Mishnah Moed Katan
משנה מועד קטן
Mischnajot mit deutscher Übersetzung und Erklärung. Berlin 1887-1933 [de]
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Mishnah Moed Katan
Chapter 1
Rieselboden bewässert man am Feste und im siebenten Jahre sowohl aus einer Quelle, die neu hervorgetreten, als aus einer Quelle, die nicht erst neu hervorgetreten ist; aber man bewässere weder mit Regenwasser noch mit dem Wasser eines Ziehbrunnens und mache keine Furchen um die Weinstöcke.
Rabbi El‘azar ben ‘Azarja sagt: Man darf am Feste und im siebenten Jahre keinen Wasserarm neu herrichten; die Weisen aber sagen: Man darf einen Wasserarm im siebenten Jahre neu herrichten und die verdorbenen am Feste instand setzen. Man darf die beschädigten Wasserrinnen auf öffentlichem Gebiete ausbessern und sie ausbaggern; Wege, Plätze und Wasserbehälter setzt man instand, erledigt alle öffentlichen Angelegenheiten, bezeichnet die Gräber und veranstaltet auch Streifzüge wegen der gemischten Arten.
Rabbi Eli‘ezer ben Ja‘akob sagt: Man leitet das Wasser von Baum zu Baum, nur darf man nicht das ganze Feld bewässern; Saaten, die vor dem Feste kein Wasser bekamen, bewässere man nicht am Feste. Die Weisen aber gestalten das eine wie das andere.
Man fängt den Maulwurf und die Mäuse aus einem Obstfelde und aus einem weissen Felde auf ungewöhnliche Art am Feste und im siebenten Jahre. Die Weisen sagen: Aus einem Baumfelde in der üblichen Weise, aus einem weissen Felde auf ungewöhnliche Art. Eine Lücke darf man am Feste vorbohlen; im siebenten Jahre vermauert man sie in gewohnter Weise.
Rabbi Meïr sagt: Man beschaut die Ausschläge am Feste, um zu erleichtern, aber nicht, um zu erschweren; die Weisen aber sagen: weder zu erleichtern, noch zu erschweren. Ferner sagte Rabbi Meïr: Es darf jemand die Gebeine des Vaters und der Mutter sammeln, weil es ihm eine Freude ist; Rabbi Josê aber meint, es bedeutet ihm Trauer. Man veranstalte keine Gedenkfeier und keine Totenklage für seine Dahingeschiedenen dreissig Tage vor einem Freudenfeste.
Man gräbt nicht Nischen und Grüfte am Feste, aber man vervollkommnet die Nischen am Feste, macht auch eine Grube am Feste und einen Sarg beim Toten im Hofe. Rabbi Juda verbietet dies, es sei denn, dass er Bretter hat.
Man darf am Feste keine Frauen heimführen, weder Jungfrauen noch Witwen, auch die Schwagerehe nicht vollziehen, weil es eine Freude ist, wohl aber seine geschiedene Frau wiederheiraten. Eine Frau darf ihre Schönheitsmittel am Feste bereiten; Rabbi Juda sagt: Sie soll nicht Kalk auflegen, weil es eine Entstellung für sie ist.
Der Ungeübte näht in seiner gewöhnlichen Art, der Handwerker mit ungleichen Stichen. Betten darf man flechten; Rabbi Josê sagt: Nur spannen.
Man darf einen Ofen, einen Herd oder eine Mühle am Feste aufstellen; R. Juda sagt: Man darf die Mühlsteine nicht zum ersten Male hämmern.
Man macht einem Dache oder einem Gange in kunstloser Weise ein Geländer, aber nicht in handwerksmässiger Art. Man verklebt Spalten und verstreicht sie mittels einer Walze mit der Hand oder mit dem Fusse, jedoch nicht mit der Kelle. Sind Türangel, Türband, Balken, Schloss oder Schlüssel zerbrochen, darf man sie am Feste instand setzen, nur darf man seine Arbeit nicht auf das Fest ansetzen. Und alles Einzulegende, von dem man am Feste essen kann, darf man einlegen.
Chapter 2
Wer seine Ölbeeren umgerührt hatte, dann aber von einem Trauer- oder sonst einem Unfall betroffen oder von den Arbeitern irregeführt ward, legt den ersten Balken auf und lässt ihn bis nach dem Feste liegen. So die Worte des Rabbi Juda; Rabbi Josê sagt: Er giesst vollends aus und verspundet in seiner gewöhnlichen Weise.
Desgleichen darf derjenige, der seinen Wein schon in der Grube hatte, dann aber von einem Trauer- oder sonst einem Unfall betroffen oder von den Arbeitern irregeführt ward, in seiner gewöhnlichen Weise vollends aussgiessen und verspunden. So die Worte des Rabbi Josê; Rabbi Juda sagt: Man macht ihm ein Brettergefüge, damit er nicht sauer werde.
Man darf seine Früchte wegen der Diebe einführen und seinen Flachs, damit er nicht zu Grunde gehe, aus dem Wasserbade ziehen; nur darf man seine Arbeit nicht auf das Fest ansetzen. Und alle diese Dinge mögen, wenn man seine Arbeit auf das Fest angesetzt hat, zugrunde gehen.
Man kaufe Häuser, Sklaven und Vieh nur für den Festbedarf oder dem Verkäufer zuliebe, der sonst nicht zu essen hätte. Man räume nicht von einem Haus ins andere, darf aber in seinen Hof räumen. Man hole keine Geräte aus dem Hause des Handwerkers; wenn man für sie fürchtet, schaffe man sie in einen andern Hof.
Man darf die Feigenkuchen mit Stroh zudecken. Rabbi Juda sagt: Auch verdichten. Verkäufer von Früchten, Kleidung und Geräten verkaufen unauffällig für den Festbedarf. Jäger, Griessmüller und Gräupler arbeiten unauffällig für den Festbedarf. Rabbi Josê sagt: Sie haben sich selbst eine Erschwerung auferlegt.
Chapter 3
Die folgenden Personen dürfen am Feste sich scheren: Wer aus einer überseeischen Gegend oder aus der Gefangenschaft heimkehrt, wer den Kerker verlässt, ein Bannbeladener, den die Rabbinen befreit haben, desgleichen wer sich bei einem Gelehrten losbittet und befreit wird, der Nazîr und der Aussätzige beim Übergang von seiner Unreinheit zu seiner Reinheit.
Und für die folgenden darf man am Feste waschen: für jemand, der aus einer überseeischen Gegend oder aus der Gefangenschaft heimkehrt, oder den Kerker verlässt, für den Bannbeladenen, den die Rabbinen befreit haben, desgleichen für den, der sich bei einem Gelehrten losbittet und befreit wird; ferner Handtücher, Barbiertücher und Badetücher. Für Samenflüssige, Blutflüssige. Menstruierende, Wöchnerinnen und alle, die aus Unreinheit zur Reinheit emporsteigen, ist es gestattet, für jeden andern ist es verboten.
Das Folgende darf man am Feste schreiben: Trauungsurkunden. und Scheidebriefe Quittungen und Vermächtnisse, Schenkungen und Verjährungsunterbrechungen, Schätzungsbriefe und Verpflegungsbriefe, Bescheinigungen über die Befreiung von der Schwagerehe und über Ablehnungen, Schiedsverträge, gerichtliche Entscheidungen und Briefe des Beliebens.
Man schreibt keine Schuldscheine am Feste; wenn er ihm nicht traut, oder wenn man nicht zu essen hat, darf man sie schreiben. Man schreibt keine Bücher, T’fillin oder Pfostenschriften am Feste und verbessert auch nicht einen Buchstaben, nicht einmal im Buche der Tempelhalle. Rabbi Juda sagt: Man darf T’fillin und Pfostenschriften für den eigenen Bedarf schreiben und auf seiner Hüfte die purpurblaue Schnur für seine Quaste spinnen.
Wenn jemand seinen Toten drei Tage vor einem Freudenfest beerdigt hat, ist für ihn die Satzung über die sieben Tage aufgehoben; sind es acht, ist für ihn die Satzung über die dreissig Tage ausser Kraft. Denn sie haben gesagt: Der Schabbat zählt mit, bricht aber nicht ab, die Freudenfeste brechen ab, zählen aber nicht mit.
Rabbi Eli‘ezer sagt: Seit das heilige Haus zerstört wurde, ist das Wochenfest dem Schabbat gleich. Rabban Gamliel dagegen sagt: Der Neujahrs- und der Versöhnungstag sind den Freudenfesten gleich. Die Weisen aber sagen: Weder ist’s nach den Worten des einen noch nach den Worten des andern; vielmehr ist das Wochenfest gleich den Freudenfesten, der Neujahrs- und der Versöhnungstag wie der Schabbat.
Den Riss, die Entblössung und die Labung beschränkt man auf die Angehörigen des Verstorbenen. Auch erfolgt die Labung nur auf aufrechten Ruhebetten. Man trägt ins Trauerhaus weder auf einer Schale noch auf einem Untersatz, noch in einer Schüssel, sondern in Körben. Man spricht nicht den Trauersegen am Feste, aber man stellt sich in einer Reihe auf, spricht ein Wort des Trostes und verabschiedet die Versammlung.
Man stellt die Bahre nicht auf der Strasse hin, um keine Totenklage herbeizuführen; bei Frauen auch sonst nicht aus Gründen der Ehrerbietung. Die Frauen dürfen am Feste Klagelieder singen, sich aber nicht an die Brust schlagen. Rabbi Ismael sagt: die der Bahre zunächst stehenden dürfen an die Brust schlagen.
An Neumondstagen, am Weihefeste und an Purim dürfen sie Klagelieder singen und an die Brust schlagen, aber hier wie dort keinen Wechselgesang anstimmen. Ist der Tote bestattet, dürfen sie weder singen noch an die Brust schlagen. Wie ist der Klagegesang? Es singen alle zugleich. Wie der Wechselgesang? Es trägt die eine vor, und die anderen setzen nach ihr ein. So heisst es: Und lehret eure Töchter ein Klagelied und eine Frau die andere den Wechselgesang. Aber von einer Zeit, die kommen wird, heisst es: Er vernichtet den Tod auf immer, und Gott, der Ewige, wischt die Tränen von jedem Antlitz, und die Schmach seines Volkes wird er von der ganzen Erde entfernen, denn der Ewige hat es verheissen.