-Ehe missachte. Davis werde erst aus der Haft entlassen, wenn sie zusage, sich an geltendes Recht bei der Trauung von gleichgeschlechtlichen Paaren zu halten. In einem historischen Urteil hatte der Supreme Court Ende Juni die Homo-Ehe überall in den USA erlaubt. Die Richter erklärten Verbote gleichgeschlechtlicher Eheschließungen in einer Reihe von Bundesstaaten für verfassungswidrig. Der Widerstand ist in konservativen Gegenden im Mittleren Westen und Süden der USA aber weiter groß. Kentuckys Gouverneur hatte im Juli alle Standesbeamten in seinem Bundesstaat angewiesen, sich dem Urteil zu fügen. Davis setzte sich jedoch über die Anordnung hinweg und berief sich dabei auf ihren christlichen Glauben. Ein Bundesrichter befand allerdings, dass religiöse Überzeugungen sie nicht von ihren Amtspflichten entbinden. Zuletzt scheiterte sie am Montag mit ihrem Einspruch vor dem Supreme Court. Doch die Standesbeamtin blieb uneinsichtig. Mein Glaube kann von mir nicht losgelöst werden, sagte sie am Dienstag, als sie homosexuellen Paaren erneut die Trauung verweigerte. Ich bin gewillt, die Konsequenzen zu tragen, so wie ihr alle Konsequenzen tragen müsst, wenn die Zeit des Jüngsten Gerichts kommt. Bundesrichter David Bunning machte am Donnerstag laut New York Times deutlich, dass das Gericht die vorsätzliche Missachtung seiner Anordnungen nicht billigen könne. Wenn man Leuten die Möglichkeit gibt, sich auszusuchen, welchen Anordnungen sie folgen, dann schafft das mögliche Probleme. Vor dem Gerichtsgebäude in Ashland versammelten sich Befürworter und Gegner der Homo-Ehe. Ein US-Amerikaner macht sich in einer Dokumentation auf, um seine "homosexuell klingende" Stimme loszuwerden. Nach der Trennung von seinem Freund hatte David Thorpe einen erhellenden Moment, wie er ihn heute nennt. Der Mittvierziger aus Brooklyn, New York, war weder selbstsicher noch glücklich und konnte es an einer Eigenschaft festmachen: seiner Stimme, die für ihn zu offensichtlich schwul klang. Ich musste etwas tun, erzählt Thorpe. Seine Therapie: eine Dokumentation mit dem Titel Do I Sound Gay? (Klinge ich schwul?). Darin rückt sich der US-Amerikaner selbst in den Handlungsfokus und lässt sich auf seinem Weg zu Sprachtherapeuten, homosexuellen Berühmtheiten aus Film und Fernsehen oder Wissenschaftern begleiten. All das, um herauszufinden, was die schwul klingende Stimme ausgelöst hat, wie sich homosexuelle Männer mit ihr fühlen und ob man sie auch wieder loswerden kann. Sexuelle Orientierung kann man nicht sehen. Wie jemand spricht oder sich bewegt, schon, lautet ein zentraler Satz der Dokumentation. Deshalb sei die vermeintlich schwule Stimme auch eine letzte Bastion der Homophobie, der Diskriminierung. Der amerikanische Teenager Zach, der ebenfalls von Thorpe interviewt wurde, musste das am eigenen Leib spüren. Seine Klassenkameraden prügelten immer wieder auf ihn ein, weil er homosexuell ist. Ein Video des Übergriffs ging durch die Medien. Vor allem seine Art, sich zu bewegen, und seine weiblich klingende Stimme wären der Grund für die Attacke gewesen, heißt es. Dabei lässt sich aufgrund der Stimme und Art zu sprechen nicht ableiten, welche sexuelle Orientierung ein Mensch hat. Der mittlerweile pensionierte Sprachwissenschafter Ron Smyth von der Universität Toronto beschäftigte sich seit Ende der 1990er-Jahre mit der schwul klingenden Stimme. In Experimenten bat er Personen aufgrund der Sprachaufzeichnungen von 25 Männern, von denen 17 schwul waren, die sexuelle Orientierung der Sprecher zu erraten. Die Teilnehmer lagen nur in 62 Prozent der Fälle richtig. Tatsache war, dass die am heterosexuellsten klingende Stimme einem schwulen Mann und eine der am schwulsten klingenden Stimmen einem heterosexuellen Mann gehörte. Doch woher kommen dann die unterschiedlichen Färbungen der Stimme, und wieso verbindet man die eine Stimme mit Homosexualität? Wir haben herausgefunden, dass wir unsere Art zu sprechen ganz stark von Vorbildern in der Kindheit annehmen, sagt Smyth. Verbringt ein Kind lieber Zeit mit männlichen Erwachsenen oder Gleichaltrigen, so nimmt es deren Art zu sprechen an, und umgekehrt. Smyth, selbst homosexuell, erinnert sich noch ganz genau, wie er zu seiner schwul klingenden Stimme gekommen war: Ich habe es geliebt, meiner Mutter stundenlang beim Telefonieren mit ihren Freundinnen zuzuhören, und habe dadurch die weibliche Art zu sprechen angenommen. Charakteristika der weiblichen Sprache – im Englischen – sind vor allem klarere Selbstlaute, längergezogene S-Laute oder überartikulierte Ps-, Ts- und Ks-Laute. Auch Smyth hatte mit Ausgrenzung aufgrund der herrschenden Vorurteile zu kämpfen: Als Kind wurde er etwa von einer Gruppe Jugendlicher verprügelt, weil er sie auf ein Rauchverbot aufmerksam machen wollte. Da stand dann dieser sehr männliche Typ vor mir, baute sich auf und machte in einer sehr übertriebenen Weise nach, wie ich gesprochen habe, erinnert sich Smyth: In dem Moment dachte ich mir nur: Witzig, dass du so gut die weibliche Sprache nachmachen kannst, mich aber eine Schwuchtel nennst. Selbstverurteilung ist in den Kreisen homosexueller Männern weit verbreitet, wie Interviews in Thorpes Dokumentation zeigen. So sagt der schwule Kabarettist und Autor David Sedaris im Gespräch, dass er lange Probleme mit seiner Sprechweise hatte: Hier sitze ich als geouteter, selbstbewusster schwuler Mann und freue mich, wenn mir dann doch jemand sagt, dass ich nicht schwul klinge. Um diesen Satz häufiger zu hören, unterzog sich Regisseur Thorpe also monatelanger Sprachtherapie. Versuchte eine tiefere, männlichere und autoritärere Stimme zu finden. Ich musste mich körperlich wieder mit meiner Stimme verbinden, erzählt er. Was ihm schließlich auch gelang. Gleichzeitig konnte er seine schwul klingende Stimme als Teil von ihm akzeptieren. Mit der Dokumentation will der nun 46-Jährige anderen schwulen Männern zeigen, dass sie mit ihren Selbstzweifeln nicht allein sind, dass viele Homosexuelle über die Art, wie sie sprechen, nachdenken und es ihr Selbstbewusstsein beeinflusst. Auch wenn uns die Gesellschaft vorgibt, wie man als Mann zu sprechen hat, sollte man sich durch die Scham arbeiten und sich selbst akzeptieren, sagt Thorpe. Präsidiale Unterschrift fünf Monate nach Referendum. Dublin – Fünf Monate nach dem historischen Volksentscheid für die Homoehe in Irland ist die Ehe gleichgeschlechtlicher Partner in dem erzkatholischen Land Gesetz geworden. Die Präsidialkommission hat das Ehegesetz heute unterzeichnet, teilte das Präsidentschaftsbüro am Donnerstag mit: ab Mitte November können sich nun die ersten Homosexuellen das Ja-Wort geben. Die Iren hatten am 22. Mai mit 62,1 Prozent für Eheschließungen ungeachtet des Geschlechts votiert. Es war das erste Mal, dass die Homoehe per Volksentscheid eingeführt wurde, und dies in einem streng katholischen Land. Mehrere gerichtliche Anfechtungen hatten die Einführung verzögert, doch die Unterzeichnung am Donnerstag war die letzte Hürde. Das ist ein tief bewegender Moment für uns alle, die wir so lange dafür eingetreten sind, erklärte Senatorin Katherine Zappone, deren kanadische Ehe mit einer Frau in Irland nicht anerkannt wurde. Auch international hatte das Referendum für großes Aufsehen gesorgt. Justizministerium: nach Verfassungsgerichtshof-Spruch keine legistischen Änderungen nötig. Experten vorsichtig zustimmend – Öffnung der Ehe sei umso dringender. Wien – Ab kommendem Jahr steht lesbischen und schwulen Paaren in Österreich auch die gemeinsame Adoption eines Kindes offen. So hat es der Verfassungsgerichtshof im Jänner 2015 entschieden – und hatte dem Gesetzesgeber eine Reparaturfrist bis 31. Dezember gewährt. Seither warteten Gerichte, Anwälte und Homosexuellenverbände auf einen Gesetzesänderungsvorschlag, um den Höchstgerichtsspruch umzusetzen. Doch den wird es nicht geben: Weil das Justizministerium, um das bisherige Adoptionsverbot aufzuheben, keine legistische Änderung für nötig hält. Jede Adoption werde ohnehin individuell geprüft und setze eine pflegschaftsrechtliche Genehmigung voraus, heißt es dort. Auch werde bei der Adoption Minderjähriger immer auch die Jugendwohlfahrt eingeschaltet, die die Adoption aus Sicht des Kindeswohls zu beurteilen hat. Insgesamt sei dies eine gute Regelung. Das findet auch Christian Högl, Obmann der Homosexuellen Initiative (Hosi) Wien: Das ist sehr gut. Jeder Versuch, neue Regeln zu definieren, hätte nur dazu geführt, auch neue Barrieren aufzubauen, sagte er im Gespräch mit dem STANDARD. In der Praxis, meint er, würden angesichts der nur wenigen Kinder, die in Österreich zur Adoption freigegeben werden, ohnehin weiter heterosexuelle Paare vorgereiht werden. Genau das wäre nicht im Sinne des VfGH-Spruchs, meint die Wiener Anwältin Doris Einwallner, die unter anderem den Verein Familien andersrum Österreich (Famos) berät, der sich für die Unterstützung und Vernetzung von Regenbogenfamilien einsetzt. Der Beschluss des Justizministeriums, keine neue Regelung zu planen, wirkt auf den ersten Blick sehr großzügig, sagte sie im Gespräch mit dem STANDARD. Dennoch gebe es noch näher zu untersuchende Fragen. Etwa, ob aus dem Umstand heraus, dass es allein bei der vom VfGH beschlossenen Streichung jener Gesetzesstellen bleiben soll, die lesbische und schwule Paare bisher von der Adoption ausgeschlossen haben, negative Wirkungen für adoptionswillige Frauen- oder Männerpaare zu erwarten seien. Diesbezüglich müsse man sich besonders die Bestimmungen des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches (ABGB) anschauen, die definieren, wer im Fall einer Adoption für das Kind an Vaters und Mutters statt tritt. Auch, so Einwallner, sei in diesem Zusammenhang zu erwägen, was das weiter bestehende Heiratsverbot für Homosexuelle für Folgen habe: eine Frage, die auch für den Wiener Anwalt und Homosexuellenaktivisten Helmut Graupner zentral erscheint: Solange in Österreich die absurde Situation besteht, dass schwulen und lesbischen Paaren zwar die Adoption, aber nicht die Ehe offensteht, werden den betroffenen Kinder wichtige Rechte vorenthalten: ein gleichheitswidriger Zustand, sagt er. Vorsichtig zustimmend zu den ministeriellen Plänen äußert sich unterdessen der grüne Justizsprecher Albert Steinhauser: Wir werden das aber ebenfalls noch genauer prüfen, sagte er. Verfassungsgericht traf umfassende Regelung. Bogota – Homosexuelle Paare in Kolumbien haben künftig grundsätzlich das Recht zur Adoption von Kindern. Das Verfassungsgericht des Landes entschied am Mittwoch, die bereits seit Februar geltende Regelung für leibliche Kinder auf sämtliche Adoptionen auszuweiten. Homosexualität sei kein Zeichen mangelnder sittlicher, körperlicher oder geistiger Eignung zur Adoption von Kindern, sagte Gerichtspräsidentin Maria Victoria Calle. Die Entscheidung fiel mit sechs gegen zwei Stimmen nach zweistündiger Debatte. In Kolumbien gibt es seit dem Jahr 2007 eingetragene Lebenspartnerschaften, aber keine vollständige Gleichstellung homosexueller Paare mit Eheleuten. "Vielfalt ist für den MI5 lebenswichtig". London – Der britische Inlandsgeheimdienst MI5 ist zum landesweit besten Arbeitgeber für Homosexuelle gekürt worden. Auf der am Dienstag veröffentlichten jährlichen Rangliste der Aktivistengruppe Stonewall, die sich für die Rechte von Homo-, Bi- und Transsexuellen einsetzt, erreichte der Dienst den Spitzenplatz. Die Gruppe gab zur Begründung an, dass der MI5 eine sehr gute Personalpolitik betreibe und sexuelle Minderheiten besonders fördere. Der Geheimdienst setzte sich damit im sogenannten Workplace Equality Index 2016 an die Spitze von rund 400 britischen Arbeitgebern. Die veröffentlichte Rangliste umfasste die 100 bestplatzierten Arbeitgeber. Im vergangenen Jahr erreichte der MI5 noch Platz sieben. Vielfalt ist für den MI5 lebenswichtig, erklärte dessen Chef Andrew Parker. Der Dienst brauche die talentiertesten Menschen – wer auch immer sie sind. Die Stonewall-Auszeichnung fasse er als großartige Anerkennung für unsere kontinuierlichen Fortschritte auf, sagte Parker. Der Index bildet die Bemühungen britischer Arbeitgeber um Gleichstellung bei ihren Aktivitäten im In- und Ausland ab. Die Stonewall-Vorsitzende Ruth Hunt erklärte, solche Bemühungen verbesserten nicht nur das Leben der Beschäftigten und Kunden, sondern auch die Geschäftsergebnisse. Der Mann soll von seinem Ex-Partner beim Arbeitgeber als HIV-positiv und homosexuell geoutet worden sei. Innsbruck – Einem HIV-positiven Mann sind vom Landesgericht Innsbruck als Schadenersatz für erlittene Diskriminierung unter anderem 35.000 Euro an Entschädigung zugesprochen worden. Laut dem Rechtskomitee Lambda (RKL) hatte das Land den Dienstnehmer innerhalb der Probezeit wegen seiner HIV-Infektion und seiner Homosexualität entlassen. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Der Mann soll von seinem Expartner gestalkt und bei seinem Arbeitgeber, dem Land Tirol, als HIV-positiv und homosexuell geoutet worden sein. Auch habe der Expartner ein (mit Freispruch) abgeschlossenes Strafverfahren bekanntgemacht. Daraufhin sei der Mann zu seinem Vorgesetzten zitiert worden, heißt es beim RKL. Ihm sei nahe gelegt worden, sich nach einer anderen Stelle umzusehen. Kurz darauf löste das Land Tirol das Dienstverhältnis auf. Eine Schlichtung vor der Gleichbehandlungsanwaltschaft scheiterte. Die gesetzten Personalmaßnahmen stehen in keinster Weise mit der sexuellen Orientierung oder der HIV-Infektion des Mannes in Verbindung, reagierte das Land Tirol am Mittwoch. Das Urteil ist nicht rechtskräftig. Es wird von beiden Seiten bekämpft, erklärte ein Sprecher des Landesgerichts. Offener Brief gegen umstrittenen Gesetzesentwurf zu gleichgeschlechtlichen Trauungen – Warnung vor Diskriminierung Homosexueller. Los Angeles – Zahlreiche Filmstudios, darunter Disney und Time Warner, und mehr als 30 Filmschaffende drohen dem US-Staat Georgia mit einem Boykott, falls dort ein aus ihrer Sicht homophobes Gesetz in Kraft tritt. Es sieht unter anderem vor, dass Kirchenvertreter gleichgeschlechtliche Trauungen abweisen können, wenn dies ihren religiösen Überzeugungen widerspricht. Kritiker warnen vor Diskriminierung Homosexueller auch am Arbeitsplatz und in sozialen Einrichtungen. Verfechter des Entwurfs Free Exercise Protection Act sprechen hingegen von einem Schutz der Glaubensfreiheit. Der Gesetzesentwurf liegt dem Südstaaten-Gouverneur Nathan Deal zur Unterschrift vor. Bis zum 3. Mai muss der Republikaner über die Annahme oder Ablehnung des Entwurfs entscheiden. Schauspieler, Regisseure und Produzenten, darunter Anne Hathaway, Julianne Moore, Rob Reiner, Lee Daniels, Gus Van Sant und Bob und Harvey Weinstein, forderten Deal am Donnerstag in einem Brief auf, sein Veto einzulegen. Andernfalls wollten sie künftig nicht mehr in Georgia arbeiten. Ihr Schreiben wurde am Donnerstag von der Bürgerrechtsgruppe Human Rights Campaign veröffentlicht. In Georgia werden zahlreiche TV-Serien und Filme gedreht, darunter Blockbuster wie The First Avenger: Civil War und Die Bestimmung – Allegiant. Der Staat räumt Produktionsfirmen Steuervorteile ein. Bekenntnis zur zweiten Liebe seines Lebens. Harris Wofford war ein 65-jähriger gut vernetzter Anwalt, früherer Rektor des angesehenen Bryn Mawr College, demokratischer Parteifunktionär im US-Bundesstaat Pennsylvania und Bürgerrechtsaktivist, als er im Herbst 1991 plötzlich ins Scheinwerferlicht der nationalen Öffentlichkeit trat. Nach dem Unfalltod eines Senators trat er für die Demokraten als krasser Außenseiter gegen Dick Thurnburgh, Justizminister unter Ronald Reagan und George Bush Sr., an, holte einen massiven Rückstand in den Meinungsumfragen auf und siegte im November klar. Sein Erfolg war ein Zeichen der Unzufriedenheit mit der Bush-Regierung und ein Vorbote für Bill Clintons Wahlsieg 1992 – zumal auch Wofford von den späteren Präsidentenberatern James Carville und Paul Begala beraten wurde. Aber schon im November 1994 verlor Wofford seinen Senatssitz gegen den erzkonservativen Rick Santorum in der ersten republikanischen Welle gegen Bill und Hillary Clinton. Der dreifache Vater übernahm die Leitung eines nationalen Freiwilligenprogramms, engagierte sich im Kampf gegen Malaria und unterrichtete an einer Universität. 1996 starb seine Ehefrau Clare Lindgren nach 48 Jahren Ehe. Wofford, der einst als erster Weißer an der schwarzen Howard University studierte und John F. Kennedy beim Aufbau des Peace Corps geholfen hatte, lernte 2005 den Senator Barack Obama kennen, freundete sich mit ihm an und stellte ihn vor, als Obama im Vorwahlkampf im März 2008 seine berühmte Rede über Rassenbeziehungen hielt. Nun, mit 90, wird Wofford erneut zur gesellschaftspolitischen Symbolfigur, und diesmal in eigener Sache. In der New York Times gab er bekannt, dass er vor 15 Jahren am Strand in Florida die zweite Liebe seines Lebens gefunden hat, den um 50 Jahre jüngeren Matthew Charlton, und ihn am 30. April heiraten werde. Drei Jahre lang hatte er gebraucht, um seinen Kindern von der Beziehung zu erzählen, und nun wolle er sich öffentlich dazu bekennen. Für Wofford ist es die vielleicht wichtigste politische Botschaft seines Lebens, denn die vom US-Höchstgericht legalisierte gleichgeschlechtliche Ehe ist immer noch umstritten. Man könne eine Frau genauso wie einen Mann lieben, und er wolle sich nicht nach dem Geschlecht der von ihm Geliebten definieren. Es ist wohl sein letzter Akt, der im Gedächtnis der Nation mehr in Erinnerung bleiben wird als alles andere, was er in seinem langen Leben geleistet hat. (Eric Frey, 25.4.2016) Aktuell sind gleichgeschlechtliche Ehen nur in der Hauptstadt und in drei Bundesstaaten erlaubt – Kritik der Kirche. Mexiko-Stadt – Der mexikanische Präsident Enrique Peña Nieto hat sich für eine landesweite Einführung der Homo-Ehe ausgesprochen. Er werde einen entsprechenden Antrag auf Verfassungsänderung in den Kongress einbringen, sagte der Staatschef am Dienstag bei einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages gegen Homophobie. Während Aktivisten und Vertreter der Uno den Schritt begrüßten, wurde er von der katholischen Kirche scharf kritisiert. Der mexikanische Staat müsse jedwede Diskriminierung verhindern und gleiche Rechte für alle sicherstellen, sagte der Präsident nach einem Treffen mit Kämpfern für die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender (LGBT). Dazu gehöre auch das Recht, ohne Diskriminierung zu heiraten, betonte der Staatschef, der am Dienstag passend zum Tag gegen Homophobie seine Fotos in den sozialen Netzwerken mit Regenbogenfarben schmückte. Firmé iniciativas de reforma para impulsar que el #MatrimonioIgualitario quede plasmado en la Constitución y en el Código Civil Federal. Die gleichgeschlechtliche Ehe ist bereits seit 2009 in der Hauptstadt Mexiko-Stadt erlaubt. Drei der 31 mexikanischen Teilstaaten zogen nach, ein vierter hat die Homo-Ehe beschlossen, dort ist sie aber noch nicht in Kraft. Pena Nieto orientierte sich nun an einem Urteil des Obersten Gerichtshofs Mexikos. Dieser hatte im vergangenen Jahr entschieden, dass die Teilstaaten gleichgeschlechtliche Ehen nicht verbieten dürften. Für die nötige Verfassungsänderung zur landesweiten Einführung der Homo-Ehe ist eine Zweidrittelmehrheit im Kongress nötig. Anschließend müssen die Bundesstaaten der Änderung zustimmen, bevor sie mit der Unterschrift des Präsidenten in Kraft gesetzt werden kann. In Lateinamerika war Argentinien 2010 der erste Staat, der landesweit die Homo-Ehe einführte. Auch in Kolumbien, Uruguay und Brasilien ist sie legalisiert. Die römisch-katholische Kirche in Mexiko äußerte ihr Bedauern über den Schritt des Präsidenten. Diese Initiative sei unnötig, sagte der Sprecher der Erzdiözese Mexiko, Hugo Valderama, der Nachrichtenagentur AFP. Es scheint, dass der Präsident der internationalen Agenda dieser Homosexuellen-Lobbys gehorcht, sagte er. Stattdessen solle sich Pena Nieto besser um die Wirtschaft und die Bekämpfung der Drogenkriminalität kümmern. Die mexikanische Abteilung des UNO-Hochkommissariats für Menschenrechte begrüßte dagegen die Initiative des Präsidenten. Sie forderte das Parlament in einer Erklärung auf, die Verfassungsänderung zu verabschieden. Auch ein LGBT-Aktivist zeigte sich grundsätzlich zufrieden, betonte aber, dass eine Ankündigung des Präsidenten nicht genug sei. Wir brauchen Reformen, sagte der Anwalt einer Initiative für gleichgeschlechtliche Ehen, Alex Ali Mendez. Bisher seien die Behörden zu zögerlich. Rund 500 Schwule und Lesben demonstrierten am Internationalen Tag gegen Homophobie in der Hauptstadt für mehr Rechte. Sie versammelten sich vor dem Museum für Schöne Künste in Mexiko-Stadt. 32 konkrete Maßnahmen enthalten – Unterschlupf für LGBTI-Jugendliche in Albanien gefährdet. In einem so homophoben Land wie Bosnien-Herzegowina kommt es einer Revolution gleich: Der bosnische Ministerrat hat Anfang Mai den ersten Antidiskriminierungs-Aktionsplan angenommen. Zudem wurde ein Antidiskriminierungsbericht erstellt. Der Aktionsplan umfasst 32 Maßnahmen – so soll erstmals die sexuelle Orientierung von Staatsbürgern ins Antidiskriminierungsgesetz eingefügt werden. Richter, Staatsanwälte und Polizisten sollen geschult werden, und im Strafgesetz sollen Hassverbrechen – auch gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und Intersexuelle (LGBTI) – verankert werden. Das Open Center in Sarajevo, das jahrelang für den Aktionsplan lobbyierte, ist stolz. Direktor Saša Gavrić freut sich, dass nun endlich ein staatlicher Rahmen geschaffen wurde, innerhalb dessen die Themen behandelt werden. Die Rechte von Schwulen, Lesben, bisexuellen, trans- und intersexuellen Menschen waren bisher institutionell ignoriert. Bis auf die von der EU aufgezwungenen Gesetze wie das Antidiskriminierungsgesetz gab es keine Programme oder Aktionspläne, die klare institutionelle Aktivitäten vorschreiben. Deshalb war es bisher nur die Zivilgesellschaft, die für die Anliegen der LGBTI-Community eintrat. Doch nun würden sich auf staatlicher Ebene eine Agentur und in den beiden bosnischen Landesteilen zwei Zentren mit Geschlechtergleichstellung auseinandersetzen. In Südosteuropa mit seinen konservativen Vorstellungen von Familie und Geschlechterrollen sind viele LGBTI einem Dauermobbing ausgesetzt. Schwule, lesbische und transsexuelle Jugendliche werden etwa in Albanien mitunter aus ihren Familien verstoßen und landen auf der Straße. Der britische Diplomat Michael Kane setzt sich seit Jahren für diese obdachlosen Jugendlichen ein. In Tirana hat er 2014 einen Schutzraum für sie geschaffen. Die Jugendlichen können bis zu sechs Monate in der Anlaufstelle verbringen und werden psychologisch betreut. Die Einrichtung Streha ist für die Jugendlichen geradezu überlebenswichtig, allerdings ist die Finanzierung nicht mehr gesichert. Die grüne Vizepräsidentin des Europaparlaments, Ulrike Lunacek, setzte sich vergangene Woche für den Fortbestand der Einrichtung ein. Ein Gerichtsspruch in Wien gibt einem Inhaftierten das Recht auf geschlechtsanpassende Behandlung. Das Justizministerium will dem über den Anlassfall hinaus Folge leisten. Wien – In den USA wird über Transgenderpersonen erbittert gestritten. Die Frage, ob etwa ein als Frau lebender Mann aufs Frauenklo darf, spaltet das Land, seit die freie Toilettenwahl im Bundesstaat North Carolina verboten ist. In Österreich ist der Umgang mit Menschen, die in dem für sie falschen Geschlecht geboren wurden, von weniger Aufregung geprägt. Doch die Frage stellt sich auch hier zunehmend. Zwar gibt es kein statistisches Wissen, wie viele Transgenderpersonen es gibt. Aber öfter als früher wagen Betroffene, sich zu outen. In der Wiener Beratungsstelle Courage, der österreichweit einzigen Einrichtung mit einem spezifischen Angebot, suchten 2015 rund 300 Transgenderpersonen Hilfe. Diese Entwicklung sorgt für Regelungsbedarf in verschiedensten Bereichen. So etwa im Strafvollzug, wo Insassen unter direkter staatlicher Kontrolle leben. Wie etwa soll man in einem Männergefängnis mit einem Mann verfahren, der zur Frau werden möchte – und daher weibliche Kleidung tragen will? Wie ist mit Geschlechtsanpassungswünschen Gefangener umzugehen? Zu Fragen zum Beispiel der Kleiderordnung für Transgenderpersonen im Strafvollzug existiert im Justizministerium seit einem Jahr eine Arbeitsgruppe, die bis zum heurigen Herbst konkrete Regeln ausarbeiten will. Zum Thema Geschlechtsumwandlung wiederum gibt es seit kurzem eine klare Antwort: In einem Beschluss vom 29.4.2016 hat das Landesgericht Wien der Strafvollzugsanstalt Mittersteig aufgetragen, einem 22-jährigen Gefangenen zu erlauben, in Haft die Behandlung zur Geschlechtsumwandlung einzuleiten. Diese Entscheidung ist für uns über den Einzelfall hinaus bindend, sagte dazu im Justizministerium Abteilungsleiterin Andrea Moser-Riebniger dem Standard. Das ist bahnbrechend, kommentiert Helmut Graupner, Präsident des Rechtskomitees Lambda und Anwalt des 22-Jährigen. Österreich trage damit einer Empfehlung des Europarat-Antifolterkomitees (CPT) von 2014 Rechnung, transsexuellen Personen in Gefängnissen (und gegebenenfalls in anderen geschlossenen Anstalten) Zugang zur Beurteilung und Behandlung ihrer geschlechtlichen Identität zu ermöglichen. Graupners siegreicher Klient sitzt wegen Gewalt- und Körperverletzungsdelikten im Maßnahmenvollzug ein. Dort werden Täter über das Ende ihrer Haftstrafe hinaus angehalten, wenn ihre Prognose negativ ist. Würde die Justiz dem 22-Jährigen die Geschlechtsanpassung verweigern, so wäre das ein Nein auf unbestimmte Zeit, erläutert Graupner. Und es käme – menschenrechtlich ein klarer Verstoß – der Verweigerung einer Krankheitsbehandlung gleich: Transsexualismus gilt laut internationaler Klassifikation ICD-10 als Krankheit. Durch persönliche Assistenz können Menschen mit Behinderung eigenverantwortlich leben. Anders als in Schweden steht das Modell in Österreich noch am Beginn. Stockholm/Wien – Anika weicht Tony nicht von der Seite. Sie sitzt neben ihm, wenn Tony isst. Sie schiebt seinen Rollstuhl, geht mit ihm spazieren und einkaufen. Beide sind fröhliche Menschen, davon kann man sich an jenem Nachmittag in Stockholm ein Bild machen, als sie Journalisten aus ihrem Alltag erzählen. Seit fünf Jahren sind Anika und Tony ein Team. Sie ist seine persönliche Assistentin, eine von fünf, die Tony rund um die Uhr betreuen. Ich borge ihm meine Arme und Beine, beschreibt Anika ihre Tätigkeit. Sie sei weder Pflegerin noch Ärztin, die Tony etwa Medikamente verabreiche. Vielmehr führe sie das aus, was Tony aufgrund seiner Behinderung – er hat eine zerebrale Lähmung – nicht kann. Wenn Tony fernsehen will, dreht sie ihm das Gerät auf, ohne ihm zu erklären, wie viele Stunden er schauen darf. Wenn Tony einmal Lust auf etwas Ungesundes zu essen hat, bereitet sie es zu, ohne ihn zu belehren, wie viele Kalorien er damit zu sich nimmt. Persönliche Assistenz könnte man auch als Laienhilfe beschreiben. Entscheidend ist, dass die Menschen mit Behinderung die Auftraggeber sind. Sie sind keine Bittsteller, sondern Assistenznehmer und erhalten je nach Schweregrad der Behinderung eine Geldsumme, über die sie verfügen können. Sie entscheiden, wen sie anstellen – ob sie selbst Arbeitgeber sind oder eine Dienstleistungsfirma um Vermittlung bitten. In Schweden ist das Modell seit den 1990er-Jahren verbreitet und staatlich institutionalisiert. Behindertenvertreter schwören darauf. Etwa der Deutsche Adolf Ratzka, der maßgeblich an der Entwicklung des Ansatzes in Schweden beteiligt war: So gut wie alles, das ich in meinem Leben machen konnte, habe ich meinen persönlichen Assistenten zu verdanken, zieht er in einem Aufsatz Resümee. Ohne persönliche Assistenz hätte er nicht studieren oder arbeiten können. Ohne persönliche Assistenz hätte er wahrscheinlich auch nicht geheiratet: Wer möchte sich an einen lebenslangen Pflegefall binden? Mittlerweile profitieren rund 16.000 Menschen in Schweden von persönlicher Assistenz. Auch Österreich hat sich mit der Ratifizierung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2008 dazu bekannt, das Modell nicht nur im Privatbereich, sondern auch am Arbeitsplatz (siehe Wissen unten) einzuführen. Tatsache ist, dass persönliche Assistenz hierzulande noch am Beginn steht. Die Regelungen in den Bundesländern variieren stark. In Wien, wo persönliche Assistenz seit 2008 eine Regelleistung ist, wird sie derzeit nur rund 260 Personen in Anspruch genommen. Das kostet die Stadt 11,8 Millionen Euro pro Jahr. Österreichweite Daten liegen nicht vor, Schätzungen zufolge handelt es sich um bis zu 2000 Menschen. Martin Ladstätter vom Verein Bizeps sieht mehrere Gründe. Zum einen seien die Regeln in manchen Bundesländern sehr strikt. Während persönliche Assistenz in Wien jene beantragen dürfen, die Pflegegeld der Stufen drei, vier, fünf, sechs und sieben erhalten, sind in Niederösterreich nur die höchsten Stufen – also fünf, sechs und sieben – anspruchsberechtigt. In Wien wiederum gibt es persönliche Assistenz in der Regel nur für körperlich behinderte, nicht aber sinnesbehinderte Personen oder Personen mit Lernschwierigkeiten. In Tirol gab es bis vor kurzem Sach- statt Geldleistungen. Ladstätter plädiert für bundesweit einheitliche Regelungen: Derzeit machen die Länder, was sie wollen. Das Potenzial an Leistungsbeziehern will er nicht an einer Zahl festmachen. Für ihn sind das all jene behinderten Menschen, die im Alltag Unterstützung brauchen. Personen in der Verwaltung würden sich ob dieser nach oben offenen Beschreibung an den Kopf greifen. Ladstätter argumentiert: Je mehr Leute ihr in das System nehmt, desto günstiger wird es – denn jene, die nachkämen, hätten nicht so schwere Behinderungen wie bereits Anspruchsberechtigte. Riitta-Leena Karlsson, in Stockholm Ombudsfrau für die Gleichstellung von Menschen mit Behinderung, sagt im STANDARD-Gespräch, dass es auch in Schweden oft zu politischen Diskussionen wegen der Kosten für persönliche Assistenz (rund 290 Millionen Euro pro Jahr) komme: Man muss auch immer in die Zukunft schauen. Wenn Menschen Zugang zur Gesellschaft haben, dann ist auch eher damit zu rechnen, dass sie Steuern zahlen. Das Geld kommt dann wieder zurück. Außerdem seien mit Einführung der persönlichen Assistenz die großen Heime aufgelöst worden – die auch sehr kostspielig waren. Adolf Ratzka sieht das Modell auch als wichtiges Arbeitsbeschaffungsinstrument: Die 16.000 Assistenzberechtigten beschäftigen 50.000 Assistenten auf Vollzeitbasis. Österreich kann von Schweden viel lernen, resümiert Ladstätter. Wenngleich es auch Kritikpunkte gibt. Dass die Sozialversicherung entscheidet, wer wie viel Geld erhält, findet er nicht gut. Da befindet man sich gleich in der Krankenschiene – also dem medizinischen Modell von Behinderung. Behinderte Menschen sind nicht krank. Zur Kritik an Laienhelfern ohne Fachausbildung sagt er: Ich brauche keinen diplomierten Pulloveranzieher. Sprich: Persönliche Assistenten erledigen seiner Meinung nach Aufgaben, für die sie angelernt werden können. Kompliziert wird es bei medizinischen Tätigkeiten, die Unausgebildete nicht durchführen dürfen. Aber auch dafür gebe es gesetzliche Regeln, denn individuelle Ausbildungen lassen sich nachholen. Im Gespräch ist derzeit ein Inklusionsfonds ähnlich dem Pflegefonds, in den Bund und Länder einzahlen sollen, um Leistungen zu finanzieren – auch für persönliche Assistenz. Ladstätter appelliert an die Bundesländer, nicht nur finanzielle Mittel in die Hand zu nehmen, sondern auch Behindertenorganisationen einzubeziehen: Wenn ich Menschen die volle Teilnahme am Leben geben möchte, dann kostet mich das Mühe, Geld und Verständnis. Sachwalterschaften werden meist von Verwandten oder Bekannten der Betroffenen übernommen. Außerdem gibt es vier vom Staat geförderte Vereine. Frage: Wie kommt es zu einer Sachwalterschaft? Antwort: Meistens kommt die Anregung (schriftlich oder persönlich) von Angehörigen, einer Behörde oder einer psychosozialen Einrichtung. Ansprechpartner sind die Pflegschaftsrichter der zuständigen Bezirksgerichte. Betroffene können natürlich auch selbst einen entsprechenden Antrag stellen und einen Wunschsachwalter nennen. Frage: Werden Betroffene in das Verfahren miteinbezogen? Antwort: Selbstverständlich. Nur wenn sich aus dem persönlichen Gespräch mit Betroffenen Anhaltspunkte für eine Einschränkung ergeben, wird das Verfahren fortgesetzt. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger erstellt ein Gutachten, das in einer mündlichen Verhandlung erläutert wird. Betroffene und gegebenenfalls ihre Verfahrenssachwalter sind anwesend und können dazu Stellung nehmen. Am Ende des Verfahrens legt der Richter in einem Beschluss fest, ob ein Sachwalter bestellt oder das Verfahren eingestellt wird. Frage: Wer kann eine Sachwalterschaft übernehmen? Antwort: Am häufigsten sind es Angehörige, Freunde oder Bekannte der betroffenen Menschen. Nahestehende Personen, die vom Gericht als geeignete Sachwalter bestellt werden, können diese Aufgabe nur dann ablehnen, wenn es ihnen aus nachvollziehbaren Gründen nicht zumutbar ist. Sachwaltervereine werden dann eingesetzt, wenn keine nahestehende Person zur Verfügung steht oder wenn spezielle Anforderungen mit der Sachwalterschaft verbunden sind. Rechtsanwälte oder Notare werden beauftragt, wenn Betroffene überwiegend Hilfe bei rechtlichen Angelegenheiten benötigen. Anwälte und Notare müssen bis zu jeweils fünf Bestellungen annehmen. Frage: Sind besachwaltete Menschen wahlberechtigt? Antwort: Ja. Die Bestellung eines Sachwalters hat keinen Einfluss auf das Wahlrecht. Frage: Wie viel Geld kostet ein Sachwalter? Antwort: Das kommt darauf an. Ein Sachwalter hat Anspruch auf Entschädigung. Diese beträgt zwischen fünf und zehn Prozent der Einnahmen des Schützlings. Pflegegeld oder andere Sozialförderungen dürfen aber nicht angetastet werden. Wenn Vermögen vorhanden ist, darf ein Sachwalter außerdem zwei Prozent von jenem Teil beanspruchen, der über der Grenze von 10.000 Euro liegt. Die Lebensbedürfnisse einer besachwalteten Person dürfen nicht gefährdet werden. Frage: Wenn es weder Einkommen noch Vermögen gibt, erhält ein Sachwalter also nichts? Antwort: Wo nichts ist, gibt es nichts zu holen. Nur die vier anerkannten Sachwaltervereine in Österreich werden durch Millionenförderungen des Justizministeriums finanziert. Frage: Wer kontrolliert Sachwalter? Antwort: Die gesamte Kontrolle einer Schachwalterschaft obliegt den Gerichten. Frage: Wie kann eine Sachwalterschaft beendet werden? Antwort: Die Aufhebung der Sachwalterschaft muss bei Gericht beantragt werden. Meistens wird dann auf Basis eines neuerlichen psychiatrischen Gutachtens entschieden. Im Idealfall bereiten Sachwalter und Schützling das Ende der Sachwalterschaft gemeinsam vor. Tiere stahlen Gummibeschichtung von Scheibenwischern. Tokio – Krähen haben in Japan ein Großaufgebot der Polizei mobilisiert. Dutzende Male hatten sich Bewohner der Stadt Matsue bei den Beamten gemeldet, weil jemand ihre Scheibenwischer am Auto beschädigt habe, wie die japanische Zeitung Yomiuri Shimbun am Mittwoch berichtete. Daraufhin habe die Polizei nicht weniger als 50 Mann zur Ermittlung der mysteriösen Vandalismus-Fälle abgestellt und Tag und Nacht in der betroffenen Gegend patrouilliert. Mithilfe von Überwachungskameras konnten die Täter schließlich festgestellt werden: Krähen. Die Tiere fanden nämlich die Gummibeschichtungen der Scheibenwischer praktisch zum Bau ihrer Nester. Da zeigte sich die Polizei am Ende machtlos: Die können wir ja nicht verhaften. (dpa, 17.6.2015) Tier soll möglicherweise getötet werden. Los Angeles – Nach der tödlichen Attacke eines Grizzlybären auf einen US-Wanderer im Yellowstone-Nationalpark ist eine Bärin gefangen worden. Sollte das Tier für den Angriff verantwortlich sein, werde es getötet, teilten die US-Nationalparks auf ihrer Internetseite mit. Wir nehmen solch eine Entscheidung nicht auf die leichte Schulter, erklärte Dan Wenk vom Yellowstone-Nationalpark. Es müsse aber stets ein Gleichgewicht zwischen dem Artenschutz im Park und der Sicherheit der Besucher herrschen. Die Leiche des Mannes war am Freitag gefunden worden. Bei dem Opfer handelt es sich der Erklärung der Nationalparks zufolge um einen 63-jährigen erfahrenen Wanderer aus Billings im US-Staat Montana. Er arbeitete für ein Unternehmen, das drei Kliniken in dem Nationalpark im nördlichen Staat Wyoming betreibt. Ersten Erkenntnissen zufolge waren bei dem Vorfall ein ausgewachsenes Grizzly-Weibchen und mindestens ein Jungtier anwesend und möglicherweise beteiligt. Die Leiche des Mannes war teilweise aufgefressen. Nach dem Angriff wurden Bärenfallen in dem Nationalpark aufgestellt. Bärin Er Shun bringt in Toronto zwei Jungtiere zur Welt. Ottawa – Zum ersten Mal sind in einem Zoo in Kanada Riesenpandas geboren. Die Bärin Er Shun brachte am frühen Dienstagmorgen Zwillinge zur Welt, wie der Zoo von Toronto mitteilte. Sie habe hervorragende Mutterinstinkte gezeigt und gleich nach der Geburt des ersten Jungtieres damit begonnen, den Winzling zu putzen und zu liebkosen. Das Geburtsgewicht der Kleinen betrug nach Angaben des Zoos 187,7 und 115 Gramm. Die kommenden Tage, die sie unter Beobachtung kanadischer und chinesischer Experten hauptsächlich im Brutkasten verbringen werden, seien nun entscheidend für ihr Überleben, erklärte der Zoo. Zoodirektor John Tracogna zeigte sich jedoch bereits begeistert. Der Zoo sei sehr stolz, beim Überleben dieser gefährdeten Art zu helfen. Der Große Panda gehört zu den am stärksten bedrohten Tierarten der Erde. Den als notorische Sexmuffel bekannten Tieren setzt der Verlust ihres natürlichen Lebensraums in China zu, deshalb spielt ihre Zucht in Gefangenschaft für das Überleben ihrer Gattung eine wichtige Rolle. Panda-Nachwuchs kommt in Gefangenschaft allerdings nur sehr selten vor. Weil die Weibchen nur an drei Tagen im Jahr paarungsbereit sind, greifen Zoos oft auf künstliche Befruchtung zurück. Er Shun war im Mai künstlich mit dem Sperma von drei Männchen befruchtet worden, wie der Zoo mitteilte. Einer der möglichen Väter der Jungtiere ist Er Shuns Partner Da Mao, der seit 2013 zusammen mit ihr im Zoo von Toronto lebt. 2018 sollen sie für fünf Jahre in den Zoo von Calgary umziehen, bevor sie nach China zurückkehren. Im August waren auch im Zoo von Washington Riesenpanda-Zwillinge zur Welt gekommen. Das kleinere der beiden Tiere war aber nach wenigen Tagen gestorben. Sachverständiger hatte empfohlen, alle Waren zu verbrennen – Tiere stellten sich als ungefährlich heraus. Kronach – Große Aufregung in einem Supermarkt in Oberfranken: In der Obstabteilung des Hauses waren Spinnen gefunden worden – mutmaßlich giftig. Wegen der Tiere, die vermutlich aus Brasilien stammten, sollte der Markt in Wilhelmsthal (Landkreis Kronach) bis auf Weiteres geschlossen bleiben, hatte zunächst am Sonntag die Polizei berichtet. Kurz darauf die Entwarnung: Die Tiere seien völlig ungefährlich. Nach Informationen des Bayerischen Rundfunks hatte ein Sachverständiger zuvor noch dazu geraten, alle Waren aus dem Supermarkt zu verbrennen und die Räume danach mit Gift zu behandeln. Spezialisten hätten im Supermarkt ein Exemplar der Spinne sichergestellt und schockgefrostet. Es soll es sich um ein Weibchen handeln, dessen Jungtiere bereits geschlüpft sind. Geschützte Vögel werden pro Exemplar mit bis zu 50.000 Euro gehandelt, den Beschuldigten drohen Haftstrafen. St. Pölten – Je seltener, desto wertvoller – dieser Grundsatz gilt auch im illegalen Tierhandel. Die Zollfahndung Niederösterreich hat in in einer umgebauten Lagerhalle im Weinviertel 50 seltene Papageien beschlagnahmt, die einzeln jeweils mit Preisen zwischen 10.000 und 50.000 Euro gehandelt werden. Mehrere Personen wurden angezeigt, die genaue Zahl wollte Roland Engel vom Zollamt St. Pölten / Krems / Wiener Neustadt aus ermittlungstaktischen Gründen am Dienstag nicht nennen. Es dürfte sich um eine Interessengemeinschaft mit europaweiten Verbindungen handeln, die Spur der Vögel reicht jedenfalls über Portugal nach Brasilien. Unter den beschlagnahmten Tieren befanden sich auch Lear Aras. Diese äußerst seltene Papageienart hat ihren natürlichen Lebensraum nur in einem sehr begrenzten Gebiet in Brasilien. Die Population in freier Wildnis liegt unter 1.000 Exemplaren, erklärt Engel im Gespräch mit dem STANDARD. Der Modus Operandi zeigt, wie professionell der illegale Handel organisiert ist: Zuerst seien die Eier der nach dem Washingtoner Abkommen international geschützten Papageien von Brasilien nach Portugal geschmuggelt und die Tiere dort nach dem Schlüpfen aufgezogen worden. Währenddessen sollen die Täter alte Genehmigungen bereits verendeter Vögel samt Ringen und Datenchips besorgt haben. Mit diesen Identitäten wurden die Behörden dann offenbar bei diversen Stichproben jahrelang ausgetrickst. Die Papageien befinden sich laut Engel derzeit in artgerechter Haltung. Sollte am Ende des Verfahrens der Verfall der Vögel ausgesprochen werden, habe das Umweltministerium über ihren weiteren Verbleib zu entscheiden. Den Verdächtigen, die alle Vorwürfe zurückweisen, drohen Haftstrafen. Danach wird wieder Rückkehr ins Revier ermöglicht – Gemeinsames Projekt mit Vier Pfoten. Wien – Die Stadt Wien hat nun gemeinsam mit der Tierschutzorganisation Vier Pfoten eine Initiative gestartet, das unkontrollierte Wachstum von Streunerkatzen einzudämmen. Die Tiere werden eingefangen, um sie zu Tierärzten zu bringen. Dort werden die Katzen untersucht und kastriert. Danach dürfen sie wieder in ihr Revier zurück. In Wien wurden viele der heimatlosen Exemplare ausgesetzt, obwohl das gesetzlich verboten ist. Bei Freigängern gibt es auch eine gesetzliche Verpflichtung zur Kastration. Wer fixe Standorte von Streunerkatzen kennt, der kann sich nun sogar an eine eigene Hotline wenden, die unter der Nummer 0664/4522430 erreichbar ist. Frau beschuldigte Nachbarn, dem Vogel das Schimpfen beigebracht zu haben. Neu-Delhi – Ein Papagei ist von der Polizei in Indien wegen Verdachts auf Beleidigung vorgeladen worden. Eine 75-Jährige beschuldigte ihren Nachbarn, dem Vogel beigebracht zu haben sie zu beschimpfen, teilte die Polizei am Dienstag mit. Ihr Stiefsohn habe dem Nachbarn dabei geholfen, beschwerte sich die Frau. Alle vier mussten am Montag auf einer Polizeiwache im westindischen Bundesstaat Maharashtra erscheinen. Der Papagei aber hielt seinen Schnabel – und wurde daraufhin an die Forstabteilung übergeben, die ihn in die Wildnis entlassen sollte. Tiere wurden Anfang Februar beschlagnahmt. Vösendorf/Wien – Der Wiener Tierschutzverein (WTV) vergibt 1.200 Ziervögel, die Anfang Februar beschlagnahmt worden waren und sich seither in Quarantäne befanden. Die Wellensittiche, Kanarienvögel, Diamanttauben und Agaporniden können mittwochs bis sonntags jeweils von 13.30 bis 17.00 Uhr vom Tierschutzhaus in Vösendorf abgeholt werden. Die Vögel waren zusammengepfercht in einem nicht für einen solchen Transport ausgestatteten Pkw entdeckt worden, mit dem ein Händler von den Niederlanden nach Bulgarien unterwegs war. Als die Behörde nach mehreren Tagen den Weitertransport genehmigen wollte, mischte sich der WTV ein und kaufte die Ziervögel praktisch frei. Der WTV wies in diesem Zusammenhang auf die Tierhalteverordnung hin. Demnach ist für die nun angebotenen Arten zumindest paarweise Haltung Pflicht. Auch auf eine entsprechende Volierengröße ist zu achten. Für ein Paar Wellensittiche ist eine Mindestgröße von 80 mal 40 mal 60 Zentimetern Pflicht. Häufung brutaler Angriffe auf Tiere – Polizeibeamte sollen in den Niederlanden ausgebildet werden. Sofia – Weil sich in Bulgarien in den vergangenen Jahren brutale Attacken auf Tiere gehäuft haben, installiert die Administration nun eine Zoopolizei. Das berichteten bulgarische Medien am Freitag. Die Innen- und Vizepremierministerin Rumjana Batschwarowa unterzeichnete eine entsprechende Verordnung. Die zunächst 60 Beamten werden ihren Dienst ab sofort antreten. In jedem der 28 Bezirke werden zwei Polizeibeamte bei den Regionalverwaltungen der Exekutive angestellt. Sie sollen Tötungen, Verstümmelungen, Tierquälereien und organisierte Tierkämpfe untersuchen. Zu ihren Aufgabengebieten zählen aber auch Unfälle, bei denen Tiere Menschen verletzten und womöglich Fahrlässigkeit ihrer Besitzer vorliegt. Der bürgerliche Abgeordnete Emil Radew sagte im bulgarischen Parlament, dass die Beamten in den Niederlanden ausgebildet werden sollen, da Bulgarien von den Erfahrungen dort profitieren will. Laut Radew ist die Situation der Tiere von allen EU-Staaten in Bulgarien und Rumänien am schlimmsten. Zumindest im Falle Bulgariens wolle man dies nun ändern, berichtete die Tageszeitung Sega. Zu den bekannt gewordenen Fällen der vergangenen Jahre zählen Blendungen von Hunden sowie Vierbeiner, denen alle vier Pfoten abgehackt wurden, und Hunde, die zur Bekämpfung von Flöhen an einem Seil herumgeschleudert wurden. Auch totgeprügelte Pferde und erstochene trächtige Stuten wurden registriert. Nur wenige Tierquälereien in den vergangenen Jahren wurden geklärt: 2012 waren es 21 von 103 entsprechenden Anzeigen, 2013 wurden 30 von 130 Fällen geklärt und im Vorjahr 35 von 181. Das Strafgesetzbuch Bulgariens sieht für Tierquälerei ein bis drei Jahre Haft und Geldstrafen vor. Sozialethiker Kurt Remele plädiert dafür, dass die Kirche ihre tierfreundliche Tradition wiederentdeckt. STANDARD: In Ihrem Buch fordern Sie eine neue christliche Tierethik. Wo besteht Ihrer Meinung nach Nachholbedarf? Remele: Es bedarf einer Neubesinnung auf die tierfreundlichen Traditionen im Christentum: Franz von Assisi ist der bekannteste christliche Anwalt der Tiere, aber es gibt eine Menge anderer, von denen man bisher zu wenig weiß. Die vegetarische Bewegung im viktorianischen England des 19. Jahrhunderts und die Bewegung gegen Tierversuche waren ebenfalls stark christlich geprägt. STANDARD: Durch die Bibel habe Gott laut christlicher Lehre die Lizenz zum Töten erteilt: Ich setze euch über die Fische im Meer, die Vögel in der Luft und alle Tiere, die auf der Erde leben. Handelt es sich dabei um einen Irrweg? Remele: Wenn eine einzige Bibelstelle, die auf eine konkrete Situation bezogen ist und vor dem Hintergrund ganz bestimmter historischer Verhältnisse entstanden ist, zu einer ewig gültigen ethischen Norm erhoben wird, handelt es sich dabei im Allgemeinen um einen theologisch-ethischen Irrweg. Der Herrschafts- oder Unterwerfungsbefehl aus dem Buch Genesis, den Sie hier zitieren, ist zu einer Zeit entstanden, als die meisten Menschen sich berechtigterweise noch vor sogenannten wilden Tieren fürchteten. Heute sieht das – zumindest bei uns – ganz anders aus. STANDARD: Ist es überhaupt noch legitim, sich bei dem Thema an einem Werk zu orientieren, das vor dem Zeitalter der Massentierhaltung entstanden ist? Remele: Die Bibel ist eine Sammlung von zahlreichen Texten verschiedener literarischer Gattungen aus unterschiedlichen vergangenen Zeitepochen. Ihre sachkundige Auslegung und ihre Vermittlung in die Gegenwart bedingen hermeneutische Kompetenz. Will man nicht in einen Fundamentalismus verfallen, wird man anerkennen müssen, dass ein ernstzunehmender Umgang mit der Bibel ein entsprechendes Niveau der Komplexität nicht unterbieten darf. Vor diesem Hintergrund aber behalten bestimmte theologische Grundorientierungen neue Relevanz: Das am Anfang der Bibel festgehaltene Urteil Gottes, seine gesamte Schöpfung sei sehr gut, gilt heute noch. STANDARD: Sie haben auch die Nähe von Jesus zu Tieren herausgearbeitet. Was ist Ihnen dabei aufgefallen? Remele: Nach dem Evangelium des Markus lebte Jesus vor Beginn seines öffentlichen Auftretens bei den wilden Tieren. Jesus verkündete zudem, dass sich Gottes fürsorgende Vorsehung auch auf Tiere erstrecke. Die Rettung eines in den Brunnen gefallenen Ochsen oder eines in die Grube gefallenen Schafes hat nach Jesus Vorrang vor der Einhaltung des Gebotes der Sabbatheiligung. STANDARD: Die zweite Enzyklika von Papst Franziskus, Laudato si beschäftigt sich mit Umwelt- und Klimaschutz. Sehen Sie hier Impulse für ein Umdenken? Remele: Noch kein Papst hat so deutlich sowohl den Eigenwert jedes einzelnen Geschöpfes, den Vorrang des Seins vor dem Nützlichsein als auch die Verbundenheit aller Geschöpfe miteinander betont wie dieser. Menschen- und Tierliebe bezieht er eng aufeinander: Das Herz ist nur eines, und die gleiche Erbärmlichkeit, die dazu führt, ein Tier zu misshandeln, zeigt sich unverzüglich auch in der Beziehung zu anderen Menschen. Jegliche Grausamkeit gegenüber irgendeinem Geschöpf widerspricht der Würde des Menschen. Dem despotischen Anthropozentrismus, der die Kirchengeschichte jahrhundertelang dominierte, setzt Papst Franziskus die Überzeugung entgegen, dass Gottes Geist in allen Geschöpfen wohne und alle an der Auferstehung Christi teilhaben werden. Gift des Insekts prinzipiell ungefährlich – Bei Allergikern reagiert körpereigenes Immunsystems auf das Toxin. Wien – Das ungeliebte Insekt Wespe, insbesondere die beiden Arten Deutsche Wespe (Vespula germanica) und Gemeine Wespe (Vespula vulgaris), zeigen sich heuer besonders häufig. Der Grund liegt im milden Winter, der besonders viele Königinnen überleben ließ, weiß Biologin Dominique Zimmermann, wissenschaftliche Mitarbeiterin beim Naturhistorischen Museum. Das Gift der Tiere ist für den Menschen prinzipiell nur im Falle einer Allergie gefährlich, da dadurch das körpereigene Immunsystem auf das Toxin der Wespe reagiert. Grundsätzlich ist stoische Ruhe das beste Verhalten, dass man gegenüber den Insekten aus der Gattung der Hautflügler zeigen sollte. Wer die Wespe wegzublasen versucht, alarmiert das Tier, da dieses dann auf den CO2-Gehalt in der Atemluft reagiert, so Zimmermann. Sie mit den Händen wegzuschlagen ist ebenfalls nicht empfehlenswert, denn die Wespe sticht erst bei Bedrohung. In der Wespensaison, die im August und September ihren Höhepunkt erreicht, sollte man Getränke vorsichtshalber abdecken. Mit Süßem ernähren sich die Insekten selbst, greifen sie aber etwa zum Prosciutto, dann ist dieser für den Nachwuchs bestimmt, erklärte die Biologin die beiden Vorlieben für Zuckerhaltiges und Fleisch. Auch wenn die Wespen erst jetzt langsam immer häufiger auftauchen, ihre Saison beginnt bereits im Frühjahr im Mai, wenn die Königinnen nach gelungener Überwinterung ihren Staat gründen. Den ersten Nachwuchs ziehen sie noch selbst auf, dann übernehmen dies die Arbeiterinnen und die Königin konzentriert sich auf das Legen von Eiern. Die Arbeitsteilung ist bei den Wespen aber nicht so ausgeprägt wie bei den Honigbienen, sondern wird nach Bedarf geregelt, so Zimmermann. Im Laufe der Saison kann dann die Population eines Nests von 1.000 bis 10.000 Tier ansteigen. Das Nest selbst, das aus papierartigen Holzfasern besteht, kann Ausmaße von bis zu über zwei Metern annehmen. Bereits im Spätsommer, wenn die Energieressourcen des Wespenstaats groß genug sind, werden in diesem geschlechtsreife Tiere produziert, mit dem Resultat, dass neue Jungköniginnen entstehen, die sich ihrerseits dann in Ritzen oder Spalten verstecken, ehe die Tiere im nächsten Jahr die Nachfolge antreten und einen neuen Staat gründen. Wer daher am Ende der Wespensaison ein leeres Nest findet, braucht sich keine Sorgen zu machen, denn diese werden nicht wieder bezogen, so Zimmermann. Und wenn Wespen uns auch oft lästig erscheinen, sie haben die Menschheit, zumindest im Mittelalter, inspiriert. Zu dieser Zeit stellte man Papier noch aus alten Lumpen her. Die Fähigkeit, dies aus Holz alleine zu bewerkstelligen, konnte man damals noch nur bei den Insekten beobachten, so die Biologin. Viele Inselbewohner, allen voran Premierminister David Cameron, machen sich Sorgen über das schlechte Benehmen britischer Möwen. Wenn sogar der Premierminister sich öffentlich Sorgen macht, hat das Problem gewiss Substanz. Wir müssen darüber eine ausführliche Debatte führen, sagt David Cameron und meint damit weder den Weltfrieden noch die bedauerliche britische Handelsbilanz. Vielmehr geht es um Seemöwen, genauer gesagt: um die gemeine Silbermöwe Larus Argentatus. Denn Psychotische Killervögel, wie die intelligenten Flugkörper neuerdings von den britischen Medien bezeichnet werden, terrorisieren vor allem tief im Westen der Insel die Bevölkerung und deren Haustiere. Der Regierungschef reagierte kürzlich bei einem Besuch in der beliebten Ferien-Grafschaft Cornwall auf die sich häufenden Horrormeldungen. Im pittoresken St. Ives büßte ein Vierjähriger nicht nur seinen Hotdog ein, sondern musste auch wegen einer Verletzung am Finger ärztlich behandelt werden. In Newquay erlitt Yorkshire Terrier Roo im Garten seiner Besitzerin so schwere Verletzungen durch Schnabelhiebe, dass ihn der Tierarzt einschläfern musste. In Liskeard trauert eine Familie um ihre Schildkröte Stig. Silbermöwen holten das Reptil und attackierten die weniger gut geschützte Unterseite – zwei Tage später war Stig tot. Das Problem ist längst nicht auf den englischen Westen beschränkt. In Devizes in der Grafschaft Wiltshire sammelte sich eine Möwenkolonie rund um die örtliche Müllkippe. Der Lärm war nicht auszuhalten, berichtet eine Stadtverordnete. Mit einer Spezialgenehmigung des Londoner Umweltministeriums haben Spezialisten 800 Möweneier aus den Nestern entfernt und zerstört, zudem fliegen Greifvögel Patrouille. Experten machen zwei Veränderungen in der Lebenswelt der Vögel für das bedrohliche Verhalten verantwortlich. Zum einen gibt es immer weniger Fischfang, der traditionell reiche Nahrung bot. Zum anderen bietet die menschliche Wegwerfgesellschaft reichlich Futter. Die besagten Möwen werden bis zu 67 Zentimeter lang und erreichen damit die Größe eines Mäusebussards. Er habe nichts gegen die Möwen dort, wo sie hingehören, sagt der langjährige Parlamentsabgeordnete Don Foster. In den Städten aber können sie einschüchternd sein. Fosters Liberaldemokraten sorgten im März dafür, dass die damalige Koalitionsregierung eine Studie über den zukünftigen Umgang mit der geflügelten Bedrohung in Auftrag gab. In seinem jüngsten Haushalt nach der Wahl bezeichnete der konservative Finanzminister George Osborne das Vorhaben als von geringer Priorität und strich kurzerhand die Finanzierung von 353.000 Euro. Insofern hat Osbornes Chef ein Glaubwürdigkeitsproblem, wenn er nun über Lösungen für den Möwenterror diskutieren will. Ausdrücklich enthielt sich David Cameron einer eigenen Stellungnahme, schließlich unterliegen Silbermöwen wie die meisten anderen Vögel strengen Tierschutzbestimmungen. Zu warmes Wasser – Schäden für Fischer in Millionenhöhe. Rom – In der Toskana herrscht Alarmstufe Rot wegen eines Fischsterbens im Tyrrhenischen Meer. Tausende von Fischkadavern schwammen in der Lagune der renommierten Ortschaft Orbetello im Herzen der exklusiven toskanischen Bade-Halbinsel Monte Argentario. 200 Tonnen Fische und Aale seien in drei Tagen gestorben, berichteten italienische Medien. Die Fischer klagen über Schaden in Höhe von zehn Millionen Euro. Für das Fischsterben wird die hohe Wassertemperatur in der Lagune verantwortlich gemacht, die in den letzten Tagen ein Rekordhoch von 34 Grad erreicht hat. Das seien zurzeit die höchsten Temperaturen im gesamten Mittelmeerraum, hieß es. Fischer versuchten, kühles Wasser in die Lagune zu pumpen, doch die Maßnahme genügte nicht, um das Fischsterben zu stoppen. Tonnen von Fischkadavern mussten weggeräumt werden. Die Sorge ist, dass die verwesenen Kadavern zu einem hygienischen Notstand am Höhepunkt der touristischen Saison führen könnte. Der Bürgermeister von Orbetello forderte Maßnahmen zur Unterstützung der betroffenen Fischer. Nicht allein die Toskana ist vom Fischersterben belastet. Verluste von bis zu 40 Prozent wurden bei der Zucht von Meeresfrüchten in den norditalienischen Regionen Venetien, Friaul und Emilia Romagna gemeldet, berichtete der Landwirtschaftsverband Coldiretti. Auch in diesem Fall seien die hohen Wassertemperaturen für das Sterben der Meeresfrüchte verantwortlich. Bemühungen für Auslieferung von US-Zahnarzt. Harare – Im Fall der illegalen Tötung des beliebten Löwen Cecil in Simbabwe hat ein Gericht nun den Besitzer des Landes angeklagt, auf dessen Farm der Löwe erschossen worden war. Das Gericht in Hwange wirft Trymore Ndlovu vor, einem Ausländer auf seinem Land die Jagd auf ein Tier erlaubt zu haben, für das er keine Jagdgenehmigung besaß, wie sein Anwalt Tonderai Mukuku am Mittwoch erklärte. Der Zahnarzt Walter Palmer aus dem US-Bundesstaat Minnesota hatte Berichten zufolge im Juli umgerechnet rund 45.000 Euro für die Jagd bezahlt und den 13-jährigen Cecil mit einem Trick aus dem Hwange-Nationalpark gelockt. Außerhalb des Schutzgebietes, in dem die Jagd verboten ist, soll er zunächst mit Pfeil und Bogen auf das Tier geschossen haben. Erst viele Stunden später soll er es mit einem Schuss von seinen Qualen erlöst haben. Simbabwe bemüht sich um die Auslieferung Palmers. Sein örtlicher Jagdführer Theo Bronkhorst wurde ebenfalls angeklagt. Mehrfach wurden geschützte Greifvögel getötet. Alte Feindbilder und ausgesetzte Zuchttiere dürften Situation verschärfen. In Stronsdorf in Niederösterreich gehts drunter und drüber, sagt Jagdleiter Gottfried Koller zum STANDARD. Auf einem Sojabohnenfeld wurden im Zuge einer Vogelbeobachtung 37 tote Rohrweihen gefunden. Diese Greifvögel stehen europaweit unter Schutz, es handelt sich um eine gefährdete Art. Obduktion ergab: Tod durch Schrotmunition Im Forschungsinstitut für Wildtierkunde und Ökologie der Veterinärmedizinischen Uni Wien wurden die toten Vogelkörper obduziert. Laut einer Presseaussendung von WWF und Landesjagdverband hat sich der Verdacht über die Todesursache bestätigt: Die Rohrweihen kamen durch Schrotmunition zu Tode. Jeder kann sich ein Schrotgewehr kaufen und damit schießen, sagt Koller. Er glaubt nicht, dass es sich bei den Tätern um Jäger handelt, und nimmt speziell die Jäger in seinem Stronsdorfer Revier in Schutz: Keinem meiner Jäger traue ich diese Tat zu. Es ist so eine schlimme Sache. Eine Schande für die Jägerschaft. Koller hofft auf rasche Aufklärung. Landeskriminalamt ermittelt Wer die Tat begangen hat und ob es sich bei den Tätern um Jäger handelt oder nicht, steht noch nicht fest. An der Aufklärung arbeitet das Landeskriminalamt (LKA). Wir haben die Ermittlungen übernommen, sagt Johann Baumschlager, Kontrollinspektor und Pressesprecher des LKA, zum STANDARD. Es wurden Personen einvernommen, weitere Erhebungen sind im Gange. Landesjagdverband distanziert sich öffentlich Landesjägermeister Josef Pröll teilte in einer Presseaussendung mit, dass sich die niederösterreichischen Jägerschaft von diesem Gesetzesbruch distanziere. Er zählt bei der Aufklärung auf alle verantwortungsbewussten Waidmänner. Gemeinsam mit dem WWF hat der Landesjagdverband 2.000 Euro Prämie für Hinweise ausgesetzt, die zur Ergreifung der Täter führen. Das ist öffentlichkeitswirksam, greift aber nicht, kritisiert Hans Frey, Veterinärmediziner und Leiter der Eulen- und Greifvogelstation Haringsee. Es ist zynisch von der Jägerschaft zu behaupten, Revierfremde hätten dieses Gemetzel verübt. Es müssen mehrere Jäger aus der Umgebung gewesen sein, sagt Frey. Der Jagdverband solle den Jagdleiter zur Verantwortung ziehen, denn Vertuschungspolitik begünstigt nur die, die illegale Handlungen setzen. Wochenlang seien im Revier geschützte Vögel abgeschossen worden, sagt Frey. Entweder der Jagdleiter hat es nicht bemerkt, dann ist er falsch am Platz, oder er wusste es. Konfrontiert mit den Vorwürfen sagt Jagdleiter Koller zum STANDARD: Ich weiß von nichts, keiner hat zu mir etwas Negatives über Rohrweihen gesagt. Die toten Vögel lagen in einem Sojabohnenfeld, da sieht man nicht rein. Kein Einzelfall, aber neue Dimension Die Vogelschutzorganisation Birdlife, der WWF und auch Vogelexperte Frey können viele Fälle von illegalen Abschüssen geschützter Vögel aufzählen, etwa Mäusebussarde, Rotmilane und Rauhfußbussarde. Mit dem Fall in Stronsdorf wurde allerdings eine neue Dimension erreicht, sagt Frey. Es ist davon auszugehen, dass die Dunkelziffer von getöteten Vögeln noch viel höher liegt. Seit der Fall Stronsdorf in einem Fernsehbericht erwähnt wurde, werden bei uns vermehrt tote und verletzte Greifvögel von der Bevölkerung gemeldet. Ein arttypisches Verhalten könnte bei der Jagd auf die geschützten Greifvögel ausgenutzt worden sein. Rohrweihen sind Genossenschaftsschläfer. Zum Schlafen versammeln sich mehrere Tiere auf Sammelschlafplätzen am Boden. Diese Plätze wurden in Stronsdorf systematisch aufgesucht und eine Treibjagd auf die Rohrweihen verübt, ist sich Frey sicher. Der Jäger als Sündenbock Noch steht nicht fest, ob Jäger oder Jägerinnen am illegalen Abschuss der Rohrweihen beteiligt waren. Genauso könnten es Sportschützen gewesen sein, erklärt Jagdleiter Koller. In einem anderen Fall verdächtigt das Landeskriminalamt Burgenland aufgrund von Ermittlungen derzeit zwei Jäger, mehrere geschützte Greifvögel bei Deutschkreutz getötet und in einer Gefriertruhe gelagert zu haben. Beiden soll die Jagdberechtigung entzogen worden sein. Ein Gerichtsprozess ist anhängig und wurde vertagt. Der Greifvogel – eine Konkurrenz zur Jagd? Warum sollten Jäger und Jägerinnen überhaupt illegal auf geschützte Greifvögel schießen? Die Greifvögel werden als Konkurrenz zur Jagd gesehen, erklärt Gabor Wichmann, stellvertretender Geschäftsführer von Birdlife. Sie seien ein altes, traditionelles Feindbild. Um Niederwildbestände aufrechtzuerhalten, werden Greifvögel Opfer illegaler Abschüsse. Jagdethiker Winkelmayer wirft die Frage auf: Warum soll ein Tier sterben, damit ein anderes Tier leben kann, nur um zu einem späteren Zeitpunkt von einem Jäger abgeschossen zu werden? Der Zusammenhang zwischen Niederwildbeständen und Greifvögeln ist nicht unumstritten. Unwissenheit und altes Feindbild Die Jägerschaft ignoriert seit Jahren wissenschaftliche Untersuchungen, die belegen, dass diese Tiere völlig irrelevant für Niederwild sind, sagt Frey. Rohrweihen ernähren sich von Mäusen und anderen kleinen Säugetieren. Mythen und längst widerlegtes Wissen würden unhinterfragt an neue Jägergenerationen weitergegeben. Die Jäger haben zudem keine artenschutzrechtliche Ausbildung, kritisiert die Grünen-Abgeordnete Madeleine Petrovic, Präsidentin des Wiener Tierschutzvereins. Außerdem funktioniere die Selbstkontrolle innerhalb der Jägerschaft überhaupt gar nicht. Schon lange verlange man vom Niederösterreichischen Jagdverband, die geforderten Korrektur- und Aufklärungsmaßnahmen zur wahren Biologie der Rohrweihe in der Jagdausbildung und via Fachzeitschriften voranzutreiben, sagt Gabor Wichmann von Birdlife. Biologin: Aussetzen fördert Konkurrenzdenken Die Jäger haben heutzutage Viehzüchtermentalität. Eine natürliche Sterblichkeit wird nicht toleriert, kritisiert Wildtierbiologin Karoline Schmidt. Durch das Aussetzen von gezüchteten Tieren und das Bejagen der natürlichen Feinde werde eine unnatürliche Situation geschaffen und das Ökosystem instabil. Das Aussetzen von gezüchteten Tieren fördert die Konkurrenz enorm, weil finanzieller Aufwand seitens der Jäger betrieben wird, um höhere Niederwildbestände zu haben. Zu fragen sei, ob diese Form der Niederwildjagd heute überhaupt noch zeitgemäß ist, gibt Winkelmayer zu bedenken. Fasanerien in Niederösterreich In Niederösterreich werden keine Fasane ausgesetzt, weil wir Wildbestände haben, erklärt Peter Lebersorger, Generalsekretär der österreichischen Jagdverbände, auf Anfrage des STANDARD. Wozu gibt es in Niederösterreich dann Volieren für Fasane?, wundert sich Wichmann. Es wird scheinbar ausgesetzt, aber nicht darüber gesprochen. Der Verein gegen Tierfabriken (VGT) beschäftigt sich schon länger mit dieser Jagdpraxis. Die einzelnen Jäger können eigenständig Fasane in ihren Revieren aussetzen. Der Jagdverband kann eigentlich gar keine seriöse Aussage darüber machen, erklärt VGT-Obmann Martin Balluch. Zahlreiche Fasanerien sollen unter anderem in Niederösterreich betrieben werden. Rund um die Fasanerien kommen Habichtfallen, lebende Lockvögel und andere Fallen, um Greifvögel zu fangen, zum Einsatz, sagt Balluch. Böck: Makabrer Sport In Oberösterreich werden grundsätzlich keine Fasane ausgesetzt. Dass einzelne Jäger es tun, kann man nicht ausschließen, erklärt Christoph Böck, Geschäftsführer des oberösterreichischen Jagdverbands. Zum Aussetzen speziell von Fasanen habe man im Bundesland eine klare Haltung: Tiere zu züchten und danach abzuschießen ist ein makabrer Sport – ein Tierabschuss –, hat aber nichts mit nachhaltiger Jagd zu tun. Die Vergangenheit hat laut Böck gezeigt, dass das Auslassen von gezüchteten Tieren zur Bestandsstützung des Niederwilds sehr schwierig ist. Zuchtfasane sind nicht sehr überlebensfähig. Effektiver seien unterstützende Maßnahmen für mehr Lebensraum und eine scharfe Raubwildbejagung, beispielsweise beim Fuchs. Winkelmayer: Perversion des Systems Das ist die Perversion des jagdlichen Systems, sagt Jagdethiker Winkelmayer. Es gehe immer wieder darum, selbst mehr schießen zu können. Der Jäger kann seinen Platz im Ökosystem nur haben, wenn er akzeptiert, dass auch Jäger aus der Tierwelt andere Tiere töten. So ist die Natur, mahnt Wildtierbiologin Schmidt. Start am Dienstag geplant. Tokio/Antarktis – Ungeachtet internationaler Proteste kehren Japans Walfänger in die Antarktis zurück. Die Flotte werde am Dienstag in See stechen, gab das Fischereiministerium am Montag bekannt. Nachdem der Internationale Gerichtshof in Den Haag Ende März vergangenen Jahres eine Aussetzung von Japans sogenanntem wissenschaftlichem Walfang verfügt hatte, legte Tokio der Internationalen Walfangkommission (IWC) erst wenige Tage vor dem Auslaufen der Flotte einen letzten abgespeckten Walfangplan vor. Dieser sieht die Tötung von 333 Zwergwalen vor – zwei Drittel weniger als von Japan ursprünglich geplant. Dies hält Tokio nun für wissenschaftlich angemessen, weitere Änderungen seien nicht nötig. Dabei hatte ein IWC-Gremium zuvor keinen Konsens zu Japans neuen Plänen in der Antarktis erzielt. Die japanische Regierung ignoriert somit die Stimme der Wissenschaft und widersetzt sich der IWC, die noch nicht endgültig entschieden hat, wie das Urteil des Internationalen Gerichtshofs umgesetzt werden soll, kritisierte die Walschutzorganisation Whale and Dolphin Conservation (WDC). Der Gerichtshof hatte sein Urteil damit begründet, dass Japans Forschungsprogramm keinem wissenschaftlichen Zweck gedient habe. Dies zwang Japan, die Jagd für 2014 einzustellen. Daraufhin überarbeitete Tokio seine Pläne. Die kommerzielle Jagd auf Großwale ist seit 1986 verboten. Japan beruft sich allerdings auf eine Ausnahmeregelung in der Konvention. Danach dürfen die Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken getötet werden. Zwergwale gehören trotz ihrer relativ geringen Größe – sie können bis zu zehn Meter lang werden – zu den Großwalen. Sie werden etwa 50 Jahre alt. Seit mehr als 25 Jahren hatten Japans Waljäger im Rahmen des umstrittenen Forschungsprogramms mehr als 10.000 Großwale in den antarktischen Gewässern getötet. Die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt hält weiterhin an ihrem Ziel fest, den kommerziellen Walfang eines Tages wieder aufzunehmen. 'Regionalregierung ruft zu Halali auf 250.000 Tiere, Umweltschützer wollen "Massaker" verhindern. Die Situation ist außer Kontrolle, wir haben einen echten Notstand, betont der Landwirtschaftsminister der Region Toskana, Marco Remaschi. Die Wildschweinpopulation habe in den letzten Jahren dramatisch zugenommen; inzwischen werde die Toskana von über 400.000 Exemplaren bevölkert. Die Wildschweine richten gewaltige Schäden an: Vor allem die männlichen Tiere, die Keiler, pflügen mit ihren Stoßzähnen auf der Suche nach Nahrung ganze Felder um. Aber auch Golfplätze und die Weinberge des Chianti sind nicht mehr sicher. Und auf Überlandstraßen häufen sich die Zusammenstöße – mit meist tödlichem Ausgang für die Schweine, aber manchmal auch für die Autofahrer. Die sozialdemokratische Regionalregierung in Florenz hat deshalb einen Plan vorgelegt, wie sie der Wildschweinplage Herr werden will. Insgesamt, sagt Minister Remaschi, soll der Bestand in den nächsten drei Jahren um 250.000 Tiere verkleinert werden. Weil die toskanischen Jäger das ohne fremde Hilfe nicht schaffen werden, sollen auch die Bauern zur Flinte greifen dürfen. Und zwar nicht nur in der Jagdsaison, sondern das ganze Jahr über. Die einzige Voraussetzung dafür sind der Erwerb eines Waffentragscheins sowie der Besuch eines Jagdkurses. Das langfristige Ziel der Regionalregierung ist ein Bestand von rund 100.000 Wildschweinen. Umweltschützer empfinden die Abschusspläne als Sauerei und protestieren gegen das geplante Massaker. Der Tonfall gleitet dabei gelegentlich ab: Die Toskana wird zur Kriegszone, erklärt Camilla Lattanzi, die den Widerstand koordiniert. Das Gemetzel ist nach Auffassung der Umweltschützer völlig unnötig: Erstens handle es sich bei dem von den Behörden genannten Wildschweinbestand um eine bloße Schätzung, die wahrscheinlich viel zu hoch gegriffen sei. Zweitens gebe es andere Möglichkeiten: Zum Beispiel könnte der Bestand durch die Ansiedlung von Wölfen reguliert werden, und Bauern könnten Felder und Weinberge durch Zäune schützen. Die Debatte um die toskanischen Wildschweine wird immer mehr auch zu einer nationalen Affäre, dutzende Prominente aus dem ganzen Land fordern nun in einer Petition zu einem Verzicht auf die Bestanddezimierung auf: Es droht ein bisher nie da gewesenes Blutvergießen. (...) Jäger werden schreien, sie werden schießen, sie werden töten. Aber es wird alles unnütz und sogar schädlich sein. Wir müssen sie stoppen. Der toskanische Landwirtschaftsminister versucht, die Bedenken ernst zu nehmen, aber: Bezüglich der Wiederansiedlung der Wölfe müsste man wohl erst die Schafzüchter fragen, erklärt Marco Remaschi. Auch das Einzäunen der Felder sei wenig realistisch. Einige Versuche hätten nichts gebracht: Von einem normalen, noch halbwegs finanzierbaren Zaun lasse sich keine Sau abhalten. Kurz: Zum Abschuss gebe es keine vernünftige Alternative. Im Februar muss das toskanische Regionalparlament dem Massaker noch zustimmen.' Tier unterlag beim Duell mit einem Konkurrenten. Peking – Aus Liebeskummer hat ein Elefantenbulle in China am Wochenende 18 Autos demoliert. Weil er bei einem Duell um eine Elefantin den Kürzeren gezogen hatte, lief der am Valentinstag Verschmähte aus einem Naturpark in der Provinz Yunnan auf die Straße und ließ seine Wut an den Wagen der Besucher aus, wie die Nachrichtenagentur Xinhua am Montag unter Berufung auf die Parkranger berichtete. Demnach schubste und zerbeulte der Elefant namens Zhusunya am Freitag 14 Autos, bei einem weiteren Streifzug nahm er vier weitere Wagen ins Visier. Wie hoch der Schaden war, blieb zunächst unklar, der Naturpark will die Besitzer der betroffenen Fahrzeuge aber entschädigen. Im vergangenen Jahr lebten in China nach Angaben von Forschern weniger als 250 Asiatische Elefanten in der Wildnis. Sie kommen vor allem in Yunnan im Südwesten des Landes vor. Ihr dortiger Lebensraum erstreckt sich bis Laos, Vietnam und Burma. Bären dürfen in der Provinz British Columbia trotz gegenteiliger Versprechen weiter gejagt werden. Als Geschenk an die Welt wurde das historische Abkommen über den Schutz des Great Bear Rainforest an Kanadas Nordwestküste gefeiert. Das Abkommen zwischen Holzkonzernen, Ureinwohnern, Naturschützern und der Provinz British Columbia, das nach sechzehn Jahren schwieriger Verhandlungen Anfang Februar zustande kam, ist in der Tat ein Triumph: 3,1 Millionen Hektar Wald sind vom Abholzen geschützt – mehr als ein Drittel der Fläche Österreichs. Aber erst jetzt wird klar, dass das größte Tier in dieser Wildnis immer noch gejagt werden darf: Die Grizzlybären sind trotz aller Versprechen der Behörden nicht geschützt. Die Premierministerin von British Columbia, Christie Clark, erklärte zwar, das Abkommen bedeute das Ende der Grizzlyjagd im Great Bear Rainforest, das ist aber nicht der Fall. Die Provinzregierung überlässt es den Umweltorganisationen und Indianerstämmen, die Jagdlizenzen für ausländische Trophäenjäger von kommerziellen Jagdführern zurückzukaufen. Das kostet Millionen. So haben die Raincoast Conservation Foundation und indigene Stämme von 2005 bis 2015 umgerechnet 1,4 Millionen Euro dafür eingesetzt. Aber die NGOs sind mit solchen Beträgen überfordert. Selbst wenn ausländische Touristen nicht mehr Grizzlys jagen könnten, ist es den Jägern von British Columbia in der Provinz weiterhin erlaubt. Die Regierung sollte eingreifen und die einheimische Grizzlyjagd beenden, fordert Chris Genovali von der Raincoast Conservation Foundation. Laut einer Erhebung vom Oktober 2015 sind 91 Prozent der befragten Bewohner von British Columbia gegen die Grizzlyjagd. In der Nachbarprovinz Alberta ist die Trophäenjagd schon seit zehn Jahren verboten. Die Regierung von British Columbia hingegen behauptet, die Grizzlypopulation vertrage eine Jagd, die wissenschaftlich verwaltet werde. Dem widersprechen Experten, aber auch Naturschützer wie David Suzuki, der warnt: Grizzlys sind in 18 Prozent der Provinz ausgerottet oder bedroht. Die harmlose Bärenbeobachtung für Touristen aber floriere und bedeute Arbeit und Geld für die Indigenen. Tierschützer fordern Verbot, Grüne wollen Verbotsmöglichkeiten prüfen, ÖVP-Landesrat arbeitet an Beschränkung. Salzburg – Der Verein gegen Tierfabriken (VgT) unternimmt erneut einen Anlauf, die Gatterjagd zu verbieten. Die Aktivisten streben eine Änderung des Salzburger Jagdgesetzes an und haben eine Einlage an den zuständigen Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP) geschickt. Vier Gutachten stützen ihre angedachten Änderungen. Die Wiener Wildbiologin Karoline Schmidt bezeichnet die Treibjagden in abgeschlossenen Gebieten als unnötig und unsinnig. Die Treibjagden würden unter dem Wild Stress auslösen, worunter auch die Fleischqualität leide. Laut dem Gutachten des Verfassungsrechtlers Stefan Hammer sei der Landesgesetzgeber befugt, die bestehenden Möglichkeiten der Gatterjagd aus Gründen des Tierschutzes einzuschränken. Das Land könne die Gatterjagd auch generell als zumindest potenziell tierquälerisch einstufen und damit verbieten. Aus Schwaigers Büro heißt es, an einer Gesetzesänderung werde ohnehin schon seit Jänner gearbeitet. Ziel sei es, künftig keine neuen Gatter mehr beantragen zu können. Bei den Bestehenden sollen der Betrieb und die Überwachung verschärft werden. Es müssten genaue Aufzeichnungen über die Jagd geführt werden und die Aussetzung von Wild solle nur noch eingeschränkt – etwa zur Bestandswiederbegründung nach Seuchen oder zur Blutauffrischung – erlaubt sein. Zudem werde ein Fütterungsverbot für Wildschweine diskutiert. Die Grünen haben Anfang Februar im Landtag einen Antrag eingebracht, die gesetzlichen Möglichkeiten für ein Verbot der Jagd auf Zuchttiere und die Gatterjagd zu prüfen. In Salzburg gibt es derzeit drei Wildgehege. Der angeregten Gesetzesänderung geht ein lang schwelender Streit zwischen VgT-Obmann Martin Balluch und dem Salzburger Unternehmer Maximilian Mayr-Melnhof voraus. Nach einer Wildschweinjagd im Gatter auf Mayr-Melnhofs Grundstück bei Anthering, bei der die Tierschützer anwesend waren, haben sich beide Seiten mit einer Vielzahl an Klagen eingedeckt. Der VgT hat gegen Mayr-Melnhof Anzeigen wegen Tierquälerei, Sachbeschädigung und Nötigung eingebracht. Der Großgrundbesitzer reichte daraufhin Anzeigen wegen Besitzstörung, Verleumdung und Rufschädigung ein. Die Ermittlungen gegen Mayr-Melnhof wurden eingestellt. Der Verein gegen Tierfabriken strebt ein bundesweites Verbot der Gatterjagd in Österreich an. Derzeit ist sie neben Salzburg noch im Burgenland, Wien und Niederösterreich erlaubt. In Wien und dem Burgenland sei ein Verbot bereits auf Schiene, meint Vgt-Obmann Balluch. In Niederösterreich sei man gesprächsbereit. Im Tiergarten Schönbrunn in Wien sind Luchs-Zwillinge zur Welt gekommen. Jetzt lockt die Mutter die Jungtiere für erste Ausflüge aus ihrer Hütte ins Freie Das Weibchen hat seinen Nachwuchs im Freien zur Welt gebracht, aber dann in die nicht einsehbare Hütte getragen. Dort hat die Luchs-Mutter ihre beiden Jungtiere die letzten zwei Wochen aufgezogen, berichtete Zoodirektorin Dagmar Schratter am Mittwoch in einer Aussendung. Bei der Geburt waren die Kleinen rund 300 Gramm schwer und blind. Nach etwa zwölf Tagen haben sie die Augen geöffnet. Erst drei Mal habe es bei den Luchsen bisher Nachwuchs gegeben, hieß es in der Aussendung. Die letzte Nachzucht liegt bereits neun Jahre zurück. Das letzte Jungtier, ein Männchen, lebte bis Februar 2015 gemeinsam mit seinem Vater im Tiergarten. Dann gab es im Rahmen des Europäischen Zuchtbuches einen Austausch. Die beiden Männchen wurden an den ungarischen Zoo Szeged abgegeben, wo sie sich wohlfühlen. Wir haben Mitte März ein Pärchen bekommen. Bei den beiden muss es sofort gefunkt haben, meinte Schratter. In Österreich galt der Luchs im Jahr 1892 als ausgerottet. Erst in den vergangenen Jahrzehnten wurden Tiere aus Zoos und Wildparks angesiedelt, einige wanderten aus Nachbarländern ein. Daher ist diese Wildkatze in heimischen Wäldern wieder vereinzelt anzutreffen. Der Luchs ist EU-weit streng geschützt. Schratter: Trotz dieser Schutzmaßnahmen ist sein Vorkommen in allen Alpenländern gering und die wenigen Populationen sind meist isoliert. Daher zählt der Luchs hierzulande nach wie vor zu den seltensten Säugetieren, deren nachhaltiger Bestand keineswegs gesichert ist. Im Wiener Tiergarten Schönbrunn sind bisher 19 Flamingo-Küken geschlüpft. Weiterer Nachwuchs wird erwartet, da noch einige Eier bebrütet werden Der Tiergarten Schönbrunn freut sich über 19 frisch geschlüpfte Flamingo-Küken – und es könnten durchaus noch mehr werden, da weitere Eier bebrütet werden. Derzeit sehen die Kleinen ihren Eltern nicht ähnlich, sie sind nämlich noch grau, so eine Aussendung des Wiener Zoos am Dienstag. Im Freiland sind die Kleinen mit diesem unauffälligen Federkleid besser vor Feinden geschützt. In rund drei Jahren leuchten ihre Federn aber genauso rosa wie die ihrer Eltern, weiß Tiergartendirektorin Dagmar Schratter. Im Freiland sorgen Krebse, die von den Flamingos aus dem Wasser gefiltert werden, für das rosa Gefieder. Im Zoo enthält das Futter einen speziellen Farbstoff. Rosa Flamingos haben ein durchaus großes Verbreitungsgebiet. In Europa wird ihr Bestand auf rund 20.000 Brutpaare geschätzt. Der Großteil lebt in der Camargue in Frankreich. Schönbrunn züchtet diese Vogelart seit Jahren erfolgreich. Die ersten Küken sind heuer am 7. Juni geschlüpft. Wien – Grund zur Freude für den Tiergarten Schönbrunn: Laut einem Ranking der Reiseplattform Tripadvisor ist der Wiener Zoo der fünftbeliebteste Zoo der Welt. Alljährlich werden die sogenannten Travellers Choice Gewinner bekannt gegeben, die auf Millionen Bewertungen und Meinungen von Reisenden beruhen. Im Vorjahr belegte der Tiergarten in der Wertung der 25 beliebtesten Platz acht. Erster wurde heuer der San Diego Zoo in Kalifornien vor dem Puerto de la Cruz in Spanien und dem Zoo in Singapur. Auf dem vierten Platz landete der Prager Zoo. Wenn die Besucher vom Tiergarten begeistert sind, können wir ihr Interesse für die Welt der Tiere wecken und sie für den Schutz bedrohter Tierarten gewinnen, freute sich Tiergartendirektorin Dagmar Schratter über das positive Feedback. Ausschlaggebend für das Ranking ist, wie oft und wie gut ein Zoo in den vergangenen zwölf Monaten bewertet wurde. Auf einer Fünf-Punkte-Skala geben die Reisenden auf Tripadvisor ihre Bewertung ab und können zusätzlich über ihre Erfahrungen berichten. Knapp 3.000 User haben bisher Erfahrungsberichte über den Tiergarten Schönbrunn geschrieben. 2.128 Mal wurde er mit Ausgezeichnet bewertet, 631 Mal mit Sehr gut. Der Zoo erreicht auf der Bewertungsplattform zudem den vierten Platz aller Aktivitäten in Wien. (21.7.2015, APA) Strahlenschildkröten haben besonders markant gemusterte Panzer. Perth – Diebe haben ein seltenes Exemplar einer vom Aussterben bedrohten Schildkrötenart aus dem Zoo von Perth in Australien gestohlen. Die Tierpfleger haben größte Sorge, ob die zehn Jahre alte Strahlenschildkröte ohne ihre Spezialnahrung und Wärmeschutz überleben kann, wie der Zoo am Donnerstag mitteilte. Wir haben die Polizei eingeschaltet, sagte Zoosprecherin Danielle Henry. Strahlenschildkröten (Astrochelys radiata) haben besonders markant gemusterte Panzer und sind deshalb bei Wilderern beliebt. In Asien werden solche Panzer zu Schmuckstücken verarbeitet. Der Lebensraum in ihrer Heimat Madagaskar ist nach Angaben der Weltnaturschutzunion (IUCN) in den vergangenen Jahren durch Abholzung rapide geschrumpft. Die Union fürchtet, dass die Schildkröten in 45 Jahren ausgestorben sein könnten. Zöllner nahmen 2013 nach einem Bericht der Organisation gegen Tierschmuggel Traffic in der thailändischen Hauptstadt Bangkok einen Schmuggler fest, der 21 Strahlenschildkröten aus Madagaskar in einem Koffer versteckt hatte. Achatschnecken leben seit voriger Woche in Insektenvitrine im zweiten Stock. Wien – Das Haus des Meeres in Wien hat schleimigen Zuwachs bekommen: Seit voriger Woche leben die Afrikanischen Riesenschnecken Tick, Trick und Track in einer Insektenvitrine im zweiten Stock. Die Achatschnecken bringen insgesamt eineinhalb Kilogramm Gewicht auf die Waage, mit einer Gehäuselänge von mehr als 20 Zentimeter, berichtete das Haus des Meeres in einer Aussendung am Donnerstag. Bei den Tieren handelt es sich um die schwersten Landschnecken überhaupt, die drei Schnecken im Haus des Meeres haben eine spezielle Farbform mit weißem Körper, die wohl zu den auffälligsten unter all den Arten zählt. Das Haus des Meeres bekam Tick, Trick und Track von einem Züchter. Die Schnecken lieben Gemüse, pro Tag verspeisen sie beispielsweise gemeinsam einen ganzen Salatkopf. Wollen Besucher den großen Geschwistern der heimischen Weinbergschnecken näher kommen, sind die Guides gefragt. Nach Angaben des Haus des Meeres soll es möglich sein, dass die Schnecken aus ihrer Vitrine genommen werden können – je nachdem wie viel los ist und ob die Guides Zeit haben. Vielleicht besteht ja die Möglichkeit, eine der Schneckengrazien zu berühren, informierte das Haus des Meeres. Weibchen "hatte keine Anstalten gemacht, ein Nest zu bauen". Berlin – Ein schwules Geierpaar soll im Tierpark von Nordhorn in Deutschland ein Ei ausbrüten. Wie Tierpark-Sprecherin Ina Deiting am Dienstag sagte, haben die beiden Männchen namens Isis und Nordhorn das Ei von Geier-Weibchen Lisa unter ihre Fittiche genommen. Lisa hatte keine Anstalten gemacht, ein Nest zu bauen. Das männliche Pärchen Isis und Nordhorn aber sehr wohl – daraufhin entschieden sich die Tierpark-Manager, den beiden Gänsegeier-Männern das Ei zu geben. Sie haben sich prompt drauf gesetzt, sagte Deiting. Das Ei von Lisa war ein Zufallsfund. Eine Tierpflegerin hatte beobachtet, wie Lisa merkwürdig gekrümmt auf einem Ast saß. Dann fiel ein Ei aus zwei Metern Höhe auf den vom Regen aufgeweichten Boden. Die Pflegerin brachte das unbeschädigte Ei in eine Brutmaschine. Eine Handaufzucht schied für den Tierpark aus, denn in diesem Fall werden Geier auf Menschen fehlgeprägt. Also entschied man sich dazu, dass sich die beiden Geiermänner als Eltern-Paar beweisen dürfen. In dem Tierpark leben drei männliche Gänsegeier. Lisa habe sich möglicherweise mit dem anderen Vogel gepaart, sagte Deiting. Das wisse aber keiner. Von uns hat niemand den Geschlechtsakt beobachtet. Das einzige feste Paar unter den drei Gänsegeier-Männern und zwei Weibchen im Gehege seien Isis und Nordhorn. Ob das Ei befruchtet ist, wissen die Tierpark-Experten noch nicht. Das entscheidet sich in den nächsten Tagen, sagte Deiting. Spätestens Ende nächster Woche wäre das Ende der Brutzeit erreicht – dann zeigt sich, ob ein Baby-Geier schlüpft oder nicht. Putzaktion des Stolpersteine-Komitees beim ehemaligen "Zigeunerlager Maxglan" anlässlich des Internationalen Tags der Roma. Salzburg – Unter dem Motto Erinnerung aufpolieren schritten mehrere Mitglieder des Salzburger Personenkomitees Stolpersteine am Freitagnachmittag zu einer Putzaktion anlässlich des Internationalen Tags der Roma. Im Rahmen einer kleinen Gedenkfeier wurden für ermordete Roma verlegte Steine gereinigt. Die 2007 verlegten Gedenksteine waren über die Jahre Wind und Wetter ausgesetzt und ihre Oberflächen aus Messing daher stark oxydiert. Der Ort, an dem die kleinen Mahnmale in den Boden eingesetzt worden waren, liegt in der Nähe des sogenannten Zigeunerlagers Maxglan: In Salzburg wurden Anfang September 1940 die 213 auf dem Salzburger Trabrennplatz internierten Roma und Sinti in das noch heute so bezeichnete Lager verlegt. Dieses befand sich in Widerspruch zu seinem Namen im Stadtteil Leopoldskron-Moos unweit des Schwarzgrabenwegs. Eigentlich könnten hier 190 Stolpersteine liegen, sagt Gert Kerschbaumer, Historiker und Mitglied des Personenkomitees Stolpersteine. Man habe sich aber seinerzeit entschlossen, nur 17 Steine für jene Kinder zu verlegen, die in Unfreiheit geboren und später von den Nationalsozialisten im KZ Auschwitz ermordet worden waren. Anfang April 1943 wurden siebzehn der im Zigeunerlager geborenen Kleinkinder mit ihren Müttern, Vätern oder Pflegeeltern nach Auschwitz-Birkenau deportiert. Frau Therese Herzenberger war bei ihrem registrierten Zugang schwanger: Das Baby Sonia wurde an seinem 14. Lebenstag getötet. Der 8. April ist der internationale Tag der Roma, an dem jährlich an den Völkermord – Porajmos (Verschlingen) – durch das NS-Regime gedacht wird. Rund 20.000 Roma und Sinti wurden allein im Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau ermordet. Ein Treffen von 30 Heilpraktikern und Homöopathen in Deutschland lief kräftig aus dem Ruder. Hamburg – Menschen torkelten verwirrt umher, lagen herum, halluzinierten. Ein Treffen von etwa 30 Heilpraktikern und Homöopathen in einem Tagungszentrum in Handeloh im Kreis Harburg war mächtig aus dem Ruder gelaufen. Mehr als 150 Rettungskräfte und ein Hubschrauber eilten herbei, um den Menschen im Drogenrausch am Freitagnachmittag zu helfen. Zwar waren die Betroffenen noch über Stunden kaum vernünftig ansprechbar, die Polizei geht jedoch davon aus, dass die Gruppe mit dem Psychedelikum 2C-E experimentiert hatte, in Szenekreisen als Aquarust bekannt. Ob die Droge bewusst genommen wurde oder sich einer der Teilnehmer einen überdosierten Scherz erlaubte, stand zunächst nicht fest. Auch am Sonntag wurde nicht bekannt, warum es zu dem Unfall gekommen war – die ersten Verletzten hatten da die Krankenhäuser schon wieder verlassen. Die Polizei ermittelt nun wegen des Verdachts auf eine Straftat, weil sich die 25- bis 55-Jährigen mit der Einnahme des Halluzinogens selbst verletzt und so den Großeinsatz verursacht hätten. Zudem ist 2C-E in Deutschland seit Ende 2014 verboten. Die Substanz zählt wie das Amphetamin zu den Phenylethylaminen, verändert die Wahrnehmung von Farben und Geräuschen und ist ein sehr starkes Halluzinogen – lässt einen also Dinge sehen, die gar nicht da sind. Medizinische Hilfe Legal therapeutisch verwendet wird 2C-E nicht, weil nicht genügend über das Suchtpotenzial, mögliche Langfristschäden und die Nebenwirkungen der Psychodroge bekannt ist. Nach Einschätzung der Ärzte war es für einige der Betroffenen am Freitagnachmittag höchste Eisenbahn für medizinische Hilfe – sie litten unter schweren Wahnvorstellungen, Krämpfen, Schmerzen, Luftnot und Herzrasen. Krampfanfälle sind meist auch lebensgefährlich, beschrieb Feuerwehrsprecher Matthias Köhlbrandt den Ernst der Lage. Die Menschen seien vor und in dem Gebäude angetroffen worden. Der erste Notarzt an Ort und Stelle habe die Situation sofort erkannt und den Einsatz hochgestuft. Massenanfall von Verletzten – Gefahrenstufe drei. Die Leitung des Tageszentrums gab an, die Gruppe sei nicht das erste Mal in Handeloh gewesen. Die meisten Teilnehmer kämen aus Hamburg, sagt die Betreiberin des Tagungszentrums Tanzheimat Inzmühlen, Stefka Weiland. Wir sind entsetzt und schockiert, und wir distanzieren uns von dem, was da vorgefallen ist. Damit haben wir nichts zu tun. Junge Erwachsene rutschen seltener in problematischen Drogengebrauch. Weniger Opioidkonsum, mehr Anzeigen wegen Cannabis. Wien – Die Zahl der Menschen mit problematischem Drogenkonsum samt Opioiden geht in Österreich zurück. Auch die Zahl der Drogentoten ist 2014 gesunken. Während immer weniger Anzeigen wegen Heroin und Opiaten erfolgen, steigt ihre Zahl wegen Cannabis. Das sind die Kerndaten aus dem Epidemiologiebericht Drogen und dem Österreichischen Drogenbericht 2015, die am Mittwoch präsentiert wurden. Das Positive ist, dass immer weniger Leute in den Opioidkonsum einsteigen. Bei den drogenbezogenen Todesfällen sehen wir seit 2006 einen Rückgang, sagte Martin Busch von der Gesundheit Österreich GmbH, die einmal im Jahr im Auftrag des Gesundheitsministeriums die vorhanden Daten über die Drogenproblematik zusammenfasst und analysiert. Insgesamt dürften im Jahr 2013 in Österreich zwischen 28.000 und 29.000 Menschen risikoreichen Opioidkonsum, vor allem Heroin zum Injizieren, gehabt haben. Ihre Zahl war von etwas unter 20.000 im Jahr 1999 bis 2009 auf 33.000 gestiegen, danach aber wieder gefallen. Das ist vor allem auf den Rückgang bei den 15- bis 24-Jährigen zurückzuführen. 1999 hatten rund 4.500 Jugendliche und junge Erwachsene gefährlichen Opioidkonsum gehabt. Ihre Zahl hatte 2004 mit rund 10.000 stark zugenommen. Mittlerweile sind es um die 4.000. Ebenfalls zurückgegangen ist die Zahl der mit Drogenkonsum in Verbindung stehenden Todesfälle. 2011 waren es 201 Todesfälle, 2012 dann 161. Im Jahr 2013 wurden 138 Todesopfer registriert, 2014 waren es schließlich 122. Der Anstieg des Durchschnittsalters der Verstorbenen von 30 Jahren im Jahr 2012 auf 34,8 Jahre im Jahr 2014 unterstreicht den Alterungsprozess dieser Gruppe von Drogenkranken. Einen wesentlichen Anteil an der positiven Entwicklung dürften die Behandlungs- und Drogensubstitutionsprogramme haben. Zwei Drittel der Menschen mit problematischem Drogenkonsum sind in Behandlung, 60 Prozent in Substitutionstherapie, sagte Bundesdrogenkoordinatorin Johanna Schopper. Die Zahl der Patienten in Substitutionstherapie ist im Jahr 2014 auf 17.272 gestiegen und hat sich damit seit 2005 fast verdreifacht. Laut Marion Weigl von der Gesundheit Österreich GmbH zeigt sich allerdings eine Sättigungstendenz, die Zahl der Substitutionspatienten erhöht sich nur noch langsam (2013: 16.989). Die Anzeigenstatistik der Exekutive zeigt ein dem Trend beim Drogenkonsum gegenläufiges Bild. 2014 wurden 30.250 Anzeigen nach dem Suchtmittelgesetz erstattet. Während zwischen 2005 und 2014 die Zahl der Anzeigen wegen Heroin und Opiaten von knapp 5.000 auf etwa 1.500 fiel, stieg die Zahl der Anzeigen wegen Cannabis von 17.000 im Jahr 2012 auf 25.309 im vergangenen Jahr. 30 bis 40 Prozent der Österreicher haben zumindest einmal im Leben Cannabis verwendet, innerhalb eines Jahres tun das aber nur etwa vier Prozent. Sorgen macht den Experten die Hepatitis C, die genauso wie HIV über Spritzentausch übertragen wird. Wir sehen einen sehr hohen Anteil von Drogenkonsumenten mit Hepatitis C, so Weigl. Aus manchen Betreuungseinrichtungen gibt es Zahlen von bis 75 Prozent Infizierten unter den Behandelten wegen problematischen Drogenkonsums (Opioide zum Injizieren). Spritzentauschprogramme existierten vor allem in Ballungszentren, deutlich weniger im ländlichen Bereich. Ein Problempunkt seien auch die Gefängnisse. Dort gibt es in Österreich kein Spritzentauschangebot, intravenösen Suchtgiftkonsum aber offenbar sehr wohl. 'Weil in Wien rund um den Gürtel und die dort gelegenen U-Bahn-Stationen der Handel mit Drogen stark zugenommen hat, soll das Gesetz verschärft werden, um leichter U-Haft verhängen zu können. Wien – Der illegale Drogenhandel wird am Montag Thema bei einem kleinen Gipfel der Vertreter des Justiz- und Innenministeriums in Wien sein. Anlass: der Handel mit Drogen im öffentlichen Raum, und da vor allem in Wien entlang des Gürtels sowie in und nahe den dortigen U-Bahn-Stationen, hat laut Polizei, Sozialarbeitern und Drogenkoordinator massiv zugenommen. Allein im vergangenen halben Jahr seien 16.000 Portionskugeln Heroin und 8000 Portionen Kokain sichergestellt worden, sagt ÖVP-Wien-Obmann Gernot Blümel. Allerdings, so beklagt die Polizei, lasse sich der Verkauf vor Publikum kaum bekämpfen, der Grund sei die Strafrechtsrefom 2015. Denn durch die neue Bestimmung zur Gewerbsmäßigkeit im § 70 des Strafgesetzbuchs (StGB) habe man kaum Chancen, die Dealer in Untersuchungshaft zu nehmen. Seit Jänner des Vorjahres ist der Begriff der Gewerbsmäßigkeit im StGB gelockert. Heute muss man den Dealern, um sie in U-Haft nehmen zu können, mindestens drei Straftaten nachweisen (früher hat eine gereicht) und die Absicht, dass sie mit ihrer regelmäßigen Tätigkeit mindestens 400 Euro im Monat verdienen wollen. Dieser Nachweis gelingt aber selten. Kaum freigelassen, sind die Dealer wieder an der Arbeit. Genau das will man nun ändern, geplant ist ein Initiativantrag für eine Gesetzesnovellierung, um die Verhängung von U-Haft zu erleichtern. Wobei Innen- und Justizministerium verschiedene Zugänge haben 'Die Ages hat in Österreich das exklusive Recht auf die Produktion von Hanf – Profit schlägt daraus ein deutscher Pharmakonzern. Ein Wiener Unternehmer zieht gegen das Monopol vor Gericht. Wien – Der Besitz potenter Hanfblüten ist in Österreich grundsätzlich verboten. Das Suchtmittelgesetz (SMG) macht in Paragraf 6a aber eine explizite Ausnahme: Die staatliche Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) darf Cannabispflanzen zwecks Gewinnung von Suchtgift zur Herstellung von Arzneimitteln sowie damit verbundene wissenschaftliche Zwecke anbauen Jene Roma-Familien, die an der Dornbirner Ach campierten, mussten ihre Zelte räumen. Was aus ihnen wird, ist ungewiss. Dornbirn – Was letzte Woche angekündigt wurde, ließ Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (VP) am Montag umsetzen: Die Räumung der Zeltlager an der Dornbirner Ach. Dornbirn sei ein Musterbeispiel an Integration, betonte Kaufmann in einer Aussendung. In ihrer Stadt lebten 100 Nationen friedlich zusammen, Dornbirn habe als erste österreichische Stadt ein Integrationsleitbild erarbeitet. Bettelnde Roma-Familien polarisieren jedoch, sagt Kaufmann. Die Bürgermeisterin sieht den sozialen Frieden gefährdet, ortet eine verstärkte Radikalisierung. Zudem seien die Zeltlager nach Natur- und Landschaftsschutz illegal. Eine Campingverordnung hat Dornbirn jedoch nicht. Eine solche soll kommenden Donnerstag von der Stadtvertretung verabschiedet werden. Abstimmen wird die Stadtvertretung auch über ein temporäres Bettelverbot während der Marktzeiten. Die Dornbirner Bürgermeisterin bekommt Rückendeckung von ihren Amtskollegen (alle Volkspartei) in den anderen vier Vorarlberger Städten. Was Vizebürgermeisterinnen und -bürgermeister der Grünen kritisieren. Grüne Stadtpolitikerinnen und -politiker sprechen von Vertreibungspolitik. Juliane Alton, Dornbirner Stadträtin: Eine Verbesserung der Situation ist nur dann zu erzielen, wenn landesweit eng zusammengearbeitet wird. Die Grünen möchten zwei Campingplätze im Unterland und im Oberland, wo die Armutsreisenden gegen eine symbolische Gebühr einfachste Strukturen vorfinden. Sandra Schoch, Vizebürgermeisterin von Bregenz: Es wäre überheblich zu behaupten, wir haben die perfekte Lösung für diese schwierige Situation parat – die hat nämlich niemand. Bernhard Amman, Vizebürgermeister von Hohenems (Grüne/Emsige) möchte, dass sich die Vorarlberger Politik dem stellt, dass die Menschen aus bitterer Armut in Rumänien und Bulgarien fliehen und sich zeitweise auch in Vorarlberg niederlassen. Wo die Roma-Gruppen nach der Räumung Platz finden werden, ist ungewiss. Einige wollen bleiben, andere fahren nach Deutschland oder Italien. Bereitgestellte Busse nach Rumänien wurden nicht angenommen. Aufwachsen in Armut raubt Zukunftschancen, Bevölkerung ist sich der negativen Auswirkungen bewusst. Wien – 408.000 Kinder und Jugendliche in Österreich sind armuts- und ausgrenzungsgefährdet. Diese Armut wirkt sich auch auf das spätere Leben dieser Kinder aus. Als Erwachsene sind sie häufiger arbeitslos und armutsgefährdet, sagte Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, bei einer Pressekonferenz am Dienstag. Dabei wurden die Ergebnisse des neuesten Volkshilfe-Sozialbarometers, für den 1.037 Interviews geführt wurden, zum Thema Kinder- und Jugendarmut präsentiert. Diese zeigen, dass sich die österreichische Bevölkerung der massiven negativen Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg von Kindern und Jugendlichen, die in Armut aufwachsen, bewusst ist. Eine große Mehrheit der Befragten ist der Meinung, dass armutsbetroffene Kinder in der Schule Nachteile haben und sehen in Folge der Armut massive negative Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg, erklärte Fenninger. Der Sozialbarometer zeige, dass jene, die selbst Betroffene kennen, die negativen Auswirkungen klar erkennen. So meinen 87 Prozent, dass die Teilnahme an kostenpflichtigen Aktivitäten für Kinder aus armutsgefährdeten Familien nicht möglich ist. 80 Prozent sind der Meinung, dass arme Kinder Nachteile in der Schule haben und weitere 77 Prozent sehen massive Auswirkungen auf den weiteren Lebensweg. Unterschätzt wird dagegen nach wie vor auch der Zusammenhang zwischen Armut und Gesundheit. Während 58 Prozent jener, die armutsgefährdete Kinder und Jugendliche kennen, glauben, dass Aufwachsen in ökonomischer Knappheit häufiger krank macht, glauben dies nur 47 Prozent jener, die Betroffene nicht kennen. Aktuelle Daten zeigen aber, dass sich Einkommensarmut negativ auf das Sterbealter auswirkt – Arme sterben früher. In mehreren Länderstudien zeigt sich, dass Kinder aus ärmeren Familien schlechter ernährt sind, sich häufiger verletzen, mehr Infektionskrankheiten und mehr Karies als ihre Altersgenossen aus wohlhabenden Familien haben. Diese Zusammenhänge müssen aufgebrochen werden, forderte Fenninger. Ein weiterer wichtiger Zusammenhang besteht zwischen Armut und Bildung. Wir wissen, dass eine gute Bildung das Risiko, in Armut zu geraten, vermindert. Auf der anderen Seite beschränkt Armut die Möglichkeit, eine gute Bildung zu erreichen, erklärte Fenninger. So gehen aktuell 54 Prozent der Kinder aus armutsgefährdeten Haushalten in die Hauptschule, aber nur 22 Prozent der Kinder aus Haushalten mit hohem Einkommen. Ein starker Zusammenhang zeigt sich auch zwischen der Bildung der Eltern und der Schulwahl. Außerdem besuchen Kinder mit Migrationshintergrund seltener eine weiterführende Schule als Kinder mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Um dem Zusammenhang zwischen sozialem Status und Bildung entgegenzuwirken, braucht es ein integratives Bildungssystem, das auf die Stärken aller Kinder ausgerichtet ist. Ein hohes Bildungsniveau bringe ein niedrigeres Arbeitslosenrisiko mit sich, eine höhere Beschäftigungsstabilität und somit höhere Einkommenschancen, so Fenninger. Die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (VP) und Landesrat Johannes Rauch (Grüne) wollen weiter restriktiv gegen Notreisende vorgehen. Dornbirn – Wenn zwei eine Reise tun, dann können sie was erzählen. Und das taten die Dornbirner Bürgermeisterin Andrea Kaufmann (VP) und Grünen-Landesrat Johannes Rauch (Grüne) am Freitag. Sie hatten in Rumänien die Lebensbedingungen von in Vorarlberg bettelnden Romafamilien recherchiert. Von der FPÖ dringend via Landtagsanfrage dazu aufgefordert, berichteten sie nun über ihre Erkenntnisse. 19 Personen, die Sozialministerin, Bürgermeister, Polizisten, Mitarbeiter von Hilfsprojekten und einen Roma-Vertreter habe man getroffen. Fazit der schwarz-grünen Fact Finding Mission: Die Vorarlberger Regelungen wie Bettelverbote seien richtig, die Förderung von Bildungs- und Hilfsprojekten in Rumänien sei sinnvoll. Bestätigt sah man sich durch die rumänischen Gesprächspartner in der Notwendigkeit von Bettel- und Campingverboten. Einig sind sich Kaufmann und Rauch, dass es keine ganzjährigen Notschlafstellen in Vorarlberg geben wird und die Forderung nach temporärem Schulbesuch von Roma-Kindern rumänischen Integrationsbestrebungen widerspreche. Die Erkenntnisse aus dem Besuch sollen nun durch Vernetzungsprojekte vertieft werden. Vernetzen will man Kinder- und Jugendwohlfahrt, Hilfsprojekte und Sicherheitsorgane. Es werde gegenseitige Arbeitsbesuche und -treffen geben. Man könne sich auch gemeinsame Patrouillen von Vorarlberger und rumänischen Polizisten vorstellen. Die rechtlichen Grundlagen dafür seien gegeben, sagt Landesrat Rauch (Grüne). Anton Schäfer, Jurist und Mitbegründer der Plattform Armutsmigration: Rechtlich möglich sind gemeinsame Kontrollgänge, solange die ausländischen Polizisten nur als Übersetzer fungieren, die Hoheitsgewalt bei der österreichischen Polizei bleibt. Am Sinn doppelter Polizeieinsätze zweifelt Schäfer: Besser wäre es, in Streetwork zu investieren. Wenn die Politik von den Notreisenden so vehement die Einhaltung der Gesetze fordere, müsse sie das auch von österreichischen Behörden, sagt Schäfer und verweist auf rechtswidrige Verfolgung von Notreisenden. So wurden 22 Jugendliche unter 16 Jahren wider das Gesetz mit Ersatzfreiheitsstrafen bedroht. In einem Fall wollte man die Gefängnisstrafe sogar vollziehen. Eine weitere Unbill droht Notreisenden von der Politik. Der Verkauf der Straßenzeitung Marie durch Notreisende sei nicht erwünscht, sagen Kaufmann und Rauch. Sie habe den Verkauf in Dornbirn auch nur unter dem Aspekt genehmigt, dass Vorarlberger Langzeitarbeitslose beschäftigt würden, betont Kaufmann. Marie sei ein Projekt für alle Bedürftigen, erklärt Mitherausgeber Gernot Hämmerle. Das habe man auch so kommuniziert. 20 von 80 Kolporteuren seien Roma. Man schließe keine Bevölkerungsgruppe aus, sei aber auch kein Roma-Projekt, deshalb werde man keine weiteren Roma beschäftigen. Marie, die erste Vorarlberger Straßenzeitung, ist seit Ende 2015 auf dem Markt. Sie erscheint monatlich und wird von Menschen, die ohne Erwerbsarbeit sind, verkauft. Weil sich Marie so gut verkauft, werden auch mehrere andere Produkte von Straßenverkäufern angeboten. Der Verkauf anderer Zeitungen sei in Dornbirn nicht bewilligt und deshalb illegal, betont Bürgermeisterin Kaufmann. Die Bezirkshauptmannschaft droht bettelnden Kindern gesetzeswidrig mit Arrest wegen Verwaltungsstrafen. Dornbirn – Bereits zum zweiten Mal fordert die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn in Vorarlberg ein Kind zum Absitzen einer Ersatzfreiheitsstrafe auf. Weil der 15-Jährige eine Strafe von 55 Euro wegen eines Bagatelldelikts nicht bezahlen kann, soll er 66 Stunden absitzen. Kinder, die das 16. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, dürfen nicht für Verwaltungsstrafen eingesperrt werden, teilte der Rechtsanwalt Anton Schäfer der Behörde via Presseaussendung mit. Auch im Vorjahr, als ein 15-jähriges Mädchen eingesperrt werden sollte, machte Schäfer die Behörde auf den Fehler aufmerksam. Man entschuldigte sich. Gegen das Mädchen wurden laut Schäfer bisher 20 Androhungen ausgesprochen. Mittlerweile ist sie 16, die BH glaubt nun, man könne sie einsperren, vermutet Schäfer. Auch bei 16-Jährigen bedürfe es aber besonderer Gründe, um sie wegen ausstehender Verwaltungsstrafen ins Gefängnis zu stecken, sagt der Anwalt. Die besonderen Gründe definiert das Gesetz jedoch nicht genau. Die Begründung liegt im Ermessen der Behörde. Den Fall des 15-jährigen Buben bedauert Bezirkshauptmann Helgar Wurzer: Das ist sehr unangenehm und nicht in unserem Sinne. Seiner Behörde sei leider erneut ein Fehler passiert. Pro Jahr würden 70.000 Verfahren bearbeitet, dieser Brief sei einer Sekretärin durchgerutscht. Leider lasse sich elektronisch nicht herausfiltern, ob es sich bei den Angeschriebenen um Kinder handle. Man wolle nun zur Kontrolle das Vieraugenprinzip einführen. Beide Kinder sind Notreisende aus Rumänien. Schäfer befürchtet Absicht hinter der Vorgangsweise der Behörde und fragt: Ist es ein Zufall, dass beide Kinder, die eingesperrt werden sollen, der Minderheit der Volksgruppe der Roma angehören? Er verweist auf zwei weitere Fälle in Bludenz. Dort erhielt eine 14-Jährige im Jänner zwei Androhungen von Ersatzfreiheitsstrafen. Die Bettelverbotszone wird auf die gesamte Innenstadt ausgeweitet. Zudem engagiert die Stadt einen privaten Wachdienst, der die Bettler vertreiben soll. Salzburg – SPÖ, ÖVP und FPÖ wollen die Bettler und Bettlerinnen aus Salzburg vertreiben. Am Mittwoch wird der Gemeinderat die Ausweitung der Bettelverbotszonen auf de facto den gesamten Innenstadtbereich abnicken. Im Stadtsenat wurde die Verschärfung bereits am Montag beschlossen. Basis der Maßnahme ist das Landessicherheitsgesetz. Dieses ermächtigt die Kommunen, mittels Durchführungsverordnung Zonen auszuweisen, in denen auch das stille Betteln verboten ist. Aggressives Betteln oder das Betteln mit Kindern ist ohnehin untersagt. Das Bettelverbot an allen lukrativen Plätzen ist freilich nicht die einzige Maßnahme, mit der SPÖ, ÖVP und FPÖ die Notreisenden aus der Stadt verbannen wollen. Laut Amtsbericht soll ein privater Sicherheitsdienst engagiert werden, der die Menschen aus ihren notdürftigen Lagern unter einigen Brücken verjagen soll. Rund 55.000 Euro von Juni bis zum Jahresende: Auf ein Jahr gerechnet, kostet der Wachdienst die Kommune knapp 110.000 Euro. Zum Vergleich: Für die soziale Betreuung der Armutsmigranten sind 37.000 Euro pro Jahr vorgesehen. Politisch treibende Kraft der restriktiven Maßnahmen ist Vizebürgermeister Harald Preuner (ÖVP). Er argumentiert vor allem mit Beschwerden der Geschäftsleute, die sich gestört fühlen. Wobei gar nicht klar ist, wie viele Menschen in Salzburg mit dem Pappbecher vor sich auf der Straße sitzen. Nach den von Preuner veröffentlichten Zahlen dürften es zwischen 80 und 90 sein. Knapp 50 weitere Bettler werden in der Zählung als Transitbettler ausgewiesen. Neos und Bürgerliste wenden sich gegen die neuen Sperrzonen. Bürgerlistenklubobmann Helmut Hüttinger glaubt, dass diese einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten würden. Der Verfassungsgerichtshof habe ja Betteln als anerkanntes Grundrecht definiert. Die insgesamt 26 Bettler in der linken Altstadt und im Kaiviertel stellten keinen derartigen Missstand dar, dass die Ausweitung der Zonen gerechtfertigt sei, argumentiert Hüttinger. Die Neos wiederum bezweifeln die von Preuner vorgelegten Zahlen. Diese seien frisiert worden, um die Law-and-Order-Politik durchzuboxen. Durch die Restriktionen würde nur eine Verdrängung erfolgen. Ähnlich argumentiert auch die Caritas. Aufgrund der riesigen Notlage in den Herkunftsregionen – die meisten Bettler in Salzburg sind Roma aus Rumänien – werde man noch auf Jahrzehnte mit bettelnden Menschen konfrontiert sein, sagt Caritas-Direktor Johannes Dines. Der Salzburger Caritas-Chef fordert eine Arbeitsgruppe aus Politik, Verwaltung, Polizei und NGOs, die soziale Lösungen erarbeiten solle, um ein gedeihliches Zusammenleben im öffentlichen Raum zu ermöglichen. Für die Betroffenen selbst ist Salzburg jedenfalls schon jetzt ein hartes Pflaster. Vergangenes Jahr habe es 47 Anzeigen wegen Missachtung der schon jetzt bestehenden Bettelverbote gegeben, berichtet Alina Kugler vom RomaVerein Phurdo. Insgesamt seien von den Bettelnden 4700 Euro gefordert worden. Die Strafen seien freilich meist in Ersatzfreiheitsstrafen umgewandelt worden, weil die Menschen naturgemäß nicht zahlen könnten. Kugler berichtet aber auch von massiven Übergriffen. Unter anderem würden auch regelmäßig Hunde auf die Bettler gehetzt werden. Die derart Attackierten würden aus Angst aber immer vor einer Anzeige bei der Polizei zurückschrecken. Nur 14,1 Prozent von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht. Anteil bei Städtern in Österreich dagegen mit 28,3 Prozent am vierthöchsten. Brüssel/Wien – Wer auf dem Land lebt, hat es gut: Nur jeder siebente Bewohner von Österreichs ländlichen Gebieten ist von Armut bedroht – das ist EU-weit der niedrigste Wert. Dieser statistische Befund kontrastiert scharf mit der Beobachtung der beiden letzten Wahlgänge, dass gerade Personen, die sich besonders von der gesellschaftlichen Entwicklung bedroht sehen, freiheitlich wählen. Tatsächlich sind die wenig armutsgefährdeten Landstriche auch jene, in denen zuletzt FPÖ-Kandidat Norbert Hofer große Mehrheiten einfahren konnte – gleichzeitig besagt die in der Vorwoche veröffentlichte Wahlforschung von Fritz Plasser und Franz Sommer, dass mangelndes Vertrauen in die Politik sowie soziale und finanzielle Abstiegsängste die Wahlentscheidung bei der Bundespräsidenten-Stichwahl geprägt haben. Gerade die relativ erfolgreiche Regionalpolitik – das Regionalmanagement sowie diverse Förderungsprogramme greifen vor allem in als strukturschwach geltenden Gebieten – dürfte aber für das gute Abschneiden des ländlichen Raumes verantwortlich sein. Eine am Montag von der europäischen Statistikagentur Eurostat veröffentliche Untersuchung besagt: Nirgendwo in der Europäischen Union sind der ländliche Raum und seine Bewohner so wenig von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht wie gerade in Österreich. Mit 14,1 Prozent weist die Landbevölkerung der Alpenrepublik den geringsten Anteil auf. Der EU-Durchschnitt liegt hier bei 27,1 Prozent, Spitzenreiter ist Bulgarien mit 51,4 Prozent. Überhaupt ist in Österreich das Verhältnis von Stadt und Land anders als im EU-Schnitt: Hierzulande ist die soziale Sicherheit auf dem Land höher ausgeprägt als in den Städten – EU-weit dominiert das gegenteilige Muster. Anders als im EU-Ausland sind Städter in Österreich mit 28,3 Prozent weit mehr von Armut bedroht. Das ist der vierthöchste Anteil in diesem Bereich in der EU, wo der Durchschnitt bei 24,4 Prozent liegt. Höhere Quoten als Österreich weist nur die Stadtbevölkerung in Griechenland (34,1 Prozent), Bulgarien (30,0 Prozent) und Belgien (28,6 Prozent) auf. Am geringsten sind Städter in Tschechien von Armut bedroht (13,9 Prozent). Bei kleineren Städten und Vororten ist Österreich mit einer Quote von 16,9 Prozent nur in vergleichsweise geringem Ausmaß von Armut bedroht. Noch niedrigere und damit bessere Werte weisen nur Dänemark (14,5 Prozent), Tschechien und Schweden (je 15,4 Prozent) auf. Griechenland liegt am anderen Ende mit 32,9 Prozent in diesem Bereich am höchsten. Der EU-Durchschnitt beträgt 22,2 Prozent. Eurostat hat festgestellt, dass es einen engen Zusammenhang zwischen der Armutsgefährdung und der Beschäftigung gibt. Die Daten korrelieren mit jenen der Beschäftigungsquote in Städten, kleineren Städten/Vororten sowie ländlichen Gebieten. Österreich liegt bei der Beschäftigungsrate in ländlichen Gebieten mit 77,6 Prozent an vierter Stelle und damit deutlich über dem EU-Durchschnitt von 69,8 Prozent. Besser liegen Schweden (81,9 Prozent), die Niederlande (79,6 Prozent) und Großbritannien (79,4 Prozent). Schlusslicht bei der Beschäftigungsquote auf dem Land ist Bulgarien mit 56,7 Prozent. In den Städten kommt Österreich dagegen nur auf 68,9 Prozent Beschäftigungsquote der 20- bis 64-Jährigen und damit auf Rang 18. Der EU-Durchschnitt ist mit 70,0 Prozent höher. Am höchsten liegt der Wert mit 79,8 Prozent in Schweden, am niedrigsten mit 53,0 Prozent in Griechenland. In kleineren Städten und Vororten weist Österreich eine Beschäftigungsrate von 75,3 Prozent auf und liegt damit über dem EU-Durchschnitt von 70,2 Prozent. Wiederum liegt Schweden mit 80,1 Prozent vorn, und Griechenland ist hier mit 54,5 Prozent Letzter. Anwältin von Rechtshilfefonds bezahlt – Beschwerde könnte bis zum Verfassungsgericht gehen. Salzburg – Seit einem Monat gilt das sektorale Bettelverbot in Teilen der Salzburger Altstadt, nun wird die Plattform für Menschenrechte einen ersten Einspruch gegen eine Strafe einlegen. In der Vorwoche gab es vier Verwaltungsstrafen gegen Bettler, die in der Verbotszone Passanten um Geld baten. Eine Bettlerin wandte sich an den Rechtshilfefonds der Plattform und wird nun von Anwältin Fatma Özdemir vertreten. Die Frau habe in der Vorwoche in der Getreidegasse gebettelt und eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von hundert Euro bekommen, sagt Özdemir im Gespräch mit dem STANDARD. Bis Freitag werde nun ein Einspruch gegen die Strafe eingelegt. Die Landespolizeidirektion habe dann die Möglichkeit, die Strafe aufzuheben – wenn nicht, dann gebe es eine Straferkenntnis. Gegen diese werde dann eine Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht eingereicht, kündigt Özdemir an. Danach stehe der Rechtsweg zu höheren Gerichten offen. Die Anwaltskosten werden bezahlt vom Rechtshilfefonds für Armutsmigranten, der vor rund einem Monat eingerichtet wurde. Das Geld kommt von privaten Spendern. Zielsetzung des Fonds sei es, zum einem die Betroffenen, die nicht wissen, wie sie die Strafe bezahlen sollen, zu unterstützen, sagt Josef Mautner von der Plattform für Menschenrechte. Die zweite Intention ist, letztendlich eine Feststellung zu erreichen, dass das Bettelverbot rechtswidrig ist. Als nächsten Schritt müsse man abwarten, wie das Landesverwaltungsgericht auf die Beschwerde reagiere und ob letztendlich der Verfassungsgerichtshof mit der Causa befasst werde, sagt Mautner. Wird die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof herangetragen, dann könnte dieser klären, ob die sektoralen Bettelverbote überhaupt zulässig sind. Im Sommer 2012 kippte der Verfassungsgerichtshof bereits generelle Bettelverbote, die auch das stille Betteln umfassten. Das sektorale Bettelverbot in der Salzburger Innenstadt wurde mit den Stimmen der SPÖ, ÖVP, FPÖ und der Liste Bürger für Salzburg im Gemeinderat beschlossen und gilt seit 2. Juni. Bei mehrmaligem Verstoß gegen die Verordnung blüht eine Verwaltungsstrafe von bis zu 500 Euro. Alle Religionen haben ihre hohen Feiertage – zu Weihnachten stellen wir einige vor. Und wo sie zu finden sind.. Fährt man durch Österreich, wundert man sich manchmal: schon wieder ein Hotel Post? Die Verwunderung ist nicht verwunderlich: Die Analyse von über 4000 Hotelnamen auf einem beliebten Buchungsportal zeigt, dass sich einige Namen öfter wiederholen als andere. Die Zusatzbezeichnungen Hotel, Garni, Gasthof kommen natürlich bei relativ vielen Unterkünften vor. Aber dann geht es schon zur Sache: Der Standard hat 78 Post- und 70 Sport-Hotels gefunden. Spitzenreiter ist freilich das Landhotel mit 83 Nennungen. Jede Henne legt in ihrem Leben etwa 320 Eier bis sie zum Schlachthof kommt. Wie sieht ihr Lebensweg bis dahin aus?. Vom Küken zum Suppenhennen-Schlachthof in 20 Monaten – das ist das Los von 6,2 Millionen Hennen in Österreich. Davor durchlaufen die Legehennen vier Stationen: Selbst noch Ei kommen die künftigen Legehennen für etwa 20 Tage in einen Brutkasten. Nach dem Schlüpfen wird aussortiert: Junghennen kommen weiter in die Aufzucht, Junghähne werden mit Kohlendioxid (CO2) getötet. Sie legen keine Eier und wären in der Aufzucht um ein Vielfaches teurer, weil sie Futter schlechter in Fleisch umwandeln. Die Eintagsküken werden stattdessen als Futter für Greifvögel oder in Zoos verwendet. Bis dato ist nur bei Eiern mit Bio-Label davon auszugehen, dass auch männliche Küken großgezogen werden. Das betrifft jedes zehnte Ei in Österreich. Forscher an der Universität Leipzig arbeiten an einer Lösung, um das Geschlecht frühzeitig zu erkennen. Ein Laserstrahl schneidet dabei ein kleines Loch in die Schale. Unter dem Mikroskop wird dann automatisiert anhand der Blutzellen das Geschlecht bestimmt. Danach wird das Ei verschlossen und bebrütet bis das Küken schlüpft oder aussortiert und als Eiprodukt in der Lebemittelerzeugung. Es wird noch drei bis fünf Jahre dauern bis das Verfahren praxistauglich ist, schätzt Michael Wurzer, Geschäftsführer der Zentralen Arbeitsgemeinschaft der österreichischen Geflügelwirtschaft. Dann sollen männliche Eier nicht mehr ausgebrütet werden. 2. Die Junghennen-Aufzucht 137 Betriebe ziehen innerhalb von vier bis fünf Monaten die Junghennen auf. Danach sind sie in einem Alter, in dem sie beginnen Eier zu legen. 3. Die Eierproduktion Die längste Phase im Leben einer Henne. Innerhalb von 15 Monaten legt jede Henne etwa 320 Eier. Die Osterzeit selbst ist aber nicht jener Zeitraum, in dem in Österreich die meisten Eier verbraucht werden. Die Saison beginnt im Herbst und erreicht dann in der Vorweihnachtszeit ihren Höhepunkt, weil in vielen Haushalten gebacken wird. Bis zum Osterfest bleibt der Konsum hoch, fällt danach aber deutlich ab. Wie viele Eier eine Henne legt unterscheidet sich nicht nach Art der Haltung. Ob in Bodenhaltung, Freilandhaltung oder biologischer Haltung – es bleibt bei 320 Eiern. Differenzen gibt es in den Inhaltsstoffen, beispielsweise beim Gehalt an Omega-3-Fettsäuren. Je älter eine Henne ist, desto größer das Ei. Nach den 15 Monaten wird die Schale dünner und brüchiger, deutlich weniger Eier können verkauft werden. Dann erreicht die Legehenne die letzte Station ihres Lebensweges. 4. Der Schlachthof Nach etwa 20 Monaten werden die Legehennen zu Suppenhühnern verarbeitet. (Gerald Gartner, 26.03.2016) Grafik: Magdalena Rawicka. Leichter Geburtenüberschuss und hohes Plus im Wanderungssaldo führten zu neuem Höchststand. Wien – Die Zahl der am 1. Jänner 2015 in Österreich lebenden Menschen ist gegenüber dem Vorjahr um 77.140 oder 0,91 Prozent auf 8.584.926 gestiegen. Verantwortlich dafür sind eine erstmals seit 2011 wieder positive Geburtenbilanz – 81.722 Geborene bei 78.252 Verstorbenen –, vor allem aber die Zuwanderung aus dem Ausland: 170.115 Zuzügen standen 97.791 Wegzüge gegenüber. Das geht aus den endgültigen Jahresergebnissen hervor, die die Statistik Austria am Donnerstag bekanntgab. 2013 war die Einwohnerzahl noch um lediglich 55.926 oder 0,66 Prozent gewachsen. Hingegen stieg auch im ersten Quartal 2015 die Bevölkerung noch stark weiter an: Bis 1. April erreichte sie nach vorläufigen Ergebnissen die bisherige Rekordmarke von 8.602.112 Menschen. Der Wachstumsschub zeigt regional deutliche Unterschiede. In den schon bisher dicht besiedelten Gebieten von den inneralpinen Tälern Westösterreichs über Salzburg und entlang der Westbahnstrecke bis Wien sowie zwischen Graz und der Bundeshauptstadt lag der Zuwachs zum Teil über einem Prozent. In den peripheren Regionen des nördlichen und südlichen Niederösterreich, zwischen Osttirol, Oberkärnten und der Obersteiermark hingegen sank die Bevölkerungszahl sogar. Das am stärksten gewachsene Bundesland ist Wien (plus 1,73 Prozent) vor Tirol (plus 0,94 Prozent), dahinter rangieren Vorarlberg (plus 0,88 Prozent), Oberösterreich (plus 0,83 Prozent), Salzburg (plus 0,81 Prozent), Niederösterreich (plus 0,69 Prozent) und die Steiermark (plus 0,52 Prozent). Die relativ niedrigsten Zuwächse verzeichneten das Burgenland (plus 0,33 Prozent) und Kärnten (plus 0,32 Prozent). Vor allem die größeren Städte wuchsen weiter, neben Wien lag der Anstieg auch in Innsbruck (plus 1,92 Prozent) und Linz (plus 1,86 Prozent) bei rund dem doppelten Wert des restlichen Österreich. Auch Graz (plus 1,56 Pozent), Eisenstadt (plus 1,33 Prozent), Klagenfurt (plus 1,28 Prozent), Salzburg (plus 1,22 Prozent Prozent) und Sankt Pölten (plus 1,15 Prozent) lagen über dem Bundesschnitt. Darüber hinaus verzeichneten vor allem die Umlandbezirke der Landeshauptstädte hohe Bevölkerungsgewinne. An den Zuwächsen durch den Wanderungssaldo waren vor allem die ausländischen Staatsbürger verantwortlich. Von den Österreichern verließen 5.419 mehr Menschen das Land, als wieder zurückkamen. Der Saldo der nichtösterreichischen Staatsangehörigen war dagegen positiv und belief sich im Vorjahr auf 77.743 Personen. 62 Prozent des 2014 erzielten Wanderungsplus bei Nichtösterreichern entfielen auf EU-Bürger. Die Rumänen waren mit etwa einem Viertel davon (plus 12.710 Personen) die größte Gruppe, dahinter folgen Ungarn (plus 7.798 Personen), Deutsche (plus 5.562 Personen), Kroaten (plus 4.022 Personen) und Polen (plus 3.494 Personen). Das Wanderungssaldo bei Nicht-EU-Bürgern setzt sich vor allem aus Syrern (plus 7.129 Personen), Afghanen (plus 2.709 Personen), Bosniern (plus 3.494 Personen), Serben (plus 2.543 Personen) und Kosovaren (plus 1.375 Personen) zusammen. Insgesamt lebten am 1. Jänner 1.146.078 Menschen mit ausländischer Staatsangehörigkeit in Österreich, das ist ein Anteil von rund 13,3 Prozent an der Gesamtbevölkerung. 241.231 Personen waren Bürger der 14 alten EU-Staaten, also der vor 2004 beigetretenen Mitglieder. Von diesen Personen waren mehr als 70 Prozent Deutsche, damit bilden die Bürger des nordwestlichen Nachbarn die größte Ausländergruppe in Österreich. Weitere 329.067 Personen stammten aus einem der 13 seit 2004 der EU beigetretenen Länder, dabei handelt es sich vorrangig um Rumänen, Kroaten, Ungarn und Polen. 8.865 Personen waren Angehörige sonstiger EWR-Staaten, der Schweiz oder mit EU-Staaten assoziierter Kleinstaaten, die übrigen 566.915 Personen waren Drittstaatsangehörige. Rund 35 Prozent des Wanderungssaldos entfiel 2014 auf Wien (plus 25.669 Personen), ebenfalls bei internationalen Zuwanderern beliebte Ziele waren Oberösterreich (plus 12.314 Personen), Niederösterreich (+10.214) und die Steiermark (+7.549 Personen) Trotz der Zuwanderung wird Österreich stetig älter. Weil die Zahl der unter 20-Jährigen (minus 2.017 Personen) sank, während gleichzeitig jene der 20- bis 64-Jährigen (plus 51.887 Personen) und der über 64-Jährigen (plus 51.887 Personen) stieg, erhöhte sich das Durchschnittsalter auf 42,3 Jahre. Das sind 0,1 Jahre mehr als 2013 und sogar zwei Jahre mehr als noch vor zehn Jahren. 1.403 Menschen (242 Männer und 1.161 Frauen) mit Wohnsitz in Österreich waren zu Jahresbeginn mindestens 100 Jahre alt – 32 Personen mehr als 2013 waren im Vorjahr Mitglied dieses elitären Klubs. Die Statistik Austria prognostiziert ein Wachstum um 60.000 Menschen pro Jahr durch Migration. Bei anhaltendem Asylwerberzustrom würde Österreichs Bevölkerung jährlich sogar um 100.000 Personen wachsen. Wien – Die Bevölkerung in Österreich wächst. Und das schneller als noch vor einem Jahr angenommen. Wegen der Zuwanderung des vergangenen Jahres musste die Statistik Austria die Prognosen aus dem Vorjahr anpassen. Wir müssen nun eine höhere Zuwanderung annehmen, sagt Generaldirektor Konrad Pensendorfer. Schon in sechs Jahren – 2022 – wird die Zahl der in Österreich lebenden Menschen die Neun-Millionen-Marke überschreiten, sagt Pesendorfer. Bis 2060 soll die Bevölkerung in Österreich sogar auf einen Stand von 9,7 Millionen Menschen wachsen – ein Plus von 14 Prozent im Vergleich zu 2014. Die Geburtenbilanz, die Geburtenrate und Sterberate gegenüberstellt, führt jedoch nicht zu dem Wachstum. Zwar wird es zunächst noch ein leichtes Plus geben, also mehr Geburten als Sterbefälle – ab 2030 soll sich dieses in ein Minus verwandeln. Migration gleicht dies aber nicht nur aus, sondern sorgt sogar für Bevölkerungszuwächse. Würden wir die ganze Zuwanderung ausblenden, dann würde die Bevölkerung schrumpfen, sagt Pesendorfer, und zwar auf 7,3 Millionen Menschen bis 2060. Durch die Migration wächst Österreich jedoch in den kommenden fünf Jahren um 60.000 Menschen pro Jahr. Sind im Ausgangsjahr 2014 von den 8,5 Millionen Menschen noch 16,9 Prozent im Ausland geboren, sollen es bis 2060 25,8 Prozent werden. Die statistisch älteste Gruppe, jene der über 65-Jährigen, wird von 18,4 Prozent im Jahr 2014 auf 28,8 Prozent der Gesamtbevölkerung 2060 wachsen. Eine Abnahme ist nur bei den 20- bis 64-Jährigen zu spüren. Statt 57,3 werden sie zum Ende des Berechnungszeitraums nur noch 52,6 Prozent ausmachen. Die Bevölkerung ist durch Alterung gekennzeichnet, sagt Pesendorfer. Durch Migration, bei der vor allem Menschen im Erwerbsalter kommen, würde sich das Problem der Finanzierung des Sozialsystems aber nach hinten verschieben: Das Erwerbspotenzial wird bis 2021 anwachsen und erst dann bis 2030 zurück auf den heutigen Stand sinken. Erstmals hat die Statistik Austria ihrer Prognose auch eine eigene Asylvariante beigelegt. Angesichts der aktuellen Entwicklungen habe man diese mit einer Zuwanderung von 98.000 Personen jährlich bis 2020 angenommen. Dabei würden wir schon 2019 die neun Millionen erreichen, sagt Pesendorfer. Zudem würde noch innerhalb der Berechnungszeit die Zehn-Millionen-Hürde geknackt werden: 2060 würden 10,12 Millionen Menschen in Österreich leben – 26,3 Prozent wären nicht in Österreich geboren. 2013 hatten 1048 von insgesamt 2353 Gemeinden ein negatives Ergebnis im ordentlichen Haushalt. Das bedeutet konkret: Sie hatten weniger regelmäßige Einnahmen als planbare Ausgaben. Die Karte zeigt für jeden Bezirk den prozentuellen Anteil dieser sogenannten Abgangsgemeinden. Das Land mit den meisten Abgangsgemeinden ist Kärnten mit einem Anteil von 60 Prozent. Die wenigsten finden sich im als sparsam bekannten Vorarlberg. Das Wirtschaftsgebaren der Gemeinden ist nicht der einzige Grund für die Unterschiede: Der Verantwortungsbereich der Gemeinden ist je nach Bundesland anders, auch Transferzahlungen der Bundesländer, die strukturelle Unterschiede ausgleichen, sind nicht einberechnet. Berücksichtigt man sie, schreiben in Kärnten nach Angabe des Landes nur vier Gemeinden roten Zahlen. Über 8500-mal bezweifelten 2014 Gläubiger die Zahlungsfähigkeit ihrer Schuldner und stellten einen Antrag auf Konkurseröffnung bei einem zuständigen Landesgericht. Am häufigsten wurde in Wien ein Verfahren beantragt. Das Handelsgericht Wien hat letztes Jahr 2588 Anträge oder 14,6 Anträge pro 10.000 Einwohner erhalten. Anteilsmäßig folgten die Landesgerichte Klagenfurt und Wiener Neustadt. Das Landesgericht in Krems an der Donau hatte mit 71 Anträgen am seltensten mit Konkurseröffnungsverfahren zu tun. Aber längst nicht alle Eröffnungsverfahren führen zum Konkurs. 2014 wurden in Österreich 3043 Konkurs- und 425 Sanierungsverfahren durchgeführt. Die Anzahl der Anträge auf Konkurseröffnung ist im Vergleich zum Vorjahr übrigens auch leicht gesunken. 540 Katzenzüchter fand der STANDARD auf vier österreichischen Online-Portalen.. Viele bezeichnen sich als Hobbyzüchter. 60 haben sich zum Verband für die Zucht und Haltung von Edelkatzen zusammengeschlossen. Die bei Züchtern beliebteste Rasse scheint Maine Coon zu sein, immerhin 170 widmen sich ihrem Fortbestand. Auch Britisch Kurzhaar (95), und Perser (40) werden oft erwähnt. Der Bezirk mit den meisten Katzenzüchtern ist Baden in Niederösterreich. Zieht man dagegen das Verhältnis zur Bevölkerung zum Vergleich heran, führt der achte Bezirk in Wien mit 20 Züchtern pro 100.000 Einwohner. In der Länderwertung führen Niederösterreich mit 9,8 Züchtern und das Burgenland mit 8,7 Züchtern pro 100.000 Einwohner. Wien stellt mit 2,2 vor Vorarlberg und Salzburg das Schlusslicht. Sollte einem die Hitze zu viel werden, empfiehlt sich der Besuch eines Luft- oder Klimakurortes. Diese dürfen neben anderen Kriterien maximal 25 Tage mit Wärmebelastung, die aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit berechnet wird, aufweisen.. Was sich Kurort nennen darf, ist in Österreich in Landesgesetzen geregelt. Sollte ein Ort klimatisch wenig gesegnet sein, hilft das Entdecken eines natürlichen Heilvorkommens weiter. Dabei kann es sich um Quellen mit bestimmten Eigenschaften oder um Moore handeln Der Österreichische Heilbäder- und Kurorteverband nennt 110 Orte, an denen heilende Gewässer oder Moore zu finden sind. Trüber schaut es mit Luftkurorten aus: Nur 43 Orte in Österreich weisen die richtigen klimatischen Bedingungen auf. Ganze neun Orte schaffen beides. In Österreich waren Mitte 2014 etwa 325.000 Hunde von 285.000 Hundehaltern gemeldet.. Durchschnittlich kommen 38 Hunde auf 1000 Einwohner. Geografisch sind sie höchst unterschiedlich verteilt: In Niederösterreich und dem Burgenland kommen 67 beziehungsweise 58 Hunde auf 1000 Einwohner, in Vorarlberg und Wien nur 19 beziehungsweise 24. Im Rekordbezirk Hollabrunn kommt sogar ein Hund auf zehn Einwohner. Dort ist auch der Anteil der Hundebesitzer an der Bevölkerung am höchsten: Acht Prozent sind Herrchen oder Frauchen. Die wenigsten Hunde findet man in Wien-Ottakring mit zwölf Hunden pro 1000 Einwohner. Auf Herrl und Frauerl gerechnet gibt es im neunten Wiener Bezirk die meisten Hunde: 1,4 Hunde pro Halter sind dort gemeldet – in Rust nur ein Hund pro Halter. Genauerer Blick nach Wien Wien wächst. Das merkt man nicht nur an der Einwohnerzahl, sondern auch an der Anzahl der in der Stadt registrierten Hunde. Im Jahr 2014 waren es 61.861, über 5000 mehr als noch im Jahr zuvor. Rasse oder Mischling? Züchter oder Tierschutz? Welcher Hundetyp sind Sie? DER STANDARD hat sich bei Wienern umgehört, wie sie auf den Hund gekommen sind. Bregenzerwälder Pfarrer will syrische Flüchtlinge vor Abschiebung schützen. Bregenz – Die Initiative Wir sind Asyl hat den Schutz für syrische Flüchtlinge in Alberschwende ausgeweitet. Hatte die kleine Bregenzerwälder Kommune schon vor Wochen die jungen Männer, denen nach Dublin-Abkommen die Überstellung nach Ungarn droht, unter Gemeindeasyl gestellt, erweiterte nun die Pfarre den Schutz. Pfarrer Peter Mathei gewährt Kirchenasyl. Die fünf Männer leben nun in einem Haus der Pfarre, sagt Mathei. Die Unterstützung der Flüchtlinge ist für den katholischen Priester eine Selbstverständlichkeit: Ich bin kein politischer Mensch und betreibe hier nicht große Asylpolitik. Es ist ein Dienst an Freunden, ich handle ganz einfach nach meinem Gewissen. Als zu Jahresbeginn dringend Plätze für Flüchtlinge gesucht wurden, habe man in Alberschwende die neuen Mitbewohner herzlich aufgenommen. Das Dorf ist ihnen zur kleinen Heimat geworden. Die fünf Syrer sind aus dem Flüchtlingshaus der Caritas umgezogen. Ganz legal, betont der Pfarrer. Ich habe Meldezettel auf der Gemeinde ausgefüllt, bin quasi der Vermieter. Mathei appelliert an die Behörden, das Engagement der Bürgerinnen und Bürger nicht von oben zu brechen. Nachsatz: Das wäre eine große Enttäuschung für die engagierten Menschen. Pfarrer Mathei hofft, dass die ganze Sache in drei Wochen ausgestanden ist, dann läuft die Frist für die Abschiebung aus und die Männer bekommen dann hier ihr Asylverfahren. Notquartier in Messehalle Vorarlberg müsste aktuell weitere 124 Flüchtlinge aufnehmen, um die Quote zu erfüllen. Weil man nicht genügend Plätze findet, werden nun 80 Menschen in einer Halle der Messe Dornbirn untergebracht. Vorübergehend, heißt es aus dem Landhaus. Ein neues Ultimatum, neue Zelte und alte Streitpartner: Die Misere um Asylplätze spitzt sich zu. Der EU-Kommissar für Migration meint, dass Lösungen schon vor zwei Jahren verabsäumt worden seien. Wien/Lissabon – Im Zuge der Misere um Unterkünfte für Asylwerber in Österreich gibt es wieder einmal einen Stichtag, mit dem Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) die Bundesländer zur Schaffung von weiteren Plätzen animieren will: 19. Juni. Wenn es mit diesem Termin nicht klappt, werde sie per Verordnung die Öffnung von Kasernen – und damit in Gemeinden ungeliebte Massenquartiere – veranlassen, kündigte Mikl-Leiter an. Wie berichtet, hat Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) mehrere leerstehende Kasernen als Quartiere angeboten. Er bekräftigte, binnen weniger Tage 800 Plätze in Kasernen zur Verfügung stellen zu können und zusätzlich 2000 in Wohncontainern auf Kasernengeländen. Darüber hinaus sieht sich die Innenministerin aufgrund der Fülle von Asylansuchen (mehr als 6000 allein im Mai) dazu gezwungen, Flüchtlinge verstärkt in Staaten zurückzuschicken, wo diese zuerst EU-Land betreten haben. Das betrifft laut Ministerium etwa 25 Prozent aller Asylwerber. Ob damit das Problem nur verschoben werde, wollte Aenean Dimitris Avramopoulos, EU-Kommissar für Inneres und Migration. Am Donnerstag am Rande einer Pressekonferenz in Lissabon nicht kommentieren. Derzeit liege es noch in der Verantwortung der Mitgliedsstaaten, wie diese mit Flüchtlingen umgehen. Allerdings ist er überzeugt davon, dass viele Probleme nicht entstanden wären, wenn sich die EU-Staaten schon vor zwei Jahren auf einen Aufteilungsschlüssel geeinigt hätten. Wie berichtet, wird diese Variante gerade diskutiert. Österreich wehrt sich gegen einen zu hohen Anteil. Im Zuge der Vorstellung des Europäischen Drogenberichts betonte Avramopoulos, dass es einen Konnex zwischen Schleppern und Drogenschmugglern gebe. Die Route über Afrika gewinne an Bedeutung. In Traiskirchen in Niederösterreich, wo das Innenministerium zur Entlastung des überfüllten Erstaufnahmezentrums unmittelbar daneben ein neues Zeltlager errichtet hat, gehen die politischen Wogen hoch. Der Traiskirchner Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ) will dagegen rechtliche Schritte unternehmen. Von den rund 2650 unter 18-jährigen Asylwerbern in Österreich werde die Mehrheit völlig unzureichend betreut, kritisieren Experten. 1400 Kinder und Jugendliche würden nur verwahrt, ohne Lösungsperspektive. Wien – Katharina Glawischnig, Expertin für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (UMF) bei der österreichischen Asylkoordination stellt die Lage klar dar: Insgesamt leben derzeit rund 2650 Asylwerber im Land, die jünger als 18 Jahre sind - oder bei denen ein Feststellungsverfahren läuft, ob sie noch minder- oder schon volljährig sind. Für sie alle in absehbarer Zeit kinder- und jugendgerechte Betreuung zu organisieren sei unter den herrschenden Bedingungen unrealistisch: Für die unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge in Österreich ist keine Lösung in Sicht. Denn nur 1250 dieser Minderjährigen – großteils Buben und Burschen aus Syrien, Afghanistan und Somalia – hatten das Glück, in Heimen oder Jugend-WGs unterzukommen, die ihren Bedürfnissen einigermaßen gerecht werden, mit Betreuungsstandards, die dem bundesweit geltenden Kinder- und Jugendhilfegesetz und den jeweiligen Länderbestimmungen entsprechen. Für weitere 1400 gab es keine solchen Plätze. Glawischnig: Sie befinden sich in Bundesbetreuung, viele von ihnen im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. Im Innenministerium bestätigt ein Sprecher die genannten Kinderflüchtlingszahlen. Damit, so Glawischnig, sei eine Situation erreicht, in der die Mehrheit alleinstehender unter 18-jähriger Flüchtlinge in Österreich völlig unzureichend betreut würde. Im überfüllten Lager Traiskirchen etwa gebe es zu wenig dafür ausgebildetes Personal und nur ein sehr beschränktes Deutschkursangebot. Tatsächlich gestalten sich die in den Bundesländern laufenden Bemühungen, neue Quartiere für die Jugendlichen zu eröffnen, zäh. In Niederösterreich, wo diesbezüglich ein Schwerpunkt gesetzt wird, will man bis Sommer gerade einmal 60 Burschen in Landes-Jugendheimen unterbringen. Weitere Projekte sind in Vorbereitung, aber noch nicht fix. Schuld daran sei die schwierige Suche nach geeigneten und leistbaren Häusern oder Wohnungen, heißt es vonseiten der Träger: Caritas, Diakonie und andere. Mit dem Tagsatz von 77 Euro, der pro unter 18-jährigem Asylwerber ausgeschüttet wird, sei eine adäquate Betreuung nicht zu finanzieren. Mindestens 20 Prozent der Kosten müssten durch Spendengelder aufgebracht werden, heißt es bei der Caritas – eine rasche Erhöhung der Tagsätze tue not. Für kommenden Montag hat ein Zusammenschluss von 30 Flüchtlingshilfs- und Kinderrechtsgruppen eine Demonstration vor dem Innenministerium angekündigt. Auch Marianne Engelmann vom Verein Fluchtweg wird daran teilnehmen – obwohl sie einem Konzept folgt, das mit dem gebotenen 77-Euro-Tagsatz auskommen möchte. Es gehe darum, den jungen Flüchtlingen eine möglichst familiäre Umgebung zu bieten, sagt sie. Daher würden in ihren Georg-Danzer-Häusern – benannt nach dem verstorbenen Liedermacher – zwei sozialpädagogisch ausgebildete Betreuer fix mit den bis zu zwölf Jugendlichen im Haus wohnen. Auf diese Art sei eine 24-Stunden-Betreuung möglich, ohne teure Sonntags- und Nachtzuschläge bezahlen zu müssen. Die Arbeitszeit des restlichen Personals beschränke sich auf die üblichen Stunden. In Wien betreibt Engelmann ihr erstes Danzer-Haus, in Niederösterreich ist sie mit den Behörden wegen drei weiteren Häusern im Gespräch - auch wenn Kritiker arbeitsrechtliche Bedenken äußern. Einer von Engelmanns Schützlingen hat indes ein privates Hilfsangebot erhalten. Husam M., 15-jähriger Syrer, dem IS-Leute öffentlich drei Finger amputiert hatten, wurde vom Teefirmeninhaber Andrew Demmer kontaktiert. Demmer will ihm, wenn möglich, eine Prothese finanzieren. Husam M. war im Rahmen der STANDARD-Serie Menschen auf der Flucht porträtiert worden. (Irene Brickner, 10.6.2015) Nachdem er die Unterbringung von Flüchtlingen zur Chefsache gemacht hat, wollte Bundeskanzler Werner Faymann seinen Vorschlag über Bezirksquoten durchbringen – ohne Erfolg. Wien – Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) ist beim Asylgipfel mit den Ländern am Mittwochabend mit seinem Vorschlag einer Bezirksquote für die Flüchtlingsunterbringung abgeblitzt. Nach gut vierstündigen Beratungen war das einzige Ergebnis, dass man bis Ende Juli seitens der Länder 6.500 Plätze zur Verfügung stellen will. Vage wurde den Hilfsorganisationen zudem nach dem Gipfel signalisiert, dass es gewisse finanzielle Erleichterungen bei der Betreuung unbegleiteter Minderjähriger geben könnte. Dass das Treffen nicht gerade harmonisch verlaufen war, zeigte sich schon darin, dass die Länder, angeführt von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), mit grimmigen Mienen und ohne inhaltliche Kommentare das Bundeskanzleramt verließen. Auch Faymann sprach von einer eher gewittrigen Diskussion. Die vom Kanzleramt schon vor Tagen vorgeschlagene Bezirksquote ist im Wesentlichen an den VP-regierten Bundesländern gescheitert. Das gab der Regierungschef nach dem Gipfel mit den Ländern Mittwochabend bekannt. Diese seien der Meinung, dass man die Unterbringung auch anderweitig organisieren könne. Er werde das genau beobachten. Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) hielt sich in seinem öffentlichen Statement aus diesem Konflikt eher heraus. Auch er hätte einen gewissen Charme bei der Bezirksquote gesehen. Es seien aber eben auch Gegenargumente gebracht worden. Inhaltlich ist das Ergebnis jedenfalls angesichts der geschürten Erwartungen dürftig. Auch die Regierungsspitze musste eingestehen, dass sich etwa für die völlig überfüllte Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen derzeit nichts ändern werde. Die Zeltstädte werden vorläufig wohl ebenfalls stehen bleiben. Das bezeichnete der Bürgermeister von Traiskirchen, Andreas Babler (SPÖ), als Armutszeugnis und komplette Bankrotterklärung der österreichischen Politik. Er forderte neuerlich ein Bundesgesetz: Anders wird es keine Lösung geben. Es sei fahrlässig, nicht zu handeln. Wir haben eine humanitäre Katastrophe in der Stadt, sagte Babler. Es werde mit der Gesundheit und dem Leben von Menschen gespielt. Nicht verstehen kann der Bürgermeister, dass Niederösterreich in der Asylfrage als Musterschüler dargestellt werde, obwohl es eigentlich Quotenschlusslicht sei. Babler will zu dem Thema noch einmal mit Bundespräsident Heinz Fischer sprechen. Die Länder verzichteten kurz nach dem Gipfel darauf, ihre Sicht der Dinge zu schildern. Die schwarzen Landeshauptleute zogen gemeinsam ab und trugen ihre Missstimmung offen zur Schau: Ersparen Sie mir jeden Kommentar, meinte Salzburgs Wilfried Haslauer (ÖVP). Auch nicht inhaltsreicher der steirische Landeshauptmann Hermann Schützenhöfer (ÖVP): Ich war das erste Mal dabei und ich sage nichts. Die drei Landeshauptleute der SPÖ verließen das Kanzleramt offenbar durch einen Hinterausgang. Am Tag danach äußerte sich Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) mit Kritik: Ich habe mich dezidiert gegen Bezirksquoten ausgesprochen, weil sie das Problem lediglich verlagern, aber nicht zu einer Lösung beitragen, erklärte er. Platter bezeichnete die Bezirksquoten als unausgereiften Vorschlag. Derartige Quoten würden mehr verunsichern als helfen. Die Bundesländer seien sehr wohl in der Lage selbst für eine ausgewogene Verteilung der Kriegsflüchtlinge zu sorgen, meinte der Tiroler Landeshauptmann. Nirderösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll hat den Bundeskanzler dringend aufgefordert, mit den Nachbarregierungschefs Gespräche zu führen, sagte er am Donnerstag. Werde der Zustrom von Flüchtlingen durch bilaterale Verhandlungen nicht eingedämmt, könne eine weitere Unterbringung durch die Bundesländer nicht garantiert werden. Am Beispiel Ungarn sei zu sehen, welche Überlegungen angestellt würden. Dazu gebe es Indizien, dass andere Nachbarländer ähnliche Gedanken hegen. Das würde laut Pröll bedeuten, dass Österreich die Hauptlast der Flüchtlingsströme nach Europa zu tragen hätte, was der Bevölkerung und der Republik nicht zumutbar wäre. Nicht zuletzt bezeichnete Pröll den Asyl-Gipfel als vom Kanzler äußerst oberflächlich vorbereitet. Am grünen Tisch entwickelte Vorschläge seien völlig praxisfern und -untauglich. Gemeindebund-Präsident Helmut Mödlhammer bedauerte die Eskalation beim Asyl-Gipfel und forderte, dass man möglichst rasch wieder an den Verhandlungstisch komme. Dafür müsste es aber eine bessere Vorbereitung als gestern geben, wo sich alles nur um den Vorschlag des Kanzlers für eine Bezirksquote gedreht habe. Inhaltlich sei man gestern jedenfalls nicht weitergekommen und zwar deshalb, weil Kanzler Faymann auf seiner Bezirksquote beharrt habe und die Länder sich ebenso beständig gegen diese gewehrt hätten. Andere im Vorfeld besprochene Themen wie die Not-Unterbringung über den Sommer in Studentenheimen und Horten seien nicht einmal angesprochen worden. Zur Eskalation habe letztlich geführt, dass das Kanzleramt versucht habe, in der Abend-Ausgabe der Kronen Zeitung das Ergebnis des Gipfels schon vorwegzunehmen. Sichtlich enttäuscht waren die geladenen NGOs. Positiv bewerteten die Vertreter von Volkshilfe, Rotem Kreuz und Caritas bloß, dass 6.500 Plätze versprochen wurden. Die Zusagen bezüglich der unbegleiteten Minderjährigen seien dann schon nicht mehr so konkret gewesen, berichtete Caritas-Präsident Michael Landau. Ebenso wie der Generalsekretär des Roten Kreuzes, Werner Kerschbaum, und Volkshilfe-Geschäftsführer Erich Fenninger verhehlte Landau nicht, dass man sich ein besseres Ergebnis erwartet hätte. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) sprach nach dem Gipfel von einem Zwischenschritt. Nächste Woche soll mit den Ländern geklärt werden, wo die 6.500 Plätze entstehen. Der Großteil der heute schon zugesicherten 2.500 Plätze kommt übrigens aus Wien und Niederösterreich, also zwei Ländern, die bei der Quotenerfüllung ohnehin Musterschüler sind. 'Rund 200 Unterstützer der Flüchtlinge kamen am Sonntag zu einer Kundgebung vor das völlig überfüllte Lager. Wien/Traiskirchen – Die Maximalforderung der Demonstranten ist unüberhörbar: No borders, no nations, no deportations skandieren die rund 200 Personen vor dem Erstaufnahmezentrum Traiskirchen. 70, 80 andere Anwesende können mit der Forderung Keine Grenzen, keine Nationen, keine Deportationen weit weniger anfangen: Sie werden durch einen Polizeikordon auf Distanz gehalten. Viele Teilnehmer der von der Österreichischen Hochschülerschaft angemeldeten Solidaritätskundgebung mit den Flüchtlingen stammen aus dem völlig überfüllten Lager. Die Stimmung ist anfangs etwas aufgeheizt, haarig wird es auch später bei einer Standkundgebung auf dem Hauptplatz der niederösterreichischen Gemeinde. Als Gegner beginnen, eine österreichische Fahne zu schwenken, sorgt das für Pfiffe, Gedränge und Unmutsäußerungen. Es gibt aber auch ruhige Gespräche zwischen den beiden Parteien. Die Gegner der Flüchtlinge beschäftigt die hohe Arbeitslosigkeit in Österreich und die Frage, warum die Fremden nicht im ersten sicheren Land bleiben, sondern nach Westeuropa wollen. Unterstützer wiederum argumentieren, dass der überwiegende Teil aus Bürgerkriegsstaaten stamme und Europa die Pflicht habe, Kriegsflüchtlingen Schutz zu bieten. Einigkeit herrscht in einer Passantengruppe, dass es inakzeptabel sei, dass Kinder im Freien schlafen müssen. Ein älterer Herr ist überzeugt, dass jüngere Männer ihre Zimmer für die Familien hergeben sollten. Ein Sympathisant hält es dagegen für die Wurzel des Übels, dass das Lager von einer Schweizer Aktiengesellschaft betreut wird – und die nur an Gewinn interessiert sei. Wie hoch der ist, ist schwierig zu beurteilen. Die Betreiberfirma ORS gehört der Schweizer Ox Group, die im Sommer 2013 von der britischen Equistone Partners Europe (EPE) gekauft worden ist. Diese wiederum gehört laut Homepage rund 30 institutionellen Anlegern und der Barclays Bank. Bisher hat EPE fünf Fonds im Volumen von bis zu zwei Milliarden Euro aufgelegt. In Traiskirchen müssen jedenfalls viele Menschen derzeit unter freiem Himmel schlafen – der Regen am Wochenende sorgte für eine ungemütliche Nacht. Laut Karl-Heinz Grundböck, Sprecher des Innenministeriums, wurden sie in Garagen und Warteräumen untergebracht, auch in neuerlich georderten Bussen fanden sie Unterschlupf. Der Andrang nach Mitteleuropa hält unterdessen an. Laut niederösterreichischer Polizei wurde auf der Ostautobahn ein bulgarischer Kastenwagen angehalten, da dieser in Schlangenlinien gefahren sei. Nachdem die Beamten den versperrten Laderaum geöffnet hatten, entdeckten sie dort 42 Migranten – zusammengepfercht auf 6,5 Quadratmetern. Laut deren Aussagen seien sie bei brütender Hitze acht Stunden ohne Getränke und Pause unterwegs gewesen. Einige Passagiere, die Jüngsten sechs Jahre alt, mussten wegen Kreislaufproblemen behandelt werden. Der mutmaßliche 37-jährige Schlepper wurde festgenommen. In Salzburg hatten Passanten gemeldet, dass an der Grenze zu Deutschland dutzende Personen aus einem Lieferwagen ausgestiegen waren Auch UNHCR wirbt für rasche Übergangslösungen. Wien/Traiskirchen – Die Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen steht vor einem Aufnahmestopp. Ab kommender Woche dürften in die vollkommen überfüllte Einrichtung in der niederösterreichischen Gemeinde keine neuen Asylwerber mehr aufgenommen werden. Angesichts der unhaltbaren Zustände mit hunderten Obdachlosen auf dem Gelände wird das Innenressort aller Voraussicht nach neue Notquartiere schaffen. Offiziell haben die Länder noch bis Ende des Monats, also bis Samstag, Zeit, genügend Unterkünfte zu schaffen, um eine Entlastung Traiskirchens zu ermöglichen. Immerhin beherbergt die örtliche Aufnahmestelle, die für rund 1.800 Personen ausgelegt ist, mittlerweile etwa 4.500 Flüchtlinge. Doch es gilt als höchst unwahrscheinlich, dass bereits in den kommenden Tagen genug Unterkünfte seitens der Länder angeboten werden, um zu einer echten Entspannung der Lage beizutragen. Druck kommt derweil von Niederösterreichs Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP), der gestern in der ZiB 2 kundtat, eine gesundheitspolizeiliche Untersuchung in Traiskirchen angeordnet zu haben. Denn es gebe die latente Gefahr von Epidemien und Seuchen. Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) wiederum kündigte gestern in der ZiB 1 an, Traiskirchen als Anlaufstelle zu stoppen, wenn die Bundesländer bis zum 31. Juli keine tragfähigen Konzepte auf den Tisch legen. Da auch die bereits in Betrieb befindlichen Verteilerquartiere in den Ländern voll sind, müssen wohl seitens des Bunds neue Kapazitäten geschaffen werden. Aus dem Innenministerium hieß es auf Anfrage, dass man an der Bereitstellung von notdürftigen Quartieren arbeite. Auf Details will man sich vorerst nicht einlassen. Als möglich gilt beispielsweise, dass wie beim umstrittenen Quartier in Spital am Semmering im Vorjahr jetzt wieder größere, allenfalls leerstehende Hotels angemietet werden, um dort größere Flüchtlingsgruppen unterbringen zu können. Auch weitere Zeltstädte sind nicht auszuschließen. Eher unwahrscheinlich sind Container-Lösungen, da hier in den meisten Bundesländern die Zustimmung der Gemeinden notwendig wäre. Mit dem sich anbahnenden Aufnahmestopp in Traiskirchen würde das Innenministerium einem Appell des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR entsprechen. Die Situation sei untragbar, gefährlich und menschenunwürdig, meinte Christoph Pinter, Leiter von UNHCR Österreich, anlässlich eines Besuchs in Traiskirchen. Es brauche äußerst rasch kurzfristige Übergangslösungen, um die Obdachlosigkeit zu beenden. Das UNHCR geht davon aus, dass aufgrund der weltweiten Krisen die Zahlen der Asylsuchenden global und auch in Europa auf hohem Niveau bleiben werden: Wir schlagen vor, eine Taskforce zu gründen, um eine mittel- und langfristige Strategie im Asylbereich zu erarbeiten. Vordringlich erscheint Pinter dabei auch eine Erhöhung der Tagsätze für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, um adäquate Betreuungsplätze für sie zu finden. Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (SPÖ) hat am Mittwoch gefordert, anlässlich der ungelösten Asylthematik in Österreich und der Europäischen Union schnellstmöglich einen Fünf-Punkte-Plan umzusetzen. Außerdem sei ein Assistenzeinsatz des österreichischen Bundesheeres zur Unterstützung der vielfältigen Aufgaben der Polizei für ihn durchaus denkbar. Die Errichtung eines Erstaufnahmezentrums an der EU-Schengenaußengrenze sei unumgänglich. Wenn der Asylstatus vergeben wird, müssen die Flüchtlinge gemäß einer europäischen Quote auf alle EU-Länder aufgeteilt werden, betonte Niessl. Und es müsse eine Asylobergrenze definiert werden, forderte er. Im Burgenland betrage diese ca. ein Prozent der Bevölkerung. Nur so könne ein gemeinsames Zusammenleben ohne gröbere Konflikte vonstattengehen. Die Asylthematik wieder in komplette Bundeskompetenz zu geben ist ein Vorschlag, den man ohne Tabus diskutieren sollte, meinte der Landeshauptmann. Ich fordere bereits seit längerer Zeit Grenzkontrollen zur stärkeren Bekämpfung von internationalen Schlepperbanden. Dieser Forderung hätte man schon längst nachkommen müssen. Zudem ist ein gezielter Ausbau der Schleierfahndung dringend vonnöten. Dieser Punkt kann nur in Verbindung mit einer Personalaufstockung der Exekutive effektiv umgesetzt werden, so Niessl. Aus den anderen Bundesländern kommt ebenfalls der Wunsch, die Zahl der Flüchtlinge, die nach Österreich dürfen, insgesamt zu begrenzen. Außerdem wird einem zeitlich befristeten Asylstatus das Wort geredet. Nicht nur Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) forderte solches am Mittwoch, auch seine Kärntner Parteifreunde äußerten sich in diesem Sinn. Haslauer will einen Punkt, an dem es genug ist mit Hilfesuchenden in Österreich, definiert haben, schrieben die Salzburger Nachrichten am Mittwoch. Die Bevölkerung frage sich: Wie viele noch?, und das müsse die Regierung rasch beantworten. Erstens: Wie viele Flüchtlinge nimmt Österreich insgesamt auf? Zweitens: Was ist mit dem Konzept von befristetem Asyl? Und drittens: Was ist der Plan auf europäischer Ebene?, so Haslauer in der Zeitung. Die Kärntner ÖVP sprach sich am Mittwoch via Aussendung ebenfalls für Asyl-Obergrenzen aus. Landesparteiobmann Christian Benger bezeichnete Österreich als Sozialschlaraffenland und meinte: Wir brauchen eine klare Obergrenze, denn alles werden wir einfach nicht verkraften können. Die Frage Wie viele denn noch? stehe täglich im Raum. Es sei zu hinterfragen, dass anerkannte Flüchtlinge Zugang zu Sozialleistungen bekommen. Daher brauche es ein Konzept für zeitlich befristetes Asyl. Zweidrittelmehrheit im Bundesrat könnte zum Stolperstein werden – Aktuelle Zahlen zu Länderquoten erst am Montag. Wien – Verfassungsexperten halten die geplante Kompetenzverschiebung zur Schaffung neuer Asylunterkünfte für unproblematisch. Theo Öhlinger, Heinz Mayer und Bernd-Christian Funk meinen unisono: Mit der Bestimmung wird zwar ins Baurecht und damit in eine klassische Landeskompetenz eingegriffen. Die Änderung ist aber – soweit absehbar – maßhaltend und sachlich begründet. Stolpersteine bei der Umsetzung dürfte es keine geben, sofern eine Zweidrittelmehrheit zustande kommt. Mayer, Öhlinger und Funk halten Widerstand im Bundesrat für möglich. Falls mit dem Gesetz Länderkompetenzen beschnitten werden, bedarf es auch dort, genau wie im Nationalrat, einer Zweidrittelmehrheit. Laut Funk ist eine Verweigerungshaltung aber politisch schwer argumentierbar. Das Instrument der Ersatzvornahme, mit dem der Bund in Zukunft Aufgaben der Länder beziehungsweise der Gemeinden übernehmen kann, wird laut den Experten äußerst selten angewendet. Frist vorbei, Erfüllung offen Die geltenden Länderquoten werden von den geplanten Asylquoten auf Gemeindeebene übrigens nicht berührt und sind nach wie vor aufrecht. Am Freitag ist jene Frist abgelaufen, auf die man sich beim Asylgipfel am 24. Juni geeinigt hatte. 6.500 Betreuungsplätze hätten die Bundesländer insgesamt neu schaffen sollen. Ob diese Verpflichtung eingehalten wurde, wollte das Innenministerium am Freitag nicht mitteilen. Es gebe im Laufe des Tages in einzelnen Ländern viele Übernahmen, wodurch sich noch einiges ändern könnte, begründete ein Sprecher die Vorgehensweise. Einzig aus Vorarlberg drang die Kunde, die mit dem Bund vereinbarte Asylquote werde zu 100 Prozent erfüllt. Im westlichsten Bundesland wurde für Freitagabend das Eintreffen von knapp 130 zusätzlichen Flüchtlingen erwartet. Die aktuellen Zahlen für alle Bundesländer will das Innenministerium nun am Montag präsentieren, so der Sprecher. Gasthausbesitzer wurde auf seiner Terrasse leicht verletzt. Noch ist offen, ob ein fremdenfeindlicher Hintergrund vorliegt. FPÖ-Bürgermeister lässt mit Verbalattacken auf Asylwerber aufhorchen. Großkirchheim/Wien – In der Kärntner Gemeinde Großkirchheim (Bezirk Spittal) hat es am Sonntag einen Bölleranschlag auf ein Ehepaar gegeben, das dort ein Gasthaus besitzt. Wie die Kleine Zeitung am Donnerstag berichtete, erlitt das Paar Gehörschäden. Die APA erfuhr, dass das betreffende Gasthaus ab September als Asylquartier genutzt werden soll. Ob der Anschlag fremdenfeindlichen Charakter hat, war zunächst offen. Es wurde ein Blitzkracher auf die Terrasse des Gasthauses geworfen, sagte Polizeisprecher Rainer Dionisio. Die Besitzer saßen dort. Der 65 Jahre alte Mann und seine 56-jährige Ehefrau wurden leicht verletzt. Wer das war, weiß man nicht. Folglich ist für die Ermittler noch offen, was das Motiv für den Böllerwurf war. Der Besitzer des Hotels glaubt an einen Zusammenhang zwischen dem Anschlag und seinen Plänen für eine Asylwerberunterkunft, sagte er zur APA. Darüber hinaus wollte er sich telefonisch nicht äußern. Der Bürgermeister von Großkirchheim, Peter Suntinger (FPÖ), ist jedenfalls gegen ein Asylwerberheim in seiner Gemeinde und verweist auf einen Gemeinderatsbeschluss, der 14:1 gegen die Öffnung von Gemeindegebäuden für Asylwerber ausging. Suntinger macht sich Sorgen um die Sicherheit von Frauen im Ort, sagte er. Neben dem Gasthaus befänden sich zwei gemeinnützige Wohnobjekte, wo mehrere alleinstehende Mütter ihre Kinder erziehen würden. Suntinger: Das Problem löst sich letztlich von selbst. Jemand wird die Verantwortung übernehmen müssen, wenn 26 junge Männer kommen, wie man deren Triebe beherrschen kann. Von den Asylwerbern, die ohne ihre Familie kommen, hält Suntinger offenbar auch persönlich nicht viel: Ich würde Frau und Familie nie verlassen. Das hat etwas mit Charakter zu tun. Er ist der Meinung, dass die Hilfsbereitschaft der Menschen auf dem Land schamlos ausgenützt werde. Irgendwann wird es eskalieren. Suntinger möchte, dass Asylwerber in Städten untergebracht werden. Etwa könne man in der Kaserne in Spittal 600 Leute unterbringen. Ein südoststeirischer Pfarrer setzte seine fünf Kirchenglocken ein, um eine Demonstration der "Identitären" gegen ein Flüchtlingszentrum zu stören. Fehring – Das war ein wirklich schönes Zeichen, ich hab mich sehr darüber gefreut und ihm auch gleich dazu gratuliert, sagt Johann Winkelmaier. Der ÖVP-Bürgermeister der südoststeirischen Stadt Fehring ist voll des Lobes für seinen Pfarrer, der sich einen eigenwilligen, aber besonders wirksamen Protest gegen eine Demonstration der rechtsgerichteten Identitären einfallen hatte lassen. Die rechtsextreme Gruppierung hatte am Sonntag in Fehring eine Demo gegen das dort geplante Flüchtlingszentrum organisiert. Pfarrer Christoph Wiesler setzte dagegen jedenfalls den lautesten Protest, den er zur Verfügung hatte, in Gang: die Kirchenglocken. Das Ganze spielte sich auf dem Hauptplatz ab, und die Kirche ist gleich daneben, wenn da die Glocken läuten, verstehst du kein Wort mehr. Das war ein sehr schöner, positiver Gegenpol, sagt Bürgermeister Winkelmaier. Pfarrer Christoph Wiesler freut sich, dass er seit Sonntag immer wieder auf die Figur des wehrhaften Filmpriesters Don Camillo angesprochen wird. Ich hab mir einfach gedacht, da muss ich was tun gegen diese Hatz und Fremdenfeindlichkeit. Ich habe mich ja auch so geärgert, dass die ihre Demonstration noch dazu unter der Mariensäule veranstaltet haben. Da ist mir spontan eingefallen, dass das Megafon der Identitären gegen meine fünf Glocken keine Chance hat. Und dann hab ich den Identitären die Show gestohlen, schmunzelt der Pfarrer. An die 40 Mitglieder der Identitären hatten sich mit Transparenten und Fahnen auf dem Hauptplatz von Fehring versammelt, um gegen das in der dortigen Hadik-Kaserne geplante Asylverteilungszentrum zu demonstrieren. Die rechtsextreme Gruppierung hatte dagegen im Vorfeld auch Unterschriften gesammelt. Mit 1. September soll das Zentrum in Vollbetrieb gehen und kurzfristig 150 Flüchtlinge aufnehmen, die im Anschluss an Betreuungsplätze im Bundesland weitergeleitet werden. Trotz der Demopleite in Fehring kündigten die Identitären in einem Facebook-Eintrag weitere Protestaktionen an: Das war erst der Anfang unserer Aktionen gegen die Asyllobby und ihr krankes Asylsystem. Wir werden jede Form des demokratischen Protestes nutzen, damit Österreich auch in hundert Jahren noch das Land der Österreicher ist. 250 Meter langes Panoramakunstwerk in der Arena Nova in Wiener Neustadt. Wiener Neustadt – In der Arena Nova in Wiener Neustadt ist derzeit das größte Panoramakunstwerk zu sehen, das sich mit Terror, Krieg und Flucht auseinandersetzt. Auf dem 250 Meter langen Mosaik aus bemalten Leintüchern haben Flüchtlinge Ängste und Hoffnungen zum Ausdruck gebracht. Initiiert wurde die Aktion vom Kunstforum Vösendorf, die künstlerische Umsetzung lag bei Cleo Ruisz, Hanns Palme und Oskar Trücher. Es ging uns darum, eine positivere Stimmung für die Flüchtlinge zu schaffen, sagt Hanns Palme. Ein Schneidermeister aus Bagdad hat die Einzelstücke zu einem Gesamtbild zusammengefügt. Demnächst sollen sie wieder getrennt und an Spender verkauft werden. Nach dem STANDARD-Bericht, wonach der Aufnahmestopp im überfüllten Zentrum Traiskirchen die Situation noch verschärft hat, fordern die Grünen, die bis zu 48-stündige Zwangsanhaltung von Flüchtlingen abzuschaffen. Grünen-Chefin Eva Glawischnig verlangte im ORF- Sommergespräch, die Verwaltung des Lagers an erfahrene NGOs zu übertragen. Letztere begrüßen den Vorschlag. Ein Konsortium aus Diakonie, Caritas, Rotem Kreuz und Volkshilfe hatte sich schon 2004 um die Betreuung beworben, war aber nicht zum Zug gekommen. Über 400.000 Menschen haben im ersten Halbjahr in den Mitgliedstaaten der EU um Asyl angesucht. Frage: Wie viele Menschen kamen heuer mit dem Ziel Asyl in die EU und nach Österreich? Antwort: Laut Eurostat haben im ersten Halbjahr 2015 etwa 401.000 Personen Asyl in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union beantragt. 172.000 Personen haben ihr Gesuch in Deutschland eingebracht, an zweiter Stelle folgt Ungarn mit 67.000 Anträgen. In Österreich wurde im ersten Halbjahr 28.000 Mal Asyl beantragt, dazu kamen laut den bisher noch unveröffentlichten Rohdaten, die das Innenministerium dem STANDARD zur Verfügung stellte, im Juli weitere 8.500 Anträge. Frage: Wie viele davon waren tatsächlich Flüchtlinge? Antwort: Generell wird nach Kriterien der Genfer Flüchtlingskonvention entschieden, ob jemand asylberechtigter Flüchtling ist oder nicht. Etwa vier von zehn Antragstellern wurde heuer in Österreich ein solcher Asylgrund anerkannt. Dazu kommen rund zehn bis 15 Prozent, die als bedroht aber nicht als verfolgt gelten und so als subsidiär Schutzberechtigte befristet im Land bleiben dürfen. Alle anderen gelten als illegale Migranten und dürfen laut geltendem Gesetz nicht bleiben. Frage: Aus welchen Herkunftsländern kommen die meisten Asylwerber nach Österreich? Antwort: Laut Innenministerium stammen aktuell drei Viertel der Asylantragsteller aus Syrien, Afghanistan und dem Irak. Die höchsten Chancen auf eine positive Erledigung haben Syrer mit knapp 80 Prozent. Frage: Wollen die meisten der Flüchtlinge, die Österreich erst einmal erreicht haben, auch hier bleiben? Antwort: Diese Frage ist schwierig zu beantworten. Nachdem aber fast jeder zweite Asylantrag in der EU an eine deutsche Behörde gerichtet wird, fungiert Österreich wohl öfter als Transit- denn als Zielland. Vorvergangene Woche gab es einen Fall, bei dem 86 geschleppte Personen in einem Lkw bei St. Pölten aufgegriffen wurden. 84 nannten als Ziel Deutschland, nur zwei gaben an, in Österreich bleiben zu wollen. Frage: Wenn Flüchtlinge in Österreich aufgegriffen werden, müssen sie dann auch hier Asyl beantragen? Antwort: Nein. Ein Asylantrag ist ein individuelles Recht, erklärt Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck. Stellt eine Person ohne Aufenthaltstitel keinen Antrag in Österreich, muss sie in jenes Land zurück, aus dem sie eingereist ist. Doch selbst von den in Österreich in Grundversorgung befindlichen Asylwerbern ziehen 20 Prozent weiter, so der Innenministeriumssprecher. (Michael Matzenberger & Christa Minkin, 18.8.2015) Für Parteichef Egger ist das neue Verfassungsgesetz zur Unterbringung von Flüchtlingen ein Strafgesetz. Er will Militär an den Grenzen. Bregenz – Vorarlbergs FPÖ-Chef Dieter Egger sieht die Demokratie durch das Verfassungsgesetz zur Unterbringung und Aufteilung von Flüchtlingen, das dem Bund ein Durchgriffsrecht gibt, gefährdet. Es gibt kein ordentliches Begutachtungsverfahren, Rechtsmittel gegen Maßnahmen des Bundes sind nicht möglich, damit werden Säulen unserer Demokratie außer Kraft gesetzt, kritisierte Egger am Freitag bei einer Pressekonferenz. Mit einem Landtagsantrag fordert er die Landesregierung auf, das Gesetz zu verhindern. Das Durchgriffsrecht des Bundes sei ein Strafgesetz gegen die Gemeinden, der unrühmliche Höhepunkt einer chaotischen Flüchtlingspolitik, sagt Egger. Er sei sich in seiner Kritik mit Bürgermeistern einig, vor allem Bürgermeister kleiner Gemeinden äußern ihre Ängste. Welche Gemeinden in Vorarlberg betroffen wären, kann Egger nicht sagen: Es wird wohl zig Grundstücke geben. Egger fordert einen österreichischen Masterplan zur Flüchtlingspolitik. Wie der aussehen soll, skizziert er so: Man wird sich solidarisch in den Regionen irgendwie zusammenraufen müssen. Die Bundesregierung müsse sich für eine europäische Bekämpfung des Schlepperwesens einsetzen, fordert Egger. Dazu gehöre auch verstärkte Grenzsicherung durch das Bundesheer. Egger: Man wird sich wieder auf die nationalstaatlichen Grenzen zurückziehen müssen. Leider. Militärischen Grenzschutz kann sich Egger auch am Brenner vorstellen. Offen gesagt, Europa muss seine Grenzen mittels Grenzschutz gegen die Schlepperei schließen. Einlassen dürfe man nur noch tatsächlich Verfolgte. Mit den aktuellen Flüchtlingsströmen kämen zu viele Wirtschaftsflüchtlinge, stellt Egger fest. Seine Lösung: Auffanglager in den Krisengebieten. Denn Österreich dürfe nicht zum Sozialamt für die Krisen dieser Welt werden. Egger macht sich auch Sorgen um sein engeres Umfeld. In seiner Heimatgemeinde Hohenems sollen 50 Asylwerber untergebracht werden. Lauter junge Männer, mitten im Wohngebiet, neben einem Kindergarten. Warum Flüchtlingsquartiere neben einem Kindergarten falsch sind, kann Egger nicht erklären. Die Zahl ist auf jeden Fall zu hoch, 30 wären genug. 24-Jährige wegen "politisch motivierten Taten"polizeibekannt. Hameln – Nach dem Brandanschlag auf eine Asylbewerberunterkunft in Salzhemmendorf bei Hameln sind drei Verdächtige festgenommen worden. Es handle sich um zwei Männer im Alter von 24 und 30 Jahren aus Salzhemmendorf sowie eine 23-jährige Frau aus dem Raum Hannover, erklärte die Polizei Hameln am Freitagabend. Sie seien nach Auswertung von Spuren, Zeugenaussagen sowie aufgrund von Vorerkenntnissen der Polizei ermittelt worden. Der 24-Jährige sei wegen Sachbeschädigung, Körperverletzung sowie politisch motivierten Taten bereits polizeibekannt, der 30-Jährige wegen Sachbeschädigung und Diebstahls, erklärte die Polizei. Niedersachsens Ministerpräsident Stefan Weil (SPD) sagte dem NDR, die drei Verdächtigen hätten Geständnisse abgelegt. Die Attentäter hatten in der Nacht zum Freitag einen Molotow-Cocktail durch ein Fenster eines ehemaligen Schulgebäudes geworfen, in dem Flüchtlinge untergebracht sind. Durch den Brandsatz gerieten ein Teppich und eine Matratze in Brand. Eine in einem Nebenraum mit ihren drei Kindern schlafende Asylbewerberin aus Simbabwe bemerkte den Angriff und konnte sich und ihre Familie unverletzt in Sicherheit bringen. Laut Polizei befanden sich zum Zeitpunkt des Anschlags etwa 40 Flüchtlinge in dem Gebäude. Ministerpräsident Weil verurteilte den Anschlag als versuchten Mord, Niedersachsens Innen-Staatssekretär Stephan Manke (SPD) sprach von einer feigen und widerwärtigen Tat. In Deutschland ist es in der Nacht auf Freitag erneut zu Angriffen auf Flüchtlingsheime gekommen. Im Norden des Landes warfen unbekannte Täter einen Molotowcocktail durch das Fenster einer Asylwerberunterkunft, die Bewohner blieben unverletzt. Auch im ostdeutschen Aue brennt eine Unterkunft. In Heidenau, wo es zuletzt zu schweren Ausschreitungen gekommen ist, gilt nun ein Versammlungsverbot. Auch im Osten Deutschlands hat es in einem Asylbewerberheim gebrannt. Die Ursache für das Feuer am Freitag in der bewohnten Unterkunft in Aue war zunächst unklar. Laut einem Bericht der Zeitung Freien Presse in Chemnitz wurde in dem Zusammenhang am Vormittag ein älterer Mann festgenommen. Nach Polizei-Angaben hatten Unbekannte bereits in der Nacht auf dem Gelände einen Müllcontainer angezündet. Aue befindet sich im deutschen Bundesland Sachsen – ebenso wie die Kleinstadt Heidenau, die wegen rassistischer Ausschreitungen am vergangenen Wochenende in die Schlagzeilen geraten war. Bei den Krawallen hatten rechte Gewalttäter zwei Nächte lang Polizisten angegriffen und Flüchtlinge bedroht. Dabei wurden mehr als 30 Beamte verletzt. Am Mittwoch hatte Kanzlerin Angela Merkel die Unterkunft besucht. Dabei war sie von Demonstranten ausgebuht und beschimpft worden. Nach einem friedlichen Willkommensfest für Flüchtlinge am Freitag sind in der sächsischen Kleinstadt Heidenau alle weiteren Demonstrationen am Wochenende verboten. Das Sächsische Oberverwaltungsgericht bestätigte am Freitagabend in weiten Teilen ein Versammlungsverbot für Heidenau, das die Behörden mit einem polizeilichen Notstand nach rechtsextremen Krawallen begründet hatten. Das Oberverwaltungsgericht gab lediglich für das Willkommensfest für Asylwerber in Heidenau grünes Licht, das zum Zeitpunkt der Bekanntgabe der Entscheidung am Freitagabend bereits lief. Mitglieder des Aktionsbündnisses Dresden Nazifrei verteilten im Asylbewerberheim Spenden an Flüchtlinge und errichteten Hüpfburgen sowie eine Bühne für ein Solidaritätskonzert. Er verstehe, dass Neonazis angesichts der jüngsten Ausschreitungen keine Versammlung erlaubt werde. Er könne jedoch nicht verstehen, wieso auch Demokraten betroffen seien, die für einen vernünftigen Umgang mit Flüchtlingen plädierten. Es gibt keinen Grund, die beiden gleich zu behandeln, sagte der SPD-Vorsitzende. Das eine sind zum Teil Gewalttäter und Kriminelle, und das andere sind Menschen mit Zivilcourage. Der Staat dürfe nicht zurückweichen, sagte Gabriel. Man kann nicht nach dem Aufstand der Anständigen rufen, wenn es keinen Anstand der Zuständigen gibt. Wenn die sächsische Polizei sich nicht in der Lage fühle, ein geplantes Willkommensfest für Flüchtlinge zu schützen, müsse sie in anderen Bundesländern um Unterstützung fragen. Gedenken an die toten Flüchtlinge im Burgenland – Keine polizeilich relevanten Vorfälle. Wien – Knapp 20.000 Menschen haben am Montagabend in Wien gegen unmenschlichen Umgang mit Flüchtlingen demonstriert. Gestartet war der Demo-Zug am Christian-Broda-Platz, die Schlusskundgebung fand vor dem Parlament statt. Um etwa 21.30 Uhr wurde die unter dem Motto Mensch sein in Österreich stehende Kundgebung beendet. Der Demonstrationszug hatte sich zuvor verspätet erst 19.30 Uhr in Bewegung gesetzt, da sich immer mehr Menschen versammelten. Viele Teilnehmer trugen auf Anregung der Organisatorin Nadia Rida weiße Kleidung. Teilweise unter Applaus von Passanten gingen die Demonstranten über die Mariahilfer Straße Richtung Innenstadt, zu Songs wie Es fangt genauso an von STS und A Mensch möcht i bleiben von Wolfgang Ambros. Gemeinsam und mit Liebe war das Motto der Demonstration. Damit könne man das Land verändern. Die laut Polizei knapp 20.000 Teilnehmer sammelten sich gegen 21.00 Uhr vor dem Parlament. Zuvor hatte die Polizei den Ring komplett von der Operngasse bis zum Parlament gesperrt. Es kam auch auf der 2er-Linie zu langen Rückstaus. Vor dem Parlament wurden dann Transparente geschwenkt und zahlreiche Kerzen entzündet. Mit der Asylpolitik in Österreich sei man nicht zufrieden. Seht, wie viele wir sind, auch wir können viel bewegen , sagte Organisatorin Nadia Rida. Bei der Kundgebung vor dem Parlament wurde auch der 71 toten Flüchtlinge aus dem Lkw an der A4 im Burgenland gedacht. Zum Lied Gebt uns endlich Frieden von Georg Danzer entzündeten die Teilnehmer ein Lichtermeer. Die Stimmung bei der Demo war außerordentlich friedlich, zahlreiche Familien nahmen mit Kindern teil. Polizisten trugen ihre Sicherheitshelme lediglich unter dem Arm. Insgesamt waren 450 Beamte im Einsatz, die Demonstration selbst begleiteten aber nur rund 100, die restlichen kümmerten sich etwa um Verkehrsmaßnahmen und Objektschutz. Es gab keinen einzigen polizeilich relevanten Vorfall, sagte Polizeisprecher Patrick Maierhofer. Kurz nach 22.00 Uhr wurde der Ring wieder für den Verkehr freigegeben. Zuvor ist am Montagabend mit einem öffentlichen Gedenkgottesdienst im Stephansdom der 71 in einem Schlepperfahrzeug ums Leben gekommenen Flüchtlinge gedacht worden. Es ist genug! Genug des Sterbens, genug des Leides und der Verfolgung. Wir können nicht mehr wegschauen, sagte Kardinal Christoph Schönborn vor den Besuchern, darunter fast die gesamte Bundesregierung, wie Kathpress berichtete. Es sei eigentlich zu grauenhaft, an das Todesleiden und Sterben dieser 71 Flüchtlinge in einem Kühlwagen für Fleischtransport zu denken, sagte der Kardinal zu dem am vergangenen Donnerstag entdeckten Flüchtlingsdrama auf der Ostautobahn (A4) im Burgenland. Das Gedenken sei aber notwendig: Sie alle, die gestorben sind, um die wir trauern, sind unsere Geschwister, einfach Mitmenschen. Der Kardinal rief einmal mehr zu mehr Hilfe für Flüchtlinge auf, zugleich mahnte er auch mehr europäische Solidarität bei der Versorgung und Integration der Flüchtlinge ein. Die Flüchtlinge seien Menschen, die einfach überleben und leben wollen, wie wir alle. Es sei endlich an der Zeit, aus der Starre zu erwachen und uns entschieden der wohl größten humanitären Herausforderung Europas in den letzten Jahrzehnten zu stellen, sagte Schönborn. Das gehe nur gemeinsam, im Zusammenspiel von Staaten, Gemeinden und Religionsgemeinschaften. Wir dürfen zugeben, dass es schwierig ist. Wir dürfen Ängste und Sorgen benennen. Aber Wegschauen geht nicht mehr, betonte der Kardinal. Gemeinsam mit Schönborn zelebrierten u. a. Militärbischof Werner Freistetter und Weihbischof Franz Scharl den Gottesdienst. Fast die gesamte Bundesregierung, angeführt von Kanzler Werner Faymann (SPÖ) und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP), war in den Stephansdom gekommen. U. a. nahmen auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner, Außenminister Sebastian Kurz (beide ÖVP), Nationalratspräsidentin Doris Bures, Burgenlands Landeshauptmann Hans Niessl (beide SPÖ) und der Präsident der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich, Fuat Sanac, an dem Gedenken teil. Dutzende Helfer nahmen am Dienstag in Wien weitere Flüchtlinge aus Ungarn, die vor allem in Regionalzügen ankamen, in Empfang und versorgten sie. Wien – Als Dienstagfrüh der erste direkte Zug aus Budapest am Wiener Westbahnhof ankommt, steht eine kleine Gruppe Helfer mit dutzenden Wasserflaschen am Bahnsteig und wartet darauf, diese an die Flüchtlinge zu verteilen. Andere Freiwillige halten Plakate in die Höhe, auf denen in arabischer Schrift Herzlich willkommen steht. Eine junge Frau erkundigt sich, wie das mit dem Dolmetschen genau ablaufen soll. Sie will mit ihren Sprachkenntnissen helfen. Als der Zug aus Budapest an Bahnsteig sieben hält, steigen etwa ein bis zwei Dutzend Menschen aus, auf die diese Helfer alle gewartet haben. Einige Kinder sind darunter. Ein ÖBB-Servicemann geht voran und zeigt den Menschen am langen Bahnsteig, in welche Richtung sie müssen. Allein am Montag zwischen 17:00 und 24:00 Uhr zählte die Wiener Polizei 3.650 Flüchtlinge am Wiener Westbahnhof, wie Polizeisprecher Patrick Maierhofer zur APA sagte. Am Dienstagvormittag kommen in den einzelnen Zügen eher kleine Gruppen an. Bis zum frühen Nachmittag zählt die Polizei etwa 70 Personen. Die meisten dieser Flüchtlinge scheinen es in Regionalzügen über die Grenze zu schaffen. Kurz vor zehn Uhr heißt es, dass der Budapester Ostbahnhof geschlossen worden sei. Nach Mittag kommt die Nachricht, dass er wieder geöffnet sei, Flüchtlingen aber der Zutritt zu den Zügen verwehrt werde. Am Nachmittag wird es von der Polizei in Wien heißen, dass gar keine Flüchtlinge aus Ungarn am Wiener Westbahnhof ankommen. Etwa 500 Personen, die es am Vortag in einen Zug geschafft hatten, verbrachten die Nacht auf dem Bahnhofsgelände, von der Caritas mit Schlafsäcken versorgt. Die ÖBB hatten Waggons und Büroräume zum Übernachten bereitgestellt. Isabelle Wülbeck stieg Dienstagfrüh in Budapest in einen Zug nach Wien und zeigt sich schockiert: In Budapest haben sie die Leute nur vereinzelt in die Waggons gelassen. Nur offensichtlich nach Touristen aussehende Menschen hatten eine Chance. Die anderen wurden angeschrien, sie sollen Abstand halten, sagt die 19-jährige Studentin aus Salzburg. Mein Abteil war leer, der Bahnsteig komplett voll. Ich habe mich so schlecht gefühlt. Unter den freiwilligen Helfern auf dem Wiener Westbahhof sind mehrere Syrer wie Rabee H., der selbst vor einem Jahr nach Wien geflohen ist und in Österreich inzwischen Asyl bekommen hat. Der 24-Jährige sagt, er habe schon Kopfweh, er habe seit 26 Stunden nicht geschlafen, weil er seit dem Vortag mitgeholfen habe. Trotzdem lacht und scherzt er mit seinen Landsleuten. Unter jenen, die gerade erst einen Fuß auf Wiener Boden gesetzt haben, ist eine junge Mutter aus Damaskus. Dimas drei Töchter im Alter von zwölf, zehn und vier Jahren und ihr Mann befinden sich nach wie vor in Syrien. Ich wollte sie nicht den Gefahren der Flucht aussetzen, sagt die junge Frau, die gute zwei Wochen des Weges durch die Türkei und Europa hinter sich hat. Mit Tränen in den Augen fügt sie an, dass sie hofft, ihre Familie nachzuholen und dass sie nur in ein freies Land wolle, wo ihre Kinder die Schule besuchen können. Dima und ihre Freunde, die sie auf der Flucht kennengelernt hat, werden zu Bahnsteig eins weitergeleitet. Dort haben die Helfer einen Stand mit Tee, Essen, Hygieneartikeln und Spielzeug aufgebaut. Ein Kind bekommt eine Tasche mit Spielsachen in die Hand gedrückt, die es kaum tragen kann. Viele Menschen wollen helfen und bringen Lebensmittel vorbei oder Kleidung. Auch dutzende Journalisten machen sich ein Bild von der Situation. Die Syrerin Dima weiß gar nicht, wohin mit der Wasserflasche und einer Packung Feuchttücher, die sie gerade bekommen hat. Wenig später wird sie mit Freunden aus ihrem Heimatland, die sie auf dem Weg durch Europa kennengelernt hat, in einen Zug Richtung München steigen. Unbehelligt von der Wiener Polizei. Nur vereinzelt sind Beamte zu sehen, die am Rande der Bahnsteige stehen. Die Polizei hielt sich bereits am Montag auffallend zurück. Eine lückenlose Kontrolle sei derzeit nicht möglich, erklärte ein Polizeisprecher Montagabend. Keine einzige Person habe am Dienstag am Westbahnhof Asyl beantragen wollen, heißt es am Nachmittag. Bei einer Koordinierungssitzung der Einsatzorganisationen am Nachmittag wurde vereinbart, dass die Caritas sowohl das Sachspendenmanagement als auch die Koordination der Dolmetscher auf dem Westbahnhof übernimmt. Ab 19.00 Uhr sollen in einem leer stehenden Bürogebäude neben dem Westbahnhof auch Feldbetten aufgestellt werden. Ungarische Regierung nimmt Massenausreise hin, kaum Flüchtlinge in Budapest. Der Budapester Ostbahnhof bot Sonntagmittag ein entspanntes Bild. Die Flüchtlinge, die dort zu Tausenden festgesessen hatten, sind bis auf ein paar Dutzend Menschen verschwunden. Die letzten größeren Gruppen fuhren am Vormittag im Stundentakt zum ungarischen Grenzbahnhof Hegyeshalom. Die Flüchtlinge hatten für die Fahrt reguläre Fahrscheine der Ungarischen Staatsbahnen (MAV) erworben. Die Grenze zu Österreich ist für sie seit Samstagfrüh offen. Denn in der Nacht zum Samstag trat im ungarischen Flüchtlingsdrama eine abrupte Wende ein. Kanzleramtsminister János Lázár trat vor die Kameras und verkündete, dass die Flüchtlinge nun mit Autobussen zur ungarischen Grenze gebracht würden. Um halb eins in der Nacht fuhren am Budapester Ostbahnhof 70 Busse der Budapester Verkehrsbetriebe vor. Freiwillige Helfer weckten die in der Unterführung schlafenden Menschen auf, die ihr Glück kaum glauben wollten. Eine knappe Stunde später setzte sich das erste Fahrzeug in Bewegung. 30 weitere Busse sammelten rund 1200 Flüchtlinge auf der Autobahn westlich von Budapest ein. Diese hatten sich am Nachmittag dazu entschlossen, zu Fuß nach Österreich zu gehen. Ungarn hatte die Flüchtlinge bis dahin festgehalten, weil es sich streng an die EU-Regeln hielt, darunter das Dublin-III-Abkommen. Doch Regierungschef Viktor Orbán hatte, abgesehen von Geldforderungen, keine Anstalten gemacht, mit Österreich und Deutschland, dem Hauptzielland der Flüchtlinge, darüber ins Gespräch zu kommen, wie man die Krise gemeinsam lösen könnte. Offenbar wollte er in populistischer Manier der Welt demonstrieren, wie absurd die EU-Vorschriften sind. Er wollte Stärke zeigen – auf Kosten notleidender Menschen. Allerdings geriet die Lage zusehends außer Kontrolle: Der Marsch von mehr als 1000 Flüchtlingen auf der Autobahn, unter ihnen Mütter mit ihren Kleinkindern und Kriegsversehrte, sowie die 500 verzweifelten Menschen auf dem Bahnhof von Bicske, die in einen Zug gelockt worden waren, um gegen ihren Willen in das nahe Lager gebracht zu werden, erzeugten in den Weltmedien Bilder, die für Ungarn nicht mehr auszuhalten waren. Sein zynisches Krisenmanagement hat Orbán nun in der restlichen EU vollends isoliert. Als er Freitagabend den österreichischen Bundeskanzler Werner Faymann wegen der überraschenden Ausreise der Flüchtlinge kontaktieren wollte, wurde ihm beschieden, dass der Kanzler am nächsten Morgen um 9.00 Uhr zur Verfügung stünde. Es war natürlich eine kalkulierte Retourkutsche für Orbáns bislang an den Tag gelegtes diplomatisches Handeln. Die ungarischen, deutschen und österreichischen Behörden verständigten sich kurz darauf auf die Vorgangsweise. Polizeigewerkschaft kritisiert "Drohgebärden" der Innenministerin – 1.400 Personen erreichten am Freitag den burgenländischen Grenzübergang Nickelsdorf – Orban: Österreich "schießt uns in den Rücken". Nickelsdorf/Wien – Der Flüchtlingszustrom nach Österreich hat in den vergangenen Tagen zwar nicht mehr die Höchstzahlen von mehr als 10.000 Grenzübertritten wie im September erreicht, dennoch kamen auch am Donnerstag wieder mehr als 4.500 Flüchtlinge an den burgenländischen Grenzübergängen Nickelsdorf und Heiligenkreuz an. Das Innenministerium macht nun erstmals von seinem Durchgriffsrecht zur Errichtung von Flüchtlingsquartieren in den Bundesländern Gebrauch, während die Polizeigewerkschaft vor einem Gewalteinsatz an der Grenze warnt. Finanzminister Hans Jörg Schelling (ÖVP) sagte indes, dass das Budget für die Grundversorgung von Flüchtlingen aufgestockt werden müsse. Die Bemühungen, Asylwerber aus dem weiterhin überfüllten Erstaufnahmezentrum Traiskirchen in adäquate Unterkünfte zu bekommen, gehen weiter. Das Innenministerium macht in dieser Sache nun von seinem Durchgriffsrecht zur Errichtung von Flüchtlingsquartieren Gebrauch. Konkret soll im Kärntner Althofen (Bezirk St. Veit) ein Containerdorf entstehen, in der Gemeinde Ossiach (Bezirk Feldkirchen) ist ein Verteilerzentrum geplant. Dritte betroffene Gemeinde ist Steyregg (Bezirk Urfahr-Umgebung) in Oberösterreich. Der Bürgermeister von Steyregg, Johann Würzburger (Steyregger Bürgerinitiative für Umwelt und Lebensqualität), reagierte auf den Bescheid des Innenministeriums mit: Wir fühlen uns überschwemmt. Er bestätigte, dass er ein entsprechendes Schreiben am Freitag erhalten habe. Das Gemeindeoberhaupt zeigte sich wenig erfreut, aber nicht überrascht. Das habe sich aufgrund entsprechender Gerüchte schon länger abgezeichnet. Der Eigentümer eines Container-Hotels in Holzbauweise, das bei den Olympischen Spielen in Turin im Einsatz war, habe sich für die neue Nutzung entschlossen, bedauerte der Bürgermeister und sagte: Wir sind generell bereit, unseren Anteil zu leisten und Die Not der Menschen ist nicht wegzureden. Er verwies darauf, dass in Steyregg bereits ein Quartier für 20 Personen – zwei Familien mit Kleinkindern – und eines mit 34 Personen – unbegleitete Minderjährige – bestünden. Wir haben nach wie vor nichts gegen die Menschen, aber gegen die Massierung im Zentrum. In Nickelsdorf kamen am Freitag laut Landespolizeidirektion von Mitternacht bis 7 Uhr rund 1.400 Flüchtlinge an. In Ungarn verringerte sich die Zahl der Ankünfte ebenfalls, 3.667 Menschen waren es am Donnerstag. 3.534 kamen über die kroatisch-ungarische, der Rest über die serbisch-ungarische Grenze. Diese Zahl liegt weit unter dem Rekord von 10.046 Flüchtlingen an einem Tag Mitte September. Seit Jänner kamen 295.262 Flüchtlinge in Ungarn an, die meisten davon reisten weiter. Ungarns Premier Viktor Orban holte indes zum Rundumschlag gegen seine Nachbarländer aus. Es ist nicht gut, wenn wir die Südgrenze Österreichs (...) schützen und uns inzwischen unsere Verbündeten von hinten in den Rücken schießen, sagte Orban in einem am Freitag gesendeten Interview mit dem Staatssender Radio Kossuth. Die derzeitige Haltung der Regierung in Wien dient nicht der Zusammenarbeit der beiden Völker, der Freundschaft, sagte der ungarische Regierungschef. Ähnlich äußerte sich Orban zur Regierung des Nachbarlandes Kroatien. Sein kroatischer Amtskollege Zoran Milanovic betrachte es als Vertreter der Sozialistischen Internationale wohl als seinen Job, ihn zu attackieren. Die ungarische Regierung ist darüber erbost, dass Kroatien Flüchtlinge nach Ungarn durchreisen lässt und drohte zuletzt damit, deswegen den Beitritt Kroatiens zum Schengen-Raum zu boykottieren. Trotz der Errichtung eines Zauns lässt auch Ungarn Flüchtlinge nach Österreich durchreisen. Die Frage nach den Kosten für die Bewältigung der Flüchtlingskrise in Österreich könne derzeit nicht beziffert werden, sagte Finanzminister Schelling am Freitag nach einem Arbeitstreffen mit EU-Kommissionsvize Valdis Dombrovskis. Man könne nur sagen, dass das Budget für die Grundversorgung von Flüchtlingen deutlich überzogen werde und daher die geplanten 220 Millionen Euro für das nächste Jahr auf 420 Millionen aufstocke. Weil nicht absehbar sei, wie viele Flüchtlinge im Land bleiben, habe die Regierung festgelegt, kurzfristig zu reagieren, wenn man durch einen überhöhten Zulauf von Flüchtlingen mit den angesetzten Budgetmitteln nicht auskomme. Das hänge stark davon ab, wie die anderen Länder – insbesondere Deutschland – reagieren werden. Wir haben daher auch mit dem Herrn Vizepräsidenten besprochen, dass wir keinen Antrag stellen werden, dass wir nachhaltig die Kosten für die Flüchtlinge aus dem strukturellen Defizit haben wollen, sondern nur für das Jahr 2016, bis das sozusagen wieder in einen normalen Lauf kommt. Die Unterbringungsfrage stellt Behörden und Hilfsorganisationen in Österreich täglich von neuem auf die Probe: Rund 6.100 Flüchtlinge haben in ganz Österreich die Nacht auf Freitag in Notschlafstellen verbracht: 4.600 Menschen in Transitquartieren, 1.500 an Sammelstellen an den Grenzen zu Ungarn und Deutschland. Bis zu 4.000 Flüchtlinge, die in den vergangenen Tagen Asylanträge in Österreich gestellt haben, konnten nicht in die Grundversorgung genommen werden. Weil die Plätze fehlen, sagte Gerry Foitik vom Roten Kreuz. Der Bundesrettungskommandant sprach von einem klassischen Staatsversagen. Und täglich würden etwa 300 bis 400 Asylanträge dazukommen. In der Stadt Salzburg blieb die Lage auch am Freitag angespannt. Am Vormittag befanden sich rund 1.500 Menschen in den Notquartieren. Ein Sonderzug war um 11 Uhr bereits Richtung Deutschland unterwegs, ein weiterer angekündigter Zug war aber noch nicht bestätigt, informierte die Stadt Salzburg in einer Aussendung. Rund 800 Flüchtlinge hielten sich am Vormittag am Bahnhof auf, weitere 550 in der alten Autobahnmeisterei in Liefering und etwa 160 auf dem Grenzgelände an der Saalachbrücke nach Freilassing. Am Donnerstag wurde nur ein Sonderzug untertags von den Deutschen übernommen. Ein weiterer am Abend dagegen gestrichen. Dafür konnten in der Nacht rund 400 Flüchtlinge zu Fuß die Grenze bei der Saalachbrücke passieren. Der reguläre Bahnverkehr zwischen Salzburg und Bayern bleibt unterdessen noch länger unterbrochen. Die ÖBB teilten am Freitag mit, dass die Sperre wegen der behördlichen Anweisungen in Deutschland nun bis 12. Oktober verlängert wurde. Zuletzt war die Sperre mit 4. Oktober, also mit Ende des Münchner Oktoberfestes, befristet. Alle anderen Grenzübergänge sind offen. Die Polizeigewerkschaft spricht sich angesichts der Flüchtlingskrise entschieden gegen unsensible Drohgebärden aus dem Innenministerium aus. Falls die Flüchtlingskrise politisch nicht gelöst wird, beschwört die Innenministerin Zustände wie an der Grenze Mazedoniens herauf. Dort ist die Polizei mit Blendgranaten und Tränengas gegen die Flüchtlinge vorgegangen, heißt es in einer Aussendung der Teilgewerkschaft der Gewerkschaft Öffentlicher Dienst. Die Polizistinnen und Polizisten gehen derzeit physisch und vor allem psychisch an ihre Grenzen, müssen sich kurzfristig örtlich verändern, lassen unvorbereitet Familien zurück. In dieser Situation auch noch Öl ins Feuer zu gießen ist unverantwortlich, sagt der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft, Hermann Greylinger. Die Politik hat den Karren in den Dreck gefahren, nun sollen die Polizistinnen und Polizisten ihren Kopf hinhalten. Gegen politisches Versagen hilft keine Gewalt, für dieses Versagen lassen sich die Polizistinnen und Polizisten nicht missbrauchen. Einfach zu sagen, die Beamten dürfen das, was ihnen unsere Gesetze erlauben, ist zu wenig. Flüchtlinge in Österreich sollen durch eine Broschüre aus dem Innenministerium informiert werden, was sie in unserem Land erwartet, um schon von Beginn an mögliche Missverständnisse über das Leben in unserem Land auszuräumen. Vor allem wolle man damit vermitteln, dass die österreichischen Gesetze über allem anderen stehen – auch über jeder Religion. Der Folder zu den gesetzlichen Grundlagen in Österreich soll in den kommenden Wochen fertiggestellt sein und soll bei der Einreise direkt an der Grenze verteilt werden. Die Inhalte sollen in Piktogrammen und in den gängigen Herkunftssprachen der Flüchtlinge sowie in Englisch vermittelt werden. Bei der Freiwilligenhilfe für Flüchtlinge in Österreich zeigen sich erste Ermüdungserscheinungen. Ein Ende des Bedarfs ist nicht in Sicht. Wien – Manchmal wird es in der Flüchtlingshilfe eng: So suchte das Rote Kreuz Burgenland diese Woche auf Facebook mit drei Rufzeichen versehen sehr dringend freiwillige Helferinnen und Helfer für Kleider-, Essensausgabe. Man brauche jede helfende Hand. Unlängst hieß es in einem Posting des Notquartiers Ferry-Dusika-Stadion: Da wir merken, dass viele unserer HelferInnen mit ihrer Energie am Ende sind, suchen wir wieder Zuwachs. Auch bei Sachspenden besteht Bedarf: Die Caritas meldete am Freitag vom Wiener Westbahnhof: Unser Lebensmittellager sieht schon wieder traurig leer aus. Auf dem Hauptbahnhof werden täglich warme Männerkleidung und -schuhwerk gesucht. Was da ist, ist gleich wieder weg, sagt Martina Barawitzki von Train of Hope. Seit jenem Tag, an dem plötzliche hunderte Flüchtlinge auf dem Westbahnhof strandeten, sind eineinhalb Monate vergangen. Inzwischen ist die Hilfe für Flüchtlinge zwar besser strukturiert, aber es ist auch kälter geworden, das Uni-Semester läuft wieder, die Grippe geht um, und die Phase des Gebrauchtwerdens dauert zum Beispiel im Vergleich zur Hilfe nach einem Hochwasser bereits länger an. Damit befasste NGOs wie Rotes Kreuz, Caritas und Arbeitersamariterbund verzeichnen zwar große Spendenbereitschaft, aber auch höhere Ausgaben, etwa für neue Mitarbeiter. Der Hilfsbedarf ist weiter groß: Rund 6.000 Flüchtlinge verbrachten die Nacht auf Freitag in Notquartieren in Österreich. Die Unterkünfte des Samariterbunds in Wien, darunter das Dusika-Stadion, waren laut Sprecherin Martina Vitek-Neumayer voll. Bis jetzt seien immer noch irgendwie Helfer für Früh- und Nachtschichten gefunden worden, sagt sie, schwieriger sei es aber geworden. Und: Irgendwann fragt man sich auch: Wann wird was bezahlt? Die NGOs seien für die Notversorgung von Asylwerbern in Vorleistung gegangen, und der Bund solle sich bei der derzeit rein spendenfinanzierten Unterbringung der Transitflüchtlinge einbringen. Große Hilfsorganisationen können, wenn die Zahl der Spontanhelfer zu gering ist, auf einen Pool Freiwilliger zurückgreifen, der etwa beim Roten Kreuz eigentlich zur Organisation des Rettungsdienstes dient. Backup für das Freiwilligennetzwerk Train of Hope sind die 40.000 Facebook-Follower. Noch immer gebe es kurz nach um Hilfe bittenden Postings meist eine Lösung. Wir müssen da aber viel aktiver sein als am Anfang, sagt Barawitzki. Und: Wir müssen uns immer wieder gegenseitig ermahnen, auch mal nach Hause zu gehen. Ein Ende für den Bedarf an Hilfe ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Rotes-Kreuz-Präsident Gerald Schöpfer meint: Wenn die Menschen in Österreich bleiben wollen, sollten wir ihnen Integration ermöglichen. Das wird noch großer Anstrengungen bedürfen. Analphabeten und Augenärzte, fröhliche Kinder und frustrierte Männer, wöchentlich ein Ausflug zum Tröpferlbad. Die Kinder toben durch das Haus. Das zehrt an den Nerven von manchen Bewohnern und Helfern, aber immerhin: Die Kinder sind fröhlich. Sie haben das Trauma des Krieges und der Flucht und den Verlust der Heimat offenbar überwunden. Sie spielen und lachen, das Leben in dem großen neuen Haus ist ein Abenteuer. Die Erwachsenen tun sich schwerer, vor allem die Männer. Nachdem die Anspannung der Flucht abgefallen ist, nachdem die Familie erst einmal in Sicherheit ist, gibt es hier das erste Mal Ruhe. Aber auch nichts zu tun. Alles ist weg, auch der soziale Status. Sie sind Flüchtlinge, haben Hab und Gut verloren, sind bestenfalls geduldet und nicht unbedingt geschätzt. Es gibt viele Konfliktsituationen, erzählt Martina Burtscher, die für das Haus in der Vorderen Zollamtsstraße zuständig ist. Auch die Polizei ist öfter hier. Das Flüchtlingsquartier liegt in unmittelbarer Nachbarschaft zum STANDARD, nur zwei Häuser weiter. Es ist mit 1.100 Personen das größte Flüchtlingsquartier in Wien. Von außen nimmt man weder die räumliche Dimension mit 30.000 Quadratmetern noch die hohe Zahl an Flüchtlingen wahr. Vor dem Haus, in dem früher die Finanzlandesdirektion untergebracht war, stehen ein paar Männer und rauchen. Drinnen führt uns Ali Makhdoomi durch die Gänge. Er kommt aus dem Iran, ist Student an der Universität für angewandte Kunst in Wien, spricht Farsi und Arabisch, er arbeitet hier ehrenamtlich als Dolmetscher. Vor zwei Monaten hat er damit begonnen, mittlerweile kommt er täglich her. In meiner Heimat konnte ich nicht helfen, sagt er, hier brauchen mich die Leute. Die Kinder mögen ihn, sie lachen und rufen am Gang seinen Namen, wenn sie ihn sehen. Im zweiten Stock treffen wir eine Familie aus Afghanistan, Borge, seine Frau und ihre drei Kinder. Zwei Monate waren sie auf der Flucht. Wir haben gehört, Österreich ist das sicherste Land der Welt, sagt Borge. Und die Leute sind so freundlich. Kennengelernt haben sie allerdings noch niemanden. Borge will als Steinmetz arbeiten, seine Frau hat Teppiche geknüpft. Jetzt müssen sie erst einmal Deutsch lernen. Die Kinder sind ihnen einen Schritt voraus, sie lernen begeistert und schnell und lieben die Kurse. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, unter ihnen sind ebenso Analphabeten wie Augenärzte. Was Martina Burtscher hier betreibt, ist Mängelverwaltung. Das Haus, das vom Roten Kreuz betrieben wird, wurde ursprünglich als Transitquartier geführt, mittlerweile bietet es Flüchtlingen dauerhaft Quartier, obwohl es den geforderten Standards nicht entspricht. Es gibt zum Beispiel nur eine einzige Dusche im Haus. Einmal die Woche rücken die Flüchtlinge daher zum Duschtag in das Tröpferlbad im fünften Bezirk aus. Verhandlungen über Duschcontainer im Hof laufen, involviert sind Innenministerium, Bundesimmobiliengesellschaft und das Rote Kreuz. Burtscher atmet tief durch. Es sind schwierige Verhandlungen, sagt sie. Noch ohne Ergebnis. Eine Demonstration der Bewohner hat es auch schon gegeben. Vor dem Haus protestierten etwa 60 Flüchtlinge gegen die Verpflegung. Burtscher kann es ihnen nicht verdenken. Seit zwei Monaten gibt es Tomatenfisch aus der Dose, jeden Abend. Das Bundesheer ist für die Verpflegung zuständig, Mittagessen gibt es keines. Das Haus ist auf Spenden angewiesen. Dringend benötigt werden Obst und Gemüse. Aber auch Kinderspielzeug und Gewand seien gefragt, immerhin wohnen etwa 250 Kinder im Haus. Im hinteren Trakt im Erdgeschoß befindet sich das neue Kulturcafé. Die Möbel wurden von den Kindern im Haus bemalt, die Projektleitung hatten Studenten der Technischen Universität und der Angewandten über. Stephan Trimmel, ein Social Designer, engagiert sich hier seit dem Urbanize-Festival Anfang Oktober. Wir leben von Materialspenden, erzählt er. Wichtig sei aber die Zeit, es gehe auch darum, den Menschen hier Beschäftigung zu bieten. Rabin und Saif, 21 und 22 Jahre alt, arbeiten mit. Sie sind Kurden aus dem Irak und flohen vor dem IS. Rabin zeigt die Narben seiner Verwundungen, erzählt von der Flucht. Ausbildung haben sie keine, gelernt hätten sie nur den Krieg. Es ist der Versuch, das Haus fast ohne Budget am Laufen zu halten, sagt Burtscher. Es fehle an allem, umso beeindruckender sei das Engagement der freiwilligen Helfer. Sie treten jeden Tag hier an und machen das Beste aus einer Situation, die Burtscher als permanente Krise bezeichnet. Haslauer: Koordinationstreffen Länder mit Bundesregierung erst am 20. Jänner ist zu spät.. Salzburg – Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) fordert von der Bundesregierung einen raschen Gipfel der in der Flüchtlingsfrage haupt betroffenen Bundesländer und der Regierungsspitze. Er habe Anfang Oktober bei der Bundesregierung um einen derartigen Termin zur Koordination der Flüchtlingspolitik ersucht, berichtete Haslauer Montagabend bei einer Veranstaltung des ÖVP-nahen Seebrunner Kreises – eine Art Think-Tank der Salzburger ÖVP. Der Termin ist am 20. Jänner angesetzt, ärgert sich Haslauer. Das sei eine Verzögerung von vier Monaten, so könne man nicht zusammenarbeiten. Haslauer diagnostiziert in der Bevölkerung ein unglaubliches Unbehagen und eine enorm aggressive Stimmung. Dies komme daher, weil es ein Defizit an Antworten von Seiten der Bundesregierung gebe. Das schafft Unbehagen, sagt Haslauer. Dazu komme, dass die Regierung keinen geschlossenen Eindruck hinterlässt. Nicht einmal in dieser Situation halten sie zusammen, denken sich die Menschen. Die Flüchtlingskrise könne die EU sprengen, befürchtet Haslauer. Österreich habe 2014 rund 30.000 Asylsuchende aufgenommen. Die Slowakei ganze 15. So kann Europa nicht funktionieren. Man gehe sehenden Auges in den Abgrund, warnt der Salzburger Landeshauptmann. Für kommendes Jahr seien 120.000 Asylwerber prognostiziert, man habe aber keine Quartiere. Haslauer schlägt auch vor, dass Deutschland, Österreich und Slowenien gemeinsam die slowenische Südgrenze sichern. Dort sollten Kontingente von Flüchtlingen zusammengestellt werden, die sicher durch Österreich geleitet werden können. Haslauer möchte auch ein neues Asylverfahren. Es gebe in Österreich nicht adäquate Verfahrenstechniken. Deutschland habe ein polizeiliches Schnellverfahren, die Rückgestellten würden dann in Österreich im Asylverfahren aufschlagen. Flüchtlingskoordinator Christian Konrad, der als Vertreter der Bundesregierung an der Veranstaltung teilgenommen hatte, kritisierte seinerseits die Länder. (Innenministerin Johann Mikl-Leitner war für den Abend zwar angekündigt, war aber verhindert der nationale Sicherheitsrat am Montag tagte.) Er habe in seiner Funktion zu lange auf die optimistischen Zusagen in Sachen Quartiersuche vertraut. Nun habe man bei der UNO winterfeste Zeltunterkünfte bestellt. Konrad berichtete ferner von einem Regierungsbeschluss, dass den NGOs zur Flüchtlingsbetreuung ab 1. November 2000 Zivildiener zur Verfügung gestellt werden. Bis dato wären nur 280 angefordert worden. EU-Komissar Johannes Hahn – Schlüsselland ist die Türkei – erwartet kurzfristig eine Verbesserung der Situation. Die Türkei habe zugesagt, die eigene Ostgrenze stärker zu kontrollieren. Hahn kritisierte erneut das Maß an Entsolidarisierung in Europa.. Die Union ist aber mehr als ein Bankomat, der sich bewegt. Gemeindebundpräsident Helmut Mödlhammer (ÖVP) verlangte indirekt eine Senkung der Sozialleistungen für Flüchtlinge. Die Mindestsicherung in Österreich sei drei Mal so hoch wie in Syrien der Durchschnittslohn. Weiterhin deutlich weniger Ankünfte. Skopje – Soldaten der mazedonischen Armee haben Montagfrüh die Errichtung eines Zauns an der Grenze zu Griechenland fortgesetzt. Am Wochenende hatte Mazedonien mit dem Zaunbau bei Gevgelija begonnen. Bisher wurde laut Medienberichten ein Metallzaun in der Länge von acht Kilometern errichtet, geplant sind 50 Kilometer. Der Flüchtlingszustrom war auch am Montag gering. Flüchtlinge würden nur in kleineren Gruppen eintreffen, hieß es in den lokalen Medien, ohne dass genaue Zahlen genannt wurden. Als Grund für den Rückgang bei den Ankünften wurden die schlechten Witterungsverhältnisse in Griechenland genannt. Vor eineinhalb Wochen hat Mazedonien damit begonnen, nur noch Flüchtlinge aus den Konfliktstaaten Syrien, Afghanistan und Irak einreisen zu lassen. Alle anderen Flüchtlinge werden als sogenannte Wirtschaftsmigranten angesehen und an der Grenze abgewiesen. Ähnliche Regelungen bestehen in Serbien und Kroatien. Stadträtin Frauenberger: keine Förderung bei Verstößen, islamische Kindergärten aber bisher ausreichend kontrolliert. Wien – Vor dem Krisentreffen zu den islamischen Kindergärten goss Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) zusätzliches Öl ins Feuer: Am Mittwoch forderte er von der Stadt Wien, konkret von den roten Stadträtinnen Sonja Wehsely und Sandra Frauenberger, einen Systemwechsel, der auf eine Überarbeitung des Kindergartengesetzes in der Bundeshauptstadt hinauslaufen soll, denn: Wir haben tausende Kinder in islamischen Kindergärten – und zwar mit dem Ziel vieler Eltern, dass sie fernab der Mehrheitsgesellschaft aufwachsen. So würden Parallelgesellschaften ausgebildet – für die Integration ein Riesenproblem. Konkret berief sich Kurz auf eine Vorstudie des Instituts für islamische Studien der Uni Wien, die in rund einem Drittel von erst 30 untersuchten islamischen Kindergärten Probleme festgestellt hat. Insgesamt, so Kurz, seien strengere Kontrollen nötig, auch habe die Stadt die Möglichkeit, Kindergärten mit Fördermitteln zu unterstützen – oder nicht. Genau das kündigt nun die Wiener Integrations- und Bildungsstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) im STANDARD-Gespräch an. Im Umgang mit Religion in Kindergärten gebe es manches, das mit dem Wiener Bildungsplan bisher noch nicht ausreichend geklärt wurde, meint sie. So etwa, ob den Kindern das Bild eines strafenden oder aber eines barmherzigen Gottes vermittelt werde. Derartige Fragen, so Frauenberger, stellten sich in allen Religionen. Sie würden in einen Leitfaden einfließen, den Kindergartenbetreiber, Experten sowie das Netzwerk gegen Radikalisierung bei der Wiener Kinder- und Jugendanwaltschaft erarbeiten sollen. Dieser werde Regeln vorgeben. Wird im Kindergarten pädagogisch wertvoll mit religiösen Inhalten gearbeitet, spricht nichts dagegen. Anders ist es, wenn der Glauben eingesetzt wird, um Kindern Angsterregendes oder Gewaltbejahendes beizubringen, differenziert die Stadträtin. Befolgten Kindergartenbetreiber die Leitfadenvorgaben nicht, so gebe es auch keine Grundlage für eine Förderung der Stadt Wien. Kurz Kritik am bisherigen Vorgehen der Stadt Wien wies Frauenberger zurück. Islamische Kindergärten und -gruppen würden im Unterschied zu katholischen und evangelischen Einrichtungen nicht von der Glaubensgemeinschaft, sondern meist von Vereinen initiiert. Hier jedoch gebe es selbstverständlich eine Kontrolle der zuständigen MA 11, die auch mit dem Verfassungsschutz zusammenarbeite. Mit der Einführung des verpflichtenden Kindergartenjahres 2010 sei die Zahl der islamischen Kinderbetreuungseinrichtungen sehr schnell gewachsen, erklärt Amina Baghajati von der Islamischen Glaubensgemeinschaft (IGGIÖ) im STANDARD-Gespräch. Die Verantwortung liegt bei den jeweiligen Trägern und Vereinen, wir haben null Einfluss. Der Islamischen Glaubensgemeinschaft sei wichtig, dass die Kinder dort auf die Vielfalt im alltäglichen Leben vorbereitet werden – und nicht, dass es zur Abkapselung kommt. Ob jenen Einrichtungen die öffentlichen Fördermittel gekürzt werden sollen, die das nicht beherzigen? Baghajati: Qualitätsstandards sind allgemein wichtig – und freilich auch einzuhalten. Ex-Kulturpolitiker hält Zaun "für rausgschmissenes Geld", das man lieber jungen unbegleiteten Flüchtlingen geben sollte. Spielfeld/Graz – Schon als er noch Kulturstadtrat von Graz war, war Helmut Strobl, der wegen seiner liberalen und humanistischen Haltung stets parteiübergreifend und von der Kunstszene geschätzt wurde, nie einer, der um den heißen Brei herumredete. Das hat sich nicht geändert. Die ganze Zaunidee ist auf Steirisch gesagt rausgschmissenes Geld, sagte er dem STANDARD am Donnerstag, nachdem bekannt wurde, dass ein ehemaliger ÖVP-Politiker verantwortlich für eine Lücke ist, die im umstrittenen Grenzzaun zwischen der Südsteiermark und Slowenien klaffen wird. Der Zaun sollte nämlich über das Grundstück gehen, das seit rund 100 Jahren in Strobls Familienbesitz ist und das der 72-Jährige vor wenigen Jahren von seiner Mutter geerbt hat. 8,1 Meter soll die Lücke messen, sagt die Polizei. 35 Meter sind es eigentlich, sagt Strobl, aber das ist vernachlässigbar, denn mir geht es um etwas Grundsätzliches: Die bauen den Zaun doch nur, um die Leute zu beruhigen. Dabei habe doch gar kein Flüchtling Interesse daran, illegal über unwegsames Gelände einzureisen, so der gelernte Architekt, der 16 Jahre Mitglied der Grazer Stadtregierung war. Seiner Meinung nach begann alles mit dem sogenannten Durchbruch von Flüchtlingen – ein grausliches Wort, so Strobl, dabei weiß doch jeder, der dabei war, egal ob Bundesheer oder Polizei, welchen Hintergrund das damals hatte. Da gab es zu wenige Busse. Man wollte Strobl ein Türl mit Schlüssel auf seinem Grundstück bauen – er lehnte dankend ab. Strobl war einer von drei Grundstücksbesitzern, mit denen die Polizei wegen des Zauns, der insgesamt rund 3,7 Kilometer lang werden soll, verhandelte, erzählt Joachim Huber von der steirischen Polizei dem STANDARD. Man sehe das aber bei der Polizei entspannt, weil das Gelände dort wirklich sehr steil sei. Die zuletzt kolportierten Kosten von zehn Millionen Euro inklusive Personal für den Zaun und das Grenzraummanagement im Kernbereich in Spielfeld seien bei weitem zu hoch gegriffen, sagen Huber und das Innenministerium auf STANDARD-Nachfrage unisono. Genaue Zahlen wolle man aber nicht nennen. Gegen die beheizbaren Container, die man im Kernbereich in Spielfeld aufstelle, habe auch Strobl nichts: Das ist eine gute Idee, und das hätte man schon längst machen sollen, aber das Geld für den Zaun sollen sie lieber unbegleiteten jugendlichen Flüchtlingen in Linz und Leoben geben. Strobl glaubt nicht, dass er der Einzige bleibt, auf dessen Grund kein Zaun stehen wird. Ein benachbarter prominenter Weinbauer könne seine Weingärten nämlich mit Zaun nicht mehr bewirtschaften. Der ehemalige Stadtrat besitzt zudem 2,9 Hektar in Slowenien, zu denen er dann auch nur mehr sehr schwer hinkommen kann. Dieses Land stammt von einem alten Abkommen von Vater Krainer und Tito (Josef Krainer, steirischer Landeshauptmann von 1948 bis 1971, und Josip Broz Tito, jugoslawischer Staatschef von 1945 bis 1980, Anmerkung). Da durfte Land, das vor dem Krieg zu Österreich gehörte und in Jugoslawien brach lag, von Österreichern bewirtschaftet werden, erklärt Strobl. Auch die Fahrwege direkt an der Grenze wurden selbst in Zeiten des Kommunismus immer von Weinbauern beider Seiten benutzt. Die bauen den Zaun teilweise in alte Schützengräben hinein, moniert Strobl, das kommt davon, wenn in Wien wer was plant, ohne sich das vor Ort angeschaut zu haben. Studienautor Ednan Aslan über Grundlagen möglicher Radikalisierung. Wien – Es gehe ihm um eine Versachlichung der Diskussion, betont Ednan Aslan, Projektleiter der vieldiskutierten Evaluierung islamischer Kindergärten/-gruppen in Wien, im Gespräch mit dem STANDARD. Im Zentrum der Auseinandersetzung dürfe nicht die Position Sebastian Kurz oder der Wiener SPÖ stehen, sondern die Lage der Kinder in den islamischen Kindergärten. In rund einem Viertel solcher Einrichtungen stellt Aslans Studie Probleme fest. Konkret gehe es dabei um schwarze Pädagogik, erläutert der Politikwissenschafter und Pädagoge: Wie anders ist es zu bezeichnen, wenn man kleinen Kindern vermittelt, dass sie das Höllenfeuer fürchten müssen und dass sie sündig sind?, fragt er. Eine solche Erziehung, so Aslan, mache Angst. Hinzu komme eine in den problematischen Kindergärten vielfach vermittelte Verachtung anderer Lebensentwürfe. Werde diese in der Folge theologisiert, sei eine Grundlage für Radikalismen gelegt. Was er nun vorschlage? Wichtiger als die Erstellung eines Leitfadens, wie es die Wiener Stadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ) im STANDARD angekündigt hat, sei zu klären, mit welchen Verbänden man zusammenarbeitet. Von Gruppen, die mit der Muslimbruderschaft oder Milli Görüs in Verbindung stehen, seien keine Verbesserungen zu erwarten. Vor allem jedoch müsse man das System der Verbände insgesamt verstehen, um künftig professioneller vorzugehen. Laut Aslan hat das Wiener Amt für Jugend und Familie (MA 11), das auch Kindergärten überprüft, eine Beteiligung an der Studie abgelehnt. Im Büro der zuständigen Stadträtin Sonja Wehsely (SPÖ) bestätigt man dies. In der Folge konnte Aslan das Integrationsministerium als auftraggebenden Studienpartner gewinnen. Länder für 15a-Vereinbarungen zum Thema Integration, Filmschaffende fordern Asylgipfel. Eisenstadt – Die Integration von Menschen, die bereits einen Asylstatus haben, hat die Integrationsreferenten der Bundesländer bei ihrer Tagung in Eisenstadt beschäftigt. Man habe Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) aufgefordert, mit 15a-Vereinbarungen dafür zu sorgen, dass diesem Bereich auch von Bundesseite Augenmerk geschenkt wird, sagte Burgenlands Landesrat Norbert Darabos (SPÖ) vor Journalisten. Von Kurz habe es das o.k. gegeben, gemeinsam an einer 15a-Vereinbarung zur Integration zu arbeiten, berichtete die Salzburger Landesrätin Martina Berthold (Grüne). Mit dem Minister wolle man einen schnellen Schritt schaffen. Bei einem Termin im Jänner sollen inhaltliche Schwerpunkte skizziert werden, erläuterte Berthold. In einer ersten Vereinbarung sollten neben dem Spracherwerb der Übergang von der Grundversorgung in die Selbstständigkeit bzw. in den Bereich des Arbeitsmarktes angesprochen werden. Die Problematik im Integrationsbereich wolle man auch auf Basis des von Kurz vorgeschlagenen 50-Punkte-Programmes angehen, das die mehrheitliche Zustimmung der Länder finde, so Darabos. Darin enthalten seien Wertekurse, die man im Burgenland implementieren wolle. Kurz habe ihm angeboten, dass das Burgenland als erstes Bundesland diese Kurse abhalten könne. Er halte die Implementierung von Wertekursen jenseits jeder ideologischer Diskussionen für notwendig und wichtig, stellte Darabos fest. Im Burgenland wurden seit Juli an die 600 Asylansuchen gestellt, österreichweit seien es heuer mittlerweile 80.000, berichtete Darabos. Eine Obergrenze bei der Aufnahme von Flüchtlingen sei bei der Tagung kein Thema gewesen. Auch über das Angebot von Deutschkursen habe man mit Integrationsminister gesprochen. Im Jänner soll das Thema Integration auch auf einem Gipfel der Landeshauptleute am 20. Jänner behandelt werden. Länderübergreifend gebe es die gemeinsame Sicht, dass es wichtig sei, Deutschkurse für Flüchtlinge schon ab dem Einstieg in die Grundversorgung anzubieten und nicht erst nach der Anerkennung, so Berthold. Am Erlernen der deutschen Sprache führt kein Weg vorbei, sagte der Vorarlberger Landesrat Erich Schwärzler (ÖVP). Diese sei die Grundlage für die Eingliederung in den Arbeitsprozess und der Integration in den Gemeinden. In Salzburg zeige sich, dass es auch ein Entwicklungspotenzial gebe, schilderte Berthold: Es würden regionale Arbeitsplätze geschaffen und die regionale Wirtschaft angeregt, etwa durch den Bau von Holzhäusern für Asylsuchende. Es gebe aber auch die Kehrseite der Medaille: Was für mich nicht sein kann, ist, dass neun europäische Staaten 90 Prozent der Menschen aufnehmen, die nach Europa kommen, meinte Schwärzler. Alle müssten sich solidarisch erklären und Flüchtlinge aufnehmen. Es müsse aber auch Wege geben, Flüchtlingsströme einzubremsen. Auch dies sei eine europäische Aufgabe. Mehr als 5.800 Unterschriften prominenter europäischer Kollegen hat eine Gruppe österreichischer Filmschaffender bereits für eine menschenwürdige Flüchtlingspolitik gesammelt. Heute, Freitag, trafen Karl Markovics und sieben Mitstreiter der Petition For a 1000 Lives auf Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) – um sie ausdrücklich zu bitten, bis Ende Jänner einen Asylgipfel einzuberufen. Damit solle allen relevant Beteiligten und Verantwortlichen – Ministerien und Landeshauptleuten, NGOs und freiwilligen Initiativen – die Möglichkeit gegeben werden, an einem Tisch und vor allem auf Augenhöhe zu diskutieren, so Schauspieler und Filmemacher Markovics (Atmen) bei einer Pressekonferenz am Freitag im Anschluss an das Treffen mit der Ministerin. Fragen der Unterbringung, der Arbeitserlaubnis für Flüchtlinge und ähnliche Themen sollten dabei so lange ausdiskutiert werden, bis sich keiner mehr auf den anderen ausreden kann, sondern bis man sich in einer Art Mitte trifft, wo man sagt: Das ist organisier- und finanzierbar und das ziehen wir jetzt durch. Mikl-Leitner sei auf den Vorschlag eines Asylgipfels in dieser Form zwar nicht eingegangen, habe aber zugesichert, das Thema beim nächsten Gipfeltreffen von Regierung und Landeshauptleuten im Jänner zur Sprache bringen. Und auch, wenn man sich nicht in allen Dingen einig sei: Markovics gehe es angesichts der aktuellen Atmosphäre darum, den Rücken der Innenministerin zu stärken. Die habe etwa beim viel beachteten Asylgipfel im Sommer manch überbordende Bekenntnisse erhalten, die nie eingehalten wurden. Mit einem Brief wollen Markovics und prominente Kollegen wie Filmemacher Markus Schleinzer, Sabine Derflinger und Elisabeth Scharang daher vor allem die Landeshauptleute in die Pflicht nehmen, das Gemeinsamkeitsprinzip in den Vordergrund zu stellen. Denn was wir im Moment in Europa erleben, ist eine schockierende Fragmentierung, nicht nur in der Gesellschaft sondern auch von Idealen, von Solidarität, so Markovics. Der aktuellen Situation müsse man mit Mut begegnen, nicht mit Angst, meinte Schleinzer, der in der politischen Kommunikation beim Flüchtlingsthema vor allem Angstmache ortet. Das muss man lassen. Die Initiative For a 1000 Lives wurde im September als Reaktion auf das Flüchtlingsdrama auf der A4 mit 71 Toten federführend von Produzentin Ursula Wolschlager und Dokumentarfilmerin Nathalie Borgers (Fang den Haider) ins Leben gerufen und hat seitdem prominente Unterstützer wie Michael Haneke, Tom Tykwer oder Daniel Craig gewonnen. In drei zentralen Forderungen geht es vor allem darum, die Menschenrechte wieder ins Zentrum zu rücken, so Borgers am Freitag. Nach der Präsentation im EU-Parlament in Brüssel im Oktober soll das Anliegen nun an die jeweiligen Entscheidungsträger in den EU-Mitgliedsstaaten getragen werden. Man könnte nicht auf eine gesamteuropäische Lösung warten, so Scharang, bis wir unsere Probleme hier lösen. Landeshauptmann erwartet von Asylgipfel Zahl zu Kapazitätsgrenze. Wien/Salzburg – Der Salzburger Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) spricht sich dafür aus, anerkannten Flüchtlingen eine niedrigere Mindestsicherung auszuzahlen als Österreichern. Mit einem Beitrag wie den Besuch von Sprachkursen oder einer Integrationsvereinbarung sollen Asylberechtigte auf die gleiche Höhe kommen, schlug er in der ersten ORF-Pressestunde des neuen Jahres vor. Haslauer musste zunächst seine Aussage von der Vorwoche, wonach das Grundrecht auf Asyl ein theoretisches Gedankenspiel sei, zurechtrücken: Asyl sei ein Grundrecht, könne aber auf faktische Grenzen stoßen, verwies er etwa auf die Quartiersituation. Angesichts einer Völkerwanderung stelle sich auch die Frage, ob die derzeitigen Rechtsmittel noch ausreichen, um diesen Herausforderungen zu begegnen, gab er zu bedenken. Haslauer pochte etwa auf eine gemeinsame außenpolitische Linie in Europa und Rückführungsabkommen für abgelehnte Asylwerber mit Ländern wie Pakistan. Auch über den Begriff Obergrenze für die Aufnahme von Flüchtlingen wurde diskutiert. Wir haben ein Jahr hinter uns, das uns extrem gefordert hat, stellte Haslauer dazu fest, mit Ach und Krach habe man ausreichend Unterkünfte geschaffen. Noch einmal eine Zahl wie im Vorjahr mit 90.000 Asylwerbern werde nicht zu schaffen sein. Der Asylgipfel mit der Bundesregierung am 20. Jänner werde sich daher der Frage Aufnahmekapazität widmen, erwartet sich der Vorsitzende der Landeshauptleutekonferenz eine Zahl als gemeinsames Verhandlungsergebnis. Dort sollen auch Szenarien diskutiert werden, was passiert, wenn Deutschland weniger Flüchtlinge aufnimmt. Haslauer erklärte weiters, Sicherheit und Integration gebe es nicht zum Nulltarif: Beides kostet Geld und wir werden in beiden Bereichen mehr Geld in die Hand nehmen müssen. So sei etwa auch zu klären, ob das Bundesheer den Anforderungen entsprechen könne. Eine Zahl für die Obergrenze wollte der Landeshauptmann nicht nennen. Bezüglich jener Personen, die darüber hinaus ins Land kommen, verwies Haslauer auf Begleitmaßnahmen wie fremdenpolizeiliche Maßnahmen und Wartezonen. Diskutieren will der Salzburger ÖVP-Obmann auch die Höhe der Mindestsicherung, auf die Asylberechtigte Anspruch haben. Er schlägt vor, dass sie erst durch einen eigenen Beitrag auf die gleiche Bezugshöhe wie Österreicher kommen. Die Höhe sollte etwa an die Integrationswilligkeit, den Besuch von Sprachkursen oder Schulungen geknüpft werden. Generell forderte er eine bessere Aufteilung der Flüchtlinge, denn: Wir als Österreich können nicht das Unheil der ganzen Welt schultern. In Wien sind Gebäude für 600 und zumindest 750 Flüchtlinge fix, weitere größere Notquartiere dürften folgen. In Graz soll eine Kaserne geöffnet werden. Graz/Wien – Der Platzmangel bei der Unterbringung von Flüchtlingen sowie die anhaltenden Flüchtlingsbewegungen zwingen die Stadt Wien einerseits dazu, als Zwischenlösung gedachte große Transitquartiere wie das Dusika-Stadion weiter zu betreiben. Andererseits müssen neue Großquartiere geschaffen werden. In die leerstehenden Siemens-Bürogebäude in der Floridsdorfer Siemensstraße sollen nach einem Umbau ab Ende Jänner 600 Flüchtlinge einziehen. Laut Bezirksvorsteher Georg Papai (SPÖ) entstehen drei Häuser für je 200 Flüchtlinge. Papai wurde von der Entscheidung des Fonds Soziales Wien (FSW) überrascht, Bezirke haben bei der Schaffung von Quartieren aber kein Mitspracherecht. Er werde mit Anrainern Informationsgespräche führen. Der Vertrag mit Siemens laufe bis Ende September. Die Kritik der Bezirkspartei Wir für Floridsdorf (Wiff) an der Schaffung des Großquartiers bezeichnete Papai als unter der Gürtellinie. Die Alternative sei schließlich, dass Flüchtlinge obdachlos seien. In ein ehemaliges Bürogebäude in Wien-Liesing hätten nach Plänen des FSW bald 1.000 Flüchtlinge ziehen sollen. Nach Protesten von Anrainern und auch Bezirkschef Gerald Bischof (SPÖ) verständigte man sich laut FSW vorerst darauf, das Quartier für 750 Flüchtlinge zugänglich zu machen. Der Bezirk sei aber für die Schaffung von zusätzlichen 250 Plätzen in Kleinquartieren verantwortlich. Sollten es die Entwicklungen erfordern, könne man im Großquartier aber auch auf 1.000 aufstocken, sagt ein FSW-Sprecher dem STANDARD. Mehrere größere Quartiere für rund 400 Flüchtlinge sind zudem kurzfristig in Planung. Dabei wird es aber nicht bleiben: Ende Mai 2016 wird ein Haus in der Vorderen Zollamtsstraße in Wien-Landstraße, das aktuell 800 Flüchtlinge beherbergt, geschlossen und danach laut FSW von der Universität für Angewandte Kunst genutzt. Schon bald wird eine von der Gärtnerei Starkl in Simmering zur Verfügung gestellte Halle für bis zu 400 Flüchtlinge geschlossen. Wien übererfüllt die Quote derzeit übrigens um 13,6 Prozent. Nur Niederösterreich und Vorarlberg sind ebenfalls nicht säumig. In Graz braut sich einiger Protest gegen den Plan des Innenministeriums zusammen, in der Kirchner-Kaserne im innerstädtischen Bezirk Jakomini ein Asylzentrum einzurichten. Für Sonntag sind erste Proteste der Identitären – mit FPÖ-Unterstützung – geplant. Die Regierung hört auf niemanden und setzt weiter auf Großquartiere, die nur große Probleme schaffen. Sie ist völlig überfordert. Das wird Folgen haben. Sie riskiert damit, bei den nächsten Wahlen wieder haushoch zu verlieren, sagt Bürgermeister Siegfried Nagl im STANDARD-Gespräch. Nagl macht sich natürlich auch um seine Stadt-ÖVP Sorgen. Graz wählt 2017. Innenministeriumssprecher Karl-Heinz Grundböck bestätigt dem STANDARD, dass das Ministerium in der Kirchner-Kaserne Platz für Asylwerber schaffen will. Ja, es gibt das Angebot des Verteidigungsministeriums für das Areal. Je früher wir es nutzen können, desto besser. Über die Anzahl der Flüchtlinge, die hier untergebracht werden sollen, werde beraten. Genutzt wird nur das Kasernengelände, die Gebäude bleiben beim Verteidigungsministerium. Zur Betreuung werden Container aufgestellt. Momentan ist von rund 400 Asylwerbern die Rede, ÖVP-Bezirksvorsteher Klaus Strobl rechnet hoch, dass bis zu 1.500 Menschen Platz finden könnten. Während sich auch die KPÖ gegen das Zentrum ausspricht, reagiert Grünen-Stadträtin Lisa Rücker differenzierter: Dass hier im Zentrum ein Asylzentrum entstehen soll, sehe ich nicht so als Problem. Hier gibt es eine entsprechende Infrastruktur, das ist doch wesentlich besser als irgendwo völlig abseits. Das große Problem sehe ich in den privaten Betreuungsfirmen. Das Um und Auf sei aber, dass die Bevölkerung mitgenommen wird. Rücker: Ich urgiere schon die längste Zeit, dass unsere Experten vor Ort geschickt werden, um eine Kommunikation aufzubauen. Aber es ist nichts geschehen. Der Bürgermeister und die anderen argumentieren, man soll nicht schon frühzeitig Unruhe schaffen. Psychologische Aufarbeitung der Übergriffe in der betroffenen Schule. Salzburg – Nachdem die Direktorin einer Neuen Mittelschule in der Stadt Salzburg gestern, Mittwoch, eine Anzeige gegen vier Schüler wegen sexueller Belästigung von drei Mitschülerinnen eingebracht hat, sind Lehrer und Schüler am Donnerstag psychologisch betreut worden. Die vier unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge aus Afghanistan und Syrien sind derzeit vom Unterricht freigestellt. Der Landesschulrat, die Polizei und die Schulleitung waren gemeinsam bemüht, dass die Causa schnellst möglich aufgeklärt wird. Die Burschen im Alter von 14 bis 16 Jahren wurden wegen Verdachts der sexuellen Belästigung, der Körperverletzung und der gefährlichen Drohung angezeigt. Sie sollen die drei 14- und 15-jährigen Schülerinnen über drei Monate hinweg schikaniert haben. Ab der ersten Schulstunde war heute die Schulpsychologie anwesend. Der Vorfall wurde mit dem Lehrerkollegium durchgegangen, es wurden den Schülern und Klassenverbänden auch Einzelgespräche angeboten, erklärte Roland Bieber, Leiter der Präsidialabteilung des Landesschulrates, am Donnerstag gegenüber der APA. Eine Statistik über sexuelle Belästigung in Pflichtschulen liegt beim Landesschulrat nicht auf. So ein Fall wie dieser, bei dem es auch um das Begrapschen des Gesäßes ging, war ihm bisher nicht bekannt, sagte Bieber. Im Gegensatz dazu würden Rempeleien des Öfteren vorkommen, das sei ein pubertäres Phänomen. Die Direktorin der betroffenen Schule habe sich jedenfalls immer sehr bemüht, eine Vertrauensbasis mit den Schülerinnen und Schülern aufzubauen, damit sie sich bei Auftauchen eines Problems öffnen. Einmal in der Woche sei die Schulpsychologie vor Ort gewesen. Doch vor der Anzeige habe es kein Signal in Richtung einer sexuellen Belästigung gegeben, erklärte Bieber. Nach Bekanntwerden der sexuellen Übergriffe zum Jahreswechsel in Köln und anderen Städten habe die Direktorin das Lehrpersonal darauf aufmerksam gemacht, besonders hellhörig zu sein, sagte der Büroleiter des Landesschulratspräsidenten. Köln sei auch der Anlassfall gewesen, niederschwellig darüber zu sprechen. Wenn man mehr darüber hört, ist auch das Sensorium ein anderes. Schließlich haben sich die drei Mädchen an die Schule gewandt, bevor sie darüber zu Hause erzählten. Die Direktorin habe richtig gehandelt und sofort Anzeige erstattet. Nun müsse der Fall genau ermittelt werden, um weitere Schritte setzen zu können. Laut Bieber sei man bis zu der Anzeigeeinbringung der Ansicht gewesen, dass die vier Burschen einen guten Integrationsfortschritt in der Schule gemacht hätten. Die vier Flüchtlinge leben in verschiedenen Unterkünften. Es werde nun auch geprüft, ob sie in andere Schulen verlegt werden können, und zwar einzeln verteilt, damit sie nicht mehr in einer Gruppe auftreten, hieß es dem Büro von Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP), in dessen Ressort der Schulbereich fällt. Es handle sich um außerordentliche Schüler, was bedeute, dass ein weiterer Betreuungsbedarf bestehe, weil sie sprachlich nicht in der Lage seien, den Unterricht in deutscher Sprache ausreichend mitzuverfolgen. Von insgesamt 38.000 Pflichtschülern im Land Salzburg seien 2.484 außerordentliche Schüler, davon wiederum 450 Flüchtlingskinder. Angesichts des aktuellen Falles präsentierte der Landesschulrat heute einen Fünf-Punkte-Plan, der derartige Übergriffe in Zukunft verhindern soll. Für die Beschulung von Asylwerbern und Asylberechtigten wurde ein eigener Koordinator im Landesschulrat bestellt, der die Schulen als Informationsdrehscheibe unterstützt. Weiters werden den Pflichtschulen für das laufende Schuljahr 25 Planstellen für Sprachförderung zusätzlich vom Bildungsressort des Landes für Sprachförderung und Integration zur Verfügung gestellt, weil der Bund bis jetzt trotz vielfacher Ankündigen keine zusätzlichen Ressourcen zur Verfügung stellt, teilte das Land mit. Der Fünf-Punkte-Plan beinhaltet auch eine Null-Toleranz-Anweisung. Alle Lehrer im Land Salzburg haben bei Verdacht von Übergriffen auf Schülerinnen und Schüler umgehend Meldung an die Schulleitung zu erstatten. Eigene Kontaktbeamte der Polizei gehen jedem Verdacht nach. Bei Bestätigung eines Verdachtes werden zum Schutz der Opfer und der mutmaßlichen Täter umgehend vorläufige Suspendierungen ausgesprochen. Gemeinsam mit den Schulpartnern wird auch ein Maßnahmenpaket erarbeitet, das klare Verhaltensregeln und Konsequenzen bei Verstößen regeln soll. Hierbei steht sowohl die Wertevermittlung, als auch die Verpflichtung zur Verwendung der deutschen Sprache in der Schule im Mittelpunkt. Integrations-Landesrätin Martina Berthold (Grüne) kündigte unterdessen an, in den Unterkünften der jungen Männer das Thema sexuelle Belästigung sukzessive aufzuarbeiten. Dabei soll die Gesetzeslage erörtert und auch vermittelt werden, wie man Frauen und Mädchen in Österreich angemessen begegnet. Verfahrenshilfe nur für nur Opfer von Ausländerkriminalität: "Aus moralischen Gründen und aus Gründen der Ideologie". Linz – Der Linzer Anwalt Klaus Burgholzer erklärt in einem Schreiben an die oberösterreichische Rechtsanwaltskammer, dass er ausländische Angeklagte nicht verteidigen möchte. Burgholzer bitte darum, ihm die Opfer von Ausländerkriminalität als Verfahrenshelfer anzuvertrauen, berichtete der Kurier am Freitag. Der Brief wird laut Kammerpräsident Franz Mittendorfer disziplinarrechtlich behandelt. Diese Position ist überraschend, sie ändert aber nichts an der Verpflichtung, auch Ausländern Verfahrenshilfe zu gewähren, wird Mittendorfer zitiert. Burgholzer nennt in dem Schreiben an die Rechtsanwaltskammer moralische Gründe und Gründe der Ideologie – ich bin politisch rechtsorientiert, also volkstreu und heimattreu. Dem kriminellen Ausländer sei das Unrecht seiner Tat nicht bewusst (fehlendes Schuldbewusstsein), und er werde in keiner Weise davon abgehalten, weitere kriminelle Taten in unserem Land zu begehen (fehlende Spezialprävention). Der Linzer Anwalt fordert seine Interessenvertretung auch dazu auf, sich für gesetzliche Grundlagen einzusetzen, damit mehrfach vorbestraften und nicht abgeschobenen Ausländern keine Verfahrenshilfe mehr gewährt werden kann. Für Aufregung sorgte unlängst das Lokal Charlys in Bad Ischl, das auf Facebook mitteilte: Wir sind ab jetzt wieder asylantenfrei. Begründet wurde das Zutrittsverbot für Asylwerber mit angeblichen sexuellen Belästigungen. In Wien zeigte Ärztekammerchef Thomas Szekeres jenen Kassenarzt an, der ebenfalls via Facebook kundgetan hatte, die Behandlung von Flüchtlingen abzulehnen. Thomas Unden, praktizierend in Wien-Floridsdorf und von gewisser Bekanntheit durch seine Suche nach einer Frau in der ATV-Sendung Das Geschäft mit der Liebe, hatte im Internet gepostet: In meiner Ordination werden von mir keine Asylanten angenommen. Unden hat übrigens höhere Ambitionen. Am Freitag ließ er via Facebook wissen, dass er Bundespräsident werden möchte. Er bitte die österreichischen Mitbürger, ihn für die Wahl zum Bundespräsidenten zu nominieren, denn er sei der Meinung, dass es angesichts der volksfeindlichen politischen Situation leider von hoher Bedeutung sein wird, dass das österreichische Bundesheer zum Schutz der Bevölkerung von einem Präsidenten kommandiert wird, der sich AUSSCHLIEßLICH dem österreichischen Volk verpflichtet fühlt. Er behalte sich vor, falls ich in diese Funktion gewählt werde, auf das Präsidentengehalt und andere materielle Bevorzugungen zu verzichten. Lediglich eine Aufwandsentschädigung werde er einfordern. Thomas Unden wollte ausländerfeindliche Äußerungen trotz Aufforderung der WGKK nicht zurücknehmen. Wien/Linz – Der Allgemeinmediziner Thomas Unden will Flüchtlinge in seiner Praxis in Wien-Floridsdorf nicht behandeln. Diese Ansage, die der Arzt via Plakat auf seiner Ordinationstür verkündete und als Foto auf Facebook postete, sorgte in den vergangenen Tagen für Aufregung. Nun hat Unden seinen Vertrag bei der Wiener Gebietskrankenkasse (WGKK) verloren. Diese hatte Unden aufgefordert, seine Aussagen zurückzunehmen. Der Bitte kam der Arzt jedoch nicht nach. Auf Facebook schrieb er am Freitag: Eine Abänderung meiner Haltung steht für mich in keinem Fall zur Diskussion. Der Arzt hat gegenüber der WGKK auch mündlich deponiert, dass es keinen Widerruf seiner Äußerungen geben wird. Daher wird es seitens der WGKK zur Vertragskündigung kommen, sagt eine Sprecherin zum STANDARD. Auch der Disziplinaranwalt der Ärztekammer prüft derzeit, ob Unden das Ansehen der Ärzteschaft beziehungsweise die Versorgungspflicht verletzt hat. Wird ein entsprechendes Verfahren eingeleitet, spielt sich die Verurteilung zwischen schriftlichem Verweis bis hin zur Streichung aus der Ärzteliste ab, was einem unbefristeten Berufsverbot gleichkommt. Ebenfalls auf Facebook verkündete Unden, dass er nun eine Kandidatur bei der Bundespräsidentenwahl überlege. Er bitte die österreichischen Mitbürger, ihn für die Wahl zum Bundespräsidenten zu nominieren, denn er sei der Meinung, dass es angesichts der volksfeindlichen politischen Situation leider von hoher Bedeutung sein wird, dass das österreichische Bundesheer zum Schutz der Bevölkerung von einem Präsidenten kommandiert wird, der sich AUSSCHLIEßLICH dem österreichischen Volk verpflichtet fühlt. Er behalte sich vor, auf das Präsidentengehalt zu verzichten. Lediglich eine Aufwandsentschädigung werde er einfordern. In Linz hat unterdessen der Anwalt Klaus Burgholzer in einem Brief an die Rechtsanwaltskammer erklärt, dass er ausländische Angeklagte nicht verteidigen möchte, berichtete der Kurier am Freitag. Er nennt in dem Schreiben moralische Gründe und Gründe der Ideologie – ich bin politisch rechts orientiert, also volkstreu und heimattreu. Der Brief wird laut Kammerpräsident Franz Mittendorfer disziplinarrechtlich behandelt. Internationale Bürgermeister-Konferenz in Wien: Warnung vor mafiosen Schlepperstrukturen. Wien – Wenn die Türkei nicht die Flucht über die Ägäis stoppt, gleichzeitig aber von Österreich und vom Balkan abgewiesene Flüchtlinge zurückströmen (Domino-Effekt), wird die Situation in Griechenland dramatisch. Die Kooperation der Türkei ist der Schlüssel, sowohl was den Stopp der Schlepper betrifft, wie die Rücknahme von Bootsflüchtlingen, die die Türkei bisher verweigert. Das zeigt sich in Gesprächen mit griechischen Inselbürgermeistern bei der großen Wiener N-O-W-Konferenz, die auf Initiative von André Heller Bürgermeister von Jordanien bis Traiskirchen zusammenbrachte. Allerdings sind die Griechen extrem skeptisch, was den Kooperationswillen von Erdogans Türkei betrifft. Der einzige Weg, den Strom zu verringern, ist die Menschen wieder in die Türkei zurückzuschicken. Aber die Türkei wird sie nicht zurücknehmen, wenn die EU nicht viel mehr Druck ausübt, sagt Emmanouil Vournos, der Bürgermeister von Chios. Lesbos, Chios, Kos – drei griechische Ferieninseln vor der türkischen Küste, die seit August 2015 hunderttausende Flüchtlinge aus der Türkei aufgenommen (und weitergeschickt) haben. Über Lesbos allein sind bisher 550.000 Menschen nach Mitteleuropa weitergereist. In Kos gab es Spitzen von 12.000 Bootsflüchtlingen pro Tag. Kos hat 17.000 Einwohner und liegt nur ein paar Kilometer vom türkischen Ferienort Bodrum entfernt. Die Schlauchboote kommen sogar jetzt noch an – und Menschen ertrinken weiter. Bei der winzigen Insel Kalolimnos starben zuletzt dutzende Menschen. Kalolimnos liegt zwischen Bodrum und Kos, Touristen bekannt durch die große griechische Flagge, die dort auf die Felsen gemalt ist. Griechenland kann seine Seegrenze nicht so einfach abriegeln, so wie das viele in Europa glauben, sagt Giorgios Kyriotsis, der Bürgermeister von Kos.. Und: Es gibt keinen Stopp der Fluchtbewegung aus der Türkei. Aber hat nicht die EU mit der Türkei ein Abkommen geschlossen – drei Milliarden Euro gegen türkische Maßnahmen ? Lefteris Papagiannakis, der Chef der Athener Flüchtlingsbehörde, macht ein skeptisches Gesicht: In der Woche nach der Verkündigung des Abkommens kamen wirklich keine Flüchtlinge mehr, aber dann ging es weiter wie bisher. Kenner der Situation in der Türkei sprechen von mafiosen Strukturen, die sich entlang der Küste gebildet haben. Die Schlepper bringen am hellichten Tag Schlauchboote mit dutzenden Insassen zu Wasser, die türkischen Behörden schauen überwiegend weg. Abgesehen von Korruption auf lokaler Ebene – auch Präsident Erdogan habe ein Interesse, die Flüchtlingsfrage als Hebel gegen die Europäer in der Hand zu behalten.Europa hat Erdogan den Schlüssel in die Hand gegeben, das war ein Fehler, sagt Papagiannakis. Der Bürgermeister von Lesbos, Spyros Gallinos fordert vehement : Das Verbrechen der Schlepperei muss beendet werden. Auch das geht natürlich auch nur mittels Kooperation der Türkei. Für rasche Integration – Ministerium prüft, ob Englands Rosinen auch Österreich schmecken. Wien – Integrationsminister Sebastian Kurz (ÖVP) will von jenen mehr als 41 Millionen Euro, die er sich gemeinsam mit der Innenministerin aus dem mit 75 Millionen dotierten Integrationstopf der Regierung holt, fünf bis sechs Millionen in Wertekurse investieren. Deutlich mehr werde in zusätzliche Deutschkurse fließen, hieß es am Mittwoch auf Anfrage des STANDARD – eine konkrete Zahl war vorerst nicht zu erfahren. Dafür präzisiert man im Integrationsministerium eine Idee, die ÖVP-Klubchef Reinhold Lopatka im ORF-Report ventiliert hatte. Der erklärte nämlich auf die Frage, ob Deutschkurse für Asylwerber von der ersten Stunde an sinnvoll wären: Ich bin absolut dafür, sofort (...) Deutschkurse, alles für die Integration zu machen. Kurz möchte bei jenen mit einer hohen Anerkennungswahrscheinlichkeit darüber nachdenken, die vom Bund finanzierten Deutschkurse zu öffnen. In der Parteizentrale heißt es dazu: Für die ÖVP ist es vorstellbar, dass jenen Asylwerbern, die eine hohe Anerkennungswahrscheinlichkeit haben, Deutschkurse angeboten werden. Nachsatz: Das sind zum Beispiel Syrer. Derzeit gibt es ein solches Angebot lediglich von NGO-Seite. Bürgermeister Michael Häupl (SPÖ) hatte Mitte Jänner dann verpflichtende Deutschkurse – auch für Asylwerber – als eine der in Wien anvisierten Maßnahmen genannt. Gewerkschaftsbund, Industriellenvereinigung und zuletzt der Chef des Arbeitsmarktservice, Johannes Kopf, sprechen sich für den Zugang von Asylwerbern zu Deutschkursen zwecks ehestmöglicher Integration aus. Britische Rosinen Im Integrationsministerium macht man sich zudem bereits Gedanken darüber, was die angestrebte Sozialleistungsvereinbarung mit Großbritannien, die EU-Ratspräsident Donald Tusk am Mittwoch vorgelegt hat, für Österreich bedeuten könne. Ein Sprecher erklärt dem Standard: Wir begrüßen diesen Vorschlag im Prinzip, ein Rosinenpicken für Großbritannien allein dürfe die Regelung allerdings nicht sein. Aktuell prüfe man den Entwurf. Gleiches beschäftigt derzeit die Experten im Sozialministerium. Dem Vernehmen nach interessiert man sich im Integrationsministerium vor allem für die Klärung, ob die Familienbeihilfe für jene in Österreich Beschäftigten, deren Kinder im EU-Ausland leben, künftig nur in Höhe des Herkunftslandes ausgezahlt werden kann. Denn allein 2013 habe man über 200 Millionen Euro auf diesem Weg ins Ausland überwiesen. Rotes Sticheln Die SPÖ interessiert etwas anderes: Klubchef Andreas Schieder will die Asyl- und Rückführungsstatistiken lieber bei der Statistik Austria als im Innenministerium sehen. Anlass ist, dass der EU-Statistikbehörde Eurostat für 2014 keine Zahlen vorgelegt wurden. Das Ministerium erklärt das mit Datenbankproblemen. Auch Bundeskanzler Werner Faymann für mögliche Ausweitung der Kontrollen. Wien – Die Regierung demonstriert bei einer möglichen Ausweitung der Grenzkontrollen aufgrund der Flüchtlingskrise Einigkeit. Sowohl Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) als auch Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) stellten am Sonntag eine strengere Linie in der Asylpolitik in Aussicht, sollte die Türkei dem Wunsch nicht nachkommen, alle Boots-Flüchtlinge wieder zurückzunehmen. Auch neue Grenzzäune seien möglich. Wenn die Türkei sagt, dass sie alleine die Grenzen schützt und dann kämen nur noch 10.000 statt 20.000, wäre das noch keine Lösung, sagte Faymann in der Tageszeitung Österreich (Sonntag-Ausgabe) und weiter: Dann müssten wir Plan B umsetzen. Obwohl dies nicht seinem Wunsch entspreche, müsste man dann die Grenzen zu Österreich noch stärker sichern. Und zwar brauchen wir dann nicht nur in Spielfeld ein technisches Grenzmanagement, sondern auch an möglichen Ausweichrouten, meinte Faymann. Die Innenministerin hatte dies bereits tags zuvor in Aussicht gestellt. Es ist wichtig für Österreich, dass sich unsere strenge Linie in der Flüchtlingspolitik durchgesetzt hat. Wir müssen Grenzen setzen, weil einfach zu viele zu uns kommen, betonte sie noch einmal. Mir ist egal, wie jemand anderer zu einer Obergrenze oder einem Zaun sagt: Hauptsache, es gibt sie, meinte sie weiters. Tages-Obergrenzen und Grenzzäune zum Schutz der Umgehungsmöglichkeiten hätten auf jeden Fall einen starken, unmittelbaren Effekt auf die Migrationsrouten. Wenn es nötig ist, werden wir eben noch weitere Grenzzäune errichten, wich Mikl-Leitner nicht vom Kurs ab. Mit den Obergrenzen würde Österreich an der Grenze selbst steuern, wie viele Personen man nach Österreich einreisen lasse. Ein weiterer Faktor sei, ob ein Land international den Ruf genießt, alle Migranten willkommen zu heißen, so die Innenministerin. Darum ist es wichtig, auch international laut und deutlich zu kommunizieren, dass Österreich jetzt einen strengen, vernünftigen Asylkurs fährt. In Österreich wird etwa ein Viertel der Asylanträge von Frauen gestellt. Die Flucht nach Europa wird für sie oft als zu gefährlich eingestuft. Zainab lebt heute mit ihrem Mann und ihrer sechsjährigen Tochter in einer kleinen Zweizimmerwohnung in Wien. Hier lernt sie Deutsch und holt ihren Schulabschluss nach. Wenn die 20-Jährige vom ersten Schultag ihrer Tochter spricht, kommen ihr die Tränen. Sie selbst hat in ihrer Heimat Afghanistan nicht die Schule besuchen können, keinen Hobbys nachgehen dürfen und musste im Alter von 13 Jahren heiraten. Vor zwei Jahren trat Zainab mit ihrem damals vierjährigen Kind und ihrem Mann die Flucht an. Mein Onkel wollte, dass ich seinen Sohn heirate. Er war wütend, als es anders kam, erzählt sie. Er habe ihre Familie bedroht, ihren Mann geschlagen. Die Flucht plante ihr Schwiegervater: Schlepper brachten sie in einem Lkw in die Türkei, mit einem kleinen Boot fuhren sie über das Mittelmeer nach Griechenland, wo sie und ihre Tochter mit falschen Papieren ins Flugzeug nach Wien stiegen. Der Mann sollte nachkommen. In Traiskirchen stellte Zainab einen Asylantrag – wie 6767 Frauen im Jahr 2014. In dem Jahr kamen knapp ein Viertel der Asylanträge von Frauen. Laut Bericht des Innenministeriums wurden heuer 37.046 Asylanträge in Österreich gestellt. Nur 21,5 Prozent davon kamen von weiblichen Flüchtlingen. Flucht und Vertreibung machen vor Frauen genauso wenig halt wie vor Männern. Oft ist das Fluchtverhalten jedoch ein anderes, sagt Ruth Schöffl von der UNHCR. Das Geschlechterverhältnis in Lagern, die in Nachbarländern von Krisenregionen liegen, ist ausgeglichen. In jenen im Bekaa-Tal im an Syrien angrenzenden Libanon etwa leben derzeit mit einem Anteil von 54,7 Prozent sogar mehr Frauen als Männer. Wenn sich die Krise globalisiert, gehen aber oft nur die Männer nach Europa weiter. Die Menschen würden in ihren Heimatländern sehr genau überlegen, wer die Flucht nach Europa wagt, sagt Schöffl. Das Risiko würde für Frauen als zu hoch eingeschätzt. Oft gehen Männer, die Familie haben, vor, sagt Schöffl. Sie versuchen später, Frau und Kinder auf legalem Weg nachzuholen. Flucht passiert im Verborgenen auf irregulären Wegen. Man ist Schleppern ausgeliefert. Für Frauen würden sich daher spezielle Ausbeutungsprobleme ergeben. Sexuelle Gewalt und Gewalt gegen Frauen sind sehr verbreitet, sagt sie. Weibliche Flüchtlinge würden vor Ausgrenzung, struktureller Diskriminierung und Ausbeutung fliehen. Auf der Flucht passiert dann wieder dasselbe, sagt Evelyn Probst, Vorstandsmitglied der Beratungsorganisation Lefö. In den Fluchtgruppen würde immer wieder Gewalt auf sie ausgeübt, weil sich ihr Status als Frau nicht ändere. Es fliehen auch Männer aus diesen dominanten Strukturen, aber bei weitem nicht alle. Da Frauen oft mit kleinen Kindern reisen würden, sei die Flucht mit größeren Strapazen verbunden, sagt Schöffl. Unterschätzt wird auch, dass Frauen in vielen Ländern nicht schwimmen können, sagt sie. Da die Fluchtrouten über das Mittelmeer verlaufen, würde die Gefahr zu ertrinken für Frauen noch höher sein. In Afghanistan dürfen Frauen nicht baden, meine Tochter hat sich auf dem Boot an mich geklammert, sagt Zainab. In Traiskirchen habe ihre Tochter oft Albträume vom Wasser gehabt. Wenn Bomben auf Häuser fallen, ist das ein gesamtgesellschaftliches Problem, sagt Schöffl. Es gebe aber geschlechtsspezifische Gründe zu fliehen. Frauen würden oft vor Zwangsheirat oder Gewalt in der Familie fliehen. In vielen Ländern haben sie keine Chance, aus dieser Situation auszubrechen, sagt Probst. Frauen würden selbst dafür verantwortlich gemacht und hätten keine Netzwerke, an die sie sich wenden könnten. Zudem würde frauenspezifische Gewalt oft als Kampfmittel eingesetzt werden, sagt Probst: Wir kennen das aus dem Bosnienkrieg, als Vergewaltigung von Frauen als Kriegsstrategie eingesetzt wurde. Das passiert wieder. Die finale Entscheidung zu fliehen, würden Frauen oft wegen ihrer Töchter treffen, so Probst. Um ihnen Optionen zu geben, die sie nicht hatten. Meine Tochter will Ärztin werden, sagt Zainab. Das Buch der Stunde: Shumona Sinhas "Erschlagt die Armen!" über Migration, Entwurzelung, Ortlosigkeit, Versagen und Verzweiflung. Lange nachdem ich diese Büros verlassen hatte, kamen die Worte zu mir zurück, nachts, in mein leeres Zimmer. Ihr Rauschen füllte den Raum, ließ ihn überlaufen. In manchen Nächten wache ich atemlos auf, als würde ich in der steigenden Flut aus Geflüster, Gemurmel und Geschrei ertrinken. Die steigende Flut, das ist die Asylbewerberschar. Deren Erzählungen hat die junge Unheldin von Shumona Sinhas Roman Erschlagt die Armen! zu übersetzen. Sie ist Dolmetscherin für französische Aufnahmeprüfungsbehörden. Tagtäglich fährt sie weit hinaus aus Paris – dorthin, wo riesige, heruntergekommene Betonblöcke sind -, um die Elendsberichte und Auskünfte der ins Land Gespülten zu übermitteln. Doch heute ist sie selbst die Ausgefragte – die bekennen muss, sich bekennen muss. Sie sitzt in einer Zelle. In der Pariser Métro hat sie, die Dunkelhäutige, einem noch dunkelhäutigeren Migranten eine Rotweinflasche über den Schädel gezogen. Warum? Wie kam es zu dieser Tat? Und konterkariert die Attacke, die Notwehr war (oder doch nicht?) nicht die hehre universelle Solidarität unter den Ärmsten der Armen? Erschlagt die Armen! ist das Buch der Stunde. Dabei ist es bereits im Jahr 2011 erschienen, in einem ganz kleinen Pariser Verlag, und führte dazu, dass Shumona Sinha fristlos gekündigt wurde. Bis dahin war sie als Dolmetscherin für französische Asylbehörden angestellt. Die literarische Reaktion auf dieses hochpolitische, zugleich hochliterarische Buch: die Nominierung für einige der wichtigsten französischen Literaturpreise. Und nun die Entdeckung durch die Hamburger Edition Nautilus, einen der wenigen Verlage, die anarchistisches Erbe noch ebenso pflegen wie in der Literatur auch immer das Politische zu finden wissen. Shumona Sinha kam mit 28 im Jahr 2001 zum Studium nach Paris – und blieb. In Kalkutta geboren, hat sie schon vor ihrer Zeit in Europa für ihre Gedichte Preise bekommen. Heute schreibt sie auf Bengalisch wie auch auf Französisch. Ein Französisch, das angereichert ist mit Literatur, aber das ganz das ihre ist. Die Sprache ist expressiv. Gehämmert, hie und da, selten, schiefe Bilder findend. Manch-mal herausgeschrien, ungebärdig. Auch rasend verzweifelt: weil kein Halt da ist, nirgendwo, nicht geografisch, nicht gesellschaftlich, nicht emotional. Das Rasen will diesen Dämon namens Wirklichkeit, das Grauen namens Leben nein: nicht bändigen, eher wegdrücken. Dabei ist dies alles andere als ein Empört euch! soignierter Pensionisten aus großen Altbauwohnungen. Das signalisiert schon die Wahl des Mottos, entlehnt von Pascal Quignard, einem der schwierigeren französischen Gegenwartsautoren, der derzeit nach und nach hierzulande in neuen Übersetzungen greifbar ist. Und natürlich der Titel, der so sehr ins Auge springt, der so aggressiv ist und der von Charles Baudelaire stammt, dem Flaneur, dem Liebhaber künstlicher Paradiese, der sich, wie Walter Benjamin anmerkte, auf die Seite der Asozialen schlug, jener Baudelaire, der im Gedicht Der Schwan bekannte: Alles wird mir Allegorie. Einfache Fragen gibt es bei Sinha nicht, auch keine simplen Antworten aus den Dunstnebeln über den Stammtischen. Gut? Ist hier keiner, ohne Ausnahme. In anteilnehmenden Fragen der Sachbearbeiter, überfordert, desinteressiert oder zynisch, lauern Widerhaken. Die Advokaten: scheinheilig, dreist, dumm. Die Antragsteller: gebriefte Schauspieler, die sich in den eigenen Lügengebäuden nicht auskennen. Die Übersetzerin: als Frau verachtet von reaktionären Männern, bei denen mit Fragen nachzuhaken ihr obliegt. Dies ist ein Buch, das allen ohne Ausnahme wehtut. Und wann gab es das zum letzten Mal? Eine Prosa, die wirklich schmerzt. Nicht weil sie exhibitionistisch ist oder nihilistisch, weil das gut für die Marketingkampagne ist, sondern weil hier jemand die eigene Haut zu Markte trägt, die ihr abgezogen wird, so dass jede Berührung zum Schrei führt. Wie heißt es bei Charles Baudelaire: Die Hoffnung, die besiegte, weint, und die Angst, wild und despotisch, auf den geneigten Schädel pflanzt sie mir die schwarze Fahne. Die Fahne der Bedrückung, absoluter Enttäuschung, tiefster Leere. Lange nachdem ich diese Büros verlassen hatte, kamen die Worte zu mir zurück, nachts, in mein leeres Zimmer. Ihr Rauschen füllte den Raum, ließ ihn überlaufen. In manchen Nächten wache ich atemlos auf, als würde ich in der steigenden Flut aus Geflüster, Gemurmel und Geschrei ertrinken. Aus Syrien kommen täglich neue Kriegsflüchtlinge, aber auch jene in den "Warteräumen ", besonders in der Türkei, wollen weiter, um ein neues Leben im Westen zu beginnen. Eine irakische Facebook-Kampagne – mit bisher überschaubarer Anhängerschaft, aber man weiß, wie schnell sich das ändern kann – mit dem Namen Ich wandere nicht aus zeigt, wie komplex die Verhältnisse sind, die nun endgültig aus dem Nahen Osten zu uns übergeschwappt sind. Im Bericht von Al-Arabiya über Ich wandere nicht aus wird ein junger Mann in Nasiriya im Südirak vorgestellt: Er weiß von der Kampagne, bleibt jedoch dabei, dass er lieber heute als morgen gehen würde. Er könne aber seinen alten Vater nicht allein lassen. Auch wenn die Lage in Nasiriya keineswegs automatisch auf jene anderer Flüchtlinge aus dem Irak oder anderswoher, die jetzt in Europa ankommen, übertragbar ist: Die Geschichte ist wohl auch ein Hinweis darauf, dass wir es zurzeit mit zwei unterschiedlichen Flüchtlingspopulationen zu tun haben: Menschen, die gehen müssen, um ihr nacktes Leben zu retten, und Menschen, die gehen, weil ihnen ihre Heimat keinerlei Hoffnung mehr gibt. Und ein anderer Aspekt dieser Geschichte beantwortet eben gleich auch die Frage, was denn das Bleiben für manche so unerträglich macht, selbst in Gegenden, wo gerade kein Krieg ist: Geht man auf die Facebook-Seite der Kampagne, dann wird man sie mit Zeichen und Bildern schiitischer Frömmigkeit garniert finden. Ein Sunnit, der diese Seite sieht, oder auch einfach ein irakischer Mensch, der in einer Welt ohne konfessionelle Kategorien oder religiöse Dominanz leben will, wird das als folgende Botschaft lesen: Die religiösen Schiiten werden aufgerufen zu bleiben – um das Land endgültig zu übernehmen. Wenn der Islamische Staat, der andere Landesteile mit Krieg überzogen hat, einmal besiegt sein wird, ist noch lange nicht wieder alles gut im Irak. Syrien, woher die meisten Flüchtlinge kommen – auch wenn man sich im Klaren darüber sein sollte, dass sich auch andere Araber in Syrer verwandeln -, ist großflächig von Kampfhandlungen betroffen. Seit 2011 musste etwa die Hälfte der Bevölkerung ihre Wohnorte verlassen. Dass der Strom nach Europa in den vergangenen Wochen so angeschwollen ist, hat gleich mehrere Gründe. Da gibt es tatsächlich eine Zunahme der Kämpfe zwischen dem Assad-Regime beziehungsweise dessen Hilfstruppen (vor allem der libanesischen Hisbollah) und verschiedenen Rebellengruppen: Beim Krieg aus der Luft nimmt das Regime keinerlei Rücksicht auf Zivilisten, aus manchen Gebieten, auch bei Damaskus, fliehen die Menschen vor allem vor den Bombardements. Dazu kommen die Blockade, die Aushungerung, die Krankheiten: Not, Elend, Tod. Und neuer Schrecken ist noch zu erwarten wie etwa die große Schlacht um Aleppo. Aber das ist nicht der einzige Krieg, bei uns noch stärker wahrgenommen werden ja die stetigen Vorstöße des Islamischen Staats (IS) – in die von den Kurden gehaltenen Gebiete im Norden, zurzeit auch im Nordwesten bei Idlib, aber auch im Südwesten bei Deraa. Der IS tritt oft als Profiteur der Kämpfe zwischen Regime und Nusra-Front auf, der Filiale von Al-Kaida in Syrien. Die Kämpfe zwischen IS und Nusra nehmen im Moment wieder zu. Das heißt ganz konkret: In Syrien findet zurzeit gleich auch noch der große Kampf um die Führung des internationalen Jihadismus statt. Und dann gibt es noch den dritten Krieg: die Luftschläge der US-geführten internationalen Allianz gegen den IS, die sich ständig ausweiten – nun wird sich auch Frankreich beteiligen, das bisher nur im Irak Einsätze flog. Die Menschen fliehen nicht nur vor dem IS, sondern auch vor dem Luftkrieg gegen den IS. Doch nicht alle Flüchtlinge kommen direkt aus den Kampfgebieten, viele haben Syrien schon vor Monaten oder sogar Jahren verlassen, um den Krieg in den Nachbarländern – Türkei, Libanon, Jordanien, um die am meisten belasteten zu nennen – abzuwarten. Doch das Ende ist nicht nur nicht abzusehen, neue Flüchtlingsströme rücken ständig nach. Dass sich ihnen vermehrt syrische Mittelstandsfamilien anschließen, also Menschen, die Vermögen zurücklassen, verstärkt die Hoffnungslosigkeit aller: Niemand erwartet, dass in Syrien in absehbarer Zeit annähernd Normalität zurückkehrt. Ganz im Gegenteil, soeben tauchen wieder neue Akteure – etwa Russland – am Rande des Schlachtfelds auf. Die Syrer, aber auch die Iraker geben ihre Heimat auf, nicht nur physisch. 2003, nach dem Sturz Saddam Husseins, und noch einmal 2011 durch den Ausbruch des Arabischen Frühlings, gab es Hoffnung, dass die Region Anschluss finden könnte – in politischer, wirtschaftlicher, sozialer Hinsicht. Diese Hoffnung ist für die mittelbare Zukunft zerstört. In den Kriegsjahren im Irak ab etwa 2005 war zu beobachten, dass Leute weggingen, sich jedoch die Option für eine Rückkehr offenhielten: Oft deklarierten sie ihre Flucht nicht einmal, schon allein deshalb, damit niemand ihr zurückgelassenes Eigentum als frei ansehen konnte. Heute – hört man, quantifizieren lässt sich das natürlich noch nicht – schließen mehr Flüchtlinge völlig mit ihrer Vergangenheit ab. Was sie haben, wird verkauft – da werden jetzt wieder ein paar Gesellschaftssektoren sehr reich -, auch um die immer teureren Schlepperhonorare bezahlen zu können. Sie sehen Europa nicht als Warteraum, sie kommen, um zu bleiben. Und es sind nicht die Schlechtesten. Was nichts daran ändert, dass auch die Angry Young Men des Nahen und Mittleren Ostens im Strom mitwandern: Modernisierungsverlierer in ihren eigenen Ländern, durch lange Kriege Entwurzelte und Entkulturalisierte, die ihre Frustration – und den ihnen eingebläuten prämodernen Islam – mitbringen und, wenn sie ihrer Wut Ausdruck verleihen, als sozial nicht kompatibel angesehen werden. Um sie besser zu verstehen, müsste man sich nicht nur die aktuellen Ursachen der Flucht, sondern jene für die Konflikte ansehen: natürlich die hausgemachten, aber auch jene angefangen vom Klimawandel über die Folgen der neoliberalen Wirtschaft bis zu den regional- und geopolitischen Machtspielen. Erste Asylwerber aus Traiskirchen in Gabčíkovo. Grenzkontrolle! titelte die tschechische Tageszeitung Lidové noviny in großen Lettern und deutscher Sprache, nachdem Berlin vor einer Woche angekündigt hatte, das Schengener Abkommen wegen der Flüchtlingskrise auszusetzen. An den Kiosken mag der deutsche Aufmacher als Blickfang funktioniert haben, doch was die Bereitschaft betrifft, den freien Personenverkehr zu kippen, so sind auch die Tschechen nicht zimperlich: Angesichts der Bilder von provisorischen Zeltlagern und überfüllten Bahnhöfen in anderen Ländern sprachen sich in einer Umfrage des tschechischen Fernsehens jüngst 74 Prozent für Grenzkontrollen aus. Ähnlich die Stimmung in der Slowakei: In Gabčíkovo, wo am Donnerstag die ersten syrischen Flüchtlinge aus Österreich eintrafen, hatten in einem nicht bindenden Referendum 97 Prozent gegen die vorübergehende Unterbringung von 500 Asylwerbern aus Traiskirchen gestimmt. Die slowakische Regierung ist strikt gegen die von der Europäischen Kommission vorgeschlagenen verbindlichen Quoten und will auf freiwilliger Basis nur 100 Menschen dauerhaft Asyl gewähren. Tschechiens Regierung glaubt ebenfalls, dass die Flüchtlinge ohnehin nicht im Land bleiben möchten, und argumentiert damit gegen einen fixen Verteilungsschlüssel: Wie sollen wir tausende Menschen aufnehmen, die gar nicht bei uns sein wollen?, fragt der sozialdemokratische Innenminister Milan Chovanec. 99 Prozent wollen nach Deutschland! Der Weg dorthin ist jedoch laut Hilfsorganisationen voller Hürden. Schutzsuchende, die in Tschechien aufgegriffen werden, würden häufig in Abschiebelager mit eindeutigem Gefängnischarakter gesteckt, erklärt Martin Rozumek, Chef der Prager Organisation für Flüchtlingshilfe im Gespräch mit dem STANDARD. Die Rechtsgrundlage für ihre Inhaftierung fehle jedoch meist, da eine Rückführung nach Ungarn oder gar Syrien derzeit keine Option sei. Eine reine Abschreckungsstrategie also, meint der Jurist. Die meisten würden nach einigen Wochen einfach wieder freigelassen und setzen ihre Reise nach Deutschland fort. In der Regel seien sie dann ärmer als vorher: Der Staat verrechnet pro Person und Tag 250 Kronen (circa neun Euro, Anm.) für die Unterbringung, berichtet Monika Horáková von der Hilfsorganisation Hlavák, die am Prager Hauptbahnhof Flüchtlinge mit Essen und Kleidung versorgt. Jiří Dienstbier, tschechischer Minister für Menschenrechte, plädierte am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Prag dafür, in der Flüchtlingsfrage ein freundliches Antlitz zu zeigen. Verbindliche Quoten lehnt zwar auch er ab, Tschechien könne aber freiwillig bis zu 15.000 Flüchtlinge aufnehmen – weit mehr als die 4300 aus dem Kommissionsvorschlag. Das Nein des Innenministers kam prompt. Es handle sich um eine persönliche Initiative Dienstbiers, erklärte Parteifreund Chovanec: Ich wusste gar nicht, dass der Kollege eine so große Wohnung hat. Immer wieder bieten Private Unterkünfte für Asylwerber an, das steirische Flüchtlingsreferat prüft ständig Quartiere. Maria Lankowitz/Weißkirchen – Nicht immer sind die Ortskaiser schuld, wenn ein Flüchtlingsquartier in einer Gemeinde nicht sofort realisiert wird. Den STANDARD erreichten in den letzten Tagen gleich zwei empörte Steirer, die private Wohnungen für Flüchtlinge zur Verfügung stellen wollen. Beide wurden vor Monaten beim Flüchtlingsreferat des Landes vorstellig und beschwerten sich nun darüber, dass das Land die Belegung der Quartiere blockiere. Der erste Mann ist aus der Gemeinde Maria Lankowitz, wo er bis 2012 auch für die FPÖ aktiv war. Mittlerweile zog er nach Wien und will seine 55 Quadratmeter große Wohnung, saniert und möbliert, mit Garten und Bushaltestelle vor der Türe, gerne einer Flüchtlingsfamilie zur Verfügung stellen. Die Wohnung sei bereits vom Land geprüft worden, aber seitdem herrsche Funkstille. Stimmt so nicht, heißt es aus dem Flüchtlingsreferat. Herr S. will die Wohnung nicht selber betreuen, und wir haben ihm eine Betreuung durch die Organisation Jugend am Werk angeboten. Doch die 120 Euro monatlicher Zuschuss pro Person für die Wohnung, in der maximal vier Personen Platz haben, seien dem Mann nicht lukrativ genug. Stimmt nicht, sagt Herr S. auf Nachfrage des STANDARD. Ich hätte zwar gerne 550 Euro im Monat bekommen, aber man kann über alles reden, man muss mich nur anrufen. Das Flüchtlingsreferat will das nun umgehend machen. Auch der Bürgermeister von Maria Lankowitz, Kurt Riemer (SPÖ), hat nichts gegen das Quartier, wie er dem STANDARD sagt: Wir haben schon 17 Asylwerber in unserer Gemeinde, mit denen es keine Probleme gibt, es ist alles im grünen Bereich. Vier mehr werden wir sicher auch verkraften. Der zweite Fall betrifft einen Gärtner in Weißkirchen. Ein ganzes Haus mit 160 Quadratmetern wolle er Flüchtlingen zur Verfügung stellen. Mindestens zwei Familien könnte man in dem frisch renovierten Haus unterbringen. Schon 2014 habe jemand vom Flüchtlingsreferat das Haus geprüft und für in Ordnung befunden. Doch noch immer seien keine Flüchtlinge eingezogen. Ein kleines Detail vergaß der Gärtner zu erwähnen. Heinrich Fischer, Sprecher des Flüchtlingsreferates, kennt es: Das Quartier ist in Ordnung, aber es ist rundum umgeben von einem Grundstück, dessen Besitzer vehement dagegen ist, dass da Asylwerber reinkommen. Wir haben seitenweise Aktenvermerke zu dem Fall. Ich kann nicht Menschen dort einquartieren, die dann nicht einmal spazieren gehen könnten. Wie sich herausstellte, handelt es sich bei dem benachbarten Grundbesitzer ausgerechnet um den Bruder des potenziellen Quartiergebers, der ebenfalls Gärtner ist. Doch der Quartiergeber winkt ab: Der Anwalt meines Bruders hat dem Land vor mehreren Wochen einen Brief geschickt, dass er nichts dagegen hat. Bei uns ist die Information, dass die Gärtner sich endlich geeinigt haben, gestern eingelangt, heißt es dazu am Donnerstag aus dem Flüchtlingsreferat. Das Quartier werde nun umgehend belegt. Nachbarland nimmt 500 Flüchtlinge aus Traiskirchen auf – Amnesty-Generalsekretär Patzelt empfindet "angewidertes Entsetzen" über Auslagerung – Korun: Menschenrechte gehorchen nun neoliberaler Logik. Wien/Bratislava/Luxemburg – Noch bevor die EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg über die Verteilung von Flüchtlingen diskutieren, haben Österreich und die Slowakei eine erste bilaterale Lösung gefunden. Die Slowakei soll 500 Flüchtlinge aus dem überfüllten Zentrum in Traiskirchen versorgen, teilte ein Sprecher von Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) mit. Kritik an dem Deal kommt von mehreren politischen und NGO-Vertretern. Vor dem EU-Ministerrat sagte Mikl-Leitner, bereits im Juli würden die ersten 50 Flüchtlinge in die Slowakei kommen. Im August sollen weitere 200 und im September 250 umgesiedelt werden. Wenn die EU es nicht schafft, rasch eine nachhaltig faire, fixe Quote zu fixieren, dann müssen wir bilateral aufs Tempo drücken, erklärte die Ministerin. Gespräche über die Kooperation habe es schon länger gegeben, bei einem Telefonat mit dem slowakischen Innenminister Robert Kaliňák am Mittwochabend sei sie dann fixiert worden. Details dazu wollten die beiden Minister nach einem erneuten Abstimmungsgespräch in Luxemburg bekanntgeben. Der Vertrag soll in den nächsten Tagen unterzeichnet werden und vorerst für zwei Jahre gelten. Wenn Österreich es brauche, könnten es aber auch drei oder vier Jahre werden, sagte Kaliňák. Er habe keine Sorgen, dass der Deal in der Slowakei nicht akzeptiert werden könnte. In Wahrheit gebe es immer Bürger, die Neues fürchteten. Aber wir können die Dinge erklären. Fest steht, dass es sich bei der Zusammenarbeit nur um die Betreuung der Flüchtlinge handelt – die Asylverfahren werden weiterhin von den österreichischen Behörden geführt. Bei einem positiven Bescheid würden in der Slowakei betreute Flüchtlinge nach Österreich zurückkommen. Diese Initiative ist ein Beitrag dazu, dass die Slowakei hier Solidarität zeigt. Ein kleiner Schritt, aber mit großer Signalwirkung, sagte Mikl-Leitner. Die konkrete Aufteilung der Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge ist noch nicht geklärt. Wir teilen die Kosten, sagte Mikl-Leitner. Zusatzkosten würden jedenfalls nicht anfallen. Es geht lediglich um Betreuungskosten, und die werden auf jeden Fall nicht höher sein als in Österreich, betonte der Sprecher der Ministerin. Für Österreich ist das unterm Strich billiger, so die Innenministerin. Gegenleistungen erhält die Slowakei demnach keine. Es handelt sich laut Kaliňák um eine freiwillige Vereinbarung, deren Hintergrund die Unterstützung Österreichs vor etwa zehn Jahren sei, als wir nicht in einer guten Position für Schengen waren und uns (Liese) Prokop und (Günther) Platter (damalige Innenminister, beide ÖVP, Anm.) geholfen haben. Österreich hat uns geholfen. Das sind nicht nur Freunde in sonnigen Tagen, sondern auch in Regentagen. Bei den Personen, die umgesiedelt werden sollen, handelt es sich jedenfalls nicht zwangsläufig um Dublin II-Fälle, also Personen, für deren Verfahren ohnehin ein anderes europäisches Land zuständig wäre. Untergebracht werden sollen sie etwa 30 Kilometer von der österreichisch-slowakischen Grenze entfernt in einem Universitätsgebäude im Ort Gabčíkovo nahe Ungarn. Das Gebäude gehöre zur Technischen Uni Bratislava und sei zum Teil noch in Betrieb, teilte das Innenministerium am Donnerstag mit. Kritik an dem Deal wurde am Donnerstag in Österreich laut. Amnesty-Generalsekretär Heinz Patzelt sagte, er empfinde angewidertes Entsetzen. Vor allem die Aussage Für Österreich ist das unterm Strich billiger von Mikl-Leitner stoße ihm auf. Man gebe Flüchtlinge quasi in der Gepäckaufbewahrung ab, so Patzelt: Ich halte das für erbärmlich und grotesk. Österreich könnte es schaffen, alle Flüchtlinge menschenwürdig unterzubringen, etwa in Privatquartieren, so der Amnesty-Generalsekretär. Die grüne Menschenrechtssprecherin Alev Korun ärgerte sich, dass die neoliberale Logik, dass alles ständig billiger werden muss, also nun auch vor Menschenrechten nicht haltmacht. Die Asylkoordination ortete juristische Probleme. Der Vorschlag verstößt gegen das österreichische Asylrecht, sagte Vereinsobfrau Anny Knapp. Asylwerber, deren Asylverfahren in Österreich bearbeitet wird, die aber in der Slowakei untergebracht werden, würden sich illegal in der Slowakei aufhalten, dürften sich also nicht frei bewegen, erklärte sie. Die Caritas sieht die Pläne ambivalent: Jedes Quartier, das verhindere, dass Hunderte in Traiskirchen ohne Dach und Bett schlafen müssen, sei zu begrüßen, meinte Generalsekretär Bernd Wachter in einer Aussendung. Eine nachhaltige Lösung sei das aber nicht. Der Vertrag zwischen Österreich und der Slowakei müsse offengelegt werden. Und: Es geht hier nicht um die Frage, welche Lösung die für Österreich günstigste ist, sondern darum, ob Österreich Asyl auch in Zukunft als ein Menschenrecht anerkennt. Lob kam hingegen vom europäischen Asylbüro EASO. Das freut mich sehr. Das ist ein gutes Zeichen europäischer Solidarität, wenn ein Nachbar einem Mitgliedsstaat, der Kapazitätsprobleme hat, zur Hilfe kommt, sagte EASO-Generaldirektor Robert Visser in Luxemburg gegenüber der APA. Auch rechtlich sieht Visser, anders als etwa der Verein Asylkoordination Österreich, keine Probleme. Zwar stimme es, dass ein Schutzsuchender, der in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt hat, eigentlich nicht in andere EU-Staaten reisen dürfe. Aber das europäische Recht sieht die Möglichkeit vor, einem Flüchtling vorzuschreiben, sich während des laufenden Verfahrens an einem bestimmten Ort aufzuhalten. Das kann auch ein anderes EU-Mitgliedsland sein, wenn ein bilateraler Vertrag existiert, erklärte Visser. Zentral sei lediglich, dass Österreich weiter für die Flüchtlinge verantwortlich bleibe und sich mit der Slowakei auf Qualitätskriterien für deren Betreuung einige. Wenn dies so geregelt werde, sehe er darin ein Modell für andere europäische Staaten. Das ist ein Weg, den viele Staaten einschlagen könnten und auch sollen. An der Uni-Außenstelle in Gabčíkovo jedenfalls dürfte sich die Nutzung als Asylquartier noch nicht herumgesprochen haben. Auf telefonische Nachfrage wurde der STANDARD auf das slowakische Innenministerium verwiesen. Tschechien will indes ab September bis zu 1.100 Flüchtlinge von Italien und Griechenland übernehmen, bis 2017 sollen zusätzlich 400 Personen aus Lagern in Jordanien und Kurdistan hinzukommen. Das hat die tschechische Regierung am Mittwochabend beschlossen und damit Innenminister Milan Chovanec ein entsprechendes Mandat für das Treffen der EU-Innenminister am Donnerstag in Luxemburg erteilt, wie Vizepremier Pavel Bělobrádek vor Journalisten bestätigte. Was mit Flüchtlingen passiert, denen Tschechien kein Asyl gewährt, soll mit der EU noch verhandelt werden, hieß es. Premier Bohuslav Sobotka hatte unmittelbar vor der Regierungssitzung kritisiert, dass die südliche Grenze des Schengen-Raumes nicht ausreichend gesichert sei, weder in Griechenland noch in Italien. Tschechien wolle sich jedenfalls für die Realisierung der von der EU angekündigten Rückführungspolitik einsetzen. Tschechien hatte zu jenen EU-Ländern gezählt, die den Vorschlag der EU-Kommission strikt ablehnten, verbindliche Quoten für die Annahme der Flüchtlinge festzulegen. Dringende Quartierbitten an Journalisten bei Führung durch Österreichs Asyl-Hotspot. Traiskirchen – Vorschriften sind zum Befolgen da, weiß Gernot Maier, Leiter der Abteilung Grundversorgung des Innenministeriums. Bei bau- und feuerpolizeilichen Vorschriften sei das auch eine Sicherheitsfrage. Es geht um die Breite der Gänge. In diesem Gebäude dürfen nicht mehr Menschen wohnen, als im Fall eines Brandes rechtzeitig ins Freie gelangen können, sagt Maier, auf der Schwelle zu einem von 31 unbewohnten Zimmern im Haus eins des Erstaufnahmezentrums Traiskirchen stehend. In dem Raum sind dutzende aufklappbare Betten gestapelt, aus Holz, mit Lattenrosten. Unbenutzte Betten, für die im Lager aus Vorschriftsgründen Platz zum Aufstellen fehlt – und aufgrund des akuten Quartiermangels auch anderswo. Sodass etwa Karim (Name geändert), junger Mann aus dem Irak, sein Schlafsacklager unter einem Baum auf dem Rasen aufgeschlagen hat, der an den Platz vor Haus eins angrenzt. We need Verlegung, sagt Karim, der als einziger aus einer Gruppe von etwa zehn Männern ein wenig Englisch spricht. Er brauche dringend einen Platz in einem festen Quartier, meint er. Zehn Tage und Nächte campiere er jetzt schon hier, schildert Karim. Der Wettersturz am Mittwoch habe ihm eine Verkühlung beschert. Der Iraker ist einer von rund 1200 Asylwerbern, die laut Ministerialbeamten Maier am Donnerstag im Lager unter freiem Himmel lebten. 1820 andere genossen das Privileg einer Bettstatt und von vier Wänden. 480 – auch Familien mit kleinen Kindern – harrten auf Pritschen in Zelten aus, die auf blankem Boden aufgestellt sind. Dass hier Menschen im Freien leben müssen, tut mir in der Seele weh, sagt Maier. Tatsächlich ist die grassierende Obdachlosigkeit im Erstaufnahmezentrum unübersehbar. Kein Baum, unter dem nicht ein Asylwerber eingemummelt daliegt. Wer kann, sucht hinter Mauerecken oder in Verschlägen Schutz vor dem böigen Wind. Von einer Unterkunft abgesehen fehle es diesen Menschen im Lager an nichts, betonen Maier und Lagerleiter Franz Schabhüttl. Auch sie hätten volle Verpflegung, mit Nachschlag gar, könnten duschen, würden ärztlich betreut. Please do something for us, bittet Karim trotzdem. Die Journalisten, die an diesem Tag durchs Lager geführt werden, sollten ihm und den anderen Irakern aus seiner Gruppe zu einem Dach über den Kopf verhelfen. Derlei vor Notizblöcken und Kameras formulierte Wünsche findet Abteilungsleiter Maier gar nicht gut. Das schaffe nur Unruhe – aber es ändert sich nichts, sagt er. Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler fordert im Video-Interview, Innenministerin Johanna Mikl-Leitner die Kompetenzen zu entziehen. Wien/Traiskirchen – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) habe in der Asylfrage nichts als Chaos und menschenverachtende Zustände geschaffen. Wenn sie wollte, könnte sie den humanitären Skandal im Erstaufnahmezentrum Traiskirchen von heute auf morgen beenden, sagte Traiskirchens Bürgermeister Andreas Babler (SPÖ). derStandard.at interviewte den Ortschef am Freitag im Rahmen einer Live-Reportage aus Traiskirchen. Dass das Pulverfass nicht entschärft wird und dass die Situation am Kochen gehalten wird, lege den Schluss nahe, dass es um politische Interessen geht. Diese Machtspielereien seien letztklassig. Zur verheerenden Kritik im am Freitag vorgestellten Bericht der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, die das Flüchtlingslager vergangene Woche inspiziert hatte, sagte Babler: Es ist eine internationale Schande, dass solche Berichte überhaupt erstellt werden müssen. Österreich habe es nicht nötig, solche Skandale zu produzieren. Wir hätten die Möglichkeit, alle Menschen gut unterzubringen. Stattdessen werde den Menschen das Gefühl gegeben, dass sie unerwünscht seien, dass sie kein Recht hätten, gut versorgt zu werden. Politik, die Menschen direkt Schaden zufügt, ist das Abartigste. Babler zeigte sich auch enttäuscht von Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ). Wenn man merke, dass ein Regierungsmitglied der Verantwortung nicht nachkommen kann, müsse man Konsequenzen ziehen. Der Bundeskanzler solle der Innenministerin die Zuständigkeit endgültig entziehen. Ein 27-Jähriger attackierte Flüchtlinge und Passanten. In seiner Wohnung wurden Munition und eine Eigenbauwaffe gefunden. Bregenz – Die Sachbeschädigung an einer Flüchtlingsunterkunft in Bregenz hatte fremdenfeindliche Motive. Der Mann, der am Dienstag in das Mehrfamilienhaus gestürmt war, konnte Mittwochnacht gefasst werden. Er hatte aus seinem Wohnungsfenster auf Passanten geschossen. Im Stiegenhaus der seit Weihnachten von Flüchtlingen bewohnten Unterkunft hatte der 27-Jährige am Dienstagabend den Inhalt eines Feuerlöschers versprüht und lautstark über Ausländer geschimpft. Durch die starke Staubentwicklung wurde Brandalarm ausgelöst, was zu großer Aufregung im Haus führte. In der folgenden Nacht wurde die Polizei alarmiert, weil aus einem Wohnungsfenster auf Passanten geschossen werde. Der polizeibekannte Wohnungsbesitzer wehrte sich gegen den Besuch der Exekutive, in seiner Wohnung fanden die Beamten Munition und einen selbstgebastelten Gewehrlauf. Ob die Eigenbauwaffe funktionstüchtig ist, wird nun untersucht. Gegen den Mann besteht ein Waffenverbot. Ob er mit einer Waffe oder Knallkörpern hantiert hat, wollte er nicht sagen. Geständig war er hingegen in der Causa Flüchtlingsunterkunft. Er begründete den Angriff laut Polizei mit seiner Ausländerfeindlichkeit: Ich mag einfach keine Ausländer. Der Mann sei ein Einzelgänger und habe keine Verbindungen zur Neonaziszene, sagte Polizeisprecher Horst Spitzhofer. Das Land Salzburg verlängert Sepp Schellhorn den Vertrag über die Unterbringung von 36 Flüchtlingen nicht. Es sei eine Frage des Anstands, zu seinen Zusagen auch zu stehen, sagt der Sprecher von Salzburgs Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP). Der habe dem Bürgermeister von Bad Gastein, Gerhard Steinbauer (ÖVP), vor dem Sommer zugesagt, dass jene Flüchtlinge, die der Hotelier und Neos-Abgeordnete Sepp Schellhorn in einer seiner Unterkünfte in Bad Gastein untergebracht hat, wieder wegkämen. Jetzt sei es eben so weit. Schellhorn hatte im Mai 36 Flüchtlinge untergebracht – gegen den Widerstand des Bürgermeisters, aber auch auf Ersuchen des Landes. Ende November läuft der Vertrag zwischen Schellhorn und dem Land Salzburg aus, es wird keinen neuen Vertrag geben. Schellhorn ist empört, er hätte eine neue Pension für die Flüchtlinge, die gut integriert seien, besorgt, diese stünden jetzt vor der Obdachlosigkeit. Die Caritas habe ihm bereits erklärt, dass es keine anderen Quartiere im Land gebe. Protest des Bürgermeisters Bürgermeister Steinbauer hatte erst gegen die Flüchtlinge protestiert und sich dann von Landeshauptmann Haslauer umstimmen lassen. Mit 60 Flüchtlingen habe Bad Gastein seine Quote bereits erfüllt, deshalb sei er auch so gegen die zusätzliche Unterbringung durch Schellhorn gewesen. Für einen begrenzten Zeitraum habe er dann doch zugestimmt. Neuerliche Gespräche zwischen Haslauer und dem Bürgermeister hätten kein Ergebnis gebracht, bestätigt das Büro des Landeshauptmanns dem STANDARD. Der Bürgermeister bestehe darauf, dass die Flüchtlinge wegkommen, so müsse Haslauer zu seinem Wort stehen. Fakt ist, dass der Gemeinde zugesagt wurde, die Zahl der Flüchtlinge im Ort wieder auf 60 zu reduzieren, sagt sein Sprecher. Bad Gastein erfülle die Flüchtlingsquote von 1,5 Prozent. Schellhorn: Armutszeugnis Schellhorn: Wir sind in der Geiselhaft von Bürgermeistern, das ist ein Armutszeugnis. Es kann doch nicht sein, dass der Landeshauptmann vor dem Bürgermeister in die Knie geht. Auch die zuständige grüne Landesrätin Martina Berthold, die Unterstützung zugesagt habe, verweise nun auf den Landeshauptmann. Schellhorn will die Kaltherzigkeit des Bürgermeisters nicht akzeptieren, ich kann es nicht verantworten, die 36 Flüchtlinge jetzt auf die Straße zu setzen. Er überlege eine alternative Finanzierung für sein Projekt, das vielen als Vorzeigeprojekt gilt: Schellhorn hat auf eigene Faust Deutschkurse und eine Berufsausbildung für die Flüchtlinge organisiert. Siedlungen für Flüchtlinge am Stadtrand hätten Negativschlagzeilen zur Folge, sagt Soziologe Jürgen Friedrichs. STANDARD: In Österreich werden 2015 bis zu 95.000 neue Asylanträge erwartet. Nach der Erstversorgung ist die Unterbringung der Flüchtlinge entscheidend. Wie soll man da am besten vorgehen? Friedrichs: Wohngebiete der Mittelschicht sind bestimmt besser geeignet als Bezirke mit hohem Arbeitslosenanteil. Und die Unterbringung sollte möglichst kleinteilig erfolgen, also über verschiedene Stadtgebiete verteilt. STANDARD: Wichtig ist die innerstädtische Unterbringung. Warum? Friedrichs: Das wäre sinnvoll, etwa wenn man Baulücken hat. Derzeit bauen wir Unterkünfte, die man in 500er-Einheiten auf die grüne Wiese stellt. Eine Wiederkehr der Großsiedlungen wäre völlig verfehlt und würde die Negativschlagzeilen für die nächsten zwanzig Jahre sichern. STANDARD: Wieso glauben Sie das? Friedrichs: Die Menschen werden dort isoliert. Es fallen Kontakte zwischen den sozialen Schichten weg, und es besteht keine Notwendigkeit, die Landessprache zu lernen. Es gibt auch keine Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Personen mit mehr Einkommen wollen eine andere Infrastruktur. STANDARD: In Bezirken der Mittelschicht sind dann aber die sozialen Unterschiede größer. Friedrichs: Mit steigender Bildung nimmt die Toleranz gegenüber Flüchtlingen zu. Trotzdem haben etwa 40 Prozent der höher Gebildeten eine Abneigung gegen Muslime und sehen sie als Bedrohung, 40 Prozent finden, dass sie eine Bereicherung darstellen. Je höher die Menschen gebildet sind, desto polarisierter sind die Meinungen. Bei wenig Gebildeten gibt es hingegen plumpe Ablehnung. STANDARD: Entsteht ein Kampf zwischen sozial schwachen Österreichern und Flüchtlingen? Friedrichs: Das hängt davon ab, wie knapp Arbeitsplätze und Wohnungen sind. Wenn die Ressourcen knapp sind, entsteht eine Konkurrenz. Wir brauchen sozialen Wohnbau nicht nur für Flüchtlinge, sondern wir haben schon ein großes Defizit, das wir vor uns herschieben. Die Konkurrenz wird sich nicht vermeiden lassen, und es wird politische Schwierigkeiten geben. Wenn wir bereit sind, aus humanitären Gründen Flüchtlinge aufzunehmen, was wir sind und auch sein sollten, dann müssen wir gesellschaftliche Konflikte riskieren. STANDARD: Soziologen sprechen vom Tipping Point. Friedrichs: Es gibt in den Augen der Einzelnen immer einen Punkt, bis zu dem sie Migranten im eigenen Stadtteil tolerieren. Wird dieser überschritten, zieht man weg. Wir wissen nicht, wo dieser Punkt liegt. Natürlich kann man nicht in einen Ort mit 10.000 Einwohner 1000 Flüchtlinge hinschicken. STANDARD: Weil sonst die Stimmung kippt? Friedrichs: Weil sonst die Feindseligkeit zunimmt. Es wird auch eine innenpolitische Zerreißprobe. Wir können nicht davon ausgehen, dass 2016 weniger Flüchtlinge kommen. Wir müssen zeigen, dass wir auch längerfristige Erfolge in der Integration haben ... STANDARD: ... und längerfristige Maßnahmen setzen? Friedrichs: Ja, bloß nicht den Fehler der Gastarbeiter wiederholen. STANDARD: Preiswerten Wohnraum fordert jede Partei. Warum gibt es ihn nicht? Friedrichs: Es werden riesige Vermögenswerte vererbt, an Personen, die den Großteil ihres Geldes in Eigentumswohnungen stecken. Das führt dazu, dass mehr Eigentum nachgefragt wird. Daher errichten Investoren lieber Eigentumswohnungen, weil sie das Geld in kürzester Zeit wieder heraushaben. Diese Rendite innerhalb kurzer Zeit kann man mit Sozialwohnungen nie erreichen. STANDARD: Für private Investoren sind Sozialwohnungen uninteressant und für die öffentliche Hand in guter Lage zu teuer. Friedrichs: Die Frage ist, welche Anreize einem privaten Investor geboten werden müssen, um Sozialwohnungen zu errichten. Steuererleichterungen reichen nicht aus. Wenn Sie in einer Stadt wie Köln ein altes Gebäude abreißen und Eigentumswohnungen errichten wollen, dann haben Sie die Wohnungen verkauft, bevor das neue Gebäude steht. Das ist für Investoren sehr attraktiv. Innenministerium: Bundesheerstandorte werden Asylquartiere, wenn Länder Quote nicht erfüllen – Sechs Bundesländer betroffen. Wien – Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) nutzt ihr Durchgriffsrecht zur Schaffung von Asylquartieren in sechs Bundesländern. An acht Bundesheerstandorten in der Steiermark, dem Burgenland, Kärnten, Tirol, Nieder- und Oberösterreich sollen teils bis zu 450 Asylwerber Obdach finden – insgesamt also bis zu 3.600 Personen. Die Verordnung wurde vorerst auf ein halbes Jahr befristet. Die ursprünglich geplante Liste mit sechs Standorten wurde nach APA-Informationen am Dienstag noch um zwei ergänzt: die Wallenstein-Kaserne in Götzendorf in Niederösterreich und die Wintersteller-Kaserne in St. Johann in Tirol. Außerdem geht es um die Kirchnerkaserne in Graz, bestätigte das Innenministerium am Dienstag. Sie wurde bereits zum Verkauf ausgeschrieben, die Anbotsfrist (Mindestpreis 9,5 Millionen Euro) läuft bis 11. März. Nun sollen bis zu 400 Asylwerber auf dem Gelände unterkommen. Mit dem Verteidigungsministerium wurde vereinbart, dass wir es für das halbe Jahr haben können, sagte ein Ministeriumssprecher. Ebenfalls genutzt wird das Durchgriffsrecht zur Schaffung von Asylquartieren in Villach (Henselkaserne) und Spittal an der Drau (Türk-Kaserne) in Kärnten. Dort kritisierte Landeshauptmann Peter Kaiser (SPÖ) die Art der Anwendung des Durchgriffsrecht. Sieben von 14 Durchgriffen sind in Kärnten angewendet worden, sagte er am Dienstag nach Bekanntwerden von Mikl-Leitners Entscheidung. Verordnet ist inzwischen laut einem Bericht des ORF Kärnten auch ein Erstaufnahmezentrum in der Gemeinde Schiefling am Wörthersee. Hier hatte Kaiser darauf hingewiesen, dass das ehemalige Gasthaus, in dem 150 Menschen untergebracht werden sollen, nur gut 300 Meter von einem Flüchtlingsheim des Landes entfernt sei. Formal stehen die beiden Häuser in zwei verschiedenen Gemeinden, de facto aber in der gleichen Ortschaft, nämlich in St. Egyden, das zwischen Schiefling und Velden aufgeteilt ist. Der Protest des Landes nützte nichts, die Verordnung wurde noch am Montag erlassen. Auch Tirols Landeshauptmann Günther Platter kann der ministeriellen Ankündigung nur wenig abgewinnen können. Sie sei nicht förderlich, meinte Platter auf Anfrage der APA. Eine Unterbringung könne nur im Einklang mit den Gemeinden erfolgen. Gerade mit der Gemeinde St. Johann haben wir letzte Woche einen ganz konkreten Stufenplan zur Unterbringung von 140 Flüchtlingen ausgearbeitet, erklärte Platter am Dienstag. Nun über die Gemeinde drüberzufahren, gefährde den erzielten Konsens. Wenn der Bund gegen den Willen der Bevölkerung und der Gemeinden zwangsweise Unterkünfte durchsetzt, könne er das nicht gutheißen, so Platter. In Graz wehrt sich die ÖVP gegen die Pläne. Nach Bürgermeister Siegfried Nagl übte am Dienstag auch sein Parteifreund, Integrationsstadtrat Kurt Hohensinner, Kritik am Vorgehen der Bundesregierung, Flüchtlinge in die eigentlich zum Verkauf stehende Kirchner-Kaserne einzuquartieren. Nagl hatte zuvor in der Kleinen Zeitung u.a. gesagt, dass man sich um kleinere Unterbringungseinheiten bemühe, was nun konterkariert werde. Die von Hohensinner in einer Aussendung geäußerte Kritik richtete sich allerdings in erster Linie gegen rote Regierungsmitglieder wie Heeresminister Gerald Klug (SPÖ) und nicht gegen Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP). Ein völlig überforderter Verteidigungsminister verkündet wöchentlich andere Entscheidungen. Neben Kärnten, Steiermark und Tirol sollen Flüchtlinge in Niederösterreich am Fliegerhorst Brumowski in Tulln unterkommen, in Oberösterreich in der Hessen-Kaserne in Wels. Auch das burgenländische Bruckneudorf kommt wieder ins Gespräch – allerdings nach Bürgerprotesten nicht der Truppenübungsplatz, sondern die Benedek-Kaserne. Das Innenministerium erklärte, dass die Quartiere nur geöffnet werden, wenn die Länder ihre Betreuungsquote von sich aus nicht erfüllen. Die Länder haben es immer noch selbst in der Hand, dass es nicht zur Inbetriebnahme der Kasernen kommt, sagte der Sprecher. Dem Ministerium sei jedenfalls wichtig, für die Wintermonate Quartiere verfügbar zu haben. Untergebracht werden sollen die Flüchtlinge in Containern, nur in Villach sind Zelte geplant. Die maximale Anzahl von 450 Flüchtlingen wird laut Ministerium nicht an allen Standorten möglich sein. Wenn es in den nächsten Wochen nach wie vor zu wenige Quartiere gibt, sind wir gezwungen, vom Durchgriffsrecht Gebrauch zu machen, sagte Mikl-Leitner am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal. Für 2016 rechnet sie mit bis zu 120.000 Flüchtlingen. Der Welser FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl hatte zuvor Widerstand gegen das geplante Flüchtlingsquartier in der Hessenkaserne angekündigt. Wenn diese Unterbringung kommt, werden wir massive Protestmaßnahmen ergreifen, kündigte Rabl an. Er sprach unter anderem von Straßenblockaden. Der Polizeigewerkschaft gehen Abschiebungen zu langsam, denn die Zahl der Neuankommenden stieg auf mehr als eine Million. Es ist egal, wie wir es nun nennen. Das Wichtigste ist, dass die Zahl der Flüchtlinge zurückgeht. Diese Losung hat Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer erst in der Vorwoche auf dem Parteitag der Schwesterpartei CDU in Karlsruhe ausgegeben, um den Streit über Begriffe wie Obergrenzen, Kontingente oder Begrenzungen zu beenden. Nun hat das deutsche Innenministerium Zahlen bekanntgegeben, die Seehofer und auch vielen in der CDU gefallen dürften. Im Jahr 2015 hat sich die Zahl der abgeschobenen Asylwerber in Deutschland im Vergleich zum Jahr 2014 fast verdoppelt: von 10.884 auf 18.363 im Vergleichszeitraum Jänner bis November. Für Abschiebungen sind in Deutschland die Länder zuständig. Am eifrigsten ist dabei das schwarze Bayern, das bisher dreimal so viele Flüchtlinge wie im Jahr 2014 wieder zurückschickte. An zweiter Stelle liegt das schwarz-grün regierte Hessen, an dritter das grün-rot regierte Baden-Württemberg. Anders als in den Vorjahren ist für den Winter 2015/2016 auch kein sogenannter Winterabschiebestopp geplant. Die Frage nach einem Stopp zumindest während der Weihnachtsfeiertage wollte die stellvertretende deutsche Regierungssprecherin Christiane Wirtz nicht beantworten. Im Herbst hatte Deutschland angesichts der täglich steigenden Flüchtlingszahlen seine Asylpolitik verschärft. Nach den Balkanstaaten Bosnien, Mazedonien und Serbien wurden auch Kosovo und Montenegro zu sicheren Herkunftsländern erklärt. Zudem werden Abschiebungen nicht mehr angekündigt, die Polizei taucht ohne Anmeldung bei den Betreffenden auf. Der Vizechef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, meint jedoch, die Länder müssten noch viel konsequenter abschieben. Wenn man jetzt nicht handle, dann entwickelt sich ein Rückstau. In Deutschland leben nach wie vor 190.000 Menschen, die eigentlich keine Bleibeberechtigung haben und ausreisepflichtig wären. Bei den Neuankünften wurde in Deutschland Anfang Dezember längst die Marke von einer Million Menschen überschritten. Im Frühsommer war die deutsche Bundesregierung noch von 400.000 neuen Asylbewerbern ausgegangen, im Laufe des Sommers hatte sie ihre Prognose auf 800.000 korrigiert. Angesichts der Zahlen warnt Deutschlands größer Immobilienkonzern Vonovia vor akuter Wohnungsnot in Großstädten. Vonovia-Chef Rolf Buch sagt: Wir hatten schon vor der Flüchtlingskrise Engpässe vor allem in den Großstädten, jetzt explodieren diese Probleme. Dieses Land ist weder bautechnisch noch genehmigungstechnisch darauf vorbereitet, das kurzfristig zu stemmen. Neuen Ärger gibt es in Berlin rund um das Landesamt für Gesundheit und Soziales, das unter seiner Abkürzung LaGeSo zum Synonym für Behördenversagen wurde, weil unzählige Flüchtlinge nächtelang im Freien ausharren müssen, bevor ihre Anliegen bearbeitet werden. Die Boulevardzeitungen B.Z. und die Bild berichten, Sozialsenator Mario Czaja (CDU) habe 2013 Warnungen, dass Flüchtlingsunterkünfte in Berlin knapp werden, ignoriert. Anstatt für Quartiere zu sorgen, habe er mehrere infrage kommende Immobilien für Tabu erklärt, und zwar auf Drängen von CDU-Freunden, die in der Umgebung wohnten oder ihren Wahlkreis hätten. Druck bekommt der Senat auch vom Berliner Landessportbund. Der will keine Turnhallen mehr für Flüchtlinge zur Verfügung stellen, weil er Mitgliederaustritte und Einnahmeeinbußen fürchtet. Von 1050 Hallen in Berlin sind 50 mit Asylwerbern belegt. Von Mazedonien bis Slowenien wurde ein Flüchtlingskorridor eingerichtet. Die Reise vom Balkan nach Mitteleuropa geht mittlerweile sehr schnell. An der Aperitif-Bar haben jetzt World Vision und Ärzte ohne Grenzen ihre Büros. Dort, wo früher der Friseursalon war, ist heute ein Schild mit einem roten Kreuz und einem Arzt mit Stethoskop angebracht. Eine reale Ärztin in grünem Mantel steht davor und telefoniert unentwegt. Ein paar Flüchtlingshelfer erzählen, wie ein junger Mann in die Krankenstation gebracht wurde, weil er sich Hilfe suchend umgeschaut hatte. Als die Ärzte ihn behandeln wollten, versuchte er verzweifelt zu erklären, dass er nur sein Handy aufladen wolle. Tatsächlich ist die Reise von Griechenland nach Slowenien für viele eine fortwährende Suche nach Steckdosen. Denn das Wichtigste in den Herbergen auf dem Weg ist, dass man mit den Zuhausegebliebenen oder denen, die bereits in Deutschland angekommen sind, facebooken und whatsappen kann. An der Rezeption des früheren jugoslawischen Motels in Adasevci überwachen Beamte des serbischen Flüchtlingskommissariats das Geschehen. Sie dürfen hier nicht arbeiten, sagt einer von ihnen und weist Journalisten aus dem Flüchtlingszentrum. Der serbische Staat war von Anfang an in der Flüchtlingsfrage präsent. Die Busse, die die Leute von der mazedonischen Grenze hierher an die kroatische Grenze bringen, sind privat organisiert, und die Flüchtlinge müssen dafür zahlen. Doch die Behörden beobachten den Verlauf der Dinge, und ab und zu kommt ein strenger Ton zum Vorschein, der wie aus einer anderen Zeit zu kommen scheint. Ebenso wie die roten Plastiklampen in dem Motel, die abgewetzten braunen Stoffbezüge der Sessel und die schrägen Buchstaben, die darauf hinweisen, dass es links weiter zu den Rooms, sobe, Zimmern geht. Früher haben hier wohl Touristen geschlafen. Hinter der Rezeption hat ein Kind ein Bild mit einer großen Moschee gemalt, mit einem Halbmond auf dem Dach, daneben eine Sonne und ein Mensch mit Luftballonen. Vor dem Motel warten ein paar Flüchtlingshelfer auf die Busse mit Neuankömmlingen. Als ein paar Kinder aussteigen, gehen die Flüchtlingshelfer auf sie zu und blasen ihnen Seifenblasen entgegen. Doch die Kinder sind müde und frieren und interessieren sich nicht für Seifenblasen und Flüchtlingshelfer. Die Reise über den Balkan und Mitteleuropa nach Deutschland geht mittlerweile so rasend schnell, dass es keine Zeit zum Ausruhen oder Schlafen gibt. Innerhalb von drei Tagen fährt man per Bus und Zug aus Griechenland nach Österreich. Noch vor ein paar Wochen dauerte die Reise eine Woche. An der Autobahn in Adasevci, hinter dem Motel, werden gerade große weiße Baracken aufgebaut. Zurzeit werden diese Herbergen aber nicht gebraucht, denn pro Tag kommen jetzt nur 2000 bis 4000 Flüchtlinge – sodass niemand bleiben und warten muss. In Adasevci wird aber offenbar für den Frühling geplant, und man erwartet, dass dann wieder viel mehr Menschen die Fluchtroute nutzen. Seit dem 3. November müssen die Flüchtlinge auch nicht mehr zu Fuß von Serbien nach Kroatien gehen, sondern werden direkt in kroatischen Zügen nach Slavonski Brod gebracht. Die kroatischen und die serbischen Behörden haben quasi einen Weihnachtsfrieden geschlossen und ein Abkommen getroffen. Vergessen ist der Sommer, in dem noch heftigst gestritten wurde. Kroatien sperrte damals sogar seine Grenze für die Lkws, die aus Serbien kamen, und der kroatische Premier Zoran Milanovic verglich Serben mit Fliegen, mit denen sich Adler wie die Kroaten nicht abgeben würden. Jetzt ist es in Südosteuropa kalt, aber entspannt. Das Schwierigste für uns sind die großen Erwartungen, sagt Francesca Bonelli vom UNCHR. Fragt man die jungen Flüchtlinge, was sie in Deutschland wollen, sagen viele: studieren. Sie zweifeln nicht daran, dass dies möglich sein wird. Sie zweifeln auch nicht daran, dass sie in Deutschland leben werden können. In Adasevci bleiben nur die wenigsten, entweder weil sie krank oder weil sie hochschwanger sind. Bonelli erzählt, dass bereits vier Babys hier zu Welt kamen. Die nächste Herberge ist mit dem Zug in einer Stunde zu erreichen: Slavonski Brod an der Sava, eine schöne kleine Stadt. Die Kroaten sind stolz auf ihr Winterlager. Sie fragen: Ach, Sie sind doch sicher gekommen, um unser Lager anzusehen? Es ist gut, oder? Es ist das beste, oder? Ja, es ist wirklich gut. Alles ist durchorganisiert in Slavonski Brod. Kroatien ist immer darauf bedacht, zu beweisen, wie europäisch es ist – und ein bisschen besser als die Nachbarn auf dem Balkan. Wer aus dem Zug aussteigt, sieht zuerst die riesige digitale Anzeigetafel, auf der Anweisungen auf Arabisch stehen. Dahinter können die meist muslimischen Flüchtlinge einen riesigen Christbaum bewundern, auf dem die Hilfsorganisationen ihre Weihnachtspackerln, inklusive Eigenwerbung, aufgehängt haben – in Slavonski Brod gibt es 19 NGOs. Dann werden die Leute in die grünen Registrierzelte geleitet. Jeder muss an einem Beamten vorbei. Name, Herkunftsland, Ehepartner, Kinder. Das Ganze erinnert an eine Volkszählung – fast wie jene weltberühmte vor mehr als 2000 Jahren. Wer aus dem Registrierzelt herauskommt, bekommt Tee verabreicht, kann in eines der blauen Toilettenhäuschen und bekommt eine blaue Ikea-Tasche. Mit der wird er weiter in eine Art Weihnachtszelt mit Geschenken geleitet. Links bekommt man Hosen, Schuhe, Anoraks, Decken, Matten, rechts Hipp-Gläser für Babys. Am Ende wartet ein junger, freundlicher Herr und verteilt Zettel. Canada, my new home steht darauf. Angepriesen werden eine permanente und rasche Niederlassung, die sofortige Möglichkeit zu arbeiten, Wohnungen, Englisch- und Französischkurse, Schulen für Kinder, Sozialversicherung und vier Jahre später die Staatsbürgerschaft. Auf dem Prospekt ist eine glückliche syrische Familie in hellen T-Shirts zu sehen. Voraussetzungen sind ein Universitätsabschluss oder eine Berufsausbildung und eine einjährige Arbeitserfahrung, Englisch oder Französisch müssen die Bewerber, wenn sie ansuchen, aber bereits auf gehobenem Niveau sprechen, Level B2. Und sie dürfen nicht älter als 40 Jahre alt sein. Kanada will die Gebildeten und Jungen herauspicken. Von den Leuten, die jetzt gerade auf der Fluchtroute sind, sprechen aber nur mehr die wenigsten Englisch. Im Juli und August kamen noch mehr Leute mit höherem Bildungsniveau. Nach dem Weihnachtszelt kann man noch in ein Zelt gehen, wo Kindergartenpädagoginnen zwischen Spielzeug warten. Zum Spielen bleibt aber keine Zeit, genauso wenig, um die Duschen zu nutzen oder sich im eigens eingerichteten Gebetszelt niederzuknien. Der Zug wartet bereits darauf, die Migranten nach Slowenien zu bringen. Prinzipiell könnten in Slavonski Brod 5000 Personen übernachten – doch die Flüchtlinge bleiben nur etwa zwei Stunden hier. Der Syrer Sami Idris ist mit seiner Frau, einer Tochter und einem Sohn Richtung Berlin unterwegs. Er kommt aus Damaskus und hat seinen Stadtteil durch einen Tunnel verlassen. An der türkischen Küste hielt ein Schlepper Sami Idris eine Pistole an die Schläfe, weil er sich zunächst nicht mit weiteren 60 Leuten in das Schlauchboot setzen wollte, das nur für 15 Menschen zugelassen war. Die Schmuggler werden immer brutaler, auch weil die türkische Küstenwache strenger kontrolliert. In Berlin warten bereits zwei weitere Kinder auf die Familie Idris. Spätestens zu Weihnachten wird es ein Familienzusammenführungsfest geben. Als die Flüchtlinge im Zug sitzen, singt ein Rot-Kreuz-Mann durch ein Megafon arabische Lieder, und einige singen mit. Sie winken aus den Fenstern. Weiter geht es nach Slowenien. Der Korridor funktioniert. Weil keiner mehr zu Fuß die Grenzen überquert und in jedem Land registriert wird, ist die Kontrolle besser. Vor ein paar Wochen noch irrten Flüchtlinge an der slowenischen Grenze herum. Der Zaun an der Grenze zwischen Kroatien und Slowenien ist bereits 135 Kilometer lang. Kürzlich verzierten ihn Anrainer aus Protest mit Christbaumkugeln und spielten über ihn hinweg Volleyball. Alte Leute begannen zu weinen – zuletzt hatte es hier unter den italienischen Faschisten einen Zaun gegeben. Zusätzlich können nun manche Tiere wegen des Zauns nicht mehr zu ihren Wasser- oder Weidestellen. Und einige sterben, weil sie sich im Stacheldraht verfangen. Der Zaun markiert die Schengenzone. Slowenien baut ihn, um die Grenze schließen zu können und Überforderung zu vermeiden. Doch die Flüchtlinge, die alle innerhalb des Korridors nach Slowenien reisen, bemerken jetzt gar nichts von dem Zaun. Im Bahnhof in Dobova warten Polizisten vor einem schicken Weihnachtsbaum mit goldenen Kugeln, die glänzen wie die Zukunftsvorstellungen vieler, die hier ankommen. Im Lager selbst sitzen Beamte vor schicken Flatscreens. Die technologische Ausstattung ist beeindruckend – etwa im Vergleich zu Mazedonien, wo der Staat sich nicht einmal leisten kann, Fingerprints abzunehmen. Wer mit den Flüchtlingen vom Süden ins Zentrum Europas reist, reist von der Armut in den Wohlstand. Wir wurden in Mazedonien von Polizisten getreten. Weshalb machen die das? Wir sind aus Damaskus weg, weil die Leute uns genau so behandelt haben. Und jetzt das in Europa!, sagt Omar Mohamad. Er kann natürlich nicht wissen, dass Mazedonien in den letzten Jahren immer mehr in eine autoritäre Richtung schlitterte und dass viele Mazedonier selbst am liebsten nach Deutschland auswandern würden. Der Vermessungstechniker lagert mit seiner Frau und den beiden Kleinkindern in der Halle in Dobova. Die Aufnahme von Flüchtlingen wird im Islam großgeschrieben, weil der Prophet Mohammed und seine Leute selbst Flüchtlinge waren. Diese historische hijra (Flucht) war ein religiöser Akt der Auswanderung, wegen der Repression gegen die ersten Muslime, erklärt die Islamwissenschafterin Zora Hesova. Heiße Luft wird durch riesige Röhren in die Plastikzelte transportiert. Ein Polizist räumt ein, dass Slowenien im September, als die Flüchtlinge erstmals kamen, im Chaos versank. Die Selbstkritik zeugt von politischer Reife. Die Halle füllt sich langsam, die Leute breiten Decken auf. Sie stellen Gitter zwischen sich und die nächste Familie. Sie packen Brot, Käseeckerln und Bananen aus und picknicken, als hätten sie nie etwas anderes getan. Es wird wärmer. Wenn jetzt noch die drei Weisen hereinspazierten, wäre richtig Morgenland. Projekt "MutMacher" der Jugendanwaltschaft bringt junge Flüchtlinge mit Mentoren zusammen. Salzburg – Jugendliche Flüchtlinge willkommen heißen, ihnen Halt geben und einfach für sie da sein – das ist das Ziel des Projekts MutMacher von der Kinder- und Jugendanwaltschaft (Kija) Salzburg. Freiwillige können sich bei der Kija melden und werden dann Paten eines Jugendlichen, der sich für das Projekt beworben hat. In Salzburg leben derzeit 166 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Sie würden Mentoren besonders dringend brauchen, weil sie ganz ohne Bezugspersonen in Österreich sind, sagt die Salzburger Jugendanwältin Andrea Holz-Darenstaedt. Deshalb startet die Kija im Herbst mit einer neuen Ausbildung, die zukünftige MutMacher eigens auf die Betreuung junger Flüchtlinge vorbereiten soll. Dabei wird etwa auf den Umgang mit traumatisierten Jugendlichen eingegangen sowie das Asylrecht behandelt. Es ist eine große Verantwortung, sich um einen Jugendlichen zu kümmern, der ganz ohne eine Familie in Österreich ist, betont Holz-Darenstaedt. Von den bisherigen Bewerbungen ist die Jugendanwältin überwältigt. Gerechnet hätte sie mit einer Ausbildungsgruppe von 15 Personen, bislang haben sich bereits 58 Interessenten gemeldet. Das hat unsere Erwartungen übertroffen und zeigt, wie viele Menschen gerne helfen möchten, freut sich Holz-Darenstaedt. Voraussetzung, um als Mentor aktiv werden zu können, ist, dass sich die Paten mindestens einmal die Woche für die Jugendlichen Zeit nehmen. Weil es um Kontinuität und einen Beziehungsaufbau geht, sagt die Jugendanwältin. Gleichzeitig sollten die Mentoren eine gewisse Offenheit gegenüber anderen Menschen und Kulturen mit sich bringen und mindestens 28 Jahre alt sein. Was die MutMacher in der Folge in der gemeinsamen Zeit mit den jungen Flüchtlingen machen, ist so unterschiedlich wie jede Patenschaft. Manche verbringen einfach ihre Freizeit miteinander, gehen wandern oder kochen gemeinsam, andere unterstützen die Jugendlichen beim Deutschlernen, bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz oder begleiten sie bei Behördengängen. Treten Fragen oder Probleme auf, ist die Kija als Ansprechpartner immer im Hintergrund. Dass junge Flüchtlinge diskriminiert werden, kann ein Mentor nicht ausgleichen. Aber er kann ein heimatliches Gefühl vermitteln. Nach dem Motto: Da ist wer, dem ich nicht egal bin, sagt Holz-Darenstaedt. Minderjährige Flüchtlinge seien in Österreich Kinder zweiter Klasse: Für ihre Unterbringung zahlt die öffentliche Hand weniger als die Hälfte wie bei einheimischen Kindern. Sie haben nur beschränkt Zugang zu Bildung und Lehre und würden, so die Jugendanwältin, in den Mühlen der Bürokratie stecken. Das Projekt gibt es seit 2007, seither wurden 150 Patenschaften vermittelt. In Wien hat die NGO Asylkoordination mit Connecting people ein ähnliches Projekt laufen, das bereits seit 2001 Paten mit unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zusammenbringt. Nur Kärnten und Tirol noch schlechter. Bregenz – Außer Niederösterreich und Salzburg erfüllt derzeit kein Bundesland die Asylquote bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen (UMF). Nach wie vor leben über 1.000 junge Flüchtlinge im Traiskirchner Erstaufnahmezentrum. In Vorarlberg fehlten 113 Plätze und erfülle damit die Quote nur zu knapp 60 Prozent, geht aus einem Bericht der Montagsausgabe der Vorarlberger Nachrichten (VN) hervor. Schlechter bei der Unterbringung von unbegleiteten jugendlichen Asylwerbern seien damit nur die Bundesländer Kärnten (rund 51 Prozent) und Tirol (rund 56 Prozent). Selbst Salzburg erfülle die Quote nur, weil dort rund 200 Jugendliche in einer Kaserne untergebracht seien, kritisierte der Vorarlberger Kinder- und Jugendanwalt Michael Rauch. Rauch sparte auch nicht mit Kritik an der Vorarlberger Landesregierung. Man könne sich nicht medial stets als Quotenerfüller präsentieren, wenn wir bei den UMF nur bei 60 Prozent liegen, so Rauch. Laut Landesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) werde Österreichs westlichstes Bundesland bereits im Frühjahr die Quote wieder erfüllen. Wiesflecker konterte auch damit, dass man noch im Dezember knapp 90 Prozent der vorgeschriebenen Anzahl untergebracht hätte. Es seien mit 1. Jänner aber gleich 50 Jugendliche volljährig geworden, wodurch wir stark zurückgefallen sind. Flüchtlingskoordinator Christian Konrad regte im VN-Gespräch an, die Vorschriften bei der Quartierssuche für jugendliche Flüchtlinge noch einmal zu überdenken. Bei der Bauordnung oder Richtlinien zur Barrierefreiheit wären Lockerungen denkbar, so Konrad. Die Betreuungsstandards dürften hingegen keinesfalls gesenkt werden. Das Innenministerium interpretiert die rechtlichen Vorgaben zur vorgeschriebenen Zahl von Mitarbeitern anders als Länder. Wien – Eine vergangene Woche präsentierte Studie zur aktuellen Lebenssituation unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge (UMFs) in Österreich brachte Bedenkliches zutage. Neben, wie berichtet, schlechter Grundausstattung – etwa dem Fehlen von Waschmaschinen in Notquartieren sowie eigener Spinde zum Aufbewahren persönlicher Dinge in den Erstaufnahmezentren – schilderten viele der befragten Kinder und Jugendlichen auch einen trostlosen Tagesablauf. Ich habe nichts zu tun außer frühstücken, mittagessen, abendessen. Sonst die ganze Zeit schlafen und auf einen Bescheid warten, berichtete etwa ein in der Erstaufnahme- und Bundesbetreuungsstelle Traiskirchen untergebrachter Jugendlicher den Mitarbeitern des Meinungsforschungsinstituts Ifes, das die Studie im Auftrag der Bundesjugendvertretung erstellte. Eine Schule oder eine Lehre besuchte er nicht – und auch das Angebot an Freizeitangeboten bezeichnete er als karg. Angesichts der üppigen Aufzählung von Aufgaben im Betreuungsvertrag der Schweizer Firma ORS, die im Wirkungsbereich des Innenministeriums seit Jahren Flüchtlinge und somit auch alleinstehende unter 18-Jährige versorgt, ist das ein erstaunlicher Mangel. Allein für die Arbeit mit männlichen UMFs definiert der Vertrag 14 Aufgaben: von der Betreuung 24 Stunden am Tag, sieben Tage in der Woche bis zur Vermittlung der Werte der Aufnahmegesellschaft. Wie ist dann zu erklären, dass etliche befragte junge in Bundesbetreuung befindliche Flüchtlinge de facto unbetreut waren? Die Ursache liege nicht in mangelndem Engagement der ORS-Mitarbeiter, sondern darin, dass es ihrer schlicht viel zu wenige gebe, viel weniger als etwa in Wiener Länderquartieren, sagt Katharina Glawischnig, UMF-Expertin bei der Asylkoordination. Warum ist das so? An unterschiedlichen vertraglichen Grundlagen hängt es nicht: Die Grundversorgungsvereinbarung sieht für die UMF-Bundes- und -Länderversorgung die gleichen Betreuungsschlüssel vor – so wird das vorgeschriebene Verhältnis zwischen der Anzahl der Betreuer und der Anzahl der zu Versorgenden genannt. Für UMF-Wohngruppenbetreuung ist etwa ein Betreuungsschlüssel von 1:10 festgelegt, in Traiskirchen liegt er laut Vertrag mit ORS bei 1:15. Das Problem, so Glawischnig, liege in der unterschiedlichen Interpretation dieser Vorgaben. Konkret gelte etwa in Wiener UMF-Einrichtungen, dass bei einem 1:10-Betreuungsschlüssel rund um die Uhr jeweils ein Betreuer für zehn UMFs anwesend sein müsse. Während das Innenministerium meine, dass pro zehn Jugendliche lediglich ein Betreuer anzustellen sei. Auf eine Woche umgerechnet steht somit in der vom Innenministerium organisierten Bundesbetreuung zehn Jugendlichen ein Betreuer nur 38,5 Stunden zur Verfügung. Die restlichen 129,5 Stunden sind die zehn im Grunde auf sich allein gestellt – was im Resultat auf viel weniger insgesamt zur Verfügung stehendes Personal hinausläuft. In der Traiskirchner Praxis, so Glawischnig, führe das dazu, dass des Nachts Siwacht-Securitys im UMF-Bereich Wache schieben, weil keine ORS-Mitarbeiter anwesend sind. Diese minimalistische Lesart der Betreuungsschlüssel wird von Peter Webinger, Leiter der Gruppe Asyl, Migration, Menschenrechte im Innenministerium, in einer dem STANDARD vorliegenden Mail an Glawischnig bestätigt: Es ergibt sich aus der Grundversorgungsvereinbarung nicht, dass der jeweilige Betreuer eine bestimmte Dauer bis rund um die Uhr anwesend sein muss, schreibt er. Wir gehen nicht von der 24-Stunden-Interpretation aus, bestätigte im Innenministerium ein Sprecher dem STANDARD Webingers Sicht der Dinge. Das führt Glawischnig zu der Frage: Wer versteht hier was falsch, der Bund oder die Länder? Immerhin hätten die unterschiedlichen Interpretationen die Folge, dass UMFs in Bundesbetreuung mit bis zu vier Fünfteln weniger Betreuung auskommen müssen als UMFs in den Ländern. Investitionsschutzprämie wird auf 30 Prozent erhöht - Ausnahmen für Zigarrenclubs - Oberhauser hofft auf rasche Umsetzung durch Gastronomie. Wien - Die Regierung hat am Dienstag das Tabakgesetz ins Parlament geschickt, wo es noch vor der Sommerpause beschlossen werden soll. Gegenüber dem ersten Entwurf gesteht sie den Wirten eine höhere Investitionsschutzprämie zu. Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) hofft daher, dass viele vorzeitig umstellen, sagte sie vor dem Ministerrat. Inkrafttreten soll das generelle Rauchverbot, wie auch ursprünglich geplant, im Mai 2018. Dadurch, dass die Gastronomen getätigte Investitionen vorzeitig abschreiben könnten und die Prämie dafür auf 30 Prozent erhöht wird, geht die Ministerin davon aus, dass viele Betriebe früher rauchfrei werden. Auch Wirtschaftsminister und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) freut sich: Man habe das Gesetz nochmal deutlich verbessert. Das Rauchverbot gilt auch in Räumen, in denen Vereinstätigkeiten in Anwesenheit von Kindern und Jugendlichen ausgeübt werden. Nicht verboten ist das Rauchen in Vereinsräumen, die ausschließlich von Erwachsenen und zu internen Zwecken genutzt werden - damit dürfen Mitglieder von Männergesangsvereinen ebenso qualmen wie Besucher von Zigarrenclubs. Man stelle aber sicher, dass das Rauchverbot nicht durch Vereinskonstruktionen umgangen werden kann, betonte Oberhauser. Die Ministerin bekräftigte überdies, dass auch die sogenannten E-Zigaretten unter das Rauchverbot fallen. Sie zeigte sich zuversichtlich, dass Österreich sich mit dem Gesetz einen Schritt vom Aschenbecher der Welt entferne. Mitterlehner unterstrich, Österreich folge mit den geplanten Maßnahmen einem ganz klaren europäischen Trend: Der Vergleich mit anderen Ländern macht einfach sicher. Die Experten-Initiative Dont Smoke zeigte sich erfreut über die Verabschiedung der Novelle im Ministerrat. Es ist der richtige Schritt, das Rauchverbot in der Gastronomie umzusetzen, erklärte der Grazer Onkologe Hellmut Samonigg. Er zitierte aus dem kürzlich veröffentlichten Eurobarometer der EU-Kommission, wonach europaweit in zwölf Prozent der Gasthäuser der Griff zum Glimmstängel toleriert wird, während in Österreich schätzungsweise in 44 Prozent der Restaurants geraucht wird. Österreich fällt im europaweiten Vergleich unverändert negativ auf, bemerkte Samonigg in einer Aussendung. Ein strengeres Tabakgesetz nimmt nun konkrete Formen an - damit kann sich Österreich endlich vom letzten Platz in der Tabakprävention nach vorne bewegen und vielleicht sogar international Vorreiter werden, meinte Jan Oliver Huber, Generalsekretär der Pharmig, des Verbands der pharmazeutischen Industrie. Im internationalen Vergleich (Tobacco Control Scale) nehme Österreich den letzten Platz bei der Umsetzung von Tabakpräventionsmaßnahmen ein. Dass wir hier endlich aus unserer Schlusslichtposition kommen, ist höchste Zeit, erklärte Huber. Der Vergleichswert lag 1965 noch bei 42 Prozent. Miami – Der Anteil der Zigarettenraucher in den USA ist mit 15,2 Prozent der Erwachsenen auf seinen tiefsten Punkt seit Jahrzehnten gesunken. Das teilte die Behörde für Gesundheitsvorsorge (NCHS) am Dienstag mit. Die Vergleichswerte liegen für 1997 bei 24,7 Prozent und für 1965 bei 42 Prozent. Weiterhin ist der Raucheranteil von Männern mit 17,4 Prozent höher als der von Frauen mit 13 Prozent. Afroamerikaner sind mit 18,1 Prozent überproportional vertreten, verglichen mit 17,1 Prozent bei den Weißen und 10,4 Prozent bei den Hispanics. Nach den Erkenntnissen des Leiters des öffentlichen Gesundheitsdienstes in den USA bleibt das Rauchen die wichtigste vermeidbare Todesursache. Rund 480.000 Todesfälle gehen in den USA demnach jährlich auf Folgen des Rauchens zurück. In Österreich sieht die Situation anders aus: Ein Drittel der Jugendlichen in Niederösterreich raucht. Das Einstiegsalter liegt bei durchschnittlich zwölf Jahren. Das ergab eine IFES-Studie (Institut für empirische Sozialforschung) im Auftrag von Gesundheitslandesrat Maurice Androsch (SPÖ). Laut einer Aussendung des Landespressedienstes wurden im April und Mai 918 Interviews mit Jugendlichen der siebenten bis neunten Schulstufe geführt. Dabei hatte Rauchen grundsätzlich einen schlechten Stellenwert und wurde als Sucht eingestuft. Oft führe aber Neugier zur ersten Zigarette. Auf die Frage, warum regelmäßig geraucht werde, wurden Stresskompensation, Entspannung, Gruppendruck und Geschmack genannt. Um die Palette an Leistungen im Bereich des Nichtraucherschutzes besser zu vernetzen, war bereits im Vorjahr eine landesweite Umfrage über die Rauchgewohnheiten von Erwachsenen durchgeführt worden. Weil die Ergebnisse zeigten, dass pro Jahrzehnt durchschnittlich um ein Jahr früher mit dem Rauchen begonnen werde, wurde nun speziell auf die Situation bei Jugendlichen eingegangen, erläuterte Androsch. Wissensdefizite wurden laut der Studie hinsichtlich der Schädlichkeit von sogenannten Light-Produkten und neuen Alternativen zur herkömmlichen Zigarette wie Shisha, E-Shisha und E-Zigaretten geortet. Die Ergebnisse der Untersuchung seien ein klarer Auftrag, noch mehr zu tun und noch spezifischere Hilfestellungen jungen Raucherinnen und Rauchern an die Hand zu geben, betonte der Landesrat. Informationen gibt es unter www.rauchfrei.at, auch die NÖ Gebietskrankenkasse NÖGKK leiste mit Informationen für Schulen sowie als Betreiberin des Rauchfrei-Telefons unter 0800-810-013 einen Beitrag. Darunter Verbot, in Anwesenheit Minderjähriger im Auto zu rauchen – Strafen werden deutlich erhöht. Rom – In Italien sind am Dienstag schärfere Maßnahmen gegen das Rauchen in Kraft getreten. Zu den Änderungen zählt das Verbot, in Anwesenheit Minderjähriger im Auto zu rauchen. Wer dennoch zur Zigarette greift und dabei erwischt wird, für den sieht das Gesetz Strafen zwischen 27,50 und 270 Euro vor. Noch teurer wird es, wenn die Minderjährigen noch keine 14 Jahre alt sind. Dann drohen Strafen zwischen 55 und 550 Euro. Wenn keine erschwerenden Umstände dazukommen, setzt es im Normalfall eine Geldstrafe von 110 Euro. Damit bestätigt Italien seine Linie als eines der Länder mit den weltweit schärfsten Anti-Raucher-Gesetzen. Auch die Sanktionen für Trafiken, die Minderjährigen Zigaretten verkaufen, werden verschärft. Ihnen drohen ab jetzt Geldstrafen zwischen 1.000 und 4.000 Euro und sogar der Lizenzentzug. Auf Zigarettenschachteln will das Gesundheitsministerium Bilder drucken lassen, die Raucher abschrecken sollen. Die Größe wird mit 65 Prozent der Verpackungsfläche vorgegeben. Die Packungen elektronischer Zigaretten sollen Verschlüsse haben, die nicht von Kindern geöffnet werden können. Auf den Packungen wird künftig eine Schrift auf den Nikotin-Gehalt der E-Zigaretten hinweisen. Doch nicht nur den Rauchern geht es an den Kragen. Auch wer ein Papiertaschentuch, einen Kassabon oder einen Kaugummi achtlos auf die Straße wirft oder spuckt, wird zur Kasse gebeten. Die Strafen hierfür liegen zwischen 30 und 150 Euro. Im Normalfall kostet ein solches Vergehen um die 55 Euro. Oberhauser: "Gesundheitspolitischer Meilenstein" – Umsetzung erst im Mai 2018 – Gastronomie hofft auf Nationalratswahlen und eine neue Regierungskoalition. Wien – Vor einem Jahr, am 10. April 2015, wurde von Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser (SPÖ) und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) ein vollständiges Rauchverbot in Gaststätten angekündigt, was die Diskussionen über das Thema aber nicht beendet hat. Wegen der langen Übergangsfrist hofft die Gastronomie auf die nächsten Wahlen und eine neue Koalition, die das Gesetz noch kippen könnte. Die Einführung des umfassenden NichtraucherInnenschutzes in der Gastronomie mit 1. Mai 2018 ist ein gesundheitspolitischer Meilenstein, sagte Oberhauser anlässlich des Jahrestages. Und sie wies darauf hin, dass die Nichtraucherschutz-Prämie für Lokalbesitzer bei einer vorzeitigen Umstellung auf ein komplettes Rauchverbot noch bis 1. Juli diesen Jahres geltend gemacht werden kann. Das sind 30 Prozent des Restbuchwerts für die Umbaumaßnahmen zur Trennung der Gastbereiche, die noch nicht steuerlich berücksichtigt wurden. Ich freue mich über jeden Gastronomiebetrieb, der freiwillig vorzeitig umstellt. Wie vor einem Jahr angekündigt, wurden auch Maßnahmen gesetzt, die zum Aufhören animieren und vor allem verhindern sollen, dass man überhaupt mit dem Rauchen beginnt. Gerade bei Kindern und Jugendlichen wurde mit der im Mai 2015 an den Schulen gestarteten Tabakpräventionsinitiative YOLO – Leb dein Leben. Ohne Rauch angesetzt, dass möglichst wenig Zehn- bis 14-Jährige mit dem Rauchen anfangen, betonte die Ministerin. Und aktuelle Studien würden zeigen, dass die Tendenz zum Rauchen bei jungen Menschen kontinuierlich sinkt. Kurz vor der Umsetzung in nationales Recht ist derzeit auch die Tabakprodukterichtlinie II. Auf Zigarettenpackungen werden dann kombinierte gesundheitsbezogene Warnhinweise angebracht. Oberhauser: Insgesamt hat es sehr viel Bewegung zugunsten des NichtraucherInnenschutzes im letzten Jahr gegeben. Letztlich muss gerade der Schutz von Kindern, Jugendlichen und chronische Kranken im Vordergrund stehen. Mit dem Raucherbann haben sich die Wirte aber noch immer nicht abgefunden, auch wenn man die jetzige Situation realistisch einschätzt: Ich glaube nicht, dass uns entgegengekommen wird, zeigte sich Mario Pulker, Obmann des Fachverbandes Gastronomie in der Wirtschaftskammer, im APA-Gespräch skeptisch bezüglich eines Einlenkens der Regierung. Aber bis zur Umsetzung 2018 sei noch eine Nationalratswahl zu schlagen – und Rot-Schwarz habe laut Umfragen keine Mehrheit mehr. Vielleicht gäbe es bei einer neuen Koalition ein Umdenken. Der Wirt ist ein Meinungsbildner – wir werden schauen, was dann kommt, kündigte er eine entsprechende Stimmungsmache vor dem Urnengang an. Von jenen, die in eine Teilung zwischen Raucher- und Nichtraucherbereich investiert haben, hätten nur ganz wenige das Angebot angenommen, gegen eine Prämie schon früher den Tabak aus ihrem Lokal zu verbannen. Sonst würden sie ihre Gäste an jene Betriebe verlieren, wo weiter geraucht werden darf, meinte Pulker. Die Branche sei ohnehin am Boden und die Verdrossenheit mit der Politik habe sich noch verstärkt. Das ist ein Gesetz, das Unternehmen vernichtet, kritisierte der Gastronom. Allein 250 Shisha-Lokale mit Hunderten Angestellten müssten schließen. Natürlich müsse man differenzieren, etwa zwischen Hotels mit Gastroberechtigung, Restaurants und Wirtshäusern am Eck, wo hauptsächlich Getränke konsumiert werden. Diese Betriebe mit ein, zwei Angestellten, wo die Leute am Heimweg ein kleines Bier getrunken und eine Zigarette geraucht haben, sind tot. Aufsichtsbehörde erlässt Verbot für Minderjährige. Washington – In den USA dürfen E-Zigaretten künftig nicht mehr an Minderjährige verkauft werden. Die Lebensmittelbehörde FDA erließ am Donnerstag ein entsprechendes Verbot. Verkäufe nicht nur von E-Zigaretten, sondern auch von Zigarren, Pfeifentabak und Tabak für Shishas an Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren sind künftig in den Vereinigten Staaten nicht mehr erlaubt. E-Zigaretten simulieren das Rauchen, ohne Tabak zu verbrennen. Dabei werden Flüssigkeiten, sogenannte Liquids, verdampft. Der entstehende Nebel wird inhaliert. E-Zigaretten können nikotinhaltig oder nikotinfrei sein. Tabakfreie Generation US-Gesundheitsministerin Sylvia Burwell bezeichnete das jetzt von der FDA erlassene Verbot als wichtigen Schritt im Kampf für eine tabakfreie Generation. Sie hob hervor, dass das Rauchen herkömmlicher Zigaretten unter Minderjährigen zwar zurückgegangen, dafür aber der Konsum anderer Nikotinprodukte, darunter E-Zigaretten, drastisch gestiegen sei. An den High Schools der USA ist der Anteil der Schüler, die E-Zigaretten rauchen, nach Angaben der Gesundheitsbehörde CDC zwischen 2011 und 2015 von 1,5 Prozent auf 16 Prozent gestiegen. Von der Zigarette loszukommen ist oft ein schwieriges Unterfangen. Welche Tipps haben Sie für den Weg in ein rauchfreies Leben?. Es gibt einen ganzen Maßnahmenkatalog, der darauf abzielt, die Zigarette unattraktiv zu machen. Dazu gehören grausige Fotos von Raucherlungen und Warnhinweise wie die Information, dass über 70 Prozent der Stoffe im Tabakrauch erwiesenermaßen krebserregend sind. All das wird zukünftig auf Zigarettenpackungen zu finden sein. Vor allem sollen damit junge Menschen davon abgehalten werden, überhaupt zur Zigarette zu greifen. Wenn das Rauchen jedoch schon lange zum Alltag gehört, fällt es meist schwer, einen Schlussstrich zu ziehen. Und selbst wenn das gelungen ist, ist die Sehnsucht nach einer Zigarette damit oft nicht vom Tisch: Mit dem Rauchen aufhören – dieser Vorsatz ist mit Sicherheit einer der meistgenannten bei Neujahrsversprechungen. Aber einer, der oft nur mit einiger Anstrengung umgesetzt werden kann. Waren Sie selbst Raucher und haben den Absprung geschafft? Ob Ratgeberbücher, Nikotinpflaster oder schlicht eiserner Wille: Wie war Ihr Weg zum Nichtraucher? Und was hat wirklich nicht funktioniert? Tauschen Sie sich im Forum aus! (jmy, 31.5.2016) "Initiative Religion ist Privatsache": Eltern haben Beschwerde eingebracht. Tulln – Der Streit um Erstkommunionsvorbereitungen während des Gesamtunterrichts in einer Volksschule im Bezirk Tulln soll nun auch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) beschäftigen. Jene Eltern, die für das Recht ihrer Tochter auf eine nicht diskriminierende Bildung kämpften, haben laut der Initiative Religion ist Privatsache Beschwerde eingebracht. Dieser Schritt sei möglich geworden, nachdem sämtliche angerufene österreichische Gerichte sich geweigert hätten festzustellen, ob mit dem systematischen Missbrauch des Gesamtunterrichts für kirchliche Zwecke eine Grundrechtsverletzung beim Kind bzw. bei den Eltern einherging, hieß es am Dienstag in einer Aussendung. Nach Ausschöpfen aller Instanzen hofften die Beschwerdeführer auf eine rechtliche Klärung seitens des EGMR. Wann mit einer Entscheidung zu rechnen ist, war vorerst nicht bekannt, berichtete die Initiative Religion ist Privatsache, die den Fall sei Anfang begleitet. In dieser Folge der Serie "Die Rückseite des Films": Entliehene Göttlichkeit – Stars wie Charlie Chaplin bei der Weltpremiere der "ungekrönten Königin". Hellerleuchtete Straßen, Menschenmassen tummeln sich vor einem Premierenkino und warten darauf, dass die Prominenten auf dem roten Teppich eintreffen. Anlässlich der Uraufführung von Divine Lady (deutscher Titel Die ungekrönte Königin), der Liebesgeschichte zwischen Emma Hamilton und Horatio Nelson war das Staraufgebot am 31. März 1929 enorm. Charles Chaplin, Lupe Velez, Harold Lloyd, Gloria Swanson, Al Jolson, Norma Shearer, Carl Laemmle und Irving Thalberg, um nur einige zu nennen, genossen erfreut das Bad in der Menge. Launige Kommentare der Celebritys werden in diesem stummen Sieben-Minüter durch Zwischentitel illustriert. Corinne Griffith, die Hauptdarstellerin, und Regisseur Frank Lloyd werfen einen kurzen Blick in die Kameras und eilen schließlich ins Kino. Corinne Griffith, die den Übergang zum Tonfilm wie viele andere nicht schaffte, begann 1916 bei den Vitagraph Studios und war auf romantische Melodramen und Salonkomödien abonniert. Mitte der 20er-Jahre war sie ungemein populär und eine der bestverdienenden Schauspielerinnen neben Mary Pickford. Sie verhandelte ihre Verträge persönlich und verwaltete ihr Geld selbst. Auch Victor Varconi, Darsteller des Horatio Nelson, hatte zur Uraufführung des Films bereits eine beachtliche Karriere hinter sich. Als Bauernsohn im Grenzgebiet Ungarns zur Ukraine geboren und in Budapest aufgewachsen, begann er nach einer Ausbildung zum Kaufmann mit dem Schauspielunterricht und gelangte so zum Theater. 1920 ging er nach Deutschland und spielte unter anderem in den österreichischen Stummfilmen Sodom und Gomorrha (1922) und Der junge Medardus (1923) unter der Regie von Michael Kertész / Michael Curtiz. Divine Lady wurde von der Filmkritik durchwegs positiv aufgenommen. Mordaunt Hall war in der New York Times von Griffiths und Varconis darstellerischen Leistungen überaus angetan. Bei der 1930 zum zweiten Mal stattfindenden Oscar-Preisverleihung gewann Frank Lloyd für Divine Lady den Preis als bester Regisseur. (1934 wurde ihm für den Film Cavalcade abermals der Regie-Oscar verliehen, neben den Preisen für den besten Film und das beste Szenenbild). Corinne Griffith war für ihre Darstellung der Emma Hamilton als beste Hauptdarstellerin nominiert – die begehrte Trophäe ging jedoch an Mary Pickford für ihre Rolle in Coquette unter der Regie von Sam Taylor. Auch unabhängig von der Oscar-Zeremonie (und etwaiger Goldstatuetten für die Stars) hat sich das Premierenentrée über den roten Teppich bis heute als wichtiges Ereignis im Zuge der Vermarktung von Hollywood erhalten. Schon in Aischylos’ dreiteiliger Tragödie Die Orestie (458 v. Chr.) findet sich im ersten Teil Agamemnon eine Erwähnung des roten Teppichs. Klytaimnestra entrollt denselben, um ihren Mann gebührend willkommen zu heißen. Dieser zögert und verweist darauf, dass das Betreten des Teppichs ausschließlich den Göttern vorbehalten sei. Als sie ihn doch dazu überreden kann, darauf zu schreiten, betritt er ihn ohne Schuhe, um die Götter nicht noch mehr zu erzürnen. Durch die Profanierung des begehrten Textils in der Neuzeit werden die Menschen, die es betreten, zwar manchmal hysterisch und wie Götter verehrt, allerdings bleiben sie maximal Stars, blinkende Sterne. (Elisabeth Streit, Österreichisches Filmmuseum, 31.8.2015) Gewidmet Siegfried Mattl, der an der Gestaltung dieser Serie maßgeblich beteiligt war. Mattl starb im April in Wien. 'In dieser Folge der Serie "Die Rückseite des Films": ein kinematografischer Streifzug durch die Welt vor 78 Jahren. Österreich in Bild und Ton war der Titel der ersten staatlich produzierten Wochenschau-Serie in Österreich. Ihre Lebensdauer (1933 bis 1938) entspricht der des austrofaschistischen Ständestaats. Unter staatlicher Kontrolle diente die Kinowochenschau nicht nur als Informationskanal, der von den aktuellen Weltereignissen berichtete, sondern auch als Propagandainstrument, das ein sorgfältig gepflegtes Bild von Austria vermittelte. Über fünf Jahre hinweg entstanden knapp 500 Ausgaben, bis die österreichische Wochenschau nach dem Anschluss 1938 neu orientiert wurde. Heute sind noch geschätzte 70 Prozent der Serie überliefert. Im Österreichischen Filmmuseum werden 264 Ausgaben aus den Jahren 1935 und 1937 aufbewahrt – ein Bestand, den das Filmmuseum vor kurzem online zugänglich gemacht hat. Aus diesem Anlass präsentieren wir heute einen kleinen Vorgeschmack. Die Ausgabe 33a/37 vom 13. August 1937 ist typisch für die Reihe und deren Vielfalt an Themen. Zum Beginn: ein Whos who der damaligen Kulturwelt, die sich in Salzburg für die Festspiele (24. Juli bis 31. August) versammelt hat. Kurz zu sehen sind unter anderem die populären Filmschauspielerinnen Marlene Dietrich und Paula Wessely, die Dirigenten Arturo Toscanini und Bruno Walter, die Opernsänger Herbert Alsen, Alfred Jerger, Henk Noort und Helge Roswaenge sowie der damalige Direktor der Wiener Staatsoper, Erwin Kerber. Danach: Bilder vom ersten Besuch des britischen Königs Georg VI. in der nordirischen Hauptstadt Belfast am 28. Juli (wo der erst kurz zuvor gekrönte Monarch knapp einem Bombenattentat der IRA – im Film nicht sichtbar – entging). An dritter Stelle: die Folgen der Schneestürme in New York. Offensichtlich fand dieser anachronistische Bericht erst zu einem späteren Zeitpunkt Aufnahme in die Kopie. Eine kleine Anzahl von Kopien musste mehr als 700 Kinos im ganzen Land bedienen, und daher waren diese über einen längeren Zeitraum im Einsatz. Vorführer und Kinobetreiber ergänzten oder veränderten sie beliebig, um sie immer noch aktuell zu halten. Es folgen: eine Parade in Kairo zur Feier der Thronbesteigung des 16-jährigen ägyptischen Königs Faruq I. am 29. Juli; Einblicke in den Österreich-Pavillon (samt Schwechater-Bierzelt!) auf der am 25. Mai eröffneten Weltausstellung in Paris; Bilder vom am 7. Juli ausgebrochenen zweiten Japanisch-Chinesischen Krieg. Zum Schluss: Sportberichte über einen leichtathletischen Länderkampf zwischen Österreich und der Tschechoslowakei sowie einen heiteren Kuhkampf in Südwestfrankreich. Spektakuläres und Sensationelles waren immer Teil der Berichterstattung – damals wie auch heute. Im Internet sind die Wochenschaubilder von gestern (immer) wieder sichtbar und aktuell – als Teil der nationalen Erinnerungskultur. (Oliver Hanley, Österreichisches Filmmuseum, 15.9.2015) Die Online-Videodatenbank Österreich in Bild und Ton: Die Jahre 1935 bis 1937 steht auf der Website des Österreichischen Filmmuseums zur Verfügung. Gewidmet Siegfried Mattl, der an der Gestaltung dieser Serie maßgeblich beteiligt war. Mattl starb im April in Wien.' In dieser Folge der Serie "Die Rückseite des Films": Blut, Gemetzel, Tod. Horror im Schmalfilmformat. Was daran so besonders ist? Der Filmer war zum Zeitpunkt des Drehens gerade einmal dreizehn Jahre alt. Die expliziten Filmstills eines italienischen Horrorfilms, im Schaukasten eines Kinos in Jesolo, markieren den Anfang des jungen Filmamateurs: Als Zehnjähriger beginnt Christian Fuchs zu filmen. Die Ästhetik des Schreckens jenes italienischen Horrorfilms, dessen Bilder im Familienurlaub so eindringlich auf ihn wirkten, ist im 1981 entstandenen Mutanten wiederzufinden. Schmalfilme, produziert von Kindern und Jugendlichen, sind selten. Filmmaterial ist kostspielig und: Amateurfilm ist eine patriarchale Praxis. Die Kontrolle über die Kamera gibt der Vater nur ungern auf. Christian Fuchs verwendet zunächst die Super-8-Kamera seines Vaters, bis er zu Weihnachten eine eigene bekommt, eine Eumig Mini 5. Die konnte aber nicht viel, erinnert er sich, worauf er weiterhin mit der väterlichen Beaulieu filmt. Junge Filmamateure richten die Kamera nicht auf sich selbst, wie es in den biografischen Selbstinszenierungen im Web 2.0 verbreitet ist. Sie inszenieren, fiktionalisieren, imitieren und lösen sich von den üblichen Motiven des Heimkinos – vom idealisierten Abbild der Familie, einem Leben im glücklichen Ausnahmezustand, in dem stets die Sonne scheint. Christian Fuchs inszeniert Un-Heimliches: Splatter als radikaler Gegenentwurf zum Familienfilm. Der Cousin wird in Mutanten von Zombies verspeist, die Mutter mit dem Messer niedergemetzelt. Hinter den Kulissen wurde viel gelacht, erzählt Christian Fuchs. Margarete Fuchs, die Mutter des jungen Filmers, verkörpert auch die Rolle der Mutter in Mutanten: Sie erschrickt, sie schreit, sie leidet, sie blutet – bis sie schließlich stirbt. Den Moment des Todes visualisiert Fuchs an der blutverschmierten Hand, die noch einmal kurz aufzuckt, bevor sie leblos erstarrt. Der junge Filmer, der oft ins Kino geht, zitiert hier ein viel verwendetes Motiv der filmischen Erzählung. Er spricht Filmsprache. Mit der Wahl der Musik, Goblin und Ennio Morricone, legt er sein Vorbild offen: Dario Argento. Für die aufwendig und liebevoll gestalteten Biss- und Schnittwunden der filmischen Opfer verwendet Fuchs Fensterkitt statt Silikon, eine Technik, die er im Erste-Hilfe-Kurs in der Schule lernt. Rote Wasserfarbe dient als Kunstblut. Der Filmamateur ist Bricoleur, ein Bastler, der einfach verfügbare Materialien benützt. So wird die ausgediente Perücke der Mutter zum wichtigen Requisit – und zum Ausgangspunkt seines blutigen Szenarios. In Mutanten wird die Figur der Mutter getötet – filmischer Muttermord also, statt Vatermord. Das ödipale Motiv ist in der Filmgeschichte tief verankert, der Matrizid hingegen nur selten zu finden, er gilt als das ultimative Verbrechen. Das wird dem jungen Filmer zum Vorwurf gemacht, als er bei einem Amateurfilmwettbewerb des fantastischen Films in Neunkirchen teilnimmt. Während der Projektion herrscht Totenstille. Kein Applaus. Technisch sei der Film gut umgesetzt, so die Jury, aber die Wirkung auf die ZuseherInnen wäre so fatal, dass sie dem jungen Filmer nahelegen, psychologische Hilfe zu suchen. Er wird Letzter. Ganz anders die Reaktion, als Christian Fuchs seine zwei Splatterfilme im Rahmen des Slash Filmfestivals 2014 zeigt. Die Trashfilme von gestern sind die Klassiker von heute. (Stefanie Zingl, Ludwig Boltzmann Institut für Geschichte und Gesellschaft, 7.12.2015) Gewidmet Siegfried Mattl, der an der Gestaltung dieser Serie maßgeblich beteiligt war. Mattl starb im April in Wien. Stadtregierung plant zahlreiche Verschärfungen für Betreiber, die Automatenlobby tobt. Wien – Die Stadt Wien will nach dem kleinen Glücksspiel auch Livewetten auf Sportereignisse verbieten. Nun liegt der Entwurf für das neue Wettengesetz in Brüssel zur Genehmigung. Die Automatenlobby schäumt. Wenn die das so durchziehen, dürfen Unter-18-Jährige nicht einmal mehr eine Trafik betreten, sagte Helmut Kafka vom Automatenverband am Dienstag. Der Entwurf sieht unter anderem ein Teilnahmeverbot an Wetten für Personen unter 18 Jahren, eine Identitätsüberprüfung sowie ein Zutrittsverbot für Jugendliche zu Räumen mit Wettterminals vor. Laut Kafka gälte Letzteres auch für Trafiken mit Lotto- und Toto-Annahmestellen. Tipp 3 (Sportwetten der österreichischen Lotterien, Anm.) kann ich in jeder Trafik spielen. Kafka wähnt noch weitere Grausligkeiten in dem Gesetzesentwurf. Mit der geplanten Spieleridentifizierung bzw. Spielerkarte etwa würden wie schon im Glücksspielbereich die Kunden vergrault, was letztendlich zu einem Sterben der Wiener Wettbüros führen würde. Auch große Ketten wie die Novomatic-Tochter Admiral und Wettpunkt wären betroffen. Onlineanbieter, die aus Steueroasen heraus agieren, profitieren. In Kanada ist die Spielerkarte wieder abgeschafft worden, in Norwegen weiß man seit Jahren, dass sie nicht funktioniert. Die Spieler haben in der Regel mehrere Karten, argumentiert der Vertreter des Automatenverbands. Laut Stadt Wien sieht die alte Rechtslage zu Sportwetten keine ausreichenden Vorschriften zum Schutz der Jugendlichen sowie der Wettkundinnen und Wettkunden vor Spielsucht vor. Ebenso fehlen Bestimmungen betreffend der Vorbeugung der Geldwäsche, wie es im Vorblatt zum Gesetz über den Abschluss und die Vermittlung von Wetten heißt. Die Stadt Wien will unter anderem Live-Wetten aus den Wettbüros verbannen – wegen des hohen Suchtpotenzials. Manche Spielerschutzexperten sehen in Livewetten eine Ersatzdroge für das Automatenspiel. Seit dieses in Wien verboten ist, locken viele ehemalige Glücksspielsalons Kunden mit Livewetten. Besonders in Bezirken mit hohem Anteil an Niedrigverdienern boomen Livewetten seit Jahresbeginn. Die Stadtregierung will künftig nur mehr Wetten auf Teilergebnisse oder auf das Endergebnis beispielsweise eines Fußballspiels erlauben. Außerdem will die Stadt Wettbewilligungen erteilen, die auf maximal zehn Jahre befristet sind. Jeder einzelne Standorts eines Wettunternehmers soll ein behördliches OK brauchen, die Betriebszeiten eingeschränkt werden. Zwischen Mitternacht und 6 Uhr in der Früh sollen Wettbüros geschlossen sein, außer bei Großereignissen wie einer Fußball-WM. Wettterminals dürfen insbesondere keine gleichzeitige Bedienung durch mehr als eine Person und keine Einsätze von mehr als 50 Euro pro Wette zulassen. Bei Verstößen sieht das Gesetz empfindliche Strafen vor: Es ist ein umfangreicher Katalog an Verwaltungsstraftatbeständen vorgesehen. Der gesetzliche Strafrahmen reicht bis 22.000 Euro. Wer sich nicht an das Landesgesetz hält, dem soll die Bewilligung entzogen werden. Dies gilt insbesondere auch für den Fall, dass festgestellt wurde, dass in einer Betriebsstätte illegales Glücksspiel betrieben wird. Auch eine Betriebsschließung und eine Beschlagnahme von Wettterminals sowie des sich darin befindlichen Geldes sind vorgesehen. Wer in Hinkunft in Wien wetten gehen will, soll einen Lichtbildausweis vorlegen müssen. Die Betreiber müssen die Daten ihrer Kunden mindestens sieben Jahre lang aufbewahren, um sie Organen der Behörde auf Verlangen vorzulegen. Wenn ein Kunde mehr als 1.000 Euro setzt, müssen die Wettbürobetreiber nicht nur die Identität, sondern auch die Höhe des Wetteinsatzes festhalten. Um Betreibern von illegalen Automaten schneller das Handwerk legen zu können, wollen die Wiener Behörden Geräte, die ohne Bewilligung aufgestellt wurden, sofort aus der Betriebsstätte abtransportieren können – unabhängig von einer Bestrafung. Eine aufschiebende Wirkung soll es nicht geben. Gleiches gilt für das dem Wettbetrieb zuzurechnende Geld. Wie leben jene Menschen, die die Flucht über das Mittelmeer überleben? Sie arbeiten etwa als Erntehelfer in Süditalien. Volle Boote, erschöpfte Menschen, Schiffskatastrophen: Diese Bilder dominieren die öffentliche Wahrnehmung über die Flüchtlinge im Mittelmeer. Doch was passiert mit den Menschen, denen die Flucht gelingt? Die Ethnologin Diana Reiners von der Universität Innsbruck wollte mehr darüber erfahren. Gemeinsam mit dem Innsbrucker Kulturanthropologen Gilles Reckinger erforscht sie seit 2010 die Lebensbedingungen afrikanischer Migranten in Italien. Von 2009 bis 2011 haben die zwei Wissenschafter bereits eine Studie in Lampedusa durchgeführt, aus der Reckingers Buch Lampedusa, Begegnungen am Rande Europas hervorging. Die meisten männlichen Flüchtlinge werden in den Süden verlegt, berichtet Reiners. Die Männer leben dort unter menschenunwürdigen Bedingungen und arbeiten um einen Hungerlohn auf Obst- und Gemüseplantagen. STANDARD: Sie begannen Ihre Erforschung der Lebensweise der männlichen Erntehelfer 2012. Was wartet auf die Menschen auf dem Festland? Reiners: Es findet eine gender- und arbeitsmarktspezifische Selektion statt. Die Männer arbeiten auf Gemüse- und Obstplantagen im Süden Italiens. Frauen kommen eher in norditalienische Flüchtlingslager. In den großen Städten gibt es für sie Arbeitsplätze in der Reinigung oder Altenpflege. Und viele Frauen landen auch in der Prostitution. STANDARD: Aus Ihrer Forschung ging die Wanderausstellung Bitter Oranges hervor. Wie ist die Arbeit auf den Orangenplantagen? Reiners: Die Orangenernte ist harte Arbeit. In Rosarno ist es im Winter sehr feucht. Viele können sich kein Regengewand leisten und sind den ganzen Tag durchnässt. Das Gewand trocknet in der Nacht nicht. STANDARD: Unter welchen Bedingungen leben die Männer? Reiners: Sie leben in Slums außerhalb der Dörfer. Das italienische System der Flüchtlingsaufnahme hat zu wenig Kapazitäten. Es gibt nur 13 Zentren in ganz Italien. Von Oktober 2013 bis Oktober 2014 sind im Zuge von Mare Nostrum 170.000 Menschen angekommen. Das war bislang die größte Zahl an Geretteten. Die Leute werden schnell weggeschickt. STANDARD: Wie viele Plätze in Flüchtlingsheimen gibt es konkret? Reiners: Laut Migrationsbericht Italiens für 2014 gibt es nur 3:000 Plätze in Flüchtlingsheimen in Italien. Bis 2016 sollen die Plätze auf 20.000 ausgebaut werden. STANDARD: Welchen Aufenthaltsstatus haben die Menschen? Reiners: Es gibt drei Gruppen: Erstens gibt es Asylwerbende, die während des Verfahrens keine Unterkunft, Verpflegung und kein Geld bekommen. Dann gibt es anerkannte Flüchtlinge. Die dritte Gruppe sind sogenannte Illegalisierte, die im Asylverfahren abgewiesen wurden. Italien schiebt nur rund die Hälfte davon tatsächlich ab. STANDARD: Es gab Berichte über rassistische Übergriffe in Dörfern wie Rosarno. Was haben Sie erfahren? Reiners: 2010 gab es in Rosarno einen Aufstand der Erntearbeiter gegen ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das endete in einem Pogrom, rund 2:000 Arbeiter wurden von den Einheimischen vertrieben, derStandard.at berichtete. Die Folge war, dass die Lokalpolitik sich entschlossen hat, die stillgelegten Fabriken abzureißen. Davor haben die Migranten darin – unter unvorstellbaren hygienischen Bedingungen – gelebt. STANDARD: Die Arbeitslosigkeit in der Region ist hoch. Aber geht es in dem Konflikt tatsächlich um Arbeitsplätze? Reiners: Der saisonale Markt der Orangenernte wird schon seit 20 Jahren nicht mehr von Einheimischen getragen, da sie nicht mehr für eine derart geringe Bezahlung arbeiten. Die Tagelöhner werden nach Kisten bezahlt: Sie bekommen rund 50 Cent für eine 22 Kilogramm schwere Kiste. Realistisch ist es, an einem Tag bis zu 50 Kisten zu füllen. Damit verdienen sie 25 Euro. Aber für den Transport muss man an einen sogenannten Capo noch fünf Euro pro Tag bezahlen. Die Männer stehen jeden Morgen am Arbeitsstrich und warten, ob sie mitgenommen werden. Niemand verdient mehr als 330 Euro im Monat, weil es einfach nicht jeden Tag die Möglichkeit zur Arbeit gibt. STANDARD: Wer sind diese Capos? Reiners: Die Capos sind meist aufgestiegene Migranten. Die Bauern sparen sich dadurch den direkten Kontakt mit den Arbeitern und überlassen den Capos alles: von der Auswahl der Arbeiter bis zur Lohnauszahlung. Dadurch entsteht oft ein sehr subjektives System. Es kommt auch vor, dass Lohn geraubt wird. STANDARD: Woher kamen die Flüchtlinge, die Sie auf den Orangenplantagen angetroffen haben? Reiners: Die Männer in Rosarno sind eigentlich allesamt in Libyen Gastarbeiter gewesen. Sie kamen aus Ländern der Südsahara aus politischen oder wirtschaftlichen Gründen in nordafrikanische Staaten. Dort haben sie als Gastarbeiter ihren Unterhalt verdient: mit Verträgen, Wohnungen und geregeltem Leben. Als die Bombardierung angefangen hat, haben oft ihre Arbeitgeber die Überfahrt gezahlt, damit sie sich in Sicherheit bringen können. Die wohlhabenderen Libyer haben sich auf andere Art gerettet. STANDARD: Sie haben die Zeltstädte außerhalb der Dörfer angesprochen. Gibt es eine Infrastruktur? Reiners: Die Leute haben nach dem Pogrom und dem Abriss der stillgelegten Fabriken wieder kommen müssen, weil es zwischen November und Februar keine andere Arbeit gibt als die Orangenernte. Es gab jedoch keine Unterkunftsmöglichkeit mehr. Es wurde mit einem Notstandsbudget ein kleines Containerdorf errichtet, das nur 200 Personen Platz bietet. Es liegt fünf Kilometer außerhalb der Stadt, um rassistische Übergriffe durch die Bevölkerung zu vermeiden. Die Zeltstadt, in der wir hauptsächlich geforscht haben, besteht aus 64 blauen Katastrophenschutzzelten. Weil die Kapazitäten nicht ausreichen, haben sich dazwischen und daneben Slums entwickelt. STANDARD: Gibt es Strom und sanitäre Anlagen? Reiners: Es war eine Stromversorgung vorgesehen. Nachdem das Budget erschöpft war, wurden sie aber nicht angeschlossen. Für 500 Menschen gibt es vier Sanitärcontainer mit fließendem Wasser. STANDARD: Wie kann man sich unter solchen Bedingungen seine Zuversicht bewahren? Reiners: Es hat sich eine Ökonomie der Not herausgebildet. Manche verkaufen warmes Wasser, das den ganzen Tag über Feuer erwärmt wurde. Es gibt eine Handyladestation, einen Friseur. Alle versuchen, ihr schmales Einkommen irgendwie aufzubessern. Dadurch entsteht auch eine strukturelle Solidarität. Die Männer sorgen zudem für extreme Sauberkeit und Hygiene. Obwohl es seit Jahren keine Müllabfuhr gibt, riecht es nicht nach Abfällen. Sie werden am Rande des Zeltlagers gesammelt. Auch in den Zelten ist es aufgeräumt. Die Männer gehen mit den wenigen Dingen, die sie besitzen, sorgsam um. Keiner dieser Männer hat jemals unter solchen Bedingungen leben müssen. STANDARD: Was wäre notwendig, um die Ausbeutungskette zu durchbrechen? Reiners: Es stehen große Getränkekonzerne dahinter, dass der Marktpreis für ein Kilogramm Orangen auf 16 Cent bleibt. Die Bauern sind also nicht die einzig Schuldigen. Die Logik der Gewinnmaximierung ist das Problem, sie schafft an den unteren Rändern des Arbeitsmarktes solche desaströsen Verhältnisse. Wir Konsumenten müssen sensibilisiert werden, wie unsere Lebensmittel hergestellt werden. Dann müssen die Migranten vielleicht irgendwann nicht mehr so leben. Beschwerde bei der EU-Kommission: Land Salzburg bei Ausweisung von Schutzgebieten säumig.. Salzburg – Geht es nach den Gegnern der geplanten 380-kV-Leitung durch das Land Salzburg, sollen Wanderfalke, Uhu, Weißrückenspecht und viele weitere Vogelarten die unterirdische Verlegung der Leitung in Teilbereichen der Trasse erzwingen. Die Gegner des von der Verbundtochter Austrian Power Grid eingereichten Projektes zur Komplettierung des österreichischen 380-kV-Ringes – allen voran die zwei Flachgauer Gemeinden Koppl und Eugendorf sowie die Landesumweltanwaltschaft – haben Beschwerde bei der EU-Kommission eingebracht, um die Einhaltung unionsrechtlicher Verpflichtungen zu erwirken. Die Leitungsgegner argumentieren, dass das Land Salzburg seiner Pflicht zur Ausweisung von Schutzzonen zum Aufbau eines europaweiten Schutzgebietsnetzes Natura 2000 bisher nicht nachgekommen sei. Konkret geht es um das rund 520 Quadratkilometer große Gebiet Osterhorngruppe – Kalkvoralpen, in welchem laut neuesten Erkenntnissen mindestens 28 im Rahmen der EU-Vogelschutzrichtlinie besonders geschützte Arten auftreten. Dass man erst jetzt, im Zuge der Umweltverträglichkeitsprüfung für die Leitung vom Flachgau bis ins Pinzgauer Kaprun auf die Vogelbestände aufmerksam geworden sei, erklärt Landesumweltanwalt Wolfgang Wiener mit den bisher fehlenden Daten: Vor dem Projekt habe es nie die notwendige Dichte an wissenschaftlichen Untersuchungen gegeben. Wiener moniert zudem, dass das Land auch bei laufenden Anträgen für kleinere Naturschutzgebiete wie beispielsweise den nachweislich seit 250 Jahren ungenutzten urwaldähnlichen Silling-Bergwald im Gemeindegebiet von Strobl (Flachgau) die Anträge verzögere. Letztlich gehe es bei der EU-Beschwerde aber vor allem um die 380er-Leitung, räumt der Eugendorfer Bürgermeister Johann Strasser (ÖVP) freimütig ein: Wir werden in Österreich die erste Teilverkabelung in einem sensiblen Gebiet bekommen, sagt er. Die ressortzuständige Landeshauptmannstellvertreterin Astrid Rössler (Grüne) spricht zwar von einem wichtigen Anliegen, hat aber Zweifel ob der Größe des Gebietes: Die 520 Quadratkilometer würden den Anteil von Natura 2000 Gebieten an der Salzburger Gesamtfläche von bisher 15 auf über 22 Prozent steigern. Zudem würden im Rahmen des in Salzburg praktizierten Vertragsnaturschutzes durch die Entschädigungszahlungen enorme Kosten auf das Land zukommen. Eine meterhohe ätzende Giftschlammflut wälzte sich über das Land. Zehn Menschen starben, 200 wurden verletzt. Budapest – Vor fünf Jahren hat sich in Ungarn die verheerende Rotschlamm-Katastrophe ereignet. Es war der 4. Oktober, als um 12.25 Uhr ein Deponiebecken der Aluminiumhütte MAL AG im westungarischen Ajka brach. Eine meterhohe, ätzende Giftschlammflut wälzte sich mit tödlichen Folgen über das Land, erreichte das kleine Dorf Kolontar und die Stadt Devecser. Zehn Menschen starben, zahlreiche wurden verletzt. 200 verletzte Personen und 350 zerstörte Häuser lautete die Bilanz. Der Schlamm verseuchte Flüsse und den Boden auf einem Gebiet in der Größe von 40 Quadratkilometern. Rettungskräfte aus Ungarn und dem Ausland standen im Zuge der Aufräumarbeiten wochenlang im blutroten, giftigen Schlamm. Heute, fünf Jahre nach der Katastrophe, bei der rund eine Million Kubikmeter des hochgiftigen, gesundheitsschädigenden Rotschlamms eine Spur der Verwüstung hinterließen, sind deren Folgen optisch beseitigt. In Kolontar und Devecser wurden neue Häuser auf sicheren Anhöhen errichtet, und alle Opfer des Desasters haben wieder ein Dach über dem Kopf. Mit Hilfe aus Österreich wurde ein neuer Kindergarten in Devecser mit seinen rund 4.500 Einwohnern gebaut. Dennoch seien die psychischen Folgen der Katastrophe noch lange nicht überwunden, erklärte der damalige Bürgermeister der Stadt, Tamas Toldi, gegenüber der APA. Das rote Gift habe sich tief in die Seelen der Menschen eingebrannt. Diese Wunden brauchen viel Zeit, um zu heilen. Rund acht Prozent der Bürger von Devecser sind nach der Katastrophe weggezogen, obwohl 90 neue Häuser gebaut wurden. Sie konnten das Trauma der Ereignisse nicht verarbeiten. In Devecser gebe es inzwischen auch eine Gedenkstätte, erinnerte der Ex-Bürgermeister. Im Gebäude der alten Post sei ein kleines Museum eingerichtet worden, das mit Fotos und Gegenständen an die Tragödie erinnern soll. Dass sich Medien in Ungarn kaum mit dem fünften Jahrestag der Rotschlamm-Katastrophe beschäftigen, erklärte Toldi mit der derzeitigen Flüchtlingskrise in Ungarn. Während aus giftigem Schlamm giftiger Staub wurde, begannen die Prozesse der Geschädigten gegen die Aluminiumfabrik MAL AG. Rund 130 Personen waren meist wegen schwerer körperlicher, aber auch seelischer Folgen vor Gericht gegangen, um Schadenersatz zu fordern und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen. Letzteres scheint nahezu aussichtslos, da das zuständige Gericht jüngst die Anklagepunkte modifizierte: Die Katastrophe hätte nicht vorausgesehen werden können und sei nicht auf menschliches Versagen zurückzuführen. Toldi erklärte resigniert, dass auch fünf Jahre nach der Katastrophe noch viele Urteile ausstehen. Teilerfolge seien zwar erzielt worden, doch alles gehe sehr schleppend voran. Laut Toldi hätten die Bewohner der Gegend heute dennoch kaum Angst vor einem neuen Dammbruch, denn inzwischen wurde ein Schutzsystem errichtet, ebenso eine Sicherheitszone mit einer Fläche von 20 Hektar. Industriepflanzen wurden auf dem verseuchten Boden angebaut, um die Umwelt wieder ins Gleichgewicht zu bringen. In dem kleinen Dorf Kolontar plant Bürgermeister Karoly Tili das Gedenken an den fünften Jahrestag der Tragödie. In seiner 750-Seelen-Gemeinde sei Ruhe eingekehrt. Die Opfer der Rotschlamm-Katastrophe hätten 21 neue Häuser erhalten. Leider können viele Betroffene die neuen Häuser noch immer nicht als ihr Zuhause akzeptieren. Das ist traurig, denn es wurden sehr schöne Häuser gebaut, sagte Tili der APA. Aus Kolontar seien inzwischen aber keine Bürger mehr weggezogen. Die Zahl der Bevölkerung hätte sich vielmehr erhöht, da in den vergangenen zwei Jahren besonders viele Geburten verzeichnet wurden – und alle Babys seien gesund. Das zeigt doch, dass unser Dorf eine Zukunft hat, betonte Tili. Seine Einwohner würden in ihren Gärten und auf ihren Feldern wieder Obst, Gemüse und Futterpflanzen anbauen. Dagegen hat auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace nichts einzuwenden. Die aktuellen Messwerte seien im grünen Bereich, erklärte der Greenpeace-Experte Gergely Simon der APA gegenüber. Das Gebiet wurde gesäubert, der Boden ausgetauscht. Dafür habe die Regierung 40 Milliarden Forint (130 Millionen Euro) öffentliche Gelder ausgegeben, was inakzeptabel sei. Es müsse rechtlich geregelt werden, dass solche Ausgaben nicht dem Steuerzahler, sondern dem Schadensverursacher aufgebürdet werden. Die zuständigen Behörden, denen Simon ein schwaches Auftreten attestierte, müssten Gesetze und vorhandene EU-Normen viel strenger durchsetzen. Für die Notwendigkeit dessen seien alleine die Giftkatastrophe von Kolontar und Devecser und deren verheerende, tödliche Folgen ein Beweis. 'Obwohl etliche Umwelt- und Sozialauflagen noch nicht erfüllt wurden. Brasilia/Graz – Brasiliens Umweltbehörde Ibama hat am gestrigen Dienstag laut Kathpress Grünes Licht für den Betrieb des umstrittenen Staudamms Belo Monte gegeben. Obwohl etliche Umwelt- und Sozialauflagen immer noch nicht erfüllt wurden, kann nun mit der Aufstauung des Xingu-Flusses begonnen werden. Umweltschützer und Indigenenvertreter, darunter der aus Österreich stammende Bischof Erwin Kräutler, kämpfen seit Jahren gegen das Mega-Projekt in der Amazonasregion, an dem auch die steirische Andritz AG beteiligt ist. Noch im September hatte Ibama die Betriebslizenz verweigert, da die Betreiber zwölf Umweltauflagen nicht erfüllt hatten. Dazu zählt der Bau eines Abwassersystems für die Stadt Altamira, die von dem Stausee teilweise überflutet wird. Man werde die Betreiber anhalten, die fehlenden Auflagen nun in naher Zukunft nachzureichen, so die Ibama-Präsidentin Marilene Ramos. Die Lizenz weiterhin zu verweigern, heißt, Brasilien zu bestrafen, so Ramos. Mit der Inbetriebnahme des Staudamms würden 19 mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke überflüssig, argumentierte Ramos. Das Betreiberkonsortium hat nach eigenen Angaben bereits rund 1 Milliarde Euro für Umweltauflagen ausgegeben Vorarlberg hat das Netzwerk europäischer Schutzgebiete erweitert. 17 neue Natura-2000-Gebiete wurden vorgestellt. Bregenz – Sie tragen geheimnisvolle Namen wie Gortniel, Spona, Davenna oder abenteuerversprechende wie Üble Schlucht, die 17 neuen Europa-Schutzgebiete in Vorarlberg. Zwischen Bodensee, Montafon und Lechtal wurde das Netzwerk der Natura-2000-Gebiete in Vorarlberg um etwas mehr als 3.000 Hektar auf 24.132 Hektar Fläche erweitert. Nicht ganz freiwillig, denn Basis war ein Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission gegen die Republik Österreich vor zwei Jahren. Österreich habe zu wenige Natura-2000-Gebiete ausgewiesen, wurde bemängelt. Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) sieht die EU-Vorgaben als positive Maßnahme zur Sicherstellung der Naturvielfalt. Natura 2000 ist eine Chance, keine Bedrohung, sagt Rauch. Das habe er auch in zahlreichen Gesprächen und bei Veranstaltungen in den betroffenen Gemeinden versucht den Kritikern zu vermitteln. Argumente gegen Naturschutzgebiete kommen vor allem von Grundbesitzerinnen und -besitzern, die Wertminderungen befürchten. Rauch: Natura-2000-Gebiete sind grundsätzlich keine Sperrgebiete für die Menschen. Naturverträgliche Nutzung ist möglich und wird es auch in Zukunft bleiben. Nutzungseinschränkungen werden durch Entschädigungen kompensiert, dafür sind im Budget fürs Jahr 2016 30.000 Euro vorgesehen. Das größte nachnominierte Natura-2000-Gebiet ist mit 2.466 Hektar die alpine Karstlandschaft Ifen, die zum Kleinwalsertal und zum Bregenzerwald gehört. Besonders schützenswert ist hier der gefährdete Ungarische Enzian. Der Ifen ist Rückzugsgebiet für Steinhühner, Steinadler, Auerhühner, Turmfalken und Alpenschneehühner. Widerspruch zum dominierenden Wirtschaftszweig Tourismus sieht der Mittelberger Bürgermeister Andi Haid nicht. Die Gäste kämen wegen der intakten Natur, Schutzgebiete garantierten diese auch für die Zukunft. Meeresschützer sehen nachhaltige Nutzung der Fischbestände bedroht. Brüssel – Die EU-Fischereiminister haben sich auf Fangquoten für wichtige Fischarten im Atlantik und in der Nordsee im kommenden Jahr geeinigt. Es sei ein starkes und ausgeglichenes Abkommen erzielt worden, erklärte der luxemburgische Fischereiminister Fernand Etgen nach Beendigung der Beratungen in der Nacht auf Mittwoch in Brüssel. Demnach bleiben die Bestände bei 36 Fischarten gleich oder werden angehoben, etwa bei bestimmten Makrelenarten und dem Seehecht. Bei der Seezunge wurden die Fangquoten weniger stark reduziert als von der EU-Kommission vorgeschlagen. Beim Kabeljau in der Keltischen See blieben die Minister unter der vorgeschlagenen drastischen Reduzierung des Fangs und einigten sich auf eine Verringerung um zehn Prozent. Die EU-Kommission hatte für zahlreiche Fischbestände in Nordsee und Nordatlantik im kommenden Jahr eine Beibehaltung oder Anhebung der Höchstfanggrenzen vorgeschlagen. Bei allen Vorschlägen wurden wissenschaftliche Gutachten als Grundlage genommen. Ziel der 2013 beschlossenen großen Fischereireform ist eine Befischung, bei der die größtmögliche Menge Fisch gefangen wird, ohne dass das die gesunde Bestandsgröße gefährdet wird. Ein Bestand meint jeweils eine Fischart in einem ganz bestimmten Meeresgebiet. Die Meeresschutzorganisation Oceana kritisierte das Abkommen. Die Entscheidung der Minister sei unzulänglich, um die verbindliche Zusage der Europäischen Union zu erreichen, Überfischung in europäischen Gewässern zu beenden, erklärte Oceana-Direktor Lasse Gustavsson. Damit sei nicht nur die nachhaltige Nutzung der Fischbestände bedroht, sondern auch der Wohlstand der Fischerei. Luftverschmutzung laut Transportminister um 20 bis 25 Prozent unter sonstigen Werten – Zweifel bei unabhängigen Beobachtern. Neu-Delhi – Die zweiwöchigen Fahrverbote wegen des gefährlichen Smogs in Indiens Hauptstadt Neu-Delhi sind nach Ansicht der Regierung ein voller Erfolg gewesen. Die Luftverschmutzung sei um 20 bis 25 Prozent unter den sonstigen Werten gelegen, sagte Neu Delhis Transportminister Gopal Rai am Freitag. Trotzdem zeigten die staatlichen Instrumente in der 17-Millionen-Metropole in der ersten Jännerhälfte meist sehr schlechte oder schlimme Werte an. Delhi gehört zu den am stärksten verschmutzten Städten der Welt. Die Werte für den besonders tückischen Feinstaub klettern an vielen Tagen im Winter auf das Zehn- bis 20-fache dessen, was die Weltgesundheitsorganisation im Tagesdurchschnitt als Grenzwert angibt. Deswegen durften 15 Tage lang abwechselnd nur Autos mit geraden und ungeraden Kennzeichen auf die Straße. Zur Überraschung vieler Hauptstädter hielten sich die Autofahrer überwiegend daran. Nach offiziellen Angaben erhielten in den zwei Wochen 9.114 Menschen einen Strafzettel. Unabhängige Beobachter wie Analysten der Denkfabrik Council on Energy Environment and Water (CEEW) bezweifelten anhand ihrer eigenen Messdaten, dass die Luftverschmutzung während der Testphase tatsächlich geringer wurde. Die Bewohner der Stadt freuten sich vor allem über ungewöhnlich gut fließenden Verkehr. Sonst haben wir immer sehr schlimme Staus, man braucht in den verstopften Gegenden eine halbe Stunde für zwei oder drei Kilometer, meinte Auto-Rikscha-Fahrer Mahendra Jadhav. Der IT-Spezialist Amar Kumar sagte, er habe in den vergangenen beiden Wochen die Metro genommen. Saubere Luft ist gut für die Gesundheit eines jeden. Aber die Regierung müsse die öffentlichen Verkehrsmittel unbedingt weiter ausbauen. Wie Wärmebildkameras zur Qualitätskontrolle der Energietechnik eines Gebäudes eingesetzt werden. Wien – Wurde die Dämmung des Altbaus richtig ausgeführt? Woher kommt plötzlich der Schimmel an der Wand? Warum ist trotz Sanierung die Heizrechnung so hoch? Als ein Hilfsmittel für die Beantwortung derartiger Fragen hat sich in den vergangenen Jahrzehnten die Infrarotthermografie etabliert. Mit entsprechenden Kameras wird die Wärmeabstrahlung von Objekten erfasst – großteils, um Baumängel oder Schäden zu identifizieren. In Zeiten von Passiv- und Niedrigenergiehäusern wurde die Technik zu einer Art der Qualitätskontrolle. Dabei könne man aber viel falsch machen, wie Stefan Filzwieser, Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Thermografie erklärt. Ein häufiger werdendes Einsatzgebiet, mit dem die Sachverständigen konfrontiert sind, ist die Ursachenfindung bei Schimmel. Die Probleme tauchen meist nicht bei Neubauten auf, sondern nach Sanierungen, so Filzwieser. Wenn Altbauten mit neuen Fenstern ausgestattet werden und die Bewohner ihr Lüftungsverhalten nicht anpassen, verändert sich das Raumklima. Das kann Probleme mit Schimmel mit sich bringen. Bei Wärmebilduntersuchungen reicht es dabei nicht, von außen zu messen – damit sei maximal ein grober Überblick zu erreichen. Eine umfassende Messung könne nur von innen erfolgen. Bei Passivhäusern oder Dachbodenausbauten habe man von außen wenig Chancen auf sinnvolle Messungen. Interessanterweise sind ungedämmte Gebäude seltener Gegenstand der Wärmebilduntersuchungen. Hier kann man überblicksmäßig drüberschauen. Bei einem alten Haus weiß man aber in der Regel, wo die Wärmebrücken sein werden. Meistens bestätigt sich das dann. Wenn man vor und nach der Sanierung thermografiert, veranschaulicht das die eklatanten Unterschiede durch die Dämmung. Bilder müssen aber nicht nur richtig aufgenommen, sondern auch richtig interpretiert werden. Es kommt vor, dass die Thermogramme in Ordnung sind, aber die Bewertung grundlegend falsch ist, sagt Filzwieser. Um etwa Schimmelursachen zu eruieren, müssten Informationen zur Bauweise miteinbezogen werden. Der Sachverständige warnt vor selbsternannten Experten, die für wenige Euro ein Billiggerät auf die Hausmauer richten. Als Kunde sollte man auf Zertifizierungen achten. Nicht nur die gemessene Temperatur der Wandoberfläche, sondern auch Innen- und Außentemperatur während der Messung seien wichtig. Am besten ist es, die Außentemperatur nicht nur zum Messzeitpunkt, sondern auch 24 Stunden davor zu kennen, erläutert Filzwieser. Es gebe viele Fehlerquellen in der Bewertung der Messdaten: Höhere Temperatur unter Dachvorsprüngen verweist nicht unbedingt auf mangelhafte Dämmung, sondern lässt sich aus einem strahlungsphysikalischen Phänomen ableiten. Bei Trockenbaukonstruktionen sind gewisse Wärmebrücken unvermeidbar. Auch Wärmebrücken an Ecken sind normal und können falsch interpretiert werden, genauso wie eine am Bild sichtbare Ständerkonstruktion einer Leichtbauwand. Und auch wenn es banal klingt: Fehler ergeben sich oft einfach durch die falsche Interpretation der dargestellten Farben. Diese hängt nicht nur von der Temperatur, sondern auch von den Geräteeinstellungen ab. Filzwieser: Das ist ein häufiger Fehler. Ich kann eine Kamera so einstellen, dass Passivhausfenster rot leuchten, während die Fassade dunkelblau ist, obwohl die Fenster ganz in Ordnung sind. Mehr als 40 Schokoladeprodukte wurden auf Pestizide, ökologische und soziale Qualität getestet. Wien – Pünktlich zu Ostern haben Südwind und Global 2000 Osterhasen aus Schokolade getestet. Dazu wurden 21 Eigenmarken von österreichischen Supermärkten untersucht. Die ökologische und soziale Qualität wurde mithilfe eines Ampelsystems bewertet. In zwölf Hasen wurden Pestizide gefunden. Auch zwölf herkömmliche Schokoladetafeln waren mit bis zu vier verschiedenen Pestiziden belastet. Testsieger wurden der Hase von EZA und die Eigenmarkenschokolade Spar Natur pur. Insgesamt acht Hasen und sieben Tafeln wurden jedoch als sozial und ökologisch bedenklich eingestuft. Die testenden Organisationen begründeten dies mit prekären Umwelt- und Produktionsbedingungen im Kakaoanbau. Mehr als die Hälfte der weltweit verfügbaren Kakaobohnen wird in Côte dIvoire, in Ghana und in Indonesien produziert. In der Kakaoproduktion werden nach wie vor Pestizide eingesetzt, die in der EU aufgrund ihrer Gefährlichkeit für Mensch und Umwelt längst verboten sind, sagte dazu Martin Wildenberg von Global 2000. Die Rückstände in den getesteten Schokoladen würden jedoch auf einen massiven Einsatz von Pestiziden in der Produktion hinweisen. Nicht nur gesundheitlich, auch sozial gesehen ist der Kakaoanbau oft bedenklich: In Ghana verdienen Kakaobauern rund 80 Cent am Tag, in Côte dIvoire rund 50 Cent. Mehr als zwei Millionen Kinder arbeiten in dieser Region unter missbräuchlichen Bedingungen im Kakaoanbau. Nur das Fairtrade-Siegel würde faire Bezahlung und Arbeitsbedingungen garantieren, so Wildenberg. Die festgestellten Mengen in den Schokoladentafeln und Osterhasen bergen zwar keine direkten Gesundheitsrisiken, einige der Chemikalien wie etwa Endosulfan, Chlorpyrifos, Cypermethrin, Deltamethrin und Permethrin sind aber hormonell wirksam und entfalten ihre Wirkung auch in kleinsten Mengen. Unsere Tests zeigen, dass es keinen Zusammenhang zwischen Preis und Qualität gibt, sagte Wildenberg abschließend. Aktion soll Fokus auf den Zustand des deutschen Waldes richten. Potsdam – Der deutsche Wald geht online: Als bundesweit erster Baum twittert nach Angaben von Forschern bald eine Kiefer aus der brandenburgischen Schorfheide über ihren Gesundheitszustand. In Echtzeit fließen Daten des Baumes, zum Beispiel über Wasserfluss und Verdunstung, ins Internet. Die Experten beteiligen sich am europäischen Projekt TwitteringTrees. Bäume wurden dafür mit Messfühlern und Sensoren ausgestattet, die ihre Vitalwerte per Computer und WLAN-Verbindung direkt ins Internet übertragen, wie Institutsleiter Andreas Bolte erläuterte. Es funktioniert wie eine Art Fitnesstracker beim Menschen, nur dass unser System pro Baum 10.000 Euro kostet. In Europa sind den Angaben zufolge bisher sechs Bäume in Belgien und einer in den Niederlanden mit solchen Systemen ausgerüstet. Weitere sollen folgen. Die twitternden Bäume liefern Wissenschaftern neue Erkenntnisse, wie Bäume und Wälder auf zunehmende Hitze- und Trockenheit reagieren, ergänzte Bolte. Für jeden Neugierigen werde über Twitter nachvollziehbar, wie es den Bäumen gehe. Außerdem bieten die Bäume so die Möglichkeit, ein europaweites Frühwarnsystem zu installieren. Polizei geht von "sehr großer Menge" aus. Finkenberg – Ein Unbekannter hat am Donnerstag in Finkenberg im Tiroler Zillertal (Bezirk Schwaz) offenbar Jauche in den Tuxbach geleitet. Wie die Polizei am Freitag mitteilte, gehe man von einer sehr großen Menge aus. Die Jauche habe einen überaus penetranten Gestank und eine starke Schaumbildung verursacht. Zudem gelangte das verschmutzte Wasser laut Exekutive durch den Tuxbach auch in den Zemmbach. Der dadurch entstandene Schaden für die Fischgewässer sei derzeit noch ungewiss. Die Polizei bat um Hinweise aus der Bevölkerung. Betroffenes Gebiet in der Größe von Österreich. Lima – Die peruanische Regierung hat wegen einer Quecksilber-Verschmutzung den Notstand für ein 85.000 Quadratkilometer großes Gebiet ausgerufen. Zum Vergleich: Österreich hat 83.879 Quadratkilometer. Rund 40 Prozent der 110.000 Einwohner des östlichen Departements Madre de Dios seien von der vom illegalen Bergbau verursachten Verseuchung betroffen, erklärte Umweltminister Manuel Pulgar Vidal am Montag. Die Folgen des illegalen Bergbaus in Madre de Dios werden uns über die kommenden 80 Jahre begleiten, sagte der Minister unter Berufung auf einen Bericht der Katastrophenschutzbehörde Indeci. Die Verseuchung der Flüsse führe etwa zu einem hohen Quecksilber-Vorkommen bei Fischen, der Hauptnahrung der örtlichen Bevölkerung. Die Gesundheitsbehörden hatten bereits im Jänner bei dem viel gefischten Gefleckten Silberantennenwels Quecksilber-Dosierungen von fast dem Doppelten der maximal zugelassenen Werte festgestellt. Der Fischkonsum aus lokalen Gewässern wurde verboten. Die Behörden wollen Lebensmittel unter der Bevölkerung verteilen. Ein Feldkrankenhaus soll in Madre de Dios eingerichtet werden, um den Gesundheitszustand der Einwohner zu überprüfen. In dem Departement im peruanischen Amazonas-Gebiet leben mehrere indigene Völker. Im 280.000 Hektar großen Naturschutzgebiet Tambopata und dessen unmittelbarer Umgebung sind nach Satellitenaufnahmen in den vergangenen fünf Jahren rund 9.000 Hektar Wald zerstört worden. Die Regierung hat in den letzten Wochen das Militär eingesetzt, um den illegalen Bergbau in Tambopata zu verhindern. Nach offiziellen Schätzungen gibt es in Peru rund 400.000 illegale Bergarbeiter. Autoabgase, Abfallverbrennungen und ineffiziente Öfen werden als Gründe angeführt. Nairobi – Rund sieben Millionen Menschen sterben nach Angaben der Vereinten Nationen jährlich an den Folgen der zunehmenden Luftverschmutzung. In städtischen Gebieten weltweit habe die Verschmutzung in fünf Jahren um acht Prozent zugenommen, teilte die UN im Rahmen der zweiten Umweltversammlung (UNEA-2) in Kenias Hauptstadt Nairobi am Dienstag mit. Autoabgase, Abfallverbrennungen, aber auch der Rauch von einfachen Holzkohleöfen im Inneren von Häusern gefährden die Gesundheit. Nach UN-Angaben kochen mehr als drei Milliarden Menschen weltweit mit ineffizienten Öfen, die sie mit Brennstoffen wie Holz oder Kohle feuern. Die UN hat aber auch positive Nachrichten: So sei jedes dritte in Norwegen neu gekaufte Auto ein Elektroauto. Auch habe eine Reihe ostafrikanischer Länder mit der Einführung strengerer Bestimmungen für Fahrzeuge und Treibhausgase Anfang 2015 die dadurch verursachten Emissionen um rund 90 Prozent verringern können. Die 193 Mitgliedsstaaten der Vereinten Nationen wollen bei dem fünftägigen Treffen umweltpolitische Strategien entwerfen. Illegale Entsorgung von Kühlgeräten und Sperrmüll markant zurückgegangen. Wien – Die Wiener werden immer sauberer – zumindest in Sachen Müllentsorgung: Seit Februar 2008 sind Waste Watcher in der Stadt unterwegs, die Abfallsündern auf die Finger klopfen und strafen. Acht Jahre nach der Einführung zog Umweltstadträtin Ulli Sima (SPÖ) gegenüber der APA Bilanz – u.a. ist die illegale Entsorgung von Kühlgeräten seitdem um 67 Prozent zurückgegangen, von Sperrmüll um 38 Prozent. Von Hundehaufen oder Sperrmüll auf den Gehsteigen über Taubenfüttern bis hin zu weggeworfenen Zigarettenstummeln: Unser Angebot steht, es gibt in Wien keine Ausreden, seinen Mist nicht ordnungsgemäß zu entsorgen – und die Waste Watcher leisten einen wesentlichen Beitrag, unterstrich Sima. Seit Einführung zählten die Müllkontrolleure rund 47.350 Amtshandlungen. Sie stellten rund 8.500 Anzeigen und 27.350 Organstrafen aus und ermahnten in 11.500 Fällen. Eine Bilanz gibt es auch für die Tätigkeit der Müllkontrolleure im Vorjahr. 2015 wurden rund 6.220 Amtshandlungen gezählt – also rund 780 Ermahnungen ausgesprochen, etwas mehr als 4.500 Organstrafen verhängt und rund 930 Verstöße zur Anzeige gebracht. Weiters führten sie 31.590 Informationsgespräche mit Übeltätern. Die Waste Watcher sind bei den Patrouillen nicht immer auf den ersten Blick erkennbar – denn sie sind nicht nur in Uniformen unterwegs, sondern auch in Zivilkleidung. Ertappt werden die Müllsünder in der Regel in flagranti – wie Beispiele aus dem Arbeitsalltag zeigen: So beobachteten die Kontrolleure eines Morgens am Währinger Gürtel einen Lenker, der einen Zigarettenstummel aus dem Auto warf. Es wurde Anzeige erstattet und eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von 150 Euro verhängt. Ein anderes Mal beobachteten Waste Watcher in der Nacht in der Hainburger Straße eine Frau, die den Kot ihres Hundes nicht wegräumte. Dies tat sie auch nach der Aufforderung des Ordnungstrupps nicht. Daher erhielt sie ein Organstrafmandat von 36 Euro. Dies zahlte sie nicht ein, es kam zur Anzeige, die in ein Verwaltungsstrafverfahren mündete. Die Frau musste schließlich 75 Euro Strafe zahlen. Auch gegen das Füttern von Tauben wird vonseiten der Stadt vorgegangen. So ertappten die Kontrolleure bereits Bürger, die die Vögel mit Speck und Fleischresten, Nudeln oder Brotresten versorgen wollten. Dies ist alles nicht erlaubt, da diese Nahrungsmittel den Tieren schaden bzw. auch Ratten anziehen. Sima warnte außerdem vor illegalen Abfallentsorgern. Immer öfter würden vor den MA 48-Mistplätzen – insbesondere in Außenbezirken wie Ottakring, Favoriten oder Stadlau – meist osteuropäische Abfallsammler mit Kastenwägen warten. Das Interesse dieser liege vor allem auf Wertstoffen wie Alu, Kupfermüll, Metalle oder Elektroschrott. Das Problem dabei: Während diese Abfälle auf den offiziellen Mistplätzen ordnungsgemäß entsorgt würden, komme es bei den illegalen Sammlern häufig vor, dass nur ein Teil der übernommenen Gegenstände mitgenommen und der Rest einfach weggeworfen werde. Die Vorarlberger Firma Häusle soll Kunststoffabfälle auf ihrem Gelände vergraben haben. Landeshauptmann Wallner spricht von Vertrauensverlust. Lustenau – Auf dem Gelände des Vorarlberger Recyclingunternehmens Häusle wurden vermutlich seit 2009 illegal Kunststoffabfälle vergraben. Schlamperei oder Betriebsunfall könne man ausschließen, sagt der Leiter der Abteilung Abfallwirtschaft im Amt der Landesregierung, Harald Dreher. Hier handelt es sich um eine systematische Vorgangsweise mit hoher krimineller Energie begangen. Auch Thomas Habermann, Geschäftsführer von Häusle, spricht Klartext: Hier wurden über Jahre systematisch illegale Handlungen gesetzt. Habermann, seit Dezember 2015 Firmenchef, habe Anfang des Jahres einen Hinweis bekommen, Grabungsarbeiten angeordnet und Selbstanzeige erstattet. Mittlerweile habe man fünf illegale Deponien gefunden. Man müsse davon ausgehen, dass mehrere Tausend Tonnen Kunststoffabfälle auf dem Gelände vergraben wurden. Die Absicht dahinter: Das Unternehmen (Jahresumsatz 75,7 Millionen Euro) wollte sich Entsorgungskosten und Abgaben sparen. Denn Kunststoffabfälle müssten kosten- und abgabepflichtig in die Müllverbrennung in die Schweiz gebracht werden. Gerechnet dürften sich die illegalen Deponien nicht haben. Habermann schätzt die kommenden Strafzahlungen und Folgekosten auf mindestens eine Million Euro. Die Verantwortung der früheren Geschäftsführer, die als Gesellschafter 26,4 Prozent der Firmenanteile halten, wird nun geprüft. Die Kunststoffabfälle sollen aus der Biomüllverarbeitung stammen. 100 Prozent des Biomülls, das sind jährlich rund 18.000 Tonnen, landen bei Häusle und werden dort in der Biogasanlage verarbeitet. Da die meisten Privathaushalte den Biomüll in Plastiksäcken sammeln, muss der Kunststoff in der Betriebsanlage abgeschieden werden. Diese Siebreste müssten in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt werden. Biomüll in Plastiksäcken zu sammeln, sei Wunsch der Gemeinden und des Umweltverbandes, sagt Harald Dreher und wünscht sich wie Geschäftsführer Habermann, der gerne einen sauberen geschlossenen Kreislauf hätte, eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit der Sammelmethode. Kunststoff in der Biogasanlage sei kontraproduktiv. Landeshauptmann Markus Wallner (VP) und der ressortzuständige Umweltlandesrat Johannes Rauch (Grüne) bedauerten in einer gemeinsamen Aussendung am Freitag den Imageschaden. Das Vertrauen in die Abfallwirtschaft des Landes sei schwer erschüttert worden. Die Politiker versprechen lückenlose Aufklärung, das sei man der Bevölkerung schuldig, die Vorarlberg zum Vorreiter in Sachen Abfalltrennung und Rohstoffrecycling gemacht habe. Kommenden Dienstag wird die Landesregierung über weitere Schritte beraten. Neben den Landesbehörden ermittelt auch die Staatsanwaltschaft. 'Eine Firma, die Dreck vergoldet. Politiker, Journalisten und Anwohner, die daran glauben. Ein Gericht, das die Anklage auf die lange Bank schiebt: Einer der größten Giftmüllskandale Deutschlands ist weitgehend unbekannt. Die Buchstaben auf dem Schild am Metalltor mit der Warnung vor dem Hund sind knochenbleich, links und rechts wuchern Büsche entlang des Zauns. Dahinter liegen sandfarbene Hallen und minzgrüne Türme. Seit drei Jahren verwaist die Anlage, am Gelände lagern aber immer noch ein paar Hundert Tonnen Giftmüll. Die Geschichte der S.D.R. Biotec Verfahrenstechnik GmbH in Pohritzsch in Sachsen ist eine von gebrochenen Versprechen. Bis heute spaltet die Firma ein ganzes Dorf – auch weil es seit Jahren trotz einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft nicht zu einer juristischen Aufarbeitung gekommen ist. Zwölf Jahre lang arbeitete die Firma mit zumeist hochgiftigem Müll, insgesamt über eine Million Tonnen wanderten hier durch. Dieser, so die Chemiker und Ingenieure, werde zu harmlosem Abfall verarbeitet. Die Formel: Durch chemische Reaktionen sollte das Gift immobilisiert werden. Hochproblemmüll verwandle sich mittels Chemikalien und Beimengen wie Braunkohlenasche und Wasser in einen ungefährlichen Baustoff, hieß es. Das Geschäft lief gut. Denn Biotec verlangte für die Entsorgung weniger als in der Branche üblich. Die Firma kümmerte sich um Reststoffe aus der Metallurgie und den Filtern von Müllverbrennungsanlagen. Eine Tonne in einem Salzstock kostet 100 Euro aufwärts. Biotec nahm dafür 50 bis 60 Euro und lagerte diese dann für fünf bis 25 Euro auf Deponien. Die Betreiber der Müllberge nahmen den Baustoff gern für ihre Halden. Die Politiker freuten sich über die Aufträge für die oft übergroßen und defizitären Deponien in Staatshand. Manch Arbeitsloser in der Region fand endlich einen Job und die Kommune mit der Firma einen großen Steuerzahler. Und die Industrie sträubte sich nicht gegen geringere Entgelte für die Abnahme ihres Mülls. Alle schienen daran zu gewinnen. Roland Wiesener steht in seinem Wohnzimmer, er lugt über die Silberrandbrille durchs Fenster in den Garten. Alles hat seinen Platz dort, keine zehn Autominuten von Pohritzsch entfernt. Nur dieser Störenfried in seinen Beinen und Händen, der ist nicht bestellt. Ein Kribbeln und Jucken und Stechen. Der 56-Jährige nimmt dreimal am Tag Schmerzmittel. Der Frühpensionist ist schwerbehindert. Eine Polyneuropathie greift seine Nerven an, sein Blut hat hohe Bleiwerte. 2012 machte der Delitzscher bei Biotec als einer der letzten Mitarbeiter das Licht aus. Wiesener zeigt ein Foto aus dem Jahr 2004, daneben mehrere Unterschriften. Das haben wir Arbeiter dokumentiert. Hier haben wir auf den Tonnen die Totenköpfe überpinselt und die Abfälle als stabilisiert unbehandelt zur Zentraldeponie in Gröbern bringen lassen, sagt er. Bis zu vier Touren solcher Art habe es pro Tag gegeben. Anfangs haben wir noch Kalk dazugegeben, aber das kostete ja. Das sollten wir später nicht mehr machen, sagt er. Mit den Chefs habe man darüber nicht reden können, so Wiesener: Die sagten dann: Ihr habt Schweigepflicht. Anwohner klagten in dieser Zeit zum Beispiel über Ammoniakgeruch. Der Betrieb werde regelmäßig überwacht, schrieb jedoch ein Referatsleiter aus dem sächsischen Umweltministerium 2007 einer Anwohnerin. Und der damalige sächsische Umweltminister Roland Wöller (CDU) sagte 2008, seit 1999 sei es zu keinen Abweichungen vom bestimmungsgemäßen Betrieb der Anlagen gekommen. Was der Minister und die Briefe von damals nicht erwähnten: Nach Angaben der Umwelt- und Verbraucherschutzorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatten mehrere Deponien Chargen der Biotec zurückgewiesen. Cröbern erließ Anfang Februar 2008 einen Lieferstopp, Spröda lehnte im Juni 2006 alle untersuchten Mengen wegen zu hoher Metallwerte ab und die Deponie Weißer Weg in Chemnitz stellte Ende 2008 die Annahme wegen der Bleiwerte ein. Studien des TÜV Nord und der Uni Leipzig zweifelten an der Methode, Giftmüll zu immobilisieren. Die DUH nahm schließlich selbst Bodenproben, Medien wurden aufmerksam. Im September 2008 veranlasst das Sächsische Landesamt für Umwelt schließlich dreimonatige Emissionsproben nahe der Firma, wegen der ersten hohen Ergebnisse dann für ein ganzes Jahr. Danach weiß man: In Pohritzsch, einem Ort umringt von Kirschbaumplantagen, liegen zu viel Blei, Cadmium, Arsen, Thalium und Nickel in der Luft. 2009 kam die Wende: Die Behörden kontrollierten die Firma und stießen auf bereits behandelten Müll, der jedoch zu viele Schwermetalle enthielt. Eine defekte Reifenwaschanlage fiel auf. Viermal forderte man die Betreiber auf, den Langzeitnachweis für die Sicherheit des behandelten Mülls zu erbringen Österreichs Pläne sind damit ambitionierter als die EU-Richtlinie – Grüne bemängeln Freiwilligkeit. Wien – Das Ziel sind 25 Plastiksackerl pro Person und Jahr: Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) will die Vorgaben der EU-Richtlinie zur Reduktion von Plastiksackerln deutlich übererfüllen. Denn diese sieht lediglich eine Verringerung auf 90 Stück pro Person bis 2019 vor. Das hat Österreich mit 51 Sackerln bereits erreicht. Plastiksackerl verbrauchen Ressourcen und belasten bei falscher Entsorgung die Umwelt, sagt Rupprechter. Mit Vertretern des Handels und von NGOs präsentierte der Minister am Montag die Eckpunkte der freiwilligen Vereinbarung, die im Juli in Kraft tritt. Tragtaschen – nicht nur aus Plastik – sollen demnach nur noch kostenpflichtig erhältlich sein. Den Preis dafür legen die Firmen fest. Es handelt sich aber nicht um ein Körberlgeld, wie der Minister betonte. Vereinbart sei, dass die Mittel Umweltprojekten zugutekommen. Besonders zahlreich waren die Unterzeichner aus der Lebensmittel-Branche, doch neben Rewe, Spar, Lidl und Hofer, setzten auch die Elektronikkette Media-Saturn sowie Tchibo, oder Europas größter Schuhhändler Deichmann, ihre Signatur unter die Präambel. Weiterhin ausgenommen von der Vereinbarung sind die dünnen Knotenbeutel in der Obst- und Gemüseabteilung. Den EU-Staaten ist es freigestellt, diese vorerst von der Erreichung der Ziele auszunehmen. Hier sind noch kreative Lösungen notwendig, räumt Leonore Gewessler von Global 2000 ein. Allerdings sollen diese Einwegsackerl zumindest an den Kassen entfernt werden. Gesetze statt Freiwilligkeit Die grüne Umweltsprecherin Christiane Brunner kritisiert vor allem auf die Freiwilligkeit des Pakts: Klare gesetzliche Regeln oder die Einhebung einer Plastiksackerlabgabe wie in Irland sind sicher effektiver und auch fairer, weil sie den ganzen Markt betreffen. Das Plastiksackerl ist für sie Symbol der Wegwerfgesellschaft, auf das wir bis auf wenige Ausnahmen komplett verzichten können. Slowenien und Kroatien einig über Weiterbetrieb bis 2043 – Grüne warnen vor "atomarer Hochrisikostrategie". Wien – Slowenien und Kroatien haben sich auf eine Laufzeitverlängerung des gemeinsam betriebenen Atomkraftwerks Krsko geeinigt. Eigentlich sollte der Reaktor im Jahr 2023 stillgelegt werden – nun soll er bis 2043 Strom liefern. Aus Österreich und auch aus Brüssel gab es daran am Dienstag Kritik. Das Atomkraftwerk sei sicher und wirtschaftlich, sagte der slowenische Infrastrukturminister Peter Gaspersic laut einem Bericht des slowenischen Rundfunks nach einem Treffen mit seinem kroatischen Kollegen Ivan Vrdoljak in Krsko am Montagabend. Das Atomkraftwerk, 1983 erbaut, war das einzige im ehemaligen Jugoslawien. Es liegt rund 100 Kilometer östlich der slowenischen Hauptstadt Ljubljana und rund 50 Kilometer entfernt von der kroatischen Hauptstadt Zagreb am Fluss Save. Seit der Inbetriebnahme gab es zahlreiche Zwischenfälle. 2008 hatte die EU-Kommission wegen eines Lecks im Kühlsystem eine europaweite Warnung ausgegeben. Greenpeace hatte 2012 gefordert, das AKW wegen seines hohen Alters und der Erdbebengefahr am Standort zu schließen. Grüne Politiker aus Österreich und Deutschland übten Kritik an der Verlängerung der Laufzeit für Krsko. Das Atomkraftwerk ist alt und liegt auf einer Erdbebenlinie, die Stilllegung 2023 wäre ein sehr wichtiger Schritt gewesen. Jetzt läuft ein hochriskantes Atomkraftwerk weitere 20 Jahre, sagte der Nationalratsabgeordnete Matthias Köchl laut Aussendung. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Europaparlament, Rebecca Harms, bezeichnete die Laufzeitverlängerung als Irrsinn. Die atomare Hochrisikostrategie muss gestoppt werden, schrieb sie auf Twitter. Auch der Kärntner FPÖ-Politiker Christian Ragger nahm die Laufzeitverlängerung unter Beschuss. Slowenien und Kroatien zeigen damit, wie wenig ernst sie die Sorgen Österreichs nehmen, wurde er in einer Aussendung zitiert. Ragger forderte den Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser und Bundeskanzler Werner Faymann (beide SPÖ) zum Handeln auf. Kärntens Landeshauptmannstellvertreterin Beate Prettner (SPÖ) hat am Dienstag ein Vorgehen des Landes gegen die Laufzeitverlängerung des slowenischen Atomkraftwerks Krsko angekündigt. Man werde alle rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, meinte sie in Vertretung des erkrankten Landeshauptmanns. Die Entscheidung zum Weiterbetrieb sei in höchstem Maße fahrlässig. Das Land Kärnten werde in einem jedenfalls von Slowenien noch einzuleitenden, grenzüberschreitenden UVP-Verfahren alle Möglichkeiten ausschöpfen, um im Interesse der Sicherheit der Bevölkerung dies- und jenseits der Grenze eine Laufzeitverlängerung zu verhindern, hieß es in einer Aussendung des Landes. Das Atomkraftwerk habe immer wieder durch Störfälle für Angst, Verunsicherung und Gefährdung gesorgt. Landesrat Rolf Holub (Grüne) sagte, eine offizielle Stellungnahme des Landes an die Republik Slowenien sei in Ausarbeitung. Holub nannte die Entscheidung zur Laufzeitverlängerung völlig unverständlich und verantwortungslos und forderte die Bundesregierung auf, mit Slowenien Verhandlungen über eine Stilllegung des Kraftwerks aufzunehmen. Darin werde auch die unmissverständliche Aufforderung enthalten sein, die Laufzeitverlängerung zurückzunehmen. Von der ÖVP meldete sich der Landtagsabgeordnete Franz Wieser zu Wort und meinte, die slowenisch-kroatische Entscheidung werfe die Frage auf, ob die Landesregierung Kärnten ausreichend vertreten habe. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) und sein tschechischer Amtskollege Richard Brabec setzen hingegen auf umweltpolitische Zusammenarbeit. Bei einem Treffen am Dienstag im Nationalpark Thayatal ging es um die Frage der Kernenergie. Die unterschiedlichen Grundhaltungen hierbei seien zur Kenntnis zu nehmen, sagte Brabec. In den bilateralen Beziehungen sei die Kernenergie ein wichtiges Thema, betonte Rupprechter in einer Pressekonferenz. Er sehe im Zusammenhang mit dem Informationsaustausch keinen Grund zur Kritik. Auch beim jüngsten Ereignis in Temelin sei noch in der Nacht eine Information erfolgt. Was ein Atommüll-Endlager angehe, habe er seine Bedenken bei einem grenznahen Standort (kommt für Österreich nicht infrage) zum Ausdruck gebracht, sagte der Minister. Brabec bezeichnete das Treffen als Basis für eine neue Zusammenarbeit im Umweltbereich. Auch unterschiedliche Positionen setzen Offenheit voraus. In Fragen der Kernenergie sei sein Ministerium nur mit einem engen Segment beteiligt. Wir beurteilen die Auswirkungen auf die Umwelt. Hauptzuständig sei das Handels- und Industrieministerium. Mit dem Ausbau der Atomkraft sollen vor allem Braunkohlekraftwerke ersetzt und stillgelegt werden, verteidigte Brabec das staatliche Energiekonzept Tschechiens. Gleichzeitig soll auch der Anteil erneuerbarer Energie erhöht werden. Der Minister bezeichnete den Weg des Nachbarlandes als sehr sorgfältig vorbereitet. Für Rupprechter wie für Brabec beispielhaft ist die Kooperation im grenzüberschreitenden Nationalpark Thayatal-Podyji. Was erneuerbare Energie angehe, liege ein Angebot Österreichs auf verstärkte Zusammenarbeit vor, u.a. mit einer Expertise aus Niederösterreich. Auch eine gemeinsame Arbeitsgruppe in Umweltfragen wurde eingerichtet. Ein Reaktor von Anlage Sendai auf Kyushu läuft. Tokio – Nach zwei Jahren ohne Atomenergie produziert seit Freitag in Japan erstmals wieder ein Atomreaktor Strom. Die Stromgesellschaft Kyushu Electric Power veröffentlichte Fotos, wie Mitarbeiter des Reaktors Nummer eins der Atomanlage Sendai auf der Insel Kyushu applaudierten, als um 09.00 Uhr (Ortszeit) die Stromproduktion ohne Probleme ansprang. Alle Atomanlagen in Japan waren nach der verheerenden Atomkatastrophe von Fukushima im März 2011 schrittweise abgeschaltet worden. Die kommerzielle Nutzung des Stroms aus der Anlage auf Kyushu wird allerdings erst im September beginnen. Zunächst soll es eine schrittweise Steigerung der Leistung geben, begleitet von einer Überprüfung der Funktionsweise der Anlage. Der Reaktor Nummer eins von Sendai ist bisher der einzige Reaktor in Japan, der die nach Fukushima verschärften Sicherheitsauflagen erfüllt. Der Reaktor Nummer zwei der Anlage soll bald folgen. Viele Anrainer und Atomkraftgegner sind wegen Erdbeben- und Vulkanrisiken in der Gegend gegen ein Wiederanfahren der Atomanlage. Kyushu ist die drittgrößte Insel Japans. Japan will bis 2030 bis zu 22 Prozent seiner Energie wieder über Atomstrom beziehen. Dass die konservative Regierung zur Nuklearenergie zurückkehrt, hat vor allem wirtschaftliche Gründe: Japan kämpft mit Handelsdefiziten, vor allem wegen der hohen Kosten für fossile Brennstoffe. 21 neue Reaktoren bereits im Bau. Peking – China plant einen massiven Ausbau der Kernenergie. Nach dem neuen Fünf-Jahres-Plan, der im März vom Volkskongress angenommen werden soll, sollen bis 2030 rund 110 Atomkraftwerke im Betrieb sein, berichtete die Tageszeitung China Daily am Freitag unter Berufung auf die Power Construction Corporation of China. Das Land hat gegenwärtig 30 Atommeiler im Einsatz und weitere 21 im Bau. Nach dem Entwurf bis 2020 werden demnach 500 Milliarden Yuan, umgerechnet 71 Milliarden Euro, eingeplant, um über fünf Jahre jährlich sechs bis acht neue Reaktoren zu bauen. Bis 2030 sollen zehn Prozent der Energie in China aus der Kernkraft kommen. Heute bezieht China zwei Drittel seiner Energie aus Kohle. Der Ausbau der Kernkraft ist neben der Entwicklung erneuerbarer Energien ein wichtiger Teil seiner Bemühungen, seine Abhängigkeit von Kohle und die Emissionen zum Klimaschutz zu bremsen. Nach der Katastrophe mit dem japanischen Reaktor in Fukushima 2011 hatte Chinas Regierung zunächst den Bau weiterer Atomkraftwerke ausgesetzt und neue Sicherheitsvorkehrungen getroffen. Im März wurde erstmals wieder der Bau eines neuen Kernkraftwerkes genehmigt. Es ist die zweite Phase des Atomkraftwerks Hongyanhe in Nordostchina. Atomkraftwerk wurde im März 2014 wegen Sicherheitsbedenken abgeschaltet – Kritik aus Deutschland. Antwerpen – Der belgische Energiekonzern Electrabel hat nach dem Atomreaktor Tihange 2 nun auch den ebenfalls umstrittenen Reaktor Doel 3 bei Antwerpen wieder angefahren. Das berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga am Montag. Beide Reaktoren waren im März 2014 wegen Sicherheitsbedenken abgeschaltet worden. Die baugleichen Blöcke lagen bereits ab Sommer 2012 rund ein Jahr lang still, nachdem Prüfer Haarrisse im Reaktorbehälter entdeckt hatten. Im November gab die Atomaufsicht grünes Licht für eine Neuinbetriebnahme. Tihange 2 bei Lüttich war bereits in der vergangenen Woche wieder ans Netz gegangen. Die Atomanlagen werden im Nachbarland Deutschland heftig kritisiert. Nach dem Brand im Reaktorblock 1 von Tihange am Freitag fordert die nordrhein-westfälische Landesregierung die Stilllegung der Anlage. Tihange 1 schaltete sich nach einem Brand in einer Schalttafel im nicht-nuklearen Bereich der Anlage automatisch ab. Die Sicherheitsverfahren haben vollständig funktioniert, sagte eine Sprecherin von Electrabel. Die Anlage solle bald wieder anfahren. Schon am Wochenende hatte der Betreiber mitgeteilt, der Zwischenfall habe keine Auswirkungen auf die Arbeiter, die Bevölkerung oder die Umwelt gehabt. Vorliegende Röntgenaufnahmen von schlechter Qualität. Prag/Temelin – Im umstrittenen tschechischen Atomkraftwerk Temelin müssen Tausende Schweißnähte erneut mit Röntgenbildern überprüft werden. Das sagte die Leiterin der Atomaufsichtbehörde in Prag, Dana Drabova, am Sonntag im Sender CT. Die vorliegenden Röntgenaufnahmen seien von schlechter Qualität. Sie schloss nicht aus, dass Kontrollberichte manipuliert oder geschönt wurden. Die Schweißnähte im (radioaktiven) Primärkreislauf sind von dieser Affäre nicht betroffen, betonte Drabova. Es gehe aber um Sicherungssysteme, die zu hundert Prozent in Ordnung sein müssten. Dem Betreiber CEZ warf die Nuklearphysikerin mangelnde Demut vor der Technik vor. Die Mängel hätten auffallen müssen. Ähnliche Probleme hatte es zuvor bereits im Atomkraftwerk Dukovany gegeben. Auch dort müssen auf Anweisung der Atomaufsicht Röntgenuntersuchungen wiederholt werden. Von vier Reaktorblöcken ist deswegen nur noch einer im Betrieb. Der Betreiber CEZ hat Strafanzeige gegen den Zulieferer der Röntgenbilder gestellt. Das AKW Temelin, 60 Kilometer von der deutsch-tschechischen Grenze entfernt, weist nach Ansicht von Umweltschützern schwere Sicherheitsmängel auf. Sie kritisieren vor allem die Kombination von amerikanischen Leitsystemen mit russischer Reaktortechnik. Bewohner der Region beteten für fast 19.000 Opfer. Fukushima – Mit einer Schweigeminute hat Japan am Freitag der Opfer der von einem Erdbeben ausgelösten Tsunami- und Atomkatastrophe von Fukushima vor fünf Jahren gedacht. Kaiser Akihito und Regierungschef Shinzo Abe nahmen an einer Zeremonie in Tokio teil und beugten um 14.46 Uhr ihre Köpfe. Abe treibt trotz der Angst seiner Landsleute vor der Atomkraft den Neustart des Atomkraftprogramms mit Hochdruck voran. Das Beben und der folgende Tsunami am 11. März 2011 kosteten 18.500 Menschen das Leben. Im Atomkraftwerk Fukushima an der Ostküste waren die Kühlsysteme ausgefallen, woraufhin mehrere Reaktorkerne schmolzen. Es war die schwerste Atomkatastrophe seit Tschernobyl 1986 mit weltweiten Konsequenzen, sie führte auch zur Energiewende in Deutschland. In Japan leben noch zehntausende Menschen in provisorischen Unterkünften. Ich fühle Schmerz in meinem Herzen, wenn ich an diejenigen denke, die noch nicht heimkehren konnten, sagte Akihito beim Gedenken im Nationaltheater Tokios. Ich hoffe, die Gesellschaft wird sich an uns erinnern: dass das Leben der Umgesiedelten noch sehr schwierig ist, auch finanziell, sagte Kazuko Nihei, die mit ihren Töchtern vor den Strahlen geflohen war, bei einer Gedenkveranstaltung in einem Park in der Hauptstadt. Durch die Atomkatastrophe drohen der japanischen Bevölkerung nach Einschätzung von Nichtregierungsorganisationen in Zukunft rund 10.000 neue Krebsfälle. Wie die Organisationen PSR und IPPNW kürzlich in einem Bericht erklärten, werden die Folgen das Land noch jahrelang plagen. Das dürfe von den Anhängern der Atomenergie nicht unter den Teppich gekehrt werden. Der deutsche Strahlenbiologe Edmund Lengfelder warf der japanischen Regierung am Freitag vor, die Bevölkerung über die Strahlenbelastung bewusst falsch informiert zu haben. Auch Tokio sei belastet gewesen, sagte er dem Deutschlandradio Kultur. In Wien protestierten Aktivisten der Umweltschutzorganisation Greenpeace ab 6.46 Uhr Ortszeit, genau fünf Jahre nach der Katastrophe, vor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA). Greenpeace kritisierte, dass die japanische Regierung und die IAEA die Folgen von Fukushima bewusst verharmlosen würden. Die Umweltschutzorganisation forderte von Japan den kompletten Rückzug aus der Atomkraft und eine Energiewende. Die japanische Regierung und die IAEA spielen die Konsequenzen von Fukushima bewusst herunter, sagte Adam Pawloff, Energiesprecher von Greenpeace in Österreich. Doch in Wahrheit dauert die Katastrophe bis heute an. Dennoch plane die Regierung die Rücksiedlung der Bewohner, die sie so einem erhöhten Strahlenrisiko aussetzen werde. Ungewiss sei überdies, wo die neun Millionen Kubikmeter Atommüll, die bei den Aufräumarbeiten angefallen seien, gelagert würden. Der radioaktive Müll stapele sich an mehr als 50.000 Standorten, erklärte die Organisation. Dessen ungeachtet will Ministerpräsident Abe an der Atomenergie festhalten. Unser ressourcenarmes Land kann nicht ohne Atomkraft auskommen, um die Stabilität der Energieversorgung sicherzustellen, hatte er am Donnerstag bekräftigt. Auch das ökonomisch Sinnvolle sowie die Frage des Klimawandels müssten beachtet werden. Greenpeace hielt dem am Freitag entgegen, Japan sei aufgrund seiner geografischen Bedingungen besonders gut für Wind- und Wasserkraft geeignet. Nach der Katastrophe waren zunächst sämtliche Reaktoren in Japan abgeschaltet worden, um sie verschärften Sicherheitsvorgaben anzupassen. Die Betreiberfirmen und Abe dringen seit langem darauf, die Reaktoren wieder hochzufahren. Am Mittwoch hatte ein Gericht die Abschaltung von zwei seit dem Unglück wieder hochgefahrenen Reaktoren angeordnet, da sie nicht den verschärften Sicherheitsregeln entsprächen. Es war ein Dämpfer für Tokios Ambitionen. Tihange 2 und Doel 3 sollen aus Sicherheitsgründen vom Netz genommen werden. Berlin/Brüssel – Die deutsche Regierung hat Belgien ersucht, zwei Atomreaktorblöcke aus Sicherheitsgründen vorübergehend vom Netz zu nehmen. Umweltministerin Barbara Hendricks bat die Regierung in Brüssel, Tihange 2 und Doel 3 bis zur Klärung offener Sicherheitsfragen herunterzufahren, wie ihr Ministerium am Mittwoch mitteilte. In den Reaktordruckbehältern der beiden Anlagen waren Risse gefunden worden. Die unabhängige Reaktorsicherheitskommission kann demnach nicht bestätigen, dass sie auch im Störfall sicher wären. Hinweise auf das Gegenteil gebe es allerdings auch nicht. Der Schritt wäre ein starkes Zeichen der Vorsorge, erklärte Hendricks, die sich zurzeit zum deutsch-chinesischen Umweltforum in der chinesischen Stadt Nanjing aufhält, der Mitteilung zufolge. Und er würde zeigen, dass Belgien die Sorgen seiner deutschen Nachbarn ernst nimmt. Eine rechtliche Handhabe hat die Ministerin nicht. Belgien will der Forderung vorerst nicht nachkommen. Wir bleiben bei unserer Auffassung, dass die AKW-Blöcke Doel 3 und Tihange 2 die höchsten Sicherheitsanforderungen erfüllen und es zurzeit keinen Grund gibt, unsere Auffassung zu ändern, sagte der Generaldirektor der belgischen Bundesagentur für Atomsicherheit (AFCN), Jan Bens, am Mittwoch in Brüssel. Die Äußerungen von deutschen Umweltministerin Barbara Hendricks hätten die AFCN überrascht, wie es in einer schriftlichen Stellungnahme der Agentur heißt. Die Agentur verwies auf ein Treffen mit Vertretern des Umweltministeriums und der deutschen Reaktor-Sicherheitskommission am 5. und 6. April in Brüssel. Bei diesen Gesprächen seien die deutschen Bedenken zwar angesprochen worden, hätten aber den AFCN Beschluss nicht in Frage stellen können, den Betrieb von Doel 3 und Tihange 2 wieder aufzunehmen. Das rund 70 Kilometer von Aachen entfernte AKW Tihange und die Anlage Doel bei Antwerpen machen immer wieder mit Problemen Schlagzeilen. Bereits als 2012 Tausende Risse in den Reaktorbehältern festgestellt worden waren, hatte der Betreiber Electrabel die Reaktoren vorerst abgeschaltet. Zuletzt war das deutsche Bundesland Nordrhein-Westfalen einer Klage der Städteregion Aachen gegen die Wiederaufnahme des Reaktorbetriebs von Tihange 2 am höchsten belgischen Verwaltungsgericht beigetreten. Hendricks habe ihre Bitte aufgrund einer Stellungnahme der deutschen Reaktorsicherheitskommission (RSK) und nach Gesprächen mit Brüssel geäußert, teilte ihr Ministerium mit. Anfang April hatte sich eine neu gegründete deutsch-belgische Arbeitsgruppe zur nuklearen Sicherheit mit Tihange 2 und Doel 3 befasst. Dem Umweltministerium zufolge befürworten deutsche wie belgische Experten weitere Untersuchungen, Belgien habe dazu schon Vorschläge gemacht. Aus dem Bericht der unabhängigen RSK-Experten geht hervor, dass sie davon ausgehen, dass die Wände der Reaktordruckbehälter im Alltagsbetrieb keine Probleme machen. Für den Störfall sind die Experten aber nicht sicher, dass ausreichend Sicherheitsreserven eingehalten werden. Wörtlich schreibt die RSK: Aus heutiger Sicht gibt es keine konkreten Hinweise, dass die Sicherheitsabstände aufgezehrt sind. Es kann aber auch nicht bestätigt werden, dass diese sicher eingehalten werden. 'Der Umgang mit dem bisher größten Atomunfall am 26. April 1986 ist von Verdrängung geprägt. Es war Nacht und stockfinster, als Natalia Tereschtschenko ihr Fahrziel erreichte. Die Ärztin bekam wenige Tage zuvor den Auftrag für eine Dienstreise. Zweck: unbekannt. Ort: unbekannt. Fragen: unerwünscht. Die Mitreisenden im Bus waren genauso ahnungslos wie sie. Die 35-Jährige hatte Proviant für drei Tage eingepackt, sich von ihrem Mann und den zwei kleinen Kindern in Charkiw im Osten der Ukraine verabschiedet. 18 Stunden dauerte die Fahrt, an deren Ende Tschernobyl lag. Es war Anfang Mai 1986. Wenige Tage zuvor war es in dem Atomkraftwerk zum GAU gekommen. Am 26. April 1986 um 1.23 Uhr früh war in Reaktor 4 eine Explosion erfolgt (siehe Zeitleiste). 600.000 bis 800.000 Männer und Frauen wurden in den folgenden Wochen und Monaten als Liquidatoren aus der gesamten Sowjetunion eingezogen, um Brände zu löschen, Aufräumungs- und Sicherungsarbeiten vorzunehmen und so eine noch gewaltigere Katastrophe zu vermeiden. Tereschtschenko war eine von ihnen. * Tscher-no-byl. Diese drei Silben haben sich tief in das kollektive Gedächtnis Europas eingebrannt, sie stehen für atomare Zerstö- rung wie spätsowjetische Vertuschungspolitik, für die Angst vor dem Unvorstellbaren und die Hilflosigkeit nach einer Katastrophe neuen Ausmaßes. Wenn von Risiken der Atomkraft geredet wird, tauchen die Bilder des havarierten Meilers in der Ukraine und der nahen, verlassenen Satellitenstadt Prypjat auf. Häuser verrotten, Spielplätze und Schwimmbäder liegen unwirklich im atomaren Dämmerschlaf. Eine Sperrzone von 30 Kilometern Durchmesser wurde errichtet, und rund 120.000 Menschen wurden evakuiert. Sie wurden in neue Gemeinden eingebürgert, teilweise wurden neue Siedlungen für sie errichtet. Die Ärztin Tereschtschenko wurde mit 57 anderen Menschen in einem Spital eingesetzt, nur zehn Kilometer vom havarierten Reaktor entfernt. Ihre Aufgabe war es, die Leukozyten im Blut der Liquidatoren zu zählen. Denn im Falle einer Verstrahlung fällt die Anzahl der weißen Blutkörperchen stark ab, bei einer verringerten Leukozytenzahl sind Menschen einer erhöhten Infektionsgefahr ausgesetzt. Stimmte der Grenzwert, mussten die Liquidatoren weiterarbeiten. Die Tests bezeichnet die Ärztin heute als Farce: Pro Person hatte ich rund eine Minute Zeit, moderne Geräte fehlten, sagt sie im Gespräch mit dem STANDARD. So war die Mentalität. Man musste tun, was der Staat verlangt Ihre Familie dachte, Tereschtschenko befinde sich in Kiew: Wir durften niemanden informieren. Es wurde alles abgehört. Sobald man etwas Verdächtiges sagte: ,zack – Leitung tot. 33 Tage war sie in der geräumten Zone. Die ersten gesundheitlichen Folgen traten bei ihr unmittelbar danach ein. Durch die Arbeit am eisenhaltigen, verstrahlten Mikroskop wurde ihr Rachen verbrannt. Für einige Monate konnte sie nicht sprechen 'Der Krieg in der Ostukraine verschärft die Probleme jener Kinder, die noch unter massiven Gesundheitsproblemen leiden. 30 Jahre sind vergangen, aber viele Menschen der Ukraine haben noch immer ein schweres Erbe zu tragen: Hunderttausende wurden nach dem GAU im Atomkraft Tschernobyl für Aufräum- und Sicherheitsarbeiten eingesetzt. Anfang der 90er-Jahre stieg die Krebsrate sprunghaft an. Überlebende erkrankten etwa an Schilddrüsenkrebs und vor allem Kinder an Leukämie. Gerade die Ostukraine ist besonders betroffen: Denn zusätzlich zur radioaktiven Verstrahlung verseuchen die Altlasten des jahrzehntelangen Bergbaus und die Abfälle der Chemieindustrie den Boden und das Grundwasser massiv. Die Umweltschutzorganisation Global 2000 ergänzt daher seit 1995 ihre Antiatomkraftarbeit mit dem Sozialprojekt Tschernobyl-Kinder. In der Region Luhansk stieg die Zahl der Ersterkrankungen von Kindern und Jugendlichen jährlich um 30 Prozent, berichtet Christoph Otto, der von Beginn an für das Projekt verantwortlich ist. Zudem haben viele Kinder ein schwaches Immunsystem: Sie werden mit Krankheiten kaum fertig, sie haben Tumoren, Erkrankungen der Atemwege, Augen, Muskeln und Haut. Im Rahmen des Hilfsprogramms werden Kinderheime und Spitäler mit Medikamenten und medizinischen Geräten, Hilfsgütern und Trinkwasseraufbereitungsanlagen versorgt. Die Stadt Wien spendete einige dieser Anlagen. Zudem gibt es für 150 Kinder jedes Jahr Erholungsaufenthalte in Österreich. Zudem werden komplizierte Operationen und Behandlungen bei Krebserkrankungen im Ausland ermöglicht. Der nicht weit entfernte Krieg ist eine neue, große Belastung für die Menschen der Ostukraine. Um ihre Situation besser zu verstehen, muss man von Charkiw, der zweitgrößten Stadt der Ukraine, nur wenige Kilometer mit dem Auto nach Osten in die Stadt Nowoajdar fahren. Sie liegt nur 15 Kilometer von der aktuellen Front entfernt. Dort steht ein Internat für Kinder mit besonderen medizinischen Bedürfnissen oder Kinder, die ihre Eltern im Krieg verloren haben. Die Fahrt dauert Stunden, acht Straßensperren der ukrainischen Armee müssen passiert werden, die Straßen sind mit Schlaglöchern durchzogen. Die meisten Kinder im Internat, das von Global 2000 unterstützt wird, haben Atemwegserkrankungen und motorische Störungen. Im Moment leben hier 265 Kinder, 44 Kinder kamen aus vom Krieg betroffenen Gebieten, sieben sind Waisen. Der Krieg ist ihr Alltag. Ihr Leben findet vor allem innerhalb der Internatsmauern statt, in den Wäldern und Wiesen streunen nur noch die Hunde. Denn in der sehr nährstoffreichen schwarzen Erde liegen Minen. Auch drinnen ist der Krieg sichtbar: Soldaten mit umgehängten Kalaschnikows bewohnen die Gebäude. Das Internat ist seit Ausbruch des Konflikts in das Zentrum geopolitischer Interessen geraten. Vergangenen Sommer lebten noch 180 Soldaten auf dem Areal, heute sind es noch 35. Sie nutzen sowohl die Nähe zur Front als auch die vorhandene Infrastruktur. Der zwölfjährige Dimitri kommt aus der Region Luhansk und erzählt: Wir unterhalten uns viel mit den Soldaten, besonders über Fußball. Die Erzieherinnen erzählen hingegen, dass eines der Lieblingsthemen der Buben mittlerweile Waffentypen sind. Die Kriegstraumata der Kinder sind sichtbar: Sie haben Bluthochdruck, Depressionen, sprechen nicht mehr. Einmal sind die Fenster geborsten, weil die Beschüsse so laut waren, berichtet Internatsleiterin Anna Biryukowa von einem Vorfall im vergangenen Sommer. Offene Kritik übt sie nicht an der Situation: Man habe sich mit den Soldaten arrangiert, und man gewöhne sich an die ständige Angst, versichert sie. Doch dann öffnet sie sich doch ein wenig: Alle sind müde von der Situation hier Volle Kapazität im Lauf des Sonntags erwartet. Brüssel – Der belgische Reaktor Doel 3 ist wieder ans Netz gegangen. Die Anlage hatte sich nach Angaben des Betreibers wegen eines Softwareproblems bei einem Turbinentest im nicht-nuklearem Teil am Donnerstag automatisch abgeschaltet. Seit Sonntagfrüh ist sie wieder in Betrieb. Volle Kapazität sollte Doel 3 im Lauf des Tages erreichen, wie eine Sprecherin der Nachrichtenagentur Belga sagte. Der Standort Doel liegt rund 150 Kilometer von der belgisch-deutschen Grenze entfernt. Deutschland verlangt von Belgien seine Abschaltung wegen Tausender feiner Risse im Reaktordruckbehälter von Doel 3. Betroffen ist auch der 70 Kilometer von Aachen entfernt gelegene Reaktor Tihange 2. Die belgische Atomaufsichtsbehörde AFCN bezeichnete die Reaktoren hingegen als sicher, eine Abschaltung sei unnötig. Termin und Fragestellung wird laut Bürgermeister Pfeffer im Februar beschlossen – Bürgerliste MIT beharrte auf einer zweiten Befragung. Traismauer – Die Stadtgemeinde Traismauer (Bezirk St. Pölten-Land) wird ihre Bürger erneut zum Thema Windkraft befragen. Aufgrund eines Stadtratsbeschlusses werde zur Fragestellung ein Rechtsgutachten vom Verfassungsrechtler Theo Öhlinger eingeholt, kündigte Bürgermeister Herbert Pfeffer (SPÖ) am Freitag an. MIT (Unabhängige Bürgerliste Miteinander in Traismauer) hatte auf einer zweiten Befragung beharrt. Der Gemeinderat werde in seiner nächsten Sitzung im Februar den Termin für die Volksbefragung sowie die Fragestellung beschließen, sagte Pfeffer. In der ersten Volksbefragung im November 2014 hatten sich fast zwei Drittel für die Umwidmung von Teilflächen in der Windkrafteignungszone im Gemeindegebiet ausgesprochen, sodass maximal fünf Windräder errichtet werden können. Die Bürgerliste MIT forderte daraufhin eine erneute Volksbefragung und sammelte Unterschriften. Der Gemeinderat stellte fest, dass das Thema bereits erledigt sei, doch die Initiative blieb bei ihrem Standpunkt. Zuletzt wandte sich MIT mit einer Aufsichtsbeschwerde an die Bezirkshauptmannschaft St. Pölten. Diese verwies in ihrer Stellungnahme auf die Gemeindeordnung. Demnach ist bei Beharren einer Initiative, die von mehr als zehn Prozent aller Wahlberechtigten unterstützt wird, eine Volksbefragung anzuordnen. In einer Gemeinderatssitzung am 16. Dezember 2015 wurde mit Stimmen der SPÖ und des Grünen Gemeinderates das Umwidmungsverfahren begonnen – aufbauend auf dem Ergebnis der ersten Volksbefragung, wie Pfeffer betonte. Die Flächen befinden sich laut dem Bürgermeister in einer vom Land NÖ ausgewiesenen Eignungszone. Die Bürgerliste habe in dieser Woche eine Sachverhaltsdarstellung zur Flächenwidmung im Gebiet des Seelackenberges und Reutbühels bei der Volksanwaltschaft eingebracht, teilte MIT-Sprecherin Elisabeth Wegl am Freitag in einer Aussendung mit. Wegl forderte, bis zum Vorliegen des Ergebnisses der Volksbefragung alle weiteren Schritte zur Realisierung von Windkraftanlagen mit sofortiger Wirkung auszusetzen. Insgesamt 113 Wasserkraftwerke sind laut der NGO Riverwatch in Nationalparks geplant. Wien - Laut einer aktuellen Studie von Riverwatch und Euronatur über Wasserkraftprojekte in Schutzgebieten sind zwischen Slowenien und Albanien 535 Projekte in strengen Schutzgebieten geplant. Davon sollen allein 113 mitten in Nationalparks liegen. Insgesamt wurden 1640 große, mittlere und kleine Wasserkraftwerke untersucht. Damit sind nicht nur die Gebiete an sich bedroht, sondern auch der generelle Wert der Schutzkategorie. Welchen Sinn hat die Marke Nationalpark, wenn dort selbst Kraftwerke gebaut werden können?, fragt Ulrich Eichelmann von Riverwatch. Naturschutzgebiete sollen die Natur und deren Artenvielfalt erhalten. Das gilt ganz besonders für Nationalparks, in denen jede wirtschaftliche Nutzung untersagt ist. Doch das werde auf dem Balkan systematisch ignoriert, kritisiert Eichelmann, und zwar sowohl von EU-Mitgliedsstaaten wie Slowenien oder Kroatien, wie auch von EU-Beitrittskandidaten wie Albanien. 535 Wasserkraftprojekte sind mitten in Nationalparks, Biosphärenparks, Unesco-Weltnaturerbe-Gebieten, Ramsar-Schutzgebieten oder in Natura-2000-Gebieten geplant. Häufig sollen die Projekte mit Unterstützung von internationalen Unternehmen und Banken, vor allem aus der EU, realisiert werden. Wasserkraftwerke haben in strengen Schutzgebieten, allen voran in Nationalparks, nichts verloren, sagt Eichelmann und fordert einen Finanzierungsstopp. Die 535 geplanten Wasserkraftwerke bedeuten Zerstörung der Schutzgebiete durch den Bau von Staudämmen, Straßen, Stromleitungen und häufig auch die Ableitung des Wassers, berichtet Gabriel Schwaderer von Euronatur. Ein Beispiel ist der albanische Nationalpark Bredhi i Hotovës: Dort baut das österreichische Unternehmen ENSO Hydro aktuell mit finanzieller Hilfe der Österreichischen Entwicklungsbank (OeEB) und der Weltbank Wasserkraftwerke mitten im Nationalpark, informiert Riverwatch. In Mazedoniens größtem Nationalpark, dem Mavrovo-Nationalpark, sind laut der Studie 22 Wasserkraftwerke geplant, teilweise finanziert von Weltbank, EBRD (European Bank for Reconstruction and Development) sowie der deutschen Kreditanstalt für Wiederaufbau. In Albanien gibt es erste Erfolge der Umweltschützer gegen die zunehmende Verbauung: Das Europäische Parlament forderte die albanische Regierung auf, die geplanten Wasserkraftprojekte an der Vjosa zu überdenken. Es handelt sich um den letzten großen Wildfluss Europas. Bisher ist der Fluss auf einer Länge von 270 Kilometern weitgehend unverbaut. Allein in Albanien sind jedoch 26 Wasserkraftwerke geplant. Zwei sind bereits im Bau. 'Fahrbare Solarzellen und wassersparendes Gießen: Wien Energie will neues Gerät an Bauern verpachten. Wien – 4500 landwirtschaftliche Betriebe zählt Wien Energie in und um Wien zu ihren Kunden. Ihnen soll bald ein neues Produkt angeboten werden: eine mobile Photovoltaikanlage, also Solarzellen auf Rädern, die an das Bewässerungssystem auf dem Feld angeschlossen werden können. Man wolle die Landwirtschaft – wo Strom aus Sonnenenergie bisher kaum eingesetzt wird – vom Diesel wegbringen, sagt Gudrun Senk von Wien Energie. Statt mit fossilem Treibstoff sollen die Bauern ihre Wasserpumpen mit lärm- und emissionsfreier Solarkraft betreiben. Das sei auch besser für den Boden, denn derzeit werde beim Hantieren mit der Dieselpumpe immer wieder Treibstoff verschüttet. Die Anlage wurde vom österreichischen Unternehmen First Level Solar GmbH entwickelt. Sie kombiniert unter dem Markennamen Sundrops die transportierbaren Sonnenzellen mit bis zu drei Kilowatt Leistung mit einer Batterie und Tröpfchenbewässerung 'Gesetzestext hatte deutsche Umweltpolitiker auf die Barrikaden getrieben. Paris/Berlin – Das französische Verfassungsgericht hat den in Deutschland kritisierten Passus zum geplanten Atommüllendlager aus einem Wirtschaftsförderungsgesetz gestrichen. Der Artikel sei nicht verfassungsgemäß verabschiedet worden, weil es keinen Zusammenhang zum Inhalt des Gesetzes gebe, entschieden die Richter. Deutsche Umweltpolitiker sahen in den Regeln eine Vorfestlegung auf den Standort Bure in Lothringen nur gut 120 Kilometer von der deutschen Grenze entfernt. Frankreichs Wirtschaftsminister Emmanuel Macron kündigte am Donnerstag an, die Vorgaben für die Pilotphase des Endlagers nun mit einem eigenen Gesetz festzulegen. Dessen Entwurf soll im ersten Halbjahr 2016 vorgelegt werden. Der Passus war im letzten Moment in das im Juli beschlossene Gesetz eingefügt worden. Zudem umging die Regierung mithilfe einer speziellen Verfassungsregel eine Abstimmung des umstrittenen Vorhabens in der Nationalversammlung. Die französischen Grünen sahen dieses Vorgehen als Kriegserklärung der Regierung. In Deutschland hatte die Entscheidung vor allem in den grenznahen Regionen Sorgen bei der Bevölkerung ausgelöst. Der saarländische Landtag sprach sich einstimmig gegen das Projekt aus. Eine Sprecherin des rheinland-pfälzischen Energieministeriums erklärte nun, die Gerichtsentscheidung bestätige die kritische Einschätzung der Landesregierung. Gesetze mit solcher Tragweite müssen in jedem Fall in einem breiten gesellschaftlichen Beteiligungsverfahren und parlamentarischen Prozess diskutiert und entschieden werden. Frankreich plant schon länger, in Bure unterirdisch hoch- und mittelradioaktive Abfälle einzulagern. Die Grundlage legte ein Gesetz aus dem Jahr 2006. Wissenschafter erforschen in Bure schon seit Jahren die Voraussetzungen Seit kurzem deckt Niederösterreich seinen gesamten Strombedarf aus erneuerbarer Energie. Der World Wide Fund sieht in Sachen Energiewende trotzdem auch Aufholbedarf.. Sankt Pölten – Es war ein Anlass für viele lobende Worte und für feierliche Mienen, als der niederösterreichische Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP) im November verkündete, dass in seinem Bundesland nun 100 Prozent des Strombedarfs aus erneuerbarer Energie gedeckt werden. Niederösterreich sei zur Modellregion geworden. Das Jahr 2015 sei ein bedeutendes Jahr für die Umweltpolitik in Niederösterreich, ergänzte Umweltlandesrat Stephan Pernkopf (ÖVP). Selbst die britische Zeitung Guardian und Le Monde berichteten dann darüber, dass Österreichs größtes Bundesland nun den gesamten Strom aus erneuerbarer Energie bezieht. Zwar war es im Burgenland im Jahr 2013 so weit gewesen. Das flächenmäßig aber eher vergleichbare Oberösterreich will etwa laut Energiestrategie erst im Jahr 2030 dieses Ziel erreichen. Ist Niederösterreich in Sachen Energiewende also wirklich eine Modellregion, wie Pröll es ausdrückte? Der Ende September präsentierte Energiewende-Bericht des World Wide Fund for Nature (WWF) zeigte Positives, aber auch Aufholbedarf: Niederösterreich belegt darin hinter Vorarlberg und Wien Rang drei der neun Länder. Für die Bewertung nach dem sogenannten WWF-Bundesländer-Energiewende-Index wurden Politik, Effizienz, Erneuerbare, Gebäude und Verkehr betrachtet. Besonders gut bewertete der WWF die niederösterreichische Energiepolitik und dabei insbesondere die Schritte für den Ausbau der erneuerbaren Energie und für Energieeffizienz. Hier gebe es breit aufgesetzte Umsetzungsstrategien und regelmäßige Bewertungen. Auch die Mittelverteilung bei der Wohnbauförderung hin zur Sanierung wurde positiv vermerkt. Allerdings steige der Strombedarf deutlich. Klar negativ ordnete der WWF die hohen Ausgaben im Bereich Verkehr für den Straßenbau ein. Kein Bundesland schnitt da schlechter ab. Umweltlandesrat Pernkopf sagt im STANDARD-Gespräch, man wolle als Wirtschaftsstandort weiter wachsen, daher steige auch der Strombedarf – wobei auch die Energieeffizienz wachse. Wir müssen uns anschauen, wo wir Erneuerbare weiter ausbauen und ältere Anlagen optimieren können, sagt Pernkopf. Der Verkehr sei wiederum ein anderes Thema. Da bestehe über Niederösterreich hinaus Handlungsbedarf. Kritik am Ökostrom aus finanziellen Gründen weist Pernkopf ebenso zurück. Vor wenigen Tagen hat die Arbeiterkammer (AK) moniert, dass die Ausgaben für die Ökostromförderung laut einem bis 23. November aufliegenden Verordnungsentwurf pro Durchschnittshaushalt – bei rund 3500 Kilowattstunden Verbrauch – von heuer 103 Euro nächstes Jahr auf fast 120 Euro steigen. AK-Direktor Werner Muhm sagte, es müsse jetzt Schluss sein mit massiv steigenden Förderungen. Pernkopf hält dagegen, dass der Strompreis insgesamt seit 2012 zurückgegangen ist. Außerdem bleibe das für Ökostrom investierte Geld im Land, wo dieser zudem Arbeitsplätze schaffe. Niederösterreich hat seit 2002 insgesamt 2,8 Milliarden Euro in den Ökostromausbau investiert. 59 Prozent kommen nach Informationen des Landes aus der Großwasserkraft, 26 Prozent aus der Windkraft, neun Prozent aus Biomasse, vier Prozent aus Kleinwasserkraft und zwei Prozent aus Photovoltaik. Eines der nächsten Ziele ist es, bis zum Jahr 2050 die Hälfte des Gesamtenergiebedarfs durch Erneuerbare zu decken. Das Wasserkraftwerk Rosenburg soll ausgebaut werden. Das sorgt für Protest. Wien – Seit 1907 steht das Wasserkraftwerk Rosenburg im Kamptal. Der niederösterreichische Stromversorger EVN will es nun erneuern und ausbauen. Derzeit erzeugt Rosenburg Strom für rund 1.400 Haushalte, durch eine Modernisierung könnte die Kapazität verdoppelt werden, sagt EVN-Sprecher Stefan Zach. Ein 1,6 Quadratkilometer großes Erholungsgebiet würde dadurch jedoch zur Baustelle. Ein zu hoher Preis, kritisieren Umweltschützer und haben die Aktionsgruppe Lebendiger Kamp gegründet. Bis auf eine Bestandssanierung mit einem Austausch der Turbinen lehnt die Gruppe die Pläne der EVN, die im Besitz des Landes Niederösterreich ist, ab. Die Maximalvariante zum Ausbau des Kraftwerks würde den Staukamp von 700 auf 1.600 Meter verlängern. Die Flussstrecke unterhalb des Kraftwerks würde um bis zu eineinhalb Meter ausgebaggert, die Staumauer von vier auf sechseinhalb Meter erhöht werden. Dabei handelt es sich aber um eine von drei Varianten, die auf dem Tisch liegen, sagt Zach zum STANDARD. Naturschützer Matthias Schickhofer berät den WWF in dieser Angelegenheit. Das Gebiet ist als Landschafts- und Europaschutzgebiet gewidmet, sagt er und betont, dass es sich um einen der letzten naturnahen Flüsse Österreichs außerhalb der Alpen handelt. In den Wäldern, Flüssen und Auen leben etwa Uhus, Schwarzstörche, Smaragdeidechsen, Eisvögel und Alpenböcke, sagt Umweltaktivist Werner Gamerith. Das mittlere Kamptal müsse daher vor ökologischen Verschlechterungen bewahrt werden. Schon 1983 engagierte er sich erfolgreich gegen den Bau eines Kraftwerks in der ökologisch sensiblen Region. Die Wasserrahmenrichtlinie der EU macht jedoch eine Veränderung notwendig: Bei Kraftwerken muss künftig mehr Wasser im Flussbett verbleiben. Die EVN rechnet, so Zach, mit bis zu zwanzig Prozent weniger Leistung. Anfang Dezember hofft Zach auf eine Entscheidung für eine Variante. Die Bedenken und Wünsche der NGOs und Anrainer sollen darin berücksichtigt werden. Die Aktionsgruppe pocht auf eine reine Bestandssanierung ohne Ausbau. Sollte sich das für die EVN nicht mehr lohnen, wird eine Renaturierung empfohlen. Der Abriss eines Wasserkraftwerks wäre vor der Klimakonferenz in Paris das falsche Zeichen, entgegnet Zach. Meeresschutz-Organisation spricht von "Massaker". Torshavn - Beim Auftakt zur traditionellen Grindwaljagd auf den Färöerinseln sind zwischen 125 und 150 Tiere getötet worden. Die Meeresschutzorganisation Sea Shepherd führt seit Jahren einen Kampf gegen die Grindwaljagd auf den Färöern. Die Tiere werden - ähnlich wie bei der Waljagd in Japan - in eine Bucht getrieben und dort geschlachtet. Im Gegensatz zu den Naturschützern, die auf ihrer Homepage von einem Massaker sprachen, zeigte sich eine Gruppe von Schülern und Lehrern aus Grönland von dem Schauspiel in der Midvagur-Bucht auf der Insel Vagar laut einem Bericht der Zeitung Sermitsiaq positiv beeindruckt. Die Zahl 125 über die zu Beginn der Fangperiode getöteten Tiere stammt aus dem grönländischen Zeitungsbericht. Sea Shepherd schätzt die Zahl der geschlachteten Wale auf mindestens 150 und bezeichnete den Fang als den größten und blutigsten der vergangenen zwei Jahre. Das Fleisch der Grindwale wird praktisch ausschließlich von den Bewohnern der zu Dänemark, aber nicht zur EU gehörenden, Inselgruppe gegessen. Es gilt als besonders Quecksilber-belastet. Tausende Urlauber zieht Fidschi mit seiner Unterwasserwelt an. Nun droht ein Seestern, die Korallenriffe zu zerstören. Die Korallenwand ist etwa zwanzig Meter hoch. Bedeckt von farbigen Weich- und Hartkorallen. Eine Muräne äugt die Taucher neugierig an. Ein Papageienfisch knabbert an einer abgestorbenen Steinkoralle. Hinter den Tauchern, kaum zu sehen im tiefen, endlosen Blau, dort wo das Riff aufhört und die Tiefe beginnt, kreisen mit kraftvoller Eleganz vier Haie. Doch die Taucher sind viel zu beschäftigt, um die Raubfische zu sehen. Lange müssen sie nicht suchen. Mit einem langen Eisenhaken angelt einer einen großen Seestern aus einem Spalt in der Wand. Sein Kumpel packt das Tier in einen Sack. Nach knapp 40 Minuten unter Wasser sind 21 Dornenkronenseesterne im Beutel. Ein zweites Team, nur etwa 20 Meter entfernt, hat 17 Tiere eingesammelt. Wieder an Land, ist Daniel Bolling gleichzeitig zufrieden und enttäuscht. Eigentlich hätten wir lieber keine gefunden, sagt der amerikanische Meeresbiologe. Seit zwei Jahren ist er täglich auf der Jagd in den Gewässern vor der kleinen Insel mit dem Namen Barefoot (Barfuß). Eine Trauminsel wie aus der Urlaubsbroschüre, inklusive weißen Sandstrands und Palmen. Doch Bolling ist nicht zum Spaß hier. Er und seine Frau Heather Pacey, eine Meeresumweltexpertin, kämpfen gegen ein Monster: Der Dornenkronenseestern ist für Korallen ein schädliches Raubtier. Der Dornenkronenseestern (Acanthaster planci) wird manchmal größer als eine Bratpfanne und besitzt viele Arme und giftige Stacheln. Seine Essgewohnheiten sind alles andere als appetitlich. Der Stern stülpt sich über eine Steinkoralle und gießt seinen Mageninhalt darauf. Die Verdauungssäfte töten die Koralle, lösen sie auf. Diese Masse saugt der Stern dann auf. Bis zu einem Quadratmeter Korallen könne ein Tier pro Tag auf diese Weise fressen, sagt Bolling. Das sei im Normalfall nicht schlimm. Die Seesterne gehörten zum Ökosystem im Riff. Doch in den vergangenen Jahren hätten sie sich zu einer Plage entwickelt. Millionen überfallen die Riffe und fressen sie innert kürzester Zeit kahl. Was bleibt, ist Korallenschutt: weiß, grau, tot. Das ist besonders schlecht für Orte, die wegen des Tourismus auf Riffe angewiesen sind, sagt Bolling. Auf den Yasawa-Inseln, zu denen Barefoot gehört, ist Tourismus für bis zu 90 Prozent des Einkommens der lokalen Bewohner verantwortlich. Tourismus ist eine entscheidende Einkommensquelle für das ganze Land und mit 1,3 Milliarden Dollar pro Jahr ein wichtiger Devisenbringer. 17 Prozent des Bruttoinlandprodukts erwirtschaftet Fidschi mit Tourismus. 40.000 Menschen sind in dieser Industrie beschäftigt. Mehr als 600.000 Besucher reisen jährlich ins Südseeparadies. Fidschi ist nicht allein mit dem Seesternproblem. Das Barrier Reef in Australien, wo Bolling früher gearbeitet hatte, ist ebenfalls stark befallen. Dort versuchen Forscher, den Tieren mit einer Giftinjektion Herr zu werden. In Fidschi sei das keine Option, sagt Bolling. Die Tiere zu zerschneiden sei auch keine Lösung. Dann hat man nämlich zwei. Der Raubzug der Seesterne wird von Meeresexperten rund um den Globus erforscht. Doch zu einem festen Ergebnis sei man noch nicht gekommen. So glaubten die meisten Forscher, dass die Erwärmung der Meere als Folge des globalen Klimawandels eine zentrale Rolle spiele. Auch Überfischung sei ein Grund, weshalb sich die Tiere so stark vermehren. Große Fische, die normalerweise diese Sterne fressen, gibt es immer weniger. Bolling meint, chinesische Fischkutter würden die Gewässer in den Fidschi-Inseln buchstäblich leerfischen. Die Behörden in der Hauptstadt Suva seien sich dessen bewusst, fühlten sich aber machtlos. Es sind in Fidschi nur vier chinesische Fischkutter registriert. Ich bin aber überzeugt, dass über hundert in diesen Gewässern fischen. So bleibt Bolling nicht viel mehr, als so viele der Seesterne wie nur möglich einsammeln zu lassen, Tag für Tag. An einem windigen Ort der Insel ist jeden Abend Endstation für diese vielbeinigen Vielfresser. Sie werden vermessen, katalogisiert und danach im Sand vergraben. Von jungen Touristinnen und Touristen aus aller Welt. Die können hier im Rahmen eines Freiwilligenprogramms als Sternjäger arbeiten. Und sie bezahlen erst noch für das Privileg. Das Geld fließt in die lokale Gemeinde, in Schulen, in die Krankenversorgung. So sind die Seesterne wenigstens für etwas gut, sagt Bolling. Denn nicht einmal essen kann man sie. Zweitägige Konferenz mit zahlreichen Akteuren in Lyon. Paris – Die Europäische Union will den Kampf gegen den Schmuggel mit Elektroschrott verstärken und gegen die unsachgemäße Entsorgung der Abfälle vorgehen. Dazu begann am Donnerstag im französischen Lyon eine zweitägige Konferenz mit Akteuren aus allen betroffenen Bereichen, darunter Vertreter der Recyclingsysteme, Polizei und Grenzbehörden sowie Produzenten von Elektrogeräten und NGOs. Ziel des Treffens sei es, gute Praktiken der einzelnen Länder zu sammeln und Empfehlungen für die EU zu erarbeiten, sagte Guillaume Duparay von der Organisation Eco-systèmes. Im Jahr 2012 wurden in Europa lediglich 3,3 Millionen Tonnen Elektroabfälle sachgemäß gesammelt und recycelt – bei einem Gesamtaufkommen von rund 9,3 Millionen Tonnen. Nach Angaben des europäischen Projekts gegen den illegalen Handel mit Elektroabfällen (CWIT) wurde der Rest zum Teil unter den Hausmüll gemischt, was gegen Umweltauflagen verstößt und die Verarbeitung des Elektroschrotts erschwert. Zudem wurden geschätzte zehn Prozent des Abfalls illegal exportiert. Oft landet er dann in Afrika und Asien und wird letztlich auf offenen Deponien entsorgt. Die Metalle und wertvollen Stoffe der Geräte können bei falscher Entsorgung nicht gewonnen werden. Zu Elektroschrott zählen Computer, Flachbildschirme, Telefone und Teile dieser Produkte. WWF ruft weitere Staaten zu Bestandserhebungen der Tiere auf. Kuala Lumpur/Wien – Im Himalayastaat Bhutan ist erstmals eine Tigerzählung durchgeführt worden. 103 Tiere leben laut den am Mittwoch von der Regierung präsentierten Zahlen in freier Wildbahn, berichtete die Naturschutzorganisation WWF in einer Aussendung. Bei einer früheren Schätzung war von 75 Raubkatzen ausgegangen worden. Der WWF warnte zum Tag des Tigers vor einem Aussterben der Art. Bhutan reihte sich in die Liste jener Länder ein, die bisher nationale Bestandserhebungen zur Tigerpopulation durchgeführt haben. Wissenschaftlich durchgeführte Zählungen wie auch in Nepal, Indien, Russland und Bangladesch sind laut WWF eine wichtige Voraussetzung, um die Verdoppelung des Gesamtbestandes der Tiere bis zum Jahr 2022 zu erreichen. Dieses Ziel wurde 2010 von den 13 Tigerstaaten auf der Konferenz von St. Petersburg beschlossen. Der WWF rief deshalb alle beteiligten Länder zur Zählung ihrer Bestände auf. Länder, die keine Tigerzählungen durchführen, riskieren, dass sie dort aussterben, betonte WWF-Tigerexperte Mike Baltzer. Ohne Zählung gibt es weniger Unterstützung von Seiten der Regierungen, mehr Wilderei und die Zerstörung der Lebensräume der gestreiften Großkatzen schreitet schneller voran. Teile von Tigern sind ähnlich wie Elfenbein und Nashorn-Hörner in Asien sehr begehrt und werden noch immer für pseudomedizinische Zwecke eingesetzt, hieß es in der Aussendung. Wie viele wilde Tiger in Asien leben ist unbekannt. Schätzungen ergaben 2010 die Zahl von 3.200 Tieren. Vor einigen Tagen hatte auch die Regierung von Bangladesch die Zahl der dort wild lebenden Tiger bekannt gegeben. Die wissenschaftliche Zählung ergab 106 Tiger, wesentlich weniger als vorher geschätzt wurden. Der WWF ging nun davon aus, dass die frühere Zählung auf einer weniger verlässlichen Methode beruhte und deshalb zu einer Überschätzung des Bestands führte. Forscher des Max-Planck-Instituts brauchen Hilfe bei der Erforschung von Afrikas Urwäldern. Wie leben wilde Schimpansen in den Urwäldern Afrikas? Was macht ein Leopard nachts? Was fressen Stachelschweine? Bequem von der Couch aus können Hobbyforscher nun Wildtiere beobachten und dabei freiwillige Arbeit leisten. Ziel ist es vor allem, Menschenaffen auf Urwaldvideos zu finden. Aufgenommen wurden die Dschungelfilme mit Kamerafallen in 15 Ländern West- und Zentralafrikas, teilt Volunation mit. Die Organisation betreut weltweite Freiwilligenarbeit. Es sollen neue Erkenntnisse über die Verbreitung der Schimpansen und ihre Lebensweise gewonnen werden. Daher soll auch der Gebrauch von Werkzeugen näher unter die Lupe genommen werden. Aufgabe der ehrenamtlichen Schimpansen-Jäger ist es, sich die Videos am Computer anzuschauen. Sobald ein Lebewesen auf dem Bildschirm erscheint, braucht nur ein entsprechendes Feld angeklickt zu werden. Der Betrachter soll dann weitere Fragen beantworten, etwa ob es sich um Schimpansen oder andere Wildtiere wie Büffel, Elefanten oder Schuppentiere handelt. Auch Gorillas tauchen in den Filmen auf. Bei Unklarheiten steht ein Forum bereit, in dem sich die Freizeitforscher austauschen und Kontakt zu Experten aufnehmen können. Die Forscher des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie in Leipzig haben bisher 200.000 Filme mit einer Länge von über 7.000 Stunden aufgenommen. Zur Online-Auswertung wurden die Aufnahmen in 15 Sekunden lange Videosequenzen aufgeteilt. Das Projekt soll 2017 abgeschlossen werden. Neue Erkenntnisse über die Lebensweise und Vorkommen wildlebender Schimpansen in unterschiedlichen Lebensräumen sollen den Wissenschaftern Hinweise zur Entstehung des modernen Menschen geben. Schimpansen gehören zu unseren nächsten Verwandten. 'Der Staat müsse seine Emissionen in den Griff bekommen, fordert Hillary Clintons Wahlkampfleiter. Kanada muss sich beim Klimawandel auf eine immer größer werdende Kluft zu den Vereinigten Staaten einstellen. Es sei denn, Kanada bekommt die übermäßigen Emissionen durch die Förderung der Alberta-Teersände in den Griff. Das meint zumindest John Podesta, Berater von Barack Obama und Hillary Clinton. Podesta sagte in einem Gespräch mit dem Guardian, dass Kanada mehr tun müsse, um die Folgen durch den Abbau der CO2-Teersände vor der wichtigen UN-Konferenz in Paris im Dezember auszugleichen. Diese hat eine internationale Vereinbarung zur Bekämpfung des Klimawandels zum Ziel. Der kanadische Premierminister Stephen Harper ist ein Fürsprecher der Ausweitung der kontrovers diskutierten Förderung der Teersände Waldflächen verringerten sich in den vergangenen fünf Jahren um nur noch 0,08 Prozent pro Jahr. Rom – Die Abholzung der Wälder hat sich in den vergangenen Jahren verlangsamt. Zu diesem Schluss kommt die UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) in ihrem am Montag veröffentlichten Weltwaldbericht. Demnach verringerten sich die Waldflächen weltweit in den 1990er-Jahren um jährlich 0,18 Prozent. In den vergangenen fünf Jahren betrug der Nettoverlust noch 0,08 Prozent pro Jahr. FAO-Generaldirektor José Graziano da Silva sprach von einem sehr ermutigenden Trend. Nach dem Bericht der Welternährungsorganisation, der am Montag von da Silva und Südafrikas Präsident Jacob Zuma bei einem Kongress in Durban vorgestellt werden sollte, gab es 2015 noch 3,999 Milliarden Hektar Wald auf der Welt. Das entspricht 30,6 Prozent der Landfläche des Planeten. Dies bedeutet einen Netto-Rückgang um 129 Millionen Hektar (1,29 Mio. Quadratkilometer) seit dem Jahr 1990 – so groß ist etwa das Staatsgebiet Südafrikas. Während aber in Europa und Asien die Wälder wachsen, schrumpfen sie in Afrika, Nord-, Mittel- und Südamerika sowie in Ozeanien weiter. Den meisten Wald gibt es demnach in Russland. Im größten Land der Erde sind knapp 815 Millionen Hektar bewaldet. An zweiter Stelle steht Brasilien mit knapp 494 Millionen Hektar. Doch der südamerikanische Riese ist zugleich der größte Waldvernichter mit einem gemeldeten Verlust von jährlich 984.000 Hektar im Zeitraum 2010 bis 2015. Auf der Negativliste folgen Indonesien und Myanmar. Dagegen steht China mit gut 1,5 Millionen Hektar pro Jahr an oberster Stelle der Aufforster, gefolgt von Australien und Chile. Laut FAO wurden für die neueste Ausgabe der alle fünf Jahre erscheinenden Studie 234 Länder beziehungsweise Territorien ausgewertet. Der diesjährige Report komme zu einem entscheidenden Zeitpunkt, an dem die Nachhaltigen Entwicklungsziele (SDG) für 2030 definiert würden, sagte da Silva. Er sei auch wichtig mit Blick auf die Klimakonferenz in Paris im Dezember. Wälder speichern große Mengen Kohlenstoff und tragen erheblich zur Luftqualität bei. Zu einer weniger zuversichtlichen Einschätzung als die FAO kam am vergangenen Mittwoch die US-Online-Plattform Global Forest Watch (GFW). Sie meldete, die Erde habe 2014 rund 18 Millionen Hektar Wald verloren, was der größte Jahresverlust seit 2001 sei. Nach Angaben des Weltressourceninstituts (WRI) werden Wälder vor allem gerodet, um Flächen zur Gewinnung von Rohstoffen wie Gummi und Palmöl sowie für Rinderfarmen und Sojaanbau zu schaffen. 'Die Aufhebung der verpflichtenden Untersuchung für Schlachttiere gefährdet die Gesundheit, warnt Global 2000. Wien/Klagenfurt – Global 2000 hat ein frisch geschlachtetes Schaf und ein fünf Monate altes Lamm an der Lebensmittelversuchsanstalt Klosterneuburg auf Hexachlorbenzol (HCB) untersuchen lassen. Der Hof, von dem die Tiere stammten, liegt sieben Kilometer vom Zementwerk Wietersdorfer im Kärntner Görtschitztal entfernt. Das ausgewachsene Tier wurde bis zum Bekanntwerden des dortigen HCB-Skandals im Freien gehalten, erhielt aber seit Dezember des Vorjahrs HCB-freies Austauschfutter. Es wies bei der Untersuchung eine HCB-Belastungen von 17 beziehungsweise 18 Mikrogramm pro Kilo im Faschierten beziehungsweise Schlögel sowie 107 Mikrogramm pro Kilo im Nierenfett auf. Das Lamm hingegen, das im April geboren wurde und somit nie mit kontaminiertem Futter in Kontakt kam, wies lediglich geringe Spuren von HCB mit weniger als einem Mikrogramm pro Kilo auf. Dieses Ergebnis ist in hohem Maß alarmierend, sagt Global-2000-Umweltchemiker Helmut Burtscher. Denn Tiere, die über einen längeren Zeitraum HCB-belastetes Futter erhielten, weisen demnach noch Monate nach der Futterumstellung eine hohe HCB-Belastungen auf. Die von der Med-Uni Wien berechneten Maximalwerte für HCB sind um das Neunfache überschritten, so Burtscher. Unsere Blutuntersuchungen an 135 Personen aus dem Görtschitztal haben gezeigt, dass diese Menschen eine deutlich erhöhte HCB-Belastung aufweisen, sagt Hans Peter Hutter von der Med-Uni Wien. Die Uni wurde daher beauftragt, auf Basis dieser Blutwerte HCB-Grenzwerte zu berechnen. Das Ziel ist, damit sicherzustellen, dass belastete Personen weniger HCB aufnehmen als ausscheiden und daher eine Entgiftung stattfinden kann. Unsere Berechnungen zeigten, dass diese toxikologisch begründeten Maximalwerte zum Teil sehr deutlich unterhalb der geltenden EU-Grenzwerte für HCB liegen, sagt Hutter. Jetzt geht es darum, für die belasteten Menschen im Görtschitztal sicherzustellen, dass diese gesundheitlichen Richtwerte nicht überschritten werden. Der Bescheid des Landes Kärnten zur Aufhebung der HCB-Untersuchungspflicht ist wissenschaftlich nicht nachvollziehbar und prolongiert die Gefährdung der menschlichen Gesundheit im Görtschitztal, kritisiert Global-2000-Umweltchemiker Burtscher. Denn der EU-Grenzwert, auf dessen Einhaltung sich der Bescheid bezieht, ist nicht sicher. Darüber seien sich die Experten des Umweltbundesamts, der Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit und der Med-Uni einig, sagt Burtscher. Ein Ersuchen des Gesundheitsministeriums an die EU-Kommission, den HCB-Grenzwert neu zu bewerten, hat die Kommission allerdings abgelehnt. Fragwürdig ist laut Burtscher auch die Annahme einer Halbwertszeit von 73 Tagen für den HCB-Abbau bei Nutztieren. Denn beim Menschen liegt diese Halbwertszeit bei durchschnittlich sechs bis sieben Jahren. So lange werde es dauern, bis die HCB-Belastung in Körperfett, Blut und Muttermilch der Görtschitztaler Bevölkerung auf die Hälfte reduziert sein wird. Global 2000 fordert daher ein Bündel an Maßnahmen: eine umgehende schriftliche Information an alle Görtschitztaler Haushalte über die von der Med-Uni berechneten Maximalwerte für HCB in Lebensmitteln, deren Einhaltung erforderlich ist, um eine Entgiftung der belasteten Bevölkerung zu ermöglichen Energiekonzern kapituliert plötzlich und unerwarte – Greenpeace fordert von Ölkonzern ein Ende aller Arktis-Ölbohrpläne. London – Die Kapitulation kommt plötzlich und unerwartet. In einem eher dürren Statement gibt der Shell-Konzern am frühen Montag bekannt, dass er in Ölbohrungen vor Alaska das Handtuch wirft. Shell wird jetzt weitere Erkundigungen Offshore Alaska für die absehbare Zukunft beenden, heißt es in der Erklärung. Zugleich muss der Konzern einräumen, dass er damit Milliarden in den Sand gesetzt hat. Umweltschützer und Öko-Aktivisten reiben sich die Augen: Haben sie diesmal womöglich mit ihren jahrelangen Protesten Erfolg gehabt? Erst am Sonntag hatte Greenpeace mit einer Aktion an zahlreichen deutschen Shell-Tankstellen gegen umstrittene Arktis-Bohrungen mobilisiert. Haben die Umweltschützer einen der mächtigsten Ölkonzerne der Welt in die Knie gezwungen? Offiziell will der britisch-niederländische Konzern davon freilich nichts wissen. Offiziell heißt es, nach den sommerlichen Probebohrungen im Burger J Feld in der Tschuktschensee im Norden Alaskas habe sich gezeigt, dass es dort nicht genügend Öl gebe, um weiter Erkundigungen vorzunehmen. Die bisherigen Ergebnisse seien schlichtweg enttäuschend. Doch eigenartig: Zugleich betont Marvin Odum, Chef von Shell Upstream Americas, in derselben Erklärung, dass man in dem Bassin nach wie vor erhebliches Potenzial sehe, dass das Gebiet letztlich von entscheidender Bedeutung für Alaska und die USA werden könne. Über die tatsächlichen Motive, die zur Kehrtwende führten, äußert sich der Konzern lediglich in Andeutungen. Von hohen Kosten in Zusammenhang mit dem Projekt ist die Rede. Vage und zugleich vielsagend spricht die Erklärung aber auch von unvorhersehbaren Vorschriften und Regulierungen vonseiten der US-Regierung – dabei hatte Washington erst im Sommer endgültig grünes Licht gegeben. Tatsächlich zählen Bohrungen in den nördlichen Gewässern zu den umstrittensten Projekten der Ölsuche überhaupt, wie Ökologen immer wieder betonen. Schätzungen zufolge liegen rund 30 Prozent des noch unangezapften Erdgases und 12 Prozent der weltweiten Erdölreserven unter der Arktis. Längst sind die Arktis-Anrainer – allen voran Russland und die USA – dabei, sich langfristig Pfründe zu sichern. Angesichts der weltweiten Dauerproteste meint selbst ein Experte des zurückhaltenden britischen BBC-Senders, die Bohrungen vor Alaska sind politisch sehr, sehr schwierig geworden. Zudem machten rasant gefallene Ölpreise die Bohrungen derzeit weniger attraktiv. Nicht zuletzt dürfte Shell auch die Kontroverse innerhalb der USA irritieren. So hatte Hillary Clinton, aussichtsreiche Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten, die jüngste Bohrerlaubnis von Präsident Barack Obama für Shell offen kritisiert. Mehr noch: Sie droht, die Erlaubnis im Falle ihres Wahlsieges zurückziehen. Ironie der Geschichte: Ausgerechnet der Klimawandel erleichtert die Suche nach Bodenschätzen. Denn je mehr das Eis schmilzt, desto zugänglicher werden die üppigen Öl- und Gasreserven, die darunter vermutet werden. Doch die Risiken sind extrem hoch, die Gewässer vor Alaska sind extrem flach – ein Ölaustritt würde zur Katastrophe. Der Ausstieg wird nicht gerade billig für Shell. Die finanziellen Belastungen für den Stopp bezifferte Shell auf etwa 3 Mrd. US-Dollar (2,7 Mrd. Euro), bezogen auf den Buchwert des Projektes. Weitere 1,1 Mrd. Dollar dürften für zukünftige Vertragsverpflichtungen anfallen. Details will das Unternehmen bei den nächsten Quartalszahlen vorlegen. Greenpeace selbst kann Shells Kehrtwende noch gar nicht recht glauben. Wir sind vorsichtig froh, meint eine Sprecherin in Amsterdam. Wenn dieser Beschluss endgültig ist, dann haben wir gesiegt. Europa droht die Invasion des Eschenprachtkäfers. Botaniker Franz Essl forscht an der Uni Wien zu den Auswirkungen. Ein schöner Anblick: Der Panzer des Eschenprachtkäfers schillert metallisch-grün und ist mit bläulichen und goldfarbenen Sprenkeln durchzogen. Trotzdem erfreut er sich wenig Beliebtheit. Der maximal zwei Zentimeter große Käfer, der ursprünglich aus China kommt, wurde mit Holztransporten zuerst nach Moskau eingeschleppt. Dort wurde er 2003 entdeckt und breitet sich seither Richtung Europa aus. Erfahrung mit dem Insekt hat man seit circa 2002 auch in Nordamerika: Dort verschwanden innerhalb weniger Jahre mehrere Milliarden Eschen. Botaniker Franz Essl forscht mit einem Team an der Universität Wien über Ausbreitung und Auswirkungen in Europa. Neben Buche und Eiche ist die Esche hier einer der wichtigsten Laub- und Forstbäume. Die Gefahr, wenn er erst einmal da ist, ist riesengroß, sagt er. Der Käfer legt seine Eier in die Rinde. Die Larven fressen sich durch das Kambium, das Wasserleitungsgewebe des Baumes. Befallene Eschen sterben innerhalb weniger Jahre ab. Die befallene Fläche in Russland ist bereits doppelt so groß wie Österreich. Eine lückenlose Kontrolle aller Holzimporte nach Europa ist kaum möglich. Aber selbst, wenn das gelänge, ist davon auszugehen, dass der Käfer in absehbarer Zeit Mitteleuropa und somit auch Österreich aus eigener Kraft erreichen wird, sagt Essl. Der Käfer breitet sich aktuell mit 13 bis 31 Kilometern pro Jahr aus. Eine Ausrottung in Europa ist nicht mehr möglich – hier hätte man ganz zu Beginn der Einschleppung reagieren müssen, sagt Essl. Wichtig sei nun, durch Importbeschränkungen und Quarantänemaßnahmen für Eschenimporte aus Russland Zeit zu gewinnen. Das geschieht in Europa über die Europäische Pflanzenschutzorganisation EPPO mit Leitlinien, die die Einfuhr von Eschenholzprodukten aus Russland sowie deren Kontrolle auf Eschenprachtkäferbefall regeln. In Österreich kommt die Esche vom Tiefland bis in die höheren Alpenlagen vor und ist in einigen Waldtypen dominierend. Mehrere 100 Insektenarten leben überwiegend auf dieser Baumart. Zurzeit arbeiten Forscher an Maßnahmen, die die Schäden verringern: Dazu gehören die Erforschung von Fressfeinden und die Suche nach Eschenvarietäten, die weniger verwundbar sind. Grundstoff für Schokolade ersetzt in Peru immer öfter illegale Geschäfte – Nachhaltiger Konsum in Österreich unterstützt Entwicklung. Die Herstellung von Kakao zählt zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Tätigkeiten in Peru. Der dynamisch wachsende Anbau von Biokakao (2014: plus 80 Prozent) verdrängt schrittweise den Kokaanbau. Dies ist letztendlich auch der Fairtrade-Organisation zu verdanken, die zahlreiche neu gebildete Genossenschaften beim Anbau von Kakao unterstützt. Amora Carbajal Schumacher, Generaldirektorin des Außenhandelsinstitutes von Peru, bestätigte anlässlich der Mailänder Weltausstellung Expo das neue Phänomen. Im Kakao-Cluster bei der Expo wurden Videos der Kleinbauern aus Peru beim Anbau von Kaffee, Kakao und Zuckerrüben gezeigt und damit dokumentiert, wie Bauern vom illegalen Kokaingeschäft auf legale Produktionen umsteigen. Der Oktober stand bei der Mailänder Expo auch im Zeichen von Fairtrade. Dabei handelt es sich um einen kontrollierten Handel: Den Kleinbauern wird für die gehandelten Produkte meist ein von den Organisationen festgelegter Mindestpreis bezahlt. Insgesamt sind 1,5 Millionen Kleinbauern aus Asien, Afrika und Südamerika Mitglieder solcher Organisationen. Große Handelsketten, etwa Coop oder Spar, vertreiben dann die Produkte mit dem Fairtrade-Markenzeichen. In der Slowfood-Halle des Expo-Areals wurde über die Möglichkeit, dass Kleinbauern den Planeten ernähren, und über die damit verbundenen neuen Herausforderungen diskutiert. Dazu gehören zweifellos die weltweiten Klimaveränderungen. Tausende von Kleinbauern, die Fairtrade angehören, wurden bereits geschult, den Anbau dem Klimawechsel anzupassen. Abgesehen von Bananen sind Kaffee, Kakao, Zuckerrohr, Tee und Kokos die meistgehandelten fairen Produkte. Randprodukte, wie etwa Baumwolle, gewinnen jedoch bereits an Bedeutung. Dynamische Wachstumsquoten weisen auch Fairtrade-Blumen mit einer Zunahme von acht Prozent im Vorjahr auf. Insgesamt wurden 2014 rund 275,6 Millionen Schnittblumen, vor allem Rosen, gehandelt. In Österreich sei jede dritte verkaufte Rose ein Fairtrade-Produkt, sagt der Geschäftsführer von Fairtrade Österreich, Hartwig Kirner, bei der Expo zum STANDARD. Fairtrade Österreich wurde vor 22 Jahren gegründet, die Marke hat mit 92 Prozent einen überdurchschnittlich hohen Bekanntheitsgrad. Die Umsatzentwicklung von Fairtrade-Waren steigt in Österreich zweistellig pro Jahr und hat von 87 Millionen Euro im Jahr 2010 auf geschätzte 149 Millionen im Jahr 2014 zugenommen. Gleichzeitig entwickelte sich das weltweite Fairtrade-Geschäft von 4,4 Milliarden Euro im Jahr 2010 auf 5,9 Milliarden im Vorjahr. Der Geldfluss an die Kleinbauern machte allein aus Österreich im Vorjahr 26,5 Millionen Euro aus. Der Betrag setzt sich aus den Fairtrade-Prämien, dem Mindestpreis und dem Bioaufschlag zusammen. Nicht alle Produkte müssen bio sein, sagt Geschäftsführer Kirner. Bisher wurden in Österreich nur Biobananen mit der Fairtrade-Marke zertifiziert, das soll sich in Kürze ändern. Zu den ersten Handelsmitgliedern zählten M-Preis aus Tirol und die Lebensmittelkette Spar. Inzwischen führen nahezu alle großen Supermärkte Fairtrade-Produkte in ihrem Angebot. Mehrere österreichische Süßwaren, etwa Schwedenbomben oder Schokobananen von Manner, werden ebenfalls aus Fairtrade-Kakao erzeugt. Die wichtigste Zielgruppe seien junge Mütter, die mehr auf die Ernährungsqualität ihrer Kinder Wert legen als die vergangenen Generationen. Fairtrade soll in Zukunft die Normalität und nicht wie bislang die Ausnahme im Handel darstellen, wünscht sich Kirner. Amnesty: Kontaminierung im größten Ölfördergebiet Afrikas noch immer mit bloßem Auge sichtbar. London/Abuja – Der Mineralöl-Gigant Shell hat nach Angaben von Menschenrechtsorganisationen fälschlich behauptet, vier stark verschmutzte Gebiete im nigerianischen Niger-Delta gesäubert zu haben. Wie Amnesty International und das Zentrum für Umwelt, Menschenrechte und Entwicklung (CEHRD) in einem am Dienstag veröffentlichten Bericht mitteilten, ist die Kontaminierung im größten Ölfördergebiet Afrikas noch immer mit bloßem Auge sichtbar. Jeder, der die verschmutzten Standorte besucht, kann sehen und riechen, wie die Verseuchung sich ausgebreitet hat, sagte Amnesty-International-Forscher Mark Dummett. Shell habe bereits vor Jahren angegeben, die Standorte gereinigt zu haben. Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen hatte die Gebiete 2011 als hoch vergiftet eingestuft. Ölunfälle haben eine verheerende Wirkung auf den Boden, Wälder und Fischgründe, auf die Tausende von Menschen im Niger-Delta für ihren Lebensunterhalt angewiesen sind, sagte Dummett. Die Menschen seien dort von Erdöldämpfen, ölverkrustetem Boden und Ölteppichen umgeben. Die Menschenrechtsorganisationen machen in ihrem Bericht auch die nigerianische Regierung für die anhaltende Umweltverschmutzung verantwortlich. Die nationale Umweltschutzbehörde sei unterbesetzt und korrupt, hieß es. Nigeria ist der sechstgrößte Ölproduzent der Welt. Shell betreibt ungefähr 50 Ölfelder und 5.000 Kilometer Öl-Pipelines im Niger-Delta. Der Konzern habe sich zu fast 1.700 Ölunfällen seit 2007 bekannt, doch die tatsächliche Zahl der Unfälle sei vermutlich höher, teilte Amnesty mit. Vorbild Schweiz mit "offenen Stalltüren". Graz – Die österreichische Landwirtschaftskammer hat sich am Dienstag bei einem Symposiums in Graz für mehr Tierwohl in der heimischen Produktion ausgesprochen. Die höheren Standards stünden aber im Widerspruch zu Billigpreisen, die durch Fleisch aus dem Ausland in den Regalen den Markt bestimmten. Der Kunde muss den Weg mitgehen, so Kammerpräsident Hermann Schultes. Unter Tierwohl sei kein Wellnessprogramm für Hühner und Schweine zu verstehen, sondern es muss gelingen, den Kunden an das heranzuführen, was sie kaufen: Wir müssen den Konsumenten die Chance gehen, dabei zu sein und das System Österreich bekannt machen, skizzierte Schultes die Pläne der Kammer. Vorbild sei die Schweiz, wo etwa auf der Speisekarte Wiener Backhuhn (Polen) mit Salat stehe. Aus Polen kommen aber tatsächlich nur wenige Hühner, die bei den Eidgenossen am Teller landen, ging Ruedi Zweifel, Direktor der Schweizer Stiftung Aviforum, bei Pressegespräch dazwischen: Unsere heimischen Geflügelbauern haben überlebt, weil wir haben die Konsumenten für uns gewonnen. Gelungen sei das mit offenen Stalltüren und Importauflagen, mit der eine Steuerung möglich sei. Als Nicht-EU-Land ist eine Importsteuerung einfacher als in Österreich, dennoch könne viel getan werden, etwa bei den rund 2,5 Millionen Mahlzeiten, die täglich von öffentlicher Hand ausgegeben werden – zum Beispiel in Spitälern, Schulkantinen oder Regierungsgebäuden. Die höheren österreichischen Standards gehören als Grundvoraussetzung einer Ausschreibung beim öffentlichen Einkauf nach dem Prinzip Best statt billig dazu, forderte Schultes. Die neue Vergaberichtlinie sei aber noch nicht in Kraft. Die steirische Tierschutz-Ombudsfrau Barbara Fiala-Köck pochte auf den Tierschutz, der alle angehe – Gastronomie, Schlachtindustrie und die Konsumenten: Augen auf beim Einkauf. Ich fordere ein faires Genießen. In der Realität würde Tierleid spätestens im Kühlregal ausgeblendet. Das Motto Geiz ist geil dürfe beim Thema tierische Lebensmittel aber nicht greifen. Die Kammer forderte auch EU-Tierwohlstandards für Bauten in Schwellenländern und Drittstaaten, die EU-Förderungen bekommen. Noch würden die Standards so gut wie nirgends vorausgesetzt, die erzeugten Produkte werden aber in die EU importiert: Wir verlangen, dass Österreich offiziell gegenüber der EU-Kommission und den internationalen Organisationen auftritt, damit die EU Tierwohlstandards zum Mindestbestandteil für direkt oder indirekt unterstützte Projekte werden, sagte Schultes. Eine Bürgerinitiative führt den Tierschutz gegen Windpark Schwarzenbach ins Treffen. Wiener Neustadt – Die Oberseite, der Kopf, der Hals und die Vorderbrust glänzen metallisch schwarz, das Gefieder schillert je nach Lichteinfall grünlich, purpurn oder kupferfarbig. Nur die Brust, der Bauch und der rumpfnahe Teil des Unterflügels sowie die Unterschwanzdecken sind weiß. Beim Vogel, auf den diese Beschreibung passt, handelt es sich um einen Schwarzstorch. Er ist Schreckgespenst für die einen und Hoffnungsträger für die anderen. Schreckgespenst ist der Vogel für die Proponenten eines Windparks in Schwarzenbach an der niederösterreichisch-burgenländischen Grenze. Dort, in Sichtweite der Burg Forchtenstein, sollten auf niederösterreichischem Boden nach ursprünglichen Plänen vier 90 Meter hohe Windräder aufgestellt werden. Dann wurde auf acht Anlagen mit je 200 Meter Höhe aufgestockt, bevor die Zahl der geplanten Windräder wieder etwas zurückgenommen wurde – auf nunmehr sechs. Kurz nachdem die Pläne von dreien der fünf Söhne des früheren niederösterreichischen Landesrats Franz Blochberger (VP) ruchbar geworden waren, in Schwarzenbach einen Windpark zu errichten, formierte sich Widerstand, und zwar in der Nachbargemeinde Hochwolkersdorf. Dort ist der Schwarzstorch ein Hoffnungsträger, haben doch Anrainer heuer im Sommer einen mit zwei Schwarzstorchjungen sowie dem Elternpaar bestückten Horst im Wald gefunden. Nach Ansicht der Naturschutzorganisation Birdlife dürfen im Radius von zwei Kilometern um den Horst keine Windkraftanlagen errichtet werden. Damit würde die recht kleine Zone zur Gewinnung von Windenergie in Schwarzenbach ausscheiden. Dieser Meinung hat sich auch der Leiter der Niederösterreichischen Umweltanwaltschaft, Thomas Hansmann, angeschlossen. Die Flächenwidmung Grünland/Windkraftanlagen sei aus zwingenden artenschutzfachlichen und -rechtlichen Gründen unverträglich. Helmuth Berghofer vom Komitee gegen den Windpark Schwarzenbach will die Causa bis zum Ende durchfechten, wie er dem STANDARD sagte. Auch wenn derzeit Gutachten gegen Gutachten steht. Wir haben noch einiges im Köcher, sagte Berghofer. Grüne verkleideten sich als Bäume. Bezirksvorsteherin Stenzel (ÖVP) ist gegen einzelne Maßnahmen, hält an verkehrsberuhigter Begegnungszone fest. Wien – Oberkörper, Gesicht und Arme sind mit grüner Körperfarbe bemalt. Aus dem grünen Rucksack schaut ein großer Bund kürzlich von einer Hecke heruntergeschnittener Zweige heraus. In dieser Montur, verkleidet als Bäume, spazierten zehn Grünen-Bezirkspolitiker der Inneren Stadt am Dienstag von der Seilerstätte in Richtung Schwarzenbergstraße in Wien, um ihrer Forderung nach mehr Bäumen, Alleen, Sträuchern oder begrünten Fassaden im ersten Bezirk Ausdruck zu verleihen. Der Grünraum sei in der Wiener City nämlich ungleichmäßig verteilt. Viel Baumbestand und grüne Flächen gebe es nur in der Ringstraßenzone, nicht aber in jenen Vierteln, in denen die meisten Leute wohnen. Und die würden deshalb unter dem Phänomen der Urban Heat Island leiden, also der Erhitzung von asphaltierten und betonierten Flächen, die dann auch nachts Wärme abgeben, sodass sich die Luft nicht abkühlen kann. Dieses Problem wird sich in Städten künftig verschärfen, heißt es etwa im österreichischen Sachstandsbericht zum Klimawandel. Die Anzahl der Hitzetage – Tagen mit Temperaturen über 30 Grad Celsius – stieg demnach von zwei im Jahr 1910 auf 17 im Jahr 2000. Studien – etwa von der Universität für Bodenkultur – zeigen, dass Grünflächen und Pflanzen das Mikroklima im urbanen Raum regulieren und dem Wärmeinsel-Effekt entgegenwirken können. Der Wiener erste Bezirk sei einer der europäischen Stadtkerne mit dem größten Grünflächenanteil, beruhigt eine Sprecherin von Bezirksvorsteherin Ursula Stenzel (ÖVP). Wo Begrünung möglich ist, werde begrünt, sagt sie zum STANDARD. Den Spaziergang der grünen Bezirksfraktion in Baumverkleidung bezeichnet sie als netten Aktionismus und Wahlkampfmethode. Die Bezirksvorsteherin sehe kleine kosmetische Aktionen – wie das Pflanzen einzelner Bäume – als nicht zielführend und halte an ihrer Forderung eines Gesamtkonzepts für die Wiener City fest. Stenzel verkündete im Februar dieses Jahres, den ganzen ersten Bezirk zu einer Begegnungszone umgestalten zu wollen. Der erste Bezirk liegt mit einem Grünflächenanteil von 9,5 Prozent deutlich über anderen inneren Bezirken, wie etwa der Wien-weit mit 1,9 Prozent am wenigsten grünen Josefstadt. Der neunte Bezirk – von der Fläche her ungefähr genauso groß wie der erste – hat einen Grünflächenanteil von 7,4 Prozent. Die Stadt zählt laut Baumkataster rund 4.000 Bäume in der Wiener City. Kfz-Stellplätze gibt es rund 10.000. Im Zentrum ist es um fünf Grad wärmer als am Stadtrand – Begrünte Fassaden sind billige Klimaanlagen. Wien – Österreich steht ein extremes Wochenende bevor: Am Samstag erreicht die Hitzewelle mit Temperaturen von bis zu 38 Grad einen vorläufigen Höhepunkt. Danach ziehen teilweise heftige Gewitter auf. Von einem Hitzetag wird gesprochen, wenn die Tagestemperatur die Marke von 30 Grad Celsius überschreitet. Zwischen 1961 und 1990 gab es in Wien rund 9,6 Hitzetage pro Jahr. 2010 stieg dieser Wert auf 15,2. In der dicht bebauten Stadt ist es im Hochsommer noch heißer als am Stadtrand. Wie die Aufzeichnungen der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik zeigen, kann die Temperaturdifferenz zwischen Innerer Stadt und den Randbezirken vier bis für fünf Grad betragen. Die Umweltschutzabteilung MA22 hat mit Wissenschaftern den Urban Heat Islands Strategieplan Wien (UHI-STRAT Wien) entwickelt, um Hitzeinseln zu reduzieren. Neue Stadtteile sollen auch unter diesem Gesichtspunkt geplant werden. In der Seestadt soll es zum Beispiel keine Straße ohne Baum geben, informiert die MA 22. Es gibt jedoch mehrere Faktoren, die urbane hot spots verstärken: Vor allem Gebäude und versiegelte Oberflächen speichern die Energie stärker als natürliche Oberflächen. Bebaute Flächen wirken als Barriere für den Luftaustausch und blockieren das kühle Lüfterl aus den umliegenden Wäldern und Landflächen. In der Nacht kühlt es kaum ab. Dazu kommt die Abwärme aus Betrieben, Klimaanlagen und Autos. Abhilfe schaffen märchenhaft verwachsene Mauern: Bei begrünten Fassaden wird die Umgebung durch Verdunstung gekühlt. Beispiele sind die Außenmauern der MA-48-Zentrale am Margaretengürtel oder der Bezirksämter in Margareten, Hernals und der Josefstadt, sagt Georg Patak von der MA 22. Auch private Gebäude wurden in Kooperation mit der Stadt Wien begrünt, so etwa das Dach am Bürogebäude BC 20. Die Initiative Progreencity untersucht die Auswirkungen von Fassadenbegrünungen in mehreren Städten, um eine Grundlage für eine flächendeckende Begrünung Europas zu liefern. In Wien werden die Effekte im östlichen Teil der Mariahilfer Straße mithilfe von Computersimulationen erforscht. Dazu wurde die aktuelle Situation der Bebauung erfasst. Danach wurden für einen Hitzetag im August 2013 zwei Szenarien simuliert: Der erste Fall zeigt das Mikroklima im aktuellen Zustand auf einer 3-D-Karte, der zweite analysiert die Situation, wenn an allen Fassadenoberflächen, außer in den Innenhöfen, Begrünungen angebracht werden. Auf der Mariahilfer Straße ergibt sich demnach während der Sonneneinstrahlung eine deutliche Reduzierung der gefühlten Temperatur. Während des Morgens und des Abends gibt es aufgrund der längeren Verschattung durch die Vegetation kühlende Effekte. Anlass der Simulation war die Erweiterung des Mikroklimamodells ENVI-met, das gibt Architekten und Städteplanern ein Werkzeug, um die Auswirkungen von baulichen Veränderungen auf das Stadtklima zu erkennen. Bernhard Scharf von der Boku Wien hat am Projekt mitgearbeitet. Der Ingenieurbiologe hat zudem das Bepflanzungskonzept für den Österreich-Beitrag bei der Expo in Mailand entwickelt: In einem künstlich geschaffenen Wald fühlt sich die Temperatur um fünf Grad niedriger an als in der Umgebung. Im Pavillon können Besucher spüren, was die Kombination von Natur und Technik mit heutigem Wissen ermöglicht, so Scharf. Die EU-Kommission hat den Wert dieses Naturkapitals erkannt, sagt der Wissenschafter. Grüne Infrastruktur soll EU-weit weiterwachsen. Seit zweitausend Jahren gilt Hundefleisch als koreanische Delikatesse. Eine rechtliche Grauzone hat eine Industrie ohne ethische Standards geschaffen. Die Jugend des Landes bricht daher immer öfter mit der Tradition. Wenn Kelly OMeara alle paar Monate von Washington nach Seoul fliegt, tut sie nichts anderes, als eine Hundefarm nach der anderen abzuklappern. Denn was die US-amerikanische Tierschützerin dort zu sehen bekommt, lässt sie keine Ruhe finden: Wenige Monate alte Hunde, eingesperrt in dreckige Gitterkäfige, die so klein sind, dass sich die Tiere kaum um die eigene Achse drehen können. OMeara versucht stets mit den Züchtern ins Gespräch zu kommen. Meist wird sie von ihnen verscheucht, doch manchmal landet sie auch einen Coup. Anfang des Jahres etwa gelang es der Leiterin der Humane International Society, einen einsichtigen Landwirt zu überreden, seine Farm am Stadtrand Seouls auf Heidelbeeren umzusatteln. Rund 2300 Euro zahlte sie dem Südkoreaner dafür und befreite dadurch 23 Hunde, die nun im US-Bundesstaat Virginia ein neues Zuhause gefunden haben. Für OMeara ist das freilich nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Jedes Jahr werden in Südkorea bis zu 200.000 Hunde verspeist. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung hat zumindest einmal im Leben davon gekostet, doch gleichzeitig brechen immer mehr junge Koreaner mit der Tradition - auch wenn diese tief in der Kultur des Landes verwurzelt ist. Seit mindestens 2000 Jahren werden auf der Koreanischen Halbinsel bereits Hunde verspeist, das hat mit der konfuzianischen Tradition des Landes zu tun. Der chinesische Gelehrte teilte die Tierart in Jagd-, Wach- und Zuchthunde ein. Von jeher sagte man dem Hundefleisch auch eine medizinische Wirkung nach: Bei Männern soll es aphrodisierend wirken und die Bauern auf dem Feld gegen die erdrückende Sommerhitze wappnen. Für Kang Dae-in ist das koreanische Leibgericht vor allem eines: ganz besonders bekömmlich, da das Fleisch ungesättigte Fettsäuren enthalte und nur wenig Cholesterin. Der 58-Jährige steht vorm Eingang seines Hunderestaurants, eine Wellblechhütte am Ende einer verwinkelten Steintreppe, und zieht an einer Zigarette. Seine Frau bereitet gerade das Mittagsgeschäft vor, es gibt wie immer in Brühe gekochtes Hundefleisch. Bis zu 120 Kilogramm servieren die Kangs ihren Kunden pro Woche, seit 50 Jahren leiten sie ihr Restaurant, mittlerweile in zweiter Generation. Die rechtliche Situation für Restaurantbesitzer wie Kang ist geradezu schizophren: So werden Hunde vom südkoreanischen Landwirtschaftsministerium als Nutztiere gelistet, was vom Gesetz jedoch nicht anerkannt ist. Viele Experten argumentieren, dass es zwar legal sei, Hunde für den Verzehr zu züchten und zu schlachten, der Prozess der Weiterverarbeitung als Nahrungsmittel wiederum sei verboten. Diese Grauzone würde zu einer grausamen Industrie ohne ethische Standards führen, argumentieren einheimische und internationale Tierschützer. Doch wieso gehen die Wogen bei Hundefleisch hoch, während der Verzehr von Rind- und Schweinefleisch im westlichen Ausland sozial weitgehend akzeptiert ist? Einen Missstand mit einem anderen zu vergleichen ist kein Argument, meint Stephen Bant. Der Wahlkoreaner gilt als einer der erbittertsten Gegner der Hundefleischindustrie. Für ihn haben Vierbeiner nun mal einen ganz besonderen Status für die Menschen, der sich in mehr als 20 Jahrtausenden Evolutionsgeschichte entwickelt hat. So lange nämlich liegen die ersten Domestizierungsversuche von Wölfen zurück. Außerdem darf man nicht die spezifischen Misshandlungen ignorieren, denen nur Hunde in Korea ausgesetzt sind, sagt er. Immer wieder berichten NGOs von Fällen, in denen ausgesetzte Haustiere auf Hundefarmen landen. Sie prangern Züchter an, die die Stimmbänder ihrer Hunde durchschneiden, um Lärmklagen von Anwohnern zu vermeiden. Und sie veröffentlichen Videos, auf denen die Tiere bei lebendigem Leib auf Haken aufhängt und mit Holzstöcken getötet werden. Angeblich soll das Fleisch besonders zart schmecken, wenn der Hund kurz vor seinem Tod große Mengen Adrenalin ausschüttet. Ach was, das passiert schon seit den frühen Siebzigern nicht mehr, sagt Kang. Seine Kunden sind hauptsächlich Männer in der zweiten Lebenshälfte. Die Jugend des Landes verschmäht in aller Regel Kangs Gerichte. Das hat auch mit einer gebürtigen Inzersdorferin zu: Franziska Donner war Ehefrau des ersten südkoreanischen Präsidenten Rhee Syng-man und gilt als erste prominente Kritikerin des Hundekonsums. Ihre Anstrengungen gingen jedoch in den Wirren des Koreakriegs unter, als Hundefleisch in Zeiten von Hungersnöten eine wertvolle Proteinquelle war. Erst in den 80ern flammte die Kritik wieder auf, diesmal unter der Leitung von Brigitte Bardot. Die französische Schauspielerin startete anlässlich der Olympischen Spiele in Seoul 1988 eine Kampagne gegen die Hundefleischindustrie, und die Regierung setzte alles daran, Negativschlagzeilen der ausländischen Presse zu vermeiden. Restaurantbesitzer Kang musste während der Olympischen Spiele das Schild vor seinem Lokal abnehmen und ließ nur mehr Stammkunden hinein. Zu groß war die Gefahr, Probleme mit der Polizei zu bekommen. Wirklich verstehen konnte er die Aufregung nicht: Das sind doch verschiedene Dinge: ob man einen Hund als Haustier hält oder gezielt für den Verzehr züchtet. Die Mur, noch in den 1980ern einer der schmutzigsten Flüsse Europas, kämpft ab Montag in Australien um einen internationalen Umweltpreis. Wien/Graz – Lange wurde die Mur künstlich begradigt und reguliert, damit sie als bedeutende wirtschaftliche Wasserstraße dienen konnte. So wurde alleine der natürlich mäandernde Flusslauf zwischen Graz und der slowenischen Grenze bei Bad Radkersburg um rund 15 Kilometer verkürzt. Auf das Ökosystem wurde dabei im vergangenen Jahrhundert kaum Rücksicht genommen, ungereinigte Abwässer wurden einfach in die Mur geleitet. Die Einstufung als einer der schmutzigsten Flüsse Europas war hochverdient und hielt sich bis in die 1980er-Jahre. Vor etwa 40 Jahren begann das Umdenken mit ersten Sanierungsarbeiten der Gewässergüte. 1995 startete das Land Steiermark mit Renaturierungen, um einst begradigte Flussverläufe wieder in ihren ursprünglichen Zustand zurück zu bauen. Das Projekt River Mur war geboren.Noch vor 30 Jahren hat sich alles von der dreckigen Mur abgewendet. Unser Ziel ist es, Leute wieder näher zum Fluss zu bringen. Das passiert gerade überall in Europa, sagt Jörg Raderbauer vom Büro freiland Umweltconsulting. Er hat mit seinem Team den Großteil der bisherigen Revitalisierungs-Projekte als Ingenieurkonsulent für Landschaftsplanung und Landschaftspflege geplant und begleitet. Bauherr ist die steirische Wasserwirtschaftsabteilung. In den vergangenen zwanzig Jahren wurden an der Oberen Mur, entlang der Grenze zu Slowenien sowie an der slowenischen Mur 30 Flusskilometer revitalisiert. Geschaffen wurden Seitenarme – damit der Fluss sowie Flora und Fauna wieder mehr Platz haben – Schotterbänke, Tümpel oder Fischwanderhilfen. Zudem wurden Maßnahmen zur Entwicklung neuer Auwälder gesetzt. Insgesamt wurden 14,5 Millionen Euro investiert. Das Land Steiermark, das Umweltministerium sowie Gemeinden übernahmen rund 50 Prozent. Die andere Hälfte schulterte die EU über Naturschutzprogramme. Neben ökologischen Faktoren wurde bei der Renaturierung auch Wert darauf gelegt, Freizeitmöglichkeiten wie Fußwege am Wasser zu schaffen. Früher hat der Fluss der Wirtschaft gehört. Jetzt soll er wieder der Allgemeinheit gehören, sagt Raderbauer.Im Rahmen des Projektes wurden für Bewohner der Grenzstädte Bad Radkersburg und dem slowenischen Gornja Radgona auch einfachere Zugänge zur Mur gebaut. Die einst zusammen gehörenden Städte wachsen so wieder enger zusammen. Für die bisher gesetzten Maßnahmen wurde das Projekt River Mur mit dem europäischen Umweltpreis der International River Foundation ausgezeichnet. Der Sieg bedeutete eine Nominierung zum Thiess International Riverprize, der mit umgerechnet rund 250.000 Euro dotiert ist und ab Montag im australischen Brisbane vergeben wird. Konkurrenten des steirischen Flusses sind ein australisches Umweltprojekt im Lake Eyre Basin sowie ein Projekt im jordanischen Jordan. Die Preisstifter und Unterstützer sind übrigens – ökologisch umstritten – weltweit tätige Minenbetreiber und Kohlegrubenbesitzer. Wofür die Mur aber nichts kann. Auch wenn sich die Qualität der Mur in nur wenigen Jahren drastisch verbessert hat: Als Badegewässer ist die Mur etwa im Raum Graz mit Gewässergüte II (mäßig verunreinigt) laut Raderbauer kein Thema. Dass zum Beispiel die Isar in München zum Badegewässer wurde, war einem (finanziellen) Kraftakt zu verdanken: Das Wasser aller Kläranlagen wird dort seit einigen Jahren mit UV-Licht entkeimt. Kommt man mit Murwasser in Berührung, wird man aber auch nicht gleich krank. Das war vor 30 Jahren anders, sagt Raderbauer: Da hast du einen Ausschlag bekommen, wenn du den Fuß hinein gehalten hast. 'Die Nahrungssicherheit von Millionen von Menschen ist nicht mehr gewährleistet. Gedankenverloren blickt Domaden auf eines seiner Reisfelder. Statt satten grünen Pflanzen stecken vertrocknete Halme in staubigem Boden. Der Mann spricht leise: Der Regen ist unzuverlässig geworden, die Winde sind stark, die Temperaturen immer höher. Das ist eine tödliche Kombination für eine Pflanze, die darauf angewiesen ist, im Wasser zu wachsen. Etwa drei Stunden von der kambodschanischen Hauptstadt Phnom Penh entfernt besitzt Domadens Familie 2,6 Hektar Land. Die trockenen Flächen werden größer. Er sei Reisfarmer, sagt der schmächtig gebaute Mann, seit meiner Geburt. Doch so etwas hat der 58-Jährige noch nicht erlebt. Er hat Angst, Angst um seine Zukunft, Angst um seine Familie. Angst ist in Kambodscha ein ständiger Begleiter. Bis in die Neunzigerjahre tobten auch in Domadens Dorf die blutrünstigen Roten Khmer. Die Menschen starben wie Fliegen Das Natürliche wurde beim Bauen verdrängt, kritisiert ein Baubiologe – Die Politik setze kaum Impulse. Wenn wir wissen, dass Dinge falsch laufen, wieso machen wir dann so weiter und perfektionieren sie noch?, fragt Alfred Ruhdorfer. Der Baubiologe kritisiert die aktuelle Baukultur. Im oberen Mühlviertel will er nun zeigen, dass es auch anders geht: Berater, Planer, Produzenten und Handwerker haben sich zu dem Netzwerk Ecoforma zusammengeschlossen um gesundes Bauen und Wohnen umzusetzen und weiterzuentwickeln. Ihr Ziel ist es, Bauten mit natürlichen und schadstoffreien Rohstoffen zu realisieren. Zudem sollen die Materialien so weit wie möglich regional bezogen werden, um die Wirtschaft zu stärken. 80 Prozent der Rohstoffe im Bau kommen in der Modellregion bereits aus der Umgebung. Den Land- und Forstwirten werden faire Preise für ihre Produkte gezahlt. Kreislaufwirtschaft gelingt nur, wenn keiner in der Kette unfair behandelt wird, sagt Ruhdorfer. Bei dem Modell der Kreislaufwirtschaft werden Rohstoffe langlebig eingesetzt und können recycelt werden. Mit dem Pilotprojekt soll gezeigt werden, was eine Region noch selbst leisten kann, sagt der Baubiologe. Das Mühlviertel eignet sich als Musterregion auch deshalb gut, weil es den höchsten Anteil an Bio-Landwirtschaft hat. Denn stoffliche Nutzung für das Bauen soll nicht umgesetzt werden, ohne die Ernährung mitzudenken, sagt Ruhdorfer: Es soll kein Mitbewerb sein: Stoffliche Nutzung und Ernährung soll gemeinsam entwickelt werden. Mit der richtigen Wahl des Ausgangsmaterials lassen sich viele Schadstoffe vermeiden. Praktisch sieht schadstofffreies Wohnen in der Modellregion so aus, dass viel mit Holz gebaut wird. Mit dem Böhmerwald und dem Bayrischen Wald ist Holz als Rohstoff im großen Maß vorhanden. Das Know-How der handwerklichen Umsetzung ist daher über Jahrhunderte entwickelt worden. Geleimt wird ebenfalls mit natürlichen Rohstoffen. Die Proteintechnik arbeitet mit tierischem und pflanzlichem Eiweiß. Die Außen-, Innenwände, Decken, Möbel und Steher wurden mit einem tierischen Proteinkleber verbunden. Dazu wird etwa Topfen mit H-Milch als Kleber eingesetzt. Das Protein wird in der Forschung auch als Brandschutzmittel getestet, sagt Ruhdorfer. Dazu wird mit Fachhochschulen und Universitäten zusammen gearbeitet. Wir sollten versuchen, uns stärker mit den richtigen Technologien auseinanderzusetzen, fordert Ruhdorfer. Die Strukturen sind jedoch völlig unbeweglich und reagieren auf dem Sektor fast gar nicht. Auch die Politik geht nicht in dem Maße voran, wie sie es sollte, sagt er. Haushaltsgeräte sollen wieder mit einfacher Skala von A bis G gekennzeichnet werden. Brüssel – Eigentlich sollen sie Klarheit schaffen, tatsächlich können die Energie-Kennzeichnungen von A bis G und von A bis A+++ auf Waschmaschinen, Fernsehern und anderen Haushaltsgeräten die Verbraucher wegen des uneinheitlichen Systems derzeit eher verwirren. Die EU-Kommission will die Kennzeichnung daher wieder vereinfachen und hat am Mittwoch in Brüssel dazu einen Gesetzesvorschlag vorgestellt. Er sieht eine Rückkehr zur einfachen Skala von A bis G vor. Wer heute einen neuen Wäschetrockner kauft, trifft im Geschäft auf Geräte mit den EU-Energieetiketten A+++ bis C. A+++ ist dabei die sparsamste und C die schlechteste Klasse – Geräte mit noch höheren Energieverbrauch dürfen gar nicht mehr in Verkehr gebracht werden. Bei Waschmaschinen über vier Kilo Beladungskapazität hingegen ist zwar ebenfalls A+++ das sparsamste Modell. Das energiehungrigste wird hier aber durch ein A+ bezeichnet, wie die Deutsche Energie-Agentur registriert hat. Bei Waschtrocknern wiederum, die waschen und trocknen können, reichen die Energieklassen von A bis G. Ursprünglich war das System einheitlich mit der Skala A bis G gestartet – diese sollten auch etwa für Klimaanlagen, Staubsauger, Geschirrspüler und Glühbirnen die Energieklasse angeben. Da aber der technische Fortschritt bei verschiedenen Geräten unterschiedlich schnell war, reichte zum Beispiel bei Waschmaschinen die bald Skala nicht mehr aus. Viel zu viele Modelle drängten sich im A-Bereich. So kam es zur Erweiterung auf A+ bis A+++. Grundsätzlich mögen alle A-Kennzeichnungen verbrauchsarm wirken. In Wirklichkeit sind die Unterschiede zum Teil riesengroß, wie die Deutsche Energie-Agentur ausgerechnet hat. Bei einem Kühlschrank beispielsweise verbrauche ein Modell der höchsten Effizienzklasse A+++ nur die Hälfte von einem Modell A+. Die EU-Kommission reagiert nun auf dieses Durcheinander. Sie schlägt eine Rückkehr zum Etikett mit der Skala A bis G für alle vor. Bereits auf dem Markt befindliche Produkte dürften noch mit den alten Etiketten verkauft werden. Neu in den Verkehr gebrachte Produkte müssten aber die einfachen Etiketten tragen. Mit dem Vorschlag, der nun von Europaparlament und EU-Ministerrat diskutiert wird, ist ein zweiter verbunden. Er sieht eine elektronische Datenbank für energieeffiziente Produkte vor. Denn geschätzte zehn bis 25 Prozent der Produkte entsprechen laut EU-Kommission gar nicht ihrer Effizienzklasse – verbrauchten also eigentlich mehr. Die zentrale Datenbank soll dem beikommen helfen. Denn hier könnten die nationalen Behörden zentral die Produktangaben der Hersteller und Importeure einsehen und dann mit den Anforderungen der Energieetiketten vergleichen, argumentiert die Kommission. Werte von Hexachlorbutadien laut aktueller Messung erhöht. Klagenfurt/Wien - Die Abbauarbeiten auf der Giftmülldeponie der Donau Chemie im Kärntner Görtschitztal sind am Mittwoch mit sofortiger Wirkung gestoppt worden. Wie das Land Kärnten in einer Aussendung mitteilte, wurden deutlich erhöhte Werte von Hexachlorbutadien (HCBD) in der Luft gemessen. Bis zuletzt wurde auf der Deponie Material abgebaut, das nicht mit dem belasteten Blaukalk in Verbindung stand. Was genau die Ursache für die erhöhten Werte war, stand vorerst noch nicht fest. Eine akute Gesundheitsgefährdung für die Görtschitztaler bestand laut Michael Kundi von der medizinischen Universität Wien aber nicht: Die gemessenen Werte sind hoch, jedoch nicht beängstigend. Trotzdem wurde den Anrainern in einem Umkreis von zwei Kilometern davon abgeraten, selbst angebaute Lebensmittel zu konsumieren. Auf der Deponie der Donau Chemie haben sich zu Beginn der Sanierungsarbeiten rund 400.000 Tonnen Material befunden. Neben den 250.000 Tonnen zum Teil mit HCB belasteten Blaukalk lagerten auf der Deponie rund 150.000 Tonnen anderes Material. Dieses hätte bis Mitte des Sommers geräumt werden sollen, die Räumung des Blaukalks wurde nach dem Bekanntwerden des HCB-Skandals im vergangenen November gestoppt. Bei Rundem Tisch zu HCB und Giftmülldeponie Brückl wurden Szenarien für die Zukunft diskutiert – Entscheidung wird noch länger auf sich warten lassen. Klagenfurt/Wien – Es soll künftig kein stark belasteter Blaukalk mehr in Zementwerken entsorgt werden. Das ist ein Ergebnis eines Runden Tisches zu HCB und dem weiteren Vorgehen rund um die Giftmülldeponie Brückl, der am Mittwoch in Klagenfurt stattgefunden hat. Diskutiert wurden acht Szenarien für die Zukunft der Deponie, eine Entscheidung wird aber wohl noch länger dauern. Die Szenarien werden nun zunächst nach medizinischen Aspekten bewertet. Die Menschen im Görtschitztal sind physisch wie psychisch vorbelastet, sagte Umweltlandesrat Rolf Holub (Grüne) nach dem Runden Tisch vor Journalisten. Daher müsse man erhöhte Vorsicht walten lassen. Greenpeace-Chemiker Herwig Schuster sagte, man müsse den belasteten Kalkschlamm verbrennen oder deponieren. Die Szenarien sehen alle eine dieser beiden Möglichkeiten bzw. diverse Mischvormen vor. Sicher sei bisher nur eines: Stark belasteter Blaukalk kommt nicht mehr in ein Zementwerk. Er müsse entweder unter Tage gelagert oder in einer Müllverbrennungsanlage entsorgt werden. 140.000 Tonnen unterschiedlich kontaminierter Blaukalk lagert noch in Brückl. Ein Szenario sieht etwa vor, eine Verbrennungsanlage direkt vor Ort zu errichten und das gesamte Material dort aufzuarbeiten. Andere Varianten gibt es mit einer weiteren Verbrennung gering belasteten Kalks im Zementwerk Wietersdorf oder auch eine Verbrennung des gesamten Blaukalks in Müllverbrennungsanlagen wäre denkbar, allerdings müsste man hier noch bezüglich der Kapazitäten Überlegungen anstellen. Und man müsse die Bevölkerung in der Entscheidung einbinden, etwa via Mediation, hieß es. Hans-Peter Hutter von der Med-Uni Wien sagte, man schaue sich an, welche Schadstoffkonzentrationen den Görtschitztalern überhaupt noch zumutbar sind. Der Fokus liegt auf Kindern und Risikogruppen wie Älteren und Kranken. Als erstes werde man sich den Luftschadstoffen widmen. Wichtig sei, dass niedrigere Werte als anderswo eingehalten würden. Messergebnisse und das gesamte Prozedere soll für die Bevölkerung dann auch transparent dargestellt werden. Die kalkulierten Kosten der verschiedenen Szenarien liegen im Bereich zwölf bis 30 Millionen Euro. Die Finanzierung ist prinzipiell Sache der Donau Chemie, weil die Giftmülldeponie von einem ihrer Werke stammt. Ohne Hilfe des Bundes wird es aber nicht gehen, meinte Holub. Entsprechende Förderverhandlungen seien bereits im Laufen. Die gesundheitliche Bewertung der Szenarien wird frühestens Ende August vorliegen. Dann soll erneut ein Runder Tisch stattfinden. Im besten Fall sind es 456 Kilogramm, berichtet "News" – Ein Sachverständiger kam auf 1.000 Kilogramm. Klagenfurt – Ein Sachverständiger hat im Auftrag der Staatsanwaltschaft Klagenfurt festgestellt, dass das Zementwerk Wietersdorf wesentlich mehr vom Umweltgift HCB (Hexachlorbenzol) ausgestoßen haben könnte, als bisher angenommen. Das geht aus einem Vorabbericht des Nachrichtenmagazins News hervor. Das Land Kärnten sieht seine Einschätzung unter Einbeziehung der Schwankungsbreite als bestätigt an. 456 bis 3.326 Kilogramm HCB dürften den Berechnungen von Gutachter Harald Raupenstrauch von der Montanuniversität Leoben zufolge im Zeitraum 2012 bis 2014 in die Umwelt gelangt sein, zitiert News aus den Unterlagen der Staatsanwaltschaft. Die Schwankungsbreite der groben Abschätzung des Experten sei deshalb so groß, weil verschiedene Annahmen bezüglich der Belastung des verwendeten Blaukalks als auch dessen Einbringungsstelle in die Produktion im Zementwerk zugrunde liegen. Wir kennen das Gutachten nicht. Hinsichtlich der Abschätzung, wie viel HCB in die Luft gegangen ist, werden unsere Annahmen von Landesseite aber bestätigt, sagte Albert Kreiner, HCB-Krisenkoordinator des Landes Kärnten, am Freitag. Unser Sachverständiger geht von 1.000 Kilogramm HCB aus. Auch in dieser Berechnung, die im Jänner bekannt geworden war, ist von einer großen Schwankungsbreite auszugehen. Der Umweltskandal rund um eine HCB-Verseuchung des Kärntner Görtschitztals wurde im Herbst 2014 öffentlich. Bei der Sanierung der Giftmülldeponie Brückl der Donau Chemie war etwas schief gegangen. Im Zementwerk Wietersdorf, das den Auftrag hatte, HCB-belasteten Blaukalk aus der Deponie als Ersatzrohstoff zu entsorgen, war der Kalk offenbar an einer falschen Stelle eingebracht worden. Die Temperatur reichte nicht aus, um das Umweltgift zu zerstören, es wurde emittiert und gelangte in die Futtermittel und in die Lebensmittel. Wie dies passieren konnte und wer welche Fehler gemacht hat, ist nicht nur Gegenstand von staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, es gibt auch einen Untersuchungsausschuss im Kärntner Landtag und eine Kommission prüfte die Vorgänge im Auftrag der Landesregierung. Laut Krisenkoordinator Kreiner gebe keine Grenzwertüberschreitungen mehr. Man bleibe aber bei einem Monitoringprogramm, um gerüstet zu sein. Veranschlagt sind rund 15 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020, vorwiegend für Landwirtschafts- und Energieprojekte. Washington – Wenige Tage vor dem Beginn des UN-Klimagipfels in Paris hat die Weltbank einen Aktionsplan für den Kampf gegen die Erderwärmung in Afrika angekündigt. Für die Finanzierung des Programms veranschlagt die Weltbank 16,1 Milliarden Dollar (15,1 Milliarden Euro) bis zum Jahr 2020, wie sie am Dienstag mitteilte. Die Weltbank will über ihre Internationale Entwicklungsorganisation (IDA) 5,7 Milliarden Dollar aufbringen, den Rest der Summe sollen Entwicklungsorganisationen, Staaten und private Partner beisteuern. Der Plan sieht unter anderem die Förderung umweltfreundlicher Landwirtschaftsprojekte, Maßnahmen zum Schutz der Wälder und die Entwicklung von Solarenergie und Geothermie vor. Das Programm soll beim Weltklimagipfel COP21 vorgestellt werden, der vom 30. November bis 11. Dezember in der französischen Hauptstadt stattfindet. Die Weltbank-Experten sehen für Afrika durch den Klimawandel die Gefahr einer deutlichen Erhöhung der Lebensmittelpreise mit verheerenden Auswirkungen für die dort in extremer Armut lebenden Menschen. Vertreter aus 195 Staaten wollen in Paris ein neues weltweites Klimaabkommen zur Verringerung von Treibhausgasen aushandeln. Das Abkommen soll erstmals auch die Schwellen- und Entwicklungsländer zur Reduzierung ihres Kohlendioxidausstoßes verpflichten. Vom Jahr 2020 soll es an die Stelle des Kyoto-Protokolls über Klimaänderungen aus dem Jahr 1997 treten. Erklärtes Ziel der Weltgemeinschaft ist es, die globale Erwärmung auf zwei Grad über dem Temperaturdurchschnitt vorindustrieller Zeit zu begrenzen. Andernfalls droht ein Schmelzen der Gletscher, ein Anstieg der Meeresspiegel sowie die Zunahme von Stürmen und anderen extremen Wetterphänomenen. Ökofreunde gibt es viele in den USA. In der Politik aber haben sie es sehr schwer. Barack Obama macht nun aber Tempo. Wer Fantasie hat, denkt vielleicht an Außerirdische, die in der Wüste gelandet sind. Wie die futuristischen Bauwerke einer fremden Zivilisation ragen sie aus dem Sand, die drei Tür- me des Sonnenwärmekraftwerks Ivanpah, im oberen Drittel so grell leuchtend wie überdimensionale Neonröhren. Ringsum bündeln zehntausende Spiegel das Sonnenlicht, um es auf die Solartürme zu lenken. Die so entstehende Hitze bringt Wasser zum Kochen, der Dampf treibt Turbinen an. Seit die Anlage im Februar 2014 in Betrieb genommen wurde, gehört sie zu den spektakulärsten Sehenswürdigkeiten der Wüste Mojave, zumal man sie leicht besichtigen kann. Sie liegt direkt an der Autobahn, die Los Angeles mit Las Vegas verbindet. Sonnenenergie in solchen Maßstäben zu nutzen – in Amerika galt es noch vor einem Jahrzehnt als schöne, gleichwohl zu teure Vision. Solarpaneele auf Einfamilienhausdächern, das ja. Es sind Erkennungszeichen aufgeklärten Umweltbewusstseins. Und an Ökofreunden herrscht ja kein Mangel in diesem facettenreichen Land, sei es im skandinavisch angehauchten Vermont oder in einer Stadt wie San Francisco, wo sich alles um die Zukunft dreht. Aber eine Solarindustrie? Im Herbst 2008, als Barack Obama seine erste Wahl gewann, steckte sie nicht nur in den Kinderschuhen, die Turbulenzen der Finanzkrise drohten die zarten Pflänzchen, die es schon gab, zunichtezumachen. Staatlich gefördert, das Ivanpah-Projekt etwa mit einem zinsgünstigen Milliardendarlehen, feierte die Branche, trotz Pannen, ein imposantes Comeback. Im Nachhinein bestätigt sich, was Arnold Schwarzenegger sagte, als er noch Gouverneur Kaliforniens war. Wenn wir in der Wüste Mojave keine Sonnenkraftwerke bauen können, dann weiß ich nicht, wo. Strukturwandel in der Energiewirtschaft Wie immer man sonst über Obama urteilen mag, als Präsident der alternativen Energien wird er zweifellos in die Chronik eingehen. Oder umgedreht, aus der Perspektive mancher Republikaner, als der Mann, der den Krieg gegen die Kohle führte. Im August hat er die US-Staaten angewiesen, die Kohlendioxidemissionen ihrer Kohlekraftwerke bis 2030, verglichen mit 2005, um 32 Prozent zu senken. Der Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung soll sich im selben Zeitraum auf 28 Prozent verdoppeln. Obama will die Energiewirtschaft also zu einem Strukturwandel zwingen, wie er sich ohnehin schon angebahnt hat. Billiges Erdgas hat die Kohle vielerorts abgelöst, von Alaska bis Florida sind es bereits 14 Staaten, die ihren Energiebedarf hauptsächlich durch Gas decken. In windigen Gegenden wie der Prärie von Kansas liefern Windräder oft den preiswertesten Strom. Obama, der Klimakapitän. Dabei hat er anfangs umweltpolitisch enttäuscht, 2009 gehörte er auf der Klimakonferenz von Kopenhagen noch zu den Bremsern. Das könnte sich in Paris ändern. Sogar Todd Stern, sein Sonderbeauftragter für den Klimaschutz, ein Anwalt aus Chicago, formuliert einen optimistischen, für seine Verhältnisse fast euphorischen Satz: Um voranzukommen, stehen die Sterne so günstig, wie ich es noch nie erlebt habe. Der Veteran gehörte bereits Bill Clintons Beraterstab an, als 1997 das Kioto-Protokoll ausgehandelt wurde – und Clintons Mannschaft im eigenen Land gegen eine Wand fuhr. Der Senat beschloss mit 95 zu null Stimmen, die Absprachen von Kioto zu blockieren, falls nicht auch Staaten wie China und Indien eine Reduzierung der Treibhausgase zusagen. Seitdem ist für Stern klar, dass Washington internationale Verpflichtungen nur dann eingehen kann, wenn zumindest auch Peking mitzieht. Ohne breiten Konsens sind dem Oval Office die Hände gebunden. Innenpolitisch geht Obama deutlich energischer zur Sache. Die Konfrontation mit dem Kongress nimmt er in Kauf, denn spätestens nach zwei Amtsjahren hatte er verstanden, dass seine Umweltagenda auf dem Papier bleibt, wenn er versucht, den kleinsten gemeinsamen Nenner mit den Republikanern zu finden. Die Klimagesetze, die er zu Beginn anstrebte, scheiterten 2010 im Parlament. Was folgte, war eine Ökopolitik mittels Direktiven, die umso ehrgeiziger ausfallen, je näher sein Abschied vom Weißen Haus rückt. Dem Emissionsplan des Sommers folgte im Herbst die Entscheidung, Keystone XL grünes Licht zu verweigern, dem Bau einer Pipeline, durch die Öl von den Teersandfeldern Kanadas bis zum Golf von Mexiko gepumpt werden soll. Der dirigistische Ansatz hat den Nachteil, dass der 45. Präsident, falls es ein Republikaner wird, leicht wieder aushebeln kann, was Nummer 44 verfügt hat. Nur: Es hat eine Weile gedauert, bis Climate Change auch jenseits der liberalen Küstenmetropolen als Problem akzeptiert wurde, doch nun scheint der Stimmungswandel vollzogen. Irgendwie stimmt sie mal wieder, die Metapher vom schlummernden Riesen Amerika, der plötzlich aufgewacht ist. Nach einer Umfrage des Pew-Instituts halten 74 Prozent der Amerikaner die Erderwärmung für eine ernste Herausforderung. Zwei Drittel meinen, der Mensch müsse seine Lebensweise ändern, um die Folgen des Phänomens einzuschränken. 'Aktivisten machen Druck vor Gipfel in Paris – Demonstrationen auch in Wien, Linz, Innsbruck und Graz. Manila/Melbourne/Paris – Vor dem Auftakt des Weltklimagipfels in Paris machen Aktivisten rund um den Globus Druck zu mehr Klimaschutz. An einer Auftaktkundgebung am Freitag im australischen Melbourne hatten sich 40.000 Menschen beteiligt Im Nahen Osten werden schwere Hitzewellen häufiger. Hohe Luftfeuchte lässt dabei den Körper nicht mehr richtig arbeiten. Temperaturen von 34 Grad Celsius erreichte das Wasser des Persischen Golfs im Sommer 2015. Die sehr feuchte bodennahe Luftschicht, die sich über der warmen Meeresoberfläche bildete, erwärmte sich weiter, als sie über die Golfstaaten zog. Die Hitzewelle mit 46 Grad Lufttemperatur und 50 Prozent Luftfeuchte lag an der Grenze dessen, was der menschliche Organismus verkraftet. Und laut einer Studie des Massachusetts Institute of Technology (MIT) kann man damit rechnen, dass in den Golfstaaten eine kritische Grenze künftig immer wieder überschritten wird. Dabei können Menschen eine Temperatur von 45 Grad eigentlich problemlos vertragen. Der Körper kühlt sich dabei durch Verdunstung, erklärt Christoph Schär vom Institut für Atmosphäre und Klima der ETH Zürich im Standard-Gespräch. Auf diese Weise wird die metabolische Wärme des Organismus abgeführt. Wird die Luftfeuchte zu hoch, erfolgt aber kaum noch Verdunstung. Der Körper überhitzt, er wird in einen Fieberzustand versetzt. Die drückende Schwüle setzt dem Organismus eine physikalische Grenze. Bisher glaubte man, dass diese Gefahr erst in hunderten Jahren relevant würde. Jeremy Pal und Elfatih Eltahir vom MIT widersprechen aber. Ihrer Modellrechnung zufolge muss man am Persischen Golf – zumindest im Szenario eines ungebremsten Klimawandels – mehrmals pro Jahrzehnt mit derart schwerwiegenden Hitzewellen rechnen. Keine gute Nachricht für Dubai, Kuwait, Saudi-Arabien und den Iran. Doch wie kommt es dazu, dass sich der Persische Golf so stark erwärmt? Ozeane erwärmen sich langsamer als Landoberflächen, weil sie die ankommende Energie der Sonne auf eine große Tiefe verteilen, erklärt Schär, der die MIT-Studie im renommierten Fachjournal Nature Climate Change kommentiert hat. Der Persische Golf ist jedoch kaum 40 Meter tief. Die Energie wird in einem relativ kleinen Volumen verteilt, und das Gewässer erwärmt sich deutlich schneller als etwa der Indische Ozean. Würde das in den Alpen passieren, entstünde sofort ein Gewitter. Am Persischen Golf verhindern Abwärtsbewegungen in der Atmosphäre aber die Wolkenbildung. Stattdessen wird die Feuchte an das angrenzende Land transportiert. Schär will mit seinem Team künftig genauer untersuchen, wie das Gewicht des Wassers in der Luft die Atmosphärenphysik verändert und diese gefährlichen Seebrisen zustande kommen. Die Folgen der Hitzewellen sind schwer abzuschätzen. Stefan Rahmstorf, Klimaforscher an der Universität Potsdam, bringt in der Frankfurter Rundschau den Klimawandel sogar mit dem aktuellen Konflikt in Syrien in Verbindung. Laut Schär sei ein solcher Zusammenhang nicht ausschließbar, im Moment aber nur schwer zu beweisen. Allerdings geben historische Beispiele zu zivilisatorischen Auswirkungen von Klimaphänomenen zu denken. Der Kollaps der Tang-Dynastie im zehnten Jahrhundert werde etwa mit einer Dürreperiode in Verbindung gebracht, so Schär. Genauso wie der Niedergang der Maya-Zivilisation im neunten und zehnten Jahrhundert, die wahrscheinlich eine Folge dreier Dürreperioden von jeweils zehn bis 20 Jahren war. Ein aktuelles Buch zeigt am Beispiel des frühen 19. Jahrhunderts, wie tiefgreifend ein Klimawandel in alle Bereiche menschlicher Gesellschaften hineinwirkt. Der April des Jahres 1815 muss im globalgeschichtlichen Kalender knallrot angestrichen werden, wenn es nach dem deutschen Klimahistoriker Wolfgang Behringer geht. Seine These: Binnen weniger Wochen veränderte eine singuläre Naturkatastrophe gewaltigen Ausmaßes nicht nur das Klima, sondern gar den Lauf der Welt – obwohl es zunächst niemand realisierte. Denn so grenzenlos die Folgen dieses Ereignisses waren, so regional begrenzt war ihr Ursprung. Dieser lag auf Sumbawa, einer östlich von Java gelegenen indonesischen Insel, die den Stratovulkan Tambora beherbergt – zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit 4300 Metern eine der höchsten Erhebungen des indonesischen Archipels. Wie man heute weiß, brach der Tambora im April 1815 mit einer Intensität aus, die in der überlieferten Geschichte der Menschheit ohne Beispiel ist. Die explosiven Eruptionen waren mehr als 2000 Kilometer weit zu hören – und halbierten den Vulkan beinahe. Auf Sumbawa und der Nachbarinsel Lombok kamen mindestens 71.000 Menschen ums Leben. Doch die tatsächliche Zahl der Opfer dieser Katastrophe lässt sich nicht einmal ansatzweise beziffern. Sie beträgt mit Sicherheit ein Vielfaches davon. Was nämlich auf den Ausbruch des Tambora folgte, war ein Jahr extremer Klimaschwankungen: Das durch die Eruptionen emporgeschleuderte Material aus Gas- und Schwebepartikeln, verbreitet und verteilt durch Höhenwinde, verminderte die Sonneneinstrahlung und bewirkte fast weltweit eine plötzliche Abkühlung. Der Winter 1815/16 war einer der kältesten des zweiten Jahrtausends. In Europa und Nordamerika erlebte man in der Folge das Jahr ohne Sommer, zum Teil schneite es im Juli oder regnete über Monate hinweg. In weiten Teilen Asiens verursachten verheerende Niederschläge Überflutungen, die Cholera brach aus, die Tuberkulose grassierte. Mancherorts herrschte wiederum extreme Dürre. Da wie dort kam es zu Missernten, Massensterben von Nutztieren und 1817 zur schlimmsten Hungersnot des 19. Jahrhunderts. Russland hingegen profitierte vom veränderten Klima und verzeichnete dank steigender Getreideexporte und Einwanderung einen wirtschaftlichen Aufschwung. Enorme Migrationsbewegungen, soziale Revolten und politische Umbrüche kennzeichneten die folgenden Jahre. Der Ausbruch des Tambora war der Beginn eines Experiments, an dem die ganze Menschheit unfreiwillig teilgenommen hat. Die Reaktionen darauf geben ein Beispiel dafür, wie Gesellschaften und einzelne Menschen auf Klimawandel reagieren, welche Risiken dabei entstehen und welche Chancen damit verbunden sein können, schreibt Behringer im Buch Tambora und das Jahr ohne Sommer. Wie der Forscher der Universität des Saarlandes detailliert nachzeichnet, blieb kein Erdteil von direkten oder indirekten Auswirkungen der Tamborakrise verschont. Indem er gesicherte klimahistorische Fakten und zeitgenössische Quellen mit sozialen und weltpolitischen Entwicklungen der Folgezeit in Verbindung bringt, rückt er den Vulkanausbruch aber aus dem naturgeschichtlichen Blickfeld direkt ins Zentrum der Weltgeschichte. Wo das Klima sich zum Schlechteren wandelte, wirkte es demnach wie ein Katalysator vorhandener Tendenzen: In Europa nahmen schwere soziale Unruhen und politische Massendemonstrationen zu, es kam zu Attentaten und zu Pogromen gegen Juden. In Südafrika wurden angebliche Hexen als Schuldige an Ernteausfällen verfolgt. Das zaristische Russland suchte wiederum die Migration für seine imperialistischen Ziele zu nutzen und seinen Einfluss in der Schwarzmeerregion auszudehnen. Die Krise entfaltete aber auch eine enorme erfinderische und innovative Kraft: Behringer stellt neue Ansätze, die Natur besser einzuschätzen und zu zähmen, ebenfalls in einen Ereigniszusammenhang, etwa das Aufkommen der Meteorologie und die zunehmende Durchführung von Flussbegradigungen. Dem Buch mangelt es nicht an interessanten Episoden aus unterschiedlichsten kulturellen, gesellschaftspolitischen und wissenschaftlichen Bereichen. Mitunter bleibt es jedoch bei einer Aneinanderreihung, die etwas krampfhaft zu einer Ereigniskette geschmiedet wurde. Das birgt, zugunsten eines gelungenen Spannungsbogens, die Gefahr argumentativer Monokausalität. In jedem Fall führt Behringers Perspektive aber anschaulich vor Augen, wie komplex das Weltklima in sämtliche Bereiche der menschlichen Lebenswelt hineinwirkt. Damals wie heute. Energieexperte Andreas Veigl hält Nachhaltigkeit für möglich, für Physiker Werner Gruber ist der Begriff längst überstrapaziert. Wir können es schaffen!Energieexperte Andreas Veigl hält Nachhaltigkeit für möglich Österreich kann vollständig auf erneuerbare Energie umstellen, sagt Andreas Veigl. Und das mit absehbarer Technik. Wir müssen dafür nicht auf eine große technologische Revolution warten. Der Energieexperte hat heuer im Auftrag der Umweltorganisationen Global 2000, WWF und Greenpeace ein Energieszenario für Österreich bis 2050 erstellt. Ergebnis der Studie: Ja, wir können unseren Bedarf aus erneuerbaren Quellen decken und dennoch unabhängig von ausländischen Energielieferanten sein. An diesem Ja hängen allerdings mehrere Wenns: Es ist möglich, wenn wir es schaffen, unseren Energieverbrauch um die Hälfte zu reduzieren. Wenn die Industrie deutlich energieeffizienter wird. Wenn ein großer Teil des Güterverkehrs auf die Schiene kommt. Wenn Gebäude hohen Energiestandards entsprechen. Die technischen Bedingungen seien gegeben oder in absehbarer Zeit vorhanden. Für eine Umsetzung fehlen andere Dinge: Es braucht eine Übereinkunft über einen wirklich langfristigen Weg, den man sich traut zu gehen, an dem man festhält und der für künftige Entscheidungen als Orientierung dient, sagt Veigl. Es brauche etwa eine adäquate Kohlenstoffbepreisung, die die gesamten Folgekosten, die konventionelle Energieträger verursachen, miteinbezieht. Europas Industrie solle eine Vorreiterrolle als Innovationstreiber einnehmen – im Jahr 2050 sind die Hochöfen der Voest, die aus Eisen Stahl machen, dann vielleicht von Koks auf Wasserstoff umgestellt. Strom-, Gas- und Fernwärmenetze müssten verschränkt werden, Umwandlungsmethoden wie Power-to-Gas sollen ermöglichen, das Netz als Energiespeicher zu verwenden. Der Klimaschutz dürfe aber nicht zum Industrievertreibungsprogramm mutieren: Die internationale Wettbewerbsfähigkeit muss gewahrt bleiben. Deshalb sind die Abkommen wie jenes, das in Paris verabschiedet werden soll, so wichtig – auch wenn die Vereinbarung allein nicht ausreicht, um die Erwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Das Potenzial der Erneuerbaren sei nicht zu Ende, wenn die wirtschaftlichsten Standorte belegt sind. Dann kämen eben die nächstbesten Plätze an die Reihe. An die Sichtbarkeit von Wind- und Solarkraft müsse man sich gewöhnen. Sie brauchen Fläche, und man kann sie nicht wegsperren wie ein Kohlekraftwerk. Im Gegenzug, erläutert Veigl, winkt immerhin eine neue regionale Wertschöpfung in Milliardenhöhe, die sonst an ausländische Energieversorger gehen würde. Allerdings gebe es auch ökologische Grenzen für die erneuerbaren Energien. Man kann nicht die ganze Landwirtschaft für Biomasseerzeugung nutzen oder im Solarbereich laufend Freiflächenanlagen bauen. Die Struktur des Stromnetzes müsse zudem umgekrempelt werden, weg vom reinen Versorgungs- hin zu einem Sammelnetz. Heute werde die Energie zentraler Kraftwerke über mehrere Spannungsebenen dem Verbraucher zugeführt. Die Herausforderung ist, auch auf den niedrigeren Ebenen einspeisen zu können. Und was ist mit der Kritik, dass die Produktion von CO2-sparender Technik wie Autoakkus erst recht die Umwelt schädigt? Ich verstehe nicht, warum das gerade bei erneuerbaren Energien ein größeres Problem sein soll als bei anderen Techniken, sagt Veigl. Lebenszyklusanalysen der Elektromobilität zeigen, dass es zu einer Verbesserung kommt. Man müsse auch lernen, die Ressourcen nachhaltig zu beschaffen oder im Kreis zu führen. Es sei aber ohnehin zu kurz gegriffen, wenn man glaubt, dass man den Individualverkehr einfach mit Elektroautos ersetzen könne. Oder dass man Klimaschutz generell nur mithilfe von Technik betreiben kann. Die Veränderungen müssen viel weitreichender sein, und sie schließen das menschliche Verhalten mit ein. Veigl: Wenn wir das Klima nur durch Verzicht retten wollen, haben wir ein Problem. Dennoch müssen wir unser Wirtschafts- und Wachstumsparadigma, unseren Lebens- und Arbeitsstil, unsere materielle Fixierung überdenken. Man kann den Klimawandel auch als Indiz für grundlegendere Probleme des menschlichen Zusammenlebens nehmen. Es gibt keine Energiewende!Die Energiezukunft in den Augen des Physikers Werner Gruber Ich kann den Begriff nachhaltig nicht mehr hören, sagt der Physiker Werner Gruber. Ich finde den Begriff überstrapaziert und unsinnig. Die Planung unseres Energiehaushalts soll vor allem eines: Sinn ergeben. Je langfristiger man denke, desto schwerer werde das. Alle sprechen von einer Energiewende. Gruber, bekannter Volksbildner und Leiter des Planetarium Wien, der Kuffner- und der Urania-Sternwarte, hat einen eindeutigen Standpunkt, was die Umstellung auf Wind- und Solarenergie, die Dezentralisierung des europäischen Stromnetzes oder die Entwicklung neuer Elektrizitätsspeichermedien angeht. Nämlich: Es gibt keine Energiewende. Zumindest keine, die auf den genannten Technologien aufbaut. Was wir haben – und das ist sehr positiv – ist Elektrizität aus Solar- und Windenergie in Österreich in einer Größenordnung von acht bis zehn Prozent. In Deutschland sind es fast 20 Prozent, rechnet der Physiker vor. In beiden Ländern sind wir diesbezüglich am Limit. In Deutschland ist bisher noch kein Atomreaktor abgeschaltet worden. Gleichzeitig werden Kohlekraftwerke hochgefahren. Wo ist da die Energiewende? Und dann noch die Verteilung des Stroms: Ein dezentralisiertes Netz – das haben wir wo?, poltert Gruber. Es gibt ein paar Gemeinden, die das versucht haben und massiv gescheitert sind. Bayern habe nicht nur den Bau neuer Windkrafträder beschränkt, sondern gleich auch den Bau von 380-KV-Leitungen, die den Strom aus den Offshore-Kraftwerken im Norden in den Süden Deutschlands bringen könnten. Die Atomkraftwerke in Bayern müssen also weiterbetrieben werden. Genehmigungsverfahren zum Bau neuer Leitungen würden ein Jahrzehnt dauern. Und kleine Kraftwerke hätten generell viel schlechtere Wirkungsgrade als große. Und apropos Windkraft: Haben Sie gewusst, dass ein Windkraftwerk eine hohe radioaktive Emission hat? Für die Permanentmagneten in den Generatoren benötige man spezielle Legierungen aus Seltenen Erden wie Dysprosium. Man findet Seltene Erden in verklumpter Form. Sie müssen raffiniert werden. Bei der Trennung wird über Radongas Radioaktivität freigesetzt. Echt viel Radioaktivität. In Malaysia, wo Australien eine Raffinerie hingestellt hat, seien Zehntausende deshalb gestorben. Solarzellen seien gut – in Kalifornien und auf Berghütten. Die einen haben viele Klimaanlagen, die laufen, während die Sonne scheint, für die anderen ist es besser, manchmal Strom zu haben als gar nicht. Aber als Kraftwerk in der Wüste? Dort wird Süßwasser zum Kühlen der Paneele verwendet, um einen akzeptablen Wirkungsgrad zu erreichen. Würde es nicht helfen, bessere Speichermedien zu bauen? Da frage ich: welche? Und die Frage ist berechtigt. Es gibt bis heute keine vernünftige Lösung, gibt Gruber zurück. Es geht um elementare Physik: Wenn wir in einem Bereich eines Autoakkus eine zu hohe Energiedichte haben, explodiert das Ding, umreißt er das Problem. Wir haben jahrzehntelange Forschung hinter uns, und schauen Sie, wie lange ein Handy-Akku hält. Elektroautos seien fraglos eine geile Geschichte: zum Einkaufen, zum Kinderabholen von der Schule. Aber wenn ich Wien – Graz – Wien fahren will an einem Tag, kann ich das nicht. Grubers Urteil: Wir verzetteln uns in irgendwelchen Alternativen, die zum Teil nicht so funktionieren, wie sie sollten. Gleichzeitig gehen wir den sinnvollen Dingen aus dem Weg: Wer fährt mit öffentlichen Verkehrsmitteln? Jedes Watt, das nicht unnötig verbraucht wird, ist gut. Alle haben über Energiesparlampen geschimpft. Wir sparen uns aber damit pro Jahr zwei bis drei Atomkraftwerke! Eine echte Energiewende im Sinne Grubers sieht anders aus: In wenigen Jahren geht in Südfrankreich der Fusionsreaktor Iter in Betrieb. Die aktuellen AKWs sind eine Brückentechnologie, bis die Fusion in Europa funktioniert, sagt er. Innerhalb weniger Jahrzehnte könnten dann Kohle- und Atomkraftwerke in Europa obsolet werden. Die andere Schlüsseltechnologie, auf die der Physiker setzt, soll radioaktiven Müll verwerten. Im niederländischen Forschungsreaktor Myrrha wird ein Konzept des Nobelpreisträgers und ehemaligen Cern-Leiters Carlo Rubbia umgesetzt. Er hat gezeigt, dass man aus hochradioaktivem Material ein harmloses machen kann. Der Schmäh: Man beschießt das Material mit thermischen Neutronen und bringt es dazu, die Strahlung nicht über lange Zeit, sondern schnell abzugeben. Auch das könne als Energiequelle dienen. Gruber: Das ist die Energiewende, die wir haben. Mehr haben wir nicht. Der Umweltminister reist zur Klimakonferenz nach Paris, die Verhandlungen begannen holprig. Landwirtschafts- und Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) sieht trotz NGO-Kritik Österreich ganz vorn bei der Klimaschutzfinanzierung. Auf Europaebene will er sich für die Energiewende einsetzen. Kohlestrom wird in Österreich trotzdem noch bis 2025 subventioniert. Rudolf Bretschneider wiederum erforscht seit Jahren die öffentliche Wahrnehmung der Bevölkerung über den Klimawandel. Er warnt vor Überregulierung. STANDARD: Was erwarten Sie sich von der Klimakonferenz in Paris? Rupprechter: Ab Montag beginnt das Segment auf Ministerebene. Meine Mitarbeiter vor Ort berichten mir, dass die erste Woche etwas holprig angefangen hat. Dennoch bin ich vorsichtig optimistisch, dass es kommende Woche zu einem rechtlich verbindlichen Ergebnis kommen wird. STANDARD: In welchen Bereichen holpert es? Rupprechter: Die Optionen im Verhandlungspapier wurden nicht weniger, sondern mehr. Das ist eine Entwicklung in die falsche Richtung. Aber es sind 195 Vertragsparteien vor Ort, da werden Grenzen abgesteckt. STANDARD: Österreich verhandelt eingebunden auf EU-Ebene. Ddennoch: Welches Zeichen wollen Sie als österreichischer Umweltminister in Paris aussenden? Rupprechter: Mir ist es wichtig, dass wir bis 2050 das Zwei-Grad-Ziel halten. Die Angebote der Länder zur CO2-Reduktion, die auf dem Tisch liegen, die sogenannten INDCs, müssen in konkrete Verpflichtungen umgewandelt werden. Die Industrienationen sind besonders gefragt. STANDARD: Vergangenes Jahr gab es bei den Verhandlungen in Lima Kritik an der Höhe der Finanzierung internationaler Klimaschutzmaßnahmen durch Österreich. Schon in Kopenhagen 2009 haben sich die Industriestaaten zum Ziel bekannt, bis 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinanzierung zu mobilisieren. Sind die 25 Millionen Dollar für den Green Climate Fund, ergänzt durch die in Aussicht gestellten zwölf Millionen, auf vier Jahre verteilt ein ausreichender Beitrag? Rupprechter: Wir haben schon deutlich nachgebessert. Die 25 Millionen US-Dollar sind eine Erstfinanzierung des Green Climate Fund. Ich habe bei der Beschlussfassung des Budgets im Parlament herausverhandeln können, dass wir 2016 zusätzlich zwölf Millionen Euro für die internationale Klimaschutzfinanzierung zur Verfügung haben. STANDARD: Deutschland hat etwa 750 Millionen Euro, Schweden 520 Millionen Euro und Italien knapp 300 Millionen Euro für den Green Climate Fund zugesagt. Rupprechter: Wir Österreicher tun sehr viel, gerade für die internationale Klimafinanzierung mit jährlich rund 130 Mio. Euro plus der Gelder für den Green Climate Fund. Wenn NGOs in Paris mit dem Finger auf unsere Steuerzahler zeigen, damit kann ich mich überhaupt nicht identifizieren. STANDARD: Stichwort Steuerzahlen: Herr Bretscheider, gibt es Vergleichsdaten darüber, ob sich das Bewusstsein der Österreicher bezüglich Klimaschutz gewandelt hat? Bretschneider: Das Interesse unterliegt Schwankungen. Im Jahr 2008 haben 17 Prozent angegeben, sehr stark an dieser Thematik interessiert zu sein. 2014 waren es 14, heuer sind es 23 Prozent. Das hängt sehr stark von der Medienberichterstattung ab. STANDARD: Erkennt die Bevölkerung einen Handlungsbedarf? Bretschneider: Ja, etwa 50 Prozent sehen einen großen Handlungsbedarf. Alarmismus kann auch zum Problem werden, wenn nur noch die größten Lösungen als Ausweg wahrgenommen werden. Die Leute überlegen dann nicht mehr, was sie selbst, jenseits ihrer Rolle als Steuerzahler, tun können. STANDARD: Das Thema ist in Österreich eine heilige Kuh: Aber auch Fleischkonsum ist ein treibender Faktor der CO2-Emissionen. Können Sie sich vorstellen, als Umweltminister Zeichen zu setzen? Rupprechter: Die EU-Kommission bestätigt, dass Österreich die Landwirtschaft mit dem geringsten CO2-Ausstoß pro Quadratmeter hat. Bretschneider: Vor zwei Jahren haben wir eine Studie über die Verbotsgesellschaft gemacht: Den Leuten steht es bis hierher. (Zeigt mit der Hand zum Hals.) Verbote bewirken das Gegenteil. STANDARD: Sie haben sich wiederholt gegen die EU-Atomgemeinschaft Euratom ausgesprochen: Wie wollen Sie die Diskussion auf EU-Ebene vorantreiben? Rupprechter: Wir müssen in Europa weg von der nuklear-fossilen Ausrichtung. Bis zur Realisierung der Energieunion 2019 werden wir unsere Vorschläge intensiv einbringen. Forschung – auch über alternative mobile Antriebssysteme – muss gefördert werden. STANDARD: Auch in Österreich werden fossile Brennstoffe noch gefördert. Die Verbrennung von Kohle ist mit 50 Euro pro Tonne besteuert. Wird Elektrizität erzeugt, fällt diese Steuer weg. Das entspricht einer Subventionierung von Kohlestrom in Österreich im Wert von 70 Mio. Euro. Wieso gibt es diese Subvention immer noch? Rupprechter: Ich bin froh, dass wir die Entscheidung getroffen haben, gerade auch die Kohleverstromung 2025 auslaufen zu lassen. STANDARD: Die Frist beträgt aber dennoch zehn Jahre? Rupprechter: Immerhin. Ich bin froh, dass das jetzt gelungen ist. STANDARD: Im Rahmen des Energieeffizienzgesetzes muss die Mineralölbranche zumindest 0,6 Prozent Energie pro Jahr einsparen. Das Wirtschaftsministerium hält nun daran fest: Durch Dieseladditive fallen ausladendere Energiesparschritte weg. Wie beurteilen Sie diesen Schritt? Rupprechter: Es ist mir darum gegangen, Bioenergie entsprechend zu forcieren. Das ist gelungen. Ich bin kein großer Verfechter der Additive, aber das ist für mich ein tragbarer Kompromiss. STANDARD: Sie haben sich für eine Steuerreform mit starker ökosozialer Komponente ausgesprochen. Ist das Ergebnis der Reform, die am 1. Jänner in Kraft tritt, nun enttäuschend? Rupprechter: Ich habe immer gesagt, dass ich nicht glücklich darüber bin. Ich habe mich in dieser Steuerreform nicht damit durchgesetzt. Da stehe ich auch dazu. Aber Reinhold Mitterlehner, Energieminister und Vizekanzler, hat klar gesagt, dass die nächste Steuerreform eine ökologische Komponente haben muss. Rat des Hollywood-Stars an die Minister: "Unmöglich" aus dem Wortschatz streichen und Stärke zeigen. Le Bourget/Paris – Bei seiner Rede zum Auftakt der High Level-Verhandlungen beim Pariser Klimagipfel hat Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) am Montag mit Arnold Schwarzenegger einem Überraschungsgast das Wort übergeben. Zyniker sagen, dass es kein Abkommen geben wird, dass es unmöglich sei, sagte Schwarzenegger vor den versammelten Ministern. Er riet ihnen, dieses Wort aus dem Sprachschatz zu streichen. Wir müssen und können es diese Woche schaffen, neue Wege zu beschreiten, plädierte zuvor Rupprechter dafür, ein verbindliches Abkommen zu erreichen. Der Umweltminister hatte bereits am Sonntag seinen verfrühten Einstieg in die Verhandlungen auf dem Highlevel-Segment absolviert. Er vertritt dort in einer von vier Untergruppen die EU-Interessen. Sein Gaststar Schwarzenegger erinnerte sich in Zusammenhang mit dem Klimawandel sehr emotional an seine Kindheit in Österreich. Ich konnte mir damals keine Welt vorstellen, wo man die Luft nicht mehr atmen kann, so der ehemalige Gouverneur von Kalifornien. Jedoch habe er sich auch seine spätere Karriere als Schauspieler und Politiker nicht vorstellen können. Jetzt sei es daher Zeit, Stärke zu zeigen. Schwarzenegger lud bereits im Vorjahr zum Gipfel der Regionen nach Paris, einer Veranstaltung der von ihm 2010 gegründeten NGO Regions of Climate Action und des französischen Rats für Wirtschaft, Soziales und Umwelt in Vorbereitung auf die jetzige Klima-Konferenz. Daten für 2014 deuten global auf Stillstand bei CO2-Ausstoß hin. Berlin/Paris – Österreich ist auf dem Klimaschutzindex der deutschen Umweltschutzorganisation Germanwatch von Platz 36 auf 45 abgerutscht. Bereits im Vorjahr war Österreich fünf Plätze zurückgefallen. Der neuerliche Abstieg liegt Germanwatch zufolge an zwei Faktoren: Insbesondere in den Kategorien Emissionsentwicklung und Klimapolitik schneide Österreich schlecht ab. Zudem würden schwächere Staaten aufholen. Laut Umweltbundesamt hat das Abrutschen im Klimaschutzindex auch mit den Bewertungskriterien zu tun. Änderungen würden weitaus stärker als der Ist-Zustand eines Landes bewertet. Großbritannien etwa liege auch deswegen auf dem guten Rang fünf, weil die Industrieproduktion großteils nach Südostasien ausgelagert worden sei. Global gesehen gibt es einen erfreulichen Trend: Insgesamt deuten die vorläufigen Daten für 2014 auf einen Stillstand beim CO2-Ausstoß hin. Wenige Tage vor dem geplanten Abschluss der UN-Klimakonferenz in Frankreich stecken die Verhandlungen in einer kritischen Phase. Unterhändler sprachen am Dienstag von sehr komplexen Gesprächen. Aus österreichischen Verhandlungskreisen hieß es in Le Bourget bei Paris, der Druck auf die Verhandler in den vier Untergruppen steige stetig. Bis Donnerstag sollten die informellen Gespräche in einen fertigen Text münden, der dann für die Schlussverhandlungen dient. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) ist in der Gruppe Klimaschutz bis 2020 tätig. Die Schlüsselfragen gelten der Finanzierung, aber auch der Überprüfungsmechanismus ist eine der noch ungelösten Fragen. Rupprechter betonte zuletzt, dass bei der Staatengruppe G77, der 134 Entwicklungs- und Schwellenländer angehören, noch wenig Bewegung zu erkennen sei. Die entscheidende Frage, wie ab 2020 jährlich 100 Milliarden Dollar zur Unterstützung ärmerer Länder bei Klimaschutz und Klimafolgen zusammenkommen sollen, dürfte aber erst am Schluss geklärt werden. Das gehört dann in das große Paket, hieß es. Als sicher gilt, dass das geplante Abkommen einen Mechanismus enthalten wird, um die nationalen Angebote zur Senkung der Treibhausgasemissionen nachzubessern. Bisher reichen diese nicht aus, um die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Sie laufen eher auf 2,7 Grad mehr hinaus. Staaten, für die viel auf dem Spiel steht, mit Minidelegationen vertreten. Paris – Es ist ein mehrmonatiger Verhandlungsmarathon mit zweiwöchigem Endspurt: Die Verhandlungen für den Weltklimavertrag gehen an die Substanz, auch bei Giza Gaspar-Martins. Der 43-Jährige aus Angola koordiniert bei der Pariser Klimakonferenz eine Ländergruppe von 48 besonders armen Staaten. Das ist eine extreme Herausforderung, sagt Gaspar-Martins. Etwa wenn es darum geht, dreißig gleichzeitig stattfindende Expertentreffen zu besetzen. Für Innehalten ist keine Zeit: Wir haben Mitglieder, deren Überleben auf dem Spiel steht, sagt der Diplomat. Die Gruppe, deren Arbeit Gaspar-Martins in Paris organisiert, heißt im UN-Jargon LDC. Das steht für die am wenigsten entwickelten Länder der Welt (least developed countries). Für die Allianz, der neben Afghanistan und kleinen Inselstaaten vor allem afrikanische Länder angehören, geht es beim Klimawandel um alles: Die Wirkungen des Klimawandels verschlimmern sich in den am wenigsten entwickelten Ländern, einfach weil wir am wenigsten dafür gerüstet sind, sagt der Klima-Diplomat. Staaten, die die UN als LDCs einstuft, haben eine Menge Probleme: Ihre Bevölkerungen sind vergleichsweise schlecht ausgebildet, hinzu kommen Unterernährung und hohe Kindersterblichkeit. Das Pro-Kopf-Einkommen ist niedrig, die Wirtschaft anfällig für Schocks, etwa, weil sie sehr stark von nur einem Produkt oder einer Dienstleistung abhängt, erklärt Gaspar-Martins. Da könne schon ein einziges Wetterereignis fatale Folgen haben: Ein Ereignis von zwei oder drei Stunden kann die Infrastruktur eines Landes auslöschen – die soziale und ökonomische Infrastruktur, die das Leben erhält. Ein ähnliches Fazit zog jüngst auch die Umweltorganisation Germanwatch in ihrem aktuellen Klima-Risiko-Index: Hitzewellen, Überschwemmungen und andere Wetterkatastrophen treffen vor allem arme Entwicklungsländer. Es trifft vor allem diejenigen, die am wenigsten dazu beigetragen haben und die sich am schlechtesten schützen können, bilanzierte Autor Söhnke Kreft. Die armen Länder machen sich deshalb bei den Pariser Verhandlungen für ehrgeizige Klimaziele stark. Wenn die Politik den Empfehlungen der Wissenschafter Gehör schenke, dann müsse die von Treibhausgasen befeuerte Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad gegenüber dem vorindustriellen Zeitalter begrenzt werden – genau das ist einer der Knackpunkte der Verhandlungen. Bisher konnte sich die Weltgemeinschaft nur auf ein Ziel von höchstens zwei Grad einigen. Zudem müssten sich die 196 Verhandlungspartner auf ein bindendes Klimaabkommen einigen. Eins der Übel, die den Prozess bisher heimgesucht haben, ist die Frage des Vertrauens in die Zusagen, meint Gaspar-Martins. Da helfe nur die Festlegung, dass gesetzte Ziele auch umgesetzt werden. Schließlich fordert die Gruppe finanzielle Hilfen entwickelter Länder. Doch in all diesen Punkten sind die Gespräche festgefahren. Gleichzeitig drängt die Zeit: Bis Freitag soll der Weltklimavertrag stehen. Wer engagiert für die eigenen Ziele kämpft, macht Abstriche beim Schlaf, das ist bei allen Parteien so auf dem Konferenzgelände in Le Bourget bei Paris. Ich habe Le Bourget an keinem der Tage, die wir hier sind, vor Mitternacht verlassen, sagt Gaspar-Martins. Gegen sechs Uhr kommen wir zurück und alles fängt von vorne an. Dazwischen isst er, ruft die Familie daheim an, tüftelt Verhandlungsstrategien aus – und schläft ein wenig. Für die unterentwickelten Länder ist der Extremsport Klimaverhandlung noch einmal besonders hart. Damit auch arme Länder vertreten sind, bekommen sie Zuschüsse aus einem speziellen Fonds der Vereinten Nationen, in den Spender wie Deutschland freiwillig einzahlen. Wir brauchen alle finanzielle Unterstützung, sagt Gaspar-Martins. Geld gebe es für zwei bis drei Delegierte pro Land. Wenn einer davon sich ums Organisatorische kümmere und ein zweiter politische Gespräche führe, bleibe nur ein Unterhändler übrig, rechnet Gaspar-Martins vor – für ein ganzes Land und mehrere Dutzend Sitzungen pro Tag. Umso wichtiger ist es für arme Staaten, sich zu einer Allianz wie der LDC-Gruppe zusammenzuschließen. Das erfordert Kompromissbereitschaft zwischen Ländern von Afghanistan bis zur Pazifikinsel Tuvalu. Aber die Gruppe kann auch als Verstärker für die Anliegen der Kleinen wirken, erklärt Gaspar-Martins. Kurz vor Abschluss der Klimaverhandlungen ringen Industrie- und Entwicklungsländer um ein Abkommen. Nach zehntägiger Dauer setzt die Klimakonferenz COP21 in Le Bourget bei Paris zum Endspurt an. Der französische Gastgeber Laurent Fabius legte am Donnerstag einen neuen, vorletzten Entwurf vor, um am Freitagabend ein Abkommen unterzeichnen zu können. Der nach mehrfachen Verzögerungen präsentierte Text sollte in der Nacht zunächst weiter beraten werden. Aus der EU-Delegation hieß es Donnerstagabend: Es liegt noch viel harte Arbeit vor uns. Verhandlungsinsider erachten es aber für normal, dass die Gespräche erst in den letzten 24 Stunden zu einem Durchbruch kommen: Da alle Paragrafen und Themen miteinander verknüpft sind, kann sich die Blockade eigentlich erst auf der Zielgeraden lösen, sagte Pierre Radanne vom Ökostudienbüro Futur Facteur 4. Viele der 10.000 Länderdelegierten in Le Bourget rechnen mit einer Verlängerung der Konferenz ins Wochenende. Bei Kapiteln wie Offenlegung der CO2-Politik, Schutz vor Abholzung oder Technologietransfer schien eine Einigung am Donnerstag in Griffweite zu sein. Die großen Brocken bleiben aber ungelöst. So etwa die Frage, wie das zentrale Klimaziel formuliert werden soll: 1,5 oder zwei Grad Temperaturzunahme bis zum Jahrhundertende – oder eine mittlere Formulierung wie bedeutend weniger als zwei Grad? Die Verbindlichkeit dieser Maßnahmen bleibt aber weiterhin unsicher. Die EU möchte zudem, dass die Ziele bereits von 2018 oder 2019 an alle fünf Jahre überprüft und anschließend, etwa ab 2021, nachgebessert werden. China will sich darauf nicht verpflichten lassen. Heikel bleibt die Geldfrage: In welcher Höhe und auf welche Weise – Schenkung oder Leihe – sollen die reichen Nationen die Folgen des Klimawandels in Entwicklungsländern lindern? Und wozu sollen die rund 91 Milliarden Euro pro Jahr dienen – zur Senkung der CO2-Emissionen oder zur Behebung von Schäden? Es gibt noch Schwierigkeiten in Bezug auf die Finanzen und die Verteilung, gestand am Donnerstag der französische Präsident François Hollande, der mit Fabius für ein Abkommen kämpft, um ein Scheitern der Konferenz wie 2009 in Kopenhagen zu verhindern. Der Unterhändler Malaysias, Gurdial Singh Nijar, erklärte schroff: Der Text mag ausgeglichen sein – aber alle sind unzufrieden damit. Weiter meinte er, man könne die Entwicklungsländer nicht zwingen, ihr Wirtschaftswachstum aus Klimarücksicht zu drosseln. Ähnlich äußerten sich Sprecher Chinas und Südafrika, die sich im Namen der größten Ländergruppe aus Entwicklungs- und Schwellenländern äußerten. Beide verlangten vom Norden mehr Finanzzusagen. Der härteste Widerstand kommt von erdölproduzierenden Ländern wie Venezuela und Saudi-Arabien. Sie lobbyieren hinter den Kulissen massiv gegen die Nichtnutzung förderbarer fossiler Brennstoffe – was als Voraussetzung gilt, das Zwei-Grad-Ziel einzuhalten. Ein saudischer Delegierter meinte, Nachhaltigkeit müsse auch Armutsbekämpfung und Lebensmittelproduktion einschließen. Hinter diesen diplomatischen Floskeln verbirgt sich schlicht die Weigerung, auf die Ausbeutung von Öl und Gas in der arabischen Halbinsel zu verzichten. 195 Staaten bekennen sich zum Kampf gegen die Erderwärmung – Ziel ist ein Temperaturanstieg um weniger als zwei Grad. Le Bourget – Nach langem Ringen ist das weltweite Klimschutzabkommen von allen 195 beteiligten Staaten einstimmig beschlossen worden. Ich sehe den Saal, die Reaktion ist positiv, ich höre keine Einwände, sagte Frankreichs Außenminister Laurent Fabius, bevor er die Einigung am Samstagabend auf der UN-Klimakonferenz in Le Bourget bei Paris per Hammerschlag besiegelte. Ziele des Vertrages sind die Begrenzung der Erderwärmung und Hilfen für Entwicklungsländer. Das Abkommen ist das erste Klimaschutzabkommen, in dem alle Staaten eigene Beiträge im Kampf gegen die Erderwärmung zusagen. Diese soll auf deutlich unter zwei Grad begrenzt werden, möglichst auf 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter. Da die bisher vorliegenden nationalen Emissionsziele zum Erreichen dieser Ziele nicht ausreichen, sollen sie ab 2023 alle fünf Jahre überprüft werden. Laut einer ebenfalls beschlossenen ergänzenden Entschließung soll es zudem bereits 2018 eine erste informelle Bestandsaufnahme geben. In der zweiten Jahrhunderthälfte soll Emissionsneutralität bei Treibhausgasen erreicht werden. Festgeschrieben wird auch das Versprechen der Industriestaaten, den Ländern des Südens jedes Jahr hundert Milliarden Dollar für Klimaschutz und Anpassung zur Verfügung zu stellen. Diese Summe solle der Basiswert für die Zeit ab 2020 sein, eine neue Zahl wird spätestens 2025 festgelegt werden. Allerdings steht auch dies nur in der Entschließung. Im Vertragstext bekennen sich die Industriestaaten allgemein zu gegebenen Verpflichtungen. Hintergrund sind sonst drohende Ratifizierungsprobleme in den USA. Zuvor hatten Frankreichs Präsident François Hollande und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Le Bourget eindringlich um ein Ja zu dem Vertrag geworben. Dieses Abkommen wird ein großer Schritt für die Menschheit sein, sagte Hollande. Es liegt jetzt an Ihnen zu entscheiden, rief er den Delegierten zu. Nationalen Interessen wird dann am besten gedient, wenn alle im Interesse der internationalen Gemeinschaft handeln, hob Ban hervor. Unsere Kinder würden uns nicht verstehen, noch würden sie uns vergeben, warnte auch Fabius vor einem Nein. Umweltverbände beurteilten den Vertrag fast einhellig positiv, riefen aber auch zu raschem Handeln auf, um die darin definierten Ziele zu erreichen. Paris gibt der Welt Hoffnung und sende ein klares Signal für die Abkehr von fossilen Brennstoffen, erklärte der Greenpeace-Klimaexperte Martin Kaiser. Der politische Geschäftsführer der Umwelt- und Entwicklungsorganisation Germanwatch, Christoph Bals, erklärte: Das Abkommen wird die Welt der Energie- und Klimapolitik verändern. Der WWF lobte das Abkommen gar als Meisterstück der Klimadiplomatie. Die Präsidentin der Entwicklungsorganisation Brot für die Welt, Cornelia Füllkrug-Weitzel, warnte vor Schlupflöchern in der Vereinbarung und Untätigkeit. Jetzt müssen sofort die Schnürschuhe angezogen werden, um in großen Schritten den in Paris immerhin vorgezeichneten Weg zur Minderung der Treibhausgase rasch zu betreten, forderte sie. Lob kam auch aus der Wissenschaft: Wenn dies umgesetzt wird, bedeutet das eine Senkung der Treibhausgasemissionen auf Null in wenigen Jahrzehnten, erklärte der Leiter des Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK), Hans Joachim Schellnhuber. Sein Stellvertreter Ottmar Edenhofer bezeichnete das Abkommen als Durchbruch. Nun hänge das Schicksal der Erde davon ab, wie schnell und wie umfassend die beschlossenen Maßnahmen umgesetzt würden. Zahlreiche EU-Spitzenpolitiker von Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker über Parlamentspräsident Martin Schulz bis hin zur Vorsitzenden der Grünen-Fraktion im Europäischen Parlament, Rebecca Harms, würdigten das Ergebnis als historische Einigung. EU-Ratspräsident Donald Tusk gratulierte Frankreich und der Welt über den Kurznachrichtendienst Twitter. US-Präsident Barack Obama hat das Klimaschutzabkommen als stark und historisch begrüßt. Das Abkommen könne ein Wendepunkt für die Welt sein, sagte Obama am Samstag im Weißen Haus in Washington. Die Übereinkunft lege den nötigen Rahmen zur Beilegung der Klimakrise fest. Indiens Premierminister Narendra Modi das Abkommen als Sieg für die Klimagerechtigkeit begrüßt. Der Klimawandel bleibe eine Herausforderung, doch zeige das Abkommen, dass alle Nationen gemeinsam an einer Lösung arbeiteten. Indien hatte bei der Klimakonferenz bis zuletzt eher als Blockierer gegolten, da es weitgehende Einschnitte ablehnte. Modi hatte bei der Konferenz von Paris argumentiert, dass es Indien weiterhin erlaubt bleiben sollte, billige Kohle zu verbrennen, um sich entwickeln zu können. Ebenso wie andere Schwellen- und Entwicklungsländer argumentierte Indien seit Jahren, dass die Industriestaaten zuerst am Zug seien, den Ausstoß der Treibhausgase zu reduzieren, da sie seit der Industriellen Revolution am meisten zur Klimaerwärmung beigetragen hatten. Letztlich gelang es aber, die Differenzen zu überwinden und einen Kompromiss zu erreichen, der für alle Seiten tragbar war. Ein Wort hätte die kunstvoll ausbalancierte Architektur des Abkommens am Ende fast noch ins Wanken gebracht: Unmittelbar vor der dann erfolgreichen Abschlussberatung brach am Samstagabend plötzlich noch einmal Hektik aus – und Delegierte und Beobachter fragten sich, warum Frankreichs Außenminister Laurent Fabius die Sitzung nicht endlich eröffnete. Der Hintergrund war, neben einigen anderen weniger bedeutsamen Ungereimtheiten, die Frage von shall und should. Entwickelte Länder sollen weiterhin die Führung übernehmen bei die gesamte Wirtschaft betreffenden Zielen zur Senkung der Emissionswerte, hieß es in dem den Delegierten vorliegenden Text. Dort hätte aber sollten stehen müssen, reklamierte die US-Delegation. Im Deutschen nur ein Buchstabe, aber ein wichtiger rechtlicher Unterschied. Shall (sollen) wäre eine bindende Verpflichtung, die für das ganze Abkommen eine Ratifizierungpflicht durch den US-Kongress auslösen könnte, wo das Klimaabkommen so gut wie sicher an der Mehrheit der Republikaner scheitern würde. Should (sollten) ist dagegen eine weniger verbindliche Aufforderung. Genau deswegen hätte eine Reihe von Schwellen- und Entwicklungsländern an dieser Stelle tatsächlich lieber shall gehabt – wollte daran dann aber das Abkommen doch nicht scheitern lassen. Attac, Fian und Via Campesina kritisieren Fehlen von Sanktionsmöglichkeiten und konkreten Maßnahmen. Wien – Die Klimaschutzbewegung System Change, not Climate Change! sieht in dem in Paris beschlossenen Weltklimavertrag kein wirksames Instrument gegen die zunehmende Umweltverschmutzung. Am Mittwoch betonten die Organisationen Fian, Attac und Via Campesina bei einer gemeinsamen Pressekonferenz, dass sie den Kompromiss der Staatengemeinschaft als zu schwach betrachten. Es gibt keine einklagbaren Sanktionen und keine konkreten Maßnahmen, sagte Brigitte Reisenberger von Fian. Das globale 1,5-Grad-Ziel sei vielmehr mit dem Vertrag in weite Ferne gerückt. Nach aktuellen Berechnungen werden die freiwilligen Klimaschutzzusagen der Länder (INDCs) noch zu einer Erderwärmung von 2,7 bis 3,7 Grad Celsius führen. Nur eine rasche Nachschärfung der Ziele kann die Zwei-Grad-Grenze realisieren. Doch erst 2023 wird das erste Mal eine Begutachtung der Fortschritte in den einzelnen Ländern erfolgen. Gültig ist der Vertrag zudem erst ab 2020. Dann wird der CO2-Ausstoß, der zu einer 1,5-Grad-Erwärmung führen wird, aber bereits erreicht sein. Das Ziel, ab 2050 ein Gleichgewicht zwischen CO2-Ausstoß und -Bindung herzustellen, sei damit völlig unkonkret, sagt Reisenberger: Das Abkommen öffnet auch für jene Länder, die am meisten emittieren, die Möglichkeit, sich über Marktmechanismen aus ihrer Verantwortung freizukaufen. Attac-Obfrau Alexandra Stricker kritisierte in diesem Zusammenhang, dass der Begriff fossile Energieträger nicht ein einziges Mal im Text vorkommt. Sie betonte, dass im Freihandelsabkommen TTIP diskutiert wird, dass es Investorenrechte geben soll: Im Gegensatz zum Klimavertrag ist es hier offenbar kein Problem, Sanktionen festzusetzen. Nationalstaaten treiben zudem globale Handelsabkommen wie TTIP, Ceta oder Tisa voran, die den Güterhandel ausweiten und Dienstleistungen weiter liberalisieren. Das werde zu noch mehr Emissionen führen, so Stricker. Reisenberger kritisierte die fehlende Diskussion über Menschenrechte im Klimavertrag. In einer Präambel wird lediglich empfohlen, die Menschenrechte in Betracht zu ziehen. Leidtragende des Klimawandels sind jedoch Bevölkerungsgruppen wie Indigene, Fischer, Kleinbauern und Nomaden, die meist von Verhandlungen ausgeschlossen sind. Viele Projekte mit grünem Label würden zudem zu Vertreibungen führen. Als Beispiel nennt sie Sierra Leone, wo Menschen für den Anbau von Agrartreibstoffen von fruchtbarem Land vertrieben werden. Politikwissenschafter Ulrich Brand von der Uni Wien sprach in diesem Zusammenhang die Machtfrage an. Denn um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müssten mindestens 80 Prozent der fossilen Energieträger im Boden bleiben. Diese enormen Profitinteressen würden auch die internationale Klimapolitik bestimmen. Um diese erfolgreich zu ändern, müssten sich die Regeln und Grundsätze der Weltwirtschaft nach den Klimazielen richten – und nicht umgekehrt, so Brand. Die Rahmenbedingungen müssen laut einer Boku-Studie fortlaufend angepasst werden. Wien – Klimawandel, demografische Veränderungen, zunehmende Spitzenverbräuche im privaten Bereich und steigende Konflikte durch landwirtschaftliche Nutzungen könnten einer Boku-Studie zufolge in Österreich in den kommenden Jahren zu Wasserversorgungsengpässen führen. Wasserversorgungsunternehmen und Politik müssten daher fortlaufend an entsprechenden Rahmenbedingungen arbeiten. Durch vermehrte und längere Trocken- und Hitzeperioden und den geringer werdenden Sommerniederschlag werden der von der ÖVGW (Österreichische Vereinigung für das Gas- und Wasserfach) in Auftrag gegebenen Studie zufolge nicht nur private Nutzer ihren Verbrauch steigern, sondern auch die Landwirtschaft langfristig ihre Bewässerungskapazitäten ausbauen und den Konkurrenzdruck auf die Ressourcen erhöhen. Höhere Temperaturen im Winter, abnehmende Schneeniederschläge und dadurch schnellere und stärkere Oberflächenabflüsse können zudem die Grundneuwasserbildung negativ beeinflussen. Um die Versorgungssicherheit in der bisherigen Qualität auch in Zukunft gewährleisten zu können, forderte die ÖVGW einen regional integrierten Wasserversorgungsplan, der auch eine langfristige Ressourcennutzungsplanung berücksichtigt. Die Studie ist ein wichtiger Startpunkt und zeigt, dass wir verstärkt in Richtung Zukunftsplanung aktiv werden müssen, um das hohe Niveau der Versorgungssicherheit in Österreich weiterhin erfolgreich halten zu können, so ÖVGW-Präsident Wolfgang Zerobin. Um einem möglichen Ressourcenausfall oder einer Nutzungseinschränkung vorzubeugen, wird von den Wasserversorgern verstärkt versucht, ein zweites Standbein für die Wassergewinnung aufzubauen. Das können alternative Wasserspender oder Verbindungsleitungen zu anderen Wasserversorgern sein. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach von einem "historischen Moment". New York – Eine Rekordzahl von 175 Staaten hat während einer feierlichen Zeremonie bei der UNO in New York das neue Klimaschutzabkommen unterzeichnet. UN-Generalsekretär Ban Ki-moon sprach am Freitag von einem historischen Moment. Niemals zuvor hat eine solch hohe Zahl von Staaten an einem einzigen Tag eine internationale Vereinbarung unterzeichnet. Als erster setzte der französische Präsident Francois Hollande seine Unterschrift unter das Dokument – er war der Gastgeber der UN-Klimakonferenz von Paris, bei der das Abkommen vor vier Monaten ausgehandelt worden war. Rund 60 Staats- und Regierungschefs nahmen an der Zeremonie teil. Für Österreich setzte Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) seine Unterschrift unter das Abkommen. Dass so viele Staaten gemeinsam das Klimaabkommen unterzeichnen, ist ein starkes Bekenntnis für die Umsetzung der Ziele. Damit ist der Weg frei in eine fossilfreie Zukunft, betonte er am Abend in einer Aussendung. Jetzt müssen wir das Abkommen mit Leben erfüllen. Die Reduktion der CO2-Emissionen lässt sich langfristig nur durch die Energiewende erreichen, so der Minister. Ban forderte, dass auf die Unterzeichnung auch möglichst rasch die Ratifizierung in den einzelnen Ländern folgen müsse. Zusammen mit dem Armutsbekämpfungsprogramm der UNO habe die Klima-Vereinbarung die Kraft, die Welt zu verändern, betonte er. Hollande forderte die Staaten der Europäischen Union auf, sie sollten das Beispiel setzen und das Abkommen bis Jahresende ratifizieren. Das Abkommen sieht vor, die Erderwärmung auf ein beherrschbares Maß von deutlich unter zwei Grad und möglichst unter 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu begrenzen. Ferner soll in der zweiten Jahrhunderthälfte eine Treibhausgasneutralität erreicht werden. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen es mindestens 55 Staaten ratifizieren, die zusammen mindestens 55 Prozent des Treibhausgasausstoßes verursachen. Besonders heikel ist der Ratifizierungsprozess in den USA, wo der von den Republikanern dominierte Kongress das Abkommen ablehnt. Der Klimaschutz könnte daher zu einem zentralen Thema im US-Wahlkampf werden. Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) sagte, die Unterzeichnung sei zwar ein wichtiger Schritt, aber die eigentliche Arbeit liegt noch vor uns. Bei der Umsetzung wolle Deutschland mit dem Klimaschutzplan vorangehen, der im Sommer beschlossen wurde und den Weg zu einem weitgehend treibhausgasneutralen Deutschland im Jahr 2050 zeigen solle. Mit dieser Neutralität ist gemeint, dass nicht mehr Treibhausgase in die Atmosphäre ausgestoßen werden, als durch andere Maßnahmen kompensiert wird. Auch Umweltverbände mahnten, den Worten nun Taten folgen zu lassen. Feierliche Unterschriften alleine werden den Klimawandel nicht stoppen, warnte Karsten Smid von Greenpeace Deutschland. Er forderte einen gesetzlich verankerten Kohleausstieg in Deutschland bis 2035. Sonst ist die deutsche Unterschrift in New York wertlos. Venedig, Stonehenge und ugandischer Nationalpark akut gefährdet. Paris – Die Freiheitsstatue, Stonehenge, Venedig oder der ugandische Nationalpark Bwindi sind akut vom Klimawandel bedroht: Die Vereinten Nationen führten am Donnerstag 31 Welterbestätten auf, die durch den steigenden Meeresspiegel, Stürme, Dürren und andere Auswirkungen der Erderwärmung gefährdet sind. Demnach bekommen alle untersuchten Stätten bereits die Folgen der Klimaveränderung zu spüren. Untersucht hatten Forscher der Union of Concerned Scientists (UCS) gemeinsam mit der UN-Kulturorganisation UNESCO und dem UN-Umweltprogramm UNEP die Folgen für 31 Stätten in 29 Ländern. Darunter waren Korallenriffe, Regenwälder, Wüsten und archäologische Stätten. Klimawandel wird rasch zu einer bedeutenden Bedrohung für die Welterbestätten, erklärten die Forscher nun. Die internationale Gemeinschaft hatte sich im Dezember beim UN-Klimagipfel in Paris darauf geeinigt, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius über dem Niveau vor der Industrialisierung zu begrenzen. Dafür muss der Verbrauch von klimaschädlichen Energieträgern wie Öl und Gas deutlich reduziert werden. Laut Forschern drohen selbst bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad schwere Folgen. So wird damit gerechnet, dass der Meeresspiegel deutlich steigt und die Häufigkeit und Schwere von Dürren, Stürmen und Überschwemmungen zunimmt. Die Ergebnisse des Berichts unterstreichen, dass es extrem wichtig ist, die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, um unser Welterbe für aktuelle und künftige Generationen zu bewahren, mahnte die Direktorin des Welterbezentrums, Mechthild Rössler. Österreich wurde überstimmt, Umweltminister Rupprechter ist von der grünen Ratsvorsitzenden Dieschbourg "sehr enttäuscht". Brüssel/Wien – Der EU-Umweltrat hat am Mittwoch gegen die Stimmen von Österreich, Deutschland, Polen und Dänemark die Luftreinhalte-Richtlinie beschlossen. Umweltminister Andrä Rupprechter (ÖVP) zeigte sich empört und sehr enttäuscht vom Verhalten der luxemburgischen Ratsvorsitzenden Carole Dieschbourg von den Grünen. Grüne haben offensichtlich keine Handschlagqualität, sagte Rupprechter. Der Minister erklärte, er habe im Vorfeld des Rates sowohl beim Klima-Gipfel in Paris als auch noch vor zwei Tagen mit Dieschbourg gesprochen, weil wir dieser wichtigen Richtlinie für die Luftreinhaltung, die über 2030 hinaus geht, zustimmen wollten. Dabei sei ihm zugesagt worden, dass die heimischen Ziele auf ein realistisches Niveau angepasst würden. Ich bin flexibel und offen. Letztlich habe Dieschbourg für drei Staaten – Finnland, Deutschland und Irland – Nachbesserungen vorgenommen, bei uns war sie nicht mehr bereit, entgegen zweimaliger Handschlagvereinbarung, unsere Zahlen nachzubessern, kritisierte Rupprechter. Er habe deshalb bei der Abstimmung seinen Protest zum Ausdruck gebracht, dass er sich nicht auf so einen Vorsitz verlassen kann. Die Zahlen im ursprünglichen luxemburgischen Kompromissvorschlag würden nicht mit der Realität übereinstimmen, in den osteuropäischen Ländern gibt es ein wesentlich niedrigeres Ambitionsniveau. Außerdem seien die Auswirkungen des Transitverkehrs durch Österreich nicht berücksichtigt worden. Rupprechter warf Dieschbourg ein Schwächezeichen und parteipolitisch gefärbtes Verhalten vor. Offenbar war der grüne Ehrgeiz stärker. Offensichtlich wollte man da auch die Konservativen bewusst in die Ecke drängen, dass sie dagegen stimmen. Das ist sehr stark von der Parteipolitik geprägt und ziemlich letztklassig und ich verurteile das auf das Schärfste, empörte sich der Minister. Jedenfalls werde er in den folgenden Gesprächen mit dem EU-Parlament verhandeln und versuchen, unsere Werte entsprechend anzupassen. Auch mit dem niederländischen Vorsitz im ersten Halbjahr 2016 werde er versuchen, zu einer Lösung zu kommen, anstatt wie heute passiert, eine überhastete Beschlussfassung zuwege zu bringen. Auf allfällige Konsequenzen für Österreich angesprochen, sollten die Werte aus dem Präsidentschaftsplan umgesetzt werden, meinte Rupprechter, er erachte dies nicht als umsetzbar. Der luxemburgische Vorschlag hatte für Österreich eine Reduktion von 71 Prozent bei Stickstoffoxid, ein Minus von 41 Prozent bei Schwefeldioxid, um 36 Prozent weniger flüchtige organische Substanzen, 18 Prozent weniger Ammoniak und 46 Prozent weniger Feinstaub PM2,5 vorgesehen – und zwar bis 2030 gegenüber dem Stand von 2005. Rückgang der gesundheitsgefährdenden Partikel laut Umweltbundesamt durch Warmwetter bedingt – Jedoch vier Überschreitungen – Stickstoffdioxid-Belastung stieg hingegen 2015 an. Wien – Die Belastung durch das Gesundheitsrisiko Feinstaub ist wegen des warmen Wetters erneut geringer ausgefallen. Die vorläufige Feinstaubbilanz für 2015 ergab für Wien, Nieder-, Oberösterreich, Salzburg und Vorarlberg das bisher niedrigst belastete Jahr seit Beginn flächendeckender Messungen im Jahr 2002, berichtete das Umweltbundesamt am Montag. Gestiegen ist indes die Stickstoffdioxid-Belastung. Dies ist ebenfalls durch die Witterung bedingt. Konkret durch die bei Warmwetter erhöhte Ozonbelastung, da Ozon Stickoxide schneller zu Stickstoffdioxid oxidiert, erklärte Jürgen Schneider vom Umweltbundesamt im Gespräch mit der APA. Die Stickoxidbelastung ist vor allem vom Verkehr und hier wiederum hauptsächlich von den Dieselfahrzeugen verursacht, kommentierte der Verkehrsclub Österreich (VCÖ) diese Entwicklung. Vor allem bei den verkehrsnahen Messstellen in Tirol war die Belastung sehr hoch, am höchsten in Vomp an der A12. Hier wurde an 44 Tagen der Tagesmittelwert von 80 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft überschritten, im Jahr 2014 war dies an nur 16 Tagen der Fall. Die Entwicklung beim Feinstaub bei PM10-Partikel mit einem Durchmesser von weniger als zehn Mikrometer verläuft dafür österreichweit seit Jahren positiv, wie die Ergebnisse der weit über 100 Messstellen zeigen. Auch in den übrigen vier Bundesländern war 2015 das Jahr mit der zweitniedrigsten Belastung nach 2014. Der Grenzwert der EU-Luftqualitätsrichtlinie für PM10 für den Tagesmittelwert (35 Tagesmittelwerte über 50 Mikrogramm pro Kubikmeter im Kalenderjahr) wurde im Jahr 2015 aber an drei Messstellen in Graz sowie an der Messstelle Leibnitz in der Steiermark überschritten. Der Experte betonte, dass es sich bei den vorliegenden Daten um vorläufige Werte handelt und belastungsreduzierende Korrekturen somit möglich sind. Dies ist durch eine EU-Richtlinie geregelt und wegen zweierlei Gründen erlaubt: So können die PM10-Werte nachträglich reduziert werden, wenn ihre Ursache natürlich begründbar ist, was beim Saharastaub der Fall ist. Im zweiten Fall ist der Streudienst im Winter ein reduzierender Einfluss. Der wesentlichste Faktor für die niedrige Belastung war wie 2014 das warme Wetter in allen Wintermonaten (Jänner bis März sowie Oktober bis Dezember). Dadurch waren die Emissionen aus dem Hausbrand niedrig. Inversionslagen – Wettersituationen, in denen sich der Feinstaub in bodennahen Luftschichten anreichert – sowie grenzüberschreitender Schadstofftransport aus Ostmitteleuropa traten vergleichsweise selten auf. Darüber hinaus haben laut Umweltbundesamt die emissionsseitigen Maßnahmen in Österreich und den Nachbarländern zur stetig sinkenden Belastung beigetragen – rund zwanzig Prozent innerhalb des vergangenen Jahrzehnts. Besonders reduziert hat sich der Anteil der besonders gesundheitsgefährdenden, weil noch feineren Partikel PM 2,5. Diese Teilchen mit weniger als 2,5 Mikrometer Durchmesser sind eine Teilmenge der PM10-Partikel. Dieser Rückgang ist mit der stetigen Zunahme der Partikelfilter bei Diesefahrzeugen zu erklären, sagte Schneider. Somit ist hier auch in den kommenden Jahren von einer weiteren Reduktion auszugehen. Tempolimits, Umrüstung kommunaler Flotten, Fahrverbote für alte Lkw, verbesserte Standards im Wohnbau und der Umstieg auf Fernwärme sorgen gemäß der Angaben der Experten-Einrichtung insgesamt für einen Rückgang der Feinstaubbelastung. International waren laut Umweltbundesamt Maßnahmen zur Emissionsreduktion bei primären Partikeln sowie von Vorläufersubstanzen für sekundäre Partikel (SO2, NOx) bei Kraftwerken und der Industrie entscheidend. Im Rebuilding Center in Portland an der Westküste der USA werden Häuser abgebaut statt abgerissen. Die Bewohner spenden ihre alten Möbel, die andere günstig kaufen können. Zwischen drei angekratzten Waschbecken, einem Kasten, dessen Rückwand nur noch an einem Nagel hängt, und einem gelb-weißen Küchenschrank steht die Badewanne. Sie ist so groß, dass zwei Badende gemütlich darin liegen können. Die silberne Armatur erinnert an ein Telefon aus den Zwanzigerjahren, die Füße an Löwentatzen. Ein Mann kommt näher, beugt sich hinunter und klopft darauf. Der helle Ton hallt sekundenlang nach. Wahrscheinlich aus Gusseisen, sagt Edward McNair. Der Unternehmer ist Anfang vierzig und renoviert gerade seine beiden Häuser und kommt deshalb oft in das Rebuilding Center im Norden Portlands. Er könnte eine Badewanne gut gebrauchen. Wie viel soll sie kosten? Portland ist eine der grünsten Städte im Bundesstaat Oregon an der Westküste der Vereinigten Staaten. Das meint nicht nur die vielen Parks, Portland wird auch die Stadt der Fahrräder genannt. Der öffentliche Verkehr ist hier für amerikanische Verhältnisse gut ausgebaut. Bis 2050 will die Stadt ihre Kohlenstoffemissionen um 80 Prozent reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, empfiehlt die Stadtregierung ihren Bürgern, Möbel und Baumaterialien wiederzuverwenden. Und im Rebuilding Center, das vor 15 Jahren gegründet wurde, gibt es vieles, was jene bringen, die ihr altes Zeug nicht wegwerfen wollen und das andere noch brauchen können. Es gibt alte Holzmöbel, Küchengeräte, Waschbecken, Toiletten, Fliesen, Türen, Fenster, Bauholz und Lampenschirme. Mitarbeiter des hauseigenen Deconstruction Service helfen dabei, Häuser so zu zerlegen, dass 85 Prozent des Baumaterials wiederverwendet werden können. Vor allem hier an der Westküste, wo es viele Wälder und deshalb auch viele Holzhäuser gibt, hilft das der Umwelt. 33 Bäume pro Haus würde man damit schützen, gibt das Rebuilding Center an. Auf einer Fläche von mehr als 3.000 Quadratmetern werden die Möbel und Baumaterialien um maximal die Hälfte des ursprünglichen Preises angeboten. Tom Patzkowski ist Geschäftsleiter des Rebuilding Center. Er ist um die fünfzig, die grauen lockigen Haare trägt er zu einem Pferdeschwanz gebunden, am linken Ohr baumelt ein Ring. Ich weiß den Preis noch nicht, antwortet er auf die Frage McNairs. Er verspricht, einen Mitarbeiter zu schicken, der den Preis der Badewanne herausfinden soll. Wer die Markthalle betritt, sieht als Erstes dutzende Waschbecken, die in drei Meter hohe Metallregale geschlichtet sind. Sie sind weiß, hellrosa, gelb oder blau. Auf manchen sind noch Ränder von Zahnpastaflecken zu sehen, andere scheinen kaum benutzt worden zu sein. Hier ist auch der Lieblingsschlafplatz der schwarz-weiß gefleckten Hauskatze, die das Personal vor zwölf Jahren adoptiert hat. Das Rebuilding Center macht mit seinen Verkäufen keinen Gewinn. Der Umsatz liegt bei zwei Millionen Euro im Jahr, das Geld fließt in die Gehälter der dreißig Mitarbeiter und in die Non-Profit-Organisation Our United Villages. Sie wurde gegründet, um Gemeinschaftsprojekte in der Nachbarschaft des Centers zu unterstützen. Schulen, Unternehmen und Kirchen bekommen kostenlos Beratung, Büroräume und Materialien des Rebuilding Center, auch ein Gemeinschaftsgarten wurde schon gratis beliefert. 2.000 Freiwillige beschäftigt das Unternehmen pro Jahr, die meisten von ihnen wurden von einem Gericht zum Sozialdienst verpflichtet. Privatleute und Unternehmen können Sachspenden an das Rebuilding Center von der Steuer absetzen. John McNairs Badewanne steht seit einer halben Stunde im Lieferbereich vor dem Eingang, er ist nicht der Einzige, der das Stück will. Vier Männer stehen diskutierend davor, klopfen immer wieder darauf und spekulieren über den Preis. Sie helfen Thomas, einem Mitarbeiter des Centers, die Wanne hochzuhieven, der legt sich darunter und bestätigt: Ist aus Gusseisen. Er legt den Preis auf 1.100 Dollar fest, rund 980 Euro. McNair hat mit weniger gerechnet. Das muss ich erst mit meiner Frau besprechen, sagt er und geht, auch seine Konkurrenten nehmen die Badewanne nicht. Geschäftsführer Patzkowski ist sich trotzdem sicher, dass er das Stück bald verkaufen wird. Gespendet hat die Badewanne ein Baumeister, der ein Haus an einem künstlich angelegten See außerhalb der Stadt renoviert. So etwas kriegen wir nur alle fünf Jahre rein, sagt Patzkowski. Solche Dinge erlauben es uns, auch Produkte anzunehmen, deren Wert sich eigentlich nicht rechnet. Einzelstücke kosten hier normalerweise nicht mehr als 450 Euro, darum bekommt man im Center auch schon ganze Wohnzimmereinrichtungen. Ein Stück Holz können Kunden oft gratis mitnehmen. Mike McMajom steht am anderen Ende der Kette. Er sorgt dafür, dass das Material transportierbar wird und in das Lager kommt. Der Baumeister ist Ende dreißig und trägt weiße Plugs in beiden Ohrlöchern, die Unterarme sind tätowiert. Er zerlegt zusammen mit vier Kollegen ein Haus im Südosten Portlands in seine Einzelteile. Das Rebuilding Center war die erste Firma, die einen Deconstruction Service in Portland angeboten hat. Mittlerweile gibt es mehrere dieser Unternehmen in der Stadt. Um die ressourcenschonende Methode zu unterstützen, fördert die Gemeinde den Abbau von Häusern mit bis zu 2.200 Euro pro Projekt. Das hellgraue Haus im Südosten der Stadt ist völlig verfallen, die Veranda lässt sich noch erahnen, und auch ein Teil des Zauns steht noch. Die Rückwand aber fehlt komplett, auch Dach hat das Haus keines mehr. Die Helme der Bauarbeiter im ersten Stock sind von der Straße aus zu sehen. Wie fast überall in der Stadt werden auch hier neue Wohnungen gebaut. Das Nachbarhaus wurde bereits abgerissen, ein Wohnblock mit mehreren Einheiten für Familien ist stattdessen entstanden. Portland wächst: 2010 lebten 580.000 Menschen hier, 2020 werden es 650.000 sein, schätzen Demografen. Um die Außenwand im ersten Stock des Hauses abzureißen, braucht McMajom nur ein Werkzeug. Die Säbelsäge kreischt auf und schneidet durch die Holzwand, als wäre sie Butter. Der Bauleiter sägt die Wand an beiden Seiten bis zum Boden an, dann zieht er ein langes rotes Seil durch ein Fenster und durch ein anderes zurück. Das Seil schlingt sich nun um die Wand zwischen den beiden Fenstern, McMajom knotet das Seil fest und geht damit einige Schritte zurück. Für ein paar Sekunden ist kein Laut zu hören, während er fest am Seil zieht. Dann knackst das Holz, die Wand fällt erst langsam und dann immer schneller mit einem lauten Knall zu Boden. Staub wirbelt auf. Die Arbeiter beginnen die Wand zu zerlegen und das gute Holz von jenem zu trennen, das nicht mehr verwendet werden kann. 12.500 Euro kostet der Abbau den Besitzer, das Rebuilding Center wird durch den Verkauf der gebrauchten Rohre, Türen, Fenster, Möbel und des Bauholzes zusätzlich rund 900 Euro einnehmen. Die Arbeiter fahren die Materialien in einem Pick-up-Truck ins Center. Dort hat die Badewanne mittlerweile eine weitere Verehrerin gefunden. Abbey Huston hat die Wanne gleich gesehen und sofort an ihre Mutter gedacht und daran, wie sehr sie ihr gefallen würde. Die Kunststudentin kommt schon seit ihrer Kindheit ins Rebuilding Center und erinnert sich noch genau daran, wie sie in den kleinen Kisten nach schönen Türknäufen grub. Das war meine Schatzsuche, sagt sie. Abbey Huston ruft ihre Mutter an. Die ist Gartengestalterin, plant derzeit ihr eigenes Haus und will dafür nur gebrauchte Materialien verwenden. Ich habe schon ewig nach so einer Badewanne gesucht, erzählt Susan Huston ihrer Tochter. Die beiden schlagen zu, auch wenn der Preis mit 1.300 Euro etwas hoch für sie ist. Patzkowski hat ihn seit gestern um 350 Euro erhöht, weil ein Händler in der Stadt die gleiche Badewanne neu für 4.000 Euro verkauft. Am nächsten Tag fahren Susan Huston und ihr Sohn die 80 Kilometer von Salem, der Hauptstadt Oregons, zu ihrer Tochter nach Portland. Stephen Reichard, Leiter des Rebuilding Center, empfängt die Familie am Eingang, um ihnen für den Kauf zu danken. In seinem Badezimmer wäre eigentlich auch Platz für das Stück gewesen, sagt er. Ich hatte also ein Auge darauf geworfen. Susan Huston kichert. Du bist zu spät dran, Steve. Meine Kundschafter waren schneller. Sie gehen in die Halle, und Huston sieht die Badewanne zum ersten Mal. Abbey, sie ist wunderschön, kreischt sie. Die Badewanne ist das erste Stück, das sie für ihr neues Badezimmer kauft. Sie ist der Ausgangspunkt für die Gestaltung des Raumes. Vier Mitarbeiter des Rebuilding Center stemmen die Badewanne auf die Ladefläche des roten Trucks der Familie. Dort steht sie nun, auf ihren wie Löwentatzen geformten Beinen, bereit für die Abfahrt. In Nordaustralien baut eine Firma kostbares Sandelholz an und verwirklicht damit eine Vision, von der Politiker seit 200 Jahren träumen. Der Flug über die endlose Landschaft Nordaustraliens in Richtung Westen scheint kein Ende zu nehmen. Ein Blick aus dem Fenster der kleinen Cessna zeigt ein karges Land, nur gelegentlich unterbrochen von breiten Flüssen oder einem Hügelzug. Menschen gibt es hier kaum. Nur selten sieht man ein Haus, eine Farm, einen Lastwagen. Doch beim Anflug auf die Kleinstadt Kununurra bietet sich Besuchern ein überraschendes Bild: Tausende von Sandelholzbäumen stehen in Reih und Glied, einer Armee grüner Soldaten gleich. Eine Oase des Lebens, mitten in einer graubraunen, trocken scheinenden Landschaft. Hinter einer Gebirgskette liegt ein großer See. Der ist privat, der gehört uns, sagt Mal Baker, Investment-Manager der australischen Firma Tropical Forestry Services (TFS). Wasser ist hier wertvoller als Gold. Es ist Teil des Rezepts für den wirtschaftlichen Erfolg. TFS hat geschafft, wovon Australien seit 200 Jahren träumt. In einer der isoliertesten Gegenden auf dem Planeten hat das Unternehmen ein Agrarprodukt entwickelt, von dem die Welt nicht genug bekommen kann. TFS ist der global führende Produzent nachhaltig hergestellten Sandelholzöls. Auf einer Gesamtfläche von 10.000 Hektar züchtet TFS in mehreren Plantagen Millionen Sandelholzbäume (Santalum album). Ursprünglich kommt die Pflanze aus Indien. Doch dort ist sie bedroht, da sie übernutzt wird. Die Produktion ist unzuverlässig. In TFS-Plantagen wird der Baum nach 15 Jahren geerntet, das Innere des Stammes herausgeschnitten und zerkleinert. Aus den Sägespänen destilliert TFS ein Öl, dessen süß-schwerer Duft Gläubige in Trance versetzt, und Männer schwach macht: Sandelholzöl findet sich in bis zu 80 Prozent aller Parfüms, unter ihnen die Königin aller Duftstoffe – Chanel No 5. Das Öl wirkt als Bindemittel für andere Aromen – entscheidend für eine erfolgreiche Mischung von Duftnoten. Auch verwendet wird Sandelholz für Räucherstäbchen, in verschiedenen Religionen ein unverzichtbares Element in Zeremonien. Einer Schätzung zufolge werden allein in Indien 500 Millionen Sandelholzräucherstäbchen verbrannt – pro Tag. Die Firma TFS lebt das, wovon australische Politiker träumen: Seit der Invasion des Kontinents durch britische Sträflinge und Siedler vor über 200 Jahren hofft die Regierung, den isolierten Norden des Kontinents zu einem wirtschaftlichen Wunderland zu machen. Die Futterkrippe Asiens – die Vision, Millionen Menschen, die quasi vor der Haustür leben, mit australischen Agrarprodukten versorgen zu können – allem voran mit Lebensmitteln. Heute werden 34 Prozent der Nahrungsmittelproduktion nach Asien verschifft. Es lockt ein Markt gigantischen Ausmaßes: Bis 2050 wird die Weltbevölkerung auf 9,1 Milliarden ansteigen. Gleichzeitig soll die Nachfrage nach Nahrungsmitteln um 70 Prozent zunehmen. Gerade in Asien, wo die Mittelschicht jedes Jahr um Millionen Menschen wächst, haben westliche Lebensmittel Hochkonjunktur. Über Jahrzehnte wurden in Nordaustralien verschiedene Pflanzen und Tiere importiert und getestet, ob sie in kommerzieller Qualität und Quantität produziert werden könnten. Der Erfolg war mäßig. Bis heute sind Fleischrinder das wichtigste Massenagrarprodukt im tropischen Norden, allem voran die widerstandsfähige Brahman-Rasse, die auf einem Boden mit wenig Nährstoffen, unzuverlässigen Niederschlägen und extremen Temperaturschwankungen gedeihen kann. Sandelholz ist in erster Linie ein Erfolg, weil TFS Millionen Dollar in Forschung und Entwicklung investiert hat. Die Pflanze ist ein Parasit, braucht also einen Wirtsbaum. Die perfekte Formel für die Zucht zu finden ist ein enormer Aufwand, erklärt Baker. TFS hat gegenüber möglichen Konkurrenten einen Forschungsvorsprung von etwa 20 Jahren, glaubt Jordan Rogers, Agraranalyst von UBS. Das größte Hindernis, das den Träumen von unbegrenztem Wachstum im Norden im Wege steht, ist die Wassersicherheit. Die Wasserversorgung muss garantiert sein, bevor wir uns einen potenziellen Standort für eine neue Plantage auch nur ansehen, sagt auch Mal Baker. 1969 staute Australien in der Nähe von Kununurra den Ord-Fluss und legte damit den Grundstein für eines der größten und erfolgreichsten Bewässerungssysteme der Welt. Ein 741 Quadratkilometer großer künstlicher See, Lake Argyle, erlaubt es dem Staat, die enormen Wassermengen zu speichern, die während der jährlichen Regenzeit fallen. So konnte sich im Gebiet von Kununurra eine Landwirtschaftsindustrie von bemerkenswerter Produktivität und Effizienz entwickeln. In der Region wächst eine Vielzahl von Produkten: Wassermelonen, Zuckerrohr, chinesisches Gemüse. Doch um die Landwirtschaft maßgeblich ausweiten zu können – auf hunderttausende weitere Quadratkilometer in Westaustralien und im Northern Territory -, müssten Hunderte, wenn nicht Tausende weiterer Seen gegraben werden oder Tiefbrunnen gebohrt. Dazu kämen Straßen, Siedlungen, Verarbeitungs- und Frachtanlagen, Investitionen in Milliardenhöhe. Auch der regierende Premierminister Tony Abbott hat versprochen, Nordaustralien endlich zu entwickeln. Im Juni stellte Canberra einen Infrastrukturfond vor und appellierte an Investoren weltweit, den Traum mitzuträumen. Doch die Regierung scheint selbst nicht an die Durchführbarkeit zu glauben. Ausgerechnet Landwirtschaftsminister Barnaby Joyce warnt vor der Hoffnung, Australien könnte dereinst die Futterkrippe Asiens werden. Im besten Fall können wir 60 Millionen Menschen ernähren, sagt er. Selbst wenn das Land durch eine dramatische Expansion der Agrarindustrie diese Zahl verdoppeln würde, könnte nach Meinung des Politikers nicht einmal die Hälfte der Bewohner Indonesiens versorgt werden. Die Träume von TFS werden hingegen wahr. Die Firma hat jüngst den Durchbruch in der notorisch qualitätsempfindlichen Pharmaindustrie geschafft. Sandelholzöl riecht nicht nur gut, es wirkt entzündungshemmend. Die Dermatologiefirma Galderma hat ein Mittel gegen Akne lanciert, das hochgradiges TFS-Sandelholz enthält. Wir glauben, dass in Zukunft der Großteil der Produktion in solche Anwendungen gehen wird, meint der Agraranalyst von UBS Jordan Rogers. Diese Entwicklung dürfte das Interesse an TFS-Papieren an der australischen Börse ansteigen lassen. Der Titel liegt derzeit bei 1,54 australischen Dollar und könnte laut Rogers innerhalb eines Jahres auf 2,60 australische Dollar steigen, sofern sich die Pläne einer Expansion in der Pharmaindustrie verwirklichen lassen. In der Verarbeitungsanlage, wo das Holz geschnipselt wird, bereitet man sich jedenfalls bereits auf einen möglichen Boom vor. Kameras und Alarmanlagen bewachen Dutzende riesiger Säcke. In diesem befinden sich 326 Kilogramm. Daraus destillieren wir etwa zehn Kilogramm Öl, sagt Mal Baker. Er greift in den Sack und lässt durch seine Finger gleiten, was wohl die teuersten Sägespäne der Welt sein müssen: Für ein Kilo Sandelholzöl erhält TFS 5000 US-Dollar. Regenwälder werden unter anderem brandgerodet, um Anbauflächen für Palmölplantagen zu schaffen. Greenpeace kritisiert Großkonzerne. Vom All aus ist Indonesien kaum noch zu erkennen: Dicke Rauchschwaden verschleiern den Blick auf das Festland. Welche Auswirkungen hunderte Waldbrände haben, zeigen Satellitenbilder der Nasa vom 24. September. Millionen Tonnen CO2 gelangten innerhalb weniger Wochen in die Atmosphäre. Indonesiens Sozialminister Khofifah Indar Parawansa bestätigte, dass eine halbe Million Menschen an Atemwegsinfektionen erkrankten, seit im Juli die ersten Waldbrände aufflammten. 19 Menschen kamen ums Leben, Schulen blieben geschlossen. Ein neuer Bericht von Greenpeace zeigt auf, dass die Brandrodung trotz unterschiedlicher Maßnahmen von Politikern und Großkonzernen weitergeht. Der Bericht beschäftigt sich insbesondere mit der Verantwortung der Konzerne. Regenwald wird vor allem für die Papierindustrie vernichtet und in den vergangenen Jahren auch immer mehr, um Platz für Ölpalmenplantagen zu schaffen, sagt Lukas Meus von Greenpeace. Drei Palmölplantagen in West- und Zentralkalimantan, einer Provinz auf Borneo, wurden untersucht. Die Umweltschutzorganisation stellte dabei fest, dass in allen Fällen Rodungen und die Entwässerung sumpfiger Waldböden den Feuern vorangingen. Diese Plantagen liefern vor allem über Händler an Unternehmen, die eigentlich bereits Nachhaltigkeitskriterien einsetzen, um kein Palmöl aus Regenwaldzerstörung zu beziehen, sagt Meus. Hinzu kommt, dass sich zwei dieser Plantagen im Besitz von Unternehmen befinden, die Mitglieder des Runden Tischs für nachhaltiges Palmöl (RSPO) sind, der im Jahr 2004 gegründet wurde und nachhaltige Anbaumethoden fördern soll. Der RSPO ist sicher ein erster Schritt in die richtige Richtung, aber die Unternehmen dürfen sich nicht allein darauf verlassen. Denn die Kriterien des RSPO sind zu schwach, um die Wälder zu schützen, sagt Meus. Es sei sehr wohl möglich, Palmöl in einer vertretbaren Weise zu produzieren. Wichtig wäre beispielsweise eine unterschiedliche Klassifizierung für Waldflächen. Buschlandschaften mit weniger Ökologie und bereits gerodete Flächen wären für den Anbau von Palmöl zu bevorzugen. Grundlegend wäre jedoch die Mitsprache von indigenen Völkern, die dort leben, sagt Meus. Dabei besteht Handlungsbedarf: Seit 1990 wurde ein Viertel der Wälder Indonesiens gerodet. 31 Millionen Hektar Regenwald, das entspricht etwa der Größe Deutschlands, wurden zerstört. Noch bieten die indonesischen Inseln Lebensraum für etwa zehn bis 15 Prozent aller bekannten Tier- und Pflanzenarten. Bedrohte Tierarten wie Orang-Utans kommen aber immer mehr unter Druck. Wenn sie aufgrund ihres eingeschränkten Lebensraums auf Plantangen nach Nahrung suchen, werden sie als Schädlinge betrachtet und getötet. Die Feuer in Indonesien sind außerdem schwieriger zu löschen und entwickeln oft mehr Rauch als andere Waldbrände. Das liegt an den Torfböden, die große Mengen CO2 speichern. Eine weitere Ursache für die verheerenden Brände war der heuer besonders starke El Niño. Die veränderten Strömungsmuster im Ozean verlängern in Indonesien meist die Trockenperiode und reduzieren den Regenfall. Vor der Klimakonferenz in Paris gewinnt das Thema an Brisanz: Die Nachrichtenagentur Bloomberg analysierte, dass Indonesien im September und Oktober an mindestens 47 Tagen beim CO2-Ausstoß die USA überholte. An 14 Tagen lag das Land sogar vor China. Die Regenzeit brachte nun ein erstes Aufatmen. Experten warnen jedoch, dass auch kommendes Jahr verheerende Brände zu erwarten sind. Ab 1. Juli müssen Urlauber auf den Balearen eine Umweltabgabe zahlen, die die Inseln vor dem Ökokollaps bewahren soll. Seit die Balearischen Inseln nach den Wahlen im Mai 2015 eine links-grüne Regierung haben, diskutieren ihre Bewohner offener über die Zukunft. Die Gegenwart ist von Erfolgsmeldungen geprägt und doch erdrückend: 2015 sind fast 14 Millionen Urlauber nach Mallorca, Menorca, Ibiza und Formentera gekommen, auf der Suche nach ihrem persönlichen Paradies. Viele Einheimische meinen: Das Paradies ist voll. Doch wie die Bremse ziehen, ohne Urlauber zu verprellen? Ein erster Schritt ist die Umweltabgabe. Jeder Urlauber wird ab 1. Juli je nach Unterkunft zwischen 25 Cent und zwei Euro pro Tag zahlen. Kritisiert wird sie vor allem von Hoteliers mit günstigen Zimmern in Arenal oder Magaluf. Viele Einheimische haben aber das Gefühl, dass sich die Hoteliers auf Kosten von ihnen und der Natur bereichern. Die Steuer soll helfen, den Wohlstand gerechter zu verteilen und die Distanz vieler Mallorquiner zum Tourismus zu verringern, sagt Pilar Carbonell, Leiterin der balearischen Tourismusbehörde. Die Regierung rechnet mit Einnahmen zwischen 50 und 80 Millionen Euro pro Jahr. Das Geld soll in Natur- und Landschaftsschutz fließen, Landwirtschaft, Fischerei und ein besseres Angebot in der Nebensaison. Auch Denkmalschutz und Kulturpflege, Forschung sowie Aus- und Weiterbildung im Tourismus sollen damit finanziert werden. Die Entscheidung wurde heiß diskutiert: Jeder dritte Mallorquiner arbeitet im Tourismus, doch zugleich fürchten viele den Umweltkollaps. Im Sommer sind schlecht geklärte Abwässer, hoher Wasserverbrauch und Müllberge längst Alltag. Und es gibt weitere Anzeichen: etwa am Naturstrand Es Trenc, wo Sonnenhungrige sich in der Hochsaison aneinanderreihen. Der Sand ist mittlerweile so verhärtet, dass der Austausch mit den Dünen und den Wellen nicht mehr richtig stattfindet, sagt Margalida Ramis, Sprecherin der Umweltgruppe GOB. Oder das Feuchtgebiet Albufera: Der nahe Ort Sa Pobla betreibt intensiven Kartoffelanbau. Die Nitrate im Grundwasser belasten die Albufera. Nach regenarmen Wintern bleiben Vögel weg. Die 39-jährige Physikerin Margalida Ramis vertritt eine Gruppe Einheimischer, die die Insel nicht der Monokultur Tourismus überlassen wollen. Wir dürfen unsere Identität nicht verleugnen, sagt sie, und nur noch das wertschätzen, was touristischen Nutzen hat. In diese Richtung geht auch die geplante Reform des Tourismusgesetzes: Es soll soziale und ökologische Nachhaltigkeit garantieren. Auch bei Gesetzen zu Flächennutzung und Landwirtschaft bessert die neue Regierung Richtung Ressourcenschutz nach. Milchbauer Baltasar Martí ärgert sich trotzdem. Er erhalte Mallorcas Idylle aufrecht, 15 Stunden am Tag, während andere mit Touristen leichtes Geld verdienten, meint er. In den 32 Jahren, in denen er den Hof betreibt, habe noch kein Hotelier seine Milch gekauft, zugunsten der ein paar Cent billigeren Milch vom Festland. Sein Hof mit 260 Milchkühen liegt an der Straße nach Porto Cristo. Immer wieder halten Mietautos, sagt Martí. Dann steigen die Urlauber aus und machen Fotos von unseren Strohballen. Das Donaudelta ist von Überdüngung, Überfischung und Verschmutzung bedroht – geahndet werden Umweltsünden aber selten. Wenn das der Heilige Georg – der Drachentöter und Namenspatron des Südarms – sehen würde: eine monotone Wasserautobahn, auf der ein Schnellboot vorbeibraust, in deren Fahrrinne Plastikflaschen und Getränkedosen dümpeln, wo am Ufer wild gezeltet wird und wider die behördliche Ordnung Lagerfeuer kokeln. Dazu haben Hotelboote eingangs des Georgskanals festgemacht, ein paar Bootsminuten von Tulcea entfernt, dem Tor zum Donaudelta. Da, ein Autobahnschild: noch 37 Kilometer zum Schwarzen Meer. Hinter der nächsten Kurve schon ist alles anders. Vom Arm des Drachentöters geht es links ab ins Labyrinth der Seen, Nebenarme, Auwälder, Riedzonen und Seerosenteppiche. Das Schilfrohr ragt wandhoch aus dem Wasser. Libellen tanzen, Moskitos schwirren. Hier staksen Seidenreiher, da Weißstörche, später werden die Frösche zur Freilichtoper bitten, links und rechts alles grün, ein europäischer Amazonas. Über den Bäumen kreisen die ersten Rosapelikane mit ihren Vorratsschnäbeln. Fischer mit Ruderbooten inspizieren ihre Reusen. Auf dem Wasser zeigt sich eine Kormorankolonie, auf dem Festland Rehe, dann in 30 Meter Entfernung auf dem Uzlina-See mehr als hundert Pelikane. Rund 2500 Paare Rosapelikane nisten im Delta – die Hälfte des europäischen Bestands. Der Donau wirres Ende: eine Schatzkammer für Ornithologen. 331 Arten kommen im Delta vor, 174 davon brüten dort. Dazu gesellen sich Schakale, Wildkatzen, Wölfe, Fischotter sowie der rare Europäische Nerz. Das Delta der Donau, die größte Schilfzone weltweit, achtmal so groß wie der Bodensee, Unesco-Weltnaturerbe, ist ein Puzzle aus Biotopen, Röhrichtzonen, Seen, Lagunen, Flussarmen und Kanälen über Auwälder, Trockenwälder und Feuchtwiesen bis hin zu steppenartigen Dünen und Strombänken. 82 Prozent der 5800 Quadratkilometer des Deltas liegen in Rumänien, der Rest gehört der Ukraine. Der nördliche 120 Kilometer lange Chilia-Arm bildet die Grenze. Der mittlere Arm wurde vertieft und begradigt und verkürzte sich so von 92 auf 64 Kilometer. Heute ist der Sulina-Arm eine schnurgerade Wasserschnellstraße. Murighiol, 40 Kilometer südöstlich von Tulcea: Wie es sich in Europas grünem Hinterhof lebt, studiert man bei George Valcu in dem 1400-Seelen-Dorf am urwüchsigen Georgsarm im Süden des Deltas. Durch den Garten seiner Pension watscheln zwei Pekingenten, einst zum Verzehr angeschafft, bis Gäste eindringlich um Schonung baten. Jetzt kacken sie jeden Tag unter den Frühstückstisch, seufzt der korpulente 40-Jährige. Auf dem Mittagstisch der Familie Valcu steht noch Ciorba de peste – Fischsuppe. Den Wels hat am Vortag ein Nachbar gestiftet. Valcu hat seine Pension vom Staat zertifizieren lassen, während andere im Dorf es vorziehen, schwarz zu vermieten. 2009 hat der rührige Vater zweier Kinder die Pension 2 Sturioni, zu Deutsch Zwei Störe, eröffnet. Zuvor war er mal Barmann, mal Kellner, dann in Amsterdam Möbelrestaurator. Als das zweite Kind zur Welt kam, war es Zeit, nach Murighiol heimzukehren. Die Dorfökonomie speist sich aus dem Geld der Urlauber, einem Schuss Improvisation und Gesetzlosigkeit und den Dividenden der Natur. Die Minze für den Tee kommt aus dem Garten, der auch das Gemüse liefert, Fisch ist immer da. Pro Tag und Familie dürfe er vier Kilo angeln, holst du sieben Kilo heraus, sagt auch keiner etwas, erzählt er. Oder die Leute kennen den Kontrolleur. Der Umweltschutz stehe leider nicht sehr hoch im Kurs, erzählt Valcu. Die Leute werfen ihren Müll in den Fluss, Naturschutzorganisationen sammeln ihn wieder auf. Einmal habe er erlebt, wie jemand beim Autoölwechsel die schwarze Brühe ins Erdreich ablaufen ließ. Noch nie sei ihm zu Ohren gekommen, dass jemand wegen einer Umweltsauerei bestraft worden sei. Schilf- und Sumpflandschaft des Ortes wurden unter Staatspräsident Nicolae Ceausescu trockengelegt, um Ackerland zu schaffen. Ein Fünftel des Deltas wurde so zerstört. Die Bauern des Dorfes verloren ihren Wasserzugang, die Böden wurden Ackerwüsten. Die Frage, ob es unter Ceausescu besser war, beantwortet Valcu trotzdem wie aus der Pistole geschossen: Absolut. Der alte Ostblock-Refrain: Damals habe jeder Arbeit gehabt. Heute sei die Korruption unerträglich. Im globalen Vergleich der Antikorruptionsaktivisten von Transparency International lag Rumänien 2015 auf Platz 58, hinter Ghana, vor Oman und Lesotho. Die Menschen in den Dörfern des Donaudeltas leben heute von Fischfang, dem Ernten von Schilf für Reetdächer, ein wenig Landwirtschaft, manche vom Tourismus. 1970 lebten fast 22.000 Menschen in den 25 Siedlungen des rumänischen Deltas, heute sind es noch 15.000. Es blieben vor allem die Alten. 1990, nach dem Sturz Ceausescus, war es aus mit der Industrialisierung des aquatischen Paradieses. Die neue Regierung erklärte den rumänischen Teil des Deltas zum Biosphärenreservat. 1998 zog die Ukraine mit ihrem Deltaanteil nach, aber Verschmutzung, Überdüngung und Überfischung setzen dem Delta noch immer zu. Am Ende des Donaulaufs japsen die Fische nach Sauerstoff. Dazu kommt Schlamm aus den Karpaten, eine Folge der Abholzung dort, ein wilder Kapitalismus lässt aus den Bergen grüßen. Wiederaufladbare Batterien benötigen Strom und extra Ladegeräte, herkömmliche müssen häufiger in einer Batteriesammelbox entsorgt werden. Sie befinden sich überall: In Fernbedienungen, in kabellosen Computermäusen, in Diktiergeräten oder auch in Lichterketten auf dem Balkon: ohne Batterien ist es schwierig, den Alltag zu gestalten. Während Akkus in Mobiltelefonen oder Notebooks Gang und Gäbe sind und entsprechende Ladegeräte mitgeliefert werden, muss man sich bei kleineren Digitalkameras oder auch Taschenlampen selbst dafür entscheiden, ob ein Ladegerät und wiederaufladbare Batterien oder gewöhnliche Batterien gekauft werden. Es ist eine Kosten-Nutzen-Abwägung, die jeder für sich selbst trifft, immerhin haben manche herkömmliche Batterien womöglich eine höhere Leistung. Wiederaufladbare Batterien haben jedenfalls den Vorteil, die Umwelt insofern zu schonen, als dass weniger Elektro-Abfall produziert wird - außerdem wird der Gang zur Batteriesammelbox in Supermärkten hinausgezögert, bist auch die wiederaufladbare Batterie ihr Ablaufdatum erreicht haben. Welche Batterien benutzen Sie vorzugsweise? Welche Erfahrungen haben Sie mit wiederaufladbaren Batterien gemacht, wie oft müssen Sie diese aufladen? Wie beurteilen Sie die Leistung und den Leistungsabfall von wiederaufladbaren im Vergleich mit herkömmlichen Batterien? (sni, 1.6.2015) CO2-Zertifikate beim Fliegen oder brav Müll trennen, weil man Nespresso-Kapseln kauft: Kann man sein Gewissen reinkaufen?. Der große Sommerurlaub rückt näher, und die Freude darauf wird immer größer. Wenn da bloß das schlechte Gewissen nicht wäre, denn bequem im Flugzeug zu reisen zieht einen großen Streifen Luftverschmutzung hinter sich her. Und die Kreuzfahrtreise quer durch das Mittelmeer hinterlässt einen öligen Teppich unter der Oberfläche. Man muss aber gar nicht erst das Haus verlassen, um die Umwelt zu verschmutzen. Was tun, wenn der Nespresso-Kaffee in diesen kleinen, hippen Kapseln so verboten gut schmeckt, dass man ihn einfach kaufen muss? Wohlwissend, welch horrende Summen die Produktion verschlingt, von der aufwendigen Entsorgung ganz zu schweigen. Sind Ihnen diese kleinen und großen Umweltsünden im Alltag bewusst? Falls ja, arbeiten Sie aktiv dagegen an? Nespresso ohne schlechtes Gewissen, dafür die Milch bio und fair gehandelt? Und ganz allgemein gefragt: Ist solches Vorgehen Augenauswischerei, oder ist es immer noch besser, als gar nichts zu tun? (cln, 6.7.2015) Einwegwindeln verursachen große Abfallmengen, Stoffwindeln hingegen müssen sehr oft gewaschen werden. Ist eine Variante umweltfreundlicher als die andere?. Werdende Eltern werden vor viele Fragen gestellt, eine davon lautet: Herkömmliche Einwegwindeln oder Stoffwindeln? Die Windel zum Wegwerfen gibt es seit den frühen 60er-Jahren, davor waren Stoffwindeln in regem Gebrauch. Der Großteil der Windeln wird heute für Säuglinge und Kleinkinder sowie für Menschen, die an Inkontinenz leiden, verwendet. Die Entscheidung für oder gegen die Stoffwindel ist meist eine ökologische oder gesundheitliche, nicht zuletzt spielt der finanzielle Aspekt eine Rolle. Fakt ist aber: Die Ökobilanz der Wegwerfwindel kann mit der einer Stoffwindel kaum mithalten, bedenkt man, dass jedes Kind im Laufe seiner Windelzeit um die 1.000 Kilogramm unverrottbaren Müll produziert. In der Deponie benötigt die Einwegwindel dann bis zu 500 Jahre, um sich zu zersetzen, oder es wird ein enormer Energieaufwand gebraucht, um sie zu verbrennen. Die Ökobilanz von Windeln der unterschiedlichen Windelsysteme unterscheidet sich deutlich. Während Stoffwindeln durch das häufige Waschen sehr viel Wasser verbrauchen, sind Einwegwindeln vor allem in der Produktion und der anschließenden Entsorgung ein Kraftakt für die Umwelt. Ökowindeln sind eine umweltfreundliche Alternative zur gewöhnlichen Einwegwindel, mit einem höheren Anteil an biologisch abbaubaren Bestandteilen. Der klare Nachteil ist der Preis. Wie halten Sie es in Ihrer Familie? Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Vor- oder Nachteile der einzelnen Windelsysteme? (ste, 21.9.2015) Fleisch ist aus dem Speiseplan vieler nicht wegzudenken. Ein hoher Konsum beeinflusst aber auch die Umwelt. Kann gezüchtetes Fleisch eine Alternative sein?. Ein blutiges Steak, ein saftiger Burger oder ein knackiges Würstel frisch vom Grill: Fleisch ist ein Massenprodukt in der industrialisierten Welt. Der Verbrauch hat sich in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht, Supermärkte überschlagen sich mit Dumpingpreisen. Die massive Fleischproduktion bleibt auch für die Umwelt und das Klima nicht ohne Folgen. Alleine die Nutztierindustrie produziert 20 Prozent der Treibhausgase. Forscher suchen nach neuen Lösungsansätzen. Einer davon könnte In-vitro-Fleisch, hergestellt im Labor, sein. Alles, was man dazu benötigt, sind die Stammzellen, die aus dem Tier extrahiert werden. Vorreiter war ein niederländisches Forscherteam, allen voran Mark Post. Vor zwei Jahren präsentierte er seinen ersten Labor-Burger. Die Kosten für das Experiment lagen mit 250.000 Euro im Bereich eines Einfamilienhauses. Seither wurde hart daran gearbeitet, das Kunstfleisch auf den Weg einer Massenproduktion zu bringen. Mit dem heutigen Stand der Technik könnten die Kosten für ein Kilogramm Laborfleisch schon auf 58 Euro gesenkt werden. Trotz aller Erfolge sehen die Forscher das In-vitro-Fleisch aber frühestens in ein paar Jahren in den Supermarktregalen. Könnten Sie sich vorstellen, Fleisch aus dem Labor zu kaufen? Wie viel Geld würden Sie dafür ausgeben? Sehen Sie darin eine nachhaltige Entwicklung? Achten Sie auf einen moderaten Fleischkonsum – und falls ja: Was sind Ihre Gründe? (ste, 26.10.2015) Heizen ist nicht nur eine Kostenfrage, sondern auch eine des Umweltbewusstseins. Die kalte Jahreszeit steht vor der Tür, damit geht der Beginn der Heizsaison einher. Das Institut für Wärme und Öltechnik (IWO) und das Institut für Markt- und Sozialanalysen (IMAS) haben 1.000 Ölheizungsbesitzer und rund 1.000 weitere ausgewählte Personen österreichweit zur ihren Heizsystemen befragt. Laut dieser Umfrage entscheidet sich der Großteil nicht aktiv für oder gegen eine bestimmte Heizart, sondern akzeptiert die vorhandene Heizform. Zu den wichtigsten Faktoren bei der Wahl des Heizsystems zählen den Befragten zufolge die Kosten und eine bequeme Nutzung. Jede Heizung erzeugt Emissionen wie Staub oder Kohlendioxid. Vor allem bei Holzheizungen und Biomassekrafwerken ist die Feinstaubbelastung deutlich höher als bei Öl- oder Gasheizungen. Moderne Ölheizungen gelten in Sachen Feinstaubbelastung als Musterschüler. Für Biomassekraftwerke spricht, dass sie Kläranlagen und Mülldeponien entlasten und darüber hinaus wertvolles Biogas produzieren. Welches Heizsystem verwenden Sie und warum? Sind Ihnen Umweltfaktoren wichtig, wenn es ums Heizen geht? (ste, kub, 2.11.2015) Maroni im Sommer und Himbeeren im Winter: Was darf ohne schlechtes Gewissen gekauft werden?. Die Obstregale in den Supermärkten sind auch im Winter voll süßer Verführungen. Von Papayas über Mangos bis hin zu Himbeeren ist alles für den Konsumenten verfügbar. Für die Großeltern- und teilweise auch noch Elterngeneration war das noch keine Selbstverständlichkeit. Anno dazumal beherrschten regionale und vor allem saisonale Lebensmittel den Speiseplan. Kartoffeln, Kraut, Zwiebeln, rote Rüben, Äpfel oder auch frisch geschlachtetes Nutztier- beziehungsweise geschossenes Wildfleisch wurde in den heimischen Wirtschaftsräumen für den Winter gebunkert. Mit der Verfügbarkeit exotischer Früchte und Gemüsesorten begann eine neue Freiheit im Konsumentendenken – Nachhaltigkeit, ökologisches Kaufen und Regionalität waren nicht im Fokus einer immer kaufkräftiger werdenden Bevölkerung. Immer mehr Menschen besinnen sich dieser saisonalen Lebensweise und achten trotz des Überangebots in den Supermärkten wieder verstärkt darauf, was zu welcher Jahreszeit im Wagerl landet. Abgesehen von der Nachhaltigkeit ist auch der ökologische Fußabdruck immens, greift man im Winter nach den Bananen und nicht nach Äpfeln oder Birnen. Selbst der Griff zu den vermeintlich umweltschonenderen Himbeeren im Tiefkühlregal ist nur ein Gewissensberuhiger. Denn nicht selten sind diese schon den weiten Weg etwa aus China bis in die heimische Tiefkühltruhe gereist. Soll man sich dennoch ohne schlechtes Gewissen diesem Luxus hingeben und das ganze Jahr über Sommerobst und -gemüse kaufen? Oder verzichten Sie freiwillig auf Lebensmittel? (cln, 18.11.2015) Neben einer professionellen Entrümpelung sind Online-Flohmärkte eine willkommene Quelle, um Defektes oder Ungeliebtes loszuwerden. Alte Fernsehgeräte, kaputte Fahrräder, Matratzen, Sessel oder alte, nicht mehr intakte Möbelstücke: Sperrmüll lässt sich nicht vermeiden. Ob das nun ist, weil man übersiedelt, den Haushalt entrümpelt oder einfach neue Möbel gekauft hat, irgendwann steht jeder vor der Frage: Wohin damit? Manche Gemeinden bieten regelmäßige Termine an, an denen sie den Sperrmüll, der auf der Straße abgestellt wird, aufsammeln. Ein Paradies für Trödeljäger und Ramschsammler, die in diesen Müllbergen so manche Funde machen, die sie zweckentfremdet wiederverwenden oder aufpolieren. Haben Sie selbst schon einmal etwas aus dem Sperrmüll mitgenommen und was haben Sie dann damit gemacht? Wer ein Auto hat, kann vieles auf Mistplätzen oder Altstoffsammelzentren entsorgen, die meist etwas außerhalb liegen. Besitzt man selbst kein Auto kann man sich alternativ den Sperrmüll von der Gemeinde abholen lassen oder einen anderen Entrümpelungsdienst in Anspruch nehmen. Wie oft haben Sie diesen Service in Anspruch genommen? Nicht mehr funktionsfähige elektronische Geräte müssen im Haushalt zwar ausgetauscht werden, sind aber nicht für alle nutzlos: Manche Teile können ausgebaut und für andere Elektronik wiederverwendet werden. Schauen Sie daher auch darauf, dass Intaktes auch an jene weitergegeben wird, die für diese Teile auch eine Verwendung haben? Oder zählen Sie sich selbst zu den Bastlern? Wer nicht selbst bastelt, aber unkompliziert altes Mobiliar und alte Elektronik loswerden möchte, dem bleibt immer noch die Möglichkeit, auf Internet-Flohmärkten zu inserieren. Wie sehr nutzen Sie Online-Flohmärkte und welche Erfahrung haben Sie damit gemacht? Konnten Sie vieles über Online-Plattformen mit Selbstaholung entrümpeln? (sni, 9.12.2015) Im Frühjahr kommen in Spanien und Portugal Meerneunaugen an die Atlantikküste. Der Appetit auf das aalförmige Wirbeltier ist groß. Zwischen Jänner und Mai herrscht in dem spanischen Dorf Arbo Hochsaison: Dann kommen die Neunaugen. Sie ziehen vom Atlantik den Fluss Miño hinauf, um sich zu paaren und abzulaichen. Arbo liegt in Galicien, nahe der der Grenze zu Portugal. 60 Kilometer hinter der Küste haben die Fischer ihre Reusen aufgehängt. Was gefangen wird, kommt in den Topf. Tausende Gäste wollen jedes Jahr im April Neunaugen kosten. Sie kommen zur Festa da Lamprea, die mehrere Tage dauert. Dass die Spanier die Tiere überhaupt essen dürfen, liegt an der langen Tradition des Festes. Denn eigentlich sind Neunaugen in ganz Europa auf der Roten Liste gefährdeter Arten. Meerneunaugen sind relativ unansehnliche Tiere und dabei doch beeindruckend. Sie sind Parasiten. Mit ihrem Maul, das an der Unterseite ihres kieferlosen Kopfes sitzt, saugen sie sich an einem Wirt fest, einem Lachs oder einem Kabeljau. Dann raspeln sie mit ihrer bezahnten Zunge ein Loch in den Leib des Wirts. Aus dieser Wunde quillt das Blut, von dem sie sich mehrere Monate lang ernähren. All das tun sie seit sehr langer Zeit. 360 Millionen Jahre alte, versteinerte Reste sind den heutigen Tieren recht ähnlich. Die urtümlichen Wirbeltiere haben sich kaum verändert. Sie werden bis zu einem Meter lang und sind keine Fische. Bis heute haben sie zwar ein Rückenmark und ein zentrales Nervensystem, aber keine Gräten, sondern einige wenige Knorpel, die das Rückgrat, den Schädel und die Kiemen verstärken. Am Rücken und Schwanz haben sie einen Flossensaum. Und sie haben keine Schuppen, sondern eine glatte Haut, die sich schleimig anfühlt. Es gibt fast 50 Arten, die früher in ganz Europa weit verbreitet waren und auch in Österreich eine beliebte Fastenspeise waren, wie Karin Kranich von der Universität Graz weiß. Sie galten als gesundes Essen, das das Blut erneuert, sagt die Mediävistin, vorausgesetzt, man bereitete sie mit den entsprechenden Gewürzen zu. Muskatblüte, Ingwer oder Galgant glichen den feuchtkalten Charakter des Tieres aus, so die mittelalterliche Gesundheitslehre. In Österreich und in ganz Mitteleuropa gab und gibt es vereinzelt Fluss- und Bachneunaugen. Sie leben jahrelang als blinde, zahnlose Larven und ernähren sich von gefiltertem Plankton. Während die Meerneunaugen nach einer Metamorphose ins Meer ziehen und sich von Blut ernähren, wandern Fluss- und Bachneunagen nur innerhalb ihres Heimatgewässers zum Laichen flussaufwärts. Sie nehmen nach der Metamorphose keine Nahrung mehr auf. Aus den meisten Flüssen und Bächen sind sie aber bereits verschwunden. Auch in Spanien gibt es immer weniger Neunaugen. Das treibt in Arbo die Preise in die Höhe. 70 Euro kostet mittlerweile ein Kilo. Was den Tieren europaweit den Garaus macht, sind die Wehre und Kanäle in den Flüssen. Sie versperren den Weg zu den Laichgründen. Für den Meeresbiologen Fernando Cobo, der an der Universität von Santiago seit mehr als zehn Jahren zu den Neunaugen forscht, sind die Staudämme Todesfallen. Sie lassen auch andere Wanderfische wie Aale, Lachse, Maifische oder Meerforellen scheitern. Jedes Jahr sehen wir das Gewimmel vor den Staumauern sagt Cobo, die Fische versuchen so lange, sie zu überwinden, bis sie nicht mehr können. Schließlich sterben sie, ohne sich gepaart und abgelaicht zu haben. Früher seien sie 300 Kilometer weit den Fluss hinaufgezogen, erzählt er, heute sind ihnen mehr als 70 Prozent galicischer Flussläufe verschlossen. Trotzdem boomt die Lampretengastronomie. Der Ruf als Vampirfisch lockt Neugierige. In Spanien sieht man immer öfter Lampretenrezepte auf der Speisekarte, auch in den Restaurants der Sterneköche. Nicht alle gefangenen Tiere werden registriert, wie es die galicische Fischereibehörde vorschreibt. Die offiziellen Zahlen lagen in der letzten Saison nur für den Miño und seine Nebenflüsse bei 20.000 bis 25.000 gefangenen Neunaugen, sagt Fernando Cobo. Doch eine Studie, die er mit Wirtschaftswissenschaftern durchgeführt hat, ergab, dass mindestens 200.000 Meerneunaugen gefangen worden waren. Dazu kommen illegal gefischte Tiere. Nach mehr als 300 Millionen Jahren auf der Erde sind die Tiere nun massiv vom Aussterben bedroht. Umwelt des Nationalparks soll sich von Schäden erholen. Die weißen Sandstrände der thailändischen Insel Koh Tachai werden auf unbestimmte Zeit für Reisende gesperrt sein. Das berichtet die Bangkok Post und beruft sich dabei auf Behördeninformationen. Zwar sind seit Montag alle Meeresnationalparks des südostasiatischen Landes wegen des Monsuns gesperrt, doch wird Koh Tachai auch nach der Aufhebung dieser Sperre am 15. Oktober nicht wieder öffentlich zugänglich sein. Die thailändischen Behörden wollen damit der Umwelt Zeit geben, um sich von den negativen Auswirkungen des starken Tourismus zu erholen. Besonders betroffen von diesen sei der Similan-Nationalpark, so Tunya Netithammakul, der Direktor der nationalen Umweltschutzbehörde. Die Schließung von Koh Tachai für Touristen ist Teil eines Masterplans zum Schutz der Tier- und Pflanzenwelt im Andamanischen Meer. Koh Tachai ist ein Naturgebiet und keine touristische Attraktion, sagt Tunya: Ein Strand auf der Insel kann bis zu 70 Personen Platz bieten, aber manchmal tummeln sich dort mehr als 1.000 Menschen. Deshalb hat sich der Zustand der Insel so schnell verschlechtert. Wenn wir Koh Tachai jetzt nicht schließen, werden wir es für immer verlieren. Obwohl die Warnung drei Monate vor dem tatsächlichen Einreisestopp ergeht, warnt Tunya Touristen vor Reisebüros, die weiterhin Trips auf die Insel anbieten. Am Sonntag sollen es noch 14 Agenturen gewesen sein. Verschluckte Abfälle waren aber nicht Todesursache. Hamburg – Mägen voller Müll haben Tiermediziner bei der Untersuchung der Pottwale gefunden, die Anfang des Jahres an der Nordseeküste gestrandet sind. Fischernetze, Leinen, Autoteile, Kaffeekapseln und Verpackungen seien teilweise in erheblichem Ausmaß entdeckt worden, sagte Ursula Siebert von der Tiermedizinischen Hochschule Hannover am Mittwoch. Die Todesursache war all das nicht, im weiteren Leben hätten die Wale damit aber Probleme bekommen. Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne) kündigte auf dem eintägigen Walsymposium an, die Aktivitäten gegen die Vermüllung der Meere zu verstärken. Für die tödliche Strandung der 30 Wale ist nach Ansicht der Experten eine Mischung mehrerer Faktoren verantwortlich. Walstrandungen in der Nordsee hat es bereits im 16. Jahrhundert gegeben. Und wir müssen damit rechnen, dass es weiterhin passiert, sagte Siebert. Mitarbeiter des Hauptbahnhofs öffneten Gepäckstück nach einem Monat. Tokio - Eine in einen Koffer gestopfte Frauenleiche ist am Bahnhof von Tokio mehr als einen Monat lang unbemerkt geblieben. Der Koffer mit der Leiche sei in einem Schließfach des Bahnhofs deponiert worden, teilte die Polizei am Montag mit. Nachdem niemand das Fach geleert habe, sei der Koffer ins Fundbüro des Bahnhofs gebracht worden. Erst nach einem weiteren Monat hätten die Mitarbeiter den Koffer geöffnet, weil er nicht abgeholt worden war. Es gab einen abnormen Geruch, als wir den Koffer geöffnet haben, sagte ein Sprecher vor Journalisten. Dann haben wir Haare gesehen. Die Polizei teilte mit, es handle sich um die bereits verwesende Leiche einer etwa 1,40 Meter großen Frau im Alter zwischen 70 und 90 Jahren. Die Identität der Toten und die Todesursache müssten noch geklärt werden. Dafür würden die Aufnahmen der Überwachungskameras in und um den Bahnhof ausgewertet. Örtliche Medien berichteten, der verwendete Koffer sei 70 mal 50 Zentimeter groß gewesen. Die Boulevard-Zeitung Sponichi schrieb, keiner der Angestellten, die in einem Büro in der Nähe des Fundbüro-Lagers arbeiten, habe den Verwesungsgeruch bemerkt. Der Hauptbahnhof von Tokio gehört zu den betriebsamsten der Welt. Nach Angaben des Betreibers wird er jährlich von rund 150 Millionen Reisenden genutzt. Junge Frau in Birmingham war bereits mehrmals verwarnt worden. London – Weil sie mit lauten Liebesspielen ihre Nachbarn in den Wahnsinn getrieben hat, muss eine junge Britin für zwei Wochen ins Gefängnis. Gemma W. wurde am Montag von einem Gericht in Birmingham verurteilt, weil sie an einem Tag Ende Jänner morgens um 5 Uhr beim Sex so laut geschrien hat, dass sie die Nachbarn damit belästigte. Ein Nachbar sagte aus, er sei von dem Geschrei aufgewacht, und das Ganze habe zehn Minuten gedauert. Die recht harte Strafe bekam die Britin, weil sie in der Vergangenheit bereits offiziell verwarnt wurde. Dem Gericht zufolge stritt sie sich nachts auch laut mit ihrem Freund, fluchte, knallte mit den Türen und hörte laut Musik. Der Freund wurde nicht verurteilt. Die Birmingham Mail zitierte eine Nachbarin mit den Worten, bei der Frau seien ständig Männer ein- und ausgegangen, tagsüber habe sie dann geschlafen. Das waren die schlimmsten zwei Jahre meines Lebens. Schadenersatz für verpassten Geschäftstermin. Berlin - Ein Berliner hat Medienberichten zufolge ein Hotel auf 37 Millionen Euro Schadenersatz verklagt, nachdem er bei Glätte vor dem Haus ausgerutscht ist. Das Landgericht Berlin bestätigte am Dienstag den Beginn einer Verhandlung zwischen dem Mann und dem Hotel. Zur Summe und zur Aussicht auf Erfolg gab es zunächst keine Angaben. Zeitungsberichten zufolge stürzte der 57-Jährige im Jänner 2014 bei Blitzeis vor dem Hotel. Er habe sich das Bein so unglücklich gebrochen, dass er mehrfach operiert werden musste. Das Hotel wollte sich zum laufenden Verfahren nicht äußern. Die hohe Schadenersatzforderung erklärte der Mann mit einem verpassten Geschäftstermin in Asien. Es ging um ein Großbauprojekt in Südostasien, sagte er der B.Z.. Weil er das Projekt später nur zu schlechteren Konditionen habe abwickeln können, habe er 37 Millionen Euro Verlust gemacht. Erhebliche Probleme für das öffentliche Verkehrssystem. Rom - Etwa 20 Personen sind am Freitag beim Zusammenstoß zweier U-Bahn-Züge in Rom verletzt worden. Das Unglück ereignete sich auf der Linie B unweit der Station EUR Palasport im Süden der Hauptstadt. Laut Betreibergesellschaft ist ein menschlicher Fehler für den Unfall verantwortlich, bei dem niemand schwer verletzt wurde. Beide Züge waren in die gleiche Richtung unterwegs. Passagiere berichteten, dass die Metro im Tunnel mit geschlossenen Türen stehen blieb. Dabei kam es zu Panikszenen. Der öffentliche Verkehrsbetrieb wurde teilweise unterbrochen, was zu erheblichen Problemen führte. In Rom gibt es lediglich zwei U-Bahn-Linien, an einer dritten wird noch gebaut. 20 Zivilklagen mit Forderungen zwischen 30.000 und 150.000 Euro liegen bisher vor. Duisburg - Rund fünf Jahre nach der Loveparade-Katastrophe in Duisburg mit 21 Toten und mehr als 500 Verletzten ist der Start erster Zivilprozesse in Sicht. Es wird voraussichtlich in diesem Jahr in mehreren Zivilprozessen Termine geben, sagte der Sprecher des Landgerichts Duisburg, Bernhard Kuchler, am Freitag. Eine Entscheidung darüber sei aber noch nicht gefallen. Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins Focus soll das erste Verfahren im September oder Oktober beginnen. Insgesamt liegen dem Gericht bisher 20 Zivilklagen vor. Sie richten sich gegen die Stadt Duisburg, den Veranstalter Lopavent, dessen Geschäftsführer sowie das Land Nordrhein-Westfalen. Die meisten Kläger führten an, dass sie im Gedränge bei der Veranstaltung am 24. Juli 2010 eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten hätten, sagte Kuchler. Die Schmerzensgeldforderungen lägen zwischen 30.000 und 150.000 Euro. Weiter offen ist, ob und wann es zum Strafprozess kommt. Das Gericht wartet noch auf ein nachgebessertes Gutachten. Es soll bis Ende Juni Vorliegen. Das Landgericht prüft seit Februar 2014 die Zulassung der Anklage wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung. Beschuldigt sind insgesamt zehn Mitarbeiter der Stadt und des Veranstalters. "Much Loved" darf nicht in Kinos gezeigt werden - Streifen sei "schwerer Angriff auf Image " des Landes. Wer an Tabuthemen rührt, lebt gefährlich. Diese Erfahrung muss derzeit der frankomarokkanische Filmemacher Nabil Ayouch machen. Sein neuer Film Much Loved - Zin li fik - handelt von der Prostitution in einem der beliebtesten Reiseziele in Marokko, in Marrakesch. Doch was nicht sein darf, kann nicht sein. Kurz nachdem er auf dem diesjährigen 68. Filmfestival von Cannes vorgestellt worden war, verbot die islamistische Regierung den Streifen in Marokko. Die älteste marokkanische Partei, die arabo-nationalistische Istiqlal, organisierte eine Demonstration, Ayouch und seine Schauspieler erhielten im Internet Morddrohungen, einer von ihnen wurde am Samstag tätlich angegriffen. Der Mann, der im Film einen saudischen Freier darstellt, wurde in Casablanca auf dem Heimweg am Hals mit einem Messer verletzt. Der Film stelle eine schwere Beleidigung für die moralischen Werte und die marokkanischen Frauen dar, heißt es in einer Mitteilung des Kommunikationsministeriums in Rabat. Der Film wurde verboten, noch bevor ein Antrag auf Genehmigung gestellt wurde. Die Regierung hatte eigens eine Kommission nach Cannes geschickt, um dort das Werk zu begutachten. Much Loved sei ein schwerer Angriff auf das Image unseres Landes, lautet das Urteil. Der Film zeigt die Realität und hat eine Botschaft. Er prangert die Prostitution an und ruft zum Kampf gegen sie auf, verteidigt sich Filmemacher Ayouch, der durch eine Dokumentation über salafistische Terroristen in Marokko international bekannt wurde. Für den jetzigen Film hatte er ein Jahr lang recherchiert und mehr als 200 Prostituierte interviewt. Im Film geht es um vier Frauen, die immer tiefer in das Geschäft mit ihrem eigenen Körper geraten, um ihre Familie zu ernähren. Die Kunden sind reiche Saudis und Europäer. Auch homosexuelle Prostitution und Missbrauch an Kindern werden nicht ausgespart. Der Spielfilm gleicht einer Doku. Die Kamera wackelt, die Tonqualität schwankt. Die Schauspieler sprechen Umgangssprache und sparen dabei obszöne Ausdrücke nicht aus. All das ist zu viel im puritanischen Marokko. Das Verbot führte zu einer breiten Diskussion. Die Regierung veröffentlichte daraufhin erstmals Statistiken über Prostitution und legte Zahlen aus dem Jahre 2011 vor. Demnach sollen trotz strikten Verbots in den Städten Rabat, Tanger, Fez und Agadir insgesamt 19.333 Frauen und Männer ihren Körper zum Kauf anbieten. Mehr als 70 Prozent der Kunden seien Einheimische. Die größten Sexmärkte, die Wirtschaftsmetropole Casablanca und das Urlaubsparadies Marrakesch, wurden bei der Studie ausgespart. 19.000? Allein in Casablanca dürften es so viele sein, ist sich Soziologieprofessor Mehdi Alioua von der Internationalen Universität Rabat sicher. Einem Bericht der Panafrikanischen Organisation zum Kampf gegen Aids zufolge unterhielten knapp 60 Prozent der marokkanischen Prostituierten ihre ersten sexuellen Kontakte für Geld im Alter zwischen neun und 15 Jahren. Mitglieder einer Bürgermiliz im Süden gehen aufeinander los - Insgesamt offenbar über 30 Todesopfer während der Kampagne. Mexiko-Stadt - Bei Gewalt zwischen Mitgliedern einer Bürgermiliz am Wochenende knapp vor den Parlaments- und Kommunalwahlen in Mexiko sind mindestens zehn Menschen getötet worden. Insgesamt dürfte es laut dem auf Lateinamerika spezialisierten Internetportal amerika21.de im Wahlkampf rund 25 Todesopfer gegeben haben. Ein AFP-Reporter sah am Samstag eine Leiche am Ort des Schusswechsels in Xolapa im südlichen Staat Guerrero und sieben weitere Tote in den Häusern von Familienangehörigen. Ramon Navarrete, Präsident der Menschenrechtskommission des Bundesstaates, sprach von zehn bestätigten Todesopfern. Zudem prüfe die Kommission Berichte über drei weitere Leichen. Ein Vertreter der örtlichen Regierung erklärte, es müsse mit bis zu 16 Toten gerechnet werden. Die tödliche Auseinandersetzung zwischen Mitgliedern der Einheitsfront für Sicherheit und Entwicklung (FUSDEG) stand nach Angaben der Behörden nicht im Zusammenhang mit den bevorstehenden Wahlen. Hintergrund der Gewalt waren demnach offenbar Gebietsstreitigkeiten. Die FUSDEG ist eine der jüngsten Bürgerwehren in Guerrero. Die mehrheitlich indigene Bevölkerung sieht sich vor allem durch kriminelle Banden bedroht. Vor zwei Jahren gründeten sich daher zum Schutz vor Raubüberfällen, Erpressung und Entführungen mehrere Bürgermilizen. In Mexiko wird am Sonntag ein neues Unterhaus gewählt. Die insgesamt 83 Millionen Wahlberechtigten sind außerdem dazu aufgerufen, neun Gouverneure sowie rund 900 Bürgermeister neu zu wählen. Im Unterhaus sitzen 500 Abgeordnete, zusammen mit dem Senat bildet es den Kongress. Präsident Enrique Pena Nieto hatte bei seiner Wahl 2012 die Wiederherstellung der Sicherheit im Land versprochen. Für ihn gelten die Abstimmungen am Sonntag als erster wichtiger Stimmungstest an den Wahlurnen. Der Wahlkampf war schon von Gewalt überschattet. So waren mehrere Kandidaten ermordet worden, außerdem protestierten militante Lehrer tagelang gewaltsam gegen eine Bildungsreform. Auch am Wahltag drohen Ausschreitungen. Acht neue Patienten mit der schweren Atemwegserkrankung, Reisewarnung in Hongkong. Seoul - Fast drei Wochen nach dem Ausbruch von Mers in Südkorea sieht die Regierung den Kampf gegen die Atemwegserkrankung an einem kritischen Punkt. Diese Woche ist voraussichtlich entscheidend für die Bekämpfung von Mers, sagte der geschäftsführende Premierminister Choi Kyung Hwan am Dienstag bei der täglichen Krisensitzung der Behörden. Das Gesundheitsministerium meldete den siebenten Todesfall. Das Coronavirus (Mers-CoV) forderte acht Neuerkrankungen. Beim bisher größten Mers-Ausbruch außerhalb Saudi-Arabiens stieg die Zahl der Patienten damit auf 95. Die Sorgen der Bürger, dass der Mers-Ausbruch sich negativ auf die Wirtschaft und den Alltag auswirke, nähmen zu, sagte Choi. Die Regierung werde daher alle möglichen Gegenmaßnahmen mit der Entschlossenheit ergreifen, die Verbreitung des Virus möglichst in dieser Woche einzudämmen. Bei dem jüngsten Todesopfer handelt es sich den Angaben zufolge um eine 68-jährige Frau, die sich während eines Spitalsaufenthalts in Seoul bei einem Mers-Patienten angesteckt habe. Bei allen bisherigen Todesfällen waren Patienten mit Vorerkrankungen betroffen. Mers zählt wie viele Erkältungsviren und auch der Sars-Erreger zu den Coronaviren. Südkoreas Behörden gehen davon aus, dass das Virus im Mai von einem Mann eingeschleppt wurde, der zuvor von einer Nahost-Reise - dem Hauptherd des Middle East Respiratory Syndrome (Mers) - zurückgekehrt war. Das Virus wurde 2012 erstmals in Saudi-Arabien nachgewiesen. Auch die benachbarten Länder sind wegen des Mers-Ausbruchs in Südkorea zunehmend beunruhigt. Die Gesundheitsbehörden in Hongkong riefen die Bürger dazu auf, auf nicht zwingend nötige Reisen nach Südkorea zu verzichten. Davon sind einem Rundfunkbericht zufolge 10.000 bis 12.000 Touristen betroffen. Ausnahmen gibt es für Kreuzfahrten. Tausende geplante Reisen aus der Region nach Südkorea, vor allem aus China, wurden bereits storniert. Ein achtköpfiges Expertenteam der Weltgesundheitsorganisation (WHO) begann mit den südkoreanischen Behörden mehrtägige Untersuchungen zu dem Ausbruch. Bis zum 5. Juni waren bei der WHO 1.190 bestätigte Mers-Fälle erfasst, mindestens 444 der Patienten starben. Mehr als 2.200 Schulen und 20 Universitäten wurden in Südkorea geschlossen. Rektor verteidigt Wachmann: Uni sei "Ort der Kultur". Was folgte, war ein Protest von Frauen, der sich auf Tunesien ausweitete. Tunis/Madrid – Es war eine überschaubare, aber ungewöhnliche Kundgebung am Samstagnachmittag auf der Avenue Habib Bourguiba im Stadtzentrum von Tunis. Rund ein Dutzend Frauen fand sich im Minirock ein. Aus Solidarität mit den algerischen Frauen, erklärten sie den verdutzten Passanten. Zu der Aktion hatten sie unter dem Motto Alle im Minirock auf Facebook mobilisiert. Zeitgleich veröffentlichten weitere Frauen unterschiedlichen Alters ihre Fotos im knappen Beinkleid. Freiheit und Gleichheit für alle, betitelte eine der Frauen ihr Bild. Der Grund ist im benachbarten Algerien zu suchen. Dort sorgt der Minirock, 50 Jahre nachdem er erstmals auf den Laufstegen der Modemessen zu sehen war, für Aufregung. Vor genau einem Monat wurde einer Studentin der Zutritt zum Examen an der Jurafakultät in Algier verweigert. Sie trug einen Rock, der die Knie nicht bedeckte. Der Wachmann am Eingang hielt das für anstößig. Der Rektor verteidigte seinen Angestellten. Niemand muss in Burka oder verschleiert erscheinen, aber dezent gekleidet schon, erklärte er. Die Universität sei schließlich ein Ort der Kultur. Mit Diskriminierung habe der Ausschluss nichts zu tun. Viele Algerierinnen sahen dies anders. Nur wenige Stunden nachdem eine Nachrichten-Webseite vom Vorfall berichtete, erstellte die Filmemacherin Sofia Djama unter dem Titel Meine Würde hat nichts mit der Länge meines Rocks zu tun eine Facebook-Gruppe und forderte ihre Geschlechtsgenossinnen auf, Fotos von wütenden Beinen zu veröffentlichen. In wenigen Tagen schlossen sich knapp 16.000 User der Gruppe an und posteten ihre Bilder. Tausende gläubige und nichtreligiöse Frauen haben mir geschrieben, erklärte Djama in mehreren Interviews. Es geht nicht nur darum, ob wir Bein zeigen oder nicht. Es geht um mehr, erklärt Djama. Der Körper der Frau wird zum Schlachtfeld in einer Zeit, in der sich das Land in einem katastrophalen Zustand befindet, schimpft sie. Die verbale Gewalt sei etwas Alltägliches. Um diese Aussage zu beweisen, veröffentlichten mehrere Webseiten ein Video, in dem eine junge Frau bei einem Experiment zu sehen ist. Einmal spaziert sie verhüllt und einmal in engen Jeans durch die Innenstadt von Algier. Die Reaktion der Männer ist in beiden Fällen identisch: Ihr werden unzüchtige Sprüche nachgerufen. Die Reaktion auf die Kampagne der selbstbewussten Frauen ließ nicht lange auf sich warten. Djamas Seite wurde gehackt. Seither prangt das Symbol von Anonymous im Profilfoto. Allerdings will keiner so recht glauben, dass die Cyberaktivisten dahinter stecken. Vielmehr dürften die Hacker in konservativ-religiösen Kreisen zu suchen sein. Denn seither werden vor allem Videos von Predigern gepostet. In den algerischen Moscheen und im Netz formierte sich eine Gegenkampagne. Unter dem Motto Sei ein Mann rufen konservative Gläubige und Islamisten die Männer auf, ihre Frauen zu verschleiern. Sie dürften nicht in gewagter Kleidung aus dem Haus gehen. Einige derer, die Fotos ihrer züchtig gekleideten Frauen und Töchter posteten, drohen damit, Fotos von denen zu veröffentlichen, die nicht Manns genug seien, um die Frauen zum Anstand anzuhalten. Es gehe schließlich um die Ehre und den Anstand einer ganzen Gesellschaft. Die Inquisitoren sind zurück, titelte die wichtigste frankofone Tageszeitung in Algerien, El Watan, daraufhin empört. Video von Vorgehen gegen schwarze Jugendliche erregte Entsetzen. Chicago (Illinois) - Nach der Empörung über Polizeigewalt gegen unbewaffnete schwarze Jugendliche bei einer Poolparty im US-Bundesstaat Texas hat der kritisierte Beamte seinen Dienst quittiert. Der Polizist Eric C. ziehe damit die Konsequenzen aus seinem nicht zu verteidigendem Verhalten, sagte der Polizeichef von McKinney, Greg Conley, am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Unsere Politik, unsere Ausbildung, unsere Praxis unterstützen solch ein Verhalten nicht, hob Conley hervor. Der Polizist sei bei seinem Einsatz außer Kontrolle geraten, die anderen elf Beamten vor Ort hätten sich hingegen korrekt verhalten. Auf dem Onlineportal Youtube war ein Video von dem Polizeieinsatz in McKinney, rund 50 Kilometer nördlich von Dallas, veröffentlicht worden. Es zeigt chaotische Szenen sowie einen weißen Beamten, der die Jugendlichen wüst beschimpft und sie auffordert, sich auf den Boden zu legen. Später wirft und drückt er ein schwarzes Mädchen im Bikini mit dem Gesicht nach unten zu Boden und kniet auf seinem Rücken. Dann werden der Jugendlichen Handschellen angelegt. Gegen zwei schwarze Buben, die ihr offenbar helfen wollen, erhebt der Polizist seine Waffe. Im Hintergrund rennen Jugendliche umher, um vor den Beamten zu fliehen. Das Video verbreitete sich schnell im Internet und wurde auch wiederholt von US-Fernsehsendern gezeigt. Als Konsequenz wurde der Beamte am Wochenende suspendiert. Die Polizei teilte dazu zunächst mit, sie habe Beschwerden über Lärmbelästigung und miteinander kämpfende Jugendliche bei einer Poolparty erhalten und deshalb Beamte zu der Wohngegend geschickt. Die Jugendlichen hätten nicht in der Gegend gewohnt und auch keine Erlaubnis gehabt, sich an dem Schwimmbad aufzuhalten, erklärte die Polizei. Sie hätten sich geweigert, den Ort zu verlassen. In den vergangenen Monaten hatten Einsätze der US-Polizei gegen Schwarze immer wieder Zorn in der Bevölkerung hervorgerufen. Vielerorts gab es Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt. Menschenrechtler kämpfen gegen "diskriminierende" und "menschenverachtende" Praxis. Nur einmal führte sie den Jungfräulichkeitstest selbst durch. In einem Militärkrankenhaus in der indonesischen Hauptstadt Jakarta. Die Ärztin, die von Human Rights Watch (HRW) interviewt wurde, beschreibt den Vorgang als Folter. Unter Zwang mussten der Militäranwärterin in dem Spital die Beine gespreizt werden, damit mit zwei Fingern überprüft werden konnte, ob ihr Jungfernhäutchen noch intakt ist. Diese Prozedur ist in Indonesien Voraussetzung für alle weiblichen Bewerberinnen für die Armee, die Marine, die Luftwaffe und den Polizeidienst. Bei letzterem seit dem Jahr 1965, das Militär verpflichtet zu den Tests noch länger. Verheiratete Frauen sind von diesen Berufen prinzipiell ausgeschlossen. Auch wenn eine Frau einen Angehörigen der Streitkräfte heiraten möchte, muss sie sich der Untersuchung unterziehen. Bereits seit vergangenem Jahr versucht HRW die indonesische Regierung dazu zu bewegen, die ihrer Meinung nach diskriminierende und menschenverachtende Praxis aufzugeben. Hoffnung setzte die NGO in den Weltgipfel der Internationalen Organisation für Militärmedizin, der im Mai auf Bali stattgefunden hatte. Es hat sich nichts geändert, zeigt sich Andreas Harsono von HRW Indonesien enttäuscht. Die Gespräche mit dem Präsidentenpalast und der Militärführung würden zwar weitergehen, doch im Moment ist das Lager, das für die Tests ist, viel stärker als die Gegner. Gerechtfertigt wird der Test mit der Überprüfung der Moral der Anwärterinnen. So sagte der Kommandeur der Streitkräfte, General Moeldoko, im Gespräch mit dem Jakarta Globe, dass es keine andere Möglichkeit zum Test der Moral gebe. In vorherigen Interviews mit Medien ließ der General durchklingen, dass man eben keine Prostituierten in den Streitkräften und der Polizei haben wolle. Für Harsono zählt das Argument nicht: Es gibt keine wissenschaftliche Grundlage, dass mit dem Zwei-Finger-Test die Jungfräulichkeit einer Frau festgestellt werden kann. Die Weltgesundheitsorganisation hatte im November 2014 eben das in ihren Richtlinien festgehalten und angemerkt: Es gibt keinen Platz für einen Jungräulichkeits- oder Zwei-Finger-Test. Das Jungfernhäutchen kann auch vor dem ersten Mal beim Sport oder großer körperlicher Anstrengung reißen, manche Frauen werden ohne das Häutchen geboren. Diskriminierend ist die Untersuchung für indonesische Frauenorganisationen vor allem deshalb, weil es keinen dementsprechenden Test für männliche Bewerber gebe. Dem fügt Harsono hinzu, dass es manchmal in der Praxis sehr wohl zu absurden Untersuchungen kommen würde: Manche Ärzte überprüfen die Knie der Bewerber, um ihre Jungfräulichkeit festzustellen. Sind sie hart, dann ist der Mann keine Jungfrau mehr. Was aber weit weniger traumatisierend sein dürfte als der Test bei Frauen. Betroffene gaben im Interview für den HRW-Report an, dass sie teilweise von Männern bei offener Tür untersucht worden waren. Eine Frau gab an, dass sie selbst vier Jahre nach dem Test noch nicht fähig war, mit ihrem Mann zu schlafen, weil sie ihre Beine nicht spreizen konnte. Ähnliche Praktiken waren bereits in anderen Ländern mit dem Verweis auf die Verletzung von Menschenrechten abgeschafft. So anerkannten etwa Ägypten, Indien und Afghanistan, dass es sich dabei um einen Verstoß gegen die Verbote gegen Grausamkeit, unmenschliche oder degradierende Behandlung unter dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und die Folterkonvention handelt. Indonesien hat beide Verträge ratifiziert. Verantwortlich für die Anerkennung des Tests in Indonesien ist laut Harsono unter anderem die konservative Moralvorstellung im Land, wo die Hausfrau und Mutter noch immer als Idealbild gilt. Doch selbst die höchste islamische Behörde des Landes, der Indonesische Ulema-Rat, spricht von einer Verletzung der islamischen Rechtslehre, wenn es um die Untersuchungen geht. Ein Vertreter des Rates schlug in einem Zeitungsinterview vor, doch lieber einen religiösen Test für die Überprüfung der Moralvorstellung durchzuführen. Präsident Joko Widodo hat sich zu dem Thema öffentlich noch nicht geäußert. Bei Darmstadt auf linker Spur unterwegs. Darmstadt - Mit einem elektrischen Rollstuhl ist ein 87 Jahre alter Mann bei Darmstadt versehentlich auf eine Autobahn gefahren und hat einen Polizeieinsatz ausgelöst. Andere Verkehrsteilnehmer sahen den Mann am Mittwochabend auf der linken Spur auf der A672 und alarmierten die Polizei, wie diese am Donnerstag mitteilte. Zwei hilfsbereite Autofahrer hätten den Rollstuhl mit ihren Fahrzeugen so abgesichert, dass keiner von hinten habe auffahren können, sagte eine Sprecherin. Der 87-Jährige war nach eigenen Aussagen auf dem Heimweg. Gesundheitlich ging es ihm gut, er hat sich einfach verfahren, sagte die Sprecherin. Mit einem Streifenwagen wurde er zur Polizei gebracht, dort holten ihn schließlich Angehörige ab. Zweiter Vorfall innerhalb weniger Tage. Trient - Ein Jogger ist am Monte Bondone westlich von Trient von einem Bären angegriffen worden. Das Tier fügte dem 45-Jährigen, der mit seinem Hund unterwegs war, eine Bisswunde am Kopf zu und verletzte ihn mit seinen Krallen, berichtete die Lokalzeitung Trentino. Der Italiener setzte sich mit Faustschlägen und Tritten zur Wehr. Der Bär ließ schließlich von ihm ab. Ein Radfahrer leistete dem blutenden und geschockten Jogger Erste Hilfe. Der Mann wurde in ein Spital eingeliefert, sein Zustand sei nicht kritisch, berichtete das Blatt. Bereits vor einigen Tagen war nahe der Trentiner Ortschaft Zambana Vecchia ein Mann von einem Braunbären verletzt worden. Braunbären sorgen in der Lombardei und in der Provinz Trentino öfters für Probleme. Die Bärin Daniza, die im August vergangenen Jahres im Trentino einen Schwammerlsucher angegriffen und verletzt hatte, war nach einer Narkose bei einem Einfangversuch gestorben. Während das Umweltministerium in Rom gemeinsam mit den regionalen Behörden wiederholt die Notwendigkeit betont hatten, die 18 Jahre alte Bärin zu fangen und in ein Gehege zu bringen, hatten Umweltaktivisten gefordert, dass Daniza mit ihren Jungen in Freiheit bleiben solle. Derzeit leben mehr als 50 Braunbären (Ursus arctos) im Trentino. 1999 begann ein Interreg-Projekt, unterstützt von der Europäischen Gemeinschaft, mit dem Ziel, die im nordwestlichen Trentino heimische Braunbärenpopulation als letzte innerhalb der Alpen zu erhalten. Nachdem 1999 neun Braunbären im Trentino befreit wurden, sind bisher 77 Tiere zur Welt gekommen. Allein in diesem Jahr wurden 13 Bärenjunge geboren. "Tötung im Straßenverkehr" als Delikt für Lenker unter Einfluss von Drogen oder Alkohol - Bis zu 18 Jahre Haft. Rom - Der Senat in Rom hat am Mittwochabend einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem der Straftatbestand der Tötung im Straßenverkehr eingeführt wird. Es soll strengere Strafen als das Delikt fahrlässige Tötung nach sich ziehen, das normalerweise für Verkehrsunfälle vorgesehen ist. Lenkern, die unter dem Einfluss von Drogen oder Alkohol tödliche Unfälle verursachen, drohen bis zu zwölf Jahre Haft. Die Strafe kann auf bis zu 18 Jahre erhöht werden, wenn bei dem Unfall mehrere Personen ums Leben kommen, geht aus dem Entwurf hervor. Der Führerschein soll bis zu 30 Jahre eingezogen werden, wenn tödliche Unfälle unter Einfluss von Drogen und Alkohol verursacht werden. Strengere Strafen sind insgesamt auch für Verkehrsrowdys vorgesehen. Das ist der richtige Weg, um die noch zu hohe Zahl tödlicher Unfälle in Italien zu reduzieren. Wir wollen sicher sein, dass Verursacher von tödlichen Unfällen unter Drogen- und Alkoholeinfluss im Gefängnis landen, sagte Vize-Verkehrsminister Riccardo Nencini. Für die Einführung des Straftatbestands Tötung im Straßenverkehr waren in den vergangenen Jahren in Italien Zehntausende Unterschriften gesammelt worden. Der Gesetzesentwurf muss noch von der Abgeordnetenkammer abgesegnet werden. Uniformierter erwischte Kind beim Salutieren. Cardiff - Gerade hatte sie der Queen einen Blumenstrauß überreicht, da wurde sie von einem Soldaten geohrfeigt: Bei einem Besuch der britischen Königin Elizabeth II. im Millennium-Stadion in der walisischen Stadt Cardiff traf ein Unformierter beim Salutieren versehentlich die sechsjährige Maisie Gregory, die neben ihm stand. Ein Video von dem Vorfall vom Donnerstag machte am Freitag im Internet die Runde. Darauf ist zu sehen, wie Maisie in walisischer Tracht rechts neben einem Soldaten steht. Das Mädchen überreicht der Königin mit einem Knicks einen Blumenstrauß, die Queen beugt sich zu dem Kind hinunter und geht dann weiter. Als Elizabeth II. an dem Soldaten vorbeikommt, hebt dieser schwungvoll seine rechte Hand zum Salutieren und trifft Maisie direkt ins Gesicht. Dadurch fällt der Sechsjährigen der Hut herunter. Maisie lief danach weinend zu ihrer Mutter Joanne Gregory, während die Queen ihren Rundgang durch das Stadion fortsetzte. Laut der Website WalesOnline entschuldigte sich der Soldat bei Maisie und ihrer Mutter. Die Queen merkte von alldem offensichtlich nichts. Bordcomputer meldete Feuer in Triebwerk. Fluglinie ist nach zwei Unglücken im vergangenen Jahr stark angeschlagen. Sydney/Kuala Lumpur – Eine Passagiermaschine der Malaysia Airlines hat am Freitag wegen einer Feuermeldung eine Notlandung in Melbourne vollzogen. Kurz nach dem Start habe der Bordcomputer einen Brand in einem Triebwerk gemeldet, sagte eine Sprecherin des Flughafens von Melbourne. Das Flugzeug mit dem Ziel Kuala Lumpur sei eine Dreiviertelstunde nach dem Start wieder in Melbourne gelandet. An Bord seien insgesamt 300 Passagiere und Besatzungsmitglieder gewesen. Malaysia Airlines teilte mit, der Airbus A330 sei von Angestellten der Fluggesellschaft und von Bodenpersonal untersucht worden. Dabei seien zunächst keine Spuren eines Brandes festgestellt worden. Die Untersuchung werde fortgesetzt. Auch die australische Flugsicherheitsbehörde teilte mit, dass keine Spur eines Feuers entdeckt worden sei. Die Behörde leitet auch die Untersuchung zum Malaysia-Airlines-Flug MH370, der am 8. März 2014 aus bislang nicht geklärten Gründen spurlos verschwand. Laut der australischen Flugkontrolle ließ das Flugzeug vor der Notlandung Treibstoff ab. Laut der Webseite flightradar24, die den Luftverkehr weltweit beobachtet, flog das Flugzeug am Freitag vor der Notlandung noch mehrere Runden über Vororte von Melbourne. Malaysia Airlines ist wegen zwei Flugunglücken im vergangenen Jahr stark angeschlagen: Drei Monate nach dem Verschwinden von Flug MH370 mit 239 Menschen an Bord wurde eine Maschine der Fluggesellschaft beim Überflug über das Konfliktgebiet in der Ostukraine abgeschossen. Bei dem Vorfall am 17. Juli kamen alle 298 Menschen an Bord von Flug MH17 ums Leben. Anfang Juni gab die Fluglinie bekannt, 6.000 ihrer 20.000 Mitarbeitern zu kündigen. 'Der ehemalige IWF-Chef hat in einem Zuhältereiprozess einen Freispruch erwirkt. Nein, Dominique Strauss-Kahn musste nicht wissen, dass die Frauen seiner Sexpartys Prostituierte waren. Mit diesem Argument hat ein Gericht in der nordfranzösischen Metropole Lille den 66-jährigen Spitzenpolitiker von der Anklage der schweren Zuhälterei freigesprochen. Ein Dutzend Mitangeklagte, darunter Unternehmer, Sexklubbetreiber und Polizisten, teilen sein Schicksal Fahrzeug war von Brücke in Fluss gestürzt. Neu-Delhi - Bei einem Busunglück in Südindien sind am Samstag 21 Hindu-Pilger ums Leben gekommen. Einziger Überlebender des Unglücks auf der Rückfahrt vom berühmten Tirupati-Tirumala-Tempel im Unionsstaat Andhra Pradesh war ein zwölfjähriger Bub, wie die Nachrichtenagentur PTI unter Berufung auf die Polizei berichtete. Demnach verlor der Fahrer offenbar auf einer Brücke die Kontrolle über sein Fahrzeug, das daraufhin in einen Fluss stürzte, der an dieser Stelle nur flach war. Unter den Opfern waren auch sechs Kinder. Der indische Straßenverkehr zählt zu den gefährlichsten der Welt. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben auf Indiens Straßen jährlich mehr als 200.000 Menschen. Experten führen die hohe Opferzahl auf den schlechten Zustand der Straßen, die mangelhafte Wartung der Fahrzeuge und unverantwortliches Verhalten der Fahrer zurück. Regierung ruft Staatstrauer aus. Tiflis - Nach den schweren Überschwemmungen mit mehreren Toten in Tiflis hat die georgische Regierung für morgen, Montag, Staatstrauer ausgerufen. Das sagte Regierungschef Irakli Garibaschwili am Sonntag bei einer Krisensitzung seines Kabinetts. Die Zahl der Toten sei auf zwölf gestiegen, 24 Menschen würden noch vermisst, teilte Innenminister Wachtang Gomelauri Berichten zufolge mit. Bei dem Unwetter war auch der Zoo von Tiflis weitgehend zerstört worden. Dutzende Raubtiere, darunter Bären, Tiger und Löwen, entkamen aus ihren Gehegen und zogen durch das Zentrum der Kaukasus-Metropole mit rund 1,2 Millionen Einwohnern. Die Menschen wurden aufgefordert, aus Sicherheitsgründen in ihren Wohnungen zu bleiben. Russland bot dem Nachbarland Georgien Hilfe bei der Beseitigung der schweren Schäden an. Zwei russische Flugzeuge und mehr als 100 Einsatzkräfte stünden zum Abflug nach Tiflis bereit, sagte Zivilschutzchef Wladimir Putschkow in Moskau. Bei der Attacke jeweils einen Arm verloren. Raleigh - Zwei Jugendliche sind im US-Bundesstaat North Carolina von Haien gebissen und schwer verletzt worden. Zu den Angriffen kam es am Sonntag an zwei verschiedenen Stellen eines Strandes in der Ortschaft Oak Island, wie der Sender WECT berichtete. Ein zwölfjähriges Mädchen und ein 16 Jahre alter Bub verloren bei der Attacke jeweils einen Arm. Bei dem Mädchen musste der Arm unterhalb des Ellenbogens amputiert werden, bei dem Bub unterhalb der Schulter. Das Mädchen soll nach Angaben der örtlichen Bürgermeisterin bei Verwandten zu Besuch gewesen sein. Hai-Angriffe gelten in der Gegend als selten. Druck nach Veröffentlichung von Kindheitsfotos und Geburtsurkunde offenbar zu groß. Los Angeles/Wien - Die 37-jährige Amerikanerin Rachel Dolezal kämpfte für die Rechte der Schwarzen in den USA. Sie war Vorsitzende des lokalen Ablegers der Bürgerrechtsorganisation National Association for the Advancement of Colored People (NAACP) in der Stadt Spokane im Bundesstaat Washington. Als Frau mit dunkler Haut und schwarzen Locken ist sie in der Öffentlichkeit bekannt. Nur: Die Frau ist überhaupt nicht schwarz. In der vergangenen Woche ist bekanntgeworden, dass sich Dolezal, das Kind weißer Eltern, ihre Haut braun geschminkt hatte. Der Fall löste solch eine Debatte in der Öffentlichkeit und innerhalb der Organisation aus, dass sie nun ihr Amt niederlegte. Vor dem NAACP-Büro in Spokane demonstrierten am Montag mehrere Personen mit Plakaten mit der Aufschrift Integrity Matters - Integrität bedeutet etwas. Auf ihrer Facebook-Seite schrieb die 37-Jährige: Die Debatte konzentriert sich unerwartet auf meine persönliche Identität im Zusammenhang mit der Definition von Rasse und Ethnie. Zwar wird für den NAACP-Posten nicht vorausgesetzt, dass man schwarz ist, doch war der interne Druck auf Dolezal offenbar groß. Ich habe der NAACP-Führung auf bundesstaatlicher und nationaler Ebene immer den Vortritt gelassen und danke für deren standhafte Unterstützung in diesem unerwarteten Feuersturm, schrieb Dolezal. Ihren Einsatz für Gerechtigkeit wolle sie aber fortsetzen. Sie hatte auf Formularen immer wieder angekreuzt, dass sie African American sei, und im Internet das Bild eines schwarzen Mannes veröffentlicht, der ihr Vater sein soll. Ihre leiblichen Eltern aber zeigten den Medien die Geburtsurkunde ihrer Tochter und dazu Kindheitsfotos, die Dolezal als weißes, blondes Mädchen zeigen. Ihre Mutter Ruth bekräftigte ihre Einschätzung, dass die Tochter ihre eigene Identität leugnet. Sie sei überzeugt, dass eine psychologische Beratung nötig sei. Dolezal brauche Hilfe, um mit ihren persönlichen Angelegenheiten klarzukommen, sagte die Mutter im Fernsehsender ABC News. Mehr als 165 Menschen sind bereits am Mers-Virus erkrankt, 23 davon tödlich. Bislang wurde es nur in Spitälern übertragen. Zwei Männer mit schwarzen Anzügen und weißen Gesichtsmasken wachen breitbeinig vor der verlassenen Notfallambulanz des Boramae-Spitals. Wer sich ihnen nur auf wenige Schritte nähert, wird freundlich, aber entschieden abgewiesen. Niemand kommt mehr in die Notaufnahme, ganz egal, wie dringend es ist. Vor wenigen Stunden erst hat der Mers-Ausbruch auch das Spital in Seoul erwischt: Bei einem Rettungssanitäter wurde das Coronavirus diagnostiziert, über eine Stunde soll er sich in der Notaufnahme bewegt haben. Seitdem sitzt ein Dutzend Mitarbeiter in Quarantäne. Manche Patienten weigern sich derzeit, überhaupt einen Doktor zu sehen , klagt eine Krankenschwester, während sie durch die menschenleere Wartehalle huscht. Auch wenn sie beteuert, ihre Gesichtsmaske nur kurz für die Mittagspause abgelegt zu haben, scheint sie ganz offenbar wenig Angst vor der Ansteckungsgefahr zu haben. Als sie jedoch den Notizblock des Reporters erhascht, schrecken ihre Pupillen auf. Sie dürfe leider nicht mit Journalisten reden, sagt sie. Auch ihre Kollegen an der Rezeption verstummen, genau wie die Ärzte: Alle schauen sie nur verlegen auf den Boden, sobald sie jene vier Buchstaben hören, die das gesellschaftliche Klima des Landes seit einem Monat bestimmen. 165 Koreaner sind bisher an Mers erkrankt, bis Donnerstag 23 davon gestorben. Mehr als 6700 Patienten stehen derzeit unter Quarantäne, laut Regierungsangaben werden es in den nächsten Tagen fast doppelt so viele sein. Atemschutzmasken sind seither ein üblicher Anblick und Sportstadien schlechter besucht, und ein USA-Besuch von Präsidentin Park Geun-hye wurde kurzfristig abgesagt. Von einer Panik ist das Land dennoch weit entfernt, vor allem weil sich die Infektionen bislang auf die Spitäler beschränken. Die meisten Betroffenen sind Patienten, deren Angehörige oder Pfleger. Wir sind zuversichtlich, dass sich das Virus nicht innerhalb des Gemeinwesens verbreitet, sagt Kwon Jun-wook von der Gesundheitsbehörde. Und dennoch hat sich der Erreger in Südkorea weit aggressiver verbreitet als in anderen OECD-Staaten. Das hängt ausgerechnet mit dem Gesundheitssystem zusammen, das medizinisch zu den höchstentwickelten der Welt zählt. Gerade in den renommierten Krankenhäusern warten Patienten oft tagelang in überfüllten Notaufnahmen, um einen Platz zu ergattern. Krankenbetten stehen dicht aneinandergedrängt, und die Patientenzimmer sind voller Besucher. Das Gesundheitsministerium zeigt sich dennoch zuversichtlich, bald die Verbreitung des Virus eindämmen zu können. Wenn es mich erwischt, dann soll es halt so sein, sagt Kang Mu-sang, während er eine Zigarette an der leeren Kaffeedose in seinem Schoß ausdrückt. Der Patient sitzt auf einem Rollstuhl vor der Krankenhauseinfahrt und qualmt der Seouler Abenddämmerung entgegen. Für ihn bedeute der Mers-Ausbruch vor allem ein leeres Zimmer und die lange ersehnte Ruhe. Die Medien bauschen das doch alles nur auf, sagt Kang und zündet sich eine neue Zigarette an: Hier im Krankenhaus bekomme ich davon gar nicht viel mit. Die Erdenbürger sollen kein Nutella mehr essen, findet die französische Umweltministerin Ségolène Royal. Wenig später entschuldigt sie sich. Es ist nur ein kleiner Satz. Aber er sorgt für einen ziemlichen Sturm im Nutella-Glas. Denn die ehemalige französische Präsidentschaftskandidatin Ségolène Royal redete in der beliebten Fernsehsendung le petit journal des Bezahlsender Canal Plus nicht um den Brei beziehungsweise den Schokoteig herum: Wir müssen aufhören, Nutella zu essen, meinte die Umweltministerin, um als Grund anzugeben: Weil es Palmöl ist. Pädagogisch klärte 61-jährige Sozialistin die Fernsehzuschauer auf: Palmöl tritt an die Stelle abgeholzter Bäume, was in Sachen Entwaldung beträchtliche Schäden verursacht. Der Moderator wagte einzuwenden: Nutella ist halt gut. Doch Royal doppelte nach: Es wird nötig sein, dass sie andere Rohstoffe benützen. Mit sie meinte die Ministerin Ferrero, den Hersteller des umstrittene Schokoaufstrichs, den einzelne Liebhaber gerüchteweise auch mit dem Löffel essen. Es ist nicht das erste Mal, dass französische Politiker gegen die italienische Schoko-Haselnuss-Masse zu Felde ziehen. 2012 hatte die grüne Fraktion in Paris eine 300-prozentige Steuer auf Nutella und verwandte Produkte verlangt. Der Gesetzesvorstoß scheiterte erst im letzten Moment an der mangelnden Begeisterung anderer Parteien. Auf Royals Appell reagierte Ferrero sofort, um in einem Communique verlauten zu lassen, man sei sich des Umweltaspektes bewusst und schon zahlreiche Verpflichtungen betreffend die Versorgung durch Palmöl eingegangen. Das bestätige, dass die Palmölkultur und ökologische Ansprüche vereinbar sein können. Tatsache ist, dass sich Ferrero in Malaysia, Papua-Neuginea und Brasilien mit Palmöl eindeckt – drei Ländern, in den die Abholzung der Regenwälder besonders schnell voranschreitet. Royal versucht derzeit, die Bevölkerung für den großen Klimagipfel von Ende Jahr in Paris zu sensibilisieren. Das passt nicht allen: Der italienische Abgeordnete und Agrarspezialist Michele Anzaldi verwehrte sich gegen den französischen Boykottaufruf gegen die italienische Vorzüglichkeit und verlangte von Royal nichts weniger als eine Entschuldigung. Die Französin kam dem Ansinnen am Mittwoch auf Twitter nach: Ich bitte wegen der Polemik über Nutella tausend Mal um Entschuldigung. Zudem meinte sie, sie anerkenne Ferreros Bemühungen für die Nachhaltigkeit. Mille excuses pour la polémique sur le #Nutella. Daccord pour mettre en valeur les progrès. Die Vorzüglichkeit von Nutella beruht allerdings laut Onlineportalen wie Was ist drin zu 87 Prozent auf Zucker und Fett. Die Franzosen essen jährlich fast zwei Kilo Palmöl, womit sie im europäischen Schnitt liegen. 4.000 Plätze für Asylwerber bis 2016. Paris – Angesichts des Ansturms von Flüchtlingen will Frankreich mehr als 10.000 neue Plätze in Unterkünften schaffen. Allein 4.000 neue Plätze sollten bis 2016 für Asylbewerber zur Verfügung gestellt werden, sagte Innenminister Bernard Cazeneuve am Mittwoch in Paris. Für andere Flüchtlinge sollen nach Angaben von Wohnungsbauministerin Sylvia Pinel 5.000 weitere Plätze eingerichtet werden. Zudem sollen Flüchtlinge, die derzeit in improvisierten Lagern oder auf der Straße leben, 1.500 Plätze in Notunterkünften erhalten. Die Schwere der Krise verlangt es, sofort die Mittel in Frankreich anzupassen, sagte Cazeneuve, der zuvor bei einer Kabinettssitzung zusammen mit Pinel die Pläne für eine bessere Unterbringung von Flüchtlingen vorgestellt hatte. Mit den Plänen solle zugleich eine nachhaltige Antwort auf die Flüchtlingsproblematik gefunden werden. Bereits seit 2012 habe Frankreich in der Frage außergewöhnliche Anstrengungen unternommen. In Frankreich haben sich zuletzt die Schwierigkeiten bei der Unterbringung von Flüchtlingen verschärft. Zahlreiche Migranten etwa aus Afrika oder aus Syrien leben unter miserablen Bedingungen in improvisierten Flüchtlingslagern, es fehlt an Plätzen in staatlichen Unterkünften. Während viele der Flüchtlinge in Frankreich Asyl suchen, wollen andere weiterreisen, etwa nach Großbritannien, wo sie sich Chancen auf ein besseres Leben ausrechnen. Besonders bekannt sind von den Flüchtlingen selbst errichtete Lager in der nordfranzösischen Hafenstadt Calais, von wo aus viele über den Ärmelkanal nach Großbritannien gelangen wollen. Solche Lager gibt es aber auch in Paris. Pinel sprach am Mittwoch von Elendslagern. Einige Stücke wurden noch zu Lebzeiten Maos abgepackt. Peking – Bei landesweiten Razzien haben die chinesischen Behörden Medienberichten zufolge tonnenweise gefrorenes Gammelfleisch beschlagnahmt – einige Stücke waren demnach mehr als 40 Jahre alt. Insgesamt seien 100.000 Tonnen Hühnerflügel sowie Schweine- und Rindfleisch im Wert von umgerechnet 435 Millionen Euro beschlagnahmt worden, berichtete die staatliche Zeitung China Daily am Mittwoch. Der Gestank war unerträglich. Als wir die Tür öffneten, hätte ich mich fast übergeben, berichtete ein Ermittler über den Fund von 800 Tonnen verdorbenen Fleisches in einem Lager der Provinz Hunan. Nach Angaben der Provinzregierung stammte das Fleisch aus den schwer zu kontrollierenden Grenzregionen mit Vietnam. Vertreter des an Vietnam grenzenden autonomen Gebiets Guangxi berichteten dem Blatt, das Fleisch musste noch zu Lebzeiten des Gründers der Volksrepublik, Mao Zedong, abgepackt worden sein. Laut China Daily kauften die Schmuggler zumeist billiges Fleisch aus dem Ausland und brachten es dann via Hongkong und Vietnam auf das chinesische Festland. Um Geld zu sparen, wurde das Fleisch oftmals in einfachen Last- statt in Kühlwagen transportiert und danach wieder eingefroren. Manchmal sei diese Prozedur mehrmals wiederholt worden, berichtete der stellvertretende Leiter des Zolls von Hunan. Insgesamt wurden demnach landesweit 14 Schmugglerbanden gesprengt. China wird immer wieder von schweren Lebensmittelskandalen erschüttert. Die Standards für Lebensmittelsicherheit sind niedrig und werden zudem oftmals nur unzureichend umgesetzt. 'Menschenrechtler kritisieren "Drecksarbeit" der Regierung für den nördlichen Nachbarn. Vor einem Jahr saßen sie zu Hunderten auf dem Dach der Bestie, des Migrantengüterzugs, der Mexiko von Süd nach Nord durchquert. Heute trifft man auf dem Zug nur noch kleine Gruppen mittelamerikanischer Auswanderer, selten mehr als ein paar Dutzend. Mexiko hat sich in einen erfolgreichen vorgelagerten US-Grenzposten verwandelt: Offiziellen Zahlen zufolge schob das Land zwischen Oktober und April erstmals mehr illegale Einwanderer aus Mittelamerika ab als die USA. 92.889 Menschen wurden von Mexiko zurückgeschickt, in den USA wurden 70.226 festgenommen, berichtet die US-Menschenrechtsorganisation Washington Office on Latin America. Ein Jahr zuvor war die Situation noch umgekehrt: Während die US-Behörden knapp 160.000 mittelamerikanische Einwanderer festnahmen, waren es in Mexiko nur 50.000. Aus Sicht der USA ist das Programm Southern Border, das voriges Jahr nach einer beispiellosen Einwanderungswelle mittelamerikanischer Kinder implementiert wurde, damit ein Erfolg. Wegen der komplizierten internationalen Rechtslage können Minderjährige nicht sofort nach Mittelamerika zurückgeschickt werden. Das hatte sich in Schlepperkreisen herumgesprochen, und die Zahl minderjähriger Migranten erhöhte sich 2014 dramatisch um fast 80 Prozent. US-Präsident Barack Obama wurde für die eskalierende Notlage von den einwanderungsfeindlichen Republikanern ebenso kritisiert wie von Menschenrechtlern, die die unwürdige Behandlung und Unterbringung der Minderjährigen in Lagern anprangerten. Auf Druck der US-Regierung verschärfte Mexiko im Juli 2014 die Kontrollen an seiner Südgrenze. Unter anderem wurden die Sicherheitsvorkehrungen rund um die Bestie verschärft und deren Geschwindigkeit beschleunigt, damit die Migranten nicht mehr auf den fahrenden Zug aufspringen können. 5.000 zusätzliche Polizisten wurden in das Grenzgebiet entsandt, weitere Grenzposten aufgemacht, die Straßensperren vervielfacht. Die Interamerikanische Menschenrechtskommission zeigte sich wegen der Übergriffe auf Migranten und Menschenrechtsaktivisten besorgt; mexikanische Menschenrechtler werfen ihrer Regierung vor, humanitäre Politik über Bord zu werfen, um die Drecksarbeit für die USA zu erledigen. Die Routen ändern sich. Migranten sind jetzt gezwungen, in kleineren Gruppen zu reisen und zu Fuß zu gehen, was viel riskanter ist, weil sie so leichter zum Opfer von Menschenhändlern und Wegelagerern werden, sagt Pfarrer Alejandro Solalinde. Vermummte Polizisten machen Jagd auf Migranten. Sie durchsuchen Hotels und jagen sie vom Zug, erzählt Migrationsanwalt Rubén Figueroa. Aber es werden nicht weniger. Jede Nacht marschieren Hunderte Richtung Norden, Jugendliche, Männer und Frauen mit kleinen Kindern. Die USA haben das Problem nach Mexiko ausgelagert, und Mexiko hat die Rolle des Abschiebers übernommen, kritisiert Maureen Meyer von Wola. Ihr zufolge werden die Migranten umgehend in ihre Heimatländer zurückgeschickt – ohne Prüfung der individuellen Notlage oder dem Anrecht auf ein humanitäres Visum. Länder wie El Salvador und Honduras haben mit die höchsten Mordraten der Welt, und der Staat wird vom organisierten Verbrechen unterwandert oder lahmgelegt. Allein die Tatsache, blond und hübsch zu sein oder nicht für die Mafia arbeiten zu wollen, könne ein Todesurteil sein.' Erst mehrere Tage nach Unglück in Urwald gefunden. Bogota – Auf wundersame Weise haben eine junge Mutter und ihr wenige Monate altes Baby den Absturz eines Kleinflugzeugs im kolumbianischen Urwald überlebt. Die 18-jährige Nelly Murillo und ihr Sohn Yudier Moreno seien mehrere Tage nach dem Unglück im Nordwesten des Landes gefunden worden, teilten die Behörden am Mittwoch mit. Sie wurden nahe dem Wrack der Cessna 303 geborgen, die am Samstag abgestürzt war. Es ist ein Wunder, sagte Oberst Hector Carrascal, Kommandeur der Luftwaffe der Region Antioquia. Die Absturzstelle liege in einer äußerst unzugänglichen Gegend, außerdem habe es sich um einen katastrophalen Unfall gehandelt. Mutter und Kind seien per Hubschrauber in ein Krankenhaus gebracht worden. Die Frau sei leicht verletzt gerettet worden, das Baby offenbar unversehrt, hieß es in einer Erklärung der Luftwaffe. Der Pilot des Kleinflugzeugs war ums Leben gekommen, seine Leiche wurde im Wrack der Maschine gefunden. Das Flugzeug war am Samstag von Nuqui nach Quibdo unterwegs, als es abstürzte. Ein 24-köpfiges Helferteam wurde zur Absturzstelle entsandt. Die Unglücksursache ist unklar, die Behörden leiteten eine Untersuchung ein. Im Vergleich zweier Studien zum Frieden und zum Empfinden des persönlichen Wohlergehens gibt es nur wenige Übereinstimmungen. Wien – Ist das Wohlbefinden von Menschen stärker ausgeprägt, wenn sie in friedlicheren Ländern leben? Es klingt nach einer naheliegenden Hypothese. Wenn man den Ergebnissen zweier kürzlich veröffentlichter Studien glaubt, sollte eine simple Gegenüberstellung der Listen diese Frage beantworten können. Für den Global Peace Index (GPI) definierten die Forscher des Institute for Economics and Peace 23 Indikatoren, die die Präsenz von Konflikten und Krisen in 160 Ländern der Welt messen – etwa die Gefahr terroristischer Anschläge, gewaltsame Vertreibungen, eine hohe Rate an Tötungsdelikten, politische Instabilität, Waffenimporte und Kriegshandlungen auf eigenem oder fremdem Territorium. Der am Mittwoch veröffentlichte Well Being-Index (WBI) der Unternehmen Healthways und Gallup wiederum fasst die Ergebnisse von 146.000 Interviews zur Frage nach dem Wohlbefinden der Bewohner von 145 Staaten zusammen. Fünf Elemente wurden abgefragt: die Zufriedenheit mit dem Sinn der Tätigkeiten im Alltag, mit den sozialen Beziehungen, mit dem finanziellen Umfeld, mit der Nachbarschaft beziehungsweise der Wohnumgebung und mit dem körperlichen Wohlergehen. Vor allem im vorderen Bereich der Listen zeigt der Vergleich erwartbare Überschneidungen bei der Platzierung einzelner Länder. So steht Österreich beim GPI an dritter Stelle und erreicht beim WBI mit Platz neun ebenfalls eine Spitzenposition. Auch die Schweizer (Ränge drei und vier) und die Dänen (Ränge sieben und eins) leben in sowohl von Frieden als auch von persönlichem Wohlbefinden geprägten Umfeldern. Auf den hinteren Rängen sind ebenfalls teils deutliche Überlagerungen zu erkennen. Afghanistan liegt in beiden Aufstellungen an letzter, die Demokratische Republik Kongo jeweils an fünftletzter Stelle. Ähnliche Parallelen weisen Simbabwe, die Ukraine, Ägypten und der Tschad auf. Und doch sind nicht die augenfälligen Übereinstimmungen die Norm, sondern die Differenzen in der Platzierung. Mexikaner fühlen sich wohl (Rang zehn), obwohl sie wegen der zehntausenden Toten im Krieg gegen Drogen in einem der unsichersten Länder leben (Rang 145 im GPI). Umgekehrt könnte das Wohlbefinden der Menschen in Bhutan kaum schwächer ausgeprägt sein (Rang 144 im WBI), wiewohl sie ihren Alltag im – hinter Japan – zweitfriedlichsten Staat Asiens verbringen (Rang 18 im GPI). Tendenziell zeigt sich in einem Streudiagramm, dass afrikanische Staaten (gelb) in beiden Indizes weit hinten liegen, während etwa die Bewohner zentralamerikanischer (violett) und südamerikanischer (dunkelblau) Staaten ganz unabhängig von den Friedenswerten häufig positive Antworten auf die Frage nach ihrem Wohlbefinden geben. Umgekehrt führen Bürger europäischer Staaten (grün) trotz einer relativ friedfertigen Umgebung mehrheitlich nur mittlere Werte beim Wohlergehen an. Die Länder Asiens (rot) verteilen sich ohne erkennbare Struktur nahezu über das gesamte Diagramm. Wenn die erhobenen Daten nur annähernd der Realität entsprechen, lässt sich aus der Gegenüberstellung ableiten, dass manche Menschen trotz bewaffneter Konflikte in der unmittelbaren Umgebung hohes Wohlbefinden verspüren, während anderen trotz eines relativ friedlichen Lebensalltags offenbar andere wichtige Faktoren zum Wohlergehen fehlen. Ein detaillierter Blick auf Österreich im neuen Well Being-Index zeigt: Mit den finanziellen Rahmenbedingungen sind die Bewohner im Mittel sehr zufrieden (Rang fünf hinter Norwegen, Schweden, Schweiz und den Niederlanden), in den Top 20 befindet sich Österreich auch bei den Fragen nach dem Sinn der Tätigkeiten im Alltag (Rang elf) und nach der Wohnumgebung (Rang 18). Auf Rang 29 liegen die Österreicher beim körperlichen Wohlergehen, die schlechteste Teilbewertung gab es mit Rang 47 von 145 untersuchten Ländern bei der Zufriedenheit mit den Sozialkontakten. Insgesamt ergibt das Platz neun hinter dem von zentralamerikanischen Staaten dominierten und von Panama angeführten Spitzenfeld. Details zum Abschneiden beim Global Peace Index finden Sie in diesem Artikel. Wien – Zehntausende Menschen bejubelten am Sonntag bei der jährlichen Schwulen-und-Lesben-Parade in San Francisco das uneingeschränkte Eherecht. Wir feiern die Gleichberechtigung für alle, schrieb Bürgermeister Ed Lee auf Twitter. Das höchste US-Gericht in Washington hatte am Freitag die Ehe auch für homosexuelle Paare im ganzen Land geöffnet. Rund 26.000 Menschen marschierten mit, hunderttausende Zuschauer verfolgten die Kundgebung vom Straßenrand aus. Die Veranstalter sprachen von der größten Gay-Pride-Party, die sie je organisiert hätten. Auch rund um den Erdball wurde am Wochenende ausgiebig gefeiert – Regenbogenfahnen wurden etwa in Südamerika, Asien und Europa geschwenkt. In Istanbul verlief der geplante Marsch des Stolzes nicht friedlich: Die türkische Polizei verhinderte die Parade gewaltsam mit Tränengas und Wasserwerfern. Mehrere Zahnärzte hielten sich nicht an Hygienevorschriften – Sechs Zahnärzte suspendiert. Sydney – Wegen mangelhafter Hygienemaßnahmen in mehreren Zahnarztpraxen sind in Sydney sicherheitshalber tausende Patienten zu einem Aids-Test aufgefordert worden. Zwölf Zahnärzten aus vier Praxen in Sydney würden Verstöße gegen Hygienevorschriften vorgeworfen, sagte der Leiter der Gesundheitsbehörde des Bundesstaates New South Wales, Jeremy McAnulty, am Donnerstag. Weil medizinisches Gerät nicht vorschriftsgemäß gereinigt und sterilisiert worden sei, seien die dort behandelten Patienten aufgerufen, sich auf HIV und Hepatitis A, B und C testen zu lassen. Betroffen sind demnach bis zu 11.000 Menschen. Bisher gebe es keinen Hinweis auf Infektionen mit dem Immunschwächevirus HI oder mit Hepatitis, hob McAnulty hervor. Wir sind hoffnungsvoll, dass es keine Ansteckungen gibt und das angenommene Risiko gering ist, aber es ist für die Leute am besten, wenn sie ihren Zustand kennen, denn es gibt Behandlungen für Infektionen. Ins Rollen gekommen war der Fall im November, als nach einer Beschwerde über eine Behandlung eine Untersuchung bedeutende Verstöße gegen die Hygienevorschriften ans Licht brachten, wie Shane Fryer von der Zahnärztekammer von New South Wales sagte. Seinen Angaben zufolge wurden in dem Fall bisher sechs Zahnärzte suspendiert. Bei sechs weiteren wurde die Approbation mit Auflagen verknüpft. Causa PIP: TÜV Rheinland erfüllte laut französischem Gericht die Kontrollpflichten und muss die im erstinstanzlichen Urteil aufgetragene Millionenzahlung nicht leisten. Aix-en-Provence/Wien – Der TÜV Rheinland ist im Skandal um minderwertige Brustimplantate der französischen Firma PIP erfolgreich gegen eine Verurteilung zu Schadenersatz vorgegangen. Das Berufungsgericht der südfranzösischen Stadt Aix-en-Provence kassierte am Donnerstag ein Urteil der ersten Instanz, das den TÜV zur Zahlung von Millionen Euro an betroffene Frauen verurteilt hatte. Der Skandal um die französische Firma Poly Implant Prothese (PIP) war 2010 bekannt geworden: PIP hatte seine Brustimplantate statt mit Spezial-Silikon mit billigerem Industriesilikon befüllt, die Polster reißen leichter und können Entzündungen auslösen. Weltweit wurden zehntausenden Frauen PIP-Implantate eingesetzt. Der Verein für Konsumenteninformation (VKI) vertritt aktuell die Interessen von 69 Frauen aus Österreich. In Deutschland sind Schätzungen zufolge rund 6.000 Frauen betroffen. Der TÜV hatte das Herstellungsverfahren bei PIP zertifiziert, nicht aber die Silikonkissen selbst kontrolliert. Im November 2013 verurteilte das Handelsgericht der südfranzösischen Stadt Toulon das Unternehmen zur Zahlung von Schadenersatz an 1.700 betroffene Frauen und an mehrere Händler. Das Gericht hielt dem TÜV vor, gegen seine Kontroll- und Aufsichtspflichten verstoßen zu haben. Der TÜV, der sich selbst als Opfer des PIP-Betrugs sieht, legte Berufung ein – und bekam nun Recht. Das Berufungsgericht von Aix-en-Provence erklärte in seinem Urteil, der TÜV Rheinland und seine Frankreich-Tochter hätten ihre Verpflichtungen als Zertifizierungs-Organe respektiert. Sie hätten keinen Fehler begangen, für den sie haftbar gemacht werden könnten. Nach dem erstinstanzlichen Urteil hatte der TÜV bereits vorläufig Schadenersatz zahlen müssen – bis zur Klärung der Ansprüche durch Gutachten jeweils 3.000 Euro plus 400 Euro für Rechtsauslagen für jede Frau – insgesamt eine Summe von rund 5,8 Millionen Euro. Der TÜV könnte dieses Geld nun zurückverlangen. Aus technischer Sicht müssen die Personen (die betroffenen Frauen) dieses Geld zurückzahlen, verlautete aus dem Umfeld des Unternehmens. Bisher wurde aber noch keine Entscheidung über eine Forderung nach Rückzahlung getroffen. TÜV-Anwältin Cecile Derycke begrüßte das Berufungsurteil vom Donnerstag. Das Handelsgericht von Toulon sei das einzige Gericht überhaupt gewesen, das in der PIP-Affäre gegen den TÜV entschieden habe. Es ist der zweite Rückschlag für betroffene Frauen in jüngster Zeit. Erst im Juni war bekannt geworden, dass ein französisches Gericht 32 Klagen des VKI gegen den Versicherer des Herstellers, die französische Allianz, abgewiesen hat. Im Fall der 37 weiteren Frauen ist die erste Verhandlung im Herbst in Paris vorgesehen. In Deutschland haben Gerichte eine Reihe von Schadenersatzklagen gegen den TÜV zurückgewiesen, eine Klage ging bis vor den Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. Anfang April legte der BGH diese dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vor. Die Luxemburger Richter sollen klären, wie umfangreich die Prüfpflichten bei der Zertifizierung von Medizinprodukten sind. 142 Menschen wurden aus dem Wasser gerettet – Suche nach Überlebenden wird fortgesetzt. Manila – Einen Tag nach dem Fährunglück auf den Philippinen ist die Zahl der Todesopfer auf mindestens 45 gestiegen. Nach Angaben der Küstenwache wurden noch 15 Menschen vermisst. Die Kim Nirvana sei mit mehr als 170 Passagieren und 16 Besatzungsmitgliedern an Bord auf dem Weg von der zentralphilippinischen Küstenstadt Ormoc zur Camotes-Insel in rauer See gekentert, teilten Küstenwache und örtlicher Katastrophenschutz mit. 142 Menschen konnten gerettet werden. Die Suche nach möglichen weiteren Überlebenden wurde fortgesetzt. Nach Angaben des Katastrophenschutzvertreters Ciriaco Tolibao wurde die Passagierfähre etwa eine halbe Stunde nach ihrem Auslaufen aus dem Hafen von Ormoc von hohen Wellen erfasst und zum Kentern gebracht. Das Schiff sollte mit Kränen aufgerichtet werden, teilte die Küstenwache mit. Das Unglück passierte so schnell, dass einige Menschen vermutlich nicht mehr rechtzeitig aus der Kabine kamen. Die Küstenwache rechnete nicht damit, noch Überlebende zu finden. Fähren sind eines der wichtigsten Transportmittel der Philippinen mit seinen tausenden Inseln. Sie sind jedoch oftmals in schlechtem Zustand, ihre Sicherheit wird nur selten kontrolliert. Immer wieder kommt es deshalb zu schweren Unglücken. (APA, 3.7.2015) Beben der Stärke 6,5 erschüttert arme Region im Westen des Landes. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Pilot rettete sich offenbar mit Schleudersitz. Charleston (South Carolina) – Ein US-Kampfjet vom Typ F-16 ist im Staat South Carolina mit einem Kleinflugzeug kollidiert. Wie die Lokalzeitung Post and Courier am Dienstag berichtete, kamen die beiden Insassen der zweisitzigen Cessna 150 wohl ums Leben. Der Pilot des Privatflugzeugs wurde jedoch noch nicht gefunden. Dem Militär zufolge rettete sich der F-16-Pilot mit dem Schleudersitz und überlebte. Nach Angaben der Flugaufsichtsbehörde FAA ereignete sich das Unglück nördlich der Stadt Charleston. Die Zeitung Post and Courier berichtete, die Trümmer der Cessna seien durch die Wucht des Aufpralls in einem Radius von über zwölf Kilometern verteilt worden. Augenzeugen sprachen von einer Explosion und einem Feuerball am Himmel. Die Transportsicherheitsbehörde NTSB kündigte eine Untersuchung des Vorfalls an. (APA/dpa. 8.7.2015) Wegen Morddrohung und Drogenbesitzes. Tauranga – Der langjährige AC/DC-Schlagzeuger Phil Rudd ist zu acht Monaten Hausarrest mit einer elektronischen Fußfessel verurteilt worden. Der 61-Jährige hatte im April vor Gericht eine Morddrohung und Drogenbesitz eingeräumt. Sein Anwalt Craig Tuck hatte trotzdem auf Freispruch plädiert. Bei einer Verurteilung sei Rudds Karriere mit der Hardrockband vorbei. Der AC/DC-Sound sei ohne Rudd nicht möglich. Er habe Berufung eingelegt, sagte Tuck nach dem Urteil. Richter Thomas Ingram erwies sich als Kenner der Musikszene, wie Gerichtsreporter berichteten. Rudd sei nicht unersetzbar. Die Band Queen habe selbst ohne ihren Frontmann Freddie Mercury weitergemacht, erwiderte der Richter Tuck. Ob AC/DC Rudd wieder aufnehmen will, ist ohnehin fraglich. Rudd hatte vor kurzem zwar gesagt, er wolle wieder dazustoßen, aber Bandgründer Angus Young meinte in Interviews, das Verhältnis zu Rudd sei gestört. AC/DC besteht seit den 70er-Jahren und ist eine der erfolgreichsten Bands überhaupt. Sie tourt gerade erfolgreich durch Europa, mit Chris Slade am Schlagzeug. AC/DC spielten auch in Spielberg in Österreich. Papa hat ein goldenes Herz und könnte keiner Fliege etwas zuleide tun, las Rudds Anwalt aus einer Stellungnahme von dessen Sohn Stephen vor Gericht vor. Aber wenn er Drogen nimmt, benimmt er sich so, wie er mir immer beigebracht hat, mich nicht zu benehmen. Der Richter ordnete eine Entziehungskur an. Er drohte Rudd, er werde im Gefängnis landen, sollten bei ihm wieder Drogen gefunden werden. Die Staatsanwaltschaft hatte Rudd im November 2014 zunächst vorgeworfen, er habe versucht, einen Auftragskiller anzuheuern. Das wurde mangels Beweisen fallen gelassen. Der Urheber der Anzeige ist bisher nicht öffentlich in Erscheinung getreten. Es soll sich um einen Handwerker oder ehemaligen Mitarbeiter handeln, der Rudds Zorn erweckte. Ich bring Dich um, soll Rudd am Telefon gesagt und jemand anderem Geld geboten haben, um den Mann aus dem Weg zu räumen. Maschine nach Landung in München stundenlang durchsucht. München – Weil er auf einem Flug nach Deutschland Munition bei sich hatte, ist ein Pilot der US-Fluggesellschaft United Airlines in Schwierigkeiten geraten. Das Flugzeug sei am 23. Juni auf dem Weg von Houston nach München gewesen, als dem Mann eingefallen sei, dass er zehn Patronen in seinem Gepäck hatte, berichtete das Fachblatt The Aviation Herald am Mittwoch. Weil das deutsche Waffengesetz die Mitnahme von Munition verbiete, habe der Pilot sie im Mistkübel entsorgt. Dort sei sie von einer Stewardess gefunden worden, die wegen des verlorenen Rings eines Fluggasts den Müll durchsuchte. Die Stewardess habe ihren Fund dem Piloten gemeldet und ihm die Munition gegeben. Dieser spülte die Patronen dem Bericht zufolge die Toilette herunter. Als sich die Stewardess nach dem Verbleib der Munition erkundigte, habe er sich gezwungen gesehen, das Bodenpersonal am Münchner Flughafen zu informieren. Nach der Landung in München wurde das Flugzeug mehrere Stunden festgehalten, bis die Munition im Abwassertank der Toilette gefunden wurde, bestätigte das bayerische Luftamt laut Aviation Herald. Erst danach habe die Maschine in die USA zurückkehren dürfen. Polizeisprecher: "Hätte noch schlimmer kommen können". Arnsberg – Beim Böllern ist ein Schützenkönig in Deutschland von einem Kanonenteil tödlich getroffen worden. Nach Polizeiangaben waren drei gusseiserne Kanonen am Samstag in Marsberg in Nordrhein-Westfalen gezündet worden, um das Fest zu eröffnen. Wegen des Drucks seien Metallteile von zwei Kanonen nach hinten geschleudert worden. Der 30-Jährige wurde getroffen. Noch während der Behandlung im Krankenhaus erlag der Mann seinen Verletzungen. Die Kanonen waren nach ersten Erkenntnissen der Polizei von Mitgliedern eines anderen Vereins gezündet worden. Der Schützenkönig war in einer kleineren Gruppe mit drei, vier Leuten zusammengestanden. Es hätte noch schlimmer kommen können, sagte ein Polizeisprecher einige Stunden nach dem Unfall. Die Polizei ermittelt nun wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung. Weder Staatsanwaltschaft noch Polizei machten am Sonntag Angaben dazu, wann die Vernehmungen beginnen sollen. Bewaffnete sind weiterhin auf der Flucht. Paris – Nach einem Überfall auf eine Filiale der Modekette Primark nördlich von Paris sind die drei bewaffneten Täter verschwunden. Unklar war, ob es eine Geiselnahme in dem Geschäft gab. Spezialeinheiten suchten nach der Attacke am frühen Montagmorgen vergeblich nach den Angreifern. Die Fahndung werde fortgesetzt, auch außerhalb des Einkaufszentrums in Villeneuve-la-Garenne, berichteten französische Medien übereinstimmend unter Berufung auf Ermittler. Überwachungskameras sollen aufgenommen haben, wie die Täter die Einkaufsmeile betraten. Eine Flucht sei nicht aufgezeichnet worden, hieß es. Die Polizei sperrte das Gebiet weiträumig ab. Einer der Angestellten soll eine SMS an einen Freund geschickt und von einer Geiselnahme mit zwei Tätern berichtet haben. Spezialkräfte brachten dann am Vormittag 18 Menschen aus einer Kantine des Einkaufszentrums in Sicherheit. Ob sie vorübergehend in der Gewalt der Täter waren oder sich verschanzt hatten, war nicht bekannt. Die Bewaffneten sollen versucht haben, die Primark-Filiale auszurauben. Dabei soll einer der Täter als Mitarbeiter erkannt worden sein. Es gebe keine Verletzten, berichtete der Sender BFMTV. Eine Person soll einen Schwächeanfall erlitten haben. Frankreich hat die Sicherheitsvorkehrungen seit den islamistischen Anschlägen auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo und einen jüdischen Supermarkt im Jänner erhöht. Die Attentäter töteten damals 17 Menschen. Im Juni köpfte ein mutmaßlicher Islamist seinen Chef und versuchte anschließend, eine Gasfabrik in die Luft zu sprengen. Deutschland deswegen von EU-Kommission verklagt. Frankfurt/Brüssel/Luxemburg – Die deutsche Regierung hat Mängel bei der Kontrolle der Sicherheitsmaßnahmen an den Flughäfen zugegeben. Damit hat sie es indirekt als berechtigt anerkannt, dass die EU-Kommission Deutschland deswegen vor dem Europäischen Gerichtshof verklagt hat. Bisher hatten Regierungsäußerungen dazu eher Zweifel erkennen lassen. Wie die Mitteldeutsche Zeitung (Montag) aus Halle berichtet, antwortete das Innenministerium nun auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion: Die Auswertung der Qualitätskontrollberichte für das Jahr 2014 zeigt, dass an einigen Flughäfen von einigen Ländern die Qualitätskontrollmaßnahmen nicht im erforderlichen Umfang und in der erforderlichen Häufigkeit durchgeführt worden sind. Die konkrete Durchführung dieser Qualitätskontrollmaßnahmen obliegt im Rahmen der Bundesauftragsverwaltung den Ländern. Die EU-Kommission hatte im Mai Klage eingereicht, weil Deutschland seine Flughäfen zu selten und zu lückenhaft überwache und damit gegen europäische Vorgaben verstoße. Ein Ministeriumssprecher hatte damals argumentiert, dass die Klage sich auf eine Luftsicherheits-Inspektion von 2012 beziehe, die Bundesrepublik damals jedoch unverzüglich Verbesserungen eingeleitet habe. Die neue Einlassung belegt nun, dass offensichtlich auch zwei Jahre später noch Mängel bestanden. Der Vizevorsitzende der Linksfraktion, Jan Korte, forderte in der Zeitung die Einstellung von mehr Personal bei der Bundespolizei. Er sprach sich zudem dafür aus, die Privatisierung der Fluggastkontrollen rückgängig zu machen. Darko Saric und weitere 35 Angeklagte hatten sich wegen Schmuggels von 5,7 Tonnen Kokain aus Südamerika zu verteidigen. Belgrad – Serbiens Kokain-König Darko Saric (46) ist am Montag von einem Belgrader Gericht in erster Instanz zu 20 Jahren verurteilt worden. Haftstrafen wurden auch gegen 34 Mitangeklagte ausgesprochen, 14 von ihnen wurden allerdings in Abwesenheit verurteilt, sie befanden sich auf der Flucht. Saric und seine Komplizen sollen von 2008 bis 2009 5,7 Tonnen Kokain geschmuggelt haben. Drei Angeklagte, die vor Gericht als geschützte Zeugen ausgesagt hatten, sind mit Haftstrafen zwischen zehn und 15 Monaten davon gekommen. Die einzige Frau unter den Angeklagten wurde Medienberichten zufolge freigesprochen. Die anderen Angeklagten wurden zu Haftstrafen zwischen elf und 20 Jahren verurteilt. Der Fall Saric hatte vor Jahren auch die serbische Regierung erschüttert. Es hatte sich nämlich herausgestellt, dass einer der Angeklagten, der montenegrinische Geschäftsmann Rodoljub Radulovic alias Misa Banana, ein Familienfreund des damaligen Innenministers Serbiens Ivica Dacic gewesen war. Dacic selbst hatte die Vorwürfe von Kontakten zu der Drogenmafia zurückgewiesen. Sein damaliger Kabinettschef Branko Lazarevic, inzwischen Konsul Serbiens in Athen, wurde im Vorjahr angeklagt. Er soll Radulovic vertrauliche Informationen zugespielt haben. Der Prozess ist noch im Gange. Radulovic, der elfeinhalb Jahren Haft bekam, befindet sich auf der Flucht. Der Marathonprozess gegen die Kokain-Schmuggler hatte 2009 begonnen. Zu einer Beschleunigung kam es erst, nachdem sich Saric, der lange gesucht worden war, im März 2014 gestellt hatte. Der Kokain-König und sein Anwalt haben es Montag abgelehnt, der Urteilsverkündung beizuwohnen. Die Staatsanwaltschaft hatte für die Angeklagten zwischen 20 und 40 Jahre Haft verlangt. Der Fall Saric hatte vor Jahren auch zu Spannungen in den Beziehungen Belgrads zu Podgorica geführt. Die serbischen Behörden hatten nämlich Montenegro vorgeworfen, Saric, ein gebürtiger Montenegriner mit serbischer Staatsbürgerschaft, eine Zeit lang Unterschlupf gewährt zu haben. Die Vorwurfe wurden nie bewiesen. Arzt und vier Begleiter festgenommen. Bogotá – Mit mehr als 200 Kilogramm Kokain in einem Krankenwagen sind ein Arzt und vier Begleiter in Kolumbien festgenommen worden. Der Chirurg sei zugleich Stadtratskandidat in Puerto Caicedo in der südlichen Region Putumayo, wie die Polizei am Dienstag mitteilte. Bei den Begleitern habe es sich um eine Krankenschwester, einen Krankenhaustechniker sowie um einen Patienten gehandelt – einen angeblichen Kranken, wie die Polizei durchblicken ließ. Zudem sei auch der Ambulanz-Fahrer festgenommen worden. Der Krankenwagen sei auf einer Straße an der Atlantikküste in der Region von Cimitarra gestoppt worden. Hinter einem falschen Zwischendach entdeckten die Ermittler demnach 214 Kilogramm der Droge. Das Kokain sollte in den Hafen von Cartagena gebracht werden. Die Polizisten hätten wegen der langen Fahrt des Krankenwagens aus dem Süden Verdacht geschöpft. Kolumbien ist neben Peru der größte Kokain-Produzent der Welt. Mehr als 80 Gläubige bei Gedrängel in Casablanca verletzt. Rabat – Eine Maus hat in einer berühmten marokkanischen Moschee das Abendgebet während des islamischen Fastenmonats Ramadan durcheinandergewirbelt. In der Moschee Hassan II. in Casablanca erschreckte das Nagetier in der Nacht zum Mittwoch die Gläubigen so sehr, dass es zu einem schweren Gedrängel mit dutzenden Verletzten kam. 81 Menschen seien verletzt worden, vor allem Frauen, teilte die Stadtverwaltung von Casablanca am Mittwoch laut einer Meldung der Nachrichtenagentur MAP mit. Demnach erlitten viele Gläubige leichtere Verletzungen, während fünf Menschen Knochenbrüche davontrugen – darunter eine Schwangere, die einen doppelten Beinbruch erlitt. Manche der Gläubigen seien in Ohnmacht gefallen. 73 der Verletzten konnten den Angaben zufolge das Krankenhaus inzwischen wieder verlassen. Die Moschee Hassan II. in Casablanca ist zu den Abendgebeten während des Ramadan stets sehr gut besucht. Die am Meer gelegene Moschee hat einen 210 Meter hohen Turm – das höchste Minarett der Welt. Drei Jahre nach dem Amoklauf in einem Kino in der US-Stadt Aurora fiel das Urteil eindeutig aus, dem 27-Jährigen droht die Todesstrafe. Denver – Drei Jahre nach dem Amoklauf in einem Kino in der US-Stadt Aurora ist der Täter James Holmes wegen zwölffachen Mordes schuldig gesprochen worden. Damit droht dem 27-Jährigen die Todesstrafe. Die Geschworenen-Jury des zuständigen Gerichts in Centennial bei Denver lehnte es am Donnerstag (Ortszeit) ab, ihn als psychisch krank und nicht schuldfähig anzusehen. Holmes hatte am 20. Juli 2012 während der Premiere eines Batman-Films in Aurora im Bundesstaat Colorado mit einer Schrotflinte, einem Sturmgewehr und schließlich einer Pistole in das Kino gefeuert. Neben den 12 Toten verletzte er 70 weitere Menschen. Die Staatsanwaltschaft hatte die Verurteilung wegen Mordes gefordert und angekündigt, die Todesstrafe anzustreben. Die Verteidigung sah es hingegen als erwiesen an, dass Holmes psychisch krank und somit nicht schuldfähig sei. Schuldig in allen Punkten Holmes wurde in allen 165 Fällen für schuldig befunden. Für die zwölf Toten war der 27-Jährige allein 24 Mal angeklagt, jeweils einmal wegen Mordes und einmal wegen Totschlags. Für jeden der 70 Verletzten war er noch einmal wegen versuchten Mordes und versuchten Totschlags angeklagt. Der 165. Fall war die Installation von Sprengsätzen in seiner Wohnung. In den eineinhalb Tagen hatten die Geschworenen über jeden einzelnen Fall entschieden. Ein Strafmaß haben die Geschworenen noch nicht festgelegt. Nach dem Recht des Staates Colorado geht das Verfahren jetzt noch einmal in eine neue Runde, in der beide Seiten ihre Sichtweisen untermauern und ein Strafmaß vorschlagen können. Zu entscheiden haben letztlich wieder die Geschworenen, das Urteil kann bis zur Todesstrafe gehen. Vermutlich wird es eine Entscheidung aber erst im nächsten Monat geben. Colorado ist einer der Staaten, in denen es die Todesstrafe gibt – allerdings ist sie quasi abgeschafft. In den vergangenen vier Jahrzehnten wurde sie nur einmal vollstreckt, 1997 gegen einen Mörder und Vergewaltiger. Dennoch steht die Kapitalstrafe nach wie vor im Rechtskatalog des Staates und kann verhängt werden. Können oder sollen verlassene Kirchen in Gebetsräume für Muslime umfunktioniert werden? Dieser Vorschlag sorgt für eine überhitzte Debatte. Pourquoi pas? Mit einer hingeworfenen Bemerkung hat sich der Rektor der Pariser Moschee, Dalil Boubakeur, in die Nesseln gesetzt. Der gemäßigte Vorsteher der wichtigsten muslimischen Kultusstätte Frankreichs gab die Warum nicht-Antwort in einer Radiosendung auf eine Journalistenfrage, ob er sich vorstellen könnte, verlassene oder leerstehende Kirchen in islamische Gebetsräume zu verwandeln. Die Frage erklärte sich aus dem Verlauf der Diskussion: Dabei war die Rede vom akuten Mangel an Moscheen für die schätzungsweise sechs Millionen Muslime – und andererseits vom abnehmenden Andrang zur Sonntagsmesse in dem traditionell katholischen Land. Boubakeur und der Radiojournalist verfolgten die Umweihungsidee nicht weiter. Andernorts war hingegen der Teufel los. Boubakeur will Kirchen in Moscheen umwandeln, schallte es tausendfach über Twitter und Facebook. Konservative Kreise riefen zum Glockenläuten und zum Widerstand auf. Mit dem Wort Résistance begann auch ein Appell von Denis Tillinac im Rechts-außen-Magazin Valeurs actuelles: Die Kirchen, Kathedralen, Leidenswege und andere Wallfahrtsorte sind in unserer innerer Landschaft eingetragen und stiften Sinn und Form für unseren Patriotismus. Verlangen wir von unseren Behörden, dass er respektiert wird. Den dramatischen Aufruf gegen jegliche Umwandlung unterzeichneten zahlreiche Intellektuelle wie Alain Finkielkraut, Pascal Bruckner oder Eric Zemmour. Vor allem aber schloss sich ihm auch Ex-Präsident Nicolas Sarkozy an. Damit war Boubakeurs Pourquoi pas? zur Staatsaffäre geworden. Angesichts der aufwallenden Emotionen legte Boubakeur rasch den Rückwärtsgang ein. Es gebe eine Menge von Gründen, die gegen die Verwandlung von Kirchen in Moscheen sprächen, meinte er. Zeigt sich aber selber erstaunt über das Ausmaß an Sensibilität und Nervosität seit den jüngsten Ereignissen – gemeint sind die islamistischen Terroranschläge der letzten Monate. Es herrschen Fantasievorstellungen und Intoleranz. Und offenbar beträchtliche Ängste vor dem Verlust nationaler Symbole. Auch wenn sich die französischen Kirchen immer mehr leeren, bleiben ihr Turm und ihr Glockengeläut ein Ausdruck für die France profonde (tiefes Frankreich) – ein Begriff mit einer sowohl realen wie übertragenen Bedeutung: Sogar der Sozialist François Mitterrand hatte in seinem legendären Wahlplakat von 1981 eine Dorfkirche platziert. Der Chefredakteur der Zeitung Libération, Laurent Joffrin, wirft den Unterzeichnern des Appells vor, sie argumentierten nicht religiös, sondern identitär: Für sie seien die Kirchen Ausdruck einer vergangenen heilen Welt, in der die Migranten und Muslime ewig Fremdkörper blieben. Mittlerweile steht nicht mehr Boubakeur in der Kritik, sondern Sarkozy, der den Appell als einer von wenigen Vertretern der konservativen Republikaner signiert hatte. Michel Dubost, Bischof der liberalen Diözese Evry südlich von Paris, zeigte sogar mehr Verständnis für Boubakeurs Aussagen als für den Tillinac-Appell. Die Muslime haben das Recht, Kulturorte zu haben, und wir haben die Pflicht, ihnen zu helfen. Vor der Debatte gab es in mehreren Städten wie Vierzon schon mehrere Versuche, Kirchen in Moscheen zu verwandeln. Die meisten scheiterten an politischen Widerständen. Vier Fälle waren aber erfolgreich. In der Auvergne-Stadt Clermont-Ferrand wurde aus der Kapelle die Moschee Attawhid. In Graulhet heißt die Kirche Saint-Jean de la Rive heute Ennour al-Mohammadi. Und in einem Immigrantenviertel von Nantes hat die Moschee al-Forqane die von Portugiesen erbaute Chris tophorus-Kapelle ersetzt. Ohne dass es dabei zum lokalen Clash der Zivilisationen gekommen wäre. Mit einer neuen parlamentarischen Initiative könnte der Staat zum Dealer werden. Millionen von Italienern rauchen Joints. Sie sind gezwungen, in der Illegalität zu leben, sagt Benedetto Della Vedova. Der Staatssekretär im Außenministerium gehört der Partei von Expremier Mario Monti an und ist Autor eines neuen Gesetzesentwurfs zur Legalisierung des Cannabiskonsums in Italien. Zwar sei der Genuss von Haschisch und Marihuana wie jener von Alkohol und Nikotin gesundheitsschädlich. Die Kriminalisierung habe aber nicht zu einer Verminderung des Konsums geführt, sondern einzig zur Steigerung der Mafiagewinne, begründet Della Vedova seine Initiative. Der Gesetzesentwurf ist bereits von über 200 Parlamentariern mitunterzeichnet worden. Die meisten von ihnen gehören der Protestpartei des Exkomikers Beppe Grillo und dem sozialdemokratischen PD von Regierungschef Matteo Renzi an. Vereinzelt haben sich aber auch Vertreter der Berlusconi-Partei der Initiative angeschlossen. Die parlamentarische Antimafiakommission unterstützt ebenfalls das Vorhaben. Die Initiative Della Vedovas fordert nicht die generelle Freigabe von Cannabis. Straflos soll künftig bloß der Besitz von fünf Gramm (im öffentlichen Raum) bis maximal 15 Gramm (in den eigenen vier Wänden) sein. Außerdem sollen die italienischen Hanffreunde künftig bis zu fünf Pflanzen pro Jahr selber kultivieren dürfen. Strafbar bleiben der Handel mit Cannabis sowie jeglicher Konsum oder Besitz durch Minderjährige. Ebenfalls nicht gestattet wird der Konsum in der Öffentlichkeit. Joints dürfen nur zu Hause oder bei Freunden geraucht werden – oder in sogenannten Cannabis Social Clubs, eine Art Coffeeshop auf Italienisch. Das eigentlich Revolutionäre an der Initiative besteht aber darin, dass der italienische Staat mit der Legalisierung des Konsums zum Cannabisdealer würde: Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass Cannabis künftig bei staatlich konzessionierten Verkaufsstellen bezogen werden kann. Auch die Produktion hätte unter staatlicher Aufsicht zu erfolgen. Weil die gesamte Wertschöpfung unter staatlicher Kontrolle bliebe, rechnet Della Vedova mit beträchtlichen Steuereinnahmen. Auch deshalb werden der Initiative gute Erfolgsaussichten eingeräumt. Auch andere Flughäfen sind betroffen, Touristen sitzen fest. Denpasar (Bali) – Aschewolken eines Vulkans haben auf der indonesischen Urlaubsinsel Bali erneut für ein Reisechaos gesorgt. Am Mittwoch wurden zahlreiche Flüge gestrichen, viele Touristen aus dem In- und Ausland saßen fest. Das Verkehrsministerium teilte mit, der internationale Flughafen der Insel bleibe bis auf Weiteres geschlossen. Wegen der Asche des 140 Kilometer von Bali entfernten Vulkans Raung auf der Insel Java wurden dort auch zwei kleinere Inlandsflughäfen geschlossen. Der für die Regierung tätige Vulkanologe Gede Suantika erklärte, Raung schleudere die Aschewolken bis in eine Höhe von 3.000 Metern. Der Wind treibe die für Flugzeugtriebwerke gefährliche Asche in südöstlicher Richtung bis nach Bali. Aschewolken aus dem Vulkan hatten im Juli bereits mehrfach den Flugverkehr behindert. Eine 28-Jährige wurde im US-Bundesstaat Texas verhaftet, nachdem sie vergessen hatte, zu blinken – nach drei Tagen war sie tot in ihrer Zelle. Hempstead/Wien – Ich werde dich anzünden, schrie der Polizist der 28-jährigen Sandra Bland ins Gesicht, als sie sich weigerte, aus dem Wagen zu steigen. Dabei hielt er ihr einen Taser vor die Nase. Eigentlich hatte der Beamte die junge Afroamerikanerin im US-Bundesstaat Texas angehalten, weil sie nicht geblinkt hatte. Die Amtshandlung eskalierte, der Polizist verhaftete die Frau, und drei Tage später wurde sie erhängt in ihrer Zelle gefunden. Am Dienstag veröffentlichte nun das Texas Department for Public Safety das Material der Videokamera aus dem Polizeiwagen des Beamten. Zu sehen ist der Polizist, wie er den Strafzettel für Bland schreibt, die in ihrem Wagen sitzt. Würden Sie Ihre Zigarette ausdämpfen?, fragt der Beamte schließlich. Ich befinde mich in meinem eigenen Wagen. Ich muss sie nicht ausdämpfen, so die Antwort der Frau. Daraufhin fordert der Polizist die 28-Jährige auf, aus ihrem Auto zu steigen. Sie weigert sich und fragt nach dem Grund für die Forderung. Ich werde Sie rauszerren, ruft der Beamte schließlich, bevor er den Taser zieht. Nachdem Bland aus dem Wagen ausgestiegen ist, gehen die beiden Personen aus dem Blickfeld der Kamera. Zu hören sind eine heftige verbale Auseinandersetzung und ein Handgemenge. Ich habe Epilepsie, hört man die junge Frau rufen. Gut, die Antwort des Polizisten. In dem Bericht des Beamten zur Amtshandlung, der ebenfalls am Dienstag veröffentlicht wurde, findet sich weder ein Hinweis auf den Streit über die Zigarette, noch wird der Taser erwähnt. Hingegen beschreibt der Polizist, dass sich die Frau unter anderem mit Tritten gewehrt und ihn am rechten Bein und an der Hand verletzt habe. Das Video belegt diese Darstellung nicht – die beiden Beteiligten sind aber auch nicht immer zu sehen. Der Tod der jungen Frau in ihrer Zelle wurde von der Gefängnisleitung als Selbstmord gehandelt. Tatsächlich belegen Aufnahmen der Überwachungskamera im Gefängnis, dass eineinhalb Stunden vor dem Fund der Leiche kein Gefängnismitarbeiter vor der Zelle der Frau gewesen war. Dennoch wird der Fall wie ein Mord untersucht, wie der Bezirksstaatsanwalt am Dienstag erklärte. Es gebe zu viele offene Fragen. Mit der Veröffentlichung des Videos wurde auch die Kritik an der Verhaftung der jungen Frau laut. So erklärte der Direktor der Polizeibehörde, dass der Beamte die Vorgehensweise bei Verhaftungen verletzt habe. Royce West, Senator aus Texas, sagte, dass Bland niemals hätte verhaftet werden sollen. Auch in den sozialen Medien wurde gegen das Vorgehen des Polizisten protestiert. Außerdem wurden Zweifel an dem veröffentlichten Verhaftungsvideo laut. Unter anderem wies die Filmemacherin Ava DuVernay darauf hin, dass jeder sehen kann, dass dieses Video bearbeitet worden ist. Warum? Tatsächlich ist zu erkennen, dass der Fahrer des Abschleppwagens sein Fahrzeug dreimal hintereinander verlässt. Der Tod von Bland ist einer von zahlreichen Fällen von Polizeigewalt gegen Schwarze in den vergangenen Monaten in den USA. So auch in der Nacht auf Sonntag, als ein 43-jähriger Schwarzer von einem Polizisten in Ohio erschossen wurde. Das berichtete CNN am Mittwoch. Bei einer Polizeikontrolle war es zu einem Handgemenge gekommen, und der Polizist schoss dem offenbar unbewaffneten Mann in den Kopf. (bbl, 22.7.2015) Vatikan soll im September über Finanzskandal entscheiden. Berlin/Vatikanstadt – Das deutsche Bistum Limburg verlangt in der Finanzaffäre um den früheren Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst laut einem Bericht Schadenersatz in Millionenhöhe. Der vom Papst eingesetzte Administrator Manfred Grothe hat im Vatikan mehrfach die Forderung nach materieller Wiedergutmachung vorgebracht. Jetzt muss der Papst entscheiden, sagte Bistumssprecher Stephan Schnelle der Bild-Zeitung. Mit einer Entscheidung im Vatikan wird nach Angaben der Zeitung im September gerechnet. Insgesamt geht es Bild zufolge um 3,9 Millionen Euro, die das Bistum im Zusammenhang mit der Kostenexplosion beim Bau der Bischofsresidenz abschreiben musste. Ob Tebartz-van Elst für den Verlust alleine verantwortlich sei, solle ein kirchenrechtlicher Prozess klären. Die Kosten für das Bauprojekt beliefen sich am Ende auf mehr als 31 Millionen Euro. Eine kircheninterne Prüfung der Baukosten zeigte schwere Fehler auf. Ende März vergangenen Jahres hatte Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch des bereits seit Oktober 2013 als Bischof suspendierten Tebartz-van Elst angenommen. Täter erschoss laut Polizei zwei Kinobesucher und anschließend sich selbst – Neun Verletzte. New Orleans (Louisiana) – Drei Jahre nach dem Amoklauf bei einer Filmpremiere in Colorado hat ein Mann in einem Kino im US-Staat Louisiana das Feuer eröffnet und zwei Frauen getötet. Als zwei Polizisten dem Schützen den Weg nach draußen abschnitten, tötete er sich selbst. Bei dem Vorfall am Donnerstagabend (Ortszeit) im Grand Theatre in Lafayette wurden auch neun Menschen verletzt, einer von ihnen lebensgefährlich, wie Polizeichef Jim Craft am Freitag mitteilte. In dem Kino brach Chaos aus. Der von Craft als John Russell Houser identifizierte Mann war kurz nach Beginn der romantischen Komödie Trainwreck plötzlich aufgestanden und hatte wallos zu schießen begonnen. Im Saal seien etwa 100 Zuschauer gewesen. Eine 21-Jährige sei auf der Stelle tot gewesen, eine 33-Jährige im Krankenhaus gestorben. Insgesamt habe der Mann 13 Schüsse abgegeben. Keine Hinweise zu Motiv Das Motiv blieb zunächst völlig unklar. Craft zufolge war der Täter 59 Jahre alt und stammte aus dem Bundesstaat Alabama. Er hielt sich erst seit Anfang Juli im Raum Lafayette auf. Er habe vermutlich geplant, nach den Schüssen zu fliehen: Polizisten fanden demnach in seinem Hotelzimmer unter anderem Perücken und Brillen – wahrscheinlich wollte er sich verkleiden und tarnen. Sein Auto mit ausgewechseltem Nummernschild sei am Kinoausgang geparkt gewesen. Wie es weiter hieß, war der Schütze bereits in der Vergangenheit mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Einzelheiten blieben zunächst unklar. Am 20. Juli 2012 hatte ein junger Mann in einem Kino in Aurora während der Premiere eines Batman-Films um sich gefeuert. Zwölf Menschen starben, Dutzende wurden verletzt. Der Fall war vor wenigen Tagen wieder in die Schlagzeilen gerückt, als Geschworene den heute 27-jährigen Täter James Holmes schuldig sprachen. Die Polizei hält es für möglich, dass der Schütze von Holmes Amoklauf inspiriert wurde. Obama bedauert fehlende Verschärfung Nur kurz vor der Tat hatte US-Präsident Barack Obama in einem BBC-Interview erneut die Waffengewalt in den USA beklagt. Er bedauerte, dass es ihm bisher nicht gelungen sei, schärfere Waffenkontrollgesetze durchzusetzen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 seien weniger als hundert Amerikaner durch Terror ums Leben gekommen, Zehntausende dagegen durch übrige Waffengewalt. Nach einem Angriff auf eine Schule in Newtown im Bundesstaat Connecticut, bei dem im Jahr 2012 insgesamt 20 Kinder getötet wurden, hatte Obama versucht, die Gesetzgebung zu verschärfen. Der Lobbying-Verband National Rifle Association (NRA) lief dagegen aber Sturm, der Vorstoß scheiterte wenige Monate später im Senat. Obama kündigte an, seine Bemühungen für ein strengeres Waffenrecht in den verbleibenden 18 Monaten seiner Präsidentschaft fortzusetzen. Der Gouverneur von Louisiana, Bobby Jindal, eilte zum Tatort. Dies ist eine schreckliche Nacht für Lafayette, eine schreckliche Nacht für Louisiana, eine schreckliche Nacht für die Vereinigten Staaten, sagte er vor Journalisten. Trainwreck-Hauptdarstellerin Amy Schumer twitterte: Meine Gedanken und Gebete sind bei den Menschen in Louisiana. Brüderpaar in Haft – Eltern und drei jüngere Geschwister tot. Oklahoma City (Oklahoma) – Nach dem Mord an fünf Familienmitgliedern hat die Polizei im US-Staat Oklahoma laut einem Medienbericht zwei Brüder im Alter von 16 und 18 Jahren festgenommen. Beide gelten als Verdächtige im Zusammenhang mit dem Tod ihrer Eltern sowie dreier jüngerer Geschwister, meldete der Sender Fox 23 am Donnerstag (Ortszeit) unter Berufung auf die Polizei. Die Beamten hätten am Mittwochabend den Notruf einer 13-Jährigen erhalten und seien daraufhin zu dem Haus der Familie in Broken Arrow gefahren. Dort entdeckten sie dem Bericht zufolge die fünf Toten sowie die verletzte 13-Jährige. Ein zwei Jahre altes Kind sei unverletzt geblieben. Im Haus seien mehrere Waffen, darunter Messer und ein Beil sicher gestellt worden. US-Polizei: Täter war offenbar militanter Regierungsgegner. Washington – Nach den tödlichen Schüssen in einem Kino im US-Staat Louisiana hat die Polizei weitere Ermittlungsdetails bekanntgegeben. Der 59-jährige Schütze John H. habe sich die Tatwaffe auf legalem Weg beschafft, sagte der örtliche Polizeichef Jim Craft am Freitag. Die Ermittler werteten außerdem die Online-Aktivitäten des Täter aus. Demnach war H. ein Gegner des US-Regierung, der sich mit Verschwörungstheorien beschäftigte und Sympathien für die Nazis hegte. Nach Angaben des Southern Poverty Law Centers, das rechtsradikale Gruppen in den USA beobachtet, schrieb er dutzende Beiträge auf extremistischen Websites. Dadurch ergebe sich das Bild eines politisch unzufriedenen und wütendes Mannes. Zudem habe er antisemitische und homophobe Ansichten vertreten. H., der zwei Menschen erschoss und neun weitere verletzte, hat nach Polizeiangaben seit langem an schweren psychischen Störungen gelitten. Dennoch konnte er in einem Pfandhaus im vergangenen Jahr völlig legal die halbautomatische Waffe kaufen. Der 59-Jährige hatte am Donnerstagabend in einem mit mehr als hundert Zuschauern gefüllten Kinosaal in der Stadt Lafayette das Feuer eröffnet und zwei Frauen getötet. Anschließend erschoss er sich selbst. Sein Motiv ist nach wie vor unklar. Die Tat weckt Erinnerungen an einen Amoklauf im US-Staat Colorado im Juli 2012. Damals waren während einer Batman-Filmpremiere in der Stadt Aurora zwölf Menschen getötet und 70 weitere verletzt worden. Der 27-Jährige Täter wurde vor einer Woche wegen Mordes schuldig gesprochen. Ihm droht die Todesstrafe. Die Schießerei in Louisiana stellt erneut die Waffengesetze in den USA in Frage, nach denen jeder Bürger eine Waffe tragen darf. Nur wenige Stunden vor den Ereignissen hatte sich Präsident Barack Obama in einem Interview frustriert darüber gezeigt, dass ihm eine Verschärfung des Waffenrechts bisher nicht gelungen sei. (AFP, 25.7.2015) Chinesische Behörden hatten Kreuze von Kirchen gerissen. Polizei griff beim Protest nicht ein. Peking – Der 89-jährige chinesische Bischof Zhu Weifang hat gegen die Entfernung von Kreuzen in der Provinz Zhejiang demonstriert. Der auf einen Gehstock gestützte betagte katholische Kirchenmann entrollte am Freitag mit rund 20 Priestern ein Transparent mit seinen Forderungen vor einem Regierungsgebäude in Wenzhou. Wie der asiatische katholische Pressedienst Ucanews laut Kathpress in Bangkok unter Berufung auf Augenzeugen weiter meldete, erschien während der zweistündigen Kundgebung die Polizei, sie habe aber nicht eingegriffen. Anfang Juli hatten chinesische Behörden erneut Kreuze von mehreren Kirchen in den Diözesen Taizhou und Hangzhou in der Provinz Zhejiang herunterreißen lassen. Zuvor hatte es ähnliche Aktionen in der Diözese Wenzhou gegeben. Auch zahlreiche evangelische Kirchen sind von der Kampagne betroffen. Bischof Zhu hatte bereits im vergangenen August seine Gläubigen in einem Brief aufgerufen, ihre Rechte zu verteidigen. Es war laut Ucanews jedoch das erste Mal, dass Katholiken in einem öffentlichen Protest auf die Straße gingen. In der Provinz Zhejiang leben dem Pressedienst zufolge 210.000 Katholiken. Größte Diözese ist Wenzhou. Sie gilt auch als Hochburg der inoffiziellen katholischen Kirche in China, die nicht der staatlichen Chinesischen Katholisch-Patriotischen Vereinigung angehört. Dieser Untergrundkirche gehören dem Bericht zufolge rund 120.000 Gläubige an. Die Entfernung der Kreuze ist laut Ucanews Teil einer Kampagne der kommunistischen Führung in Peking, die ethnische und religiöse Minderheiten zur Übernahme chinesischer Sitten, Gebräuche und Symbole drängen soll. Betroffen sind außer den Christen auch Muslime und Tibeter. Das Vorgehen gegen die Kreuze begann demnach bereits 2013. Ziel der Maßnahmen waren dem Pressedienst zufolge allein 1.100 protestantische Kirchen. (APA, 25.7.2015) Anscheinend wollen die Banden so die Regierung zu Verhandlungen zwingen. San Salvador – Die mächtigen Jugendbanden in El Salvador haben den öffentlichen Nahverkehr in dem mittelamerikanischen Land teilweise lahmgelegt. Vor allem im Osten und in der Hauptstadt San Salvador blieben die Busse am Montag größtenteils in den Depots, wie lokale Medien berichteten. Die sogenannten Maras hatten zuvor mit Angriffen auf Busfahrer gedroht, die sich nicht an dem Streik beteiligen. In den letzten Stunden sind mindestens drei Fahrer getötet worden, sagte ein Gewerkschaftssprecher im Fernsehen. Nach Einschätzung von Experten wollen die inhaftierten Banden-Chefs mit dem erzwungenen Streik Verhandlungen erzwingen. Die Regierung lehnt Gespräche mit den Gangs bisher ab. Die Maras kontrollieren ganze Stadtviertel und sind in Drogenschmuggel, Schutzgelderpressung sowie Menschenhandel verwickelt. Mit über 60 Morden je 100.000 Einwohner ist El Salvador eines der gefährlichsten Länder der Welt. Ermittler durchsuchen mutmaßliches Massengrab in Medellín. Medellín – Auf einer Müllhalde im kolumbianischen Medellín hat am Montag die Suche nach dutzenden möglicherweise dort verscharrten Leichen begonnen. Die Ausgrabungen seien ein historischer Prozess für die Hinterbliebenen und auch von nationaler Bedeutung, sagte Innenminister Juan Fernando Cristo. Nach einer religiösen Zeremonie im Beisein der Familien der Vermissten wurde mit den Arbeiten begonnen. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass unter dem Müllberg 90 Opfer des bewaffneten Konflikts in Kolumbien begraben wurden. Menschenrechtsorganisationen rechnen sogar mit bis zu 300 Leichen. Die Ermittler wollen in den kommenden fünf Monaten 24.000 Kubikmeter Müll wegräumen und sich acht Meter tief in die Halde vorarbeiten, um die Leichen zu bergen. Womöglich handle es sich um eines der weltweit größten Massengräber von Vermissten, sagte Generalstaatsanwalt Eduardo Montealegre. Während der Kämpfe zwischen linken Guerilleros, rechten Paramilitärs, Drogenkartellen und staatlichen Kräften seien in den vergangenen Jahrzehnten landesweit bis zu 50.000 Menschen verschwunden, erklärte Montealegre. Aktivisten begrüßten, dass dem Schicksal der bei Kämpfen in dem Viertel Comuna 13 getöteten Menschen nachgegangen wird. Die Gegend war einst eine Hochburg linker Guerilla-Gruppen wie der Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens (FARC) und des Ejército de la Liberación Nacional (ELN). Ende der 1990er-Jahre sagten ihnen rechte paramilitärische Einheiten den Kampf an. Später ordnete der damalige Präsident Álvaro Uribe dann eine Militäroffensive gegen die linken Rebellen an. Die Ermittlungen zu den Massengräbern kamen durch Geständnisse früherer Paramilitärs ins Rollen. Die Regierung hatte 2002 mit den Paramilitärs eine Demobilisierung vereinbart. Im Gegenzug wurde den Kämpfern eine Reduzierung ihrer Strafe angeboten. Medellín war einst Sitz des gleichnamigen Kartells des berüchtigten Drogenbarons Pablo Escobar. Derzeit leben in der Comuna 13, wo nach wie vor Drogenbanden aktiv sind, 250.000 Menschen. Bei Kämpfen in Kolumbien wurden in den vergangenen Jahrzehnten etwa 220.000 Menschen getötet und mehr als sechs Millionen weitere aus ihren Häusern vertrieben. Die Regierung verhandelt seit November 2012 mit den FARC-Rebellen über ein Friedensabkommen. Die Gespräche in der kubanischen Hauptstadt Havanna wurden kürzlich wieder aufgenommen. Auch Urlaubsorte von den Flammen betroffen – Gefahr noch immer nicht gebannt. Seit Montag ist wieder ein Feuer auf der Insel Korčula in der Bucht Brna bei Čara ausgebrochen. Die Feuerwehr hat den Brand aber unter Kontrolle, 30 Feuerwehrleute waren am Dienstag im Einsatz und zwei Löschflugzeuge in der Luft. Vor allem die Pinienwälder haben Feuer gefangen. Auch das Feuer bei Trstenik auf der Halbinsel Pelješac wurde am Dienstag weiter bekämpft, 1200 Hektar waren in den vergangenen Tagen von den Bränden betroffen. Auch das Feuer in der Nähe von Ponikva breitet sich zur Zeit nicht weiter aus. Ebenfalls Feueralarm gab es am Montag wieder in der Nähe von Pula in Istrien. 15 Feuerwehrleute sind in Marčane im Einsatz. Mittlerweile können die Einsatzflugzeuge die Brände schneller unter Kontrolle bringen, weil es zahlreiche Aufklärungsflüge gibt, die die Feuer im Anfangsstadium lokalisieren. Die kroatische Armee war am Montag bei dem Brand in Brodarica in der Nähe der Stadt Šibenik im Einsatz. Die Leute in den betroffenen Gebiete haben vor der nächsten Hitzewelle Angst. Laut dem kroatischen Verteidigungsministerium wurden bisher 64 Feuer in Dalmatien, aber auch in Istrien bekämpft. Die rot-gelben Löschflugzeuge sind dauernd im Einsatz, insgesamt wurden bereits 688 Stunden für die Brandbekämpfung verwendet und 26500 Tonnen Wasser abgeworfen. Die Hitzewelle vergangene Woche hatte die Situation extrem verschlechtert. Auch rund um Mostar in Bosnien-Herzegowina brannte es. Die Brände haben katastrophale Auswirkungen auf die Weinanbaugebiete etwa in Pelješac. Dort wurden laut lokalen Medien 3500 Hektar Land, viele Weingärten, Olivenhaine und viele Tiere Opfer der Flammen. In Bosnien-Herzegowina waren vergangene Woche die Gemeinden Mostar, Čapljina, Konjic, Čitluk und Stolac betroffen. Die Behörden rufen dazu auf, das Wasser nicht unnötig für das Sprenkeln von Rasenflächen, für Schwimmbäder oder das Waschen von Autos zu verschwenden. Der kroatische Premier stattete vergangene Woche der Insel Korčula einen Besuch ab. Der Politiker der immer für ein Fettnäpfchen zu haben ist, fand wieder einmal die richtigen Worte für die schwierige Situation. Zoran Milanović sagte, dass die Brände noch nicht unter Kontrolle seien und der Wind die Situation noch verschlimmere. Die Menschen sind immer unzufrieden, erläuterte er die Reaktionen seiner Landsleute auf die Hilfsmaßnahmen gegen die Waldbrände. Aber so ist das halt, folgerte er. Milanović warnte zudem, dass es in diesem Jahr noch weitere Feuer geben werde. Besonders viel Zuversicht und Trost ist von ihm also nicht zu erwarten. Er ist nicht gerade ein Politiker, der zu Populismus neigt, eher zu emotionsloser Nüchternheit. Trotz Wahlkampf. Erste erfolgreiche Transplantation von zwei Händen bei einem Kind. Philadelphia – Einem acht Jahre alten Burschen sind in Philadelphia zwei neue Hände transplantiert worden. Nach Angaben des Kinderkrankenhauses der US-Ostküstenstadt handelte es sich dabei um die weltweit erste erfolgreiche Transplantation von zwei Händen bei einem Kind. Dem Buben waren vor ein paar Jahren nach einer Infektion Hände und Füße amputiert worden, außerdem hatte er eine neue Leber bekommen. In einer zehnstündigen Operation hat ihm nun vor wenigen Wochen ein Team aus 40 Ärzten und Krankenschwestern neue Hände und Unterarme transplantiert. Damit könne der größte Wunsch des Buben, einen Football zu werfen, wahr werden, teilte das Krankenhaus mit. Offenbar versagten Bremsen – Vierjähriges Kind unter den Opfern. Mexiko-Stadt – Im Norden von Mexiko hat ein Mann die Kontrolle über seinen Lastwagen verloren und ist in eine Gruppe von Pilgern gerast. Bei dem Unglück in der Ortschaft Mazapil im Bundesstaat Zacatecas kamen mindestens 25 Menschen ums Leben, wie der örtliche Innenminister Jaime Santoyo Castro am Donnerstag im Fernsehsender Foto TV sagte. Bei dem Unfall am Mittwochabend wurden demnach mindestens 50 weitere Gläubige zum Teil schwer verletzt. Darunter sei auch ein elf Monate altes Baby, berichtete die Zeitung El Sol de Zacatecas. Helfer brachten sie in Privatautos in ein nahe gelegenes Krankenhaus. In einem auf YouTube veröffentlichten Video sind die Momente nach dem Unglück zu sehen. Tote liegen am Straßenrand, daneben kauern weinende Verletzte. Manche bluten, viele stehen unter Schock. Dutzende Anrainer und Passanten versuchen zu helfen. Im Hintergrund sind Flammen und mehrere Autowracks sichtbar. Die Gläubigen hatten an einer Feier für einen Schutzheiligen der Gemeinde teilgenommen. Vermutlich haben die Bremsen des Lastwagens versagt, wie Innenminister Santoyo Castro, sagte. Erste Berichte, dass der Fahrer nach dem Unfall geflüchtet sei, wollte er nicht bestätigen. Es könne sein, dass er sich unter den Toten oder Verletzten befinde. Der Gouverneur von Zacatecas, Miguel Alonso Reyes, kündigte Hilfe für die Opfer an. Zu den 17 Zielen bis 2030 zählen auch Maßnahmen gegen den Klimawandel. New York – Diplomaten und Experten aus aller Welt haben nach einwöchigen Beratungen die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung bis 2030 festgelegt. Die Delegierten aus 193 Ländern beschlossen am Sonntag in New York einen rund 30-seitigen Aktionsplan mit dem Titel Unsere Welt verändern – Programm für nachhaltige Entwicklung bis 2030, das unter anderem die Beendigung extremer Armut vorsieht. Das ist wirklich ein historischer Augenblick, sagte der kenianische UN-Botschafter Macharia Kamau, dessen Land gemeinsam mit Irland die Gespräche geleitet hatte. Das ehrgeizige Programm sollen die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen im Rahmen ihrer Generaldebatte Ende September in New York beschließen. Das Programm enthält 17 grundlegende Entwicklungsziele, die in 169 Unterpunkten ausgeführt werden. Das erste Ziel ist die Beendigung der Armut in allen Formen und überall in der Welt. Sie betrifft derzeit eine Milliarde Menschen weltweit, die mit weniger als 1,25 Dollar (1,14 Euro) pro Tag auskommen müssen. Die meisten von ihnen leben in Afrika und in Asien. Außerdem soll der Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung verbessert und die Gleichberechtigung der Geschlechter vorangetrieben werden. Das Programm ruft zudem zu nachhaltigen Produktionsweisen und Konsum auf und wirbt für friedliche und für alle offenen Gesellschaften. Als Ziel Nummer 13 wird der Kampf der Staatsregierungen gegen den Klimawandel und dessen Folgen genannt. In diesem Zusammenhang wurde die Bedeutung der Verhandlungen über ein verbindliches internationales Klimaschutzabkommen hervorgehoben, die im Dezember bei der UN-Klimakonferenz in Paris zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden sollen. In Paris müsse ein ehrgeiziges und umfassendes Klimaabkommen vereinbart werden, heißt es in dem nun vorgelegten Aktionsplan. Unsere Generation könnte die erste sein, die die Armut ausrottet, ebenso wie wir die letzten sein könnten, die die Chance haben, den Planeten zu retten, heißt es in dem Aktionsplan. Die 17 Ziele sollen ab dem 1. Jänner 2016 gelten. Ihre Umsetzung ist freiwillig und jeder Staat entscheidet selbst über die Maßnahmen zur Erreichung der Ziele. Allerdings soll die Umsetzung anhand fester Indikatoren regelmäßig überprüft werden. Entscheidend ist die Finanzierung. Bei einer internationalen Konferenz in Addis Abeba hatten die Teilnehmer Mitte Juli festgestellt, dass für die Umsetzung nachhaltiger Entwicklung in den kommenden 15 Jahren 2,5 Billionen Dollar nötig seien. Die Privatwirtschaft soll einen Großteil dieser Gelder bereitstellen. Flammen wüten auf einer Fläche von rund 190 Quadratkilometern Wald- und Buschland. Sacramento – In Kalifornien kämpfen nun auch Soldaten der Nationalgarde gegen die immer weiter um sich greifenden Waldbrände. Die Soldaten sollen mit mehreren großen Löschflugzeugen in den Kampf gegen die Flammen einreifen, teilte die Feuerwehr mit. Zwei Flugzeuge seien bereits vor Ort eingetroffen, hieß es. Vor allem ein sich rasch ausbreitender Brandherd rund 160 Kilometer nördlich von San Francisco bereite Sorgen. Die Flammen hätten sich bereits auf eine Fläche rund 190 Quadratkilometern Wald- und Buschland ausgebreitet. Etwa 12.000 Menschen hätten ihre Häuser verlassen müssen, 5.000 Gebäude seien bedroht, teilten die Behörde auf Twitter mit. Feuerwehrleute vergleichen die Feuer bereits mit den katastrophalen Bränden 2008. Insgesamt toben derzeit 21 Wald- und Buschbrände, viele davon seien durch Blitzschlag entfacht worden. Der Gouverneur von Kalifornien, Jerry Brown, rief am Samstag den Notstand aus, um so schnellere Hilfen zu ermöglichen. Bereits am Donnerstag war ein Feuerwehrmann ums Leben gekommen. Ein Grund an der raschen Ausbreitung der Flammen ist aber auch die Dürre, die den Staat Kalifornien seit Jahren heimsucht. Verkauf von schwarzem Tee seit 2010 um ein Fünftel gesunken. London – Die Liebe der Briten für die klassische Tasse Tee nimmt ab: Die Verkaufsmengen von schwarzem Tee sind seit 2010 um mehr als ein Fünftel (22 Prozent) auf 76 Millionen Kilogramm gefallen, wie die Marktforschungsfirma Mintel am Mittwoch mitteilte. Die Umsätze sanken von 2012 bis 2014 um rund 13 Prozent auf 425 Millionen Pfund (610 Millionen Euro). Bis 2020 werde der Konsum weiter auf knapp 69 Millionen Kilogramm zurückgehen, prophezeite Mintel. Der klassische schwarze Tee kämpft um das Interesse des Konsumenten im Wettbewerb mit anderen Getränken, erklärte die Mintel-Analystin Emma. Tee habe ein nicht gerade aufregendes Image. Einen weiteren Grund sieht die Marktforscherin im wachsenden Gesundheitsbewusstsein der Briten: Tee werde oft zu Gebäck oder Süßigkeiten getrunken, und diese Leckereien würden sich viele Leute mittlerweile verkneifen. Die Angst vor Zucker und der nachlassende Konsum von Süßigkeiten könnten ebenfalls negative Auswirkungen auf den Teekonsum haben. Allerdings: Noch immer sagen 54 Prozent aller Briten, dass sie jeden Tag mindesten eine Tasse Tee trinken. Und: Früchte- und Kräutertees sind den Marktforschern zufolge in Großbritannien im Kommen – die Umsätze kletterten in den vergangen fünf Jahren um 31 Prozent auf 76 Millionen Pfund. Bub hatte Dreijährigen mit Waffe des Vaters erschossen. Chicago – Nach den tödlichen Schüssen auf einen Dreijährigen ist ein Elfjähriger in Detroit wegen fahrlässiger Tötung angeklagt worden. Beim Spielen mit der Schusswaffe seines Vaters habe der Elfjährige dem Kleinkind versehentlich ins Gesicht geschossen, der Dreijährige starb auf dem Weg ins Krankenhaus, wie die Lokalzeitung Detroit News und der Lokalsender von CBS am Mittwoch berichteten. Staatsanwältin Kym Worthy sagte laut den Detroit News, der Elfjährige habe die Waffe bei einem Besuch bei seinem Vater in dessen Schlafzimmerschrank gefunden. Er habe sie an sich genommen und sei damit in einen parkenden Wagen gestiegen, dort habe sich der Dreijährige zu ihm gesellt. Kurze Zeit später fielen die tödlichen Schüsse. Ich kann mich nicht erinnern, dass wir jemals jemanden wegen Tötung angeklagt haben, der so jung war, erklärte Worthy. Unglücklicher- und tragischerweise haben uns die Fakten in diesem Fall keine andere Wahl gelassen, erklärte sie weiter. Zwar falle der Bub unter das Jugendstrafrecht, doch werde weiterermittelt. 27-Jähriger erschoss zwölf Menschen bei Batman-Premiere – Geschworene entschieden sich überraschend für lebenslängliche Haftstrafe und gegen Todesstrafe. Centennial/Aurora – Drei Jahre nach dem Amoklauf in einem Kino in der US-Stadt Aurora ist der Täter zu einer lebenslangen Haftstrafe ohne Chance auf Bewährung verurteilt worden. Richter Carlos Samour verkündete am Freitagabend (Ortszeit) in Centennial bei Denver die Entscheidung der Geschworenen, die sich nach mehr als sechsstündigen Beratungen nicht auf eine Strafe für James Holmes einigen konnten. Um die im US-Staat Colorado kaum noch angewendete Todesstrafe zu verhängen, wäre eine einstimmige Entscheidung der zwölf Geschworenen notwendig gewesen. Holmes hatte im Juli 2012 zwölf Menschen in dem Kino erschossen und 70 zum Teil schwer verletzt. Die Verteidigung hatte seine Einweisung in eine Psychiatrie gefordert. Der 27-Jährige nahm das Strafmaß ohne Regung zur Kenntnis. Nach Verlesung der Entscheidung stand er mit Händen in den Hosentaschen zwischen seinen Verteidigern und blickte zu Boden. Im Gerichtssaal war während der Verlesung des Strafmaßes mehrfach kurzes Schluchzen zu hören, auch Holmes Verteidiger trockneten sich mit Taschentüchern die Augen. Holmes war auch der Batman-Mörder genannt worden, weil er bei der Premiere von Batman – The Dark Knight Rises in die Menge geschossen hatte. Er war zunächst unbewaffnet in das Kino gekommen, dann während des Film herausgeschlichen und mit militärischer Ausrüstung wie Helm und Schutzkleidung zurückgekommen. Einige Zuschauer hielten ihn für einen Fan mit Kostüm. Dann schoss er erst mit einer Schrotflinte, dann einem Sturmgewehr und schließlich einer Pistole in die Menge. Das jüngste Opfer war eine Sechsjährige, ihre Mutter ist seit dem Attentat fast völlig gelähmt und hatte einige Tage nach dem Amoklauf eine Fehlgeburt erlitten. Die Staatsanwaltschaft hatte die Todesstrafe angestrebt und Holmes 165 Mal angeklagt: Für jeden der zwölf Toten ist Holmes des Mordes und des Totschlags angeklagt, für jeden der 70 Verletzten des versuchten Totschlags und versuchten Mordes – ergibt 164 Fälle. Der letzte und 165. Fall bezieht sich auf die Sprengsätze, mit der er seine Wohnung versehen hatte. Die Verteidigung argumentierte in dem Prozess, dass Holmes schizophren sei und nicht gewusst habe, was er tat. Auch psychiatrische Gutachter beider Seiten bestreiten nicht, dass Holmes psychisch krank ist. Doch glauben die Gutachter der Anklage, dass er während der Tat zurechnungsfähig war. Dieser Einschätzung folgten auch die Geschworenen. Vor drei Wochen war Holmes in allen Punkten schuldig gesprochen worden. Es folgte eine zweite Phase des Prozesses, in der mildernde Umstände geprüft wurden. Die Geschworenen hätten dann die Todesstrafe ausschließen können und Holmes hätte automatisch eine lebenslange Haftstrafe ohne Chance auf Bewährung bekommen. (APA/dpa, 8.8.2015) In Südkorea sorgt sich die Regierung um die sinkende Zahl der Eheschließungen. Ein Grund für das Minus: Eine Hochzeit kostet exorbitant viel. Seit dem vergangenen Jahr müssen sich Seouls ledige Frauen ernsthaft fragen, ob sie weich wie Tofu sind, dickhäutig wie eine Wassermelone oder gar abgehärtet wie eine Walnuss. So lauten die Kategorien eines von der Stadtregierung herausgegebenen Ratgebers mit dem bezeichnenden Titel Plan B. Mithilfe eines Selbsttests sollen dort alleinstehende Koreanerinnen herausfinden, ob sie für das vermeintlich harte Singleleben gewappnet sind: Haben dich deine Eltern dafür getadelt, dass du allein leben willst?, lautet etwa die Einstiegsfrage. Der Staat ist mehr als besorgt um seine demografische Entwicklung: Bereits vier von zehn erwachsenen Koreanern leben unverheiratet – das sind mehr als in jedem anderen OECD-Land. Im Eiltempo sind die traditionellen Familienwerte im konfuzianischen Südkorea auf die Zwänge einer kapitalistischen Hochleistungsgesellschaft geprallt. So heirateten Südkoreanerinnen noch 1990 im Durchschnitt mit 25 Jahren. Heute tun sie das bereits fünf Jahre später – wenn überhaupt. Gleichzeitig bleibt jedoch die Ehe im konservativen Südkorea das Maß aller Dinge: Nur 0,2 aller Mehr-Personen-Haushalte bestehen aus unverheirateten Paaren, uneheliche Kinder werden noch immer stigmatisiert. Vor allem wirkt sich der Singleanstieg auf die Geburtenrate aus, die so schnell schrumpft wie in kaum einem Land der Welt. Weniger als 1,2 Kinder bringt die durchschnittliche Koreanerin statistisch zur Welt, vor vierzig Jahren waren es noch viermal so viele. Wenn dieser Trend anhalte, so beklagte jüngst ein Forscher des Korea Institute for Health and Social Affairs, dann werde die Bevölkerung Südkoreas bereits bis 2050 um zehn Millionen schrumpfen. Kein Wunder, dass die Regierung zu unkonventionellen Methoden greift, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken: Immer öfter tritt der Staat als Verkuppler auf. 2010 organisierte der damalige Gesundheitsminister Cheon Jae-hee erstmals mehrere Dating-Partys für seine Ministeriumsmitarbeiter. Seitdem wurde das Konzept ausgeweitet: Immer wieder organisieren Ministerien nun öffentliche Speed-Dating-Events oder belohnen Unternehmen mit finanziellen Zuschüssen, wenn sie sich als Ehestifter betätigen. Dabei liegen die sozialen Ursachen ganz woanders als im mangelnden Bindungswillen der Bevölkerung. Allein die exorbitanten Kosten für eine traditionelle Heirat hindern viele Koreaner daran, den Bund fürs Leben einzugehen. Weil der Ehemann traditionell eine Wohnung kaufen muss, kostet eine Heirat laut Regierungsdaten bis zu 150.000 Euro. Und Kinder kommen in Korea ganz besonders teuer zu stehen, vor allem weil die Eltern im ostasiatischen Tigerstaat weltweit am meisten in die Bildung ihrer Sprösslinge investieren. Zudem leidet der Staat auch unter einer verfehlten Familienpolitik: Zu Zeiten des Wunders am Han Fluss wurde die Bevölkerung noch dazu aufgefordert, möglichst wenige Kinder zu bekommen, weil ein zu starker Bevölkerungsanstieg dem Wirtschaftswachstum im Weg stehen könnte. Gleichzeitig wurden noch bis in die 1980er-Jahre Söhne bevorzugt, sodass vermehrt Töchter abgetrieben wurden. Nun fehlt es jedem siebten Mann im klassischen Heiratsalter an einer potenziellen Partnerin. Von Frauen wird dabei der Tradition gemäß erwartet, sozial nach oben zu heiraten. Längst sind die Koreanerinnen allerdings im Schnitt gebildeter als die männliche Bevölkerung. Daher ist die Singlerate unter Frauen mit Universitätsabschluss am höchsten, in Seoul sind es gar mehr als ein Drittel. Oftmals müssen sich karrierebewusste Koreanerinnen noch immer zwischen ihrem Beruf und einer Familie entscheiden. In der chauvinistischen Arbeitswelt der großen Industriekonglomerate haben sie es ungleich schwerer als ihre männlichen Kollegen. Eine beliebte Frage beim Bewerbungsgespräch, um potenzielle Kandidatinnen auszusieben, lautet: Wollen Sie später Kinder haben? (Fabian Kretschmer aus Seoul, 9.8.2015) Norden des Landes am schwersten getroffen. Santiago de Chile – Bei schweren Unwettern sind in Chile mindestens sechs Menschen ums Leben gekommen. Am schlimmsten trafen die heftigen Regenfälle und stürmischen Winde den Norden des südamerikanischen Landes, wie der Katastrophenschutz am Sonntagabend (Ortszeit) mitteilte. In den Regionen Tarapaca und Antofagasta lösten die Wassermassen Erdrutsche aus, außerdem wurden mehrere Häuser schwerbeschädigt. Allein in der Hafenstadt Tocopilla seien drei Menschen zu Tode gekommen, darunter ein vierjähriges Mädchen. Zwei weitere Menschen würden noch vermisst. Rund 1.000 Einwohner mussten ihre Häuser verlassen. Tausende Menschen seien zudem ohne Strom, hieß es in Medienberichten. Die Regierung erklärte für Tocopilla den Notstand. Mehrere Schulen sollten am Montag geschlossen bleiben. Das Militär sei eingesetzt worden, um blockierte Straßen frei zu räumen, hieß es weiter. Die schlimmsten Ereignisse waren die Erdbeben im Himalaya-Staat Nepal. Zürich – Bei Katastrophen sind im ersten Halbjahr weltweit rund 18.000 Menschen ums Leben gekommen. Das ist bereits deutlich mehr als im ganzen vergangenen Jahr, als 12.700 Menschen ihr Leben bei Katastrophen verloren hatten. Die schlimmsten Ereignisse waren die Erdbeben im Himalaya-Staat Nepal, die im April und Mai zu mehr als 9.000 Toten führten, wie der Rückversicherer Swiss Re in seiner am Dienstag veröffentlichten Sigma-Studie mitteilte. Viele Menschen verloren zudem ihr Obdach. Der wirtschaftliche Schaden in Nepal wird auf über fünf Milliarden Dollar (4,56 Milliarden Euro) geschätzt. Davon seien lediglich 160 Millionen Dollar (145,99 Millionen Euro) versichert, schrieb Swiss Re. Viele Tote gab es auch durch eine außergewöhnliche Hitzewelle im Mai und Juni in Indien und Pakistan. Die Temperaturen stiegen bis auf 48 Grad, was zuletzt 1995 vorgekommen ist. Gemäß Schätzungen starben dabei in Indien mehr als 2.500 und in Pakistan 1.500 Menschen. Ein weiterer Grund für die hohe Opferzahl in der ersten Jahreshälfte seien die vielen Flüchtlinge aus den Konfliktregionen in Afrika, die auf ihrem Weg nach Europa ums Leben gekommen seien, hieß es: Anstatt eines besseren Lebens fanden viele den Tod, nachdem ihre seeuntüchtigen Boote im Mittelmeer gekentert waren. Der wirtschaftliche Gesamtschaden durch Katastrophen blieb indes im ersten Halbjahr mit 37,4 Milliarden Dollar relativ gering. Im Vorjahressemester hatte es noch einen Schaden von 59 Milliarden Dollar gegeben. Damit ist der Gesamtschaden im ersten Halbjahr 2015 auch deutlich unter dem Zehnjahresdurchschnitt von 107 Milliarden Dollar ausgefallen. Vom gesamtwirtschaftlichen Schaden wurden 33 Milliarden Dollar von Naturkatastrophen verursacht. Das sind knapp 40 Prozent weniger als im Vorjahr. Von Menschenhand verursachte Katastrophen beliefen sich auf 4,4 Milliarden Dollar. Die teuersten Katastrophenschäden war ein Wintersturm in den USA, der im Februar Schäden von 2,4 Milliarden Dollar anrichtete. Groß waren auch die Verwüstungen durch ein Gewitter im April in den USA (1,4 Milliarden Dollar) und durch den Wintersturm Niklas, der im März mit Windgeschwindigkeiten von bis zu 200 Stundenkilometern über weite Teile Zentraleuropas zog und einen Gesamtschaden von 1,4 Milliarden Dollar anrichtete. Vom gesamtwirtschaftlichen Schaden von 37,4 Milliarden Dollar im ersten Halbjahr waren lediglich 16,5 Milliarden Dollar versichert. Damit fiel der Schaden für die Versicherungsbranche um 30 Prozent tiefer aus als im Vorjahressemester. Vater und zwei Kleinkinder tot – Weibliche Leiche in der Nähe entdeckt. Neuenburg – Im Schweizer Kanton Neuenburg hat sich am Freitag vermutlich ein Familiendrama ereignet. Am Fuße des Felsenkessels Creux du Van wurden die Leichen eines Mannes und seiner beiden Kleinkinder gefunden. In der Nähe fand die Polizei zudem die Leiche einer Frau, die aber offenbar nichts mit den drei anderen Opfern zu tun hat. Die Suche war Freitagfrüh eingeleitet worden, nachdem jemand aus dem Umfeld der Familie die Polizei alarmiert hatte. Die Person zeigte sich beunruhigt, weil sie von einem Familienmitglied eine SMS bekommen hatte. Darin war die Rede, dass sich der Vater mit Selbstmordabsichten und in Begleitung seiner beiden Kinder zum Creux du Van begeben habe. Bei der Suche fand die Polizei zuerst per Zufall die Leiche einer 45-jährigen Frau. Der Ort, an dem die Tote gefunden wurde, befindet sich mehrere 100 Meter vom Fundort der anderen Leichen entfernt. Kurze Zeit später fand die Polizei die Leiche des 45-jährigen Mannes und diejenigen seiner zwei Kinder im Alter von zwei und drei Jahren. Der Mann habe einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er auf das Sorgerecht seiner Kinder anspiele, sagten Vertreter der Kantonspolizei am Freitagabend. (APA/sda, 14.8.2015) Medienberichten zufolge erstickten die Opfer unter Deck – 300 bis 400 Menschen waren an Bord des Bootes. Rom – Bei einem neuen Flüchtlingsdrama im Mittelmeer sind nach Angaben der italienischen Marine mindestens 40 Menschen ums Leben gekommen. Zahlreiche Menschen seien gerettet worden, mindestens 40 seien aber gestorben, teilte die Marine am Samstag im Kurzmitteilungsdienst Twitter mit. Die Rettungsaktion dauere noch an. Medienberichten zufolge erstickten die Opfer unter Deck. Laut Nachrichtenagentur Ansa waren zwischen 300 und 400 Menschen an Bord. Das Schiff geriet demnach vor der libyschen Küste südlich der italienischen Insel Lampedusa in Seenot. Erst Anfang August waren wahrscheinlich Hunderte Flüchtlinge im Mittelmeer ertrunken. Etwa 200 Migranten damals wurden vermisst, nachdem ein überladenes Boot vor der libyschen Küste gekentert war. Wenig später meldete die italienische Marine ein Unglück mit rund 60 Vermissten. Italiens Innenminister Angelino Alfano warnte am Samstag, dass das aktuelle Unglück nicht das letzte sein werde, wenn die Probleme im Krisenland Libyen nicht gelöst würden. Von dort starten viele Flüchtlinge aus Afrika und dem Nahen Osten die gefährliche Fahrt über das Meer. Seit Jahresbeginn kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration rund 2.300 Flüchtlinge im Mittelmeer ums Leben. Bewohner zur Tatzeit nicht anwesend. Berlin – Unbekannte haben im Westen Deutschlands ein von Asylbewerbern bewohntes Haus in Brand gesetzt. Die Bewohner des Hauses in Niederstedem (Rheinland-Pfalz) waren zur Tatzeit in der Nacht zum Donnerstag nicht anwesend, wie die Polizei am Freitag mitteilte. Bei den Löscharbeiten musste ein Feuerwehrmann mit Verdacht auf Rauchvergiftung behandelt werden. Das Haus wurde seit mehreren Wochen von Asylbewerbern bewohnt. Wegen der Brandstiftung beziehen Staatsanwaltschaft und Polizei einen fremdenfeindlichen Hintergrund der Tat in die Ermittlungen ein, erklärten die Behörden. Das Polizeipräsidium Trier habe eine Ermittlungsgruppe mit sieben Beamten eingesetzt. Die Leiche wurde auf einem Hof gefunden. Die Eltern wollten das Lösegeld zahlen, das war auf dem angeordneten Weg aber nicht möglich. Anneli, die 17-jährige Tochter der wohlhabenden Familie R. aus Sachsen, ist tot. Sie wurde vermutlich bereits am Freitag, einen Tag nach ihrer Entführung, von zwei Männern getötet. Die Polizei fand ihre Leiche nach einem Hinweis eines der mutmaßlichen Täter am Montagabend gegen 21 Uhr hinter der Mauer eines leerstehenden Gehöftes, wenige Kilometer vom Entführungsort entfernt. Wie die junge Frau zu Tode gekommen ist, ist noch unklar. Spuren des sexuellen Missbrauchs fanden sich nicht. Die Polizei geht von einem Verdeckungsdelikt aus. Die beiden Verdächtigen – ein 39-jähriger arbeitsloser Koch und ein 61-jähriger Edelmetallhändler – sollen bei ihrem Verbrechen ohne Maskierung agiert haben. Zumindest einen der beiden soll Anneli vom Sehen her gekannt haben. Die Furcht, von der jungen Frau identifiziert werden zu können, trieb die Männer dann vermutlich zur Bluttat. Davor hat sich mindestens einer der Männer in sozialen Netzwerken über Anneli informiert. Der am Sonntag publik gewordene Entführungsfall nahm damit ein äußerst tragisches Ende. Der Teenager verließ am Donnerstagabend vergangener Woche das elterliche, rund 25 Kilometer nordwestlich von Dresden gelegene Wohnhaus, um den Hund Gassi zu führen. Bereits zehn Minuten später wurde das Mädchen von den zwei mutmaßlichen Tätern auf einem Feldweg in ihre Gewalt gebracht. Mit Annelis Handy riefen die beiden Männer den Vater der Entführten an und stellten die Lösegeldforderung von 1,2 Millionen Euro. Der Vater machte sich auf eigene Faust auf die Suche nach seiner Tochter, während die Mutter die Einsatzkräfte informierte. Wenig später meldeten sich die Verdächtigen ein zweites Mal: Die Tochter, hieß es, befände sich bereits in Tschechien. Sollte das Lösegeld nicht eintreffen, müsse sie sterben. Noch ein letztes Mal meldeten sich die Täter am darauffolgenden Freitag, dieses Mal über ein anonymisiertes Handy. Sie forderten den Vater dazu auf, die 1,2 Millionen Euro per Online-Banking sofort zu überweisen. Weil elektronische Zahlungen in dieser Höhe gar nicht möglich sind, konnte die Zahlung nicht erfolgen. Danach meldeten sich die Täter nicht mehr. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler bereits die Spur aufgenommen. Am Tatort, wo sich das Fahrrad von Anneli und der angeleinte Hund fanden, konnten die Einsatzkräfte eine DNA-Spur feststellen, die zu dem 39-Jährigen führte, der wegen Brandstiftung, Versicherungsbetruges und eines Sexualdeliktes – rechtskräftig verurteilt wurde er allerdings nie – in der Datenbank registriert war. Zudem gehört ihm ein grauer BMW, der in der Tatregion mehrere Male beobachtet worden war. Die Ermittler werteten die Kommunikation des Tatverdächtigen aus – und sind dadurch auf die Spur des mutmaßlichen Komplizen gekommen. Am frühen Montagmorgen erfolgten die Festnahmen der Männer, die sich in Dresden und in Bayern aufhielten. Einer der beiden Männer hat inzwischen ein Teilgeständnis abgelegt. Ob die Tat von langer Hand geplant war, ist unklar. Einer der beiden Verdächtigen hielt sich in den letzten Wochen jedenfalls regelmäßig in der Region auf. Dabei dürfte er auf die junge Anneli aufmerksam geworden sein. Noch am Sonntagabend wandte sich die Familie des Opfers in einem verzweifelten Appell an die Entführer. In einem offenen Brief versicherten sie, dass wir die Forderungen erfüllen werden, um unser Kind bald in die Arme nehmen zu können. Justizminister: Entscheidung darüber war verfrüht. Johannesburg – Der südafrikanische Sprintstar Oscar Pistorius wird nicht wie geplant am Freitag vom Gefängnis in den Hausarrest entlassen. Das südafrikanische Justizministerium legte die Entscheidung dazu am Mittwoch auf Eis und beauftragte das zuständige Gremium für Haftentlassungen mit der Prüfung des Falls. Die Entscheidung vom Juni über die vorzeitige Haftentlassung des 28-Jährigen sei verfrüht gefällt worden, erklärte Justizminister Michael Masutha. Der unterschenkelamputierte Sportler hatte Mitte Februar 2013 seine Freundin Reeva Steenkamp erschossen und war dafür wegen fahrlässiger Tötung zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Am Freitag sollte seine Gefängnisstrafe in einen Hausarrest umgewandelt werden. Diese Entscheidung hatten die Strafvollzugsbehörden Anfang Juni wegen guter Führung des Inhaftierten getroffen. Sie habe aber keine rechtliche Basis gehabt, monierte Justizminister Masutha nun. Sie werde daher ausgesetzt und müsse geprüft werden. Den Angaben des Ministeriums zufolge verstößt die Entscheidung gegen südafrikanisches Strafrecht. Demnach darf frühzeitig aus der Haft entlassen werden, wer mindestens ein Sechstel seiner Strafe verbüßt hat – das wäre am Freitag auch tatsächlich der Fall gewesen. Allerdings hätte auch die Entscheidung darüber erst nach dieser Zeit getroffen werden dürfen, hieß es im Justizministerium. Pistorius Familie erklärte, sie akzeptiere die Entscheidung des Justizministeriums. Zugleich prüfe die Familie nun ihre Optionen, sagte Sprecherin Anneliese Burgess der Nachrichtenagentur AFP. Der in Johannesburg ansässige Anwalt Martin Hood brachte eine mögliche politische Einmischung in den Fall ins Spiel. Das beunruhige ihn, sagte er. Wann mit einem Ergebnis der Beratungen des Bewährungsausschusses oder mit Pistorius vorzeitiger Haftentlassung nun zu rechnen ist, blieb zunächst unklar. Ministeriumssprecher Mthunzi Mhaga sagte dem Sender ENCA dazu, das hänge davon ab, wann und wie sich die zuständige Prüfkommission des Falls annehme. Nach Angaben des in Pretoria ansässigen Kriminalanwalts Llewelyn Curlewis dürfte das Gremium zwei Wochen Zeit für die Prüfung der Entscheidung haben. In dieser Zeit müsse Pistorius im Gefängnis bleiben. Pistorius hatte seine Freundin damals in seinem Haus durch die geschlossene Toilettentür erschossen. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft handelte der Sportler bewusst nach einem Streit mit seiner Freundin. Pistorius dagegen beteuerte stets, hinter der Tür einen Einbrecher vermutet und in Panik geschossen zu haben. Am Montag hatte die Staatsanwaltschaft wie angekündigt offiziell Berufung gegen das Urteil eingelegt. Sie will eine Verurteilung des Athleten wegen Mordes erreichen, damit droht Pistorius eine Haftstrafe von mindestens 15 Jahren. Das Berufungsverfahren soll im November beginnen. Am Mittwoch wäre Steenkamp 32 Jahre alt geworden. Die Familie des Models erinnerte in einer privaten Zeremonie am Strand der Stadt Port Elizabeth an die frühere Freundin von Pistorius. Ihre Angehörigen streuten Rosen ins Meer. 9,8 Milliarden Menschen sollen in 35 Jahren die Erde bewohnen. Afrika trägt durch starkes Wachstum am stärksten dazu bei. Die Weltbevölkerung soll in bis 2050 um etwa 2,5 Milliarden auf 9,8 Milliarden Menschen wachsen. So eine Vorhersage des US-Forschungsinstitutes Population Reference Bureau. Während dabei die Bevölkerungszahl in Europa und Teilen Asiens sogar zurückgehen soll, wächst Afrika deutlich. Ein Großteil des erwarteten Wachstums soll dort stattfinden. Nigeria befindet sich derzeit noch als einziges afrikanisches Land unter den zehn bevölkerungsreichsten der Erde. Durch das erwartete Bevölkerungswachstum sollen sich 2050 auch die Republik Kongo und Äthiopien in diesem Kreis wiederfinden. Nigeria wird demnach in 35 Jahren fast 400 Millionen Einwohner erreichen – etwa gleich viele wie die USA. Große Teile Europas zeigen eher eine gegenteilige Entwicklung. Die Bevölkerung von Spanien, Portugal und vielen osteuropäischen Staaten soll leicht schrumpfen. Am deutlichsten wird das in Moldawien zu sehen sein: 2050 sollen nur noch rund 70 Prozent der Bevölkerung von 2015 in dem Land leben. Ein wesentlicher Faktor dabei ist die Auswanderung, die bereits in den vergangenen Jahren die Einwohnerzahl Moldawiens zurückgehen ließ. Das Population Reference Bureau ist eine unabhängiges Forschungsinstitut mit dem Ziel die Öffentlichkeit und Entscheidungsträger mit Analysen und Prognosen zu demographischen Daten zu informieren. (Michael Bauer, 20.8.2015) Taskforce zur Aufklärung von Internetkriminalität gegen Kinder im Einsatz, Musiker und Familie aber nicht tatverdächtig. Los Angeles – Eine Polizei-Taskforce zur Aufklärung von Internetkriminalität gegen Kinder hat in Los Angeles das Haus des US-Musikers Gene Simmons (65) von der Rockband Kiss durchsucht. Der Bassist und seine Familie seien aber nicht Tatverdächtige, zitierten mehrere US-Medien am Donnerstag (Ortszeit) einen Polizeisprecher. Um welche Straftat es ging, war zunächst unklar. Mitglieder der Polizei von Los Angeles haben Herrn und Frau Simmons zu Hause besucht, um eine Straftat zu besprechen, die möglicherweise im vergangenen Jahr auf deren Grundstück geschah, als Herr Simmons mit Kiss auf Tour war, teilte laut Entertainment Tonight eine Simmons-Sprecherin mit. Wir könnten nicht entsetzter sein, dass jemand unsere Residenz für solch abscheuliche Verbrechen benutzt hat, twitterte Simmons Ehefrau Shannon Tweed, bekannt aus der Reality-Fernsehsendung Gene Simmons Family Jewels. Simmons unterstützt mehrere Kinderhilfsorganisationen. Seine Familie bekam für ihr Engagement den Mend Humanitarian Award. Zehn Jahre hinter Gittern – Unschuld kam 2001 ans Licht. Sydney – Aus Rache über nicht erwiderte Liebesavancen hat ein Polizist eine Australierin wegen versuchten Gattenmordes zehn Jahre hinter Gitter gebracht. Als ihre Unschuld 2001 ans Licht kam, wurde sie freigelassen. Es dauerte aber noch 14 Jahre, bis sie entschädigt wurde: Ein Richter sprach ihr am Montag 2,3 Millionen australische Dollar (1,50 Mio. Euro) zu. Der Sieg, endlich, sagte Roseanne Beckett vor dem Gericht. Ich bin 26 Jahre mit dieser Sache ins Bett gegangen, und 26 Jahre damit aufgewacht. Beckett hatte den Polizisten in den 80er-Jahren kennengelernt, weil er wegen eines Brandes in ihrem Geschäft ermittelte, wie sie vor Gericht sagte. Er habe sie umworben, sie sei aber nicht darauf eingegangen. Sie heiratete einen Bekannten des Polizisten, der später mit dem Gesetz in Konflikt geriet. Er war laut Gerichtsakten psychisch krank. 1989 wurde sie unter dem Verdacht festgenommen, sie habe versucht ihren Mann umzubringen. Der Polizist förderte angebliches Beweismaterial zutage. Beckett wurde zu zwölf Jahren Haft verurteilt. Zehn Jahre später stellte sich ihre Unschuld heraus. Wegen veralteter Gesetze mit praktisch unerfüllbaren Auflagen dauerte der Kampf um Entschädigung Jahre. Der Polizist starb 2014. Er habe Beckett gehasst und das Justizsystem genutzt, um sich zu rächen, sagte der Richter. Dem Mann drohen in Slowenien bis zu drei Jahre Haft. Ljubljana – Der Slowene, der aus angeblicher sozialer Not via Inserat seine Niere zum Verkauf angeboten hat, ist laut Polizei ein Betrüger. Der 65-Jährige habe in der Anzeige und bei späteren Kontakten mit Medien seine sozialen Umstände falsch dargestellt, um an Geld zu kommen, teilte die Polizei mit. In Slowenien hat bereits eine Spendenaktion für die Familie des Mannes begonnen. Die slowenische Polizei hat mithilfe von kroatischen Kollegen den Mann, der im Gespräch mit den Medien anonym bleiben wollte, ausfindig gemacht. Der Mann, der derzeit in Zadar in Dalmatien wohnt, hatte nämlich eine kroatische Handynummer angegeben. In Kroatien wurde er einvernommen und wieder freigelassen, in Slowenien werde er wegen Betrugs angezeigt, hieß es. Dafür drohen in Slowenien bis zu drei Jahre Haft. Der Mann hatte vergangene Woche in einem Inserat seine Niere für 50.000 Euro angeboten, um eine Zwangsexekution zu vermeiden. Laut Medienberichten sollte er ein Angebot über 70.000 Euro aus Österreich vorliegen haben. Er stellte sich als ein arbeitsloser dreifacher Vater vor, dessen Familie keine Sozialhilfe erhalte. Laut der Polizei stimmt davon aber nichts. Für manche Bewohner von New Orleans ist der Wiederaufbau auch ein Jahrzehnt nach Katrina nicht zu Ende. Bisweilen schien es, als müsste er bis zum Sankt Nimmerleinstag warten. Als hätten sich die Götter der Bürokratie gegen Errol Joseph verschworen, um seine Rückkehr nach New Orleans zu verhindern. Vier Jahre nach dem Hurrikan gab es einen Hoffnungsschimmer, da konnte er seinen ersten Sieg im Papierkrieg verbuchen. Die Stadt genehmigte den Wiederaufbau seines zerstörten Zweizimmerhauses, mit der Auflage, das neue auf eine Art Podest zu stellen, damit es nicht mehr so leicht überflutet werden kann, falls die Dämme noch einmal brechen. Um ihn für den Verlust des alten zu entschädigen und zugleich das Podest zu finanzieren, zahlte der Staat Louisiana 70.000 Dollar, im Rahmen eines Programms, das sich Road Home nannte. Joseph packte an. Ein Berufsleben lang hat er Holzfußböden verlegt, darüber hinaus kann er alles, was einer können muss, um ein Haus zu bauen. Kaum waren die Formalitäten erledigt, so glaubte er jedenfalls, begann er den Rohbau hochzuziehen, keine Ziegel, kein Beton, nur ein Holzgerippe, wie es in Amerika üblich ist. Er kaufte Gipskartonplatten, Fliesen, Rohre und eine Badewanne und lagerte alles in einem Schuppen. Dann holte er Inspektoren, um sicherzugehen, dass alles seine Richtigkeit hatte. Die stellten ein imaginäres Stoppschild auf, ohne dass Joseph sagen könnte, woran es lag, denn konkret zu beanstanden hatten sie nichts. Er solle auf ein Schreiben vom Amt warten, erst dann dürfe er weitermachen. Monate vergingen, nichts geschah. Im feuchten Schuppen verrotteten die Gipsplatten. Die Stadt drohte mit Abriss, weil der Rohbau unvollendet blieb. Die eine Behörde wusste nicht, was die andere tat. Formulare kamen wegen Kleinigkeiten zurück, Joseph verhedderte sich in den Fallstricken der Bürokratie – bis ihn ein Beamter wissen ließ, dass alles seine Ordnung habe. Da waren seit dem Hurrikan sechs Jahre vergangen, nur sollte Joseph 35.000 Dollar zurückzahlen: Road Home habe ihm irrtümlich zu viel überwiesen. Das Geld hatte er nicht, viel war draufgegangen für die teure, nach dem Desaster sprunghaft gestiegene Miete, wie sie die Katrina-Vertriebenen angesichts knappen Wohnraums berappen mussten. Sieben Jahre nach dem Hurrikan meldete sich der Staat Louisiana, Joseph brauche nun doch nichts zurückzuzahlen, man wusste ja, dass es drunter und drüber gegangen war bei Road Home, der Straße nach Hause, die im Volksmund bald nur noch Straße ins Nichts hieß. Irgendwann erschien Laura Paul auf der Bildfläche, die kanadische Chefin von lowernine.org, einer Spendeninitiative, die bisher 75 Häuser im Lower Ninth hochzuziehen half. Die Programmiererin, 2005 entlassen von ihrer Start-up-Firma in Montreal, war in den Süden gefahren, um auf neue Gedanken zu kommen. Von Florida ging es nach Westen, in New Orleans blieb sie hängen, 14 Monate lang verteilte sie Essen, Decken, Zahnbürsten und Seife. Danach übernahm sie die Leitung von lowernine.org , sie räumte Hürden aus dem Weg, an denen Joseph gestrauchelt war. Ich war die weiße Lady, sagt sie sarkastisch, mich nahmen sie ernst. Allmählich ist ein Ende abzusehen, an der Forstall Street wird gerade das Bad gefliest, sieben Freiwillige legen Hand an. Esther Joseph lässt jeden ein paar Gedanken auf Pappkarton schreiben, es sind Zeilen auf Englisch, Deutsch, Französisch, Russisch, während der Fachmann Errol die Kids anleitet wie ein Meister seine Lehrlinge. Er ist zu krank, als dass er noch stundenlang auf Baustellen arbeiten könnte. Zehn Jahre Stress haben sein Herz so geschwächt, dass er im April operiert werden musste. Zieht er Bilanz, klingt es nach einer Mischung aus Bitterkeit und Stolz. Unser Viertel bekam einen Stempel, auf dem Stempel stand: Versager. Sie wollten uns hier nicht wiederhaben. Aber nicht mit uns. Der alte Lower Ninth, will der 64-Jährige damit sagen, störte nur bei der Neuerfindung von New Orleans. Fast alle, die dort wohnten, waren Afroamerikaner. Ihre schmalen Shotgun Shacks, so genannt, weil eine Gewehrkugel von vorn bis hinten durch alle Zimmer fliegen könnte, wurden über Generationen vererbt. Bescheidener Wohlstand, eine ruhige Kleine-Leute-Siedlung, fernab vom berühmten Vergnügungsviertel French Quarter. Der Jazz hat tiefe Wurzeln im Lower Ninth, der Pianist Fats Domino stammte von hier, der Trompeter Kermit Ruffins fing hier an. Laura Paul spricht von der Seele der Stadt – von einer verwundeten Seele. 19.000 Menschen lebten einst in dem Viertel, das unter dem Meeresspiegel liegt und von einem Kanal, dem Industrial Canal, vom Stadtkern getrennt wird. Nach Katrina markierten es die Planer auf Landkarten mit einem grünen Punkt, was bedeutete, es sollte nicht wieder besiedelt werden. Die Blaupausen von damals sind Makulatur, etwa 5000 Bewohner zurückgekehrt. Doch verglichen mit dem Rest der Stadt, ist es ein Comeback im Schneckentempo. New Orleans zählte vor Katrina 452.000 Einwohner, 2014 waren es 384.000. Der Tourismus boomt, als hätte es nie ein Desaster gegeben. New Orleans, The Big Easy mit lässigem Lebensgefühl, großartiger Straßenmusik und französischen Architekturperlen, gehört zu den wenigen unverwechselbaren Städten der USA, in einer Liga mit New York, Boston und San Francisco. Kein Wunder, dass sie sich im Lower Ninth fühlen, als wären sie abgehängt, unerwünscht. Die Optik des Viertels lässt an eine Wiederaufbau-Lotterie denken: hier ein renoviertes Gebäude, daneben eine verrammelte Baracke, daneben ein verlassenes Grundstück, auf dem zwei Meter hoch Unkraut wuchert. Überall gibt es Treppenstufen, Treppenreste im Urwald – die Denkmäler der Katastrophe. Seit April gibt es einen kleinen Lebensmittelladen, den einzigen weit und breit. Der Armeeveteran Burnell Cotlon hat ihn aufgemacht, nachdem er mit einem Friseursalon angefangen hatte. Der ersten wiedereröffneten Schule folgt demnächst die zweite. Es geht in Trippelschritten voran. Mittendrin wirken die hundert spitzzackigen Ökohäuser, für deren Bau Brad Pitt in Hollywood die Spendentrommel rührte, wie ein futuristischer Traum. Robert Green wohnt in so einem Traum, an der Tennessee Street, gleich neben dem Industriekanal. Draußen hat er auf eine Tafel geschrieben, welche Tragödie sich für seine Familie mit dem Sturm verbindet. Zwei Namen, das gleiche Todesdatum. Joyce Hilda Green, 25 Jahre Air Force, 8. 11. 1931 – 29. 8. 2005. Shanai Green, 11. 4. 2002 – 29. 8. 2005. Green verlor seine Mutter sowie seine Enkelin. Dabei hatte er nicht, wie andere es taten, bis zum letzten Moment ausgeharrt. Green fuhr rechtzeitig los, mit der Mutter, einem Cousin mit geistiger Behinderung und drei Enkeltöchtern. Nach wenigen Kilometern erlitt seine kranke Mutter eine Panikattacke, sie mussten umkehren und steuerten den Superdome an, jene Arena, die als Flüchtlingslager mit skandalösen Zuständen für Schlagzeilen sorgte. Der Andrang war zu groß, die Mutter konnte nicht ewig in der Hitze warten, also fuhren sie nach Hause. Am nächsten Morgen, es war der 29. August 2005, wurde der Lower Ninth überschwemmt. Die Strömung war so stark, dass sie den Shotgun Shack an der Tennessee Street aus dem Betonfundament riss und wegspülte, bis er Halt in der Krone einer mächtigen Eiche fand. Green schlug ein Loch ins Dach, bugsierte die dreijährige Shanai hinauf und bückte sich, um die vierjährige Shaniya am Arm zu packen. Als er sie oben hatte, war Shanai verschwunden. Greens Mutter starb am selben Tag an Erschöpfung. Nachbarn kamen mit Rettungsbooten, Platz gab es nur für die Lebenden, der tote Körper musste auf dem Dach bleiben. Sobald er festen Boden erreicht hatte, bat Green die Soldaten der Nationalgarde, ihn zu bergen. Am 29. Dezember, vier Monate nach Katrina, holte er die verweste Leiche seiner Mutter selbst herunter. Errol Joseph konnte seine Frau Esther und die zwei von fünf Kindern, die damals noch bei ihnen wohnten, in Sicherheit bringen. Die beiden Jüngsten leben inzwischen in Kalifornien, die Eltern könnten zu ihnen ziehen, aber das wollen sie nicht. Es ist unser Zuhause, Home Sweet Home, sagt Joseph, ich weiß nicht, wie ich es sonst erklären soll. Zweieinhalb Monate nach Leichenfund in Deutschland. Mexiko-Stadt/Berlin – Rund zweieinhalb Monate nach dem Fund einer Frauenleiche in einem Koffer in Berlin ist der mutmaßliche Täter in Mexiko festgenommen worden. Ein Sprecher der Berliner Staatsanwaltschaft bestätigte am Freitag einen Bericht der Bild-Zeitung (online). Der mit einem Haftbefehl gesuchte Chilene sei bereits am Mittwoch festgenommen worden und sitze in vorläufiger Auslieferungshaft. Ein Auslieferungsersuchen werden den mexikanischen Behörden auf diplomatischem Weg übermittelt. Einen Zeitrahmen für die mögliche Auslieferung des Mannes gebe es nicht, sagte der Sprecher. Der Chilene soll in Berlin eine 36-jährige Norwegerin umgebracht haben. Ermittler fanden Spuren von Gewalt in einer Kunstgalerie im Stadtteil Wedding, die der 38-Jährige betrieb. Ein Passant hatte die Leiche der Frau am 13. Juni am Spreeufer im Treptower Park entdeckt. Sie lag in einem Koffer, der in einem zweiten Koffer steckte. Das Paket trieb zuvor in der Spree. Laut Obduktion wurde die Frau Opfer eines Gewaltverbrechens. Medien: Allein 27 Menschen wurden Opfer einer Schlammlawine – Sturm zog in Richtung USA weiter. Roseau – Der Wirbelsturm Erika ist nach seinem verheerenden Zug durch die Karibik abgeflaut. Das Nationale Hurrikan-Zentrum (NHC) in Miami stufte das Wetterphänomen am Samstag auf ein Tiefdruckgebiet ab. Es könnte am Sonntagabend (Ortszeit) die USA erreichen. Nach Angaben des nationalen Wetterdienstes NWS vom Samstag werden im Süden des Staates Florida heftiger Regen, Überschwemmungen und vereinzelte Wirbelstürme erwartet. Zur Vorsicht hatte der US-Bundesstaat Florida bereits den Notstand ausgerufen, womit bis zu 8.000 Mitglieder der Nationalgarde mobilisiert werden können. Auch die nationale Katastrophenschutzbehörde FEMA bereitete sich darauf vor, Menschen von einem Einsatzzentrum mit Wasser, Essen, Decken und anderen Hilfsgütern zu versorgen. Das Weiße Haus appellierte an betroffene Bürger, sich in den Medien über die Lage zu informieren und Anweisungen gewissenhaft zu befolgen. Vor zehn Jahren hatte der Hurrikan Katrina die Südstaatenmetropole New Orleans im Bundesstaat Louisiana niedergewalzt. Die Auswirkungen des Tropensturm Erika kosteten auf der östlichen Karibikinsel Dominica mindestens 35 Menschen das Leben. Allein in der Ortschaft Petite Savanne im Südosten des Landes gab es 27 Opfer nach einer Schlammlawine, wie örtliche Medien am Freitagabend (Ortszeit) berichteten. Die Zahl der Toten könne nach den Räumarbeiten weiter steigen. Fernsehbilder des Senders CNN zeigten, wie Hochwasser Straßen und Dörfer in Dominica überfluteten. Erika zog danach in Richtung Dominikanische Republik im Ostteil der Insel Hispaniola. Die Behörden in Santo Domingo riefen die höchste Alarmstufe aus. Zahlreiche Wohnungen wurden nach starken Regenfällen überschwemmt. Es seien jedoch keine Todesopfer verzeichnet worden, erklärte der Leiter des Notdienstes Rafael de Luna Pirichilo. Über 7.000 Menschen wurden in Notunterkünfte gebracht, berichtete die Zeitung Listin Diario. Über das benachbarte Haiti zog der Wirbelsturm abgeschwächt mit noch heftigen Windböen von bis zu 75 Stundenkilometern, aber geringeren Niederschlägen. Zwei Menschen wurden beim Einsturz einer Wohnung in Port-Au-Prince verletzt, teilte Regierungssprecher Rotchild Francois mit. Vier Menschen seien bei einem schweren Verkehrsunfall im Regen umgekommen. Der Flugverkehr über Hispaniola wurde zeitweilig eingestellt. Am Samstag zog der Sturm mit Windböen von bis zu 55 Stundenkilometern über den Westen Kubas. Polizeisprecher: Mann dachte, Waffe sei nicht geladen. Houston – Der Wunsch nach einem Selbstporträt mit einer Pistole hat einen Teenager in den USA das Leben gekostet. Der 19-jährige erschoss sich am Dienstag offenbar versehentlich beim Posieren mit der Waffe, wie US-Medien unter Berufung auf die Polizei in Houston (Texas) am Mittwoch berichteten. Der Mann habe gedacht, die Waffe sei nicht geladen, sagte ein Polizeisprecher dem Houston Chronicle zufolge. Alle Hinweise deuteten auf einen Unfall hin. Der Schuss traf den Mann im Hals. Er hinterlässt zwei junge Töchter, am Donnerstag hatte er eigentlich seine Ausbildung an einem College beginnen wollen. Es ist das schrecklichste Gefühl in meinem Leben, sagte sein Onkel. Auch andernorts endete die Aufnahme von Selfies bereits tödlich. 2014 starben zwei Menschen beim Absturz eines Kleinflugzeugs in Colorado, wo laut Transportsicherheitsbehörde NTSB vermutlich die Selbstporträts während des Fluges zum Absturz führten. In Portugal starben im selben Jahr zwei Polen, als sie Fotos an einer steilen Klippe machten und dabei in die Tiefe stürzten. 'Der Bericht einer unabhängigen Expertenkommission deckt Ungereimtheiten bei den Untersuchungen auf. Mexiko-Stadt/Puebla – Fast ein Jahr nach dem Verschwinden der 43 Lehramtsstudenten in Mexiko sind die offiziellen Ermittlungen diskreditiert. Am Sonntag stellte eine Gruppe unabhängiger Ermittler ihren Abschlussbericht vor, wonach die Leichen der Studenten weder auf dem Müllplatz von Cocula verbrannt wurden, noch ihr Verschwinden nachweislich ein politischer Racheakt war. Damit brach die Hypothese, die von der Staatsanwaltschaft als historische Wahrheit bezeichnet wurde, zumindest teilweise in sich zusammen. Präsident Enrique Peña Nieto ordnete umgehend an, die Elemente der Experten in Betracht zu ziehen und die Ermittlungen entsprechend zu vertiefen. Mexiko wird sich weiterhin anstrengen, die Menschenrechte zu sichern und den Rechtsstaat zu stärken, twitterte der Staatschef. Die unabhängige Ermittlungskommission wurde durch ein Abkommen zwischen der Interamerikanischen Menschenrechtskommission und dem mexikanischen Staat eingerichtet, nachdem im September vorigen Jahres eine Gruppe Lehramtsstudenten im südmexikanischen Iguala von Polizisten und Killern eines Drogenkartells beschossen und 43 von ihnen entführt wurden. Der Fall hatte wegen der Brutalität und Verwicklung von Polizisten, Kartellen und Politikern international für Aufsehen gesorgt. Der Staatsanwaltschaft zufolge handelte es sich um einen Racheakt des Bürgermeisters von Iguala, der mit einem Drogenkartell liiert war und den die Kritik der linksradikalen Studenten störte, die an diesem Tag auf ihrem Weg zu einer Demonstration in die Hauptstadt in Iguala Station machten. Festgenommenen Killern zufolge wurden die Studenten auf einer örtlichen Müllkippe exekutiert, ihre Leichen verbrannt und die Asche anschließend in Müllsäcke geschaufelt und in den Fluss geworfen. Die Überreste eines Studenten wurden gefunden und identifiziert, allerdings seien sie nicht bei so hohen Temperaturen verbrannt worden, wie bisher von der Staatsanwaltschaft verkündet. Ein entsprechendes Feuer hätte einen Waldbrand ausgelöst, so die Ermittler weiter. Die Täter hätten weder die nötigen Kenntnisse noch die dafür erforderliche riesige Menge an Benzin, Holz und Autoreifen zur Hand gehabt. Auch das Tatmotiv zweifelten die Ermittler an. Die unverhältnismäßig brutale Reaktion könne vielmehr damit zu tun haben, dass die Studenten auf ihrer Fahrt unwissentlich einen Bus gekapert hatten, in dem eine Drogenladung transportiert wurde, so die Expertenkommission. Bei den Ermittlungen kam es den Experten zufolge zu zahlreichen Mängeln und Versäumnissen Kind lag in Hotelzimmer in Baden-Württemberg. Stuttgart/Trier – Ein Mann aus der Nähe von Trier hat gestanden, seinen acht Jahre alten Neffen bei einem Kurzurlaub umgebracht zu haben. Das Kind wurde mit einem Messer erstochen, wie die Obduktion am Montag ergab. Ob es sich bei der Bluttat in einem Hotel in Emmendingen (Baden-Württemberg) um ein Sexualdelikt handeln könnte, wollte die Staatsanwaltschaft auf Anfrage nicht mitteilen. Man gehe jedem Hinweis nach, hieß es weiter. Die Obduktion sei noch nicht abgeschlossen. Auch zur Art des Messers und der Zahl der Stiche wurden noch keine Angaben gemacht. Der 27 Jahre alte mutmaßliche Täter hatte sich am Sonntag der Polizei gestellt und die Tat zugegeben. Gegen ihn wurde am Montag Haftbefehl erlassen. Nach bisherigen Erkenntnissen geschah die Bluttat am frühen Sonntagmorgen in dem Hotelzimmer. Einige Stunden später meldete sich der Mann auf dem Polizeirevier und führte die Beamten zur Leiche des Kindes. Motiv und Tathergang sind weiter unklar. Den Angaben zufolge hatte der Bub mit Einverständnis der Eltern seit vergangenem Mittwoch mit seinem Onkel Urlaub gemacht. Zuletzt hatten sie einen Freizeitpark besucht. Beide stammen aus dem Kreis Bernkastel-Wittlich in Rheinland-Pfalz. 'Die Polizeikooperation zwischen Österreich und Ungarn funktioniert normalerweise gut. Eisenstadt – Am Wochenende hat Burgenlands Polizeidirektor Hans Peter Doskozil Klage geführt, dass die Kommunikation mit der ungarischen Seite abgerissen sei. Überraschend. Normalerweise – im Schlepperfall mit den 71 Toten etwa – funktioniere die Zusammenarbeit ja klaglos. Dass die österreichische und ungarische Polizei da in solcher Windeseile und Zielgenauigkeit agierten, ist kein Zufall. Seit Jahren pflegt die Polizei eine grenzüberschreitende Kooperation. Nicht nur mit Ungarn, aber mit Ungarn am längsten, sagt Rainer Bierbaumer. Bierbaumer, Oberst seit Anfang August, ist der Bezirkskommandant von Neusiedl am See und der wohl bestinformierte Mann für grenzüberschreitende Polizeiarbeit. In seinen Zuständigkeitsbereich fallen gleich zwei PKZs, Polizeikooperationszentren. In dem seit 2001 tätigen PKZ Nickelsdorf-Hegyeshalom läuft der Draht nach Ungarn, in Kittsee-Jarovce der nach der Slowakei. Insgesamt betreibt Österreich sechs solcher Zentren. Neben den zwei im Burgenland eines in Drasenhofen-Mikulov, dort schließt man sich mit Tschechien kurz, in Tisis-Schaanwald tut man das mit der Schweiz und Liechtenstein. Auch in Thörl-Maglern wird trilateral kooperiert, da hat Österreich sich mit Italien und Slowenien zusammengetan. Und im ungarischen Dolga Vas sind österreichische mit kroatischen, ungarischen und slowenischen Polizisten am Werk. In Nickelsdorf und Kittsee versehen je 15 österreichische Beamte und 15 aus den Nachbarländern Dienst. Die müssen die Sprache des Nachbarn beherrschen. Das ermöglicht nicht nur die Teilnahme an Vernehmungen, wie das im aktuellen Schlepperfall ja der Fall war, sondern vor allem das gemeinsame Streifen im Grenzraum. Das tun die Beamten nicht nur anlassbezogen – Beim Nova Rock in Nickelsdorf hat sich das zum Beispiel sehr bewährt – sondern fast täglich, wie der Oberst penibel belegen kann. 2014 gab es 359 gemischte Streifen. Die Sprachkundigkeit ist das eine. Für fast noch wichtiger hält Rainer Bierbaumer aber die persönliche Bekannt- bis Freundschaft der Beamten, die so vieles im bürokratischen Alltag erleichtert. Wenn man was braucht, weiß man, wen man zu kontaktieren hat. Jeder hat die Handynummern aller anderen, das ging im Fall des Falles dann auch sehr schnell. So wie im März 2014, als ein bewaffneter Räuber aus Kittsee in die Slowakei flüchtete. Der ist nicht einmal bis zur Stadtgrenze von Bratislava gekommen. Ist der Amtsweg kurz, ist es der Fluchtweg auch. Schengen, das im politischen Volksmund gerne als der Born allen grenzüberschreitenden Übels bezeichnet wird, hat den polizeilichen Sachverstand nämlich auch mit zusätzlicher Kompetenz ausgestattet. Mit der Möglichkeit der sogenannten Nacheile etwa, die aktuelle Verfolgungen aufs nachbarliche Hoheitsgebiet erlaubt. Und weil man die Nachbarn gut kennt aus dem gemeinsamen Büroalltag, wird währenddessen fernmündlich auch gleich die Alarmfahndung ausgelöst. So konnte ein Österreicher, der in Ungarn eine Tankstelle überfallen hatte, auf burgenländischer Seite gestellt werden. Solche Kooperationszentren gibt es auch an anderen Grenzen. Das legt sich wie ein Netz über ganz Europa. Halten Burgenländer ein verdächtiges Fahrzeug an, sagen wir mit französischer Nummerntafel, dann rufen wir in Kehl-Straßburg an, wo das deutsch-französische Zentrum daheim ist. Man habe so einen sehr niederschwelligen Zugriff auf den Datenbestand in ganz Europa. Das hat sich rasant entwickelt Vier Tote, 2.000 Menschen in Krankenhäusern – Schulen wurden geschlossen. Beirut – Der tödliche Sandsturms über Teilen des Nahen Ostens hat das öffentliche Leben in der Region auch am Mittwoch beeinträchtigt. Im Libanon entschlossen sich die Behörden dazu, Schulen und andere öffentliche Institutionen zu schließen. Vier Menschen sind im Libanon wegen des dichten gelben Schleiers, der über die Gegend fegt, gestorben. 2.000 Menschen mussten nach Behördenangaben in Krankenhäusern behandelt werden. In Syrien waren am Dienstag sechs Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen zwei Kinder. Hunderte mussten ärztlich behandelt werden. Das israelische Umweltministerium hatte vor Aktivitäten im Freien gewarnt. Mehr als 230 weitere Personen sind verletzt. Riad – Wenige Tage vor der weltweit größten muslimischen Pilgerfahrt sind bei einem Unglück im saudi-arabischen Mekka mindestens 107 Menschen ums Leben gekommen. Laut einer vorläufigen amtlichen Opferbilanz vom Samstag wurden zudem 238 Menschen verletzt, als am Freitag, dem Gebetstag der Muslime, ein Baukran auf die Große Moschee der Millionenstadt stürzte. Im Internet kursierende Fotos zeigten blutüberströmte Menschen in einem Hof der Moschee. Ein Sprecher der beiden heiligen Moscheen in Mekka und Medina, Ahmed bin Mohammed al-Mansuri, sagte laut der amtlichen Nachrichtenagentur SPA, der Kran sei bei heftigem Wind und starken Regenfällen umgekippt. Um die Große Moschee herum stehen derzeit mehrere Baukräne. Sie sind Teil eines riesigen Bauprojekts zur Erweiterung des Moscheebereichs um 400.000 Quadratmeter. Dadurch sollen dort gleichzeitig bis zu 2,2 Millionen Menschen Platz finden. Der Gouverneur der Region Mekka, Prinz Chaled al-Faisal, ordnete eine Untersuchung des Unglücks an. Die Kaaba, ein würfelartiges Gebäude mit einem schwarzen Stein im Innenhof der Großen Moschee in Mekka, ist das wichtigste Heiligtum im Islam und das Ziel von Millionen Pilgern während ihrer rituellen Reise, der Hadsch auf den Spuren des Propheten Mohammed. Die diesjährigen mehrtägigen Zeremonien sollen am 21. oder 22. September beginnen. Die Hadsch gehört zu den fünf Säulen des Islam. Jeder fromme Muslim, der gesund ist und es sich leisten kann, ist angehalten, mindestens einmal im Leben an der Pilgerfahrt teilnehmen. Der Augenzeuge Abdel Asis Nakur, der am Freitag in der Moschee arbeitete und den Umsturz des Krans beobachtete, sagte, das Unglück hätte noch viel schlimmer ausgehen können: Eine Brücke in dem Gebäudekomplex habe den Aufprall abgemildert, sonst wären sehr viel mehr Menschen ums Leben gekommen. In einem YouTube-Video waren kurz nach einem lautstarken krachenden Geräusch schreiende und in Panik weglaufende Menschen sowie eine riesige Rauchwolke zu sehen. Wie die Nachrichtenagentur SPA meldete, halten sich bereits um die 800.000 Pilger in Saudi-Arabien auf. Im vergangenen Jahr waren mehr als 70.000 Sicherheitskräfte des Königreichs im Einsatz, um einen möglichst reibungslosen Ablauf des Großereignisses zu gewährleisten. Ein Behördenvertreter sagte, die Hadsch werde trotz des Unglücks wie geplant stattfinden. Der beschädigte Gebäudeteil werde voraussichtlich in wenigen Tagen repariert sein. Aktivisten riefen unterdessen über den Internet-Mitteilungsdienst Twitter zu Blutspenden auf. Der Mitgründer der Stiftung zur Erforschung des islamischen Erbes mit Sitz in Mekka, Irfan al-Alawi, warf den saudi-arabischen Behörden Fahrlässigkeit vor. Sie kümmern sich weder um das Erbe, noch um Gesundheit und Sicherheit, sagte er. Der indische Regierungschef Narendra Modi, dessen Land dutzende Millionen Muslime zählt, drückte den Angehörigen der Opfer über Twitter sein Mitgefühl aus und wünschte den Verletzten rasche Genesung. Ähnlich äußerte sich der britische Premierminister Cameron. Bei einer Massenpanik während des Hadsch in Mina östlich von Mekka waren im Jänner 364 Menschen ums Leben gekommen. Die Panik brach auf einer Brücke aus, als sich dort zehntausende Gläubige an der symbolischen Steinigung des Teufels beteiligten. Im Juli 1990 starben in Mina 1.426 Pilger während einer Massenpanik in einem Tunnel. Vermutlich war dort die Lüftungsanlage ausgefallen. (APA, 12.9.2015) Zweistöckiges Restaurant, das zum Zeitpunkt des Unglücks gut besucht war, stürzte ein. Neu-Delhi – Die Explosion eines vermutlich illegalen Sprengstofflagers mitten in der indischen Stadt Petlawad hat mindestens 88 Menschen getötet und etwa 100 Menschen verletzt. Unter den Opfern waren Tagelöhner, die an der Bushaltestelle vor dem Gebäude in der zentralindischen Stadt warteten, sowie zahlreiche Menschen, die in einem angrenzenden Restaurant frühstückten. Nach dem Besitzer des Vorrats an Bergbausprengstoffen werde gesucht, sagte ein Polizeisprecher. Zu dem Unglück kam es laut Polizeiangaben, als Samstagfrüh ein Kurzschluss sogenannte Sprenggelatine entzündete. Zunächst hieß es, die Explosionsserie sei durch die Detonation von Gasbehältern im Restaurant ausgelöst worden. Laut lokalen Medien wird Sprenggelatine in der Region im Bundesstaat Madhya Pradesh verwendet, um Brunnen im steinigen Boden zu graben. Die gummiartige Substanz aus Nitroglyzerin hat bedeutend mehr Sprengkraft als Dynamit. Das zweistöckige Gebäude, in dem sich das gut besuchte Restaurant sowie Wohnungen befanden, stürzte unter dem Druck der Detonationen ein. Auch drei benachbarte Gebäude wurden zerstört. Der Besitzer des explosiven Materials betreibe eine kleine Mühle, sagte Distriktpolizeichefin Sima Alawa. Er besitze zwar auch eine Lizenz für die Verwendung von Sprengstoffen für sein Bergbauunternehmen, hätte die Gelatine aber nicht lagern dürfen. Ein Augenzeuge schilderte der Zeitung Hindustan Times das gewaltige Ausmaß der Detonation: Bei der Explosion wurden Menschen wie Kieselsteine in die Luft geworfen, sagte ein Augenzeuge der Zeitung Hindustan Times. Aruna Gupta von der Distriktbehörde schilderte: Das waren riesige Explosionen. Keiner in einem Umkreis von 500 Fuß (150 Meter) hätte die Detonation überleben können. Von Autos und Motorrädern vor dem Gebäude waren nur noch Metallreste übrig. Ich hörte die Explosionen und rannte zu der Unglücksstelle. Staub hing in der Luft. Überall lagen Leichen. Ein Mädchen weinte und wurde gerettet, sagte der Augenzeuge Babu Lal der Nachrichtenagentur IANS. Der indische Premier Narendra Modi zeigte sich tief betroffen von der Tragödie. Der große Verlust von Menschenleben schmerzt mich sehr. Ich möchte den Angehörigen der Todesopfer meine aufrichtigste Anteilnahme aussprechen. Allen Verletzten wünsche ich eine schnelle Genesung, teilte Modi auf Twitter mit. Der Ministerpräsident des Bundesstaates Madja Pradesh, Shivraj Singh Chouhan, versprach den Familien der Opfer Schadenersatzzahlungen. Kreise: Reisegruppe aus der Luft und vom Boden aus beschossen – Zahl der getöteten Mexikaner unklar. Kairo – Ägyptische Sicherheitskräfte haben bei der Verfolgung von Extremisten nach Angaben des Innenministeriums versehentlich zwölf Angehörige einer überwiegend mexikanischen Reisegruppe getötet. Die Touristen und ihre Begleiter hätten in der Nähe der Oase Baharija Rast gemacht, als sie vom Militär aus der Luft beschossen worden seien, verlautete am Montag aus Sicherheitskreisen. Als einige der Angegriffenen fliehen wollten, hätten weitere Sicherheitskräfte am Boden das Feuer auf sie eröffnet. Unter den Toten sind nach Angaben des Außenministeriums in Mexiko-Stadt mindestens zwei Mexikaner. In ägyptischen Justizkreisen war jedoch von acht getöteten Mexikanern und vier Ägyptern die Rede. Zehn Menschen seien zudem verletzt worden. Der Vorfall ereignete sich am Sonntag in der riesigen Wüstenregion im Westen des Landes. Von dort aus versuchen nach Angaben von Sicherheitskräften Extremisten aus Libyen, Allianzen mit Militanten auf dem Sinai zu schmieden. Ägypten versucht seit Jahren, einen Aufstand in den Griff zu bekommen, der seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi im Sommer 2013 durch das Militär immer stärker geworden ist und in dem mittlerweile auch die vor allem in Syrien und Irak aktive Miliz Islamischer Staat (IS) mitmischt. Mexikos Regierung verurteilte den Vorfall scharf und forderte eine Untersuchung. Das Innenministerium in Kairo teilte mit, an dem Einsatz seien Polizisten und Soldaten beteiligt gewesen. In Sicherheitskreisen hieß es, die Allradfahrzeuge der Reisegruppe hätten denen der verfolgten Extremisten geähnelt. Der Vorsitzende des ägyptischen Fremdenverkehrsverbands, Elhami Elsajat, sagte Reuters, das Gebiet sei gesperrt gewesen. Der Veranstalter habe einen Fehler gemacht, weil er keine Genehmigung eingeholt habe. Die Veranstalter waren für eine Stellungnahme zunächst nicht erreichbar. Ein Sprecher einer Interessensgemeinschaft von Reiseleitern sagte, die Gruppe sei von einem Vertreter der Polizei begleitet worden. Auf dem Wüstenpfad seien keine Warnschilder aufgestellt. Zuvor war von zwei Getöteten berichtet worden – Nun wurden sechs weitere Leichen identifiziert. Mexiko-Stadt – Nach dem versehentlichen Beschuss einer Touristengruppe durch ägyptische Sicherheitskräfte ist die Zahl der dabei getöteten Mexikaner auf acht gestiegen. Das mexikanische Außenministerium erklärte am Dienstag, sechs weitere Leichen seien von Diplomaten vor Ort identifiziert worden. Zuvor war von zwei getöteten, sechs verletzten und sechs noch vermissten Landsleuten die Rede gewesen. Ägyptische Polizisten und Soldaten hatten am Sonntag bei der Verfolgung von islamistischen Kämpfern im Westen des Landes versehentlich einen Konvoi von mexikanischen Touristen beschossen, die in ägyptischer Begleitung waren. Insgesamt befanden sich 14 Mexikaner in der Touristengruppe. Die sechs bei dem Vorfall Verletzten wurden am Dienstag weiter im Krankenhaus behandelt, waren aber nicht in Lebensgefahr. Bei dem Beschuss waren nach Angaben der ägyptischen Behörden insgesamt zwölf Menschen getötet worden. Die mexikanische Außenministerin Claudia Ruiz Massieu reiste am Dienstag nach Kairo. Sie wollte sich dort mit Regierungsvertretern treffen, um Antworten zu den Hintergründen des Vorfalls zu erhalten. Begleitet wurde sie von Angehörigen der mexikanischen Todesopfer. Hohe Arbeitslosigkeit in der Region. Lucknow/Neu-Delhi – Ganze 2,3 Millionen Menschen haben sich in einer indischen Stadt auf 368 Stellen als Laufbursche beworben. Unter den vielen Kandidaten seien auch 222.000 Ingenieure und 255 Promovierte, berichtete die indische Zeitung The Hindu am Donnerstag. Dabei seien die Voraussetzungen nur: Abschluss der 5. Klasse und die Fähigkeit, Fahrrad fahren zu können. Die Stellenausschreibungen in der nordindischen Stadt Lucknow müssten aber wahrscheinlich mit einem neuen Einstellungsverfahren wiederholt werden, zitiert die Zeitung die Landesministerin Ambika Chaudhary. Die Besetzung der 368 Stellen würde vier Jahre dauern, wenn wir die 2,3 Millionen Kandidaten alle interviewen müssten, sagte sie demnach. Laufburschen in indischen Verwaltungen sind dafür zuständig, Tee zu kochen oder Aktenordner von einem Tisch zum nächsten zu tragen. Das monatliche Gehalt im Bundesstaat Uttar Pradesh beträgt lediglich 20.000 Rupien, also rund 257 Euro. Allerdings kommen noch sehr begehrte, günstige Wohnungen sowie Pensionszahlungen hinzu. Laut The Hindu zeigt die Zahl der Bewerber, wie hoch die Arbeitslosigkeit in der Region sei. Im indischen Bundesstaat Uttar Pradesh leben rund 200 Millionen Menschen, damit stünde er für sich allein genommen unter den bevölkerungsreichsten Staaten der Erde auf Platz sechs. Jeder 93. Mensch habe sich um die Posten beworben, rechnet The Hindu vor. Kein Verdächtiger gefunden. Stockholm – Ein Konzert der irischen Rockgruppe U2 in Stockholm ist kurzfristig abgesagt worden, weil sich ein bewaffneter Mann in der Veranstaltungshalle aufgehalten haben soll. Das Konzert mit Leadsänger Bono (55) hätte am Sonntagabend in der Globe Arena in der schwedischen Hauptstadt stattfinden sollen, wurde dann nach Angaben der Polizei vom späten Abend jedoch kurz vor Beginn gestrichen. Die schwedische Zeitung Aftonbladet berichtete am Montag, ein Mann habe beim Einlass in die Halle eine Waffe gezeigt. Er habe gesagt, er sei Polizist und habe vergessen, die Waffe bei der Arbeit zu lassen. Daraufhin sei er in der Arena verschwunden. Die Polizei sperrte die Eingänge und evakuierte den Konzertraum, um nach dem Mann zu suchen. Es sei jedoch kein Verdächtiger gefunden, hieß es später in einer Pressemitteilung. Der Veranstalter beschloss, das Konzert zu verschieben. Die Polizei sprach von einem möglichen Verstoß gegen das Waffengesetz. Das gesamte Ausmaß wird erst jetzt sichtbar, da auch entlegene Regionen erreicht wurden. Santiago de Chile – Durch das schwere Erdbeben in Chile haben mehr als 9.000 Menschen ihr Obdach verloren. Die Behörden korrigierten damit am Sonntag (Ortszeit) ihre Zahl deutlich nach oben, nachdem sie zunächst von 3.500 obdachlos gewordenen Menschen ausgegangen waren. Die Zahl der Todesopfer liege weiterhin bei 13, noch immer würden aber vier Menschen vermisst, sagte der stellvertretende Innenminister Mahmud Aleuy. Erst jetzt wird das Ausmaß des Erdbebens von vergangener Woche sichtbar, weil mittlerweile auch die entlegenen Regionen erreicht werden konnten. Wir hoffen, dass wir bis Freitag alle Schäden überblicken können, sagte Aleuy. Besonders betroffen ist die Küstenregion Coquimbo. Das Beben vom vergangenen Mittwochabend (Ortszeit) war das sechststärkste in der Geschichte des Landes. Mann soll abgeschoben werden. Rotterdam – Der junge Mann, der einen Großeinsatz der niederländischen Polizei beim internationalen Zug Thalys am Freitag verursacht hat, war wie vermutet ein Schwarzfahrer. Er sei freigelassen worden und werde strafrechtlich nicht verfolgt, teilte die Staatsanwaltschaft am Montag in Rotterdam mit. Der Mann, der wahrscheinlich aus Tunesien stammt, soll nun abgeschoben werden. Der Schwarzfahrer hatte sich Freitagfrüh kurz vor Abfahrt des Zuges in der Toilette versteckt. Daraufhin war Großalarm ausgelöst worden. Polizeieinheiten hatten den Zug evakuiert und den Rotterdamer Bahnhof teilweise gesperrt. Der Verdächtige war schließlich überwältigt worden. Er war unbewaffnet. Die Identität des Mannes konnte noch nicht festgestellt worden. Nach Angaben der Justiz zog er vermutlich bereits seit einigen Jahren durch West-Europa. Er hatte im Verhör ausgesagt, dass er nach Paris wollte. Knapp vier Wochen zuvor war ebenfalls in einem Thalys auf dem Weg von Brüssel nach Paris ein Terroranschlag vereitelt worden. Passagiere hatten einen schwer bewaffneten Mann überwältigt. Keine technischen Mängel festgestellt. Mekka – Der auf die Große Moschee in Mekka gestürzte Liebherr-Baukran ist nach Angaben des Baumaschinen-Herstellers nicht ausreichend gesichert gewesen. Liebherr-Experten an Ort und Stelle konnten nach Unternehmensangaben keine technischen Mängel an dem Kran feststellen. Mehrere Mitarbeiter waren nach Mekka gereist, um dem Unglück mit mehr als 100 Toten auf den Grund zu gehen. Es gibt in der Betriebsanleitung Vorschriften, wie ein Kran bei welchen Windstärken zu sichern ist, sagte ein Unternehmenssprecher am Mittwoch. Der Kran des Typs LR-11350 war in Ehingen in Baden-Württemberg hergestellt worden. Er stürzte am 11. September bei einem schweren Unwetter auf einen Teil der Großen Moschee. Zu dem Zeitpunkt war der Kran laut Liebherr außer Betrieb, der 190 Meter lange Ausleger aber trotzdem ganz aufgerichtet, wie der Konzern in einer Mitteilung am Dienstagabend mitteilte. Wegen des starken Winds hätte der Ausleger aber vorbeugend abgelegt werden müssen, damit der Kran nicht umkippt. Der Kran musste damit umfallen, erklärte ein Sprecher am Mittwoch. Denkmalschutzbehörde erstattete Anzeige. Breslau (Wroclaw) – Noch wird in Polen über die Existenz eines angeblichen Nazizuges aus dem Zweiten Weltkrieg gerätselt, nun droht den angeblichen Findern juristischer Ärger: Die Leiterin der regionalen Denkmalschutzbehörde, Barbara Nowak-Obelinda, erstattete Anzeige bei der Staatsanwaltschaft, berichtete die Zeitung Gazeta Wyborcza am Mittwoch. Bei ihrer Suche mit einem Bodenradargerät hätten die beiden Schatzsucher aus der niederschlesischen Stadt Walbrzych nicht die notwendigen Genehmigungen beantragt, erklärte Nowak-Obelinda. In der Bergbauregion befindet sich ein unterirdischer Tunnelkomplex. Seit August sorgen die Berichte über einen Goldzug, möglicherweise mit Raubgold der Nationalsozialisten beladen, nicht nur in Polen für Aufregung. Seit dem Zweiten Weltkrieg kursieren immer wieder Gerüchte über versteckte Nazi-Schätze. Nowak-Obelinda will mit der Anzeige auch Nachahmer abschrecken: Wir wollen keine Welle von Schatzsuchern, die die Vorschriften ignorieren, sagte sie. Die beiden angeblichen Finder hatten in der vergangenen Woche neue Radaraufnahmen präsentiert, die von Experten aber skeptisch beurteilt werden. An der mutmaßlichen Fundstelle an der Bahnstrecke zwischen Breslau (Wroclaw) und Walbrzych wird unterdessen das Unterholz gelichtet. Militärexperten sollen das Gelände mit Spezialgerät untersuchen. Das Unglück ereignete sich in Mina, wo Gläubige symbolisch den Teufel steinigen. Mekka – Mehr als 700 Menschen sind bei einer Massenpanik während der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch in Saudi-Arabien ums Leben gekommen. Bei der Panik während der symbolischen Teufelssteinigung in Mina seien zudem mehr als 800 Gläubige verletzt worden, teilte der Zivilschutz des Landes am Donnerstag mit. Es handelt sich um das schwerste Unglück während des Pilger-Großereignisses seit 25 Jahren. Der Auslöser der Panik am Donnerstag gegen 9.00 Uhr (Ortszeit) in Mina in der Nähe von Mekka, wo sich hunderttausende Pilger versammelt hatten, war zunächst unklar. Laut einem Krankenhaus-Mitarbeiter kam es zu der Katastrophe außerhalb der Dschamarat-Brückenkonstruktion, wo die symbolische Teufelssteinigung stattfindet. Eine Pilgergruppe, die den Ort verlassen wollte, sei dort auf eine andere Gruppe getroffen, die entweder in die Gegenrichtung wollte oder in dem Bereich campierte. Dabei sei es zu Gedränge gekommen. Die Zahl der Opfer mussten die Behörden, die anfangs von etwa einhundert Toten gesprochen hatten, mehrfach nach oben korrigieren. Am Nachmittag meldete der Zivilschutz über den Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter mindestens 717 Tote und 805 Verletzte aus verschiedenen Ländern. Zahlreiche Leichen lagen bedeckt mit weißen Tüchern am Unglücksort auf dem Boden. Nach Angaben der amtlichen saudi-arabischen Nachrichtenagentur waren mehr als 220 Rettungsfahrzeuge im Einsatz. Einsatzkräfte würden daran arbeiten, den Pilgerandrang zu verringern und den Gläubigen Zugang zu alternativen Wegen zu verschaffen. Der Iran warf Saudi-Arabien schwere Fehler bei den Sicherheitsvorkehrungen vor. Nach Angaben des iranischen Hadsch-Organisators Said Ohadi wurden aus unbekannten Gründen zwei Fußwege in der Nähe des Unglücksortes gesperrt. Das löste diesen tragischen Vorfall aus, sagte er dem iranischen Staatsfernsehen. Die saudischen Verantwortlichen sollten haftbar gemacht werden. Mindestens 43 Iraner sind unter den Todesopfern. Der saudische Gesundheitsminister brachte die Katastrophe mit mangelnder Disziplin von Pilgern in Zusammenhang, die Anweisungen der Verantwortlichen ignoriert hätten. Der Unfall wäre andernfalls zu verhindern gewesen, sagte Khalid al-Falih im öffentlichen TV-Sender El-Ekhbariya. Die Pilgermassen waren in Mina zusammengekommen, um Steine auf eine von drei Wänden zu werfen. Bei dieser symbolischen Teufelssteinigung, dem letzten großen Ritual vor dem Ende des Hadsch, hatte es in der Vergangenheit schon mehrfach hunderte Tote wegen einer Massenpanik gegeben. Die diesjährige Zahl der Todesopfer wird aber nur von einer Panik im Jahr 1990 übertroffen, als 1.426 Pilger offenbar wegen einer ausgefallenen Belüftungsanlage in einem Fußgängertunnel erstickten. Zuletzt waren im Jänner 2006 in Mina bei einer Massenpanik 364 Pilger getötet worden. Seit fast einem Jahrzehnt war es wegen verbesserter Sicherheitsvorkehrungen zu keinen größeren Unglücken mehr gekommen. In diesem Jahr aber war die Pilgerfahrt schon vor ihrem Beginn von einem verheerenden Unfall überschattet: Ein Baukran stürzte am 11. September auf einen Innenhof der Großen Moschee von Mekka, 107 Menschen starben und etwa 400 weitere wurden verletzt. Dennoch entschieden die Behörden, den Hadsch stattfinden zu lassen. Die weltweit 1,5 Milliarden Muslime feierten am Donnerstag das Opferfest Eid al-Adha, der wichtigste Feiertag für Muslime. Der Tag gilt traditionell als der gefährlichste während der Hadsch, da Zehntausende Pilger auf engstem Raum ihre Rituale vollziehen. Der Hadsch ist das weltweit größte muslimische Pilgerereignis, an dem jährlich rund zwei Millionen Menschen teilnehmen. Gemäß dem Koran muss jeder Muslim, ob Mann oder Frau, der gesund ist und es sich leisten kann, einmal im Leben zur heiligsten Stätte des Islam in Mekka pilgern. Der Hadsch, an dem an diesem Jahr nach offiziellen Zahl 1,95 Millionen Pilger teilnahmen, geht offiziell am Sonntag zu Ende. Während Landeanflugs gegen Baum geprallt. San Francisco – Ein Extremsportler, der durch die MTV-Sendung Nitro Circus bekannt wurde, ist bei einem Fallschirmsprung in Kalifornien ums Leben gekommen. Erik Lars Roner war nach Polizeiangaben Teil einer Gruppe, die bei einem Golf-Event im Olympic Valley einen Sprung vorführen wollte. Einer der Fallschirmspringer prallte während des Landeanflugs mit einem Baum zusammen, erklärte der zuständige Sheriff am Montag. Der 39-Jährige habe sich in dem Baum verwickelt und sei noch an der Unfallstelle gestorben. Alle anderen Springer seien sicher gelandet. Erik war eine unglaubliche Person, die alle und alles um ihn herum besser gemacht hat. Sein Lächeln, Lachen und seine Persönlichkeit werden alle bei Nitro Circus vermissen, schrieb Motocrosspilot Travis Pastrana (31) in einem Statement. Nitro Circus ist eine Gruppe von Extremsportlern um Pastrana, die seit über zehn Jahren waghalsige Stunts vorführt, zunächst auf DVD und dann in einer eigenen Show auf MTV. Nitro Circus – der Film soll am 13. Oktober (23.25 Uhr) auf RTL Nitro laufen. Die Extremsportler gehen außerdem seit Jahren auf Tournee. Italiener wandelte Maserati in Boot um. Rom – Ein Italiener, der mit einem Amphibienauto auf dem Tiber im Zentrum von Rom unterwegs war, ist von der Polizei aufgehalten und angezeigt worden. Der 39-jährige Marco Amoretti hat einen Maserati mit Kunststoffbauteilen in ein fahrtaugliches Boot umgewandelt. Mit dem Gefährt will er Italien umrunden. Am 5. August war der Norditaliener von Genua gestartet, um Italiens Küste zu umrunden und Venedig zu erreichen, berichteten italienische Medien am Dienstag. Schon 2009 hatte der Mann ähnliches versucht. Dabei hatte er die Hafenstadt Tropea in Süditalien erreicht. Hier war er jedoch von der Hafenbehörde aufgehalten worden, Amoretti musste auf seinen Plan verzichten. 1999 hatte Amoretti mit seinem Bruder und einem Freund an Bord eines in ein Boot umgewandelten Ford Taurus aus dem Jahr 1981 und eines Volkswagens Passat des Jahres 1987 den Atlantischen Ozean überquert. Abenteuer liegt offenkundig in den Familiengenen. Der Großvater des Italieners hatte als 18-Jähriger mit einem Lambretta-Motorrad die Welt umrundet. 7.000 Euro Geldstrafe, Beamter legt Berufung ein. Goslar – Ein deutscher Polizist hat in einem Hallenbad ein fünf Jahre altes Mädchen mit Absicht unter Wasser gedrückt, weil es ihm beim Schwimmen im Weg war. Das Kind erlitt einen Schock, außerdem trug es tiefe Schrammen am Rücken davon. Der 56-Jährige soll wegen vorsätzlicher Körperverletzung nun 7.000 Euro Geldstrafe zahlen, sagte eine Sprecherin des Amtsgerichts Goslar am Mittwoch. Der Beamte habe Berufung gegen das Urteil eingelegt, berichtete die Goslarsche Zeitung. Die Polizei will nach Angaben einer Sprecherin erst nach Abschluss eines möglichen Berufungsverfahrens entscheiden, ob ein Disziplinarverfahren gegen den Mann eingeleitet wird. 464 Iraner kamen bei der Massenpanik nahe Mekka ums Leben. Mekka/Teheran – Nach der tödlichen Massenpanik bei der muslimischen Pilgerfahrt Hadsch in Saudi-Arabien hat sich die Zahl der getöteten iranischen Pilger nach offiziellen Angaben fast verdoppelt. Wie das iranische Hadsch-Organisationskomitee am Donnerstag in Teheran bekannt gab, kamen in dem Gedränge vor einer Woche nach jüngsten Erkenntnissen 464 Iraner ums Leben. Zuvor war von 241 iranischen Todesopfern die Rede gewesen. Insgesamt starben 769 Pilger, mehr als 930 weitere wurden verletzt. Ranghohe Politiker aus Indien, Pakistan und Indonesien hatten zuletzt die Zahl der Toten mit rund 1.100 angegeben. Unter den Opfern sollen auch Muslime aus Indien, Pakistan, Algerien und Ägypten sein. Zu dem Massengedränge war es während der symbolischen Teufelssteinigung in Mina gekommen, bei der Pilger Kieselsteine auf drei Säulen werfen, die den Teufel symbolisieren. Der diesjährige Hadsch war am Samstag in Mekka zu Ende gegangen. Saudi-Arabien ist als Hüter der heiligen islamischen Stätten Mekka und Medina für die Organisation der Pilgerfahrt zuständig – und trägt damit nach Ansicht des Iran eine Mitverantwortung für das Unglück. Zwischen beiden Ländern kam es wegen des Unglücks zu diplomatischen Spannungen. Hochwasserwelle überflutete Altenheim nahe Antibes – Valles sagte Hinterbliebenen Unterstützung zu. Nizza – Bei Überschwemmungen sind an der französischen Cote dAzur mindestens 13 Menschen ums Leben gekommen. Fünf Menschen starben laut Behörden in der Nacht auf Sonntag in Mandelieu-la-Napoule westlich von Cannes offenbar beim Versuch, ihre Autos vor den Fluten zu retten. Drei Menschen kamen laut Feuerwehr ums Leben, als eine Hochwasserwelle ein Altenheim in Biot nahe Antibes überschwemmte. In einer überfluteten Straße in Cannes ertrank eine Frau, drei Menschen starben in einem Auto in Golfe-Juan, ein Mensch kam auf einem Campingplatz in Antibes ums Leben. Umgestürzte Bäume und Schlammlawinen behinderten den Zugang zu den betroffenen Gebieten, so dass die Opferzahl noch steigen könnte. Notunterkünfte wurden eingerichtet. Rund 35.000 Haushalte waren ohne Strom. Zwei Campingplätze unter Wasser Auslöser der Überschwemmungen waren heftige Unwetter am Samstagabend. Nach Angaben eines Feuerwehrsprechers trat der Fluss Brague über die Ufer, das Gebiet um Antibes war überschwemmt. Zwei Campingplätze standen unter Wasser, Hubschrauber retteten Urlauber von den Dächern ihrer Wohnwagen. Eine Autobahn wurde gesperrt. Mehrere Züge konnten wegen Überschwemmungen nicht weiterfahren, hunderte Reisende saßen nach Angaben eines Bahnsprechers in Toulon, Nizza und Cannes fest. Auch am Flughafen von Nizza strandeten mehr als 500 Fluggäste. Der Bürgermeister von Cannes, David Lisnard, berichtete von zahlreichen Rettungseinsätzen. Autos seien von den Fluten bis ins Mittelmeer geschwemmt worden. In Nizza stürzten Bäume auf die berühmte Promenade des Anglais, eine Schlammlawine beschädigte ein Gebäude im Nordosten der Stadt. Ministerpräsident Manuel Valls zeigte sich tief betroffen und sagte den Hinterbliebenen via Twitter Unterstützung zu. Ausgangssperre wegen Fluten in Hauptstadt Columbia, Flutwarnungen in sieben Staaten. Columbia (South Carolina) – Im US-Bundesstaat South Carolina sind seit Freitag mindestens fünf Menschen bei Überschwemmungen ums Leben gekommen. Drei Menschen wurden von Wassermassen überrascht und konnten sich nicht aus ihren Fahrzeugen retten, berichtete die Zeitung The State am Sonntagabend unter Berufung auf den Katastrophenschutz. Viele Schulen, Hochschulen und Ämter bleiben am Montag geschlossen. In dem Bundesstaat an der Ostküste herrscht nach Rekordregenmengen der Notstand: Straßen und Häuser sind überflutet, Autobahnen und Brücken gesperrt. Polizei und Feuerwehr gelang es, Dutzende Menschen zu retten. Die Nationalgarde setzte Rettungshubschrauber ein, um Menschen von Dächern zu holen. In South Carolinas Hauptstadt Columbia wurde für die Nacht auf Montag eine Ausgangssperre verhängt. Gouverneurin Nikki Haley riet den Menschen, die Wassermassen zu meiden und ihre Häuser nicht zu verlassen. Sie sprach am Sonntag vom schlimmsten Regen seit 1.000 Jahren. In der Gegend um Columbia fiel nach Angaben des Nationalen Wetterdiensts seit dem Wochenende mehr Niederschlag als insgesamt in den vorangegangenen drei Monaten. Zwei Schlechtwettergebiete – ein Festlandtief und ein Ausläufer des im Atlantik nordöstlich ziehenden Hurrikans Joaquin – hatten in weiten Teilen des US-Ostens zu ungewöhnlich heftigen Niederschlägen geführt. In sieben Bundesstaaten wurden vorsorglich Flutwarnungen ausgegeben. South Carolina ist am stärksten betroffen, US-Präsident Barack Obama hatte es bereits am Samstag zum Notstandsgebiet erklärt. Damit können rascher Mittel zum Aufräumen und Wiederaufbau aus Washington in den Bundesstaat fließen. Insgesamt waren laut Haley am Sonntag 25.000 Menschen in der Region ohne Strom. In Columbia brachen Teile der Wasserversorgung zusammen. Für Montag wurden langsam nachlassende Regenfälle erwartet. Es ist noch nicht vorbei. Wir sind noch mittendrin, sagte die Gouverneurin. Am Dienstag soll der Regen aufhören. Bei der Suche nach dem unter US-Flagge fahrenden und vermissten Containerfrachter El Faro, der wohl in den Hurrikan geraten und vor der US-Atlantikküste gesunken ist, haben die Behörden anscheinend alle Hoffnung aufgegeben. Der US-Sender NBC berichtete am Montag unter Berufung auf die US-Küstenwache, die Familien der 33 Seeleute seien darüber unterrichtet worden. Zuvor hatten die Suchmannschaften und die Besatzungen anderer Schiffe schon Trümmer gefunden, die auf die seit Donnerstag vermisste El Faro hinwiesen. Die Küstenwache hat für den Vormittag (Ortszeit) eine Pressekonferenz angekündigt. Acht Monate Hausarrest wegen Morddrohung. Wellington – Der langjährige Schlagzeuger der Rockband AC/DC, Phil Rudd, hat gegen seine Verurteilung wegen einer ausgestoßenen Morddrohung vergeblich Berufung eingelegt. Ein Richter in Tauranga in Neuseeland wies seine Einwände am Dienstag zurück. Die Strafe von acht Monaten Hausarrest sei unangemessen, hatte Rudds Anwalt argumentiert. Sein Mandant habe erhebliche Einbußen gehabt, weil AC/DC ohne ihn auf Tournee ging. Der Richter ließ das nicht gelten. Es ist alles andere als klar, ob die Band Rudd zum Zeitpunkt der Tat überhaupt haben wollte, bedenkt man seine Drogensucht und seine Geistesverfassung, urteilte er. AC/DC trat dieses Jahr mit Schlagzeuger Chris Slade unter anderem in Deutschland auf. Vorfall soll sich 2008 in Hugh Hefners Playboy-Mansion ereignet haben. Hollywood – Eine weitere Frau wirft dem US-Komiker Bill Cosby (78) sexuellen Missbrauch vor. Laut Medienberichten vom Dienstag hat ein 25-jähriges Model in Los Angeles eine Zivilklage gegen Cosby eingereicht. Darin erklärt die Frau, sie sei 2008 als Teenager in Hugh Hefners Playboy-Mansion von dem Komiker sexuell missbraucht worden, berichtet die Los Angeles Times. Cosby habe ihr einen Drink gegeben, der zu einem Blackout führte. Sie sei nackt auf einem Bett zu sich gekommen, als Cosby sexuelle Handlungen ausführte, schreibt die Zeitung unter Berufung auf den Anwalt der Frau. In der Klage werden 40 weitere Frauen genannt, die in den vergangenen Jahren Missbrauchsvorwürfe gegen Cosby erhoben haben. Die meisten können allerdings nicht vor Gericht ziehen, weil viele der angeblichen Übergriffe bereits Jahrzehnte zurückliegen und deshalb als verjährt gelten. Cosby soll am Freitag in einer anderen Zivilklage vor Gericht befragt werden. In diesem Fall erklärt die Klägerin, sie sei 1974 als 15-Jährige in der Playboy-Mansion von Cosby missbraucht worden. Der Star der 80er-Jahre-Sitcom The Cosby Show hat die Vorwürfe in der Vergangenheit immer bestritten. Cosby ist verheiratet und hat vier Töchter. Sechster Versuch des Japaners Kuriki: Nepal wollte zeigen, dass nach den Beben alles sicher ist – und riskierte ein Menschenleben. Genauer betrachtet geht es in dieser Geschichte nur oberflächlich um Nobukazu Kuriki, jenen Japaner, der trotz neun abhandengekommener Finger den Mount Everest besteigen wollte. Im Prinzip handelt sie vielmehr von der Frage, was Menschen für Geld alles willens sind zu tun. In diesem Fall riskieren sie offenbar mutwillig ein Menschenleben. Müsste man den Charakter des 33-jährigen Kuriki auf den Punkt bringen, ehrgeiziger Extrembergsteiger mit Hang zur Selbstüberschätzung und -darstellung träfe es recht gut. Er gehört zu jener Sorte Mensch, die eine Seite kopfschüttelnd für verrückt hält, während ihr die andere überragenden Mut attestiert. Die Wahrheit, sie liegt womöglich irgendwo in der Mitte. Fakt ist auf alle Fälle, dass sich Kuriki bis Donnerstagfrüh einmal mehr auf dem Weg zum Gipfel des Mount Everest befand. Es war sein sechster Versuch, den mit 8.848 Meter höchsten Berg der Welt im Alleingang und ohne Sauerstoffflasche zu besteigen. Und als wäre das alles nicht schon Risiko genug, hat er es bei einer seiner Expeditionen im Oktober 2012 auf der gefährlichen Westroute über die Hornbein-Couloir-Schlucht probiert. Um die Herausforderung besser einschätzen zu können: Nicht vielen gelang bisher eine Solobesteigung des Everest ohne zusätzlichen Sauerstoff. Reinhold Messner war 1980 der erste, dabei beschritt er die weit weniger riskante Standardroute auf der Nordseite. Den von Kuriki gewählten Weg über die Hornbein-Couloir-Schlucht haben überhaupt erst neun Bergsteiger erfolgreich gemeistert. Bei jenem Versuch im Oktober 2012 nun, da ging es für Kuriki wegen heftiger Winde und extremer Temperaturen von unter minus 20 Grad irgendwann nicht mehr weiter. Um in der Todeszone über 7.500 Metern dem namensgebenden Schicksal zu entkommen, grub er ein Schneeloch als Notbehausung. Dort überlebte er tatsächlich einige Tage, wenn auch dehydriert und mit schweren Erfrierungen, bis ihn Sherpas in ein Camp auf 6.400 Meter Höhe brachten. Mit dem Hubschrauber wurde er in ein Krankenhaus nach Kathmandu geflogen, wo man ihm neun erfrorene, schwarz gewordene Finger amputierte. 大丈夫かな 生きあ Drei Jahre später hat Kuriki einmal mehr der Ehrgeiz gepackt. Ende August trat er vor die Presse, um einen neuen Besteigungsversuch noch heuer anzukündigen. Abgesehen davon, dass Herbstexpeditionen weit schwieriger sind als in der regulären Saison von März bis Mai, gibt es noch andere prekäre Umstände. Im vergangenen Jahr wurden 16 Sherpas von einer Lawine getötet, als sie die Südroute auf dem Everest für die erwarteten Expeditionen vorbereiten wollten. Nach diesem Unglück setzte eine Diskussion über die Sicherheitsvorkehrungen ein. Lange war fraglich, ob heuer Bergsteiger auf den höchsten Berg der Welt losgelassen würden. Die Frage erübrigte sich vorerst, nachdem bei den Erdbeben im April und Mai 8.800 Menschen in Nepal starben, darunter 18 Bergsteiger im Everest-Basislager auf 5.400 Meter Höhe. Die nepalesische Regierung gab vorerst keine Lizenzen für Gipfelstürmer aus. Dann präsentierte das Tourismusministerium auf besagter Pressekonferenz Nobukazu Kuriki – ein öffentliches Prozedere, das eher unüblich ist. Der Japaner erhielt als Einziger die Lizenz für den Everest. Wenn er es nicht schafft, wird der 8.848-Meter-Riese im Jahr 2015 zum ersten Mal seit Jahrzehnten unbestiegen bleiben. Das will Nepal verhindern. Kuriki macht sich in einer Zeit auf, in der in der Welt Unklarheit herrscht über die Sicherheit in Nepal, sagte Tourismusminister Kripasur Sherpa, diese Expedition soll Besuchern zeigen, dass sie gefahrlos kommen können. In der Bergsteigerszene sorgte dieses Unterfangen für heftiges Kopfschütteln. Ang Tshering Sherpa, Präsident der Nepal Mountaineering Association und Besitzer eines der größten Everest-Expeditionsunternehmen, bezeichnete es als rücksichtslos, jemanden im Herbst auf den Berg zu lassen. Die Tage werden kälter, führte er aus, die Wahrscheinlichkeit von Lawinen nehme zu, und die Winde können so stark werden, dass sie Menschen im wahrsten Sinne des Wortes vom Berg blasen. Was Kuriki macht, ist sehr riskant und gefährlich. Elizabeth Hawley, Chronistin tausender Everest-Expeditionen, sagte der Nachrichtenagentur Reuters unverhohlen, diesen Verrückten bei seiner Expedition zu unterstützen zeige, wie verzweifelt die nepalesische Regierung eigentlich sei. Sie werden alles unternehmen, damit die Leute wieder zurückkommen. Und hier kommt das Geld ins Spiel. Nepal gilt mit einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von umgerechnet knapp über 600 Euro als eines der 20 ärmsten Länder der Welt. In der Bergsteigersaison von März bis Mai warten hingegen Löhne von 4.000 Euro für unerfahrene Träger und bis zu 25.000 Euro für erfahrene Gruppenführer. Der Reise- und Tourismussektor machte im Jahr 2013 9,8 Prozent von Nepals Bruttoinlandsprodukt aus. Bis zum Unglück im Jahr 2014 war hier die Tendenz steigend. Ziel Nummer eins ist also, die Bergsteiger wieder auf den Everest zu bringen. Ziel Nummer zwei ist es, sie den Berg über die Südroute von Nepal aus besteigen zu lassen. Denn in Kathmandu ist die Befürchtung groß, dass wegen Sicherheitsbedenken nach den Erdbeben in Zukunft die Nordroute bevorzugt werden könnte – und die liegt auf chinesischer Seite. Am 27. September musste Kiruki seinen fünften Everest-Versuch bei 7.900 Metern abbrechen. Der Schnee sei zu tief gewesen, er habe Gewicht verloren und rissige Haut bekommen, begründete er seine Rückkehr. Am Dienstag aber verließ er Camp drei in 7.200 Metern Höhe wieder in Richtung Gipfel. Nach einigen Tagen im Lager fühle er sich wieder stark genug für die Höhe der Götter, die er über die Südroute erreichen wollte. Am Mittwoch hieß es, dass er bald die 8.000-Meter-Grenze überschreiten werde. Donnerstagfrüh schließlich brach Kiruki seinen Versuch ab. Wegen starken Windes und tiefen Schnees sei es nicht möglich, lebend zurückzukehren, wenn er den Aufstieg fortsetze, schrieb er in seinem Blog. Daher habe er entschieden, um 3.35 Uhr Ortszeit auf einer Höhe von etwa 8.150 Metern abzusteigen. Nepal wird es nicht freuen. Bauer bei Zeremonie in Dhaka ausgezeichnet: "Ich liebe es, sie zu töten". Dhaka – Ein Bauer aus Bangladesch ist zum Rattenfänger-König des Landes gekürt worden. Abdul Khaleq Mirbohor habe binnen eines Jahres 161.220 Ratten getötet, teilten die Behörden am Donnerstag mit. Zur Belohnung bekam der erfolgreichste Rattenfänger bei einer Zeremonie in der Hauptstadt Dhaka 20.000 Taka (knapp 230 Euro). Ich töte seit 1996 Ratten, sagte Mirbohor. Ich liebe es, sie zu töten. Ratten seien als Schädlinge für die Landwirtschaft und als Überträger von Krankheiten ein Feind für das ganze Land. Herr Mirbohor ist ein leidenschaftlicher Rattentöter, lobte der Leiter der Pflanzenschutzbehörde, Abul Kalam Azad. Nichts bereite ihm größere Freude, als getreidefressende Nagetiere zu töten. Der Regierungsvertreter Borhan Uddin ergänzte, Mirbohor sei vom Rattentöten geradezu besessen. Manche Nachbarn hielten ihn für verrückt. Er ist wie der Rattenfänger von Hameln, sagte Uddin. Mirbohor hat die 161.220 Ratten allerdings nicht allein getötet. Er wurde dabei vor allem von weiblichen Helfern unterstützt, die die Nagetiere in Reis- und Weizenfeldern aufspürten. Die Schwänze der getöteten Ratten schickten sie zum Beweis an die Landwirtschaftsbehörde. Die Regierung hatte den obskuren Wettbewerb ausgerufen, um der Rattenplage im Land Herr zu werden. Nach Schätzungen des Landwirtschaftsministeriums werden in Bangladesch jedes Jahr bis zu zwei Millionen Tonnen Nahrungsmittel von Ratten aufgefressen. Insgesamt haben Bauern in den vergangenen zwölf Monaten fast 13 Millionen Ratten getötet. 'Obduktionsbericht dokumentiert gravierenden Fehler. Oklahoma City – Erneut hat eine Hinrichtung in den USA schwere Zweifel am Exekutionsverfahren und an der Strafe als solcher ausgelöst. Bei der Tötung von Charles Warner im Bundesstaat Oklahoma im Jänner durch eine Giftinjektion wurde ein falsches Mittel beigemischt, wie aus dem am Donnerstag veröffentlichten Obduktionsbericht hervorgeht. Statt Kaliumchlorid sei Kaliumacetat verwendet worden. Warner wurde 18 Minuten nach Verabreichung der Giftmischung am 15. Jänner für tot erklärt. Zwar berichteten Augenzeugen, der Verurteilte habe äußerlich keine Anzeichen körperlichen Leidens gezeigt Seit Wochen kommen kaum noch Güter und Medikamente in den Himalajastaat, Nepal warnt vor einer humanitären Krise. Kathmandu/Berlin – Noch im vergangenen Jahr hatten die Menschen Narendra Modi zugejubelt. Nun verbrennen junge Nepalesen wutentbrannt Puppen mit dem Konterfei von Indiens Premierminister und skandieren Nieder mit Modi. Selten war man in Nepal so sauer auf den großen Bruder wie derzeit. Noch immer kämpft der Himalajastaat mit den Folgen des furchtbaren Erdbebens im April, nun leidet er auch noch unter einer Handelsblockade. Seit fast drei Wochen kommen kaum noch überlebenswichtige Güter über die Grenze. 5000 Lastwagen stauen sich auf der indischen Seite. Nepals Finanzminister Ram Sharan Mahat warnt bereits vor einer humanitären Krise: Benzin, Gas, Medikamente – alles wird knapp. Die Engpässe sind so dramatisch, dass Kathmandu nun sogar erwägt, Benzin aus Bangladesch oder einem anderen Drittland einzufliegen. Vor den Tankstellen bilden sich kilometerlange Schlangen, dabei bekommen ohnehin nur noch Taxis, Busse und Krankenwagen Benzin. Die wenigen Busse sind so überfüllt, dass die Menschen auf den Dächern sitzen müssen. Spitälern auf dem Land gehen die Arzneien aus. Fluggesellschaften müssen Zwischenstopps einlegen oder gar Flüge streichen, weil die Maschinen in Kathmandu nicht mehr tanken können. Und das mitten in der touristischen Hochsaison, von der sich das Land einen Schub erhofft hatte. Für die meisten Nepalesen besteht kein Zweifel, wer hinter der Krise steckt. Die allgemeine Wahrnehmung ist, dass Indien für die Blockade verantwortlich ist, schreibt etwa die Kathmandu Post. Indien stoppe die Lkws, um Nepal gefügig zu machen. Das weist Neu-Delhi von sich. Es gibt weder eine offizielle noch eine inoffizielle Blockade, erklärt der Sprecher des Außenministeriums, Vikas Swarup. Vielmehr würden die Fahrer nicht fahren, weil es auf nepalesischer Seite seit Wochen Ausschreitungen gebe. Dort protestiert bereits wochenlang die Volksgruppe der Madhesi. Der Ärger begann mit der neuen Verfassung, die Nepal am 20. September verabschiedet hatte. Diese stößt bei den Madhesi auf erbitterten Widerstand, weil sie ihnen keine eigene Provinz zugesteht. Sie fürchten, dass sie durch den neuen Zuschnitt kaum noch im Parlament vertreten sind und ausgegrenzt werden. Die Madhesi, die im südlichen Tiefland leben und etwa 30 Prozent der rund 27 Millionen Nepalesen stellen, sind eng verbunden mit den Menschen jenseits der Grenze in Bihar und Uttar Pradesh. Die Madhesi-Proteste würden von Indien dirigiert, vermutet die Nepali Times. Der Nachbar verlangt von Kathmandu, eine – so Neu-Delhi – integrative Verfassung, welche die Mitsprache der Madhesi stärkt. Nepal fühlt sich erpresst. Die kleine Republik, die eingezwängt zwischen Indien und China im Himalaja liegt, ist abhängig von Neu-Delhi: 63 Prozent aller Güter kommen auf dem Landweg aus Indien. Die Handelsroute, die nach China führte, wurde während des Erdbebens im April verschüttet. Es ist nicht das erste Mal, dass der Riese Indien zu solchen Methoden greift, um den kleinen Nachbarn zu beeinflussen. Bereits 1989 hatte die linke Kongressregierung von Rajiv Gandhi das Land, das zu den 20 ärmsten Staaten der Welt gehört, mehr als 13 Monate ausgehungert, weil man politisch über Kreuz lag. Wir brachten Benzin aus Bangladesch herein, erinnert sich der damalige Handelsminister Nar Bahadur Budhathoki. Historisch war Nepal immer enger mit Indien verbunden als mit China. Seit einigen Jahren nimmt Pekings Einfluss aber zu. Die Holzhammer-Diplomatie, wie es Medien nennen, könnte Nepal weiter in die Arme Chinas treiben. Im Volk wächst die Anti-Indien-Stimmung. Die Wut wird von Tag zu Tag größer, schreibt die Kathmandu Post. Alle indischen TV-Kanäle wurden bereits aus dem Programm verbannt. Selbst Politiker, die bisher zu Indien standen, wollen nun die Handelswege nach China ausbauen, um sich aus dem Würgegriff Neu-Delhis zu befreien. Die Krise lehrt uns, dass wir mehr Alternativen brauchen, sagte auch Finanzminister Mahat. Aber das braucht Zeit. US-Polizist erschoss Jugendlichen Tamir Rice in Parkanlage wegen Spielzeugpistole. Washington – Nach den tödlichen Schüssen auf einen mit einer Spielzeugpistole hantierenden schwarzen Jugendlichen im US-Staat Ohio hat die Staatsanwaltschaft am Samstag Expertengutachten vorgelegt, die den Polizeischützen entlasten. Ein Beamter der Bundespolizei FBI im Ruhestand und ein Staatsanwalt aus Denver befanden übereinstimmend, dass der weiße Polizist Timothy L. angemessen gehandelt habe. Sie verwiesen auf einen Notruf, in dem der Bub als Mann mit einer Waffe bezeichnet worden sei. Tamir Rice war Ende November in einer Parkanlage in Cleveland erschossen worden. Die Polizisten hielten eine Waffenattrappe, die der Bub in den Händen hatte, nach eigenen Angaben für echt. Aufnahmen einer Überwachungskamera zeigten, dass die Beamten direkt nach der Ankunft am Ort des Geschehens Schüsse auf den Teenager abgaben. Angaben eines Anrainers, der beim Anruf bei der Polizei von einer vermutlich unechten Waffe sprach, waren den Beamten offenbar nicht bekannt. Die tödlichen Schüsse auf Rice waren einer von vielen Vorfällen, bei denen weiße US-Polizisten in den vergangenen Monaten unbewaffnete Afroamerikaner erschossen. Landesweit gab es deswegen immer wieder Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt. Im Fall Rice empfahl ein Gericht im Juni die Einleitung eines Strafverfahrens gegen die beiden beteiligten Polizisten. Bis zur Entscheidung der Staatsanwaltschaft über eine Anklageerhebung könnten noch Monate vergehen. Aus den neuen Gutachten will die Staatsanwaltschaft nach eigenen Angaben vorerst keine Schlüsse ziehen. Die Beweisaufnahme wird fortgesetzt, hieß es in einer Mitteilung. Veröffentlicht wurde neben den beiden Gutachten auch ein Bericht der Verkehrspolizei. Die Anwälte von Rices Familie warfen der Staatsanwaltschaft vor, den Vorfall ohne Anklage aus der Welt schaffen zu wollen. Die hinzugezogenen Experten stünden auf Seiten der Polizei, erklärten sie. Flagge der "Bearded Villains" zeigt gekreuzte Schwerter. Stockholm – In Schweden hat ein Treffen von Bartträgern, die vor einer schwarzen Fahne mit gekreuzten Schwertern posierten, die Polizei auf den Plan gerufen: Die von einem Passanten alarmierten Ordnungshüter wollten dem Verdacht nachgehen, dass es sich um eine Versammlung von Terroristen des Islamischen Staats handeln könnte. Dies berichtete am Montag Mitveranstalter des Treffens, Andreas Fransson. Der 32-Jährige gehört zu dem ursprünglich aus den USA stammenden Club Bearded Villains (etwa: bärtige Schurken), der sich für viele wohltätige Zwecke einsetzt. Dazu zählen laut Fransson der Kampf gegen Ungerechtigkeit, Homophobie, Rassismus und Unterdrückung. Das verdächtige Treffen fand am Samstag vor einem Herrenhaus am Vättersee im Süden Schwedens statt. Die Flagge, die bei dem Treffen für ein Foto hochgehalten wurde, wandere von Club zu Club um die Welt, berichtete Fransson. Es würden überall Fotos gemacht, um unsere Gemeinschaft zu zeigen. Die beiden alarmierten Polizisten seien am Samstag lachend wieder abgezogen, berichtete der 32-Jährige weiter. Es sei ein lustiger Zwischenfall gewesen. Zugleich sei es aber auch schade, dass wir mit dem Islamischen Staat in Verbindung gebracht werden, wenn man an unsere gemeinnützigen Aktivitäten denkt. Neues Video von Ausbruch des Drogenbosses veröffentlicht, in dem laute Hammer- und Bohrgeräusche zu hören sind. Mexiko-Stadt – Wo sich Joaquín El Chapo Guzmán derzeit befindet, ist für Mexikos Behörden weiterhin ein Rätsel. Dafür wurden nun neue Details der spektakulären Flucht des Drogenbosses aus dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano bekannt. In einem vom Fernsehsender Televisa am Mittwoch veröffentlichten Video ist zu sehen und vor allem zu hören, wie die Gefängniswärter auf laute Hammer- und Bohrgeräusche aus der Zelle El Chapos nicht reagieren. #Exclusiva Audios y más detalles de la fuga del Chapo Guzmán http://t.co/QZThseMo1Z pic.twitter.com/lXlWp3qp5B In den Aufnahmen der Überwachungskamera vom 11. Juli sieht man, wie El Chapo während der lauten Geräusche zunächst auf dem Bett liegt und fernsieht, die Lautstärke hochdreht, auf die Toilette geht, den TV-Sender und dann seine Schuhe wechselt und schließlich durch ein Loch in der Dusche entschwindet. Von dort – das war bereits bekannt – türmte der Chef des Sinaloa-Kartells durch einen etwa 1,5 Kilometer langen Tunnel. Parallel dazu zeigte Televisa auch die Aufnahmen der Kamera im Überwachungsraum. Zu sehen sind zahlreiche Gefängniswärter, die weder auf die lauten Geräusche noch auf die Abwesenheit Guzmáns reagieren. Erst nach 25 Minuten werden sie auf die leere Zelle aufmerksam, zwei Wärter inspizieren sie und finden das Loch. Darüber informierten sie die Zentrale per Funk. Alarm wurde allerdings erst knapp drei Stunden später ausgelöst. Da war El Chapo längst über alle Berge, die Behörden gehen davon aus, dass seine Flucht 15 Minuten dauerte. Die mexikanischen Behörden, für die der Ausbruch des Drogenbosses ein schwerer Schlag war, hatten Teile der Videoaufnahmen bereits veröffentlicht, allerdings ohne die lauten Hammer- und Bohrgeräusche. Warum, ist bislang noch nicht klar. Ein Sprecher der Bundesstaatsanwaltschaft konnte in einer ersten Reaktion auch nicht bestätigen, dass die nun publizierten Geräusche authentisch sind. Wegen Guzmáns Gefängnisausbruchs wurden bisher 34 Personen als mutmaßliche Fluchthelfer festgenommen, 23 ehemalige Gefängnisbeamte sowie zehn weitere Verdächtige. Darunter befinden sich die frühere Leiterin des nationalen Strafvollzugs und der ehemalige Direktor des Gefängnisses El Altiplano. Zudem hat die mexikanische Polizei vergangene Woche einen Piloten gefasst, der den Drogenboss nach der Flucht geflogen haben soll. Tausende Soldaten und Polizisten im ganzen Land suchen derzeit nach El Chapo. Die USA haben ein Kopfgeld von fünf Millionen Dollar (4,6 Millionen Euro) auf ihn ausgesetzt. Die mexikanische Generalstaatsanwaltschaft bietet 60 Millionen Pesos (3,4 Millionen Euro) für Hinweise, die zu seiner Verhaftung führen. Muslime wollten Tiere zum Schlachter bringen. Neu-Delhi – Weil er heilige Kühe angeblich zum Schlachter bringen wollte, ist ein Muslim in einem indischen Dorf von einem Mob zu Tode geprügelt worden. Die Menge habe am Freitag fünf Männer im Bundesstaat Himachal Pradesh angegriffen, teilte die Polizei mit. Der Grund: Die fünf Muslime wollten angeblich 15 Ochsen und Kühe in einem Lastwagen in den benachbarten Bundesstaat Uttar Pradesh schmuggeln. Die Verletzten seien ins Krankenhaus gebracht worden, wo einer der Männer gestorben sei, sagte die Polizeichefin des Bezirks Sirmaur. Kühe gelten vor allem den Hindus als heilig. Das Schlachten der Tiere ist in mehreren indischen Bundesstaaten untersagt, unter anderem in Himachal Pradesh und Uttar Pradesh. Die vier mutmaßlichen Schmuggler seien wegen Tierquälerei festgenommen worden, sagte die Polizeichefin. Die Angreifer seien aber bisher noch nicht identifiziert. Bereits vor einigen Wochen war ein 55-jähriger Muslim in Uttar Pradesh gelyncht worden, nachdem es Gerüchte gegeben hatte, wonach er Rindfleisch gegessen haben soll. Hindus stellen die klare Mehrheit in Indien. Etwa 180 Millionen unter 1,25 Milliarden Indern sind Muslime. Damit sind sie aber die größte Minderheit im Land. (APA, 16.10.2015) Heißester Oktobertag und drittheißester Tag überhaupt. Rio de Janeiro – Mit 42,8 Grad wurde am Freitag der heißeste Oktobertag in Rio de Janeiro seit 100 Jahren gemessen. In praller Sonne wurden im Zentrum teilweise sogar Werte bis 50 Grad gemessen. Es gab einen Ansturm auf die Strände und die Militärpolizei rüstete auf. Wie die Nachrichtenagentur Agencia Brasil unter Verweis auf das nationale meteorologische Institut berichtete, liegt der Ganzjahresrekord in der Olympiastadt bisher bei 43,2 Grad. Der Wert wurde am 26. Dezember 2012 erreicht. Dahinter folgt der 14. Jänner 1981 mit 43,1 Grad. Der nun am 16. Oktober gemessene Wert war der dritt heißeste Tag. Dabei ist in Brasilien – auf der Südhalbkugel – erst Frühling, der Sommeranfang ist am 21. Dezember. Die Strände an der Copacabana und in Ipanema waren entsprechend voll. Am Samstag gingen die Werte bei bewölktem Himmel etwas zurück. Nach einer Überfallserie von Jugendlichen im September hat die Polizei an den berühmten Stränden der 6,5-Millionen-Einwohner-Stadt, die 2016 die Olympischen Sommerspiele ausrichtet, ihre Präsenz deutlich verstärkt. Im Rahmen der Operation Sommer sind rund 700 Militärpolizisten im Einsatz. Zwischen Badenden sind kräftige Polizisten in kurzen Hosen mit Pistolen und Schlagstöcken zu sehen. Auch Hubschrauber sind im Einsatz, über 100 Kameras sind in Ipanema und Copacabana installiert, von einem zentralen Überwachungswagen haben Polizisten das Geschehen an allen Stränden im Blick – knapp 300 Tage vor Olympia will man Stärke zeigen, damit Touristen nicht von Negativschlagzeilen über unsichere Strände abgeschreckt werden. 23 Überlebende aus dem Wasser geborgen. Odessa – Bei einem Schiffsunglück vor der ukrainischen Schwarzmeerstadt Odessa sind nach Behördenangaben mindestens zwölf Menschen ums Leben gekommen. Das Ausflugsboot Iwolga mit insgesamt 36 Menschen an Bord sei etwa einen Kilometer vor der Küste gekentert, teilte die Verwaltung der Hafenstadt am Samstag örtlichen Medien zufolge mit. Retter hätten 23 Überlebende aus dem Wasser geborgen. Nach einem Passagier wurde am Abend noch gesucht. Als Grund für die Tragödie nannte Behördensprecher Wladimir Schmak einen Sturm. Das Schiff soll demnach keine Rettungswesten an Bord gehabt haben. Regierungschef Arseni Jazenjuk beauftragte eine Sonderkommission mit der Untersuchung des Unfalls. Von den Überlebenden seien 18 in ein Krankenhaus gebracht worden, hieß es. Die Iwolga hat ersten Ermittlungen zufolge am Mittag einen nahen Privathafen verlassen. Bei der Rückkehr kenterte das Schiff dann. Der Gouverneur von Odessa und georgische Ex-Präsident Michail Saakaschwili brach einen Arbeitsbesuch in der Westukraine ab. Auch Vize-Infrastrukturminister Juri Waskow wurde in Odessa erwartet. Die Millionenstadt ist der wichtigste Hafen der Ex-Sowjetrepublik Ukraine. Joaquin "El Chapo" Guzman ist nach seinem Ausbruch aus dem Gefängnis weiter auf der Flucht. Mexiko-Stadt – Der flüchtige mexikanische Drogenboss Joaquin El Chapo Guzman ist bei einem Zugriffsversuch verwundet worden – aber erneut entwischt. Der Chef des Sinaloa-Kartells habe sich Verletzungen an einem Bein und im Gesicht zugezogen, teilte das mexikanische Sicherheitskabinett mit. Die Verletzungen seien aber nicht durch eine direkte Konfrontation entstanden, hieß es, ohne weitere Details zu nennen. Laut Medienberichten wurde El Chapo verwundet, als Marineinfanteristen in Helikoptern ein Versteck in einer Ranch nahe Cosala im Grenzgebiet zwischen den Bundesstaaten Sinaloa und Durango im Nordwesten des Landes angriffen. Nach einem Bericht des US-Senders NBC schlugen Guzmans Leibwächter die Soldaten zunächst zurück. Als die Marineinfanteristen das Gebiet später zu Fuß inspizierten, entdeckten sie Kommunikationsgerät und Medikamente. El Chapo und seine Leibwächter waren offenbar auf Quads geflohen. Mit Drohnen wird nun versucht, El Chapo ausfindig zu machen. Die Zeitung El Universal spekulierte, dass es für ihn schwierig sein dürfte, einen vertrauenswürdigen Arzt zu finden. Die Geschichte der Flucht ist spektakulär – er scheint ein Netz an Helfern bis in höchste Sicherheitskreise hinein zu haben. Guzman war am 11. Juli durch einen professionell gegrabenen, 1,5 Kilometer langen Tunnel aus dem Hochsicherheitsgefängnis El Altiplano im Zentrum Mexikos geflüchtet. Schon 2001 türmte El Chapo aus einer Haftanstalt. Der 58-Jährige gilt als der mächtigste Drogenhändler der Welt und soll ein Milliardenvermögen besitzen. Der Sohn einer armen Familie verkaufte als Jugendlicher Orangen, bevor er sich in den 1980er-Jahren der Drogenbande um Miguel Angel Felix Gallardo anschloss. Nach der Festnahme des Chefs gründete Guzman das Sinaloa-Kartell. Die US-Antidrogenbehörde DEA stuft das Syndikat als multinationalen Großkonzern des organisierten Verbrechens ein. Bereits am 30. Juli sollen Marineinfanteristen in der Stadt Los Mochis dem Drogenboss ganz dicht auf den Fersen gewesen sein. Aber auch damals entwischte er seinen Verfolgern. Aufgrund von abgehörten Telefongesprächen durch mexikanische und US-Geheimdienste vermutet die Marine den Chef des Sinaloa-Kartells schon länger in seiner Heimatregion. Nach einem Bericht von El Universal wurden bei der Suche in Anwesen von Angehörigen 33 Luxusautos, Pick-ups, Motorräder und Dokumente gefunden. Angehörige setzen angeblich bis zu sechs Mobiltelefone für die Kommunikation untereinander ein. Mit Helikoptern, Fallschirmjägern und Straßensperren soll nun versucht werden, den Drogenboss in dem betreffenden Gebiet einzukreisen. Behörden schätzen, dass die Versorgung in den nächsten zwei Jahren 7,4 Milliarden Euro kosten werde. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Mexikanische Sicherheitskritische fassen sechs Verdächtige. Mexiko-Stadt – Mexikanische Sicherheitskräfte haben sechs Fluchthelfer des Drogenbarons Joaquin El Chapo Guzman festgenommen. Unter den Verdächtigen sei auch der Schwager des im Juli aus einem Hochsicherheitsgefängnis ausgebrochenen Chefs des Sinaloa-Kartells, sagte am Mittwoch die mexikanische Generalstaatsanwältin Arely Gomez. Dieser habe den Bau des Tunnels überwacht, durch den Guzman damals flüchten konnte. Zudem sei ein Pilot festgenommen worden, der den Drogenbaron in sein Versteck geflogen hatte. Die spektakuläre Flucht des Drogenbosses aus dem Hochsicherheitsgefängnis Altiplano durch einen 1,5 Kilometer langen Tunnel hatte die mexikanische Regierung im Juli in große Erklärungsnot gebracht. Anfang Oktober entkam der 58-Jährige erneut seinen Verfolgern. Guzman konnte fliehen, als Soldaten sein Versteck auf einer Ranch im Nordwesten Mexikos angriffen. Der Drogenboss wurde bei dem Zugriffsversuch am Bein und im Gesicht verletzt. Guzman war 1993 bereits einmal in Guatemala festgenommen worden. 2001 gelang ihm aber die Flucht aus einem Gefängnis im Westen Mexikos. 2014 ging er den mexikanischen Behörden nach 13-jähriger Fahndung erneut ins Netz. Nach der Flucht im Juli nahmen die Behörden bereits mehr als ein Dutzend Verdächtige fest, unter ihnen Wachleute und Verantwortliche des Gefängnisses sowie die damalige Leiterin der mexikanischen Gefängnisverwaltung. Maskierter stach auf Schüler und Lehrer ein – Ein Bub und ein Lehrer starben – Täter von Polizei erschossen. Stockholm – Der maskierte und mit einem Schwert bewaffnete Attentäter in der schwedischen Stadt Trollhättan hatte nach Informationen mehrerer schwedischer Medien rechtsextreme Ansichten. Der 21-Jährige habe über die Onlineplattform Youtube Material verbreitet, in dem Adolf Hitler und Nazi-Deutschland glorifiziert wurden, berichteten die Medien am Donnerstagabend. Er wendete sich dabei auch gegen den Islam und die Einwanderung. Die Polizei habe Ermittlungen zum möglichen politischen Hintergrund der Tat aufgenommen, berichtete das Magazin Expo. Der mit einem Schwert und mit Messern bewaffnete Täter hatte in der Früh in der südwestschwedischen Stadt einen Lehrer und einen Schüler getötet. Einen weiteren Lehrer und einen weiteren Schüler verletzt er so schwer, dass sie am Abend in Lebensgefahr schwebten. Der 21-Jährige wurde von Polizisten niedergeschossen und erlag seinen Verletzungen. Weil der Angriff so kurz vor Halloween passierte, hätten einige zunächst an einen Witz geglaubt, berichtete ein Jugendlicher dem schwedischen Fernsehen: Einige Schüler wollten ein Bild von ihm machen und das Schwert berühren. Der Polizei zufolge soll der Täter an die Türen zweier Klassenräume geklopft und auf diejenigen eingestochen haben, die geöffnet hätten. Ein Lehrer, den der Mann niederstach, starb am Tatort, ein Schüler später im Krankenhaus. Ein Lehrer und ein Schüler schwebten zunächst in Lebensgefahr. Am frühen Abend bezeichnete das Spital ihren Zustand als ernst, aber stabil. Der Täter stammte nach Angaben der Polizei aus Trollhättan. Er habe nach ersten Erkenntnissen keine Verbindung zu der Schule gehabt und sei nicht polizeibekannt gewesen. An der Schule rund 80 Kilometer nördlich von Göteborg habe nach der Tat großes Durcheinander geherrscht, erklärte ein Polizeisprecher. Wir haben Todesopfer, Jugendliche sind betroffen. Das ist furchtbar tragisch, und die Menschen sind sehr unruhig. König Carl XVI. Gustaf sprach den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Schweden steht unter Schock, sagte er laut einer Mitteilung des Königshauses. Ministerpräsident Stefan Löfven sagte nach dem Angriff: Das ist ein schwarzer Tag für Schweden. Rund 400 Kinder und Jugendliche von der ersten bis zur neunten Klasse besuchen die Schule in Trollhättan. Darunter sind viele Schüler mit Migrationshintergrund. Heuer 46 Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte – Mehrzahl verübt Tat im eigenen Ort. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Nahe Bordeaux stieß mit Seniorengruppe besetzer Bus mit Lkw zusammen und fing Feuer – Mehrere Verletzte. Bordeaux – Der Unfall ereignete sich Freitagfrüh um 7.30 Uhr auf einer Landstraße nahe des berühmten Weingebietes Saint-Emilion östlich von Bordeaux. In einer Waldpassage der Gemeinde Puisseguin geriet ein langer, aber leerer Holztransporter in einer Kurve auf die feuchte, durch Herbstblätter rutschige Gegenfahrbahn. Ein entgegenkommender Reisebus, der nach ersten Polizeierkenntnissen korrekt mit 50 km/h unterwegs entgegenkam, krachte in den Laster. An Bord waren neben dem Lenker 48 Einwohner des nahe gelegenen Dorfes Petit-Palais-et-Cornemps. Sie waren zuvor zu einem Seniorenausflug aufgebrochen. Der Bus-Chauffeur überlebte den Aufprall. Es gelang ihm noch, eine Tür zu öffnen, während sein Fahrzeug infolge einer Explosion bereits lichterlohn brannte. Acht Passagiere konnten sich ins Freie retten, vier davon mit schweren Schädel- oder Brandverletzungen. Die übrigen 41 Senioren starben in dem Flammeninferno. Der Lenker des Lasters starb bei dem Zusammenprall. Am Nachmittag wurde in seiner Fahrerkabine auch die Leiche seines dreijährigen Sohnes gefunden. An die hundert Feuerwehr- und Polizeikräfte waren mit Einsatzwagen und Hubschraubern im Einsatz. Anwohner erklärten, die Kurve habe schon immer als gefährlich gegolten. Das tragische Busunglück ist das schwerste seit zehn Jahren in Europa und seit über dreißig Jahren in Frankreich. 1982 waren im Burgund 53 Menschen, darunter 44 Kinder, in einem Busunglück gestorben. Der auf einer Visite in Athen weilende Staatspräsident François Hollande sprach von einer furchtbaren Tragödie. Premierminister Manuel Valls erklärte vor Ort, der Unfall sei ein Schock für ganz Frankreich. Das Unglück wirft auch einen Schatten auf die kürzlich erfolgte Lancierung eines Busnetzes durch das ganze Land. Es erfreut sich bereits großer Beliebtheit, da die Regionalreisen bedeutend günstiger sind als mit dem Zug. Nun wird unweigerlich die Frage nach den Sicherheitsstandards der Busse gestellt. Dass die Eisenbahn allerdings auch keine hundertprozentige Sicherheit bietet, zeigte sich am Donnerstag, als ein Regionalzug 19 Kilometer lang ohne Bremsen durch die Normandie donnerte. Nach einem Zusammenprall mit zwei Kühen auf den Geleisen war das elektronische Zugsytem ausgefallen. Bei der Fahrt durch einen Bahnhof richtete der Zug Schäden an. Dem Lenker gelang es in einer Steigung, den Zug zu stoppen und mit Blöcken sein Zurückrollen zu verhindern. Opfer waren in diesem Fall keine zu verzeichnen. Frühere Schatzmeisterin zu Finanzpraktiken befragt – Gruppe droht Verbot. Brüssel – In Brüssel hat am Montag der landesweit erste Prozess gegen zwei Scientology-Organisationen und führende Vertreter von Scientology wegen Betrugs und Erpressung begonnen. Die Staatsanwaltschaft wirft der Bewegung zudem illegale medizinische Praktiken und Verletzung der Privatsphäre vor. Wie belgische Fernsehsender berichteten, wurde zum Auftakt des Verfahrens eine frühere Schatzmeisterin zu den Finanzpraktiken von Scientology befragt. Der Frau zufolge belaufen sich die Einkünfte der umstrittenen Organisation auf wöchentlich rund 5000 Euro. Demnach arbeitete sie ehrenamtlich und war daher von Zahlungen an Scientology befreit. Ihr Mann dagegen zahlte umgerechnet fast 10.000 Euro. Sie habe praktisch Vollzeit für Scientology gearbeitet, sagte die frühere Schatzmeisterin aus. Um sich über Wasser zu halten, habe sie weitere Nebenjobs gehabt. Bei einer Verurteilung und der möglichen Einstufung der Organisation als kriminell droht Scientology in Belgien ein Verbot. Scientology-Vertreter äußerten sich vor dem Verfahren vor dem Brüsseler Strafgericht zuversichtlich, die Vorwürfe ausräumen zu können. Die in den 1950er Jahren vom Science-Fiction-Autor L. Ron Hubbard gegründete Scientology-Bewegung will nicht als Sekte bezeichnet werden. Sie gilt in den USA als Religion, in mehreren europäischen Ländern wird sie hingegen als Sekte eingestuft. Staatschef Hollande reiste mit Ministern zur Trauerzeremonie im Südwesten des Landes. Bordeaux – Mit einer Trauerfeier ist am Dienstag der 43 Todesopfer des schweren Busunglücks in Südwestfrankreich gedacht worden. Staatschef Francois Hollande reiste in der Früh begleitet von Premierminister Manuel Valls und mehreren Ministern zunächst in die östlich von Bordeaux gelegene Gemeinde Puisseguin, wo am vergangenen Freitag ein Reisebus und ein Lastwagen frontal zusammengestoßen waren. Der Präsident traf Angehörige der Opfer und ließ sich von der Polizei über den Stand der Ermittlungen zum schwersten Verkehrsunglück in Frankreich seit 33 Jahren unterrichten. Die zentrale Trauerfeier wurde anschließend in der Gemeinde Petit-Palais-et-Cornemps abgehalten. Aus der kleinen Gemeinde kamen viele der Unfallopfer. Zahlreiche Menschen versammelten sich in einem großen Zelt, das auf dem örtlichen Fußballplatz aufgebaut worden war, um Reden von Bürgermeistern aus der Region und von Staatschef Hollande zu folgen. Der Reisebus war Freitag früh auf einer kurvigen Landstraße frontal mit einem Lastwagen zusammengeprallt. Beide Fahrzeuge gingen sofort in Flammen auf und brannten komplett aus. Bei dem Unglück kamen 41 Buspassagiere ums Leben. Auch der Lkw-Fahrer und sein dreijähriger Sohn, der neben ihm saß, starben. Der Lastwagen war laut ersten Ermittlungsergebnis von seiner Spur abgekommen und auf die Gegenspur geraten – warum ist noch unklar. Offenbar versuchte der Lkw-Fahrer noch vergeblich, sein Fahrzeug zurück in die Spur zu bringen, wie der ermittelnde Staatsanwalt Christophe Auger am Montagabend sagte. Der entgegenkommende Reisebus prallte aber frontal in den Lkw. Beim Zusammenstoß rammte sich dann ein Metallteil in einen Ersatztank des Lastwagen. Der sich zerstäubende Diesel fing sofort Feuer, was erklärt, warum die Fahrzeuge so schnell Feuer fingen und komplett ausbrannten. Das Unglück von Puisseguin war der tödlichste Straßenverkehrsunfall in Frankreich seit mehr als 30 Jahren. 1982 waren bei einem Busunglück im ostfranzösischen Beaune 53 Menschen ums Leben gekommen, unter ihnen 44 Kinder. Regierung will sich nicht zu Vorwürfen äußern. Canberra – Australiens Grenzschützer haben laut Amnesty International skrupellose Schlepper bezahlt, um Flüchtlinge von ihren Küsten fernzuhalten. Die Menschenrechtsorganisation bezieht sich auf Angaben der Menschen, die an Bord waren, der Schlepper und der indonesischen Polizei, die große Geldbeträge sichergestellt hat. Menschenschmuggel wird normalerweise von Individuen, nicht Regierungen ausgeführt, aber wir haben starke Beweise, dass australische Beamte nicht nur beteiligt waren, sondern eine solche Aktion dirigiert haben, sagte AI-Flüchtlingsexpertin Anna Shea. Eine Sprecherin des Einwanderungsministers wollte sich zu den Vorwürfen nicht äußern, bevor das Ministerium den Bericht gesehen habe. Als im Juni erstmals Gerüchte über solche Zahlungen auftauchten, stritten drei Minister die Vorwürfe erst ab. Dann sagte der damalige Premierminister Tony Abbott, es handle sich um eine operative Angelegenheit und dazu gebe es keinen Kommentar. Nach den Recherchen von Amnesty haben Grenzschützer im Mai und im Juli auf dem Meer zwischen Australien und Indonesien Boote mit Dutzenden Flüchtlingen angehalten. Die Menschen seien in einem Fall unter einem Vorwand an Bord des australischen Patrouillenboots gelockt und dort mehrere Tage eingesperrt worden. Beamte hätten die Flüchtlinge dann mit wenig Nahrung und Benzin auf zwei kleinere Boote verteilt, den Schleppern 32.000 US-Dollar sowie Seekarten gegeben und sie damit zurück nach Indonesien dirigiert. Die indonesische Polizei habe die Geldscheine bei den Schleppern gefunden. Der zweite Fall sei ähnlich abgelaufen. Australien hat von Dezember 2013 bis August 2015 nach offiziellen Angaben 20 Boote mit 633 Menschen zur Umkehr gezwungen. Einwanderungsminister Peter Dutton feierte im August ein Jahr ohne einen einzigen illegalen Ankömmling, wie die Regierung Bootsflüchtlinge nennt. Canberra akzeptiert nur eine bestimmte Zahl von Flüchtlingen, die in einem anerkannten Lager im Ausland einen Antrag auf Asyl stellen. Die, die es vor der rigorosen Umkehrpolitik an Land schafften, werden in Internierungslagern in Nachbarländern festgehalten, die von Australien bezahlt werden. Australien verweigert ihnen die Einreise. In den Lagern leben etwa 1.500 Menschen. 19 Menschen in Lebensgefahr – Sieben Verdächtige festgenommen. Ankara – In der Türkei sind acht Menschen nach dem Konsum von gepanschtem Billigalkohol gestorben. 19 weitere schweben in Lebensgefahr, nachdem sie illegal hergestellten Raki getrunken hatten, wie die Zeitung Hürriyet am Donnerstag unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden berichtete. Der Anisschnaps, den die Opfer zu sich nahmen, war demnach offenbar mit Methanol gestreckt worden. Dem Bericht zufolge nahm die Polizei sieben Verdächtige fest, die für die Herstellung des tödlichen Getränks verantwortlich sein sollen. Vor zehn Jahren waren in der Türkei 22 Menschen an gepanschtem Raki gestorben. Damals wurde der islamisch-konservativen Regierung vorgeworfen, durch die stufenweise Erhöhung der Alkoholsteuer für die Verbreitung von illegal hergestelltem Schnaps mitverantwortlich zu sein. Kerosin aus Boeing 767 ausgetreten. Fort Lauderdale – Eine Passagiermaschine der Fluggesellschaft Dynamic Airways ist auf einem Rollfeld im US-Bundesstaat Florida in Brand geraten. Mehrere Menschen wurden nach Angaben der Feuerwehr verletzt. Piloten eines folgenden Flugzeugs zufolge war Kerosin aus der Boeing 767 ausgetreten, teilte die Flugaufsichtsbehörde FAA am Donnerstag mit. Passagiere hätten den Flieger über Notrutschen verlassen. TV-Sender zeigten Bilder eines ausgebrannten Triebwerks und einen großen Löschschaum-Teppich rund um das Flugzeug. Es hätte zu Mittag (Ortszeit) von Fort Lauderdale – nördlich von Miami – in die venezolanische Hauptstadt Caracas starten sollen. Die Fluggesellschaft war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. US-Justiz hatte Auslieferung wegen eines Sexualverbrechens in den 70er-Jahren beantragt. Krakau – Polen darf den Filmregisseur Roman Polanski nicht an die USA ausliefern. Das beschloss das Krakauer Bezirksgericht am Freitag. Die US-Justiz hatte von Polen eine Auslieferung Polanskis wegen eines Sexualverbrechens in den 70er-Jahren beantragt. Richter Dariusz Mazur wies in seiner mündlichen Urteilsbegründung auf die Einigung hin, die Polanski in den 70er-Jahren mit der US-Staatsanwaltschaft geschlossen hatte. Die Anwälte des Regisseurs hatten in dem Verfahren betont, dass Polanski seinen Teil der Vereinbarung eingehalten und freiwillig eine Gefängnisstrafe verbüßt habe. Auch das Gericht schloss sich dieser Ansicht an. Das Auslieferungsgesuch sei deshalb unzulässig, hieß es in der Urteilsbegründung. Bei der Urteilsverkündung war Polanski nicht im Gerichtssaal anwesend. Die Staatsanwaltschaft kann noch Berufung bei einer höheren Instanz gegen das Urteil einlegen. Das Krakauer Gericht hatte sich seit Februar mit dem Auslieferungsantrag befasst. Der 82-jährige Regisseur (Der Pianist, Rosemarys Baby) besitzt die polnische und die französische Staatsbürgerschaft. Polanski hat sich erleichtert über die Entscheidung eines polnischen Gerichts gezeigt. Ich freue mich, dass ich der polnischen Justiz vertraut habe, sagte er am Freitag im südpolnischen Krakau. Ich bin sehr glücklich, dass diese Sache vorbei ist. Das hat mich, und mehr noch meine Familie, viel Energie, Zeit und Gesundheit gekostet. Er wollte noch am Freitag zu seiner Familie nach Frankreich zurückkehren. Mann hatte nach abgelehntem Asylantrag zwei Kunden getötet. Västeras – Für den Doppelmord in einem Ikea-Möbelhaus ist ein Mann in Schweden zu einer lebenslangen Haft verurteilt worden. So entschied ein Gericht in Västeras am Freitag. Der Mann aus Eritrea hatte die 55 Jahre alte Frau und ihren 28-jährigen Sohn im August mit Messern aus der Küchenabteilung erstochen. Kurz zuvor hatte er erfahren, dass sein Asylantrag abgelehnt worden war. Nach dem Angriff hatte er sich selbst in den Bauch gestochen, aber später erklärt, er habe nicht geplant, sich umzubringen. Das Gericht sprach am Freitag von einem sehr ernsten Verbrechen. Nach dem Absitzen der lebenslang genannten Haftstrafe, die in Schweden mindestens 18 Jahre beträgt, könnte er ausgewiesen werden, sagte ein Richter der Zeitung VLT. Flughafen Heathrow strich vorsorglich 45 Flüge. London – Dichter Herbstnebel machte in Großbritannien Probleme im Flugverkehr. Auf Europas größtem Flughafen London Heathrow wurden für Montag vorsorglich rund 45 Flüge gestrichen. Vereinzelt konnten am frühen Morgen jedoch Maschinen landen. Vor allem in England und Wales ist die Sicht seit Sonntag stark eingeschränkt. Wir haben zusätzliche Ansprechpartner in den Terminals, die heute Reisenden helfen, sagte eine Sprecherin des Flughafens. Wer von oder nach London fliegen wolle, solle im Voraus bei der Fluggesellschaft nachfragen oder online den Flugstatus prüfen. Laut Wettervorhersage sollte sich der Nebel im Laufe des Vormittags langsam lichten. Rettungskräfte suchen weiter nach Unglücksopfern. Lahore – Zwei Tage nach dem Einsturz einer Fabrik im pakistanischen Lahore sind mittlerweile 23 Todesopfer geborgen worden. Mehr als hundert Menschen seien lebend aus den Trümmern des Gebäudes geholt worden, teilten die Behörden am Freitag mit. Es werde weiter nach Überlebenden gesucht, die Hoffnung schwinde jedoch. Die Fabrik für Plastiksackerl im Industriegebiet von Lahore war am Mittwochabend eingestürzt. Unklar war, wie viele Menschen sich zum Unglückszeitpunkt in dem Gebäude aufhielten. Die Behörden gingen von bis zu 200 Menschen aus. Die meisten Arbeiter waren Überlebenden zufolge zwischen 14 und 25 Jahre alt, einige aber auch jünger. Unterstützt von Spezialisten der Armee arbeiteten sich die Bergungsteams vorsichtig durch die Trümmer. Dort waren immer wieder Stimmen von Verschütteten zu hören. Laut dem 22-jährigen Arbeiter Mohammad Navid schliefen zudem Dutzende Kollegen in einem Teil des Gebäudes, zu dem die Teams noch gar nicht vorgedrungen waren. Angehörige der Vermissten versuchten verzweifelt, zu dem Gebäude zu gelangen, wurden aber von Sicherheitskräften zurückgehalten. Wenige Tage vor dem Einsturz der Fabrik waren Pakistan und Afghanistan von einem schweren Erdbeben erschüttert worden, bei dem knapp 400 Menschen getötet wurden. Die Behörden von Lahore gehen nun Vorwürfen nach, dass der Besitzer weiter produzieren und zudem ein weiteres Stockwerk bauen ließ, obwohl das Gebäude bei dem Beben beschädigt worden war. Viele Gebäude in Pakistan weisen Baumängel auf, immer wieder kommt es deshalb zu schweren Unglücken. Im vergangenen Jahr starben beim Einsturz einer Moschee in Lahore 24 Menschen. Im September 2012 kamen bei einem Brand in einer Textilfabrik in Karachi 255 Menschen ums Leben. Die Besitzer wurden wegen Mordes angeklagt, doch der Prozess gegen sie hat bis heute nicht begonnen. Frau starb in israelischer Klinik, Mann in Bukarest. Bukarest – Zehn Tage nach dem verheerenden Brand im Bukarester Musikclub Colectiv ist die Zahl der Toten auf 47 gestiegen. Eine Frau starb am Montag in einer Klinik in Israel, wohin sie Tage vorher verlegt wurde, ein Mann erlag seinen Verletzungen in Bukarest. Weil es in Rumänien zu wenig Spezialbetten für Brandverletzte gibt, waren in den vergangenen Tagen 35 Patienten ins Ausland – auch nach Wien – gebracht worden. In Rumänien lagen am Montag noch 72 Verletzte der Brandkatastrophe in Krankenhäusern, teilte das Gesundheitsministerium in Bukarest mit. Das Unglück war Anlass für heftige Straßenproteste, in deren Folge Ministerpräsident Victor Ponta zurücktrat. Viele Rumänen machen Korruption und damit die Regierung für das Unglück verantwortlich. Der Brand brach Ermittlern zufolge wegen einer Feuerwerksshow aus, für die der Club keine Genehmigung hatte. Mann hatte 2014 jüdische Zentren angegriffen und drei Menschen erschossen. Washington – In den USA ist ein 74-jähriger Attentäter zum Tode verurteilt worden, der im April vergangenen Jahres bei Angriffen auf jüdische Einrichtungen drei Menschen erschossen hatte. Der Richter am Gericht in Johnson im Staat Kansas verurteilte Frazier Glenn Cross am Dienstag Medienberichten zufolge wegen Mordes zum Tod durch die Giftspritze. Er hatte damals auf dem Gelände eines jüdischen Gemeindezentrums sowie vor einem jüdischen Altersheim drei Menschen erschossen. Ihr Versuch, diese Gemeinde zu terrorisieren, ist gescheitert, sagte Thomas Kelly Ryan bei der Urteilsverkündung. Anwesend waren auch Angehörige und Freunde der Opfer, von denen keines jüdisch war. Der Angeklagte schrie bei der Verlesung des Urteils den Richter an, dann versuchte er, aus seinem Rollstuhl zu gelangen. Er wurde schließlich aus dem Gerichtssaal gebracht, wie Medien berichteten. Dabei zeigte er den Hitlergruß. Cross selbst hatte vor Gericht erklärt, er habe das Recht, Juden zu töten. Er steht mit dem Ku-Klux-Klan und anderen rechtsextremen Gruppen in Verbindung. Ich wollte Juden töten, keine Christen, sagte er mit Bezug auf die Identität der Opfer. Eines Tages wird mein Geist aus dem Grab steigen und ihr werdet wissen, dass ich Recht hatte. Ich bin ein glücklicher Mann. Jahrelang lernen Südkoreas Schüler für die Uni-Aufnahmetests. Der Druck führt oft zum Suizid. Am Donnerstagmorgen stehen über tausend Polizeieskorten an Seouls U-Bahn-Höfen in Bereitschaft, die Militärübungen werden vorübergehend ausgesetzt und der Flugverkehr eingestellt. Auch die Börse öffnet heute eine Stunde später, genau wie die meisten Büros der Zehn-Millionen-Metropole – damit die Angestellten die U-Bahnen für die Oberschüler freihalten. Wenn Südkoreas Jugend zum Uni-Eingangstest antritt, der Quintessenz des konfuzianischen Bildungshungers, dann kommt ein Land auf der Überholspur für einen Vormittag zum Stillstand. Beim Suneung entscheidet sich heute das Schicksal für über 630.000 junge Südkoreaner, denn die Uni-Wahl bestimmt wie in kaum einem anderen Land das soziale Ansehen, die Berufs- und auch die Heiratschancen. Seitdem ich eingeschult wurde, war mein ganzes Leben auf diesen einen Tag ausgerichtet, sagt der 20-jährige Im Jae-woo. Der Terminkalender des Oberschülers hätte den jedes Firmenvorstands in den Schatten gestellt: Um 6.30 Uhr klingelte der Wecker, eine Stunde später fing der Schulunterricht an. Nach dem Abendessen hockten die Schüler bis 23 Uhr unter eiserner Aufsicht der Lehrer über ihren Büchern, bis danach noch die Schulaufgaben warteten. Zu Hause bin ich meist sofort ins Bett gefallen, erinnert sich Im. Wie Hochleistungssportler haben sich die Schüler ausschließlich auf die Schule konzentriert. Dabei ging es nicht darum, fürs Leben zu lernen – sondern für die Prüfung, sagt ein Deutschlehrer, der über zwei Jahre in Seoul unterrichtet hat. Noch in den 1960er-Jahren war Südkorea das sechstärmste Land der Welt, heute zählt es zu den zehn größten Handelsmächten überhaupt. Bei dem Wirtschaftsaufschwung musste Südkorea fast gänzlich ohne natürliche Ressourcen auskommen. Also konzentrierte sich der Tigerstaat auf die Bildung der Bevölkerung. Die bestand noch vor 60 Jahren zu großen Teilen aus Analphabeten. Mittlerweile gibt es in keinem Land der Welt mehr Uni-Absolventen, und auch beim Pisa-Test sind Südkoreas Schüler Weltmeister. Sogar US-Präsident Obama lobte einst, wie sich koreanische Eltern um die Bildung ihrer Kinder sorgen – doch das ist nur die eine Seite der Medaille. Wer es auf eine der drei Top-Universitäten des Landes schafft, hat soziales Ansehen und eine Festanstellung bei den großen Mischkonzernen wie Samsung oder Hyundai so gut wie sicher. Die restlichen 98 Prozent werden auf einen Arbeitsmarkt geworfen, der der Jugend so wenig Arbeitsplätze bieten kann wie seit Jahrzehnten nicht mehr. Wer zu lange auf Jobsuche ist, wird gnadenlos von Personalabteilungen ausgesiebt, und in der konformistischen Gesellschaft Südkoreas sind zweite Chancen rar gesät. Das weiß auch Schüler Im Jae-woo. Als er damals seine 155 Prüfungsantworten um genau 15.52 Uhr abgab, lautete sein erster Gedanke: Zumindest ist es jetzt vorbei. Dabei ging es da erst richtig los. Mit meinen Noten hätte mich höchstens eine mittelmäßige Uni genommen, sagt er. Die Eltern bestanden darauf, dass er ein zweites Mal am Suneung teilnimmt. Für umgerechnet 2000 Euro im Monat schickten sie ihn zu Privattutoren und Nachhilfeinstituten. Für mich war das eine sehr schwierige Zeit, sagt Im. Ich wollte ja auch mal Zeit für andere Dinge haben als nur das ständige Auswendiglernen für den Test. Als einzigem aller OECD-Länder ist Suizid in Südkorea die häufigste Todesursache unter Teenagern. Ebenso führt das Land Jahr für Jahr die Liste der unglücklichsten Jugendlichen an – als Hauptgrund wird in Umfragen stets der schulische Leistungsdruck genannt. Im April sind zwei 16-Jährige in der Stadt Daejeon in den Tod gesprungen. Auf ihrem Abschiedsbrief stand geschrieben: Wir hassen Schule. Schüler Im Jae-woo sagt heute rückblickend über seine Schulzeit: Dieses System hat mich so frustriert, dass ich beinahe aufgegeben hätte. Auch wenn seine Prüfungsergebnisse beim zweiten Suneung noch schlechter ausfielen, hat er dennoch seine Zuversicht wiedergefunden: Heute bin ich mir sicher, dass es nicht nur diesen einen Weg gibt zum Erfolg und für ein glückliches Leben. Beim Jogye-Tempel in der südkoreanischen Hauptstadt Seoul wurden eigene Plätze für jene Eltern eingerichtet, die für den Erfolg ihrer Kinder bei den Uni-Aufnahmetests beten wollen. Fund bei Notarzteinsatz in Oberfranken – Mutmaßliche Mutter festgenommen. Bayreuth – Nach dem Fund von mindestens acht Babyleichen in einem Haus in Deutschland hat die Polizei die mutmaßliche Mutter festgenommen. Die 45-Jährige gelte als tatverdächtig, teilte ein Polizeisprecher am Freitagabend mit. Man habe sie in einer Pension in Kronach ausfindig machen können, sagte er weiter. Sie war demnach in Begleitung eines 55 Jahre alten Mannes, der nun ebenfalls vernommen werden sollte. Weitere Einzelheiten nannte er mit Verweis auf die laufenden Befragungen und Ermittlungen nicht. In der Nacht auf Freitag hatten die Ermittler in Wallenfels zunächst die sterblichen Überreste von mindestens sieben Babys entdeckt. Am Freitagnachmittag fanden sie eine weitere Säuglingsleiche. Die Kinder waren in Handtücher und Plastiksackerln gewickelt. Die tatverdächtige Frau hatte bis vor kurzem in dem Haus gelebt. Gleich nach den Funden hatte die Polizei damit begonnen, nach ihr zu suchen. Am Freitag begann die Obduktion der Leichen, Ergebnisse dazu werden erst in der kommenden Woche erwartet. Deshalb blieb zunächst unklar, ob die Babys überhaupt nach der Geburt gelebt haben, wie sie starben und wann. Noch keine Informationen über Verletzte. Tokio – Der Südwesten Japans wurde von einem Erdbeben der Stärke 7 erschüttert. Das Hypozentrum lag im Ostchinesischen Meer, etwa 160 Kilometer von der Stadt Makurazaki in rund zehn Kilometern Tiefe. Das teilte die wissenschaftliche Behörde U.S. Geological Survey mit. Das Pazifische Tsunami-Warnzentrum in Hawaii entwarnte: Demnach bestehe keine Gefahr eines Tsunamis. Über mögliche Schäden oder Verletzte war zunächst nichts bekannt. Mehrere Kinder offenbar ohne Genehmigung an Bord – Möglicherweise zu hohes Tempo. Straßburg – Beim bisher schwersten Unglück des Hochgeschwindigkeitszugs TGV in Frankreich sind elf Menschen getötet worden. Ein verletzter Passagier sei im Krankenhaus gestorben, sagte Alexandre Chevrier von der Staatsanwaltschaft Straßburg. Die Ursache des Unfalls war auch am Montag noch unklar. Ebenso, ob bei der Testfahrt tatsächlich Kinder von Bahnmitarbeitern an Bord waren. Es gebe eine große Zahl von Verletzten, sagte Chevrier laut der Zeitung Dernieres Nouvelles dAlsace. Vier Menschen befanden sich demnach in Lebensgefahr. Die Bahngesellschaft SNCF hatte zuvor zehn Tote und 37 Verletzte bestätigt. Unter den Verletzten befinden sich laut der Nachrichtenagentur AFP auch Kinder. Der Zug war am Samstag bei einer Testfahrt auf einer neuen Hochgeschwindigkeitsstrecke im Elsass entgleist, zwei Triebwagen und sechs Waggons stürzten von einer Brücke in den Rhein-Marne-Kanal. Die regionale Nachrichtenseite France Bleu Alsace hatte gemeldet, mindestens ein Kind sei getötet worden. Das wurde zunächst nicht offiziell bestätigt. Die Behörden der Präfektur gingen von überhöhter Geschwindigkeit als Ursache aus. Der Zug soll an der Kanalbrücke nördlich von Straßburg nahe Eckwersheim mit mehr als 350 km/h unterwegs gewesen sein, berichteten Lokalmedien. Ein Zusammenhang mit den Anschlägen in Paris vom Freitag wurde vorerst ausgeschlossen. Pepy wollte die Vermutungen zunächst nicht bestätigen: Derzeit ist der Unfall unerklärbar. Auch die genaue Zahl der Menschen im Zug wurde zunächst nicht bekannt. Nach ersten Angaben der Bahngesellschaft sollen es etwa 50 gewesen sein. Der Unfall war ein schwerer Schock, sagte SNCF-Chef Guillaume Pepy. Es sei das erste tödliche Unglück mit einem TGV, seit die Schnellzüge 1981 ihren Dienst aufnahmen. Der Bahnchef betonte, dass sich ein solcher Unfall im Normalbetrieb nicht ereignen könne – es gebe automatische Sicherheitssysteme, die bei Testfahrten nicht aktiv seien. Die Fahrtenschreiber des TGV würden noch untersucht. Das Unglück ereignete sich auf einer neuen Strecke, die im April 2016 in Betrieb gehen sollte. Als Folge des Unglücks könne eine Verschiebung dieses Termins nicht ausgeschlossen werden, berichtete AFP unter Berufung auf die Bahngesellschaft. Die TGV-Schnellverbindung zwischen Straßburg und Paris soll dann nur noch eine Stunde und etwa 50 Minuten dauern. Zurzeit sind es etwa zwei Stunden und 20 Minuten. Unter den Toten sind auch vier Kinder, fünf Personen werden noch vermisst. Kos – Das Flüchtlingsdrama in der Ägäis dauert an. Am frühen Dienstagmorgen sind vor der Insel Kos weitere neun Flüchtlinge ertrunken. Darunter waren auch vier Kinder, teilte die Küstenwache mit. Mindestens fünf Menschen wurden noch vermisst. Die Küstenwache konnte sieben Personen aus dem Meer retten. Das Boot kenterte nach Informationen des staatlichen Fernsehens gegen drei Uhr nachts. Die Rettungsaktion wurde durch starken Wind erschwert. In diesem Jahr sind mehr als 600.000 Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern über die Türkei nach Griechenland gekommen. Hunderte ertranken bei dem Versuch, mit Booten das Mittelmeer zu überqueren. Kanadas Metropole will Vogelbeobachter anlocken, dabei wurde dort der am schwersten verseuchte Vogel der Welt gefunden. Vancouvers Behörden sind ehrgeizig. Es genügt ihnen nicht, dass Kanadas Westküstenmetropole stets in der Spitzengruppe der Städte mit der besten Lebensqualität erscheint. Oder dass dort bald mehr japanische Kirschbäume als in jeder anderen Stadt Nordamerikas blühen sollen. Bürgermeister Greg Robertson will dafür sorgen, dass Vancouver bis 2020 die umweltfreundlichste Stadt der Welt ist. Und nun möchten die Tourismusbehörden ihre Stadt zu einer globalen Destination für Vogelbeobachter machen. Das geschieht nicht nur aus Liebe zu den 250 Vogelarten in der City. Gemäß einem Dokument der Stadt trugen Vogelbeobachter im Jahr 2009 allein in den USA rund 39 Milliarden Dollar an den Tourismusumsätzen bei. Vancouver liegt auf dem Pacific Flyway, der Migrationsroute der Vögel von Alaska bis Südamerika, und in der Nähe des vogelreichen Deltas des mächtigen Fraser River. Die populärste Aktion von Vancouvers offizieller Vogel-Strategie ist die Wahl des City Bird, des offiziellen Stadtvogels. Einer der Vögel kam beim Internet-Voting auf über 700.000 Stimmen – das ist mehr als Bürgermeister Robertson bei der letzten Wahl erhielt. Der Stadtvogel für 2016 ist bereits gewählt: Es ist der Wanderfalke. Er gilt als der Tarnkappenbomber der Vogelwelt, sagt die Biologin Robyn Worcester, er ist mit bis zu 340 Stundenkilometern auch das schnellste Tier der Welt. Der Wanderfalke jagt Tauben und Enten und erregt Furcht in den Köpfen vieler, heißt es auf der Website Vancouvers. Aber an solche Vogelangriffe aus der Luft denken die Tourismusbehörden nicht, wenn sie Werbung für die Vielfalt ihrer Vogelbevölkerung machen. Sie verschweigen auch eine problematische Entdeckung: In der Umgebung von Vancouver wurde heuer der am schwersten mit Zivilisationsgiften verseuchte Vogel der Welt gefunden. Es war ein Rundschwanzsperber, und der Giftgehalt in seinem Körper war deutlich höher als etwa bei Vögeln auf einer Müllhalde voller elektronischer Geräte in China. Im Rundschwanzsperber fanden sich hohe Mengen der polybromierten Diphenylether (PBDE) einem Flammschutzmittel, mit dem früher Computer, Stereoanlagen, Fernseher und Autos behandelt wurden. Der feuerfeste habichtartige Vogel dürfte Spatzen erlegt und verspeist haben, die sich in Müllhalden bedienten. Wir waren überrascht, so hohe Schadstoffwerte in einer sogenannten grünen Stadt zu finden, erklärte Professor Kyle Elliott, Ornithologe von der McGill-Universität in Montreal. Elliott hofft, dass mit dem jetzigen Verbot von PBDE künftig auch weniger Verseuchung in den Vögeln Vancouvers gefunden wird. Sonst könnten die hochfliegenden Pläne der Stadtbehörden einen rasanten Taucher erleben, vielleicht noch schneller als der Sturzflug eines Wanderfalken. Zu 30 Jahren Haft verurteilt – Verteidigung kündigte Berufung an. St. Denis/Paris – Wegen des brutalen Mordes an einer jungen Frau ist ein Mann in Frankreich zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 25-jährige Angeklagte wurde am Freitag für schuldig befunden, 2012 seine damalige Freundin bei lebendigem Leib verbrannt zu haben. Das Gericht in Seine-Saint-Denis sah es als erwiesen an, dass der Elektriker die Gymnasiastin, mit der er eine konfliktreiche Beziehung führte, bei gefesselten Händen auf einer Matratze im Untergeschoß eines Hauses anzündete habe. Die Frau starb an den schweren Verbrennungen. Der Angeklagte bestritt bis zuletzt vor Gericht seine Schuld. Er behauptete, seine Freundin lebend in dem Zimmer zurückgelassen zu haben. Nach seinem Schlusswort brach er in Tränen aus. Die Richter gingen mit ihrem Urteil über die Forderung der Staatsanwaltschaft hinaus, die 25 Jahr Haft gefordert hatte. Der Verurteilte muss mindestens 20 Jahre seiner Strafe absitzen. Die Verteidigung will gegen das Urteil, das sie als unverhältnismäßig bezeichnete, in Berufung gehen. Die Familie des Opfers zeigte sich erleichtert. Zentralratspräsident: Hass auf Juden und Intoleranz fester Bestandteil ihrer Kultur – Israelitische Kultus Gemeinde: Warnung vor einem Erstarken des Antisemitismus. Berlin – Der Zentralrat der Juden in Deutschland fordert ein Limit für den Zuzug von Flüchtlingen. Über kurz oder lang werden wir um Obergrenzen nicht herumkommen, sagte Zentralratspräsident Josef Schuster der Zeitung Die Welt (Montagausgabe) laut Vorausbericht. Er plädierte zugleich für kontrollierte Zugänge in die Bundesrepublik. Schuster nannte als Begründung vor allem die Herausforderungen bei der Integration. Viele der Flüchtlinge fliehen vor dem Terror des Islamischen Staates und wollen in Frieden und Freiheit leben, gleichzeitig aber entstammen sie Kulturen, in denen der Hass auf Juden und die Intoleranz ein fester Bestandteil ist, sagte er. Denken Sie nicht nur an die Juden, denken Sie an die Gleichberechtigung von Frau und Mann oder den Umgang mit Homosexuellen. Schuster führte die Einstellungen weniger auf den muslimischen Glauben zurück, sondern eher auf die Herkunft zahlreicher Asylsuchender aus arabischen Ländern. Wenn ich mir die Orte und Länder in Europa anschaue, in denen es die größten Probleme gibt, könnte man zu dem Schluss kommen, hier handle es sich nicht um ein religiöses Problem, sondern um ein ethnisches. Wenn es so weiter gehe wie bisher, wird die Vermittlung unserer Werte zunehmend schwieriger, sagte Schuster. Die erfolgreiche Integration sei aber auch für die jüdischen Gemeinden in Deutschland wichtig. Auch Österreich ist nach Ansicht von Oskar Deutsch bei der Aufnahme der Flüchtlinge am Rande seiner Kapazitäten angelangt. Es ist die Frage, wie viele Flüchtlinge ein Land aufnehmen kann. Jetzt sind wir mehr oder weniger am Ende unserer Kapazitäten, sagte der Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) am Montag vor Journalisten in Wien. Deutsch warnte außerdem vor einem Erstarken des Antisemitismus in Österreich auch durch die Einwanderung aus den Ländern des Nahen Ostens. Diese zum Teil sogenannten Flüchtlinge hätten in ihren Ländern immer wieder Antisemitismus mitbekommen und seien von klein auf damit aufgewachsen. Es wäre schrecklich, wenn das auch in Österreich wahr würde. "Schülerinnen" zu Oralsex gezwungen – Verteidigung: Mandant habe den Frauen helfen wollen. Aarau – Ein 64-jähriger Meditationslehrer ist im Kanton Aargau in der Schweiz wegen mehrfacher sexueller Nötigung und Ausnützung einer Notlage zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Von den strafbaren Handlungen waren mehrere Frauen betroffen. Die Staatsanwaltschaft hatte bei dem Prozess am Bezirksgericht Zurzach zwölf Jahre Haft gefordert. Der Verteidiger hatte auf Freispruch plädiert mit der Begründung, sein Mandant habe den Frauen nur helfen wollen. Zusätzlich zu den neun Jahren und neun Monaten muss der Mann eine Freiheitsstrafe von 21 Monaten absitzen, die ihm vom Obergericht des Kantons Solothurn im April 2009 für ähnliche Delikte bedingt auferlegt worden war. Die Staatsanwaltschaft warf dem Beschuldigten vor, drei Frauen zum Teil über mehrere Jahre sexuell genötigt zu haben. Unter anderem soll er die Frauen, die seine Schülerinnen waren und seiner Meditationsgruppe angehörten, regelmäßig zum Oralsex gezwungen haben. Eine der drei Betroffenen soll er dazu genötigt und angestiftet haben, gegenüber der Strafuntersuchungsbehörde falsche Aussagen zu machen. 25.000 Eintrittskarten für Elizabeths 90. Geburtstag kosteten umgerechnet 70 bis 276 Euro. London – In weniger als drei Stunden sind am Dienstag alle rund 25.000 Eintrittskarten für die Feierlichkeiten zum 90. Geburtstag der Queen im kommenden Mai verkauft worden. Die Tickets gingen zu Preisen zwischen 55 und 195 Pfund (70 bis 276 Euro) weg, wie der Buckingham-Palast mitteilte. Die Einnahmen sollen an wohltätige Organisationen gehen. Die Eintrittskarten erlauben es den Besitzern, bei den Geburtstagsparaden für die britische Königin Elizabeth II. mit etwa 900 Pferden sowie 1.500 Tänzern, Musikern, Schauspielern und anderen Künstlern aus aller Welt zuzusehen. An den Umzügen beteiligen sich unter anderem rund 100 Dudelsack-Spieler. Die Paraden finden vom 12. bis 15. Mai allabendlich auf dem Gelände von Schloss Windsor statt, der Wochenendresidenz der Queen rund 40 Kilometer außerhalb von London. An allen Abenden werden Mitglieder des britischen Königshauses zugegen sein. Elizabeth II. will am letzten Abend an dem Spektakel teilnehmen, das dann live im Fernsehen übertragen wird. Die Eintrittskarten für den Abschlussabend waren als erste ausverkauft. Die Queen wurde am 21. April 1926 geboren, ihr Geburtstag wird in der Hoffnung auf besseres Wetter aber öffentlich traditionell erst im Mai gefeiert. Im Februar 1952 bestieg Elizabeth mit 25 Jahren den britischen Thron. Im September dieses Jahres wurde sie damit die am längsten regierende britische Monarchin. Bewaffnete verschanzten sich mit Geiseln in Haus: ein Täter verhaftet, mehrere weitere flüchtig – Offenbar kein Zusammenhang mit Paris-Terror. Roubaix – Die Polizei hat im nordfranzösischen Roubaix eine Geiselnahme beendet, dabei wurde ein Täter getötet. Die Geiseln blieben unversehrt, gab die Staatsanwaltschaft bekannt. Ein Geiselnehmer sei festgenommen worden, weiteren Geiselnehmern sei aber die Flucht gelungen, sagte Staatsanwalt Frederic Fevre am Dienstagabend. Die Männer hatten sich gegen 19 Uhr mit drei Geiseln – einer Frau und zwei Kindern – in einem Haus in der nahe Lille gelegenen Stadt verschanzt. Die Frau, das Mädchen und das elf Monate alte Baby seien alle in Sicherheit, hieß es. Es habe sich um die Tat einer schwerkriminellen Bande gehandelt, nicht um einen Terrorakt, erklärte der Staatsanwalt. Nach ersten Erkenntnissen habe sich die Bande die Familie gezielt ausgesucht. Zwei Täter hätten versucht, den Vater, einen Bankdirektor, in der Nähe seines Hauses als Geisel zu nehmen, um den Banktresor auszurauben. Dabei griffen jedoch Polizisten ein, der Banker konnte flüchten. Einer der Männer schoss daraufhin mit einer Kalaschnikow, mehrere von ihnen drangen ins Haus ein und verschanzten sich. Später konnten die Geiseln befreit werden, als eine Spezialeinheit das Haus stürmte. Dabei fand die Polizei die Leiche eines Geiselnehmers. Mehr als 100 Personen vermisst – "Wir werden wohl niemanden mehr lebend finden". Rangun – Nach dem verheerenden Erdrutsch in Burma haben Einsatzkräfte bis Mittwoch 115 Leichen geborgen. Wie viele Menschen insgesamt von den Erdmassen verschüttet wurden, weiß niemand. Der Vorsteher der Ortschaft Hpakant 350 Kilometer nördlich von Mandalay geht davon aus, dass noch mehr als 100 vermisst werden. Wir werden wohl niemanden mehr lebend finden, sagte Tint Swe Myint. Das Unglück passierte am Samstag, als ein künstlicher Berg mit dem Aushub aus einem Jade-Bergwerk ins Rutschen geriet. Auf den Halden graben oft hunderte Menschen in der Hoffnung, noch Edelsteine zu finden. Sie riskieren ihr Leben, aber sie brauchen das Geld zum Überleben, sagte Tint Swe Myint. Neugeborenes offenbar erst wenige Stunden alt. New York – In einer Weihnachtskrippe in New York hat ein Wachmann ein ausgesetztes Neugeborenes entdeckt. Der vermutlich erst vier bis fünf Stunden alte Bub wurde in der Holy Child Jesus Kirche im Stadtteil Queens gefunden, wie die Zeitung New York Times berichtete. Die Nabelschnur war nicht sauber durchtrennt. Dem Baby gehe es aber gesundheitlich gut. Es werde in einem Krankenhaus versorgt. Auf Bildern einer Überwachungskamera war nach Polizeiangaben zu sehen, wie eine Frau ein in ein Tuch gewickeltes Baby in die Kirche trägt. Dann verlässt sie die Kirche wieder. Ihre Identität ist nach Angaben des 28-jährigen Pfarrers Ryan Heanue unklar. Dem Verurteilten droht lebenslange Haft. Miami – In Florida ist ein Mann verurteilt worden, der vor zwei Jahren seine Frau getötet und Bilder ihrer Leiche auf Facebook veröffentlicht haben soll. Der 33-Jährige sei am Mittwoch von einer Geschworenenjury des Mordes für schuldig befunden worden, berichtete der Miami Herald unter Berufung auf Gerichtsangaben. Der Mann hatte die 26-Jährige demnach im August 2013 bei einem heftigen Streit mit acht Schüssen aus einer Pistole getötet. Vor Gericht hatten seine Anwälte argumentiert, dass er damals aus Selbstverteidigung gehandelt habe. Das Foto der Leiche war seinerzeit erst nach Stunden aus dem sozialen Netzwerk entfernt worden. Das Strafmaß wird am 11. Jänner verkündet. Dem Verurteilten droht lebenslange Haft. Keine Familie sollte jemals erleben müssen, wie ihre Tochter getötet und dann wie eine makabre Trophäe weltweit im Internet zur Schau gestellt wird, schrieb Staatsanwältin Katherine Fernandez Rundle in einer Mitteilung nach dem Urteil. Haftstrafe von zehneinhalb Jahren verhängt. Wellington – Weil sie einen Schüler zwei Jahre lang sexuell missbraucht hat, ist eine Lehrerin in Neuseeland zu zehneinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Dies berichteten Medien aus der Hauptstadt Wellington am Freitag. Der Bub sei erst zehn gewesen, als die Lehrerin anfing, ihn zu küssen und zu berühren, so die Staatsanwaltschaft. Als er zwölf war, habe sie in einem Motel Geschlechtsverkehr mit ihm gehabt. Das sei Vergewaltigung, meinte der Richter einem Bericht des New Zealand Herald zufolge, auch wenn Frauen nach neuseeländischem Recht nicht wegen Vergewaltigung angeklagt werden könnten. Sie habe den Buben ausgenutzt, als er besonders labil war, weil ein Elternteil zu dem Zeitpunkt sehr krank war. Das war extremer Vertrauensmissbrauch, zitierte die Zeitung den Richter. Die Lehrerin hatte den Buben im Prozess der Lüge bezichtigt. Ihr Anwalt machte geltend, dass die 31-Jährige schwere psychologische Probleme habe. 162 Menschen kamen im Dezember vergangenen Jahres ums Leben. Jakarta – Ein Computerproblem und Fehlentscheidungen der Piloten haben nach Überzeugung der Unfallermittler zum Absturz einer Air-Asia-Maschine im vergangenen Dezember in Indonesien geführt. 162 Menschen kamen am 28. Dezember ums Leben, als Flug QZ8501 des Billigfliegers auf dem Weg von Surabaya in Indonesien nach Singapur in die Javasee stürzte. Ein Fehler in einem Bordcomputer habe zum Abschalten des Autopiloten geführt. Die anschließenden Maßnahmen der Crew führten dazu, dass die Maschine nicht mehr kontrolliert werden konnte, heißt es in dem Bericht. Unruhen nach Erschießung eines 17-jährigen brachten Bürgermeister in Zugzwang. Chicago – Nach öffentlichen Protesten gegen den Umgang Chicagos mit dem Tod eines schwarzen Jugendlichen hat die Stadt ihren Polizeichef entlassen. Bürgermeister Rahm Emanuel gab die Entlassung Garry McCarthys am Dienstag bekannt. Die Entlassung kann als Versuch gewertet werden, wütenden Protesten und Blockaden der vergangenen Tage ein Ventil zu bieten. Die schwarze Protestbewegung Black lives matter fordert auch den Rücktritt Emanuels. Hintergrund ist der Tod des damals 17-jährigen Laquan McDonald, der von 16 Polizeikugeln getroffen wurde. Nur zwei trafen ihn im Stehen. Die Stadt hatte bis zur Anklage vergangene Woche ein ganzes Jahr gebraucht. Das kurz nach der Anklage veröffentlichte Video zeigt die Tat und war letztlich Auslöser der Proteste. Experten machen Abwassersystem und Urbanisierung verantwortlich – Weitere schwere Regenfälle erwartet. Chennai – Bei den verheerenden Überflutungen im südindischen Bundesstaat Tamil Nadu sind seit vergangenem Monat mindestens 269 Menschen ums Leben gekommen. Innenminister Rajnath Singh sprach am Donnerstag vor dem Parlament von einer katastrophalen Situation. Besonders schlimm betroffen ist die Millionenstadt Chennai. Sie habe sich quasi in eine Insel verwandelt, sagte Singh. Die Metropole mit 4,6 Millionen Einwohnern gilt als Wirtschaftszentrum der Region und ist Standort vieler Autofabriken und anderer Industrien. Mindestens 2.000 Soldaten und Katastrophenschutz-Mitarbeiter seien im Einsatz, fügte Singh hinzu. Es soll sich um die schwersten saisonbedingten Regenfälle in der Region seit 100 Jahren handeln. Die Straßen standen meterhoch unter Wasser. Hunderte Menschen waren in ihren Häusern gefangen. Essensvorräte gingen zur Neige und Geldautomaten waren leer, berichtete der Sender NDTV. Premierminister Narendra Modi machte sich Donnerstag bei einem Flug über die überflutete Region ein Bild von der Lage. Er versprach, die Regierung werde dem Bundesstaat 10 Milliarden Rupien (rund 140 Millionen Euro) für die Wiederaufbauarbeiten zur Verfügung stellen. In Teilen Chennais waren die Telefonleitungen gestört. Der Strom wurde zeitweise abgestellt, um die Bürger zu schützen. Auch der internationale Flughafen bliebt weiterhin wegen Überflutung geschlossen. Grund für die Überschwemmungen sei das schlechte Abwassersystem, viele Abflüsse seien durch Abfälle verstopft, berichtete die Zeitung The Indian Express. Auch die unkontrollierte Urbanisierung habe zu den Überschwemmungen beigetragen, sagte die Direktorin des Zentrums für Wissenschaft und Umwelt in Neu Delhi, Sunita Narain. Wir haben über die Wasserläufe gebaut und damit den gleichmäßigen Wasserablauf blockiert. Es gibt nur noch Land für Häuser, aber keins mehr für Wasser. Nach Angaben des Wetterdienstes werden bis Samstag weitere schwere Regenfälle erwartet. Die Moskauer Scientology-Kirche muss dichtmachen. Ein Gericht hat ihr den Status als Religionsgemeinschaft aberkannt. Als sich Ober-Scientologe Tom Cruise vor einigen Jahren als Hitler-Attentäter präsentierte, wurde ihm in Moskau noch der rote Teppich ausgerollt. Selbst der staatliche erste Kanal rief ihn ins Nachrichtenstudio. Gegenüber der von Cruise beworbenen Scientology-Kirche zeigten sich russische Justizbeamte weniger entgegenkommend. Das Moskauer Stadtgericht entschied, dass die Organisation die Religionsfreiheit für kommerzielle Zwecke missbrauche. Die Richter folgten der Argumentation des Justizministeriums, wonach Scientology mithilfe seines in den USA registrierten Markennamens selbst die Religionsfreiheit eingeschränkt habe. Zudem habe die Moskauer Scientology-Kirche ihre Tätigkeit nicht – wie in der Lizenz gefordert – auf die russische Hauptstadt beschränkt. Damit wird ihr der Religionsstatus entzogen, innerhalb von sechs Monaten soll die Organisation liquidiert werden. Scientology hat bereits Widerspruch angekündigt: Es ist erstaunlich, dass unserer Organisation Handlungen angekreidet werden, die für viele Religionsgemeinschaften üblich sind, an denen das Justizministerium nichts auszusetzen hat, heißt es in einer Presseaussendung von Scientology, gefolgt von dem Versprechen, sich an das Oberste Gericht Russlands zu wenden. Die Chancen auf einen Erfolg sind allerdings relativ gering: Seit Jahren versuchen die russischen Behörden den Einfluss von Scientology, die eigenen (aber wohl überhöhten) Angaben nach eine halbe Million Anhänger im Land hat, einzudämmen. Vor acht Jahren wurde das Scientology-Zentrum in St. Petersburg geschlossen, nachdem die Gesetzeshüter der Organisation das Angebot kostenpflichtiger Kurse und medizinischer Dienste ohne entsprechende Lizenz zum Vorwurf machten. 2011 hat ein russisches Gericht gar die Schriften von Scientology-Gründer Ron Hubbard als extremistisch eingestuft. Begründung: Die Texte seien auf die Formierung isolierter Gruppen ausgerichtet, die gegen den Rest der Welt kämpfen müssten. Der Sekten-Vorwurf gewissermaßen. Die in Russland führende orthodoxe Kirche bezeichnet Scientology seit jeher als totalitäre Sekte und ist freilich mit dem Begriff auch nicht sehr wählerisch. Ihre Hochphase hatte Scientology in den 1990er-Jahren, als auch andere Missionare das nach jahrzehntelangem Atheismus zu neuer Religiosität strebende Russland überschwemmten. 1994 wurde sie als Religionsgemeinschaft in Moskau registriert, die ersten Missionare sollen allerdings schon in den 1980er-Jahren in der Sowjetunion aktiv gewesen sein. Seither hat es eine Reihe von Skandalen um Scientology gegeben. Einer der größten ereignete sich nach dem Blutbad von Beslan 2004: Scientology startete kurz nach der Tragödie eine massive Werbekampagne und schaltete sogar mehrere Reklamespots, in denen sie die noch unter Schock stehenden Einwohner von Beslan in ein Zentrum für psychologische Hilfe einluden, wo sie Literatur verteilten. Die Behörden wiesen nach dem Vorfall rund 20 Scientology-Mitglieder aus der Kaukasusregion aus. Der Volltext dieses auf Agenturmeldungen basierenden Artikels steht aus rechtlichen Gründen nicht mehr zur Verfügung. Asche ging über Messina und Reggio Calabria nieder. Reggio Calabria/Messina – Bei einem der stärksten Ausbrüche der vergangenen Jahrzehnte hat der Vulkan Ätna auf Sizilien die nordöstlich gelegene Region mit Asche überschüttet. Der Flughafen von Reggio Calabria auf dem nahen italienischen Festland musste geschlossen werden. Die Flüge wurden ins rund 130 Kilometer entfernte Lamezia Terme umgeleitet, wie ein Sprecher des Flughafens mitteilte. Nach Angaben des Nationalen Instituts für Geophysik und Vulkanologie ereignete sich Donnerstag früh zwischen 2.20 Uhr und 3.10 Uhr ein kurzer, aber sehr heftiger Ausbruch. Eine Lavafontäne stieg bis zu einen Kilometer hoch, einige Brocken glühenden Materials flogen sogar bis zu drei Kilometer hoch über den Kraterrand. Eine Aschewolke zog nordöstlich in Richtung der Großstädte Messina und Reggio Calabria. Bei Morgengrauen hatte sich der Vulkan wieder weitgehend beruhigt. Die Wissenschafter sprachen von einem der gewaltigsten Ausbrüche des Ätna in den vergangenen 20 Jahren. Der mit 3.350 Metern höchste aktive Vulkan Europas verzeichnet sonst immer wieder leichtere Eruptionen. Auf beiden Seiten der Straße von Messina ging am Donnerstag ein Ascheregen nieder. Die Stadt Messina an der Nordost-Ecke Siziliens erwachte unter einer grauen Decke. Die Behörden warnten vor Gefahren im Straßenverkehr, vor allem für Zweiräder. Die Nachrichtenagentur Adnkronos meldete, dass Fußgänger in Reggio Calabria Regenschirme aufspannten und Mund und Nase mit Taschentüchern schützten. Tausende Schuss Munition – Waffen legal erworben – Zahl der Verletzten auf 21 gestiegen. San Bernardino – Nach der Schießerei mit 14 Toten im kalifornischen San Bernardino haben die Ermittler zwölf Rohrbomben im Haus der mutmaßlichen Schützen gefunden. Außerdem seien Werkzeuge zum Bombenbau sichergestellt worden, sagte Polizeichef Jarrod Burguan bei einer Pressekonferenz am Donnerstag. Sie hatten zusätzliches Material, um weitere Bomben zu bauen. Ein 28-jähriger städtischer Angestellter hatte am Mittwoch gemeinsam mit seiner 27-jährigen Ehefrau bei einer Weihnachtsfeier seines Arbeitgebers das Feuer eröffnet. Die Polizei erhöhte die Angaben zur Verletztenzahl am Donnerstag von 17 auf 21. Die Behörden identifizierten die Schützen als Syed Farook und Tashfeen Malik, die zunächst entkommen konnten und später bei einem Schusswechsel mit der Polizei ums Leben kamen. Das Ehepaar hatte offenbar ein ganzes Waffenlager zur Verfügung. Laut Burguan führten Farook und Malik mehr als 1.600 Schuss Munition mit sich, als sie sich die Schießerei mit der Polizei lieferten. Im Haus des Paares fanden die Ermittler dann rund 5.000 weitere Schuss Munition. Die vier eingesetzten Schusswaffen habe Farook legal erworben. Sie waren ausgerüstet, sagte Burguan. Sie hätten einen weiteren Anschlag verüben können. Wir haben sie abgefangen, bevor das passieren konnte. Der leitende FBI-Agent David Bowdich sagte bei der Pressekonferenz, es sei noch viel zu früh, um über die Motive der Schützen zu spekulieren. Die Behörden schlossen einen terroristischen Hintergrund ebenso wenig aus wie einen Streit am Arbeitsplatz. CNN berichtete unter Berufung auf Ermittlerkreise, dass Farook telefonisch und über soziale Onlinenetzwerke mit Terrorverdächtigen in Kontakt gestanden sei. Offenbar sei er radikalisiert gewesen, andere Motive wie Ärger im Job könnten aber auch zu der Tat beigetragen haben. Ein maskierter 21-Jähriger hatte Ende Oktober die Schule überfallen. Trollhättan – Die Schwertattacke an einer Schule in Trollhättan im Oktober schockierte Schweden – jetzt ist ein Lehrer an seinen Verletzungen gestorben. Das bestätigte die Polizei der Zeitung Dagens Nyheter. Er ist das dritte Todesopfer nach dem rassistischen Angriff kurz vor Halloween, bei dem ein maskierter junger Mann gezielt auf Schüler und Lehrer mit Migrationshintergrund eingestochen hatte. Wegen seiner Verkleidung hatten die Schüler zunächst an einen Witz geglaubt und sich sogar mit dem Täter fotografieren lassen. Ein Schüler und ein Lehrer-Assistent starben, der jetzt verstorbene Lehrer und ein weiterer Schüler wurden damals schwer verletzt. Die Polizei schoss auf den 21-Jährigen, der kurz darauf ebenfalls starb. Polizei ermittelt wegen Vandalismus. Moskau – Bei der Explosion eines selbstgebastelten Sprengsatzes an einer Moskauer Bushaltestelle sind fünf Menschen verletzt worden. Drei von ihnen seien noch im Spital, ihr Zustand sei jedoch gut, teilten die Behörden am Dienstag mit. Die Polizei ermittelte nach Angaben ihres Sprechers Maxim Koloswetow wegen Vandalismus, sie ging nicht von einem politisch motivierten Anschlag aus. Nach ersten Erkenntnissen der Polizei hatten Unbekannte am Montagabend den Sprengsatz entweder aus einem fahrenden Auto oder einem Wohnhaus auf die Haltestelle in einem Ausgehviertel der russischen Hauptstadt geschleudert. Er ähnelt demnach einem großen Knallkörper, wie er unter anderem für militärische Übungen eingesetzt wird, und zielt eher darauf ab, mit lauten Krachen zu detonieren als zu verletzen. Dennoch wurden insgesamt fünf Menschen verletzt. Ich stand an der Haltestelle, als wir plötzlich eine laute Explosion hörten. Es war furchterregend, erzählte die 28-jährige Ksenja dem Nachrichtensender LifeNews. Ich glaubte erst, dass Leute schießen würden, und bin schnell weggerannt. Ein Vertreter der Polizei sagte am Dienstag der russischen Nachrichtenagentur Interfax, Überwachungskameras hätten den Werfer des Sprengsatzes aufgenommen. Weitere Details zu dem Vorfall nannte er aber nicht. An der Bushaltestelle lag nach der Explosion zersplittertes Glas, außerdem waren mehrere Polizeiautos sowie die Feuerwehr und Krankenwagen im Einsatz. Seit der Anschlagsserie vom 13. November in Paris, bei der 130 Menschen getötet wurden, haben die russischen Behörden die Sicherheitsmaßnahmen in Moskau weiter verschärft. Staatsanwaltschaft in Brüssel fordert 18 Monate Haft. Brüssel – Eine strenggläubige Muslima soll in Belgien nach dem Willen der Staatsanwaltschaft 18 Monate ins Gefängnis, weil sie sich gewaltsam gegen eine Polizeikontrolle wegen ihrer Vollverschleierung gewehrt haben soll. Die Staatsanwaltschaft beantragte die Strafe gegen die 27 Jahre alte Stephanie D. am Dienstag beim Prozess in Brüssel, wie die Agentur Belga berichtete. Die Angeklagte selbst erschien am Dienstag nicht vor Gericht. Die Frau war im Frühjahr 2012 in der belgischen Hauptstadt festgenommen und auf eine Polizeiwache gebracht worden, als sie einen das Gesicht fast ganz verhüllenden Schleier (Nikab) trug. Solche Gewänder sind in Belgien verboten. Ein Gesetz untersagt das Tragen jedes Kleidungsstücks, welches das Gesicht ganz oder hauptsächlich verhüllt. Normale Kopftücher fallen also nicht unter das Verbot. Bei dem Prozess traten laut Belga auch mehrere Polizisten als Nebenkläger auf. Nach ihrer Darstellung hatte die Frau im Laufe der Festnahme zwei Beamte verletzt. Die Festnahme der Frau hatte für viel Aufsehen in Belgien gesorgt, nach ihr kam es zu Auseinandersetzungen zwischen aufgebrachten Jugendlichen und der Polizei im Brüsseler Problembezirk Molenbeek. Einkaufszentrum im Wert von 60 Millionen Euro "beschlagnahmt". Neapel – Die italienische Polizei hat am Donnerstag einen Großeinsatz gegen das organisierte Verbrechen in der süditalienischen Region Kampanien gestartet. Insgesamt 24 Personen seien im Großraum von Neapel festgenommen worden. Dabei handelt es sich um Mitglieder des einflussreichen Casalesi-Clans um den berüchtigten Boss Michele Zagaria. Den Festgenommenen wird unter anderem Mafia-Zugehörigkeit, Geldwäsche, Betrug und Erpressung vorgeworfen. Konfisziert wurde ein Einkaufszentrum im Wert von 60 Millionen Euro, berichteten italienische Medien. Die Camorra ist in den süditalienischen Provinzen Neapel und Caserta beheimatet, operiert aber längst weltweit. Sie ist unter anderem im Drogenhandel, Glücksspiel und der illegalen Müllentsorgung tätig. Hillary Clinton kritisiert Militärakademie wegen Konföderierten-Flagge. Washington – Acht Kadetten einer US-Militärakademie sind vom Dienst suspendiert worden, weil sie in Ku-Klux-Klan-Verkleidung für Fotos posiert hatten. Die Kadetten seien beurlaubt und hätten die Akademie am Freitag in der Früh verlassen, sagte eine Sprecherin der privaten Militärakademie The Citadel im Bundesstaat South Carolina. Die Militärschüler hatten in weißen Gewändern und mit Kopfkissenbezügen mit Löchern für die Augen über dem Gesicht für Fotos posiert. Die Verkleidung erinnerte stark an die Gewänder des rassistischen Ku Klux Klan. Der Leiter der Militärschule verurteilte die im Internet veröffentlichten Bilder als verletzend und verstörend und ordnete eine Untersuchung an. Ersten Erkenntnissen zufolge hätten die Kadetten in der Verkleidung im Rahmen eines Sketches Weihnachtslieder vorgetragen, sagte Schulleiter John Rosa. Dennoch verstießen die Bilder gegen grundlegende Werte der Akademie. Die Affäre lenkte die Aufmerksamkeit auf eine andere umstrittene Praxis in der Militärakademie. In einer Kapelle auf dem Campus wird eine Flagge der Konföderierten aufbewahrt. Diese war während des Unabhängigkeitskrieges die Fahne der Südstaaten, wird von vielen US-Bürgern heute jedoch als Symbol des Rassismus abgelehnt. Symbole des Hasses tragen nur zum Hass bei. Es ist an der Zeit, die Flagge der Konföderierten über The Citadel zu senken, schrieb die demokratische US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton am Freitag im Online-Kurzmitteilungsdienst Twitter. Eine Sprecherin der Militärakademie betonte, die Fahne gehöre zu einer Sammlung historischer Flaggen und könne nur auf Beschluss des Parlaments von South Carolina abgenommen werden. Widerstand war trotzdem zwecklos. Aalen – Ein freilaufender Ziegenbock hat auf seiner Flucht vor der Polizei in Aalen einen Streifenwagen lahmgelegt. Beim Versuch, es einzufangen, flüchtete das Tier am Samstag über Bahngleise, Straßen und einen Fluss, wie die Polizei in Baden-Württemberg mitteilte. Dabei stieß der Bock zweimal mit dem Polizeiauto zusammen und beschädigte einen Reifen so stark, dass der Wagen abgeschleppt werden musste. Am Ende zog das Tier trotzdem den Kürzeren: Es wurde eingefangen und seinem Besitzer zurückgegeben. Vier Opfer gerettet – Aktion in den USA und Südamerika. Mexiko-Stadt – Bei einem internationalen Schlag gegen Kinderpornografie sind in Lateinamerika, den USA und Spanien mindestens 60 Verdächtige festgenommen worden. Sie sollen kinderpornografisches Material übers Internet vertrieben haben, teilte die mexikanische Sicherheitskommission CNS am Sonntag mit. Bei den zeitgleich durchgeführten Razzien seien vier mutmaßliche Opfer gerettet worden, darunter drei neun, 14 und 15 Jahre alte Mädchen in Mexiko. Die großangelegte Aktion sei von südamerikanischen Sicherheitsbehörden und der US-Bundespolizei FBI koordiniert worden. Durchsuchungen gab es demnach in Spanien, den USA, Mexiko, Argentinien, Brasilien, Chile, Kolumbien, Costa Rica, Guatemala, Paraguay, Uruguay und Venezuela. Die Ermittler hatten zunächst einen Unfall angenommen, nun ermitteln sie wegen Mordes gegen den Ehemann des Opfers. Celle – Eine 36 Jahre alte Frau aus dem Kreis Celle in Niedersachsen ist an schweren Brandverletzungen gestorben, nachdem ihr Mann sie mit Benzin übergossen und angezündet haben soll. Gegen den 43-jährigen Ehemann werde wegen Mordes ermittelt, sagte Staatsanwalt Witold Franke am Dienstag zu einem Bericht der Celleschen Zeitung. Die Frau hatte mehr als zwei Wochen lang im Krankenhaus um ihr Leben gerungen. Nach der Verpuffung im niedersächsischen Bergen im November, bei der die Frau lebensgefährlich verletzt worden war, waren die Ermittler zunächst von einem Unfall ausgegangen. Später hatten Brandermittler jedoch Spuren in der Wohnung des Paares sichergestellt, die darauf hindeuteten, dass Benzin im Wohnzimmer verschüttet und das Feuer absichtlich gelegt wurde. Der Ehemann hatte eine Rauchgasvergiftung erlitten, tauchte aber kurze Zeit später unter. Anfang Dezember wurde er in Bielefeld gefasst. Er sitzt in Untersuchungshaft, hat sich laut dem Staatsanwalt aber bisher nicht zu den Vorwürfen geäußert. Die fünf Kinder des Paares werden inzwischen vom Jugendamt betreut, sie wurden bei Familien im Landkreis Celle untergebracht. Der Polizeichef der Region spricht von einem geplanten Angriff durch 80 gewalttätige Randalierer. Geldermalsen / Den Haag – Proteste gegen ein geplantes Asylwerberzentrum im niederländischen Geldermalsen sind in heftigen Krawallen ausgeartet. Rund 80 gewalttätige Randalierer hätten das Rathaus gezielt mit Steinen, Feuerwerkskörpern und Flaschen angegriffen, sagte der Polizeichef der Region, Lute Nieuwerth, auf einer Pressekonferenz am Donnerstag. Eine Anhörung zu dem Asylzentrum am Mittwochabend war wegen der Ausschreitungen abgebrochen und das Rathaus evakuiert worden. Zwei Beamte und einige Demonstranten wurden laut Polizeiangaben leicht verletzt, 14 Personen wurden festgenommen. Es war ein geplanter Angriff, sagte Nieuwerth. Beamte waren nach Angaben des Polizeichefs so bedrängt worden, dass sie Warnschüsse in die Luft abgaben. Die mobilen Einsatzkräfte der Polizei schritten ein. Zunächst hatten am Mittwochabend mehrere hundert Menschen vor dem Rathaus friedlich protestiert. Dann sei völlig überraschend eine Gruppe von rund 80 Personen zum Angriff übergegangen, sagte der Polizeichef. Darauf waren wir nicht vorbereitet. Bürgermeisterin Miranda de Vries verurteilte die Gewalt. In unserer Demokratie führen wir die Debatte mit Worten, sagte sie. Die Kleinstadt will im Jänner über das Asylzentrum entscheiden. Die niederländische Regierung reagierte entsetzt. Sitzungen der Gemeindeverwaltung müssten in einem demokratischen Rechtsstaat stattfinden können, sagte Innenminister Ronald Plasterk. Das ist eine abscheuliche Situation, sagte er im Radio. Auf einem Industriegelände der 11.000 Einwohner zählenden Stadt – die Großgemeinde selbst zählt 27.000 Einwohner – südlich von Utrecht soll eine Unterkunft für rund 1.500 Flüchtlinge entstehen. Dagegen haben zahlreiche Bürger Einwände geäußert. Sie wenden sich vor allem gegen die große Zahl von Flüchtlingen. Die Flüchtlingsaufnahme ist in den Niederlanden wie in anderen EU-Staaten umstritten. Debatten auf örtlicher und nationaler Ebene gehen mitunter mit gegenseitigen Beleidigungen von Befürworten und Gegnern einher, auch Drohbriefe tauchten bereits auf. In den Niederlanden haben sich in diesem Jahr bisher 54.000 Asylsuchende gemeldet, die meisten von ihnen Syrer. Die Regierung hatte gemeinsam mit den Gemeinden vereinbart, zusätzlich zu bestehenden Heimen Unterkünfte für rund 25.000 Personen bereitzustellen. Mehr als doppelt so viele Todesopfer wie 2014 laut Rückversicherer Swiss Re. Zürich – Bei Naturkatastrophen und von Menschen verursachten Unglücken sind 2015 rund 26.000 Menschen ums Leben gekommen. Das sind mehr als doppelt so viele wie 2014, wie der Schweizer Rückversicherer Swiss Re am Freitag mitteilte. Alleine bei dem verheerenden Erdbeben in Nepal im April gab es rund 9.000 Tote. Mehr als 5.000 Menschen starben im Sommer in Indien, Pakistan, Europa, Nordafrika und im Nahen Osten aufgrund extremer Hitze. Große wirtschaftliche Schäden blieben für die Versicherungsbranche allerdings aus: Die versicherten Schäden summieren sich vorläufigen Schätzungen zufolge auf 32 Milliarden Dollar (fast 30 Milliarden Euro). Das sind 14 Prozent weniger als 2014. Die gesamten Schäden lagen mit schätzungsweise 85 Milliarden Dollar weniger als halb so hoch wie im Durchschnitt der vergangenen zehn Jahre. Das Gros der Schäden entstand durch Naturkatastrophen. Für die teuerste Katastrophe sind allerdings Menschen verantwortlich: Die verheerende Explosion im Hafen der chinesischen Großstadt Tianjin im August wird die Branche mindestens zwei Milliarden Dollar kosten. "Loser" kritisieren Diskriminierung "ungeliebter Männer". Tokio – Eine Gruppe wütender Single-Männer hat in Tokio gegen die Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes demonstriert. Mit der kapitalistischen Veranstaltung würden Alleinstehende diskriminiert, erklärten die etwa 20 Japaner am Samstag, die sich selbst Loser (Verlierer) bei Frauen nennen. In dieser Welt wird Geld aus verliebten Menschen gesaugt, und glückliche Menschen fördern den Kapitalismus, sagte der Chef der Gruppe, die sich früher Revolutionäre Verlierer-Liga nannte und vom Kommunismus inspiriert ist. Weihnachten sei das symbolischste Ereignis für dieses Phänomen. Die Demonstranten zogen durch das belebte Tokioter Einkaufsviertel Shibuya, wo am Samstag zahlreiche Familien und Paare Weihnachtsgeschenke kauften. Zerschmettert Weihnachten, stand auf Plakaten der Gruppe. Mit der Kundgebung sollten auch ungeliebte Männer unterstützt werden, sagte ein Teilnehmer, der sich MarkWater nannte. Männer, die keine Freundin hätten oder unverheiratet seien, würden in Japan diskriminiert. In Japan gibt es zu Weihnachten keine offiziellen Feiertage. In dem mehrheitlich buddhistischen und shintoistischen Land gibt es nur wenige Christen. Weihnachten wird vor allem als romantisches Ereignis für Paare zelebriert, die Straßen von Tokio sind schon Wochen zuvor dekoriert. Die Männer-Gruppe demonstriert immer wieder gegen westliche Festtage, die nach Japan importiert wurden, so auch gegen den Valentinstag. Talmud für 9,3 Millionen Euro versteigert. Das sei das teuerste Stück Judaica, das je versteigert worden sei. New York – Sothebys meldet einen Weltrekord für Judaica: Ein fast 400 Jahre alter Talmud ist am Dienstagabend in New York für 9,3 Millionen Dollar (8,5 Millionen Euro) versteigert worden. Geschätzt war der sogenannte Bomberg-Talmud auf nur etwa sechs Millionen Dollar. Das sei das teuerste Stück Judaica, das je versteigert worden sei, hieß es vom Auktionshaus. Der Bomberg-Talmud ist so etwas wie die Gutenberg-Bibel des Judentums. Der Buchdrucker Daniel Bomberg, ein Christ, hatte zwischen 1519 und 1523 in Venedig das heilige Buch der Juden in einer ersten Gesamtausgabe gedruckt. Es umfasst in der sogenannten Babylon-Fassung neun Bände mit zusammen fast 3.500 Seiten, jeder 40 Zentimeter hoch und in Leder gebunden. Die jetzt versteigerte Ausgabe sei in einem erstaunlich guten Zustand gewesen, hieß es von Sothebys. Die Bände gehörten dem Gelehrten Richard Bruarne, nach seinem Tod 1565 lagen sie zunächst in Oxford in einer Kirche und dann 350 Jahre in der Westminster Abbey. Wer sie jetzt kaufte, wurde zunächst nicht bekannt. In dem Lokal befanden sich nur Mitarbeiter, verletzt wurde niemand. Stockholm – In einem Restaurant mitten in Stockholm ist in der Nacht zum Mittwoch ein Sprengsatz explodiert. Die Polizei fahndet nach einem unbekannten Täter. In der Nacht zum Mittwoch hatten die Ermittler einen Anruf bekommen, dass eine Person einen Sprengsatz in das Restaurant geworfen habe, sagte eine Polizeisprecherin in der schwedischen Hauptstadt der Deutschen Presse-Agentur. Es war nicht geöffnet, und niemand wurde verletzt, aber es befanden sich Mitarbeiter in dem Restaurant. Bombentechniker nahmen den Tatort unter die Lupe, um herauszufinden, was für ein Sprengkörper in dem Restaurant gelandet war. Wir wissen aber noch nicht, was da explodiert ist, sagte ein Polizeisprecher am späten Mittwochmittag. Wir haben einige Dinge vom Tatort mitgenommen, aber wir müssen sie erst untersuchen, um sicher zu sein, was es ist. Die Ermittler befragten die Angestellten des Restaurants und der Läden in der Umgebung – zunächst aber ohne Erfolg. Erkenntnisse erhofften sie sich von der Kameraüberwachung. Das Restaurant ist Teil des Berns, eines über 150 Jahre alten Etablissements, zu dem auch ein Hotel und ein Nachtclub gehören. Sieben Kinder unter den Opfern, 15 Personen gerettet. Athen – Bei der Überfahrt nach Griechenland sind Mittwochfrüh mindestens 13 Flüchtlinge vor der Insel Farmakonisi ertrunken. Darunter waren auch sieben Kinder, teilte die Küstenwache mit. 15 Menschen konnten aus dem Meer gerettet werden. Ein Flüchtling wird noch vermisst, sagte ein Offizier der Küstenwache der Deutschen Presse-Agentur. Laut Vertretern der Küstenwache ist unklar, warum das Boot sank. Zwei gerettete Flüchtlinge schwebten wegen Unterkühlung in Lebensgefahr und wurden Radioberichten zufolge in das Krankenhaus der nahe gelegenen Insel Kos gebracht. Fischer und die Küstenwache setzten am Mittwoch die Suche fort. Farmakonisi befindet sich in der Nähe der türkischen Küste. Trotz winterlicher Temperaturen und rauer See machen sich immer noch tausende Flüchtlinge auf den Weg über das Mittelmeer nach Europa. In diesem Jahr kamen nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration mehr als eine Million Flüchtlinge und Migranten in die Europäische Union, 3.700 starben auf dem Weg oder gingen verloren. Es ist laut Polizei von Brandstiftung auszugehen – Verdächtiger festgenommen. München – Bei Brandanschlägen auf zwei benachbarte Wohnhäuser im bayrischen Ort Wallerstein, in denen nach Polizeiangaben Bewohner mit Migrationshintergrund leben, sind zwölf Menschen verletzt worden, darunter sieben Jugendliche. In beiden Fällen sei von Brandstiftung auszugehen, sagte die Polizei in Augsburg am Donnerstagmorgen. Ein fremdenfeindlicher Hintergrund wurde nicht ausgeschlossen. Allerdings ermittle die Polizei in alle Richtungen. Bewohner alarmierten die Feuerwehr am Mittwochabend wegen eines Brandes im Keller in einem der Gebäude. Das laut Polizei total vermüllte Kellerabteil brannte vollständig aus. Zeitgleich bemerkte ein Bewohner im angrenzenden Nebengebäude brennende Wäsche auf einer Waschmaschine. Beim Versuch das Feuer zu löschen, erlitt der Entdecker leichte Verbrennungen an seinen Händen. Ein nach Zeugenaussagen verdächtiger Mann, der sich während der Löscharbeiten am Tatort aufhielt, wurde festgenommen. Nach Angaben der Polizei deuteten bei dem 22-Jährigen (nach vorherigen Angaben: 23-Jährigem) einige Spuren darauf hin, dass es sich um den Brandstifter handelte. Intensiv- und die Geburtsstation betroffen. Riad – Bei einem Brand in einem Krankenhaus im Südwesten Saudi-Arabiens sind mindestens 31 Menschen ums Leben gekommen. Mehr als 100 weitere Menschen seien verletzt worden, erklärte ein lokaler Sprecher des saudischen Zivilschutzes am Donnerstag. Demnach brach der Brand in der Nacht im ersten Stockwerk der Klinik aus. Dort seien unter anderem die Intensiv- und die Geburtsstation untergebracht. Die Klinik wurde nach Ausbrechen des Feuers geräumt. Feuerwehren und Rettungsteams aus der ganzen Region seien zu dem Krankenhaus geeilt, erklärte der Sprecher. Die Ursache des Brandes war zunächst unbekannt. Die Behörden haben die Ermittlungen aufgenommen. Den Angaben zufolge konnte der Brand unter Kontrolle gebracht werden. Die Küstenstadt Jasan liegt im Südwesten des islamisch-konservativen Königreichs unweit der Grenze zum Bürgerkriegsland Jemen. Zwei Wanderarbeiter aus Myanmar zum Tod verurteilt worden. Bangkok – Zwei Wanderarbeiter aus Myanmar sind am Donnerstag in Thailand für den Mord an zwei britischen Touristen zum Tod verurteilt worden. Das Provinzgericht in Koh Samui fand die beiden Angeklagten für schuldig, das britische Touristenpaar auf der Insel Koh Tao ermordet zu haben. Der Prozess war vor allem wegen der polizeilichen Ermittlungen umstritten, da den Behörden Folter der Verdächtigen und Schlamperei bei der Verwahrung von DNA-Beweisen unterstellt wurde. Im Landesinneren der Vereinigten Staaten wüteten zu Weihnachten Wirbelstürme. Washington – Frühsommerliche Temperaturen im Osten, Tornados im Süden und Winterstürme im Westen: In den USA spielt zu den Weihnachtsfeiertagen das Wetter verrückt. In den Bundesstaaten Mississippi, Tennessee und Arkansas kamen 17 Menschen durch die Wirbelstürme ums Leben. Zahlreiche Menschen wurden nach US-Medienberichten verletzt. Viele Häuser wurden beschädigt. Autos wurden umgeworfen und Bäume entwurzelt. Allein in Mississippi waren mehr als 8.000 Menschen ohne Strom. In Mississippi wurden am Mittwoch allein 14 Tornados gezählt. Auch die Bundesstaaten Indiana und Illinois waren betroffen. Die frühlingshaften Temperaturen im Osten hätten zu den Stürmen geführt, berichtete der Sender NBC News. Subtropische Luft aus dem Golf von Mexiko sorgte am Heiligen Abend an der Ostküste für Rekordtemperaturen. Die Temperaturen stiegen am Heiligen Abend in Washington und New York auf deutlich über 20 Grad Celsius. So warm war es am 4. Juli, dem US-Nationalfeiertag, sagte Tom Kines, der Wetterexperte von AccuWeather, über die erwarteten Temperaturen im Nordosten. Temperaturrekorde könnten nun fallen. Die Aufzeichnungen in den Städten an der Ostküste des Landes gehen bis Mitte des 19. Jahrhunderts zurück. Die Skigebiete in den Bundesstaaten New York und Pennsylvania bleiben laut AccuWeather geschlossen. Um die Schneekanonen laufen zu lassen, war es viel zu warm. Im Westen der USA warnte die Wetterbehörde dagegen vor Winterstürmen. Vor allem in höheren Lagen, etwa den Bundesstaaten Colorado und Utah, konnten die Menschen weiße Weihnachten feiern. 'Viele Menschen konnten rechtzeitig aus den Gebäuden fliehen – Soldat und schwangere Frau starben. Kabul/Islamabad – Bei einem schweren Erdbeben in der Grenzregion zwischen Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan sind Dutzende Menschen verletzt worden. Nach Angaben pakistanischer Medien sind ein Soldat und eine schwangere Frau getötet worden. Hunderte Häuser in den Hindukusch-Bergen wurden nach offiziellen Angaben vom Samstag beschädigt oder zerstört. Die Erschütterungen waren bis in die indische Hauptstadt Neu Delhi zu spüren. Erst vor zwei Monaten hatte ein gewaltiges Beben der Stärke 7,5 die Region erschüttert. Damals kamen mehr als 400 Menschen ums Leben. In der Region rund um das Epizentrum im Norden Afghanistans blockierten Schnee und Schlamm die Straßen und erschwerten die Arbeit der Rettungsteams. Schäden oder die genaue Zahl der Opfer können nach Angaben der Behörden wohl erst in einigen Tagen ermittelt werden. Die Zahl der Opfer aber sei gering, sagte Afghanistans Regierungsgeschäftsführer Abdullah Abdullah. Notfallteams seien unterwegs. Über Tote wurde zunächst nichts bekannt. Da das Beben langsam begann, hätten viele Menschen Zeit gehabt, aus ihren Häusern zu rennen, sagte ein Sprecher des Gouverneurs der afghanischen Provinz Badakhshan. In der Provinz wurden demnach 284 Häuser beschädigt Unbekannte eröffneten Feuer. Berlin – Bei einem Angriff mit Messern und mindestens einer Schusswaffe auf vier Männer ist in Berlin ein 31-Jähriger getötet worden. Drei weitere wurden von den Unbekannten schwer verletzt. Wie die Polizei mitteilte, hatten die Opfer am Samstag zur Mittagszeit ein Haus im Stadtteil Wedding verlassen und wollten in ein Auto steigen. Ob sie aus einer Wohnung oder einer benachbarten Gaststätte kamen, war zunächst offen. Nach ersten Erkenntnissen fuhren dann Unbekannte vor und griffen die Männer an. Danach flüchtete die Gruppe. Der genaue Tathergang war zunächst unklar. Nach Informationen der Berliner Zeitung soll es sich bei ihnen um rivalisierende Familien handeln. Die Opfer erlitten nach Polizeiangaben Schuss- beziehungsweise Stichverletzungen. Ein 31-Jähriger starb trotz Wiederbelebungsversuchen an den Folgen eines Schusses. Die anderen kamen schwer verletzt ins Krankenhaus. Tatverdächtiger von Stahlteil tödlich am Kopf getroffen. Borken – Beim Sprengen eines Kondomautomaten ist ein 29-jähriger Tatverdächtiger im Münsterland von einem Stahlteil tödlich getroffen worden. Wie die Polizei in Borken am Montag mitteilte, hatten drei Männer den Automaten in Schöppingen am Morgen des ersten Weihnachtstages in die Luft gesprengt. Unmittelbar vor der Detonation stiegen sie demnach in ein Auto. Allerdings hatte der 29-Jährige die Beifahrertür noch nicht geschlossen, als der Automat explodierte. Dabei wurde der Mann von dem abgesprengten Stahlteil am Kopf getroffen. Die beiden anderen Männer brachten den tödlich Verletzten in ein Krankenhaus im benachbarten Ahaus. Versuche, den 29-Jährigen wiederzubeleben, blieben erfolglos. Das Bargeld und die Ware aus dem gesprengten Kondomautomaten konnten Polizisten am Tatort sicherstellen – die Täter hatten nichts mitgenommen. Mann lehnte sich gegen Autotür und fiel auf Straße – Leicht verletzt. München – Während der Fahrt hat eine Autofahrerin in München ihren Ehemann aus dem Wagen verloren. Wie die Polizei am Montag mitteilte, war der 28-Jährige am Vortag vom Beifahrersitz auf die Straße gefallen, weil er sich gegen die Autotür lehnte und diese sich aus zunächst ungeklärten Gründen öffnete. Der Mann wurde nur leicht verletzt, aber ambulant in einem Krankenhaus behandelt. Er war nach Polizeiangaben nicht anschnallt, weil sich der Gurt in der Tür verklemmt hatte. Der Mann hatte deswegen an einer roten Ampel die Tür geöffnet und den Gurt gelöst. Kurz nachdem seine 30 Jahre alte Frau wieder losgefahren war, passierte das Missgeschick. Ordnungskräfte haben in China einen schlechten Ruf – 75 Menschen werden immer noch vermisst. Peking – Nach dem gigantischen Erdrutsch von einer Bauschutthalde im chinesischen Shenzhen hat sich der zuständige Behördenchef das Leben genommen. Der Chef der für den Bezirk zuständigen Behörde habe sich in den Tod gestürzt, teilte die Polizei am Montag mit. Erst am Sonntag hatten Medien über den Suizid des Betreibers einer Gipsmine berichtet, bei deren Einsturz ein Mensch ums Leben gekommen war. Bei dem Erdrutsch in Shenzhen, durch den mehr als 30 Gebäude verschüttet wurden, kamen nach offiziellen Angaben sieben Menschen ums Leben. 75 gelten noch als vermisst. Laut der Zeitung des für Bodenschätze zuständigen Ministeriums stammte die Lawine von einer Bauschutthalde in einem alten Steinbruch, die unsachgemäß befüllt worden war. Der Erd- und Schuttberg erreichte eine Höhe von 100 Metern, bevor er sich durch heftigen Regen in eine gigantische Schlammlawine verwandelte und sich über ein Industriegebiet von Shenzhen ergoss. Die städtischen Ordnungskräfte, die in China als Chengguan bekannt sind, sind für die Einhaltung von Recht und Ordnung zuständig, etwa was Verkaufsstände oder das Halten von Haustieren angeht. Wegen ihres oft brutalen Vorgehens haben sie in den vergangenen Jahren jedoch einen zunehmend schlechten Ruf bekommen. 2013 etwa wurde ein Wassermelonenverkäufer von einem Chengguan zu Tode geprügelt. Einem Bericht zufolge, der später gelöscht wurde, war der Stadtbeamte, der sich nun das Leben genommen hat, für die Aufsicht der Befüllung der Bauschutthalde in Shenzhen zuständig. Muss sich für Fall von 2004 verantworten. Harrisburg (Pennsylvania) – Nach Missbrauchsvorwürfen dutzender Frauen soll sich der US-Komiker Bill Cosby wegen eines sexuellen Übergriffs erstmals vor Gericht verantworten. In dem Strafverfahren gehe es um einen Fall im Bundesstaat Pennsylvania aus dem Jahr 2004, teilte die Staatsanwaltschaft des Bezirks Montgomery am Mittwoch bei einer Pressekonferenz mit. Ein Haftbefehl wurde ausgestellt. Mr. Cosby hat das Opfer gedrängt, Pillen zu nehmen und Wein zu trinken. Danach war sie bewegungsunfähig, und Mr. Cosby hat sie sexuell missbraucht, sagte der Staatsanwalt. Insgesamt mehr als 50 Frauen haben den einstigen Star der Cosby Show beschuldigt, sie unter Drogen gesetzt und sexuell missbraucht zu haben. Der Schauspieler hat bisher alle Schuld von sich gewiesen und sieben Frauen wegen ihrer Anschuldigungen geklagt. Cosby drohen zehn Jahre Haftstrafe. Der Ankläger sagte bei der Pressekonferenz, die Beweislage sei erdrückend. Es gehe nach den Gesetzen des Staates Pennsylvania um schwere sexuelle Nötigung. Die betroffene Frau hatte sich bereits nach dem Vorfall Anfang 2004 an die Polizei gewandt, damals hatte es aber keine Beweise gegeben. Im Sommer dieses Jahres haben wir neue Beweismittel bekommen, und wir sind durch eine große Menge Material gegangen. Es gibt jetzt sehr viele Fakten, die die Vorwürfe untermauern, sagte der Staatsanwalt. Am Nordpol könnte es um 30 Grad wärmer werden als sonst, ein starkes Tief im Norden von Island hat einen starken Sturm im Gepäck. Washington/Wien – Wie auf einem Förderband wird die warme Luft der Azoren im Moment nach Spitzbergen jenseits des Polarkreises transportiert. Vier Grad Celsius hat es im Moment auf den Inseln, auf denen sich durch das ewige Eis auch die weltweite Pflanzensamenbank befindet. Normalerweise liegt die Durchschnittstemperatur im Dezember bei minus 14 Grad. Schuld an den hohen Temperaturen sind mehrere Tiefdruckgebiete über dem Atlantik und ein mächtiges Hoch über dem Baltikum, das die Druckgegensätze verstärkt, so Roland Reiter vom Wetterdienst Ubimet. Auch der Nordpol ist von den warmen Luftströmungen betroffen. Ein Modell des Globalen-Prognose-Systems sagt vorher, dass auch dort die Temperaturen auf den Gefrierpunkt ansteigen könnten. Nimmt man – wie viele Experten – an, dass die durchschnittliche Wintertemperatur um minus 30 Grad liegt, so würde das einen Anstieg um 30 Grad Celsius bedeuten (siehe Grafik). Und es braut sich noch mehr zusammen: Ein schwerer Sturm wütet im Moment nördlich von Island, dessen Kerndruck bei 920 Hektopascal liegt. Das allein sagt noch nichts über die Intensität des Sturmes aus, doch legt das ein starkes Tief nahe, das nur etwa alle zehn Jahre über Island auftritt. Aussagekräftig ist schlussendlich der Druckgradient, der umso stärker ist, je näher die Gebiete mit gleichem Luftdruck beieinanderliegen. Die Washington Post zitiert den Umweltblogger Robert Scribbler, der davon ausgeht, dass sich der Sturm mit zwei weiteren Tiefdruckgebieten über dem Nordatlantik verbinden und ein wahrhaft extremes Sturmsystem bilden könnte. Vor allem Island und Großbritannien müssten sich dann auf starke Niederschläge und ein Ansteigen der Wasserpegel einstellen. Im Moment hatte der Sturm Windspitzen von bis zu 370 km/h, so die Washington Post. Laut Ubimet war die Spitze des Sturmes in der Nacht auf Mittwoch erlangt. Über Großbritannien hat er sich bereits wieder abgeschwächt, und doch werden im hochwasserbetroffenen Land Windgeschwindigkeiten von bis zu 129 km/h erwartet. Am Mittwoch waren noch immer drei schwere Flutwarnungen, die auf Lebensgefahr hinweisen, in Kraft – zusätzlich blieben 46 Warnungen, die zum sofortigen Handeln auffordern, in England und Wales in Kraft. In Schottland waren es mehr als 60. Denn Sturm Frank – wie er von der britischen Wetterbehörde genannt wird – bringt auch schwere Niederschläge mit sich. Der Grund für die extremen Wetterereignisse, wie die Überschwemmungen in Großbritannien, Wirbelstürme in den USA oder die Buschfeuer in Australien, soll laut Experten für Atmosphäre das Wetterphänomen El Niño ein. Alle zwei bis sieben Jahre lässt es das Wasser des Pazifiks außergewöhnlich warm werden und kann das Wetter weltweit stören. Laut den Vereinten Nationen war das Jahr 2015 das wohl wärmste in der Geschichte des Planeten. Heuer wurde der Wärmerekord von einem Grad Celsius Temperaturanstieg gegenüber der vorindustrialisierten Zeit gemessen. 2016 könnte dieser traurige Rekord aber wieder fallen. Unangeschnallte Passagiere von den Sitzen geschleudert – Fliegende Taschen und Dosen – "Es war ein Höllenflug". Toronto – Schreckensmomente im Flugzeug: Bei Turbulenzen während eines Fluges von Air Canada sind 21 Menschen verletzt worden. Wie die Fluglinie mitteilte, geschah dies am Mittwoch während eines Fluges von Shanghai nach Toronto. Dies sei für die Passagiere eine sehr beunruhigende Erfahrung gewesen, sagte der Geschäftsführer von Air Canada, Klaus Goersch. Menschen wurden von den Sitzen geschleudert, Gepäckstücke, Decken und Getränkedosen flogen durch die Luft. Das berichteten Passagiere des Fluges AC088 kanadischen Medien nach der Landung in Calgary, wohin war der Flug umgeleitet worden war. Die meisten der Verletzten seien nicht angeschnallt gewesen, erzählte eine Reisende der National Post. Es war ein Höllenflug (...) Wir wussten wirklich nicht, ob wir das überleben, sagte die Frau. Mehrere Verletzte – Silvesterparty fand dennoch statt – Ursache des Feuers zunächst unklar. Dubai – Am Silvesterabend stand in Dubai ein Luxushotel in Flammen: Für einen Fotografen im 48. Stock des Address Downtown Hotel war es der dramatischste Jahreswechsel seines Lebens. Eine Stunde, dann wars das, dann bin ich tot, dachte der Reporter, der nicht namentlich genannt werden wollte, als er in schwindelerregender Höhe an einem Seil von einem Balkon hängend ausharrte. #Address Hotel #DubaiFire pic.twitter.com/nMibYMTGEW Das Feuer in dem 63-stöckigen Wolkenkratzer hatte ihm den Fluchtweg abgeschnitten, als er Fotos vom Silvester-Feuerwerk über der imposanten Stadt des Emirats machen wollte. Geistesgegenwärtig befestigte er ein Seil einer Arbeitsbühne für Fensterputzer, die nahe seinem Zimmer vor der Fassade hing, an seinem Gürtel und seiner Ausrüstung, und wagte die halsbrecherische Aktion – während nur zehn Meter neben ihm das Feuer brannte und er ständig fürchtete zu ersticken. Ich hatte Angst, dass ich durch den Rauch kollabieren würde, sagte der Mann. Über das Handy habe er seine Kollegen gebeten, die Rettungskräfte zu alarmieren. Mehr als eine halbe Stunde dauerte es, bis die Retter kamen. Als er Lichter sah und Schritte hörte, machte er sich durch Klopfzeichen bemerkbar. Wie Österreich berichtete und das Außenministerium bestätigte, waren sieben Österreicher ohne Verletzungen aus dem Gebäude gekommen. Die Botschaft kümmert sich um die Ausreisemodalitäten, fünf Notpässe wurden ausgestellt, hieß es auf APA-Anfrage. Kurz vor dem Silvester-Feuerwerk war in der Nähe der Feierlichkeiten der Großbrand ausgebrochen. Mittlerweile konnte das Feuer gelöscht werden. Die Feuerwehr habe die Flammen, die am Donnerstag kurz vor Beginn der großen Silvesterparty nahe des höchsten Bauwerkes der Welt ausgebrochen waren, vollständig erstickt, berichtete die Zeitung Al-Khaleej unter Berufung auf eine Quelle bei den Sicherheitsbehörden. Das Feuer sei eine halbe Stunde vor Beginn der Feierlichkeiten um Mitternacht (21.00 Uhr mitteleuropäischer Zeit) unter Kontrolle gebracht worden. Das 63-stöckige Luxushotel The Address hatte zuvor aus zunächst ungeklärter Ursache lichterloh gebrannt. Mindestens 16 Menschen wurden verletzt. Nach Angaben der Polizei stand das Hotel unweit des höchsten Wolkenkratzers der Welt, Burj Khalifa, in Flammen. Alle Hotelgäste konnten laut offiziellen Angaben in Sicherheit gebracht werden. Große Flammen schlugen über mehrere Etagen an den Wänden des Hotels hoch. Einige Hochhäuser in der Nähe des Brandortes wurden ebenfalls evakuiert. In der Nähe des Hotels hatten sich zu dieser Uhrzeit bereits um den berühmten Wolkenkratzer Burj Khalifa herum am Donnerstagabend zahlreiche Menschen versammelt, um dort das große Silvester-Feuerwerk zu sehen und an den Feiern zum Jahreswechsel teilzunehmen. Das Feuerwerk fand trotz des Großbrandes wie geplant statt. Die Ursache des Feuers war zunächst unklar. Nach Angaben von Zivilschutz-Direktor Rashed al-Matruchi waren die Flammen überwiegend nicht in das Innere des Hotels vorgedrungen. Polizei sucht nach Zeugen. Schweinfurt – Ein Kleinkaliber-Geschoss hat in der Silvesternacht in unterfränkischen Oberaurach (Landkreis Haßberge) eine Elfjährige getötet. Das gab die Polizei am Samstag bekannt – die Ermittler hatten das Projektil am Freitag bei der Obduktion des Mädchens entdeckt. Gutachter des Landeskriminalamtes bestätigten, dass das Geschoss den Tod des Mädchens verursacht habe. Wir durchsuchen derzeit den Tatort, auch mit Metalldetektoren und befragen die Nachbarschaft, sagte eine Polizeisprecherin. Nähere Angaben zur Tatwaffe und zum Tathergang machten die Beamten am Samstag nicht. Weiterhin dringend gesucht würden Zeugen, die Hinweise zum Geschehen geben könnten. Die Familie des Mädchens steht der Polizei zufolge unter Schock und wird psychologisch betreut. Das Mädchen war in der Silvesternacht am Kopf getroffen worden und bewusstlos zusammengebrochen. Trotz intensiver ärztlicher Bemühungen starb die Schülerin wenige Stunden später in einer Schweinfurter Klinik. Zum Zeitpunkt des Vorfalls war die Elfjährige zusammen mit ihrer Familie im auf der Straße unterwegs gewesen. Äußerung im Internet löste Bergarbeiterstreik aus. Bischkek – Weil er eine örtliche Delikatesse mit einem Pferdepenis verglich, droht einem Briten in Kirgistan nach Behördenangaben eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. Der für ein kanadisches Bergbauunternehmen tätige Michael Mcfeat sei festgenommen worden, sagte ein Sprecher des Innenministeriums in Bischkek am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Mcfeat hatte zuvor auf seiner Facebook-Seite geschrieben, seine kirgisischen Kollegen stünden vor Weihnachten für ihre spezielle Delikatesse, den Pferdepenis Schlange. Mit der Äußerung bezog sich der Brite auf die traditionelle Pferdefleischwurst Tschutschuk. Mcfeats Facebook-Kommentar löste einen Bergarbeiterstreik in der Kumtor-Goldmine aus, für die er arbeitet. Die Behörden werfen ihm Rassismus vor. Der Brite hatte seinen Kommentar später von seiner Facebook-Seite entfernt und geschrieben, er habe niemanden beleidigen wollen. Seine Äußerung fiel in einem ungünstigen Moment: Die kirgisischen Behörden befinden sich in einem Streit mit seinem kanadischen Arbeitgeber Centerra Gold um die Mine. Skitourengeher kam bei Bergtour in der Hohen Tatra ums Leben. Warschau/Prag/Bratislava – Infolge des starken Kälteeinbruchs nach Neujahr hat es in Polen zahlreiche Tote gegeben. Am Wochenende seien neun Menschen erfroren, berichtete der Nachrichtensender TVP Info am Sonntag. Die Zahl der Kältetoten seit 1. November sei damit auf 27 gestiegen. In der Hauptstadt Warschau wurden Sonntag früh minus 16 Grad gemessen. Der Sender berichtete auch über eine dreiköpfige Familie, die vermutlich wegen einer defekten Heizung in Niederschlesien an Kohlenmonoxid erstickt sei. Im Nachbarland Tschechien fielen die Temperaturen in der bisher kältesten Nacht dieses Winters vereinzelt bis auf minus 14 Grad. Die eisglatten Straßen waren vielerorts nur mit Vorsicht zu befahren. In der Slowakei kam ein 22-jähriger Skitourengeher bei einer Bergtour in der Hohen Tatra ums Leben. Retter fanden den Slowaken ohne Lebenszeichen am Aufstieg zum Berg Rysy (Meeraugspitze), wie die Bergwacht mitteilte. Massive sexuelle Übergriffe und Diebstähle vor Kölner Hauptbahnhof. Köln – Dutzende Frauen haben in Köln nach der Silvesternacht bei der Polizei Anzeige wegen sexuellen Übergriffen und Diebstählen erstattet. Die Polizei sprach von 60 Anzeigen. Die Täter sollen überwiegend aus dem nordafrikanischen beziehungsweise arabischen Raum stammen, sagte Polizeipräsident Wolfgang Albers am Montag. Auf dem Gelände vor dem Kölner Hauptbahnhof seien im Gedränge Frauen von Gruppen Dutzender Männer eingekreist, begrapscht und bestohlen worden. Auch zu einer Vergewaltigung soll es gekommen sein. Eine Soko Neujahr wurde zur Aufklärung der Vorfälle eingesetzt, dazu sollen die Aufzeichnungen von Überwachungskameras ausgewertet werden. Die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker trifft sich am Dienstag mit Vertretern der Polizei zu Beratungen. Laut Polizei haben in der Silvesternacht 1.000 Männer vor dem Kölner Bahnhof Frauen belästigt und ausgeraubt. Ähnliche Vorfälle soll es in Hamburg gegeben haben. Köln – Nach Übergriffen auf zahlreiche Frauen rund um den Kölner Hauptbahnhof in der Silvesternacht hat die Kölner Bürgermeisterin Henriette Reker für Dienstag ein Krisentreffen angesetzt. Daran sollen unter anderen die Kölner Polizei, die Bundespolizei und Stadtdirektor Guido Kahlen teilnehmen, wie eine Stadtsprecherin sagte. Am Silvesterabend hatten sich auf dem Bahnhofsvorplatz laut Polizei etwa 1.000 Männer versammelt, die dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammen. Das hätten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt. Ähnlich hatten sich die Polizei und die Polizeigewerkschaft in Pressemitteilungen geäußert. Aus der Menge bildeten sich demnach Gruppen von mehreren Männern, die Frauen umzingelten, bedrängten und ausraubten. Kölns Polizeipräsident Wolfgang Albers sprach am Montag von Sexualdelikten in sehr massiver Form und einer Vergewaltigung. Bis Montag lagen der Polizei 60 Anzeigen vor. Reker bezeichnete die Vorfälle als ungeheuerlich. Es könne nicht sein, dass Besucher, die nach Köln kämen, Angst haben müssten, überfallen zu werden. Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht. Polizei und Bundespolizei seien dringend gefordert. Es müssten Schritte unternommen werden, um insbesondere Frauen vor solchen Übergriffen zu schützen. Möglicherweise müsse man auch die Videoüberwachung im Hauptbahnhof ausweiten. Erst im Lauf der Silvesternacht und in den Folgetagen war das Ausmaß der Gewalt deutlich geworden. Nach Polizeiangaben waren alle verfügbaren Einsatzkräfte vor Ort. Doch die Beamten hatten anscheinend nichts von den sexuellen Übergriffen und Diebstählen gemerkt. Als zwischen 1 und 1.30 Uhr bei der Kölner Polizei und der Bundespolizei die ersten Anzeigen eingingen, habe die Polizei von dem massiven Vorgehen erfahren, sagte der NRW-Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Arnold Plickert, der Deutschen Presse-Agentur. Die Vorfälle hätten eine neue Qualität. Auch in Hamburg wurden in der Silvesternacht anscheinend mehrere junge Frauen von Männern sexuell belästigt und bestohlen. Nach bisherigen Erkenntnissen handelt es sich um zehn Fälle, teilte die Polizei am Dienstag mit. Sie ereigneten sich in St. Pauli im Bereich der Reeperbahn. Nach bisherigen Erkenntnissen sollen die Opfer im Gedränge zum Teil gleichzeitig von mehreren Männern in unterschiedlicher Gruppengröße mit südländischem oder arabischem Aussehen angegangen worden sein, teilten die Beamten mit. Dabei seien sie sexuell belästigt worden. Anschließend hätten die Opfer festgestellt, dass ihnen Wertgegenstände wie Geldbörsen und Smartphones fehlten. Betroffen waren demnach Frauen zwischen 18 bis 24 Jahren. Die Polizei rief Zeugen auf, sich zu melden. Es lägen nur vage Personenbeschreibungen der mutmaßlichen Täter vor. Der 44-jährige Brasilianer wurde von der vatikanischen Gendarmerie überwältigt. Vatikanstadt – Im Petersdom in Rom hat ein nackter Mann Aufsehen erregt. Der Besucher entkleidete sich offenbar unbemerkt hinter einer Säule oder einem Beichtstuhl und rannte im Adamskostüm zum Hauptaltar der Kirche, wie italienische Medien laut Kathpress am Dienstag berichteten. Demnach trug er nur Turnschuhe und einen Rucksack auf den Schultern. Die vatikanische Gendarmerie überwältigte den Mann am Hauptaltar. Nach Angaben der Gendarmerie handelte es sich um einen 44 Jahre alten Krankenpfleger aus Brasilien. Hintergrund der Tat sind möglicherweise psychische Probleme. Im sozialen Netzwerk Facebook posiert der Brasilianer laut den Berichten als Kardinal. Fotos von dem Vorfall verbreiteten sich binnen kurzer Zeit in den sozialen Netzwerken. Schnee und Kälte machen die Überlebensbedingungen für syrische Flüchtlinge noch prekärer. Im Libanon, einem Land mit gerade 4,5 Millionen Einwohnern, halten sich derzeit mehr syrische Flüchtlinge auf als auf dem gesamten europäischen Kontinent. Auf 1,2 bis 1,5 Millionen wird die Zahl der von Bürgerkrieg und islamistischem Terror vertriebenen Syrer geschätzt, die in inoffiziellen Flüchtlingscamps auf eine Möglichkeit zur Rückkehr in das Nachbarland warten. Weil die libanesische Regierung offizielle Lager verbietet, leben viele Flüchtlinge in Verschlägen, die eher Slums gleichen. Die Versorgung mit Nahrung und Dingen des täglichen Bedarfs konnte schon in den vergangenen Monaten nicht gewährleistet werden, weshalb sich zuletzt immer häufiger Flüchtlinge veranlasst sahen, sich von dort aufzumachen – statt in Richtung der gebeutelten Heimat aber in den Nordosten, in das verheißungsvolle Europa. Nun hält der Winter Einzug im Libanon und in den Lagern ist es um die Versorgung mit Heizmaterial und warmer Kleidung noch schlechter bestellt. Aufnahmen der Entwicklungshilfe-NGO World Vision zeigen Heranwachsende in einem Lager auf der Bekaa-Hochebene in Sandalen im Schnee stehen. Außenminister Sebastian Kurz wird Ende der Woche in den Libanon reisen, um mit seinem Amtskollegen Gebran Bassil und Premierminister Tammam Salam vor allem über die Hilfe für Flüchtlinge vor Ort zu beraten. Bisher beteiligte sich Österreich mit 11,5 Millionen Euro am EU-Syrien-Fonds (MADAD-Fonds), wodurch die Flüchtlingsversorgung in Syriens Nachbarstaaten gestützt werden soll. Es steht allerdings zu befürchten, dass durch eine alleinige Fortsetzung des Status Quo weiterhin viele Flüchtlinge die Überlebensperspektive in den Camps verlieren und nach Europa aufbrechen werden. Eine Million Menschen soll von der Türkei nach Europa kommen, wird vermutet. Berlin – Das deutsche Innenministerium rechnet einem Magazinbericht zufolge damit, dass sich heuer rund eine Million Flüchtlinge aus der Türkei auf den Weg nach Europa machen könnten. Das Magazin Der Spiegel berichtete am Samstag, diese Zahlen habe der Parlamentarische Staatssekretär Ole Schröder am Mittwoch in Brüssel bei einem Treffen unter anderen mit EU-Flüchtlingskommissar Dimitris Avramopoulos genannt. Demnach geht das Ressort von Minister Thomas de Maiziere davon aus, dass die Türkei höchstens 200.000 der Migranten zurückhalten und selbst unterbringen könne. Ein Ministeriumssprecher kommentierte den Bericht zunächst nicht. Die Türkei soll nach den Vorstellungen der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel beim Kampf gegen die illegale Einwanderung eine zentrale Rolle spielen. Die EU und die Regierung in Ankara haben dafür eine Vereinbarung geschlossen. Vorgesehen sind im Gegenzug Milliardenhilfen für die Türkei und Visa-Erleichterungen für türkische Bürger. Die EU-Kommission hatte sich in dieser Woche aber unzufrieden gezeigt. Vizepräsident Frans Timmermans will das Thema am Montag bei einem Besuch in Ankara ansprechen. Merkel hatte zuletzt am Freitag bei einem Parteitreffen ihrer Christdemokraten (CDU) die Zusammenarbeit mit der Türkei verteidigt. Ermittlungen erst nach Veröffentlichung von Video eingeleitet. Moskau – In Russland hat ein Arzt einen Patienten im Streit mit einem einzigen Schlag zu Tode geprügelt. Gegen den Chirurgen wurden Ermittlungen eingeleitet, wie die Behörden am Samstag mitteilten. Der Vorfall ereignete sich demnach bereits am 29. Dezember in der westrussischen Stadt Belgorod. Doch erst nachdem Aufnahmen der Überwachungskameras auf YouTube und im Fernsehen gezeigt wurden, ging die Justiz dem Fall nach. Das Video zeigt, wie der Arzt den Patienten von der Liege zerrt. Warum hast du die Krankenschwester angefasst? fragt er den Mann und schubst ihn aus dem Untersuchungszimmer. Als der Patient zurückkehrt, schlägt der Mediziner ihm ins Gesicht. Der Mann mittleren Alters fällt daraufhin zu Boden. Nach Angaben der Ermittler zog er sich bei dem Sturz auf den Hinterkopf ein tödliches Schädel-Hirn-Trauma zu. Der Arzt rangelte nach dem Schlag zunächst mit Begleitern des laut Medienangaben 56 Jahre alten Mannes. Erst Minuten später kümmerte er sich um den regungslosen Patienten. Wiederbelebungsversuche blieben aber erfolglos. Dem Arzt droht wegen fahrlässiger Tötung eine Haftstrafe von zwei Jahren. Einige russische Medien beschuldigten die Ermittlungsbehörden, sie hätten den Vorfall zu vertuschen versucht. Erst nach dem öffentlichen Aufschrei seien sie aktiv geworden. Die Ermittler wiesen den Vorwurf zurück. War während des Oktoberfestes 2015 mit 1,4 Promille erwischt worden. München – Der ehemalige Fußball-Profi und aktuelle Zweitliga-Trainer Stefan Effenberg (47) muss sich wegen einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss vor Gericht verantworten. Am 1. April soll der Coach des SC Paderborn im Münchner Amtsgericht auf der Anklagebank Platz nehmen. Das Gericht bestätigte am Dienstag einen Bericht der Bild-Zeitung. Während des Oktoberfestes 2015 hatte die Polizei Effenberg in München-Schwabing kontrolliert. Nach einem Atemalkoholtest wurde dem früheren Nationalspieler Blut abgenommen. Das Ergebnis lag laut Bild bei 1,4 Promille. Die Grenze für die absolute Fahruntüchtigkeit liegt bei Autofahrern bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille. Nachdem Effenberg gegen einen Strafbefehl der Justiz Einspruch eingelegt hat, steht jetzt der Gerichtstermin bevor. Effenberg hatte im September um Entschuldigung für seine Fahrt gebeten. Ich habe einen Riesenfehler gemacht, da gibt es gar nichts zu diskutieren, zitierte die Bild-Zeitung ihn damals. Es geht hier auch gar nicht darum, dass ich das nach einem Wiesn-Besuch gemacht habe, erläuterte der 47-Jährige. Es ist generell eine riesige Dummheit, Auto zu fahren, wenn man etwas getrunken hat. Ich kann dafür nur um Entschuldigung bitten. Zwei nordkoreanische Ärzte sind in Kambodscha gestorben, die Umstände sind einmal mehr mysteriös. Nordkorea ist ein sicherer Lieferant für bizarre Geschichten – wahre und unwahre. Die jüngste Episode dieser Art ereignete sich Anfang Jänner, als zwei nordkoreanische Ärzte in Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh starben – am selben Ort, zur selben Zeit, aufgrund derselben Ursache. Während einer Neujahrsfeier mit Landsleuten sollen die Ärzte An Hyong-chan (56) und Chol Ri-mun (50) laut Angaben ihrer Witwen, die im selben Krankenhaus arbeiteten, exzessiv Bier und Reiswein getrunken haben. Zu Hause überprüften die Frauen den Gesundheitszustand ihrer Ehemänner: über 40 Grad Fieber, unregelmäßiger Herzschlag, schwacher Puls. Aus Sorge sollen sie ihnen ein bislang noch unbekanntes Serum injiziert haben. Wenig später erlagen die Ärzte einem Herzinfarkt. Einem Bericht zufolge sollen in dem Spital kürzlich zwei weitere Nordkoreaner infolge übermäßigen Alkoholkonsums gestorben sein. Die Polizei bestätigte das bisher aber nicht. Immer wieder kursieren ungewöhnliche Todesmeldungen von Nordkoreanern. Viele Spekulationen stellen sich jedoch als falsch heraus: So soll Diktator Kim Jong-un seine Exfreundin hinrichten haben lassen – kurze Zeit später tauchte sie dann bei einem Fernsehauftritt wieder auf. Gesichert ist jedoch, dass bereits früher nordkoreanische Ärzte im Ausland ums Leben kamen. In Nigeria etwa wurden 2013 drei Mediziner getötet, vermutlich von der Terrororganisation Boko Haram. Insgesamt arbeiten laut NGOs mehr als 60.000 Nordkoreaner im Ausland, wo sie jährlich rund 211 Millionen Euro zu erwirtschaften – auf Baustellen in Katar, in chinesischen Restaurants und in tschechischen Textilfabriken. Die Arbeiter leben meist abgeschirmt und überwacht in eigenen Wohnheimen, arbeiten sieben Tage die Woche und müssen den Großteil ihres Einkommens an den Staat abliefern. Wer den Auslandsaufenthalt zur Flucht nutzt, riskiert Haftstrafen für die zurückgebliebenen Familienmitglieder. Sportminister kritisierte Lehrer der verschütteten Schülergruppe. Lyon/Grenoble – Nach dem Lawinenunglück in den französischen Alpen trauert Lyon um zwei getötete Schüler. Im Hof ihrer Schule gedachten die Mitschüler am Donnerstag mit einer Schweigeminute der Opfer, wie die Regionalzeitung Le Progres berichtete. Wir stehen noch unter Schock, sagte einer der Schüler dem Blatt. Für den Abend war nach Angaben von Bürgermeister Gerard Collomb eine Gedenkfeier geplant. Unterdessen wollen die Behörden die Umstände des Unglücks auf einer gesperrten Piste in der Wintersportstation Les Deux Alpes südöstlich von Grenoble aufklären. Zehn Oberstufen-Schüler aus Lyon und ihr Lehrer waren dort am Mittwochnachmittag von der Lawine überrascht worden. Zwei Jugendliche und ein ausländischer Skifahrer, der nicht zu der Gruppe gehörte, starben. Der Lehrer wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht. Am Gipfel der Piste war ein Netz angebracht, um zu zeigen, dass die Piste gesperrt ist, sagte Didier Bobillier von der Wintersportstation dem Radiosender Europe 1. Wie kann man auf die Idee kommen, Kinder nach Perioden starken Schneefalls auf eine gesperrte Piste zu führen?, fragte Sportminister Patrick Kanner am Mittwochabend. Die Staatsanwaltschaft ordnete eine Untersuchung an. Ermittlungsverfahren gegen 35-Jährige wegen "Tötung eines Kindes bei der Geburt" eingeleitet. Zell am See/Schwarzach – Der Fall einer Kindestötung ist am Freitag in Salzburg bekannt geworden. Eine 35-jährige Frau soll ihr Baby zwischen 6. und 7. Jänner in ihrer Unterkunft im Bezirk Zell am See geboren haben. Polizisten hatten das Baby tot in einem Mistkübel in der Küche der Wohnung entdeckt, eingepackt in einen Plastiksack. Eine Obduktion ergab, dass das Neugeborene bei der Geburt noch gelebt hatte. Die Frau, die als selbstständige Pflegehelferin arbeitet, hatte nach der Geburt das Krankenhaus Schwarzach im Pongau aufgesucht und über Bauchschmerzen geklagt. Die Ärzte schöpften Verdacht und erstatteten Anzeige. Die Frau erklärte, dass das Kind bereits bei der Geburt tot war, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Salzburg, Robert Holzleitner, am Freitag. Es habe sich um einen weiblichen Säugling gehandelt. Die bisher unbescholtene Frau wurde auf freiem Fuß angezeigt, die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Tötung eines Kindes bei der Geburt nach Paragraf 79 Strafgesetzbuch. Bei einem Schuldspruch drohen der Beschuldigten ein bis fünf Jahre Haft. Fünf weitere Personen befinden sich im Spital. Die Behörden kündigten Untersuchung an. Rennes – Nach heftigen Nebenwirkungen bei einem Medikamententest in Frankreich liegt ein Versuchsteilnehmer hirntot im Krankenhaus. Vier weitere Probanden leiden unter neurologischen Beschwerden, die Ärzte fürchten bei einigen von ihnen möglicherweise unumkehrbare Schäden. Ihre Not hat mich erschüttert, sagte Gesundheitsministerin Marisol Touraine am Freitag. Die französischen Behörden kündigten eine Untersuchung an. Nach Angaben Touraines erhielten bereits 90 Freiwillige in unterschiedlichen Dosen den Wirkstoff, der vom portugiesischen Pharmahersteller Bial entwickelt wurde. Das Unternehmen Biotrial führte den Test in Rennes in der Bretagne durch. Bei den Opfern handle es sich um Männer, die das Medikament mehrfach zu sich genommen hatten. Wir wissen zu diesem Zeitpunkt nicht, wo die genauen Gründe des Unfalls liegen, betonte Touraine. Der getestete Wirkstoff enthalte entgegen erster Medienberichte kein Cannabis. Er wirke im Körper auf das Endocannabinoid-System im Nervensystem, das eine Rolle beim Kampf gegen Schmerzen spiele. Den Wirkstoff nannte sie nicht. Er ziele auf Stimmungsschwankungen sowie auf motorische Störungen bei neurodegenerativen Erkrankungen. Biotrial erklärte, der Versuch sei in voller Übereinstimmung mit den internationalen Bestimmungen durchgeführt worden, auch alle unternehmensinternen Verfahrensweisen seien befolgt worden. Bial äußerte sich zunächst nicht, kündigte aber eine Stellungnahme an. Ein weiterer Versuchsteilnehmer hat zwar keine Symptome, ist aber zur Beobachtung im Krankenhaus. Die sechs Männer im Alter von 28 bis 49 Jahren hatten am 7. Jänner mit der Einnahme des Medikaments begonnen, am vergangenen Sonntag (10. Jänner) traten bei einem von ihnen die ersten Symptome auf – er liegt inzwischen auf der Intensivstation und ist nach Angaben der Ärzte hirntot. Am Tag darauf brach das Labor den Test ab. Professor Gilles Edan von der Uniklinik Rennes sagte, derzeit könne noch keine Prognose zum Zustand der Verletzten abgegeben werden. Der Wirkstoff befand sich in Phase 1 der klinischen Studie, die die Voraussetzung für eine Marktzulassung ist. In Phase 1 werden Medikamente erstmals an gesunden Freiwilligen auf Verträglichkeit getestet. Touraine sagte, das Medikament sei zuvor an mehreren Tierarten getestet worden, darunter Schimpansen. Alle Zwischenfälle oder Nebenwirkungen müssen den Behörden sofort gemeldet werden. In der Regel werden die Wirkstoffe in der Testphase 1 sehr niedrig dosiert. Außerdem finden die Tests immer unter ärztlicher Beobachtung statt. Deshalb ist es ein absolut außergewöhnliches Ereignis, dass bei so einer frühen Testphase ein Teilnehmer stirbt oder in ein Krankenhaus kommt, sagte Rolf Hömke vom Verband Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Dem Experten ist nur ein ähnlicher Vorfall in Großbritannien aus dem Jahr 2006 bekannt, bei dem ein Wirkstoff gegen Multiple Sklerose getestet wurde. Fünf Minuten nach der Einnahme zeigten sechs von acht Männern schwere Reaktionen. Wenige Stunden später stellten Ärzte multiples Organversagen fest. Die Patienten schwebten tagelang in Lebensgefahr, ein Mann lag drei Wochen im Koma. Der Wirkstoff stammte von der Würzburger Pharmafirma TeGenero, das wenige Monate später Insolvenz anmelden musste. Nach dem TeGenero-Desaster wurden die Regeln für Medikamententests noch mal sehr verschärft, die Dosierung muss nun noch viel niedriger sein, sagte Hömke. Der Informationstechniker John Robinson und seine Frau Lisa holen ein Drittel beim prallsten Jackpot der Lotto-Geschichte. Nashville – Der Informationstechniker John Robinson und seine Frau Lisa haben ein Drittel des mit 1,58 Milliarden US-Dollar (1,45 Mrd. Euro) prallsten Jackpots der Lotto-Geschichte gewonnen. Das bestätigte die Lotteriegesellschaft am Freitag in Nashville (Tennessee). Die beiden Gewinner aus dem Ort Munford (Tennessee) traten am Freitag in Nashville in den Räumen der Lotteriegesellschaft Powerball vor die Presse. Das Ehepaar hat zwei erwachsene Kinder. Ich rannte durchs Treppenhaus, ich schrie und ich heulte, beschrieb die Arzthelferin Lisa Robinson den Moment nach der Ziehung. Genauso wie ihr Mann will sie auch als Multimillionärin weiter zur Arbeit gehen. Die Robinsons haben eines der drei Gewinnertickets. Sie hätten sich noch nicht entschieden, ob sie die Einmalzahlung oder eine über 29 Jahre gestreckte Auszahlung in Jahresraten bevorzugen. Bei der ersten Variante würden sie 327,8 Millionen Dollar bekommen, bei der zweiten 528,8 Millionen. Die Inhaber zweier weiterer Gewinner-Tippscheine, aufgegeben in der Nähe von Los Angeles und in Florida, haben sich noch nicht bei der Lotto-Zentrale gemeldet. Die Robinsons kündigten an, zunächst einmal die Studentendarlehen ihrer Tochter zurückzahlen zu wollen. Ein großes Haus wollen sie nicht bauen. Das wollte ich früher nicht, das will ich immer noch nicht, sagte Lisa Robinson. Gemeinsam mit Ehemann, Tochter und Hund war sie zunächst in einer Fernsehshow aufgetreten, bevor sie den Gewinn offiziell anmeldete. Nordrhein-Westfalens Innenminister will "Zeichen für mehr Sicherheit" setzen. Köln – Zum Karneval sollen in Köln rund 2.400 Polizisten zusätzlich für Sicherheit sorgen. Wir erhöhen die Polizeipräsenz deutlich, wenn so viele Menschen zusammenkommen, erklärte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger am Sonntag in Düsseldorf. Die Polizei setze damit ein deutliches Zeichen für mehr Sicherheit. Nach Angaben des Innenministers handelt es sich um 2.400 Kommissaranwärter des vorletzten und letzten Studienjahres, die gemeinsam mit ihren Ausbildern in Köln eingesetzt werden. Die Bürger sollten unbeschwert und sicher die tollen Tage genießen können, begründete Jäger die Maßnahme. In der Silvesternacht war es in Köln rund um den Hauptbahnhof aus einer großen Menschenmenge heraus zu zahlreichen sexuellen Übergriffen auf Frauen und anderen Straftaten gekommen. Es gibt hunderte Anzeigen. Inzwischen wurden mehrere Dutzend Tatverdächtige identifiziert. Nach den Übergriffen hatte die Polizeiführung bereits angekündigt, dass die Beamten ihre Präsenz zum Karneval deutlich erhöhen werden. Zudem will die Polizei bei dem Anfang Februar anstehenden Straßenkarneval auch mobile Videoüberwachung einsetzen, um die Lage besser einzuschätzen. Menschen werden zu erhöhter Aufmerksamkeit aufgerufen. Warschau – Angesichts einer neuen Kältewelle hat die polnische Polizei die Bürger zu erhöhter Aufmerksamkeit für Menschen aufgerufen, die bei Minusgraden unter freiem Himmel zu erfrieren drohen. Seit Winterbeginn starben durch Kälte bereits 77 Menschen, darunter allein 60 im Jänner, wie eine Polizeisprecherin am Dienstag sagte. Innerhalb der vergangenen 24 Stunden hätten Beamte rund 30 von Unterkühlung bedrohten Menschen beigestanden. Neben Obdachlosen sind vor allem Menschen bedroht, die alkoholisiert auf einer Parkbank oder an einer Haltestelle einschlafen, aber auch geschwächte alte Menschen. 28-Jähriger festgenommen. Berlin – Ein 28 Jahre alter Mann soll eine Frau in einer Berliner U-Bahn-Station vor einen Zug gestoßen und dadurch getötet haben. Die 20-Jährige wurde am Dienstagabend in der Haltestelle Ernst-Reuter-Platz von dem einfahrenden Zug überrollt, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Zeugen hielten den Mann fest und übergaben ihn alarmierten Beamten. Eine Mordkommission des Landeskriminalamts hat die Ermittlungen übernommen. Warum es zu dem Vorfall im Bahnhof im Stadtteil Berlin-Charlottenburg kam, war zunächst unklar. Die Polizei ging nach ersten Erkenntnissen davon aus, dass das Opfer und der mutmaßliche Täter einander nicht kannten. Ob der Mann unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, war am Mittwoch nicht bekannt. Das Landeskriminalamt suchte Zeugen. Regierung will Fremdeinflüsse auf das Land eindämmen. Duschanbe – Die Polizei im Süden Tadschikistans hat Tausende muslimische Männer zwangsweise rasiert, weil sie lange Bärte als Zeichen radikalislamischer Gesinnung deutet. Vergangenes Jahr seien die Bärte von 12.818 Männern aus der Region Chatlon an der Grenze zu Afghanistan in Ordnung gebracht worden, sagte der örtliche Polizeichef. Ihre Bärte seien zu lang und ungepflegt gewesen. Die Männer seien auf Märkten und öffentlichen Plätzen der Ex-Sowjetrepublik in Zentralasien festgenommen und zwangsweise rasiert worden. Außerdem hätten Polizisten 2000 Frauen dazu angehalten, ihr Kopftuch abzulegen. Geschäfte, in denen nicht traditionelle tadschikische Kleidung verkauft wurde, seien geschlossen worden. Die Regierung versucht seit Jahren, Fremdeinflüsse auf das Land einzudämmen, um eine Ausbreitung des Islamismus zu verhindern. Vergangenes Jahr hatte Staatschef Emomali Rachmon verboten, Neugeborenen ausländische Namen zu geben. Das tadschikische Innenministerium hatte nach Klagen zwangsrasierter Männer im vergangenen Jahr erklärt, dazu habe die Polizei keine Anweisung gehabt. Die Rede sei lediglich von verstärkter Aufklärung unter der Bevölkerung gewesen, insbesondere der Jugend. Maschine wurde zum Versprühen von Pflanzenschutzmitteln eingesetzt. Brasilia – Mindestens fünf Menschen sind in Südbrasilien umgekommen, als ein Kleinflugzeug auf einen Kleinbus fiel. Drei Menschen wurden bei dem Unfall verletzt, wie am Mittwoch (Ortszeit) das Nachrichtenportal G1 unter Berufung auf die Polizei berichtete. Das Flugzeug habe kurz nach dem Start aus noch ungeklärter Ursache Höhe verloren und sei auf den Bus gestürzt, der Arbeiter auf einer Landstraße in der Nähe von Londrina im Bundesstaat Parana transportierte. Der Pilot der zum Versprühen von Pflanzenschutzmitteln eingesetzten Maschine habe nur leichte Verletzungen erlitten. Der Suizid eines Studenten hat in Indien eine Protestwelle ausgelöst. Die Opposition wirft Regierungsvertretern vor, den 26-Jährigen in den Tod getrieben zu haben, da er der untersten Kaste angehöre und sich mit ihrer Studentenunion angelegt habe. Neu-Delhi – Der Suizid eines Studenten in der südindischen Stadt Hyderabad ist zum Politikum geworden und sorgt seit Tagen für wütende Proteste. Studentenverbände und Opposition werfen Uni-Leitung und Ministern der Regierungspartei BJP vor, den 26-jährigen Rohith Vemula in den Tod getrieben zu haben. Die Polizei ermittelt gegen den Uni-Vizekanzler und gegen Arbeitsminister Bandaru Dattatreya. Am Donnerstag legten zehn Professoren ihre Ämter nieder und schlossen sich den Protesten an. Vemula war einer von Indiens 180 Millionen Dalits. Bis heute stehen Dalits, früher als Unberührbare beschimpft, am unteren Ende der Kastenhierarchie. Vemula arbeitete an seiner Doktorarbeit in Soziologie, als die Universität ihm im Dezember den Zutritt zu ihren Einrichtungen verbot – angeblich weil er einen anderen Studenten verprügelt hatte. Am Sonntag nahm er sich das Leben. Die Demonstranten werfen der Uni-Leitung und BJP-Politikern vor, die Vorwürfe gegen Vemula aus politischen Motiven fabriziert zu haben. Der 26-Jährige war Aktivist der Dalit-Organisation Ambedkar Students Association (ASA), die gegen Diskriminierung kämpft. Vergangenes Jahr kam es zu Konflikten mit der rivalisierenden Studentenunion Akhil Bharatiya Vidyarthi Parishad (ABVP) von der Regierungspartei BJP. Der lokale ABVP-Präsident Sushil Kumar bezichtigte Vemula und vier andere ASA-Mitglieder, ihn krankenhausreif geprügelt zu haben. Die Universität untersuchte den Vorfall und sprach die fünf Dalit-Aktivisten zunächst frei. Angeblich intervenierte Arbeitsminister Bandaru Dattatreya daraufhin beim Bildungsministerium. Im Dezember erklärte der Vizekanzler der Uni die fünf Dalit-Studenten dann plötzlich für schuldig. Er verbot ihnen den Zutritt zu Wohnheimen, Mensa und Bibliothek – gleichbedeutend mit dem Ende von Vemulas Karriere, der seinem Leben nun in seinem Zimmer ein Ende bereitete. Und das wird zusehends zum Problem für Indiens Regierungschef Narendra Modi. So nährt der Fall Vorwürfe, dass die BJP-Regierung versucht, kritische Studentengruppen politisch mundtot zu machen. Dagegen warf Bildungsministerin Smriti Irani der Opposition vor, den Konflikt zu einem Kastenkampf zu stilisieren, um politisch zu punkten. Dies ist keine Dalit-gegen-Nicht-Dalit-Frage, wie es einige darstellen, um Stimmung zu machen, sagte sie. Die Kontroverse kommt der BJP äußerst ungelegen. Die Hindu-Partei möchte sich gerne als Volkspartei profilieren, die auch für Dalits attraktiv ist. In seinem Abschiedsbrief bezichtigt Vemula zwar niemanden, schreibt aber offenbar mit Blick auf seine Kaste: Für einige Menschen ist das Leben selbst ein Fluch. In den sozialen Medien kursiert zudem ein weiterer mutmaßlicher Brief, in dem er von Verfolgung auf dem Campus spricht. Darin bittet der 26-Jährige den Vizekanzler seiner Uni zynisch, Dalit-Studenten doch gleich Gift oder ein Seil zum Erhängen zu geben. Keine Briefträger in München unterwegs – Flüge annulliert. Berlin/München – Blitzeis und Schnee haben in Deutschland zu hunderten Unfällen geführt. Erhebliche Probleme gab es seit dem späten Freitagabend vor allem im Südwesten und Osten. Dutzende Menschen wurden verletzt, die meisten glücklicherweise nur leicht. Das ganz große Chaos sei aber ausgeblieben, hieß es von den meisten Lagestellen. Vielerorts in Deutschland wurden allerdings nach Unfällen Autobahnen zeitweise gesperrt, Winter- und Abschleppdienste waren im Dauereinsatz. Auch der Flugverkehr war zum Teil betroffen. Mit Kranwagen wurden umgekippte oder in Böschungen gerutschte Lastwagen geborgen. In Stuttgart wurde ein Auto aus dem Neckar geholt. Schnee und Regen auf gefrorenem Boden verwandelten Straßen und Gehwege vielerorts in gefährliche Rutschbahnen. Allein in Baden-Württemberg wurden bis zum Vormittag mehr als 300 Unfälle erfasst, in Hessen mehr als 200, in Rheinland-Pfalz mehr als 100. Mindestens fünf Menschen seien schwer, viele weitere leicht verletzt worden, hieß es beim Innenministerium in Baden-Württemberg. Der Gesamtschaden belaufe sich auf rund 1,5 Millionen Euro. Auf Nummer sicher ging die Deutsche Post in München: Im kompletten Stadtgebiet trugen die Briefträger am Samstag keine Sendungen aus. Die Münchner Abteilungsleiter hätten entschieden, dass die Arbeit für die Mitarbeiter unter den herrschenden Wetterbedingungen zu gefährlich sei, sagte ein Pressesprecher. Aufgrund von Glatteis wurden am Samstagmorgen am Flughafen München auch Dutzende Flüge annulliert. Um die beiden Start- und Landebahnen enteisen zu können, mussten diese abwechselnd gesperrt werden, wie ein Sprecher sagte. Damit fehlten vorübergehend 50 Prozent der Kapazität. Der Deutsche Wetterdienst (DWD) hatte Blitzeis in weiten Teilen Deutschlands von Freitagabend an angekündigt. Blitzeis entsteht, wenn es nach einer winterlichen Kälteperiode wieder wärmer wird und Niederschlag als Regen auf den gefrorenen Boden trifft. In einigen Regionen schneite es zunächst noch. Unterbringungsgrund beim 28-jährigen Hamburger war immer Eigengefährdung. Hamburg – Der 28-Jährige aus Hamburg, der eine junge Frau in Berlin vor eine einfahrende U-Bahn gestoßen haben soll, war bis Ende vergangenen Jahres in einer psychiatrischen Einrichtung. Dort sei er auf Antrag seines Betreuers untergebracht gewesen, sagte Gerichtssprecher Kai Wantzen am Samstag. Der 28-Jährige sei auch zuvor mehrfach auf Antrag seines Betreuers in einer psychiatrischen Klinik gewesen. Der Verdächtige soll die ihm unbekannte 20-Jährige am Dienstag ohne vorherigen Streit vor den Zug gestoßen haben. Die junge Frau wurde überrollt und getötet. Der 28-Jährige, der in einer psychiatrischen Klinik untergebracht wurde, soll laut Staatsanwaltschaft an einer schizophrenen Erkrankung leiden. Wantzen erklärte, dem Betreuungsgericht sei über eine mögliche Fremdgefährdung zuletzt nichts bekanntgeworden. Der Unterbringungsgrund war immer Eigengefährdung. Allerdings habe es in der Vergangenheit einen Antrag nach dem Psychisch-Kranken-Gesetz (PsychKG) gegeben, der sich auch auf eine mögliche Fremdgefährdung gestützt habe. Eine Unterbringung nach PsychKG sei aber nicht erfolgt. Der 28-jährige Verdächtige habe seit Jahren unter Betreuung gestanden. Aber wenn jemand unter Betreuung steht, heißt das noch lange nicht, dass er gefährlich ist, sagte Wantzen. Der türkische Kaffee wurde und wird gerne politisiert. Im Osmanischen Reich war er verboten, weil dadurch gefährliche Gerüchte entstanden. Langsam, langsam. Beim Kaffee geht es ums Reden. In Bosnien-Herzegowina unterscheidet man zwischen dem Willkommenskaffee (docekusa), der nach dem Eintreten den Gästen serviert wird, dem razgovorusa – man könnte Tratschkaffee sagen – und dem sikterusa, der serviert wird, wenn man die Leute loswerden will. Er wird extra dünn zubereitet, damit den Gästen die Lust vergeht, weiter zu quatschen. Im Osmanischen Reich stand der Kaffee unter Generalverdacht, weil mit seinem Genuss oft politische Diskussionen einhergingen, die der Staat als gefährlich erachtete. Beim Kaffeetratsch ging es etwa um die Korruption eines Pashas oder um Kriege. Diese Gerüchte waren ungeheuer wirkungsvoll – viele konnten ja nicht lesen oder schreiben. Der türkische Kaffee war von Beginn an ein politisiertes Getränk, wie der Historiker Ali Çaksu erklärt. Bereits der Großmufti Mehmed Ebussuud Efendi (1490-1574) erklärte den Kaffee als haram, also als verboten im Islam. Cafés galten als gefährlicher als Lokale, in denen man Alkohol bekam, als Orte, an denen die Leute viel zu lange sitzen blieben, statt in die Moschee zu gehen. Sultan Murad IV. (1612-1640) ließ das Kaffeehäuser-Verbot streng überwachen und viele sogar niederbrennen. Wer Kaffee trank, lief Gefahr hingerichtet zu werden. Die Kaffeephobie ging so weit, dass sogar islamische Fatwas gegen das Getränk wegen Schädlichkeit aus politischen Gründen erlassen wurden. Doch die Kaffeehäuser wurden immer wieder neu eröffnet und waren ungeheuer beliebt. Die politische Funktion des Kaffees erreichte ihren Höhepunkt unter den Janitscharen, der Elitetruppe im Osmanischen Heer. Sie besaßen eigene Kaffeehäuser, in denen sie nicht nur ihre Sufi-Riten ausübten, sondern auch mafiöse Aktivitäten ausheckten. Die Kaffeehäuser wurden mit Schutzgelderpressungen betrieben. In den Cafés der Janitscharen wurde aber vor allem Politik betrieben und Rebellionen geplant. Die Janitscharen konnten Regierungen ändern und sogar den Sultan stürzen. 1826 wurden die Janitscharen-Verbände aufgelöst und mit ihnen ihre Hauptquartiere. Über 10.000 Cafés sollen damals allein in Istanbul zerstört worden sein. Die Verbindung der Janitscharen zu den Bektashi – einem Sufi-Orden – war sehr stark. Manche behaupten sogar, dass die Cafés wie Bektahsi-Klöster funktionierten, jedenfalls wurden Bektashi-Hymnen gesungen. Ebu l Hasan Nuruddin al-Shazali, Gründer des Sufi-Ordens Shazaliyya, gilt bis heute als Schutzpatron der Kaffeehausbesitzer. In den Derwisch-Klöstern war der Kaffee Teil der Rituale. Denn die Derwische konnten damit länger wach bleiben, erklärt Çaksu. Es gab Rituale, bei denen sie die Kaffeeschale umkreisten. Am Kaffee selbst wurde genippt, dann wurde er im Kreis weiter gereicht. Auch diese Art des Teilens schien manchen verdächtig. In Europa wurde das dunkle Getränk misstrauisch aufgenommen. Mark Twain nannte den Kaffee ein unchristliches Getränk. Andere sprachen von einem Satansgebräu. Sie dachten, der Kaffee sei das Gegenstück zum Wein, der in christlichen Ritualen verwendet wurde, und den Muslime wegen des Alkohols ja nicht trinken durften. Papst Clemens VIII. (1536-1605) sollte den Kaffee verbieten, aber er bestand darauf, ihn zunächst zu kosten. Und offensichtlich mundete er ihm. Laut einer Legende soll er im Jahr 1600 gesagt haben: Dieses Teufelsgetränk ist köstlich. Wir sollten den Teufel betrügen, in dem wir es taufen. Nachdem der Kaffee so christianisiert wurde, etablierte er sich schnell in Europa. Das erste Kaffeehaus öffnete 1652 in Oxford. Etwa zur gleichen Zeit wurde der Koran erstmals ins Englische übersetzt. Beides führte zu einer Debatte über die Gefahren einer Islamisierung des Landes. Mehr als hundert Jahre später warnte Komponist Karl Gottlieb Hering (1766-1853) noch Kinder vor dem Türkentrank, der schwach und krank machen würde. In einem Lied heißt es: Sei doch kein Muselmann, der ihn nicht lassen kann. Der Kaffee verbreitete sich trotzdem rasant. Nicht überall wurde er unter dem Namen türkisch getrunken, manche nannten ihn einfach Hauskaffee oder lokaler Kaffee. Der Name türkischer Kaffee wurde im 20. Jahrhundert zu einer politischen Frage. In Griechenland wurde er nach dem Zypern-Krieg 1974 von Turkiko in Eleniko (der Griechische) umgetauft. Die Umbenennung begann aber bereits nach dem Ausbruch des Konflikts 1955. In Bosnien-Herzegowina wurde der Kaffee nach dem Krieg (1992-1995) aus anderen Gründen zum bosnischen Kaffee. Es ging nicht um die Ablehnung der osmanischen Vergangenheit, sondern darum, dass dem neuen Staat Legitimität verschafft werden sollte. Der Kaffee wurde zum Symbol für nationale Identität für jene Bosnier, die den bosnischen Staat unterstützten. Viele bosnische Serben nennen den Kaffee heute einfach Hauskaffee. Der bosanska kafa unterscheidet sich ein wenig vom turska kafa. Auf dem Balkan ist das Wasser bereits heiß, wenn der Kaffee reinkommt – das Ganze dauert etwa drei Minuten. In der Türkei braucht er zehn Minuten. Frauen trinken ihn oft mit Zucker, Männer ohne, junge Leute mit einem halben Zuckerstück. 36-köpfige Gruppe wollte offenbar mit Waffen in Land einreisen. Amman – Der jordanische Grenzschutz hat nach offiziellen Angaben an der Grenze zu Syrien zwölf Menschen erschossen, die aus dem Bürgerkriegsland einreisen wollten. Es habe gewaltsame Zusammenstöße mit einer 36-köpfigen Gruppe von Einreisewilligen gegeben, von denen einige Waffen bei sich gehabt hätten, teilte die jordanische Armee am Samstag mit. Zudem sei eine große Menge Rauschgifts beschlagnahmt worden. Zwölf Menschen seien erschossen und mehrere weitere verletzt worden, erklärte das Militär. Einige Mitglieder der Gruppe seien zurück nach Syrien geflohen. Jordanien fürchtet, dass Jihadisten den Flüchtlingsandrang aus Syrien ausnutzen könnten, um unbemerkt ins Land zu gelangen. Von den tausenden Menschen, die an der Grenze auf eine Einreise hoffen, lässt das Königreich nur einige Dutzend pro Tag durch. 26 Verletzte, Erhebliche Schäden in der spanischen Exklave Melilla. Marrakesch – Ein für die Region ungewöhnlich starkes Erdbeben hat die Mittelmeerküsten im Norden Marokkos und im Süden Spaniens erschüttert. In der spanischen Exklave Melilla an der Nordküste Afrikas wurden bei dem Beben der Stärke 6,3 am Montag mindestens 26 Menschen leicht verletzt. An mehreren Gebäuden entstanden erhebliche Schäden. Auf dem spanischen Festland rissen die Erdstöße kurz vor Morgengrauen zahllose Menschen in Malaga und in den Urlaubergebieten an der Costa del Sol aus dem Schlaf. Nach Angaben der Regionalregierung von Andalusien wurde dort jedoch niemand verletzt. In Marokko berichtete die staatliche Nachrichtenagentur MAP unter Berufung auf die Lokalbehörden, dass im betroffenen Gebiet um die Stadt Nador im Norden des Landes keine Verletzten und keine Gebäudeschäden registriert worden seien. Wie das spanische Nationale Geografie-Institut (IGN) in Madrid mitteilte, hatte das Beben sein Zentrum im Mittelmeer, etwa 100 Kilometer nördlich von Melilla. Es folgte eine Serie von Nachbeben, von denen eines die Stärke 5,3 erreichte. Die Beben ereigneten sich in etwa zehn Kilometer Tiefe. Die Verletzten in Melilla wurden nach Angaben der Gesundheitsbehörde wegen Prellungen oder Schnittwunden behandelt. Einige litten auch unter Angstzuständen, wie die Behörde mitteilten. Niemand sei schwer verletzt worden. In der zu Spanien gehörenden Nordafrika-Exklave stürzten von mehreren Gebäuden Steinbrocken und Fassadenteile herab. Das städtische Parlament musste geschlossen werden, da in dem Gebäude sich Risse aufgetan hatten. Die Behörden ordneten an, dass die Schulen am Montag geschlossen blieben. Es müsse zuerst geprüft werden, ob die Schulgebäude ernsthaft beschädigt worden seien. Die Erdstöße waren auf dem spanischen Festland in weiten Teilen von Andalusien zu spüren. Dort wurden aber keine Verletzten und keine Gebäudeschäden registriert. Unser Haus schwankte, als wären die Mauern so weich wie Butter, berichtete eine Bewohnerin der Hafenstadt Málaga dem staatlichen Rundfunk RNE. Erdbeben sind in dieser Region des westlichen Mittelmeers nicht selten. Beben mit einer Stärke von mehr als 6,0 sind dort allerdings ziemlich ungewöhnlich. Nach Angaben des IGN waren in diesem Gebiet zuletzt in den Jahren 1994 und 2004 Beben von einer Stärke von über 6,0 registriert worden. Migrationsminister gegen Bestrafung "einer ganzen Gruppe für die Regel-Übertretung Einzelner". Brüssel/Koksijde/Mödling – Der Bürgermeister der belgischen Küstenstadt Koksijde plant ein einmonatiges Schwimmbadverbot für männliche Flüchtlinge, weil sich Frauen wegen Belästigungen beschwert hatten. Er werde dem Stadtrat am Montag diese Maßnahme vorschlagen, um die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, sagte Marc Vanden Bussche. Die Stadt hat kürzlich 300 Asylbewerber aufgenommen. In der Zwischenzeit werden wir sie über unsere Lebensart informieren und ihnen die Regeln im Schwimmbad erklären, sagte der Bürgermeister. Kinder und deren Mütter sollen von dem Schwimmbadverbot nicht betroffen sein. Der Minister für Migration, Theo Francken, hat sich umgehend gegen den Plan des Bürgermeisters ausgesprochen. Es ist nicht klug, eine ganze Gruppe für die Regel-Übertretungen Einzelner zu bestrafen, erklärte er über den Kurznachrichtendienst Twitter. Auch in Österreich sorgte ein Aushang im Stadtbad Mödling Ende vergangener Woche für Aufregung. Für Menschen mit Migrationshintergründen sei der Eintritt ausschließlich in Begleitung von entsprechenden Begleitpersonen erlaubt, hieß es auf dem Plakat, das noch am Freitag wieder entfernt wurde. Eine kleine Gruppe jugendlicher Asylwerber soll mit Jogging- oder Unterhosen ins Wasser gesprungen sein und sorgte damit für Empörung bei den Badegästen. Der Landesgeschäftsführer der Volkspartei Niederösterreich verteidigte am Montag das Vorgehen der Badbetreiber. Wer für Sicherheit und Ordnung in öffentlichen Einrichtungen sorgt, steht auf der richtigen Seite, kommentierte Bernhard Ebner. Dafür haben sie unsere vollste Rückendeckung. Öffentliche und politisch motivierte Hetze aufgrund eines unglücklichen Schriftstückes sind in dieser Frage fehl am Platz und schäbig, so Ebner. Für die Mödlinger Grünen, die mit der ÖVP eine Koalition in der Stadt bilden, hat der Aushang hingegen für berechtigte Irritationen gesorgt. So geht es nicht, ließ Vizebürgermeister Gerhard Wannenmacher (Grüne) am Montag wissen. Das Zusammenleben in einer Gesellschaft mit Menschen mit Migrationshintergründen und erst Recht mit Geflüchteten aus anderen Kulturkreisen erfordert auch in Formulierungen ein Mindestmaß an Stil und Anstand. Die Mödlinger Grünen schlugen außerdem vor, seitens der Stadt unmittelbar zu einem Runden Tisch mit den Organisationen der Flüchtlingsbetreuung einzuladen und gemeinsam eine Vorgehensweise zu erarbeiten. Kritik erntete auch eine Maßnahme in Wales, um Asylwerber zu kennzeichnen. Ohne ein rotes Armband erhalten die Bewohner eines Flüchtlingsheims in der Hauptstadt Cardiff kein Essen, wie die Zeitung The Guardian berichtete. Politiker und Menschenrechtsaktivisten verurteilten die Maßnahme. Der Waliser Flüchtlingsrat (WRC) zog einen Vergleich zu den Judensternen währen der Nazi-Diktatur. Das ist absolut entsetzlich, sagte die WRC-Mitarbeiterin Hannah Wharf. Sie werden wie Tiere bei der Fütterung behandelt. Die Justizexpertin der oppositionellen Labour-Partei, Jo Stevens, kündigte an, die Affäre am Montag auch im britischen Parlament zur Sprache zu bringen. Der Betreiber des Flüchtlingsheims in Cardiff, Clearsprings, erklärte, die Armbänder seien ausgegeben worden, um angesichts der stark angestiegenen Zahl von Flüchtlingen in der Erstaufnahmeeinrichtung für Ordnung bei der Essensausgabe zu sorgen. Im Nordosten Englands war kürzlich eine ähnliche Debatte entbrannt. Asylsuchende, die in der Stadt Middlesbrough offenbar gezielt in Wohnungen mit roten Türen einquartiert wurden, klagten über regelmäßige Beschimpfungen und Übergriffe. Die britische Regierung leitete Ermittlungen ein. Defekt in Blockheizkraftwerk eines Hotels – Ein Gast wurde in Sauna bewusstlos. Calw – Nach dem Austreten von Kohlenmonoxid in einem Hotel im Nordschwarzwald in Deutschland sind 19 Menschen ins Krankenhaus gebracht worden. Laut Polizei atmeten 16 Menschen das geruchlose Gas ein, drei wurden ohnmächtig. Die Feuerwehr evakuierte das Hotel im Calwer Stadtteil Hirsau und durchsuchte auch ein Nachbargebäude sowie eine Tiefgarage mit Atemschutzgeräten. Die Retter befreiten dann die Zimmer mit Überdrucklüftern vom Gas. 19 Menschen kamen am Montagabend mit Vergiftungen in Kliniken, neun konnten nach ambulanter Behandlung wieder entlassen werden – weitere vier im Laufe der Nacht. Das Hotel sei schon wieder bewohnt, sagte ein Sprecher der Polizei in Karlsruhe. Was den Defekt in dem Blockheizkraftwerk ausgelöst hatte, war zunächst nicht bekannt. Der Notfall war den Rettungskräften gemeldet worden, als ein Hotelgast in der Sauna das Bewusstsein verlor. Daraufhin war ein Notarzt am Einsatzort eingetroffen, dessen Gaswarngerät sogleich Alarm gab. Masken müssen beim Zutritt vorübergehend abgenommen werden. Venedig/Rom – Die Polizei von Venedig hat anlässlich des berühmten Karnevals verschärfte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Bei den Zugängen zum Markusplatz werden Kontrollen durchgeführt. Verkleidete Personen müssen ihre Masken dafür abnehmen, können diese jedoch wieder aufsetzen, wenn sie den Platz betreten haben, berichteten italienische Medien am Samstag. Verstärkte Kontrollen werden auch am Bahnhof, sowie auf der Piazzale Roma durchgeführt, auf der sich die Bus- und Auto-Terminals befinden. Einige Gassen wurden aus Sicherheitsgründen zum Teil gesperrt. Zwei Task Forces von Polizisten in Zivil sind zur Vorbeugung von Attentaten sowie von kleineren Straftaten im Einsatz. Auch Scharfschützen und Spürhunde werden während der Karnevalsfeiern eingesetzt. Der Karneval begann vor einer Woche traditionell mit der Fahrt beleuchteter Boote auf den Kanälen der Stadt. Am Sonntag folgte dann ein bunter Umzug. Für die kommenden Tage sind Dutzende weitere Straßenkunst-Veranstaltungen mit Tanzshows, Konzerten, Ausstellungen, Musik, Filmen und weiteren Vorführungen geplant. Bevor dann auch am Canal Grande am Aschermittwoch alles vorbei ist, soll am Dienstag noch einmal ein großer Maskenumzug über den Markusplatz stattfinden. Hunderttausende Besucher aus aller Welt strömen jedes Jahr zum Karneval in die Lagunenstadt. "Baby-Gangs" werden immer mehr zum Problem. Neapel – In der italienischen Stadt Neapel wächst die Angst vor Jugendbanden, die ganze Stadtviertel terrorisieren und untereinander um Einflusszonen kämpfen. Nachdem in den vergangenen Tagen mehrmals Nachtbusse mit Steinen beworfen wurden, hat die Nahverkehrsgesellschaft ANM dem Druck ihrer Busfahrer nachgegeben und die Linienführung geändert, berichteten Medien am Sonntag. Die Busse werden nachts nicht mehr durch einige der gefährlichsten Straßen im Nordwesten Neapels, darunter dem Viertel Scampia – einer Hochburg der Camorra – fahren. Busfahrer hatten über lebensgefährliche Zustände berichtet. Allein seit Anfang Jänner seien neun Busse mit Steinen beworfen worden, auch im vergangenen Jahr seien unzählige Fahrzeuge beschädigt worden, schrieb die Tageszeitung La Repubblica. Die Umleitung der Nachtbusse löste Diskussionen aus. Parteivertreter sprachen von einer Niederlage im Kampf gegen die Kleinkriminalität. Man kann gegen diese Jugendbanden wenig unternehmen. Sie bestehen aus nicht bestrafbaren Minderjährigen, klagte der Jesuitenvater Fabrizio Valletti, Leiter eines Jugendzentrums in Scampia. Die sogenannten Baby-Gangs in Neapel werden immer mehr zum Problem. In der Dunkelheit rasen Burschen mit Motorrädern durch die Gassen und schießen teilweise mit Kalaschnikow-Gewehren um sich. Auch Unbeteiligte geraten in Gefahr. Abschleppversuch gescheitert – Holz und Öl an Bord der "Modern Express". Bordeaux – Ein am Dienstag in Schieflage geratenes Frachtschiff treibt führerlos auf die Bucht von Arcachon in Frankreich zu. Die Modern Express mit 300 Tonnen Öl, 3.600 Tonnen Holz und Baumaschinen an Bord befinde sich weniger als 100 Kilometer von der Bucht an der Atlantikküste entfernt, berichtete der französische Radiosender France Info am Sonntag. Der Frachter trieb beständig in Richtung der Südwestküste Frankreichs. Am Samstag befand er sich noch etwa 220 Kilometer westlich von La Rochelle. Die Rettung des 164 Meter langen Schiffes war am Freitag wegen rauer See gescheitert. Bei dem Versuch, das Schiff abzuschleppen, wurde einer der Bergungsspezialisten leicht verletzt. Die Mannschaft wurde bereits am Dienstag geborgen. Die schlechten Meeresbedingungen erlaubten bisher keine weiteren Abschleppversuche. Die Meerespräfektur für den Atlantik hofft auf eine Verbesserung der Wetterbedingungen am Montag. Zehn Millionen Einwohner auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen – Kurz besucht afrikanisches Land. Addis Abeba – Äthiopien wird nach Uno-Angaben derzeit von der schlimmsten Dürre seit 30 Jahren heimgesucht und benötigt deshalb sofortige Hilfe. Bereits jetzt seien 10,2 Millionen Äthiopier auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen, in wenigen Monaten könne sich die Zahl verdoppeln, sagte Uno-Generalsekretär Ban Ki-moon am Sonntag beim Gipfel der Afrikanischen Union (AU) in der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba. Sein Land benötigte umgerechnet 1,3 Milliarden Euro zur Krisenbewältigung, sagte der äthiopische Vize-Regierungschef Demeke Mekonnen. Er wies auf den Zusammenhang zwischen der Dürre und dem Wetterphänomen El Niño hin. 2015 wanderten mehr als 80.000 Äthiopier über den Golf von Aden in den Jemen aus. Hilfsorganisationen hatten bereits zum Jahreswechsel vor einer Hungersnot aufgrund des Wetterphänomens El Niño gewarnt, von der vor allem Äthiopien betroffen sein werde. Die Organisation Save the Children forderte nun zum sofortigen Handeln auf, andernfalls würde zehntausende Kinder in akute Unterernährung verfallen. Außenminister Sebastian Kurz (ÖVP) absolviert am Montag und Dienstag einen Besuch in Äthiopien, dessen Hauptthemen Migration und humanitäre Hilfe sind. Am Montag besucht Kurz unter anderem Hilfsprojekte und ein Flüchtlingslager in der im Osten des Landes gelegenen Region Somali. Neben der extremen Dürre hat Äthiopien, ein Land mit rund 94 Millionen Einwohnern, auch mit den zunehmenden Flüchtlingsbewegungen auf dem afrikanischen Kontinent zu kämpfen. Mit rund 800.000 Asylsuchenden war Äthiopien im vergangenen Jahr jenes Land mit den meisten Flüchtlingen in Afrika. Am Dienstag stehen politische Gespräche in Addis Abeba – unter anderem mit der Vorsitzenden der Afrikanischen Union (AU), Dlamini Zuma, sowie dem äthiopischen Amtskollegen Tedros Adhanom – auf dem Programm. 160.000 Menschen bewarben sich um Tickets. Bern – Der längste Eisenbahntunnel der Welt hat bereits vor seiner Eröffnung jede Menge Fans. 160.000 Menschen bewarben sich nach Angaben der Organisatoren vom Montag für Fahrkarten in den beiden Zügen, die am 1. Juni die Premierenfahrten durch den 57 Kilometer langen Gotthard-Tunnel in der Schweiz absolvieren. Nun würden 500 Gewinner ausgelost, von denen jeder zwei Fahrkarten erhalte. Mit der Geste, nicht die Prominenz, sondern die Bevölkerung als Erstes durch den Tunnel fahren zu lassen, wollen sich Tunnelbauer und Behörden bei der Bevölkerung für die positive Einstellung zum Jahrhundertbauwerk bedanken. Das 12,2 Milliarden Franken (elf Milliarden Euro) teure größte Investitionsprojekt in der Geschichte der Schweiz gilt als ingenieurstechnische Meisterleistung. Wer keinen der Premierfahrscheine ergattert, wird sich gedulden müssen. Denn die Aufnahme des regulären Bahnbetriebs ist vor allem wegen der geplanten mehr als 3.000 Testfahrten bis zur endgültigen Freigabe der Strecke erst für den 11. Dezember vorgesehen. Bei einer leichten Sturmflut wurde der Fischmarkt in St. Pauli überschwemmt. Hamburg – Nach Sturmwarnungen hat Hamburg am Dienstagabend eine Sturmflut erreicht und Teile des Fischmarkts in St. Pauli unter Wasser gesetzt. Nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrografie wurde ein Wasserstand von bis zu 1,5 Metern über dem Mittleren Hochwasser erreicht. Dabei wurde der Fischmarkt ab etwa 22 Uhr leicht geflutet. Noch vor Mitternacht ging das Wasser jedoch wieder zurück, wie die Feuerwehr bestätigte. Einsatzkräfte mussten nicht ausrücken. Methan könnte noch bis Ende März ausströmen. Los Angeles – Wegen eines schon vor Monaten entdeckten Gaslecks in der Nähe von Los Angeles hat Kaliforniens Justizministerin Kamala Harris die verantwortliche Firma verklagt. Das Unternehmen Southern California Gas habe Gesundheits- und Sicherheitsgesetze des Bundesstaats an der US-Westküste verletzt, teilte Harris am Dienstag mit. Die Firma hätte das bereits im Oktober entdeckte Leck, aus dem weiter Methan strömt, sofort schließen und die Behörden informieren müssen. Gouverneur Jerry Brown hatte Anfang Jänner den Notstand für das betroffene Gebiet ausgerufen. Rund 4.500 Familien mussten ihre Häuser bereits verlassen, weitere 1200 Haushalte werden derzeit umgesiedelt. Experten warnten vor schweren Umweltschäden durch das Methan, das seit Ende Oktober aus einem unterirdischen Gasspeicher der Firma im Aliso Canyon bei Los Angeles strömt – nach offiziellen Angaben zwischen 30.000 und 58.000 Kilogramm pro Stunde. Fast 2.200 Familien aus dem Vorort Porter Ranch, die über Kopfschmerzen, Übelkeit und Nasenbluten klagten, wurden über Weihnachten von dem Gasversorger in Notunterkünfte gebracht. Porter Ranch liegt knapp 50 Kilometer nordwestlich vom Stadtzentrum von Los Angeles. Viele Bewohner haben sich bereits einer Sammelklage gegen das Unternehmen angeschlossen. Eine Unternehmenssprecherin versicherte im Jänner, dass alles getan werde, um das Leck in mehr als 2.400 Metern Tiefe schnell und sicher zu schließen und die Auswirkungen für die Anrainer zu verringern. Es könne aber noch bis Ende März dauern, bis es es komplett abgedichtet sei. Von dem Leck geht nach Behördenangaben keine unmittelbare Gesundheitsgefahr für die Bevölkerung aus. Das ausströmende Methan hat aber gravierende Auswirkungen auf die Umwelt: Als Ende November besonders viel Gas ausströmte, erhöhten sich die Treibhausgas-Emissionen Kaliforniens um ein Viertel, wie die Behörde für Luftqualität in Kalifornien mitteilte. Multimillionär bekennt sich wegen illegalen Waffenbesitzes schuldig – Hatte bei TV-Dreharbeiten beiläufig ein Mordgeständnis abgelegt. Los Angeles – Der Mordprozess gegen den New Yorker Immobilienerben Robert Durst ist nach einem Schuldeingeständnis in einem anderen Verfahren nähergerückt. Der 71-jährige Multimillionär, der in den USA im Mittelpunkt eines bizarren Kriminalfalls steht, bekannte sich am Mittwoch in New Orleans des unerlaubten Waffenbesitzes schuldig, wie die Staatsanwaltschaft mitteilte. Durst wartet in der Stadt im Bundesstaat Louisiana auf seine Überstellung nach Los Angeles, wo er sich wegen Mordvorwürfen vor Gericht verantworten soll. Die Staatsanwaltschaft wirft Durst vor, seine enge Freundin Susan Berman im Dezember 2000 in Los Angeles erschossen zu haben. Im März vergangenen Jahres hatte der Multimillionär bei Dreharbeiten zu einer Fernsehdokumentation über sein Leben wohl unbeabsichtigt ein Mordgeständnis abgelegt. Der 71-Jährige murmelte vor sich hin, er habe alle getötet – offenbar ohne zu wissen, dass das drahtlose Ansteckmikrofon noch eingeschaltet war. Berman starb ausgerechnet am Tag, bevor die Polizei sie zum mysteriösen Verschwinden von Dursts Ehefrau im Jahr 1982 befragen wollte. Auch bei der verschollenen Gattin haben die Behörden den exzentrischen Multimillionär im Verdacht. Durst versteckte sich 2001 vor den Ermittlungen in der texanischen Küstenstadt Galveston, verkleidete sich als Frau und gab sich als stumm aus. Als er in eine Auseinandersetzung mit einem Nachbarn geriet, erschoss er den Mann und zerstückelte die Leiche. Zwei Jahre später wurde er in diesem Fall überraschend wegen Notwehr freigesprochen. Die Geschworenen glaubten seiner Darstellung, er habe den Nachbarn versehentlich erschossen, als sie um eine Waffe gerungen hätten. Durst war im April wegen der Vorwürfe im Fall Berman in New Orleans festgenommen worden. Weil bei ihm im Hotelzimmer ein Revolver und Marihuana gefunden wurden, leitete die Justiz in der Südstaatenmetropole aber noch ein eigenes Verfahren wegen unerlaubten Waffenbesitzes gegen ihn ein. Dursts Anwälte verlangen, dass der Mordprozess möglichst bald beginnt – um die Vorwürfe gegen ihren Mandaten zu entkräften. Das neue Prostitutionsgesetz muss nochmals in Senat. Paris – Die französische Nationalversammlung hat für ein neues Prostitutionsgesetz gestimmt, das Geldstrafen für Freier vorsieht. Die Abgeordneten stimmten in der Nacht auf Donnerstag in dritter Lesung für das Gesetzesvorhaben der Sozialisten. Prostitution ist in Frankreich derzeit legal, laut der neuen Gesetzesvorlage soll der Kauf sexueller Dienstleistungen aber verboten werden. Freiern droht dann eine Geldstrafe von 1.500 Euro. Der gegen Prostituierte gerichtete Straftatbestand des Kundenfangs soll dagegen gestrichen werden. Über das Gesetzesvorhaben wird schon seit Ende 2013 gestritten. Der von der konservativen Opposition beherrschte Senat ist gegen eine Bestrafung von Freiern – und hält am Straftatbestand des sogenannten Kundenfangs fest. Der Text muss nun erneut in den Senat, das letzte Wort hat dann aber die Nationalversammlung. Die Vollendung dieses Gesetzes ist nahe, sagte die Staatssekretärin für Frauenrechte, Pascale Boistard, in der Nationalversammlung. Der Gesetzesentwurf zum stärkeren Kampf gegen Prostitution sieht auch eine Reihe von Maßnahmen vor, um Prostituierten einen Ausweg aus dem Gewerbe zu ermöglichen. Kritiker warnen aber, dass Geldstrafen für Freier die Prostituierten dazu zwingen würden, noch heimlicher zu arbeiten – was für sie gefährlicher sei. In Frankreich gibt es Schätzungen zufolge rund 30.000 Prostituierte. Die meisten kommen aus Osteuropa, Afrika, China und Südamerika. Ein alter Deal mit der Staatsanwaltschaft schützt Komiker nicht. Philadelphia – Das Strafverfahren gegen Bill Cosby (78) wegen des Vorwurfs der sexuellen Nötigung soll einem Bericht zufolge im kommenden Monat mit einer Anhörung zur Beweislage weitergehen. Bei dem Termin am 8. März soll ein Richter laut der Los Angeles Times darüber entscheiden, ob genügend Beweise vorliegen, um einen Prozess anzuberaumen. Am Mittwoch hatte ein Richter im US-Staat Pennsylvania einen Antrag von Cosbys Anwälten abgelehnt, die Vorwürfe gegen den Entertainer fallen zu lassen. In zweitägigen Anhörungen ging es um die Frage, ob ein Deal, den der Komiker vor mehr als zehn Jahren mit der Staatsanwaltschaft geschlossen hatte, ihn vor einer strafrechtlichen Verfolgung verschonen würde. Der Fall geht auf Vorwürfe aus dem Jahr 2004 zurück. Eine frühere Universitätsangestellte warf Cosby vor, er habe sie in seinem Haus sexuell belästigt, nachdem er ihr Tabletten gegeben habe. Einen Prozess gab es damals nicht. Der damals ermittelnde Staatsanwalt Bruce Castor ging davon aus, nicht genug Beweise gegen den Schauspieler zu haben. Stattdessen stimmte er zu, den TV-Star nicht anzuklagen, wenn er in einem Zivilverfahren kooperiere. Es kam zu einer Zivilklage, in der Cosby aussagen musste. 2006 wurde der Rechtsstreit mit Zahlung einer Entschädigung in unbekannter Höhe beigelegt. Auf dieses Versprechen des Staatsanwalts pochten jetzt Cosbys Anwälte. Im vergangenen Dezember wurde das strafrechtliche Verfahren neu aufgerollt. Staatsanwalt Kevin Steele erhob Anklage wegen mutmaßlicher schwerer sexueller Nötigung. Bei einer Verurteilung drohen Cosby mehrere Jahre Haft. Insgesamt werfen mehr als 50 Frauen der TV-Ikone sexuellen Missbrauch vor. Rund ein Dutzend Frauen haben gegen ihn Zivilverfahren wegen sexueller Nötigung und Verleumdung angestrengt. Teils liegen die angeblichen Vorfälle mehr als 40 Jahre zurück. Fast alle Frauen sagen, Cosby habe sie mit Drogen wehrlos gemacht und missbraucht. Der Star der 80er-Jahre-Sitcom Die Bill Cosby Show (im englischen Original: The Cosby Show) hat die Vorwürfe in der Vergangenheit immer bestritten. In griechischen Spitälern herrscht selbst bei Billigstartikeln ein Engpass. Das Krankenhaus ist nagelneu, nur drinnen fehlt es an allem. Erwin Schrümpf, der Initiator der Griechenlandhilfe, sieht das nicht zum ersten Mal. Als er diese Woche mit seinem Kleinbus zum städtischen Spital in Mytilini kam, der Hauptstadt der Insel Lesbos, war die Freude in der gerade eröffneten Geburtsabteilung am größten über – Einweg-Gummihandschuhe. Die kosten nur ein paar Cent, aber man muss als Krankenhaus dann einen entsprechend großen Posten kaufen. Dafür ist das Geld offenbar nicht immer vorhanden, so erklärt sich das der Seekirchener aus dem Salzburger Land. Seit mehr als drei Jahren bringen er und seine Mitarbeiter jeden Monat Bekleidung, Medikamente und anderen Spitalsbedarf nach Griechenland. Von Lesbos aus, wo seit dem Sommer 2015 eine internationale Hilfsaktion für die Flüchtlinge läuft, wurde er mittlerweile auch kontaktiert. Bei seiner ersten Lieferung an das Spital in Mytilini war er unter anderem um kleine Kanülen für Infusionen bei Säuglingen gebeten worden. Diese Butterflys, wie sie wegen ihrer Schmetterlingsform genannt werden, kosten wie die Gummihandschuhe nur Centbeträge, waren aber im Spital ausgegangen. Bei seiner zweiten Fahrt nach Lesbos hatte der Griechenlandhelfer auch noch ein Ultraschallgerät für die Untersuchung von Schwangeren dabei – die Spende eines österreichischen Gynäkologen. Die öffentlichen Spitäler in Griechenland arbeiten seit Beginn der akuten Finanzkrise 2010 mit jährlich schrumpfenden Budgets, weit unter den eigentlichen Betriebskosten. Krankenhausärzte in Athen versichern, dass sie Patienten weiterhin behandeln können. Dennoch gibt es mittlerweile überall Engpässe beim täglichen Bedarf etwa zur Wundversorgung, aber auch bei manchen Medikamenten. Wer die Mittel hat, besucht deshalb lieber private Spitäler. Die Entlassung von rund 60 Krankenhausdirektoren durch die linksgeführte Regierung von Alexis Tsipras im Dezember vergangenen Jahres ist von der EU-Kommission als politisch motiviert kritisiert worden. Die Regierung argumentiert, sie wolle die Arbeit der Direktoren evaluieren und die Stellen gegebenenfalls neu ausschreiben. Die Krankenhausleiter waren vor 2015 von der Regierung des konservativen Premiers Antonis Samaras bestimmt worden. Experten befürchten Verhinderung von Impfkampagnen wegen Unsicherheiten. Istanbul/Kabul – In Pakistan und Afghanistan sind die ersten beiden neuen Fälle der gefährlichen Kinderlähmung gemeldet worden. Nach einem Bericht der Zeitung Dawn vom Samstag unter Berufung auf das Nationale Gesundheitsinstitut wurden ein knapp dreijähriger Bub in der pakistanischen Millionenmetropole Karachi und ein fünfjähriges Kind in der südafghanischen Stadt Kandarhar als infiziert erkannt. Beide Kinder seien geimpft gewesen. Das pakistanische Kind sei aber wegen Unterernährung nur unzureichend geschützt gewesen, das afghanische Kind hätte nicht genug Impfungen erhalten. Der von Dawn zitierte Experte sagte, er sei besorgt wegen der großen Zahl unkontrollierter Grenzübertritte zwischen den beiden Ländern. In Afghanistan hätten jüngste Impfkampagnen 80.000 Kinder nicht erreichen können. Pakistan und ein Afghanistan sind die einzigen Länder, in denen die Kinderlähmung noch endemisch ist. Nach einem Rekord von mehr als 300 Neuinfizierungen in 2014 waren in Pakistan im Jahr 2015 laut nationaler Anti-Polio-Initiative nur noch 51 neue Fälle gemeldet worden – die geringste Zahl seit 2007. Das ging vor allem auf die Öffnung bisher unzugänglicher, unsicherer Gebiete durch Militäroffensiven gegen Extremisten zurück. Diese hatten Impfungen oft verhindert. In Afghanistan gab es laut der globalen Impfinitiative zur Polio-Ausrottung bis zum 30. Dezember 19 neue Fälle. Experten sind besorgt, dass die zunehmende Unsicherheit Impfkampagnen verhindert. 28-Jähriger durfte wegen fehlender Behandlungsgrundlage gehen. Berlin – Der 28-Jährige aus Hamburg, der in Berlin eine junge Frau vor eine U-Bahn gestoßen haben soll, wurde nur einen Tag vor der Tat aus der Psychiatrie entlassen. Das geht aus der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Hamburger FDP hervor, über die das Magazin Focus berichtete. Die FDP bestätigte am Sonntag die Angaben. Demnach war der in Hamburg aufgewachsene Mann vom 1. bis 18. Jänner freiwillig in einer psychiatrischen Klinik in Hamburg. Von dort sei er wegen fehlender Behandlungsgrundlage und fehlender akuter Eigen- oder Fremdgefährdung entlassen worden. Am Tag danach stieß er in Berlin eine 20-jährige Maturantin, die er nicht kannte, vor einen U-Bahn-Zug in den Tod. Die junge Frau wurde überrollt. Der 28-Jährige kam in Berlin in eine psychiatrische Klinik. Laut Staatsanwaltschaft soll er an einer schizophrenen Erkrankung leiden. Bewohner dachten an Terroranschlag. London – Ein roter Doppeldecker-Bus, der mitten in London explodiert ist, hat am Sonntag Angst und Schrecken ausgelöst. Zahlreiche Londoner und Touristen wurden am Vormittag Zeugen, als der Bus langsam über die Lambeth Bridge fuhr und sich plötzlich in einen Feuerball verwandelte. Wenig später wurde jedoch klar, dass es sich um ein Filmset handelte. Viele empörten sich über beim Kurznachrichtendienst Twitter, über die Explosion nicht informiert worden zu sein. Die Zeitung Independent sprach von zeitweiser Panik. Einige fürchteten, es habe sich um einen Terrorerangriff gehandelt. Dabei ging es den Angaben zufolge lediglich um eine Szene zum Film The Foreigner mit Pierce Brosnan and Jackie Chan. Das nächste Mal, wenn ihr einen Bus auf der Lambeth Brücke in die Luft jagt, sagt uns das am besten vorher, damit die Kinder sich nicht total erschrecken, beschwerte sich eine Frau via Twitter. Siebenköpfige Gruppe war in den französischen Pyrenäen durch Hochwasser blockiert. Paris – Sieben spanische Höhlenforscher waren eine Zeit lang in einer Höhle bei Herran in den französischen Pyrenäen eingeschlossen. Die Gruppe war nach Schlechtwetter in den vergangenen Tagen durch Wasser blockiert, wie der Sender France 3 am Mittwoch unter Berufung auf Rettungskräfte berichtete. Von der ursprünglich aus 15 Höhlenforschern bestehenden Gruppe hatten acht in der Nacht den Ausgang erreicht. Nach einigen Stunden konnte der Kontakt schließlich wieder hergestellt werden. Es gebe keine Verletzten, teilte die zuständige Präfektur am Mittwoch mit. Zunächst eine Person noch lebend geborgen. Jakarta – Beim Absturz zweier Militärjets in Südostasien sind am Mittwoch mindestens neun Menschen getötet worden. Ein Flieger sei kurz nach dem Start in Myanmars Hauptstadt Naypyidaw verunglückt, sagte ein hochrangiger Militär. Fünf Besatzungsmitglieder starben, wie die Zeitung Myanmar Times berichtete. Zunächst war ein Mensch lebend aus den Trümmern der Maschine geborgen worden, er erlag später im Spital seinen Verletzungen. Vier weitere Menschen kamen in Indonesien ums Leben, als ein Militärflieger auf der Insel Java in der Stadt Malang in ein Wohngebiet krachte, wie die örtliche Luftwaffe mitteilte. Demnach starben der Pilot, ein Techniker und zwei Menschen am Boden. Unzufriedene Kundin kehrte in den Salon zurück und wollte auf den Frisör schießen, die Waffe blockierte jedoch. San Diego / Los Angeles – Weil sie mit ihrer neuen Frisur sehr unzufrieden war, hat eine US-Bürgerin versucht, ihren Friseur zu erschießen. Die Kundin habe nach dem Haarschnitt am Mittwoch empört den Salon im kalifornischen San Diego verlassen und sei mit einer Waffe zurückgekehrt, so die Polizei. Drei Mal habe sie mit der geladenen Pistole auf den Friseur gezielt und abgedrückt, die Waffe habe aber jedes Mal blockiert. Der Friseur und ein anderer Anwesender im Salon hätten die 29-jährige Frau schließlich überwältigt und festgehalten, bis die Polizei eingetroffen sei. Ihr droht nun ein Verfahren wegen versuchten Mordes. Polizisten fanden Leichen bei Routinecheck. Oklahoma City (Oklahoma) – Ein 20-Jähriger soll in der US-Stadt Oklahoma seine eigenen Großeltern erschossen und geköpft haben. In dem Haus ist auch eine Kinderbetreuung untergebracht. Der Sender CNN berichtete am Mittwoch, die Polizei habe in der angrenzenden Garage drei kleine Kinder zusammengekauert gefunden, sie waren unverletzt. Die Beamten waren zu einem Routinecheck in dem Haus und fanden dort die Leichen der 59 Jahre alten Frau und ihres 78 Jahre alten Mannes. Der Verdächtige habe sich in der Nähe aufgehalten und sei festgenommen worden. Er wird sich wegen Mordes verantworten müssen. Neunjähriger Bub wünschte sich, als Comic-Held auf Verbrecherjagd zu gehen – Polizei und Bevölkerung spielten eifrig mit. Sydney – Auf Wunsch eines schwerkranken Buben hat sich Sydney am Donnerstag in die Comicwelt des Superhelden Iron Man verwandelt. Unter den Augen tausender Zuschauer zog der neunjährige Domenic Pace als Iron Boy in den Kampf gegen den Schurken Ultron und seine Gefährten. Polizei und Bevölkerung spielten begeistert mit. Schauspieler Robert Downey Jr., der Iron Man im Film verkörpert, feuerte Pace via Twitter an: Ein außergewöhnlicher Bub auf geheimer Mission heute. Los, hol sie dir, Domenic, schrieb der Star. Sent a very special boy on a top secret mission today. Go get ‘em, Domenic! #IronBoyAU @MakeAWishAust Organisiert hatte das Spektakel die australische Make-A-Wish-Stiftung, die schwerkranken Kindern ihre sehnlichsten Wünsche erfüllt. Der an der angeborenen Stoffwechselerkrankung Mukoviszidose leidende Domenic hatte sich gewünscht, als Iron Man auf Verbrecherjagd zu gehen. Die Szenerie erinnerte an ein ebenfalls von der Stiftung arrangiertes Spektakel, das 2013 in San Francisco über die Bühne gegangen war. Damals jagte der fünfjährige Miles Scott als Batkid Verbrecher in der US-Westküstenmetropole. Für Domenics Ausflug in die Comicwelt war ein Jahr Vorbereitung nötig. Der Polizeichef von New South Wales sagte, der Bub habe in einem Park gespielt, als ihn ein Polizeihubschrauber zu einer Geheimmission abgeholt und zum Polizeihauptquartier geflogen habe. Denn die Behörden hätten dringend seine Hilfe gebraucht, weil Make-a-Wish-Reporter Hope Joy entführt worden sei. Die Beamten haben bestätigt, dass Clark Island von Ultrons Bande eingenommen wurde und Hope Joy gefangen gehalten wird, sagte Polizeichef Andrew Scipione in einer Video-Aufnahme zu Pace. Wenn ich einen Wunsch hätte, dann den, dass du uns hilfst, Iron Boy. Pace schlüpfte daraufhin in einen eigens angefertigten Iron-Man-Anzug, während sein zwölfjähriger Bruder Joseph seinen Helfer Colonel James Rhodes spielte. In einem Schlauchboot wurden die Retter nach Clark Island gebracht, um den entführten Reporter zu befreien. Auf den Stiegen des weltberühmten Opernhauses von Sydney kam es schließlich zum Showdown mit dem martialischen Ultron. Und die Belohnung: Robert Downey Jr. alias Tony Stark alias Iron Man machte Domenic Pace zum Ehrenmitglied des Superheldenteams Avengers: We didnt think the day could get any better for #IronBoyAU, then he got this message: @MarvelAUNZ @RobertDowneyJrhttps://t.co/B4pndSIeTr (APA, red, 11.2.2016) Vorfall über Irland auf Flug von London nach New York – "Gesundheitliches Problem" eines Piloten durch Blendung. London – Weil ein Laserstrahl den Piloten geblendet hat, ist ein Passagierflugzeug auf dem Weg von London nach New York kurz nach dem Start zum Flughafen zurückgekehrt. Die Maschine der Fluggesellschaft Virgin Atlantic befand sich am Sonntagabend über Irland, als der Pilot die Umkehr nach London-Heathrow beantragte, wie aus den Flugdaten hervorging. Der Airbus A340-600 hatte 252 Passagiere und 15 Besatzungsmitglieder an Bord. Wie aus den Funkaufnahmen hervorging, informierte ein Crewmitglied die Flugsicherung, dass einer der Piloten ein gesundheitliches Problem wegen eines Laservorfalls nach dem Start habe. Die Airline erklärte am Montag auf ihrer Website, der Pilot habe über Unwohlsein geklagt. Beide Piloten hätten entschieden, dass es besser sei, umzukehren anstatt den Atlantik zu überqueren. Vertreter der britischen Pilotengewerkschaft forderten ein Vorgehen gegen starke Laserstrahlen, die ein zunehmendes Problem für die Luftfahrt seien. Zwischen 2009 und 2015 seien der britischen Luftfahrtbehörde 9.000 Vorfälle gemeldet worden. Allein in London-Heathrow habe es in der ersten Hälfte des vergangenen Jahres 48 Vorfälle mit Laserstrahlen gegeben. Anfang Februar wurde nach Polizeiangaben ein Mann festgenommen, der in der Grafschaft Kent grüne Laserstrahlen auf die Cockpits von Passagierflugzeugen gerichtet hatte. Im November war laut der Pilotengewerkschaft ein British-Airways-Pilot an einem Auge verletzt worden, nachdem ein starker Laserstrahl ins Cockpit gestrahlt hatte. Kinder unter den Toten – Fünfstöckiges Wohngebäude teilweise eingestürzt. Moskau – Bei einer schweren Gasexplosion in einem Wohnkomplex in Russland sind mindestens sieben Menschen getötet und mehrere weitere verletzt worden. Unter den Toten waren auch zwei Kinder, wie Behördenvertreter am Dienstag sagten. Das fünfstöckige Gebäude in der Stadt Jaroslawl nördlich von Moskau sei teilweise eingestürzt, teilte das regionale Katastrophenschutzministerium mit. Mehr als 130 Bewohner mussten in Notunterkünfte umziehen. Fünf Wohnungen seien völlig zerstört worden, erklärte das Ministerium. Bei den getöteten Kindern handle es sich um einen Teenager und ein fünf Jahre altes Kind. Drei Verletzte wurden in Krankenhäuser gebracht. Der Gouverneur der Region, Sergej Jastrebow, sagte, nach einer Sicherheitsüberprüfung des noch stehenden Teils des Gebäudes werde entschieden, ob die Bewohner persönliche Dinge aus Nachbarwohnungen holen dürften. Die Lage um Unglücksort war zunächst unübersichtlich: Es sei nicht auszuschließen, dass sich noch weitere Menschen unter den Trümmern befänden, zitierte die Nachrichtenagentur RIA Nowosti die örtliche Regierung. Ein Sprecher des Katastrophenschutzministeriums sagte, die Ursache der Gasexplosion sei noch unklar. Das russische Ermittlungskomitee habe eine Untersuchung zu möglichen Verletzungen von Sicherheitsvorschriften eingeleitet. Polizeipräsident: Einsatz von Gewalt war notwendig, Flüchtlinge hätten mit Gesten provoziert. Wien/Chemnitz – Wie mehrfach täglich in deutschen Gemeinden ist am Donnerstagabend auch im sächsichen Clausnitz ein Bus mit Flüchtlingen angekommen, um die Passagiere vor einer Asylunterkunft abzusetzen. Anders als in den meisten Fällen wurde diese Fahrt aber von einer wütenden Menge von Asylgegnern abgefangen. Wie ein am Freitag hochgeladenes Video zeigt, umzingelten dutzende Menschen das Fahrzeug mit der LED-Anzeige Reisegenuss, versuchten die unter Polizeischutz aussteigenden Personen davon abzuhalten und riefen aufgebracht: Wir sind das Volk! In dem 33-sekündigen Video ist zu sehen, wie ein Jugendlicher unter Tränen den Bus verlässt, eine Frau mit Kopftuch reagiert schimpfend durch die Frontscheibe. Die Polizei hat den Vorfall laut Spiegel online bestätigt und ermittelt wegen des Verdachts auf einen Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Rund hundert Personen haben demnach den Weg zur neuen Asylunterkunft in dem kleinen Ort an der tschechischen Grenze blockiert, die Einfahrt soll mit drei Fahrzeugen versperrt worden sein. Die Blockade dauerte laut Polizei über eine Stunde. Knapp 30 Polizisten, darunter auch Beamte der Bundespolizei, waren im Einsatz. Die Polizei ermittelt nach eigenen Angaben wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz und der Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten. Ob weitere Straftaten vorliegen, wird demnach geprüft. Am Abend tauchte eine zweite Videosequenz auf, die der anderen vorauszugehen scheint und den Einsatz der Polizei zeigt. Zu sehen ist, wie Polizisten Menschen offensichtlich mit Zwang aus dem Bus holen und in ein Haus bringen. Ein Beamter setzt dazu bei einem wohl halbwüchsigen Buben einen Klammergriff ein, während draußen die Menge johlt. Längeres Video, was den Umgang der Polizei Sachsen mit den veränsgtigten Flüchtlingen zeigt. #kaltland #clausnitz pic.twitter.com/LOIFgwpVrt Anschließend ist zu sehen, wie ein anderer Bub freiwillig, aber weinend den Bus in Richtung des Hauses verlässt. Sachsens Innenminister Markus Ulbig (CDU) reagierte prompt: Ich habe mir das Video angesehen. Die Bilder sprechen ihre Sprache. Das Ministerium werde den Einsatz der Polizeidirektion Chemnitz mit allen Beteiligten umgehend auswerten: Erst dann können wir Konsequenzen ziehen. Ulbig verurteilte die Blockade. Anstatt wenigstens den Versuch zu unternehmen, sich in die Situation der Flüchtlinge zu versetzen, blockieren einige Leute mit plumpen Parolen den Weg von schutzsuchenden Männern, Frauen und Kindern, sagte er laut deutschen Medien. Nach der Polizeiführung verteidigte am Samstagabend auch die Polizeigewerkschaft das umstrittene Vorgehen der Beamten am Freitag. Ich habe keinerlei Zweifel daran, dass die Kollegen richtig gehandelt haben, sagte der Gewerkschaftsvorsitzende Rainer Wendt am Samstag der Huffington Post. Es habe Gefahr für Leib und Leben der Flüchtlinge bestanden, weshalb eine Räumung des Busses alternativlos gewesen sei. Der Bursche, der von den Polizisten aus dem Bus gezerrt worden sei, habe zuvor die herumstehende Menge massiv provoziert. Er hat den rechten Demonstranten vor dem Fahrzeug mehrfach den Stinkefinger gezeigt und zudem mit seiner Hand am Hals das Kopf-ab-Zeichen gemacht, sagte Wendt. Der Beamte habe um die Sicherheit aller Flüchtlinge und der Polizisten gefürchtet. Die Polizei hat ihren Einsatz verteidigt. Der Chemnitzer Polizeipräsident Uwe Reißmann sagte am Samstag, bei drei Flüchtlingen sei der Einsatz von einfachem unmittelbaren Zwang notwendig gewesen. Er betonte, Flüchtlinge hätten aus dem Bus heraus mit Gesten wie dem Stinkefinger die davorstehenden Demonstranten provoziert. Gegen ihn liege wegen der beleidigenden Geste eine Anzeige vor. Deswegen seien drei Flüchtlinge von der Polizei gewaltsam aus dem Bus geholt worden. Dies sei absolut notwendig und verhältnismäßig gewesen. Aus meiner Sicht gibt es für das Vorgehen der Polizei keinerlei Konsequenzen, so der Polizeipräsident. Zugleich räumte er ein, dass die Polizei am Probleme hatte, der Situation in dem kleinen Erzgebirgsort Herr zu werden. Anfangs war nur eine Polizeistreife vor Ort. Aus heutiger Sicht war das eine Fehleinschätzung, sagte Reißmann. Ein Beamter habe den Demonstranten einen Platzverweis samt Konsequenzen angedroht und dafür nur Gelächter geerntet. Für eine Räumung habe die Kraft gefehlt, sagte der Polizeipräsident. Die Polizei Sachsen reagierte auch in den sozialen Medien auf die Kritik: Wir als Polizei müssen die Neutralität in unseren Einsätzen wahren, hieß es in einem Facebook-Posting. .@PolizeiSachsen auf Facebook zur Blockade der Asylunterkunft in #Clausnitz pic.twitter.com/lhzJ4yfyTa Der Bürgermeister von Rechenberg-Bienenmühle, Michael Funke (parteilos), sagte der Freien Presse, er schäme sich für das Geschehene. Zugleich nahm er aber die Demonstranten in Schutz. Der Großteil der Menge sei nicht auf Krawall gebürstet gewesen. Auch habe der Protest sich nicht gegen die Flüchtlinge gerichtet: Es ging um die große Politik und nicht um die Menschen an sich. Das Video wurde ursprünglich von den Administratoren einer inzwischen gelöschten Facebook-Seite namens Döbeln wehrt sich – Deine Stimme gegen Überfremdung geteilt, ehe es der deutsche Fernsehmoderator Jan Böhmermann auf Social-Media-Kanälen mit dem Titel Vom besorgten Bürger über den Angstmob zum Hassmob erneut veröffentlichte. Das ZDF berichtete, der Leiter der Unterkunft gehöre der rechtspopulistischen AfD an. Auf Anrufe und Rückrufbitten der Presseagentur dpa reagierte der Mann nicht. Die AfD weist ihn im Internet aber als Mitorganisator von Parteiveranstaltungen aus. Nach Angaben des Polizeipräsidenten hatte der Bürgermeister des Ortes die Einwohner über die Ankunft der Flüchtlinge informiert. Der Bursche aus dem Internetvideo ist nach eigenen Angaben 14 Jahre alt und stammt aus Tripoli im Libanon. Er ist mit seinem Bruder und seinem Vater seit drei Monaten in Deutschland und war zunächst in Dresden untergebracht, wie er der dpa sagte. Der Bruder ist auf dem Video zu sehen, wie er freiwillig, aber weinend den Bus verlässt. Die 20 Flüchtlinge, die sich im Bus befanden, berichteten der dpa am Samstag, dass die Polizei auch einer Frau die Arme auf den Rücken gedreht und sie zwangsweise aus dem Bus geholt habe. Am Samstagabend versammelten sich in Clausnitz rund 100 Menschen zu einer Solidaritätskundgebung für Flüchtlinge. Auf Transparenten forderten die Demonstranten eine sichere und menschenwürdige Unterbringung von Geflüchteten. Nach Angaben der Polizei verlief die Demonstration friedlich. Es gibt keinerlei Störungen, sagte ein Polizeisprecher in ChemnitzPolit. Es ist nicht das erste Mal, dass in Sachsen ankommende Flüchtlinge mit Protest empfangen wurden. Die bisher schwersten Ausschreitungen gab es im vergangenen August in Heidenau, als Rechtsradikale eine neue Unterkunft in einem Baumarkt belagerten und die Polizei mit Pyrotechnik und Wurfgeschoßen attackierten. Zuvor war es bereits bei der Errichtung eines Zeltlagers in Dresden zu Krawallen von Neonazis gekommen. Vorfälle gab es auch in Freiberg und Meerane. Am Freitag wurde Haftbefehl gegen zwei 16 und 26 Jahre alte Männer erlassen, die am Vorabend einen Brandanschlag auf eine Flüchtlingsunterkunft im ostsächsischen Löbau verübt haben sollen. Verletzt wurde niemand. Die von den mutmaßlichen Tätern gegen das Heim geworfenen Brandflaschen waren verloschen, ohne großen Schaden anzurichten. (APA, dpa, mcmt, 20.2.2016) 45-Jähriger festgenommen – Motiv noch nicht bekannt. Chicago – Ein bewaffneter Mann hat im US-Staat Michigan Berichten zufolge siebenMenschen getötet. Er sei in einem Auto unterwegs gewesen und habe an mehreren Orten auf Menschen geschossen, berichteten US-Sender unter Berufung auf die Polizei im Bezirk Kalamazoo. Nach kurzer Fahndung wurde ein Mann unter dringendem Tatverdacht gefasst, wie der örtliche Sender WWMT unter Berufung auf die Polizei berichtete. Der Bezirk Kalamazoo liegt östlich von Chicago. Offenbar haben wir es mit jemandem zu tun, der einfach herumfährt, nach Menschen Ausschau hält und sie erschießt, zitierte der lokale Sender Wood-TV den örtlichen Polizeichef Paul Matyas kurz vor der Festnahme. Mindestens drei Menschen seien außerdem verletzt worden, zwei seien in kritischem Zustand. Den Angaben zufolge wurde zunächst eine Frau auf dem Parkplatz eines Wohnkomplexes angeschossen, sie sei in einem ernsten Zustand. Dann wurden vier Menschen in einem Restaurant getötet, zwei weitere bei einem Autohändler. Laut Wood-TV soll sich unter den Toten ein achtjähriges Kind befinden. Die Hintergründe der Tat waren zunächst unklar. Zug kollidiert mit Baustellenfahrzeug. Zürich – Bei einem Unfall mit einem historischen Zug sind in der Schweiz 16 Menschen verletzt worden. Nach Polizeiangaben vom Sonntag kollidierte der von einer Dampflok gezogene Zug am späten Samstagabend nahe Sihlbrugg mit einem Baustellenfahrzeug der Bahn. An Bord des Zuges waren 56 Menschen. 16 Menschen wurden verletzt, darunter die beiden Lokführer. Ein Polizeisprecher sagte, der Nostalgie-Zug sei offenbar von einer privaten Geburtstagsgesellschaft gemietet worden. Die Unfallursache war zunächst unklar. Beschwerde über Schlafentzug und mangelndes Tageslicht. Mexiko-Stadt – Der mexikanische Drogenboss Joaquín El Chapo Guzmán wirft den Behörden des Landes Folter während seiner erneuten Inhaftierung vor. Er leide unter anderem unter Schlafentzug, erklärte der Chef des Sinaloa-Kartells in einem am Montag in Mexiko-Stadt veröffentlichten Schreiben. Auch das Tageslicht sehe er so gut wie nie, zitierte der Sender Radio Fórmula aus der Erklärung. Diese war vor einer Woche einem Richter vorgelegt worden. El Chapo war im Jänner den Ermittlern ins Netz gegangen, ein halbes Jahr nach seinem spektakulären Ausbruch aus einem Hochsicherheitsgefängnis. Der mächtige Drogenbaron war 2001 bereits einmal aus einer mexikanischen Haftanstalt getürmt. Nun soll er sobald wie möglich an die USA ausgeliefert werden. Wohl aus Angst vor einem neuen Ausbruch wird Guzmán nun rund um die Uhr in dem Gefängnis bewacht, aus dem er im Juli durch einen bis zu seiner Zelle gegrabenen Tunnel geflohen war. In seinem Schreiben klagte El Chapo, dass er jede vierte Stunde geweckt werde. Er leide deswegen unter Bluthochdruck. Am Wochenende hatte auch Guzmáns Ehefrau in einem Interview gesagt, sie mache sich Sorgen um das Leben ihres Mannes. Rettungskräfte durch Schneesturm behindert. Antarktis/Canberra – In der Antarktis steckt ein australischer Eisbrecher mit 68 Menschen an Bord fest. Die Aurora Australis setzte in West Arm in Horseshoe Harbour auf, während ein Schneesturm mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 130 Stundenkilometern tobte, wie die australische Antarktis-Behörde AAD am Donnerstag erklärte. Allen 68 Forschern und Crewmitgliedern gehe es gut. Allerdings könnten sie erst in Sicherheit gebracht werden, wenn sich das Wetter etwas beruhigt haben werde. Für die Rettungsaktion dürfte die Windgeschwindigkeit nicht mehr als 55 Stundenkilometer betragen, präzisierte die AAD. Es wurde erwartet, dass der Sturm in der Nacht auf Freitag abflauen würde. Dann sollten die Wissenschafter und Seeleute zu der nahe gelegenen Forschungsstation Mawson gebracht werden. Der Eisbrecher war am Mittwoch bei einer Versorgungsmission für Mawson im Packeis stecken geblieben. Am Schiffsrumpf sei ein Riss festgestellt worden, teilte die AAD mit. Dieser gefährde jedoch nicht die Stabilität des Eisbrechers, auch bestehe keine Gefahr, dass Treibstoff auslaufen könne. Die Aurora Australis war vor zwei Jahren an einer dramatischen Rettungsaktion für ein russisches Forschungsschiff beteiligt gewesen. Die Akademik Schokalskij war Heiligabend 2013 mit 52 Wissenschafter, Touristen und Journalisten stecken geblieben. Diese wurden Anfang Jänner von einem Hubschrauber des chinesischen Eisbrechers Xue Long (Schneedrache) zur Aurora Australis geflogen, die die Geretteten nach Tasmanien brachte. Australien hat drei ständige Forschungsstationen in der Antarktis – Mawson, Davis und Casey – sowie eine weitere auf der Macquarieinsel. Fünf Personen durch Schüsse lebensgefährlich verletzt, Motiv unklar. Los Angeles – Ein Angestellter hat in einer Gartengerätefirma in Hesston im US-Bundesstaat Kansas drei Menschen erschossen. Der Angreifer selbst sei von der Polizei erschossen worden, sagte der Sheriff von Harvey County, Townsend Walton, dem Lokalsender KWCH. 14 Personen wurden verletzt, fünf davon lebensgefährlich. Es war ein Einzeltäter, sagte Walton. Soweit wir das bisher sehen, hat er wahllos um sich geschossen. Schon auf dem Weg zu seiner Firma schoss der Mann drei Personen an. Darunter waren auch jener Mann, dem er das Auto stahl, und eine Frau auf dem Parkplatz der Gartengerätefirma. Das Motiv war zunächst unbekannt. Der Täter sei von einem einzelnen Polizisten, der als Erster am Tatort eintraf, gestellt und erschossen worden, sagte Walton. Ich halte ihn für einen Helden, er hat ein Menge Menschenleben gerettet. Die Lage war auch nach dem Tod des Angreifers unübersichtlich. Die Gegend um sein Wohnhaus war von der Polizei abgeriegelt, auch in ein Krankenhaus wurden vorübergehend keine Menschen mehr eingelassen. Bei dem Angreifer handelt es sich laut Berichten mehrerer Lokalmedien um einen 38-jährigen mehrfach vorbestraften Mann aus Florida. Er soll sich noch vor kurzem mit zwei Schusswaffen auf seinem Facebook-Profil präsentiert haben. 'Kairo ist für den Fahrdienst Uber ein rasant wachsender Markt. Manch alteingesessener Taxler trägt indirekt dazu bei. Marwa sträubt sich gegen eine gemeinsame Fahrt in Kairo spätabends mit einem weißen, also einem ganz gewöhnlichen Taxi. Tatsächlich wird daraus eine ungemütliche nächtliche Stadtrundfahrt. Der Chauffeur verheddert sich im Gewühl Zivilschutz riet wegen Wintereinbruch von unnötigen Autofahrten ab. Madrid – Eine Kältewelle hat mehrere Regionen Spaniens in weiß gehüllt. Die Schneegrenze ging am Samstag zum Teil auf 200 Meter herunter, teilte das Meteorologische Institut Aemet mit. Die Bewohner von Segovia rund 70 Kilometer nordwestlich von Madrid wurden zum Beispiel schon beim Aufwachen von einer zehn Zentimeter dicken Schneeschicht überrascht. Auch in anderen etwas höher gelegenen Städten und Gemeinden mussten die Behörden tonnenweise Salz, Streufahrzeuge und auch Schaufelbagger einsetzen, um die Straßen von Schnee und Eis zu befreien. Im Nobelbadeort Sitges rund 30 Kilometer südwestlich von Barcelona riss eine Wasserhose unterdessen am Samstag einige Palmen und Straßenlaternen aus der Erde. Für 25 der 50 Provinzen des Landes wurde Wetteralarm der zweithöchsten Stufe Orange ausgerufen, der zunächst bis Montag galt. Der Zivilschutz riet von längeren, unnötigen Fahrten mit dem Pkw ab. Gewarnt wurde vor Unwetter mit Schnee- und Regenfällen, kräftigen Winden sowie hohem Wellengang. Das Gesetz zum Schutz von Frauen tritt am Dienstag in Kraft. Doch zuvor hat China die größte Frauenschutzinitiative des Landes schließen lassen – weil sie eine NGO und kein KP-Verein ist. Peking – Es war kurz vor Mitternacht. Die Sichuaner Hausfrau Li Yan wusch in der Küche ab. Ihr angetrunkener Mann Tan Yong schaute zu. Plötzlich griff er sein Luftgewehr und zielte auf die Fensterablage zehn Zentimeter oberhalb von Li. Die 39-Jährige schimpfte, er könnte sie am Kopf treffen. Das machte ihn nur wütend: Dann schieße ich dir auf den Po. Beide stritten in der Nacht auf den 3. November 2010, in der Li ihren Mann umbrachte. 19 Monate waren sie verheiratet. Beide hatten gescheiterte Ehen hinter sich. Tan war dreimal wegen Gewalttätigkeit geschieden worden. Li glaubte ihm, dass er sich verändert hätte. Bald ging sein Jähzorn wieder mit ihm durch. Er verbot ihr alles, selbst ihre Tochter aus erster Ehe zu treffen. Brutal drückte er Zigaretten auf ihrer Haut aus, schnitt ihr in einem Wutanfall einen Finger ab. Auch in der Novembernacht drosch er auf sie ein. Als er mit dem Kolben auf ihren Fuß schlug, entriss sie ihm das Gewehr, schlug es über seinen Kopf. Die Verletzung war tödlich. Detailliert dokumentierte das Zhong-Ze-Frauenberatungszentrum die Gewaltexzesse. Chinas älteste Frauenschutz-NGO hatte sich nach der Pekinger Weltfrauenkonferenz 1995 als Nichtregierungsorganisation gegründet. Gruselig beschrieb sie auch, wie Täterin Li daran ging, den 70 Kilo schweren Körper loszuwerden. Als ob sie hoffte, so ihre Tat ungeschehen zu machen, zerkleinerte sie die Leiche, zerkochte und entsorgte sie durch die Toilette. Dann rief sie die Polizei. Li wurde durch alle Instanzen als kaltblütige Mörderin zum Tode verurteilt. Sie wartete auf ihre Hinrichtung, als das Oberste Volksgericht die Vollstreckung stoppte. Gnadenappelle des Frauenzentrums und seiner Gründerin Guo Jianmei hatten auch international für Schlagzeilen gesorgt. Anwältin Guo konnte zudem Beweise vorlegen, die mehr für eine Affekttat von Li als für Mord sprachen. Im April 2015 wurde das Urteil in eine Todesstrafe mit Aufschub und damit in lebenslange Haft umgewandelt. Vor Gericht kam heraus, dass Li einst weder bei Polizei noch bei Nachbarschaftskommitees noch Frauenverbänden Hilfe fand. Niemand wollte sich in Familiengeschichten, einmischen. Ohne amtliche Nachweise lagen der Justiz keine Erkenntnisse vor, die die Angeklagte hätten entlasten können. Die 55-jährige Guo, die Partnerin der Pekinger Kanzlei Qianqian ist, sagte dem STANDARD, dass der spektakuläre Fall der Li Yan zum wichtigen Anstoß wurde, dass China Ende vergangenen Dezember ein lange überfälliges Gesetz zum Schutz vor häuslicher Gewalt beschloss. 2014 war es ins Parlament eingebracht worden. Am 1. März tritt es nun mit 38 Paragrafen in Kraft. 120 Staaten haben solche Gesetze. Die Volksrepublik ist Nachzüglerin. Die Anerkennung häuslicher Gewalt fiel ihr nicht leicht. Sie räumt mit Propagandalosungen von der angeblich harmonischen oder friedfertigen Gesellschaft auf: Am Montag sagte die Volkskongress-Abgeordnete Sun Xiaomei im Interview mit der Beijing Times, dass es zu häuslicher Gewalt in mehr als 30 Prozent unserer 270 Millionen Familien kommt. Sie gehe zu 90 Prozent von Männern aus und führe jährlich zu fast 100.000 Scheidungen. Das neue Gesetz, sagte Guo, nennt Gewalt in der Familie ein Verbrechen. Die Polizei muss eingreifen, sobald sie davon erfährt. Neu ist, dass auch Opfer in Ehen ohne Trauschein Schutz erhalten. Die Gesetzgeber schreckten aber vor der Aufnahme gleichgeschlechtlicher Lebenspartnerschaften zurück. Guo, die mit ihrer NGO zum Gesetzentwurf beitrug, sagte: Trotz vieler Mängel ist es ein Meilenstein für unsere Rechtsprechung. Da wusste sie aber noch nicht, dass sie nur eine Woche später ihr NGO- Zentrum schließen musste. Sie teilte dies online mit, ohne weitere Auskunft geben zu dürfen: Am 1. Februar wird das Zhong-Ze-Frauenberatungszentrum geschlossen. Vielen Dank für 20 Jahre Aufmerksamkeit und Unterstützung. Guo hatte in dem Zentrum, das zuerst an die Universität Peking angebunden war und später als NGO weitergeführt wurde, tausende Frauen beraten und in mehr als 920 Fällen anwaltlich geholfen. Sie erhielt internationale Preise und wurde 2011 auch von Hillary Clinton und Michelle Obama ausgezeichnet. Clinton, die 1995 eine der Hauptrednerinnen auf der Weltfrauenkonferenz gewesen war, twitterte nun: Was 1995 für Peking galt, ist heute noch wahr: Frauenrechte sind Menschenrechte. Dieses Zentrum sollte bestehen bleiben. Ich stehe zu Guo. True in Beijing in 1995, true today: Womens rights are human rights. This center should remain—I stand with Guo. https://t.co/WbqDsdPr5q -H Chinas Parteibürokratie sieht das anders. Ihr Verbot scheint Teil jüngster Willkür-Maßnahmen in der reideologisierten Innenpolitik Chinas zu sein, um die Zivilgesellschaft unter ihre Kontrolle zu bringen. Die Behörden statuierten mit der Schließung der Fraueninitiative, die auch von der Ford-Stiftung unterstützt wird, ein Exempel für alle zu eng mit dem Ausland verbundenen NGOs. Peking steht kurz vor Verabschiedung eines repressiven neuen Gesetzes für Auslands-NGOs. Betroffen sind Bürgerinitiativen, Stiftungen und Vereine. Sie sollen sich neu registrieren lassen und müssen ihre Arbeitspläne und Finanzen offenlegen. Künftig sollen sie der administrativen Kontrolle der Polizei unterstehen, statt wie bisher den Zivilämtern. Die Schließung von Zhong Ze wirkt angesichts des neuen Gesetzes besonders absurd. Auch vor dem Hintergrund, dass sich die traditionelle Diskriminierung von Frauen in China heute noch verschärft hat. Die gigantische ländliche Arbeitsmigration in die Städte hat die Sozialstrukturen in den meisten Dörfern zerstört, wo 60 Millionen Kinder, 47 Millionen Frauen und 50 Millionen Alte zurückgelassen leben. Die Folgen einer 30 Jahre lang erzwungenen Einkindpolitik haben sich in manipulierten, extrem verzerrten Geburtenrelationen niedergeschlagen, zulasten ungewollter Mädchen. Das neue Gesetz soll Gewalt in den Familien verhindern. Doch ohne Mitarbeit der Zivilgesellschaft lässt sich schwer vorstellen, wie es umgesetzt werden soll. Dann ergeht es dem Gesetz wie vielen früher angeblich fortschrittlichen Verordnungen zum Schutz der Frauen, zu denen es keine Ausführungsbestimmungen gab und die angesichts der Realitäten Chinas nie zur Anwendung kamen. Guo nennt sie schlafende Schönheiten. Aber sie gab mit ihrer vor allem Aufklärung leistenden Initiative nie auf. Wir haben früh lernen müssen, wie Kiefern auch auf Steinen und aus Ritzen wachsen zu können. Das sagte sie dem STANDARD, bevor sie erfuhr, dass sie ihre NGO schließen muss. Kleinere Delikte wie öffentliches Urinieren sollen nicht mehr vor Gericht verhandelt werden und die Arbeit der Polizisten erleichtern. New York – Urinieren auf der Straße, Alkohol in der Öffentlichkeit, Füße auf dem U-Bahn-Sitz: In New York sollen kleinere Delikte ab nächster Woche nicht mehr automatisch zu Festnahmen und Gerichtsverfahren führen. Die Reform erlaube es der hart arbeitenden Polizei, sich auf schwere Verbrechen zu konzentrieren, sagte Bürgermeister Bill de Blasio am Dienstag. Die Erleichterung gilt ab Montag für Manhattan. Die Staatsanwaltschaft des Bezirks erklärte, Täter von Bagatelldelikten würden nur noch dann festgenommen, wenn sie die öffentliche Sicherheit gefährdeten. Von der Maßnahme erhoffen sich die Behörden rund 10.000 weniger Festnahmen im Jahr – und damit auch eine deutliche Entlastung der Gerichte und Haftanstalten. Stattdessen soll sich die Polizei nun stärker auf schwere Verbrechen wie Mord, Bandenkriminalität, Vergewaltigung und Raub konzentrieren. Die Zahl dieser Delikte war in New York im vergangenen Jahr angestiegen. (2.3.2016) Der 28-jährige Engländer hatte laut Gericht ein 15-jähriges Mädchen geküsst, das Strafmaß ist noch offen. Bradford – Der frühere englische Fußball-Nationalspieler und ehemalige Sunderland-Profi Adam Johnson ist wegen unsittlicher sexueller Berührung einer Minderjährigen verurteilt worden. Er habe ein 15-jähriges Mädchen geküsst, urteilte ein Gericht in Bradford am Mittwoch. Der 28-Jährige, der nach einer Kautionszahlung auf freiem Fuß ist, müsse mit einer Gefängnisstrafe rechnen, sagte der Richter. Das Strafmaß werde vermutlich in den nächsten Tagen bekanntgegeben. Johnson hatte zugegeben, die 15-Jährige vor einem Jahr in seinem Auto geküsst zu haben, aber nicht weitergegangen zu sein. Das Mädchen hatte dagegen behauptet, es habe Oralsex mit ihm gehabt. Von diesem Vorwurf sprach das Gericht Johnson aber frei. Der AFC Sunderland hatte den Profi vor kurzem entlassen, nachdem er zum Prozessauftakt Sexualdelikte zugegeben hatte. Die Wahrscheinlichkeit, eine veredelte ivorische Kakaobohne bereits gegessen zu haben, ist groß. Doch Kinderarbeit nimmt dort zu, Armut ist weitverbreitet. Die Hauptstraße ist zugleich die einzige Straße, die ins Dorf führt. Aber was heißt Straße? Einige Schlaglöcher entlang der Lehmpiste sind so groß, dass sie nicht umfahren werden können. An einigen Stellen droht die durch den Regenwald geschlagene Trasse nach den Regenfällen der letzten Tage wegzubrechen. Tiemokokro steht nach wenigen Kilometern Holperpiste, für die man eine Stunde benötigt, auf dem Ortsschild. Unter dem Schriftzug befindet sich eine explizite Zeichnung, sein Geschäft bitte nicht im Freien zu verrichten – was angesichts nur einer Handvoll Toiletten für die hunderten Dorfbewohner nicht umzusetzen ist. In Tiemokokro, 130 Kilometer nördlich der afrikanischen Metropole Abidjan entfernt, gibt es wie in vielen Dörfern in Côte dIvoire keinen Strom, kein fließendes Wasser. Wenn der Dorfbrunnen defekt ist, und das ist er die meiste Zeit des Jahres, gehen die Frauen mit Kübeln auf dem Kopf täglich mehrmals zu kilometerweit entfernten Wasserstellen. Als Behausungen dienen Lehmhütten, gekocht wird auf offenen Feuerstellen, gegessen wird fast täglich das Gleiche: Reis, Bananen und Suppe aus den Wurzelpflanzen Yams, Maniok und Taro. Der einzige Luxus: Eine Autobatterie, die von einem Solarpaneel auf dem Strohdach gespeist wird. Sie wird einzig für das Aufladen von Handys gebraucht. Mit dem Handy können Gelder von Familienmitgliedern aus dem Ausland erhalten oder Autobesitzer im Krankheitsnotfall angerufen werden. Am eindrücklichsten zeigt sich die Armut aber bei den Blähbäuchen der vielen fröhlichen Kinder, die mehr an Mangel- als an Unterernährung leiden. Fast alle Bewohner hier sind Kakaobauern. Sie sorgen für den Rohstoff eines Produkts, das kaum jemand im Dorf je gekostet hat: Schokolade. Die Wahrscheinlichkeit, eine veredelte ivorische Kakaobohne in Österreich probiert zu haben, ist hingegen groß: Mehr als ein Drittel der Welternte stammt aus Côte dIvoire, das Land ist mit Abstand vor dem östlichen Nachbarn Ghana der weltgrößte Kakaoanbauer. Die Schoko-Nachfrage wird wegen des wachsenden Wohlstands in Schwellenländern Asiens und Lateinamerikas größer. Das freut die verarbeitenden westlichen Konzerne wie Cargill (USA) oder Barry Callebaut (Schweiz) sowie die Multis Mars, Mondelez, Nestlé oder Ferrero. Sie kontrollieren den überwiegenden Großteil des Handels. Die Kakaobauern erhalten laut der Kampagne Make Chocolate Fair der NGO Südwind nur 6,6 Prozent des Verkaufspreises für eine Tafel Schokolade. In Côte dIvoire lebt fast jeder vierte Bewohner vom Kakaoanbau. Der Wunsch vieler Bauern in Tiemokokro ist es aber, dass ihre Kinder etwas anderes lernen. Ich hoffe, dass meine Kinder so lange als möglich in die Schule gehen können, sagt Kouadio NDri. Mit seiner Frau Suzanne Brou Affoué hat er 14 Kinder gezeugt, sieben haben nicht überlebt. Das ist hier nichts Außergewöhnliches: Frédéric NGuessan Kouassi etwa erzählt von dreizehn Kindern. Wie viel Geld er mit dem Anbau von Kakao verdient, sei relativ, sagt Kouadio NDri. Ein Kleinbauer verdiene bei guter Ernte rund 1500 Euro im Jahr: Aber wenn ich ein bisschen Geld habe, ist die afrikanische Familie groß. Das schließt Tanten, Onkeln, Nichten und Neffen mit ein. Weil dubiose Zwischenhändler oft weniger Geld als den staatlich festgesetzten Mindestpreis für Kakaobohnen bezahlt haben, sind viele Bauern im Dorf einer Fairtrade-Kooperative beigetreten. Dort wird ein Mindestpreis garantiert, zudem erhält die Kooperative Prämiengelder (200 US-Dollar pro Tonne) von Fairtrade. Ein kleiner Teil wird zusätzlich an die Bauern ausgeschüttet, der Rest für gemeinsame Projekte verwendet. In Tiemokokro konnte die zerstörte Schule wiederaufgebaut und Schulmaterialien konnten angeschafft werden. Bauern erhalten von der Kooperative neue Setzlinge, die den Ertrag in einigen Jahren steigern. Fairtrade-Kooperativen sind auch vom Weltmarktpreis unabhängiger: Im November 2015 notierte dieser bei über 3500 Dollar pro Tonne, aktuell sind es mehr als 400 Dollar weniger. Die Schule ist das wichtigste Projekt. Weit über 100 Kinder sollen hier Bildung erhalten, statt gefährliche Tätigkeiten auf den Kakaofeldern zu verrichten. Denn trotz eines Gesetzes gegen ausbeuterische Kinderarbeit, das 2015 verabschiedet wurde, ist die Entwicklung dramatisch: Laut einer aktuellen Studie der Tulane-Universität ist die Anzahl von Kindern, die in Côte dIvoire missbräuchliche Arbeit in der Kakaoproduktion leisten, um fast die Hälfte gestiegen. 72 Prozent der Kinder haben schon einmal gefährliche Arbeiten verrichtet, sagt Joseph NGuessan von der NGO Fraternité Sans Limites. Dazu zählen das Bäumefällen, das Versprühen chemischer Produkte oder das Tragen von Lasten auf dem Kopf. Wer fairtradezertifiziert sein will, muss auf den Einsatz gefährlicher Kinderarbeit verzichten. Das wird in Schulungen vermittelt und kontrolliert. In Österreich werden pro Kopf und Jahr rund neun Kilogramm Schokolade konsumiert, nur vier Prozent ist nach sozialen oder ökologischen Kriterien zertifiziert. Wobei der Kauf von Fairtrade-Schoko nicht bedeutet, dass man auch Fairtrade-Schoko isst: Aufgrund der geringen Margen wird von Konzernen nicht getrennt produziert. Durch den höheren Verkaufspreis werden aber die Prämienzahlungen an die Kooperativen unterstützt. Familienangehörige rieten Mann zu DNA-Test. Hanoi – In Vietnam gibt es ein Zwillingspaar mit zwei verschiedenen Vätern. DNA-Tests hätten dies belegt, berichtete die staatliche Presse am Freitag. Die beiden inzwischen zwei Jahre alten Mädchen sehen nach dem Bericht der Zeitung Vietnam News so verschieden aus, dass Familienangehörige den Vater (34) zu einem DNA-Test überredeten. Einer habe dicke lockige Haare, der andere nicht. Wie sich herausstellte, war nur ein Mädchen das leibliche Kind des vermeintlichen Zwillingsvaters. Zwillinge mit zwei biologischen Vätern sind sehr selten. Zu dem Phänomen kann es kommen, wenn eine Frau zeitgleich zwei reife Eizellen produziert und in kurzem Abstand mit verschiedenen Männern schläft. Das hat die Mutter der Presse zufolge inzwischen eingeräumt. Im vergangenen Jahr hatte ein ähnlicher Fall in den USA für Schlagzeilen gesorgt. Es ging um einen Unterhaltsprozess. Ein Mann hatte per DNA-Test nachgewiesen, dass er nur der Vaters eines der Zwillinge war, die seine Partnerin auf die Welt gebracht hatte. Ein Richter entschied, dass er nur für dieses Kind Unterhalt zahlen muss. Olivier Ndjimbi-Tshiende hatte sich gegen rassistische Äußerungen der ehemaligen CSU-Ortsvorsitzenden gewandt. Zorneding – Ein aus dem Kongo stammender katholischer Pfarrer in der bayerischen Gemeinde Zorneding hat nach rassistischen Beschimpfungen und mehreren Morddrohungen sein Amt aufgegeben. Olivier Ndjimbi-Tshiende hatte sich gegen rassistische Äußerungen der ehemaligen CSU-Ortsvorsitzenden gewandt. Deren damaliger Stellvertreter hatte ihn daraufhin als Neger beschimpft. Wie das Erzbistum am Montag mitteilte, begannen die rassistischen Beschimpfungen im Herbst. Damals hatte sich Ndjimbi-Tshiende offen gegen die Spitzen der CSU im Ort gestellt. Deren damalige Vorsitzende Sylvia Boher hatte in einem Parteiblatt Flüchtlinge als Invasoren bezeichnet. In die Affäre hatte sich im Herbst auch die oberbayerische CSU-Bezirksvorsitzende Ilse Aigner eingeschaltet. Die beiden kommunalen Amtsträger mussten ihre Ämter mittlerweile aufgeben. Beschluss soll am Dienstag gefasst werden – Geldstrafen bis zu 3.000 Euro geplant. Palma de Mallorca – Auch nach der Aufhebung der umstrittenen Benimmregeln müssen sich Touristen künftig beim Trinken am Ballermann in Mallorca zügeln. Mehrere Gebiete der Gemeinde Palma de Mallorca, darunter auch die Playa mit ihrer berühmten Vergnügungsmeile, würden zu Interventionszonen im Kampf gegen öffentliche Saufgelage erklärt, teilte die sozialistische Stadtverwaltung am Montagabend in Palma mit. Der entsprechende Beschluss soll am Dienstag auf einer Sondersitzung des Gemeinderats von Palma gebilligt werden. Vergehen sollen mit Geldstrafen von bis zu 3.000 Euro geahndet werden. In den betroffenen Abschnitten der Playa sowie in anderen Bereichen wie El Jonquet oder Paseo Maritimo werden nicht nur Trinkgelage auf offener Straße verboten. Zwischen Mitternacht und 8.00 Uhr wird laut Beschluss auch der Verkauf von Alkohol untersagt. Wie ein Sprecher der Stadt der Onlineausgabe der Mallorca Zeitung bestätigte, tritt die Regelung nach Billigung mit sofortiger Wirkung in Kraft. Man werde aber zunächst Info-Schilder anbringen und dann voraussichtlich ab April beginnen, Geldstrafen zu verhängen. Anfang Februar hatte das Obere Gericht der Balearen die 2014 im Hauptstadtbezirk der spanischen Ferieninsel eingeführte Verordnung für ein zivilisiertes Zusammenleben gekippt. Der 113 Artikel umfassende Benimm-Katalog, der unter anderem auch Lärmbelästigung und das Tragen von Badekleidung abseits der Strände unter Strafe gestellt hatte, war eines der Vorzeige-Projekte der inzwischen abgewählten konservativen Stadtregierung. 31-Jährige lobte einen Tag zuvor Schießkünste ihres Sohnes im Internet. Miami – Ein Vierjähriger hat in den USA bei einer Autofahrt seiner Mutter versehentlich in den Rücken geschossen. Das Kind habe sich ohne Wissen der Mutter deren Waffe gegriffen und auf sie geschossen, teilte die Polizei von Putnam County im US-Bundesstaat Florida am Mittwoch mit. Die 31-jährige Frau aus Jacksonville wurde schwer verletzt. Die bekennende Waffennärrin hatte sich einen Tag zuvor im Internet mit den Schießkünsten ihres Vierjährigen gebrüstet. Das Kind ist nun bei Verwandten. Die Frau, die sich in sozialen Netzwerken als Verfechterin des Rechts auf Waffenbesitz präsentiert, ist noch nicht vernehmungsfähig. Ihr droht eine Anklage, weil sie eine geladene Waffe nicht vor dem Zugriff des Kindes schützte. Am Vortag des Unglücks hatte sie auf ihrer mittlerweile nicht mehr zugänglichen Facebook-Seite zu einem Bild von sich mit Cowboyhut und Gewehr gepostet: Jeder hier bei uns weiß, wie man schießt. Schon ihr Vierjähriger könne mit einem Kleinkalibergewehr umgehen. Tödliche Unfälle mit Schusswaffen sind angesichts der weiten Verbreitung von Waffen in den USA keine Seltenheit. Auch Kleinkinder schießen immer wieder auf Geschwister, andere Kinder oder ihre Eltern. Ende 2014 hatte ein Fall Schlagzeilen gemacht, in dem ein Zweijähriger in einem Supermarkt versehentlich seine Mutter erschoss, als er unbemerkt eine Waffe aus der Handtasche seiner Mutter griff und sie abfeuerte. Alljährlich werden rund 20.000 Minderjährige in den USA durch Schusswaffen verletzt oder getötet. Zur Zahl der Kinder und Jugendlichen, die selbst versehentlich jemanden durch Schüsse verletzen oder töten, gibt es keine Angaben. Archivierung wurde um viel Geld an Firmen ausgelagert, die dazu gar nicht fähig sind. Der Bruder eines Ex-Premiers könnte involviert sein. Es ist das schönste Gebäude in Zagreb. Wer das im Jugendstil erbaute Staatsarchiv mit den großen Eulen am Dach betritt, kommt in ein Gesamtkunstwerk. Nicht nur die Glasmosaike, die Reliefs an den Wänden, die mamornen Wandvertäfelungen, die eleganten Stiegengeländer, die riesigen Glas-Gold-Luster verzaubern, sondern auch das Originalmobiliar im Lesesaal. Der Sezessionspalast wurde 1913 von dem Architekten Rudolf Lubinski erbaut. Trotz all der Schönheit und des Glanzes hat die Direktorin Vlatka Lemić dunkle Ringe unter ihren Augen. Sie hat ein schreckliches Jahr hinter sich. Als sie 2013 ihren Job annahm, wusste sie noch nicht, dass sie ein schweres Erbe verwalten muss, das ihr noch viel Kummer bereiten würde. Laut Gesetz müssen die Staatsunternehmen ihre Akten dem Staatsarchiv überlassen, dieses muss die Akten lagern und schützen. Doch wegen akuten Platzmangels im Staatsarchiv wurde im Jahr 2007 eine Änderung gemacht, wonach auch dritte Personen – also private Firmen – die Akten verwahren können. Lemić bemerkte, dass diese Verträge mit privaten Firmen nicht den gesetzlichen Vorschriften entsprechen und teilte dies dem zuständigen Kulturministerium mit. Unter anderem ging es um den Vertrag mit einer Firma namens Pismohrana. Doch ihr Engagement kam die mutige, parteipolitisch unabhängige und professionelle Frau Lemić teuer zu stehen. Denn das Staatsarchiv wird seitdem regelrecht von Inspektoren belagert. Als ich 2013 Direktorin wurde, habe ich Rechnungsprüfer eingeladen und nachgefragt, was es mit den Erlaubnissen für private Firmen auf sich hat. Das Kulturministerium hat mitgeteilt, dass diese nicht den Gesetzen entsprechen. Lemić hat diese Verträge mit den privaten Firmen daraufhin gekündigt. Doch dann fingen diese an, Druck zu machen, denn schließlich geht es um viel Geld. Sie drohten unter anderem, Frau Lemić zu klagen. Lemić erstellte mit einer Kommission eine Expertise, die klären sollte, ob die privaten Firmen überhaupt die Voraussetzungen für eine fachgerechte Archivierung haben. Die Kommission kam zur Einschätzung, dass dies nicht der Fall sei. Ich wurde danach per Mail und per Telefon bedroht, meine Meinung zu ändern. Mir wurde angekündigt, dass ich kaputtgemacht werde. Es wurde behauptet, dass ich hunderte Liebhaber habe und dass meine Doktorthese gefälscht ist. Auf Anfrage des STANDARD beim Kulturministerium bestätigt dieses, dass es seit 2007 eine Regelung gibt, wonach die Lagerung auch außerhalb des Staatsarchivs möglich sei. Das Problem sei aber entstanden, als das Staatsarchiv privaten Firmen die Erlaubnis erteilt habe, auch Archivierungen vorzunehmen. Das Kulturministerium kommt zu dem Schluss, dass Archivmaterial nicht mehr privaten Firmen anvertraut werden darf. Man habe nun damit begonnen, alte Armeebaracken in der Nähe von Zagreb für die Archivierung zu restaurieren. Was mit den privaten Firmen, die nach wie vor die Unterlagen archivieren, geschehen soll, ist nach wie vor ungeklärt. Einerseits kostet es aber den Staat viel Geld, diese privaten Firmen zu bezahlen, andererseits sind diese Firmen gar nicht dazu in der Lage, die Archivierung professionell durchzuführen, sagt Lemić zum STANDARD. Bei manchen dieser Firmen könne man zudem nicht einmal herausfinden, wer eigentlich der Besitzer ist. Pismohrana ist eine von zehn Firmen, die so eine Erlaubnis des Staatsarchivs für die Archivierung bekommen haben. Laut dem STANDARD vorliegenden Unterlagen hat Pismohrana unter anderem Material über die Kinderklinik in Srebrnjak, das Umweltministerium, die Elektrizitätsgesellschaft HEP in Zagreb, den kroatischen Gesundheitsversicherungsfonds und kroatische Autobahnen in Verwahrung. Die Erlaubnis für die Archivierung wurde vom Staatsarchiv im Jahr 2011 erteilt. Pismohrana ist mittlerweile auch in anderen Zusammenhängen in Medien aufgetaucht. Denn die Steuerfahndung ist einigen anderen Firmen auf der Spur, die angeben, in Goldhandel involviert zu sein. Es besteht aber der Verdacht, dass diese Firmen sich gegenseitig nur Scheinrechnungen ausstellen und selbst fiktiv sind, um die Mehrwertsteuer für ihre Geschäfte vom Staat zurückzufordern. Die Konsequenz: Steuergeld wird an Schurken verschenkt. Die Zeitung Jutarnji list zählte im September zahlreiche Firmen auf, die dieses Geschäftsmodell verfolgten. Darunter eine namens Insula Brač. Die soll auch einen Vertrag mit Pismohrana unterhalten haben, um Regale zu liefern. Insgesamt geht es bei den Scheinfirmen um viel Geld. So soll die Firma Gold Box um die Rückzahlung von 28,7 Millionen Kuna (3,7 Millionen Euro) Mehrwertsteuer angesucht haben. Zweitens wurde im Zusammenhang mit Pismohrana immer wieder der Name des Bruders des ehemaligen Premiers Zoran Milanović, Krešimir Milanović, genannt. Zwei- bis dreimal, erzählt auch Lemić, war Kresimir Milanović mit den Leuten von Pismohrana im Staatsarchiv. Kresimir Milanović behauptet, dass er nichts mit Pismohrana zu tun habe. Trotz mehrmaliger Anfragen des STANDARD wollte Pismohrana keine Stellungnahme zu ihrem Verhältnis zu Insula Brač und zu Krešimir Milanović abgeben und erteilte keine Auskunft darüber, wie viel Geld man durch die Archivierungsaufträge bekommen habe. Pismohrana kommentiert die Lügen nicht, die in den Medien erscheinen, schrieb Ivan Baković dem STANDARD im Oktober. Danach wurde keine Mail mehr beantwortet. Schmuggler waren mit einem Schnellboot vor den Galapagosinseln unterwegs. Guayaquil – Die Drogenpolizei in Ecuador hat vor den Galapagosinseln 1,9 Tonnen Kokain mit einem geschätzten Marktwert von rund 36 Millionen Euro beschlagnahmt. Die mutmaßlichen Schmuggler waren auf einem Schnellboot nahe der Insel San Cristobal unterwegs, wie das Innenministerium in Quito am Sonntag mitteilte. Die Besatzung habe ihre illegale Ladung über Bord geworfen, als sich die Sicherheitskräfte am Freitag aus der Luft und auf dem Wasser näherten. Die Fracht konnte aber den Angaben zufolge geborgen werden. Es habe sich um 34 Säcke mit 1.700 Ziegeln Kokain gehandelt. Demnach hatten die Drogenfahnder Hinweise der Anti-Drogenbehörde DEA und der kolumbianischen Polizei auf eine kriminelle Organisation, die Drogen über den Ostpazifik nach Mittel- und Nordamerika bringt. Laut Innenministerium soll die Polizei bereits am Donnerstag ein Schmugglerboot nahe der Insel gesichtet haben. Die Besatzung habe ihre Ladung ebenfalls ins Meer geworfen und sei entkommen. Ecuador gilt als Transitland für Drogen. Ecuadorianische Drogenbanden sollen mit kolumbianischen und mexikanischen Kartellen zusammenarbeiten. Rücktritt gefordert – Präsidentenanhänger demonstrieren in Caracas. Caracas – Tausende Menschen sind in Venezuela gegen Präsident Nicolas Maduro auf die Straße gegangen. Unter Rufen wie Tritt zurück! marschierten die Demonstranten am Samstag durch einen nördlichen Vorort von Caracas. Tausende Anhänger Maduros demonstrierten unterdessen im Zentrum der Hauptstadt. Zwischenfälle wurden nicht gemeldet. Bei regierungskritischen Demonstrationen waren 2014 insgesamt 43 Menschen getötet worden. Die venezolanische Opposition setzt unter anderem auf den Druck der Straße, um Maduro aus dem Amt zu drängen. Die rechtskonservativen Gegner Maduros vom Oppositionsbündnis MUD hatten nach ihrem Wahlerfolg im Dezember angekündigt, binnen sechs Monaten eine Möglichkeit zu finden, um den Präsidenten zu entmachten. Maduro war im April 2013 für sechs Jahre zum Staatschef gewählt worden. Die Opposition setzt auf mehrere Strategien, um den Präsidenten loszuwerden. Unter anderem will sie eine Verfassungsänderung anstrengen, um die Amtszeit des Staatschefs auf vier Jahre zu verkürzen, und versuchen, ein Referendum zur Absetzung Maduros in die Wege zu leiten. Dabei steht ihr jedoch der Oberste Gerichtshof im Weg, der mit Maduro-freundlichen Richtern besetzt ist. Komplettes U-Bahn-Netz bleibt geschlossen. Washington – Der US-Hauptstadt Washington droht am Mittwoch ein Verkehrschaos: Nach einem Kabelbrand bleibt das komplette U-Bahn-Netz der Metropolregion von Dienstagmitternacht bis Donnerstag um 5 Uhr geschlossen, wie die Washingtoner Verkehrsbehörde mitteilte. Rund 600 unter der Erde verlaufende Kabel müssten auf ihre Sicherheit überprüft werden. Die Washingtoner Metro ist eines der größten Nahverkehrssysteme der Vereinigten Staaten. Jeden Tag befördern die Züge rund 700.000 Fahrgäste in der Hauptstadt und den angrenzenden Bundesstaaten Virginia und Maryland. Viele Pendler müssen sich am Mittwoch nun einen anderen Weg suchen, um zu den Büros und Behörden in Washingtons Innenstadt zu kommen – oder einfach zu Hause bleiben. Am Montag war in einem Tunnel ein Kabelbrand ausgebrochen. Der Leiter der Verkehrsbehörde, Paul Wiedefeld, sagte, dass der Zwischenfall noch untersucht werde. Allerdings gebe es Gemeinsamkeiten mit einem tödlichen Vorfall von Jänner 2015. Damals waren eine Frau gestorben und dutzende Fahrgäste verletzt worden, als nach einem elektrischen Defekt dichter Rauch in einen U-Bahn-Tunnel quoll. Sicherheit ist unsere höchste Priorität. Das bedeutet manchmal, schwere und unpopuläre Entscheidungen zu treffen, sagte Wiedefeld. Es ist das erste Mal, dass die Washingtoner U-Bahn aus nichtwetterbedingten Gründen komplett schließt. Im Winter bringt immer wieder heftiger Schneefall den Nahverkehr zum Erliegen. Zuletzt Ende Jänner war der Verkehr wegen eines schweren Blizzards ein ganzes Wochenende lang eingestellt worden. Zeitung: Sechs Millionen Bürger betroffen. Washington – Der Skandal um mit Blei verseuchtes Trinkwasser in den USA weitet sich aus. Wie die Zeitung USA Today am Donnerstag unter Berufung auf eigene Recherchen berichtete, sind rund sechs Millionen US-Bürger betroffen. In etwa 2.000 Wasserverteilungssystemen sei Blei gemessen worden, das über den von der Umweltschutzbehörde EPA empfohlenen Grenzwerten läge. Betroffen seien alle 50 Bundesstaaten. Das Problem der Bleikontamination hat damit offenbar weitaus größere Dimensionen als bisher bekannt. In den vergangenen Monaten hatten die Zustände in der Stadt Flint im Bundesstaat Michigan die Aufmerksamkeit der US-Öffentlichkeit auf das Problem gelenkt. Wegen der Verseuchung des Trinkwassers in der 100.000-Einwohner-Stadt rief Präsident Barack Obama im Jänner den Notstand in Michigan aus. Bei Kindern in Flint waren deutlich erhöhte Bleiwerte festgestellt worden, viele Einwohner klagen über Hautausschlag, Erbrechen und Haarausfall. Kinder sind besonders empfindlich für die Wirkungen des Gifts. Blei kann sogar dauerhafte Lern- und Verhaltensprobleme verursachen. Laut USA Today versorgen etwa 350 der landesweit von der Bleikontaminierung betroffenen Wasserversorgungssysteme auch Schulen und Kitas. Die Zeitung berichtete von dem Fall einer Volksschule im Bundesstaat Maine an der Nordostküste, wo der gemessene Bleigehalt 42 Mal so hoch gewesen sei wie der EPA-Grenzwert. In einer Kita im Bundesstaat Pennsylvania an der Ostküste sei der Wert um das 14-fache über der Norm gelegen. In Flint geht die Bleikontamination auf Sparmaßnahmen zurück. Die Stadtverwaltung hatte im April 2014 damit begonnen, Wasser aus dem Flint-Fluss zur Trinkwasseraufbereitung zu nutzen. Zuvor war Trinkwasser aus Detroit bezogen worden. Laut einer Klage von Bürgerrechtlern genehmigte die Umweltbehörde des Bundesstaates den Schritt, obwohl die Kläranlage der Stadt das Flusswasser nicht entsprechend den Trinkwasservorschriften aufbereiten kann. Im Kongress in Washington stand am Donnerstag eine Anhörung zu den Zuständen in Flint auf der Tagesordnung, zu der unter anderem der Gouverneur von Michigan, Rick Snyder, geladen war. Mann hatte vor dem Fernseher paranoide Wahnvorstellungen bekommen. London – Ein psychisch kranker Brite, der seine Ehefrau während des Anschauens einer Castingshow enthauptet hat, muss für unbestimmte Zeit in eine geschlossene psychiatrische Klinik. Er hatte vergangenen Sommer vor dem Fernseher paranoide Wahnvorstellungen bekommen und sich erst selbst verletzt, dann seine Frau und den Hund des Paars getötet. Kopf und Körper des 39 Jahre alten Opfers waren getrennt voneinander gefunden worden. Das sei einer der traurigeren Fälle, sagte ein Richter in London am Donnerstag: Die Tat sei eindeutig Folge einer schweren Krankheit. Die Castingshow, die die beiden sahen, war nach Aussagen der Staatsanwaltschaft wohl der Auslöser für den Anfall: Der Täter sagte im Verhör aus, er habe geglaubt, die Tänzer der Show seien von einem Puppenspieler kontrolliert und sprächen aus dem Fernseher heraus mit ihm. Er habe sich und seine Frau töten wollen, weil ihnen ewige Verdammnis angedroht worden sei. Der Mann hat seit einem schweren Motorradunfall im Jahr 2004 massive psychische Probleme, wie mehrere medizinische Experten während des Prozesses bestätigten. Der Frau gegenüber war er allerdings nie zuvor gewalttätig geworden. Ex-Vale-Chef Agnelli, Frau und beide Kinder getötet. Sao Paulo – Ein früherer Vorstandschef des weltgrößten Eisenerzproduzenten Vale und sechs weitere Menschen sind am Samstag in Brasilien beim Absturz eines Privatflugzeugs ums Leben gekommen. Aus dem Umfeld der Luftfahrtbehörden verlautete, der 56-jährige ehemalige Vale-Chef Roger Agnelli, seine Frau und ihre beiden Kinder seien unter den Toten. Nach Angaben der Notfalldienste ereignete sich das Unglück im Norden von Sao Paulo. Die Maschine sei kurz nach dem Start in zwei Häuser gestürzt. Der Pilot und die sechs Passagiere seien gestorben. Die Hausbewohner konnten demnach vor dem Feuer fliehen, das durch den Aufprall entfacht wurde. Unter ihnen sei nur eine Frau leicht verletzt worden. Der siebensitzige Flieger vom Typ CA-9 gehörte nach Angaben der Luftfahrtbehörde Agnelli. Die Unglücksursache war zunächst nicht zu ermitteln. Zum Zeitpunkt des Absturzes herrschte sonniges und klares Wetter. Unter der Führung von Agnelli war Vale zu einem der drei weltweit größten Bergbauunternehmen aufgestiegen. Zweite Zwillingsgeburt für Unternehmerin Margarita Louis-Dreyfus. Genf – Im Alter von 53 Jahren hat die Schweizer Milliardärin und Unternehmerin Margarita Louis-Dreyfus zum zweiten Mal Zwillinge zur Welt gebracht. Ihre Sprecherin bestätigte am Montag die Geburt, über die am Wochenende bereits Medien berichtet hatten. Der Mutter und den beiden Mädchen gehe es gut. Aus ihrer Ehe mit dem 2009 verstorbenen Unternehmer Robert Louis-Dreyfus hat die gebürtige Russin bereits drei Söhne, darunter ebenfalls Zwillinge. Vater der jetzt Neugeborenen ist der 52-jährige Schweizer Banker Philipp Hildebrand. Margarita Louis-Dreyfus, die im Juni 54 Jahre alt wird, erbte nach dem Tod ihres Mannes die Unternehmensgruppe Louis-Dreyfus Commodities. Der vor 160 Jahren gegründete Konzern macht vor allem Geschäfte mit Rohstoffen und beschäftigt 22.000 Menschen in mehr als hundert Ländern. Margarita Louis-Dreyfus gehört außerdem der französische Fußballverein Olympique Marseille. Ihr neuer Lebenspartner Hildebrand war Chef der Schweizer Zentralbank, bis er wegen Vorwürfen des Insiderhandels zugunsten seiner Ex-Frau zurücktreten musste. Inzwischen ist Hildebrand Vizechef des US-Vermögensverwalters BlackRock. Regierung einigte sich auf Prostitutionsgesetz. Berlin – Nach jahrelangem Streit über das Prostitutionsgesetz hat die deutsche Regierung einen Gesetzesentwurf gebilligt. Er sieht eine Anmeldepflicht für Prostituierte vor, eine Erlaubnispflicht für Bordellbetreiber und eine Kondompflicht für Freier. Menschenunwürdige Betriebskonzepte wie Flatrate- oder Gang-Bang-Partys werden verboten. Zu der neu eingeführten Erlaubnispflicht für die Bordelle gehört eine Zuverlässigkeitsprüfung für die Betreiber. Damit soll etwa unterbunden werden, dass vorbestrafte Menschenhändler ein Bordell betreiben. Die Prostituierten müssen sich bei einer Kommune anmelden und können ihr Gewerbe auf dieser Grundlage deutschlandweit ausüben. Prostituierte zwischen 18 und 21 Jahren müssen sich ab dem 1. Juli 2017 jeweils für ein Jahr verpflichtend anmelden, die künftig vorgeschriebene gesundheitliche Beratung wird jeweils nach sechs Monaten fällig. Bei einem Verstoß gegen die Anmeldepflicht drohen den Prostituierten Bußgelder. Prostituierte ab 21 müssen sich ab Juli 2017 bis Ende des Jahres einmalig für drei Jahre anmelden, die gesundheitliche Beratung ist für sie nach zwei Jahren wieder erforderlich. Ab 2018 gilt eine zweijährige Anmeldefrist, die gesundheitliche Beratung ist dann jährlich vorgesehen. Mini-Bus mit Portugiesen an Bord kollidiert mit Lkw Paris. Paris – Bei einem Frontalzusammenstoß sind im zentralfranzösischen Departement Allier in der Nacht auf Freitag zwölf Menschen ums Leben gekommen. Wie die Zeitung La Montagne am Freitagmorgen online berichtet, war ein Kleinbus gegen Mitternacht aus zunächst ungeklärter Ursache gegen einen Lastwagen geprallt. Alle zwölf Passagiere des Minibusses seien sofort tot gewesen. Es habe sich offensichtlich um eine Gruppe Portugiesen gehandelt, die auf der Rückreise aus der Schweiz in die Heimat war. Der Fahrer des Kleinbusses wurde verletzt in ein Krankenhaus nach Moulins gebracht. Die beiden italienischen Fahrer des Lastwagens erlitten leichte Verletzungen und standen unter Schock. Fast 60 Feuerwehrleute, sechs Rettungsteams und etwa 20 Polizisten sind den Angaben nach an der Unfallstelle bei Moulins im Einsatz gewesen. Von einer Pinie aus wollte sich der Deutsche Zutritt zum Vatikanstaat verschaffen. Rom – Ein Deutscher hat in der Woche vor Ostern versucht, die Vatikanmauer zu erklimmen. Er wollte sich unerlaubt Zutritt zum Kirchenstaat zu verschaffen. Der offenbar stark angetrunkene Mann sei auf eine Pinie geklettert und habe von dort aus versucht, die Mauer zu besteigen, teilte die römische Polizei mit. Er sei allerdings von Sicherheitskräften und der vatikanischen Gendarmerie entdeckt und abgeführt worden. Der nicht vorbestrafte Mann wurde zur Polizeistation gebracht. Zwei Löschfahrzeuge vernichtet. München – In der Allgäuer Gemeinde Buxheim in Deutschland hat am Montag ausgerechnet das Feuerwehrhaus gebrannt. Es gab mehrere Explosionen, die wahrscheinlich von dort gelagerten Sauerstoffflaschen ausgingen. Das Gebäude sei komplett ausgebrannt, teilte die Polizei mit. Zwei Löschfahrzeuge und nahezu die komplette Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehr wurden vernichtet. Rund 150 Feuerwehrleute aus den Nachbarorten waren zur Brandbekämpfung eingesetzt. Menschen waren zur Unglückszeit nicht in dem Gebäude. Die Polizei schätzte den Schaden auf mehr als eine Million Euro. Die Brandursache war zunächst ungeklärt. Das Hochhaus wurde evakuiert. Bisher gibt es keine Angaben über mögliche Opfer. Abu Dhabi – Ein Wohnturm ist in den Vereinigten Arabischen Emiraten in Brand geraten. Das Feuer war am Montagabend (Ortszeit) entdeckt und das Hochhaus daraufhin evakuiert worden, wie die Nachrichtenseite Gulf News berichtete. Angaben über mögliche Opfer gab es zunächst nicht. Die Flammen griffen dem Bericht zufolge auf einen zweiten Wohnturm über. Auf Bildern lokaler Medien waren meterhohe Flammen zu sehen, die auf einer Seite des Gebäudes in den nächtlichen Himmel schlugen. Mehrere Einheiten der Feuerwehr kämpften laut Gulf News gegen den Brand an. Der Gebäudekomplex liegt im Emirat Adschman, gut 20 Kilometer nordöstlich von Dubai. 55 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder an Bord – Einige Passagiere werden derzeit freigelassen. Larnaka – Ein entführtes ägyptisches Flugzeug ist auf dem Flughafen der zypriotischen Hafenstadt Larnaka gelandet. Das bestätigte die Polizei dem staatlichen zypriotischen Rundfunk (RIK) am Dienstag. Nach Angaben der Flughafenbehörde waren 55 Passagiere und sieben Besatzungsmitglieder an Bord des Airbus 320. Es soll sich um einen Entführer handeln. Das ägyptische Luftfahrtministerium meldete, dass der Pilot des Flugzeugs, Omar al-Gammal, die Behörden informiert hat, von einem Passagier mit einem Sprengstoffgürtel bedroht und gezwungen worden zu sein, Zypern anzusteuern. Das Motiv des Täters ist noch unklar. Our flight MS181 is officially hijacked. well publish an official statement now. #Egyptair Der Airbus der Fluggesellschaft Egypt Air sei am Dienstagmorgen von Alexandria in Ägypten aus zu einem Inlandsflug nach Kairo gestartet. Die Piloten des Flugzeugs sollen nach ersten Informationen des Staatsfernsehens Kontakt mit den Fluglotsen in Larnaka aufgenommen haben und eine außerplanmäßige Landung wegen einer Entführung beantragt haben. The hijacked flight #MS181 is currently standing on ground at Larnaca Airport with transponder on pic.twitter.com/9phFjuXUaX Der Flughafen Larnaka wurde nach Angaben des Staatsfernsehens geschlossen. Alle Flüge nach Zypern werden zum Flughafen von Paphos im Westen der Insel umgeleitet. Zypern habe bereits einen Krisenstab gebildet, berichtete das Staatsfernsehen weiter. RIK berichtete, dass der Entführer gerade dabei sei, Frauen und Kinder ägyptischer Herkunft aussteigen zu lassen. Dafür sollte die Polizei vom Flugzeug fernbleiben. Israelische Militärflugzeuge sind als Vorsichtsmaßnahme in die Luft gestiegen, um den eigenen Luftraum zu schützen. Frau nach vier Stunden im Wasser vor der Küste Madeiras gerettet. Lissabon – Portugiesische Fischer haben vor der Küste von Madeira eine 65-jährige Britin aus dem Atlantik gezogen, die nach einem Streit mit ihrem Mann zu ihrem Kreuzfahrtschiff zurückschwimmen wollte. Wie der Chef der Hafenbehörde von Funchal, Felix Marques, am Montag mitteilte, verbrachte die Frau vier Stunden im Wasser, bevor sie gerettet werden konnte. Nach einem Bericht der Zeitung Correio da Manha war das Paar am Samstag nach einem Streit von Bord des Kreuzfahrtschiffes gegangen, um nach Großbritannien zurückzufliegen. Am Flughafen angekommen, sah die 65-Jährige, wie das Kreuzfahrtschiff am Ufer entlangfuhr. Sie glaubte plötzlich, ihr Mann sei an Bord zurückgekehrt und sprang ohne lange nachzudenken ins Wasser, um ihm hinterher zu schwimmen. Laut Hafenmeister Marques sprang die Frau gegen 22.00 Uhr (MESZ) ins Wasser. Rund vier Stunden später wurde sie rund 500 Meter von der Küste entfernt von Fischern gerettet, die durch ihre Hilfeschreie auf sie aufmerksam geworden waren. Sie schlotterte demnach vor Kälte und hielt sich krampfhaft an einem kleinen Koffer fest. Sie wurde wegen Unterkühlung ins Krankenhaus gebracht. Nach Informationen des örtlichen Fernsehsenders SIC war der Mann nicht auf das Urlauberschiff zurückgekehrt. Vielmehr hatte er den ersten Flug zurück nach Hause genommen. Jede Art der Kommunikation zwischen Häftlingen und Außenwelt unterbunden. San Salvador – Angesichts der jüngsten Gewaltwelle in El Salvador hat die Regierung des mittelamerikanischen Landes für sieben Gefängnisse den Notstand erklärt. In den kommenden zwei Wochen werde jede Art der Kommunikation zwischen den Häftlingen und der Außenwelt unterbunden und Familienbesuch gestrichen, teilte Justizminister Mauricio Landaverde am Dienstag mit. Soldaten würden den Außenbereich der Haftanstalten bewachen, hieß es weiter. Rund 300 führende Gangmitglieder wurden in ein Hochsicherheitsgefängnis verlegt. Die Jugendbanden – so genannte Maras – erhalten ihre Befehle häufig von ihren inhaftierten Chefs. Mit 104 Morden je 100.000 Einwohner ist El Salvador das gefährlichste Land weltweit außerhalb von Kriegsgebieten. Zuletzt war in El Salvador über die Verhängung des Ausnahmezustandes diskutiert worden. Für Mittwoch wurde erwartet, dass die Regierung dem Kongress ein erstes Maßnahmenpaket vorlegen würde. Die Frau wurde in der toskanischen Hafenstadt Piombino festgenommen. Rom – Eine italienische Krankenschwester ist in der toskanischen Hafenstadt Piombino festgenommen worden. Sie wird beschuldigt, in den vergangenen beiden Jahren 13 Patienten getötet zu haben, berichteten die Carabinieri in einer Presseaussendung. Die mutmaßlichen Opfer lagen auf der Intensivstation des Krankenhauses von Piombino, in dem die Krankenschwester arbeitete. Sie hatten unterschiedliche Krankheiten. Mehr Details zu den Vorwürfen wurden bisher nicht bekanntgegeben. Die 60-jährige Krankenschwester soll Patienten Spritzen mit tödlichen Dosen eines Antikoagulansmittels verabreicht haben, das in Spitälern oft verwendet wird, lautet der Verdacht der Ermittler. Das Medikament zur Hemmung der Blutgerinnung, das den Patienten nicht verschrieben worden war, verursachte irreversible Blutungen, die zum Tod führten. Die Patienten, deren Tötung die Ermittler der Krankenpflegerin zur Last legen, lagen in besorgniserregendem Zustand auf der Intensivstation des Krankenhauses von Piombino. Sie hätten sich krankheitsbedingt jedoch nicht in Lebensgefahr befunden, berichteten die Kriminalisten. Nach ihrer Festnahme wurde die an Depressionen leidende Krankenpflegerin in die Strafanstalt von Pisa eingeliefert. Es gebe offenbar keinen Grund für ihre Taten, berichteten die Ermittler. Bei Durchsuchungen im Krankenhaus von Piombino und in ihrer Wohnung wurde belastendes Material sichergestellt. Der Fall erinnert an die 44-jährige italienische Krankenpflegerin Daniela P., die wegen Mordes an einer 78-Jährigen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Die Ermittler argwöhnen, dass die Frau tatsächlich im Zeitraum 2013 bis 2014 für den Tod von fast 40 Patienten verantwortlich ist. Wer einen guten Job sucht, wechselt den Vornamen. In den vergangenen zehn Jahren haben das mehr als 1,5 Millionen getan. Es gibt wenig bis gar nichts, was Südkoreas Jugend im Kampf um eine Stelle auf dem heiß umkämpften Arbeitsmarkt auslassen würde: Das schulische Wettrüsten nimmt bereits in den Kindergärten astronomische Ausmaße an, und für Absolventen eines Universitätsstudiums gibt es eigene Nachhilfeinstitute, in denen die Kunst des persönlichen Vorstellungsessays gelehrt wird. Wer sich nicht allein auf akademische Leistungen verlassen möchte, hilft zusätzlich ein wenig mit Schönheitsoperationen nach. Doch für eine stetig wachsende Gruppe an Südkoreanern gilt mittlerweile vor allem ein Credo: Nomen est omen – der Name ist ein Zeichen. Laut aktuellen Zahlen des Obersten Gerichtshofes haben allein in den vergangenen zehn Jahren mehr als 1,5 Millionen Südkoreaner ihren Vornamen geändert. In der Hauptstadt Seoul gehen jeden Tag etwa 30 solcher Anträge ein. Als Begründung für diesen Schritt werde bei mehr als einem Drittel von ihnen die schwierige Suche nach einem Job angeführt. Bei der Suche nach einem vielversprechenden Namen, um dem beruflichen Glück näher zu kommen, wird nichts dem Zufall überlassen. Die meisten Südkoreaner suchen im Zuge der Namensfindung eines der kleinen Zelte der Wahrsager und Schamanen auf, die sich an den Gehsteigen belebter Einkaufsstraßen finden lassen. Viele der dortigen Besucher sind aber auch frisch geschieden und erhoffen sich einen neuen Lebenspartner, andere sind einfach mit dem Stand ihres Bankkontos unzufrieden und wollen ihn gehörig aufbessern. Noch immer gibt es rund 55.000 praktizierende schamanistische Priester im Land – mehr als die Geistlichen aller restlichen Religionen zusammen. In einer repräsentativen Umfrage von 2012 gaben mehr als zwei Drittel aller Befragten an, sie hätten sich in diesem Jahr bereits von Wahrsagern ihr Schicksal vorhersagen lassen. Bis in die 1970er-Jahre sollen auch welche bei Vorstellungsgesprächen des südkoreanischen Konzerns Samsung mit anwesend gewesen sein. Jahrtausendelang wurde auf der koreanischen Halbinsel ein abergläubischer Schamanismus praktiziert. Das Bemühen dutzender Herrscher, diesen aus den Köpfen der Leute zu bekommen, ist bis heute nicht geglückt. Selbst den rasanten Wirtschaftsaufschwung hat der koreanische Schamanismus überdauert. Seine Grundannahme ist, dass alle Dinge auf der Welt eine Seele besitzen. Koreanische Namen können dabei die Geister der vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft innehaben – und wenn die Geister sich nicht vertragen, dann wird dem Träger ein Wechsel angeraten. Die Jugend des Landes hat dabei aber oft auch ganz profane Gründe: In der kollektivistischen Gesellschaft Südkoreas sind vor allem konventionelle Namen beliebt, nur wenige wollen aus der Reihe fallen. Als zum Beispiel das Land im Jahr 2010 von einem Serienmörder heimgesucht wurde, wollten hunderte Südkoreaner nicht mehr länger an ihren Namensvetter erinnert werden und stellten einen entsprechenden Antrag. Erst im Jahr 2005 wurde die Gesetzgebung gelockert, um die Namensgebung in Südkorea zu vereinfachen. Seither akzeptieren die Behörden praktisch jede Anfrage – solange kein Verdacht besteht, dass jemand mit seinen neuen Personalien vor der Rechtsprechung zu fliehen versucht. Im Schnitt registrieren die südkoreanischen Gerichte bis zu 160.000 Anträge pro Jahr. Laut Aussagen von Flüchtlingen ist es in Nordkorea vor allem der Staat, der die Namensänderungen anordnet. Wer etwa einen japanisch klingenden Vornamen besitzt – Japan ist das Land der einstigen Kolonialherren Koreas -, wird nicht selten dazu gedrängt, diesen aufzugeben. Vor allem aber ist es verboten, denselben Vor- und Nachnamen der herrschenden Kim-Familie zu haben. Bub aus den Komoren hatte Pass seines französischen Cousins. Moroni/Paris – Mehr als zehn Tage ist ein achtjähriger Bub aus den Komoren, der alleine und mit dem Pass seines Cousins nach Frankreich einreisen wollte, am Pariser Flughafen Charles de Gaulle festgehalten worden. Am Freitag erlaubte die französische Justiz dem Buben schließlich nach Angaben einer Hilfsorganisation, in Frankreich zu bleiben. Die unglaubliche Geschichte hatte am 21. März begonnen: Der Achtjährige kam an Bord eines Air-France-Flugzeugs mit dem französischen Pass seines Cousins am Hauptstadtflughafen an. Nach Angaben einer Hilfsorganisation kann sich seine Mutter nicht mehr um ihn kümmern. Er sollte deswegen bei seiner in Frankreich lebenden Verwandtschaft unterkommen. Kapitän verweigerte Rückflug In Empfang nehmen wollte ihn seine Tante, die sich am Flughafen als seine Mutter ausgab, aber aufflog. Der Bub wurde daraufhin im Wartebereich des Flughafens festgehalten, um seinen Rückflug zu seiner Mutter auf der zwischen Madagaskar und dem afrikanischen Kontinent gelegenen Inselgruppe zu organisieren. Am Freitag sollte er schließlich zurückgeflogen werden. Im Flugzeug habe der Bub aber getobt und geweint, und der Flugkapitän hat sich geweigert, ihn mitzunehmen, verlautete aus Flughafenkreisen. Ein Richter nahm sich schließlich des Falls an und erlaubte dem Buben, in Frankreich zu bleiben. Die Staatsanwaltschaft musste aber noch entscheiden, ob er in die Obhut des Sozialamts oder zu seinen Verwandten kommt. (1.4.2016, APA, AFP) Wrackteile in unwegsamen Gelände auf Ostereralm bei Turnau geborgen, Ursache weiterhin unklar. Turnau – Beim Segelfliegerpilot, der am Sonntagnachmittag in der Steiermark ums Leben gekommen ist, handelt es sich um einen 59-Jährigen aus dem Bezirk Graz-Umgebung. Der Mann dürfte aufgrund des Aufpralls in dem unwegsamen, bewaldeten Gelände sofort tot gewesen sein, teilte die Landespolizeidirektion am Montag mit. Die Ursache für den Absturz bei der Ostereralm bei Turnau (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) war vorerst noch nicht geklärt. Die Wrackteile wurden noch in den Nachtstunden von der Freiwilligen Feuerwehr Turnau und der Bergrettung geborgen. Die Erhebungen zur Klärung des Unfallhergangs werden von Beamten des Landeskriminalamtes für Steiermark und der Polizeiinspektion Thörl geführt. Die Staatsanwaltschaft Leoben hat eine Obduktion der Leiche angeordnet. 38-Jähriger hatte auch keinen Führerschein. Saarbrücken – Die deutsche Polizei hat im Bundesland Saarland einen nackten Autofahrer auf dem Weg ins Bordell gestoppt. Der 38-Jährige sei unbekleidet hinter dem Steuer eines Lieferwagens gesessen, als die Beamten ihn am Samstag in der Früh kontrollierten, berichtete die Polizei am Montag. Zu allem Überfluss hatte der Mann keinen Führerschein. Er musste seinen Weg zu Fuß fortsetzen. Allerdings ließen die Beamten den Mann erst gehen, nachdem er seine Kleidung wieder angezogen hatte. Warum er die schon vor Fahrtantritt ausgezogen hatte, habe der 38-Jährige nicht sagen können. Er muss mit einer Strafe wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis rechnen. Highway Patrol fing kleinen Hund ein. San Francisco – Hunde-Alarm auf der Bay Bridge in San Francisco: Polizisten der Highway Patrol haben einen Chihuahua auf der mehrspurigen Brücke nach einer wilden Verfolgungsjagd eingefangen. Er war klein, aber sehr schnell, sagte Autobahnpolizist Vu Williams am Montag nach der Rettungsaktion. Mehr als fünf Minuten lang sei der schwarze Chihuahua vor den Beamten hergerannt. Sie hätten erst die Fahrbahn gesperrt und dann die Jagd aufgenommen. Officer Williams filmte am Steuer seines Dienstwagens mit, wie ein Kollege auf dem Motorrad dem Hündchen folgte. Am Ende habe er selbst den Hund überholt, seinen Wagen gestoppt und ihn mit einer Jacke eingefangen, erzählte Williams. Nach der Hochgeschwindigkeits-Verfolgungsjagd sei der Flüchtige in Gewahrsam genommen worden, schrieb die Autobahnpolizei am Montag auf Facebook und stellte ein kurzes Video von dem ungewöhnlichen Einsatz dazu. Der Vorfall ereignete sich am Sonntag auf der gewöhnlich stark befahrenen Bay Bridge, die die Städte Oakland und San Francisco verbindet. Der herrenlose Hund erhielt den Namen Ponch. Das örtliche Tierheim sucht nun den Besitzer des Vierbeiners. Wie der Hund auf die Brücke gelangte, ist nicht bekannt. Penisring in Mistkübel begann zu ticken und zu summen. Halberstadt – Ein Sexspielzeug hat in Halberstadt in Deutschland Sprengstoffspezialisten der Polizei auf den Plan gerufen. Die Mitarbeiterin einer Spielothek hatte die Beamten gerufen, weil es aus einem Mistkübel tickte und summte, wie die Polizei in der Nacht auf Mittwoch mitteilte. Aus Sorge vor einem Sprengsatz evakuierte die Polizei die Spielothek sowie umliegende Geschäfte, brachte etwa 90 Menschen in Sicherheit und sperrte eine Straße. Experten des Landeskriminalamts von Sachsen-Anhalt untersuchten den Mistkübel und entdeckten einen vibrierenden Penisring. Wer das Sexspielzeug in dem Kübel entsorgt hatte, war zunächst unklar. Seeleute schrieben Hilferuf mit Palmwedel – von US-Militärflugzeug entdeckt. Los Angeles – Drei Tage nach ihrem Verschwinden sind drei Männer von einer einsamen Insel im Pazifik gerettet worden. Die Männer hätten mit Palmwedeln und Rettungswesten das Wort Help auf den Boden geschrieben und seien deshalb von der Besatzung eines in Japan stationierten US-Militärflugzeuges entdeckt worden, teilte die US-Armee am Samstag mit. Die Rettung erfolgte am Donnerstag, drei Tage, nachdem die Männer mit ihrem kleinen Boot als vermisst gemeldet worden waren. Die Besatzung des Flugzeugs informierte die Angehörigen der Vermissten und eine Rettungsstation auf der Insel Guam, woraufhin ein kleines Boot die Männer einsammelte und auf das Atoll Pulap in Mikronesien brachte, wie die US-Küstenwache mitteilte. Das Flugzeug und mehrere Frachtschiffe hatten zuvor 17 Stunden lang in einem Umkreis von 280 Kilometern nach den Männern gesucht. Ein Mann konnte gerettet werden. Rom – Nach einem Felssturz im Herzen der Marmorbrüche von Colonnata in der Toskana sind zwei Steinhauer ums Leben gekommen. Die Leichen der stundenlang vermissten Männer wurden am Freitagvormittag entdeckt. Ein dritter Arbeiter, der abzustürzen drohte, konnte mit einem Hubschrauber gerettet und ins Spital gebracht werden. Die drei Männer waren im Begriff, ein Marmorstück abzubrechen, als sie vom Felssturz getroffen und zusammen mit einer schweren Bohrmaschine in die Tiefe gerissen wurden. Zwei Tonnen Stein seien abgestürzt, berichteten die Rettungskräfte. Das Unglück ereignete sich in der toskanischen Provinz Carrara in den Apuanischen Alpen. Die Untersuchungskommission für Arbeitsunfälle will die Umstände genau überprüfen, die zum Unglück führten. Der Carrara-Marmor ist eine der bekanntesten Arten weltweit. Während zu Beginn des 20. Jahrhunderts 100.000 Tonnen jährlich gewonnen wurden, sind es heute circa fünf Millionen Tonnen, was Umweltaktivisten kritisieren. Nicht umsonst werden die Apuanischen Alpen als Berge, die verschwinden bezeichnet. Sie werden zerstückelt, um aus den Felsen den kostbaren Marmor zu gewinnen. Mehr als 2.000 Verletzte – Über 230 Nachbeben – Vor allem Küstenregionen betroffen. Quito – Die Zahl der Todesopfer durch das verheerende Erdbeben in Ecuador hat sich auf mindestens 413 erhöht. Dies teilte das Sicherheitsministerium am Montagabend mit. Zuvor war von 350 Toten und mehr als 2000 Verletzten die Rede gewesen. Das Beben der Stärke 7,8 hatte am Samstagabend weite Teile des Andenstaates erschüttert und große Zerstörungen angerichtet. Zahlreiche Gebäude, darunter Hotels, stürzten ein und begruben unzählige Menschen unter ihren Trümmern. Die Behörden des südamerikanischen Landes befürchten, dass die Opferzahlen noch weiter ansteigen könnten. Präsident Rafael Correa sagte am Montag bei einem Besuch in der besonders betroffenen Stadt Pedernales, der Wiederaufbau der zerstörten Städte werde Monate, Jahre dauern und Hunderte Millionen, womöglich Milliarden Dollar kosten. Insbesondere die Küstenregionen mit der Hafenmetropole Guayaquil sowie den Touristen-Stränden – vor allem Pedernales – waren betroffen. Gebäude stürzten dort ein, Straßen wurden aufgerissen. Auf ihnen liefen Menschen mit notdürftig verbundenen Verletzungen. Im noch intakten Stadion von Pedernales wurden Zelte aufgestellt, Menschen mit Wasser, Essen und Decken versorgt. Feuerwehrmänner versuchten an anderer Stelle in der Stadt, in ein halb zerstörtes Haus zu gelangen, um nach drei Kindern und einem Mann zu suchen. Meine kleinen Cousins sind da drin. Es gab Geräusche, Schreie. Wir müssen sie finden, flehte ein Mann, als die Rettungskräfte in das Gebäude eindrangen. In Portoviejo konnten Behördenangaben zufolge rund 130 Insassen aus einem Gefängnis fliehen, dessen Wände eingestürzt waren. Rund 35 von ihnen wurden bereits wieder gefasst. Das Beben in Ecuador folgte am Wochenende einer Reihe von Erdstößen im südlichen Japan auf der anderen Seite des Pazifiks. Beide Länder liegen auf dem Pazifischen Feuerring, der sich rund um den Ozean zieht und wo immer wieder Erdbeben registriert werden. Experten gehen aber nicht davon aus, dass die beiden Beben direkt im Zusammenhang standen. Ecuador ist das kleinste OPEC-Mitglied und leidet bereits stark unter dem massiv gefallenen Ölpreis. Die Ölproduktion ist von dem Beben allerdings offenbar nicht betroffen. Es wird erwartet, dass die Wirtschaft in diesem Jahr kaum wächst. Zahlreiche Geldgeber haben laut Regierung bereits Notfallhilfen im Umfang von 600 Millionen Dollar (531,73 Millionen Euro) aktiviert. Venezuela, Chile und Mexiko haben darüber hinaus Hilfskräfte und -güter geschickt. US-Außenminister John Kerry bot Unterstützung an. Gebäude stark beschädigt, Ursache unklar – keine Hinweise auf Terroranschlag. Essen – Bei einer Explosion in einem hinduistischen Gebetshaus in Essen sind drei Menschen verletzt worden, davon einer schwer. Das teilte die Polizei am Samstagabend mit. Das Gebäude sei stark beschädigt worden, mehrere Fenster gingen durch die Wucht der Explosion kaputt. Nach nicht bestätigten Medienberichten fand in dem Raum eine Hochzeitsfeier statt. Die näheren Hintergründe seien noch unklar, sagte ein Polizeisprecher. Ein Sprecher der Feuerwehr sagte, einer der Verletzten habe nur Abschürfungen erlitten. Keine Hinweise auf Terroranschlag Nach der Explosion hätten mehrere Zeugen eine maskierte Person vom Tatort fliehen sehen, sagte ein Polizeisprecher am Samstagabend. Die Person sei nicht gefasst worden. Für einen Terroranschlag gebe es keine Hinweise, sagte der Sprecher. Die Explosion ereignete sich gegen 19.00 Uhr. In dem Gebäude hatte gegen 14.00 Uhr eine Hochzeit stattgefunden. Ein Teil der Festgesellschaft war zum Zeitpunkt der Explosion noch im Gebäude, andere Teilnehmer in einem nahegelegenen Festsaal. Die näheren Hintergründe waren zunächst unklar. Es habe eine starke Druckwelle gegeben, vor dem Gebäude lagen zahlreiche Splitter, so die Polizei. Am Abend habe die Kriminalpolizei mit der Spurensuche begonnen, die bis in die Nacht dauern sollte. Die Polizei wollte am Sonntagvormittag in einer Mitteilung über den Vorfall informieren. Vor der UN-Versammlung kam Kritik am "Krieg gegen Drogen" auf. Zudem ist die Zahl psychoaktiver Substanzen gestiegen. Wien – Wenn die Uno-Mitgliedsstaaten am Dienstag in New York zu einer dreitägigen Sondergeneralversammlung über Drogen (UNGASS) zusammentreten, gibt es viel zu besprechen: Weltweit hat laut dem UN-Büro für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC) rund eine Viertelmilliarde der Menschen zwischen 15 und 46 Jahren schon einmal Drogen genommen. Etwa 27 Millionen haben ein Drogenproblem, von diesen hängen etwa zwölf Millionen an der Nadel. Und die Zahl psychoaktiver Substanzen steigt rapide an: Der internationale Suchtstoffkontrollrat (INCB) der Uno, der die Einhaltung der internationalen UN-Drogenkontrollverträge überwacht, warnte bei der Präsentation seines Jahresberichts im März vor einer weltweiten Bedrohung durch die enorm wachsende Zahl psychoaktiver Substanzen. So seien in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres 602 neue Substanzen gemeldet worden. Das seien eineinhalbmal so viele wie 2014. Allerdings wurden nur zehn neue psychoaktive Substanzen im Jahr 2015 unter internationale Kontrolle gestellt. Das internationale Kontrollsystem hinke also stark hinterher. Der INCB stellte aber auch eine positive Entwicklung fest. Afghanistan sei zwar nach wie vor der weltgrößte Heroinproduzent, erstmals seit sechs Jahren habe sich die Anbaufläche von Schlafmohn aber verringert. Die größten Märkte für Heroin und Opium, das jährlich von Afghanistan via Balkanroute nach Westeuropa geschmuggelt wird, sind Großbritannien, Deutschland und Italien. Dort wird allein die Hälfte des Gesamtverkaufswerts von – laut UNODC – insgesamt 26,45 Milliarden Euro umgesetzt. Ob die Anbaufläche von Schlafmohn in Afghanistan weiter schrumpft, bleibt aber abzuwarten. Der INCB hat bei der Präsentation auch Kritik am Krieg gegen Drogen geübt: Gesundheit und Wohlergehen der Menschen müssten in den Fokus rücken. Drastischer drückte es die John-Hopkins-Lancet-Kommission – ein internationales Expertenteam – aus: Sie kritisierte, dass seit dem Beschluss der Opium-Konvention 1912 in Den Haag sowie der Single Convention on Narcotic Drugs (1961) der Uno die internationale Drogenpolitik wesentlich von Prohibition, Polizei- und Militärmaßnahmen gekennzeichnet sei. Das sei kontraproduktiv. So sei die Zahl der Mordfälle in Mexiko seit Einsatz des Militärs gegen Drogenhändler stark gestiegen, eine repressive Drogenpolitik trage sehr stark zu einem Risiko für HIV- Infektionen durch intravenösen Drogenkonsum bei, und es gebe Hinweise darauf, dass eine solche Gesetzgebung massiv rassische und ethnische Minderheiten diskriminiere, hieß es in einem zusammenfassenden Kommentar im Magazin Lancet. Dass die internationale Staatengemeinschaft bei der UN-Versammlung eine große Richtungsänderung absolviert, ist nicht zu erwarten. David Dadge, Sprecher des UNODC, erinnerte im Vorfeld vor Journalisten in Wien daran, dass die Umsetzung konkreter Gesetze den Mitgliedsstaaten obliege. UNODC sei nie in einen ,Drogenkrieg involviert gewesen. Wir setzen immer die Menschen an erste Stelle, sagte Dadge. Das unter Federführung der UN-Drogenkommission (CND) erarbeitete Dokument, das in New York als gemeinsame Linie beschlossen werden soll, werde nicht die Welt in eine neue oder andere Richtung führen. Es soll alle Länder zusammenbringen. Ein Thema, das darin auch Erwähnung findet, ist die wachsende Verbindung zwischen Terrorismus und Drogenhandel. Man müsse Antworten auf diese Herausforderungen finden, heißt es da etwa. UNODC hatte eigens eine Website eingerichtet, um Input für das Papier zu sammeln, einiges sei aber ignoriert worden, kritisierten etwa die Open Society Foundations (OSF) von George Soros. Prinz Carl Philip: "Ein großartiger Tag". Stockholm – Neuigkeiten für Monarchie-Interessierte: Am schwedischen Königshof gibt es Nachwuchs. Prinzessin Sofia, die Ehefrau von Prinz Carl Philip, hat am Dienstag einen Sohn zur Welt gebracht, es ist ihr erstes Kind. Für meine Frau und mich ist es ein großartiger Tag voller Emotion, sagte Carl Philip am Abend vor Journalisten. Der Sprössling wiege 3,6 Kilogramm und sei 49 Zentimeter groß. Mutter und Kind seien wohlauf. Der 36-jährige Carl Philip ist das mittlere Kind von König Carl XVI. Gustaf und Königin Silvia. Seine Schwestern, Kronprinzessin Victoria und Prinzessin Madeleine, haben je zwei Kinder. Victoria brachte erst Anfang März einen Sohn zur Welt. Der kleine Oscar Carl Olof ist der dritte in der Thronfolge hinter seiner Mutter und seiner älteren Schwester Estelle. Der Sohn von Sofia und Carl Philip steht in der Thronfolge an Rang fünf. Prinzessin Sofia ist seit Juni 2015 mit Carl Philip verheiratet. Die Beziehung der Bürgerlichen mit dem Königssohn hatte zunächst für Gesprächsstoff gesorgt, weil die gebürtige Sofia Hellqvist in der Vergangenheit als Nacktmodel posiert hatte. Außerdem nahm sie an einer Reality-Serie im Fernsehen teil. 2005 zog sie nach New York, um Buchhaltung zu studieren. Außerdem machte sie eine Ausbildung zur Yoga-Lehrerin und kellnerte. 2010 gründete Sofia eine Organisation, die Kinder in Südafrika unterstützt. Sie arbeitete als Freiwillige in verschiedenen afrikanischen Ländern. Sofia ist bei den Schweden sehr beliebt. Kind erlitt mehrere Knochenbrüche. Peking – Ein dreijähriger Bub hat einen Sturz aus dem 15. Stock eines Hochhauses in Ostchina überlebt. Wie die Zeitung Yangzi Wanbao am Mittwoch auf ihrer Webseite berichtete, wurde der Qiqi genannte kleine Bub schwer verletzt. Er erlitt mehrere Knochenbrüche und muss operiert werden. Der Sturz aus mehr als 30 Meter Höhe wurde durch ein Metallgitter mit Balkonpflanzen im siebenten Stock gebremst. Auch hatte Regenwetter den Boden aufgeweicht. Das Unglück in Changzhou (Provinz Jiangsu) passierte, nachdem Arbeiter bei Renovierungsarbeiten in der Wohnung eine Glasscheibe vom Fenster weggenommen hatten. Die Mutter soll das Kind noch gewarnt haben, nicht so nah ans Fenster zu gehen, berichtete die Zeitung. Er wurde noch gesehen, wie er sich mit der Hand am Fenster abstützen wollte, wo vorher die Glasscheibe war. Dann fiel er durch das Fenster und stürzte hinab. "Unhygienisch", "diskriminierend": Chinese Christian Union fordert Entfernung. San Francisco – Eine religiöse Gruppe in San Francisco stößt sich an einem Freiluft-Pissoir, das die Stadt kürzlich am Rand eines beliebten Parks aufgestellt hat. Wie der Sender NBC am Dienstag berichtete, hatten sich viele Anrainer für das erste öffentliche Pissoir dieser Art in den USA ausgesprochen. Doch nun hat die Chinese Christian Union gemeinsam mit einigen Bürgern geklagt. Laut Klageschrift machen sie unter anderem geltend, dass die nur mit einem Gitter abgeschirmte Anlage anstößig sei und die Privatsphäre der Benutzer verletze. Zudem sei das Pissoir eine Geruchsbelästigung und unhygienisch, auch weil man sich nicht die Hände waschen könne. Die Kläger führen außerdem an, dass die Einrichtung für Frauen und Behinderte diskriminierend sei. Sie fordern die Entfernung des Pissoirs. Die Stadt hatte das Pissoir im Zuge einer Renovierung der Dolores-Park-Anlage zusätzlich zu traditionellen Toilettenhäuschen gebaut. Damit wollte man unter anderem dem Wildpinkeln in der Anlage vorbeugen. Die Stadtverwaltung will sich den Forderungen der Kläger nicht beugen. In einer Mitteilung heißt es, dass Dolores Park seit Jahren für seinen spektakuläre Aussicht und für eine lebendige Gegenkultur mit nackten Sonnenanbetern und Drogengenuss bekannt ist. Es sei verwunderlich, dass sich die Kläger ausgerechnet an einem Pissoir stoßen, teilte Matt Dorsey, Sprecher der städtischen Justizbehörde, mit. Bruder bestreitet jahrelanges Wegsperren. Rosenheim – Nach der Befreiung einer geistig behinderten jungen Frau in Rosenheim hat die Polizei mit umfassenden Ermittlungen begonnen. Dabei soll auch geklärt werden, ob die 26 Jahre alte Autistin tatsächlich wie zunächst angenommen jahrelang oder womöglich nur hin und wieder in ein Zimmer eingeschlossen wurde, sagte ein Polizeisprecher am Mittwoch auf Anfrage. Der Fall sei eine familiäre Tragödie. Wie inzwischen bekannt ist, lebte in der Wohnung neben Mutter und Tochter auch ein Sohn. Der Schüler bestritt in der Bild-Zeitung vom Mittwoch das jahrelange Wegsperren und sprach davon, dass seine Mutter die Tochter zum Schutz vor deren Aggressionen in gewissen Situationen eingeschlossen habe. Wie der Polizeisprecher sagte, prüfen die Ermittler nun auch dies. Entscheidend sei, dass die Betroffenen aus dieser Situation heraus seien. Es habe sich um geradezu menschenunwürdige Verhältnisse in der Wohnung gehandelt, mit schlimmen hygienischen und allgemeinen Zuständen. Bei der bevorstehenden Zwangsräumung ihrer Wohnung hatte sich am Dienstag die 54 Jahre alter Mutter womöglich in suizidaler Absicht im Treppenhaus des Mehrfamilienhauses in die Tiefe gestürzt. Beim anschließenden Polizeieinsatz entdeckten die Ermittler die eingesperrte Tochter. Diese ist inzwischen in einer psychiatrischen Fachklinik untergebracht, der Bruder wird von den Behörden betreut. Dem Polizeisprecher zufolge befindet sich die Mutter auf dem Weg der Besserung. Sie sei aber noch nicht vernehmungsfähig. Weiterhin noch hunderte Vermisste. Die Regierung kündigte Wirtschaftsmaßnahmen zur Bewältigung der Katastrophe an. Quito/Berlin/Wien – In Ecuador ist die Zahl der Toten nach einem verheerenden Erdbeben auf 570 gestiegen. Bisher wurden 13 Ausländer unter den Todesopfern identifiziert, darunter eine Deutsche. Das Außenministerium in Wien geht nach derzeitigem Wissensstand nicht davon aus, dass Österreicher ums Leben gekommen sind, sagte Sprecher Thomas Schnöll der APA. Das Ressort sei aber mit den lokalen Behörden in Kontakt. Die Regierung des Andenstaats hat drastische Wirtschaftsmaßnahmen zur Bekämpfung der Krise beschlossen. Staatspräsident Rafael Correa, der die durch das Beben angerichteten Schäden auf 2,7 Milliarden Euro veranschlagte, kündigte am Mittwoch die Erhöhung der Mehrwertsteuer um zwei Prozentpunkte auf 14 Prozent für die Dauer eines Jahres an. Zudem wird auf je tausend Dollar Monatsverdienst eine Pflichtabgabe in Höhe eines Tagesgehalts erhoben, wie Correa in seiner im Fernsehen und im Radio übertragenen Rede ausführte. Weiter ist eine einmalige Abgabe in Höhe von drei Prozent zusätzlich auf Gewinne sowie ein einmaliger Beitrag von 0,9 Prozent auf natürliche Personen mit einem Vermögen von mehr als einer Million Dollar vorgesehen. Correa stellte zudem den Verkauf einiger Vermögenswerte in Aussicht, ohne anzugeben, um welche es sich handeln könnte. Das Beben der Stärke 7,8 hatte am Samstagabend weite Teile Ecuadors erschüttert und große Zerstörungen angerichtet. Dutzende Nachbeben folgten. Hunderte Menschen werden nach Regierungsangaben noch vermisst. Am Dienstagabend lief die Drei-Tages-Frist ab, nach der Erfahrungen zufolge kaum noch Hoffnung besteht, noch Überlebende zu finden. Tausende Menschen verloren durch das Beben ihr Zuhause und sind auf Hilfslieferungen angewiesen. Erschießungen "im Stile einer Hinrichtung". Cincinnati – Bei einem Familiendrama im US-Staat Ohio sind am Freitag acht Menschen getötet worden. Es ist davon auszugehen, dass alle Opfer derselben Familie angehören, teilten die Staatsanwaltschaft von Ohio und das Büro des Sheriffs im Pike County am Nachmittag mit. Unter den Toten seien mindestens fünf Erwachsene und zwei Kinder. Die Gefahr sei inzwischen gebannt, es habe jedoch keine Festnahme gegeben, heißt es in der Stellungnahme. Das deutet daraufhin, dass der Täter unter den Toten ist. Dafür gab es jedoch zunächst keine Bestätigung. Die Opfer seien im Stile einer Hinrichtung umgebracht worden. Die Tatorte hätten sich auf vier Grundstücke entlang einer Straße verteilt. Der Sheriff im ländlichen Pike County, rund 100 Kilometer außerhalb von Cincinnati gelegen, hatte bereits am Morgen das Büro des Generalstaatsanwalts von Ohio um Unterstützung gebeten. Der sandte mehr als ein Dutzend Ermittler an den Tatort. Das FBI-Büro in Ohio teilte mit, auch die Bundespolizei habe den zuständigen lokalen Behörden Unterstützung angeboten. Täter flüchteten. Berlin – In einer S-Bahn-Station in Berlin ist ein Mann von Unbekannten auf das Gleis gestoßen und schwer verletzt worden. Der 35-Jährige hatte am Samstagabend versucht, einen Streit zwischen zehn bis 15 Menschen zu schlichten, der in eine Schlägerei ausgeartet war, wie die deutsche Polizei am Sonntag mitteilte. Mehrere unbekannte Täter aus dieser Gruppe attackierten den Angaben zufolge im S-Bahnhof Charlottenburg den Mann, der daraufhin ins Gleisbett fiel und mit schweren Kopfverletzungen liegen blieb. Eine herannahende S-Bahn kam durch eine Notbremsung gerade noch rechtzeitig zum Stehen. Die Täter flüchteten nach Polizeiangaben. Ein 18-Jähriger feuerte auf Besucher eines Abschlussballs in Wisconsin, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Washington – Ein 18-Jähriger hat in den USA auf Teilnehmer eines Schulabschlussballs geschossen und zwei Schüler verletzt, bevor er von der Polizei erschossen wurde. Nach Polizeiangaben vom Sonntag schoss der junge Mann am Samstagabend in Antigo im Bundesstaat Wisconsin auf Schüler, die gerade den Abschlussball einer Highschool verließen. Eine junge Frau wurde leicht, ein Mann schwer verletzt. Zum Zeitpunkt des Angriffs patrouillierte gerade ein Streifenwagen auf dem Parkplatz der Highschool. Ein Polizist schoss den Angreifer nieder. Nach Polizeiangaben starb er in der Nacht zum Sonntag im Krankenhaus. In den USA gibt es immer wieder Schießereien an Schulen. Jedes Jahr kommen mehr als 30.000 Menschen durch den Gebrauch von Schusswaffen ums Leben. Präsident Barack Obama war in der Vergangenheit immer wieder mit Initiativen für schärfere Waffengesetze im Kongress gescheitert. Vor allem die Republikaner wollen nicht an dem in der US-Verfassung verankerten Recht auf Waffenbesitz rütteln. Unbekannter fährt im Geländewagen auf der Suche nach gehsteignahen Lacken durch die britische Hauptstadt. London – Die Londoner Polizei ermittelt in einem ungewöhnlichen Fall. Sie fahndet nach einem Serientäter, der absichtlich mit seinem Auto durch Lacken fährt, um Fußgänger nass zu spritzen. White Chapel hatte Jack the Ripper, und der Katzen-Killer von Croydon ist bis heute nicht gefasst, schrieb die Tageszeitung The Times am Montag. Zu diesen legendären Kriminellen geselle sich nun der Serien-Lackenspritzer von Kentish Town, einem Stadtteil im Norden Londons, so ein The Times-Autor, der dafür das Wortspiel rain of terror in den Titel gehoben hat. Sobald es regne – keine Seltenheit in der britischen Hauptstadt – fahre der Unbekannte mit seinem Geländewagen durch die Gegend, bis er eine Lacke in Gehsteignähe entdecke. Dann fahre er genüsslich durchs Wasser und spritze unschuldige Passanten von Kopf bis Fuß nass. Laut Times konnte eine Passantin den Mann kürzlich filmen, weil er nach einer Tat wendete und noch ein zweites Mal durch eine Pfütze fuhr, um Fußgänger an einer Bushaltestelle nass zu spritzen. Die Polizei konnte ihn trotz des Beweismaterials nicht aufspüren, weil sein schwarzer Geländewagen nicht angemeldet war. Deshalb bitte die Polizei nun um Hinweise aus der Bevölkerung, um dem seit Jänner aktiven Übeltäter das Handwerk zu legen. Patienten mussten trotz Behandlungsmöglichkeiten in Isolation leben. Tokio – Japans Justiz hat sich für die jahrzehntelange Diskriminierung früherer Lepra-Kranker entschuldigt. Obgleich Lepra bereits seit den 1940er-Jahren behandelbar ist, zwang die japanische Regierung noch bis 1996 Leprapatienten, völlig isoliert vom Rest der Bevölkerung zu leben. Auch Justizverfahren wurden aufgrund der unbegründeten Angst vor Infektionen nicht in normalen Gerichtssälen abgehalten, sondern in den Zwangslagern der Patienten. Dies sei nicht rechtmäßig gewesen, räumte der Oberste Gerichtshof am Montag laut Medienberichten ein und bat die Opfer um Entschuldigung. Bereits 1941 war das erste Medikament zur Behandlung von Lepra entwickelt worden. Dennoch verschärfte die japanische Regierung zwölf Jahre später sogar noch das Gesetz zur Zwangsisolation der Leprakranken aus dem Jahre 1931. Die japanischen Ärzte konnten damals nicht glauben, dass Lepra heilbar ist. Die Betroffenen in den Sanatorien genannten Kolonien auf isolierten Inseln waren den Fachleuten ausgeliefert. Japans Staat und Gesellschaft haben diese Menschen zu Aussätzigen gemacht, stigmatisiert bis an ihr Lebensende. Erst 2001 räumte Japan ein, dass die jahrzehntelange Isolationspolitik falsch gewesen sei. Viele Betroffene blieben auch nach Abschaffung des Gesetzes 1996 in ihren Kolonien, aus Angst vor andauernder Diskriminierung. Viele änderten ihre Namen, damit die Angehörigen keine Nachteile im Beruf oder bei der Heirat erlitten. 2014 begann auf Verlangen früherer Patienten eine Untersuchung früherer Justizverfahren. Solche Sondergerichte in den isolierten Leprakolonien gab es demnach in den Jahren zwischen 1948 und 1972 in insgesamt 95 Fällen. Politologe Lok Raj Baral gibt den Politikern die Schuld am schleppenden Wiederaufbau nach dem Erdbeben. Sie einigen sich nicht, weil sie ihre eigenen Interessen verfolgen.. STANDARD: Der Westen gibt Nepals Regierung die Schuld am langsamen Wiederaufbau. Zu Recht? Baral: Wir hier in Nepal fühlen genauso. Ein Jahr ist vergangen, und nichts ist passiert. Die Führung konnte sich nicht einmal auf einen Koordinator für den Wiederaufbau einigen. STANDARD: Woran liegt das? Baral: Die Parteien sind in ihre internen Angelegenheiten verstrickt, die Regierung beschäftigt sich lieber mit ihrem eigenen Überleben, und es herrscht eine Art bürokratische Anarchie. Zudem haben die Politiker auch ihre eigenen Interessen, die den Wiederaufbau nicht unbedingt beschleunigen. STANDARD: Hat die neue Verfassung mehr Gerechtigkeit gebracht? Baral: Es gibt durchaus Beschwerden, vor allem von den Madhesi im südlichen Terai-Flachland (an der Grenze zu Indien, Anm.). Diese Volksgruppe beansprucht zumindest zwei der neugeschaffenen Provinzen und kritisiert die interne Grenzziehung. Das Thema der Staatsbürgerschaft, nämlich dass die Staatsangehörigkeit nur durch den Vater weitergegeben wird, ist ein anderes Problem. Die großen Parteien könnten diese Dinge aber leicht regeln, sofern sie sich endlich einigen. STANDARD: Nepal ist erst seit acht Jahren eine Republik. Wünschen sich viele den König zurück? Baral: Natürlich gibt es nach 250 Jahren Monarchie noch Anhänger des Königshauses, vor allem, wenn die Menschen die ineffiziente Regierung heute beobachten. Als der König abgedankt hat, gab es aber kaum Demonstrationen für seinen Verbleib. Viele Nepalesen finden aber, dass ein stärker hinduistisch geprägter Staat besser wäre, weil Säkularismus in einem so stark diversifizierten Land in ihren Augen nicht funktioniert. Daran ist aber vor allem das Scheitern der herrschenden Politiker schuld. STANDARD: Gibt es Widerstand gegen das traditionelle Kastensystem? Baral: Das Kastensystem ist durch Bildung und Aufklärung schon etwas verwässert, in der Bergregion stirbt es langsam aus. Im Süden, bei den Madhesis, die stark mit Indien verbunden sind, ist das noch anders, dort gibt es zum Beispiel kaum Ehen zwischen Angehörigen unterschiedlicher Kasten. STANDARD: Wie eng sind Nepals Beziehungen zum großen Nachbarn Indien? Baral: Wir hätten nicht erwartet, dass Indien mit seiner nichtdeklarierten Blockade so weit geht. Indien hat schon seit den 1950er-Jahren starken Einfluss auf unsere Innenpolitik. Nach dem chinesischen Einmarsch in Tibet 1950 fühlte sich Indien verwundbar, und diese Psychologie gilt auch heute noch. Obwohl Indien und China, der zweite große Nachbar, lokal gut zusammenarbeiten, sieht Indien den chinesischen Einfluss in der Region nicht gerne. Besonders im Süden hat Delhi große Interessen, die Madhesi haben eine starke Lobby in Indien. Nepal muss aber sowohl mit Indien als auch mit China kooperieren. Sechs Feuerwehrleute wurden bei dem Großbrand im Zentrum Neu-Delhis verletzt. Neu-Delhi – Ein Großbrand hat Indiens nationales Naturkundemuseum im Zentrum Neu-Delhis zerstört. Das siebenstöckige Gebäude war in der Nacht auf Dienstag komplett in Flammen gestanden, sagte ein Fotograf der European Pressphoto Agency (epa), der Augenzeuge war. Sechs Feuerwehrleute wurden nach Angaben lokaler Medien verletzt, zwei von ihnen kamen ins Krankenhaus. Indien verfügt nur über relativ wenige Museen. Im Naturkundemuseum wurde die Tier- und Pflanzenwelt dargestellt sowie auf Umweltprobleme aufmerksam gemacht. Generationen von indischen Schulkindern besuchten das Museum seit 1978 auf Ausflügen. Zweiter Vorfall innerhalb eines Monats. Washington – In den USA hat erneut ein Kleinkind während einer Autofahrt mit einer Schusswaffe auf seine Mutter gefeuert. Die 26-Jährige sei sofort tot gewesen, teilte die Polizei in Milwaukee im US-Staat Wisconsin am Mittwoch mit. Das zweieinhalbjährige Kind, laut Medienberichten ein Bub, habe am Dienstag mit der Waffe durch den Fahrersitz geschossen. Die Mutter von drei Kindern brach am Steuer zusammen, andere Verkehrsteilnehmer schoben das Fahrzeug an den Straßenrand. Im Auto befanden sich den Angaben zufolge zudem die Mutter des Opfers und ein weiteres einjähriges Kind. Keines der Kinder sei in einem Kindersitz gesessen. Die Waffe lag einem Zeitungsbericht zufolge im Fonds des Wagens. Auto und Waffe gehörten demnach dem Freund der Mutter, einem Mitarbeiter eines Sicherheitsdiensts. Erst im vergangenen Monat hatte ein Vierjähriger bei einer Autofahrt seiner Mutter in den Rücken geschossen. Die Mutter, eine 31-jährige Waffennärrin aus Florida, wurde schwer verletzt. Tödliche Unfälle mit Schusswaffen sind angesichts der weiten Verbreitung von Waffen in den USA keine Seltenheit. Auch Kleinkinder schießen immer wieder auf Geschwister, andere Kinder oder ihre Eltern. Ende 2014 hatte ein Fall Schlagzeilen gemacht, in dem ein Zweijähriger in einem Supermarkt versehentlich seine Mutter erschoss, als er unbemerkt eine Waffe aus der Handtasche seiner Mutter zog und sie abfeuerte. Alljährlich werden rund 20.000 Minderjährige in den USA durch Schusswaffen verletzt oder getötet. Zur Zahl der Kinder und Jugendlichen, die selbst versehentlich jemanden durch Schüsse verletzen oder töten, gibt es keine Angaben. Pilot sah prügelnde Männer als Sicherheitsrisiko. Limoges – Wegen zwei betrunkener und sich prügelnder Briten hat eine Passagiermaschine auf dem Weg von England nach Spanien außerplanmäßig in Frankreich landen müssen. Der Pilot der Ryanair-Maschine auf dem Weg von Liverpool nach Alicante entschied sich am Donnerstag wegen der Streithähne zu einer Landung auf dem Flughafen von Limoges und rief die Polizei zur Hilfe, wie die Behörden mitteilten. Die beiden Briten landeten in einer französischen Ausnüchterungszelle. Die besonders überdrehten und betrunkenen Männer hätten eine Gefahr für die Sicherheit der anderen Passagiere dargestellt, teilte die Polizei mit. Beamte holten die Briten nach der Landung in Limoges aus der Maschine. Das Flugzeug mit mehr als 180 Passagieren an Bord konnte die Reise nach Alicante dann fortsetzen. Früherer Kapitän in erster Instanz zu 16 Jahren verurteilt – Staatsanwaltschaft will jetzt 27 Jahre Haft. Florenz – Mehr als vier Jahre nach der Havarie der Costa Concordia hat am Donnerstag in Florenz der Berufungsprozess gegen den italienischen Kapitän Francesco Schettino begonnen. Die Staatsanwaltschaft fordert für ihn 27 Jahre und drei Monaten Haft. Der Angeklagte erschien nicht, er ließ sich von seinen Anwälten vertreten. Schettino war im Februar 2015 in erster Instanz wegen fahrlässiger Tötung zu 16 Jahren und einem Monat Haft verurteilt worden. Dagegen hatten sowohl die Staatsanwaltschaft als auch die Verteidigung Berufung eingelegt. Der Kapitän befindet sich auf freiem Fuß. Ihm werden fahrlässige Tötung, Körperverletzung, Schiffbruch, Verlassen des Schiffes, Verlassen von behinderten Personen und falsche Angaben an die Behörden zur Last gelegt. Schettino ist nicht im Gericht anwesend, weil er hofft, dass im Berufungsverfahren die Suche nach der Wahrheit und nicht wie beim erstinstanzlichen Prozess die Ergründung seiner Persönlichkeit im Mittelpunkt steht, erklärte sein Anwalt Saverio Senese. Sollten die Richter ihn befragen wollen, sei Schettino bereit zu erscheinen. Die Verteidiger des Kapitäns wollen erneut Anschuldigungen gegen den indonesischen Steuermann erheben, dem Schettino nach der Havarie auf Englisch Befehle gab, die dieser offenbar nicht verstand. Der Indonesier und zwei Schiffsoffiziere waren 2013 mit Haftstrafen zwischen einem Jahr und sechs Monaten und einem Jahr und elf Monaten verurteilt worden. Der Steuermann sollte befragt werden, er ist aber spurlos verschwunden, sagte der Anwalt. Bei der Eröffnung des Berufungsgericht war auch Marco De Luca, Anwalt der Reederei Costa Crociere, anwesend. Fast alle Passagiere seien entschädigt worden, berichtete der Anwalt. Die Costa Concordia hatte im Jänner 2012 vor der Mittelmeerinsel Giglio einen Felsen gerammt und war gekentert. 32 der mehr als 4.200 Menschen an Bord kamen dabei ums Leben. An Bord befanden sich auch 77 Österreicher, die sich alle retten konnten. Verletzungen des Persönlichkeitsrechts: Richterin will in zweiter Instanz Entschädigung verringern. Der Wettermoderator Jörg Kachelmann muss sich offenbar auf eine geringere Geldentschädigung von der Bild-Zeitung einstellen. Während das Landgericht Köln ihm in erster Instanz die Rekordsumme von 635.000 Euro zugesprochen hatte, erwägt das Oberlandesgericht (OLG) in Köln eine Entschädigung zwischen 395.000 und 415.000 Euro. Das OLG traf am Donnerstag noch keine Entscheidung. Das Urteil gibt es erst am 23. Juni. Bis dahin wollen die Richter noch eine Gesamtabwägung vornehmen. In dem Verfahren geht es um die Prozessberichterstattung verschiedener Springer-Titel. Kachelmann war 2011 vom Vorwurf der Vergewaltigung freigesprochen worden. Die Vorsitzende Richterin Margarete Reske stellte am Donnerstag klar, es sei grundsätzlich zulässig, wenn Medien über einen Prozess gegen einen Prominenten berichteten. Dabei sei es auch erlaubt, den Namen des Angeklagten zu nennen und über Details des Verfahrens zu berichten. Allerdings müsse dies mit der gebotenen Zurückhaltung geschehen, denn bis zu einer Verurteilung gelte für den Angeklagten die Unschuldsvermutung. In dem vorliegenden Fall gehe es also um die Grenzen einer grundsätzlich zulässigen Berichterstattung und um eine Abwägung zwischen der Freiheit der Presse und den Persönlichkeitsrechten des Betroffenen. Bei der Bild-Berichterstattung über den Kachelmann-Prozess konnte das Oberlandesgericht – wie schon das Landgericht – keine zielgerichtete Kampagne erkennen. Allerdings habe die Zeitung in ihrer gedruckten Ausgabe und online mehrfach die Grenzen des Erlaubten überschritten und Kachelmanns Persönlichkeitsrecht schwer verletzt. Das gelte etwa für Fotos von ihm im Gefängnishof. Kachelmanns Anwalt Ralf Höcker bezeichnete die vom Gericht angedachte Entschädigungssumme als zu niedrig. Das sind Beträge, über die die Beklagte (Springer) lacht, sagte er. Damit von dem Verfahren eine präventive Wirkung ausgehe, müsse die Entschädigung dem Springer-Konzern weh tun. Objektiv war diese Berichterstattung darauf angelegt, Herrn Kachelmann zu zerstören. Der Springer-Anwalt Jan Hegemann warf Höcker dagegen vor, er wolle die Presse auf ein amtliches Verlautbarungsorgan reduzieren und Journalisten nur offizielle Pressemitteilungen auswerten lassen. Die Presse hat die Aufgabe, die Entscheidungsfindung des Gerichts zu begleiten, betonte Hegemann. Höcker entgegnete darauf, es sei aber nicht Aufgabe der Presse, Resultate herbeizuschreiben, so wie dies etwa im Fall des zurückgetretenen Bundespräsidenten Christian Wulff gewesen sei. Die bisher höchste Entschädigung in einem ähnlichen Verfahren lag bei 400.000 Euro für die schwedische Prinzessin Madeleine, ein Urteil des Oberlandesgerichts Hamburg von 2009. Richterin Reske wies am Donnerstag darauf hin, dass es sich dabei allerdings um frei erfundene Berichte über die Prinzessin gehandelt habe. Den Kachelmann-Berichten hätten die tatsächlichen Ermittlungen und der Prozess gegen ihn zugrunde gelegen. Höcker gab dagegen zu bedenken, das Leben der Prinzessin sei durch die Märchen der illustrierten Klatschblätter nicht im mindesten so stark beeinträchtigt worden wie das von Kachelmann durch die Berichte der größten deutschen Zeitung. Deshalb müsse die Entschädigung für ihn höher sein als für die schwedische Prinzessin. Eine Entscheidung gab es in der Causa auch vom Bundesverfassungsgericht: Kachelmanns Ex-Geliebte durfte ihre Vergewaltigungsvorwürfe auch nach seinem Freispruch öffentlich bekräftigen. Die Frau hatte der Zeitschrift Bunte 2011 zwei Wochen nach dem Freispruch des Wettermoderators ein Interview gegeben, in dem sie ihre Vorwürfe wiederholte. Aus Sicht der Karlsruher Richter war das von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das habe auch mit dem Verhalten Kachelmanns und seiner Anwälte zu tun, die sich zuvor ebenfalls nicht sachlich geäußert hätten, heißt es in dem am Freitag veröffentlichten Beschluss vom 10. März. Daraus ergebe sich ein Recht auf Gegenschlag. 25-Jähriger wollte TV-Sender mit Sprengstoffgürtel-Attrappe zu Bericht zwingen. Baltimore (Maryland) – Die Polizei von Baltimore hat einen Mann niedergeschossen, der als Pandabär verkleidet mit einem Selbstmordanschlag gedroht haben soll. Der Gesundheitszustand des 25-Jährigen sei ernst, aber stabil, sagte ein Sprecher nach dem Vorfall vom Donnerstag im US-Bundesstaat Maryland. Demnach wollte der Mann mit einem Sprengstoffgürtel einen TV-Sender in Baltimore zwingen, über eine angebliche Regierungsverschwörung zu berichten. Zuvor habe der Mann vor dem Gebäude vermutlich sein eigenes Auto angezündet, sagte Polizeisprecher T.J. Smith bei einer Pressekonferenz. Bei Verhandlungen mit der Polizei habe sich der Mann im Pandakostüm unkooperativ gezeigt. Als er das Gebäude verließ und auf die Sicherheitskräfte zuging, schossen Polizisten mehrfach auf den Mann. Bei der Entschärfung durch einen Roboter stellte sich dann heraus, dass es sich bei dem Gürtel um eine Attrappe handelte. Es waren in Aluminium eingewickelte Schokoriegel, die mit Drähten verbunden waren, sagte Smith. Der Sender Fox45 hatte die Behörden mittags (Ortszeit) alarmiert, nachdem der Mann das Auto in Brand gesteckt hatte. Auf seiner Website zeigte der Sender Bilder von dem Unbekannten, der im Inneren des Gebäudes saß. Dieses wurde evakuiert. Der Mann habe etwas getragen, das offensichtlich ein weißes Panda-Kostüm war, er trug einen Mundschutz und Sonnenbrille, sagte der Nachrichtenchef von Fox45, Mike Tomko. Er hatte einen USB-Stick und sagte, er habe Informationen, die verbreitet werden sollten, berichtete Tomko weiter. Demnach verglich der Mann die Brisanz seiner Informationen mit denen der Panama Papers. Die Polizei entsandte Bombenexperten und ein Sondereinsatzkommando sowie Spezialisten, um mit dem Mann zu verhandeln, wie Sprecher Smith sagte. Dieser sei jedoch unkooperativ geblieben. Mindestens drei Beamte hätten geschossen, als er herausgekommen sei. Der Verletzte wurde laut Smith im Krankenhaus behandelt und war bei Bewusstsein. Bisher sei noch keine Anschuldigung erhoben worden. Über ein mögliches Motiv wollte der Polizeisprecher nicht spekulieren. Er sprach von vielen Fragen. (APA, AFP, 29.4.2016) Bis zu 80 Minuten Verspätung auf Strecke Salzburg – München. Rosenheim – Der Bahnhof Rosenheim in Oberbayern ist am Sonntagnachmittag nach einer zweistündigen Sperre wieder freigegeben worden. Sprengstoffexperten der deutschen Bundespolizei hatten ein verdächtigen Objekt überprüft und dann Entwarnung gegeben: Der röhrenförmige, mit Schaumstoff umwickelte Gegenstand entpuppte sich als Metallschrott, wie ein Polizeisprecher sagte. Der Zugverkehr wurde ab 15.00 Uhr gestoppt und um 17.12 Uhr wieder aufgenommen. Wie eine Sprecherin der Deutschen Bahn sagte, warteten unter anderem Fernzüge Hamburg – Freilassing, Verona – München und Salzburg – München an anderen Bahnhöfen auf die Weiterfahrt. Die betroffenen Züge aus Österreich hatten nach ÖBB-Angaben zwischen 20 und 80 Minuten Verspätung. Staatsanwaltschaft will sich am Dienstag zu Ermittlungsstand äußern. Höxter – Das Paar aus dem nordrhein-westfälischen Höxter, das für den Tod einer wochenlang gefangen gehaltenen Frau verantwortlich sein soll, hat offenbar ein weiteres Tötungsdelikt gestanden. Dies meldeten die Bild-Zeitung und die Neue Westfälische am Montag. Die Deutsche Presse Agentur erhielt aus Polizeikreisen eine Bestätigung der Berichte. Das Paar aus Höxter soll eine 41-jährige Frau aus dem niedersächsischen Bad Gandersheim über Wochen in einem Haus in Höxter gefangen gehalten und so lange misshandelt haben, bis sie starb. Gegen den 46-jährigen Mann und seine 47-jährige Ex-Frau war am vergangenen Donnerstag Haftbefehl wegen Totschlags erlassen worden. Opfer und Tatverdächtige hatten sich über eine Kontaktanzeige in einer Zeitung kennengelernt. Wie die Bild-Zeitung berichtete, soll noch unklar sein, ob das angebliche zweite Mordgeständnis mit dem bisher ungelösten Fall der 21-jährigen Frauke Liebs in Verbindung steht. Der Neuen Westfälischen zufolge war die Schwesternschülerin aus Lübbecke 2006 in Paderborn verschleppt worden. Monate später wurden demnach Überreste der Leiche in einem Wald in Lichtenau gefunden. Die Staatsanwaltschaft Paderborn wollte sich am Montag nicht zum Stand der Ermittlungen äußern. Die Behörde verwies auf eine Pressekonferenz, die am Dienstag in Bielefeld stattfinden soll. Abgeschieden lebende Inselbewohner erleben herbe Enttäuschung. Jakarta – Herbe Enttäuschung für die Bewohner der indonesischen Banggai-Inseln: Die von einem Dorfbewohner an einem Strand entdeckte Puppe war kein vom Himmel gefallener Engel. Nachdem das Gerücht immer größere Kreise unter den Einwohnern des abgeschiedenen Fleckchens gezogen hatte, sollten Polizisten nach dem Rechten sehen und stellten beim ersten Blick fest: Es handelte sich um eine aufblasbare Sexpuppe. Der Fischer Pardin hatte den Gummiengel vergangenen Monat vor den zentralindonesischen Banggai-Inseln gefunden – nur einen Tag nach einer Sonnenfinsternis, wie der örtliche Polizeichef, Heru Pramukarno, sagte. Im Glauben an einen Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen nahm der Fischer die Puppe mit nach Hause. Seine Mutter stopfte sie mit Stoff aus, kleidete sie an, platzierte sie auf einem Sessel und wechselte täglich das Kopftuch. Als die Aufregung über den Engel immer absonderlichere Züge annahm, habe die Polizei entschieden, der Sache nachzugehen, sagte Pramukarno. Ein Gerücht lautete demnach: Der gefallene Engel hat geweint, als er gefunden wurde. Die Bewohner von Kalupapi leben sehr abgeschieden. Sie haben kein Internet, sie wissen nicht, was ein Sexspielzeug ist, sagte der Polizeichef. Die Puppe nahmen die Polizisten mit, um die ausufernden Gerüchte zu stoppen, wie betont wurde. Verurteilung wegen Verstoßes gegen das im Versammlungsgesetz vorgegebene Uniformverbot wahrscheinlich. Düsseldorf – Der Auftritt von Islamisten als Scharia-Polizei in der westdeutschen Stadt Wuppertal vor zwei Jahren wird nun doch noch in einem Strafprozess behandelt. Nach einer Beschwerde der Staatsanwaltschaft ließt das Oberlandesgericht Düsseldorf die Anklage gegen acht von neun Angeschuldigten zur Hauptverhandlung zu. Der 3. Senat halte eine Verurteilung wegen Verstoßes gegen das im Versammlungsgesetz vorgegebene Uniformverbot für wahrscheinlich, teilte das Gericht am Dienstag mit. Im September 2014 waren Islamisten als selbst ernannte Sittenwächter durch Wuppertal patrouilliert. Sie trugen Westen mit dem Aufdruck Shariah Police. Dabei war Sven Lau, einer der bekanntesten Köpfe der deutschen Salafisten-Szene. Die Scharia ist das islamische Recht. Das Landgericht Wuppertal (Nordrhein-Westfalen) hatte im Dezember 2015 die Eröffnung eines Strafprozesses noch abgelehnt, lediglich gegen Lau war ein Teil der Anklage zugelassen worden. Die OLG-Entscheidung kann nicht angefochten werden. Er hatte seine Lenkberechtigung mit 99 Jahren freiwillig abgeben. Münster – Obwohl er seinen Führerschein schon mit 99 Jahren abgegeben hatte, hat ein 101-Jähriger noch einen Autounfall gebaut. Der alte Herr war im nordrhein-westfälischen Ahlen erst vor eine Laterne gefahren und dann davongefahren, wie die Polizei am Mittwoch mitteilte. Zeugen hatten das beschädigte Auto bemerkt, dessen Fahrer ihnen zuvor durch eine unsichere Fahrweise aufgefallen war. Der Polizei konnte der Mann keinen Führerschein zeigen: Diesen habe er schon vor zwei Jahren freiwillig abgegeben. Mit dem Auto sei er gefahren, weil er etwas habe erledigen wollen, gab der Hochbetagte zu Protokoll. Alter schützt vor Strafe nicht, zitierte die Polizei eine Altersweisheit. Der Senior muss sich nun wegen Unfallflucht und Fahrens ohne Fahrerlaubnis verantworten. Schüsse aus fahrendem Auto abgegeben – Polizei: Offenbar "Milieukriminalität". Frankfurt – In der Innenstadt von Frankfurt am Main im deutschen Bundesland Hessen sind am Donnerstag zwei Menschen durch Schüsse verletzt worden, die offenbar aus einem fahrenden Auto abgegeben wurden. Wie ein Sprecher am Freitag mitteilte, handelt es sich bei den Opfern um einen 20- und einen 41-jährigen Mann. Die Verletzungen seien aber nicht lebensgefährlich, sagte ein Sprecher. Ursprünglich war von drei Verletzten berichtet worden. Ermittler seien nicht in die Schießerei verwickelt gewesen. Der oder die Täter hatten in unmittelbarer Nähe der Fußgängerzone auf einem belebten Platz mit Bars und Cafes auf einen weißen Geländewagen geschossen, aus dem zwei Männer stiegen. Mehrere Schüsse trafen die Windschutzscheibe. Einer der Männer, die aus dem Auto stiegen, habe ebenfalls eine Waffe gezogen, sei aber nicht mehr zum Schuss gekommen, sondern vorher getroffen zusammengebrochen, sagte Nadia Niesen, Sprecherin der Frankfurter Staatsanwaltschaft, am Freitag. Die Waffe ließ er fallen, sie wurde sichergestellt. Die Schüsse dürften aus einem dort vorbeifahrenden Auto abgegeben worden sein, hieß es in der Mitteilung weiter. Die Polizei suche nun nach einem schwarzen Kombi und einem Motorrad der Marke Honda. Es habe laut Niesen mehrere Durchsuchungen gegeben. Einzelheiten nannte sie nicht. Über die Täter sei bisher noch nichts bekannt. Es sei aber zu vermuten, dass es sich um sogenannte Milieukriminalität handeln dürfte. Ein islamistischer oder ein rechtsradikaler Hintergrund seien nicht erkennbar. Wir gehen davon aus, dass es ein Streit zwischen Rockern war, sagte Niesen. Schon vor knapp zwei Jahren hatten sich Hells-Angels-Mitgliedern am Rand des Frankfurter Bahnhofsviertels beschossen. Im April waren bei einer Schießerei im baden-württembergischen Heidenheim ein Mann getötet und ein weiterer verletzt worden. Drei festgenommene Tatverdächtige sowie die Opfer waren nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft ebenfalls dem Rockermilieu zuzurechnen. Mehrere Verletzte – Polizei untersucht möglichen Zusammenhang. Washington – Die Polizei hat einen Bewaffneten festgenommen, der möglicherweise für drei Zwischenfälle mit drei Toten und mehreren Verletzten binnen 24 Stunden im Großraum Washington DC verantwortlich ist. Live-Bilder zeigten die Festnahme am Freitagnachmittag. Am Vormittag waren auf einem Parkplatz eines Einkaufszentrums – der Montgomery Westfield Mall in Maryland – drei Menschen angeschossen worden. Einer von ihnen starb kurz danach. Im nur wenige Kilometer entfernten Aspen Hill (ebenfalls Maryland) wurde später eine Frau erschossen, auch sie auf einem Parkplatz, hier vor einem Giant-Supermarkt. Am Vortag hatte laut Polizei ein Mann (62) seine Frau (44) vor einer High School im Bezirk Prince George mit mehreren Schüssen getötet, als sie ihre Kinder abholen wollte. Er hatte auch mehrfach auf einen Passanten geschossen. Die Polizei suchte daraufhin nach einem bewaffneten Polizisten. Dieser Verdächtige wurde am Freitag von Einsatzkräften festgenommen – wiederum auf einem Parkplatz vor einer Mall in Maryland. Es sei möglich, aber nicht sicher, dass der 62-Jährige auch für die beiden Zwischenfälle am Freitag verantwortlich sei, sagte ein Polizeisprecher in einer Pressekonferenz vor der Montgomery Mall. Laut Washington Post war der Mann zuvor verurteilt worden, seine Waffe und seine Polizei-Marke abzugeben. Er habe seine Frau bereits zuvor bedroht und außerdem eines der gemeinsamen Kinder über einen längeren Zeitraum misshandelt. CNN und MSNBC gaben Augenzeugenberichte der Attacken wieder, wonach der Täter am Freitag auf den Parkplätzen Geiseln habe nehmen wollen, um sich später von der Polizei erschießen zu lassen. Als die wohl zufällig angesprochenen Passanten Widerstand leisteten, seien die Schüsse gefallen. Ein solches Verhalten wird suicide by cop genannt, etwa geplante Selbsttötung durch einen Polizisten. Aus Sicherheitsgründen waren für kurze Zeit sämtliche mehr als 200 Schulen im Bezirk Montgomery geschlossen worden, darunter war auch die deutsche Schule. (APA, 6.5.2016) Aktion soll künftig einmal im Monat stattfinden. Paris – Der Pariser Prachtboulevard Champs-Elysees hat sich am Sonntag zum ersten Mal in eine riesige Fußgängerzone verwandelt. Künftig ist er jeden ersten Sonntag im Monat autofrei. Für die erste Ausgabe wurde der Boulevard auf einer Strecke von 1,6 Kilometern für Autos gesperrt, allerdings nicht ganz bis zum Kreisverkehr um dem Triumphbogen. Mit der Maßnahme will die Stadtregierung den Autoverkehr zumindest ein wenig zurückdrängen und Fußgänger und Radfahrer auf die Champs-Elysées locken. Diese wurden im 17. Jahrhundert als Ort für Spaziergänge entworfen. Mit ihren prächtigen Gebäuden, Luxusboutiquen, Kinos und Cafés sind sie heute Anziehungspunkt und Touristenattraktion. 300.000 Menschen sind dort im Durchschnitt täglich zu Fuß unterwegs. Vier Monate nach Festnahme ebnet Mexikos Justiz Weg für Überstellung des mächtigen Drogenhändler. Mexiko-Stadt/Washington – Eine Auslieferung des berüchtigten mexikanischen Drogenbosses Joaquin El Chapo Guzman an die USA rückt näher. Ein Richter in Mexiko-Stadt gab am Montag das Okay für das Auslieferungsverfahren. Als nächstes muss nun das mexikanische Außenministerium über den Schritt entscheiden – allerdings kann die Verteidigung des langjährigen Chefs des mächtigen Sinaloa-Kartells Berufung gegen den Richterentscheid einlegen. Der gesamte Vorgang könnte sich deswegen über mehrere Monate ziehen. Bereits am Wochenende gab es Anzeichen für eine neue Entwicklung in Sachen El Chapo. Der Drogenboss war am Samstag in einer Geheimoperation in ein neues Hochsicherheitsgefängnis in Ciudad Juarez an der Grenze zu den USA verlegt worden. Der Transport erfolgte zuerst per Flugzeug und dann per Hubschrauber, wie örtliche Medien berichteten. Offiziell war die Verlegung Teil einer Strategie der Regierung, die die Inhaftierung besonders gefährlicher Häftlinge sicherer gestalten soll. El Chapo ist bereits zweimal die Flucht aus vermeintlich hochsicheren Gefängnissen in Mexiko gelungen, zuletzt war er spektakulär durch einen heimlich gegrabenen Tunnel getürmt. Guzmans Anwalt klagte in einem Gespräch mit dem Sender Radio Formula, sein Mandant habe bei der Operation nicht gewusst, was mit ihm geschehe. Guzman habe geglaubt, er werde schon in die USA ausgeflogen, sagte der Anwalt Andrés Granados. Bei seinem ersten Treffen in der Anstalt von Ciudad Juarez (Bundesstaat Chihuahua) habe El Chapo (Der Kurze) zu ihm gesagt: Ich dachte, ich würde schon Hamburger essen können. Die USA haben mehrfach Guzmans Auslieferung beantragt. Die US-Behörden werfen ihm unter anderem Mord, Drogenhandel, Bildung einer kriminellen Vereinigung sowie Geldwäsche vor. Der einst mächtigste Drogenhändler der Welt könnte in den USA auch über Kontakte zu mexikanischen Beamten und Politikern auspacken. 27-jähriger Mann wurde nach einem Tag wieder aus Krankenhaus entlassen – nun wird er wieder eingewiesen. München – Der mutmaßliche Täter von Grafing bei München hat sich nur zwei Tage vor der Tat in einer Klinik stationär behandeln lassen. Das Bayerische Landeskriminalamt (LKA) bestätigte am Mittwoch Medienberichte, wonach der 27-Jährige auf Anraten seiner Großeltern wegen seelischer Probleme einen Tag in einem Krankenhaus in Gießen zubrachte. Doch schon Montag früh habe er die Klinik wieder verlassen. Nach Informationen der tz hatten die Großeltern erfolglos versucht, dass ihr Enkel behördlich in eine psychiatrische Klinik eingewiesen wird. Der 27-Jährige wurde am Mittwochnachmittag dem Ermittlungsrichter vorgeführt werden. Der Ermittlungsrichter ordnete am Mittwoch keine Untersuchungshaft, sondern die einstweilige Unterbringung in der geschlossenen Abteilung einer Nervenklinik an.Zur Begründung teilte das Bayerische Landeskriminalamt mit, dass der 27-Jährige nach Begutachtung eines medizinischen Sachverständigen an einer psychischen Erkrankung leide. Der Mann hatte am Dienstagmorgen am Bahnhof in Grafing einen 56 Jahre alten Fahrgast vor Zeugen erstochen und anschließend drei weitere Männer durch Messerstiche teils lebensgefährlich verletzt. Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sagte am Dienstag, dass der Festgenommene offenbar psychische Probleme habe und auch drogenabhängig sei. Am selben Tag gab die Polizei eine Pressekonferenz. Demnach gibt es keine Hinweise auf eine Radikalisierung. Es konnte aber noch kein Motiv ermittelt werden. Der Verhaftete konnte laut Polizei noch keine schlüssigen Aussagen machen. Es habe zudem nicht viele Zeugen gegeben, die die Tat beobachtet haben. Es gibt jedoch eine Aussage, wonach der Mann bei seiner Tat Allahu-Akbar (Allah ist groß) gerufen haben soll. Vor zwei Tagen sei die Polizei bereits einmal auf den 27-Jährigen aufmerksam geworden, da er sich wirr verhalten habe. Es wurde jedoch keine Gefahr für eine Selbst- oder Fremdverschuldung festgestellt, aber eine ärztliche Behandlung empfohlen, hieß es im Rahmen der Pressekonferenz. Innenminister Herrmann bestätigte, dass es sich bei dem Täter um einen Deutschen aus Hessen handle. Nach Informationen aus Sicherheitskreisen stammt der Mann aus Gießen. Hinweise auf einen Migrationshintergrund gibt es nach den Worten Herrmanns nicht. Der 27-Jährige hat die Tat laut Herrmann bei seiner Vernehmung gestanden. Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere sprach von einer abscheulichen, feigen Messerattacke. Er fügte hinzu: Das Motiv dieser Tat ist noch nicht abschließend geklärt. Der Angreifer war laut Bayerischem Landeskriminalamt (LKA) kurz vor 5.00 Uhr in die erste an dem Tag nach München fahrende S4 gestiegen und hatte dort auf einen 56 Jahre alten Fahrgast eingestochen. Tatwaffe soll ein Survival Messer gewesen sein. Danach ging er zurück auf den Bahnsteig und attackierte dort einen weiteren Mann mit der Waffe. Anschließend stach er auf dem Bahnhofsvorplatz auf zwei Radfahrer ein. Wenig später wurde der Mann, der barfuß war, festgenommen. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Mordes und Mordversuchs gegen den mutmaßlichen Täter. Der 56-Jährige aus dem nahen Wasserburg am Inn erlag kurz nach der Tat in einem Krankenhaus seinen schweren Verletzungen. Die drei anderen Männer aus Grafing im Alter von 58, 43 und 55 Jahren wurden verletzt. Einer von ihnen schwebt nach LKA-Angaben in Lebensgefahr. Möglicherweise existiert von dem Amoklauf eine Videoaufzeichnung. Die Deutsche Bahn (DB) hat den Sicherheitsbehörden Videomaterial aus dem S-Bahn-Zug und vom Bahnhof übergeben. Demnach gelang es dem Triebfahrzeugführer der S-Bahn und einem Sicherheitsmann, den Angreifer unmittelbar nach der Tat zu vertreiben. Der Mitarbeiter führte die Polizei auch zu dem Versteck, wo sich der 27 Jahre alte Täter verborgen hielt. Bahn-Vorstandschef Rüdiger Grube sprach wenig später von Mitarbeitern, die beherzt eingegriffen haben und den Täter von weiteren Angriffen abgehalten haben, wie die Bahn in Berlin mitteilte. Wir sind bestürzt und betroffen über die Gewaltattacke im Bahnhof Grafing, sagte Grube. Den Angehörigen der Opfer und den Verletzten des Angriffs gehört unser tiefes Mitgefühl. Der Bahnhof Grafing ist ein wichtiges Regionaldrehkreuz im Osten Münchens. Von hier aus fahren Tag für Tag Tausende Pendler per S-Bahn in die bayerische Landeshauptstadt. Zudem ist Grafing-Bahnhof Station der Meridian-Züge der Bayerischen Oberlandbahn (BOB), die zwischen München und Salzburg beziehungsweise Kufstein verkehren. 26 Menschen verletzt – 50 Festnahmen. Moskau – Bei einer Massenschlägerei auf einem Friedhof in Moskau sind mindestens drei Menschen ums Leben gekommen. Weitere 26 Menschen seien bei den Auseinandersetzungen am Samstag verletzt worden, berichtete die Nachrichtenagentur Interfax unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden. Laut Polizei wurden 50 Beteiligte festgenommen. Medienberichten zufolge beteiligten sich rund 200 Einwanderer aus ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken sowie aus dem Nordkaukasus an der Auseinandersetzung. Fernsehbilder zeigten, wie mit Stöcken und Eisenstangen bewaffnete Männer aufeinander einprügelten. Es seien auch Schüsse gefallen, teilten die russischen Behörden mit. Auslöser der Schlägerei war laut russischem Innenministerium offenbar ein Streit darüber, wer das Recht habe, auf dem 200 Hektar großen Friedhof im Südwesten Moskaus zu arbeiten. Das 200 Hektar große Areal am Stadtrand Moskaus gilt als einer der größten Friedhöfe Europas. Die italienische Regierung will im Kampf gegen die dramatisch abnehmende Geburtenrate Geld in die Hand nehmen. Rom – Um der dramatisch abnehmenden Geburtenrate in Italien entgegenzuwirken, will die Regierung die Baby-Prämie verdoppeln. Wenn es nicht gelinge, den gegenwärtigen Trend umzudrehen, werde es in zehn Jahren weniger als 350.000 Geburten pro Jahr geben, 40 Prozent weniger als 2010 – eine Apokalypse, warnte Gesundheitsministerin Beatrice Lorenzin in der Zeitung La Repubblica (Sonntag). Um dem Rückgang der Geburtenrate entgegenzusteuern, will Lorenzin die derzeit bei 80 Euro monatlich liegende Prämie verdoppeln, die Familien mit niedrigem und mittlerem Einkommen für das erste Baby erhalten. Zudem will sie den Bonus für weitere Kinder erhöhen. So sollen Familien mit mittlerem Einkommen für ein zweites oder drittes Kind 240 Euro monatlich erhalten, arme Familien sogar 400 Euro. Die im vergangenen Jahr erst eingeführten Prämien werden für Babys gezahlt, die zwischen dem 1. Jänner 2015 und dem 31. Dezember 2017 geboren sind, und zwar bis zu ihrem dritten Geburtstag. Die Ministerin will nun die Regelung auf alle unter Dreijährigen ausweiten, also auch auf Kinder, die vor 2015 geboren wurden. Ferner soll die Anwendungsfrist um weitere drei Jahre bis Ende 2020 verlängert werden. Familien, deren Einkommen mehr als 25.000 brutto pro Jahr beträgt, haben keinen Anspruch auf die Baby-Prämie. Die Kosten für die Pläne der Ministerin könnten nach Berechnungen ihres Hauses mit rund 2,2 Milliarden Euro zusätzlich in den kommenden sechs Jahren zu Buche schlagen. Dies könnte wiederum zu Stirnrunzeln in Brüssel führen, das Regierungschef Matteo Renzi zu Haushaltskürzungen anhält, um die Staatsschulden zu verringern. 2014 lag die Geburtenrate in Italien bei 1,39 Kindern pro Frau. In Österreich bekommt eine Frau im Durchschnitt rund 1,46 Kinder. Zwei Drittel der illegal gelagerten Reifenberge bei Brand vernichtet. Madrid – Das Feuer in Spaniens größter Reifendeponie wird wohl erst am Ende der kommenden Woche vollständig gelöscht sein. Drei Tage nach dem Ausbruch des Großbrandes im Süden von Madrid habe die Feuerwehr die Flammen unter Kontrolle gebracht, teilten die Umweltministerien der Regionen Madrid und Kastilien-La Mancha am Pfingstmontag mit. In der Atemluft in der Umgebung der Deponie seien keine erhöhten Schadstoffwerte festgestellt worden. Allerdings seien höhere Schichten der Atmosphäre durch den aufsteigenden Qualm verunreinigt worden. Die Bewohner einer Siedlung in der Kleinstadt Sesena, die eine Nacht bei Bekannten oder in Sporthallen hatten verbringen mussten, durften in ihre Wohnungen zurückkehren. Viele von ihnen zogen es nach Medienberichten jedoch vor, der Siedlung vorerst fernzubleiben. Das Feuer war am Freitag vermutlich durch Brandstiftung ausgelöst worden. Wegen des aufsteigenden giftigen Qualms wurde die Siedlung in Sesena mit etwa 6.500 Menschen vorübergehend evakuiert. In der illegalen Deponie waren etwa fünf Millionen Autoreifen gelagert. Davon seien etwa zwei Drittel verbrannt, teilten die Ministerien mit. Die spanische Presse warf den Behörden vor, die Warnungen vor den Umweltgefahren jahrelang ignoriert zu haben. Die Deponie war vor mehr als einem Jahrzehnt von der Justiz für illegal erklärt worden. Dass nichts zur Beseitigung der Reifen unternommen wurde, lag auch daran, dass die Deponie auf der Grenze zwischen Kastilien-La Mancha und Madrid liegt und die zuständigen Regionalregierungen sich nicht einigen konnten. Übertriebene Fürsorge kostete Kälbchen das Leben. Washington – Zwei Touristen haben im Yellowstone-Nationalpark (US-Bundesstaat Montana) versucht, ein Bisonkalb vor der Kälte zu retten – und damit letztlich sein Todesurteil gefällt. Die Touristen hätten das neugeborene Kälbchen in den Kofferraum ihres Geländewagens gepackt und an die Park-Ranger übergeben. Begründung: Sie dachten, dem Tier sei kalt. Die Ranger versuchten anschließend, das Bison-Junge wieder in seine Herde zu integrieren – ohne Erfolg. Stattdessen hatte es sich an den Umgang mit Menschen gewöhnt und näherte sich immer wieder Autos und Fußgängern. Es habe keine andere Lösung gegeben, als es zu töten. Angriffe von Bisons gehören zu den häufigsten Unfällen mit Touristen im Yellowstone-Park. 72-Jähriger überlebte schwer geschockt und ausgetrocknet – Freund bei Angriff auf Boot ertrunken. Sydney – Mit Schraubenschlüsseln und Zündkerzen hat ein Hobby-Fischer in Australien eine Gruppe von Krokodilen in Schach gehalten. Seinem Freund konnte er aber nicht das Leben retten, berichtete die Lokalzeitung Northern Terirtory News am Mittwoch. Beim Krebsfang in der Nähe der nordaustralischen Stadt Darwin wurde das kleine Motorboot der beiden Männer von einem Salzwasserkrokodil zum Kentern gebracht. Während sein Freund unter Wasser gefangen war und ertrank, versuchte der 72-jährige Überlebende, das Boot an Land zu ziehen, blieb aber dann bis zur Hüfte im Schlamm stecken, wie einer seiner Retter später erzählte. Voller Panik bemerkte der Mann demnach, dass drei bis vier Krokodile ihn stetig umkreisten. Er bewarf sie mit Zündkerzen und hielt sie mit Hilfe von Schraubenschlüsseln auf Abstand, bis es ihm schließlich gelang, sich in die Mangroven am Ufer zu retten. Dort harrte er drei Stunden lang aus, dann hörten andere Krebsfischer seine Hilferufe und retteten ihn. Die Flugrettungsorganisation CareFlight brachte den Mann in ein Krankenhaus ins rund 40 Kilometer entfernte Darwin. Der 72-Jährige stehe unter einem schweren Schock und sei nach dem stundenlangen Warten in praller Sonne völlig ausgetrocknet, sagte der CareFlight-Vertreter Ian Badham dem Sender ABC. Im Norden Australiens leben viele Krokodile, immer wieder greifen sie auch Menschen an. Im Durchschnitt werden dabei zwei Menschen pro Jahr getötet. Zweimal 6,8 – Ein Toter – Präsident Correa schickte alle Schüler nach Hause. Quito – Ecuador ist am Mittwoch von zwei schweren Erdbeben erschüttert worden, mindestens ein Mensch ist dabei getötet worden. Bei einem Beben um 11.46 Uhr Ortszeit wurde wie zuvor bei einem Erdstoß in der Nacht die Stärke 6,8 gemessen, teilte Präsident Rafael Correa mit. Beim zweiten Beben gab es laut Correa mindestens einen Toten und 87 Verletzte, wie die Nachrichtenagentur Andes berichtete. Das Beben ereignete sich in der Nähe des Küstenortes Mompiche in der Provinz Esmeraldas. Beim ersten Beben, dessen Zentrum vor der Pazifikküste lag, gab es elf Verletzte und geringe Schäden. Mitte April waren bei einem Erdbeben der Stärke 7,8 in dem südamerikanischen Land rund 660 Menschen ums Leben gekommen. Seither gab es etwa 1.500 Nachbeben, die meisten waren harmlos. Definitivo IG: Réplica 6.8 Richter. Epicentro sur de Muisne. Pequeños daños materiales.Todos tranquilos.Quito puede regresar a casas. Correa richtete einen Krisenstab ein. Das zweite Beben war auch in der Hauptstadt Quito deutlich zu spüren, Menschen rannten auf die Straßen. In der am stärksten betroffenen Küstenregion wurden mehrere Gebäude beschädigt. In einigen Regionen fiel der Strom aus. Correa ordnete ein Ende des Schulunterrichts im ganzen Land an. In den Provinzen Manabí und Esmeraldas wird der Unterricht laut Correa bis Montag ausgesetzt, um Risiken bei Nachbeben zu vermeiden. Ecuador mit seinen rund 16 Millionen Einwohnern liegt geografisch am Pazifischen Feuerring, einem Gürtel Hunderter aktiver Vulkane. Der ist etwa 40.000 Kilometer lang und wie ein Hufeisen geformt. Dort treffen verschiedene Platten der Erdkruste aufeinander. Es kommt häufig zu tektonischen Verschiebungen und Verwerfungen, die Vulkanausbrüche, Erdbeben und Tsunamis zur Folge haben können. (APA, 18.5.2016) Guzman kann gegen Entscheidung noch Rechtsmittel einlegen. Mexiko-Stadt – Mexiko hat die Auslieferung des Drogenbosses Joaquin El Chapo Guzman an die USA genehmigt. Dem Chef des Sinaloa-Kartells könne in den Vereinigten Staaten der Prozess gemacht werden, teilte das mexikanische Außenministerium am Freitag mit. Zuvor hatten zwei Richter der Auslieferung zugestimmt. Guzman kann gegen die Entscheidung noch Rechtsmittel einlegen. El Chapo wird im US-Bundesstaat Texas unter anderem wegen Mordes, Drogenhandels, organisierter Kriminalität und Geldwäsche belangt. In Kalifornien wird ihm Drogenschmuggel vorgeworfen. Zwischen den USA und Mexiko besteht ein Auslieferungsantrag. Die US-Behörden hätten garantiert, dass Guzman in den USA nicht die Todesstrafe drohe, teilte das mexikanische Außenministerium mit. Das war eine Bedingung der Mexikaner. Nach einer spektakulären Flucht aus einem Hochsicherheitsgefängnis im vergangenen Jahr war El Chapo im Jänner erneut gefasst worden. Vor Kurzem war der Drogenboss in ein Gefängnis in Ciudad Juarez an der Grenze zu den USA verlegt worden. Guzmans Taktik war zuletzt unklar. Weil er sich in der mexikanischen Haft schlecht behandelt fühlte, kündigte er an, mit den US-Behörden verhandeln und seine Auslieferung aktiv vorantreiben zu wollen. Später erklärten seine Anwälte jedoch, sie wollten die Überstellung ihres Mandanten um jeden Preis verhindern. In Mexiko dürfte nicht jeder über die bevorstehende Auslieferung des Drogenbosses glücklich sein. Guzman könnte den US-Ermittlern im Gegenzug für Hafterleichterungen wertvolle Informationen zu Verbindungen von Politikern und Beamten mit dem organisierten Verbrechen anbieten. Das könnte korrupte Beamte und Politiker in Mexiko in Erklärungsnot bringen. Jeep und Kleinbus kamen nacheinander im Bundesstaat Himachal Pradesh von den Straßen ab. Neu-Delhi – Bei zwei schweren Verkehrsunfällen im Norden Indiens sind mindestens 30 Menschen ums Leben gekommen. Wie die Polizei mitteilte, stürzte im Bundesstaat Himachal Pradesh am Samstag ein überladener Jeep in eine 300 Meter tiefe Schlucht. Bei dem Unglück im Bezirk Kinnaur seien 13 Menschen ums Leben gekommen und ein weiterer verletzt worden. Nur wenige Stunden zuvor war im selben Bundesstaat ein Kleinbus in eine andere Schlucht gestürzt. Der Bus war nach Polizeiangaben am Freitagabend im Bezirk Chamba von einer bergigen Straße abgekommen. Mindestens 17 Menschen kamen um Leben, 23 weitere wurden teilweise schwer verletzt. Der indische Straßenverkehr zählt zu den gefährlichsten der Welt. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation sterben auf Indiens Straßen jährlich mehr als 200.000 Menschen. Experten führen die hohe Opferzahl auf den schlechten Zustand der Straßen, die mangelhafte Wartung der Fahrzeuge und unverantwortliches Verhalten der Fahrer zurück. 22-Jährige schaffte schwierigen Aufnahmetest für begehrten Staatsdienst. Neu-Delhi – Sie kann ihren Triumph selbst kaum fassen. Ihr komme alles noch wie ein Traum vor, sagt Tina Dabi. Die 22-Jährige mit den vollen, dunklen Haaren hat gerade indische Geschichte geschrieben: Als erste weibliche Dalit, wie sich Indiens Unberührbare heute nennen, hat sie als Beste den berüchtigt schweren Bewerbungstest für Indiens gehobenen Staatsdienst bestanden und hunderttausende Mitbewerber aus dem Feld geschlagen. Indiens Medien feiern die junge Frau, die die Hürden von Kaste und Geschlecht überwand, als Vorbild. Dazu muss man wissen, dass das dreistufige Bewerbungsverfahren für Indians Administrative Service (IAS), Indiens Elite-Staatsdienst, nicht irgendein Test ist. Kaum ein Examen ist härter und brutaler. Über 400.000 junge Inder versuchten sich diesmal an dem Test, um eine Laufbahn als Elitebeamter einzuschlagen. Weit über 99 Prozent fielen durch. Nur rund 1000 Kandidaten, die Besten der Besten, bekommen am Ende eine der heiß begehrten Stellen in den Verwaltungen von Zentral- oder Landesregierungen. Und in diesem Jahr hat es Tina Dabi, das Mädchen aus der Kaste der Unberührbaren, allen gezeigt. Gleich beim ersten Versuch toppte sie den Test. Ihr Erfolg ist auch eine Geschichte des sozialen Wandels. Noch vor 40, 50 Jahren wäre ein solcher Triumph unmöglich gewesen, meint der Parlamentarier und BJP-Politiker Udit Raj. Tina Dabi sei eine Inspiration für andere junge Frauen, lobt auch Sonia Gandhi, Präsidentin der traditionsreichen Kongresspartei. 200 bis 300 Millionen der 1,2 Milliarden Inder zählen zu den Dalits. Im hochgradig arbeitsteiligen Kastensystem waren sie traditionell mit Tätigkeiten betraut, die als unrein gelten: Sie leeren Latrinen, putzen Toiletten und reinigen Abwasserkanäle, beseitigen Müll, Kot und Kadaver oder häuten verendete Tiere und machen Leder aus den Häuten. Zwar war mit Kocheril Raman Narayanan von 1997 bis 2002 erstmals ein Dalit Präsident Indiens, doch solche Karrieren bleiben die Ausnahme. Bis heute kämpfen Dalits um soziale Anerkennung. Vor allem auf dem Lande herrscht in vielen Regionen weiter das grausame Kastengesetz, werden Dalits wie Aussätzige behandelt. Es ist ihnen untersagt, aus dem gleichen Brunnen zu trinken wie höhere Kasten, mit ihnen Tisch und Geschirr zu teilen oder deren Tempel zu betreten. Meist leben sie in Vierteln außerhalb der Dörfer. Selbst ihr Schatten gilt als so unrein, dass sie damit andere nicht berühren dürfen. Gewalt gegen Dalits ist an der Tagesordnung. In Odisha wurden jüngst 48 Dalit-Familien attackiert und ihre Häuser geplündert, weil sie Wasser aus dem Dorfteich geschöpft hatten. Im nordindischen Bundesstaat Uttar Pradesh wurde ein Dalit-Teenager von Angehörigen höherer Kasten zu Tode geprügelt, weil er sich in einem Feld erleichtert hatte, das diesen gehört. Doch vor allem in den Städten können immer mehr Dalits die Fesseln ihrer Geburt abstreifen. Dort verwischen die Kastengrenzen zusehends. Auch Tina Dabi wurde in Bhopal geboren und zog 2005 mit ihrer Familie in die Hauptstadt Delhi, wo sie am renommierten Lady-Ram-College Politikwissenschaften studierte. Seit Jahrzehnten müht sich Indien, benachteiligte Kasten gezielt zu fördern. An Universitäten und im Staatsdienst sind für sie Plätze reserviert. Ähnlich wie in Europa die Frauenquote wird auch in Indien das Quotensystem kontrovers diskutiert. Vor allem höhere Kasten klagen, Dalits und andere niedere Kasten würden Staatsjobs und Uniplätze nur wegen der Quote, aber nicht wegen ihrer Qualifikation bekommen. Die Dalits sind die Nachkommen der indischen Ureinwohner, die von nachfolgenden Eroberern aus dem klassischen Kastensystem ausgeschlossen sind. Mahatma Gandhi bemühte sich bereits um die Steigerung deren Anerkennung, was nicht unbedingt auf Gegenliebe stieß – sie fühlten sich paternalistisch und nicht gleichberechtigt behandelt. Tina Dabi hat es auch ohne Quote geschafft. Über Monate hat sie jeden Tag für die Mutter aller Tests, wie das härteste aller Bewerbungsverfahren auch genannt wird, gebüffelt. Sie verdanke ihren Erfolg vor allem der Unterstützung ihrer Mutter Himali, sagt sie. Die gelernte Ingenieurin hatte ihren Beruf aufgegeben, um sich ganz um die Kinder und deren Ausbildung zu kümmern. Aber wie Udit Raj glauben viele, dass erst die Quoten den Grundstein legten, dass Karrieren wie die von Tina Dabi heute möglich sind. Hollywoodstar wird Gastprofessorin für neuen Studiengang "Frauen, Frieden, Sicherheit". London – Hollywoodstar Angelina Jolie bekommt eine Gastprofessur an der renommierten London School of Economics (LSE). Sie erhalte eine von vier Gastprofessoren-Stellen für das neue Masterprogramm Frauen, Frieden und Sicherheit, teilte die LSE am Montag mit. Sie sei sehr erfreut über die Schaffung des Studiengangs, für den sich Interessierte ab August bewerben können, sagte Jolie. Ich hoffe, andere akademische Einrichtungen werden diesem Beispiel folgen. Einer der anderen Gastprofessoren ist der ehemalige britischen Außenminister William Hague, mit dem Jolie 2010 eine Initiative zum Schutz vor sexueller Gewalt in Konflikten gegründet hatte. Sie freue sich darauf, die Studenten zu unterrichten und von ihnen zu lernen. Dabei werde sie auch auf ihre Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit Regierungen und als Sonderbotschafterin des UN-Flüchtlingshochkommissariats UNHCR zurückgreifen, sagte die 40-Jährige. Jolie, die mit Hollywoodstar Brad Pitt verheiratet ist, engagiert sich seit Jahren sozial. Die Oscarpreisträgerin und Mutter von sechs Kindern forderte kürzlich in einer Rede in London mehr Engagement für Flüchtlinge. Rapper Troy Ave soll vor Auftritt seines Kollegen T.I. geschossen haben. New York – Nach den tödlichen Schüssen bei einem Rap-Konzert in New York hat die Polizei einen Rapper als Verdächtigen festgenommen. Der aus Brooklyn stammende Troy Ave, der mit bürgerlichem Namen Roland Collins heißt, soll bei dem Konzert am Mittwochabend einen Menschen getötet haben. Die Polizei veröffentlichte am Donnerstag ein Video, auf dem Collins zu sehen sein soll, wie er nach einem Streit im VIP-Bereich mindestens einen Schuss abfeuert. Daraufhin brach unter den knapp tausend Besuchern in dem bekannten Konzertsaal Irving Plaza nahe dem Union Square in Manhattan Panik aus. Tödlich getroffen wurde Collins Freund und Bodyguard Ronald McPhatter. Collins, der auch bei dem Konzert mit dem US-Rapper T.I. auftreten sollte, gehört selbst zu den insgesamt drei Verletzten. Er kam ebenso wie ein Mann und eine Frau ins Krankenhaus. Die Schüsse fielen, kurz bevor T.I. die Bühne betreten sollte. Der dreifache Grammy-Preisträger aus Atlanta hat selbst eine Vorgeschichte mit kriminellen Verstrickungen. Er saß bereits zwei Haftstrafen ab wegen Waffen- und Drogendelikten. 'Der Volksheld Hadschi Lojo kämpfte 1878 in Sarajevo gegen die Okkupation. Hadschi Lojo? Das war der Verteidiger von Sarajevo 1878, als die Österreicher Bosnien-Herzegowina besetzten, meint Amir B., der vor der Markthalle in Sarajevo wartet. Damals hatten manche Muslime Angst vor der neuen christlichen Herrschaft. Aber dann war alles anders, und die Muslime waren froh, Teil der Monarchie zu sein. Meine Kinder studieren heute in Wien, und wir haben ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Österreich. So wie Amir sprechen viele Sarajlis heute über Hadschi Lojo, den Rebellen, Insurgentenhäuptling, Garibaldi von Bosnien, die Seele des Aufstands gegen die österreichischen Besatzer im Jahr 1878. Der damals in Sarajevo lebende Arzt Josef Koetschet beschrieb ihn als einen herumschweifenden Hodscha, der an der Spitze der religiösen Agitation stand, ein Mann, dessen unruhiges Wesen und abenteuerlicher Geist den Behörden wohlbekannt war. Die Charakterisierungen von ausländischen Autoren sind aber ziemlich unterschiedlich. Koetschet: Er war gross, von athletischem Wüchse, mit langen Händen und Füssen, von tölpelhaftem Benehmen. Er glich allem anderen mehr als einem Angehörigen des geistlichen Standes Davon 70 Minderjährige – Großrazzia im Stadtteil Bronx mit 2500 Beamten. Bogota – Bei einem Großeinsatz in der Hauptstadt Bogota haben die Behörden in Kolumbien rund 200 mutmaßliche Sex-Sklavinnen befreit. Mehr als 70 von ihnen waren minderjährige Mädchen, sagte Bürgermeister Enrique Penalosa Medienberichten zufolge am Samstag (Ortszeit). Demnach war die Razzia mit rund 2.500 Sicherheitskräften seit vier Monaten vorbereitet worden. Polizisten hatten laut einem Bericht der Tageszeitung El Heraldo in den frühen Morgenstunden Räume im Stadtviertel Bronx gestürmt. Es habe einige Festnahmen gegeben. Die Frauen und Mädchen dort hätten unter menschenunwürdigen Bedingungen gelebt, sagte der Direktor der Fahndungskommission der Staatsanwaltschaft, Julian Quintana, dem lokalen Sender Caracol Radio. Wenn man in die Bronx kommt, ist das wie die Hölle auf Erden. Das Viertel gilt als ein Zentrum des gefährlichen Drogenmilieus in Bogota. Viele seiner Bewohner leben auf der Straße. Es habe sich bei dem Einsatz aber nicht um eine Aktion gegen Arme und Obdachlose gehandelt, betonte Bürgermeister Penalosa. Es ist eine Aktion zum Schutz der ausgebeuteten Kinder und gegen kriminelle Banden. Auf Twitter schrieb er am Samstag: Wir werden keine unabhängige Republik des Verbrechens in Bogota dulden. Die Behörden zerschlugen demnach auch drei kriminelle Banden und beschlagnahmten Waffen, Drogen und Geld. Nach Zika-Epidemie, Korruption und zunehmender Gewalt schockiert nun die kollektive Vergewaltigung einer 16-Jährigen ganz Brasilien. Das Video dauert nur 40 Sekunden. Ein Vergewaltiger steckt die Zunge raus und macht ein Victory-Zeichen. Im Hintergrund liegt ein nacktes, blutendes, offensichtlich bewusstloses Mädchen. Mehr als 30 Männer sollen über eine 16-Jährige aus Rio de Janeiro hergefallen sein. Tausende Male wurde das Video auf Twitter geteilt und mit teilweise menschenverachtenden Kommentaren versehen. Erst später finden sich Nutzer, die das Verbrechen bei der Polizei anzeigen. Inzwischen sind mehr als 800 Strafanzeigen eingegangen. Trotzdem werden die Behörden erst nach Tagen tätig, zweifeln die Vergewaltigung zunächst öffentlich an. Das Verbrechen schockiert viele Brasilianer, denn es berührt ein Tabuthema. Alle elf Minuten wird in Brasilien eine Frau vergewaltigt. 70 Prozent der Opfer sind minderjährig. Im Durchschnitt sterben pro Tag 13 Frauen an den Folgen von häuslicher Gewalt. Doch in den Medien wird selten über die Gräueltaten berichtet – erst recht nicht im Jahr der Olympischen Spiele. Knapp zehn Wochen vor Beginn des Sportfestes ist von Vorfreude nichts zu spüren. In Rio grassiert das Zika-Virus, das von Mücken übertragen wird. Schon rund 5000 Babys wurden landesweit mit Schädelfehlbildungen geboren. Gerade erst forderten 150 Wis-senschafter in einem offenen Brief die Verschiebung Olympias. Sie sorgen sich um die globale Gesundheit. Rios Bürgermeister Eduardo Paes, der die Spiele holte, versucht inzwischen nur noch den Schaden zu begrenzen und deutet das Event zu einer Chance für die Stadt um. Dabei sollte Olympia das von Armut und Gewalt geprägte Image der Metropole aufpolieren. Wohl ausgewählt sind deshalb die Wettkampfstätten im wohlhabenden Süden der Stadt, weit weg von den meisten Favelas. Dennoch rückt jetzt ein vielfach verschwiegenes Stück brasilianische Realität in den Blick der Weltöffentlichkeit. Erinnerungen an einen Fall vor zwei Jahren werden wach, als eine amerikanische Touristin in Rio sechs Stunden in der Gewalt ihrer Peiniger gewesen ist. Sie wurde ausgeraubt und von drei Männern vergewaltigt. Wenig später wurde eine Frau von einem Bewaffneten in einem Linienbus vergewaltigt, vor den Augen der anderen Fahrgäste. Trotz Überwachungskamera wurde der Täter nicht gefasst. Auch im jetzt publik gewordenen Fall der kollektiven Vergewaltigung wähnten sich die Aggressoren in Sicherheit, brüsten sich in sozialen Netzwerken sogar mit der Tat. Obwohl vier der Täter identifiziert sind, befinden sich alle auf freiem Fuß. Die Anwältin des Mädchens macht der Polizei schwere Vorwürfe. Die Ermittler hätten ihre Mandantin zur Schuldigen gemacht, sagt Eloísa Samy zu Medien. Sie hielten sogar die Vergewaltigung für nicht bewiesen. Man kann verstehen, dass so nur wenige Opfer ihre Vergewaltiger anzeigen, entrüstet sie sich. Die 16-Jährige schrieb derweil auf Facebook: Die Tat bereite ihr mehr Schmerzen in der Seele als im Unterleib. Gewalt gegen Frauen ist leider immer noch Teil der brasilianischen Kultur, sagt María Cardoso Zapeter vom Nationalen Institut für Kriminalwissenschaften. Die Täter kommen in den meisten Fällen davon. Die Straflosigkeit geht Hand in Hand mit der Gewalt, so die Soziologin. Von schärferen Gesetzen, wie sie Interimspräsident Michel Temer vorgeschlagen hat, hält Cardoso Zapeter nichts: Dieser Aktionismus wird die Gewalt nicht eindämmen. Die Gesellschaft muss sich ändern. Angehörige des Bräutigams schlugen zu – Paar gab sich dennoch das Ja-Wort. Mannheim – Bei einer Trauung im Mannheimer Standesamt ist es zu einer Prügelei gekommen. Die Standesbeamtin wurde leicht verletzt. Wie die Polizei berichtete, waren Angehörige des Bräutigams mit der Wahl der Braut nicht einverstanden. Deshalb kam es am Samstagnachmittag im Trausaal zu einer Schlägerei, auch Inventar wurde beschädigt. Dennoch gab sich die Paar danach das Ja-Wort und feierte in einem Gartenverein – ohne weitere Zwischenfälle, wie die Polizei berichtete. Gegen vier Verdächtige im Alter zwischen 15 und 47 Jahren wurden Ermittlungen wegen Körperverletzung, Sachbeschädigung und Beleidigung eingeleitet. Auch ein Feuerwehrmann im Rettungseinsatz ist unter den Opfern. Autos wurden wie Spielzeug mitgerissen, die Helfer stehen im Dauereinsatz. Schwäbisch Gmünd – Bei schweren Unwettern und Überschwemmungen in Süddeutschland sind mindestens vier Menschen ums Leben gekommen. In Schwäbisch Gmünd starb ein Feuerwehrmann bei dem Versuch, einen Menschen zu retten, der letztlich nur noch tot geborgen werden konnte. In Weißbach im Hohenlohekreis kam ein 60-Jähriger in einer überschwemmten Tiefgarage ums Leben. Mehrere Menschen waren in der Garage vom einstürzenden Wasser überrascht worden. Der Mann habe es nicht mehr ins Freie geschafft und sei von Tauchern tot geborgen worden, berichtete die Polizei. In Aalen starb am Sonntagabend ein 13 Jahre altes Mädchen an der Bahnstrecke zwischen Schorndorf und Urbach. Die Schülerin habe zusammen mit einem zwölfjährigen Buben auf dem Heimweg unter einer neu gebauten Eisenbahnbrücke Schutz vor dem Regen gesucht, hieß es. Dort habe sich das Mädchen wohl zu nahe an die Gleise begeben und sei von einem vorbeifahren Intercity erfasst und getötet worden. Allein in Baden-Württemberg wurden von Sonntagnachmittag bis Montagfrüh 7.000 Helfer zu mehr als 2.200 Einsätzen gerufen. Die Mitarbeiter von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk, Rotem Kreuz, Lebensrettungs-Gesellschaft und Polizei seien im Dauereinsatz, teilte ein Sprecher des Lagezentrums im Innenministerium in Stuttgart mit. Die Zahl der Verletzten liege nach bisherigen Erkenntnissen im einstelligen Bereich. Auch in Bayern, vor allem in Mittelfranken, richteten Unwetter massive Sachschäden an. In Braunsbach im Norden Baden-Württembergs trat ein Fluss über die Ufer. Die reißenden Fluten strömten durch die 900-Einwohner-Gemeinde, wodurch ein Haus zerstört und mehrere erheblich beschädigt wurden. Rund 150 Kräfte von Feuerwehr, Technischem Hilfswerk und Rotem Kreuz suchten einsturzgefährdete Häuser ab, um sie zu evakuieren. Auf Videos und Fotos war zu sehen, wie Autos vom Schlammwasser mitgerissen, übereinandergetürmt und in Schaufenster von Geschäften geschleudert wurden. #Unwetter in Braunsbach (Landkreis Schwäbisch Hall) @HallerTagblatt @stimmeonline @Kachelmann pic.twitter.com/Y6RkwnunYQ Der erste Landesbeamte des Landkreises Schwäbisch Hall, Michael Knaus, sagte am frühen Morgen, in den vergangenen Stunden sei so viel Regen pro Quadratmeter gefallen wie sonst in mehreren Monaten. An einigen Stellen verursachte er das schlimmste Hochwasser seit rund zwei Jahrzehnten. Die Hochwasserzentrale in Karlsruhe warnte vor bedrohlichen Wasserständen an den östlichen Zuflüssen zu Neckar und Donau sowie im Rhein und an der Tauber. An der Messstation Kirchberg an der Jagst fielen im Lauf der Nacht innerhalb von sechs Stunden 87 Liter pro Quadratmeter. Zum Vergleich: Der Monats-Durchschnitt für Mai beträgt für Bayern 90 Liter pro Quadratmeter, für Baden-Württemberg 96 Liter pro Quadratmeter. Besonders vom Hochwasser betroffen waren die südöstlichen Zuflüsse zur Donau und die östlichen Zuflüsse zum Neckar (Fils, Rems, Kocher, Jagst). Teils stieg der Wasserstand um bis zu drei Meter. Angesichts der Wettervorhersagen erwartete die Hochwasserzentrale, dass die Wasserstände weiter steigen. In Ulm waren mehrere Straßen nicht befahrbar. Die Stadt Künzelsau teilte mit, dass die Innenstadt am Montag wegen Aufräumarbeiten für den Verkehr gesperrt bleibe. Schulen und Kindergärten blieben geschlossen. Bürgermeister Stefan Neumann sprach von einer Naturkatastrophe. Die Bahn hatte in Baden-Württemberg mehrere überschwemmte Strecken gesperrt. Der Fernverkehr wurde vorerst über Fürth umgeleitet und der Nahverkehr mit Bussen ersetzt. Teile des Audi-Werks in Neckarsulm standen unter Wasser, die gesamte Produktion stehe vorerst still, sagte eine Audi-Sprecherin. Seit den frühen Morgenstunden pumpe die Werksfeuerwehr das Wasser ab. Bei Audi in Neckarsulm sind mehr als 16.000 Menschen beschäftigt. Das Werksgelände liegt direkt an einem Kanal neben dem Neckar, außerdem fließt die Sulm am Rand des Geländes. In Bayern waren die Schäden in den Orten Flachslanden und Obernzenn bei Ansbach besonders groß. Dort verwandelten sich in der Nacht auf Montag binnen kurzer Zeit schmale Bäche in reißende Flüsse und überfluteten Straßen und Keller, Erdrutsche blockierten Straßen. Die größten Schäden registrierte die Feuerwehr im Flachslander Ortsteil Sondernohe. Das ist ein Ort der Verwüstung, berichtete ein Feuerwehrmann. Das von den Hängen herabschießende Wasser sei als breiter Strom durch den Ort gerauscht. Die Wassermassen hätten Autos mitgerissen, Verkehrsschilder seien wie Streichhölzer umgeknickt. In ganz Deutschland und Frankreich wurden zudem mindestens 40 Menschen bei Blitzeinschlägen verletzt. In Sankt Englmar (Landkreis Straubing-Bogen) wurde eine Frau beim Telefonieren von einem Blitz getroffen und leicht verletzt. In Österreich kam es bereits in der Nacht auf Sonntag zu Unwetterschäden. Vor allem von Gmunden bis Amstetten wurden die Feuerwehren zu Überschwemmungen und Vermurungen gerufen, am stärksten war der oberösterreichische Zentralraum betroffen. Am Freitag starb ein Feuerwehrmann bei einem Einsatz in Tirol an einem Herzinfarkt – mehr dazu in Unwetter führten am Wochenende zu schweren Schäden in Österreich. Am Sonntagabend mussten in Oberösterreich erneut 250 bis 300 Feuerwehrleute zu Unwettereinsätzen ausrücken. Keller wurden überflutet, einige Straßen waren vorübergehend durch Schlamm oder umgeknickte Bäume unpassierbar. In Linz schlug ein Blitz in ein Wohnhaus ein. Es war aber kein Vergleich zur Nacht auf Samstag, in der 1.500 Helfer im Einsatz gestanden waren, hieß es bei der Feuerwehr. Die meisten leben in Indien, China und Pakistan – Index listet Österreich mit 1.500 Sklaven auf. London/Wien – Fast 46 Millionen Menschen in 167 Ländern leben derzeit als Sklaven. Sie werden zu Arbeit in Fabriken und Minen oder auf Farmen gezwungen, für Sex verkauft oder in Gefangenschaft geboren. Das besagt der dritte Index über globale Sklaverei der australischen Menschenrechtsorganisation Walk Free Foundation, der am Dienstag veröffentlicht wurde. Demnach ist die Zahl der Sklaven weltweit von 35,8 Millionen im Jahr 2014 auf aktuell 45,8 Millionen gestiegen. Die Zunahme ist laut Andrew Forrest, Mitbegründer der Walk Free Foundation, auf eine bessere Datenlage zurückzuführen. Zugleich habe sich aber für viele auch die Situation verschlechtert: Aufgrund von Flucht und Migration würden Menschen leichter in Sklaverei geraten. Die meisten Menschen in Sklaverei verzeichnet der Index in Indien: geschätzte 18,4 Millionen bei einer Bevölkerung von 1,3 Milliarden Menschen. Im Verhältnis zur Bevölkerungszahl gibt es die meisten Sklaven allerdings in Nordkorea: Jeder 20. Mensch lebt dort dem Index zufolge in Sklaverei – 4,4 Prozent der Bevölkerung oder 1,1 Millionen der 25 Millionen Einwohner. Als Grundlage für den aktuellen Index dienten 42.000 Interviews in 25 Ländern, die Gespräche wurden in 53 Sprachen geführt. Die Menschenrechtler arbeiteten dafür mit dem Meinungsforschungsinstitut Gallup zusammen. Die Daten über Nordkorea basieren auf Berichten von Flüchtlingen aus dem Land und auf Informationen, die die Menschenrechtsorganisation bei drei Besuchen sammelte. Die Vereinten Nationen schätzen die Zahl der als Sklaven lebenden Menschen weltweit auf 21 Millionen, berücksichtigen dabei aber in erster Linie Zwangsarbeit. Wir wollen, dass der Index ein Weckruf ist, sagt Forrest. Das ist nicht HIV oder Malaria. Wir haben Sklaverei verursacht, und weil sie menschengemacht ist, können wir sie auch bekämpfen. Die beiden Verhafteten sollen zu der Gruppe von mehr als 30 Männern gehören, die eine 16-Jährige missbrauchten. Rio de Janeiro – Zwei mutmaßliche Beteiligte an der Gruppenvergewaltigung eines 16-jährigen Mädchens in Rio de Janeiro sind festgenommen worden. Die Männer seien 20 und 22 Jahre alt, berichtete das Nachrichtenportal G1 am Montag unter Berufung auf die Polizei. Das Mädchen hatte angegeben, von 33 Männern vergewaltigt worden zu sein. Ein online verbreitetes Video bestätige die Angaben, sagte die Kommissarin Cristiana Bento. Das Video zeigt das Mädchen ohnmächtig, anscheinend nach der Vergewaltigung, umgeben von mehreren Männern, die sie berühren und lachend sagen, etwa 30 seien über sie hergefallen. Das Video beweist, dass ein Sexualverbrechen begangen worden ist, unabhängig von den Erklärungen des Opfers, erklärte die Kommissarin am Montag. Das eingeschüchterte Mädchen hatte erst fünf Tage danach Anzeige erstattet, weshalb keine Verletzungen festgestellt werden konnten. Es hatte angegeben, abends zu einem Freund gegangen und am nächsten Tag in einer anderen Wohnung umgeben von 33 bewaffneten Männern aufgewacht zu sein. Justizminister Ziobro will gegen Gerichtsurteil in Berufung gehen. Warschau – Polen will das Auslieferungsverfahren gegen den Regisseur Roman Polanski an die USA wieder aufrollen. Justizminister Zbigniew Ziobro kündigte am Dienstag im polnischen Rundfunk an, dass er gegen ein Urteil eines Gerichts in Krakau, das die Auslieferung im vergangenen November abgelehnt hatte, vor dem Obersten Gericht in Berufung gehen werde. Der Oscar-Preisträger Polanski ist polnischer und französischer Staatsbürger, er lebt in Frankreich. Die US-Justiz wirft dem inzwischen 82-Jährigen vor, 1977 in Kalifornien die damals 13-jährige Samantha Geimer vergewaltigt zu haben. Polanski bekannte sich damals wegen Sex mit einer Minderjährigen schuldig und saß dafür zunächst 42 Tage im Gefängnis, bevor er auf Kaution frei kam. Vor der Urteilsverkündung floh der Filmemacher nach Europa. Er kehrte seitdem nicht mehr in die USA zurück, weil er fürchtete, dass die Strafe trotz einer Übereinkunft mit der Staatsanwaltschaft höher als vereinbart ausfallen würde. Vor einigen Jahren waren die US-Justizbehörden in der Schweiz mit einem Auslieferungsantrag gescheitert. Zwar nahmen die Schweizer Behörden Polanski auf US-Anweisung 2009 in Zürich fest und stellten ihn in seinem Chalet in Gstaad unter Hausarrest. Nach zehn Monaten wurde Polanski aber wegen Unklarheiten im Auslieferungsgesuch wieder freigelassen. Minister Ziobro, der die Entscheidung der polnischen Justiz offiziell an die US-Behörden übermitteln muss, hatte sich in der Vergangenheit bereits für eine Auslieferung Polanskis ausgesprochen. Ziobro gehört der konservativen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) an. Freund stürzte aus unbekanntem Grund ins Gleisbett. Stuttgart – Beim Versuch, einen Freund von den Gleisen zu retten, ist ein 42-Jähriger in Stuttgart von einer S-Bahn tödlich verletzt worden. Die beiden Männer wollten Dienstagfrüh an der Haltestelle Stadtmitte gemeinsam in eine Bahn steigen, berichtete die Polizei. Der 34-Jährige stürzte aus unbekanntem Grund ins Gleisbett. Sein Bekannter sprang hinterher und half ihm, wieder auf den Bahnsteig zu klettern. Als sich der 42-Jährige selbst retten wollte, erfasste ihn eine einfahrende zweite S-Bahn. Er wurde eingeklemmt und so schwer verletzt, dass er starb. Die S-Bahn-Strecke war für rund eine Stunde gesperrt. Todesschütze soll Website mit rassistischen Inhalten betrieben haben – Ruf nach schärferen Waffengesetzen. Charleston – Nach dem Massaker in einer Kirche der Stadt Charleston ermitteln die US-Behörden wegen eines angeblichen rassistischen Manifests des Tatverdächtigen im Internet. Auf einer inzwischen gesperrten Seite finden sich dutzende Fotos des mutmaßlichen Todesschützen Dylann R. sowie Beschimpfungen von Schwarzen, Juden, Latinos und anderen Minderheiten. Ob die Internetseite tatsächlich von R. betrieben wurde, sei Gegenstand von Ermittlungen, teilten die Polizei in Charleston und die Bundespolizei FBI mit. R., ein 21 Jahre alter weißer Mann aus South Carolina, soll am Mittwoch in einer Methodistenkirche während einer Bibelstunde neun Afroamerikaner erschossen haben. Er habe rassistische Sprüche von sich gegeben und das Feuer eröffnet, berichtete eine Überlebende. Das Justizministerium und die Bundespolizei FBI ermitteln wegen des Verdachts auf ein Hassverbrechen und heimischen Terrorismus. Der Fall werde von jedem Winkel aus geprüft, sagte ein Sprecher. Auf der Internetseite breitet der Autor seine Wut und Vorurteile gegen Minderheiten aus. Ich habe keine Wahl, hieß es in dem Manifest. Niemand habe den Mut, etwas zu tun, also müsse er etwas unternehmen, schrieb er weiter. R. habe die Web-Adresse im Februar auf seinen Namen und unter der Anschrift seiner Mutter registriert, berichtete die Washington Post unter Berufung auf Ermittlerkreise. Dem Bericht zufolge wurde die Seite nur wenige Stunden vor der Tat bearbeitet. Wie die Zeitung The Post and Courier berichtete, sollte am Sonntag wieder ein Gottesdienst in der Kirche abgehalten werden. Am Freitag hatten Angehörige der neun Mordopfer dem mutmaßlichen Täter öffentlich vergeben. Mit einer Sondererlaubnis des Richters durften sich die Verwandten bei der Anhörung von R. äußern. Sie sei böse und traurig, sagte eine Frau, deren Schwester erschossen wurde. Es dürfe aber keinen Raum für Hass geben, fügte sie hinzu. Wir müssen vergeben. R., der sich wegen neunfachen Mordes sowie wegen Waffenbesitzes zur Durchführung eines Verbrechens verantworten muss, wurde per Video aus dem Gefängnis zugeschaltet. Er trug ausgeblichene Sträflingskleidung und wurde von zwei schwer bewaffneten Wärtern bewacht. Ein erster Gerichtstermin wurde auf den 23. Oktober festgesetzt. Die Familie des mutmaßlichen Todesschützen äußerte Beileid für die Angehörigen der Toten. Wir sind bestürzt und traurig, schrieben sie in einem Brief, der in einer Lokalzeitung veröffentlicht wurde. Worte könnten den Schock und die Trauer nicht ausdrücken. US-Präsident Barack Obama sagte in San Francisco: Rassismus bleibt ein Übel, das wir gemeinsam bekämpfen müssen. Er kritisierte die laxen Waffengesetze. Er glaube zwar nicht, dass der Kongress bald dagegen vorgehen werde. Aber ich vertraue darauf, dass wir irgendwann das Richtige tun. US-Medien beschrieben den Täter als Einzelgänger, der 2010 seine Schulausbildung abgebrochen habe. Zuletzt sei er mehrmals mit der Polizei in Konflikt geraten, etwa wegen unerlaubten Besitzes verschreibungspflichtiger Medikamente. Auch die demokratische US-Präsidentschaftsbewerberin Hillary Clinton sprach sich für schärfere Waffengesetze aus. Sie wisse, dass der Waffenbesitz Teil des Gefüges vieler gesetzestreuer Gemeinschaften ist, sagte die frühere Außenministerin. Daher plädiere sie für Reformen der Waffengesetze mit Menschenverstand. Ziel müsse sein, Kriminellen den Zugang zu Waffen zu versperren. Attentäter ist auf Fotos mit Kriegsfahne zu sehen. Banner weht auf dem Kapitol der Stadt, für Obama "gehört es in ein Museum". Charleston – Ist sie ein Symbol des Hasses oder kultureller Identität? Der Attentäter von Charleston, der 21-jährige Dylann Roof, ist auf Fotos im Internet oft mit einer Kriegsflagge der Konföderierten zu sehen. Das Auto, in dem er nach der Tat gestellt wurde, hatte ein Konföderierten-Nummernschild. Das Massaker in einer Schwarzen-Kirche in der Stadt im US-Bundesstaat South Carolina mit neun Toten hat deshalb eine neue Debatte über das Banner aus dem Bürgerkrieg (1861–1865) ausgelöst. Es weht auf dem Gelände des Kapitols der Stadt. In der Vergangenheit waren immer wieder Forderungen laut geworden, es zu entfernen. Als Reaktion auf die Bluttat waren die US-Flagge und die Flagge des Staates South Carolina vor dem Parlament in Columbia auf Halbmast gesetzt worden – nicht aber die rote Südstaaten-Flagge mit dem blauen Sternenkreuz. Dazu hätte das Parlament von South Carolina seine Zustimmung geben müssen, lautete die offizielle Begründung. Tausende Menschen zogen am Samstag zu der Flagge und verlangten ihre Entfernung. Wir können uns nicht länger leisten, diese Flagge hier stehen zu lassen, sagte die 95-jährige Aktivistin Sarah Leverette. Die Fahne sei ein Leuchtsignal für diejenigen, die bösen Überzeugungen verhaftet blieben – so wird sie etwa vom rassistischen Ku-Klux-Klan (KKK) genutzt. Mehr als 480.000 Menschen hatten bis Sonntagabend (Ortszeit) ihren Namen unter eine Online-Petition gegen die Flagge gesetzt. US-Medien entdeckten am Samstag die Website lastrhodesian.com, auf der Roof auf Fotos mit Feuerwaffen und beim Verbrennen der US-Flagge zu sehen ist. Ich habe Charleston ausgewählt, weil die Stadt (...) zeitweise den landesweit höchsten Anteil von Schwarzen im Vergleich zu Weißen hatte, heißt es in einem Text. Wir haben keine Skinheads, keinen wirklichen KKK, niemand, der irgendetwas tut außer im Internet reden. Jemand muss den Mut haben, es in der wirklichen Welt zu tun, und ich schätze, dass ich das sein muss. Es folgen Hasstiraden gegen Schwarze, Hispanics und Juden. Ob es sich bei dem Verfasser um Roof handelt, wurde von den Behörden noch überprüft. US-Medien berichteten, die Internetseite sei im Februar unter seinem Namen registriert worden. Der Name letzter Rhodesier bezieht sich auf den vom südafrikanischen Apartheidregime unterstützten Staat Rhodesien, dem heutigen Simbabwe. Kritiker sehen sich dadurch in ihrer Auffassung bestärkt, dass die Flagge ein Symbol des Rassismus und Hasses sei. Sie repräsentiere die damalige Bereitschaft der Südstaaten, in den Krieg zu ziehen, um die Sklaverei beibehalten zu können. Befürworter – vor allem Weiße im Süden der USA – betrachten das Banner dagegen als ein Symbol kultureller Identität, südlichen Stolzes und eines wichtigen Teils der Geschichte. Eigentlich war die rote Fahne mit dem blauen Andreaskreuz und den weißen Sternen darauf nicht die Flagge der abtrünnigen Südstaaten, sondern die Flagge eines Teils ihrer Truppen im Feld. Doch sie wurde in den USA wie in Übersee zu einem Symbol der Konföderierten. In Charleston wurde die Flagge 1962 – inmitten der US-Bürgerrechtsbewegung – zunächst über der Kuppel des Kapitols aufgezogen. Nach einem Massenprotestmarsch wurde sie 2000 an einen Platz nahe eines Konföderierten-Kriegsdenkmals auf dem Kapitolgelände verlegt. Der Washington Post zufolge sprachen sich bei einer Umfrage 2014 73 Prozent der Weißen in South Carolina für die Flagge aus, 63 Prozent der Schwarzen dagegen. Auch in anderen südlichen US-Staaten gab es immer wieder Kontroversen um das Banner, so in Florida, Georgia und Mississippi. In Florida wurde die Fahne während der Gouverneursamtszeit des jetzigen republikanischen Präsidentschaftsbewerbers Jeb Bush vom Kapitol in Tallahassee entfernt. Der bekräftigte am Wochenende via Twitter seine Position. Mississippi ist der Washington Post zufolge der einzige Staat, dessen Staatsbanner noch eine Konföderierten-Kriegsflagge integriert hat. My perspective on the Confederate flag issue: http://t.co/4HG9CPuz92 pic.twitter.com/As7iKYE78w Neben Bush forderte auch der ehemalige republikanische US-Präsidentschaftsanwärter Mitt Romney auf Twitter, die Konföderierten-Flagge abzuhängen. Zustimmung erhielt er dabei von US-Präsident Barack Obama. Take down the #ConfederateFlag at the SC Capitol. To many, it is a symbol of racial hatred. Remove it now to honor #Charleston victims. Good point, Mitt. https://t.co/Ryusfp8Xbh Außerdem fand Obama nach Angaben eines Sprechers ebenfalls, dass die umstrittene Fahne in Charleston in ein Museum gehört. Auch der Präsident der Schwarzenorganisation NAACP, Cornell Brooke, forderte: Die Fahne muss weg. Dagegen sagte Mississippis Ex-Gouverneur Haley Barbour laut Medienberichten, die Fahne habe absolut nichts mit dem Massaker zu tun. Sie ist Teil der Geschichte, genau wie George Washington, Thomas Jefferson und Andrew Jackson, die alle Sklavenbesitzer waren. Werden wir jetzt den Namen des Washington-Denkmals (in Washington) ändern? (APA, red, 22.6.2015) '"Geht nicht nur darum, dass es unhöflich ist, in der Öffentlichkeit ''Nigger'' zu sagen". Washington – Nach der Attacke mit neun Toten auf eine von Afroamerikanern besuchte Kirche hat US-Präsident Barack Obama mit dem Tabu-Wort Nigger in die Rassismusdebatte eingegriffen. Wir sind vom Rassismus nicht geheilt, sagte Obama in einem am Montag ausgestrahlten Interview mit dem Internetradio WTF. Und es geht nicht nur darum, dass es unhöflich ist, in der Öffentlichkeit Nigger zu sagen. Das Erbe von Sklaverei und Diskriminierung werfe einen langen Schatten und sei noch immer Teil unserer DNA. so der US-Präsident. Das englische Wort Nigger ist eine abwertende Bezeichnung für Schwarze. US-Medien vermeiden den Ausdruck und sprechen nur vom N-Wort – selbst Obamas Äußerung wurde im Fernsehen mit einem Piepen übertönt. In der afroamerikanischen Hip-Hop- und Jugendkultur ist der Begriff dagegen als ironische Selbstbeschreibung geläufig. Obama wurde 2008 als erster Schwarzer zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt. Der Sohn einer weißen US-Bürgerin und eines Kenianers sagte in dem Interview mit WTF, dass sich die Situation der Afroamerikaner in meiner Lebenszeit spürbar verbessert habe. Neue Möglichkeiten haben sich ergeben, und Einstellungen haben sich verändert, sagte er. Dennoch müsse das Land noch einen weiten Weg zurücklegen, ehe die Hautfarbe keine Rolle mehr spiele. Der 21-jährige Weiße Dylann Roof soll vergangenen Mittwoch in der Emanuel African Methodist Episcopal Church in Charleston aus rassistischen Motiven neun Schwarze erschossen haben. Medienberichten zufolge gestand er nach seiner Festnahme die Tat, bei einer ersten Anhörung am Freitag wurde ihm neunfacher Mord vorgeworfen. Seit dem Sommer vergangenen Jahres hatten außerdem mehrere Fälle tödlicher Polizeigewalt gegen Schwarze für Empörung gesorgt. Ende April wurde die Ostküstenstadt Baltimore von schweren Ausschreitungen erschüttert, nachdem ein junger Afroamerikaner im Polizeigewahrsam ums Leben gekommen war.' 21-Jähriger ist vor Bundesgericht in 33 Punkten angeklagt. Charleston (South Carolina) – Der mutmaßliche Todesschütze von Charleston, der im Juni in einer Kirche in den USA neun Afroamerikaner getötet haben soll, will sich nach Angaben seines Anwalts schuldig bekennen. Der 21-jährige Dylann Roof ist vor einem Bundesgericht in 33 Punkten unter anderem wegen eines Hassverbrechens, der Verletzung religiöser Rechte und Verstößen gegen Waffengesetze angeklagt. Im Falle eines Schuldspruches drohen ihm lebenslange Haft oder die Todesstrafe. Roof war zuvor zudem bereits bei einem Gericht des US-Staates South Carolina wegen neunfachen Mordes und dreifachen versuchten Mordes angeklagt worden. Roof antwortete einsilbig auf die Fragen des Bundesrichters, als er am Freitag in Handschellen und gestreifter Sträflingsuniform vor Gericht erschien, wie die Zeitung Post and Courier berichtete. Bis zu seinem Schuldbekenntnis wollen seine Verteidiger aber abwarten, ob die Staatsanwaltschaft für Roof die Todesstrafe fordert. Sowohl das US-Bundesrecht als auch South Carolina sehen die Todesstrafe vor. Vermutlich wird Roof zunächst im Bundesverfahren der Prozess gemacht. 19-jähriger Student am Hals, im Brustkorb und im Bauch getroffen. Arlington/Texas – In den USA ist erneut ein unbewaffneter Schwarzer von einem weißen Polizisten erschossen worden. Bei dem Toten handle es sich um den 19-jährigen Studenten und Mitglied des Footballteams der Angelo State University Christian Taylor, wie die Polizei des Vorortes der US-Metropole Dallas am Samstag weiter mitteilte. Er sei mit einem Auto in das Schaufenster eines Autohändlers gefahren. Anschließend sei es zu einer Auseinandersetzung gekommen, ein Beamter habe vier Mal geschossen. Nach Polizeiangaben wurde er routinemäßig vom Dienst freigestellt. Der Tote sei unbewaffnet gewesen, teilte die Polizei weiter mit. Der Vorfall werde untersucht. Wie das gerichtsmedizinische Institut bekanntgab, hatte der Tote Schusswunden am Hals, im Brustkorb und im Bauch. Unklar ist, ob es Videoaufzeichnungen gibt. Ein Polizeisprecher sagte, die Polizisten der Stadt seien nicht mit Körperkameras ausgerüstet und von der Videoüberwachung des Autohauses sei bislang keine Aufzeichnung des Geschehens gefunden worden. Gedenkveranstaltungen in Ferguson Nachdem in den vergangenen Monaten vor allem unbewaffnete Schwarze von Polizisten erschossen wurden, ist in den USA eine Debatte um übermäßige Gewaltanwendung im Dienst entbrannt. Es kam auch immer wieder zu Unruhen. Laut The Guardian wurden in diesem Jahr in den USA bereits 700 Menschen von Polizisten getötet. Auslöser waren die tödlichen Polizeischüsse auf einen schwarzen Jugendlichen in der US-Kleinstadt Ferguson vor genau einem Jahr. An ihn soll mit einer Reihe von Veranstaltungen gedacht werden. Am Sonntag ist eine Schweigeminute geplant. In Ferguson gingen erst am Samstagabend Hunderte Menschen gegen Polizeiwillkür und Rassismus auf die Straße. Heftige Proteste In Ferguson war die Polizei bei dem Protestzug am Samstagabend mit Browns Vater und weiteren Angehörigen massiv präsent. Am Vorabend des ersten Todestags des 18-Jährigen riefen die Demonstranten Parolen wie: Hände hoch, nicht schießen oder Wir sind hier ... für Michael Brown. Auf einem der Schilder war zu lesen: Bitte hört auf, uns zu töten. Den Abschluss des Zuges bildeten Kinder mit einer Blaskapelle. Einige Demonstranten legten Plüschtiere entlang der Marschroute ab. Diese endete an der Normandy High School, die Michael Brown besucht hatte. Browns Vater sagte auf die Frage, was sich durch den Tod seines Sohnes im Verhältnis der Rassen in den USA geändert habe: Für mich nichts. Andere Familien hätten aber Gerechtigkeit aufgrund des Vermächtnisses seines Sohnes erfahren. Er kämpfe weiter darum, alles zu tun, um uns als Bevölkerungsgruppe stärker zu machen. Später wurden die Proteste in Ferguson vor dem Polizeipräsidium aggressiver. Etwa 200 Demonstranten skandierten dort Hey hey, ho ho, diese Killer-Bullen müssen weg! Mehrere Demonstranten sprangen über eine Absperrung um das Gebäude. Demonstranten versuchten, einen gegrillten Schweinekopf mit einer Polizeimütze an Beamte zu übergeben. Die Proteste verliefen aber letztlich ohne Gewalt, die Demonstration löste sich auf. Der Polizist Darren Wilson hatte Brown am 9. August 2014 nach einem Handgemenge mit mehreren Schüssen getötet. Wilson wurde nicht angeklagt, obwohl der Jugendliche unbewaffnet war. Browns Tötung und der spätere Verzicht auf einen Strafprozess hatten in Ferguson und zahlreichen anderen Städten der USA zu teils gewalttätigen Protesten geführt. An dem Fall entzündete sich eine landesweite Debatte über Rassismus und Polizeigewalt. Ein Bericht des US-Justizministeriums vom März ergab, dass Schikanen von Schwarzen durch die Polizei im Vorort von St. Louis im US-Staat Missouri an der Tagesordnung waren. Mittlerweile hat Ferguson einen schwarzen Polizeichef, auch die Führung der Stadtverwaltung wurde teilweise ausgetauscht. Nach dem Gedenken an den erschossenen Michael Brown kommt es zu einem Feuergefecht. Dabei hat sich schon einiges zum Guten verändert. Das Video, das Tony Rice ins Internet gestellt hat, zeigt einen jungen Mann, der reglos auf dem Straßenasphalt liegt, rote Hose, weiße Turnschuhe, die Hände auf dem Rücken gefesselt, die nächtliche Szene von Polizeischeinwerfern erhellt. Er blutet so stark, dass Rice, schwarzer Aktivist aus Ferguson, die umstehenden Beamten mit einer Stimme, die von Satz zu Satz immer verzweifelter klingt, um Hilfe anfleht. Hey, er blutet. So helfen Sie ihm doch, Mann. Bitte helfen Sie ihm. Er verblutet, Mann. Sie sehen es doch. Vorausgegangen war ein Tag friedlicher Kundgebungen, um Michael Browns zu gedenken, des vor zwölf Monaten von dem Streifenpolizisten Darren Wilson erschossenen schwarzen Teenagers. Die meisten waren längst nach Hause gegangen, als an der West Florissant Avenue Schüsse fielen, am Rande jener Magistrale, die immer wieder zum Schauplatz lautstarker Proteste wird. Nach Angaben des Polizeichefs von St. Louis sollen sich rivalisierende Banden vor den Läden der Straße ein Feuergefecht geliefert haben. Vier Beamte in Zivil sollen die Verfolgung eines Fliehenden aufgenommen haben, erst in einem Geländewagen, dann zu Fuß. Dem Polizeichef zufolge erwiderten sie das Feuer, als er auf sie schoss. In kritischem Zustand wird der Verwundete ins nächste Krankenhaus eingeliefert, und nachdem ihn Familienangehörige identifiziert haben, darf auch sein Name veröffentlicht werden: Tyrone Harris junior. Sein 18-jähriger Sohn, so der Vater, Tyrone Harris senior, sei mit Michael Brown eng befreundet gewesen. Was die Polizisten über den Tathergang zu Protokoll geben, kommentiert er mit einem skeptischen Satz. Ich glaube, es war alles ein bisschen anders, als es jetzt dargestellt wird. Noch kann niemand seriös einschätzen, was die Schüsse auslösen, ob ihnen eine Welle heftiger Randale folgt, wie es nach Browns Tod der Fall gewesen war. Am Montag wurde der Ausnahmezustand für den gesamten Bezirk St. Louis ausgerufen. Robert O. White jedenfalls, Pfarrer der Peace of Mind Church of Happiness, einer kleinen Kirche in Ferguson, redet tapfer an gegen ein solches Szenario der Eskalation. Wir lassen nicht zu, dass zwanzig Minuten Gewalt alles kassieren, was 365 Tage lang an harter Arbeit geleistet wurde, sagt der Geistliche auf CNN. Ferguson befinde sich auf dem richtigen Weg, die Zeichen des Wandels seien unübersehbar. Man werde verhindern, dass eine winzige Minderheit dies alles rückgängig mache. Tatsächlich ist einiges geschehen, damit die Institutionen der 20.000-Einwohner-Stadt im Ballungsraum um St. Louis genauer widerspiegeln, dass es sich um einen Ort mit einer Zweidrittelmehrheit schwarzer Bewohner handelt. Im sechsköpfigen Gemeinderat sind seit einer Kommunalwahl im April drei Afroamerikaner vertreten, während es zuvor nur einer war. Auch der neue City-Manager, der hauptberufliche Organisator, der für den nebenberuflich tätigen Bürgermeister de facto die Amtsgeschäfte erledigt, hat dunkle Haut. Der alte war schon deshalb ins Gerede gekommen, weil er die Polizeitruppe angewiesen hatte, die prekäre Kassenlage durch inflationär verteilte Parkstrafzettel zu entspannen. Neuerdings tragen die Ordnungshüter Kameras vor der Brust, sodass lückenlos aufgezeichnet werden kann, was sie im Dienst tun. Nur ändert das alles nichts an dem Gefühl, von den Autoritäten nicht ernst genommen zu werden, wie es unter den Jüngeren viele empfinden. Da Wilson von einer Geschworenenjury entlastet wurde, bevor es überhaupt zu einem Gerichtsverfahren kam, liegt noch immer wie ein riesiger Schatten über der Stadt. Zu denen, die sich damit nicht abfinden wollen, gehört Lenard Smith alias Bud Cuzz, Gründer einer Protestgruppe namens Lost Voices, der die Stimmung seiner Generation in einem Satz bündelt. Sie haben uns keine Gerechtigkeit gegeben, also bekommen sie auch keinen Frieden. "Der Zorn und die Verzweiflung nehmen zu". Hamburg/Düsseldorf/Seyne-les-Alpes - Angehörige der deutschen Opfer des Germanwings-Absturzes haben sich entsetzt über mögliche Verzögerungen bei der Überführung der sterblichen Überreste aus Frankreich gezeigt. Der Zorn und die Verzweiflung nehmen zu, zitierte die Bild-Zeitung (Freitagsausgabe) aus einem Brief, mit dem sich Angehörige über ihren Anwalt Elmar Giemulla zu Wort meldeten. Zuvor war bekannt geworden, dass es bei der Ausstellung von Sterbedokumenten der Opfer zu Fehlern gekommen war. Ein konkreter Termin für die Überführung der Verstorbenen wurde auch am Freitag zunächst nicht bekannt. Dem Brief zufolge war die Überführung schon seit längerem für den 9. und 10. Juni angesetzt. Dementsprechend haben die Familien ihre Vorbereitungen für die Beerdigungen getroffen, heißt es in dem Schreiben. So seien für den 12. Juni die ersten Beisetzungen von bei dem Absturz getöteten Schülern aus dem nordrhein-westfälischen Haltern geplant. Stattdessen würden nun Trauerbriefe von der Post zurückgeholt, Verwandte versuchen, Flüge und Hotelzimmer zu stornieren. Für die Hinterbliebenen sollte es der physische Abschluss des ersten Kapitels in der Katastrophe sein, sagte Giemulla der Bild-Zeitung. Viele Angehörige waren psychologisch auf diesen Termin fixiert und sind jetzt in eine emotionale Katastrophe geraten. Nach Angaben eines Germanwings-Sprechers vom Donnerstag hatten Sterbedokumente durch die Fehler ihre Gültigkeit verloren und müssen neu ausgestellt werden. Er sprach von einer kurzfristigen Unterbrechung. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, im Interesse der Angehörigen eine schnellstmögliche Lösung zu finden. Bei dem Germanwings-Absturz in den französischen Alpen waren am 24. März alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Zu den Opfern zählten 16 Schüler und zwei Lehrerinnen des Joseph-König-Gymnasiums aus Haltern. Den Ermittlungen zufolge ließ der Copilot Andreas L. die Maschine absichtlich abstürzen, um sich das Leben zu nehmen. Den Flugkapitän hatte er zuvor aus dem Cockpit ausgesperrt. Zwei Insassen leicht verletzt. Versailles – Ganz in der Nähe des weltberühmten Schlosses von Versailles hat am Sonntag ein Kleinflugzeug notlanden müssen. Die beiden Insassen wurden bei der Landung auf einem Feld, das zum Schloss gehört, leicht verletzt, teilte die Polizei mit. Das Flugzeug hatte demnach kurz nach seinem Start zu Mittag vom Flugplatz Saint-Cyr-lEcole in der Nähe des Schlosses ein Motorproblem. Es musste daher auf einem Feld notlanden, das allerdings für Besucher des Schlosses nicht zugänglich ist. Das Schloss von Versailles, das zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, ist einer der stärksten Anziehungspunkte für Touristen in Frankreich. Jedes Jahr besuchen rund zehn Millionen Menschen den Prachtbau, der vor allem als Residenz von Sonnenkönig Ludwig XIV. Berühmtheit erlangte, sowie den Park des Schlosses. Malaysischer Minister beruft sich auf Airline. Wrackteil soll nach Toulouse gebracht werden. Saint-Denis/Kuala Lumpur – Das auf der Insel La Réunion gefundene Flugzeug-Wrackteil gehört offenbar tatsächlich zu einer Boeing 777. Das gehe eindeutig aus der Nummer auf dem entdeckten Steuerruder hervor, sagte der stellvertretende malaysische Transportminister am Freitag unter Berufung auf Malaysia Airlines. Damit wird es immer gewisser, dass das Wrackteil zu der seit 16 Monaten vermissten Boeing von Flug MH370 gehört. Unterdessen soll das Wrackteil an diesem Samstag zur Untersuchung in der Nähe von Toulouse eintreffen. Das Fundstück dürfte die französische Insel im Indischen Ozean am Freitagabend verlassen, wie eine Sprecherin der Pariser Staatsanwaltschaft sagte. Auch für die französischen Ermittler spricht viel dafür, dass das Teil von einer Boeing 777 stammt. Das sei die bevorzugte Spur, so die Sprecherin. Die geplante Begutachtung in einem Luftfahrttechnikzentrum des Verteidigungsministeriums bei Toulouse soll endgültige Gewissheit schaffen und klären, ob das Teil vom seit 16 Monaten vermissten Malaysia-Airlines-Flugzeug stammt. Bei Flug MH370 war eine Boeing 777 im Einsatz. Mit Ergebnissen sei erst in der kommenden Woche zu rechnen, sagte die Sprecherin. Die Pariser Justiz hat den Fund an sich gezogen, weil dort seit vergangenem Jahr ein Ermittlungsverfahren zum Verschwinden des Flugzeugs läuft. Malaysischer Premierminister bestätigt Herkunft in Fernsehansprache. Saint-Denis / Kuala Lumpur – Das im Indischen Ozean angeschwemmte Flugzeug-Wrackteil stammt tatsächlich vom vermissten Malaysia-Airlines-Flug MH370. Dies habe die Untersuchung der Flügelklappe ergeben, bestätigte der malaysische Premierminister Najib Razak in einer Fernsehansprache. Der stellvertretende Pariser Staatsanwalt Serge Mackowiak nannte es dagegen sehr wahrscheinlich, dass das Flügelteil zu MH370 gehöre. Eine endgültige Bestätigung stehe aber noch aus. Aber sehr viel spreche dafür, dass das Wrackteil Flug MH370 zugeordnet werden könne. Die Analyse in dem Speziallabor werde am Donnerstagmorgen fortgesetzt, erklärte Mackowiak. Wann weitere Erkenntnisse zu erwarten seien, könne er noch nicht sagen. An den Untersuchungen sind neben Fachleuten aus Frankreich und Malaysia auch chinesische und australische Experten sowie Mitarbeiter des Flugzeugbauers Boeing beteiligt. Zuvor hatten am Mittwoch internationale Experten das Wrackteil in einem Untersuchungszentrum des französischen Verteidigungsministeriums in Balma bei Toulouse untersucht. Die erste Analyse dauerte am Nachmittag etwa vier Stunden. Das Wrackteil war vergangene Woche an der französischen Insel La Réunion östlich von Afrika angeschwemmt worden. Das auf La Réunion angespülte Teil ist eine Flügelklappe, die etwa zwei bis zweieinhalb Meter groß ist und der Steuerung dient. Vieles deutete bereits auf einen Zusammenhang mit dem seit fast 17 Monaten verschwundenen Flug MH370 hin. Die australische Regierung sah die Flügelklappe als Teil einer Boeing 777 identifiziert. Eine Untersuchung der Strömungen zeigte zudem, dass Wrackteile aus dem Gebiet, wo der Absturz vermutet wird, tatsächlich nach La Réunion gedriftet sein könnten. Weil keine andere Maschine dieses Typs vermisst wird, deutete alles auf den Flug MH370 hin. Angehörige der Opfer haben nun aber Gewissheit. Die Fluglinie Malaysia Airlines reagierte erleichtert auf die Untersuchungsergebnisse. Die Erkenntnisse der Ermittler seien ein entscheidender Durchbruch, teilte das Unternehmen laut der amtlichen Nachrichtenagentur Bernama mit. Wir hoffen und rechnen damit, dass weitere Objekte gefunden werden, die dabei helfen, dieses Rätsel zu lösen. Unklar ist noch, ob auch ein Teil eines Koffers von Flug MH370 stammt. Die Polizei werde es so schnell wie möglich untersuchen, sagte Mackowiak. Auch die Flügelklappe wird weiter untersucht. So könnte sich feststellen lassen, ob die Maschine in der Luft explodierte oder intakt in den Ozean stürzte. Das Flugzeug war am 8. März 2014 auf dem Weg von Kuala Lumpur nach Peking spurlos verschwunden. An Bord waren 239 Menschen, unter ihnen 153 Chinesen. Satellitensignale legen nahe, dass die Maschine noch sieben Stunden Richtung Süden flog und abstürzte. Die Ursache für den plötzlichen Kurswechsel ist bis heute ein Rätsel. Zwei Passagiere überlebten. Bratislava – Mindestens sieben Menschen sind bei einem Flugzeugunglück in der Slowakei ums Leben gekommen. Zwei Passagiere hätten überlebt, teilte eine Feuerwehrsprecherin mit. Ihren Angaben zufolge waren zwei Sportflugzeuge vermutlich zusammengestoßen und dann abgestürzt. An Bord eines Flugzeugs befand sich eine Gruppe von Fallschirmspringern. Rettungskräfte waren in dem schwer zugänglichen Gebiet im Einsatz, um nach weiteren Überlebenden oder Opfern zu suchen. Der Unfall geschah am Donnerstag nahe der Burg Cerveny Kamen (Roter Stein), etwa 50 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Australische Experten identifizierten Stück aus der Triebwerksverkleidung sowie ein Bruchstück aus der Innenverkleidung einer Flugzeugtür. Saint-Denis/Kuala Lumpur/Canberra – Zwei im März vor Südafrika und Mauritius gefundene Trümmerteile gehören nach einer Expertenanalyse fast mit Sicherheit zu dem 2014 verschollenen Malaysia-Airlines-Flugzeug. Es handle sich um ein Stück aus der Triebwerksverkleidung sowie ein Bruchstück aus der Innenverkleidung einer Flugzeugtür, teilte die australische Transportsicherheitsbehörde am Donnerstag mit. Flug MH370 war vor gut zwei Jahren auf dem Weg von Malaysia nach China mit 239 Menschen an Bord vom Radar verschwunden. Das Wrack wird im Indischen Ozean vermutet. Die Behörde hatte bereits im April zwei in Mosambik angespülte Teile mit ziemlicher Sicherheit als MH370-Trümmerstücke identifiziert. Ein erstes Bruchstück des Wracks hatte ein französisches Labor im vergangenen Jahr als Flügelklappe von MH370 identifiziert. Suchmannschaften fanden Wrack- und Leichenteile im Meer – Absturzursache weiterhin unklar. Kairo/Paris/Athen – Kurz vor dem dem Absturz des ägyptischen Flugzeugs über dem Mittelmeer am Donnerstag hat es an Bord einen Rauchalarm gegeben. Der Rauch sei aus dem Toilettenbereich im vorderen Teil der Maschine gemeldet worden, sagte eine Sprecherin der zivilen französischen Luftfahrtsicherheitsbehörde BEA am Samstag. Dieser befindet sich bei Maschinen dieses Typs in direkter Nähe des Cockpits. Vor dem Absturz seien entsprechende Signale des ACARS-Systems des Flugzeugs gesendet worden, hieß es von BEA. Ein Rückschluss auf die Ursache des Unfalls sei damit aber nicht möglich. Dazu müssten zunächst die Flugschreiber gefunden und die Daten ausgewertet werden. Das Expertennetzwerk Aviation Herald veröffentlichte einen Auszug des Datenfunksystems ACARS, das automatisch Nachrichten zwischen Verkehrsflugzeugen und Bodenstationen übermittelt. Diese deuten auf ein plötzlich auftretendes Ereignis im rechten vorderen Bereich des Flugzeugs hin. Innerhalb kurzer Zeit seien auch Sensoren an Fenstern auf der rechten Seite, unter anderem im Cockpit, aktiviert worden. Eine Minute nach dem Rauchalarm bei der Toilette registrierte das System außerdem Rauch an der Bordelektronik, die sich unter dem Cockpit befindet. Die Daten lassen darauf schließen, dass der Störfall im Inneren des Flugzeuges auftrat. Als letzte Nachricht schickte das ACARS-System einen Hinweis auf den Ausfall eines Steuerungssystems. Das geschah um 2.29 Uhr Ortszeit – Momente, bevor der Flug MS804 vom Radar verschwand. Laut Ägyptens Militär wurden am Freitag erste Wrackteile des Airbus gefunden. Die Marine habe die Trümmer 290 Kilometer nördlich der Stadt Alexandria ausgemacht, teilte das Militär am Freitag mit. Egypt Air bestätigte den Fund auf Twitter. The Egyptian Armed Forces have informed EGYPTAIR that they have found first debris from the missing aircraft operating flight MS804 #MS804 Schiffe der Marine sind derzeit auf der Suche nach dem Flugschreiber, der Aufschlüsse über die weiterhin unbekannte Absturzursache geben soll. Bereits mit dem ersten Tageslicht waren griechische Flugzeuge in Kreta gestartet. Auch eine griechische Fregatte nahm an der Aktion teil, meldete das griechische Radio. Zunächst gab es keine Hinweise auf Überlebende. Die ägyptischen Behörden hätten darüber informiert, dass südlich von der Stelle, an der das Signal des Flugzeugs verlorengegangen war, auch Objekte aus der Kabine entdeckt wurden, sagte der griechische Verteidigungsminister Panos Kammenos am Freitag. Demnach soll sich darunter auch ein Leichenteil befunden haben. Kammenos betonte im TV-Sender ERT: Der Krisenstab Ägyptens hat uns über die Bergung eines Körperteils, eines oder zweier Sitze und einiger Kofferteile informiert. Er fügte hinzu: Wir haben nichts gefunden. Die Leitung hat Ägypten. Am Donnerstag hatten Behörden und Fluggesellschaft widersprüchliche Aussagen zum angeblichen Fund von Wrackteilen gemacht. Die entdeckten Gegenstände sind nicht Teile unseres Flugzeugs, korrigierte der Vizepräsident der Fluglinie, Ahmed Adel, am Abend gegenüber CNN frühere Angaben seines Unternehmens. Was gefunden wurde, ist ein Stück Holz und Materialien, die nicht von einem Flugzeug stammen, sagte Behördenchef Athanasios Binis der Nachrichtenagentur AFP. Zuvor hatte Griechenland Berichte aus Ägypten dementiert, wonach Wrackteile nahe der Insel Karpathos geortet wurden. Demnach hieß es auch, dass griechische Helfer die Suche auf Wunsch der Ägypter abgebrochen hätten. Die Maschine mit 56 Passagieren – vorwiegend Ägypter und Franzosen, Österreicher waren nicht an Bord – und zehn Crewmitgliedern war in der Nacht auf Donnerstag über dem Mittelmeer von den Radarschirmen verschwunden. Das Flugzeug war etwa zehn bis fünfzehn Seemeilen im ägyptischen Luftraum in einer Höhe von 37.000 Fuß (knapp 11.300 Meter) ins Trudeln geraten, berichtete Kammenos. Dann machte es eine Drehung von 90 Grad nach links und danach eine andere Drehung von 360 Grad nach rechts und fiel auf eine Höhe von 15.000 Fuß. Sein Radarbild verschwand auf einer Höhe von 10.000 Fuß. Einen Notruf setzten die Piloten nicht mehr ab. Bei einer genauen Analyse des Vorfalls sei die Wahrscheinlichkeit eines Terroranschlags höher als die eines technischen Versagens zu veranschlagen, sagte Ägyptens Luftfahrtminister Sherif Fathy. Er warnte aber zugleich vor voreiligen Schlussfolgerungen. Auch der französische Außenministers Jean-Marc Ayrault sagte am Freitag, die Ursache sei nach wie vor unklar. Es gebe weiterhin überhaupt keinen Hinweis auf die Umstände des Unglücks, sagte er im Fernsehsender France 2. Weiterhin würden alle Hypothesen zu dem Absturz untersucht, keine davon habe Vorrang. Die USA gaben sich ebenfalls zurückhaltend: Bisher haben wir niemanden, der sich dazu bekannt hat, oder Beweise, dass es eine absichtliche Tat war, sagte der Direktor der US-Bundespolizei FBI, James Comey. Bisher würden keine Erkenntnisse darauf hindeuten, dass es an Bord eine Explosion gegeben habe, sagte eine Pentagon-Sprecherin über entsprechende Spekulationen. Ein Flugzeug gerät ins Trudeln, wenn der Auftrieb an einer Tragfläche abreißt. Das Flugzeug dreht sich dann unter schnellem Höhenverlust immer wilder um die eigenen Achse. Für das Trudeln kann es verschiedene Gründe geben – dass es kein Notsignal gab, spricht aber für ein plötzliches Ereignis wie eine Explosion. Sowohl in Ägypten als auch in Frankreich nahmen die Staatsanwaltschaften Ermittlungen auf. In den vergangenen Monaten hat es bereits mehrere Zwischenfälle mit Flugzeugen aus Ägypten gegeben. Ende März hatte ein Mann mit einer Bombenattrappe eine Egypt-Air-Maschine nach Zypern entführt. Ende Oktober war ein russischer Ferienflieger über der Sinai-Halbinsel abgestürzt, nachdem an Bord eine Bombe explodiert war. Zu der Tat, bei der 224 Menschen starben, bekannte sich die Jihadistengruppe Islamischer Staat. Luftfahrtminister Fathy gab bekannt, im aktuellen Fall bereits eine Untersuchungskommission eingesetzt zu haben. Vorsitzender wird Kapitän Ayman el-Moqadem, in dem Ausschuss sitzt laut Egypt Air auch ein Flugzeughersteller. 'Nach dem Absturz der Egypt-Air-Maschine wird über Islamisten unter dem Bodenpersonal berichtet. Eines steht auf alle Fälle fest: Die Unglücksmaschine der Egypt Air war in Roissy-Charles de Gaulle, dem größten Pariser Flughafen, gestartet. Noch tappen die Ermittler im Dunkeln – auch ein technisches Versagen werde nicht ausgeschlossen. Der Crash hat für die Franzosen oberste Priorität. Er ruft ihnen die Terrorbedrohung in Erinnerung. Vor wenigen Tagen erst hatte der Chef des Inlandgeheimdienstes erklärt, sein Land sei in Sachen Terrorismus derzeit eindeutig das am meisten bedrohte Land. Und natürlich ist ein Sportfest wie die Fußball-Europameisterschaft Fanatikern ein besonderer Dorn im Auge. Am 10. Juni beginnt das Turnier in zehn französischen Stadien. Mehr als eine Million Zuschauer werden aus dem Ausland erwartet. Ein Großteil wird über Roissy anreisen, liegen doch zwei der wichtigsten Stadien im Großraum Paris. Frankreich setzt alles daran, dass die Fans in Sicherheit sind. Allein in den Pariser Flughäfen Roissy und Orly sind 5000 Ordnungshüter im Einsatz, die meisten bewaffnet. Auf den Pisten stehen gepanzerte Armeefahrzeuge bereit. Die Reisenden werden schon vor Betreten der Terminals kontrolliert. Im Inneren mischen sich sogenannte Profiler unter die Passagiere, um auffällige Personen herauszufiltern. Nichts wird dem Zufall überlassen. Laut Pariser Medien bleibt aber eine Sicherheitslücke: das Bodenpersonal. Unter den 85.000 Angestellten der Pariser Flughäfen gibt es etliche Muslime. Das rührt auch daher, dass sowohl Roissy wie Orly in der Pariser Banlieue liegen Der Garten rund um das Häuschen am Land stillt in Russland in Zeiten des Lebensmittelembargos auch den Hunger. Im Gegensatz zu den Anglizismen haben es nicht viele russische Worte in die deutsche Sprache geschafft: Der Wodka für den Hochprozentigen, die Soljanka für die Resteverwertung in Form einer Suppe und die Datscha (mitunter auch Datsche) für das Häuschen im Grünen gehören dazu. Alle haben sie eins gemeinsam: Sie stehen für etwas typisch Russisches (auch wenn die Polen bis heute die Erfindung des Wodkas für sich beanspruchen). Moskau – die Millionenmetropole ist nicht russisch, sondern international: europäische Gehälter, japanische Restaurants (mit usbekischem Personal) und Finanztürme im gläsernen amerikanischen Architekturstil. Das richtige Russland beginnt außerhalb des Moskauer Autobahnrings MKAD. Es beginnt mit der Datscha, oder genauer schon auf dem Weg dorthin, wenn sich die Moskauer am Freitagabend in die überfüllten Nahverkehrszüge quetschen oder stundenlang durch den abgasverpesteten Stau quälen, um an die frische Luft zu gelangen. Natürlich gibt es auch die Villensiedlungen im Moskauer Umland mit hohen Mauern, strenger Wache und viel Luxus. Doch die klassische Datscha ist kein Luxus, sondern Arbeit. Viele Russen bauen auch heute noch auf der Datscha Obst und Gemüse an. Gerade für die Pensionisten sind die Sommermonate eine gute Gelegenheit, ihre karge Rente mit der eigenen Ernte zu entlasten und sich gegebenenfalls durch den Verkauf von Gurken, Zwiebeln oder Blumen ein kleines Zubrot zu verdienen. Zu Sowjetzeiten nutzten die Russen ihre 600 Quadratmeter, um gegen das ständige Defizit in den Läden anzukämpfen. Eingelegte Gurken und eingekellerte Kartoffeln hielten auch über den Winter. In den 1990er-Jahren, als der Staat alle Verpflichtungen gegenüber seinen Bürgern zu vergessen schien und Lehrer, Beamte und Rentner monatelang kein Geld sahen, war die Datscha als Produktionsstätte lebensnotwendig. Nach dem Aufschwung in den 2000er Jahren nutzte der zunehmende Mittelstand die Datscha eher als Erholungsort mit Rasen, Schaschlik und Banja nach einer anstrengenden Woche, doch vor allem die Babuschki trauten dem Frieden nie und bauten weiter Kohl und Rüben an. Die jetzige Krise scheint ihnen Recht zu geben: Das Lebensmittelembargo hat die Preise in den Supermärkten in astronomische Höhen befördert. Und so wird die Datscha wohl auch weiterhin ihren festen Platz im russischen Leben haben. 'Einige sehen in der Milchfabrik in Drucat die Zukunft der französischen Landwirtschaft – viele aber eher einen Verstoß gegen französische Esskultur. Wenigstens etwas haben diese Kühe: Zeit, sich gegenseitig zu beäugen. Ein heimlich geschossenes Bild zeigt 60 gescheckte Rindvieher, die im Kreis stehen und warten, dass die Melkschläuche ihre Euter leeren. 794 Milchkühe sind täglich abzufertigen. Das sind zwar weniger als tausend, doch in Frankreich spricht man nur noch von der ferme des mille vaches, dem Hof der 1.000 Kühe. Der riesige, 234 Meter lange Hangar, der von außen eher einer Fabrik als einem Bauernhof gleicht, befindet sich im nordfranzösischen Drucat an der Somme-Mündung. Für die Öffentlichkeit ist er nicht zugänglich In China erfreuen sich 24-Stunden-Buchgeschäfte wachsender Beliebtheit. Nun gibt es auch eine Filiale an einem historischen Ort. China gilt nicht nur als Reich der Harmonie, sondern auch als Eldorado für Kopien. Inzwischen trifft das nicht mehr auf Bücher zu. Im Zeitalter der E-Books lohnt sich der illegale Nachdruck nicht. Zudem fehlt es an Wühl- und Kramtischen am Straßenrand, einst ideale Absatzplätze für Raubkopien. Heute ordern Leser meist online. Chinas Amazon oder Dangdang liefern ihnen ihre Bücher frei Haus zu 30 bis 50 Prozent unter Ladenpreis. Wie soll da ein Raubkopierer mithalten? Dennoch gibt es eine neue Art von Kopisten, die ganz legal arbeiten und dem Buch weitere Käuferschichten erschließen wollen. Während weltweit Buchgeschäfte und Antiquariate vor dem Internethandel aufgeben, findet in China ein neues Geschäftsmodell immer mehr Nachahmer, die darauf setzen, Bücher rund um die Uhr im Laden zu verkaufen. Die Rede ist von Chinas neuem Trend, 24-Stunden-Buchgeschäfte zu gründen. Als am 23. April 2014 die Buchhandlung Sanlian Taofen (STB) im Zentrum Pekings bei der Akademie der Künste als erste verkündete, von nun an durchgehend geöffnet zu haben, glaubte niemand an den Erfolg der Initiative. Die meisten hielten es für einen Werbegag zum Symboldatum 23. April, dem weltweiten Jahrestag des Buches. Doch der Autor dieser Zeilen sah zwei Wochen nach dem Start am frühen Morgen hinter den erleuchteten Fensterscheiben Dutzende über Lesetische gebeugte Kunden. Auf Nachfrage entpuppten sie sich als junge Pekinger, meist aus der näheren Umgebung. Tagsüber hätten sie weder Zeit noch Muße zum Kulturshoppen. Statt abends vorm Fernseher zu sitzen, schlenderten sie nun zum Laden, wo sie nicht nur schmökern, sondern auch vom Time Café im Obergeschoß Getränke zur geistigen Nahrung erhalten können. 60 Prozent der späten Leser kaufen auch Bücher, sagte nun nach einem Jahr Geschäftsführer Zhang Zuozhen der Nachrichtenagentur Xinhua. Sein Umsatz sei um mehr als die Hälfte gestiegen, die Gewinne hätten sich verdoppelt. Von neun Uhr abends bis neun Uhr morgens verbucht Sanlian über das Jahr durchschnittlich umgerechnet 2.200 Euro Einnahmen pro Nacht. Das reicht, um die Nachtschicht-Verkäufer besser zu bezahlen, kostenlos Werbung für sich zu machen und dabei noch etwas zu verdienen. Am 23. April 2015, erneut zum Tag des Buches, eröffnete Zhang seine zweite 24-Stunden-Filiale im akademischen Stadtbezirk Haidian. Rund-um-die-Uhr-Buchgeschäfte sind als Nischenidee zum Hoffnungsschimmer für das vom Onlinehandel verdrängte Buchwesen geworden und nebenbei gesellige Treffpunkte für einsame Nachtschwärmer. Und Pekings Beispiel findet Nachahmer. Bis Mitte Juli gab es bereits 15 solcher Buchläden in China. Darunter sind auch Ableger des Vorbilds aller 24-Stunden-Läden, der Eslite-Buchkette aus Taiwan, die 1989 in Taipei den ersten Buchladen im Dauerbetrieb gründete. Heute gibt es fünf 24-Stunden-Läden in Ostchinas Ferienmetropole Hangzhou, ein Geschäft tief in Zentralchinas Changsha. Im Juni öffnete ein Shop in Kanton und Anfang Juli in Xiamen an der Südküste. Der schönste 24-Stunden-Buchladen machte jetzt am 20. Juli in Peking auf, direkt am Dianmen, dem Tor zum irdischen Frieden zwei Kilometer vor dem Kaiserpalast auf der Nord-Süd-Stadtachse. Einst standen hier – um 1420 erbaut – ein traditioneller Torbogen und links und rechts für die kaiserlichen Wachen zwei Garnisonsbauten, auch Yanchi oder Wildgansflügel genannt. 1954 wurden sie für den Bau von Durchgangsstraßen abgerissen. 60 Jahre später ließ sie die Stadtteil-Regierung Xichengqu wieder orginalgetreu aufbauen. Als im Stadtparlament über ihren Verwendungszweck diskutiert wurde, meldete sich der 59-jährige Volksdeputierte Yu Huagang zu Wort. Als Verlagsleiter des größten staatlichen Antiquariats und Buchhandels Zhongguo Shudian oder Cathay Bookshop würde er aus einem der Gebäude ein 24-Stunden-Buchgeschäft machen, aus dem anderen einen nur tagsüber geöffneten Kinderbuch-Laden. Cathay zieht mit einem Angebot bestehend aus antiquarischen und neuen chinesischen Büchern, Bildbänden, klassischem Briefpapier, Schreibtusche, Pinsel und Kulturgütern Büchernarren wie Kulturtouristen gleichermaßen an. Im Obergeschoß stellt der Verlag, der auch auf alte Nachdrucke spezialisiert ist, klassische Buchoriginale aus und führt die Kunst des Buchdrucks und der Restaurationstechnik vor. Tische und Ecken zum Bücherlesen und Teetrinken gehören dazu. Yu, der sich vom Verkäufer 1976 bis zum Verlagschef von Cathay hocharbeitete, ließ es sich nicht nehmen, die erste Nachtschicht selbst zu bestreiten, erzählte er dem STANDARD. Vom 20. Juli um acht Uhr abends bis zum 21. Juli um elf Uhr vormittags habe er seine Bücher verkauft. Um Mitternacht waren noch 30 Kunden da. In der ersten Nacht setzten sie 12.000 Yuan (1.800 Euro) um, in der zweiten 15.000 und am dritten Tag 20.000 Yuan. Das war viel besser als gedacht. Bosnier fürchten sich vor fast nichts. Die Ausnahme: geöffnete Fenster. Liebe Grüße, lass es dir gutgehen, aber pass auf die Zugluft auf!, schreiben manche Bosnier am Ende einer E-Mail. Die erste Warnung, die Kinder von ihren Eltern hören, ist nicht etwa, dass sie nicht dem Fußball nachlaufen sollen, wenn dieser auf die Straße rollt, oder dass sie nicht zu viele Ćevapi zugleich in sich hineinstopfen sollen. Nein, die wichtigste Mahnung an ihre Schützlinge lautet: Aber bitte, achte auf den Luftzug! Seit Generationen wird dieses Vorsichtsprinzip weiter überliefert. Zumal der Luftzug in Bosnien-Herzegowina ein nicht auszurottendes Übel ist. Im Hochsommer, wenn es in der Straßenbahn 40 Grad hat, die Passagiere so eng nebeneinanderstehen, dass sie den Atem des Nachbarn auf der Augenbraue spüren können, und bloß ein kleines Kippfenster geöffnet ist, streckt sicher jemand die Hand aus, um auch dieses Fensterchen schnell zu schließen. Zugluft!, lautet das Argument. Und keiner wird etwas sagen, sondern höchstens wissend nicken. Denn in der Straßenbahn zu ersticken ist sicherlich das kleinere Übel, als sich der Gefahr einer riskanten Brise auszusetzen. Ein Bekannter hat mir kürzlich augenzwinkernd erzählt: Weißt du, hier in Sarajevo haben wir eigentlich nur vor zwei Sachen Angst. Erstens vor den Serben. Und zweitens vor der Zugluft. Letztere nennen wir auch den leisen Tod. Niemand weiß so genau, wie viele Leute bereits klammheimlich durch diese Zugluft verstorben sind. Man könnte meinen, dass die Bosnier – die oft ziemlich groß und breitschultrig daherkommen, einen Krieg durchgestanden haben und auch sonst nicht schnell nervös werden – nicht so leicht zu verängstigen sind. Aber es gibt etwas, das sie wirklich bange macht: wenn ein Fenster oder eine Tür offen steht. Schlimmer ist noch, wenn ein Fenster auf der einen Seite des Raumes und ein Fenster auf der gegenüberliegenden Seite des Raumes geöffnet sind. Pass auf, der Durchzug!, ruft dann sicher sofort jemand, als ginge es darum, einem herannahenden Drachen zu entkommen. Der Durchzug gilt als die allergefährlichste Variante des Luftzugs. Quasi sicherer Tod. Ein Wind, der ungeordnet durch Räume weht, ist – glaubt man den Bosniern – auch für viele Krankheiten verantwortlich. Tut einem der Ellbogen weh und man weiß nicht, warum: sicher Zugluft. Hat man Zahnschmerzen, krumme Beine, einen weißgefleckten Fingernagel: Du warst sicher zu lange im Luftzug!, kommt die Diagnose. Kürzlich hat mir eine Freundin erzählt, dass sich ihr Vater – der schwer erkrankt war und sich sein Leben lang vor Spitälern und Ärzten fürchtete – weigerte, ins Krankenhaus zu fahren. Verstehst du das denn nicht?, versuchte er seiner Tochter seinen Zustand zu erklären, Das ist doch das Resultat von Zugluft! Was sollen die Ärzte da machen? Die Sorge, dass Fall- oder Querwinde zu Unheil führen, gilt aber nicht nur für Menschen. Auch Blumen und Tiere müssen vor dem propuh – so heißt das auf Bosnisch – beschützt werden. Du musst darauf achten, dass du die Pantoffelblume nicht zu viel gießt, stell sie nicht zu nahe an die Heizkörper. Aber vor allem: Mach nicht das Fenster auf! Der Luftzug ist sehr gefährlich für die Pantoffelblume!, wird von Freundinnen der gelben Lippenblütler geraten. Jüngst habe ich auf einer Webpage für Kleintierzucht sogar gelesen: Geben Sie die Schildkröten nicht direkt in die Sonne, sondern an einen schattigen Platz, neben einen Behälter mit Wasser. Vor allem aber achten Sie auf den Luftzug! Es ist noch nicht erforscht, ob bosnische Schildkröten tatsächlich so sensibel auf Windstöße reagieren. Sicher ist nur: Wenn die Herbstzeitlosen beginnen, die Wiesen auf dem Balkan mit ihrem Lila einzufärben, dann wird auch die Luftzug-Phobie stärker. In den Bergdörfern nehmen dann manche sogar fünf Stricknadeln in die Hand, um ein wollenes Gewand zum Schutz ihres Gemächts zu verfertigen. Das Ding – genannt nakurnjak – hat zwei Teile: einen für den Penis, einen für den Hodensack. Der wollige Nakurnjak sieht allerdings so aus, als ob er kratzen würde. Mit Sicherheit ist er aber der ultimative Schutz vor dem gefährlichen Propuh in den Wintermonaten. Investoren wollen in Bosnien ein riesiges Feriendorf errichten. Doch ein alter Mann, dem das Grundstück mitten im Baugebiet gehört, verweigert seine Unterschrift. Jetzt ist der Mujo eigentlich nicht dafür bekannt, dass er leicht übersehen wird. Er schreit mitten zwischen den Fußgängern in der Čaršija. Er kann auch in deutscher Sprache ausführlich über die Ungerechtigkeiten seines Lebens schimpfen. Es ist ihm egal, wenn ihm die Touristen nachschauen. Der Mujo ist schon lange aus dem Gefüge gefallen. Er ist außerdem so groß, dass manche sich schrecken, wenn er zu fluchen beginnt. Denn man weiß ja nicht, ob er nicht auch einmal seinen riesigen Arm ausprobieren will. Der Mujo hat den Zorn in sich, könnte man sagen. Er ist jedenfalls einer, der in einer dermaßen in sich gekehrten Stadt wie Sarajevo auffällt. Doch in jüngster Zeit ist er verschwunden. Obwohl man ihn gerade jetzt so dringend brauchen würde. Denn der Mujo – so nennen wir den alten Mann – soll möglichst rasch eine Unterschrift unter eine Verkaufsurkunde setzen. Ohne diese Unterschrift kann nämlich das Land nicht verkauft werden, und ohne den Mujo kann deshalb auch nicht die Ferienstadt erbaut werden. Dem Mujo gehört nämlich das Grundstück genau in der Mitte des künftigen riesigen Bauareals. Also sind auch die Investoren aus den Vereinigten Arabischen Emiraten von dem murrenden, verschwundenen Mujo letztlich total abhängig. Seit Monaten herrscht eine flirrende Aufregung in der Stadt. Sie kommen!, tuscheln die einen. Glaubst du, dass der kleine Prinz den Deal mit den Arabern ausgehandelt hat? Glaubst du, dass der Izetbegović mitschneidet?, fragen die anderen. Sie werden alles Land an sie verkaufen, und dann zwingen die Araber uns ihre Kultur auf, fürchten wieder andere. Manche bleiben gelassen: So ein großes Investment hat es noch nie in Bosnien-Herzegowina gegeben. Ist doch super für uns. Die Buroj-Gruppe aus Dubai will im Mai zu bauen beginnen. Das Feriendorf auf der Alm 30 Kilometer außerhalb von Sarajevo in der Gemeinde Trnovo soll 2,3 Milliarden Euro ins Land bringen – DER STANDARD berichtete. 90 Prozent der Grundstücke sind bereits in den Händen der Investoren. Ursprünglich war vorgeschrieben, dass die Gemeinde Trnovo die Grundstücke kauft und die Araber sie nur auf 100 Jahre pachten dürfen. Doch dann hat der Bürgermeister von Trnovo, Ibro Berilo, erkennen müssen, dass er mit einer Million Euro nur ein paar Parzellen erstehen kann. Also kaufen jetzt gleich die Araber selbst das Land. Jeden Tag kommen Parzellenbesitzer zu ihnen und unterschreiben die Verträge. Dort, wo jetzt noch ein paar Schafe herumspringen, sollen bald Shoppingmalls und Villen für wohlhabende Leute vom Golf entstehen, die das Grün der Wälder in Bosnien und die Bacherln auf der Alm verzücken. Nur der Mujo müsste eben noch unterschreiben. Das ist auch dem Bürgermeister Berilo ein Anliegen, weil er ja den Arabern im Wort liegt. Es geht bei Mujos Parzelle schließlich um das Herzstück der künftigen Ozonstadt für die Araber. Also versuchte man in Sarajevo in den vergangenen Tagen mit großer Anstrengung den Mujo zu finden. Am Freitag schickte der Bürgermeister dann einen seiner Mitarbeiter aus – nennen wir ihn Amir. Amir fand den Mujo sogar und wollte ihn schnell zu den Arabern bringen, damit er den Vertrag unterschreibt. Doch da merkte der Mujo plötzlich, dass er ein wichtiger Mann in Bosnien geworden ist. Nichts mache ich, niemals ohne das Freitagsgebet!, verkündete er und ließ sich – obwohl er ziemlich betrunken war – von Amir in die Moschee chauffieren. Es gibt Leute in Sarajevo, die sagen, dass dem Mujo das Freitagsgebet nicht immer so wichtig war wie diesen Freitag. Was auch immer die Leute sagen, sicher ist, dass einer wie der Mujo sich nicht so schnell von Geldargumenten einfangen lässt. In der Vergangenheit hat er all sein Hab und Gut hergegeben und nur den Koran behalten, er hat viel Geld den Wahhabiten mit den Rauschebärten gegeben, weil die ihm offenbar zuhörten, wenn er schimpfte, und er hat zusätzlich einiges in diverse Getränke investiert. Ozonstadt? Araber? Zehntausende Euros? Unterschrift? Als der Mujo nach dem Moscheebesuch von Amir ins Büro chauffiert worden war und dort den Kaufvertrag las, erinnerte ihn etwas an einen alten Familienstreit, der hier nicht näher beschrieben werden soll. Es war jedenfalls so, dass der Mujo wutentbrannt aus dem Büro lief und den Kaufvertrag nicht unterschrieb. Die Alm bleibt seine Alm. In der Mahala – so sagen die Leute hier zu ihrem Grätzel – wird nun gemunkelt, dass der Bürgermeister Berilo und die Araber schon einen Weg finden werden, um ihn zur Räson zu bringen. Schließlich könnte man im Notfall die Parzellenbesitzer sogar enteignen. Es eilt, denn alles muss 60 Tage vor Baubeginn unter Dach und Fach sein. Doch der Mujo hat Zeit. Er möchte jetzt offenbar wieder gesucht werden. Und während er sich versteckt, sammelt der Mujo sicher wieder viel Zorn in sich. In der chinesischen Hauptstadt fahren Österreichs oberirdische Panoramen für einen Monat im Untergrund. U-Bahn-Höfe sind Aushängeschilder eines Landes. Jede Hauptstadt möchte ihre Stationen am prächtigsten gestalten. Nur Wien punktet lieber woanders: Es stellt die Schönheit der Naturlandschaften Österreichs und die Attraktivität der städtischen Kultur nicht in den U-Bahn-Höfen aus, wo die Fahrgäste nur durchhetzen – es bewirbt sich in den Zügen selbst. Das ist klug, denn alle Mitfahrenden müssen bis zum Ziel still sitzen bleiben. Doch Wiens besonderer Clou ist: Die U-Bahnen mit Österreich-Flair sausen im Untergrund Pekings umher. Sehen kann das, wer in die Hauptstadt-Linie 10 einsteigt, die quer durch die City eine fast 60 Kilometer lange Runde dreht und dabei 45 U-Bahn-Stationen passiert. Wer geduldig wartet, bis die richtige U-Bahn kommt, kann wählen, auf welchem Boden Österreichs er stehen oder sitzen möchte. Eine der beiden U-Bahnen, die einen Monat lang zum Werbefahrzeug für Österreich umfunktioniert wurden, steht für die Natur. Ihre sechs Abteile sind mit grünem Gras ausgeschlagen und erlauben Blicke auf Österreichs Berge, Täler und Weinlandschaften und auf ein himmelfarbenes Innendach. Die zweite Bahn bietet Stadtkultur pur. Ihr Bodenbelag ist Kopfsteinpflaster und bietet Urbanes von Wien bis Salzburg. Natürlich sind es nur Riesenfotos und Plakate, mit denen die Abteile dekoriert und die Böden ausgelegt sind. Aber: Wir sind die erste nationale Tourismusorganisation weltweit, die eine solche U-Bahn-Innenbeklebung umgesetzt hat, berichtet Dieter Scharf, Tourismusmanager der Österreich-Werbung in Peking. Gefördert wurde die Idee, die dem boomenden China-Tourismus in Österreich weiteren Auftrieb geben soll, aus dem vier Millionen Euro schweren Sondermitteltopf des Wirtschaftsministeriums. Die U-Bahn-Promotion schlug innerhalb der ersten beiden Wochen dermaßen ein, dass bei Scharfs Mitarbeiterin Lin Shen schon Tourismusagenturen von Australien bis Tschechien anfragten: Wie habt ihr Österreicher das nur gemacht? Am Anfang stand eine Kreativausschreibung im Herbst. Die chinesische LDSS-Agentur gewann mit ihrem Vorschlag, zwei komplette U-Bahn-Züge zur fahrenden Österreich-Werbung umzugestalten. Täglich von sechs Uhr bis Mitternacht rauschen so Österreichs schönste überirdische Ansichten unterirdisch durch Peking. Eine spontane und natürlich nicht repräsentative Umfrage des STANDARD unter den Passagieren in den vollbesetzten Abteilen ergab allerdings enttäuschende Antworten. So gut wie niemand unter den mit ihren Handys beschäftigten Befragten schenkte seiner Umgebung einen Blick, wunderte sich, warum der Bodenbelag so grasig grün ist, oder darüber, dass ihm die Sängerknaben über die Schulter schauen. Doch meist schon bei der zweiten Fahrt regt sich bei einigen Neugier, fallen die überall plakatierten QR-Codes zum Einscannen auf. Hinter ihnen verbirgt sich der Zugang zur Österreich-Webseite roundtrip.aodili.info. Wir haben bereits zur Halbzeit der Aktion 1,84 Millionen Leser registriert, sagt Scharf, ein Rekordzuspruch. Weil auch noch ein Gewinnspiel mit fünf Österreich-Reisen lockt, gehen bei der Österreich-Agentur haufenweise in der U10 gemachte Handyaufnahmen und Selfies ein: Wir haben über 1.000 solche Aufnahmen erhalten. Die Aktion Österreich-Rundreise mit der U-Bahn passe zudem in eine neue Zeit des chinesischen Tourismus, sagt Scharf. Neben den Massengruppen auf Europatour erwärmen sich immer mehr Freundeskreise und Individualtouristen aus der oberen Mittelschicht für einen Österreich-Besuch. Die Zahlen schnellen nach oben, eine Million Einreisen gab es im Jahr 2015, die Zahl der Übernachtungen verdreifachte sich in den vergangenen fünf Jahren. Wir haben eine Marketinggruppe gebildet mit 26 österreichischen Partnern, um den immer wichtigeren Tourismusmarkt China gezielt zu bearbeiten, sagt Klaus Ehrenbrandtner, Asienmanager der Österreich-Werbung, der sich eigens anschaut, wie Pekings U-Bahn österreichisch wurde. Er sieht den Tourismus in der gesamten Region im Aufwind. Mit China hätten sich die Ankünfte aus Asien in Österreich in den vergangenen vier Jahren auf 2,1 Millionen 2015 verdoppelt, vier Millionen Übernachtungen habe man gezählt. Erstmals wachsen wir jetzt schneller als alle europäischen Mitbewerber. Nach dem Untergang eines Schiffs mit 456 Menschen an Bord im Jangtse kämpfen die Retter gegen schlechtes Wetter und die starke Strömung. Geschlossene Schleusen sollen den Wasserspiegel weiter senken. Der heftige Sturm schüttelte das große Kreuzfahrtschiff Dongfangzhixing, zu Deutsch Stern im Osten, im aufgewühlten Jangtse-Strom. Nach 21 Uhr aber wurde es am Montag richtig schlimm, blitzte und donnerte es, so wie Zhang Hui es noch nie erlebt hatte. Der 43-Jährige überlebte als einer von nur 14 bis Dienstagabend Geretteten unter 456 Passagieren den Untergang. Obwohl er nicht einmal schwimmen konnte. Zhang griff sich eine der Rettungswesten und sprang in die Wellen. Zehn Stunden lang trieb ihn die Strömung fast 50 Kilometer weit bis zur Stadt Yueyang. Als er vom Schiff sprang, hat er noch mehr als ein Dutzend andere in Rettungswesten im Wellengang treiben sehen und schreien hören. Nach einer halben Stunde war dann alles ganz ruhig. Alles war ganz schnell gegangen. Der Untergang des Schiffes bei Windstärke 12 in der Nacht auf Dienstag um 9.28 Uhr ließ den Menschen im Schiffsinneren kaum Zeit zur Flucht. Alles habe nur ein oder zwei Minuten gedauert, sagten der überlebende Kapitän und der Erste Maschinist. Beide wurden verhaftet und verhört. Nach ihren Angaben habe der Wirbelsturm das Schiff mit solcher Wucht gepackt, dass es umkippte und versank. Pekings Führung mobilisierte Tausende von Soldaten, Techniker, Feuerwehren und eine Spezialeinheit von 183 Armeetauchern. Sie sollten versuchen, eingeschlossene noch lebende Passagiere zu retten. Durch den Auftrieb ragte am Morgen das Schiff mit einem Teil seines umgedrehten Rumpfbodens aus dem 15 Meter tiefen Strom. Retter, die auf den Rumpf kletterten, hörten Geräusche aus dem Schiffsinneren. Sie hätten Klopfzeichen von drei Stellen aus der Mitte und vom Heck als Antwort bekommen, meldeten die CCTV-Nachrichten. Zu Mittag holten Taucher als Erste die 65-jährige Zhu Hongmei aus dem Schiff. Sie hatte 15 Stunden in einer kleinen Kammer mit Luftblase ausgeharrt. Später konnten sie eine weitere Person retten. Aus Peking flogen Premierminister Li Keqiang und eine Regierungsdelegation zur Unglücksstelle. Li ordnete an, Sauerstoff in das Schiff zu pumpen, um seinen Auftrieb zu verstärken, den Rumpf mit Stahlseilen vom Ufer her gegen die Strömung festzuzurren und industrielle Schneidemaschinen heranzuschaffen. Die wichtigste Maßnahme aber war die Schließung der gigantischen Schleusen des flussaufwärts gelegenen Drei-Schluchten-Staudammes in drei Phasen. Sie wurden von 17.200 Kubikmeter abgelassenem Wasser pro Sekunde auf 7000 Kubikmeter heruntergefahren. Bis Dienstagnacht sollte sich dadurch der Rumpf des Schiffes um drei Meter über das Wasser heben, um von oben aufgeschnitten werden zu können. Es ist der schwerste Unfall in der Geschichte chinesischer Kreuzfahrten. Der Stern im Osten war von der Metropole Nanjing nach Südwestchinas Chongqing unterwegs. An Bord waren 405 chinesische Touristen, fünf Reisebegleiter und 46 Besatzungsmitglieder. Es gibt keine Hinweise darauf, dass auch Ausländer an Bord waren. Das 1994 erbaute Schiff bot Platz für 534 Menschen, war also nicht überbucht. Die Regionalzeitung Chutian Dushi fragte, warum ein anderes Touristenschiff, das vor dem Stern im Osten fuhr, am Montag vor Anker ging. Ihr Kapitän hatte wegen der Schlechtwettervoraussage die Fahrt gestoppt. Sturmflut könnte bis zu drei Meter hoch werden. Manila – Angesichts des herannahenden Taifun Koppu haben die Behörden auf den Philippinen Tausende Bewohner im Norden zum Verlassen des Küstengebiets aufgerufen. Wir haben die örtlichen Behörden angewiesen, heute Nacht vor dem Eintreffen des Taifuns Zwangsräumungen durchzuführen, sagte Alexander Pama, Leiter der Katastrophenschutzbehörde, am Samstag. Zudem seien die Bewohner von Gebieten, die immer wieder von Überschwemmungen und Erdrutschen betroffen seien, aufgerufen worden, in sicherere Gebiete auszuweichen, sagte Pama. Küstenorten in den Provinzen Aurora, Isabela und Cagayan stehe womöglich eine Sturmflut bevor, teilte der Behördenleiter mit. Diese könne bis zu drei Meter hoch werden, ergänzte die Wetterbehörde (Pagasa). In den Küstenorten der drei Provinzen leben fast eine Million Menschen. Unterdessen legte der Taifun Koppu auf seinem Weg in Richtung der Philippinen an Kraft zu. Die Wetterbehörde des Inselstaates schätzte die Windgeschwindigkeit im Wirbel in der Spitze auf 175 Kilometer in der Stunde, wie sie am Samstag mitteilte. Mehr als zwei Dutzend Inlandsflüge wurden aufgrund schwerer Regenfälle und starker Winde gestrichen, Schiffsreisen wurden angesichts der stürmischen See ausgesetzt. Für fast 30 Provinzen wurden Sturmwarnungen herausgegeben, darunter auch für die Hauptstadt Manila. Die Behörden rechneten damit, dass Koppu voraussichtlich Sonntag früh (Ortszeit) Land erreicht. Rettungsmannschaften wurden inzwischen mit Ausrüstung und Hilfsgütern ausgestattet. Die Philippinen erleben im Jahr rund 20 Taifune. Sie führen oft zu Überschwemmungen und Erdrutschen. Im November 2013 kamen durch Taifun Haiyan mehr als 6.300 Menschen um. Vier Millionen verloren ihre Bleibe. Taifun "Melor" und Tief "Onyok" sorgen für Überflutungen. Manila – Durch den Taifun Melor und das Tief Onyok sind auf den Philippinen inzwischen mindestens 45 Menschen ums Leben gekommen. Wie der Zivilschutz am Sonntag weiter mitteilte, waren einige Gegenden nördlich der Hauptstadt Manila meterhoch überflutet, während weiter Starkregen niederging. Zehntausende Menschen mussten wegen der Überschwemmungen allein auf der Hauptinsel Luzon ihre Häuser verlassen. Melor hatte am Montag mit Windgeschwindigkeiten von 185 Stundenkilometern die nördliche Spitze der Insel Samar im Osten der Philippinen erreicht. Der Taifun sorgte auf mehreren Inseln für schwere Schäden, Überschwemmungen und Stromausfälle. Weitere Verwüstungen infolge heftiger Regenfälle brachte später in der Woche das Tief Onyok mit sich. Die Behörden wollen die Stromversorgung bis Weihnachten wieder herstellen. Erschütterungen auch in Burma und Bangladesch zu spüren. Neu-Delhi – Ein schweres Erdbeben hat den Nordosten Indiens erschüttert und mindestens zehn Menschen das Leben gekostet. Mehr als Hundert Menschen wurden nach offiziellen Angaben verletzt, als Montag noch vor Sonnenaufgang Wände einstürzten und Deckenteile herabfielen. Die US-Erdbebenwarte USGS gab die Stärke des Bebens mit 6,7 an. Erschütterungen waren auch in Myanmar, Bangladesch und Bhutan zu spüren. Es sei eines der heftigsten Beben in Bundesstaat Manipur seit mehr als 100 Jahren gewesen, sagte J. Suresh Babu, ein ranghoher Regierungsbeamter des indischen Staates. Die Gegend gehört zu den am stärksten von Erdbeben betroffenen Regionen der Welt. 1950 erschütterte ein gewaltiges Beben den benachbarten Bundesstaat Assam und zwang den Fluss Brahmaputra dazu, seinen Lauf zu ändern. Die Zahl der Opfer könne noch steigen, da er noch keine Berichte aus den entlegenen Gebieten vorlägen, sagte Babu weiter. Das überwiegend hügelige Manipur ist meist dünn besiedelt. Selten sind Häuser höher als ein Stockwerk. In der Landeshauptstadt Imphal mit ihren rund 250.000 Einwohnern wird höher gebaut – dort stürzten zwei im Bau befindliche Häuser ein. Das Epizentrum des Bebens lag nur 29 Kilometer von Imphal entfernt, und unweit der Grenze zu Myanmar. Dort lagen zunächst keine Bericht über Schäden vor. In Indien starben sieben, im benachbarten Bangladesch drei Menschen. Zwei davon kamen ums Leben, als sie in Panik aus ihren Häusern nach draußen stürmten. Indische Nachrichtensender zeigten Bilder von Rissen in Wänden und eingestürzten Mauern. Menschen rannten in Panik auf die Straßen, als das Beben um 4.35 Uhr Ortszeit begann. Die Menschen blieben lange draußen, weil sie Nachbeben fürchteten. Sie waren verängstigt, viele haben geweint oder gebetet, sagte Irom Singhajit in Imphal. Viele Häuser seien abgesperrt worden, aus Angst, sie stürzten noch ein. Erst im April hatte ein gewaltiges Erdbeben den angrenzenden Himalaya erschüttert und in Nepal, Indien, China und Bangladesch insgesamt rund 9.000 Menschen in den Tod gerissen. Im Dezember und Oktober wurde das Dreiländereck von Afghanistan, Pakistan und Tadschikistan erschüttert. Entlang dieser Länder schiebt sich die indische in die eurasische Platte und verursacht so immer wieder Erdbeben. Ich habe gemerkt, wie sich mein Zimmer im Gästehaus der Regierung in Siliguri bewegte, schrieb Handelsministerin Nirmala Sitharaman auf Twitter. Premierminister Narendra Modi erklärte, nationale Katastrophenhelfer seien in die Region entsandt worden. (APA, dpa, 4.1.2016) Einige Städte ziehen Schulferien zum Neujahr vor. Peking – China bereitet sich für die kommenden Tagen auf eine historische Kältewelle vor. Nach Angaben der Nachrichtenagentur Xinhua lagen die Temperaturen bereits am Donnerstag in 90 Prozent des Landes unter dem Gefrierpunkt und dürften in den nächsten vier Tagen um weitere zehn Grad fallen. Peking, Shanghai sowie Changsha, die Hauptstadt der zentralchinesischen Provinz Hunan, rechneten mit den kältesten Tagen seit rund drei Jahrzehnten. In Yakeshi in der Inneren Mongolei wurden am Donnerstag minus 28 Grad Celsius gemessen, in Harbin, der Hauptstadt der nordöstlich gelegenen Provinz Heilongjiang, minus 19 Grand und in Xinjiang im Westen des Landes minus 26 Grad. Die Provinz Zhejiang rief die zweithöchste Alarmstufe Gelb aus. In Changsha sowie in Changzhou nahe Shanghai zogen die Behörden vorsichtshalber die Schulferien für das chinesische Neujahr vor, wie Xinhua berichtete. Die Temperaturen in Changsha dürften demnach in den kommenden Tagen noch niedriger liegen als Anfang 2008, als Südchina durch den schwersten Schneesturm seit Jahrzehnten im Chaos versank und 129 Menschen starben. Erneut keine Schäden. Jakarta – Die Mentawai-Inseln vor Indonesien haben nach dem starken Erdbeben vom Mittwoch mindestens zwei größere Nachbeben erlebt. Erneut seien aber keine Schäden verzeichnet worden, berichtete die für die Region zuständige Behörde für Katastrophenschutz am Donnerstag. Das Beben am Mittwoch hatte nach Angaben der Indonesier eine Stärke von 7,8. Deutsche Seismologen gingen von 7,7 aus. Die Behörden hatten Tsunami-Alarm ausgelöst, doch blieben zerstörerische Wellen aus. Bei dem Beben im Meer rund 800 Kilometer vor der Küste verschoben sich Erdplatten horizontal. Tsunamis werden ausgelöst, wenn eine Platte deutlich absackt. Das passierte bei dem verheerenden Beben am 2. Weihnachtstag 2004. Das Epizentrum lag ebenfalls westlich von Sumatra. Damals verbreiteten sich meterhohe Tsunamiwellen rund um den Indischen Ozean. 230 000 Menschen kamen ums Leben. Bei dem AKW bebte am Jahrestag Tschernobyls schon wieder die Erde. Vorerst waren keine Schäden bekannt, die Auswertungen laufen. Graz/Krsko – Die Zufälle könnten nicht größer sein: Ausgerechnet am Jahrestag des GAU in Tschernobyl vor 30 Jahren hat im slowenischen Krško, wo 100 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt ein 35 Jahre altes Atomkraftwerk steht, am Dienstag die Erde gebebt. Schäden waren laut der Zeitung Slovenske novice vorerst nicht bekannt. Die Auswertungen hierzu liefen, auch die Stärke des Bebens war noch unbekannt. Die Erdstöße sollen deutlich spürbar gewesen sein. Der zweite Zufall: Die Umweltlandesräte Kärntens und der Steiermark, Rolf Holub (Grüne) und Jörg Leichtfried (SPÖ), waren kurz danach bei ihrer gemeinsamen Pressekonferenz in Klagenfurt, wo sie die Abschaltung genau dieses Kraftwerks forderten. In einer gemeinsamen Erklärung gaben sie an, mit dem slowenischen Infrastrukturminister Peter Gašperšič und dem kroatischen Wirtschaftsminister Ivan Vrdoljak Gespräche aufnehmen zu wollen und sich dabei gegen die Laufzeitverlängerung und den Ausbau von Krško und für den Umstieg auf erneuerbare Energien einzusetzen. Erst vor wenigen Tagen war es in Krško zu einem Erdbeben der Stärke 4,1 gekommen. Wie DER STANDARD berichtete, warnen Experten vor neuentdeckten Erdbebenlinien vor Ort. Keine Tsunamiwarnung. Port Vila – Der ozeanische Inselstaat Vanuatu ist am Freitag (Ortszeit) von einem starken Erdbeben erschüttert worden. Das Epizentrum des Erdstoßes der Stärke 7,3 lag vor der Ostküste Vanuatus im Pazifik, teilte die US-Erdbebenwarte USGS am Donnerstag in Washington mit. Es sei keine Tsunamiwarnung ausgegeben worden. Berichte über 44 Tote und hunderte Verletzte bei Explosion in Hafen. Tianjin – In der chinesischen Hafenstadt Tianjin kam es am Mittwoch zu einer riesigen Explosion. Laut dem Peoples Daily ging in einem Lagerhaus in Tianjin ein Container mit Sprengstoff in die Luft. Xinhua berichtete, die beiden gewaltigen Explosionen hätten sich gegen 23.30 Uhr Ortszeit (18.30 Uhr MESZ) in einem Lagerhaus für Gefahrgut ereignet. In dem Hafen waren hochgiftige Chemikalien und Gase gelagert worden. Die Druckwelle in der Millionenstadt nahe Peking sei kilometerweit zu spüren gewesen. Die chinesische Erdbebenwarte erklärte, die erste Explosion habe die Kraft von drei Tonnen TNT gehabt, während die zweite Explosion der Detonation von 21 Tonnen des Sprengstoffs entsprochen habe. Ein ohrenbetäubender Knall erschütterte die Stadt im Norden des Landes, während eine Feuersäule den Himmel erleuchtete. Laut lokalen Medien flog eine Ladung mit explosiver Fracht in die Luft. Auf Videos in sozialen Netzwerken war ein gewaltiger, pilzförmiger Feuerball zu sehen. Andere Bilder zeigten eine riesige Rauchwolke, die über dem Hafenareal der Stadt aufstieg. Augenzeugen berichteten in Staatsmedien von einer heftigen Druckwelle nach der Explosion, die zahlreiche Fenster zerstörte und Türen aus den Angeln riss. Zahlreiche Menschen seien durch Glasscherben und andere umherfliegende Teile verletzt worden. Peoples Daily schrieb am Donnerstag im Kurznachrichtendienst Weibo, durch die Detonationen seien mindestens 44 Menschen ums Leben gekommen. 520 Menschen wurden demnach ins Krankenhaus gebracht, 66 davon schwebten in Lebensgefahr. Rund um den Explosionsort gibt es viele Baustellen für Wohn- und Bürohäuser. Die behelfsmäßigen Unterkünfte der Bauarbeiter wurden durch die Explosionen zerstört. Laut Berichten von Staatsmedien ist das Feuer mittlerweile unter Kontrolle, aber noch immer nicht komplett gelöscht. 100 Löschfahrzeuge seien im Einsatz. #Tianjin: Hospital has received 300-400 injuries. 2 fire fighter lost contact, 6 injured. 38 fire engines on scene. pic.twitter.com/ZN11gpdra3 Wie die Polizei in Tianjin mitteilte, ereignete sich die erste Explosion in einem Lagerhaus für gefährliche Güter, das der Firma Ruihai Logistics gehört. Manager der Firma sind demnach festgenommen und verhört worden. Nach der ersten Explosion hat das Feuer auf weitere Lagerhäuser übergriffen, in denen sich dann eine Reihe weiterer Explosionen ereignete, wie Staatsmedien berichteten. Gebäude von einem Dutzend Logistikfirmen sind demnach komplett zerstört worden. Hinweise darauf, wodurch das Feuer ausgelöst wurde, gab es zunächst nicht. In einer Rede an die Menschen von Tianjin kündigte Chinas Präsident Xi Jinping an, das Unglück werde genau untersucht werden und die Verantwortlichen streng bestraft. Hunderte Menschen haben sich laut Staatsmedien bisher zum Blutspenden gemeldet. Tianjin hat knapp 15 Millionen Einwohner und ist eine bedeutende Hafenstadt östlich von Peking. Über 50 Menschen starben, viele weitere werden noch vermisst. Die Hintergründe sind noch völlig unklar. Peking/Tianjin – Feuerwehren und Spezialeinheiten kämpfen in Tianjin verzweifelt darum, Schwelbrände im hochgefährlichen Gift- und Chemiefrachtlager unter Kontrolle zu bringen. Am Freitagnachmittag zogen sie nach Angaben der Nachrichtenagentur China News Service einen provisorischen Damm um die 46.000 Quadratmeter große Anlage. Wettermeldungen hatten für den Abend Regen angekündigt und damit die Lage noch dramatisiert. Armeeexperten zur Bekämpfung von Chemieunfällen befürchteten, dass die giftigen Substanzen sich auflösen und die Umgebung vergiften könnten oder in fließendes Wasser geraten. Zwei Tage nach den katastrophalen Explosionen, die bis Freitag 56 Tote und mehr als 700 Verletzte forderten, konnten die Helfer noch immer nicht recht voran. Behörden warteten, um den verletzten Geschäftsführer des Ruihai-Unglücksunternehmens Zhi Feng vernehmen zu können. Er soll ihnen dringend benötigte Auskünfte geben: Welche Chemikalien lagerten zum Zeitpunkt der Detonation in seiner Logistikfirma für Gefahrengüter? Wie giftig sind sie? Welche reagieren mit Wasser? Welcher Mix konnte solche Sprengkräfte entwickeln, dass Wohnblöcke, Straßen und nach chinesischen Angaben mehr als 4.000 Importwagen zerstört wurden? 1.020 Feuerwehrleuten und mit Chemikalien vertrauten Spezialeinheiten der Armee sind die Hände gebunden, solange sie weitere Explosionen befürchten müssen. Die anfangs mitten in die Detonationen hineingeratenen Feuerwehrleute zahlten bereits einen furchtbaren Preis. 21 starben, 18 werden noch vermisst. Anders als beim 19-jährigen Zhou Ti, der Freitagmorgen mit mittelschweren Verbrennungen und Verletzungen lebend geborgen werden konnte, gibt es für sie wohl kaum noch eine Überlebenschance. Geschäftsführer Zhi Feng war zum Zeitpunkt des Brandes und der Detonationen in seinem Unternehmen. Er kam zwar mit dem Leben davon, soll aber nach Angaben der Pekinger Jugendzeitung Beijing qingnianbao mit schweren Kopfverletzungen und Verbrennungen im größten Krankenhaus Taida liegen. Er sei nicht ansprechbar und werde von der Polizei bewacht. Noch immer lagern hunderte Tonnen von Chemikalien, darunter hochgiftige Zyanide, in dem verwüsteten Lager. Der Unternehmenschef könnte künftig auch zum Kronzeugen der öffentlichen Anklage gegen ein für China typisches Problem der Vermischung von Macht, Geschäft und Korruption werden. Erregt wird in Chinas sozialen Medien seit Freitag im Netz diskutiert, ob die Sucht nach Wirtschaftswachstum wieder einmal zu einer Katastrophe geführt hat. Noch überwiegen ebenso brisante, aber sehr konkrete Fragen im Netz, die nur Zhi Feng beantworten kann. Wer hat politisch den Bau seiner 2011 gegründeten Firma genehmigt und wie viel Geld floss dabei? Wie konnte das Gefahrengutlager die besonders strenge Umweltverträglichkeitsprüfung bestehen? Wie konnte es in nur 600 bis 700 Meter Entfernung von der Wohnanlage Hafencity Nummer 3 gebaut werden, wo der Staat einen Mindestabstand von 1.000 Metern vorschreibt? Dächer, Fenster und Türen der Anlage wurden von der Wucht der Detonationen zerstört, die sogar Fahrstühle verzogen. Die von der Immobiliengesellschaft Vanke erbaute Siedlung hatte im April 2010, ein Jahr vor Ruihai, ihre Baugenehmigung erhalten und begann 2013 mit dem Wohnungsverkauf. Keiner der Bewohner hätte sich eine Eigentumswohnung gekauft, wenn bekannt geworden wäre, dass ihr Nachbar nebenan giftige Chemikalien lagert. Pekings Propaganda reagiert nervös. Im CRI-Staatsrundfunk wurden sechs Gerüchte zurückgewiesen und alle gewarnt, sie weiterzuverbreiten. Der Rundfunk nannte Beispiele unwahrer Behauptungen wie etwa, dass Tianjins Explosion die Luft in Peking belaste, mehr als 1.000 Menschen gestorben seien und die Krebsgefahr überall im Anstieg sei. Wie das chinesische Blogportal The Nanfang berichtet, hatte der staatliche Sender CCTV (China Central Television) eine Pressekonferenz zu den Vorfällen spontan unterbrochen. Nach einer kritischen Frage zu möglichen Umweltschäden schalteten die Programmverantwortlichen in den Werbeblock. Die Kommunistische Partei hatte Ermittlungen wegen Bestechung eingeleitet. Tianjin – Zwei Wochen nach der verheerenden Explosion in der chinesischen Hafenstadt Tianjin ist der Chef der nationalen Behörde für Arbeitssicherheit wegen Korruptionsvorwürfen entlassen worden. Yang Dongliang würden schwere Verstöße gegen Disziplin und Gesetze vorgeworfen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Dies ist in China die gängige Umschreibung für Korruption. Weitere Details wurden nicht genannt. Die Kommunistische Partei hatte nach dem Unglück mit 139 Toten Ermittlungen wegen Bestechung eingeleitet. Die Regierung in Peking brachte die Entlassung Yangs nicht in direkten Zusammenhang mit den Explosionen in dem Chemikalienlager. Die Betreiberfirma der Lagerhalle hatte allerdings keine Lizenz für Materialien dieser Gefährdungsstufe. Yang war bis 2012 stellvertretender Bürgermeister der 15-Millionen-Metropole Tianjin. In China kamen in den vergangenen Jahren Hunderte Menschen bei Unglücken in Bergwerken oder bei Fabrik-Bränden ums Leben, weil eklatant gegen Sicherheitsvorschriften verstoßen wurde. Präsident Xi Jinping hat angekündigt, Konsequenzen daraus zu ziehen. 15 Menschen noch immer vermisst. Tianjin – Mehr als zwei Wochen nach den verheerenden Explosionen in der chinesischen Hafenstadt Tianjin ist die Zahl der Todesopfer auf 158 gestiegen. 15 Menschen werden noch immer vermisst, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag. Zuvor waren den Behörden 145 Tote bekannt gewesen. In einem Chemielager im Hafen der Millionenmetropole waren am 12. August gefährliche Chemikalien explodiert und hatten auf dem Gelände im Binhai Distrikt schwere Zerstörungen und selbst in einem kilometerweiten Umkreis noch Schäden angerichtet. 23 Verantwortliche wurden von der Polizei in Haft genommen oder festgesetzt. Gouverneurin von Oklahoma gab Aufschub von 37 Tagen bekannt. An der Schuld des 52-Jährigen bestehen große Zweifel. Oklahoma City – Erneut ist die Hinrichtung des US-Todeskandidaten Richard Glossip kurz vor ihrem Vollzug verschoben worden. Der 52-Jährige sollte am Mittwochnachmittag im Staatsgefängnis von Oklahoma mit einer Giftinjektion hingerichtet werden. An seiner Schuld bestehen erhebliche Zweifel. Gouverneurin Mary Fallin gab einen Aufschub von 37 Tagen bekannt. Bis dahin solle geprüft werden, ob der geplante tödliche Giftcocktail rechtlich zulässig ist. Glossips Hinrichtung war um zwei Wochen bis Mittwoch aufgeschoben worden, um neue Beweise zu prüfen. Das Oberste Gericht der USA hatte dann einen letzten Einspruch abgelehnt. Angehörige erwarteten vor dem Gebäude bereits die Hinrichtung. Glossip ist angeklagt, für den Mord an einem Motelbesitzer verantwortlich zu sein. Zu den Beweisen zählten Aussagen eines ehemaligen Häftlings. Er wollte im Gefängnis gehört haben, wie ein Insasse prahlte, Glossip den Mord in die Schuhe geschoben zu haben. Der Mann sitzt eine lebenslange Haftstrafe dafür ab, den Mord ausgeführt zu haben – er beteuert, Glossip habe ihn angestiftet. Glossips Verteidiger hatten entlastende Indizien zusammengetragen, Prominente wie die Schauspielerin Susan Sarandon setzten sich für ihn ein. Glossip hatte gegen die Verwendung des Medikaments Midozalam geklagt, weil es bei anderen zu einem besonders qualvollen Tod geführt hatte. Das höchste US-Gericht entschied dagegen. Die Todesstrafe ist in 31 der 50 US-Staaten und auf Bundesebene erlaubt. Debatte in den USA über Zusammensetzung von Giftmischung. Little Rock – Ein US-Richter hat die Hinrichtung von mehreren Todeskandidaten im US-Staat Arkansas gestoppt. Grund für die Entscheidung vom Freitag seien die Anträge der Verurteilten auf Offenlegung der Zusammensetzung der Giftmischungen, teilte Richter Wendell Griffen mit. Eine Reihe von qualvollen Hinrichtungen hatte im vergangenen Jahr eine Debatte über die in den USA verwendeten Giftcocktails ausgelöst. Die ersten beiden Hinrichtungen in Arkansas hätten am 21. Oktober stattfinden sollen. Insgesamt neun Todeskandidaten hatten geklagt, acht von ihnen hatten bereits einen Termin für ihre Hinrichtung. Staatsanwältin Leslie Rutledge kritisierte die Entscheidung des Richters. Erneut müssten die Opfer der Verbrechen auf Gerechtigkeit warten, erklärte sie. Im April vergangenen Jahres war im US-Bundesstaat Oklahoma ein Mann qualvoll hingerichtet worden, weil es Probleme bei der Giftinjektion gab. Der Mann wand sich 43 Minuten lang im Todeskampf vor Schmerzen, bis er schließlich einen Herzinfarkt erlitt. Daraufhin hatte Oklahoma ein Moratorium für die Vollstreckung von Todesurteilen verhängt. Die US-Behörden greifen derzeit auf kaum erprobte Giftmischungen zurück, weil sich europäische Pharmafirmen weigern, das zuvor eingesetzte Betäubungsmittel Pentobarbital zu liefern. Über 7.000 Gefangene befinden sich noch in der Todeszelle. Islamabad – Seit Aufhebung eines Hinrichtungsmoratoriums im Dezember 2014 sind in Pakistan mehr als 300 Menschen gehängt worden. Nach Angaben der pakistanischen Menschenrechtskommission wurden bis 4. November 294 Hinrichtungen gezählt. Seitdem seien 17 weitere Todeskandidaten gehängt worden, sagte ein Mitarbeiter des Innenministeriums am Sonntag. Die meisten waren wegen Mordes und nicht wegen Terrorismus verurteilt worden. Die Regierung hatte das Moratorium nach dem Taliban-Massaker in einer Schule in Peshawar aufgehoben. Mehr als 7.000 Gefangene sitzen noch in der Todeszelle. 'Marty Stroud hat einst beantragt, Glenn Ford zum Tode zu verurteilen. Für einen Mord, den der Schwarze nicht begangen hatte, war dieser 30 Jahre in Haft. Stroud geht nun schonungslos mit sich selbst ins Gericht. Marty Stroud mag historische Filme, er mag alte Bücher, er blättert gern in vergilbten Zeitschriften und hätte wohl Geschichte studiert, wäre sein Vater nicht strikt dagegen gewesen. Er gebe sein Geld doch nicht dafür aus, dass der Junge ein liberaler Geschichtsprofessor werde, zitiert Stroud den Senior, einen Generalmajor der Nationalgarde. Liberal, erklärt er, das klang hier unten im Süden so, als rede man von Kommunisten. Sein Interesse für Geschichte jedenfalls hat nie nachgelassen, man merkt es schon an den Vergleichen, die er anstellt. Der Prozess gegen Glenn Ford, sagt Stroud, lasse ihn an den Titel eines Magazins denken, auf dem zu sehen war, wie äthiopische Krieger nur mit Speeren bewaffnet versuchen, die vorrückenden Panzer des italienischen Diktators Benito Mussolini aufzuhalten. Ford sei der Mann mit dem Speer gewesen. Er hatte nicht die Spur einer Chance. Und ich war noch stolz darauf. Ford saß fast drei Jahrzehnte lang in der Death Row, dem Gefängnistrakt, in dem zum Tode Verurteilte auf ihre Hinrichtung warten. In einer winzigen Zelle, anderthalb Meter breit und zwei Meter lang. Wegen eines Mordes, den er nicht begangen hatte. Angola, die Haftanstalt, in der er eingesperrt war, hat einen denkbar schlechten Ruf: In den schwülheißen Sommern Louisianas können die Temperaturen in den Zellen auf über vierzig Grad Celsius steigen. Als Ford am 11. März 2014 freigelassen wurde, weil einer, von dem Stroud nur sagen darf, er sei Polizeiinformant, überzeugend seine Unschuld nachwies, hatte er 29 Jahre, drei Monate und fünf Tage hinter Gittern verbracht. Stroud war der Staatsanwalt, der die Todesstrafe beantragte. Er ist der erste und bisher einzige, der sich öffentlich für einen Fehler entschuldigt. Zwar wurden seit 1973, seit es entsprechende Statistiken gibt, 156 Death-Row-Insassen rehabilitiert, die meisten entlastet im Zuge nachträglicher DNA-Analysen. Von den Juristen, die an den falschen Urteilen mitwirkten, lässt indes nur einer sichtbar Reue erkennen. Ansel Martin Stroud III, genannt Marty. Wenn etwas schiefgehe, sagt er, halte die Bürokratiemaschine entrüstet dagegen, dass man doch nur seinen Job gemacht habe. Keiner übernimmt Verantwortung. Aber verdammt noch mal, ich war damals der Chefankläger. Wenn ihr bei jemandem Schuld sucht, dann sucht sie bei mir. Der Weg zu dem 64-Jährigen führt in ein gesichtsloses Allerweltsviertel der Stadt Shreveport, zu einem Betonklotz, der den spröden Charme der 1970er-Jahre verströmt. Shreveport liegt im Nordwesten Louisianas, am Ende des Amerikanischen Bürgerkriegs war es die letzte Hauptstadt der Südstaaten-Konföderierten, deren Niederlage bereits besiegelt war. Bis 2011 wehte vor dem imposanten Gerichtsgebäude an der Texas Street die Flagge der Konföderierten, jenes blaue Diagonalkreuz auf rotem Grund, in dem nicht nur Afroamerikaner – aber diese vor allem – ein Symbol des Rassendünkels sehen. Es gibt hier Leute, die noch immer den Krieg gegen die Yankees ausfechten wollen, sagt Stroud. Er empfängt Besucher im Kunstblumenambiente seiner privaten Anwaltskanzlei. 1989 hat er die Seiten gewechselt, seitdem ist er Verteidiger in Strafprozessen, kein Ankläger mehr. Er spricht schleppend, sucht lange nach Worten, ein Melancholiker, der manchmal wirkt wie ein gebrochener Mann. Ich war zu jung für den Fall, räumt er schnörkellos ein. Mit 34 fehlt dir einfach die Lebenserfahrung. Ich wollte Erfolge. Ich wollte, dass es schnell geht. Ein Zeuge habe ihm hinterher – es war als Glückwunsch gedacht – eine rhetorische Frage gestellt: Na, wie fühlt es sich an, den schwarzen Handschuh zu tragen? Den Handschuh der Macht, den Lederhandschuh des Polizisten. Damals war ich stolz. Heute könnte ich mich übergeben. Rückblende. Der 5. November 1983. In Shreveport wird Isadore Rozeman, ein alter Mann, der Uhren repariert und Schmuck verkauft, in seinem kleinen Laden im Parterre seines Hauses ermordet. Ford, der bei Rozeman den Rasen mähte, gerät ins Visier der Ermittler. Nachbarn wollen ihn zur Tatzeit in der Nähe des Tatorts gesehen haben. Als der Afroamerikaner erfährt, dass die Polizei nach ihm sucht, geht er freiwillig zur nächsten Wache. Ärger kann er nicht gebrauchen, er ist aktenkundig bekannt. In Kalifornien, wo er eine Zeitlang lebte, brach er in Wohnungen ein, um Wertsachen zu stehlen. Zurück in Louisiana, seiner alten Heimat, will er ein neues Kapitel aufschlagen. Den Beamten erzählt er, dass ihm ein Bekannter, den er nur O. B. nennt, Schmuck aus Rozemans Besitz gab und er bei einem Pfandleiher ein paar Dollar dafür kassierte. Hinter O. B. verbirgt sich ein gewisser Henry Robinson, Indizien lassen vermuten, dass er und sein Bruder Jake den Juwelier auf dem Gewissen haben. Als drei Monate später Anklage gegen Ford und die Robinsons erhoben wird, lenkt Jake Robinsons Freundin Marvella Brown den Verdacht auf Ford: Sie habe ihn am Tag des Mordes mit einer Schusswaffe in der Nähe des Rozeman-Anwesens gesehen. Beim Kreuzverhör nimmt sie die Aussage zurück: Ich habe das Gericht belogen, alles war erfunden. Zu dieser Zeit aber, erinnert sich Stroud, habe er sich schon ganz auf Ford eingeschossen. Gutachter liefern Gutachten, die ihn belasten, auch wenn sie auf schlampiger Arbeit beruhen. Die beiden Pflichtverteidiger verzichten aufs Einholen von Expertenmeinungen, weil sie glauben, selber die Kosten dafür tragen zu müssen. Der eine hat Erfahrungen in der Öl- und Gasindustrie, der andere mit Versicherungsfällen. Nominiert wurden sie von der lokalen Anwaltskammer Niedrigster Stand seit fast 25 Jahren. Washington – Die Zahl der Hinrichtungen ist in den USA dieses Jahr mit 28 auf den niedrigsten Stand seit fast 25 Jahren gefallen. Zudem sank die Zahl neuer Todesurteile auf den Stand von Anfang der 1970er-Jahre. Dies geht aus dem Jahresbericht des unabhängigen Death Penalty Information Center (DPIC) vom Mittwoch hervor. Die 28 Hinrichtungen waren der geringste Wert seit 1991, als 14 Personen hingerichtet wurden. Der Einsatz der Todesstrafe wird in den Vereinigten Staaten zunehmend selten und zunehmend isoliert, sagte DPIC-Direktor Robert Dunham. Das sind nicht nur jährliche Kurzzeitphänomene in der Statistik, sondern es spiegelt eine umfassende Änderung in der Haltung zur Todesstrafe quer über das Land wider. Sowohl die Zahl der Hinrichtungen als auch die Zahl neu verkündeter Todesurteile ist seit Ende der 1990er-Jahre rückläufig. Sechs davon wurden dieses Jahr aufgehoben, darunter das Urteil gegen die in Berlin geborene Debra Milke. Zudem wurden Exekutionen wegen Problemen mit Giftspritzen ausgesetzt, etwa in Oklahoma und Ohio. Legal ist die Todesstrafe in 31 von 50 Staaten, sie wird aber häufig nicht angewandt. Auch die öffentliche Meinung scheint sich langsam zugunsten lebenslanger Haftstrafen ohne Chance auf Bewährung als Ersatz für die Todesstrafe zu ändern. Einer Umfrage des Public Religion Research Institute zufolge befürworten 52 Prozent der US-Bürger die nichttödliche Strafe für verurteilte Mörder, während 47 Prozent für die Todesstrafe sind. Dem Umfrageinstitut Gallup zufolge geht die Zahl der Befürworter der Todesstrafe seit Mitte der 90er-Jahre zurück. 'Frauen sollen zu Silvester sexuell belästigt und bestohlen worden sein, Polizei räumt Fehleinschätzung am Neujahrsmorgen ein. Was bisher über die Vorfälle bekannt ist. Bis Montag sind laut Kölner Polizei rund 60 Anzeigen wegen verschiedener Straftatbestände in der Silvesternacht eingegangen, bis Dienstagmittag ist die Zahl auf 90 gewachsen und mit Stand Mittwochvormittag liegt sie bei über 100. Die Exekutive ging davon aus, dass es wegen der Medienberichte weitere Anzeigen geben werde. Etwa drei Viertel der Anzeigen betreffen sexuelle Belästigung, der Rest Eigentumsdelikte. In einem Fall wurde eine Vergewaltigung angezeigt. Über mögliche Motive hielt die Polizei in einer Aussendung vom 2. Jänner fest: Die Verdächtigen versuchten durch gezieltes Anfassen der Frauen von der eigentlichen Tat abzulenken – dem Diebstahl von Wertgegenständen. Insbesondere Geldbörsen und Mobiltelefone wurden entwendet. In einigen Fällen gingen die Männer jedoch weiter und berührten die meist von auswärts kommenden Frauen unsittlich. Am 1. Jänner war von derartigen Übergriffen noch nichts bekannt – zumindest offiziell nicht: Unter dem Titel Ausgelassene Stimmung – Feiern weitgehend friedlich schrieb die Pressestelle der Kölner Polizei noch: Kurz vor Mitternacht musste der Bahnhofsvorplatz im Bereich des Treppenaufgangs zum Dom durch Uniformierte geräumt werden. Um eine Massenpanik durch Zünden von pyrotechnischer Munition bei den circa 1000 Feiernden zu verhindern, begannen die Beamten kurzfristig die Platzfläche zu räumen. Trotz der ungeplanten Feierpause gestaltete sich die Einsatzlage entspannt – auch weil die Polizei sich an neuralgischen Orten gut aufgestellt und präsent zeigte. Dass diese Aussendung inhaltlich nicht gedeckt war, gestanden Vertreter der Polizei bei einer Pressekonferenz am Dienstag ein. Man habe die Lage falsch eingeschätzt: Das war ein Fehler, sagt der Kölner Polizeipräsident Wolfgang Albers. Bei der Pressekonferenz wiederholte Albers die bisher bekannten Angaben zu den Tätern. Wie schon deutsche Medien am Montag berichteten, hätten alle Zeugen übereinstimmend ausgesagt, dass die mutmaßlichen Täter Männer seien, die dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum stammen könnten und zwischen 15 und 35 Jahre alt sein. Der Polizeipräsident forderte zudem alle Opfer und Zeugen auf, sich bei der Kölner Polizei zu melden. Sonntagfrüh gingen laut einer Pressemitteilung bei der Polizei telefonisch Hinweise ein, dass eine Gruppe Männer am Hauptbahnhof Frauen bedrängt und ein Mobiltelefon entwendet habe. Die fünf Verdächtigen im Alter von 18 bis 24 Jahren wurden festgenommen. Die Polizei ermittelt nun, ob sie für Taten aus der Silvesternacht in Betracht kommen. Es ist bisher unklar, wie viele mutmaßliche Täter es gibt. Die Polizei spricht laut Medienberichten davon, dass sich zu Silvester rund 1.000 Männer auf dem Kölner Bahnhofsvorplatz versammelt hätten. Tagesschau.de berichtet, dass die für die Vorfälle eingerichtete Ermittlungsgruppe Neujahr unter anderem ermitteln soll, ob sich die Männer – etwa über soziale Netzwerke – organisiert hatten. Aus der Menschenmenge hätten sich Gruppen mehrerer Männer gebildet, die gezielt Frauen umzingelt, bedrängt und ausgeraubt hätten. Insgesamt sollen etwa 40 Männer an den Übergriffen beteiligt gewesen sein, meldet tagesschau.de unter Berufung auf die Polizei. In einer Pressemitteilung der Kölner Polizei vom Sonntag ist von Tätergruppen in der Größe von zwei bis 20 Personen die Rede. Sie hätten das Getümmel rund um den Dom genutzt, um Straftaten zu begehen. Der Bundesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, sagte dem Radiosender NDR Info, es handle sich nicht um organisierte Kriminalität, aber um eine Absprache der Täter, die die Masse der Menschen nutzen, die Dunkelheit und den Überraschungseffekt, um nach vollzogener Tat wieder unerkannt zu entkommen. Auch bei der Pressekonferenz am Dienstagnachmittag sagte der Polizeipräsident Albers: Es gibt keine 1.000 Täter. Aus der Menge von rund 1.000 Menschen hätten sich Gruppen von Tätern herausgebildet. Eine konkrete Zahl könne er zu diesem Zeitpunkt noch nicht nennen. Die Süddeutsche Zeitung berichtet, dass in der Silvesternacht 143 Polizeibeamte aus dem Stadtgebiet zum Hauptbahnhof hinzugezogen wurden. Außerdem seien 70 Bundespolizisten vor Ort gewesen, darunter Spezialeinheiten. Die Lage sei unübersichtlich gewesen. Die Polizei habe von den Vorfällen erst erfahren, als zwischen 1 Uhr und 1.30 Uhr die ersten Anzeigen erstattet wurden. Die Menschenmenge – gegen 21 Uhr hätten sich bereits 400 bis 500 Personen versammelt – sei enthemmt gewesen, sagte Wolfgang Wurm, Präsident der Bundespolizei St. Augustin, dem Kölner Stadt-Anzeiger. Die Gruppe sei auf mehr als 1.000 Menschen angewachsen. Als Raketen und Böller in die Menge geworfen wurden, sei der Bahnhofsvorplatz gegen 0.15 Uhr gesperrt worden. Dass niemand festgenommen wurde, erklärte die Polizei dem Stadt-Anzeiger damit, dass sich die Taten innerhalb einer großen Menschenmenge abgespielt hätten. Etliche Männer seien zur Feststellung der Identität aufs Wachzimmer mitgenommen worden. Einige Verdächtige sollen sich aber etwa in der Menge weggeduckt oder sich andere Jacken übergezogen haben. Kölns parteilose Oberbürgermeisterin Henriette Reker, die die Taten als ungeheuerlich bezeichnete, berief kurzfristig eine Krisensitzung mit den Spitzen der Kölner und der Bundespolizei sowie dem Stadtdirektorat und dem städtischen Ordnungsamt ein. Mit Ergebnissen war nicht vor dem Abend zu rechnen. Wir können nicht tolerieren, dass hier ein rechtsfreier Raum entsteht, sagte Reker dem Stadt-Anzeiger. Die Polizei sei dringend gefordert. Im Vorfeld des Treffens nannte Reker etwa eine Ausweitung der Videoüberwachung. Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte, es sei notwendig, dass die Kölner Polizei konsequent ermittelt und zur Abschreckung Präsenz zeigt. Das ist eine völlig neue Dimension der Gewalt. So etwas kennen wir bisher nicht, sagte Arnold Plickert, der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft. Auch der deutsche Justizminister Heiko Maas forderte Konsequenzen. Alle Täter müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden, twitterte der SPD-Politiker am Dienstag. Man muss mit den Mitteln, die das Recht vorgibt, gegen die Täter vorgehen, sagte Maas am Dienstag in Berlin. Dabei spiele die Herkunft der Verdächtigen keine Rolle. Vor dem Gesetz seien alle gleich. Das ist offenbar eine völlig neue Dimension organisierter Kriminalität, so Maas. Die abscheulichen Übergriffe auf Frauen werden wir nicht hinnehmen. Alle Täter müssen konsequent zur Rechenschaft gezogen werden. #Silvester Deutschlands Innenminister Thomas de Maiziere (CDU) verurteilte die Übergriffe als abscheulich und nicht hinnehmbar. Die offensichtliche Beteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an den Taten dürfe laut de Maiziere aber nicht dazu führen, dass nun Flüchtlinge gleich welcher Herkunft, die bei uns Schutz vor Verfolgung suchen, unter einen Generalverdacht gestellt werden In Deutschland wird auch in Hamburg ermittelt. An der Reeperbahn sollen einige Frauen systematisch bedrängt und im Intimbereich angegriffen worden sein