f000001,29.000,32.800,"Es war um mehrere Jahre später:" f000002,32.800,44.480,"In dem kleinen Hause Tede Haiens wohnte jetzt ein rüstiger Arbeiter mit Frau und Kind, der junge Deichgraf Hauke Haien saß mit seinem Weibe Elke Volkerts auf deren väterlicher Hofstelle." f000003,44.480,110.400,"Im Sommer rauschte die gewaltige Esche nach wie vor am Hause; aber auf der Bank, die jetzt darunterstand, sah man abends meist nur die junge Frau, einsam mit einer häuslichen Arbeit in den Händen; noch immer fehlte ein Kind in dieser Ehe; der Mann aber hatte anderes zu tun, als Feierabend vor der Tür zu halten, denn trotz seiner früheren Mithülfe lagen aus des Alten Amtsführung eine Menge unerledigter Dinge, an die auch er derzeit zu rühren nicht für gut gefunden hatte; jetzt aber mußte allmählich alles aus dem Wege; er fegte mit einem scharfen Besen. Dazu kam die Bewirtschaftung der durch seinen eigenen Landbesitz vergrößerten Stelle, bei der er gleichwohl den Kleinknecht noch zu sparen suchte; so sahen sich die beiden Eheleute, außer am Sonntag, wo Kirchgang gehalten wurde, meist nur bei dem von Hauke eilig besorgten Mittagessen und beim Auf und Niedergang des Tages; es war ein Leben fortgesetzter Arbeit, doch gleichwohl ein zufriedenes." f000004,110.400,114.000,"Dann kam ein störendes Wort in Umlauf." f000005,114.000,162.040,"Als von den jüngeren Besitzern der Marsch und Geestgemeinde eines Sonntags nach der Kirche ein etwas unruhiger Trupp im Kruge droben am Trunke festgeblieben war, redeten sie beim vierten oder fünften Glase zwar nicht über König und Regierung so hoch wurde damals noch nicht gegriffen , wohl aber über Kommunal und Oberbeamte, vor allem über Gemeindeabgaben und lasten, und je länger sie redeten, desto weniger fand davon Gnade vor ihren Augen, insonders nicht die neuen Deichlasten; alle Siele und Schleusen, die sonst immer gehalten hätten, seien jetzt reparaturbedürftig; am Deiche fänden sich immer neue Stellen, die Hunderte von Karren Erde nötig hätten; der Teufel möchte die Geschichte holen!" f000006,162.040,170.360,"Das kommt von eurem klugen Deichgrafen, rief einer von den Geestleuten, der immer grübeln geht und seine Finger dann in alles steckt!" f000007,170.360,191.480,"Ja, Marten, sagte Ole Peters, der dem Sprecher gegenübersaß; recht hast du, er ist hinterspinnig und sucht beim Oberdeichgraf sich 'nen weißen Fuß zu machen; aber wir haben ihn nun einmal! Warum habt ihr ihn euch aufhucken lassen? sagte der andre; nun müßt ihr's bar bezahlen." f000008,191.480,193.800,"Ole Peters lachte." f000009,193.800,205.240,"Ja, Marten Fedders, das ist nun so bei uns, und davon ist nichts abzukratzen; der alte wurde Deichgraf von seines Vaters, der neue von seines Weibes wegen." f000010,205.240,213.160,"Das Gelächter, das jetzt um den Tisch lief, zeigte, welchen Beifall das geprägte Wort gefunden hatte." f000011,213.160,223.880,"Aber es war an öffentlicher Wirtstafel gesprochen worden, es blieb nicht da, es lief bald um im Geest und unten in dem Marschdorf, so kam es auch an Hauke." f000012,223.880,234.400,"Und wieder ging vor seinem inneren Auge die Reihe übelwollender Gesichter vorüber, und noch höhnischer, als es gewesen war, hörte er das Gelächter an dem Wirtshaustische." f000013,234.400,242.000,"Hunde! schrie er, und seine Augen sahen grimmig zur Seite, als wolle er sie peitschen lassen." f000014,242.000,245.400,"Da legte Elke ihre Hand auf seinen Arm." f000015,245.400,248.600,"Laß sie; die wären alle gern, was du bist!" f000016,248.600,252.520,"Das ist es eben! entgegnete er grollend." f000017,252.520,257.960,"Und, fuhr sie fort, hat denn Ole Peters sich nicht selber eingefreit?" f000018,257.960,265.160,"Das hat er, Elke; aber was er mit Vollina freite, das reichte nicht zum Deichgrafen!" f000019,265.160,268.280,"Sag es lieber: er reichte nicht dazu!" f000020,268.280,276.920,"Und Elke drehte ihren Mann, so daß er sich im Spiegel sehen mußte, denn sie standen zwischen den Fenstern in ihrem Zimmer." f000021,276.920,285.160,"Da steht der Deichgraf! sagte sie; nun sieh ihn an; nur wer ein Amt regieren kann, der hat es!" f000022,285.160,289.600,"Du hast nicht unrecht, entgegnete er sinnend, und doch." f000023,289.600,294.720,"Nun, Elke; ich muß zur Osterschleuse, die Türen schließen wieder nicht!" f000024,294.720,299.960,"Sie drückte ihm die Hand: Komm, sieh mich erst einmal an!" f000025,299.960,303.120,"Was hast du, deine Augen sehen so ins Weite?" f000026,303.120,306.520,"Nichts, Elke, du hast ja recht." f000027,306.520,312.920,"Er ging; aber nicht lange war er gegangen, so war die Schleusenreparatur vergessen." f000028,312.920,329.000,"Ein anderer Gedanke, den er halb nur ausgedacht und seit Jahren mit sich umhergetragen hatte, der aber vor den drängenden Amtsgeschäften ganz zurückgetreten war, bemächtigte sich seiner jetzt aufs neue und mächtiger als je zuvor, als seien plötzlich die Flügel ihm gewachsen." f000029,329.000,358.840,"Kaum daß er es selber wußte, befand er sich oben auf dem Haffdeich, schon eine weite Strecke südwärts nach der Stadt zu; das Dorf, das nach dieser Seite hinauslag, war ihm zur Linken längst verschwunden; noch immer schritt er weiter, seine Augen unablässig nach der Seeseite auf das breite Vorland gerichtet; wäre jemand neben ihm gegangen, er hätte es sehen müssen, welche eindringliche Geistesarbeit hinter diesen Augen vorging." f000030,358.840,365.280,"Endlich blieb er stehen: das Vorland schwand hier zu einem schmalen Streifen an dem Deich zusammen." f000031,365.280,368.800,"Es muß gehen! sprach er bei sich selbst." f000032,368.800,410.200,"Sieben Jahr im Amt; sie sollen nicht mehr sagen, daß ich nur Deichgraf bin von meines Weibes wegen! Noch immer stand er, und seine Blicke schweiften scharf und bedächtig nach allen Seiten über das grüne Vorland; dann ging er zurück, bis wo auch hier ein schmaler Streifen grünen Weidelands die vor ihm liegende breite Landfläche ablöste. Hart an dem Deiche aber schoß ein starker Meeresstrom durch diese, der fast das ganze Vorland von dem Festlande trennte und zu einer Hallig machte; eine rohe Holzbrücke führte nach dort hinüber, damit man mit Vieh und Heu und Getreidewagen hinüber und wieder zurück gelangen könne." f000033,410.200,423.080,"Jetzt war es Ebbzeit, und die goldene Septembersonne glitzerte auf dem etwa hundert Schritte breiten Schlickstreifen und auf dem tiefen Priel in seiner Mitte, durch den auch jetzt das Meer noch seine Wasser trieb." f000034,423.080,448.640,"Das läßt sich dämmen! sprach Hauke bei sich selber, nachdem er diesem Spiele eine Zeitlang zugesehen; dann blickte er auf, und von dem Deiche, auf dem er stand, über den Priel hinweg, zog er in Gedanken eine Linie längs dem Rande des abgetrennten Landes, nach Süden herum und ostwärts wiederum zurück über die dortige Fortsetzung des Prieles und an den Deich heran." f000035,448.640,461.480,"Die Linie aber, welche er unsichtbar gezogen hatte, war ein neuer Deich, neu auch in der Konstruktion seines Profiles, welches bis jetzt nur noch in seinem Kopf vorhanden war." f000036,461.480,471.560,"Das gäbe einen Koog von zirka tausend Demat, sprach er lächelnd zu sich selber; nicht groß just; aber" f000037,471.560,518.480,"Eine andere Kalkulation überkam ihn: das Vorland gehörte hier der Gemeinde, ihren einzelnen Mitgliedern eine Zahl von Anteilen, je nach der Größe ihres Besitzes im Gemeindebezirk oder nach sonst zu Recht bestehender Erwerbung; er begann zusammenzuzählen, wieviel Anteile er von seinem, wie viele er von EIkes Vater überkommen und was an solchen er während seiner Ehe schon selbst gekauft hatte, teils in dem dunklen Gefühle eines künftigen Vorteils, teils bei Vermehrung seiner Schafzucht. Es war schon eine ansehnliche Menge; denn auch von Ole Peters hatte er dessen sämtliche Teile angekauft, da es diesem zum Verdruß geschlagen war, als bei einer teilweisen Überströmung ihm sein bester Schafbock ertrunken war." f000038,518.480,528.800,"Aber das war ein seltsamer Unfall gewesen, denn so weit Haukes Gedächtnis reichte, waren selbst bei hohen Fluten dort nur die Ränder überströmt worden." f000039,528.800,536.520,"Welch treffliches Weide und Kornland mußte es geben und von welchem Werte, wenn das alles von seinem neuen Deich umgeben war!" f000040,536.520,566.040,"Wie ein Rausch stieg es ihm ins Gehirn; aber er preßte die Nägel in seine Handflächen und zwang seine Augen, klar und nüchtern zu sehen, was dort vor ihm lag: eine große deichlose Fläche, wer wußt es, welchen Stürmen und Fluten schon in den nächsten Jahren preisgegeben, an deren äußerstem Rande jetzt ein Trupp von schmutzigen Schafen langsam grasend entlangwanderte, dazu für ihn ein Haufen Arbeit, Kampf und Ärger!" f000041,566.040,579.000,"Trotz alledem, als er vom Deich hinab und den Fußsteig über die Fennen auf seine Werfte zuging, ihm war's, als brächte er einen großen Schatz mit sich nach Hause." f000042,579.000,581.720,"Auf dem Flur trat Elke ihm entgegen." f000043,581.720,583.320,"Wie war es mit der Schleuse? frug sie." f000044,583.320,588.520,"Er sah mit geheimnisvollem Lächeln auf sie nieder." f000045,588.520,597.200,"Wir werden bald eine andere Schleuse brauchen, sagte er; und Sielen und einen neuen Deich!" f000046,597.200,634.000,"Ich versteh dich nicht, entgegnete Elke, während sie in das Zimmer gingen; was willst du, Hauke? Ich will, sagte er langsam und hielt dann einen Augenblick inne, ich will, daß das große Vorland, das unserer Hofstatt gegenüber beginnt und dann nach Westen ausgeht, zu einem festen Kooge eingedeicht werde: die hohen Fluten haben fast ein Menschenalter uns in Ruh gelassen; wenn aber eine von den schlimmen wiederkommt und den Anwachs stört, so kann mit einem Mal die ganze Herrlichkeit zu Ende sein; nur der alte Schlendrian hat das bis heut so lassen können!" f000047,634.000,636.480,"Sie sah ihn voll Erstaunen an." f000048,636.480,639.240,"So schiltst du dich ja selber! sagte sie." f000049,639.240,644.680,"Das tu ich, Elke; aber es war bisher auch soviel anderes zu beschaffen!" f000050,644.680,648.600,"Ja, Hauke; gewiß, du hast genug getan!" f000051,648.600,655.280,"Er hatte sich in den Lehnstuhl des alten Deichgrafen gesetzt, und seine Hände griffen fest um beide Lehnen." f000052,655.280,659.200,"Hast du denn guten Mut dazu? frug ihn sein Weib." f000053,659.200,662.600,"Das hab ich, Elke! sprach er hastig." f000054,662.600,670.840,"Sei nicht zu rasch, Hauke; das ist ein Werk auf Tod und Leben; und fast alle werden dir entgegen sein, man wird dir deine Müh und Sorg nicht danken!" f000055,670.840,673.120,"Er nickte." f000056,673.120,675.560,"Ich weiß! sagte er." f000057,675.560,686.480,"Und wenn es nun nicht gelänge! rief sie wieder, von Kindesbeinen an hab ich gehört, der Priel sei nicht zu stopfen, und darum dürfe nicht daran gerührt werden." f000058,686.480,701.120,"Das war ein Vorwand für die Faulen! sagte Hauke; weshalb denn sollte man den Priel nicht stopfen können? Das hört ich nicht; vielleicht, weil er gerade durchgeht; die Spülung ist zu stark." f000059,701.120,705.800,"Eine Erinnerung überkam sie, und ein fast schelmisches Lächeln brach aus ihren ernsten Augen." f000060,705.800,730.760,"Als ich Kind war, sprach sie, hörte ich einmal die Knechte darüber reden; sie meinten, wenn ein Damm dort halten solle, müsse was Lebigs da hineingeworfen und mit verdämmt werden; bei einem Deichbau auf der andern Seite, vor wohl hundert Jahren, sei ein Zigeunerkind verdämmet worden, das sie um schweres Geld der Mutter abgehandelt hätten; jetzt aber würde wohl keine ihr Kind verkaufen!" f000061,730.760,733.640,"Hauke schüttelte den Kopf" f000062,733.640,740.200,"Da ist es gut, daß wir keins haben, sie würden es sonst noch schier von uns verlangen!" f000063,740.200,746.320,"Sie sollten's nicht bekommen! sagte Elke und schlug wie in Angst die Arme über ihren Leib." f000064,746.320,750.080,"Und Hauke lächelte; doch sie frug noch einmal:" f000065,750.080,751.680,"Und die ungeheuren Kosten?" f000066,751.680,754.080,"Hast du das bedacht?" f000067,754.080,799.000,"Das hab ich, Elke; was wir dort herausbringen, wird sie bei weitem überholen, auch die Erhaltungskosten des alten Deiches gehen für ein gut Stück in dem neuen unter; wir arbeiten ja selbst und haben über achtzig Gespanne in der Gemeinde, und an jungen Fäusten ist hier auch kein Mangel. Du sollst mich wenigstens nicht umsonst zum Deichgrafen gemacht haben, Elke; ich will ihnen zeigen, daß ich einer bin! Sie hatte sich vor ihm niedergehuckt und ihn sorgvoll angeblickt; nun erhob sie sich mit einem Seufzer. Ich muß weiter zu meinem Tagewerk, sagte sie, und ihre Hand strich langsam über seine Wange; tu du das deine, Hauke! Amen, Elke! sprach er mit ernstem Lächeln;" f000068,799.000,803.360,"Arbeit ist für uns beide da!" f000069,803.360,809.160,"Und es war Arbeit genug für beide, die schwerste Last aber fiel jetzt auf des Mannes Schulter." f000070,809.160,849.440,"An Sonntagnachmittagen, oft auch nach Feierabend, saß Hauke mit einem tüchtigen Feldmesser zusammen, vertieft in Rechenaufgaben, Zeichnungen und Rissen; war er allein, dann ging es ebenso und endete oft weit nach Mitternacht. Dann schlich er in die gemeinsame Schlafkammer denn die dumpfen Wandbetten im Wohngemach wurden in Haukes Wirtschaft nicht mehr gebraucht , und sein Weib, damit er endlich nur zur Ruhe komme, lag wie schlafend mit geschlossenen Augen, obgleich sie mit klopfendem Herzen nur auf ihn gewartet hatte; dann küßte er mitunter ihre Stirn und sprach ein leises Liebeswort dabei, und legte sich selbst zum Schlafe, der ihm oft nur beim ersten Hahnenkraht zu Willen war. Im Wintersturm lief er auf den Deich hinaus, mit Bleistift und Papier in der Hand, und stand und zeichnete und notierte, während ein Windstoß ihm die Mütze vom Kopf riß und das lange, fahle Haar ihm um sein heißes Antlitz flog; bald fuhr er, solange nur das Eis ihm nicht den Weg versperrte, mit einem Knecht zu Boot ins Wattenmeer hinaus und maß dort mit Lot und Stange die Tiefen der Ströme, über die er noch nicht sicher war. Elke zitterte oft genug für ihn; aber war er wieder da, so hätte er das nur aus ihrem festen Händedruck oder dem leuchtenden Blitz aus ihren sonst so stillen Augen merken können. Geduld, Elke, sagte er, da ihm einmal war, als ob sein Weib ihn nicht lassen könne; ich muß erst selbst im reinen sein, bevor ich meinen Antrag stelle!" f000071,849.440,902.480,"Dann schlich er in die gemeinsame Schlafkammer denn die dumpfen Wandbetten im Wohngemach wurden in Haukes Wirtschaft nicht mehr gebraucht , und sein Weib, damit er endlich nur zur Ruhe komme, lag wie schlafend mit geschlossenen Augen, obgleich sie mit klopfendem Herzen nur auf ihn gewartet hatte; dann küßte er mitunter ihre Stirn und sprach ein leises Liebeswort dabei, und legte sich selbst zum Schlafe, der ihm oft nur beim ersten Hahnenkraht zu Willen war. Im Wintersturm lief er auf den Deich hinaus, mit Bleistift und Papier in der Hand, und stand und zeichnete und notierte, während ein Windstoß ihm die Mütze vom Kopf riß und das lange, fahle Haar ihm um sein heißes Antlitz flog; bald fuhr er, solange nur das Eis ihm nicht den Weg versperrte, mit einem Knecht zu Boot ins Wattenmeer hinaus und maß dort mit Lot und Stange die Tiefen der Ströme, über die er noch nicht sicher war. Elke zitterte oft genug für ihn; aber war er wieder da, so hätte er das nur aus ihrem festen Händedruck oder dem leuchtenden Blitz aus ihren sonst so stillen Augen merken können. Geduld, Elke, sagte er, da ihm einmal war, als ob sein Weib ihn nicht lassen könne; ich muß erst selbst im reinen sein, bevor ich meinen Antrag stelle!" f000072,902.480,907.560,"Da nickte sie und ließ ihn gehen." f000073,907.560,917.920,"Der Ritte in die Stadt zum Oberdeichgrafen wurden auch nicht wenige, und allem diesen und den Mühen in Haus und Landwirtschaft folgten immer wieder die Arbeiten in die Nacht hinein." f000074,917.920,926.400,"Sein Verkehr mit anderen Menschen außer in Arbeit und Geschäft verschwand fast ganz; selbst der mit seinem Weibe wurde immer weniger." f000075,926.400,932.440,"Es sind schlimme Zeiten, und sie werden noch lange dauern, sprach Elke bei sich selber und ging an ihre Arbeit." f000076,932.440,979.080,"Endlich, Sonne und Frühlingswinde hatten schon überall das Eis gebrochen, war auch die letzte Vorarbeit getan; die Eingabe an den Oberdeichgrafen zu Befürwortung an höherem Orte, enthaltend den Vorschlag einer Bedeichung des erwähnten Vorlandes, zur Förderung des öffentlichen Besten, insonders des Kooges wie nicht weniger der Herrschaftlichen Kasse, da höchstderselben in kurzen Jahren die Abgabe von zirka tausend Demat daraus erwachsen würden war sauber abgeschrieben und nebst anliegenden Rissen und Zeichnungen aller Lokalitäten, jetzt und künftig, der Schleusen und Siele und was noch sonst dazu gehörte, in ein festes Konvolut gepackt und mit dem deichgräflichen Amtssiegel versehen worden." f000077,979.080,985.640,"Da ist es, Elke, sagte der junge Deichgraf, nun gib ihm deinen Segen!" f000078,985.640,989.720,"Elke legte ihre Hand in seine." f000079,989.720,992.080,"Wir wollen fest zusammenhalten, sagte sie." f000080,992.080,998.560,"Das wollen wir." f000081,998.560,999.480,"Dann wurde die Eingabe durch einen reitenden Boten in die Stadt gesandt." f000082,999.480,1033.440,"Sie wollen bemerken, lieber Herr, unterbrach der Schulmeister seine Erzählung, mich freundlich mit seinen feinen Augen fixierend, daß ich das bisher Berichtete während meiner fast vierzigjährigen Wirksamkeit in diesem Kooge aus den Überlieferungen verständiger Leute oder aus Erzählungen der Enkel und Urenkel solcher zusammengefunden habe; was ich, damit Sie dieses mit dem endlichen Verlauf in Einklang zu bringen vermögen, Ihnen jetzt vorzutragen habe, das war derzeit und ist auch jetzt noch das Geschwätz des ganzen Marschdorfes, sobald nur um Allerheiligen die Spinnräder an zu schnurren fangen." f000083,1033.440,1056.440,"Von der Hofstelle des Deichgrafen, etwa fünf bis sechshundert Schritte weiter nordwärts, sah man derzeit, wenn man auf dem Deiche stand, ein paar tausend Schritt ins Wattenmeer hinaus und etwas weiter von dem gegenüberliegenden Marschufer entfernt eine kleine Hallig, die sie Jeverssand, auch Jevershallig nannten." f000084,1056.440,1077.960,"Von den derzeitigen Großvätern war sie noch zur Schafweide benutzt worden, denn Gras war damals noch darauf gewachsen; aber auch das hatte aufgehört, weil die niedrige Hallig ein paarmal, und just im Hochsommer, unter Seewasser gekommen und der Graswuchs dadurch verkümmert und auch zur Schafweide unnutzbar geworden war." f000085,1077.960,1095.680,"So kam es denn, daß außer von Möwen und den andern Vögeln, die am Strande fliegen, und etwa einmal von einem Fischadler, dort kein Besuch mehr stattfand; und an mondhellen Abenden sah man vom Deiche aus nur die Nebeldünste leichter oder schwerer darüber hinziehen." f000086,1095.680,1110.880,"Ein paar weißgebleichte Knochengerüste ertrunkener Schafe und das Gerippe eines Pferdes, von dem freilich niemand begriff, wie es dort hingekommen sei, wollte man, wenn der Mond von Osten auf die Hallig schien, dort auch erkennen können." f000087,1110.880,1130.360,"Es war zu Ende März, als an dieser Stelle nach Feierabend der Tagelöhner aus dem Tede Haienschen Hause und Iven Johns, der Knecht des jungen Deichgrafen, nebeneinanderstanden und unbeweglich nach der im trüben Mondduft kaum erkennbaren Hallig hinüberstarrten; etwas Auffälliges schien sie dort so festzuhalten." f000088,1130.360,1134.760,"Der Tagelöhner steckte die Hände in die Tasche und schüttelte sich." f000089,1134.760,1140.560,"Komm, Iven, sagte er, das ist nichts Gutes; laß uns nach Haus gehen!" f000090,1140.560,1142.960,"Der andere lachte, wenn auch ein Grauen bei ihm hindurchklang:" f000091,1142.960,1147.240,"Ei was, es ist eine lebige Kreatur, eine große!" f000092,1147.240,1149.720,"Wer, zum Teufel, hat sie nach dem Schlickstück hinaufgejagt!" f000093,1149.720,1154.000,"Sieh nur, nun reckt's den Hals zu uns hinüber!" f000094,1154.000,1156.760,"Nein, es senkt den Kopf, es frißt!" f000095,1156.760,1158.280,"Ich dächt, es wär dort nichts zu fressen!" f000096,1158.280,1161.280,"Was es nur sein mag?" f000097,1161.280,1164.040,"Was geht das uns an! entgegnete der andere." f000098,1164.040,1168.000,"Gute Nacht, Iven, wenn du nicht mitwillst; ich gehe nach Haus!" f000099,1168.000,1171.120,"Ja, ja; du hast ein Weib, du kommst ins warme Bett!" f000100,1171.120,1174.400,"Bei mir ist auch in meiner Kammer lauter Märzenluft!" f000101,1174.400,1181.040,"Gut Nacht denn!rief der Tagelöhner zurück, während er auf dem Deich nach Hause trabte." f000102,1181.040,1198.160,"Der Knecht sah sich ein paarmal nach dem Fortlaufenden um; aber die Begier, Unheimliches zu schauen, hielt ihn noch fest. Da kam eine untersetzte, dunkle Gestalt auf dem Deich vom Dorf her gegen ihn heran; es war der Dienstjunge des Deichgrafen." f000103,1198.160,1208.560,"Was willst du, Carsten? rief ihm der Knecht entgegen. nichts, sagte der Junge; aber unser Wirt will dich sprechen, Iven Johns!" f000104,1208.560,1212.520,"Der Knecht hatte die Augen schon wieder nach der Hallig." f000105,1212.520,1215.840,"Gleich; ich komme gleich! sagte er." f000106,1215.840,1219.920,"Wonach guckst du denn so? frug der junge." f000107,1219.920,1224.000,"Der Knecht hob den Arm und wies stumm nach der Hallig." f000108,1224.000,1234.600,"Oha! flüsterte der Junge; da geht ein Pferd ein Schimmel das muß der Teufel reiten wie kommt ein Pferd nach Jevershallig?" f000109,1234.600,1240.680,"Weiß nicht, Carsten, wenn's nur ein richtiges Pferd ist!" f000110,1240.680,1252.080,"Ja, ja, Iven; sieh nur, es frißt ganz wie ein Pferd! Aber wer hat's dahin gebracht; wir haben im Dorf so große Böte gar nicht! Vielleicht auch ist es nur ein Schaf;" f000111,1252.080,1258.440,"Peter Ohm sagt, im Mondschein wird aus zehn Torfringeln ein ganzes Dorf." f000112,1258.440,1258.920,"Nein, sieh!" f000113,1258.920,1261.760,"Nun springt es es muß doch ein Pferd sein!" f000114,1261.760,1270.480,"Beide standen eine Weile schweigend, die Augen nur nach dem gerichtet, was sie drüben undeutlich vor sich gehen sahen." f000115,1270.480,1281.480,"Der Mond stand hoch am Himmel und beschien das weite Wattenmeer, das eben in der steigenden Flut seine Wasser über die glitzernden Schlickflächen zu spülen begann." f000116,1281.480,1292.040,"Nur das leise Geräusch des Wassers, keine Tierstimme war in der ungeheueren Weite hier zu hören; auch in der Marsch, hinter dem Deiche, war es leer;" f000117,1292.040,1295.640,"Kühe und Rinder waren alle noch in den Ställen." f000118,1295.640,1304.920,"Nichts regte sich; nur was sie für ein Pferd, einen Schimmel, hielten, schien dort auf Jevershallig noch beweglich." f000119,1304.920,1311.240,"Es wird heller, unterbrach der Knecht die Stille, ich sehe deutlich die weißen Schafgerippe schimmern!" f000120,1311.240,1320.800,"Ich auch, sagte der Junge und reckte den Hals, dann aber, als komme es ihm plötzlich, zupfte er den Knecht am Ärmel." f000121,1320.800,1326.840,"Iven, raunte er, das Pferdsgerippe, das sonst dabeilag, wo ist es?" f000122,1326.840,1327.840,"Ich kann's nicht sehen!" f000123,1327.840,1330.160,"Ich seh es auch nicht!" f000124,1330.160,1332.200,"Seltsam! sagte der Knecht." f000125,1332.200,1334.760,"Nicht so seltsam, Iven!" f000126,1334.760,1341.120,"Mitunter, ich weiß nicht, in welchen Nächten, sollen die Knochen sich erheben und tun, als ob sie lebig wären!" f000127,1341.120,1345.840,"So? machte der Knecht; das ist ja Altweiberglaube!" f000128,1345.840,1350.440,"Kann sein, Iven, meinte der Junge." f000129,1350.440,1353.160,"Aber, ich mein, du sollst mich holen; komm, wir müssen nach Haus!" f000130,1353.160,1354.840,"Es bleibt hier immer doch dasselbe." f000131,1354.840,1362.040,"Der Junge war nicht fortzubringen, bis der Knecht ihn mit Gewalt herumgedreht und auf den Weg gebracht hatte." f000132,1362.040,1373.800,"Hör, Carsten, sagte dieser, als die gespensterhafte Hallig ihnen schon ein gut Stück im Rücken lag, du giltst ja für einen Allerweltsbengel; ich glaub, du möchtest das am liebsten selber untersuchen!" f000133,1373.800,1380.320,"Ja, entgegnete Carsten, nachträglich noch ein wenig schaudernd, ja, das möcht ich, Iven!" f000134,1380.320,1395.360,"Ist das dein Ernst? dann, sagte der Knecht, nachdem der Junge ihm nachdrücklich darauf die Hand geboten hatte, lösen wir morgen abend unser Boot; du fährst nach Jeverssand; ich bleib so lange auf dem Deiche stehen." f000135,1395.360,1397.200,"Ja, erwiderte der Junge, das geht!" f000136,1397.200,1398.480,"Ich nehme meine Peitsche mit!" f000137,1398.480,1399.600,"Tu das!" f000138,1399.600,1406.200,"Schweigend kamen sie an das Haus ihrer Herrschaft, zu dem sie langsam die hohe Werft hinanstiegen." f000139,1406.200,1418.200,"Um dieselbe Zeit des folgenden Abends saß der Knecht auf dem großen Steine vor der Stalltür, als der Junge, mit seiner Peitsche knallend, zu ihm kam." f000140,1418.200,1421.200,"Das pfeift ja wunderlich! sagte jener." f000141,1421.200,1426.640,"Freilich, nimm dich in acht, entgegnete der Junge; ich hab auch Nägel in die Schnur geflochten." f000142,1426.640,1429.360,"So komm! sagte der andere." f000143,1429.360,1435.000,"Der Mond stand, wie gestern, am Osthimmel und schien klar aus seiner Höhe." f000144,1435.000,1443.000,"Bald waren beide wieder draußen auf dem Deich und sahen hinüber nach Jevershallig, die wie ein Nebelfleck im Wasser stand." f000145,1443.000,1453.520,"Da geht es wieder, sagte der Knecht; nach Mittag war ich hier, da war's nicht da; aber ich sah deutlich das weiße Pferdsgerippe liegen!" f000146,1453.520,1456.480,"Der Junge reckte den Hals." f000147,1456.480,1460.840,"Das ist jetzt nicht da, Iven, flüsterte er." f000148,1460.840,1464.320,"Nun, Carsten, wie ist's? sagte der Knecht." f000149,1464.320,1466.520,"Juckt's dich noch, hinüberzufahren?" f000150,1466.520,1473.000,"Carsten besann sich einen Augenblick; dann klatschte er mit seiner Peitsche in die Luft." f000151,1473.000,1474.920,"Mach nur das Boot los, Iven!" f000152,1474.920,1482.800,"Drüben aber war es, als hebe, was dorten ging, den Hals und recke gegen das Festland hin den Kopf" f000153,1482.800,1490.360,"Sie sahen es nicht mehr; sie gingen schon den Deich hinab und bis zur Stelle, wo das Boot gelegen war." f000154,1490.360,1496.240,"Nun, steig nur ein! sagte der Knecht, nachdem er es losgebunden hatte." f000155,1496.240,1498.360,"Ich bleib, bis du zurück bist!" f000156,1498.360,1515.600,"Zu Osten mußt du anlegen; da hat man immer landen können! Und der Junge nickte schweigend und fuhr mit seiner Peitsche in die Mondnacht hinaus; der Knecht wanderte unterm Deich zurück und bestieg ihn wieder an der Stelle, wo sie vorhin gestanden hatten." f000157,1515.600,1528.120,"Bald sah er, wie drüben bei einer schroffen, dunkeln Stelle, an die ein breiter Priel hinanführte, das Boot sich beilegte und eine untersetzte Gestalt daraus ans Land sprang." f000158,1528.120,1532.080,"War's nicht, als klatschte der Junge mit seiner Peitsche?" f000159,1532.080,1535.640,"Aber es konnte auch das Geräusch der steigenden Flut sein." f000160,1535.640,1554.480,"Mehrere hundert Schritte nordwärts sah er, was sie für einen Schimmel angesehen hatten; und jetzt! ja, die Gestalt des Jungen kam gerade darauf zugegangen. Nun hob es den Kopf, als ob es stutze; und der Junge es war deutlich jetzt zu hören klatschte mit der Peitsche." f000161,1554.480,1556.760,"Aber was fiel ihm ein?" f000162,1556.760,1561.000,"Er kehrte um, er ging den Weg zurück, den er gekommen war." f000163,1561.000,1572.840,"Das drüben schien unablässig fortzuweiden, kein Wiehern war von dort zu hören gewesen; wie weiße Wasserstreifen schien es mitunter über die Erscheinung hinzuziehen." f000164,1572.840,1575.480,"Der Knecht sah wie gebannt hinüber." f000165,1575.480,1584.080,"Da hörte er das Anlegen des Bootes am diesseitigen Ufer, und bald sah er aus der Dämmerung den Jungen gegen sich am Deich heraufsteigen." f000166,1584.080,1587.160,"Nun, Carsten, frug er, was war es?" f000167,1587.160,1592.880,"Der Junge schüttelte den Kopf Nichts war es! sagte er." f000168,1592.880,1618.200,"Noch kurz vom Boot aus hatt ich es gesehen; dann aber, als ich auf der Hallig war weiß der Henker, wo sich das Tier verkrochen hatte, der Mond schien doch hell genug; aber als ich an die Stelle kam, war nichts da als die bleichen Knochen von einem halben Dutzend Schafen, und etwas weiter lag auch das Pferdsgerippe mit seinem weißen, langen Schädel und ließ den Mond in seine leeren Augenhöhlen scheinen!" f000169,1618.200,1624.120,"Hm! meinte der Knecht; hast auch recht zugesehen?" f000170,1624.120,1637.120,"Ja, Iven, ich stand dabei; ein gottvergessener Kiewiet, der hinter dem Gerippe sich zur Nachtruh hingeduckt hatte, flog schreiend auf, daß ich erschrak und ein paarmal mit der Peitsche hintennach klatschte." f000171,1637.120,1639.760,"Und das war alles?" f000172,1639.760,1642.520,"Ja, Iven; ich weiß nicht mehr." f000173,1642.520,1650.400,"Es ist auch genug, sagte der Knecht, zog den Jungen am Arm zu sich heran und wies hinüber nach der Hallig." f000174,1650.400,1653.160,"Dort, siehst du etwas, Carsten?" f000175,1653.160,1657.000,"Wahrhaftig, da geht's ja wieder!" f000176,1657.000,1675.840,"Wieder? sagte der Knecht; ich hab die ganze Zeit hinübergeschaut, aber es ist gar nicht fortgewesen; du gingst ja gerade auf das Unwesen los! Der Junge starrte ihn an; ein Entsetzen lag plötzlich auf seinem sonst so kecken Angesicht, das auch dem Knechte nicht entging." f000177,1675.840,1686.360,"Komm! sagte dieser, wir wollen nach Haus: von hier aus geht's wie lebig, und drüben liegen nur die Knochen das ist mehr, als du und ich begreifen können." f000178,1686.360,1690.720,"Schweig aber still davon, man darf dergleichen nicht verreden!" f000179,1690.720,1701.400,"So wandten sie sich, und der Junge trabte neben ihm; sie sprachen nicht, und die Marsch lag in lautlosem Schweigen an ihrer Seite." f000180,1701.400,1707.440,"Nachdem aber der Mond zurückgegangen und die Nächte dunkel geworden waren, geschah ein anderes." f000181,1707.440,1716.000,"Hauke Haien war zur Zeit des Pferdemarktes in die Stadt geritten, ohne jedoch mit diesem dort zu tun zu haben." f000182,1716.000,1731.880,"Gleichwohl, da er gegen Abend heimkam, brachte er ein zweites Pferd mit sich nach Hause; aber es war rauhhaarig und mager, daß man jede Rippe zählen konnte, und die Augen lagen ihm matt und eingefallen in den Schädelhöhlen." f000183,1731.880,1736.360,"Elke war vor die Haustür getreten, um ihren Eheliebsten zu empfangen." f000184,1736.360,1740.400,"Hilf Himmel! rief sie, was soll uns der alte Schimmel?" f000185,1740.400,1748.440,"Denn da Hauke mit ihm vor das Haus geritten kam und unter der Esche hielt, hatte sie gesehen, daß die arme Kreatur auch lahme." f000186,1748.440,1753.880,"Der junge Deichgraf aber sprang lachend von seinem braunen Wallach:" f000187,1753.880,1757.040,"Laß nur, Elke; es kostet auch nicht viel!" f000188,1757.040,1764.760,"Die kluge Frau erwiderte: Du weißt doch, das Wohlfeilste ist auch meist das Teuerste." f000189,1764.760,1779.160,"Aber nicht immer, Elke; das Tier ist höchstens vier Jahr alt; sieh es dir nur genauer an! Es ist verhungert und mißhandelt; da soll ihm unser Hafer guttun; ich werd es selbst versorgen, damit sie mir's nicht überfüttern." f000190,1779.160,1786.440,"Das Tier stand indessen mit gesenktem Kopf, die Mähnen hingen lang am Hals herunter." f000191,1786.440,1794.920,"Frau Elke, während ihr Mann nach den Knechten rief, ging betrachtend um dasselbe herum; aber sie schüttelte den Kopf:" f000192,1794.920,1798.120,"So eins ist noch nie in unserm Stall gewesen!" f000193,1798.120,1805.000,"Als jetzt der Dienstjunge um die Hausecke kam, blieb er plötzlich mit erschrocknen Augen stehen." f000194,1805.000,1810.400,"Nun, Carsten, rief der Deichgraf, was fährt dir in die Knochen?" f000195,1810.400,1811.800,"Gefällt dir mein Schimmel nicht?" f000196,1811.800,1815.440,"Ja o ja, uns' Weert, warum denn nicht!" f000197,1815.440,1821.080,"So bring die Tiere in den Stall, gib ihnen kein Futter; ich komme gleich selber hin!" f000198,1821.080,1832.280,"Der Junge faßte mit Vorsicht den Halfter des Schimmels und griff dann hastig, wie zum Schutze, nach dem Zügel des ihm ebenfalls vertrauten Wallachs." f000199,1832.280,1849.080,"Hauke aber ging mit seinem Weibe in das Zimmer; ein Warmbier hatte sie für ihn bereit, und Brot und Butter waren auch zur Stelle. Er war bald gesättigt; dann stand er auf und ging mit seiner Frau im Zimmer auf und ab." f000200,1849.080,1856.640,"Laß dir erzählen, Elke, sagte er, während der Abendschein auf den Kacheln an den Wänden spielte, wie ich zu dem Tier gekommen bin:" f000201,1856.640,1873.560,"Ich war wohl eine Stunde beim Oberdeichgrafen gewesen; er hatte gute Kunde für mich es wird wohl dies und jenes anders werden als in meinen Rissen; aber die Hauptsache, mein Profil, ist akzeptiert, und schon in den nächsten Tagen kann der Befehl zum neuen Deichbau dasein!" f000202,1873.560,1877.280,"Elke seufzte unwillkürlich." f000203,1877.280,1879.920,"Also doch? sagte sie sorgenvoll." f000204,1879.920,1908.240,"Ja, Frau, entgegnete Hauke; hart wird's hergehen; aber dazu, denk ich, hat der Herrgott uns zusammengebracht! Unsere Wirtschaft ist jetzt so gut in Ordnung; ein groß Teil kannst du schon auf deine Schultern nehmen; denk nur um zehn Jahr weiter dann stehen wir vor einem andern Besitz. Sie hatte bei seinen ersten Worten die Hand ihres Mannes versichernd in die ihrigen gepreßt; seine letzten Worte konnten sie nicht erfreuen." f000205,1908.240,1911.160,"Für wen soll der Besitz? sagte sie." f000206,1911.160,1923.880,"Du müßtest denn ein ander Weib nehmen; ich bring dir keine Kinder. Tränen schossen ihr in die Augen; aber er zog sie fest in seine Arme. Das überlassen wir dem Herrgott, sagte er;" f000207,1923.880,1930.160,"Jetzt aber und auch dann noch sind wir jung genug, um uns der Früchte unserer Arbeit selbst zu freuen." f000208,1930.160,1935.440,"Sie sah ihn lange, während er sie hielt, aus ihren dunkeln Augen an." f000209,1935.440,1941.280,"Verzeih, Hauke, sprach sie; ich bin mitunter ein verzagt Weib!" f000210,1941.280,1945.680,"Er neigte sich zu ihrem Antlitz und küßte sie:" f000211,1945.680,1949.000,"Du bist mein Weib und ich dein Mann, Elke!" f000212,1949.000,1951.080,"Und anders wird es nun nicht mehr." f000213,1951.080,1955.440,"Da legte sie die Arme fest um seinen Nacken:" f000214,1955.440,1960.160,"Du hast recht, Hauke, und was kommt, kommt für uns beide." f000215,1960.160,1963.640,"Dann löste sie sich errötend von ihm." f000216,1963.640,1967.400,"Du wolltest von dem Schimmel mir erzählen, sagte sie leise." f000217,1967.400,1970.240,"Das wollt ich, Elke." f000218,1970.240,2006.520,"Ich sagte dir schon, mir war Kopf und Herz voll Freude über die gute Nachricht, die der Oberdeichgraf mir gegeben hatte; so ritt ich eben wieder aus der Stadt hinaus, da, auf dem Damm, hinter dem Hafen, begegnet' mir ein ruppiger Kerl; ich wußt nicht, war's ein Vagabund, ein Kesselflicker oder was denn sonst. Der Kerl zog den Schimmel am Halfter hinter sich; das Tier aber hob den Kopf und sah mich aus blöden Augen an; mir war's, als ob es mich um etwas bitten wolle; ich war ja auch in diesem Augenblicke reich genug." f000219,2006.520,2011.360,"He, Landsmann! rief ich, wo wollt Ihr mit der Kracke hin?" f000220,2011.360,2014.720,"Der Kerl blieb stehen und der Schimmel auch." f000221,2014.720,2018.400,"Verkaufen! sagte jener und nickte mir listig zu." f000222,2018.400,2021.480,"Nur nicht an mich! rief ich lustig." f000223,2021.480,2028.160,"Ich denke doch! sagte er; das ist ein wacker Pferd und unter hundert Talern nicht bezahlt." f000224,2028.160,2030.520,"Ich lachte ihm ins Gesicht." f000225,2030.520,2034.120,"Nun, sagte er, lacht nicht so hart;" f000226,2034.120,2035.960,"Ihr sollt's mir ja nicht zahlen!" f000227,2035.960,2042.360,"Aber ich kann's nicht brauchen, bei mir verkommt's; es würd bei Euch bald ander Ansehen haben!" f000228,2042.360,2049.880,"Da sprang ich von meinem Wallach und sah dem Schimmel ins Maul und sah wohl, es war noch ein junges Tier." f000229,2049.880,2056.200,"Was soll's denn kosten? rief ich, da auch das Pferd mich wiederum wie bittend ansah." f000230,2056.200,2063.240,"Herr, nehmt's für dreißig Taler! sagte der Kerl, und den Halfter geb ich Euch darein!" f000231,2063.240,2071.400,"Und da, Frau, hab ich dem Burschen in die dargebotne braune Hand, die fast wie eine Klaue aussah, eingeschlagen." f000232,2071.400,2075.880,"So haben wir den Schimmel, und ich denk auch, wohlfeil genug!" f000233,2075.880,2091.280,"Wunderlich nur war es, als ich mit den Pferden wegritt, hört ich bald hinter mir ein Lachen, und als ich den Kopf wandte, sah ich den Slowaken, der stand noch sperrbeinig, die Arme auf dem Rücken, und lachte wie ein Teufel hinter mir drein." f000234,2091.280,2098.840,"Pfui, rief Elke, wenn der Schimmel nur nichts von seinem alten Herrn dir zubringt!" f000235,2098.840,2100.920,"Mög er dir gedeihen, Hauke!" f000236,2100.920,2105.800,"Er selber soll es wenigstens, soweit ich's leisten kann!" f000237,2105.800,2111.440,"Und der Deichgraf ging in den Stall, wie er vorhin dem Jungen es gesagt hatte." f000238,2111.440,2141.840,"Aber nicht allein an jenem Abend fütterte er den Schimmel, er tat es fortan immer selbst und ließ kein Auge von dem Tiere; er wollte zeigen, daß er einen Priesterhandel gemacht habe; jedenfalls sollte nichts versehen werden. Und schon nach wenig Wochen hob sich die Haltung des Tieres; allmählich verschwanden die rauhen Haare; ein blankes, blaugeapfeltes Fell kam zum Vorschein, und da er es eines Tages auf der Hofstatt umherführte, schritt es schlank auf seinen festen Beinen." f000239,2141.840,2146.640,"Hauke dachte des abenteuerlichen Verkäufers." f000240,2146.640,2152.320,"Der Kerl war ein Narr oder ein Schuft, der es gestohlen hatte! murmelte er bei sich selber." f000241,2152.320,2211.800,"Bald auch, wenn das Pferd im Stall nur seine Schritte hörte, warf es den Kopf herum und wieherte ihm entgegen; nun sah er auch, es hatte, was die Araber verlangen, ein fleischlos Angesicht; draus blitzten ein Paar feurige braune Augen. Dann führte er es aus dem Stall und legte ihm einen leichten Sattel auf; aber kaum saß er droben, so fuhr dem Tier ein Wiehern wie ein Lustschrei aus der Kehle; es flog mit ihm davon, die Werfte hinab auf den Weg und dann dem Deiche zu; doch der Reiter saß fest, und als sie oben waren, ging es ruhiger, leicht, wie tanzend, und warf den Kopf dem Meere zu. Er klopfte und streichelte ihm den blanken Hals, aber es bedurfte dieser Liebkosung schon nicht mehr; das Pferd schien völlig eins mit seinem Reiter, und nachdem er eine Strecke nordwärts den Deich hinausgeritten war, wandte er es leicht und gelangte wieder an die Hofstatt." f000242,2211.800,2219.040,"Die Knechte standen unten an der Auffahrt und warteten der Rückkunft ihres Wirtes." f000243,2219.040,2245.560,"So, John, rief dieser, indem er von seinem Pferde sprang, nun reite du es in die Fenne zu den andern; es trägt dich wie in einer Wiege! Der Schimmel schüttelte den Kopf und wieherte laut in die sonnige Marschlandschaft hinaus, während ihm der Knecht den Sattel abschnallte und der Junge damit zur Geschirrkammer lief; dann legte er den Kopf auf seines Herrn Schulter und duldete behaglich dessen Liebkosung." f000244,2245.560,2256.960,"Als aber der Knecht sich jetzt auf seinen Rücken schwingen wollte, sprang er mit einem jähen Satz zur Seite und stand dann wieder unbeweglich, die schönen Augen auf seinen Herrn gerichtet." f000245,2256.960,2266.120,"Hoho, Iven, rief dieser, hat er dir Leids getan? und suchte seinem Knecht vom Boden aufzuhelfen." f000246,2266.120,2269.840,"Der rieb sich eifrig an der Hüfte." f000247,2269.840,2274.840,"Nein, Herr, es geht noch; aber den Schimmel reit der Teufel!" f000248,2274.840,2278.680,"Und ich! setzte Hauke lachend hinzu." f000249,2278.680,2281.640,"So bring ihn am Zügel in die Fenne!" f000250,2281.640,2287.840,"Und als der Knecht etwas beschämt gehorchte, ließ sich der Schimmel ruhig von ihm führen." f000251,2287.840,2324.680,"Einige Abende später standen Knecht und Junge miteinander vor der Stalltür; hinterm Deiche war das Abendrot erloschen, innerhalb desselben war schon der Koog von tiefer Dämmerung überwallt; nur selten kam aus der Ferne das Gebrüll eines aufgestörten Rindes oder der Schrei einer Lerche, deren Leben unter dem Überfall eines Wiesels oder einer Wasserratte endete. Der Knecht lehnte gegen den Türpfosten und rauchte aus einer kurzen Pfeife, deren Rauch er schon nicht mehr sehen konnte; gesprochen hatten er und der Junge noch nicht zusammen." f000252,2324.680,2332.040,"Dem letzteren aber drückte etwas auf die Seele, er wußte nur nicht, wie er dem schweigsamen Knechte ankommen sollte." f000253,2332.040,2339.240,"Du, Iven! sagte er endlich, weißt du, das Pferdsgeripp auf Jeverssand!" f000254,2339.240,2342.680,"Was ist damit? frug der Knecht." f000255,2342.680,2345.200,"Ja, Iven, was ist damit?" f000256,2345.200,2352.920,"Es ist gar nicht mehr da; weder Tages noch bei Mondschein; wohl zwanzigmal bin ich auf den Deich hinausgelaufen!" f000257,2352.920,2358.560,"Die alten Knochen sind wohl zusammengepoltert? sagte Iven und rauchte ruhig weiter." f000258,2358.560,2364.520,"Aber ich war auch bei Mondschein draußen, es geht auch drüben nichts auf Jeverssand!" f000259,2364.520,2371.800,"Ja, sagte der Knecht, sind die Knochen auseinandergefallen, so wird's wohl nicht mehr aufstehen können!" f000260,2371.800,2374.240,"Mach keinen Spaß, Iven!" f000261,2374.240,2377.560,"Ich weiß jetzt; ich kann dir sagen, wo es ist!" f000262,2377.560,2381.840,"Der Knecht drehte sich jäh zu ihm." f000263,2381.840,2383.880,"Nun, wo ist es denn?" f000264,2383.880,2387.120,"Wo? wiederholte der Junge nachdrücklich." f000265,2387.120,2398.520,"Es steht in unserem Stall; da steht's, seit es nicht mehr auf der Hallig ist. Es ist auch nicht umsonst, daß der Wirt es allzeit selber füttert; ich weiß Bescheid, Iven!" f000266,2398.520,2404.080,"Der Knecht paffte eine Weile heftig in die Nacht hinaus." f000267,2404.080,2409.240,"Du bist nicht klug, Carsten, sagte er dann; unser Schimmel?" f000268,2409.240,2412.960,"Wenn je ein Pferd ein lebigs war, so ist es der!" f000269,2412.960,2417.760,"Wie kann so ein Allerweltsjunge wie du in solch AltemWeiberGlauben sitzen!" f000270,2417.760,2426.400,"Aber der Junge war nicht zu bekehren: wenn der Teufel in dem Schimmel steckte, warum sollte er dann nicht lebendig sein?" f000271,2426.400,2429.640,"Im Gegenteil, um desto schlimmer!" f000272,2429.640,2441.280,"Er fuhr jedesmal erschreckt zusammen, wenn er gegen Abend den Stall betrat, in dem auch sommers das Tier mitunter eingestellt wurde, und es dann den feurigen Kopf so jäh nach ihm herumwarf." f000273,2441.280,2447.040,"Hol's der Teufel! brummte er dann; wir bleiben auch nicht lange mehr zusammen!" f000274,2447.040,2457.120,"So tat er sich denn heimlich nach einem neuen Dienste um, kündigte und trat um Allerheiligen als Knecht bei Ole Peters ein." f000275,2457.120,2483.240,"Hier fand er andächtige Zuhörer für seine Geschichte von dem Teufelspferd des Deichgrafen; die dicke Frau Vollina und deren geistesstumpfer Vater, der frühere Deichgevollmächtigte Jeß Harders, hörten in behaglichem Gruseln zu und erzählten sie später allen, die gegen den Deichgrafen einen Groll im Herzen oder die an derart Dingen ihr Gefallen hatten."