f000001,26.000,100.080,"Und am andern Tage wurde der letzte Spatenstich am neuen Deich getan; der Wind hatte sich gelegt; in anmutigem Fluge schwebten Möwen und Avosetten über Land und Wasser hin und wider; von Jevershallig tönte das tausendstimmige Geknorr der Rottgänse, die sich's noch heute an der Küste der Nordsee wohl sein ließen, und aus den weißen Morgennebeln, welche die weite Marsch bedeckten, stieg allmählich ein goldner Herbsttag und beleuchtete das neue Werk der Menschenhände. Nach einigen Wochen kamen mit dem Oberdeichgrafen die herrschaftlichen Kommissäre zur Besichtigung desselben; ein großes Festmahl, das erste nach dem Leichenmahl des alten Tede Volkerts, wurde im deichgräflichen Hause gehalten; alle Deichgevollmächtigten und die größten Interessenten waren dazu geladen. Nach Tische wurden sämtliche Wagen der Gäste und des Deichgrafen angespannt; Frau Elke wurde von dem Oberdeichgrafen in die Karriole gehoben, vor der der braune Wallach mit seinen Hufen stampfte; dann sprang er selber hintennach und nahm die Zügel in die Hand; er wollte die gescheite Frau seines Deichgrafen selber fahren." f000002,100.080,108.760,"So ging es munter von der Werfte und in den Weg hinaus, den Akt zum neuen Deich hinan und auf demselben um den jungen Koog herum." f000003,108.760,172.120,"Es war inmittelst ein leichter Nordwestwind aufgekommen, und an der Nord und Westseite des neuen Deiches wurde die Flut hinaufgetrieben; aber es war unverkennbar, der sanfte Abfall bedingte einen sanfteren Anschlag; aus dem Munde der herrschaftlichen Kommissäre strömte das Lob des Deichgrafen, daß die Bedenken, welche hie und da von den Gevollmächtigten dagegen langsam vorgebracht wurden, gar bald darin erstickten. Auch das ging vorüber; aber noch eine Genugtuung empfing der Deichgraf eines Tages, da er in stillem, selbstbewußtem Sinnen auf dem neuen Deich entlangritt. Es mochte ihm wohl die Frage kommen, weshalb der Koog, der ohne ihn nicht da wäre, in dem sein Schweiß und seine Nachtwachen steckten, nun schließlich nach einer der herrschaftlichen Prinzessinnen der neue Karolinenkoog getauft sei; aber es war doch so: auf allen dahin gehörigen Schriftstücken stand der Name, auf einigen sogar in roter Frakturschrift." f000004,172.120,182.920,"Da, als er aufblickte, sah er zwei Arbeiter mit ihren Feldgerätschaften, der eine etwa zwanzig Schritte hinter dem andern, sich entgegenkommen." f000005,182.920,193.400,"So wart doch! hörte er den Nachfolgenden rufen; der andere aber er stand eben an einem Akt, der in den Koog hinunterführte rief ihm entgegen:" f000006,193.400,194.360,"Ein andermal, Jens!" f000007,194.360,198.280,"Es ist schon spät; ich soll hier Klei schlagen!" f000008,198.280,199.240,"Wo denn?" f000009,199.240,202.760,"Nun hier, im HaukeHaienKoog!" f000010,202.760,210.120,"Er rief es laut, indem er den Akt hinabtrabte, als solle die ganze Marsch es hören, die darunterlag." f000011,210.120,245.360,"Hauke aber war es, als höre er seinen Ruhm verkünden; er hob sich im Sattel, gab seinem Schimmel die Sporen und sah mit festen Augen über die weite Landschaft hin, die zu seiner Linken lag. HaukeHaienKoog! wiederholte er leis; das klang, als könnt es alle Zeit nicht anders heißen! Mochten sie trotzen, wie sie wollten, um seinen Namen war doch nicht herumzukommen; der PrinzessinnenName würde er nicht bald nur noch in alten Schriften modern? Der Schimmel ging in stolzem Galopp; vor seinen Ohren aber summte es:" f000012,245.360,289.080,"In seinem Gedanken wuchs fast der neue Deich zu einem achten Weltwunder; in ganz Friesland war nicht seinesgleichen! Und er ließ den Schimmel tanzen; ihm war, er stünde inmitten aller Friesen; er überragte sie um Kopfeshöhe, und seine Blicke flogen scharf und mitleidig über sie hin. Allmählich waren drei Jahre seit der Eindeichung hingegangen; das neue Werk hatte sich bewährt, die Reparaturkosten waren nur gering gewesen; im Kooge aber blühte jetzt fast überall der weiße Klee, und ging man über die geschützten Weiden, so trug der Sommerwind einem ganze Wolken süßen Dufts entgegen." f000013,289.080,300.320,"Da war die Zeit gekommen, die bisher nur idealen Anteile in wirkliche zu verwandeln und allen Teilnehmern ihre bestimmten Stücke für immer eigentümlich zuzusetzen." f000014,300.320,305.360,"Hauke war nicht müßig gewesen, vorher noch einige neue zu erwerben;" f000015,305.360,311.560,"Ole Peters hatte sich verbissen zurückgehalten, ihm gehörte nichts im neuen Kooge." f000016,311.560,358.840,"Ohne Verdruß und Streit hatte auch so die Teilung nicht abgehen können, aber fertig war er gleichwohl geworden; auch dieser Tag lag hinter dem Deichgrafen. Fortan lebte er einsam seinen Pflichten als Hofwirt wie als Deichgraf und denen, die ihm am nächsten angehörten; die alten Freunde waren nicht mehr in der Zeitlichkeit, neue zu erwerben, war er nicht geeignet. Aber unter seinem Dach war Frieden, den auch das stille Kind nicht störte; es sprach wenig, das stete Fragen, was den aufgeweckten Kindern eigen ist, kam selten und meist so, daß dem Gefragten die Antwort darauf schwer wurde; aber ihr liebes, einfältiges Gesichtlein trug fast immer den Ausdruck der Zufriedenheit." f000017,358.840,372.920,"Zwei Spielkameraden hatte sie, die waren ihr genug: wenn sie über die Werfte wanderte, sprang das gerettete gelbe Hündlein stets um sie herum, und wenn der Hund sich zeigte, war auch klein Wienke nicht mehr fern." f000018,372.920,378.360,"Der zweite Kamerad war eine Lachmöwe, und wie der Hund Perle, so hieß die Möwe Klaus." f000019,378.360,415.600,"Klaus war durch ein greises Menschenkind auf dem Hofe installiert worden: die achtzigjährige Trin' Jans hatte in ihrer Kate auf dem Außendeich sich nicht mehr durchbringen können; da hatte Frau Elke gemeint, die verlebte Dienstmagd ihres Großvaters könnte bei ihnen noch ein paar stille Abendstunden und eine gute Sterbekammer finden, und so, halb mit Gewalt, war sie von ihr und Hauke nach dem Hofe geholt und in dem Nordweststübchen der neuen Scheuer untergebracht worden, die der Deichgraf vor einigen Jahren neben dem Haupthause bei der Vergrößerung seiner Wirtschaft hatte bauen müssen." f000020,415.600,421.720,"Ein paar der Mägde hatten daneben ihre Kammer erhalten und konnten der Greisin nachts zur Hand gehen." f000021,421.720,442.120,"Rings an den Wänden hatte sie ihr altes Hausgerät: eine Schatulle von Zuckerkistenholz, darüber zwei bunte Bilder vom verlorenen Sohn, ein längst zur Ruhe gestelltes Spinnrad und ein sehr sauberes Gardinenbett, vor dem ein ungefüger, mit dem weißen Fell des weiland Angorakaters überzogener Schemel stand." f000022,442.120,470.640,"Aber auch was Lebiges hatte sie noch um sich gehabt und mit hierher gebracht: das war die Möwe Klaus, die sich schon jahrelang zu ihr gehalten hatte und von ihr gefüttert worden war; freilich, wenn es Winter wurde, flog sie mit den andern Möwen südwärts und kam erst wieder, wenn am Strand der Wermut duftete. Die Scheuer lag etwas tiefer an der Werfte; die Alte konnte hinausblicken." f000023,470.640,483.000,"Du hast mich hier als wie gefangen, Deichgraf! murrte sie eines Tages, als Hauke zu ihr eintrat, und wies mit ihrem verkrümmten Finger nach den Fennen hinaus, die sich dort unten breiteten." f000024,483.000,484.400,"Wo ist denn Jeverssand?" f000025,484.400,488.600,"Da über den roten oder über den schwarzen Ochsen hinaus?" f000026,488.600,491.920,"Was will Sie denn mit Jeverssand? frug Hauke." f000027,491.920,495.240,"Ach was, Jeverssand! brummte die Alte." f000028,495.240,499.360,"Aber ich will doch sehen, wo mein Jung mir derzeit ist zu Gott gegangen!" f000029,499.360,508.920,"Wenn Sie das sehen will, entgegnete Hauke, so muß Sie sich oben unter den Eschenbaum setzen, da sieht Sie das ganze Haff!" f000030,508.920,524.760,"Ja, sagte die Alte; ja, wenn ich deine jungen Beine hätte, Deichgraf! Dergleichen blieb lange der Dank für die Hülfe, die ihr die Deichgrafsleute angedeihen ließen; dann aber wurde es auf einmal anders." f000031,524.760,530.840,"Der kleine Kindskopf Wienkes guckte eines Morgens durch die halbgeöffnete Tür zu ihr herein." f000032,530.840,539.240,"Na, rief die Alte, welche mit den Händen ineinander auf ihrem Holzstuhl saß, was hast du denn zu bestellen?" f000033,539.240,545.800,"Aber das Kind kam schweigend näher und sah sie mit ihren gleichgültigen Augen unablässig an." f000034,545.800,553.160,"Bist du das Deichgrafskind? frug sie Trin' Jans, und da das Kind wie nickend das Köpfchen senkte, fuhr sie fort:" f000035,553.160,555.360,"So setz dich hier auf meinen Schemel!" f000036,555.360,559.280,"Ein Angorakater ist's gewesen so groß!" f000037,559.280,561.840,"Aber dein Vater hat ihn totgeschlagen." f000038,561.840,565.920,"Wenn er noch lebig wäre, so könntest du auf ihm reiten." f000039,565.920,580.240,"Wienke richtete stumm ihre Augen auf das weiße Fell; dann kniete sie nieder und begann es mit ihren kleinen Händen zu streicheln, wie Kinder es bei einer lebenden Katze oder einem Hunde zu machen pflegen." f000040,580.240,586.480,"Armer Kater! sagte sie dann und fuhr wieder in ihren Liebkosungen fort." f000041,586.480,598.680,"So! rief nach einer Weile die Alte; jetzt ist es genug; und sitzen kannst du auch noch heut auf ihm; vielleicht hat dein Vater ihn auch nur um deshalb totgeschlagen!" f000042,598.680,605.000,"Dann hob sie das Kind an beiden Armen in die Höhe und setzte es derb auf den Schemel nieder." f000043,605.000,612.320,"Da es aber stumm und unbeweglich sitzen blieb und sie nur immer ansah, begann sie mit dem Kopfe zu schütteln." f000044,612.320,613.280,"Du strafst ihn, Gott der Herr!" f000045,613.280,674.560,"Ja, ja, du strafst ihn! murmelte sie; aber ein Erbarmen mit dem Kinde schien sie doch zu überkommen; ihre knöcherne Hand strich über das dürftige Haar desselben, und aus den Augen der Kleinen kam es, als ob ihr damit wohl geschehe. Von nun an kam Wienke täglich zu der Alten in die Kammer; sie setzte sich bald von selbst auf den Angoraschemel, und Trin' Jans gab ihr kleine Fleisch und Brotstückchen in ihre Händchen, welche sie allezeit in Vorrat hatte, und ließ sie diese auf den Fußboden werfen, dann kam mit Gekreisch und ausgespreizten Flügeln die Möwe aus irgendeinem Winkel hervorgeschossen und machte sich darüber her. Erst erschrak das Kind und schrie auf vor dem großen stürmenden Vogel; bald aber war es wie ein eingelerntes Spiel, und wenn sie nur ihr Köpfchen durch den Türspalt steckte, schoß schon der Vogel auf sie zu und setzte sich ihr auf Kopf oder Schulter, bis die Alte ihr zu Hülfe kam und die Fütterung beginnen konnte." f000046,674.560,688.360,"Trin' Jans, die es sonst nicht hatte leiden können, daß einer auch nur die Hand nach ihrem Klaus ausstreckte, sah jetzt geduldig zu, wie das Kind allmählich ihr den Vogel völlig abgewann." f000047,688.360,701.520,"Er ließ sich willig von ihr haschen; sie trug ihn umher und wickelte ihn in ihre Schürze, und wenn dann auf der Werfte etwa das gelbe Hündlein um sie herum und eifersüchtig gegen den Vogel aufsprang, dann rief sie wohl:" f000048,701.520,716.680,"Nicht du, nicht du, Perle! und hob mit ihren Ärmchen die Möwe so hoch, daß diese, sich selbst befreiend, schreiend über die Werfte hinflog und statt ihrer nun der Hund durch Schmeicheln und Springen den Platz auf ihren Armen zu erobern suchte." f000049,716.680,771.520,"Fielen zufällig Haukes und Elkes Augen auf dies wunderliche Vierblatt, das nur durch einen gleichen Mangel am selben Stengel festgehalten wurde, dann flog wohl ein zärtlicher Blick auf ihr Kind; hatten sie sich gewandt, so blieb nur noch ein Schmerz auf ihrem Antlitz, den jedes einsam mit sich von dannen trug, denn das erlösende Wort war zwischen ihnen noch nicht gesprochen worden. Da eines Sommervormittags, als Wienke mit der Alten und den beiden Tieren auf den großen Steinen vor der Scheuntür saß, gingen ihre beiden Eltern, der Deichgraf seinen Schimmel hinter sich, die Zügel über dem Arme, hier vorüber; er wollte auf den Deich hinaus und hatte das Pferd sich selber von der Fenne heraufgeholt; sein Weib hatte auf der Werfte sich an seinen Arm gehängt. Die Sonne schien warm hernieder; es war fast schwül, und mitunter kam ein Windstoß aus Südsüdost." f000050,771.520,775.360,"Dem Kinde mochte es auf dem Platze unbehaglich werden." f000051,775.360,781.560,"Wienke will mit! rief sie, schüttelte die Möwe von ihrem Schoß und griff nach der Hand des Vaters." f000052,781.560,785.680,"So komm! sagte dieser." f000053,785.680,786.720,"Frau Elke aber rief." f000054,786.720,787.520,"In dem Wind?" f000055,787.520,789.280,"Sie fliegt dir weg!" f000056,789.280,795.920,"Ich halt sie schon; und heut haben wir warme Luft und lustig Wasser, da kann sie's tanzen sehen." f000057,795.920,801.400,"Und Elke lief ins Haus und holte noch ein Tüchlein und ein Käppchen für ihr Kind." f000058,801.400,807.040,"Aber es gibt ein Wetter, sagte sie; macht, daß ihr fortkommt, und seid bald wieder hier!" f000059,807.040,808.360,"Hauke lachte:" f000060,808.360,814.160,"Das soll uns nicht zu fassen kriegen! und hob das Kind zu sich auf den Sattel." f000061,814.160,822.520,"Frau Elke blieb noch eine Weile auf der Werfte und sah, mit der Hand ihre Augen beschattend, die beiden auf den Weg und nach dem Deich hinübertraben;" f000062,822.520,830.960,"Trin' Jans saß auf dem Stein und murmelte Unverständliches mit ihren welken Lippen." f000063,830.960,841.000,"Das Kind lag regungslos im Arm des Vaters; es war, als atme es beklommen unter dem Druck der Gewitterluft; er neigte den Kopf zu ihr." f000064,841.000,843.640,"Nun, Wienke? frug er." f000065,843.640,846.600,"Das Kind sah ihn eine Weile an." f000066,846.600,849.920,"Vater, sagte es, du kannst das doch!" f000067,849.920,852.560,"Kannst du nicht alles?" f000068,852.560,855.320,"Was soll ich können, Wienke?" f000069,855.320,886.200,"Aber sie schwieg; sie schien die eigene Frage nicht verstanden zu haben. Es war Hochflut; als sie auf den Deich hinaufkamen, schlug der Widerschein der Sonne von dem weiten Wasser ihr in die Augen, ein Wirbelwind trieb die Wellen strudelnd in die Höhe, und neue kamen heran und schlugen klatschend gegen den Strand; da klammerte sie ihre Händchen angstvoll um die Faust ihres Vaters, die den Zügel führte, daß der Schimmel mit einem Satz zur Seite fuhr." f000070,886.200,893.720,"Die blaßblauen Augen sahen in wirrem Schreck zu Hauke auf Das Wasser, Vater! das Wasser! rief sie." f000071,893.720,902.320,"Aber er löste sich sanft und sagte: Still, Kind, du bist bei deinem Vater; das Wasser tut dir nichts!" f000072,902.320,908.280,"Sie strich sich das fahlblonde Haar aus der Stirn und wagte es wieder, auf die See hinauszusehen." f000073,908.280,918.360,"Es tut mir nichts, sagte sie zitternd; nein, sag, daß es uns nichts tun soll; du kannst das, und dann tut es uns auch nichts!" f000074,918.360,928.200,"Nicht ich kann das, Kind, entgegnete Hauke ernst: aber der Deich, auf dem wir reiten, der schützt uns, und den hat dein Vater ausgedacht und bauen lassen." f000075,928.200,940.720,"Ihre Augen gingen wider ihn, als ob sie das nicht ganz verstünde, dann barg sie ihr auffallend kleines Köpfchen in dem weiten Rocke ihres Vaters." f000076,940.720,948.200,"Warum versteckst du dich, Wienke? raunte der ihr zu; ist dir noch immer bange?" f000077,948.200,952.760,"Und ein zitterndes Stimmchen kam aus den Falten des Rockes:" f000078,952.760,958.000,"Wienke will lieber nicht sehen; aber du kannst doch alles, Vater?" f000079,958.000,967.120,"Ein ferner Donner rollte gegen den Wind herauf Hoho? rief Hauke, da kommt es! und wandte sein Pferd zur Rückkehr." f000080,967.120,971.280,"Nun wollen wir heim zur Mutter!" f000081,971.280,979.640,"Das Kind tat einen tiefen Atemzug; aber erst als sie die Werfte und das Haus erreicht hatten, hob es das Köpfchen von seines Vaters Brust." f000082,979.640,990.960,"Als dann Frau Elke ihr im Zimmer das Tüchelchen und die Kapuze abgenommen hatte, blieb sie wie ein kleiner stummer Kegel vor der Mutter stehen." f000083,990.960,997.760,"Nun, Wienke, sagte diese und schüttelte sie leise, magst du das große Wasser leiden?" f000084,997.760,999.880,"Aber das Kind riß die Augen auf" f000085,999.880,1001.880,"Es spricht, sagte sie;" f000086,1001.880,1004.720,"Wienke ist bange!" f000087,1004.720,1006.960,"Es spricht nicht; es rauscht und toset nur!" f000088,1006.960,1009.160,"Das Kind sah ins Weite." f000089,1009.160,1015.960,"Hat es Beine? frug es wieder; kann es über den Deich kommen?" f000090,1015.960,1022.000,"Nein, Wienke; dafür paßt dein Vater auf, er ist der Deichgraf." f000091,1022.000,1026.800,"Ja, sagte das Kind und klatschte mit blödem Lächeln in seine Händchen;" f000092,1026.800,1029.720,"Vater kann alles alles!" f000093,1029.720,1035.920,"Dann plötzlich, sich von der Mutter abwendend, rief sie:" f000094,1035.920,1039.560,"Laß Wienke zu Trin' Jans, die hat rote Äpfel!" f000095,1039.560,1042.640,"Und Elke öffnete die Tür und ließ das Kind hinaus." f000096,1042.640,1055.360,"Als sie dieselbe wieder geschlossen hatte, schlug sie mit einem Ausdruck des tiefsten Grams die Augen zu ihrem Manne auf, aus denen ihm sonst nur Trost und Mut zu Hülfe gekommen war." f000097,1055.360,1064.280,"Er reichte ihr die Hand und drückte sie, als ob es zwischen ihnen keines weiteren Wortes bedürfe; sie aber sagte leis:" f000098,1064.280,1072.320,"Nein, Hauke, laß mich sprechen: das Kind, das ich nach Jahren dir geboren habe, es wird für immer ein Kind bleiben." f000099,1072.320,1077.400,"O lieber Gott! es ist schwachsinnig; ich muß es einmal vor dir sagen." f000100,1077.400,1085.400,"Ich wußte es längst, sagte Hauke und hielt die Hand seines Weibes fest, die sie ihm entziehen wollte." f000101,1085.400,1091.440,"So sind wir denn doch allein geblieben, sprach sie wieder." f000102,1091.440,1092.760,"Aber Hauke schüttelte den Kopf." f000103,1092.760,1101.400,"Ich hab sie lieb, und sie schlägt ihre Ärmchen um mich und drückt sich fest an meine Brust; um alle Schätze wollt ich das nicht missen!" f000104,1101.400,1105.440,"Die Frau sah finster vor sich hin." f000105,1105.440,1112.360,"Aber warum? sprach sie; was hab ich arme Mutter denn verschuldet?" f000106,1112.360,1125.160,"Ja, Elke, das hab ich freilich auch gefragt, den, der allein es wissen kann, aber du weißt ja auch, der Allmächtige gibt den Menschen keine Antwort vielleicht, weil wir sie nicht begreifen würden." f000107,1125.160,1132.480,"Er hatte auch die andere Hand seines Weibes gefaßt und zog sie sanft zu sich heran." f000108,1132.480,1138.400,"Laß dich nicht irren, dein Kind, wie du es tust, zu lieben; sei sicher, das versteht es!" f000109,1138.400,1145.560,"Da warf sich Elke an ihres Mannes Brust und weinte sich satt und war mit ihrem Leid nicht mehr allein." f000110,1145.560,1188.640,"Dann plötzlich lächelte sie ihn an; nach einem heftigen Händedruck lief sie hinaus und holte sich ihr Kind aus der Kammer der alten Trin' Jans und nahm es auf ihren Schoß und hätschelte und küßte es, bis es stammelnd sagte: Mutter, mein liebe Mutter! So lebten die Menschen auf dem Deichgrafshofe still beisammen; wäre das Kind nicht dagewesen, es hätte viel gefehlt. Allmählich verfloß der Sommer; die Zugvögel waren durchgezogen, die Luft wurde leer vom Gesang der Lerchen; nur vor den Scheunen, wo sie beim Dreschen Körner pickten, hörte man hie und da einige kreischend davonfliegen; schon war alles hart gefroren." f000111,1188.640,1199.200,"In der Küche des Haupthauses saß eines Nachmittags die alte Trin' Jans auf der Holzstufe einer Treppe, die neben dem Feuerherd nach dem Boden lief" f000112,1199.200,1231.440,"Es war in den letzten Wochen, als sei sie aufgelebt; sie kam jetzt gern einmal in die Küche und sah Frau Elke hier hantieren; es war keine Rede mehr davon, daß ihre Beine sie nicht hätten dahin tragen können, seit eines Tages klein Wienke sie an der Schürze hier heraufgezogen hatte. Jetzt kniete das Kind an ihrer Seite und sah mit seinen stillen Augen in die Flammen, die aus dem Herdloch aufflackerten; ihr eines Händchen klammerte sich an den Ärmel der Alten, das andere lag in ihrem eigenen fahlblonden Haar." f000113,1231.440,1233.840,"Trin' Jans erzählte." f000114,1233.840,1254.800,"Du weißt, sagte sie, ich stand in Dienst bei deinem Urgroßvater, als Hausmagd, und dann mußt ich die Schweine füttern; der war klüger als sie alle da war es, es ist grausam lange her, aber eines Abends, der Mond schien, da ließen sie die Haffschleuse schließen, und sie konnte nicht wieder zurück in See." f000115,1254.800,1260.680,"Oh, wie sie schrie und mit ihren Fischhänden sich ihre harten struppigen Haare griff!" f000116,1260.680,1264.280,"Ja, Kind, ich sah es und hörte sie selber schreien!" f000117,1264.280,1286.800,"Die Gräben zwischen den Fennen waren alle voll Wasser, und der Mond schien darauf, daß sie wie Silber glänzten, und sie schwamm aus einem Graben in den andren und hob die Arme und schlug, was ihre Hände waren, aneinander, daß man es weither klatschen hörte, als wenn sie beten wollte; aber, Kind, beten können diese Kreaturen nicht." f000118,1286.800,1301.600,"Ich saß vor der Haustür auf ein paar Balken, die zum Bauen angefahren waren, und sah weithin über die Fennen; und das Wasserweib schwamm noch immer in den Gräben, und wenn sie die Arme aufhob, so glitzerten auch die wie Silber und Demanten." f000119,1301.600,1310.640,"Zuletzt sah ich sie nicht mehr, und die Wildgäns' und Möwen, die ich all die Zeit nicht gehört hatte, zogen wieder mit Pfeifen und Schnattern durch die Luft." f000120,1310.640,1316.920,"Die Alte schwieg; das Kind hatte ein Wort sich aufgefangen." f000121,1316.920,1319.520,"Konnte sie beten? frug sie." f000122,1319.520,1320.800,"Was sagst du?" f000123,1320.800,1328.640,"Wer war es? Kind, sagte die Alte; die Wasserfrau war es; das sind Undinger, die nicht selig werden können." f000124,1328.640,1336.720,"Nicht selig! wiederholte das Kind, und ein tiefer Seufzer, als habe sie das verstanden, hob die kleine Brust." f000125,1336.720,1343.200,"Trin' Jans! kam eine tiefe Stimme von der Küchentür, und die Alte zuckte leicht zusammen." f000126,1343.200,1347.040,"Es war der Deichgraf Hauke Haien, der dort am Ständer lehnte." f000127,1347.040,1349.000,"Was redet Sie dem Kinde vor?" f000128,1349.000,1354.520,"Hab ich Ihr nicht geboten, Ihre Mären für sich zu behalten oder sie den Gäns' und Hühnern zu erzählen?" f000129,1354.520,1359.840,"Die Alte sah ihn mit einem bösen Blick an und schob die Kleine von sich fort." f000130,1359.840,1365.720,"Das sind keine Mären, murmelte sie in sich hinein, das hat mein Großohm mir erzählt." f000131,1365.720,1367.480,"Ihr Großohm, Trin'?" f000132,1367.480,1370.280,"Sie wollte es ja eben selbst erlebt haben." f000133,1370.280,1376.360,"Das ist egal, sagte die Alte; aber Ihr glaubt nicht, Hauke Haien;" f000134,1376.360,1379.160,"Ihr wollt wohl meinen Großohm noch zum Lügner machen!" f000135,1379.160,1385.240,"Dann rückte sie näher an den Herd und streckte die Hände über die Flammen des Feuerlochs." f000136,1385.240,1403.960,"Der Deichgraf warf einen Blick gegen das Fenster; draußen dämmerte es noch kaum. Komm, Wienke! sagte er und zog sein schwachsinniges Kind zu sich heran; komm mit mir, ich will dir draußen vom Deich aus etwas zeigen! Nur müssen wir zu Fuß gehen; der Schimmel ist beim Schmied." f000137,1403.960,1421.200,"Dann ging er mit ihr in die Stube, und Elke band dem Kinde dicke wollene Tücher um Hals und Schultern; und bald danach ging der Vater mit ihr auf dem alten Deiche nach Nordwest hinauf, Jeverssand vorbei, bis wo die Watten breit, fast unübersehbar wurden." f000138,1421.200,1432.600,"Bald hatte er sie getragen, bald ging sie an seiner Hand; die Dämmerung wuchs allmählich; in der Ferne verschwand alles im Dunst und Duft." f000139,1432.600,1455.280,"Aber dort, wohin noch das Auge reichte, hatten die unsichtbar schwellenden Wattströme das Eis zerrissen, und, wie Hauke Haien es in seiner Jugend einst gesehen hatte, aus den Spalten stiegen wie damals die rauchenden Nebel, und daran entlang waren wiederum die unheimlichen närrischen Gestalten und hüpften gegeneinander und dienerten und dehnten sich plötzlich schreckhaft in die Breite." f000140,1455.280,1463.000,"Das Kind klammerte sich angstvoll an seinen Vater und deckte dessen Hand über sein Gesichtlein." f000141,1463.000,1468.640,"Die Seeteufel! raunte es zitternd zwischen seine Finger; die Seeteufel!" f000142,1468.640,1471.520,"Er schüttelte den Kopf." f000143,1471.520,1480.120,"Nein, Wienke, weder Wasserweiber noch Seeteufel so etwas gibt es nicht; wer hat dir davon gesagt?" f000144,1480.120,1484.040,"Sie sah mit stumpfem Blicke zu ihm herauf, aber sie antwortete nicht." f000145,1484.040,1486.560,"Er strich ihr zärtlich über die Wangen." f000146,1486.560,1491.400,"Sieh nur wieder hin! sagte er, das sind nur arme hungrige Vögel!" f000147,1491.400,1498.880,"Sieh nur, wie jetzt der große seine Flügel breitet, die holen sich die Fische, die in die rauchenden Spalten kommen." f000148,1498.880,1501.600,"Fische, wiederholte Wienke." f000149,1501.600,1532.040,"Ja, Kind, das alles ist lebig, so wie wir; es gibt nichts anderes; aber der liebe Gott ist überall! Klein Wienke hatte ihre Augen fest auf den Boden gerichtet und hielt den Atem an; es war, als sähe sie erschrocken in einen Abgrund. Es war vielleicht nur so; der Vater blickte lange auf sie hin, er bückte sich und sah in ihr Gesichtlein; aber keine Regung der verschlossenen Seele wurde darin kund." f000150,1532.040,1538.600,"Er hob sie auf den Arm und steckte ihre verklommenen Händchen in einen seiner dicken Wollhandschuhe." f000151,1538.600,1547.120,"So, mein Wienke und das Kind vernahm wohl nicht den Ton von heftiger Innigkeit in seinen Worten , so, wärm dich bei mir!" f000152,1547.120,1549.880,"Du bist doch mein Kind, unser einziges." f000153,1549.880,1550.800,"Du hast uns lieb!" f000154,1550.800,1557.720,"Die Stimme brach dem Manne; aber die Kleine drückte zärtlich ihr Köpfchen in seinen rauhen Bart." f000155,1557.720,1560.400,"So gingen sie friedlich heimwärts." f000156,1560.400,1578.800,"Nach Neujahr war wieder einmal die Sorge in das Haus getreten; ein Marschfieber hatte den Deichgrafen ergriffen; auch mit ihm ging es nah am Rand der Grube her, und als er unter Frau Elkes Pfleg und Sorge wieder erstanden war, schien er kaum derselbe Mann." f000157,1578.800,1587.320,"Die Mattigkeit des Körpers lag auch auf seinem Geiste, und Elke sah mit Besorgnis, wie er allzeit leicht zufrieden war." f000158,1587.320,1621.720,"Dennoch, gegen Ende des März, drängte es ihn, seinen Schimmel zu besteigen und zum ersten Male wieder auf seinem Deich entlangzureiten; es war an einem Nachmittage, und die Sonne, die zuvor geschienen hatte, lag längst schon wieder hinter trübem Duft. Im Winter hatte es ein paarmal Hochwasser gegeben; aber es war nicht von Belang gewesen; nur drüben am andern Ufer war auf einer Hallig eine Herde Schafe ertrunken und ein Stück vom Vorland abgerissen worden; hier an dieser Seite und am neuen Kooge war ein nennenswerter Schaden nicht geschehen." f000159,1621.720,1630.440,"Aber in der letzten Nacht hatte ein stärkerer Sturm getobt, jetzt mußte der Deichgraf selbst hinaus und alles mit eigenem Aug besichtigen." f000160,1630.440,1663.000,"Schon war er unten von der Südostecke aus auf dem neuen Deich herumgeritten, und es war alles wohl erhalten; als er aber an die Nordostecke gekommen war, dort, wo der neue Deich auf den alten stößt, war zwar der erstere unversehrt, aber wo früher der Priel den alten erreicht hatte und an ihm entlanggeflossen war, sah er in großer Breite die Grasnarbe zerstört und fortgerissen und in dem Körper des Deiches eine von der Flut gewühlte Höhlung, durch welche überdies ein Gewirr von Mäusegängen bloßgelegt war." f000161,1663.000,1671.960,"Hauke stieg vom Pferde und besichtigte den Schaden in der Nähe: das Mäuseunheil schien unverkennbar noch unsichtbar weiter fortzulaufen." f000162,1671.960,1692.840,"Er erschrak heftig; gegen alles dieses hätte schon beim Bau des neuen Deiches Obacht genommen werden müssen; da es damals übersehen worden, so mußte es jetzt geschehen! Das Vieh war noch nicht auf den Fennen, das Gras war ungewohnt zurückgeblieben; wohin er blickte, es sah ihn leer und öde an." f000163,1692.840,1735.880,"Er bestieg wieder sein Pferd und ritt am Ufer hin und her: es war Ebbe, und er gewahrte wohl, wie der Strom von außen her sich wieder ein neues Bett im Schlick gewühlt hatte und jetzt von Nordwesten auf den alten Deich gestoßen war; der neue aber, soweit es ihn traf, hatte mit seinem sanfteren Profile dem Anprall widerstehen können. Ein Haufen neuer Plag und Arbeit erhob sich vor der Seele des Deichgrafen; nicht nur der alte Deich mußte hier verstärkt, auch dessen Profil dem des neuen angenähert werden; vor allem aber mußte der als gefährlich wieder aufgetretene Priel durch neuzulegende Dämme oder Lahnungen abgeleitet werden." f000164,1735.880,1751.760,"Noch einmal ritt er auf dem neuen Deich bis an die äußerste Nordwestecke, dann wieder rückwärts, die Augen unablässig auf das neugewühlte Bett des Priel heftend, der ihm zur Seite sich deutlich genug in dem bloßgelegten Schlickgrund abzeichnete." f000165,1751.760,1765.520,"Der Schimmel drängte vorwärts und schnob und schlug mit den Vorderhufen; aber der Reiter drückte ihn zurück, er wollte langsam reiten, er wollte auch die innere Unruhe bändigen, die immer wilder in ihm aufgor." f000166,1765.520,1778.880,"Wenn eine Sturmflut wiederkäme eine wie 1655 dagewesen, wo Gut und Menschen ungezählt verschlungen wurden , wenn sie wiederkäme, wie sie schon mehrmals einst gekommen war!" f000167,1778.880,1786.680,"Ein heißer Schauer überrieselte den Reiter der alte Deich, er würde den Stoß nicht aushalten, der gegen ihn heraufschösse!" f000168,1786.680,1790.040,"Was dann, was sollte dann geschehen?" f000169,1790.040,1796.800,"Nur eines, ein einziges Mittel würde es geben, um vielleicht den alten Koog und Gut und Leben darin zu retten." f000170,1796.800,1806.240,"Hauke fühlte sein Herz stillstehen, sein sonst so fester Kopf schwindelte; er sprach es nicht aus, aber in ihm sprach es stark genug:" f000171,1806.240,1811.880,"Dein Koog, der HaukeHaienKoog müßte preisgegeben und der neue Deich durchstochen werden!" f000172,1811.880,1820.960,"Schon sah er im Geist die stürzende Hochflut hereinbrechen und Gras und Klee mit ihrem salzen schäumenden Gischt bedecken." f000173,1820.960,1831.320,"Ein Sporenstich fuhr in die Weichen des Schimmels, und einen Schrei ausstoßend, flog er auf dem Deich entlang und dann den Akt hinab, der deichgräflichen Werfte zu." f000174,1831.320,1836.720,"Den Kopf voll von innerem Schrecknis und ungeordneten Plänen, kam er nach Hause." f000175,1836.720,1850.160,"Er warf sich in seinen Lehnstuhl, und als Elke mit der Tochter in das Zimmer trat, stand er wieder auf und hob das Kind zu sich empor und küßte es; dann jagte er das gelbe Hündlein mit ein paar leichten Schlägen von sich." f000176,1850.160,1858.960,"Ich muß noch einmal droben nach dem Krug! sagte er und nahm seine Mütze vom Türhaken, wohin er sie eben erst gehängt hatte." f000177,1858.960,1861.920,"Seine Frau sah ihn sorgvoll an:" f000178,1861.920,1863.240,"Was willst du dort?" f000179,1863.240,1871.200,"Es wird schon Abend, Hauke! Deichgeschichten! murmelte er vor sich hin, ich treffe von den Gevollmächtigten dort." f000180,1871.200,1877.560,"Sie ging ihm nach und drückte ihm die Hand, denn er war mit diesen Worten schon zur Tür hinaus." f000181,1877.560,1889.040,"Hauke Haien, der sonst alles bei sich selber abgeschlossen hatte, drängte es jetzt, ein Wort von jenen zu erhalten, die er sonst kaum eines Anteils wertgehalten hatte." f000182,1889.040,1896.120,"Im Gastzimmer traf er Ole Peters mit zweien der Gevollmächtigten und einem Koogseinwohner am Kartentisch." f000183,1896.120,1904.640,"Du kommst wohl von draußen, Deichgraf? sagte der erstere, nahm die halb ausgeteilten Karten auf und warf sie wieder hin." f000184,1904.640,1909.240,"Ja, Ole, erwiderte Hauke; ich war dort; es sieht übel aus." f000185,1909.240,1910.400,"Übel?" f000186,1910.400,1916.360,"Nun, ein paar hundert Soden und eine Bestickung wird's wohl kosten; ich war dort am Nachmittag." f000187,1916.360,1928.960,"So wohlfeil wird's nicht abgehen, Ole, erwiderte der Deichgraf, der Priel ist wieder da, und wenn er jetzt auch nicht von Norden auf den alten Deich stößt, so tut er's doch von Nordwesten!" f000188,1928.960,1934.800,"Du hättest ihn lassen sollen, wo du ihn fandest! sagte Ole trocken." f000189,1934.800,1942.640,"Das heißt, entgegnete Hauke, der neue Koog geht dich nichts an; und darum sollte er nicht existieren." f000190,1942.640,1944.360,"Das ist deine eigne Schuld!" f000191,1944.360,1951.680,"Aber wenn wir Lahnungen legen müssen, um den alten Deich zu schützen, der grüne Klee hinter dem neuen bringt das übermäßig ein!" f000192,1951.680,1957.080,"Was sagt Ihr, Deichgraf? riefen die Gevollmächtigten;" f000193,1957.080,1958.120,"Wie viele denn?" f000194,1958.120,1961.320,"Ihr liebt es, alles beim teuersten Ende anzufassen!" f000195,1961.320,1965.360,"Die Karten lagen unberührt auf dem Tisch." f000196,1965.360,1976.640,"Ich will's dir sagen, Deichgraf, sagte Ole Peters und stemmte beide Arme auf, dein neuer Koog ist ein fressend Werk, was du uns gestiftet hast!" f000197,1976.640,1990.040,"Noch laboriert alles an den schweren Kosten deiner breiten Deiche; nun frißt er uns auch den alten Deich, und wir sollen ihn verneuen! Zum Glück ist's nicht so schlimm; er hat diesmal gehalten und wird es auch noch ferner tun!" f000198,1990.040,1994.200,"Steig nur morgen wieder auf deinen Schimmel und sieh es dir noch einmal an!" f000199,1994.200,2024.080,"Hauke war aus dem Frieden seines Hauses hieher gekommen, hinter den immerhin noch gemäßigten Worten, die er eben hörte, lag er konnte es nicht verkennen ein zäher Widerstand; ihm war, als fehle ihm dagegen noch die alte Kraft. Ich will tun, wie du rätst, Ole, sprach er; nur fürcht ich, ich werd es finden, wie ich es heut gesehen habe. Eine unruhige Nacht folgte diesem Tage;" f000200,2024.080,2027.320,"Hauke wälzte sich schlaflos in seinen Kissen." f000201,2027.320,2132.240,"Was ist dir? frug ihn Elke, welche die Sorge um ihren Mann wach hielt; drückt dich etwas, so sprich es von dir; wir haben's ja immer so gehalten! Es hat nichts auf sich, Elke! erwiderte er, am Deiche, an den Schleusen ist was zu reparieren; du weißt, daß ich das allzeit nachts in mir zu verarbeiten habe. Weiter sagte er nichts; er wollte sich die Freiheit seines Handelns vorbehalten; ihm unbewußt, war die klare Einsicht und der kräftige Geist seines Weibes ihm in seiner augenblicklichen Schwäche ein Hindernis, dem er unwillkürlich auswich. Am folgenden Vormittag, als er wieder auf den Deich hinauskam, war die Welt eine andere, als wie er sie tags zuvor gefunden hatte; zwar war wieder hohl Ebbe, aber der Tag war noch im Steigen, und eine lichte Frühlingssonne ließ ihre Strahlen fast senkrecht auf die unabsehbaren Watten fallen; die weißen Möwen schwebten ruhig hin und wider, und unsichtbar über ihnen, hoch unter dem azurblauen Himmel, sangen die Lerchen ihre ewige Melodie. Hauke, der nicht wußte, wie uns die Natur mit ihrem Reiz betrügen kann, stand auf der Nordwestecke des Deiches und suchte nach dem neuen Bett des Priels, das ihn gestern so erschreckt hatte; aber bei dem vom Zenit herabschießenden Sonnenlicht fand er es anfänglich nicht einmal. Erst da er gegen die blendenden Strahlen seine Augen mit der Hand beschattete, konnte er es nicht verkennen; aber dennoch, die Schatten in der gestrigen Dämmerung mußten ihn getäuscht haben: es kennzeichnete sich jetzt nur schwach; die bloßgelegte Mäusewirtschaft mußte mehr als die Flut den Schaden in dem Deich veranlaßt haben." f000202,2132.240,2142.360,"Freilich, Wandel mußte hier geschafft werden, aber durch sorgfältiges Aufgraben und, wie Ole Peters gesagt hatte, durch frische Soden und einige Ruten" f000203,2142.360,2145.000,"Strohbestickung war der Schaden auszuheilen." f000204,2145.000,2153.160,"Es war so schlimm nicht, sprach er erleichtert zu sich selber, du bist gestern doch dein eigner Narr gewesen!" f000205,2153.160,2161.320,"Er berief die Gevollmächtigten, und die Arbeiten wurden ohne Widerspruch beschlossen, was bisher noch nie geschehen war." f000206,2161.320,2170.760,"Der Deichgraf meinte eine stärkende Ruhe in seinem noch geschwächten Körper sich verbreiten zu fühlen, und nach einigen Wochen war alles sauber ausgeführt." f000207,2170.760,2222.520,"Das Jahr ging weiter, aber je weiter es ging und je ungestörter die neugelegten Rasen durch die Strohdecke grünten, um so unruhiger ging oder ritt Hauke an dieser Stelle vorüber, er wandte die Augen ab, er ritt hart an der Binnenseite des Deiches, ein paarmal, wo er dort hätte vorübermüssen, ließ er sein schon gesatteltes Pferd wieder in den Stall zurückführen; dann wieder, wo er nichts dort zu tun hatte, wanderte er, um nur rasch und ungesehen von seiner Werfte fortzukommen, plötzlich und zu Fuß dahin; manchmal auch war er umgekehrt, er hatte es sich nicht zumuten können, die unheimliche Stelle aufs neue zu betrachten; und endlich, mit den Händen hätte er alles wieder aufreißen mögen, denn wie ein Gewissensbiß, der außer ihm Gestalt gewonnen hatte, lag dies Stück des Deiches ihm vor Augen." f000208,2222.520,2230.600,"Und doch, seine Hand konnte nicht mehr daran rühren; und niemandem, selbst nicht seinem Weibe, durfte er davon reden." f000209,2230.600,2262.360,"So war der September gekommen; nachts hatte ein mäßiger Sturm getobt und war zuletzt nach Nordwest umgesprungen. An trübem Vormittag danach, zur Ebbezeit, ritt Hauke auf den Deich hinaus, und es durchfuhr ihn, als er seine Augen über die Watten schweifen ließ; dort, von Nordwest herauf, sah er plötzlich wieder, und schärfer und tiefer ausgewühlt, das gespenstische neue Bett des Prieles; so sehr er seine Augen anstrengte, es wollte nicht mehr weichen." f000210,2262.360,2266.520,"Als er nach Hause kam, ergriff Elke seine Hand." f000211,2266.520,2278.800,"Was hast du, Hauke? sprach sie, als sie in sein düstres Antlitz sah; es ist doch kein neues Unheil? Wir sind jetzt so glücklich; mir ist, du hast nun Frieden mit ihnen allen!" f000212,2278.800,2285.480,"Diesen Worten gegenüber vermochte er seine verworrene Furcht nicht in Worten kundzugeben." f000213,2285.480,2294.640,"Nein, Elke, sagte er, mich feindet niemand an; es ist nur ein verantwortlich Amt, die Gemeinde vor unseres Herrgotts Meer zu schützen." f000214,2294.640,2301.120,"Er machte sich los, um weiteren Fragen des geliebten Weibes auszuweichen." f000215,2301.120,2307.600,"Er ging in Stall und Scheuer, als ob er alles revidieren müsse; aber er sah nichts um sich her;" f000216,2307.600,2317.320,"er war nur beflissen, seinen Gewissensbiß zur Ruhe, ihn sich selber als eine krankhaft übertriebene Angst zur Überzeugung zu bringen."