f000001,25.000,32.360,"Inzwischen war schon Ende März durch die Oberdeichgrafschaft der Befehl zur neuen Eindeichung eingetroffen." f000002,32.360,68.680,"Hauke berief zunächst die Deichgevollmächtigten zusammen, und im Kruge oben bei der Kirche waren eines Tages alle erschienen und hörten zu, wie er ihnen die Hauptpunkte aus den bisher erwachsenen Schriftstücken vorlas: aus seinem Antrage, aus dem Bericht des Oberdeichgrafen, zuletzt den schließlichen Bescheid, worin vor allem auch die Annahme des von ihm vorgeschlagenen Profiles enthalten war und der neue Deich nicht steil wie früher, sondern allmählich verlaufend nach der Seeseite abfallen sollte; aber mit heiteren oder auch nur zufriedenen Gesichtern hörten sie nicht." f000003,68.680,79.400,"Ja, ja, sagte ein alter Gevollmächtigter, da haben wir nun die Bescherung, und Proteste werden nicht helfen, da der Oberdeichgraf unserm Deichgrafen den Daumen hält!" f000004,79.400,98.800,"Hast wohl recht, Detlev Wiens, setzte ein zweiter hinzu; die Frühlingsarbeit steht vor der Tür, und nun soll auch ein millionenlanger Deich gemacht werden da muß ja alles liegenbleiben. Das könnt ihr dies Jahr noch zu Ende bringen, sagte Hauke; so rasch wird der Stecken nicht vom Zaun gebrochen!" f000005,98.800,100.640,"Das wollten wenige zugeben." f000006,100.640,110.720,"Aber dein Profil! sprach ein dritter, was Neues auf die Bahn bringend; der Deich wird ja auch an der Außenseite nach dem Wasser so breit, wie Lawrenz sein Kind nicht lang war!" f000007,110.720,112.800,"Wo soll das Material herkommen?" f000008,112.800,116.320,"Wann soll die Arbeit fertig werden?" f000009,116.320,123.160,"Wenn nicht in diesem, so im nächsten Jahre; das wird am meisten von uns selber abhängen! sagte Hauke." f000010,123.160,126.160,"Ein ärgerliches Lachen ging durch die Gesellschaft." f000011,126.160,253.160,"Aber wozu die unnütze Arbeit; der Deich soll ja nicht höher werden als der alte, rief eine neue Stimme; und ich mein, der steht schon über dreißig Jahre! Da sagt Ihr recht, sprach Hauke, vor dreißig Jahren ist der alte Deich gebrochen; dann rückwärts vor fünfunddreißig, und wiederum vor fünfundvierzig Jahren; seitdem aber, obgleich er noch immer steil und unvernünftig dasteht, haben die höchsten Fluten uns verschont. Der neue Deich aber soll trotz solcher hundert und aber hundert Jahre stehen; denn er wird nicht durchbrochen werden, weil der milde Abfall nach der Seeseite den Wellen keinen Angriffspunkt entgegenstellt, und so werdet ihr für euch und euere Kinder ein sicheres Land gewinnen, und das ist es, weshalb die Herrschaft und der Oberdeichgraf mir den Daumen halten; das ist es auch, was ihr zu eurem eigenen Vorteil einsehen solltet! Als die Versammelten hierauf nicht sogleich zu antworten bereit waren, erhob sich ein alter weißhaariger Mann mühsam von seinem Stuhle; es war Frau Elkes Pate, Jewe Manners, der auf Haukes Bitten noch immer in seinem Gevollmächtigtenamt verblieben war. Deichgraf Hauke Haien, sprach er, du machst uns viel Unruhe und Kosten, und ich wollte, du hättest damit gewartet, bis mich der Herrgott hätt zur Ruhe gehen lassen; aber recht hast du, das kann nur die Unvernunft bestreiten. Wir haben Gott mit jedem Tag zu danken, daß er uns trotz unserer Trägheit das kostbare Stück Vorland gegen Sturm und Wasserdrang erhalten hat; jetzt aber ist es wohl die elfte Stunde, in der wir selbst die Hand anlegen müssen, es auch nach all unserm Wissen und Können selber uns zu wahren und auf Gottes Langmut weiter nicht zu trotzen. Ich, meine Freunde, bin ein Greis; ich habe Deiche bauen und brechen sehen; aber den Deich, den Hauke Haien nach ihm von Gott verliehener Einsicht projektiert und bei der Herrschaft für euch durchgesetzt hat, den wird niemand von euch Lebenden brechen sehen, und wolltet ihr ihm selbst nicht danken, euere Enkel werden ihm den Ehrenkranz doch einstens nicht versagen können!" f000012,253.160,261.040,"Jewe Manners setzte sich wieder, er nahm sein blaues Schnupftuch aus der Tasche und wischte sich ein paar Tropfen von der Stirn." f000013,261.040,272.440,"Der Greis war noch immer als ein Mann von Tüchtigkeit und unantastbarer Rechtschaffenheit bekannt, und da die Versammlung eben nicht geneigt war, ihm zuzustimmen, so schwieg sie weiter." f000014,272.440,299.920,"Aber Hauke Haien nahm das Wort; doch sahen alle, daß er bleich geworden. Ich danke Euch, Jewe Manners, sprach er, daß Ihr noch hier seid und daß Ihr das Wort gesprochen habt; ihr andern Herren Gevollmächtigten wollet den neuen Deichbau, der freilich mir zur Last fällt, zum mindesten ansehen als ein Ding, das nun nicht mehr zu ändern steht, und lasset uns demgemäß beschließen, was nun not ist!" f000015,299.920,303.720,"Sprechet! sagte einer der Gevollmächtigten." f000016,303.720,308.680,"Und Hauke breitete die Karte des neuen Deiches auf dem Tische aus." f000017,308.680,313.440,"Es hat vorhin einer gefragt, begann er, Woher die viele Erde nehmen?" f000018,313.440,336.200,"Ihr seht, soweit das Vorland in die Watten hinausgeht, ist außerhalb der Deichlinie ein Streifen Landes frei gelassen; daher und von dem Vorlande, das nach Nord und Süd von dem neuen Kooge an dem Deiche hinläuft, können wir die Erde nehmen; haben wir an den Wasserseiten nur eine tüchtige Lage Klei, nach innen oder in der Mitte kann auch Sand genommen werden!" f000019,336.200,343.120,"Nun aber ist zunächst ein Feldmesser zu berufen, der die Linie des neuen Deiches auf dem Vorland absteckt!" f000020,343.120,348.920,"Der mir bei Ausarbeitung des Planes behülflich gewesen, wird wohl am besten dazu passen." f000021,348.920,374.560,"Ferner werden wir zur Heranholung des Kleis oder sonstigen Materiales die Anfertigung einspänniger Sturzkarren mit Gabeldeichsel bei einigen Stellmachern verdingen müssen; wir werden für die Durchdämmung des Prieles und nach den Binnenseiten, wo wir etwa mit Sand fürliebnehmen müssen, ich kann jetzt nicht sagen, wieviel hundert Fuder Stroh zur Bestickung des Deiches gebrauchen, vielleicht mehr, als in der Marsch hier wird entbehrlich sein!" f000022,374.560,388.360,"Lasset uns denn beraten, wie zunächst dies alles zu beschaffen und einzurichten ist, auch die neue Schleuse hier an der Westseite gegen das Wasser zu ist später einem tüchtigen Zimmermann zur Herstellung zu übergeben." f000023,388.360,401.040,"Die Versammelten hatten sich um den Tisch gestellt, betrachteten mit halbem Aug die Karte und begannen allgemach zu sprechen; doch war's, als geschähe es, damit nur überhaupt etwas gesprochen werde." f000024,401.040,406.000,"Als es sich um Zuziehung des Feldmessers handelte, meinte einer der Jüngeren:" f000025,406.000,408.720,"Ihr habt es ausgesonnen, Deichgraf;" f000026,408.720,412.680,"Ihr müsset selbst am besten wissen, wer dazu taugen mag." f000027,412.680,424.840,"Aber Hauke entgegnete: Da ihr Geschworene seid, so müsset ihr aus eigener, nicht aus meiner Meinung sprechen, Jakob Meyen; und wenn ihr's dann besser sagt, so werd ich meinen Vorschlag fallenlassen!" f000028,424.840,429.400,"Nun ja, es wird schon recht sein, sagte Jakob Meyen." f000029,429.400,443.200,"Aber einem der Älteren war es doch nicht völlig recht; er hatte einen Bruderssohn: so einer im Feldmessen sollte hier in der Marsch noch nicht gewesen sein, der sollte noch über des Deichgrafen Vater, den seligen Tede Haien, gehen!" f000030,443.200,449.440,"So wurde denn über die beiden Feldmesser verhandelt und endlich beschlossen, ihnen gemeinschaftlich das Werk zu übertragen." f000031,449.440,461.680,"Ähnlich ging es bei den Sturzkarren, bei der Strohlieferung und allem andern, und Hauke kam spät und fast erschöpft auf seinem Wallach, den er noch derzeit ritt, zu Hause an." f000032,461.680,471.040,"Aber als er in dem alten Lehnstuhl saß, der noch von seinem gewichtigen, aber leichter lebenden Vorgänger stammte, war auch sein Weib ihm schon zur Seite." f000033,471.040,477.200,"Du siehst so müd aus, Hauke, sprach sie und strich mit ihrer schmalen Hand das Haar ihm von der Stirn." f000034,477.200,479.960,"Ein wenig wohl! erwiderte er." f000035,479.960,481.520,"Und geht es denn?" f000036,481.520,489.520,"Es geht schon, sagte er mit bitterem Lächeln; aber ich selber muß die Räder schieben und froh sein, wenn sie nicht zurückgehalten werden!" f000037,489.520,491.320,"Aber doch nicht von allen?" f000038,491.320,534.240,"Nein, Elke; dein Pate, Jewe Manners, ist ein guter Mann; ich wollt, er wär um dreißig Jahre jünger. Als nach einigen Wochen die Deichlinie abgesteckt und der größte Teil der Sturzkarren geliefert war, waren sämtliche Anteilbesitzer des einzudeichenden Kooges, angleichen die Besitzer der hinter dem alten Deich belegenen Ländereien, durch den Deichgrafen im Kirchspielskrug versammelt worden; es galt, ihnen einen Plan über die Verteilung der Arbeit und Kosten vorzulegen und ihre etwaigen Einwendungen zu vernehmen; denn auch die letzteren hatten, sofern der neue Deich und die neuen Siele die Unterhaltungskosten der älteren Werke verminderten, ihren Teil zu schaffen und zu tragen." f000039,534.240,552.400,"Dieser Plan war für Hauke ein schwer Stück Arbeit gewesen, und wenn ihm durch Vermittelung des Oberdeichgrafen neben einem Deichboten nicht auch noch ein Deichschreiber wäre zugeordnet worden, er würde es so bald nicht fertiggebracht haben, obwohl auch jetzt wieder an jedem neuen Tage in die Nacht hinein gearbeitet war." f000040,552.400,629.880,"Wenn er dann todmüde sein Lager suchte, so hatte nicht wie vordem sein Weib in nur verstelltem Schlafe seiner gewartet; auch sie hatte so vollgemessen ihre tägliche Arbeit, daß sie nachts wie am Grunde eines tiefen Brunnens in unstörbarem Schlafe lag. Als Hauke jetzt seinen Plan verlesen und die Papiere, die freilich schon drei Tage hier im Kruge zur Einsicht ausgelegen hatten, wieder auf den Tisch breitete, waren zwar ernste Männer zugegen, die mit Ehrerbietung diesen gewissenhaften Fleiß betrachteten und sich nach ruhiger Überlegung den billigen Ansätzen ihres Deichgrafen unterwarfen; andere aber, deren Anteile an dem neuen Lande von ihnen selbst oder ihren Vätern oder sonstigen Vorbesitzern waren veräußert worden, beschwerten sich, daß sie zu den Kosten des neuen Kooges hinzugezogen seien, dessen Land sie nichts mehr angehe, uneingedenk, daß durch die neuen Arbeiten auch ihre alten Ländereien nach und nach entbürdet würden; und wieder andere, die mit Anteilen in dem neuen Koog gesegnet waren, schrien, man möge ihnen doch dieselben abnehmen, sie sollten um ein Geringes feil sein; denn wegen der unbilligen Leistungen, die ihnen dafür aufgebürdet würden, könnten sie nicht damit bestehen." f000041,629.880,639.200,"Ole Peters aber, der mit grimmigem Gesicht am Türpfosten lehnte, rief dazwischen: Besinnt euch erst und dann vertrauet unserm Deichgrafen!" f000042,639.200,651.480,"Der versteht zu rechnen; er hatte schon die meisten Anteile, da wußte er auch mir die meinen abzuhandeln, und als er sie hatte, beschloß er, diesen neuen Koog zu deichen!" f000043,651.480,655.480,"Es war nach diesen Worten einen Augenblick totenstill in der Versammlung." f000044,655.480,665.040,"Der Deichgraf stand an dem Tisch, auf dem er zuvor seine Papiere gebreitet hatte, er hob seinen Kopf und sah nach Ole Peters hinüber." f000045,665.040,677.800,"Du weißt wohl, Ole Peters, sprach er, daß du mich verleumdest; du tust es dennoch, weil du überdies auch weißt, daß doch ein gut Teil des Schmutzes, womit du mich bewirfst, an mir wird hängenbleiben!" f000046,677.800,705.240,"Die Wahrheit ist, daß du deine Anteile los sein wolltest und daß ich ihrer derzeit für meine Schafzucht bedurfte; und willst du Weiteres wissen, das ungewaschene Wort, das dir im Krug vom Mund gefahren, ich sei nur Deichgraf meines Weibes wegen, das hat mich aufgerüttelt, und ich hab euch zeigen wollen, daß ich wohl um meiner selbst willen Deichgraf sein könne; und somit, Ole Peters, hab ich getan, was schon der Deichgraf vor mir hätte tun sollen." f000047,705.240,717.960,"Trägst du mir aber Groll, daß derzeit deine Anteile die meinen geworden sind du hörst es ja, es sind genug, die jetzt die ihrigen um ein billiges feilbieten, nur weil die Arbeit ihnen jetzt zuviel ist!" f000048,717.960,726.440,"Von einem kleinen Teil der versammelten Männer ging ein Beifallsmurmeln aus, und der alte Jewe Manners, der dazwischenstand, rief laut: Bravo, Hauke Haien!" f000049,726.440,730.040,"Unser Herrgott wird dir dein Werk gelingen lassen!" f000050,730.040,745.800,"Aber man kam doch nicht zu Ende, obgleich Ole Peters schwieg und die Leute erst zum Abendbrote auseinandergingen; erst in einer zweiten Versammlung wurde alles geordnet; aber auch nur, nachdem Hauke statt der ihm zukommenden drei Gespanne für den nächsten Monat deren vier auf sich genommen hatte." f000051,745.800,758.480,"Endlich, als schon die Pfingstglocken durch das Land läuteten, hatte die Arbeit begonnen." f000052,758.480,835.680,"Unablässig fuhren die Sturzkarren von dem Vorlande an die Deichlinie, um den geholten Klei dort abzustürzen, und gleicherweise war dieselbe Anzahl schon wieder auf der Rückfahrt, um auf dem Vorland neuen aufzuladen; an der Deichlinie selber standen Männer mit Schaufeln und Spaten, um das Abgeworfene an seinen Platz zu bringen und zu ebnen; ungeheuere Fuder Stroh wurden angefahren und abgeladen; nicht nur zur Bedeckung des leichteren Materials, wie Sand und lose Erde, dessen man an den Binnenseiten sich bediente, wurde das Stroh benutzt; allmählich wurden einzelne Strecken des Deiches fertig, und die Grassoden, womit man sie belegt hatte, wurden stellenweis zum Schutz gegen die nagenden Wellen mit fester Strohbestickung überzogen. Bestellte Aufseher gingen hin und her, und wenn es stürmte, standen sie mit aufgerissenen Mäulern und schrien ihre Befehle durch Wind und Wetter; dazwischen ritt der Deichgraf auf seinem Schimmel, den er jetzt ausschließlich in Gebrauch hatte, und das Tier flog mit dem Reiter hin und wider, wenn er rasch und trocken seine Anordnungen machte, wenn er die Arbeiter lobte oder, wie es wohl geschah, einen Faulen oder Ungeschickten ohn Erbarmen aus der Arbeit wies. Das hilft nicht! rief er dann; um deine Faulheit darf uns nicht der Deich verderben!" f000053,835.680,847.040,"Schon von weitem, wenn er unten aus dem Koog heraufkam, hörten sie das Schnauben seines Rosses, und alle Hände faßten fester in die Arbeit: Frisch zu!" f000054,847.040,849.960,"Der Schimmelreiter kommt!" f000055,849.960,864.280,"War es um die Frühstückszeit, wo die Arbeiter mit ihrem Morgenbrot haufenweis beisammen auf der Erde lagen, dann ritt Hauke an den verlassenen Werken entlang, und seine Augen waren scharf, wo liederliche Hände den Spaten geführt hatten." f000056,864.280,879.800,"Wenn er aber zu den Leuten ritt und ihnen auseinandersetzte, wie die Arbeit müsse beschafft werden, sahen sie wohl zu ihm auf und kauten geduldig an ihrem Brote weiter; aber eine Zustimmung oder auch nur eine Äußerung hörte er nicht von ihnen." f000057,879.800,901.920,"Einmal zu solcher Tageszeit, es war schon spät, da er an einer Deichstelle die Arbeit in besonderer Ordnung gefunden hatte, ritt er zu dem nächsten Haufen der Frühstückenden, sprang von seinem Schimmel und frug heiter, wer dort so sauberes Tagewerk verrichtet hätte, aber sie sahen ihn nur scheu und düster an, und nur langsam und wie widerwillig wurden ein paar Namen genannt." f000058,901.920,917.000,"Der Mensch, dem er sein Pferd gegeben hatte, das ruhig wie ein Lamm stand, hielt es mit beiden Händen und blickte wie angstvoll nach den schönen Augen des Tieres, die es, wie gewöhnlich, auf seinen Herrn gerichtet hielt." f000059,917.000,922.040,"Nun, Marten! rief Hauke; was stehst du, als ob dir der Donner in die Beine gefahren sei?" f000060,922.040,928.280,"Herr, Euer Pferd, es ist so ruhig, als ob es Böses vorhabe!" f000061,928.280,935.240,"Hauke lachte und nahm das Pferd selbst am Zügel, das sogleich liebkosend den Kopf an seiner Schulter rieb." f000062,935.240,955.840,"Von den Arbeitern sahen einige scheu zu Roß und Reiter hinüber, andere, als ob das alles sie nicht kümmere, aßen schweigend ihre Frühkost, dann und wann den Möwen einen Brocken hinaufwerfend, die sich den Futterplatz gemerkt hatten und mit ihren schlanken Flügeln sich fast auf ihre Köpfe senkten." f000063,955.840,974.640,"Der Deichgraf blickte eine Weile wie gedankenlos auf die bettelnden Vögel und wie sie die zugeworfenen Bissen mit ihren Schnäbeln haschten; dann sprang er in den Sattel und ritt, ohne sich nach den Leuten umzusehen, davon; einige Worte, die jetzt unter ihnen laut wurden, klangen ihm fast wie Hohn." f000064,974.640,977.760,"Was ist das? sprach er bei sich selber." f000065,977.760,980.960,"Hatte denn Elke recht, daß sie alle gegen mich sind?" f000066,980.960,987.360,"Auch diese Knechte und kleinen Leute, von denen vielen durch meinen neuen Deich doch eine Wohlhabenheit ins Haus wächst?" f000067,987.360,992.520,"Er gab seinem Pferde die Sporen, daß es wie toll in den Koog hinabflog." f000068,992.520,1040.480,"Von dem unheimlichen Glanze freilich, mit dem sein früherer Dienstjunge den Schimmelreiter bekleidet hatte, wußte er selber nichts; aber die Leute hätten ihn jetzt nur sehen sollen, wie aus seinem hageren Gesicht die Augen starrten, wie sein Mantel flog und wie der Schimmel sprühte! So war der Sommer und der Herbst vergangen; noch bis gegen Ende November war gearbeitet worden, dann geboten Frost und Schnee dem Werke Halt; man war nicht fertig geworden und beschloß, den Koog offen liegenzulassen. Acht Fuß ragte der Deich aus der Fläche hervor; nur wo westwärts gegen das Wasser hin die Schleuse gelegt werden sollte, hatte man eine Lücke gelassen; auch oben vor dem alten Deiche war der Priel noch unberührt." f000069,1040.480,1049.720,"So konnte die Flut, wie in den letzten dreißig Jahren, in den Koog hineindringen, ohne dort oder an dem neuen Deiche großen Schaden anzurichten." f000070,1049.720,1057.840,"Und so überließ man dem großen Gott das Werk der Menschenhände und stellte es in seinen Schutz, bis die Frühlingssonne die Vollendung würde möglich machen." f000071,1057.840,1068.240,"Inzwischen hatte im Hause des Deichgrafen sich ein frohes Ereignis vorbereitet: im neunten Ehejahr war noch ein Kind geboren worden." f000072,1068.240,1082.840,"Es war rot und hutzelig und wog seine sieben Pfund, wie es für neugeborene Kinder sich gebührt, wenn sie, wie dies, dem weiblichen Geschlechte angehören; nur sein Geschrei war wunderlich verhohlen und hatte der Wehmutter nicht gefallen wollen." f000073,1082.840,1093.400,"Das Schlimmste war: am dritten Tage lag Elke im hellen Kindbettfieber, redete Irrsal und kannte weder ihren Mann noch ihre alte Helferin." f000074,1093.400,1107.000,"Die unbändige Freude, die Hauke beim Anblick seines Kindes ergriffen hatte, war zu Trübsal geworden; der Arzt aus der Stadt war geholt, er saß am Bett und fühlte den Puls und verschrieb und sah ratlos um sich her." f000075,1107.000,1110.000,"Hauke schüttelte den Kopf." f000076,1110.000,1111.800,"Der hilft nicht; nur Gott kann helfen!" f000077,1111.800,1119.520,"Er hatte sich sein eigen Christentum zurechtgerechnet, aber es war etwas, das sein Gebet zurückhielt." f000078,1119.520,1139.360,"Als der alte Doktor davongefahren war, stand er am Fenster, in den winterlichen Tag hinausstarrend, und während die Kranke aus ihren Phantasien aufschrie, schränkte er die Hände zusammen; er wußte selber nicht, war es aus Andacht oder war es nur, um in der ungeheueren Angst sich selbst nicht zu verlieren." f000079,1139.360,1145.960,"Das Wasser! wimmerte die Kranke." f000080,1145.960,1151.520,"Halt mich! schrie sie; halt mich, Hauke! Dann sank die Stimme; es klang, als ob sie weine:" f000081,1151.520,1154.120,"In See, ins Haff hinaus?" f000082,1154.120,1156.880,"O lieber Gott, ich seh ihn nimmer wieder!" f000083,1156.880,1165.960,"Da wandte er sich und schob die Wärterin von ihrem Bette; er fiel auf seine Knie, umfaßte sein Weib und riß sie an sich:" f000084,1165.960,1166.880,"Elke!" f000085,1166.880,1170.680,"Elke, so kenn mich doch, ich bin ja bei dir!" f000086,1170.680,1176.160,"Aber sie öffnete nur die fieberglühenden Augen weit und sah wie rettungslos verloren um sich." f000087,1176.160,1185.800,"Er legte sie zurück auf ihre Kissen; dann krampfte er die Hände ineinander. Herr, mein Gott, schrie er; nimm sie mir nicht!" f000088,1185.800,1189.480,"Du weißt, ich kann sie nicht entbehren!" f000089,1189.480,1194.160,"Dann war's, als ob er sich besinne, und leiser setzte er hinzu:" f000090,1194.160,1200.800,"Ich weiß ja wohl, du kannst nicht allezeit, wie du willst, auch du nicht; du bist allweise; du mußt nach deiner Weisheit tun o du mußt nach deiner Weisheit tun o" f000091,1200.800,1202.600,"du mußt nach deiner Weisheit tun o" f000092,1202.600,1207.440,"Herr, sprich nur durch einen Hauch zu mir!" f000093,1207.440,1220.000,"Es war, als ob plötzlich eine Stille eingetreten sei; er hörte nur ein leises Atmen; als er sich zum Bette kehrte, lag sein Weib in ruhigem Schlaf, nur die Wärterin sah mit entsetzten Augen auf ihn." f000094,1220.000,1222.120,"Er hörte die Tür gehen." f000095,1222.120,1225.640,"Wer war das? frug er." f000096,1225.640,1229.920,"Herr, die Magd Ann Grete ging hinaus; sie hatte den Warmkorb hereingebracht." f000097,1229.920,1233.320,"Was sieht Sie mich denn so verfahren an, Frau Levke?" f000098,1233.320,1235.240,"Ich?" f000099,1235.240,1239.520,"Ich hab mich ob Eurem Gebet erschrocken; damit betet Ihr keinen vom Tode los!" f000100,1239.520,1243.800,"Hauke sah sie mit seinen durchdringenden Augen an:" f000101,1243.800,1251.240,"Besucht Sie denn auch, wie unsere Ann Grete, die Konventikel bei dem holländischen Flickschneider Jantje?" f000102,1251.240,1253.600,"Ja, Herr; wir haben beide den lebendigen Glauben!" f000103,1253.600,1257.520,"Hauke antwortete ihr nicht." f000104,1257.520,1280.280,"Das damals stark im Schwange gehende separatistische Konventikelwesen hatte auch unter den Friesen seine Blüten getrieben; heruntergekommene Handwerker oder wegen Trunkes abgesetzte Schulmeister spielten darin die Hauptrolle, und Dirnen, junge und alte Weiber, Faulenzer und einsame Menschen liefen eifrig in die heimlichen Versammlungen, in denen jeder den Priester spielen konnte." f000105,1280.280,1288.000,"Aus des Deichgrafen Hause brachten Ann Grete und der in sie verliebte Dienstjunge ihre freien Abende dort zu." f000106,1288.000,1302.040,"Freilich hatte Elke ihre Bedenken darüber gegen Hauke nicht zurückgehalten; aber er hatte gemeint, in Glaubenssachen solle man keinem dreinreden: das schade niemandem, und besser dort doch als im Schnapskrug!" f000107,1302.040,1307.280,"So war es dabei geblieben, und so hatte er auch jetzt geschwiegen." f000108,1307.280,1334.040,"Aber freilich über ihn schwieg man nicht; seine Gebetsworte liefen um von Haus zu Haus: er hatte Gottes Allmacht bestritten; was war ein Gott denn ohne Allmacht? Er war ein Gottesleugner; die Sache mit dem Teufelspferde mochte auch am Ende richtig sein! Hauke erfuhr nichts davon; er hatte in diesen Tagen nur Ohren und Augen für sein Weib, selbst das Kind war für ihn nicht mehr auf der Welt." f000109,1334.040,1346.320,"Der alte Arzt kam wieder, kam jeden Tag, mitunter zweimal, blieb dann eine ganze Nacht, schrieb wieder ein Rezept, und der Knecht Iven Johns ritt damit im Flug zur Apotheke." f000110,1346.320,1353.280,"Dann aber wurde sein Gesicht freundlicher, er nickte dem Deichgrafen vertraulich zu:" f000111,1353.280,1354.360,"Es geht!" f000112,1354.360,1357.040,"Mit Gottes Hülfe!" f000113,1357.040,1370.760,"Und eines Tags hatte nun seine Kunst die Krankheit besiegt, oder hatte auf Haukes Gebet der liebe Gott doch noch einen Ausweg finden können , als der Doktor mit der Kranken allein war, sprach er zu ihr, und seine alten Augen lachten:" f000114,1370.760,1382.640,"Frau, jetzt kann ich's getrost Euch sagen: heut hat der Doktor seinen Festtag; es stand schlimm um Euch, aber nun gehöret Ihr wieder zu uns, zu den Lebendigen!" f000115,1382.640,1387.120,"Da brach es wie ein Strahlenmeer aus ihren dunklen Augen." f000116,1387.120,1396.760,"Hauke, wo bist du? rief sie, und als er auf den hellen Ruf ins Zimmer und an ihr Bett stürzte, schlug sie die Arme um seinen Nacken." f000117,1396.760,1400.200,"Hauke, mein Mann, gerettet!" f000118,1400.200,1401.080,"Ich bleibe bei dir!" f000119,1401.080,1410.640,"Da zog der alte Doktor sein seiden Schnupftuch aus der Tasche, fuhr sich damit über Stirn und Wangen und ging kopfnickend aus dem Zimmer." f000120,1410.640,1427.880,"Am dritten Abend nach diesem Tage sprach ein frommer Redner es war ein vom Deichgrafen aus der Arbeit gejagter Pantoffelmacher im Konventikel bei dem holländischen Schneider, da er seinen Zuhörern die Eigenschaften Gottes auseinandersetzte:" f000121,1427.880,1448.440,"Wer aber Gottes Allmacht widerstreitet, wer da sagt: ich weiß, du kannst nicht, was du willst wir kennen den Unglückseligen ja alle; er lastet gleich einem Stein auf der Gemeinde , der ist von Gott gefallen und suchet den Feind Gottes, den Freund der Sünde, zu seinem Tröster; denn nach irgendeinem Stabe muß die Hand des Menschen greifen. Ihr aber, hütet euch vor dem, der also betet; sein Gebet ist Fluch! er lastet gleich einem Stein auf der Gemeinde , der ist von Gott gefallen und suchet den Feind Gottes, den Freund der Sünde, zu seinem Tröster; denn nach irgendeinem Stabe muß die Hand des Menschen greifen. Ihr aber, hütet euch vor dem, der also betet; sein Gebet ist Fluch!" f000122,1448.440,1455.560,"er lastet gleich einem Stein auf der Gemeinde , der ist von Gott gefallen und suchet den Feind Gottes, den Freund der Sünde, zu seinem Tröster; denn nach irgendeinem Stabe muß die Hand des Menschen greifen. Ihr aber, hütet euch vor dem, der also betet; sein Gebet ist Fluch!" f000123,1455.560,1459.480,"Auch das lief um von Haus zu Haus." f000124,1459.480,1462.200,"Was läuft nicht um in einer kleinen Gemeinde?" f000125,1462.200,1464.760,"Und auch zu Haukes Ohren kam es." f000126,1464.760,1472.520,"Er sprach kein Wort darüber, nicht einmal zu seinem Weibe; nur mitunter konnte er sie heftig umfassen und an sich ziehen:" f000127,1472.520,1474.240,"Bleib mir treu, Elke!" f000128,1474.240,1475.200,"Bleib mir treu!" f000129,1475.200,1478.640,"Dann sahen ihre Augen voll Staunen zu ihm auf." f000130,1478.640,1479.480,"Dir treu?" f000131,1479.480,1481.840,"Wem sollte ich denn anders treu sein?" f000132,1481.840,1486.240,"Nach einer kurzen Weile aber hatte sie sein Wort verstanden." f000133,1486.240,1492.680,"Ja, Hauke, wir sind uns treu; nicht nur, weil wir uns brauchen." f000134,1492.680,1494.240,"Und dann ging jedes seinen Arbeitsweg." f000135,1494.240,1555.560,"Das wäre soweit gut gewesen; aber es war doch trotz aller lebendigen Arbeit eine Einsamkeit um ihn, und in seinem Herzen nistete sich ein Trotz und abgeschlossenes Wesen gegen andere Menschen ein; nur gegen sein Weib blieb er allezeit der gleiche, und an der Wiege seines Kindes lag er abends und morgens auf den Knien, als sei dort die Stätte seines ewigen Heils. Gegen Gesinde und Arbeiter aber wurde er strenger; die Ungeschickten und Fahrlässigen, die er früher durch ruhigen Tadel zurechtgewiesen hatte, wurden jetzt durch hartes Anfahren aufgeschreckt, und Elke ging mitunter leise bessern. Als der Frühling nahte, begannen wieder die Deicharbeiten; mit einem Kajedeich wurde zum Schutz der jetzt aufzubauenden neuen Schleuse die Lücke in der westlichen Deichlinie geschlossen, halbmondförmig nach innen und ebenso nach außen; und gleich der Schleuse wuchs allmählich auch der Hauptdeich zu seiner immer rascher herzustellenden Höhe empor." f000136,1555.560,1567.520,"Leichter wurde dem leitenden Deichgrafen seine Arbeit nicht, denn an Stelle des im Winter verstorbenen Jewe Manners war Ole Peters als Deichgevollmächtigter eingetreten." f000137,1567.520,1637.080,"Hauke hatte nicht versuchen wollen, es zu hindern; aber anstatt der ermutigenden Worte und der dazugehörigen zutunlichen Schläge auf seine linke Schulter, die er so oft von dem alten Paten seines Weibes einkassiert hatte, kamen ihm jetzt von dem Nachfolger ein heimliches Widerhalten und unnötige Einwände und waren mit unnötigen Gründen zu bekämpfen; denn Ole gehörte zwar zu den Wichtigen, aber in Deichsachen nicht zu den Klugen; auch war von früher her der Schreiberknecht ihm immer noch im Wege. Der glänzendste Himmel breitete sich wieder über Meer und Marsch, und der Koog wurde wieder bunt von starken Rindern, deren Gebrüll von Zeit zu Zeit die weite Stille unterbrach; unablässig sangen in hoher Himmelsluft die Lerchen, aber man hörte es erst, wenn einmal auf eines Atemzuges Länge der Gesang verstummt war. Kein Unwetter störte die Arbeit, und die Schleuse stand schon mit ihrem ungestrichenen Balkengefüge, ohne daß auch nur in einer Nacht sie eines Schutzes von dem Interimsdeich bedurft hätte; der Herrgott schien seine Gunst dem neuen Werke zuzuwenden." f000138,1637.080,1642.840,"Auch Frau Elkes Augen lachten ihrem Manne zu, wenn er auf seinem Schimmel draußen von dem Deich nach Hause kam." f000139,1642.840,1649.960,"Bist doch ein braves Tier geworden! sagte sie dann und klopfte den blanken Hals des Pferdes." f000140,1649.960,1666.680,"Hauke aber, wenn sie das Kind am Halse hatte, sprang herab und ließ das winzige Dinglein auf seinen Armen tanzen; wenn dann der Schimmel seine braunen Augen auf das Kind gerichtet hielt, dann sprach er wohl: Komm her; sollst auch die Ehre haben!" f000141,1666.680,1674.400,"Und er setzte die kleine Wienke denn so war sie getauft worden auf seinen Sattel und führte den Schimmel auf der Werft im Kreise herum." f000142,1674.400,1714.120,"Auch der alte Eschenbaum hatte mitunter die Ehre; er setzte das Kind auf einen schwanken Ast und ließ es schaukeln. Die Mutter stand mit lachenden Augen in der Haustür; das Kind aber lachte nicht, seine Augen, zwischen denen ein feines Näschen stand, schauten ein wenig stumpf ins Weite, und die kleinen Hände griffen nicht nach dem Stöckchen, das der Vater ihr hinhielt. Hauke achtete nicht darauf, er wußte auch nichts von so kleinen Kindern; nur Elke, wenn sie das helläugige Mädchen auf dem Arm ihrer Arbeitsfrau erblickte, die mit ihr zugleich das Wochenbett bestanden hatte, sagte mitunter schmerzlich:" f000143,1714.120,1717.200,"Das Meine ist noch nicht so weit wie deines, Stina!" f000144,1717.200,1723.400,"Und die Frau, ihren dicken Jungen, den sie an der Hand hatte, mit derber Liebe schüttelnd, rief dann wohl:" f000145,1723.400,1730.880,"Ja, Frau, die Kinder sind verschieden; der da, der stahl mir schon die Äpfel aus der Kammer, bevor er übers zweite Jahr hinaus war!" f000146,1730.880,1738.280,"Und Elke strich dem dicken Buben sein Kraushaar aus den Augen und drückte dann heimlich ihr stilles Kind ans Herz." f000147,1738.280,1758.800,"Als es in den Oktober hineinging, stand an der Westseite die neue Schleuse schon fest in dem von beiden Seiten schließenden Hauptdeich, der bis auf die Lücken bei dem Priele nun mit seinem sanften Profile ringsum nach den Wasserseiten abfiel und um fünfzehn Fuß die ordinäre Flut überragte." f000148,1758.800,1775.440,"Von seiner Nordwestecke sah man an Jevershallig vorbei ungehindert in das Wattenmeer hinaus; aber freilich auch die Winde faßten hier schärfer; die Haare flogen, und wer hier ausschauen wollte, der mußte die Mütze fest auf dem Kopf haben." f000149,1775.440,1789.640,"Zu Ende November, wo Sturm und Regen eingefallen waren, blieb nur noch hart am alten Deich die Schlucht zu schließen, auf deren Grund an der Nordseite das Meerwasser durch den Priel in den neuen Koog hineinschoß." f000150,1789.640,1806.440,"Zu beiden Seiten standen die Wände des Deiches; der Abgrund zwischen ihnen mußte jetzt verschwinden. Ein trocken Sommerwetter hätte die Arbeit wohl erleichtert; aber auch so mußte sie getan werden, denn ein aufbrechender Sturm konnte das ganze Werk gefährden." f000151,1806.440,1811.160,"Und Hauke setzte alles daran, um jetzt den Schluß herbeizuführen." f000152,1811.160,1826.120,"Der Regen strömte, der Wind pfiff, aber seine hagere Gestalt auf dem feurigen Schimmel tauchte bald hier, bald dort aus den schwarzen Menschenmassen empor, die oben wie unten an der Nordseite des Deiches neben der Schlucht beschäftigt waren." f000153,1826.120,1838.560,"Jetzt sah man ihn unten bei den Sturzkarren, die schon weither die Kleierde aus dem Vorlande holen mußten und von denen eben ein gedrängter Haufen bei dem Priele anlangte und seine Last dort abzuwerfen suchte." f000154,1838.560,1866.680,"Durch das Geklatsch des Regens und das Brausen des Windes klangen von Zeit zu Zeit die scharfen Befehlsworte des Deichgrafen, der heute hier allein gebieten wollte; er rief die Karren nach den Nummern vor und wies die Drängenden zurück; ein Halt! schon von seinem Munde, dann ruhte unten die Arbeit; Stroh! ein Fuder Stroh hinab! rief er denen droben zu, und von einem der oben haltenden Fuder stürzte es auf den nassen Klei hinunter." f000155,1866.680,1873.960,"Unten sprangen Männer dazwischen und zerrten es auseinander und schrien nach oben, sie nur nicht zu begraben." f000156,1873.960,1908.400,"Und wieder kamen neue Karren, und Hauke war schon wieder oben und sah von seinem Schimmel in die Schlucht hinab und wie sie dort schaufelten und stürzten; dann warf er seine Augen nach dem Haff hinaus. Es wehte scharf, und er sah, wie mehr und mehr der Wassersaum am Deich hinaufklimmte und wie die Wellen sich noch höher hoben; er sah auch, wie die Leute trieften und kaum atmen konnten in der schweren Arbeit vor dem Winde, der ihnen die Luft am Munde abschnitt, und vor dem kalten Regen, der sie überströmte." f000157,1908.400,1913.040,"Ausgehalten, Leute! Ausgehalten! schrie er zu ihnen hinab." f000158,1913.040,1954.840,"Nur einen Fuß noch höher; dann ist's genug für diese Flut! Und durch alles Getöse des Wetters hörte man das Geräusch der Arbeiter; das Klatschen der hineingestürzten Kleimassen, das Rasseln der Karren und das Rauschen des von oben hinabgelassenen Strohes ging unaufhaltsam vorwärts; dazwischen war mitunter das Winseln eines gelben Hundes laut geworden, der frierend und wie verloren zwischen Menschen und Fuhrwerken herumgestoßen wurde; plötzlich aber scholl ein jammervoller Schrei des kleinen Tieres von unten aus der Schlucht herauf. Hauke blickte hinab; er hatte es von oben hinunterschleudern sehen; eine jähe Zornröte stieg ihm ins Gesicht." f000159,1954.840,1973.000,"Haltet ein! schrie er zu den Karren hinunter; denn der nasse Klei wurde unaufhaltsam aufgeschüttet. Warum? schrie eine rauhe Stimme von unten herauf; doch um die elende Hundekreatur nicht? sag ich, schrie Hauke wieder; bringt mir den Hund!" f000160,1973.000,1975.680,"Bei unserm Werke soll kein Frevel sein!" f000161,1975.680,1983.720,"Aber es rührte sich keine Hand; nur ein paar Spaten zähen Kleis flogen noch neben das schreiende Tier." f000162,1983.720,1992.280,"Da gab er seinem Schimmel die Sporen, daß das Tier einen Schrei ausstieß, und stürmte den Deich hinab, und alles wich vor ihm zurück." f000163,1992.280,2023.960,"Den Hund! schrie er; ich will den Hund! Eine Hand schlug sanft auf seine Schulter, als wäre es die Hand des alten Jewe Manners; doch als er umsah, war es nur ein Freund des Alten. Nehmt Euch in acht, Deichgraf! raunte der ihm zu, Ihr habt nicht Freunde unter diesen Leuten; laßt es mit dem Hunde gehen! Der Wind pfiff, der Regen klatschte; die Leute hatten die Spaten in den Grund gesteckt, einige sie fortgeworfen." f000164,2023.960,2026.800,"Hauke neigte sich zu dem Alten." f000165,2026.800,2046.040,"Wollt ihr meinen Schimmel halten, Harke Jens? frug er; und als jener noch kaum den Zügel in der Hand hatte, war Hauke schon in die Kluft gesprungen und hielt das kleine winselnde Tier in seinem Arm; und fast im selben Augenblick saß er auch wieder hoch im Sattel und sprengte auf den Deich zurück." f000166,2046.040,2050.360,"Seine Augen flogen über die Männer, die bei den Wagen standen." f000167,2050.360,2052.640,"Wer war es? rief er." f000168,2052.640,2054.840,"Wer hat die Kreatur hinabgeworfen?" f000169,2054.840,2064.520,"Einen Augenblick schwieg alles, denn aus dem hageren Gesicht des Deichgrafen sprühte der Zorn, und sie hatten abergläubische Furcht vor ihm." f000170,2064.520,2069.320,"Da trat von einem Fuhrwerk ein stiernackiger Kerl vor ihn hin." f000171,2069.320,2085.040,"Ich tat es nicht, Deichgraf, sagte er und biß von einer Rolle Kautabak ein Endchen ab, das er sich erst ruhig in den Mund schob; aber der es tat, hat recht getan; soll Euer Deich sich halten, so muß was Lebiges hinein!" f000172,2085.040,2086.920,"Was Lebiges?" f000173,2086.920,2090.040,"Aus welchem Katechismus hast du das gelernt?" f000174,2090.040,2108.680,"Aus keinem, Herr! entgegnete der Kerl, und aus seiner Kehle stieß ein freches Lachen; das haben unsere Großväter schon gewußt, die sich mit Euch im Christentum wohl messen durften! Ein Kind ist besser noch; wenn das nicht da ist, tut's auch ein Hund!" f000175,2108.680,2116.160,"Schweig du mit deinen Heidenlehren, schrie ihn Hauke an, es stopfte besser, wenn man dich hineinwürfe." f000176,2116.160,2165.120,"Oho! erscholl es; aus einem Dutzend Kehlen war der Laut gekommen, und der Deichgraf gewahrte ringsum grimmige Gesichter und geballte Fäuste; er sah wohl, daß das keine Freunde waren; der Gedanke an seinen Deich überfiel ihn wie ein Schrecken: was sollte werden, wenn jetzt alle ihre Spaten hinwürfen? Und als er nun den Blick nach unten richtete, sah er wieder den Freund des alten Jewe Manners; der ging dort zwischen den Arbeitern, sprach zu dem und jenem, lachte hier einem zu, klopfte dort mit freundlichem Gesicht einem auf die Schulter, und einer nach dem anderen faßte wieder seinen Spaten; noch einige Augenblicke, und die Arbeit war wieder in vollem Gange." f000177,2165.120,2167.400,"Was wollte er denn noch?" f000178,2167.400,2173.880,"Der Priel mußte geschlossen werden, und den Hund barg er sicher genug in den Falten seines Mantels." f000179,2173.880,2178.840,"Mit plötzlichem Entschluß wandte er seinen Schimmel gegen des nächsten Wagen." f000180,2178.840,2215.520,"Stroh auf die Kante! rief er herrisch, und wie mechanisch gehorchte ihm der Fuhrknecht; bald rauschte es hinab in die Tiefe, und von allen Seiten regte es sich aufs neue und mit allen Armen. Eine Stunde wurde noch so gearbeitet; es war nach sechs Uhr, und schon brach tiefe Dämmerung herein, der Regen hatte aufgehört, da rief Hauke die Aufseher an sein Pferd. Morgen früh vier Uhr, sagte er, ist alles wieder auf dem Platz; der Mond wird noch am Himmel sein; da machen wir mit Gott den Schluß!" f000181,2215.520,2223.520,"Und dann noch eines! rief er, als sie gehen wollten; kennt ihr den Hund?, und er nahm das zitternde Tier aus seinem Mantel." f000182,2223.520,2230.960,"Sie verneinten das; nur einer sagte: Der hat sich taglang schon im Dorf herumgebettelt; der gehört gar keinem!" f000183,2230.960,2235.080,"Dann ist er mein! entgegnete der Deichgraf." f000184,2235.080,2239.920,"Vergesset nicht: morgen früh vier Uhr! und ritt davon." f000185,2239.920,2251.280,"Als er heimkam, trat Ann Grete aus der Tür: sie hatte saubere Kleidung an, und es fuhr ihm durch den Kopf, sie gehe jetzt zum Konventikelschneider." f000186,2251.280,2260.760,"Halt die Schürze auf! rief er ihr zu, und da sie es unwillkürlich tat, warf er das kleibeschmutzte Hündlein ihr hinein." f000187,2260.760,2272.480,"Bring ihn der kleinen Wienke; er soll ihr Spielkamerad werden! Aber wasch und wärm ihn zuvor; so tust du auch ein gottgefällig Werk, denn die Kreatur ist schier verklommen." f000188,2272.480,2281.800,"Und Ann Grete konnte nicht lassen, ihrem Wirt Gehorsam zu leisten, und kam deshalb heute nicht in den Konventikel."